Google
This ıs a digital copy of a book that was preserved for generations on library shelves before ıt was carefully scanned by Google as part of a project
to make the world’s books discoverable online.
It has survived long enough for the copyright to expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject
to copyright or whose legal copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books
are our gateways to the past, representing a wealth of history, culture and knowledge that’s often difficult to discover.
Marks, notations and other marginalia present in the original volume will appear ın this file - a reminder of this book’s long journey from the
publisher to a library and finally to you.
Usage guidelines
Google ıs proud to partner with lıbraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. Public domain books belong to the
public and we are merely their custodians. Nevertheless, this work is expensive, so in order to keep providing this resource, we have taken steps to
prevent abuse by commercial parties, including placing technical restrictions on automated querying.
We also ask that you:
+ Make non-commercial use of the files We designed Google Book Search for use by individuals, and we request that you use these files for
personal, non-commercial purposes.
+ Refrain from automated querying Do not send automated queries of any sort to Google’s system: If you are conducting research on machine
translation, optical character recognition or other areas where access to a large amount of text ıs helpful, please contact us. We encourage the
use of public domain materials for these purposes and may be able to help.
+ Maintain attribution The Google “watermark” you see on each file is essential for informing people about this project and helping them find
additional materials through Google Book Search. Please do not remove it.
+ Keep it legal Whatever your use, remember that you are responsible for ensuring that what you are doing is legal. Do not assume that just
because we believe a book is in the public domain for users in the United States, that the work is also in the public domain for users ın other
countries. Whether a book is still in copyright varies from country to country, and we can’t offer guidance on whether any specific use of
any specific book is allowed. Please do not assume that a book’s appearance ın Google Book Search means it can be used in any manner
anywhere in the world. Copyright infringement liability can be quite severe.
About Google Book Search
Google’s mission is to organıze the world’s information and to make it universally accessible and useful. Google Book Search helps readers
discover the world’s books while helping authors and publishers reach new audiences. You can search through the full text of this book on the web
atihttp: //books.gooqle.com/
—
BOUGHT WITH
THE INCOME, FROM
THE BEQUEST OF
CHARLES MINOT,
OF SOMERVILLE,
(Class of 1828,)
AUG 30 1880
—
Gefſchichte
curopaͤiſchen Staaten.
Herausgegeben
von
4.98% Heeren und F. A. Ukert.
Geſchichte der Teutſchen,
von
J. G. Pfiſter.
Dritter Band.
/
I Hamburg, 1831.
Bei Friedrich Perthes.
Y 3104
AUGSUlEBU . en
0 Mine act
Geſchichte
| der
Teutſchen.
Nach den Quellen |
von
3 C. Pfilter,
Doctor der Philofophle, Pfarrer zu Unter » Zürkheim bei Stuttgart,
‚Mitglied mehrerer gelehrten Geſellſchaften.
Dritter Band,
Bon der Herftellung des Reiche nach den Hohen
Staufen bis zu Kailer Marimiliand L Tod.
Mit Könige. Würtembergifchem Privilegium gegen ben Rachdruck.
Hamburg, 1831.
Bei Friedrich Perthes.
—X 310.9
„Quam et qualem horum potentiam principum, quam formidabi-
lem, quam terribilem putas, si uno in loco se ostenderit!‘
Aeneas Syloius, A. 1458,
„Wenn dieſe Menge betraͤchtlicher Staͤdte und Länder mit ihrer
Mannſchaft und ihrem Wohlſtand auf einerlei Zweck vereinigt wären,
wei’ ein Reich und Volk wäre das teutfche!
Johannes Mäller, 3. 1797.
aa 8 8.
JInhalts-Uberſicht
des
Dritten Bud,
Das fpätere Reich der Teutſchen in der Zeit
der Landeshoheit.
Von der Herſtellung nach den Hohenſtaufen bis zur Aufloͤſung des
Reiche, 1273 bis 1806 (533 Jahre).
Eriter Zeitraum,
Die Reis: und Kirchen Freiheit unter Kaifern von,
verſchiedenen Käufern, von K. Rudolf L bis zu 8.
Marimiliand I. Tod, 1273—1519 (246 Sahre).
Stufenweife Wiebereinrihtung des — Reichs und wechſelsweiſe
Behauptung der koͤniglichen Erbmacht, der VFuͤrſtenhoheit, der Reichs⸗
freiheit der kleinern Staͤnde, bis das Einungsweſen der letztern (die Ein⸗
kreifang) die Grundlage der ſpaͤtern Reichsverfaſſung wird. Das Papſt⸗
thum, nach dem Misbrauche ſeines Siegs uͤber das Kaiſerthum durch
die Kurfürften und Kirchenverfammlungen beſchraͤnkt, die laͤngſt RA
derte Reformation umgehend, bietet dem Kaiſerthum im neuern Sinne
wieder die Hand.
Erfter Abſchnitt. Die Monarchie. Herflellung des
Reichs unter K. Rudolf. in Italien im Sinne bes
paͤpſtlichen Stuhles, in Zeutfchland im Sinne der Ho:
benflaufen 1273—1291.
1. Wer hat die Wieberaufrichtung bauptfächlich beförbert? "
Lage der Dinge in VBergleichung mit jener nad) der Auf:
va Inhalts = Üderfidt.
= . Seite
loͤſung des karolingiſchen Reichs. Die uͤbrigen abendlaͤn⸗
diſchen Staaten. Papſt Gregor X. Die rheiniſchen Bun⸗
deaſtaͤdte. Erzbiſchof Werner von Mainz. Burggrav
Friedrich von Nuͤrnberg.. 8
8. Wie Rubolf von Habsburg war. 5
e kunft, Berpäitn Grund
EN
. K. Rubolfs I. Wahl,
— vol der baieriſchen und böhmifchen
rftimme. t, wie das urfprünglihe Wahl⸗
nee ber — auf die Erzaͤmter uͤbergetra⸗
gen worden. Rubolfs Toͤchter. Herſtellung bes Lands
friebens und ber alten. Lett - « oo 000 0. 33
K. Ruboife J. Vertrag mit Papft Gregor X.
Im Gebränge von zwei — bewilligt.
Rudolf mehr * ſeine Vorgaͤnger. Gregors Verwen⸗
bung bei K. Alphons von Ca und_ K. Ottokar
von Boͤhmen; Zuſammenkunft mit Rudolf zu Lau⸗
—* Die Minoriten. Letzter Entwurf eines Kreuz⸗ *
zugs 0 ® U) — o,. ® — 0 0 U) — — 0 “ )
Rubdolfs Herftellung ber Reichsrechte in Obertentfchland
und Gründung einer — Hausmacht ( ſterreich).
Reichstag de u Augsburg. Rubolf beftätigt
-
bas Wahlrecht bes zogthums Baiern. Aufftand
der ſchwaͤbiſchen Grave, des Herzogs Heinrichs von
— = - weh ars *3 ler le
ieg u eg. auf bem . ehr
nung feiner Söhne mit Dfterreich. Kaͤrnthen kommt
an Grav Mainharb von Tirol. Sweiter Aufftand in
Schwaben. Grav Sherharh von Wirtemberg.. 83
.Was K. Rudolf für die Reicherechte in Italien, —
und Lothringen gethan.
Schwierigkeiten in Italien. Endolſe weitere Ri
träge mit Papft Nicolaus III. Beſtaͤtigung des jetzi⸗
gen Kirchenflantes. Vertrag und Bamilienverbindung
mit dem Haufe Anjou. Die Statthalter in Italien.
Mubolfs Krieg mit Gavoyen und ben Graven von
Burgund. Mermählung mit Ifabella von Burgund.
Verwahrung ber lothringifchen Grenze gegen Brantreih 58
7. 8. Rubolfe Anorbnungen im mittlern und nördlichen
Teutſchland.
Das Erzbisthum Mainz. —— dr Frel⸗
beit en bes Eee in Preuſſen. Oſtſee⸗
länder. Die Hanſe verftärkt ſich. Bee in ben
Niederlanden, in Thüringen und Sachſen. Abenteurer
unter bem Namen K. ichs IL. Landfriede in
R
Inhalts = Überfidt. =
üringen. Die boͤhmiſche Kurftimme. Die Erzaͤm⸗
= gen jegt — als Grundlage des Wahl⸗
&, R. Rudoifs legte Entwürfe für fein Haus.
Abſichten auf Ungern. Vereitelte zömifche Könige
wahl Albrechts. Rudolfs Kb . . . 2.00.
9. Wie alfo K. Rudolf das Reich Hergeftellt hat?
Das teutſche Königreih. Niederlage des Kalfers
thums. Die Landfricdensverfaffung. Zahl und Glaſ⸗
fen ber unmittelbaren Reichöftände mit und ohne Ter⸗
ritorien. Übergang aus dem hohenſtaufiſchen Zeitals
ter. Die Grundzüge biefes dritten Buhs . . + .
ıx
Geite
.
71
weiter Abſchnitt. Die Ariflofratie. Wahlparteien
und auöwärtiger Einfluß (von Rom und Frankreich)
bis zur Unabhängigkeitserflärung und Feſtſtellung ber
sömifchen Königewahl, ober von K. Adolf bis zu 8.
Karls IV. goldner Bulle, 1291—1356 (65 Jahre).
1. Erzbiſchof Gerhard von Mainz. Angriffe der rheinifchen
. Kurfürften auf das Reichsgut bei K. Adolfs Wahl. Des
Königs Selbſtaͤndigkeit; Landfriedensanſtalten; Lanbers
werbungen. Unzufriebenheit ber Aufürfen . . . »
2. 9. Mbrecht von Öfterreich gegen K. Adolf durch den Erz⸗
bifchof von Mainz aufgerufen.
—— Spannung zwiſchen Albrecht und Adolf.
Yapft Bonifacius VIIE. entfheibet einftweilen bloß
über die Reichsgrenze zwilchen Frankreich u. Teutſch⸗
— fand. Abolf, von einem Theile der Kurfürften abges
fegt, fallt in der Schlacht bei Belhem . . - . «
8. 8. Albrechts J. Politik.
Nochmalige Wahl. Neue Bereicherung ber Kurs
fürften, K. Abolfs Wittwe abgewiefen. Bonifacius VIII.
Papft u, Kaifer! Albrechts Gegenbuͤndniß mit Frank⸗
reich auf Koften der Heicheintegrität. Der Papfk
entreifft ben Kurfürften die gberftrichterliche ' Ge⸗
walt über den König. Albrecht bemüthigt bie rheini⸗
ſchen Kurfärften, demüthigt fich aber noch viel mehr
vor dem Papfte, da diefer feine Proteftation zurück
nimmt, um buch ihn K. Philipp IV. von Frank⸗
reich zu unterwerfen, der jedoch bald das Papſtthum
ſelbſt unter feine Gewalt bringt. Albrechts Hoffnung
das Reich erblih zu mahen . «v2 2. 0...
4 K. Albrecht I. Ländergier und Tod. u
Abfichten auf Holland, Seeland, Schwahen, Thuͤ⸗
ringen, Böhmen. Wieberholter Krieg wegen ber. zwei
Inhalts⸗überſicht.
Seite
legtern Sande. Erldſchen des przemyfl'ſchen Manns⸗
— Die boͤhmiſchen Stände find zwifchen Öfters
reich und Kaͤrnthen getheilt. Paͤpſtlicher Einfluß auf
die Beſetzung der teutfchen Bisthümer. Peter Ach:
fpalter wird Erzbifhof zu Mainz, Balduin von
Euremburg zu Trier. Die ſchweizeriſchen Walbftätte
widerfegen ſich der Erweiterung ber habsburgifchen
Landesherrſchaft. Herzog Johann, Albrechts Reffe,
in feinem Erbe betheiligt, ermordet den König . . 111
5. Herftellung des Kaiſerthums durch Heinrich VII.
Die Erzbifchöfe Peter u. Balduin retten die Wahl:
freiheit gegen Frankreich und Öfterreich. Das lurem:
burgifche Haus. Peters Belohnung. Verforgung ber
Wittwe 8. oe Hapft Clemens V. verlangt für
K. Heinrichs VII. Beſtaͤtigung den Eid ber Treue
und Sicherheit des Kirchenflaates in feiner weiteften
Ausdehnung. K. Heinrich VII. bringt Böhmen an
fein Haus, verföhnt ſich mit den Herzogen von Öfters
reich und ächtet ben Graven Eberhard von Wirtem⸗
berg. Römerzug. Veränberter Zuftand Italiens feit
ben Hobenftaufen. Übergang der Republiten in Herr:
ſchaften; die Gibellinen der ſchwaͤchere Theil. Heinrich
neutral, hofft beide Parteien zu verföhnen; die Guelfen
und Neapel nöthigen ihn an die Spige ber Gibelli-
nen zu treten. bahnt fidy mit den Waffen in ber
Hand ben Weg zur Krönung und verbindet ſich mit
K. Friedrich von Gicilien. K. Robert von Neapel
wird mit feinen Anhängern durch Rechtsſpruch geaͤch⸗
tet und zum Tode verurtheilt. Heinrichs Rüftung
ur Groberung Neapel und Vereinigung von ganz
talien wird durch Gift vereitelt. Siemens V. rüdt
mit der Gonftitution vom Reichsvicartat heraus. In
Teutſchland iſt indeffen Böhmen für Heinrichs Sohn
erobert, der Srav von Wirtemberg durch die Städte
von Land und Leuten vertrieben worden. Der teut:
ſche Orden bringt Pomersllen zu Preuſſen. Sturz
der Tempefritter. eg zwifchen Brandenburg und
Thüringen. Die Linien bed wittelsbachiſchen Hauſes.
9. Ludwig von Oberbaiern fiegt über H. Friedrich
von Öfterreich bei Samelöborf -. . -. - 2 2...
6. Die luxemburgiſch⸗ baterifche Partei gegen Öfterreich, Papft
und Frankreich bis zur Unabhängigkeitserftärung ber
Krone durch K. Eubwig IV.
Umtriebe der öfterreihifchen und Iuremburgis
ſchen Partei. Bereinigung ber A mit Ludwig
dem Baier. Abermalige Sigennüsigkeit ber Kurfür:
ſten. Streitige Wahlftimmen. Friedrich der Schöne
von Öfterreih und Ludwig der Baier Gegenkod⸗
nige. Demonftrationen im Felde. Parteiwechſel in
Schwaben. MWieberherftellung bed Graven von Wir:
125
Inhalte⸗Überſicht.
x
Seite
temberg. ‚Deraog Leopold bei- Morgarten geſchlagen;
Friedrich bei Mühldorf gefangen. Ludwig der Baier
erwirbt Brandenburg. Papſt Johann XXL. maßt
- ſich bes Reichsvicariats nicht nur in Italien fondern
! auch in Teutſchland an. Lubwigs erſte Proteſtation.
Der Papſt bannt ihn und will das Reich an Frank⸗
— Ludwigs zweite Proteſtation. Die Mi⸗
nor gen den Papft. Lubwig, in neuer Bedraͤng⸗
niß — den Papft und H. Leopold, befreit Fried⸗
rich. Verſuch einer Zweiberrihaft. - . . »
7. Bon Lubwigs IV. Kaifertrönung bis zum Kurverein, 1827
bis 1338.
Ludwig zieht den Gibellinen zu Hülfe, laͤſſt fi
| von den Römern Trönen und fegt einen Minoriten, '
| Ricolaus V., zum Gegenpapft. Sein Rüdzug. Papft
| Johann AXIL, mit den Römern verföhnt, ſchleudert
einen neuen Bannfludh. Ludwig läfft durch die Luxrem⸗
burger unterhanbeln, fängt an ee ſucht
Huͤife bei Ofterreich, deckt ſich durch ein Landfrie⸗
densbuͤndniß mit den ſchwaͤbiſchen Staͤdten, entſchlieſſt
ſich endlich — niederzulegen durch überredung
K. Johanns von Böhmen. Krieg gegen dieſen wegen
der kaͤrnthiſchen Erbfolge. Vergeblich demüthigt ſich
Ludwig auch vor Yapt Benedict XIL K. Philipp
von Frankreich laͤſſt ihn nicht ——— Lubwig
tritt von Frankreich zu England über. Die geiftlichen
und weltlichen Kürften werben auf bie Gefahr der -
Bahlfreiheit aufmerffam. Schriftfteller. Kurverein.
152
Frankfurter Sagungen von ber Unabhängigkeit des *
Kaiſerthumsss De —— A
8. Vom Kurverein bis zu Karls IV. golbner Bulle, 1988
bis 1856.
Kaiferlicher Rechtsſpruch zwiſchen England und
nlreih. Ludwig IV, tritt wieder auf bie letztere
Seite, um bie päpftlicde Losfprechung zu erhalten;
vergeblih. Seine Landberwerbungen; Zirol. Zurück
ſtoßung des Iunremburgifchen Haufes. Ludwigs aber
malige Annäherung zu Frankreich und neue Demüs
thigung vor bem Por Die Bürften trennen ihre
Sache von ber des Kaifers. Lubwig erwirbt Holland,
GSegenwahl Karls IV. mit Umſtoßung des Kurvereins.
Ludwigs IV. Tod; überſicht feiner Regierung. Die
Wahlfreiheit durch Erzbiſchof Heinrich von Mainz bes
hauptet. Günther von Schwarzburg. Karl IV. ges
winnt die Fürften u. Staͤdte u. laͤſſt ſich zum zwei⸗
ten Mal kroͤnen, als gefeglich ermählter König. Trau⸗
tige Lage Teutſchlands. Die große Peft. Judenver⸗
folgung. Geißlerfecte. Landfriebensanftalten. Vermeh⸗
rung der böhmifchen Hausmacht, befonders auf Ko:
fen des baierifchen Hauſes. Erneuerte Landfrichenss
xu
onftalten am Oberrhein. Reichskrieg gegen Zürich.
JInhalts⸗überficht.
Karls IV. Kalſerkroͤnung. Petrarca. Letzte Begeiſte⸗
zung ber Römer für das Kaiſerthum. FReichstag zu
Rürnberg und Med. Wahlsif - « u» 2...
Überfücht des zweiten Abfchnitte.
Geite
201
Gefteigerte Gingriffe des Papftes in bie teutfche -
Keichöverfaffung während feiner eigenen Demüthigung
zu Avignon. Entgegenftellung des teutfchen Staates
rechtes. Inconfequenz ber Fürften. Das Reich kommt
aus der Abhängigkeit vom Papfte in bie der Kurfür-
fen. Heillofe Nachahmung ber römifchen Politik.
Lob ber Stäbte. Gefchloffene Territorien. Dreierlet
Landesgebiete und breierlei Entwürfe in den folgens
ben Begebenheiten - = - 2 0 0 en 2 0. .
Dritter Abſchnitt. Der republicanifche Zeitraum;
ober die Reichs⸗ und Kirchen = Freiheit durch Buͤnd⸗
niffe und Goncilien unter dem Iuremburgifchen Haufe.
J. 1357—1437 (80 Jahre).
[4
A. Das Reid.
1. Schwinden des Kaiferthums im alten Sinne.
Karls IV. Bildung und Eigenfhaften. Das Kir:
chenrecht bleibt im Wibderfpruche mit dem Staatsrecht.
Erfter Antrag a Verbefferung ber Geiftlichleit. Vers
einigung des Kaifers und bed Papftes zu Wiederher⸗
flellung beiber Gewalten in Italien. Das arelatifche
Reich im Hinneigen zu Frankreich. Entftehung bes
neuburgundifchen Reiches. Freicompagnien in Frank⸗
reich und Stalien. Krieg gegen die Bilconti zu Mais
land; Petrarca. Karl führt ben Papft nad Rom.
Briede mit Bernabo Bifcontizs Schagung der Staͤdte
Rückkehr bes Kaiſers und bes Papftes aus Italien .
®. Das Inremburgifche Haus.
2, RVerfuch eines boͤhmiſch⸗teutſchen Erbreiches unter Kari IV,
Bon jest an tritt der Kalfer das Erbland nicht
235
Inhalts: Überfige.
F
bes boͤhmi e . Karls weitere Ent⸗
wär in Beet bes Hanfetifhen Sandeld . . . 258
db. Die Reichöftände. eich im engern Sinne.
3. Die Kerhältniffe im Übrigen Reicheland unter Karl IV.
Reue Fürften und andere Stanbeserhebungen. Stäb:
teeinungen. überſicht ihrer bisherigen Aufnahme. Die
oberteutfchen Städte. Durchbruch bes eigentlichen
Bürgerftandes vermittelft Theilnahme der Zünfte an
der ftäbtifchen Verwaltung. Kittereinungen. KarlsIV.
ſchwankende Leitung. Gewinn ber Gtäbte. Landfrie⸗
densbuͤndniſſe in ben andern Srovingen. Die Banfe.
Vergleihung mit dem oberteutfchen Stäbtebund. Hö«
hepunct ber Hanfes dänifcher Krieg. Gebrechen. Vers
fchiebenheit der Kaiferregierung im füblichen u. noͤrb⸗
lichen Teutſchland. Der Zeutichorben in Preuffen.
Bisherige innere und — Zunahme deſſelben. Fort⸗
ſetzung des lithauiſchen Kriegs. Gehoffte weitere Aus⸗
breitung teutſcher Cultur in Nordoſt. Der Hochmei⸗
ſter Kniprode. Die vornehmſte Kriegsſchule. Bon ber
en Anwendung ber Feuergewehre. Zufammenfafs *
JJ
c. Bortſetung vom lurxemburgiſchen Haufe.
4. Berletzung ber golbnen Bulle und ver frantfurter Satzun⸗
gen bei K. Wenzlams Wahl
Erfaufung der Kurfürften durch Reichsgut. Des
muͤthige Einholung der päpftlichen ——
Wahl bei Lebzeiten des Kaifers, fowie beren Beſa⸗
tigung, — jedoch hinausgeſchoben wird. Rück
tritt Karls IV. nach der Wahl auf die Seite der zu
den Wahlkoften verpfaͤndeten Staͤdte. Zuruͤcknahme
auch ber den Fuͤrſten verlichenen Zoͤlle und anderer
KReichspfandſchaften. Ermaͤßigung ber Grundruhr.
Verleihung des arelatiſchen Reichsvicariats an ben
Dauphin von Frankreich. Gleichzeitiger Verfall des
Kaiſerthums und des Papftthums. überſicht von
Karls IV. Regierung.... .. 801
5. Stellung des Reiche unter K. Wenzlaw beim Anfange ber
Kirchenfpaltung. —
mit
halten oo 08 08 08 98 8 28 © 2 0 . . o 2 @ 312
xıv
Inhalts-⸗überſicht.
d. Die Einungen.
6. K. Benzlaws ſchwankendes Benehmen. bei ber Ausdehnung
der Staͤdte⸗, Ritter⸗ u. Fuͤrſten⸗Buͤndniſſe zu einem all⸗
gemeinen Landfriedensbund, 1379 - 1890.
Wenzlaw opfert die ſchwaͤbiſchen Landvogteien dem
Herzoge Leopold von ſterreich. Staͤdtebund dage⸗
gen. Weitere Berſtaͤrkung ber Ritter⸗ und Staͤdte⸗
Einungen. Erfter Zufammentritt der drei Stände in
den obern Landen. Wenzlaws Verſuch, bad Reich in
vier Lanbdfriebenskreife zu bringen; bie Staͤdte behal⸗
ten jebo ihren Bund bei. Werfegung deſſelben mit
den Städten der ſchweizeriſchen Eidgenoffenfchaft. H.
Leopold mit der Bläthe ber teutfchen Stitterfchaft er⸗
liegt bei Sempaͤch. Wenzlaw beftätigt den Stäbtes
bund und bringt ihn etwas naͤher zu den verbuͤnde⸗
ten Fuͤrſten im mergentheimer Landfrieden. Nieber⸗
lage ber Städte bei Doͤffingen 2c. Wenzlaw tritt =]
die Eeite der Fürften und hebt den Stäbtebund auf.
Allgemeiner Landfriede zu Eger. Einerlei Münze im
Reich und Abthuung ber Subenfhulten .— -. . .
7. & Wenzlaw verliert das Gleichgewicht in ben erblänbis
ſchen und HaussAngelegenheiten. :
Theilung ber Erblande na Karls IV. Berorbs
nung. Guter Anfang unter Wenzlaw. Aufftanb der
böhmifchen Landherren und ber Geiftlichkeit wegen
Burüdfoberung ber verpfändeten Krongüter. K. eig.
mund von Ungern verbindet fich gegen feinen Brus
der Wenzlaw und fest ihn gefangen. . - . . R
8. Die Reichsverhältniffe bei Wenzlaws Unthaten in Böhmen
bis zum frankfurter Lanbdfrieden, 1894—1898,
Dex Reichsverweſer, Pfalzgrav Ruprecht, bringt
auf K. Wenzlaws Befreiung. Bär bie Errichtung
des Herzogthums Mailand erhält Wenzlaw Geld:
huͤlfe; tritt feinem Bruder das ganze Reichsvicariat
ab, ber ihm noch dazu einen Reichsrath in Böhmen
fegt, aber auch nicht nad) Zeutfchland kommt. Wenz⸗
law fchafft ſich wieder freie Hände. Wegen feiner
langen Abweſenheit aus Teutſchland mit Abfegung
bebroht, thut er boch wieber Etwas in ben bringend«
ſten Angelegenheiten - - - - 0 0 2 2 2.0.
9. Fuͤrſten⸗ und Städte sBünbniffe, während das Reich wie
die Kicche unter gwei Oberhäupter zerfällt und Frank⸗
reich die Kirchenangelegenheiten leitet.
u. Die Univerfitäten bringen auf ein allgemeines Gons
ellium. Wenzlaw tritt dem franzöflfchen Hofe bei;
wird durch den Erzbifhof Johann von Mainz abge
fest. Wahl und Gapitulation Ruprechts von ber
817
— ur Tee u we
Inhalts-überſicht. xv
Seite
⸗
Pfalz. —— Partei. ep unglüdtiher
—* enzlaw ſoll auch nach Italien; ſeine
zweite Gefangenſchaft und Entfegung von. der boͤh⸗
mifchen Regierung durch feinen Bruder Sigmund.
Der römifche Papft entfcheibet für Ruprecht. Wenz⸗
law fommt in Böhmen wieder auf. Marbacher Bund
— Kuprecht durch den mainzer Erzbiſchof. Fuͤr⸗
n und Städte behaupten dad Recht freier Buͤnd⸗
niſſe. Den Appenzellern wirb es abgefprodhen. Der
marbacher Bund gegen Öfterreih. Zuwachs ber
fihweizerifhen Eidgenoſſenſchaft. Legte Ausbildung
der Hanfe. Unruhen in Luͤbeck. Bebrängniß bes teuts
Then Ordens, nachdem das chriftlich geworbene Eis
thauen mit Polen vereinigt if. Schlacht bei Tan⸗
nenberg. Die Hanſe und ber Orben appelliren, jene '
an ben roͤmiſchen König, dieſer an die Kirchenver⸗
fommlung . . e [ .. a 8 8 28 08 06 L} . Sal
10, Wie Kirche und Reich je unter drei Oberhäupter zerfals
len, unter Frankreichs fortwährendem übergewicht, bis
dad Reich wieder vereinigt wirb unter bem legten Luxem⸗
burger.
B. Die Kirche.
11. Anlaß und Vorbereitung ber großen Kirchenverſamm⸗
lung zu Eoftanz unter K. Sigmunds Schirmvogtei.
Verderbniß der Kirche in Haupt und Gliedern. Vf⸗
fentliche Zefte und Sitten. zoll. Secten, Ketzer.
Schulen und Univerfitäten. Spaltung zu Prag. Jos
hann Huf. Das böhmifche Volk. Auffoderungen zu
einem allgemeinen Concilium an K. Sigmund; deffen
Charakter. Verhandlungen mit Papft Johann XXIIL 864
12. Die Hauptverhandlungen der coftanger Kirchenverfamms
lung, 1414 ff.
Bufammenfluß aus der ganzen abenblänbifchen Chris
ſtenheit. DieHauptparteien in ber VBerfammlung. Eine
richtung ihrer Verhandlungen. Papft Sopanns KXIUL.
XVI
Inhalts⸗ überſicht.
Flucht und Abſezung. Huß und Hieronymus von
Prag werden als Ketzer verbrannt. Nach Abdankun
Gregors XII. und Abſetzung Benedicts XIII. w
Martin V. zum alleinigen Oberhaupte gewählt, ber je⸗
doch bie eigentliche Reformation wieber ee
ben weiß. Verhalten bes Kaifers und ber teutfchen
Nation bei biefen Verhandlungen e “ ® » . * .
18. Die Kriege und andere politiihe SWeränberungen zur
Zeit der coflanzer Kirchenverfammlung.
Kolgen bes öfterreihifhen Kriege. K. Sigmund
Verkauft den fchweizerifhen Eibgenoffen bie zum Keich
eroberte habsburgiſche Stammherrſchaft und empfängt
Geite
887
auch Selb für H. Friebrichs Wieberbelehnung mit _
den übrigen vorberäfterreihifchen Landen. Er vers
pfändet ferner die ſchwaͤbiſchen Landvogteien und ans
dere Reichsgüter und Rechte, und verfauft den Lüs
bediern zwei verfchiebene Rechtsſpruͤche. Ex verkauft
fein Kurfürftenthum Brandenburg an den Burggros
ven Kriedrich von Nürnberg (Hohenzollern). Marks
grav Friedrich der Gtreitbare von Meiffen wird mit
der Kur Sachſen belehnt. Der Huſſitenkrieg. Erſter
Aufftand gegen bie Kirchenverfammlung und den römis
Then König Sigmund. Wenzlams Tod. Bortgefegs '
ter Aufftand gegen Sigmund als Erblönig von Boͤh⸗
men. Die vier prager Artilel. Die zwölf Artikel
der Zaboriten. Sigmunds zweiter Feldzug. Ex über:
Kit Mähren feinem Eidam, bem Herzog Albrecht von
fterreih. Der Reichskrieg. Die erfte Matrilel. Rach
Zizkas Tod vier huffitifche Parteien; deren ſchreckliche
Verheerungen in den unbefchügten teutfchen Provins
zen, während bes Tuͤrkenkriegs in Ungern. Erſter
Hauptzug vom Reich gegen bie Huſſiten; Vorſchlag
einer Kriegsſteuer, „gemeiner Pfenning.“ Landfrie⸗
densverhandlungen. Zweiter Hauptzug. üble Lage
bes Teutſchordens in Preuſſen bei dieſem Krieg. Ers
neuerte Bereinigung des Ordens mit Ar gleichfalls
im Sinken begriffenen Harfe » - «se 2 0 0.
14. Die Kirchenverſammlung zu Bafel bis zum Erloſchen des
luxemburgiſchen Hauſes, 14311497,
Julian Caͤſarini, paͤpftlicher Legat, betreibt die Kir⸗
chenverſammlung wegen ber Huffiten und fährt fort
felbft gegen ben Willen bes Papftes. Sigmunbs uns
geitige und unwuͤrdige Kaiferfrönung. Beine Vers
mittlung zwifchen Papft und Conchhium, um mit
Hülfe des Lestern die Böhmen zu unterwerfen. Die
vier prager Artikel als Sompactaten für bie Utraqui⸗
ften. Reue Spannung des Concilium mit bem Papfl.
Sigmunds Vertrag mit den Böhmen. Begenreformas
tion in Übereinflimmung mit dem Papfte. Sigmunds
legte Berrichtungen im Reiche. Vergeblicher Wider⸗
42
Inhalts = Überfide.
des neusburgunbifchen me Ans
— Losreiſſung vom —— —* —
—& Barbara im ns * * Huſſi⸗
tm. Sigmunds Vorkehrungen und a
feiner Regierung. De Kanıler ©
Tinerficht ug dritten Abſchnitts.
ge der Reicheguͤter, Enrft
— Hausmacht. Bei der Rachlaͤ
in der Reichsregierun iu
= * in Staat und
ſchritte der Landeshohelt. Der Reichstag Über =
— die a a rg; über den Papft. ua
die Erwartung ber Völker getäufcht worden . .
Vierter Abſchnitt. Verſchiedenartiges Wiederaufle⸗
ben der Monarchie in Kirche und Staat im erſten Zeit
raum bed Öfterreichifchen Kaiferhaufes, mit allmäliger
Herſtellung ber innen Berfafjung durch Concordate,
Sandfriebensbündniffe, Reichögerichte, Einkreifung, von
K. Albrecht IL. bis 8. Maximilians I. Tod, 1437 bis
4519 (82 Sabre).
EL Gemeflene Maßregeln für ben Land⸗ und Kirchen⸗Frie⸗
den ımter K. Albrechts II, kurzer Regierung, T 27. Oct. 1839.
Lage der europäifchen Staaten bei ber Erhebung bes Haufes
Öfterreich. Der Kurfürften Reutralität in Abficht der
Streitigkeiten bes bafler Eoncilium mit Papſt Eugen IV.
Hoffnungen von K. Albrecht II. Deffen Beitritt zur Neu:
tealität. Beſitznahme von Böhmen. Reihstagsverhanbs
lungen unter bem Kanzler Schlid. Sortwährende Eifer:
fucht der Fuͤrſten unb Städte in Abficht der Landfrie⸗
densorbnung und Einkreiſung. Mainzer Acceptationsurs
tunbe ber bafler Reformationsberrete. Rees Schifma:
Felix V. gegen Cugen IV. K. Albrechts Tod auf dem
Kuͤckweg vom Tuͤrkenkrieg oe ee —ı |) er 8 8 _. se eo. 6
IE. Alimäliges Reifwerden ber Kirchen⸗ und Weiche = Ber-
foffung neben dem öfterreichiichen Hausplan unter K. Fried:
richs DIL. 83jaͤhriger Regierung, 1440-1493.
1. Die Hauptaufgaben und Schwierigkeiten.
Kurfürftenverein und Stäbteeinung vor ber Wa
— bleibt bei dem Haufe Öfterreih. Friedrichs
Gigenfchaften. age des Sauler. Des Reichstags
b
avın ZI2halts⸗überſicht.
Seite
gg unb ſchiedsrichterlicher Spruch
in ber Berlegung bed Concilium an einen
dritten Ort. Avifamenta ber teutfchen Ration. rn
—2 — — er. —— Oh re er⸗
ſter RKeichstag und Krönung. Kückſchritt von ben letz⸗
ten Landfriedensentwuͤrfen.. . + 4831
u K. . IH, — unb ber große Staͤdte⸗
— Dandniß mit Zuͤrich; Schweizerreiſe u.
Zuruͤckſoderu * der verlornen Stammlande. Der Abel,
die ger ‚gegen bie Schweiger. ——
ed e Verwicklun — die
ai muß in der enoffenfelaft m —5*
d Herren werfen * Unwillen auf bie Keichs⸗
äbte, Aus vier, auleat fünf Behben ‚ allgemeiner
Krieg in Schwaben und Franken. Rechtstage. Zer⸗
fall des Stödtebunde® - . - 2 2 2 0 00%
9. Das bafler Concilium preiögegeben. .
Aneas Sylvius Piccolomini, — Dichter,
teitt — apg Seliz V. an —— als Ge⸗
heimſchreiber er
Kanzler AA Berhit als Geſchi —2
meinen Concilium und der Herſtellung des Kaiſer⸗
thums. Aneas tritt als Geſandter Friedrichs zu
Eugen IV. über und wird deſſen Geheimſchreiber mit
* — Gtelle. ver⸗
eas
ſtenwereins durch ein ka Buͤndniß,
gen — Obebienz leiſtet. -Die Gtaͤdte bei ber *
ung bes baſler Conciliumm.
4. Letzte Romfahrt und Kaiſerkroͤnung, 1461 ff.
Schlicks Tod. UÜneas, kaiſerl. Rath und Biſchof
von Siena, geht voraus nach Italien auch in Betreff
ber et Ka a "en Bee Be von Por⸗
* Mailand laſſen. — ge vor bem
— — ———— des — —
gegen den Papft. Friedrich, zu — ⸗Reuſtadt
elagert, muß ben Ladiſlaus den Ständen von
zeih, Ungern ımb Böhmen ausliefern. Grneurung
— des erzherzoglichen Titeeeee 515
Snhbalss » Überfige.
5. Rom Zärtentrieg nach dem Gturze bes
griechifchen Kais
festfums, vorher aber vom Bandfrieben, 1458-1460,
Birchof Kneas bewegt einen Kreu di
— — — * 2
glocke. Entfas von Belgrad. ee
gen Kaifer und Papft. Sarbinal Kneas arbeitet vs
gen. Breimhsgigkeie des mainziſchen Kanzlers, Georg
Streit um das Erbe des Labiflaus. Fried⸗
ci . theitt Öfterreih mit feinem Bruder u. Vet
ter. Ungern und Böhmen Tommen an einheimifche
Kürften. Papft Pius II. beruft einen Congreß nad)
Mantua wegen bed Kreuzzugs; Verweis an
sich. Georg von Den, —— —2*
6. Weitere Hinderniſſe der Reichsverfaffung durch ben Fuͤr⸗
ſtenkrieg, 1458-1464,
* — —— vom a Yarl durch die Sch dr
egt. ſchof Diether von M — das Opfer
fär die ii — — — er es
Kaiſer aus.
een fol de anne? *
en in Böhmen vollendet werben. Legte An⸗
ungen Pius II. für einm Kreuzzug gegen bie
Far Ruͤckblick auf feinen Einfluß baupt
7. Die Folgen: weber Landfriede, noch Tuͤrkenzug, noch oͤf⸗
fentticher Geift überhaupt.
Payft Paul II. betreibt ben Türkenkrieg. K. Fried⸗
Pi — die Landfriedensordnun jener vereis
e durch unzeitige Berkegerung des 8.
— von Böhmen. Kalſer und Papſfſt — den
Sreutgug gt gen biefen. * edrichs Balfahrt nach
Rom ch nften feines ned, K. Matthias von
Tagen * ein Buͤndniß * K. Georg wieder auf:
Die Tuͤrkenkriegsanſtalten auf dem großen
ir — gensburg (gemeiner ——— wer⸗
le Stäbe hinter Es gebracht. Wo tft das
buͤrgerliche u. ae Leben ——— George
von Deimburg Ausgang . - ——
8 Dos burgundiſche Erbe.
E ct des neub bi Haufes. Grwer:
sun So Semeigune Summlrz —
t egen
die Schweiger ———— — l
gebrau Friedri
der Kuͤhne zu "u Ice. Die burgundifce —**
Sal
xx
Anhalts = Überficht.
und die Verlobung ber Maria mir Marimilian durch
K. Lubwig XL. von Frankreich verhindert. Coalition
von Öfterreich, Frankreich, Schweiz, Elſaß u. Lothrin-
gen gegen Karl den Kühnen. auch Reichskrieg
wegen Reuß. — des Kaiſers und des
Könige Ludwig XJ. Karls Angriff auf Lothringen
und bie Schweiz (die obere und niebere Bereinigung).
Die großen Tage bei Sranfon, Murten, Nancy.
Nach Karls Untergang will Frankreich zugreifen.
Marimilion erhält bie Zuſage ber ach. Die
Schweizer helfen Frankreich efeitigen unb fchlieffen
ewigen Frieden mit Dfterrih - oo 00.“
9. Des Kaifers Noth, 1477 — 1486.
Gleichzeitige Angriffe ber Branzofen, Un unb
Tuͤrken auf die vergrößerten a — —2*
Die Staͤdte erſchweren wieder die allgemeine Reichs⸗
huͤlfe. Zuzuͤge einzelner Fuͤrſten und Staͤnde. Tod
der Maria von Burgund. Die niederlaͤndiſchen Stände
bemädhtigen 19 mit Beiftand Frankreichs der Vor⸗
mundfhaft über ihren Bohn. Marimilian erhält
diefe wieder. Abfall der Wiener. K. Friedrich aus
Öfterreich vertrieben .
“ U) “ [ ) ® ©“ . L; ®
—
10, Marimilians I. römifche Koͤnigswahl. Der frankfurter
Landfriede und ber ſchwaͤbiſche Bund bis zu K. Friebe
richs III. Tod, 1486 — 1498,
Grav Hug von Werdenberg. Lanbfriede und Kams
mergericht als Bedingung ber roͤmiſchen Koͤnigswahl
und bie Reichähälfe gegen die Ungern und Tuͤrken.
Vorbehalte bes Kaifers. Die ghuͤlfe reicht nicht
um Entfage Öfterreichd. Errichtung des ſchwaͤbiſchen
unbes zu Handhabung bes Frankfurter Landfriebens.
Beſondere Abfichten des Kaiferd und ber Staͤnde.
St. Georgen Schild. Hülfe gegen die Niederländer,
Franzoſen und Ungern, durch fortwährende Spannung
mit dem baierifchen Haufe gehemmt. Mit dem Tode
des K. Matthias fällt Oſterreich zurid und Maxi⸗
milian erhält Anwartichaft auf Ungern. K. Karls VEIT.
von Frankreich Treubruch. Reichs: und Bundes: Aufs
gebot. Friede mit Baiern; Friede gu Genlis. Mari:
milians zweite Vermaͤhlung mit Blanca Maria von
Mailand. Überſicht der Regierung feines Vaters
Seite
I. Allſeitige Fortſchritte unter K. Maximilian J. 14903 - 1519.
1. Dev teutſche Staatenverein, im Gebränge zwiſchen Frank⸗
reich und den Tuͤrken, endlich ein geſetlicher Staat.
Maximilian Gegenbilb von K. Friedrich III. Seine
Entwuͤrfe in Abſicht des franzoſiſcheitalieniſchen Kriegs
Inhalts⸗Üüberſicht.
ber Joͤrken. Der Gtäbte Zahlgkeit erzwingt end⸗
Fr die — der — er Landfri
er —
— — Abſichten — ————
and unb Wirtemberg. W ———
* oſterreichiſchen und —ãe—— Haufe
8 Weitere Ausführung ber erneiterten Reicheverfaffung,
1496-1512, in Abſicht des Landfriedens, Kammerges
= Reichöregiments, Reichshofrathe, enblich der Eins
ung.
Erſtreckung bes ſchwaͤbiſ⸗ Bundes. Fortwaͤh⸗
rende Zaͤhigkeit der ar de in Abſicht ber —
Maximilians
— Bearbeitung der Keichsſtaͤnde gegen np
ts
— zu — in der —— —
3. überſicht der Reiches und Territorial⸗Verfaffung.
zehn Rei * e hiſtori Die nicht
—— * — allmaͤl
losgewordenen — "Eortfhritie der —
beſo — in Abſicht des Steuer⸗ und Gerichts
ſens. Die Sehmgeri ir m chraͤnkung. Die
—— — BR land —5 — efaflung-
en 8 Reid unter bie Ob ech haft von Polen ges
ommen. nu bie ungleichartige Zus
— des — etwas mehr eit
und Thaͤtigkeit F bringen. Das Hauptergebniß des
Zeitraums von —*8 I. bis Merimiuiani. Äneas
eu von der Lage und den Bitten Teutſchlands
in ber Mitte bes funfzehnten Jahrhunderts . - »
4 Die Berhältniffe gegenäber von Italien, politifch, kirch⸗
lich, wiſſenſchaftlich, als Übergang zum folgenden Seit
zaum.
Hemmung ber höheren Entwuͤrfe Maximilians.
Krtegsfhaun in Stalien unter treulofen Negotia⸗
tionen ber ichen Mächte, wobei allein ber Kirs
enflaat gewinnt. Gluͤcklicher Erfolg von Marimis
Hans Bamilienverträgen in Abſicht auf Spanien, Uns
aid und Böhmen. Größe bed Hauſes. ckwirkung
der italleniſchen Kriege auf Teutſchland. Nachtheil
für die Städte. Freie Söldner, ehe ‚ Lande:
knechte. Maximilians Grfindungen im iegswefen.
Statt des Tuͤrkenkriegs Vorbereitung eines allgemei⸗
nen Angriffs auf das ausgeartete Papſtthum. Die
zxu
Inhalts : Überfice.
Kaiſerkrone wird von nr unabhaͤngig. Schilderung
| ehe fien. Die Wi in und
—ã ſſenſchaften —
Erneuerte Hei Prien Erd Fr
en Schönen Maximi⸗
an win ſelbſt — — Schluß des laterani⸗
ſchen Goncilium. Theſes. Marimilians let⸗
ter —
Geite
Dritte Bud.
Erfter Zeitraum.
Das fpätere Reich der Veutfchen in der Zeit der
Landeshoheit, oder von der Herftellung nach den
Hohenftaufen bis auf K. Marimiliand I. Tod.
Jahr 1273 — 1519,
Hrifter Seſchichte d. Zeutſchen ID. 1
Erfter Zeitraum.
Die Reichs⸗ und Kirchenfreiheit unter Kaifern von verfchie-
denen Häufern. Von K. Rudolf I. bis zu 8. Maximilian J.
Tod 1273— 1529 (246 Iahre).
Stufenweife Wiedereinrihtung des zerfallenen
Reichs und wechfelsweife Behauptung der tönigli-
den Erbmacht, der Fürſtenhoheit, der Reichsfrei—
heit der Fleineren Stände, bis das Einungsweſen
ber legtern (die Einkreifung) die Grundlage der
[pätern Reichöverfaffung wird. Das Papftthum,
nah dem Misbrauche feines Siegs über dad Kaiz
ſerthum, durh die Kurfürften und Kirhenver:
fommlungen befhräntt, die längft gefoderte Re:
formation umgehend, bietet dem Kaiferthume im
neueren Sinne wieder bie Hand.
Eriter Abſchnitt.
Die Monarchie. Herſtellung des Reichs un—
ter & Rudolf J., in Italien im Sinne des
paͤpſtlichen Stuhles, in Teutſchland im Sinne
ber Hohenftanfen, von 1273 bis 1291.
1. Ber hat die Wiederaufrihtung hauptſaͤchlich beför«
dert? Rage der Dinge in Vergleihung mit jener nad)
der Auflöfung des karolingiſchen Reiches. Die übrigen
abenbländifchen Staaten. Papft Gregor X. Die rhei-
niſchen Bundesſtaͤdte. Erzbifhof Werner von Mainz.
Burggrav Friebrich von Nürnberg.
N, waren die Verhältniffe Teutſchlands mislicher als. nach
dem Untergange des hobenflaufifhen Kaiferhaufes. Es ent
1*
4 Buch III. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 1.
ſtanden zwar jedesmal nach dem Abſterben des erwaͤhlten
Herrſcherſtammes, nach den Karolingern, nach dem ſaͤchſiſchen,
nach dem fraͤnkiſchen Hauſe, große Bewegungen, bis die Krone
wieder feſt ſtand; aber nach den Hohenſtaufen waren faſt alle
Bande geloͤſt durch die vieljaͤhrigen Parteiungen in Kirche und
Staat. Es beſtanden nicht mehr vier oder fuͤnf Hauptvoͤlker,
jedes wenigſtens in ſich ein Ganzes ausmachend; ſie waren
getheilt in eine große Zahl meiſt kleiner Staͤnde, welche nun
eigentlich verwaiſt in beſtaͤndiger Gefahr ſtanden, entweder die
Beute etlicher maͤchtiger Fuͤrſten zu werden oder in der ſchon
angefangenen Anarchie zu bleiben. Das Traurigſte aber, daß
kein teutfcher Fuͤrſt mehr es auf ſich nehmen wollte Ober:
haupt einer ſolchen verwirrten Maſſe zu werden; ſo ſehr war
bie Krone in ihrem Werthe geſunken. Ein ſlaviſcher Koͤ⸗
nig, Ottokar von Böhmen, hielt fi allein fir mächtig genug
dazu; aber einen folchen wollten die Zeutfchen nicht haben.
Ein Glüd, daß gerade in biefem mislichen Zeitpuncte die
benachbarten Staaten keine Verfuchung in fich felbft hatten,
wie kurz zuvor Frankreich und England, fich einzumifchen ober
Partei zu nehmen, oder Reichölande an fich zu ziehen, wie
Dänemark zur Zeit Ottos IV. Durch ihr Einverſtaͤndniß wäre es
nicht fchwer gemwefen, dad Kernland des Kaiſerthums, das fonft
bie Oberaufficht über die abendländifchen Staaten behauptet,
unter fich zu theilen; fie hatten aber jegt für fih zu thun.
In Dänemark, das bisher wie Zeutfchland zwifchen
Wahlreich und Erbreich geſchwebt, war bem Könige Magnus,
Hakons Sohn, Alles daran gelegen die Thronfolge für fein
Haus feftzuftellen, während die Adelsariſtokratie fchon eine bes
deutende Macht erlangt hatte. Ludwig ber Heilige, König
von Frankreich, hatte auffer den Kreuzzügen drei Haupts
aufgaben : die eine, bie Engländer zu verdrängen; bie andere,
bie eröffneten Lehen mit den Kronglitern zu vereinigen; die
britte, das Gerichtöwefen in eine burchgreifende Einheit zu Brins
1272 gen. Sein Nachfolger, Philipp der Kühne, ſetzte dieſe Ent⸗
würfe fort und bekriegte zugleich bie aufblühenpen ſpaniſchen
Reiche, Gaftilien und Arragonien. England empfand
noch die Stinme der Baronenariftofratie; K. Eduard L, ber
zu gleicher Zeit mit — den Thron beſtieg, war im Krieg
Lage Teutſchlands nach dem Untergange der Hohenſtaufen. 5
gegen Wales und Schottland und befchäftigte fich, wie jener,
mit Berbefjerungen ber gerichtlichen Verfaſſung.
Da nun die beiden letzteren Reiche gerabe in dieſem Zeit
puncte Nichts gegen einander unternahmen, wobei die Zeuts
fhen mit. eingeflochten werben konnten (wie ed früher und noch
oft fpdter der al war), ‚fo durfte das teutfche Reich um fo
ruhiger fich wieder fammeln. Es war aber um fo bringens
der diefen Augenblick zu benugen, denn während der neuen
Grindung des Reichs machen jene Staaten weit glüdlichere
Fortſchritte in ihrer inmern Geſtaltung und gelangen ‚bald zu
emer Macht, welche für Zeutichland erft beunruhigend, dann
aber immer brohender wirb bis zur endlichen Auflöfung bes
Reiche.
Nachdem ber Papft gemeinfchaftlih mit den Fürften
die Kaifergewalt herabgefest, zuletzt eigentlich vernichtet hatte,
muftte er billig wieder der Erſte fein, der für die Herftellung
forgte, wern nicht auch dad Papſtthum fallen ſollte. Nach
Cemens IV. biieb der Stuhl faft drei Jahre erledigt, weil
die Cardinaͤle fich nicht vereinigen konnten. Während dieſes
zweifachen Bwifchenreiches (nach K. Richards Tode) erlofch aller
perfönlicher Haß, und man konnte nun an eine aufrichtige Ver⸗
Ühnung der beiden Gewalten denken. Doch kam man nur
auf einem Unmwege dazu. Thebald, aus dem Haufe ber 1271
Bifconti zu Placenz, Archidiaconus zu Lüttich, als Gregor X.
zum Pontificat erhoben, kam voll von Entwürfen zu einem
num Kreuzzuge aus Akkon zurld, bem einzigen Plage, 22
den die Chriften noch in Syrien behaupteten, Schon zu die
fm Zwecke muſſte vor allen Dingen ber Kaiferthron wieder
biegt werben. Alfo erinnerte er bie teutſchen Fuͤrſten (ohne
Rüdficht auf Alphons von Caftilien) einen römifhen König -
zu wählen, mit ber Bedrohung, daß er ſonſt mit dem Rath
der Cardinaͤle für ein Oberhaupt des Reichs forgen werde ').
Die Laienfürften hatten faft nur Sinn für ihre Hausangele:
genheiten; den rheinifchen Bifchdfen Ing mehr daran das Wahl:
scht zu üben. Die Städte aber hatten das aufrichtigfte
1) Fragm. hist. in Urstis. serr. II. p. 93. Zum Übrigen Ray-
aald. Annal, Kocl. ad an. 1271—1273.
⁊
6 Bug. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 1.
Verlangen wieder einen geſetzmaͤßigen Schirmherrn zu erhal⸗
1273 ten. Che die Fuͤrſten zuſammenkamen, erneuerte Mainz mit
5. Febr. ſechs andern rheiniſchen und wetterauiſchen Staͤdten das Buͤnd⸗
niß in gleichem Sinne wie nach K. Wilhelms Tode; fie ga⸗
ben einander die feſte Zuſage, keinen andern Herrn zum Koͤ⸗
nig anzunehmen oder einzulaſſen, als welcher einmuͤthig er⸗
wählt fein würde !).
Indeſſen fchrieb der Erzbifchof von Mainz, Werner von
29. Sept. Eppenftein, ben Wahltag nach Frankfurt aus. Bor ihm
hatten drei Siegfriede aus demfelben Haufe diefe Würde be
Heidet in den Zeiten des heftigften Kampfes zwifchen bem Kais
| ſerthum und Papftthum 2). Werner war ed der, mit König
1262 Richard unzufrieden, zweimal den Verfuc gemacht Konra⸗
1266 din zum vömifchen Könige wählen zu laffen. Im Herzen
immer gibellinifch, erfah er nun den Graven Rudolf von
Habsburg, einen ber treueflen und mächtigfien Anhänger
bed hohenflaufifchen Haufes, zum Nachfolger im Reich, nicht
allein aus perfönlicher Dankbarkeit, weil-ihm Rudolf bei feis
ner Romfahrt, da er’ das Palium geholt, ſicheres Geleit
: über bie Alpen gegeben, ſondern hauptfächlich, weil er in ihm
den Mann gefunden, dem ee Einficht und Kraft zutraute, den
Thron wieber aufzurichten °)., Er verband fich zu dieſem
Zwede mit den Erzbifchöfen von Trier und Coͤln und mit
dem Rheinpfalzgraven Ludwig, Herzog von Baiern, Konras
dins Oheim. Durch den Burggraven von Nürnberg, Fried:
rich von Hohenzollern, Rubolfd Freund und Schwager *),
wurden bie Fuͤrſten noch befonderd gewonnen.
Alfo ift es theild dem Papſte wegen bed Kreuzzuges,
theils dem Gemeinſinne der Staͤdte, vorzuͤglich aber den eben⸗
1) Guden. Cd. dipl. T. I. p. 744. Die übrigen Städte waren:
Worms, Oppenheim, Frankfurt, Friedberg, Weplar, Gelnhaufen.
2) Siegfrieb L von 1059—1084. Giegfrieb II. non 1220— 1230.
Siegfried II. His 1249. N. Vogt rhein. Gef. ac. II.
8) Albert. Argent, in Urstis, scer. U, p. 100. Auch zum Fol⸗
genden, Hauptquelle.
4) Zur Lauben Tables gensal.
}
Derfönk Verhaͤltniſſe Mudolfs v. Habsburg 7
genannten Fürfien zuzufchreiben, daß wieder eine felbfifkän:
dige — unter einem geſetzlichen Oberhaupte zu
Stande kam.
2. Wie Rudolf von Habsburg war.
Seine Herkunft, früheren Verhaͤltniſſe, Srund⸗
füge, Stammgut, Familie,
Sn den Tagen da 8. Friedrich IT. den Gegenkönig Otto IV.
befiegt und die Macht des hohenftaufifchen Haufes zum zwei⸗
ten Male begrimbet hatte, bat ihn Grav Albrecht von Hab8s
burg zum Pathen feines Sohnes Rudolf, welchen ihm 1218
Heilwig, feine Gemahlin, Graͤvin von Kiburg, ‚geboren '). Az! Mal,
Friedrich nach funfzehnjähriger Abwefenheit wieder aus Italien
zutuckkam, um ben Aufftand feines Sohnes Heinrich zu uns 1235
terdruͤcken, ſah Rudolf den Kaiſer auf dem großen Reichstage
zu Mainz; in ſeinem achtzehnten Jahre folgte er ihm nach 1236
Italien in den lombardiſchen und paͤpſtlichen Krieg, wo er
den Ritterſchlag empfing ?). In dieſer Zeit ſtarb fein Vater 1243
Abrecht auf der Kreuzfahrt zu Akkon, und Rudolf trat alfo
m die Verwaltung feines Antheild der habsburgiſchen
Güter.
Obgleich fpätere Unterfuhungen das von’ Rudolf gegrüns
bete Kaiſerhaus, gemeinfchaftlich mit Zaͤringen und Loth⸗
singen, bis auf Herzog Ethiko zurückführen, der noch zur
Zeit des Heidenthums dad Elſaß beherrſchte, ſo war doch die —*
habsburgiſche Linie damals in maͤßigen Umſtaͤnden. Im ſie⸗
benten Gliede ſtammte Rudolf von jenem Graven Ratbod,
weicher zur Zeit ba bie ſaliſchen Kaiſer aufkamen, mit feinem
Bruder; dem Biſchof Werner von Straßburg ?), Habsburg
(Habichtöburg) im Aargau erbaute, wovon dad Haus ben
Namen erhalten hat *). Die Hälfte ber Güter befaß Rubolfs
1) Gerbert. Fact. Rud. c. 2.
2) Annal, Colmar. ad an. 1249.
8) Bergl. oben Band U. S. 155. 147. 158.
4) Nach ten bekannten Unterfuhungen von Herrgott Gemenlog.
8 Buch I. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 1.
Vaters Bruder gleiched Namens, ber mit fünf Söhnen zu
Laufenburg wohnte. Ohne andern Glanz als ben ihres ho⸗
ben Adels lebten die Graven von Habsburg von dem CErtrage
ihrer Felder und von den Binfen ihrer Bauern in dem Eigen
auf ihrer Burg, von deren Saal in dem (noch flehenden)
Thurm 1) fie Die Grenze des umliegenden Stammgutes leicht
überfaben. fiber benachbarte Kloͤſter und Städte erwarben fie
bie vorübergehende Macht einer Hauptmannfchaft ober Vogtei
nie ohne Verdienfl. Um fo größer erſcheint der Mann, der
aus ſo beſchraͤnkten Verhaͤltniſſen ſich zu einem Anſehn erhob,
das die Augen der erſten Fuͤrſten und des ganzen Reichs auf
fi. 309. Unter den Waffen erwachſen, Fein Latein verftehend,
deſto gefchidter die Schaaren in's Gefecht zu führen, leicht
aufgebracht durch wirklicheö ober vermeintes Unrecht, führte er
feine erften Fehden wegen der Stammgüter gegen bie beiden
alten Oheime von Lauffenburg und Kiburg. Aus Unwillen
über ihn vergabte ber Letztere dad ganze Fihurgifche Erbgut
nebft dem Ienzburgifchen feiner Gemahlin an das Hochſtift
Straßburg. Zweimal fiel Rubolf in den päpfllihen Bann,
einmal ald Anhänger K. Friedrichs II., da der Landgrav Hein-
rih von Thüringen zum Gegenfönige "aufgerufen wurbe; doch
1249 baute Rudolf in diefer Zeit die Stadt Waldshut am Rhein.
Das andere Mal forach Innocenz IV. insbefondere Bann und
Interbict Über ihn und Teine Verbündeten aus, weil er in
1254 einer Fehde gegen den Biſchof von Bafel ein Klofter in ber
Vorſtadt eingeäfchert hatte. Diefer Bann fcheint jeboch nicht
förmlich verkündet und daher auch nicht ausdruͤcklich wieber
aufgehoben worden zu fein ?). — gab deshalb feine An⸗
dipl, etc. Schoepflin Alsat. illustr. ete. Zur Lauben Tables
genealogiques etc.
1) Die Schweiz in ihren Mitterburgen ꝛc., hiſtoriſch dargeftellt von
vaterländifchen Schriftſtellern, mit einer hiſtoriſchen Einleitung von Prof.
3. 3. Hottinger in Züri und heraudg. von Prof. Guſt. Schwab
in Stuttgart. Chur 1828. Banb I. 89 ff.
. 2) Yapfk Gregor X. ignorirt bie Sache ganz; aber König Ottolar,
unter welchem Rudolf gegen bie Preuffen gezogen, bringt fie in Crin⸗
nerung.
Perſoͤnl. VBerhältniffe Rudolfs v. Habsburg. 9 -
frühe an den Bifchof nicht auf, that aber zur nämlichen
Zeit, alfo wahrfcheinlich zur Ausfähnung der Kirche, die Kreuz
fhrt gegen die heibnifchen Preuffen mit König Ottofar von _
Döhmen, wie fhon am Schluffe des zweiten Buches gebacht
worden. Bon dieſem Zeitpuncte an erfcheint Rudolf ald ein
Nann, der, feiner Leidenfchaften Herr, fich berufen fah, in ber
herrenlofen Zeit Befchliger der Schwächen zu fein, ohne jedoch
die Vermehrung feiner Hausmacht zu vergeffen. Die drei Wald»
fätte Urt, Schwytz und Unterwalben, deren Mannfchaft einft
mit ihm für 8. Friedrich II. in Italien gefochten, wählten 1257
ihn jegt zu ihrem oberften Hauptmanne und Schirmherrn, bis
ein echter, ordentlicher König durch einhellige Wahl geſetzt
fein würde.” Dies gefchah zu ber Zeit, da Richarb und Ab
phons zugleich gewählt worden. Nun verföhnte ſich Rudolf
auch mit feinen Verwandten. Der jüngere Grav Hartmann
von Kiburg trat mit ihm in Buͤndniß; Gottfried, der Sohn
des Graven Rudolf von Habsburgskauffenburg, war bed Fries
dens um fo mehr ‚froh, ba bie bisherige Fehde ihn arm ges
macht. Später ging fein gleichnamiger Sohn nach England,
wo fein zitterliches Gefchlecht unter dem Namen Fielding
(Laufenburg - Rheinfelden), den habsburgiſchen Manns⸗
famm überlebend, im Parlamente fist. Um den Bifchof von
Straßburg, Walter von Geroldseck, zum Verzicht auf das ki⸗
burgiſche Erbe zu bewegen, wie es jetzt der aͤltere Grav Hart⸗
mann ſelbſt wuͤnſchte, leiſtete Rudolf demſelben Huͤlfe gegen die
Stadt Straßburg, mit der er ſeit ſeiner Wahl zerfallen war. Da
aber der Abt von St. Gallen dem Biſchof abrieth, weil er
au Anſpruͤche auf einen Theil jener Herrſchaften machte, fo
fogte ihm Rudolf feinen Dienft wieder aufund trat mit mebs
teren anderen auf die Seite der Straßburger, die ihn, wie
früher feinen Water, zum Hauptmann ober Zelboberften waͤhl⸗
tm. In diefe Zeit fällt das Geleit, das Rudolf dem mains
ze Exzbifchof über die Alpen gab. Nachdem ber Bifchof in 1262
öffener Feldfchlacht von den Straßburgern geichlagen worben,
nahmen diefe dad Friedgebot K. Richards, der bazumal in
Hagenau war, nicht an, fonbern fuhren fort die Freiheiten
ihter Stadt gegen den Bifchof zu behaupten, bis biefer aus
Verdruß flarb; worauf fein Nachfolger, der bereits von einem
| 10 Buch IL Erſter — Abſqnitt 1.
Theil der Geiftlichleit gewählt war, Frieden ſchloß und den
. 1266 fibingifhen Vergebungäbrief herausgab. Während diefer Fehde
‚waren nach ‚einander ber jüngere und ber dltere Grav von
Kiburg geſtorben; alfo trat Rudolf in den Beſitz ihres Erbes,
1264 Zwei Jahre vor dem ſtraßburger Frieden hatte ihn auch Zürich
zum Hauptmann berufen.
Diefe Städt wollten Konradins NRäthe früher zum Her⸗
- 1262 zogthum Schwaben ziehen, was aber von König Richard uns
terfagt worden. Nun war ihre Reichöfreiheit bebroht durch
Grav Lütold von Regensberg, ihren maͤchtigen Nachbar.
Rudolf unternahm ben Krieg um fo bereitwilliger, da ber
Grav, als kiburgiſcher Neffe auch auf jene Exbfchaft Anz
foruch machend, bereitö mit den Vettern von Kauffenburg und
andern Graven und Herten gegen ihn in ein Bünbniß getres
ten war. Diefer Krieg ward aber nicht ſowohl in offener
Fehde geführt wie ber flraßburgiiche als im Angriff auf die
zahlreihen Burgen, mit welchen Zürich umgeben war. Da
bewies nun Rudolf fo viele Kunft im Umgehen ımb Hers
ausloden, mit’ Hinterhalt und kuͤhnen Handſchlaͤgen, daß
Luͤtolds Verbündete endlich ermübeten und ihn für unbefiegbar
erflärten. Rudolf wollte feinen Gegner nicht ganz verderben,
in Müdficht auf die lauffenburger Vettern, doch warb berfelbe
fo weit gebracht, daß er froh fein muflte in das Bürgerrecht
der Stabt aufgenommen zu werben, bie er kurz zuvor unter
feine Herrfchaft bringen wollte.
Dies geſchah in den letzten Jahren Konradins, welche
diefer in den Städten am Bodenſee zubrachte. Rudolf bewies
fih als einen fo treuen Freund und Rathgeber bes königlichen
’ — Juͤnglings, daß derſelbe zu Engen die Verſicherung gab, ſo⸗
"bald er zum roͤmiſchen Könige erwaͤhlt ſein wuͤrde, ihm auch
die Reichdlehen zu verleihen, welche der jimgere Grav Hart⸗
mann von Kiburg befeffen *). Andere kiburgiſche Güter, wel⸗
che von St. Gallen zu Lehen gingen, hatte Rudolf aus Uns
wilen gegen den Abt zu muthen unterlaffen, weil dieſer mit
dem Biſchof ven Straßburg gegen ihn gehalten. Während
nun Rudolf mit vielen andern Rittern und Herren zu Bafel
. 1) Jager Geſchlchte Konrads IL. ꝛc. Urk. IV.
Derfönt Verbältniffe Rudolfs v. Habsburg. 11
der Faſtnachtluſt pflegte, rüflete fich der Abt, Bertold von Fal⸗
kenſtein, in das Kiburgifche einzufallen. Rubolf eilte ihm ent:
gegen. Kaum aber war er von Baſel weggeritten, fo erhoben
die Bürger gegen die Übrigen Ritter einen: blutigen Aufftand,
weil fie im Übermuth die Grenzen der Ehrbarkeit überfchritten;
ja es entſtand darauf in der Stadt felbft eine Spaltung, in
weiber die vornehmeren Gefchlechter, die Geſellſchaft vom
Stern, von den anderen, ober dex Gefelfchaft zum Sittich,
nit Beiftand bes Bifchofs auögstrieben wurden. Das war dann
gemeinfchaftliche Sache des Adels), und Rudolf, fonft ber
Bürger und Landleute Befchüßer, befchloß fofort dieſen Schimpf
on denen von Bafel zu rächen, um fo mehr, da er auch mit dem
Biſchofe, Heinrich von Welſch⸗Neuenburg, theild wegen älterer
Anfprüche, theild wegen der Städte Breifach und Rheinfelden,
welche berfelbe zum Bisthum eingezogen, gelpannt war.
Mer aber zwei Zeinde vor fih hat, fprach Rudolf, der
muß mit dem einen fich verſoͤhnen; fofort ritt er mit Wenigen
nach Weil im Xhurgau, trat ohne Geleit zu dem Abt von
St. Sallen ein der eben mit feinen Freunden bei der Tafel
ſaß, und bot ihm die Hand zum Frieden mit ben Worten,
daß er bereit fe, nach ‚dem Ausfpruche der Schiebörichter zu -
schen. Der Abt Iberrafcht nahm ihn freundlich auf und wurde
loger bald fein Bundesgenoſſe gegen den Bifchof von Bafel.
Auch die anwefenden Ritter traten ihm bei.
Diefe neuen Fehden, während auch Die obengenannten noch
nicht ganz beigelegt waren, find wohl die Haupturfache, wars
m Rudolf nicht mit Konrabin zog, als diefer nach Italien
afbrach. Die Stadt Bafel wurde zwar durch Rudolfs maͤch⸗
tiges Aufgebot genöthigt, nachdem ihre Vorflädte eingenom⸗
nm waren, um Frieden zu bitten; aber ber Biſchof ſetzte
den Krieg deſto heftiger fort. Rudolf ſchlug unerwartet eine
Shiffbrude über den Rhein, eine von ihm neu aufgebrachte
1) Rudolf gehörte zur Geſellſchaft vom Stern, bie Graven von
Reich: Neuenburg und von Hochberg zu der vom Sittich. Albert.
Argent. p. 99. Über die Gntfiehung ſolcher Parteien unter den ftäbtis
Men Geſchlechtern, woran die Frauen Theil gehabt, f. Hüllmann
Städtemefen des Mittelalters. IL, 241 fi.
12 Bub HI. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 1.
Aunſt, und nahm Breifach ein. Dur Vermittler wurde ein
breijähriger Stilftand gefchloffen, in welchem Rubolf feine
übrigen Verhältniffe orbnete. Nach dem Ablauf ſchloß Rudolf
wieder Bafel durch Belagerung ein, weil bie Bertriebenen
noch nicht aufgenommen waren. Als endlich auch der Bifchof
aufs Yufferfte getrieben war, gab ihm Rudolf vierundzwanzig
Tage Stilftand, während deffen durch felbfterwählte Richter
nach Minne oder Recht entichieben werben follte; unter dieſen
war der Burggrav Briedrih von Nürnberg ').
Die bisher erzählten Fehden in ben oberen Landen geben
zugleich ein Bild von bem übrigen Zeutfchland. So war es
ungefähr im allen Gauen, feit die koͤnigliche Macht gebrochen
worden. Die Biſchoͤfe wollten ihre Landesherrſchaft erwei⸗
ten, wie die Fürften, und Gravfchaften und Klöfter in ihr
Gebiet ziehen. Die Graven verfuhren eben fo gegen die
Heineren Grundherren. Gegen die Städte waren beide
Theile.
Rudolf fieht über den Meiften dadurch, daß er feinen
Arm zum Schuge der Hülflofen erhob, daß feine Fehden nicht
auf Unterbrüdung der Nachbarn, fondern auf Zufammenbrin-
gen ber zerfireuten Bamiliengüter und Lehen gerichtet waren,
und daß er auch darin immer bereit war die Schiebärichter
zu hören. Die großen Prälaten behandelte er nach den Kriegs:
gefegen, als Fürften die ihre Macht miöbrauchten. Der Kirche
aber und ihren wirbigen Dienern bewies ex foldhe Achtung,
daß er einft einem armen Priefter, der mit bem Sacrament
zu einem Sterbenben eilend an einem angelaufenen Bach auf:
gehalten war, fein eignes Pferd zum Überſetzen gab und fols
ches nicht mehr zuruͤcknahm, weil ed nach ſolchem BDienfte
nicht wieder zum gewöhnlichen gebraucht werben follte *).
Seine Gewiflensräthe waren vom Drben ber Minoriten,
zuerft Werner aus den Städtchen Brugk, dann Heinrich von
Ißni, der nachher zum Bifchof von Bafel, zulegt zum Erz⸗
1) Das Ganze hauptſaͤchlich nah 3. v. Müller Geſchichte der
Schweiz. I. Gap. 7. &. 507 ff. ber Originalausgabe von 1806.
2) Der Priefter wurde nachher Caplan des Erzbiſchofs Werner.
Müller a. a. D. ©. 535. Not. 92.
Derfönt. Verhältniffe Rudolfs v. Habsburg. 13
kichof von Mainz erhoben wurde. - Diefer begleitete ihn auf-
lien feinen Kriegszügen.
So erhielt Rudolf mit dem großen Kriegsruhme zugleich
tas Lob der Gerechtigkeit und Froͤmmigkeit. Die Straßbur:
ger errichteten ihm aus Dankbarkeit ein Reiter-Stanbbild in
ihter Stabt '). Sein felbftgeftedtes Ziel fah Rudolf erreicht.
Er vereinigte mit ber väterlichen Gravſchaft im Aargau, in
dem vormals an Burgund gekommenen Theile von Aleman⸗
nien, bie mütterlihen Gravfchaften Kiburg, Baden, Lenzburg.
3u der Landgraufchaft im Elſaß, von welcher fchon fein Groß»
vater ben Zitel geführt, kamen auch die Erbgüter feiner Ge
mahlin, Anna von Hohenberg, in Schwaben und Elſaß.
Kein anderer Landherr Fam ihm gleich in diefem Theile des
Reiche. Übrigens war Rudolf in den einfachen Sitten feines
Landes, mäßig in Speife und Trank, im Felde wie ein ges
meiner Krieger. Seine fieben Fuß hohe Geftalt ?) gebot Ehrs
furcht; in feinem etwas bleichen Angeficht mit ftarker, gebo⸗
gener Naſe waren Züge hohen Ernſtes; aber wenn er ſprach,
gewann er BZutrauen durch Freundlichkeit; er liebte muntern
Scherz und war hold den Frauen. Seine Gemahlin gebar
ihm vier Söhne ?) und ſechs Züchter. Auch diefer Haudfegen
wird in unferer Gefchichte wichtig.
Fuͤmfundfunfzig Jahre zählte Rudolf, ald er zum römi:
fhen König erwählt wurde. Mit ungefchwächter Kraft hielt
er das Scepter bis in's fiebenzigfte Jahr.
3. 8 Rudolfs J. Wahl.
Streit zwiſchen Der baieriſchen und boͤhmiſchen
Kurſt imme. Überſicht, wie das urſprüngliche Wahls
recht der Volksherzoge auf die Erzaͤmter uͤberge⸗
tragen worden. Rudolfs Toͤchter. Herſtellung des
Landfriedens und der alten Treue.
Wehrend des Stillſtandes mit Baſel geſchah die Königs: 4273
wahl zu Frankfurt. Die erften Fuͤrſten Teutſchlands Eur Sept.
1) Fugger Ehrenfpiegel zc. has bie Abbildung.
2, Chron. Colmar. P. I. ab init. in Urstis. scrr. II. p. 37.
3) Der vierte, Karl, ſtarb in ber Kindheit. Ann. Colm. ad a. 1276.
14 Buch IE Erſter Zeitraum. Abſchnitt 1.
nen in Perfon, ausgenommen Herzog Heinrich von Baiern
und König Ottokar von Böhmen, welche ihre Gefandts
fchaften dazu abgeorbnet hatten; aber gerade über ihre beiden
Wahlſtinmen beftand ein Zwift, der zwar zu Gunften dieſer
Mahl befeitigt, jedoch in der Folge mehrmals erneuert eine
foihe Bedeutung erhalten hat, daß es nöthig ift bier eine
Furze Nachricht von der Entſtehung und den Veränderungen
der Kurſtimmen vorauszufhiden.
Bei der Vereinigung bes Reichs nach dem Abgange der
Farolingifchen Linie wählten die Volksherzoge mit ihren Ges
folgen, als Vertreter ihres Stammes, den König. Als bie
Krone von den Oſtfranken auf das fächfifhe Haus Überging,
zählte man fünf Hauptvoͤlker, die Lothringer, Franken,
Schwaben, Baiern, Sachſen. Da die Lebteren durch
Ottos I. Erhebung für den Augenblid ohne Herzog waren,
fo verfahen die vier erfteren Herzoge die damals zuerfl genann=
ten, aus ber Farolingifchen Verfaſſung übergetragenen Erz⸗
ämter, Kämmerer, Truchſeß, Schen!, Marſchall.
Diefe Ämter haben- in der Folge aus ähnlichen Urfachen mehr
mals gewechfelt. Diefelben fünf Hauptvoͤlker übten ihr Wahl⸗
recht bei der Anertennung K. Heinrich II., des legten vom
. fächfifchen Haufe. Als in Konrad II. ein neuer Herrſcher⸗
flamm gewählt wurde, zählte man im Lager fieben teutfche
Voͤlker, weil die Kaͤrnthner gefondert von Baiern wieder einen
eignen Herzog hatten ") und die Lothringer unter zwei Fürs
ſten getheilt waren. Bei Lothars Wahl, nad dem Abgange
des falifchen Haufes, wählten nur vier Hauptuälfer, die Loth:
singer nahmen keinen Theil, fowie fie auch anfänglich bei ber
Gründung des Reichs unter Konrad I. noch nicht dabei was
ren und Überhaupt in einer loferen Verbindung mit Dem Reiche
ſtanden als die übrigen Herzogthümer. Da Überdies die her⸗
zoglihe Gewalt hier bald getheilt wurde und einerfeitd an
. Erbfürften andererſeits an bie Bifchöfe Fam, fo erloſch dieſe
Wahlſtimme zuerft.
Unter den Hohenflaufen, da die Zheilung auch bei ben
1) Doch ſcheint diefer nie zu den Hauptwähleen gezählt worben zu
fein, vielleicht weil Kaͤrnthen wie Böhmen (f. unten) ſlaviſch war.
König Rudoifs L Wahl. 15
anderen Volksherzogthumern fortfchritt, hielt man zwar auf
der einen Seite noch an ber biöherigen Borftellung, daß ben
alten Bolläherzogen als folhen bad Wahlrecht ge
bühre, ſodaß dem neuen Herzoge von Öfterreich bei der naͤch⸗ 1156
fen Stelle nah den PfalzErbfürften und neben anderen
größeren Freiheiten doch Feine Hauptwahlſtimme zugeſtanden
wurde. Andererſeits aber hatte bereits K. Konrad III. ben 1142
Anfang gemacht, bad Wahlreht auf Erzämter allein zu
gründen, indem er ber bisher unter dem Herzogthume Sachs
fen geflandenen norbfächfiihen Mark, jebt Brandenburg, mit
dem Erzlämmereramt bed Herzogthumes Schwaben dab
Bahlrecht übertrug, um feinen Schwager, Albrecht den Baͤ⸗
ren, fir dad Herzogthum Sachfen zu entfchäbigen '). Ahn⸗
gen gingen mit den.andberen Erzämtern vor.
Da Herzog Heinrich der Stolze zwei Herzogthümer und alfö
auch zwei Erzaͤmter zugleich hatte (auf Sachſen ruhte das
Marfchallamt, auf Baiern bad Erzfchentenamt), fo
wurde letzteres einfiweilen dem Könige Sobieslav L von Boͤh⸗
men übergeben, jedoch wie es fcheint nur. um bes Hofdienftes
willen. Nachdem das Herzogthum Franken eingegangen
war, kam mit den Überreften defelben dad Erzmarſchall⸗
oder ZrucfeffensAmt an die Hohenflaufen, welche des⸗
wegen Dad obengebachte fchwäbifche Erzkaͤmmereramt om Hanfe
Brandenburg abtraten.
Senes wurde bann mit der Rheinpfalz ————
und wie vormals der Herzog von Oſtfranken der erſte war un⸗
ter den Volksherzogen, ſo behielt auch der Rheinpfalzgrav die
erſte weltliche Wahlſtimme 2). Von Pfalzgrav Konrad,
K. Friedrichs J. Bruder, kamen Amt und Land an Heinrichs
des Loͤwen aͤlteſten Sohn gleiches Namens, als Tochtermann
des Pfalzgraven, und bei dem unbeerbten Tode ſeines Sohnes
an deſſen Schwager Herzog Otto von Baiern, aus dem
wittelsbachiſchen Haufe, der dadurch einer ber maͤchtigſten
Fürften und bie legte Stüße des fintenden Kaiferhaufed wurde.
1) Grollius. von ben watlicdyen Heichdergämtern. Aot. Acad.
T.W,
54) Sroltius Abhandl., daß bie Pfalzgraven bei Rhein ıc.
7
16 Buch IT Erſter Zeitraum Abſchnitt 1.
Nach Ottos Tode blieben die Söhne Ludwig und Hein—⸗
1255 rich eine Zeit lang in gemeinfchaftlicher Verwaltung, bann fie
len fie auf Theilung ber Lande, Zitel und Würben aber fol:
ten gemeinfchaftlih bleiben ). Dies die Veränderungen in
Abſicht der weltlichen Erzämter, wobei zugleich bad her⸗
zogliche Wahlrecht auf diefe übergetragen wurde. Nur eines
von den Erzämtern war noch bei einem alten, wiewohl fehr
verminderten Herzogthbum: das ſaͤch ſiſche Haus führte das
Marfhallamt. Das zweite Land das noch von den alten
Herzogthümern übrig war, Baiern, hatte fein Erzamt ver-
loren, dagegen befaß dad Haus zugleich die, Rheinpfalggravs
fhaft mit dem Truchſeſſen amt.
Eine neue Schwierigkeit in der Ausübung bes Wahl:
rechtes befland darin, daß mit der Erblichkeit der alten wie
ber neuen Fürfienthümer, nad) dem Vorgange des baierifchen
Haufes, Theilungen auffamen, alfo erft feſtgeſetzt werben
muffte, ob die Linien gemeinfchaftlich oder der Alteſte des Hau⸗
ſes allein die Wahlſtimme fuͤhren ſollten.
Unter dieſen Veraͤnderungen mit den alten Hauptwa bl:
ſtimmen Eonnte fhon 8. Heinrih VI. auf den Gedanken
kommen, aud bie minderen $ürften, weiche fonft im Ge⸗
folge der Großherzoge geflanden, zur unmittelbaren Aushbung
des Wahlrechtes zuzulafien, ober vielmehr durch ihre erfaufte
Einwilligung die Hauptwähler ganz zu flünzen unb fomit das
Reich erblich zu machen.
Died hat jedoch die Hierarchie verhindert. Sie hat -
aber noch mehr gethan, fie hat vom Anfange an auf die Wah⸗
len bedeutenden Einfluß erhalten und fich bald in das Recht
felbft eingemifcht. Der Erzbifchof von Mainz, der mit feis
nen aus der Parolingifhen Verfaſſung herübergebrachten Pri-
matialsechten in Zeutfchland, als Erzkanzler des Reichs *)
und Erzcapellan bed kaiſerlichen Hofes, zuerft nur bie Reiches
tagsberufung bei Erledigung bes Thrones und den Wahlvers
1) Mannert Gef. Baierns. I. ©. 275.
2) Seit 1239 heifft er Erzkanzler durch Teutſchland, Guden.
Codex diplom. I, u ohne Zweifel, vum Unterſchiede von ben zwei‘
anderen.
König Rudoifsl. Wahl. 17
tag batte, ging unvermerft über zur Behauptung ber ers
ken geiftlihen Wahlſtimme. Die zwei andern rheinifchen
Exzbifchöfe, Zrier und Coͤln, welche anfänglid nur auf das
Kroͤnungsrecht Anfpruch machten, erhielten nach bem Vorgange
von Mainz ebenfalls wirkliche Wahlflimmen. Iener, deſſen
Kirche auf das apoſtoliſche Zeitalter zuruͤckgefuͤhrt wurde, vor
mals Primas in Gallien, hieß Erzkanzler bes (Iotharingis
ſchen) Reiches zu Aachen und erhielt nachmals die Erz:
kanzlerwürde im arelatifchen Reich. Diefen (den Erz
bifhof von Coͤln) ernannte Papft Leo IX. zum befländigen 1049
Erzkanzler bed päpftlihen Stuhles, und der Kaifer ehrte ihn“
fpater mit der Erzfanglerwürde des lombardiſchen
Reichs:). Alſo waren es auch drei Erzämter oder vielmehr
drei Abtheilungen der Erzfanzlerwürde bed Reichs (in Teutſch⸗
land, Burgund und Italien), wodurch die drei rheinifchen Erz⸗
bifhöfe drei geiftlihe Hauptwahlflimmen erhielten. -
Dazu hatten diefe Prälaten aus den alten Herzogthiimern Lo⸗
thringen, Sachen, Zranten beträchtliche Kandeögebiete, wahre
Fürſtenthuͤmer, in den herrlichflen Gauen zuſammengedracht;
(don zu Ottos I. Zeit bekleidete der Erzbifhof von Cöln
die erzberzogliche Wuͤrde über beide Zothringen, und von Fried⸗
rich L erhielt er einen wirklichen Zheil des Großherzogthums
Sahfen. Mit dem Erzbifchof von Mainz flritt er um bie
Ehre des Vorſitzes?).
Auf jene Vorzuͤge konnten die drei andern teutſchen Erz
bisthümer, Bremen, Magdeburg, Salzburg deinen Ans -
ſpruch machen, fie blieben alfo in der Reihe der nachgeorbnes
ten Fürften, traten aber bald unter dem Schuße ber rheini⸗
(hen Hauptwähler mit den übrigen Bifchöfen, bie ſonſt im
Gefolge der Herzoge gefommen waren, in ein eigenes Wahl:
1) Landrecht Gap. 113. ber fchilterfchen Ausgabe. Gebhardi Se
ſchichte ber erbl. Reichsſtaͤnde I, 164. Rach dem oben angegebenen Da:
tum wurde diefe Abtheilung vor ber Mitte des dreizehnten Jahrhunderts
unter K. Friedrich II. gemacht.
2), Ehen bei Rubolfs Kroͤnungsmahl feste er ſich zu deſſen rechter
Seite. Der Mainzer gab nad, ließ fich aber vom Pfalzgraven eine Urs
tande ausftellen, daß ſolches feinem Recht unnachtheilig fein folle. Gu-
den, Cod. dipl. I. Num. 843. p. 758.
Pfiſter Gefhichte d. Teutſchen TIL. 2
18 Bud II Erſter Zeitraum. Abſchnitt 1.
collegium zufammen, "das fich durch feinen Stand und Ein-
fluß über den weltlichen Senat erhob. Bei der Aufſtellung
der Gegenkönige riß ber päpftliche Stuhl die Leitung der Wah⸗
len vom mainzer Erzbistum an ſich und maßte fih fogar
- am über firgitige weltliche Wahlſtimmen zu entfcheiden zur
folge der eitlen Behauptung, daß der apoftolifhe Stuhl nicht
nur das Kaifertbum von den Griechen auf die Franken und
Zeutfchen übergetragen, fondern auch den Zürflen dad Wahl:
recht verliehen habe.
In diefem Sinne wandte fih denn auch Herzog Heinz
rich von Baiern (meil er im Reid) keinen Beiſtand erhielt)
an den neugewählten Papft Gregor X. mit der Bitte, daß er
feine Stelle unter den übrigen Wahlfuͤrſten mit väterlicher
Milde beftimmen möchte").
Das war nım eben der Streit, ber vor Rudolf Wahl
entfchieden werben follte. Dean ließ ed nicht auf den paͤpſt⸗
lichen Ausfpruch antommen, fondern die Wahlfürften hielten
fi) zur vorläufigen Entſcheidung berechtigt und legten nach
ber dem neugewählten Könige die Sache auf dem Reichötage
vor. Das Herlommen war dieſes: Bei der Wahl K. Ri-
chards hatten die beiden Brüder, Lubwig und Heinrich, ges
flimmt, jener wie es fcheint ald Rheinpfalzgrav, dieſer als
Herzog von Baiern?); dem ihr Vater,‘ Herzog Otto, al
Alleinhere der Lande (Baiern und Rheinpfalz), hatte vormals
die beiden Stimmen geführt). Aber der König Ottokar von
Böhmen wollte feine Wahlſtimme auch geltend machen we⸗
gen des von Batern auf Böhmen übergetragenen Erz ſchen⸗
Fenamtes (da fonft die Böhmen, wie die übrigen Slaven,
nur unter der Obhut des Herzogs von Sachſen an den
Wahltagen Theil genommen), und fo wuͤrden es fünf welt-
liche Wahlfürften gewefen fein, woburch mit Einfchluß ber
drei geifllihen Stimmen die ſchon geraume Zeit beliebte
Siebenzahl überfchritten worden wäre. Man konnte nicht
1) Bernh. Pez, thesaur. anecd, noviss. Cod. dipl, T. VI. P. U.
p- 137. S ö
2) Chron. August. ad a, 1257.
$) Excerpta Aventin. in Oefel, scrr. I, 788.
| König Ruboifel Mahl : 49
in Abrebe giehen, daß ber König von Böhmen. an ben letzten
Bahlen thätigen Antheil genommen, doch, wie es fcheint,
nicht fowohl wegen bed Wahlrechtes kraft bed Erzſchenken⸗
amtes, fonden überhaupt als ein mächtiger Fuͤrſt, den bie
Hohenftaufen den teutfchen Fürften entgegenftellen wollten;
wiewohl er nachher auch auf die Seite der Lebtern trat.
Merkwindig ift, daß ein fonft wohlunterrichteter Annalift *)
(bei dem Aufrufe des Papfled zur Wahl eined Gegenkoͤnigs) bes
merkt: „der König von Böhmen, obwohl Erzfchenke, wählt
nicht, weil er Fein Teutſcher iſt.“ So iſt es auch in den
Schwabanſpiegel und in das ſaͤchſiſche Landrecht gekommen:
„der Koͤnig von Boͤhmen hat keine Kur, wenn er nicht ein
teutſcher Mann iſt von Vater und Mutter oder ihrer einem."
Übrigens konnte König Ottokar auffer feiner Mutter, Ppilipps
von Hohenftaufen Zochter, zwei teutfche Ahnen auftoeifen 2),
Allein die Wahlfürften fiheinen gar nicht darauf einge⸗
gangen zu ſein; ungeachtet wenigſtens ſchon in der erften
Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts das Herfommen feftftand,
= die Zürflen wegen ihres Erzamtes das Wahlrecht ha=
ben’), fo nahmen fie jegt doch den alten Grundſatz wieder
auf, daß den Herzo gen als folhen dad Wahlrecht ‚ge
bühre, und fo ward Baiern, um den König von Böhmen aus⸗
zufchliefien, noch ald das einzige Herzogthum anerkannt, bei
welchen die Wahlſtimme auf vem Lande oder Bolt, nicht
auf dem Erzamte ruhe. Ein. befonderer Streit heſtand noch
darüber, ob Pfalzgrav Ludwig bei ber Abmefenheit. feines Bru⸗
derö Heinrich die beiden Stimmen vom pfälgifchen Erzamt und
vom ‚baierifchen Herzogtbum zugleich führe, wie fein Vater
Dtto, ober ob die letztere Stimme feinem Bruder allein ge
bühre. Die Abgeorbneten Pen feinen auf dem Lestern
1) Albert. Abb, Send. ad a. 1. ur:
2) Seine Großmutter, die Gemahlin Premiflavs II, war . Adela,
Marfgrav Ottos von Meiffen Tochter; hie Urgrofmutter, Ladiflavs II.
Gemahlin, Zubith, Tochter bes kandgraven Ludwig III. von Thuͤringen.
9 Albert. Abb. Stad. ä c. Palatinus eligit, quia .Dapifer
. est, Dux Saxoniae, quia Marscalcus etc. Vom Wahlrecht des Herr
098 von Baiern weiß er Nichte. *
‘
2 Bud IL Erſter Beitraum. Abſchnitt 1.
beftanden zu haben. Die Nachrichten find jedoch nicht ganz -
deutlich. Heinrich gab feine Zuflimmung !), wiewohl er mit
feinem Bruder in Spannung blieb, und fo wurde die Wahl
mit fieben Kurflimmen, nach Ausfchluß des Königs bon Boͤh⸗
men, ald eine einhellige betrachtet.
Was nun die Abfichten der Wähler betrifft, fo wollte
keiner von den Kurfürften, ob fie gleich zu ben maͤchtigſten
gehörten, König werben, oder Feiner fand Zutrauen genug,
um ed werden zu Finnen; fie wollten vielmehr einflimmig
mit den Erzbiſchoͤfen einen König, der, wie die letzten nach
den Hohenflaufen, an Hausmacht eher unter als über ih⸗
nen wäre, ‚damit fie nicht gehindert würden ihre Landesho⸗
heit weiter auszudehnen. Zudem waren gerade drei berfelben
unverehlicht, Pfalzgrav Ludwig, ‚Herzog Albrecht von
Sachfen Wittenberg und Markgrav Otto von Branden⸗
burg; dieſe durften wohl hoffen, durch Verbindung mit dem
neuen Koͤnigshauſe noch befondere Vortheile zu erhalten ?)
Der Pfalzgrav Ludwig, Konradins Oheim, hatte ſchon vor
1956 fiebenzehn Jahren bie Unmenfchlichkeit begangen, feine treffs
liche Gemahlin, Maria, Herzog Heinrichs von Brabant Toch⸗
ter, Philipps von Hohenflaufen Enkelin, auf den voreiligen
Verdacht von Untreue, der fich gleich nach ihrem Tod aufs
Härte, in ber erften Aufwallung feined Zornes enthaupten zu
laſſen, nachbem er ein Paar Perfonen, die er für mitfchulbig
hielt, mit eigner Hand niebergeftoßen hatte. Für dieſe Graͤuel⸗
that, die ex tm erften Augenblide für Gerechtigkeit hielt, aber
gleich darauf fo heftig bereute, daß fein 27jähriges Haupt in
Einer Nacht grau geworben fein foll, wurde ihm zwar vom
Papſte Ablaß ertheilt und zur Sühne, die Erbauung eines Klos
ſters (Fuͤrſtenfeld zu den Karthäufern) aufgelegt ”);- aber bie
That felbit war bei den Zeitgenoffen und befonberd bei feis
nen Untertanen, bie ihm den Beinamen des Strengen ga⸗
1) Annal. Steronis Altah. ad a. 1278,
2) Rubolf gab feinen Toͤchtern, wie wir im Kolgenden fehen, Reiches
güter zur Ausflattung.
8) Aventin. Annal. VO, 7.6. Adelsreiter Annal, I, 24,
Meichelbeck Hist, Frising. II, 1, 48,
König RubolfeL Wahl _ 21
ben, fo wenig vergefien, daß er fürdtete, ber neue König
möchte ihm noch zur Rechenſchaft ziehen. Daher zog er den
Burgaraven Sriebrich im Vertrauen zu Rath, ob ex wohl des⸗
balb ficher fein Fönnte, wenn Rudolf römifcher König würde;
zugleich wuͤnſchte ex eine feiner Zöchter zur Gemahlin zu ers
halten. Als ihm nun ber Burggrav in Rubolfs Seele zuſagte.
verſprach er ſeine Stimme. Auf dieſelbe Weiſe wurde mit
den beiden andern Fuͤrſten unterhandelt.
Nach biefer vertrauten Übereintunft fand ber Erzbiſchof '1273
Berner für gut der Wahl ſelbſt noch die befondere Form zu 29. Sept.
geben, daß, um allen Zwieſpalt zu verhüten, bie übrigen Fürs
fen ihre Stimmen auf den Rheinpfalzgsaven Ludwig über
trugen; und nun that biefer im Namen Aller den Ausfpruch
fir Rudolf von Habsburg.
Der Burggrav Friedrich war ber Erſte der dem neuen
Konige die Kunde brachte, dann folgte des Reichs Untermar⸗
ſchall, Heinrich von Pappenheim, mit der förmlichen Eroͤff⸗
nung im Namen der Kurfürften. Es iſt glaublich, wenns
gleich nicht erwiefen, daß Rubolf fchon voraus von ben Uns
terhandlungen unterrichtet geweſen; denn der Burggrav war
einer von denen, auf welchen bie Richtung mit Bafel audges
fest war, und biefer muflte wohl auch wiflen, was er ben
Förften verfprechen durfte. Rudolf fchien nicht überrafcht und
entſprach gern dem Wunſche der Füuͤrſten.
Aber feine bisherigen Feinde waren um fo mehr erflaunt.
„Lieber Hate Gott,“ rief der Bifchof von Baſel aus, „fig
fe auf deinem Xhron, daß ihn Rubolf nicht auch erſteige)!“
Andere verbiffen ihren Unwillen; eine weit größere Zahl von
Ständen war dagegen von großer Freude ergriffen. Graven, _
and Städteboten firömten berzu, um bem neuen Ks
nige ihre Gluͤckwuͤnſche darzubringen. Rudolf ſchloß ſchnell
Frieden mit Stadt und Biſchof von Baſel, um aus dieſen
beſondern Verhaͤltniſſen herauszutreten; er fuͤhrte die Geſell⸗
ſchaft vom Stern wieder in die Stadt und ward mit großem
Jubel empfangen. Seine Gemahlin Anna, nach der Krb:
1) Albert. Argent, p. 100. Rad bem Chron. Colmar. foll
ber Biſchof tödlich erkrankt fein.
2 Buch IT. Erſter Zettraum Abſchnitt 1.
nung Gertrud genannt, verließ ihr Hausweſen zu Brugk!)
und folgte ihm mit ihrem Bruder, dem Graven Albert von
Hohenberg, über Frankfurt nach Aachen, begleitet von eis
ner flattlichen Zahl ſchwaͤbiſcher und rheiniſcher Ritterfchaft.
"Dazu kamen die Wahlfürften mit ihren Gefolgfchaften, zu⸗
fammen bei 20,000 Kitten. Die Straße war auf brei Mei⸗
len mit Menſchen bededt. Zu Mainz übergab der Erzbiſchof
die nach Richards Tod verwahrten Reichöinfignien; nur bad
Scepter feheint in der herrenlofen Zeit verloren gegangen oder
vergefien worden zu fein. Als daher nach der Krönung zu
. Aachen bie Fürften buldigen und die Belehnung empfangen
follten, entftand eine ſtarke Umfrage, ob folches wohl ohne
das gewöhnliche Zeichen bes Scepters gefchehen Tünne. Ru⸗
dolf aber ergriff ein Eleines Erucifir vom Altar und fprach,
indem er es kuͤſſte: „dieſes Zeichen, in welchem wir und bie
ganze Melt erlöfet find, wird wohl auch die Stelle bed Scep⸗
ter3 vertreten;" worauf bie Fürften, durch feine Beſonnenheit
hberrafcht, das Kreuz ebenfalls kuͤſſten und die Huldigung
leifteten ?).
Unter den Belehnungen welche Rudolf ertheilte oder
ersfeuerte, bewies er vorzüglich dem Burggraven Friedrich
für die geleifteten Dienfte feinen Dank, indem er ihm bie
Burggravſchaft Nürnberg als ein gemifchtes Lehen verlieh’).
Dann vermählte er feine zwei aͤltern Toͤchter, Mechtild und
Agnes, jene dem Rheinpfalzgraven Ludwig, dieſe dem Her:
zog Albrecht von Sachſen. Die Vermaͤhlung der dritten,
Hedwig, mit dem Markgraven Otto von Brandenburg, ge⸗
ſchah einige Jahre ſpaͤter. Dem Pfalzgraven beſtaͤtigte er bald
darauf zu Hagenau die konradiniſche Schenkung “). Dem
Erzbiſchof Werner von Mainz, den er noch beſonders gegen
Heimich, Herrn von Heſſen, in Schutz nahm, ertheilte er
1) Domum regebät in Brucco. Chron. Colmar. p. 40,
2) Sterol. c. Daß Übrige nah Albert. Argent. u. Chron.
Colmar, oo.
8) Detter — einer Geſch. d. Burggr. von Nürnberg. Ih. II,
und IIL
4) Lort J Num. XVI.
Rudolfs J. erfie Handlungen. 23
auf dem erſten Reichötage zu Nümberg bie Beſtaͤtigung aller
von den vorigen Kaifern und namentlich von K. Friedrich IL
vor feiner Abfegung verliehenen Rechte und Freiheiten '). Daf:
felbe that er auch den andern Bilchöfen. So bewies fi Rus
dolf dankbar gegen diejenigen die feine Erhebung befördert
hatten F
Nach der Kroͤnung zog er wieder herauf in die obern
Rheinlande, die feiner Gegenwart am meiſten bedurften, und
verweilte in ber vormald hohenſtaufiſchen Pfalz zu Hagenau.
Wo ex hin kam, brachten Bürger und Kaufleute große Klagen
vor ihn, uͤber bie vielen und ungerechten Zölle, welche bie
Landherren aufgerichtet, und wie fie mwüflten die Straßen mei:
den, weil fie nicht mehr Durch Geleit behütet würben?). Es
war ihm nicht unbelannt, wie auffer den Zöllen auch viele
andere Rechte dem eich verloren gegangen, während der. Zeit
da die Kaiferwürbe darniedergelegen; er felbft war lange ge-
nug Zeuge gewefen, wie auf biefe Weife bie ſchwaͤchern Stände
ven ben mächtigern unterbrüdt worden. Daher ließ er fchon
zu Speier audrufen: es follen alle Diejenigen welche in ber
verflofjenen Zeit bes Reiche Güter und Lehen an fich gebracht,
folche wieder zu feinen und des Reich Händen flellen. Er.
ließ Schreiben auögehen an alle Stände bes Reichs: auf den
Königsthron erhoben, werde er mit Gottes Hülfe das ſchon
lange zerrüttete Semeinwefen durch Herftellung des Landfrie⸗
dens wieber aufrichten und bie Unterbrüdten gegen bie Ty⸗
sannei in Schuß nehmen; dazu verfpreche er fich den Gehore
fan und Beiftand der Glieder des Reichs ’).
Auf feinem erſten Reichötage zu Nürnberg, ba alle Für
ſten und Stände ſich verfammelten, ausgenommen König Dt:
tokar von Böhmen und Herzog Heinrich von Baiern,
der aus Unzufriedenheit über feinen in das Vertrauen bed
Königs gelommenen Bruder *) an jenen fih anfchloß, faß
1) Dabei nennt er bie wiinger Kirche: „‚eolumnam Imperũ princi-
palem, titulis ab antiquo tempore conspicuis ac konorum et liberta-
tum eximiis dotibus insiguitam.“ Guden. Cod. dipl, Num, 344. 845.
2) Dttofars Reimchronik in Pez scar. T. III, 120.
3) Lambacher öfter. Interregnum Urk. 40.
4) Daß Rudolf dem Pfalzgraven allein bie konradiniſche Schenkung
⸗
24 Bud m. Erfter geitraum. WAſchnitt 1.
Rubolf zu Bericht und hörte alle Klagen. Dann ließ er oͤf⸗
fentlich ausrufen bei Leib und Gut, daß Niemand follte an⸗
greifen bie Straßen; auch ließ er die gefchriebenen Rechte und
die kaiſerlichen Sagungen vorlefen und Fürften, Herren und
Städte ſchwoͤren, daß fie den Landfrieden halten wollen. So⸗
dann ging er wieber in bie obern Lande, von einer Stabt zu
der andern, um auch die geringern Sachen zu orbnen!).
In dem allen. blieb Rudolf unverändert, denn er that
jest nur im Großen, was er bisher in feinem kleinen Kreife
gethan. „Win ich denn König," ſprach er zu ben wacheha⸗
benben Kriegsleuten, bie einen armen Mann abweiſen wolls
ten, „um verfchlofien "u fein?" Rudolf war eigentlich der
Mann des Volks; Jedem bekannt, Jedem zugänglich, leutfelig
gegen Alle, nur furchtbar den Übelthätern. Den Zolleinneh⸗
mern ſchrieb er: „Das Geſchrei der Armuth iſt vor meine
Ohren gelommen; die Reifenden zwingt ihr zu Auflagen bie
fie nicht bezahlen follen, zu Laſten bie fie nicht ertragen.
Haltet eure Hände zurüd vom unrechten Gut und nehmet
was euch zufommt. Ihr folt willen, daß ich alle Sorgfalt
und Macht anwenden werbe für Frieden und’ Recht, unter
allen die Eöftlichften Gaben des Himmels 2). So wenig hielt
Rudolf auf aͤuſſern Glanz, daß er erſt zwei Jahre nach ber
. Krönung zur Zuſammenkunft mit dem Papfte fein Gefolge
beffer kleidete'). Er felbfi trug feinen einfachen grauen
Rod, bie alts lothringiſche Farbe *), während der Biſchof Pe⸗
ter von Baſel in praͤchtigem Aufzug unter andern einen Moh⸗
ren in weiſſer Kleidung und einen drei Fuß hohen Zwergen,
genannt Ritter Konrad, mit ſich fuͤhrte“). Erſt in Rudolfs
letzten Jahren wird bemerkt, daß er aus Liebhaberei fuͤr fremde
Thiere Ausgaben gemacht ). Wackere Bürger ehrte er, wie
beſtaͤtigt hatte, mochte Heinrichs Groll noch erhoͤht haben; ſ. oben; vol.
Lam bach er oͤſterr. Interregnum S. 129.
1) Bgl. Geſch. v. Schwaben IH, 29 ff.
2) Müller Gef. der Schweiz I, 536.
B8) Er verwenbete dazu 900 Marl. Annal. Colmar. ad a. 1275.
4) Müller Gef. ber Schweiz. V. Buch 1. Gap. Anmerk. 561.
5) Annal. Colmar. ad a. 1284
6) Für 80 Pfd. Sicbere eh er gu Bafel einen Räfig für einen
Rubolfs L Eharakter 25
jivor, durch Beſuch unb ſah mit Vergnügen ihre Wohlha⸗
benheit.
Wenn wir zuruͤckſehen, wie in einem Menſchenalter feit 1240-73
ber Aufwerfung ber Gegentönige, durch päpftliche Beſtechung,
durch Zöfung der Eidſchwure und ber Lehenstreue, durch fich
ſelbſt verächtlich machenben Miöbrauch der Kicchengewalt, fers
ner durch Bedrückung ber Mächtigern, durch Ausartung des
Adels, durch Gewaltthaten, Mord und Raub, allgemeines
Verderbniß überhandgenommen, fo gereicht ed ben Wahlfuͤr⸗
fien eben fo fehr zur Ehre, daß fie endlich unter einem Ober
baupte fich vereinigten, in welchem die alte Treue und Red⸗
lichke it wieder hervorgerufen wurbe. Rubolf ging in Allem,
auch was er nachher für fein Haus that, ben offenen und
geraden Weg. Im ben Reichögefhäften bezog er fih auf 8.
Friedrich II. Was die andern Könige ohne Zuflimmung ber
Kurfürften gethan, das hob er auf ald verfaflungswibrig. So
in Zeutfchland.
4. K. Rudolfs L Vertrag mit Papft Gregor X. 1).
Im Gedränge von zwei Mitbewerbern bewilligt
Rudolf mehr als feine Vorgänger. Gregors Ber:
wenbung bei 8. Alphons von Caftilien und 8. Ot⸗
tofar von Böhmen; Zufammentunft mit Rudolf
zu Laufanne Die Minoriten. Legter Entwurf
eines Kreuzzuges.
Erſt ein. halbes Jahr nad) feiner Krönung zu Aachen ſandte 1774
Rudolf den Burggraven Friedrich von Nürnberg und ſei⸗ Apr.
GSittich (Papagey) machen. Zur nämlichen Zeit hatte er ein großes drei⸗
jähriges Kameel zu Kolmar. Annal. Colmar. ad a. 1389. Die Könts
gin ließ in den Garten ber Prebigermöndge u nr ein Stachelſchwein,
ni chaad air Giitant, bringen. ib. ad a. 6.
1) Hieher gehört eine nicht in ben — gekommene akademiſche
Diſſertation: De prudentia Imp. Rudolphi I. in rebus cum curia pa-
pali transactis, ex temporum illorum indole aestimanda, Auctore F.
C. Le Bret, Tubing. 1788, Der Berf., Sohn des Geſchichtſchreibers
von Italien, vormaligen Kanzlers in Tuͤbingen, ift am 24. Rovbr. 1829
26 Bud IL Erſtert Beitcaum. Abſchnitt 1.
nen Hoflanzler, ben Propfi Otto von St. Guido zu Speier,
mit einem ehrerbietigen Schreiben an Papft GregorX., um
bie gewöhnliche Anerkennung und Kaiferfrönung zu erhalten ').
Der Papſt, mit einer großen Kirchenverfammlung zu £yon be-
ſchaͤftigt, eilte feinerfeitö noch weniger, zu entfprechen, weil er
noch verfchiedene Bebenklichkeiten hatte.
Zuerſt fehlen Rudolf nicht mächtig genug, um den ber:
abgewürbigten Thron wieder aufzurichten und, was vor als
len Dingen gewünfcht wurde, das Aufgebot eined allgemei-
nen Kreuzzuges durchzuſetzen. Man hatte indeffen Gelegenheit
gehabt fich zu überzeugen, baß die Kirche unter fchwachen
Königen auch Nichts gewinne, und der Bifchof von Dlmüs
fagt in einem vertraulichen Schreiben an ben Papft geradezu:
es fei doch befier ein mächtiger, wenn er auch zuweilen et
was fchlinnn wäre?) In Abficht des Lestern wuflte man
‚ Ion, daß von Rubolf Nichts zu beforgen feiz in Beziehung
aber auf die erſte Bedenklichkeit fchrieb der Erzbifchof von Coͤln
an den Papft: „Rudolf ift rechtglaͤubig ein Freund der Kirche,
ein Liebhaber der Gerechtigkeit, ein Mann von Einſicht und
großer Froͤmmigkeit, maͤchtig durch eigene Kraͤfte und mit vie⸗
len Maͤchtigen verwandt; er iſt, wie wir hoffen, bei Gott be⸗
liebt, hat ein angenehmes Ausſehen, iſt uͤberdies am Koͤrper
abgehaͤrtet und im Krieg gegen Treuloſe gluͤcklich“ So weit
wäre nun der Papft mit der Wahl der Fürften zufrieden ges
wefen.
Allein es waren noch zwei Gegner vorhanden, welche
fi) ebenfalls an den Papft wandten, K. Alphons von Ca⸗
ſtilien und K. Ottokar von Böhmen. Jener erneuerte ganz
ernſtlich ſeine Anſpruͤche an das Reich und an das Herzog⸗
thum Schwaben. Er verlangte eine geheime Unterredung mit
als Oberſtudienrath und Oberbibliothekar in Stuttgart geſtorben. Seiner
freundſchaftlichen Bereitwilligkeit bin ich vielen Dank ſchuldig.
1) Das Schreiben iſt datirt aus Kotemburg von Quaſimodogeniti
127&. Raynald. ad h. a.
2) „malignari vellet‘“ Raynald. ad a. 1273. $. XI. Den Über
mächtigen, ſetzt der Biſchof hinzu, nehme doch ber Tod hinweg; aber
wenn Biele gegen einen Schwachen im Aufftande wären, ſei fchwer gu
beifen. Er fpricht eigentlich für K. Ottokar.
Audolfs J Bertrag mit Gregor X. v4
Gregor, auch wegen der Verhältniffe mit Frankreich und Sa⸗
vopen. Segen Rudolfd Wahl konnte ex im Sinne bes roͤ⸗
mildern Stuhles. ſelbſt einwenden, er fei doch früher von
Meranber IV. begimfligt, und der Streit zwifchen ihm und
K. Richard vom römifhen Stuhl zur Entfcheibung übernoms
men, indeffen aber buch Richards Tod von felbft entſchieden
worden. Dittofar feinerfeits griff die Rechtmäßigkeit der
Wahl Rudolfs an; fein Gefandter war gegen das Herkom⸗
men?) auögefchloffen worden. Seine eigenen Anfprüce an
das Kaiſerthum gründete er auf. die bisherigen Berdienfte um .
den römifchen Stuhl, befonderd “a feine zwei Kreuzgüge ge
gen die Preuffen.
Das Conctlium fand jedoch nicht für gut, fich. mit die⸗
fen Einreden aufzuhalten, es drang vielmehr in den Papfk,
zur Ausführmg des Kreuzzuges vor allen Dingen bie Rube
der chriſtlichen Staaten und beſonders bes teutfchen Reiches
berzuftellen. Nun befchloß Gregor X. Rudolf alö vechtrhä-
Bigen römifchen König anzuerkennen, zuvor aber die Verhält-
niffe des xömifchen Stuhls nach allen Rüdfichten zu fichern.
Er Tieß erfi ven Geſandten Rudolf in Gegenwart ber
Väter des Conciliums und ber teutfchen Erzbifchöfe insbefondere
die Verträge mit 8. Otto IV. und Sriebrid II. vorlegen,
und da der Burggrav Friedrich weber leſen koͤnnte noch La⸗
tein verftand ?), den Inhalt deutlich erklaͤren, namentlich, daß
jene beiden Kaifer beim Antritt ihrer Regierung feierlich ver
ſprochen, dem paͤpſtlichen Stuhl, wie ihre Vorfahren, allen
Sehorfam und alle Ehrerbietung zu beweifen, bie Wahlen frei
zu laffen, auf dad Spolien= und Regalien⸗Recht zu
verzichten, dem Papfte in Ausrottung ber Keber beizuftchen
und der römifchen Kirche alle ihre bisherigen (namentlich auf
gezaͤhlten) Landbeſitzungen und Rechte zu lafien, ihr dazu zu
verhelfen und fie dabei zu ſchuͤtzen ?).
1) das Mudoif fpäter ſelbſt beftätigte.
2) Wie e8 zweimal bei ben Unterfchriften des neuen Vertrags bes
merkt wirb. Raynald, ad a. 1274. $. 7. 12. Auch von Rudolfs Soͤh⸗
nen und andern Yürften wird bei ben Urkundenunterfchreiften baffelbe ans
gezeigt.
8) Dttos IV. Urkunde ift ohne Zweifel deswegen beigezogen, weil
28 Bud IL Erſter Zeitraum. Abſchnitt 2.
Auf diefe Verträge ober Freiheiten bed römifchen Stuhls ging
Gregor X. zuruͤck, ohne fich auf die nachgefolgten Streitigkeiten,
bei welchen die beiden Kaiſer bad Meifte wieder zurlicigenommen,
einzulaffen; vielmehr fegte Gregor X. voraus, daß durch Fried⸗
richs H. Tod Alles wieber in den vorigen Stand gekom⸗
men, und dad hätte wohl genug fein mögen. Allein er fand
für gut in Abfiht auf den gegenwärtigen Stand ber
Dinge noch folgende nähere Bedingungen hinzuzufeßen: -
Die Sefandten folen in Rudolfs Seele fchwören, er:
fen, nit nur bie Güter der römifchen Kieche, fonbern auch
die Güter ihrer Vafallen nicht einzunehmen, felbft wenn dieſe
(wie die Städte in der Mark Ancona und im Herzogthum
Spoleto zum Theil ſchon gethan) fich freiwillig ihm unter
werfen wollten; zweitens, ohne Erlaubnig bes Papfles
Feine Würbe im Kirchenflaat ober in Rom anzunehmen (nas
mentlich die Senatonwürbe, welche die Römer fchon ein paar
Mal an Audwärtige verliehen hatten), auch benen bie fich
folcher anmaßen würben, nicht beizufteben, fonbern vielmehr
dem römifchen Stuhl; drittens, unter den Vaſallen ber roͤ⸗
mifchen Kirche befonders ben 8. Karl von Sicilien nicht zu
beleidigen, noch Andern darin beizuftehen; das Reich Sici-
lien nicht anzugreifen, noch durch Andere angreifen zu laſ⸗
fen, noch heimlich ober Öffentlich dazu zu helfen; auch andere
Getreuen der Kirche, welche dem Könige Karl gegen Fried⸗
rich, feine Erben und Nachfolger beigeftanden, beshalb .
nicht gu beichweren,. fondern fie vielmehr zu begünftigen.
In biefem legten Puncte wird Konradind Name, uns
geachtet erſt ſechs Iahre feit feiner Hinrichtung verfloffen was
ven, fo geflifientlich verfchwiegen, daß der Papft lieber Fried⸗
eich IL nennt, um jenen unter feinen Erben im Allgemeis
nen zu begreifen, da doch Jedermann wuflte, daß zu K.
Friedrichs II. Zeit Karl von Anjou noch lange nicht nach
Italien berufen war. Bei dem allen konnte der Papft nicht
leugnen, baß, wenn auch 8. Richard Nichts nach Konradins
- fie voliftänbiger iſt und weil Friedrich I. nur auf das Gpolienredt,
nicht aber auf dad Regalienrecht Verzicht gethan hatte. Wal. Eich
A beutfche Staats⸗ und Rechts⸗Geſchichte S. 327. Anm. e. Band UI.
©. 351. ;
Rubotfs I. Vertrag mit Gregor X. —
Schickſal gefragt, doch zu beſorgen ſei, ein wirklicher teutſcher
König, der noch dazu mit dem hohenſtaufiſchen Haufe und
mit Konradin befonders in Freundſchaft geflanden, möchte
theils fire feine Perfon theild nach ‘den damaligen Vorſtellun⸗
gen von bee Obergewalt des Kaiſers über alle ändere chtiſt⸗
liche Fürften den Koͤnig Karl zur Rechenſchaft ziehen; ja er
fönnte wohl auch die zuerft zum tentfchen Rei) gehörige Les
benäherrlichkeit über Apulien wieder in Anſpruch nehmen.
Diefe mislichen Verhaͤltniſſe hätten vieleicht mit Stille
ſchweigen übergangen werben koͤnnen, aber Gregor X. wuſſte,
daß er fodern Tonnte; denn Rudolf hatte in bem fchon
gedachten Schreiben offenherzig gefagt, „er babe feinen Ge
fandten volle Gewalt gegeben, in feinem Namen nicht
nur Alles was feine Vorfahren geleiftet, ſondern auch Ans
bereö zu verfprehen und. zuthun, was ber heilige
Bater ohne Bergliederung des Reichs von Gott.
und Rechts wegen für nuͤtzlich erachten werbe, ohne hier
zu einer befondern Vollmacht zu bedürfen)". Alſo hatte
Gregor nur noch dafir zu forgen, daß auch die Grfüllung
auf's bimdigſte verfichert wurde. Deshalb ſetzte er noch bins
zu, Rudolf folle dieſes alles nicht nur fogleich mit einem
koͤrperlichen Eide auf das Evangelium befräftigen, ſondern
auch bei feiner Krönung: zu Rom wiederholen. Zudem follen
alle teutfchen Fürften fich für ihn verbirgen in ber Art, daß,
wenn er wider Vermuthen fein Verfprechen nicht halten wide,
fie ihm nicht beiftehen wollten.
Die anmwelenden teutfchen Erzbifchöfe und Biſchoͤfe ges
nehmigten bie mit ihrem Math und Beifall geführten Ber
bandlungen, und nun thaten die Geſandten, wie ihnen bes
fohlen war, fie gaben feierliche Zuſage und leifleten den Schwur
in bie Seele Rudolfs.
Dies gefchah fchon im zweiten Monat nach ber Abord⸗ 1274
nung ber Gefandtfchafl. Dennoch ließ Gregor X. die Voll 16. Jun.
1) Lubemwig hat deswegen bie Echtheit diefer Urkunde bezweifelts
allein ber Erfolg beftätigt fie zur Genuͤge. Bgl. Gerbert. Cod. >
p. 23. Baccagnt hat bie Urkunde aus dem paoͤpſtlichen Archiv.
Lebret L c. p. 13. wiewohi Letterer bie * ausgehobenen —
tikel uͤbergeht.
26. Sept.
30 Bud IL | Erſter Zeitraum. Abſchnitt 1.
ziebung noch brei ganze Monate anſtehen. Woͤhrend berfels
‚ben wurden bie Unterhandlungen mit Alphons forgeſetzt und
deſſen Einreben an Rubolf mitgetheilt. Rudolf. aber ließ eine
zweite Geſandtſchaft an ben Papft abgeben, wozu er den ers
wählten Bifchof von Trient und feinen Geheimſchreiber, ben
Minoriten, Deinrih von Ißni, erſah. Diefe benchmen
bem Parfte alle noch Übrigen Zweifel, und fo entfchloß fich
Gregor endlich, aufnochmalige Berathung mit den Cardinaͤlen,
den Ausfpruch zu thun und Rudolf als roͤmiſchen König an»
zuerfennen, ober, wie er ſich etwas zweideutig ausdrückt, ihm die⸗
fen Namen zu geben!) und ein eigenes Schreiben barüber
an Rubolf auszuſtellen. Neben den väterlichen Ermabnungen,
welche Gregor damit verband, foberte er zugleich ben König
auf, fih num ungefäumt zur SKaiferfrönung bexeit zu halten,
bamit er, wenn er berufen würbe, fobald es bie Umflände
geftatteten, bei der Hand waͤre; indeſſen follte ex fogleich wie⸗
ber eine Gefanbtithaft an ihn abordnen, um mit bem Könige
von Siciien und dem Graven von Savoyen zu ‚unterhanbeln.
Bon diefer Entfcheivung gab der Papft auch ben teuts
ſchen Fuͤrſten, befonders aber bem Könige Ottokar Nach»
richt, und erinnerte diefen fich mit dem römifchen Könige durch
gemeinfchaftliche Freunde zu vertragen, dba er nun deſſen ge
rechte Sache zu unterflügen verbunden fei?). Allen Dttos
tar war noch hartnädiger ald Alphons. Legterer hatte dem
Dapfte vorgeftellt, in den achtzehn Jahren feiner Erwählung
zum roͤmiſchen König fei er hauptfählich duch den Krieg mit
den Arabern abgehalten worden nad; Teutſchland zu gehen,
jest aber, da fein Sohn erwachlen wäre, wallte ex dieſem
Gaftilien übergeben und bad Kaiſerthum antreten; babei be
gebrte er immer noch das Herzogthum Schwaben als mütters
liches Erbe. Rudolf gab durch die leute Geſandtſchaft dem
1) nominare, denominationem ascribere, find bie zwei Ausbrüde
Gregors; ob er nennen, benennen ober ernennen bamit fagen wollte,
nahm man bei Rubolfs großer Bereitwilligkeit nicht fo genau, wie früher
bei bem Worte beneficium, ob es Lehen oder Wohlthat heiffen follte.
Die fämmtlichen en geborigen Actenſtuͤcke hat Raynald. beim u
127%. SS. 6—12. und 5
2) Raynald. ad. a. 1274. 6. 56—58,
Rubolfs I. Bertrag mit Gregor X, 31
Parpfte dieſelbe Auskunft, die er gleich nach feiner Wahl
dem Alphons felbft gegeben hatte: daß nämlich das Herzogthum
als heimgefallenes Mannlehen zum Reiche gezogen worben; bie
legten, meiſt verpfändeten Allobien aber wären Dusch Konra⸗
dind Bermächtniß an die Herzoge von Baiern, feine Oheime,
übergegangen und biefen bereits beſtaͤtigt worden. Nach Rubolfs -
Anertennung kam. Gregor mit Alphons zu Beaucaise zuſam⸗
men unb flellte im vor, dab feine Partei in Teutſchland
längft erloſchen fei usb daß es Überhaupt dad Wohl der Kirche
und des Reichs erfobere, die Sachen beruhen zu Iaflen. Als
phons wagte nun zwar nicht dem Papfte in's Geficht gu
wiberfprechen; kaum war er aber nach Eaftilien zurüdiges
kehrt, fo fehrieb er wieder an bie teutfchen und italienifchen
Einten, daß fie ihn.gegen Rubolf unterflügen möchten. Run
bedrobte ihn der Papft mit dem Bann, und da er auch aufs
neue mit ben Arabern in Krieg verwidelt wurde, fo ließ er
ſich endlich damit abfinden, daß ihm ber Papft if einige
Zeit die Zehenten vom ben geiftlihen Gütern feines Landes
Bon Benucaire ging Gregor X. nad) Lauſame, um fih 1275
mit Rubolf vor ber Kaiferkrönung zu unterreben, was vor Oetbr.
ihm wenige Paͤpſte gethan. Seine Abficht war, ihn perföns
lich zu verpflichten und dann die nähern Anflalten zum Kueug -
zug zu treffen. Rubolf kam mit Gemahlin und Kindern und
einem anfehnlichen Gefolge. Da er ſchon bei feiner Krönung
zu Aachen ben Kreuzzug zugefagt "), indeffen auch bem Papfle .
geichzieben hatte, baß er in das Land ziehen wolle, wo bie -
Sebeine feines Vaters ruheten?), fo nahm er mın mit fe
feinem ganzen Gefolge dad Kreuz aus ber Hand bed heiligen
Baterd und verfprach auf das nächte Pfingſtfeft mit 2000
Rittern zur Krönung nad) Rom zu Tommen. Zu Lyon war
verabredet, daß Rubolf den von feinen Gefandten befchwo-
nen Vertrag mit einem leiblichen Eid befräftigen ſollte. Es
wurde aber eine neue Urkunde verfafft, worin Rudolf auffer
l
1) Chron. Colmar. p. 40, z
2) Gerbert. Cod. ep. L. I. Num. 18.
22 Bud IH. Erfter Beitraum. Abſchnitt 1.
benzöfter gebachten Beſitzungen des Kirchenſtaates auch noch
Corſica und Sardinien demſelben zuerkannte!).
Wie konnte Rudolf, fragt man nun mit Recht, alle Fo⸗
derungen bed Papftes fo gerabehin zugefteben, er der fonft
ganz gibelliniſch geſinnt, von einem eben fo gefinnten Erz⸗
bifhof zum Throne berufen worden? Der naͤchſte Grund lag
‚nicht fowehl in der Furcht vor den Mitbewerbern, bas hat
er in ber Folge gegen Dttofar bewiefen, als. vielmehr in der
Beforgniß, den Papft: auf ihre Seite treten zu fehen; und
bier liegen tiefere Gründe. Rudolf feheint fchon auf dem
Kreuzzuge gegen bie Preuffen feine Gefinnungen in Rüdficht
auf die Kirche geändert zu haben. Er überließ fich in biefer
Sache ber Leitung der Minoriten und ber Predigermönche,
don welchen ein gleichzeitiger Annalift fagt, daß fie, vom päpfts
lichen Stuhl als Stuͤtze gegen Friedrich IL und feinen Ans
bang über alle andere Orden erhoben, einen Einfluß erlangt
hätten, ber dem Papſte und ber Geiftlichkeit ſelbſt faft zu
mächtig geworben ?). Bor biefen muffte alfo auch ber Erzbi⸗
(hof von Mainz fehweigen. Rudolf Eonnte fi) etwa damit
beruhigen, daß die teutfchen Bifchöfe bei ber Kirchenverſamm⸗
lung zu &yon ebenſowohl die Pflicht gehabt den Königds
rechten Nichts vergeben zu laſſen; allein es war ihnen nicht
weniger erwünfcht als dem Papſt, dag Rudolf namentlicdy ben
Verzicht auf das Spolien- und Regalien⸗Recht erneuern muſſte.
Wenn bie Verträge von Otto IV. und Friedrich HL zum Grund
gelegt wurden, fo konnte ed Rudolf nicht unbekannt fein, daß
Friedrich nicht Alles bewilligt hatte was Dtto IV., und daß
beide Kaifer nach der Befignahme des Thrones bie Verträge
wieber umgeſtoßen. Sollte er vielleicht biefelbe Abficht ges
habt haben? Auf keinen Fall aber iſt e8 zu rechtfertigen, Daß
er, wie Peiner feiner Vorgänger, im Vertrauen auf den Papft
auch noch Anderes oder Weiteres zu bewilligen fich vors
qus bexeit bezeugte. "Den eigentlichen Auffchluß geben die
1) Raynald. ad a. 1275. $. 38. Daß Rudolf überhaupt dem
paͤpſtlichen Stuhle Rechte zuerkannt habe, welche biefer bis baher noch
nicht hatte geltend machen Eönnen, ſ. Planck Geſchichte bes Papſtthums
Ir. 1. 614.
.2) Albert, Argent, p. 3%.
Rudolfs l. Vertrag mit Gregor X. 33
"Sahrbücher det Dominitaner zu Colmar: den Minoriten Hein:
ich, Rudolf Beichtvater, der die legten Unterhandlungen
geführt, ernannte ber Papfi auf der Zufammenkunft.zu Laus
fanne zum Biſchof von Bafel und zum Legaten in Teutſch⸗
land, mit dem Befehl, die geiſtlichen Zehenten (zum Behuf
des Kreuzzuges) einzuziehen und dem Könige Rubolf 12,000
Mark einzubändigen, wenn er über bie Alpen ziehen würbe?).
Mit dem allen aber hat Rudolf feinen Zweck nur halb
erreicht: Alphons wurde zwar abgewielen, aber Ottokar blieb
in fo behamylichem Widerfpruch, daß ed Rudolf num bach, uns...
geachteb der Unterflügung bed päpfllihen Stuhles, auf ben - :
ungewiſſen Ausgang des Kriegs ankommen laflen muſſte. Gre⸗
gor X. bat feinen Hauptzweck ‚gar nicht erreicht: denn ba ex.
bald nach der Ruͤckkehr von Laufonne flarb, auch drei feiner
Nachfolger nur kurze Zeit den römifchen Stuhl einnahmen, fo
unterblieb ber ganze Kreuzzug, und die Verhandlungen find
nur noch baburch merkwürdig, daß fie in Abficht des Mor⸗
genlandes zu ben lebten dieſer Art gehören. Rubolf kam nicht
einmal nad Italien, alſo auch nicht zur Kaiſerkroͤnung, weil
er in Zeutfchland immer alle Hände voll zu thun ‚hatte.
5. Rudolfs Herſtellung der Reichsrechte in Ober⸗
teutſchland und — einer neuen Hausmacht
(Öfterreich).
Reichſstagsſchlüſſe zu Augsburg Rudolf beftatigt
das Wahlrecht des Herzogthums Baiern. Auf:
ſtand der ſchwaͤbiſchen Graven, des Herzogs Hein:
rich von Baiern und K. Ottokars von Boͤhmen.
Zweimaliger Krieg. Rudolfs Sieg auf dem March⸗
feld. Belehnung feiner Söhne mit Oſterreich.
Kaͤrnthen kommt an Grav Mainhard von Tirol.
Zweiter Aufſtand in Schwaben. Grav Eberhard
son Wittemberg.
As Ottokar vernahm, daß Gregor X. den roͤmiſchen Koͤnig
Rudolf anerkannt habe, drohete er mit Appellation, verbot
3) Annal, Colmar. ad a. 1275. p. 18, ’
Pfiſt er Geſchichte d. Teutſchen III. 3
3 Bud II Erſter Zeitraum Abſchnitt 1.
die auf dem Goncilium angeorbneten Kreuzpredigten unb Be
bentreihung und nahm von feinen Biſchoͤfen das Werfprechen,
von Niemand ohne feine Zuſtimmung Befehle anzunehmen ').
Er zeigte überhaupt um fo größere Crbitterung, jemehr er
bisher vom römifchen Stuhle fi begünfligt gefehn. Eben fo
wenig hörte er auf Rudolfs Erintterungen. Da er auf bem
erften Reichſtage zu Nürnberg nieht erfchienen war und fid
Dagegen mit Herzog Heinrich von Baiern gegen männiglic)
verbunden hatte”), fo lud Rudolf Beide auf einen andern
1275 Reichstag zu Wlrjburg, dann zum dritten Mal nah Augs⸗
‚15. Mai hurg, wo er dad Mandat wegen Zurüdgabe der dem’ Reiche
entzogenen Guͤter und echte erneuerte. Nun ſandten zwar
die beiden Fuͤrſten Abgeoronete und ‚Sachwalter; fie. wollten
aber vorerft nur die ſtreitige Wahlſtimme zur Sprache brins
gen ’). Auffallend möchte ſcheinen, daß ungeachtet dieſes
Streited die beiden Fürften-- einig waren: Böhmen verlangte
die Wahlſtimme wegen des Erzſchenkenamtes; die Kurfürs
ften hatten ‚fie dem Herzogthum Baiern zuerkannt; aber Hein⸗
rich war damit noch nicht zufrieben, er wollte fie allein has
ben, -gefondert von feinem Bruder, dem Pfalzgrafen*). Ins
‚ wiefern nun beide Zürften mit dem Ausſpruche der Kurfürften
unzufrieden waren, konnten fie einig fein; in der That gber
wurde der Streit um die Wahlftimme nur als Vorwand ges
braucht, um Rudolf Mandat nicht befolgen zu dürfen. Auf
jeden Fall befchleg Rudolf diefe Sache auf dem Reichstag
zuerſt vorzunehmen: er ließ den Pfalzgraven Ludwig kraft
feines Amtes vor allen Fuͤrſten, Baronen, Rittern und dem
ganzen Volf Bericht erfiatten, wie e8 bei ben bisherigen Wahs
len gehalten worden, und ald er biefen vernommen, gab er
die Entfcheidung, daß den Herzogen von Baiern wegen bes
Herzogthbumes eine von den fieben Wahlſtimmen zuloms
me °), wodurch er zugleich bie Rechtmäßigkeit feiner Wahl
1) Lambacher a. a. O. S. 133 ff. vgl. urk. 46.
2) Chron. Heinr. Oetting. ad a. 1278. in Oefel, acer. T.I.
$) Chron. Salisb, ad a. 1275. in Pez scrr. T.L
4) Mannert Geld. Baierns I, 278 f.
5) Lambacher a, a. D. Url. 97.
%
Rudolfs L Herfiellung ber Reichsrechte. 35
betätigte. Dieler Spruch war ben Sachwaltern des Herzogs
Heinrich aus dem fchon gedachten Grunde nicht genuͤgend,
wiewohl ihn Rudolf offenbar in der Abficht gegeben, um
den Herzog von dem Bimdniſſe mit dem Könige von. Boͤh⸗
men abzuziehen; ber Gefandte dieſes Lehtern aber, Wifhof
Bernhard von Seccau, erhob fürmlichen Widerſpruch
indem er in einer lateinifchen Rebe: anfing Rudolfs Wahl '
für ungültig zu erklaͤren, weil er und bie Wähler im päpfls
lichen Bann geweſen (wovon boch ber Papft ſelbſt Nichts wif
fen wollte). Schon ald Rudolf Latein hörte, fiel ex dem
Bifchof in's Wort: „wenn Ihr mit Bifchöfen und Prieflern
zu thun habet, möget Ihr immerhin Latein veben; fprechet Ihr
aber mit Mir und von den Reichsrechten, fo vebet, daß Euch
Leber verfiehen unb antworten kann." Die Fuͤrſten aber, als ſte
Etwas von Papft und Ercommunication vernahmen, flanden mit
großem Unwillen auf, und der Pfalzgrav wollte über den Rebe
ner berfallen (wie fein Borfahr Otto über ven Cardinal Ros
land), ber König nahm ihn aber in feinen perfönlichen Schu
md ließ ihn den andern Zag abreifen., Dann hielt Rudolf
ein Fuͤrſtengericht, welches gegen Dttolar wegen feineö Un-
gehorfams die Reichsacht ausſprach. Um jedoch noch einmal
den Weg der Güte zu verfuchen, fandte Rudolf den Burg.
graven Friebrih an Dttofar, ber ihn zur Unterwerfung er⸗
mahnte, befonders in Abfücht ber Reichslehen *).
Das war ber eigentliche Zweck bes augsburger Reichsta⸗
ges und zugleich das fchwierigfte Geſchaͤft des neuen Königs,
die feit dem Sturze der Hobenflaufen in allen Provinzen dem
Reiche entzogenen Güter und Rechte wieder zufams
menzubringen. Rudolf nahm ed auf fi den Reichöfchluß
in den obern Rheinlanden felbft zu vollziehen. Noch unſchlüͤſſig
in Abficht des beimgefallenen Herzogtbums Schwaben,
befegte er einflweilen bie zwei Landvogteien in bemfelben
(ähnlich dem Kammerbotenamte zur Farolingifchen Zeit) durch
den Sraven Albrecht von Hohenberg, feinen Schwager ,. und
1) Ottofars Reimchronik Kap. 113. Chron. Leob. ad a. 1274,
Chron. Salisb. ad a. 1275. Daß Herzog Heinrich nicht in die Acht ge:
fommen, fondern von Rubolf fortwährend zur Unterwerfung ermahnt
worden, zeigt Cambaher a. a, D. ©. 142.
3%
1275
25. Aug.
Det.
365 Buch IE Erfter Zeitraum. Abſchnitt 1,
durch den Graven Hugo von Werbenberg. Sie hatten den
Befehl, die Reichörechte zu wahren und bie Heinern Stände
gegen bie Landherren zu Tchügen. Da der Markgrav Rudolf
von Baden fich feinen Befehlen nicht fügen wollte, belagerte
er ihn zu Freiburg im Breisgau‘). Dies alles gefchah noch
vor der Zufammenkunft mit dem Papfte.
Nach der Rüdkehr von Laufanne fand Rudolf gewaffne⸗
ten Aufftand in Schwaben, Balern, Böhmen. Funfzehn
fchwäbifche Graven, welche nicht geneigt waren die biöher
etlangten Reichörechte herauszugeben, unter Leitung des Mark⸗
grauen von Baden und der Graven Ulrich und Eberhard von
Wirtemberg, boten dem Herzoge Heinrich von Baiern die Hand
und diefer dem König von Böhmen. Rudolf, um nicht in
feinen Stammherrſchaften eingefchloffen ober vom übrigen Reiche
abgefchnitten zu werden, befchloß ihnen zuvorzukommen und
fie zu trennen. Mit Beifland des oberländifchen und elfaffl>
ſchen Adeld und des Pfalzgraven Ludwig wurden zuerfl die
ſchwaͤbiſchen Landherren gefchredt. Rubolf ließ zu Straßburg
den Landfrieden erneuern, dann hielt er zu Kempten Reichs⸗
hof, um ſich zur Heerfahrt gegen Batern und Böhmen zu
vüften; denn Ottokar fpottete nur des armen Graven von
Habsburg und hatte auch den Burggraven Friedrich mit Ge⸗
ringſchaͤtzung abgemiefen ?).
In diefer Lage war der römifche König nun -wohl bes
rechtigt ein Reichsaufgebot zu machen, aber die ganze Wehrs
anftalt war unter den bisherigen Parteiungen in Verfall geras
then; im nördlichen und weftlichen Zeutfchland war Feine Neis
gung gegen Böhmen zu ziehen.
Sene fehwäbifchen Graven gaben auch nach dem Stils
fland Feinen Zuzug; vermuthlich hatten fie fich dieſes vorbes
halten. Während aber bad Aufgebot im mittlern Zeutfchland
nur langjam ſich bewegte, fammelte Rudolf eine Kernfchaar
1) Annel. Colmar. ad a. 1275. (Die zwei colmarifchen Jahrbücher
in Urstis. sorr. werben unterfchieben, das exftere, kuͤrzere, als Anna-
les, das andere als Chronicon oder auch als Pars II.) .
2) „empot Ghunig Rubolffen ſpoͤttlich Bottſchaft.“ Hagen Ghror
nit ©. 1086. Zum Übrigen vgl. Geſch. v. Schwaben IL, 89 ff.
Rudolfs L Herftellung ber Reichstechte. 37
von freiwilligen und geworbenen Sefolgen aus dem
eberländifchen Adel, der ihn in feinen frühen: Fehden unter:
flagt hatte. Zugleich flärkte ex fi durch Bündniffe mit den
Rachbarn Ottokars. Der Grav Mainhard von Zirol und
Görz, deflen Zochter Eliſabeth Rudolfs Erfigebormem, Al;
brecht, verlobt wurde, verfprach buch Kaͤrnthen und Krain
einzufallen. Der Erzbifchof von Saburg, von Ottokar ges
druckt, und der Patriarch von Aquileja verfprachen gleichfalls
gerüflet zu fein. Ungern, feit vielen Jahren im Krieg mit
Böhmen, war nicht weniger beveit fich anzufchlieflen; zur
Feſtſtellung des Bünbniffes nahm Rudolf den jungen König
Radiflav und feinen Bruder, Herzog Audress von Slavo⸗
nien, weil fie frühzeitig ihren Vater verloren hatten, ald Söhne
auf umd verlobte dem Lebtern feine Tochter: Clementiaz
auch fchrieb er den Magneten, daß er für ihren Dienfteifer,
den fie dem Könige bewiefen, bereit: fei ihnen Ehrenvorzüge
oder Würden bed römischen Reiche, wenn fie folche begehrten,
zu ertheilen'). Grmuthigt wurde Rudolf ferner dadurch, daß
nicht nur die Öfterreichifchen Stände, der Gewaltherrfchaft Ot⸗
tofard "überbrüffig, fondern auch ein XThell des böhmifchen
Abdels durch Briefe und Geſandte ihn einluden, fie von dem,
mmerträglichen Joche zu befreien, indem fie ihres Theils allen
Beifland anboten.
Als nun Rudolf zuerft mit einer Heinen Schaar am Rhein
binumter 309, um bie übrigen Heerbaufen an fich zu ziehen,
fragte ihn der Herr von Klingen: „Herr, wer fol Euern
Schag bewahren?" Er antwortete: „Ich babe keinen Schatz,
auch fein Selb als dieſe fünf Schillinge fchlechter Münze
bier.” — „ber womit wollt Ihr denn dad Kriegäheer ver
forgen?'' erwieberte Iener. „Daflır wird Gott forgen”, ſprach
Rudolf, „wie er biäher geforgt hat." Mit biefen Worten führte |
er den Zug getroft weiter ?).
Seine erſte Abfiht war, weil der Herzog von Baiern
noch entgegenfland, mit dem Pfalzgraven Ludwig und dem
Burggraven Friedrich durch Franken geradezu Böhmen anzu:
1) Die Urkunden bei Cambaher a. a, DO, Rum. 51-6l. :
‚2) Chron. Colmar, P. II. p. 41. 42,
1276
29. Mai.
—
38 Buch III. Erſter Zeitraum Abſchnitt 1.
greifen und auf der andern Seite ſeinen Sohn Albrecht durch
das Salzburgiſche mit den übrigen Verbuͤndeten in ſterreich
eindringen zu laſſen. Indeſſen aͤnderte aber der Herzog Hein⸗
rich ſeine Geſinnungen, da er ſich von zwei Seiten bedroht
und von Ottokar verlaſſen ſah. Er ſchloß zuerſt Frieden mit
feinem Bruder dem Pfalzgraven, wobei jedoch der Hauptſtreit
wegen Theilung der Lande und Titel, alſo auch wegen des
Wahlrechts, auf weitere Entfcheibung ausgeſetzt blieb’). Dann
unterwarf er fi auch dem Könige zur Lehenempfängniß, bie
er indeflen gegen feine Ermahnungen verfchmäht hatte Ru⸗
dolf ließ fich bereit finden auch bier einen Freundfchaftövertrag
anzutnüpfen: er verlobte dem Bohne des Herzogs, Dtto, feine
Tochter Katharina und verbieß Oberöfterreih zum Braut⸗
ſchatz. Dagegen bezahlte Herzog Heinrich als Vorlehen 46,000 fi.,
da ed dem römifchen Könige an Gelb zu feiner Unternehmung
fehlte, und flellte 1000 geharniſchte Reiter zu: den 2000, welche
Rudolf mit fih führte®).
Run war der Angriff auf Ottokar von allen Seiten frei.
Mubolf erhielt weiten Zuzug, aufier dem Erzbiſchof von Mainz,
von den Bilchöfen von Würzburg, Regensburg, Ghiemfee,
dann aud von sheinifchen Fürften, Heinrich von Heflen, den
Graven von Leiningen, Kabenellenbogen und Sponheim. Selbft
der Bifchof von Seccau, der auf dem Neichötag zu Augsburg
eine fo übermüthige Sprache geführt, wandte fich jetzt an die
Gnade des Königs’). Nachdem der Erzbifhof von Salzburg
in feinem ganzen Sprengel den Eid für Ottokar als ungliltig
erklaͤrt, traf Rubolf bei feinem Einzug in Öfterreich feinen
Widerfiand mehr ald zu Klofter-Neuburg und Wien. Erftere
Stadt wurde mit Liſt eingenommen, Wien aber flnf Wochen
lang belagert, denn fie war ohne die Burg in der Stadt noch.
durch vier Burgen aufferhalb der Mauern vertheidigt. Als
auch Grav Mainhard von Tirol durch Krain, Kaͤrnthen, Steier⸗
mark mit Verflärkung herankam, beſchloß Rudolf den König
1) Mannerta.a.D. 8.280f. Lambach er a. a. D. ©. 163.
2) Chron, Colmar. p. 42,
8) Lambacher a. a. D. ©. 167 f. Auch zu dem Zolgenden lie⸗
fert genaue Nachweifungen. -
Rudolfs L Herſtellung ber Reichsrechte. 39
von Boͤhmen anzugreifen. Dieſer ſtand mit einem Heere von
etwa 20000 Mann jenſeit der Donau, Rudolf wollte des⸗
wegen bie ſchon in ben rheinifchen Fehden gebrauchten Schiffs
. brüden in Anwendung bringen. Da aber die Böhmen ſich
fürchteten mit den Zeutichen zu fchlagen, fo ließ Dttofar
ducch den. Bifchof Bruno von Ollmuͤtz Frieden bieten. Rubolf
ließ ſich das gefallen. Man emannte vier Schiebärichter,
deren Entſcheidung beide Theile fich unterwerfen follten: von -
Seiten des römifchen Königs den Pfalzgraven Ludwig und _
den Biſchof Bertold von Würzburg; von Seiten des. Königs
von Böhmen den Biſchof von DOllmüg und den Marigraven
Dtto von Brandenburg.
Ihr Ausſpruch war, aufjer ben gewöhnlichen Friedenbbedin⸗
gungen: Ottokar giebt Oſterreich, Steier, Kaͤrnthen, Krain und
die windiſche Mark wie auch Eger und Portenau an das Reich
zuruͤck, dagegen empfängt er vom roͤmiſchen Könige die Bes
lehnung mit Boͤhmen, Maͤhren und was ſonſt von ſeinen Vor⸗
fahren auf ihn gekommen. Zur Beſtaͤtigung der Freundſchaft
giebt Ottokar ſeine Tochter einem Sohne des roͤmiſchen Koͤnigs
und verzichtet zugleich auf alle ſeine Guͤter und Beſitzungen
in Sſterreich (worunter namentlich dad Erbe der Margarethe);
Rudolf dagegen gieht eine ſeiner Toͤchter dem Sohne Ottokars
zur Ehe und weiſet Beiden, ſeinem Sohne und ſeiner Tochter,
je 40,000 Mark Silbers Brautſchatz an, jenem auf die Güter
in Ofterreich, dieſer quf dad Land jenfeit der Donau. Die
Stadt Bien wird von Rubolf zu Gnaden aufgenommen, mit
Berficherung ihrer Rechte unb Freiheiten. In diefem Frieden
wird auch der König von Ungern eingefchloffen, ‚fobaß es bei.
den alten Grenzen beider Länder bleiben folle ?).
Diefen Schiedfpruch nahmen beide Theile an. Im der
Vertsagsurkunde ift ed nicht auögefprochen; aber Ottokars Ge:
mahlin bat es durch ihre Vorwürfe verrathen, daß er haupts
ſaͤchlich burch ‚bie vorläufige Derficherung, zu dem Erzfchenten:
amte dad Wahlrecht wieder zu erhalten, zum Nachgeben bewos
gen worden jei ’); auch fol Ottokar verfprochen haben dem
1) Chron- Colmar. p. 44.
2) urk. 74. bei Lambacher a. a. O. S. 111.
8) Chron, Leob. ad a. 1276,
A
40 Bud II. Erſter Zeitraum, Abſchnitt 1.
römifchen Könige mit 3000 geharniſchten Rittern zu dienen ?).
Die Verhandlungen gefchahen im Lager vor Wien, und Ottos
tor kam nun auch dahin, üm zu huldigen und die Lehen zu
empfangen. Rudolf ließ die teutfchen Ritter ſtattlich gerüftet
in zwei Reihen aufftellen, um Ottokar burchzulaffen. Als ihn
die Fürften fragten, ob er nicht auch ben Töniglichen Schmuck
anlegen wollte, weil der König von Böhmen mit ſtattlichem
Gefolge, koſtbaren Ruͤſtungen und mit Gold und Edelſteinen
bedeckten Kleidern im Anzuge wäre, ſprach er: „Der König von
Böhmen hat oft meines grauen Rockes gefpottet, num foll ihre
biefer auch beſchaͤmen“; und, zu feinem Geheimfchreiber: „Sieb
mir deinen Mantel, damit der König von Böhmen meine Ars
muth verlache. So empfing er ihn figend auf einem ſchlech⸗
ten Stuhle auf offener Reichöflraßez; feine lange, hagere Ges
flalt, die Adlersnafe, den fchlichten Rod, den hoben Helm
kannte Jedermann ?). Bttofar näherte fich, beugte das Krie
und empfing die Belehnung.
Nach diefee Handlung ging Dttoler zurüd in fein Land,
äufferlich verföhnt, aber vol Unmuths im Herzen. Rudolf
entließ das Reichsaufgebot bis auf fein Hausgefslge und traf
fogleich näbere Anordnungen für bie eroberten Lande. Er ließ
3. Dee einen Landfrieden auf fünf Jahre ſchwoͤren und beguͤnſtigte den
Adel durch die Erlaubniß, ihre von Ottokar zerſtoͤrten Burgen
wieder aufzubauen. Von ben Biſchoͤfen erhielt er Übertragung
ber Lehen,’ welche die vorigen Herzoge von ihnen gehabt, auf
feine Söhne: er hatte alfo bereit im Sinne bdenfelben bie
Lande felbft zu verleihen. Doc dazu waren die Sachen noch
.. reif ober — vielmehr noch einen neuen, groͤßeren
ampf.
Waͤhrend die Hſterreicher über die aufgelegte Kriegäfleuer
unzufrieden waren, ließ Ottokar immer deutlicher merken, wie
ſehr eb ihn veue ſich dem römifchen Könige unterworfen zu
haben. Seine Gemahlin Kunigunde, eine Polin, machte ihm
bittere Vorwürfe: „von ferne habe er den König Rudolf auf
Hundeart angebellt, in ber Nähe aber fich vor ihm gebemüs
1) Chron. Colmar, p. 44,
2) Albert. Argent. p. 101,
Nudolfs L Herfiellung ber Reihsrehte 41
thigt”. Alſo brachte er eine Schwierigfeit um bie andere ger
gen Die Vollziehung des Schiebfpruchs und ließ feine Tochter
in ein Kofler geben. Rubolf ſandte deshalb feinen Sohn
Albrecht nach Prag. Es wurbe ein neuer Vergleich getroffen;
aber auch gegen biefen wuflte Ottokar bald wieder Einwen⸗
dungen. Über Verhandlungen und gegenfeitige Gebietsan⸗
giffe, da Rudolf das Land. jenfeit der. Donau wieber zu⸗
thelnahen, verfioß ein Jahr, bis Ottolar wieber förmlich. den
Fehdehandſchuh hinwarf. Bugleich verfuchte. er bie ſterrei⸗
der aufzuwiegeln und den König von ungern auf feine Seite
zu ziehen; man glaubte, ex habe Leute gebungen, Rubolf heim⸗
Ih aus dem Wege zu räumen. Auch fanbte er zu den rheis
nifhen Finften und Ständen, daß fie dem roͤmiſchen Könige
nit zu Huͤlfe kommen oder. ihn ebenfalls angreifen ſollten.
Herzog Heinrich von Baiern, immer wanfelmüthig und un
zufrieden, trat wieder öffentlich auf feine Seite.
Wirklich kam Rudolf durch diefen neuen Krieg in Verles
genheit; er fandte Eilboten an bie rheinifchen Stände und
tieß fie dringend um Hülfe mahnen. Seit feiner. Abwefenbeit
aber waren hier wieder fo viele Fehden ausgebrochen, daß
Albrecht, fein Sohn, den er zum Landgrav des Elfaffes bes
fiellt Hatte, Fein allgemeines Aufgebot zu Stande bringen
fonnte. Doc thaten die einzelnen Freunde, was fie vermoch⸗
ten. Rudolf wandte fih auch an den Papft Nicolaus IIL, un
der den Bann über Ottokar und feine Anhänger ausfprach, San.
dagegen aber Nachgiebigkeit in Anfehung ber Reichsrechte in
Stalien verlangte '). Mit dem Könige von Ungern erneuerte
Rudolf auf einer perfönlichen Zuſammenkunft das Buͤndniß
unb erhielt 14,000 wohlgerüflete Ritter unter bed Könige
eigener Führung. In Öfterreich, Steier und Kärnthen fams
melte er felbft Schaaren und bewog die Wiener, welche bes
reits einen neuen Herzog wählen wollten, bei ihm auszuhar⸗
ren, indem ex feinen Leuten möglichfie Schonung gebot und 20. 4.
die Stadt, nach König Friedrichs IL Vorgang, wieder zur Jun.
Reichöftadt erhob ?). Endlich kam auch ber erwartete Bus
1) Raynald. ad h. a.
2) Lambacher a. a. O. ©. 218.
33 Buch HI. Erſter Beitraum, Abfhuit 1.
zug aus ben Rheinlanben, auf welchen er beſonderes Ver⸗
trauen ſetzte. Biſchof Heinrich von Baſel brachte mit dem
Schirnwogt 100 Helme auf; zu dieſen gefellten fi) 100 ans
dere unter dem Graven Albrecht von Hohenberg; auch gaben
mehrere oberländifehe Städte Mannfchaft, weiche mit jenen
nicht ohne Gefahr. durch Baiern hinabzogen. Bei ihrer Ans
kunft ermuthigte füh Rudolf, ob. er gleich ſchwaͤcher war als :
Dftolarz; fobalb fie ber Ruhe gepflegt hatten, am dritten Zage,
zog er mit feinem ganzen Heere über bie Donau auf das
Marchfeld, wo Ottokar in gewiſſer Hoffnung bed Sieges
bereit war ihn zu empfangen.
Dieeſer theilte feine Völker in drei Schlachthaufen: der
eine beftand aus mehreven taufend cumaniſchen Huͤlfsvoͤlkern;
bee andere war and verfchiebenen Leuten zufammengefekt; ins
britten führte er ſelbſt 900 wohlgerüftete Ritter; das Feldzeis
chen der Boͤhmen war gruͤn mit weiffem Kreuz
Rudolfs Heer führte rothe Kreuze in weiflem Selbe (bie
Öfterreichifche Farbe); er theilte ed auch in drei Haufen und
‚ hätte gern gewollt, daß die Ungern ben Angriff auf bie wils
ben Cumanen machten. Den zweiten Haufen führte er felbft
gegen die Schaar bed Königs von Böhmen; zum Hinterhalt
beftimmte er 300 wohlgerüftete Ritter, auf die er fich befons -
4278 derö verließ. Das ganze Heer beichtete und bereitete fich zum
35. Aug. Tode. Es war den Tag nah St. Bartholomäus.
Ze As die beiden Schlachthaufen in der Fruͤhe langſam und
26. Aug. ſcheu gegen einander ruͤckten, begann ber tapfere Biſchof Hein⸗
rich von Baſel den Schlachtgeſang, und Rudolf zu Rhyne,
Ritzer von Baſel, erhob ſeine Stimme ſo ſtark, daß es durch
beide Heere ſchallte. Das Feldgeſchrei war: „hie roͤmiſch
Reich alle Tag”! Ein ſchwaͤbiſcher Dienſtmann des Biſchofs
von Baſel, Heinrich Schorlin, von feinem unbaͤndigen Pferde
Hingerifien, flürzte zuerft auf die Böhmen. Nun gab Rudolf
Das Beichen zum Angriff. Er felbft hatte einen geringen, vos
fligen Harnifch angelegt, ohne alte Zeichen, weil er wuflte,
daß Dttolar ihm nach dem Leben trachten ließ. Als fein erftes
Treffen zurüdgebrängt wurde, berief er den Hinterhalt und
brach in den Mittelpunct des feindlichen Heeres. Da traf
ein ruͤſtiger Böhme auf ihn, der ihn Überall gefucht hatte, und
“
[4
Kudolfs I. Herflellung ber Reichsrechte. 48
ſtach fein Pferb, weil er feinen Harniſch nicht durchbohren
fonnte: Rudolf fiel zur Erbe, bedeckte ſich aber mit feinem
Schilde, bis die Meiterei über ihn weggefegt hatte Dann
erhob er fich ſchnell auf ein anbered Pferd, trennte bie Boͤh⸗
men und griff ihe Sintertreffen au. Jeder Theil rief: „fir
fliehen‘ I eine gewöhnliche Kriegslift, um die Verwirrung ber
Beinde zu vermehren. Aber je mehr bie Böhmen riefen, beflo
heftiger fielen die Stöße der Teutſchen auf fie, bis endlich ihr
ganze Heer flüchtig wurbe. Ottokar, von einem geringen
Solbaten gefangen und ausgezogen, ward non einem Steier⸗
märker, deſſen Bruber er fchmählich getöbtet, burchflochen !).
Alſo verlor Dttolar Sieg und Leben faft an demſelben
Zage, ba Konradin zehn Jahre früher bei Tagliacozzo geſchla⸗
gen. worben ?). Bon felbft bringt fi die Erimmerung auf,
bag Dttolar damals Karl von Anjou aufgefodert Konrabin
und Friedrich nicht leben zu laffen, weil er Öfterreich zu vers
lieren fürchtete °). Und wiewohl Papft Gregor X. von Rus
dolf das Berfprechen genommen, an Karl unb feinen Anhaͤn⸗ |
gern Beine Rache zu nehmen, fo kam nun doch biefer Tag
auch über. Ottobar, fogar mit Beiſtand des Papftes Nico
aus IIL, der den Bann. über ihn audgefprochen.
Für dad Haus Habsburg hat ber Tag auf den Mare .
felde mehr entfchieben ald der Wahltag zu Frankfurt: er gab
im Öſterreich.
Nachdem Rubolf der Sitte gemäß drei Tage auf bem
Wahlplatze geblieben, brach er auf, um in der erfien Beflin
zung ber Feinde Auch Böhmen und Mähren einzunehmen; das
Letztere brachte er wirkiich zur Unterwerfung; in Böhmen aber
trat Ottokars Schwefterfohn, Otto der Lange, Markgrav von
Brandenburg, an die Spige dev Gefchäfte, derfelbe der. dem
erſten Frieden vermitteln half: er uͤbernahm die Vormunbfchaft
über Dttolard achtjährigen Sohn Wenzlaw, fanımelte die zer⸗
1) Das Ganze hauptſaͤchlich nad) den ſchon angeführten Quellen:
Chron. Colmar., Albert. Arg., Ottokars Reimdronit: u. Hagen.
2) 33. Aug. 1268. Daß der Bartholomäustag den B., 24., 5.
Auguft gefeiert worden, f. Augufti Aterthämer LIT, 281.
8) Hagen in Pex scır. T. II. p. 1075.
x
4 Bub III. Erſter Beitraum. Abſchnitt
ſtreuten Streitkräfte und zog Rudolf entgegen. Da warb denn
bei Collin ein neuer Vertrag zwiſchen den beiden Haͤuſern ge⸗
ſchloſſen. Statt der erſtern Wechſelheirath willigte Rudolf in
eine dreifache Verbindung. Rudolfs Tochter Juta ſollte ſei⸗
ner Zeit mit dem jungen Koͤnige Wenzlaw, und deſſen Schwe⸗
ſter Agnes mit Rudolfs zweitem Sohne gleiches Namens,
dann Hedwig, eine andere Tochter Rudolfs, mit des Mark⸗
graven Bruder, auch Otto mit dem Zunamen ber, Kleine,
vermähblt werben. Dabei beftätigte Rudolf dem Könige Wenz⸗
lam Böhmen und Mähren, und dem Markgraven Otto dem
Langen die Vormundſchaft. Für die Kriegöfoften aber muflte
ihm bie Narkgravſchaft Mähren auf fuͤnf Jahre uͤberlaſſen
werben '). h
: Nach diefem Sieg und Frieden, ben Rudolf durch Stifs
tungen verberrlichte, kehrte er nach Wien zuräd und traf Ans
flalt auch den Herzog Heinrih von Baiern wegen feines
abermaligen Abfalle8 zu züchtigen. Diefer fandte aber feinen
Sohn Otto, Rubolfd Zochtermann, und ließ um Gnade bit:
ten. MRubolf verzieh und beftätigte dem Herzog feine Lehen.
Dad Land ob ber End, das er für den Brautichat feiner
Zochter werpfändet hatte, nahm ex zwar zurück, trat aber an
Otto einige Grenzfläbte ab ).
Das Herzogthum Öfterreich mit den dazu gezählten Fürs
ftenthimern hatte nun König Rudblf zu feinen und des Reichs
Handen gebracht, aber die weiteren Verfügungen Über biefe
Lande erfoderten reife Berathung. Cr wollte fie nicht unter
feiner unmittelbaren Verwaltung behalten, weil Die Reichöge:
fee dagegen waren, wiewohl er ſich auf ben Vorgang Kaifer
Friedrichs II. berufen konnte; feine Abfiht war fchon bei der
erfien Beſetzung, feine Söhne bamit zu belehnen; dabei blieb
er, doch mit Beobachtung ber Gefege unb ohne die Rechte
Anbexer zu kraͤnken.
1279 Hierzu gefhahen folgende Schritte: fürs erſte hielt er
einen Gerichtötag unter feinem Vorſitze von Zürften, Graven
und Freien bed Reichs, wie auch von Dienfimannen und Land:
ı Hist, austral. ad a. 1273. Hagen a. a. D.
2) Chron, Salisb. ad b. au. Ger. de Roo. L. I. p. 33,
Rudolfs k Gründung einer Hausmaht 456
leuten zu fterreich und Steier, worauf das Urteil erfolgte:
daß der roͤmiſche König ober. der ben er benfelben Lauben
zum Herm geben würde, alle Büter, weiche ber letztoerſtor⸗
bene Herzog Friedrich (vom babenbergifchen. Haufe) in. feiner
Gewalt gehabt, in Befitz nehmen, biejenigen aber, welche on
die Güter irgend Anſpruͤche haben, folhe in Zeiten auf dem
Rechtswege ausfuͤhren folen. ° . «
Dieſes Urtheil geht zuruͤck auf bie Anorduung Raifer
Friedrichs IL, nach welcher bei dem Anfall des Fliftenthumes
an das Reich, nach Herzog Friedrichs Dede, den Alodialecben
ihre Rechte vorbehalten blieben.: Diefe waren nach nicht. ganz
befriedigt, namentlich -Agnes7 des verfiorbenen Herzogs Bru⸗
derstochter, zuetſt mit Herzog Ulrich von Kaͤrnthen, jest. mit
Grau Ulrich von Hermeberg vermaͤhlt. Ottokar ‚hatte Fe zwar
mit einer geringen Abfindung zum MWerzicht gebracht; fie er
Härte diefen aber fir abgebrungen und erhielt bean :noxh vom
K. Rudolf 6000 Dark zur Entfchäbigung ’).
Indeſſen bewarben ſich mechrere Fuͤrſten um bie Seleh⸗
nung mit den oͤſterreichiſchen Art: zuerſt Pfalzgrav Lu d⸗
wig, Rudolfs Schwiegerſohn, et ſech vielfältig um ihn und
das Reich verdient gemacht, dem er auch ſchon bei der erſten
Einnahme zugeſtanden hatte, auf den Fall feines. Ablcbens
kraft des Reichsvicariats die Lande mit allen Nutzungen zu
verwalten?)3; dann Grav Mainhard von Goͤrz und Tirol,
deſſen Gemahlin Agnes eine Bruders Enkelin des Herzogo
Friedrich vom babenbergiſchen Hauſe und Schweſter des un⸗
glücklichen FZriedrichs von Baden war, hatte durch ſeinen
Zuzug nicht wenig zu der Einnahme von Öfterreich geholfen;
endlich wagte auch Herzog Heinrich von Baiern Anfprüche
zu machen, nicht fowohl für fi als für feinen Sohn Dtto,
Rudolf Schwiegerfohn. Wiewohl nun dee König die Bers .
dienſte von jenen gern anerkannte, fo hielt er fich doch übers
zeugt, daß er ſelbſt die Hauptfache gethan, daß er bei gerins
gem Beifland vom Reich vorzüglich mit ben Hausgefolg⸗
1) Lambacher a. aD. ©, 233 ff.
2) uk. 78. bei Lambacher a. a. ©.
6 Bud I. Erſtet Zeitraum. Abſchnitt 1.
ſchaften, "Freunden und Bundesgenoſſen, „nicht ohne viel °
Schweiß und Blut”, wie ber. Pfalzgrav felbft in ſeinem
‚nachher ausgeſtellten Willebrief zugefteht, die Lande wieder
an "das. Reich gebracht, daß alfo ſein Haus die erften An⸗
ſpruche darauf: zu machen habe. Doch wollte er nicht ſelbſt
entſcheiden, ſondern die Sache auf einem beſonderen Reichs⸗
tage zu Augsburg vornehmen laſſen. Das war ber zweite
Schritt , dem er that.
Waͤhrend dieſer Zeit luchte er die Einwilligiung der Kur⸗
1280 fuͤſen vom zedem beſonders, zu erhalten. Sein Schwieger⸗
= Sul. ſohn, Herzag Albrecht von Sachſen, und Markgrav Otto vom
Brandenburg waren die Erfien welche die erfobexlichen ar
gaben. Gegen. fünf Iahre verweilfe Rudolf in Öfterreich, bis
die Angelegenheiten des Landes georbnet, waren. ‚Dann Übers
trug er die Statthalterſchaft, weil die Rheinlande feine Ges
genwart deingend erfoderten, feinem diteflen Sohne Albrecht,
mit Beiorbnung eined Rathes von funfzehn Landherren. Auf
1981 dem Neichstage zu Nürnberg warb vorläufig ‚auf feinen Ans
9. Aug. trag eimflimenig der Beil: gefaßt, daß Alles was nach
x K. Friebrichs II. Abfehung von Reichsguͤtern durch K. Richard
ober · deſſen Vorgänger ohne ˖Bewilligung ber Kurfuͤrſten vers
geben ober veräuffert worden, ungültig.fepn ſolle. Darunter
war denn eigentlich Öfkerreich gemeint, welches K. Richarb
ohne. vie Kurfürften dem Ottokar verliehen hatte. Nachdem
Rudolf indeffen auch von ben übrigen Kurfürfien die Willes
driefe zu Gunften feiner zwei dlteren Söhne, Albrecht und
Rudolf, erhalten), berief er den beichloffenen Reichstag
1282 nach Augsburg. Ed war am Schluffe deſſelben Jahres, da
Dec. Karl von Anjou durch die Veſper den Befis von Sicilien und
80.März)der Papft zugleich die Oberlehensherrlichkeit verlor. Der roͤmi⸗
fche König, feine zwei Söhne zur Seite, eröffnete den Für:
ften und Ständen: „Was er dem Reiche gebient babe, das
fei, nächft Gott, hauptſaͤchlich durch diefe feine Söhne hier
gefchehen; darum wäre es billig, daß fie Fuͤrſten würden,
damit fie dem Reich ihren Dienft deflo baß beweifen möchs
1) Der bes Pfalsgraven Ludwig ift vom 22, September 1282. urk.
105, bei Lambadher a. a. O
Audoifs 1. Sründung einer Hausmadt. 47 |
ten’: umd ob er gleich, fagt er in bem Belehuungdbriefe ');
als König Über die Geſetze erhaben fei, fo habe er ſich doch
denfelben unterworfen und wolle mım, mit Verwilligung ber
Aurfürften, dieſe beiden Söhne mit den Herzogthuͤmern und
Shrftenthümern Öfterreich, Kaͤrnthen, Steiermark, Krain und
windifeh Mark feierlich belehnen mit allen Den Gütern, welche
bie vormaligen Herzoge, Leopold ımb Friedrich, kann 8% Ot⸗e 1982
tokar rechtmaͤßig darin beſeſſen. So empfingen ‚fie dann Die 27.
feierliche Belehnung mit. ben Fahnen. Um :aber. den Graen
Mainhard über ſeine Anfockche zufrieden zu ſtellen, ‚gaben
fie, nach dem Bunfche Rudolfs noch vor Abfaſſung des der
henbriefes, das Herzogthum 8 äruthen wieber in feine Haud
wrüd, um ſolches an Nambarb zu verleifen. Nur Herzog
Heimich von Baiern ging wieder misverguitgt und, wie es
ſcheint, ohne ſeine beſondere Cinwinigung gegeben u haben, >
vom Reichstage hinmeg:
So wurden: denn bie Graven don Habsburg und Ki;
burg umb.Landgraven des Elſaffes durch bie Verleihung der
oͤſterre ichiſchen Lande gs Reichs fürſten hoben. Nur.
Kaͤrnthen kam wieder wie in früheren Zeiten, jedoch mit
Baminderung ?), unter einen eigenen Fürften: Zur nämlichen
Zeit, woabrfcheinlich auf dem augsburger Reichätage, bedacht
Rudolf auch feinen natürlichen Sohn, Albrecht von Schens
tenberg, ben ex mit einer Unbefannten, Ita, erzeugt hatte *), Ä
und berlich ihm die vom — Würzburg erkaufte Gra⸗
1) urk. 106. ebend.
2, Wenigſtens hat das k. k. Archiv keinen Willebrief vo von — um
die Zahl von fieben vol zu machen, hat Rudolf ben Herzog Johann von
Sadyfen = Lauenburg, des obengenannten Albrecht Bruder, auch kinen -
Brief ausftellen,, alfo das ſaͤchſtiche Haus doppelt ——— laſſen. Lam⸗
bacher a. 0. O. ©. 256.
I) Die Güter weldhe die vorigen Herzoge von Kärnten in Krain
aus Steiermark befaßen, wurden bavon getrennt. Dagegen hatte
Moinhard aud Güter dafelbft.
4) Im Jahr 1287 machte diefer Albert nebfl‘ feinee Gemahlin
Euitgarde, auf Veranlaffung K. Rudolfs, eine Vergabung an das
Aoſter Lichtenftern zu einem Sahrestage feiner Mutter Ita. Ga:
beilofers Sammlung im koͤniglichen Archiv zu Stuttgart. '
8 Bud DI Erfter Zeitraum Abſchnitt 1.
ſchaft Loͤwenſtein, wozu er kurz vor feinem. Tode, weil er ibn
liebte, noch andere Güter hinzuthat. Die Kurfürften hatten
ihm 600 Mark jährlicher Einkänfte verwilligt).
Bei ber Öfterpeichifchen Belehnung hatte fi) Rubolf vor
Behalten mit. Zuftimmmng feiner. Soͤhne die meiteren Verfüͤ⸗
„ungen tiber die Sande zu treffen, wie es die Umſtaͤnde erfo-
v.. ben winben. Da nun bald hernach ber Abel und die Städte
bdurch ihre Botfchafter vorſtellen lieffen, daß ed nicht gut fei
1283 gweien Hercen zu dien, fo heichloß er zu Rheinfelden aus
LJun. gäterlicher Gewalt und vorbehaltner Macht, zur Erhaltung des
Friedens unter ſeinen Soͤhnen und in jenen Landen, daß dieſe
den Herzog Albrecht allein als ihren Herrn erkennen und
ihm gehorchen ſollten, To doch daß, wenn Rubolf nicht in⸗
— virr Jahre mit einem andern Reiche oder Fuͤrſten⸗
thume verſorgt fein wirde, Albrecht ober feine männlichen
Nachkommen demſelben eine große Summe Geldes entrichten,
im Fall aber Mbrecht ohne männliche: Erben abgeben wiürbe,
die Lande an ihn fallen follten. Gleich darauf erneuerte und
11. Sun. beftätigte Rubolf, auf Bitten feiner. Söhne und ber „Beflen
des Landes”, die alten Freibeitöbriefe des Herzogthums, welche
feine Vorgänger am Reich gegeben, en 8. Heinrichs IV.
(1058) Brief fürn den Markgraven Ernſt von Öfterreih (worin
auch angebliche. Briefe der heidnifchen Kaifer Iulius und Nero
angeführt find); dann K. Friedrichs I. Brief, welchen er dem
(1156) „großen Zürften” Heinrich, erſtem Derzege zu Öfterreich,
verliehen; zulegt auch K. Friedrichs II. Gnadenbrief, welchen
Rudolf noch im Gravenflande ald Zeuge unterfchrieben. Ins⸗
(1245) befondere ift die ſchon von K. Friedrich I. ausgeſprochene Uns
theilbarkeit der Lande baburch beftätigt worden ?).
| Mas für ein Reich oder Fürftentbum Rubolf feinem zwei⸗
ten Sohne einzugeben im Sinne gehabt, ob er die Stamm⸗
berefchaften im Nargau mit dem Überreſte des Herzogthums
1) Kremer von ben Graven von Löwenſtein in Act. Acad. Palat.
T. I. p. 828 gg. Über die Burg Schentenberg im Xargau f. die
Schweiz in ihren Ritterburgen 2c. v. Hottinger u. Schwab, I, 163,
nebft einer Abbildung.
9) tamba her a. a. D. &. 277. Anhang, Url. 108. 109.
Rudolfs I. Sründung einer Hausmacht. 49
Schwaben, ober Burgund, oder Böhmen gemeint, laͤſſt ſich
a3 Mangel an Nachrichten nicht beflimmt fagen, ‚oder Ru
dolf wuſſte es damals ſelbſt noch nicht. Auf jeden Fall fand
ex in den vordern Landen weit mehr Hinbemiffe für feine
Hausentwürfe als bei Öfterseih. Mehr ald vier Jahre, in
welchen ‚Herzog Rubolf verforgt werben follte, gingen vorüber;
e flarb ein Jahr vor feinem Vater, ohne ein eigenes Für: 1290
fienthum erhalten zu haben ).
Während K. Rudolf in Öfterreich verweilte, hatten fich
in den vordern Landen, wo Fein mächtiger Fuͤrſt gebot, faft
alle Bande geloͤſt. Die zahlreichen groͤßeren und kleineren
Staͤnde zerfielen in unendliche Fehden. Er hielt deswegen
nacheinander vier Reichsſtage zu Regensburg, Nuͤrnberg, Mainz 1281
und Worms, um ben Landfrieden wieder aufzurichten, auch 1282
zog ex ſelbſt gegen bie Unruheſtifter. Zum zweiten Male bes
lagerte er ben Graven von Zreiburg in diefer Stadt. Nach
dem augsburger Reichötage eilte er dem Bifchof Heinrich von
Bafel zu Hülfe, welchem der Grav Rainald von Mömpels
gardt Brundruff genommen. Nach einer Belagerung von ſechs
Wochen wurde biefe Stadt wieder erobert, und Raynald muffte 4983
fih mit dem Bilchofe vergleichen. Dann gerieth Rubolf-mitis. April.
tem Graven Philipp von Savoyen in Krieg, wovon unten
das Weitere folgen wird. Die rheinifchen Städte ließ er noch: 1284
mals zu Worms den Landfrieden fhwören. In Schwaben 29. Ian.
zerflörte er mehrere Raubburgen. Dennoch waͤhrten die Unru⸗
hen fort. Die Stadt Kolmar im Elſaß, oft durch ſeine
Gegenwart beehrt, widerſetzte ſich doch mehr als einmal,
wenn er zu den vielen Kriegszuͤgen auſſerordentliche Steuern
erhob.
Nach einem zweiten Reichötage zu Augsburg, wo zwi⸗
ſchen dem neuen Herzog Mainhard von Kaͤrnthen und ſeinem
Schwiegerſohn, Herzog Albrecht von Öflerreich, ein Erbvertrag
richtet worden, flanden die fehwäbifchen Graven wieder auf, .
1) Chron, Colmar. ad h. a. Mubolf heifft hier Dux Alsatiae, was
vermuthlich daher kommt, daB ihm fein Vater einſtweilen bie befondere
Serwaltung der Landgravichaft Elſaß und der Be —
ubertragen hatte.
| Hfifter Geſchichte d. Teutſchen. II. 4
50 Bud ID. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 1.
zugleich mit dem Abte Wilhelm von St. Gallen aus dem
montfortiſchen Hauſe. Sie hatten die beiden Reichstage zu
Augsburg nicht beſucht und beſorgten ohne Zweifel, der Koͤnig
werbe, nachdem er Oſterreich an fein Haus gebracht, auch das
Herzogthum Schwaben wieberherftellen. Allerdings hatte
er die erfien Reichsburgen, Hohenftaufen und Achalm,
an fich gezogen und bie Staͤdte und Kloͤſter durch feine Land⸗
voͤgte in beſonderen Schutz genommen, ihnen auch bei ſeiner
öfteren Anweſenheit weitere Gnadenbriefe verlieben. Jene
Graven aber verweigerten hartnaͤckig die Zurldigabe ber an
fi) gebrachten Reichsguͤter und Rechte, und bedraͤngten auf
vielfache Weife die zwifchen ihren Gebieten gelegenen Stäbte.
An ihrer Spige fland Grav Eberharb von Wirtemberg, Ver:
wanbter bed Königs‘). Die beiden Häufer Habsburg und
Wirtemberg find, wenn man von ber Erbauung der Stamm=
burg oder von ber Benennung nach berfelben zählt, ungefähr
von gleichem Alter (aus dem eilften Jahrhundert), laſſen ſich
aber auf zwei Hauptlinien ber erfien Gravenhäufer am Bo⸗
denſee zuridführen, wovon bie eine bem altherzoglichen
Daufe, nachher Gibellinen, die andere den Welfen an⸗
gehört 2). Unter den Parteilämpfen feit K. Heinrich IV.
find die Häufer oft unter fich felbft zwiefpaltig geworden, unb
ihre Linien haben balb dieſe bald jene Seite gewählt. Die
Graven von Wirtemberg waren wie bie Habsburger dem aus
ihrer Mitte erhobenen bohenflaufifhen Haufe treu ergeben.
Als aber Papft Innocenz IV. den Bann über 8. Friedrich II.
ausfprach, traten bie Graven von Wirtemberg auf die welfis
ſche Seite, während Gran Rudolf von Habsburg, troß des
Banned, an der Spike der Gibellinen blieb. So beflans
den längft zwei Hauptparteien in Schwaben, und es erhob
- fi ein neuer Gegenfag, als K. Rubolf die Reichsrechte zu⸗
rüdfoderte. Die. miövergnügten Graven zerfielen mit Rubolfs
Landvoͤgten; auch über befondere Hausfiveitigfeiten lagen fie
faſt immer gegeneinander in Fehde.
1) Chron, Colmar. ad a. 1286.
2) Was bier angebeutet ift, ſoll feiner Belt in einer eigenen Ab⸗
banblung ausgeführt werben,
Rubolfs I. Gründung einer Hausmacht. 51
Run befchloß Rudolf ſelbſt zu den Sachen zu thun. Rah
enem Thaͤdigungstage zwifchen den beiden Parteien zu Eßlin⸗ 1236
gen berief er den Graven Eberhard von Wirtemberg mit feis
nem Bunbesgenofien, Grau Ulrich von Helfenflein, nach Ulm
mb machte eine Sühne, worin ber Letztere auch bie Heeres⸗
folge zum Roͤmerzuge verfprah. Da der Friede aus unbe
kannten Urfachen wieder gebrochen wurde, ftellte ſich Rudolf mit
feinen beiden Söhnen und dem Burggraven Friebrich von Nurn⸗
berg an die Spite eines ſtarken Aufgebote8 und belagerte ben _
Graven Eberhard in feiner ziemlich feften Stadt Stuttgart.
Nach zwei Monaten unterwarf fi) der Grav burch Bermitt⸗
Img Heinrichs von Ißni, jebt Erzbiſchofs von Mainz; er
umnfite die Stabt übergeben und ihre Mauern brechen. Im
kurzer Zeit ſtellte er aber die Mauern ber und griff wieber zu
den Waffen, gleichzeitig mit bem Markgraven Hermann von .
Baden, der ebenfalld gegen bie hohenbergifche und haböburgifche
Partei die Fehde erneuert. Grav Eberhard Fonnte fich immer
noch nicht daran gewöhnen vor einem Könige ſich zu demls
thigen, der vor nicht langer Zeit feines Gleichen’ geweſen; fpäs
ter gab er noch deutlicher an ben Tag, daß er fi) nicht we⸗
niger fähig hielt den Thron einzunehmen. Jetzt war fein
Vahlſpruch: „Gottes Freund, aller Welt Feind‘!
Rudolf ließ alfo nochmals bad Meichdaufgebot ergehen
mb unterſticzte befonderd die Stabt Eßlingen, welche ſich
muthooll gegen den rüfligen Nachbar vertheidigte. Er ſelbſt
brach ihm eine Anzahl Burgen im Umkreiſe von Stuttgart.
Nachdem er flır die rheinifchen und fraͤnkiſchen Lande zu Mainz
un Würzburg das Friedensgeſetz erneuert und mit ben nöthi
gen Sufägen verfehen hatte, kam et wieber mit dem Exzbifchof
von Mainz nach Eßlingen, um Eberhard mit feinen Anhin
gem zur Ruhe zu bringen. Die Bedingungen waren: daß 10. Nov.
Sherhard dem Reiche getreu fein und demſelben wiedererſtat⸗
in wolle, was er wider daffelbige gethan. Ebenfo folle er
v8 Reiches Bürgern, Chriflen und Juden, ihre Foberungen
anrichten nach dem Ausſpruche der Schiebörichter. Zur. Sie
cherung des Friedens aber muffte er drei Burgen in jener
Hände übergeben. Auf gleiche Bedingungen auch der Grad von
Helfenſtein. Nur der Abt von St. Gallen blieb unverfähnt
4r
/
52° Bud DL Erfter Zeitraum. Abſchnitt 1.
und wollte lieber das Land meiden ald Rubolfs Foderungen
erfüllen‘),
So viel Mühe hatte 8. Rudolf, um in ben Stammlan⸗
ben des legten Kaiferhaufed ben langen Fehdezuſtand zu un⸗
ierdruͤken und flatt der Selbfihülfe gefegliche Entfcheibung
in Übung zu bringen. Auch. darin ging Rudolf ganz auf K.
Friedrichs IL Zeit zuruͤck, indem er deſſen Landfriedensgeſetz
zum Grund legte; felbft alle Münzen welche nach biefem Kai-
fer gemacht worden, ließ er abfchägen und neue unter ‚feinem
eignen Bilde prägen ?).
Sa allen diefen Begebenheiten iſt aber vom Herzog
thum Schwaben oder deſſen Wieberherfiellung nicht die Rebe.
Mach den Reichögefegen follte es, wie jedes heimgefallene Les
ben, in Jahr und Tag verlieben werben. Dies gefchah bei
Öfterreich, wiewohl die Frift wegen der dazu nöthigen Vorbe⸗
reitungen weiter hinausgefegt wurde. Seit bem Heimfall des
Herzogthumes Schwaben aber war fchon längere Zeit verflof-
fen, und bas machte die Wiederaufrichtung weit fchwieriger-
‚ Ein Theil der Stände hatte indeß Freiheiten erlangt, die fich
mit der Unterwerfung unter einen Landeöfürften nicht mehr
vertrugen. Alfo fcheinen jegt die Wünfche ded Königs mit
denen der Stände darin zufammengetroffen zu fein, daß bie
Lande unmittelbar unter des Reichs Verwaltung bleiben follten,
wie er ed getroffen, bis etwa bie Umflände weitere Anorb=
nungen zulaffen würden. Das ift wohl auch die Urfache, dag
Fein förmlicher Beſchluß daruͤber gefafft worben iſt.
"Wäre das Herzogthfum Schwaben jest wieber aufgerich-
tet worden, fo hätte es Rudolf fo wenig fir ſich ſelbſt
behalten duͤrfen als Öfterreich. Blieb ed aber unmittelbar bei
bem Reiche, fo erhielt dad verminderte Reichsgut wieder
eine bedeutende Vermehrung, wie vormald in bem abgegans
genen Herzogthume Franken; und infofern trat Rudolf doch
auch wieder in die Stelle des legten Kaiferhaufes ein.
Dom Jura bis an die ungerifche Grenze war nun Ober:
teutihland, mit Ausnahme Baternd und der Bisthuͤmer, wies
1) Das Nähere in ber Gefchichte von Schwaben. II, 5669,
° 2) Chron. Colmar. ad a. 1274.
Pd
Rudolf L und bie Reihsrechte in Italien. 53
ter mittelbar ober unmittelbar unter-dem Königähaufe. IE
aber fchon unter den legten Hohenſtaufen in ben obern Rhein«
landen ein befonderes Reichsgebiet gegenüber von den
sürftenländern entflanden, fo tritt dieſer Gegenſatz nun
immer flärker hervor und wirb eine ber Angeln, in welchen
fh die folgende Gefchichte bewegt.
6 Vas K. Rudolf für die Reichsrechte in Italien,
Burgund und Lothringen gethan.
ShwierigFeiten in Italien. Rudolfs weitere Vers
träge mit Nicolaus II. Beftdtigung des jegigen
Sirhenflaated. Vertrag und Familienverbindung -
mit dem Haufe Anjou. Die Statthalter in Ita
‚lien. Rudolf Krieg mit Savoyen und den Gras.
ven von Burgund; Vermählung mit Ifabella von
Burgund. Verwahrung der lothringifhen Grenze
gegen Frankreich.
Warend der bisher erzaͤhlten Unternehmungen Rudolfs in
ferreih und in den Rheinlanden wurden zugleich verſchie⸗
dene fchwierige Verhandlungen mit dem päpftlichen Stuhl,
mit dem ficilifhen und fran zoͤſiſchen Hofe geführt, zu⸗
kt auch einige Fehden auf der burgundifchen Grenze.
K. Alphons von Caſtilien war noch nicht abgemiefen, und
der Krieg mit Ottokar nahe am Ausbruch, fo fand auch ein
Gegner jenfeit der Alyen auf, Karl von Anjou, König beis
de Sicilien. Da feit Sriebrich II. oder Konrad IV. kein teut⸗
der König mehr in Italien fich geltend machen Eonnte, ſo
bitte Siemens EV. in den legten Jahren K. Richarbs, nicht
lange vor der Ankunft Konradins, das Meichövicariat und die
Statthalterfchaft von Zofcana an Karl von Anjou Übertragen,
koch nur auf fo lange, bis der Papſt einen römifchen König
oder Kaifer anerkannt h winde. Wiewohl nun Lebtered
indeſſen von Gregor X. geicheben war, fo weigerte fich doch
Kal jene Stellen niederzulegen. Seine Abficht war Feine ans
tar, als ganz Italien unter feine ‚Herrfchaft zu bringen und
4 Bud II. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 1.
alfo fein Reich von Sicilien bis zur Provence auszudehnen.
Viele italienifche Städte hatten ihn ſchon zu ihrem Pobefla
oder Signore angenommen. Der Papft aber, in der Mitte
zwifchen Karl und Rudolf, Fam bald auf ben Gedanken, ben
einen gegen ben andern zu gebrauchen, um erft feine eigenen
Hoheitörechte weit genug audzubreiten und zu befefligen. Da
nun Überbied ein großer Theil der italienifchen Stänbe in ber
berrenlofen Zeit fich ald vom teutfchen Reiche unabhängig zu
betrachten angefangen, fo hatte Rubolf in der That auf drei
Seiten zugleich anzulämpfen, wenn er die alten Reichörechte
und fomit das Iombarbifche Reich und das Kalferthum wies
berherftellen follte,
Da er wegen ber teutfchen Angelegenheiten Fein eigenes
Heer über, die Alpen fenden konnte, fo war kein anderer Rath,
als jedesmal die mächtigere Partei zu unterflügen, gleichviel
ob Welfen oder Gibellinen. In Mailand flanben beide
fhon geraume Zeit gegen einander, bie le&tere unter bem Erz⸗
bifhof Dtto aus dem vifcontifchen Haufe, die erflere un⸗
ter Napoleon della Torre. Obgleich diefer biöher mit ben
.. Welfen auf 8: Karls Seite geweſen war, fo wollte
er doch nicht, daß berfelbe ‚Herr über alle lombarbifchen Städte
“ werben folte, und wandte fich deshalb mit dem Markgraven
von Montferrat an K. Rudolf, indem er ihm durch eine Ge⸗
127 fandtfchaft zu feiner Erwählung Gluͤck wuͤnſchte. Rubolf ließ
ſich das gefallen, ernannte ihn zum Statthalter und ſandte
ihm eine Schaar teutfcher Ritter zu Huͤlfe. Alphons feiner
- feits hatte den Gibellinen Unterflügung gegeben. Nach ver>
1276 ſchiedenen Gefechten fchlug Napoleon, mit Hülfe der teutfchen
Ritter, bie vifcontifche oder gibellinifche Partei und ließ Die
Gefangenen, worunter ein Neffe des Erzbiſchofs, niebermas
chen !). Kachegluͤhend ſammelte der Erzbifchof feine Streit:
träfte und brachte den Zorrianern im folgenden Jahre eine
1777 Niederlage bei, in welcher zwar Napoleon von bem Erzbiſchof
beim Leben erhalten, aber, wie die uͤbrigen Gefangenen, in
einen eiſernen Kaͤfig geſteckt wurde.
9 Annal. Colmar. ad a. 1276. Vergl. Leo ESTER ber. italieni⸗
fen Staaten. IU, 228.
Rudolf I. und die Reihscehte in Italien 55
Schon vor diefen Vorfaͤllen ſandte K. Rubolf feinen 1275 .
Kanzler und Siegelbewahrer, Rudolf von Hohened, mit dem
Johanniter⸗Ordensmeiſter Beringer nach Italien, um in ſei⸗
nem Namen die Huldigung einzunehmen. Da ſie den Staͤd⸗
ten manche Freiheiten bewilligten, jedoch mit Vorbehalt der
Rechte des Kaiſers und des Reichs, ſo fanden ſie meiſt guͤn⸗
ſtige Aufnahme '); als fie aber mit dem päpftlichen Legaten ?)
in das Exarchat und die Pentapolis Famen, wurden fie
von Gregor X., der eben von Laufanrie zuruͤckkehrte, abge>
wiefen. Das Jahr darauf fandte K. Rudolf den Graven 1276
Heinrich von Zürftenberg, um Romagna huldigen zu laſ⸗
fen °). Allein Papft Nicolaus II. that um fo Eräftigere Ein: 1277
fprache *), da Rudolfs Partei in ber. Lombardei unterlag.
Allerdings hatte der roͤmiſche König in feinem Freiheits⸗
brief jene Landſchaften, wie die Vorgänger, im Allgemei-
nen bem päpfllichen Stuhle zuerkannt; bie Grenzen aber
waren damals fo unbeflimmt als früher, und bie. Päpfte hats
tm noch nie in den ganzen Beſitz kommen Binnen, weil ein
Theil der Städte von jeher dem Kaifer anhing. Indeſſen
bedurfte K. Rubolf des Papfles, fowohl gegen Dttofar ald
gegen Karl, und mufite fich alfo ſchon zu weiterer Bequemung
entfchlieffen. Zu dieſem Ende fandte ee den Minoriten, 1278
Konad von Tübingen, mit neuen Vollmachten, um bie feiis 19. San.
been Verträge zu befldtigen und Alles aufzuheben, was etwa
der Kanzler Rudolf „ohne feine Zuſtimmung“ gethan habe.
Diefe Bollmachten fcheinen von dem Minoriten ober vom Papfte
ſelbſt entworfen zu fein, weil darin dem Könige an bie Hand
gegeben ift, „zur Erleichterung feines Gewiſſens die Schritte
des Kanzlers fir ungültig zu erklären :). Zur Dankbarkeit
1) Sigon. Hist. Ital. L. XX. |
2) Georgisch. regest. chronol. dipl. T. II. ad a. 1275. Lü-
ig. Cod. Ital. dipl. IL p. 1487. Of. Lebretl. c. p. 83. 42.
: 8) Raynald. ad a. 1276. $. 47. 48.52. Gerbert. Cod. ep.
L. II. Nr, 40-42. In diefem Jahre fandte K. Rudolf auch den Bru⸗
ver Ebmund vom Predigerorben mit geheimen Aufträgen an den Papft.
Annal. Colmar.
4) Raynald. ad a, 1277. $. 55.
5) Raynald. nd a. 1278. $. 45-50.
ur
56 Buch IM. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 1.
ſprach Nicolaus III. jest den Bann über Ottokar aus, wie
oben ſchon beruͤhrt worden. Da jedoch der Kanzler Rudolf
bei ſeinen erſten Befehlen beharrte, ſo muſſte der Koͤnig, in⸗
dem er ſich wieder zum Feldzuge gegen Ottokar ruͤſtete, noch
als zweiten Geſandten den Propſt Gottfried von Sulz nach
29. Mai. Stalien abordnen, um wieberholt die Hulbigung in der Ro-
magna zuruͤckzunehmen; ja Nicolaus III. entwarf jetzt ſelbſt
ein genaueres Verzeichniß aller der Staͤdte und Landſchaften,
welche zum Erarhat und zur Pentapolis für immer ges
J 1279 hoͤren ſollten, und K. Rudolf nahm keinen Anſtand ſolches
Sehr. nach feinem ganzen Umfange zur beftätigen. Ex übergab bie
ſaͤmmtlichen darin genannten Städte und Landfchaften nicht
nur im ©eiftlichen ſondern auch im Zeitlichen ganz dem roͤ⸗
mifchen Stuhl und that alfo auf alle Hoheitsrechte des Reichs
Verziht. Um die Sache unwiderruflich zu machen, ließ fich
dee Papft (wie es fonft nur bei teutfchen Reichsrechten
üblich war) auch von den Kurfürften Willebriefe auöftellen ').
Dies geſchah faſt in derfelben Zeit, da Rudolf die Furfürflli=
chen Willebriefe für die Belehnung feiner Söhne mit Öfter-
reich nachfuchte. Iene Übergabe an den päpftlihen Stuhl ift
um fo merkwuͤrdiger, da fie den Beſtand des jetzigen Kirchen:
ſtaates begründet, wiewohl die gibellinifchen Städte ſich noch
lange nicht dazu bequemen wollten.
Da K. Rübolf nicht mit Nachdruck in Italien auftreten
Eonnte, fo muffte er dem Papfte feinen Willen thun. Dafuͤr
nahm ed Nicolaus III. auf fih, den König Karl zum Nach-
geben zu bringen, jedoch nicht durch ben Bannftrahl, fondern
durch freundliche Vermittlung, wozu K. Rudolf auch feine
GSefandten, Konrad und Gottfried, bevollmächtigte. Zuerſt
1778 erhielt der Papft nicht ohne Schwierigkeit von. Karl das Ver:
16, Sept. ſprechen (bald nach Rudolfs Sieg über Ottokar), Toſcana zu
. Sept. räumen; er nahm biefes einftweilen für den römifchen König
in Beſitz, vergaß aber nicht bei dieſer Gelegenheit ſich ſelbſt
.1) Raynald. ad a. 1278, a 62.5 1279. $. 1-6. CA. Bod-
mann Cod, ep. Rud. I. Nr. 77. 78. Bei ber Errichtung des Ber:
zogthumes Mailand unter K. Wenzlam nahmen es bie Kurfuͤrſten übel,
baß fie nicht darum gefragt worben.
—
Rudolf I. und die Reichsrechte in Italien. 57
die römifche Senatorwürde abtreten zu laſſen. Dann rieth er
eine Verbindung zwifchen beiden Häufern *). Rudolf ließ fi 1279
hierzu geneigt finden, wie bei ben teutfchen Fuͤrſten; er best Jun.
fimmte feine jüngfte Tochter Clementia (deren erſter Ver
Isbter, Herzog Andread von Kroatien, indefjen geflorben war)
dem Sohne Karls, Karl Martel. Dabei fchlug der Papft
folgende Bertragsbebingungen vor: K. Karl folle die Gravſchaf⸗
tm Provence und Forcalquier, welche er nach bes lebten
Greven Raymund Berengard Tode, ald Erbe feiner Gemahlin
Beatrix, deffen jüngerer Tochter, in Befig genommen, als
eroͤffnetes Reichslehen für fih und feine. Erben von dem
Bmifhen Könige empfangen, jedoch mit Vorbehalt der Rechte
ver Altern Tochter des verfiorbenen Graven, Margarethe, Koͤ⸗
nigin Wittwe von Frankreich; Rudolf folle ihm den Ungehors
ſam gegen die vorigen roͤmiſchen Könige (wegen unterlaſſener
kehensmuthung) · fowie die Behauptung Siciliens gegen das
Reich verzeihen. Wenn ein Krieg zwiſchen dem Reiche und
der Kirche entſtehen ſollte, ſo leiſte Karl der Letzteren von
Rechts wegen Beiſtand; wenn hingegen zwiſchen Sicilien und
dm Reiche ein Zwiſt entſtinde, fo ſolle dieſer nicht durch's
Echwerdt, ſondern nach dem Ausſpruche des Papſtes beigelegt
werden; wenn aber ber Koͤnig von Sicilien das Reich angreis
fen wide, fo follen die Sicilianer ihres Eides gegen ihn ent⸗
- bunden fein.
Diefer Vertrag wurde von beiden Theilen genehmigt und 1280- .
ine eigene Urkunde von Karl darüber ausgeflellt 2). Im fols 28. März.
genden Jahre fandte Rudolf feine Tochter über die Alpen; 1281
Ve Iombarbifchen Städte empfingen fie mit Geſchenken; bald
Kauf wurbe ihre Vermaͤhlung mit Karl Martell vollzogen.
Died gefchah, während Rudolf noch in Öfterreich verweilte.
Dort ftar auch feine Gemahlin, Anna Gertrud, aus Schmerz
me man glaubte über die Trennung von ber geliebten
dhter °),
i) Raynald. ad h, a. $. 10.
2) Raynald. ada. 1279. $. 11.5 1280. $. 2 299. Leibnit.
m. Cod, jur. gent. p. 20.
3) Chron. austr. plen. ad a. 128].
58 Bub DI Erfer Zeitraum. Abſchnitt 1.
Nach den beiden Verträgen mit bem Papfte unb dem
Könige von Sicilien ſchien nun Rudolf nicht mehr gehindert
die Reichörechte in bee Lombarbei und in Toſcana gel-
tend zu machen; er fanbte feinen Kanzler mit dem Bifchofe
von Surf in die letere Provinz zur Einnahme ber Hulbi-
gung. Allein Karl meinte es fo wenig aufrichtig als zuvor:
er wuflte befonderd die welfiichen Städte insgeheim abwenbig
zu machen, unter dem Vorgeben, daß Rudolf fehwerlich nach
Italien Eommen werde. Papſt Martin IV. ermahnte zwar
feinerfeitö jene Städte zum Gehorſam; aber er that es auch
nur zum Schein, denn er fland mit Karl, dem er hauptfäch-
ch feine Wahl zu danken hatte, in geheimer Verbindung und
hatte ihm aud bie Senatorswuͤrde wieber zurückgegeben, ge
gen das Verſprechen, baß er ihm bie widerfpenfligen Städte
im Kirchenflaate zur Unterwerfung bringen helfe). Erſt der
1282 Abfall Siciliens und der Krieg mit Peter von Arragonien
unterbrachen Karls Entwürfe auf das obere Italien; fein nach
1285 drei Jahren erfolgter Tod beraubte die Welfen ihres Ober⸗
hauptes. K. Rudolf hatte indeſſen mit den Torrianern gehal⸗
ten, ſofern ſie gegen Karl ſtanden. Nun ließ ihm der Erz⸗
biſchof Otto von Mailand ein Buͤndniß antragen, um die
Herrſchaft ſeines Hauſes zu begruͤnden, da er bereits zum
Signore der Stadt gewaͤhlt war. Rudolf nahm es an und
1284 trat alſo auf die Seite der Gibellinen oder vielmehr zu
der viſcontiſchen Partei, welche zwiſchen den Welfen und
Gibellinen in der Mitte ſtand. Er ſandte auch wieder Statt⸗
halter nach Toſcana. Nachdem Johann von Avbeſnes ber jüns
gere geſtorben war, gab er gleichen Auftrag an Princival
Fieſco, Graven von Lavagna, welchen Papſt Honorius IV.
als ſeinen Verwandten dazu empfohlen hatte. Dieſer ſoll je⸗
doch, nach Einigen, aus Mangel den tuſciſchen Städten die
Meichörechte verkauft haben ?); nach Andern waren ed Straf⸗
1296 gelber, welche er den Ungehorfamen auflegte °). So viel ift
1) Raynald, ad a. 1281. $. 14 sqq.
2) Ptolem. Lucc. in Muratori Hist, Ecel, T. XI. ad a. 1286.
N Raynald. ad a, 1288. $. 22.
8) Villani, L. VIL c. XL
Kudoif J. und die Reihsrehte in Italien. 59
gewiß, daß er mit der Überzeugung zu Rudolf zurüdkehrte,
daß ohne ein Kriegäheer Nichts mehr auszurichten fei. Allein
Rubolf war damals mit dem zweiten Aufftanbe der ſchwaͤbi⸗
ſhen Graven befchäftigt. Übrigens hatte der Papfl mit den
im zuerkannten Stäbten benfelben Kampf, und biefer ſchwan⸗
ide Zufland war es, was bie Italiener wollten.
Auffer den fchon berührten Hinderniſſen flanden noch ans
vere der Kaiferkrönung im Wege Wähtend Rubolfd
ehtzehnjähriger Regierung wechfelten acht Paͤpſte. Die vier
efeen, Gregor X., Innocenz V., Adrian V. und Johann
XXL, welche in kurzer Zeit auf einander folgten, wollten
Iudolf gar wicht in Italien haben, bamit eö zwifchen ihm
md Karl nicht zu Heindfeligkeiten kommen möchte Nico⸗
ws III. hatte bei feiner Vermittlung noch ganz andere Ab:
fihten. Schon auf dem Concilium zu Lyon war ein Entwurf
von dem Dominicaner Humbert über die Theilung bed
Saiferthumes zum Vorſchein gekommen. Diefen mollte
Ricolaus LIE. auf folgende Art zur Ausführung beingen: Ru⸗
delf folle auf Italien verzichten und dagegen das teutfche
Königreich wrblich erhalten; das arelatifche Keich folle
der Tochter Rudolfs, Karl Martelld Gemahlin, zum Braut:
ſhat gegeben werben; die Lombarbei und Tuſcien füllen
als zwei befondere Königreiche an Nepoten bed Papfles aus
den Haufe Urfini kommen :). Es ift aber nicht befannt, ob
nühere Verhandlungen barlber mit Rudolf geführt worden,
md der fchnelle Tod des Papſtes vereitelt: den ganzen Plan. 1280
gen Martin IV. war Rudolf ſchon aus den obengebachten 22 Aug.
Seimden mistrauifch. Auch entfland eine neue Spannung
wegen ber geiftlichen Zehenten, welche ber Papft in vier an
Brankreich grenzenden teutfchen Bisthlimern bem Könige von
ih, zum Krieg gegen Peter von Arragonien, Karls
Seguer, angewiefen hatte?). Mei ben folgenden zwei Paͤp⸗
kn, Honorius IV. und Nicolaus IV., erneuerte Rudolf das
Belangen geftönt zu werden. Dem Erſtern verſprach er,
ufer der Beftätigung der früheren Verträge, auch die Erben
1) Raynald. ad a. 1280. $. 28,
2) Raynald. ad a, 1283. $. 61.
-
t
‘ 1
60 Buch IM. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 1.
Karls zu ſchuͤtzen; aber die Zehentſtreitigkeit dauerte fort und
der paͤpſtliche Legat wurde auf der Kirchenverſammlung zu Er⸗
furt uͤbel abgewieſen. Zuletzt konnte Rudolf uͤber die Ange⸗
legenheiten des noͤrdlichen Teutſchlandes (deren im Folgenden
erwaͤhnt werden wird), wohl auch wegen ſeines hohen Alters
nicht mehr zum Roͤmerzuge kommen.
Überhaupt mit fo vielem Nachdrucke Rudolf dieſſeit der
Alpen im Sinne feiner Vorfahren gehandelt, fo fehr bat er
fich gehütet den Plan der Hohenflaufen in Italien wieder
aufzunehmen; ober mit anderen Worten: für ihn war ed ges
nug, das teutfche Königreich wieder emporgebracht zu
haben; auf dad Kaiſerthum im alten Sinne Eonnte und
wollte er keinen Anfpruch machen, und fo hat ex auch mit
der unterbliebenen Krönung Nichts verloren; Teutſchland aber
bat um fo mehr gewonnen. Die Päpfte waren zweimal zus
frieden: denn es fland nun Niemand mehr ihrer Landesherr⸗
fchaft im Wege; fie hatten jegt erſt volftändig erreicht, was
fie, folange es mächtige Kaifer gab, nicht erreichen konnten.
Der teutfche König war fo ziemlich in die Reihe Der anderen
Könige geftelt. Das zeigen auch bie Curialien. Seit Trieb:
rich IE nennen die Päpfte den römifchen König ober Kaifer
“nicht mehr Ihr, fondern wie bie anderen Du oder Deine
Durchlaucht oder Hoheit; fich felbft aber laſſen fie nicht an:
ders anreden ald Ihr oder Eure Heiligkeit. Da bie Gegen:
fönige angefangen den Papft „ihren Herm’ zu nennen, fo
ift das auch von Rudolf und feinen Nachfolgen beobachtet
worden. Ebenſo ift es aufgefommen, wiewohl zuerft nur
ſchriftlich, den Pantoffelluß anzubieten ).
Von den Reichsrechten über Arelat iſt ſchon bei der
Belehnung Karls von Anjou die Rede geweſen. Rudolf wollte
anfänglich da8- alte burgundifche Reich wieberherftellen und
beſtimmte daffelbe, nebit den habsburgifchen Stammlanden,
feinem zweiten liebften Sohne, Hartmann, dem er auch
die Nachfolge im Reiche zumenden wollte. Died eröffnete er
dem 8. Eduard I. von England, deflen Tochter Johanna
mit 10,000 Pf. Sterling Brautfchag mit Hartmann verlobt
1) „‚oscula pedum beatorum‘.,
—
Rudolf I. und die Reihsrehte in Burgund. 61
mide *). Allein der. hoffnungspolle Fürft fand unwermuthet 1281
einen ungluͤcklichen Zod. Als er nach dem erften fauoyfchen Dr
Krieg, worin er fich mit jugendlicher Kriegöfreube hervorges
than, zu feinem Vater auf dem Rhein hinabfuhr, ſchlug das
Schiff bei Rheinau um und er ertrank mit faft allen feinen
Gefährten, währenb er einen berfelben retten wollte. Diefen
Schmerz konnte Rudolf nicht: vergeffen '. Indeſſen fuhr er
fort die Reichsrechte in jenen Länbern zu erneuern, fand aber
karten Widerftand an Pfalzgrav Otto von Burgund und
deſſen Bruber, bem Graven Raynald von Mömpelgard, .
fowie an ihrem Stiefoater, dem Graven Philipp von Sas
voyen. Die große Freigrapfchaft Burgund, welche durch
8. Friedrichs L Vermaͤhlung mit der Erbin Beatrir an das
hohenſtaufiſche Haus und burch deren Enkelin gleiche Na
mens an bie Herzoge von Meran gekommen, nach deren Er:
loͤſchen aber an bie alte Kinie der Graven von Burgund und
Chalons zuruͤckgefallen war ?), theilten jegt zwei Linien dieſes
Haufes *). Don der erfiern waren die ebengebachten Graven
Dtto und Raynald, deren Mutter Alifa in zweiter Ehe mit
bem Graven Philipp von Savoyen lebte, welcher nach dem
Zode feines Bruders Peter, obgleich ſchon 61 Jahre zählend, _
das Erzbisthum Lyon und den geiftlichen Stand verlaffen hatte,
um die Regierung zu Übernehmen. Das Haus Savoyen aber
war in ber leuten Zeit unter manchen Kämpfen biefleit und
jenſeit der Alpen zu gleichem Anfehn gekommen wie dad
| habsburgiſche am Oberrhein, und fragte wenig nach dem Koͤ⸗
ge. Als Rudolf bie Stadt Bern, welde ſich zur Zeit ber
Gegenkoͤnige in ſavoyſchen Schuß begeben hatte, zum Reiche
anüdfonerte; ald er Freiburg im Tichtlande, ‘auf welches
des Sraven Philipp Schwefter, Wittwe beö lebten Graven
von Kiburg, noch Anfprüche machte, durch Kauf von dem lau:
fnburgifchen Haufe an dad feinige brachte, entfland eben
+‘
1) Rymer foedera. T. I. P. IL p. 170 gg.
2 Müller Gef. der Schweiz. I, 555,
3) Siche Band II. ©. 64. .
4) Die hier berührte Genealogie hat noch Dunkelheiten. Wir folgen
lisentheils der Unterſuchungen Muͤllers, ſ. unten.
—8
62 Buch IH. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 1.
jener Krieg, worin Hartmann, Rudolfs Sohn, genannt wors
den. Bald darauf, da die Partei ded Graven von Laufanne
den dortigen Bifchof vertrieb und Gran Philipp von Savoyen
dem Könige wieber ben Gehorfam verfagte, zug 8. Rudolf
Er felbft zu Gelbe und belagerte Murten. Der 6sjaͤhrige Greis
fprengte in den See und kämpfte mit der Kraft eined Juͤng⸗
lings, bis ihm die Seinigen zu Hülfe famen. Nachdem er
auch Peterlingen durch regelmäßige Belagerung bezwungen,
unterwarf fi Graf Philipp und empfing, mit Verzichtleiftung
auf feine übrigen Anfprüche, diejenigen Herrfchaften zu Lehen,
welche Feine freien Güter wären.
1284 Das Jahr darauf vermählte fi) Rudolf, feines Alters
ungeachtet, mit ber vierzehnjährigen Iſabella von Burgund,
von der andern Linie, Schwefter der Graven Robert und Jo⸗
hann von Burgund und Chalond. Es entſtand neue Span⸗
nung mit der erſtern Linie. Waͤhrend Bern wieder im Auf⸗
ſtande war, ging Pfalzgrav Otto damit um, ſich mit ſeinen
Herrſchaften und mit der Schutzvogtei über Beſangon vom
Meiche ab und Franfreich zuzumwenden ').
1289 Sein Bruder, der Grav Raynald von Mömpelgerd,
erhob wieder Fehde gegen dem Bifchof von Baſel. ‚Sobald
Rudolf jene Abfichten vernahm, überließ er den Krieg gegen
Bern feinem Sohne gleiches Namens und zog mit einem ftar-
Sun. Ten Reichdaufgebot zuerſt vor Mömpelgard und nach deſſen
Aug. Einnahme vor Befangon. Die beiden Graven, in Verbin
dung mit dem Graven von Pfirt, brachten ein ſtarkes Heer aus
den burgundifchen Landen zufammen und-verlieffen ſich auf ben
Beiftand des Königs Philipp von Frankreich, der auch bereits
rhftete und dem Ki Rubolf fagen ließ: er folle das Sand
räumen. Aber Rudolf gab zur Antwort: „der König von
Frankreich fol finden, daß wir nicht zum Zanzen bieher ge=
kommen; wir werben ihn mit dem Degen in der Fauſt er⸗
warten” 2). Diefe Entfchloffenheit war dem Könige unerwar-
tet; er überließ das burgundifche Heer fich felbft.
Rudolf hatte nicht. für Bufuhr geforgt, weil er wollte,
1) Möller Gef. ber Schweiz, ©. 356-568,
2) Chron. Leob, ad a. 1289,
Rudolf I und bie Reichsrechte in Burgund. 63
daß die Seinigen folche In Feindes Land fuchen follten; auch
bei der Ausrüftung dachte er zuletzt an fich felbft oder hatte fo
wenig Leute im Xroß, daß man ihn: im Lager fein WBanımd -
ſelbſt fliden fah *). Als das gegenüberliegende burgundifche .
‚Heer die Zufuhr abgefchnitten hatte, zog er auf dem Felde
eine Rübe heraus und aß fie, was benn fein ganzes Gefolge
nachthat. Dann befahl er am andern Morgen zu ſchlagen,
und als wieder Einer den Mangel an Lebensmitteln vorſchuͤtzte,
erwiederte er: „wenn wir fiegen, fo finden wir ihrer genug;
wenn fie und befiegen, fo werden fie als Edelleute den Ges
fangenen wohl zu effen geben. Die Burgunder Ingen im
Zhale (am Doubs) ‚, RudolfS Heer auf einer fleilen Anhöhe.
Jene zweifelten, ob er wohl feine Schaaren in das Zhal her:
abführen würde; einer von ihnen aber fagte: „ich kenne den
König, wenn er auch auf Händen und Süßen klettern muͤſſte,
er würde und angreifen”. Von den Schweizern, welche immer
gen Rubolfs Fahnen folgten, waren 1200 in feinem Heeres -
von dieſen Tief fchon in der Nacht eine Schaar hinunter und
feste das feindliche Lager in Unruhe. Mit Anbruch des Zas
ges fanbten die Graven Friebensboten. Mubolf begehrte vor
Allem Freilaffung ber Gefangenen; dann befahl er den Gra⸗
ven zu Bafel zu ericheinen. Hier leifteten fie, als Lehensleute
bes Reichs, den Eid ber Zreue und empfingen ihre Lehen
wieder. Dem Graven vom Mömpelgarb warb eine Geld»
buße aufgelegt.
Diefen Krieg führte Rudolf in feinem 71. Jahre. Der
Greis war fo ermuthigt über die Schlagluft feines Heeres,
daß er fagte: „mit 4000 auserlefener Helme und 40,000 Fuß-
gängern aus Alemannien wolle er jedem Feind die Spihe
bieten” 2). In Abficht auf die burgundifchen Lande traf er
noch folgende Verfügungen. Seinem Schwager, dem Gras
ven Robert, ertheilte er die Anwartfchaft auf das Delfinat
gegen Humbert de la Tour, Gemahl der Erbgraͤvdin Anna;
dem Sraven Johann von Chalons, feinem andern Schwa⸗
ger, verlieh er das Zollrecht innerhalb der biſchoͤflichen Spren⸗ 1288
1) Er befegte vie Ellenbogen mit neuen Flecken. Albert. Augen!
2) Bis bieher hauptſaͤchlich nad) Albert. Argent.
64 Buch IU. Eriter Zeitraum. Abſchnitt 1.
gel, von Beſangon, Lyon, Vienne und Valence, bie erblich
Schirmvogtei über bie unmittelbare Reichsabtei St. Eugend
13, Sept.de Sour, und die Lehensherrlichkeit über Welfchneuenburg mi
Zugehoͤr. Das burgundifche Königreich konnte zwar nicht ir
feiner vorigen Geſtalt wiederhergeſtellt werden, doch bracht
Rudolf die Lande wieder in nähere Verbindung mit dem Reiche:
die Stände wurden bald zu ben teutfchen Reichötagen beru-
fen, bald im Lande ‚felbft verfammelt, Kurz vor feinem Tode
1291 ließ Rudolf auf einem Zage zu Mürat den Landfrieben
ſchwoͤren !).
Auf der ganzen Weflgrenze des Reichs, vom mittellän-
difchen bis zum Norbmeer, fuchte die Krone Franfreih ein
Stuͤck Landes um das andere an fi zu bringen. Die Grav⸗
fchaften Champagne und Venaiffin waren bereitö durch
Heirath unmittelbar an das Eönigliche Haus gelommen, und
Vegtere dem päpftlichen Stuhle abgetreten worden. Wie Karl
von Anjou mit Provence und Forcalquier K. Rudolf Lehens-
mann geworben, fo kamen teutiche Barone in Lothringen
und ben Niederlanden unter bie Lehensherrlichkeit bes Königs
von Frankreich; auch fielen manche Güter durch Heirath und
Erbe an franzöfifhe Häufer, welche dem teutfchen Könige nicht
unterworfen fein wollten. Die vielen Streitigkeiten Diefer
Haͤuſer unter fich felbfl gaben dem Könige von Frankreich noch
befonderd Gelegenheit, ſich einzumifchen und feine Oberherr-
fhaft geltend zu machen. Bor dem burgundifchen Krieg wollte
ber König noch befonders da8 Gebiet ded Graven von Bar
und alles Land jenfeit des Baches Bienne, auch Stadt und
1288 Bistbum Verdun an fich bringen. 8. Rudolf fandte des⸗
29. AR: wegen Abgeorbnete bahin, um die Sachen näher zu unterfu=
— chen ?); er beklagte ſich auch bei dem Papſte, der aber, weil
12. Octpr. bem Könige von Frankreich ſchon die Zehenten in den Grenz
bisthümern angewiefen waren, nicht darauf eingehen wollte °).
1290 Nun beſchloß Rubolf Gewalt zu gebrauchen; aber die Ange-
1) Gebhardi Gef. der erblichen nn 1, 218. Vergl.
Müller a a. O. ©. 565 f.
2) Gebhardi a. a. O. ©, 221.
8) Raynald, ad a. 1290, $. 21 qq. |
—
Rudoife Anorbnungen im mittlern Teutſchland. Ab’
Inenheiten des nördlichen Teutſchlands und fein bald dar⸗
euf erfolgter Tod lieffen ihn nicht mehr dazu kommen. Dieſe
misliche Aufgabe blich den Nachfolgern. F
7. K. Rudolfs Anorbnungen im mittlern und nörblie
chen Zeutichland.
Das Erzbistum Mainz, Befldtigung der Sreis
heiten des Teutſchordens in Preuffen. Die Oſt⸗
feeländer. Die Hanfe verſtaͤrkt fih. Fehden in
den Niederlanden, in Thüringen und Sacſen.
Abenteurer unter dem Namen 8. Friedrichs IL
Landfriede in Thüringen Die böhmifhe Kurs
fimme Die Erzämter gelten jest allgemein als
Grundlage bed Wahlrechts.
Unter den Reichsguͤtern und Rechten welche Rudolf an das
Reich zuruͤckfoderte, war auch Seligenſtadt und bie Gray
haft Bachg au im mainzer Erzbisthum, doch ließ er folche
erfi nach dem Tode feined Freundes, des Erzbiſchofs Wers 1978
ner, einziehen. Dad Domkapitel proteflirte"), war aber über 2. Apr.
bie neue Wahl unter ſich ſelbſt zerfallen. Ein Theil wählte 1984
ven Domherm, Propft Peter, K. Rudolfs Leibarzt, ber an⸗
dere den Archidiaconud zu Trier, Gerhard von Eppen⸗
Bein. Nach dem wormfer Concorbat follte nun Rudolf in’
dad Mittel treten ober bem beſſern Theile beiſtimmen; ex
überließ bie aber bem Papfle Honorius IV. und begnügte 1286
fih feinen Leibarzt, den er zu ber Gefandtfchaft nach Rom
wählte, ꝓorzuſchlagen. Da er jeboch bald darauf den Bifchof
Heinrich von Bafel, feinen Altern vertrauten Freund, nach:
ſandte, fo ernannte ber. Papſt diefen zum Erzbiſchof mit Vers
werfung der Doppelwahl und entfchädigte den Propft Peter
mit bem Bisſthum Bafel, womit ber König zweimal zufries
den war; er behielt auch jene Reichögliter und gab dem neuen
Erifchof andere Beweife feiner Freundſchaft?). Da aber
1) Guden. Cod .äipl. I. p. 810,
2) Gr entfegte eines feiner von Beinben belagerten Schldſſer.
Hfifter Geſchichte d. Teutſchen ILL EB _
6 Buch IL Erſter Zeitraum. Abſchnitt 1.
1288 Heinrich fchon nach zwei Jahren flarb, fo gelang es dem
17, Därz. Gerhard von Eppenftein doch das Erzbisthum zu erhalten). ”
Dieſer leidenſchaftliche, raͤnkevolle Mann vergaß ed bem Kö
nige nicht, daß er ihn bei der vorigen Wahl zuruͤckgeſetzt hatte.
4278 In Magdeburg war auch eine flreitige Erzbiſchofswahl; Diefe -
wurde aber mit den Waffen für Eric) von Brandenburg ent- :
1283 fhieben ?). :
Das mittlere und nördliche Zeutfchland war noch
. in einem eben fo herrenlofen Zuſtand wie das ganze Reich
. vor Rudolfs Wahl; denn bis jest war feine ganze Thätigkeit
. auf die obern Lande befchräntt. Zwar fchon in feinen erften
Regterungsjahren gedachte er des fchweren Kampfes der teut-
fchen Ritter in Preuffen, wovon er felbft Zeuge gewefen ’).
Da nad Gregord X. unerwartetem Tode brei auf einanber
folgende Päpfte Nichts für den Drben thaten, fo ımterließ
Rudolf nicht demfelben alle feine Freiheiten und Vorrechte,
4277 befonderd dad von 8. Friedrich II. zuerfannte Beſitzrecht auf
10. Oct. dad Culmerland und auf ganz Preuffen zu beflätigen, und
als zwei Jahre darauf Konrad von Feuchtwangen (au Fran-
4279 Een) zum Landmeilter von Preufien und Livland zugleich
17.3un. ernannt wurbe, gab Rudolf den Freiheiten des Ordens Aus⸗
dehnung auch auf den gefanmten Orden in Livland mit neuer
Beftätigung derſelben“). Died that Rudolf während feiner
Verwidiungen in Öfterreih und ahmte auch barin feinem
großen Vorgänger Friedrich IL. nach, ber umter den ſchwer⸗
ſten Bebrängniffen in Italien den Zeutfchorben in Preuffen
einführte. Allein thätige Unterftügung konnte er fo wenig
verleihen als biefer. Der Krug ber das Jahr vor Rus
1) Annal. Colmar. ad a. 1286, Trithem. Chron, ad aa, 1284,
2) 1286. Serrarii Rer. Mog. L. V. in Joannis sa. Mog. T. L
p- 621 agq.
2) Lenz bipl. Stiftes und Lanbeshifl. von Magdeburg &. 238 fi.
8) 28. Rovbr. 1275 (alfo kaum nach ber Sufammenkunft mit bem
Papfte zu Laufanne) erließ Rudolf einen Befehl an bie Stadt Riga, den
livlaͤndiſchen Ordensmeiſter als ihren oberſten Richter anzunehmen.
Voigt Geſch. Preuſſens III, 352.
4) Boigt a. a. D. S. 854. 869.
I
Rudolfs Anordnungen im nördlichen Zeutfhland. 67
dolfs Wahl flattgefunden, Tonnte jetzt nicht erneuert werden.
Um fo größer ift der Ruhm des Zeutfchorbend, durch feine
kigene Kraft bie Unterwerfung von ganz Prteuffer vollendet '
zu haben. Died gefchah in derfelben Zeit, da Rudolf feine 1283
Söhne mit Öfterreich belehnte.
Die librigen Länder von der Oſtſee bis Lothringen waren
vol mannichfaltiger Bewegungen, in welche Rudolf au Mans
gel an Zeit und Macht nur wenig einzugreifen vermochte.
Da der Herzog Miftwin von Danzig alle feine pom⸗
mernfchen Befisungen ven Markgrafen von Brandenburg
zu Zehen aufgetragen und Sen Fürflen Barnim zu Stettin 1269
Schwetz vermacht hatte, zulekt aber den Herzog Primiflav IE
von Polen zum Erben einfete, fo geriethen bie Narkgraven 1271
als Lehenshetten darüber in mehrjährigen Krieg, in welchem
die Schlacht bei Gadebuſch nur vorlibergehend entſchiedi). 1283
Zu eben biefer Zeit traten fieben Städte, Lübel, Ro 1284
od, Stralſund, Greifswalde, Riga und die Zeutfchen auf
Wisby in ein Kriegobuͤndniß?) gegen den König Eric) von
Norwegen, der ihrer Schifffahrt und Handlung großen Scha⸗
den zufligte. Durch Verbot der Zufuhr und wiederholte Ans
griffe auf bie norwegiſchen Kuͤſten zwangen fie den König 1285
unter fchwebifcher Vermittlung zum Trieben, erhielten ihre zu⸗
rückgehaltenen Schiffe nebſt 6000 Mark Entfhäbigung unb
bie Beflätigung ihrer vorigen Handelöfreibeiten. Dies alles \
baten fie aus ſich ſelbſt, ohne bei dem teutfchen Reich eine
Anerkennung ihres Bundes oder thätige Unterflügung nachzu⸗
fuhen. So geſchah auch der Beitritt von mehreren Stäbten,
woburc im flillen die Macht der teutfchen Hanfe begrüns
bet wurde’).
In den. Niederlanden waren zwei bebeutenbe Fehden, zus
1) Buchholz Verſuch einer Geſchichte d. Kurmark Brandenburg,
zH. I. &..250 ff. nn. geneal. Geſch. der erbl. Keichsſt. I,
206 ff. vgl. open Bo. IL. ©. 64
2) Hamburg, das ſchon = mit Luͤbeck das erſte Buͤndniß ge
ihloffen, wovon gewöhnlich der Anfang ber Hanſe abgeleitet wird, iſt
hier nicht genannt, nimmt aber im Bolgenden bei ber Wergrößerung des
Bundes wieder lebhaften Antheil. Einſtweilen ſteht Luͤbeck an ber Spike.
8) Sartorius Gel. d. hanſeat. Bundes I, 142,
5%
+
686 Bud U. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 1.
erſt — der flandriſchen, dann wegen der limburgi⸗
1253 (hen Erbfolge. Iene, ſchon zu K. Wilhelms Zeit begonnen,
fand ihre Entfcheidung auf Rudolfs zweiten Reichdtage zu
4281 Nürnberg zu Gunften Iohanns von Aveſnes des jüngern,
der in des Königs befonderm Vertrauen find. Die andere
1232 nahm gleich darauf ihren Anfang. Der Brudersfohn ded
legten limburgifchen Herzogs, Walrams V., Grav Adolf von
Bergen, fland gegen Gran Rainald von Geldern,, befien
Gemahlin, Ermengard Walrams Zochter gewefen, aber ſchon
vor ihrem Vater ohne Kinder geftorben war. Xbolf- überließ
: feine Anfprüche an Herzog Johann von Brabant und bat
den König Rudolf demfelben die Belehrung zu ertheilen. Der
Grav von Geldern warb dagegen mächtige Bundesgenoſſen,
namentlich. den Erzbiſchof Siegfried von Coͤln und den Gra⸗
: ven, Abolf von Naffau, nachherigen König. Rudolf, damals
4284 ĩ im Elſaſſe beſchaͤftigt, machte hier ſchnell Frieden und wollte
| -
ſelbſt gegen. den Erzbiſchof von Coͤln zu Felde ziehen‘), was
aber wieber verhindert wurde. Indeſſen zog ‚der. Herzog von
‚Brabant gegen bie verbündeten Zürften, befiegte fie endlich
1288 bei Waringen und feste ſich alfo felbft in den Beſitz von
Limburg, dad er mit Brabant vereinigte).
In Thüringen waren bie vieljährigen Irrungen zwi⸗
Shen Markgrav Albrecht dem Ausgenrteten und feinen Soͤh⸗
‚nen, Friedrich und Tizmann, dann auch mit feinem Neffen
Friedrich Zuta- von Landsberg noch nicht beigelegt, ober fie
‚erhoben fich immer wieder aus neuen Urfachen, bis Friedrich
feinen Vater bei Landsberg gefangen nahm. —. Die Söhne
des verfiorbenen Herzogs Albrecht von Braunf chweig, Hein⸗
rich der Wunderliche, Otto der Fette und Wilhelm, zerfielen
uͤber die Landestheilung. Der ſaͤchſiſche Landfriedensbund legte
ſich zwar dazwiſchen; aber Heinrich zog auch Verbuͤndete aus
Thuͤringen, Meiſſen und Heſſen an ſich, nahm den Erzbiſchof
Erich von Magdeburg gefangen und gerieth dann auch in Krieg
mit dem Biſchof Siegfried von Hildesheim ’).
1) Annal, Colmar. ad a. 1284,
A) Bäberlin teutfche Reichshiſtorie IT, 595 ff.
5) Koch pragm. Geſchichte des Haufes Bcunfdoe e Lüneburg,
IV. Abtheil. S. 108 ff.
N
Rudolfs Anordnungen im mittleen Teutſchland. 69
Unter biefen Unruhen fland auch ein Betrüger auf, ber
fich für den Kaifer Friedrich II. ausgab und allmdlig ernſtli⸗
deren Anhang fand. Ex hatte verfchiedene Namen ober Übers
namen, Friedrich Holztuch, Zile Kolup, Dietrih Stol, und .
trieb fein Wefen in den nieberrheinifchen Städten; von ben
Coͤlnern verjagt, ging er nach Neuß und Wetzlar. K.Rudolf - _
fherzte über den Menfchen, ald aber fein Anhang fi bis
Kolmar im Elſaß ausdehnte, zog er vor Wehlar, ließ fich den
Betrüger ausliefern und verurtheilte ihn, wie die Keber, zum
Sceiterhaufen!). Bier Jahre nach Rubolfs Zode wurde ein
ähnlicher Betrüger zu EBlingen verbrannt 2). |
Nach dem burgundifchen Kriege zog Rudolf endlich nach 1289
Thüringen, um den Landfrieden mit Nachdruck herzuflellen. Dec
Bei feiner Ankunft ließ er fofort 29 Raubritter, welche zu
Stmenau gefangen worden, hinrichten. Dann berief er einen
großen Reichötag nach Erfurt, um bie befondern Einungen,
welche einerfeitö die ſaͤchſiſchen Stände ambererfeitd der (1284)
Erzbiſchof von Mainz errichtet hatten, in ein allgemeines Land: (1287)
friedensbimdniß zu bringeh. Diefed befchworen alle anmwefen-
den Fuͤrſten und Herren. Zur Vollziehung ber Übereinkunft
fandte Rudolf bewaffnete Schaaren aus, welche 66 Raub-
ſchloͤſſer zerftörten. Über ein Jahr verweilte der König zu Er: 1290
fint, bis alle Fehden, beſonders bie Zwiſtigkeiten im thuͤrin⸗
giſchen Haufe, beigelegt waren).
In @iefer Zeit brachte Rudolf auch die böhmifchen Ans
gelegenheiten zur Entfcheidung. Während der Vormundſchaft
über den jungen König Wenzlaw war eine große Verwirrung
entflanden, durch die Partei der Königin Wittwe Kunigunde
und des Zarifius von Rofenberg, den fie endlich heirathete.
Der Bormund, Markgrav Otto der Lange von Brandenburg,
nahm deshalb den jungen König mit fi und übertrug bie - .
1) Albert. Argent. p. 104. Hist. austr. ad a. 1284. Volc-
mar. Chron, p. 534. in Oefel. scrr. II. 8Sifrid. Presb. ad a.
1284. Chron. Erford. 8. Petrin. ad a, 1286.
2) Annal. Colmar. ad a. 1295.
3) Chron. Erfurt. Sanpetrin. ad aa. 1287—1290. Tenzel. vita
Frid. Admors. in Meucken scrr. II. p. 927.
/
0 Bud UL Erſter Beitraum, Abſchnitt 1.
Statthalterfchaft dem Bifchof Gerhard von Brandenburg. Um
» die Parteien niederzufchlagen, feste Rubolf den König in bie
1286 Regierung ein und vermählte ihm feine Tochter Jutta. Der
biöherige Streit über die Wahlſtimme nahm folgende Wen⸗
dung. Rudolf hatte zwar auf den Bericht bed Rheinpfalzgras
ven dem Haufe Balern zwei Stimmen zuertannt, bie eine
wegen bed Erztruchfeffenamtes bei der Nheinpfalz, die andere
wegen bed Herzogthums Baiern. Allein ed war offenbar nur
in der Abficht gefchehen, um die Wahlflimme des Königs Dts
tofar von Böhmen, ber an einigen frühern Wahlen theils
genommen, auszufchliefien. Sobald die Verhältniffe ſich än-
beiten, warb auch jene Entſcheidung nicht mehr beachtet.
Da Herzog Heinrich von Baiern nicht einmal mit Rudolfs
Ausfpruche zufrieden war, wie wir oben gefehen, ed auch nie
aufrichtig mit dem Könige meinte, fo gab diefer dem Dttofar
bei dem erſten Friedensvertrag die Zuficherung bed Wahlrechts,
und als nad) Ottokars Tod bie Wechfelheirath unter den Kin⸗
bern befchloffen wurde, warb die Sache ſchon fo für be
1283 kannt angenommen, daß 8. Wenzlaw bei der Erneuerung bes
‚Öfterreichifchen Herzogsbriefs ald ber erfle unter den Kurfürs
ſten (ald König auch den Exrzbifchöfen vorangehend) aufgezählt
1289 wid"). Doch geſchah die foͤrmliche Beftätigung des Erzfchen-
4. März. Fenamtes und Kurrechts erſt auf dem Reichötage zu Eger und
1290 wurde zu Erfurt wieberholt, da inbeffen der unruhige Herzog
— wre. Heinrich von Baiern mit Tode abgegangen war. Auch ge:
” nehmigte Rudolf ben zwifchen K. Wenzlam und Herzog Heins
rich von Breſlau gefchloffenen Erbvertrag 2).
Diefe Entfcheibung für die böhmifche Kurwürbe iſt aufs
fer den fpäteen Folgen in ber Reichögefchichte fehon darum
wichtig, weil es jetzt erſt ald allgemeingültiger Grundſatz ans
1) Lambacher öfter. Interregnum, Urk. 109. &. 205. Wenzlaw
war bamals noch nit einmal mündig. Herzog Heinrich von Baiern
iſt nicht genannt, Ludwig, Pfalzgrav am Bthein und Herzog in Baiern,
führt die Stimme allein, dagegen die beiben Herzoge von Sachſen, Al:
breit und Hanf, gemeinſchaftlich.
2) Eont. Cosm. Prag. ad hh. aa. Anon. Chron. Boh, in Men-
cken scır. IH. p. 1727 sqg. Chron. Colmar. ad a. 1289.
8. Rudolfs legte Entwürfe für fein Haus 71
geſehen wurde, daß das Wahlrecht nicht mehr auf den Her
zogthuͤmern fonbern auf den Erzämtern ruhe.
8. 8 Rubolfs legte Entwürfe für fen Haus.
Abfihten auf Ungern. Vereitelte römifhe Koͤ⸗
nigswahl Albrehtd. Rudolf Tod.
Auf dem Reichötage zu Erfurt ſah Rudolf unter einer gros
Sn Zahl von Zürften und Herren faft alle feine Kinder mit
ihren Satten bei fi; bald darauf aber ſtarb fein Sohn Rus
bolf auf einem Befuche zu Prag. Alſo war der erfigeborne, 1290
Albrecht, Herzog von Öfterreich, noch allein übrig. Auf Mat.
diefen fielen nun nicht allein die Stammgliter und alle bis⸗
berigen Erwerbungen, fonbern fein Vater gebachte ihm auch)
das Königtei) Ungern zuzuwenden, gegen welche er fchon
geraume Zeit Krieg führte Da eben jetzt König Ladiſlaus
bei den innern Unruhen erfchlagen wurde und Feine Kinder
hinterließ, fo erklärte Rudolf Ungern für ein erledigtes Reichs⸗
lehen; er flellte zu Eger eine Kundfchaft aus, daß er einft
als Zeuge zugegen geweſen, wie K. Bela dem Kaifer Fried⸗
rich II. fein Reich zu Lehen aufgetragen und folches wieber
von ihm ald Mannlehen empfangen habe; dann verlieh er ſei⸗ 81. Aug.
nem Sohn die Belehnung'). Allein Papſt Nicolaus IV.,
der ihn anfänglich ſelbſt aufgefobert' Hatte fich des zerrütteten
Landes anzunehmen), fprach jeht auch von Lehenäherrlichkeit,
weil Ungern vormals durch den päpftlichen Stuhl zum chriſt⸗ 1291
lichen Glauben gebracht worden fei?). Indeſſen vereitelte Ans
dreas, des verfiorbenen Königs Oheim, die beiderlei Anfprüche,
indem er fi mit gewaffneter Hand des Reichs bemächtigte.
Rudolf hatte Luft feinem Sohn zu Hülfe zu ziehen, aber
das zunehmende Alter erinnerte ihn demfelben erft die Nach⸗
-Tolge im Reich zu ſicher. Non dem Reichstage zu Erfurt 8. Apr.
2 v. Hormayr aerdolh von Habsburg; im oͤſterr. Plutarch J.
Raynald. ad a. 1290. 6. 42.
3) Raynald, ad a. 1291. $. 47 40.
J
72 Bud III. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 1.
1201 ging er zuruͤck nad Speier, ließ den Landfrieben auf ſechs
Mai. Jahre erneuern und / berief dann einen Reichstag nach Frank⸗
furt. Hier trug er den Fuͤrſten vor: damit das Reich nach
ſeinem Ableben nicht ohne Oberhaupt waͤre, ſo moͤchten ſie
jetzt ſeinen Sohn Albrecht zum roͤmiſchen Koͤnig waͤhlen. Er
konnte dies um ſo eher erwarten, da ſolches noch keinem ſei⸗
ner rechtmaͤßigen Vorgaͤnger verweigert worden war. Allein
die Fuͤrſten hielten zuruͤck; ſie wollten die Sache erſt in wei⸗
tere Berathung ziehen. Das war das Werk Gerhards, des
Erzbiſchofs von Mainz, ber noch der fruͤhern Ungunſt des
Königs gedachte!). Zudem war Albrecht nicht Rudolf. Seine
Härte und Habſucht hatte ihm weder in Öfterreich noch in ben
obern Landen Freunde erworben.
Alle Unternehmungen Rudolfs waren gelungen; nur bie
ı Erreihung feiner legten Wuͤnſche follte er nicht mit Augen fes
ben. Auch nad ihm ift das Ziel mehrmald weiter hinausge⸗
ruht worben; aber man muß geflehen, die ganze Zünftige
Groͤße des Haufes ftand fihon vor feiner Seele.
Bon dem Reichötage zu Frankfurt ging Rudolf mit ſtil⸗
lem Verdruß hinweg. Er befuchte nochmald den Oberrhein
in Begleitung feiner jungen Gemahlin, ergößte fich bei feinen
lieben Straßburgern und erinnerte fi) der frühern Zeiten.
As die Ärzte den 73jährigen Greis auf die fehnelle Ab⸗
nahme feiner Kräfte aufmerkſam machten, fprach er: „wohlan,
nach Speier'’ (zur Srabflätte der alten Kaifer), flarb aber ſchon
1291 zu Germersheim?) und warb in dem Dome zu Speier ne:
15. Zul. hen Philipo von Hohenſtaufen beigeſetzt.
9. Wie alfo K. Rudolf das Reich hergeſtellt hat?
Das teutfhe Königreih. Niederlage des Kaifer:
tbumd. Die Landfriedensverfaffung Zahl und
1) Chron, Erfurt, Sanpetrin. ad aa. 1284. 1289. 1291.
2) Bon den Meiften wird der 15. Jul, als Zobestag angenommen.
NRach der bei Albert. Arg. p. 109. aufbehaltenen —— aber iſt
es der 30. Sept. 1291.
überfiht ber Verdienſte Rudolfs um das Reich, 73
Gloffen der unmittelbaren Reihsflände mit und
opne Territorien. Übergang aus dem bohenflaus
fifhen Zeitalter. Die Drandange biefes
dritten Buchs.
Weihe Mühe in Rubolfs 18jähriger — bis nur
dufiere Ordnung und Ruhe einigermaßen bergeftellt war! Auf:
fer den fümfthatb Jahren bie er in Öfterreich, und dem letzten
Fahre das er in Erfurt zubrachte, war er faft immer unter
den Waffen oder auf dem Zug von einem Theil des Reichs
in den andern. Selten ein Stillſtand, weil er bald ımgehor:
fame Reichöflieflen, bald Bebrüder der Beinen Stände, bald
Aufſtand von Städten und Herren gegen fich felbfl zu be⸗
impfen hatte. So übte er mit raſtloſer Thaͤtigkeit bis in
fein ſpaͤtes Alter das Königdamt in Handhabung bes Rechts
und bed Friedens.
Daß ein König ohne Reichsgut oder ohne Hausmacht
und ohne Verbindung mit anderen Fürftenhäufern Nichts vers,
möge, das war Rudolfs Überzeugung, wovon er ausging.
Wie fchon feine Wahl durch vertraute Übereinkunft mit
dem Haufe Hohenzollern eingeleitet worden, fo fah er in
kurzer Zeit fünf Fuͤrſten, darunter alle weltliche Kurfuͤrſten,
als Schwiegerfähne um feinen. Thron. Wenn die Dttonen fchon
die Abficht gehabt die Ayäupter der Völker in Eine Familie
zu bringen, fo mochte die Emeuerung dieſes Pland um fo
nöthiger erfcheinen, da dev Häupter weit mehr geworden waren.
Mit dee Herftellung der Reichsrechte (in Abficht der
Krongüter) bat Rudolf in den obern NRheinlanden, dem Sitz
deö Iehten Kaiferhaufes, angefangen und aufgehört. Durch
durickfoderung der oͤſterreichiſchen Lande aus den Haͤnden des
Knigs von Böhmen erhielt er die gewänfhte Haus macht.
Daruͤber waren die teutfchen Fürften nicht einmal eiferfüchtig ;
viel näher ging ed ihnen, wenn Rubolf einzelne Reichöghter
zuruͤckfoderte, welche fie während des Zwifchenreichs ſchon als
cigen betrachtet hatten, und das brachte die rheinifchen Erz:
biſchoſe auf den Gedanken, fich bei den künftigen Wahlen bef:
fer vorzuſehen.
So erfiand in kurzer Zeit das Königreid ber Teut⸗
ſhen aus mehrjähriger Zerrüttung, doch nicht ohne bedeutende
N
.
74 Bud II Erfter Zeitraum. Abſchnitt 1.
Opfer gegen ben päpftlihen Stuhl. Um nur Rubolfs Aner⸗
kennung zu erhalten, muſſte dem Papfte das fehon von Gre⸗
gor VIL angefprochene Oberauffichtörecht über die Krone in
einem bisher noch nicht flattgefundenen Umfang zugeftanden
werden. Zugleich gelangte Pie römifche Kirche in Abficht ih⸗
ver Rechte und Befigungen zu einer ebenfalld noch nicht. ge=
babten Freiheit und Unabhängigkeit: Was das wormfer Con⸗
cordat in Abficht der Bifchofswahlen dem Kaifer gelaffen, warb
felten befolgt. Ale noch flreitige Hoheitörechte des Reichs
über die zum Kirchenflaat gezogenen Städte und Landſchaften
muflten aufgegeben werben. Wiewohl Gregor X. den K. Karl
von Sieilien mit dem Gerichte Gottes bedrohen muffte, wenn
er von feinen Bebrüdungen nicht ablaffe, fo wollten doch er
und feine Nachfolger fich lieber wieder dem ficilifchen und
franzöfifchen Hofe in Die Arme werfen ald ben wahren Schirm
vogt ber Kirche, dem teutfchen König, wieder in Italien mäch-
tig werben laffen. Darüber. und über die vielen Verwicklungen
in Zeutfchland mufjte Rudolf auch im Faiferlichen Italien die
Reichsrechte zurüdfeßen. ö
Ufo erlitt das Kaiſerthum erſt unter Rudolf die völlige
Niederlage, welche ſchon den hohenflaufifchen Kaifern zugedacht
war, und das Papſtthum ſchien jegt auch in Rüdficht ber
Territorialherrſchaft fein Ziel erreicht mi haben. ;Aber dad war
auch ſchon der Anfangspunct feines Sinkens.
Es ift nicht die Schuld Rudolfs, es war Wille der Für-
ſten und fomit der Nation, den Kampf in Italien aufzuge⸗
ben, um erſt dad Reich im Innern wieder herzuftellen, da es
“Uber jenem Kampf zu Grunde gegangen war. Mochte der
Dapft die Krone flr abhängig anfehen, in Zeutichland übte
Rudolf als freigewählter König bie Rechte des Thrones, wie
Konrad und Heinrich, ehe das Kaifertyum damit verbunden
war. Während er einzelne Rechte in Italien fchwinden ließ,
erwarb er in Zeutfchland eine Hausmacht, welche feine Nach
folger in den Stand ſetzte mit größerem Nachdruck aufzutxeten.
Rudolf ‚hat aber nicht nur die teutfchen Reichsrechte,
fondern auch die Rechte der Stände gegen einander feſtge⸗
fiel. Darin übte er vorzüglich das Königsamt und das
if die Bedeutung ber Landfriedens einungen, welche er
J
überſicht der Verdienſte Rudolfs um das Reich. 75
mehrmals erneuern und beſchwoͤren ließ. Seine Abſicht war,
die befondern Buͤndniſſe, welche die Stände in ber herren⸗
loſen Zeit zu ihrer Sicherheit errichtet, zu einer allgemeinen
Reichsanftalt unter Eöniglicher Beftätigung zu erheben; haupt⸗
ſaͤchlich in den aufgelöften Herzogthümern, wo kein Fuͤrſt maͤch⸗
tig ober uneigennügig genug war, bie verfchiedenen Stände
in Ruhe zu erhalten.
Das alte Landfriedensgefes, unter 8. Friedrich II.
bergeftellt, auf mehrern Reichötagen erneuert und mit zeitges
mäßen Zufäßen verfeben, endlich kurz vor Rudolfs Tode auf
einer Verſammlung zu Speier in teutſcher Sprache!) verkuͤn⸗
det, mit der Fuͤrſten, Landherren und Staͤdte geſchwornen
Eiden, geht von folgenden Grundlagen aus:
4. Die Selbſthuͤlfe iſt verboten.
2. Zürften und Ale welche Gerichte vom Reich has
ben, follen wohl richten; ebenfo der Hofrichter, mit Vorbehalt
ber Rechte des Königs.
3. Nur wer vor den Gerichten feine Genugtbuung fins
det, darf ſich felbft Recht fchaffen in aufrichtiger Fehde nach
brei Tage vorhergegangener Widerfage. Wer das unterläfft,
iR ehrlos und rechtlos.
4. Ber, wenn Zwei mit einander urlugen (Krieg führen),
bed Reichs Straßen angreift, ift als Straßenräuber zu
sichten.
5. Boll und Seleit darf Niemand machen, als wer
es vom Reich hat, weber zu Land noch zu Waſſer; auch keine
Burg darf Iemand anlegen auffer auf feinem Gut.
6. Pfahlbürger follen allenthalben abgeſchafft werden.
7. Wenn der Landfriede gebrochen wird, ſollen die Naͤchſt⸗
geſeſſenen zu Hülfe eilen, u. ſ. w.; wenn es noͤthig würde,
der König felbfl.
Über die Befolgung biefer Geſetze hielt Rubolf mit gro⸗
ßer Strenge, zum Theil mit geſchaͤrften Strafen: Straßenraͤu⸗
ber büßten am Strange; — in einem Keſſel ſieden⸗
den Waſſers ⁊).
1) jedoch mit alten lateiniſchen Buchſtaben auf Pergament geſchrie⸗
ben. Lehmann ſpeier. Chronik ©. 555.
2) Annal, Colmar. an mehrern Stellen.
76 Bud IL Erfer Zeitraum. Abſchnitt1.
Der Zweck des Landfriedens ift, jeden Stanb des Reiche
in feinem Weſen zu erhalten, daß weder die Fleineren Stände
von ben mädhtigern unterworfen, noch die Hinterfaffen der
Landherren ohne Willen derfelben in das Bürgerrecht der Städte
aufgenommen werden follten, alfo jedes Gebiet und jedes Recht
unverletzt bliebe.
Da nun auf diefe Weife alle unmittelbaren Reichs—
ftände in ihren damaligen Verhältniffen beftätigt worden, fo
ift bier dee Ort zu einer Überficht ihrer Anzahl und ihrer Claſ⸗
fen, um bie Veränderungen fpäterer Zeiten damit vergleichen
zu koͤnnen.
An geiſtlichen Reichöftänden zählte man in Teutſch⸗
land, ohne die burgunbifchen und. flavifchen Lande und ohne
das Patriarchat von Aquileja mit der Markgravſchaft Iſtrien,
6 Exzbifchöfe, worunter 3 Kurfürften, über 40 Bifchöfe, un⸗
gefähr 70 Prälaten und Äbtiffinnen, wovon die Hälfte da⸗
mals ober fpäter gefürflet worden, bazu 3 geiftliche Ritteror⸗
den (Sohanniter, Zempler und teutfche Ritter), zufammen
über 100 geiftliche Stände.
Die weltlichen Zürften und Neichöftände waren: 4
Kurfuͤrſten (worunter 1 König, 1 Herzog, 1 Pfalzgrav, 1
Markgrav); 6 Herzoge (Baiern, Öfterreich, Kärnthen, Braun⸗
fchweig, Lothringen, Brabant Limburg); gegen 30 gefürftete
Graven, darunter einige Markgraven und Landgraven; unge:
faͤhr 60 Reichsſtaͤdte, ein Theil erft noch im Werden: zufam=
men wenigftend 100 weltliche Stände. Im Ganzen alfo über
200 unmittelbare geiftliche und weltliche Reichsſtaͤnde!). Da
die meiften fürftlichen und graͤvlichen Häufer fi in mehrere
Linien theilten, fo ift der Perfonalftand noch höher. Bei K.
Albrechts J. NReihötag zu Würzburg zählte man etliche und
fiebenzig geiftliche und weltliche Fürften, 300 Graven und
Herren und 5000 vom Abel; doch die beiden letztern Claſſen
waren dem größten Theile nach im Gefolge von Lanbeöherren ;
erſt ſpaͤter entſtanden die zwei Gravenbanken in der Reichsver⸗
1) Das Verzeichniß bei Gebhardi Geſch. d. erbl. Reichsſtaͤnde zc.
I. S. 2891-821. begreift einen viel längeren Zeitraum; wir haben des⸗
wegen bier bei einigen Glafien nur ungefähre Zahlen geben können.
Überfiht der Berbienfte Rudolfs um bas Rei. 77
fommlung; auch die Verhaͤltniſſe ber Reichöftädte, weiche fchon
nah K. Wilhelms Zode Luft hatten an der Koͤnigswahl Theil
zu nehmen, erwarteten noch bie näheren Beſtimmungen.
Dieſe große Zahl, befonderd von Heineren Ständen, ifl
Folge theild der Auflöfung theils der Verminderung der alten
Herzogthümer. Wie viel zufammengefebter erfcheint jetzt der
Reichötag, wie viel. verwidelter wird bie Reichöregierung und
Berwaltung im Verhältnig zu bem früheren Zeitraum, da 5
bis 8 Herzoge und eben fo viele Markgraven ber Verwaltung
der Provinzen vorfianden. Die meiften Fleinern Stände,
Städte, Stifte, Klöfter, Landherren, find in den oberen Rheins
landen, bann in ben nördlichen Küftenländern, jedoch häufig
durchfchnitten von größern Gebieten ber Graven und Bifchöfe.
In den herrlichſten Sauen längs dem Rhein von Bafel bis
Utrecht entflanden auffer ber Mheinpfalz eine Reihe geiftlicher
Gebiete und Fürftenthümer; fo tft auch Baiern und Sachſen
durchſchnitten. Größere Staaten find im Oſten und Norden
Zeutfchlands geblieben, und fe ſchimmert wieder die erſte Ans
lage des alten Germaniend hindurch, da in ben Rheinlanden
kleinere Stämme unter Wahlhaͤuptern, im Often größere Voͤl⸗
fer unter. Exrbfürften flanden. Jene Verhältniffe begründen
auch eine nene Unterfcheibung. Jemehr die Fürftenflanten
durch Zueignung der untergeorbneten Staatögewalt die Lans
deshoheit erlangen (die unmittelbare Einwirfung bed Kaiz
fers auöfchlieffen), deſto mehr wird die Geſammtheit der klei⸗
nern Stände als dad eigentliche Reichöland angefehn. Im
inen Staaten entſtehen befondere Familien und Voͤlkerſchaf⸗
tem, nach ben landesherrlichen Häaufern.oder Hierarchieen
genannt; in biefen find bie ReichSunterthanen,. das teutfche
Volk im engern Sinn. Rudolf ift es der den Anfang ges
macht hat dieſes Reichsland als Gegengewicht den. Kürften-
ſtaaten entgegenzuflelleh. Kan >
Haben die Hohenflaufen die Ritterſchaft (bie Dienſt⸗
mannfchaft bes Reiches) ald Baſis ihrer Macht vorzüglich, dam
die Städte, ſoweit es ihren Herrfcherplanen angemeffen war,
gehoben, fo treten Beide ünter Rudolf in’ gleiche Linie. Die
ſtaͤdtiſchen Ritter thaten ſich unter feiner Führung nicht weni-
78 Bud II. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 1.
ger hervor als die Dienſtleute des platten Landes. Der Stand
hob ſich durch die Entfernung der Straßenraͤuber.
Die Kernſchaar aus den obern Landen galt viel bei Rus
dolf. Jener Heinrich Schorlin aus Bafel, der den erften An⸗
griff auf dem Marchfeld gegen die Böhmen that, kam mit
dem Könige nach Nürnberg, wo er fich gegen die fehr fchöne
Zochter feines Hauswirthes Gewalt erlaubte. Darüber erhob
das Volk einen Auflauf und foderte Iaut Gerechtigkeit. Der
König hielt inne, ob nicht etwa Jemand ald Vertheidiger ein-
. fchreiten würbe; endlich fprach er mit Entrüflung: „ich werbe
über ihn richten, bier auf biefer Stelle werde ich richten.” Da
erfchrafen die Edeln und das Volk, weil fie fahen, daß ihn der
König fehr liebte. Der König aber ließ ihn mit dem Maͤd⸗
hen trauen und gab ihr 200 Mark zum Brautfchag :). We
nige Jahre vorher hatte man zu Kolmar - einen Süingling we-
gen gleichen Verbrechens Iebendig begraben ?).
' Die firenge Ordnung welche die Städte in Ihrem In⸗
nern handhabten, mit welcher fie auch gegen Briebbrecher und
Räuber audzogen, trug nicht wenig zu ihrer Aufnahme bei.
Mudolf war freigebig mit Gnadenbriefen, aber er foberte auch
nach feinen Bebürfniffen Steuern und Mannfchaft. Beides
konnten bie an Bevoͤlkerung und Gewerben wachfenden Stäbte
am beften geben; fie kamen aber ungern daran.
Unter Nachklängen aus der hohenftaufifchen Zeit entfteht
ein neuer Schwung unter Rudolf. Cr felbft flieht mitten inne.
war verhallen bie Achten Minnefinger. Meiſter Konrad
von Würzburg, ber legte Überarbeiter des Nibelungenlie-
bes), ftirbt nicht Jange vor Rudolf *). Später endigte Hein
sich Sranenlob zu Mainz, welcher teutfche Lieber, genannt
1) Albert. Argent, p. 109.
2) Annal. Colmar. ad a. 1276. Raft für rechtlos erlärt K. Rus
dolf die „‚gemetnen Frauen: „indignum esset, ipsas legum laqueis in-
nodare; volumus tamen, ne ab aliquo indebite offendantur.“ Lam:
bader Urt. v. 3. 1278. ©, 252.
8) Gruber im Probeheft ber allgemeinen Encycl. Art. Nibelun⸗
genlied.
4) Annal. Colmar. 1287. Ex heiſſt hier; „multorum bonorum di-
ctaminum compilator.“
überſicht der Verdienſte Rubdolfs um das Reich. 79
„Unfer Frauen Lied,” gedichtet; er wurde von lauter Frauen⸗
haͤnden beſtattet und fein Grab mit vielem Wein Üübergoffen *).
Auch Rudolf und fein Schwager, ber tapfere Grav Albrecht
von Hohenberg, fanden noch Sänger ihrer Thaten. Zugleich
aber kommt mit dem äffentlichen auch ein neues Xeben in bie
Geſchichtſchreibung. Ein Schüler jener Sänger, welde in
Friedrichs IL und Manfreds Gefolge waren, Ottokar aus
Steiermark, hat eine große teutſche Reimchronik des Lan⸗
bes ſterreich verfaſſt, vom Tode Kaiſer Friedrichs bis auf
Friedrich den Schönen, worin er viele ſchaͤtzbare Nachrichten
als Augenzeuge mit gibellinifcher Sreimüthigkeit giebt*). Die
Jahrbücher der Dominicaner zu Kolmar, fowie dad. von Als
bert von Straßburg, find eigentlich burch Rubolf geweckt wor⸗
den. Sie find noch Lateinisch; aber feit Rudolf wirb es uͤb⸗
ih teutfche Urkunden zu verfaffen. Die Mönche wette
eifern in wiffenfchaftlichen Beflrebungen. Zwei vom Predigers
orden wuſſten Sonnenfinfternifje zu berechnen. Ein anderer
bat eine Weltcharte auf zwölf Pergamentblättern gezeichnet. '
Mm Schwaben und Rhätien fand man Leute, welche ven Tas
tholifchen Glauben näher prüften. Als der päpftliche Legat .
auf einer Kirchenverfammlung zu Würzburg nicht nur die geifl: 1287
lichen Zehenten fondern fogar den vierten Theil alles Ein-
kommens foderte, widerfeßte fich der Bifchof Konrab von Zoul
mit großem Nachdruck, und ald ber Legat ihn abfegen wollte,
entfiand in der Verfammlung eine folhe Bewegung, daß der
Legat für fein Leben flnchtete?).
In diefer Beit alfo, da das Volk feine, großen Kaifer
noch nicht vergeffen hatte, da die Sage von Friedrichs IL.
Berborgenheit und Wiederkunft durch Pilger, welche aus —
Morgenlande zuruͤckkamen, erneuert male *), hat Rudolf, ins
1) Albert. Argent. p. 108.
2) Pez scrr. rer, Austr. T. III, gang. S. 18 zählt Ottokar viele
„Meifter, Gibler, Geiger,’ welche bei Manfseb waren, mit Namen auf,
darunter: „Meifter Chunrat von Rotenberch, ber nach bes Prinzen Hi
nevart lang hernady mein Meifter warb.”
5) Annal. Colm, ad a. 1286, Raynald. adh a. MHist. austr.
Sifr. Presb. ad a. 1287. Cf. Heur. Stero.
4) Annal, Colmar. ad a. 1286,
X
80 Buch UL Erfter Zeitraum. Abſchnitt 2.
bem feine Aufgabe war die Verfaſſung herzuftellen, unver⸗
merkt den Grund einer neuen. gelegt.
Seit die Fürften in Erwerbung erblicher Territorien
wetteifern, find es brei Elemente "welche die folgende Ges
fhichte bewegen: 1. Der König will, wo nicht Erblichkeit
der Krone, doch eine überwiegende Hausmacht. 2. Die geift-
lichen und weltlichen Fuͤrſten wollen fein maͤchtiges Haus
mehr fiber fi, da fhon Rudolf mehr gethan, als fie erwar⸗
tet hatten. Statt ber frähern Magnaten (Bollöherzoge) um—
giebt eime zahlreiche Ariflofratie den Thron. 3. Die Eei-
nern Stände in der Mitte werden balb von ber einen balb
von ber: andern Seite ald Gegengewicht gehoben oder verlaf-.
fen. Wo das Übergewicht bleiben werde, dad war in Der
That fchon bei dem Sturze der Hohenflaufen zu vermuthen.
Zweiter Abſchnitt.
Die Ariflofratie Wahlparteien und aus—
wärtiger Einfluß (von Rom und Frankreich) bis
zur Unabhängigfeitserflärung and Beftftel-
lung der römischen Königswahl; oder.von K.
RT bie zu KarlslV. goldner Bulle.
„12911356. (65 Sabre.)
Erzbiſchof Gerhard von Mainz. Angriffe der rhei—
—— Kurfuͤrſten auf das Reichsgut bei K. Adolfs
Wahl. Des Koͤnigs Selbſtaͤndigkeit; Landfriedensan⸗
ſtalten; Landerwerbungen. Unzufriedenheit der Kurfuͤrſten.
1291 Konig Budolfs Strenge bei Einziehung der Reichſsguͤter und
Abſchaffung der ungefeglichen Rheinzölle hatte am meiften ben
Unwillen des Erzbiſchofs von Mainz, Gerhards von Eppen=
ftein, erregt; doch durfte er folchen bei des Königs Lebzeiten
nicht laut werden laffen; aud) gegen Herzog Albrecht, Rubolfs
\
—
Adolfsé Koͤnigswahl, 1292. 81
Sohn, verbarg er anfaͤnglich ſeine wahre Geſinnung und ließ
ihn ſogar die Nachfolge im Reich hoffen‘), bis er eines ans .
ven Beſchuͤtzers gewiß war. Im Einverſtaͤndniß mit dem
Erzbifchof Siegfried von Coͤln, welchem der König bei dem
flandrifchen Krieg .entgegengewefen, brachte er die übrigen
Kurfürſten theils durch Verſprechungen theild durch falfche .
Drohungen, indem er jedem einen ihm wibrigen Kronbewer⸗
ber nannte, dahin, baß ihm, wie bei Rubolfs Wahl dem
Palzgraven, alle Stimmen übertragen wurden und biesmal
noch dazu mit fchriftlichen Vollmachten, um alle Rüdfchritte
abzufchneiden: Num ernannte er feinen Vetter, den jungen 1292
Graven Adolf von Naffau, an welchen man am wenigften 10. Mai
gedacht hatte, zum römifchen König 2).
Die beiden Häufer Eppenftein und Naffau, urs
fprünglich wohl zu Einem Gefchlechte gehörig, bald in Freund;
ſchaft bald in heftigen Fehden mit Einander begriffen, waren
aufs neue verbunden, da Gerhards Vater, Gottfried von Ep:
penſtein, mit Elifabetha von Naffau, Schweſter von Abolfs
Bater Walram, vermählt war.
Gerhard war der fünfte Erzbifhof zu Mainz aus dem
eppenfteinifhen Haufe, unter welchem das Erzſtift an
Land und Leuten bedeutend zugenommen. In den naſſaui⸗
fhen Stammgütern ertennt man zum Theil die Sravfchaften
mb Bogteien des erften falifchen Kaiſerhauſes. Grav Adolf
befaß aber nur die ‚Hälfte derfelben mit ben Städten Wisba-
den, Beilburg, Idſtein; die andere Hälfte gehörte feines Va⸗
ters Bruder Dito mit Dillenburg, Beilflein und Siegen °);
dazu war Abolf Vaſall ded Kurfürflen von Trier, fowie bes
Rheinpfalzgraven als Gaftellen des Schloſſes Daub ).
Der Reichskanzler wollte alſo nur einen ſchwachen, ab⸗
haͤngigen Koͤnig, und die — ſtimmten infofern bei, als
1) Chron. Leob, ad a. 1894. Albert. Argent. p. 109.
2, O ttokars Reimchron. ©. 510 fi. Stero ad a, 1298:
8). Vogt rhein. Geſch. II, 875890, wo auch die Stammtafeln. °
4) Schilter. Comment. ad jus feud. Alem. c. 26, Kirchliche
Shen trug auch Rubolf und felbft das Hohenfläufifche Haus. Aber Adolf .
, Über erſte König der eines andern weltlich en — Lehenmann war.
P fiſter Geſchichte d. Teutſchen IT. 6
82 Buch IL Erſter Zeitraum. Abſchnitt 2,
ihnen fhon Rubolf zu mächtig geworben war. Die Bebins
gungen welche Gebhard feinem Vetter gemacht, kamen nad
der Wahl an den Zag. Ihm felbft verſprach Adolf Erfas
nicht nur ber römischen Koͤnigswahlkoſten, welche er, da Abolf
fein Geld hatte, auf fich genommen, fonbern auch der bei
feinem eigenen Wahlproceß gemachten Schulden, ja ſogar Beis
teeibung ter den Bürgern von Mainz wegen ihre Wiberflan-
bed gegen ben vorigen Erzbifchof Heinrich, von K. Rudolf auf:
gelegten Strafe von 6000 Marl. Herner verfprach Abolf dem
Erzbiſchof auf Lebendlang die Vogtei Lahnflein, dem Erzſtift
den Reichszoll zu Boppard, Friedzoll genannt, Stadtrecht für
fech8 zu benennende Dörfer des Erzſtifts, die Reichöwogtei
über die Städte Mühlhaufen und Norbhaufen, bie Juden⸗
fleuer, welche die Etabt Mainz an fi) gezogen, enblich bie
Zuruckgabe von Seligenfladt und Bachgau, welche K. Rubolf
dem Erzſtifte entzogen‘). UÜberhaupt beflätigte er alle Rechte
und Freiheiten beffelben nebft der Erzlanzlerwürbe durch Teutſch⸗
land *); verſprach ihm auch Beiſtand gegen alle Feinde und
bedachte noch befonders den Verwandten des Erzbifchofs, Sieg⸗
fried von Eppenſtein, mit der Burggravſchaft Friedberg.
Dem Erzbifhof Siegfried von Coln gab Adolf die Schirm⸗
vogtei tiber das Stift Efjen zurkd ?), und bem Erzbiſchof von
Trier für 4553 Mark Wahl: und KrönungssKoflen die Stabt
Kochheim nebft Klotten *).
1292
30. Jun.
Bei K. Nudosfs Wahl waren ed die weltlichen Kurs
fürften, welche Bebingungen machten zu Gunften ber Berbin-
dung mit dem Böniglichen Haufe. Es geſchahen diesmal auch
folche Verfprechungen. Seine Tochter Mechtild verlobte Adolf
bem Sohne des Rheinpfalzgraven, Rubolf :); und feinen Sohn
1) Aachen 1. Jul., Bonn 3. Jul. 1892. Guden. Cod. dipl, T.I.
Nom. 408, 410.
2) Bonn 5. Jul. Worms 10 Nosember 129% Lünig Reichsar⸗
chiv — XVI. Rum. 44. 46. Die erſtere Urkunde betrifft die Erzkanz⸗
lerwurde
9) 5. Octbr. 1292. Joannis Spicil. T. 1. p- 23 09.
4) 22. Zul. 189. Hontheim T. 1. * 174.
5) Guden. L. c. Num.407. Zu :
Adolfs Koͤnigswahl, 129% 83
Ruprecht der Tochter des Koͤnigs Wenzlaw von Böhmen, den
ee noch überdied von der perfönlichen. Belehnung befreite ').
Übrigens Bam die legtere Verbindung nicht zu Stande. In gan;
anderer Art aber fingen bie vheinifchen Erzbifchöfe jest an, _
Wahlbedingungen zu machen. ben jene Reichsrechte welche
8. Rudolf zurüdgefodert hatte, fuchten fle wieber an fich zu brins
gen und alfo auf Koflen des Reichsgutes und der koͤniglichen
Macht fi zu vergrößen. Cine einzige Wahlbebingung be
traf die Reichöregierungs fie war! biefe: daß bei Vorladungen
der Fürften die alte Friſt von 18 Wochen eingehalten werben
müfle?).
Dad waren die Bedingungen, welche bem neuen König
Adolf gemacht wurden. Da gerade in biefan Beitpunct ber
päpftliche Stuhl wegen Uneinigleit der Cardinaͤle erledigt fand,
fo glaubte der erfle geiftliche Wuͤrdentraͤger in Teutſchland im
Tone bed Papftes fprechen und für das mainzer Erzflift auf
gleiche Art Zuwachs anfprechen zu bürfen, wie es jener inbefs
fen in Abficht des Kischenflaates gethan.
Die Lage des Reichs hingegen foderte einen mächtigen
König, als ihn bie Kurfürften haben wollten. . Die ganze Oft
grenze war in Unruhe. Der König von Böhmen unb der
Kurfürft Otto der Lange von Brandenburg befriegten die Po-
in; die übrigen Markgraven von Brandenburg nahmen Theil
am thäringifchen Hauszwiſt. Der neue König Andreas vom
Ungern, Herzog Otto von Baten, ber Erzbiſchof von Salz⸗
burg flanden feindfelig gegen Öfterreich. Auf der Weſtgrenze
war es eben fo. Im Elſaß und in den Nieberlanden erho⸗
ben ſich die alten, von 8. Rudolf kaum nunterbrüdten Fehden
wieder. 8. Philipp von Frankreich fuhr fort Reichslande
an fich zu ziehen. Gegen die habeburgiſche Stammhertſchaft
in Oberſchwaben fürhsten faft alle Nachbarn Krieg, hauptſaͤch⸗
lich auf Betreiben bet Etzbiſchoſs von Salzburg, ber dem
Herzog Albrecht hier zu tbun geben wollte Der Abt von
St. Gallen und der Bifhof von Speier, welche wegen ihres
Biderflandes gegen 8. Rudolf vertrieben waren, kehrten zus
1) Stero ad a. 1895. Goldast. T. I. p4l. 1"
D) Guden. I. c. en —
. 6*
84 Buch IM. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 2..
ruͤck. Der Biſchof von Coſtanz ſchloß ein Buͤndniß mit dem
Graven Amadeus von Savoyen und vielen andern Herren
und Städten... Gegen fie führte Grav Hug von Werdenberg,
Hauptmann ber habsburgifchen Lande, den Kiieg nicht un:
gluͤcklich, bis Herzog Albrecht aus Öfterreich kam und bier
im Meinen biefelbe Abneigung gegen feine Perfon fand wie
bei den Reichöfürflen in Abficht der Königswahl. So war
überall Unficherheit und Landfriedensbruch; Albrecht felhft aber
fland erbittert dem neuen Könige gegenüber).
Indeſſen trat Adolf mit gutem Muth bie Reichöregierung
an; er war nicht ungelehrt und kannte bie Iateinifche und
franzöfifche Sprache; was ihm an Hausmacht gebrach, bas
hoffte er, wie K. Rudolf, durch Zapferbeit zu erfeßen, wies
wohl ex deſſen Scharfblid nicht hatte ?). Seinen erfien Reichs:
tag hielt er zu Coͤln und erneuerte K. Rubolfs Landfrieben
auf drei Zahre?), nachdem er die Stadt Valenciennes, welche
gegen ihren Srundheren, Johann von Aveſnes, aufgeftanden
war, in die Acht erflärt hatte*). Dem Herzog Iohann von
Brabant; deſſen Gefangener er in ber limburgifchen Fehde
gewefen, übertrug ‚er dad Reichsvicariat von der Mofel bis
an das Meer und vom Rhein bis Weftphalen ). Dann kam
er herauf nach Oppenheim, mohin er den Herzog Albrecht
berufen hatte, um ihm die Belehnung zu ertheilen. Dieſer
teug tiefen Groll im Herzen, weil er mit vergeblicher Hoff:
nung nad Frankfurt gekommen war; auf der ‚Burg Trifels
hielt er die Reichöfleinodien zuruͤck; nachbem er feinen Unwil⸗
len. gegen ben Bifchof von Coftanz und feine Verbündeten aus-
gelaſſen, wollte er wieder nad) Öfterreich ziehen, unbekuͤmmert
um ben neuen König. Allein die Fuͤrſten gaben das nicht zu
und lagen ihm an, ſich mit Adolf zu verfühnen Da er fah,
daß er. beiten Beifland von ihnen zu: hoffen hatte und auch
ſein Schwager, ber König von Böhmen, gegen ihn war; ba
.. D.@efdichte v. Schwab III, 92-108.
. 9) Stero l. c. Annal. Colmar. ad a, 1292.
3) Reue Sammlung d. Reichsabſchiede I. Rum. 19.
- 4) Martene Nov. Thes. Anecd. L Num. 1248.
5) Lünig Cod. Germ. dipl. II. p. 1155. .
v
8. Adolfs Landfriedensanftalten 85
feine eigenen Sande voll Unfrieben waren, fo beſchloß er end⸗
lich Frieden zu fuchen und ging mit einem ftattlichen Gefolge
nach Oppenheim, wo er nach Übergebung: ber Reichökleinos
dien bie Belehnung empfing und dann nach Oſterreich Buchs
kehrte!)
A Erzbiſchof von Mainz, der bem teutfchen Orden
ſchon früher Verguͤnſtigungen erwieſen, gewann denſelben auch
fr Adolf. Zu Boppard erneuerte Adolf die Freiheiten des 1293
Drdens in ihrer größten Ausbehmmg mit dem Beiſatz, daß 28. Mai.
der. römische König allein deſſen Befchüger fei... Der Hochmeifter
war häufig in feinem Gefolge und wurbe auch in: Sefchäften
verfenibet. . An den durch ganz Zeutfchland verbreiteten Rit⸗
tern hatte Adolf ein bedeutendes Gegengewicht gegen bie Fürs
fin, und es entfiand bald. die Meinung, ſie ſeien die genaue⸗
ſten Ausſpaͤher ihrer Rathſchlaͤge). —
Adolf zog herauf durch Elſaß und Schwaben, ließ ben
Landfrieden fchwören und befekte bie Reichsvogteien. Da ihm
bier der Grav Eberhard von Wirtemberg eben fo ent:
gegen war wie feinen Vorgänger, fo verfuhr er’ gegen ibn
auf gleiche Weile, nahm einige feiner Burgen in Beflb und
fprach ihm die Reichsvogtei im: untern Schwaben ab’). Kaum
hatte aber Abolf das Elſaß verlafien, fo machte ber Reiche:
fhultheiß von Kolmar, Walter Röffelmann, einen Auffland,
in Berbindung mit Anshelm Yon Rappoltflein und dem Bis.
(hof Konrad von Straßburg. Der König vief deöwegen bie
theinifchen Fürften zu den Waffen und belagerte Rapperswei⸗
ler, dann Kolmar. Nach ſechs Wochen traten die Bürger über; Sept.
Ansheln: wurde in der Stadt, Röffelmann auf der Flucht ges
fangen; ber König fchenkte zwar Beiden. bad Leben, ließ aber
&rätern mit aufgehobenen Armen auf ein Rab gebunden in
den Städten vor fich her führen, dann nebft feinem Sohn in
einen Thurm werfen, wo er bald nachher flarb. Anshelm von
Rappoltftein büßte mit zmeijähriger Gefangenfchaft auf ber
Reichsburg Achalm; feine‘ Güter vertheilte der König den Ver:
4) Ottokar ©. 518 ff.
2) Boigt Geſch. Preuſſens IV, 76 ff.
3) Geſch. v. Schwaben III, 107.
6 Buch II. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 2.
wandten und behielt einen Theil für ſich Der Bifchof. Kon:
rad wurbe durch Vermittlung ber Straßburger wieder zu Gna⸗
ben aufgenommen+). Bei Adolfs Ruͤckkehr nah Schwaben
fanden durch Vermittlung feiner Semahlin Imaging friedliche
Unterhbandlungen mit dem Graven von Wirtemberg flatt, wel
then ſich audy die uͤbrigen Herven anſchloſſen?).
12 Nah Berfiuß von zwei Jahren, ba bie Ruhe im Reich
: ziemlich bergeftellt war, wandte Adolf feine Aufmerkſamkeit
auf bie Reichsrechte in Italien und zugleich auf bie Grenz⸗
befchhkung gegen. Frankreich. Matthäus Bifconti, auf
Betreiben feines Berwanbten, des früher gebachten Erzbiſchofs
Dtto, von den Mailändern, dann aud non aubern Städten
und Sandfchafterr em Capitan emwählt, erhielt durch bebeus
tende Geldſummen, deren Adolf bebürftig war, daß er zum
21. März. Reichövicar in allen jenen Städten ernannt wurde; bie Hals
Mat.
31. Aug.
bigung, welche Adolf hierauf durch vier Abgeordnete neit feis
nem Beiſtand in des Sombarbifchen Staͤdten einnehmen ließ,
fand auch Feine Schwierigkeiten, ba er beufelden alle vom ben
vorigen Kaifern erhaltene Freiheiten beflätigte °). Hingegen
Sohann von Chalond, welchen Adolf als Statthalter in To⸗
ſcana aborbnete, traf auf mancherlei Hinderniſſe, weil die
Staͤdte ſich jetzt an den Papſt hielten. *).
An König Philipp von Frankreich ſandte K. Adolf einen
Sehdebrief des Suhalts: „es wäre Schande, wenn ber roͤmi⸗
fche König ertrüge, daß der König von Frankreich Die durch
ihn und feine Borgänger dem Reiche eitzogenen &hter, Rechte
und Laͤndergebiete nody länger vorenthielte; deshalb erklaͤre er,
daß er ſich vorgenommen zu Wendung foldyen Unrecht feine
Macht zu gebrauchen.“ Philipp, „König der Franken,“ gab
bem „Könige von Alemonnien” zur Antwort: „er werbe fich
durch vier Abgeordnete erkundigen, ob. das Schreiben —
1) Chron. Colmar. ad a. 1293, Albert, Argent, p. 110.
2) Geld. von Schwaben II, 110 ff. |
8) Du Mont. T.L P.I. p.292. Fraux. Pipin.:Chron. L. IV.
c. 89. in Murat. scrr. T. IX. Galvan. Flamma ib. T. XI.
4) Ptolem. Luc. ad a. 1296 in Murat. T. XI.
8. Adolf gegen SING 87
von ihm ergangen ſei, und fh bann als Befehbeter bamad)
verhalten ').'
verließ fih auf ben König Eduard von Eng:
land, ber gleiche Beſchwerden hatte; bald darauf Fam ein
Buͤndniß zwifchen ihnen zu. Stande, daß fle einander beifte- 129
hen wollten, die Rechte und Länder, welche ihnen der König % «4
von Frankreich entzogen, wieber zu exlangen, Teinen Frieden
ohne einander zu fchlieffen und bie etwaigen Eroberungen gleich
zu vertbeilen. Eduard verfprady Überdies dem roͤmiſchen Kö:
nig Adolf bei dem Papfle die Kaiferkrönung zu befördern ?).
K. Philipp ließ fich jedoch durch dieſes Bimbniß nicht
ſchrecken. Er brachte bald darauf den Pfalzgraven Ott o von
Burgund dahin, daß er verſprach, mit ber Vermuͤhlung feis 1295
ner Tochter mit einen Sohn des Königs zugleich am biefen 2. Maͤrz.
bie Freigravſchaft Burgund gegen eine Summe Gelbes und
einen Jahrgehalt abzutreten ’). Adolf hatte alfo das Recht,
ein Reichdaufgebot gegen den König zu machen; felbft ber
Papft beſtrafte diefen darüber, daß er offenbare Lehen bes
Reha an nd ziehen wolle *). Allein bei ben teutfchen Für
fin war wenig Neigung zu einem Kriege gegen Frankreich,
auffet dem Graven Guido von Flandern, der ſchon vor Abolf
ein befonbered Bünbniß mit: dem Könige von England ge
fhloffen hatte. Abolf nahm alfo eine bedeutende Summe Gel
des als Subfidien von England 5), um bamit Kriegslente zu
werben. Doch, ald er bereits im Elſaß Anflalten zum Feld⸗
zug traf, trat Papſt Bonifacius VIII. dagwifchen und vermit⸗ 14. Aug.
telte einen Stillſtand, bez in ber Folge auf fein Gebot ew
neuert wurde.
Jene lombardiſchen Gelder?) wollte K. Abolf zum
Laͤnderkauf anwenden und benutzte dazu bie wieder ausgebro⸗
1) Leibnit. Cod. jur. gent. I. Num, 18, 19,
2) Rymer foedera T. I. P. IH. p. 138.
3) Du Mont. T. I. P. I. Num. 529. 532.
4) Raynald. ad a. 1296.
5) Rad den kolmarer Jahrbuͤchern erhielt Adolf 30,08, nach Als
bert von Straßburg 100,008 Markt Silbers.
6) Gewoͤhnlich nimmt man an, Adolf habe mit den englifchen
Subfidien die thüringifchen Lande gekauft; allein 'e& trifft mit der Zeit
8 Bud III. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 2.
chenen Zwiſtigkeiten im thuͤringiſchen Haufe. Dex letzte Ber⸗
trag, welchen Landgrav Albrecht mit feinen zwei noch uͤbri⸗
gen Söhnen, Friedrich und Ditzmann, kurz vor K. Rudolfs
Zod gefchloffen, war bald darauf wieber umgefloßen worben
1291 über bie Derlafienfchaft feines Brudersfohnes, Friedrich Zuta
‚16. Aug. yon Landsberg, in welche fich Friedrich und Digmann theil-
ten und. ben Vater ausfchloffen. Diefer aber glaubte vor ih⸗
nen Anfprüche zu haben und verband fich deshalb mit Bran⸗
1292 benburg und Anhalt. Da er jeboch mit den Waffen Nichts
gegen feine tapfern Söhne vermochte, fo faflte er dem ver-
1294 zweifelten Entfchluß, nicht nur Meiffen und Niederlaufig, fei-
Sep
nes Neffen Verlaffenfchaft, fondern auch. Thuͤringen, unter der
Bedingung lebenslaͤnglichen Beſitzes, an K. Adolf fuͤr die ge⸗
ringe Summe von 12,000 Mark abzutreten!), ungeachtet er
in dem lebten Vertrag mit feinen Söhnen ausdrücklich verfpro=
chen hatte ohne ihren Willen Nichts von den Landen zu ver-
aͤuſſern. Der Landgrav glaubte, feine Söhne würden bem
König nicht widerfiehen koͤnnen. Allein fie hatten den Abel
*
und die Staͤdte auf der Seite, verwarfen ben ungefeglichen
Vertrag und thaten hartnädige Gegenwehr, Adolf führte ein
flarles Kriegäheer meift von geworbenen Leuten mit großer
Verwuͤſtung durch Thüringen bis ind Oſterland, wobei bie
Lestern unerhörte Ausfchweifungen begingen und felbft Kirchen
und Frauenkloͤſter nicht verfchonten; er muffte aber mit An⸗
fang des Winters, weil fich dad Heer felbft der Zufuhr bes
zaubt hatte, an den Rhein zuruͤckkehren, wo er bie obenge⸗
dachte Rüftung gegen Frankreich betrieb. Nach der päpftlichen
nidyt überein. Im Gept. 129% zieht Abolf Thon nah Thuͤringen, ber
Handel muffte alfo vorher ſchon richtig fein. Das Bünbniß mit Eng⸗
land ift aber erft am 22%. Oct. 129% gefchloffen worden. Da ber Ber:
trag felbft gar Nichts von Subfidiengeldern fagt, fo wurben fie gewiß
eher ſpaͤter als früher gegeben. Das matländifche Geld aber erhielt Adolf
fhon im Frühjahr 1294, alfo kam es gerabe recht zu dem Vertrag
mit dem Landgraven Albrecht. Bon den engliſchen Subſidien ober ben
damit gewordenen Leuten Tonnte Adolf erft nach dem Gtillftand mit
Frankreich Gebrauch machen.
1) Nah Ottokars KReimchronik S. 194. und Volcmar. ap.
Oefel. I. p. 536, ſprach Adolf die meiſſniſchen Lande als eröffnetes
Reichſlehen an, .
K. Abolfs Landerwerbungen. —80
Stiliftanhävermittiung beſchloß Adolf auch die engliſchen Sub:
ſidien auf die Eroberung der thüringifchen Lande zu verwen-
den und unternahm fogleich mit Unterflügung der rheinifchen
Bifchöfe *) einen zweiten Feldzug, auf welchem. ee nach ber
Eroberung von Frankenſtein und Salzungen und Eihäfcherung
von Kreuzburg durch das Dfterland ind Meiffnifche kam.
Hier gewann er nad langer: Belagerung die feſte Stadt Frei⸗
berg, war aben fo graufamt, von der Befakung 40 edle und
tapfere Maͤnner enthaupten zu laffen. Um die übrigen Ge
fangenen zu retten, übergab Markgrav driedrich auch die
Stadt Meiſſen und die uͤbrigen Pläge?). —
Doch von dieſem Augenblick an gingen aboiſ Sachen
ruckwaͤrts. Daß er. durch den Ankauf jener Lande feine Haus⸗
macht vermehren wollte, würde die Fuͤrſten nicht verbroffen
haben, vielmehr riethen und halfen ihm felbft mehrere dazu.
Es war nun einmal allgemeines Beftreben ſich durch Erbs
Aug.
ande zu vergrößern. Aber die Verwüflungen und Graufam:' .
keiten jenes Kriegs erregten großes Misfallen. Hierzu kam,
daß Adolf waͤhrend ſeiner eigenen Vergroͤßerungen eben nicht
eilte ben Kurfürften feine Verſprechungen zu halten. Erzbi⸗
(hof Gerhard erhielt den wichtigen Nheinzoll zu Boppard
nicht und follte auch die übrigen, welche er wiberrechtlich er⸗
richtet hatte, abthun. Alfo wie unter K. Rudolf. Statt auf
ihn zu hören, der ihn erhoben hatte, folgte Adolf lieber dem
Rath der Erzbiſchoͤfe von Trier und Coͤln. Da foll Gerhard‘ :
gefagt haben: „er habe noch mehr Könige in der Taſche.“
1) Der Mainzer gab ihm 200 Manns ber von. Zrier folgte felbft.
Die Bifchöfe von Worms, Straßburg, Coſtanz, Würzburg 2c. gaben
ssenfalls Zuzug. Der Mainzer hatte ihm gerathen das englifche Geld
auf Meiſſen zu verwenden, um es wieber zurückzahlen zu können. Dt:
tofars Reimchron. S. 194 ff. Nah Andern wurbe bas nachher eine
Brfache ber Unzufriedenheit bes Erzbifchofs Gerhard, daß ihm Adolf
(mahrfcheinlich für den Zuzug) Nichts von den englifchen Geldern ge:
arben.
3) Das Ganze Henr. Rebdorf. ad a. 1295. Albert.
Argeut. p. 109. Rohte Chron. Thuring. Tenzel vita Frid.
Admors. Beide Eektere in Menoken sar. T:D. °
OO Bub IE Erfter Zettraum. Abſchnitt 2.
2. Herzog: Albrecht von Öfterteich gegen König Adolf
durch den Erzbiſchof von Mainz aufgerufen.
Steigende Spannung zwifchen Albrecht und Abolf.
Papſt Bonifactus VER entſcheidet einfimeilen
bloß über die Reichsgrenze zwifhen Frankreich und
Zeutfhland. Adolf, von einem Theil der. Kurfürs
Ken abgefegt, Fällt in der Schlacht bei Gelheim.
Die Verföhnung zu Oppenheim war nur fheinbar. Herzog
Albrecht hatte den Umfbinden nachgegeben; die erlittene Schmad
Eonnte er nicht vergeffen. As K. Adolf um eine feiner Toͤch⸗
ter fuͤr ſeinen zweiten Sohn werben ließ, gab er eine ſtolze
Abweifung'!). Seitden: faſſte auch Adolf perſonlichen Wider⸗
willen. Vertriebene vom äfterreichifchen Adel fanden bei ihm
Zuflucht; er nahm fich auch des Erzbifchofs von Salzburg ge⸗
gen den Herzog an und ließ ihm Frieden gebieten; wenn ber
$ g länger im Ungehorfam bleiben würde, brohete Adolf
in Sr fterreich einzufallen ?).
Herzog Albrecht aber machte Frieden fobald er Fonnte mit
den Unterthanen und Nachbarn, um freie Hände gegen ben
1293 König zu haben: zuerſt mit feinem Schwager, dem König
Wenzlam von Böhmen?) und dem Könige Andreas von
1295 Ungern; dem Letztern vermählte ex feine Zochter Agnes, mit
einer großen: Ausflattung; früher hatte er fie ihm abgeſchla⸗
gen, unter dem Vorwande, weil ſeine Mutter eines venetiani⸗
ſchen Kaufmanns Tochter geweſen. Eine juͤngere Tochter,
Anna, gab er dem Markgraven Hermann von Brandenburg *).
Gegen vie Öfterreichtfchen und fleiermärkifchen Lanbherren, welche
mit der Wienern mehrmaligen Aufftand erregt batten, wobei
er, wie man glaubte, durch Gift ein Auge verloren ®), rief er
1) Albert, Argent. p. 109.
2) Ottolars Reimchron. ©. 582 ff.
$) Hist. austr. plen. ad a. 1293.
4) Albert. Arg. p. 111. Dttolar ©. 584.
5) Die Kur war fonderbar. Der Herzog muffte fih an den Fü
Ben aufhängen laffen, damit das Gift von ihm kaͤme.
Albrecht v. Dfterseih gegen 8 What: 9
bie ſchwaͤbiſche Rilterſchaft zu Huͤlfe und buachte-fie, wie auch
den Erzbiſchof von Salzburg, mit vieler Mühe zur Ruhe; er
muſſte auch verſprechen feine ſchwaäbiſchen Raͤthe: heimgu⸗
ſchiken:). Während deſſen ließ er. die Geſinnungen her Fürs
fen: erforfchen 2): Erzbiſchaf Gerhard kam ihm entgegen! ex
hielt mit den: Heczog non Sachſen und. dem. Macrkgraben un
Brandenburg: eine Beratbung. md. beichloß, weil 8. Adalf
um au Ginean und Kreunben und choͤricht in der Heiden -
woltung fei, fe folle Herzog Albrecht gegen. Ihn aufgerufen
werben. Der Herzog war diefer Botſchaft froh und ſandte
die Briefe des Kurfinflen ſogleich durch den. Gmaven. Albrecht
von Hohenderg nach Rom; mit 16,000 Mod Silbers, un
die Einwilligung .zu einer neuen. Königswahl zu erhalten’),
Sn der Zhat war Adolf noch: nicht förmlich anerkannt, : weil |
— ha · ſeiner Wahl.n der xxioſtiche Stuhl arlebigt ſtand. s
Der ſchwache Coleſtin V. konnte ſich nur kurze Zeit halten;
Bonifacius VIIL, der ih verdraͤngt, beſchraͤnkte ſich in ben 1294
erſten Jahren darauf, zwiſchen Adelf unb dem Könige. now 24. Der.
Frankreich zu vermitteln, wie er überhaupt im Begaff war
auch bei den uͤbrigen Koͤnigen der Chriftenheit bad Amt eines
Friedensſtifters ober vielmehr Oberaufſehers mit großem Nach⸗
druck zu fuͤhren. Ex fand jedoch an dem Koͤnige: von Franke
reich einen ſtaͤrkern Widerſacher, als er vermuthet hatte, und
nuſſte ſuh aller Drohungen ungeachtet fagen laſſen, daß er
m weltlichen Sachen. Nichts. eingureden habe*).. Da. nun
in Zentichlanh eine Gegenwahl im Werk war, .:bislt Bonifa⸗
ins auf’3 neue zuruck Herzog: Albrecht behauptete zwar guͤn⸗
ſtiges Gehör gefunden zu haben und fanbte den Kurfuͤrſten
Briefe, welche feine Geſandten dus. Rom mitgebracht hätten.
Hingegen ven Gefandten Adolfs gah der Papſt nachher Die -
Berficherung, daß jene Bricfe amtergefcheben feien, und echt -
fih Adolf zum Kaifer zu Erönen, wenn er nach Roms kom:
men würde. Die Kurfürften aber blieben dabei, daß fie vom
1) Hist. austr. plen. ad a. 1295. Dttotar e. 521 fl.
2) Volcmar. Chron. p. 536.
3) Chron. Colmar. p. 57.
4) Raynald, ad a. 1296. 5, 1821.
1298
27. Iun.
2. Jun.
92 ,Buh UI. Erfier Zeitraum. Abſchnitt 2.
Papſte die Bewilligung: erhalten hätten eine andere Wahl
vorzimehmen'). Dabei fällt noch befonders auf, daß Boni
facius nicht dad Geringfle that, um den ausgebrochenen Krons
ftreit zu befchwichtigen, während er doch in Abficht des fran⸗
zoͤſiſch⸗ engliſchen Kriegs wiederholte Friedgebote unter Bann
androhung ergehen ließ und ſich ſogar befugt hielt Aber bie
-teutfche Reichögrenze zu verfügen; denn er that in einer eige-
nen Bulle den Ausfpruch, daß bie beiden Könige, Philipp
und Adolf, jeber mit ber bisherigen Ausdehnung fich begnü-
gen follten?). Allein die Sache erklärt fi Thon daraus, daß
der Papſt gerade in biefem Seitpunct den König von Frank
zeich wieder gewonnen zu haben glaubte und alfo..nicht un=
gern fah, wenn. 8. Abolf durch Herzog Albrecht vom’ Kriege
gegen Frankreich abgehalten wurbe.
As 8. Adolf neue Rüftungen im Elfaß machte, vernahm
er, da die Fürſten, welche ſich bei der Krönung des Königs
von Böhmen zu Prag über feine Abfegung befprochen hatten,
wieder in dieſer Abficht zu Eger zufammenkommen wollten ?);
ex wandte alfo feine Waffen um fie zu verhindern, und hielt
ben Erzbifhof von Mainz in einer feiner Burgen eingefchlof:
- fen. Aber. während feine Befehlöhaber den thüringifchen Krieg
nicht gluͤcklich fortfegten, muffte er dem Herzog Albrecht ent⸗
1298 gegengieben. . Diefer kam mit einer flarken Kriegemacht, um
dem Berlangen der Fürflen zu entfprechen. Herzog Dtto von
Niederbaiern geftattete ihm ben Durchzug gegen Geld, mit
Adolfs Willen, gefland ihm aber aufrichtig, daß er, wenn ed
dazu kommen follte, mit feinem Schwiegervater dem K. Abolf
gegen ihn flreiten werbe*). Bei Ulm begegnete ihm Adolf
- mit einem fo trefflich gerüfteten Heer, daß er nicht auf die
1. Mai.
von den FZürften auögefchriebene Verfammlung nad Frankfurt
kommen Eonnte, fonbern — um Verlaͤngerung ber Friſt
bitten muſſte.
I) Chron. Colmar. 1. c. Raynald. ad a. 1298. 8. 11 40.
2) Raynald. ad a. 1298. 6. 1-10,
. 3) Stero ad a. 1297. Ottokar ©. 599. Hist. austr. —
Siffrid. Presb. ad h. a.
4) Chron. Leob. ad a. 1298. -
Albrecht' v. Sſterreich gegen 8. Adolf. 93
Herzog Albrecht führte in feinem Heere ımgerifche und
cumanifche Hütfsnölfer, welche alle Bogenfchügen waren; feine
Öfterreicher trugen allein eiferne Waffen. K. Adolf hingegen hatte
meift Schwerbewaffnete mit eifernen Helmen und Wämfern, d. h.
dichten Unterfleiven von Leinwand, Hanf ober alten Lappen.
zufammengenäht und barüber ein Gamifol von ineittanbers
greifenden eifernen Ringen, welche kein Pfeil durchdringen
fonnte. Hundert folcher Krieger konnten taufend unbewaff-
neten wiberfichen. Er hatte auch bei feiner Reiterei viele
große Schlachtrofle oder Handpferde, welche bie andern weit
überragten. Dieſe waren auch mit eiſernen Deden von in=
einanbergefägten Ringen gefchüst, und die Reiter hatten eis
fene Harnifhe und Handſchuhe, Stiefeln und glänzende
Helme"). Herzog Albrecht, durch K. Adolf aufgehalten, nahm
feinen Zug durch Oberfchwaben bis Waldshut, wo der thätige
Grand Albrecht von Hohenberg⸗Heigerloch die alten Freunde
des habsburgiſchen Hauſes verfammelt hatte. Das Elfaß und
die Mortenau (auf dem rechten Rheinufer) waren bereitö ge
gm K. Adolfs Landosgte aufgeflanden?). Auch Andere wel
hen Adolfs Regierung unerwünfcht war, wie der Grav Eber-
hard von Wirtemberg und der Bifchof von Straßburg, Hein-
rich von Lichtenberg, traten auf Albrechts Seite. Mit unge:
fähr 20,000 Streitern zog der Herzog nach Oftern das Breis-
gau hinab vor Kenzingen. Hier ließ ihn K. Adolf durch den
Sraven von Ötingen fragen: „warum ex heranfgezogen fe
gegen bad Reich und feinen Herrn?“ Albrecht wieberholte feine
Befchwerben, namentlich daß ex ihm Fein unpartelifcher Rich:
tee gegen ben Salzburger gewefen, fondern ihn mit Krieg zu
überziehen gebroht habe. Da ihm die Kurherren geladen hät
tn, fo wollte er lieber hier gegen ihn flreiten als in Öfler-
rich. Nun zog K. Adolf mit feiner ganzen Macht herauf
und lagerte fich fo nahe bem Herzog gegenüber, daß nur das
Fluͤßchen Elze zwifchen ihnen war.
Während die beiden Heere. etwa vierzehn Tage unthätig
einander gegenüber ftanden, kam auch Herzog Otto von Baiern
V Chron. Colmar. p. 57.
2) Anıtal. Colmar..p. 31. Chron, Colmar. p.. 56.
Apr.
94 Bach II. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 2.
mit 300 Ritten, um zu bem Heere des Koͤnigs zu floßen.
Der, tapfere Grav Albrecht von Hohenberg, in beffen Gebiet
- der Herzog ſchon eingebrungen war, wollte ihn, da feine Zahl
bie. ſtaͤrkers war, bei ber Nacht überfallen; von treulofen Spaͤ⸗
bern aber verrathen, ſah er ſich bald von der Übermacht um:
ringt, ba der Herzog den Seinigen befohlen hatte allein auf
den Graven einzudringen. Ex kämpfte mit eitem unerſchuͤt⸗
terlihen Muth, bis er endlich verwundet vom Schlachtroß
; ſtürzte. In diefer Noth kamen ihm feine Bauern zu Hülfe;
gegen 300 fielen unter den Schwerbtern der Ritter und bed
ten den Leib bes erfchlagenen Sraven. Sein und ihr Lab ha;
ben bie Beitgenofien befungen. Herzog Albrecht empfanb ben
Tod feined Oheims, ber dem habsburgifchen Haufe fo viele
wichtige Dienfte gethan, mit tiefem Schmerz. Da eben jekt
Kenzingen dem Könige übergeben wurde und Mangel an Zu⸗
fuhr eintrat, ging Albrecht über ben Rhein und bezog ein feftes
Lager bei Straßburg. Der König aber fehte ebenfalls bei
Breifach über und belagerte Rufach, eine fefle Stadt des Bis
fchofd von Straßburg.
1298° Inbeffen kamen bie drei Kurfärften von Mainz, Sad
24. Iun. ſen und Brandenburg zu Mainz zufammen und erlieffen eine
Rabung an K. Abolf, daß er zu Recht fliehen folle wegen ber
mancherlei Klagen und Beſchwerden, welche Kürften und Stände
bed Reichs gegen ihn erhoben. Als er die Labung verwarf,
lieſſen fie mit allen Sloden lauten und ſchwuren in der Dom⸗
kirche mit aufgehobenen Händen: „daß fie vor ſechs Jahren
mit den andern Kurfürften, welche ihnen ihre Stimmen über:
laſſen, Adolf von Naſſau, ba fie damals Leinen befien ge
wuſſt, zum römischen Könige gewählt; ba er aber in kurzer
‚ Seit den Rath der Weiferen veradhtet und ber Leitung von
Zungen und Unerfahrnen fich überlaffen, auch weber But noch
Freunde gehabt, worauf er fich verlaften könnte, fo hätten
fie nun, wegen mehr als zwanzig Fehlen bie er begangen,
nach erhaltener päpftlicher Bewilligung, ihn als ungenügend
feiner Würde entfeßt und den Herzog Albreht von Öfters
‚reich zum vömifchen Könige erwählt, und befldtigen folchen
nad der ihnen übertragenen Vollmacht;“ worauf ein feierlis
ches Te Deum gefungen, und bem neuen Könige bie Bots
Albrecht v. Öſterreich gegen R. Abolf. 95
A durch den Marfchall von Sachſen in's Lager gebracht
et Abficht ver Beſchuldigungen, welche gegen K. Adolf
echoben wurden, ſtimmen ‚die gleichzeitigen Befchichtfchreiber *)
in folgenden überein: er fei meineibig geworben und auf
die breimalige Labung nicht erfchienen; habe von einem Ge
ingern, dem Könige von England, Sold genommen (maß
dech K. Otto IV. au gethan mit paͤpſtlicher Bewilligung,
und die Fürften ſelbſt mit ihm theilen wollten); ferner habe
e Frauen und Iungfrauen, auch Ronnen entehrt (dies if
allerdings durch feine Soldaten in Thuͤringen gefchehen); er
habe ſeine gegebenen brieflichen Urkunden gebrochen (das war
in beu Augen ber Kurfürfien dad Hauptverbrechen, daB er
ihnen bie BReichörechte und Güter, welche ihnen bei feiner
Wahl und Krönung zugefagt worden, nicht .alle eingegeben,
wodurch er in ber That gegen feinen Koͤnigseid gehandelt hätte;
doch befchuldigten fie ihn noch weiter:) daß er endlich bad Reich
nicht gemehrt fonbern gemindert, auch ben Landfrieben nicht
gehandhabt hätte (was er doch nadı Kräften gethan).
Auffer der Seichtheit diefer Beichuldigungen und abge
ſehn von ber nicht erwiefenen päpftlihen Bewilligung, war
die Abfegung Adolfs fowohl ald die Gegenmahl Alrechts
ſchon darum ganz wiberrechtlich, weil brei Kurfürſten, von
Trier, Coͤln und Rheinpfalz, nicht babei waren. Da bie aus
dern ſelbſt nach Adolfs Sturz eine neue Wahl fir nöthig
bielten und ber Papf ausdruͤckich widerrief, fo iſt biefer
Schritt ohne Beifpiel in unferer Geſchichte.
K. Adolf aber ließ ben Muth nicht ſinken, denn er hatte
noch Freunde und ein flattliches Beer. Die Mheinftähte, welche
er ſich noch kuͤrzlich verbunden hatte, namentlich Speier und
Worms, lachten des neuen Königs und ſchnitten ihm die Zu⸗
br ab, als er von Straßburg den Mhein herabkam, um ſich
mit dem Erzbifchof von Mainz zu vereinigen, ſodaß Beide
ſchon am achten Zage nach ber Wahl zurückgehen mufiten.
Diefe Hören erfannen aber eine Lift: fie liefen dad Lager
1) Siffrid. Presb. ad a. 1296, Chron. Colmer, p. 59. Otto:
far ©. 616 ff.
4
- 96 Buch IM Erfler Zeitraum. Abſchnitt 2.
anzünden und trennten ihre Heere. Als dies Abolf vernahm,
raffte er die naͤchſten Schaaren zufammen, um fie auf dem
Fuße zu verfolgen, kam aber unvermuthet mitten unter Die
oͤſterreichiſchen Haufen, die fich plöglich zur Schlacht ſtellten
und ihn einfchloflen. „Wir find verrathen,” vief er; „wem wir
fliehen, find wir ohnehin verloren, alfo muthig in ben Kampf!”
Und zu feinem Sohn ſprach er: „gehe Du zurüd, denn meine
Jeinde werben mich nicht leben laſſen.“ Diefer aber erwie
derte: „Vater, wohin Du gehft, werde ich mit Dir geben,
es fei zum Tod ober zum Leben.”
Albrecht hatte ben Seinigen befohlen mit einer neuen
Art langer fcharfer Schwerdter nur bie Pferbe der Feinde nie⸗
derzuftoßen, der Reiter aber zu fchonen und vor Allem auf
den König einzubringen. So warb ber ganze erſte Schlacht⸗
haufe der .baterifchen Fürften, welche Adolf bei ſich hatte, ber
Dferde beraubt, daß die übereinander liegenden Leichname
einen Wall machten, den beide Xheile kaum zu überfleigen
vermochten. Nun kam Adolf mit feiner Schaar zu Hülfe und
fielte die Schlachtorbnung wieber ber, worin er eine große
Geſchicklichkeit hatte. Ex fiel aber mit feinem Pferde und wurde
von demfelben fcharf beſchaͤdigt. Dennoch ſchwang er fich mit
Hilfe der Seinigen auf ein anbered, ohne Helm, der ihm zu
ſchwer wurde. Albrecht hatte ein fremdes Zeichen oder Wappen
genommen und das feinige mehrern Andern gegeben. Diefe
griff Adolf an und erlegte mit tapferer Hand Einen um den
Anden. Da er endlich Albrecht, felbft fah, rief ex: „bier
wirft Du das Reich laſſen!“ Albrecht fprach: „das fleht in
Gottes Hand!" Während fie mit den Ihrigen gegen einander
sannten, warb Abolf getroffen, mit feinem Pferde niedergewor⸗
fen und vor Albrechtd Augen erfhlagen. Gen Som Rus
precht gexieth mit Andern in Gefangenfchaftl. Nur 100M.,
aber einige taufenb Pferde follen umgelommen fein. Der
Erzbiſchof Gerhard war mit Albrecht in der Schlacht. Als er
den ausgezogenen, blutigen Leichnam bed Königs fah, vergoß er
Thraͤnen und beklagte das unglüdliche Schidjal bed Zapfern ').
z = J
1) ‚‚cor validiesimum perũsse.“ Albert. Arg. p. 110. Auſ⸗
ſer diefer Hauptquelle haben wir die zum Theil abweichenden Nachrichten
"8. Albrechts L Politik. 97
3. König Albrechts I. Politik,
Nohmalige Wahl. Neue Bereiherung der Kur:
fürſten. K. Adolf Wittwe abgewiefen. Bonifas
cius VID. Papſt und Kaifer! Albrechts Gegenbünb-
niß mit Frankreich auf Koften der Reichsintegri⸗
tät. Der Papſt entreifft den Kurfürften die oberfts
sihterlihe Gewalt über den König Albrecht
demüthigt die Kurfürften, demüthigt fi aber
noch viel mehr vordem Papfte, da diefer feine Pros
teflation zurüdnimmt, um durch ihn K. Philipp IV.
von Kranfreih zu unterwerfen, der jedoch bald.
das Papſtthum felbfi unter feine Gewalt bringt.
Albrehts Hoffnung bad Reich erblich zu maden.
König Adolfs Tod brachte allgemeine Beſtuͤrzung in das Reich
und feste ſelbſt feine Feinde in Verlegenheit. Albrecht Eonnte
fih zwar jest als römifcher König geltend machen, aber wer
der er noch die mit ihm verbundenen Kurfürften wagten dies
fo gerabehin zu thun; vielmehr kamen fie überein, daß Albrecht‘
entſagen und dann eine neue geſetzliche Wahl von ſaͤmmtli⸗
den Kurfirften vorgenommen werden folle. Albrecht warf
fogar die Aufferung bin: wenn die Wahl auf einen Andern
falfe, werde er mit Freuden beitreten; denn ex habe die Waf⸗
fen nicht ergriffen, um ben Koͤnig vom Throne zu floßen und "
fih ſelbſt darauf zu fegen!). Allein er war feiner Sache
fhon gewiß genug. Dem Könige Wenzlaw von Böhmen
hatte er fehon vor feinem Aufbruche aus Öfterreih Befreiung 1298
von allen Lehendienften und von der Befuchung der Reiches Behr.
toge, Berpfändung des egerfchen Kreifed und des Pleiſſner⸗
Iondes und dad Reichsvicariat in Meiffen verfprochen ?). Nah
Wolfs Tode wandte er fi) an befien- Schwiegerfohn, ben
Sheinpfalzgraven Rudolf, entfchuldigte dad Vorgefallene und
verforach ihm ben dabei erlittenen Schaden mit Gelb zu er
in Dttofars Meimchronit, Chrom. Leob. und Chron. Colmar. ſoviel
möglich zu vereinigen gefücht. |
1) Volcmar. Chron. p. 587. Wergl: Dttolar 8. 629 f. .
D Ludewig. Bel. Mser. T. V. p. 440 saq.
Pfiſter Geſchichte d. Teutſchen TIL 7
98 Bud II. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 2.
ſetzen '). Was er den andern Kurfürften zugefagt, blieb auch
1298 Fein Geheimniß. Den Tag nach feiner Krönung zu Aachen
25. Aug. gab er dem Erzbifhof Boemund von Zrier die. vom König
Adolf verpfändete Stabt Kocheim zum Eigenthume.?); brei
. 8. Aug. Tage barauf dem Kırflrflen von Coͤln einen Gnabenbrief,
16. Nov.
17.
daß feine Unterthanen vor Fein fremdes Gericht gefodert wer⸗
ben follen, auffer im Falle verweigerten Recht ?). Dem Erz
bifchofe Gerhard von Mainz ertheilte er, mit Beflätigung
aller von feinen Vorgängern verliehenen Freiheiten, noch be:
fonders das Vorrecht, daß nicht nur keine Geiſtlichen ſeines
Sprengels vor ein weltliches Gericht, ſondern ſelbſt auch kei⸗
ner ſeiner Dienſtmannen und Leute vor das Gericht des Koͤ⸗
niges oder feiner Richter geladen werben ſolle. Dazu überließ
er ihm den bopparder Reichszoll flr immer, verlegte biefen,
wie Thon Adolf verfprochen, nach Lahnflein, und erlaubte ihm
noch einen neuen Zoll daſelbſt oder zu Ruͤdesheim in gleichem
Betrag wie jenen zu errichten. Endlich beſtaͤtigte er ihm auch
alle Würden und Freiheiten, die ihm als Erzkanzler des heil.
Reichs durch Teutfchland, dann in Aufehung des Judenzinſes
und ber Beflelung eined Kanzler am Eaiferlichen Hofe ge
buͤhrten *).
So wufiten denn die Kurfürften, beſonders der Erzkanz⸗
ler, jede neue Wahl als eine Vermehrung ihrer Rechte und
Guͤter, als neuen Schritt zur Landeshoheit zu gebrauchen.
K. Albrecht jollte vollenden, was K. Adolf unerfüllt gelaffen
hatte, und noch mehr Dazu thun. Allein er hatte wohl fo we
nig im Sinn wie diefer Alles zu halten.
Auf dem erflen feierlichen Reichötage zu Nürnberg ließ
Albrecht feine Gemahlin Elifabeth kroͤnen Als er mit großer
Pracht an der: Zafel faß, wobei die Kurfürften ihre Erzaͤmter
perſoͤnlich verrichteten, kam K. Adolfs Wittwe herein in
Trauerkleidern, fiel vor der neuen Koͤnigin nieder und bat
mit Thraͤnen, daß ſie die Befreiung ihres Sohnes bei Koͤnig
1) Volemar. |. c.
2) Hontheim. Hist. Trevir. dipl, T. L num, 575.
3) Lünig. spicll. eoel. Th. L Fortf. Str. 51.
4) Guden. ]. c. num. 427 —429,
8. Albrechts 1. Politi. 99
Albrecht erlangen möchte. Diefer wies fie aber an den Erz
bifchof von Mainz, der den Gefangenen in feinem Gewahrfam
hatte. „Ach“! rief die Königin-Wittwe, „nun bin ich ver
ſchmaͤht“ Sie fland auf, verließ den Saal unb bat Gott, baß
er bie junge Königin nicht in gleichen Iammer kommen lafs
fen möchte ').
Bei dem Papfte Bonifacius VIIL fand K. Albrecht si
Bere Schwierigkeiten als bei den Kurfinften. As dieſer
Adolfs Tod vernahm, rief er aus: „Gott foll mich ſtrafen,
wenn ich ihn nicht räche” 2)! Albrecht ließ beshalb nach dem
Reichsſstage eine Gefandtfchaft mit reichen Gefchenten nad, Rom
abgehen und um Befldtigung der Wahl bitten. Aber Boni⸗
facius empfing die Gefandtfchaft mit harten Worten: „Er if
des Reichs unwindig, weil er dur Derzath feinen Herrn
erſchlagen hat". Ferner ſprach der Papſt: d,Er hat ein uns
geſtaltetes Geſicht und nur Ein Auge; ſeine Gemahlin Eli⸗
ſabeth (Konradins Stiefſchweſter) gehört zu dem ODtterge⸗
zuchte Friedrichs II.” >). “Indem Bonifacius den Geſandten
Gehoͤr gab, ſaß er auf ſeinem Thron mit einer Krone auf
dem Haupte und einem Schwerdte an der Seite und ſchloß
mit den Worten: „ich bin Kaifer’ *)!
Albrecht erwieberte in gleichem Zone. Als die Gefandten
zuruͤckkamen, febte er fich die Krone auf, nahm das Schwerdt
in bie Hand und rief: „Ei was iſt e8 denn, wenn mir der
1) Ottokar &. 636 f.
2) Volcmar. 1. c. Der Papft fehte Hinzu: „Alle Reiche find in
meinee Band; idy habe zwei Schwerdter, wenn bas eine nicht zureicht,
werbe ich dad anbere nehmen”.
3) Albert. Arg. p. 111. Balduin, Gesta aa Trevir.
ia Martene Coll. ampl. T. IV. p. 876.
4) Benevenuti de Rambaldis ‚Lib. Augustalis ap. F'reher.
T. IE. p. 15. Der Berf. nennt ben Papft „magnanimus tyrannus sa-
cerdotum“. Nach ber Note bei Freher. p.16.hat Aeneas Bylvius
das Merk des Benevenutus fortgefegt , alfo wohl dafjelbe gebilligt. Es
wire zu wuͤnſchen, dieſe bis jegt nicht bekannt gewordene Zortfegung
möchte noch aufgefunden werben. — Muratoris Bezweiflung ber bier
gegebenen Notiz (Annali d’Italia ad a. 1298) tft unzureichend. Vergl.
vie obige Rote aus Volcmar. |
7*
100° Buch IL Erfter Zeitraum. Abſchnitt 2,
Papft die Krönung verweigert? Bin ich nicht Durch die Wahl
der Fürſten König und Kaifer?" *) Er trat öffentlich auf
die Seite des Königs Philipp von Frankreich, der, über tie
obige Entfcheidung des Papfled unzufrieden, auf's neue mit
demfelben zerfallen war. &chon vor dem Kriege gegen Adolf
hatte Albrecht deshalb unterhandelt und gefprochen: „Wenn es
dem Könige der Teutſchen Feine Schande ift, des Königs von
England Dienfimann oder Sölöner zu fein, fo iſt es dem
Herzöge von Öfterreich noch weniger unruͤhmlich, dem Könige
von Frankreich zu dienen” ?). Jetzt gefchahen die Verhand-
1299 (ungen mit Beiziehung ber teutfchen Fuͤrſten, welche vor allen
Dingen die Zurückgabe ber vom Reiche abgerifienen Länder
und Rechte verlangten. Der kluge König Philipp aber wuſſte
den Sachen eine andere Wendung zu geben: er ſchlug einen
guͤtlichen Vergleich vor und zugleich die —* ſeiner
. Schweſter Blanca mit Albrechts aͤlteſten Sohne Rudolf.
Das war fuͤr Albrecht ſo erwuͤnſcht, daß er des naͤhern Buͤnd⸗
niſſes wegen bei ber Zuſammenkunft zu Quatrerour jene
Reichsrechte auf fich beruhen ließ. Die zu Straßburg abge-
fchloffene Conföberation lautete „gegen maͤnniglich“2); und
fo hoffte Albrecht, mit Beifland des Königs von Frankreich,
den Papft bald zu dem zu zwingen, was er ihm verweigerte.
Aber indem Albrecht auf diefe Weiſe feine Sache befier
zu machen glaubte, verdarb er das Verhaͤltniß mit den Kurs
fürften. Drei von diefen waren nebſt anderen Fürften bei
jener Zuſammenkunft; fie gaben zwar ihre Buftimmung zu ber
Verbindung beider Häufer; aber bie weiteren Anträge bed
Königs von Frankreich gefielen ihnen nicht, befonderd wurben
fie über Albrechts Gletchgültigkeit in Abficht der Reichögrenzen
in Lothringen unwillig. Als diefer noch die Abficht ausfprach,
für, feinen Sohn Rudolf, dem er bereitö nad) der feierlichen
Belehrung zu Nürnberg die Verwaltung Öfterreich8 abge
1) Trithem. Chron. Hirsaug. ad a, 1299,
2) Alb. Argent. p. 110,
3) T,eibnit. Cod. jur. gent, dipl. —8 89. Du Mont. T. L. P. I.
num, 565. Ottotar ©. 645 f.
K Albrechts L Politit. 101
treten hatte, das arelatiſche Reich wiederherzuſtellen (K.
Kudolfs J. Plan), wozu dann Frankreich die dort abgeriſſenen
Landestheile zuruͤckgeben ſollte, widerſprach der Erzbiſchof Wic⸗
bald von Coͤln. Noch ſtaͤrker widerſprach der Erzbiſchof Ger⸗
hard von Mainz, als der Koͤnig von Frankreich verlangte,
daß Rudolf ſofort zum roͤmiſchen Koͤnig erwaͤhlt und
deshalb Albrechts Kaiſerkroͤnung betrieben werben ſollte. Ger⸗
hard ſprach ſeinen Grundſatz nun offen aus: „daß er (wie
ſchon unter K. Rudolf) nie zugeben werde, bei des Koͤnigs
Lebzeiten die Regierung bed Reichs deſſen Erben zu übertra-
gen”. Aus Unwillen loͤſte K. Albrecht den Erzbifchof nicht °
aus (Tieß ihn die Reifekoften ſelbſt leiden). Darüber wurde
ihm Gerhard noch mehr abgeneigt und trat mit den Anderen
Kurfürften gegen ihn zufammen ?). Auf der Jagd fol er
fein Hom genommen und gefagt haben: „Ich will balb wieder
einen andern König herausblafen”.
Doch diesmal verrechnete ſich der Erzbifchof. Sobald
Abrecht die veränderten Gefinnungen der Kurfürften fah, er 1300
geiff er firengere Maßregeln und nahm bie Verwilligungen
wieder zuruͤck, die er ihnen bei feiner Wahl gemacht hatte.
Hierzu hatte er das Geſetz für fih: denn der Landfriebe, wels
hen er auf dem erflen Meichötage erneuerte, gebot ausdruͤck⸗
ih, daß alle unrechtmäßigen Zölle abgethan werben follten.
Darunter waren denn hauptfächlich die vielen Rheinzölle zu
verſtehen, welche die Zinften feit Friedrich II. vom Reiche an
fi gebracht und noch erhöht ober vermehrt hatten zu großer
Bedruͤckung der Städte und des ganzen Hanbelsflanded; und
wiewohl Albrecht bei feiner Wahl den Kurfürften folche Zölle
zugeſtanden, fo war es boch entweder ſchon damals nicht fein
Emfi, oder er ergriff jet um fo begieriger den Anlaß, wel
hen ihm die Klagen der Städte barboten, und ließ bie
Fürften zu einem Rechtstage vorladen. Da aber biefe mit
Entfchloffenheit zurüczugeben verweigerten, was ihnen von ben
vorigen Kaifern. und Albrecht felbft beflätigt worden war, fo
ließ er fie durch eine eigene Geſandtſchaft bei dem Papfte an:
Magen, als folche, welche fih Erprefiungen und Bedruͤckungen
1) Chron. Erfurt. Saupetrin. ad a. 1299.
102 Bug II Erfter Zeitraum. Abſchnitt 2.
gegen die anderen Stände erlaubten ). Da jedoch der Papft
fein Urtheil noch zurüdhielt, wiewohl er indefien Diether
1299 von Naffau, K. Adolf Bruder, vom Dominicanerorden,
in das erledigte Erzbisthum Zrier gegen den Willen des Dom⸗
capitels einfegte ?), fo fuhr K. Albrecht zu und ließ die Fuͤr⸗
fien perurtheilen. Andererſeits riefen die drei xheinifchen Erz⸗
bifchöfe den Pfalzgraven Rudolf, K. Adolfs Schwiegerfohn,
1300 al8 oberfien Richter ded Reichs, gegen ben K. Albrecht auf.
Sept. Man dachte babei, wie es fcheint, an ben vormaligen ober-
fien Pfalzgraven über Zeutfchland aus dem karolingifchen Zeit⸗
raume, und fo ift ed mit den alten Gewohnheiten in das
ſaͤchſiſche und ſchwaͤbiſche Landrecht aufgenommen worden, daß
der Rheinpfalzgrav den Vorzug hat bei den Klagen der
Fürften, „daß er Richter ift über den König”). Die Fürs
ſten befchränkten fich aber nicht darauf 8. Albrecht etwa we:
gen einzelner Gewaltfchritte anzuklagen, fondern fie wollten
vor allen Dingen die Wahl felbft noch einmal unterfuchen la‘;
fen. Da diefes Recht feit der Gründung des teutfchen Wahl-
reichs noch nie von den teutfchen Fürften gehbt, fondern
immer dem Papfte Überlafien worden war, fo ift jener Be⸗
ſchluß der xheinifchen Kurfürften in der That als der erfte
Schritt, die römifche Königswahl vom paͤpſtlichen Stuble
unabhängig zu machen, anzufehn. Der Papft felbft fah
es fo an: denn faum hatte er Nachricht von ihrem Beginnen,
fo trat er aus feiner Unentfchledenheit heraus und fchrieb den
Erzbiſchoͤfen, unter Entſchuldigung feines biöherigen Zoͤgerns:
„ihm komme das Recht zu, die Perfon eines erwählten römis
fchen Königs zu prüfen, zu kroͤnen, über Tauglichkeit oder Uns
tauglichkeit zu entfcheiden; fie follen alfo dem K. Albrecht in
feinem Namen öffentlich bedeuten, daß er innerhalb ſechs Mo-
1) Annal. et Chron. Colmar. ad a. 1800. p. 38 et 61.
2) Es geſchah ausdrüdtich in ber Abſicht, einen Gegner Albrechts
aufzuftellen. Balduin. Gesta Archiep. Trevir. L c.
9) „ex quadam consuetudine“. Henr. de Rebdorf ad a. 1300.
Sachſenſpiegel 8. IIT. Art. 52. 5.5. Schwaͤb. Landrecht €. 20. $. 4.
6. 50. Bei Abolfs Abſetzung wollten bie & Kurfürften noch Nichts von
Pe Rechtsform wiffen, — weil ber Pfalsgrav nicht von ihrer Par⸗
ei war,
8. Albrechts I Politik. 103
naten vor ihm erfcheine, feine Unſchuld und fein Recht zur
Krone erweile und das Urtheil erwarte, mit Bedrohung bag
er, wenn Albrecht nicht gehorchen würde, Zürften und Stände
ihres Eides entbinden und mit geifllichen und weltlichen Stra⸗
fen gegen ihn und feine Anhänger verfahren werde ').
&o war man denn unvernuthet auf die Frage von ber
oberfirihterlihen Gewalt über ben König zurldges
gangen; aber Albrecht ließ es weder zu jener noch zu biefer
Unterfuchung konmmen. Gr hatte zwar durch das Bisherige
feine Sache übel gemacht: flatt durch dad franzöfifche Buͤnd⸗
niß ben Papft zu demuͤthigen, hatte er mur-nocd mehr bie
Kurfürften gereist. Auch viele andere Herren und Stände,
weichen er feit feiner Erhebung nicht verziehen ober ſich ſonſt
hart beiwiefen, lieſſen ihre Unzufriedenheit laut werden; eB -
konnte ihm alfo leicht. daſſelbe Schidfal wie dem K. Abolf
bereitet werden. Allein er vertraute auf feine überlegene Haus
macht, bie er ſchnell aufbot, um den Kurfürften zuvorzukom⸗
men. Dazu verband er fich mit den rheinifchen Städten
als Beſchuͤtzer gegen bie Fuͤrſten?) und ſtellte ſich an bie
Spige der elfafftihen Lanbfriedend-Einung, was biöher noch
kin König gethan ’).
Mit einem zahlreichen und flattlichern Heere, ald man
feit Langer Zeit gefehen, darunter 2200 Ritter, 309: Albrecht
am Rhein hinab und überfiel zuesfi den Pfalzgraven, dann
den Erzbifhof von Mainz, ehe fie Zeit hatten ſich mitein⸗
ander und mit Hülfe des Königd von Böhmen zur Wehre
zu fegen. Er eroberte Burgen und Städte der Reihe nad;
nur Bingen, durch feine fefte Lage zu Waſſer und zu Lande
geichligt, wiberfland einige Wochen. Hier brachte Albrecht,
wie in Öfterreich *), neue Belagerungswerfzeuge in Ans
wendung, welche er durch gefchidte Werkmeiſter verfertigen
leg. Das eine hieß die Kage, das andere ber Krebs. Es
waren beide vieredige hölzerne Zhürme, aus Ballen und.
1) Raynald. ad a. 1301. $. 1—3,
2) Guden. I. c. T. IH. num. 4.
3) Geſchichte von Schwaben IH, 113 f.
4) Müller Geſchichte der Schweiz I, 602.
104 Bud I. Eriter Zeitraum. Abſchnitt 2 »
Bretern zufammengefügt, welche vorwärts geſchoben wurden
zur Beſtuͤrmung der Mauern, und oben mit einem dicken
Dach gegen die herabgeworfenen Steine geſchuͤtzt. Die Katze,
von leichterer Bauart, ward zuerſt an die Stadt gebracht, bei
einem Ausfall aber unten umgehauen und in den Graben ge⸗
ſtüurzt. Darauf ruͤckte der Krebs an mit 500 Mann; dieſer
batte oben einen dicken, mit Eiſen befchlagenen, beweglichen
Ballen ober Hebel, der die Mauern und Thirme einftieß.
Nach dieſem Angriffe ergab ſich die Befakung '). Albrecht
erhielt auch franzoͤſiſche Hülfsoölßer zu dieſer Belagerung. Als
4302 ex im Begriff war im folgenden Fruͤhjahre den Feldzug wies
21. Märzber zw eröffnen, unterwarf fih ber Erzbifchof von Mainz auf
ziemlich harte Bedingungen, namentlich muffte er die Boll
ftätten zu Lahnflein und Ehrenfeld nebſt vier Burgen dem
Könige übergeben und verfprechen ihm fünf Jahre lang in
allen Reichölriegen gewärtig zu fein ?).
Pfalzgrav Rudolf, mit feinem Bruder Dtto über bie
Ländertheilung entzweit, -Eonnte dem Könige ebenfalls nicht
länger widerftehen. Diefer hatte auch bie Oberpfalz burch die
fchwäbifchen Landvoͤgte befegen und einige von der konradiniſchen
Erbichaft herrührende Städte und Befigungen einziehen laffen.
Nun foderte Albrecht vor Allem Fretlaffung feiner Schwefter
Mechtild, Pfalzgrav Ludwigs Wittwe. Rudolf, ihr Sohn,
batte fie nach München gefangen geführt und bort ihren Bis
cedom, Konrad von Öttlingen, enthaupten laffen. Nach Bei-
legung diefed, Samilienzwiftes orbnete K. Albrecht das Vers
haͤltniß zwifchen den beiden Brüdern °). Der übrige Inhalt
des Friedensvertrags ifl, wie * mainziſche, nicht bekannt
geworden.
1) Chron. Colmar. p. 61.
2) Chron. Sanpetrin, ad a. 1299. Trithem. Chron. Hirs. ad
a. 1302. Guden. |, c. T. III. hat die Vertragsurkunde zurüdgehals
ten. Sollte fie jegt nicht mehr aufzufinden fein? Papſt Benebict XI.
fagt fpäter no, ber Erzbiſchof habe quasdam damuosas pactiones et
ordinationes in enorme suum et ecclesiae suae praejudicium eingehen
müffen. Raynald. ad a. 1304. $. 7.
3) Chron. Colmar. p. 61. Mannert Geſchichte Baierns I, 803.
8. Albrechts L Politik. 105
Mit neuen Hüuͤlfsvoͤlkern aus Öfterreich, Ungern und Boͤh⸗
men zog K. Albrecht gegen bie. Erzbifchöfe von Trier und.
Coͤln; die erſtere Stadt wurbe belagert, die letztere war, wie
Manz, auf K. Abrechts Seite. Die Graven von der Marl,
von Sülich und Geldern waren ihm fchon mit ihrem Zuzuge
vorangegangen. Nun wurden die beiden Erzbiſchoͤfe ſo in die
Enge getrieben, daß fie ſich ebenfalls unterwarfen und den
Rhein fir die Handelsſchiffe frei lieſſen ').
Mit folcher Kraft war fhon lange Fein König gegen bie
Surften aufgetreten; K. Albrecht gab fich das Anfehn, die Hei:
neren Stände, bejonderd ben Verkehr. der Städte zu. fchüßen.
Die Befreiung des Rheins war in ber That eine große
Bohlthat für das Reich; doch that ed Albrecht nur aus Rache
gegen die Fuͤrſten, und was er von den Reichörechten zuruͤck⸗
verlangte, geſchah mehr für fein Haus als für das Reid).
Mit der Unterwerfung der rheinifhen Kurfürften hatte
K. Albrecht aud) des Papfles Widerftand zu brechen, um fo
eher, als derfelbe inbeffen auch mit dem 8. Wenzlam von
Böhmen wegen ber Aniprüche auf Ungern zerfallen war. Doch
würde Bonifacius VIII. ſchwerlich nachgegeben haben, wenn
niht König Philipp von Frankreich flärkere Schritte gegen ihn
gethan hätte 2). Diefe that jedoch Philipp für fich allein,
ohne Ruͤckſicht auf das Buͤndniß mit Albrecht, das bereits
wegen der obengebachten Schwierigkeiten erfaltet war und
einem geheimen Vertrage mit dem Könige von Böhmen Platz
gemacht hatte. Philipp begegnete dem leidenfchaftlichen Papfte
mit fo gemeflenen Schritten, daß diefer, nachdem er auch den
Baunflrahl vergebens gefchleudert, fich entfchloß den Schild 1302
zu wenden und den 8. Albrecht gegen Frankreich zu gewinnen ?).
Ungeachtet Bonifacius noch nicht lange Albrechts Gefanbte
wegen Zofcana, wo er Karl von Valois, des Königs Phi- |
lipp IV. Bruder, zum Paciarius ernannt, abgewiefen hatte *), 1301
1) Navibus libere ascendere et descendere permiserunt, Chron.
Colmar.
2, Er fagt unter Anderm dem Papfte: „Sciat maxima tua Fatui-
tas, nos in temporalibus nemini subesse,‘
8) Raynald, ad a. 1302. $. 13 sqgq.
4) Villani L. VIIL c. 48. in Murator, scrr. IX.
%
106 Bud TU. Erfter Zeitraum, Abſchnitt 2,
fo ließ ee ihn jet wiſſen, er möchte eine neue Gefandtichaft
wegen feiner Befldtigung aborbnen. Albrecht erfah hierzu den
1303 Graven Eberhard von Kadenellenbogen, bdenfelben ber fchon
« früher in Rom unterhanbelt hatte, und flellte dem Papfte in
zwei offenen, befiegelten Urkunden die gewöhnlichen Verfiches
rungen aus. Nun bielt Bonifacius in feierlichem Confiftos
rium eine Rede, worin er auf die Zabel zurüdging, „baß das
zömifche Reich durch den Statthalter Chrifli und Nachfolger
des heiligen Peter von den Griechen auf die Germanen übers
getragen und biefen das Recht verliehen worden den römis
fhen König zu wählen, der dann durch den Papft zum
Kaiſer und Monarchen aller Könige und Fürften der
30. Apr.
Erde erhoben werde; auch der gallicanifche Stolz, ber Feinen
Höhern über fich erkennen wolle, lüge, weil fie von Rechts
wegen unter dem römifchen Könige und Kaifer ſtuͤnden und flehen
müflten”. Doch‘, fegte er hinzu, „ſollten die Teutfchen aufs
merken, denn das Reich Eönnte ebenfo auch wieder von ihnen
genommen werben” ?). Hierauf erklärte er Albrecht für ben
rechtmäßigen römifchen König und erließ ein Schreiben an ihn
folgenden Inhalts:
„Da der Papft fich der lebenslaͤnglichen Treue und Er⸗
gebenheit ſeines Vaters Rudolf erinnere, wie auch der Erge⸗
benheit und Demuth, welche er ſelbſt in jenen Tagen dem
paͤpſtlichen Stuhle bewieſen; da Albrecht von den Wahlfuͤr⸗
ſten einmuͤthig zum eömifghen Könige gewählt und zu Aachen
gekrönt worden; da er wegen des Vorgefallenen nicht an Das
Recht fondern an die Gnade fich gewendet und bereits in
feinen Briefen dem römifchen Stuhle ben Eid der Treue und
bes Gehorfams geleiftet, auch alle Berwilligungen feiner Vor⸗
gänger beftätiget habe: fo wolle in Rüdficht viefer Demuth
der Papſt, als Statthalter Chriſti, den Weg der Milde, Gnade
und Sanftmuth ſtatt der Strenge waͤhlen, damit ihm ſein
Gehorſam gegen die Kirche zum Nutzen gereiche, ſowie den
Berächtern, namentlich den Franzoſen, der Ungehorſam zum
1) Vouftändig ift dieſe Gonpttorialrede bei Baluzius hinter P. de
Marca de Conc. Sac. etc. I. II. c. 4. in Böhmers Ausg. ©. 108.
Vergl. Dlenfchlager Staatsgeſch. urk. €.
8. Albrechts I Poritie 107
Berberben gereihen werde. Daher nehme er ihn mit Rath des
Gardindle, aus apoftolifher Machtvollfommenheit, als Sohn
und vömifchen König an, ber zum Kaifer erhoben werben
fole, und ergänze hiermit alle Mängel, die etwa in Rückficht
der Formen oder der Perfon bei der Wahl, Krönung und bits
herigen Verwaltung gefunden werben follten; auch .beftätige
er Alles, was Albrecht indeffen nach Recht und Billigleit vors
genommen. Endlich ermahne er ihn feines Vaters Beifpiele
zu folgen, ſich ‚ver Kirche dankbar und nuͤtzlich zu beweifen
und die Wolker mit Gerechtigkeit zu regieren‘ ").
Die Kurfürften ermahnte Bonifacius zu gleicher Zeit,
Abrecht als rechtmäßigen römifchen König zu erkennen, wos
durch fie fein hoͤchſtes Wohlgefallen verdienen würden. Den
König erinnerte er dagegen, den rheiniſchen Erzbifchöfen und |
ihren Kicchen wieberzuerflatten, was er ihnen entzogen. Um. - -
aber nun feine Macht gegen den König von Frankreich ges
beauchen zu können, bob er in einem weitern Schreiben in
allgemeinen Ausdrücken alle Bimdniffe auf, welche Albrecht
zuvor mit Königen und Fürften eingegangen ?).
Das war ed, warum Bonifacius VIIL fi bewogen fand
feine vorigen Audfprüche zurüdzunehmen und feine eigenen
Einwendungen gegen Albrechts Perfon zu widerlegen. Auch
Ahrecht änderte jegt die Sprache. In fehr demüthigen Aus⸗ 1993
drücken und mit Erbietung des Fußkuſſes beantwortete er das 17 Jul.
paͤpſtliche Schreiben, wahrfcheinlih in der vom Papfte ſelbſt
vorgefchriebenen Zorm ?’), Er befennt, daß er dem Papfte
und der heiligen Kirche fir unzählige Gnaden und unermeſſ⸗
liche Wohlthaten verpflichtet feis ex erkennt die in der oben
angeführten Rebe bed Papfles auögefprochene Übertragung des
Reich von den Griechen auf die Germanen, nebſt der Verleis
bung des Wahlrechts an gewiffe (damals noch gar nicht vors.
handene) geiftliche und weltliche Fürfter an; er befennt, daß
bie römifchen Könige und Kaifer, weil fie von dem paͤpſtlichen
a
1) Raynald. ad a. 1503. $. 2 gg.
2) Raynald. ad a. 1303. 8. 7.
* Gie ſeler Kehrbuc der Kirchengeſchichte. 2. Mb. 2. Abth. ©.
108 Bud II. Erſter Zeitraum, - Abfchnitt 2.
Sthuhle die Gewalt des weltlichen Schwerbtes erhalten, haupt⸗
fählih und befonderd von bemfelben angenommen werben,
um Schirmvoͤgte ber heiligen römifchen Kirche, Bertheibiger
des katholiſchen Glaubens und der Kirche zu fein. Er ſchwoͤrt
deshalb auf das Evangelium, dem heiligen Peter, dem Papſte
und deſſen Nachfolgern getreu und gehorfam zu fein, ben
römifchen Papat und die Regalien des heiligen Peter gegen
männiglich zu vertheidigen und überhaupt Alles was fein
Vater Rudolf und die fämmtlichen Vorgänger am Reich der
zömifchen Kirche verliehen und zugeftanden, auf gleiche Weiſe
zu erneuern und zu beflätigen. Hieran noch nicht genug; es
kommen noch neue Berficherungen hinzu. Albrecht fchwört,
den Primat, die Rechte und Freiheiten des apoftolifchen
Stuhles gegen alle und jebe Zeinde, wenn fie auch von koͤ⸗
niglicher oder Faiferliher Würde wären, zu fhügen und zu
vertheidigen, mit folchen Feine Freundſchaft oder Bündniffe zu
- fchlieffen, noch zu halten, wenn ein ſolches ſchon gefchloffen
wäre ober würde; vielmehr auf Befehl des Papftes folche mit
Krieg zu überziehen und mit aller Macht zu bekämpfen. Zu⸗
legt verfpricht Albrecht, auch die Mechte des römifchen Reichs
und bed Kaifertbums zu vertheidigen und wieberherzuftellen
nach beftem Wiffen und Vermögen ').
So näherten fi) Bonifacius und Albrecht mit Zuruͤckkahme
ihrer früheren Xufferungen, und Albrecht ift der, der unter
allen Kaifern dad Meifte dem römifchen Stuhle zugeflanden
oder der Paiferlichen Gewalt vergeben hat. Jeder Theil hatte
“eine Hauptbebingung; beide kamen jett zur Sprache. Wie
der Papft in allgemeinen Ausdrüden Albrechts Bünbniffe mit
anderen Königen aufgehoben, fo gab diefer eben fo allgemein
bie Verſicherung feines Beiſtandes; alfo erinnerte der Papft
‚ beutlicher an den Krieg gegen Frankreich. Albrecht hatte
Bedenklichkeiten. Im feiner Erbitterung gegen 8. Philipp bot '
ihm, der Papft fogar das franzöfifche Reich an ?). Albrecht,
1) Raynald, ad a. 1803. $. 9 sqa.
2) Der Papft ſcheint auf Rationalhaß gezählt zu haben. Er fagt
(Du Puy Preuvef. p. 72): Nos scimus secreta Regni: nos scimus,
quomodo diligunt Gallicos Alamanni et illi de Lingadooh ( Langue-
8. Albrechts J Politit. 100
wohl fuͤhlend, wie ſchwer es fein muͤſſe ein ſolches Reich ſei⸗
nem Koͤnigshauſe zu entreiſſen, unter welchem es bereits zu
einer feſtern Verfaſſung gediehen war als das teutſche, be⸗
gnügte ſich auf die Geſchichte zu verweiſen: beide Reiche ſeien
nach Karl dem Großen weislich getrennt worden, damit Fürs
nes Uber das andere die Oberherrfchaft ſich anmaßen follte ').
Doc) ließ er jetzt auch feine Bebingung laut werben: nur auf
den Kal Eönne er fich verbindlich machen den Franken aus
feinem Reiche zu vertreiben ober fein Leben daran zu ſetzen,
wenn ihm und feinen Erben das teutfche Reich nebft dem Kais
ſerthum durch den Papſt erblich zugefichert würde; denn aufs
Ungewiffe oder zum Verberben feines Hauſes koͤnne ex einge
ſolchen Gefahr fich nicht unterziehen 2). Darum hatte er '
fo dem Papſte mehr zugeflanden ald alle feine Vorgänger,
um auch mehr zu erhalten als dieſe; ja mit der Erblichkeit
der Krone würde der größte Theil feiner Zugefländniffe von
febft wieder gefallen fein. Es wurbe noch Vieles darüber
unterhanbelt . theild zwifchen Albrecht und dem päpfllichen
Stuhle theild mit den teutfchen Fuͤrſten. Über diefen Ver:
handlungen unterblieb der Krieg, oder vielmehr K. Philipp
fand Gelegenheit, dem flolzen Papite, der ſchon ſeine Abſez⸗
| zungöbulle fertig hatte *), durch Unterſtuͤtzung einer Verſchwoͤ⸗
wung in Rom den Todesſtoß zu geben. Bonifacius wurde
in feinem Zufluchtsorte zu Anagni überfallen und drei Tage
lang in fchredlicher Todesangſt gehalten, worauf er in ein 1303 _
hitziges Fieber fiel und ftarb *). 11.D9ct. —
Eine foldhe Wendung nahmen bie Berhältniffe. zu Guns
ſten K. Albrechts, nachdem ihn die Kurfürften und der Papſt
' mit Abfeßung bedroht hatten: jene wurden gebemüthigt und
dee?) et Burgundi, qui possunt dicere illis, quod b, Bernhardus
äxit de Romanis: „Amantes neminem amat vos memo.“
1) Trithem. Chron. Hirs. ad a 1301.
2) Albert. Argent. p. 111. Albrecht verlangte alfo weit mehr, - *
als Nicolaus IIL feinem Vater Rudolf I. vorgefchlagen hattes f. oben
e 59,
5) Auf den 8. September follte fie auögegeben werben. Du ser
Preaves p. 181.
4) Villani L. vIIL c. 80,
110 Bud IH Erfter Zeitraum. Abſchnitt 2.
der früheren Verwilligungen beraubt '), dieſer gewonnen, ohne
feine Hauptbedingung erfüllt zu fehen. Von diefem Augen:
blicke an nahmen die VBerhältniffe des Papſtthums auch eine
unerwartete Wendung zu Gunſten Frankreichs. Als Bene:
1304 dict XI., Nachfolger des Bonifacius, in kurzer Zeit mit Tod
7. Zul. abging und der Stuhl über ein Jahr erledigt blieb, gelang
e8 dem Könige Philipp durch die franzöfifchen Garbindle zum
erften Male Wahlbebingungen zu machen und den neuen
Dayft Clemens V., einen Gafeonier, in Abhängigkeit zu
bringen, alfo Alles was ihm Bonifacius VIII. gebroht hatte
geradezu umzukehren. Diefe franzöfifche Partei, welche
ſich eigentlich von der engen Verbindung des paͤpſtlichen Stuh⸗
les mit dem franzoͤſiſch⸗neapolitaniſchen Hofe berfchrieb 2),
verfolgte nun fchnell den Plan, dem biöherigen Syfteme des
Papſtthumes, und indem man fi auch ber unmittelbaren
Schirmvogtei Über daffelbe bemächtigte, auch dem Kaiferthume
eine andere Richtung zu geben, oder dieſes an Frankreich zu
bringen. , So muflte e8 kommen, nachdem Bonifacius VIII.
in feiner lächerlichen Eitelkeit das Papſtthum noch in diefer
Zeit auf eine Höhe zu flellen verfucht hatte, bie es unter -viel
größeren Vorgängern und günftigeren Umfländen nicht errei-
chen konnte.
Jenen Schritten des franzöfifchen Hofes mit Nachdruck
zu begegnen waͤre K. Albrecht, als Schirmvogt der Kirche,
verpflichtet und berechtiget geweſen, oder man haͤtte vielmehr
ſchon fruͤher daran denken ſollen mehr teutſche Cardinaͤle
in das Collegium zu bringen, um den Franzoſen nicht das
Übergewicht zu laſſen. Albrecht hingegen verlor die wahre Be-
deutung des Kaifertbums und tes Papfithums über dem Be—
fireben, durch Zufammenbringung recht vieler Erblande feinem
Haufe das teutfche Königreich zu fihern. Doch bat er feine
Abfiht fo wenig erreicht ald Papft Bonifacius VII vie
feinige. -
1) Vergeblich — auch Benedict XI. an bie Zuruͤckgabe. Ray-
nald. ad a. 150%. $.7
2) Eihhorn — Staats: und Rechts⸗Geſchichte. UI. S. 388.
©. 12 fl. i
8. Albrechts L Laͤnderſucht. 111
4. K. Albrechts J. Laͤndergier und Tod.
Abſichten auf Holland und Seeland, Schwaben,
rThüringen, Böhmen. Wiederholter Krieg wegen
der zwei letzteren Lande Erlöfhung bed przes
mil’fhen Mannsflammes. Die böhmifhen Stän
defind zwifchen Öfterreich und Kaͤrnthen getheilt.
Pipflliher Einfluß auf die Beſetzung der teut>
Iden BisthHümer. Peter Aichfpalter wird Erzbis
(hof zu Mainz, Balduin von kuremburg zu Trier.
Die f[hweizerifhen Waldftätte widerfegen fich ber
Erweiterung der habsburgiſchen Landesherrfchaft.
derzog Sobenn, Albrechts Neffe, in feinem Erbe.
‚ betheiligt, ermordet ben König.
Die Herzogthumer Sſterreich und Steiermark, nebfl den
hbsburgifchen Stammberrfchaften in Helvetien, Schwaben
und Elſaß waren wohl eine anfehnliche Hausmacht, und K.
Ahrecht hatte ſchon bewiefen, wie fehr er bamit ben Zürflen
überlegen fei. Aber er hatte ſechs Söhne und fünf Töchter;
für dieſe daͤuchten ihm die Lande nicht zureichend. Mit Öfters
wih hatte er vor der Hand die fämmtlichen Söhne belehnt,
- wollte er jeden mit einem eigenen Fuͤrſtenthume auds
—
Eine feiner erſten Handlungen nach der Beſitznahme bes 1299
Reichs ging dahin, die Landfchaften Holland und Sees ul.
land, weil die männlicye Linie ihrer Erbgraven abgeflorben
war, dem Reiche verfallen zu erklären. Nach den Landesge⸗
ſehen fielen fie aber auf die weibliche Linie, von welcher Jo⸗
kam von Avefnes, Grav von Hennegav, und Hermann,
Gravb von Henneberg, abflammten. Der Sohn bed Erftern,
gleiches Namens, Taufte dem Letztern feine Anfprüche ab und
nahm die ſaͤmmtlichen Lande in Befig. Die Seelaͤnder waren
doch nicht Damit zufrieden und verfprachen dem K. Albrecht
Beiſtand gegen Johann von Aveſnes. Der König ließ alfo
em Aufgebot von den rheinifchen Fuͤrſten vorausgehen, um
De Srapfchaften im Namen ded Reichs zu befegen. Der Grau
hat aber ernſtlichen Widerftand, fuchte Hülfe bei dem Könige
112 Bud IE Erfter Zeitraum. Abſchnitt 2.
von Frankreich und verband fi mit dem Graven Rainald
1299 von Geldern. Diefem hatte der König nicht lange zuvor die
35. Apr. Statthalterfchaft über Oſtfriesland beflätigt und zugleich das
Wort gegeben, feinen zweiten Sohn, Herzog Friedrich, mit
der Tochter des Graven zu vermählen, foldhes aber wieder
zuruͤckgenommen. Daburh fand fih nun Rainald fo belei-
. "dig, daß er fich mit dem Graven Johann gegen bad Leben
+
des Königs verſchwor; doch eben feine Tochter war e8, welche
den König warnte, als er auf Einladen der beiden Graven
zu einem gütlichen Vergleiche nach Nimwegen gelommen war ').
K. Albrecht entfloh durch eine Meine Pforte, die. fie ihm oͤff⸗
nete, und fam mit nur zwei Pferden auf’ das Schloß Kron⸗
burg zu dem Graven Dietrich von Gleve, deſſen Gemahlin aus
dem Haufe-Kiburg war ?). Da nun aud ber ‚erwartete Zu⸗
zug der Seeländer audblieb, fo ließ fih K. Albrecht durch
Vermittlung des Erzbifchofs Wichald von Coͤln bewegen So:
hann von Aveſnes mit der Gravſchaft Holland zu belehnen °).
Da die Verhandlungen in Abficht des Koͤnigreichs Arelat
ebenfalls mislangen, begab ſich K. Albrecht, nach dem Kriege
gegen die rheiniſchen Kurfürften, in die oberen Lande, um
feine Stammberrfchaft zu vermehren und auszurunden.
Er Hatte ſchon bei feines Vaters Lebzeiten daran gearbeitet,
jedoch eben keine Freunde dadurch erworben. Beim Antritte
der Reichöregierung begabte er zwar diejenigen Landberren,
welche ihm gegen K. Adolf beigefianden: namentlich fiellte ex
dem Sraven Eberhard von Wirtemberg wieder zu, was ihm
von ben beiden Vorfahren entzogen worden; auch ben Städten
verlieh er Gnadenbriefe. Dagegen nahm er aber uneble Rache,
an Adolfs Anhängern. Dem Haufe Ufenberg, welches dem⸗
felben Kenzingen geöffnet, zog er die Guͤter ein und gab fie
nur zum Theil wieder ald Lehen zuruͤck. Dem Bifchofe Peter
von Bafel nahm er die Stadt Breiſach. Anderen brach er
ihre Burgen. Der einzige Abt Wilhelm von Gt. —.
1) Ottotar, ©. 696 ff.
2) Daher Albert. Argent. p. 111 fie als &etterin bes Ki
nigs nennt.
3) Allgemeine Geſchichte ber vereinigten Nieberlande, aus dem Hol⸗
laͤndiſchen te L ©. 418. 44.
\ K. Albrechts L Laͤnderſucht. 113
welcher feit feinem Aufſtande gegen K. Rubalf I. vertrieben war,
wurbe von ihm auf Vermittlung bes verdienten Bifchofs von
Coflanz, Heinrichs von Klingenberg, begnadigt, wobei er aber -
zugleich bie Kaftvogtei des Gotteshaufes St. Gallen übernahm.
Mit großem Eifer verfolgte König Albrecht feinen Plan.
Einerfeitd bewog er bie Stifte und Gotteshäufer, die erledig⸗
tn Bogteien, ob fie gleich vom Reiche gefreit waren, ihm
ober feinen Söhnen erblich zu übertragen. So erhielt er
von der Abtiffin zu Sedingen mit der Kaſtoogtei über alle
isre Städte und Landſchaften auch bie Vogtei über Glarus,
dann dad Frickgau, Waldshut und einen Theil des obern
Schwarzwalbed als Lehen. Ebenfo zog er die Reichsyogtei
über Radolfzell und bie coflanzifhe Stadt Aach an fi. Den
Abt von Einfiedeln nöthigte er ihm feine Erdlaftvogtei zu
übergebenz auch die übrigen Reichsvogteien im rhaͤtiſchen Ges
birge eignete er fich zu. | —
Andererſeits erwarb K. Albrecht von verarmten Landher⸗
ten durch Kauf ober andere Verträge Burgen, Städte und
Landfchaften: namentlih im Algau ein zweites. Habsburg,
usrblich vom Bodenſee die. Herrfchaften Thengen, Heu, -
Sigmaringen, Scheer, Sulgau und eine. Burg auf dem Buſ⸗
fen; ferner Krenkingen, Zhuffen, Breunlingen, Varingen
Riedlingen, Hobengunbdelfingen, Munderkingen, Herwartflein;
endlich die Markgravſchaft Burgau vor dem Letzten biefes
Stammes. —
Dieſe und viele kleinere Erwerbungen an Land und Leu⸗
ten brachte K. Albrecht in kurzer Zeit an ſein Haus und legte
alſo den Grund zu einem zuſammenhaͤngenden Londeögebist
von den Gletſchern bis an die Donau. Wem. auch die Frage
von Wieberherfiellung des. Herzogthums Schwaben als ver⸗
altet anzuſehn war, fo fammelte K. Albrecht doch fo viele vers
einzefte Rechte befielben an Gravfchaften und Vogteien, daß
er bald ein Paar Zürflenthümer in, Schwaben, Helvetien und
Elſaß für feine Söhne, daraus geftalten konnte). Dabei
fhwebten ihm aber noch größere Entwürfe vor in Abficht auf
Böhmen, Meiffen und Thüringen.
1) Das Nähere hierüber in Ber Geſch. von Schwaben. II, 138 f.
Pfiſter Geſchichte d. Jeutſchen ILL. 8
x
114 Buhl Eifer Zeitraum. Abſchnitt 2.
Mit feinem Schwager, dem 8. Wenzlaw von Boͤh⸗
men, war 8. Albrecht ſchon auf dem erften Reichstage wies
"der zerfallen, theils weil ex ihn gezwungen das Erzſchenken⸗
amt perföntlich mit der Krone auf dem Haupte zu verrichten,
an bemfelben Zage da K. Adolfs Wittwe vor ihm fnieete,
theils weil er ihm bie verlangte Belehnung mit Meiffen ab:
ſchlug, worüber er ihm vor feiner Wahl dad MeichEvicariat
übertragen hatte. Wiewohl ihn Albrecht über Beides wieder
zu befänftigen fuchte, indem er ihm fuͤr's kuͤnftige von pers
fönlihen Dienften freiforah und ihm erlaubte das erfaufte
_ Yima mit Böhmen zu vereinigen, fo bebielt er doch tiefen
Unwillen, trat mit den rheiniſchen Kurfürften in Verſtaͤndniß
und ſchloß ein geheimes Bündniß mit Frankreich?). Dies
führte dann auch auf Albrechts Seite eine neue Spannung
herbei, bei welcher diefer nur darauf dachte das Haus Boͤh⸗
men zu Gunften des feinigen zu demüthigen.
Wenzlaw ſcheute ſich ‚Öffentlich gegen K. Albrecht aufzus
treten, weil er in feinen eigenen Angelegenheiten zu tief vers
‚widelt war: benn er hatte Beine geringeren Vergrößerungsplane
als K. Albredit. Durch feine Gemahlin Eliſabeth machte er
Erbanfprühe auf Polen, und ba es ihm gelungen war das
Land in Beſitz zu nehmen, fo warf er feine Augen auf Un⸗
gern. Nach dem Tode des Königs Andreas waren hier zwei
Parteien: bie eine wählte Wenzlams Sohn gleiches Namens
zum Könige, bie andere den neapolitanifchen Prinzen Karl
Robert, K. Rubolfs I. Enkel von der Clementia: jenen aber
hatte fein Water bereits zu Stuhlweiffenburg kroͤnen laſſen.
Solche Fortſchritte konnte K. Albrecht nicht mit gleichgültigen
Augen anfehn: denn das böhmtfche Königshaus wirde dadurch
zu einer Macht gekommen fein, welche für Teutſchland noch
drohender werden konnte ald die K. Ottokars, welche X. Rus
dolf gebrochen hatte. Albrecht ließ fich alfo gern vom Papfte
1303 Bonifacius auffodern Karl Robert, feinen Neffen, zu untere
fügen 2); er befahl dem Könige von Böhmen Ungern zu ver⸗
1) Chron. Bohem, c. 87. in Mencken scrr. III. Dttofar, &.
687. 636. Chron. austr. ad a, 1298,
2) Raynald. ad a. 1508; $. 16.
8. Albrechte L Länderfuht. 115
laſſen, auch einen Theil von Polen den rechtmäßigen Erben
zurückzugeben. Nun erllärte Wenzlaw den Krieg; Albrecht
aber beſchloß ihm zuvorzukommen; er ſprach die Acht über ihn 1304
as, befahl feinem Sohne Rudolf mit einem Öfterreichifchen
Deere in Mähren einzufalen und zog felbft mit einem ſtarden
Aufgebote von ber ſchwaͤbiſchen und rheinifchen Ritterſchaft
nach Böhmen, wo er mit feinem Sohne zufammentraf. Durch .
bie Belagerung von Kuttenberg aber fah er fih aufgehalten
und ging daher mit anbrechendem Winter durch Franken zus
rad, um einen Aufflend in Schwaben zu unterdrüden, den
keine dortigen Eanderwerbungen erregt hatten. Grav Eberhard
von Wirtemberg beste ihm zwar die Heereſsfolge nach Böhmen
geleiftet, war aber unzufrieden zuruͤckgegangen, theils weil
Albrecht feinen Rath in Abficht der armen. Kuttenberger ver
ſchmaͤhte, theils ihm feinen. Schaben zu erfegen verweigerte,
während Albrechts Söhne fortführen ihm in feinen eigenen
Zanderwerbungen in Nieberfihwaben in ben Weg zu treten,
Ungeachtet der König vor dem böhmifchen Feldzuge ben Lands
frieben zu Nürnberg emeuert hatte, fo hielt er ihn doch ſelbſt
nicht und wollte den Graven mit geroaffneter Hand übenie:
ben. Diefer vertheibigte ſich aber: in feinen Burgen fo tapfen
daß Albrecht, weil das Hauptheer außeinandergegangen mat,
Nichts gegen ihn vensibchte, ſondern einen Vertrag einging,
nach weichen ex den Graden nicht nur feinen Schaden mit
2900 Dark erfeßte, ſondern auch nebſt feinen Söhnen ven
fprach ihn nicht weiter. in feinen Landerwerbungen zu irrer.
König Abtecht wollte in den obern Landen Fein Zenwinrfniß
zuchdlaffen, das ihn an der Fortſetzung bes hoͤhmiſchen Kriege
pindern lännte. Im kurzet Zeit aber trat Grav Eberhard als
Neth und Diener K. Wengaws in Böhmen. gegen ihn auf.
Abbrecht wände auch auf dem zweiten Feldzuge wenig erreicht
haben, wenn nicht unerwartete Veränderungen ihm entgegen⸗
gekommen wären.. 8. Wenijglaw IL, ſtarb mitten in feinen 1305.
Unternehmungen. Sein fiebyahniähriger Sohn, Wenzlaw LIE, 21. Sun.
ſchuͤchtern und friedlich, entfagte der ungerifchen Krone und
vertrug ſich mit 8. Albrecht: gegen Abtretung des egerfchen 18. Aug.
Kreifed und ber Anfpruche auf Meiſſen empfing er die Beleh⸗
nung nicht nur mit Böhmen, fondern auch mit Polen;
8 ”
⸗
a‘
416 Bud IE Sefter Zeitraum. Abſchnitt 2.
Albrecht erkannte alſo jetzt den Befitz bes .Iehtern Landes als
rechtmaͤßig, in Hoffnung, ſolches auf's neue mit dem teut⸗
ſchen Reiche in Verbindung zu bringen. Eine noch größere
Hoffnung ging ihm ſchon im folgenden Jahre auf, ald der
junge König, im Begriff ein Heer nad Polen zu führen, bei
‚1306 einem Aufftande zu Olmüg ermordet wurde Da mit ihm
%. Aug. Her Mannöftamm erlofch, fo erklärte K. Albrecht Böhmen als
eröffnetes Reichslehen, um folches ſeinem aͤlteſten Sohne,
Herzog Rudolf von Öfterreich, zu uͤbertragen.
Aber: die boͤhmiſchen Stände gingen zum Wahlrechte
zuruͤck, jedoch nicht ohne Ruͤckſicht auf die weibliche Linie.
Unter allen zum römifchen Reiche - gehörigen Rändern. war Boͤh⸗
men noch allein in der Verfaffung-ber atten Großherzogthiimer.
Die Stände theilten ſich aber zwilchen dem Herzog Hein
sich von Kärnthen, der bes letztverſtorbenen Königs Schweiter,
Anna, zur Gemahlin hatte, und zwifhen Herzog Rudolf
von Öfterreich, der des vorigen Königs Wenzlaws II. Wittwe,
Elifabeth von Polen, zu heirathen verſprach. Die Scheitern
bes Iehtverftorbeneh Königs traten in die Verſammlung baar⸗
fuß und baten weinend für den Herzog von Kämthen. Aber
&. Albrecht fehte die Wahl feines Sohnes durchz an .ber
Spige eines ſtarken Heeres führte er ihn in Prag ein und
1306 erklärte ihm als Oberlehensherr zum König. Das Herzogthum
Sept. ſterreich übergab er feinem zweiten Sohne Friedrich und
ſchloß zugleich einem Erbvertrag zwiſchen beiden Staaten, deü
es von ben boͤhmiſchen Ständen beflätigen ließ *).
Diefe in fo kurzer Zeit erlangte bedeutende Vermehrung
der Hausmacht war für K. Albrecht noch nicht genug. Kaum
faß fein Sohn Rudolf auf: dem boͤhmiſchen Throne, fo zog
er nah Ungern, zu Gunſten ſeines Neffen, Karl Robert
von: Neapel, : gegen- Welchen. die paͤpſtliche Partei ben Herzog
Dito von Baiem zum Könige berufen hatte. Zur naͤmlichen
Zeit wollte er auch die meeiffnifchen und thüringiſchen
Laͤnde — auf welche er ſchon fruͤher ein Auge gewor⸗
fen: hatte. Er nahm an, K. Adolf * f e zum Reich
1) Ottokar, e. 662 ff.; 701 ff.3 770 ff. — Nesbug, ad
a. 1304. in Pez serr. I. -Chren.: beob, ad a. 1806. '
8. Albrechts L kaͤnderſucht. 4117
erwerben, ſowie auch deſſen Statthalter und Befagungen,
weiche..noch einen Theil jener Lande inne. hatten, ſich an ihn
hielten. Grav Phifipy non Naffau hingegen. fah fie ald Haus⸗ |
erwerbung an; 8. Benzlaw IL aber wollte Meiffen, wie ww _
eben geſehen, zu Böhmen ziehen. Indeſſen verſtaͤrkten ſich die
shundßigen Erben, Friedrich und Dizmann, und nahmen
faſt alle Burgen und Staͤdte wieder ein, bis auf Gifenac,
dad, in Hoffnung Reichsſtadt zu werben, fih mit einigen an⸗
deren Staͤdten an 8. Albrecht hielt.
VUm Sid) gegen alle Theile als unparteitfhen Richter zu
zeigen, berief Albrecht, auf bie Klagen ber Eifenacher, bie
beiden Markgraven, mit ihrem Vater, Landgrav Albrecht von 1306
Tuͤringen, fowie. den Graven von Naſſau auf. einen Tag Jul.
nach Fulda. Da jene. aber nicht erſchienen, ergriff er den An⸗
laß fie ſofort in die Reichsacht zu erklaͤren und führte dans
gleich nach dem ungesifchen Kriegszuge wine faule. Macht: aus
Schwaben. und den Rheinlanden in ‚das. Oſterland. Aber 1397
Friedrich und Dizmann, durch braunfchweigifchen Zuzug ver⸗
ſtaͤckt, Kberfielen die ſchwaͤbiſchen Schaaren bei. Luͤken im
Altenburgifchen und brachten ihnen nach einem fuͤnfſtuͤndigen |
bisigen Gefechte eine Niederlage bei, ‚wehehe zum Sprichwort 31. Mai.
wurde.
Wenige Wochen nach bisfem Unfalle: tref K. Albrechts
Haus ein zweiter. Sein Som, K. Rudolf von Böhmen,
farb ſchon im erſten Jahre feiner Regiaung, da er einen 3. Zut.
gegen ihn ausgebrochenen Aufftanb ber Färnthifchen Partei un:
terbrichen wollte. E regierte alfo nicht; einmal fe lange ld
fein Vorgänger. Die Sewaltthätigkeiten und. Erpreſſungen,
welche fih im Sinne feined Vaters erlaubte, brachten eine
ſolche Abneigung in die Böhmen, daß fie, als Rudolfs Brus
der, Herzog Friedrich ‚von.-Öfterreich, in der Berfammlung zu
Prog zum Könige vorgeichlagen wurde, mit einſtimmigem
Sıfe „wir wollen. keinen Öſterreicher am König“ die
Schwerdter zogen, im’ Angefchte ber vermittweten Königin -
drei Anhänger des Haufe ermordeten und gegen ben kaum
gefchloffenen oͤſterreichiſchen Erbvertrag den Herzog Heinrich
von Kärnthen auf's neue zum König erdlädten, welcher m
fort mit feinem Gefolge nah Boͤhmen fayı ---
118 Bud II. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 2.
So hatten denn K. Abrechts Entwürfe auf einmal einen
großen Stoß erlitten. Um die Sachen wieder gut zu machen,
führte K. Albrecht ein mächtiges Heer über Eger nach Boͤh⸗
men, Friedrich brachte Verſtaͤrkung aus Öfterreich, auch ließ
er einen Einfall in Kaͤrnthen unb Krain machen, um Hein⸗
rich zur Ruͤckkehr zu. bewegen. Aber in Böhmen felbfi fand
Albrecht noch ſtaͤrkern Widerſtand vor Kuttenberg und Collin
als Das vorige Mil. Herzog Otto von Baiern, Biſchof Des
tee von Bafel, Grav Eberhard von WBirtemberg und. Andere
führten dem Könige Heinrich Hülfsvoͤller zu und mumterten
ihn auf, fich durch K. Albrechts Büflungen nicht fchreden zu
laffen. Der Bischof von Baſel, durch bie Eutreiffung Brei⸗
ſachs aufgebracht, wollte auch den König von Frankreich gegen
R. "Albrecht aufrufen. Durch ben einbrechenden Winter wies
ber zum Ruͤckzuge gezwungen, hinterließ K. Albrecht Beſatzun⸗
gen in einigen felten Plägen Diefe wurden aber zu Anfange
1303 des folgenden Jahres von ben Böhmen angegriffen und aufs
gerieben ). | |
" ı Während des Winters machte K. Albrecht in den Rheins
‚ landen noch groͤßere Ruͤſtungen, fowohl gegen Böhmen als
gegen Thhringen, um trotz alles Widerſtandes feine Abfirhten
dennoch durchzuführen.
So ganz erfuͤllt war K. Albrecht von biefen Hausange⸗
Legenheiten, daß er wenig Stan oder Aufmerkfamleit für die
! uübrigen Verhältniffe und Vorfälle im Reich behielt. Die drei
sheinifchen Erzbiſchoͤfe gingen in diefer Zeit, mit Tod ab,
Während fo viele anbere Fuͤrſten ſchon in der böhmüchen und
Hiringifchen Sache gegen ihn ſtanden, follte es ihm um fo
mehr darum zu thun geweſen fein jene drei Münben mit
Männern wieder befebt zu. ſehen, auf die er beſſer zahlen
konnte als auf ihre Vorgänger, Allein er fah dieſen Veraͤn⸗
derungen gleichgültig. zu. Das toͤlner Domcapitel war geibeilt
1304 zwifchen dem Domprosft Heinrich von Virneburg und dem
Mai. Propſt von Gonn. Atbvecht wollte nicht enticheidens fo ganz
1) Auſſer ben in ber vorhergehenden Note angeführten ſ. Chron.
Erfurt. Sanpetrin, ad a, 1806. Rohte Chron. Thuring. p. 1764 agq.
Wilke Ticemannus p. 165 aqq.
8. Albrechts I Länderfuhe. 119.
war das wormfer Concorbat ſchon in Vergeſſenheit geftellt;.
er überließ die Sache dem päpftlihen Stuhle, worauf endlich
Clemens V. ben Heinrich von Virneburg beflätigte '). Bei 1306
den zwei anbern Erledigungen war der Gran Heinrich von
&uremburg beflo thätiger, um feinen Bruder Balduin,
emporzubringen, und burch diefen fich felbfl. Da das mains
zer Domcapitel ebenfalld über bie Wahl zerfallen war, fanbte
Grav Heinrich feinen Freund, den Bifhof Peter Aichſpal⸗
ter von Bafel, an Papft Clemens V. zu Sunften Balduins.
Zwar erhielt Peter das Erzbistum Mainz für fich ſelbſt,
weil er, wie man borgab, als geſchickter Arzt den Papft von
einer gefährlichen Krankheit rettete, ober vielmehr, weil er dem
päpfllichen Stuhle 3000 Markt Silber verfprach 2). Dageı.
gen wurde Balduin im folgenden Jahre zum Erzbifchof von 1307
Zrier gewählt. Ungeachtet Peter Aichfpalter früher aus ben 7. De.
Dienften ded Herzogs Rubolf von Öfterreich zu 8. Wenzlaw H.
von Böhmen Übergetreten und von biefem zu einer Gefanbts
fchaft nach Frankreich gebraucht, unterwegs aber aufgefangen,
werben war, auch als Bifhof zu Bafel die Städte Lichten⸗
ſtall und Ellenweiher im Elſaß dem 8. Albrecht weggefauft
hatte , fo Eonnte diefer doch nicht umhin demfelben auf das
päpflliche Empfehlungsfchreiben die Regalien zu verleihen ).
Er konnte aber wifien, was fein Haus für die Zukunft von
dieſen Rurfürften fich zu verfprechen habe.
König Albrecht trug feinen Widerwillen gegen Stift und
Stadt Balel auch auf Peters Nachfolger, Dito von Sranfon,
über, wahrſcheinlich weil er jene Erwerbungen nicht heraus⸗
geben wollte. Ald er ihm bie Verleihung der Regalien vers
weigerte, erſchien Otto bei ſeiner Ankunft zu Baſel vor ihm
und ließ durch einen Dolmetſcher, weil er als geborner Bur⸗
gunder ber teutſchen Sprache unkundig war, noch. einmal
darum bitten. Der junge, heftige Mann war —————
1) Northof. Chron. Com, de Marka ad un. 1504-1806.
3) Siehe unten bei K. Heinticht VIL Wahl.
8) Dttotar ©. 739. Albert. Arg. f. 113. Raynald. ad a.
$. 1B. Serrarius Ber. Mogunt. T. v. in Joannis sorr. Mog.
T. I. p- 63% sqq, Gesta Balduin, L. L.
120 Bud IL Erſter Beittaum, Abſchnitt 2
den Koͤnig auf der Stelle zu ermorden, wenn er mit einer
ſchmaͤhlichen Antwort abgewieſen werben ſollte. Albrecht fragte
bei feinem Anblide: „was will biefer Schhler?" Schon bei
dem Zone biefer Frage, ob er fie gleich nicht verſtand, gerieth
der Bifchof in Zorn („Qui dit? Qui dit?” fragte er hitig).
Da trat der Dolmetfcher, Hugo zur Sonne, kluͤglich dazwi⸗
ſchen und fprad zum Biſchof: der König habe gefagt, er.
wolle die Sache morgen vornehmen, worauf der Bifchof dank⸗
ſagend („rammerey!“) zurüdging. Der König aber, ber
feine Aufwallung gefehen, mied Bafel und warf eine noch
größere Ungnabe auf den Biſchof).
Duurch alle diefe Erfahrungen ließ fi K. Albrecht in feis
nem Lieblingsplane nicht irre machen. Im ben obern Landen
: hatte er faft alle Reihövogteien erblich an fein Haus gebracht.
Nur die drei Waldſtaͤtte, Schwyz, Uri und Unterwals
den, weigerten fich befien. —
Dieſe Landſchaften im Gebirge, in alten Zeiten lange
unbekannt, bis fie zu K. Heinrichs V. Zeit in einem Grenz⸗
ſtreite mit dem Abte von Einſiedeln, welchem vormals K.
Heinrich I. die angrenzende „Wüſte“ (Alpenweiden) verliehen
hatte, zuerſt in der Geſchichte genannt werden, hatten als
herrenloſes, faſt vergeſſenes Land von ſelbſt des Reiches
Schutz gewaͤhlt und demſelben zu allen Zeiten als tapfere,
biedere Männer gedient. Solcher freien Bauerngemein=
den waren vormals hin und wieder in dem aufgeloͤſten Herz
zogthume Alemannien, namentlich die Wallifer (im obern
Rheinthale wie jenfeits im Rhonethal), die Appenzeller, bie
Leute im bregenzer Wald, im Algau, im Schwarzwald und
andern Gegenden von Schwaben 2). Sie waren freie Reichs⸗
bauern, unmittelbar unter bed Reiches Schub. Die meiften
von diefen find jedoch mit ihren Vogteien und Landgerichten
an Erbherren gekommen und Theile von Landesherrſchaften
geworden, ſowie im Norden die freien frieſiſchen Gauen un⸗
ter Erbgraven gekommen. Aber jene drei Walbflätte haben
von jeher einen befondern Eifer für die Erhaltung ihrer urs
1) Albert. Argent. p. 113,
2), Geſchichte von Schwaben, V, 868.
RR. Albrechts I. Länderfude.- - 421:
fprünglichen Freiheit gegeigt. Als ihnen zu K. Konrads TIL
Zeit Gehorfam gegen den Abt von Einſiedeln aufgrlegt wurde,
ımter Androbung der Faiferlihen Acht, traten fie aus des
Reiches Schub. 8. Friedrich I. ließ fie als tapfere Männer
zum Heerzuge nad Italien mahnen duch den Granen Ulrich
von Lenzburg, ihren Schirmvogt. Von da un biteben fie
dem hohenflaufifchen Haufe mit unerſchuͤtterlicher Treue erges
ben. - Ihren Bund, ben Ale unter :fih geſchloſſen, erneuerten
fie alle zehn Jahre. Nach · ben Graven von Lenzburg Fam die
Reichsvogtei von Unterwalben..an..8. Rudolfs Großvater;
auch die von Schwyz, doch ungern. Ihre. Freiheiten erneu⸗
erte driedrich ., ‚bau fie wieder in ‚Stalien au —
zogen.
an Sir Kubolf v von Habebrug⸗ Lauferhin (8 Rus
dolfs Dheim) die Vogtei: hier Schwyz und: Unterwalden vers
Ioren, weil er dem Papſte anhing, ſchloſſen ‚die Yon Schwyz
und Uri ein Bimdniß mit Blirkh, und die Exfteren Kbertrugen
bem jungen Rudolf von Habsburg ihre Vogtei, ber:.hernach
als König ihre Freiheiten beftätigte: Nach feinem Tode ers
neuerten die drei Waldſtaͤtte ihren Bund und ſchwuren dem
K. Adolf. Für die-Befdtigang.-ihrer Freiheiten zogen: fie
mit ihm in die Entfcheidungsfchlaht. Das konnte nun K.
Albrecht nicht vergeſſen. Wiederholt ſchlug er die Beftaͤti⸗ 1299
sung ihrer Briefe ab; dann ließ. er ihnen fagen: „alle benach⸗ 1300
barten Städte und Länder, bie: Kaftvogteien faft aller Kloͤſter,
weiche Gut und Leute bei ihnen haben, feien fein. Wenn
er, ber Enkel ihrer alten Schirmvpoͤgte, ihnen ben ewigen
Schirm feines: ganzen glorreichen Befchlechtes mittheiten wolle, . .: t
fo gefchehe es nicht, als ob ex Etwas von ihrer Armuth ber
gehrte, ſondern weil fie tapfere Männer feien, die er zu Sieg
führen und durch Ritterfchaft und Lehen ‚erhöhen wolle“. Sie . ;
fprachen: „ber feltge König ſei ihnen ein guter Hauptmann
und Vogt geweien, das winden fie immer ſeinem Stamme
gedenken; aber fie wollten in dem Zuſtand ihrer Altvordern
bleiben; der König moͤchte dieſen beſtaͤtigen, wie fein Vater“.
Indeſſen ließ K. Albrecht durch habsburgiſche Amtleute 1301
zu Rotenburg und Lucern den Blutbann in den Waldſtaͤtten
verwalten, um ſie an ben: Übergang zu gewöhnen. 8 fie
422 Bud IL Exfer Zeitraum. Abſchnitt 2.
dann wieberholf um einen Reichsvogt ‚baten, gab er ihnen
130% endlich deren zwei, Hermann Geßler von-Bruned und
Beringer von .Landenberg,. Diefe waren nicht wie die
alten Graven, .melche, auf eigenen Schlöffern wohnend, nur
zur: Zeit ihrer: Amtsverrichtungen in das Land famen, fondern
als habsburgiſche Dienfileute (vom niedern Adel) ſahen fie
bad Amt ald -Berforgung ;an und erbauten. fh Burgen um
Sande. Dabei waren fie hewilh und gewalttbätig, Wie Al⸗
brechts Voͤgte in Öfterreich und Steiermark ..bereit$ das Volk
zum Wibderſtande gereizt hatten, um eine Urſache zur Vernich⸗
‚kung ihrer Fteiheiten zu baben..: fo. thaten jene nun auch in
den Weidfätten, Albrechts Beamte matın Überhaupt: ppm dem
einfachen Sitten K. Rudolfs abgefommen; mit Trotz auf.ihre
Gewalt verhängten fie harte, ußgeſetzliche Strafen; euhehten
die Zoͤlle, erſchwerten bie Xußfuhe, nannten bie alten, æhrba⸗
ven Stfchlehter ;‚Bauernadel”. Mas alles -geihah: wg nicht
auf ausbradiichen Befehl, doch im Sinne K. Yilapshföu ber
auch den Klagen wenig Gehoͤr gub. Das. Ührige vollenbete
der Voͤgte eigener Übermutgz nicht bedenkend, daß zu derſel⸗
bigen Zeit der Abt von Admont and gleicher Urſache yon ben
Steiermaͤrkern erſchlagen worden. Landenberg ließ einem alten
Manne. zu. Meichthal, dem ee zur Strafe ein- Joch, Ochfen
:weggenommen, bie Augen audflechen, weil fein. Sohn bem
“.„. Snechte bed Bogts den Finger. abgeichlagen und bazauf fich
flüchtig gemacht. hatte. Während fchon gegen tragige Burg⸗
wögte, welche auch Gewalt gegen. Weiber fi erlaubfen, Noth⸗
wehr gebraucht wurbe, traten zuerſt drei Männer vertraulich
1307 zufanmen, Berner Stauffacher aus Steinen. in Schwyz,
Walter Fürſt aus Uri und Arnold Melchthal von Unters
walden. Im Rütli, einem einfamen Platze am waldſtaͤtter
Rov. See, kamen fie öfter zur Nachtzeit zufammen, um ſich über
bie Rettung bed Landes zu berathen; als jeher noch zehn Ver⸗
traute mit fich brachte, ſchwuren fie mit aufgebobenen Häns
den einander nicht zu verlafien,. den Graven von Hahsburg
von ihren Gütern und Rechten. nicht dad Geringſte zu neh⸗
men, auch Fein Blut zu vergieflen, aber die alte Freiheit des
unfchulbig unterbuiichten Volkes bis in ben Tod zu behaupten.
Beßider, ben verbiffenen. Ingrimm des. Volkes bemer⸗
8. Albrechts L.Länderfugt. 123
1
kend, fellte einen Herzogshut auf, um bie Gemäther zu pruͤ⸗
ten. Da geſchah Wilhelm Zelld-in den Sagen erhaltene
Ebel. Schnell folgte das Übrige. In der Nacht des neuen
ehres nahmen: bie. Verſchwornen die Zwingburgen mit Liſt 38
ein; Laudenberg muſſte wie bie Burgooͤgte Urphede ſchwoͤren.
Des and war befreit, wie fie geſchworen, ohne Blutoergieſ⸗ 7. *
ſen. Sie erweussten den ewigen Bund.
K. Abrecht Kam aus dem ‚böhmilchen und. hhingifchen
— als dieſes in den obem Landen geſchah. Cr
befahl den Walzfaͤtlen allen Handel und Wandel zu. ſnerren
und drohete fle mit Heeresmacht gu, perberben; doch eins fa
Heime Garde, wie er meinte: folte den neuen Rıiegdgug nad
Boͤhmen richt hindern. Wer ſollte auch gedacht bhaben, daß
bie von ſeines Oewſchaften ganz vumgarnten Malhfläue einſ
fein ganzes, / Sſammgut in hren Bund bringen wirken? -
Au einen Weil von dieſem ancuerte eben jetzt ſaine Erb⸗
anfprüche Dayeg Joh aun, 8. Albrechts Bruberöfahn. Bein
Baier Rud olf Hase die habthurgiſchen Bande eine Zeit ang
befonber& verwaltet, waͤhrend Albxacht in Oßterreich wars. ....ı
feiner Mutter. men bie kihurgiſche Gravſchaft zus Margengabe
verfepriehen. Auf Hſterreich und Stelesmart war Rudolf wits
beichnt, fo. daß Albrecht ibm ehte Summe. Geldes entrichten
mußte, bis K. Raubolf ihm ein anderes Fürſtenthum ob —
Ichen warde. Als er barkber ſtarb, ging die Wittwe mit .
ihres Sahne Johann von Brugk, ihrem Widdun, zu dem ;
Könige Wenzlaw II. von Böhmen, ihrem Bruder, der fie dem
Könige von Ungern vermählen wollte. Als auch fie ſtarb,
wellte Wenziaw den jungen Herzng Johann, weil, er ihn
liebte, an feinem" Hofe behalten; Albrecht foberte ihn aber _
zurück, um ihn mit feinen Söhnen erziehen zu laſſen. Sogar
auf die Krone von Böhmen hatte Zohann nähere Anfprüche
als Albrechts Sohn Rudolf, denn er war duch feine Mutter
8. Ditokars Enkel. Für jest. was aber nur noch vom den
habsburgiſchen Stanmlanden bie. Rebe.. Da jedoch K. Als
brecht dieſe nicht gern theilte, fo wollte er fir Johaun Meiſ⸗
fen erobern. Oft ſchon hatte der junge Herzog feinem Oheim
um das vaͤterliche Erbe angelegen und war immer mit leeren
Borten abgewieſen werben, Da ex volljährig war, beſtand
124 Bud II Erſtet Zeitraum, Abfchnitt 2.
er mit Ernſt auf feinem Verlangen. Er fand Weilnahme bei
allen Fuͤrſten und Herten, ‚weiche über. K. Albrechts Laͤnder⸗
gier aufgebracht waren; beſonders bei dem Erzbiſchof Peter
von Mainz, feines Vaters ehemaligem Diener;, ber ihm auch
am böhmifchen Hofe zugethan blieb. Er munterte den Her⸗
309 auf, feine Foderung zu verfolgen, umd verhieß ihm feine
Gürfprache. Aber zu gleicher Beit fammelten fich auch um
ihn unzufriedene Slnglinge, beſonders von· habsburgiſchen
Dienſtmannen, weiche nicht weniger Über Vorenthaltung ihrer
Güter Magten und zuletzt zu erhitzten Anſchlaͤgen ben -jungen
Flrrſten hinriſſen. Walter. don: Efchenbach „deffen: Vater für
K. Rudolf das Leben hingegeben, Rudolf von Balm, Wer:
wandter ‘von ‘jenem, Rudolf von Wart,: Nachbar beffelben;
and Konrad von Tegernſeld, Johanns Erztehro waren es
welche ſich mit ihm gegen das Leben. des Knigẽ /verſchworen.
Der Anſchlag wurde zwar verrathen, von Könige aber nicht
geglaubt oder verachtet; - oder ließ in fin Schickſal die. Ge:
41308 fahr nicht fehen. Es war Her Tag einer öhfichen Moienfahrt,
‚ 2. Dat. da der König mit den Reichöfürften nach Brugl- im- Aargau
gekommen war. Nach der Meſſe rebeten bar: GErzbiſchof von
Meinz und Biſchof von. Softang mit dem Könige zu”
Bunften Herzog Johanns. Nach der Heerfahrt verſprach er
Alles zu verrichten mit der Firſten Rath und.-bot dem Her
zog hundert der beten Ritter zur Führung ar. Diefer ſchwieZ.
Bei der Tafel brachte ein Junker Maienkwänzes: der König
gab Den fchörften dem Herzog Johann, To much die beften
und ausgeſuchteſten Speifen. Den Kranz legte Johann neben
ſich, in feinem Auge fah man Thränen. Nadmittags; - als
. der König zu feiner Gemahlin nach Rheinfelden reiten wollte,
erfahen die. Verſchwornen ihre Gelegenheit, bis fie mit dem
Könige allein über den Fluß Neuß vorausfamen: :Als er hier
im Saatfelde in ihrer Mitte vitt, fielen fie ploͤtzlich über ihn.
Der Koͤnig rief: ‚Wetter, zu Hülfel" „Da iſt bie Hülfe! u ſchrie
Herzog Johann und rannte ihm dad Schwerdt in den Nak⸗
Zen, daß ed vorne durch bie Bruft hinausging. Die Übrigen
— den Mord und Ae jeder einen ).
% Dar Same hauptſaͤchlich nah 3. Mätter- Gefch. der Schweiz.
8. Aubrechts J So, 1308. °:- 126
In Öftereeih, in den Nieberlanden, in Bafel am Leben
bedroht, fiel K. Albrecht mitten in feinen Herrfcherplanen durch
die Hand feines Neffen in feinem eigenen Lande. Auffer Phi»
Kpp von Hohenflaufen hatte Bein teutfcher König ein folches
Ende genommen. Doch ward Iener im ganzen Reiche beilagt,
weil er, ein milder, gerechter Fuͤrſt, im Begriff fein Recht zu
edangen, ber Privatrache unterlag. Bei Albrechtd Tod erin⸗
nerte fich Jeder, daß er Fuͤrſten und Ständen Unrecht gethan
und, indem er mr für fein Haus geſorgt, nicht einmal feis
nen Verwandten Gerechtigkeit bewiefen. Ob feine Wittwe
Siſabeth wohl fich erinnerte, was K. Adolfs Wittwe vor. sche
Jahren ausgeſprochen? Nach den glüuͤcklichen Unternehmungen
ſeines Vaters war in K. Albrecht das Verlangen entſtanden,
die Hausmacht nach dem Vorgange Frankreichs ſo zu vermeh⸗
ren, daß Zeutfchland ein Erbreich werben: müſſte; daher er
auch-vor dem Papfte allein ſich gebemütbigt, um bie Kürften
deſto gewiſſer zu unterdruͤcken. - Aber Feiner feiner Entwürfe
warb erreicht. Holland, Böhmen,. Meiflen und. Zhiningen
gingen ihm verloren, und bie Fürften waren ihm fo abgeneigt
geworden, daß fie nicht. nur bei feinen Lebzeiten keinen Nach⸗
folger aus feinem Haufe wählten, ſondern auch über ein Jahr⸗
hundert Alles aufboten, um — nicht mehr auf den Thron
kommen zu laſſen.
Das Letztere wird naͤchſt den fruͤheren Verhaͤltniſſen eine
Haupttriebfeder der folgenden Geſchichten.
5. Herſtellung des Kaiſerthums durch Heinrich VII.
Die Erzbiſchoͤfe Peter und Balduinrettenbie Wahl⸗
freiheit gegen Frankreich u. Sſterreich. Das Iurems
burgifhe Haus. Peters. Belohnung Berforgung
der Wittwe 8. Adolf. Papſt Elemens V. verlangt
für 8. Heinrichs VBeflätigung den Eid der Treue
und Sicherheit des Kirchenſtaats in feiner weiteften
Ausdehnung. K. Heinrich bringt Böhmen an fein
Haus, verföhnt fih mit ben Herzogen von öfters
1. ©. 416 ff. 238, 488, 498, 509: ff.. soo f. u 1-26. Url. von
Schwaben. II, 145157.
126 Bud W. Erſtet Zeitraum. Abſchnitt 2,
reich und dhtet den Graven Eberhard; nom Wirs
temberg. Roͤmerzug. Veraͤnderter Zufland Ita⸗
Nliens ſeit den Hohenſtaufen. Übergang der Re—
publiken in Herrſchaften; die Gibellinen der
ſchwaͤchere Theil. Heinrich neutral hofft beide
Theile zu verſoͤhnen; die Guelfen und Neapel noͤ⸗
thigen ihn an die Spitze der Gibellinen zu treten.
Er bahnt ſich mit den Waffen den Weg zur Krös
nung in Rom und verbindet ſich mit K. Friedrich
von Sicilien. 8. Robert von Neapel wird mit feis
nen Anhängern durch Rehtöfprud geächtet und
zum Tode verurthbeilt. Heinrichs Rüſtung zur
Eroberung Reapels und Vereinigung von ganz
Stalien wird durch Gift vereitelt. Clemens V.
eüudt mit der Eonflitution vom Reidspicariat
heraus. In Teutſchland ift indeffen Böhmen für
Heinrichs Sohn erobert, der Gray von Wirtem⸗
berg burd die Städte von Land und Leuten ver⸗
trieben worden. Der teutfhe Orden bringt Pos
merellen zu Preuffen. - Sturz der Tempelritter.
Krieg zwifhen Brandenburg und Thüringen. Die
Linien des witteldbahifhen Haufes. Herzog Lud⸗
wig von Dberbaiern fiegt über Herzog Friedrich
von Öfterreich bei Bamelsborf.
Au König Albrechtöl. gewaltfamer Tod vernommen wurbe,
fürchtete man großen Unfrieven. Städte und Herren fahen
fih vor und fihloffen Buͤndniſſe. Einige Fürften verbanden
ſich über wie. Frage, wen. fie zum Könige haben wollten ober
4308 richt. Die erſte Wahlconföberation. Die meiflen trach⸗
23 Dcı. teten ſelbſt nach bee Krone, fo viel Reiz hatte biefe wieder
feit 8. Rudolf I. erhalten, Darunter waren auch. zwei Gra⸗
ven, Albrecht don Anhalt und Eberhard von: Wirtemberg.
Segen den Letztern ‚aber. mar jenes Buͤndniß namentlich gerich«
tet, wie gegen Herzog Otto von Baien '). Sieben Monate
blieb dad Reich erledigt. =
1) Die Urkunde if abgebruckt in Gattlers = Wirtembergs
unter den Braven. I. Rr. 42%.
Herſtellung des Kaiſerthums durch ‚Hehiich VIE ‚177
&o vide einander entgegengefeßte Beſtrebungen fah nicht
ungen 8. Philipp IV., genannt der Schöne, von Frank⸗
reich; ihm fihien ber Zeitpunct gekommen, feine großen Ents
würfe in's Werk zu ſetzen. Der Papft war ſchon in feiner
Sewaltz die Kaiferfrone follte e8 auch werben. Er beſchloß
feinen Bruder Karl von Balois zum roͤmiſchen Könige
wählen zu laſſen; zugleich warb er für ihn, uns auch jeufeft
Zeutfchlands feſten Fuß zu erhalten, um bie noch zwifchen
Öfterreich und Kaͤrnthen freitige Krone von’ Böhmen, nebſt
Dolen. Da eben jetzt die Linie von Anjou im Begriff war
bie ungerſche Krone mit der neapolitanifhen zu vers 1307 ff.
einigen, fo fehlen das Gluͤck dem franzäfi ſchen Koͤnigshauſe
ſchnell den Weg zur Univerſalmonarchie zu zeigen, nachdem
es kaum vom Papſt Bonifacius VIII. mit Unterwerfung uns
ter das teutſche Reich bedroht war. „Niemandem geſchehe
unrecht”, ſprach K. Philipp, „wenn mit dem erlebigten Reiche
eine Veränderung vorgehe: die Päpfte hätten daffelbe ehemals
auch getban, und jebt bringe es das Verhaͤngniß mit fich,
daß das Kaifertbum, wie ed einft von den Griechen auf bie
Franken, dann eine kurze Zeit auf italientfche Fuͤrſten, zuletzt
auf bie Zeutfchen gefommen, wieder zu den Nachkommen der
Franken zurüdkehre". Das gefiel den Großen des Reiche.
Der König begab ſich felbft mit feinem Bruder zum Papfle
nah Poitierd, um ihn an die geheinigehaltene ſechſte Wahl⸗
bedingung zu erinnern !); und da Elernens V. ihm Nichts abs
fhlagen durfte, fo wurden alsbald Abgeordnete mit Empfeh⸗
lungsſcheriben an die Kurfürften gefchidt, von welchen fich
fogleich zwei gavinnen lieffen, der Erzbiſchof Heinrich von
Coͤln und dee Herzog Johann von Sachſen⸗ eauens
burg ?). ’
Diefe glänzenden Entwirrfe, welche den Papft feine —
tm Stitze berauben und Teutſchland ſelbſt in gleiche Abhaͤn⸗
gigkeit ſetzen ſollten, brachten doch ben Papſt und die übrigen
1) Conr. Vecerii, regi secretarii, de rebus gestis Jap. Hen-
ra VII. Lib. in Urstis scr, T. IL p. 66, Eine Haupkquelle zu die ' /
ſen Abfchnitt.
2) Dienfhlager — x. urt. 7.
18 Bud IL Erſter Zeitraum. Abſchnit 2.
teutfchen Fürfien zur Befinnung. Clemens V. ober vielmehr
fein erſter Rathgeber, der GCarbinalbifhof von Oftie, del
Prato, vereinigte fih mit dem Erzbiſchof Peter von Mainz,
um durch Beſchleunigung der Wahl dem Könige zuvorzukom⸗
men. Aüch der Bifchof von Bafel, Otto von Sranfon,
munterte ben Papſt insgeheim dazu auf '). Beide letztere
Praͤlaten, die wir oben ſchon als Hauptfeinde des habsburgi⸗
ſchen Hauſes geſehen, hatten dabei zur zweiten Abficht, dieſes
Haus ebenſo wie das franzoͤſiſche auszuſchlieſſen und wieder
einen ſolchen Koͤnig zu erheben, unter welchem die Kurfuͤrſten ihre
= Rechnung beſſer finden wirden. Erzbiſchof Peter, durch
welchen Balduin, Grav Heinrichs von Luxemburg
Bruder, vom mainzer Stuhle verdraͤngt, dagegen auf den von
Trier erhoben worden, beſchloß den Graven Heinrich, der
ihm noch. nicht reiht gut war, ganz für feine Abſichten zu ges
winnen ımd bracdıte ihn dem paͤpſtlichen Stuhle, biefer aber
den teutfchen. Fürften zum römifchen Könige in Vorfchlag, als
einen tapfern und frommen, die Kirche und die Geiftlichkeit
ehrenden Ritter.
Da. die hbrigen Zürften nicht einig waren, fo wuffte ber
ſchlaue Erzbiſchof dieſes Vorhaben um fo eher durchzuſetzen.
Auſſer der Spannung der Kronbewerber unter ſich ſelbſt ſtrit⸗
ten auch die in mehrere Linien getheilten kurfuͤrſtlichen Haͤuſer
um bie Führung der Wahlſtimme, namentlich Sachſen⸗Wit⸗
tenberg und Lauenburg, und das Lestere trug deswegen
feine Stimme dem Kurfürften Waldemar von Brandenburg
auf. Die böhmifhe Stimme wurde nicht beachtet, weil Hein
rich von Kärnthen nicht vom Reich ald König anerkannt war.
As auf der erſten Zufammenkunft zu Renfe drei geifllide und
drei weltliche Kurfürften fich nicht vereinigen Tonnten, fchlug
Erzbifchof Peter geheime Stimmenſammlung vor; dadurch
erhielt er Beitritt von zwei weltlichen Rurfürften zu feine und
Erzbiſchof Balduins Stimme. Mit diefer Mehrheit gelang es
ihm auch die anderen auf der Wahlverfammlung zu Frankfurt
1308 dahin zu bringen, daß Pfalzgrav Rudolf die einflimmige Wahl
277.Rov.für Heinrich, Graven von Luremburg, ausfprach ?).
1) Müller Gef. der Schweiz. I. ©. 15. Rote 9.
2) Albertini Mussati Hist. augusta L. L in Muratori scrr.
Herfleltung db. Kalferthums buch Heinrich VII. 129
Schon vor ber Wahl forgte Erzbifchof Peter für fih
und fein Erzſtift noch beſſer als der Vorgänger Gebhard. Gr
ließ fich von ‚Heinrich nicht nur alle von Adolf und Albrecht
erhaltenen Freiheiten und Rechte wörtlich beflätigen, mit dem
Berfprechen bad Unerfüllte zu ergänzen nebſt den Entſchaͤdi⸗
gungen, welche dad Erzſtift noch an K. Albrecht zu fodern
hatte '), ſondern fich überdied bie Zufage geben, baf ihm
Heinrich fowohl die bei der römifchen Koͤnigswahl gehabten
Koften als aud bie für feine eigene Beflätigung
dem päpftlihen Hofe noch fhuldigen 3000 Markt
Silberd bezahlen und ihn überhaupt Eräftig ſchuͤtzen und
ſchadlos halten wolle, im Fall er wegen der roͤmiſchen Koͤ⸗
nigswahl angefochten werben follte*). Heinrich muſſte alfo
für dieſen Erzbiſchof mehr thun ald für feinen eigenen Brus-
der, den Erzbifhof Balduin von Zrier, dem er, foniel
man weiß, nur bie gewöhnliche Beftätigung der von den Vors
gängern erhaltenen Rechte und Freiheiten gab. Balduin war °
zufrieben feinen Bruder auf dem Throne zu fehen. Nach ben
früßeren DBorgängen wurde bei der Wahl auch eine Heirath
befprochen: Heinrich verlobte feine Tochter Maria dem Sohne
bed Pfalzgraven Rudolfs, Ludwig, obgleich Beide noch Kinder
waren. Endlich bebachte Heinrich auch K. Adolfs Wittwe,
indem er ihr. auf die Neichöfteuer zu Friedberg und Wetzlar
jährlich 600 Pfund Heller anwies ’).
Sp kam denn die Meichöregierung an ein niederläns.
diſches Gravenhaus, aus welchem ſchon zu K. Hein
richs IV. Beit Hermann zum Gegenkönig aufgerufen wors
den, ein Urenkel jened Siegfried, der im zehnten Jahr⸗
hunderte dad Schloß Luremburg an fein Haus gebracht
und feine Zochter Kunigunde mit 8. Heinrich II. vermählt
T.X. Gesta Balduin. L. II. c. I. Ottotars Reimchronik. ©
810 ff. Ä
3) 10,000 Sf. Heller und 3000 Mark Silbers.
2) Würdtwein Sabsid. dipl. T. IV. Num. CV. Guden, Cod.
Mog. dipl. T. HI. Num. 42 sqq.
5) Guden. Sylloge dipl p. 485.; auch bei Sattler a. a. O.
Nummer 43a. .
Dfifter Geſchichte d. Teutſchen IH. 9°
N
130 Buch I. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 2.
hatte. Der neu erwählte König Heinrih VIL ſtammte
jedoch nur von mütterlicher Seite aus jenem Haufe, väterli=
cherfeitd von den alten Herzogen von Limburg; der Groß:
vater Heinrich I. hatte von feiner Mutter Ermefindid die Grav⸗
Schaft Luremburg geerbt *). Diefe, am Saume bed Arden⸗
nenwaldes, größtentheild von Zeutfchen, dem kleinern heile
nach von Franzoſen bewohnt, zählte Nichts weiter ald neun
Städte ?); aber in feinem andern teutichen Lande war ber
Landfriede fo fireng gehandhabt ald im Luremburgifchen, da⸗
ber man mit Recht erwartete, Heinrich) werde das Reich auf
gleiche Weiſe ordnen und befonderd, ald Nachbar von Frank⸗
reich, die Grenzen flandhaft behaupten: benn er befaß einen
boben Muth und viele Kriegserfahrung; man hielt ihn, wie
einft 8. Heintih J., für den erften Zurnierheiben. Nach⸗
dem er mit feiner Gemahlin, Margaretha von Brabant, durch
4309 ven früher franzöfifh gefinnten Erzbifhof von Coͤln die Kroͤ⸗
6. Ian.
3. Jun.
2. Jun.
nung erhalten, machte er feinen erſten Zug am Rheine auf:
waͤrts bis Coſtanz, erneuerte den Landfrieden und beftätigte
größern und Meinen Ständen ihre Freiheiten; er vergaß auch
nicht die drei verbündeten Waldſtaͤtte aus dem äfterreichifchen
Gerichtözwange wieder unter ben Schutz des Reichs zu nehmen.
Ein halbes Iahr nach feiner Wahl fandte K. Heinrich VL.
eine anſehnliche Botfchaft an den Papft, nicht nur wegen ſei⸗
ner Beſtaͤtigung, fondern auch wegen ber bald vorzunehmen:
den Kaiferrönung. Bei derfelben war der fchon gedachte Bi-
ſchof Dito von Bafel, der Grau Amadeus von Savoyen,
Heinrihd Schwager, auch der Schatmeifter von Mes, Simon
von Marville, des Königs Geheimfchreiber. Ihre Vollmacht,
ohne Zweifel von den Bifchöfen entworfen, ging wo möglich
noch weiter ald bie der Vorgänger. „Sie follen”, heiſſt es
darin, „des Königs Ergebenheit und Eindliche Ehrfurcht gegen
den Papft und die römifche Kirche an den Tag legen, des
Dapftes Gunſt und Gnade zu erlangen ſuchen und ihm den
ſchuldigen Eid der Treue und jeden andern ſchwoͤren,
auch alles Weitere leiſten und thun, was nach Gott und
1) Häberlin Reichsgeſch. III, 4.
2) Veceriusl. c.
Herſtellunged. Kaiſerthums durch Heintich VI. 131
Hecht zu der Kaiſerkroͤnung zutraͤglich gefunden werben würbe”.
Zum erſten Male überfchidten die Kürften dem Papſte ein
förmliches Wabldecret ').
Clemens V., für feine Perſon der Wahl fehr froh und
nur noch in Verlegenheit dem Könige Philipp gegenüber,
fuchte diefen durch allerlei Verfprechungen zu beglütigen: Karl
von Valois folle zum conflantinopolitanifchen Kaiferthum bes
förbert werben; K. Heinrich VII. werde gute Freundſchaft mit
Frankreich halten. Er that fogar ald wolle er erfi Philipps
Kath hören, ehe er ihn befidtigte. Allein Philipp fchwieg 1309
Fi, und Siemens fchritt alfo zur Befldtigung. Der Eid, den 26. Zul.
er von den Geſandten foderte, betraf zunaͤchſt nur die Kai⸗
fertrönung.. Sie muflten mit dem feierlichfien Eide in
Heinrich Seele verfprechen, baß dem Papfte nie am Leben,
an Sliedern oder Ehre Etwas zu Leib gefchehen folle; daß
Heinrich in. feinem Stüde, das ben Papft oder bie Römer -
angehe, eine Anordnung zu Rom machen wolle ohne feinen -
Kath und Vorwiſſen; daß er, bad von Gütern ber römifchen
Kirche an ihn gelangt wäre ober gelangen würde, ungefdumt
zurückgeben, und fo oft er Jemand nach Zufcien ober in bie
Lombardei ſchicken werde, jedes Mal ſchwoͤren laſſen wolle
den Kirchenſtaat vertheidigen zu helfen; endlich, wenn er mit
Zulafien feines Herm, bes Papſtes (der body felbft nicht dort
fein durfte), nach Rom fommen werde, folle er ihn und bie
Kirche nach Kräften erheben und vor. der Kaiferfrönung biefen
Eid noch einmal felbft ſchwoͤren.
Dann verlieh er die volle Beitätigung in folgender Art:
„den erwählten König Heinrich, feinen geliebteften Sohn,
balte, ernenne, verfünbige und erkläre er als römifchen König,
finde feine Perſon, ſoweit man von dem Abweſenden urthei⸗
len Eönne, tauglich zur Kaiſerkroͤnung, die zu ſchicklicher Zeit
mb Stelle vorgenommen werben folle, verleihe ihm indeſſen
feine Gunft und Gnade, und befehle allen feinen Unterthanen
ihm zu geborchen”. .
Die nähere Capitulation wurde dem vömifhen Könige 1310
erſt vor Antritt des Römerzuges zu Laufanne vorgelegt. Ste 11. Okt.
1) Raynald. ad. a. 1309. $. 10 :q,
9*
4132 Buch IL: Erſter Zeitraum. Abfhnitt 2
ift noch weit umfichtiger zu Sicherftellung bes römifchen Stuh⸗
led und fchwälftiger in den Danföbezeugungen und Zufagen
gegen benfelben abgefafft ald bie. der Vorgänger, nebſt einigen
weitern Zuſaͤtzen; insbeſondere laͤſſt fih der Papſt verfprechen,
daß Heinrich die hochheilige Fatholifche und apoftolifche Kirche
und den Tatholifchen Glauben von ganzer Seele, mit lauterer
Treue und heiligem Eifer erhalten, alle Keber und Kebereien
audrotten, zu ‚keiner Zeit durch Heirat oder Buͤndniß mit
faracenifchen, heibnifchen oder fchifmatifchen Königen und Zürs
ſten oder auch nur folchen welche der römifchen Kirche ver-
dachtig find, fich einlaffen wolle. Im Abficht der Erhaltung
des Kirchenflaated find in dad frühere Verzeichniß ber dazu
gehörigen Städte, Landichaften und Rechte namentlich noch
. einige Städte in Tuſcien, bie Gravſchaft Sabina, Sampanien
und der Bezirk Maritima aufgenommen !).
So gelang ed denn dem Papfie Clemens V. wieber ei-
nen Schirmoogt nad) feinen Wunfc gegen den König von
Frankreich zu haben, dem Erzbifchof Peter aber ein neues
Koͤnigshaus dem öfterreichifchen entgegenzuftelen, wobei fie
Beide auch im Zeitlichen ihren Stuhl recht wohl zu bedenken
wufften.
Zur Sicherheit des Erzbifchofs, der von einem Gefange-
| nen ald Haupturheber von K. Albrechtd Mord genannt wor=
4309 den), verlegte K. Heinrich den Reichstag von Nürnberg nach
Aug. Speier. Hier wurden fofort bie wichtigften Angelegenheiten
Septbr. yorgenommen.
Da der Krieg wegen ber böhmifchen Thronfolge zwi:
fchen den Herzogen von Öfterreich, Kärnthen und Baiern, wie
auch andere Fehden noch fortdauerten, fo berief ber König
biefe Firſten vor den Reichötag, baß fie in ihren Sachen
Recht nehmen und ihm huldigen follten. Unter ven boͤhmi⸗
fhen Ständen aber, welche bisher zwifchen Kaͤrnthen und
Frankreich getheilt gewefen, fand eine britte Partei auf, welche
1) Raynald. ad a. 1310. $. 3 sg.
2 Dttofar ©. 834 ff. „Daß an ber Maintat mit Werfen unb
mit Rat — nyeman ſchulbiger war benn ber ungetrew Wolf von Mainz
ber Piſcholf.“
Herfiellung d. Kaiferthums buch Heinrih VIEL. 133
den Beſchluß faſſte fich dem neuen Königshaufe in die. Arme
zu werfen. Sie befreiten bie jüngfte Schwefter des verflor
been 8. Benceflaus II, Elifabeth, welche von ihrem Schwas
ger, Herzog Heinrich von Kärnthen, gefangen gehalten worden,
und lieffen ihre Hand dem vierzehnjährigen Sohne K. Heins
richs VIL, Johann, anbieten. Diefer Antrag war dem Koͤ⸗
nige ſehr willlommen, und es wurden bald Wege gefunden,
um die Sache in Form Rechtens auszutragen. Da ‘Heinrich
von Kaͤrnthen fchon drei Jahre der böhmifchen Krone fih ans
gemaßt, ohne die Belehnung vom Reich nachzufuchen, fo er:
kannte bad Fürftengericht, daß Böhmen als vermwirktes Lehen
zu des vömifchen Königs Handen ftehe, mit Vorbehalt des
Erbrechtes der Elifabeth. Diefe wurde noch während bes
Reichstages nach Speier begleitet und mit Johann vermählt,
worauf ihm fein Vater die feierliche Belehnung mit Böhmen
Nach diefem kam die Reihe an die. Herzoge von Öſter⸗
reich, Friedrich und Leopold, welche mit fo ftattlicheg Ges
folge zu dem Reichötag gelommen waren, baß ber König et>
was befrembet fie darüber zur Rebe ſtellte. Sie entſchuldig⸗
ten fich mit der Pflicht gegen ihren ermordeten Vater, defien
Feinde in der Reichöverfammlung wären, unb mit der vorzus
nebmenden feierlichen Beftattung. Diefe ließ alfo König Hein-
rich fogleich vornehmen, zugleih auch K. Adolfs Sarg neben
dem von K. Albrecht in dem Dome zu Speier beifegen; dann
befahl er den Herzogen ihr Geleit zu entlaffen. Um fie deſto
eher zum Berzicht auf Böhmen zu bewegen, flellte der König
nach den Rathe der Fuͤrſten erſt Gegenanfprüche auf; Her:
309 Sohannd, des Moͤrders, Erbtheil fei dem Reiche verfallen,
ebenfo was K. Albrecht mit Gewalt oder Recht erworben.
Die böhmifchen Stände griffen fogar bie Belehnung bed habs⸗
burgifchen Haufes mit Öfterreih an und ‚wollten bad von
8. Richard dem Ottokar verliehene Recht auf Öfterreich wies
der geltend machen. Herzog Friedrich, unwillig über dieſe
Neckerei, wollte den Reichötag verlaflen, um fo mehr da in
1) Chron. Leob. ad a. 1309. Gesta Balduin, L.II. c. 5. Chron.
Bohem. in Mencken scrr. T. III. p. 1749.
134 Buch IHL, Erſter Zeitraum. Abſchnitt 2.
Öfterreich ſelbſt wieder Unruhen entſtanden waren. Allein
der wohlgefinnte Bifhof Johann von "Straßburg ließ nicht
ab, bi ein Vertrag zwifchen dem Könige und ben Herzogen
von Öfterreih gefchloffen war. Gegen die Pfandfchaft von
vier mährifchen Städten zu 50,000 Mark, wovon fie dem
Könige 20,000 Mark vorfchieffen, das Übrige für ſich behals
ten follten, verſprachen Friedrich und Leopold für fih und
ihre Brüder, dem Könige zur Eroberung von Böhmen gegen
Heinrich von Kärnthen und deſſen Schwager, Friedrich von
Thüringen, beizuftehen; einer von ihnen follte auch die Hees
resfolge zum Römerzug leiſten. Nach diefer freundlichen Übers
eintunft empfingen die Herzoge von der Hand des Königs
alle ihre Lehen. Den andern Zag, ba K. Heinrich über die
Königemärber zu Gericht faß, bezeugte er auch, indem er die
Acht über fie auöfprach, daß Herzog Iohann an allen Lehen
ber Herzoge von Öfterreich Feine Rechte gehabt, welche dem
Meich verfallen wären !).
Die Reichsacht oder vielmehr die Blutrache wear bereits
von K. Albrechts Mittwe und Söhnen vollzogen. Bon ben
funf Verſchwornen fiel nur Einer in ihre Hände: Rudolf von
Wart, der bei ben Morde nicht einmal Hand angelegt hatte.
Diefer wurde mit gebrochenen Gliedern auf's Rad geflochten,
unter welchem feine treue Gattin, aus dem Haufe Balm,
nachdem fie vergeblich die Königin um Gnade gefleht, betend
verharrte, bis er nach drei Tagen ſtarb, worauf ſie nach Ba⸗
ſel ging, wo in kurzer Zeit der Gram ſie toͤdtete. Herzog
Johann und die Übrigen verdarben unerkannt im Elend. Aber
von ihren Angehoͤrigen wurden in Verfolgung der Rache mehr
als tauſend unſchuldige Maͤnner, Weiber und Kinder durch
Henkershand hingerichtet. Dann gruͤndete die Koͤnigin Wittwe
mit ihrer Tochter Agnes, welche der Blutrache nicht ſatt wer⸗
den konnte, das Kloſter Koͤnigsfelden auf der Stelle, da K.
Albrecht ermordet worden ?).
Unter den übrigen Fuͤrſten welche wegen gebrochenen
1) Geſch. von Schwaben IH, 172 ff. (& 17% 3. 14 von unten ft
ftatt 30,000, 50,000 Mark zu Iefen.)
3) Müller Geſch. d. Schweiz II, 18—21,
Herſtellung d. Kaiſerthums durd Heinrich VIL 135
Landfriedens vor ben Reichötag zu Speier berufen worben, war
Grav Eberhard von Wirtemberg am melften beſchwert
durch bie Klagen der fchwäbifchen Reichsſtaͤdte. Er erſchien
auch, wie die Herzoge von Öfterreich, mit einem anfehnlichen
Gefolge und erwiederte auf die frieblichen Erbietungen des Koͤ⸗
nigs, ohne ihn anzuſehen: „was er gegen die Staͤdte unter⸗
nommen, dazu habe er Fug und Macht vom Reich gehabt,
auch ſei er keines Andern Dienſtmann, daß er nicht
thun koͤnnte was ihm gut daͤuchte.“ So ſprach Eberhard im
Gefuͤhl, daß er nicht weniger als der Grav von Luxemburg
der Behauptung des Thrones faͤhig geweſen waͤre. Da er
nun ohne Abſchied vom Reichstage hinwegging, ſprach der
König die Acht über ihn aus ).
Die weitern Verhandlungen dieſes Reichötagd wurden
fofort auf den Römerzug gerichtet. Auch hier kamen dem
Könige, wie im Vorhergehenden, lauter günftige VBerhältmiffe
entgegen. Der päpftlihe Stuhl, der fonft immer der kaiſer⸗
lichen Macht in Stalien im Wege geflanden, foderte ihn jetzt
felbft dazu auf, um durch ihn wieder in Rom eingefebt zu
werben. Aus der Lombardei kamen von den Sibellinen
und Guelfen zugleich Abgeordnete, um ihn einzuladen, jeder
Theil freilich nur in ber Hoffnung, ihn für fi) zu gewinnen.
Matthäus Vifconti, Gapitan von Mailand und mehrern
andern Städten, von ben beiden lehten Königen ald Reichs:
vicar uͤber diefelben beftätigt, durch die Torrianer aber aus
Mailand, wie Theobald Brufciati aus Brefcia, vertrieben,
fuchte mit diefem perfönlich bei K. Heinrich Hülfe Guido
della Torre, der jenen vertrieben, ließ durch Abgeordnete
ebenfalls bei dem Könige unterhandeln?). Zürs Dritte zeigte
fi) auch bei den teutfchen Fuͤrſten und Ständen wieder mehr
Bereitwilligkeit zum Römerzug, ald man feit dem Erlöfchen
der Hohenſtaufen gefehen. Mehrere waren burch Heinrich per:
ſoͤnlich gewonnen; der Reichötag faffte den einflimmigen Schluß
alle Reichövafallen zu- mahnen und beflimmte auf den Herbſt
des folgenden Jahres Lauſanne zum Sammelplag. Auch die
1) Geſch. von Schwaben II, 176 f.
2) Albert. Arg. p. 116.
I}
136 Buch IL Erſter Zeitraum. Abſchnitt 2.
Großen des arelatifchen Reichs, wieber fefler an Teutſchland
fih anfchlieffend, verfprachen Zuzug. So ungen 8. Phi⸗
lipp von Frankreich Heinrichs Erhebung fehen mochte, fo
bielt er ed doch der Klugheit gemäß auf Heinrichd Anerbieten
4310 einen Freundſchaftsvertrag mit ihm einzugeben. Hein
26. Zun.
oo
—
rich verſprach dagegen, deſſen Sohn Philipp mit der Grav⸗
ſchaft Burgund zu belehnen, ſobald durch Austraͤge entſchie⸗
den fein würde, mit wieviel Mannſchaft derſelbe als Reichs⸗
vafall den Römerzug begleiten folle :).
Ale diefe wichtigen Verhandlungen wurden in etwa ſechs
Wochen auf dem Reichötage zu Speier abgethban. In Folge
derfelben fegten fih zur beflimmten Zeit drei Heere in Bes
wegung. Das erfte, um Böhmen für K. Johann einzunch
men; ba8 andere, größtentheild aus ben obern Reichöftädten,
um die Acht gegen Grav Eberhard von Wirtemberg zu volls
ziehen unb ihn zugleich von weiterer Xheilnahme an ben böhs
mifchen Angelegenheiten abzuhalten; das dritte, ſtaͤrkſte, führte
K. Heinrich felbft über die Alpen. Schneller als feine legten
Vorgänger hatte er das Reich geordnet oder vielmehr auf
der Grundlage von jenen fortgebaut. Nach zwei Jahren ift
ihm ſchon der Schauplag zu klein; er fucht einen glänzen-
dern in Stalien, wo feit fechzig- Iahren Bein Kaifer mehr füch
geltend machen konnte.
Dies fchien nun auch nicht mehr fo fehwer, da ber *
ſtand des Landes ſich indeſſen merklich geaͤndert hatte:
Papſt entfernt, das ſiciliſche Reich getheilt, die Inſel
mehr dem Papſte gehorchend, die blühenden Republiken ber
Lombardei in Zudungen verblutend. Was den Muth und bie
Kraft diefer Städte gehoben, als fie in dem großen Freiheits⸗
kampfe gegen die hohenſtaufiſchen Kaiſer die Reichslehenleute,
einen / maͤchtigen Abel, zum Beitritt gebracht oder in ſich aufs
genommen, dad wurde die Quelle ihrer Unterjochung. Die
Podeſtas, melde die dem Meiche vorbehaltenen Rechte im
- Namen des Kaiſers oder bed Bifchofd verwalteten, dann auch
die Verwaltung ber den Städten überlaffenen Regalien, be⸗
fonderd das Gapitaneat oft in mehreren Städten zugleich
1) Leibnit, Cod. jur. gent. dipl. I. Num. 32 sq.
Herſtellung d. Kaiſerthums durch Heinrich vu 137
an fich brachten, ſchwangen ſich in dem fortwaͤhrenden Par⸗
teikampfe aus ſtaͤdtiſchen Beamten zu Herten (Seigneurs)
der Städte auf. Sie lieffen fich dazu vom Kaifer, oder wenn
feiner bawar, vom Papſte auch das Reichsvicariat über ges
wifle Diſtricte übertragen, und verbanden alfo in ihrer Per
fon mehrerlei Gewalten zugleich, ovon bie eine der andern
zur Unterflügung diente. Bei dem Übergewicht ded kriege⸗
rifhen Adels aber waren ed gewöhnlich mehrere größere
Familien in jeder Stadt, welche um bdiefe Rechte miteinander
im Kampfe liegend fich wechfelsweife vertrieben oder Buͤnd⸗
niffe einander entgegenfiellten. Der frühere Kampf der Gi⸗
beillinen ober SKaiferlichen mit den Guelfen oder fäbtifch
und paͤpſtlich Gefinnten war in einen Kampf der Parteihäup:
ter übergegangen, welche zwar bie alten Namen beibehielten,
aber nur die perfönliche Oberherefchaft zum Ziele hatten *).
Penn die Kaifer vormald gegen bie Widerfpenftigen mit’ firens
gen, gefeglichen Strafen verfuhren, fo berrfchten jeht die ein»
heimifchen Herzen über ihre ehemaligen Mitbürger mit beifpiel-
Lofer Willkuͤr und Grauſamkeit?). —
Um ſo dringender war das Einſchreiten des Reichsober⸗
hauptes, und um fo leichter ſchien es die durch fortwaͤhrende
Spaltungen geſchwaͤchten Staͤnde in die vorige Unterwerfung
zurückbringen zu koͤnnen. K. Heinrich VIL hoffte das nicht
ſowohl durch Waffenmacht als durch Maͤßigung zu erreichen,
da er ſich entſchloſſen hatte keine Partei zu nehmen. So |
ging er vertrauendvoll über den Genis, begleitet von zwei 1310.
Brüdern, dem Erzbifchof Balduin und dem Graven Walram Septbr.
von Luremburg, von dem Pfalzgraven Rubolf, bem Herzoge San
Leopold von Öfterreich, den Graven Amadeus von Savoyen
be
1) Verst, Eichhorn deutſche Staats: unb Rechts⸗Geſch. F. 897.
2, Statt aller Beifpiele führen wir, das Toörturmandat von
Galeazzo IL aus dem Haufe Viſconti an. Die weldye während bes ins -
nern Kriegs im mindeften ihm entgegen gewefen, wurden nicht weniger
als 40 Zage gemartert, bis fie endlich) auf's Rad gelegt wurden. Vom
3. Zage an fuhr man mit Augenaudreiffen, Gliederabſchneiden 2c. fort
und ließ immer wieder einen Tag dazwiſchen. In ben Ichten 6 Tagen
wurben bie Genitalien auf dreimal abgefchnitten. Leo Geſch. v. Italien
II. ©, 311.
1335 Bud IH. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 2.
und Guido von Zlandern, den Bifchöfen von Lüttich, Baſel
und vielen andern Herren.
As der Bifhof von Coflanz feine Ankunft in der Lom⸗
barbei verfündigte, entfland in allen Städten eine fo große
Bewegung, ober ed erwachten in allen Parteien fo lebhafte
Hoffnungen, daß die von Guido de la Torre vorgefchlagene
Gegenvereinigung vereitelt und die fämmtlihen Herten ber
Städte gendthigt wurden mit ihrer Mannfchaft dem Könige
entgegenzuziehen, wodurch fein etwa aus 1000 Bogenſchuͤtzen
und eben fo vieler Reiterei beſtehendes Heer beveutend an⸗
wuchs. So bielt er, mit Befeitigung ber erften Hinberniffe,
. 1310 feierlihen Einzug in Mailand, wo Guidos Fahnen, weil er
2. Dee fie nicht fogleich vor dem Könige fenkte, von den teutfchen
Kriegern zur Erbe geriffen wurden. Allgemeinen Frieden ließ
Heinrich ausrufen und erflärte, daß ex weber Gibellinen noch
Buelfen kenne. Er ließ auch die Parteihäupter einander die
Hände ‚geben und Vergeſſenheit des Bergangenen und Wie⸗
deraufnahme der Vertricbenen verfprechen. Bei der feierlichen
Krönung, wozu eine neue Krone gemacht wurde, weil die fo:
genannte eiferne des lombardiſchen Reichs verloren gegangen
war, empfing Heinrich die Huldigung von ben Städten der
Lombardei und der veronefifhen Mark und hielt darauf einen
Reichötag, um bie Berwaltung zu ordnen. Soweit ging Alles
nah Wunfd ')..
Aber von biefem Tage an traten größere Schwier'gleiten
hervor. Es war befchloffen auf den Antrag ded Königs, daß
jede Stadt fir den biöherigen Podefta einen Königlichen Statt:
halter einnehmen folle, und Heinrich wählte hierzu Guelfen
und Gibellinen ohne Unterfchied, das Reichsvicariat der Lom⸗
bardei aber übertrug er dem Graven von Savoyen. Nicht
fowohl jene Abänderung in der Verfaflung, wobei der König
auf die roncalifchen Beſchluͤſſe K. Friedrichs I. zurüdzugeben
ſchien, ald vielmehr bie Unverträglichleit der Parteien, da bie
Guelfen die bisher unterdrüdten Gibellinen ſich gleichgeſtellt
1) Zu den ſchon angeführten Quellen gehört noch Nicol. Bo-
tront. ep. relatio etc. in Murat. scrr. T. IX. auch zu bem Bol:
genden.
Herfiellung db. Kaiſerthums durch Heinrich VIL 139
fahen, weckte fofort neue Gährung, und diefe ergriff die erfle
Gelegenheit zum Ausbruch, als der König zur Dedung feis
ner Koften eine Kronftener umlegen ließ. Mailand ging wie
gewöhnlich voran, mehrere anbere Städte folgten dem Bei⸗
ſpiel und trieben die Gibellinen wieder aus. Sie fanden dar⸗
in Aufmunterung bei den tufcifchen Städten, und zugleich Tas
men bie geheimen Verſtaͤndniſſe König Roberts von Nea⸗
pel an den Tag.
Dieſem war K. Heimichs Ankunft am meiſten zuwider.
Kaum zuvor hatte er vom Papfte zu Avignon die Anerken⸗
nung und Krönung erhalten, gegen die Anfprüche feines Oheims
Karl Robert, der zu der ungerifchen Krone auch die von Nea-
pel behalten wollte. Auf feiner Rüdkehr hatte er die Staͤdte
Aſti und Alerandria auf feine Seite gebracht; die tufcifchen
Städte waren es fchon und festen fih nun in Bereitichaft
ut feiner Unterſtuͤtzung Heinrichs Kaiferfrönung zu verhins
ben. Dabei hatte auch der König von Frankreich feine Hand
im Spiele, ungeachtet in dem Freundſchaftsvertrag mit Hein»
rich bedungen war, daß Jeder des Andern Gefahr und Scha⸗
ben ohne Trug und Lift wenden folle !).
Durch diefe fehnelle Wendung der Dinge ſah fih König
Heinrich bei allen übrigen Verfchievenheiten doch nun in der⸗
felben Lage wie vormals die hohenflaufifchen Kaifer: er muſſte
zum Schwerbt greifen. In Mailand wurden bie Torrianer
vertrieben, ihre Häufer geplündert und zerflärt. Die Cremo⸗
nefer ‚wollten der Strafe zuvorfommen und fich unterwerfen;
Heinrich vernichtete aber ihre Freiheiten und ließ die Stadt⸗
mauern nieberreiffen. Breſcia hingegen widerfland vier Mo:
note lang; die päpftlichen Legaten, welche den König begleis
teten, vermittelten endlich die Übergabe, die Bürger muflten 1311
aber auffer der Niederreiffung ihrer Mauern 70,000 fl. Strafe 24. Sept.
bezahlen; ihr Gapitan Brufciati, der dem Könige feine
Wiedereinſetzung zu danken hatte, war bei einem Ausfall ge
fangen und als Eidbrüchiger an ein Pferd gebunden und ges
fihleift worden.
1) ©. oben. Die Urkunde wurbe fogar während biefer Begebenhei⸗
ten noch einmal beftätige, 23. Eeptbr. 1811, am Tage vor ber Über:
gabe Breſcias. Du Mont, T. L P. I. Num. 615.
140 Bud DL Erfter Zeitraum. Abſchnitt 2.
Heinrich VII. hoffte den rigen Stäbten Schreden ein
zujagen, aber ex fleigerte nur die Erbitterung. Die Gibelli-
nen traten unter feinen Schuß; die Ernennung des Matthäus
. Bifconti zum Reichsvicar in Mailand warb als öffentliche
1311
13. Der.
Erflärung fir ihre Partei angefehn, und fo fand die alte Zwie⸗
tracht der Guelfen und Gibellinen wieber in hellen Flammen.
Ungeachtet Heinrich brei Viertheile ſeines Heered vor Brefcia
durch Hunger, Seuchen und Waffen verloren hatte, wobei
fein Bruder Grav Walram geblieben, fo ließ er ſich Doch
nicht abhalten den Zug nach Rom fortzufegen. Bon Genua,
wo er auch feine treffliche Gemahlin verlor, ging er zu Schiffe
nah Piſa. Hier erhielt ex bedeutende Verſtaͤrkung von den
Gibellinen, erfuhr aber, daß zu Rom ein flärkerer Widerſtand
feiner warte,
K. Robert von Neapel hatte ihm zu Genua ein Bimd⸗
niß antragen laffen und auffer einer Kamilienverbindung das
Reichövicariat uͤber Tuſcien und die Lombarbei nebſt der Reichs⸗
admiralwinde im mittelländifchen Meere verlangt; auch ber
König von Frankreich verlangte jebt das arelatifche eich
und dad Rhoneland bi Genf dafür, baß er bei Heinrichs
weitern Fortfchritten unthätig bleiben würde. Da Heinrich Beide
mit Verachtung adgewiefen, fo verflärkte K. Robert die Bes
fagung von Rom, bie er ſchon während jener Verhandlungen
unter dem Vorgeben babin gelegt hatte, Heinrichd Krönung
zu verberrlihen. Rom ſelbſt war, wie alle italienifchen Städte,
in zwei Parteien getheilt, unter den Häufern Colonna und
Urfini, den Lebtern als Guelfen, ben Erſtern als Gibellinen,
4312 und fo fand Heinrich bei feiner Ankunft die Hälfte der Stadt
7. Dat, mit einem flarten und feindlichen Heere, wozu auch tufcifche
Guelfen gefloßen waren, beſetzt). Heinrich VIE eroberte
zwar das Gapitol, aber den Batican und bie Peterskirche, wo
berfömmlich die Kaiferfrönung gefchehen follte, Tonnte er den
Neapolitanern nicht entreiffen. Endlich, nachdem diefer Kriegö-
zuſtand die Stadt faſt zwei Monate lang gebrüdt, wurben
die Carbindle von Heinrih im Einverftändniß mit ben uns
— Gin ähnlicher Fall war bei K. Heinrichs IV. Krönung. Bbo. IL
Herfellung d. Raifertbums buch Heinrich VIL 141
gebulbigen Römern gezwungen bie Krönung in der trans
fchen Kirche vorzunehmen, nachdem er den Kroͤnungseid abs 1312
gelegt. Die Carbinäle entihuldigten fich bei dem abweſenden 2. Jun.
apſte; dieſer nahm aber Seinen Anftand zu. Ganflen Hein:
richs die Beflätigung zu geben und das Mangelhafte zu ers
ganzen.
Als nach der Auflöfung bed fränkifchen Kaiferreiches das
teutfche Reich gegründet wurde, verfloffen 40 Jahre unter drei
Königen, bis der dritte (Dito L) das Königreich Italien und _
dad Kaiferthum berzubrachte. Zaſt eben ſoviel Jahre verflofs
fr feit der Wieberherfielung des Reichs durch K. Rudolf J.
und 62 Sabre feit 8. Friedrichs IE. Tod, bis Zeutfchland wies
der einen Kaifer hatte oder bis. es wieber zur Ausuͤbung ber
Kaifergewalt in Italien Fam; wiewohl die beiden Zeiträume
mächtig Darin verfchieben find, daB damals bas Kaiſerthum
im Steigen war, jegt aber nurnoch die Trummer zuſammen⸗
gehalten: wurben unter Abhängigkeit vom paͤpſtlichen Stuhl.
Heinrich VII, hatte zwar die Krönung erreicht, aber fir
alien, für das kaiſerliche Anfehn war noch Nichts gethan.
Seine Stellung in Rom wurde fogar hoͤchſt bedenklich, da
die teutichen Fuͤrſten nach erfülter Pflicht des Roͤmerzugs zu⸗
rudgingen. Gegen ihn flanb der tapfere, unternehmenbe Koͤ⸗
mg Robert, in feinem. Ricken die vereinigte Macht ber
Gunelfenz fen Statthalter in der Lombarbei, Grav Werner
von Hohenberg, in demſelben Gedraͤnge. Aber Heinrichs Muth
und Klugheit fanden bald: neue Mittel. Noch che ihn. die
Zürften vertieften, ſchloß ex mit dem Könige Friedrich von
Sicilien ein Buͤndniß gegen K. Robert, inbem er jenem
einen Theil deffen zugefland, was biefer verlangt hatte. Gr
verlobte eine feiner Töchter dem Sohn beffelben und ernannte
ihn ſelbſt zum Reichsadmiral mit dem VBerfprechen, ihm zur
Eroberung bed neapolitauifcken Reiches zu helfen. K. Friebe
rich verfprach ihm Dagegen Beifland zu Wafler und zu Lande
gegen die Guelfen mit jährlichen 50,000 Duc. Subfibien ').
Sogleich erlärte Heinrich den Guelfen im mittlern en Zul.
1) Chron. Sicil. e. 74. in Muratori T. X. p. 2; auffer ben
ſchon angeführten Quellen.
x
142 Bud Hl. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 2,
lien den ‚Krieg, indem er Rom verließ. Nach verſchiedenen
Geefechten und Eroberungen fchlug er fein Lager vor Florenz,
den Hauptfiße der Guelfen, auf. Bei Annäherung des Win
ters zog er nad St, Caſciano, danmn nach Poggiboni, wo er
ein kaiſerliches Schloß anlegte. Zugleich entbot er ſeinem Sohn,
1313 dem Koͤnige Johann von Boͤhmen, den Reichstag zu einem
6. Ian. neuen Zuzug zu vermögen. Die Fürften' ‚Kelten zwar erft die
Frage, ob der Krieg gegen Neapel als ein Reichskrieg zu be⸗
trachten ſei; doch verſtanden ſich mehrere zu einer freiwilli⸗
gen Huͤlfe, beſonders die Herzoge von Öſterreich, deren Schwe⸗
ſter Katharina dem Kaiſer vermaͤhlt werden ſollte. Es wurde
beſchloſſen, K. Johann ſolle auf das Fruͤhjahr das Kriegsheer
feinem Vater zuführen.
Während dieſer Binterrüflumgen unterließ 8. Heinrich
nicht ven Recht sweg vorzunehmen. "Schon auf der Ruͤck⸗
kehr von Rome zu Axezzo warb König Robert mit allen fei-
nen. Anhängern (den Guelfen) des Verbrechens ber Empörung
und der beleidigten Majefät angeklagt, und ald Niemand auf
die Vorladung erfchien, die Sache den Rechtögelehrten zu Bo⸗
logna zum Gutachten übergeben. Diefe erfannten auf Reichs⸗
acht, Verluſt aller Würden, Güter und Leben nebft der To⸗
deöftrafe. Heinrich genehmigte dies Urtheil und ließ es, ba
85, April. er nach Piſa Fain, in Öffentlicher Verſammlung. verkünden 2),
Ob man dabei an das Verfahren gegen Konradin gedacht, iſt
nicht bemerkt, es findet vielmehr hier Das umgekehrte Verhaͤlt⸗
niß ſtatt. Konradin verfolgte .befanntlic fein Erbrecht und
war nit von K. Karl abhängig, vielmehr hatte diefer die Be:
lehnung mit der Grapfchaft Provence, wie er fpdter felbfi
gegen K. Rudolf: zugeflanden, zu muthen unterlafien. K. Ro:
bert, fein Enfel, aber war nicht nur anerkannter Reichsvaſall
durch jene Gravſchaft, fondern die Rechtsgelehrten fcheinen
auch die zu König Lothar Zeit behaupteten Reichörechte über
Apulien, wo nicht die Eaiferliche Dberhoheit über alle andern
Könige, vor Augen gehabt zu haben.
Schon durch die Kriegsruͤſtungen un noch mehr durch
dieſes Urtheil wurden der Papſt und der König von Frank⸗
1) Raynald, ad a. 1818. S, 11 49.
Herftellung d. Raifertbums duch Heinrich VII, 143
reich aufgebracht. Jener verlangte als Lehendherr van Nea⸗
pel, ber Kaifer folle fich mit feinem Vafallen, dem K. Sobert,
vertragen und das Buͤndniß mit dem König von Sicilien aufs
geben. Als der Kaifer erwieberte, der Papft habe Feine Macht
dad Berfahren gegen aufrührerifche Vaſallen zu hindern, fos
derte Clemens blinden Gehorfam Fraft des geleifteten Eides
br Zreue Nun ift allerdings wahr, daß Heinrich, wie
oben gemeldet, feinen Sefandten an den päpftlichen Stuhl aufs
getragen den Eid der Zreue und jeden andern zu ſchwoͤren;
in feinem Kroͤmmgseid aber, den er bem Carbinallegaten abges
legt, bat er nur in allgememen Auöbrüden verfprochen, daß
er Beſchützer, Sahmwalter und Vertheidiger bed roͤ⸗
miſchen Stuhles fein wolle, nach feinem beſten Wiſſen und
Vermoͤgen, mit aufrichtiger und lauterer Treue?!).
Deswegen gab er auf jene Anfoderung des Papſtes vor No⸗
tar und Zeugen die Erklärung, daß er Niemandem (ald Bas
fall) mit dem Eid der Treue verbunden fei, jener Eid dürfe
alfo nicht über feinen Sinn ausgebehnt werben). Viel⸗
mehr verlangte ex nach der Achtöerflärung, der Papft folle
nach dem Beifpiele feiner Borfahren über die Rebellen bes
Reichs auch den Bann ausſprechen und den K. Robert wegen
feiner zu Verachtung bed Kaiferd und bed Papſtes in Rom
vorgenommenen Gewaltihätigkeiten zur Strafe ziehen. Allein
Cemens V. muſſte eben jetzt auf's neue feine Abhängigkeit
vor Frankreich fühlen; K. Philipp verlangte, er folle im Se
geniheil den Kaifer mit dem Banne bedrohen, wenn er nicht
von dem Kriege gegen 8. Robert abftcehen würde. Er felbft
machte Anftalt in das Luremburgifche einzufallen ?).
Doc Heinrich VIL, nicht gewohnt fich ſchrecken zu laffen,
betrieb nur um fo mehr, da der Papſt den Bann wirklich
auöfprach *), feine Rüftinigen zu Waffer und zu Lande. Die
Genuefer und Pifaner lieffen, wie zu Konrabind Zeit, eine
Flotte auslaufen, K. Friedrich von Sicilien landete in Cala
1) Raynald. ad a. 1312, $. 65.
D) Olenſchlager Staatsgeſch. x. Urk. 15.
3) Albertin. Mussat. L. XVI. c. 8,
4) Baluz. vit. Pontif, Aven. T. II. p. 1228.
444 Buch DIL. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 2.'
brien. „Heinrich ſelbſt brachte von ben Gibelliuen und durch
Freigedigkeit mit ReichBlehen ein beträchtliche Heer zuſam⸗
men, mit bem er bei Zerracina in das neapolitanifche Gebiet
eindringen wollte; das teutſche Huͤlfsheer war ſchon unters
wegs:). K. Robert ſah fich fo im Gedraͤnge, daß man glaubte,
er werde zur See nach Frankreich fliehen. Der Zeitpunct
ſchien alſo nicht mehr fern, da ganz Italien wieder unter Ei⸗
nen Herrn gebracht und die Kaiſergewalt vollkommen herge⸗
ſtellt werden konnte.
1313 Da ſtarb K. Heinrich VII., nach italieniſchen Geſchicht⸗
24. Aug. fchreibern ?) an einer gewöhnlichen Krankheit, nach teutfchen °)
an Sift, das ihm ein Dominicanermönch, Bernhard von Monte
Pulciano, beim Abendmahl im Spuͤlkelch beigebracht hatte.
Es ift nicht unwahrſcheinlich, daß Beides zufammengetroffen, die
letztere Meinung aber hat mit triftigern Gründen als ähnliche
Sagen beim Tode K. Friedrichs II.. K. Konrads IV. u. A.
fofort eine ſolche Allgemeinheit erhalten, daß der Dominicas
ners ober Prediger: Drben nad) 33 Jahren nach nöthig fand
fich von dem Sohne des Kaifers frei forechen zu Infien, was
eben auch wieber Fein gutes Zeichen ift*).
Wie dem nun fein mag, fo Eonnte ber guelfifhen
Partei Nichts erwünfchter fallen ald ber Zob des Kaifers in
dieſem Augenblid. Sie feierte Sreubenfefle, daß an dem⸗
1) Albertin. Mussat. L co.
2) Albertinus Mussatus, Joh. de Cormenate, Ferre-
tus Vicentinus,.
8) Die gleichzeitigen Albertus Argent., Volcmar, Joh.
Vitoduranus, befonderd aber die Gesta Balduini, deren Verfaſſer
bie Nachricht von dem Bruder bes Kaiſers haben konnte, wiewohl biefer
ſchon früher nach) Haus gelommen war.
4) Leibnit. cod. jur. gent. I. p. 188. K. Johann beburfte ba-
mals be Papftes gegen Lubwig ben Baier. Das Merkwürbigfte if, bag
zwei Prebigermöndge bie Vergiftung "geradezu geftehen, Ptolemaeus
Lucensis und Conradus de Halberstadt, Muratoris
Zweifel gegen ben Erftern hat Häberlin (Reichögefchichte IIT, 66. Anz
merk, 0.) aus einer Handſchrift des vierzehnten Jahrhunderts widerlegt.
Auh Aeneas Sylvius (nachheriger Papft Piusll.) fagt in der Hist.
Boh. in Freher. p. 138.: — VAL: hostili fraude veneno ex-
tinctus fertur,
8. Heinrichs VIEL Xob, 1313. 145
felben Tage (St. Bartholomäus) da vor 45 Jahren Konradin
gefchlagen worden, die neue Oberherrſchaft ihr Ende gefun-
den. Im der That aber hat biefe Begebenheit für Zeutfchland -
wie für Italien fchwere Folgen gehabt. Wenn man auch mit.
Recht zweifeln darf, ob bei ber Ausführung der Entwürfe
Heinrich VII. Italien fofort zur Ruhe zuruͤckgekehrt fein würbe,
fo muß man doch zugeftehen, daß kein Kaifer verhältnißmä-
Big und in fo Eurzer Zeit (wovon nur zwei Jahre auf Teutſch⸗
lanb, vier auf Italien kommen) fo vafche und nachdruͤckliche
Fortſchritte gemacht habe, daß nicht bie plöglihe Hemmung
derfelben die größten Exfchütterungen nach fich ziehen muffte.
Da die Geſchichte ſich nicht mit Möglichkeiten aufhalten darf,
fo wenden wir und fofort zu ben wirklichen, Folgen.
In Italien brach der Parteilampf mit neuer Erbitterung
and. Der Statthalter, Grav Werner von Hohenberg, muſſte
zwar endlich die Lombardei verlafien, bagegen übernahm
Matthäus Vifconti die Leitung ber Gibellinen. Diefe .
mufften alle ihre Kräfte zufammenraffen, um bie Guelfen zu
verhindern, daß fie nicht auch das nördliche Italien in bie
Hände K. Robert überlieferten.
Payft Clemens V. wagte nun erfl ganz laut zu fprechen.
Er bob die Reichdacht gegen K. Robert ald nichtig auf und er⸗
Härte den kaiſerlichen Krönungseib für einen wirflichen Eid
der Treue (wie ihn jeder Vaſall zu ſchwoͤren habe); alfo follte
das Kaiſerthum in ver Hand bes Papftes fiehen und biefer
bei der Erledigung an die Stelle des Kaiferd treten!). Im
biefer Eigenſchaft ernannte er den K. Robert zum Reichs⸗
verwefer in Italien. Dieſer ſtarb aber ſchon acht Monate 1314
nach K. ‚Heinrich, und ein halbes Jahr nach ihm auch König 20. ‚April
Philipp von Frankreich, Alfo traten’ in kurzer Zeit bie
Hauptperfonen vom Schauplage ab. Im Ganzen hat Heins
richs VIL vereitelte Unternehmung die nachgefolgte Zerſplitte⸗
sung Italiens befoͤrdert.
In Teutſchland waren ſchon waͤhrend Heinrichs vier⸗
jähriger Abweſenheit mancherlei on und Beränderuns
“
1) Constitutio Clementis V. de sentent, et re judicata; de Jure-
jerando. Vergl. Olenſchlager a. a. O.
Pfiſt er Geſchichte d. Teuticgen IM. 10
146 Buch M. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 2.
gen entflanden, ungeachtet er immer bie Reichsverwaltung im
Auge behielt und häufige Verordnungen herausſandte.
Wegen der Jugend bed Könige Johann von Böhmen,
welchem fein Vater. die Reichsverwefung übertragen hatte, wa
ten bemfelben ber Erzbifchof Peter von Mainz und ber in
den Fuͤrſtenſtand erhobene Gran Bertold von Henneberg
beigeordnet. Die Eroberung von Böhmen ging unter bie
fer Leitung gluͤcklich von flatten. Heinrich von Kaͤrnthen that
zwar noch mit dem Landgraven Friebrich von Thürin⸗
germ Widerſtand und befegte die feflen Plaͤtze. Doch ergab
fih Kuttenberg mit Berufung auf Prag, und die Prager, ber
Belagerung uͤberdruͤſſig, lieſſen endlich den 8. Johann ein.
Heinrich von Kaͤrnthen erhielt freien Abzug aus dem Hrad⸗
fchin und entfagte feinen Rechten, den Titel audgenommen.
Dann erfolgte 8 FJohanns feierliche Krönung durch den
Erzbiſchof Peter von Mainz. Durth dieſen wurde zu Prag
1310 auch ein Vergleich mit dem Landgraven Friedrich getroffen,
19. Dec. ſobald Heinrich von Kaͤrnthen zuwüdgetreten war. Er erhielt
Meiſſen und Ihlningen, weldyes die beiden Könige Abolf und
Albrecht an das Reich oder an ihr Haus bringen wollten, zu⸗
hd. K. Johann, dem es die verpfändete böhmifche Stadt
Luna wieder eingegeben, fıberließ ihm das noch zum RKeich
1311 gehörige pleiffner Land auf zehn Jahre, das dann auch bei
1. April. feinem Haufe blied, ba die Einloͤſung unterlaffen wurde ').
Das andere Reichöheer, das K. Heinrich bei feinen Zug
nad) Italien gegen die Graven Eberhard von Wirtemberg und
Konrad von Dtingen zu Felde ziehen ließ, machte eben fo
gute Sortfehritte. Beide wurden nach dem Verluſt ihrer Bur⸗
gen von Land und Leuten vertriebens die meiften ihrer Stäbte
waren ſchon im Begriff Reichöftädte zu werden. Diefe Gras
ven durften fich über ben Tod bes Kaifers fteuen; ohne dieſe
Begebenbeit würde wohl ihre Landesherrſchaft erlofchen fein.
Dagegen find die Herren von Weindberg, welche das fläbti=
fche Heer führten, Tängft verfchmwunden ?).
1) Chron. Leob. ad hh. aa. Anon. Chron. Bohem. c. 93. Ten-
zel vita Frid. adinors. Sect. IV. in Menckea sar. U. p. 952 sq.
2) Geſch. von Schwaben III, 178 ff.
⸗
Das nordoͤſtliche Teutſchtand unt. Heinrich VII. 147
Die andern Länder blieben in dieſer Seit ſaſt ganz ſich
ſelhſt überlaffen. Darkder ift e8 in dem norböfllihen
Zeutichland zu folgenden Berhältniffen gekommen.
Zu derfelben Zeit als K. Heinrich VII. nach Italien auf:
bach, entfland ein verwidelter Kampf um ben Befig von
Yommern. Die Markgraven von Brandenburg waren
don von K. Sriebri II. mit biefem Lande belehnt worden
ud hatten auch von K.Adolf die Urkunde ernenern Taffen.
Uber die beiden Kronen Böhmen und Polen wollten ihre
Infprüche nicht aufgeben. Niemand wuffte, wer der eigentliche
Herr wäre. Bon der einen Seite griffen die Brandenburger
zu; auf der andern gelang es dem K. Wenzlam II. von Böhs 1305
nen bad Land in Befig zu nehmen, nad feiner Ermordung 1306
ober beachte der polnifche König Uadiſlaw Loktek bie Gros
dm auf feine Seite, indem er bie boͤhmiſchen Berfügungen .
wider aufbob.
Diefer Streit konnte den teutfchen Rittern in Preufs
im gar nicht gleichghltig fein, da fie bereits anfingen ihre
Serfhaft gegen Pommern bin auszubreitn. Böhmen war
km Orden von jeher günflig, von feiner Nachbarfchaft war
noch weitere Bereicherung des Drbenögebietes zu hoffen. Wenn
hingegen Pommern unter der Henfhaft von Polen blieb, .
das die Oberberrlithfleit des teutfchen Reichs nicht mehr aner-
kannte, fo war der Orden Durch jenes Zwiſchenland vom Reiche
abgeſchnitten. Während biefer Beforgrtiffe aber näberten ſich
die Polen von felbft und riefen bie Bitter gegen die Brars
denburger zu Huͤlfe, welche fehon bis Danzig vorgebrungen 1308
waren. Bern fanbte der Landmeiſter einen Zuzug. urch
dieſen wurde nicht nur die Burg zu Danzig behauptet, ſon⸗
dem andy die Stade wieder ben Branbehburgern entriffen.
Arm entſtand Streit zwifchen ten Bitten und ben Polen.
Die Letztern verlangten den Abzug der Ritter, che biefe ent
Mädigt waren. Darlibes kam es zum blutigen Rampfe: bie
Yon wurden erft aus ber Burg, dann auch aus der Stadt
vertrieben, unb fo brachte ber Orden Danzig in feine Gewalt.
Im ſich darin zu fichern, hielt ſich dee Landmeiſter berechtigt
ach die Städte Dirſchau und Schwetz zu beſetzen. Doc
mochte er fühlen, daß das Eroberungsrecht aan
.
. 448 Bud IN. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 2.
ſei. Er trat daher in Unterhanblungen mit dem Marfgraven
Waldemar von Brandenburg, der für bie Summe von 19,000
Mark die brei Städte mit ihrem Gebiet an den Orden fiber
tieß und auch bie Zuftimmung der Fürften von Rügen und
der Herzoge von Glogau beizubringen verfprach, fowie ber
Orden feinerfeitd die Bewilligung des Papfles nachfuchen
wollte. _ Schon vorher kaufte der Orden ben Bezirk zwifchen
der Weichſel, Nogat und dem frifchen Haff, das Fiſchwerder
genannt, von bem Herzog Primiſlav von Cujavien für 1000
thorner Denare.
. Mitten in biefen Erwerbungen aber brobte dem teutfchen
Orden durch ben Erzbifhof von Riga ein ähnliches Unglüd,
wie den Zempelrittern durch den König von Frankreich; bie
beiden Gegner‘ hatten ſchon ben Papft Clemens V. für ihre
Abfichten gewonnen. Die bed Erzbifchofs war Feine andere,
ald den teutfchen Drben aus allen feinen biöherigen Erwer-
bungen in Preuffen und Livland zu verbrängen. Diefe Lage
veranlaffte den Hochmeifter das Haupthaus von Venedig nach
Marienburg zu verlegen. Während der Papft ben weitauöfes
benden Proceß zu Gunſten des Erzbiſchofs einleitete, trat der
Kaifer mit befonderer Zuneigung auf die Seite bed Ordens
in Abficht der Erwerbungen in Pommern. Schon vor ber
1310 Romfahrt beftätigte ex den Vertrag mit dem Markgraven Wal-
77. Zul. demar. Auf bem Zuge in Italien machten ſich mehrere Mit-
glieder bed Ordens, befonderd ber Landkomthur in Franken,
fo verdient, daß der Kaifer, während der Belagerung von Bres
1311 feia, dem Orden überhaupt alle ſchon gemachten oder noch
12. Zul. zu machenden Erwerbungen zuerkannte und genehmigte. Alfo
kam Hinterpommern oder Pomerellen, von der Mündung
der Leba bis Schweß hinauf, an ben teutfchen Orden; Mark:
grav Waldemar hingegen behielt das Cafubens und Wenden:
Land diefleit der Leba. Auf bie Anfprüche der Polen wurbe
Feine Rücficht mehr genommen, nachdem ber Markgrav die an
dern Zuſtimmungen beigebracht hatte; die Bewilligung bes
Papſtes warb übergangen. Der Kaifer betrachtete die bisher
erworbene Landfirede bed teutichen Drbens als Zugehör bes
teutfchen Reiche ').
1) Voigt Gef: Preuſſens x. IV, 182266.
Das nordoͤſtliche Teutſchland unt. Heinrich VIE 149
| Das traurige Schilfal das K. Philipp von Frankreich
den Zempelrittern wegen ihres freimüthigen Widerſtandes
gegen feine Geldoperationen bereitete, Eonnte Kaifer Heinrich
zwar nicht abwenden, boch wurde es in Zeutfchland nach Möge
lichkeit gemildert, weil die bieffeitigen Kirchenverſammlungen
die den Rittern aufgebürdeten Befchuldigungen nicht gegrüns
det fanden. Zu Mainz führte der Rheingrav Hugo die Sache 1310
feines Drbens mit ebler Freimuͤthigkeit und appellirte an ben
kuͤnftigen Papft und eine allgemeine Kixchenverfammlung. Als
Dapft Clemens V. auf dem Goncilium zu Vienne (welches
ihn auch an ber Kaiferfrönung verhinderte) fich bewegen ließ
den Orden auf die fchmählichfte Weife der Habſucht und Graus
ſamkeit des franzöfiichen Königs zu opfern, fo muffte zwar.
derſelbe auf päpftlihen Befehl auch in Zeutfchland aufgehoben 1312
werben, doch nur foweit, baß bie Templer unter bie Iohans 3 Mei
niter geſteckt wurden, welche nach und nach auch ihre Güter
erhielten. So erhob fih das Johanniter: Heermeiflerthum
im Brandenburgifchen. In den Weichfelgegenden aber kamen
die meiften Guͤter der Johanniter durch Kauf und Zaufch an
den teutfchen Orden ).
Markgrav Waldemar verkaufte feine Anfpräche an Po⸗
merellen hauptſaͤchlich deswegen, weil er faſt mit dem ganzen
Rorben im Krieg war. Ihm gegenüber ſteht der eben fo krie⸗
geriſche Landgrav Friedrich von Thüringen, bir, nachdem
der oben berührte prager Vertrag ihm ben Kanbesbeflg von
Seiten des Reichs gefichert hatte, erſt noch um einzelne Theile
mit den Nachbarn kaͤmpfen muffte, einerfeitd mit den Erfur⸗ 1g44
tern, welchen fein Bater Güter verkauft, andrerfelts wit dem mat.
Morkgraven Waldemar, welchem Friedrichs Bruber, Digmann,' 1312
die Niederlaufis überlaffen hatte. Er gerieth: in bed. Marks
graven Gefangenfchaftz über feine Erledigung brach neuer
Krieg aus, während auch die Erfurter den ihrigen fortfegten.
Die brandenburgifchen Lande, bisher unter mehrere Linien ge:
theilt, fielen durch Abfterben derfelben an Waldemar allein,
1) Plant Geſch. d. Papſtthums II, 189 ff. Häbertin Reihe:
gefchichte IL, 85 f Buchholz Seſchichte ber Churmart il, 3%.
Boigt a. a. O.
160 Buh.ÄHL: Erfter Beitraum, Abſchnitt 2..
bis auf den Antheil Heinrichs von Landsberg‘). Damit
nicht zufrieden ‚fehte Waldemar ben Krieg gegen ben Landgra⸗
gen Friedrich fort, während er auf der andern Seite in Ver-
bindung mit. dem Könige Erig VIII. von Dänemark und
Herzog Heintih, von Mecklenburg die Stadt Rofiod befeh⸗
1316 bete. Der Landgrar endigte den erfurter Krieg, während deſ⸗
“ fen. fein Vater, Albrecht der Ausgeartete, fein unruhiges Leben
in großer Dürftigkeit. beſchloß. Dagegen verlor er an den
Markgraven Waldemar die Städte Meiffen, BDreöben und
1317 Großenhayn. . Endlich. kamen ſie auch miteinander au einem
Friedensvertrag, zu deſſen Erfüllung beiderfeits einige Stähte
zuruͤkbehalten wurden ?).. Diefe Begebenheiten fallen zuns
Theil noch in. die, nmaͤchſte Kaiferregierung, uud Waldemars vald
darauf erfolgter Top vevanlaffte eine der wichtigſten Veronde⸗
rungen unter .bem Bürfenhäufern.
. Die Begebenheiten in Baiern und Sſterreich hinge:
gen führen uns wieber zu dem Hauptfaden unſerer Gefchichte
zuruͤck. Herzog Otto, aus dem Hauſe Wittelsbach, ge
nennt ber. Erlauchte, Alleinben in Bajern und Rheinpfalz,
1253 binterließ_feiner Zeit zwei Söhne, Ludwig ımd Heinrich,
unter welchen die Stammlande in, Ober». und Nieber - Baiern
getheilt, die Pfalzgravſchaft aber won dem aͤlteſten allein bes
hauptet wurde. Dieſer hatte wieder zwei Soͤhne, Rudolf
und Ludwig; H. Heinrich yon Niederbaiern aber bhinterließ
beren drei, Otto, Ludwig und Stephan. Jene wurden in
ihren Streitigkeiten Durch K. Albrecht vertragen, wie eben ſchon
. berührt worden, Nach beiten Tode verlangte Ludwig, ba
er indeflen zur ‚Volljährigkeit. gefommen und des Drades von
feinem Bruber Rudolf uͤberdruͤſſig war, eine Aänbertheilung.
1310 Diefe gefchah durch neun Minifterielen ald Schiedrichter: fie
tbeilten bie ig Lande, ae ne Pfalzgravſchaft nicht ;
-
1) Man weiß nicht genau, in welchem Jahr der aͤltere Heinrich,
genannt ohne Land, geſtorben iſt; doͤch ſcheint er um dieſe Zeit noch ge⸗
lebt zu haben. Buchholz Geſch. ber Churmark Brandenburg IT. Th.
©. 308. Der Sohn gleiches Namens, damals minderjährig, wurde
s wider Bermuthen Walbemard Erbe ſ. unten Gap. 6.
2) Häberlin Reichsgeſch. III, 75 fi.
Baiern u. Öſterreich unter Heinrich VL 1451-
daruͤber entfland denn eine eben fo große Erbitterung wie
jwiſchen ihrem Bater und Oheim, bis bie folgenben Begeben-
heiten in Niederbaiern fie veranlaflten Frieden zu fchlieffen. 1313
Diefem zufolge follte Ludwig nach Rudolfs Tode in die Pfalz; 1. Sun.
gravſchaft und Kurwuͤrde eintreten, und ſolche immer bei dem
Üteften des. Haufes bleiben, nach Ludwig alfo auf Rudolfs
Söhne zuruͤckfallen. Diefer Zriede kam zu Stande zwei Mo:
nate vor 8. Heinrichs VII. Tode.
Im Gegenſatz mit diefen zwei Brüdern waren bie brei
Söhne Herzog Heinrichs oon Niederbaiern Fläglih in ges
meinfchaftjicher — geblieben und konnten daher auch
den Herzogen von Ofterreich kraͤftig entgegentreten, namentlich
der ältefte, Herzog Otto, zuerſt als Anhänger K. Abolfs,
dann als Kronprätendent von Ungern. Der mittlere Bruber,
Ludwig, Farb noch zu K. Adolfs Zeit ohne Erben. Alſo 1296
regierten und Triegten Dtto und Stephan mit vereinter 3
Macht, bis fie auch im kurzer Zeit nacheinander mit Tode ab»
gingen, während der Kaifer in Italien war. Stephan, 1310
‚weicher zuerfk ſtarb, hinterließ zwei Söhne, Heinrich von > Du
acht, Dtto von fünf Jahren. Ihr Vormund, Herzog Dtto, 1311
(bloß mit dem Herzoge Friedrich von ſterreich eine Fami⸗ ——
lienverbindung. Als ex im folgenden Jahre auch ſtarb und zo...
einen Sohn, Heinrih, von nur 13 Tagen hinterließ, er-
nannte ex zum Vormund befielben, fowie feiner Brudersfähne,
den Herzog Ludwig von DOberbaiern mit Beiziehung ber
Städte Straubingen und Landshut. Aber die Miniſteria⸗
len (kandſtaͤnde vom Abel), welche den Städten diefe Ehre
nicht gönnten, beriefen den Herzog Friedrich von Öfter:
ih zum Wormund. Nun ſollten die Waffen entfcheiden,
die Städte Iuden deswegen ben Pfalzgraven Rudolf, Ludwigs
Önider, zum Mitvormund ein. Herzog Friedrich gedachte 1313
woorzufommen, er fiel In Nieberbaiern ein; fein Bruder Leo:
pold follte ihm mit fchwähifchen Schaaren entgegentommen.
Da fammelte Ludwig fchnell feine Krieger, darunter auch
Bundeögenoffen aus Schwaben, und fhlug ben Herzog Fried:
ih bei Sammelsdorf. Das war drei Monate nah K. 9. Ron.
Heinrichs VII. Tode. Im Rüdfiht auf die bevorſtehende Koͤ⸗
152: Buch II. Erfter Beitraum. Abſchnitt 2.
nigewahl fhloß Friedrich mit Ludwig Frieden und ent
ſagte det Vormundfchaft *). |
In diefem Augenblid dachte man noch nicht daran, daß
die beiden von Jugend an freundfchaftlich gegen einander ge
finnten Zürften in kurzem um einen höhern Preis mit einan-
der in den Kampf treten würden.
6. Die Iuremburgifch = baierifche Partei gegen öſter—
reich, Papft und Frankreich bis zur Unabhängigkeitser-
klaͤrung der Krone duch K. Ludwig IV.
Umtriebe der Öfterreichifchen und der luxemburgi—
[hen Partei. Bereinigung ber le&tern mit Lud—
wig dem Baier. Abermalige Eigennüsigfeit der
Kurfürften. Streitige Wahlſtimmen. Zriebrich der
Schöne von Öfterreih und Ludwig der Baier, Ge:
gentönige. Demonfirationen im Selbe. Partei:
wechfel in Schwaben. Wiederherftellung des Gra⸗
ven von Wirtemberg. Herzog Leopold bei Mor:
garten gefhlagen; Friedrich bei Mühldorf gefan:
gen. Ludwig ber Baier erwirbt Brandenburg.
Dapft Johann XXI. maßt fich des Reichsvicariats
nicht nur in Italien fondern auch in Zeutfhland
an. Ludwigs erfte Proteflation. Der Papft bannt
ihn und will das Reich an Frankreich bringen.
Ludwigs zweite Proteflation. Die Minvriten ge:
gen den Papfl. Ludwig, in neuer Bedraͤngniß durch
den Papſt und H. Leopold, befreit Friedridh. Vers
fu einer Zweiherrſchaft.
1313 König Heinrich VIL. ftarb, ehe fein Haus und bie Kurfürflen
die e8 erhoben, flarf genug waren, daß Öfterreichifche vom
Throne entfernt zu halten. In diefem Sinn durfte Erzbifchof
Peter von Mainz wohl fagen, in 500 Jahren fei keines Kai⸗
ferd Tod dem Reiche fo nachtheilig gewefen wie diefer. Die
1) Mannert Geſchichte Baierns I, 223-313. Deffeiben K. Lud⸗
wig IV, 8, 57—84,
Kampf LubwigIV. um die Alteinherrfhaft. 153
Uneinigleit der Kurfürften hatte ein Iwifchenreih von 14 Mos
naten zur Folge. Der päpftliche Stuhl blieb aus ähnlichen
Urfachen zwei Jahre erledigt. Da die zwei Hauptparteien
im Reich (die Iuremburgifhe und bie öfterreihifche)
ungefähr gleich waren, fo ftellte jene eine britted Haus, das
baierifche, voran; ed entfland eine zwiflige Königewahl und
ein Kronkrieg, der faft acht Jahre Oberteutfchland verheerte;
durch Cinmifchung bed Papfted und bed Königs von Frank⸗
reich wurbe ber verwidelte Streit noch über wangig Jahre
fortgefegt t),
Bon biefem großen Zerwürfnifie und feinen Kolgen be
ben wir zu unferm Zwede hauptſaͤchlich aus, was die Verfaſ⸗
fung, die Gefinnungen der Zürften und der Völker betriffl.
Boran fteht wieder der Eigennug der Kurfürften und
ber Wankelmuth der andern, überhaupt bie damalige Politif _
der teutfchen Fürften. Herzog Friedrich, genannt ver Schöne, 1313
der dltefte von den Herzogen von ſterreich, unterſtuͤtzt durch
feinen unternehmenden Bruder, Herzog Leopold, emeuerte
mit Nachdruck die nach feines Vaters Albrechtö L Tode vereis
telte Kronbewerbung. Er fandte gleich nah 8: Heinrichs VL.
Tode den Guelfen in. Italien gewaffnete Unterflühung, um
zugleich den Papft und Frankreich zu gewinnen. Seine Schwes
fer Katharina, welche dem verfiorbenen Kaifer verlobt war,
1) Schon bie gleichzeitigen Quellen (wovon bie wichtigften in ben
Anmertungen angeführt werben) find nicht immer befriedigend, zuwei⸗
im auch im Widerſpruche mit einander, wie es in einer Periode voller
Parteiungen nicht andere zu eribarten ifl.. Der Streit ber Schrift
ſteller bat ſich aber noch zweimal ernmert: im fiebenzehnten Jahr⸗
hundert, da Gewold und Herwart durch Herzog Marimilian J. von
Baiern aufgerufen wurden, des Dominicanerd Bzovius Angriffe auf
kudwig den Baier zu wiberlegen; bann im achtzehnten Jahrhundert
über ben transniger und die übrigen Werträge zwiſchen Baiern und
Öfterreich, wovon unten. Seit Olenſchlagers Staatsgeſch. zc. 1755,
bat dieſe Periode Eeine umfaflende Bearbeitung gefunden. Haͤberlin
unb Heinrich legen ihn zum Grund. Mannerts Ludwig ber Baier,
1812, {fl unvermerft eine Apologie geworben. Ludwigs Größe wirb haupt:
ih auf dem kirchlichen Standpunct gefucht, was wir eben nicht fin»
. Die teutfchen Berhältniffe find barüber in ben — geſtellt,
and nicht alle Vorgänger dabei benutzt.
l
154 . Bud HL Erfler Zeitraum. Abſchnitt 2.
1314 vermählte ee dem Herzog Karl von Galabrien, Thronerben
von Neapel, ber früher eine Tochter von Heinrich VIL be-
gehrt hatte, und fchloß auch ein Buͤndniß mit bem Könige
Karl Robert von Ungern, aus demfelben Haufe. Zugleich
wurden bei den Kurfürften weder Gelb noch Verſprechungen
gefpart. Pfalzgrav Rudolf, der bei feines Bruders Lubwig
23. April. Krieg zweibeutig zuruͤckgehalten, gab die erſte ſchriftliche Zu:
1. Mat. fage; gleich darauf Markgrav Heinrich von Brandenburg
9: Mai. Landöbergz dann ber vorher franzöfifch gefinnte Erzbifchof von
Chin, Heinrih von Virneburg, beffen Bruderötochter Fried⸗
richs jüngerm Bruder ‚Heinrich verlobt wurde, Serzog Leo:
pold beforgte die Berfchreibungen. Etwas ſpaͤter verfprach auch
Herzog Rudolf von Sacfens Wittenberg feine Stimme ').
So hoffte Friedrich die Mehrheit zu erhalten.
.Die, luremburgifche Partei war anfangs in Verle⸗
genheit wegen eines angemeſſenen Oberhauptes, daher verjoͤ⸗
gerte auch: der Erzbiſchof von Mainz das Ausſchreiben der
MWahlverfanmmkng. Heinrichs VIL Sohn, K. Sobann non
Böhmen, zählte erfi fiebzehn Jahre, war alfo zu unefahren
und perfönlich noch nicht genug mit ben Bürften. befreundet,
um fih im Reich und in dem ohnehin noch nicht befefligten
Befig von Böhmen behaupten zu können, ja Die vorzliglich-
ſten Frenube feines Haufes wänfchten felbft nicht exuftlich die
Krone vom Vater auf den Sohn übergehen zu feben.
Nun that fich fehon eine dritte Partei. hervor, deren Mit-
telpunct der früher gedachte Eriegerifche Markgrav Waldemar
1313 von Brandenburg war. Seine Übereinkunft mit ben Her—
81. Oct. zogen Erih und Johann von Sachen sSauenburg (mit ihm
gleihförmig zu flimmen) folte jedoch nur eine Wiederholung
ber frühern Wahlconföderation nach K. Albrechts Tode
fein, wodurch fie, ohne fi beſtimmt für einen Fuͤrſten zu
entfcheiden, fich verwahrten, daß Fein ihnen gebäffiger auf den
Thron kommen follte?). Die zwei Etzzbiſchoͤſe von Main;
und Trier wandten fich alfo an ein anbered Haus: fie erfa:
29. Iul.
un 3
1) Chron. Leob. ad aa, 1813. 1314, Dlenfhlager Staatsge⸗
ſchichte ꝛc. Urkunde 17—19. Geſch. v. Schwaben III, 184.
2) Gerken Ks: vet. March. Brand. T. I. Num. 207.
Kampf 2ubwigIV, um die Xlleinherefhaft. 455
ben den Herzog Ludwig mon Dberbaiern, ber durch den
Sieg bei Bamelöborf den Ruhm eines ber tapferfien unb um:
fihtigfien Zürften erlangt hatte, auch in Abficgt feiner übrir . :
gen Eigenjchaften Sriebric dem Schönen wohl ‚gegenüber ges -
flellt werben Eonnte, zum Könige. Cr ſelbſt war von hem
Antrag uͤberraſcht. „Er habe," ſprach er, „dan Herzog Fried⸗
ih, feinem Better, bei dem Friedensſchluß das Wort gege- .. .
ben, ibm bei der toͤmiſchen Koͤnigswahl Richt entgegen zu fein;
auch fei ex an Land und.Beuten bei weitem nicht mädtig ge - '
nug, um gegen das Haus Ofterreich auftreten zu Können.“
Denn er beſaß aur bie Hälfte von Oberbaiern ober ein Vier⸗
theil der fünmtlihen pfalzbaieriſchen Stammlande Jaut der
oben berübsten Theilung; eu. rieth foger den Kurfuͤrſten ſelbſt,
Friedrich zu wählen. Dieſe erwieberten mit Zuſtimmung ber
Rechtsgelehrten: „jene Zuſage fei gegeben worben, the er dar⸗
an gebacht hätte, daß die Wahl ihn ſelbſt tweffen könne; in -
biefem Fall fei fie als nicht. gegeben anzufehn. Was bie Macht
betreffe, fo ſtehe das Inremburgifche Haus mit allen feinen
Freuunden au ihm, und eß bleibe. ihm nichts Anderes übrig,
wenn er ben ehrenpollen Kampf nicht aufnaͤhme, als fein und
feiner Laube Berderben.“ Diele Vorftellungen Tonnte Ludwig
nicht mehr abweiſen?). Sobald er aber die Zuſage ausge .
ſprochen, daß er «5 dulden wolle in den Wahlvorfchlag zu
kommen, fo machten bie Kurfuͤrſten Gegenbebingungen. Zu⸗
af ließ fi der habſuͤchtige Erzbiſchof Peter in zwei Urkun⸗
den werfprechen, ber Reichägoll zu Ehrenfels folle ihm folange 1314
überlaffen bleiben, bis jene 3000 Mark, welche fchon in Hein⸗ 12 Sept.
richs VII. Capitulation vorgekommen, erfeht ſein wuͤrden; wenn
Ludwig Thuͤringen erobere, ſollen diejenigen Reichslehen welche
vom Erzſtift Mainz herruhren, ſowie die Lehen des verſtor⸗
benen Landgraven Johann won Heſſen, an das Erzſtift fallen,
dieſem auch das Recht der erſten Bitte in allen Kirchen ſei⸗
ned Sprengeld zurſtehen. Weiter ‚alle Ludwig dem Exzbiſchof
die Stadt Weinheim nebſt Augehör einraͤumen und für bie
—
1) Volcmar. Chron. in Oefele scrr. T. II. p. 546. 3oh. Vi-
todur. in Ecsard. ser. T. I. p. 1788, —— ie
(8. Lubwig IV.) ©. 89 ff. .
156 Bud IL Erſter Zeitraum. Abſchnitt 2.
Wahl⸗ und KrönungssKoften 10,000 Mark S. bezahlen, nicht zu
vergeffen auch 1000 Mark für die erzbifchöflichen Räthe!). Der
1314 Exzbifhof von Trier ließ ſich nach der Wahl ebenfalls das
2 Die Recht ber erfien Bitte in feinem Sprengel zuerkennen?), und
2. Dec. Beide erhalten noch die Erlaubniß, Reichslehen an fi) zu loͤ⸗
fen, nur nicht über 500 Mark jährlich am Werthe.
2. De. Dem Könige Iohann von Böhmen muffte Ludwig ne
ben ber Beflätigung der fämmtlichen böhmifchen und luxem⸗
burgifchen Lande verfprechen, die Herzoge von Öfterreich zur
Herausgabe aller brieflichen Rechte auf Böhmen zu bewegen,
ihm überdies den egerfchen Kreis für 10,000 Mark zu ver-
‚pfänden, endlich auch die Herzogthlimer Lothringen, Brabant
und Limburg, wenn fie erledigt würden, ihm zuzumenden ?).
Aus diefen Anfoderungen war wohl abzunehmen, das luxem⸗
burgiſche Haus wolle Ludwig nue folange voranflelen, bis
der Zeltpunct gelommen fein würde ben Kaiſerthron ſelbſt
einzunehmen. Ludwig ging aber ohne Mistrauen in die Be
dingungen ein.-
Die Wahl felbft fand noch befondere Schwierigkeiten:
einerfeitd ſtand der Erzbifhof von Coͤln in einer Privatfehde
mit den beiden andern Erzbifchöfen und dem Könige Johann
von Böhmen und wollte diefen nicht anerkennen; andererfeits
waren bie Linien von Sachfen und Brandenburg über die Fuͤh⸗
rung der Wahlſtimme getheilt. Zur Vorberathung ber Wahl
erfchienen zu Renfe nur die Erzbifchöfe von Mainz und Zrier
in Perfon, die andern durch Gefandte. Vor Frankfurt tra⸗
fen die eben genannten Erzbifchöfe nebſt ihren Gefolgen mit
dem König Iohann von Böhmen zufammen. Mit ifmen ver:
einigte fi Markgrav Waldemar von Brandenburg nebſt Hein:
rich von Landsberg und ber Herzog Johann von Sachſen⸗
Lauenburg. Herzog Ludwig von Baiern war bei ihnen mit
einem anflänbigen Gefolge.
Auf der andern Seite des Mains lagerte Herzog Fried:
rich mit feinem Bruder Leopold, dem Pfalzgrav Rudolf und
1) Guden. Cod. dipl. Mog. T. III. Num. 79. 80,
2) Hontheim Hist. Trevir. dipl, T. I. Num. 614 sq.
8) Olenſchlager a. a. D. Url. 78.
/
Kampf Ludwig IV, um die Alleinherrſchaft. 157 |
dem Herzog Rubolf von Sachen » Wittenberg. 5. Heinrich
von Kärnihen war ebenfalls gefommen, um feine Rechte auf
die Krone Böhmen wieder geltend zu machen. Nur ber Erz
bifchof von Coͤln fehlte, wegen ber fchon berührten Fehde; er
batte aber feine Stimme auf Kurpfalz übergetragen. ı
Die Öfterreichifche Partei eilte mit der Wahl zuvorzuloms 1314
men und brachte vier Stimmen auf, anffer der cölnifchen, 19. Oct.
pfäßzifchen und fachfen = wittenbergifchen auch bie kaͤrnthiſche
wegen Böhmen; und fo fprach der Pfalzgrav Rudalf die Wahl
fir Sriedrih aus. Am folgenden Tag wählten die Luxem⸗ 20. Oct.
burgifhen Ludwig durch den Mund des Erzbifchofs von
Mainz, wobei fünf Stimmen gezählt wurden, die mainzifche,
trierifche, böhmifche, brandenburgifche und die facbfen = Jauen>
burgifche, in Widerfprud mit Wittenberg.
Auf jeden Fall, wenn man auch bie unrechtmäßigen oder
boppelt gezählten Stimmen abzieht, hatte Ludwig bad Über
gewicht mit vier gegen Drei. Da aber noch Fein beftimmtes
Gefeß vorhanden war, daß bie Mehrheit enticheide, viel-
mehr nad dem Herfommen Einftinmigfeit fein follte, fo woll⸗
ten die Parteien zunaͤchſt auch mit der Krönung, ald we
fentlichem Erfoderniß, einander zuvorkommen, nachben jebe
ein Wahldecret ausgeſtellt hatte.
Die Frankfurter, welche bisher mit den wetteranifchen
Städten eine würbige Neutralität behauptet hatten, öffneten
aus dem angeführten Grund dem K. Ludwig ihre Thore und
huldigten ihm bei der herkömmlichen Erhebung. K. Friedrich,
mit Gewalt abgetrieben, wollte nun Aachen zuerft befegen,
aber Ludwig traf vor ihm ein. Er ließ ſich alfo zu Bonn 25. Nov.
dur den Erzbiſchof von Coͤln Frönen. Einen Tag fpdter 26. Rov.
wurbe Ludwigs Krönung zu Aachen durch ben Erzbifchof von
Mainz vollzogen. Diefer hatte alfo den rechtmäßigen Kroͤ⸗
nungsort für fi, jener aber den zur Krönung‘ bevorcechteten
Erzbifhof. Der Lehtere wollte fih fogar anmaßen, wahr
fcheinlidy wegen Erledigung des päpftlichen Stuhles, uͤber bie
beiden Wahlen zu entfcheidenz; nad) ber Krönung aber war
nicht mehr die Rebe davon).
1) Die Urkunden bei Dlenfhlager Num. 22, 24, 25, 26, 50,
158 Bud III. Erſtet Beiscaum, Abſchnitt 2.
Afo Hatte Zentfchland nun zwei Könige, beibe Enkel
von K. Rudolf J.). Jeder Theil behauptete Rechtmaͤßig⸗
keit der Wahl und konnte bei der Mangelhaftigkeit des
Wahlgeſetzes nicht widerlegt werben. Auch in Xbfücht der per⸗
fönlihen Eigenfchaften wuͤrde bie Enticheibung zwifchen ben
beiden Königen ſchwer gewefen fein, denn ed war ber eine
wie der andere bieder und tapfer. Das bewiden fie noch
während des Kreonfireites; und das ift das Zweite was ſich
herausftellt.
Wiewohl unter den angeführten Umftänben nichts Anders
übrig blieb als Waffenentfheibung, fo vergingen doch ein
Paar Jahre, ehe es zu ernfllichern Auftritten kam, ja bie
beiden Könige fchienen bad Zufammentreffen zu vermeiben
und wollten jeder nur feine Partei verflärten. Sie Batten
folgende Stellung zu einander. Zu ber überwiegenden Haus⸗
macht Friedrichs vom Elſaß bis Öfterreich ſtand noc ber
größere Theil der ſchwaͤbiſchen Graven und Städte, an Rhein
der Pfalzgrav Rudolf und der Erzbifchof von Coͤln. Dage⸗
gen hatte Ludwig bei feiner geringen Hausmacht in Ober
baiern Hülfe von Böhmen, Meiffen, Thüringen, Mainz, Trier
und faft vom allen Rheinftäbten von Selz bis Coͤln, von dem
größten Theil der nieberländifchen unb weftphälifchen Stände,
dann von einigen fränkifchen, nieberfchwäbifchen und Donau:
Städten, beögleichen von den drei ſchweizeriſchen Walbflätten.
Eben hier, in der Umgebung ber baböburgifchen Stammbers
ſchaft, waren die flärkften Parteiumtriebe, wie vormals zu 8.
Heinrichs IV. Zeit. Die Zwietracht Fam in das Innere ber
Städte, ber Kirchen, ber Familien ?).
Die Kurfürften von Sachfen und Brandenburg blie
ben neutral. Dagegen entſtand hier ein anderer großer Krieg
1314 — wegen Stralfund, in welchem gegen ben Markgraven Wal:
1316 demar, ihren Beſchuͤtzer, und feinen Bunbeögenoffen, ben Hers
309 Bratiflan von Pommern, bie meiſten norbteutfchen
' Sürfien in Verbindung mit Dänemark, Schweben, Norwegen
83. Das Übrige nach Henric. Rebdorf. Volcmar. Chron, Leob.
Chron. ad 3, 1314.
1) Ludwigs Mutter war Mechtild, Rubolfs Tochter.
2) Geld. v. Schwaben III, 182 ff.
L
Kampf eudwig IV. um bie Alleinherrſchaft. 159
und Polen auftsaten. ' Diefer Krivg muß jeboch um ſo mehr
übergangen werben, da der Friede nach zwei Jahren Alles 1316
wieder in den vorigen Stand ftellte '). Bs. Nov.
Das ſuüdliche md weſtliche Teutſchland aber wurde
ist erſt der Schauplatz des Kronkrieges und. wegen der vie⸗
* befonbern Fehden der Parteien untereinander der Schau⸗
platz eined wahren Bürgerkriegs.
Die beiven Könige trafen zum erften Mal mit ihrer Ariege⸗ 1315
macht bei Speier zufammen, welches kurz zuvor mt Worms Jan.
durch den Erzbiſchof Peter anf 8, Ludwigs Seite getreten
wer. : Da jedoch in diefem Jahre eine druͤckende Hungers⸗ F
noth in ganz Teutſchland ausbrach, die Heere alſo an Unter
halt litten, fo entließ Ludwig ben größten Theil des ſeinigen
und ging nad Oberbaiern zuruͤck, wo ſein Bruder, der Pfalz⸗
grav Rudolf, Unruhen erregte. Ex ſoͤhnte fich mit demfelben
aus und ward als rechtmaͤßiger König von ihm anerkannt, 6. Mai.
ri fi) aber deſſen ungeachtet bald wieder von ihm vers °
laffen *).
Es war noch nicht einmal eine fürmliche Kriegserklaͤrung
zwiſchen den beiden Königen gefchehen. Als fie nun faſt zu
gleicher Zeit, Friedrich zu Baſet, Ludwig zu Närmberg, 3. =
ihren erſten Reichstag hielten, fprach Lebterer, wahrſcheinlich ö
wegen jener Anmaßung, die Reichs acht Über Sie Herzoge
von Oſterreich aus. Dagegen machten biefe einen Einfall in
Baiern, gingen aber wieder nach Schwaben zurüd, als ihnen
Lubwig entgegentrat. Ernſtlichere Ausbrüche erfolgten, wo
bereitö dlterer Parteihaß beftands In ben Verhaͤltniſſen Habs⸗
burgs zu den fchweizerifchen Waldſtaͤtten. H. Leopold hatte
fhon nach 8. Heinrichs VII. Tode Zeindfeligkeiten gegen Un-
terwalben angefangen; bie Schweizer ihrerfetts, gereizt buch
erneuerten Streit des von Öfterreich geſchuͤtzten Abtes von.
Einftebein, überftelen und beraubten das Kloſter, worauf fie
vom Bifchof von Coſtanz in den Bann, von dem Hofgericht
zu Rotweil in die Acht erflärt wurden. Dies trieb fie um fo
1) Häberlin Reichegeſch. TIL, 128 ff.“ .
2) Volcmar. Chron, p. 548 sg.‘ Gewvld Defensio Lad, IV.
p- 37. m es F
160 Buch IL Erſter Zeitraum. Abſchnitt 2.
‚mehr an bei 8. Ludwig Schuß zu fuchen, ber fie auch von
der Reichsacht befreite und durch den Erzbifchof von Mainz
- von dem Banne loöfprechen ließ. Nun beſchloß H. Leopold
Rache zu nehmen. Don zwei Seiten zugleich) machte er den
Angriff: ex felbft führte eine auserlefene Ritterfchaft durch ben
engen Daß von Morgarten; der Gran Dtto von Straßberg
follte über den Brünig eindringen. Das Unternehmen fchlug
aber ganz auf die entgegengefegte Seite aus. Die Wald:
4315 ftätte, heimlich unterrichtet, überfielen den Herzog in bem engen
15. Rov. Paß; ebenfo wurde der Grav von Straßberg zurldgetrieben.
Die Bluͤthe der oberländifchen Ritterfchaft fand ihren Unter
gang. Diefe Kriegsthat hat den Ruhm ber Schweizer ge
gründet. Um die Sache feines Bruberd nicht aus ben Au-
gen zu verlieren, ließ H. Leopold gefcheben, daß feine Unter
thanen einen Stillſtand mit den Waldſtaͤtten machten, und ſpaͤ⸗
ter war er durch die Umflände veranlafft demfelben ebenfalls
beizutreten !).
Zur nämlichen Zeit kam es auh in Schwaben zu ernſt⸗
lichen Auftritten, indem die Parteien wechfelten. Die Städte
"waren anfänglihb auf 8. Friedrichs Seite getreten, weil
ihr Gegner, der Grav Eberhard von Wirtemberg, ben fie von
Land und Leuten vertrieben, ald alter Zreund des Herzogs
Otto von Niederbaiern zu Gunften feiner unmimbigen Söhne
fhon vor der römischen Königdwahl mit Ludwig verbunden
war. Da aber Friedrich zur Schlichtung ihres Streites ver:
langte bad eroberte Land zu feinen Handen zu fiellen, fo
traten die Städte zu Ludwig; Eberhard hingegen ging zu
Friedrich über und Fam dadurch bald wieder in ben Befig fei-
nes Landes. Friedtich bebrohte Eßlingen, ald Mittelpunct
der verbünbeten Städte, und vereinigte fich mit Leopold um
fie zu belagern. Nun Fam Ludwig mit böhmifchen und trieri=
ſchen Huͤlfsvoͤlkern zum Entſatz, und da wurde burch zufaͤlli⸗
ges Zufammentreffen ber ZTroßfnechte am Nedar dad erſte
größere Treffen zwifchen ben. beiden Königen herbeigeführt.
Wiewohl der Sieg unentfchieden war, fo ging doch Ludwig
zuräd, und Friedrich brachte dann Eßlingen mit den übrigen
1) Müller Gef. der Schweiz III, 44 ff.
Kampf Ludwigs IV. um die Alteinherrfhaft 161
Städten auch auf feine Seite. Der 8. Johann von Böhmen
aber vermittelte einen Stillſtand!).
Diefen wollte Briebrich benugen, um auch in Italien
weitern Einfluß zu gewinnen, wie wir unten fehen werben.
H. Leopold aber konnte nicht lange raſten, er führte ein
neued Kriegäheer vor Speier. Als er hier duch Ludwig
mit Hülfe der Straßburger in's Gebränge kam, brachte ihm
Sriedrich Verflärfung, und nun flanden die beiden Könige .
wieber einander gegenüber. Aber Feiner wollte eine offene 1320
zeldſchlachi wagen; es traten alſo auch hier Unterhandlungen 6. Aus.
ein, und Speier machte einen Stillſtand mit Friedrich.
Da nun Schwaben und die obern Rheinlande groͤßten⸗
theils auf oͤſterreichiſcher Seite waren, beſchloſſen Friedrich
und Leopold den Krieg nach Baiern zu ſpielen. Ludwig aber
ſah ſich jetzt von feinen maͤchtigſten Freunden verlaſſen. Der
Anblick ſeines verheerten Landes machte ihn ſo kleinmuͤthig,
daß er die Krone niederlegen wollte. Da ſprachen ihm ſeine
Freunde wieder Muth ein; auch der K. Johann von Boͤh⸗
men, ber in Folge feiner eigenen Angelegenheiten etwas zweideu⸗
tig geworden war, brachte ihm Huͤlfsvoͤlker. Endlich entſtand
Erhitterung bei den Kriegsfuͤrſten; man beſchloß dem trauri⸗
gen Streit durch einen Hauptſchlag ein Ende zu machen.
Friedrich führte eine ſtarke Macht aus Öfterreich herauf, eine
andere Leopold aus Schwaben ihm entgegen. Derfelbe Plan
wie bei dem nieberbaierifchen Vormundſchaftsktieg und ebenfo
der Ausgang. Zriebrich hatte mehr ald 30,000 Streiter uns
ter feiner Führung, dabei auch ungerifhe Hülfsvölfer. Als
er von Leopold Feine Nachricht erbielt, weil die Mönche von
Sinftenfeld die Boten aufgefangen hatten, und er fchon vier
Tage auf ber ampfinger Haide bei Mühldorf bem Heere
Ludwigs gegenüber fand, fo ließ ex fich nicht mehr abhalten
die Schlacht zu wagen. Ludwig vereinigte ungefähr eine gleiche 4390
Macht; auſſer dem Könige von Böhmen waren ber Herzog 28. Sept.
Heinrich von Nieberbaiern, der Burggrav Friebrich von Nuͤrn⸗
berg und mehrere andere Fürften bei ihm. Er uͤbergab aber,
um nicht nach ber biöherigen Sitte jede Schaar unter Ihrem
1) Geſch. v. Schwaben III, 192 ff, auch zu dem Folgenden.
Pfifker Geſchichte d. Deutfchen I. 1
⁊ 2
162 Bud HI. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 2.
Führer befonders fechten zu laffen, den Oberbefehl einem al-
ten verfuchten Ritter, Senfried Schweppermann aus Fran:
fen. Diefer erfab die ſchwache Seite bes linken feindlichen
Flügels und richtete den Angriff fo, daß, nachdem Durch zehn:
ſtuͤndiges hitziges Gefecht die beiden Deere erfchöpft waren, ber
Burggrav von Nimmberg dem Zeinde in den Rüden fiel, das
öfterreichifehe Heer geſchlagen und 1300 Edle gefangen wur⸗
den. Friedrich, der mit großer Tapferkeit gefochten, ergab
fih einem Dienſtmann des Burggraben gegen Berficherung
feines Lebens.
„Ich freue mich, lieber Obeim, Euch bier zu fehen,”
ſprach Ludwig, ald Friedrich, Durch den Burggraven vorgeflellt,
mit gefenktem Haupte daftand. Vor der Schlacht war die
Meinung, daß wer in des andern Hände fallen wirde mit
dem Leben büßen müflte. Der Sieg ſchlug allen Unmillen
nieber. Auch vergaß Rudwig richt, wem er biefen verdanke;
feine Worte find im Munde des Bold, als das ſparſame
Abendbrod vertheilt wurde: „Jedem ein &, dem frommen
Schweppermann zweil“
eudwig war nun wohl der Perſon ſeines Gegners maͤch⸗
tig und brachte ihn auf die Veſte Zrausnig in Verwahrung ').
Aber feine Partei war noch nicht bezwungen. H. Leopold,
verwundert daß fein Bruder beim Leben erhalten werten, "blieb
boch vol Haß. Er verweigerte die Herausgabe der Reichs:
‚Meinodien und legte die Waffen nicht. nieder.
1323 Dagegen, flatt den Krieg weiter zu verfolgen, berief Lud⸗
9. April. wig einen Reichstag nach Nürnberg, um fic als alleinigen,
rechtmäßigen König zu zeigen und das Reich zu orbhen. Er
ließ einen allgemeinen Landfrieden verkünden und alle Feh⸗
den und Pladersien, befonders die ungefeglichen Zölle abthun 2).
Auf diefem Keichstage verfänmte er auch nicht den Ichon zwei
1319 dahre beitandenen Streit fiber die erledigte Matt Brans
Spt, denburg beizulegen. Da Markgrav Waldemar, der die
.,
1) Albert. Arg. p. 121 sg. Volcmar. Chron. p.552. Anen.
Narratio de proelio etc. in Pez scrr. 'T. I, p. 1002, Anon. de Du-
cibus Bav. in Oofel. L p. 41. Staindel. Chron. ibid. p. 516.
2) Neue Sammlung d. 8. A. Ih. I. Num. 21.
Kampf Ludwigs IV. um die Alleinherefhaft. 163 |
bndenburgifchen Lande vereinigt ‚hafte, und ein Jahr nach
im auch fein Erbe, Heinrich von Landsberg, bes legte
männliche Nachkomme des afcanifhen Stammes, geftorben.
‚war, fo machten verfchiedene Fuͤrſten Anſpruͤche auf. die Nach
folge, al6 Seitenverwandten von bem erflen Erwerber, Al⸗
1320
Sept.
hrecht dem Bären; H. Rubolf von Sachfen hatte ſchon bei |
Lebzeiten Heinrichs zugegriffen und einige Landesthelle an ſich
gebracht; eberifo eignete fich ber ſchleſiſche Herzog Heinrich von
Jauer die Oberlaufig zu, trat fie aber an König Johann von
Böhmen ab, welcher von K. Ludwig damit belehnt wurbe.
Die Marl Brandenburg aber erklärte der König jetzt als er
iffnetes Reichslehen, um alle andern Anfprüche abzufchneiben,
und beflimmte fie feinem eigenen, erft achtjährigen Sohn Lud⸗
wig, unter Beiorbnung bes Fuͤrſten Bertold von Henneberg,
md ertheilte demfelben im folgenden Jahre die Belehnung *).
Um einen mächtigen Nachbar zum Freund zu erhalten, ver:
iobte er ihm Die Tochter des Königs Chriftoph von Dänes
mark. Alſo that Ludwig wie feine Vorgänger: fobald er freie
Hände im Reich hatte, vermehrte er die Hausmacht. Seine
Tochter Mechtild verlobte er um diefe Zeit dem Markgraven
von Meiflen, Friedrich dem Ernſthaften.
Nach jenem Reichstag fchien es Ludwig Zeit, ſich auch
in Jtalien geltend zu machen: Dadurch gerieth die teut-
ſche und die paͤpſtliche Politik in die mislichſten Berüh⸗
rungen, und das iſt das dritte, dad merkwuͤrdigſte, aber auch
traurigſte Verhaͤltniß, in welches der Kronſtreit überging. Als
nad zweijaͤhriger Erledigung des paͤpſtlichen Stuhles Johann
J
13. Sept.
1323
April.
AXI. gewählt wurde, gab derfelbe ſowohl Friedrich ald Lud⸗
wig Nachricht von der Wahl, nannte fie beide roͤmiſche Koͤ⸗
nige und ermahnte fie zugleich ihre Sache nicht durch Waf⸗
fen fondern durch Vergleich auszumachen. Als ober Jeder
hernach die‘ Beftätigung fuchte, wies er die Gefandten ver-
ähtlih ab. Seine wahre Abficht war, einen von Beiden
anzuerkennen, um das Reich ſsvicariat beflo Iänger zu fuͤh⸗
von. Was einige Päpfte feit der hohenflaufifchen Zeit fi ans.
1) Olenſchlager Ark. 41. Das Übrige nach Buchholz Geſch.
dr Churmark Brandenburg II. B.
11*
N
4
‚ 16 Bud IM. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 2.
gemaßt, das flellte ex jet als Rechtögrundfak auf: er erließ
1317 eine Bulle, welche behauptete, folange dad Kaiſerthum erle-
23. März digt fei, gehöre dad Reichsvicariat dem Papfte allein; zu:
gleich befahl ex die Verorbnungen feines Vorgängers, die cle⸗
mentiniſchen Satzungen, auf den Univerfitäten zu Bologna
und Paris, ald allgemeingültig, beim Kirchenrechte zum Grund
zu legen‘). Diefes Reichsvicariat wollte er nicht nur auf
Italien ſondern auch auf Teutſchland ausdehnen, was noch
kein Papft feit dem großen Zwiſchenreich fo merklich gethan
hatte2); er maßte fih an auch in Privatfachen der Fürften
| zu entfcheiden ’). Weder Zriebrich noch Ludwig hatten ed in⸗
deſſen gewagt bei folchen einzelnen Schritten ſich zu wider:
fegen, um ihn wegen ber Befldtigung nicht gegen ſich zu
haben. Auch war es dem Papfte felbft zunaͤchſt um das ita⸗
lieniſche Reichsvicariat zu thunz er wollte die Zeit bed Kron⸗
ſtreites hauptfächlich dazu benugen, mit Beiftand bes Königs
Robert von Neapel und der Guelfen die Gibellinen ganz zu
unterdruͤcken, auch den König Mobert, bem er einfiweilen bie
Handhabung bes Reichsvicariats übertrug *), nur fo lange zu
Hülfe ziehen, bis er für fich felbft die Oberherrſchaft über
das nördliche und mittlere Italien erlangt haben würbe.
Diefem gemäß gebot er den Städtehäuptern die von Hein⸗
rich VII. erhaltenen kaiſerlichen Statthalterfchaften fogleich nie⸗
derzulegen. Allein eben biefe Schritte gaben ben Gibellinen
neuen Schwung. Matthäus Viſconti legte zwar nieder, ließ
fich aber dafür von den Mailänden zum „Oberherrn“ ernen-
nen, und brachte in kurzer Zeit sehn Städte zu feinem Ges
1) Bulla Joannis XXII. praefiza Clementinis in Corp. jur. Can.
Ci. Raynald. ad a. 1817. $. 15 qq. .
2) So hat Alexander IV. 1255 der Stabt Worms, 1261 der Stabt
Speier bas jus de non evocando beftätigt und ſich dabei auf ältere, gar
nicht vorhandene päpftliche Eonceffionen berufen. Ludewig rel. Msc.
T. II. p. 227. Lehmann fpeier. Ehronit S. 544.
3) Er befichlt 3.8. dem Biſchof von Bafel von feiner Fehde gegen
den Graven Rudolf von Welfch:Reuenburg abzuftehen, 1817. Weitere
Bälle hat Dienfhlager Staatsgefhichte &. 10%. CA, Raynald.
ad a, 1320, $. 8,
4) Raynald. ad a. 1817. $. 29.
Kampf Ludwigs IV. um bie Alleinherrſchaft. 165
bie. Bar Mailand zur Zeit des großen Freiheitskriegs Haupt
der guelfifhen Republiten, fo tritt es jest ald Mittelpunct
eined neuen gibellinifhen Fürſtenthums auf. Matthäus
bebrängte auch Genua, das fonft Faiferlich gefinnt, jetzt zu
den Guelfen oder auf K. Roberts Seite getreten war, durch
eine fünfjährige Belagerung. Da weder der Bann noch eine
pöpflliche Reiterſchaar Etwas gegen ihn vermocdten, fo rief
Johann XXI, mit 8. Robert Friedrich von Öfterreich zu
Hülfe und verfprach ihn als römifchen König ——
auch 100,000 fl. Subfidien zu zahlen.
Sofort fandte Friedrich feinen Bruder Heinrich mit 1500 1322
Fittern und einer Anzahl Lanzknechten. Aber kaum war er
im der Lombardei angetommen, fo bewogen ihn bie Gibelli⸗
nen wieder zuruͤckzugehen; als alt Eaiferlich gefinnt verfprachen
fe feinem Bruder alle Unterſtuͤzung und bezahlten ihm ftatt
der eiteln päpfllichen Verfprechungen 60,000 fl. baar ').
Das war kurz vor ber mühldorfer Schlacht, an welcher
Hanrich mit feinen Schaaren Theil nahm. Nach berfelben
ef Galeazzo, Sohn und Nachfolger bed Matthäus Bis
konti, den 8. Lubwig zu Hülfe, weil der päpflliche Legat
indeffen ein zahlreiches Heer zufammengebracht hatte, mit wels
dem er Mailand und die übrigen gibellinifchen Städte zu uns
terwerfen drohte. Ludwig entfprach nun biefer Auffoderung 1323
und fandte nicht nur 800 Ritter, fondern ließ auch durch Ges
ſandte die andern gibellinifchen Häupter, welche ſchon zum
Papfte übergegangen waren, zum Rücktritt bevegen. Den
Papfi ließ er von der Belagerung Mailands als einer Stadt
des Reichs abmahnen. Da der Legat nur mit Verachtung
von dem „OHerzog von Baiern“ ſprach, ſo Fam ed zum Ges
feht, ımb eine zugleich auögebrochene Seuche nöthigte ben Jul.
kegaten die Belagerung aufzuheben ?).
Über dieſe Vereitelung ſeines Planes ergrimmte nun Jo⸗
hann XXII. gewaltig. Er hatte indeſſen ſein Urtheil uͤber den
1) Annal Mediol. in Murat. T. XVI. Villani L. IX. ce. 88.
107, 142,
2) Auſſer den vorhergehenden vergl. Chron. Leob. ad a. 1323.
Chron. Astens, c. 112, in Muratori T. XI.
1323
8. Oct.
16. Der.
x
166 Bud IL. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 2,
Kronftreit zurüdgebalten. Da ihm Ludwig fo gerabezu nt
gegentrat oder, wie der Papſt fih ausdrückte, Keger und Kir
chenfeinde unterſtuͤtzte, fo griff er ohne weiteres die Recht⸗
mäßigkeit feiner Reichöverwaltung an. Ohne alle Unterfiz=
hung unterfagte er ihm bie Reichöregierung auf brei Monate
gänzlich, bis erft feine Wahl und Perfon vom apoflolifchenz
Stuhle geprüft und zugelaflen fein werbe; ex befahl ihm uͤberdies
Alles was er bisher ald roͤmiſcher König gethban zu wider-
rufen, fowie fich auch Niemand unterftehen follte ihm in Reichs=
fachen zu gehorchen :). Bon diefer Procedur machte Jo⸗
hann XXIL dem 8. Ludwig nicht einmal eine Mittheilung,
ſondern ließ den Beſchluß bloß an den Kirchenthüren zu
Ayignon aufchlagen. Dies Verfahren uͤberbot Alles was die
früheren Päpfte ſich erlaubt, ſowohl in der Sache als in der
Form ).
K. Ludwig in feiner Milde that zwar noch ein Übriges
und ließ fich erfk zu Avignon über bie Urfache biefes feltfa-
men Schritted erfundigen, ba er doch gar nicht fchulbig war
nur Kenntniß davon zu nehmen. Damm begab er fi aber
nach Nürnberg und legte. zur Behauptung der beſchwornen
Rechte des Reichs eine Proteflatton und Appellation vor No⸗
tar und Zeugen nieder, des Inhalts: „Seit unfürbenflichen
Zeiten ift es m Teutſchland Herkommen und Recht, auch all:
gemein befannt und unzweifelhaft bei allen Fürften und Stän-
den des Reichs, daß ber welcher durch .alle ober das Mehr:
theil der Kurfuͤrſten erwählt ift, wirklicher König ift und heiſſt
und ald folcher die Reichöregierung zu führen hat. Unterfu:
hung, Biligung oder VBerwarfung ber Wahl kann dem Papfte
höchftens in dem Falle zuſtehen, wenn die Sache durch Klage
oder Appellation an ihn gelaugt. Schon zehn Jahre, fügt
Ludwig hinzu, bin ich römifcher König und übe biefe Gewalt;
- wie kann denn der Papft fagen, daß das Reich erledigt ſei?“
Den Vorwurf ber Unterflügung bed Galeazzo und anderer
1) Olenſchlager urk. 86.
2) Selbſt bei K. Friedrichs IT. beifpiellofer Abſetung ging doch
eine Art von a Anllage, Vertheibigung voraus. ©. oben
Band II. ©. 568
| Kampf Ludwigs IV. um bie Alleinhereſchaft. 167
| Keher giebt Ludwig dem Papfle zurüd. Ungeachtet der haͤu⸗
figen Klagen, welche die hohe und niedere Geiftlichfeit gegen-
bie Rinoriten und ihre Vorſteher vor den paͤpſtlichen Stuhl
gebracht, daß fie die Beichtgeheinmiſſe versathen, fei derſelbe
indeſſen ausgewichen, verſchleiere das abſcheuliche Ubel und
tee feine Anflalt zur Abhuͤlfe. Zuletzt appellirt Ludwig an
ein allgemeines Concilium, bei welchem er felbfl gegenwärtig
fein wolle ).
Das ift K. Lubwigs w. Verdienf, daß er, noch nicht
im fihern Beſitze des Reichs (gegen Friedrich), zuerft bie fo
lange angefochtene Unabhängigkeit der Krone aus koͤ⸗
niglicher Machtvollkommenheit ausgeſprochen hat.
Der Papſt aber wollte noch nicht ruhen. Die Frage
muflte noch. gefleigert werben, bis auh Volk und Fürfien
und alfo Das ganze Reich dem Könige beitrat und ber Er⸗
färıng ihren ganzen Nachdrud geb.
Den Gefandten Ludwigs erwiederte Iohann XXIL: „ein 1324
neues Verbrechen fei es, daß Lubwig fich fogar noch rechtfer⸗ Jan.
tigen wolle, da er doch gegen ihn die gehörige Rechtöform
beobachtet babe; es bleibe alfo dabei und es werde ihm nur
noch die Frift von zwei Monaten verwilligt ?):
Us Ludwig diefe Srift, wie leicht zu erachten, verftrei-
den ließ, indeſſen auch das päpflliche Heer vor Mailand zum
weiten Mal gefchlagen wurde), fo fuhr der Papft in feinem
Precefie fort. Er erlärte, Herzog Ludwig von Baiern ſei 23. Mär.
wegen feines Ungehorſams bereitd in die Strafe des Ban⸗
nes verfallen, und wer ihm ferner als römifhem König ges
berche, fei in gleicher Strafe; alle Verpflichtungen gegen ihn
fin aufgehoben. Mit den weitern Strafen wolle ex noch
drei Monate zuruͤckhalten, in welcher Zeit Ludwig, wie er
1) STenfdlager a. a. D. Nr. 37. Um dem Papſte den letztern
Vorwurf um fo unbefangener machen zu koͤnnen, hatte Ludwig dem
Galeazzo das Reichevicariat abgenommen und zum Schein in andere
Hände seiegt. Herwart von ee Ladov. IV. Lup. defensus
etc, I. p. 233
2) Dieufälage: urt. 38. \
3) Villani IX. c. 288.
168 Bud II. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 2.
bereitö erinnert worden, Zitel und Beichöverwaltung nisber-
legen, bie Ketzer nicht weiter unterflügen und Alles wa& er
bisher als vömifcher König gethan widerrufen ſolle. Diefe
Sentenz ließ Iohann XXIL wieder zu Avignon anfhlagen.
Als Ludwig von diefem Verfahren Nachricht erhielt, legte:
er zu Sachfenhaufen eine zweite feierliche Proteflation und:
Appellation nieder. Diefe ift mit weit ſtaͤrkern Beſchuldigun⸗
gen und Ausbrüden abgefaflt ald die frühere, wurde aber erſt
als der Papfi den Bann wirklich vollzog, als Manifeft aus:
gegeben und fcheint auch dem Papfte nicht früher befannt ge
4394 voorben zu fein. Als die drei Monate verfloffen waren, feßte
11. Zul. der Papft zum legten Male eine- gleiche Zrift auf den Dcto⸗
"Sul.
ber, mit Wiederholung ber bereitö ausgefprochenen Drohung,
wenn Lubwig nicht auf biefe Zeit perfünlid) oder durch Ab⸗
geordnete vor ihm erfcheinen wide. Kluͤglich ſetzte der Papft
diesmal hinzu, er wolle hierdurch keinen Eingriff in die Vor⸗
rechte der Kurfuͤrſten thun!). Er hatte ihnen bereits daruͤber
gefchrieben *). Auch ließ er dieſe Sentenz nicht bloß zu Avis
gnon anfchlagen, fondern theilte fie den Kurfürften mit und
befahl, beſonders ven rheinifchen Erzbifchöfen, den Bann zu
verkünden °),
In dem nämlichen Zeitpuncte wurde eine Verſammlung
zu Barsfurs’Aube veranflaltet, um den König Karl IV. von
Frankreich zum römifchen Könige wählen zu laſſen. Hierzu
- gewann ber Papft defien Schwager, ben 8. Johann von
Böhmen und den Erzbifhof Balduin von Trier, Bruder
der Königin. Auch Herzog Leopold trat bei. Als diefer bie
Befreiung feines Bruders nicht erlangen Tonnte, was dem
Dapfte felbft nicht lieb geweien wäre, ließ er fi) aus Rache
gegen Ludwig zu einem Buͤndniß mit K. Karl bewegen und
= verfprach dieſem zum Kaiferthume zu verhelfen und fogar fei-
nen Bruber Friedrich, wenn er befreit werde, zum ‚Verzicht
zu bringen: daflır folte ee 30,000 Mark Silbers erhalten und
1) Olenſchlager urk. 42,
2) Ebend. Urt. 40. vom 26. Mai 1324.
9) Wilhelm. Egmond. Chron, ad. a. 1824. in Matthaei
Analect, vet. aevi. T. II. p. 621.
Kampf Ludwigs IV. um die Alleinherrfhaft. 169
Reichsverweſer in Zeutichlanb werden. Allein Karl IV. hatte.
nit den unternehmenden Geift feines Vorgängers Philipp.
Da auffer Leopold Feiner von den erwarteten Fuͤrſten kam,
misftel ihm ſchon das ganze Unternehmen, und zu einem weit
auöfehenden Kriege konnte ex fi) gar nicht entichlieffen. Leo⸗
yold, über feine Bedenklichkeit entrüftet, änderte fchnell feine
Sefinnung und trat wieder mit Ludwig in Unterhandlungen.
Diefer kam ihm ebenfalld entgegen und verlangte vorerſt Aus⸗
lieferung ber Reichöfleinodien, wenn Friedrich freigelaffen
werden follte. Leopold fanbte fie ihm wirklich nach Nirn⸗
berg, wiewohl nicht ohne Mistrauen '); denn Ludwig foderte
auch noch die Zurlufgabe der beſetzten Reichsſtaͤdte in Schwa⸗ i
ben und Eifaß.
In dieſem Zeitpuncte ging die lebte vom Papft be 1324
Kimmte Friſt zu Ende. Unabwenbbar fiel der Bann auf Lud⸗ 1. Oct.
wig und Alle die ihn für den roͤmiſchen König erkannten,
das Interdict fiel auf das ganze Land. Aller öffentliche
Gottesdienſt hörte auf, die Kirchen wurden gefchloffen, ben
Sterbenden ber letzte Troſt verfagt.
So war denn Krieg auf Tod und Leben erklaͤrt und es
Im nun darauf an, nicht nur mit welchem Beiſtande, mit
welchen Mitteln jeder Theil feine Sache ausfechten würbe,
fondern zu allererfi, ob Ludwig, ob bie Fürften fich ſelbſt treu
bleiben wuͤrden.
Ludwig hatte indeſſen mehrere Fuͤrſten fich zu —
gemacht und namentlich mit den Nachbarn der brandenburgi⸗
ſchen Lande Vergleiche getroffen, um dieſe Erwerbung ſicher
zu ſtellen. Als Bann und Interdict zur Vollziehung kommen
fellten, berief er den Reichötag nach Regensburg *) und ließ
die zu Sachfenhaufen niebergelegte Proteflation und Appella⸗
tion Öffentlich verfünden. Der Hauptinhalt iſt diefer °):
1) Albert, Argent. p. 124,
2) Aventin. Ann. Boj. L. VII. c. 16. Burgundus in Lud, IV.
inp. p. 87. Richt zu Frankfurt war der Reichstag, wie Mannert
in der Preisſchr. S. 228 und, 231 annimmt; bort war früher bie Pros
teftation niedergelegt, zu Regensburg aber wurbe fie verkuͤndet.
3) Olenſchlager urk. 43. Die Stelle von dem Minoritenſtreite,
170 Bud IH. Erſter Zeitraum, Abſchnitt 2.
„ubwig, von Gottes Gnaden römifcher König, erklärt
Johann, der ſich Papſt XXII. nennt, für einen Feind bed
Friedens, fir einen Saͤtmann bes Unkrauted unter den Recht:
gläubigen, benn er bat Prälsten und Fuͤrſten des Reichs
oft und viel zum Krieg und Aufftanb gegen das heilige Reich
and Uns erregt. Iohann foll öffentlich gefagt haben, wenn
Uneinigkeit unter den Königen und Fürften herrfche, dann fei
der Papft erft wirklicher Papſt, und die Uneinigkeit im teuts
. ſchen Reiche bringe Heil und Frieben ber Kirche. So viele
GSeldpreffer und Sammler ex in Teutſchland hat, fo hat er
doch nie eine Friebensbotfchaft gefandt zur Abwenbung bes
Übels. Durch Lehre und Wandel beweifi er, daß er Chrifli
Stellvertretek nicht if. Er bebenkt nicht, daß weiland Papft
Spivefter in feiner Höhle vom Kaifer Conflantin großmäthig
erhalten hat, was bie Kirche heute, an Freiheit und Ehre ges
niefft. Das alles dankt ex dem Reiche fchlecht, indem er feine.
"Macht, die ihm mur zur Erbauung ber Kirche gegeben ift,
dazu anwendet dad Reich umzufehren. Sein Proceß, ber
vielmehr Exceß genannt werden follte, hat gar Feine Rechts:
form beobachtet: denn nad dem gefchriebenen kanoniſchen
Recht kann Fein römifcher Pontifer Jemand vernrtbeilen, ohne
daß ſich diefer verantwortet hat. Er kehrt göttliche und menſch⸗
liche Rechte um.. Er vertheilt Erzbiſsthuͤmer und andere geiſt⸗
liche Winden an die Unwuͤrdigſten, wenn fie fih nur zum
Aufſtande gegen das Reich gebrauchen laſſen, deſſen Vafallen
fie find. Er will Unfere Baht für unguͤltig erklaͤren, ba fie
doch durch Mehrheit von vier, nicht nur von einer fondern
von beiden Seiten geſchehen ift, und flößt fomit die Rechte
und Gewohnheiten bed Reiches um. Wenn auch Unfere Wahl
eine zwielpaltige gewefen wäre, ba fie doch eine einhellige ift,
fo ift befannt, daß felbft in Zwieſpalt erwählte zömifche Koͤ⸗
nige, Lothar, Konrad, Philipp, Otto, Richard, Aphons,
Adolf, Albert, fich der Reichöverwaltung unterwunben haben.
Uns aber will er das abfprehen! Cbenfo greift ex in bie
Rechte der Zürften ein: er maßt ſich bed Neichövicariates an,
welche bort ausgelaffen worden, iſt zu ergänzen aus Raynald, ad a.
1324. $. 29,
—R8
Kampf Ludwigs IV. um die Alleinherrſchaft. 171
da doch nach Recht und Herkommen bei erledigtem Reiche
Niemandem dad Reichövicariat, befonders in Zeutfchland, zu⸗
kommt ald dem Pfalzgraven am Rhein. Im Confiftorium
bat er Öffentlich gefagt, ex wolle mit allen Kräften dahin ar
beiten, baß er die eherne Schlange, das Reih, mit Füßen -
trete. Als ein betrligerifcher Fuchs bat er bald Und bald den
Herzog von Öfterreich, flatt den Frieden zu vermitteln, zum
Kriege aufgereizt, um deſto cher das Reichsvicariat zu behaus
pten. Nicht genug, weltliche Rechte angetaftet zu haben, erhebt
er ſich auch gegen den König aller Könige und feine heiligſte
Rutter und das heilige Gollegium der Apoflel, ‚welche mit ihm
im Gelübbe der Armuth gelebt haben. Er ift ein arger
Scher: denn er behauptet, Chriſtus und die Apoftel haben Guͤ⸗
ter in Gemeinfchoft befefien wie andere Collegien; dadurch
widerfpricht er dem Evangelium, weiches lehrt, daß fie in
höchfier Armuth gelebt, d. h. in einer ſolchen, welche überhaupt
Nichts ‚bürgerlicher Weife befist in diefee Welt, wie es auch
dapſt Innocenz V. bekannt, hauptfächlich aber ber feraphifche
Rem Franciſcus erneuert bat. Endlich handelt er gottlos
und graufam gegen das heilige Land, indem er Die Geldfchäge,
welche er in aller Welt eintreibt, und welche feine Vorfahren
dazu beſtimmt haben um diefem Lande zu Hülfe zu kommen,
betzligesifcher Weife zu anderen Abfichten, ja zu gottlofem und
giauſamem Blutvergieffen verwendet und bad heilige Land in
den Händen der Saracenen und ber Feinde bed dhriftlichen
Glaubens laͤfft. Allen diefen Gottlofigkeiten”, fo fchliefft
Ludwig, „find wir nach Unferm Kroͤnungseide fhuldig Wis
derſtand zu thun ald Schirmvogt der Kirche. Wir ſchwoͤren
auf das Evangelienbuch, daß Alles und Jedes was wir im
Vorhergebenden geſagt, Wahrheit ſei, und wollen ſolches auf
einem allgemeinen Concilium barthun“.
Dies iſt der Hauptinhalt der ausführlichen Proteftation, 1324
welche Ludwig num ald Manifeft in dad Reich ergehen ließ, Det.
Bern Ludwig in ber erften Proteflation den Papft anges
Magt, daß er die Minoriten und ihre Häupter gegen bie
Klagen über Verlegung des Beichtgeheimniffes in Schug nehme,
und nun in ber zweiten im Gegentheil den Papſt einen Keber
nennt, weil er gegen dad Evangelium ben Franciſcaner⸗ oben
172 Bud IL Erſter Zeitraum. Abſchnitt 2.
MinoritensOrben verurtheiles fo ift zur Erläuterung $olgen-
des nöthig:
Die Bettelmönde') haben eigentlich den Sieg bes
Papftthumes über die hohenflaufifchen Kaifer vollendet. König
Rudolf I. wurde durch fie zu Bedingungen gebracht, welche
jene nie anerkannt haben würden. Diefe blieben die Grund⸗
lage auch für die Nachfolger und wurden bis je&t immer noch
gefteigert. Die beiden DOrben, der Dominicaner und ber
Srancifcaner oder Minoriten, gelangten dabei auch flr fich
felbft zu einem Anfehn, das (wie wir früher fchon bei K. Rus
dolfs Geſchichte bemerkten) zulegt dem Papfte felbft und der
übrigen Geiftlichkeit zu mächtig wurde.” Auffer ihrem großen
Einfluffe auf dad Volk zählten fie auch die meiften Gelehrten
in ihrer Mitte. Bu ihrem Unglüde geriethen fie gegen einan⸗
der in Eiferfucht und entzweiten fich über allerlei Fragen, zu⸗
Vet über dad Gelübde der Armuth. Die Dominicaner waren
der Meinung, was der Menfch täglich brauche, dazu müfle er
doch das Eigenthumsrecht haben. Die Minoriten aber ſpra⸗
den: auch von dem Biſſen den wir in den Mund ſtecken,
haben wir nur den Genuß, nicht dad Eigenthum. Der Papſt
erklaͤrte fich, wie leicht zu erachten, für Die Dominicaner. Der
Streit mochte fein: welcher er wollte, dad Wichtigere ift, daß
die Minoriten dagegen in ihrer Überzeugung ed wagten bes
Papſtes Unfehlbarkeit anzugreifen und ihn felbft der Keberei
zu befchuldigen. Da jeboch der Papft nur die Häupter ber
Minoriten verfolgte und der übrige Orden fich leidend vers
bielt, fo entfland ein Zwiefpalt unter ihnen felbfl. Der Or⸗
bensgeneral Michael von Caͤſena und mehrere Provincias
len 2), darunter Wilhelm von Dccam von England, Nis
colaus von Frankreich, Heinrich von Talheim von Ober:
teutfchland,, trennten fich vom Übrigen Orden. Die Meiften
nahmen ihre Zuflucht zu K. Ludwig; das fällt gerade in die
Zeit zwifchen den beiden Proteflationen. Lubwig machte ges
1) Das Nähere über ihre Entflehung bei Plant, Geſchichte des
Papſtthumes. II. 2. 498,5 über ihren Einfluß ebenb. 508.
2) Die ua in or. Proteftation gegen Johann XXIL in
Raynald. ad a, 1822, 6.5
Kampf Lubwigs IV. um die Alleinherefhaft. 173
meinfchaftliche Sache mit ihnen und nahm ihren Proceß in
den feinigen auf: er befchwur, wie wir oben vernonmen ha⸗
ben, Alles als Wahrheit was in dem Manifefl nusgefprochen
iſt. Daß fle dabei hauptfächlich die Feber geführt, geht aus
der Sache ſelbſt hervor 1); inſofern jedoch zwei verſchiedene
Kageſachen in ben zwei Manifeſten berührt find, ſtehen fie
nicht ‚gerade mit einander im Widerfpruch ?). , So geſchah,
daß ein Theil der bisherigen eifrigften Borfechter des Pap ſt⸗
thumes auf einmal als Vorfechter des Kaiſerthumes aufs
traten. Man ſieht, daß das Papſtthum gerade in feiner glaͤn⸗
zendſten Periode ein Aufferftes ergriffen hatte, ohne zu beden⸗
Ten, baß biefelben Waffen ebenfo leicht rückwaͤrts gebraucht-
werben koͤnnten. Wie viele folher Warnungen ſtehen
Doch vergeblich in der Geſchichte!
Übrigens fehlte es dem K. Ludwig auffer den Minoriten
gar nicht an Männern, welche im Stande waren bie päpfts
lichen Angriffe von Grund aus zu widerlegen. Sein erfler
Seheimſchreiber (Protonstar) war Meiſter Ulrich von Augs⸗
burg, aus dem angeſehnen Geſchlechte der Hangener, ein
cusgezeichneter Decretiſt (oder Kenner bed paͤpſtlichen Kirchen⸗
rechtes), Freund oder Schüler von Dante Wlighieri ?), deſſen
Werk über die Monarchie bereits in Italien den Ton gegen
die Dberherrfchaft des Papftes gegeben *). Dabei befaß Mei⸗
ſter Ulrich in Gemäßheit feines Amtes fo viele Umficht in den
Gefchäften, daß der Papft, ob er ihn gleich als einen feiner
wichtigfien Gegner Tannte, doch nie ben Bann namentlich über
ihn audzufprechen wagte. Zur Zeit des vegendburger Reiches
1) &ubwig IV. gefteht felbft fpäter dem Papſte (Raynald. ad a.
1324. $. 31.), die Appellation fei von Lehrern der Theologie und Relis
giofen verfafit worden. Raynald. ad a, 1327. $. 19. nennt ben Pfeus
dominsriten Nicolaus als VBerfaffer, ohne Zweifel den obengenannten
Provincial von Frankreih. Ra Joh. Vitodur. p. 1863 wurde Hein
rich von Zalheim, Provincial von Oberteutfchland, von K. Ludwig als
Kanzler angeftellt, Tpäter aber wieder entlaffen.
2, Auch blieb der Papft immer noch Beichüger des übrigen Ordens
nach den Austritte der Häupter.
3) Gefhicdhte von Schwaben U, 241.
4) Raynald, ad a, 1321. $. 48.
174 Buch Il. Erfter Beitraum. Abſchnitt 2,2
‚taged wurden mehrere ſcharfe Schriften gegen den Papfi vers
breitet 1). An philoſophiſchem Scharfſinn aber wie an tiefer
Gelehrſamkeit ſteht oben an eine Schrift mit dem Titel: De-
fensor pacis, „gegen die angemaßte Gerichtsbarkeit des roͤmi⸗
ſchen Biſchofs“, von Marſilius von Padua, K. Ludwigs
Leibarzt 2). Neben ihm wird genannt Johann von Gent.
Beide waren keine Minoriten. Ihre Schriften trugen haupt⸗
ſaͤchlich dazu bei, das Zeitalter uͤber die bisherigen Anmaßun⸗
gen des paͤpſtlichen Stuhles zu belehren. Aber das bleibt im⸗
mer wahr, an ben Minoriten erhielt Ludwig mächtige Allirte,
ſowohl beim Volke ald bei dem gelehrten Stande. Durch bie
vereinten Bemühungen diefer Männer gefchab, daß auch bie
Univerfitäten zu Paris und Bologna (einer päpftlichen Stadt)
des Papftes Verfahren für rechtöwidrig unb nichtig erflärten ?).
. Daß Iohann XXI. fi, in feiner innerſten Schugwehr
angegriffen fühlte, bewies er dadurch daß er, als Ludwigs
Dec. zweites Manifeſt ihm zulam *), noch einmal den Bannfluch
über ihn ausfprach als erBlärten Keber *). Aber jebt follte er
auch. erfahren, wie viel der Bann feit funfzig Jahren an feiner
Wirkung. verloren hatte. Ludwigs Manifeft fand weit mehr
Beifall als alle feine Bullen. Nur wo die Dominicaner und
die oͤſterreichiſche Partei noch die Oberhand hatten, wurben
fie. beachtet.
2 Dagegen that ſich K Lubwig bald ſelbſt wieder Scha⸗
den. Die Übereinkunft mit H. Leopold zerfchlug fich, nach⸗
dem bie Reichsinſignien ſchon auögeliefert waren; Friedrich
wurbe nicht freigelaffen. Neue Erbitterung Leopolds. Er faͤllt
. mit gewaffneter Hand von Burgau in Baiern ein. Ludwig
Nov. wii ihn Dagegen beimfuchen, wirb aber gefchlagen °). Durch
1) Martin, Minorit. Flores tempp. ad a. 1323, in Eccard,
serr. T. 1.
2) Raynald. ad a. 1327. $. 37. Das Werk ſelbſt wurbe erft
zur Zeit ber Reformation (1522) im Drud herausgegeben.
8) Martin. Minorita ad a. 1324. -
4) Berthold, de Tuttlingen in Oefel. scrr. T. L. p. 794.
5) Raynald, ad a. 1524. $. 27.
6) Volcmar. Chron. p. 558.
Kampf Ludwigs IV. um die Alleinherrſchaft. 175 —
dieſen Vorfall verlor er ſchon wieder das Vertrauen mehrerer
Fuͤrſten. Der Papft dagegen verbatg die Kleinmuͤthigkeit, bie
ihn angewandelt hatte, indem er fortfuhr die Gegenwahl zu
Gunſten Frankreichs zu betreiben. Auf ſein Verlangen kamen
die Erzbiſchoͤte von Mainz und Coͤln mit den franzöftfchen
und paͤpſtlichen Geſandten zu Renſe zuſammen. Als ſie aber
mit einander fiber ben Rhein fuhren, erhob fish ber Teutſch⸗
ordens⸗ Commenthur von Coblenz, Berchtold d Grav von
Bucheck, Bruder des vom Papſte eingeſetzten mainzer Erzbi⸗
ſchofs, mit derſelben Freimuͤthigkeit wie nicht lange zuvor der
Zempelritter Rheingrav Hugo auf ber mainzer Kirchenver⸗
ſammlung und widerſprach ſtandhaft dem ſchimpflichen Unter⸗
nehmen, das Reich auf einen fremden Koͤnig uͤbergehen zu
|
). |
Indefſen fah 8. Ludwig ein, daß er gegen H. Leopold 1325
gefehlt habe; unvermuthet vitt er ohne feine Räthe nach Traud⸗
mg und bot dem gefangen Gegentönige felbik, bie Freiheit
an. Diefer Entſchluß kam wohl ganz aus ihm felbſt? Doc .
neing gleichzeitige Nachrichten fagen, fein Beichtvater; der
Korthäufer Gottfried, fei es gewefen ber ihn dazu aufgefos
dert ). Friedrich war von. dem Antsage fo überrafcht, daß er
gem die vorgelegten Bebingungen einging : er entjagte dem
Reich, verſprach die befegten Reichöghter unb Städte heraus:
jugeben und dem K. Ludwig ſpgar beizuſtehen. Auch für nde 18, März.
here Berbinbung ber beiden Häufer warb Ruͤckſprache genou⸗
mn, Auf den Fall daß Friedrich dieſe Schnee nicht erfüllen
(„wubringen”) koͤnnte, verſptach er auf Johannistag zux Som
nenwende fich ſelbſt wieder in’3 Gefängnis zu ſtellen). Die
fer Gall war voraudzuſehn, "denn Herzog ‚Leopold Tonnte wie
daz vorige Mal durchaus nicht zur Ruͤckgabe ber elfaffifchen
md fchwäbifchen Reichsguͤter bervogen werben. Der Papſt
benichtete den Vertrag und bedrohte Friedrich fogar mit dem 4. Mai.
Damme, wenn er wieber in die Gefangenfchaft fich flellen
1) Albert. Arg. p. 128. j
2) Martin. Polon. Contin. in Eccard. scrr. T. I. p. 1445,
Leob, ad a. 1325. Albert..Arg. r e
3) Olenſchlager urk. M.
v
1716 Bud IL Sefter Zeitraum. Abſchnitt 2
wuͤrde!). Aber Friedrich hielt als teutſcher Mann fein Wort und
"Sam wieber zurüd. "Nicht weniger Edelmuth bewies K. Lud⸗
wig: er ließ ihn nicht mehr.nach Trausnitz, fondern behielt
ihn bei ſich zu München, theilte Wohnung, Tiſch und Bette
mit ihm ?). Eine folche Denkart war dem Papfte unbegreif-
lich. Auf's neue bietet er Alles gegen K. Ludwig auf. Die
brandenburgifchen Stände werben durch ein Breve ihres Ge
borfams gegen den Markgraven Ludwig (Sohn des Königs)
41325 entbunden. Herzog Leopold fest den Krieg gegen die elfaf-
26. Zul. fifchen Stäbte fort.. Der Papft hält ihn durch VBerfprechungen
80. Zul. für Friedrich hin, während er zugleich auf den König von
Frankreich fchmält, daß er nicht ernflliher dazu thue bas
Aug. Reich an fi) zu bringen. Die Graven von Buche und Bir-
neburg, welche von den Erzbifchöfen von Mainz und. Edln zu
Gunſten Friedrichs an den Papſt geſchickt wurben, erhielten
zur Antwort, er. müflte erſt das Wahldecret haben, um eine
ordentliche Entſcheidung geben zu Fönnen ’).
Da nun Leopold von Johanns XXI. Zweideutigkeit
5. Se überzeugt wurde, fo gab ex endlich feine Zuftimmung zu einem
zweiten Vergleiche zmifchen Lubwig und Friedrich, worin
dieſe uͤbereinkamen die Reichsregierung ald Brüder gemein=
Thaftlich zu führen. Keiner. follte einen Vorzug vor dem
Anbern haben; in des Einen Siegel follte bes Anden Name
voranftehen und die Unterfchriften einen Tag um ben andern
wechfeln. Sie wollten nur Einen Hoffchreiber und Ein Hof⸗
gericht beftellen und nur den Ort des Lebtern halbjährig wech⸗
feln *). Im der That ein eigener Gedanke, aus Gegenföni-
gen eine Zweiherrfchaft zu machen; er laͤſſt fih nur aus
der Milde und Redlichkeit der beiden Fürften erklären. An
fich aber und unter den damaligen Verhältnifien konnte ex
nicht wohl zur Ausführung gebracht werben.
Diefer zweite, zu München gefchloffene Vergleich wurde
1) Raynald. ad a. 13825. $. 2.
2) Petrus Abbas in ——— aul reg. c. 15. in Froher. script.
rer, Boh. p. 48,
5 8) Dieafdragee Ur. 4649,
4) Olenſchlager Ark. 50. Joh, Vitodur. p. 1792.
4
Kampf Ludwigs IV. um die Alteinheerfchaft. 177
| noch mehr geheim gehalten’ ald ber trausniger, eben um Fein
Hinderniß vor feiner Verwirklichung auflommen zu laſſen.
Daher kennen auch die gleichzeitigen Schriftfteller beide nicht,
und aus gleichen Gründen find auch die Nachrichten über bie
nachher geführten öffentlichen Verhandlungen unbefriedigend.
Ef in neueren Zeiten find bie Urkunden durch Streit zwis
fhen baierifchen und öfterreichifchen Schriftſtellern an's Licht
gelommen 1). Es wurden damals, wie es ſcheint, zwei Fürs
lenverſammlungen daruͤber gehalten: bie erſte kam zu keinem
Schluß; auf der andern erhielt der Vertrag die nähere Be⸗ 1326
fimmung: „daß Ludwig feinem lieben Oheim und Bruder.
entweichen wolle an bem Königreih von Rom, als ob
a von dem Papft beftätigt worben, es fei num mit ber Fürs
fen Willen oder nicht” 2). Das Königreich von Rom beifft
hier —— nicht das Kaiſerthum, ſondern das roͤmiſche Koͤ⸗
nigteich, d. h. das teutſche Reich; denn Ludwig ſtand bereits
im Begriff fich zum Kaiſer kroͤnen zu laſfen Da aber jetzt
H. Leopold in Folge ſeiner Anſtrengungen im Elfaß ſtarb, — Behr.
gerieth die Gemeinſchaftlichkeit gleich in's Stoden, und es ift
alſo wohl der mimchner Vertrag nur ald ein Verfuch zu bes
trachten den Papſt audzufchlieffen und den H. Leopold zufeies
den zu fielen. Nach Leopolds Zode wurde Zeutfchland fo -
whig, daß man wohl fah, nicht Friedrich fondern er fei der
Enentliche Gegenkoͤnig geweſen.
7. Von eudwigs IV. Kaiſerkroͤnung bis zum Kurverein,
1327 - 1338.
kudwig zieht den Gibellinen zu Hülfe, laͤfſt ſich
von den Roͤmern kroͤnen und ſetzt einen Minori⸗
ten, Nicolaus V., zum Gegenpapſt. Sein Ruͤck⸗
ing. Papſt Johann XXIL, un den Römern vers
1) Häberlin geichsgeſch. IN. 198., wo bie hierher gehörigen
Gäriften verzeichnet find.
* alter urk. 51. ulm 1826, Am Erichtag nach dem
wolften
Dfißee Gefiicte 6 Teutfgen I. 12
-47%8 Bud II Erſter Zeitraum. Abſchnitt 2.
föhnt, ſchleudert einen neuen Bannfluch. Ludwig
laͤfſt durch die Luremburger unterhandeln, fängt
an nachzugeben, ſucht Hülfe bei Öſterreich, deckt
ſich durch ein Landfriedens-Bündniß mit ben
ſchwaͤbiſchen Städten, entſchlieſſt ſich endlich un-
bedingt niederzulegen buch Überredung K. Io:
banns von Böhmen. Krieg gegen diefen wegen
der Färnthbifhen Erbfolge Vergeblich demuͤthigt
fih Ludwig aud vor Papſt Benedict XII. K. Phi:
lipp von Frankreich Iäfft ihn nicht abfolpiren.
‚Kubwig tritt von Frankreich zu England über. Die
geiſtlichen und weltlichen Fürſten werben auf die
Gefahr der Wahlfreiheit aufmerkſam. Schriftſtel⸗
ler. Kurverein. Frankfurter Satzungen von der
Unabhaͤngigkeit des Kaiſerthums.
1326 Nechdem 8. Ludwig in Teutſchland Alles erſchöpft hatte,
um fich trotz bes päpftlichen Banned ben Beſitz bed Reiches
zu fichern, befhloß er den Papft in Italien zu vernichten und
bier alfo das teutfche Reich zu erobem. Bei dieſem Vorha⸗
ben ließ er dad. Verhältniß mit- Zriebrich gerade auf ſich be⸗
zuben. Wegen verweigerter Zuflimmung ber Kurfürften wurbe
der muͤnchner Vertrag ald aufgehoben angefehn. Die Ver:
traulichkeit verlor ſich; ; Friedrich wandte ſich wieder an den
Papft, erhielt aber eine abfchlägliche Antwort ). Ob Fried⸗
rich nach diefem Schritte im Ernſt erwarten konnte während
Ludwigs Abwefenheit die Verwaltung des teutfchen Reiches zu
erhalten, {ft ſehr zweifelhaft. Zu Insbruck fchieden die beiden
FZürften unverrichteter Dinge von einander 2) und fahen fich
auch nicht wieber. Ludwig fcheint gar Keinen Reichsverweſer
beftellt zu haben ?), und Zriedrich hatte von jebt an in hei:
1) Raynald. ad. a. 1826. $. 7.
2, „nicht fehr freundſchaftlich“, fagt Henric. Rebdorf.
8) Das einzige (oſterreichiſche) Chron. Ci. Neoburg. ad a. 1825
fpricht von Friedrichs Reichsverwaltung. Allein es fehlt durchaus an
Urkunden aus biefem Zeitraume. Der in diefer Beziehung befonders auf:
merffame Häberlin — IL 200, 236.) wuͤrde ſie gewiß zu:
fammengeftellt haben.
!
Kaifer Lubwig IV. 1377 bis 1338. 179
lungsſtreitigkeiten mit feinen noch übrigen Bruͤdern, ba nad
Leopold auch Heinrich farb, immer in Öfterreih zu thım.
Bon diefer Seite konnte alfo Ludwig mit Ruhe den Römerzug
antreten.
Er war wiederholt von ben Gibellinen bazu aufgefo⸗
dert, weil fie durch ihre vereinten Gegner, Papſt, Neapel
und die Suelfen, ſchon mehrmals in's Gebränge gekommen.
Reue Zuverfiht erwachte, ald fie vernahmen, wie muthvoll
Eudwig dem päpfllichen Banne entgegengetreten. Die teuts
- hen Fürften wollten zwar anfänglich N'chts vom Römer:
zuge hören. Die fchredlichen Verwüflungen, welche die vom
Dapfte hereingerufenen Polen und Lithauer in den brandenburgis
ſchen Landen verübt hatten, waren kaum durch den K. Jo⸗
hann von Böhmen abgewenbet worben '), Erzbiſchof Bals
duin von Trier mit einem großen Theil ber Biſchoͤfe, blieb
unentſchieden ?). Ludwig machte deswegen noch einen Ver⸗
fuch bei dem Papſte durch eine Geſandtſchaft nach Avignon,
die jeboch, wie leicht zu erachten, nicht gehört wurde’). Run 1327
ging Ludwig zuerſt nur mit etwa hundert Reitern in Beglei⸗
tung einiger Fürften nach Trient, wo die Häupter der Gibel⸗ Febr.
Iinen feiner warteten; fobald aber diefe große Gelbfunmen
zufücherten *), fehlte e8 nicht mehr an teutfchem Kriegsvoll,
und als die Sachen gut von Statten gingen, kamen immer -
größere Schaaren nach. Schon feit dem Zwifchenzgiche waren
teutfche Sölöner gewohnt über die Alpen zu gehen, um unter
den Parteihäuptern zu fechten. Gegenüber vom Reich und
befonderd von den Kıurfürften fleht alfo Ludwigs Heerfahrt in
der Mitte zwifchen einem eigentlihen Römerzuge und einer
bloßen Gefolgfchaft *). Cr konnte alſo auch nur fo lange
guten Fortgang erwarten, ald er es mit den Partelhäuptern
1) Joh. Vitodur. col. 1798,
2) Gesta Balduin. L. III c. 4 aqgg.
8) Raynald, ad a, 1327. $. 8.
4) VillanilL.X. c. 15.
5) Daher fagt auch der eine (Gesta Balduin. ); Ludwig ſei ohne
Zuſtimmung der Kurfuͤrſten, der andere (Mutius L. 24.), er ſei mit
allgemeinem Beifall nach Italien gegangen. F
43237
Mai.
Sul.
- Aug.
Dci.
180 Buch IL Erſter Zeitraum. Abſchnitt 2.
nicht verdarb. Hierzu geſchah jedoch der Anfang ſchon nach
ſeiner Ankunft und Kroͤnung zu Mailand. Ludwig warf ſich
hier zuerſt dem Galeazzo Viſconti in die Arme, den die
übrigen ſtreng gibelliniſchen Haͤupter nicht als ben Ihrigen er⸗
kannten, und ernannte ihn zum Reichsvicar über Mailand;
bald darauf ließ er ihn aber, weil ex ihm verbächtig gemacht
wurde - oder die verfprochenen Gelber zurüdhielt, verhaften;
feine teutfchen Soͤldner traten zu Ludwig über. Er gab ber
Stadt eine mehr teutiche Verfaffung und fekte den Markgra⸗
ven Wilhelm von Montfereat zum Statthalter :). Dies Vers
fahren, befonders aber bie zur weitern Heerfahrt erhobenen
Geldſummen bewirkten fchon bei den übrigen Gibellinen etwas
Zuruͤckhaltung, doch leifteten fie dem Könige die verfprochene
Unterflügung , und diefer fette. feinen Zug nach Kom muthig
fort, unbelümmert um Johanns XXI. wieberholte Banns
flüche. Das Heer des päpftlichen Legaten und bie Beſatzun⸗
gen K. Roberts wagten nicht angreifend entgegenzutreten,
denn ber Muth der Suelfen war feit Ludwigs Aufunft ebenfo
gefunten, als ber der Sibellinen ſich gehoben hatte. Durch
Zufcien begleitete ihn ber tapfere Gafteuccio, Her von
Lucca und Piſtoja. AS Piſa aus Haß gegen diefen ben Kös
nig nicht einlafien wollte, wurden ihr ald Reichsſtadt durch
Belagerung 160,000 fl. Strafe aufgelegt. Aus Dankbarkeit
für. feinen Beiſtand emannte Ludwig ben Caſtruccio zum
Reichöfürften ald Herzog von Lucca und verlieh ihm, bad
Erzamt des NReichefähnbriche *). Zu Pifa nahm Lubwig das
Bünbniß feines Vorgängerd mit 8. Friedrich von Sicilien
auf und erneuerte Die Meichbacht gegen K. Robert von NRea⸗
pel. Dann zog er weiter mit 3000 Reiten und vielem Fuß⸗
voll, wobei Verſtaͤrkung von Caſtruccio. Zu Viterbo kauen
ihm die Abgeorbneten ber "Römer entgegen. Tief gekraͤnkt
über die Gefangenhaltung ihres Papftes in Frankreich fowie
über feine ausweichenden Antworten auf ihre wiederholten Ein:
Iabungen zur — hatten fie den paͤpſtlich gefinnten Adel
1) Villanil.c. c. so, Gualvan. Flamma c.865.in Murat
T. XI. Annal. Mediol. c, 9.
2) Villani lc. c. 86. Leibnit Cod. jar. gent. L p. 122,
Kaifer Zubwig IV. 1327 bis 1338. 181
verjagt und den Sciarra Colonna zum Capitan mit Bei⸗
ordnung von 52 Bürgern gewählt und befchlofien dem K. Lubs -
wig ihre Thore zu Öffnen, um der Stadt ihren alten Nas
men ald Haupt der Welt zu erhalten *). Don Ludwigs Leuts
feligleit eingenommen, empfingen fie ihn frohlodend ald Her. 1328 ..
und König und trafen fofort Anflalt zur Kaiferfrönung, ins ” Jan.
dem fie behaupteten, das Recht dazu gebuͤhre der Stadt,
nicht dem Papfte. Inſofern iſt Ludwigs Krönung bie einzige
in ihrer Art. Zum Gtadtpräfeet und Pfalzgraven vom Lates
ran ernannte Lubwig den Caſtruccio und ertheilte ihm mit
mehren Andern den Ritterſchlag. Sciarra fehte dem Kaifer 17. Jan.
die Krone aufs Haupt; Peter Colonna übergab ihm den mit
Dimweigen ummunbenen Scepter; die Salbung vollzogen zwei -
excommunicirte Bifchöfe, von Venedig und von Aleria. '
Während der neue Kaifer in teutfchen Reichöfachen Mehreres
mordnete und beftätigte, wurbe das Volk duch Peter Mars
ſilins md Ubertinus von Eafali, einem Mönche aus Ges
ana, in Predigten und Flugſchriften vorbereitet auf Johanns
XXI, Abfegung In aller Form Rechtens ließ ber Kaifer 18, Apr.
vor der Peterskirche öffentliche Anklage gegen Johann von
Cahors, der fich Kügenhafterweife Papſt XXII. nenne, erheben
ud, da fih Kein Vertheidiger fand, denſelben als notorifchen
Shnonifen , Keger und Majeſtaͤtsſchaͤnder ber päpftlichen Winde
verluftig erklaͤren?). Dann verfammelte er bad Wolf zu einer 12. Mai
nem Wahl; ed wurde aber Fein Römer vorgefchlagen, fons
den Peter von Corvara, ein Minorite, der, ald das Volk
ſeinen Beifall gegeben, als Nicolaus V. zur päpfllichen Würde
ehoben, vom Kaifer felbft mit dem Zifcherring und Mantel
bekleidet wurde. So fah man wieder die Zeit der Salier und
Hobenftaufen, wo Abfegung mit Abfegung erwiedert und die
Topfiwahl vom Kaiſer geleitet wurde.
Bis hierher glich Ludwigs Römerzug einem eiumph
aber eben ſo ſchnell trat nun die andere Seite hervor, wie
bei den Vorgaͤngern. An demſelben Tage da der neue Papſt
dem Volke egegen wurde, verkuͤndete Peter Colonna dem
Albertin. Mussat. p. 778. in Murat. T.X.
N) Dienfdhlager, urk. 58. on R
11862 Bud IH, Erſter Zeitraum. »Abſchnitt 2,
noch verſammelten Volke des Kaiſers Abſetzung, welche Jo⸗
hann XXI. über ihn aysgefprochen hatte :). Diefer rafche
Übergang hatte mehrere Urfachen. Nach der Kaiferfrönung
ging Caſtruccio unter allerlei Vorwand zurüd, um Ludwig
fühlen zu laſſen, was er ihm bisher gewefen; ihm gin⸗
gen auch. die teutfchen Fuͤrſten nach Haus. Über dem Ber:
fahren gegen Johann XXH. hatte man dem 8. Robert Zeit
gelaffen, Oſtia und Anagni zu befegen und den Römern bie
Zufuhr abzufchneiden. Die gibellinifchen Geldzuflüffe, womit
Ludwig indeffen die Krönungskoften und den Unterhalt bes
neuen Papftes beftritten, vertrodneten; Caſtruccio hielt fie abs
fihtlich zurüd. Die Soldaten, fchlecht bezahlt, erlaubten füch
Gewaltthaten. Die oberländifchen und nieberteutfchen Soͤld⸗
ner famen fogar über die Beute zu Gifterna felbfi an einander.
Als der Kaifer endlich aus Geldmangel den Römern Steuern
auflegte und fich zugleich der Papſtwahl bemächtigte, ging ber
Enthuflafmus plöglih in Haß über. Johanns XXII. Anhaͤn⸗
ger. wachten wieder auf. Als Ludwig nad fünf Monaten mit
4. Aug. dem Reſte feined Heeres abzog, erfcholl der Ruf: „nieber mit
den Ketzern und Verbannten! ed lebe die heilige Kirche!” Mit
demfelben Legaten, der vorher von den Römern vertrieben
die Vorftädte verbrannt hatte, fchloffen fie jetzt Frieden und
föhnten fich auch mit Johann XXL. wieder aus 2).
Ludwig zog mit etma 2000 Mann gegen Florenz, um
... mit bem immer noch verfteliten Gaftruccio die reiche guelfifch-
gefinnte Stadt einzunehmen. Als dieſer unvermuthet flarb,
8. Sept. ging eubwig zurück nach Pifa, um fich mit der ficilifchen Flotte
zu vereinigen. Auf diefem Rüdzuge kamen zu ihm Michael
von Cefena, der Ordenögeneral der Minoriten, mit den
Provincialen Bonagratia von Bergamo und Wilhelm
Dccam von England ?). Sie hatten fi beimlih von
Avignon entfernt, wo ihr Proceß noch anhängig war. Sie
\
[22
1) Villani L. X. e. 71. auch zum Folgenden.
2) Raynald. ad a. 1828. 8.50 sqq. Albert. Mussat. p. 777
sqq. Villanill.c,
' 8) Nicol. Minorita in Baluz. vit. Pap. Aven. T. I. 709. Job.
Vitodur. p. 1800,
Kaifer Ludwig IV. 1327 bis 1338. - 183
riethen dem Kaifer, vor einem freien Concilium von Geiftlis
chen und Weltlihen den Proceß gegen Johann XXI noch
einmal unterfuchen zu Laflen, um allen Schein von Übereilung :
zu entfernen. Died geſchah; das Urtheil wurbe beftätigt, und 13. Dec.
Papſt Nicolaus V.,. der dem Kaifer nach Pifa gefolgt war,
ſprach den. Bann über den abgefegten Johann, desgleichen
über K. Robert und die Guelfen. Indeſſen entſtand zu Piſa 1329 .
biefelbe Seldverlegenheit wie zu Rom. Die hohen Foberuns
gen ner Soldaten, ihre Erprefiungen bei den Landeseinwoh⸗
nern, die Steuer. welche dev Stabt aufgelegt wurde, das alles
führte zu demfelben Ausgange. Nachdem der: Kaiſer abgezos 11. Apr,
gen war, wurbe auch fein Statthalter vertrieben *).
Den Sommer brachte Ludwig in Pavia zu, in Hoff.
nung Verſtaͤrkung aus Zeutichland zu erhalten. Dann ging
er nad) Trient und hinterließ ben Gibellinen das Verfprechen, Dec.
die temtfchen Fuͤrſten zu einem neuen Zuzug zu vermögen.
As ex aber dort Friedrichs von Öfterreich Tod vernahm, eilte 1330
er nach Zeutfchland 2). 18. Ian.
Dies 8. Ludwigs IV. Römerzug. Etwas mochte er wohl
dazu beigetragen haben die Abfichten Johanns XXL. auf das
nördliche Italien zu vereiteln, obwohl die Sibellinen auch ohne
ihn dieſer Oberherrſchaft ſich erwehrt haben würden, wie fie
es wirklich nachher thaten. Im Übrigen hat Ludwigs Ankunft
für Italien Feine andere Wirkung gehabt, ald daß fie die Bes
gruͤndung neuer Fuͤrſtenthuͤmer zwifchen den freien Städten,
alſo einen ähnlichen Zufland wie in Teutſchland beförberte.
Für feinen Hauptzwed aber hat Ludwig fo wenig erreicht, daß
er, flatt das Reich in Italien zu erobern, vielmehr wieder in .
Zeutſchland Hülfe ſuchen muß. Johanns XXII. Abſetzung
iſt in der That der Anfang des päpfllihen Sieges. Ludwig
muß fich von dem an auf Verhandlungen, auf Nachgeben und
Bitten legen. Wie bei dieſer auffallenden Wendung bie teut⸗
ſchen Fuͤrſten und Stände fi benonmen, wird ſich aus dem
Solgenden ergeben.
Während K. Ludwigs faft dreiiähriger Abweſenheit bielt
1) Villani, L. X. c. 107 gg.
2) Dlenſchlager Staatsgeſch. ©. 123.
- 414 Buy II. Erfer Zeitraum. Abſchnitt 2.
die Iusemburgifche Partei fein Anfehn it Teutſchland aufrecht.
Die Angriffe des Papfles fanden noch wenig Cingang.
1328 As Johann XXI. die Krönung zu Rom erfuhr, erflärte
er diefelbe fofort für ungültig und foberte Die teutfchen Für
ften Auf, fich zu einer neuen Wahl zu vereinigen. Die paͤpſt⸗
lich⸗geſinnten Kurfürften Tamen wirklich zufammen, und weil
der Erzbiſchof Balduin darüber mit dem Erzbiſchof Matthias
von Mainz in "Streit gerieth, fo nahm füch der Papfi auch
noch das neue Recht heraus, für diesmal die Wahl an einem
andern Drte ald zu Frankfurt zu erlauben. Da aber Bat:
thiad bald darauf flarb, fo entfland zuerſt eine zwiflige Erz⸗
bifchofswahl, weil es jeder Partei darum zu thun war ben
neuen Erzkanzler fuͤr fih zu haben. Erzbiſchof Balduin ließ
fich deswegen von bem Domcapitel pofluliren; der Papft aber
cernannte den Graven Heinrich von Virneburg zum Nach⸗
4329 folge. Doch behauptete Balduin den größten Theil des Erz⸗
bisthums und wurbe fpäter mit Beiſtand K. Lubwigs auch
1332 von der Stadt Mainz aufgenommen !).
‚Gegen die Herzoge von Öfterreih fland K. Johann
von Böhmen, Balduind Neffe. Die Marl Brantenburg war
dem Schutze der Zeutichorbenssfitter übergeben. Die wie
berholten Angriffe der wilden Lithauer half K. Johann zurüd:
fhlagen, auch um feiner eigenen Rande willen ?).
1330 Bei 8. Ludwigs Rüdkehr aus Italien fanden die Sa:
hen noch immer gut. Der Papft ließ zwar eine heftige „Ag=
gravation” gegen ihn ergeben und bedrohte mit den fchwerften
Strafen Alle die ihm anhangen würden. Aber Lubwig vertrieb
überall die Pfaffen die nicht beten und fingen wollten. Die
Rheinftädte nahmen ihn freudig auf. Im Elſaß ſtand Herzog
Dtto von Öfterreich; ex hatte mit päpfilichem Gelb eine flarke
Kriegsmacht zufammengebracht, mit welcher K. Ludwig für ben
Augenblid ſich nicht meffen konnte. Alein 8. Johann, der
Mai. fich noch nicht lange mit Otto ausgefühnt und verfchwägert
batte, vermittelte den Frieden. K. Ludwig beflätigte ben Her⸗
zogen von ÜÖfterreich alle Fürftenthiimer, Herrſchaſten und
1) Gesta Balduin. L. III. ce. 7.
2) Petrus Abbas in Chron, aul, reg. e. 20,
Kaifer Ludwig IV. 1327 his 1338. 185
Rechte welche fie vor feiner Wahl inne gehabt; Dagegen folls
ten fie was fie fonft vom Reich eingenommen zurüdgeben,
doch durften fie vier Städte am Oberrhein für die Kriegskoſten
behalten. Beide Theile verbanden fich nebft.ihren Bundesge⸗
noffen gegen alle Feinde, ausgenommen bie Kirche, die Kurs
fürften und einige andere Bifchöfe und Herren. Was vormals-
zwiſchen kudwig und Friedrich verabredet worden und dem
einen oder dem andern Thelle nachtheilig waͤre, ſollte aufge⸗
hoben fein :).
Mach diefem Frieden trat Herzog Dito auch der Vermitts
lung zwifchen 8. Ludwig und dem Papfte bei, welche K. Ios
hann und fein Oheim Balduin bereitö eingeleitet hatten. Zus
tranensvoll überließ fich der Kaifer dieſen Fürften, welche, um
nur einmal Frieden zu machen es koſte was es wolle, folgende
Bedingungen vorfchlugen: „Der Kaifer folle 1) feinen ketzeri⸗
fhen Gegenpapft Nicolaus V. abfegen; 2) die Appellation
gänzlich aufgeben; 3) Alles widerrufen was er gegen die heis
lige Perfon desd Heren Papfted unternonmen; er folle 4) ans
erkennen, daß er darin zu weit gegangen und fich der Strafe
des Bannes ſchuldig gemacht habe; 5) fich in Abficht der Aus⸗
fühnung der Gnade des Papftes uͤberlaſſen, jeboch mit dem
Vorbehalt, daß er dabei in Stand und Ehren, d. h. beim Reich
und Kaiferthum bleibe” 2).
Wie konnte K. Ludwig über fich erhalten die muthvoll
betretene Bahn ayıf einmal zu verlaffen und namentlich feine
eidlich beſchworne Appellation ſelbſt zu vernichten? Ohne Zwei⸗
fel war ihm ſchon in Italien der Muth entfallen, und dann
mochte man ihn glauben machen, er koͤnne immerhin einige
Opfer ſich gefallen laſſen, wenn er ſich nur als Kaiſer behaupte.
Allein er ſollte jetzt erfahren, daß, wer einmal anfängt in feis
ner rechtmäßigen Sache Etwas nachzugeben, nicht eher losge⸗
laſſen wird, als bis ber Gegner Alles erreicht hat.
Johann XXU. erwiederte nach feinem Syſtem ganz folges
recht: „er Bönne Ludwig nicht begnabigen, folange er die Minos
riten, welche ihn zu gefährlichen Vergehungen verleitet, ſchuͤtze;
1) Olenfhlager, Urt. 61.
2) Dienfhhlager, Urt. 62,
16 Bud DL Erſter Zeitraum. Abſchnitt 2.
ed ſei Iächerlich den Gegenpapft abfegen zu wollen (was er
nicht einmal als vechtmäßiger Kaifer koͤnnte), da fish diefer
bereits felbft in feine Hände übergeben habe; die Appellation
fei voraus nichtig, bebürfe alfo nicht einmal der Aufhebung ;
man koͤnne gar nicht vom Papfte appellivten, weil er Niemand
über fi habe. Am Widerruf überhaupt fei es nicht genug,
Ludwig muͤſſe das gefchebene Unrecht erſt erflatten, mit einem
Wort dad Reich niederlegen, denn ein im Bann befindlicher
Zyrann koͤnne gar nicht Anfpruch darauf machen; vielmehr
follen die Fürften einmal zur Wahl eines rechtgläubigen römis
ſchen Königs ſchreiten“ *).
⸗
Ungeachtet dieſe Erklaͤrung vor der Hand noch Feine Wir:
Tung In Zeutfchland machte, fo hatte fich doch Lubwig dem
Papfte einmal bloß gegeben und zugleich ganz in die Arme
bes Königs Johann geworfen, der bereits mit eigenen Ent-
wuͤrfen umging, wozu ihn Lubwigs Schwäche felbft gereizt
haben mochte. Iohanı: hatte indeſſen auch in Italien zu Gun⸗
fien Ludwigs vermittelt; da aber die Gibellinen Nichts mehr
von ihm wiffen wollten, befchloß er hier unerwartet an Lud⸗
wigs Stelle felbft zu treten. Nachdem er ben alten Feind
feines Haufes, den Herzog Heinrih von Kaͤrnthen und
Graven von Zirol, wegen der Anfprüche auf Böhmen mit
40,000 fl. zufriedengeftelt und eine Heirath feines Sohnes
Johann Heinrich mit defien Tochter Margaretba befpro:
chen hatte, ging er nach Xrient und ließ ſich gem von ben
guelfifchen Brefcianern zu Hülfe rufen gegen Azzo Vifconti
in Mailand und Maflino della Scala zu Verona. Der Kais
1330 fer, dem diefe Herren zu mächtig wurden, gab zu, daß Dos
Des. Hann eine. große Zahl oberländifcher Söloner warb, um bie
Städte zu unterflügen; auch fand Iohann als Friedensſtifter,
wie er fih im Sinne feines Vaters 8. Heinrichs VII. aufün=
digte, einen über Erwartung günftigen Eingang. Auf der
einen Seite gab er fich bei den Gibellinen für ben Taiferlichen
Reichsvicar aus, bid die Städte fich unterworfen hatten; auf
der andern trat er mit bem päpftlichen Legaten in Ferrara in
Verbindung und überrebete bie Buelfen, er handle im Auf:
‘ 1) Raynald, ad a. 1350. $. 29 aqq.
"Kaifer Ludwig IV. 1327 bis 1338, 187.
trage des Papſtes). Eine ſolche Doppelfeitigkeit konnte aber
in die Länge nicht beftehen. Der Papft erklärte, daß er Nichts
von 8. Johann wiſſe. Der Kaifer, welchen Johann immer
noch bereben wollte, daß er Alles zum Bellen des Reichs
thue, ſchloß zur Vorſorge doch ein näheres Buͤndniß mit. 1331.
den Herzogen von Öfierreich unb ernannte den Herzog 9 Mai
Dito zum Reichöverwefer in Teutfchland auf den Fall. feiner
Abwefenheit. Auf dem Reichötage zu Nürnberg faflte K. Lud⸗ Jun.
wig wieder etwas Muth und trug ben Ständen für’ erfle
feine Befchwerden gegen ben Papft vor, daß vdiefer mit lau⸗
ter Zrug und Züden ihm begegne, und daß es Pflicht fei des
in feine-Sefangenfchaft gerathenen Gegenpapfted fich anzuneh⸗
men?). Es ift aber nicht bekannt, was der Reichstag darauf, .
beſchloſſen. Dann klagte Ludwig die Hinterlift des K. Io: .
hann an, der jebody an feinem Oheim, dem Erzbifchof Bal⸗
duin, einen,fo mächtigen Fürfprecher hatte, daß auch Nichts
gegen ihn bechloffen werben konnte. Um fo mehr bemühte
fih K. Ludwig, hauptſaͤchlich gegen die päpfilich gefinnten =.
Bifchöfe am Oberrhein, mit den Herzogen von Öftereeih, in
beren Buͤndniß ausdruͤdlich bedungen war, daß die Beſetzung
der Reichsvogteien in Schwaben und Elſaß mit ihrer Übereinz
Rimmung geſchehen folle, auf die Grundlage des Städte:
bunbes in Ober= und Nieder: Schwaben ein allgemeines
Landfriedensbüundniß zwifhen den f[hwäbifchen und
baierifchen Ständen, welchem aud feine Söhne nebft dem
Markgraven von Brandenburg beitraten, einzuleiten. Diefes
Bündniß, auf feine Lebenszeit geſchloſſen und von ihm beſtaͤ⸗ 20. Nov
tigt, gab auf alle Faͤlle einen ſichern Anhaltpunct ’), wobei. 9. Dee.
man fi nur wundern muß, wie fi Ludwig befien ungeach⸗
tet zu den folgenden Schritten verſtehen konnte.
Als K. Johanns Unternehmungen von ſelbſt in's Stocken
geriethen, kam er aus Italien zuruͤck und wuſſte den Kaiſer
wieder ſo einzunehmen, daß er ihm nicht nur das italieniſche
1) Albert. Argent. p.124. VillaniL.X, c. 168 sq. Henr. z
Rebdorf. — Raynald, ad a. 1380. $. 18.
2) Mutius Chron. Germ. p. 231.
8) Geſch. v. Schwaben III, 224-2299,
1885 Buch I. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 2.
Reichsvicariat wirklich übertrug, fondern auch auf's neue feine
Vermittlung bei dem Papfte annahm). Auf Johanns Rath
1331 ließ Ludwig wieder eine Gefandtfchaft nad) Avignon abgehen.
‚ 49.2. Er entſchloß ſich, ob gem ober ungern wiſſen wir nicht, noch
weiter nachzugeben. Auſſer einem demuͤthigen Schreiben an
. ben Papſt, worin er Alles zu thun verſpricht was unbeſcha⸗
bet der Ehre des Reichs gefchehen koͤnne, gab er den Seſand⸗
ten noch eine geheime Inſtruction mit, die fie jedoch nicht
eber vorzeigen follten, als bis fie eines guten Erfolgs gewiß
fein winden. Cr bewilligt nach dem Berlangen des Papftes,
bie Minoritenund ben Marfilius nicht mehr zu fhügen?),
‚wenn fie fich nicht zum Gehorſam bringen laffen wollten,
vielmehr dem heil. Stuhl gegen fie beizuftehen, wenn fie Et
was wider den Glauben lehren follten; er will fi der Kir-
henbuße unterwerfen, um aus dem Bann zu fommen; er
erfennt an, daß bie Kaiferfrönung und Salbung dem Papfte
gebühre, und will deswegen die Krone fo lange niederle⸗
gen, bis er fie aus feinen Händen erhalte; er will Alles be.
fhwören, was bie frühern Kaifer befchworen haben u. f. w.°).
Allein der Papft, der ihn einmal fo weit hatte, befand auf
unbedingter Niederlegung. So blieben die Sachen noch
zwei SIahre und kamen auch durch König Johanns angeb>
lihe Verwendungen nicht weiter. Diefer, ein aufferorbentlis
‘her Gefchwindreiter *), eilte das eine Mal nach Paris, das
andere Mal nach "Avignon, während "beide Mal die Öfterreicher
mit den Ungern und Polen feine Erblande angriffen. In der
That wolte er nur Frankreich und den Papſt für fi gewin⸗
nen, um in Stalien fi den Weg zum Kaifertjum zu bah⸗
nen; er fuchte auch von Frankreich aus mit einem geworbe⸗
nen Heere dahin einzudringen; allein die Guelfen und Gibel⸗
linen ſahen jetzt heller: fie traten zuſammen und verbanden
1) Burgundus p. 137. Petrus Abbas in Chron. aul. reg.
o. 27.
ı 2) Rah Villani X, 102, war War (tus ſchon 1328 zu Monte
Alto auf des Kalfers Rüdzug geftorben.
8) Gewold, Defens. Lud. IV. imp. p. 118 sq.
9 Petrus Abbas .c. 9.
Kaifer Ludwig IV, 1327. bis 1338. 189
ih auch gegen den König Robert von Neapel. Johann vers 1333
mochte Nichts gegen die fehlen Städte und nahm endlich feis Aus.
am Abzug °). Dagegen hoffte er bei feiner Rückkehr nach
Zeutſchland Durch einen Handgriff ſchnell zu feinem Ziele zu
gelangen. In Verbindung mit dem Könige von Frankreich
brang er num in den Kaifer, daß dieſer, durch das feitherige
Hinhalten ohnehin ſchon mürbe genug gemacht, endlich zu
dem verzweifelten Entſchluß kam, ben letzten Schritt zu thun
und fi dem Papſte unbedingt zu unterwerfen. Er that
wirklich Verz icht auf das Reich, nur in ber Form meinte
a noch eine Art von Hinterthüre offen zu behalten. Wie er
feiner letzten Gefanttfchaft an den Papft befohlen hatte ben
zu ſchlieſſenden Vergleich nicht eher herauszugeben, bis fie die
Ausföhnungsbulle erlangt haben würde: fo warb jegt die Übers
einfunft getroffen, die Sache noch geheim zu halten und den
Verzichtbrief ?) in ‚bie Hänbe eines Dritten, des Herzogs Heinz
uch von Nieberbaiern, fo lange nieberzulegen, bis die Abfolus
tion wirklich erfolgt fein werde Ludwig bachte wohl nicht
ders, ald mit der Abfolution werde dann auch feine Wies
derherſtellung in die kaiſerliche Würde gefchehen. Es ift aber
feht die Frage, ob die Unterhändler und der Papſt ihn nicht
beim Worte gehalten haben würden. Herzog Heinrich war
K. Johanns Schwiegerfohn , er that aber etwas vorlaut; er
wollte fchon die Huldigung von den Rheinſtaͤdten einnehmen
und fand unerwarteten Widerſpruch. Dad war Ludwigs Rets
tung. Da Heinrich die Zufage gebrochen, fo hielt er fich bes
rechtigt Öffentlich zu widerfprechen, daß er je an Verzichtleis
fung gedacht babe’).
Ludwig hatte noch -einen Gewinn: die Augen wurben
ihm geöffnet; aber in der Sache felbft war Nichts gebeffert.
Aus dee verftellten Freundſchaft der beiden Könige von. Boͤh⸗
men und Frankreich Ientfland offenbare Zeindfchaft, und
I}
1) Auſſer Petrus Abbas I, c. Vita Caroli IV. iap. in Fre-
ker. ser. rer, Boh. p. 90 agq.
2) Diefen ferbft hat man nicht mehr, fondern nur den Revers H.
deintichs in Oefel. serr. T. II. p. 163 zqq.
9) Henrixv. Rebdorf. — Andr, Ratisb. ad a, 1883.
188 Buch DI. Erſter Zeitraum Abſchnitt 2,
Reichövicariat wirklich übertrug, fondern auch auf's neue feine
Vermittlung bei dem Papfte annahm?). Auf Johanns Rath
1331 ließ Ludwig wieder eine Gefandtfchaft nach Avignon abgehen.
| 49. Oct. Er entfchloß fih, ob gern oder ungern wiſſen wir nicht, noch
weiter nachzugeben. Auſſer einem demuͤthigen Schreiben an
. ben Papſt, worin er Alles zu thun verſpricht was unbeſcha⸗
det der Ehre des Reichs geſchehen koͤnne, gab er den Geſand⸗
ten noch eine geheime Inſtruction mit, die ſie jedoch nicht
eher vorzeigen ſollten, als bis ſie eines guten Erfolgs gewiß
fein wuͤrden. Er bewilligt nach dem Verlangen bed Papftes,
bie Minoritenund den Marfilius nicht mehr zu fhügen ?),
‚wenn fie fi nicht zum Gehorfam bringen laffen wollten,
"vielmehr dem heil. Stuhl gegen fie beizuftchen, wenn fie Et⸗
was wider den Glauben lehren ſollten; er will fi der Kir⸗
henbuße unterwerfen, um aus dem Bann zu fommen; er
ertennt an, daß die Kaiferfrönung und Salbung dem Papfle
gebühre, und will deswegen die Krone fo lange nieberles
gen, bis er fie aus feinen Hänben erhalte; er will Alles be.
fhwören, was die frühern Kaifer befchworen haben u. f. w. ?).
Allein der Papft, der ihn einmal fo weit hatte, befland auf
unbedingter Niederlegung. So blieben die Sachen nod)
zwei Jahre und kamen auch durch König Johanns angeb-
liche Verwendungen nicht weiter. Diefer, ein aufferorbentfis
‘her Sefchwindreiter *), eilte das eine Mal nach Paris, bas
andere Mal nad) Avignon, während "beide Mal die Öfterreicher
mit den Ungern und Polen feine Erblande angriffen. In ber
That wollte er nur Frankreich und den Papſt für ſich gewin-
nen, um in Stalien fih den Weg zum Kaiferthum zu bab:
nen; er ſuchte auch von. Frankreich aus mit einem geworbe⸗
nen ‚Deere dahin einzubringen; allein die Guelfen und Gibel⸗
Iimen ſahen jetzt heller: fie traten zufammen und verbanden
1) Burgundus p. 137. Petrus Abbas in Chron. aul. reg.
ce. 27.
2) Rach Villani X, 102. war Marſilius ſchon 1328 zu Monte
Alto auf des Kalfers Rüdzug geftorben.
8) Gewold, Defens. Lud. IV. imp. p. 118 sq.
9 Petrus Abbas c. 29.
Ralfer Ludwig IV. 1327. bis 1338. 180
ſich auch gegen ben König Robert von Neapel. Johann ver 1333
mochte Richt gegen die feften Städte und nahm endlich feis Aus.
nen Abzug '). Dagegen hoffte er bei feiner Rüdkehr nach
Zeutfchland durch einen Handgriff ſchnell zu feinem Ziele zu
gelangen. In Verbindung mit dem Könige von Frankreich
drang er num in den Kaifer, daß dieſer, durch das feitherige
Hinhalten ohnehin ſchon mürbe genug gemacht, endlich zu
dem verzweifelten Entſchluß kam, den legten Schritt zu thun
und fidy dem Papfle unbedingt zu unterwerfen. Er that
wicklich Verzicht.auf bad Meich, nur in ber Form meinte
er noch eine Art von Hinterthüre offen zu behalten. Wie er
feiner letzten Gefanttfchaft an den Papft befohlen hatte den
zu fchlieffenden Vergleich nicht eher herauszugeben, bis fie bie
Ausſohnungsbulle erlangt haben würde: fo warb jest die Übers
eintunft getroffen, die Sache noch geheim zu halten und ben
Berzichtbrief?) in ‚Die Hände eines Dritten, des Herzogs Heinz
ih von Niederbaiern, fo lange nieberzulegen, bis die Abfolus
tion wirklich erfolgt fein werde. Ludwig dachte wohl nicht
anders, ald mit der Abfolution werbe dann auch feine Wies
derherſtellung in bie Faiferliche Würde gefchehen. Es ift aber
fehr die Frage, ob die Unterhändler und der Papft ihn nicht
beim Worte gehalten haben würden. Herzog Heinrich war
8. Johanns Schwiegerfohn,, er that aber etwas vorlaut; er
wollte fchon die Huldigung von den Rheinftädten einnehmen
und fand unerwarteten Widerfpruch. Das war Ludwigs Rets
tung. Da Heinrich die Zuſage gebrochen, fo hielt er fich bes
tehtigt Öffentlich zu widerfprechen, daß er je an Verzichtleis
fung gebacht habe’).
Ludwig hatte noch -einen Gewinn: die Augen wurben
ihm geöffnet; aber in ber Sache felbft war Nichts gebeflert.
Aus der verftellten Freundſchaft ber beiden Könige von. Böhs
men und Frankreich Ientflandb offenbare Zeindfchaft, und
——
1) Auſſer Petrus Abbas L. c. Vita Caroli IV. iap. in Fre-
her. scrr. rer. Boh. p. 90 zqq.
D, Diefen ſelbſt hat man nicht mehr, fondern nur ben Revers 9.
Peinrichs in Oefel. scrr. T. U. p. 163 aqg.
3) Henric. Rebdorf. — Andr. Ratisb. ad a, 1883.
1335
4. Xpr.
1336
9, Det.
10 Bud IL Erfter Zeitraum. Abſchnitt 2.
Ludwig machte Togar gegen ben Erſtern den Aingreifenden.
Da nicht lange darauf H: Heinrih von Kärnthen und Ti:
rol flarb, nahm er fein Wort zurüd, das er bemfelben in
Abficht der Erbfolge feiner Tochter Margaretha, welche mit
K. Johanns Sohn vermählt war, gegeben hatte, und fchloß
ein nened Buͤndniß mit den Herzogen von Öfterreich, welche
von Ihrer Mutter, des lebten Herzogs Schwefter, Anfprüche
Auf die Erbfolge machten, während die Stänte von Zirol
fich der böhmifchen Herrfchaft unterwarfen. Um Alles abzu⸗
ſchneiden, ergriff der Kaifer diefelbe Maßregel wie bei der Mark
Brandenburg: ’ er erlärte Kaͤrnthen und Zirol fir erledigte
Mannlehen und uͤbertrug fie dem Haufe Öfterreih). K. Jo⸗
hann lag zu Paris an Zumierwunden. Schnell machte er
ein Gegenbündniß mit den Königen von Polen und Ungern,
indem er allen Anfprüchen auf Polen und bie fchlefifchen Für:
ſtenthuͤmer, welche er indefjen eingenommen hatte, entfagte.
Sein Schwiegerfohn, Herzog Heinrich von Niederbaiern, trat
bem Bündniffe bei. Johann ſchwur nicht eher zu ruhen, bis
er den Kaifer tobt oder lebendig dem Papſte In Avignon über:
Hiefert haben würde. Sein Angriff war gut berechnet. Nach⸗
dem er mit feinen Bundeögenoffen Öfterreich verheert, wollte
er durch Baiern in Zirol eindringen. Ludwig vereinigte fich
aber mit den Herzogen von Öfterreich und trat ihm bei Lan⸗
dau in Baiern mit einer fo flarten Macht entgegen, daß er
keine Schlacht wagen wollte. Ludwig konnte fogar den Krieg
nach Böhmen bringen, entzweite ſich aber unglüdlichermweife
mit ben Herzogen von Öfterreich, weil fie ihm für die Kriegs:
koſten Nichts abtreten wollten. Dies benuste K. Johann und
fchloß mit den Herzogen einen befondern Frieden, ber bie Sa⸗
chen ließ wie fie vor dem Kriege waren. Kärnthen blieb bei
Öfterreich, Tirol bei Böhmen. K. Johann erhielt auch von
den Öfterreichern Entſchaͤdigung für die Kriegskoften.
- Da faß Ludwig nun wieder, die Freunde flanden von
ihm ab; 8. Iohann blieb ihm gram. Schon vor biefem
1) Chron. Leob. ad a. 1835. Steyerer Comment. pro hist.
Albert. II. etc. Addit. ad c. 1. p. 78 aq. Vita Caroli IV. imp. p. 96.
auch zu bem Bolgenben.
Kaifer Ludwig IV. 1327 bis 1338. 19
Krieg war der unerbittlichftie Gegner, Papſt Iohann XXL,
in hohem Alter geftorben; fein Nachfolger Benebict XIL, .ein
guter, gerader Mann, der Nichts ſehnlicher wünfchte ald den
paͤpſtlichen Stuhl aud der feanzöfifchen Sefangenfchaft wieber
nah Rom zu bringen, hätte fi), wie es fcheint, dem Kaifer 1335
gern zu biefem Zweck in die Arme geworfen und bot ihm Irr-
felbft die Ausföhnung an!). Allein er hatte nicht die Um⸗
fiht und Erfahrung, um den Raͤnken bes franzöfifchen Hofes
in Abficht auf Italien und das Kaiferthum eine windige Hal
tung entgegenzuflellen; er fühlte dies felbft To tief, daß er
dem Cardinalcollegium geſagt haben ſoll: „ihr habt einen
Eſel gewählt)!" und gegen den Kaiſer vergaß er doch auch)
den Papſt nicht.
Ludwig Fonnte lange nicht glauben, daß bei den auds
gefprochenen friedlichen Sefinnungen des Papftes die Ausſoͤh⸗
nung mit der Kirche nicht möglich fein folte. Er ließ eine
ſtattliche Geſandtſchaft nach Avignon gehen, wobei auch fein
after Geheimfchreiber, Meiſter Ulrich von Augsburg. Bes
nebict empfing fie freundlich und machte folgende Bebinguns
gen: Ludwig folle dem heiligen Stuhle verförechen was feine
Vorfahren; das Unrecht. gegen Johann XXIL wiberrufen
fowie die fchon von K. Heinrich VII. gegen K. Robert aus⸗
gefprochene Acht, und demſelben das italienifche Reichsvicariat
verleihen; ex folle dad Eigenthum des römifchen Stuhles nie
angreifen, namentlich beide Sicilien, Sardinien und Corſicaz
Stalin und Rom folle ex nie wieber betreten ohne Geheiß
des Papfles und die Stadt am Kroͤnungstage wieder verlafs
fen; auch nie eine Gerichtöbarkeit im Kirchenſtaate auslıben >):
Ludwig genehmigte biefe Bedingungen, fo emiebrigend fie
waren, durch eine zweite Geſandtſchaft. Der Papfl nahm biefe Aug.
noch freundlicher auf und bezeugte fein Vergnügen, baß ein
fo ebler Aſt der Kirche wie Zeutfchland, der ſchon in Ludwigs
Perfon fire abgerifien angefehn worden, wieder mit dem Baume
1) Raynald. ad a. 1835. $. 1 sg. *
2) Villani L. XI. c. 21.
3) Raynald. ad a. 1386. $. 18 q.
192 Buh IE. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 2.
vereinigt werben follte. Er ruͤhmte die teutſche Ration und
- nannte Ludwig den edelſten Herm der Welt. Die Sachen
waren fchon am Abfchluß, da trat eine, anfehnlidhe. Sefanbt-
ſchaft von den Königen von Zrankreih und Neapel bazwis
fhen. Die Bebingungen des Papftes hatten hauptfächlich die
Rückkehr nad Rom im ‚Auge. Das durfte nicht zugegeben
werden. Man fragte ihn, wie er ſich denn mit einem Erz⸗
ketzer befreunden koͤnne. Er dagegen: haben wir uns nicht
vielmehr gegen ihn vergangen? Ludwig würde mit dem Stabe
in der Hand zu den Füßen unfers Vorfahren gekommen fein,
wenn er angenommen worben wäre. Die Beichimpfungen
die man ihm zugefügt, haben ihn zu Allem was er gethan
gezwungen '). Nun ließ König Philipp auf die Güter der.
franzoͤſiſchen Cardinaͤle Belchlag legen. Dies wirkte. Lubwigs
Gefandte wurden nach vielfältigen Ausflüchten endlich wieder
heimgeſchickt.
1336 Nach dem kaͤrnthiſchen Kriege nahm Ludwig die Unter⸗
Oct. handlungen wieder auf und legte noch ein groͤßeres Suͤnden⸗
bekenntniß ab als zuvor. „Er habe aus bloßer Rache Jo⸗
hann XXII. abgeſetzt, wozu er ohnehin keine Macht gehabt.
Er bereue, ſich der ketzeriſchen Viſconti und der Minori⸗
ten angenommen zu haben. Ihre Irrthuͤmer wegen ber Ar
muth Chrifti habe er nie gebilligt und fie aus Unverſtand in
‘feine Appellation mit aufgenommen. Als Kriegsmann, ber
von gelehrten Streitigkeiten Nichts wifle, habe er fi) den
Theologen und Religiofen überlaffen. Ebenfo bebaure er, ba
er die Rathichläge des Marfilius und Johann von Gent
angenommen unb ihre Lehren unter bem Volke habe verbrei=
ten lafien. Zu diefem allen fei er durch die Härtigfeit feines
Gegners gezwungen worden. Um dem heiligen Stuhle völlig
genug zu thun, wolle er den Baiferlichen Zitel wieber ablegen,
in eigener Perfon um Abfolution- bitten und die Bußen übers
nehmen die man ihm auflegen würbe. Dagegen hoffe er,
daß ber Papft ihn zu Gnaden aufnehmen, ihm die Taiferliche
Würde wieder verleihen, das Interdiet von Teutſchland
1) Albert, Argent. p. 126..
Kaifer Ludwig VI. 13771338. 193
nehmen und alle feine Freunde von dem Banne befreien
werde” !),
Da Ludwig fich überzeugt hatte, wo das Haupthinberniß
liege, fo ließ ex zu gleicher Zeit dem Könige Philipp durch |
eine feierliche Geſandtſchaft Vergleich über feine bisherigen 1336
Streitigkeiten mit dem Reich und ein freundfchaftliches Buͤnd⸗ Det.
niß anbieten. Diefe treuherzige Annäherung brachte den Koͤ⸗
nig beinahe in Verlegenheit; ex that ald ober den Papfl um
Rath fragte: einen folchen Antrag könne man ja nicht abwei⸗
fen. Einftweilen ließ ſich Philipp ald Grundlage des Buͤnd⸗
nified von ben Gefandten fchwören, baß Ludwig mit feinem 23. Dec.
Feinde Frankreichs jemals fich verbinden, noch feinen Freun⸗
den und Unterthanen folches zulaffen wolle 2). Dabei ließ es
Philipp bewenden. Nun glaubte der Papft nicht anders ald 1337
mit der Abfolution vorfchreiten zu dinfen. Allein bie franzds Gebr.
fifchen Carbindle verlangten Auffchub, bid bie Könige von E
Frankreich und Neapel eingewilligt haben wuͤrden. Endlich
kam Botfchaft von Philipp, Ludwigs Buße fei mur Verftels
Img; der Papft war endlich genöthigt den Gefandten dieſelbe
Antwort zu geben, nur mit.etwad mildern Worten, daß Lud⸗
wig noch nicht zue Buße gefchict fei. ' Vergeblich warnte Bes 11. Apr.
nebict den König, „die fcharffüchtigen Zeutfchen” werben fich
nicht Länger berumführen laffen °). Der tiefe Unwille, wels
hen Ludwig über diefe Schritte empfand, weckte wieder
Selbfivertrauen in ihm. Er rief feine Geſandten zuruͤck. Die
Fuͤrſten waren jebt überzeugt, daß die Schuld nicht an ihm
lege. Mit Zreuben wurden bie Geſandten des Königs
Eduard III. von England aufgenonmen, welche ein Buͤnd⸗
niß gegen Frankreich antrugen. Alle Zürften, mit Ausnahme -
8. Sohanns von Böhmen, gaben ihre Zuflimmung. Der
fhlaue Philipp meinte, er babe Ludwig die Hände gebunden,
AMein diefer hielt fih ſchon dadurch feines Eides entlebigt,
daß der König neuerlich die Integrität des Reichs angegrifs
1) Raynald. ad a. 1336. $. 31 egq.
D Leibnit. Cod. jur. gent. p. 148 sqgq.
9) Raynald. ad a. 1837. $. 1 sqq.
Pfifter Geſchichte d. Teutſchen ZU. 13
194 Bub IL Erſter Zeitraum. Abſchnitt 2, °
fen und einige fefte Orte in der Gegend von Cambrai einge:
nommen hatte ?). Ohne weiteres Bedenken gab er feinem
4337 Schwager, dem 8. Eduard, die Hand zum Bunde. Eduard
22. Sul. verfprach ihm die Würde des Kaiſerthums mit aller feiner
Macht verteidigen zu helfen und zu dem Zug nach Avignon
300,000 Goldgulden auszubezahlen. Ludwig verfprach dDage
gen ihm 2000 teutfche Heime auf naͤchſtes Spaͤtjahr zum
Kriege gegen Frankreich in Perfon zuzuführen ?).
Noch einen Schritt that Ludwig, um auch die Geiſtlichkeit
{im Reiche zur Übereinftimmung zu bringen. Der Papfk hatte
fi) noch befonderd darüber befchwert, daß Lubwig Balduins
eigenmächtige Befignahme des Erzbisthums Mainz gegen Hein:
rich von Virneburg dulde. Er wollte endlich einen neuen Ein⸗
griff in die Verfaſſung thun und dad Erzbisthum durch zwei
beſondere ‚Legaten in Befchlag nehmen laffen ’). Um bies
auszufchlieffen, bewog Ludwig den Erzbifhof Balduin bie
Würde dem Domcapitel zurüdzugeben. Diefes wählte fobann
den fchon vom Papft ernannten Heinrich von VBirneburg,
jedoch nur unter ber Bedingung daß er gemeinfchaftliche Sache
mit dem Kaifer mache *). Dad that Heinrich und berief balb
1338 darauf eine Kirchenverfammlung feined Sprengeld, zu welcher
März. auch der Kaifer felbft Fam. Als nun die Bifchöfe aus feinem
Munde vernahmen, wie Ernſt es ihm fei, Frieden mit ber
Kirche zu ſchlieſſen, wollten fie auch ihrerfeitö durch eine eigene
Geſandtſchaft den Papſt dazu ermahnen >). Allen die Ge
fandten fanden, daß Benedict XII. nichts Anderes thun dürfe,
als was der König von Frankreich verlange; zur erſten Be
dingung muffte er machen, daß Ludwig die Feindfeligkeiten
gegen Frankreich einftellen fole. Albert von Straßburg,
ber bald darauf in Sachen feines Bifchofs nach Avignon kam,
verfichert in feinem fchägbaren Gefchichtwerke, Benebict XH.
habe den Gefandten mit Thraͤnen · entdeckt, K. Philipp habe
1) Raynald. I, c. $: 18.
2) Rymer. IV. p. 798 agq.
8). Raynald ad a. 1356, $. 57 aqq. 1338. $. 6.
4) Albert. Argent. p. 177.
5) Olenſchlager Url. 66,
Kaifer Ludwig IV, 1327--1338. 195
ihn bedroht, wenn er ben Baier abfoloire, fo folle er noch
härter behandelt werden als Bonifactus VILL °).
So muflte ed kommen, bis die geiftlihen und welt
lihen Fürften, wie zu 8. Heinrichs V. Seit, allgemein zur -
Einficht gelangten, ed gelte nicht bloß dem Kaifer, es gelte
auch ihren Rechten und überhaupt ber Unabhängigkeit des
Reiche, da zuerft die Anmaßung ber Päpfte, dann ihre Schrods
de ed dahin gebracht, daß die Beflätigung der vömifchen Koͤ⸗
nigewahl von: einer fremden Macht abbängig fein follte,
Was hatte ed geholfen, daß Ludwig aus Föniglicher Macht
vollkommenheit die Freiheit und Rechtmäßigkeit feiner Wahl
gegen Johann XXI. auögefprochen? Seine unmwürdige Zus
rudnahme der Proteflation bereitete dem Papſt nur neuen
Zriumpb. Doch eben diefe Widerfprüche mufften die Beffern
im Bolfe zum Nachdenken, zu tiefern Unterfuchungen führen.
Bir ſehen die Fortfehung deflen was ſchon unter K. Heins
richs IV. Kampfe begonnen. Die päpftlihen Schriftfieller
kamen zu ſpaͤt. Wenn der ſpaniſche Minorite Alvarus Pela⸗
gius in einer Schrift „Klage der Kirche” 2) die alten Anma⸗
zungen wieder aufftellen wollte: „daß der Papft über alle an«
dere Macht erhaben, keinen Richter auf Erden Über fich habe,
beide Schwerbter führe und Kaifer und Könige abfegen koͤnne:
fo ließ ein anderer Minorite, der Bruder Bonagratia, eine
Schrift audgeben über die Unrechtmaͤßigkeit der Bannflüche
Johanns XXII. und über die Rechte des Kaiferthums, wel
che an alle Gapitel und gelehrte Anſtalten gefandt wurde °).
Auffer der ſchon angeführten Schrift des Marſilius erfchies
nen noch zwei eben fo bedeutende Werke: das eine von dem
englifchen Minoriten Wilhelm Occam, „über bie Grenzen
der geiſtlichen und weltlichen Gewalt”; das andere von einem
teutfchen Domherrn, Lupold von Bebenbaurg, „über die
Rechte des römifchen Reichs und Kaiferthbums” *).
1) Albert, Argent. p. 127. 132,
2) Du Pin Bibliotheque etc. T. XI. p. 64.
3) Freher. scrr. T. I. |
4) Die fämmtlichen hierher gehörigen on find gefammelt in
Goldast. Monarchia 8. Rom. Imp. etc. T. I
48 .
16 Bud TU. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 2.
Wenn die Päpfte bisher Gregors VII. Princip durch
falfch gebeutete Schriftftellern unb untergefchobene Decretalen im
gröbften Widerfpruche mit der Gefchichte zu behaupten ſuch⸗
. ten: fo bat nun einerfeit8 Occam aus der Schrift, aud dem
altrömifchen und kanonifchen Recht, andererfeits Marſilius
aus den Grundfägen ber ariftotelifhen Philof o phie bie Ge
gengründe geführt; Bebenburg aber ifl einer der Erſten ber
aus der bisher vernadhläffigten Geſchich te die factifchen Be:
weife aufgeftelt bat '), und fo machen bie Schriften diefer
drei Männer zuſammen ein treffliches Ganzes, das die Paͤpſt⸗
Ver nicht mehr umſtoßen Eonnten. Aus jenen drei Stand:
puncten haben fie folgende Säge aufgeftellt :
1) In einer Wahlmonarchie wird die hoͤchſte
Gewalt durch das Volk mitteld der Wahl über:
tragen. Die Übertragung des Reich auf Karl den Großen
iſt zufälligermweife, nicht in der Regel durch den Papfl,
weil Niemand anders dawar, aus göttlihem Recht gefche
ben; aber die Rechtmaͤßigkeit diefer factifchen Veraͤnde⸗
sung hat auf der Einwilligung des Volks beruht. -
2) Das Wahlrecht der Kurfuͤrſten kann durchaus nicht
vom Papſte abgeleitet werden; der kirchliche Act der Kroͤnung
giebt ihm auch Fein- Recht, dem durch Mehrheit Gewaͤhlten
folche zu verfagen ober erft eine Prüfung feiner Züchtigkeit
anzuftelen. |
3) Die Gewalt des Papftes ift von ber kaiſerlichen ganz
verfchieden und nicht höher als diefe. Die von Gott einge
feßte Gewalt gehört in weltlihen Dingen dem Kaifer
allein, in geifllihen den Bifchöfen überhaupt; daher
iſt auch der päpflliche Primat, foweit er die Goncilien und
die bifchöfliche Gewalt beeinträchtigt, eine Ufurpation. Der
Kaifer als folcher iſt auf Feine Art der geiſtlichen Gewalt
unterworfen.
4) Wenn Ketzer nur diejenigen ſind welche die Grund⸗
Wahrheiten der chriftlichen Religion bezweifeln, fo ift Verketze⸗
41) Wir bezeichnen hier nur das Vorherrſchende bet jebem, wos
bei es ſich von felbft verfteht, daß fie auch Brände aus den andern Faͤ⸗
chern beigezogen haben.
v
Kaiſer Ludwig VI. 1327-1333. 197
rung derer, welche nicht in allen geiſtlichen und weltlichen
Dingen die paͤpſtliche Autoritaͤt unbedingt anerkennen, ein
Misbrauch des Banned).
Dieſe Saͤtze ſind es welche bei dem weitern Verfahren
gegen den Papſt zum Grunde gelegt wurden. Mit dem In⸗
veſtiturſtreit hatte der Kampf zwiſchen dem Kaiſerthum und
Papfitbum zu Gregors VII. Zeit begonnen, und das worm⸗
fer Eoncordat hat auch nur die Grenzen der beiben Gewalten
bei der Inveftitur beflimmt. Die Hauptfrage über ihr Vers
bälmiß zu einander felbft blieb indeflen auf fich beruhen oder
wurde vielmehr durch eine Reihe von Ufurpationen noch vers
widelter gemadt. Als die Hohbenflaufen in der Bekämpfung
auch dee weltlichen Herrſchaft des Papſtes erlagen, übers
tedete man ſich, jetzt ſei erſt die rechte Zeit gekommen den
tdmiſchen Stuhl über ale Gewalten zu ſtellen.
Längft wäre e8. Sache des Reichstages gewelen bie
wohlhergebrachten Rechte des Reichs factifch gegen den Papfl
zu behaupten. Aber die Uneinigleit unter den Fürften und
die Bahlparteiungen befonder& hatten es nicht zugelaffen, ober
vielmehr noch bie innere Blöße den Eingriffen des Papfles
dargeboten.” Endlich ba die beffern Einfichten fich verbreitet
hatten, da alle Stände mit Ungebuld das Ende der vieljähris
gen Zerrhttung zu fehen wünfchten, gelang ed dem K. Lud⸗
wig IV. nach mehren vergeblihen Verſuchen einen —
denden Reichstag zuſammenzubringen.
Noch ein beſonderer Fall zeigt, zu welchem Selbſtgefuͤhl
kudwig IV. ſich jetzt erhoben. Während dieſe wichtigen
Verhandlungen eingeleitet wurden, warf er auch einen Blick
auf die entfernteſter Grenzen des Reichs. Er verlieh dem
teutfchen Orden aus Paiferlicher Gewalt ganz Litthauen zum
eigenen und ewigen Beſitz. Seine Meinung war, nicht der
Papft fondern der Kaifer, als oberfter Lehenshere der Chris
fimbeit, habe über folche Länder zu verfügen, welche erſt zum
chriſtlichen Glauben gebracht werben follten. Zur. Ehre ſeines
Haufes fügte Ludwig noch weiter hinzu, die Baierburg,
welhe Herzog Heinrich an der Memel erbaut, ſolle der Mit⸗
H Bergl. Eichhorn teutſche Staats⸗ * gechts· Geſch. 8. 393.
1338
195 Bud IL Erſter Beiteaum Abſqhnitt 2.
telpunct ber Eroberung bleiben, und die neue Kirche für immer
ben Namen Baiern führen ').
Zu dem großen Reichötage in Frankfurt wurben nicht
nur die geifllihen und weltlichen Kürften und Herren, fons
dern auch die Reichs⸗Freien und Edeln, bie Gapitel von
den Stiften und der Städte Sendboten berufen. 8. Lud⸗
wig eröffnete die VBerfammlung im vollen kaiſerlichen Schmude
und klagte mit Wehmuth über die. bisher von ben Päpften erlits
tene Schmach; er berichtete feine vielfältigen Bemühungen zu
Herftellung des Friedens und befchwerte fich hauptfächlich, Daß
man ihn wegen angefchulbigter Keberei vom Reiche verbrans
gen wolle. Um Fürften und Volk von feiner Rechtgläubigkeit
zu überzeugen, fprach er Hffentlic mit lauter Stimme dad Va⸗
ter Unfer, den englifhen Gruß und das apoftolifche Glau⸗
bensbefenntniß 2). Dann trug er auf einen Reichöfrieg gegen
den 8. von Frankreich an, weil dieſer eigentlich die Ausſoͤh⸗
nung mit der Kirche verhindere ’). Wie er es aber mit dem
Dapfte anzugreifen habe, wiſſe er nicht mehr; er begehre alfo
darüber der Stände Rath und ſtandhafte Erktärung.
Nun traten die Stände zufammen und festen eine Ans
zahl von Kanoniften, Juriſten und Prälaten nieder, um bie
. Sachen in genaue Erwägung zu ziehen. Als dieſes gefchehen
war, erflärten die Stände einmüthig auf ihren Eid, „daß der
Kaiſer gegen den Papſt Alles erfchöpft habe was man von
ihm hätte verlangen koͤnnen, und daß ihm wegen ber biöheris
gen Verwirrung Feine Schuld gegeben werden Tinne”. Dar
auf fafiten fie den Befchluß, daß alle Proceffe Sohannd XXIL
für nichtig zu achten und der Kaifer zu erfuchen fei das Ins
terdict im ganzen Reiche aufzuheben und die ungehinderte
Verrihtung ded Gottesdienftes zu gebieten. Die Geiſt⸗
lichen welche fich widerfegen würden, follten als Ruheſtoͤrer
zu fchwerer Strafe gezogen werden *).
Indeſſen ging ber Kaifer mit den Kurfürfien nad
1) Voigt Geſchichte Preuffens zc. IV. 558 £.
2) Chron. S. Petzin. Erfurt, ad a, 1338,
8) Raynald, ad a. 1333, $. 8,
4) Joh. Vitodur. ool, 1344.
Kaißer Ludwig IV. 1327—1338, 199
Renfe zum Königöfluhl, um Über die Hauptfache, das anges .
fohtene Wahlrecht, fich zu vereinigen. Das ganze pfalzs
baterfhe Haus war anweſend: die Neffen des Kaifers, Pfalz:
gran Rudolf mit feinem Bruder und Bruderdfohn, und Hers
zog Stephan, bed Kaifers jüngerer Sohn. Wiewohl fie zus
fanmen mır Eine Stimme hatten, fo wirkten fie doch nicht
wenig auf bie andern, gemeinfchaftlich mit dem Markgraven
Ludwig von Brandenburg, des Kaifers aͤlteſtem Sohne. Dies
fen zwei weltlihen Stimmen traten gern die drei rheinifchen
Erzbifcgöfe beit Heinrich von Mainz, weil er dem Kaifer den-
Befig feined Landes verdankte, Balduin von Trier aus alter
Grgebenheit, Balsam von Coͤln ald Schwager des Markgra⸗
ven von Juͤlich, der dad Buͤndniß mit England betrieben,
Ihnen fchloß fich auch der Herzog Rubolf von Sachſen an.
Nur 8. Iohann von Böhmen blieb im Widerſpruch, ber Eins
zige der den Reichstag nicht befuchte. Alfo traten bie genann- 1338
ten ſechs Kurfuͤrſten zuſammen und verbanden ſich durch einen 18. Sul.
‚ feierlichen Eid, „daß fie das heilige römifche Reich und ihre
firftliche Ehre, die fie von ihm, haben, an der Kur bes
- Reid, an feinen und ihren Rechten, Freiheiten und Her
kommen, wie ed von Alters an des Reichs Kurfürften herges
bracht iſt, handhaben, ſchuͤtzen und fchirmen wollen nach aller
ihrer Macht und Kraft wider, männiglih, Niemand audges
nommen, weil es ihre Ehre und ihren Eid angehe, und daß
fie das nicht laſſen, durch Feinerlei Gebot, fondern einander _
bebolfen und beiftändig fein und auch ihre Leute und Bürger
dazu anhalten wollen. Im Fall Zweiung oder Zweifel über
diefe Sachen unter ihnen aufftünden, fo fol es bei dem blei⸗
ben, was fie gemeinfam ober ber mehrere Theil unter ihnen,
fprechen und machen würden; und welther von ihnen dieſer
Berbindung entgegenhandeln wide, folfte vor Gott und aller
Welt ehrlos, treulos und meineibig fein und heiffen” *).
Diefed Buͤndniß heifft der erſte Kurfürftenverein.
Nach dem Abfchluffe deffelben ward mit Rath und Zuſtimmung
der Kurfürften und anderer Fuͤrſten des Reichs folgende kai⸗
ferlihe Satung verfafit:
1) Olenſchlager Url. 67 (teutfch).
200 Buch IL: Erſter Beitegum, Abſchnitt 2.
„Obwohl beider Rechte Zeugniffe offenbar erflären, daß
die kaiſerliche Wuͤrde und Gewalt unmittelbar von Gott aus⸗
gegangen, fo hat es doch verbiendete und unwiffende Leute-
gegeben, welche -fagen wollten, daß die Faiferliche Würde und
Gewalt vom Papft fei und daß der Erwählte nicht eher wah⸗
‚ rer Kaifer oder König fei, bis er vom Papfte beftätigt und
gekrönt wäre. Zur Entfernung diefes Unweſens erklären wir
nun, daß die Eatferliche Würde und Gewalt unmittelbar von
Gott allein komme, und baß derjenige ber von allen oder
den meiften Kurfürften zum König ober Kaifer gewählt wors
ben, fofort und vermöge der Wahl allein für den wahren Kös
nig und römifchen Kaifer zu halten und fo zu nennen fei, und
alle Glieder und Untertbanen des Reichs ihm gehorchen müfs
fen; daß er auch völlige Macht habe alle Reichs⸗- und Kaifers
Rechte zu verwalten und der Einwilligungund Beflätigung bed
Papſtes hierzu gar nicht bebürfe. Würde Iemand biefem ewig
dauernden Reichsgeſetze auf irgend eine Weife entgegenhans
bein, fo folle derſelbe aller feiner Reichslehen und aller erhals
tenen Rechte und Sreiheiten verluftig fein und als ein Dias
jeftätöverbrecher angefehen und beflxaft werden“ 1).
1338
8. Aug.
Diefed Faiferliche und Reichs-⸗Grundgeſetz von der Une
abbängigkeit bes Kaiſerthums ließ K. Ludwig bei feis
ner Ruͤckkehr nach Frankfurt vor allem Volke verkünden. An
bemfelben Tage ließ er ein Manifefl, von dem Minoriten Bos
nagratia verfafit, an den Kirchthüren anfchlagen, worin bie
Miderrechtlichfeit der päpftlichen Proceſſe erwieſen und dad Ins
terbict im ganzen Reiche aufgehoben wurde. Dabei ergingen
noch drei befondere kaiſerliche Sagungen: die eine, daß Nies
mand eine päpftliche Bulle annehmen oder befolgen folle, ohne
"Erlaubniß des Didcefanenz die andere, daß ber Eid welchen
ber Kaifer dem Papfte zu Ieiften pflege, nicht, wie Clemens V.
gewollt, ein Eid der Freue, fondern ein Gehorfamds und
Schutz⸗Eid in Abfiht des Fatholifchen Glaubens fein follez
die dritte, daß bei Erledigung des Reichs nicht ber Papft fon«
dern der Pfalzgrav am Rhein dad Reichövicariat habe 2).
1) Dlenfhlager urk. 68 (lat.)
2) Olenſchlager ©. 288 f. urk. 69.70.
Katfer Ludwig VI. 1327-1338, 21
Nach ſo langer Schmach und Erniedrigung des Reichs
in ſeinem Oberhaupte ſah endlich die Wahlſtadt den Tag, da
der Kaifer mit Beiſtand der Fürſten die Ehre und Würde
bes Reich wiederherſtellte. Doch. müffte man fi) wundern,
wenn bie päpflliche Partei fchon gewonnen gegeben hätte.
Benedict XII., von dem Befchluffe der Kurfürften benachrich
tigt, bedrohte fie mit feiner höchften Ungnade. Zu Frankfurt
waren feine Abgeordneten, welche an bemfelben Tage feine
Bannbullen anfchlugen. Am ungebärbigften zeigten fich bie
Dominicaner und GCarmeliter, als fie den Gottesdienft wieder
eröffnen follten. Sie wurden aber in Frankfurt und in den
übrigem Städten und Gebieten auögetrieben *). Auffer der
firhlihen Zerrüttung hatten auch viele andere Unorbnungen
inbeffen überhband genommen. Die fläbtifhen Bünfte ver
trieben mit der Geiftlichfeit zugleich die adeligen Geſchlech⸗
ter, welche fich nicht mit ihnen vereinigen wollten. Der Ps
bei, durch Hunger und Seuchen geplagt, erhob wieber eine
Judenverfolgung. K. Ludwig ließ deshalb den. früher ge⸗
orneten Landfrieden zwifchen Herren und Städten auf 1340
feine Lebenszeit verlängern und erneuerte auch das Büntnig . .
mit H. Albrecht von ſterreich?). So kam endlich einige 1339
Kuhe in die Rheinlande, doch nicht lange. |
8. Vom Kurverein bis zu K. Karls IV. goldner Bulle,
1338— 1356.
Kaiferlicher Rehtsfpruh zwifhen England und
Frankreich. LubwiglV. tritt wieder auf die letztere
Seite, um die paͤpſtliche Kosfprehung zu erhals
ten; vergeblih. Seine Landerwerbungenz Tirol.
Zurückſtoßung des Iuremburgifchen Haufes. Lud⸗
wigs abermalige Annäherung an Frankreich und
neue Demüthigung vor dem Papfte Die Fürften
Itennen ihre Sache von der bed Kaifers. Ludwig
1) Dlenfälager a. a. D.
2) Gefhichte von Schwaben II, 237-260,
3.
202 Buch II. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 2.
erwirbt Holland. Gegenwahl Karls IV. mit Um:
ſtoßung des Kurvereins. Ludwigs IV. Tod; Über:
ſicht ſeiner Regierung. Die Wahlfreiheit durch
Erzbiſchof Heinrich von Mainz behauptet. Guͤn⸗
ther von Schwarzburg. Karl IV. gewinnt bie Für⸗
ſten und Staͤdte und laͤſſt ſich zum zweiten Mal
kroͤnen als geſetzlich erwaͤhlter König Traurige
Lage Teutſchlands. Die große Peſt. Judenver⸗
folgung. Geißlerſecte. Landfriedensanftalten.
Vermehrung ber boͤhmiſchen Hausmacht, beſon⸗
ders auf Koſten des baieriſchen Hauſes. Erneuerte
Landfriedensanſtalten am Oberrhein. Reichskrieg
gegen Zürich. Karls IV. Kaiſerkroͤnung. Petrarcha.
Letzte Begeiſterung der Roͤmer fuͤr das Kaiſerthum.
Reichsſstag zu Nürnberg und Mes. Wahlgeſetz.
—_ Auf ven großen Reichstag zu Frankfurt folgte ein zweiter zu
ept. Coblenz / welcher die Macht und das Anfehn des Reichs
eben fo gegen ben König von Frankreich zeigen follte wie
‚jener gegen den Papſt. K. Eduard II. von England erfchien
in Perfon, um Kaifer und Reich zum Richter aufzufobern.
K. Ludwig IV. faß im vollen Schmude auf dem Thron in
der Mitte des Marktes, hinter ihm ein Ritter mit bloßem
Schwerbt, zu feiner Seite 4 Herzoge, 3 Erzbiſchoͤfe, 7 Bis
fhöfe und 37 Graven; an Edeln und Witten wurden gegen
17,000 gezählt. Auf einen anden Thron feste ſich etwas
fpäter der König von England von feinen Großen umgeben.
Nachdem die frankfurter Sagungen von der Unabhängigkeit
bed Kaiferthbums noch einmal verlefen und beflätigt waren,
klagte Eduard: der König von Frankreich habe ihm nicht nur
die Normandie, Guienne und Anjou weggenommen, fondern
auch bie franzöfifche Krone, fein vechtmäßiged Erbe: von dem
Kaifer, als oberſtem Richter der Chriftenheit, verlange er Ges
rechtigkeit und Hülfe.”
Das Zürflengericht erkannte die Klage des Königs für
. gerecht. Der Kaifer, fich ebenfalls beflagend, daß K. Phi⸗
lipp VE. über feine teutfchen Neichölehen noch Teine Beleh⸗
nung nachgefucht, fprach dem Könige von England fein Erbe
Vom Kurverein 1338 b. 3. goldnen Bulle 1356. 203
zu, verhieß ihm Beiſtand und ernannte ihn zum Reichsver⸗
wefer in fämmtlichen Landen jenfeit des Rheins, mit der Weis
fung an die niederlänbifchen Fürften und Herren, demſelben in
dieſer Eigenfchaft gegen Frankreich beizuftehen. Auf fieben
Jahre warb biefes zugefagt. Das Ganze war ſchon vor bies
fer feierlichen Verſammlung verabredet, in Beziehung auf ben
fhon angeführten Subfidientractat.
Dann erließ der Kaifer eine Auffoberung an Philipp von
Valois (ohne ihm ben Königötitel zu geben), daß er zu Recht
ſtehen folle wegen der Klagen K. Eduards; fonft werde er
ihm abfagen, da er auch biß jeßk feine Lehen vom Reich noch
nicht empfangen habe: Dem Papfte gab Ludwig ebenfalls
Nachricht. 2 :
Philipp fand bei diefen Verhandlungen beveitö im Felde,
Auch 8. Eduard hatte ſchon eine beträchtlihe Macht beifams
men und fchloß mit den nieberländifchen und rheinifchen „Kür:
fien noch befondere Subfidienverträge '). Bei Eröffnung des 1339
Feldzuges im nächften Jahre leiftete der Kaiſer den vertragds .
mäßigen Zuzug durch feinen Sohn, den Markgraven Ludwig
von Brandenburg. Philipp wich aus; er wollte fich mit dem
deiperaten und graufamen Volfe in Feine Schlacht einlaflenz
fo nannte er bad vereinigte Heer?). Dagegen fehnitt er ihm
bie Zufuhr ab, daß es fich wieder nach Brabant zurüdziehen
muffte. Im folgenden Jahre aber blieb Lubwigs Hülfe uus,
weil die Subfidien zu fpdt und in geringerer Summe anka⸗
men, daher er fie wieder zurucdfandte?). K. Eduard machte
defien ungeachtet glüdliche Zortfchritte, nachdem er die franz
zoͤſiſche Flotte an der flandrifchen Küfte zerftört hatte. Aber
in Zeutfchland fchmählte man über ben Kaifer. Seine geheis
men Beweggründe Famen auch bald an den Tag. Philipp VL
hatte ihn gleich zu. Anfang des englifhen Buͤndniſſes durch
den Papft bedroht, dann wieder mit der Hoffnung getäufcht,
feine Ausföhnung mit dieſem zu bewirken, wenn er von dem
Buͤndniß ablafjen würde. Als die Fuͤrſten feine Wankelmuͤ⸗
5
1) Dlenfhlager Staatsgeſchichte S. 292 ff.
2) Brabanzonen, Teutfche, Slaminger. Villani L. XI. c. 86.
3) Mannert Preisfchr. S. 405 ff.
203 Bud UL. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 2.
thigkeit bemerkten, drangen fie darauf die franffurter Sagun-
1338 gen auf einem neuen Neichötage nochmals zu befldtigen und
März.
1340 .
als allgemeines Reichögefeb in Austbung zu bringen. Auch K.
Johann von Böhmen, der indeſſen zurhdigehalten hatte, Fam
mit feinem Sohn Karl, ſchwur dem Kaifer den Eid, ber
Treue und gab Hülfe gegen Frankreich. Während des zwei:
ten Feldzugs ließ Philipp ferne Schweiter, die Huge Johanna
von Valois, verwittwete Giaͤvin von Hennegau und Holland,
ald Vermittlerin eintreten. Die Gemahlin Eduards und die
Gemahlin Ludwigs waren beide ihre Töchter. Durch jene er:
235. Sept. pielt fie zuerft, daß Eduard einen neunmonatlichen Stillſtand
einging. Dann gewann fie „die Beherrfcherin von Teutfchland"
durch dad PVerfprechen, daß Philipp jetzt gewiß die Ausfühs
134
24. San.
nung mit dem Papſte durchfegen werde. Der Kaifer, ſchon
wieber in Gewiffensangft, nahm das Erbieten begierig an und
verfgrath „ein guter, treuer, gänzlicher Sreund und Bundes:
genoſſe“ König Philipps zu fein. Unter dem Vorwand, baß
Eduard den Stilftand ohne ihn gefchlofien, nahm er dem»
felben das Reichsvicariat ab, bot ihm aber boch feine Frie⸗
denövermittlung an.
Eduard war darüber nicht wenig verwundert und erwies
berte, einzelne Unterhandlungen feien ihm wohl erlaubt gewe⸗
fen, die Zurucknahme des Reichsvicariats aber fei erſt auf den
Fall bedungen worben, wenn Frankreich ober ein beträdytlicher
Theil diefes Reiches erobert fein würde. Doch erreichte Lud⸗
wig auch durch diefen Übertritt feine Abficht nicht. Er meinte,
da Philipp jetzt Öffentlich auf feine Seite getreten fei, fo werde
der gute Benedict zu der Abfolution gleich ja fagen. Sons
berbar ruft Albert von Straßburg aus: ber Franke that als
ob er wollte, was er doch nicht wollte, Benebict, als ob er
nicht wollte, was er wolte. Ludwig erhielt wieder die vorige
Antwort, er müfje fich erſt den Rechtöformen unterwerfen und
wahre Zeichen des Gehorſams und der Reue zeigen ')!
Für diefen fchmählichen Ausgang tröftete fid) Ludwig auf
einer andern Seite mit Landerwerbungen. Sein älterer Brus
der, Pfalzgrav Rudolf, der faft immer gegen ihn gewefen,
1) Olenfhlager ©. 85-810.
Dom Kurverein 1338 b. z. goldnen Bulle 1356. 205
endigte im Ausland, nachdem er ihm fein Land gegen ein ges 1319
ringed Jahrgeld hatte abtreten müflen. Obgleich derfelbe drei 1317
Söhne, Adolf, Rudolf und Ruprecht, binterlaffen, fo behielt
boch Ludwig die Rheinpfalz auch nach ihrer Volljährigkeit; fie
mufften fich mit den geringen Einkünften ihrer Mutter Mech⸗
tild begnügen. Deshalb traten Rudolf und Ruprecht, als fie
dem Kaifer nach Itälien ‚folgten, mit dem päpftlichen Legaten
in Unterhandlung gegen iin. Das Billigkeitögefühl überwog
endlich. Ludwig machte während feines Aufenthaltes zu Pas 1329
via einen Xheilungsvertrag. Die gefammten Sande der o ber⸗ 9 Aug.
baterifchen.Zinie wurden in zwei Xheile zerlegt. Den eis
nen überließ Ludwig feined Bruderd Rudolfs Söhnen, ndms
Ih die Rheinpfalz nebfl dem größern Theile des Nords
gaued, ſeitdem Oberpfalz genannt. Er felbft behielt zu
ſeinem Antheil Oberbaiern. Zugleich warb die Übereinkunft
getsoffen, daß dieſe beiden Linien, die pfälzifche und bie obers
baieriſche, in ber Führung der Kurflimme wechfeln und jene,
als die ditere, den Anfang machen, beim Audfterben der einen
aber die Lande und Rechte an die anbere fallen, auch von kei⸗
nem Theil Etwas. auswaͤrts veräuffert werden folle, damit bie
Lande fir immer beifammen bleiben). Einer der erften Fin-
fenverträge welcher Unveräufferlichfeit der Stammlande
fefffegt; das Übrige gefchah nach dem Herkommen. Theilung
unter den Linien blieb noch immer vorbehalten. 1339
Nun erloſch die niederbaierifche Linie mit dem Tode Sert.
Herzog Heinrichs und feines zehnjährigen einzigen Sohnes. 1340 .
Die beiden Linien von Dberbaiern, ober bie pfälzifche und. 21. Dec.
nene oberbaierifche, hatten gleiche Erbanfprüche und durften
alſo nach den alten Haudgefegen die Lande unter fich «theilen.
Kein der Kaiſer, für welchen bie Vereinigung der fämmtlis
hen baierifchen Lande eben jett von beſonderer Wichtigkeit
war, bewog bie nieberbaterifchen Stände, daß fie ihn, mit
Ausſchluß feiner Neffen, zum alleinigen Landeshern annah⸗
men?). Erſt nad) feinem Tode wurben die Pfalzgraven mit
60,000 fl. abgefunden, nebſt dem Vorbehalt kuͤnftiger Erb⸗
1) Attenkhofer Geſch. d. H. von Baiern. Beil. 80.
2) Chren. Leob, ad a, 1889. |
206 Buch. IDI. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 2.
folge nach dem Abgange des oberbaieriſchen Mannsſtammes,
wodurch der Vertrag von Pavia auch auf Niederbaiern aus⸗
gedehnt wurbe.‘).
Die Reichslandvogtei Oberſchwaben übertrug der Kai⸗
ſer ſeinem Sohn Herzog Stephan. Dies geſchah nicht bloß
in ber Abficht, dem ſchon früher begruͤndeten Landfriedensbuͤnd⸗
niß zwifchen den fchwäbifchen und baierifchen Ständen einen
neuen Halt zu geben; man ſah darin zugleich das Auffaſſen
des habsburgiſchen Planes in Anſehung des Herzogthums
1339 Schwaben?). Zur naͤmlichen Zeit ließ der Kaiſer zur Siche⸗
zung der Mark Brandenburg feinen Sohn Ludwig mit den
. , meiften norbteutfchen Fürften und ben Hanſeſtaͤdten einen
Landfrieben auf ſechs Jahre ſchwoͤren.
In eben dieſem Zeitpunct brachte der Kaiſer die Grav⸗
ſchaft Tirol an fein Haus. Die Erbin des Landes, Mar:
garetha, vermählt mit Johann Heinrih, Sohn des K. Io:
hann von Böhmen, Nagte über Unvermögenheit ihres zwan⸗
zigjaͤhrigen Gemahls. Im Einverſtaͤndniß mit ihr und den
Staͤnden von Tirol ſchlug der Kaiſer die Scheidung vor und
zum Ehenachfolger ſeinen Sohn den Markgrafen Ludwig von
Brandenburg, der eben Wittwer war. Man konnte vorauds
fehen, daß der ohnehin noch nicht verföhnte Papft weber in
die Scheidung willigen, noch von der Berwandtfchaft im brit-
ten Grade, worin Ludwig mit Margaretha fland, diöpenfiren
würbe. Daher wollte der Bifchof Leopold von Freifingen an
der Stelle des Papfted die Sache auf fi) nehmen. Da er
aber unterwegs verunglüdte, erinnerte ſich der Kaifer, daß er,
wie Wilhelm Occam und Marfilius von Padua?) gegen den
Papft bewiefen, auc in Ehefachen zu dispenfiren dad Recht
habe. Alfo fette er zuerſt ein Gericht nieder, um die Klage
der Margaretha zu unterfuchen. Da ber Beklagte nicht er
fhien, ward er für überwiefen angenommen und die Ehe als
nichtig "aufgehoben. Dann ertheilte der Kaifer auch die Ver⸗
1) Exposs des motifs, qui ont engage 8. M. le Roi de Prusse
& s’opposer au demembrement de la Baviere. 1778. p. 68.
2) Sch. v. Schwaben II, 267 ff.
8) Goldast. Monarchia ete. T. I. p. 21. T. IL. p. 1858.
Vom Kurverein 1338 b. z. goldnen Bulle 1356. 207
wandtſchaftsdispenſation und ließ das Beilager mit großer 1342
Pracht auf dem Bergfchloffe Tirol vollziehen ). Sehr.
So vermehrte der Kaifer feine Hausmacht. Aber durch
alle diefe Schritte verlor er fehr in der Öffentlichen Meinung;
fe waren auf jeden Fall zur Unzeit, alſo unklug, wenn er
fh auch dazu berechtigt halten Fonnte. Wegen der Diöpens
fation hielt ihn Volk und Geiftlichleit aufs neue für. einen
Ketzer. Die Ländergier muſſte feine eigenen Verwandten, die
Malgraven, hauptſaͤchlich das Iuremburgifche Haus, dem er
doch Alles zu banken hatte, aufbringen. Da er bei ber Be
lehnung feines Sohnes mit Zirol zugleich den herzoglichen Ti⸗
tel von Kaͤrnthen ermeuerte, wurden auch bie Herzoge von
Oſterreich wieder auf jene Seite getrieben. K. Iohann, des
Gefhiedenen Vater, war zwar in Zolge feiner Anftrengungen
ehlindet und in Schulden gerathen, auch konnte er durch eine
verttaute Zuſammenkunft mit dem Herzog Albrecht von Öfiers
sich nicht viel bewirken, der Kaiſer wuſſte die Öfterreicher mies
der zu beruhigen. Defto mehr aber that Erzbifchof Balduin 7. Mai.
bi bem neuen Papſte Clemens VI. Diefer hatte fchon als |
Enbifhof von Rouen eine fehr unglinflige Meinung von Lud⸗
wig, den er Baurus ſtatt Bavarus nannte, gefafft und dage⸗
gen eine befto vortheilhaftere von 8. Johanns Sohn Karl,
deſſen Lehrer er geweſen. Lehterer war Überbied Schwager des
Koͤnigs Philipp VL. von Frankreich, welcher den Clemens ex
hoben ober vielmehr in gleiche Abhängigkeit geſetzt hatte wie
feinen Borfahr, Clemens V. ‚Ohne Zweifel gefhah ed durch
Balduins Einwirkung, daß der Papfl, nachdem er Ludwigs Det. 1842
Geſandte drei Monate hatte warten Igffen, auffer den frühern —
Bedingungen namentlich auch die Zuruͤckgabe Tirols verlangte. 1343
As Ludwig das verweigerte, erließ ber Papft eine Bulle, wor⸗ 12. Apr.
in er ihm unter anderm bie franffurter Satzungen fowie bie
Zulaſſung einer. blutfchänderifchen Ehe zum Verbrechen anrechs
nete, und eine breimonatliche Frift feßte, in welcher er alle
1) Chron. Leob. Henr. Rebd. Contin. Martin. Pol. ad
1.1341. 42, Dlenſchlager Urk. 81. Nach Steyerer in Albert. -
IL p. 634. ſchiebt Johann Heinrich die Schulb auf Zauberei, daß er
ver Margaretha nie habe mächtig werden Binnen, wiewohl «8 ihm fonft
Kühe an Potenz gefehlt. |
208 Bud HI Erſter Zeitraum. Abſchnitt 2.
feine Würden, auch als Herzog von Baiern, nieberlegen, das
ber Kirche zugefligte Unrecht zurücknehmen und perſoͤnlich zu
Avignon ericheinen follte, um ſich zu unterwerfen, wenn er
nicht noch härtere Strafen ſich zuziehen wollte ').
In dieſer neuen Bedrängniß wandte ſich Ludwig wieber
an den König von Frankreich) und erhielt, indem er mit Cr
neuerung des englifchen Bünbnifjes drohte, wenigſtens eine
Schriftliche Zuficherung feiner Verwendung bei dem Papfte.
Mit diefem Schreiben berubigte Lubwig einfhweilen die Kur⸗
fürften, welche fich bereitö zu einer neuen Wahl verfammelt
hatten. Der Papft überfah auch die Überſchreitung der ges
festen Friſt, als Ludwig ihm. überließ die Bedingungen der
Ausſoͤhnung felbft zu machen. Diefe waren denn fo hart, daß
man in Frankreich glaubte, Ludwig koͤnnte fie nicht annehmen,
41343 wenn ee auch im Thurm gefangen läge?). Doc nimmt fie
13, Sept. Ludwig wirklich an, er wiberruft nicht nur alle feine bißheris
gen Handlungen gegen bie Kirche, befonderd die Abfegung
des Papfles, die Xheilnahme am Minoritenflxeit, den er nicht
verftanden, bie harten Ausdrücke, zu melchen er durch feinen
Geheimfchreiber Ulrich Groildonis verleitet worden u. f. w.,
fondern er verzichtet auch auf dad Kaiferthum und ver
foricht, unter Vernichtung feiner frühern Verfügungen, Ita⸗
lien nicht mehr zu betreten; nur Dfttet er nach erhaltener Abs
folution wieber in ben Zufland wie vor dem Bann gefeßt zu
werben und einflweilen die Pönigliche Regierung fortführen
zu dürfen.
41344 Diefe Artikel ließ Lubwig durch feine Gefandten in Avi⸗
16. Ian. gnon befehwören ’). Allgemeine Erwartung war in Teutſch⸗
land, endlich den fehnlichen Zeitpunct der Aufhebung bes In⸗
terdicts zu ſehen. Da kam die Kunde, daß ber Papft noch
andere Artikel weltlichen Inhalts vorgelegt habe, zu beren
Annahme Lubwig fi) nicht verftehen konnte oder wollte *).
1) Dlenfhlager Staatsgeſch. 318 —826. urk. 84.
2) Albert. Argent. p. 188.
8) Dlenſchlager urk. 85. 86.
4) Gewold. Defens, Lud. IV. p. 178. Mannert Pre’sfäri
©. 495 ff.
Vom Kurverein 1338 b. 5. golbnen Bulle 1356. 209
Die Rachrichten find nicht ganz klar; aber aus dem Erfolge
ift abzunehmen, daß fie-hauptfächlih Tirol und die frank⸗
furter Satungen betrafen. Gerade diefe zwei Puncte find
es, wovon bie Fürften endlich Anlaß nahmen, bie perfön-
liche Angelegenheit des Kaiferd von ber bed Reichs zu tren⸗
nen. In Abficht der legtern fand Ludwig bie vorige Zuftim:
mung wieber. Der Reichötag, wozu er auch die Städte be: 1344
vief, befchloß einmüthig, da die Foderungen des Papftes of: Septbr.
fenbar auf das Verderben des Reiches abzielten, durch eine
eigene Botſchaft bei ihm proteſtiren zu laſſen. Auch der Erz⸗
biſchof Balduin trat bei.
Als aber der Kaiſer acht Tage darauf mit den aurfür—⸗
ſten weitere Verhandlungen zu Renſe vornehmen wollte (denn
jene Botſchaft hatte ſonſt keinen Auftrag), ſo vernahm er bald
ihre Unzufriedenheit wegen Tirol. Der Erzbiſchof von Mainz 1341
war noch beſonders unzufrieden, daß Prag wegen ſeiner bis⸗ 1344
herigen Ergebenheit gegen ben Kaiſer zu: einem Erzbisthum er⸗
hoben und dadurch fein Sprengel bedeutend vermindert wor:
den. Der Pfalzgrav Rudolf grollte dem Kaifer über Entzie⸗
fing des Städtchend Weinheim. K. Iohann aber, befien
perfönlichen Bitten der Kaifer zu Bacharach wenig Gehör ge:
geben, brachte die Fürften zu einer Conföderation. Sie mach:
ten dem Kaifer Vorwürfe über feine ſchimpfliche Nachgiebig-
kit gegen den päpftlihen Stuhl ımb über die feitherige Ver:
nahläffigung des Reichs; fie verlangten, baß er die Regie:
nung an den Markgraven Karl von Mähren, K. Johanns
von Böhmen Sohn, abtreten follte.e Da die Sachen foweit
gelommen waren, wollte Ludwig feinen Sohn, den Mark»
graven von Brandenburg, vorfchlagen. Die Fürften fagten
ihm aber troden: fie wollten Feinen Baier mehr *)!
Doc, gelang ihm die Gegenwahl noch einmal abzuwens
den. Den Pfalzgraven Rudolf gewann er durch Verwilligung
feiner Foderung. Dem K. Johann von Böhmen beste er. fafl
ale Nachbarn auf den Hals, daß er nach kurzem Krieg auf
i) Albert. Arg. p. 184. Auch biefer Schriftſteller ändert feine
Sprache. Joh. Vitod. p. 1909. Henr. Rebdorf. ad a. 1344,
Pfiſter Geſchichte d. Zeutfchen LIE 4
40 Buch IM. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 2.
Tirol Verzicht that und ſich mit Goͤrlitz und Bautzen in der
Laufitz nebſt einer Geldſumme entſchaͤdigen ließ").
Unter dieſen Verhandlungen fiel dem Kaiſer noch ein rei⸗
ches Erbe zu. Gran Wilhelm von Holland, der aud un:
1345 ter den Throncandidaten genannt worden, farb ohne Kinder;
27. Sept. ifo hatte feine ältefte Schwefter, Margaretha, 8. Ludwigs
Gemahlin, die nächften Yyfprlche. Aber K. Eduard von Eng:
land, der Gemahl der zweiten Schwefter, wollte wenigitend
Seeland haben; einen andern Theil verlangte der Grav von
Juͤlich, ald Gemahl der britten Schwefter. Nun that Ludwig
wieder, wie man fich ſchon mehrmals geholfen. Er ließ bie
-1346 Lande auf dem Reichstage als dem Reiche verfallen erklären;
15. Jan. dann belehnte er feine Gemahlin mit ben vier Gravfchaften
13. Apr.
7. Apr.
‚Holland, Seeland, Friesland und Hennegau, wo
mit auch die Einwohner zufrieden waren, weil fie Feine Zren:
nung wünfhten?). _ -
Siemens VI. hatte indeffen die Gegenwahl bloß deswe⸗
gen nicht ernflicher betrieben, weil er beforgte, K. Philipp
felbſt möchte fih eindrängen. Als aber dieſer tiefer in den
englifchen Krieg verwidelt wurde, und dagegen auf der an
dern Seite burch bie Erledigung des neapolitanifchen Zhrond
die Beforgniß entfland, Ludwig möchte, wie er ſchon einige:
mal im Sinn hatte, durch Tirol Italien überziehen, fo fchleuberte
der Papft auf einmal eine fürchterliche Bann⸗ oder Verfluchungs⸗
Bulle gegen Ludwig und foberte die Kurfürften auf, wie vor:
mals Gregor X., ohne Zeitverluft zur Wahl zu fchreiten, wenn
er nicht felbf die nöthigen Vorkehrungen dazu treffen follte °).
Zugleich fegte er auch ben Erzbifchof von Mainz, Heinrich
von Virneburg, wegen feiner Anhänglichkeit an K. Ludwig ab
und ernannte Gerlach, Graven von Naffau, zum Nachfol⸗
ger*). Markgrav Karl begab fi) mit feinem Vater, dem
blinden Könige Johann, zu bem Papfle nach Avignon, um
1) Vita Carol. IV. imp. p. 105. Bergl. Dienfhlager Staats:
geſchichte 338346.
2) Dlerfhlager Url. 94. Albert. Argent. p. 135 sq. Cro-
nica de Hollant, in Matthaei Anal. T. V. p. 560.
. 8) Raynald. ad a. 1846, 5. 5 sq.
4) Albert. Arg. p. 1355. Raynald. ad a, 1346. $, 12 sgq.
4
Bom Kurverein 1338 b. 5. goldnen Bulle 1356. 211
ihm nach feinem Berlangen zum voraus die vollfommenfte
Obebienz zu leiften, ober wie ſich nachher ber Papft gegen den
König von Frankreich ausprädte, fih um die römifche Krone
zu bewerben). Ungeachtet Johanns XXII. Plan in Abficht
der Lombardei vernichtet war, fo wollte Clemens VI; wenig:
find den Kirchenftaat in feiner möglichflen Ausbehnung ficher:
fielen; darüber ließ er fich von Karl die bündigften Verſiche⸗ 1346
rungen geben, namentlich, baß er alle Handlungen Ludwigs 26. Apr.
des Baiern vernichten und die Zufagen feines Großvaterd, K.
Heinrich& VII. erfüllen wolle. In Abficht der Krönung mufite
er verfprechen, nicht eher Italien zu betreten, bis der Papft
ihn beflätigt habe, am Krönungstag aber Rom fogleich wie:
der zu verlafien, auch fofort nad Zeutfchland zuruͤckzukehren
und ohne des Papftes Erlaubniß nicht wiederzulommen. Auf
diefes empfahl ihn Glemens den Kurfürften ald den tauglich
ſten und nuͤtzlichſten den fie wählen Eönnten ?). Es kamen aber
nur ihrer fünf zu Renſe zufammen, weil bie pfälzifche und 11. Zul.
brandenburgifche Stimme von felbft auögefchloffen waren. Von
dem Erzbifchof von Coͤln und dem Herzog Rudolf von Sach⸗
fen weiß man, daß fie erfauft worden’). Kaum find acht
Sabre verfloſſen, daß die Kurfürften ihre- Wahlfreiheit gegen
männiglich zu behaupten gefchivoren, fo wird fchon die Mehr:
beit berfelben vor aller Welt meineibig! Der Kaifr dr
hatte: fhon vor ihnen widerrufen!
K. Ludwig war eben in Zirol in Untereebung mit dem Sul.
Könige von Ungern und dem Maſtino della Scala, Herm zu
Derona, in Betreff ber italienifchen Angelegenheiten. Alss er
die Wahl Karls IV. vernahm, eilte er zurlick an den Rhein
und fand zu feinem Vergnügen, daß die Städte und meh:
tere weltliche Zinften ihm treu geblieben. Frankfurt und
Aachen lieffen Karl nicht ein. Diefer räumte gewiffermaßen
felbft das Feld, indem er mit feinem Vater Iohann dem Kö:
nige von Srankreich gegen die Engländer zu Huͤlfe zog. Nach
1) Rex Johannes cum Papa practicavit etc. fagt Karl felbft
in feiner 2ebenöbefchreibung. Frreher. scrr. rer. Boh. p. 107.
2) Raynald. ad a. 1346. p. 19 sg. Dlenfhlager urk. 93.
8) Albert, Arg. p. 135. 3
ö ’ 14 *
' U
212 Bud II. Erxfier Zeitraum. Abſchnitt 2.
1346 der unglücklichen Schlacht bei Ereffy, worin ber blinde Koͤ—
26. Aug. gig Johann erfchlagen worden, erhielt Karl die paͤpſtliche Be
Nov. flätigung und ließ fih zu Bonn durch den Erzbifchof von
1347 Coͤln kroͤnen. Auf drei Seiten zugleich wurbe jest Ludwig
Mai. angegriffen. Er bewies fi) durch Kriegserfahrung überlegen,
Jun. endigte aber unvermuthet am Schlagfluß, auf der Bärenjagd,
11. Oct. 63 Jahre alt 1). Der Ichte Kaifer der gebannt worden und
als folcher geſtorben. |
Die 32jährige Zerruͤttung Teutſchlands von Ludwigs
Wahl bis zu feinem Tod kann wohl von Anfang an ihm
nicht allein aufgebürbet werben, denn da war erfuͤr's erfle nur
Haupt einer Partei und von dieſer nicht immer aufs befte un
terftügt. Ex meinte ed gut, und fo oft er dies Öffentlich zeigte,
vereinigte er auch die um fich, welche dafür Sinn hatten. In
der Folge aber, da er mehr als Parteibaupt fein follte, ward
er dem Papfte gegenüber in eine Politik hineingezogen, die
nach dem Muſter der päpftlichen Alles für erlaubt hielt, aber
im geraden Gegenfab mit diefer von folgerechter Handlung
gar Feinen Begriff hatte, alfo in ber That nicht ärger fein
fonnte.
Wie ruͤhmlich flieht Ludwig noch, ald er fin fih allein
aus koͤniglicher Machtvollkommenheit die Unabhängigkeit
der teutfchen Krone gegen ben Papft ausfpriht! Wie Hein,
da er fhon im erften Schreden Alles widerruft und auch feine
Schüglinge Preis giebt! Das Fonnte wohl Warnung genug
fein. Er erhebt fich wieber und wirb vom ganzen Reich un
terftüßt. Doppelt fchimpflih, zum zweiten Mat fich zum Wi:
derfpruch zwingen zu laflen und lieber auf das Kaiſerthum ald
auf Zirol zu verzichten! Nur dem böfen Willen K. Philipps
dankt er's, daß man ihm nicht Öffentlich Buße thun fah wie
weiland Kaifer Ludwig I. Von ben beiden Königen von Fran:
reich und Böhmen mehrmals betrogen, wirft er fich ihnen
immer wieber in die Arme, opfert jenem auch feinen Bundes:
genoflen, den König von England; umſonſt. Durch Länder:
gier und Wortbruch flößt er zulegt auch das Iuremburgifche
Haus von fich, in einem Zeitpunct wo er deſſen Beifland am
1) Albert. Arg. — Henric, Rebdorf.
Vom Kurverein 1338 b. 5. goldnen Bulle 1356. 213
wenigften miffen konnte. Darliber verlaffen endlich die Fuͤrſten
feine Sache und retten die ihrige — auch nicht!
Doc hat Zeutfchland Biefen argen Kampf nicht vergeb⸗
lich gekaͤmpft. Es ragen drei rühmliche Erfcheinungen herz
über, an welchen Ludwig ber Baier verhaͤltnißmaͤßig auch fei-
nen Antheil hat. Erſtens die Vereinigung der Beffern
und Berftändigen zur Aufdedung ber paͤpſtlichen Anma⸗
Bungen, welde bis dahin an Dreiftigfeit geftiegen find, von
jest an aber zurüdigewiefen werden '). Zweitens bad Erſtar⸗
ten der Städte in ihrem Innern fowohl als in ber Unter
füsung des Reichötages durch die Landfriedens buͤndniſſe.
Drittens Befreiung der Lombardei vom paͤpſtlichen Reiche:
Bicariat und feflere Begründung der teutfchen Verfaſſung durch
gefegliche Beftimmung des Herkommens; Unabhängigkeit
der Krone und des Wahlrechtd gegenüber vom Papfte;
wiewohl noch ein weiterer zehnjähriger Parteifampf unter den
Fuͤrſten ein drittes Geſetz zur Ergänzung nöthig macht.
Durd 8. Ludwigs IV. Zod und Karls IV. Obedienz
war ber Papft verfühnt. Den Reichötagsbefchlüffen zum Trotz
ſchien er den Sieg zu behalten. Er wollte ſogar jene allge⸗
mein widerrufen wiſſen, deshalb ließ er die Abſolution im
Reich nur unter der Bedingung verkünden, daß Jeder der vom
Banne loögefprochen fein wolle, befennen müffe: „Fein Kaifer
habe die Macht ven Papft abzufegen oder vor der päpftlichen
Beflätigung fi) der Neichöregierung zu unterziehen ?). Da
erhob fich zur Behauptung der Wahlfreiheit der vom Papſt
zwar abgefegte, aber nicht aus dem Befig gewichene Erzbifchof
Heinrich von Mainz; er hielt mehrere Zürftenzufammen-
kinfte, um flatt Karl IV. einen vom Papfte unabhängigen
König zu wählen’). Er hatte aber nur die Stimmen von
Rheinyfalz, Brandenburg und Sachfen: Lauenburg auf ber
Seite, mit der feinigen vier; ba hingegen bie andern, Trier,
1) Wenn wir des einzigen Eupold von Bebenburg eben und
Erfahrungen hätten, wie viel anziehender muͤſſten fie fein als die ganze
Geſchichte Ludwigs IV!
D) Dlenfhlager Staatsgeſch. ©. 582 fl.
3) Albert. Argent, p. 141, auch zum Folgenden.
1347
Rov.
2144 Buch UL Erfter Zeitraum. Abſchnitt 2.
Coͤln, Böhmen mit Sachſen⸗Wittenberg und dem paͤpſtlichen
Erzbiſchof Gerlah von Mainz fünf zählten.
Es wollte fih auch Fein Oberhaupt nach Heinrichs Wun⸗
1348 fche finden. 8. Eduard EV. von England, gerade jest von
San. Frankreich bedrängt, dankte für das Zutrauen; Markgrav
Sun. Friedrich von Meiffen, Ludwigs IV. Schwiegerfohn, fürchtete
bad benachbarte Böhmen und Tieß fi von Karl IV. mit
10,000 Mark abfinden. Markgrav Ludwig von Brandenburg
fürchtete wohl das Schickſal feines Vaters; doch blieb er an
- der Spige der unzufriebenen Fürften. Wie die Iuremburgifche
Partei anfänglich fi mit Baiern gegen Öflerreich verftärft
* hatte, bei ihrer Spaltung aber bie Öfterreicher abwechfelnd
bald zu Böhmen bald zu Ludwig dem Baier lıber — wa⸗
ren, fo fand Karl IV. nun angemeſſen ſich mit Oſterreich
zu verbinden. Er verlobte feine Zohter Katharina mit
Herzog Albrechts minderjährigem Sohne Rudolf. Alſo wur
ben aus drei Parteien wieber zwei, und bie luremburgifd-
Öfterreichifche fhien der baierifchen bereitd überlegen.
Da Markgrav Ludwig fich nicht unterwerfen wollte, fo wurde
\ er mit dem Verluſte von Brandenburg bedroht. Bei der Un
zufriedenheit des Landes mit feiner Regierung ') ließ man
1347 den verflorbenen Markgraven Waldemar auferftehen in ber
Derfon eines Abentenrerd (Müller Rehbod oder Meinide),
' der vorgab, er fei von 28jähriger Pilgerfchaft zuruͤckkgekommen.
1348 Sahfen:Bittenberg und Anhalt thaten ihm Beiftand
2. Oct. und lieffen fih voraus von Karl IV. auf Brandenburg mit:
belehnen auf den Fall unbeerbten Abfterbens des falfchen Wal⸗
Zul. demar. Die flavifchen Fürften Albrecht und Johann erhob
Karl zu Herzogen von Medlenburg, daß fie ihm eben:
falls zu Huͤlfe ziehen follten 2). Mit diefem vereinigten Heere
wurde Markgrav Lubwig in Frankfurt belagert. Da Karl im
Winter zurüdging , erfab die baierifche Partei den Graven
. Sünther von Schwarzburg zum Oberhaupt, einen
1) Albert, Argent. p. 146.
2, Belmann anhalt. Hift. Th V. ©.83. Gerdes Sammlung
mecklenburgiſcher Schriften 2c. Thl. J. Num. 1. Das Übrige nah Hen-
ric. Rebdorf. Cont. Chron. Leob. ad a. 1848. 2
Dom Kurverein 1338 b. z. goldnen Bulle 1356. 215
tapfern, reblichen Fuͤrſten ‚ der zur ausbrüdlichen Bedingung
machte, daß dad Reich erft für erledigt erklärt werden und die
Wahl durch Mehrheit, ohne alle Beftechung, gefchehen müffte.
Dies gefhab zu Frankfurt, jedoch nur von ber baierifchen 1349
Partei). Karl IV. berief dagegen alle Reichsvaſallen und 6- Gebr.
Städte auf einen beflimmten Zag nad Kaflel, Mainz gegen: 22. Sehr.
über, um Günther aud Frankfurt zu vertreiben. Er nahm
auch den Zrankfurtern ihre Meffe und verlegte fie nach Mainz,
woburch er lettere Stadt gegen den Erzbifchof Heinrich ge⸗
wann. Günther aber ließ auf denfelben Tag ein Zurnier in
Kaffel anfagen und machte alfo Karls Kriegsanftalten laͤcher⸗
ih. Nun wurden andere Waffen gegen ihn gebraucht. Zuerft
brachte Karl den Pfalzgrav Rudolf auf feine Seite, indem
er fih mit deſſen Zochter Anna vermähltee Nach Rubolfs
Borgange unterwarfen ſich auch die andern pfalzbaierifchen =
Burften gegen Zuficherung ruhigen Befited ihrer. Lande, aus⸗
genommen Markgrab Lubwig Karl berief fobann einen
Reichstag nach Speier, zu welchem die Fürften auch Guͤn⸗
ther einluben. Diefer verwarf aber alle Vergleichsvorſchlaͤge,
obgleich feine Freunde untreu geworben, und beſetzte Sriebberg.
Indeſſen erkrankte er zu Frankfurt und erhielt in der Arznei
Gift, das ber Diener des Arztes Freidank, wie man fagte,
darein geworfen. Einige legen die Schuld auf Karl, die Mei:
ſten aber auf Gerlach, den päpftlichen Erzbifchof von Mainz.
Während dad Gift langſam wirkte (der Arzt felbft, der den
Trank Eredenzte, farb nach drei Tagen), rüdten bie beiden
Heere gegen einander. Günther hielt bei Eltweil, einem
Schloſſe des Erzbifhofs Heinrich, dad die Mainzer belager⸗
ten 2). Karl feste über den Rhein, wobei Grau Eberhard
von Wirtemberg, der fchon vor Ludwigs IV. Zod zu ihm
übergetreten war, fich hervorthat. Günther erwartete Verſtaͤr ·
fung von dem Markgraven Ludwig von Brandenburg. Die:
fer Fam aber ohne Mannfchaft und fand gerathen, da Guͤn⸗
thers Krankheit zunahm, mit Karl in Unterhandlung zu treten.
Mismüthig fiber den Abfall der lebten Freunde bequemte fich 26. Mai.
1) Olenſchlager urk. 101.
2) Albert. Arg.\.e. |
216 Bud IL Erfter Zeitraum. Abſchnitt 2,
Günther gegen eine Entfchädigung von 20,000 Mark Sitbers
ber Krone zu entfagen *), behielt aber den Xitel bis zwei
1349 Tage vor feinem Tode. Der Erzbifhof Heinrich trat ſchon
12. Sum. zu Eltweil über gegen bad Verfprechen, daß ihn Karl gegen
Gerlach von Naffau fhügen und alle Freiheiten und Rechte
feines Erzſtiftes beflätigen wolle 2). Die Entfcheidvung bes
Streites geſchah jeboch erſt nach einigen Jahren bei dem Tode
Heinrichs. Ebenfo wurden die Verhandlungen wegen ber
Markt Brandenburg dem Fürftengerichte vorbehalten, nachdem
Ludwig dem Sriedensvertrage feiner Brüder beigetreten war.
Die rheinifchen und fchwäbifchen Städte, welche ſich anfangs
geweigert Karl IV. anzuerfennen, waren bereitö vor dieſen
Berhandlungen gewonnen, indem Karl alle ihre Rechte und
Freiheiten beftätigte und befonderd verſprach fie nicht vom
Reich zu veräuffern, d. b. an feinen Landheren zu verpfänden.
Die meiften Fürften und Herren hatte Karl durch Gelb und
Reichövogteien auf feine Seite gebracht °).
Markgrav Ludwig hatte in dem Vertrage mit Karl zur
Bedingung gemacht, einerfeit3 daß diefer ihn in dem Befitze
von Zirol laffe und bei dem Papſt die Gültigfprechung feiner
Ehe mit Margarethe auswirke; andererfeitd daß Karl, weil
Ludwig gefchworen die Wahl zu Renfe nicht anzuerkennen,
fih noch einmal wählen und Erönen laffen wolle. Bis Aus:
trag der brandenburgifchen Sache aber behielt Ludwig bie
Reicheinfignien noch zurüd. Demnach, begab fi) Karl mit
ben Fürften nah Aachen; bie erfte Wahl fowie die Krönung
zu Bonn wurde für ungültig und dad Reich feit Ludwigs
Tod für erledigt erflärt. Darauf empfing Karl die gefeßliche
Krönung *).
1) Dlenfchlager Url. 105. Das Übrige hauptfächlih nach Al-
bert. Arg. p. 151.
2) Lünig Spicil. eccl. Thl. I. Fortſ. ©. 51.
8) Geſch. v. Schwaben IV. S. 5—12.
4) Der Erzbiſchof Johann von Mailand fchreibt diefes dem Papſte,
nad Alb. Arg. p. 151. Ob eine neue Wahlverfammlung zu Frank
furt abgehalten worben fei, wirb nicht gefagt, es ift auch nicht wahr:
ſcheinlich. Weit fi der Papft durch bie neue Krönung beleidigt fühlte,
unterblieb auch bie Verhandlung wegen Markgrav Ludwigs Ehe, unge:
\
Bom Kurverein 1338 b. 3 goldnen Bulle 1356. 217
Auf diefe Art that er den Reichsgeſetzen Genüge,
wiewohl der Papft nicht damit zufrieben war, weil er ihn
bereitß beflätigt hatte. Wenn auch auf etwas zweideutige
Weile, fhien der Friede doch auf beiden Seiten endlich herge⸗
Relt, infofern wenigftend der Papfl den Kurfürften nicht aus⸗
drücklich widerſprach.
Nach 35 Jahren inneren Zerwuͤrfniſſes war es wohl Zeit
dad Reich zu beruhigen. Noch andere Übel vermehrten das
älgemeine Unglüd: Erbbeben, Hungersnoth, Pefl. Unerhört
war die Verheerung ber Lehtern. An den Kranken fuhren böfe
Geſchwuͤre auf, fie flarben ſchon nach drei Tagen. Diefleit
und jenfeit des Meeres in allen chriftlichen und heibnifchen
Uindern würtbete die Seuche. Kaum der dritte Theil der Men
(hen blieb am Leben; in Zeutfchland war dad Sterben nicht
am ſtaͤrkſften, doc wurden zu Straßburg über 16,000 Men:
ſchen begraben. Im Ganzen flarben mehr Arme ald Reiche,
vorzüglich in den Städten welche noch fehr eng und unrein>
id gebaut waren. Das Boll warf die Schuld auf bie
Buherjuden. Es ift erwielen, daß genuefifhe Kaufleute
das Übel aus der Levante mitgebracht, und infofern mögen
denn auch die Juden zur Verbreitung mitgewirkt haben. Aber
das Volk fprach, fie hätten die Brunnen vergiftet. An eini⸗
gen Orten wurben fie auf der Kolter zum Geflänbnifje ge⸗
Draht. Schon früher gefhahen aus ähnlichen Veranlaſſungen
Jubenverfolgungen. Diesmal erhob ſich wie auf Verabredung
dad Volk faſt zu gleicher Zeit in den meiften Städten, trieb
die Juden zufammen und verbrannte fie in ihren Häufern ').
Ber wollte wehren, da kein oberfter Richter anertannt war
und die Stände gegen einander felbft alle Arten von Bedrüͤk⸗
tungen verübten? Bon der andern Seite fand wieber eine
ahtet ber Bifchof von Chur indeffen mit päpftlichem Conſens die Schei⸗
img vom erften Gemahl genchmigt hatte. Man ließ die Sachen beider:
ſeits auf ſich beruhen.
1) Schon im Jahre 1821 war etwas Ähnliches da. Der Verf. des
Chron. Aul. reg. fah damals in ben Rheinlanden bie fammt ben Be:
wohnen eingeäfcherten Leprofenhäufer, weil man geglaubt, bie Lepro⸗
fen fein von Juden und Heiden geivonnen worden, die Brunnen zu ver⸗
öfter. Freher. sar. rer. Boh. p. 35.
218 Bud II. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 2.
große Zahl Menfchen auf, welche auf moͤnchiſche Weife durch
- leibliche Bußübungen bie Gerichte Gottes abzuwenden fuchten.
„Es erfhien die Secte der Geißler, welche fchaarenweife
durch's Land zogen und fich den nadten Rüden zerfleifchten,
indem fie das die Bluttaufe nannten, ohne welche Niemand
felig werde. Eine folche zahlreiche Geiffelfahrt traf Karl IV.
auf dem Wege nach Aachen; der Menfchenflrom verfperrte die
Straßen, daß er eine Zeit lang zw Bonn warten mufte. Er
foderte die Bifchöfe und den Papfl auf, diefe Secte wegen
ihrer wilden Lebensart zur Ruhe zu weifen. Gegen das „Ju:
benbrennen” erließ er firenge Abmahnungäbefehle, weil bie
Juden mit ihrem Vermögen unter des Reiches Schuß ſtuͤn⸗
den. Die Städte muſſten deshalb den Reichs⸗Landvoͤgten
und der Paiferlichen Kammer Abtrag thun; dafür blieben ihnen
die Häufer und Übrige Verlaffenfchaft der Juden ').
Gegen ungefegliche Zehden und Straßenraub hatten be
41349 reits 25 ſchwaͤbiſche Städte aus eigener Macht ein neues
10. Aug. Buͤndniß errichtet, jedoch mit Vorbehalt der königlichen Beſtaͤ⸗
tigung. Bei Hagenau war dad eigene Gefolge Karls IV.
überfallen und geplündert worden. Daher ließ er eines feiner
erften Gefhäfte fein, bei der Rüdkehr von Aachen einen all
Sept. gemeinen Yandfrieden zu Speier einzuleiten ?), Dann eilte
er in feine Erblande, von vielen fehmwäbifchen Herren bes
gleitet. Ungeachtet feine Hausmacht größer war als bie jebes
andern Fürftenhaufes, fo tft doc fein Hauptbeftreben von jest
an auf Zuwachs ſowie auf Emporbringung diefer Lande ge:
richtet. Zuerſt muflten die brandenburgifchen Angelegenheiten
: = georbnet werden. Nach vorläufiger Befprehung zu Bauten,
Dir, auf welche Markgrav Ludwig die Reichöinfignien herausgab,
entfchted Karl in dem Fürftengericht zu Nürnberg auf den Vor:
6. April. trag bed Pfalzgraven Rudolf, daß Waldemar nicht der wahre
fei, und feste alfo Ludwig wieber in die Mark ein?) Nun
1) Im Jahr 1388 hatte K. Iohann von Böhmen eine graufamt
Verfolgung über die Juden in Böhmen und Mähren verhängt, um ihr
Vermögen zu feiner erſchoͤpften Kammer einzuziehen.
2) Geh. von Schwaben IV, 15—%.
8) Dlenfhlager urk. 107. 108. Albert. Argent. p. 156.
Henr. Rebd. ad a. 1350.
Bom Kurverein 1338 b. 3. goldnen Bulle 1356. 219
war aber dieſer felbft nicht mehr mit dem unruhigen Lande
zufrieden oder er 309 es vor, Zirol mit einem Theile Baierns
zu vereinigen und traf alfo mit feinen zwei jünger Brüdern, 1351
Ludwig dem Roͤmer und Otto, einen Theilungs⸗ und Zaufch: 28. Der.
Vertrag zu Lukka, worin er ihnen die brandenburgifchen Lande
gegen ihren Antheil an Oberbaiern abtrat, doch behielt er fi)
vor die Kurflimme von Brandenburg gemeinfchaftlich mit ih⸗
nen zu führen"). Da übrigens die beiden Brüder wohl fahen,
daß fie ohne den Beifland K. Karls fich nicht würden in Brans
denburg behaupten koͤnnen, fo geftanden fie ihm auf fein Ver⸗
langen bie einflige Einloͤſung ber an Meiſſen verpfändeten
Niederlaufig zu?). Karl ſchien ſich eigentlich darin zu —
gefallen, auf Koſten eben dieſes Hauſes, das ihm bisher imꝰ· März.
Wege geſtanden, ſich zu vergroͤßern. Bei ſeiner Vermaͤhlung
mit Pfalzgrav Rudolfs Tochter Anna hatte er ſich die Erb⸗ 1349
folge in dem Lanbesantheil feines Schwiegervaterd zufichern
laffen, auf den Fall daß derfelbe ohne Söhne abfterben würde.
Das war fehon ein Riß in ben durch die Kurfürften beftätig-
ten Haudvertrag von Pavia. Wiewohl nun Anna mit ihrem
Soͤhnchen Wenzel noch vor dem Vater farb, fo machte Karl 1352
doch Anfpruch auf Rudolfs Antheil an ber Oberpfalz, und 1353
wuffte auch die beiden Pfalzgraven, Ruprecht den Altern und ee
den Süngern, zur Einwilligung zu bringen. Nachher —
er noch einige Gebiete durch Kauf von ihnen ?).
Karls Vater, K. Johann, hatte bereits den größten Theit
der unter mehrere polniſche Fuͤrſten getheilten ſchleſiſchen
Lande an ſich gebracht. Bolko IL war noch allein unabhaͤn⸗
sig. Durch Vermählung mit defien Tochter Anna (nach dem
Zode der pfälzifchen Anna) erwarb Karl auch die Fuͤrſtenthuͤe 1353
mer Schweibnig und Jauer. Zur naͤmlichen Zeit trat ihm 9 Sul
fein Tochtermann K. Ludwig von Ungern Beuthen und Kreuz-
burg ab. Mithin brachte er ganz Schlefien mit der Oberlau⸗
1) Ättenthover Geſchichte der Herzöge von Baiern Beil. 35.
2) Lünig Cod. germ. dipl. I. p. 1086,
9 Du Mont. T. I. P. II. ar. 315. 841. 346, Goldast. de
regn. Bohem. T. I. App. p. 87. T. II. p. 233 sgq. Henric. —
dorf. ad a. 1853.
29) Bud II. Erfter Zeitraum Abſchnitt 2
fig und der Gravſchaft Glatz an fein Haus. Der egerfche
Kreis war ſchon von K. Ludwig IV. an 8. Johann verpfän-
1355 det worden. Diefe fämmtlichen Länder wurden der Krone
e en Böhmen einverleibt, die Oberpfalz mit Bewilligung der Kur
3, Dec. fürften ).
Unterbeffen gerfiel der Landfriebe in den teutfchen Reichs:
ändern, am Oberrhein gleich nad) Karl Entfernung, weil
er fi nicht Zeit genommen hatte die Landherren mit den
Städten zu vertragen. Die fchwäbifchen Städte vereinigten
fich gegen die Sraven von Wirtemberg, welche die Reich
Landvogtei ſchon zur Landeshoheit machen wollten; bie rheini-
fhen Städte gegen ben Markgraven Hermann von Baden;
andere gegen andere Herzen; die fchweizerifhen Waldftaͤtte
gegen Herzog Albrecht von Öfterreich. Im dritten Jahre Fam
Karl wieder aus Böhmen und ließ zuerſt zu Nürnberg, das
fi) auch mit den fchwäbifchen Städten verbunden, dann zu
Coſtanz den Landfrieven fchwören, indem er bie Landherren
zwang bemfelben- beizutreten. Daffelbe geſchah zu Hagenau,
zu Speier, zu Mainz. In der Schweizerangelegenheit Fam
er zum zweiten Mal nach Zürich, um ald Schiebörichter ein:
zufchreiten. Da aber die Waldflätte ihre Buͤndniſſe vorbehal:
ten wollten, ſprach er unmillig, fie feien nicht befugt gewe
fen ohne Verguͤnſtigung eines römifchen Königs fich zu ver
binden und eben fo wenig Andere ohne Willen ihrer Landher⸗
ren in ihr Buͤndniß aufzunehmen.
An fi), nach den Reichögefeßen, war dad Urtheil richtig.
Aber aud den vorangegangenen herrenlofen Zeiten fland bie
Einwendung, daß die Stände, eben weil kein Kaifer fie ge:
ſchuͤtzt, durch Nothwehr dazu gebrungen gewefen, unb daß
dann ihr Bund felbft von ben nachgefolgten Kaifern beftätigt
worden. Der wahre Grund der Weigerung war jedoch Mi:
trauen gegen Karl IV. und die Herzoge von Öfterreich, wel:
che nichts Anderd wünfchten ald die Schmad von Morgarten
zu rächen. Wegen Ungehorfamd ward gegen bie Waldſtaͤtte
und ihre Verbündeten ber Reichskrieg erklaͤrt; kraft feines kuͤrz⸗
1) Du Mont. T. I. P. I. nr. 353. De rn acrr.
rer. Sil. T. I. p. 776. 868. |
Dom Kurversin 1338 6, 3. golbnen Bulle 1356. 221
lich gefchloffenen Buͤndniſſes mit den Herzogen Albrecht und 1353
Rudolf von Öfterreich führte K. Karl feibft ein böhmifches Mei.
Heer zu dem Aufgebot aus Öfterreih und dem fchwäbifchen
und oberrheinifchen Adel und belagerte Zürich als Vorfechte⸗
rin des Schweizerbundes. Ein ſo großes Heer vor einer ein⸗
zigen Stabt! Aber bald ſah man es dich) Zwietracht getrennt.
Die Öfterreich&& befiritten den Schwaben das feit Karl dem
Großen behauptete Vorrecht des erfien Angriffs unter St.
Georg Panner. Diefe gingen alfo zuruͤck. Zürich aber, den .
Reichsadler aufſteckend, wandte fi) an bie Gnade bed Kaifers.
Diefer übergab dann die Sache dem Heichögerichte zu Res
gendburg, weil ex den Roͤmerzug vorhatte. Nach ſeiner Ruͤck⸗
kehr fiel das Urtheil: „was die Eidgenoſſen im Kriege beſetzt,
fol an Öſterreich zurückgegeben werden; beide Theile behalten
ihre Bünde, Rechte und Freiheiten; nur Zug und Glaris fols
in aus dem Schweizerbunde bleiben”. Dagegen beharrten
die Schweizer auf ihrem Vorbehalt; und da andere NRüdfiche
tn und Händel dazwifchenlamen, fo ließ man die Sachen
endlih auf fich beruhen ').
Karl IV. hatte Luft aldbald nach der Krönung zu Aachen
fh auch in Rom kroͤnen zu laſſen. Das wollte aber Cle⸗
mend VI. fo wenig ald Johann Viſconti, Herr zu Mailand.
Diefer durfte jenen nicht erſt darauf aufmerffam machen, daß
Karl mit dem gebannten baierifchen Haufe ſich verbinde und
burch die zweite Wahl und Krönung die päpflliche Beflätigung
fir ungliltig erklärt habe °). Es war dem Papſte hauptſaͤch⸗
ih um Sicherflellung feiner Landesherrfchaft zu thun; Dede -
halb gab er den Sefandten Karl zur Antwort, die Sache 1351
babe zu große Schwierigkeiten und es dürften leicht durch fets
ne Ankunft neue Unruhen in Italien erregt werben °), d. h.
der Papft dürfte das Reichsvicariat verlieren. Sonſt waren
die Gibellinen des EZaiferlichen Schutzes froh; jetzt umge⸗
kehrt. Luchino Viſconti hatte bereits eine ſolche Macht er⸗
langt, daß das Gebiet von Mailand 22 Staͤdte zaͤhlte; ſein
1) Geſchichte von —— IV, 388.
D Albert. Arg. p. 151.
3) Raynald, ad a. 1351. $. 30 sqq.
222 Bud IL Erfter Zeitraum. Abſchnitt 2.
Nachfolger Johann, zuvor Erzbiſchof von Mailand, unterwarf
auch Bologna und bedrohte Tuſcien. Alſo waren jetzt die
Guelfen der ſchwaͤchere Theil, der den roͤmiſchen Koͤnig zu
1353 Hülfe rief. Innocenz VI, Nachfolger von Clemens VI.,
machte weniger Schwierigkeiten; Sobald alfo Karl die oben
1354 erzählten Angelegenheiten beigelegt hatte, brach er mit einem
Oct. Heinen Gefolge nach Italien auf und erließ erfi zu Mantua
Nov. Befehl, daß die zum Römerzug erfoderlihe Mannfchaft nach
kommen folle ). Seine Sefinnung war noch friebliher als
die feines Großvaters, Heinrichs VII., oder vielmehr er that
jeder Partei, was fie verlangte, für Geld. Drei Viſcontis,
Brubderöföhne des verfiorbenen Sobann, gewannen ihn bald,
daß er fie ungeflört in ihrer Herrfchaft ließ. Von ber Krö-
1355 nung zu Mailand zog er nach Piſa und nahm gleichfalls Geld
6. Ian. yon den tofeanifchen Städten. So fand er auch Fein Hin-
5, — derniß in Rom und empfing durch den Cardinallegaten von
Oſtia, den der Papſt dazu bevollmaͤchtigt hatte, die Kaiſer⸗
Trone ?). Die Römer foderten ihn fogar auf, die alte Herr⸗
lichkeit der Stadt wiederherzuftelen und feinen Thron bei
ihnen aufzurichten. Das ift das dritte Mal feit Otto II.
und Friedrich I., daß diefelbe Volksbewegung fi) herverthat,
diesmal jedoch unter zwei verfchiebenen Repräfentantn. An
der Spitze des Pöbeld ſtand ein armer Notar, Cola di
Renzo, Sohn eines Gaftwirths, der früher bei einer Zurüd:
berufungsgefanbtfchaft an den Papft gebraucht worden. Zum
Wolkstribun gewählt in dem Beitpunct da Clemens VI: Karl
den IV. gegen Ludwig IV. aufftellen ließ, citirte Gola nicht
nur bie beiden Gegner fondern auch den Papſt felbft in ei»
nem Manifeſt, weil nur den Römern zuſtehe über das Kai
ſerthum zu entfcheiden °). Der Gegenfat zu den päpfllichen
1350 Anmaßungen! Da Cola bald darnach durch einen Volksauf⸗
fland vertrieben, in Zeutfchland aufgefangen wurde, fandte
ihn Karl nach Avignon. Innocenz VI. aber fand für gut,
ihn im paͤpſtlichen Intereffe wieder nad) Rom zuruͤckkehren zu
‘
1) Albert. Argent. p.163,
2) Villani IV. c. 73 aqq. 92.
8) Dlenfhlager Url. 9.
Vom Kurverein 1338 b. 3. golbnen Bulle 1356. 223
laſſen, wo jedoch feine Sachen bald einen uͤbeln Ausgang nah⸗
men). Die Anfichten der Edeln fprah Petrarca auß.
Bas Dante Alighieri gewollt (defien Bild fich Petrarcas
Kindheit: eingeprägt hatte) *), das hoffte er nun erfüllt zu
feben. Ex hatte anfänglich den Gola felbft aufgemuntert; nach⸗
dem er fich aber in ihm getäufcht gefunden, wandte er ſich
an Karl IV., von dem er fhon zu Avignon eine gute Mei-
nung gefaflt hatte. Bei einem glänzenden Feſte, das die
Stadt dem künftigen römifchen Könige gegeben, fuchte Karl
die von Petrarca befungene Laura von Sade aus der Menge
der Srauenzimmer heraus und Füflte ihre Augen und Stirn
nach franzöfifcher Sitte. Ein Sonnet preift Karls koͤnigliche
Gigenfchaften?). Als Elemens VI. die ſchon erwähnten Hinz
berniffe gegen den Roͤmerzug machte, aͤuſſerte Petrarca gegen .
den Carbinal Zaleyrand, der hauptſaͤchlich Karls Anerken⸗
nung zu Avignon bewirkt hatte, „er fehe das Kaiferthum und
da3 Papſtthum am Rande bed Unterganges; da beide nicht
mehr in den ‚Händen der Italiener feien, fo werde man um
fo mehr bie Schuld den barbariſchen Laͤndern beimeſſen, die
jene Winden jetzt im Beſitz haͤtten, wovon das eine hart und
ſchrecklich, das andere weichlich und entnerot fei (Teutſchland
und Frankreich) *). Doch fchrieb Petrarca zum zweiten Dial an
1) Plant Geſch. d. Papſtthums. III, 299 f.
2) Er erinnerte fih, daß man ihm ben Dante gezeigt (Abbe de
$ade) M&moires pour la vie de Frang. Petrargue T. III. p. 509.
Sein Urtheil von ihm ald Dichter iſt: vulgaire pour le style, mais
trts-noble pour les pensées.
3) Real natura, angelico intelletto,
Chiar alma, pronta vista, occhio cervero,
Providenzia veloce, alto pensero,
E veramente degno di quel petto etc.
Petrarca, der meift in feiner Einftebelei zu Vaucluſe lebte, ſah
war Karl zu Avignon, wie er ihm fieben Jahre fpäter ſchreibt, kam
aber damals noch nicht in feine perfönliche Bekanntſchaft. — Laura, 1325
mit Hugo von Sade verheirathet, zählte 1346 etwa 39 Jahre. Me-
moires etc, II, 267.
4) M&moires etc. III, 281. II, 264. Der Gardinal antwortete:
„ünfere zwei Elemens haben der Kicche mehr Schaden gethan, als eure
feben Gregore gut gemacht haben’.
1352
224 Bud IE Erfter Zeitraum. Abſchnitt 2.
Karl, um ihn für die Herftellung des alten Kaiſerthums zu
begeiften. Dieſes Schreiben beantwortete Karl, indem er
nüchtern und troden auf die traurige Wirklichkeit hinwies !).
„Er babe fchon früher”, fagt er (bei feinem erften Aufenthalte
in Stalien), „die Zerrüttung des Lande, die Kleinmüthigkeit
des andäctigen Roms gefehen. Bei der Übernahme des
Reichs habe er fich der Worte Trajand erinnert: ihr wiſſt nicht,
was fir ein wildes Thier dad Reich'ift! Die römifche Repus
blik, welche fonft mit ihrem Überfluffe die Kaifer zu unter
ſtuͤtzen pflegte, fei zur Bettlerin geworden. Die Braut des
Reichs, die Freiheit, ſei geſtürzt“. (Bedachte Karl
nicht, was er ſelbſt dem Papfte verſprochen hatte?!)
1354 Als Karl endlich kam, lebte Petrarca neu auf: „Rom
und Caͤſar!“ Er hoffte, Karl werde wie ein Gewitter aus den
Alpen hervorbrechen?). Karl ließ ihn von Mailand nad
Mantua fommen und empfing ihn mit feiner gewohnten Freund:
lichkeit. Petrarca erwiebderte die Schmeichelredben; dad unge
wöhnlich Falte Wetter, das die Zeutfchen nach der Meinung
der Italiener mitgebracht hatten, fei von der Vorfehung ge-
fommen, um fie nach und nach an das Klima zu gewöhnen. Doch
legte er feine Freimüthigkeit nicht ab. Als Karl fragte, ob
fein Werl von den großen Männern noch nicht vollendet wäre,
verfegte er: es bedarf dazu nichts weiter ald Muße von mei:
ner Seite und Zugend von der eurigen! Karl verlangte, er
ſolle ihn nach Rom begleiten, weil er biefe Stabt mit feinen
Augen ſehen wollte. Allein Petrarca war nicht zu bewegen
feine jetzige Zurüdgezogenheit zu verlaffen. Karl drohte im
Scherz feine Schrift „über die Einſamkeit“, wenn er fie be
kaͤme, in's Zeuer zu werfen. Petrarca begleitete ihn fünf
Meilen über Piacenza. Beim Abfchied nahm ihn ein tofcani-
fher Ritter bei der Hand und fagte zu Karl: „das ift der
Mann, von dem ich Euch fo oft gefagt habe; ex wird Euern
Namen, wenn Ihr etwad Rühmliches verrichtet, nicht in Ver⸗
1) Pelzel K. Karl IV. Th. I. urk. 161.
2) Franc. Petrarchae Epp. de jur. Imp. Roman, nr, 5. in
Goldast. Monarchia etc. T. U. p. 852,
Vom Kurverein 1338 b. i goldnen Bulle 1356. 225
geffenheit kommen laſſen; aufferbem weiß er zu reben und zu
fQweigen" ').
Was follte Petrarca auch in Rom machen? Karl hatte
ia dem Papft verfprechen müffen noch am Krönungstage Rom 1355
wieder zu verlafien. Unter dem Vorwande einer Jagd ging’. April.
er weg und eilte nach Toſcana zurid. So wenig.ihn jene
Emiebrigung vor dem Papſt gekoſtet, fo wenig befchämten
ihn die Vorwürfe, welche ihm Petrarca nachfandte 2); ebenfo
wenig kraͤnkte ihn auch die Verachtung, welche ihn bie Städte
fowohl als die Viſconti fühlen liefen. Ex nahm ihr Geld
‚ mb brachte dem kaiſerlichen Titel nebſt einigen zu Rom batirs
tm Urkunden ?) zurüd.
Daß Karl nicht Länger in Italien verweilte, war wohl
mit der Dringlichkeit der teutfchen Angelegenheiten wie bei
kudwig IV. zu entfchulbigen, oder mit der noch immer herr⸗
ſchenden Verwirrung. Cr ließ auch gleich bei feiner Ruͤckkehr
w Regensburg die ſchweizer Sache zur Entfcheibung brin⸗
gen; doch lag ihm noch weit mehr an feinem Erbreiche Boͤh⸗
mn, wo er vor allen Dingen die fhon gedachte Incorporas
tion der erworbenen Länbertheile zu Stande brachte*). Dann9. Sct.
aber bezeigte er wirklichen Ernſt, die mangelhaften Reichöges -
fege zu ergänzen, und infofern kann man es ald einen Ges
winn des italienifchen Zugs fir Xeutfchland betrachten, daß
Karl auf demfelben die Bekanntſchaft ded berühmten Rechts⸗
gelehrten Bartolus machte *). Schon zu Piacenza fchrieb er
den Straßburgern: er wolle nad) feiner Zurhdfunft feine und
des Reichs Angelegenheiten und Ehre mit Gottes Hülfe ernſt⸗
ih vornehmen und befürden, daß alle feine getreuen Unters
thanen dadurch getröftet werden ſollten °). Während der Ans
ordnung ber böhmifchen Angelegenheiten erließ er von Prag
eine Reichötagsberufung nad Nürnberg: „wegen ehehaftiger 17. Sept.
1) Mömoires etc. III. 875. 891.
2) Franc. Petrarchae Opp. T. I. p. 29.
8) Häberlin Keichsgeſch. III. 575.
4) Du Mont T. 1. P. I. p. 802,
5) Goldast de Senioratu, L. III. c. 19. $. 8.
6) Wenker in Apparat. eto, p. M.
Pfiſt er Geſchichte d. Zeutfchen I. 15
226 Buch III. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 2.
und redlicher Sachen, Kaiſer und Reich, Frieden und Gemach
der Unterthanen betreffend, ſollen alle Fuͤrſten, Graven, Her⸗
ren und Städte ſich verſammeln, um gemeinen Nutzen bera⸗
then zu helfen” ®).
Auf Seiten der Reichsſtaͤnde war eben fo großes Ber
langen, nach vieljähriger Zerruͤtung Ruhe und Ordnung be
1335 fefligt zu fehen, daß lange Zeit Fein Reichstag fo zahlreich
Nov. befuht wurde. Man zählte aufjer den Kurfürften gegen 40
[ai
geiſtliche und weltliche Zürften. Die Zahl der Graven, Frei⸗
berren und der Städteboten Iäfft fich nicht genan angeben.
Nachdem die frankfurter Beſchluͤſſe die Eingriffe des Pap⸗
ſtes oder anderer Maͤchte in die Selbſtſtaͤndigkeit des Reichs,
beſonders der Wahlfreiheit, ausgeſchloſſen, ſo waren noch zwei
Hauptſachen zur Berathung übrig: 1) das Verhaͤltniß der
Fürften zum Kaifer oder das Wahlgeſetz; 2) dad Verhälts
niß ber Stände zu einander oder ber Landfriede; Beides
hervorgegangen aus dem allgemeinen Wunfche, bie Ruhe bes
Reichs befonderd gegen Wahlzwifligleiten und deren verberd-
liche Folgen zu fichern.
Über ven erftern Gegenſtand berieth fih Karl IV. mit den
Kurfürften befonders, und hielt ſich dabei vorzüglich an bie
drei Erzbifchöfe von Mainz, Trier und Coͤln, „ohne bie er
Nichts thun wollte?) (weil ed hauptfächlic die Stimmen der
weltlichen Kurfürftenlinien betraf). Das andere Gefchäft wur:
de an Fürften, Herren und Städte ober an die ganze Reiche
verfammlung gebradht. Das erflere war eigentlich Fortfegung
der fehon unter K. Rudolf I. gefafften Befchlüffe. Denn feit
die römifche Koͤnigswahl vorzugsweiſe an die fieben Erzämter
des Reichs gekommen (wobei den übrigen Fuͤrſten und Staͤn⸗
ben nur bad Recht der Zuftimmung geblieben), fo entflanden,
auffer den päpftlichen Eingriffen, die meiſten Verwirrungen
theils durch bie ſchon berührten Zheilungen ber weltlichen Kur-
fürftenhäufer, wovon jede Linie auf das Stimmrecht Anſpruch
machte, theils auch durch Streitigkeiten unter den geiftlichen
Kurfürften über ihre Vorzüge vor einander, durch welches Al⸗
1) Dlenſchlager Erlaͤut. d. golbn. B. urk. 1.
2) Dlenfhlager a. a. D. Url. 2.
; |
Dom Kurverein 1338 b. 5. golbunen Bulle 1356. 227
les, bei den Parteiungen unter ben Fürften, Doppelwahlen
begimfligt wiınden. Da Karl IV. die Erfahrung davon ges
macht hatte, fo lag ihm felbft nicht wenig daran biefe Vers
hältniffe zu orbnen, und er benußte ſchon die Zwifchenzeit bis
zur Zuſammenkunft des Reichstags, bie Einleitung dazu nach
feinem Wunſche zu treffen. ;
In Abficht der Kurſtimme bed Erzſchenkenamtes,
worüber zu K. Rudolfs I. Zeit die ſtaͤrkften Streitigkeiten zwi⸗
ſchen Baiern und Boͤhmen geweſen, blieb es bei der getroffe⸗
nen Entſcheidung zu Gunſten Boͤhmens. Da dieſes Reich
umtheitbar war, fo konnte auch Fein weiterer Swift mehr über.
die Ausübung der Stimme entſtehen. Hingegen bei den brei
andern weltlichen: Erzaͤmtern tvaren deſto mehr. Verwirrungen.-
Die pfaͤlziſche Kurfiimme des Zruchlelfen Amtes hatte
8. Rudolf. I. von der Herzoglich baierifchen. Linie getrennt,
obgleich Ein Haus beide Länder beſaß. Durch den Vertrag
von Pavia warb die Kurſtimme den beiben Linien ˖wechſels⸗
weile zuerkannt. Nach des Pfahgraven Rudolf Tode ſtrit⸗ 1
ten Ruprecht der Ältere unb der Füngere darum; Karl ſprach ar
fie dem Ültern zu und machte fpäter noch bie Bebingung, 1355
daß nach feinem umbeerbten Tode der Ihmgere eintrete '), wo⸗ 27. Dec.
— der Vertrag von Pavia wieder beſchraͤnkt wurde.
Im ſaͤchſiſchen Herzogshaufe machte die lauenbur⸗
giſche Linie, als die aͤltere, auf die Kurſtimme des Mar⸗
ſhallen amtes Anſpruch, die wittenbergiſche aber als
Beſtzerin der Kurlande. Da Lauenburg gegen Karl IV.
geſtimmt, fo erkannte er der wittenbergifchen Linie das Wahls 6. Oct.
seht um fo mehr zu, als fie ed bisher meift auögelbt, alfo ..
dad Herkommen für fich hatte *).
Die brandenburgifche Kurſtimme bes Erzkaͤmme⸗
teramtes ſollte zufolge des luckauer Vecrtrages von den drei
Soͤhnen Ludwigs des Baiern gemeinſchaftlich geführt werbet;
Karl IV, fprach nach demſelben Grundſattze mie “bei nn
md Mheinpfalz: ber jüngere Ludwig, genannt det Römer, als
1) Tolner. Cod. pl, Pal nr. 148, 188. Olenſchlager Er⸗
Iäut. d. goldn. B. Urt. 8.
2) Schannat. Vindem. Lätt, coll. IL ar. Sl.
15 *
228 Bu m, Erfier Zeitraum. Abſchnitt 2.
Befiger der brandenburgifchen Lande, follte auch die Kur:
fimme führen *).. Damit wurbe der ältere Ludwig, Karls
hartnädigfter Gegner, jebt Herzog in Oberbaiern, von felbf
ausgeſchloſſen, und das Herzogthum Baiern ging wiederholt
leer aus.
Sobald Karl dies Alles vorbereitet hatte, ließ er die Kur⸗
fürften auf dem Reichſtage darüber erkennen und Willebriefe
von ihnen ausſtellen, worauf er die genannten Fuͤrſten mit
der Kurwuͤrde belehnte. Zu gleicher Zeit wurden auch bie
Borrechte der geiftlihen Kurfürften in ihrem Verhaͤltniſſe
zu einander in Berathung gezogen. Nach der Feſtſetzung des
Wahlrechted und der befondern Rechte der Kurfürften ließ der
Kaifer ihre Vorrechte vor den übrigen Fuͤrſten näher beftim-
men, bei der Abfaffuhg des Gefeges aber die Wahlart nebſt
den dazu gehörigen Verordnungen in Abficht auf Seit und Ort
vorausſchicken.
Waͤhrend dieſer Verhandlungen mit den aurfurſten kapen
denn auch im Reichsrathe die Fragen von der Mimze, von
Rheinzoͤllen und Geleit, von ben Pfahlbuͤrgern, überhaupt
vom Landfrieden zur. Berafbung. Weil aber fihon mehrere
- 4356 Wochen Über der Verfammlung verflofien waren, fo ließ ber
10. Jan. Kaifer einſtweilen bie gefaflten Beſchlüſſe verfünden und ſetzte
einen andern Reichötsg auf Ende deffelben Jahres nach Mes.
Karl wählte diefe Stadt aus mehreren Gründen. Sein
Bruder Wenzlaw, dem er die luremburgifchen Stamm:
41354 londe als Herzogthum überlaffen hatte, ſtand im Krieg
.. mit Gran Ludwig von Flandern über bie Exbfolge in dem
1355 Herzagthume Brabant und Limburg, welche der kuͤrzlich
5. Dec. ohne Söhne verflorbene Herzog Johann ber Gemahlin Benz
laws, Johanna, als ber älteflen Zochter, zugebacht hatte.
Johanna felbft führte diefen Krieg ſtatt ihres trägen, uͤppigen
Semabls nicht ohne Gluͤckk. Weil aber Grav Lubwig - von
Flandern, der Gemahl. ihrer zweiten Schwefter, die Waffen
noch nicht nieberlegen wollte und Antwerpen belagerte, fo
1356 hielt der Kaifer für nöthig felbft einzufchreiten. Vom Papft
wurde er ald Vermittler in bem franzoͤſiſch⸗engliſchen
1) Hear. Rebdorf, — a. 1356,
Vom Kurverein 1338 b. ;. goldnen Bulle 1356. 229
Krieg aufgerufen, ba ber König Johann von Frankreich, 1356
fein Neffe, in der Schladht von Maupertuis in die Gefan⸗ 19. Sept.
genfchaft des fchwarzen Prinzen, Eduards von Wallis, geras
then war '). Den Weg nach Lothringen aber nahm Karl
buch Schwaben und Elſaß, weil bie Städte über bie zu
Nürnberg verkimbeten Sagungen in Betreff der Pfahlbürs
ger unzufrieden waren. Er befuchte die Reichsburg Hohen
kaufen, welche jest mit ber Landvogtei Nieberfchwaben als
Pandfchaft in den Händen der Graven von Wirtemberg war.
In Übereiuftimmung mit diefen wollte er, wie fchon zu Ans
fang nach feiner Wahl, die Städte auf der Seite behalten,
und gab ihnen baher Erlaubniß fich auf's neue untereinander
zu verbinden. Auf biefelbe Weiſe wurbe der Landfriede auch
im Elſaß gefichert ?).
Zu dem Reichdtage zu Met kamen Gefandte vom Papft
und vom Könige von England. Der Reichöregent von Frank⸗
reich, des gefangenen K. Johanns dltefler Sohn Karl, Her
308 ber Normandie und Delphin von Vienne, als folcher teuts
her Reichsvaſall, war in Perfon gegenwärtig. Die Ver
hanblungen Über das zu Nurnberg entworfene Reichsgeſetz wur⸗
den fefigefeßt. Zu den 23 erften Gapiteln kamen noch fieben
hinzu in Betreff der weiteren Rechte ber Kurfürften und ihrer
Amtöverrichtungen bei feierlichen Reichöhöfen. Dann ließ ber
Kaifer dad Ganze, in Iateinifher Sprache audgefertigt, als
mmerwährended Reichögefet Öffentlich verfünden und da825. Dec.
Majeflätsfiegel, die goldne Bulle, von der ed vorzugsweiſe
den Namen hat, daran hängen. Das Original ber Urkunbe
ward dem Reichs⸗Erzkanzler uͤbergeben ).
Der Inhalt dieſes Reichsgeſetzes *), fomeit er für unſere
Geſchichte noch wichtig ift, iſt dieſer. Erſter Haupttheil, von
— roͤmiſchen Konigewabl und den Kurfuͤrſten.
1) Häberlin Neihägefh. IT, 610-612,
2) GSefhichte von Schwaben, IV, 87 f. ‘
— eat ift wohl biefed und überhaupt das mainzer Archiv ge⸗
* — nach Vergleichung verſchiedener Gremplare in Olen⸗
ſchlagers Erkaͤuterung.
= a a ee
2330 Buch IL Erfter Zeitraum. Abſchnitt 2.
)y) Ausgeſchrieben wird die Wahl nach Erledigung
bed Faiferlichen Thrones durch den Kurfürften von Mainz an
jeden Kurfürften binnen drei Monaten nah Frankfurt
am Main. Wer in ber gefehten Zeit nicht in Perfon ober
durch Botfchafter mit vorgefchriebener Vollmacht erſcheint,
verliert fir diesmal fein Wahlrecht. Die Verſammelten ſchwoͤ⸗
ven den Wahleid, daß fie nach beftem Wiffen und Gewifs
fen die tauglichfte Perfon ohne Privatrüdficht wählen
und den Wahlort nicht eher. verlaffen wollen, bis fich tie
Mehrheit vereinigt bat. Cine Wahl burch Mehrheit hat
diefelbe Gültigkeit, wie wenn alle einflimmig gewelen wären
(mas bisher noch nicht gefeßlich beflimmt war). Wenn ber
Kurfürft von Mainz feine Pflicht verfäumt, verſammeln ſich
die Kurfürften in der-'gefehten Zeit unaufgefodert. Wahlher⸗
ren und Botfchafter fliehen unter Baiferlihem Geleit bei der
hoͤchſten Acht, und die Bürger von Frankfurt leiften noch be
fonders den Sicherheitseid. Die Krönung gefchieht zu Aachen.
2) Ausſchließliches Wahlrecht haben die fieben Kur
fürften, die Erzbifchöfe von Mainz, Trier, Coͤln, der König
von Böhmen, der Pfalzgrav bei Rhein, der Herzog von Sach⸗
fen-Wittenberg und der Markgrav von Brandenburg. Zu
Verhuͤtung kuͤnftiger Streitigkeiten haftet die Kurwuͤrde auf
dem wirklichen Beſitze des Kurlandes (nicht bloß auf dem
Erzamte allein). Diefed Kurland ift untheilbar, reichsle⸗
benbar, mit Vorbehalt des Wahlrechtes der böhmifchen Stände
beim Grlöfchen des Königsflammes, wirb in ben weltlichen
Kurfürftenhäufern nach dem Rechte der Erſtgeburt vererbt, mit
Ausſchluß der geiftlichen Glieder, und, im Kal der Minder⸗
jährigfeit, von dem nächflen weltlichen Agnaten vormundſchaft⸗
lich verwaltet.
3) Kurfuͤrſtliche Vorrechte (vor den anderen Reichs⸗
fländen). Ihre Territorien find für die Eaiferlihen Ges
richte geſchloſſen, d. h. die ihnen unterworfenen Stände
ftehen unter ihren Gerichten und haben Feine Berufung an
bie Paiferlichen Gerichte auffer im Fall verweigerte Juſtiz
(jus de non evocando, wozu die rheinifchen Kurfürften bei
Adolfs und Albrecht Wahl den Anfang gemacht). Die Kur:
fürften baben in ihren Ländern das kaiſerliche Regal ber
!
Vom Kurverein 1338 b. 3. goldnen Bulle 1356. 231
Bergwerke, die Münze, bie hergebrachten Zölle, den Juden⸗
(bug; ihnen gebührt das Necht, wie der Krone Böhmen, von
anderen Fuͤrſten und Ständen Alobien und Reichslehen an
fih bringen zu dürfen, voraudgefeht daß die Verhaͤltniſſe fols
her Güter und Herrfchaften zum Reich nicht verändert wer
den *); fie haben ben Vorrang vor allen anderen Reichöfläns
den und find mit der Perfon des Kaifers fo nahe verbunden,
daß, wer ſich an ihnen vergreift, des Majeſtaͤtsverbrechens
ſchuldig wird. "Sie heiffen die Grundfäulen und bie ſieben
Leuchter des Reiche.
4) Reihögefchäfte ber Kurfürften auffer der Wahl.
Eie verfammeln ſich alle Jahre vier Wochen nach Oftern, um
über die Heichdangelegenheiten zu rathfchlagen und mit dem Kais
fer zu fchlieffen. Während der Erledigung des Faiferlichen Thro⸗
nes iſt der Rhein Pfalzgran In ben Landen am Rhein und
in Schwaben und im Lande fränkifchen Rechtes, der Her:
zog von Sachfen aber, wo fächfifche Rechte gehalten wers
den, Reichsverwefer; nur bürfen fie keine Fahnlehen vers
kihen und Nichts veraͤuſſern. Der Pfalzgrav behätt ven her⸗
koͤmmlichen (unter 8. Albrecht I. erneuerten) Vorzug daß der
Kaifer vor ihm zu Recht fliehen muß, jedoch nur in verſam⸗
meltem Reichshof.
5) Bei den Hofdienſten oder Verrichtungen der Erz⸗
ämter ift neben Beſtimmungen ihres Ranges und Vortritts ıc.
die Schlußverorbnuung: da das roͤmiſche Reich verfchiedene Na⸗
tionen von verfchiedenen Sitten, Sprachen, Gefegen und
Regirungsformen vereinigt , fo follen die Söhne der Kurfür⸗
fien unter Vorausſetzung, daß fie von Geburt die teutfche
Sprache verſtehen, auch in der Grammatik ober Iateinis
ſchen, in der italienifchen und flavifchen Sprache vom
Pebenten bis zum vierzehnten Jahre unterrichtet werben, um
in Führung der Gefchäfte dem Kaifer defto eher beiftehen zu
Einnen,
1) Dabei wird alfo vorausgefegt, daß bie Länderfäufe der anderen
Fürften, wie fie häufig vorfommen, bei Öfterreih, Wirtemberg, befon-
derer Taiferlicher Erlaubniß bedurften. Übrigens bringt Olenfhlagers
Eläut. S. 221 ff. die Sache nicht recht in's Klare.
232 Bud IIL Erfter Zeitraum. Abſchnitt 2.
Zweiter Haupttheil, vom Landfrieden und dazu gehoͤ⸗
rigen Gegenſtaͤnden. Wer in unredlicher Fehde dem Lehens⸗
herrn die Lehen aufkuͤndet und dieſe ſelbſt dann angreift und
ſich wieder zueignet, hat dieſelben verwirkt. Verbindungen
der Städte ober einzelner Perſonen unter fi oder mit ans
dern, obne Wiſſen und Willen ihrer Landesherren, werben
abgethan, fowie die Pfahlbürger.
Auf diefen zweiten Theil fcheint weniger Fleiß in ben
Verhandlungen verwendet worden zu fein ald auf den erfien,
denn es find lauter alte oder herkömmliche Reichsgeſetze, wel:
che ſchon unter den Hohenflaufen zu Sunften der Fürften
gegeben worben. Karl IV. wurde zu ihrer Erneuerung ver
anlaſſt, einerfeits durch die vielen unredlichen Fehden des Her
senftandes, anbererfeitd durch die zunehmenden Staͤdtebuͤnd⸗
niffe, beſonders die fchweizerifhen. Im Übrigen blieb es bei
dem biöherigen Fehderechte.
Auch im erſten Haupttheil der goldnen Bulle iſt Rüds
fiht auf ditere Verfaffungsformen oder eine gewiſſe Veraͤhn⸗
üchung. Die Eurfürftlihen Lande werben den Volksherzog⸗
thümern gleichgeftellt; die jährliche Verſammlung der Kurfür:
fien an Oftern follte wohl die regelmäßigen Reichötage erfehen.
Die Frage, wer Verfaſſer dieſes Reichögefees, ift über
flüſſig. Da Karl IV. dem berühmten Rechtögelehrten Bar:
tolus von Perugia, den er ſchon auf dem erſten Römerzuge
zu feinem Rath ernannt und mit verfchievenen Vorrechten be:
.gnadigt hatte, die Bearbeitung des neuen böhmiichen Geſetz⸗
buches übertragen bat, fü iſt wohl zu glauben, daß er ihn
auch bei diefen Verhandlungen vorzüglich beigezogen habe.
Wenn Übrigens die Urkunde auch von Einer Hand gefchrieben
fein mag, vielleicht duch Rudolf von Friedberg, nachhe⸗
rigen Kanzler bed Kaiferd und Biſchof zu Verden; wenn viels
leicht auch Karl felbft Manches bictirt zu haben fcheint, wie
man aus ber Ähnlichkeit der Sprache mit der in feiner Les
benöbefchreibung ‚fchlieffen wollte *), fo zeigt doch der Inhalt
Spuren mebrfeitigen Einfluffes. Selbſt bei der Schlußver:
ordnung, welde ohne Zweifel vol Karl felbft herfommt , iſt
1) Dienfhlager Erlaͤut. ıc. ©. 390.
4
v >
x R
Vom Kurverein 1338 b. z. goldnen Bulle 1356. 2333
gefagt, daß der „Rath aller Weiſen“ gehört worden. Wie
vielen Antheil Die Kurfuͤrſten am Ganzen gehabt, befonders
die sheinifchen Erzbiſchoͤfe, ift bereitd bemerkt worden.
Die auswärtigen Sefandbtfchaften fcheint Karl mehr zur
Verherrlichung des Reichötaged zu Meb ald zu Berhanbluns
gen in ihren Angelegenheiten beigezogen zu haben; denn die
Stanzofen waren fehr unzufrieden, daß das Vermittlungsge⸗
(haft mit England nicht ernfllicher betrieben worden; doch
emeuerte ber Reichöregent, Delphin Karl, vor feiner Ruͤckkehr
das Bimdniß mit dem Kaifer ). Der Papft hatte den Kar⸗
dinal Zaleyrand von Perigord abgeorbnet, benfelben ber
vormald Karls IV. Ernennung zum römifchen König burchges
feßt hatte. Durch feinen Einfluß mag es gefcheben fein, daß
bad italienifche Reichsvicariat in ber goldnen Bulle über:
Sangen worden iſt, wiewohl die Urkunde fich überhaupt auf
Zeutichland befchränkt. Doch konnte er nicht verhindern, daß
durch bie näheren Beflimmungen, im Abficht des teutfchen
Reihsvicariats, ſtillſchweigend der Papft audgefchloffen
wurdes bie frankfurter Sagungen find zwar nicht namentlich .
genannt, doch werben fie bei dem ganzen Wahlgefeg voraus⸗
— und vom paͤpſtlichen Beſtaͤtigungsrecht iſt gar nicht
ie Rebe.
Drei teutfche Fürftenhäufer, Baiern, Öfterreih, Sad:
fen&auenburg, wollten fich über ihre Ausfchlieffung von den
Vorrechten ber Kurfürften nicht zufrieden geben. Die Ritter:
(haft zuͤrnte über die Befchränktung des Fehdeweſens, wies
wohl die Hauptfache beim Alten blieb; bie Städte wollten,
wie wie fchon gehört, die Abflelung der Pfahlbürger nicht
kiden. Die Rüdwirtungen aller diefer Verhältniffe wird der
naͤchſte Abfchnitt zeigen. Übrigens war das neue Reichögefeg
= allen rechtlichen Erfoderniffen angenommen und be
igt.
Kart IV. Hat gegen jene Fürftenhäufer allerdings eine
eigennuͤtzige Politik durchgefeht, doch hat er für fich felbfl, als
Kaifer, Nichts erlangt; als König von Böhmen theilte er die
Dorrechte der anderen Kurfürften, nur daß er mehr Mittel
1) Du Mont T. L P. U. p. 828.
— *
2343 Bud II. Erſter Zeitraum. Abſhnitt 2.
befaß fie zu beugen, und hat es vielleicht noch für Befchei-
denbeit gehalten, daß er bei der Rangbeflimmung das König:
reich Böhmen nicht auch den geifllichen Kurfürften vorgefegt
bat, wie ed K. Rudolf I. für feinen Schwiegerfohn im Sinn
hatte). Die Kurfürften hingegen haben fich deſto beſſer be:
dacht und liefen fi dadurch für das Iuremburgifche Haus
gewinnen. Ale ihre Anmaßungen während ber zwifligen Wah⸗
Ion von K. Abolf an lieffen fie fich gefeglich beftätigen. Die
Reichsguͤter und Rechte, welche fie an fich gerifien, blieben
bei ihrem Landgebiet; dieſes warb für untheilbar und gefchlof
fen erklärt, wie die Volksherzogthuͤmer oder die noch Altern
fränfifchen Reichslehen. Die Wahlſtimmen wurden nicht bloß
auf dad Erzamt, fonbern auch wieder auf das Land ge
gründet ?). Wenn bie alten Vollöherzoge als Vertreter ihrer
Provinz an der Spitze ihrer beiflimmenden Sefolgfchaften auf
dem Wahltag erfchienen, fo ift jest von Gefolgfchaften nicht
mehr die Rede, und ber Zuruf der übrigen Fürften und Stände
kommt in Abgang. Kurz, die Kurfürften haben nicht bloß bie
Vorwahl oder Hauptwahl, fondern bie Wahl: allein,
und diefe wird den Übrigen Ständen verfündet °). Wenn bie
jährlichen Kurfürfientage nach ihrem Sinn zu Stande famen *),
fo muſſte auch die Theilnahme der Stände an ben Übrigen
Reichsangelegenheiten zeitiger erlöfchen, als fie erlofch. Alſo
bat Karl IV. felbft dazu mitwirken müflen, daß die durch
Wahlparteiungen aufgelommene Ariſtokratie in bie Ver
foffung aufgenommen wurde; und damit Niemand an ben
1) &. oben &. 70.
2) Bei der pfälzifhen Kurflimme wird ausdruͤcklich gefagt, daß fie
auf das Kürftenthbum und Land der Pfalz und aufdas Truchſeſ⸗
fenamt fo feft gegründet fei, daß das eine ohne das andere nicht beftes
ben koͤnne. Olenſchlager Erläut. d. goldn. B. Nr. 4.
8) Früher hieß es von den Kurfürften: „ad quos jus eligendi —
principaliter pertinere dignoscitur‘. Karl IV. fagt bei der Wahl ſei⸗
nes Sohnes Wenzlaw: „ad quos jus eligendi legitime spectare digno-
scitur“. Raynald, ad a. 1376. $. 15.
4) Daß fie nie zu Stande Tamen, erklärt Olenſchlager ©.
291 daraus, baß die kurfuͤrſtlichn Willebriefe, beren auch in dem
"genannten Buche gar nicht gedacht ifl, in Abgang gelommen fein würden.
überſicht. — 235
Vorrechten der Kurfuͤrſten zweifeln ſollte, wird bei jebem der⸗
ſelben ausdruͤcklich hinzugeſetzt: „wie ſolches nach altem loͤbli⸗
chen Herkommen, nach gut geheiſſener laͤngſt verjaͤhrter Ge⸗
wohnheit beobachtet worden”.
Überficht des zweiten Abſchnittes.
Geſteigerte Eingriffe des Papſtes in bie teutſche Reiches
verfaffung, während feiner eigenen Demüthigung zu
Avignon. Cntgegenftellung des teutfchen Staatsrechts.
Inconfequenz der Fürften. Das Reich kommt aus der
Ahhängigkeit vom Papſte, welche die Herflellung der
Ronarchie im erften Abſchnitt begleitete,‘ in Abhängig:
kit von ‚den Kurfürften.. Heillofe Nachahmung ber
roͤmiſchen Politik. Lob der Städte. Geſchloſſene Ter⸗
ritorien. Dreierlei Landesgebiete und dreierlei Ent-
wuͤrfe in den folgenden Begebenheiten.
Der vielſeitige Kampf gewährt ein eigenes Schauſpiel. Aus
fänglih gaben die Parteiungen unter den Zürften dem Papfte
Bloͤßen genug, feine Eingriffe noch viel weiter auszubehnen.
Bas die früheren Paͤpſte nur in einzelnen Fällen gewagt, oft
ieder zurlickgenommen '), dad wurde jetzt offen ald Theorie
aufgeftellt: „Der Papft ift oberſter Weltregent; bie Könige ha⸗
ben die Gewalt von ihm. Er bat das Reich auf die Teut⸗
fhen gebracht und den Fürften das Wahlrecht verliehen; wenn
fie dieſes nerfäumen, ſetzt er felbft den römifchen König ein.
Er hat das Beftätigungs- und Abſetzungs⸗Recht; der erwählte
tömifche König darf nicht cher in die Reichöverwaltung tres
H Platt Geſchichte des Papfktpumd. IL 2. 728 ff
236 Bud II. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 2.
ten, bis ihn ber Papſt ernannt hat. Ein folcher unter dem
Papfte ſtehender Kaifer iſt dann doch das Haupt über alle
anderen chriftlichen Könige. Aber in Rom hat der Kaifer Nichts
zu fagen. Der Kirchenflaat, foweit ihn bie Päpfle ausge
dehnt, iſt völlig unabhängig. Bei Erlebigung des Thrones
bat der Papſt dad Reichövicariat dieffeit und jenfeit der Al⸗
ven. In Streitfällen entfcheidet ee über dad Stimmrecht,
beflimmt den Wahlort, fett den Reichs⸗Erzkanzler ab, wenn
er die Wahl nicht nach feinen Wünfchen leitet; Läfft dad Erz
bisthum in Befchlag nehmen. Sehenten und andere Abgaben
werben nach den Bebürfnifen des roͤmiſchen Stuhls in Teutſch⸗
land erhoben“.
Das Alles muffte gerade noch vor dem Sturze bed Papfl-
thums gefleigert werben. Der Letztere Fam jeboch nicht von
ber Kaifergewali, fondern von den Königen von Frankreich,
bei welchen bie Päpfte früher gegen die Kaifer Huͤlfe gefuct.
Nur fo lange wollten die Zranzofen die päpflliche Obergewalt
noch gelten lafien, bis fie ald Werkzeug gedient hätte, die
Selöftftändigkeit des teutfchen Reichs zu vernichten.
Anfänglich waren die Fuͤrſten mit dem Papſte barin eins
fimmig, kein mächtiges Kaiferhaus mehr aufkommen zu lafs
fen. Sie wollten nur ſchwache Wahloberhäupter, bei deren
Wechſel fie fich jedesmal bereichern Eonnten. Nur der Papfl
ſelbſt konnte die Erzbiſchoͤfe hindern, daß fie nicht gar in feine
Stelle traten und Kaifer abfegten oder über flreitige Wahlen
entfchieden. Die Wahlkoͤnige, von zwei Seiten im Gebränge,
warfen fich dann auch lieber wieder dem Papft in die Arme,
bewilligten für den Augenblid Alles was er ihnen vorfchrieb
und erfannten die fabelhafteften Behauptungen an. So ats
beiteten ihm beide Theile in bie Hände, und es waͤre thöricht
geroefen nicht zuzugreifen. Auch die Wahlgelder wuffte er den
Kurfürften wieder abzunehmen. Heinrichs VII. kraͤftiges Auf:
treten hätte das Ganze ändern können, wenn ed von Befland
— wäre. Erſt als die Sachen unter Ludwig IV. auf's
| ufferfte gelommen waren, erwachte bad Selbftgefühl wieber.
Ludwig fafft Muth förmlich zu proteſtiren: „durch gefesliche
Vahl ber Fuͤrſten, nicht vom Papſte, bat der roͤmiſche
König das Recht der Reichöregierung”. Die Kurfuͤrſten er⸗
Überficht. 237
kennen, daß es auch ihre fuͤrſtliche Ehre betrifft; fie verbin⸗
den fih, „die Wahlfreiheit gegen maͤnniglich zu behau⸗
pten”. Der Reichstag fpricht die Unabhängigkeit des
Kaiſerthums aus. „Die hoͤchſte Gewalt wirb vom
Volk vermittelt der Wahl übertragen. In weltlichen
Dingen gebührt die von Gott eingefeßte höchfte Gewalt dem
Kaifer allein”.
Diefe Theorie wird ber paͤpftlichen entgegengeſtellt, ſo⸗
wohl nach Rechtsgrundſaͤtzen als nach geſchichtlichen Thatſa⸗
hen. Indeſſen hatte ber Papſt die Macht der Gewohn⸗
heit für. fi"), und diefe erhielt fich um fo mehr, als bie
Firſten das was fie ald recht erfannt und fogar befchwaren
hatten, noch mehrmals verlieflen, bis es endlich in wirkliche
Rechtskraft überging. Ludwig IV. iſt zum Widerruf geneigt,
fo oft ed die Umflänbe zu erfobern fcheinen, und beharrt zus
let nur noch um nicht auch feine Landerwerbungen opfern
zu müffen. Die Kurfürften aber werfen fich wieber mit einer
Gegenwahl dem Papfte in die Arme, und biefer fäumt nicht
die alten Anfprüche zu erneuern. Karl IV. erkennt fie an, bis
er im Beſitz der Macht iſt. Endlich giebt er zu Abſchneidung
Fünftiger Zwiſtigkeiten ein Wahlgeſetz, muß aber zugleich alle
biöherigen Anmaßungen der Kurfürften beflätigen. Alſo haben
biefe nicht das Reich fonbern ‚fich gerettet. Im Übrigen bleis
ben Papft und Kaifer im Widerſpruch; endlich beruhen bie
gegenfeitigen Anſprüche auf fich.
Bie viel Üibels hat die Nachahmung der päpftlichen Pos
litik in Teutſchland gefliftet! Geſetze und. Gidſchwire werden
nicht mehr geachtet. Ein Gegenkoͤnig erlegt den andern in
offener Schlacht und wird fgiter von feinem Neffen ermordet;
zwei ober drei der Nachfolg®& werben durch Gift weggerdumt.
kaͤnderſucht ift die Haupttriebfeder. Die ſchwachen Wahlkoͤ⸗
nige müffen auf Vermehrung der Hausmacht denken, weil bie
Surfen das Reichsgut an fich ziehen. Bei Exbfolgeflreitigs
keiten wird der Knoten gewöhnlich baburch zerhauen, baß ber
Kaiſer die Lande für erledigte Reichslehen erklaͤrt, um *
Belieben daruͤber verfügen zu konnen.
1) Plant Geſchichte des Papſtihume. M, 270. . .
23 Bub II Erfter Zeitraum. Abſchnitt 2.
Den teutfihen Städten gebührt der Ruhm, daß ihr
treued Zuſammenhalten feit dem großen Zwiſchenreich eine
Hauptſtittze ber Sffentlihen Sicherheit und Ordnung gewor
den ift, während die italienifchen in unenbliden Parteikaͤm⸗
pfen fich aufgerieben haben. Entfcheidend für die ganze fünf:
tige Verfaflung ift, daß in dieſem Zeitraume bereits die grö-
ßeren Fuͤrſtenthuͤmer ald gefhloffene Landesgebiete ew
Hart find , woburd eine neue Scheidewand ber Bölfer ent:
ſteht, wie in den alten Herzogihümern, nur daß bie Abgren>
zung nit mehr nach den urfprünglihen Stammes⸗ und
Volls⸗Verhaͤltniſſen oder nach. den erſten Gaugrenzen, fondern
nah Erbguͤtern und Reichslehen gefchieht. Diefe hin und wie
ber zufammengebrachten neuem Staaten nennen fich nach ben
FZuͤrſtenhaͤuſern ober Hierarchien. Vereinzelung wird von nun
an herrſchend. Auſſer jenen groͤßern Fürftentbimern, in wel⸗
chen die kaiſerliche Gerichtsbarkeit ausgeſchloſſen wird, bleibt
aber noch viel unmittelbares Reichsland übrig, wodurch
ein beittes, in ber alten. Berfoffung der Herzogthuͤmer noch
nicht gewefened Verhältniß hervortritt, eine Zwifchenmacht, in
deren Bewegung bauptfächlich die Politit des folgenden Zeit:
raums Befteht, nach den Grundzuͤgen welche ſich ſchon unter
K. Rudolf I. gezeigt.
Das Reich hat num Breierlei Gebiete:
4) die Föniglihe Hausmacht oder Erblanbe;
2) geiftliche und weltlihe Fuͤrſtenlaͤnder mit aner⸗
Tannter Landeshoheit;
3) das übrige unmittelbare Reichsland.
Das Letztere zerfällt aber auch wieder in mehrere Unter
abtheilungen:
a) Beinere Fuͤrſten, welche auch nach Landeshoheit
fireben;
b) der übrige Adel ober Herrenſtand;
o) die freien Staͤdte. Von jenen iſt der Koͤnig noch
beſonderer Oberherr, vom dieſen Grundherr. Dieſe kleineren
Stände hahen bereits angefangen gegen bie Ausdehnung ber
- fürftlichen Landeshoheit in Bimbniffe zu. treten. ar
Nun zeigen fich verfchiebene Wege, aus fo verfchiebenar:
tigen Xheilen dad Reich neu zufammenzufegen ober die
: überſicht. 239
Vereinzelten in eine wirkſamere Einheit zu bringen. Entwe⸗
der werden bie Lande und Fuͤrſtenthuͤmer unter verſchledenen
Ziteln an das Königshaus gebracht (zu einer Erbmonarchie
wie Frankreich), oder die Bünbniffe der kleineren Staͤnde wer⸗
den auf das ganze Reich ausgedehnt (teutſches Kaiſerthum
in engern Sinne), oder man laͤſſt der Landeshoheit das UÜber⸗
gewicht. Die Verſuche werden auch wirklich in dieſer Ord⸗
nung gemacht und zum Theil wiederholt, aber keiner ganz
durchgeführt, und fo entſteht am Ende eine noch vielſeitigere
Sufanımenfegung.
Dritter Abſchnitt.
Derrepublicanifche Zeitraum oderdie Reichs:
und Kirchen = Freiheit duch Bünpniffe und
Koncilien unter dem luremburgifcen, Hauſe.
3. 1357 - 1437 (80 Jahre).
1. Schwinden deö Kaiferthums im alten. Sinne.
Karls IV. Bildung und Eigenfhaften. Das Kir
benreht. Erfter Antrag zur Verbefferung der
Geiftlihleit. Bereinigung bes Kaifers und des
Dapftes zu Wiederberftellung beider Gewalten in
Stalien. Das arelatifhe Reich zu Frankreich fi
binneigend. Entflehbung des neuburgundifden
Reis, Sreicompagnien in Frankreich und Ita⸗
lien. Krieg gegen die Vifconti zu Mailand; Pes
tarca. KarllV. führt den Papſt nah Rom; Friede
mit Bernabo Viſconti. Schagung der Staͤdte.
Rückkehr des Kaifers und des Papſtes aus Italien.
Rad ber Unabhängigkeitderftärung ber teutichen Krone follte
ein — Kaiſer wohl zunaͤchſt — gedacht var
240 Bud II. Erfter Zeitraum. Abſchniet 3.
ben, bie berabgewürbigte Gewalt wieder zu erheben ober bas
Anfehn bed Reichdoberhauptes ſowohl in Italien als in Teutſch⸗
land durch ſtrenge Handhabung der Geſetze herzuſtellen. Allein
die Zeitverhaͤltniſſe hatten bereits eine Richtung genommen,
welche faft unuͤberſteigliche Hinderniſſe in den Weg legte. Uns
ternehmenden Geift hat Karl IV. allerdings bewiefen, aber zu
- einem ganz andern Biel.
Karl IV. gilt nach Friedrich IL. für den erſten gelehrten
1323 Kaifer. Als ficbenjährigen Knaben fandte ihn fein Water zu
dem Könige Karl IV. von Brankreich, feinem Schwager. Die
fer gewann ihn fehr lieb und gab ihm, ald er vom Papfle
confirmirt wurde, feinen Namen *), ſtatt bes flavifchen Zauf:
namens Wenzlaw; auch befahl er dem Hofcaplan ihn ein we
nig in den Wiflenfchaften zu unterrichten, ob er gleich ſelbſt
deren unkundig war. So lernte Karl zuerſt die Horen Iefen.
Dann verlobte ihm der König bie Tochter feines Oheims Karl,
132% des Stifter8 der valefifchen Linie. Nah dem Tode feines
Wohlthaͤters blieb Karl noch zwei Jahre am Hofe König Phi:
lipps VL, feines Schwagers, mit dem er erzogen worden.
war. Hier ſah ex den Abt Peter, nachherigen Papft Cle
mens VI., bei der Meffe am Afcyermittwoch und warb von
der Würde des Mannes fo ergriffen, daß er fih an ihn am
fhloß und von ihm Unterricht in der heiligen Schrift erhielt.
In reifern Jahren erneuerte Karl die Freundſchaft, da er Mark⸗
grav in Mähren war, Peter ſagte zu ihm in Avignon: „Du
wirſt noch roͤmiſcher König werben!" er dagegen: „Du vorher
Papſt!“ Von der Art feiner Studien, beſonders von myſti⸗
ſcher Schrifterklaͤrung und Moral, giebt einen Begriff die Be:
fhreibung feines „eiteln und thörichten Lebens,“ welche Karl
. für feine Söhne, Wenzlaw und Sigmund , da fie ſchon Koͤ⸗
nige waren, jener in Boͤhmen, dieſer in Ungern, aufgeſetzt
bat. Sie enthält feine Jugendſchickſale und bie frühzeitige
Theilnahme an den Sffentlichen Angelegenheiten bid zur römis
fhen Königswahl?). Karl verfland fünf Sprachen. Cr hat
4) Der luxemburgiſche Karl nimmt auch die Zahl IV. am wie ber
N capetingifche; Beide zählen alfo nach ben Karolingern.
3 2) 3a Freher. scrr. rer. Bohem. p. 86 sqq. Die Aufſchriſt if:
„Carolus IV, Romauorum et Bohemine Bex etc, Becundis seden sedentibus
T
Schwinden d. Kaiſerthums unt. Kari IV. . 241
befiere lateinifche Briefe gefchrieben ald fein Kanzler Johann
von Neumark *). Aber er wurde ſchon im vierzehnten Fahre
von der wifienfchaftlihen Laufbahn abgerufen. K. Philipp
ſandte ihn mit feiner Braut oder Gemahlin: nach. Luremburg,
und fein Vater, 8. Jehann, ließ ihn bald darauf zu fich
nach Italien kommen, um ihn frühzeitig in bie Kriegsſchule
einzuführen. Durch die Hofleute gerieth er eine- Zeit! lang in
Ausfchweifungen, von- benen. er jedoch, wie er ſelbſt erzäplt,
durch einen warnenden Traum, bem er nachher dem Papſt
Benebict KIT. beichtete, feinem Vater aber verhehlte, zuruͤck⸗
gebracht wurde. Unter den Entwürfen feines Baters, deſſen
unruhiger Geift ihn immer fiefer in die Stretigkeiten: zwifchen
8. Ludwig IV. und dem paͤpſtlichen und franzöfiihen Hofe
verwickelte, Tonnte er kein anderes Ziel der Staatsklugheit
kennen lernen als Laͤndererwerb, und keinen eblern Grunbfaß,
als won der Thorheit Anderer Nutzen zu ziehen?). Zugleich
aber wandte er fich, wahrſcheinlich durch bie Verſchwendung
ſeines Vaters gewarnt, zur Sparſamkeit, welche ein Haupt⸗
zug in ſeinem Leben blieb. Mit der Rechtswiſſenſchaft wurde
er in Italien näher bekannt; er hatte auch Freude an ber
Geſchichte; aber ber Geiſt des claffifchen Alterthums, fowie
der teutfchen Helbenlieber, worin die Hohenſtaufen ſich gefie
in, fcheint ihm fremd geblieben zu fein. Er ſchaͤtzte den Pe⸗
tarca nicht ſowohl als Dichter, woruͤber ihm diefer ſelbſt Feine
Stimme zuerkannte), ſondern wegen feiner Kenntniß der aͤl⸗
ten und nenern Geſchichte, beſonders aber wegen ſeiner Er⸗
fahrung in den italieniſchen Angelegenheiten. Seine trockene
Antwort in u der: Herſtellung des vömifhen Kaiſerthums
in thronis meis. binis, Bas mundi vitas agnoscere et meliorem
““
1) Übrigens zweifelt * ei (I. Vorbericht), ob bie eben gebachte
Lehensbefchreibung urſpruͤnglich Iateinifch ober I, a fei, und
möchte eher für das Letztere entfcheiden.
2) „Optimüm est, aliena Ansania frui.* J
3) Er ſchrieb einem feiner Freunde, als Karl IV. den Dichter Za⸗
nobi zu Rom gekroͤnt hatte: Virum-doetum Ausoniis armatum’ Musis
barbarica nuper laurus ornävit, deque nostris ingeniis (mirum
dictu) judex censorque germanicus ferre sententiam Kon expavit.
Pfiſter Geſchichte d. Zeutjchen ILL 16
242 Buch II Erſter Zeitraum. Abſchnitt 3.
haben wir oben ſchon vernogumen. Den „heiligen“ Karl (den
Großen) kannte er nur ald Vorfechter der: vechtgjäubigen
Kirche *). Das naͤchſte Beiſpiel ſeines Großvaters, Heinxichs VIL,
ſcheint wenig Eindruck auf ihn gemacht zu haben. Wir fin:
den guch in feinen perfönlichen Kigmfchaften große Verſchie⸗
denheit vom jenen ’)
Karl IV. wor im Verhaͤltniß zu den Zeutfchen von klei⸗
ner Seftalt, der Rüden etwpd gebogen, Kopf unb Hals vor
haͤngend. - Breites Gefiht, vorfichende Backenknochen, dicke
Augenlider, ſchwarze Haare zeigen mehr Verwandtſchaft mit
dem ſlaviſchen Stamme durch ſeine Mutter als mit dem
teutſchen. Er war nicht gewohnt Perfonen welche vor ihn
teaten gerabe in’d Auge zu faſſen; während ihres Vortrages
fchjen er zerfirent und blidte auf. den Umſtehenden herum;
feine Haͤnde beſchaͤftigten ſich wit hölzernem Schnigwerß, eine
befpnbere Liebhaberei; doch entging ihm Feine Sylhe. Seine
Antworten waren Furz und treffend, Wo gr ed usthig fand,
fehlten ihre Schmeichelreden nicht. Seine Entſchlieſſungen
kamen immes qus ihm ſelbſt. Dft hielt er fie ſeiner Mätben
geheim. „Ban Natur Falt und zwehlbaftend, kopute er nicht
leicht fir Etmad begeiftert werden. Seine äyfigtliche Froͤm⸗
migkeit zog dad Volk an; er hielt jährlich moͤnchiſche Andachts⸗
übungen ’); ſpaͤter wurde man gegen ihn wistsauifeh. Chr
erbietung gegen die Geiftlichfgjt war ihm von Jugend au ein:
prägt. Im Übrigen neigte ex ſich zu den frangaͤßſchen Sit:
ten. Die. päpflliche Politik durchſchaute er, aber «3 feblet ihm
an Muth Etwas durchzuſetzen.
1359 as ihm der Papfſt feine Yngufeigbenpeit. aber die Be⸗
fchlüffe der goldenen Bulle zu erkennen gab, foderte er dage⸗
gen Aufhebung der clementinifchen Gonftitutionen und der weis
tern dem Reiche nachtheiligen Befchlüffe ISohannd XXI. In
1) Schannat. Vindem. lit. goll, II. p. 147.
2) Nach der Befchreibung von Matth. Villani L.TV. c.74. vgl.
Cronica Sanese in Murat. T. XV. p. m Das übrige nad} Pel⸗
zel a. a. O.
8) Er verſchloß ſich z. B. mehrere ie auf Rariftein ‚ wohin auch
ber weibliche Hof nie kommen durfte, und ließ ſich feine Beduͤrfniſſe band
eine Heine Öffnung reichen.
Schmwinden d. Kaiferthums unt. Karl IV. 243
nocenz VE. erwieberte, biefe Satzungen fein einmal bem ka⸗
nonifchen Rechte einverleibt und ed werde auf ben äffentlichen
Schulen berüber geleſen; mithin koͤnne man fie nicht wieber
berauönehmen oder qufheben!). Da nah andare Differenzen
in Teutſchland aufflanben, fo hätte Karl ben Papft weit treis
ben koͤnnen, aber man hielt für heſſer, dieſe Begenfäge auf
fh beruben zu laſſen; ber Pauft ſragte ˖nicht mehr nach ber
gelonen Bulle. Die neuen Zwiſtigkeiten faxen yon ben geifl-
lichen Zehenten. Bald nach dem Reihätage zu Met ließ der
Papft dunch Den Biſchof Phiäpp von Gataillon biefe Abgabe
son allen geifflichen Einkünften in Fautfchlanb fodern. Die
Geiſtlichkeit widerſetzte ſich. Karl berief einen Reichstag nach
Maing mit Zuziehung des Nuntius. Da trat der gelehrte
Konrad von Alzan, pfaͤlziſcher Kanzler, im Namen der geiſt⸗
lichen Fürften auf und wies die Foderung mit ſtarken Aus⸗
drcken abt „der Papft habe von jeher Teutſchland als eine
Galdarube betrachtet und unter unzähligen Vormaͤnden ‚große
Summen :gesogen. Jabann XXIL habe den Erzbiſchöfen
noch dad Recht genommen, die Wahl ihrer Weihbifhöfe zu
beflätigen, ‚und. jetzt perlauge ey neue unerhoͤrte Abgaben. Sol; .
chem Übel smöffe gleich in Der Wurzel begegnet werben." End⸗
erg nahm Karl ſelbſt das Wort und fagte dem Nuntius mit
Bitterleit: „es befremde ib, wie ber Papft von der Geiſt⸗
lichkeit ſo wiel Selb fobere unb nicht darauf denke ihre
Sitten zu verbeffern, hefonders die ayffallende Schwel⸗
geni und Kleiderpracht?).“ Der Nuntius ging zuruck. Da⸗
gegen ſandte ber Papſt Andeze, welche flatt ber. Zehenten bie
Hälfte der erledigten Pfruͤnden einzogen ’). Das war. freilich
gegen dag wormſer oncordat; aber man hatte ja feithem bie
Kaiſer auf das Spolien = und Regalien : Recht Verzicht thun
fen. |
U Raynald. ad a. 1869, S. 11.
2) Der Kaifer erblicte in der Berfammlung einen mainzer Dom:
keren, Kuno von: Falkenſtein, mit’ einem prächtigen Kleide. Er bat ſich
dieſes aus, legte es an und fprach zu ben Fürfien: „Sehe ich nicht ei⸗
nm Ritter ähnlicher als einem Domherrn ?i Pokzel IL, 596.
$) Vita Innocent. VI, ia Balyz. wit, — Ayen. T. — 850.
Trithem. Chron. ad a. 1359.
16*
s
244 Buch II. Erfter Zeitraum. Abfchnitt 3.
Dem Katfer war es Ernſt mit der Reformation ber
1359 Geiftlichkeit. Ex befahl den Erzbiſchoͤfen fie alsbald vor-
18. März. zunehmen; wenn fie nicht gefchehe, werde er dem Papſte An-
zeige machen und den Laienfürften auftragen den ausgearte⸗
ten und wiberfpenftigen Geiftlichen ihre Pfruͤnden fo lange
‚ Inne zu behalten, bis vom Papſt eine Antwort erfolgt fein
würde). Daß liefen fih die Fuͤrſten nicht zweimal fagen..
Jener Entfchluß des Kaiferd würde um fo mehr Audzeichnung
verdienen, ald er damit den Zon zu der bald lauter werden
ben Stimme bed Zeitalters gegebeu?), wenn er fih nur nicht
gleich wieder hätte fchredien Faffen. Der Papft fchrieb ihm:
„in die Verbefferung der Geiſtlichkeit habe er ſich nicht zu mis
ſchen und er fülle die eingezogenen Güter alsbald wieber er
flatten laſſen; in Abficht ‚jenes Gefchäfts würden die Erzbi⸗
fchöfe fehon die nähere Weifung erhalten ?).” Bugleich wurbe
dem Kaifer binterbracht, der Erzbifchöf Gerlach von Mainz
habe geheimen Auftrag, ben König Ludwig von Ungern ge-
gen ihn zum römifchen König wählen zu laflen. Run föderte
er zwar ben Erzbifchof zur Verantwortung, fand aber doch
18. Oct, bald für gut eine kaiſerliche Satzung von der geiſtlichen
Freiheit ausgehn zu laſſen, worin er die Sicherheit der
geiſtlichen Perſonen und Guͤter wider alle Unternehmungen
der Weltlichen feſtſtellte. Dieſe Satzung ward auch mit einer
goldnen Bulle befiegelt“). Dagegen ließ ſich Innocenz VI.
nun doch bewegen in einer oͤffentlichen Urkunde zu erklaͤren,
daß das was in ben elementiniſchen Conſtitutionen im
ber damaligen Verwirrung gegen K. Heinrich VII. audgefpro:
hen worden, feiner Ehre, als eines vechtgläubigen Sohnes
der Kirche, unnachtheilig ſeis). Da man nicht verfäumte
1) Guden. Cod. Mog. dipl. T. II. ar. 296.
2, Es ift Niemand genannt, ber ihn dazu veranlafft hätte. Später
kommt ber prager Prediger Iohann Milicz vor, der bie, ärgerlichen
Bitten ber GBeiftlichkeit fo ſtark angriff, daß er beshalb nach Rom ber
zufen, von Karl aber gefhüst wurde. Pelzel a. a. DO. & 855. 953.
8) Raynald, ad a. 1869. $. 11.
9 Raynaläd, 1. c. 6. 18. Guden. 1, c. nr. 290 sqq.
5) 11. Sehr. 1861. Pelgel url, 298.
Schmwinben d. Kaifertbums unt. Sarı IV. 245
Karl IV. offen daran zu erinnern, wen er feine Erhebung zu
banken habe, fo war er immer wieder geneigt dem päpftlichen
Stuhle fich gefällig zu erzeigen. Iene Minoriten, welche
Ludwig den Baier unterfiügt hatten, muſſten in ganz Teutſch⸗
land verfolgt werden. Karl fchliäte bie Kegermeifler und be
fahl den Fürften diefe „willigen Armen” als Feinde der Kirche
und bes römifchen Reiches zu verjagen. Ihre Häufer ſchenkte J
er der Inquiſition und befahl dieſelben zu Ketzergefaͤngniſſen
einzurichten).
In dieſem Zeitpunct ließ Karl IV. die italieniſchen An⸗
gelegenheiten ganz ruhen. Zwar ſandten ihm die Viſconti 1356
bald nach dem Roͤmerzug den Petrarca nach, weil ſich Be⸗
——— verbreitet hatten, der Kaiſer werde mit Unterftügung
von fterreich und Ungem wieber fiber bie Alpen kommen ?), .
Alein er hatte fo wenig Luft nach Stalien, daß er vielmehr
den Petrarca, ben er zum kaiſerlichen Pfalzgraven ernannte),
bei fich zu behalten wuͤnſchte. Er wieberholte diefen Antrag, 1361
als er mit feinem erfien Sohn erfreut wurde, und wollte den
geiſtvollen Dann zu deſſen Erzieher ober Überhaupt als Leh⸗
ver bei der Univerfität Prag aufftellen. Petrarca drehte die
Sache um und flellte ihm vor, weil ex jet einen Erben für
feine teutfchen Länder hätte, fo follte er fih ganz bem Kai:
ſerthum widmen. Karl beharrte jedoch mit allem Ernſt auf 1362
feiner Einlabung; da er wuflte, daß der König von Frankreich
und der Papft um den Mann buhlten, fo ſchrieb er nicht nur
an die Viſcontis, in deren Dienften er feit jener Geſandtſchaft
war, daß fie ihm die Reife nach Teutſchland arlauben moͤch⸗ |
ten, fondern erneuerte auch feine Bitten bei Petrarta ſelbſt
mit einiger Begeiſterung: „ſein bekannter Eifer fuͤr die Ehre
des heiligen Reichs, die hoͤchſte Wuͤrde der Welt, ſollte ioh
doch beſtimmen zu ihm zu kommen, da er ein ganz beſonde⸗
res Verlangen nach feinem lehrreichen und angenehmen Um⸗
gang habe *). Nun entichloß ſich endlich Petrarca, gegen den
1) Mos he im Kirchengeſch. II. 397.
2) Pelzel II. S. 550 fi.
3) Mönmeires pour la vie de Franc, Petrarque III, 441.
4) Pelzel IL url, 322,
a
246 Bud DE Erftei Zeitraum. Abſchnitt 3.
Willen feines Freundes Boccacid!) (mit welchen der Kai⸗
fer auch Im Briefwechſel fland), noch einmal in das „Innere
der Barbarei zu gehen, da er ſich fchon bei feiner Geſandt⸗
ſchaftsreiſe Aberzeugt Hatte, daß ed Männer von fo feinen Sit
ten ba gebe, als ob fie in Athen geboren wären?). Allein
wegen ber Krlegsunruhen in ber Lombardei Fam er nicht wei-
ter als dis Padua.
Mit dem folgenden Papfte; Urban V., verftand fi Rarl
beſſer als mit Innocenz VI. und ließ ſich denn endlich auch
geneigt finden wieber ih Italien dufgütreten. ach der lan:
gen Herabwilrbigung des Papſtthums zu Avignon faffte Ur-
ban V. der maͤnnlichen Entſchluß; ven Sitz nah Rom zu:
ruͤck zu verlegen. Er wollte auch wieber einen Kreuzzug ver⸗
anftalten und erließ beöhalb ein Breve in das teutfche Reich.
Da jedoch Niemand mehr davon hören wollte, To fobette er
den Kaifer zunaͤchſt um Beiftend in Stalien auf: dem bie
Bifcontis zu Mailand waren indeſſen zu einer Macht
gekommen, welche bie Freiheit der ganzen Lombardei und ſelbſt
den Kirchenftaat bedrohte, wobei ſie ſich unerhoͤrten Bedruͤckun⸗
gen und Graufamkeiten überlieſſen. Mehrmals eingeladen bes
1365 gab fih der Kaifer zu dem Pupſte nach Abignon uhb ging
Mai. ein geheimes Buͤndniß mit ihm ein, vermoͤge befien er verfprach,
Zu
*
fich im kurzer Zelt mit dem Papfte nach Italien: zu erheben, ihn
in Rom einjufehen und wider :die Viſconti zu ſchützen?) Es
derfloffen ader noch drei Jahre, bid ed dazu kam. Vorerſt
meinte Karl auf jener Reiſe dad arelatifche Reich wieder
berzuftelen und ließ fi zu dieſem Ende zu Arles Erönen,
eine Felerlichkeit welche ſeit den ſaliſchen Kalſern nicht mehr
vorgekommen war. Allein mit ber Krönung wer es noch nicht
gethan. Schon zur hohenſtaufiſchen Zeit hatte die innere Auf⸗
töfutig des Reichs und bie allmaͤlige Losreiſſung einzelner
Staͤnde vom Kaiferreiche angefangen. K. Friedrich IE muffte
1) Memoires etc. III, 600 sq.
2) Kpist. fan. L. 12. ep. 2. Der Erzbiſchof Arneſt von Prag
batte ihm felbft gefagt, es thue ihm Leib ihn unter Barbaren zu Tchen.
$) Vita Urbani V. in Baluz. T.J. p. 366. 401 sqq. Raynald,
ad a. 1368. 1364. 1865. = 5 |
Schwinden d. Kaifertfums unt. Karl IV. 27
fi) mit der bloßen Hulbigung begnügen. 8. Rubolf I. konnte
fie mur mit den Waffen in ber Hand erlangen. Seitdem
blieben die Lande faſt ganz fich ſelbſt Aberlaffen, oder vielmehr
Frankreich fegte die Erwerbungen fort. Nachdem der Erzbis
fhof von-®yon unter franzöfifcheri Schuß getreten war, wurde
diefer auch über die Stadt Lyon auögebehnt; dann Sam bie
Reihe an bie angrenzende Gravſchaft Bienne oder das Del:
phinat, bei welchen eine Anzahl fo fchönet Herrſchaften vers
einige war, baß Bubwig der Baier dem lebten Befitzer,
Humbert, den Koͤnigstitel ahteug, wenn er feine Ausſoͤh⸗
mung, mit dem Papfte betreiben wollte"). Als Delphin Hum⸗
bert feinen einzigen Sohn verlür und duch Verſchwendung
1307
un
und Krieg mit Savoyen im Schulden geraten war, ließ er
” theils durch Verſprechungen theild durch Drohungen bes
gen feine Beftgungen gegen einen Sahrgehalt an den Sohn
* yiliyps VI. abzuteeten, wobei er die Bedingung makhte,
daß fein Beiname (Delphin, Dauphin) dem franzöfifchen Kron⸗
1343
31. Zul.
erben bleiben folle?). Ungeachtet Srav Iohann von Chalons,
ein Verwandter Humbertd, nach arelatifchem Erbrechte die
Lande anfprach, fo beflätigte doch Karl IV. jenen Vertrag,
theils aus Vorliebe fir das ihm verwandte franzöfifche Hans,
theils wohl auch durch die Vorftellung gefchmeichelt, ven Thron⸗
erben von Frankreich unter feine Vafallen zu zaͤhlen. Er be
Iehnte damit K. Philipps VE. Alteflen Enkel Karl, ber oben
ſchon bei dem Reichsſstage zu Metz genannt worden; uͤbtigens
war in dem Vertrage bedungen, daß das Land nie mit der
Krone Frankreich vereinigt werden ſollte). Zu eben diefer-
Zeit wollte die Königin Iohanma von Neapel die Gravſchaft
Provence an Frankreich verkaufen, um zu dem ungerifchen
Kriege Geld zu erhalten; allein die Stände widerfegten fi,
weil fie lieber unter dem Kaifer ald unter Frankreich fein woll⸗
tm. Dagegen erwarb der Papft zu der fchon früher erlang⸗
1) Gebhardt geneal. Gefch. d. erbl. Reichaft. I. 225. . vgl. 188.
2) Die Entftehung biefes Beinamens ſ. Bd. II. ©. 375.
8) Leibnit. Cod. jur. gent. dipl. I. Nro,84. Häberlin Reiche:
gefh. III. S. 439 ff. Der Delphin Humbert trat eine Beit lang in ben
Prebigerorben, wurde nachher Garbinal, enblich Patriarch... Albert.
Argent. p. 153.
1349 '
248 Bug II. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 3.
1348 ten Gravfchaft Venaiffin das Eigenthbum der Stadt Avis
gnon, und Karl IV. konnte nicht umbin den Kauf zu bes
flätigen). Dies Alles geſchah zu ber Zeit, da Karl felbfi
— noch nicht im ſichern Beſitze des Reiches war und alſo den
Beiſtand vom Papſt und von Frankreich zweifach noͤthig hatte.
Bei der Vererbung der burgundiſchen Lande traten noch
beſonders guͤnſtige Verhaͤltniſſe fuͤr Frankre ich ein. Jo⸗
+ 1303 hanna, die Erbin des letzten Pfalzgraven Otto von Hoch⸗
burgund, der zu K. Rudolfs Zeit unter Frankreich treten
wollte, wurde von K. Philipp V. zur Gemahlin erſehen. Ihre
+1329 Tochter gleiches Namens heirathete den Herzog Eudo von
Burgund, wodurch die fanmtlichen burgundifchen Lande
teutfchen und franzoͤſiſchen Antheil® vereinigt wurden. Dex
+1346 Sohn Philipp, welcher noch vor dem Vater flarb, hinterließ
einen Sohn--gleiches Namens, dem die Erbin von Flandern,
1361 Margaretha, vermählt wurde. Mit ihm erlofchen bie burguns
bifehen Derzoge vom capetingifchen Stamme, und bie ſaͤmmt⸗
lichen Lande fielen nun an 8. Johann von Frankreich von
ber valefifchen Linie, ber die Wittwe bes aͤltern Philipps,
Johanna, Erbin von Boulogne und Auvergne, geheirathet
hatte. 8. Johann gab die burgundifchen Lande feinem jüng-
ften Sohn, Philipp dem Kühnen, der mit der Wittwe bes
letzten Philipp die Gravfchaften Burgund, Artois, Flandern,
Rethel, Antwerpen und Mecheln erhielt. So entftand zwifchen
Frankreich und Zeutfchland das neuburgundifhe Reid,
das für unfere Gefhichte bald von großer Wichtigkeit wird.
Karl IV. hatte dabei Nichts zu thun; er muffte fih noch das
Anfehn geben, ald ob er Alles gern gefchehen laffe. Nach dem
Tode des lebten Philipp, den er für volljähig erklärt hatte,
41358 belehnte er Philipp den Kühnen mit bem bisher von Teutſch⸗
1361 Tand zu Lehen gegangenen Erbe feiner Gemahlin. Er durfte
alfo, auffer dem Dauphin, noch einen Sohn des Königd von
Frankreich feinen Vafallen nennen; aber es war auch nicht
viel weiter ald der Name, denn Philipp der Kühne empfing
nach der teutfchen auch die Belehnung von feinem Dater *).
. 1) Gebhardi a. a. D. 288.
2) Mascov. de nexu regn. Burg. g. Imp. Rom. Germ. p. 72.
Bol. Hübners geneal. Tabellen 51, 52, 62, 64.
Schwinden d. Kalfertbums unt. Karl IV. 249
Nun waren von dem’ alten burgunbifch s arelatifchen Reiche bie
drei größten Lehen, Burgund, Dauphine, Provence, in bem
Beſitze franzöfifcher Prinzen. Auf dem Nömerzuge erneuerte 1355
zwar Neapel die Lehensabhängigfeit der Gravſchaften Provence,
Zorcalquier und Piemont; doch waren die Lande bereits ald
getrennt vom Kaiferreiche zu betrachten, bis auch der Schatten
der Lehensherrlichkeit verichwand. Die über das Delphinat 1481
verlor fich fehon nah Karl IV. Es blieb alfo nur noch bie
Gravſchaft Savoyen eigentlich unter dem Reiche und dem Na-
men nad die Freigravfchaft Burgund; von den Schirmvog⸗
teien ber letztern ward allen noch Beſangon befonders an ben
Graven Heinrich: von Mömpelgarh verliehen; bie übrigen übte 1362
Frankreich).
Nach alles dieſen Verhaͤltniſſen konnte Karls IV. Kroͤ⸗
nung zu Arles nicht mehr viel bedeuten. Im Grunde war
die Handlung bloß Erneuerung des Rechtes, ein Reichs⸗
vicariat uͤber Arles und Vienne zu beſtellen.
Ehe Karl IV. mit dem Papſte fih nad Italien wenden
konnte, fand er eben auf den franzöfifchen Grenzen noch ein
bedeutendes Hinderniß. Im den franzöfifch=englifchen Krie⸗
‚gen hatten die Sreicompagnien (von Sölönern), wie in
Stalien, fo überhband genommen, daß fie nach dem Frieden von
Bretigny der Schreden und bie Geiffel der Lande wurden. Sie
bieffen die fpät Angelommenen, beim gemeinen Volke Ma-
landrinen, am Niederchein Linfarben, gewoͤhnlich Englän:
der. Die. unter dem Erzpriefter Gervola nannten fich die
große Geſellſchaft. Als fie fich Teutſchland näberten, traten 1362
die elfaffifchen Herren und Städte zu Colmar in ein Buͤnd⸗ Mai.
niß, um ihre Räubereien und Gewaltthaten abzutreiben. Waͤh⸗
end Karl IV. zu Avignon war, kamen fie wieder etwa 40,000
ſtark; Karl hatte ſich mit Cervola in Unterhandlungen einge:
laſſen und fchien die Geſellſchaft in Sold nehmen zu wollen,
weil er einerfeitd mit Öfterreich in Spannung war, anderer
ſeits vom Papfte zu neuen Unternehmungen aufgefobert wurbe;
fie konnten vieleicht gar zum Kreuzzuge verwendet werden.
Allein Cervola Fam ſogleich mit feiner ganzen Macht und nahm —
1
1) Gebhardi a. a. D. ©. 283,
1366
27. Dt.
"1368
2. Gebr.
1367
Zul.
Aug.
30 Bud III. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 3,
eine folche feindliche Stellung vor Straßburg, daß, der Kaiſer
bei feiner Ruͤckkehr von Avignon ſich in die fefle Stadt Sel;
werfen muſſte, bis auf den Nothruf der Lande ein Reiche:
aufgebot jufammengebracht wurde. Mit diefen brach dann
der Kaiſer auf, befreite Straßburg und trieb die Freibeuter
durch die burgundifchen Lande zutlick. Cervola beklagte ſich,
daß er von dem Kaifer getäufcht worden. Später kamen die
Horben wieder zum Vorfchein ').
Karl hatte dann auch fonft im-Meiche noch Verſchiedenes
zu ordnen, bis er ben zweiten Römerzug ‚antrat. Die Reiche
verwefung übertrug er feinem Bruder, dem Herzoge Wenzlaw
von Luxemburg. Dann ließ er zu Frankfurt einen allgeme:
nen Landfrieden am Rhein und an der Mofel verkünden.
- Papft Urban V., der nicht folange warten wollte, war
bereitö gegen den Willen der franzöfiichen Barbindle von
Avignon abgegangen, nachdem er mit dem Markgraven Nico:
laus von Eſte und andern lombardiſchen Herren ein Buͤndniß
angeblich gegen bie italienifhen Sreieompagnien?), in
ber That aber gegen die Viſconti errichtet hatte. Cr nahm
den Weg theild zur See, und da’ er den Kaifer micht zu Bi
terbo traf, wie es verabredet war, fo hielt er einſtweilen, un
- ter dem Gelette jener Bundeögenoffen, feinen Einzug zu Rom
zur großen Freude des Volles ’).
Nochmals durd eine Sefandtfchäft aufgefobert brach dann
auch der Kaifer mit einem Kriegsheer in Xeutfchland auf;
ehe er aber die Grenzen von Italien betrat, Heß fich ber Papfl
eine neue Befldtigung aller von feinen Vorfahren, beſonders
von 8. Heinrich VII. ertheilten Rechte und Freiheiten ausſtel⸗
len; fo wenig aufrichtiges Vertrauen feste er in ihn. Karls
Heer beftand aus etwa 3000 Reitern und einem: verhältniß:
mäßigen Fußvolk von Zeutfehen und Böhmen. Der Papfl
und feine Bundesgenofien hatten ein noch zahlreicheres ‚Heer
von Staltenern, Provencalen, Franzoſen, Spaniern, Eng:
laͤndern. Auf der andern Seite hatten die Viſconti auffer den
„1 Häberlin Reichsgeſch. IH, 703. Gef. v. Schwaben IV, 70 ff.
2) Das Nähere über diefe bei Sim. Sismondi Hist,. des Rep.
ltal. etc. T. VIO. ch. 58.
8) Raynald. ad a, 1367. 8. 4- 6.
Schwinden d. Kaiſerthums unt. Karl IV. 251
Lombarden auch teutfche, ungerifche, englifche, burgundiſche
Söldner. Aus fo vielerlei Nationen traten jetzt Krieger im
freundliche und feindliche Berühtungs alle fielen dem Lunde
zur Laſt, und nad -ber engen Derheering ward am Ende
Nichts entfchieben. -
Die Brüder Vifconti, als fie feft alle italieniſchen —
ten mit dem Papſte, Kaiſer und Koͤnige von Ungern gegen
ſich vereinigt ſahen, ſaͤumten nicht gemeſſene Vorkehrungen
zu treffen. Sie ſchloſſen eine Doppelheirath mit Dem herzog⸗
lich baierſchen Hauſe und ein Buͤndniß mit Cane della Scala,
Herrn von Verona. Bernaboͤ — nahm eine un⸗
angreifbare Stellung bei Mantua. In der Befeſtigungskunſt
wären die Italiener überhaupt den Teutſchen noch immer uͤber⸗
legen. Die an fich treffliche teutfche Reiterei taugte am we⸗
nigften zu Belagerungen. Rachdem ſich der Kaifer an- eini-
gen feflen Plägen verfucht, warf er ſich nah Mantus, we
er einen Monat unthätig blieb. Bernaboͤ benutzte dieſe Zeit
zu Unterhandlungen: zuerft fandte er den Petrarcaan den
Garbinal Angelico, Bruder des Papfles, feinen befondern
Freund 2); da jedoch der Papft auf dem ausgefprochenen Bann⸗
fluch beharrte, ließ Bernabo durch die Herzoge von Baiern
bei- dem Kaiſer vermitteln. Man ſollte erwarten Petrarca
hier ebenfaͤlls eintreten zu ſehen; allein es findet ſich keine
Spur davon. Es ſcheint vielmehr, Petrarca habe den Kaifer
aufgegeben, und biefer habe ihn gleichfalld nicht wieber fehen
wollen, weil ex, flatt nach Zeutfchland zu kommen, in ben
Dienflen der Bifconti geblieben. Karl nahm Geld, fchloß ei—
nen- Stinftand mit Bernabö und zog dann weiter in's Toſca⸗
niſche, wo wegen ber vielen Innern Zerrüttungen feine Ans
kunft fehnlichft erwartet wurde. Ex legte aber vorerft den Pi⸗
fanern wegen ber bisherigen "Unruhen eine Schagung auf
und entlehnte dann noch von den Kaufleuten 12,000 fl. In
Siena nahm er dem Abel die Regierung auf Bitten bed
Dolls und ſetzte den Malateſta zum Statthalter, dagegen
muflte die Stadt feine zu Florenz verfegte Kaiſerkrone einld-
fen und m noch ‚2000 fl. vorſchieſſen. aus 308 er über
1) a ben oben age Memoires T. II, 118,
2352 Buch IL Erfter Zeitraum. Abſchnitt 3.
Viterbo, wo ihn ber Papfk erwartete, nah Rom. Hier em:
pfing er den nachgefolgten Papſt mit großem Gepränge, flieg
bei der Engelöburg ab und führte den Zelter des Papſtes am
Zügel bis zur Peteröliche. Diefer noch von feinem Kaifer
geleiftete Dienft ward von Einigen als verftellte Demuth, ‚von
Andern als lächerlich und verächtlich betrachtet '). Nachdem
Karl feine Gemahlin hatte Erönen lafien und ein Spital für
1368 böhmifche Pilger gefliftet, ging er wieder zurid nach Siena.
VJon. Der vertriebene Adel hatte indefien einen Auffland gemacht.
Karl ſelbſt in feinem Palaſte belagert muſſte ſich zu einem
Vergleich bequemen, worin er mit Bewilligung allgemeiner
Amneſtie die Freiheiten der Stadt beſtaͤtigte; dagegen erhielt
er für den erlittenen Schimpf 5000 fl., und weitere 15,000 fl.
folten in drei Zerminen folgen. Bernabo hatte die Fries
dendpräliminarien von Modena nicht gehalten und wurde alfo
wieber in die Acht erklärt. Ein neuer Congreß zu Bologna
brachte endlich allgemeinen Frieden unter den Parteien zu
Stande, ber faft Alles ließ wie. es vor Ankunft des Kaifers
geweſen; nur bie neue Schanze, welche Bernabo im Mans
tuanifchen aufgeworfen, mujlte gefchleift werden. Mit Flo⸗
renz und Pifa traf Karl einen Vergleich und empfing von
jeber ein Gefchen? von 50,000 fl. Die Stadt Lucca, von
ber Herrichaft der Pifaner befreit, bezahlte 25,000 fl. Mit
diefen Geldern ging der Kaifer wieder nach Zeutfchland, wo:
bin ihn die feindliche Stellung der Könige von Ungern und
Polen zu rufen fhien. Alſo endigte biefer zweite Römerzug
eben fo ‚nachtheilig für das kaiſerliche Anfehn als der erfle.
Urban V. war mit Karls mangelbaften Anorbnungen fo übel
zufrieden, daß er dad Jahr darauf Rom auch wieber verließ
und wohl gar bie Abfegung des Kaiferd verfucht haben würde,
wenn er länger gelebt hätte). _
Mehr und mehr ging die Bedeutung des Kaiſerthums
verloren. Nachdem Karl IV. in ven Verhandlungen mit den
1) Ep. Col. Salut. ad Boccac. in den oben ie Memoires
pour la vie de Fr. Petrarque T. IH
2) Baluz, vitae Pontif. Aven, T I. p. 873 aq. 206 9. CL
Cronica Sanese, Coat, Chron. Estens. in Murat, T. XV.
Schwinden d. Kaiſerthums unt. Karl IV. 2353
Kurfürften nur -feine Erblande bebacht, bewies er ſich auch
gegen den Papſt und Frankreich nachgiehig fo weit: er konnte,
um Beide zu Freunden zu behalten. Der alten Streeitigkeiten
Berührung vermied er. Wo ihm etwa zu viel zugemuthet
wurde, wuflte er geſchickt auszuweichen. Während er bad
arelatifche Reich dem Namen nach hetftellte, Fonnte er voraus⸗
ſehen, wie am Ende das Ganze an Frankreich kommen würde,
Dem Papfte zu: gefallen ſchien er ben zweiten Römerzug zu
unternehmen, vergaß aber nicht fich babet bezahlt zu machen.
Er ſah Italien nur für ein Nebenland an und die Kaiſerwuͤrde
als den gultigſton Atel, aus den reihen Handelsſtaͤdten Selb
zu beziehen. Wat aber das fein ganzer Plan? Kelneswegs.
Nicht jenſeit· des Alpen, bieſſeits tief im Innern, zwiſchen dem
Rieſen⸗ und Fichtel⸗Gebirge, wo einſt Marbot RB gewe⸗
ſen, Ban: das feiner — ——
— ſaremduesiſqe —
— Verſuch eines bohmiſch teutſchen Erbreichs.
Bon. jeßt. am. triit der Raifer das Erbland nicht
mebr, ab.- Verſchiedene Folgen. Zuſtand' von Boͤh⸗
men. „Seine Emporbringung. Univerfität Prag;
Sefehgebung, firhlihe Stiftungen; die Städte;
Belebung‘ ‚aller Zweige bes. Nationalwohlflandes,
Bereinigung teutſcher Laͤnder mit Böhmen. unter
verfchiedenen . Titeln. : Dur Schleſien iſt das
teutſche Reich erweitert worden, dagegen werden
auſſer einem Theil der Oberpfalz und dem eger⸗
ſchen Kreiſe die beiden Lauſitzen und die Mark
Brandenburg mit Böhmen vereinigt. Erbverbruͤ⸗
berungen mit Öfterreich und Thüringen. Vermaͤh⸗
lung des Söhne Karls IV. - Erweiterung bes boͤh⸗
miſchen Lehenhofes. ‘Karls weitere Entwürfe in
Betreff des hbanfeatifhen Handels,
Nach dem Antritt der Taiferlichen Regierung übergab Karl IV.
das Exrbland Böhmen als Reichslehen weder einem feiner
2354 Buch DL Erſter Zeitraum Abſchnitt 3.
Bruͤder noch fodter feinem Sohn Wenzlaw, ab er gleich den⸗
ſelben ſchon in. der Kindheit kroͤnen ließ. Jene Sitte iſt mit
ber Aufßoͤſung der alten Herzogthuͤmer erloſchen. Karl be
flinmte vielmehr Böhmen zum Site dev Reichöregierung, und
das blieb es auch unter feinem Nachfolger. - Die wechleffeiti=
gen Folgen mirb die weitere. Entwiddelung unferer Geſchichte
zeigen. Damals war Böhmen noch in -gsoßer. Zerrütiung
und fland auch fonft in manchen Stüden .noch hinter ben
‚ tentfchen Bändern, befonder hinter dom Stammlande Lupem=
burg an ber franzoͤſiſchen Grenze, Die bisherigen Begebenhei⸗
ten dieſes Landes zeigen uͤberdies beſondere Raͤckmirkungen des
Kaiſerthums. Zur Zeit der Großherzogthuͤmer war Boͤhmen,
wie bie andern flavifchen Länder, Leibutpflichtiges: Nehenland
und gewiſſexmaßen durch die Sachſen vertreten. Als Hein⸗
tip IV. gegen dieſe den Herzog von Böhmen an ſich zog,
verlieh er ihm den Koͤnigstitel; der Tribut erloſch. Friedrich J.
that daſſelbe für den Beiſtand gegen die Polen!). Friedrich IL
wiederholte die Begänftigung' für- Ottokar, det ihm mehr Er⸗
gebenheit bewies als manche teutfche Fürften. ‚So wurde un-
ter dem hohenſtaufifchen / Kaaͤfarhaufe die Konigsiolrde biefbend;
fie gründete die Selbſtaͤndigkeit des Staates, ſowie bad von
Gebirgen ur Wäldern ringsum eingeſchloffene Land ſchon von
Natur ein befonderes Ganzes bildet. Durch das Erzfihenten-
amt erhielt der König Stimmrecht bei der roͤmiſchen Königs-
wahl. Nach Komrads IV. Tode trat Ottokar (gegen Konra⸗
din) auf KR. Richards Seite und erhielt neue Beguͤnſtigungen,
während'er zugleich im Kriegr ‚gegen die Nachbarn gluͤcklich
war. "Wir ſahen ihn im Begriff ein großes Slavenreich zu
gründen, zwiſchen Teutſchland, Ungern und Polen. So hoch
damals die voͤhmiſche Macht, ftand, fo tief fan? fie nach ber
Wiederherſtellung des teutfhen Reichs durch Köhig’ Rudolf I.
Das Abſterben des przemiffihen Mannsſtammes, Öfterer Re
gierungswechfel, bie Partelımgen zwifchen ftetreich, Kaͤrn⸗
then, Luxemburg brachten Alles in Verwirrung. Diefe bau:
erte fort under K. Johanns I6jähriger Regletung." Seine
teutſchen Räthe wollten gute Einrichtungen machen, aber fie
1) San IL ©. 288. 876,
Karls IV. Verfuch eines boͤhmiſch⸗ teutfehen Erbreichs. 265 |
waren old Fremde verhafit; er ſelbſt war faft immer auswärts
befchäftigt und hätte lieber Sfalien erobern mögen ald ein
Land ordnen, bas feine Goygfalt allein erfabert und verbient
hätte, Jemehr feine Entwurfe ſich erweitesten, deſto weniger
jeigte ſich eis fees Plan. Er machte auch Anſpruch auf Pos
len, als Erbſchaft feiner Gemahlin. Wenn es ihm gelungen
wäre das Kaiſerthum an firh- zu veiflen, fo. würbe er fein
Haus bereins auf bie Höhe geſtellt haben, auf Die es Karl V.
brachte. Daruber erfhöpfte er. Böhmen und muſſte den Ans
ſpruch auf Polen aufgeben. Mehrnals gegen feinen Sohn
mistrauiſch gemacht, Kberteug er dieſem doch gegen einen Jahr⸗
gehalt die Raichſsverweſung, als ihm Blindheit und Schul⸗
den :) Mles verleidet hatten. Dann erfoderte Karls roͤmiſche
Koͤnigswahl und ber darqus gefolgte Kronſtreit erſt noch das
Aufbleten Hex letzten Bandeäfräfte.
Nun aber befchloß Kork, da er eine befondere Vorliebe
für Böhmen gefafit hatte, Alles wieder zu vergüten. Nicht
lange nach K. Ludwigs IV. Tode, da bie beierſche VYartei
noch mit einer Gegenwahl umging machte ev ſchon einen wich
tigen Gebrauch von. ſeinen Fechten als roͤmiſcher König, im
dem er dem, Lande die von. feinen. Vorgängern <a Reich er⸗
theilten Freiheiten und Rechte in ihrem ganzen Umfange be: 1348
ſaͤtigte. Bei N. Friedrichs FI. Freipeitsbrief erlaͤterie ex das 7. Apr.
Bahlserht der böhmifchen Stände bahin, daß. dieſes erſt ein
trete, wenn’ auch kein weiblicher Nachlomme des Koͤnigkbauſes
mehr oͤbig ſein wuͤrde; alſo erklärte er Boͤhmen ds poͤlliges
Erbraicht : mich. erneuerte er den von K. Richard an Ottokar
ertheilten, pan 8. Mubelf I. Aber unb Heinrich VI. für uns
gültig arBäwen. Belehnungshrief über Öf und Steier⸗
mark, und beſtaͤtigte das von K. Rudolf dem Könige von
Böhmen zuertannte Erzfchentenamt und Kurrecht, worliber
1) Inaestimabilia debita, fagt bad Chron. Anl. reg. in Freher.
p. 53. Ein Auge verlor Johan ſchon 1328 im Kriege gegen bie Li⸗
thauer; das andere durch Ungefchidlichkeit der Ärzte, wovon er ben
eften, einen Franzofen, im Sade erfäufen ließ. Der andere, ein Ara
ber, ließ fich erſt das Leben fichern, dann ging er, nachdem Johann und
mehrere Andere das Geſicht verlosen hatten, davon.
2356 Buch IL Erſter Beitraum. Abſchnitt 3.
er auch die Kurfürften noch vor Errichtung der — Bulle
befondere Willebriefe ausſtellen ließ).
An demſelben Tage da Katl IV. die Grundverfaſſung
von Böhmen mit den Vorrechten der Krone beſtaͤtigte, befies
gelte er den Stiftungäbrief der neugegründeten Univerfität
Drag Schon in feinen Jugendjahren, da er am franzöfis
ſchen Hofe war, foll er zu feinen Böhmen gefagt haben: "Wir
‚wollen einft die Schulen zu Prag nah dem Muſtet der pa
tifer hohen Schule einrichten?). Da er jetzt im Begriff war
die Altſtadt Prag durch die Neuftadt, wozu er ſelbſt die Stra
fen ausmefjen half, nach befiern Muftern, bie er ebenfalls in
Frankreich und Italien gefehn, zu erweitern, fo wuſſte er dem
Königsfige Feine größere Zierde zu geben al: bie erſte Uni⸗
verſitaͤt im teutſchen Reiche. Es waren zwar laͤngſt in den
Kloͤſtern und Biſchofsſitzen, alſo auch zu Prag, geehrte Schu⸗
len, jedoch nur für einzelne Sheile der Wiffenfhaften ober
für die umtern Stufen derfelben. Sie hieſſen daher Parti⸗
cularſchulen; Lehrer und Schüler flanden in Feiner naͤhern
Verbindung unter ſich; wer in den hoͤhern Wilfenfchaften
Grabe erlangen wollte, muſſte nach Italien ober Frankreich
gehen. . In diefen Staaten waren feit dem elften Jahrhun⸗
dert neben den Stiftsfchulen freie Geſellſchaften von Lehren
und Lernenden entflanden, welde anfänglich ohne alles Zus
thun ber weltlichen und geiflichen Ortsobrigfeit in eine wiſ⸗
fenfchaftirche Inmung, Gemeinheit, Geſammtheit (Utiversitas
literaria) 2), traten; zur Auszeichnung vor den biöheris
gen niedern Anftalten erhielten biefe den Namen Studium,
- fpäter Studium generale*). Einer ſolchen hergebrach⸗
ten Bereinigung zu Bologna ertheilte K. Lothar * em
1) pelzel I, 208 ff.
2) Pelzel I, 18, 201 fi.
3) Zum Unterſchied von einer bürgerlichen Universitas, K. Yrieb:
rich I. erklaͤrt für ungültig in omni civitate communia concilia, Ma-
gistros avium — vel alios quoslibet officiales, qui ab Universi-
tate sine Kpiscoporum beneplacito siatountur , etc. —
Hist, Ep. Worm. num, 120, .
4) Im Gegenſat zu den Particularſchulen.
Knie IV. Verſuch eines böͤhmiſch· tentſchen Erbreich. 287
Freiheitsbrief; dann hat K. Friedrich I. aus Dankbarkeit ges
gen bie Schüler des gelehrten Irnerius fr bie Erwedlung bed
tömifchen Rechts die universitas literaria derſelben buch
einen audgezeichneten $reiheitöbrief geehrt 1), Indem nun
Karl IV. eine folche zu Prag zu errichten befchloß, im der Mitte
eined von Fremden häufig befuchten Landes, erhielt er auch
die Genehmigung des Papſtes. Er beflimmte diefe Anftalt 1347
ober nicht bloß für feine Böhmen, bie, wie er fih im Stif⸗ 2%. San.
tungäbriefe ausbrüdt, ihr Verlangen nad den Wiſſenſchaften
num nicht mehr durch Betteln bei den‘ Ausländern flillen ſoll⸗
ten, fondern für die teutfchen ſowohl ald für bie benachbars
ten flavifchen, ja felbft für bie fcanbinavifchen Lande. &
theilte die Stubirenden in vier Nationen, die böhmifche,
baierifche, polnifche, fächfifche, ober jebe Sprache nach zwei
Munbarten. Unter den Baiern waren zugleich bie ſterrei⸗
her, Schwaben, Franken und Rheinländer, unter den Sach⸗
fen auch die Thüringer und Meiffuer, die Dänen und Schwer
den verfianden. Er hatte alfo eigentlih eine kaiſerliche
Univerfität im Sinne, Durch offene Briefe lud er Lehrer und
Stubirende aus allen Landen, . jene unter Verheiſſung ‚großer
Belohnungen, dieſe unter denfelben Freiheiten wie zu Paris
und Bologna. Zu ben vier Facultäten berief Karl anfänglich
acht Doctoren, darunter zwei Zeutfche, zwei Franzoſen, bie
übrigen aus Böhmen und Mähren. Zum befländigen Kanye
ler der Univerfität ernannte er ben Erzbifchof Arneft von Prag,
einen ber vorzüglichflen Geiſtlichen dieſer Zeit. Einige Jahre
ſpaͤter errichtete er noch ein. beſonderes Collegium, Carolinum
genannt, dem er bie Eimichtung der pariſer Sorbonne gab;
zugleich gründete es eine Bibliothek und machte Stiftungen
für arme Stubirende. In allen feinen Reichen verlieh er den
Studirenden Zoll⸗ und Steuer⸗ Freiheit. In kurzer Zeit er⸗
hielt Prag einen ſolchen Zuſammenfluß, daB mar 5000, bei
Karls Tod 7000 Stubirenbe zählte. Karl felbft wohnte oft ihren
Übungen bei, und als er einft von den Hofleuten an die Zeit
der Mittagstafel erinnert wurbe, erwiederte er: „dieſe gelehrten
Unterrebungen find meine liebſte Mahlzeit." Obgleich Karl
1) Eihhorn teutfhe Staates und Rechts⸗Seſch. $. —
Pfiſter u d. Zentfchen IE. 47
2358 Bud ID Erſter Zeitraum Abſchnitt 3.
für feine Perfon frühe von den Wiſſenſchaften abgerufen wor⸗
den, fo bat ihn doch die Liebe zu denfelben zu folchen An⸗
falten geführt,. deren Folgen fü» das Ganze ſich noch gar
nicht berechnen lieflen. J
Auſſer ver. heiligen Schrift, mit ber er ſich häufig
befchäftigte, waren Geſchichte und Geſetzkunde Karls
Lieblingöfächer, die er zum Beſten bes Reichs bearbeitet fehen
wollte. Cosſsmas von Prag, ber Water ber böhmifchen Ge
fihichte, würde fchwerlich erhalten worden fein, wenn Karl
nicht befohlen hätte brei Abfchriften von feinem Zeitbuch zu
machen. Da bes verdiente Erzbiſchof Arne von Prag bei
feinem Hochſtift eine Urkundenfammlung anlegte, verordnete
Karl, daß diefe Sammlung in geifllihen Sachen gleiches Ans
fehn haben follte wie bie unter feinem Water 1319. angelegte
Landtafel in weltlichen, wodurch die böhmifche Landesgefchichte
erft eine fichere Grundlage erhielt. Dann übertrug er vier
Gelehrten die Ältere und neuere Geſchichte zu fchreiben; eben
- fo bat er fih um bie brandenburgiſche Landeöbefchreibung vers
dient gemacht). |
Da Karl eben jebt anfing angrenzende Länder mit Boͤh⸗
men zu vereinigen Cwie ſchon im vorigen Abfchnitte gezeigt
worden), fo verboppelte er feinen Eifer das Erbland durch
angemeffene Einrichtungen und Fuge Verwaltung in Aufnahme
zu bringen, weil er wohl einfah, daß es erſt dadurch Zuwachs
verdiene.
1350 Zwei Jahre nach der Beſtaͤtigung der Reichsverfaffung
Septbr. berief Karl einen Landtag, um demſelben ein neues Geſetz⸗
buch vorzulegen. In ſeiner Rede ſchilderte er den traurigen
Zuſtand, worin er Böhmen gefunden?). Veraͤuſſerung und
Verſchenkung ber Föniglichen Schlöffer und Kammergüter hätten
bie Folge gehabt, daß man bei der häufigen Abweſenheit feis
ned Vaters den überhanbgenonnnenen Räubereien und Ge
waltthaten nicht mehr habe begegnen können, und daß zulegt
‚ bie koͤnigliche Majeftät ſich habe erniebrigen muͤſſen durch Bits
-
1) Pelzel DI, 955. Des Gefchichtfchreibers Heinrich von Herford
Grabmahl zu Minden ließ Karl-wieberherftellen. Ebend. S. 922.
2) Pelzel ©. 810 fi.
N
KacisIV. Vaſuch eins Sihmifd- teutfchen Erbreichh. 29
ten unb Geſchenke bie Raubritter zu Nieberlegung ber Bıffen
zu vermögen. Mit diefer Schilderung ſtimmen auch die Bes
richte, ber Zeitgenofjen überein. Durch den Königswechfel aus
derſchiedenen Haͤuſern, ſetzt der Abt von Koͤnigshofen hinzu *),
feien manche fremde Sitten und Trachten in dad Sand ges
bracht worden, woburch bie Leute von ber alten einfachen Le⸗
benöweife abgefommen. Gpäter noch beſchreibt Ancas -
vind die böhmifchen Volksclaſſen auf folgende Weile: ber
Poͤbel ift im ganzen Keiche trunkliebend, dem Bauch erg
ben, abergläubifch und neugierig. Der Mittelftand ift 2,
verfhlagen, raubgierig, ungenügfam; der "Abel ruhmbegierig,
den Gefahren trogend, feinem Worte treu, aber unerfättlidh ).
Da die Böhmen Überhaupt noch Feine gefchriebenen. Geſetze
hatten, wie vormals die Teutfchen, unter ihren Rechtögewohns
keiten aber viele ſchaͤdliche und wiberfinnige gefunden wurben,
wobei Vieles der Willkuͤr der Richter uͤberlaſſen blieb: fo war
Karls Abficht, durch das neue Geſetzbuch, deſſen Ausarbeitung
a dem berühmten Rechtögelehrten Bartolus von. Saxofer⸗
rato aufgetragen, neben ber Wegräumung jener Übel übers
haupt den Öffentlichen Zuſtand zu verbeffern. Auffer den Bes
fimmungen über Unveräufferlichleit der Rammergüter und ber
Berpflichtung der Beamten zu Handhabung der Ordnung und
Gerechtigkeit, wird befonders dem Abel unterfagt Buͤndniſſe
ohne Genehmigung bed Königs zu errichten; dad Fehdeweſen
wird befchränkt; den Gutsherren ift Verflümmelung ihrer Leib⸗
eigenen bei Strafe der Wiedervergeltung verboten. Beuers
und Wafler- Probe und gerichtlicher Zweikampf werben bes’
ſchraͤnkt.
Indeſſen wollte Karl dieſes Geſetzbuch, worin auch ein
neues Erbrecht aufgenommen war, nicht aufdringen. Die
Staͤnde baten um Bedenkzeit. So blieben vie Sachen fühf
Jahre, und Karl Eonnte leicht abnehmen, daß der Hersenftand
an jenen Beichränkungen keinen Gefallen finde und überhaupt
die altflavifchen Gewohnheiten den Beflimmungen bes roͤmi⸗
ſchen Rechtes vorziche. Da nun durch irgend einen Zufall
1) Chron. Aul. reg. in Freher. scrr. rer. Boh. p. 72%.
2) Hist. Bob. c, 1.
17* -
0 Bud DIE Erſter Beitcaum. Abſchnitt 3.
das Gebäude, worin bad Geſetzbuch niebergelegt war, im Feuer
aufging, ſo ergriff Karl zwar die Gelegenheit dad Werk für
ungültig zu erklaͤren; bagegen aber —* er im folgenden
| 1356 Jahre wieder einen Landtag und gab bie Erklärung, daß er
22. debr. feſt entfchloffen fei vor allen Dingen dem Unwefen im Lande
ein Ende zu machen: Vom heutigen Zage an müuͤſſen alle Un⸗
ordnungen und Gewaltthaͤtigkeiten aufhören: wer einer Mord⸗
that überwiefen werde, er möge Herr, Ritter, Wladyk oder
Bürger fein, der werbe mit dem Tode beflzaft; und wer einen
Raub oder Diebftahl begehe, der folle feiner Ehren und Güter
verluſtig fein. Zur Handhabung der Sicherheit theilte er Böh-
men nach bem Vorgang der teutfchen Reichdlande in Land⸗
friedenskreife, jeden unter zwei Hauptleuten, und verpflichtete
bie Landherren dazu mitzuwirken. Nicht zufrieben diefe An⸗
orbnungen gemacht zu haben, nahm Karl eine bewaffnete
Schaar und durchzog felbft das Land, um bie Raubfchlöfier
zu brechen. Died gefchah in der Zwifchenzeit jener Reichs⸗
tage zu Nümberg und Met, auf welchen die goldene Bulle .
zur Vollendung kam. In bürgerlichen Rechtöfachen hatte Karl
die Gewohnheit fein koͤnigliches Amt perfönlich zu üben; er
faß zu Gericht oft bis Sonnenuntergang vor den Thoren ber
Schlöffer oder auf dem Markte in den Stäpten ').
In dem neuen Geſetzbuche waren die erfien Gapitel der
Öffentlihen Religionsubung beflimmt. Die Tatholifche Re
ligion folle allein in Böhmen flattfinden; Heiden und Garas
cenen dürfen nicht darin wohnen ?); Ketzer müffen ber geiſtli⸗
chen Gerichtsbarkeit übergeben werben und die beharrlichen
werden zum Feuer verdammt. Vom Papſt erhielt Karl die
Erlaubniß wenigftens in Einem Klofter zu Prag den Gottes:
dienft in der Landesfprache, „ber ebeln, ber lieben, füßen
Sprache," wie er fie Öftes nennt, halten zu laffen’). Die
1) Pelzel a. a. D. 580 ff. 922. 0,
‚» Mahomebaniſche Zapetenwirker, weldhe Karl kommen lieh, muff:
ten unter Zelten ihr Gefchäft treiben.
8) Aen. Sylvius fagt in ber Hist.. Boh. p. 120 bei Freher.
und wiederholt es in der Schrift de moribus Germanorum, in ben boͤh⸗
mifchen Kicchen erhalte das Volk Vorträge in teutfcher Sprache, auf
”
%
Karls IV. Verſuch eines boͤhmiſchateutſchen Erreicht, 261
Zeit der frommen Stiftungen, in ben übrigen Reiche:
landen faft ſchon voruͤber, ging in Böhmen erft noch einmal
recht an umter Karls IV. Regierung. Vielen Theil hatte ſeine
große Verehrung der Reliquien, welche er in allen Laͤndern
durch Kauf, Geſchenk, zuweilen auch mit Gewalt zuſammen⸗
brachte und dem Volke zur Andacht ausſtellen ließ. An eis
nem folchen Jahrestage konnte man zu Prag 100,000 Fremde
zählen. Nicht weniger Antheil hatte Karls Bauluft, die ſich
nicht nur in Städten und Schlöffern, fondern vorzüglich auch
in fchönen Kirchengebäuden gefiel, wozu er die berühmteften
—2* aus verſchiedenen Ländern berief *). Den Anfang
hatte er ſchon bei feines Waters Lebzeiten mit der ſchoͤnen Ka⸗
thedrale zu Prag gemacht, und das wurde dann auch unter
feines ganzen Regierung fo fortgefeßt, daß Aneas Sylvius
fagt, vor ben Berflörungen bed Huffitenkrieges habe Fein Land
in Europa fo viele, fchöne, reiche und verzierte Kicchen ge _
habt in Städten und Dörfern als Böhmen. Auſſer vielen
Beinen Stiftungen zähle man zehn Klöfter von verfchiedbenen
Orden, welche Karl neu gegründet und begabt bat. Doch
fah er endlich, daß eine Grenze geſteckt werben müfje; er bes
ſchraͤnkte den Ankauf liegender Güter in tobte Hand. Einen
wichtigen Schritt zum Selbftändigkeit ber böhmifchen Kirche
hatte ſchon K. Johann gethan, indem auf fein Betreiben bad
Bisthum Prag vom mainzer Sprengel getrennt und zu eis
nem Erzbiöthum für Böhmen und Mähren erhoben wurbe?).
ſerhalb derſelben, auf den Kirchhöfen, von ben Weitprieftern und Min:
dien in der böhmifchen. Er meint, das komme noch davon her, baß ehe⸗
mals teutfche Stämme in Böhmen gewohnt. Bichtiger erklaͤrt es ſich
wohl daraus, daß das Ehriſtenthum v von Teutſchland aus in Boͤhmen
ringefuͤhrt worden.
1) Auch Ölgemälde waren ſchon auf dem Karlſtein, der uͤberhaupt
Alles vereinigte was man an Kunft und Pracht damals finden Tonnte.
Gebhardi Geſch. des Reiche Böhmen (Allgem. Welthiſt. LIL) L 8b.
6. 480.
2) 23. Zulius 1341 fprach BVenedict XII. die Befreiung aus. GSle⸗
mms VI. vollendete die Sache SO. April 1348. Das nette Bisthum Lis
tomyft und das Bisthum Olmuͤt wurben bem untergeordnet.
Gebhardi a. a. D. ©. W2,
262 Bud IL Erfier Zeitraum. Abfchnitt 3.
K. Johann hatte den Ritterfiand hauptfächlich beglins
fligt; auch Karl war in feinen jimgern Jahren, wie der Va⸗
ter und Großvater, ein Freund der Turniere und machte fich
burch perfönliche Theilnahme gefällig. Da er aber nun mit
möglichfler Vermeidung koſtbarer Kriege fi) ganz zur Staats-
wirthfchaft wandte, zog er mehr bie Bürger an fi;
- gegen bie bisherige Sitte ſah man ihm zuweilen mit ihmen
‚fpeifen. Wiewohl die Städte nicht im Krönungseid ſtehen,
fo nahm fih Karl doch bderfelben vorzüglich an; fie fliegen,
während der troßige Abel gebemütbigt wurde. Den Handel
beſonders beförberte er burch Extheilung vieler Freiheiten. Mit
Venedig fchloß er einen Vertrag über den freien Handel zwi⸗
Shen Venedig, Böhmen und Zeutichland; Prag und Breflau
erhob er zu Stapelſtaͤdten. Das böhmifche Land hat in feis
- ner Rage auch das Eigenthüimliche, daß alle Gewaͤſſer welche
mit Ausnahme der Eger barin entfpringen, fich in dem Haupt⸗
fluß, ber Elbe, vereinigen, wodurch bie Ein» und Ausfuhr
befonders begünftigt if; den zweiten Hauptfluß, die Mol:
dau, machte Karl ebenfalls wieder fihiffbar, nebft einigen aus
‚ ben Nebenflüffen. Ex foll fogar den Wunfch gehabt haben,
die Moldau durch einen Kanal mit der nur fieben Meilen ent:
fernten Donau zu verbinden). Die fleinerne Brüde zu Prag,
eine ber größten und. fchönften, unter feiner Regierung anges
fangen, wurbe erft nach 145 Jahren vollendet. Man kann
leicht denken, daß die reichen böhmifhen Bergwerke Karls
befondere Aufmerkfamkeit auf ſich gezogen; ex ließ auch ver⸗
ſchuͤttete Gruben wieber herſtellen und neue entveden. Bald
erfreute er fich einer folchen Ausbeute, daß er fich rühmte Die
prager Zhürme mit Gold deden laffen zu können. Die Sage
fhreibt ihm die Entdedung bes Karlsbades zu. Xepla
bieß die warme Quelle in ber Randesfprache. Die neue Stadt
die er dabei gründete, nannte er zuerft Karlshaus. Schon bei
ihrer Einwanderung find die Slaven als ein flilles, landbau⸗
treibentes Volk, das bis in die fränkifchen und baierifchen
1) Hällmann Staͤdteweſen bes Mittelalters I, 358. Mangel an
Hülfsmitteln habe bie Sache vereitelt. Tbrigens fcheint das dazwiſchen
liegende Gebirg ein. unüberfteigliches Hinderniß zu fein.
Saris IV. Werfuch eines boötmifch⸗ teutſchen Erbreiche. 263
Gauen gekommen, in unfern Gefchichten genannt worben.
Doch fand Karl noch Wälder auszuroden und neue Dörfer
anzulegen. Unter den Erzeugniffen des fruchtbaren Landes
vermifite Kari Nichts mehr ald Wein, ba jährlich große Sum⸗
men dafür in's Ausland gingen, Er ließ alfo Weinreben aus
Oſterreich und Burgund kommen, um bie fonneizeichfien Hlı-
gel!) damit zu bepflanzen. Der Erfolg entforach feiner Ab:
fiht foweit, daß er nad einiger Zeit die Einfuhr frember
Beine, mit Auönahme der itaktenifchen, verbieten zu koͤnnen
glaubte. Als erfahrner Landwirth verfegte er fich in bie Zeit
bes alten Koͤnigsſtammes. Das Dorf Stadicz an ber Bila,
den Geburtsort Przemifls, befreite er von allen Abgaben.
Die drei Hufen Landes, welche Przemifl vor feiner Berufung
zum Throne bebaut, erklaͤrte er für das Eigenthum des Kö:
nigshauſes und befahl den Einwohnern, jene nach der Sage
aus dem Stabe des Ahuherrn entiproffene Haſelſtaude forgs
fältig zu pflegen und die Nüffe jährlich dem Könige zu brin⸗
gm. Die Sitte, ſolche am Krönungstage unter dad Volk
auszuftreuen, bat ſich bis auf Ferbinand TIL. erhalten.
So fah Kari fein gelichtes Böhmen aufblühen. Er konnte
vom ganzen Lande fagen, waser, wenn ex von den Fenſtern
des prager Schloffes die darunter liegende Neuſtadt den Fürs
fen zeigte, zu fagen pflegte: „das ift mein Werl!" Damals
zählte Böhmen auf feiner Grundfläche von 950 Quabratmeis '
im 100 woblerbaute, mit Mauern umgebene Städte, 300
Rarktflecken, 260 feſte Schiöfter, 360 Dörfer und eine Menge
Höfe, 20 Collegiatkirchen, 2033 Pfarreien ?).
Das ift das Gute bei dem Wechfel der Kaiferhäufer für
Zeutſchland geweien, baß der Mittelpunct des Öffentlichen Le⸗
bens und alles deſſen was zur Emporbringung ber Lande ges
hört, nicht an Einem Orte geblieben, fondern von einer Pros
vinz zur andern gewanbert iſt. Zuerſt ſahen wir das oflfräns
kiſche Reich in den mittlern Rheinlanden blühen; dann flieg
ſchnell Sachſen, das zuletzt berzugebrachte Land; wieber kam
das Reich an die Franken, dann zu ben fübteutfchen Staaten,
1) Bei der Reuflaht Prag u. a. Drten. Pelzet I, 208.
2) Pelzel a. a. DO. 974.
1
266 Buch IL Erſter Zeitraum. Abſchnitt 8.
Elſaß, Schwaben, Baiern; endlich ging es Über zu ben Boͤh⸗
men, welche man bisher als Stiefbrüder angeſehn. Wenn
Karls IV. Vater, K. Johann, das Kaiſerthum erlangt haͤtte,
fo wuͤrde er wohl fein Luremburg ober das benachbarte Aachen
wieder zum Sie des Reichs erwählt haben. Aber Karl hatte
bie entgegengefegte Anficht. Er überließ die Niederlande ih⸗
ren eigenen Fortfchritten, bie eben jeßt im Wetteifer mit Frank⸗
reich und "England fihtbar wurden, und richtete alle feine
Sorgfalt auf die Emporbringung von Böhmer. Wenn er
auch nicht die Faiferlichen Reichsinfignien auf fein Schloß Karls
flein in Verwahrung gebracht hätte, fo fprechen ſchon bie bis⸗
ber angeführten Thatſachen, von ber Gründung der Univerfis
tät bis auf die zuletzt bemerkten Begünftigungen bed Handels,
daß er Böhmen zum Mittelpunct bes teutjchen Reichs und
Prag, wo auch teutſche Fuͤrſten Paläfte bauten, zur Haupts
ſtadt machen wollte. Karls- bed Großen Andenken aber glaubte
er noch immer zu ehren, wenn er in beflen Palafle zu Ins
gelheim ein Chorherinftift für gebowme Böhmen gründete, welche
die böhmifche Sprache redeten ‘).
f Sowie nun bie innern Kräfte bed Erblandes wuchfen,
fo fuhr Karl IV. auch in: feinen Vergrößerungsentwärfen fort.
Wir haben oben gelehn, wie er bie Erwerbung von Schlefien
‚ vollendet, auch einen Theil der Oberpfalz zu Böhmen gebracht.
Bunächft bleiben nun feine Unternehmungen gegen bie angren⸗
zenden Fürftenhäufer gerichtet, Öfterreich und Baiern.
- Ein Jahr nach Errichtung der golonen Bulle vermaͤhlte
4357 Karl feine Tochter Katharina dem Herzog Rudolf von
Zul. Öfterreich, dem älteften von vier Brübern, welche die Regies
rung ber Lande gemeinfchaftlich führten; er übertrug ihm auch
bie Landvogtei Elſaß und glaubte ihn ganzı für fein Haus ger
monnen zu haben. Allein Rubolf, ein bochherziger, unter-
nehmender Jüngling, metteiferte eigentlih mit Karl IV. Was
diefer zu Prag that, das that er zu Wien. Er erbaute bie
St. Stephanskirche und fliftete die Univerſitaͤt dafelbfl.
Dabei trug er Entwürfe in fich, welche mit Karl Abfichten -
1) Guden, Cod. dipl, Mog. T. III. p. 877. Acta Acad. Palat.
T. 3.307 29q.
.
Karls IV. Verſuch eines boͤhmiſch⸗ teutſchen Erbreichs. 265
nicht zuſammenſtimmten. Eingedenk, daß K. Friedrich J. ſei⸗
nen Vorfahren im Herzogsbrief die naͤchſte Stelle nach den
Pfalzerzfuͤrſten, jedoch ohne Wahlſtimme, verliehen hatte, nahm
er den Titel eines „Erzherzogd der kaiſerlichen Pfalz“ an und
nannte fi auch Herzog oder Fuürſten in Schwaben und El⸗
faß. * Zugleich verband er fi) mit den Graven von Wirtem⸗
berg, welche gleiche Abfichten auf Nieberfchwaben hatten, Auf
die Befchwerden ber andern Fuͤrſten entzog ihm Karl die el 1360
ſaͤſſiſche Landvogtei und wollte ihn auf einer perfönlichen Zu:
ſammenkunft zu Tyrnau unter Vermittlung des Königs von 16. Mai
Ungern zur Ablegung jener Zitel und zu Aufgebung bed wir:
tembergifchen Buͤndniſſes bringen. Da er nicht nachgab, machte
Karl ein ſtarkes Reichsaufgebot und fchlug zuerſt die Graven
von Wirtemberg bei Schorndorf, dann mufite auch Rudolf
ſich unterwerfen, weil er verfäumt hatte mit jenen zufammen;
zutreten. Er verſprach Alles zurudzunehmen, was er bisher
gegen Kaifer und Reich gethan. Daflır fchloß Karl ein Schuß»
bundniß mit ihm unb überließ ihm zur Entſchaͤdigung das 5. Sept.
Judenſchutzgeld im / Elſaß und Schwaben. Dennoch fing Ru⸗
dolf in kurzer Zeit wieder an jene Titel zu fuͤhren, auch kai⸗
ferlihe und koͤnigliche Zierden als angebliche Vorrechte der
Herzoge von Öfterreich zu gebrauchen. Der Kaiſer berief ihn
daher wieder zu fih und ließ ſich neue Verfchreibungen unter
Buͤrgſchaft der. öfterreichifchen Landſtaͤnde ausftellen‘), Nun
gab Rudolf zwar ben herzoglichen Titel von Schwaben auf,
führte aber den des Erzherzogs aufs neue, ald ihn K. Lud⸗
wig von Ungern, ebenfalls Schwiegerfohn von Karl IV. (wies
wohl feine Gemahlin Margarethe bereitd geflorben war), durch
eine Auſſerung des Kaiſers über feine Mutter beleidigt, zu eis
nem Biindniß gegen denſelben auffoderte. Die beiden Haͤu⸗ 1362
fer, Ungern und Öfterreich, flanden bereits in Erbverbrübes 7. San.
tung. Als Karl das Verſtaͤndniß erfuhr, kam er in ſolche
Derlegenheit, daß er den Beiſtand der Kurfürften anrief. Er
brachte feine Klagen auf dem Reichötage zu Nürnberg vor und -
verlangte, Daß die Kurfürften den Herzog Rudolf abmahnen,
ihm aber verfprechen follten auf ven Fall feines Abfterbens -
1) Gef. v. Schwaben IV, 74 fi
S
266 Bud. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 3.
keinen Öfkerreicher zum roͤmiſchen König zu wählen. Bugleich
verband er fich, mit den fchwäbifchen Reichsſtaͤdten und bewil⸗
ligte jet auch den fchweizerifchen Waldſtaͤtten die biöher ver⸗
weigerte Beſtaͤtigung ihrer Freiheiten, um auf den Fall eines
Krieges Hülfe von ihnen zu haben. Herzog Rudolf aber
Tehrte fi an jene Abmahnungen nicht, vielmehr verband er
fih noch mit einigen Bifchöfen, und das ungeriſche Buͤndniß
wurde erweitert, indem ſein Schwager, der junge Herzog
1362 Mainhard von Baiern und Tirol, und ber K. Kaſimir von
31. Dec. Holen zu Preßburg beitraten ). Go’ fland denn ein bedeu⸗
tender Zürftenverein gegen Karls Entwürfe. Doch dieſe dro⸗
hende Stellung erhielt ſchnell eine andere Wendung über dem
Erbe von Zirol, und Karls Schlauheit verfehlte nicht neuen
Vortheil daraus zu ziehen.
1363. Vierzehn Tage nach bem preßburger Buͤndniß flarb Her⸗
15. Ian. zog Mainhard ohne Kinder. Da feine Mutter, die verwitt⸗
wete Margaretha Maultafh, bei feiner Vermaͤhlung
mit Margaretha von Öfterreih den Brüdern derfelben, ald
nahen Anverwandten ihres Haufed, auf biefen Fall Zirol zus
gelagt hatte, fo ließ Herzog Rubolf fofort von den Krieges
rüflungen gegen den Kaifer ab und eilte nach Bogen, wo er
durch feine einnehmenden Reben und Sitten fomohl die Graͤ⸗
pin als ‘die Landflände gewann, daß ihm ber Befis des Lan⸗
26: San. des beflätigt und balb barauf aud von der Grävin gegen an:
11. Sept. gemeflenen Unterhalt die Regierung abgetreten wurbe ?).
Ä Dem Kaifer konnte es zwar nicht gefallen, daß Öfter:
reich Zuwachs erhielt, befonderd durch ein Land, dad früher
feinem Bruder Johann Heinrich beſtimmt war; allein auf ber
andern Seite ſah er eine geboppelte Spaltung entfliehen, wel:
ce ihm fehr erwünfht kam. Herzog Stephan von Baiern,
Oheim bed verflorbenen Herzogs Mainhard, trat ald Gegner
von Öfterreih aufs zugleich entzweite er fih mit feinen Bruͤ⸗
dern, den Markgraven von ER! indem er des Nef:
. 1) Steyerer Hist. Alb. II. c. 5. p. 21. Addit. p. 833 sqq.
Guden. Cod, Mog. dipl, T. III. nr. 306.
2) Auffer Steyerer lc. Henr. Rebdort. ad a. 1362. Chron.
Salisb, ad a. 1363. Erſterer auch zu dem Folgenden.
\ ⸗
Kari IV. Verſuch eines boͤhmiſch⸗ teutſchen Erbreichs. 267° '
fen Mainhards Antheil an Baiern für fich allein behielt. Bei Ä
biefer Lage der Dinge unternahm ber Kaifer zuerfi das preß⸗ 1364
birsgifche Bündniß zu trennen. Da er zum zweiten Mal Witts Jan.
wer war, vermähtte er fich mit Elifabeth, Zochter bed Her⸗
3098 Bogiflaus von Pommern und Enkelin 8. Kafimirs
von Polen, woburd er den Lesten fchon auf feine Seite
brachte. Dann bielt er mit dem Könige von Ungern und ben
Herzogen von Öfterreich eine Iufammenkunft zu Brünn md
ließ feine Tochter Katharina, H. Rudolfs Gemahlin, als
Dermittlerin eintreten. Bei dem Kriege zwifchen ſterreich
und Baiern kam allerdings dad Meifte darauf an, welchem
Zheil der Kaifer beitreten winde. Karl erbot fich die Schen⸗
tung ber Graͤvin Margaretha zu beſtaͤtigen; dagegen bebung
er eine Erbverbrüberung zwifchen Öfterreih und Luremburg
mit Einfluß der Margaretha, fo daß bei dem Abgange des
männlichen Stammes in dem’ einen Haufe der bed andern in
deffen-Lande folgen follte. Die vier Herzoge von- Öfkerreich
waren noch ohne Nachkommenſchaft; fie lieſſen ſich aber die
Bedingung gefallen, um die Zuerkennung von Tirol zu. erhal: 10. Febr.
ten. &o gimg bie lange Eiferſucht zwiſchen den beiden Haͤu⸗
fern, da fie noch kuͤrzlich einen weit ausſehenden Krieg ges
brobt, im freundliche Vereinigung über und warb durch den 23 —
Beitritt der beiderſeitigen Landſtaͤnde befeſtigt. &
H. Stephan von Baiern aber, mit der Entfcheibung bes
Kaifers nicht zufrieden, feste den Krieg fort. Karl ließ ihm -
feinen Bang, denn e8 war ihm nicht entgegen, wenn bie Fuͤr⸗
fien fi) aufrieben. Erſt als er ſah, daß H. Stephan wieder '
auftam, weil K. Ludwig von Ungern aus geheimem Unwiß
len gegen bie luremburgifche Erbverbrüdetung ein Blndnig 1368
mit dem baterifchen Haufe gegen Öfterreich gefchloffen hatte ), —
trat er endlich in die Mitte und ließ die Streitfrage durch c, Febr.
Schiedörichter beilegen. Nach ihrem Ausfpruche bezahlte Oſter⸗ Sept.
reich an Baiern 116,000 fl. baar, trat drei Gerichte im Un⸗
terinnthale, welche der Margaretha zum Leibgeding verfchries
ben waren, beögleichen die verpfändete Stabt Schärding, auch
die Herrſchaft Weiſſenhorn in Schwaben ab; dagegen verzich
1) Specimen diplomat, Baj. in Oefel T. V. p. 187, 191.
268 Sud IL. Erfier Zeitraum. Abſchnitt 3.
teten die baieriſchen Herzoge auf alle Anfprlüche an Zirol ').
Benige Zage nach biefem Frieden flach die Grävin Marge
retha zu Wien.
Während diefer Begebenheiten waren auch bie Derzoge
Rudolf und Friedrich von Öfterreich geflorben. Da die
zwei anberen, Albrecht und Leopold, noch unverheirathet
waren, fo hoffte Karl bie Erbyerbrüberung bald in Erfüllung
gehen zu fehen. Da noch ein älterer Vertrag biefer Art zwi⸗
fhen ſterreich und Ungern befand, fo ruhete ex nicht, bis
1366 biefer aufgehoben war; es gelang ihm daß beide Theile mit
—* gutem Willen demfelben entfagten, worauf er bie Iuremburs
"% gifche Grbverbrüderung mit Willebriefen der Kurfürften erneu⸗
„14, April. er 2) und feine Tochter Elifabeth bem Herzog Albrecht ver
Jetzt ſah es der Kaiſer nicht mehr ungern, daß Abietht
und Leopold in ber Vergrößerung ihrer Hausmacht fortfuhren.
In diefem Zeitpuncte traten -fie ald Vermittler ein in bem
Kriege ber breisgauifhen Stabt Freiburg mit dem Graven
' Egon, ihrem Schirmherrn, und ber beiberfeitigen Bunbeöge:
noſſen. Egon gab der Stadt die Schirmherrſchaft zurüd, und
ſie wählte nun die Herzoge von Öfterreich, welche baflır einen
Heinen Theil der Kriegskoſten übernahmen. Gegen die Er⸗
wartung des Sraven Egon zogen bie Herzoge auch bie Land:
graufchaft Breisgau an fich, weil fie von jeher zur Herrſchaft
Freiburg gehört habe. Hierzu kamen dann noch mehrere Er:
werbungen in Oberfhwaben, wozu ſchon Albrecht I. und II.
den Grund gelegt hatten. Kirnberg und Kenzingen wurben
. als eröffnete Lehen eingezogen, Ziyberg gekauft. Der Kaifer
gab ihnen bie, von Wirtemberg zuruͤckgenommenen Reiches
Dfandfchaften Achelm und Hobenflaufen. Dann kauften fie
bie Herrſchaft Feldkirch im Vorarlbergiſchen von dem Haufe
Montfort, und fo kam allmdlig ein näherer Länberzufammens
hang von Elſaß bis Tirol. Das Haus Öfterreich hat nad
ber fo viele Herzogthümer und Königreiche erworben ald das
mald Burgen oder Städte; aber ohne diefe Heinen Herxfchaf⸗
’ 1) Mannert Gefchichte Baierns I, 358 f.
2) Da Mont. T. U. P. I. Nr. 37-40, 54,
atls IV. Verſuch eine böfmifdeteutfhen Erbreichs. 269
ten wuͤrde es ben ausgebehnten Erblanden an Verbindung
gefehlt haben. .
Nun trug ſich zu, da die Brüber meinig wurden. Al
brecht, ein Freund der Natur und der Wiffenfchaften, zog den
Umgang ber Gelehrten zu Wien jeber andern Beichäftigung
vor. Leopold verwaltete, wie fonfk die jüngern Bruͤder, die
eben genannten vordern Lande befonderd; Tirol war gemein: .
ſchaftlich. Sein aufflrebender Geift ertrug Feinen Zwang; ob»
gleich ber Jüngere, hätte er bie ganze oͤſterreichiſche Macht un⸗
ter ſich haben moͤgen. So ertrotzte er eine foͤrmliche Thei⸗
Lung und erhielt auſſer Schwaben und Elſaß auch Tirol,
Kaͤrnthen und Steiermark. Albrecht behielt nach dem Vor⸗
rechte des Altern Wien mit Inmeroͤſterreich. Die öflerreichk
ſchen Erblande gehören unter die erften, in welchen Untheil⸗
barkeit durch Hauss und Reichs⸗Vertraͤge fefigefeht war. Aber
‚ ber Kaifer verweigerte bie Einwilligung zur Theilung nicht.
Range”, fprach er, „haben wir getrachtet dad Haus ſter⸗
reich zu demüthigen und haben den Weg nicht gefunden: nun,
zeigt es biefen felbft” *).
Ein Jahr vor der oͤſterreichiſchen Erbverbruͤderung errich⸗ 1363
tete Karl IV. eine ähnliche mit Brandenburg ?)5 der An- 13.
laß ging ebenfalls aus dem tirolifchen Erbfolgeſtreit hervor;
ed folgte aber eine längere Reihe von Verhandlungen, bie
den Kaifer endlich in den wirklichen Befig des Landes: brach⸗
tn. Da H. Stephan von Baiern bei dem heimgefallenen
baierifhen Landestheil feined verfiorbenen Neffen Mainharb,
wie wir oben fchon bemerkten, keine Rüdficht auf feine zwei
Brüder, Lubwig den Römer und Otto, welche auf die Marl
Brandenburg abgetheilt waren, genonmien hatte, fo liefen
diefe fih um fo eher uͤberreden in Karls IV. Abfichten einzu⸗
gehen. Der Vertrag wurde auf dieſelbe Weiſe geſchloſſen wie
mit ſterreich, und man kennt drei Turfürftliche Willebriefe für
denſelben. Stephan und feine Bruberäföhne, die übrigen Her
=
ed x
1) Geſchichte von Schwaben IV, 74—87.
2) Lünig Cod, German. dipl. T. I. p. 1277. Chron. Sallsb,
ad a, 1368,
270 Buch IH. Erfter Beltraum, Abſchnitt 3,
zoge in Baiern, durften -Eeine Eimwenbung gegen ben Kaifer
wagen, auch wenn fie nicht in ben Öfterreichifchen Krieg vers
widelt-gewefen wären. Die beiden Marlgraven Ludwig und
Otto waren ohne Erben. Einfiweilen fing der Kaifer an, die
von Brandenburg veräufjerten Landestheile zurkdzubringen.
1353 Schon fräher war ihm die Einloͤſung der an Meiffen verpfäns
beten Niederlaufis zugeflanden worben. Diele bewerffiel-
1364 ligte er. fo, daß das Land als böhmifches Lehen zuerfl
Apr. dem Herzog Bolko von Schweibnig und Iauer gegeben, nach
befien Tode an Markgrav Dito fallen unb nad) diefem, wenn
er Beine Erben hinterlieffe, von Markgrav Ludwig um die von
‚dem Kaifer erlegte Summe wieder eingelöft werben follte 2).
Dabei verſprach Karl dem Dtto feine Tochter Elifabeth zur
Gemahlin zu geben 2), verzögerte aber bie Sache und gab fie
enblih, wie wir oben gefehen, dem Herzog Albrecht von
Öfterreith. Dann ließ man Dtto hoffen, Karls ältere Tochter
Katkarina, H. Rudolfs von Öfterreich Wittwe, zu erhalten >).
Aber Otto blieb unvermäplt; da Ludwig unvermuthet flarb,
Tom er in ben Befis der ganzen Mark, wirthichaftete aber fo
1365 übel," daß ihn der Kaifer an feinen Hof berief und auf ſechs
Dec. Jahre der Landesverwaltung entſetzte. Am Hofe gerieth er
1368 aufs neue in folhe Schulden, baß er die Nieberlaufig für
13. Jan. eine gewiffe Summe an bed Kaiſers Sohn Wenzlaw überließ,
‚1370 alfo auf die Einlöfung Verzicht that; daher das Land fofort
1. Aus. nach H. Bolkos Tode mit Böhmen vereinigt wurde *).. In
die Verwaltung ber Mark wieber eingeſetzt kam Otto in Krieg
mit Pommern, wobei er ſeine wenigen Kraͤfte vollends zuſetzte
und ſo gut als moͤglich Frieden machen muſſte. Da ihn der
Kaiſer ganz hilflos gelaſſen hatte, fo gingen ihm endlich Die
Augen auf. Er befchloß deöwegen feinem Neffen, H. Fried⸗
1371 rich von Baiern, Stephans Sohn, der ihm auf einem Um:
wege zu Hülfe gefommen war, die brandenburgifchen Lande
1) Lünig L c. p. 1283.
2) Lünigl. c. p. 1391.
$) Gebhardi a. a. D. S. AM.
4) Du Mont, T. IL P. J. Nr. 6%.
Larls IV. Verſuch a boͤhmiſch: teutſchen Erbreichs. 27 1
zuzuwenden; einſtweilen verpfänbete er ihm die Altmark und un
Prignig für 200,000 fl. und ließ ihm hulbigen ').
Über diefe Verlegung des Erboertrags wurde ber Kaifer
fo aufgebracht, daß er fchnell ein Kriegäheer aufbot und in Sum
das Brandenburgiſche eindrang. Markgrav Otto nnd fein
Neffe waren bald in die Enge getrieben; fie kamen zu dem ,
Kaifer in das Lager bei Zürfienwalbe und gingen nach kurzen
Verhandlungen folgenden Vergleich ein: Otto tritt die ganze 15. Aus
Bart Brandenburg an die Söhne des Kaifers ab-ımb erhält
dagegen einige Schlöffer und Staͤdte in ber Oberpfalz, welche
Böhmen im Fall feines unbeerbten Abfterbens für 100,000 fl.
von den Herzogen von Baiern wieber .einlöfen barfz dazu ers
hält er einen Jahrgehalt von 3000 Schod böhmifch, dann .-
weitere 100,000 fl. in Zerminen und fix 100,000 Pfand⸗
fhaften. Tbrigens behält ſich Otto die Kurwinde und das
| eramt lebenslänglich vor 2). Nebendem ließ ber
Kaiſer die uͤbrigen Herzoge von Baiern auf alle Anfprüche an
Brandenburg verzichten und bie Urkunden herausgeben. End⸗
li ſchloß er noch eine befondere Einung mit bem Geſammt⸗ 1374
hauſe Pfalzbaiern, worin dieſes verfprechen muſſte, nie in Boͤh⸗ Pt.
mm, Mähren, Brandenburg, Polen, Baiern, Franken. Etwas
on fih zu bringen, was dem Haufe. Luremburg gehörte, Das
gegen verlieh er den baierifchen Herzogen die zwei Reichsland⸗
vogteien in Oberfhwaben und Elſaß. Markgrav Dtto aber
lebte fortan fröhlich mit feiher Gretl, einer fchönen Beckers⸗
frau, auf dem Schloffe Wolfſtein an ber Ifer, bis er wieder
‚in Gelbmangel gerieth und Abſchlagszahlungen an jenen Sums
men annehmen muſſte. Ein Jahr nach ben Kaiſer flarh er 1379
in verbienter Verachtung °).
Mit dem zeitig erlangten’ Beſitz ber Mark war Karl noch
nicht zufrieden. Er beſchloß das Land, obgleich ein teutſches 1374
enthum, wie die andern Erwerbungen der Krone Boͤh⸗
men einzuverleiben. Zu dem Ende ließ er durch den Biſchof
1) Buchholz Geſchichte der Churmark Brandenburg. Thl. I
.D. G. 479.
9) Üttenthover Geſchichte d. Herz. von Baiern. Beil. 70,
5) Bergl, Mannert a. a. O. 368.
272 Buch IL Erſter Ieltraum. Abſchnitt 3.
Dieterih von Brandenburg, aus bem fchulenbargifchen Haufe,
diefe Maßregel auf dem Landtage zu Tangermünde empfehlen
ald das ficherfte Mittel das Land nach ber biöherigen ſchlech⸗
ten Verwaltung wieder emporzubsingen. Dies fand Eingang:
ed verbanden ſich vierzig maͤhriſche Städte mit der Iufage,
fih nicht .mehe von Böhmen zu ‚trennen oder fonft verdäuffern
1374 zu laſſen. Nun vollzog der Katfer auf einem großen Land⸗
29. Jun. tage zu Gruben in ber Mitte der böhmifchen und branden⸗
burgifchen Stände die Vereinigung und beftätigte zugleich bie
Rechte und Freiheiten ber Lebteren ’). Während diefer Der:
handlungen emeuerte Karl IV. bie Erbeinigung mit den an
graven von Thüringen und Meiffen®).
Endlich griff Karl auch in den luͤneburgiſchen &b-
folgeftreit ein, um dabei ebenfalls feine befondern Abfichten zu
erreichen. Herzog Wilhelm von Lüneburg hatte nur zwei
Zöchter: von ber älteren, Elifabethb, H. Rudolf von Sach⸗
fens Wittenberg Gemahlin, flammte H. Albrecht; bie jün-
gere, Mechtild, war mit ihrem Better Herzog Lubwig von
Braunſchweig vermählt.. Diefen beflimmte H. Wilhelm
1355 mit Einverſtaͤndniß der- Landflände zum Nachfolger, in Ges
23. Zun. mäßheit der Erbverbrüberung ber beiden Häufer. Der Kaifer
aber erinnerte fih, daB H. Wilhelm früher fein Gegner gewes
fen, weil er nach 8. Ludwigs IV. Zode von einigen Fürften
zum roͤmiſchen König vorgefchlagen worden; er-erflärte fich
alfo für Sacfen-Wittenberg, das er auch fhon in der gold:
nen: Bulle wegen feiner Ergebenheit begünftigt hatte. Sofort
6. Oct. ertheilte er dem Geſammthauſe die vorläufige Belebnung mit
Lüneburg auf den Zal von Wilhelms Abfterben ’), und weil
diefer auf feine Ladung nicht erfchienen war, fprach er ohne
Zuziehung des Fürftengerichts die Acht Über ihn aus. Indeſ⸗
1367 fen flarb Ludwig von Braunſchweig noch vor H. Wilhelm;
biefee ernannte alfo feinen Bruber Magnus Torquatus zum
Nachfolger. Nah Wilhelms Tode aber erklärte der Kaifer das
. 1) Die Urkunden zu bem Bicherigen ſiehe in LünigL c, Nr.
812— 315.
2) Du Mont. T. IL P. L Nr. 76.
8) Origg. Guelf, T. IV, Praef. p. 9. 10.
Karla IV. Verſuch eines bögmifcheteutfchen Erbreiche. 273
Sand für ein erledigted Reichslehen und wiederholte die Be⸗ 1370
lehnung ber ſaͤchſtſchen Herzoge, indem er den H. Magnus Märı-
Zorquatus wegen feiner Widerſetzlichkeit mit der Acht belegte.
Da diefer auch bald darauf ſtarb, trafen feine Söhne, Fried⸗
rih und Bernhard, mit den fächfifchen Herzogen, Wenzel und .
Abrecht, einen Vergleich, nach welchen die Regierung Luͤne⸗ 1373
burgs zwifchen den Alteften ber beiden Häufer wechfeln follte *). Sept.
Später ward eine Doppelheirath gefliftt. Dennoch entfland
wieder ein neuer Krieg, in welchem bie Iimeburgifchen Fürften
ide Land behielten. Eine Exbverbrüberung zwifchen Lüneburg
und Sachen brachte endlich geraume Zeit nach Karls IV. Tode 1389
die Streitigkeiten zu Ende). Man glaubte, Karl habe das
fachfen-wittenbergifche Haus in der Abficht begimfligt, um es
fir feine Anfprüche auf Brandenburg und Medienburg zu
befriebigern ober dad Haus einſt ganz auf Lüneburg zu vers
fegen, um dagegen Wittenberg nebft dem Kurkreis an Boͤh⸗
men ziehen zu können ?).
Das war alfo Karls IV. Plan gegen die benachbarten
Firrſtenhaͤu ſer, beſonders folche, voelche vom Anfang an bem
feinigen entgegen gewefen: fie mufiten fich entweder zu Ver⸗
brüderungen und andern Verträgen bequemen, oder in gänzs
liche Unmacht verfebt werden, um auf bie eine ober andere
At ihre Lande an Böhmen gelangen zu fehen. Einmal erhob
ſich doch ein Fürflenverein mit Oferzeid; aber Karl wuffte
ihn bald wieder zu trennen. Mit den Vereinzelten kam er
licht zum Ziele; es waren meift fchwache, in Zwieſpalt le
bende oder verfchuldete Zürften, die gegen ihn nicht auflom=
men Tonnten. Am meiften bat er dad Haus Baiern ge
ſchwaͤcht und ihm Die unter dem Kaifertbum gemachten Erwer
bungen wieber abgenommen.
Auf diefe Weife hat Karl IV. nad) ber Erwerbung von
Shlefien und der heiven Lauſitzen einen Xheil ber
Oberpfalz und bie brandenburgifchen Lande an Boͤh⸗
men gebracht; in ber That ein Länderzufammenhang wie man
I) Hoffmann Samml. ungebrudter Nachrichten. Th. I. ©. 193.
2) Qrigg. Guelf. 1. c. 5. 13.
I) Hähberlin Reichsgefchicdhte. IV, 3 f.
Pier Geſchichte d. Teutſchen ILL. 18
27 Bud HL Erſter Zeitraum. Abſchnitt 3.
ihn noch unter keinem Fürftenbaufe geſehen; auch war ſchon
Vorkehrung getroffen, daß das zum Herzogthum erhobene
Stammiand Luxremburg nebſt dem Herzogthum Brabant
und Limburg nach ſeines Bruders Wenzlaws Tade an Boͤh⸗
men fallen ſollte; ein Laͤndergewinn ſchon unter dem Enkel
des Graven von Anembues, ber den oͤſterre ichiſchen noch
weit überwog, und auch auf biefen hoffte Karl vermöge ber
Erbverbrüberung, ſowie auf Ihlwingen und Meiffen. In gleis
cher Abſicht geihah vie Verheirathung feiner Söhne Wenz⸗
1370 Yaw, ber @rfigebome, erbielt Iohanna, Zochter von Herzog
17,309. Albrecht, Ludwig bed Baiers letztem Sobne, weldem Karl
zue BWachfolge in Holland ıc. nach dem Tode feines Bruders
Wilhelm geholfen hatte). Sigmund, Karld zweiter Sohn,
1372 wurde verlobt. mit Maria, Tochter 8. Lubwigd von Ungern
23. Mai. mp Polen, der zugleich auf ale Anfprüche Polens an Boͤh⸗
men und Gchlefien Verzicht that), Wenn Karl die Hoff:
nung hatte, daß durch Wenzlams Vermählung auch die bob
ländifehen Herrſchaften des baterifhen Haufes an das
Inremburgifche falten koͤnnten, fo iß diefe Hoffnung zwar
vereitelt werben; dagegen wurde bem Gigmund bie Nachfolge
1383 in Ungern und Polen zugefagt und ex erhielt fie auch im
erſtern Reiche. Zu einer falhen Macht ſah Karl fein Haus
auffteigen. Zu biefem Allen machte er noch viele Heine Er:
werbungen fir ben böhmilchen Lehenhof. Es trugen ihm
auf die Landgraven von Leuchtenberg ihre Schlöfler Blei
fein, Reichenftein und die Stadt Pegnitz; Heinrich Reuf von
Plauen dad Gebiet Reichenbach und das Schloß Drove; bie
Graven von Schwarzburg Hoyerswerda und Spremberg
in der Nieberlaufig; bie Graven von Wirtemberg von ih:
ven Landerwerbungen brei Burgen und Gtäbte nebft ihrem
Gebiet; Grav Eberhard von Werthheim Schloß und Stadt
dieſes Namend; die Edeln von Werle im Mecklenburgiſchen
die Schloͤſſer Parchim, Plauen unb Penzlin; die Kürten von
Medlenburg Stargard. Das waren Alobien welde
1) Mannert Gef. Weieens 1, 879 f. Pelzel KR. Wenceflaus. |
D) . |
9) Du Mont T.U. P. I. Nr. 71.
Karte IV. Berfuch eines böhmifchsteutfchen- Erbreichs. 275 =
lehenbar gemacht wurden, um Dagegen ben Schuß des Kais
ferbaufes zu. erhalten. Dann brachte Karl auch verfchiebene
Reihöghter, Dörfer und Pfanbfchaften in Böhmen und Fran:
fen an fich, : fo daß er den Reichstag zu Nuraberg ganz auf
eigenem Gebiet beſuchen Tonute ').
Solchen Gebrauch machte Karl IV. von bem in ber gol⸗
denen Bulle beſtaͤtigten Vorrechte der Kurfürften, „Reichölehen
am fih zu bringen". Wenn er auf ber einen Seite dem Kais
ferreich einen beträchtlichen Zuwachs verfchafft hat, indem ganz
Schlefien von dem polnifhen Reiche getrennt unb mit dem
teutfchen vereinigt worden: fo hat er auf der andern Seite
das teutfche Kurfuͤrſtenthum Brandenburg und einen Theil
des Pfaͤlziſchen, fogar mit Bewilligung der Kurfürften, da
body die Kurlande nach der goldenen Bulle unzertrennlich fein
foltten, den flavifchen Erblanden einverleibt und noch dazu -
viele andere teutſche Landestheile unter bie Oberherrlichkeit von
Böhmen gebracht, unangefehn daß er felbft in der goldnen Bulle
ausdrüdlich geboten, daß die Reichölehen und andere Güter,
welche die Kurfürflen an fich bringen dürfen, in ihren Ber
haͤltniſſen zum Reich nicht verändert werben follen 2).
So weit fam Karl IV. in Landerwerbungen. Seine
Handeldentwürfe gingen noch weiter. In den lebten Jah⸗
ven feiner Regierung befuchte er Lübed, die erſte Stadt des 1375
banfeatifchen Bundes, Seit Friebrich II. war Fein Kaifer in
ihren Mauern gefehen worben. Von biefer Zeit fcheint die
Lieferung von 12 Falken herzurühren, welche Kaifer und Reich
jaͤhrlich in ber Stadt zu empfangen hatten; denn Friedrich II.
war ein großer Freund der Salkenjagd. Karl IV. hatte biefe
Abgabe unlängft dem. Erzbiſchof Gerlach von Mainz angewie⸗
fen’). Das Jahr vor feiner Aust ertheilte ex der Stadt
1) Das Verzeichniß bei Gebhardi a. a. D. S. 489. K. Johann
war auch darin ſchon vorangegangen.
2) Karl entſchuldigt ſich auch einmal deshalb: „er wolle ſolche Les
hen von dem Reiche nicht zumahl entfremden mit ſeinem Schaden, ſon⸗
bern ſolche bei dem Königreich Böhmen, einem ehrwuͤrdigen Glied bes
Reichs, diefem mehr zum Frommen als zum Schaden verbleiben laffen”.
Pelzel 970.
3) Guden. Cod. dipl. ‚Mog. T. III. Nr. 310, p. 460.
18 *
276 Bud IM. Erfter Zeitraum.. Abſchnitt 3.
- 1374 ein Prieilegium wider das Strandrecht, ernannte bie Bürger:
25, März. meifter zu Reich svicarien und gab ihnen Befehl alle Fried⸗
-brecher und Räuber zu Waſſer und zu Lande, in aller Für
ſten und Herren Ländern aufzufuchen und zu flrafen ). Er
kam nun mit feiner Gemahlin und einem großen Gefolge und
wurde mit vielen Ehrenbezgeugungen empfangen. Hatte er ein
‚ mal die Sendboten der Stadt Straßburg nicht angehört, weil
fie in ihrer Rede anfingen, „unfere Herren von Straßburg”:
fö redete er nun im Gegentheil Bürgermeifter und Rath von
Luͤbeck als „Herren“ an; als fie aus Befcheidenheit diefen
Titel verbagen, ſprach er: „bie Regimentöperfonen von Lübed
wären Herren und Faiferliche Räthe”. Wenn Karl IV. Schmei:
chelworte gebrauchte, fo hatte ex immer feine Abfichten. Da
er fhon von Anfang feiner Regierung darauf bedacht war
‚ben levantifchen und italienifchen Handel nach Böhmen zu jie
ben, fo muffte er auf halbem Wege ftehen bleiben, wenn nicht
auf der. andern Seite die Handelöwege durch bie Ober und
Elbe bis zur Oft: und Nord⸗See ausgedehnt wurden. Die
Dder, bereits fchiffbar gemacht, gehörte faſt ganz feinen
Staaten an; den Heinen Überreft bis zu ihrem Ausfluß hoffte
er wohl noch von den Herzogen von Pommern, feinen Ba:
fallen und Bundesgenoſſen ?), zu erhalten. In Abficht der
Zwifchenländer, welche die Elbe von der böhmifchen Grenze
bis zur Altmark durchſtroͤmt, waren auch fchon Mafregeln ge:
troffen. In Meiffen befag Karl einige haltbare Plaͤtze am
Eibufer, Koͤnigsſtein, Pirna, Mühlberg. Bei der Lüneburgi-
fchen Erbfolge haben wir gefehen, wie ber Kaifer den fächfie
fen Kurkreis an fich zu bringen hoffte. Die Zürften von
Anhalt durften ihm auch Fein Hinderniß in ben Weg legen.
. Seit der Einverleibung der brandenburgifchen Lande war Tan:
germünde Karls Lieblingsaufenthalt. Hier wollte er eine Haupts
nieberlage fir Hamburg und Lübed errichten, und darauf gin
1) Dreyer de pin Lub. circa jus naufrag. 5. 4 Scheid.
Bibl. hist. p. 269.
2) 18, Mai 1374, Sanbniß Karis IV. mit den Herzogen von Pom⸗
mern zu gemeinfchaftlicher Wertheibigung beiberfeitiger Bande. Haͤber⸗
lin IV, 6,
L
Karis IV. Verſuch eines böhmifcheteutfchen Erbreiche.” 277
gen nun wohl bauptfächlich feine Verhandlungen in letzterer
Stadt. Er verweilte zehn Tage daſelbſt. Man glaubt, er habe
fih mit der Erwartung gefchmeichelt zum Haupt des hanſea⸗
tiihen Bundes erwählt zu werben. Dann würbe freilich die
norböflliche Hälfte des teutfchen Reichs in kurzer Zeit ein eis
gener Staat unter dem böhmifchen Haufe geworben fein.
Indeſſen erwieberten die Lübeder Höflicgkeit mit Höflich-
keit. Nachdem fie den. hohen Gaft Löftlich bewirthet, Tieffen
fie dad Thor durch welches er gegangen auf ewig vermauern,
damit, wie fie fagten, Fein Unbeiliger je wieder die Stelle
betrete, welche bed Kaiferd Buß berührt hatte °). Es ift auch
nah Karl IV. Bein Kaifer mehr in Kübel? gefehn worden.
b. Die Reihsflände;s Reich im engern Sinne.
3. Die BVerhältniffe im übrigen Reichsland unter
8. Karl IV.
Neue Fürſten und andere Stanbederhebungen.
StädtesEinungen. Überfiht ihrer bisherigen Auf-
nahme. Die oberteutfhen Städte Durchbruch
des Bürgerflandes durch Theilnahme ber Zünfte
an der Fädtifhen Verwaltung. Ritter-Einungen.
Karls IV. Shwantende Leitung Gewinn , der
Städte. Landfriedensbündniffe in den übrigen
Provinzen. Die Hanfe Vergleichung mit dem
oberteutfhen Städtebund. Höhepunct der Hanfe;
daͤniſcher Krieg Gebrehen. Berfchiedenheit der
Kaiferregierung im füdlihden und nörbliden
Zeutfhland. Der Zeutfhs Orden in Preuffen.
Bisherige innere und Auffere Zunahme deffelben.
Sortfetzung bes lithauifhen Kriegs. Gehoffte
weitere Verbreitung teutſcher Eultur in Nord—
of. Der Hohmeifter Kniprode. Die vornehmfte
Sriegsfhule Bon ber erfien Anwendung ber
Beuergewehre. Zufammenfaffung.
Den übrigen Reichsſtaͤnden, welche ihrer Lage nach in Feine
nähere Berührung mit Böhmen kamen, bewies fih Karl IV.
1) Sartorius Gefch. des hanf. Bundes. Th. II. ©. 135.
2778 Bud IL Erſter Beittaum. Abſchnitt 3.
meift als einen milden, nachfichtigen Kaifer: er war ziemlich
freigebig mit Reichsguͤtern und echten und fparte auch die
- Snadenbriefe oder Ertheilungen von Freiheiten nicht, wenn je
babei für ihn felbft oder die ihm ergebenen Fuͤrſten und Stände
ein Vortheil erreicht werben Fonnte.
De Zürftenftand, in der goldnen Bulle ganz mit Stils
fchweigen übergangen ober vielmehr nach dem Gegenſtande
derſelben ftilfchweigend von aller Theilnahme an der römifchen
Koͤnigswahl ausgeſchloſſen, wie er ed in der That ſchon war,
wetteiferte nur um fo mehr um bie übrigen kurfuͤrſtlichen Vor⸗
rechte, namentlich um gefchloffene Gerichtsbarkeit feis
ner Ierritorien; die Graven aber und bie andern Beinen
Herren beeiferten fich wieder den Fürften gleich zu Tommen;
wenigftend waren bie alten Graven, als Befiger von Fahnle>
ben, den Fürften gleich und gehörten zum hoben Adel. Die
neueren Erbgraven aber, ald Beſitzer von allerlei Beinen
Lehen und Alodien, lieffen fih vom Kaifer zu Fürften im
neuern Sinne erheben, indem ihre Herrfchaften oder auch nur
ein Theil dem Reiche zu Lehen aufgetragen oder zu gleicher
Stufe mit den bisherigen Reichöfahnlehen erhoben wurden.
Diefe Sitte hat eigentlich mit dem fhätern Reiche der Zeut:
fhen, gleih nah 8. Rudolf I, angefangen. Bei 8. Adolfs
1292 Wahl wurde der Landgrav Heinrich, Herr von Heffen, bei:
11. Mei ſen Haus häufig mit dem Erzbisthum Mainz im Kampf ges
wefen, zum $ürften ernannt; er trug die Stadt Eſchwege an
der Werra mit Zugehör dem Reiche zu Lehen auf, und ber
König ſchlug dad Schloß Bomeneburg dazu. K. Heinrich VII.
1310 erhob den Graven Bertold von Henneberg für feine Per:
Sul fon und Nachlommenfchaft zu fürftlicher Ehre und Würde,
fein Land hingegen blieb Gravſchaft. Ludwig der Baier gab
1339 dem Sraven von Geldern ben Zitel eines Herzogs mit Bei⸗
füuüͤgung ber Gravfchaft Zütphen; den Markgraven von Zuͤlich
verfegte er in den Fürftenfland. Unter Karl IV. nahmen über:
1349 haupt die Standederhebungen zu. Er ſchuf fünf neue Her⸗
1354 309€, von Medlenburg, Luremburg, Bar, Lüttich,
. 1356 Berg Diefe Fürften und Graven führten alfo mit ihren
1375 Landen gleihen Titel, wie bie Nachkommen der alten Groß:
berzoge. Auch gefürftete Gravfcpaften erkannte Karl an:
Das Reich u. d. Reihsflände unter Karı IV. 279
Dont a Mouffon und Raffau:SBaarbrüd !) Dem
Burggraven von Nürnberg beftätigte er eigentlich nur das 1363
althergebrachte Zürftenrecht. Dabei lieh er ihm die Bergwerke
in feinem Lande und geflattete Vererbung des Landes anf die
weibliche Linie im Fall des Abganges der männlichen ). Die
Sraven von Wirtemberg fragten für jetzt nicht ‚nach dem
Bürftens oder Herzogs⸗Titel, dagegen lieſſen fie fd, wie die 1361
Herzoge von Öfterreich, die Freiheit ertheilen,. daß ihre Unter:
thanen nicht vor amdere Gerichte gezogen werben binfen. Die
Markgraven von Baden beachten ihre fämmtlichen Herrſchaf⸗ 1362
ten, Alodien und Leben in Ein Reichslehen als Markgrav⸗
fchaftz aber jenes Vorrecht erhielten fie erſt 25 Jahre fpds
ter °). Endlich find unter Karl IV. auch Ybeläbriefe und ans
dere Stanbeserhöhungen wie in Frankreich übli geworden.
Waren bie Fürfien feit dem XAufblüben ber Städte
durch die Pfahlbürgeraufnahme in Sorgen gefest ihre Hins
terfafien zu verlieren, fo kam jetzt bie Reihe der Beſorgniſſe
an die Städte ober überhaupt an die Fleineren Stände, daß
fie unter die Gerichtsbarkeit und Landesherrſchaft der Fuͤrſten
gezogen werben möchten, nachdem bie goldene Bulle nicht nur -
die Pfahlkürger abgethban, fondem auch den Kurfürften eine
geſchloſſene Gerichtsbarkeit über die ihnen unterworfenen
Stände, Graven, Haren, Ritter, Dienflleute unb Bürger
zugeſtanden hatte, worin die andern Fürften, wie fchon be
merkt worben, ihnen nachthun wollten. Dieſer allgemeine
Ausdruck „unterworfen, unterthan“ konnte immer fo gedeutet
werden, daß nicht nur die welche zur Gerichtsbarkeit der
alten Gravſchaft gehoͤrten, ſondern auch ſolche Staͤnde,
über welche ſich bloß Heerbann, Lehendienſt, Vogtei
erſtreckten, dazu gezählt werben durften. Auf dieſe Weiſe
konnten die Füͤrſten auſſer ihren eigentlichen Hinterſaſſen
1) Gebhardi Geſchichte der erblichen Reichsſtaͤnde. J, 489. Eich⸗
born teutſche Staats⸗ und Rechts⸗Geſchichte. 5. 394. Note b.
D) Olenſchlager goldne Bulle. Urk. 43. 1365 verlich Karl dem
Burggraven alle elfaffifchen Zoͤlle und Anwartſchaft auf dortige Reiches
Ichen: Pelzel 763 f.
8) Geſchichte von Schwaben. IV, 90,
280 Bud II. Erfter Zeitraum Abſchnitt 3.
alle übrigen ald Landfaffen anfehen und in wahre Landes:
unterthbanen verwandeln, wie man Land» und Fuͤrſt en⸗
Gebiet fuͤr Eines nahm 5
Gegen dieſe Erweiterung der Land esherrſchaft oder
Hoheit war bei der Mangelhaftigkeit der Gerichte und uͤbri⸗
gen Reichsanſtalten kein anderes Mittel fuͤr die gefaͤhrdeten
Freiherren und Städte, als Rückkehr zu ben urſpruͤngli⸗
chen Einungen jedes Standes und ebenfalls zu moͤglichſter
Ausdehnung derſelben.
Da eröffnet ſich nun ein neues Feld für das oͤffentliche
Leben, für die Betriebfamkeit und Bedeutung der Stäbte,
fir den Unternehmungdgeift der Ritter, aber aud) m die
Politik der Fürften und bed Kaiferhaufes,
Die Städteeinungen, zuerſt nur theilmeife und vor⸗
uͤbergehend über einzelne Gegenden ſich erſtrekend, bilden all⸗
maͤlig zwei lange Linien von den Alpen bis in bie Nieder⸗
Iande und von der Süberfee bis zum frifchen Haff, nachdem
die dritte Linie oder vielmehr bie. erfte jenfeit ber Alpen, ber
Iombarbifche und tufcifche Staͤdtebund, feiner ſchon bemerkten
Auflöfung. entgegengegangen war. Die teutfhen Städte
geben jegt mit vergrößerten Bünbniffen voran, ihnen folgen
die Ritter, dann die Fürften. Die indeflen im Stillen
gepflegten Keime bürgerlicher Gewerbfamteit fangen an groͤ⸗
Bere Ergebniffe zu zeigen, fie greifen in die Gefchichte ein
und dehnen diefe auf das ganze Volt aus, nachdem jene ſich
geraume Zeit nur mit den Häuptern, Fürften, Landherren,
Geiftlichkeit, zu beichäftigen hatte.
In Abficht auf den Welthandel, feit den Kreuzzügen
bie Hauptquelle des ftädtifchen Wohlſtandes, unterfcheiden wit
zwei Hauptgebiete im teutfchen Reiche, das ſuͤdweſtliche und
das nordoͤſtliche. Für jenes find die zwei Hauptflüffe Do
nau und Rhein die eigentlichen Handelöwege, für dieſes bie
Elbe und Oder, für beide die Nord: und Oſt⸗See. Der
1268 Landweg nach Mailand und Venedig, wo ſchon frühzeitig ein
teutfched Kaufhaus entftand, ging durch die Alpenpäffe über
den Gotthard und Septimer. Augsburg, Nürnberg:
1) Eichhorn a. a. O. $. 89%.
Das Rei u, d. Reichsſtaͤnde unter Karl VV. 281
Regensburg, Bien find bie Hauptnieberlagen und Ver
bindungäglieber des norbifhen Hanbeld. Die bevoͤlkertſte und
wichtigfie Stadt bis Ende des zwölften Jahrhunderts war
Regendburg. Zu Kaifer Friedrichs II. Zeit wurde bier bie
erfte fleinerne Donaubrüde gebaut. Am Niederrhein erhob fich
Coͤln von den früheflen Zeiten an burd innere Einrichtun:
gen und Hanbelsüberlegenheit. Die norbifhen Städte wett⸗
eiferten als Eühne Seefahrer mit ben italienifchen; nach den
Kreuzzügen üiberlieffen fie biefen die Colonifirung der Infeln
und Küften des mittellänbifchen Meeres und thaten daſſelhe
in ber Oſtſee bis Rußland.
Die teutfchen Städte waren aber in Abficht ihrer Gruͤn⸗
dung und Verfaſſung von fehr verſchiedener Art. Bei einigen
war ber Grundherr der König, bei andern ein geiftlicher ober
weltlicher Landesfürfl, wieder bei andern ift bie Grundherr⸗
fchaft gemifcht und im Streite, bis bie eine ober die andere
das Übergewicht erhält. Noch verfchiedener find fie in Abficht
ihrer innern Einrichtungen und in der Ausdehnung berfelben.
Nach ihrer befondern Lage, nach ben verfchiedenen Gegenflän-
den ihrer Gewerbthätigteit erhalten fie mehr ober weniger Frei:
heiten d. h. Ausnahmen von der alten Gauverfaffung und
Landesherrſchaft und nähern fich alfo auf verfchiedenen Stus
fen der Selbfiverwaltung und einer gewiſſen Serbfiftänbigkeit.
Wir müffen und jedoch hier nur auf die allgemeine Überficht
beſchraͤnken.
Nachdem die Staͤdte unter K. Heinrich J. das Recht der
Befeſtigung und Vertheidigung, unter K. Heinrich IV. das
Waffenrecht im Felde erhalten, ſchritten fie fort das Recht der
Buͤndniſſe auf die duffere und innere Sicherheit zugleich aus⸗
zubehnen. Diefed Recht, urfprünglich vom Grundherrn ver:
liehen, warb zuweilen auch ohne ihn oder gar gegen ihn ges
übt. Beim Sinken des alten Kaifertbumd haben wir den An⸗
fang zweier größerer Buͤndniſſe auf den genannten Hauptli⸗
nien gefebn, den rheinifhen Bund und die Hanfe, je⸗
doch ſchon in ihrer Entſtehung verſchieden und noch mehr in
der weitern Entfaltung. Aus dem erſtern, von den Rhein⸗
ſtaͤdten gegruͤndet und auf Fuͤrſten und Herren als vorüber:
gehender Landfriedensbund ausgedehnt, während bie Hanſe in
282 Bud IT. Erfier Zeitraum. Abſchnitt 3.
gleichartiger Verbindung fortgefchritten, ſind nach feiner Auf:
löfung erft wieder befondere Städteeinungen hervorgegangen, -
die ſich waͤhrend der zwiftigen Koͤnigswahlen einem allgemei-
nen Bunde nähern. Der Schauplag find die aufgelöften Her:
zogthümer Franken und Schwaben, das Reichsland im engern
Sinne, wo größere Landherren fehlten oder fich erſt erheben
wollten, gegen welche fi) dann eben bie Beineren Stände in
ihrer Reichöfreiheit oder Unmittelbarkeit zu behaupten fuchen.
Mähren ber Wahlparteiungen von 8. Abolf an waren
die oberteutfchen Städte bald unter fich allein bald mit an:
dern Ständen in Verbindung, hielten aber gewöhnlich die
echt teutfche Partei gegen bie paͤpſtlichen Eingriffe. Dabei
find zwei befondere Mittelpuncte entflanden: ber eine mit klei⸗
nem Anfange gegen bie sflerreichifche Kandesherrfchaft in ben
drei fchmeizerifchen Landgemeinden (Walbflätten), welchen
dann auch Öfterreichifche Eandftadte und Reichsſtaͤdte bei-
traten, mit ber befondern Auszeichnung, daß der Bund gleich
von Anfang auf ewig gefchloffen wurde.
Der andere Mittelpunct von Stäbteeinungen war in
- Schwaben (Um, Eßlingen) gegen die Herrfchaft von Wir
temberg und einige andere Landherren. Dieſes Buͤndniß be
fand aus lauter Reihsftädten, beren Grundherr der Kai
fer war; nach Lage und Umfang aber konnte man einige mehr
„Aderftädte”, andere dagegen Manufacturftädte nennen; einige
befaßen oder erwarben auch ein größeres Landgebiet Die
Heinen an bie größern fich anfchlieffend fliegen allmälig mit
diefen zu einem gewiffen Umfange von Rechten und Freihei⸗
ten empor. . Aus dem Vertheidigungsſtande gingen fie ſchon
unter 8. Heinrich VII zum Angriff über, und fie waren mehr:
mald daran ganz Schwaben in ein ſtaͤdtiſches Gemeinweſen zu
bringen mit Entfernung des Adels und der Landherren, . wie
ed endlich dem Schweizerbunde gelungen. Bon den biſchoͤf⸗
lichen und gemiſchten Staͤdten trat Augsburg mit den
Nachbarſtaͤdten in Bund gegen den Biſchof ſowie gegen die
Herzoge von Baiern; die Rheinſtaͤdte von Coſtanz bis Chin
vereinigten ſich öfter mit den Reichsſtaͤdten im Elſaß und in
ber Wetterau, fowie die fränkifhen Reichsſtaͤdte gewöhnlich
den fchwäbifchen beitraten.
Das Reich u. d. Reichsſtaͤnde unter KarılV. 283
Unter dem Iuremburgifchen Haufe greifen nun diefe Einun⸗
gen immer tiefer in die Staatöverhältnifle ein und. bieten das
einfachſte Mittel dar die bisherige loſe Zuſammenſetzung zu
einer feſtern Verfaſſung zu bringen, wenn ai die Kaifer die
Aufgabe nicht einfeitig auffafiten.
Da Karl IV. gefehn, wie Ludwig IV. hauptſachlch durch
den Beiſtand der Staͤdte ſich emporgehalten, ſo war er eigent⸗
lich nur deswegen bereitwillig ihre bisher erworbenen Rechte
und Freiheiten in ihrem ganzen Umfange zu beſtaͤtigen und
vermittelte auch ſorgfaͤltig ihre Spannungen mit den Landherren.
Allein wie er feine Regierungsmaximen immer nach den Um⸗
ſtaͤnden gerichtet und eben ſo oft gegen ſeine eigenen Geſetze
ſich ausgeſprochen, fo wird nun dieſes ſchwankende Benehmen
vorzuͤglich in den Verhaͤltniſſen der Staͤdte kund. In der
goldenen Bulle muſſte er den Zürften zu gefallen die eigen»
mächtigen Stäbteverbindungen fowie die Aufnahme der Pfahls
bürger abthun. Da aber die Städte über biefe Verbote fehr
unzufrieden waren, fo muflte er ihnen wenigftend geflatten
fich theilweife wieder zu verbinden zum Behuf bed Landfrie 1359
bend. Ebenfo begünftigte er auch Die Schweizer gegen Öfterreich.
In den Städten felbft aber war faft Diefed ganze Jahr⸗
bundert hindurch große Gährung zwifchen den alten Ge:
ſchlechtern und den Zünften. Die reich und ſtark gewor-
benen Handwerksinnungen verlangten überall und faſt zu glei-
cher Zeit Antheil an der Städteverwaltung. Ihre urfprünglich
gewerbliche Vereinigung veränderte alfo ihre Natur, indem
fie zur Eriegerifhen und ſtaatsbuͤrgerlichen fich erwei⸗
tete. Und wiewohl ed dabei oft etwas unfanft berging, fo
muß man boch geflehen, daß ohne diefen Durchbruch Fein wah⸗
ver Bürgers oder dritter Stand aufgefonmen wäre, weil
die alten Gefchlechter fich zum Adel zählten, ob fie gleich we⸗
gem ihrer ſtaͤdtiſchen Rechte Bürger bieflen und den Gewerb⸗
fland ſchwerlich freiwillig der Vormundſchaft entlaffen haben.
würden. Worms, die erſte Stadt welche unter Heinrich IV.
das Waffenrecht erhalten hatte, ging auch hierin voran zu
Anfang des vierzehnten: Iahrhunderts. Die Übrigen Rhein-
fädte von Baſel bis Mainz blieben nicht zuruck; doch famen
die meiften erſt unter Karls IV. Regierung darüber in's Reine,
— — — — — — — —
284 Bud IH. Erfter Zeitraum. ul LS
einige noch foäter Je nach den befondern Irtlichen Verhaͤlt⸗
niſſen gelangten dann die Zuͤnfte unter verſchiedenen Formen
zur Theilnahme an den oͤffentlichen Berathungen. Das Alles
thaten die Städte für fich ſelbſt, ſelten mit Huͤlfe einer Nach⸗
barfchaftz; nicht einmal den Kaiſer wollten fie dabei einzeden
1360 laſſen. Als Karl IV. zu Eplingen Reichshof hielt und feine
Unzufriedenheit bezeugte, baß die Zunftmeifter, welde ſchon
zu Rudolfs J. Zeit ald Hauptleute der Bürgerbewaffnung auf⸗
geſtellt waren, immer mehr in die Stadtgefchäfte ſich mifchten,
erhoben die Bürger einen fo wüthenden Auflauf, daß der Kai⸗
fer durch den Garten des BarfüßersKiofterd in das Gebiet ber
Sraven von Wirtemberg ſich retten muſſte. Er flrafte Die
Eßlinger um 100,000 fl. und übertrug dem Graven Eberhard
die Vollziehung. So reich waren damals die Städte, daß
Gelbfummen welde jetzt ihren Ruin nach fich ziehen würden,
in kurzer Zeit verfchmerzt waren. Da jeboch ber Gran weiter
ging ald e8 der Kaifer wollte, indem er von der ihm ver-
fohriebenen Landvogtei einen ſolchen Gebrauch machte, als. ob
ihm des Reichs Unterthanen nicht bloß bebingungsweife fon=
dern als Landedunterthanen und für immer überlaffen wären,
fo muffte der Kaifer-den verbündeten Städten wieder felbft zu
Hülfe ziehen. Er feste etwas mildere Bebingungen, jeboch
nur auf feine Lebenszeit. Die Städte halfen fih nun auf
eine andere Art: fie befchloffen die verfchriebenen Steuern und
Nutzungen mit Ihrem eigenen Gelde einzulöfen. Dafür er-
theilte ihnen dann der Kaifer eine neue Verficherung ber Un⸗
1364 veräufferlichleit. Nachher, als die elfäffifhen Städte fich durch
Rüftungen gegen die böfe Geſellſchaft oder die englifchen Frei:
1365 beuter angegriffen, ließ fich der Kaifer bewegen ihnen gegen
bie goldene Bulle auch wieder Pfahlbürger zu geftatten. Es
ift zum QVerwundern, wie bie Bevölkerung der Stäbte in dies
fer Zeit zugenommen. Ungeachtet zu Anfang von Karld IV.
Regierung zu Straßburg 16,000 Menfchen an der Peft flarben,
fo konnte doch die Stabt fchon unter feinem Sohne Wenzlaw
wieder 20,000 wohl bewaffnete. Männer in's Feld fielen ).
1) Was auf eine Einwohnerzahl von 100,000 ſchlieſſen Läfft. Eben
fo hoch wurbe die von Nürnberg berechnet.
-
Das Reid u. 6. Reihsflände unter KarıIV. 285
Bei diefer Zunahme der Städte fah ber Ritterfland,
Daß es Zeit wäre auch durch engeres Aneinanderſchlieſſen fich
vorzufehn. Um bed Landfriedens willen hatte fihon Lubwig 1333
der Baier den Städten erlaubt fich mit den Rittern zu ver
Binden. Aber jetzt galt es gegen bie Städte wie gegen bie
Landherren, weil die Ritterfchaft von biefen beiden Seiten in’s
Sedränge kam. Ihre feitherigen Zurniergefellfchaften,
von alten Zeiten her nad) befondern Sinnbildern genannt, hats
ten die Erhaltung der Ehrbarkeit (des wahren Adels) und ber
guten alten Gewohnheiten zum Gegenſtand; jest nahmen fie
die Ratur Öffentlicher Bündniffe an wie die Zünfte, wel:
he gleichfalls ihre eigenen Zeichen führten. In Erinnerung
wie zur Zeit der hohenflaufifchen Kaifer die fchwäbifchen Lande
die hoͤchſte Bluͤthe der Ritterfchaft gefehn, dann in Betracht
wie jetzt bei Verarmung mancher alten Häufer bie größern
Kandherren durch Kauf und Lehenfchaft viele Herrichaften an
ſich brachten, merkten die zerfireut gefeffenen Herren, - Ritter
und Edelknechte, daß die Unterwerfung bald auch an fie kom⸗
men würde. Dad neue Zeichen, Schlegel ober Keule, wor
unter fie zufammentraten, zeigt, daß ihre Verbindung eigent=
lich Verwahrung gegen die Landeshoheit ber Fuͤrſten fein ſollte.
Zu ihrem Hauptmann ernannten fie ben Graven Wolf von
Eherflein. Ein kühner Ritter, Wolf von Wunnenſtein, ber
viele Beeinträchtigungen in feinem Erbe vom Haufe Wir: 1368
temberg erfahren hatte, führte fie zum Angriff unter Beguͤn⸗
fligung des Pfalzgraven Ruprecht, der dem Kaifer und dem
Graven von Wirtemberg abgeneigt war. Gran Eberhard rief
den Kaifer ober König von Böhmen als feinen Lehensherrn
zu Hülfe und erhielt auf deffen Befehl auch Zuzug vom ſtaͤdti⸗
fchen Landfrievensbunde. Hierdurch wurde der erfle Streit
zwar vertragen, bie Eiferfucht felbft aber nicht getilgt.
In Oberfchwaben hielten andere Rittergefellfchaften vom
Schwerdt und von der Krone zufammen gegen bie Stäbte
in Verbindung mit Geſchlechtern, welche über dem Streit mit
den Zünften audgetreten waren. Dies bewog den Kaifer den
Stäbtebund unter eigenen Hauptleuten oder Feldoberſten er»
neuen zu laſſen, als Gegengewicht gegen die Rittereinungen.
Aber diefe verfiärkten fih nur um fo mehr, unb dba ed gegen
2356 ‘Bud HL Erfier Zeitraum. Abſchnitt 3.
die Städte ging, fo machte der Stau von Wirtemberg gem
gemeinſchaftliche Sache; ſogar der Kaiſer bediente fich feine
wieder um die Staͤdteſteuern eimzutzeiben.
So wechſelte Karl IV. fo oft er es für gut fand, und
diefen Plan hinterließ er auch feinem Sohn. Dennod iſt ber
Iuremburgifche Zeitraum eigentlich ber, in weichen; bie Städte
ihren Wohlſtand und zugleich ihre Einwirkung auf Die öffent
lichen Angelegenheiten gegründet. Die Freiheiten welche bie
meiften Städte in biefer Zeit theild einzeln theils wit einans
ber erhielten, find: 1) volfländiges Stadtrecht; 2) Selbfibe
fleuerung; 3) Recht der Bündniffe, deö Kriegs und Friedens;
4) Befreiung von auswärtigen Gerichten (wie die Fuͤrſten);
5) Unveräufferlichleit vom Reiche, wiewohl die legtere Zufage
von Karl und Wenzlaw eben fo oft wieder gebrochen worden ').
Diefe oberteutfchen Einungen gaben dad DBeifpiel, nah
welchen Karl auch in andern Provinzen die Stände zufammens
4371 treten ließ, namentlich in Wefiphalen und am Nieberrhein.
Hier hatte er bereitö ben Plan vor Augen, nicht bloß bie eine
oder die andere Partei, ſondern alle Stänbe zufammen, geifl:
Aiche und weltliche Herren und Städte in ein Landfriedens⸗
bündniß zu bringen 2). Ebenfo verfündete er zu Prag einen
4372 Londfrieben, der ganz Böhmen und defien einverleibte Länder,
3. Mrz. auch Meiffen und Zhüringen in ſich begriff °).
In diefer Zeit erneuerte eine Anzahl banfeatifcher
Städte ihr Bündnis zu Coͤln in Beziehung auf ihren Krieg
1364 mit 8. Waldemar IIL von Dänemark; die erſte fchriftliche
Urkunde welche von ihrer Vereinigung vorhanden if. Sie
thaten bied für fih, ohne Ruͤckſicht auf Kaifer und Reid.
Überhaupt, ſoviel die Kaifer mit den oberteutichen Buͤndniſſen
zu thun gehabt, fo wenig ift dieſes der Fall bei der Hanfe;
dies erklärt fich theild aus ihrer verfchiebenen Natur und Ein
richtung, theild aus der damaligen Lage des Reiche.
Nicht al Reichsſtaͤdte, ſondern überhaupt als ſtaͤd ti⸗
ſche Koͤrperſchaften, gleichviel ob fie unmittelbar unter
1) Über das Ganze ſ. Befhichte von Schwaben. IV. Gap. n—rın.
2) De Ludewig Rel Mac. T. X. p. 289, 246.
8) Lünig C. G. d. T. L p. 398.
Das Reid u, d. Reihsftände unter Karl IV. 287
bem SKaifer ober unter Landherren flanben *), hatten bie norb-
teutſchen Städte die freien Kaufmannögefellichaften oder Han⸗
fen ihrer Buͤrger zu einer Hffentlichen Sache gemadt als
Grundlage des ſtaͤdtiſchen Wohlſtandes. Hierzu bedurften fie
nicht ſawohl Privilegien von Kaiſer und Meich ald von den
auswärtigen Stasten, wit welchen fie in Handelsverkehr
flanden; fa brachten fie es durch Unterbandlungen und Ges
ſchenke dahin, daß fie in England, Daͤnemark, Schweden,
Rußland pie. Rechte ber eigenen Landesunterthanen, alfo freie
Ein= und Ausfuhr erhielten. Dadurch beinächtigten fie fich
des ausſchließlichen Handels in der Oſtſee. Sie hatten Han⸗
deldcomptoird zu London, Brügge, Bergen, Nowogorod.
Ihre Berbindungen, Verſtrickungen ?) ıc. lauten von vorn
berein wie: die der andern teutfchen ober auch ber lombardi⸗
fhen Städte. Weehſelſeitige Hülfe in ber ſchutzloſen, fehde⸗
vollen, Zeit ifi die Hauptſache. Indem fie fih zur Ehre Got-
ted und zu Erhaltung der Ruhe und bed Zriedend verbinden
gegen männiglih, nehmen fie allein aus Kaifer und Reich;
auch leiſtet jede Stadt ihrem rechten Herm, was fie von Eh⸗
ren und Rechts wegen zu leiſten fehuldig ifl. Das. Recht aber
fih zu verbinden wird als unbeflritten vorausgefeht, ohne daß
fie wie die oberteutfchen Städte das Buͤndniß auf des Kais
ſers Zuftimmung ober Abkündung audfegen. Denn zeigt fich
in den befonderen Beftimmungen eine ganz verſchiedene Rich:
tung. Wenn die lombarbifchen Städte gegen Eingriffe bes
Kaiferd ober feiner Statthalter fih verbanden, bie oberteut:
1) Luͤbeck, Goslar, Dortmund waren allein vboͤllige Reichsftäbte.
Muͤhlhauſen und Nordhaufen flanden in entfernterer Verbindung mit der
Hanſe. Hamburg wurbe von ben Sraven von Holftein, Bremen vom
Biihofe, wenn gleich hoch privilegirt, als Landſtadt angefehn. In der
Folge erhielten aber viele hanſiſche Städte ſolche Freiheiten, nach wels
hen fie felbft bis auf das Wappen den Reichsftädten gleichlamen. ©.
mten Cap. 9.
2) Vorbunde, Vorstrikinge, Vorwithinge etc. Sartorius Geld.
des Hanf. Bundes. II, 12. In Cöln wurde 1258 verorbnet, wer einen
fremden Schiffer bei ber Übertretung eines gewiffen Gebots beträfe, follte
befugt fein ihn zu „hanfen” d. h. mit Rohr ober Binfen zu bin:
den. Hüllmann Gtädtewefen. I, 898.
288 Bud HI. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 3.
ſchen aber für ihre Unmittelbarkeit, beide alſo fir Erhaltung
ihres freien Standes und Gebietes unter dem Reid:
fo gehen dagegen bie hanſeatiſchen Verbindungen zunaͤchſt auf
‚Handelsfreiheit und erft in deren Folge auf ſtaats büͤr⸗
gerlihe Befreiungen. Die teutfchen Städte erhielten auch
Zollbefreiungen und andere Handelsvorrechte vom Kaifer ober
von den Fürften, aber das war ihre befondere Sache, nicht
die ihres Bundes; bei der Hanfe iſt dad umgekehrte Verhaͤlt⸗
niß: Hanbelöfreieiten waren Bwed des Bundes, unb Erwer⸗
bung flaatöblirgerlicher Freiheiten Sache der einzelnen. In
der Hanfe uͤberwog die Zahl der Landſtaͤdte die der Reiche:
ſtaͤdte weit.
Die oberteutfchen Städte machen fih zur Bebingung,
. daß Feine einzelne Stadt in Gtreitigkeiten mit dem Kaifer
oder den Landherren Etwad befchlieflen oder vertragen folle
ohne ben Stäbtebund; fie berufen ſich auf Austräge und er:
kennen die oberftrichterliche Gewalt des Kaiſers. Die Hanſea⸗
ten gehen dagegen frühzeitig darauf aus, in ihren Streitig⸗
Teiten mit den Landherren Beine anderen Schiedsrichter anzu:
erkennen als die Schweflerfläbte. Das war ber Weg zu ei-
ner unabhängigen Handelsrepublik. In biefer Eigenfchaft
treten fie bereits in Nebenbündnife mit auswärtigen und teut⸗
fhen Zürften, ſchlieſſen über Krieg und Frieden, ohne daß
Kaiſer und Reich weiter darnach fragen.
Der Handel war überhaupt Fein Gegenfland der Reichs:
verwaltung; er war Sache ber freien Xhätigkeit der
Stände und ber Gewerbe und konnte auch allein in biefer
Eigenfchaft gedeihen. Nur über Sicherheit der Straßen hatte
die Obrigkeit zu wachen, und wenn fie biefes nicht that, ' fo
halfen auch darin die Körperfchaften fich ſelbſt. Alfo fland
bie Hanfe eigentlich über ober auffer der Reichöverfaffung;
fie bewegte fich in einer mit biefer kaum in Beruͤhrung Toms
menden Sphäre. Die einzelnen Städte erhielten wohl auch
vom Kaifer und Reich befondere Rechte und Freiheiten; jeder
blieb es uͤberlaſſen mit ihrem Herm audzulommen; aber ber
banfeatifhe Bund ald folder war nie förmlich vom Kaifer
und Reich beflätigt, obgleich in einzelnen Verhandlungen als
Längft beftehend angenommen.
Das Reid u. d. Reihsftände unter Kari IV. 289
In dem fchon berührten daͤniſchen Kriege erreichte bie
Hanfe ihren Hoͤhepunct. Vergeblich fuchte ber vertriebene
8. Waldemar bei dem Kaifer und den teutfchen Fuͤrſten Hülfe.
Die Danfeaten eroberten Kopenhagen, Helfingör und andere 1368
fefte Schlöffer, wurden Herren des Sunbes und ber fchonifchen
Schlöffer, welche ihnen auf 15 Jahre verpfändbet werben muſſ⸗
ten; bie wichtigften Befigungen im Norden für ihren Handel
und Gewerbe, wobei auch wieder eine Schaar Lübeder fich
hervorgethan, wie vormals auf ben Kreuzzuͤgen. Der König
mufite bei feiner Ruͤckkehr die Verpfändung beflätigen und
noch dazu verfprechen, ohne Rath und Einwilligung ber Hans
ſeſtaͤdte duͤrfe nach ihm Feiner zur Krone von Dänemarl ge
longen , bevor er nicht die Verträge anerkannt haben wuͤrde.
Jetzt, Tönnte man denken, wäre es Zeit gewefen bie
Hanfe auch auf dem Zefilande zu ihrer Vollendung zu führen,
namentlich, nach dem Mufter der Lombarden, die Raubritter
zu unterbrüden, den Abel aufferhalb der Städte aufzulöfen,
innerhalb der Mauern unſchaͤdlich zu machen, den einzelnen
Bundesftädten ihre zweifelhafte Freiheit ficher zu ſtellen, uͤber⸗
haupt, wie die Schweizer, das. ohnehin kaum im Namen be
ſtehende Verhaͤltniß zum Reich allmälig auf die Seite zu ſchie⸗
ben und alfo die Hanſe zu einer ganz felbfiftändigen Macht
zu erheben.
Allein es lagen In ihrer Bufammenfebung felbft, zum Theil
vie bei ben oberteutfchen Städten, unter andern zwei bedeu⸗
tende Hinderniffe. Das eine, daß eben jetzt wie überall die
Handwerkögilden fich in bie Studtverwaltung einbrängten, und """
zwar meiſt mit noch größerm Ungeflim als in Oberteutfchs
land. Wenn hier bie Revolution fir bie innere Verfaſſung
ginflig war, fo haben dagegen die Unruhen in den Hanſe⸗
fädten die Untemehmungen nach auffen gehemmt; baher ifl
es ein Bundesartikel, ben die oberteutfchen Städte nicht has
ben, daß fie einander auch gegen die innern Ruheſtoͤrer zu
Hülfe kommen. Später haben diefe Unordnungen den Ein
wirfungen bed Kaiferd und Reichs mehr Raum gegeben und
fomit die Selbfifiändigfelt des Bundes aufgehoben. Das an⸗
dere Hinberniß lag in der Mangelbaftigkeit der Confoͤderation.
Diefe hatte zwar vor den oberteuffchen Ginungen noch ben
Pfiſter Sefhichte.d. Zeutfchen III. -49
29% Buch I Erſter Zeitraum. Abſchnitt 3.
Vorzug, daß ſie beſtaͤndig fortgeſetzt wurde, waͤhrend jene
haͤufige Unterbrechungen erlitten. Aber es war doch nur eine
Zuſammenſetzung von lauter beſonderen Buͤndniſſen, die bloß
durch die gemeinſchaftliche Natur ihres Verkehrs, nicht aber
durch eine Gentralgewalt beifammengehalten wurden, Die
Hanfetage waren dazu nicht hinreichend. Man zählte in die
fer Zeit an 77 norbteutfche und wenbifthe Städte, welche in
Quartiere abgetheilt waren. Aber jeder Theil hatte nach ſei⸗
ner verfchiebenen Lage ein verfchiebenes Intereffe; das der
binnenländifchen war nicht das der Seeſtaͤdte. Bald nıd
dem daͤniſchen Kriege brach die Eiferfucht zwifchen ben nieber:
laͤndiſchen und Oftfee-Stäbten in offene Fehde ans und hatte
zur Folge, daß mehrere holländifche fich für immer trennten
oder vielmehr den Grund zu einer eigenen Republik legten.
Dabei hatten die Städte die Freiheit in Nebenbünbniffe mit
andern nicht in der Hanſe befindlihen Städten zu trete,
wodurch bie Einheit noch größere Störungen erhielt. Ends
ich dam, wie wir fpdter fehen werben, dee Verluſt des Mo:
nopols in der Oſtſee.
Was dann noch die Kaiferregierung betrifft, To if
Norbteutfchland feit dem fächfifchen Kaifern in weiterer Ent:
fernung geftanben als bie ſuͤdweſtlichen Länder, welche wegen
ihred aufgelöften Zuſtandes die meifte Aufmerkſamkeit der Kai
fer erfoderten, bie hier auch als im eigentlichen Reichslande
ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten. Im Rorden machte fid
foft Alles von ſelbſt, fowohl in den Fürftenländern als in ben
1339 Städten. Einmal’ koͤmmt unter Ludwig dem Baier der Fall
vor, daß zur Sicherung ber Mark. Brandenburg mit den Han⸗
feftädten und den meiflen norbteutfehen Fürften ein Landfriede
auf ſechs Jahre geſchloſſen wurde. Die Beſtimmung der gold:
nen Bulle, daß die Staͤdte Feine Berbindungen ohne den Wil
len ihrer Grundherren eingehen follen, wird bier gar nicht in
Anwendung gebracht; fie war auch durchaus nicht ‘auf bie
- Handeldögefellichaften gegeben, fordern allein auf bie grund:
berriihen Verhaͤltniſſe des füblichen Zeutfchlands:
Erſt ald Karl IV. mit feineri Landerwerbungen im Res
nen war, wandte er den Blick allerdings auch auf die Hanfe.
Die beſondern Freiheiten die er der Stadt Lübe gab, fol
N
Das Reich u. d. Reihsftände unter Karl IV. 291
ten als Einleitung zu feinen weitern Planen dienen; aber bei
näherer Einficht der Bundesverfaſſung muffte er-fi bald übers -
zeugen, daß das was er von Reichs wegen nicht fodern könnte,
noch weniger freiwillig ihm aufgetragen werben würbe.
Wenn die Hanfe je einen Schirmherrn annehmen wollte,
ber dann auch die Leitung der Bundedtage an fich ziehen
tonnte, fo wäre es der Hochmeifler des Teutſchordens gewe⸗
fen, der ſchon bei der Eroberung Preuffens die Städte begim-
figte und jet in einem befondern Buͤndniß mit der Hanf
fland, vermöge deſſen er ſich auch bei austwärfigen Staaten
für fie verwendete. Allein dieſes Verhaͤltniß war doch nie ein
anderes als das eined mächtigen Alllirten, mit dem man fich
über gemetnfchaftliche Dlaßregeln, Pfundzoll ic. verſtand; ſo⸗
wie dagegen auch Falle vorfummen, daß der Orden in Streis
tigkeiten mit andern Mächten das fchiedsrichterliche Einfchreis
ten der Hanſe angenommen, ſich auch den Strafgefetzen der
Hanſe unterworfen bat ').
Am Zeutfhorden in Preuffen ſehen wir eine vom
Kaifer ind Papft gegründete, vielfältig beftätigte, zum römi«
fhen Reich gezählte Verbindung, die jedoch meiſt fich ſelbſt
überlaffen, in dieſem Zeitraume wie die Hanfe' ihre fchönften
Thaten gethan. Nach der Eroberung von Preuffen und dem 1283
bald darauf erfolgten Verluſt der Beſitzungen in Syrien er 1291
hielt dee teutſche Orden eine ‚ganz andere Richtung, bie wohl
ſchon bei feiner. Einführung in das kulmer Sand: dem verdien⸗
ten Hochmeiſter Hermann von Salsa vorgefehwebt: hatte. Die
Zempler "und JZohanniter befchränkten fi) auf ven Genuß ihs
rer in Europa zerſtreuten reichen Stiftungen; bie drei Orden
ertannten ‘einander kaum noch als Brüder, nachdem ihre ge:
meinfchaftliche Beſtimmung aufgehoͤrt hatte. Die Tempier
wurden, wie wir oben ſchon geſehn, das Opfer ihrer Reich⸗
thumer. Die teutſchen Ritter hingegen ſahen ein neues gro⸗
fe Feld für- ihre Shätigkeit vor fih. Die Lithauer und
Samaiten, ein bem preuffifchen verwandter Vettifcher- Volks:
ſtamm, lebten noch im Heidenthum und im ihrer urfprönglis
1) Das Ganze nad) Gartortws a. a. O. ee Bacato il
Preufiens. II, 871.
19%
292 Bud DL Erſter Zeitraum. Abſchnitt 3.
hen Verfaffung; folange fie nicht befehrt waren, Tonnte der
Orden auch ben Beſitz von Preuffen nicht gefichert halten.
Soo ging denn aus bem urfprünglichen Berufe bed Ordens,
. au& bem Kampfe gegen bie Ungläubigen im Morgenlande,
die gewaffnete Bekehrung ber im Heibenthum begriffenen eu⸗
sopäifchen Völker hervor, während ein großer Theil ber übri⸗
gen Statuten bes Ordens nicht mehr anwendbar” war.
Der Krieg gegen Lithauen mit feinen Zwifchenhand:
lungen nimmt, einen Seitraum von achtzig Iahren ein. Er
wurbe mit gegenfeitiger Erbitterung und Grauſamkeit geführt,
wie ehemals der Bekehrungskrieg der Sachſen. Bald kam
uch Krieg mit den Polen hinzu: zuerſt galt ed den Erwer
bungen, welche der Orden rüdwärtd in ben Weichfelgegenben
machte, dann feiner Unabhängigkeit überhaupt. Diefer Krieg
dauerte mit kurzen Unterbrechungen an zweihundert Jahre
alfo weit über den gegenwärtigen Zeitraum hinaus. In bie
fem auögebreiteten ſchweren Kampfe erhielt der Orden nid
-imper Unterflügung, obgleich die Belehrung der Lithauer ald
Sache der ganzen Ghriftenheit betrachtet wurbe. Anfaͤnglich
trugen fich die Paͤpſte immer noch mit Verfuhen zu Bie
dereroberung des Morgenlandes und fragten nicht viel nad
4294 den Heiden im Norden. Wenn Gölefiin V. und Bonifacius
4296 VIIL dem Orden einige Abgaben von ihren europäifchen Be
figungen nachlieffen, fo bielt man bad ſchon für einen Bei:
trag zu feinem neuen Kampfe. Der Erzbiſchof von Riga,
Grav Johann von Schwerin, verband fich fogar mit den Li⸗
thauern gegen ben Drben und fand auch an dem Papfl eine
Stuͤtze gegen benfelben. Ä
Dagegen erfreute fich der Drben des befondern Schutzes
der teiften Kaiſer, fowie er auch feinerfeits ihrer Sache
nicht geringe Opfer brachte. Schon wegen ber Anhänglichkeit
nn an K. Adolf gingen Orbensballeien in Italien vegloren, Wie
Heinrich VII. den Orden in der Erwerbung von Pomerellen
4310 ff. begünftigt, iſt ebenfalls ſchon oben erwähnt worden. Die Der:
1309 legung des Haupthaufes von Venedig nah Marienburg
war eine fehr gut gewählte Maßregel. Dieſe herrliche Zelle,
in ihrer Bauart einzig, war ber rechte Mittelpunct, aus wer
chem alle Unternehmungen mit größerm Nachdrucke geführt
Das Reihn. d. Reihsflände unter Karl IV. 293
werden Tonnten. Um fo dringender war die Vereinigung ber
eigenen Kräfte, da bei allen Zreiheitsbriefen der Kaifer doch
vom Reiche als folhem nie eine thätige Hülfe gegeben
wurde. Wenn Etwas gefchah, fo gefchah ed durch freiwillige
Shaaren von einzelnen Fürften und Herren, wozu manchmal
ah Engländer und Franzofen kamen. Inſofern that bie
Kiche eher Etwas als das Reich, wenn es gerade bie Päpfte
mit ihren andern Planen verträglich fanden bad Kreuz gegen
die Lithauer predigen zu laflen.
Beim Anfange des Kronftreites zwifchen Ludwig dem
Baier und Friedrich von Öfterreich war es befonders K. Jo⸗
hann von Böhmen, der dem Orden viele Gunft bewies. Da⸗ 1319
gegen verloren bie Ritter die Gunſt des Papſtes, als fie df- 1321
fentih auf Ludwigs Geite traten, als der Hochmeifter ihn
nah Italien zur Abſetzung des Papftes begleitete und der mus
thige Comthur von Coblenz, Berchtold von Buche, die Wahl 1326
eines päpftlichen Gegenkoͤnigs in Zeutfchland hintertrieb. Der
Dapft erklärte fich jeht in der Angelegenheit von Pommern
fin den König Uladiflav von Polen. Da er jedoch erſt
die Mark Brandenburg, Lubwigd des Baiern Erwerbung,
durch die Polen und Lithauer angreifen ließ, fo muflte ber
teutfche Orden noch gegen die Heiden im Felde gehalten wer:
den, und infoweit kam ed demfelben zu gut, baß einige Kreuz⸗ ,
fhaaren aufgeboten wurben, welche ihm gegen die Samaiten
zu Hülfe kamen. Der ritterlihe König Johann, der die Li⸗
thauer wieber abgetrieben und verfolgt, bebachte ben Orden
auf eine audgezeichnete Weile: als Prätendent von Polen vers
jihtete er auf Pommern; das von Polen abgenommene bos 1329.
briner Sand fchenkte er demfelben erſt zur Hälfte, dann über: 4. Apr.
ließ er ihm das Ganze buch Verlauf. So hatte denn ber 1330
Krieg mit Polen begonnen. Diefes Reich, auf deſſen Ge
biet (Mafovien) der Orden eingepflanzt worben, war bisher 1327
wegen feiner innen Spaltungen noch nicht furchtbar geweſen.
8. Albtecht I hatte noch eine Art von Oberhoheit darüber
behauptet, indem er feinem Schwager bem 8. Wenzlaw von 1330
Böhmen erlaubte daffelbe für fi) und das teutfche Reich zu
erobern. Allein Wenzlaw, ber bald darauf mit Albrecht ſelbſt
in Krieg gerieth, warb dadurch fo geſchwaͤcht, daß fein Sohn
In
ed
⸗
29 Bud IL Erfter Zeitraum. Abſchnitt 3.
Wenzlaw II. die polnifche Krone an oben gedachten Ulabi:
1305 flaus Loktek vom piaftifchen Stamme, Fafimirfcher Linie, zu:
rüdfallen laffen muffte. Diefem verlieh der Papft, dem Kai⸗
1319 fer Ludwig zum Trotz, bie Königswürde, wogegen K. Johann
von Seiten feiner Mötter, K. Wenzlaws Tochter, bie fchen
berübrten Anfprüche auf Polen machte. Uladiſlav behauptet
fich und führte den Krieg mit allem Nachdruck!).
Während eines kurzen Stillflandes mit Polen eroberte
ber Orden Riga, dann zog ee wieder gegen Uladiſlav zu
1331 Felde und erfocht bei Ploweze einen bebeutenden Sieg. Jetzt
Dec. erſt beflätigte Lubwig IV. bie Freiheiten des Ordens. Aber
Papft Benedict XII, vol Eiferd zur Verföhnung mit dem
Kaifer, zog den Drben ebenfalld wieder an fidh, indem er
1335 demfelben für die biöherige Bekämpfung ber ‚Heiden bie groͤß⸗
ten Lobfprüche ertheilte. Der Orden ergriff diefe Annäherung
in der Abficht den Frieden mit Polen zu betreiben. Die er
korenen Schiedörichter, die Könige von Böhmen und Uggern,
24. Rov. gaben ben Spruch: Kujavien und Dobrin follen an Polen
zurüdgegeben, Pommern hingegen dem teutichen Orden abge:
freten werden. Allein die Vollziehung dieſes Spruch bradıte
bald wieder neue Störungen.
Indeffen wurde der lithauifche Krieg fortgefegt mit Hülfe
neuer Kreuzfchaaren, an deren Spitze nach dem König Johann
der Herzog Heinrich von Baiern fich hervorthat, der bie Baier:
burg an ber Memel erbaute. Der Kaifer überbot jept ben
Papft an Gunftbezeugungen. Aus Dankbarkeit, dag ber Hoch⸗
meifter feine Ausföhnung am päpftlihen Hofe betrieben, ver:
lieh ex dem Orden dad ganze Land Lithauen, nebfl Sa:
1337 maiten, Karfau und Rußland, foweit ed die Hei:
Dec. den inne hatten, zu eigenem und ewigem Befige. Dage
gen fan die Sache des Ordens wieder bei dem päpfllichen
Stuhle. K. Uladiſlav brachte in Übereinfiimmung mit ben
polnifchen Bifchöfen hoͤchſt gehäffige Klagen vor und verlangte
fogar au die Lande zurüd, welche laͤngſt von Kaifern und
1) Gebharbi Geſchichte der erblichen Reichsſtaͤnde I, 222 f. Dei:
wo ze bes Reiche Boͤhmen. Allgemeine Welthiſt. LIL l,
ff. 91.
/
Das Rei u db. Reichsſtaͤnde unter Karı IV. 295
Paͤpſten dem Orden beflätigt waren. K. Ludwig befahl den 1338
Kitten vor Niemand als ihm Recht zu flehen, denn der Or⸗ Iul.
den fei von Kaifern und römifchen Königen geftiftet zu bes
‚Reih8 und des Glaubens Vertheibigung, und bie Be
ſchuͤtzung des Ordens ſtehe hauptfächlich dem Kaifer zu. Al⸗
lein da der Papft ein befonderes Einmifchungsrecht in die pol-
niſchen Angelegenheiten behauptete, weil das Reich der roͤmi⸗
fhen Kirche zinsbar fei und nach Gott ‚feinen Höhern auf
Erden über fich erkenne, und da die Nuntien, welche er ab:
geordnet batte, von K. Uladiſlav beflochen mit befonberer "
Steenge zu Berk gingen, fo konnte ber Orden nicht umhin
gegen das Verfahren der Nuntien an den Papſt felbft zu ap: 1339
peliven. Jene liefen fich jeboch nicht abhalten dem Orden zu
Sunften Polens alle biöherigen Eroberungen abzufprechen und
noch eine bedeutende Entihädigungsfumme aufzulegen. Der
Papft aber ließ fich wirklich beffer unterrichten und wollte eine
neue Unterfuchung vornehmen laffen. Allein der Kaifer, ber
in feiner eigenen Sache wieber in neue Schwierigkeiten vers ,
widelt wurde, Fonnte jett feinen Worten keinen weitern Nach:
druck geben. Dagegen traten‘ die Könige von Böhmen und 1341
Ungern wieber ald Vermittler zwifchen. dem Orden und dem
König Kafimir von Polen ein '). Zwei Iahre darauf murbe 1343
Friede gefchloffen unter den fchon früher auögefprochenen gegen» ul.
feitigen Abtretungen. ⸗
Muthvoll ward dann der lithauiſche Krieg fortgeſetzt.
Nach mehrern gegenſeitigen Überfaͤllen und Verluſten ſchlug
der Hochmeiſter Heinrich Duſemer von Offberg am Fluſſe
Straben den lithauiſchen Koͤnig mit ſeinen Bundesgenoſſen. 1347
Zu eben dieſer Zeit brachte der Orden vom König Waldemar 8. Febr
von Dänemark ganz Eſtland durch Kauf an ſich; er bezahlte
ihm dafür 19,000 Mark Silbers und dem Markgraven Lud⸗
wig von Brandenburg 6000 Mark Silberd wegen bed Braut-
Ihages feiner Gemahlin Margaretha; Alles mit Bewilligung
1) Das Ganze bis hieher hauptſaͤchlich nach Voigt Geſch. Preuſ⸗ /
fend IV. Band. Das Folgende nach Lucas David preuffifcher Chronik,
herausgegeben von Hennig. Thl. VI. De Wal Hist. de l’Ordre teut.
T. WM. Doaellii Hist, Ord. eq. teut. p. 32 sqq.
26 Bud UI. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 3.
EK. Ludwigs IV. Das war dad Letzte was dieſer Kaiſer für
den Orden that.
Welche Ausficht hatte jebt der Drben fir fene Macht
und Wirkfamkeit vor fich! denn er begnügte fich nicht mit Er⸗
werben; er gründete überall Burgen und Städte nach teut⸗
ſchem Recht, legte Schulen an, erhob. den Landbau, führte
Coloniſten ein. Wenn bie Unterwerfung der Lithauer voll-
bracht wurde, fo Eofmte teutfche Sprache und Sitte vom fin-
nifhen Meerbufen bis zum Dnieper, alfo weit in bas heutige
Rußland verbreitet werben.
1351 Dazumal erhielt der Orden an WBinrih von Kniprobe
einen Hochmeifter, der an Hermann von Galza erinnert. °
Kniprode fette den Krieg mit Kithauen fort, vergaß aber nicht
ben Orden in feinem Innern zu erheben und bie Landesver⸗
waltung nach allen XTheilen auf-8 .befte zu orbnen. Nach
K. Ludwigs IV. Tod fragte Niemand nach dem teutfchen Or⸗
1355 denz.erft im achten Jahre feiner Regierung beftätigte Karl IV.
13. Dec. pemfelben bie feit K Sriedrich IL. erhaltenen Freiheiten und
1356 Rechte. Das Jahr darauf aber erneuerte er auch feine De
3. Mai. fenſiv⸗Allianz mit K. Kaſimir von Polen, kraft deren er bies
fem mit 600 Helmen Beiftand leiſten follte. Zu dem Krieg
gegen die Heiden kamen von Zeit zu Zeit wieber freiwillige
1360 Schaaren. Aber Karl IV. glaubte von Seiten des Reichs
18. Dec, genug gethan zu haben, wenn er dem Orden zum Behuf des
lithauifchen Kriegs Steuerfreibeit in allen feinen teutfchen Be
figungen bewilligte '). Papft Urban V. hingegen wollte die
Tuͤrkenſteuer auch in Preuffen einziehen laflen, ungeachtet fein
Vorgänger den teutfhen und Johanniter⸗Orden davon ausge
nommen hatte. Auf bie flandhafte Weigerung der teutfchen
Ritter Sprach der Papft Bann und Interbict aus, und de fie
auch darnach wenig fragten, weil ihre Brod und Bier noch
ebenfo gut ſchmecke als vorber, fo foderte ex den K. Karl IV.
zu Vollgiehung bed Bannes auf. Nun kam die Sache zu
Unterhandlungen; Kaifer und Papft liefen ſich mit Gelb ab:
finden. Kniprode, der ftattliche Hochmeifter, fuhr in der Vers
waltung fott ald wenn er über einen unabhängigen Staat zu
1) Pelzel Karl IV. &. 601. 525, 671.
5 .
Das Reid u, d. Reihsftände unter Karl IV. 297
gebieten ‚hätte. Seine Kriegsmacht ſetzte er in einen furchts
baren Zuſtand. Lithauer, Ruffen, Zataren famen mit einem -
Heere von etwa 70,000 Mann. Er führte gegen fie 40,000,
Bei Rudau ohnweit Koͤnigsberg erfocht er einen großen Sieg, 1370 .
auf welchen ein vierjähriger Stilftand folgte. Nach feinem
Ablaufe kamen auch wieder Hülfsihaaren aus Zeutfchland,
namentlich unter H. Albrecht von Üfterreich. Im Zodejahre 1378
Karls IV. wurde wieder ein Stülftand gefchloffen.
Das war der ruhmvollſte Zeitraum bed Ordens in Preuf:
ſen. Unter fortwährenden Kriegen geſchahen im Innern große
Verbeſſerungen. Damals war es als mit der Hanſe das oben
gedachte Schutzbuͤndiß gehalten wurde. Danzig, meiſt von
Zeutfchen- bevoͤlkert, kam in großen Wohlſtand. Kniprode
vermehrte bie Seemacht mit acht Kriegsſchiffen gegen die Sees
sauber. Polen, Ruffen, !ithauer brachten ihre Waaren in
preuflifche Häfen; Britten, Slanderer kamen zum Austaufch.
Ackerbau und Landwirthichaft blühten. Damald wurde Wein
in Preuffen gebaut wie in Böhmen. Auf dem Lande entftans
den Schulen; höhere zu Königäberg unb Marienburg. Knip⸗
rodes Nachfolger gründete eine Univerfität zu Kulm. Der
Oden zählte viele Gelehrte; in jedem Convent muffte ein
Juriſt und ein Theologe fen. Schon unter Dem vorigen Hochs
meilter, Luther von Braunfchweig, war Marienburg der Sitz
dee Sänger und Dichter, wie einſt die Wartburg in Thuͤrin⸗
gen zur Zeit Hermanns von Salza. Was alfo bei dem Adel
in Zeutfchland bereit erlofchen fchien, das lebte in Preuffen
wieder auf. Man berechnet, daß ber Orden bamald in Preufs
fen und den bazu gehörigen Landfchaften wenigftend 2 Mils
tionen Einwohner hatte. Er befaß 55 Städte, 19,108 Doͤr⸗
fer, 2000 Höfe, 48 wohl verfehene Schlöffer, welche zufams
men 800,000 Mark ober 16,000 ungerfche Gulden an jährlis
hen Einkünften abwarfen, ohne die übrigen Heinen Nubuns
gen und Gefälle. In einem Jahrhundert hat alfo der Orden
das alte Bernfleinland aus feinem wilden Zuflande zu einer
Blüthe gebracht, welche manche teutfche Ränder kaum aufweis
fen konnten. Hier war Feine Lehensanarchie; von hierarchi⸗
hen Befchränkungen wuſſte ſich der Orden ziemlich fern zu
halten. „Ladet man. euch vor ben Kaiſer“, hieß es, „fo ſteht
—
- 298 Bud IN. Erfier Zeitraum. Abſchnitt 3.
ihr unter dem Papſt; verklagt man euch bei diefem, fo ſteht
ihre wieber unter dem Reich”. Handel und Gewerbe, fonft
überall vom Ritterſtande gebrüdt, wurden duch Den Orden
am meiflen gefördert. Alles zu Einem Iwede. Die ehelofen
Ritter hatten ffir Feine Nachkommenſchaft zu forgen, fie tonn:
ten ſich alfo mit ihrem Einkommen begnügen. Der Bauer
war nicht leibeigen. Auch tm Kriege blieb er bei feinem
Pfluge; nur in Nothfällen ftellten zehn Bauern einen Reiter.
Beiondere Auflagen Fonnten nur mit Zuſtimmung der Capitel
und der Staͤdte gemacht werben. Im ber Regel trug Alles
der Ordensſchatz mit feinen Zuflüffen aus den andern Pro
vinzen. So ſtreng bie Sweat), fo gemeflen die ganze
Landesverwaltung.
Der teutfche Orden war bie vornehmfte Kriegsſchule,
denn ein ſolcher ſtehender Krieg und ein ſolches ſtehendes
Heer war nirgends zu finden als in Preuſſen. Auſſer den
erſten Wuͤrdentraͤgern zaͤhlte man 28 Landcommenthure, 46
Hauscommenthure, gegen 800 Ritter, 2000 Bruͤder, 6000
Knechte.
Nach den Landeschroniken ſind in den Kriegen des teut⸗
ſchen Ordens die erſten Donnerbüchſen oder Bombarden
gebraucht worden. Wenn auch die Zeitangaben etwas unficher
ſind, ſo iſt doch erfichtlich, daß in der Umwandlung des Kriegs⸗
weſens durch die Anwendung des Schießpulvers der Orden
nicht zuruͤckgeblieben iſt. In der Bearbeitung des Materials
hingegen gebuͤhrt das Verdienſt dem Kunſtfleiß der teutſchen
Staͤdte. In der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts findet
man auf einmal auf ganz entgegengeſetzten Puncten, zu Augs⸗
burg, zu Löwen, zu Lüuͤbeck die erſten Nachrichten von Don⸗
nerbüchfen. Dies fegt wohl mehrjährige Verfuche und Bor:
bereitungen voraud. Wenige Erfindungen fliehen glei im
Anfang in ihrer Vollkommenheit ba; am wenigſten biefe, eine
der folgenreichften. Es iſt ein allmäfiger Übergang von ber
alten Kriegdart zu der neuen. Feurige Geſchoſſe, Pfeile, gli:
hende Kugeln kommen fihon in frühern Zeiten vor; eben fo
große Steinfchleudern '). Entzündbare Stoffe zum Sprengen
1) Solche Kriegsmaſchinen hatten bereits den Namen Artillerie.
Das Reich u. d. Reihsflände unter KarıIV. 299
ver Bergwerke waren wohl auch fchon befannt. Man wuflte
fhon, vielleicht feit Roger Baco, daß die Mifchung von
Selpeter, Schwefel, Kohlen Feuer und Knall hervorbringe;
aber die Entdedung, daß dadurch fchwere Körper geworfen
werden, fchreibt die allgemeine Sage dem Srancifcanermönd
Bertold Schwarz zu. Durch Zufall foll ein Feuerfunke
in den Mörfer mit jener Mifchung gefallen fein und ben bars
aufgelegten Stein bi8 an die Dede des Zimmers emporge
worfen haben 2). Das führte dann auf den Gedanken mes
tallne Mörfer auf folche Weife zu laden flatt der Steinfchleus
den. Ein neues Feld für die Geſchicklichkeit ber teutfchen
Zeuerarbeiter. Die Erfindung verbreitete fich fehnell bei ben
Städten. Zuerſt wurden große Mörfer gegoflen, welche cents
nerſchwere Steine warfen. Zu Augsburg fing man an auch
metallne Kugeln zu gieſſen. Bon Lübel weiß man, baß bie
Pulverbereitung ſchon in's Große getrieben wurde; durch Uns
vorfichtigfeit der Arbeiter flog das Haus mit dem Vorrathe
in die Luft. Daß gekörntes Pulver flärkere Wirkung habe
als dad gemahlene, warb fpäter entbedt. Dann wurden auch
fleinere Büchfen, Zeldfchlangen, gegofien, bie fich leichter fort:
bringen Tieffen. Handrohre kamen noch fpäter auf. Noch ges
raume. Zeit blieben Armbrüfte die gewöhnlichen Gefchoffe der
Zußgänger und Reiter. Alfo gefchab der Übergang von der
alten Kriegsart zur neuen nur flufenweife. Die oberteutfchen
Staͤdte brauchten die Donnerbücfen bei VBelagerungen, die
Hanfeftädte führten fie auf den Schiffen ein. Die teutfchen
Ritter haben nach der Sage zuerſt in Feldichlachten Gebrauch
davon gemacht. Die Städte hielten die Pulverbereitung ans
fänglih geheim, und man hatte überhaupt eine gewiſſe Scheu,
die neuen mörberifchen Werkzeuge, welche mit der alten reblis
hen Kriegsart im Widerfpruch zu flehen fchienen, in Anwen⸗
dung zu bringen. Die Hanſeſtaͤdte emeuerten öfter die Ver⸗
ordnung, daß Fein freier Handel mit Feuergewehren, Buͤch⸗
fenfraut und Loth in Fürftenländer getrieben werbe, als hätte
1) Gassari Annales Augstburgenses in Mencken. scrr. T.
— 1491. Polydor. Vergilius de inventoribus rerum, Lib, IL
p. 11.
1354
1372
1361
00 Buch III. Erfter BEIDEN Abſchnitt 3.
ihnen bereits geahnet, daß dadurch ihr Untergang befchleunigt
werden würbe ?).
Wenngleich in anderen Ländern, befonders in Frankreich,
bie Donnerblchfen bald verbreitet und verbefiert wurden, fo
iſt doch die Ehre der Erfindung einflimmig den Zeutf hen
zugefchrieben worden. Soweit bie italienifhen Städte im
Übrigen voraus waren, fo haben doch bie Benetianer zu ber
Zeit, da die augsburger Gieffereien in Gang famen, bie erſten
1378 Dormerbüchfen und Biüchfenmeifter aus Sübteutfchland erhal:
ten, um ihre Slotte gegen die Genuefer bamit zu bewaffnen ?).
Wir kehren zum Hauptfaben unferer Gefhichte zurüd.
Im ganzen Norden von Teutichland bis zur ruffifchen Grenze
haben Waffen, Schifffahrt, Handel in freien Unternehmungen
Fortgang gehabt, während im Mittelpuncte des Reichs ein
Paar Häufer um die Oberherrfchaft geftritten, enblich das fie
genbe auf Gruͤndung einer Hausmacht, eines flavifchen Erb⸗
reichs im Oſten, fich befchräntt bat. Faſt ebenfo find bie
ſudweſtlichen Reichsſtaͤnde ſich uͤberlaſſen geblieben. Dadurch
iſt an beiden Enden ſelbſtthaͤtige Entwickelung gefoͤrdert wor⸗
den; dort in Coloniſirung, Heidenbekehrung, Verbreitung teut⸗
ſcher Landwirthſchaft, teutſcher Stadtrechte und Sitten; hier,
wetteifernd mit den nordteutſchen Staͤdten, Gewerbfleiß, Han⸗
delsbetriebſamkeit, Erfindungsgeiſt, überhaupt mitten unter
den vielen Fehden Nationalwohlftand und Selbftgefüht.
Aus dem Ganzen ergiebt fich, in welchen verfchiebenen,
theils nähern, theils entferntern, theils faft ganz unabhängis
gen Verhältniffen die Staaten und Stände Teutſchlands be
mals zu Kaifer und Reich geflanden find. Während die Für:
ften nach Vermehrung ihrer Hausmacht und Landeshoheit
getrachtet, blieb dem übrige unmittelbaren Reichslande,
dem Herren» und Bürger-Stande in feiner Zerſtreutheit nichts
Anbered übrig als buch Einungen ſich zu ftärken. Wenn die
1) Sartorius aa O. ©. 18,
2) Das Ganze nad) zwei Abhandlungen von Sram und Temler
‘in Heinzens hiſtor. Abhandl. d. Geſellſch. d. Wiſſenſch. zu Kopenhagen
ZH. I. Zu den neueften gehört ©. v. Deder Geſchichte des Geſchuͤt⸗
weſens. 1828,
Das Reich u. d. Reihsflände unter Karl IV. 301
Freiheiten ber Stände, als Ausnahmen (Privilegien) von ber
allgemeinen Grundverfaſſung erworben,. überall auf Vereinzes
lung führten und dem Kaifer nur die Oberaufficht, mit feltes
ner unmittelbarer Einfchreitung blieb, fo muſſten die Einuns
gen wieber eine feftere Zufammenfegung des Ganzen bringen
c. Fortfetzung vom luxemburgiſchen Hauſe.
4. Verletzung der goldenen Bulle und der frankfurter
Satzungen bei K. Wenzlaws Wahl.
Erkaufung ber Kurfürſten durch Reichsgut. Des
müthige Einholung ber paͤpſtlichen Erlaubniß
zur Wahl bei Lebzeiten des Kaiſers, ſowie deren
Befätigung, welche jedoch hinausgeſchoben wird.
Rücktritt Karls IV. auf bie Seite ber zu den Wahl⸗
toften verpfändeten Städte Zurücknahme aud
der den Zürften verliehenen Zölle und übrigen
Prandpfchaften. Ermäßigung ber Grundruhr. Ver⸗
leihung des arelatifhen Reichsvicariats an ben
Daupbin. Sleihzeitiger Verfall des Kaifertbums
und Des Papſtthums. Überfiht von Karls IV.
Regierung.
Ars wos Karl IV. im Bisherigen für das Verhaͤltuiß (due
Erblande zum Reich ober bed Reichs zu jenem gethan, ö
vergeblich, wenn das Kaiſerthum nicht bei feinem ‚Haufe —*
In dieſem Fall muſſten die Landerwerbungen ebenſo wieder ver
loten gehn wie die des baieriſchen Haufes. In jenem Fall
hingegen, wenn das luxemburgiſche Haus den teutſchen Thron
behielt, konnte das Bisherige nicht nur feſtgeſtellt ſe ondern
auch fortgeſetzt und alſo am Ende Teutſchland noch in ein
eigentliches Erbreich gebracht werden. Derſelbe Plan den ſchon
K. Albrecht I. vor Augen gehabt und für welchen jetzt Karl IV.
nah dem Vorgange Frankreichs Alles aufbieten zu duͤrfen
glaubte.
Seit der Wiederherſtellung des Reichs durch K. Rudolf J.
beſtanden die Kurfuͤrſten mit dem Papſte darauf, zu Behaup⸗
a
302 Bud MI: Erfter Zeitraum. Abſchnitt 3
tung der Wahtfreiheit, Leinen roͤmiſchen König bei Lebzeiten
des Kaiferd zu wählen. Daher ift auch dieſer Fall in Der
goldenen Bulle ganz mit Stillfchweigen übergangen; vielmehr
wird immer vorausgefest, daß bie Wahl erft bei wirklicher Er-
lebigung des Thrones gefchehen folle. Doc war das Gegent-
theil nicht ausbrüdtich verboten; alfo durfte Karl IV. endlich
wohl den Verſuch machen, nachdem er biöher Alles gethan
- am fich der Kurfürften zu verſichern. Die Erzbifchöfe hatte
et immer mit Schonung und Auszeichnung behandelt; von
den weltlichen Stimmen führte ex felbft die erfle und bie lette: |
die fachfen-wittenbergifche dankte ihm ihre Beſtaͤtigung; in
1375 Abfiht der andern war er auch nicht in Sorgen. Alſo ſchlug
er num geradezu feinen älteften,. jest vierzehnjährigen Sohn
Wenzlaw, ben er ſchon im zweiten Jahr zum König von
Böhmen hatte kroͤnen laſſen, zum roͤmiſchen König vor und
erreichte feine Abſi cht auf folgende Beife.
Ungeachtet der Wahleid in ber galbenen Bulle den Kur
fürften zur Pflicht macht ihre Stimmen nach. beftem Wiffen
und Gewiſſen auf den tauglichſten Mann zu richten, ohne
irgend einen Vertrag, Sokd, Preid oder Berfprechen ‚,
verfichern doch die gleichzeitigen, Geſchichtſchreiber einſtimmig
daß Karl die Kurfuͤrſten durch große Geldfummen 1), nach
einigen jeden mit 100,000 fl... gewonnen habe. Bon den Ber
trägen iſt zwar nur einer vorhanden, aber biefer laͤſſt mit
Necht auf die ‘andern ſchlieſſen, Dem Kurfürften -Gune-von
Trier uͤberließ Karl die reiche Abtei Prim zur Einvrtleſbung
mit dem Erzſtift und ſchlug auf die bereits ſtehende —*
ſchaft auf‘ Boppard und Weſel 'nuch weitere 10,000 Mark
Silber 2). Der neue- Kurfhrft Friedrich von Chin, Nette des
frierifchen, hatte dieſem fchon voraus verfpeochen hel der roͤ⸗
mifchen Koͤnigswahl mit ihm zu flimmen >). Der mainzer
„Stuhl war noch im Streit zwifchen Ludwig vun: Bhhringen
und Abolf von Naffau. Kür jenen erflärte ſich ber Kaifer
nebft den Furſten, und war alfo feiner Stimme ‘auch gewiß;
1) non sine magna pecunia, Albert. Arg.
2) Hontheim Hist. Trevir. dipl. T. II. Nr. 76 29a.
$) HontheimL c. Nr. 734 sq.
Benzlams Wahl und Karls IV. legte Zeit. 303
diefem aber ließ er unter bem Vorwand ber zwilchen Böhmen
und Mainz beftehenden apa. 2 durch Wenzlam einen
Reverd ausftellen, daß er, went er römifcher König werde,
weder ihn noch den: von ihm befegten Theil des Erzſtiftes
feindlich uͤberziehen wolle, (d.h. daß die Zurückſetzung bei ber
Wahl feinen Rechten keinen Nachtheil bringe) '). Dem Pfalz
graven Ruprecht wurbe die Pfandfchaft von Kaiferslautern,
Oppenheim, Odernheim und Ingelheim überlaflen*). Karld
Verhandlungen mit den rheinifchen Kurfürften zeigen alfo bie
Fortſetzung Der vormaligen Gapitulationen auf Koften der Rhein⸗
zölle und anderer Reichörechte. Eine zweite Thatſache iſt, daß
Karl eben jetzt neue Schabungen auf bie Reichsſtaͤdte legte,
um bie erfoderlichen Summen aufzubringen, wobei auch ans
dere Kürften bedacht wurden, wie Grav Eberhard von Wir
temberg, fomwohl für die Beitreibung der Gelder ald für bie
Bereitwilligleit dem 8. Wenzlaw zu huldigen?). Auffer ben
Kurfürften konnten die Herzoge von Öfterreich und der Burgs
grav Friedrich von Nürnberg die meiften Schwierigkeiten mas
hen. Der Kaifer Iud deshalb Beide zu fih nah Eger und
ließ ihnen Durch feinen Sohn dad Verfprechen geben, wenn ex
timifcher Koͤnig werde, alle ihre Neichslehen, Freiheiten und
Rechte zus beflätigen; zudem verlobfe er feine jüngfle Tochter
Margaretha: dem. Sohne des Burggraven; worauf diefe Für
fen die Verficherung gaben, daß fie Nichts gegen ae
Wahl einwenden wollten *).
Über dies Alles lieg Karl von Nürnberg aus einen offes
nen Brief in das Reich ergehen, worin er noch befonders bie
Einwendungen wegen Wenzlaws Jugend zu widerlegen fucht.
„Die Söhne regierender Herren”, fagt er darin, „muͤſſten mit
foeiel Sorgfalt erzogen werben, baß fie im fiebzehnten Jahr,
worein Wenzlaw jeht getreten war, mehr als andere Men⸗
Ihen in höherem Alter wifien Eönnten; dabei wäre zu
1) Guden. Cod. Mog. dipl. T. IH. Nr. 337.
d) Winde Geh. K. Sigmunds in Mencken sa. T. J. p-1 1076.
3) Gefchichte von Schwaben IV, 134.
4) Pelzel Lebensgefchichte des roͤm u. böhmifchen K. Wenceflaus
1, 4, ur. 12. —
ter ala andere wären
4
304 Buch III. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 3.
glauben, daß Gott den Prinzen ſolcheSeelen ver—
leihe, welche ihrer de gemäß und aufgellär
Er derweil auf Salomo und
andere Könige im alten Teflament. Dann beruft er ſich auf
bie Minderjährigkeit Kaifer Dttos III. und Heinrichs IV. Zu:
gleich macht er ben Reichsfürſten bemerklich, welche Vortheile
fie fih davon verſprechen dürften, wenn die kaiſerliche Wuüͤrde
bei einem Haufe bliebe, das mächtig genug wäre den Feinden
des Reichs Widerfland zu thun, die innen Unruhen zu daͤm⸗
pfen und Fürften und Städte bei ihren Gerechtfamen zu en
halten °). Dabei war Karld befondere Abficht, auch bie letz⸗
teen Stände, die bereits im Begriff waren fich gegen die be⸗
vorſtehenden Verpfaͤndungen zu verbinden, in guͤnſtiger Mei⸗
nung zu erhalten?).
Indeſſen erinnerten fi die Kurfürften bei aller Bereit-
willigkeit gegen den Katfer bes frühern Einverfländniffes mit
dem Papfte und verlangten alfo, daß Karl ausbrädiich deſſen
Erlaubniß nachſuchen ſollte. Wiewohl die goldene Bulle gar
Nichts davon enthält, die frankfurter Sagungen aber gerabezu
wiberfprechen, fo erniedrigte fich doch Karl foweit, baß er
förmlich den Papſt um die Erlaubnig bat bie Wahl vorneh⸗
4376 men laffen zu dürfen. Da er auf das erſte Schreiben nicht
6. März. einmal Antwort erhielt, erließ er ein zweites, worin er bie
4, Apr.
Srimde wiederholt, die ihn bewogen fich mit den Kurfuͤrſten
barüber zu verftändigen: namentlich baß er bei: zunehmendem
Alter eine Stüge brauche und kuünftigen Wahlumtrieben und
Serrhttumgen des Reichs begeguen wolle,. (womit er beildufig
zugefteht, daß die Beflfehung ber Wahlſtimmen in der golbenen
- Bulle noch keine hinreichende Sicherheit gewaͤhre). Aus:
druͤcklich aber gefleht ex dem Papfle, daß biefe Wahl bei fei-
nen Lebzeiten nicht ohne deſſen „Senehmigung, Zuflimmung,
Gnade und Gunſt“ gefchehen bürfe, und bittet alfo ehrerbie
- tig und demüthig um biefelbige?). -
8, Mat,
Das nimmt denn Pr ber Papſt in feine —— auf,
1). Pelzel X. Karl IV. e 897.
2) Gefchichte von Schwaben IV, 134.
8) Raynald. ad a. 1376. $. 13 qq. _
Wenzlaws Wahl und Karls IV. letzte Zeit. 308
indem er das ganze Faiferliche Schreiben von Wort zu Wort
wieberholenb fagt: von Recht wegen koͤmme und bürfe allem
dings Die Wahl bei Lebzeiten des Kaiſers ‚nicht vorgenommen
werden; doch da man unter Gottes Beiſtand das Belle des
Reichs dadurch erreicht zu fehen hoffe (in der. That aber weil
Gregor XI. zur Zurückverlegung des paͤpſtlichen Stuhls nach
Rom des Kaifers Beiſtand wünfchte) ').. fa. wollte er fürn .
diesmal, nach fleiffiger Erwägung mit den Garbindien, feing
Genehmigung, Zuflimmung, Gnade und Gunſt aus apoflo«
liſcher Machtoolltommenbeit . ertheilen, ohne jedoch hierdurch
den Kurfuͤrſten für die Zukunft ein Recht eingmäumen en
der roͤmiſchen Kirche Etwas zu vergeben ?).
Nun wurden in Wenzlaws Namen zwei Kbgeorbneis
an den Papft geſandt, welche verfprechen muflten, daB ex
Aes ſchwoͤren und halten wolle, was fein Vater und
Urgroßvater dem apoſtoliſchen Stuhl zugefagt und geſchwo⸗
sm, fobalb er zum römifchen König erwählt fein winde. Der
Papft nahm das an und fandte Dagegen feine Botfchafter nach
drankfurt, in deren Hände Wenzlaw kurz vor der Wahl ver
möge einer ausführlichen Urkunde gelobte, Alles. was Deins
ih, der legte Kaifes, fein Urgroßvater ’), dem apoſtoli⸗
(hen Stuhl befonders in Abſicht der Erhaltung des Kirchens
faates zugefagt, ‚zu halten und dagegen Alles. was Ludwig
der Baier unter angemaßtem Laiferlichen Zitel zu Rom oder
irgend: fonft gethan und vorgenommen, zu. vernichten *).
Bei der Wahl felbft erlaubte ſich der. Kaifer auch noch
einige Schritte, welche mit der goldenen Bulle nicht übereins
fimmen. Er bielt eine Vorwahl zu Bacharach und zu Renſe,
1) Raynald. ad a. 1374. 5.28. Im October 1876 brach der
Popft von Avignon nach Italien auf.
Pelzel K. Karl IV, urk. 233,
3) Wenzlaw hatte fi erboten auch Alles weh fein Vater bes
(hosen hatte, zu halten. Warum iſt dieſer in ber ohne Zweifel vom
Yapfte feibft entworfenen Urkunde uͤbergangen? Unter. anderm ift das Ver»
ſprechen barin aufgenommen, daß Wenzlaw am Tage der Kaiſerkroͤnung
die Stadt wieder verlaſſen wolle; was bekanntlich Karl IV. gethan. Hier
iR ober auch fein Name nicht genannt.
4) Pelzel K. Wenceflaus Url. 13. j
Pifter Gefchichte d. Zeutfchen IIL 20
06 Buch II. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 3
wobei bie oben gedachten Verhandlungen mit den Kurfürfien
1376 in’8 Reine gebracht wurden; dann warb erſt der fürmlide
10. 3un. Bahltag zu Frankfurt angefegt. Da Wenzlam nach’ ber boͤh⸗
mifhen Krönung auch mit der Mark Brandenburg beiehnt
worden war, fo Heß ihn ber Kaifer diefe an feinen juͤngern
Bruder Sigmund abtreten, um bie Einwendung abzuſchnei⸗
den, daß er zwei Kurflimmen befige. Allein die branbenbur
giſche Kurſtimme hatte ber letzte Markgrav Otto bei der Ab
tretung ded Landes auf Lebenszeit vorbehalten; auch ließ ſich
Karl von Dtto, der zu Frankfurt anweſend war, eine ſchrift⸗
liche Zuflimmung und Anerfennung Wenzlaws auöflellen');
deſſen ungeachtet muffte der achtiährige Sigmund die bran
benburgifche Stimme führen. Die goldene Bulle bemett,
werm ein Kurfürfl von den andern gewählt werde, fo fole
“feine Stimme gleiche Kraft mit ben ihrigen haben. In ba
Wahlanzeige?) an ben Papft aber zählt Karl fich ſelbſt ald
König von Böhmen, dann auch, feinen Sohn Wenzlam, cbew
falls König von Böhmen, als die erfien WBahlfürften vor den
Eubifhöfen auf, feinen Sohn Sigmund, Markgraven von
Brandenburg, als den lebten ®).
Da Karl ſchon zur Vornahme ber Wahl die Erlaubniß
bes Papftes erbeten hatte, fo folgt von felbft, daß er auch
die Beftätigung derfelben nachfuchte, ungeachtet fein Wahl
geſetz, die goldene Bulle, Nichts bavon_-enthält. Er durfte
um fo mehr glauben, daß ed daran nicht fehlen werde. Die
ſaͤmmtlichen er des Kaiferd, der Kurfürften und dei
1) Pelzel & Karl IV. Url. 24.
2) Raynald. ad a. 1876. $. 14.
8) Man koͤnnte noch fragen: wer führte eigentlich bie boͤhmiſche
Stimme, der Kaiſer ſelbſt oder fein Sohn aber Beide zugleich? Muſſte
nicht ber achtjährige Sigmund einen Vormund haben? Diefer war nad
der goldenen Bulle der naͤchſte Agnat nad ben Erſtgeburtsrecht. Im
folgenden 3. 1377 nennt ſich Karl felbft wider Markgraven von Brau⸗
benburg und handelt als folcher. (Häberlin Reichsgeſch. IV, 86.) Wenf
law felbft war noch nicht 18 Jahre alt, alfo nach ber golbenen Bulk
auch nicht volljährig. Mithin Hätte Karl eigentlich zwei Stimmen ge
führt. Cine Menge Anomalien, bei welchen wir uns jedoch wicht weis
ter aufpalen.
Wenztaws Wahl und Karls W. leute Zeit. 307
nenen roͤmiſchen Königs an den Papft find vom Wahltage 1376
batirt. Das des Letztern iſt ganz der Wiederhall der fruͤhern 10. Jun.
Untertbänigfelt. „Seine Sefanbten,” fchreibt Wenzlaw, „fden
bevollmaͤchtigt der römifchen Kirche den Eid der Treue und
jeden andern zu ſchwoͤren und alle Andere und Weitere
zu thun und zu leiften, was nach Bott und Recht in Abficht
der Kaiſerkroͤnung dienlich fein möcte!)” Doc alle biefe
Demüthigungen erreichten nun erft ihren Iwed nicht. Gres
gor XL lehnte die Beflätigung ab, weil er inbeffen von x den
WVahlbeſtechungen Nachricht erhalten hatte.
Während die Verhandlungen darüber fortgingen, war es
vor allen Dingen nöthig die Unruhen im Reich, welche fiber
ve Wahlfoften, befonders durh die Städteverpfäns
dungen entflanden waren, beizulegen. Die fchwäbifchen
Städte erweiterten ihr Buͤndniß und verfiärkten ihre Mauern |
uns Thuͤrme. Gtatt der Steinſchleudern fingen fie jest am
aus großen’ metallenen Donnerbücdfen Steine mit Schießs
pulver zu werfen. Ihre zahlreiche, kriegsfreudige Mannſchaft
tat auch im freien Felde kuͤhn den Nittern entgegen. : Sie
befhloffen dem roͤmiſchen König Wenzlaw nicht: zu- hulbigen,
Rn fie nur wieder gefihäbt werden würden. Nun machte
Karl ein Reichsaufgebot und legte: fih vor Ulm,. das Haupt
der verbintdeten Städte. Da er ihr aber Nichts anhaben fonnte,
fo nahm er die Vermittlung der Herzöge von Baien an und
wolte die Sache auf dem Reichstage zu Nürnberg vertragen.
Allein während des Stilftandes brachen die Städte wieder soo.
los. Der junge Grav Uli von Wirtemberg, Eberhards 1377
Sohn, wurbe bei Reutlingen gefchlagen. Der Kaifer ſah, daß Mei.
er nachgeben muͤſſe. Er fandte deswegen feinen Sohn, bei
rͤmiſchen König, der zuerſt den Landfrieden in Franken ſchwoͤ⸗
ven ließ und darauf mit ben ſchwaͤbiſchen Städten eine
Sühne machte, kraft deren ihren Verpfaͤndung widerrufen
wurde. Allein damit waren Die verbuͤndeten Herren nicht
zuftieden, fie erneuerten ben Krieg, und es entflanb nun eine
ſolche Verheerung unter. den Fleinen Mächten, daß ber Kaiſer
1) Pelze &. Wencefiaus urk. 16,
2 Reynald. ad a; 1826, 5. 18,
20*
._
308 Bud II. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 3.
1378 noch einmal ſelbſt nach Nirnberg kommen mufſte, um eine
31. Aug. udliche Richtung zu machen. Nach dieſer muſſte Wirtemberg
bie, Pfandbriefe und die Landvogtei Niederſchwaben zuruͤdge⸗
ben und ſich mit einigen kleinen Verſchreibungen begnuͤgen.
Die niedere Landvogtei aber uͤbertrug der Kaiſer dem Herzog
Friedrich von Baiern, der bereits die oberſchwaͤbiſche und die
elſaͤſſiſche verwaltete. Damit trat er denn wieder auf die
Seite der Staͤdte, weil er vorausſah, daß ſein Sohn ih
res Beiſtandes gegen bie Fuͤrſten und Landherren beduͤrfen
wuͤrde!).
Auch bie andern Verpfaͤndungen i in Abficht auf bie Rheins
und Main⸗Zoͤlle, wobei Karl den Fürften noch viele Eigen⸗
mächtigfeiten gegen die Hanbelöfläbte nachgelehn, nahm er
22, Iun.
ein Jahr nach der roͤmiſchen Koͤnigswahl wieder zuruͤck. Da
er auf ſeiner letzten Reiſe in den Rheinlanden ſchwere Klagen
über die vielen Zölle vernommen, fo erließ er ein Edict in
dad Reich, welches einerſeits alle von ibm und. feinen Bor
fahren auf Widerruf ertheilte, ambererfeits die von Fuͤrſten
und Ständen eigenmächtig angelegten Zölle am Rhein⸗ und
Main: Strom und in ganz Teutſchland aufhob. - Den hei
niſchen Kurfürften gab er deshalb noch befonbere Verbote?)
Wir werben aber im Folgenden fehn, wie wenig fie gehalten
wurden. Es war eine graufame Sitte aus ber gefeglofen Zeit,
da noch Fein Landfriede unter den Ständen gehalten wurde,
daß Kaufmannöwaaren welche bei Berunglüdung: des Schif-
fe8 ober Wagens den Grund berühtten, dem Grundherm
41366 verfallen waren. ?). Diefe „Grundruhr“ that Karl fo weit ab,
4. Dec. daß dagegen nur eine mäßige Abgabe (im Verhaͤlmiß von
42 Heller auf ein Fuder Weind) gegeben werben durfte; er
that dies, mie er ſagt, zum Rugen ver — und Staͤdte
welche bie Straßen bauen *).
1) Geſchichte don Schwaben m;i 485.447.
2 Lnig R.AT.IV.628
8) Auf den Waſſer⸗ und Lands Straßen daſſelbe was! an Ze Sr
bad Strandrecht. Von letzterem gab es wohl auch ne Befreiungen,
aber gang abgefchafft Eonnte es nicht werben.
4) Gingelne En hatten ſchon fruͤhen Weſtcnngen erhalten feit
Karls IV. legte Zeit. 306
Waͤhrend der letztgedachten Verhandlungen machte Karl
noch einmal eine Reiſe nach Frankreich, wo er ſeine Erzie⸗
bung erhalten hatte. Schon auf-dem Wege drangen fich dem 1377
alternden Kaifer ernfle Erinnerungen auf. Zu Hervord fah Nov.
er Witekinds verfallened Srabmahl und befahl es wieder her⸗
zuſtellen?). Zu Aachen gab er bie Verordnung, daß das
Sahresfeft Karls des Großen felerlicher als bisher begangen
werben folle, wegen feiner großen Verdienſte um die Kirche,
Auch ließ er dem Könige. von Frankreich Etwas von feinen
Reliquien mittheilen für eine zum Andenken des großen Kais
jerd zu erbauende Kirche). Bei feiner Ankunft in Paris 1378
warb er von dem Könige Karl V., feinem Schwefterfohn,
mit großen Ehren und koſtbaren Gefchenken empfangen. Karl IV. 4. Jan.
hatte feinen Sohn, den römifchen König Wenzlaw, bei fich.
Die Abficht war ohne Zweifel, eine bleibende Freundſchaft
zwifhen den beiden Häufern zu fliften. Im diefer Beziehung
geſchah es wohl, daß der Katfer den Dauphin Karl VL, den er
zugleich fuͤr volljährig erflärte, zum Generaloicar des arelatie
ſchen Reichs und namentlid in der Gravſchaft Dauphine
auf Lebenszeit und unwiderruflich mit fehr erweiterter Gewalt
emannte und ihm dad Schloß Pompet bei Vienne verlieh’).
Die Hoheit des teutfchen Reichs wurde zwar ausdrüdlich vor⸗
behalten; im der That aber hat dieſer Schritt den völligen
Übergang jener Sande an Frankreich befördert. Alfo hat
Kan IV, auf diefer Seite wieder vermindert, was auf ber
Dfifeite durch die Vereinigung Schleſiens dem Reiche zuge
machten iſt.
Gregor XI. fhlug Wenzlaws Beftätigung zweimal ab,
unter dem Vorwande daß die gewöhnlichen Eide noch nicht
geleiftet umd die verlangten Briefe noch nicht überfchidt waͤ⸗
K Friebrich IL. Beiſpiele hat Hällmann Gtädtewefen IV, 102 ff.
Die letztgenannte aber gilt allgemein, „ben Rhein und den Main uff
und zu Thal, und gemeinlich überall im xöm. Reich.“ Luͤnig ®. A.
T.IV. ©, 219.
1) Pelzel a. a. D. ©. 922.
2) Schannat. Vindem. litt. Coll. IL Nr. 47. 8.
9 Häberlin R. Geſchichte IV, 42 8. mit Berichtigung der bie:
ber gehörigen Stellen.
—
310 Bud II. Erſter Zeittaum. Abſchnitt 3.
ren. Cr führte überhaupt eine höhere Sprache, feit er nal
Rom zurüdgebehrt war. Während diefer Verhandlungen, auf
41378 welche fi) wohl auch Karls IV. Befuh am frangöfifchen Hofe
27. Mai. bezog, flarb Gregor XL, ohne Wenzlam anerkannt zu baben.
Nun entfland dich Trennung der franzöfifchen und italien,
DO. Sept. Shen Garbindle eine zwiflige Papfiwahl"), der Anfang einer
ZHjährigen Kirchenfpaltung, zugleich eine dringende Auffobe
rung, das Faiferlihe Amt der Schirmvogtei der abenbländis
fhen Kirche mit Nachbrud zu führen. Allein Karl IV. farb
fhon zwei Monate nach dem Ausbruch der Spaltung, im
29,Rov. zweiunbfechzigften Jahre feines Alters.
Duch eine befondere Fügung holt der Verfall des
Papſtthums den des Kaiferthums ein, oder gebt dem
kaum wieber bergeflellten noch voran. Karl IV. mochte wäh
nen burch feine Vorforge bem bes letztern vorgebeugt zu be
ben; aber er gab dem Meiche ein fo unerfahrnes Oberhaupt,
baß die Spaltung, wenn auc noch etwas verzögert, nur um
fo gewiffer und trauriger ausbrechen muffte. Unter bie lebten
Zeichen ter hinfintenden päpfllihen Dbergewalt gehört, daß
von nun an auch nicht einmal Ehrenbalber der morgenländis
fhen Kreuzzüge gebacht wird. Seit ben vereitelten An
flalten zu König Rubolfd I. Zeit brachten die Päpfte noch
manchmal die Auffoderung, einerfeitd um die Kaifer zu ſchrek⸗
en, ambererfeits etsifweilen Gelder zu fammeln. Auch von
Karl IV. verlangten Urban V. und Gregor XI. noch baffelbe,
wie man ihn auch bie Belehrung der Lithauer hoffen lief.
Er antwortete, die Sache koſte zu viel und die Eroberungen
würben fich doch nicht behaupten laſſen. Beſſer, meinte er,
ber Adler nehme dem treulofen Wolf, dem Griechen, der fchon
einen Theil den Türken eingeräumt, fein Reich ab, um es mit
dem römifchen zu vereinigen ?). |
In der dreiffigiährigen Reichſsregierung Karls IV. ſollte
bie ebenſo lange beſtandene Zerruͤttung unter Ludwig IV. wie
ber verbefiert werben. Der Auffere Friede wurde bergeftelt;
aber was hat das Innere dabei gewonnen ? Karid Regierung
1) Raynald. ad a. 1378. $. 1 2qq. ‘ j
2) Pelgel a. a. ©. ©. 730 ff.
113) erſicht von Karıs IV. Regierung. 341
hat zwei oder brei Richtungen: bie Ealferlichen Verhuͤltniffe
zum Papft und zu Italien; die koͤniglichen im unmittelbaren
teutfhen Reichsland und die böhmifch>erbländifchen. Die bei⸗
den erſtern VBerhältniffe hat er nur benüst für den dritten und _
eigentlichen Zweck feiner Regierung. : Das ift ſeine einzige
fefle Maxime; alles Übrige hat fich in unzähligen Widerfprie
den darnach bequemen müflen. Wiewohl Teutſchland eben
jest im Begriff fland die Grundverfaffung in Beziehung auf
das Mahloberhaupt und befonder6 im Verhältnig zum päpfe
üben Stuhl durh gefchriebene Geſetze feflgeftelt zu fe
ben, wiewohl Karl IV. fih dazu berufen fühlte diefe Geſetz⸗
gebung zu vollenden: fo hat doch Fein anderer Kaifer fich fo
viele Willkouͤrlichkeiten erlaubt, Feiner feine eigenen Gefege fo
geradezu wieder überfhritten, keiner was dem Papfle abges
ſprochen worden, wieder fo unbedingt zugeflanden, wie er.
Linderfucht, die allgemeine Krankheit feit K. Rudolfs I. Zeit,
bat ſich in ihm am allermeiflen bervorgeftellt. Das Reich s⸗
gut iſt unter Karl IV. fo verfchleudert worden '), daß man
feinen Kaifer mehr wählen konnte, der nicht fchon ein bedeu⸗
tendes Erbland hatte. Daher hat ihn auch K. Marimilian I.
des heiligen römifchen Reichs Stiefvater genannt).
Auf der andern Seite ift die Stiftung der erften Uni⸗
verfität diefjeit ver Alpen ein wahrhaft Faiferliches Verdienſt,
defien Früchte fi) bald über ganz Teutſchland verbreiteten.
Ein großes Verdienſt hat Karl in Böhmen. Er hat teutfche
Sitte und Bildung in die flavifchen Lande eingeführt und
fie zu größerem Wohlftande erhoben. Doc war die Blüthe
nme täufchend. Er hinterließ die Erblande verfhuldet ’) und
1) Im 3. 1861 trug Karl dem Zeutichorbens: Gomthur in Böhse
men, Rubolf von Homburg, und bem Werner von Ertmarftarf auf, vers
Pfändete Städte, Länder und Güter wieder an bad Reich zu bringen,
Glafey p. 548. Auch ernannte er in dieſer Abficht (Pelzel Url. 349.
ohne Datum) den Herzog Rudolf v. Sachſen zu feinem Bistum (Vice-
Dominus) und Hauptmann, in Beziehung auf die Keichsſtaͤdte. Man
findet aber keinen Erfolg.
2) Cuspinian. de Caesar. p. 885.
3) Statt eines Schages, den man von feiner Sparfamteit erwarten
folte, waren die meiften Schäffer und Krondomainen :verpfändet, umb
42 Bud EU. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 3.
vol Gaͤhrung gegen die Teutſchen. Ein folcher mit ſoviel
Ungerechtigkeiten ımb Innern Widerfprlichen errungener Stand:
punct konnte fi unmöglich halten. Karl IV. glaubte das
teutfche und böhmifche Reich feinem Haufe gefihert zu haben,
unb doch ging es ſchon in feinen Söhnen unter. Nicht ein:
mal dad Raiferthum im engern Sinn konnte fih auf Die bis⸗
berige Weife behaupten. Die Stände ergriffen jegt Den zwei⸗
ten Weg, den wir oben bezeichnet haben ), Ausdehnung if
ver Einungen auf dad ganze Reich, aufgefobert Durch bie Zer⸗
rüttungen im Reich&= und Kirchen Regiment.
5. Stellung bes Reichs unter K. Wenzlaw beim An-
fange der Kirchenfpaltung.
Wenzlaws Eigenfhaften. : Unter einer dreifachen
. Sährung wird er bald das Spielzeug berParteien,
mit denen er fpielen zu dürfen glaubte In der
eiftern, der Kirchenfpaltung, muß er ſich um ber
Wahlbeflätigung willen für den roͤmiſchen Papſt
Urban VI. erklaͤren; er mittelt deshalb in Teutſch⸗
land, und fuht mit Frankreich und England zu:
gleih Freundſchaft zu halten.
1378 Bon einem fiebzehnjährigen?) roͤmiſchen Könige, den fein
, Septbr. Vater auf einem fehr unwuͤrdigen Wege gegenüber von Papfl
und Kurfürften auf den Thron gehoben, Fonnte man voraus⸗
fehen, daß er fehwerlich die Würde und das Anfehn des Reis -
behaupten werde, zumal bei der mislichen Lage, in ber es
Karl IV. Hinterlaffen hatte. Man hatte zwar anfänglich von
Wenzlaws Perfönlichkeit gute Erwartımgen: er war offen, guͤ⸗
tig, freigebig, ein Freund der Gerechtigkeit, Feind aller Be
ungeachtet der aufferorbentlichen Steuern mufften oft bie böhmifden
Städte die Hofhaltung durch freiwillige Gaben unterſtuͤßen. Gebharbi
Geſch. des Reiche Böhmen (Allgem. Welthiſt. LII. Thl. J. Bo. ©. 502)
Pelzel K. Wenceſlaus J, 228. EN
-1) am Schluſſe bes zweiten Abſchnitts dieſes Buche
2) Wenzlaw war geboren 26. Febr. 1861.
Stellung d. Reichs unt. 8. Wenzlaw. 313
vradungen, abhold den Raͤubereien des KRitterſtandes ſowie
den Anmaßungen der Geiſtlichkeit Man weiß nicht genau,
wer feine Erzieher geweſen; ber böhmifche Kanzler und Propfi
auf dem Wiſchehrede, Burghard, heiſſt in Gefchäftelt fein Pros
curator, Vormund und Schaffee '). Ohne Zweifel waren es
Geiftliche Die feinen Unterricht beſorgten; ber Kaifer felbft zog
ihn frühzeitig zu den Reichögefchäften und überhäufte ihn ſchon
im Knabenalter mit Würben Wenzlaw blieb aber roh und
zur Üppigleit geneigt, wiberlögte alfo bald, was Karl bei ſei⸗
ner Wahl in dad Reich audgefchrieben hatte. Die lebten Leh⸗
ven die ihm der Vater gab, waren diefe: „Liebe beine Freunde
md Güter, benn bie Güter haben dich zum oberſten Herm
und König gemacht. Sei friedfam, und was. du durch Güte
elangen kannſt, ſuche nicht durch Krieg. Erweiſe Jedermann
Ehre und habe den Papft, die Pfaffheit und die Zeutfchen
zu Freunden, fo wirft du deſto beffer in Frieden leben.“ Das
waren allerdings Karls IV. Marimen; aber Wenzlaw, faſt in
Allem das Gegenbild des Vaters, Tonnte auf Beinen Fall in
der bisherigen Weiſe fortregieren. Ä
Nach den verfchiebenen Geſichtspuncten welche Karl IV.
vor ſich gehabt, fand Wenzlaw denn auch eine dreifache Gaͤh⸗
tung, in der Kirchenſpaltung, bei den teutſchen Reichsſtaͤnden
und bei den. Böhmen. Dazu kam noch viertens die von
Karl IV. angeordnete Vertheilung der Erblande unter feine
Soͤhne. Karls ſchlaue Umſicht, die ihm Immer eine gewiffe
Überlegenheit gegeben, war durchaus nicht auf Wenzlaw uͤber⸗
gegangen. Da Karl Feine felbfiändigen Raͤthe gebildet, Wenz⸗
law aber nicht die Gabe hatte fulche auszufinden, fo fehen
wir ihm, nachbem er eine Zeit lang den uͤblen Verſuch ges
macht mit den Parteien fein Spiel zu treiben, endlich ſelbſt
ihr Spielzeug werben. 2
Zuerſt ift zu erwähnen, welche Stellung 8. Wenzlaw und
das Reich gegen bie Kirchenfpaltung genommen. Die Tren⸗
nung ſelbſt kam von dem übel berechneten Beginnen ber Päpfte,
Schutz gegen die Kaifer bei Frankreich zu fuchen, wodurch fie
beranlafit. waren eine größere Anzahl von franzöfiichen Cardi⸗
1) Pelzel K. Wenceſlaus I, 16.
+‘
314 Bud IL Erſter Zeitraum. Abſchnitt 3.
nälen zu ernennen, welche den Sig zu Avignon bem zu Rom
. vorzogen. Diefe konnten nun zwar nicht verhindern, daß nad)
1378 Gregord XI. Tode auf Andringen der Römer wieder ein ite
8. April lieniſcher Papft gewählt wurde; der Erzbiſchof von Bari, der
den Namen Urbaͤn VL annahm; fie ergriffen aber bald ben
Anlaß wegen ber zuruͤckſtoßenden Härte befielben Rom zu ver
laſſen, die Wahl wegen der Gewaltthätigleiten. der Römer
für unguͤltig zu erklaͤren und dagegen den Cardinal Robert
. Sept. von Genf als Clemens VOL zum Papſte zu wählen, ber
nachher von Urban VI. vertrieben, die Zuflucht wieder nach
Frankreich nahm. Das war dann ſchon Grund genug für das
tentſche Reich, bei dem erſt gewählten Papſte zu bleiben.
Das Iuremburgifche Haus hatte aber noch einen nähern Grund.
Urban VL hatte bald nach erlangter päpftlicher Wärbe Die
von feinem Vorgänger zurhdgehaltene Beftdtigung der mi:
ſchen Königswahl ertheilt; dies war hinreichend, daß Karl auf
WVI.Nov. dem Todbette feinem Sohn befahl bei demfelben auszuhalten.
1379 '‘ Auf dem erflen Reichötage zu Nürnberg, ber jedoch nad)
Fa einiger Zeit nach Frankfurt verlegt werben muffte, brachte es
Wenzlaw dahin, daß Urban VI. für den rechten Papſt erfannt
wurde '). Die Kurfürften vereinigten fich noch befonders auch
bei etwaiger Thronerledigung Eeinen römifchen König zu wäh-
len, ber nicht vorher eben biefes eiblich verfprechen wirde,
und in ben erneuerten Landfrieden wurbe ausdrücklich aufge:
nommen, baß bie Reichsſtaͤnde Nichts von dem Gegenpapfle
annehmen follten?). Dennoch traten einige Fürften, Bifchöfe
und Städte heimlich ober Öffentlich auf die Seite des Letztern,
darunter Herzog Leopold von Öfterreich und der Gegen:
5. Fehr. erzbifhof Adolf von Mainz. Mit dem Erſtern vertrug fi
Wenzlaw ſchon auf dem Neichötage, indem er ihm für feine
Foderungen, bie er noch an den verfiorbenen Kalfer zu mas
‚Sen hatte, die beiden Lanbvogteien in Schwaben als Pfand:
ſchaft verfchrieb. Dann befuchte er den Herzog in ben habs⸗
burgiſchen Borlanden, und diefer folgte ihm wieder nad) Znaym,
1) Raynald. ad a. 1378 et 1379, u. Vitae Pontificum in Ma-
ratori scr. rer. Ital. T. IH. P. II. p. 712 6qq.-
2) Wenker Appar. et Instr. archiv. p. 230.
!
6
Stellung d. Reichs unt. 8. Wenzlay. 315
wohin auch König Lubwig von Ungern kam, mit welchem
Wenzlaw zu Gunſten Urbans VI. gemeinfchaftlihe Maßregeln
verabredete'). Die Verhandlungen mit dem Erzbifchof Adolf
waren fchwierigr. Schon mehrere Jahre beſtand ber Streit
zwifchen ihm und Ludwig von Zhiningen um bad Erzſtift
Mainz, ohne daß unter bem vorigen Kaifer Etwas weiter ald
ein Eurzer Stilftanb zuwegegebraht wurd. Da Urban VI.
ben Letztern beftdtigte, fo trat Adolf von Naffau, der fafl
das ganze Erzflift eingenommen hatte, zu Clemens VIL über
und erbielt von diefem gleichfalls das Pallium. Im einen
neuem Krieg mit dem Pfalzgraven Ruprecht verwidelt, naͤ⸗
berte er fich jeboch wieder dem K. Wenzlaw, wahrfcheinlich in 1381
Gemaͤßheit der Verfprechungen, die ex ſchon bei der römifchen 4 Jebr.
Koͤnigswahl erhalten hatte; da er zugleich den Reichsſchluͤſſen
zu Gunften Urbans beitrat, fo wurde er auf Wenzlaws Vers
wendung in Mainz eingefeßt; Ludwig aber muffte ſich gefals 28, Apı.
len laſſen das Erzbisthum Magdeburg anzunehmen ?). So
weit ſchien nun bie Ruhe in Zeutfchland hergeftellt.
Indeſſen Fam Wenzlaw noch in eine befonbere Verlegen»
heit durch das bisherige freundfchaftliche Verhältniß mit dem
8. Karl V. von Frankreich. Diefer fland, wie leicht zu
erwarten, auf ber Seite der franzoͤſiſchen Cardinaͤle und ver:
langte dann auch von Wenzlam Anertennung des Papſtes
Clemens VII, während ihn Urban VI. von Frankreich abzu-
ziehen fuchte. Als die Kurfürften fahen, daß Wenzlaw wanke, 1380
erneuerten fie ihren Verein zu Weſel). Wenzlam gab feine 11. Jan.
wiederholte Zuflimmung, da’ er in Begleitung eines Legaten
von Urban VI. eine Zeit lang zu Aachen verweilte*). Den: Dlai
noch eneuerte er zwei Monate darauf das fchon von feinem
Vater eingeleitete Buͤndniß mit dem Könige von Frankreich *). 22. Iut.
Im folgenden Jahre trat Wenzlam mit dem K. Richard IL —
1) Lünig C. J. d. T.IV. Nr. 63. Geſch. v. Schwaben IV, 153 ff.
2) Guden. Cod. Mog. dipl. T. IH. Nr, 841—844, Joannis
scrr. Mog. T. I. p. 686 aq.
3) Wenker l. c. p. 224 sq,
4) Trithem. Chron. ad a. 1381,
5) Pelze urk. Oo "
316 Bud II. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 3.
1381. von England in Vereinigung, weil ihm biefer mit einem
1. Sept. Heträchtlichen Anlehen zu Hülfe kam und feine Schwefter Anna
1382 heirathete!). Da Richard auf Urbans VI. Seite war, fo wurde
biefer nun ſchon breiftee und verlangte Aufhebung des fran-
zoͤſiſchen Buͤndniſſes; den neuen König von Frankreich, Karl VL,
bedrohte er fogar mit dem Bann und erlaubte fich auch ge⸗
fegwidrige Eingriffe in die böhmifchen Kirchenfachen. Dies
wedte Wenzlaws Selbfigefühl; er ließ den Papſt fragen, wie
er dazu komme Bünbniffe freier Könige aufzuheben. um
lenkte Urban VI. wieder ein und verſprach ihm die Kaiſetkroͤ⸗
nung, verlangte aber zugleich nicht zuzugeben, daß Ludwig
von Anjou, Oheim des Königs von Zrankreich, zur Regie
sung von Neapel gelange*).
1383 Der Reichstag zu Nürnberg bewilligte den Römerzug;
März. Wenzlaw ließ einen allgemeinen Landfrieven ſchwoͤren und be
Met. ſtimmte ſchon bie Zeit des Aufbruchs; bald aber befann er
fi) wieder anders und fandte einflweilen feinen Better, den
Markgraven Joſt von Mähren, als Generaloicar nach Italien.
"Urban VI. gab ihm deshalb Werweife, diefe bewirkten aber
nur, daß er fich wieder fefter an Frankreich anfchloß und ben
Ludwig von Anjou geradezu unterftügen ließ’).
Weiter that Wenzlaw in den fuͤnf erſten Jahren ſeiner
Regierung Nichts in der Sache der Kirchenſpaltung. Als
Schirmvogt der Kirche hatte er die Pflicht und das Recht,
zur Belegung des Ärgerniffes ein allgemeines Concilium zu
berufen. Es follte ihm erwäünfcht gewefen fein, daß wieder
ein römifcher Papſt dawar, der den Schub des Reichs gegen
Frankreich und Neapel fuchte.: Aber ex wollte ed mit keinem
Xheile verderben und alfo ſoviel möglich dad Gleichgewicht
halten *, Dies iſt auch ber Inhalt. der erſten zehn Jahre
ſeiner Reichöregierung.
1) Rymer Act. Angl, T. III. P. III. p. 101—13. Das Bünb:
niß wurde erneuert 1883, ibid. p. 188.
2) Pelzel a. a. D. ©. 12% ff. 133.
9) Pelzel &. 186 ff. mit Urk. belegt.
4) Furcht vor Frankreich fcheint ihn hauptfächlich abgehalten zu
— bie Kaiſerkrone von einem Papſte zu empfangen, ben dieſes nicht
anerkannte.
.:
Landfriedens:Bündniffe unt, Wenzlam.: 317
d; Die :Etnungen.
6. 8, Wenzlaws ſchwankendes Benehmen bei..der Aus⸗
behnung. der Staͤdte⸗, Ritter⸗ und Fuͤrſten— Bündniffe
zu einem allgemeinen Landkriedensbund. 1379 - 1390.
Wenzlaw opfert die ſchwaͤbiſchen Lanbvogteien
dem H. Leopold von Öſterreich. Staͤdtebund da⸗
gegen. Weitere Verſtaͤrkung ber Ritter: u. Stäbies
Einungen. Erſtes Bünbniß der drei Stände in
ben obern Feichslanden' Wrnzlaws Verſuch, das
Reich im vier Landfriebeindfreife zu bringen; bie
Städte behalten jed och ihren Bund bei, Verfeßung
deffelben mit den Städten der ſchweizeriſchen Eid⸗
genoſſenſchaft. Herzog Leopold mit der Blüthe
der Ritterſchaft erliegt, Dei Sempach. Wenzlaw
beſtaͤtigt den Staͤdtebund und bringt ihn etwas
näher zu den verbündeten Sürften im mergentheis»
mer Landfrieden. Niederlage ber Städte bei Doͤf⸗
fingen. Wenzlaw tritt auf bie Seite. der Fürs
fen und hebt den Staͤdtebund auf. Allgemeiner
kandfriede zit, Eger: Einerlei‘ Münze: im Reid
und Abthurung ber Judenſchulbden. |
Au die ſchwaͤbiſchen Gtäbte thre Werpfänbung an Iflerseich 1379
vernahmen, waren. fie nidyt wenig: befremdet, DAB K. Wenzlaw
fein feierlich gegebenes Wort. alſobald im Anfang feiner Re⸗
gierung gebrochen... Mit allen ihren Steuern, Renten und
Nutzungen ‚follten die Stäbte nebft den unmittelbaren Kloͤſtern,
Dörfern und :Beuten der beiden. ſchwaͤbiſchen Vogtelen dem
Herzog Leopold, ald. des Kaiſers und Reichs Landvogt, ge:
wärtig fein Laut des Mandats zu jährlichen 6526 fl., bis 28. Sun.
berfelbe. die. Boderung' von :40,000 fl. erlangt oder .ber roͤmi⸗
Ihe König fie, mit feinem: Geld wieder zum Reich eingeloͤſt
haben wirbe. Da nun das Rebtere ſehr zweifelhaft war u x
dem Herzog noch aufferdem befondere Vorrechte in Abfücht de
Subenfteuer fowie ber Einläfung‚eriebigter Keichtlehen ins
nerhalb der beiben Bogteien zugeflanben wurden, fo- war nicht
“ohne Grund zu heforgen, daß Öfterseich, wie es ſpaͤter wirk⸗
3i8 Bud IL. Erfter Zeitraum, Abſchnitt 3.
lich that, auf eine beſtaͤndige Sandeöhersfhaft Bedacht nehmen
' werde.
Ungefäumt erneuerten alfo die Städte ihren Bund, wie
bei Wenzlaws Wahl. Er. hatte ihnen ja felbft in ihrem Frei⸗
heitöbrief Macht gegeben, fi zu verbinden [obald fie burch
Jemand von ihren Freiheiten verbrungen werben follten. Es
traten im Ganzen 31 Städte zufammen, jedoch mit der Vor:
fit, daß fie zugleich mit dem Haufe ihres biöherigen Land⸗
vogts, des Rheinpfalzgraven Ruprecht, ſowie mit dem badi⸗
ſchen Hauſe ſich verbanden. Die andern Nachbarfuͤrſten wur⸗
den im Buͤndniſſe ausgenommen, Öſterreich nicht ').
Es war allerdings untlug von Wenzlaw, einen vorzügs
lichen Theil des unmittelbaren Reichölandes, das den Kaifern
bisher zur Stüge gedient, fofort einem Fuͤrſtenhauſe zu opfern,
das dem feinigen von jeher entgegengeflanden. Der entſchloſ⸗
fene Widerftand der Stäbte brachte ihn in Verlegenheif; auch
der Herzog wäre gern in gutem Bernehmen mit ihnen geblie⸗
ben; alfo ließ man bie Übergabe der Pfandſchaft einftweilen
beruhen. FEN — W
Aber die Ausdehnung. der Staͤdteeinungen hatte auf ber
andern Seite ‚wieder dieſelbe Folge, die wir früher gefehen.
Die Rittereinungen mufften fich ebenfalls verftärken, um
nicht zwifchen zwei Gegnern, Zürften und Städten, unterzus
‚gehn. Die Löwengefellihaft verzweigte fih am ganzen
Rheinſtrom bis in die Niederlande. Eine der diteften ift wohl
die Geſellſchaft vom heil. Georg in Schwaben und in ben
benachbarten Landen; ihr zur Seite fland die Gefellfehaft vom
heil. Wilhelm. Diefe Gefellfchaften theilten ſich in Bezirke,
Kreife, Reviere, unter Hauptleuten und Räthen?).
Ruͤckwirkung dieſer Rittereinungen war, daß die Städte
fih, nun noch mehr verſtaͤrkten. Sieben Rheinſtaͤdte hatten
Taum ihren Bund erneuert, fo kamen bie Senbboten von 33
fchwäbifchen Städten nad Speier und machten mit benfelben,
ungeachtet Straßburg keine Einmilhung in ihre Angelegen⸗
1) Geſch. von Schwaben IV, 156 ff.
D) Daff de pace' publ. p. 48. Schaͤnnat Sammlung alter
Schriften co J. Nr. 4. Eichhorn a. a. O. @ Wi _
Landfeisdens:Bänbuiffe unt. Wenzlam 349
heiten wollte, ein großes Blnbwiß zu Schutz und Meng auf
brei Jahre, angenommen den Katfes und bad Keich und bie
ienigen Fuͤrſten, mit welchen: fie-Bereitö in befondern Ginnns
gen flanden. Im folgenden Jahre wurde dad Bimdniß auf
Regensburg, Weslar und einige elfäffifche Städte ‚suögebefut
und auf neun Jahre afliedt. - ,
Bei diefee drohenden Stellung von Segen bönbniffen
faſſte Grav Eberhard von Wirtemberg an ber Spitze der Loͤ⸗
wengefellfchaft ben Gedanken, zuerfl die genannten Drei Rit⸗
tergeſellſchaften in Eine zu bringen, dann die drri Stände
ver oben Lande, Rüter, Städte, Fuͤrſten, in einen Lands
friedensbund zu vereinigen. Dies geſchah auf einem Zuge 1382
u Ehingen an der’ Donau. Die drei Rittergeſellſchaften 9. Avr.
mit Wirtembeig von der einen, 34 Freis und Reiche: Städte
von ber andern, und Herzog: Beopeid von Öſterteich mit
den fäntmilichen Vorlanden von. der dritten Seite, verfchrie:
ben ſich gegenſeitig auf em Jahr zur Crhaltung ‚bes Land⸗
friedens einaifder'gegen ihre "Feinde und Beſchaͤdiger beizufte⸗
ben, ihre Skreitigkeiten unter ſich vurch Austraͤge ——
die der Aigehoͤrigen jeden Theis Too ihren Gerichten entſ
den zu laſſen, beſöndias aber die Pſchlbiaget innerchalb = 2
reöfrift von den Staͤbten zuruͤckfodern zu’ dürfen. Dabei wurs
ben die ſchon beſtrhenden Buͤndniſſe der Einzelnen fo weit aus⸗
genommen, als die Übrigen hit Dadurd) beſchaͤdigt würden.
Der Kreis des Landfriedens ging von Straßburg, Baſel bis
Bregenz, Nuͤnchen, Regenbblirg, Eger, Koburg, Beibelberg.
Died Alles Yhaten die Weihöftände ohne den rotaiſchen
König Wenqlaw, der in Boͤhmen beſchaͤftigt war. Er kam Jul.
zwar in‘biefem Jahre heraus nach Frankfurt; weil aber mes
nige Finſten und Stände erſchlenen, fo ſetzte er auf das fol⸗
gende Jahr einen Reichſtag nach Nürnberg, denfeiben auf 1383 _
welchem der ſchon gebachte, nicht zur Ausführung yelommene Mär.
Römerzug befchloffen wurde. Möchte Wenzlaw indeffen nicht
ungern gefehn haben, "wie Adel und Städte: ven Fuͤrſten
entgegenflanden, fo durfte er doch Beine Überlegenheit uͤber
diefe geflatten. Mit Rath der Kurfürften, Fürften, Graven
und Herren wurbe befchloffen: (waheſcheinlich nach dem Bor
gange des von Karl IV. errichteten und von Wenzlaw befld-
‘
30 Bud. IH. Erſter' Keitraum. Abſchnitt 3.
tigten weſtphaͤtiſchen Landfriedens) einen. allgemeinen Land⸗
frieden fuͤr das ganze Reich zu begründen, da ohnehin die
oben gedachte Einung der ‚drei: Stände zu Ende ging. Die
Haupfbebingungen waren, daß bie verbuͤndeten Fürften einan⸗
ber und. dem: roͤmiſchen König gegen alle Feinde beiftehen und
ohne feine Erlaubniß keine andern Buͤndniffe reingehen ſollten.
Der Entwurf:.theilte das Reich in vier Parteien: 1. Böhmen,
Brandenburg, Sachen, Limehurg; 2; die rheinifehen Kurfürften-
thuͤmer nebſt Hoffen und Buden; 3. Öfterreich, Batern, Wirtem⸗
berg, Lothringen und bie aberländifchen Biſchoͤße; 4. die frän=
* Tischen Viſchoͤfe, die Binggranfhaft Nienberg und bie, weiſſner
. und thiringer Lande. Die oberteutſchen Städte wurden, wie bie
—uübrigen Stände welche nicht auf-dem Reichstage waren, zum
Beitritt eingeladen. Da aber noch befonders ‚geboten wurde,
daß Fuͤrſten und- Herren the Bündniffe mit ben- Stäbten ab-
Zinben, die. beifretenden Stäbie. aber ver ke: nächftglegenen
Partei zugetheilt werben ſollten, fo faben die Staͤdte in dem
Entwurfe.nichtö Anders als Dreennung ihres zu, Speier ge:
fchloffenen Bundes, der such ‚einige Jahre beſtahen folte. .
Sie wverweigerten alfe den ‚Beitritt, bis dieſe Zweifel ge
1384 hoben waren. Nun Andere K. Wenzlaw im folgenden Sabre
zu Heideiberg den Eutwurf dahin, daß die Stähte nicht
ben Parteieh der; Bürfen zugetbeilt, ſondemm als eine. fchon
vereinigte Partei .dem nürnberger Sandfrieden: beitreten follten ;
auch wurde ihnen geflattet, bie uͤbrigen befonbern Einungen
beizubehalten. Dagegen muſſten fie verſprechen in der Zeit
des Landfriedens keine Pfahlbuͤrger aufzunehmgn. Das hieß
dann eine „freundliche Stallung“ (Stillſtand). ‚Auf biefe Weife
26. Jul. ſchloſſen nim die verbünbeten ſchwaͤbiſchen, cbeiniſchen elſaͤſ⸗
ſiſchen und wetterauiſchen Staͤdte mit den zu! Ni ver⸗
bundenen Fuͤrſten und Herren eine beſondere Vereinigung
auf vier Jahre, mit Beibehaltung ihres Bundes 1),
‚1383 Während dieſer Verhandlungen wiederholte Wenzlaw ben
11. Aug. Befehl an hie; ſchwaͤbiſchen Städte, dem ‚Herzog, Leopold als
ihrem — Bm bulbigen, - Sie koauten AND: nicht mehr
NM. Samatl. ber. —2 1 We = Wanber — Arch.
p Mög —— ee De
nt a en ea —
Landfriedens sBüundniffe nut VBenzlar.
umhin Folge zu leiſten, da doch iht Se —
vertcugen ſich auch bald nach dem Tage m
dem Herzog uͤber ihre Boderung am die Sravſcheſi
berg, welche berfelbe bei dem Ausfterben des Hauke
brachte. Da jeboch bald wieber neue Spannungen :
keiten entftanden, ſo befchloffen die Städte auch bie
riihen Eidgenoffen in ihr Bimdniß zu ziehen. De
liegt fo nahe, daß man fi wundern muß, daß es mudt
früher gefehehen. Aber die Stifter der Eidg
drei fhweizerifchen Land gemeinden, ;
aufferhalb ihrer Gebirge. Dagegen waren bie
nöfffchen Städte, Zürich, Bern, Golothum,
nicht abgeneigt in den großen Stäbtebund
machten 51 Freis und Reichs⸗ Städte mit
ein Buͤndniß auf neun Sabre, N
und Famen babei überein ( wie die Hanfeaten)
keiten mit dieſem Haufe nirgend anders alS vor ;
Recht zu nehmen: Diefen bedeutenden Squit zu uskins-
gigfeit that der große Stäptebund mit dem Iünscischuns sus:
fest. Der roͤmiſche König fragte nicht dameh, a a6 m
Böhmen.
Um fo mehr beeiferte fich ‚Herzog Zeoyalb bad Piunf 5
teen und fand ben erfien niaß dazı in Dem Minchsuah, sr
Drei fchweizerifchen Land — item 5 Die in⸗
Higte, ließ er Zucern, eine DON en f
Hi
FH
⸗
⸗
Kl
ir
$
N)
|
2
—
Hr
*
Frieden ein. Da er je
gen blieben, wiewohl fie Der
Städte auch nicht entſprochen hatten
feinen Play und bot dem fhwäpifsen
Diefe gingen darauf ein: ohne vie Code uf 2 Com ug
coftanzer Binbniffed zu TebeH, weil — ec
ten Willen gefunden. — Grete —
der trotzte ® ee Tasfı
— wollte Krieg ab @ Br 5 er.
Mühe vermittelten bie ſchwaͤpr
fand. Die fchweizerifd
Bern, firchteten Den ig fo —
Hfifker Geſchichte D- Zeu
Ir
j'
J
322 Bub IL Erſter Zeitraum, Abſchnitt 3.
auf fi) nehmen wollten, als daB fie gegen ben Willen der
alten Drte den Stäbtebund zufolge des coflanzer Bünbnifles
gemahnt hätten.
Nicht weniger Selbflvertrauen zeigte Herzog Leopold,
der hohen Ritterfchaft Bier. Keiner der damaligen Fürfien
war ihm gleich zu achten. Durch die Überlegenheit feiner Waf:
fen wollte er bie Schweizer züchtigen für alle Schmach, die
fie feinem Haufe biöher zugefügt. Es war in dieſer Zeit ein
‚allgemeiner heftiger Haß zwifchen Abel und Gtädten, am
meiften aber haſſte die Nitterfchaft die fchweizerifchen Land:
leute, grobe Bauern genannt. Bol frohen Muthes folgte
fie feinem Panner, ald der Krieg erklärt war. Vlertauſend ber
auserlefenften Ritter und eine Anzahl Fußvolks führte der
Herzog in bie Waldflätte und Fam vor Sempach, das auch
von ihm abgefallen war. Die Eidgenoffen, nur etwa 1500
Mann ſtark, traten auf der Anhöhe aus dem Wald hervor.
Als fie die Ritter anfichtig wurden, thaten fie das Schlacht:
gebet und rannten den Berg herunter. Zürchterlicher Anprall.
Die Ritter waren von den Pferden geftiegen, weil fie für un
reblich hielten mit ungleichen Waffen zu ſtreiten. Sie hieben
die langen Schnäbel von ben Schuhen und flellten fi in
ein feftgefchloffenes Biere mit vorgehaltenen Lanzen, die noch
vom vierter Glied hervorragten. Die Eidgenoflen, Leicht be
waffnet, meift ohne Harniſch, trugen Hallbarten, breite
Schwerbter und Morgenfterne (zadige Keulen). Gefchofle
‚wurden nicht gebraucht; ber Kampf war Mann gegen Mam.
Lange müheten fih die Eidgenofien in bie gepanzerten Rit:
terfchaaren einzubrechen; manche erlagen unter ihren Spief:
fen. In diefer Stunde, die fiber das Schickſal der: freien
Thaͤler entfcheiden follte, trat hervor Amold von Binkelried,
ein ebler Ritter aus Unterwalden, ſprach: „Liebe Eidgenoffen,
gedenket meines Weibs und meiner frommen Kinder,” ergriff
mit feinen Armen foviel der Ritterſpieſſe ald er faſſen konnte,
und zog fie in feine Bruſt gedruͤckt mit fih zur Ede Da
gewannen die Eidgenoffen eine Gaffe, fie brachen in bie Reb
ben ber Ritter durch einen neuen Harſt verfidrft und zerfchme:
4296 terfen mit ihren gewaltigen Gtreichen Helme und Hamifhe
9, Zu, E5 war ein ſchwuͤler Tag; bie Ritter ermatteten in bee ſchwe⸗
\
Londfriedens- Bündniffe unt. Wenzlaw. 323
ren Rüflung. Als Herzog Leopold das Banner von Oſter⸗
reich ſinken fab, wollte er ben Tod fo vieler edlen Ritter nicht
überleben, flürzte in das Getuͤmmel und warb unerkannt von
einem gemeinen Schweizerhirten erfchlagen. Seinen Leib bedte
Martin Malterer von Freiburg mit feinem eigenen.
As der Derzog erfchlagen war, eilten die uͤbrigen Rit⸗
ter zu den Roſſen; aber diefe waren mit ber Hinterhut ents
fiohen. Alſo warb die Niederlage allgemein. Unter etwa
2000 Erfchlagenen zählte man 656 Graven und Ritter, bare
unter 350 gefrönte Helme. Die Eidgenoſſen verloren. etwa
00 Mann. An diefem Tage erlofchen viele alte Häufer, und 2
der Glanz der fürflliden Hoflager ging auf viele Jahre
unter?). Ä
Als die Meichöftädte die That der Eidgenoſſen vernabs
men, waren fie nicht wenig uͤberraſcht, baß biefe, welche zum
Zpeil ihren Bund nicht gewollt, zum Theil, da fie konnten,
nicht einmal gemahnt, für fi allein die Macht Oſterreichs
und bes Abeld alfo gebrochen. Darüber waren fie erfreut,
daß der gemeinfchaftliche Feind untergelegen; aber biefe Freude
warb bald wieder getrübt, da fie fahen, wie ſchon nach wes
nigen Zagen unter dem jungen Sohn des Herzogs Leopold
ein eigentliche Rachekrieg fih entfpann. Da fie fürchteten
buch das coflanzer Bündnig am Ende auch in ben Krieg ges
zogen zu werben, fo fuchten fie ernftltch zu vermitteln, erbiels 4386
ten aber. auch wieder nur einen kurzen Stillftand. Der Krieg 25. Zul.
dauerte noch brei Jahre, auch Bern nahm Theil, doch wolls
ten die eidgenoͤſſiſchen Städte auch jebt ben großen Städtebund
niht mahnen. Diefer hatte für fich felbft zu thun.
Gegen die Eidgenoſſen fand nur Ein Feind, dad Haus
Öfterreich; gegen ben Gtädtebund aber fanden zehn ftatt
eines, vermoͤge ihrer zerfiveuten Lage zwifchen den Herrenlaͤn⸗
den. Einige Städte hatten Brüche mit Wirtemberg, andere
mit Baden, mit Ted, mit Ötingen, mit dem Bifchof von
Vinzburg, mit dem Burggraven von Nurnberg. Sänmitliche
Städte waren in Spannung mit dem pfalzbaierifhen Haufe,
alſo auf mehreren Seiten zugleich. Die Fuͤrſten und Herren
1) Müller Schweiz. Geſch. IT, 443-518 (der Orig. Ausgake).
21*
324 Buch IH. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 3.
fchloffen überdies ein geheimed Buͤndniß unter fih, der Faym
genannt, ähnlich den weftphälifchen Vehmgerichten, um bie
Ihrigen vom Eintritt in ſtaͤdtiſches Bürgerrecht abzuhalten.
In dieſer mislihen Stellung, bei der Ausfiht auf Krieg
Aller gegen Alle, zogen die Städte friedliche Mittel vor, ob
fie gleich zum Kriege gerüftet und von König Wenzlaw felbft
bazu aufgefodert waren. Während fie zwiſchen Öfterreih und
den Schweizern mittelten, famen fie auf einem Tag zu Mer:
gentheim überein, im ihren eigenen Angelegenheiten 'vier
„Thaidinger“ zu wählen, ‚welche mit den Fürften unterhan-
deln folten. Das waren die Bürgermeifter von Regenöburg,
Augsburg, Nürnberg, Ulm. Durch fie wurde eine Richtung
geſchloſſen faft auf denfelben Zag, da der fchweizerifche Stil:
fland zu Ende ging. Fuͤr alle und jede Brüche festen fie be
fondere Austräge, und bie meiflen derfelben wurben hernach
1386 zu Augdburg vertragen. Auf diefe Weife fahen fie den Krieg
Rod. wo nicht vermieden, doch aufgefchoben.
K. Wenzlaw hatte biefen Bewegungen zwei Jahre lang
wie eö fehlen ganz unthätig zugefehen, in ber Stille aber die
Städte wieder aufgemuntert die Zürften zu befchränten.
Mit geheimer Freude fah er, wie ber fchweizerifhe Stier
alfo troßig Über den habsburgiſchen Löwen gefommen. Auch
in Rüdficht auf die Partei des Gegenpapfles Clemens VII.
wear ihm ber Stäbtebund willfommen. Die Fuͤrſten aber ge:
riethen in große Unzufriedenheit und fingen ſchon an auf
eine neue Koͤnigswahl zu denken. Nun hielt Wenzlaw doch
1387 für gut wieder auf einen Tag nad Nürnberg zu kommen
und fich Öffentlich für die Städte zu erklären. Er bob bie
ohnehin durch H. Leopolds Tod gefallene Verpfäntung auf
und übertrug die Landvogteien keinem Fürftenhaufe mehr fon:
bern geringeren Herren. Dann verfprach er den Stäbten mit
feinem eigenen Mund, ihren Bund nicht mehr abzuthun fein
19. März. Leben lang, und beflätigte alle ihre wohlhergebrachten Freihei⸗
"sem. Auf diefes ſchwuren 37 ſchwaͤbiſche und fränfifche Städte
nebft Regendburg und Bafel, ihm als roͤmiſchem König beizu⸗
fiehen dieſſeit des Gebirgeö gegen Jeden, ber ihn von Beiche
verbrängen wollte.
} As Wenzlaw der Städte verfichert war, verſammelte er
gandfriedens: Bündniffe uns Wenzlaw. 325
zu Mergentheim Fürften und Staͤdte, um das zu Ende
gehende heidelberger Buͤndniß zu erneuern. Vor feiner
Ankunft zu Nürnberg hatte er den weftphälifchen Landfrieden
wegen Klagen über Bedrüdungen det einzelnen Stände auf:
gehoben. Nun war feine Abficht ohne Zweifel, den zu Nürns
berg früher entworfenen allgemeinen Landfrieden zur nds
bern Ausführung zu bringen. Die Städte waren aber fo
wenig geneigt ald damals fich in bie vier Kreife der Fuͤrſten⸗
länder eintheilen oder unterfieden zu laſſen; bie rheiniſchen
Städte wollten überhaupt keinen Theil nehmen, fondern bei
ihrer zehnjährigen Einung bleiben. Doc, verftanden fich die
ſchwaͤbiſchen, fränkifchen und baierifchen Städte dazu, gegen⸗
über von den vier Fuͤrſtenkreiſen fih auch in vier Kreife zu
theilen, im Übrigen aber ihre befonderen Einungen vorzubes
halten. Auf diefe Weife ſchloſſen fie mit den Fuͤrſten ein 1387
neue Buͤndniß auf ein Jahr; fie nahmen dabei befonders 9. Nov.
aus den Erzbifchof Pilegrin von Salzburg, mit dem fie in,
Einung fanden, und die sheinifchen Städte. Im dritten Zür- -
fienkreife ift Lothringen ausgelaffen, das wohl auch dem Ent-
wurf nie beigetreten war. Alſo wurbe wieder Bein allgemei-
ner Landfriede erreicht, und bie Fürften waren über dad Zu-
ſammenhalten der Städte auf’3 neue unmillig.
| Kaum verfloffen vierzehn Tage, fo. brachen die Herzoge.
von Baiern den Frieden burch Niederwerfung des Erzbi⸗
ſchofs von Salzburg und durch Überfall ſtaͤdtiſcher Kaufleute.
Schnell boten die Städte ihre Macht auf, ber römifche König,
ſelbſt erließ eine Kriegserklärung an Baiern. Pfalzgrav Rus
precht ſprach als Schiedörichterz dennoch entbrannte der Krieg
wieder mit großer Erbitterung; die übrigen Fuͤrſten ſchlugen
ebenfalls los; die Städte mahnten bie rheinifchen Städte und
erhielten Zuzug von K. Wenzlaw. . Alfo war dad mergentheiz
mer Bündniß wieder aufgelöft, und es beflanden nur noch die
beſondern Einungen, zwifchen dieſen aber allgemeiner Krieg.
Zur nämlichen Zeit fegten die Schweizer den Krieg ges
gen Öflerreich fort, ungeachtet bie ſchwaͤbiſchen Städte zweis
mal einen Stillſtand vermittelt hatten. Bei Naͤf els erlitten 1388
bie oͤſterreichiſchen Schaaren zum zweiten Mal eine Niederlage 7. Aprül.
faft mit eben fo großem Verluſt wie zwei Jahre zuvor zu
326 Bud IH. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 3.
Sempach. Hierdurch ermuthigt zogen die ſchwaͤbiſchen Städte
mit ihrer Hauptmacht von Ulm herab gegen Wirtemberg, um
einen gleihen Schlag auszuführen. Sie zählten 4000 Strei⸗
ter von verfchiedenen Waffen. Bei Döffingen unfern Beil
1388 der Stadt trafen fie mit den Wirternbergifchen und ihren Ver⸗
24. Aug. himdeten zufammen. Es war ein heiſſer Tag. Im Anfange
der Schlacht fiel Grav Ulrich von WBirtemberg, berfelbe ber
vormals bei Reutlingen gefchlagen worden. Sein Vater, der
alte Grav Eberhard, fprach zu den bewaffneten Schaaren: er
ift wie ein anderer Mann; flehet tapfer, die Feinde fliehen.
Sm entfcheidenden Augenblid Fam fein alter Feind, der Schleg⸗
lee Hauptmann, Wolf von Wimmenftein, obſchon ee ihn
nicht gewollt, mit einer Ritterfchaae ihm au Hülfe, weil «8 ges
gen die Städte galt. Diefe erlitten dann eine völlige Nieder
lage unb büßten 1000 Todte und 600 Gefangene ein. Mac
ber Schlacht erhielt Grav Eberhard Botichaft, daß feines En:
kels Eberhards Gemahlin einen Sohn geboren. .
Wenn bie Städte fiegten, fo möchte wohl in Schwaben
fo wenig mehr ein Fürftenhaus gefunden werben ald in Del:
vetin. Run aber fiel Schreden auf ihre zerfireuten Schaas
ren. Die rheinifchen Städte wurden von Baben und Pfalz
6. Rov. verfolgt, bei Worms gefchlagen und 60 Räuber in einen
Kalkofen geworfen. Die fränfifchen Bifchöfe und der Burg:
grad von Nürnberg eroberten drei Städte und befchäbigten
Nürnberg. Auch die Frankfurter erlitten im folgenden Sabre
eine harte Niederlage bei Kronberg. Zwifchen Augsburg und
Baiern warb ber Krieg mit abwechfelndem Erfolg fortgefegt.
Zwifchen Öfterreich und ben Schweizern vermittelten die
1389 oberfhwäbifchen Städte einen fiebenjährigen Frieden, aber in
ben Rheinlanden, in Schwaben, Baiern, Franken blieb der
Fehdezuſtand.
Mit dem Unglüd der Städte aͤnderte 8. Wenzlaw
wieder feine Gefinnung. Die Verwirrung, wozu er das Seis
nige beigetragen, war ihm fo entleidet, daß er ſchon damit
umging das Reich aufzugeben, wenn er nur hoffen durfte,
daß-die Krone einem feiner Brüber zu Theil werden winbe.
Da er jedoch hiefür wenig Wahrfcheinlichkeit fah, fo entſchloß
April. er fih Fuͤrſten und Städte zu fih nah Eger zu berufen,
Landfriedens: Bändniffe unt. Wenzlam. 327
um noch einmal einen Verfuch zu einem allgemeinen Land⸗
frieden zu machen. Herzog Friedrich von Baiern, einer der
Hauptanfänger ded Kriegs, war ed, ber ihn wieder auf bie
Seite der Fürften brachte. Diele lagen ihm an und flells
ten vor, folange die beſondern Einungen, hauptſaͤchlich ber
Städtebund, beſtuͤnden, folange gebe ed Feinen Frieden (für
fie), folange könne Fein Landfriebensbund für das ganze Reich
gefchlofjen werden.
Afo entfchied die Mehrheit im Reichsrath, daß mit Auf:
bebung aller befondem Buͤndniſſe ein allgemeiner Lands
ftiede gefchlofien werben folle. Dem gemäß erließ Wenzlaw 1389
ein Mandat an die Städte: „da fie wider feinen und feines 2. Mai.
feligen Vaters Willen ſich verbunden, wiewohl fie ihn und das
Reich dabei ausgenommen, fo erkenne er jest gänzlich, daß
folhe Buͤndniſſe wider Gott und Recht und wider das heilige
Reich feien, und gebiete ihnen alfo bei ihren Eiden und bei
Berluft ihrer Freiheiten, alle folhe Buͤndniſſe abzuthun und
ſich an ihn und das heilige Reich zu halten und demnach in
den allgemeinen Landfrieden zu treten."
Auf folche Weife fah fih K. Wenzlam in der Lage, fein
feierlich gegebened Wort zum zweiten Dial zurlidzunehmen,
weil er die Städte nur ald Gegenpartei gebraucht hatte. Die
‚Klagen der ‚Städte wurden nicht gehört. Vielmehr ſetzte man 5. Mai.
feft: welche Stabt dem allgemeinen Landfrieden nicht beitres
ten und mit den Fürften ſich nicht richten würbe, gegen dieſe
fol au das Fuͤrſtenbuͤndniß fortbeftehen; wenn aber bie
Städte beitreten würden, fo folle dieſes auch aufgehoben wer:
den. Zugleich befianden die Zürften auf Abthuung der Pfahl
bürger. Run fahen die Städte nichts Anderes vor ſich als
ſich zum Ziel zu legen. Nur fieben Geeftädte in Oberſchwa⸗
ben hielten zuräd'; fie waren wohl gefonnen zu den Schwei⸗
zern zu treten.
So viele Reibungen hat es gekoftet, bis endlih, mit
Sefeitigung aller Befonderheiten, die Stände der füdweftlichen
Lande in einen gleichen Bund vereinigt wurden, als Stuͤtz⸗
punct der Neichöverfaffung. Der Landfriede wurde geſchwo⸗
ven zunächft auf ſechs Jahre, der Kreis umfaflte die Ober:
theinlande, Schwaben, Baiern, Franken, Heffen, Thüringen
— —
38 Bud 1. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 3.
und Meiffen. Zur Beilegung ber Irrungen wurben neun
Männer gewählt, vier von ben. Fürften, eben fo viele von
den Städten und ein Obmann pom römifchen König. Diele
. brachten dam auch wirklich bie nähern Verträge zwifchen den
Bürften und Städten, jedoch meift mit Entfchädigungdgelbern
von Seiten der lebten, zu Stande,
Nun faffte K. Wenzlaw wieder Muth, auf einem wei
1390 tern Reichstage im folgenden Jahre auch die Übrigen Gegen:
Septbr. fände der Verwirrung, befonderd im Gelbwefen, zu orbnen.
—
Die Operation war kurz und einfach. Füuͤr's erſte befahl
Wenzlaw, daß im ganzen Reiche einerlei Münze geprägt wer:
ben folle, 38 Pfenninge = 1 Loth Silber ninnbergifch Ges
wicht. In Abficht der vielen Juden: oder Bucher: Schuls
ben, über deren Bezahlung manche Fürften und Stände hät
ten’ verarmen müflen, warb ber Knoten zerbauen. Die Ju⸗
den, ein zerfireutes Volk ohne Landbeſitz, vom Geldgewerbe
lebend, wufite man in die auf Landeigenthbum und Leben
gegründete Reichsverfaſſung nicht anders einzufchieben, als
daß fie mit. Leib und Gut als Eigenthum der Faiferlichen
"Kammer betrachtet wurden‘). Wenn nun der Fall eintrat,
baß bie jüdifchen Foderungen die Zahlungsfaͤhigkeit uͤberſtie⸗
gen, fo hielt der Kaifer für Fein Unrecht, wie fchon Lubwig IV.
und Karl IV., auch die Könige von Frankreich und England
getban, alle Sudenfchulden mit einem Feberzug zu vernich
ten, unter der Bedingung, daß die freigefprochenen Schuld»
ner funfzehn vom Hundert zur Faiferlihen Kammer entrichtes
ten. So war biefer und den Neichöfländen geholfen. Die
Koften der bisherigen Kriege fielen auf bie Juden. „Mit
wohlbedachtem Muthe und mit dem Rathe rechtskundiger
Männer,” fagt 8. Wenzlaw in feinem Mandat, „haben wir
bied befchloffen.” Das Jahr zuvor hatte er fich benfelben
Schritt in Böhmen erlaubt ?).
1) Spieß archiv. Nebenarbeiten I, 118 ff.
2) Über das ganze Capitel f. Geſch. von Schwaben IV, 157 — 202,
nach ben daſelbſt angeführten gebrudten und handſchriftlichen Quellen.
8. Wenzlaw und ſeine Erblande. 329
7. K. Wenzlaw verliert das Gleichgewicht in den erb⸗
laͤndiſchen und Haus⸗Angelegenheiten.
Theilung der Erblande nah Karls IV. Verord⸗
nung. Guter Anfang unter Wenzlaw. Aufſtand
der boͤhmiſchen Landherren und der Geiſtlichkeit
wegen Zurückfoderung der verpfaͤndeten Kronguüͤ⸗
ter. K. Sigmund von Ungern verbindet ſich ge⸗
gen ſeinen Bruder Wenzlaw und ſetzt ihn
gefangen.
Wenn Karl IV. das teutfche Reich ale Mittel zur Empor
bringung von Böhmen anfah, -für diefen Zweck aber immer
aufs thätigfte eingeiff » fo zeigte Wenzlaw das Gegentheil:
er begnuͤgte fich mit Böhmen und fah Zeutfchland faft nur als
Rebenprovinz an, worin er Nichts zu thun wuffte als mit dem
Gleichgewichte unter den Parteien ben Zitel des Oberhauptes
au behaupten. Darüber ift er um fo mehr zu tabeln, als bie
innere Ruhe von. Böhmen in ben erften Jahren feiner Regie
rung ibm gar wohl erlaubt hätte fich ben Reichsgeſchaͤften zu
wibmen. Verkehrterweiſe wollte er erfi darin mit Nachdruck han⸗
dein, als ihn die auch in Böhmen ausbrehende Gährung zu
bindern anfing oder ihm fin feine beiden Kronen bang wurde,
Nah Karls IV. Verordnung waren die Exblande auf -
folgende Weife unter feine drei Söhne vertheilt: K Benz:
law behielt Böhmen und Schlefien; Sigmund die Mark
Brandenburg; Johann die Niederlaufig, Görlig
und Schweidnig. Mähren befaßı ' die Vettern Jodo⸗
cus (Jobſt) und Procopius, Söhne von Karls IV. Bru⸗
der Johann Heinrich. Fünf Jahre nach Karld Tode fiel Durch
feines juͤngſten Bruders Wenzlaw Einderlofes Abfterben das
Herzogthum Luremburg an Böhmen zurüd; Brabant und
Limburg aber blieben der Wittwe Johanna. Sigmund, durch
feine Verlobung mit Maria, K. Ludwigs von Ungern und
Polen einziger Exbin, zu deſſen Nachfolger befiimmt und im '
erftern Lande erzogen, mufite nach dem Tode deflelben zur Aufs
ſtellung eines Heeres gegen verfchiebene Kronprätendenten und
innere Parteien Gelb borgen und verpfänbete beöwegen feinen
30 Bud. IE Erſter Feitnraum.“ Abſchnitt 3.
tigten weſtphaͤliſchen Landfricdens) einen: allgemeinen Lund
frieden fuͤr das ganze Reich zu begründen, de..ohnehin die
oben gedachte Einung der drei: Stände zu Ende ging. Die
Hauptbebingungen waren, daß die verbünbeten Fürften einan⸗
der und. dem: roͤmiſchen König gegen alle Feinde beiſtehen und
ohne feine Erlaubniß Feine andern Bündniffe ringehen follten.
Der Entwinf:theilte das Reich in vier Parteien: 1. Böhmen,
Brandenburg; Sachen, Liusehurg ;. 2; die cheinifehen Kurrflirften-
thümer nebft Hoffen und Buden; 3. Öfterreich, Batern, Wirten⸗
berg, Lothringen. ind bie obeslänbigpen Biſchoͤſez 4. die fräns
kiſchen Viſchoͤfa, die Burggrarſchaft Niunberg und Pie weiſſner
nund thininger Lande. Die oberfeutfchen Städtempben, wie bie
uübrigen Staͤnde welche nicht auf-dem Reichätage, waren, zum
Beitritt eingeladen. Da aber noch beſenders ‚geboten wurde,
daß Fürften und Herren the Bündniffe mit den⸗ Staͤdten ab⸗
kinden, die beſtrelenden Stänke. aber der fe: nächftgglegenen
Partei zugetheilt werben folter, fo ſahen die Städte in bem
Entwurfe. nichtö . Anders als. Ztennung ihres zu Speier ges
ſchloſſenen Bundes, der och ‚einige Jahre befiaben Sollte.
Sie verweigerten alfe den ‚Beitritt, bis dieſe Zweifel ge⸗
1384 hoben waren. Nun änderte |. Wenziege im folgenden Jahre
zu Heidetberg den Entwurf. babin, daß bie Stäbte nicht
den Parteien der. Fuͤrſten zugetheilt, ſondern als, eine ſchon
vereinigte. Paxtet dem nürnberger Landfrieden: beitreten ‚follten ;
auch wurde ihnen geftattet, bie übrigen befonbern Einungen
beizubehalten. Dagegen muſſten fie. yverſprechen im ber Zeit
des Landfriedens feine Pfahlblirger .aufzunehngg. ; Das bieß
dann eine „Freundliche Stellung" (Stillftand). ‚Auf diefe Weiſe
26. Sul. ſchloſſen nim die verbuͤndeten ſchwaͤbiſchen, cheiniſchen, elſaͤſ⸗
ſiſchen und. wetterauiſchen Städte mit den au Niunberg per
bundenen Sürflen und Herzen, eine befondere Vereinigung
- auf vier Jahre, mit,Beibehaltung ihres Bunbes ').
‚1383 Waͤhrend biefer. Verhandlungen wiederholte Wenzlam ben
11. Aug. Befehl an hie: ſchwaͤbiſchen Städte, dem Herzog Leopold als
ihrem inter m bulbigen, - «Sie koanten nun nicht mehr
2 Bam α im z les dab
p. 246 og. LEE —
F
Lanbfriedens-Buüͤndnifſe unt. Wenzlaw. 34
umbin Folge zu leiften, da doch ihr Bund gefichert war; fie 1384
vertrugen fich auch bald nach dem Tage zu Heidelberg mit Per
dem Herzog uͤber ihre Foderung an die Gravſchaft Hohen:
berg, welche berfelbe bei dem Ausſterben des Haufes an ſich
brachte. Da jedoch bald wieder neue Spannungen und Streitigs
feiten entflanden, fo beſchloſſen die Staͤdte auch bie ſchweize⸗
sifchen Eidgenoffen in ihr Bünbniß zu ziehen. Der Gedanke
liegt fo nahe, daß man ſich wundern muß, daß ed nicht fhon
früher geſchehen. Aber die Stifter der Eidgenoffenfchaft, die
drei fchweizerifchen Landgemeinden, wollten feinen Krieg
aufferhalb ihrer Gebirge. Dagegen waren bie fünf eidges
nöffifchen Städte, Zurich, Bern, Solothurn, Zug, Lucern,
nicht abgeneigt in ben großen Stäbtebund zu treten. Alſo
machten 51 Frei: und Reich8 » Städte mit ihnen zu Goftanz 1385
ein Bündniß auf neun Jahre, namentlih gegen Öfterreich, 21. Behr.
und Famen babei überein (wie bie Hanfeaten) in Gtreitig-
keiten mit diefem Haufe nirgend anders ald vor ihrem Bunde
Recht zu nehmen. Diefen bedeutenden Schritt zur Unabhäns
gigkeit that ber große Städtebund mit dem fchweizerifchen vers
ſetzt. Der römifche König fragte night darnach, er blieb im
Böhmen,
Um fo mehr beeiferte fi) Herzog Leopold bad Bimbniß zu
treimen und fand ben erſten Anlaß dazu in dem Widerſpruch ber
drei fchweizerifchen Landgemeinden: inden er dieſe beguͤn⸗
fligte, ließ er Lucern, eine von ben fimf Städten, erſt feinen Uns
willen fühlen, dann Ind ex fie zu einem Buͤndniſſe oder ewigen
Frieden ein. Da er jedoch ſah, daß fie bei den alten Gefinnuns
gen blieben, wiewohl fie der erſten Mahnung der ſchwaͤbiſchen
Städte auch ‚nicht entfprochen hatten, fo änderte er ſchnell
feinen Plan und bot den [hwäbifchen Städten Frieden.
Diefe gingen darauf ein, ohne die Sache auf den Spruch des
coſtanzer Bimdniſſes zu ſetzen, weil ſie bei dieſem wenig gu⸗
ten Willen gefunden. Voll Freude uͤber die Trennung fuhr
der Herzog zu, trotzte den Schweizern und erregte noch groͤ⸗
ßern Trotz. Er wollte Krieg und er ſollte ihn haben. Mit
Mühe vermittelten bie ſchwaͤbiſchen Städte einen kurzen Still⸗
ſtand. Die fchweizerifchen Eidgenofien, mit Ausnahme von
Bern, fürchteten ben Krieg fo wenig, daß fie ihn lieber allein
Hfifter Geſchichte d. Zeutfchen II. 24 u
322 Bub IL Erfter Zeitraum, Abſchnitt 3,
auf fi nehmen wollten, als daB fie gegen ben Willen der
alten Drte den Städtebund zufolge des coflanzer Bimdniſſes
gemahnt hätten.
Nicht weniger Selbfivertrauen zeigte Herzog Leopold,
der hohen Ritterfchaft Bier. Keiner der damaligen Zürften
war ihm gleich zu achten. Durch die Überlegenheit feiner Waf:
fen wollte er die Schweizer züchtigen für alle Schmach, bie
fie feinem Haufe bisher zugefügt. Es war in biefer Zeit ein
‚allgemeiner heftiger Haß zwifchen Abel und Gtädten, am
meiften aber haſſte die Ritterſchaft die ſchweizeriſchen Land:
leute, grobe Bauern genannt. Voll frohen Muthes folgte
fie ‘feinem Panner, ald der Krieg erklärt war. Viertauſend der
auserlefenften Ritter und eine Anzahl Fußvolks führte der
Herzog in die Waldflätte und kam vor Sempach, das auf
von ihm abgefallen war. Die Eidgenoffen, nur etwa 1500
Mann ſtark, traten auf der Anhöhe aus dem Wald hervor.
Als fie die Ritter anfichtig wurben, thaten fie das Schlacht:
gebet und rannten den Berg herunter. Fürchterlicher Anprall.
Die Ritter waren von den Pferden gefliegen, weil fie fir un
reblich hielten mit ungleichen Waffen zu flreiten. Sie bieben
die langen Schnäbel von den Schuhen und flellten fi in
ein feftgefchloffenes Viereck mit vorgehaltenen Lanzen, bie noch
vom viertert Glied hervorragten. Die Eidgenoffen, leicht be
waffnet, meift ohne Hamifh, trugen Hallbarten, breite
Schwerbter und Morgenſterne (zadige Keulen). Geſchoſſe
‚wurden nicht gebraucht; ber Kampf war Mann gegen Mann.
Lange müheten fi die Eidgenoffen in bie gepanzerten Rit-
terfchaaren einzubrechen; manche erlagen unter ihren Spies
fen. In diefer Stunde, die fiber das Schidfal der freim
Zhäler entfcheiden follte, trat hervor Arnold von Winkelried,
ein edler Ritter aus Unterwalden, ſprach: „Liebe Eidgenoſſen,
gebentet meines Weibs und meiner frommen Kinder, ergriff
mit feinen Armen foviel ber Ritterfpieffe als er faſſen konnte,
und zog fie in feine Bruſt gedrückt mit ſich zur Erbe. Da
gewannen bie Eidgenofien eine Gaffe, fie brachen in bie Reis
ben ber Ritter durch einen neuen Harft verfidrkt und zerfchmet:
terten mit ihren gewaltigen Streichen Helme und Harniſche.
Es war ein ſchwuͤler Tag; bie Ritter ermatteten in ber ſchwe⸗
\
—
1386
9, Zul,
Landfriedens: Bündniffe unt. Wenzlaw. 323
ren Rüflung. Als Herzog Leopold das Banner von Öfter:
reich ſinken fah, wollte er ben Tod fo vieler edlen Ritter nicht
überleben, flürzte in bad Getuͤmmel und warb unerkannt von
einem gemeinen Schweizerhirten erfchlagen. Seinen Leib deckte
Martin Malterer von Freiburg mit feinem eigenen.
Als der Herzog erfchlagen war, eilten bie. übrigen Rit⸗
ter zu ben Roſſen; aber dieſe waren mit der Hinterhut ents
flohen. Alfo warb bie Niederlage allgemein. Unter etwa
2000 Exfchlagenen zählte man 656 Graven und Ritter, dar⸗
unter 350 gefrönte Helme. Die Eidgenoſſen verloren. etwa
200 Mann. An diefem Zage erlofchen viele alte Häufer, und 2
der Glanz der fürfllichen Hoflager ging anf viele Jahre
unter ?).
As die Reichsſtaͤdte die That der Eibgenoflen vernabs
men, waren fie nicht wenig uͤberraſcht, daß biefe, welche zum
Theil ihren Bund nicht gewollt, zum Theil, da fie konnten,
nicht einmal gemahnt, für, fih allein bie Macht Öfterreichs
und des Abeld alfo gebrochen. Darüber waren fie erfreut,
daß der gemeinfchaftliche Feind untergelegen; aber dieſe Freude
warb bald wieder getrübt, da fie fahen, wie ſchon nach wes
nigen Zagen unter dem jungen Bohn des Herzogs Leopold
ein eigentliches Rachekrieg fich entſpann. Da fie fürchteten
durch das coflanzer Buͤndniß am Ende auch in ben Krieg ges
zogen zu werden, fo fuchten fie ernftlich zu vermitteln, erbiels 4386
tm aber. auch wieber nur einen kurzen Stillſtand. Der Krieg 25. Zul.
dauerte noch drei Jahre, auch Bern nahm Theil, doch wolls
ten die eidgenöfflfchen Städte auch jetzt ben großen Staͤdtebund
nicht mahnen. Diefer hatte für fich felbft zu thun.
Gegen die Eidgenoffen fland nur Ein Feind, dad Haus
Öfterreich; gegen ben &täbtebund aber fanden zehn flatt
eined, vermöge ihrer zerfireuten Lage zwifchen den Herrenlaͤn⸗
den. Einige Städte hatten Brüche mit Wirtemberg, andere
mit Baden, mit Ted, mit Ötingen, mit ben Bifchof von
Vimzburg, mit dem Burggraven von Nürnberg, Sämmtliche
Städte waren in Spannung mit dem pfalzbaierifchen Haufe,
Mo auf mehreren Seiten zugleich. Die Fuͤrſten und Herten
1) Mälter Schweiz. Geſch. IT, 43518 (der Orig. Ausgabe).
21*
324 Bub IL Erfier Zeitraum. Abſchnitt 3.
fchloffen uͤberdies ein geheimes Buͤndniß unter fi, ber Faym
genannt, aͤhnlich den weſtphaͤliſchen Vehmgerichten, um die
Ihrigen vom Eintritt in ſtaͤdtiſches Bürgerrecht abzuhalten.
Sn diefer mislihen Stellung, bei der Ausfiht auf Krieg
Aller gegen Alle, zogen die Städte friedliche Mittel vor, ob
fie gleich zum Kriege gerüftet unb von König Wenzlaw ſelbſt
dazu aufgefodert waren. Während fie zwifchen Öfterreich und
den Schweizern mittelten, kamen fie auf einem Tag zu Mer:
gentheim überein, in ihren eigenen Angelegenheiten vier
„Thaidinger“ zu wählen, ‚weldhe mit den Fürften unterhan
dein follten. Das waren die Bürgermeifter von Regensburg,
Augsburg, Nürnberg, Ulm. Durch fie wurde eine Richtung
gefchlofien faft auf denfelben Zag, ba der fchweizerifche Stil:
fland zu Ende ging. Kür alle und jede Brüche festen fie be
fondere Audträge, und die meiflen berfelben wurden hernach
1386 zu Augsburg vertragen. Auf biefe Weife fahen fie den Krieg
Rod. wo nicht vermieden, doch aufgefchoben.
K. Wenzlaw hatte diefen Bewegungen zwei Jahre lang
wie ed ſchien ganz unthätig zugefehen, in der Stille aber die
Städte wieber aufgemuntert bie Kürften zu befchränten.
Mit geheimer Freude fah er, wie ber fchweizeriihe Stier
alfo trogig über den habsburgifchen Löwen gelommen. Auch
in Rüdficht auf die Partei des Gegenpapſtes Glemens VII.
war ihm der Stäbtebund willlommen. Die Zürften aber ge
riethben in große Unzufriedenheit ımd fingen fchon an auf
eine neue Königewahl zu denken. Nun hielt Wenzlaw doch
1387 für gut wieder auf einen Tag nach Nürnberg zu kommen
und ſich Iffentlih für die Stäbte zu erfldren. Er bob bie
ohnehin durch H. Leopold Tod gefallene Verpfäntung auf
und übertrug die Landvogteien keinem Fürftenhaufe mehr fon:
bern geringeren Herren. Dann verfprach er den Städten mit
feinem eigenen Mund, ihren Bund nicht mehr abzuthun fein
19. März. Leben lang, und beflätigte alle ihre wohlhergebrachten Freihei⸗
ten. Auf dieſed fchwuren 37 fchwäbifche und fränkifche Städte
nebft Regensburg und Bafel, ihm als roͤmiſchem König beizu⸗
fiehen dieſſeit des Gebirges gegen Jeden, ber ihn von Reiche
verbrängen wollte. |
} Als Wenzlaw der Städte verfichert war, verfammelte er
Randfriedens: Bündniffe uns. Wenzlam. 325
zu Mergentheim Zürften und Staͤdte, um dad zu Ende
gehende heidelberger Bünbniß zu emeuern. Bor feiner
Ankunft zu Nürnberg hatte er den weſtphaͤliſchen Landfrieden
wegen Klagen über Bedrückungen der einzelnen Stände auf:
gehoben. Nun war feine Abficht ohne Zweifel, den zu Nuͤrn⸗
berg früher entworfenen allgemeinen Landfrieden zur nd»
beren Ausführung zu bringen. Die Städte waren aber fo
wenig geneigt ald damals fich in die vier Kreife der Fuͤrſten⸗
länder eintheilen oder unterfteden zu laflen; die rheinifchen
Städte wollten überhaupt Feinen Theil nehmen, ſondern bei
ihrer zehnjährigen Einung bleiben. Doch verftanden fich die
fhwäbifchen, fränkifchen und baierifchen Städte dazu, gegen-
über von den vier Fuͤrſtenkreiſen fi) auch in vier Kreife zu
theilen, im Übrigen aber ihre befonderen Einungen vorzubes
halten. Auf diefe Weife ſchloſſen fie mit den Fuͤrſten ein 1387
neued Bündnig auf ein Jahr; fie nahmen dabei befonders 5. Nov.
aus den Erzbifchof Pilegrin von Salzburg, mit dem file in
Einung flanden, und die rheinifhen Städte. Im dritten Fuͤr⸗
fienkreife ift Lothringen auögelaffen, das wohl au dem Ent-
wurf nie beigetreten war. Alſo wurbe wieber Fein allgemei-
ner Landfriede erreicht, und die Fürften waren über dad Zu-
ſammenhalten der Städte auf's neue unwillig.
| Kaum verfloffen vierzehn Tage, fo. brachen die Herzoge.
von Baiern den Frieden durch NRiederwerfung des Erzbi⸗
ſchofs von Salzburg und durch Überfall fläbtifcher Kaufleute.
Schnell boten die Städte ihre Macht auf, der römifche König.
ſelbſt erließ eine Kriegserfiärung an Baiern. Pfalzgrav Rus.
precht fprach als Schiebsrichter; dennoch entbrannte ber Krieg
wieber mit großer Exbitterung; bie übrigen Fuͤrſten fchlugen
ebenfalls los; die Städte mahnten die rheinifchen Städte und
erhielten Zuzug von K. Wenzlaw.. Alfo war dad mergenthei⸗
mer Bimdniß wieder aufgelöft, und es beflanden nur noch die
befondern Einungen, zwifchen biefen aber allgemeiner Krieg.
Zur nämlichen Zeit fegten die Schweizer den Krieg ges
gen Oſterreich fort, ungeachtet die ſchwaͤbiſchen Staͤdte zwei⸗
mal einen Stillſtand vermittelt hatten. Bei Naͤfels erlitten 1388
die Öfterreichifchen Schaaren zum zweiten Mal eine Niederlage 7. April.
faſt mit eben fo großem Verluſt wie zwei Jahre zuvor zu
n
326 Bud IL Erſter Zeitraum. Abſchnitt 3.
Sempach. Hierdurch ermuthigt zogen die ſchwaͤbiſchen Staͤdte
mit ihrer Hauptmacht von Ulm herab gegen Wirtemberg, um
einen gleihen Schlag auszuführen. Sie zählten 4000 Strei⸗
ter von verfchiebenen Waffen. Dei Döffingen unfern Beil
1388 der Stadt trafen fie mit den Wirternbergifchen und ihren Ver
2%. Aug.
6. Nov.
bünbeten zufammen. Es war ein heifler Tag. Im Anfange
der Schlacht fiel Grav Uldih von Wirtemberg, derſelbe der
vormals bei Reutlingen gefchlagen worden. Sein Vater, ber
alte Grav Eberhard, forach zu den bewaffneten Schaaren: er
ift wie ein anderer Dann; flebet tapfer, die Feinde fliehen.
Im entfcheidenden Augenblid kam fein alter Feind, der Schlegs
ler Hauptmann, Wolf von Wimmenftein, obſchon er ihn
wicht gewollt, mit einer Ritterfchaar ihm zu Hülfe, weil «8 ge
gen die Städte galt. Diefe erlitten dann eine völlige Nieder
Jage und büßten 1000 Todte und 600 Gefangene ein. Nach
ber Schlacht erhielt Stan Eberhard Botfchaft, daß feines En:
kels Eberhards Gemahlin einen Sohn geboren.
Wenn die Städte fiegten, fo möchte wohl in Schwaben
fo wenig mehr ein Fuͤrſtenhaus gefunden werben als in Heb
vetin. Nun aber fiel Schreden auf ihre zerfireuten Schaa⸗
ren. Die rheinifchen Städte wurden von Baben und Pfalz
verfolgt, bei Worms gefchlagen und 60 Räuber in einen
Kallofen geworfen. Die fränkifchen Bifchöfe und der Burg
grav von Nümberg eroberten drei Städte und befchäbigten
Nürnberg. Auch die Frankfurter erlitten im folgenden Jahre
eine harte Niederlage bei Kronberg. Zwiſchen Augsburg und
Baiern ward ber Krieg mit abwechſelndem Erfolg fortgeſetzt.
Zwiſchen Öfterreich und dem Schweizern vermittelten die
1389 oberfchwäbifchen Städte einen fiebenjährigen Frieden, aber in
ben Rheinlanden, in Schwaben, Baiern, Franken blieb der
Fehdezuſtand.
Mit dem Unglüd der Städte änderte 8. Wenzlaw
wieder feine Gefinnung. Die Verwirrung, wozu er das Se
nige beigetragen, war ihm fo entleibet, daß er ſchon damit
umging das Reich aufzugeben, wenn er nur hoffen durfte,
daß-die Krone einem feiner Brüder zu Theil werden wilde.
Da er jeboch hiefür wenig Wahrſcheinlichkeit fah, fo entſchloß
April. er fih Fuͤrſten und Städte zu fih nad Eger zu berufen,
Landfriedens: Bündniffe unt. Wenzlam, 327
um noch einmal einen Verſuch zu einem allgemeinen Land⸗
feieben zu machen. Herzog Zriedrih von Baiern, einer der
Hauptanfänger des Kriegs, war es, ber ihn wieber auf bie
Seite der Fürften brachte. Diefe lagen ihm an und fell:
ten vor, folange die befondern Einungen, hauptfächlich ber
Städtebund, beflünden, folange gebe ed Feinen Frieden (für
fie), folange koͤnne Fein Landfriedensbund für das ganze Reich
geichloffen werden.
Afo entfchieb die Mehrheit im Reichsrath, daß mit Auf-
bebung aller befondern Bünbniffe ein allgemeiner Land»
friede gefchloffen werben folle. Dem gemäß erließ Wenzlaw 1389
ein Mandat an die Städte: „da fie wider feinen und feines 2. Mat.
feligen Vaters Willen fich verbunden, wiewohl fie ihn und das
Reich dabei ausgenommen, fo erkenne er jegt gänzlich, daß
folhe Buͤndniſſe wider Gott und Recht und wider das heilige
Reich feien, und gebiete ihnen alfo bei ihren Eiden und bei
Verluſt ihrer Freiheiten, alle ſolche Buͤndniſſe abzuthun und
fi an ihn und das heilige Reich zu halten und demnach in
den allgemeinen Landfrieden zu treten.”
Auf folche Weiſe fah fih K. Wenzlam in der Lage, fein
feierlich gegebened Wort zum zweiten Dial zurüdzunehmen,
weil er Die Städte nur ald Gegenpartei gebraucht hatte. Die
‚Klagen der -Städte wurden nicht gehört. Vielmehr fehte man 5.Mai.
feft: welche Stadt dem allgemeinen Landfrieden nicht beitre⸗ |
ten und mit den Fürften fich. nicht richten würde, gegen biefe
fol auch das Fuͤrſtenbuͤndniß fortbeflehen; wenn aber bie
Städte beitzeten wuͤrden, fo folle dieſes auch aufgehoben wer-
den. Zugleich beftanden die Fuͤrſten auf Abthuung der Pfahl
bürger. Nun ſahen die Städte nichts Anderes vor fih als
fi zum Biel zu legen. Nur fieben Seeſtaͤdte in Oberfchwa-
ben hielten zuruck; fie waren wohl gefonnen zu den Schwei-
jern zu treten.
So viele Reibungen bat ed gekoftet, bis endlich, mit
Sefeitigung aller Befonderheiten, die Stände der füdweftlichen
Lande in einen gleichen Bund vereinigt wurben, als Stüßs
punct der Reichöverfaffung. Der Landfriede wurde gefchwo-
ven zunächft auf ſechs Jahre, der Kreis umfaflte die Ober:
theinlande, Schwaben, Baiern, Franken, Hefien, Thüringen
38 Bud IL Erſter Zeitraum. Abſchnitt 3.
und Meiffen. Zur Beilegung ber Irrungen wınben nam
Männer gewählt, vier von den: Fürften, eben fo viele von
den Städten und ein Obmann vom roͤmiſchen König. Diefe
. brachten dam auch wirklich die nähern Verträge zwifchen den
Bürften und Städten, jeboch meift mit Entſchaͤdigungsgeldern
von Seiten der lebten, zu Stande.
Nun faffte K. Wenzlaw wieder Muth, auf ‚einem wei
1390 tern Reichötage im folgenden Jahre auch die übrigen Gegen:
Geptör. Hände der Verwirrung, befonders im Geldweſen, zu orbnen.
Die Operation war kurz und einfach. Fuͤr's erſte befahl
‚Wenzlaw, daß im ganzen Reiche einerlei Münze geprägt wer:
ben folle, 38 Pfenninge — 1 Loth Silber ninnbergifch Ges
wicht. In Abficht der vielen Ju den⸗ oder Bucher: Schul:
den, über deren Bezahlung manche Fürften und Stände hät
ten verarmen müflen, warb der Knoten zerhauen. Die Aus
den, ein zerſtreutes Volk ohne Landbeſitz, vom Geldgewerbe
lebend, wuflte man in die auf Landeigenthum und Lehen
gegründete Reichsverfaſſung nicht anderd einzufchieben, als
daß fie mit. Leib und Gut als Eigenthbum der Paiferlichen
“ Kammer betradtet wurden‘). Wenn nun ber Fall eintrat,
daß die juͤdiſchen Foderungen die Zahlungsfaͤhigkeit überſtie⸗
gen, fo hielt der Kaiſer für kein Unrecht, wie ſchon Ludwig IV.
und Karl IV., auch die Koͤnige von Frankreich und England
gethan, alle Judenſchulden mit einem Federzug zu vernich⸗
ten, unter der Bedingung, daß die freigeſprochenen Schuld⸗
ner funfzehn vom Hundert zur Faiferlichen Kammer entrichtes
ten. So war diefer und den Reichöfländen geholfen. Die
Koften der biöherigen Kriege fielen auf die Juden. „Mit
wohlbedachtem Muthe und mit dem Rathe rechtskundiger
Maͤnner,“ ſagt K. Wenzlaw in ſeinem Mandat, „haben wir
dies beſchloſſen. Das Jahr zuvor hatte er fich denſelben
Schritt in Böhmen erlaubt?).
1) Spiep archiv. Rebenarbeiten L 118 ff.
2) Über das ganze Gapitel |. Geſch. von Schwaben IV, 157 — 202.
nach ben daſelbſt angeführten gebrudten und handſchriftlichen Quellen.
K. Wenzlaw und feine Erblande. 329
7. 8. Wenzlaw verliert das Gleichgewicht In den erb-
laͤndiſchen und Haus⸗Angelegenheiten.
Theilung der Erblande nah Karls IV. Verord⸗
nung. Guter Anfang unter Wenzlaw. Aufſtand
der boͤhmiſchen Landherren und der Geiſtlichkeit
wegen Zurückfoderung ber verpfändeten Krongü⸗
ter. 8. Sigmund von Ungern verbindet fi ges
gen feinen Bruder Wenzlaw und fegt ihn
gefangen.
Wenn Karl IV. das teutfche Reich als Mittel zur Empor
bringung von Böhmen anfah, fir Diefen Zweck aber immer
auf's thaͤtigſte eingriff „ſo zeigte Wenzlaw das Gegentheil:
er begnuͤgte ſich mit Boͤhmen und ſah Teutſchland faſt nur als
Nebenprovinz an, worin er Nichts zu thun wuſſte als mit dem
Gleichgewichte unter den Parteien den Titel des Oberhauptes
iu behaupten. Darüber iſt er um fo mehr zu tadeln, als bie
innere Rube von. Böhmen in den erſten Iahren feiner Regie⸗
rung ihm gar wohl erlaubt hätte ſich ben Reichsgeſchaͤften zu
widmen. Verkehrterweiſe wollte ex erſt darin mit Nachdruck hans
dein, ald ihn die auch in Böhmen audbrechende Gährung zu
hindern anfing oder ihm für feine beiden Kronen bang wurde,
Nach Karls IV, Verordnung waren die Erblande auf -
folgende Weiſe unter feine drei Söhne vertheilt. K Wenz⸗
law behielt Böhmen und Schleſien; Sigmund bie Mark
Brandenburg; Johann die Niederlaufig, Görlig
uns Schweidnit. Mähren befaßı die Vetten Jodo⸗
cus (Sobfl) und Procopius, Söhne von Karl IV. Bru⸗
ber Johann Heinrich. Fünf Jahre nah Karld Tode fiel Durch
feined juͤngſten Bruders Wenzlaw Tinderlofes Abfterben das
Herzogthum Luremburg an Böhmen zuruͤck; Brabant und
Eimburg aber blieben der Wittwe Johanna. Sigmund, durch
feine Verlobung mit Maria, K. Ludwigs von Ungem und
Polen einziger Erbin, zu befien Nachfolger beftimmt und im '
erſtern Lande erzogen, muffte nach dem Tode deffelben zur Auf:
ſtellung eines Heeres gegen verſchiedene Kronpraͤtendenten und
innere Parteien Geld borgen und verpfaͤndete deswegen ſeinen
x
330 Bub UL Erſter Zeitraum. Abſchnitt 3.
Vettern von Mähren einen Theil von Brandenburg. Da
Wenzlaw daruͤber unzufrieden war, muflte er ihm das übrige
Kurfürftenthum überlaffen. Die Stände aber, weil fie nicht
zwei Herren haben wollten, unterwarfen fi dem 8. Wenz⸗
low allein, der feinen jüngern Bruder Johann zum Statt-
halter verorbnet.e So weit wurbe der Hauöfriede in ben
erften fieben Jahren erhalten; eben fo lange auch die Rube
in Böhmen.
Wenzlaw hielt fo fireng auf den Landfrieden, daß man
geraume Zeit von keinem Straßenraub hörte. Um dem Dan:
1381 gel an Richtern abzuhelfen, verordnete er die Geſchwornen und
Aiteflen der Städte zu befänbigen Lanbrichtem ihrer Bezirke.
Er befuchte felbft die Brods und Fleiſch⸗Schrannen in Prag
und beflxafte die Betrüger hart. Auch die nächtlichen Schaar=
wachen begleitete er unerkannt und ließ aufgefangene unzüch-
tige Weiböperfonen den andern Tag an ben Pranger ftellen,
wenn ed auch Concubinen von Geiftlichen waren. So freige:
big er felbft gegen bie Kirche war, fo gab er bod) das Geſetz,
daß keine Verdufferung von Gütern an biefelbe gültig fein
fole, weil fie bereits ein Drittbeil des Grundeigenthums bes
faß. Zur Stiftung einer Kirche, worin dem Volk in der Lan:
beöfprache gepredigt werben follte, gab ex gern die Bewillis
gung; nah ibm auch der Papft. Wenzlaws Halbfchwefter
Anna, welche dem 8. Richard von England vermählt wurde,
befaß ſchon ein Evangelienbuch in böhmifcher Sprache. Ihre
Begleiter brachten wahrfcheinlich ſchon damals. Wiclefs Schrif⸗
ten aus England nah Prag. Die Univerſitaͤt bluͤhte immer
1392 mehr auf. Wenzlam befreite fie von ber gewöhnlichen Ge:
41337 richtsbarkeit und übertrug diefe dem Rector; auch fliftete er
ein neued Collegium.
In dem Allen konnte Wenzlaws Regierung Wblich heifs
fen. Aber bald nahmen feine Sitten und fein Verhalten eine
- immer ſchlimmere Richtung. Einige meinen, nicht in Prag,
wo man allerdings gewohnt war üppig zu leben, ſondern zu
Aachen, wo .er eine Zeit lang ber NReichögefchäfte wegen ver:
41380 weilte, fei der Anfang dazu gefchehen. Gewiß ift, daß. diefe
Veränderung in die Zeit fällt, wo er drei feiner beften Raͤthe
und feine tugendhafte Gemahlin Elifabeth verlor. Bene waren
8. Wenzlaw und feine Erblande. 331
ber Garbinal Johann von Wlaſchim, vormaliger Erzbiſchof von
Prag, der Biſchof von Leutomifchel, Albrecht von Sternberg, und
der Bifchof von Olmuͤtz, Johann von Neumark, Karls IV.
Kanzler. Ienen erfehte Wenzlaw durch Iohann von Ienzen:
flein, ber feine ganze Gunſt hatte, nicht ſowohl wegen feiner
Gelehrfamfeit als weil er an Jagden, Zurnieren, Taͤnzen
fröhlichen Antheil nahm. Die näheren Umflände von dem
ſchnellen Zode feiner Gemahlin ließ Wenzlam nicht bekannt
werden; es iſt fehr wahrfcheiniih, daß fie Nachts beim Aufs
ſtehen aus dem Bette von einem feiner großen Hunde, die
er immer, um fich hatte, angefallen und erwürgt wurde. 1386
Wenzlaw bileb ſechs Jahre Wittwer und vermählte ſich dann
wieder mit Sophia, Herzog Johanns von Baiern Zochter. 1392'
Aus beiden Ehen aber hatte er fich Feiner Nachkommenſchaft
zu erfreuen. Bei einem folchen wilben Leben verfiel Wenzlaw
in dee Meinung ſtrenger Gerechtigkeit auf eigenmädhtige und
graufame Handlungen. Er konnte Beinen Widerfpruch ertras
gen und überließ fich feinem Idhzome. So entfland bei den
Untertbanen Abneigung und Widerſetzlichkeit, in ben Gefchäf:
ten aber Verwirrung. |
In derſelben Zeit da die teutichen Städte gegen den 1385
Herzog von Öfterreich und andere Landherren fi zum Kriege
rüfleten, lieſſen Die Prager ihren Unwillen über Wenzlaws
Regierung zum erſten Mal laut werben. Sie befchwerten fich
unter anderm barüber, daß Wenzlaw immer mehr Teutſche
bereingiehe und die wichtigften Amter ihnen anvertraue. Wenz⸗
law befolgte darin feined Vaters Plan, ber die beiden Natios
nen näher mit einander befteunden wollte. Diele Teutfche liefs
jen fih in Prag nieder; aber darin ging Wenzlaw zu weit,
daß er ſelbſt den altſtaͤdter Magifirat faft ganz mit Zeutfchen
befeßte, fowie er dagegen teutſche Reichövogteien an böhmifche
Hessen übertmg. Als nächtliche Zuſammenkuͤnfte einen Aufs
kauf befürchten liefien, kam er fehnell zuvor, ließ die Gaſt⸗
wirthe einziehen und zwei berfelben gleich am dritten Zage .
Öffentlich enthaupten. Während Wenzlaw am egrifchen Lands 1389
frieden arbeitete, erhob das Vol zu Prag einen fürchterlichen
Aufftand gegen die Juden, weil einige berfelben bie heilige
Hoflie verfpottet hatten; es wurben 3000 derſelben getöbtet
332 Bub II Erſter Zeitraum Abſchnitt 3.
and verbrannt, wenige gerettete Weiber und Kinder aber ge-
tauft. Bei feiner Ruͤckkehr ließ ed Wenzlaw dabei, Daß bie
Juden fi ſelbſt dad Unglüd zuzufchreiben hätten; ihr Selb
aber, das auf die Rathhaͤnſer gebracht worden, z0g er ein in
‚ ber Summe von fünf Tonnen Silbers. Mit diefer Bereiche
zung, bie im folgenden Jahre durch allgemeine Aufhebung
der Judenſchulden in Zeutfchland noch vermehrt wurde, war
feiner Schatzkammer doch nicht lange geholfen, weil bie mei⸗
fien boͤhmiſchen Kronguͤter verpfändet waren. Die „Berne”
ober Steuer von den Städten und Kloͤſtern betrug kaum
8000 Schod Srofchen ober 160,000 fl. heutiges Geld. Wenn
Karl IV. die Einziehung der Krongüter nicht durchfehen Eonnte,
fo hatte die Aufgabe für Wenzlaw noch größere Schwierigfei-
ten. Zuerſt berief er einen Landtag und ftellte den Pfandbe-
figern vor, daß bie meiften wohl längft durch die Pfandſchaft
fih bezahlt gemacht hätten. Die Herren und Ritter begehrten
Auffhub, um ſich mit einander zu berathen. Er ſprach: „bes
rathet euch mit der gefunden Vernunft”! Gleich darauf hielt
er einen andern Landtag, um mit aller Stvenge zu Werk zu
gehen. Er foberte die einzelnen Pfardbefiger vor in ein ſchwar⸗
zes Zelt; bie welche die Zuruͤckgabe verweigerten, ließ er in
ein rothes Zelt führen und ohne weiteres koͤpfen. Die ans
dern. welche bie blutige Procedur merkten, willigten dann in
die Zuruͤckgabe. Aber dieſer Schritt zog dem Könige unaus-
loͤſchlichen Haß von ben Lanbherren zu. Er kehrte fich nicht
daran und ließ bald darauf zwei berfelben wegen Straßen:
raubs gefangen nehmen und einen bavon hinrichten Run tras
‚ten die Misvergnügten zu Koͤnigsgraͤt zufammen, während
1391 Wenzlaw zu Nürnberg war; er eilte deshalb zuruͤck nach Prag
und ließ wieber zwei. Ritter als Aufwiegler enthaupten.
Hatte Wenzlaw fchon durch feine ſtrenge Polizei den Uns
willen der niebern Geiſtlichkeit gereizt, fo zerfiel er jetzt auch
mit dem Erzbiſchof Johann von Ienzenftein, der fich als boͤh⸗
mifchen Papfl anfah. Der Iuflige Geſellſchafter änderte auf
einmal feinen Sinn. Als der Erzbiſchof Ludwig, der, wie wir
oben gejehen, von Mainz nach Magdeburg verfekt worden,
1382 auf einem Taͤnze bei ausgebrochenem euer den Hald brad),
“ wurde Johann ein beftiget Eiferer, trieb Mönchsubungen und
8. Wenzlaw und feine Erblande. 333
wollte den König auch befehren. In Kirchenfachen ließ‘ er fich
gar Nichts einreden. Doc das Hauptzerwürfniß entſtand
über die verpfändeten Krongüter. Der Erzbifchof befaß allein
fieben Städte und verfchiedene Schlöffer und Guͤte. Da er
fi dem Könige entgegenfegte und zwifchen den beiberfeitigen -
Beamten immer wieder neue Streitigkeiten vorfielen, fo ließ
Benzlaw feinem Zorn ben Lauf. Er bedrohte den Erzbifchof
mit Erfäufen und zog, da biefer auf fein feſtes Schloß Gais⸗
berg entfloh, das Domcapitel in fcharfe Unterfuhung. Den
Domdechant fchlug er wegen feiner freimüthigen Antworten
mit dem Degenktnopfe auf die Stime. Den erzbifchöflichen
Official aber und den General⸗Vicar Johann Pomuk half er
mit eigener Hand foltern und ließ Letztern wirklich erfäufen '). 1393
Darüber gerieth nun auch das Volk in tiefen Ingrimm, denn
Nepomuk war ein rechtfchaffener Mann und wirb ſeitdem
ald Märtyrer und Heiliger verehrt. Wenzlaw zeigte zwar tiefe
Reue wegen diefer Übereilung und war auch bereit mit bem
Erzbiſchofe fi auszuſoͤhnen. Diefer fah ſich aber faum in
Sreiheit, fo eilte er nach Rom, um bei dem Papſt Urban VI.
feine Klagen anzubringen; er fand jedoch wenig Gehör, weil.
der Papſt Wenzlaws Beifland gegen Clemens VII nicht ent:
bebren konnte.
Alſo war Wenzlaw ein anderer König in Böhmen als i im
teutfchen Reich, wiewohl am Ende mit gleich üblem Erfolg
an beiden Drten. In Zeutfchland fcheuete er fich tiefer eins
zugreifen, fchlug fich bald zu biefer bald zu jener Partei und
gerieth durch feine Gleichgültigkeit, durch Spott und Worts
bruch in allgemeine Verachtung. Im. Erbreich glauhfe er da⸗
gegen allen Herrfcherlaunen freien Lauf laſſen zu dürfen und
verbarb durch Graufamkeiten auch die gerechte Sache. Geift:
lichkeit, Landherren und Volk waren in gleichem Grab aufgereizt.
Nun Tam auch der Hauszwift hinzu. In dem ungeri-
ſchen Kronflreit war K. Wenzlaw zum Schiedsrichter in Bes
treff der mährifchen Schuld und zum Vormund der Königin
Maria und ihrer Mutter Elifabeth gewählt worden. Nachher 1386
verfäumte er feinem Bruder mit dem verfprochenen Kriegäheer
1) Die gepoͤhnliche Todesſtrafe geiftlicher Perfonen.
”
34 Bud IL Erfter Zeitraum Abſchnitt 3.
zu Hülfe zu kommen. Dies vergaß ihm Sigmund nicht.
Als diefer fi in noch tiefere Schulden flürgen muffte, um
endlich Ungern zu behaupten und feine Gemahlin zu befreien,
fo verpfändete er auf's neue ganz Brandenburg an feinen
Vetter, den Markgraven Jobſt. Die Brüder Wenzlaw und
Johann gaben zwar die Einwilligung, Sigmund muſſte aber
1388 jenem feinen Theil an Kuttenberg, diefem die Neumark ab-
treten und dazu auf fein Erbrecht an Böhmen verzichten, auch
‚ geftatten, daß Wenzlaw, ber Feine Erben hatte, biefed Reich
an Johann vermachen dürfe.
Über die letztere Bedingung warf Sigmund feinen Uns
wilfen auf Johann und hielt fih an Wenzlaw, indem er ihm
alle Hülfe und die Ihronfolge in Ungern verfprach, wenn er
ihn zum Nachfolger in Böhmen einfegen würde. Johann ver:
band fich dagegen mit dem Markgraven Wilhelm von Meiſ⸗
fen und verpfändete demfelben die in feinem Lande liegenden
1397 boͤhmiſchen Schiöffer, auf den Kal daß er König in Böhmen
3. Dec. würde. Weil aber Wenzlaw den Erwartungen Sigmunbs
nicht entſprach, fo verband fich dieſer nun auch gegen ibn;
18. Der. er traf eine geheime Übereinkunft mit Markgrav Jobſt und
Herzog Albrecht von Öfterreich, welcher auch der Markgray Bil:
beim beiftimmte, und trat in ein Verſtaͤndniß mit den misver:
gnügten böhmifchen Landherren. Die Abficht war, Wenzlaw abzu⸗
feßen oder doch unfchäblich zu machen. Die Ausführung über:
ließ er dem Markgraven Jobſt, der mit böhmifchen Rittern
1394 den König auf der Reife überfiel und nach Prag gefangen
8. Mai. ſetzte. Vor den Einwohnern wurbe jedoch die Lage des Koͤ⸗
nigs fo geheim gehalten, daß fie die von ihm ausgeftellten
Urkunden für freiwillige Entfchlieffungen hielten. Als ndmlid)
Wenzlam audgetobt hatte, verftand er fi dem Markgraven
2. Jun. Jobſt nicht nur die Landvogtei Elfaß zu übertragen, ſondern
ihn auch zum Staroſt oder Statthalter in Böhmen zu ernen:
nen. Unter dieſer Bedingung follte Wenzlaw feine Freiheit
erhalten; da aber fein Bruder, Herzog Iohann von Goͤrlitz,
mit einem Kriegäheer zu feiner Befreiung heranzog, führten
ihn bie Verſchwornen weiter, zulegt nach ſterreich auf das
flahrenbergifche Schloß Wildberg !).
1) Rah Pelzel Leben des K. Wenceflaus L Band.
Das Reih unt. 8. Wenzlam, 1394—1398. 435
8. Die Reichöverhältniffe bei Wenzlaws Unthaten in
Böhmen bis zum frankfurter Landfrieden, von
1394 — 1398.
Der Reihöverwefer, Pfalzgrav Ruprecht, bringt
auf Wenzlaws Befreiung. Zür die Errihtung bed
Herzogthbums Mailand erhält Wenzlaw Geldhülfe:
tritt feinem Bruder das ganze Reichsvicariat ab,
der ibm noch dazu in Böhmen einen Reichsrath
fest, aber auch nicht nah Teutſchland Tommt.
Benzlaw ſchafft fih wieder freie Hände. Wegen
langer Abwefenhbeit aus Teutſchland mit Abfez
zung bedroht, thut er wieder Etwa in den drin
gendftern Angelegenheiten.
So wenig Wenzlaw in Teutſchland geachtet war, ſo fuͤhlte 1394
man doch den nie vorgekommenen Schimpf, daß ein roͤmiſcher
Koͤnig in ſeinem Erblande gefangen ſein ſollte. Auf Anſuchen
ſeines Bruders, des Herzogs Johann, beſchloß der Reichſtag
eine Geſandtſchaft an die boͤhmiſchen Landherren abzuordnen
md einſtweilen ben Pfalzgraven Ruprecht ald Reichsverwe⸗ 18. Jul.
ſer aufzuſtellen. Als dieſer mit einem Kriegszug drohte, ward
Wenzlaw freigelaſſen gegen Verzicht auf alle Rache an denen,
die ihn gefangen genommen hatten. Aber kaum war er wie⸗
der zu Prag angelangt, fo ließ er ben Buͤrgermeiſter und ei⸗ 10. Nov.
nige vom Stabtrath, weil fie um bie Sache gewuſſt hätten,
enthaupten ). Das Haus bed Erftern beflimmte ex zu einer
Schule. Wenzlaw wollte durch dieſe Härte feine Gegner
ſchrecken; aber ex bewirkte das Gegentheil, denn bie Landher:
ven traten auf’3 neue mit Markgrav Jobſt und Herzog Albrecht
in Verbindung.
Wenzlaw fland mit Polen und Frankreich in Buͤnd⸗
niß, erhielt aber keinen thaͤtigen Beiſtand; dagegen fand er
unerwartete Geldhuͤlfe in Italien. Johann Galeazzo Vi⸗
ſconti zu Mailand hatte den verhaſſten Bernabo, ſeinen
e
1) Ob diefe zu den Zeutfchen gehörten, bie er eingefeht, ober ob
es Böhmen waren, wird nicht berichtet.
336 Bud IL Erfier Zeitraum, Abſchnitt 3.
Dheim und Mitregenten, nebft deſſen Söhnen, aus dem Wege
gefchafft, fih zum Alleinheren des mailändifchen aus 25 Stät-
ten beftebenden Staated erhoben, durch den Sturz ber Haͤupt⸗
linge della Scala und Carrara bie Städte Verona, Vicenza,
dann Siena unterworfen, und alfo faft bie ganze Lombarbei
in feine Gewalt gebracht. Ohne den Widerſtand der Floren-
tiner und ihrer Verbündeten wuͤrde er wohl feine Herrfchaft
über ganz Dberitalien ausgebreitet haben. Beide Parteien
fuchten den K. Wenzlaw durch Geſandte fuͤr ſich zu gewin⸗
nen. Wiewohl man bisher in Italien noch weniger als in
Teutſchland nach dem roͤmiſchen Koͤnig gefragt hatte, ſo war
doch beiden Theilen darum zu thun ihren Unternehmungen
wenigſtens den Titel der Rechtmaͤßigkeit durch ihn geben zu
laſſen. Den Florentinern war Wenzlaw ſchon vorher abge⸗
neigt. Viſcontis Geſandter hingegen, der Biſchof Pietro Fi⸗
largo von Novara (nachheriger Papſt Alexander V.), gewann
| mit 100,000 fl. feine Gunſt. Wenzlam verlieh dem Bilconti
1395 ftatt des bisherigen Reichsvicariats die herzogliche Wuͤrde.
11. Mai. Has Reich verlor dabei im Weſentlichen Nichts; bei ber Un:
‚macht des Kaiſerthums konnte fich der mailändifche Staat
wohl ganz Iosreiffen. Aber für dad Haus Viſconti und für
die Verfaffung von Oberitalien war die Erhebung von großer
Wichtigkeit. Wenzlaw mochte im Stillen froh fein, daß ne
ben ber fchönen Geldſumme doch die Oberherrlichkeit des
Reichs erkannt wurde. Er gab fogar bald darauf dem Her
zogthum Mailand den Titel eines Herzogthums der
1397 Lombardie !); wenn er aber in ber Urkunde fagt, Viſcontis
30: März. Erhebung fei mit Rath ber Fürften und Stände bed Reichs
gefcheben, fo ift das eine leere Kanzleiformel, denn er fragte
die Finften nicht und biefe fahen Die Sache auch in einem
ganz andern Lichte an ?).
RE
. 1) Annal. Mediol. in Muratori acrr. T. XVI. p. 772 2qq. Die
urkunben in Leibnit. Cod, jur. gent. I. p. 257. Du Mont T. I.
P.-I. p. 261. |
8) Ihre nähern Gründe finden wir nirgenb angegeben; fie wieder⸗
holen immer, Mailand fei vom Reich veräuffert ober abgerifien worben.
Das kann aber keinen andern Sinn haben als: aus einem unmittels,
Das Reid, unt. K Wenzlaw, 139&—1398, 337
Während nım Wenzlaw. hier einen mächtigen Freund ges
wann, wurden die Unterhandlungen mit dem Markgraven
3 obft fortgefet. Ex ließ ihn mit den böhmifchen Landherren
unter ficherem Geleit nach Prag kommen und verſprach ihm
neben ber elſaͤſſiſchen Landvogtei das Herzogthum Luxemburg. 1395
Jobſt aber verlangte noch mehr, denn er hatte ebenfalls aus Mai.
Schuldennoth Brandenburg wieder verpfändet, mit Widers
fprud feined Bruders Procop. Nun vermittelte Herzog Io:
bann, Wenzlaws Bruder, einen Vergleich zwiſchen Wenzlaw 80. Min,
und den böhmifchen Landhersen, nach welchem jener neben ber
Beflätigung ihrer Vorrechte auf Zuruͤckfoderung der Kronpfands
Ichaften, worüber ber Auffland ausgebrochen war, verzichten
muſſte. Soviel Wenzlaw darin ben koͤniglichen Rechten vers
geben hatte, fo hielten fih doch die Aufrührer für ihre Per⸗
fon noch nicht gefichert, ſondern feßten ben Krieg fo. In .
feiner Hülflofigkeit übertrug Wenzlam feinem Bruder Jo⸗
bann bie Statthalterfchaft von Böhmen und ließ ihn mit 10. Aug.
den Aufrührern unterhanbeln, um bie bereitö gegebenen Vers
fchreibungen zu enden und zu volführen. Da ex fich aber
aufs neue hintergangen ſah, feste er Iohann und den pras
ger Stadtratb, der ihn begünftigte, ab und ließ die Urheber 1396
des Aufſtandes vor ihren Thuͤren enthaupten. Johann durfte
Prag nicht verlafien und flarb bald Darauf, wie man glaubte, 1. Mai.
an Sift.
Da Wenzlaw mit diefen neuen Gewaltſchritten wieder
Nichts gewann, fo warf er fih nun feinem Bruder Sig:
mund in die Arme, ungeachtet diefer zu feiner Gefangennehs
mung mitgewirkt hatte, Ex fchloß mit ihm die früher von dem⸗
felben vorgefhlagene Exbverbrüberung, nad) welcher im Übers
lebungsfall er in Ungern, Sigmund in Böhmen folgen follte.
Auf Verlangen der teutfchen Zürften übertrug er ihm, weiler
feibft verhindert war nach Zeutfchland zu Fommen, das Reich s⸗
baren Neichsland ift ein mittelbares geworben. Die Einkünfte
waren vorher ſchon verfchwunden. Daß Wenzlaw Gelb genommen
ober tie neue Würde verkauft, das war ed wohl eigentlich was bie Yürs
fien verbroß. Dagegen konnte man fagen, buch das Lehenband wurde
das Herzogthum wieder enger mit dem Rei verknüpft.
Pfiſter Geſchichte d. Teutſchen IL. 22
0
[
338 Bud IL Erſter Zeitraum. Abſchnitt 3.
1396 Bicariat über den ganzen Umfang des roͤmiſchen Reichs!)
19. März. auf Lebenszeit mit faſt unumfchränkter Gewalt. An bemfelben
Zage brachte Sigmund die Ausföhnung mit Markgrav Jobfſt
und ben verbündeten böhmifchen Landherren zu Stande, wo
bei der vor einem Jahr von dem H. Iohann vermittelte Ber
gleich zum Grund gelegt wurbe. Über die von Wenzlaw vor:
behaltenen Puncte wurde ein Compromiß auf Sigmund und
51. Maͤrz. Jobſt geftelt. Diefe thaten den Ausſpruch, daß ein boͤhmi⸗
fcher Reichs rath and der Geiftlichkeit und den Landherren
beftehen folle, welchen Wenzlam nicht abſetzen Fönne und ohne
deſſen Willen im Lande Nichts geänbert werben duͤrfe; Kei⸗
ner ber am Kriege Theil genommen folle geſtraft, unb bie
eingezogenen Güter follen den Eigenthümern zuchdigegeben
werben, Der Erzbifchof von ‚Vrag, Sohann von SIenzenflein,
muffte jedoch abtreten, um einem Anbern ben erfien Platz im
Neichörathe zu laſſen.
So ſchien endlich die Ruhe in Böhmen hergeftellt durch
gänzlihe Nachgiebigkeit Wenzlaws, ber num eigentlich unter
der Vormundſchaft feines Bruders als Reichsvicars und bei
böhmifen Reichsrathes fland. Indeſſen war bem teutfhen
Reiche doch nicht geholfen; denn Sigmund, flatt der Berwab
tung deſſelben ſich anzunehmen, ward nach Ungern gerufen, |
um dem Vorbringen der Tinken zu begegnen; er verlor bie
28. Sept. große Schlacht bei Nikopolis und gerieth nachher, wie Benz:
10, Aug.
law, in die Gefangenfchaft feiner midvergnügten Unterthanen.
Wenzlaw aber fuchte einſtweilen nur Gelegenheit, des
druͤckenden Vergleichs wieder 108° zu werben. Er gewann zuaft
den Markgraven Wilhelm von Meiffen, dem er die Tochter
feines verftorbenen Bruders Johann verlobte. Im Vertrauen
“auf feinen Beiſtand fing er fogleih an die verpfänbeten Kron⸗
1) Es iR als ob die boͤhmiſche Kanzlei, wie Wenzlaw ſelbſt, gi
digen Spaß mit bem Reich getrieben hätte, benn e8 werben zu demſel⸗
ben gezählt und untereinandergeworfen: Lombarbei, Italien, Zufcien,
"Ancona, Romanbiola, Apulien, Piemont, Abruzzo, Galabrien, Ci
lien, Briaul, Terriſin, das Delphinat, bie Provence, Brabant, Loth
singen, Burgundien, Savoyen, Flandern, ganz Germanien und A
mannien; auffer Böhmen auch Ungern, Dänemark, Schweden und Row |
wegen. Pelze II, 322 5.
—
v
Das Reich unt. K Wenzlaw, 1394-1398. 339
guͤter zuruͤckzufodern und ließ den Markgraven Jobſt, der zum 1397
Beſuch auf Karlſtein kam, als Verraͤther verhaften. Doch ge⸗
reute ihn dieſer Gewaltſchritt bald wieder; er gab dem Mark⸗
graven feine Freiheit; dieſer aber begehrte zur Genugthuung
die Niederlauſitz und ſetzte dem Koͤnig ſo lang mit gewaffne⸗
ter Hand zu, bis er ſie ihm auſſer den ſchon geſchehenen Ab⸗
tretungen fin immer überließ, und noch dazu Goͤrlitz und
Bautzen auf fünf Jahre. Zwei Tage darauf ſchloß Wenzlaw 4. Febr.
fogar ein Vertheibigungsbündniß mit ihm und übertrug ihm
die Marl Brandenburg, die er bisher pfandweiſe befefferi, mit
der kurfuͤrſtlichen Winde als Erbland zu Lehen.' Diefes Opfer
brachte Wenzlaw, um ben Marfgraven von der Sache ber
böhmifchen Landherren zu trennen und füch des Iäfligen Reichs»
raths zu entledigen. Da vier defelben befehulbigt: wırden
Benzlam von Zeutfchland zurückgehalten zu haben, um ihn
aus dem Wege fchaffen zu Finnen, fo ließ er fie durch den
Herzog von Troppan in Unterfuchung ziehen ober vielmehr ben 2. Zun. =
Proceß mit ihrer Ermorbung anfangen, wobei dann 'einer vor -
feinem Tode bie Verſchwoͤrung noch befannte. Auch ergab
fih, daß prager Bürger im Cinverfiändniffe waren, welche
bei dem Markgraven Jobſt Schug fanden. Nun hielt fich
Wenzlaw berechtigt den mit bemfelben errichteten Vergleich
wieder aufzuheben und feßte deſſen Bruder Procop an feiner
Stelle zum Statthalter in Böhmen, Laufig und Goͤrlitz.
Sechs Jahre blieb Wenzlaw über biefen Unruhen aus
Zeutſchland abwefend. Das Einzige wad er that war Ber
lingerung bes egerfchen Landfriedens ?). Allein das war nicht 1395
hinreichend; in ben unmittelbaren Reichslanden befpnderd ers
hoben fich immer wieber neue Spannungen, welche Wenzlaws
Landvogt, der Böhme Worfiboy von Swinar, nur mit Mäbe
beichwichtigte. Die Stände waren in den meiften. Fällen auf
die Selbſthuͤlfe verwieſen. Als Grav Eberhard von Wirtent-
berg, genannt ber Greiner, in hohem Alter flarb, gerieth feiw
Enkel, Eberhard ber Milde, in Spannung mit den Sees
ſtaͤdten, dann mit den Scleglern. Bei jenen vermittelte
der Herzog von Öftereih, der jegt mit ben Schweizern im
1) Lünig R. %,, Part. spec, Cont, IV. P. II. Nr. 5.
. A 22*
340 Bud II. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 3,
Frieden war. Gegen biefe ſchloß Eberhard ein Buͤndniß mit
13 Reichöftädten und zog gegen fie zu Felde, um feine Leute
1396 und Hinterfaflen, welche fie bereits in ihren Bund aufge:
Sept. nommen hatten, wieber unter feine Landesherrſchaft zurüd-
zubringen. | |
Die teutfhen Fürften luden ben 8. Wenzlaw wiederholt
ein felbft in's Neich zu fommen, weil Sigmund bie Reichs⸗
verweferei nicht antreten Tonnte. Der Erzbifchof von Mainz,
Johann von Naffau, bereits im geheimen Verſtaͤndniß mit
1397 dem Pfalzgraven Ruprecht, fehrieb einen Tag nach Frankfurt
April. aus. Da Wenzlaw nicht Fam, fo trug er bei den Kurfürften
auf eine Änderung an, über die man jedoch noch nicht einig
werden konnte. Indeffen that Wenzlaw doch wieder einige
Schritte, um wenigſtens die dringenbften Klagen zu beben.
Gr gebot, daß das Bündniß der Schlegler als geſetzwidrig ab
fein ſolle. Dieſe leifteten jedoch erſt Folge, als fie durch Ber:
einigung ber Fürften dazu gezwungen wurden. Allein jetzt
nahm fie Wenzlaw ſelbſt indgeheim in feinen Dienſt, um fie,
wie vorher die Städte, ben Fuͤrſten entgegenzuftellen. End⸗
U nach fieben Jahren, da ex mit feinen erbländifchen Geg⸗
1398 nem fertig war, ließ er fich wieder in Frankfurt fehen, um
auf dem Reichstage das Nöthige zur Beruhigung des Reichs
anzusehnen. Darin Famen alle Stände überein, daß vor allen
Dingen der Landfriede wieder gefchworen werden müfle. Sie
blieben aber bei dem alten Zehderecht: wer vor dem Richter
fein Recht findet, darf fich felbft Hülfe fchaffen, nur fol er
drei Tage und brei Nächte zuvor feine Ehre bewahren, d. h.
reblich wiberfagen; es folle aber in jevem Land, Herrens oder
StädtesSebiet, ein Richter gewählt werben, ber von des römis
fehen Könige und des Reichs wegen Jedem unverzüglich zu fei:
nem Recht behülflich fei. Dieſer frankfurter Landfriede
6. Zan. wurde auf zehn Jahre gefchworen und zunaͤchſt ven den rhei⸗
nischen Kurfuͤrſten und Ständen unterfchrieben !).
‚ Hierdurch glaubte Wenzlam ſowohl für das Weich als
für die Sicherheit feiner Krone hinreichend geforgt zu baben,
“ohne ſich auf Die Befchwerben ber Zürflen weiter einlaffen zu
1) Geſchichte von Schwaben IV. 208-219.
Das Reich unter zwei Dberhäuptern. 341
dürfen... Er wollte fich jetzt ungefäumt' dem Kirchenfrieden
widmen, und das wurde unverfehend fein Sturz ‘).
9. Fürften- und Städte» Bünbniffe, während bad Neid)
wie die "Kirche unter zwei Oberhäupter zerfällt und
Frankreich die Kirchenangelegenheiten leitet.
Die Univerfitäten dringen auf ein allgemeines
Concilium. Benzlaw tritt dem franzöfifhen Hof,
bei; wirb durd den Erzbifhof Johann von Mainz
abgelegt. Wahl und Capitulation Ruprechts von
ber Pfalz Wenzlaws Partei. Ruprechts unglüds
licher Römerzug Wenzlaw foll auch nah Ita=
lien; feine zweite Sefangenfhaft und Entfesung
von ber böhmifhen Regierung durch feinen Brus
der Sigmund. Der römifhe Papft entſcheidet für
Rupredht. Wenzlaw Fommt in Böhmen wieder
auf. Marbacher Bund gegen Rupreht burd ben
mainzer Erzbifhhof. Fürften und Städte behaup⸗
ten das Recht freier Bündniffe Den Appenzels
lern wird es abgefprodhen. Der marbadher Bunb
gegen Öfterreich. Zuwachs der ſchweizeriſchen Eid⸗
genoffenfhaft. Legte Ausbildung der Hanfe Um
ruhen in Lübeck. Bedrängniß bed teutfhen Or⸗
dens, nahbem dad chriſtlich gewordene Lithauen
mit Polen vereinigt if. Schlacht bei Tannenberg.
Die Hanſe und der Orden appelliren, jene an
den römifhen König, diefer an die Kirchen:
verfammlung.
Fuͤrſten und Stände des Reichs hätten wohl mehr Urfache
gehabt Wenzlaw abzufegen als vormald Adolf von Naſſau;
ed war ihnen aber auf der andern Seite auch wieder recht,
daß Wenzlaw unthätig in Böhmen blieb; nur wenn die Vers
wirrung zu arg wurbe, follte er auf einmal Alles wieder gut
1) Die nähern Belege zum Ganzen f. bei Pelze kebensgeſch. bes
K. Wenceflaus Bd. II.
32 Bub IL Erſter Zeitraum. Abfhnitt 3.
machen. Es muſſte erſt ein beſonderer Grund binzulommen,
bis zur Abſetzung geſchritten wurde. Dieſer lag in den per⸗
ſoͤnlichen Verhaͤltniſſen des Erzbiſchofs Joh ann von Mainz
aus dem naſſauiſchen Hauſe.
124389 Bon den zwei Päpften ſtarb zuerſt ber roͤmiſche, Urban VI.
15. Oct. Da die Garbindle, um die Vereinigung mit dem franzöfifchen
1390 Papſt zu hintertreiben, einen Neapolitaner, Bonifacius IX,
wählten, fo blieb das teutfche Reich wie bisher auf der Seite
des vömifchen Papfles. Ungeachtet Wenzlam eben jetzt das
18. Sept. Buͤndniß mit bem K. Karl VL von Frankreich emeuerte, fo
m fertigte ex doch gleich zwei Abgeorbnete an ben neuen Papft
21.Nov. nach Rom ab und fchrieb ihm, daß er ihn gegen feine Feinde
fhüsen, bald nah Italien kommen und ſich zum Kaifer kroͤ⸗
nen laſſen wolle Weil es an Gelb fehlte, bewilligte ihm Bo⸗
nifacius den Zehenten von allen geifllichen Gütern in Teutſch⸗
land und Böhmen, befahl aber feinen Rentmeiftern die Hälfte
des Geldes erft beim Eintritt in Italien, die andere bei fei-
ner Rüdkreife auszubezahlen. Das war zur Zeit des nürnber
‚ ges Reichötags, da Wenzlaw nod Etwas in Teutſchland galt.
Da aber die nachgefolgten Unruhen in Böhmen an Feine Un-
ternehmung biefes Art denken lieffen, fo nahm der Papſt bie
gefammelten Gelder zu feinen Handen '). Bon eben biefem
Papfte wurde nahher Johann von Naffau, gegen Wenz⸗
laws Willen, aber unter bem Schuhe bed Rheinpfalzgraven
Ruprechtö, auf bem Wege der Provifion, zum Erzbifchof
1397 yon Mainz erhoben und die Wahl des Domkcapiteld ver
24 Tan. worfen 2),
1394 Als indeſſen der franzöftiche Papft Clemens VIL aud
16. Gept. ſtarb, wählten die Garbindie zu Avignon zwar wieber einen
eigenen Papft, Peter von Luna aus Arragonien, der den Na:
men Benedict XIII. amahm, lieffen fich aber von ihm das
Berfpreihen geben, daß er das Möglichfte fuͤr die Herftellung
ber Kircheneinheit thun wolle. Da jedoch ber hinterliftige
1) Pelzel 0.0 O. I, 234 fi.
2) Guden. T. II. Nr. 389 sgq. Joannis scrr. T. I. p. 708
aqq. Wenzlaw nöthigte ihn auch den Domberren, die fich wiberfegt
hatten, ihre Pfründen wiederzugeben.
—
Das Reich unter zwei Überhäuptern. 343
Mann das Welen ein Paar Jahre trieb, ohne es zum Siele
gelangen zu laflen, fo befchloß 8. Kari VI. ernſtlich einzugrei:
fen: er trat mit den andern Mächten in nähere Verbindung
und Heß von ber Univerfität zu Paris ein Gutachten ſtellen.
Ein Zeutfder, Heinrich von Heften, genannt Langen⸗
fein, hatte fchon mehrere Jahre zuvor in einer eigenen (1381)
Schrift darauf hingebeutet, daß die Vereinigung und Refors
mation der Kirche nur in einem allgemeinen Concilium zu
ſuchen ſei ). Nun gaben bie parifer Doctoren unter ihrem -
angefehnen Kanzler Gerſon den Ausſpruch, baß fich jeder
Papft einem allgemeinen Eoncilium unterwerfen muͤſſe.
Die Univerfität Oxford trug ebenfalls darauf an, daß man 1398
ein folches erzwingen müffe, und bie beiden Gelehrtenvereine
erkannten, daß bie Sache nicht ohne den römifchen König aus»
geführt werben koͤnne. Die prager Univerfität gab Beifall,
und Wenzlaw kam alfo nad) fieben Jahren, wie wir fchon
gefehen, wieder in das Reich. Kaum war der frankfurter
Landfriebe gefchloffen, fo machte er Anſtalt mit dem König
von Frankreich zu Rheims zufammenzufommen. Über diefen
Entfihluß war der Erzbifchof Johann nicht wenig betroffen:
denn wenn nun, wie vorauszufehn war, bie beiden Päpfte
zum Niederlegen gezwungen werben follten, fo muflte er be:
forgen, aud fein Erzbisthum, bad er von Bonifacius IX.
erfauft hatte, zu verlieren. Er ließ alfo durch feinen Freund,
den Pfalzgraven Ruprecht, dem er ſchon vor feiner Erbe:
bung auf den mainzer Stuhl geheime Verfprechungen gege:
ben *), den vömifchen König ernfllich abmahnen. In diefem '
Schreiben wird die Beforgniß umgekehrt: ex flellt dem König
vor, daß Er feine Krone aufs Spiel fege, wenn Bonifacius
abdanken mäffte, von dem er die Beflätigung erhalten; über:
haupt fucht er ihn gegen Frankreich als alten Reichöfeind mis⸗
trauifch zu machen und räth ihm, breift genug, ben Branzofen
zu fagen: „wenn er auch manchmal als Kind gehandelt habe,
1) Plant Geſch. d. Papſtthums II, 85%.
2) 23. Det. 1396. „ihm zu allen Ehren und Würden, darnach er
ſtellen wollte, mit allen feinen Freunden beiftändig und behülfli zu
fein.” Guden. Le.
&
1398
8. März
24. Jun.
3 Bud II Erfter Zeitraum. Abſchnitt 3.
fo wolle er fich. vpn nun an ald Dann zeigen". Wirklich fehien
Wenzlaͤw dies zuerft gegen bie Kutfürften. thun zu wollen:
denn er ließ fich nicht abhalten nach Rheims zu gehn, wo ber
gemeinfchaftlihe Beſchluß gefafft wurde, die beiden Päpfte
zur Abdication zu nöthigen und einen alleinigen rechtmäßigen
Papſt wählen zu laſſen.
Mährend Wenzlaw in Frankreich war, erlaubten fich bie
drei rheinischen Kurfürften den erſt befchwomen frankfurter
Landfrieben mit ben darin begriffenen Ständen von zehn Jah⸗
zen auf fünf herabzufegen. Eine wahre Ungefeblichleit, von
ber man fonft kein Beifpiel findet. Sie waren breift genug,
nach Wenzlams Ruͤckkehr ſich die Beſtaͤtigung von ihm geben
zu laffen. Dabei kam es denn allerdings zu einem lebhaften
Wortwechfel über die bisherige Reichsverwaltung. Wenzlaw
kehrte fich aber nicht weiter daran, fondern ging, nachdem er
dad Bündniß mit Frankreich zu gegenfeitigem Schuß noch eins
. mal beftätigt hatte, wieder nach Böhmen.
1399
2 Jun.
Sort.
Sobald aber die Befchlüffe von Rheims bekannt wurben,
trat Erzbifchof Johann mit dem Papſte Bonifarius in nähere
Verbindung, in ber Abficht, lieber den römischen König abzu-
fegen als fich abfegen zu lafien. Der Papfi gab zwar ben
Furfürftlichen Gefandten sffentlich noch Feine Beflimmte Zufage,
Doch erkannte er nachher ihre Schritte als unter feiner Autos
rität gefchehen an *). Indeſſen fchloß der Erzbifhof mit den
Kurfürften von Coͤln, Pfalz und Sachen zu Marburg einen
ähnlichen Verein, wie der Kurverein zu Ludwigs IV. Zeit,
nur mit dem Unterfchied, daß fie die Kirche und den Stuhl
zu Rom voranfegten, zu deſſen Erhaltung fie, wie für bie
Rechte des Reichs und der Kurfürfien, treulich zufammenbalten
wollten. Als Wenzlaw vernahm, daß es doc Ernſt werden
folte, that er endlich die Schritte, die er laͤngſt hätte thun
follen. Zweimal fchrieb er aus, er wolle einen Reichätag hal
ten, um alle Befchwerben zu heben: Aber die Kurfürften liel-
fen fich nicht mehr zurüchalten. Sie erneuerten und verſtaͤrk⸗
ten vielmehr ihren Verein: zu Mainz trat der Erzbifchof von
Trier bei, ihm folgten andere Fuͤrſten, und nun fagten fie of
1) Raynald. ad a, 1408: Nr. 4
L
&
. Das Reid) unter zwei Oberhaͤuptetn. 3465
fen, die Abficht fei einen andern roͤmiſchen König zu waͤhlen
und zu-fegen. Wenzlaws Gefanbte wurben mit allerlei Auss
flüchten abgewiefen, nur bei den Städten fanden fie noch Ges
hir. Die Fürften kamen wieder zu Mainz zufammen, und
Erzbiſchof Johann ließ ihnen einftweilen die Freude bie Fürs
fienhäufer zu bezeichnen, aus welchen gewählt werben follte.
Auf einer andern Verfammlung zu Frankfurt fand zwar uns 1400
vermuthet eine Gegenpartei auf, welche Johanns Verabredung 9. Jun.
mit Ruprecht zu vereiteln drohte. Kurfürft Rudolf von Sachs
fen wollte feinen Schwager, ben Eugen und tapfern Herzog
Friedrich von Braunfchweig , vorfchlagen. Der ſchlaue Erzbis
[hof wuſſte fid aber bald zu helfen. Er ließ die beiben Fürs
fin, als fie unzufrieden zurüdgingen, unterwegs durch mainz:
ziſche Dienftleute überfallen, angeblich wegen einer Foderung
des Graven Heinrich von Waldeck; fie follten gefangen ges
nommen werben, H. Friedrich aber hatte das Ungläüd im Ges
fechte zu fallen. Run reinigte fich zwar ber Erzbifchof durch
einen Eid, konnte aber doch den allgemeinen. Verdacht nicht
widerlegen und wurbe deshalb von ben Brüdern des erſchla⸗
genen Herzogs einige Jahre befriegt. |
Den andern Zag nad der Abreife des Kurfinften von 4. Sun.
Sachſen wurde ſchon ein Tag nach Oberlahnftein gefeßt, auf 11. Aug.
welchen Wenzlaw fich verantworten folte In det Ladung
wird zum erſten Mal bed Anrufens der Nation erwähnt.
Ber aufjer den Fürften darunter verflanden fein follte, wird
nicht gefagt; denn bie Städte, welchen das Vorhaben bes
kannt gemacht wurde, verwahrten fich auf einer Verfammlung
zu Mainz, baß man bisher nicht offen in der Sache mit ihnen
gehandelt, fie auch nicht verfichert, waß fie von einem neuen
Könige zu erwarten hätten. Sie befchloffen deswegen ben
Gehorfam, den fie dem römifchen König Wenzlaw gefchworen,
zu halten ).
Auf den beflimmten Zag kamen die vier xheinifchen Kurs
fürften nebft andern Fürften und Herren und den Abgeorbnes
‚ten ber rheinifchen Städte zu Oberlahnſtein zufammen.
Die Kurfürften von Sachſen und Brandenburg kamen nicht.
1) Acta deposit. Wenc. p. 29 sqq.
46 Buch IH. Erfter Zeitraum, Abſchnitt 3.
Dos Heid, war alfo in der That ſchon geheilt. Die drei
Erzbifhöfe nahmen zuerft vor, was ihnen die Hauptfache war.
Pfalzggrao Ruprecht, den fie fchon zum römifchen König be
flimmt hatten, mufite voraus verfprechen, auffer ihren Rhein:
zoͤllen keine andern ohne ihre Bewilligung anzulegen. Zum
Schein wurde in der Capitulation vorausgefchidt, baß er auch
die vom Reich entäufierten Lande, namentlich Mailand und
Brabant, jedoch auf deren eigene Koften, zuruͤckbringen folle.
1400 Dann faßen fie mit einander zu Gericht über ben römifchen
20. Aug. König Wenzlaw, und ber Erzbiſchof Johann that in ihrem
Namen vor einer großen Menge Volks den Ausfpruch: „weil
ber römifche König Wenzlaw 1) ald Schirmvogt ber Kirche
nie zum Frieden geholfen; 2) da8 Reich gefchmälert, nament⸗
lich den Viſconti als bed Reichs Diener für Geld zum Hes
zog erhoben; 3) fonft in Zeutfchland und Italien viele Städte
und Länder, welde dem Weich beimgefallen waren, wieder
vergeben; 4) unbefchriebene Pergamente unter feinem Siegel
ausgegeben, auf welche die Inhaber nach Belieben Privilegien
fegen konnten; 5) den Unruhen und Fehden im Reich nicht
begegnet; 6) viele perfönliche Graufamleiten begangen, auch
7) auf ihre Ermahnungen und Ladungen nicht geachtet, ſo
feien die Kurfüchten übereingelommen, ihn als einen unnuͤtzen,
verfäumlichen, unachtbaren Entglieberer und unwürbigen Hand:
baber des heiligen Reichs abzufegen”.
Gewiß war Wenzlaw ein arger Verfäumer bed Reichs
und feiner eigenen Würde dazu; aber feine Hauptvergehen
wurden von den Fürften getheilt, und die andern find nur zur
Vermehrung der Anklage hinzugefügt. Die Graufamteiten
. hatte Wenzlaw nicht im Reich fondern in ben Erblanden be
gangen, wo er bereits gebüßt hatte. Blanquets waren fchon
von Karl IV. ausgeftellt worben, ohne daß dagegen geklagt
worden wäre. Lubwig IV. hatte den Caſtruccio auch zum
Herzog von Lucca erhoben ohne Widerfpruch der Fürften. Die
Verwirrung im Reich war ein unverantwortlicher Zuſtand; aber
Wenzlaw Tonnte nicht Alles allein thun, folange noch bie
Stände felbft ihre Rechnung bei der Verwirrung fanden. Bei
der Verſchleuderung der Reichögliter vergaßen die Kurfürften,
daß das Meifte in ihre Hände gekommen; endlich verſchwie⸗
a
Das Reich unter zwei DObechäuptern. 7
gen fie kluͤglich Wenzlaws letzten Schritt zu Herflellung des
Kirchenfriedens, denn das war ja die Urfache warum fie ihn
abſetzten.
Alſo hat der Erzbiſchof Johann, der auch bie Abſez⸗
zungsurkunde allein unterfchrieben, die Schuld auf fi, aus
perfönlihem Eigennug nicht nur die Kirchenvereinigung vers
zögert, fondern auch im Reich eine eben fo misliche Spal⸗
tung erregt zu haben.
Den Tag nah Wenzlaws Abfegung wählten bie drei 1400
theinifchen Exzbifchöfe den Pfalggraven Ruprecht, der feine 21. Aug.
Stimme an Mainz übertragen hatte, zum römifchen König.
In der That war es bloß eine Parteimahl; auffer ben abwes
fenden Kurfürften von Sacfen und Brandenburg flanden
Öfterreich, Braunfchweig, Lüneburg, Brabant und die Reiche:
ſtaͤdte noch bei 8. Wenzlaw. Frankreich, Ungern, Polen,
Dänemark, Schweden und Norwegen erlannten ihn als roͤmi⸗
fhen König. Bonifacius IX. felbft, unter deffen Erhaltung
Erzbiſchof Johann feine eigene fuchte, wagte noch nicht fih
Öffentlich auözufprechen; mochte ex immerhin ben rheinifchen
Kurfürften geheime Zuficherungen gegeben haben; er hatte auch
ben 8. Wenzlam, wenigftens zum Schein, gewarnt und ihn
zur fchleunigen Kaiferfrönung eingeladen. Solange bie an-
ben Könige für ihn waren, muflte er beforgen ihre Obebienz
zu verlieren, wenn er fich für Ruprecht erklärte; er beichloß
alfo abzuwarten, welcher von Beiden fi) behaupten wuͤrde.
Wenzlaws Sache war demnach noch gar nicht verloren,
wenn er nur mit feinem Bruber Sigmund über befien Anfos
derungen fich hätte verfländigen ober überhaupt mehr Thaͤtig⸗
keit zeigen wplieh. Aber diefelbe Kraftlofigkeit bie ihn fo weit
gebracht, half auch feinen Untergang vollenden. Er dankte
zwar den Städten für ihre Treue und ermahnte fie zur Stand
haftigfeitz mehrere ber angefehnern wollten ſich dem neuen
Könige nicht fügen. Aachen verweigerte ihm durchaus ben
Eingang zur Krönung, daher er folche in Coͤln vollziehen ließ. 1401
Da jedoch Wenzlaw feinen Worten Eeinen Nachbrud gab, fo 6. San.
erfalteten Die meiften wie die Kürften. Sie fragten Rechtds
gelehrte um Rath; diefe gaben ben Ausfpruch: „Ruprecht fet
vehtmäßig gewählt, doch follten fie ihm nicht eher huldigen,
348 Bud IL Erſter Zeitraum. Abſchnitt 3.
bis ihre Freiheiten von ihm beftätigt fein wuͤrden; follte Wenz⸗
law Etwas an fie verlangen, fo wäre er als tobt zu betrach⸗
ten. Dies befolgten die oberteutfchen Städte; ihre Haupt:
forge war, daß fie in den unter dem luremburgiichen Haufe
erhaltenen Freiheiten bleiben möchten; Ruprecht fäumte nun
10. Aug Mit ihnen dieſes zuzufagen, und fo gewann er fie auf die
felbe Weiſe wie die rheinifchen Kurfürften 7).
Nach der Abficht von Ruprechts Wahl ſollte er fih nicht
lange mit den teutfchen Angelegenheiten aufhalten, fondem
alöbald nach Italien aufbrechen, um theild mit dem Papfle
ſich zu verfländigen theild den Viſconti zu flürzen. Kür das
Lebtere wurde er hauptfächlich von den Zlorentinern aufgefos
dert und er benußte fofort ihre Einladung, um die zum Roͤ⸗
merzug nöthigen Gelder zu erhalten 2). Aber der Papft, dem
ee nach der Abficht des mainzer Erzbifhofs ganz erwünfct
kommen foltte, machte noch allerlei Bedenklichkeiten: er wollte
erft Gewißheit haben, was er fich von Ruprecht verfpredhen
dürfe, und legte ihm die Bebingungen feiner Beflätigung
vor, namentlich baß er fich mit Frankreich nicht einlaffen folle ?).
Mai, Indeffen wurde auf dem Reichstag zu Nürnberg der Römer
zug befchloffen und mit den andern Mächten, die ihn hindern
oder fördern konnten, auch mit Frankreich unterhandelt. Jetzt
wollte fi) Wenzlaw ermannen: er verwarf den zu München
23. Iun. entworfenen Vergleich, wegen ber harten Bedingungen, und
rüftete fich zu einem gewaffneten Zuge nach Zeutfchland; aber
eben fo bald überwarf er fich wieder mit feinem Bruder, mit
feinen Vettern und mit ben böhmifchen Landherren. Ruprecht
fäumte nicht die Letztern auf feine Seite zu bringen und ließ
feinen Sohn mit einem Kriegöheer zu ihnen floßen, das bis
vor Prag kam und die Stadt ſechs Wochen lang beremnte.
Der Erzbifchof trat auch über. Wenzlam wuſſte nun feine
andere Rettung ald daß er eine allgemeine Amneftie in Böh:
men verkünden ließ und wieder einen Reichörath unter Sig⸗
munds Leitung einfebte. Nun wurde zwar das Land im In:
1) Geſchichte von Schwaben IV, 226.
2) Martene Thes. Anecd. T. 1. p. 1662 sgg.
3) Raynald. ad a. 1401. Nr. 1-5.
Das Reich unter zwei Dberhäuptern. 349
nern beruhigt, in feinem Umfang aber von Freunden und
Seinden berupft. Der Markgrav Jobſt erhielt die Niederlau⸗
fig nebft einem Jahrgeld; die Meifiner eroberten die in ihrem
Lande gelegenen böhmifchen, Städte; was Karl IV. in der
Dberpfalz an fi) gebracht hatte, Fam wieder an Pfalzbaiern,
Obgleich. Wenzlam den Zitel nicht aufgab, ſo war er doch
jest auffer Stand gefegt während Ruprecht Römerzug Et⸗
was im Reich zu unternehmen. Indeſſen wurbe Öfterreich
von Ruprecht gewonnen, dad den Eingang nach Stalien bins
dem konnte. Died gefchah durch Geld, das die Florentiner
eben jeßt bewilligten. Der junge Herzog Leopold verſprach
fogar die Heereöfolge mit 1000 Lanzen zu leiften. Nachdem
Ruprecht feinen Sohn zum Reichsverweſer beftelt und alle ..
Fehden bei Strafe der Acht unterfagt hatte, brach er von! 3. Sept.
Augsburg auf und nahm feinen Weg durch Zirol, An den
Herzog von Mailand ließ er eine Kriegserklaͤrung vorandges _
hen. Er führte 5000 Lanzen, eine Anzahl Bogenfhüsen unb 25. Sept.
Sußgänger. Aber die Italiener hatten indeß große Fortſchritte
im Kriegsweſen gemacht. Der erfahrene mailändifche Feld⸗
hauptmann, Grav Aiberico de Barbiano, empfing bie teutz
fhen Schaaren fhon im Brefcianifchen mit folhem Nachdruck,
daß H. Leopold gefangen und beinahe das ganze Heer aufges 21. Oct.
vieben wurde. Jener erhielt feine Befreiung unter, ber Bedin⸗
sung der Heimkehr. Ruprecht felbfi wäre dazu geneigt ges
wefen, wenn ihm nicht die Florentiner zugefprochen bitten
noch einen Verſuch zu machen und auf einem Umwege fich
nad Padua zu wenden. Allein er gerieth bald auch in folche
Geldnoth, daß er fein Silbergefchirr verfegen muſſte. Da nun Rev.
die Florentiner Nichts mehr bezahlten und ber Papſt noch ims
mer Schwierigkeiten machte, fo ging er im Frühling des fol⸗
genden Jahres wieder nach Zeutichland, ohne bad Mindeſte ci
erreicht zu haben ').
Rupretht war noch nicht aus Italien zuruͤck, fo ließ fi chs
Wenzlaw einfallen, er wolle den rechten Roͤmerzug unter⸗
nehmen. Sein Bruder Sigmund, ber eben erft ber Gefanz
1) — Pistor. ad a. 1401 {a Murator. sar. T. xvr.
Martene Coll.; ampl. T. IV. p. 80. 5
— —
7
300 Buch II Erfter Zeitraum. Abſchnitt 3.
1401 genfchaft in Ungern entlaflen war, ſprach ihm Muth ein,
Dec.” weil Bonifacius IX. fich noch nicht für Ruprecht erklaͤrt hätte.
Zuvor aber follten die Familien: und Landes⸗Zwiſtigkeiten
1402 beigelegt werden. Wenzlaw befriebigte bie Foberungen der
beiden Bettern von Mähren, Sigmund aber ließ fich die Statt-
4, Gebr. halterfchaft von Böhmen abtreten. Dann wurde ein Landtag
18, Sehr. gehalten, um alle inneren Befchwerben zu heben. Mit den
Herzogen von Öfterreih waren ſchon Unterhanblungen über
freien Durchzug eingeleitet. Da trat Ruprecht dazwifchen und
gewann bie beiden mährifhen Markgraven, auch die Herzoge
von Öfterreih. Mit Sigmund aber zerfiel Wenzlaw felbft
wieber in fo hohem Grad, daß dies nun erft der Weg zu feb
nem gänzliden Sturz wurbe: denn nun trat Sigmund für
fich felbft auf. Er brachte den Markgraven Procop in Haft
29. April. und ließ auch Wenzlaw wieder gefangen ſetzen, weil er feinem
Wankelmuthe nicht traute. Er übergab ihn nach einiger Zeit
den Herzogen von Öfterreich und erneuerte mit diefen bie frü⸗
bern Haudverträge oder die Erbverbrüberung. Wie hatten fih
die Ausfichten feit Karı IV. verändert! Diefer zählte auf bal⸗
diges Auöfterben des öfterreichifchen Haufes, jest war bie
Heihe am Iuremburgifchen. Wenzlaw hatte gar Teinen Erben,
Sigmund keinen Sohn. Auch Markgrav Jobſt wurde wegen
feiner Neigung zu Ruprecht von der Erbfolge ausgeſchloſſen,
und bie brandenburgifche Neumark an den Zeutfchorden in
Preuflen verpfändet. Da Böhmen auf's neue von Ruprechts
Anhängen bedroht war, fo wurde der verhaftete Wenzlaw
gezwungen Leib, Ehre, Gut, Land und Leute unbedingt den
Herzogen von .Öfterreich zu übergeben und ihnen und Gig-
20.Rov. mund die Öffnung aller feiner Schlöffer einzuräumen. Gigs
mund kam nun mit 12,000 Ungern, brandfchagte das ganze
- Land und nahm alles Krongut, ben koͤniglichen Schag und
den ganzen Vorrath ber Futtenberger Werke zu feinen Hanbden.
Durch diefes unglüdliche Berwürfniß wurde gerade Rus
prechts Anerkennung beförbert. Da Bonifacius IX. ſah, daß
er dad Iusemburgifche Haus nicht mehr zu fürchten habe, auf
ber andern Seite aber beforgen muſſte, Ruprecht möchte fih
4405 endlich mit Frankreich vereinigen, fo erließ er dann bie Beſtaͤ⸗
1. Oct. tigungsbulle, vergaß aber dabei die alten Anmaßungen nicht.
Das Reich unter zwei Oberhaͤuptern. 351
Ohne zu fragen, aus welchen Urſachen Wenzlaw ſchon von den
Kurfuͤrſten abgeſetzt ſei, ſprach er aus apoſtoliſcher Gewalt
feine Abſetzung aus, jedoch bloß aus dem Grund, weil er der
vielen Auffoderungen ungeachtet Italien und die Kirche ver⸗
ſaͤumt habe. Dann genehmigte er Ruprechts Wahl, ergaͤnzte
alle etwaige Mängel (wie bei Albrecht I.) und befahl den Ges
treuen des Reichs ihm zu gehorchen). Der Eid ben er
von Ruprecht foberte, iſt nicht genau befannt, wahrfcheinlic)
wiederholte er die Bedingungen vor dem Nömerzuge, daß
Ruprecht ben Kirchenflaat erhalten, Beine Anfpräche auf Sici⸗
lien machen und ſich bemühen wolle den franzoſiſchen Papſt
von der Trennung zuruͤckzubringen.
In der That war ed dem Papft nur darum zu thun Ruprecht
wieder in Italien zu haben, weil die Umſtaͤnde ſich indeſſen
ſehr zu age Sunften geändert hatten. Der mächtige Gas
leazzo, der nad Ruprechts Abzug dem Kirchenftant noch ges
waltig zugeſetzt hatte, war unvermuthet weggeflorben und feine 14:03
Herfchaft unter feine minderjährigen Söhne getheilt. Den 3. Sept.
tapfern Alberico hatte der Papfk in feinen Dienft genommen,
fi) mit den Florentinern verbunden und fland auf dem Weg
die ihm entriffenen Städte wieder einzunehmen. Zu ben Ko⸗
fin ded neuen Römerzuges wies er wie zuvor dem K. Wenz⸗
law die Zehnten von allen geiftlichen Einkünften in Teutſch⸗
Ind an. Die Bifchöfe aber erinnerten fich, wohin bie damals
eingezogenen Gelder gefloffen waren, und thaten Widerrede.
Darüber unterblieb benn dieſer Mömerzug ganz. Doch ers
reichte der Papft fo viel, daß ihm durch einen Separatfrie
den mit den Bormündern der Vifconti die abgenommenen 25. Aug.
Städte zurüdgegeben wurben 2).
Mit Wenzlam kam Ruprecht auch nicht weiter, vielmehr
nahm deſſen Schickſal wieder eine ganz unvermuthete Wen-
a Kaum hatte Ruprecht die päpftliche Beftätigung erhal
‚ fo entlam Wenzlaw aus feinem Gefängnig zu Wien 9. Nov.
= bemächtigte fich Leicht der Regierung von Böhmen wieder;
1) Senkenberg Select. jur. etc. T. IV. p. 424.
2) Sozomen. Pistor, l, c. Magn, Chron. Belg. - - Raynald,
ad a. 1409,
352 Buch UI. Erfter Zeitraum, Abſchnitt 3.
denn Sigmmmdb war nach Ungern gerufen, bad ber Papft durch
den König von Neapel hatte angreifen laffen, um ihn von der
Unterflüßung des Römerzugs abzuhalten. Ruprecht ließ nun
zuerfi durch ‚den Herzog Albrecht von Öfterreich mit Wenzlaw
. 1404 unterhandeln, und als diefer farb, nahm er felbft die Unter:
14. Sept. andlung auf; allein Wenzlam war durchaus nicht zu bewe:
4. Nov.
=
gen ihn für den rechtmäßigen römifchen König anzuerkennen.
In dieſem einzigen Stud bewies Wenzlaw Feſtigkeit, und es
ſchien, durch bie bisherigen Beugungen fei guch wieder mehr
Selbftgefühl in ihm erwacht: denn er foberte zuerfl ben Ki
nig von Ungern, feinen Bruder, vor feinen Richterfluhl, um
fi) wegen der begangenen Zreulofigkeit zu verantworten. Als
Sigmund ein Kriegsheer ſchickte, ſchloß er ein Buͤndniß mit
bem 8. Ladiſlaus von Poleg und eröffnete mit Mähren und
Öfterreich Unterhandlungen zum Nachtheil Sigmunds, wie die
fer vorher, gegen ihn gethan. Er gefland den Herzogen von
Öfterreich nach dem, Exlöfchen des Iuremburgifchen Haufes,
mit Ausſchluß Sigmunds, die Thronſolge in Böhmen zu;
darauf, warb er von ihnen wie von den Markgraven Jobſt
und Procop aufs neue als römifcher König erkannt.
Die Wenzlaws Sache flieg, fo ging ed auf ber andern
Seite mit Ruprecht zurüd. Dad was er eigentlich thun
follte, hatte er nicht erreicht. Durch den fchmählichen Ruͤckzug
aus Italien verlor er ale Achtung; man hatte erwartet, er
werde noch Geld mitbringen, er kam mit leerer Tafche. De:
gegen that er nun, was er nach der Meinung der Fürften
nicht thun folte. Er fing an auf firenge Ordnung zu halten
und verfehonte dabei auch feinen Schöpfer, den Erzbiſchof Io:
41405 bann, nicht, indem er die Raubfchlöffer feiner Vafallen brechen
ließ '). Wenzlaw war angeklagt, daß er mit Gnabenbriefen
zu freigebig gewefen. Nun verlangten die Fürflen welche
ſolche hatten, Ruprecht folle fie anerkennen; daß er dieſes
nicht that, war wieder nicht recht, Hatte man Wenzlaws
Nachläffigkeit gefchmäht, fo gefiel der firengere Nachfolger auch
nicht.“ Da man jeboch nicht fchon wieder zu einer neuen
Wahl fehreiten durfte, weil dann gar zwei abgeſetzte Könige
3) Wenker l.c, p. 283,
Das Reich unter zwei Dberhänptern - 353
dageweſen wären, To erfah der Erzbiſchof ein Gegenmittel in
dem Einungswefen. Gr wählte hierzu das Bünbniß,
welches Grav Eberhard von Wirtemberg ſchon vor Wenzlaws
Wahl mit den ſchwaͤbiſchen Städten gefchloffen hatte. Der kriege⸗
riſche Markgrav Bernharb von Baden, gegen welchen Ruprecht
diefes Bünbuiß aufgeboten hatte, trat bemfelben nun auch bei,
und fo machten bie drei Fuͤrſten mit ſiebzehn ſchwaͤbiſchen
Städten und der Stadt Straßburg ein Buͤndniß zu Mars 1405
bad, einer wirtembergifchen Landſtadt, zwar in der gemöhns 14. Sept.
lichen Form und mit gefeßlicher Ausnahme des vömifchen Koͤ⸗
nigs unb bed Reichs, boch alfo, daß, wenn er ober wer ſonſt
fie von ihren Rechten und Freiheiten drängen wide, fie eins
ander barum unverzügliche Hülfe leiſten wollten. Sie waren
freimuͤthig genug dem K. Ruprecht bied Bänbniß zur Beſtaͤ⸗
tigung vorzulegen. Obgleich diefer die wahre Abſicht deſſelben
licht erkannte, fo wagte er doch nicht es abzutünben, wie
feine Vorgänger oft gethan hatten, ſondern bot Unterhandlun⸗
gm an. Die Yürften entgegneten, fie hätten den Bunb _
einzig zu ihrer Sicherheit gemacht, und weigerten fi auf
einem Reichötag zu erfcheinen. Nun bat Ruprecht, fie möchs
ten den Bund abthun; er wolle den Landfrieden felbft beftels
Im unb „ein gemein Recht, das lange verdruckt gewefen, ſez⸗
zn". Er erbot fi) auch auf alle Klagen, bie man gegen ihn
erheben koͤnnte, redlich zu antworten und auf dem Wege Rech⸗
tens ober durch Schiebsrichter enticheiden zu laſſen. Allein
bie Sürften blieben bei ihrer Weigerung und rüfteten fich zum
gewaffneten Widerſtande. Nun wandte fih Ruprecht an bie.
Städte. Dieſe liefen fich aber eben fo wenig das Recht
nehmen Buͤmdniſſe zu fchlieffen als die Zürften; fie beriefen
Rh darauf, daß er und fein Haus unter den Vorgängern
daſſelbe gethan, unb nahmen noch weitere Städte fowie ben
Herzog Ludwig von Baiern auf).
Dad waren denn erwünfchte Neuigkeiten für Wenzlaw;
er erwachte einen Augenblid aus feiner Voͤllerei, welche, wie
man fagte, Folge eines durch Vergiftung entflandenen immer»
waͤhrenden Durſtes war, Er foberte den marbacher Bund auf
1) Gaqhidute on Schwaben IV, 289 ff. Auch zu dem Bolgenden
Pfiſter Gefchichte d. Teutſchen ILL. 23
354 Bub IE Erſter Zeitraum. Abſchnitt 3.
bei ihm auszuharren. Aber das war nicht bie Abficht im weis
cher biefer gefchloffen war; vielmehr hielt er fich im ber Mitte
zwifchen dee wenzlawſchen unb ruprechtſchen Part,
um zu ergänzen was unter folchen Umſtaͤnden bie Ruhe und
Sicherheit des Reichs erfoderte.
.Da Ruvrecht bie hefanbern Abſichten der Fürſten kannte,
fo fuchte ex jegt mit den, Einzelnen ſich abzufiuben, in Hoff⸗
- mung dann aud ben Bund aufzuläfen. Dem Erzbiſchof Io
hann überließ. er nicht nur die ſchon von Wenzlaw erhaltene
Berpfändung des halben Reichszolles zu Hoͤchſt auf. immer,
fonden gab ibm auch bie andere Hälfte für 12,000 fl. in
Manbfcaft. Der Markgrav Bernbarb non Baden behielt bie
ebenfalld von Wenzlaw angewiefenen Rheinyblle, ner mit der
Befchränkung daß ex, ſolange Ruprecht lebe, das Geld nidt
erhebe. Mit Speier ſchloß Ruprecht ein Schutzbuͤnbniß. Bei
dem allen aber gaben die Stände den marbacher Bund nicht
auf, vielmehr wurde jetzt oͤffentlich der Grundſatz behaupte,
daß die Stände auch ohne Erlaubniß bes römis
fhen Königs fih verbinden bärfen; in feine HM
dafielbe was im Nächfifolgenden bie Kirchenverfammlung ge
genüber vom Papſte feſthaͤlt.
Auf andere. Art verfuhr Ruprecht‘ in dem gleichzeitigen
appenzeller Krieg. Anfänglid fragte er gar nicht darnach,
wie Wenzlaw bei dem Staͤdtekrieg, ober vielmehr es wand
ihm nicht gefingt, was für Zwiſte der Abt von St Bob
len mit feinen Gotteöhandleuten habe, Der. Abt bewarb fih
zuerſt um ben Beifland der Gerflddte, weiche ald Vermittler
in Güte und Ernſt einzufchreiten verſuchten. Dann fe
den Herzog Friedrich von Öfterreich und bie ſchwaͤbiſche Kit
terfhaft zu Hülfe. Die Appenzeller aber fchsitten muthig in
ihrem Bünbdniffe fort. Der Lauf kam zu ben Banbleuten im
Rheinthal, Walliſern, in das Lech> und Jun⸗-Thal, in den
bregenzer Wald ımd bis in das Algau. in Sqhwaben Erf
als zu beforgen war, es moͤchte hier eine geößere Eibgenok
fenfchaft von „Bauerfamen’: ober freien Landgemeinden ent
4408 flehen old in der Gchweig, im febenten Sabre bes. Kuleph
erbob ſich K. Ruprecht nach Coſtanz. Nachdem die Landleute
ſowohl ale bie Ritterſchaft per Sache ia feine Hand: gelegt
Dos Reid unter zwei Dberhäuptern. 356
that er deu Kubfprüch, den füheh zu Aufang der Märgermeie
fer von Ulm als Obmann ber Schledsrichter gethan, ba
das Bänbriß ber Appenzeller, fo fie wider ben —
Vts gemacht, ab fein ſolle, weil es, ſetzte er himzu, weder
bie heilige Kirche, das Reich unb gemeinen Nutzen erfunden
worden Alles ‚Übrige wurde‘ auf beiven Seiten in den vori⸗
gen Zuftand gefest. ber den Anlaß des Kriegs zwifchen dem
Abt mid den Appenzellern ſprach ber Köriig auf einem Tage
zu Heidelberg, daß denſelben die Reichspfandſchaft bleibe bis
zur Wiederlöfung. Wenn die Appenzeller nicht bomit zufrie⸗
ben wären, fo bürften fie ihr Recht weiter vor dem Könige
verfolgen. Sie thaten das aber nicht, ſondern traten zu den
ſchweizeriſchen Eipgenoffen, welche hernach in Güte entſchieden.
Der maerbacher Bund blieb in dieſen Streitigkeiten neu⸗
tal, gerieth aber bald auch in Krieg mit dem Herzog Fried⸗ 1409
rich von Öfterzeich wegen Niederwerfung der Kaufleute durch
Ranbritter auf dem Hanbelöwege durch Tirol, vocchen der
Herzog bisher in Schu genommen. Auf der andem Geite
erhoben die Landvoͤgte der Öfterreichtichen Vorlande Krieg ger
gen Bafel. Da die ſchwaͤbiſche Ritterſchaft ſich hierbusch auf.
zwei Seiten gefährdet fab, vermittelte fie erft bei den Bune
beskädten, welchen ber Herzog für bie Entſchäͤdigungsſumme
bie. mlaͤngſt erworbene Herrfchaft Rotenburg. auf’8 neue im
Yfrudſchaft gab; dann wurbe auch durch gemeinſchaftliche Ver⸗
mittlimg von Baden und der — rm
Briede mit Bafel gefchleffen. Gewarnt durch biefe
. taten bie Stauͤnde der Öfterreichifchen Vorlande, he Age Balds
leute (uf dem Schwarzwald) und Mitterfchaft unter fich in
en Buͤndniß, jedoch auf Butheifjen bes Landesherrn ').
Dies das Einungsweſen in feinen Fortfchritten unter bem
Gegenkoͤnigen Wenzlaw und NRupreht. Nach den Fuͤrſten
behaupten Die Reichöftädte das Recht freier Buͤndniſſe feibfl
———— im Ball dieſer feinen Pflichten
1) Geſchichte von Schwaben IV, 236 f. Soweit biefes Gapitel
Benzlaims Gefchichte betrifft, verweifen wir, um nicht zu viele Gitate
zu haͤufen, atıf die Öfter angeführte Lebensbeſchreibung von Bein
®%t. IL, wo bie Bar: forgfältig gefemelt —8
23 *
356 Bud II. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 3.
nicht: entſprach. Aber den Beinen Reichsſtänden, freien
Landgemeinden, Rötterfchaft, warb diefes Recht neh
‚dem Grlenntniß ber höhern Reichöflände nicht eingeräumt,
: noch ‚weniger den Lanbfländen, ohne Bewilligung ihres Herm..
Dadurch wurben fie zu den Schweizern getrieben, unb fo ent⸗
fland allmälig eine Eidgenoffenfchaft aufferbalb des
Reiche.
- Während diefe im fühlichen Zeutichland die erfien Schritte |
bierzu thaten, erhielt bie Hanfe im Norden = (este
Ausbildung.
So oft auch bie einzelnen banfifchen Städte mit Kaiſer
und Reich zu verhandeln hatten, ſo kommt doch die Hanſe
als ſolche weder auf dem Reichstage noch in kaiſerlichen
. (1414) Urkunden vor, bis auf die Zeit 8. Sigmunds, der bei einem.
Aufftande der Weftfriefen ber Hanfe befahl gegen fie zu zie⸗
ben und bann mit ben Oſtfrieſen fich zu verbinden. Die
Hanfe ‚beharrte fortwährend auf oberfier Gerichtsbarkeit ber
ihre Bunbesftäbte in letter Inflanz und buldete keine frenıbe
Einmifhung. ‚Gegen bie auswärtigen weftphälifchen ſowie
gegen die geiftlichen Gerichte beflanden firenge Vorkehrungen.
Gleichzeitig mit den Reichöftäbten ber oberen Laube wufften
die hanfifchen von ihren verſchiedenen Herren eine Freiheit
um bie anbere an fich zu bringen,. baß fie zulegt ben ummit
telbaren Städten gleich fianden, bie wirklichen Reichsſtaͤdte
aber fi wie unabhängige Staaten betrugen. Manche ertrotz⸗
‚sen, was nidht gern bewilligt wurde. Als ber Biſchof von
Paderborn ſich weigerte bie Privilegien der kleinen Stabt War⸗
burg zu befldtigen, wie& ber Bürgermeifter auf den Hahn bes
Thurms und fprach: „biefer bier fieht in vier Herren Sünder,
und die Gemeinde flellt 1500 gewaffnete Bürger”. Der Bis
ſchof bewilligte. Die Bürger von Magdeburg fperrten ihren
Erzbiſchof in die Rathöfemmer, mit der Bebrohung ihn in
‚einem hölzernen Käfig an ben Stabtthurm aufzubängen, wenn
er nicht beftätigte. Er that es; als er aber nachher bad Vers -
fprechen. für abgebrungen erBlärte, warb er im Berließ des
Rathhaufes elendiglich ermordet. Um Bann und Acht pflegte
man ſich wenig zu bekuͤmmern. Wenn bie Landherren nicht
— wandten fh bie Staͤdte auch an den kaiſenlichen
Das Reich unter zwei Oberhaͤuptern. 3557
Hof, wo für Geld Altes feil war. Die Reichöftädte wollten
frei fein von ben Reichslaſten wie die Landfläbte, und dieſe
wollten frei fein von den Xerritorialbefchwerben wie bie Reichs
Räbte. Die an ber See gelegenen hatten noch mehr Mittel‘
in ber Hand, Vortheile von ihren Herven zu erhalten In
allen war die Bevoͤlkerung im fleten, vafchen Zunehmen, wels
ches Erweiterung durch Vorflädte nöthig machte. Die Stadt
Dortmund, welche jetzt etwa 800 Häufer zählt,’ hatte Damals
10,000, und Lübed eine zwei bis dreimal größere Bevoͤlke⸗
rung ald jetzt. Die meilten Städte erwarben noch dazu ein
bebentenbes Landgebiet. Auf die Ausbildung ber innern
Verfaffung hat die Hanſe wenig eingewirkt, fonbern biefe je
der Stadt felbfi-überlafienz; nie wollte fie darin etwas Gleich:
foͤrmiges und Allgemeines unter ihren Mitgliedern einführen.
Dagegen bat fie deſto mehr ihr Anfehn verwendet, um bie
Bürger bei den häufigen Sährungen über die Theilnahme ber
Zimfte am Stabtregiment im Gehorfam gegen ihre Oben zu
erhalten. Nur in ber Hauptflabt felbfi, in Luͤbeck, wo bie
längften und gewaltigftien Bewegungen entflanden, erlagen
ihre Bemühungen. Da die Hälfte des Raths vertrieben wurde
und mehrere andere Städte dem Beifpiel folgen wollten, warb
enblich befchloffen die Sache an ben römifchen König zu bins -
gen. Das war dann ber erfte Riß in die biöher behauptete
freie Serichtöbarkeit der Hanfe ').
Das Bimdniß mit dem ‚Hochmeifter bed teutſchen Or⸗
dens, eine Art Schirnwertrag, beſtand noch in dieſem Zeit⸗
puncte. Der Orden ſelbſt aber gerieth jetzt in den preuſſiſchen
Verhaͤltniſſen in eine veränderte Lage, welche die Anſtrengung
aller feiner Kräfte erfoderte. Schon im vierten Jahre nach
bed Hochmeifterd Kniprode Tod wurben bie beiden Mächte,
welche der Orden befämpfte und die fich bisher gegenfeitig
gefchwächt hatten, vereinigt. Auf Verlangen ber polnifchen
Stände muſſte die Kronerbin Hedwig, zweite Tochter bes
8. Ludwig von Ungern und Polen, Schwefler der Gemahlin
K. Sigrmmds, ihren Gemahl Herzog Wilhelm von Öfterreich
verlaffen und dem lithauiſchen Fuͤrſten Jagello, der fi
1) Sartorius a. a. D. S. 157-2.
!
358 | Buch IL Erfer Zeitraum. Anfgeitt 3,
zum Oberberm ber andern aufgeworfen Hatte, ifee Hand ges
ben. Diefer verſprach dagegen fi Karen zu —
x tbhauen nebſt Samaiten ( Samegitien) dem polniſchen Reiche
- einzuverleiben, und noch dazu Kulm und Pomerellen wieber
dem teutſchen Drben zu entreiflen.
In dieſer Gefahr, alle feit einem Jahrhundert gemachten
Eroberungen zu verlieren, rief der Hochmeifter die teutſchen
Fuͤrſten zu Hülfe. Vergeblih: denn mit dem lbengange der
Lithaner zum Chriſtenthum erloſch der bisherige Zweck "dei
Kriegs. Die Fortfegung war nicht mehr Sache der Chriften⸗
heit, fondern des Ordens eigene Sache als Landesherrn,
wollte er ſich anders in dem erworbenen Staate behaupten.
Daher ſchloß der Hochmeiſter eisen Subfibtenvertrag mit den
1389 Herzogen von Pommern und fing an Söldner zu werben
Es kamen auch noch freiwillige Schaaren aus England, Franb⸗
reich, Teutſchland, "weil bie feitherige Michtung fich nicht auf
einmal verlor. Auf Verheiffung hohen Soldes und des Eh
rentiſches ſtroͤmten nody mehrere aus Teutſchland herzu, bis
fih ein Heer von 46,000 Streitern ſammelte. Mit biefen von
. einigte der Hochmeiſter Wallenrode fein eigenes von 418,000
und biang in drei Abteilungen in Lithauen ein. Wilna wurde
belagert. Das Heer, im Vertrauen auf feine Übermacht, uͤber⸗
Heß fi der Sicherheit. In biefer wurbe ed won bem treu⸗
1393 loſen lithauifchen Fuͤrſten Vitold überfallen und gef |
Während die Streifersien auf: der lithauiſchen Grenze
fortgingen, führte dee Orben Krieg gegen bie Seeräuber, Vi⸗
talienbrüber genammt. Es gelang ihm Wisby und Goth⸗
1397 land zu erobern. Auf Bermittlung K. Wenzlaws wurde bie
Beſitzung nach drei Jahren gegen Erſatz der Koſten an die
Königin Margaretha von Dänemark zuruͤckgegeben. Aber dreiſ⸗
fig Jahre verfloſſen, bis die Seerduber mit Beiſtand der Danfe
endlich vertilgt wurben. Noch, eine wichtige Sanderwerbung
1400 ff. machte der Orden, inbem ihm die Neumark, wo er fihon
einige Süter hatte, von K. Sigmund nah und nach verpfim
’ bet wurbe. Aber der Hochmeifter Konad von Zungingen ver
fäumte den günfligen Zeitpuntt, ba Jagello und Witold ihr
ganzes Heer gegen die Zataren eingebüßt hatten, ben Krieg
mit Ernſt gegen fie zu erneuern. Als ex es enblih that,
Das Reg unter zwei Dberhäuptern. 359
macthte Jagello Frichentusrfihläge, und man mar zufeieben,
baß er ben früher gebachten Frieden K. Kafimixs —2*
Über den Befig von Samogitien, das der Orden ſchon ziem⸗ 1404
lich angebaut hatte, wurbe ihm der Krieg wieder angefimbigt.
Als der Hochmeifter frifche Bruͤder und wohlgerüftete Gäfte
aus Teutſchland kommen ließ, verſtand fich Jagello, weil ihn
Vitold gerade nicht unterſtuͤtzen konnte, bie Entſcheidung dem
8. Benzlaw zu überlaffen. Diefer gab den Schiedsſpruch:
Jagello folle Dobrin, der Orden Samogitien wiebererhalten.
Aber die Polen nahmen den Spruch nicht an und rüfteten fich 1410
auf neue. Jagello erhielt teutfche und böhmifche Soͤldner,
zuſammen 21,000; zu Vitolds Lithauern flieflen 40,000 Rufs
jen und Zataren. Der Orden, aber warb wenigfiend 30,000
teutſche Söloner und brachte mit feinem eigenen Aufgebot ein
Herr von 83,000 Mann zufanmen. Bei Zannenberg tras
fen die Heere aufeinander. So verzagt ber moͤnchiſche Jagello
war, fo kuͤhn flanden bie Ritter. Schon iſt Vitold mit ſei⸗
nen Zataren und Ruſſen geſchlagen; aber die Ritter verfolgen
die Füehenden zu weit und greifen die Polen zu fpdt an. Da
der Sieg auf der Spitze flieht, fällt der Hochmeifter, Iagello
wird gerettet und ber Kampf endet zum Vortheil ber Polen.
Von biefem Tage an finkt die Macht des Ordens. Der neue 15. Jul
Hochmeifter, Heinrich Ren von Plauen, bat das Berbienfl
verhindert zu haben, baß nicht jest -fchon Preuffen mit Polen
vereinigt wurbe. Im Friedensſchluſſe trat ber Drben Samos 1411
gitim ab, für bie übrigen von den Polen befegten Pläte in
‚Sreuffen ſollten 100,000 Schod böhmifche Groſchen erlegt
werden. Noch immer erfiredte ſich die Herrfchaft des Ordens
von der Oder oder von der Neumark bis Narva und Reval.
Da der folgende Hochmeiftr, Michael Kuchenmeifter von
Sternberg, mit ben Briebenöbebingungen zögerte, fielen die Po⸗
len wieder in Preufien ein. Der päpflliche Legat aber vermits 144
telte einen Stillftand, und die Sache wurbe (mie bie hanſea⸗
tifchen Streitigkeiten) auf das Goncilium zu Coſtanz verwiefen ').
Dies führt uns wieder zu bem Hauptfaben unferer Gefdyichte.
1) Benaton hiſt. Bericht ıc. S. 121-131. Duellii Hist. Ord.
Teut, p. 34-40: Bacyto Gefchichte Preuffens II. Band. Hier enbis
30 Bud EU. Erfer Zeitraum... Abſchnitt 3.
10. Wie Kirche und Reich je unter drei Oberhäupter
zerfallen, unter Frankreichs fortwährendem Übergewicht,
bis das Reich wieder vereinigt wird: unter dem letz⸗
ten Luxemburger. |
Hof und Univerfität zu Paris bringen ein allges
meines Goncilium zu Piſa zu Stande, das fi
über die Päpfte ſtellt. 8. Ruprecht will den römis
fhen Papft nicht aufgeben. Trennung darüber in
Zeutfhland Wahl eines allgemeinen Papftes
(Aleranders V.) zu Piſa. Anerkennung Benz:
laws ald vehtmäßigen römifchen Königs. Wider
ſpruch Ruprechts und der bisherigen zwei Gegen
päpfte Der Erzbifhof von Mainz wird von Frank
reih gegen K. Ruprecht unterfiüst. Doppelwahl
nah Ruprechts Tod. Nah Jobſts od behält
Sigmund das Reich, Wenzlaw den leeren Zitel.
Seit Wenzlaws Abfekung geſchah von Seiten des Reiche Fein
ernfllicher Schritt gegen bie Kirchenfpaltung, vielmehr buhlten
Ruprecht und Wenzlaw wechfelöweife um bie Gunſt bes roͤ⸗
miſchen Papftes, und der Erflere war zu froh endlich deſſen
Beftätigung erhalten zu haben, als daß er fi auf etwas
Beiteres eingelafien hätte, das biefen beunruhigen konnte.
. Behn Jahre wurde auf diefe Weile aufgehalten, was Frank⸗
reichs Fräftige Regierung bereitö eingeleitet hatte. Diefe bes
ſchloß nun zu thun, was fonfl des Kaiferd Aufgabe geweſen
wäre, Da der franzöfifche Papſt, Benedict XIII., gegen
fein fruͤheres Verfprechen Öffentlich erklärte, er wolle fich lieber
lebendig verbrennen, fchinden oder gliebers und ſtuͤckweiſe zer:
reiſſen laſſen als bad Pontificat nieberlegen ); dba er *
fuhr die groͤbſten Geldſchneidereien ſich zu erlauben und end⸗
lich den Koͤnig zu bedrohen; da auf der andern Seite auch
gen die Hauptquellen, bie Chroniken von Dusburg und David.
Übrigens ift vom Jahr 1841 an, wo ber neuefle Banb von Woigts
Preufien fteht, noch ein großes Feld für bie Kritik offen.
1) Martene Thea. Anecd, T. U. p. 1800 qq.
ü — > 2 Au gi” e 4 —
* are
Kirche und Rei.unter drei Obsrhäuptern. IL
die Verhandlungen bei dem neugewählten sbömifhen Papft; 1407
Gregor XI, zu feinem Ziele führten, fo erließ der Könly
ein zweites Manifeft, worin Frankreich ben beiden Päpften 1408
die Obedienz auflünbete, wenn nicht in beflimmter Zeit die 14, San.
Einigkeit bergeftellt fein würde. Die Bannbulle, welche Be
nebiet XII. dagegen erließ, warb am franzöfifchen Hof öffent
li zerriſſen und ihm bie Obedien; unbedingt aufgefagt.
Unter Mitwirkung ber parifer Univerfität brachte man es das
bin, daß bie beiden Päpfte von ihren meiſten Garbindien vers
laſſen wurben, und ba man der Meinung war, in Ermanges
lung eines allgemein anertannten Papfles könne nur burch bie
Cardinaͤle beider Parteien das bereitö vorgeſchlagene allges
meine Concilium ausgefchrieben werben, fo wurbe die
Mehrheit derfelben wirklich in dieſer Abficht zu Piſa verfams Sat.
melt, um auf Pfingſten des nächflen Jahres das Eoncilium
zu eröffnen. |
Run konnte K. Ruprecht nicht umhin fich der Sache auch _
anzunehmen. Er berief einen Neichötag nach Frankfurt, auf 1409
welchen zuerft Abgeorbnete von den Sarbindlen zu Pifa, dann Jan.
auch ein Legat von Gregor XIL erſchienen. Da Ruprecht aber
von jeber und ſchon vor feiner Wahl für den römifchen Papfl
gewefen, auch dem 8. Wenzlaw bie Vereinigung mit Frank⸗
reich nachbrüdtich abgerathen; da er von dem römifchen Papft
die Betätigung gefucht und erhalten hatte, fo erklaͤrte er fich
um fo mehr fir Gregors XIL Anträge, als biefer ihm zuge:
fand, im Verbinderungsfall des Papftes habe der römifche
König bad Recht ein Concilium auszufchreiben. Die
meiften Reichöftände hingegen flimmten für Neutralität, wie
Frankreich, und der Erzbifhof von Mainz erflärte fich jet
öffentlich für dad Concilium zu Pifa. Daffelbe that K. Wenz⸗
law und verorbnete eine Gefandtfchaft dahin. Es entfland alfo
auch in Kirchenfachen eine neue Trennung im Reich, und in»
fofeın traf bald ein, was Ruprecht vorhergefagt hatte: „ed
werde aus ber Zweiung eine Dreifaltigkeit werben” 1).
Die zwei Gegenpäpfte warteten nicht auf das pifanifche 4405
Concilium. Benedict berief fchon vorher ein folches nach Pers Rov.
1) Wenker App. arch, p. 29.
| —
= .
362 Bud I. Irſter Zeitraum. Abſchnitt 3.
1409 pignen, und Gregor eroͤffnete ein gleiches zu Cividad del Auſtria
Sul in Friaulz auf beiben erfchienen aber. nur wenige Prälaten.
Weit zahlreicher wer die nach Piſa auögefchriebene Der:
35. Märg. fommlung. Auffee 22 Garbindien, 2 Patriarchen, 12 Erzbi⸗
fhöfen kamen 80 Bifkhöfe, 87 Abe und Deputirte von ben
Univerfitäten, 300 Doctoren und Gefandbte von Frankreich,
England, Portugal, Böhmen, Polen, Sicilien, Eypern, nebfl
vielen andem Fuͤrſten und Herren. Die Berſanmlung erklärte
ſich alfo mit Recht für ein- allgemeines Concilium unb über
die Päpfte; fie ſetzte die beiden Gegenpäpfte als hartnädige
5. Jun. Schifmatiter und Keber, die ihren Eid und’ das Gelübde
| freiwilliger Abdication gebrochen hätten, ab und wählte ben
26. Jun. Gardinal Peter von Candia ald Alexander V. zum alleinigen
„10. 3al. Vapft, der fofort die Gehläffe befldtigte, das Weitere aber
in Rüdfiht ber Kirchenreformation auf bad naͤchſte Goncilium
vorbehielt.
K. Kuprechts Geſandter, der zu Gunſten Gregors XII.
vermitteln wollte, ward gar nicht in jener Eigenſchaft aner
kannt; vielmehr erklärte das Concilium den K. Wenzlaw für
den rechtmaͤßigen roͤmiſchen König '). Ruprechts Proteſtation
warb fo wenig gehört als die der beiden Gegenpaͤpfte. Da
der Erzbifchof von Mainz fich. fir Alexander V. erklärte, ri-
flete fi) Ruprecht zum Krieg. Der Erzbiſchof trat Dagegen
unter den Schutz bed Königs von Frankreich, welcher bie
Reichsſtaͤdte auffoberte ihm beizuflehn 2). Während dieſer Gaͤh⸗
rung ſtarb K. Ruprecht, ſie wurde aber uͤber die Frage vom
uio Nachfolger noch geſteigert. Sachſen und Brandenburg, welche
18. Mai an Ruprechts Wahl keinen Theil genommen, wollten üben
haupt von feiner Wahl hören, weil man noch einen lebenden
. zömifchen König hätte. Die rheinifchen Kurfürften hingegen
erklaͤrten den Thron für erlebigt; fie waren and darin eins
fümmig, daß wieder ein Luremburger gewählt werben
- follte; aber Mainz und Coͤln, weiche dem piſaniſchen Papfle
ä 1) Wenker I, c. p. 299. über das Ganze ift zu vergleichen
Theod. a Niem de Schisnat. L. Il. IV. Baynald. ad a, 1409.
Plank a. a. D. II, 857.
2) Dienfhlager Erlaͤut. ver golbnen Bulk. Ust. 54.
\
Das Relch unter drei Oberhaͤuptern. 363
anhingen, Hinmien auf Markgrav Jobſt ven Mähren, Trier
und Pfalz bagegen, welche noch mit Gregor XII. hielten,
fir K. Sigmund von Ungern. Sie konnten alfo über ben
neuen König fo wenig einig werben als Über: ben Papſt, ber
ihn beſtaͤtigen follte. Über die branbenburgifche Stimme bes
flanb noch befonderer Zwiſt. Markgrav Jobſt, der wirkliche
Befiker ber Kulande, war nicht anweſend. Bei der ſteigen⸗
den Uneinigkeit auf dem Wahltage erkannten Trier und Pfalz
ben Burggraven Friedrich von Nürnberg als brandenburgiſchen
Geſandten von wegen K. Sigmunds und eilten den Andern
zuvorzukommen. Da ihnen die gewöhnliche Kirche verſchloſ⸗
fen wurde, fo wählten fie auf dem Kirchhofe den K. Gigs 230. Sept.
mund mit vermeinter Stimmenmehrheit, weil Sachen und
Böhmen durch ihr Ausbleiben das Wahlrecht verloven Hätten.
Acht Tage fpäter, als ber Wahltermin ſchon verfirichen wat, -
kamen die Gefanbten vom 8. Wenzlaw, vom Markgrav Jobſt
und dem Kurfinften von Sachſen zu Frankfurt an und wähls
tm unter Leitung des Erzbiſchofs von Mainz den Markgra⸗
ven FZobft zum römifchen König. Wenzlaw felbfi ſoll dies
zugeftanden haben mit der Bedingung, daß er fich die Kais
ferwürde vorbehalte; er hat aber ben biöherigen Titel forts
geführt ').
Unerachtet bei dieſer Doppelwahl Karls IV. goldene Bulle
mehrfaͤltig verletzt wurde, ſo behauptete doch jeder Theil recht⸗
maͤßig gewaͤhlt zu haben. Das Reich hatte nun brei roͤmiſche
Könige aus Einem Haufe zugleich, wie die Kirche drei Päpflte
auf verfchiedenen Sigen, in Folge der gegenfeitig in einander
greifenden Berbältnifie.
Nicht lange nach feiner Wahl flarb Jobſt ohne gekrönt 1411
worden zu fein. Nun eilte Sigmund aud bie andern Kurs 8. Jan.
I
1) Andreas Presb. Batisb. in Eccard. acrr. T. I. 2148, Auf
dieſer Wahlgeſchichte liegt noch Dunkelheit, wie fon Häberlin ge
zeigt hat. Der Schluͤſſel if wohl barin zu ſuchen, daß der Crzbiſchof
von Mainz mit fich felbft in Widerſpruch gerieth. Im Yolge ber Aner⸗
kennung des pifanifchen Conciliums ſollte Wenzlaw wieder eingefeßt wer⸗
den, den er doch abgeſezt hatte. Man ſuchte alſo einen Mittelweg, da
Jobſt gerade damals mit Wenzlaw in gutem Vernehmen ſtand. * das
Ganze f Dlenfhlager . 0 D. urt᷑. 7Of
364 Bud IL Erſter Zeitraum. Abſchnitt 3.
- fürflen zu gewinnen, vor allen ben Erzbiſchof Johann vom
1410 Mainz. Seiner Partei halte er ſchon von Ungern aus vers
5. Aug. ſprochen allen Fleiß zu Herſtellung ber Kischeneinheit anzu
wenden und einen einmütbhigen Papft wählen zu laffen‘).
Dem Mainzer aber muffte er jetzt verfprechen feine Beflätis
gung von feinem Andern ald von Alexanders V. Nachfolger,
Johann XXIII., zu nehmen; er muflte dem Erzbifchof noch
beſonders verfprechen im mainzer Gebiet Feine neuen Zölle
anzulegen, noch bie alten zu erhöhen, auch ohne ihn Feinen
Reichsvicar zu feßen und diefem biefelbe Beflätigung feiner
Rechte und Freiheiten ausſtellen zu laffen; endlich auch bie
abgerifjenen Reichölande, namentlih Mailand, zurückzubrin⸗
sen ?). Nach diefen Zugeflänbnifien erfolgte Sigmunds
1414 einfliimmige Wahl zum römifchen Könige. Ob Wenzlaw noch
«1. Zul. den Titel habe, darnach ward nicht weiter gefragt.
So kam das Reich wieder zur Einheit, früher als bie
Kirche, und nun war bie näcfle Aufgabe, bie kaiſerliche
Schirmvogtei über diefe wieber geltenb zu machen.
11. Anlaß und Vorbereitung der großen Kitchenver:
fammlung zu Coftanz unter 8. Sigmunds Schirmoogtei.
Berderbniß der Kirche in Haupt und Gliedern.
Öffentlihe Feſte und Sitten. Polizei. Secten,
Keger. Schulen und Univerfitäten. Spaltung zu
Prag. Johann Huf. Das böhmifhe Volk. Auf:
foderung zu einem allgemeinen Concilium an &.
Sigmund;deſſen Charakter. Verhandlungen mit
| Papſt Johann XXI.
1409 Nach der piſaniſchen Kirchenverſammlung entfland erſt ein
vecht Iebhafted Verlangen nach einer wahren, burchgreifenden
Verbeſſerung der Kirche: denn mit der Wahl eines allgemei:
1) Wenker App. arch, p. 802. Nr. 54.
‚2 Dlenfälager a. a. D..Urk 108.
—
Borbereitung d. allg. Synode zu Coflanz ımt. Sigmund. 365
nen Papfles war noch nicht einmal bie Kircheneinheit herge-
ftellt, weil bie beiden Gegenpäpfte fortwährend die. Abtretung
verweigerten; bie Kirchenvereinigung felbft aber wide nur
als Mittel angefehn, bie laͤngſt gewünfchte Reformation an
Haupt und Gliedern durchzufuͤhren. Deshalb hatte die Mehr:
beit. der pifaner Kirchenverſammlung fchon voraus zur Wahl⸗
bedingung gemacht, daß der neue Papft bie Verſammlung
nicht eher aufheben dürfe, bis eine hinlänglihe Reformas -
tion gefchehen wäre. Da aber Aleranber V. besungeachtet
bie Sache anf ein anderes, in drei Jahren zu berufendes Con⸗
cilium auffhob, fo ward dadurch das Berlangen nur noch
mehr gefleigert. Auf's Hoͤchſte ſtieg es, als ſchon im falgen>
bem Jahre nach Aleranberd Tod in der Perſon Johanns XXIUL 1410'
fi) ein Maun auf den paͤpftlichen Stuhl fchwang, der mit 17. Mai.
der Rohheit des Seeraͤubers, was er in ber Jugend geweſen,
alle Lafter- und Ausfchweifungen auf eine fo ſchamloſe Weife
trieb, daß man burin eigentlich eine Verhoͤhnung der oͤffentli⸗
chen Meinung ſah.
Wie das Haupt, ſo die Glieder, und umgekehrt. Die
Klagen find nit neu, fie haben vielmehr feit Jahrhunderten
fih gehäuft, Schon unter den erſten teutfchen Kaifern, da
bie Kirche eine reiche Kirche wirde, fingen die Ausastungen
an, Der Träftige K. Heinrich IIL berief Synoden, um bie
Simonie abzufchaffen. Dagegen machte Hildebrand die
Ebeloſigkeit der Prieſter zum allgemeinen Geſetz, aber auch
Hzu einer Quelle vieler neuen Ürgerniffe. Det zweihundertjaͤb⸗
rige Kampf zwiſchen dem Kaiſer⸗ und Papſtthum ging, wie
wir früher gefehn, eigentlich davon aus, alle kaiſerliche Qber⸗
aufficht auszufchlieffen und die Kirche mit ihren Guten und
Derfonen zu einem unabhaͤngigen Staate zu erheben! Se
mächtiger. aber: die Päpfte wurben, befto weniger gefchab ge⸗
gen die zunehmende Entartung bes geiſtlichen Standes, welche
mit der Verwilderung aller Stände in einem faſt gefeblofen
Zeitalter ‚gleichen Schritt hielt. Wie der paͤpſtliche Haf zu
Avignon der. Schauplat aller Uppigkeit war, — durch die
Franzoſen euft, noch Meapel und ins übrige Italien gehbracht
wurbe, fe hatten auch Die bitchöflächen - Hoflager. in Vemsichs .
land gany had, Ausſehen weltläher Höfe Waffen, Turniere, .
H6 Bud II Erfter Beitraum. Abſchnitt 3.
Jagden, Taͤnze, Trinkgelage: waren bad Vergnügen Der hohen
Geiſtlichkeit, und die niebere ahmte nach ſoviel fie vermochte
Man fand es nicht einmoal unfähig, daß ber Bifihof als Grund⸗
herr auch Abgaben von öffentlichen Frauenhaͤuſern dezog ober
Erlaubniß zur Errichtung berfelben ertheilte. Waͤhrend bie
äuffere Macht des Papftthums durch die Könige ven Frank
seich gebrochen wurbe, nahm bee Druck beffelben im Innern
der Kirche nur um fo mehr zu. Als die Kixchentvennung bie
Einnahmen verringerte und die Ausgaben vermehete, wurden
die Erpreffungen auf den hoͤchſten Grab getrieben; fogar Aus
wartfchaften auf geiftliche Amter wurden verfauft; kurz am
päpfltihen Hofe war Alles fell wie am Zaiferlichen. Bis
ſchoͤſe, Ate, Domherten, Pfarrer fuchten dann was ihnen
durch Simpnie abgenommen war, wieder durch drüdenbe
Auflagen zu gewinnen. Die Erfieen bezogen von ben ketz⸗
tem eine gewiffe Summe für öffentliche Haftung von Gen
cubinen, fo oft biefe auch von ben Kirchenverſammlungen ders
boten worben waren. „Wo man Böfes hörte oder Krieg war,”
fügt Windeck, 8. Sigmunds Ratih, „une man fragte: wer
thut das? ba hieß ed, der Biſchof, ber Propſt, der Dechant,
der Dfaffe; — bie Laien gaben den Pfaffen bie Schuld und
ebenfo bie Pfaffen den Laim." Die Weltgeiflichkeit und bie
Moͤnchsorden geriethen auf gleiche Welfe in Verfall. Die
reichern Orden, befonberd die Benebictiner, zählten Schaaren
von umwifienden, faulen, lafterhaften Menſchen, welche durch
ihre Zuͤgellofigkeit allgemeinen Haß erregten. „Die Mönche,
fagt Nicolaus von Glamenge, „find reiffende Woͤlſe in Schaaft⸗
kleidern, die ſich Aufferlich ſtreng, keuſch, bemäthig und heis
lig anſtellen, inwendig aber voll ſchaͤndlicher Wolluͤſte find,
fih mit Wein und fetten Speifen überfüllen, mit fremder
Weibern leben und Alles mit ihren Lüften beflecken. Was
find in unſern Zeiten”, fährt er fort, „bie Nonnenkloͤſter anders
als abfcheuliche Hurenhaͤufer?“ Auch in bie ſtrenge oe. -
NRitterorden drang Müffiggang und Gchwelgerei ein.
teutſchen Ritter wollten nicht mehr Bruͤder wie bie un
ſondern Kreutzherren heiſſen. Zu Marienburg, me.
Hochmeiſters, war ein Öffentliches Frauenhaus. Die Peebie
ger= und Bettel⸗Moͤnche, zur Beilımg des. Volles, eigentlich
Vorbereitung d. allg. Synede zu Coſtan; unt. Sigmund. 367
zur Stuͤtze des Yayfitbumd gefifiet, geriefhen unter ſich feihft,
mit der Weltgeiſtlichkeit und deu Univerſitaͤten im bie aͤrger⸗
lichſten Streitigkeiten. Berfolgungs⸗ und Verdammungs⸗Sucht
galt bei jedem Theil als Eifer für Rechtglaͤnbigkeit und ſprach
alſo der Religien der Liebe oͤffentlich Hohn. Vom gemeinen
Volle wurde auf unzaͤhlige Arten Geld erprefft; ben Abiaß⸗
kram aber hat Niemand: frecher geführt als Johann AXHEA
(den als Cardinal Balthafar von. Sofa).
Die Verwilderung ber ae Gisten in Folge
ber Ausartung ber fruͤhern zeigt: fich am allermeilien in der
At, wie die kirch lichen Feſte begangen wurden, deren
uefprimgliche Bedeutung wir zur Zeit der ſaͤchſiſchen Kaifer
geſehen. Den. Anfing der Weih nach tfreuden, bei Entbeh⸗
sung bes Naturgenuſſes, machte das St. NRicolaus feſt mit
argen Bermunnmungen, Gelagen, Taͤnzen, muthwilligen Streis
hen, oft bis zu blutigen Haͤndeln, aͤrger als bei den heid⸗
niſchen Saturnalien. Es: wurden Schauteufel herumgefuͤhrt,
mohrenhaft angeſchwaͤrztz dann folgte ein eigentliches Nar⸗
renfeſt mit einem Rarrenbiſchof, woran auch junge Geiſtliche
Freiheit ‚erhielten ‚Öffentlich ausmfchrusifen und Die Lawe dir
Achigkeit abzulegen. Die Faſt nach t luſtbarkeiten waren
Wiederholung und wo möglich Überbistung des ausgelaſſenen
Getimmels. Nah dem Mai feſt und den Pfingfitänzgen
wurte auch bed indeſſen eingeführte Frohnleihnamsf
auf sine höchft laͤrmende Weife begangen, nicht weniger bie
Heiligentage und die Kirchweihen. Spuren hoidniſchen Aber⸗
glanbens werden noch in Menge gefunden. Die Kirchen
wurden durch allerlei Gef@äfte ‚ Märkte und Belufligungen
entweiht
Neben der allgemeinen Robheit und Gewaltthaͤtigkeit bes
Zeitalter fah man befonberd im fläbtifchen Leben zunch⸗
mende Uppigkeit, beguͤnſtigt durch Wohiſtand der Gewerbe,
anögebehnten Handelsoverkehr und hereingebrachte viele neue
Dinge. Die ſtehende kaiſeliche Hofhaltung zu Prag, ganz
verſchieden von. bes. wandernden ber aͤltern Kaiſer, ging darin
voran, wie der paͤpſtliche Hof zu Avignon. In den Reichs⸗
1) Sarrdey ucchengeſch DO-EM DW.
68 Bud IL Erſter Zeitraum. Abſchnitt 3.
ſtaͤdten wurden bie häuslichen Feſte, Hochzeiten, Taufen fos
wie die Zunftgelage mit unbegrenzter Schwelgerei begangen.
Meben begieriger. Nachahmung auslaͤndiſcher Trachten zeigten
beide Geſchlechter in ihrem Anzug große Frechheit. Haupt⸗
ſaͤchlich wisd geklagt uͤber Ausfchweifungen im ber Wolluſt.
Ber der Zudringlichkeit ber gemeinen Frauen wiberflanb, wurbe
an Sodomiter gefcholten. Jene traten, nach der Sitte bed
Zeitalters, auch in Öffentliche Innungen, wie bie rechtlichen
Gewerbe, und genaflen bes obrigkeitlichen Schuged gegen ge
wiffe Abgaben. Bu 8. Rubolfs I. Zeit waren fie auffer den
Belegen. In ben größern Städten nahmen fie eigene Stra⸗
Gen ein. Die fahrenden: Weiber zogen, wie die Gaukel⸗
fpieler, den DE Turnieren, Reichstagen und Kirchen⸗
verſ⸗
ammlungen nach ')
2 ge größer bie gefelfchaftlichen Übel werben, deſto mehr
Lafien fie dad Bebürfniß ber Heilung fühlen. In allen Staͤn⸗
den und Claſſen lebten Männer, welche bie Nothwendigkeit
erlannten, der Verderbniß in dee Kirche und in ben. öffent
lichen Sitten zu ſteuern. Der beſſere Theil der Geiſtlich⸗
keit, erhob. feine Stimme lautz aus ihren Schriften iſt ein
Theil der obigen Schilderung ihres ausgearteten Standes ge:
nommen. Der Cardinal Peter von Ailly ſagt: „es waͤre ſchon
zum Sprichwort geworden, die Kirche ſei in einen ſolchen Zuſtand
gerathen, daß fie durch keine andere als verworfene Leute
regiert werben koͤnne.“ Indeſſen bis man an dad Hauptübel
Sam, fäumten bie andern Stände nicht in ihrem Theil Hanb
an bas Werk zu legen, und fo wurden erfi Verbeſſerungs⸗
verfuche im Einzelnen und von unten herauf gemacht.
In den Städten, wo bie Ausgelaffenheit am größten
war, hat man auch zuerft polizeiliche Gegenvorkehrungen
getroffen. Bon der erworbenen Selbſtaͤndigkeit bei der innern
Geſetzgebung haben biebere Stabträthe für Alles was das Ges
meinmwohl betrifft ben loͤblichſten Gebrauch zu machen gewuflt.
Die Strafen wurden gefhärft und ohne Nadficht auch an
affen vollzogen. Auf ER Reben beim Zutrin⸗
1) Huͤllmann täbtaoefen. x. HIV. Bb. Auch ein Theil des
Bolgenden iſt daraus geſchoͤpft. al. Geſch. von Ehwaben IV, 7. Gap.
4
J
⸗Vorbereitung d. allg. Synode zu Coſtanz unt. Sigmund. zoo
ten ſtand ſchwere Buße. Nürnberg, eine ber reichſten Staͤdte,
ift in Verordnungen gegen Narcenfefte, unzuͤchtige Zänze und
Kleivungen vorangegangen. Die Luruögefege erfireden fich
auf's Kleinfte, geben aber auch zugleich die Erfahrung, daß
fie immer ‚wieder an den prachtliebenden Erfindungen des weibs
lichen Geſchlechtes gefcheitert find. Nürnberg bat das erfle
Gebaͤrhaus für arme Frauen. Es traten überall Sefellfchafs
ten ‚zufammen zu Verpflegung ber Armen unb Kranken,
„Elendsgilden“ genannt. . Beflerungsanflalten wurben von
einzelnen Buͤrgern, von Biſchͤfen und andern Vorſtehern,
auch von den Koͤrperſchaften gegruͤndet. In Colmar, Speier,
Straßburg geſchahen zu gleicher Zeit Stiftungen zur Auf⸗
nahme entehrter Mädchen und Schauſpielerinnen. Su Halle
an ber Saale beflanden Vermächtniffe für fromme Gefellen,
welche arme Sünderinnen aus bem gemeinen Haufe zu Frauen .
nahmen. Bei einem Turnier zu Magdeburg wurde eine Dirne
audgefpielt, welche ein alter Kaufherr aus Goslar, der fie
gewann, auöfteuerte, damit fie ihre Lebensart verlaſſen konnte.
Zu Prog fliftete der - Kaufmann Kreuz in Verbindung mit Ios 1394
hann von Mühlheim eine Kicche, Bethlehem genannt, nebſt
Wohnung für zwei Prediger, welche bad Wort Gottes in
böhmifcher Landesſprache vortragen. follten. Ähnliche Stiftuns '
gen geſchahen in teutfchen Städten 1), Die Laien fühlten,
wie nötbig es fei, flatt des unverfländlichen Ceremoniendien⸗
fied und der todten Werkheiligkeit dem Wolfe etwas Brauch
barered zu geben.
In me That, wie die Geiſtlichkeit biöher in ben
Wiffenfchaften vordangegangen, fo bat dagegen ber Bür=
gerfiand in der Sittenverbefferung die Bahn gebros
hen. Im Volk überhaupt iſt der Sim flr einen beffern
Zuftand geblieben und bat fi auf mannichfaltige Weife aus⸗
gefprochen. Aus biefem Gefichtöpuncte find auch die Secten
und Ketzer und ihre damalige Zunahme zu betrachten. Diele
Menfchen fanden Feine Befriedigung ‚in dem was man Chris
ſtenthum und Gottesbienft nannte; mit Abfchen gegen bie öfs
—
1) Pelzel Leben K. Wenzlaws, I, 248. Gattler Geh. Wär
- tembergs unter ben Graven IV, 13.
Pfiſter Geſchichte d. Zeutfchen II. 24
370 Bud IH. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 3
fentlichen AÄrgerniſſe fuchten fie einen eigenen Weg, wenn fie
auch babei Gefahr liefen auf neue Irrthuͤmer zu gerathen.
Wiewohl die Handfchriften der Bibel felten und koſtbar, Über⸗
feßungen aber, auffer ber lateinifchen, noch gar nicht vorhans
den waren, fo fand man doch fchon zu Anfang des vierzehn
1312 ten, Jahrhunderts in Öfterreich viele folcher Leute, welche den
Anhalt. des neuen Zeflamentd teutfeh auswenbig mwufften ').
Andere folgten gewiſſen, wohl ſehr alten Überlieferungen, die
im Herzen bed Volks, in geheimen Geſellſchaften, unter mans
cherlei Zufägen fich erhalten, durch wandernde Prebiger, zum
Zheil auch durch Schriften fich verbreitet haben ?). Nachdem
die Albigenfer durch blutige Verfolgungen fa aufgerieben
‚waren, baben fih die Waldenfer?’) nicht nur in Piemont
erhalten, fonbern auch faſt durch das ganze weflliche Europa
verzweigt. In Zeutichland kamen ihre Srunbfäße bis au bie
Nord⸗ und Oſt⸗See. Im weiten Sinne wurden ſchon bie
frieſiſchen Stedinger zu K. Friedrichs II. Zeit zu ihnen ge
zahlt *). Im dem Reichsſtaͤdten fanden fie großen Anhang.
Ein andere Elaſſe find die Brüder und Schweflern dei
freien Geiſtes. Man findet fie durch mehrere Länder ven
breitet. Ginen Hauptfis hatten fie zu Coͤn. Das Bolk giebt
ihnen verfchiedene Namen, ober es waren noch befondere Ver
eine barımter, deren Zufammenhang oder Verſchiedenheit fon
damals nicht genug gekannt, jet noch weniger zu ermitteln
fein möchte, da auch in den Namen felbfl VBerwechölungen
vorkommen. Eine große Zahl hieß Begharben (feige Be
ter), die weiblichen Vereine Begninen; eine andere große
Zahl hatte den Ramen Lollharden (fanfte Singer). Eine
Brüderfchaft diefer Art entftand zu Antwerpen, die füh be
ſonders ber von den Geifllichen verfäumten Peſtkranken annahıı.
1) Anon. narratio de haeresi adamitica eta in Pez. scır. mer.
Austr. T. II. p. 538.
2) Trithem. Chron. Hirs. T. Hp. 155.
8) Der Name Hat eine zweifache Ableitung, von Petrus Valdus
(von Baur) zu Lyon, unb e Shalbewohnerns das m bei Mos⸗
beim SKicchengefd IL, 622
4) Dieſer Geſchichte IL — 587.
Borbereitung b. allg. Synode zu Golan unt. Sigmund, 371
Daß die alten Moͤnchsorden ihre Beftimmung erfüllt oder
überlebt hatten, fieht man eben an ber Entflehung neuer, freier,
geiftlicher Vereine, worunter bie zu. Deventer zuſammengetre⸗
tenen Bruͤder ded gemeinen (gemeinfhaftlihen) Lebens
audgezeichnet find. Unter ihrer Leitung entflanben’auch wies
der Laienvereine von Männern und Weibern, aͤhnlich ben
Begharben und Beguinen !).
Man wird wohl nicht irren, wenn man obige Secten auf
zwei Hauptäfle zurldführt, welche aus den Morgenländern
auf mancheriei Wegen über die Alpen gekommen. Ein Theil
hatte das Auffere Leben der Chriſten im Auge, die Gemein⸗
deverfaffung, nad dem Borbilbe des apoflolifchen Zeitalters
Diefe waren natürliche Gegner des Papſtthums. Andere
fuchten mehr das innere Leben tim Gegenfab gegen bie Gchos
laſtik ſowohl al& gegen die trofllofen Geremonien und Moͤnchs⸗
übungen. Diefe fliegen ober ſanken zur Myſtik in verfchies
denem Sinne, je nachdem bdiefelbein reinern oder trübern
Ausflüffen fih ergoß?). rinnen wir uns, daß das Chris
ſtenthum fchon bei der Einführung in Teutſchland ganz mit
der römifch = päpfllichen Kicchenverfafiung verfeßt war und baß
jegt dieſe mit fo vielen druͤckenden Satzungen auf dem Volle
lag, fo ift wohl abzunehmen, wie ‚leicht jene Anfichten bei
bemfelben Eingang fanden, wie begierig es, bei dem allge
meinen Misbehagen an dem. verberbten Weltzuflande, Lehren
ergriff, welche dem innen und duffern Leben eine gänzliche
Umgeftaltung verfprachen.
! Das Kirchenregiment aber, flatt mit grinblichen Belchs
rungen entgegenzutommen, bie Abwege zu zeigen ober bei ges .
gründeten Befchwerben Abhülfe zu thun, ergeiff den Fürzeften
1) Moshetim Sirdhengefch. II, 958, 991 ff.
2) Müller Geſch. db. Schweiz J. Wd. 14. Gap. &.406 ff. IV. Bb.
4 Cap. S. 284 ff. der Originalausg. wo bas meifte hieher Gehoͤrige ge⸗
prüft zufammengeftellt if. — Daß alle diefe Gecten auch ihre Schate
tenfeite haben, ift uns recht wohl befannt. " Es kommen arge Aube
artungen vor, bie auch an ihrem Orte nicht unbemerkt gelaffen werben.
Über hier, wo bie Bebe einſtweilen nur davon ift, daß fie zu einem
beſſern Impuls des Beitalters mitgewirkt haben, verdient doch bie ur⸗
fprüngliche Licht» &eite zuerſt ausgehoben zu werben.
24°
372 Bud II. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 3.
Beg, Alles was „Ketzer“ hieß zu verfolgen ober ganz und
gar auszurotten. Seit K. Friedrichs IL Zeit wurden häufig
Kebermeifter nah Teutſchland geſchickt, welche bei ihrer
willkuͤrlichen Berfahrungsart immer Opfer genug fanden, bie,
wenn fie nicht abfchwuren, mit bem Leben büßten. Wie
Karl VL flatt der von ihm felbft in Antrag gebrachten Ber
befferung des geifllihen Standes in heuchlerifcher Ergeben⸗
heit gegen den päpftlichen Stuhl die Inquifition unterflügt
babe, ift oben ſchon vorgefommen. Doc dieſe graufamen
Mittel bewirkten nur um fo eifrigeres Fefthalten au der errun⸗
‚ genen Überzeugimg. Hunderte flarben mit Freuden den Mär:
tyrertod in den Flammen; Anbere zogen in bie Einſamkeit
oder in benachbarte Länder, bis endlich die Zeit kam, wo das
Wahre, dad fie im Auge hatten, geläutert, geprüft, befler
geltend gemacht werben Fonnte.
Solange die Macht bed Papfittums in ihrer ganzen
&urchtbarkeit daſtand, trugen die dagegen aufgeflandenen Par:
teien das Gepräge ber Leidenihaft und Schwärmerei, und
fanden ſich getrieben ihr Heil auffer der Kirche zu fuchen.
Als jene zu finfen anfing, erhielten die Verbefferungsverfuche
eine befonnenere Richtung innerhalb der Kirche. Dies zeigt
fi fchon in ber Wirkſamkeit der Prediger, in welcher bis
ber noch eine Miſchung, ein Kampf des Beflern und Schlech⸗
teen war. Unter ben Myſtikern, welche auf den erſten Grund
der chriſtlichen Frömmigkeit, Beflerung des Herzens, zuruͤd⸗
+41361 gingen, fleht voran Johann Zauler, Dominicaner zu Straf
burg, der von einem Laien darauf geführt wurde, wie feine
Vorträge einzurichten feien, „daß ber Menfh zum Nächten
und Höchften, ſoviel es nur in diefer Welt möglich wäre, ge:
’ langen tönne').” Er ſprach mit einer folchen eindringenden
1) Zanler verſprach feinen Suhdrern „nicht viel Lateins zu pre
chen, fondern Alles mit der Schrift zu beweiſen und zu zeigen, welches
die rechten, wahren, vernünftigen, erleuchteten, ſchauenden en:
ſchen feien, die ſich hier durchgebrochen und ſich Gott in einer fterben:
den Weife gelaffen haben.” In ber Ausgabe von 1508 haben feine Pre:
bigten ben Titel: „Sermones zc. bie da weiſen auf den nächften wah⸗
ven Weg im Geift zu wandern durch überfhwebenben Sinn’ Wie
viel einfacher iſt die im Text angezeigte, ein Jahrhundert fpätere Schrift
Vorbereitung b. allg. Spnobe zu Coſtanz unt. Sigmund. 378
Berebfamkeit vor dem Volke, daß Männer und Weiber hoͤchſt
betroffen wie tobt niederſtürzten. Eines Ungenannten bier
Bücher von der Nachfolge Ehrifti fanden bei ihrer Er-
fdeinung und in ber nachfolgenden Zeit fo allgemeinen Bei:
fol, daB man auffer den Abfchriften gegen 2000 gebrudte
Auögaben mit Einfchluß der Überfegungen gezählt hat. Meh⸗
rere Orden und Anftalten flritten fih um den Verfaffer, und
auch in dieſer Ruͤckſicht hat nicht leicht ein Buch ſoviel Aufs
fehen gemacht ald dieſes. Nachdem man ed ben berühi-
teften Namen zugefchrieben, ift man endlich mit größter
Wahrfcheinnlichkeit bei Thomas von Kempen geblieben, ber
/
unter den Kleribern ded gemeinen Lebens zu Windesheim 71471
fine Bildung erhalten hatte. In Gegenden wo die Wal:
denfer Eingang gefunden, befonderd in den Reichöftädten,
fehlte e8 nicht an Männern, welche das Volk mit den einfas
hen Wahrheiten der Schrift näher befannt machten‘). Im
Prag gab es ſchon frühzeitig fehr freimhthige Prediger. Kons
rad Stiekna führt den Reihen; er heifft auch Konrad von + 1369
Öfterieich. Ihm folgte Johann Milicz, der durch feine. + 1374
Strafpredigten unter Anden 300 öffentliche Dirnen befehrte
und in einem eigenen Haufe verforgte. Die Geiftlichkeit, bie
er angegriffen, verflagte ihn zu Rom, er wurbe aber freiges
ſprochen. Ein britter, Matthias von Ianow, iferte wie + er =
ime und brang auf eine lebendige, innere Religion ?).
So viel von einzelnen Verfuchen zu Verbeſſerung ber
Sitten und ber Lehre theild auſſerhalb theils innerhalb ber
Kirche. Die Hauptaufgabe aber befland darin, nicht nur eins
zelne Misbräuche zu heben, fondern die Kirche felbft, ihr We⸗
—
des Thomas von Kempen, welche auch Proteſtanten in ſpaͤtern Ausga⸗
ben mit Weglaſſung deſſen, was die Moͤnche angeht, ſich zugeeignet
haben. Ihr eigentlicher Titel war: de contemtu mundi R — vom er⸗
ſten Buch: de imitatione Christi.
1) Geſchichte von Schwaben IV, 292 .u. 899. Daher ca Yapft
Eugen IV. nachher gegen das Goncilium zu Bafel unter Anderm bie
Einwendung machte, daß ſchon in diefer Gegend Hufliten zu finden feien.
2) Pelzel K. Wenceflaus S. 855. Bol. Giefeler Lehrbuch der
Kirchengeſch. Bd. II. Abtheil. 3. S. 81 ff. Solche Männer heiffen bei
den proteftantifchen Schriftſtellern „Zeugen der Wahrheit.
-
.374 Bud II. Erſter Beitraum, Abſchnitt J
fen und ihren Geiſt zu erneuern. Hierzu blieb bie Einleitung
vorbehalten dem gekehrten Stande, ber allmälig vom
Klerus fich Iosreiffend in dieſem Zeitraum als ein eigner
Stand auftritt. Wir treffen hier aber auch noch auf Einſeitigkei⸗
ten und Gegenſaͤtze, auf Steeitigkeiten unter fich felbft, mit
den Secten, mit ber herrfchenden Kirche, bis nur einmal ein
Standpunct ber allgemein gewünfchten Verbeſſerung feflge:
ſtellt wird.
Aus jenen duflern ober Nebenfchulen, welche bei ben
Stiftsſchulen für die Laien beſtanden, find die Stabtfchulen
und die hohen Schulen hervorgegangen, und da finb es wieber zus
erſt die ſtaͤd tiſchen Behörden, welche die geiflliche Oberhertſchaft
zu entfernen wuflten, indem fie, wenn ber Klerus Schwierig
feiten machte, fi) an den Landesheren wandten '). Überhaupt
gebt mit dem Zerfall der Kiofterfchulen ein neues Leben für
die Laienfchulen auf. Zu Salerno bat man von ben Ara»
bern Arzneitunde gelernt; zu Bologna fland das römifche Recht
wieder auf; zu Paris kam an ber Hand ber Scholaſtik Theo⸗
logie empor. Das find drei Lichtpuncte für die Wiffenfchafs
ten geworben. Das Innungswefen, bad alle gefellfchafts
lichen Berhältniffe diefer Zeit umfaflt, half ſchnell zur Begruͤn⸗
Dung der gelehrten Vereine. Da in diefem Neuen Stande
jeber Einzelne, befonders ber Fremde, feinen eigenen Schuß
haben muſſte, fo traten die Stubirenden in bas Gefolge
eines Lehrers, wie bie Knappen bei den Kitten. Nach ber
urfprünglichen Einrichtung mufften die Lehrer vom Bifchofe
“oder Papft Erlaubniß zum Lehren erhalten, aber ihre Geſell⸗
ſchaften waren freie Senoflenfchaften. Seit 8. Friedrich L
fanden fie durch Freiheitöbriefe unter dem befondern Staats
fhuge. Die Menge der Fremden machte Eintheilungen in
Landömannfchaften nöthig, die ſich dann zur Univerfität
oder Geſammtheit verhielten wie bie Zünfte zur Stadtge
meinde. In ihre innern Einrichtungen legten ſich weber Staat
noch Kirche, wiewohl der Zufchnitt noch ziemlich moͤnchiſch
warz K. Wenzlaw verlieh ber prager Univerfität eigene Ge
sichtöbarkeit unter dem Rector. In bdiefem Zeitraum find in
1) Hüllmann a. a. D. IV, 344,
Vorbereitung d. allg. Synode zu Coſtanz unt. Sigmund. 375
Teutſchland felbft vier neue Univerfitäten bald nad
einanber gegrimbet worben. Die ‚Herzoge von Öfterreich, in
Allem mit dem Iuremburgifchen Haufe wetteifernd, erhielten 1365
von Papft Urban V. die Erlaubniß, für drei Farultäten eine
hohe Schule zu Wien zu errichten. Urban VI. that auch
die theologäfche Hacultät hinzu. Johannes Buridanus, von 1384
den Realiften zu Paris vertrieben, war ber erſte Rathgeber
der Herzoge, ber die Sache zur Ausführung bringen half).
Heinsih Langenflein von Heffen, der ebenfalls in Pas
ris flubirt hatte, wo ein eigened Collegium ber Teutſchen
war, wurde zum Lehrer ber Theologie berufen. Seiner freis
mäthigen Schriften if bereitö früher gebacht worden. Die
Studirenden wurden in vier Nationen getheilt, anfänglich:
Öfterreicher, Sachen, Böhmen, Ungen. Herzog Albrecht
bat aber in bem neuen Stiftungöbrief flatt der Böhmen bie
Kheinländer gelebt. Diefer Brief wurde aufler dem Metro⸗
yolitan und dem Didcefanbifchof von den Landherren und
dem Rathe zu Wien befldtigt?).. Kaum wurden bie Rheins
länder zu ben wiener Studirenben gezählt, fo beſtimmte Pfalzs
grav Ruprecht, ber nachher zum roͤmiſchen König erwählt
| u feine Stadt Heidelberg zum’ Sige einer Univerfis 1386
tät mit Genehmigung Papft Urbans VI. Sie erhielt ebenfalls
vier Sacultäten und eben fo viele Nationen. Mit den Fürs
fen wetteiferten ‚zwei Städte in Norbteutfchland, Coͤln
und Erfurt: erflere eine der älteften, veichften und mächtige
ſten; die andere nicht einmal im Beſitz völliger Reichöfreiheit,
weil der Erzbifhof von Mainz und ber Landgrav von XThüs
tingen gewiſſe Rechte über fie behaupteten. Beide erhielten 4389
faſt zu gleicher Zeit Papft Urbans VI. Genehmigung zur Stif- 1392
tung einer Univerſitaͤt Zu Würzburg wollte ber Bifchof 4402
eine gleiche Anftalt gründen; weil aber bie angewiefenen Eins
Fünfte nicht zureichten, fo vereinigten fich die erften Lehrer und
1) Mosheim Kirchengeſch. IT, 809.
2) Der erfle Rector heifft: „der durchleucht Meifter in ben fies
ben Künften, Meifter Albrecht (von Riggenftorf, auch, von Sachſen)
zu den Beiten obrifter Schulmeifter zu ‚Wien. „ — Com-
ment, pro Hist, Alberti DJ. etc. p. 450,
%
376 Bud Il. Erſter Zeitraum, Abſchnitt 3.
Stubirenden mit ben Exfurtern. Zählen wir die hohe Schule
1387 za Kulm hinzu, welche zur nämlichen Zeit vom Teutfchmeifter
gegründet wurde, fo hat das Reich feit der Stiftung bes
prager Univerfität in einem balben Jahrhundert ſechs folcher
Anfalten erhalten‘).
Wiewohl die paͤpſtliche Licenzertheilung noch an bie
urfprüngliche Entflehung erinnert, fo wuflten doch diefe Koͤr⸗
perfchaften fi) immer unabhängiger zu machen und erhielten
als folhe Sig und Stimme auf den Reichſs⸗ und Kirchens
Verfammlungen. Ihre Richtung gegen den Klerus tritt nun
flärfer hervor. Für Teutſchland ift ed in feinen Folgen bes
ſonders wichtig geworben, was zuerft zu DOxford gegen bie
Bettelmoͤnche geſchah, welche die Rechte und Statuten der Unis
1360 verfität angreifen wollten. Johann W iclef (Wicliffe) wiberlegte
fie nicht nur,- fondern tabelte auch den Papft, der fie in Schuß
nahm. Noch Fein Öffentlicher Lehrer hatte das ausgefprochen,
was Wiclef; er hieß den Papft den Antichrifl, den weltlich⸗
folgen Priefter von Rom, ben abfcheulichfien Schaaffcheerer
und Beutelfchneider ?), Durch freied Forſchen in der heiligen
Schrift, die er auch in's Engliſche überfeste, erwarb fich
Wiclef ven Ruhm eined „enangeliichen Lehrers.“ Seine Vor⸗
träge und Schriften hatten nicht bloß die Kirchenverfaffung
fondern die Herftellung ber göttlichen Wahrheiten des Chris
ftenthums zum Zweck. „Hier,“ fagte er, „könne Fein anderes
ald das Anfehn der Schrift gültig feinz bie vielen Irr⸗
thümer aber kaͤmen bavon her, weil bie Ausleger Richts
von Grammatik und Logik verflünden"“ Nach eis
nem langen Proceß brachte es zwar der Erzbiſchof von Gans
terburg dahin, daß Wiclefs Lehrfäge theild ald Ketzereien
theilö ald Irrthuͤmer verworfen wurden; aber feine zahlreichen
und eifrigen Anhänger Eonnten fo leicht nicht unterdruͤckt wer
| 1) Meiners Gef. der Entſteh. ꝛc. der hohen Schulen zc. L Thl.
: Die verfhiedenen Angaben ber Stiftungsjahre rühren bavon ber, daß
man bald das kaiſerl. oder päpftliche Privilegium, bald ben wirklichen
Anfang der Untverfität vor Augen hatte. Berge. Eich horn beutfche
Staats⸗ und Rechts⸗Geſch. 6. 441. ;
2) „the most cursed of Clippers and Purse kervera.“
Vorbereitung d. allg. Synode zu Coſtanz unt. Sigmund. 377
ben; nachdem fie zulegt bis anf ben Tod verfolgt worben,
nahmen viele ihre Zuflucht nach Zeutfchland, wo fie an den
Waldenſern Glaubensverwandte trafen und den Namen Loll⸗
harden erhielten. So kam auch in dieſer Zeit der gelehrte
Dr. Leander aus Frankreich vertrieben nach Preuſſen und 1388
fand Schutz bei dem teutſchen Orden, der nie ein Freund
ber Kleriſei war ').
Die Univerfität zu Paris ſtand damals in ihrem groͤß⸗
ten Anſehn. Sie hatte auch Streit mit den Dominicanern;
das war aber Nebenſache. Auſſer den Verhandlungen über
bie Kiechentvennung erhielt fie großen Einfluß in die Staats⸗
angelegenheiten. Bei der Spannung zwiſchen der burgun⸗
diſchen und orleansſchen Partei ſuchte die Univerſitaͤt
Frieden zu ſtiften; dem ſchwachen Könige Karl VL. ſtellte fie
freimuͤthig die Mängel vor, welche gehoben werden muͤſſten.
Nicolaus Oreſme, ein parifer Theolog, hielt zu Avignon
vor Urban V. und den Cardinaͤlen eine Predigt, worin er der
chriſtlichen Kirche ein gleiches Schickſal weiſſagte wie ber juͤ⸗
diſchen, wenn nicht die Verſchlimmerung beſonders der Lehrer
gehoben wuͤrde. Dieſe haben auſſer dem’ ſchon gedachten
Nicolaus von Camenge, auch Peter von Ailly und Jo⸗
hann Gerſon mit den ſtaͤrkſten Farben geſchildert. Peter,
ein ausgezeichneter Anhaͤnger der ſcholaſtiſchen Philoſophie,
Beichtvater des Koͤnigs und eine Zeit lang Kanzler der Uni⸗
verſitaͤt, erhielt wegen ſeiner Thaͤtigkeit in den kirchlichen Strei⸗
tigkeiten den Namen „Frankreichs Adler und Hammer der
Abweihenden.” Sein Schüler, Freund und Nachfolger in der
Kanzleewürbe, Gerſon, galt fir den größten Theologen bie:
fer Zeit. Er bat alle Bacher dieſer Biffenfhaft beleuchtet,
auch die Myſtik zu reinigen geſucht; im Ganzen aber hat er
ben beftehenden Tatholifchen Lehrbegriff unangetaftet gelaflen.
Seine Stärke febte er in bie Vertheidigung der Freiheiten der
gallicaniſchen Kirche; hielt ſich alſo in der Hauptſache in den
geſetzlichen Schranken, da hingegen Wiclef mit ſeinen Anhaͤn⸗
gern auſſer denſelben erklärt wurbe?).
1) Baczko Geſch. Preuffens II, 268,
2) Das Bisherige nah Schroͤckh a. a. O
378 Bud IL Erſter Zeitraum Abſchnitt I
In diefen zwei Richtungen gingen bie Auffoberungen zur
Kircheureformation von DOrforb und Paris aus. Die neuges
fifteten teutfchen Univerfitäten fcheinen noch zu jung gewe⸗
fen zu fein, um mit gleicher Thaͤtigkeit darauf einwirken zu
koͤnnen. Dagegen ifi zu Prag eine Bewegung entflanben,
welche dieffeit ber Alpen ben erſten Auftoß gegeben hat, nad
Wiclefs Vorgang bie DVerbeflerung der Kirche ober der Geifl:
lichkeit mit der Verbeſſerung der Lehre zu verbinden ober
eigentlich auf diefe zu grimben.
In demfelben Zeitpunct da K. Wenzlaw von ben rhei⸗
niſchen Erzbiſchoͤfen des Reichs entſetzzt wurbe, weil er auf
den Rath der prager Univerſitaͤt ſich mit Frankreich zu He
4402 bung der Kirchenfpaltung verbunden hatte, trat Johann von
Huffines an ber Kirhe Bethlehem zu Prag als firenger
Sittenprediger auf. In der That fuhr er in demfelben Zone
fort, worin bie oben genannten prager Geifllichen vorangegan-
gen waren. Über die Reinheit feines Wandels iſt auch bei
feinen Zeinden nur Eine Stimme; er befaß gelehrte Kennt
niſſe, Scharffinn, große Beredſamkeit. Die Königin Sophia,
aus dem baierifchen Haufe, wählte ihn zum Beichtvater, und
er fand viele Gunſt am Hofe. Als bie Mönde und Geiflb
hen ihn bei K. Wenzlaw verklagten, fprach dieſer: „folange
Huß wider und Laien predigte, habt ihr Freube daran ges
habt; jegt, da er euch angreift, möget ihr's euch auch gefallen
laſſen.“ In eben diefer Zeit wurden Wiclefs Schriften in Prag
bekannt, und obgleich Huß anfänglich Dagegen eingenommen war,
weil fie als ketzeriſch verſchrieen waren, fo erhielt er doch bald
eine beffere Meinung von ihrem Inhalt. Ex flimmte zwar
nicht in allen Stüden damit überein, beſonders in Abficht
ber Abendmahlslehre; dagegen fand er erwünfchte Auffchlüffe
über Papſt und Kirchenregiment. Diefe Anfichten theilte. fein
Freund Hieronymus, aus dem Gefchlechte Faulfifch von
Drag, ber bie Univerfitäten zu Gr, Heidelberg und Paris
befucht, auch eine Zeit lang in England fich aufgehalten hatte.
Hieronymus war noch gelehrter und beredter als Huß;
er trat aber nicht in den geifllichen Stand, fondern hielt fid
als Ritter an den Hof bes Könige.” Er half dem Könige
won Polen die Univerfität gu Cracau errichten, predigte gu
Vorbereitung d. allg. Synode zu Coſtanz unt. Sigmund. 379
Dfen, wurde von ber Univerfität zu Wien gefangen gefeht,
aber auf Verwendung der Prager wieber freigegeben. Diefe
beide Männer, von gleichem Eifer für Wahrheit befeelt, find
es welche mit ihren Freunden und Anhängern das Reforma⸗
ttonswefen in Böhmen zu beginnen fich aufgefobert fühlten.
Als Papſt Bonifacius IX. Ablaßprebiger fandte, ſprach Huß
um fo dreifter gegen biefe ſchaͤndlichen Gelderpreffungen, als
8. Sigmund, damald Wenzlaws Statthalter, mit dem Papfte
gefpannt, den Ablaß felbft verboten hatte. Darüber ergrimmte
der höchft papfilich gefinnte Erzbiſchof Sbinko zu Prag, und,
da er wuſſte, daB Huß ein Anhänger von Wiclef wäre, fo
brachte er bei der Univerfität zumege, daß 45 aus Wiclefs
Schriften gezogene Säge durch Mehrheit vorzüglich der teut⸗
fhen Lehrer verboten, und diejenigen mit dem Scheiterhaus
fen bedroht wurden, die fie ferner lehren wirben; denn Huß
hatte bei den Disputationen die teutfchen Magifter durch jene
Lehrſaͤtze Häufig in die Enge getrieben. Dies führte aber zu 18. Mai.
einer noch flärkern Gegenwirtung. Die vier Landsmannfchafs
tm der Univerfität waren bereit in zwei Hauptparteien ges
fpalten: die erfle begriff die Teutſchen, zu welchen aud
die Polen fich hielten; die andere die Böhmen. Diefe was
ten nicht nur wegen Berfchiebenheit ihrer Sitten einander abs
geneigt, fondern auch ald Anhänger zweier fcholaftifcher Pars
teien: jene befannten fih zu den Nominaliften, biefe zu
ben Realiften. Da nun bie Zeutfchen mit den zu ihnen
gezaͤhlten Landsmannfchaften drei Stimmen hatten und alfo
beſonders bei Befekung ber Ämter immer Überlegen waren,
fo brachte e8 Huß durch feinen Einfluß beim Hofe dahin, 1409
daß dieſes Verhaͤltniß umgebehrt wurde. Karl IV. hatte felbft
noch eine Urkunde gegeben, daß, wie die Gründung, fo auch
die Verbefferung der Univerfität immer nach dem Mufter von
Paris gefchehen folle. Da nun dort die Ausländer zufammen
nur Eine Stimme, die Inländer aber drei hatten, fo warb
dies auch in Prag fo angeordnet. ‚18. Dt.
Darüber verliefjen aber die teutfhen und polnifchen Leh⸗
rer und Studenten zu Taufenden Prag, und es blieben etwa
nur noch 2000 böhmifche und mährifche Studenten mit. ihren
Lehrern zunüd, weiche Huß zum Rector wählten. Die Außs
5
380 Buch UL Erfter Zeitraum. Abfhnitt 3.
gewanberten zogen auf andere Univerfitäten; 300 derſelben
1409 fanden in Leipzig Aufnahme, wo Markgrav Friedrich der
Dec. Streitbare eben im Begriff war auch eine Univerfität zu
gründen (die fiebente feit Prag).
Zur nämlichen Zeit lud Huß aufs neue den Zom bes
Erzbiſchofs auf fih, da er mit K. Wenzlaw ben pifanifchen
Papft, Alexander V., für den allgemeinen Papfl erkannte.
Sbinko, der noch mit Gregor XII. hielt, verbot ihm und den
übrigen Lehrern alle geiftliche Handlungen, und ungeachtet er
ferbft in der Folge Alerander V. anertennen muffte, fo vers
Magte er Huß auch bei diefem wegen feiner Anhänglichkeit
an Wiclef, verbot ihm das Prebigen und ließ fich die wiclefis
fhen Hanbfchriften mon den Beflgern berfelben außliefern.
Die Univerfität bat den König die Schriften nicht verhrenmen
zu laſſen. Sbinko kehrte ſich aber nicht daran und ließ uͤber
koſtbare Handſchriften in feinem Palaſt in's Feuer wer⸗
fen. Darliber wurde ber König, der Hof und ein großer
Theil der Einwohner fehr erbittertz felbft bad gemeine Volk
gerieth in Bewegung und es wurden bereit8 an bemfelben
Tage einige Mordthaten ausgeübt. Waren die Prager
wegen ber Abnahme ihrer Univerfität biäher - ungehalten auf
Huß, fo wandte fih ihr Unwille zu feinen Gunſten ge
gen den Erzbifhof. Nur die teutfchen Einwohner wollten
Huß aus feiner Capelle vertreiben. Als ber König dem Doms
capitel befahl die verbrannten Hanbdfchriften zu vergüten, ent
1410 fland eine neue Bewegung gegen die Geiſtlichkeit. Dieſe
brachte ihre Klagen an den Papfl, Huß wurbe nach Rom cis
tiet; ber König unb bie Königin lieffen ihn durch eine Ge
fandtfchaft entfchuldigen, deſſen ungeachtet wurde Huſſens
Sachwalter eingefegt, er felbft für einen Keber erklaͤrt und
der Ort feined Aufenthaltes mit dem Interbict belegt. Der
König binderte die Vollziehung der Bulle, und Huß appellizte
141 an ein kuͤnftiges Goncilium. Die Prager empfanden den Vor:
wurf der Kegerei fehr Übel. Mehrere Lehrer traten Huffens
Appelation bei. Im diefer Bewegung gelang ed dem König
einen Stillſtand zu vermitteln. Nach feinem Schiedſpruch vers
ſprach der Erzbifchof fih vor dem Könige zu demuͤthigen,
dem Papfle zu berichten, baß feine Keberei in Böhmen ges
\
11
Vorbereitung d. allg. Synode zu Coſtanz unt. Sigmund. 384
funden werde, und ſomit die Aufhebung des Bannes zu be⸗
wirken. Huß aber legte ſein Glaubensbekenntniß ab, welches
die Univerfität fuͤr aͤcht katholiſch erklaͤrte.
Nun geſchah, daß der Papft auf's neue Geld durch Ab: 1412
. {aß eintreiben und das Kreuz gegen ben 8. Labiflaus von .
Neapel prebigen ließ. Died gab wieder eine flärkere Aufreis
zung. Huß und Hieronymus ſprachen und handelten ohne
allen Ruͤckhalt. Der König, der anfänglich den Ablaß erlaubt
batte, ließ Huß und feinen bisherigen Freund, Stephan
Palecz, der den Ablaß auch getadelt, aber feine Sefinnung
geändert hatte, Öffentlich miteinander disputiren. Huß erbot
fih gegen männiglih feine Meinung zu behaupten, bei
Strafe des Feuers, ber aber auch feine Gegner fich uns
terwerfen müflten. Die Töniglihen Räthe entlieſſen fie aber
mit den Worteh: vertragt euch miteinander! Um bie Univers
fität zu gewinnen, Eündigte Huß durch Anfchlag an ben Kirche 7. Jun.
re eine Öffentliche Disputation über die lebte paͤpſtliche
Bulle an. Der Zulauf war fehr groß, auch bad gemeine
Volk ließ fich nicht abweifen. Auf bie Einwendungen und
Barnungen einiger ditern Doctoren fing bie Menge an zu
murren; Huß befänftigte fi. Hieronymus hielt dann eine
lange Rebe und enbigte mit den Worten, er werde jest mit
Huß auf dad Rathhaus geben und ungefcheut fagen, daß bie
Bulle und ber Ablaß ungerecht fei.
Den Zag darauf gab ed ſchon Zuſammenrottungen ge⸗
gen die Ablaßprediger. Hieronymus nahm einen ſolchen
nebft zwei Öffentlicherf Dirnen gefangen und ließ fie auf einem
Wagen durch die Stadt führen. Den päpfllichen Ablopbrif
hing er den Dirnen auf die entblößte Bruft und verbrannte
ihn hernach Öffentlich am Pranger. Die Gährung im Volfe '
war jest nicht mehr aufzuhalten, ungeachtet Huß und Hieros
nymus von mehreren Seiten gewarnt fi mit allen Kräften
dagegen ſetzten. Als man von denjenigen welche die Ablaßs
prebiger Öffentlich in der Kirche befehimpft hatten, drei ergriff
und auf dem Rathhaufe zum Tode verurtbeilte, bat Huß für
fie, weil er eher felbft Strafe verdient hätte. Da der Rath
fie dennoch enthaupten ließ, vottete fich das Volk zufammen
und beerdigte die Leichname in ber Bethlehemskirche; ja
+
3322 Bud IL | Erfter Zeltraum. Abſchnitt 3.
es boten fi 40 Perfonen freiwillig zu ſolchem Märtyrer
tode an.
Jetzt fprach der Papſt den Bann über Huß und Hiero⸗
nymus und das Imterdict über den Ort ihres Aufenthaltes
13 aus. Huß ging alfo von Prag in feinen Geburtsort, ge
fhüst von dem Grundherrn, Nicolaus von Huflineg, umd
fuhr fort in Predigten und Schriften gegen Papft und Geifl-
lichkeit zu wirken. Der neue Erzbifchof, Konrad von Vechta,
wiederholte ven Bann und bemühte fi) auch, auf Erſuchen
bes parifer Kanzler Gerſon, den wiclefifhen Lehren zu
Drag Einhalt zu thun. Doch blieb ein großer Theil der Uni:
- verfität unb der Laien auf Huſſens Seite. Als der Erzbiſchof
1414 richt lange vor der allgemeinen Kirchenverfammlung zu Co⸗
Aug. ſtanz eine Synode nad) Prag berief, erfchien Huß auch Das
ſelbſt und foderte burch öffentlichen Anfchlag Jeden auf, ihn
ber angefchuldigten Kegerei zu überführen. Allein der Erzbi⸗
fchof zeigte ihn an, feine Gegenwart fei Kberflüffig, weil Bein
Kläger erſchienen wäre. Er ließ ſich darüber ein Zeugniß aus⸗
ſtellen. Selb der paͤpſtliche Ketzerrichter in Böhmen, ber
Bifchof von Nazareth, gab eine Urkunde, daß er Huf in
ae 0 Unterrebungen als. rechtgläubigen Lehrer gefuns
ben. Alſo ging Huß getroſt zu dam Concilium nach Coſtanz,
an das er appellirt hatte‘).
Neben den übrigen Berfchiebenheiten if in ber Theil⸗
nahme an den Kirchenfachen diefer Zeit mehrfacher Gegenſatz
zwifhen ben Zeutfhen und Böhmen So vide Den:
fhen in teutfchen Städten und Provinzen vorhanden waren,
* welche, ber kirchlichen Zerräittung uͤberdruͤſſig, ihrer eignen Übers
zeugung folgten, fo fanden dieſe doch an ben Behörden wes
der Aufmunterung noch Hälfe Es blieb ihre befondere
Sache. Die. Obrigkeiten legten ben Ketzerrichtern wenigſtens
fein Hinderniß in. den Weg. Man weiß Teinen Fürften, ber
fih det Verfolgten angenonmen hätte. Der Grund liegt wohl
bauptfähli darin, daß arge Audartungen an ben Tag
1) Das Gange nach Pelzei q. a. D. Vergl. Schroͤckh a a. D.
Sd. XXXIV. ©. 576 fi.
Vorbereitung b. allg. Synode zu Coſtanz unt. Sigmund. 383
kamen, eben weil bie Secten fih ſelbſt überlafien blieben”).
Die Univerfitätäichrer zeigten ſich den Böhmen abgeneigt, nicht
fowohl wegen ber Religiondfrage ald wegen der prager Spal⸗
tung überhaupt. Das Bolt im Ganzen, allerdings voll Er⸗
wartung einer bucchgreifenden Reformation, wuſſte fich noch
nicht zu entfcheiden. In Boͤhmen war bied Alles anders. Der
König bewies ſich ald eben fo großen Gönner der neuen Un⸗
terfuchungen, als er der Klerifei abhold war. Huffitifche Schrifte
ſteller haben behauptet, es fei in der Erinnerung bes Volles
noch nicht erlofchen gewefen, daß bas Chriftenthuns nicht durch
zömifche fondern durch griechiſche Miſſtonaire eingeführt -
worden, welche namentlich Priefterehe und Abendmahl unter
beiderlei Geſtalt zugelaflen Hatten ?). Das ift wenigftens ofe
fenbar, daß der große Aufwand bed Geremoniendienfted dem
Volke weniger gefiel), daß bie römifchen Bedruͤckungen, bes
ſonders dee Ablaßkram, in Böhmen tiefer gefühlt. wurben und
um ein Jahrhundert früher als in Zeutfchland. Auch ift nicht
unwahrfcheintich, daß die zahlreichen, in die böhmifchen Waͤl⸗
per geflüchteten Waldenfer, die daher auch Grubenhei⸗
mer hieſſen, das Ihrige bazu beigetragen haben. Die Ein
wohner dee Hauptitabt und bald and ein großer Theil des
Landvollks nahmen Huſſens Sache als Nationalf ache. vhr
1) Beifpiste bei Mosheim Kirchengeſch. WM. Die Ramen Ei
den, Beguinen, Lollharden zc. wurben zulegt Schimpfnamen. Im Jahr
137% fand in ben Niederlanden eins ganz ſchamloſe Zängerfecte auf
(wahrſcheinlich vom Reitötanz).. Radulphi de Rivo Gesta Pon-
tiff. Leod. c. 9. Zu Edln fand man mehr denn 100 Srauen und Dienfle -
maͤgde, die nicht ehrliche Mänher hattenz „bie wurden alle in der Taͤn⸗
zerei Imdertragend, unb wenn fie tanzten, bunden und Enebelten fie
fi; Hart um ben Leib, daß fie deſto geringer wären.” Eimpurgifche Shron.
5. 122,
. 2 Biefeler a. a. O. ©. 91 hat Zweifel gegen jene Behauptung,
die auch Schroͤckh .a.D. Wh. XXXIV. ©. 565. aus Zittes Lebens
beſchreibungen ber drei Vorläufer von 3. Huß 2c. angenommen. “
8) Die vielen und, reichen Stiftungen an Kirchen und Klöftern, welche
erft zu Karls IV. Zeit geſchahen, bürften als Anlaß hierzu angeführt
werden. Wir geben Übrigens hier nur Andeutungen, weil wir nirgends
etwas SBefriebigenbes gefunden haben. Die weitere Erörterung gehört
in bie böhmifche Geſchichte. oo»
334 Bud I. Erfei Beitraum. Abſqhnitt 3.
Eifer aber ging ſchnell in Fanatifmus über, in um fo wil⸗
dern Ausbruͤchen, je weiter dad Volk im Übrigen noch gegen
die Zentfchen zuruͤckſtand.
Dies die mancherlei Vorbereitungen und Erwartungen
in Beziehung auf eine allgemeine Kirchenverfammlung. ber
ihre Berufung waren die Gelehrten einſtimmig. Ungeach⸗
- tet die Krone Frankreich während der Xheilung und Schwäche
des teutichen Kaiferthbums die Leitung ber allgemeinen Kir
chenangelegenheiten an fi) gezogen, fo erfannte doch der Kanz⸗
lee Serfon, „ben römifchen Könige und künftigen Kai:
fer ſtehe das Recht zu, ein allgemeines Goncilium audzufchrei=
ben, ja 8. Sigmmb fei bei Strafe einer Tobfünbe und ber
ewigen Verdammniß verbunden, in ber gegenwärtigen Lage der
Kicche ein Concilium anzufegen.”
Gluͤcklicherweiſe war eben jest die Einigkeit bed Reiche
durch Sigmunds Wahl bergeftellt. Neben dem allgemeinen
Bebürfniß der Kirche, nach welchem Sigmund baldige Beru⸗
fung eines Concilium zugefagt hatte, lag ihm noch befonders
daran auf biefem Wege au Böhmen zu beruhigen. Go
weit war es ihm allerdings Ernſt. „Von dem Tage an,” fagt
"er in der ihm zugefchriebenen allgemeinen Reformation, „als
Wir des Reihe Knecht und Diener wurden, flellten Bir
mit allen Sinnen darnach, daß eine rechte Drbnung würde,
und wie eine Orbnung ber Päpfte wärbe, danach ein Con⸗
cilium ordnen follte den Staat der heil. Kirche !)." Im Gans
zen heilt Sigmund die guten und fehlimmen Cigenfchaften
feines Bruders Wenzlaw; doch iſt einige Verfchiebenheit. Er
war weniger dem Wein ald der Woluft ergeben. Wahrfcheins
lich durch Wenzlaws Übereilungen gewedt, zeigt er mehr Bor»
ficht, aber auch noch weniger Achtung der Verträge; ex blieb
thaͤtiger als jener; bei aller Beweglichkeit iſt ein gewiſſer Plan
‚in feinem Leben, nur Tehlt ihm im Augenblic® der Entfcheis
dung männliche Feſtigkeit. Gegen ben päpftlichen Stuhl bat
er bie heuchlerifche Ergebenheit feines Vaters. Wenn er ev
nen Ketzer nermen börte, fo war fein Urtheil gefprochen.
Setzen wir hinzu, ex fchämte fich der Freundfchaft eines Jo⸗
bannes XXI, nicht, fo ift Alles gefagt.
1) Gef. v. Schwaben IV, 485. -
⸗ —
Vorbereitung d. allg. Synode zu Coſtanz unt. Sigmunbd. 385
Da Sigmund im Augenblicke ſeiner Wahl mit den Ve⸗
netianern im Krieg war, fo konnte er die Regierung in Teutſch⸗
land nicht gleich antreten; dagegen wollte er waͤhrend feiner
Anwefenheit in Italien mit der Unterwerfung Mailands den
Anfang machen und fi zum König von Italien Erönen lafs 1413
fen. Da ihm dies fehlfchlug, ‘weil er die ihm zugezogenen Octbr.
Schweizer nicht bezahlen konnte, fo begab er ſich nach Lodi,
um mit Johann XXIIL nähere Übereinkunft wegen der Kir⸗
henverfammlung zu treffen‘). Wiewohl ihm als römifchem
König, bei der gegenwärtigen Trennung der Kirche, dad Berus
fungsrecht unſtreitig allein zufland, fo wollte er daſſelbe doch
nicht ohne dieſen Papft aushben, der auf jeben Fall noch den
ſtaͤrkſten Anhang hatte und ihm auch vermöge der Wahlcapis
tulation die Beflätigung ertheilen follte.- Johann hatte bereits
feinerfeit8 ein Goncilium‘ audgefchrieben ohne den Ort zu nen⸗ 18. —
nen; aber. ee war nun auch beſonders froh ſich an Sigmund
zu halten, weil K. Ladiflaus von Neapel ihm gewaltig zus
fegte und ihm bereits aus Rom vertrieben hatte. Gegen dies
fen jungen, unternehmenben Fürſten, ber Ungern, Italien-und
bad Kaiſerthum bedrohte, traten Sigmund und Johann, als
gegen ihren gemeinichaftlichen Feind, in Freundſchaft, jeboch
nm in der Abfiht, einander zu überlifin. Um das Conci⸗
lium in eine. teutiche Stabt zu bringen, ließ Sigmund feinen
Freund hoffen, daß er der alleinige, rechtmäßige Papft bieis -
ben foßlte, wenn er von dem Vorfchlag einer italienifchen Stadt‘
abgehen wine. Sie verweilten faft einen Monat bei einander
zu Lodi, bis Johann endlich beftätigte, was feine Geſandten
bereit8 etwas voreilig zugefagt hatten. Sigmund fragte num
die. Herren in feinem Gefolge, welche Meichöftabt nahe am Ge
birge vorzäglich zu der Kirchenverfammlung tauglich wäre.
Da nannte Grav Eberhard von Nellenburg die Stadt Eos
ſtanz, anmuthig am Bobenfee gelegen; diefe Stabt wäre
bed Reichs, habe einen biſchoͤflichen Sitz, ſei wohl erbaut und
mit allen Erfoderniſſen im Überfluß verſehen; es winden haͤufig
!
N
1) Eberhard Windel Leben K. Sigmumds in Menoken sarr.
T.Lp. 1091. 0.28. Sfgudil, 671. Möller Schweiz. Geſch.
II, 22, wur
Pfiſter Geſchichte d. Zentichen II. 25
336 Buch IH. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 3. . |
Städtes und Ritters Zage bort gehalten, und unlängft habe
auch K. Ruprecht den appenzeller Krieg dort gefihlichtet. Man
Eonnte binzufegen, ed fei diefelbe Stadt, in welcher vor mehr
als 200 Jahren 8. Friedrich I. mit den lombardiſchen Stäbten
Frieden geichloffen. Der Papft ließ ſich den Vorſchlag ge
14413 fallen. Beide, Sigmund und Johann, fehrieben nun die Ver
Dick.
Dec.
144 .
Aug.
fammlung aus. he fie fhieden, erinnerte Sigmund ben Papfl
noch recht bemüthig, er möchte doch bie fihlen Sitten, durch
welche er die ganze Welt geärgert habe, ablegen und fich alle
Mühe geben, daß das Eoncilium feinen Zweck erreiche. Jo⸗
hann verfprach die ärgerlichen Ausfchweifungen, befonbers die
Keberei der Simonie, zu unterlaffen.
Nicht lange vor dem Termine ber Kirchenverfammlung
ftarb 8. Ladiſlaus. Nun wollte Ichann fchon feine Zufage
bereuen und nad Rom zurückkehren; allein bie Garbindie,
‚ vorausfehend, daß er fich mehr mit ber Wiedereinrichtung bed
Kicchenflaats ald mit ber Reformation befchäftigen würde, be’
fanden darauf, daß er jene, als eine weltliche Sache, durch
einen Legaten beforgen, dieſe aber in Perfon leiten mäüflte.
Sp begab er ſich denn darein, brauchte aber alle Vorficht für
feine perfönlihe Sicherheit. Er ließ fih nicht nur von be
‚Stadt Coſtanz eine Öffentliche Urkunde barüber auöftellen, fon
bern trat auch während ber Reife in einen geheimen Schutz⸗
vertrag mit dem Herzoge Friebrich von Oſterreich. Dieſer
war um fo mehr dazu geneigt, ald er mit Sigmund übe
eine ſehr anftößige Geſchichte zu Imsbrud fich entzweit hats
te!). Johann wies ihm 6000 Goldgulden auf feine Kam
mer, au und emannte ihn zu beö apoflelifchen Stuhls oberfiem
Hauptmann und geheimem Rath. Als ein üble Zeichen ward
ed angefehn, daß Johanns Wagen im Schnee des Arlbergs
umſchlug, wobei die Leute nody ein beſonderes Ärgerniß baran
nahmen, daß ber Papſt in bed Teufels Namen geflndht. Als
er die hobe Bergflaͤche erreichte und berabfah auf den Boden⸗
fee und bad umliegende Land bis Goflanz, wurde jebe große
1) Es wurbe eine Bürgerstochter vom Tanz hinweggeführt x. und
ber König deshalb beſchulbigt. Sie felbft fagte aus, au ber Gpradk |
fei e8 nicht ber König gewefen. Windeck p. 1093.
Worbereitung d. allg. Synode zu Coftanz unt. Giomumd. 387
Empfindung in feiner Seele erſtickt durch Ahnungen, welche
in ihm auffliegen.”” Dort ift die Orube, „fagte er auf Coftanz
deutend, „wo man die Fuͤchſe fängt.‘ er
Nachdem Sigmund nor einige fruchtlofe Schritte gegen
den Herzog von Mailand verfucht hatte, ging er vor dem 1414
Yapfe nach Zentfchland, um fich zu Aachen kibnen zu laſſen. Jul.
Da er aber wenige Zürfien umterwegs traf, wollte er im Uns
willen gar nach Ungern zurückkehren. Der Burggrav Friebs
rich von Nürnberg hielt ihn auf., Ex errichtete einftwellen ei⸗
nen breijährigen Landfrieben in Franken:) und zog dann nad) 30. Sept.
Achen, mo er in Gegenwart der Kurfürften und mehrerer
anderer Furſten und ‚Herren die Krönung empfing, als bie 8. Nov.
Derfammlung zu Coſtanz fchon angefangen hatte?).
Das waren bie zwei Oberhäupter ber Chriftenheit, unter
deren Leitung die Iangerfebnte Herftellung der Kirchens
einheit und Die Neformation an Haupt und —
dern vorgenommen werden ſolite.
12. Die Hauptverhandlungen der coſtanzer Kirchen⸗
verſammlung, 1414 ff.
Zuſammenfluß aus der ganzen abendlaͤndiſchen
Shriftenheit. Die Hauptparteien in der Berfamm:
lung. Einrichtung ihrer Verhandlungen. Papft
Sohannd XXH. Flucht und Abfegung Huß und
Hieronymus von Prag werden ald Keber vers
brannt. Nah Abdankung Gregors il: und Abs
fegung Benedicts XI. wird Martin V. zum als
leinigen Oberhaupt erwählt, der jedoch die Mes
formation wieder hinauszufchieben weiß. Ver⸗
halten bes Kaifers und der feutfhen Nation =
diefen Verhandlungen.
Auf die beſtinnnte Zeit ber Kirchenverſammlung ſah man faſt Ro.
täglich zu Coflanz einreiten Zürften und Herten, geiſtliche
1) Wenker Appar. arch. p. 814.
2) Über das Ganje Thead. a Nism, de yita Joh. XXI. ip:
v.d, Hardt Conal. Const.. T. II. vergl. mit ben übrigen Stellen
25 *
‘ 388 Buch U Erſter Zeitraum. Abſchnitt 3.
und weltliche, und Abgeorbnete aus allen Landen, Mächten
und Ständen der Chriſtenheit: fo erzaͤhlt Ulrich von Reis
chenthal, ein Augenzeuge. Es kamen in Perfon die Kur
flrften des Reichs und bie andern Zürften, Bifchöfe und Pri-
laten, Graven, Ritterſchaft und Abel, deögleichen die Abge
orbneten ber Stäpte, Ale mit zahlreichen Befolgen und vielen
Dferden. Dann kamen Botfchafter aller chriſtlichen Könige
und Erzbifchöfe und Bilchöfe ihrer Lande, die Hochmeifter der
geiftlichen Ritterorden, die Meifter göttlicher Kunfl, die Schul:
pfaffen und die andern gelehrten Leute aus England, Schott:
land, Hifpanien, Italien, Schweden, Daͤnemark, Preuſſen,
Böhmen und den wendifchen Landen; aus Ungerland, Polen,
Mafovienz Botfchafter aus Griechenland, mit langen ſchwar⸗
zen Haaren und Bärtenz Botfchafter aus Lithauen und Re:
zen, aus der großen und Beinen Walachei, von den Königen
gefeffen in der Türkei, von den Herzogen ber weiffen und
rothen Reuffen, und mit ihnen viel mancherlei heidnifche
Herren, mit wunberlihem Gewand, mit Tüchern um das
Haupt gewunden und mit fpigigen Hüten, viele vom grie
hifhen, einige von Mahomeds Glauben, und auch rechte
Heiden. SEE
4414 Wenige Lage vor ber Eröffnung bes Goncilium hielt um:
23. Oct. ter großem Gepränge feinen Einzug Papfi Johann XXI.
mit einem Gefolge von 600 Pferden. Sechs Zage nach ihm
kom Johann Huß mit drei Begleitern unter kaiſerlichem Ge
leit. Auf Weihnachten, als die Verhandlungen. fchon im Gange
waren, kam Katfer Sigmund mit feiner Gemahlin und einem
flattlihen Gefolge. Etwas fpäter fah man. Abgeordnete der
zwei andern Päpfle; Gregorö XU. und Benebict XI.
Gebhard Daher, ein angefehner Mann zu Coſtanz, hat
auf Befehl des Kurfürften von Sachfen, als Erzmarfchalld des
Reihe, ein Verzeichniß aller Anwefenden aufgenonmen und
‚eine „ordentliche Befchreibung der großen Pracht des cofl:
nigifhen Concktii” verfafft. Nach diefer Zählung kann man
bie Mittelzahl der Fremden ih den zwei erflen Jahren auf
in deſſen T. I. P. X. p. 589. T. VI. P. L p.5 qq. Leonard.
Aretin, Comment, in Murat. T. XIX. p. 927 sq.
Coſtanzer Kirhenverfommlang. 389
80,000 ſchaͤtzen, zur Zeit bes färkften Zufammenfluffes mag
die Zahl wohl 150,000 Menfchen mit, 30,000 Pferden betras
gen haben. Unter den vornehmften Perfonen fah man, nad
Kaifer und Papft und den Legaten der zwei abwefenden Päpfte,
drei Patriarchen (von Conftantinopel, Grado, Antiochien),
22 Cardinäle, 20 Erzbifchöfe, 92 Bifchöfe, wozu noch einige
englifche kamen, 124 Äbte, 1800 Prieſter, Doctoren verfchies
dener Wiſſenſchafien, Abgeordnete der Univerfitäten, auch viele
Mönche. Nicht weniger zahlreich waren bie Fürften und Hers
ten vom Laienflande. Zum Gefolge des Kaiferd gehörten 1000
Perfonen. Hierzu famen dann noch viele Kaufleute, Künfller
und Handwerker, welche von ber Volksmenge wieder ihren
Gewinn fuchten, und‘ endli die unzähligen unnügen Men⸗
fhen die bloß aus Luft und Kurzweil kamen und die vielen
Bettler. Man zählte 346 Schaufpieler und Gaukler aller Art,
700 gemeine Frauen in Häufern; der heimlichen Frauen mas
ren wohl eben fo viele; die fchlechteften lagen in Badftuben
und Ställen, anbere in Wirthöhäufern bei Wein und Spiel,
Alſo brachte die Kirchenverfammlung felbft dad Iebenbigfte Ges
mälde der Sitten und der Lebensweiſe aller Stände mit fich,
einfchließlich bed großen Gepränges und der vielen Ceremo⸗
nien bei den Verhandlungen felbft. z
Eine der größten Kirchenverfammlungen, von ber ganz
zen europäifchen Chriftenheit befchidt, kam auf diefe Weiſe
zufammen in Goftanz, einer Stadt des teutichen Reiche, uns
ter dem Schutze des Kaiſers. Die wirklichen Theilnehmer
aber waren nur die fünf abendländifchen Nationen: Italie⸗
ner, Teutſche, Franzoſen, Engländer, Spanier.
Der Zweck unferer Geſchichte befchränkt fich jedoch auffer dem
Örtlichen auf die Verhältniffe des Kaiferd, ber teutfchen Nation
und ihrer Kirche.
Ungeachtet des aufferordentlihen BZufammenfluffes van
Menfchen aller Art, von ungefähr breiffig Sprachen, aus Läns
dern, deren Könige zum Theil mit einander im Kriege waren,
ereignete fich doch in ben vierthalb Jahren der Verfammlung
feine merkliche Störung oder Unbill, auch Feine anftedende
Krankheit. Durch Vorſorge der Stadt blieb Alles in gutem
Kauf und Niemand hatte Mangel. Biefe Ordnung iß um
%
30 Bud II. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 3.
fo mehr zu bewundern, ba ber bie verfchiebenften Meinun⸗
gen mit Eifer und Erbitterung gekämpft wurde. Das Volt
im Ganzen war Über die zügellofen Sitten der Pfaffheit aufs
gebracht. Unter den Stimmflhrern. des geiftlihen und gelebt:
ten Standes traten zwei Hauptparteien hervot, die römifche
ober italienifhe und die franzoͤſiſche, an welche fich die
teutfche anfchloß. Die Italiener, befonderd die Cardinaͤle, vers
droß ed nicht wenig, daß, nachdem die Kirchenverfaffung und
die erſten Strahlen der Wiffenfchaften von Ihnen ausgegangen
waren, bie Norbländer jet ber Kirchengewalt Schranken
fegen wollten. Bei ihnen fand felbft ein fo übelberüchtigter
Dapft wie Johann XXIII. Unterflügung, wiewohl er fich täus
ſchen ließ, auch feine Perſon retten zu wollen. An der Spike
der franzöfifhen Partei fliehen die fchon öfter genannten
Deter von Ailly, Erzbifhof zu Gambray, und Johann
Gerfon, Kanzler der Univerfität zu Paris, Männer, auf de
sen Stimme. ganz Europa hörte, die fchon auf der pifanifchen
Derfammlung fid) hervorgethan und nun zu Coſtanz bie Leis
tung bed Ganzen in ihre Hand bekamen. Bon.teutfchen
Gelehrten haben fih in gleichen Gefinnungen auögezeichnet
Dietrich von Riem, aus dem Paderbornſchen, Seheimfchreis
ber von fünf Päpften, bes ſchon an K. Ruprecht eine Auffe
derung zu Hebung des Schifma gerichtet '), dann auch dad
Leben Johanns XXI. als Augenzeuge fehr freimüthig be
fehrieben hat; und der Auguftiner Dietrich Vrie aus Sach⸗
fen, von welchem wir eine Gefchichte diefer Kirchenverſamm⸗
lung befigen.
Diele zwei Hauptparteien hatten zunaͤchſt die Kirchen:
verfaffung, beſonders die Beſchraͤnkung ded_Papfles im
Auge. Die Wünfhe der Nation in Beziehung auf Berbef
ferung bes Lehrſtandes und ber Lehre felbft fanden noch
im Hintergrunde. Die Univerfität Prag war nicht vertreten,
wie e8 die dortigen Vorfälle erfobert. hätten? Huß, de
1) Mo She m Kirchengefch. II, 968.
2) Der Erzbiſchof von Prag blich zu Haus Dagegen wird ber
Bifhof Johann von Leutomifchl auf der Verfammlung genannt; von
Prag Dr. Morig, Lehrer der Theologie, f unten. Beide waren Geg⸗
ner von Huf.
\
[4
Coſtanzer Kirchenverſammlung. 391
Anfänger jener Bewegungen, erfchien nicht unter den Stimm:
füdrern, fondern ald Appellant, in kurzer Beit als Beklagter.
Bei diefer Lage der Dinge konnte der Ausgang der Verbands
lungen ſchon mit ziemlicher Wahrſcheinlichkeit vermuthet werben.
Auf Betreiben der franzöfifchen Partei, zu welcher auch
der Cardinal Wilhelm Fillaſtre, Dechant von Rheims, übers
trat, geſchah, daß gleich zu Anfang in der Geſtalt der Ver⸗
handlungen zwei bedeutende Veraͤnderungen gemacht wurden,
auf welche ſchon zu Piſa angetragen worden: die eine, daß
auſſer ven Biſchoͤfen und Abten, welche urſpruͤnglich allein
Stimmrecht hatten, auch bie Univerfitaͤtsgelehrten und Docto⸗
ren, welche vermoͤge ihrer Wiſſenſchaft die Berathung fuͤhr⸗
ten, auch an der Abſtimmung Antheil nehmen, und daß
in aͤuſſern Kirchenſachen, welche keine Glaubensartikel betraͤfen,
auch die Könige und Fuͤrſten durch ihre Geſandte mitſtimmen
Dürften; die andere, daß die Stimmen nicht mehr nad) Köpfen
wie bisher, fondern allein nad) ben Nationen gezählt wers
den follten, welche deshalb in befondere Gongregationen zu
den Hauptfigungen fih vorzubereiten hatten.
Diefe zwei Schritte, vom Kaifer beftätigt, ſchlugen ſchon
die Abſichten der Roͤmiſch⸗ Päpfilichen gewaltig nieder: denn
nun konnten fie, wiewohl fie in allen Ländern ihre Greaturen
hatten, nicht mehr auf Stimmenmehrheit zählen.
Es waren drei Halptaufgaben: gänzliche Beilegung des
Schiſma; Ausrottung der Ketzereien; Reformation an
Haupt und Gliedern. Johanns XXIII. Partei hätte bie er⸗
ftere gern. umgehen und fogleich zur zweiten fchreiten mögen,
unter der Vorausſetzung, daß das coflanzer Eoncilium nur
Kortfegung des pifanifchen fei, und demnach Johann als als
leiniger Papft angenommen werde. Allein bie Verſammlung
erffärte fich als eine neue, welche Alles was die pifanifhe .
nicht auszuführen vermocht, von Grund aus zu heben entfchlof>
fen fei, und daß man alfo mit den Päpften den Anfang machen
müffe, um „biefe abfcheuliche Dreieinigkeit," wie fie Gerfon
nannte, aus dem Wege zu fchaffen. Gin Zeuticher, Mat⸗
thias Röder, Lehrer der Theologie an dem Collegium von
Navarra zu Parid, wollte vor allen Dingen bie Reformation
und nad berfelben erft die Wahl eines würdigen Papfles.
392 Buch IN, Eeſter Zeitraum. Abſqnitt 3.
Die Verſammlung beſchloß, da man die Abdankung der zei
GSegenpäpfte bisher nicht habe bewirken tünnen, fo müfle mar
auf den erflen Weg zuruͤckgehen und alle drei zu freiwilliger
Niederlegung anhalten. Dieſer Beſchluß wurde hauptſaͤchlich
durch die obengenannten Cardinaͤle bewirkt, noch ehe der Kai⸗
fer dawar. Dieſer ſah ſich num genoͤthigt feine frühere Übers
einkunft mit Johann XXIII., nach welcher derſelbe die Ver⸗
ſammlung eroͤffnen und den Vorfit darin fuͤhren ſollte, wie er
auch bisher gethan, zurückzunehmen. Sigmund erbot ſich ſo⸗
gar Johann zum Niederlegen zu bewegen, ungeachtet er ſeine
Beſtaͤtigung von ihm angenommen hatte. Da gütliche Vor⸗
ſtellungen Nichts vermochten, ſo wurde eine Schrift in Ums
lauf geſetzt, welche dem Papfte Johann alle Tobfünden und
Abfcheulichkeiten, alfo weit mehr Befchuldigungen zur Lafl
legte, ald zu feiner Abſetzung nöthig waren. Dies ſchreckte
ben Mann foweit, daß. er fich ftellte als ob er nachgeben
wollte. Da aber zwei Erklärungen, die er gab, mit leeren
Ausflüchten ‚angefüllt waren, fo muflte er fich gefallen laſſen,
daß ihm eine unummunbene Abdankungsurkunde vorgelegt
wurde. Diefe nahm er unvermuthet an, las fie felbft ab,
beihwor fie eidlich und ſtellte eine eigene Bulle darüber aus,
. worin der Eidfchwur wiederholt war. . Zwei Tage darauf aber
verſchwand er aus Coſtanz. Der Anfchlag dazu war fchon
von Anfang auf folgende Art eingeleitet.
Auffer dem früher gefchloffenen Buͤndniß mit dem Her
zoge Friedrich von Öfterreich trat Johann, fobalb ihm
die Anträge Peters von Ailly befannt wurden, im ein gehei⸗
med Verftänbniß mit dem Markgraven Bernharb von Bas
den, ber mit 16,000 fl. gewonnen wurde. Er zählte ferner
auf ben mächtigen Herzog von Burgund, Sohann den Uns
erfchrodenen, und hoffte alfo leicht au8 dem einen Gebiete in
das andere zu kommen. Dem Kaifer ſelbſt gab er noch eine
goldene Rofe zum Geſchenk, die nah der Gewohnheit am
Sonntage Lätare geweiht wurbe; diefer hielt jedoch den Kir
chenfrieden fuͤr einen ſchoͤnern Preis und gab die Roſe der
Kirche. In dieſem Zeitpunct kam H. Friedrich nach Coſtanz;
da er indeſſen in ſeinen vordern Herrſchaften dem Kaiſer ge⸗
trotzt, auch in Streitigkeiten mit Nachbarſtaͤnden ſich ſeinem
Coſtanzer Kirchenvetſammlung. 393
Urtheile nicht gefügt, ſo entſtand Verdacht. Johann aͤuſſerte
ſelbſt gegen den Kaiſer: „die Luft in Coſtanz ſei ihm nicht
zutraͤglich.“ Nun bat ihn ber Kaiſer dringend doch ja nicht
wegzugehen und ließ Beide genau beobachten. Den andern
Zag gab der Herzog ein großes Nitterfpiel. Waͤhrend Aller
Augen darauf gerichtet waten, entwich der Papft in ber Vers
kleidung eined Herrenboten, eine Armbruft an ſich tragend,
auf einem fchlechten Pferde, von einem. einzigen Knaben be⸗
gleitet. Ihm folgte der Herzog und traf mit ihm zu Schaff⸗
haufen zufammen. Hier ſchrieb Johann an den Kaifer, bie
Luft fei beffer, und ſetzte noch hinzu, er Babe ben Schritt
ohne Vorwiſſen des Herzogs gethan.
So groß war noch die Vorſtellung von der Gegenwart
eines Oberhauptes der Kirche, daß auf die Nachricht von feis
ner Entweichung große Beſtuͤrzung in Coſtanz fich verbreitete
und die Auflöfung der Kirchenverfammlung befürchtet wurbe.
Dies hätte Johann gern gefehn. Aber feine Abſicht fcheiterte
an der Zefligkeit der Verfammlung und an ber Drbnungäliebe
bei Coflanzer. Auch der Kaifer blieb flandhaft. Er ritt ſelbſt
durch die Stadt, um das Volk zu beruhigen. Die Väter bes
zief er in eine Generalverfammlung und erflärte, daß das
Concilium auch ohne den Papft beſtehen ſolle. Er verfprady
es mit Gefahr feines Lebens zu ſchuͤtzen und das Vereinigunges
geſchaͤft zu betreiben. Nach einer Fraftuollen Rede des Kanz:
lers Gerfon, worin diefer wiederholt den Grundſatz ausführte,
daß das Concilium über dem Papft fei, ward in ber folgen»
den dritten Hauptfigung befchloffen: „daß dad Goncilium durch
die Entfernung des Papfles nicht aufgehoben fei, auch nicht
aufgehoben ober verlegt, noch von einzelnen Mitgliedern ver
laſſen werden folle, bis das Schifma völlig gehoben und bie
Reformation im Glauben und in Sitten, an Haupt und Glies
‚dern zu Stande gebracht fein würde.” An den bifchöfliden
Dalaft, Johanns biöherige Wohnung, wurde eine Schrift ge
gen ihn und die Garbindle angefchlagen. Dieſer heiligſte Va⸗
ter, ber ein Stein des Anſtoßes und ein Feld des Argerniſſes
fei, babe, um feine Bosheit zu verbergen, lügenhaft an den
Kaifer gefchrieben, daß er ohne Vorwiflen bes Herzogs von
Öfterreich obgereift fe. Was das für Cardinaͤle wären, bie
I.
*
394 Buch DL Erſter Zeitraum Abſchnitt 3.
dieſen Balthaſar, einen bekannten Tyrannen, Moͤrder und
Simoniacus, gewählt, der mit feinen Anhängern geiſtliche Win:
den wie Schweine auf dem Markt verkauft Habe.”
Man hatte dem Papſt einige Cardinaͤle nachgeſchickt, die
D.März ihn zurädbeingen ſollten. Als fie unverrichteter Dinge wieber:
kamen, brachten die Väter obigeri Befchluß fogleich zur wei-
teren Ausführung und feßten fefl: „Die gegenwärtige Ber:
ſammlung iſt ein allgemeines Concilium, das die ganze Kirche
vorftelit und feine. Gewalt unmittelbar von Chriſto hat; ein
Seder, auch ber Papſt, muß demfelben gehorchen ober bie
Kirchenfizafen erleiden; namentlich: bat Johann XXIII. als
Begünfliger des Schiſma fich det Keberei verbäctig gemacht.”
Diefer Beſchluß wurde troß des heftigſten Widerſpruchs ber
Gardindle in ber vierten Hauptfikung in Gegenwart bed Kai
- 6. Apr. ſers/ oͤffentlich verfündet und beflätigt. .
Der Kaifer feinerfeitd hielt den andern Tag Bürftenge:
richt über den Herzog von Öfterreih. Wegen feines beharr⸗
lihen Ungehorfams ſprach dad Gericht bie Acht, die Kirchen:
verfammlung den Bann über ihn aus, nebft Ablaß für Alle
die ihn befriegen würden. Ehe der Herzog ſich rüften konnte,
fielen drei Kriegsheere von den umliegenden Reichsſtaͤdten in
feine Lande ein, zulegt auch auf befonbered Betreiben bes
Kaiferd die fchweizerifchen Eidgenoffen; in act Tagen war
der Überreft der habsburgiſchen Stammherrfchaft in der Hand
ber Letztern. Diefer Krieg nebft den weiten Ergebniffen wir
unten im Zuſammenhange berichtet werben. Die erfie Folge
war, daß Herzog Friedrich fich entfchloß, auf Zureben feine
Vetters, des Herzogs Ludwig von Baiern, ſich in des Kai:
ferd Gnade zu ergeben. Sigmund empfing ihn in feierliche
Verſammlung vieler Reichsſtaͤnde und Mitgliever des Conci:
liums fowie der italienifchen Hersen und Abgeorbneten. Drei:
mal kniete H. Friedrich mit feinen Begleitern nieder. H. Lud⸗
wig führte die Rede und verfprach, daß H. Friedrich Alles
halten wolle, was in dem vorgezeigten Brief ſtehe. Diefer
Brief warb Öffentlich verlefen und enthielt, daß Herzog Fried:
eich fich und feine Lande in des Kaiferd Gnade Üübergebe und
zu Recht fiehen wolle Allen, die Etwas an ihn zu fprechen
hätten; ferner, daß er den Papft wieder nach Coſtanz flellen
Cofanyer Kichenverfammlung, 395
und ſelbſt folange als Geifel daſelbſt bleiben wolle, bis alle
- feine Lande, vom Elſaß bis Tyrol, dem Kaiſer gehuldigt ha
ben würden.‘ Nun wandte fich der Kaifer zu ben anweſenden
Herren und Botfchaftern: „Ihr Herren aus Italien, ihr wähnet
und wiffet nicht anders, denn daß bie Herzoge von Öfters
reich die gewaltigften Herren feien in der Nation Germania.
Nun fehet ihr, daß ich ein mächtiger Fürfl bin uͤber die von
Öfterreich und fonft Über ale Fuͤrſten, Herren und Städte z"
und damit kehrte er fi wieder um zu H. Friedrich und ſprach:
„Unfer und des heiligen Reiche Fuͤrſt, Herzog Friedrich, will
Er das halten?“ der Herzog ſprach: „Ja, und ich bitte Euer
Majeſtaͤt um Derſelben Gnade.“ Der Kaiſer: „Uns iſt leid,
daß Er dieſes verſchuldet.“ Hierauf hub der Herzog Hand
und Finger auf und ſchwur zu Gott und den Heiligen, daß
er den Brief halten wolle.
Wenige Tage nach dieſer tiefen Demuͤthigung des Hers 1415
5098 faßen die Väter. des Gonciliums zu Gericht über Papſt 14. Mai.
Johann XXIII., weil er auf ihre wiederholte Ladung nicht
erfhienen war. Giebzig Klagepuncte wurden aufgefeht, und
vierundbreiffig vereivete Zeugen, lauter angefehne Männer,
don den ernannten Richtern vernommen. Doch fand man für
gut nur vierundfunfzig der Anklagepuncte Öffentlich zu verles 16. Mai.
fen; denn bie übrigen‘ enthielten folche Abfcheulichkeiten, daß
man fie unterdrüden zu müflen glaubte, namentlich daß er
feinen Vorgänger Alerander V. vergiftet, feines Bruders Weib
befchlafen, gegen 300 Nonnen geſchwaͤcht und fie nachher auf
Abteien und Priorate gefebt, daß er Päderaftie und Sodo⸗
mie begangen, dazu, daß er oft gerebet, es gebe Fein ewig
Leben und Auferftehung, fondern Leib und Seele ftürben mit
einander. Den Tag nach diefer Anklage wurde Johann/nach
Ratolfzell, gegenüber von Coftanz, gebracht. Als ihm die Klag⸗
puncte durch eine Botfchaft vorgehalten wurden mit dem Bei⸗
fügen, daß er, wenn er wolle, vor offener Sitzung erfcheinen
und fi) verantworten möge (nachdem er den Katfer fchriftlich
um Fürbitte angegangen und an fein früheres Wort erinnert
hatte), gab er zur Antwort: wiewohl er der Ichten Artilel uns ı
ſchuldig wäre und etlicher mehr, fo wolle er doch nicht wis E
derfechten, ſondern bitte das Concilium, daß fie wollen anfes
n
36 Bud UI. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 3.
- ben, wie er von Anfang an treulich geholfen baffelbe zu fir:
dern, auch fich nicht geweigert vom Papſtthum abzuftehen,
und erſt nach ſolchem fei er fchänblieh genug vom Goncilium
gewichen, dag ihm viel lieber wäre, er wäre felbigen Tages,
feiner Seele ohne Nachtheil, des Todes geflorben. Nun es
‚ leider gefchehen, wolle ex den Beſchluß des Concilium erwar⸗
ten, und ob man ihn fchon des Papfithums entfete, wolle
er's gen annehmen. Da fprach das Concilium die Abſetzung
Johanns XXI. aus und übergab ihn dem Kaifer, daß er
ihn bewahren folle, bis zu weiterem Beſcheid. Man brachte
ihn zuerft in das Schloß Gottlieben bei Coftanz, wo Huß
gefangen faß, den er als Keber hatte einfperren laſſen. Da
er aber einen Briefwechfel mit Coftanz zu unterhalten fuchte,
übergab ihn der Kaifer dem Pfalzgraven Lubwig am Rhein,
der ihn drei Jahre in feinem Schloß zu Heidelberg in leident:
lihem Gewahrfam hielt, bis er von dem neuen Papfte befreit
und zum Cardinal ernannt wurde. *
Nach diefem ſtarken Schlag, der den möächtigften von den
brei Päpften vernichtete, hoffte die Kirchenverfammlung mit
ben beiden andern bafd am Ziele zu fein. Der ditere Papſt
Gregor XIL hatte ſich ſchon vorher zur Abdankung bereit
1415 erklärt, fobald Johann XXI fi) fügen würde, und fo fandte
%. Jul er denn auch die Abdankungsurkunde wirklich ein, welche mit
vielen, zum Zheil fonderbaren Ceremonien in der Kirchenvers
fanmlung unter dem Vorſitze des Kaiſers verkündet wurbe.
Alſo war nur noch Benedict XIIL übrig, der hartnädigfte
von allen, der fih nach Catalonien zurüdigezogen hatte. Da
er jeboch um eine Unterredung mit dem Kaifer bat, fo ließ
fih’8 diefer gefallen mit ihm und bem Könige von Aragos
nien zu Nizza zufammenzulommen. Bor feiner Abreife aber
geſchah Folgendes zu Coſtanz. Nach. Johanns AXUL Abs
fegung fchritt bie Kirchenverfammlung fofort zu ihrer zweiten
Aufgabe, der Unterfuchung der Kebereien. Sie ging dar
in fo raſch zu Werk, daß fchon zwei Tage nach Gregors XII.
6. Zul. Abdankung das Urtheil uͤber Huß geſprochen wurde.
1414 Bei feiner Ankunft zu Coſtanz war Huß von Johann XXIII.
3. Rov. gut aufgenommen und vom Banne befreit worden, wahrſchein⸗
lich auf das mitgebrachte Beugniß des böhmifchen Ketzermei⸗
Eoſtanzer Kirchenverſammlung. 397
ſters. Huß hatte nicht geringes Vertrauen zu dem Concilium,
weil er wuflte, daß der befjere Theil beffelben feine für ketze⸗
riſch ausgefchrieenen Grundfäße theilte. Aber feine eigenen
Landsleute und Amtöbrüder verfolgten ihn bis Coſtanz. Bald
nad ihm kamen zwei folcher Eiferer an, Stephan Palecz,
fein vormaliger Freund, mit dem er auf. Wenzlams Bes
febl zu Prag disputirt hatte,- und Michael de Eaufis,
vormals Prediger zu Prag, der aber wegen Schurkereien aus
Böhmen entfliehen muſſte. Diefe übergaben bem Goncilium
einen Auszug aus Huſſens Schriften, namentlich gegen bie
Gewalt des Papſtes; auf ihe Betreiben wurde dann Huß vom
Papft und den Cardinaͤlen gefangen geſetzt troß des Faiferli- 1414
chen Geleitbriefes, vor Sigmund Ankunft. Einer feiner Bes 28. Rov.
gleiter, welche ihm K. Wenzlaw mitgegeben, Sohann von
Chlum, befchwerte fi) nachdruͤcklich uͤber dies Derfahren bei
dem Papfte unb gab dem Kalfer Nachricht, der ihn fogleich
in Freiheit zu feßen und nöthigenfalld die Sefängnißthären
zu fprengen befahl. Aber der Papft und bie Cardinaͤle lieſſen
ihn nur noch enger verhaften. Als der Kaifer nach Goflanz
kam, beflürmten ihn die Kirchenrechtslehrer (Kansniften) ſei⸗
nen Geleitöbrief zuruͤckzuunehmen. In diefem iſt gefagt: ber
Kaifer habe den ehrfamen M. Huß, der zum allgemeinen Con⸗
cilium nach Coſtnitz ziehe, in feinen und des heiligen Reiches
Schutz und Schirm genommenzs zugleich befehle er allen Stäns
ben, Ohrigkeiten und Unterthanen bed Reichs, ihn wohl aufs
zunehmen, feine Reife und Rüdreife zu befördern und wenn
ed nöthig wäre, ihm mit einem befonbern Geleit zu verfehen.
Nun hätte ihn Sigmund gern befreien mögen: er fürchtete die
Böhmen und feinen Bruder Wenzlaw; er fühlte, wad es ihm
und dem Reich für Schimpf bringen würde, wenn fein frei
fiher Geleit ſollte gebrochen werben: aber er fünchtete noch
mehr die Kirchenverſammlung. As ihm vorgeftellt wurbe,
er müffe die Freiheit derfelben aufrecht erhalten und binfe die
angefangene Unterfuchung nicht unter dem Vorwand feines
Geleitsbriefs hemmen, fo ließ er fich die Erklärung abtrogen:
in Glaubensſachen folle das Concilium ganz frei fein und
wider alle der Ketzerei Verdächtige rechtlich verfahren können;
was bie Drokungen zum Vortheil Huſſens betreffe, fo habe
398 Bub UL Erfier Zeitraum. Abſchnitt 3,
er die Vollziehung berfelben verboten. Nochmals entfchulpigte
er ſich gegen Huß felbft mit den Worten: „einige Leute be
baupteten, er fei gar nicht berechtigt denjenigen zu befchüben,
der entweber ein Keber ober ber Keberei verdaͤchtig wäre",
Vepgrgeblich fchrieben die böhmifchen Stände an die Kirchens
verfammlung und an den Kaifer und baten ihn fein feierlis
ches Wort nicht zu brechen. Das Schreiben wurbe in ber
- VBerfanymlumg vorgelefen unb verbrannt.
41415 : Nach balbjähriger Gefangenfchaft, zwei Tage nachdem ber
6. Jun. abgefegte Papft Iohann auf Gottlieben feſtgeſetzt worden, be
- fahl die Kirchenverfommlung Huß vorzuführen; fie war ſchon
‚ Im. Begriff die ihm aufgebürbeten Lehrfäge zu verbanmmen,
ehe fie ihn darüber gehört hatte. Auf Verlangen bed Kaiſers
wurbe ihm zwar eine Verantwortung geflattet, aber, die Ders
fanmlung erhob ein ſolches Spottgeſchrei, daß er gar nicht
zum Wort kommen konnte. Im naͤchſten Verhör, welchem
7. un. der Kaifer felbft anwohnte, widerlegte Huß bie drei Anklagen
des Michael de Cauſis fo treffend, dag man Beine Schuld auf
8. Zun. ihn bringen konnte. Den andern Zag wurden 39 andere Ar
titel vorgebracht, welche Palecz und die übrigen Ankläger aus
feinen Schriften gezogen haben wollten. Won biefen geſtand
Huß Einiges zu, dad Meiſte aber verwarf er ald offenbare
Verſtuͤmmelung und Verbrehung. In Abficht des Inhalts bes
‚treffen die Anklagepuncte in der That nur wenige Glau⸗
benslehren, und es ift darin Feine Kegerei im wahren Sinn
bes Wortes zu finden *), Die meiften beziehen fich auf bie
Geiftlichkeit und die Kirchewerfaſſung, Gegenflände über
welhe Serfon, Peter von Ailly und andere angefehne
Mitglieder der Kirchenverfammlung fich eben fo ſtark ausgeſpro⸗
chen hatten. Man konnte erwarten, dieſe wuͤrden bie Ehre des
Gonsilium retten. Aber fie gehörten zu ben Nominaliften,
und Huß war .ein eifriger Realiſt. Alfo flanb zweifacher
Parteihaß gegen den armen Angeklagten. Beſonders lebhaft
trat Peter von Ally gegen Huß auf und fuchte ihn durch
allerlei ſcholaſtiſche Beflimmungen in die Enge zu treiben *).
1) Dies Hat auch Royko Geſchichte der großen allgemeinen Kir
henverfamminng zu Goftnig IV, 148 zugeſtanden.
2) Die. Romtinaliften geftchen es felbſt im einem Schreiben an ben
Coflanzer- Kirhenverfämmlung. 899
Zuleßt verlangte er mit den Andern, Huß Tolle fi dem
Goncilium in Demuth unterwerfen, da man jest wifle, wie
arge Vergebungen auf ihm liegen. Als Huß nım ſich bereit
erfiäxte Belehrung anzunehmen, ba er beöwegen gefonnnen
fei, fo fuhr Peter von Ally fort: „das fet ſchon von fechzig
Doctoren entfchieden, daß er. geirrt habe, mithin bleibe Richts
übrig als alle diefe Artikel zu widerrufen.” "Der Kaifer wollte
ihm die Sache in feiner Art erleihtern: man koͤnne ja Jer⸗
thümer abfchwören ohne fie vorgetragen zu haben; allein Huß
zeigte ihm, daß das Abfchwören bier eine andere Bebeutung
habe. Feſt blieb er babei, er koͤnne nicht wider fein. Gewifs
fen handeln, und bat nur fich gegen die ihm aufgebindeten
SIrethinmer verantworten zu duͤrfen. Endlich verlor ber Kaiſer
bie Gebuld, trat aus feinem Kreife heraus und fprach: „er
halte die vielen und ſchweren, binlänglich erwiefenen, von
Huß felbfi befannten Verbrechen alle des Todes winbig; wenn
er nicht widerrufe, fo müfle er verbrannt werden; und wenn
er auch wiberrufe, fo müfle ihm doch das Lehren und Pre
digen und der Aufenthalt in Böhmen verboten bleiben.
Während diefer Verhandlungen Fam eine neue Klage von
dem Erzbiſchof Konrad von Prag, dab Jacob von Mieß ')
feit Huß's Abgang durch die Lehre von beiderlei Geſtalt
bed Abendmahl eine große Bewegung unter dem Volk
verurfache. Die Kirchenverfommlung erfiärte Died Beginnen 1415
ald Ketzerei und erließ den Befchluß, daß die Laien das Abend⸗ 15. Sun.
mahl nur unter einer Geſtalt empfangen und bie Dagegen
Handelnden als Keber verfolgt werben follen. Obgleih Huf
feinen unmittelbaren Antheil an biefer Sache hatte, fo wurbe
doch die feinige dadurch nicht gebeffet. Der Cardinal von
Oftia, Johann von Brogni, iſt einer der Wenigen die mit
Schonung ihm entgegentamen: er entwarf eine ſehr gemäßigte
König von Frankreich, Huß fei durch ihre Partei gefallen, Mosheim
a. a. D. 938. "
1) Mifa ober Strzieber, einem böhmifchen Staͤdtchen; aus Verach⸗
tung nannten ihn bie Katholifchen Jacobellus. Er ift zu unterfcheiben
von einem Andern, Peter von Dresden, der auch ein Zreund von Huß
und Hieronymus war.
400 Bud IH Erfier Zeitraum. Abſchnitt 3.
Wiberruföformel. . Aber fo,.. wie die Anklagen geftellt waren,
tonnte Huß nicht wiberrufen. „Was wollt ihe thun“, fiorach
er zu Palecz, einem feiner Hauptanklaͤger, „wenn ihr euch
Feines Irrthums bewußt feid und ihn boch abſchwoͤren folk"?
— iſt ſchwer“, verſetzte Palecz und ſoll dabei geweint
en.
Nachdem auch die weitern Verſuche der vornehmſten Praͤ⸗
1416 laten, Huß zum Widerruf zu bewegen, vergeblich waren, ſchritt
6. Zul. man zu feiner Verurtheilung. Zuerſt wurden eine Anzahl von
Wiclefd Grundfägen vorgelefen ımb verworfen. (Kaum ein
Jahr vor diefer Sirchenverfammlung hatte man in England 36
Anhaͤnger Wiclefs, darunter zween Edelleute und einen Priefter,
gehenkt und verbrannt.) Dann folgten Huffens Ierthimer.
Allen und Ieben In der Berfammlung, felbft Kaifern und Kö:
nigen, war bei hoher Strafe Stilfchweigen aufgelegt. Als
die gröbflen Entflellungen vorfamen, wie, daß Huß vier Per:
fonen in der Gottheit gelehrt, konnte er ſich nicht enthalten
wiederholt einzureben; man gebot ben Gerichtöbienern ihn
zum Schweigen zu bringen. Gegen bie Befhuldigung, daß
er den Bann bed Papſtes verachtet habe, verſetzte er, er habe
deshalb an den Papft ſelbſt appellict und vergeblich Bevoll⸗
mächtigte nach Rom gefhidt; freiwillig fei ee und unter
dem ficbern Geleite des Kaiferd auf die Kirchenverfammlumg
gekommen, um feine Unfchuld gegen Iebermann zu vertheibi:
gen. Bei diefen Worten erröthete der Kaifer, von Huf
ſtarr angeſehn. Als alle Vertheidigung vergeblich war, fiel
Huß auf die Kniee und bat Gott, daß er feinen Feinden ver
geben möchte. Ehe man ihn der Prieflerwürbe entfegte, frag:
ten ihn die Bifchöfe noch einmal, ob er widerrufen wolle.
Er fprach weinend zu dem umflchenden Volk, wie er ed vor
Gott verantworten koͤnnte Irrthünier abzufchwören, welche nie
die feinigen gewefen wären? Nun fchrie die ganze Verſamm⸗
‚lung: da fehe man den hartnädigen Ketzer! Alſo nicht ſowohl
das was Buß wirklich gegem die Unfehlbarkeit des Papſtes
behauptet und was man ihm, wie den angefehnften Mitglie |
dern der Kirhenverfammlung, als Keberei im päpftlichen Sinn
aufbürben Tonnte, fonbern vielmehr was er nicht behauptet,
wad man auffer allem Zufammenhang aus feinen Schriften
Coſtanzer Kirchenverfammlung. 401
herausgeriſſen, dieſes muſſte fiber ihn das „Schuldig! ſpre⸗
chen. Nach ſeiner Entkleidung wurde Huß, als von der Kir⸗
„che ausgeſtoßen, der weltlichen Gewalt uͤbergeben. Als man
ihm eine hohe papierne Muͤtze mit drei gemalten Teufeln
der Aufſchrift „das iſt ein Erzketzer!“ aufſetzte und feine Se
ber Hölle -übergab, ſprach er: „und ich befehle fie meinem
Herrn Jeſu Chriſto!“ F
Der Kaiſer, der dies Alles mit anſah, befahl dem Kurs
fürften Ludwig von der Pfalz Huß dem Scharfrichter zu über
geben und ihn fofort zur Hinrichtung zu begleiten. Der Kur
finft that dies, nachbem ex erſt feinen fürftlichen Schmud abs
gelegt hatte. Unterwegs ſah Huß lächelnd bie Verbrennung
feiner Bücher. Bor dem Holzſtoß fragte ihn Ulrich von Rels
chenthal, ob er nicht mehr zu beichten verlange, erbielt aber
eine ablehnende Antwort. Als er ſchon am den Pfahl anges
bunden war, ermahnte ihn der Kurfürfl noch eimmal feine
Kebereien abzufchwören. Aber Huß erklärte fich bereit feine
Lehre mit feinem Tod zu verfiegeln. Er wollte noch eine teut⸗
ſche Rede an das Volk halten. Da gebot der Kurfürfl anzus
zunden. Alfo empfahl Huß feine Seele Gott. und erlitt den
qualvellen Tod. Seine Aſche wurbe in den Rhein gefiveut,
damit die Böhmen fie nicht fammeln könnten. Das Volt
aber, das babei war, blieb auf der Meinung, Papft Johann
hätte wegen feiner fehänblichen Thaten wohl baß verdient denn
Huß verbrannt zu werben.
Als die zu Coflanz anwefenden Böhmen mit der Kumbe
von Huffens Märtyrertod nah Prag kamen, brach ein Schrei
des tiefften Unwillend aus: auf eine fo fchänbliche Art habe
man den Beichtvater der Königin, den untadelhaften Priefter,
den Liebling der Nation hingerichtet! K. Wenzlam fchmähte
feinen Bruber,. daß ex das Geleit gebrochen, er ſchmaͤhte die
böhmifche Geiſtlichkeit als Urfächerin von Huflend Tod, Vol.
Verdruß ging er einige Monate auf fein entlegenes Schloß
Tocznick und wollte gar Nichts mehr von der Kixchenverfamms
Iung bören. Zwanzig Tage nach Huſſens Zod-fchrieb die Kir⸗
erfammlung an ben Erzbifhof von Prag und ben ges
fammten böhmifchen Klerus: „da Huß und Hieronymus durch
die wiclefifchen„ Lehren viele Unruhen in Böhmen erregt haͤt⸗
Pfiſter Geſchichte d. Teutſchen IIL 26
402 Bud I. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 2
ten, fo babe fie fi) unaußfpredlic, viele und liebreiche Mühe
gegeben Erſtern feiner Kebereien zu Überführen; da er aber
durch teuflifche Eingebung immer balsflarriger geworben, fei
man gendthigt geweſen ihn ber weltlichen Obrigkeit zur Be
— zu übergeben; num ermahne fie den Klerus auf Aus⸗
rottung gebachter Irrlehren eifrigft bedacht zu fein". Aber der
Bifhof Johann von Leutomiſchl, der diefen Brief von
Goftanz brachte, warb fo übel anpfangen, daß er Prag alsbald
verlafien muffte. Die boͤhmiſchen und maͤhriſchen Stände ver
fanmelten fi) mit Bewiligung 8. Wenzlaws. Ungefaͤhr 60
Landherren und viele Ritter erlieſſen ein nachdruͤckliches Schreis
4445 ben an bie Kirchenverfammlung, worin fie aufs feierliche
2. Dec. proteſtiren, daB Huß ein Ketzer gewefen oder daß in Böhmen
Kebereien gelehrt würden. Zugleich beſchwerten fie fi übe
die harte Behandlung des Hietonymus und appellirten an den
neuzumwählenden Papſt, mit der Betheuerung, daß fie dad
Geſetz Chriſti und alle ſtandhafte Lehren beffelben mit ihrem
letzten Blutötropfen beſchuͤtzen wollten”.
Waͤhrend Huß im Gefängniß lag, war fein Freund Hie:
4. Apr. ronymus gekommen, um ibm beizuſtehn. Da er kenn
Geleitsbrief hatte, mufite ex wieber zutüdgehn, wurbe aber in |
der Oberpfalz gefangen und nad) Goftanz geliefert, wo er auf
33, Mai das erfie Verhoͤr in einen finflern flinfenden Kerker geworfen
wurde. Zwei Monate nad Huflens Hinrichtung unb des Kai
fer Abreife nach Nizza warb feine Sache auf vorgenonmen, |
da die Väter in Erwartung der ſpaniſchen Prälaten wenig zu
19. Zur. thun hatten. Schon im erſten Verhoͤr hatte ihm Gerfon
vorgeworfen, daß er durch realiftifche Meinungen Unruben
zu Paris angefangen habe; Doctoren von Coln und Heibeb
berg brachten Ähnliches vor. Hieronymus antwortete ſtand⸗
haft: „wenn euch mein Tod gefaͤllt, im Namen bed Henn"!
21. Sept. Jetzt durch Krankheit und Elend gebeugt, ließ er ſich nach und
nach durch Drohu — und Verfprechungen, endlich ans Liebe
zum Leben zum Widerruf bewegen, ben er zuerſt bebingt,
28. Sept. mit Vorbehalt feiner Achtung fir Huß, dann unbedingt gab.
Auch einige philofopbifche —* kehnate muſſte er
zurücknehmen.
In eben dieſer Zeit faffte die Verſammlung zur Verthei⸗
Coſtanzer Kirchenverſammlung. 40
digung des Vorgeſallenen zwei Beſchluͤſſe. Der erſte heiſſt:
wenn Kaiſer ober Fuͤrſten einem ber Ketzerei Verdaͤchtigen, in
Hoffnung ſoichen davon zuruͤckzuführen, einen Sicherheitsbrief
ertheilen, fo foR.das den kirchlichen Richter nicht hindern zu
unterfuchen und zu fixafen, gefeht auch daß die Schuldigen
im Vertrauen auf das Geleit an ben Gerichtsort gekommen.
. feien.. Dex andere: da Übelgefinnte den Raifer und die Sys
node wegen Ved Geleitöbriefes an Huß verleumben, fo wirb
erklaͤrt, daß derſelbe ald ein haldflarriger Feind des wah⸗
ven Glaubens ſich des Geleitsvorrechts unwuͤrdig gemacht
babe, daß ihm nach dem natürlichen, göttlichen unb menſch⸗
lichen Rechte Leine Treue noch ein Verſprechen zum
Schaden jenes Glaubens gehalten werben duͤrfe; daher
babe auch der Kaifer gethan was er fonnte und muffte.
Pit dem Widerruf des Hieronymus waren feine Feinde
noch nicht zufrieden. Die prager Mönche ſchickten neue Kla⸗
gen, mit werben Palecz ımb Michael de Cauſis ſich alle
Mühe gaben feine, Loslaflung zu verbinden. Auch Gerſon
fhämte ſich nicht in einer eigenen Schrift ben Widerruf ver
daͤchtig zu machen. Peter von Ailly und drei andere Car⸗
dinaͤle, welche die Unterfuchung gefuͤhrt und bewieſen, daß
Hieronymus nicht ohne Ungerechtigkeit laͤnger gefangen gehal⸗
ten werden duͤrfe, wurden der Beſtechung befchuldigt; fie legs
ten ihr Richteramt nieber, unb es wurbe 'enblich eine neue Uns
terſuchung angeordnet. Nachdem Hieronymus über ein Jahr
im Kerker gelegen, warb er auf wiederholtes Verlangen in
einer Hauptſitzung verhoͤrt. Aber wie erſtaunte dieſe, als der
abgemagerte, ſchwache Mann mit einer ſeltnen Geiſtesſtaͤrre
ganz aus dem Gedaͤchtniß alle großen Männer ber Vorwelt
der Reihe nach aufführte und zeigte, was bie Bekenner der
Wahrheit ihrem Andenken ſchuldig felen. Er erfiärte feinen
Widerruf. ald die größte Simde bie er hätte begehen koͤnnen,
und verficherte, daß er mit Wicef ımb Huß, die einzige
Abendmahlslehre ausgenommen, bi8 an feinen Tod gleich den⸗
ken werde. Mehrere der milder gefinnten Prälaten, befonders
der Garbinal Zabarella von Florenz, wuͤnſchten um feiner gros
fen Gaben willen ihn beim Leben zu erhalten. Er ewie _
a ‚fobalb fie ihm feine Irtthimer aud der Schrift be
26 *
404 Bud IH. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 3.
weifen wuͤrden, wolle er- ben Widerruf ernenern, und ſetzte auf
bie Einwendung, baß die Schrift dunkel fei unb der Audle
gung ber Väter bebürfe, hinzu: nach Paulus unterweiſe die
Schrift felbfi. In einer weitern Sitzung wiberlegte er Die Rebe
des Bifchofs von Lodi Schritt für Schritt mit folcher Beredt⸗
famfeit, daß bie ganze Berfammlung ergriffen wurde und Meh⸗
rere den Wunſch für feine Erhaltung wiederholten. Er follte
nur noch einmal widerrufen, fo winde ex in Freiheit geſetzt
werden. Allein mit hohem Selbſtgefühl verachtete ex jeden fol:
chen Antrag, und nun ward. er ald zurüdgefallener Ketzer
zum Scheiterhaufen verurtheilt.
Der kaiſerliche Kanzler Kaſpar Schlid legte im Namen
feines abwefenden Herrn Proteſtation gegen biefed Verfahren
ein; aber die Kirchennerfammlung hörte ihn nicht. Hierony
mus wurde auf biefelbe Weife unb an bemfelben Drt wie
Huß zum Tode geführt. Als er ein Bäuerlein- erblicte, dab
Remſig Holz zum Scheiterhaufen trug, rief er: „o heilige Ein
falt, wer dich betrügt, der hat. deß taufenbfältige Simde!“
Der Henter wollte im Süden anzünden; er verlangte, daß
es vorne gefchehe, benn wenn er fich vor dem Feuer gefiuch⸗
tet hätte, fo wöre er nicht an.den Pfahl gebunden worben.
Nun fuhr er fort zu beten und zu fingen und flarb alfe, wie
.Huß, mit einem Muthe, ber ihn felbft nach dem Zengniſſe
derer, die feine Überzeugung nicht theilten, unter bie größten
Männer aller Zeiten verfeßte.
44 Die Kicchenverfammlung aber, aufgebracht über dad Schrei:
26 Febr. ben der böhmifchen Landherren, citirte alle Huffiten zur ge
richtlichen Unterfuchung und verfaflte 24 Artikel, nach welchen
alle Keberei in Böhmen auögerottet und namentlid) die Unt-
verſitaͤt reformirt werben follte. Der Kaifer hingegen fchrieb
fpäter nach feiner Art einen ganz milden Brief: er habe fi
gefreut, daß Huß nach Coſtanz gegangen, weil er gehofft, er
werbe fich rechtfertigen; feine Angelegenheit .wärbe vielleicht
auch einen beffern Ausgang genommen haben, wenn er 5
gleich mit ihm dahin gereift wäre. Gott fei e8 bewuſſt, daß
ihn der Unfall unbefchreiblich geſchmerzt habe; er habe fich fei-
ner auch angenommen, habe das Goncilium öfter mit heftigem
Unwillen verlaſſen, aber ihm.enblich boch feinen Willen laſſen
Coflanzer Kirchenverſammlung. | 405
müflen, wenn ed nicht ganz anfgelöft werben follte. Zuletzt
warnt er bie Böhmen vor weitern Unruheir, ſonſt würde das
Krenz gegen fie gepredigt werben; fie follen bie Verbeſſerung
der GeifllichBeit. den Dbern uͤberlaſſen, dem Laien fei es nicht
erlaubt noch möglich die Tiefen ber Schrift zu enforfchen.
Erſt acht Monate nach dem zweiten Juſſizmord Fam end⸗ 1417
lich K. Sigmund von feinen Verhandlungen mit hen Spas
nien aus Narbonne zuruͤck. Da der alte Beneolet KIM.
durchaus von Feiner Nachgiebigleit hören wollte, fo bewog
Sigmund die Könige von Aragonien, ’Gaflilien und Navarra,
daß fie ihm die Obedienz aufkuͤndeten. Nun ‚gingen fogleich
die Abgeordneten der fpanifhen Nation auf das Conci⸗
lium, das dadurch erft ganz vollſtaͤndig warde. Der Proceß
gegen Benebiet war bereits eingeleitet, als Sigmund ankam
und neue Thaͤtigkeit in die Berſammlung brachte. Benedict
ging auch jetzt weder auf die Vorladungen noch auf die weis.
tem Anträge ein; alfe wurbe endlich fein Abſetzungsurtheil,
als eines melneibigen, hartnaͤckigen, unverhefferlichen Schiſma⸗
tikers und Ketzers, oͤffentlich bekannt gemacht. Von feinem 26.Jul.
Felſen zu Peniscola, einem Familienſchloß in Valencia, wohn
er ſich mit ein Paar Cardinaͤlen gefluͤchtet, ſprach der Greis
den Bann über die ganze Welt ımb blieb dabei bis an ſei⸗
nen Tod, deü ihn erſt in feinem’ 9oſten Jahre traf, nachbem
er von den Cardinaͤlen, bie bei ihm auögehalten, dad Ver⸗
forechen genommen, einen aus ihrer Mitte zum Papft wäh
len zu wollen. Allein die Kischenverfummiung fah ſchon mit
ſeinet Abſetzung das Schifma als geenbigt an unb wollte alfo
zu ihrer dritten, größten Aufgabe, zur a an
Haupt und Gliedern, fehreiten.
Da entſtand aber erſt im Concilium felbft: ein: heftiger
Zwieſpalt uͤber bie Frage: ob hie-Reformation vor ober.nach
der neuen Papftwahl gefchehen folle? Der Kaifer mit der t eut⸗
ſchen Nation beharrte darauf, baß das Geſchaͤft vor ber
Wahl vorgenommen werben müuͤſſe; die englifche Nation
fimmte bei. Man wuffte; wie e8 bei dem pifanifchen Conci⸗
lium gepangen, und beforgte alfo mit Recht, der meue Papft
werde die Reformation, wenn fie nicht fchon gefchehen wäre,
ebenfo umgehen wie ber Vorgänger. Aber bie Gasbinäle,
\
Sn
46 Bud IL Erſter Zeitraum Abſchnitt 3.
denen es jest an's Leben ging, traten mit aller Macht entges
gen; fie hatten dabei nicht nur bie italienifhe Nation vor
aus für fi, fondern wufften auch die Franzoſen und nad
ihnen die Spanier zu gewinnen. Ungeachtet bisher bie
franzoͤſiſchen Gelehrten am eifrigften für die Verbeſſerung
ber Kirche geſchrieben und gefpeschen, fo trat jeßt Peter von
Ailly auf und zog in einer heftigen Rebe gegen biejenigen
los, welche die Papſtwahl verfchoben wiflen wollten. Die fünf
Notionen kamen in ber Hauptſitzung fo hart an einander, daß
man beforgte, dad ganze Concilium werde füch zerfchlagen.
Der Garbinal Zabarella erhob feine Stimme fo heftig, daß er
kurz darauf ſtarb. Roc hielt K. Sigmund feflz er brachte
die Verſammlung wieder in Gang, ungeachtet bie Sranzofen
fih befchwerten, daß er ber Freiheit des Concilium Gewalt
anthue. Don Seite ber teutichen Nation werden zwei Spre⸗
cher befonbers genannt. Der eine, Morit, Lehrer ber Theo⸗
logie zu Prag, der, wiewohl er gegen Huß unb Jacob von
Mieß aufgetreten, doch eben fo ſtark al& jener über bie grobe
Ummiffenheit und Entartung des Klerus fich herausließ. Den
Garbindien fagt er, fie hätten den rothen Hut bloß zur Griw
nerung, daß fie ſchuldig wären den letzten Blatstropfen für
die. Kirche zu vergieften und füch nicht durch Menfchenfurcht
bei der Papſtwahl leiten zu laſſen. Die Kirchenserfammlung
müffe um fo mehr die Simonie abthun, weil die gemeine
Meinung fei, Huß ſei hauptfächlic wegen feiner Predigten
gegen: diefelbe verurtheilt werden. Der andere Sprecher iſt der
neue Kurfuͤrſt Friedrich von Brandenburg, aus dem Haufe
Hohenzollern.: Aus langer Erfahrung, fagt er, babe er fih
überzeugt, welche Nachtheile Zeutfchland von ber Ausartung
der Geiftlichkeit habe. Durch einen eignen Beſchluß foRe man
tor weitere Erwerbung unbeweglicher Güter verbieten, weil fie
fbon einen großen heil des Reichs im Beſitz habe. Den
Sardindien, welche ben Papft vor ber Reformation mählen
wollten, trat er fo derb entgegen, baß fie Geleit verlangten,
um dad Concilium zu verlaflenz er erwiederte aber, bie Be |
rufung und Auflöfung des Concilium ſtehe allein dem Kalle
zu, auch auſſer der Zeit des Schifma ').
1) Leufant Hist, du Cono, ds Conat, II, 70,
. Rofanzer Kichenperfammlung. "407
Als bie trei Nationen eine ſtarke Proteflation gegen die
Verſchiebung ber Wahl vorlefen wollten, verließ Sigmund den
Gast; eine. Stimme wagte ihn „Keber” nachzurufen. Als in
der naͤchſten Sigung die Proteflation doch verlefen wurde,
drohte er Die Cardinaͤle feffegen zu laſſen. Er fühlte jetzt doch,
wie verächtlich ihn dieſe zu behandeln anfingen. Es hatte nicht
an Rednern ‚gefehlt, welche bee Kirchenverſammlung in's Ge⸗
ſicht fogten, fie ſelbſt fei theilweife fo verbarben, daß hie Res
formatien.nnicht länger. verfchoben werben bürfe. Allein Peter
von Aully, jegt mehr Cardinal ald Refosmator, gab den Bor
wurf zuruͤck; was denn dad fir Bette wären, bie ben Klerus
xeformiren wollten und ihre eigenen Laſter verſchwiegen? Alle
Gefahr des Verzögerung ber Wahl wurde jegt auf die teutfche
Netion gemarfen unb fogar ber Verdacht wicleſiſcher und huſ⸗
ſiſcher Keherei ausgefprochen.
Auf dieſes uͤbergaben die Teutſchen folgende Proteſtation
an bad Contilium. „She fodert, wie eure Vorgänger (zu Piſa),
übereilt und in verkehrter Ordnung zur Wahl eines oberflen
Biſchofs unter andern auch die, ‚wie wir hoffen, gottesfuͤrch⸗
tige, duldſame und befcheibene germanifche Nation anf, eine
Nation welche bucch Sottes Gnade nicht unmächtig iſt, fons
den auſſer dem Kaiſerthum acht Königseiche (mit Einfchluß
der ſcandinaviſchen und flavifchen), viele Herzögthümer, Mars .
gravſchaften, Herr⸗ und Gravfchaften enthält. Ihr fehet in
der Verzögerung einer folhen Wahl wer weiß was für Ges
fahren und beſchuldiget und ketzeriſcher und fchifmatifcher Ges
ſimumgen. Bu dieſen Befchuldigungen könnten wir aus Liebe
zum Frieden wohl fchweigen; auch wird Niemand glauben,
daß unfere Nation ihres Namens fo fehr vergeffen werde, um
nicht alle ihre Kräfte zu Herflellung bes Kirchenfriebens aufs
zubieten. Wir brauchen uns kaum darauf zu berufen, daß
die Nationen ſchon zwei Jahre ohne Papf auf
bem Concilium fih zufammengetban haben, obne
daß iegend eine Gefahr dabei entſtanden' wäre.
Vielmehr bringt die Natur des Sache mit fih, baß in der
Überellung der Wahl neue Gefahr liege: denn da von bem
Verderbniß der öffentlichen Bitten ber Geiſtlichkeit und von
den zwiſtigen Papflwahlen alle Spaltung und Entartung ber
’
408 Bud UL Erſter Zeitraum Abſchnitt 3.
Kirche entflanden ift, fo muß vor allen Dingen und nach ben
. bereitö gefchehenen. Erflärungen eine Reformation in Haupt
und Gliedern vorauögehen, auf welche erſt die fünftige Papii-
wahl :gegrünbet werden Tann”.
Diefe Proteflation war dad Lehte was die Teutſchen
1417 thun konnten. Nach dem Tode des verdienten Biſchofs von
Sept. Salisbury, Robert Halam, traten auch die Engländer über.
—
Nun Hand die teutſche Nation allein gegen die vier ‚anbeem,
welche, wie fie. von fich ſelbſt ſagten, den beſſern und zahlrei⸗
chern Theil des Concilium ausmachten. Endlich ‚gelang es
den Cardinaͤlen auch einzelne teutſche Biſchoͤfe herumzubringen,
namentlich den Erzbiſchof von Riga, Johann von Wallenrode,
der mit dem Teutſchorden, und den Biſchof von Chur, Jo⸗
hann Abaudi, der mit dem Herzog Friedrich von Öfterreich
im Krieg war; gegen das Verfprechen, auf andese Bisthinner
verfegt zu werden, traten fie Über. Die Übrigen fingen auch
an, zu wanken, und ba num ber Kalfer fich verlaſſen ſah, gab
er endlich feine Buffimmung zur Papfiwahl, jedoch nad dem
Wunſche der Nation nun. fomweit, daß die Reformation fogleich
nach der Wahl ‚gefchehen müfle,. ehe ber neue Papft fein Amt
eigentlich anträte. Die Kranzofen, um zu bewveifen, wie-senfl-
lich e& ihnen um die Reformation zu thun ſei, vetſcrachen
mit den Zeutfchen gemeinfhaftliche. Sache zu machen, : wern
ber neue Papfk wider Vermuthen Hinderniffe machen follte,
oder ihn gar abzufegen. So warb denn auf Antsag ber teut⸗
fchen Nation befchloften hen Papft in Eid und Pflicht zu neh
men, daß er Coſtanz nicht eher verlaffen noch das Concilium
aufheben wolle, bis bie Reformation vollendet fein wuͤrbe;
ferner, baß in Zukunft alle zehn Jahre, das naͤchſte Mal aber
ſchon nach fünf Jahren ein allgemeines Goncilium. gehalten
werden folle, und baß bei entflehendem Schiſma fogleuh ein
ſolches ausgeſchrieben, Eeiner ber. Segenpäpfte aber babei zu⸗
gelaffen werben folle. Auch fertigte bie Verfammlung ſogleich
18 Artikel. aus, nach welchen ber neue Papft den römiichen Hof
‚uud bie Kirche (Haupt und Glieber) fofort reformiren falle.
‚. Um nu einmal zur Wahl zu kommen, lieſſen füch bie
Gardindle einen Zufat von 30 Abgeorbneten aus den Natis⸗
nen gefallen; das -Ganclave warb im einem Kaufhauſe zu Go
j
—— Coſtanzer Kirchenverfammlung. 409
Ranz eingerichtet... Da aber jebe Nation aus ihrer Mitte waͤh⸗
len wollte, fah -man- bald ein, daß diefes nicht zum Ziele fuͤh⸗
sen wohrde,:und die Teutfeher:-gaben darin zuerfl nach, daß bie
Wahl dem Cardinals⸗Collegium bleiben folle. Dieſes wählte
dann den Sardinal ·Otto de Colonna, aus einem der erflen
roͤmiſchen Häufer,; der ‘dem Heiligen. bes Tags zu Ehren den
Namen Martin V. annahm. Gear. einer der Letzten ges
weſen die bei Dohanı XXIII. ausgehalten, hatte aber bisher
in ben. Verhandlungen fo viele Mäßigung und Freifinn bewies
fen, datz man fich alles Gute vow ihm verſprach. Sigmund
vergaß ſich in ber Freude ſo weit, daß er ſelbſt in's Conclave
eilte und dem neuen Papſt kniefaͤlig den Fuß kliffte! Bei
der Kroͤnungsfeierlichkeit, da Maͤrtin mit ungemeſſenem Ges
praͤnge und Gefolge durch die Stadt zog, fuͤhrte ex deſſen
Pferd Fuß am Baum uud‘ hleit in der andern: Hand einen
Stab („Bergel”), um dem Zudrange des Volles zu wehren.
Viele fromme Lente aber meinten, St. Peter wäre nicht alfo . , .
gekrönt — auch ibm sein ——— Kaiſer ſein
RoB gefühl! :-
Den Tag. nad ber gebnang Heß Martin V. dunch den 1417
Cardinal von Oftia, Johann von Brogni, feine Canzleiregeln 22. Rov.
ausfertigen; ber auch ‚die ſeines Vorgaͤngers abgefaſſt hatte.
In dieſen wurden: faft alle bisherigen Misbraͤuche an Reſer⸗
vationen, Erpectationen ꝛc. nicht nur beibehalten ſondern zum
Theil noch. weiter ausgedehnt. Da'man nun ſchon fah, mit
wen man zu thun habe, ſo fäumten die fünf Nationen nicht
dad Reformationswerk zu betreiben. Martin bezeugte fich
febe bereitwillig unb verlangte von ihnen einige Abgeord⸗
nete zu den ſechs von ihm niebergefegten Eardinälen. - Diefe
nahmen bie fchon entworfenen 18 Artikel vor. Bald zerfielen
aber die Cardinaͤle mit einzelnen Abgeorbneten unb fanden
Vorwaͤnde genug bie Sache gu verzögern. Endlich wurden
auch die Nationen unter fich felbft uneinig,. da die eine mehr,
die andere weniger Befchränkungen ‚machen wollte. Deſſen
wurden dann bie Branzofen zuerft überbrüffig und baten den
Kaifer die Sache bei dem Papſte zu betreiben. Er aber gab
zur Antwort: „Da Wir vorhin die Reformation vor der Papfb
wahl haben wollten, waret ihr anderer Meinung und wollte '
4410 Bud UL Erfer Zeitraum. Abſchnitt 3.
erft einen Papft haben. Seht, um habt ihr einen; gebt zu
ihm, Wir haben jest bei der Sache nicht fo viel zu thun, ald
da der Stuhl ledig ıfland”. Die teutfche Nation übergab bem
Dapft noch einen befondern Plan: über die 18 Artikel, welche
_ eigentlich eben fo viele Befchwerben waren über bie feit einem
Sahrhundert aufgefommenen Anmaßungen und Bedrückungen
der xömifchen Curie. Nach zwei Monaten erließ der Papfl
einen Verbefierungsentwurf zur naͤhern Pruͤhmg md Annahme.
Cr ging allerdings auf jede Beſchwerde ein, nur den achten
Artikel von der päpftlichen: Ganglei ließ er unberührt; etliche
unbedeutende gab er ganz zu, ‚bei andern that er als ob Etwas
verbefiert würde; bei ben ſchreiendſten und druͤckendſten aber
erHlätte er geradezu, deß bie Umſtaͤnde noch feine Auberung
zulieffen. Nach diefem ſtellte er fich als ob er bie Gegen⸗
bemerkungen nicht hörte, und da er fhon bie Uneinigkeit ber
1418 Nationen gefehn hatte, fo ergriff er fchnell das Mittel mit
20. Bebr jeder befondere Goncordate zu. ſchlieſſen. Die.teutfche erhielt
. 41 Artikel: darin verfprach ex unter aubern nur’ im Allgemei⸗
nen, bie Gardindie, deren nicht über 24 fein ſollten, koͤnn⸗
ten aus allen Theilen der - Shrifienbeit-:gewählt werben.
(Lange Zeit war Fein Zeutiher im Collegium; deſto mehr aber
Sranzofen. Konnte man barüber Fein befiimmteres Berfpre
chen erhalten?) Die Biſchofswahlen wollte der Papft freilaſ⸗
fen, wofern er nicht aus gegründeten und einleuchtenden Us
fachen mit Rath der Cardinaͤle einen würdigen und tächtigern
zu fegen für gut finden würde; und fo durch bad Ganze. Die
31. Teutſchen nahmen das Goncorbat an. Die Böhmen wur
22. Gebr. pen mit dem Bann bedroht, wenn fie nicht von der Ketzerei
- ablieffen. Das englifche Concordat bat noch weniger zu
bebeuten. Die Franzoſen erhielten beffere Bedingungen als
die Zeutfchen, doch verwarf das Parlament zu . Paris bad
Ganze. Die Spanier waren eben fo wenig-zufrieden. Won
ber italienifchen wird Nichts gefagt. Sie betuachtete im;
“ mer bie Kirchenverfaffung als eine Erfinduig, von ber fie
den Nutzen zöge. Im Abfiht der übrigen Gegenflänbe feines
21. Mirz Entwurfs erließ Martin V. noch zum Schluffe fieben De
crete, die einer Verbeflerung gleich fehen ſollten, in ber Thai
aber fehr geringfügig waren; er ließ. fie aber auch nicht als
Coftanzer Kichenverfammiung :-- 411
Synodalſchluͤſſe fonbern ale päpftäe Verordnungen und Cons |
flitutionen verkünden. -
Dies in befonberer Beriehung uf Teutſchland der Ver⸗
Lauf der großen Kirchenverſammlung zu Coſtanz in vierthalb
Jahren. Wie groß ſtanden bie Sachen im Anfange und wie -
bat am Ende Alles wieder umgeichlagen! Das lange Beihnies
Dergetzeteie Kaiſerthum erhob fi durch einen Zufammenfluß
von günftigen Umflänben. zur glängendfin Wiedetausubung
ber Schirmherrlichkeit über die Kirche. Die teutſche Nation
wurbe auch in kirchlicher Hinficht als Mittelpundt ber abends
laͤndiſchen Chriſtenheit betrachtet. Aber wie wenig faffte Sigs
mund die Bedeutung feiner Winde! Ex freute ſich Johann
XXI. und feine Garbindie.überlifet zu haben, inbem ex fie
nach Tentfchland brachte. Die framzoͤſiſchen Doctoren erhiels
ten, indem nationalweife geßhnmt wurbe, das - Übergewicht
über die italienifchen. Das alte Kirchenrecht fiegte über bie
päpftlihen Decretalen. Die Kirchenverfammlung behauptete
fich über den Papftz aber zugleich ging in Abficht der Lehre
das Bannrecht auf fie über und muſſte dem Parteihaß ber
Gelehrten zum Vorwand dienen. Huß wurbe verfegert, weil
er auf anderem Wege ald die franzöfifchen Doctoren zu gleis
er Uberzeugung gefommen war. Die teutfche Nation ver
ließ die Böhmen, ob fie gleich zu ihr gezählt wurden. Gig»
mund ließ fich über feinen zweiten Betrug, den Geleitsbruch
an Huf, von der Kirchenverfanmlung in ihrer Art rechtfertis
gen; aber wer hieß ihn denn am feiner Verurtheilung perſoͤn⸗
Tichen Antheil nehmen? Kircheneinheit war das Einzige was
diefe Synode zu Stande brachte. Zuletzt aber Fam die Reihe
doc wieder an die Italicher die Andern zu überliften. Ein
Fremd des abgefegten Papfles Fam an feine Stelle. Was an:
fänglih auf den Sturz der päpfllichen Partei berechnet war,
die Abflimmung der Nationen, das verftand er bald zurückzu⸗
geben, indem er fie trennte, Die teutfche hat am laͤngſten
widerfianden, dann aber auch am meiſten nachgegeben.
Rach den gebachten fhmählichen Abfertigungen ergriff 1418
Martin den Vorwand einer entfiehenden Seuche und brach fo
ſchnell als er Eonnte von Coflanz auf, mit Verweifung auf 16, Mai.
dad naͤchſte Concilium. Nicht ein Laut von Unzufriedenheit
—
|
42 Bud. III. Erſter Beitcaum Abſchnitt 3.
ließ ſich jet mehr hören,. ſo. ſehr Hatte. er in Seit eines hal
ben Jahres durch Vorfchläge, Hinhalten, vereinzelte Verhand⸗
Lungen Alles zu trennen und zu’ lähmen veiflanden. Alle
heile begtüdmänfchten fih, als ob die Sachen aufs herr:
lichfte ausgeführt wären. Ben Mitgliebern ber Synode gab
ber Papfi. Ablaß; dem Kaifer wies er für ſeine Kofler den
Zehnten von allen geiſtlichen Ginkänften in Zrutjchland an,
ohne zu: - fragen, ob nicht Dagegen proteſtirt werben wirbe.
Mit befonderd guädigen Ausdruͤcken dankte der Kaifer ber Kir-
chenverſammlung für den bewieſenen behardichen Gifer. Zu⸗
legt fragte .er noch treuherzig den Papfl, ob er nicht eine
teutfche Stadt zum Wohnfitz wählen wollte. Ebenfo fchlugen
bie Franzoſen wieder Avignon 'nor. Martin aber.eiite in fein
Rom, herzlich froh und nicht abtiend, daß bie Folgen einer
fo erbaͤrwlichen Politik en lange außbleiben wärben ').
13. Die Kriege und andere’ —5 Veränderungen
zur Zeit der. coflangen Sirchenperfammlung-
Folgen des oſterreichiſchen Kriegs. K. Sigmund
verkauft den ſchweizeriſchen Eidgenoſſen die zum
Reich eroberte habsburgiſche Stammherrſchaft
und empfängt auch Geld für H. Friedrichs Wie:
derbelehnung mit den übrigen Landen; er verpfän-
bet ferner die [hwäbifhen Landvogteien und an:
dere Reihögüter und Redte, und verkauft den
Lübedern zwei verſchiedene Rechtsſpruͤche. Er ver
kauft fein Kurfürftenthum Brandenburg au ben
Burggraven Friedrich von Nürnberg (Hobenzol:
lern). Markgrav Kriebrih der Streitbare von
Meiffen wird mit der Kur Sachſen belehnt. Der
DUIIMERErIES AufBEnD gegen bie Kirchenverſamm⸗
1) Über das Ganze ſ. Schroͤckhe gircheigeſch Bh. 89, S1., 3
Pland Geſch. des Papſtthums Bo. 3. Eichhorn Staata⸗u. Rechts
Geſchichte. 8. 205. 406. Über Böhmen Pelzel u. Gebhardi a. a. O.
über das Örtliche auſſer den im Text angefährten Schriften Geſchichtt
von Schwaben IV.
Politiſche Begebenheiten zur Zelt ber coftanzer Spnobe. 413
Iung und den römifhen König Sigmund. Wenzs
laws Zob. Fortgefegter Aufftand "gegen Gigs
mund ald Erbkoͤnig von Boͤhmen. Die 4 prager
Artikel; die 12 Artitei der Zaboriten. Sigmunds
zweiter Feldzug. Er überldäfft Mähren feinem
Eidam, H. Albredt von Öfterreih. Der Reichs⸗
krieg. Die erſte Matrikel. Nach Zizkas Tod vier
huſſitiſche. Parteien; deren ſchreckkliche Berheerun—⸗
gen in den unbeſchützten teutſchen Provinzen wähs
rend des Türkenkriegs in Ungern. Erſter Haupts
zug gegen die Huffiten. Vorſchlag einer Kriegs
fieuer, „gemeiner Pfenning”. Landfriedendvers
bandlungen. Zweiter Hauptzug. Üble Lage des
Zeutfhordens in Preuffen. bei Diefem Krieg. Er⸗
nenerte Bereinigung bed Ordens mit ber gleich
falls im Sinten begriffemen Hanfe.
Ein Länberfrieg und ein Meligionskrieg waren unmitlelbare
Folge der coflanzer Kirchenverfammlung; beide, wie einige ans
dere Beränderungen, batten noch befonbere Urfachen in &. Sig
munds hinterliſtiger Schwaͤche.
| Herzog Fried rich büßte feinen Ungehorfam gegen ben 1415
Kaifer, wegen feiner Entwürfe gegen dad Goncilium und wes
gen Bedrückung anderer Stände, mit dem Berlufte der habs:
burgifhen Stammberrfchaft, wie fchon oben berährt worben.
Die Sache ging auf folgende Weife zu. Es waren eben hun⸗
dert Jahre feit der Schlacht bei Morgarten verflofien, als die
ſchweizeriſchen Eidgenofjen auf K. Sigmunds Befehl den funf
Ngiährigen Brieden, den fie kaum drei Jahre zuvor mit ſter⸗
reich geſchloſſen, brachen; in einem Reichskriege, ſprach Sig⸗
mund, ſeien ſie ſchuldig, als Glieder des Reichs, ihm Bei⸗
ſtand zu leiſten, weil in allen Vertraͤgen und Bimdniſſen Kai⸗
fer und Reich ausgenommen werben müſſten. Um fie noch
mehr zum Kriege aufzumuntern, verfprach er ihnen den ewigen
Lehenbefig aller Länder, welche fie dem Herzog entreiſſen wiır>
den; die vier. Waldftätte, fowie Zug und Glaris, befreite er
noch überdies von allen Verpflichtungen gegen Öfterreich und
eignete ihnen Alles was fie von biefem Hauſe pfanbweife
414 Bub UL Erfer Zeitraum. Abſchnitt 3.
inne hatten. Run erhoben fie ſchnell ihre furchtbaren Maf
fen. Bem nahm zuerfl den wohlgelegenen Aargau ein; Hab bs
burg, des Haufes ehrwuͤrdiger Stammſitz, fiel in Schutt usb
Trümmer unb wurde nicht mehr aufgebaut. Lucern eroberte
Surfee und einige andere Orte. Zürich nahm Mellingen und
Bremgarten unb belagerte Baden. Während ſchon zwifchen
Sigmund und Friedrich verhandelt wurde, brachen die fieben
Orte das fehle Schloß Stein, wo bie Urkunden bed Haufe:
verwahrt lagen.
Als Herzog Friedrich nun bei der Unterwerfung alle feine
Lande in des Kaiferd Hand übergab und biefer die Hulbigung
einnehmen ließ, waren bie meiflen dazu bereitwillig, aufler
ven oͤſterreichiſchen Städten in Schwaben, welche größtentheils
erſt feit Rubolf I. erworben waren. Schaffbaufen, Radolf⸗
zel, Diefenhofen, Neuburg, Breifach u. a., zum Theil vom
Meich an Öfterreich verpfändet, kauften fih an das Reich
(dur Erlegung bes Pfandſchillings). Auch was die Eidge⸗
noffen eingenommen: hatten, wollte Sigmund jest an fich gie
ben; er that es aber nur um Gelb zu der Reife nach Nar⸗
4415 bonne zu erhalten. Denn als fie ihn an fein erſtes Verſpre⸗
22. Zul. chen erinnerten, überließ er den eroberten Aargau an Bern
um 5000 fl. Den Zuͤrichern trat er für 4500 fl. ab, was fie
im Thurgau eingenommen hatten, und verfpradh ed nur mit
ihrem Willen und um 6000 fl. über den Pfandfchilling wieber
zu loͤſen. Mit feiner Erlaubniß traten die andern Orte, aufs
fer Bern und Urt, in die Mitherrfchaft von Mellingen und
Bremgarten; ben Lucernern aber wurde für ihre Anfpriche
Surfee überlaffen. Sigmund wollte auh Zirol unb die vor
aribergifchen Hertfchaften mit dem Reich vereinigen. Allein.
hier trat ihm entgegen Herzog Ernſt, der Giferne genannt,
und nahm die Lande in Beſitz, man wuſſte nicht, ob mit ober
wider Willen feines Bruders Friedrich.
4416 Waͤhrend Sigmunds Reife folte Friedrich zu Coſtanz als
Geiſel bleiben bis Ausſstrag ber ganzen Sache. Da ihm aber
bie Beit gar zu lang wurde und feine Feinde, beſonders bie
Biſchoͤfe von Trient und Briren, ihm zufebten, auch überall
Schmach und Verachtung ihm begegneten, brach er feinen Eid
und eilte nach Zirol. Darüber wurde der Kaifer bei feiner
Polltiſche Begebenheiten zur Zeit ber coſtanzer Synode. 415
Zuruͤckkunft ſehr unwillig und wollte ihn noch einmal angrei⸗ 1417
fen. Die Kirchenverfammlung ſprach aufs neue den Bann Apr.
über ihn aus. Nun kam H. Ernft mit einem flattlichen Ges
folge nach Coſtanz und machte dem Kaifer Vorwürfe, daß er
bie herrlicher Landſchaften Aargau, Thurgau, Baden nebſt
Lenzburg „den Bauern” um ein ſchnoͤdes Gelb überlaſſen.
Sigmund verfprach gütlihe Verhandlung, fuhr aber immer
noch fort von den eingenommenens Landen zu veräuffern. Feld⸗
kirch, das mit einer großen Steinfchleuber gebrochen werben,
tıberließ ex dem Graven Friedrich von Zoggenburg. Der Stadt 26. Mai.
Coftanz verlieh er fir 1600 fl., welche ex daſelbſt fchulbig ges
worden, Landgeriht, Blutbann und Wildbahn im Thurgau,
nebſt der Vogtei Frauenfeld. Kiburg gab er denen von Zuͤ⸗
rich zum Eigenthum für eine Summe Geldes. Der Stabt
Bafel ließ er ebenfalls die von ihr eingenommenen Städte
und Schloͤſſer ‚anbieten; fie nahm diefelben aber nicht an. Ends
lich hielt er ein Lehengericht zu Coſtanz kurz vor dem Schluffe —
des Concilium. Dieſes ſprach: „alle Lehen und Pfandſchaf⸗ Vebr.
ten des Herzogs ſeien nach den ergangenen Urtheilen recht und
redlich an das Reich verfallen und ſollen von Allen die fie
inne habın in beſtinmter Frift zu Lehen empfangen werben.
Nach diefem Spruh warb H. Friedrich wiederholt um
eine gätliche Richtung. Er Fam mit Sigmund zu Mördburg
zufammen. Im Bolge mehrerer Tagſatzungen wurde am Schluß
das Epneiltum. gethädigt: H. Friedrich folle dem Biſchof von 2. Mai.
Zrient und andern, was er ihnen entzogen, wieber berftellen.
Bon feinen an dad Reich Kbergebenen Landen dinfe er Elſaß,
Suntgau und Breisgau wieder einlöfen, dagegen möüffe er
aber auf ewige Zeiten entfagen dem was bie ſchweizeriſchen
Eidgenoffen eingenommen und was an das Reich gebracht
worden. Den übrigen Städten und Burgen, welchen ber
Kaifer bereits Gnadenbriefe gegeben ober die er verkauft, fol
es frei fliehen beim Reiche zu bleiben oder umter Öfterreich
zurüdzutreten. Endlich folle dee Herzog mit feinen Würben
und Lehen wieder belehnt werben und dem Kaiſer 70,000 fi.
bezahlen. 8 die Belehnung geſchehen war und ber Papft
auch ven Bann aufgehoben hatte, gab ber Kaifer der Ges
mahlin Friedrichs, geborner Herzogin von Braunfchweig, „eis
46 Bud IM, Erſter Beittaum. Abſchnitt 3.
ner gar fehönen, bleihen Frau“, Enflöheim und die andern
Städte als ihre Morgengabe zurüd. Auſſer Schaffhaufen und
Ratolfzell traten die übrigen Städte und Landfchaften wieder
unter Öfterreih ').
. Eine folche uneble Rache nahm K. Sigmund an H. Fried⸗
rich von Öſterreich; fie wird noch umebler dadurch, daß er
zugleich feine Geldverlegenheit zu decken ſuchte. Da er übe:
haupt kein Haushälter war und vom Reich wenig Einkünfte
batte, auch zu dem Aufenthalt in Coftanz mit großem Ge
folge und zu den langen Verhandlungen mit den Spaniem
ſich nicht verjehen batte, fo war ed ihm recht erwuͤnſcht, wenn
ihm Etwas in die Haͤnde fiel, was mit einigem Schein ver
‚ Auffert, werben konnte. Schon zu Anfang des Concilium war
er ſchuldig und muflte aufnehmen. Er verpfändete deshalb
bie große Reichövogtei in Ober» und Nieber-Schwaben dem
Zruchfeß Johann von Waldburg für 6000 fl., ungeachtet
er kaum zwei Jahre zuvor beim Regierungsantritt ben Staͤd⸗
/
ten die gewöhnliche Verfiherung der Unveräufferlichkeit
gegeben hatte. Dabei. verfchrieb ex noch einzelne Städtefteuern,
namentlich die von Ulm an Konrad von Weinfperg, der ihm
zu der Behrung in Coſtanz 10,000 fl. gelichen hatte. Auf
gleiche Weife verfchrieb er bie rheinifchen und elſaͤſſiſchen
Staͤdte. Da ſich die Staͤdte gegen ſolche Verpfaͤndungen wie⸗
der mit einander verbanden, ſo ergriff er einen andern Weg
und ertheilte ihnen in Abſicht ihrer innern Rechte viele Gna⸗
denbriefe; er befreite von auswaͤrtigen Gerichten, Zoͤllen, ver-
lieh ihnen den Blutbann, das Recht Ungeld aufzulegen x.
Das Alles warf wieber Gelb für die Laiferlihe Kammer ab.
Auf die geiftlichen Zehnten, welche ihm ber Papſt zu einiger
Entihädigung anwied, waren ſchon Schulden gemacht; er
muffte einen Theil berfelben an den Markgraven Bernhard
von Baden abtreten). Auch dad Recht felbft ober feine
Mechtsfprüche verkaufte Sigmund, wie es ihm gerabe be
liebte. In ber oben gedachten Streitfache ber enbeden die
1) Rad Tſchudi und älter a. a. O. Ben Geſchichte von
Schwaben IV, 310 ff. .
. Geſch. von Schwaben IV, 397 ff: —
Politiſche Begebenheiten zur Zeit ber coſtanzer Spnode. 417
zu Coflanz vorgebracht wurde, entfchieb er zuerſt für ben vers 1415
triebenen Rath. Als die Abgeordneten bed neuen Raths
25,000 fl. erlegten, nahm ex bad Urtheil wieder zuruͤck, behielt
fih aber vor auf den Fall, daß er das vorgefchoffene Gelb
zuruͤkbezahlen würde, das Urtheil noch einmal zu reformiren.
Nun wolte der alte Rath mit Beiflanb des K. Erih von
Dänemark das Geld fchaffen, Die Stadt Iehnte ed aber ab.
Gie gab erfi nah, als K. Eric 400 Kübeder beim Herings⸗
fang in Schoonen fing. Sigmund fandte Commiffarien, die
fi vor Allem 16,000 fl. bezahlen liefien; bann wurbe mit
Beziehung mehrerer banfeatifcher Städte endlich ein Vergleich 1416
zu Stande gebracht, nach Hinrichtung der Infurgentenhäupter dvun.
die alte Verfaſſung bergeflellt und der alte Rath wieder eins
gefeßt, der jedoch von nun an größere Maͤßigung zeigte ?). -
Nicht nur viele Reichs rechte und Güter wurden von
8. Sigmund in feinen Gelbverlegenheiten verpfändet und vers
fauft, ſondern er griff auch feine eigenen Erbländer an.
Daß er die Neumarkt an den Zeutfchorben verpfänbet, ift
früher fchon berührt worden. Unter den Fürften, welche ibm
in den wichtigfteh' Gefchäften fletd zur Hand waren, ſteht ber
Burggrav Friedrich von Nürnberg oben an, zugleich im
Befige guter Gelbmittel. Schon vor ber römifchen Koͤnigswahl 1411
verfchrieb Sigmund demfelben, wegen feiner geleifteten Dienfte 8. Sal.
und vorgefchoffenen Gelbfummen, bie Mart Brandenburg
fir 100,000 Ducaten und beftellte ihn zum Statthalter der
felben, mit Vorbehalt der Kurwuͤrde. Vor der Reife nach 1415,
Spanien lieh ihm Friedrich wieder 300,000 Ducaten. Nun
verkaufte ihm Sigmund für das ganze Capital von 400,000
Ducaten die Mark nebft der Kurwuͤrde auf Wiederlöfung und 30. Apr.
brachte auch die Einwilligung feines Bruders und der Kur⸗
fürften bei. Die Herzoge von Öflerreich hätten vermöge ber
Erbverbrüderung Einrede thun koͤnnen; aber fie waren getheilt.
H. Friedrich von der tiroler Linie, durch Sigmunb bereits im
Gedränge, vermochte nicht mehr gegen ihn aufzulommen; fein
Bruder Ernft der Eiferne, von der fleiermärker Linie, war für
ſich allein nicht mächtig genug.. Herzog Albrecht von der oͤſter⸗
1) Sartorius Gel. d. banf. Bundes II, 224 ff.
Pfiſter Geſchichte d. Teutſchen II, 27
418 Buch II. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 3.
reichifchen Linie fland mit Sigmund in freundfehaftlichen Ber:
haͤltniſſen, bie bald eine fir ihn günflige Verbindung herbei:
führten. fo veräufferte Sigmund, während er die habsbur⸗
gifhen Stammlande den Schweizern in die Hände fpielte,
von feinen eigenen Erblanden ein ganzed Kurfürftentfum, dei:
fen Erwerbung feinem Vater nicht wenig Mühe gekoftet hatte.
Die beiden Kaifer, Ludwig der Baier und Karl IV., wollen
jeber mit Brandenburg bie Macht ihres Haufed vermeh-
en; beide haben fich verrechnet. Ein drittes Hand trat durch
Sigmunds Verguͤnſtigung in bleibenden Befitz. Der Burg
grav Friedrich, aus dem Haufe Hohenzollern, hat den
Ruhm die Macht dieſes Haufeb gegründet zu haben. Er ver
1427 kaufte bagegen die Burggravſchaft Nürnberg, doch mit Vor:
behalt verfchiedener Güter und Rechte, aus welden in de
Bolge mit den übrigen fränfifchen Beſitzungen wieder ein Für:
ſtenthum (Ansbach und Baireuth) errichtet wurde. Diefer
Friedrich war kaum ein Paar Jahre im Beſitz von Bran⸗
denburg, fo machte er auch Anſpruüche auf das erledigte Kur:
1422 fürftentbum Sachſen für feinen Sohn Johann, ber mit
der Schwefter des leätverflorbenen Kurfürften Albrechts III. ver
maͤhlt war, mit welchem die wittenbergifche Linie de
afcanifchen Haufed. erlofch. Die männliche Linie von Lauen⸗
burg hatte offenbar ein näheres Recht: fie führte die ſaͤchfi⸗
ſche Kurflimme gemeinfchaftlih mit Wittenberg, bis fie durch
Kari IV. davon audgefchloffen wurde. Allein Friebrich der
Streitbare, Markgrav von Meiffen, kam den beide
Bewerbern zuvor. Sein Geſandter gewann zuerft den K. Sig:
mund zu Preßburg. Da er demfelben bereitd gegen bie auf
geftandenen Böhmen die wichtigften Dienfte geleiftet hatte, fo
erhielt er die Zufage der Belehnung, wiewohl Friedrich von
1423 Brandenburg ſchon den Kurkreis befebt hatte. Die dagegen
6. Ian. erhobenen Widerfprüche, befonders von Seiten des Herzogs
Erich von Sachfensfauenburg, zogen die Sache zwar mehrere
Jahre in die Länge, doc kam Friedrich der Streitbare
in den wirflihen Beſitz. Er bezahlte dem Kurfürflen von
Brandenburg für feine Anfprüche eine Geldſumme von 10,000
235. Febr. Schod boͤhmiſchen Groſchen. Herzog Erich Tonnte mit allen
feinen Gegenbemühungen nicht auflommen. As er enblih
Politiſche Begebenheiten zur Zeit ber coflanzer Synode. 419
farb, ließ fein BRruder und Nachfolger Bernhard die Sache 1435
auf fich beruhen '). j
Da die Begünftigung des meifinifchen Friedrich mit dem -
böhmifchen Krieg im Zufammenhange fteht, fo kann man bie
Beränderung mit bem Beſitze bes Kurfuͤrſtenthums Sachien
fowie die Veräufferung bed brandenburgifchen Kurfürftentbums
zu ben mittelbaren Folgen ber coflanzer Kischenverfammlung
zählen ober ald Folge ber Verlegenheiten Sigmunds, in bie
ihn jene gebracht hatte, Doch die größte unmittelbare Folge
ift ver Huffitentrieg felbf. Der oben erzählte äfterreichis
ſche Krieg ging in kurzer Zeit vorüber; der Aufſtand dev Boͤh⸗
men: bauerte fiebzehn Jahre, nahm Sigmunds und des gan⸗
zen Reichs Widerſtand in Anfpruch und greift noch in das
nächfle Concilium zu Bafel ein; daher der Verlauf erft bier
im Zufammenhange vorgelegt werben Tann.
Nach der Proteflation, welche die böhmifchen und maͤhri⸗
ſchen Zandherren nach Coſtanz gefchidt hatten, fafiten fie einen
Landtagsbeſchluß: daß jeder auf feinen Gütern das Wort Got⸗ *
tes unverfaͤlſcht lehren laſſen koͤnne?), daß kein Prieſter aus⸗
laͤndiſche Bannbriefe annehmen oder vollziehen duͤrfe, und daß
auch die Bilchöfe ohne ihre Genehmigung Fein Interbict aus⸗
forechen follten; bie theologifche Zacultät zu Prag follte als
kein das Recht haben, bie Lehren ihrer Prediger zu beurtheis
len. Dabei. verfprachen fie einander zu ſchuͤtzen. Das Volk
fing bereitö an bie Mönche und bie Geifilichen, welche den
Kelch im Abendmahl verweigerten, gu midhandeln. K. Wenz⸗
law, „anfänglich den Huffiten günflig, wurde bei ihren Bewe⸗
gungen miötrauifch, weil er Feinerlei Macht oder Mittel befaß
die Unruhen niederzufchlagen. Niklas, Grundherr von Huf
finecz, brannte vor Eifer den Tod feines Freundes Johann
zu rächen und beffen Lehre zu vertheidigen. Von einem Haus
fen Volks begleitet begehrte er vom 8. Wenzlaw Einraͤumung
1) Über Brandenburg |. das Nähere bei Heinrich, Reichsgeſch.
IV. 184 ff.; über Sachſen, ebend. 258 ff.
2) Die böhmifhen Landherren behaupten alfo hier bereits das
Recht, das bie teutfchen Fürften ein Jahrhundert fpäter bei der wirk⸗
lichen Kicchenverbefferung als Attribut ber Landeshoheit aufftellen.
27*
“40 Buch I. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 3.
größerer Kirchen. Wenzlaw verſprach Antwort, ließ aber dem
Niklas mit dem Strange drohen wenn, er nicht ruhig waͤre,
1417 und verwies ihn aus Prag. Nun verfammelten ſich die Huf:
Apr. fiten auf dem Berge Hrabiftie, den fie Zabor nannten, um
den Gottesdienft nach ihrer Weiſe zu halten. Schon fürdhtete
\ Wenzlaw durch Niklas von Huffinecz vom Thron geflürzt zu
1418 werden. Als Martins V. Ketzerbulle erfchien, wurden auch die
Febr. Prager fo trogig, daß fie feierlichen Umgang mit dem Kelch
hielten. Wenzlaws Verbot machte fie noch trogiger: fie wähl:
ten Zizka (Schiſchka) von Trocznomw zum Anführer, einen
vormaligen Eimiglichen Hofbeamten, der in ber Schlacht bei
Zannenberg unter den Hülfsvölfern des Königs von Polen
gegen bie teutfchen Ritter gefochten und, obgleich einäugig,
durch Xapferkeit, Kriegserfahrung und Entfchloffenheit bald
über alle Heerführer diefer Zeit firh erhob ). Als fie die Her
ausgabe einiger Gefangenen verlangten, von dem neuſtaͤdter
Rathhaus aber mit Steinen geworfen wurben, flürmten fie
1419 daſſelbe und warfen 13 Räthe nebſt dem Stabdtrichter durch
Sub die Senfter in die Spieffe des unten fiehenden Volkes. Daf-
felbe geſchah faft zu gleicher Zeit zu Breflau.
Als Wenzlaw bie erftere Gräuelthat vernahm, gerieth et
vor Born faft auffer ſich; er ſchwur allen Huffiten den Unteo
gang und bat feinen Bruder eiligft um Hülfe. Nach einigen
Tagen baten die Prager um Gnade; er verzieh ihnen, ſtarb
16, Aug. aber an den Folgen des Schlaganfalles im 59ften Jahre fer
nes Alters auf dem neuen Schloffe Cunratitz. Da er ohne
Kinder war, fielen bie fämmtlichen Erblande Böhmen, Mi
ven, Schlefien, Raufig an feinen Bruder Sigmund, der noch
allein vom Iuremburgifchen Haufe übrig war und eine einzige
Zochter hatte 2). Aber die Huſſiten wollten Nichts von Sig:
1) Näheres über 4 Gebhardi Geſchichte bes Ric Böhmen
(Kg. Welth. LII.) UI, |
2) Bis hierher — a. a. D. Die gleichzeitigen Hauptquellen
des Huſſitenkriegs find: Laur. Byzynii Diar. bell. Huss. in de Lu-
dewig Relig. Msc. T. VI. Theobald. bell. Huss. (Francof. 1621).
Aen. Sylvii Hist. Boh. Eberhard Winded Leben K. Sigmund.
Balbini Epit. Rer. Boh.— Gpätere: Lenfant Hist. de la Guerre
des Hussites etc, Schroͤckh Kirchengeſch. Bd. 84.
Politiſche Begebenheiten zur Zeit der coſtanzer Synode. | 421
mund bören, weil fie ihm den Tod ihres Lehrers zufchrieben ;
fie ſetzten ſich in völligen Aufftand und fuhren fort ihren Grimm
an den Kloͤſtern auszulaffen. Zizka und Niklas von Huffis
necz überwältigten die Pleine Seite von Prag und legten viele
Häufer nebft dem erzbifhöflichen Palaft in die Aſche. Mit
Mühe gelang ed der verwittweten Königin Sophia einen Still
fland zwifchen ihnen und den Katholifchen oder Königlichen
auf ein Jahr zu vermitteln.
Dem 8. Sigmund riethen die Seinigen nicht gerabezu
nah Böhmen zu geben. Die Angelegenheiten in Ungern ers
foderten faft noch dringender feine Gegenwart. Doch kam er
zu Ende diefe8 Jahres nach Brünn in Mähren, um einen 1419
Landtag zu halten und die Aufrührer zu Breflau zu beſtrafen. Der.
Zu dem Landtag berief er auch Abgeordnete von Prag, em⸗
pfing fie aber mit einem firengen Verweiſe und befahl Alles
wieder in den vorigen Stand zu flellen, auch durchaus Feine
Geiftlihen zu beleidigen. Die Prager befolgten feine Befehle,
und wenn Sigmund jebt gekommen wäre mit gewohnter Milde,
fo möchte ed ihm gelungen fein das Volt zu beruhigen. Aber
fein Unftern wollte, daß er fih in der Entfernung zu immer
härteren Maßregeln verleiten ließ. Er febte alle huffitifche
Beamte ab, gebot die Huffiten durchweg auszurotten und ließ
fhon zu Breflau einen prager Rathmann, Johann Krafa,
weil er bad coflanzer Concilium unkatholifch gebeiflen, zur
Stadt hinausfchleifen und verbrennen. Died that er auf An-
ſtiften des päpfllihen Nuntius, der zugleich eine Kreuzbulle 1420
gegen die Huffiten verkündete. Hieruͤber gerietb dad Volk 17. März.
anfs neue in Bewegung, welche befonderd burch einen vor:
maligen Prämonftratenfermönh Johann unterhalten wurde.
Die Prager verbanden fich ihre Religion gegen Jeden, der fie .
anfechten wuͤrde, mit Gut und Blut zu behaupten und feßten
die Stadt in Vertheidigungsſtand. Es wurden Briefe in Um:
lauf gefegt, worin Sigmund als offenbarer, gefährlicher Feind
der böhmifchen Nation und der Huffiten gefchildert und das
Bolt ermahnt wurde ihn nie als König anzunehmen. So vers
breitete fich fehnell der Aufſtand durch ganz Böhmen. Zizka
benußte Sigmunds Zögerung, um fich zu Tabor zu befefligen
und gewaffnetes Volt zu fammeln. Die Calixtiner oder
422 Bud IH. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 3.
Kelchner, Anhänger des Jakob von Mieß, welche das Abend
mahl in beiderlei Geſtalt verlangten, hatten ſich gleich anfangs
mit den eigentlihen Huffiten vereinigt. Taboriten iſt
jest der berrfchende Name. Doch treten die Prager zumeis
len als eigene Partei auf, was auch in der Folge entfcheidend
wird. Theils unmwiffende und rohe theild überfpannte Führe,
welche fich als Lehrer aufwarfen, gingen‘ weit tiber das Biel
bad Huß im Auge gehabt hatte. Durch das Leſen der alt:
teftamentlihen Kriegsgefchtchte, welche dem Volke mehr zu:
fagte als der Zuftand- ber erſten Chriftengemeinben , verſetzte
ſich daffelbe ganz in die vormalige Lage der Ifraeliten. Die
Berge auf welchen fie fich verfammelten erhielten biblifche Ne
men (Dreb, Zabor, Ölberg, grünender Berg, Berg des Sam
med). Die Mönche und Altkathofifchen überhaupt hieffen Phi
fifter, Helden, Mahomedaner. Alles hielten fie gegen biefe
erlaubt, was einfl die Ifraeliten gegen bie Camaaniter gethan.
Aus Mangel regelmäßiger Waffen ergriff eine große Zahl bei
Volks hölzerne Keulen, Feuerhaken, Drefchflegel. Zizka übte
fie täglich im Krieg und machte einige durch erbeutete Pferde
beritten.. Er nannte fich felbft „Johann Zizka vom Kelch,
Hauptmann ih der Hoffnung Gottes der Taboriten“.
K. Sigmund wuffte noch nicht, was ein fanatifirtes Voll
ft. Er meinte mit feiner Kriegsmacht die Aufgeflanbenen
bald_ bezwingen zu koͤnnen. Aus Ungern und den übrigen
Erblanden fowie durch Zuzug mehrerer teutfcher Zürften brachte
er ein Heer von mehr ald 100,000 geübten Kriegen zufam:
men. Als die Prager den Einzug bed erbländifchen Heeres
zu Kuttenberg vernahmen, waren fie noch zum Frieden ge
neigt und fandten dem Könige Abgeordnete entgegen mit vier
Artikeln, nach welchen fie fich unterwerfen wollten. Aber Sig
mund befland auf unbebingter Nieberlegung der Waffen. Nun
beſchloſſen die Prager Alles zu wagen; fie zogen bie Tabori⸗
ten an ſich, trieben bie Katholifchen aus und fingen an das
Schloß Wiffehrad zu befchieffen. Das teutfche Hülfsheer be
ging ſchon bei feinem Eindringen in Böhmen viele Grauſam⸗
keiten und verbrannte huffitifche Priefler. Die päpflliche Kreup
bulle gebot ja die Keber mit Feuer und Schwerbt zu vertil:
gen. Aber gerade das hieß ihren Zanatifmus aufs Aufferfle
Politiſche Begebenheiten zur Zeit der coftanzer Synode. 423
treiben. Nachdem Sigmunb auf dem Schloſſe Tocznik Wenz 140 ı
laws Schatz abgeholt hatte, befeßte ex den Wiſſehrad und 11. Jul.
wollte Prag einfchlieflen. Aber Zizka kam ihm durch Beſetzung
bed Berges Witkow zuvor und ſchlug die Meiffner zurüd. 14. Jul.
Diefe befchuldigten dann die Fatholifchen Böhmen der Verraͤ⸗
therei, und fo kam Zwiſt in das Eönigliche Heer; der Krieg
felbft aber nahm bie Natur eined wahren Verheerungskrieges
on. Die Zeutfchen übten an den umliegenden Dörfern ſchreck⸗
lihe Rache und morbeten Weiber und Kinber. Die Prager
verbeannten dagegen alle Gefangenen in verpichten Zäflern
im Angeficht des koͤniglichen Heeres und lieffen dad Lager 19. Zur.
anzuͤnden.
Die katholiſchen Landherren waren die Erſten welche der
Verheerung uͤberdruͤſſig wurden: ſie traten mit den Pragern
zufonmen und lieſſen dem König bie ſchon gedachten vier
Artilel noch einmal vorlegen, folgenden Inhalts: das Wort
Gottes folle frei und ungehindert in boͤhmiſcher Sprache
verkündet; der Kelch den Laien zugeſtanden werben; bie Geiſt⸗
lichkeit folle bie weltlichen Beſitzungen uͤnd Reichthü⸗
mer aufgeben und ein apoſtoliſches Leben führen; in
Betreff der Kirchenzucht follen alle Zodfünden und ans
bere Abweichungen vom göttlichen Geſetz, ſowohl bei bem
Volke als bei der Geiftlihkeit, durch diejenigen für
welche es gehört verboten und unterbricht werben; nicht
bloß diejenigen welche ſolche Sünden verüben, fondern auch
die welche darein willigen find des Todes fehulbig; jeder
wahre Släubige ik ſchuldig ſolche an fi und Andern
zu verfolgen, dod daß ein Jeder dabei bie Ord⸗
nung und den Stand feines Berufes beibehalte.
Auf diefe Artitel wollten die Prager nebſt den Landherren
ih dem K. Sigmund unterwerfen und allen übrigen Bes
ſchwerden entfagen. Der päpftliche Legat aber, ber den Koͤ⸗
nig begleitete, fand ihren Inhalt gar zu bedenklich; fie wur⸗
den verworfen.
Indeffen ließ fih Sigmund auf dem Wiſſehrad durch den
Erzbifhof zum König von Böhmen Erönen, wiewohl ihm 28. Jul.
jetzt nichts Anderes übrig blieb als bie Belagerung von Prag
aufzugeben. Ex entließ das teutfche Heer und ging nach Kute
44 Bud U. Erſter Zeitraum. Abſchniet 3.
tenberg zuruͤck, erlaubte ſich aber noch die Kirchen ihrer Schaͤtze
zu berauben, um ſein Heer zu bezahlen.
Nach ſeinem Abzug zerfielen die Prager mit den Ta⸗
doriten. Die Letztern hielten die vier Artikel fuͤr viel zu ge⸗
1420 maͤßigt und legten zwoͤlf andere vor, welche ihre Prediger
s. Aug. und Hauptleute aufgefegt hatten. Die Stage von den offen
baren Sünden wird darin noch weiter audgebehnt, auch auf
Zurudvergehen, und ba die Befchränktung der prager Artikel
in Abficht der Verfolgung und Beſtrafung der Vergeben weg⸗
elaffen ift, wiewohl auch biefe fchon einen ziemlich weiten
gielraum ließ, fo muflte durch bie taboritifchen Saͤtze ein
Sittengericht entflehen, wobei Jeder zum Richter des Aubern
fi aufwerfen Eonnte, ein Sittengericht das noch willkirli⸗
cher und härter verfahren burfte als felbft die Ketzergerichte
der Dominicaner. Ferner verlangten die Taboriten, baß die
beidnifchen und teutfchen Rechte abgefchafft, die Gegner ber
göttlichen Wahrheit ausgefloßen, bie Teberifchen Klöfter und
unnöthigen Kirchen und Altaͤre zerfiört und alle Bilder und
Koftbarkeiten weggenommen werben follten. Diefe zwölf Ars
titel gründen fi) auf vierzehn andere, welche ald eine Art
Glaubensbekenniniß der Taboriten bereits allgemein verkündet
waren, und nicht nur auf gänzlichen Umſturz bes beftehenden
Sottesbienftes fondern auch auf Vernichtung des Lehramtes
audgingen: denn es wird gleich voraus gefagt, daß alle Bis
her aufier der Bibel ald Werke des Antichrifts vertilgt werden
müflten; daß, wer die freien Künfte ſtudire, ein Heide fei und
gegen das Evangelium handle; Daß man zu den heiligen Hand-
lungen gar keine Kirchen und Altäre nöthig babe; baß ber
Priefter einen Bauernrod anhaben koͤnne ꝛc. ').
Den Pragern midfiel hauptſaͤchlich der Artikel von ber
Kirchenzerflörung. Als der Stabtrath fich widerfegte, wählten
die Taboriten einen neuen, der bie zwölf Artikel annahm.
Sie zerſtoͤrten fofort die Klöfter in der Stabt bis auf vier.
Da ed aber an bie Kirchen geben follte, traten die Bürger fo
1) Byzyn. 1. c. p. 178 - 192. Schabe, daß biefer wichtige von
Lenfant nicht benugte Schriftfteller in ber bei Lubewig a. a. D. ab
gedruckten Handſchrift nicht. volfftänbig iſt.
Politiſche Begebenheiten zur Zeit der coflanzer Synode. 426
ſtandhaft dagegen, daß Zizka unwillig mit den meiſten Tabo⸗ 1420
riten obzog, um bie Zerfiörungen auf dem Lane fortzufegen. 22, Aug.
Im Lauf einiger Jahre wurden im Ganzen gegen 550 Kirchen
und Klöfter dem Boden gleich gemacht. Auſſer der ifraelitis
ſchen Kriegsgefchichte nahmen die Kuffitifchen Prediger auch
apofalyptifche Vorſtellungen zu Hülfe: „Sigmund (ber ben
Lindwurm im, Orben fuͤhrte) fei der rothe Drache in der Of⸗
fenbarung; nahe flehe die Zukunft ded Sohnes Gattes; diefer
werde über die ganze Erde das Urtheil fprechen und alle Städte
vertilgen, bis auf die welche die Huffiten befäßen. Der maͤh⸗
tifche Priefter Martin Loguis foderte bie Gläubigen auf, „bie
Rache Chrifti an feinen Wiberfachern zu vollziehen; verflucht
fei, wer fein Schwerdt vom Blut enthalte”.
Die Huffiten hatten ſich ſchon nach Mähren verbreitet;
bier entflanb aber eine ganz andere Secte, welche fowohl den
Huffiten als den Katholifchen. feindlich entgegenfland. Diefe
erklärte alle äufferliche Gotteöverehrung fir Abgoͤtterei, ver
warf die Sacramente und wollte mit Beflegung aller Natur
triebe im Stande ber Unfchulb ohne Kleider leben, baber fie
auch Adamiten genannt wırden. In ber Zerflörungswuth
aber übertrafen fie wo möglich noch die Taboriten, daher wurs
ben fie auch von Zizka angegriffen, mit aller Macht verfolgt
und zuletzt ganz aufgerieben. 1421
Vermuthlich war es ſchon bei Sigmunds erfiem Ruͤckzug,
daß er in Hinſicht auf die innern Parteiungen die bekannten
Worte ausſprach: „bie Böhmen koͤnnten nur durch Böhmen
bezwungen werben”. Allein diefe Erwartung fiand noch im
. weiten Zelbe: denn wiewohl jest die Huffiten, gegenüber
von den Katholifchen, in zwei Parteien getheilt waren,
die gemäßigte der Prager und die überfpannte ber Tabo⸗
riten,. fo kaͤmpfte doch jede gegen ihn als gegen den ges
meinfchaftlichen Feind. Die Prager belägerten das Schluß
Wiffehrad; Sigmund eilte zum Entſatz herbei, erlitt aber eine 1400
Schwere Niederlage und muſſte wieder nach Kuttenberg zurüds 1. Rov.
geben. Hierauf warb dad herrliche Schloß, von welchem
Karl IV. fo oft mit Wonne auf fein Drag herniebergeblidt,
erflürmt und gefchleift. Um bie Übermacht ver Taboriten zu
befchränten, lieflen die Prager dem polnifhen König Wla⸗
46 Bud II. Erfter Zeitenum Abſchnitt 3.
1420 diſlav Jagello bie Krone anbieten; man fuchte ihn haupt:
24. Rov. ſaͤchlich durch die Vorſtellung zu locken, daß er mit diefer ver-
1421
Zun.
Jul
28, Apr.
Aug.
mehrten Macht um fo gewifler feine Hauptfeinde, bie teut:
fhen Ritter, befiegn winde Niklas von Huſſinecz aber,
der felbft nach ber Krone fixebte, war mit diefem Beſchluſſe
unzufrieben und zog mit feinen Anhängern aus Prag hinweg;
da er jeboch bald darauf farb, wurbe Zizka der alleinige
Dberbefehlshaber der Zaboriten. Diefer verfolgte den K. Sig:
mund bi8 Mähren, und ob er gleich bei Raby durch einen
Pfeilfhuß fein zweites Auge verlor, fo leitete er Doch ben
Krieg wie bisher mit einer bewundernswürdigen Sicherheit.
Die Prager hielten einen Landtag zu Gzaflaı und be
drohten Sigmund mit förmlicher Abfegung, wenn er ihre Be:
Dingungen nicht annehmen würbe. Als er biefe woieberholt
verwarf, verorbneten fie eine Reichöverwaltung von zwan⸗
zig Herren und beriefen Iagellos Reffen, den lithauiſchen Fin⸗
fin Sigmund Koribut, zum oberfien Befehlöhaber. Die
Zaboriten hingegen fprachen, freie Menſchen brauchten gar kei:
nen König.
Sekt, da die Spannung unter ihnen größer wurde, meinte
Sigmund wäre e8 Zeit mit einem Kriegdheer zu fommen. Er
hatte zu biefem Zwecke mit den rheinifchen Kurfürften und
Friedrich von Meiffen ein Buͤndniß zu Nürnberg errichtet und
fammelte num ein beträchtliches Heer beit Saab. Da er aber
zugleich in Ungern gegen die Venetianer und Türken zu kaͤm⸗
ppfen hatte, fo verfpdtete ex fich mit dem erbländifchen Zuzug.
Dct.
Dec.
1422
8. San.
Indeffen wurde das Reichsheer vor Saatz durch die Nachricht
von Zizkas Anzug fo betroffen, daß es fogleich die Belage
rung aufhob und nah Haus eilte. Nach dem Abzug ber
Zeutfchen kam Sigmund doch mit 50,000 Bann aus Ungern,
‚Mähren und Öfterreich. Die Prager aber riefen jebt den
Zizka zu Hülfe. Diefer legte ſich ihm entgegen und fchlug
fih durch, da ihn Sigmund: fchon eingefchloffen glaubte. Sig:
mund legte Kuttenberg in bie Afche und wollte bie Winter
quartiere in Mähren beziehen, wurbe aber bei Zeutfchbrod
von Zizka eingeholt und gänzlich gefchlagen, daß er nur mit
Wenigen nach Iglau kam. Alſo hatte Signmund burch biefen
weiten Angriff auf Böhmen Nichts erreicht, als daß fich die
Politifcye Begebenheiten zur Zeit der coftanzer Synode. 427
Dartelen wieder gegen ihn vereinigten. Er dnberte jetzt feinen
Plan oder ging vielmehr weiter in feinen Maßregeln. Da
fein biöheriger erſter Freund und Rathgeber, ber neue Kur
fürft Friedrich von Brandenburg, mit dem Könige Iagello ein
Bimdniß gegen den Teutſchoͤrden fehloß, wobei fein achtjaͤhri⸗
ger Sohn Hoffnung zu der Krone von Polen und Lithauen
erhielt, fo erfah Sigmund den tapfern Herzog Albrecht von 1422
Öfterreich, ber ihm bereits wichtigen Beiftand geleiftet hatte, April.
zur eigentlichen Stüße feines Haufes; er gab ihm feine eins
zige Tochter Elifabeth zur Gemahlin, mit einem Theil von
Mähren als Brautfchab, und trat ihm balb darauf das ganze
Land ald Lehen ab, damit es gegen ben Anbrang ber Huſſi⸗
ten einen mächtigen Befchüiger habe.
Auf der andern Seite beſchloß Sigmund foͤrmlichen Reich &
krieg gegen die Wiberfpenfligen aufzubieten und fchrieb deds Mai.
halb eine Verſammlung nah Regensburg aus, unterflüht
durch eine neue Kreuzbulle des Papftes. Fürften und Stände
traten zuſammen, aber nicht zu Regensburg fonden zu Nürns Jul.
berg, und Sigmund muffte fi bequemen zu ihnen zu tom»
men. Da war jedoch erfi die Frage von der Zufammenfehung
des Reichsheeres; denn foviel auch immer in ben einheimifchen
Schden die Waffen in Übung waren, fo lag doch die Reichs
kriegsverfaſſung ſchon geraume Zeit darnieder; der Lehendienft
gerieth in Zerfall, und bei den Städten, bie indeſſen volkrei⸗
der geworden, fehlten die nähern Beflinmungen bed Aufges
boted; aus diefen und andern Rüdfichten fing man an fich
mit Sälönern zu beifen, wie fie längft in Frankreich und
Stalien eingeführt waren. Auch die Römerzüge wurden zus
weilen mit geworbenen Leuten unternommen. In ben Schweis -
zerfriegen hatte man fi) Überzeugt, was eine gute Fußmacht
vermoͤge. Endlich erfoderten die aufkommenden Feuergewehre
eine eigene Übung, mit welcher die Lehenmiliz ſich nicht bes
faffen wollte. So geichah denn im Reichsrathe ber Antrag,
zur Aufflelung eines geworbenen, gelibten Heeres eine Geld:
umlage zu machen; jeder Neichöftand follte von feinem Ein-
tommen 1 vom 100 geben. Diefer Anſchlag gefiel den mei-
. fen; nur die Städte verweigerten ihre Suflimmung, weil- fie
fonft ihr Vermögen hätten offenbaren müflen, dad fie vor ben
48 Bud IH. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 3.
raubgierigen Rittern geheim hielten. Zulegt kam man wieder
auf das alte Aufgebot zurück; wegen ber vielen bisherigen
Veränderungen aber muſſte eine neue Mannlifte entworfen
werben. Dies ift die erſte Matrikel die wir Eennen. Nach⸗
dem man die Stärke des Aufgebots feſtgeſetzt hatte, verei⸗
nigte fich der Reichötag auch über ben Heerführer. Die Zeit
war vorüber, da ber Kaifer als erfter Kriegsfürft auszog.
Soviel Kriege Sigmund feit feiner Berufung zum ungerifchen
Thron geführt, fo fehlten ihm doch die Eigenfchaften des gro>
Ben Feldherrn; feine Stärke war, wie bei feinem Vater, in
den Verhandlungen. Alſo befehloß ber Reichötag den tapfern
Markgraven Friedrih von Brandenburg zum oberften Feld⸗
bauptmann zu beftellen. Der Papft fanbte ihm ein geweih-
te8 Panner; ald Kreuzzug wurde ber Krieg betrachtet. Aber
es fehlte weit, daß man bie Zeutfchen zu einer Begeifterung
gebracht hätte, wie bie der Böhmen war, die für Religion
und Freiheit kaͤmpften. Der Reichötag verging mit vergebli-
chen Anordnungen. Als ed zur Ausführung kommen follte,
firitt man ernfllich über die Reichsverweſerei, ob namentlich
bee roͤmiſche König das Recht habe, ftatt des Rheinpfalzgra
ven ben Erzbifchof von Mainz dazu zu ernennen. Dann fan
1422 den die meiflen Stände den Feldzug zu ſpaͤt im Jahre ange
1. Rov. fegt und blieben aus.
So mislangn Sigmunds Unternehmungen gegen die
Huffiten auf allen Seiten; Mähren wurde im folgenden
1423 Jahre von Zizka verheert. Es blieb ihm alfo nichts Anderes
übrig als auf die innere Uneinigkeit der Böhmen zu zählen.
Wirklich geriethen die Prager nach der Annahme des Koribut
mit den Zaboriten auf’8 neue in Krieg. Zizka ſprach, em
Ausländer koͤnne ein freies Voll wie die Böhmen nicht be
herrfchen. Sigmund kam im nächften Jahre mit dem Könige
von Polen zufammen und bewog biefen den Koribut zurüd:
zuberufen. Auch Papft Martin V. verlangte ed. Nach Ko:
ributs Abzug bebrängte Zizka wechfelöweife die Katholifchen
und die Prager und brachte bie Verheerung auch in bie üuͤbri⸗
gen Gegenden, die fein Schwerbt noch nicht berührt hatte.
Die Prager riefen den Koribut wieber zu Hülfe: er Fam und
folte zum König erhoben werden; nur fehlten bie Reichsin⸗
Politiſche Begebenheiten zur Zeit der coftanzer Synode. 429
fignien. Endlich trieb Zizka die Prager fo in bie Enge, baß 1424
fie durch Vermittlung des Prieſters Johann Rokyczana Frie- Septbr.
den ſchloſſen: er nannte den Koribut ſeinen Sohn und ver⸗
band ſich mit ihm, Sigmund gemeinſchaftlich zu bekriegen.
Durch dieſe unerwartete Wendung ſah ſich Sigmund ge⸗
zwungen, da er ſo ſchnell kein Heer aufbringen konnte, mit
Zizka auch in Unterhandlung zu treten. Er ging ſo weit,
daß er demſelben die Statthalterſchaft und den Oberbefehl im
Krieg 'antrug, wenn er die boͤhmiſchen Staͤnde vermögen
würde ihn als König zu erfennen. Allein Zizka fcheint we⸗
nig darauf geachtet zu haben; vielmehr wollte er,. da Boͤh⸗
men ganz in feiner Gewalt war, mit verflärkter Macht nad
Mähren ziehen, wo Herzog Albrecht von Öfterreich indeffen
die Zaboriten vertrieben hatte. Er ftarb aber unvermuthet im
Lager vor Przibiſlav an ber Peſt. . 12. Oct.
Biffad Zod brachte zwar eine Trennung unter die Ta⸗
boriten: ein Theil berfelben unter dem biöherigen Namen
wählte den vormaligen Mönch Procop Holy (den Srößern)
zum Anführer; die Andern aber nannten fih Waiſen, weil
fie den Vater Zizka verloren, und erfahen ſich verfchiebene
Sührer, mworunter Procop der Kleine am meiften ausge⸗
zeichnet iſt. Von den Pragern fiel auch eine Partei ab,
Orebiten genannt. Alſo ſtanden nun ſtatt der zwei bishe⸗
tigen vier Parteien gegen einander. Aber gegen Sigmund und
die Altfatholifchen waren fie nicht nur Eines Sinned, fon
dern fie fühlten fih auch fo ermuthigt, daß fie vom Verthei⸗
digungskrieg in den Angriff übergingen: fie fielen über bie
Grenzen, nad ihrer Sprache, in die Lande der „Philiſter,“
welche „dem Volke Gottes” verfallen wären.
Darin beftärkte fie einerſeits die fchlechte Kriegsverfaſ⸗
fung bes teutichen Reichs, andererſeits Sigmunds Bebräng-
niß in Ungern, wo bie Tuͤrkengefahr noch viel größer war.
Es verflofien mehrere Iahre, bis nur wieder Etwas vom Reiches
kriege gehört wurde. Dazu kam noch baf die zwei mächtige
fien Fürſten an der böhmifchen Grenze mit einander zerfielen.
Friedrich von Brandenburg fah fich gekraͤnkt, dag Sigmund
dem Marfgraven Friedrich von Meiffen dad Kurfürftentbum 1423
Sachſen verlieh. Alſo blieb jedes Land fich ſelbſt uͤberlaſſen. Jan.
430 Bud IL Erſter Beitraum. Abſchnitt 3.
Die branbenburgifhen Städte wurden befeflist. In Sachſen
geſchah daſſelbe; man glaubte ſich in die wilden Streifzüge
der ungerifchen Horden des zehnten: Jahrhunderts verfebt.
Die Meiffner thaten immer den tapferften Widerfiand gegen
‚1425 die Huffiten. Mit ihnen wagte der neue Kurfuͤrſt auch in
Boͤhmen einzudringen; er wurde aber bei Brix mit einem Ber
luſte von 4000 M. gefchlagen.
« So gleichgültig Sigmund gegen bie Huffiten jest war,
daß man ihn ſelbſt einen Ketzer ſchalt, fo eifrig that Papft
Martin in Betreibung eined Kreuzzuged. Nachdem er etliche
Jahre dazu ermahnt, kamen endlich Fürften und Städte zu
1426 Nurnberg zufanmen. Sigmund wollte ben Reichstag zu Wien
er
Jun
15. Zun.
halten und ließ fi) wegen Unpäßlichkeit entfchuldigen. Da
man nun anfing über das Aufgebot fich zu berathen, gaben
die Huffiten den Meiffnern den legten Beſuch wieder heim
und verheerten dad Land mit gewohnter Grauſamkeit. Der
Kurfinft von Sachſen brachte 20,000 Mann zufammen und
verfolgte fie bis in ihre Wagenburg bei Auffig. Da entfland
denn ein erbitterter Kampf vom Morgen bis Abend, doch ers
litten endlich die Sachfen eine völlige Niederlage.
Diefe Botfchaft befeuerte doch wohl den Reichstag um:
gefäumt mit einem Hauptheer die Schmach zu rächen? —
Nein! der Schreden war fo groß, daß man für gut hielt das
naͤchſte Jahr zu Frankfurt weiter von ber Sache zu reden.
Einftweilen beruhigte man fich mit der Erwartung, bie Pars
teien in Böhmen wuͤrden fi) am Ende noch felbfi aufreiben.
1427 Zu Frankfurt Fam dann doch ein anfehnlidher Reichötag zu:
April. ſammen und ed wurde ein großer Plan vorgenommen. Bon
vier Seiten follten zugleid vier flattlihe Deere in Böhmen
eindringen: das erſte aus ben Rheinlanden, aus Franken und
Baiern unter ber Führung des Erzbifchofs Dtto von Trier;
das andere unter dem Kurfürften von Sachen; das britte aus
Schlefien unter dem Kurfürften von Brandenburg; Das vierte
aus Öfterreih und Salzburg. Zugleich entwarf der Reiche
tag eine firenge Ordnung fowohl in Abſicht des Landfriebend
als für den Kriegszug felbft und für das Verhalten der Mann⸗
fchaft. Da ein Erzbifchof mit Zuziehung einiger Laienfürften
den Oberbefehl führte, und. der Krieg felbft als ein heiliger
Politiſche Begebenheiten zur Zeit ber softanzer Synode. 431
Krieg betrachtet wurbe, fo ſind auch die Gefeke in biefem
Sinn geſtellt. Es war verboten, rauen, Spieler ımb ans
dere Büberei mitzuführen; auf böfe. Flüche fanden Pranger
und Spießruthen; Jeder muffte wöchentlich einmal beichten
und fo oft es fein konnte die Meſſe hören. Die Kriegszucht
felbft war nicht minder ſcharf. Doc, entſprach der Erfolg kei⸗
neswegde. Schon die Aufgebote kamen nicht fo zahlreich als
fie foliten, weil viele Stände den Landfrieden nicht hielten.
Indeffen drang bie vorberfte Heeresabtheilung ber Sachſen in —
Boͤhmen ein und belagerte Mieß; ſobald aber das huſſitiſche Jun
Heer unter Procop dem Großen heranzog, geriethen die Be⸗
lagerer in Schrecken und brachten durch uͤbereilten Ruͤckzug 21. Jul.
auch die übrigen Schaaren in Unordnung. Die nacheilenden
Huſſiten erſchlugen etwa 10,000 M. und machten große Beute.
Man fab, baß ber Huffitenkrieg eine neue Art von Krieg
wäre; auch ein anderer ald der Schweizerkrieg. Zwar bie
Kriegskunft wurbe auch neu durch häufigere Anwendung der
Beuergefchoffe, man führte fchon eine ziemliche Anzahl Buüͤch⸗
fen mit Kugeln und Pulverwagen in den böhmifchen Srieg.
Aber eben jebt da das neue mörberifche Gewehr perfönliche
Tapferkeit überflüffig zu machen fchien, bewiefen bie Buffiten
erit, wad Mann gegen Mann, was Muth und Begeifterung
vermag. In Böhmen waren auch ſchon Donnerbichfen eins
geführt, allein es wurden nur wenige zur Vertheidigung ber
Städte gebraudt. Im freien Felde erſetzte Koͤrperkraft und
Ausdauer, was an künftlihen Waffen gebrah. Jene Dreſch⸗
flegel mit reelchen die Huffiten auszogen, waren mit Eifen
befchlagen und wurden fo fertig geführt, daß ber Böhme in
einee Minute 23 Menfchen niederfchlagen konnte. Mit den
Feuerhaken wurden die Reiter aus den Sätteln geriffen. Das
kager wurde mit einer Wagenburg ınngeben, welche durch Kets
ten fo feft verbunden war, daß der Zeind nicht leicht durchs
brechen konnte; erftieg er aber einige Wagen, fo gerietb ex
in die Wagengaffen, wo ihn die von beiben Seiten auf ihn
follenden Ziegel zerfchmetterten. Griff der Feind eine Anhöhe
an, fo lieffen die Huffiten die Wagen auf ihn herablaufen
und folgten eiligft nad. Zizka wird als ber Erfinder der
neuern Befefligungskunft betrachtet: ex lehrte bie Huffiten Erd⸗
432 Buch UL Erfter Zeitraum. Abſchnitt 3.
waͤlle aufwerfen, welche bald auch von ben ſaͤchſiſchen Staͤdten
nachgeahmt wurden. Der letzte Angriff auf Boͤhmen bewirkte
eine neue Vereinigung der Parteien. Koribut, der eines ge⸗
heimen Verſtaͤndniſſes mit dem Papſte beſchuldigt wurde,
muſſte der Regierung entfagen und nach Lithauen zurück⸗
gehen. SEN
Sofort nah dem verunglädten Feldzuge betrieb der paͤpſt⸗
liche Legat, während Sigmund in Ungern zu Felde lag, eine
1427 neue Berfammlung zu Frankfurt. Der Kurfürft Friedrich von
16. Rod. Brandenburg ging auf den frühern Vorſchlag zurück: gegen
ein fo entfchloffenes Volk wie die Huffiten koͤnne das bishe⸗
rige Reichöaufgebot von allerlei zufammengerafften, zuchtlofen
Zeuten nie Stand halten; man müffe auf ein gelibtes, befol:
detes Heer Bedacht nehmen und alfo eine Geldumlage mas
chen. Diele in Zeutfchland noch nicht flattgefundene Kriegs:
fleuer wurde dann auf einem weitern Tag zu Heidelberg wirk⸗
lich befchloffen, unter dem Namen „ber gemeine Pfenning,”
wozu nicht nur die Kriegöpflichtigen fondern alle Perfonen
von jedem Alter, Stand und Gefhleht nad Verhältniß ih⸗
red Vermoͤgens anzuhalten wären. Jede geiftliche Perfon follte
geben 1 von 20 nady ihrem Gewiflen; ber Jude 1 fl.; jeder
Chrift über 15 Jahre 1-Beheimfchen (Groſchen); wer 100
bis 200 fl. Werths hat, + fl.; wer 1000 fl. und darüber hat,
Afl. Die Angabe blieb eined Jeden Gewiſſen überlaffen. Der
Grav war angefchlagen zu 25 fl., der Freie zu 15, der Rit⸗
ter zu 5, ber Knecht zu 3 fl.
Hatten nun die Städte gegen den erflen Vorſchlag ei:
ner Vermoͤgensſteuer Einwendungen gemacht, fo thaten es
jebt die Ritter, beſonders in den Rheinlanden; fie hätten,
fprachen fie, mit ihren armen Leuten nie eine Steuer gege
ben, fie dienten dem Reiche und der Kirsche mit ihrem Leib,
nicht mit Geld. Auch bei den andern Ständen ging die Gelb:
erhebung langfam. Es wurden mehrere Kurfürfientage gebal:
ten; aber Feine Leute geworben. Der Kriegözug unterblieb.
Diefe Rath» und Hülflofigkeit benußten die Huffiten.
Sie fielen heraus in Schleflen, in die Laufis, Oberpfalz,
Oſterreich; da in Böhmen ber Aderbau banieberlag, fo muflten
fie ihr Bebürfniß in den umliegenden Ländern holen. Sig
[2
Holitifche Begebenheiten zur Zeit der eoftanzer Synode, 433
mund, noch immer in ben Xürkenkrieg verwidelt, entichloß
fi) jest zu gütlichen Unterhanblungen. Procop der Größere,
der ih indefjen viele Mühe gegeben hatte die Parteien zu
vereinigen und auf gemäßigtere Sefinnungen zu bringen‘, ließ
fih zu einer Zuſammenkunft in Oſterreich bewegen, Gr hoffte
wohl gleiche Anerbietungen wie Zizka zu erhalten. Allein
Sigmunds Räthe waren dagegen. Dbgleich ihm Nichts bes
willigt wurde, fo arbeitete er doch nach feiner Zuruͤkkunft am
innern Frieden. Die vier Parteien flanden jetzt als zwei ges
gen einander. Die Bürger ber Neuſtadt Prag und die Wai-
fen verlangten, Sigmund müffe erft mit Ungern die huffitifche
Lehre annehmen, ehe fie ihm buldigten; die altfläbter Prager
aber und bie Zaboriten unter Procop wollten bie Bebingung
. nicht foweit ausdehnen und lieſſen fich, als die flärkere Par⸗
tei, in weitere Unterhbandlungen mit Sigmund ein. Doc)
mufften diefe wieder abgebrochen werben, weil bie Parteien
aufs neue unter fich zerfielen. Um den Bürgerkrieg zu ſtil⸗
In, führte Procop die Schaaren wiedet auf einen Raubzug
nad Meiffen, und fo kam immer größere Verheerung und
Schmach über die unbefhüßten teutfchen Länder.
Dieſer Hägliche Zuſtand machte endlich einen fehr ver 1429
ſchiedenen Eindrud auf die Reichöflände und auf K. Gigs
mund. Die Erftern beflürmten biefen zu Preßburg, daß er, Oct.
da num mit den Türken Friede gefchloffen fei, doch einmal
wieder in dad Reich kommen und fich deſſen beffer annehmen.
möchte. Sigmund hingegen bezeigte fih ganz mismuthig:
„es fei der teutfchen Reichsregierung laͤngſt Üüberbrüffig gewefen;
wenn ber verwirrte Zuftanb noch länger beflünde, fo wollte
er fich lieber derfelben entfchlagen, da er fein Brod in Ungern
babe." Auch dem Papfle Martin V. fagte er die Kaiferwirde
auf. Diefer nahm es aber nicht an, weil er ohne ihn die
Huffiten nicht vertilgen zu koͤnnen glaubte. Die Kurfürfien
hielten ihn ebenfalls bei feiner Pflicht, und fo muflte er fich
bequemen auf. das naͤchſte Fruͤhjahr einen Reichstag nach
Nürnberg audzufchreiben. Er ſelbſt kam zwar erſt auf ben
Herbſt dieſes Jahres, da die Huffitengefahr vecht groß wurbe.
1430.
Indefien hielten die Fuͤrſten ihre Vorberathungen. Der Kurs Mai.
für Friedrich von Brandenburg trug vor: m man bie
Pfiſt er Geſchichte d. Teutſchen LU.
434 Bud II Erfier Zeitraum. Abſchnitt 3.
Huffiten ald verbammte Keger behandle, werben fie unüͤber⸗
windlich fein; man folle alfo ben Weg der Güte verfuchen
und fie zu einem KReligiondgefpräc einladen. Allen Papſt
Martin V. wollte durchaus Nichts davon hören und ließ ihm
einen firengen Verweis geben. Bon den übrigen Vethand⸗
lungen ift Nichts befannt, als daß die Fuͤrſten endlich be
fehloffen von dem einftweilen erhobenen gemeinen Pfenning
Söldner werben zu lafien.
Als die Huffiten diefe Anftalten vernahmen, verfammel-
ten fie fih auf dem Berge Zabor, um benfelben zuvorzukom⸗
hen. - Sie zählten 50,000 zu Buß, 20,000 zu Roß und
300 Steeitwagen; die Rotten, nach den Kreifen getheilt,
unter befondern Namen, als Hoſenmaͤnner, Knefler u. f. w,
wurden in brei Heeredabtheilungen geordnet. Die erfle war
beſtimmt Öfterreih und Ungern anzufallen. Die andere brach
wieder in Meiflen und Sachſen ein. Der Kurfürfl von Braw
denburg verließ — und wollte fich mit den ſaͤchfiſchen
Ständen vereinigen; e8 kam aber zu Feiner ernfllichen Zufam:
menfegung. Die Sachſen wurden bei Grimma gefchlagen,
und dann das Dſter⸗, Pleifiner- und Vogt⸗8 chrecklich
mitgenommen. Das dritte Heer zog nach Fran Baiern
und verwuͤſtete das ganze Land am Gebirge. Die groͤßern
Staͤdte fanden ſich mit Geld ab; auch ber Kurfuͤrſt von Bran⸗
denburg verfland fih Dazu; die Umlage hieß der Keßergro:
fhen. Die Huffiten konnten nicht Wagen genug aufbringen,
um die Beute fortzufchleppen. Man zählt im Ganzen über
100 Städte und Schlöffer und gegen anderthalbtaufend Dir
fer und Weiler, welche durch ihre Brandfadel in Schutt und
Zrümmer ſanken.
Eine folde Heimfuchung mufite kommen, bi8 man fi
enblich begriff. Man ging tiefer unb fand, daß der eigent:
liche Grund ber fchlechten Heichöwehranftalten in der aufge
loͤſten Landfrie den sverfaſſung zu fuchen fei: denn folange
die Stände unter ſich felbft in Fehden flanben, konnte man
an keine ernflliche Bufammenfegung nach auffen denken; es
hatte fich oft zugetragen, daß Einzelne wieder von böhmifchen
Feldzuge zuruͤckkehren mufften, weil fie indeſſen zu Haus an
gefallen worben waren... Die Städte litten beſonders dadurch
| NPolitiſche Begebenheiten zur Zeit ber coflanger Synode. 435
und achten ihre Klagen an Sigmund. - Diefer verfprach des⸗
‚halb zu Preßburg: „er wolle dazu helfen, wenn Fürften und
Stände auch dazu. hülfen, daß man dad Hecht wieder auf:
sichtes dann wollte er auch dazu helfen mit aller feiner Macht,
daß bie Keber und Huffiten vertilgt werben follten.” Da er
nun auf den neuen Reichötag zu Nuͤrnberg Fam, fo machte 1431
er damit ben Anfang, die Sehben beizulegen. Dann wurbe Gebr.
wieber zum Behuf des Huffitenzuged der gemeine Pfenning
in Anregung gebracht, mit der Ausdehnung, daß derfelbe nicht
nur in allen teutfchen und welfchen Landen, fondern auch in.
Dänemark, Schweden, Nonvegen, Polen ꝛc. eingezogen wers
den ſollte. Da jedoch Die Sache von langer Hand ſchien, fo
ließ Sigmund durch feinen Kanzler, Cafpar Schlid, den An⸗
ſchlag an Mannfhaft und das Landfriedenswefen
zugleich zur näheren Berathung vorlegen. Ein Ausfhuß von
ſechs aus ben Fuͤrſten und fech8 aus den Städten kam über
die Anordnung bed Landfriedens bald überein; aber der Ans
fhlag brachte noch vieles Hins und Herreben. Die Frage
war: ob ein reiſiger Zeug zum täglichen Krieg (als fie
bende Landwehr) od ein großer allgemeiner Heerzug (zum
Angrifföfrieg) vorzuziehen wäre? Sigmund entfchieb fih be ' '
ſtimmt fuͤr das Letztere, da jest auch ber päpftliche Legat Ju⸗
lius Gäfarinus mit einer neuen Kreuzbulle ankam. Wiewohl
die Städte noch etwas Schwierigkeiten machten, weil Gigs
mund das Pfahlbürgerverbot erneuerte, fo Fam ed doch endlich
zu einem einhelligen Beſchluß, und Sigmund ließ durch feis
nen Kanzler den Abfchieb wegen bed Landfriedend und des |
Kriegszugs verfaffen. Die vor vier Jahren gefaflten Bes
fhlüffe erhielten einige nähere Beſtimmungen. Der Landfriede
ſollte folange währen ald der Kriegszug und noch vier Wothen
bartıber, d. h. alle Zehden follten indeß ftiüftehen, ebenfo die
gerichtlichen Urtheile oder fonftige Nechtsanfprüche, Schulden
ausgenommen. In Beziehung auf ben legten ſchmaͤhlich ab-
gelaufenen Heerzug erhielt die Kriegsordnung ben Zufag, daß
die welche vom Streit fliehen würden, mit Weib und Kin-
dern ewiglich vertrieben fein und Hab und Gut verloren ha-
ben follten.
Ehe. jedoch das Aufgebot gefchah, ‚ging Sigmund nad)
— 28*
—
4356 Buch IL Erſter Zeitraum. Abſchnitt 3.
Eger, um noch einen Verſuch in Güte zu machen. Auch Pro-
cop der Größere, der indeflen einige Niederlagen auf feinen
Streifzügen erlitten hatte, war frieblicher gefinnt; nachbem er
wiebet ein Religiondgefpräcd unter den vier Parteien. verfucht,
bot er Unterhandlungen an. Aber dad Miötrauen ber Boͤh⸗
men brach fie bald wieder ab. Vergeblich fuchte der Legat fie
zu überreden, baß fie dem Könige huldigen und fich bem Con:
cilium unterwerfen follten. Er wurde nicht mehr gehört.
Alſo wurde denn beichloffen „einen mächtigen Bug auf
die Keber und Huflen zu thun, um fie mit Gottes Hülfe in
folcher Maſſe zu tilgen, daß fie gewahr werben follten, wie
fie mit unrechtem Frevel und Muthwillen wider die heilige
Kirche und Chriftenheit fich gefegt." Mit Anfange bed Som⸗
werd gerietb ganz Zeutfchland in Bewegung ald zu einer
Kreuzfahrt. Den Oberbefehl erhielt wieder ber Kurfürft Fried⸗
rich von Brandenburg, wiewohl er dem K. Sigmund nicht
mehr geneigt war, weil ihn biefer nicht nur bei Verleihung
der Kur Sachen zuruͤckgeſetzt, ſondern kuͤrzlich auch bie dem
Zeutfchorben verpfändete Neumark, welche er zu ben am
dern Marken zurücdzubringen gehofft, auf immer demfelben
„1429) überlafien hatte‘). Der Cardinallegat ſtellte fich ebenfalls an
2. Sept. die Spige. Sigmund blieb zu Nürnberg. Fuͤnf Heeredab:
theilungen zogen von verfchlebenen Seiten gegen Böhmen her
an. Herzog Albrecht von Hfterseich brachte Mähren wieder
in feine Gewalt und zwang die Stände fi) dem Ausfpruche
Zes Concilium zu unterwerfen. Kurfürft Friedrich berennte
Dachau, zog fich aber bei Annäherung der Huffiten zurüd.
Auch wollten bie Fuͤrſten voraus fchon wiflen, wer ihren Scha⸗
ben erfeße, den fie etwa in einer Entſcheidungsſchlacht erlei⸗
den wuͤrden. Darlber wurben fie uneinig. Der Herzog von
Batern brach in der Nacht auf und nahm ben Weg nah Re
gensburg. Der Kurfuͤrſt von Brandenburg z0g in den frauen:
burger Bald. Das Volk zerriß die Fahnen und lief ausein⸗
ander. Der Carbinallegat eilte ihnen nach und brachte bie
- 1) Baczko Gedichte Preuſſens III. &.226, Vorher bewies Gig:
munb 1425 in einer eigenen Urkunde, baß bie Neumark nicht zur bran:
denburger Mark gehöre, und ihre Abfonderung nicht ber goldenen Bulle
(von ber Unzertsennlichkeit der Kurfuͤrſtenthuͤmet) wiberfpreche.
\
Politifche Begebenheiten zur Beit der coftanzer Synode. 437 |
Meiften wieber zufammen. Zwiſchen Zaus und Riefenberg
foltten fie Stand halten. Als aber die Zaboriten unter Procop
dem Größern heranzogen, in wilder Streitluft, keine Snabe vers
langend, Beine Gnade gebend, fiel Schreden auf die vorberften Reis
ben, und als diefe zuruͤckſtͤrzten, kam aldbald Verwirrung in bad
ganze Heer. Da erfuhren nun bie Zeutfchen, wie vormals die
Römer in unfern Wäldern, daß die Augen und Ohren zuerft
überwunden werben. Die Wälder, durch welche fie flohen,
erhöhten die Schrediniffe des nachfolgenden Feinded. Das Rus
fen der Treiber, das Angfigefchrei dev Hülflofen, das Krachen
und Braufen auffliegenber Pulverwagen in den Klüften bes
unendlichen Waldes, das Alles gab ein feltfames, hundertmal
wieberhallendes, betäubendes Getöfe. ‚Das ganze Lager, mehr 1431
ald 8000 Wagen mit Kriegäbebinfniffen und 150 Stuͤcke gro⸗ 1% Aug.
bed Geſchuͤtz, nebſt vieler anderer Beute fielen dem Feinde in
bie Hände; 11,000 Mann gingen verloren; Wenige fielen in
rühmlichem Streit; eine große Zahl durch Hunger und Elend.
Die Übrigen kamen ſchaͤmlich heim.
Das war ber Ausgang bed zweiten, folange vorbereite-
ten Kreuzzugs gegen bie Huffiten. Fürſten und Adel zer
fielen in heftigen Zwifl. Der Lebtere befchuldigte jene, daß
fie durch ihre feige Flucht einen unauslöfchlichen Schimpf auf
die teutfche Nation geladen hätten. Die Ritterfchaft von St.
Georgenfhild trat mit dem Anerbieten hervor, einen Kriegs⸗
zug nach Böhmen auf ihre Fauſt zu unternehmen, fobald ein
edler Ritter zum. oberſten Befehlshaber beftellt fein würde; fie
wollten dann zeigen, daß bie Böhmen überwunden werben
koͤnnten und Daß-der Zeutfche noch feine alte Tapferkeit und
Kriegsklugheit befite*). Die Fürften hielten auch wieder Zu: 27. Sept.
fammentünfte, um fich über einen neuen Kriegözug zu bera⸗
then; man befprach fich mit ber Ritterfchaft. Andere Stände 1432
waren bawider. Nürnberg und Würzburg verlangten, man
ſolle allen Angriff unterlaffen und nur für die Grenzvertheis
digung forgen. Der Kaifer hingegen und ber Cardinal Ju⸗
1) Warum trat denn bie Ritterfchaft, deren Verbindungen Sig—
munb mehrfältig begünftigt hatte, (Gefch. von Schwaben IV, 12.) nit .
früher auf? Aber auch jegt find ef nur leere Worte.
438 Bud IH. Erfter Zeitraum Abſchnitt 3.
lian fielen auf ein anderes Mittel: fie wollten jest guͤtliche
431 Unterhandblungen antntıpfen und die Böhmen trennen. Bier:
37. Aug, zehn Tage nach jener Niederlage fchrieb Sigmund an bie Boͤh⸗
men und ermahrite. fie Abgeorbnete auf dad Concilium zu
Oct. Bafel zu fenden; fie wiefen aber den Antrag mit harten Wor⸗
tm ab. Der Earbinal erfchöpfte fich in freundlichen Vorſtel⸗
lungen. Allein es verfloffen noch Jahr und ag, bis fie fich
1432 näherten. Indeſſen festen fie den Krieg auf allen Seiten
fort, da fie nur noch theilweifen Widerftand fanden. Proku⸗
pet vertrieb den Herzog Albrecht aus Mähren. Procop ber
Größere durchzog Schlefien und fiel mit jenem in Ungern ein,
wo fie jeboch zurüdgefchlagen wurden. Im Innern von Böh:
men griffen die Waifen und Zaboriten die katholiſchen Land⸗
Jun. herren aufs neue an. Procop ber Größere fiel in's Vogt:
land, in Meiffen, in Brandenburg ein, bis ihm ber Kurflirft
Eriebrich entgegenzog; dann plünderte er wieder in Schlefien.
Noch gefchahen einige Streifzüge nach Ungern, während ſchon
die Verhandlungen zu Bafel begonnen hatten.
Am Ende diefes Kriegs fiel durch K. Sigmunds Treu:
Iofigkeit ein fchweres Schidfal auf den Teutſchorden in
Preuſſen. Das Concilium zu Coflanz, das fih zur Vermitt⸗
lung im polnifch=lithauifchen Krieg erboten, brachte durch ben
Biſchof von Laufanne bloß einen zweijährigen Stillſtand zu:
1414 wege. Sigmund und der K. Karl von Frankreich verlänger:
1416 ten ihn wieber auf zwei Jahre. Jener hielt fi) um fo mehr
dazu verpflichtet, da er ſich ſchon einen fruͤhern Schiedfpruch,
welchen die Polen fich nicht gefallen laſſen wollten, gut hatte
bezahlen laffen. Da aber die Huffiten die böhmifche Krone
dem K. von Polen anboten, gab Sigmund biefem auch gute
Worte: er ließ ihm die Wahl zwifchen feiner noch jungen
Tochter Elifabeth (die hernach bem Herzog Albrecht von
Öfterreich zu Theil wurde) und Wenzlaws Wittwe Sophia,
und verfprach ihm Beiſtand gegen die teutſchen Ritter, um ber:
1421 nach) Preuffen zu theilen. Allein ber König von Polen,
Aug. Uladiſlav Jagello, entichied fich für bie Huſſiten, indem er
feinen Neffen, Sigmund Koribut, als böhmifchen Reichsver⸗
- wefer unterflüßte. Nun trat Sigmund wieder auf die Seite
des teutfchen Ordens und verfprady ihm Hülfe gegen die Por
N
Politiſche Begebenheiten zur Betr cſtamer Synode, 439
. In; er foberte deshalb die Reichsſtaͤdte und die Hanſe auf.
Auch der Papſt befahl dem Orden fi an Sigmund anzus 1422
fhlieffen, als diefer feinen zweiten Angriff auf Böhmen machte.
Indeſſ ſen, bis jene Huͤlfe kam, fielen die Polen mit folcher
Macht in das culmer Land, daß der unkriegeriſche Hochmei⸗
ſter Rußdorf aus Mangel an Geld und Mannſchaft am See
Melno einen ſchimpflichen Frieden mit neuen Abtretungen ein⸗
gehen muſſte. Nun wollte Sigmund durch Unterſtuͤtzung des
Großfuͤrſten Witold Lithauen von Polen abreiſſen und übers
rebete ben teutfchen Orden fich mit demfelben zu verbinden.
Nach deſſen Tode trat der Hochmeifter wider Willen feiner Städte 1430
in ein Buͤndniß mit Swidrigal, Uladiſlavs Bruder, um ben
Krieg gegen biefen fortzufegen. Allein Uladiflav z0g die huſ⸗ 1433
fitifhen Waifen an fi, die jetzt Beit hatten fich nach der
Neumark zu wenden; ed erging eine fchredliche Verheerung .
durch Pomerellen bi8 Danzig, das allein den Angriff muthig
abſchlug. Da jedoch die Polen auch Unfälle in Lithauen.er 1434
litten, entfchloß ficy der alternde Uladiflav zu einem Stillſtand,
ben. hernach fein Sohn gleiches Namens zum ewigen Frieden 4436
erhob. Der Orden mufite dem Bunde mit Swidrigal entfas
gen, Sigmund Koribut ald Großherzog von Lithauen aner⸗
kennen und bie legten Lanbabtretungen beftätigen. Der Kai⸗
fer wollte zwar dieſen Frieden nicht billigen, weil er. beforgte,
die Polen möchten den Huffiten neue Unterſtuͤtzung geben.
Alein da er dem Orden Feine Hülfe zu fchaffen wuſſte, fo
muffte er die Sachen auf fich beruhen laffen. Won dem an
zerfiel die innere und Auffere Macht des Ordens fichtbar.
Wie zwei Unglüdliche “inander gern die Hände bieten, .
fo entſtand jetzt auch wieder eine engere Verbindung zwilchen
dem Orden und dee Hanfe. Diefe hatte zwar noch nicht
lange eine entfcheidende That gethban, indem ihre Flotte den
K. Erich von Daͤnemark zwang das Herzogthum Schles⸗
wig, das K. Sigmund ibm aus Freundſchaft zugefprochen,
ten Sraven von Holftein zu laffen. Allein da fie nach und nach
ihre Privilegien bei den auswärtigen Staaten verlor und von Eng:
land befonders gebrücht wurde, fo war eine kräftige Vermittlung 1434
nöthig. Diefe übernahm dev Ordenz doch ohne großen Erfolg ),
1) Barzto Geſch. Preuffens Bd. IH.
40 Bud I. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 3.
14. Die Kirchenverſammlung zu Bafel bis zum Er:
löfchen des Iuremburgifhhen Haufes, 1431—1437.
Julian Caͤſarini, paͤpſtlicher Legat, betreibt die
Kirhenverfammlung «wegen ber Huffiten und
fährt fort felbfi gegen den Willen bed Papſtes.
Sigmunds unzeitige und unwürdige Kaiſerkroͤ—
nung. Seine Bermittlung zwifhen Papft und
Concilium, um mit Hülfe des Lestern bie Böh:
men zu unterwerfen. Die vier. prager Artikel ald
Compactaten für die Utraquiſten Neue Spannung
bes Concilium mit dem Papfl. Sigmunds Ber:
. trag mit ben Böhmen. Gegenreformation in Über:
einfiimmung mit dem Papſte. Gigmunds legte
VBerrihtungen im Reich. Bergebliher Widerſtand
gegen des neuburgundifhen Herzogthums An:
wachs und Losreiffung vom teutfhenfeihe. Eben
fo vergebliche Landfriedensanflalten Verraͤthe⸗
rei der K. Barbara im Einverfländniß mit ben Huſ⸗
fiten. Sigmund Vorkehrungen und Tod.
Der Huffitenkrieg, durch die Befchlüffe der coflanzer Kirchen:
verfammlung hervorgerufen, wurde wieder die Haupttriebfeder
zu einer neuen, nachdem man fich genugfam überzeugt hatte,
baß in einer folhen Sache die Waffen Nichtö vermögen. Waͤh⸗
rend diefer Zeit hatte man zwar nicht unterlaffen in ben übri-
gen Kirchenangelegenheiten, befonderd in ber Reformation:
ſache, die zu Eoftanz befchldffenen weitern Verhandlungen wie
der aufzunehmen; allein dba Papfl Martin V. ſchon in Abficht
bes Ortes ber Zuſammenkunft Alles aufgeboten, um fich nicht
wieder in die Gewalt der Zeutfchen zu begeben, und deshalb
bie Kirchenverfammlung erfi nach Bologna, dann wegen bet
1423 Peft nach Siena verlegt hatte, fo wurde er num doch durch
Stimmenmehrheit gezwungen, eben in Beziehung auf bie teut-
fchen Angelegenheiten, eine allgemeine Kirchenverfammlung nad
1424 Bafel auszufcpreiben, bie jedoch erft in fieben Jahren gehal:
19. ven ten werden füllte. Kurz vor feinem Tode ernannte er ben
1. Behr. Cardinal Julian Caͤſarini zu feinem vorfigenden Legaten;
Synode zu Bafel, 1431—1437. 441
fein Nachfolger Eugen IV. gab vor der Hand auch bie Bes 1431
flätigung, und ‚man hatte in der That an dem Gardinal den Mai.
Mann gefunden, bem es mehr Ernſt bei der Sache war als
den biöherigen Päpften. Schon während er ben legten Kreuz
zug gegen die Huffiten geführt, ließ er durch feinen Subbe-
legirten bie Kirchenverſammlung zu Bafel eröffnen, und ba er 23. Jul.
denn auf jener fchmählichen Flucht perfönlich geängfligt wor:
den, fp betrieb er nun um fo mehr den Weg gütlicher Vers 15. Oct.
handlungen. In der erften Sitzung trug Biſchof Philibert
von Soutance (in der Normandie) der Kicchenverfammlung vor; 14. Dec:
die Abſicht fei, folgende drei Gegenftände mit dem forgfältigs
fien Fleiſſe zu bearbeiten: fuͤr's Exfte wolle fie Alles anwen⸗
den, damit bie Finfterniß fämmtlicher Kebereien aus ber
Chriftenheit vertrieben werde; für's Zweite folle die Wuth der
Kriege unter den Chriften gebämpft und ber Friebe überall
bergeftellt werben; für’ Dritte follen die Difleln und Dors
nen von Laſtern, welche beinahe zu einem diden Walde ge
worden, aus dem Weinberge Chriſti ausgehauen werben, bas
mit berfelbe wieber blühen und treffliche Srüchte tragen möge.
Zeutfche Berichte haben das fo ausgebrädt: Die Meinung
und Abficht des Concilium gehe vornehmlich auf drei Gas
hen: erftend zu dämmen ben Unglauben der Huffen und
Anderer die etwa aufflündenz zweitens alle böfe Sitten
und Gewohnheiten und unorbentliche Läufe zu flrafen und
abzuthun; brittend wohl zu machen und zu beftätigen gemei⸗
nen Frieden zwifchen allen Herren und in allen Landen. .
Die verfammelten Väter waren im Begriff einen recht
guten Anfang zu machen: fie beriethen nicht nationenweife,
wie zu Coftanz, fondern in vier Ausfhüflen bie unter bie
felben vertheilten Gefchäfte, bis folche zur öffentlichen Vers
handlung und Cntfcheidung reif waren; fie gaben fich alle
Mühe die Böhmen herbeizubringen und wollten fofort, . da
jene noch zögerten, zur längfigewünfchten Reformation ſchrei⸗
tn. In dem Allen verbeflerten fie den Geſchaͤftsgang ber
coflanzer Verfammlung, bei welcher die päpftliche Partei eben
die Hauptfache, dad Reformationswerk, zur legten Aufgabe
gemacht hatte, welche auch indeſſen auf's neue hinausgeſcho⸗
ben worden. Viele fahen wohl ein, daß ed ein Winerfpruch
442 Bud IE Erfier Zeitraum. Abſchnitt 3.
wäre, mit ben Kegereien ben Anfang machen zu wollen, fo:
bange die eigentliche Urfache derfelben, das Verderbniß in ber
Br Kirche und Geiftlichkeit, noch nicht gehoben waͤre. Da trat
eine zweifache Hemmung ein, von Seiten des romiſchen Koͤ⸗
nigs und von Seiten des Payfies
1431 Sigmund war gleich nachdem er die Böhmen ‚zur Kir
29. Aug. chenverfammlung eingeladen hatte, nach Italien_aufgebrochen,
um ſich zum Kaiſer kroͤnen zu laſſen. gwanzig Jahre fuͤhrte
er die Reichsregierung unter dem Titel eines roͤmiſchen Koͤ⸗
nigs, ohne daß jener vermiſſt wurde. Jetzt, da er von allen
Huͤlfsmitteln entbloͤßt war, da es Niemand verlangte, da viel⸗
mehr die erblaͤndiſchen wie die allgemeinen Reichsangelegen⸗
heiten ſeine Gegenwart in Teutſchland dringend foderten, ent⸗
fernte er ſich ganz unerwartet und blieb zwei ganzer Jahre
aus. Es laͤſſt fich in dieſer ſonderbaren Entſchlieſſung nicht
nur kein Zuſammenhang mit dem Zwecke der Kirchenverſamm⸗
lung finden, ſondern es brachten im Gegentheil die Verhand⸗
lungen wegen der Kroͤnung mehrfache Zoͤgerungen für jene,
indem ed dem Papfte erwuͤnſcht war ihm zu ihrem Nachtheil
Bedingungen machen zu können. Da die Väter eben das
Meformationswerd vornehmen wollten, kam eine Bulle von
12.Nov. Eugen IV., welche unter allerlei Vorwaͤnden die Verſamm⸗
lung zu Bafe aufhob;, befonderd flellte er darin voran, Daß
die Berufung der Böhmen dem. Anfehn ber Kirchenverſamm⸗
lungen zu Coftanz und Siena entgegen wäre, welche diefelben
für Keger erklaͤrt hätten. Der Legat gehorchte dem Papft in
fofern, daß er nicht mehr in feinem Namen den Vorſitz führte;
machte ihm aber in Gemeinfchaft mit der Kirchenverfammiung
fehr freimüthige Vorftellungen: „wenn auch,“ fagt er unter an>
derm, „Feine allgemeine Kirchenverfammlung berufen worden
wäre, fo hätte doch ein Provinzialconcilium zur Reformation
des Klerus in Zentfchland gehalten werben müflen, weil ſonſt,
wenn dieſer fich nicht befjere, die Laien wie die Huffiten über
benfelben hexrfallen würden, wie fie bereit8 verlauten lieſſen,
und ed würben auch nach ber Außrottung der buffitifchen Kege:
rei neue entſtehen.“ Ä
1432 Die Vaͤter erneuerten in ihrer zweiten Hauptſitzung die
15. Schr. coſtanzer Veſchluſſe von der Superioritaͤt des ing über
Spnode zu Bafel, :1431— 1437. 443 .
ben Papft mit der Erklärung, baß die gegenwärtige Verſamm⸗
lung zu Bafel ein rechtes allgemeines Goncilium fei, das ohne
ihre Einwilligung gar nicht aufgehoben werben Tönne. Auf
der andern Seite blieb der Papſt eben fo feft bei feinem Bes
ſchluß das Goncilium zu verlegen und verweigerte dem roͤ⸗
mifchen Könige die Krönung, wenn er ihm nicht barin beiſte⸗
ben winde. Sigmund hatte fich bei feinem Römerzuge allein
auf den Herzog von Mailand, Philipp Maria Viſconti,
mit dem er ein Bünbniß gegen die Venetianer gefchloffen '), .
verlaffen, und deshalb von den teutfchen Fürften weder die
Heereöfolge verlangt noch ihnen überhaupt Etwas von feinem
Borhaben befannt gemacht. Allein der Herzog vermied mit
ibm zufammenzulommen, weil er, nach feiner Aufferung,
vor Freuden fterben müffte, wenn er den Kaifer zu ſehen bes 1431
time. Nun empfing zwar Sigmund die italienifhe Krone 25. Nov.
zu Mailand, zog dann aber, weil ber Herzog von ber ver
forochenen Unterflüßung an Geld und Mannfchaft nur wenig
bielt, in Armuth und Sorgen nach Piacenza, anlegt nach Siena,
wo er faft ein ganzed Jahr liegen bleiben muſſte, weil ihm 1432
der Papft immer neue Schwierigkeiten in den Weg legte.
Während diefer Zeit vergnügte fich ber 63jährige Sigmund
im vertrauten Umgange mit einer ungemein fchönen Edelfrau
zu Siena fo fehr, daß bie enblihe Berufung bed Papſtes
ibm und ihr ganz unbequem fam?). Doc blieb Sigmund _
flandhaft gegen den Papſt; er warnte benfelben Nichts wei⸗
tee wider das bafeler Concilium zu unternehmen, weil er feine
Ehre dabei auf's Spiel fehen wuͤrde. Er habe verfprochen
daſſelbe zu ſchuͤtzen und zu erhalten. Es war ihm hauptfäch>
ih um die Beruhigung der Böhmen, die er allein vom Con⸗
cilium erwartete, zu thun; deshalb ließ er auch daflelbe auf's
neue verfichern, daß er ihm mit aller feiner Macht beiflehen
werde bis zum Zobde?). Im Vertrauen auf diefe Verſiche⸗
1) Lünig Cod. Ital. dipl. T. II. p. 2827,
2) Den Briefwechfel führte der Kanzler Schlid. Einen Iuftigen
Auftritt beim Abſchied, da der Kaifer von dem unvermuthet hereingelom:
menen Eheherrn fast ergriffen worden, |. Müller Schweiz. Geſch. UI,
419, R. 106.
8) Gef. v. Schwaben IV, 899.
\
.
444 Buch II. Erxfter Zeitraum. Abſchnitt 3.
sung fohritten nun bie verfammelten Vaͤter ruhig in ihrem
Verfahren gegen den Papft fort und befchloffen den Rechts
1433 weg zu verfolgen. Sie festen ihm eine Friſt zum Widerrufe
Bebr. per Aufhebungsbulle und bedrohten ihn, als er neue Aus
April. flüchte fuchte, mit Sufpenfion oder gar Abfetung: Es leuch⸗
ten in diefer Berfammlung eine audgezeichneten Namen ver,
wie wir fie zu Coflanz geſehen; aber die Zufammenflimmung
war inniger und ernfllicher als dort.
. Nun näherte fi Eugen IV. dem römifchen Könige. Ei⸗
ned ber biöherigen Hinderniſſe wurde dadurch gehoben, daß
zwifchen ben Bundeögenofien bed Papfles, den Venetianern
und Florentinern,” und zwifchen dem Herzog von Mailand,
26. April. Sigmunds Verbündeten, ein Friebe zu Stande kam, an wel
chem Sigmund zu Siena vergeblich gearbeitet hatte und bar:
über mit dem Herzog ganz zerfallen war. Der Scholaſticus
von Trier, Jacob von Sink, vermittelte dann noch weiter
zwifchen Sigmund und Eugen, worauf bie Einlabung zur
31. Mai. Krönung erfolgte. Der Papft verrichtete aber die Handlung
nicht ſelbſt. Während Sigmund vos ihm Iniete, wurbe ihm
die Krone von einem bazu Beftelten etwas fchief aufgefekt;
der Papft hob dann den rechten Fuß auf und rüdte fie damit zu:
recht; fo wäre ed Recht und Gewohnheit). Nach der Feier
lichkeit hielt der Kaifer dem Papfte beim Auffteigen den Bü:
gel. Bor ber Krönung hatte er den gemöhnlichen. Eid ge
fhworen. Run blieb Sigmund noch drei Monate zu Rom,
um zwifchen Papft und Goncilium zu vermitteln. Go viel
that er jenem zu gefallen, daß er das Concilium bewog bie
geſetzte Zrift zum Widerrufe zu verlängern. Als er nach Ba
Aug. fel zuruckkam, bewirkte er eine nochmalige Erſtreckung von
090 Tagen. Zuletzt muffte doch Eugen IV. fi fügen: ew
4434 ließ eine unummwundene Anertennung der bafeler Kirchenver
3. Bebr- fammlung und nahm die erftere Bulle zuruͤck, worauf bie Bi
ter von den anweſenden Garbindien bie coflanzer Befchlüffe
24. Apr. befchwören lieffen*).
1) WındeckL c.
2) Auffer ben Ion beim Huſſitenkrieg angeführten Quellen gehoͤren
hieher Labbei Conecil. T. XIL Harduin. T. VIII. Raynald.
Annal. bei ben oben bemertten Jahren. :
#
Synode zu Baſel, 1431—1437. 445
Über viefen Verhandlungen vergingen nun freilich zwei
volle Jahre, in welchen die Kicchenverfammlung für ihre Auf:
rechthaltung zu kaͤmpfen hatte. Ungeachtet das Concilium in
teutfchen Landen gehalten wurde, fo waren doch gerade von
ben teutfchen Prälaten viele ausgeblieben, ſchuͤchtern gemacht
durch des Papſtes Zurkcdhaltung und bed Kaiferd Abweſen⸗
beit. Auch von den Fürften waren noch wenige erfchienen,
fodaß die Väter ſich hauptſaͤchlich an bie Städte hielten,
wiewohl Sigmund die Statthalterfchaft dem Herzog Wilhelm
von Baiern Übertragen hatte. Mit des Kaiſers Ruͤckkehr ka⸗
men nun die Geſchaͤfte in beſſern Gang. Den abweſenden 1433
HPrälaten gebot er unverzüglich zu erſcheinen. Mit den Boͤh⸗ 19. Rov.
men waren die Verhandlungen indeſſen eingeleitet worden.
Auf ihre erfle ſtarke Ablehnung der Anträge des Königs und
der Kirchenverfammlung erließ ber Cardinal Iulian ein Schreis 1432
ben in ben mildeften Ausbrüden, worin er fie dringend bat 8. März.
einige Gotteögelehrte zur Unterrebung zu enden; man werbe _
fie mit aller Sanftmuth hören, foviel fie ed verlangten, bis
der Geift der Wahrheit beide Theile auf ben rechten Weg
fuͤhren wuͤrde. Überdies ſandte das Concilium ein paar Ab⸗
geordnete nach Nurnberg, um wegen ber Unterredung weiter
zu handeln, und flellte einen Geleitäbrief für die böhmifchen
Gefandten aus, welche der Übereinkunft gemäß zu Eger fich
einfinden folten. Auch der Kurfünft Friedrich von Branden: Mat.
burg, an welchen Sigmund die Böhmen bei feinem Aufbruch
nach Stalien. gewiefen, und einige andere Bürfien und Her
ven famen mit einem flarfen ‚Sefolge dahin. Die Böhmen
waren noch immer mistrauiſch in Erinnerung an Huſſens Schick⸗
fal. Ihre Abgeordneten verlangten zu Eger, daß einige Fuͤr⸗
fin und Prälaten ihnen als Seifeln überliefert werden follten.
Der Kurfürft Friedrich entfprach ihnen foweit, daß in feinen
fränfifchen Ländern einige Prälaten ihre Einlager haben ſoll⸗
ten, bis ihre Gefandten von Bafel zuruͤckkommen wären.
Ale Fürften und Stände, durch deren Gebiet fie reifen foll-
ten, gaben befondere Geleitsbriefe; das Concilium felbft aber
flellte einen fehr bündigen, allgemeinen Geleitöbrief aus. So⸗ 20. Sn
mit wurben bie Sophiftereien ber coflanzer Kirchenverfamm;
lung in Abficht der Unverbinhlichfeit des Ketzergeleites zuruͤck⸗
»
46 Bud DI Erſter Zeitraum. Abſchnitt 3,
genommen. Deſſen ungeachtet lieffen bie Böhmen erſt durch
zwei Abgeordnete die Stimmung zu Bafel näher erforfchen;
als diefe nun mit guten Rachrichten zurückkamen, hielten fie
einen großen Landtag zu Prag, auf welchem, nicht ohne Wi:
derfpruch der Zaboriten, Wailen und ded gemeinen Volks,
eine förmliche Gefandtfchaft nach Baſel befchloffen wurbe.
Der Rector der Univerfität emannte von jeder Partei einen
Abgeordneten, welche von Procop dem Größern und mehre
ven angefehnen Männern mit einem ſtattlichen Gefolge be
gleitet wurden. An ihrer Spige fland Johann von Ro:
Iyczana, den die Prager und Zaboriten ſchon früher zum
Generalinfpector aller ihrer Kirchen erwählt hatten, ein fehr
1433 beredter, fiharffinniger, aber auch ehrgeiziger Mann. Zu Ba:
Ian. sel angelangt, legten fie, zur Verwunderung der Kirchenver:
fammlung, bloß die vier prager Artikel ald eine Art Slau:
bensbekenntniß vos Jeder Theil hoffte den andern zu übe: '
zeigen. Nachdem man lange ohne Erfolg diöputirt hatte,
flug der Protector, Herzog Wilhelm von Baiern, eine Ver
gleichshandlung vor; aber auch biefe führte nicht“ zum Ziel,
April and nım gingen bie Geſandten verbrüßlich wieder zuruͤck, in:
dem fie ed der Kirchenverfammlung frei flellten ihrerſeits auch
Abgeordnete zu weitern Verhandlungen nad Prag zu fehiden.
Man beſchloß noch einmal nachzugeben und bewilligte ben
Antrag.
Died war in bemfelben Zeitpunct, ba ber Papft anfing
gegen die Kirchenverfammlung umzuflimmen. An ber Spige
der baſeler Gefanbtichaft war ber fchlaue und gewanbte Bi-
fchof Philibert mit zweierlei Imftructionen. Nach der Sf:
fentlichen trug er auf Wiedervereinigung der Böhmen mit ber
Kirche an; der Mitgefandte Polemar ſprach: „was zu Go:
ftanz geſchehen, müffe vergeffen werden.” Phil:
bert muffte. harte Worte darüber hören, verbarg aber feine
Empfindungen unter lauter Schmeichelteden, benn nach bem
geheimen. Auftrage bed Cardinallegaten follte er bie gemäßig:
tern Huffitem oder Calirtiner an-fich ziehen, um dadurch bie
Parteien für immer zu trennen und bie Widerſpenſtigen zu
vernichten. Dies gelang. Ciner ber angefehnften Tatholifchen
Landherren, Meinhard von Neubaus, ber die Geſandt⸗
Synode zu Bafel, 14311437, 447
fchaft nach Baſel betrieben und wie bie Andern ber argen
Verheerung längft überbrüffig war, trat über. Dem Io:
hann von Rofyczana verſprach Philibert dad Erzbisthum
Prag, und er wurde auch gewonnen. Als die Taboriten und
Waifen merkten, daß die Calirtiner fich zur Union neigten, 1433
von welcher fie durchaus Nichts hören wollten, fo war bie Sun.
Trennung entſchieden. Die Galirtiner lieffen fih zu einem
einfeitigen Vergleich mit. dem Goncilium bewegen auf den
Grund der vier Artifd. Dies gefchah, als der Kaifer aud Aug.
Italien zuruͤckkam. Die Artikel wurden erfllich zu Prag, dann
zu Bafel folange erläutert und befchränft, bis fie endlich bei⸗
den Theilen vecht waren. Hierauf wurben, hauptfächlich durch
Mitwirkung des Johann von Rokyczana, bie Compactaten
zu Prag gefchloffen und die Artikel unterfchrieben. Die Be⸗ 90. Nov.
fhräntungen, welche die Kirchenverfammlung angebracht, find.
diefe: Bei der NReichung bed heiligen Abendbmahls unter beis
derlei Geſtalt folle der Priefter hinzuſetzen, daß die perfüns
lihe Gegenwert Chriſti auch unter Einer Geftalt zu fins
ben feiz die Öffentlichen Zodfünden und andere Verbrechen
folen fo viel möglih nah den göttlichen Geſetzen und den
Ordnungen ber Kirchenvdter aeflraft werben, jedoch. nur von
Derfonen, welche obrihkeitliche Macht haben und unter -deren
Gerichtszwang die Verbrecher fonft ſtehen. Zur freien Pre:
digt des göttlichen Wortes find nur verordnete Priefler zu:
zulaffen, ohne Nachtheil der höchfien Gewalt des Papftes.
Weltliche Güter follen die Beiftlichen befigen verwaltungss
weile, nicht als Eigenthum; Andere aber als Geiſtliche, welche
ſich derſelben anmaßen, werden als Kirchenraͤuber be⸗
trachtet. Be B
Die Zaboriten und Waiſen ſahen in dieſen Beſchraͤnkun⸗ 1434
gen nichts Anderes als die Wiedereinführung des
Papſtthums; fie blieben nicht nur im Widerfpruch, ſon⸗ 2. Ian.
dern die Erbitterung ber beiden Parteien brach bald mit eis
ner folchen Heftigkeit aus, welche ben Untergang der einen
oder der andern herbeiführen muffte. Die Schlacht bei Hrzib,
unweit Böhmifchbrod, entichied für die mildern Huffiten oder
Galiztiner; die beiden Procope fielen zugleich mit ihrer Sache. 30. Mai.
Der Reft der Zaboriten fchloß fi in fefle Plaͤtze ein, wurde
4
in U
458° Bud OL Erſter' Zeitraum. Abſchnitt 3.
aber, nach abermaliger Rieberlage "bei Lomnicze, genoͤthigt
alle diefe Städte, auch Tabor zu übergeben und Ruhe zu
halten.
&o warb die erfle Aufgabe der bafeler Kirchenverfamm-
lung in Abfiht der Kegereien gelöft durch Nachgiebigkeit,
Bergleih und Trennung der Parteien. Das Berfahren ge
gen Huß und Hieronymus war fomit ſtillſchweigend verwor
fen; Dagegen hoffte man um fo gewiffer durch Ummege zu
erreichen, was die Zaboriten gefuͤrchtet. Indeſſen kam die
Reihe an die weiteren Aufgaben der Kircchenverfammlung, au
bie Reformation und ben allgemeinen Frieden. Da in
1434 diefem Beitpunct die ſchon berlhrte päpftlihe Anerkennung:
5. — bulle der Verſammlung einlief, worauf die Erneuerung der
2 Sun. coſtanzer Befchlüffe geſchah, fo fühlten fi die Väter aufs
neue ermuthigt die Sache ernfllich anzugseifen, obgleich Sig
mund der Reihögefchäfte wegen Bafel jegt wieder verlieh.
1435 Sie gaben zuerft Beſchlüſſe zur Abfchaffung der Concubinen,
22. Jan. des (oben befchriebenen) Narrenfeftes, der Schmaufereien und
Jahrmaͤrkte in dem Kicchen, der Miäbräuche beim Gottesdienſi
und im Beneficienwelen; dann kamen fie aber gerabezu an
9. Zun. den Papft felbft und das um fo mehr, weil dieſer bisher ale
ernſtliche Reformationdverfuche zu vereiteln gewuſſt hatte. Das
Meifte betraf zwar nur das Zeitliche: ed wurden dem Papfe
die Annaten, bie Palliengelder zc. abgefprochen; die Kirche
folle dem römifchen Stuhl nicht zinsbar fein, fondern dieſer
1436 folle fi mit den Einkünften bes Kirchenflaates begnligen:
28. März kurz, man wollte ben Papft wenigſtens wieder ſoweit zucäd-
ſetzen, als er in Abſicht der Gewalt und der Einkünfte vor
dem Sturze der hohenflaufifchen Kaifer gewefen. Allein die
hieß ihm gerade an das Leben greifen. Es entſtand wieder
eine neuer, heftiger Kampf. Da jetzt auch von Vereinigung
16. April. der griechifchen Kirche die Mebe wurde, fo ergriff Eugen IV.
1437 dieſe Veranlaffung, das Concilium zu Bafel aufzuheben oder
18, Sept. nach Italien zu verlegen. Die Verhandlungen darüber wur
den bis nach K. Sigmunds Tode fortgefegt, und. darüber auch
die dritte Aufgabe, die Herflelung des allgemeinen Briebens,
weiter hinausgeſchoben.
Indeſſen ift bier noch zu zeigen, was K. Sigmund in
f
Spnobe zu Baſel, 1431-1437. _ 40
feinen beei letzten Jahren in ben Erblanden und im Reich ges
than, und unter welchen Umfländen er fein Haus gefchlofien.
Mit. ber Unterwerfung der Huffiten unter die Kirche
war ihre Unterwerfung unter ben Erbkoͤnig Sigmund noch
gar nicht ausgefprochen. Als biefer die Nachricht von ber 1434
Niederlage der Taboriten empfing, fertigte er von Ulm, wo er + Sun.
Reichötag hielt, eine Gefandtichaft nach Prag abz die böhmis
fhen Stände fandten darauf Abgeorbnete, weiche ihn zu Res
gensburg trafen und vorerfi die Faiferliche Beſtaͤtigung
ber Gompactaten verlangten. Er gab biefe und fragte dann,
ob fie ihm num als ihrem Könige huldigen winden. Sie
nahmen aber erſt bie Sache in nähere Überlegung. Der Lands
tag zu Prag entwarf in 14 Artikeln die Bedingungen der 1435
—Se Der Inhalt iſt dieſer: „K. Sigmund folle die 14 Beir.
vom Goncilium zugegebenen vier prager Artikel befldtis
gen und genau beobachten laſſen; an feinem Hofe huffitis
‚ Ihe Prediger haben; Niemand in Böhmen zwingen Schlöfe
fer auf feinen Gütern zu bauen ober Mönche anzunehmen;
‚ bie Univerfität zu Prag berfiellen und die Hofpitalgüter
vermehren; bie Böhmen nicht zwingen bie zerflörten Kiöfter
wieder aufzubauen; dem Königreich feine Privilegien und die
weggeführten Heiligthuͤmer und Reichskleinodien wiebergeben;
aufferhalb ber Kirchen teutſch, innerhalb derfelben aber boͤh⸗
miſch prebigen laffen (mad früher umgekehrt war); keinen
‚ Eremden in ben Rath ſetzen; verwaiſte Kinder nicht ohne
‚ Bewilligung ihrer Freunde verheitathen; gute Münze fchlas
gen und die Bergflädte wieder aufbringen; die Verweſung
des Reichs keinem Fremden anvertrauen; den Juden keine
Binfe zahlen laſſenz entwicdhene Bürger nicht wider Willen
ihrer Mitbürger aufnehmen; überhaupt eine allgemeine
Amneſtie bewilligen.“
| Diefe Artikel nahm Sigmund fo bereitwillig an, daß 6, Zul.
man ſchon denken Eonnte, er fei nicht gefonnen fie länger zu
halten, als bis er feine Abficht exreicht haben würde. In der
Zwiſchenzeit ehe fie dem Kaifer zu Brünn vorgelegt werben
konnten, weil bie drei huffitifchen Parteien wieder unter fich
ſelbſt zerfielen, festen fie auch die Unterhanblungen mit bem
Concilium fort, um eine Milderung ber vier Artifel oder
Pfiſt er Geſchichte d. Zeutfchen IIL 29
2 450 Bud IN. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 3.
Compartaten zu erhalten. Wenige Tage nachbem Sigmund
die gedachte Zuſage gegeben, „unterfchrieb ein Theil der huſ⸗
1435 Fitifchen Lehrer zu Braunau die vom Concilium zugeflandenen
18. Jul. Abaͤnderungen; ba hingegen bie lbrigen mit den Gefandten
des Concilium in bigigen Streit gerietben, befonder8 über
den Artikel von den Kicchengütern, fo ſchlug Sigmund vor,
wieber an das Concilium felbft zu gehen und deſſen Entfchei:
Dung zu erwarten. Inzwiſchen bewirkte der Kanzler Schlid
21. Sept. auf dem Landtage zu Prag den einmüthigen Schluß ber böh:
mifchen und maͤhriſchen Stände, daß Sigmund auf bie vor
gelegten 14 Artikel als König angenommen werben folle. Als
num auch der Gefandte Polemar mit der ‚verlangten Milde
rung des Artikels von ben Kirchengütern zuruͤckkam, fo daß
flatt Kirhenraub nur unrehtmäßige Bemädhtigung
41436 geſetzt werden folle, fo ertheilte K. Sigmund zu Stuhlweiß
6.8. Zap. fenburg eine geboppelte Verfiherung, baß er die jetzt verglihe
nen vier prager Artikel erfüllen, beftäfigen und den Böhmen
und Mähren wider Alle die fie antaflen winden mit alle
- Macht beiftehen wolle. Aus eigener Milde erflärte er noch zu
ihren Gunften einige nicht deutlich genug geſetzte Puncte bei
- Vergleiche. Er erlaubte, baß fie den Erzbifchof ımb die zwei
Suffraganbifchöfe felbft wählen dürften, und verfprach dieſe
zu beftätigen, ohne baß fie eine andere Befldtigung einholen
dürften. Zudem vertheilte er den Gefanbten 60,000 Duca⸗
ten und ſchenkte den Böhmen eine Menge Vieh. Von jenem
Rechte machte der. Landtag zu Prag ſogleich Gebrauch und
wählte den Johann Rokyczana zum Erzbifchof. Auf e&
3. Zul nem Landtage zu Iglau beſchwur Sigmund vor den Etän
ben und ben Gefandten bed Goncilium, nebſt feinem Schwie⸗
gerfohn, H. Albrecht, bie Compactaten mit einem feierlichen
Eide. Um die Übergabe bed Reichs zu befchleunigen, ertheilte
Sigmund, wider ben Willen feiner Räthe, weitere große Zu:
fiherungen. Roch beſtimmter als in den 14 Artikeln ver⸗
ſprach er in einer eigenen Urkunde, daß bie vertriebenen Moͤnche
und Nonnen nicht zuruͤckberufen werben follten, ja bag man
dem Papfte die Herrfhaft und Gewalt über die
8. Jul. Kirchen in Böhmen entziehen wolle Cr beflätigte
ben neuen a ‚, ber im Be ber ganzen böhmifchen
Synode zu Bafel, 1431-1437. 451
Geiſtlchkeit auf dem Markte zu Iglau bee rimiſchen Kirche
nach Inhalt der Compactaten Gehorſam verſprach, —
Biſchof Philibert den Bamm aufhob. Nach allen dieſen
geſtaͤndniffen) hielt Sigmund endlich feinen Einzug in = 1436
und empfing die Huldigung. Aud die Taboriten verſprachen 7 Te
Frieden zu halten. Sigmunb erhob Tabor zu einer freien
Königlichen Stadt und ſchenkte ie ein Städ Landes; er fol
= * auf fuͤnf Sahıe völlige Serwiffensfreiheit Re r
en
Alles war von Sigmunde Milde durchdrungen. Ein ein⸗
ziger Ritter, Johann von Rohatecz und die Stadt Königine
sräb zweifelten an feier Aufrichtigkeit und blieben im Aufs
fland. Der ganze Adel zog gegen fie; bie Gtabt muffte fi
in die Gnade des Königs ergeben; ber nnglüdliche Rohatec;
wunde gefangen und büßte mit ben Seinigen am Galgen.
Bald aber ergab fih, daß fie richtig geurtheilt hatten: denn
Sigmund fing fogleich an, nachdem er die meiften feften Pläge
befegt hatte, gegen feinen Eid zu handeln, ohne Zweifel, weil
er ihn gegen Ketzer unverbindlich hielt. Er ließ Domberren
und Mönche verfchiedener Orden wieder nach Prag kommen und
ſtellte die Kirchen und ben katholiſchen Gottesdienſt mit ſei⸗
nen Sebräuchen wieder her. Der Papfi, eben fo uneinges
denk, daß er den Böhmen zu dem Vertrage von Iglau Gluͤck
gemwünfcht hatte, lobte jetzt Sigmunds Eifer für bie katholi⸗
fche Religion und ſandte ihm eine golbene Roſe. Dem neuen
Erzbiſchof Rokyczana machte Sigmund Bedingungen, unter
weichen ihn die Böhmen nit gewählt haben würden. Da |
er fich nicht bequemen wollte, ſetzte er ben Bifchof Ppilibert
von Eoutance zum Adminiflrator des Erzſtiftes ein, der dann
Das ganze römifche Ritual wieder einführt. Rokyczana,
aus feiner Taͤuſchung erwacht, verfluchte das Ritual öffentlich
von ber Kanzel und foderte das Volk auf, den Mönchen, den
Zeufelödienern, den Eintritt zu vermehren. Sigmund verjagte
ihn aus Prag. Um bie Ruhe zu erhalten, ſtellte ex das oberfte
1) Häberlin Keichegeſch V, 641 ff.
2) Das mögen fo mündlide Zuſicherungen gewefen fein, mit benen
ed noch weniger Ernſt war als mit den fchriftlichen.
29 a
7
1437
April.
452 Bub IL GEefier Zeitraum. Abſchnitt 3.
Gericht oder Landrecht zu Prag wieber her und befehte es mit
lauter Eingebomen. Dann ließ er bei der Krönung feiner
Gemahlin vieles Gelb unter das Voll auöwerfen. Allein bie
Huffiten lieſſen fich nicht täufchen und brohten wieber zu ben
Waffen zu greifen. Nun hielt Sigmund für gut einzulenfen,
wiewobl das Concilium hauptfächlic wegen des Rokyczana
neue Schwierigkeiten machte die Gompactaten zu beftätigen.
Er geftand ben Calirtinern oder Utraquiften ein eigenes Con⸗
fiftorium zu, ließ öffentlich in vier Sprachen ausrufen, daß
fie die vechten und erfien Söhne der Kirche wären und von
den andern, welche das heilige Abendmahl nur unter Einer
Seftalt empfingen, nicht bebrängt werben follten. Ex ernannte
Meinhard von Neuhaus zum Statthalter, da er zu den teut-
fchen Reichögefchäften abgerufen wurde, Sah er nicht endlich
klar, der gewiffe Weg ein Volk feinem Fuͤrſtenhauſe zu ent:
fremden fei, es in feinen beiligfien Erwartungen zu täufchen?
Waͤhrend diefer Verhandlungen mit den Böhmen wollte
Sigmund auch wieder Etwas für die Beruhigung des teut-
fchen Reichs, fuͤr deflen innere und aͤuſſere Sicherheit thun.
434 Ais er von Bafel nach Ulm kam, vermittelte er einfhweilen
zwifchen Baiern und den fhwäbifchen Ständen, und
brachte die Stadt Donauwörth wieder an dad Reich. Das
für bezahlte ihm diefe 13,000 fl. theild zur Ausloͤſung feines
zu Bafel verfegten Silbergefchired theils für die Zehrung zu
Um. Eben fo viel wurde bem ‚Herzog Ludwig von Baiern
aufgelegt. Gin Hauptzwed des Reichstages zu Ulm follten
bie Verhältniffe bed Herzogthums Burgund fein, welche.
die wefllihen Reichögrenzen mit einer bedeutenden Verminde⸗
sung bedrohten ').
Wie die drei größten Provinzen im Suͤd⸗Weſt, Bur:
gund, Daupbine, Provence, zur Zeit ba das Iurems
burgifche Katferhaus auftrat, an franzöfifche Prinzen ge
fommen und nur noch Savoyen und die burgundifche Frei⸗
graufchaft dem Namen nach unter teutfcher Lehensherrlichkeit
geblieben, ift fchon früher angezeigt worden *). Indeſſen machte
1) Geſchichte von Schwaben IV, 407.
2) ©. oben ©. U. '
Synode zu Bafer, 1431—1437. 453
das neuburgundifche Haus bie glädlichften Fortfchritte in
Lanberwerbungen und in Vereinigung berfelben zu einem uns
abhängigen Staate. Zu den ebenfalls oben ſchon genannten
Befigungen kamen in kurzer Zeit folgende hinzu. Philipps
des Kühnen, Gruͤnders bed neuburgundifchen Haufes, Sohn,
Johann der Unerfchrodene und Grav Wilhelm II. von
Holland (aus dem baierifchen Haufe) hatten jeder bed an⸗
dern Schwehter, Beide Margaretha genannt, zur Gemah⸗
lin. Won biefer doppelten Schwägerfchaft geben bie nachher
geltend gemachten Erbanfprüche aus. As Herzog Wenzlaw
von Luremburg, 8. Karls IV. Bruder, ohne Erben flarb, 1383 -
behielt feine Wittwe Johanna ihe Erbe, Brabant und
Limburg, und vermachte fpdter diefe Fürftentbümer ihrem
Neffen Anton, Bruder des Herzogs Iohann von Burgund. 1404
Luremburg, an das Kaiferhaus zurückgefallen, verfchrieb
K. Wenzlaw feiner Nichte Elifabetb, H. Johanns von
Goͤrlitz Tochter, für den audgefehten Brautfchag, als fie dem
fo eben genannten Herzog Anton vermählt wurde. Da ed ihm 1409
darum zu thun war bie burgundifchen und nieberlänbifchen
Fuͤrſten gegen den römifchen König ‚Ruprecht auf der Seite
zu behalten, verzichtete er bald darnach zu Antons Gunſten
auf alle Anfprüce feines Haufes an Luremburg, Brabant 4411
und Limburg). Als Sigmund zur Reichöregierung kam, ließ
er fih von Wenzlaw zur Wiebereinlöfung Luxemburgs bevoll: 1416
mächtigen ?), konnte e8 aber bei feinem befannten Gelbmangel
nicht auöführen Nachdem Anton in der Schlacht bei Azins
court geblieben war, heirathete Elifabeth den Graven Johann 41415
von Holland; fie behielt Luremburg und verkaufte es ſpaͤter
an Herzog Philipp den Gütigen von Burgund, Antond Nefs 4443
fen. Die Herzogthuͤmer Brabant und Limburg erbten Antond
Söhne, Johann und Philipp. Als diefe beide ohne Erben
geftorben waren, hätte Margaretha, Herzog Wilhelmd von
Holland Wittwe, die nächften Anfprüche gehabt, als Schwes
fies Antons; aber der Neffe, Philipp der Ghtige von Bur⸗
4) Haͤberlin Reichsgefchichte V, 499-553.
2) Gebhardi Geſchichte von Böhmen, der allgem. Weithiſt. LEI.
25.1. 8b ©. 588,
#54 Bud DI. Erſter Zeitraum Abſchnitt 3.
gund, ſchloß fie — indem er ſich von den brabantiſchen
1431 Staͤnden als Herrn anerkennen ließ, ohne den Kaiſer darum
zu fragen. Das war zur Zeit bed letzten großen Huſſitenzugs.
1434 Bald darauf beachte Philipp bie Sranfchaften Hennegau,
Holland,. Seeland und Friesland an fich, nachdem er
1428 ſchon Namur gelauft hatte. Jene Grapfchaften, welche 8.
Ludwig der Baier feinem Haufe erworben, waren nach bem
Tode feines Enkels, des ſchon gebachten Graven Wilhelm,
an feine einzige Zochter Jacobaͤa gefallen, welche derſelbe
mit der burgundiſchen Margaretha erzeugt hatte. Jacobaͤa,
Idon im fiebenzehnten Jahre Wittwe des Dauphins Joham
von Frankreich, wurde ein Spiel ber Parteien welche fich um
die Vormundfchaft firitten. Ihres Vaters Bruder Johann
gab dad Bisthum Lüttich auf und heirathete, wie fchon oben
bemerkt worden, die Eliſabeth von Luxemburg; er wollte old
Bruder des Berſtorbenen fich endlich felbfi zum Herrn aufs
werfen, wurde aber nachher vergiftet. Die Barone waren
laͤngſt in zwei Parteien getheilt, die Hour (Daten) und bie
Kabeljaur, auch Heydeoten genannt. Auf Betreiben ber
Erftern heirathete Jacobaͤa den Herzog Johann von Brabant,
mit-dem fie Geſchwiſterkind war. Herzog Philipp von Bur
1419 gund, in gleichen Grabe venvandt, vermittelte bem Frieden
Als die unzufriebenen Hour die Jacobaͤa beredeten, ihre Che
fei wegen der nahen Verwandtſchaft ungültig, flob fie nad
England und heirathete ben Herzog Humfrieb von Gloceſter,
mit Dispenfation bes Papſtes, der folche jedoch wie die er
"tere wieder zurucknahm. Jacobaͤa floh zu Philipp und wurde
von dort wieder nach Holland entführt. Als nah dem Tode
Sohanns von Brabant Philipp deflen Lande einnahm und der
Herzog von Gloceſter fich wieber anberwärtd verbeirathete, un
1427 terzog fi Philipp der Vormundſchaft über bie fämmtlichen
“ Befigungen der Jacobaͤa, mit ber Bebingung daß diefe nicht
obne feinen Willen beirathe. Als er aber erfuhr, daß bie
jährige Zürftin, welche mit brei Gemahlen nur die Bitter
Peit ber Ehe genofien, aus Neigung ben Baron Frank von
Borfel heimlich geheiratket, kam er unvermuthet, ließ ben
1433 Freiherrn gefangen nach Flandern führen und zwang bie 9%
— eobaͤa ihm alle ihre Lande abzutreten. Dagegen üuͤberließ er
Synode zu Bafel, 1431—1437. 455
ihr und ihrem wieder freigelaſſenen Gemahl einige Herrſchaf⸗
ten und das Oberforſtamt uͤber alle Wälder in Holland. Drei
Sabre darnach flarb die unglückliche Fuͤrſtin an ber Schwind⸗ 1436
fucht. Man erinnert fi, daß fie in ihrem Unglüd auf dem
Schloſſe Zeinigen mit Verfertigung irdener Krüge ſich bes
fchäftigt *). Alfo Fam nun eine Haupterwerbung bed baieris
ſchen Haufed fowie die Stammberrfchaft des Luremburgifchen
an dad neuburgundifhe Haus, ohne daß ed K. an
hindern Tonnte.
Nicht weniger gebieterifch verfuhr Herzog Philipp i in dem
lotbringifchen Erbfolgeflreist zwifchen Rene von Anjou und
Anton von Vaudemont; jener Enkel des verfiorbenen Herzog
Karl von feiner Tochter Iſabella, diefer Neffe von feinem
ſchon früher verfiorbenen Bruder Friedrich. In dem darüber
entflandenen Kriege gerieth Rens in Philipps Gefangenſchaft;
die Schiedsrichter verwieſen die Entſcheidung wie billig an
den Kaiſer. Dennoch erlaubte ſich Philipp in der Sache zu
ſprechen. Die lothringiſchen Staͤnde wandten ſich wiederholt
an Sigmund, und dieſer berief beide Theile zu ſich nach Ba⸗
ſel, um das Concilium nicht eingreifen zu laſſen, wie es ſchon
bei andern Staatsangelegenheiten, namentlich in dem lauen⸗
burgiſchen Erbfolgeſtreit, gethan. Sigmund ſprach zu Gunſten
Des Rene von Anjou, für welchen fhon der verftorbene Her:
zog fich erklärt hatte. Da Rene im nämlichen Zeitpunct von 1435
der Königin Johanna von Neapel zum Erben dieſes Reichs 2. Bebr-
eingefegt wurde, fo fpannte Philipp feine Ranzionsfoderungen
nur höher und der Streit konnte noch nicht beigelegt wer
ven 2). Auch bei dem Goncilium zeigten Philipps Gefanbte
große Anmaßung: fie verlangten nach ben koͤniglichen Ges
fandten, vor den Eurfürftlichen ihren Platz, worliber in einer
eigenen Berathung befchloffen wurde fie vermifcht figen zu laffen.
Beil nun Herzog Philipp bei allen feinen Landerwerbuns
gen die Laiferliche Genehmigung nicht nachfuchte *), überhaupt *
2) Haberlin Reichegeſch. V, 591. Monnert Geſch. Baierns
1, 881
2) Häberlin a. a. D. 485. 583 fi.
9) Gr entſchuldigte fi, die hollaͤndiſchen Gravſchaften kin als
Weiberichen nicht dem Reich verfallen geweſen.
456 Bud IL. Eeſter Beitraum Abſchnitt 3.
wenig nach dem Oberlehensheren fragte, auch Peine Huͤlfe ges
gen die Huffitn gab, Sigmund alfo ſich vielfach verhöhnt
ſah, fo fehloß diefer ein Buͤndniß mit Frankreich, das gleiche
41434 Klagen hatte, und erließ auf bem ſchon gedachten Reichötag
Zun. zu Ulm einen Fehdebrief an ben Herzog von Burgund. Bus
| gleich foderte er die Reichöftände auf, benfelben feindlich an:
zugreifen. Es erfchienen jebod wenige zu Ulm; deshalb ging
er nad) Regendburg, um bie Unterhanblungen mit den Huffi
ten zu beginnen, und fchrieb einen neuen Reichstag nad)
Srankfurt aus, auf welchem Fürften und Stände wenigſtens
durch Gefandte zu Rath gehen follten, was auſſer andern
dringenden Angelegenheiten, Abftellung bed Fehdeweſens, Be
ſchraͤnkung des Goncilium in weltlichen Sachen, befonbers
gegen den ‚Herzog von Burgund zu thun fei, ber viele Lande
innehabe, welche dem Reich zugebörten '). Allein es kam
Nichts zu Stande, einerfeitd weil Sigmund in Böhmen und
Uingern zu thun hatte, anbererfeits weil ben Reichsſtaͤnden
alle Luft vergangen war, nach bem fehmäplichen ‚Huffitenkrieg
wieber einen neuen anzufangen. Um jedoch Etwas zu thım,
wollte Sigmund Repreffalien im Handel gebrauchen. Er
ſchrieb zweimal an die Stadt Frankfurt, fie folle die burgun-
° bifchen Unterthanen auf alle Weife angreifen und befchädigen.
Allein der Herzog wuſſte die Stadt über die thörichte Maß⸗
1435 regel zu beichren. Die Srankfurter ſtellten ſelbſt dem Kaiſer
vor, daß es nicht möglich fei feinen Befehl zu.befolgen, ohne
bie von den Kaifern und ihm felbft höchfibefreiten Reichs:
Meffen zu verderben.
Indeſſen ſchloß K. Karl VIL von Frankreich mit Herzog
21. Sept. Philipp Friede; ed war ihm kein Preis zu theuer, die bur
gundifche Allianz zu erfaufen; fo lange Beide lebten, foliten
die lehensherrlichen Rechte über den franzöfifchen Antheil von
Burgund ruben. Dazu wurden dem Herzog ein Paar fchöne
Landesbezirke erblich uͤberlaſſen. Was. konnte unter biefen
Umfländen Sigmund teutfcherfeitd thun? Auch die lothrin⸗
gifche Sache wurde ohne den Kaifer entfchieden. Rends und
— Anton ſchloſſen unter burgundiſcher Leitung zu Ryſſel einen
8
1) Binbeck a. a D. S. 1855-69. Häberlin a. a O. 608,
|
Synode zu Bafet, 1431-1437. | 457
Vertrag, nach welchen ber Exflere gegen -bebeutönbe Abtretuns
gen und Entfhädigungen im Befitz des Herzogthumes Loth:
ringen blieb '). So erhob fi in kurzer Zeit die burgundifche
Macht zu einem Staate, der zwilchen Frankreich, England
und Zeutfchland fi) zu behaupten wuſſte. Eine herrliche Läns
derreihe bis zur Rordfee war unter einer weifen Regierung.
vereinigt. Der Herzog von Burgund wurde ber reichfle Fürft
in Europa, feine Länder die blühendften durch den Reichthum
ihres Bodens und noch mehr durch ben audgebreiteten Hans
bel und Gewerbfleiß ihrer Städte Unter Sigmund war
nicht mehr von ber Oberlehensherrlichkeit über Burgund bie _
Rede. Die Verachtung gegen Kaifer und Reich, die er burch
feinen Behbebrief wenden wollte, fiel auf neue auf ihn zurüd.
Nachdem Sigmund bie Utraquiften, wie wir oben
gefehen, in etwas zufrieben geftellt hatte, ging er zum Reichs⸗
tage nad) Eger, um einmal im Innern Xeutfchlands den
allgemeinen Landfrieben berzuftellen. Sein Kanzler Schlid
that ernflliche Anträge zu einer dauerhaften Berfaffung, be
fonders zu Herſtellung der Reichögerichte und zur Reforma⸗
tion der heimlichen ober wefiphälifchen Gerichte. Aber bie
geiftlichen Stände blieben aus: fo kam es wieder zu feinem
Schluß *). Es war Sigmumds letzter Reichstag; er eilte
zurüd nad) Prag, um bie Gegenreformation bei den Huffiten
zu vollenden. Da entdedte er in feinem eigenen Palaſte eine
Verſchwoͤrung, welche Alles, was er bisher für feine Erbmacht
gethan, zu vernichten drohte.
Mit feiner einzigen Zochter Elifabeth, H. Albrechts
von Öfterreich Bemahlin, follten bie ſaͤmmtlichen Erblande
auf eben dieſes Haus uͤbergehen, das Karl IV. zu beerben
gehofft hatte. Zwar ſah er die Stammherrſchaft in anderen
Händen und verkaufte ſelbſt die Mark Brandenburg; dagegen
hatte er zu der boͤhmiſchen Krone eine zweite, die von Ungern,
gebracht. Nicht damit zufrieden ſeinem Schwiegerſohn dieſe
1) Kaͤberlin a. a. O. 588 ff.
2) Binded a aD. S. 1272. R. Samml. v. Reichsabſchieden
I. S. 152, Rachher kamen noch einige Stände zu Rürnberg zufammen
des Banbfriebens wegen. j
Aug.
4558 Bud IIL Erfter Zeitraum. Abſchnitt 3.
beiden Reiche zu binterlaffen, wollte er ihm auch das an Öfle:
reich grengende nieberbaierifche Land zuwenden, das durch
Herzog Johanns (von der firaubing-hollänbifchen Linie). Eins
derlofen Abgang erledigt war. Ungeachtet bie baierifchen Lande
mie Weiberlehen gewefen, fo machte H. Albrecht von Öfter
reich doch Anfprüce auf das erledigte Furſtenthum, weil feine
Mutter Johanna des verflorbenen Herzogs Schwefter geweien.
Da man fah, daß er damit gegen bie Herzoge von Ober
baiern nicht auskomme, ergriff Sigmund den von feinem Bas
ter in ähnlichen Fällen gebrauchten Ausweg und erklärte un
ter allerlei Vorwaͤnden das Land als dem Reich verfallen.
Nach verfchievenen theils eingnber wiberfprechenben theils
falſchen Urkunden, welde in diefer Sache aus der kaiſerlichen
Kanzlei auögegangen waren '), Tprach jedoch ein Furſtengericht
den oberbaierifchen Derzogen den Befiß zu mb fchlichtete den
GStreit, den fie unter fich felbft hatten, dadurch daß fie nad
Köpfen theiten folten. Unter dieſen Umſtaͤnden nahm ‚Herzog
Albrecht für feine Anfprüche eine Summe Geldes und die in
‚ Öflerreich Hegenbe baierifche Beſitzung Wilberſtadt. Nach 348
Jahren kommt biefer Erbfolgeſtreit in größerer Bedeutung
wieder zum Vorſchein ?).
Indeſſen lag dem Kaifer bauptfächlich daran, noch bei
Lebzeiten feinem Eidam bie Thronfolge in den beiden König
veichen zu fichern. Bon den ungeriihen Magnaten hatte er
bereit8 die Zufage, weil Elifabeth die Tochter feiner erften
"Gemahlin Maria, der Erbin von Ungern, war. Aber feine
zweite Gemahlin, Barbara von Eilly, fann auf ihr Ber
derben; den baldigen Tod des abgelebten Kaifers vorausſehend,
Befchloß fie der Stieftochter die beiden Reiche zu entreiffen umd
für ſich zu behalten, indem fie, obgleich ſchon etwas bei Jah⸗
sen, dem jungen König Ladiflaus von Polen ?)ihre. Hand
1) Daſſelbe geſchah im ſaͤchſiſchen Succefflonsflreit durch Konrab
von Weinsberg, ohne daß es Sigmund befonders geahndet hätte. Sch.
von Schwaben IV, 868. |
S Das Wichtigfte hieruͤder iſt zufammengeftelt in Heinrichs teut:
ſcher Reichtgeſchichte IV, 267 ff.
8) Sohn bes Uladiflaus Jagello aus deſſen vierter Ehe mit Sophia,
Spnode zu Baſel, 1431—1337. 459
anbieten ließ. Sigmund und Barbara hatten ſchon fo oft bie
ebeliche Treue gegen einander gebrochen, daß auch diefe Treu⸗
lofigkeit nicht mehr auffallen fonnte. Als Sigmund einfl von
Bafel nach Ungern Fam, wurde ihm fo viel Schlimmes von
ihr gefagt, daß er fie geraume Zeit nicht mehr fehen wollte
und fie fo hart hielt, daß fie ganz elend und laufig wurbe‘),
bis endlich die Stieftochter Elifabeth fie wieder mit ihm ver
föhnte. Sonft verließ ſich Barbara auf ihre Reize, womit fie
den ſchwachen Wolluflling immer wieder gewann. Nun vergaß
fie aber auch alle Pflichten gegen bie Tochter. Sie gewann bie
vornehmften Huffiten duich die Vorfielung, daß fie von H.
Albrecht, als eifrigem Katholiken, fich nichts Gutes zu verſe⸗
ben hätten. Dies leuchtete ein. Als gekrönte Königin beſaß
Barbara viele Schloͤſſer in Böhmen und Ungern; ihre Bruber
Friedrich von Cilly und fein Sohn Ulrich hatten bebeutenbe
Herrfchaften in Steiermark und Ungern und waren erſt vom
Kaifer zu gefürfteten Graven erkoben worden. Mit ihrem Bei⸗
ſtand Hoffte fie die Sache leicht auszuführen. i
As der Kaifer die Meuterei entdedte, gefiel er ſich im
dem Gedanken feine Gemahlin zu überlifien. Da er in Böhs
men wegen ihres Anhanges unter den Huffiten nicht mehr 1437
fiher war, gab er vor, er wolle vor feinem herannahenden Nov.
Ende noch einmal feine Tochter und ihren Gemahl in Mähs
ren fehen. Wegen Schwachheit und pobagrifcher Schmerzen
ließ er ſich in einer offenen Sänfte durch Prag tungen, - mit
dem kaiſerlichen Schmud angethan und bie ſchoͤnen, weiſſen
Roden mit einem Lorbeer umwunden. Man fab ihn fill weis
nen; das verfehlte den Einbrud nicht. Seine Gemahlin mit
ihrem Bruder und viele böhmifche Landherren von, der katho⸗
lifchen Partei folgten ibm. Sobald er zu Bnaim angelommen
wars: ließ ee die Gemahlin verhaften, bevief die Zochter mit
ihren: Gemahl zu fich und fertigte mit Beiſtimmung ber Land»
berren eine Sefanbtfchaft unter dem beliebten Kanzler Schlick
nach Prag ab, um Albrecht als Thronfolger anerkennen zu laf
des Herzogs Andreas von Klow Tochter. Die erſte Gemahlin bes Sas
- gello war Hedwig, Schweſter ber Marta, Sigmunds erfter Gemahlin;
die zweite war Anna von Cilly, Schweſter der Barbara,
1) Winded a co ©. &. 1149, ;
460 Buch II. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 3.
' fen. Kaum blieb ihm Zeit Tein Teſtament zu entwerfen, fo
1437 erlag er der Erfhöpfung und flarb bafelbft nicht ganz 70
9. Dec. Jahre alt 1).
Alſo ſchloß Sigmund die Reihe ber Iuremburgifchen
Kaifer. Bei dem mangelhaften Erfolg feiner ſechsundzwanzig⸗
jährigen Reichöregierung ift nicht zu überfehen, daß bie Auf:
gaben zu groß, zu ausgedehnt umd zu verwidelt waren, als
daß felbft ein Fürft von höheren Fähigkeiten und befferen
Hülfsmitteln in Allem hätte genügen koͤnnen. Die Reichöfür:
ſten konnten ſchon durch feinen Bruder Wenzlaw belehrt fein,
wie wenig von einem König zu erwarten wäre, ber nicht eins
mal feine Erblande zu beruhigen wuſſte. Dennoch wählten
fie Sigmund, um von dem Haufe nicht abzumweichen. Zum
erftien Mal feit dem großen Swifchenreich erhielt Teutſchland
ein zwar durch feine Hausmacht dem Reich angehöriges, aber
zugleih ein auswärtigesd Königreich befigendes Oberhaupt.
Diefed Erbland feiner Gemahlin, Ungern, war faſt immer
im Kriege mit den VBenetianern und Tuͤrken, wodurch aud
die übrigen Verhältniffe in Italien geftört wurden. In bem
väterlichen Erbland Böhmen griff‘ er voreilig ald Kaifer ein
unb brachte ed zum Aufftand, ebe es noch an ihn fiel; fieb⸗
zehn Jahre konnte er deſſen nicht mächtig werben, und fo er:
Märt es ſich ſchon daraus, warum er im Kaiferreiche noch viel
weniger ausrichten fonnte, warum biefed bei den: vielen ins
nern Reibungen wieder in einen Fehdezuſtand verfiel, den er
kaum fo weit bemeiftern konnte, um Böhmen nicht ganz ver
Ioren geben zu muͤſſen.
Bei dem Allen haben fi) ihm doch manche günftige Um:
“ fände dargeboten. Ohne fein Zuthun- wurde das Kaiſerthum
durch die Kirchenverfammlung gewiffermaßen wieder auf feine
frühere Höhe in der europäifchen Chriftenheit geftellt und Frank
reichs Übermacht zuruckgewieſen. In allen Ständen war nicht
nur lebhaftes Verlangen fonbern auch gemeflene Thaͤtigkeit,
um dem Verfall in Kirche und Staat zu begegnen. Was
konnte jegt ein Kaifee wie Briedrich II. tun! Doch Gig
1) Auffer dem oͤſter angeführten Windel vergl. ar Sylr.
Hist, Boh, ce. 52 sqq, Balbin, Epit. L. V.
Synode zu Baſel, 1431—1437. 461
mund erhob fich nicht zu dieſem Standpuncte. Im noch hoͤ⸗
berem Grade als fein Water dem päpflliden Stuhl ergeben,
opferte er diefem feine Ehre, die Reichögüter, fogar einen
heil der Erblande. Sein Geldmangel flürzte ihn von eis :
ner Verlegenheit in die andere. Daß die Fürften, bie fonft
fo leicht zur Kaiferabfebung fehritten, bei ihm gar nicht an.
biefen Schritt gedacht, ift theils feiner Leutfeligkeit zuzuſchrei⸗
ben, mit der er fie immer wieder gewann, theild ihrer eignen
Rathlofigkeit, theils aber und hauptfächlich feinem verſtaͤndi⸗
gen Kanzler Kafpar Shlid. Diefem giebt er ſelbſt das
Zeugniß: „Schlick iſt Urfache geweſen, daß wir hin und ber
Durchlommen und die Krone erlangten, dazu wir vormals nicht
kommen mochten”. Schlick unterflüste ihn mit feinem eiges
nen Gelde aus ben eröffneten reihen Bergwerken zu Joa⸗
himsthal; aus Dankbarkeit erhob er ihn zum Graven, zum &.,:.
Reichs⸗Vicekanzler, zum oberfien Kanzler in Böhmen und
Burggraven in Eger und fchenfte ihm viele beteutende Guͤ⸗
ter *). Diefer verdiente Mann, der überall im Zelde und im
Rath um den Kaiſer war, auch ald Vertrauter feiner geheis
men Geſchichten, konnte doch nicht gegen die Päpftier durch⸗
dringen, als er bie Keberverbrennung und bie nachherige Taͤu⸗
fung der Böhmen laut verwarf. - |
Sigmund, der fchönfte Fuͤrſt feiner Seit, blieb dagegen
in der perfönlihen Darftellung Meifter bis in die legten Aus .
genblide. Er feste fich auf feinen Stuhl, ließ fich den kaiſe⸗
lichen Ornat anlegen und befahl nach feinem Berfcheiden ihn
noch zwei oder drei Zage in diefer Stellung zu laffen, damit
Jedermann fehen könne, „baß ber Herr aller Welt geflorben
und todt fei”*), e ®
. 4) Achtenflabt mit aller Zugehoͤr (Lünig 8. A. T. XXIIM.p. .
1185,), das Reichslehen von Zodenburg, Uznach zc., in beffen Beſit
jedoch Schlick nit fam. Müller Schweiger» Gefchichten III, 416—
420, wo mehrere fehr intereffante Nachrichten Über Schlick aus Ur⸗
Eunden und Bamilienmittheilungen zufammengeftellt find. Sie geben je⸗
doch nur auf Eigmunbs Beil. Cine Lebensbefchreibung dieſes "Mannes,
der unter drei Kalfern Kanzler war, wenn fie noch aus bem Familien⸗
archiv möglich wäre, muͤſſte wichtige Auffchläffe gewähren.
2) Bindeck a. a. D.
462 Bud II, Erſter Beitraum. Abſchnitt 3.
Überfiht der Berfaffung unter bem Inrembur:
giſchen Haufe
Nach Verichleuderung der Reichsguͤter Entftehung einer
kaiſerlichen Hausmacht. Bei der Nachlaͤſſigkeit der Luxem⸗
burger in der Reichſsregierung Aufnahme des Einungs-
wefens in Staat und Kirche. Fortfchritte der Lan
beshoheit. Der Reichstag über den Kaifer, die Kir
henverfammlung über den Papfl. Wie die Erwartung
der Voͤlker vereitelt worden.
Neunʒig Jahre haben Karl IV. und feine Söhne, Wenzlaw
und Sigmund, dem teutfchen Reiche vorgeſtanden. Zählen wir
die frühern thatenweichen flnf Jahre Heinrichs VII. hinzu, der
die Macht ded Hauſes gegründet, und wieder die etlih und
‚breiffig Zwiſchenjahre, in welchen befien Sohn K. Johann
von Böhmen die Oppofition erſt gegen Öfterreich, dann ge
gen Baiern gehalten, bid es Zeit war Karl IV. zu erheben,
fo ift das wohl ein Zeitraum, bei dem mit Recht gefragt
wird: was hat das Iuremburgifche Haus audgeführt und nicht
audgeflhrt, und wie ift ed unter ihm mit der Verfafiung im
Ganzen geworben?
Einmal, hat man angenommen, daß ber Kaifer nicht
mehr ohne Erbland beftehen koͤnne gegentber von den Für
fin, welche einen großen Theil ber Reichögüter und Rechte
an fich gebracht. Der letzte Kaifer aud einem Sravenhaufe,
der zum "legten Mal bie Oberbefehlshaberſchaft der
Nation in Teutſchland und Stalien im alten Sinne -gefühet,
bat doc, fogleih eine Landerwerbung gemacht, die fein Haus
über bie andern Fuͤrſten ſtellte, zugleich aber auch der ganzen
Reichöverwaltung eine andere BRichtung gab. Unter feinem
Enkel Kari IV. wurde das ſlaviſche Nebenland Böhmen
‚Mittelpunet des teutfchen Reichs. Der Kaifer hörte auf
in den Gauen bin und berzuziehen; bie ‚Hofhaltung erhielt
einen feflen Sig; Sigmunb macht jeboch ſchon wieber eine
Ausnahme, weil er erſt am Schluß feiner Regierung zum
- Befig von Böhmen kam; zugleich fehlte es den Reichsgerich⸗
Berfaffung unter dem luremburgiſchen Hauſe. 463
ten noch ſehr an einer feſten Geſtaltung. DaB Alles blieb
nicht ohne bedeutenden Einfluß.
Von der fruͤher bemerkten dreifachen Richtung in der An⸗
ordnung des Reichs hat unter dieſen Umſtaͤnden die erſte, wie
leicht zu erachten, das Übergewicht erhalten, indem Karl IV.
fhon ziemlich weit in dem Plane kam, durch Lehen und Ins
corporationen eine böhmifchsteutfhe Monarchie zu ers
richten. Selbſt die böhmifche Tracht wurde fihon von dem
teutfchen Frauen nachgeahmt '). Die Kurfürften brachte Karl
ganz auf feine Seite. Sein Haus beſaß ſelbſt zwei Kurlaͤn⸗
der; bie andern Finften wurben in Drud gehalten; nad ven
Übrigen wenig gefragt. Was im Wahlgeſetz (der goidnen
Bulle) mit Stiliſchweigen übergangen war, das gefchab: bie
Krone blieb bei dem Haufe. Was diefed Geſetz eigentlich ver
hüten follte, die Wahlzwiftigkeiten, das wurde doch nicht er
reicht. Karte IV. Söhne und Neffen zerfallen unter fich ſelbſt.
Dies Alles brachte Lähmung im die eigentlichen Reichögefchäfte.
Die Habſucht, die Zreulofigkeit, die Entfittlihung des Haus
ſes muſſten den Verfall herbeiführen. Wenige Fürftengefchlech«
ter find fo ſchnell gefunfen wie das Iuremburgifche. In Hein
rich VIL lebte noch einmal die ganze Kraft und Würde eines
ritterlichen Kaiſets auf. Johann war Ritter, aber fein Regent.
Karl IV. ift ein fchlauer Haußhalter, der fich zuletzt Doch vers
rechnet. Wenzlaw bleibt roh und gefühllos für feine Winde.
Sigmund, ein feiner Weltmann, bringt.ed zum Bankbruch.
Mit der alten Zreue ift bie alte Kraft erlofchen. Aber wie
fehnell gehen auch Karl Entwinfe unter feinen Söhnen zus
ruͤck! Bei Wenzlaws Abweſenheit und Unthätigkeit tritt bie
zweite Richtung in der Seftaltung des Reichs, bad Einungs«
wefen, in feinem ganzen Umfange hervor. Die vom Ober
haupt vernachläffigten Beinern Stände treten in Schutz buͤn d⸗
niffe und zwingen auch die größern zum Beitritt. Im ihrer
Entgegenfetung verbirgt Wenzlam feine Unmacht. Die Stände
aber erwerben fortwährend Rechte und Freiheiten, Bruch
fläde ber höhern Staatögewalt, woraus bie Landes ho⸗
heit zufammengefebt wird. „Sie behaupten das m der
1) Dr Gugelhauben. Limb. Chron. 19.
464 Bud IL, Erſter Site Abſchnitt 3.
Bumdniſſe zulegt ohne ben Kaifer, fowie fi) ber Reichötag
über. die Gegenkoͤnige feht.
Alſo iſt der Iuremburgifche Zeitraum, ungeachtet feines
monarchifchen Anfangs, der eigentlich republitanifche ge
worden, was fich auch noch in den folgenden oͤſterreichiſchen hin⸗
ein erſtrect Und in noch groͤßerer Bedeutung hat ſich dieſe Rich⸗
tung in der Kirchenverfaſſung gezeigt. Zwar trat Karl IV.
mit der von Ludwig dem Baier bekaͤmpften Hierarchie in freund⸗
liches Verhaͤltniß, um in ſeinen Zwecken nicht geſtoͤrt zu wer⸗
den, ließ ſich von ber bereits gewuͤnſchten Reformation ab⸗
bringen und die Inquifition einführen; als dem erlangen
bed Zeitalters nicht mehr Stillfchweigen geboten werben konnte,
glaubte Sigmund. noch mit dem Papfle die Sache leiten zu
koͤnnen. Aber die Kirhenverfammlung kam bald zum
Gefühl ihrer ganzen Stärke. Die ftiüften, tiefften aller Ei⸗
nungen, bie Univerfitäten, treten hervor als Schiebörichtr
der wichtigften Firchlichen und politiſchen Fragen, über welche
nur Männer vom Fache entfcheiden koͤnnen; fie leiten nad
wifienfchaftlichen Grundſaͤtzen die größte aller Gonföberationen,
das allgemeine Conciium ber abenblänbifchen Ghriftenheit.
Der gelehrte Stand erhebt ſich über den Priefterfland.
Der Bürgerftand, das Volk überhaupt, flieht in großer Ex
wartung einer grimblichen Verbeſſerung bed öffentlichen Zu⸗
fiandes. Wenn die zwifligen römiichen Königswahlen bie Uns
macht bed Kaifertbums zugleich mit dem Eigennutze ber Kur⸗
finften an den Tag gegeben, fo haben bie im Zwiſt der Car⸗
dinaͤle verfchiebener Nationen gewählten Gegenpäpfle burd)
ihre Schmähungen gegen einander das Geheimniß ihrer Her:
ſchaft nebſt der tiefen Verderbniß der Kirche geoffenbart. Das
Schifma in der Kirche Fonnte nicht mehr anders als durch
Sottedurtheil d. h. durch den Schiedsſpruch ber Nationen
- (da der fonft für untrüglic gehaltene paͤpſtliche
war) gehoben werden. Das Goncilium erklaͤrte fi über ben
VPapſt. Darin blieben die Väter ſtandhaft. Aber was fie für
Herftellung der Kircheneinheit gethban, das wurde wieder
Hindemiß der Reformation an Haupt und Bliedern. Wie
fonnte man auch erwarten, daß Papft und Cardinaͤle fich ſelbſt
reformiren würden? Darin hat die teutiche Nation zulegt,
Berfaffung — dem luxemburgiſchen Hauft. 465
dann aber auch am meiſten nachgegeben. Über die Einheit
ber Lehre zerfiel der gelehrte Stand unter ſich felbfl. Die
welche Feine Vertreter hatten, wurden als Ketzer verdammt.
Der Seleitsbruh an Huß erregte den Fanatiſmus bei ben
Böhmen in einer Art, wie ihn bis dahin unfere Gefchichte
nicht gefehen. Eine furchtbare Warnung ſtehen dieſe Blut⸗
und Gräuel:Scenensda: wehe denen bie ein Volk aufreizen!
Die bafler Kirchenverfommlung erkannte die Fehler der
coſtanzer und wollte fie verbeffern. Die Zugefländniffe web
che fie den Huffiten machte, mit Zurucknahme früherer Bes
fhlüffe, follten jedoch unter der Leitung bes päpftlichen Lega⸗
ten nur dazu dienen die Böhmen zu trennen, zu lähmen und
nad und nad) wieder zum Alten zurbdzuführen. Bei der Kir;
henverbefferung im Allgemeinen brachte Thon Martin V. die
fatale Maxime in Anwendung: in den Formen recht pumctlich
zu Werke zu geben, die Aufmerkfamkeit zu zerſtreuen und das
Befentlihe foviel möglich unberührt zu laſſen. Eugen IV.
trat fogleich hemmend ein, als man dem Finanzwefen näher
zu Leibe ging; ba er fich wohl gehütet felbft nach Zeutfchland
zu kommen, konnte er einftweilen durch Verlegung des Con⸗
clium die Sachen aufhalten. Sigmunds neuer Treubruch
an den Böhmen geſchah mit feiner Zuſtimmung. &o ward
bie Erwartung der Völker verhöhnt, noch eine Zeit lang!
Papft und Kaifer verflanden fih darin, daß Beide, bie
hoͤchſten Würden der Chriſtenheit verfennend, nur ihre beſon⸗
dern Vortheile ſuchten, wobei jener durch Conſequenz mehr
erreichte als dieſer. Das Papftthum wuſſte fich bald wieder
feſtzuſtellen, obgleich der Zuſtand der Kirche noch lange
ſchwankte. Das Kaiſerthum aber gerieth auf's neue in Zer⸗
fall. Bei der Vernachläffigung der Staatsſachen uͤber den
kirchlichen Verhandlungen geriethen die Reichsgerichte und der
Landfriede in Verwirrung, das Einungsweſen loͤſte ſich faſt
auf unter zweckloſen Fehden und verlor ſeine eigentliche Rich⸗
tung. Die Reichskriegsverfaſſung kam erſt durch den Hufſi⸗
tenkrieg in ihrem ſchlechten Zuſtande an den Tag. Man:
ſchwankte zwiſchen dem bisherigen Lehenaufgebot und geworbe⸗
nen Leuten. In der Stille fingen die Staͤdte an durch Be⸗
arbeitung der Feuergewehre eine Hauptveraͤnberung im Kriegs⸗
Pfifter Geſchichte d. Teutſchen II. 30
466 Buch IL. Erfter Zeitraum, Abſchnitt 3.
wefen vorzubereiten. Jene Begeifterung für die Sache der
Kirche, welche wir zur Zeit der Kreuzzuͤge geſehen, Fonnte
nicht mehr hervorgerufen werben. Die Ritterorben hatten ihre
urfprüngliche Beflimmung verloren. Der Hocmeifler in Preufs
fen Bämpfte um Landesherrſchaft wie die andern Fuͤrſten.
Wiewohl K. Wenzlaws Kanzlei die Reichsgrenzen in einer
Ausdehnung aufzaͤhlt die nie war, ſo hatte doch die Integri⸗
tät ſchon ſtark Noth gelitten. Die. ſuͤdlichen Provinzen ließ
Karl IV. an franzöfifche Prinzen fallen. Daß Schlefien aus
polniſcher DOberherrfchaft zu Böhmen gebracht wurbe, war zus
naͤchſt Gewinn für das Iuremburgifhe Haus. Sigmund würs
be die von K. Heinrich I. gegründete Marl Schleswig mit
feiner gewohnten Gleichgültigkeit an Dänemark abgetreten has
ben, wenn micht die Danfe dazwifchen getreten wäre. Als
biefe ſelbſt in Abnahme gerieth, zog fih das Leben bes Handels
immer mehr wefllich in die Niederlande. Eben dieſe, die ſchoͤn⸗
ſten und reichften Provinzen, wollte das neuburgundifche Haus
vom Reich abreiffen, ohne daß ed Sigmund zu hindern wuffte.
Das Eaiferlige Italien blieb faſt ganz ſich ſelbſt überlaffen
und erlitt ebenfalld eine bebeutende Verminderung durch ben
venstianifchen Freiſtaat.
Mit einem Wort, bie Luxemburger haben Alles gethan
für ihre Erbmacht, dann für die Kirche; das Kaiſerthum aber
baben fie ſchmaͤhlich zerfallen laſſen. Dadurch wurden bie
Stände ‚wieber auf ihre eigene innere Kraft zuruͤckgewieſen;
es flanden auch, wieder Fürften auf, welche mit Kraft und
Biederkeit in den Saug ber Dinge eingriffen. Die luxem⸗
burgifhe Hausmacht bagegen zerfiel zuletzt nach weit mehr und
zeigt, daß das was wit Untreue esworben worben unmöglich
Beſtand haben koͤnne. Was Ludwig der Baier an fein Haus
gebracht, ging. doch erſt verloren, nachdem das Kaiſerthum bei
einem andern Hauk war; aber Sigmund fing fhon ſelbſt
‚an, feines Vaters Incorporationsſyſtem aufzulöfen. Im Haupt
lande Böhmen zerſtoͤrte der Huſſitenkrieg alle Herrlichkeit, wel
he Karl IV. gefchaffen. Wie 8. Johann durch bie boͤhmiſche
Erbtochter aufgelommen, fg muſſte Sigmund dagegen froh
fein, fich mit feiner Tochter dem bisher im Druck gehaltenen
Haufe —— in die Arme zu ca Er wuſſte cuch
8. Albrecht I, 1437—1439. 467
nicht, was für einen Gegner er dieſem mit ben Hohenzollern
in Brandenburg entgegenſtellte. Zu dem luxemburgiſchen Erbe
iſt auch der Kanzler Schlick zu zaͤhlen, der erſt unter Koͤnig
Albrecht Gelegenheit fand ſeine ganze Staatsklugdeit zu
entwickeln.
Um die fortwaͤhrende Zerruttung in — und Staet
von Grund aus zu heben, muſſte noch einmal — weit
zuruͤckgegangen werden.
Vierter Abſchnitt.
Verſchiedenartiges Wiederaufleben der Mo- _
narchie in Kirche und Staat im erften Zeit-
raume des Öfterreihifhen Kaiferhaufes, mit
allmäliger Herftellung der innern Verfaſ—
fung durh Eoncordate, Landfriedensbuͤnd⸗
niffe, Reihögerihte, Gintreifung Bon 8.
Albrecht IE bis 8. Marimilians L Tod.
1437—1519 (82 Sabre).
I. Gemeffene Maßregeln für den Land» und Kirchen
Frieden unter K. Albrechts IL Furzer Regierung,
+ 27. Oct. 1439,
Lage der europäifhen Staaten bei ber Erhebung
des Haufes Öfterseih. Der Kurfürften Neutralis
tät in Abficht der Streitigkeiten bed bafler Con⸗
cilium mit Eugen IV. Doffnungen von 8. Al⸗
brecht I. Deffen Beitritt zur Neutralität. Bes
fiunahme von Böhmen. Reihstagsverhandlungen
unter dem Kanzler Schlid. Fortwaͤhrende Eifer⸗
fucht der Fürſten und Städte in Abficht der Lands
30 *
468 Bud IIL Erſter Zeitraum. Abſchnitt 4.
friedensordnung und Einfreifung Mainzer cs
ceptationsurtunde ber bafler Reformationspdes
crete Neues Schifma: Felix V. gegen Eugen IV.
K. Albrehhts I. Zod auf dem Rädwege vom
Türkenkrieg.
In dem Zeitpunct nach dem Erloͤſchen bed Iuremeburgifchen
Kaiferhaufes bieten faft alle europäifche Staaten daffelbe Schau⸗
fpiel von Zerrüttung und Schwähe dar wie Zeutfchlant.
Italien zieht die erfien Blicke auf ſich; es iſt gefeglofer als
nach den Hobenflaufen. Nicht nur das kaiſerliche Anfehn if
vernichtet, fonbern auch die päpftliche Macht; nach dem gro:
ben Schiſma weiß man nit, wen ber Kirchenſtaat gehöre.
Neapel erlitt mehrere Erfehltterungen in Abficht der Thron⸗
folge. Ober⸗ und Mittel-Italien blieb dem Kriegsglück der
gibelinifchen und welfiſchen Gonbottieri überlaffen; das Land:
volk wurbe Beute der Söldner oder Freicompagnieen. Won
jenen batten einige auf den Zrummern der Republifen fuͤrſt⸗
liche Macht gegründet unb das Reichsvicariat an fich geriffen.
Das Haus Vifconti, welchem K. Wenzlaw zuerfi die herzog⸗
liche Würde verkauft hatte, kam, troß ber inneren Erſchütte⸗
: ungen Mailands, zu einer Macht welcher K. Sigmund aus
dem Wege geben muſſte. Bon eben diefem Kaifer erhielt
Savoyen mis feinem ſchon ziemlich abgerundeten Gebiete und
das gibelinifche Haus Gonzaga über einen Theil des man
tanifchen Reichsvicariats gleithfalls den herzoglichen Titel.
Die alten Markgraven von Ligurien, welche fi mehrerer
Städte bemächtigten, dann die von Montferrat, auch einige
andere mächtige Reichsvaſallen in ben Gebieten von Genua,
Blorenz, Lucca, Siena waren nicht weniger thätig fich em⸗
porzufchwingen. So viele größere und Kleinere Gewalthaber
lagen immer unter ſich felbft und mit den Städten im Unter
druͤckungskampf. Während deſſen erhob fih Venedig aus feis
nen Lagunen, um feine Eroberungen auf die norböflliche Lom⸗
bardei, auf ben Kirchenftaat und auf die neapolitanifchen Küs
fien auszubehnen. Jener war zugleich durch innere Factionen
zerrifien. Auf den frühverflorbenen K. Labiflaus, den letten
aus dem Haufe Anjou, der noch einmal Ungern mit Neapel
8. Albrecht IL, 14371439. 4600
vereinigt und ganz Italien bedroht hatte, folgte ſeine Schwe⸗
ſter Johanna II., welche unter den durch ihre Lieblinge ver⸗
anlaſſten inneren Gaͤhrungen zuerſt den K. Alphons V. von 1420
Aragonien adoptirte, dieſem aber nachher Ludwig von Anjou
und nach deſſen Tode, kurz vor dem ihrigen, ſeinen Bruder
René, Herzog von Lothringen und Bar, entgegenſtellte '). 1835
Sind zuerft auswärtige Fuͤrſten durch den Beſitz von Neapel ® dc %
angelodt worden, fo gaben nun die fortwährenden Zerwirf⸗ |
niffe im obern und mittlern Italien Anlaß zu weiterer Ein⸗
mifhung, und bald wird Italien ber eigentliche Schauplag
auf welchem bie europäifchen Mächte fich gegenfeitig befchräns
fen. Dieſes Land zeigt das Vorbild von dem was Teutſch⸗
land zu erwarten hatte.
Wie in Neapel und Sicilien ſo kam auch in den chriſt⸗
lichen Reichen in Spanien beim Sinken des koͤniglichen
Anſehns eine gewaltige Ariſtokratie empor. Das große Über:
gewicht dad Frankreich bis auf Karl VI. au in den Ki ”
chenfachen behauptet, ſank eben fo ſchnell als das Iurembur -
giſche Haus, das feine Sitten angenommen hatte. Die Fac⸗
tionen der Großen und bie Eroberungskriege der Engländer
lieffen den Untergang ber Monarchie beforgen. Der junge
Herzog Iohann von Burgund, ber feinen Nebenbuhler in
der Reichöverwaltung, den Herzog Lubwig von Orleans,
auf oͤffentlicher Straße in Parid hatte ermorden laffen und 1407
bie Lehre von ber Rechtmaͤßigkeit des Tyrannenmordes kühn
behauptete, wurde zwölf Jahre nachher zu Monteteau, unter 1419
den Augen des Dauphin ebenfalld niebergeftoßen. Das Kriegs:
glüd der Engländer wich erſt, ald der tapfere Baſtard von
Orleans durch Johanna von Arc Bas Heer wieber begeifterte.
Ein Jahr vor K. Sigmunds Tode wurde Karl VII. auf den 1436
Thron feiner Väter eingefegt. Aber unter fimfundzwanzigs
jährigen Kriegen und Parteiungen war ber Sinn für die alls
gemeine Freiheit und flr die alten echte faſt ganz verloren
‚gegangen; von nun an iſt es bloß ber Parteigeifl der Gro⸗
fien der die Eönigliche Gewalt beſchraͤnkt.
In England gewann die Geiſtlichkeit en ber
2 Häberlin Reichögefhichte V, 586 fi
470. Buh I Deitter Zeitraum. Abſchnitt 4.
Abweſenheit des Adels im franzöfifhen Kriege das lÜberge:
wicht, um firengere Gefege gegen Wiklefiten u. A. durchzu⸗
ſetzen, auch gegen den Buͤrgerſtand eine feſte Stellung zu neh⸗
1421 men. Faſt gleichzeitig mit dem Huffitenkrieg hatte der Krieg
zwifchen der rothen und weiflen Rofe begonnen (Lancaſtet
und York),. der nicht nur die auswärtigen Unternehmungen
hemmte, fondern auch eine große Berwilderung im Innern zur
Bolge hatte.
Unter diefen Rüdfchritten der Hauptftaaten hatte Teutſch⸗
land zwar Eeine Gefahr eines unmittelbaren Angriffö; aber in
der Lombardei verlor dad Reich beträchtliche Streden durch
die Eroberungen der Venetianer. Auf der Weflgrenze wur⸗
ben bie neuburgundifchen Lande ein ſtarker Aneignungspunct
‚ fe die angrenzenden Stände. Indeſſen ſtand zu erwarten,
‚ob Frankreich, England und die fpanifchen Reiche nicht eher
erftarten wuͤrden als Teutſchland. Daran hing fofort bie
Entfcheidung der Frage, wer daB lÜbergewicht, we nicht über
Teutſchland, doch in Italien erhalten werde.
Am Norben war das Reich fo ſtark, daß die drei ſcan⸗
1397 dinaviſchen Staaten, auch feit der Union von Salmar, den
Unternehmungen der Hanfe, obgleich diefe ſchon ihre Höhe
erreicht hatte, wenig Widerfiand thun konnten. K. Erich von
Pommern hielt die Union nicht einmal zufammenz; er muflte
1438 dem Herzog Chriftoph von Baiern weichen, der jeboch auch
Det. nicht viele Achtung fich zu verfchaffen wouffte.
Im Dften hingegen fah man zwei Staaten, über welche
das Reich früher die Lehenshoheit ausdehnen wollte, im Fort:
ſchreiten zu großer GSelbfländigkeit, Polen und Ungern.
Sie waren nach dem Abſterben des polnifch-piaftifihen Stam⸗
mes vereinigt unter K. Ludwig dem Großen von Ungern, aud
dem Haufe Anjou⸗Neapel, K. Rudolfs I. Enkel, der die Gren⸗
zen bis zur Oſtſee, zum adriatifchen und zum fehwarzen Meer
erweiterte. Durch feine zwei Töchter wurden die Reiche wie:
‚ber getrennt: die dltere, Maria, brachte Ungern, wie wir fri-
ber gefehen, an das luremburgifche Haus; durch Vermaͤhlung
der jingern, Hebwig, mit dem lithauifchen Fürften Ulabiflav
Jagello, wurden Polen und Lithauen vereinigt, und das Reich
gewann eine überlegene Macht gegen ben teutfchen Orden in
8. Kibrege IL, 14377149. 471
Preuffen. Ungern kam zwar ımter dem fchlaffen 8. Sigmund
eine, Beit lang zuruck: zwei Gegenfönige von Neapel wurden
gegen ihn aufgerufen, ex felbft einmal gefangen gefekt; die
ungluͤckliche Schlacht gegen die Zürken bei Nikopolis brachte
feinen Anhang faſt ganz herunter. Im Kriege gegen bie Bes
netianer verlor er Dalmatien. Polen viß Rothrußland, Pos
dolien, die Walachei an ſich. Sigmund muſſte auch die zipſer
Staͤdte verpfaͤnden. Dennoch entwickelte das Reich im fort⸗
geſetzten Kriege gegen die Venetianer und Tuͤrken ſeine eigen⸗
thimiliche Kraft. Das Aufgebot und der Reichstag erhielten
eine verbefierte Einrichtung.
Ungern und Polen fanden jegt in demfelben Verhaͤlt⸗
niß, nur wit vergrößertem Maßftabe, zum teutfgen. Reiche
wie vormals Böhmen und Öfterreich unter 8. Ditoßse
zu Rudolf L Beit. Es ift auch derſelbe Plan, welchen deſ⸗
fen Nachfolger in Öfterreich, in Abſicht auf Ungern und
Böhm en, fortfeßen, ohne fih durch die vielen und langwie
zigen Hindemifle ermüben zu laſſen.
Im Rüden von Ungern und Polen aber traten zwei noch
größere Mächte auf, deren bie eine busch unaufhaltbare Er⸗
oberungen noch einmal Europa mit einer Voͤlkerwanderung
1396
bebroht, die andere, erſt von einer Ahnlichen, der tatarifchen,
befreit, alle noch übrigen Siavenflämme zu dem audgebehn:
teften Reiche, mit dem einen Fuße in Europa, mit dem ans
dern in Afien, zu vereinigen anfängt: das find die Türken
und die Ruffen. Die Lestern kommen zwar eben wegen
ihres unermefllihen Spielraums noch geraume Zeit mit ber
abendländifchen Gefchichte in Feine weitere Berührung ald mit
der Hanfe und bem Zeutfhorben in Preuffen; die Erfiern
aber greifen beflo gewaltiger ein und bebrohen, wo nicht wie
die Araber die ganze Chriftenheit mit einem Umflurze, doc
mit Zuruckdraͤngung auf die abendlaͤndiſchen und nordiſchen
Staaten, indem ſie mit dem geſunkenen griechiſchen Kai⸗
ſerthum den Anfang machten. Von dem Urſtamme der
Turkomanen am Irtiſch waren ausgegangen die Seld⸗
ſchucken, durch ihre Eroberungen das arabiſche Ghalifat und
das perfifche Reich bedraͤngend, dann der Stamm der Os ma⸗
nen, anfaͤnglich nur aus vierhundert Familien beſtehend. Dieſe
⸗
472 Bud IIL Erſter Zeitraum Abſchnitt a
eroberten hei ihrem Anwachs nach und nach bie Laͤnder vom
Zigris und Drieper bis zur Donau und zum Nil. Die
Schwaͤche des griechifchen Reichs und die Heinen gegen Ungern
‚gelegenen Staaten erleichterten ihre Fortſchritte; die Janit⸗
(charen waren die befte Fußmacht in der Welt. Zur Zeit ba
Sigmund auf den teutfchen Thron gerufen wurbe, da nad
der Beflegung Bajazeths durch den Mongolen Zimur bie
Söhne des Erſtern unter fich felbfl zerfielen, damals foliten
bie chriftlihen Mächte gegen bie Osmanen fich vereinigt ha⸗
benz allein fie betrachteten das griechifche Reich, weil ed mit
ber römifchen Kirche nicht vereinigt war, als fremd und ſchiſ⸗
matifch und hofften, die tapfern Ungern wuͤrden wohl allein
-Widerftand thun koͤnnen, wenn bie Reihe ber Unterwerfung
an fie kommen werbe.
Das war die Anfiht in Teutfchland, als nad K. Gigs
munds Tode zur römifchen Koͤnigswahl geſchritten werden
ſollte. Zuvor aber hatten die Kurfürſten noch eine andere
Sorge. Da der Papft Eugen IV. eben jest, unter bem Bors
wand bie Bereinigung mit den Griehen zu betreiben, das
Concilium mit Widerſpruch der baſler Vaͤter nach Ferrara ver⸗
Feel legte, fo Tamen jene zweimal zu Frankfurt zufammen unb
Dee. lieſſen eine Geſandtſchaft nach Baſel abgeben, um zu vermits
teln. Die Väter wollten aber fo wenig nachgeben als der
30, Dec. Papfl. ALS diefer vielmehr die Verlegung wiederholte und bie
Berfammlung zu Zerrara wirklich eröffnete, fprachen die Baſler
8. San, feine Suspenfion aus und wählten, weil ber Cardinal Julian
27. Ian. Caͤſarini abging, den Garbinal Lubwig Allemand von Arles
zum Vorfigenden. Beide Theile befchidten den Wahltag zu
Frankfurt, um die Kurfürften für fich zu gewinnen '). Diefe
wollten aber nın, da e8 einmal zur Zrennung gelommen,
weder für den Papft noch für die Baſler unbebingt fich ent
ſcheiden, fondern legten, als auch ihre erneuerte Vermittlung
17. März. vergeblih war, eine foͤrmliche Proteflation nieder, ver
möge beren fie während der Wahl eine genaue Reutralis
tät beobachten, nach derfelben aber mit dem neuen vömifchen
Könige unter dem Schilde bes Neutralität zur Herſtellung der
D Harduin. Conail, T. VIIL IX,
8. Albrecht IL, 1437 14390. 473
Einigkeit nach allem Vermoͤgen arbeiten wollten 1). Um jeder
Zrennung im Reiche vorzubeugen, traten fie drei Zage dar⸗
auf in einen Verein, wodurch fie fich verpflichteten, auch
wenn die Kirchenfpaltung nicht geboben werben koͤnnte, den⸗
noch einträchtig zufammenzubalten *). Auf diefelbe Art hatte
man es bei 8. Wenzlaws Wahl gehalten. |
Während dieſer legten Verhandlungen gefchah die Abſtim⸗ 13, März.
mung. Sie wurde einige Tage aufgehalten, einerfeitö durch
Erneuerung der von Karl und Gigmund auögefchloflenen
lauenburgifchen Anfprüche auf die fächfifche Kurſtimme, welche
jedoch in Gemäßheit der goldenen Bulle abgewiefen wurben. '
Bon den Böhmen kam Fein Abgeordneter, weil fie uͤber Sig»
munds Nachfolger noch nicht einig waren. Andererfeitd was
ren die Kurfürfken anfimglich felbft getheilt zwifchen Fried⸗
r ich von Brandenburg und Herzog Albrecht von Öfterreich,
in der That die angefehnften Yürften welche unter der -Iurems
burgiſchen Erfchlaffung fich hervorgethan hatten. Der Kurfürfl
Dietrich von Mainz wuffte jedoch die Stimmen, welche dieds
mal auönahmöweife einzeln unter feinem Vorſitze abgegeben _
wurden ?), insgefammt zu Gunften bes Lestern zu lenken, und
dere Kurfürft von Brandenburg trat ohne Groll zuruͤck. Es
war dies der Wunſch des verftorbenen Kaiſers, der deshalb
ſchon frühzeitig, namentlich bei dem Kırfürften Friedrich dein
Steeitbaren von Sachſen, die Einwilligung nachgeſucht hatte *). (1425)
Allein Albrechts eigener Wunfch war ed nicht, weil er voraus⸗
ſah, baß er in Böhmen und Ungern, welche ibm Sigmund
binterlafien hatte, Beſchaͤftigung genug finden würde Die
Böhmen hatten fih noch nicht Uber feine Annahme erllärtz
den Ungern aber hatte er bei feiner Krönung eidlich verfpres 1488
chen müflen die teutfche Krone nicht anzunehmen. Erſt auf 1-Ion-
Zureben ber Zürften, namentlich feined Vetters des Herzogs
2. Mär.
1) Müller Neues teutfches Theater unter Briebrich III. Vorſtel-⸗
kung 1. Gap. 4.
2) Guden. Cod, dipl. Mog. Tom. IV. Nr. 108.
8) Laut des ig und Wahlberrets, Häöberlin
Reichtgeidjiähte VI, 6.
4) Hornd ein Friedriche der Streitbaren Urk 807.
474 Bud II Erſter Zeitraum. Abſchnitt 4.
Friedrich von der fleiermärkifchen Linie, unb auf Verwendung
ber baſler Kirchenverfammlung bei ben Ungern um Exkaffung
feines Eides, entfchloß ſich Abbrecht dem Vertrauen ber Sür:
— ſten zu entforechen *). Soviel lag jetzt dem Reiche daran, ein
Apr. mächtige Dberhaupt zu haben, das zugleich durch die Lage
feiner Exblande die Zintengefahr abzumenden vermoͤchte.
Einhundert und breiffig Jahre waren feit K. Albrecht J.
verfloſſen, mit eingerechnet den Kronſtreit Friedrichs des Schoͤ⸗
nen gegen Ludwig den Baier, ba bie Herzoge von Oſterreich
von der ReichEregierung verdrängt und noch durch eine eigene
Erklärung Karls IV. davon ausgeſchloſſen worden *)., Run
Tam die von K. Rudolf I. hergeftellte Krone wieder ungefucht
an fein Haus und blieb von biefer Zeit an bei demfelben, mit
‚einer einzigen Unterbrehung im baierlfchen Succeffiondkriege,
"im Ganzen 363 Jahre bis zur Auflöfung des Reihe. Soviel
hat diefe Wahl entfchieden. Wer kann fagen, wie die Ver:
bältniffe Teutſchlands geworben wären, wenn bie Fuͤrſten fer
ner in der Wahl minder mächtiger Häufer gewechſelt härten,
oder wern bamald Brandenburg zur Beichöregierung ge
Tommen wäre? Im letztern Fall würde fchon die Verlegung
der Hauptmacht in das nörblihe Teutſchland ober auf bie
fränfifhen Fuͤrſtenthuͤmer große Veränderungen nad) fih ge
sogen haben. Nun blieb fie fortwaͤhrend in Suͤdoſt. Weiter
laͤſſt fi von Möglichkeiten nicht fprechen. Wie vormals jener
Burggrav Friedrich von Nürnberg bei Rudolf I. Wahl tha-
fig gewefen, fo ift auch fein biederer Nachkomme, der Kur:
fürft Friedrich gegen Albrecht zuruckgeſtanden und bat ihm bald
wefentfiche Dienfte bewiefen.
/K. Abrecht II. war in der That ein ganz anderer als
K. Albrecht I. und eben fo verfchieden vom K. Sigmund.
Schon feine Erziehung kann nicht die gewöhnliche genannt
werben. Nach dem frühzeitigen Tode feines Vaterd, Herzog
1) Winde am Schluſſe der Lebensbeſchreibung K. Sigmunds
Aen. 8ylv. Hist. Frider. III. c. 5% sqq. Vit. Arenpek. Chron.
Austs. ad a. 1438. Guden. Cod. dipl. Mog. T. IV. Nr. 110.
2) Schals zuverläffige Rachrichten von bem zu Mainz anfbewahr:
ten Reichsarchiv. 1784. &, 58
8. Albrecht I., 1437—1439. 475
Abrechts IV. von der Öfterreichfichen Linie, unter die Voi⸗
mundfchaft feiner drei uneinigen Oheime von ber fleiermärfer
und tiroler Linie geftellt, warb er gegen bie Zerſtreuungen
eine8 üppigen Hoflebens geſchuͤtzt durch feinen treuen Lehrer .
Andreas Blank, Pfarrer zu Garften, den er machher zum Bis
fhof von Zreifingen erhob, und durch die Leitung des biedern
Remprecht von Waldfee, aud einem ſchon unter K. Rudolf
nach Öfterreich gefommenen ſchwaͤbiſchen Geſchlecht. Der Letz⸗
tere betrieb wider Willen der Vormuͤnder, mit Einſtimmung
der Stände, feine Einſetzung in das zerrättete Land und wurde
fein Hofmeifte. Er war es auch der mit Kaſpar Schlick
Albrecht Bermählung mit Sigmunds Xochter zu Stande
brachte. Bei aller Berfchiedenheit in der Handlungsweiſe er:
hielt Albrecht das Vertrauen feines Schwiegervaters und wurde
bald deſſen vomehmfte Stüge durch feinen Kriegsmuth. Als
ihn Sigmund fragte, wen er den Oberbefehl gegen die Huſ⸗
fiten anvertrauen folle, fprach er: „wenn Ihr einen Adern
wiffet als mich, fo nennt mich nicht mehe Herzog von Bfter:
reich.” Er war groß und überaus flart, durch Jagd und
Waffenuͤbung abgehärtet. Seine blauen Augen waren voll
Beuer. Man verfichert, daß er auffer feiner Gemahlin kein
Weib berührt habe. In feinem Angeficht, unter blonden Lo⸗
den, war Milde und Ernſt vereinigt. Wer ihn nur fah, war
überzeugt, daß er ed gut und reblich meine. „Reine beffere
Leibwache“, ſprach er zu feinem Schwiegervater, „als ber Un:
. terthanen Liebe!" Mit ungemeiner Wißbegierde umfaflte er Al:
le8 was ein Fürft zu verſtehen braucht. Seine Feftigkeit flieg
mit den Hinderniffen. Was er einmal reiflich überlegt hatte,
das pflegte er mit ungeftümer Schnelligkeit auszuführen, nad
feinem Sprichwort: gefhwind gewinnt! Seine flrenge Ge:
rechtigkeit bewies er fchon als ein junger Fuͤrſt in der Hand⸗
habung der öffentlichen Ruhe und Sicherheit in Öfterreich.
Eines ſolchen Dberhauptes bedurfte Zeutfchland. Für dem
Glauben der Väter hatten ihm feine Erzieher großen Eifer’
eingeflößt. Durch biefen ließ er fich zu Grauſamkeiten gegen
Ketzer und Juden hinreiſſen. Dies entflellt fein fchönes Bild.
Er theilt diefen Fehler mit feinem Zeitalter, doch theilte er
Sigmunds blinde Ergebenheit ‘gegen: den päpfllihen Stuhl
“
476 Bud IL Erſter Zeitraum. Abſchnitt 4.
‚ mit. WS üben biefer einen Biſchof zu Paffau aufbringen
wollte, berief er fi) auf ein allgemeines Goncilium: „wolle
man ihn", ſprach ex, „mit geifllichen Waffen angreifen, fo
werde er das weltliche Schwerbt zu gebrauchen wien.” So
trat er denn auch ber Neutralität der Kurfürften zwifchen Papfi
und Goncilium bei. Lebtered verglich ihn einem Quadrat, das
tiberall gleich unzugänglicy wäre ').
Albrecht fchrieb nad) der Annahme der Wahl einen Reiche
tag nach Nümberg aus, fowohl wegen ber Kirchenfachen ald
wegen bes Landfriedend; dann wollte er ſich zu Aachen kroͤnen
laſſen 2). Allein er war fchon fo tief in die erbländifchen An
gelegenheiten verwidelt, daß er nicht kommen konnte. Em
heil von jenen gehört jedoch in unfere Gefchichte, als For:
ſetzung der böhmifhen Religionsfpaltung. Kanzler Schlick,
1437 vor Sigmund Zob nad) Prag abgeorbnet, brachte zwar bie
27. Der. katholiſchen Landherren auf Abrechts Seite, aber die gegen
ihn eingenommenen Utraquiften wählten, unter Zeitung des
Heinrich Ptarfco, zu Tabor den bdreizehnjährigen Bruder bei
Königs Uladiflaus von Polen, Cafimir, zum Könige an
1438 demfelben Zage da die Katholifhen zu Prag fih für As
6. Dal. hrecht ausfprachen. Beide Theile gingen alfo zum Wahlrecht
zurüd, wie auch die Ungern gethan, ungeachtet das Erbrecht
fhon auf Albrechtd Seite war. Da ber König von Polen
fi nicht abmahnen ließ feinen Bruder zu unterflügen, fo
befchloß Albrecht zuvorzulommen; er eilte mit einer kleinen
29. Zun. Schaar nach Prag und ließ fich dafelbft kroͤnen. Dies geſchah
noch vor dem nümberger Reichötage. Da inbeffen die Polen
in Böhmen und Sclefien einfielen, zog Albrecht flärkere
Schaaren aus den Erblanden an fi und bot auch bas Reid
- auf. Da bewies ihm ber Kurfürft Friedrich von Branden⸗
burg bie thätigfle Huͤlfe; er fanbte feinen dritten Sohn U
brecht, wegen feiner Tapferkeit Achilled genannt, mit einem
Buzug. Mit diefem vereinigten Heere griff Albrecht. die Po:
Ien und Utraquiften bei Zabor an und fchloß fie in die Stadt
1) Rah Fugger Ehrenſpiegel ıc. &. 402. 412 ff: 506 FE.
2) Auffer Windel a. a D. Wonker. Appar. archiv. p. 387.
8. Albrecht IL, 1437—1439, 477
ein, bis fie durch Hunger gendthigt den Rüdzug begehrten.
Dann fandte er den jungen Markgraven Albrecht als Statt⸗
halter nach Breſlau, ber durch einen Angriff auf Polen bie
in Schleſien eingefallenen Schaaren zum Rüdzug bradte. 2 ri
Nun trat das Concilium zu Baſel vermittelnd ein, um weis
teres Blutvergiefien zu verhindern. K. Albrecht ging felbft
nach Breflau; boch brachte er's mit den Polen wie mit den
Utraquiften nur zu einem Stilftand, während ihn ber Zürs rg
kenktieg nach Ungern rief ?).
Im Laufe diefer Begebenheiten wurbe denn ber Reichstag 2438
zu Nürnberg gehalten unter ber Leitung des Kamylers Schlick. I
Wegen der Kirchenfpaltung hielt man für dringend erſt einen
allgemeinen Landfrieden herzuſtellen. Der Kanzler ging ouf
bie unter Wenzlaw und Sigmund erlegenen Verhandlungen
zurüd: wie vormald im mergentheimer Landfrieden follten die
Fleineren Reichslande (der aufgelöften Herzogthuͤmer) wieber
in vier Landfriedenstreife zufanmentreten, jeder unter
einem Hauptmann, zur Handhabung der Sicherheit gegen
Befehdung und zur Vollziehung der gerichtlichen Ausfprüche,
Diele vier Kreife folten umfaflen: 1) Franken und Baiernz
2) Rheinlande und Schwaben; 3) Niederrhein, Weftphalen
und Niederlande; 4) Ober: und Nieberfachfen. Öfterreich,
Böhmen und die kurfürftlihen Lande blieben auögenommen
(als gefchloffene Zerritorien). Allein der Antrag fließ wieder
auf diefelben Schwierigkeiten wie vormald. Die Städte bes
forgten bei ihrem Zufammentritte mit den Zürften die bisher
erworbenen Freiheiten gegenüber von biefen einzubüßen. Sie
hatten ſich deöwegen fchon vor dem Reichstage mit nue
zu Ulm verbunden, um das was in ber leuten Reichsver⸗
fammlung zu ger zur Freiheit des teutfchen Reiche, d. h.
der ihrigen, vorgetragen worben, feflzuhalten. Da fie nun
mit den Zürften fich nicht vereinigen Eonnten, fo übergab
jeder Theil einen befondern Landfriedensentwurf an bie koͤnig⸗
lichen Commiffarien. In den Kirchenfachen konnte man eben
fo wenig zu einem Vergleiche zwifchen den Abgeorbneten beis
der Theile fommen. Daher fchrieb K. Albrecht wieber einen
1) Rab Balbin. und Aen. Bylv. Hist. Bohem. c. 55.
v
478 Bud I, Erſter Beitraum. Abſchnitt 4.
1438 andern Reichstag⸗ auf den Herbſt deſſelben Jahred nach
16. Dct. Nürnberg aus, indem er ſich entſchuldigte, daß er durch merl⸗
liche vorliegende Sachen verhindert waͤre perſoͤnlich zu der
Sache zu thun. In der Zwiſchenzeit bot er die ſchon gedachte
Reichshuͤlfe gegen die Böhmen auf. Die Fuͤrſten und bie
Städte hielten wieber befonbere Zufammenkünfte in ihren Ans
gelegenbeiten. Auf ber zweiten Verſammlung zu Nürnberg
ließ dann 8. Albrecht durch den Kanzler Schlid einen aus den
Entwürfen der Zürften und Städte zufammengefeßten „Rath
fhlag" vorlegen über folgende Gegenflände: 1) Erneuerung
der goldenen Bulle Karls IV. nach ihrem ganzen Inhalt,
befonder8 gber in Vetreff der Befehbungen und Pfahlr
bürger mit flarfer Verpönung biefer zwei Puncte. 2) Bel
fere Beftelung der Gerichte und Anordnung der Xusträge
mit ter Beſtimmung, daß die Reichsſtaͤdte vor Niemand als
dem roͤmiſchen Könige oder feinen Beauftragten und in bef
fen Abwefenheit vor ben Kreishauptleuten zu Recht fichen
follten. 3) Verbeſſerung der Münze und Beflrafung ber
Überfchreitungen. 4) Eintheilung der Reichslande mit Ber
tritt der Eurfürftlichen in ſechs Landfriedendkreife flatt ber
vorgefchlagenen vier, wovon bie beiden erftern je in zwei ge
theilt werden follten; Böhmen und Öfterreich wieber ausge⸗
nommen. Die in jedem Kreife befindlichen Stände von Her
"sen, Rittern und Städten follten einen Kreishbauptmann aus
ben Zürften und zehn NRäthe aus den Ständen wählen.
Dad Neue dieſes Vorſchlags befleht Darin, daß die Stände
nicht mehr nad Claſſen ober Parteien fondern nah Lans
desbezirken zu einander gerottet wurden und alfo ein geos
graphiſches Ganzes, wie in ben alten Herzogthuͤmern, aus⸗
machten. Wiewohl nun 8. Albrecht darin den Fuͤrſten nad:
gab, daß namentlich die Stäbte in keiner befondern Partei
mehr ihnen gegenüber fliehen follten, wie in den porigen Lands
friedensbünbniffen, fo waren doch die Kurfürften daruͤber ums
zufrieden, daß benfelben ein unmittelbarer Gerichtöftand vor
behalten wurbe. Sie befchuldigten den Kanzler, daß er, durch
Geld gewonnen, ben flädtifhen Entwurf vorgezogen. Das
maochte nun nicht ganz leer fein, weil es laͤngſt fo hergebracht
war; indeffen wurde der Kanzler ungebalten und erwiederte:
8 Albrecht Ak, 14371439... 79
er werbe bie Sache an ken ömifiken König Bringen, der dann
einen Landfrieden gebieten werde. Die Verhandlungen en⸗
digten mit einer neuen Vertagung nach Frankfurt, weiche aber
wegen ber Pefl nach Mainz verlegt werden mufite ?)-
Hier finden. wir jedoch bie Lanbfriebendfäche: nicht mehr 1139
berührt, weil die kirchlichen Streitigkeiten. immer eenfihafter Febr.
wurben. Jeder Theil, das baſter Goncilium und: ber Papſft
Eugen IV. mit feinen GConeilium zu Ferrara, wollte das Reich
auf feine Seite. ziehen. Der Reichsſtag aber beſchloß in fol«
gerechter Neutralität, daß dad Verfahren der haften Vaͤter ges
gen den Papſt eingeftellt und die Kirchenvesfammiung an einem
dritten Ort verlegt werben ſollte, weil die Baſler daruͤber ſelbſt
nicht mehr einig waren. Weiter befchloß der Reichſtag, da
bein Theil nachgeben wollte, die ‚ganze Streitigkeit auf bie
Seite zu fielen und einftweilen die bafler Beſchluͤſſe auf die
Grundlage der coſtanzer mit gewiſſen Beſchraͤnkungen unb mit
Ausſchluß des Papſtes anzunehmen, bamit der Weg zur Ver⸗
föhnung mit demfelben offen bleibe. Diefe Reformationsde⸗
cxete, an der Zahl ſechſsundzwanzig, bezogen fich, auſſer meh»
reren Segenftänben der Liturgie und der Kixchenbifeigin, haupt⸗
fächlich auf Beſchraͤnkung der näpfllächen Reſervate ‚zufolge bee
Beſchwerden ber teutſchen Nation. Diefe Beflätigung des
Reichstags heit die mainzer Acceptationdurtunde, 26. Mär.
womit die bafler Wäter zufrieden waren ?).
Nicht lange darnach gelang es bem Papſte Eugen IV., J—
auf ſeinem nach Florenz verlegten Concllinm, die Union mit
dem dahin gekommenen griechiſchen Kaiſer Palaͤologus und
ſeiner Geiſtlichkeit ſoweit einzuleilen, daß dieſe in drei Diffes 7. Iut.
renzpuncten (vom Audgang bed heiligen Geiſtes, Fegfeuer
und Primat des Papfles) den. Lateinern nachgeben wollten,
ber vierte aber (vom ungeſaͤuerten Brod beim. Abendmahl)
jeden Theils bisheriger Gewohnheit: überlafien bleiben ſollte.
Diefe neh ſehr unfichere Übereinkunft machte Eugen fegleich
mit großer Sreude befanmt: unb fobnnie ale Könige und Yürs
1) Reue ee * Beiäpfäie Th. Rum. u f. Gr
Thichte von Schwaben V, 8 ff.
2) Koch sanctio pragmat. — Ulustr. p. 9.
450 Bud IL Erſter Zeitraum. Abſchnitt 4.
Ben der Chriſtenheit auf, bie Griechen von ber muhamebani
ſchen Knechtſchaft zu erretten. Allein man hörte nicht darauf.
Die baſler Väter waren indeflen in ihrem Berfahren fortge⸗
4430 fhritten: da Eugen ihrer Einlabung nicht Folge leiftete, fe
25. Zun. fetten fie ihn förmlich ab als Schiſmatiker, Keper und Der
j ſchwender der Kirchengliter, und obgleich Frankreich biefen
misbilligte und Teutſchland in der Neutralität behartt,
5. Rov. fo wäßlten fie doch einen ande Papfl, den vormaligen Her⸗
z0g Amabeus von Gavoyen, ber fih Felix V. nannte ').
So flanden nun, trotz der Vorkehrungen der großen coſtan⸗
zer Kirchenverfammlung, wieber zwei Päpfte gegen einander
im denifelben Zeitpunct, be man fchon bie Griechen zur Union
gebracht zu haben glaubte. j
Wenige Zage vor dem Ausbruche dieſes neuen Schiſm
277.Dct. Harb K. Albrecht II. eines früßzeitigen Todes auf dein Ruͤckwege
von einem ungluͤcklichen Kriegözuge gegen die Türken, welchen
ex in Verbindung mit bem Defpoten Georg von Servien unter
nommen hatte. Im Gedränge durch die tuͤrkiſche Übermacht hatte
Georg. [hen früher den Beiſtand der Ungern durch die Abtre⸗
4436 tung von Belgrad erfauft, dann aber dem tärkifchen Sultan
Murad 1I., der ihn deshalb anfiel, feine Tochter Maria zur
' 1438 Ausföhnung gegeben. Desungeichtet überzog ihn biefer zum
zweiten Mal und verlangte feine Hauptfladt Gemendria. K
44139 Albrecht, von Georg zu Hülfe gerufen, kam gleich nad dem
boͤhmiſchen Stillſtande nach Ungern und rüflete fi mit um
gefähe 24,000 Mann bem viel färkern türkifchen Heere cine
Schlacht zu liefern. . Der Sultan aber ehrte Albrechts Muth
und Biederfinn: mit einem fo frommen und tapfern Fürften,
dem er acht gegen einen entgegenftellen koͤnne, werbe er niht
Schlagen. Zugleich fandte er ihm Briefe von ungerifhen Ma⸗
gnaten welche ihn versathen wollten. Als diefe nun in ber
Nacht das Lager nerlieflen, entfland das Wolfögefchrei, ber
Ruf zur Flucht. Die beiben Heere litten uͤberbies an ber Ruhr.
Albrecht wurde auch davon ergriffen und ſtarb auf bem Wege
27. Det. nach Wien zu Langendorf im 42ſten Jahre feines Alters ®).
1) Harduin. T. VII. IX,
2) v. Hormaps Öftere. Plutarch Ltes Bochen &.92 f. Ares ©. 35.
- na
0 8 Albrecht I, 1437-1439. 481
„Set Chriſti Geburt,” ſagt Winde im Anhange zu.
K. Sigmunds Leben, „if fein König von Edeln und Unebeln,
Reichen und Armen fo bekauert worden ald Albredit.”" Su
der That bat biefer unvermuthete Zob Alles wieder zurüdiges °
worfen, was fowohl für’ die, oͤſterreichiſche Hausmacht als in
den Reichs⸗ und Kirchens Sachen in kurzer Zeit mit foviel
Nachdruck eingeleitet worden. Die Erblande folten erſt er⸗
warten, ob Albrechts ſchwangere Gemahlin einen Sohn gebäs
ren würbe, und kamen barüber in eine miöliche Lage. Die
tuͤrkiſche Macht wuchs furchtbar heran; die Union ber Grie⸗
chen und Lateiner Fam nicht zu Stande, weil es jenen Fein
Ernft war und dieſe wieber unter fich felbft zerfielen. Die.
Lanpdfriebensanftalten firandeten auf’ neue an ber alten Eiferfucht
der Fürften und Städte. Im den teutfchen Kirchenfachen als
lein ift man durch die bafler Decrefe. etwas vorwaͤrts gekom⸗
men. Doch erfennen wir in Albrechts Furzer Regierung bie
Har gefaſſten Grundzüge der Reichöverfaffung, deren Auss
führung für den Nachfolger die Aufgabe eines halben Jahr⸗
hunderts wurbe.
II. Alimäliges Reifwerden der Kirchen: und
Reichs-Verfaſſung neben demöſterreichiſchen.
Hausplan unter K. Friedrichs II. 583jäͤhri—
ger Regierung. 1440-1493.
1. Die Hauptaufgaben und Schwierigkeiten.
Kurfürftlenvereinund Stäpteeinung vor ber Wahl
Man bleibt bei dem Haufe Öfterreih. Friedrichs
II. Eigenfhaften. Lage des Haufes. Des Reichs⸗
tags firengfle Neutralität und ſchiedsrichterlicher
Spruch in Betreff der Verlegung bes Concilium
an einen dritten Drt. Aviſamenta der teutfhen
Nation. Selbfipülfe der Stände in Betreff des
Landfriedens. Die Ritterfhaft von St. Geor⸗
Pfiſter Geſchichte d. Teutſchen TIL 31
482 Buch IL Erfer Zeitraum, Abfchnitt 4.
gen Schild. Friedrichs erſter Reichſtag und Kroͤ⸗
"nung. Rüdfritt von ben legten Landfriedens⸗
entwürfen,
1439 Die Kurfürften waren eben zu Mainz i in den Kirchenan-
gelegenheiten verfammelt, als die zwei Nachrichten von X. Al⸗
brecht8 Tode und der ausgebrochenen Kirchenfpaltung einlie
11. Rov. fen. Sie emeuerten deswegen fogleich ihren Verein zu Be
bauptung einer firengen Neutralität; bald darauf ſchloſſen
20. Dec. die drei Erzbifchöfe zu Lahnſtein einen geheimen Vertrag fir
eine einhellige römifche Koͤnigswahl. Weil die legten Reid
tagäverhanblungen in ber Landfriedensſache Feine Entſcheidung
81. Dec. herbeigeführt hatten, fo wollten die Städte zu Coͤln wieder
‚einen Bund unter fih errichten. Diefer Tag Fam nicht zu
Stande. Indeffen traten die vier Mheinftäbte Straßburg,
Speier, Worms und Mainz zufammen und verbanben fid
dem neuen römifchen Könige nicht eher zu hulbigen, bis er
ihre Freiheiten beftätigt baben würde; einem zwiefpältig
erwählten aber erſt nach weiterem Verſtaͤndniß unter fich bei
zufallen ').
Einftweilen vereinigten fünf Kurfürften ihre Stimme
für Friedrich, den dlteften von den Herzogen: von Öfler
reich, fletermärker Linie, Sohn H. Ernſts und ber Limburg
von Mafovien. Sein vormaliger Geheimfchreiber, Johann
Gert, wiberrieth die Wahl, weil Friedrich ein
rubeliebender Here wäre.?). Diefe Überzeugung theilte ohne
Zweifel der alternde Kurfürft Friedrich von Brandenburg; ca
flimmte für den Landgraven Lubwig von Heſſen. Da bie
Threonfolge in Böhmen noch nicht entfchieben war, fo fandten
die Stände, um nit wie das leute Mal ihres Wahlrecht
verluftig zu gehen, Heinrich von Plauen ald Abgeorbneten,
der nach einigen Bebenklichleiten von ben Kurfürften ange
nommen wurbe, während alle Fremben, namentlich die Ge
1) Wenker App. archiv. num. 6%,
O Häberlin RKeichtgefchichte VI, 75. Es tft wahrfcheinfich ber
felbe Johann Gers zu Frankfurt, ber dei Gobellin. comment. p. 11.
meordax.et invidae mentis homo heifſt.
⸗
- 8 Friedrich IH, 1440—148. 483
fanbten bed Papſtes und bed Conciliums, Frankfurt verlaſſen
nufften. Diefer Abgeordnete flimmte ebenfalls für Ludwig '
von Heflen. Die Stimmen wurden wie bei Albrechts II. Wahl |
einzeln aufgenommen. Da jeboch bie ‚fünf Kurfuͤrſten bei ih⸗
rem Vorhaben beharrten, ſo traten die zwei andern auch uͤber,
und fo wurde Friedrich von Öfterreich als einmäthig erwähls
ter römifcher König erflärt '). 1440
Friedrich rechtfertigte dad Zeugniß feines Geheimfchreibers,
ben ex befann ſich zu Wien nicht weniger als elf Wochen,
bis er dem Wunſche der Kurfuͤrſten entſprach. Noch einmal
ungefucht kam alfo die teutfche Krone an das Haus Öfterreich.
Friedrich war noch nicht 25 Jahre alt. Sein Sinn fand weit
mehr auf die flillen Befchäftigungen des Privatiebens als auf
die Regierung eined großen Reichs, ob er gleich auch länders
begierig war. Jene Vorliebe behielt in den verwideltftien Ges
fchäften und ſelbſt unter Gefahren das Übergewicht. Als bie
Ungern einmal in Öfterreich einfielen und man eiligfl zu den (1446)
Waffen rief, blieb er rubig bei der Cinwinterung feiner Gars
tengewächfe. Ex war ein Freund der Wiflenfchaften, bach mehr:
zur Unterhaltung als fir die wahre Bildung des Geiſtes; das
ber trieb er vorzüglich die Sternbeuterei und die Deſtillirkunſt.
Aus den alten Schriftfiellen zeichnete er Sinnfprüche aus,
verlor fich aber manchmal in Syibenftechereien ?). In feinem
Auffern war ein gewifler Anfland mit Hoheit. Er lebte in
allen Stüden mäßig und trank nie lauten Wein. Im feinem
zwei und zwanzigften Jahre machte er wider ben Willen feiner
Raͤthe eine Wallfahrt in's gelobte Land. Tiefe Verehrung der
Kirche und ihres Oberhauptes war ihm von Jugend auf eins
1) Acta elecfionis etc. in Kulpie Cod. dipl. ad hist. Frid, III.
p- 188. Spteß archiv. Mebenarbeiten L 170 ff. Mäller RR. Thea⸗
trum unter Friedrich HI. Vorft. 1. Gap. 1.
2) Schon als jüngerer ‚Herzog Friedrich bezeichnete er feine Sachen,
was er bauen ober machen ließ, „mit dem Strich und ben fünf Buch⸗
ftaben‘‘ Zseto w, wovon Kollar in Anal. Monum. T. II, p. 675. ein
Fac simile vorgelegt hat. Nach Friedrichs eigener — in feinem
dort abgebrudten Tagebuch foll die Chiffre heiffen:
Alles Erdreich ift Oeſterreich Unterthan,
Austriae Kst Imperare Orbi Universo. /
| J 312
484 Bud I. Erfier Zeitraum. Abſchnitt 2
geprägt. AB er zum erfin Mal in das Reich herauskam,
fagt Tſchudi, hielt man ihm noch nicht für fonders witzig
und ſinnreich; fand ihn aber zugleich, nach ber Fortfegung von
Koonigshovens Chronik, „geizig und Treuttig.” Das allge
meine Zengniß ber Beitgenofien flimmt damit überein, und
fein vertrauter Rath Aneas, nachheriger Papft Pius IL, bat
es ihm felbft vorgehalten. Doc) litt er fafl immer an Gelb:
mangel, und feine wichtigfien Unternehmungen wurden da⸗
durch gehemmt; alfo bewies er fich bei dem Allen nicht als
guter Haushalte, auffer daß er mehrere verpfänbete Herrſchaf⸗
ten in Öfterreich wieder einlöfte. Wenn er eben fo kriegeriſch
als Iänderbegierig gewefen wäre, fo hätte feine Regierung für
die Nachbarftaaten gefährlich werden Finnen. Zudem wurden
feine Unternehmungen noch durch allzugroße Bebächtlichkeit ge
mäßigt. Diefe grenzte oft an Angfllichleit oder Eigenfim
und gab ihm wirklich in einigen Fällen dad Anfehn von Stand:
baftigkeit und Ausdauer. Bei feinen übrigen Cigenfchaften
war diefe in ber That das Einzige, was er bem verwinten
Zuftande im Heid, entgegenfehen konnte. Man rühmt befon:
ders feine Vorficht in der Wahl der Räthe; wir werden je
doch fehen, wie übel er gerade in den wichtigfien Angelegen-
beiten geleitet. worben.
Die damalige Lage bed Haufes Öfterreih in feinen
4440 drei Linien erfoberte allein fchon einen Fuͤrſten, ber mit
22. Febr. Nachdruck an die Spige trat. Wald nach der römifchen Koͤ⸗
migswahl gebar K. Albrecht3 II. Wittwe, wie fie gehofft hatte,
einen Sohn, Ladiſlaus posthumus genannt. Für diefen über _
nahm Friedrich, ald der Ältefte des Haufe, die Bormund:
ſchaft im Herzogthpum Öfterreich, feinem väterlichen Lande&
theil; zugleich aber folte dafür geforgt werben, daß Ladiflaus
” von den Ungern und Böhmen ald König erkannt winbe.
K. Friedrich war auch Vormund über den jetzt vierzehn
iähtigen Herzog Sigmund vom ber tiroler Linie, Sogn
jenes Briedrich, ber von K. Sigmund auf ber coflanzer Kir
chenverfammlung gebemüthigt worden; für diefen hätte er gem
‚wieber erobern mögen, was damals an bie Eidgenoffen verlo-
ren worden. Mit feinem um drei Jahre jüngern Bruder Al:
Brecht, ber eben fo unruhig und verfchwenberifch war, als
8. Friebrich II., 1440—1493. 485
er ſelbſt bedächtlich und habſuͤchtig, theilte Friedrich bie Regies
rung der fleiermärkifchen Lande unter faſt immerwährens
den Zwifligleiten. Während er an biefen eigentlih bloß die
Hälfte zu feinem Landestheil befaß, ober ein Sechöthell ber
Öfterreichifihen Hausmacht, ſo war es nun doch an ihm, zum
Theil mit Widerſpruch im Hauſe ſelbſt, die großen Entwuͤrfe
ſeines Vorgaͤngers, K. Albrechts IL, zu verfolgen, zuerſt die
Erbanſpruͤche des Ladiſlaus.
Die Boͤhmen waren anfaͤnglich noch weniger geneigt
als die Ungern das Kind als Koͤnig anzunehmen; vielmehr
betrieben die Utraquiſten, unter Leitung des Heinrich Ptarfco
eine andere Wahl und fielen auf den Herzog Albrecht von 4440
Baiern von ber münchner Linie. K. Friedrich gebrauchte je⸗ 28. Mat.
doch fein Anfehn, um dieſen abzumahnen. Run änderten bie
Stände ihren Sinn und befchloffen ihm ſelbſt die Regentſchaft
zu überlaffen, bald darauf boten fie ihm fogar bie Krone an.
Allein Friedrich hielt das Letztere für ein Unrecht gegen feinen
Muͤndel und lehnte auch den erften Antrag ab, aus Kiebe
zur Ruhe und zum Gelbe. Ex überließ ben Böhmen ihr Reich
ſelbſt zu verwalten, bis zur Volljährigkeit des Ladiflaus. Das
nahmen fie denn gerne an und wählten von ber katholiſchen
Partei ben früher genannten Meinhard von Neuhaus, 1441
von ben Utraquiften den Heinrich Ptarſco zu gemein⸗ |
ſchaftlichen Gtatthaltern *).
Die Ungern hatten ihre Krone fchon vor ber Geburt
des Ladiflaus dem Könige Ulabiflav von Polen angelragen.
K. Sigmund Wittwe Barbara hatte auch noch einen flars
fen Anhang in biefem Lande. Im Gebränge zwifchen diefen
beiden Parteien fühnte fich die Mutter des Lapiflaus mit ber
Lestern aus und ließ ihren zarten Sohn zu Caſchau Tränen, 1440
entflob aber darauf mit der heiligen Krone zu dem römifchen Mai.
Könige Friedrich nach Oſterreich. Ihr Feldherr Johann Giſkra
behauptete Oberungern gegen ben König von Polen. Hier
vermittelte flatt Friedrichs Papft Eugen IV. und brachte eis
nen Vergleich zu Stande, nach welchem die Regentfchaft bem 1441
1) Aen. Sylvii hist. Boh. c. 57 sg, Ger. de Roo L. V. p.
182 sq. audy zum Kolgenben.
46 Bud I. , Erfler Beitraum. Abſchnitt #.
* Könige von Polen bleiben, das Reich aber erſt auf ven Fall
wenn Ladiflaus * Erben abgehen wuͤrde, an ihn fallen
ſollte 2).
Afo ließ K. Friedrich die Regentſchaft der zwei Erbreiche
ſeines Muͤndels in fremde Haͤnde uͤbergehen und behielt allein
die vormundſchaftliche Regierung über Öfterreich mit einem
beigeorbneten Rath von ben Ständen, worin er. jeboch in der
Folge noch vielen Verdruß fich zuzog. Über diefe Angelegen-
.n verfloffen volle zwei Jahre, bis er in das Meich ber
auslkam.
1441 Einſtweilen ließ Friedrich feine Commiſſarien nach Mainz
‚ 2. debr: gehen, wo in einer großen Verſammlung das auögebrochene
Schifma beigelegt werben follte. Rachdem man die Sefanbten ber
beiden Päpfte ausführlich gehört hatte, fiel der Schluß: es
müfle zu Herſtellung des Kirchenfriebend ein allgemeined Gons
dlium an einen dritten Ort berufen werden; wenn die Par
teien fich darüber nicht vereinigen könnten, fo follte ber römis
ſche König ſechs Städte in Zeutichland unb-eben fo viele in
Frankreich vorzufchlagen berechtigt fein). Alſo führte der
Reich ſtag das Schiebrichterammt über den Kirchenzwiſt. Die
befchlofiene Neutralität konnte nicht ſtrenger beobachtet werden,
als daß weder für einen ber fehifmatifchen Päpfte noch für
eine der Kicchennerfannmlungen entichieven wurbe. Indeſſen
fand der Spruch wenig Eingang. Jede Verfammlung wollte
die rechte fein; Leine konnte fih zum Nachgeben entfchliefien.
Nun follte allerdings dem Spruche weiterer Nachdruck gege
ben werben; allein da fehlte der Beiſtand des roͤmiſchen Ki
nigs, während EugenIV. Alles aufbot bad bisherige An
fehn der bafler. Kirchenverſammlung zu ſchwaͤchen. Doch hat
ber Reichstag noch einen Schritt für die teutſche Kirde
Er fafite die Befchwerben der Nation Über bie Bedruͤckungen
und Eingriffe des päpfllichen Stuhled unter dem Titel Avi- |
samenta zufammen, um fie dem fünftigen allgemeinen Con |
cifium porzulegen. Diefer Schritt blied nicht ohne Kolgen ?).
.
1) Auffer ben Vorigen Dlugoss. L XIL
2) Pagi Breviar. gest. Pontif, Rom. T. IV, p. 628. |
8) Reue Samml. d. M. A. IhL I. No. . |
‘
"8. Stiedeih IR, 1440-1493. 467
Über "Den kirchlichen Streitigkeiten verfkumte man den’ . ’
Sandfriedben. Während‘ der Abwefenheit des römifihen
Königs nahmen die Fehden wieder aller Orten überhand. In .
größern Sachen, wie in 'deih langen erbitterten Kriege zwi⸗
ſchen Brandenburg und Bäten wegen des Landgerichts in
Franken ), erließ K. Feiedrich zwar Abmahnungsſchreiben; 1440
aber fie waren ohne Erfolg. Alle Stände griffen zur Selbfb & a.
huͤlfe. So traten denn die oberkänbifchen Staͤdte wieber zus
fonmen'und zogen förmlich gegen die Raubritter zu Felde.
Der Adel verftäikte ſich gleichfalls und gebrauchte Repreffalien.
In diefem Zeitpunct hat die Ritterfchaft von St. Georgen»
ſchitd, gegenuͤber vom Städtebund, ihren nachherigen wich»
tigen Einfluß auf das Einungoͤweſen gegrimbet. Ald im Türs
Tenkrirg unter K. Sigmund zwifchen der fchwäbifchen und
böhmischen: Ritterfchaft Streit entfland über bie Ehre bed er
ſten Angriffe, ſchloß bie erftere einen bejonderen Verein zu
Behauptung dieſes von Karl dem Großen hergeleiteten Vor
rechts; als freie Schwaben eigneten’ fie die Volksfahne ihrer
befondern Gefellfchaft 'zu, nahmen aber zwifchen den übrigen
Ritter: und Städte> Einungen ’ eine foviel moͤglich neutrale
Stellung. : Nachdem die Städte eimen Streifzug in dad He⸗
gau gethan, erneuerten bie Ritter ihre Bereinigung auf brei 1442
Sabre. Das war in demfelben Jahr, da K. Sriebrig | in das
Reich herauskam 2).
Bei ſeiner Ankunft traf Briebrich zu Nuͤrnberg eine Reichs⸗ Kprit
verfammlung, auf welcher dad Schifma aufs neue in Beras
hung gezogen wurde. Man kam wieber auf ben mainzer
Beſchluß zuruͤck, ließ aber jest den baſler Vätern bebeuten,
innerhalb Jahresfriſt ein allgemeines Goncilium an einem brit-
ten Orte anzufegen °).’ "Da Friedrich zu der Krönung nad)
Aachen eilte, verſchob er bie Seleitserneuerung für Baſel, ließ
Aber einſtweilen durch Commiſſarien zu Frankfurt Die Abgeord⸗
neten ber beiden Paͤpſte weiter vernehmen, um bei feiner Rüds
Sehe bie Entſcheldung geben zu koͤnnen.
) Häbe ig Reichögef . VL 9.
2, Geld. v. Schwaben V, 3 ff.
-8) Hist. Norimb. dipl. Per. II. p. 624. wornach Bas Datum in
Müllers RE. Theatrum Cap. 16. zu berichtigen if.='"
458 Bud INH. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 4.
142 Die Krednung geſchah mit. lange nicht gefehener Pracht
17.30. Bei den Gefolgkhaften zählte man. im Ganzen 17,000 beit:
‚tener Pferde. Friedrich beobachtete alle ditern en neuen Se
bröuche; feine aus Oſterreich mitgebrachten gelbenen und fi
"bernen Gefäße aber, welche nah der Bitte den Erzbeamten
bleiben follten, verſprach ex mit eine Summe Gelbe wieder
zu löfen °). Nach. ber Zurückkunft hielt ex den ſchon mehr
ebenfalls
in ſehr zahlreicher Verfommlung. Man Man konnte erwarten, daß
die duch Albrechtö II. Tod abgebrochenen Landfriedenshand⸗
lungen wieber aufgenommen werben würden; allein bie Ab⸗
neigung der Zürften gegen die Städte behielt das Übergewicht,
und Friedrich hatte auch feine Gründe mit: dee Sache nicht
zu eilen. Dan ratbichlagte bei ſechs Wochen und kam end:
lich darauf zurüd, bloß die Satzung her goldenen Bulle in
Abficht der Zehden und Pfändungen gu erneuern; des geichen
das Unmwefen ber heimlichen weſtphaͤliſchen Gerichte unb bie
Münzverwirrung zu befchränfen Die Form allem iſt neu
Der Reichdabfchieb oder „Ordnung mit Rath der Kurfürften,
Fürften, Graven, Freyen, Herzen, Ritter, Knechte und Städte
befchloffen" wirb als koͤnigliches Mandat allen hohen und nies
bern Reichsunterth anen verkuͤndet, und auf die Übertre⸗
tung eine Strafe. von 100 Mark loͤthigen Golbes gefeht ?).
Alfo geſchah wie Kanzler Schlid am Schluffe bes vorigen
Reichstages gefprorhen: der roͤmiſche König gebot; doch nicht
ben allgemeinen Landfrieben, wie er ‚gehofft hatte. Weil Für
fien und Stände über den verbefferten Landfriebensentwurf
fih nicht vereinigen fonnten, fo muflte einflweilen nur das
alte Schdegefeg wieber gefchärft werden. Schlick wurde
erſt auf der Fuͤckreiſe Friedrichs In das Kanzleramt eingefegt,
Dad er unter den beiden Vorgängern bekteidet hatte € Geine
Brüder erhob ber König ſchon bei ds Srönung in ben Frei⸗
berenfland.
1) Windeck Anhang zum Leben % Sigmunds Gap. 223.
2) Reue Samml. d. R. A. Thl. I. Rro. 45,
5) Gobellini Comment. Pü 7 Pontif. p. 8. Über Schlick⸗
Brüder Lünig X. A. T. XXII. p. 1 228.
8: Brtebuig il, 1440—1493. . : 480
Die Br aufen Jahre von Ke Friedrichs III. Regierung
zeigen nicht nur die Hauptgeſchaͤfte und ihre Schwierigkeiten,
ſondern auch ihre Reihefolge und den Geiſt worin fie weiter
gefuͤhrt wurden. Zuerſt Die Honbengelegerbeiten —
bringung und Zuwachs · der Bande); dann bie Kirchen⸗ und
Landfriedens⸗Sachen; letztgre auf die ſchon während feines
verzoͤgerten Regierungsantritts geſchehene Grundlage, jedoch
nach viel laͤngerem Ausbleiben, nachdem erſt groͤßere Gefah⸗
zen in DR und Weſt dringend mahnen. Zuerſt erhalten. wir
Aufihluß, warum Friedrich fe * Soden. vor ber —
beim — — — w⸗ — F
8 Friedeicho II. Schweijerkrieg und der große.
Staͤdtekrieg, 1442 — 1450. |
Friedrichs Bündniß mit Zürich, Schweizerreife und
Zurüdfoderung der verlornen Stammlande Der
Adel, die Armagnaken gegen die Schweizer. Reichs⸗
krieg. Friedrichs gleihzeitige Verwicklung in bie
böhmifhen und ungerifhen Angelegenheiten in
Betreff feines Muͤndels Ladiſlaus. Beilegung
Der oberlaͤndiſchen Fehden. Zürich muß im eidge—
nöffifhen Bund bleiben. — Fürften und Herren
werfen ihren Unwillen auf die Reichsſtaͤte. Aus
vier, zulest fünf Fehden allgemeiner Krieg in
Schwaben und Franken. Rechtstage. Zerfall bes
Städtebundes,
Zu Anden, ehe Friedrich die Kroͤmmmg empfing, erklaͤrte er 1442
den Fürften, daß er die Lande welche feinem Haufe zu König
Sigmunds Zeit entzogen worben, wieder herbeizubringen ent»
fchloſſen fei und darin auf ihren Beiſtand zaͤhle. Am. Kroͤ⸗
nungstage ſelbſt ſchloß er mit der Stadt Zürich ein geheimes 17. Iun.
Buͤndniß gegen bie Eidgenoſſen. Auf dem erſten Reichötage
zu Frankfurt, wo er eines großen Zahl von Meichöfländen
bie herkömmliche Beftätigung ihrer Freiheiten und Rechte gab,
nicht vergeffend die des Hauſes Öfterreich, fchlug ex den ſchwei⸗
zerifchen Eidgenoſſen ihre Witte ob. Daun hob er ſich zu
490 Buch I. Erfter Zeltraum. Abſchnitt 4.
einer Reiſe in die obern Lande und kam zum erſten Bel im
die heimatlichen Thaͤler und Gebirge, wo ſein Haus aufge
bluͤht; wit Wehmuth ſah er die Triimmer von Haböburg. Zu
1442 Goftanz fagte-er den feweizerifchen Abgeorbneteis deutlicher:
28. Nov. er werde ihte Freiheiten. nicht eher beflätigen, bis fie bie ſei⸗
nem Hauſe entzogenen: Herrſchaften zurisdgeben wärben. Es
wareh aber bie verlornen Städte und Laͤnder von zweierlei
Art: -einige hatten fih unmittelbar an das Reich (von ber
oͤſterreichiſchen Landesherrſchaft) Frei gekauft, die andern hatte
8. Sigmund den‘ Eidgenoſſen: als Reichspfandſchaft Fberlaf-
fen. Jene hoffte Friedrich durch gute Worte vbleber zum
Ruͤcktritt unter Öfterreich zu bewegen, und es gelang ihm na
mentlich bei Dieſſenhofen, Rapperswyl, Winterthur; bei ben
andern wäre ber rechte" Meg" geweſen die Einlöfimg anzubie
ten. Davon ft aber nicht die Rebe. Friedrich, der fo viel
Geld nicht aufbringen konnte oder wollte ober bie Weigerung
‚ber Schweizer vorausfah, ſprach nur.von feinem Recht und
von bet unrechtmäßigen Verqͤuſſerung. Er wollte die Sache
dem Reichstag oder einem Fürftengericht oder dem Rhein
pfalzgraven als oberftem Richter unterwerfen. Bon dem As
len wollten jeboch die Eidgenoffen Nichts hören, und fo rüfle
. ten fich beide Theile zum Krieg.
Friedrich überließ dem Landvogt ber vorberöfterreichifchen
Eande In Verbindung mit Zürich die Schweizer zu befriegen;
er vertraute auf den alten Haß des oberländiihen Adels und
hoffte auch die fchwäbifchen Städte durch ben Reichslandvogt
zum Beitritt zu bringen. Dann eilte ex über den Arlberg
De. nah Steiermark, um feinen unrubigen Bruder Albrecht,
der indeſſen über: die Lanbedtheilung Gewaltthaͤtigkeiten verlbt
1443 hatte, herauszufchiden. Er bezahlte ihm und feinen Soͤldnem
eine Summe Geldes und trat ihm bie Verwaltung der ſchwaͤ⸗
biſchen und elfäffifchen Lande ab !). Albrecht ſollte den Schwei⸗
zerfrieg in feinem Namen führen, weil er eben jetzt mit ſei⸗
nem Mündel Ladiſlaus tiefer in, bie böhmifchen und ungeri-
ſchen Angelegenheiten verwickelt wurde.
Zirich, zur Zeit Karld IV. Worfechterin des Eidgenoſſen⸗
1) hugger Ehrenſpiegel &.-537.
8, Zriebeih I, 1440-1498. - 493
ſchaft gegen das Reich, warb jeht von K. Friedrich zum Stuͤtz⸗
punct "feines Kriegs befiiummt, in der Abſicht nicht nur bie
verisrnen Lande wieder zu erobern, fonbern überhaupt ben
Schweizerbund zu trennen. Die Schweizer entgegmeten, biefe-
Stabt, in ihtem ewigen Bunb ftehend, babe fick nicht mit
Öfterreich- verbinden dürfen; das war benn die Vorfrage, nd ..
fie blieb auch am Ende bed Kriegs die Hauptfrage. Vergeblich
vermittelten die benachbarten Städte. und die Väter zu Baſel
Als vie Eidgenofien mit Heftigkeit zu den Waffen griffen
und Zürich bebrängten, ſchrieb K. Friedrich an bie Fürften 22. Zu.
und Staͤdte um flattliche Hülfe. Sie erwieberten, biefer Krieg
gehe fie Nichts an; überdied wären einige Staͤdte mit den
Eidgenofien in alter Freundſchaft. Auch bie Ritterfchaft von -
St. Georgen Schild wollte noch ihre Neutralität: behaupten,-
wiewohl einige Mitglieder eifrig für Öfterreich warden. Rum
ergab fih, daß das von K. Friedrich eingeleitete oberländifche
Bimbniß nicht zureichend wäre, und ba er auch aus Öfler
zeich Eeine Verſtaͤrkung fenden konnte, fo muffte man auf
fremde Sölbner denfen und trat deshalb mit Burgund und
Sranfreih in Unterhandlung. Auch Papft Eugen fol fih bes > Aug.
halb bei der letztern Macht verwendet haben, um durch Her⸗
beiführung einer großen Kriegsmacht die bafler Verſammlung
zu fchreden. Der König bewilligte mehr, als Friedrich ver 1444
langt hatte: flatt 5000 fandte er 24,000 Mann, welche durch Jun.
weitern Zulauf herrenloſer Söldner zulegt auf ‚bad Doppelte
anwuchſen. Sie biefien Armagnaken, von ihrem Stifter
bem Graven Bernhard von Armagnak, bein gememen Volk
„arme Gecken.“ Da fie nah dem franzöfifch «burgunbifchen
Frieden den Landen fehr zur Laſt fielen, fo war man froh fie
auf das teutfche Reich zu wälzen. Zugleich ließ ber König
bekannt machen: er fei um fo mehr bewogen worben bem
Haufe Öfterreich Hülfe zu leiften, als Straßburg und die ganze
Landſchaft bis an ben Rhein zu Frankreich gehörten; übrigens
follen gegen das Reich keine Feindſeligkeiten gefcheben.
Das ift das erſte Mal feit der Trennung XZeutichlands
von Frankreich, daß die Rheingrenze — unter lauter Freund:
fchaftsverficherungen "zur Sprache gefommen. Bei. der Anni
berung bed franzöfifchen Deered, unten bes eigenen Anführung
u
492 Bud II. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 4.
des Dauphin, erſchraken alle vordern Lande, eingedenk eines
ähnlichen Überzugs der engliſchen Soͤldner zu Karls IV. Zeit.
Bafel fette ſich in Vertheidigungsftand. Der Dauphin zog raſch
vorüber, um Barndberg und Sirich zu entfeben und dann bie
Eidgenoflen aufzureiben. Da fiel eine kleine Schaar von 1600
26. Xug. Schweizern ihm in die Seite und ſchlug bei Pratteln eine
vielmal flärkere Macht; bei Baſel an ber Bird abgefchnitten
und zerfprengt kämpften die Zapfen zehn Stunden. lang mit
Loͤwenmuth bis auf den legten Dann.
Diefe That benahm dem Dauphin die Luft ben Krieg
fortzufegen. Die Kirchenverfammlung mahnte ab, und der
Reichstag trat in Unterhandlung. Beim -Anbli der Gefahr
| lieſſen fich die Reichöflände nun doch durch Friedrichs Abge⸗
Septbr. ‚ordnete bewegen ſich etwas ernfllicher anzugreifen, nicht nur
um die Armagnaken zuridzutreiben, ſondern auch den ſchimpf⸗
lich geführten Schweizerkrieg gemeinſchaftlich mit ihm aufzu⸗
nehmen. Jenes geſchah durch ein Paar Heeresabtheilungen
unter dem Rheinpfalzgraven, welche das Breisgau beſetzten.
1445 Auf einer Zufammenkunft zu Trier verfprach der Dauphin
20. Mir. feine Völker abzuführen; dagegen ſolle für den erlittenen Scha⸗
den Peine Anfprache an Frankreich gemacht werden. Gegen
bie Eidgenoffen traten bie nächftgelegenen Fürften mit Herzog
Albrecht in Verbindung und brachten auch die Ritterfhaft von
St. Georgen Schild zum Beitritt '), Der Abel beforgte, bie
Schweizer möchten gar das Reich angreifen und ihren Bund
“noch weiter ausbehnen. So entfland nun erfi ein recht erbit⸗
terter Verheerungskrieg auf der ganzen Grenze. Im Oberels
4446 faß, auf dem Schwarzwald, um ben Bobenfee bis Zürich und
bis in das farganfer Land hinauf wurben Burgen gebrochen,
Dörfer abgebrannt, Heerben weggetrieben, Iammer und Elend
überall verbreitet, ohne eine audgezeichnete That, welche Ent:
fheibung gebracht hätte 2).
K. Friedrich hatte den Ständen wiederholt. verfprochen
Hülfe zu ſchichen; aber die Böhmen und Ungern machten
1). Geſch. von Schwaben V, 46 ff.
P) Das Ganze nah 3. Müller Schweiz. Geſch. II, = —
Schluß. IV, 1—198.
8. Sriebeidr IH, 1440—14%, J 43 .
ihm fo viel zu ſchaffen, daß er nun wohl einſah, er bitte
befjer gethan die Schweizer in Ruhe zu laſſen.
Die Böhmen verlangten Auslieferung des jungen gabis 4442
flaus, damit er in der Sprache und ben Sitten des Lanbed
erzogen werden koͤnnte; daffelbe verlangten die Ungern. Bei⸗
den ſchlug Friedrich ihre Bitte ab. Indeſſen brachen in Boͤh⸗
men die Religionsunruhen wieder aus, auf Anftiften ber Kai:
ferin Bittwe Barbara, welche mit ben Utraquiften hielt, Die 1443
beiden Statthalter Ptarſco und Neuhaus führten offenen Krieg
gegen einander. Nach des Erſten Tode wählten bie Utraquiſten 1444.
Georg von Podiebrad, ber bie Prager auf feine Seite 25. Aug-
brachte und mit Unterflügung der Barbara fat alle Gewalt
an fih ri. Eugen IV. und K. Friedrich fandten Abgeorbe
nete. Jener meinte irrig, es wäre jetzt ſoweit gekommen, daß.
er geradezu die Aufhebung der Gompactaten umd völlige Wie
dervereinigung ber Böhmen mit der roͤmiſchen Kiche fodern
dürfe; Friedrich verfprach in biefem Falle den Ladiflaus nach
Prag zu bringen und bis zu befien Volljährigkeit mit ihm
dafelbfi zu wohnen. Allein der Landtag befland feſt auf den 11. Rov.
Compactaten; er verlangte ihre Beftätigung mit Einfehung
des Johann Rokyczana in das Erzbisſthum und fuberte
wiederholt bie Auslieferung bed Labiflaud. So blieben. die
Sachen auch in den weiten Verhandlungen; kein Theil ver
ftand fi zum Nachgeben. Zuletzt gelang es dem Pobdiebrab 1448
die Statthalterfchaft allein zu behaupten und fomit der utra⸗
quiftifchen Partei aufs neue das Übergewicht zu geben.
Den ungerifchen Thron nahm K. Ulabiflao von Polen 1442
ohne weiteres in Beſitz, troß bes Eurz vorher mit der Mutter
bes Ladiſlaus gefchloffenen Vertrags. Bei ben neu ausge⸗
breochenen Unruhen ergriff Eugen IV. ein anderes Mittel: er \
bewog ben König zum Tuͤrkenkrieg durch ben Cardinal Sulian, 1443
ber vormals ben Huſſitenkrieg betrieben. Wiabiflav drang in
Bulgarien ein, unb fein tapferer Heerführer, Johann Cor⸗
pin von Hunyad, Woiwode von Siebenbürgen (laut ber
Sage. ein natürlicher Sohn K. Sigmunds), erfocht an ber
Morawa und am Haͤmus einen boppelten Sieg über bie Tür» 24, Der.
tn. Da Sultan Murad IL. auch in Afien Krieg hatte, fo
wolte EugmIV. jetzt bie ganze Chriftenheit ——
44 Bud IL Grker Zeitraum. Abſchnitt 4.
einen entfcheibenden Schlag auszuführen. Auf dem Rei
1443 tage zu Nürnberg, da König Friedrich Hülfe gegen bie
Armagnaken begehrte, wurde auch ein Zürkenzug befchlof-
fen. Murad bot jedoch die Hand zum Frieden. Er ver
forach nicht nur den vertriebenen Defpoten Georg von Ger
vien wieber einzufegen, ſondern auch alle8 den Ungern abge
nouımene Land wieber zuruͤckzugeben. Auf dieſes ſchloß Ula⸗
18.3. diſlav / auf zehn Jahre ab. Aber Eugen IV. ließ den Frieden
nicht gelten, er entbanb den König durch den Cardinal Sa-
4. Aug. Han feines Eides und drang ihn den Krieg zu ernenern; der
griechifche Kaifer und bie italienifchen Geefläbte verfiprachen
den Hellespont zu befehen, damit Murad in Afien zuruͤckgehal⸗
11. Nob.
ten wuͤrde. Nun fand Uladiſlav allerdings wenig Widerſtand;
er kam mit einem geringen Heere von etwa 15,000 Ungern,
Polen und einigen Kreuzſoldaten bis Varna. Da brach Mu:
rad ſchnell in Aflen auf, hoͤchſt entrüftet über den Eidbruch
ver Chriften;. die chriſtliche Flotte im Hellespont war theil
durch Sturm zerfireut theild aus Mangel an Proviant zu
vhdlgegangen; fie fah nicht, daß genuefiiche Schiffer, durch Se:
winnfucht getrieben, zum Überſetzen bes türkifchen Heeres ſich
dingen lieffen. &o trat Murad unvermuthet mit einem fafl
zehnmal ſtaͤrkern Heer den Chriften bi Varna entgegen.
Der tapfere Johann Corvin fürchtete ſich nicht ihn anzugrei⸗
fen: wo er focht, neigte ſich der Sieg auf feine Seite; ſchon
Dachte Murad auf den Ruͤckzug. Da überredeten Gorvins
Feinde ben K. Uladiflan aus feinem Hinterhalte Io8zubrechen,
um jenem ben Sieg nicht allein zu lafien. In biefem Au
genblic hielt Murad die Friedensurkunde hoch empor umd rief
Gottes Rache über die Eipbrüchigen auf. Uladiſlav foberte
ihn zum Kampfe heraus: Murad traf fein Pferd, er ſtuͤrzte
ruͤcklings nieber; bie SIanitfcharen hieben ihm den Kopf ab.
Nun wandte fih der Sieg zu ben Türken, nachdem fie mehr
als 30,000, das ungerifche Heer etwa 9000 Mann verloren
hatten. Corvin zog durch die Walachei nach Siebenbürgen.
Der: Cardinal Julian, der das Ganze betrieben, wurbe auf ber
Flucht von den Wallachen erfchlagen und in's Waſſer geworfen.
Die. Botfchaft von diefer Niederlage Fam nach Teutſch⸗
land, ehe noch das beſchloſſene Reichſsheer in Bewegung ge
8 Friedtich M, 1440-1498, .. . 8
ht war. Bir, Uggem war ber. Sag bei Varna ein. zweifa⸗
ed Ungluͤckt Denn bie Polen und Benetianer erlaubten ſich
neme Sanbabreiffsggen. Für R..Zuiedrihs Münbel, den pm
gen Ladiſlaus, war ber Tod des zweiundzwanzigiaͤhrigen
polniſchen Koͤniges inſofern guͤnſtig, als die Ungern ihn jetzt
frmlich zum Könige wählten. Sie uͤhertrugen jedoch bie Bor 1445
mmbfchaft bem tapfern Dunyab unb ‚wiederholten das Be⸗ 16. Mai,
gehren, daß Ladiſlaus nebfl der. Krone angeliefert werben
fol. Da Sriedrich diefed wieder abfhlug, weil ihm Ladi⸗
flaus von feiner Mutter empfohlen worden und die ihm in
ver Kindheit aufgeſetzte Krone bei ihm bleibe, fo muflte Hu⸗
nad mit 12,000 Ungern in Öftergeich einfallen. Auf. biefes
war Friedrich nicht vorgefehen, es traf auch Feine andere Ans
ſtalt, als daß er fih in Wieneriſch⸗Neuſtadt einfhloß, wo. -
ihn Hunyad eine Beit lang. vergeblich belagerte und dann mit
vieler Beute. abzog.
Dies geſchah das Jahr nachher, nachdem Friedrich bie
Armagnaken ben obern Landen auf den Hals geworfen hatte.
Do die Ungern im folgenden Jahre wieder drohten, fo bexief "
Triedrich einen Reichötag nach Regensburg. Dieſer verfagte 1446
ihm aber die verlangte Hülfe, weil der Krieg dad Reich nicht
angehe. Alſo wor er denn boch gezwungen aus ben Erblan⸗
den ein Aufgebot zu machen, das an die Grenzen gelegt wurde. Im:
Durch Vermittlung des Graven Ulrich von Cilly bewilligten dann
die Ungern einen Stillſtand auf zwei Jahre ’). . Diefe Bege
benheiten im ben beiden Erbreichen des Labiflans zogen fo
ganz Briedrich6 Aufmerkfamkeit auf fich, daß er gar nicht nach
den luremburgiſchen Stammlanden fragte, die doch auch
auf denfelben gefallen waren; gar ‚nicht nach dem Krieg, ben
eben jetzt deſſen Schwager, H. Wilhelm von Scchfen, gegen
den. Herzog Philipp von Burgund führte). Er that nicht
einmal für die eigenen Stammlaude, was ex zugelagt hatte,
1).HEberlin Reichögefh. VI. 184 - 194.
2) Das Herzogthunt Luremburg war, wie wir unter A. Wenzlaw
geſehn, an die Herzogin Elifabeth von Goͤrlitz verpfändet. K. Albrecht
ſtarb über der Einlöfung; feine Tochter Anna war mit H. Wilhelm von
Sachſen vermaͤhlt. Wäre Labiflaus nicht nachgeboren worden, fo würde
fe die Crbin geweſen fein. Das Nähere bei Häberlin a. a, DO; 181.
N
u)
eg
6 Bub HL Grfer Zeitraum. Abſchnitt 4
vielmehr Tieß-.er den Rıteg auf den Kürfien -unb Ständen lie⸗
gen, bie fih damit eingelaffe hatten. Als darüber un mene
4446 Furcht vor den Schweizer entſtand, traten bie Fürfien mit
ı März. der Ritterfehaft näher zuſammen, und machten einen Anfchlag
25. Iun. fi) dm Rhein zu verfammeln, um diefelbe Zeit da die Öfen
reichiſche Srenzwehre angeorbnet wurde. Indefien, nah fo
vielen Verheerungen erloſch die Kriegsluſt von ſelbſt. Man
vereinigte ſich, wie in Offerreich, wo nicht zu einem eigentli
chen Frieden, doch zum Stillſtand. Nah einigen Wochen
beachte der Pfalzgrav Ludwig bie Präliminarien zu Stande,
nach welchen. die Parteien fich verbindlich machten je auf be
fondern Rechtötagen ihre Anfprlche entſcheiden zu laffen.
Run ließ Öfterreich auf einem Zage zu Ulm feine Rechte
auf die von den Schweizern eingenommenen Sande vortragen;
daſſelbe thaten viele Graven und Herren, bie das Ihrige auch
berloren hatten. Die Schweizer vertheidigten fih und fegten
den Spruch auf den "Pfalzgraven. Der Pfalzgrav fprach nicht,
und fo blieben: die Sachen wie fie waren. Man war nicht
ſchwach genug Die Anfprüche aufzugeben, und doch fehlte bie
Macht fie weiter zu behaupte. So entfchlief der Krieg ober
wurde guͤnſtigern Umſtaͤnden vorbehalten. Die erſte Brage
kam zuletzt zur Entſcheidung: ob Zuͤrich, die Reichsſtadt, in
dem Bunde mit Öfterreich bleibe oder bei dem ewigen Bunde
der Eidgenoffen. Bür das kuͤnftige Verhaͤltniß der oben
Lande war bie Frage von der größten Wichtigkeit. Die Eid
Ze genoflen festen die Sache auf einen auswärtigen Obmann,
1447 Peter Egen von Argon, Bürgermeifter zu Augsburg. Dieſer,
77. Gebr. obſchon Gaſtfreund K. Friedrichs, fprach nach genauer Prös
fung der Urkunden, für die Eidgenoſſenſchaft. Ein zweiter
‚ von auswärtigen Städten. gewählter eidgenoͤſſiſcher Obmann,
4450 Heinrich von Bubenhoven, Schultheiß zu Bern, ſprach wie
18. Zul. der erſte: Zuͤrichs Bund mit Öfterreich iſt unrecht, alſo tobt
und ab!
So wenig erreichte K. Friedrich feine Abfichten in diefem
Krieg, daß vielmehr die Cidgenoſſenſchaft in ihren Be
fitungen und Rechten auf’3 neue feftgeftellt wurde. Öfter:
reich blieb im Schaden. Aus dem Schweizerfrieg aber ent:
fand der große Städtefrieg, der das Reich in noch tie⸗
8. Friedrich IL, 1440-1493. 407
fern Schaben brachte. Finſten und Abel warfen ihren Un⸗
willen über ben unglüdlichen Erfolg jenes Kriege auf bie
fämmtlichen oberländifchen Städte. -Diefe hatten zwar reblich
vermittelt und das Friedenswerk betrieben; aber man vergaß
nicht, daß fie Fuͤrſten und Herren immer in Sorgen gelaſſen
hatten, ob fie nicht zu den Eidgenoſſen übertreten wuͤrden.
K. Friedrich vergaß ihnen auch die Neutralität nicht, weil ex
auf ihren gewaffneten Beiſtand gezählt hatte; er überließ fie
ihrem Schidfal. Fafl jede biefer Städte war in befonbern Streis
tigkeiten mit den benachbarten Landherren. Daſſelbe Verhaͤlt⸗
niß worin Öflerreih zu den Schweigen ſtand, wieberholte
fih unzähligemal zwiſchen den Fürften und Städten in Schwas.
ben und Franken. Die bisherige Aufnahme ber letztern war
jenen immer ein Dom im Auge; unwillig ſahen fie, während
fie ſelbſt verarmten, wie. die Städte ihre Gebiet durch Kauf
vermehrten, wie fie auf ihr Gelbvermögen, auf ihre Mauern
und Thürme, auf ihre zahlreiche in Waffen geuͤbte Mannfchaft
trotzten. Hatten die Bürften von den Städten nicht erhalten
Zönnen, baß fie bei den Landfriedenshandlungen Etwas von
ihren Vorrechten nachgaben, fo ſollten fie jest au den gen
fetlofen Zuftand, worin das Reich während ber Abwefenheis
des römifchen Königs war, büßen.
Die Stäbte fahen ſich in Zeiten vor. In demfelben Seit: 1446
punct da bie Furſten das letzte Mal zu einer Grenzwehre ge Vaͤrz
gen bie Schweizer fi) verbanden,. erneuerten 31 öwäbife
und fränkifche Städte Ihr Bimdniß auf drei Sabre. Da in 149
Diefer Zeit die letzten eidgenoͤſſiſchen Streitfragen beigelegt wur⸗
den, traten fie zu ernfllihern Wertheidigungsanftalten zuſam⸗
men. Es beftanden vier Hauptflveitigkeiten: zwifchen Nuͤrn⸗.
berg und dem Markgraven Albrecht von Brandenburgs
zwifhen EBlingen und bem Sraven Ulrich von Wirtem⸗
berg; zwifchen mehreren Bunbesflädten und dem Markgra⸗
ven Jakob von Babenz zwifhen Hall und Rotenburg
und dem GErzbifchof von Mainz Der löblihe Vorgang ber
Eidgenoſſen durch Austragsgerichte warb nicht beachtet; man
wollte lieber bie Waffen entfcheiden laſſen. Die Fürften hoff⸗
ten, wie Öfterreich mit ben Schweizern vorgehabt, bie Reichs⸗
ftaͤdte nach und nach zu Landfläbten zu machen.
Pfifter Geſchichte d. Teutſchen M. 32
1449
9. Jul.
Staͤdte⸗Land verheert worden, kam ein Friedgebot vom roͤ⸗
2. Rov.
28 Bud II. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 4.
Markgrav Albrecht, der teutfche Achilles genannt, brach
zuerfi ben Frieden. Nürnberg mahnte die Bunbesfläbte und
hätte die Sache gern in Güte vertragen mögen. Aber bie
Städte, auf ihre Zahl und Macht vertrauend, lieffen fich num
auch nicht mehr zurintyalten. Ohne einen größern oder all-
gemeinen Anlaß brach in kurzer Zeit ber Krieg aus vom Main
bis an den Bodenſee. Die Städte hatten Alles gut geord⸗
net: fie warben Schweizer, flellten einen gemelnfchaftlichen
veifigen Zeug auf und festen einen Kriegsrath zu Ulm nie
der. Nachdem etwa einen Monat lang vieles Herren⸗ unb
mifhen König Dan verfuchte Unterhandlungen, aber fie
fhlugen nur in heftigern Streit aus. Im verfchiedenen Ge⸗
genden fielen Gefechte vor ohne Entſcheidung. Bei Eplingen
erlitt der Staͤdtezeug eine Niederlage durch den Graven Ulrich
von Wirtemberg. Nun wollten bie Städte ſchon ben Mutp
1450
verlieren und fuchten Hülfe bei den Schweizern, bei den Stäb-
ten am Bobenfee und bei den Rheinflädten. Vergeblich: fie
hatten den erſtern auch nicht: geholfen; die andern wollten
fich überhaupt nicht einlaffen, ohne zu bebenken, daß ed am
Ende auch am fie kommen würde. Doch geflatteten bie
Schweizer ihrem Voll das Reislaufen d. b. Solddienſte. Die
Städte boten alfo noch einmal ihr Aufferfles auf. Der Pfalz
grav Ludwig und einige andere Fuͤrſten, welche Feine Freude
an ber zwedlofen Verheerung hatten, thaten ernflliche Schritte
zu Friedensvorſchlaͤgen; auch K. Sriebrich ließ jegt den Wunſch
- Saut werben: „baß ed zu folchem Unrath nit Fommen wäre.’
11.Miry.
16, Apr.
Aber jeder Theil wollte noch einmal dad Waffenglüd verfu:
den. Da gelang es den Nürnbergern unter Anführung des
Kitterd Hann von Rechberg ben Markgraven Albrecht am
Ger Bilgreut, wohin er fie zum Fiſchen aufgefobert, zu ſchla⸗
gen. Dagegen führte Srav Ulrich von Wirtemberg ben Ep
Iingern 130 Frauen, Iungftauen und Kuaben hinweg, ohne
fie jedoch zur Machgiebigkeit zu bringen. Endlich trat ‚Her:
zog Albrecht von Öfterreich als ber fünfte Staͤdtefeind
auf, wegen verfchiedener Anfprüche, befonberd wegen einer
alten Pfandſchaft oder Schuld, wofuͤr bie Herrſchaft Hohen⸗
berg verfchrieben war.
8. Friedrich IL, 1440-148, FF
Nach einem Lage zu Mimchen brachten bie Zaiferlichen 1450
Gonmiffarien zu Bamberg den Frieden foweit zu Stande, daß = April,
jede der fünf Fehden auf einem beſondern Rechtötage theils —
vor dem roͤmiſchen Konig theils vor dem Pfalzgraven vertra⸗
gen werben ſollte. Der Krieg hatte kaum ein Jahr gebanert,
doch zählte man an 200 eingeäfcherte Dörfer; 80,000 fl. bes
trugen bie gemeinfchaftlichen Kriegskoſten des Staͤdtebundes,
ohne bie beſondern. Die Beilegung der verfchiedenen Anfprlche,
zu welchen. immer wieder neue kamen, bauerte gegen zehn
Sabre, bis fie endlich mit der donauwoͤrder Sache in ven
nachgefolgten Fürſtenkrieg übergingen Nürnberg allein ges
wann feine Streitfache; die übrigen hatten ben Schaben ums
ſonſt. Die Zürften geriethen zwar auch in Schulden, aber
für die Städte kam das eigentliche Unheil dadurch, daß fie
am Ende unter fich felbft zerfielen. Schaffhaufen, von ber
Sfterreichifchen Partei fortwährend genedt, mit den Bundes
flädten in verbrüßlichem Abrechnungsficeit, trat zu ben Schweis
zern über. Die Städte fahen jeht erſt ein, wie fehlerhaft ber
Krieg geführt worben: in ihrer zerflreuten, von Fuͤrſtenlaͤndern
durchſchnittenen Sage, waren bie meiften nur auf ihre Sichers
heit bedacht; es fehlte von Anfang an ernflliher Zufammens
fegung zu einem Bunbeöheer, das etwa einen größern Schlag
ausführen konnte. In demfelben Zeitpund da die Hanfe
Durch die Trennung ber nieberländifchen Städte einen Riß ers
hielt, kam bei den oberländifchen Städten über bie Abrech⸗
nung der Kriegskoſten ein fo Heinlicher Eigennug an ben
ag, daß die Grneuerang ihres Bundes von wenigen nod
gewimſcht, von ben meiften verlaflen wurbe ').
fo geſchah, daß bes biöherige Gegenſatz der Fluſten
und Städte fie endlich felbft aufreiben muſſte. Welcher Schade
dem Reich dadurch zugewachfen, das wird fich erſt fpäter er
geben; dad Ganze als Folge von K. Friedrichs III. Verſaͤum⸗
nig der Landfriebensanftalten. Zehn Jahre feiner Regierung
waren fchon verfloffen, ohne daß man um einen Schritt wei:
ter gelommen ben gefetlofen Zuſtand zu hennnen. Zwar
1) Seh. von Schwaben V, 62 — 184. größtentheils nach Hand⸗
riften.
327
SO Bud IE Eeſter Zeitraum. Abſchnitt 4.
ich ex indeffen zu Wien, auffer ben r
are — — * rs - auge —
den und brachte ihn unvermutbet zu Stande, ſchon im ber
Zwiſchenzeit zwiſchen dem Scweizer⸗ und Gtäbte-Rrieg, aber
zu noch groͤßerm Unglimpf füz die teutihe Ration.
3. Das bafler Concilium preißgegeben.
Arneas Sylvius Piccolomint, getrönter Dichter,
tritt von Papſt Zelir V. zu den Reutralen ald Ge:
beimfhreiber 8. Friedrichs Sein Verhältniß
zum Kanzler Schlid; Verdienſt als Geſchichtſchrei⸗
ber; Auffoderung an 8. Friedrich in Abficht eines
allgemeinen Soncilium und ber Herfiellung bes
Kaifertbums. Aneas tritt als Geſandter Fried⸗
richs zu Papſt Eugen IV. über und wird beffenGe:
heimſchreiber, mit Beibehaltung feiner bisheri-
gen Stelle. Kurfürfienverein. Friedrich verräth
die Kurfürften durch Aneas dem Papfle Der teut:
fhe Patriot Georg von Heimburg Johann von
Lyfura und drei andere mainzifhe Räthe werben
befiohen. Zrennung ded Kurfürfienvereins burd
ein kaiſerliches Bündniß, dbadEugen demIV. Obe⸗
dienz leiftet. Die Städte bei ber Aufhebung bes
bafler Concilium,
Eine Dichterkroͤnung, damals zu ben kaiſerlichen Vorrechten
gezählt, brachte den römifchen König Friebrich auf ſeinem er
ſten Reichötage zu Frankfurt in die Bekanntſchaft eines Man⸗
nes, der im Begriff war in den Öffentlichen Gefchäften einen
beb zu . & if Aneas Sylvius
Piccolomini, aus einem alten roͤmiſchen, bis auf unfere
Tage fortbeftandenen Gefchlechte, im Gebiete von Siena ge
boren, wo er wegen Verarmung feiner Eltern, unter den bis
gerlichen Unruhen, bis in fein zwei und zwanzigfles Jahr
Seldarbeiten verzichtete. Mit Unterflügung feiner Verwandten
zu Siena ergriff der ungemein fählge Iimgling das Studium
der alten Römer und legte fih auf Dichtfunft unb Bered⸗
8. Friedrich EL, 1440-1493, 501
famfeit, dann auf die Recdtsriffenfchaft. Wei dem Ausbruche
neuer Unruhen verließ er die Stabt und kam mit dem Gars
dinal Dominicus Capranita, als beffen Geheimfchreiber, auf 1431
die kaum eröffnete Kirchenverfammlung zu Baſel. Ein aus
dem Nefte geflogener Bogel (wie er nachher felbft dem Papfte
Eugen IV. fagte), ergriff ee mit jugendlichen Feuer‘ die Sache
der Kirhenfreiheit gegen ben Papſt. Nachdem er einis
gemal feine Dienfle gewechfelt, weil Eugen IV. feine Gin
ner verfolgte, kam er wieder nach Bafel und wurbe Geheim⸗
fchreiber der Kirchenverſammlung, dann Vorſteher ihrer Kanye
lei. Zum Mitgliede bes Zwoͤlfer⸗Ausſchuſſes gewählt, zeich⸗
nete er fich bei vielen Verhandlungen durch feine Rednergabe
and. Er gewann viele Freunde und hielt ſich hauptfächlich
an den Cardinal Julian Caͤſarini, den er in ber Politik zum
Mufter nahm. Dabei wurbe er zu verfchledenen Sefandtichafs
ten gebrauht. Mitten unter biefen Gefchäften und Reifen
feßte ex feine Stubien fort und führte ein fröhliches Leben,
weil Enthaltſamkeit, wie er meinte, mehr ben Philofophen
als den Dichtern zulomme '). Als die Kirchenverſammlung
den Herzog Amadeus von Savoyen, Felir V., zum Papft
wählte, brachte er demfelben die Botſchaft in feine Einfiedelei
und warb von ihm zum Geheimfchreiber angenommen. Er
begleitete bie Sefandtfchaft zu K. Friebrichs Krönung nad)
Aachen. Hier wurde er den Faiferlichen Räthen bekannt und
gewann befonber& die Gunſt bed ehrwuͤrdigen Biſchofs Syl⸗
vefter von Chiemfee. |
Der Erzbiſchof Jacob von Trier ?) ſtellte dem vöniichen
Könige auf dem Reichötag zu Frankfurt den Dichter ÄAneas 1442
vor. Friedrich erklärte ihn in einem eigenen Diplom für eis 87. Sul.
1) Ep. 50. Opp. edit. Basil. p. 584. — Inzwiſchen ergriff ihn
auch die ausgebrochene Pe. Er zog einen ehrlichen teutſchen Arzt eis
nem parifer vor, ber ihn durch ein Pulver, beffen Beflanbtheile er ges
heim hielt, heilte. Auf bie Peftbenlen an geheimen Orten wurbe Bet:
tigfaft und Kreide aufgelegt. Fuͤr 6 Goldſtuͤcke, welche AÄneas bem Arzte
bezahlte, verſprach dieſer noch eben fo viele Arme umfonft zu heilen.
Gobellini Comment. p. 8.
D) Dem er eine Abhandlung Aber die Rhetorik, befonders über bie
Sompofltion zuſchrieb. Opp, p. 992
592 Bud MI. Erſter Zeitraum. Abfchnlitt 4.
nen trefflichen Magiſter, Poeten und Hiſtoriker und ſetzte ihm
eine Rorbeerfrone auf, mit Dank gegen Gott, daß er Maͤn⸗
ner von foldhen Gaben, welche den Alten-gleich kaͤmen, ſei⸗
nem Zeitalter nicht verfagt habe). Der Biihof Sylveſter
mar es ber dem sömifchen Könige den Rath gab Aneas in
feine Dienfte zu nehmen ?). Weil ihn jedoch Felix V. nicht
gerne miſſen wollte, fo bewirkte Friedrich auf ber Schweizer:
seife, als er demfelben zu Baſel einen Befuch machte, feine
Entioffung. Aneas folgte ihm, als er vor dem oben erzähl:
ten Schweizerkrieg über den Arlberg nach Öfterreih zurüds
. ging, und wurbe zugleich mit bem Kanzler Cafpar Schlid
als Geheimfchreiber in Pflicht genommen. Mit diefem Schritt
änderte Aneas feine Grundſaͤtze fo weit, baß er nicht mehr
Die Partei ber Kirchenverfammlung fondern ber Neutralen
bielt, wiewohl immer noch mit den freimüthigften AXufferun-
gen über die Gebrechen bed Payfitbums. Anfänglih waren
bie Mitglieder der Laiferlichen Kanzlei dem Italiener auffäßig °),
befonders Wilhelm Taz, ein Baier, der in Schlicks Abweſen⸗
heit die Stelle bes Kanzlers vertrat, Allein jener wurbe bald
verdrängt. Schlid erinnerte fich mit Wergnügen feines vor
maligen Aufenthaltes zu Siena mit 8. Sigmund, wo er in
dem Haufe einer Verwandten von ÄAneas gewohnt hatte. Die
Mutter bed Kanzler war auch eine Stalienerin, aus bem
Haufe der Graven Colalto *). ÄAneas und Caſpar wurben
4444 vertraute Freunde. Damals fchrieb Aneas die Gefchichte zweier
8.3ul. Liebenden, Eurialus und Lucretia, enthaltend jene Abenteuer,
welde K. Sigmund oder Schlid ſelbſt vormals zu Giena be
1) De Guden. Sylkoge etc. p. 679.
2) Laut des unten näher bezeichneten Pentalogus, in Per. Thea.
Anecd. T. IV. p. 648. CE Gobellin. I. c. aud zu dem Yolgenben.
3) Aneas lernte wohl nie recht Teutſch; ein Schwabe, Michael
von Pfältendorf, überfegte feine Iateinifchen Arbeiten, f. den oben
angeführten. Pentalogus, Gr gebenkt feinse auch mit Lob in einem
Schreiben an Nicolaus von Ulm, Rathichreiber in Eßlingen, einen gro
pen Kunftfreund, Ep. 119.
6% Melch. Adami vitae Germenerum Jureusmeultorum dic.
Heidelb. 1720. p. 5.
8. Zriedt ich IL, 1440-1493, : 508
landen 2) und wog ihm Letzterer ohne Zweifel die Briefe
ausgehändigt. Anend nahm vielen Antheil an der Erziehung
des Herzogs Sigmund und be jungen Labiflaus. Cr
liebte Beide und munterte fie gu ben Wiffenfchaften auf, Sigs
mund ließ fich viele feiner Briefe abfchreiben 2); für Labiflaus
verfaffte er eine ausführliche Abhandlung über ben Untewicht 1450
junger Fürften >). Im den lebten Jahren zu Bafel, da er Behr.
mit ſich im Kampfe war, ob die Dichtkunſt und Wohlreden⸗
heit auch im Alter feine Armuth naͤhren wuͤrden, wählte er
die Gefchichte, als eine den reifen Jahren angemeflenere Be
ſchaͤftigung, und befchrieb zuerſt die bafler Verhandlungen
vom nürnberger Convent bis zur Wahl Felix V. *). Gewohnt
in jedem neuen Kreiſe fih mit Hülfe bes Gefchichte umzufes
ben, las und fammelte Äneas nun, was er über Zeutfchland
und die benachbarten Staaten norfand. Er if einer der Er⸗
ſten, der von ber [häsbaren Sammlung altteutfcher Hands
ſchriften zu St. Gallen Nachricht giebt, wobei ee fi,
wundert, daß die Zeutfchen nicht weiter gefommen °). KBei
einer Sendung nad Böhmen machte er fich mit der Herkunſt
Des Volles bekannt, und entwarf bei fpäterer Muße eine Ges
ſchichte dieſes Landes, befonders in Ruͤckſicht der Religionss
fpaltuıng °). Er verfaffte eine Befchichte von Öfterreich, welche
noch ungebrudt iſt, und hielt fich berufen vor Allem die Re
gierungsgefchichte feines Heren, des zömifchen Könige Fried
ri, zu ſchreiben. Diefe bat er jeboch nur bis zum Tode
des Sabiflaus fortgeführt"); fie iR Abrigens fo freimtthig
1) f. oben bei 8. Sigmunds g nad) dem Anfang ber baf-
ler Kicchenvesfammlung. Abſchn. IH. Gap. 14. Ep: 114. Opp. edit.
cit. p.
2) Müller Schweiz. Geſch. IV, 502 fſ. Kneas müffte dem jungen
Craberzog einen Liebesbrief auffegen. Diefe Leibenfchaft follte ihn weden,
bilden. Ep. 122.
8) Ep. dit. cit. ep. 968.
4) Die Vorrede dazu ia Opp. p- 1.
5) Ep. 120, p. 647. an Georg von Heimburg.
6) In den Baͤdern zu Viterbo eignete er biefe Geſchichte dem K.
Alyhond ven Aragonien zu. Opp. p. 31. —
7) Die neue Ausgabe in Koltar. Anal. Monum. Vindob. T. IE.
504% Bud II. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 4.
als wenn er nicht im Dienfle Friedrichs geweſen wäre. Aufs
ferbem hat er in einer Koſmographie und in einer Beſchrei⸗
bung von Europa bie damalige Kenntniß aller bekannten
Länder und Staaten mit vielen gefchichtlichen Nachrichten nie⸗
dergelegt ').
Bon diefer Seite hat Aneas für unfere Geſchichte Wich⸗
tigkeit und Verdienſt. Auch feine Brieflammlung giebt über
Vieles Aufſchluͤſſe, was uns ſonſt fehlen würde. Wir wiſſen
aun, wie damals Auswärtige und angefehn. Was er ald Aus
genzeuge oder als Theilnehmer an ben Gefchäften erzählt, das
ift ganz nach dem Leben gezeichnet. Im Übrigen erfcheint er
als ein Mann der über Alles foriht. In feiner Schreibart
iſt glüdtiche Nachahmung ber Alten, wenn auch, wie feine
Freunde bemerken, bei den teutfchen Sefchäften zuweilen der
Ausdrud an Parbarei ſtreift. ge “ jenes Verdienſt
keine Entfchädigung für dad, was Anens im Tolgenden ges
. gen bie Kirchenfreibeit gethan.
Waͤhrend der erfien Jahre an 8. Briebrihd Hof, da ex noch
wenig zu thun hatte, verfaſſte Aneas zwei Geſpraͤche, worin
er den römifchen König, weil berfelbe in ——— — und
Abſtumpfung von den Geſchaͤften „vor lauter Baͤumen den
Wald nicht fehe 2),“ darauf aufmerkſam macht, wie er durch
die Kirchewereinigung und durch den Zug in fein Italien wah⸗
sen Ruhm erwerben könne. Durch das erſte, ein Geſpraͤch
groifchen- ihm und dem roͤmiſchen König, gelang es ihm gro
feres Vertrauen und freien Zutritt beim Kaifer zu erhalten.
Des Mannes Fühner, unternehmenber Geift, mit feinen auss
gebreiteten / Kenntniſſen, verbunden mit Wis, Scharffinn und
Gewanbtheit, fühlte fich zu einem größern Wirkungskreiſe —
ſchaffen. Die andere Abhandlung, ein Fuͤnfergeſpraͤch,
welchen Caſpar Schlick und die Biſchoͤfe Sylveſter von Shiem
fee und Nicodemud von Sreifingen beigezogen werben, führt
1) Opp. p. 381. 887. Gine bis jeht noch nicht aufgefundene Fort:
—— Kaiſergeſchichte haben wie oben ſchon bemerkt. & 90, An
2) „oocupatum ao pene stupidum Begis animum et quasi quäbes-
— — ie impeditum.“ Pon. Lo. p. 689
8. Friedrich II., 1440—1493. 5800
den Leſer in den kaiſerlichen geheimen Rath. Hier wird dem
romiſchen König einleuchtend gemacht, wie er einerfeitd durch
ein wahres allgemeines Coniilium ‚die Kirche beruhigen, ans
— den Roͤmerzug vollbringen und die beiden Reiche,
Teutſchland und Italien, eines durch das andere in Unter⸗
en erhalten, feinem Haufe aber die Kaiſerkrone ſichern
N Rede Aneas an Friedrich den Fürften gefunden haben,
den er wünfchte, fo möchten wohl die Verhältniffe ganz ans
ders fih gefaltet haben. Aneas wäre nicht Papft geworben,
Friedrich dagegen wahrer Kaifer. Nun aber blieb Aneas nicht
lange bei ber Neutralität. Zu Wien fah er den Garbinal Ju⸗
lian wieber, ber von bee bafler Kirhenverfammlung zu Eu
gen IV. übergetveten war und die Union der Griechen, dann
den obengebachten Tuͤrkenkrieg in Ungern betrieb. Nach ihm
am der Garbinal Iohamm von Garvajal, Mit Beiden hatte
Uneas vertraute Unterredungen. Auch mit andern Gelehrten,
welche an ben Faiferlichen Hof kamen, beſprach ſich Aneas
häufig über das Verhaͤltniß zum Papfte. Ex geſteht, endlich)
feien ihm auch die Zehler der Reutralen Far geworben. Was
er nicht gefteht, ift, daß er fich überzeugte, wie Friedrich bei
feiner Neutralität oder vielmehr Untbätigkeit nie zum Ziele
kommen werde. Er gab den Kaifer auf, um feine ganze Thaͤ⸗
tigkeit dem roͤmiſchen Stuhle zuzuwenden. Die Schuld wirft
er aber allein auf die bafler Verſammlung.
Nach zweijährigen vergeblichen Verhandlungen mit Eus
gen IV. und dem Concilium wurde die Sache auf bemfelben
Beichötag zu Nuͤrnberg, auf welchem Friedrich Hülfe wider 1444 -
die Schweizer und Tuͤrken verlangte, vorgenommen. Briebz
sich befchidte den Reichstag dur Sylveſter, Bifchof von
Ghiemfee, Thomas von Haſelbach, Doctor der Theologie zu
Wim, Ulih von Sonnenberg und Aneas. Eugen IV. war
durch feine Verbindung mit 8. Alphons von Neapel trokiger
geworden, boch wollte er fich endlich unter gewiſſen Beſtim⸗
nungen zu einem andern Goncilium verfiehen, fobald das
Rech bie 9 Neutralität, als mit dem chrifllichen Glauben uns
verträglich, ablegen würbe. Friedrich ſchlug Goflanz zum Site
des Concilium vor; aber bie Väter zu Baſel verweigerten
6 Bud IL Erfer Zeitraum. Abſchnitt 4.
g
-
H
ch
+
5
4
—
—
in
3*
her habe er dem Willen des roͤmiſchen Koͤnigs, ihm den Weg
zur Gnade zu bahnen, nicht ungern gehorcht. Somit that
Aneas den zweiten Übertritt von feinen frühen Grundſaͤtzen
und erflärte fi als entichiebenen Anhänger der römifchen
Gurie, die ee früher fo lebhaft bekämpft hatte.
‚ Eugen ſah, baß er einen Mann vor fi) habe, welcher
der Kirche wichtige Dienfle leiſten könnte. Er nahm ihn gnd-
wurbe Aneas bedeutend Frank. Unter den Cardinaͤlen, welche
ihn befuchten, war Thomas von Garzano, nachberiger Papft
Nicolaus V., dem er dagegen, als er nachher mit Aufträgen
. von Eugen IV. nad Wien kam, wefentlihe Dienfle bewies.
Denn, wiewohl Eugen fich zu dem Hauptantrag wegen eines
in Teutſchland zu haltenden neuem Concilium nicht verſtand,
fo kam er am Ende mit Änens darin überein Gefanbte an
die teutfchen Fürften abgeben zu lafien mit dem geheimen Auf:
trag, fie von bes Neutralität abzuziehen 2). Anend war kaum
zuruͤck, fo erhielt er durch den Garbinal Johann von Carva⸗
djai ein päpfiliches Schreiben, das ihm die Gtelle eined Be:
1) Bulla Retractationum in Opp. ab init. (ohne Geitenzahl).
D) Möller Beichötagstheatrum, Vorſtell. L G. DD ff.
8. Friedrich IL, 1440-143. . 507
heimfchreibers äbertrug *). Ermuthigt über die durch
Aneas bewirkte Annaͤherung des roͤmiſchen Koͤnigs erlaubte
ſich Eugen IV. ſchon einen Gewaltſchritt, der leicht das Ganze
wieder verderben konnte. Um die andern Fuͤrſten zu ſchrecken,
ſprach er die Abſetzung aus uͤber die beiden Erzbiſchoͤfe von 1445
Trier und Gin, Jacob von Sink und Dietrich von Moͤrs, 8. Febr.
weil ſie ihm bisher am meiſten entgegen geweſen und auf die
Seite von Felix V. getreten waren; zugleich ernannte er für
Trier den Biſchof Johaun von Cambray, natuͤrlichen Bruder
des Herzogs Philipp von Burgund, fuͤr Coͤln des Letztern
Schweſterſohn, Adolf von Eleve 2).
Diefem Gewaltfchritt feßte dad Kurfürſtencollegium
einen neuen Verein zu Frankfurt entgegen, mit dem Ber 1446
ſchluß: wenn EugenIV. nit 1. die coflanzer und bafler 23.
Decrete von ber. Gewalt der allgemeinen Kirchenverfommlung
beflätige, 2. zu Beilegung des Schifma ein neued Concilium
in eine von ſechs vorgefhlagenen teutfchen Städten anfebe,
3. die bereitö zu Mainz angenommenen bafler Befchlüffe bes
flätige und alle während der Neutralität gefchehenen Neueruns
gen, namentlich die Abfegung ber beiden Kurfürften aufhebe:
fo vohrben fie von ihm abtreten und das bafler Concilium für
das vechtmäßige erkennen, jedoch mit Verlegung an einen von
den Kurfürften zu beflimmenden Drt, auf den Hal wenn
ber römifche König nicht beiträte. Sie verbanden fich eidlich
den Beichluß geheim zu halten und ihn auffer dem römifchen
König nur ſechs feiner Räthe gegen das gleiche Verſprechen
zu offenbaren, indem fie denfelben: baten zugleich mit ihnen
Sefandte an Eugen IV. zu fihiden, nach deren Zuruͤckkunft
fie ihren Befchluß vollziehen wollten.
Diele ſtandhafte Erklärung nahm K. Friedrich empfindlich
anf. Aneas benügte die Stimmung, ihn in Gegenfag mit
den Kurfuͤrſten zu bringen. Die gemeinfchaftliche Gefandtichaft
ging ab, jeboch mit ſehr verſchiedenen Aufträgen. Friedrich
‚vertraute. die feinigen dem Anens; an ber Spitze der Eur-
1) Gobellioi — p. 9— 41. Beide auch) zu dem Bol:
genden.
2) Raynald. ad a, 1446. $. 1.
508 Bud 1. Erſter Zeitraum. Abſchnitt A
fuͤrſtlichen Sefandten fland Georg von Heimburg. Beide
waren früher in freundfihaftlicher Verbindung zu Bafel als
eifrige Gegner des Papfitbums. Als Gelehrte blieben fie auch
foäter im Briefwechfel mit einander *); aber in Abſicht des
Papſtthums handelten fie jebt gegen einander, Georg offen,
Aneas verdedt. Georg erließ eine Auffoderung an alle Für
ſten der Chriftenheit, die Neutralität gegen den römifchen Papſt,
„die babylonifche Hure,” abzulegen, und erklärte es flr den
größten Schimpf, daß der größte Monarch den Päpften einen
Eid der Treue fhwören müffe. Im letztern Punct war Inend
noch mit ihm einig. Georg, im Würzburgifchen geboren, Docs
tor der Rechte und Syndicus der Reichsſtadt Nürnberg, vieler
Kinften Rath und Sachwalter, flanb in großem Anfehn in
ganz Teutfehland, als ein Mann von umbeftechlicher Bieder⸗
keit. Er war, nach des Aneas Befchreibung, von großer Ge
ffalt, Tabl, -fonft fchön, mit einem freubigen Blick, fo beredt
im Teutfchen wie im Lateinifchen, daß, wo ex war, Alles auf
ihm ruhte; für einen Teutfchen, fagt Aneas, gelehrt, über bie
Maßen freimüthig; ex folgte bloß feinem Kopfe, hatte feine
eigenen Sitten und befonbere Lebensart und vernachläfiigte
fein Aufferes. So erſchien Georg vor dem Papfle als ein
derber Zeutfcher, in einer folgen Rede bie Beſchwerden ber
Nation ohne Ruͤckhalt ausfprechend, mit dem Beiſatze, bag
die Kurfürften bereits einen Tag feflgefegt hätten, um ihren
Entſchluß auszuführen, je nachdem bie Antwort fallen wärbe *).
Che jeboch die teutichen Geſandten vorgelaffen wurden
erhielt ÄAneas vertraute Gehör bei Eugen IV. durch den Car
dinal Xhomas von GSarzano, ber ihn von Wien nach Rom
begleitet hatte. Der römifche König hatte ihm die Befchlüffe
der Kurfürften, da in Rüdficht feiner geheiligten Würde Bein
Eid von ihm verlangt worben, entbedt. Dieſe theilte nım
Aneas, der nicht zu den ſechs Baiferlichen Raͤthen gehörte, dem
Popfte mit und rieth ihm im Namen bes Königs wenigftens
in ber Dauptfache den Kurfürften. nachgugeben, um eine Tren
1) Rad) als Siſchof von Trieſt ſchreibt Ancas an Georg. Ep. 120
in Opp. edit. Basil. p. 647.
2) Sqhrodh Kirchengeſch. DIL 32 6 121 FE
8. Sriedrich III, 1440-149, 509
umg zu berhiten '). Der Papft dankte und nahm ben Ancas
für, die bereitö übertragene Stelle eines Gebeimfchreibers in
Pflicht. Ein Fall, einzig in feiner Art. Aneas, erſt Ge
heimfchreiber des, Goncilium, dann des Gegenpapfles, jest
in berfelben Stelle bei dem Kaifer und Papſt zugleih. Wir
erinnern und, baß fchon der bloße Verdacht einer folhen Ans
näherung dem verdienten Peter be Vineis unter K. Friedrich IL.
das Leben gekoſtet.
Den kurfuͤrſtlichen Geſandten antwortete Eugen kurz und
gemeſſen und nahm ſich Zeit zu weiterer überlegung. Georg
von Heimburg wurde nicht wenig ungeduldig; er ſchmaͤhte
auf Rom, auf bie brennende Hitze, auf den Papfl. Endlich
gab diefer den Beſcheid, weil die Gefandten keine Vollmacht
zum weiten Verhandeln hätten, fo wollte er ben Fürſtentag
zu Frankfurt beſchicken.
Dielen Tag beſchickten auch die bafler Väter durch ben 1446
Cardinal Ludwig von Arles. Im Namen K. Zriebrichs Fam 1. Sept.
Caſpar Schlid mit zwei Bifchöfen und zwei Markgraven; un⸗
terwegß traf Aneas mit ihnen zufammen. Da Frietrich ſich
von ben Kurfürften für verachtet hielt, fo ließ er Alles ver⸗
fuchen um fie zu trennen. Doch wollte er dieſes nicht.auf
fi allein nehmen und eben fo wenig aud) bem Papfle allein
beitreten, wiewohl er e8 in ber That ſchon gethan hatte. Aus
diefer Verlegenheit half Anend. Da bie Verhandlungen ans
faͤnglich zu Gunſten der Bafler fich neigten und die Kırflırs
fien ihre Zuflimmung gaben, fo ftellten die Faiferlichen Ges
fandten vor, daß dies gegen die Neutralität laufe, und droh⸗
ten wegzugehen. Nun machten bie Frankfurter einen Auflauf,
fie hätten nicht den Kurfünften, fondern dem vömifchen Koͤ⸗
nige gehulbigt und muͤſſten alfo feine Geſandten unterflügen.
Wergeblich berichtete Georg von Heimburg bie zurüdfloßenden
Antworten bed Papftes, fchilderte ihn als Zeind der Teut⸗
ſchen, als hartnädigen Kopf, klagte bie Cardinaͤle an, daß fie
die Goncilien herabwuͤrdigten und den römifchen Hof mäften
wollten, gab jedem einen Spottnamen, ben Beflarion bieß
1) Gobellia. Comment. p, 11.. Aen. 8ylvii hist, Frid, IH.
in Kollar. Analect, Vindob, T, II. p. 122.
510 Bud HL Erſter Zeitraum. Abſchnitt 4.
er wegen: feines griechifchen Bartes einen Bock. Dagegen
erzaͤhlte Aneas von den guten Hoffnungen welche zu Rom ge
macht worden, und fand einen geheimen Ausweg
Man wufite, daß der Verein dee Kurfürften nicht ihre
eigene Erfindung war. Johann von Zyfura (von bem
Dorfe Lyſer im Zrierfihen), Doctor des Eanonifchen Rechts,
Domherr zu Mainz und Generaloicar des Erzbifchofs, vor
mals auch bei der Kirchenverfammlung zu Bafel'), der eis
gentliche Stifter des Vereins, war nicht unzugänglih. Un-
“geachtet er anfänglich den Anend hart angelaffen, ob cr von
Siena gekommen fei, um den Teutſchen Gefeße zu geben, fo
leß er fih doch gewinnen durch Geld, „welches die Höfe be
herrſcht, alle Ohren Öffnet, und dem Alles dient.” Lyſura
und drei andere mainzifche Räthe eupfingen miteinanber 4000
rheiniſche Goldgulden, daflır brachten fie ihren Kurfürften auf
K. Friedrichs Seite. Das Gelb gab tiefer und erhielt es
von Eugens IV. Nachfolger zuruͤckbezahlt. Died Alles gefteht
Aneas felbft im Leben KR. Friedrichs 2). Damit jetoch ber
Kurfürft mit Ehren von dem befchwornen Buͤndniß abtre:
ten Tonnte, nahm Anead die Urkunde vor, faß eine ganze
Racht darüber, drüdte, wie er fagt, alles Gift heraus und
brachte fie in eine andere Geflalt, worin die wefentlichften
Bebingungen ber Kurfürften zugeflanden wurden, obne dem
Papſt zu nahe zu treten. Ä
Bei diefem Schritt, auf welchen ſich Kneas nicht wenig
zu qut that, ging er zwar weiter, ald die drei andern paͤpſt⸗
tichen Geſandten haben wollten. Unter biefen war Nicolaus
von Eufa, aus dem Dorfe Euß im Zrierfchen, Landsmann
‘von Lyſura, zuerſt Nechtögelehrter, dann, weil er feinen erſten
Proceß gegen Georg von Heimburg verloren, in ben geiftli-
hen Stand getreten, jebt ald Archidiafonus von Lüttich ben
Nömern gegen fein Vaterland bienendb, wie oft an Heinen
Derfönlichleiten große Gefchäfte hängen. Diefer wollte durch
aus den Fürften nicht fo viel nachgegeben wiſſen. Auch zu
Rom fand KAneas Widerforuch bei ben Gardindien, wenigfiene
1) Shrödh a. a. O. S. 188.
2) verfchweigt es aber in den Commentarien des Gobellin p. 12.
I}
.A. Friedrich II., 140-148, sit
bei den Theologen, welche, wie er fagt, Alle erfchiveren. Al⸗
lein der ſtaatskluge Mann wuſſte wohl, wie man mit dem
Scheine einiger Rachgiebigkeit doch das Ziel erreichen koͤnne.
Seinen neuen Entwurf unterfehrieben mit dem römifhen Ko— 1
nige die Kurfürſten von Mainz und Brandenburg und einige °- T-
andere geiflliche und weltliche Fuͤrſten. So war ber Kurven
ein getrennt, und ein neues entgegengefeßtes Buͤndniß einge
leitet. Die drei andern Kurfürften wuflten ſich nicht fogleich
zu benehmen. Es ging wieber eine gemeinfchaftliche Geſandt⸗
ſchaft nach Rom, bei welcher, wie leicht zu erachten, Johann
von Lyſura. Die bafler Geſandtſchaft muſſte ſchmaͤhlich won
Frankfurt abziehen und wurde unterwegs ausgeplindert. |
Da Eugen IV. dem Tode nahe war, fo beſchleunigte 4447
Aneas die Verhandlungen; Lyſura fagte, wenn ber Papft nur VSan.
noch ben Heinen Zehen rührte, fo müffte die Sache zum Ab:
fhluß fommen. Die GCarbindle $raten über unb es wurden
ſchnell vier Bullen auögefertigt, worin Eugen verfpsach, bie 5. Gebr.
abgefebten Erzbifchöfe wieder einzufegen, fobald fie ihm Obe⸗
dienz geleiftet haben würben, und bie malnzer Acceptations⸗·
urkunde folange gelten zu laffen, bis man fich weiter Sergieh
chen werde; jedoch, baß ihn die teutfche Nation für
Die abgetretenen Rechte entſchaͤdige. Frelilich legte
Eugen zu gleicher Zeit eine eigene Verwahrungsurkunde nies
der, auf den Fall daß er fir den päpflliden Stuhl etwas
Nachtheiliges verwilligt haben follte. Doch warb ihm jest Im
Namen bed vömifchen Königs und der mit ihm verbundenen
Zürften feierlich Obedienz geleiftet, unter großem Frohlocken 8. Behr.
des römifchen Volk. Diefe Übereinkunft hat den Namen Füͤr⸗
flenconcordate, weil ber Kurverein allerdings bie Grund
Lage dazu gegeben '). Man ſollte fie aber eher die roͤmiſchen
Eoncorbate nennen, und wenn man erwaͤgt, wie fie mobificht =
worben, fo mußmanmit Spittler fagen: „bie Xeutfchen wu⸗
ren verratben und verfauft.” Das war bad Werk eines Ita⸗
lieners, der auf ihre Koſten fi) ben Weg zum vapſtichen
Stuhle bahnte.
Aneas gehörte bisher dem Laienflanbe an, umgebihttt er
1) Koch Sanctio pragmat.p. 19sqg. Müller Vorſtell. J. E. 26.
1447
512 Bud DE Eifer Beittaum.. Abſqhnitt 4,
feit dem Abſchiede von Baſel geifllihe Pfrinben genoß. Erſt
nach ber günfligen Aufnahme bei Eugen IV. trat er in den
geiftlichen Stand und erhielt in Öfterreich die niederen Grabe,
in Rom die Prieflerweibe. Während der letzten Unterhand⸗
lungen wurbe er zum päpftlihen Subbiafonus_ ernannt. Ni⸗
colaus V., Eugens Nachfolger, beflätigte ihn auch in ber
Stelle eines Seheimfchreiberd. Da während feiner Rüdreife
nah Wien der Bifchof von Trieſt flarb, erinnerte Gafpar
Schlid den römifhen König ihn zu biefee Wuͤrde zu empfeh⸗
len. Nicolaus fprach feine Ernennung aus, unentgeltlich und
obne die Garbindle zu fragen ').
Es war noch übrig, die Entſchaͤdigung uber Proviſion
6. März des Papftes zu beflimmen. Nicolaus V. ließ fih gut an.
23. Sum.
Zul.
„Die römifchen Paͤpſte,“ fagte er zu ben teutfchen Gefandten,
„baben allerbings ihre Hände zu weit auögeftredt, da fie den
anbern Bifchöfen gar Feine Gerichtöbarkeit gelafien haben. Da⸗
gegen haben auch bie Bafler den Päpften zu fehr die Hände
gebunden. Aber fo geht ed, wenn man Unrecht thut. Sch
bin entfchloffen,” fuhr ex fort, „bie Biſchoͤfe nicht zu berau⸗
ben, denn dadurch hoffe ich meine eigene Gerichtsbarkeit am
beften zu erhalten, wenn ich mir bie fremde nicht anmaße *)."
Er beftätigte die. Zufagen feines Vorgängers und emannte
den Gardinal Johann von Carvajal zum Legaten bei der Ver⸗
handlung über die Provifion.
Die übrigen Kurfürften,- weiche dem Eaiferlihen Bimb⸗
niß nicht beigetreten waren, machten noch einen Verſuch für
die Kirchenfreiheit und für die Behauptung der mainzer Ac⸗
ceptationdurfunde. Sie verbanden fich zu Bourges mit bem
Könige von Frankreich. Erſt wenn ein allgemeines Goncis
lium zur Beruhigung ber Kirche gehalten und das Anfehn
folcher Verfammlungen wiederhergeſtellt wirde, dann woll-
ten. fie Nicolaus V. für den rechtmäßigen Papſt erkennen.
Alein der römifche König berief einen Reichstag nach Aſchaf⸗
fenburg im mainzer Gebiet, auf welchem Aneas mit bem
4) Gobellin; L «,
2) Aen, Sylvii Oratio ad Frid. Caes. in Baluz. Miscell, T.
VII. p. 555. ’
0. A Friebrach IL, 1440-1493. -. © 5418
Rehtägelehrten Hartung von Kapell beiden. übrigen Reiche
fanden, .zuplche. Feine Sefondten nad), Nam geſchickt Hatten,
die Anerkennung Nicolaus V. durchſetzte. Auch die Kurfür
ſten von Shin und Pfalz ahen uͤben, ungeachtet der Letztere
eine Tachſer von Felix V. zux Gemahlin hatte. Nun ſollte
auf rim. qudern Reichätag zu; Nürnberg die paͤpſtliche Pro⸗
vifion Beſtimmt werben, auf ben Fall baß indeffen mit dem --
Legaten kein Vergleich zu: Stand kaͤme. Diefer Reichstag 1448
wurde jeboch umgangen; ber Legat kam nach Wien und ſchloß San.
durch Kneas mit dem römifchen Könige allein ab, nachdem
Nicolaus, wie oben Schon bemerkt worden, feine Schatzkan⸗
mer geöffnet hatte. Es heiſſt zwar im Eingange bed Ver
gleichd, der Kaifer habe „für bie teutfche Nation und unter
Einwilligung mehrerer Kurfürften, auch anderer geifllicher und
weltlicher Zürften” denſelben gefchloffen. . Allein es ift erwie
fen, daß weber fie noch ihre Abgeordneten dabei waren. Ver
möge ‚diefer wiener Concorbate, welche ald Zortfegung
der roͤmiſchen zu betrachten find, wurden dem Papſte die durch
die bafler Berfammlung aufgehobenen Refervationen und Ars
naten unter gewiſſen Einſchraͤnkungen wieder zugeſtanden, die
Verleihung ber geringern Beneficien ſollte monatlich zwiſchen
dem Papft und ben Collatoren wechſeln.
Diefe Eoncordate wurden auch nachher nicht dem Reich:
tage vorgelegt, fonbern Aneas wuſſte nad) und nach die Eins
willigung ber Einzelnen zu erhalten, indem er bei bem
mainzer Erzbifhof den. Anfang machte). Fürften und Bis
fchöfe erbielten jeder gewiffe kleine Verwilligungen. So gut
Fannte Aneas bie Zeutfchen! .
Nun wurde die bafler Kirchenverfammlung Preis geges
ben. Schon zu Anfang der Verhandlungen mit Eugen IV.
Fündigte ihr Friedrich das Geleit auf. Die Übrigen anweſen⸗
den Väter hielten nach dem Rücktritt der teutfchen Bifchöfe
noch ein Jabr ſtandhaft aus, unter dem Schutz der Staͤdte,
welchen bei jenen Verhandlungen mit dem FOREN Stuhl
1) Koch Tabnlae Concoräat. inter Nicol. V. et * II. Vin-
dobonae initorum, in Sanct. pragmat. p. 201 sg. Schrödh a. a. .D
e. 161 |. -
Hfifter Sefchichte d. Teutſchen HU. 33
t
&
1447
DT.
514 Bud IH. Erſter Zeitraum. Abſqchnitt 4.
keine Stimme zugeſtanden worden. Endlich auf drei wieber:
holte Mandate des roͤmiſchen Koͤnigs, ba durch Übertritt .
bafler Biſchofs Unruhen in der Stabt felbft eniianben,
gen fich die Väter nach: Laufanne -gurüd und wolkten J
Aufferfte abwarten. Indeſſen vermittelte der 8: von Frank⸗
1448 reich. Auf einer Berfammlung zu Lyon, wo ⸗auch: Sefandte
Sul. von den Kurfürften von Coͤln und. Sachfen und der Kurfkrfl
von Zrier ſich einfanten, wurde befchleffen Feliy:V. zur Nie
1449 derlegung aufzufodern. Nachdem er diefe ausgefprochen, waͤhlte
19. Apr. das Concilium nun auch Nicslaud V. zum rechtmäßigen Papfl,
der eine allgemeine Ammeflie erließ, und bob fidy alfo nad
fiebzehnjährigem Kampfe ſelbſt auf ').
So wurden bie Erwartungen, weiche man auf bie zwei
großen Goncilien zu Coſtanz und Baſel gefeht hatte, ge
taͤuſcht. Ihre wichtigften Befchlüffe von der Gewalt der all⸗
gemeinen Concilien kamen bald fo in Vergeſſenheit, baß fie
ſchon nad einem halben Jahrhundert von Leo X. geradezu für
aufgehoben erklärt werben burften.
Solche zahlreiche, freimüthige Zuſammenkuͤnfle ausge
zeichneter Vertreter des chriftlichen Volkes hat man ſeildem in
Teutſchland nicht mehr gefeben. Aber Leo X. ſelbſt: muſſte
noch erfahren, daß biefe Concilien durch vielfeifige Ritthei⸗
Iungen unter den vorzüglihfien Männern aus allen Nationen
eine Saat auögeflreut, deren Früchte nicht mehr unterbrirdt
werben Fonnten. In demfelben Beitpunc ba die Concilien
aufbörten, baben die Zeutfchen die Buhdruderfunft eu
funden.
— Das Jahr 1450 wurde in Rom als ein großes Jubel⸗
feſt begangen; von Seiten des Papſtes in ganz anderm Sinne
als von Seiten des Volks. Einen ſolchen Sieg hatte man
vor kurzem noch kaum zu hoffen gewagt. Aber Aneas, ber
ihn berbeiführte, bedachte ſchwerlich, was er in eben dieſem
Jahr dem jungen K. Ladiſlaus in ſeiner Schrift über Für
fienerziehung fagt:
„Der Zugenb ehesten bie Voͤlker,
Gegen die Lafter fiehen fie auf!‘
1) Mäller Vorftel, I ©. 27. Geſch. v. Schwaben V, 59 ff.
K, Kriedbrig IL, 1440-1493 . 515
4. Letzte Romfahrt und Kaiferkroͤnung. |
Schliks Tod. Kneas, Eaiferliher Rath und Bi-
Ihof zu Siena, gebt voraus nah Italien, auch in
Betreff der Vermaͤhlung Friedrichs JIL mit Eleos
nora von Portugal Friedrich muß Franz Sforza
im Befit von Mailand laffen. Er demüthigt ſich
vor dem Papſte, um bei ber Bormundfchaft des Las
biflaus gefhügt zu werben. Starke Sprache ber
Öfterreicher gegen den Papfl. Friedrich, zu Wies
neriſch-Neuſtadt belagert, muß den Ladiflaus den -
Ständen von Öflerreih, Ungern und Böhmen
. ausliefern.. m... bes erzherzoglichen
iteld.
Ban nach der Aufhebung des bafler Concilium flarb ber 4449
Kanzler Caſpar Schlid in Folge von Schlaganfällen. Ein 6. Jul.
feltene8 Beifpiel, daß ein Dann bei drei Kaifern von fehr
verfchiedenen @igenfchaften in gleichem Vertrauen geflanben
und von allen mit gleicher Dankbarkeit ausgezeichnet worben.
Wie ihn K. Sigmund geehrt, ob er gleich den Paͤpſtlern auf
dem Concilium widerflanden, haben wir oben ſchon gefehen.
Von K. Albert erhielt er Weiſſenkirch in Ungern, von K. Fried⸗
ih Graͤz, mehrere Güter in der tarviſiſchen Mark und den
Titel eines Graven von Baflano !). Eine fchlefiihe Herzogs
tochter war feine Gemahlin ?). Er war von nicht großer Ge
ftalt, aber wohlgebaut, hatte ein freundliches Ausfehn, lebhafte
Augen unb eine gewiffe Hoheit in feiner ganzen Haltung.
As ein Mann von anerfannter Tüchtigkeit fland er in gros
Gem Anfehn bei den Zürften und dem ganzen Adel. Den
Städten oder dem Buͤrgerſtande bewies er mehr Gunft, als
jenen lieb war. Seine Kenntniß der Gebrechen Teutfchlands
bat er an den Zag gelegt, da ihm in K. Albrechts ll, Abwe⸗
fenbeit die Landfriedensfache diberlaffen blieb. Bis er in K.
1) Adami Vitae Germanorum Jureconsultorum p. 5 agq.5 vergl.
Mälter Schweizergefhichten TIL, 417 Rot. 9.
2) Ein ſchoͤner Brief von Kneas Aber ihren Tod In ben oͤfter ange-
führten Opp. Ep. 110. v. 3. 1448, Er
33
516. Buch IL Erſter Zeitraum Abſchnitt 2.
Friedrichs Dienfle Fam, waren bie Sachen fchon wieber auf
‚ dem alten Fuße. Nun ſcheint er hauptfächlid, feine Gorgfalt
auf bie Erblande gerichtet zu haben, welche durch ihn vom
Inremburgifchen Haufe an das öfterreichifche gelommen. Die
firchlichen Angelegenheiten muffte er dem Aneas überlaffen ').
In dem Zeitpuncte feines Todes war der oben erzählte Städte
Frieg im Ausbruch und rechtfertigte nur zu fehr, was er fri
ber gefprochen. Es fland lange an, bis K. Friedrich wieder
einen Mann fand, der die teutfche Verfaſſungsſache am rech⸗
ten Ende zu faſſen wuſſte.
1450 Aneas wurde jegt unter bie Zahl ber Paiferlichen Raͤthe
aufgenommen. Bald darauf ernannte Ihn Nicolaus V. zum
Bifhof von Siena, feiner Vaterſtadt. Für die großen Opfer,
welche K. Friedrich dem römifchen Stuhl auf Koften bed Reihe
und der Kirche und feiner eigenen Ehre gebracht, verbieß ihm
Aneas Erſatz durch die Kaiſerkroͤnung. Gr betrieb diefelbe
felbft wider den Wunſch des Papſtes. Als mehrere italieniſche
Stände Letztern in feiner Zuſage wankend gemacht hatten,
ſchrieb ihm Aneas: von diefem Friedrich fei nichts zu befünd:
ten; wäre er ein Feind bed Klerus, fo hätte er benfelben lädt
während des Schifma vernichten tönen. Aber er habe fih
ber Kirche, feiner Mutter, erbarmt, die Neutralität abgethan
und ed dahin gebracht, daß jet alle Teutſchen dem Papfie
gehorchten ?).
Sriebrich felbft war nicht bloß luͤſtern nach Zitel und Ehre,
er zählte auch auf fehr günftige Folgen. Er hoffte, wie der
Dapft die Primatialcechte gegen die Abficht der Concilien nad
und nach wieder an ſich gebracht, fo werde er num auch ben
geleifteten Beiftand erwiedern und ihm zur Herftellung ba
von ben NReichöftänden gefchmälerten Faiferlihen Bor:
1) Darüber Haben wir am wenigften Licht, wie er von Aneas hr:
umgebradjt worden. In den Verhandlungen mit Ungern wollte man
Schlick dem Kaifer verbähtig machen. Diefer antwortete: „ich halt:
Gafpern für einen reblichen, mir wohlgeneigten Dann. Bin ih oben
meiner Meinung betrogen, fo will ich lieber, daß ber Betrug von ſelbſt
. al8 durch unzeitiges Nachforſchen offenbar werde.” Fugger ©. 1088
2) Aen. Sylv. Hist. Frid. IH. p. 73 sqq. Das Borgehende nad
Gobellin, Comment, p. 13,
"8 Btieheich TIL, 1440-1498 617
rechte helfen. Der Zeitpunkt zum Aufbruch aus Teütſchland
ſchien zwar nicht ſehr guͤnſtig. Auſſer den fortwaͤhrenden Bes
wegungen im unmittelbaren Reichslande, wo noch manche bes
fonbere Steeitfragen vom Gtäbtefrieg unentfchleben waren,
entfiand in.dew Erblanden des Labiflaus innmer größere Gaͤh⸗
zung. Die Öfterreicher, die Ungern und bie Böhmen fpras
den ihre Befchmerden Über Friedrichs Vormundſchaft laut ges
nug aus und wiederholten flet3 das Verlangen, daß der junge
König ihnen auögeliefert werde. Doc Friedrich überrebete
fich dieſe Ausbrüche am ſicherſten durch den Papft nieberfchlas
gen zu koͤnnen, und er fcheint das bei dem Römerzuge nod)
näher im Auge gehabt zu haben als die Herfiellung der kai⸗
ferlichen Rechte. Indeſſen ließ er noch einmal in Güte mit
ben Ständen unterhandeln. Nach Böhmen ging Aneas. als
päpßlicher Legat, indem ex. fih zugleich viele Mühe gab ‚bie
Utraquiſten wieder mit der roͤmiſchen Kirche zu vereinigen.
Den jungen Ladiſlaus aber wollte Friedrich auf keinen Fall
in dieſen Laͤndern zuruͤdlaſſen ſondern nahm ihn mit ſich auf —
die Romfahrt.
Auſſerdem hatte 03 Friedrich die Abficht, ba er fchon 36
Jahre zählte, fich. zu vermählen. Seine Wahl entfchied ſich
fie Eleonora, Tochter bed portugiefifchen Königs Eduard,
Nichte des K. Alphons von Neapel, melde, zufolge des Hei⸗
rathövertragd, zu Schiffe nad Italien kommen folte, um
mit ihm zu Rom getraut und gekrönt zu werden. Auch diefe
Angelegenheit war durch Änead auf einer Sendung nad) Nea⸗
pel eingeleitet. Zu Siena erwartete er bie Ankunft der beiden
boben Verlobten und bereitete auch den Papft dazu vor, wie
oben ſchon bemerkt worden.
Das Reich bewilligte dem xömifchen „Könige zu biefern
Zuge 1000 Heifige, alle in Roth gelleivet, und 2000 Fuß⸗
knechte). Das war. num wohl ‚eine anſtaͤndige Sefolgfchaft,
aber ed war Fein Roͤmerzug im alten Sinne, alſo auch nicht
geeignet dem Reichenperhaupte die Achtung zu verichaffen,
welche AÄneas in feinem früheren Vorſchlage bezwedt hatte.
Überdies lag noch ein großer Stein im Wege, an u De
9 Das Nähere bei Fugger, Ghrenfpiegel 577.
58 Buch HL Grfer Zeltraum. Abſqhnitt 4.
ſeitigung ſchon einige Jahre, nud; bei Lebzeiten des Kamecs
Schlick, gearbeitet worden.
Herzog Philipp Maria Biſconti von Mailand |
war ohne männliche Erben geftorben, und K. Friedrich hattt
nicht geſaͤumt das erbedigte Reichtlehen durch Cownsiffarien,
unter der Leitung usa Schlidd und Aueas, in Beſit nehmen
zu lafien. Allein e8 fanden doppelte Hinderniſſe auf: einem
ſeits durch die Mailänder, welche die Umftände beuutzen well:
en, um fich zu einem Freiſtaate zu erllaͤren, wie Florenz und
Denedig; andererſeits durch Franz Sforza, ber vom ge
meinen Krieger zum erſten Deerführer ſich aufgeſchwungen und
als Schwiegerfohn des verflorbenen Herzogs, Durch veſſen na⸗
türliche Tochter Blanka Maria, auf die Nachfolge im Ho
sogthbume Anſpruch machte Durch feine Gewandtheit fowehl
als durch feine Tapferkeit wuflte Sforza in dem Gewuͤhle de
Parteien, da die andern maildudifchen Staͤdte fich auch meh
bängig machen wollten, dann bei ber Fortſetzung des verntis
nifchen Kriegs und durch einfeitigen Friedensſchluß eine folde
überwiegende Macht zu erlangen, daß er bie Mailänder durh
Belagerung einſchloß. Diefe riefen num zwar den roͤmiſchen
1449 König zu Hülfes allein da feine Abgeorbneten nur leere Ber
öftung brachten, fo gelang ed dem Sforza die Stadt durch
41450 Hunger zu bezwingen und ſich als Herzog anerkennen j
26. Febr. laſſen ).
K. Friedrich verſagte dem eingebsumgenen Herzog bie Be
lehaung. Um jedoch feinem Worte Nachdruck zu gebem, hätte
er mit einem viel flärkern Heere kommen müffen. Das wer
1452 nun der Stein, ben Briedrih, wie K. Sigmund, umge
- Gebr.
muffte. Er that als wüflte er Nichts von Mailand und nahm
feinen Weg nach Siena, wo Aneas bereits die Eleonore aw
sangen hatte. Bald legte ihm auch der Papft Etwas in ben
Weg, Indem er vor Betretung bed Kirchenſtaats ben berlin:
lichen Eid verlangte. Aneas war noch fo weit Zaiferlich, deß
er mit großer Gelehrſamkeit bewies, das fel eine Neueum
1) Joh. Simoneta in Muratori T. XXI. eine Hauptquelli,
verglihen mit Aen. Sylv. Histor. Frider. ILL, p. 234 I de etai⸗
Kuropae c. 46. _
&ı..nß. Ftledtich: HE, 14021499: 610
ber eltmenkinifihen Sapungen: Aber Friedrich übertraf ihn an
Chrexhietung: ob er gleich ſelbſt auch bie Eidesfoderung ſelt⸗
fen ſand, fp meinte ee: doch, dem hoͤchſten Prieſter, dem
Statthalter Chriſti müfle ex gchorchen und feine Befehle als
göttlich verchren ). Vor den Thoren von Rom ſchwur er auch 1452
die ‚guten Gewohnheiten der Stadt zu erhalten. Nach dem’. März.
feierlihen ‚Einzuge, wobsi er dem Papfle Buß, Hand und
Wange gelüflt, bat er diefen zuerfl ausnabmeweife um Auf
ſetzung der lombardiſchen Krone, weil zu Mailand — die Peſt 16, Dr;
berrfche. Dann ließ er feine Ehe mit Gleonoren einfegnen,
und, am britten Zage empfing er mit ihr die Kaiferfrönung. 19. März.
Die Nuͤrnberger hatten diesmal die Infignien Karls des Gros
Ben, die fie in Verwahrung hatten, mitgebracht. Vor dieſer
Seierlichkeit hatte man ihm, als römifchem König, den Sig
nah dem erſten Cardinal angewiefen; auch muflte er noch
einmal dem Papfte ſchwoͤren, daß er ihn und bie Kirche aller
wärts ſchuͤtzen wolle. Nachher hielt er dem Papſte die Buͤgel
und führte fein Pferd einige Schritte am Baum. |
Der Papſt hatte ihm geboten wegen des Sacraments bie
Vollziehung der Ehe drei Tage zu verfchieben. Für den enthalts
famen Friedrich war died Gebot überflüffig, denn er ließ ſich
erft auf dem Beluche zu Neapel durch den Oheim Alphons,
defien erhabene Regenitentugenden er nur bewundern konnte,
zur Vollziebung bewegen. Er war anfänglid, gefonnen biefe 16. April.
bis zur Ruͤckkehr nach Teutſchland aufzufchieben, weil er bes
forgte, . ed möchte ihm ein Kind von italienifcher Gemüthsart
geboren werben; auch fürchtete er Zauberei. Übrigens war er
glüdlich in feiner Wahl: Eleoncre wird als eine fehr tugends
hafte Fürflin .gepriefen. An Maͤßigkeit übertraf fie ihn ſelbſt,
Denn fie konnte fih nie entichlieffen Wein zu trinken.
Friedrich eilte von Neapel nach Rom zurüd, weil indefs 1451
fen die Stände in Öfterreich einen Auffiand zu Gunſten des 14. Oct.
Ladiflaus gemacht und ihre Klagen an ben Papſt gebracht hat:
ten. Sie beichuldigten den Kaifer, daB er den Vormund⸗
fchoftövertrag in vielen Stüden überteten, auch ben jungen
Furſten bloß beöwegen mit fih genommen habe, bamit er. jn
1) Aen. Sylv. Hist. Frid. III. p. 182.
620 Bud IL Erfer Zettraum. Abſqhaitt &
ben heiſſen Lande umkommen und: das Detzogiiums alle an
ihn fallen möchte. Friedrich verantwortete fü: Letaeres fi
vielmehr in der Abficht gefchehen, um den jungen Ehren wi
dem Papfle und ven Garbindien befannt zu machen; zugliä
bat er den Papſt den Bann über bie aufrährerifchen ſterri⸗
cher auszuſprechen. Bald nach feiner Ankunft in Rom erſchiea
1452 eine zweite Sefandtfchaft aus Öfterreih, an welche ſich and
— bie Ungern anſchloſſen, um ben gedrohten Strafproceß abe
Jun.
wenden. „Diefe Sache“, ſprach Eines, „gehöre gar nit vn
das Gericht des Papſtes, weil es eine weltliche Herrfchaft be
treffe.” Dex Papft: „wiſſet ihr nicht, daß dem Petrus, mit
bin audy feinen Nacfolgern, Alles zu binden und zu lfm .
überlafien worden?” Da Ungern, fuhr er fort, Teinen weltli:
chen Zürften über fih erkenne, der Kaifer aber gewiß über alle
weltliche Macht hervorrage, fo koͤnne in diefer Sache Riemand
Bichter fein ald der Papfi; und wenn bie Öfterzeicher nicht
gehorchten, fo wären fie nicht weiter unter die Chriſten
gu zählen ').. Alſo wieber biefelbe Sprache wie zu Ge
gord VII. Zelt.
Und dad war nun Alles was Friedrich von feinem A
merzuge zuruͤckbrachte. Gleichguͤltig fah er, wie im Laiferlicen
Stalien Fürſten und Städte, ohne ihn zu fragen, die Reichs⸗
rechte an ſich geriſſen, wenn er nur die Regentſchaft in den
Erblanden nach feinem Wunſch fortfegen konnte. Seine De
muͤthigung vor dem Papfte, wobei Aneas fih in Schmeidel:
reden erſchoͤpfte, verberrlichte noch den Sieg Über die Kirchen⸗
verfammlung. Bei feiner Rückkehr aber nach Öfterreid traf
ibn flott der Erfüllung feiner Wünfche eine neue Brugung.
Ulrich Eiginger, Anführer der Aufgeflandenen, ben er einmal
bei dem Kaufe eines Schloffes beleidigt hatte, ließ noch ein
mal um Auslieferung bed Ladiflauß bitten. Als er fich bar
über Bedenkzeit nahm, fagten ihm die Abgeorbneten ab und
man rüftete fi zum Kriege. „Sollte der Kaiſer,“ fpracden
die Öfterreicher, „darum furchtbarer fein, weil er die von Nuͤrn⸗
berg wmitgebrachte teutfche- Krone fih in Rom auffehen ließ!"
1) Aen. Sylv. Hist. Frider. p. 183 aqq.; nicht weniger gu dem
Bolgenden.
Yes Frie drich ehe, Ye
As der Papft mit Vollziehumg des: Bannes Werpte,ssenn fie
nicht innerhalb 40 Tagen dem Kaiſer die‘ Regierung ihres
Landes: zuruͤckgeben würden, warfen fie den Boten in's Ges
faͤngniß und Heften durch ihre Doctoren eine Appellation ven
bem nicht- genug unterrichteten an ben beffer' zu unterrichlens
"den :Papft, oder an ein allgemeines Concilium, oder an bie
allgemeine Kirche auflegen. Aus Zeutfchland hatte mam das
eine folche Sprache ſchon zu Ludwigs des Baiern Zeit gehört;
aber in Öfterreich war fie noch neu, und Aneas legt die Schuld
davon auf die wiener Univerfität, als eine andgeartete Toch⸗
ter des apoflolifchen Stuhls. = ö
Friedrich nahm gegen den Rath des Aneas einen huffitis
fehen Feldherrn an und hoffte die Öfterreicher mit den Waf⸗
fen in der Hand zu unterwerfen. Allein er wurde durch Gil 4452
zinger in Wieneriſch⸗Neuſtadt eingefchloffen und gezwungen Aus.
ben Ladiſlaus feinem muͤtterlichen Oheim, dem Graven Ulrich
von Cilly, audzuhändigen. Die Hfterreichiichen, ungerifchen 10. Sept.
und böhmifhen Stände hielten dann einem großen Landtag
zu Wien und befchloffen, daß in Ungern Johann von Hus 10. Rov.
nyad, in Böhmen Georg Podiebrad, in Öflerreich ber
Srav von Eilly bie Statthalterfchaft führen, der Kaifer aber
ohne Entfehädigung für feine bisherigen Koften zurüdtreten
folle. Der Verluſt alled Vertrauens fcheint Friebrich weniger
gefchmerzt zu haben als die Herausgabe der fo lange feſtge⸗
baltenen Vormundfchaft, die ihm. num förmlich abgefprochen
worden. Bei dem Allen mag er fi) in dem Gedanken gefal⸗
len haben, daß die beiden Reiche, Böhmen und Ungen, doch
einen Fürften feines Haufes ald Oberhaupt erfannten: denn
bald darauf ſah er fich veranlaſſt für das Geſammthaus auch 4458
Etwas zu thun. Er erneuerte den erzberzoglichen Xitel, 6. Ian.
welchen vormald H. Rudolf IV. wider Willen K. Karls IV.
aufgebracht ‚hatte, gegründet auf K. Friedrichs IE. Freiheits⸗
brief, vermöge deſſen die Zürften des Haufes Öfterreich die
nächfte Stelle nach den Pfalzerzfürften haben follen *).
Math. Friedrich III. hat kein Kaifer mehr die Krönung zu
1) Kulpis Diplom. ad hist. Frider; IIT. p. 7. Das Übrige meift
nach der öfter angeführten Elist. Frid. III. von Aen. Sylvius.
2 Bud Hirr-Erfer Zeier aum. Apſchaitt 4.
Rom empfangen, und ſomit find auch bie Vorrechte weile
Popſt Nicalaus. V. .bei biefem Anlaß ernenerte, von fehl
ailoſchen Dob iſt die Stellung, des Papfithums in eine
Fugen: Reibe won Jahren weit guͤnſtiger geworden als bie
des Kaiferthums. Friedrich UII. hatte noch manchen Kampf
t en· |
5. Nom Zuͤrkenkriege nach dem Sturz des griechiſchen
Kaiſerthums, vorher aber vom Landfrieden. |
— 1453 — 1460.
— Siſchof Anead bewegt einen Kreuzzug gegen die
"© Kürlenz 8. Friedrich bringt den Reichsſchluß nicht
zur Ausführung, Sohann von Capiſtranoz bie
Türkenglocke; Entfab von Belgrad. Kurfürften
verein gegen Kaifer und Papſt. Cardinal Uneas
arbeitet dagegen. Freimüthigkeit des mainzifchen
Kanzler Georg Mayer. Streit um dad Erbe des
kadiſtaus. Friedrich IIL theilt Öfterreih mit fei:
nem Bruder und Better. Ungern und Böhmen.
tommen an einheimifhe Fürſten. Papfl PiusIE
beruft einen Kongreß nah Mantua wegen det
Kreuzzugs; Verweis an K. Friedrich. Georg von
Heimburg. Vergeblihe Reichstagsverhand⸗
lungen.
1458 in Jahr nach Brihrige I Kroͤnung zu Rom kam bie
Kunde won dem Untergange des morgenlänbifchen ober grie
chiſchen Kaiſerthums. Seit geraumer Zeit war diefes Schick⸗
fal vorherzuſehen; damals wer fon Gonflantinopel von dem
furchtbaren Muhammed IL, Murads I Sohn, eingeſchloſſen
und lag nım noch wie eine Iufel in den weis andgebreiteten
Eroberungen ber Türken. Doch ſah man in der fibrigen Chris
fienheit den Ausgang mit unbegreiflicher Gleichguͤltigkeit kom⸗
men. Selbſt die römifche Curie, welche immer das Meifte zur
Rettung der Griechen gethan, theüte jegt diefe Gleichgültigeit,
bla 8 rien Hih,, 03-13. 08
riaetſrits weln te dngeltitett Umon wieber zerfallen war, ans
dererſeits/ well man mit näder Legenden Gegenſtaͤnden zu thım
hatte Rneas Hat den Ruhm,; ; tiefer geblickt und lebhafter
empfunden zu haben. Als Begleiter K. Friedrichs dielt er in
deſſen zu Rom eine: ſihr dringende Nee on den
Papfſt über die Nothwenbigleitsieiner Vereinigung gegen bie
Zürken. Nicolaus. antwortete jedoch ziemlich trocken: ber Aw
trag des Kaifers fei lobenswärdig., ber apoſtoliſche Stuhl fei
auch ſehr darauf bedacht; man: miſſe aber erfl mit den uͤbri⸗
gen chriſtlichen Koͤnigen füh beraten“). Das ſagte er ohne
Zweifel, weil ee wohl fühlte wie wenig der unmaͤchtige Kai⸗
fer im Stanbe fein winde einem ———— Kreuzzug zur
Ausfuͤhrung zu bringen.
Inbdeſſen gelang es dem Sultan die Stadt nach sbtaͤgi⸗ 1453
ger Belagerung mit Sturm eingumehmen; der letzte Kaiſer, . Mai.
Conſtantin Palaͤologus, verlor fen Leben und- bie Sinwohner
erlitten die fchredlichften Mishandlungen. Das alte oſtaoͤmi⸗
ſche Reich hörte auf zu fein. Diefe Botfchaft machte denn
doch einen tiefer ‚Eindrud in Exkopa, wenn auch nur. wes
gen der wichſenden Gefahr für die übrigen Länder, denn bie
Zürten waren früher ſchon einmal bis in bie windiſche Mark (1408)
vergedrungen. K. Briebrich fol über .biefe Nachricht in fein
Gemach gegangen und in Thraͤnen ausgebrochen, Nicolaus
aber in eine ſchwere Krankheit gefallen fein). Der Kaiſer
erließ ein Auffoberungäfchreiben an ben Papft; Aneas ſchrieb
biefem noch befonderö, wie bringenb ed jetzt fei Europa zu
den Waffen: zu rufen °). Nicolaus fah felbft, daß alle Schwies
rigkeiten befeitigt werben mufiten, um einen allgemeinen Kreuy
zug zu verſuchen; er ließ bedhalb eine in ihrer Art fehr bes 1453
sebte ‚Bulle an alte Fuͤrſten der Ghriftenheit ausgehen. Der 80. Det.
Kaifer ſchrieb einen Meihötag auf das naͤchſte Fruͤhjahr nah 4454
Regensbung and, zu welchem auch bie italienifiben Staͤnde 25. Apr.
erfobert wurden. Gr kam jedoch nicht ſelbſt, fonbern überließ
die Sache dem Unend und den Abzigen Gommiffarien. BER
1) Aen, Sylv.1,c.p. 309.
2) Zugger a. a. O. ©. 611.
$) Epp. 155. 162. — Müller Borf. IL G. 2 ff.
—
54 Bud IE: Erſten Bilteaem. : Kpfgnite 4.
entſprach wor Alten ber kriegetiſchr Hetzog Pikline:von Bus
gund, in Erinnerung, daß fein Water im wünlifiher Sefangems
ſchaft geweien. . Doc Fam: bie, Verſammlung zu Teinem
nähen Beſchluß, als daß vorerſt ein fimfiähriger Landfriede
errichtet uud dann ein Zug gegen die Zürlen vorgenommen,
bie Ausführung aber auf, einen anbern Reichstag mit dem Kai⸗
fer verabſchiedet werden ſolle.
1454 Dieſen Reichstag ſchrieb Friedrich in demſelben Jahre
W. Sept. auf den Herbſt nach Frankfurt. aus, beimchte ih. aber wieder
nicht felbft, weil er buyrchäte Unrnhen in Uñgern zurüdgebals
ten wurde. Auch Die. teutſchen Stände waren ſchon wieber
fo erkaltet, daß Aneas fich.menig. verſprach. Sie hatten we
‚der zum Kaifer noch zum Papft Vertrauen und meinten, es
fei Beiden nur um Geld zu thun. Nachdem er aber eine zwei:
ſtuͤndige Rede gehalten, während welcher Niemand: zu räufpern
wagte, fo erwachte doch wieber einiger Eifer, wo nicht für
die Sache ber Chriftenheit, doch für die Sicherheit ber Staa
ten. Die Verfammlung befiyloß 10,000 zu Roß und 30,000
zu Fuß dem Königreiche Ungern zu Hülfe..zw.fciden; die
Zürften wollten ſich jedoch perfönlih noch mit dem Kaifer
2495 beſprechen. Diefer berief alfo bie Reichsſtaͤnde zu ſich nach
2. Febr. Wieneriſch. Neuſtadt; auch ſtaͤdtiſche Abgeordnete werden in ber
Berſammlung genannt. Aneas foderte den Kreuzprediger Jo⸗
hann von Capiſtrano auf, ihn mit ſeiner auſſerordentlichen
Beredtfonzkeit zu unterſtuͤtzen: er. ſolle feine Stimme wie
eine Pofaune erheben wiber. bie Zrägheit, deu Gtolzund den
Geldgeiz, als die drei fchändlichflen Seuchen welche das —
ſtenthum dem Schwerdte dr Turken unterwerfen winden
Doch blieb dieſer Reichstag wieder an’ der Landfriedens ſache
24. Keil hängen. Da.aud ber Zod bei Papfled Nicotaud V. dazwi⸗
ſchenkam, fo verfhob man gern das Weitere auf das nächfe
Jahr. „Unſere Reichötage,' fagt fpottend Anens, „find frucht⸗
bar: jeber .geht mit einem andern fehmanger” !).
Indefſen bewirkte Johann von Capiſtrano bei. dem Volke,
was auf dem Reichstag vergeblich angeregt worben. Diefer
1) Müller Borftel. DI. &. 7. 11. Aen. Sylvii Epp. 72. 197.
191. 40. Gobellini Comment. p. 28.
x
ApBetedrich HE, 1440 —1493:. ©. 925
Jranciſcaner⸗Moͤnch, der ſchon mehrere Jahte Wit paͤpſtlichen
Auftrag in Teutſchland prebigte, "auch :die Huffiten zu bebeh⸗
ven. fuchto, machte durch fine” lateiniſchen VBortuige, deren
Inhalt er nach italieniſcher Art wit Haͤnden und Fuͤßen zeigte,
eisen fo: erfchätfernten Eindruck, daß Tauſende, ſich um ihn‘
verſammelten, ok fie gleich ſeine Worte nicht vearſtanden, und
ihn zuletzt als Heiligen und Wunderthaͤter verehiten t). : 68;
zogen beträchtliche Schaaren "freiwillige Kreuzfahrer “unter feis
ner Führung dem tapfern Hunyad zu," und. Beibe wuſſten dad: _
Heer fo zu begeiflern, . daß Belgrad entſetzt und: ein verzwei⸗ 4456
felter Sturm der Zürfen abgetrieben. wurde. Der neue Papf,.6. Aug.
Galipt HL, fandte zwar den. Garbinal son Carvajal nach Teusihe -
Iand, Ungern und Polen, um ben Kreuzzug aufs neue in
Ansegung zu.bringen: er beſtimmte dazu bie Zehnten ber ganz
zen Geiftlichkeit und befahl ale Mittage die Thrfenglode
zu läuten ?). Allein die Fuͤrſten hatten jetzt auſſer ben: Land⸗
—* noch eine naͤhere Aufgabe, das Verhaͤltniß zum Pap ſt
und Kaiſer:
Unter der Leitung des Ezbiſchofs Jacob von Trier,
deſſelben, weichen Eugen IV. abgefegt, dann wieder eingefeht
hatte, ter bie Umwege bei Abichkieffung der Goncorbate nicht‘
vergeffen, Eürslich auf dem Neichöinge zu Wienerifch⸗Neuſtadt
mit dem päpftlichen Legaten einen Praͤcedenzſtreit gehabt hatte,
erklärten mehrere Zürften dem Kaiſer, jebt fei der Zeitpunct,
ehe man Galirt III. anerfenne, Beſchraͤnkungen zu Machen,
da immer neue Befchwerben über Beeinträchtigung ber tent=
ſchen Kirche entftänden. Bisher, fagten fie, wären fie fchlims
mer daran geweien ald die Franzofen und Italiener und vers
dienten der Letzteren Knechte zu heiffen. Diefe Sprache fing
an ben Keifer wanfend zu machen. Allein Aneas hatte ihn
fo ganz in feiner Gewalt, baß er ihn leicht “wieder in das
Geleis brachte. „Wie er daran denken koͤnne,“ fragte Äneas,
„das Anfehn des Papftes herabzufegen, um fi bem Volke
beliebt zu machen, bad doch feiner Natur nach hoͤchſt unbes
1) Chron, Belg. in Pistor. ser. T. IL p. 415. Trithem,
Chron. Hirs. ad a, 1456.
2) Shrödh Br. 32. &. 200,
565 Bud IE Erſter Zehtraum. Abſchnitt 4.
fündig ſei? Es befände. igmihh ein ewiger Ang zwiſchen
Boll und König." Zu dieſen majekätfihähberifchen Behaup⸗
tungen fopte ‚Arena: hinzu: „Papft und Kaifer mhfften deswe⸗
gen «einander ‘immer beiftchen.”: Mit ſolchen und ähnlichen
Reben: bewog er ben ſchwachen Kaiſer dem Galirt nicht mm
| m. zu. leiſten, ſondern ihm auch ein Bimoniß ang
ieten | Ar
: Ünens,:er dies ſelbſt zur Kusfährung brachte; verrech⸗
nete ſich bei den Kürflen: denn bie voreilige "Dbebsenzleiflung
„ buachte fie. nur noch mehr auf. „Rah Rom,” fagten fie,
. „abe Friebrich reifen können, um fich eine Krone aufieken
zu laflen, deren er nicht beburfte; auf bie näheren und brin
gendereu Reichätage Eönne ex nicht konumen. Mährend er fih
von einem Italiener leiten laſſe, wolle ex von ben vielen Ge
4456 brechen ber teutfchen Nation Nichts hören.“ Sie ſetzten einm
80. Rov. Tag nach Rinnberg und Iuben den Kaiſer bazu ein. Unge⸗
achtet biefer ernftlich abmahnte, kamen fie doch und fekten,
um fi mit den Übrigen zu vereinigen, einen zweiten Tag
‚1457 nach Brankfurt, wozu ein neuer Kurverein entworfen wurde,
Mai. der den Kaiſer anhalten ſollte einen bleibenden Sitz im Heide
zu nehmen und bad Gerichtüwefen zu ordnen; im entgegen
gefehten Fall würde wiber feinen Willen ein tömifcher König
ihm an die Seite gefeht werben (wahrſcheinlich ſein Bruder,
H. Albrecht). Die Kurfürken zählten auf ben münbig gewor
denen K. Ladiflaus, mit welchem ber Kaifer fchom zerfallen
war. Man follte denken, fie wären jetzt im rechten Zuge ge
weſen; aber in bemfelben Augenblid da die Hand aufgehoben
wer, lieſſen fie fie wieber ſinken; fie waren zum Theil unter
fich ſelbſt nicht recht einig, zum Theil wuflte fie der Kaiſer
durch Privilegien ımd andere Vergimſtigungen wieber auf feine
Seite zu ziehen *). Nicht viel beffem Fortgang hatte eine
anbere Zuſammenkunft, welche bie Kurfünften wegen ber päpfl-
lichen Gelberpreffungen hielten. Sie vereinigten ſich, durch
den mainziſchen Kanzler die Beſchwerden ber teutfchen
1) Gobellini Comment. p. 25,
2) Möller RT. Theatrum. Th. L ©. SSiF.
2: Friedrich WM. 14401493. 687
Ration iauffegen zu laſſen und den Khifer drinhenb' zu 1 a
ten auf ihre Abftellung bei’ dem Papfte, anzullägen =" "
In dieſem Beitpuhcte wurde Aneas, wie es ſchon unter 1456
dei vorigen Papſte Im Werke ivar, durch u des 21. Dec.
kaiſerlichen Hofes zum Card in al erhoben. An feinem Genf:
ſchreiben a R: Friedrich verfpricht er zu bewellen, daß tr mehr
ein teutſcher als itätfenifcher Cardinal ſei. Damit wollte er
ohne Iweifel nur ſoviel ſagen: er werde ſich ver jetzigen BD
mwegungen in Teutſthland vorzüglich annehmen,’ ui fir,’ wie
die Concorbate, zu Gunſten des Papftes zu beendigen?). Auch
bezog er-in Zeutfchland Für feine geleiſteten Dienſte nicht wes
niger als 2000 Gokdgulden jaͤhrlicher Einkhufte an reſervitten
Pfruͤnden ?). ‘Da es in ganz Teutſchland unabhängige Mäns
ner zu Kundſchaftern hatte, fo fegte er biefe an verfihiebes
nen Orten in Xhätigkeit, um die Bürften und Biſchoöͤfe von
ihrem Vorhaben abzumahnen: brobt den Letzteren, fie wuͤr⸗
den mit dem Anfehn bed roͤmiſchen Stuhls auch das ihrige
verlieren; verheifft jenen leichtere Berſorgung ihrer nachgebors,
nen Söhne durch den Papft ale durch die Domcapitel. Geis
nem alten Freunde, dem beftuchenen Lyfura, ſchrieb er: „baflır
zu forgen, daß das was fie (bei den Concordaten) zu ſam⸗
mengeffidt, nicht wieber zerriffen werde; bie nachäffenben.
Teutſchen wuͤrden doch nicht Franzoſen werben wollen, und,
die Biſchoͤfe follten ja nicht glauben, daß jeder in feinem
Sprengel Papft werden Binne” ), |
Aber ein anderer mainzifcher Rath tritt jebt ‘Auf, . der
nicht zu den feilen Fuͤrſtenknechten gehörte. Er Yeifft Georg
Mayer. Aneas hatte ihn auch in fein Vertrauen zu ziehen
gefucht, als fie auf dem Heichötage zu Wienerifch-Neuftabt
beifammen waren, und von ihm Beiftimmung erhalten, daß
man den Papft nicht zu fehr fallen laſſen dürfe). Cr blieb
4) Gravamina Germ. nationis etc. in Freher. ser. II. p. 677.
-2) Ep. 189. Gr dankt auch ber Kaiferin und dent Labiflaus.
‚. 8) unter andern eine Probftei mit ftattlicher Wohnung zu Worms,
womit bas Kanzleramt zu Heldelberg verbunden war. Opp. p. 1052,
4) Opp. p. 1068.
5) Epp. 834, 348. ne:
6) Ep. 552, —
58 Bud IH. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 4.
1457 mit Aneas ip, Kriefwechſel, ſchrieb ihm aber. fihon hei dem
31. Aug. —— ——— mit teütſcher ——
rn, „bie FZuͤrſſen fein, aus. ihrem, Traͤume erwacht und, entſchloſſen
„. s, daz Joch abzufhütteln; denn ed würden immes mehr Wege
erfonnen, „um, bie Teutſchen wie Barbaren um ihr Gelb zu
beingen , soodunh.die vormals fo mächtige Nation zus Magd
ernjebrigf und in ſchmuzige Armuth verfegt werbe.”- Darübe
entſtand bern, sin Iebhafter Briefmechfel zwiſchen Aneas und
Mayer,, der über die ‚Lage der Dinge wichtige Auffclüfe
giebt *).- ‚Eiftere, bot ale feine, Beredtſamkeit auf, um bie
Zeutfchen einerfeitd ‘von bes Unantaflbarkeit des roͤmiſchen
Stuhls, andererfeits von ihrer noch immer fehr günftigen Lage
zu überzeugen. . Das iſt die Schilderung. Teutfchlanbs, aus
weicher mir am Schluffe diefed Zeitraumd einen Auszug vor
legen werden. Übrigens bedurfte.ed nicht einmal eines folden
Aufwandes von Berebtfamkeit; denn Aneas wuſſte ſchon, daß
es bei den Fuͤrſten an gemeinſamem Nachdruck fehle. Seibfl
ber Erzbiſchof von Mainz fing an zu wanken; ex wollte es
doch mit dem Papft nicht ganz verderben. Andere waren nidt
viel fefter. Andere fuchten im Einzelnen ihren Unmillen gegen
bie, päpfllichen. Verordnungen audzülaffen,, etwa durch Beſchlag⸗
nahme ber eingezogenen Gelber. „Aber im: Ganzen geſchah
Nichts ?). Der Kaifer that auch Nichts: ex hatte wieder au⸗
bere Hoffnungen und Sorgen.
41457 8. Ladiſlaus farb in feinem achtundzwanzigfien Jahr,
25. Rov.da.er eben im Begriff fland feine Vermählung mit ber Toch⸗
ter 8. Karls VII. von Frankreich, Magdalena, zu vollziehen.
Diefer ſchnelle Zod gab zu mehrfäligem Verbachte von Ver
giftung Anlaß, entweder von einer Buhlerin, ober von den
Utraquiften, welche von jener Verbindung ihre Unterbrüdung
befücchteten; nach .Andern war ed. die Peft welche ihn weg:
zoffte ). Unter längerer Regierung dieſes hoffnungsvollen
‚1) Opp. edit. cit. p. 1034 sqg. Diefe Correſpondenz theilt Aneab
dem Cardinal Antonius mit, 1. Febr. 1458. Über die übrigen hierher
gehörigen Briefe nebſt Berichtigung ihrer Daten ſ. Schroͤckh a. a. O.
213 ff. —
S.
2) SchrdGh a. a. O. S. 226.
8) Aen. Sylv. Hist. Boh. 0.70 sqq. Cf. de situ. ete. Germ. in
8. Friedeich IL, — 520
Finſten, dee wegen feiner trefflichen Eigenfchaften „bie Freude
ber Welt" hieß, wuͤrden wohl die unter ihm vereinigten Staas
ten dem Andrange ber türkifchen Macht binzeichenben Miders
ſtand geleiftet haben. Nun brachte fein Zod eine große Vers
änderung. Die Staaten wurben auf lange Zeit getrennt, und
ber Streit um die Nachfolge war es eben was jetzt des Kai⸗
ſers ganze Thaͤtigkeit in Anſpruch nahm.
Auf das erledigte Herzogthum Öfterreich machte Fried
rich für ſich allein Anfpruch, ald der Ältefte des Haufes zus
folge der Untheilbarkeit. Da aber bie Lande fchon mehrmals
getheilt worden, fo hatten wohl bie beiden noch übrigen Linien,
die fleiermärkifche und die tirolifche, gleichen Anſpruch auf
die Verlaſſenſchaft der oͤſterreichiſchen oder albertiniſchen Linie. 1458
Nun entſchieden die Landſtaͤnde auf folgende Weiſe: Friedrich BE
muflte feinem Bruder Albrecht Oberoͤſterreich überlaffen und
ſich mit Niederöfterreich begnügen; Erzherzog Sigmund wurbe
mit einem Theile von Steiermark zufrieden geſtellt. Die Stabt
Wien blieb gemeinfchaftlih, und in der Burg erhielt jeber der
drei Zünften feine befondere Wohnung.
In Ungern traten wohl einige Magnaten auf K. Fried⸗
richs Seite wie beim Anfange der Regentſchaft; er glaubte
fchon den Königstitel annehmen zu bürfen. Aber die Mehr⸗
zahl wählte den Sohn des verdienten Johann Corvinus von 22, Ian.
Hunyad, Mathias, ungeachtet feiner Minberjährigkeit zum
Könige und ernannte feiner Mutter Bruder, Michael Zilagt,
zum Statthalter. Als Oberlehensherr von Böhmen ging
Friedrich auf die Iuremburgifche Exrbverbrüberung zuruͤck, auf
welche jedoch Albrecht und Sigmund auch Anfpruch machten.
K. Aldrehtd IL Schwiegerſoͤhne, H. Wilhelm von Sachfen
und 8. Kafimir von Polen, Schwäger des Labiflaus, moch⸗
ten wohl noch nähere Rechte haben. Sogar der König von
Frankreich wollte erben, weil feine Tochter mit Labiflaus vers
lobt gewefen fei. Doch die Böhmen fragten nach allen dieſen
Anſpruͤchen nicht und hielten eine freie Wahl, durch welde
unter Leitung ded Johann von Rokyczan Georg Pobies
Opp. p. 1057, wo ÄAneas mit vieler Wärme von diefem Bürften ſpricht.
Ger. de Roo L. VI. p. 232.
Pfiſt er Geſchichte d. Zeutfchen II. 34
50 Buch IE Erſter Zeitraum. Abſchnitt 4.
1458 brad zum Könige erhoben wurde. Die Anerkennung bed
2. Maͤrz. Papſtes und Kaiferd erhielt Georg dadurch, daß er Aufferlid
DD. au:
4
1459
San.
zur Batholifhen Kirche übertrat. So blieb dem Kaifer bad
Nachſehen. „Sonderbar,“ ruft Aneas in feiner boͤhmiſchen
Geſchichte aus, „daß die zwei Reiche von den edelſten Fürften:
bäufern zu gleicher Zeit an zwei gemeine Edelleute Famen!"').
Über diefen Angelegenheiten vergaß denn K. Friedrich bie
Beſchwerden der teutfchen Nation, vergaß auch ben Türken⸗
zug, wiewohl eben die Trennung ber Reiche bed Ladiſlaus
und ihre noch fchwanfende Lage die Gefahr wieder ver
größerten.
Ünens, jetzt Pius IL, zur paͤpſtlichen Würde erhoben,
am Biele feines zweiten Übertrittö, flellte fogleich, mit Umge
bung der teutfchen Befchwerden, ben Kreuzzug ald Haupt⸗
aufgabe voran. Er fchrieb einen Generalcongreß aller if:
lichen Mächte nach Mantua oder Udine aus, wiewohl bie ar
bindle verlangten, daß er vermöge feiner Capitulation in Kom
bleibe. Ungeachtet feiner gefchwächten Geſundheit ging et
mitten im Winter über die Apenninen und war der Erſte in
Mantua. Der Kaifer lieh fich entfchuldigen und glaubte, drei
BSefandte, darunter der Bifchof Antonius von Trieſt, Rach
folger des Kneas, welche er mit voller Gewalt abgeorbnet
hatte, wirden die Sache wohl auörichten Finnen. Bun
fetbft gefommen, fo winde er freilich nicht umhin gekonnt be
ben dem ehemaligen Geheimfchreiber und Rath die Ehre dei
Fußkuſſes zu beweifen. Doc war dies fchwerlich die Haupt
fache die ihn abhielt. Pius IL nahm die Entſchuldigung nich
an und führte eine höhere Sprache. Er ſchickte einen von den
Sefandten zuruͤck und ließ den Kaifee wiffen: „er hätte nicht
wetter nach Mantua gehabt als ber Papft, ber feinetmegen
gefonmen fei. Man werde fagen, er fpare entweder aus Geij
die Koften oder verachte bie Vertheidigung des Glaubens,
und fei alfo nicht würdig uͤber Chriften zu herrſchen. „Bie
kannſt bu," fragte er ihn, „Beſchuͤtzer und Schirmvogt der
1) Aen. Sylv. Hist. Boh. c. 72. de statu Europ, c. 1. Lünig
Cod. German, diplom. I. Nr. 878. Möller RE. Theatrum, If
Vorſtell. III, *
8. Friedrich W. 1440-1493. 531
chriſtlichen Kirche heiffen, da bu nicht allein bie Kirche verlaͤſ
feft, ſondern auch bie cheiflliche Religion unb den Glauben
vernachläffigeft? Beneideſt du ben Pius, baß er bie in biefer
Ehre zuvorgekommen ift, und willſt es vermeiden mit ihm
zufammenzulommen? Du irrſt dich, er ſucht vielmehr beine
Ehre und deinen Ruhm, da er bich mehr als feine Seele licht.
Kannft bu nicht kommen, fo fehide wenigſtens Gefandte von
größerem Anſehn und laſſe die Kirche Gottes nicht aus Ver
flellung ober Geiz untergehen ')." Im letztern GStüde
gehorchte der Kaifer und fandte den Markgraven Karl von
Baden. Im Berlaufe der Verhandlungen trat Pius wieder 1459 .
als Redner auf und ſprach faft drei Stunden von ber Noth⸗ 25. Sept.
wendigkeit und von der Audführbarkeit bes Kreuzzuges.
ihm ſprach der Cardinal Beffarion auch mit Beifall; doch
meinte Pius, er hätte nur gezeigt, daß bie griechifche Beredt⸗
ſamkeit der Iateinifchen nicht gleich Fomme. Da die andern
Stationen wenig Geneigtheit bezeugten, fo wandte fich Pius
an die Zeutfchen. Aber bei diefen waren bie flädtifchen Abs
georbneten wie gewöhnlich im Widerſpruch mit ben fürftlichen
und kaiſerlichen. Georg von Heimburg, ald Gefandter
Erzherzog Albrechts von Öfterreich nah Mantua gekommen,
war auf den Kaifer*) wie auf den Papft Übel zu fprechen
unb machte von feiner teutfchen Beredtſamkeit Gebrauch. Da
endlich den meiften Cardinaͤlen der Aufenthalt bei den Zröfchen
zu Mantua miöftel, fo mufite ſich Pius zu befonderen Unter
handlungen bei den Geſandten bequemen. Nun erhielt ex die Der.
Erneuerung ber ſchon feinem Borgänger gemachten Sufage
von 30,000 zu Zuß und 10,000 zu Roß, jeboch mit bem
Beifabe, daß wie bamald erfi ein Reichstag zu Nürnberg,
dann ein zweiter bei bem Kaiſer in ſterreich gehalten werben
müfle. Pius nahm dies an, und fo wurben die zwei Reichs⸗
tage angefeßt, ohne den Kaifer zu fragen. Dagegen ernannte 1460
er den Kaifer zum oberſten Feldherrn bes bevorflehenden Kreuzs 12. Ian.
1) Gobellimi Comment. p. 65.
2) Bei den ſchlechten Lanbfriedensanftalten war er kuͤrzlich von
SHäubern nichergeworfen worben und muflte fi) mit 6000 Goldguls
den Idfen. >
34 *
März.
Sept.
532 Bud IL Erſter Zeitraum. Abſchnitt 4,
zuges, weil ihm ald Kaifer alle Nationen gehorchen müflten,
und weil e8 ihm weber an Arbeitfamleit, nod an Zapferkeit,
Betriebfamkeit, Geſchwindigkeit, Klugheit und andern nöthigen
Eigenſchaften fehle! Doch erlaubte er ihm, wenn er biefes Amt
nicht felbft übernehmen könnte, einen teutfchen Kürften zu ſei⸗
nem Unterbefehlöhaber zu beftellen. Ex beſchickte die verabrebe-
ten Reichötage durch den Cardinal Befjarion, allein ber Erfolg
wurde wieder durch neue einheimifche Übel unterbrochen ').
6. Weitere Hinderniſſe der Keichöverfaffung durch den
Fuͤrſtenkrieg, 1458— 1464.
Übergang vom Stäbtelrieg Das pfalzbaierifce
Haus mit Erzherzog Albreht gegen Kaifer
Friedrich. Erzherzog Sigmund vom Papfl durch
die Schweizer befriegt. Erzbifhof Diether von
Mainz wird das Opfer für die Reiches und Kir:
chen⸗Freiheit. Der Pfälzer Erih halt gegen ben
Kaifer aus. Widerrufsbulle Pius IL Die Gegen
veformation foll durch Unterbrüdung ber Utra:
quiften in Böhmen vollendet werden. Leute An:
firengungen Pius DI. für einen Kreuzzug gegen
die Türken Rüdblid auf feinen Einfluß
überhaupt.
Die Uneinigfeit der Reichsſtaͤnde (Bürften und Städte) und
die Unzufriedenheit über Kaifer und Papſt gingen gleichen
Schritt und brachen bald in allgemeinen Krieg auß.
Der verberbliche Stäbtefrieg war noch fehr fühlbar in fei:
nen erften Folgen. Die Fürften hielten den Zeitpunct nicht
mehr ferne, da es ihnen gelingen würbe bie geſchwaͤchten
1) Müller a. a. O. S. 647 ff. Shrödh aa. D. ©. 249
257. Beffarion, von ben ftädtifchen Abgeordneten „hochwuͤrdiger Bu
ter, gnäbiger Herr” genannt, wollte über biefe leeren Verhandlungen
feinen Eränktichen Körper in bem fo Falten Teutſchlande nicht Län:
ger verzchren. Aus Ärger Über bie Behntenverweigerung bes Klerus
gab er beim Abfchiede ben Segen mit ber linten Hand.
... 8, Friebdrich DIL, 1440—1493. 633
und unter fich ſelbſt zerfallenen Reichsſtaͤdte zu Landſtaͤdten zu
machen. Den erfien Verſuch that Herzog Luwig von Baiern, 1458
ber bie von Karl IV. mit Freiheiten begabte Stadt Donau⸗ 16. Ott.
wörth mit gewaffneter Hanb einnahm. In biefem Falle
fäumte jeboch der Kaiſer nicht ernſtlich einzugreifen, bamit
ihm Baiern nicht über den Kopf warhfe. Er ließ den Reichs
krieg gegen ben Derzog erklären und gab dem Markgraven
Albrecht von Brandenburg den Oberbefehl. Papft Pius bin-
gegen, der durch .diefe Fehden in feinen höhern Entwürfen
unterbrochen wurde, trat ald Vermittler ein. Nach dem Spruche
des Reichstags wurde. die Stadt wieder zu des Reiche Hans 1459
den eingenommen. Doch bie Spannung mit Baiern blieb, Der
H. Ludwig verband fi mit dem Erzherzoge Albrecht ges '
gen K. Friedrich. Nocd einen befondern Unwillen warf
Sriebrich auf den Pfalzgraven Friedrich, ber, ohne ihn zu -
fragen, mit dee Bormundfchaft über feinen Neffen die Kur:
würde angenommen, wiewohl mit dem Verfprechen, zu Guns
fien deſſelben unverheirathet zu bleiben. Zriebrich war ein fehr
unternehmender, tapferer Zürfl. As er mit dem Marfgraven
Albrecht wegen perfönlicher Beleidigungen in Fehde gerieth und
Beide Bundedgenofien warben, war ber Kaifer eben fo rafch 1460
mit der Reichskriegserklaͤung da, wie in der donauwoͤrther März.
Sache. Friedrich und Lubwig verbanben fich dagegen mit dem
K. Seorg von Böhmen. Pius IL gab fich wieder alle Mühe
die Spaltung im Reiche beizulegnm. Doc fchloffen die Fuͤr⸗
ſten erſt befondere Stillſtandsvertraͤge unter ſich, nachdem die
Rheinlande, Schwaben und Franken gewaltig verheert waren. März
Zulegt fland der Kaifer faft allein und muffte beforgen durch al
K. Georg geftünzt zu werben. Die Öfterreicher griffen auch
wieber, zu den Waffen und vereinigten fich mit Erzherzog Als
brecht und deſſen Bundesgenoſſen.
Daß der Kaifer nicht auch von feinem Vetter Sigmund
befriegt wurbe, verhinderte Pius II. indem er diefem, feinem
vormaligen Lieblinge, die Schweizer .auf den Hals warf. Sig:
mund hatte feine Gunſt verfcherzt durch Feindſeligkeiten gegen
den früher genannten Nicolaus von Cuſa, welchen der Papft
gegen den kanoniſch gewählten Wißmayr, Sigmunds Geheim>
fchreiber, zum Bifchof von Brixen eingefegt hatte. Er wider:
634 Bud IL Evfter Belttaum. Abſchnitt 4.
feste ſich hauptſaͤchlich ben Gelberpteffungen, welche Cuſa im
1461 Ramen bed Papfted ausübte. Da bie Sache auf ber. Bes
Apr. ſammlung zu Mantua nicht beigelegt worben, fo nahm Big
mund ben Biſchof gefangen unb zwang ihn ſchwere Fi u
- gungen einzugehen. Nach der Freilaſſung begab ſich
zu feinem alten Freunde Pius IL. und erhielt, daß ber Era
bezog mit feinen Räthen in den Bann. gethan unb das ganze
Land mit dem Interbict belegt wurde. Unter ben Räthen war
bauptfächlich Georg von Heimburg gemeint *), unb Pius IE
verlangte noch überbied von ben Nürnbergern, in beren Dien⸗
fien er war, daß fie ihn als Keger und Majeſtaͤtsverbrecher
1462 behandeln ſollten. Heimburg war aber nicht verlegen: er ap
Ian. pellitte mit dem Erzherzog an den Eimftigen Papft ober ein
allgemeines Concilium, fehrieb öffentlich und verächtlich gegen
Pius IL, als welcher, wie Cufanus, durch Verleugnung feiner
früheren Grunbfäge ſich lächerlich mache. Indeſſen ließ Pius
die Schweizer wiffen, daß alle friedlichen Verhaͤltniſſe mit Erz⸗
herzog Sigmund, bem ehrlofen Majeflätsverbrecher, aufgehoͤrt
hätten. Es fanden fich ausgetretene Unterthbanen Sigmunbs,
durch welche bei mehreren unerlebigten Rechtsſachen das Krieges
feuer fchnell angeblafen wurde Der Erzherzog kam in Ge;
fahr den Reſt der Stammlande zu verlieren. Nun vermittels
ten die Fürften gegen den Willen des Papſtes und brachten
1461 einen funfzehnjährigen Stiäftand zu Wege, während befien
Mat, die Schweizer behalten follten, was fie eingenommen.
j Die Fürften vermittelten aber nur in der Abfiht, um
Schweizer für fih zu werben, weil theils ihre eigenen Still:
flanbsverträge abliefen, theild neue Erbitterung größe, ernſt⸗
Zur. lichern Krieg herbeiführte. Der Kaifer ſelbſt, nachbem zu
Nürnberg vergeblid vom Frieden die Rede gewefen, feßte dem
pfalzbaierifchen Haufe und deſſen Verbündeten drei Kriegsfürs
fin von Reichs wegen entgegen: den Markgraven Albrecht
von Brandenburg, den Graven Ulsich von Wirtemberg und
den Markgraven Karl von Baden. Auch Pius IL, biöheriger
Vermittler, vermehrte die Verwirrung durch heftige Streitig⸗
keiten mit dem Erzbiſchof von Mainz, Diether von Iſen⸗
1) Gegen welchen Cufa vormals feinen erſten Proceß verloren.
8. Friedrich IH., 1440-1493, 535
burg. Diefer lleß auf dem Kongreß zu Mantug um Beftäti-
gung feiner Wahl anfuchen; Pins machte ihm aber zur Bes
dingung, baß er weder auf eine Kirchenverſammlung dringen
noch bie Fuͤrſten zufammenbersufen, alfo auf die zwei wichtig:
fin Vorrechte ded Erzkanzlers Verzicht thun folle. Zugleich
erließ Pius zu Mantus ein Decret, wodurch die Appellationen
an ein Fünftiged Concilium, bas der Papſt vermöge ber
coſtanzer und bafler Decrete zu halten fchuldig fei, bei Strafe
beö Barnes verboten wurden, In bee hat ber Zobesftoß für
die Reichs⸗ und Kirchen-Freiheit :). Diethers Gefandte er
hielten endlich zu Rom die Befldtigung gegen das Verſpre⸗
chen, daß der Erzbilchof in Sahresfrift perfünlich zu Nom ew
fcheinen und flatt 10,000 fl. Annaten, welche fein Vorgänger
entrichtet, 20,501 fl. bezahlen wolle. Eine grobe Überſchrei⸗
tung der Goncorbate! Diether erkiärte, feine Gefandten feien ,
zu weit gegangen und von ben römifchen Wechslern überdies
betyogen worden. Er appellirte feierlich zu Nürnberg an das 1461
Fünftige allgemeine Goncilium. Über dieſe Verwerfung bes Betr.
mantuanifchen Decretö gerietb Pius IL in Zom und fprach
ben Bann über den Erzbifchof aus. Diether berief dagegen
eine Verfammlung nah Mainz, um feine Befchwerben gegen Sun.
den päpftlichen Stuhl zue Sache Der teuffchen Nation zuma
en, indem er bie eigenmäctige Einziehung. der päpfllichen
Zehnten für ben Zürkenkrieg zur Klage brachte. Er fand aber
bei dem Einfluſſe des päpftlihen Legaten die erwartete Zuftim-
mung nicht. Nun machte er geheime Angrbietungen, daß er
die Appellation unter gewiflen Bedingungen zurüdnehmen
wolle. Das ift ein Zeichen von Furcht, dachte Pius, und
alsbald war feine Vernichtung befchloften. Er verſtand fi
mit Abolf von Naffau, dem Mitbewerber um das Erzbis-
thum, ſprach Diethers Abfegung aus und feßte Adolf ein. 21. Aug.
Der Kaifer gab zu Beiden feine Buflimmung, weil er Diether
fürchtete. Georg von Heimburg aber fcheute fich nicht in de -
fentlihen Schriften zu: fagen, „den trägen Sarbanapalus bes
1) Shrödy Kirchengeſch. Bd. 82, &. 258 ff. Müller ME,
Theater. Thl. I. ©. 744: „eine fluchwürbige und unerhörte Gewohn⸗
heit feien bie Appellationen.‘' i
536 Bud OL Eifer Beitranm. Abſchnitt 4
wundern Untertbanen und Feinde, ja der ganzen chrifllichen
Welt elle vor demſelben.“ Diether verband fich jetzt mit ſei⸗
nem bisherigen Zodfeinde, dem Rheinpfalzgraven Friedrich,
1462 den der Papft auch in ben Bann that; dagegen ergriffen feine
Jan. hisherigen Feinde bie Partei des Adolf. Der Kaifer gebet
auch den Meichsftädten bei fehwerer Strafe an dem Kriege
Theil zu nehmen. So fianden denn in Schwaben, Franken,
Baiern und den Rheinlanden zwei erbitterte Parteien gegen
einander; Kaifer und Papfl an der Spitze der einen gegen
Diether und Friedrich. Die erſten größern Feindſeligkeiten fie
len auf ber baierifchen Grenze vor. H. Ludwig wollte e& mit
dem Markgraven Albrecht aufnehmen; ba er jevoch bei Hoͤch⸗
fläbt und Grimmelfingen gefchlagen wurbe, fette man einen
Friedendtag nad) Nürnberg, bis zu weichem übrigens ber
‚Krieg fortgefeßt werben follte. Gegen den Pfalzgraven Fried»
sich verbanden ſich auf's neue Markgrav Karl von Baden,
Biſchof Georg von Mes, fein Bruder, Gran Ulrich von
Wirtemberg und ber Bifhof Johann von Gpeier, um vor
ben Friedenshandlungen noch einen Dauptfchlag auszufichren.
30, Sm. Diefer traf fie aber felbfl. Sie lieffen ſich bei Sedenheim in
bie Landfpite locken, wo der Nedar in den Rhein fich ergiefit,
wurben eingefchloffen und gefangen.
Drei Zage vor bem Anfange der Verhandlungen wurbe
19. Jul. Markgrav Albrecht bei Giengen gefchlagen. Zu Nürnberg ge:
7. Zul. ſchah Nichts weiter, ald daß ein Stillſtand auf ein Jahr gefegt
wurde. Während beffelben uͤberfiel der Erzbifchof Adolf die
77.8. Stadt Mainz durch Verrath ber Bürgermeifter. Diether, wels
chen er unter dem Vorwande eines Vergleichs dahin gelodt,
entkam durch ein Seil über die Stadtmauer. Mainz, bie
erfte und vornehmſte Stabt des Reich, wurbe der Pluͤnde⸗
rung Preis gegeben und zur bifchöflichen Landſtadt gemacht.
Indeſſen kam ber Kaifer durch feinen Bruder und durch
die Wiener '), wage ihn unter Anführung bed Bürgermeifters
1) Als ſehr ungebunden fchilbert KRneas Sylvius bie Einwohner
von Wien zu feiner Zeit. Tag und Nacht gebe es Hänbel auf ben Stra:
Ben, bald zwiſchen den Handwerkern und Stubenten, bald zwifchen ‚Hof:
leuten und Anbern. Selten fei ein großer Zufammenfluß von Menſchen
8. Eriebei II, 1440-1498. - 537
Holzer in der Burg belagerten, fo in's Gebränge, baß er ben 1462
Reichdtag zu Regensburg um fchleunige Hülfe bitten muſſte. % Oct.
Man verfprach, aber mit gewohnter Zögerung. Nun nahm. .
fih der 8. Georg von Böhmen des verlafienen Kalferd an;
wiewohl bisher mit Erzherzog Albrecht gegen ihn verbunden,
wollte er ihn doch nicht ganz verderben und vermittelte alfo
einen Vertrag, nad welchem Friedrich die Verwaltung von 6. Sept.
Inneröftereeich gegen ein Jahrgeld auf acht Jahre an Albrecht
abtreten follte. Da dieſer aber immer noch nicht zufrieden
war, fo gebrauchte nun auch der Reichstag fein Anfehn und 1463
ſprach die Acht über ihn aus. Darüber wurben benn bie ans April.
bern Fürften, welche bisher mit ihm gehalten hatten, der Sache
mübe und begehrten Frieden. Zuerſt wurbe H. Ludwig von
Baiern mit dem Kaifer und dem Markgraven Albrecht vertras 22. Aug.
gen; aber der Pfalzgrav Friedrich weigerte fich beharrlich ben
Erzbifhof Dieter aufzugeben und die gefangenen Biürften
freizulafien. Eben fo wenig wollte Erzherzog Albrecht bem
Kaifer nachgeben. Es wuͤrde ein neuer Krieg in Öfterreich
auögebrochen fein, wenn Albrecht nicht eben jetzt geflorben 2. Der.
wäre. Da er ohne Erben war, fo kam 8. Friedrich nun in.
den ungetheilten Beſitz von Öfterreih, und erhielt auch vom
Erzherzoge Sigmund das Drittheil von dem Erbe des Las
diſlaus zurüd, dafür daß er durch eimen Kniefall vor dem
päpftlichen Legaten defien Befreiung vom Bann bewirkte.
Pfalzgrav Friedrich allein verfiand fich zu Feiner Verfühnung
mit dem Kalfer. Er zwang bie gefangenen Zürften fi mit
ihrem eigenen Gelbe zu Iöfen, weil der Kaifer Nichts für fie
that. Aber mit dem Papfle und dem Erzbifchofe Adolf muſſte
ſich Friedrich endlich vertragen, weil fein Bruder Ruprecht bei
der Wahl zum Erzbistum Coͤln verfprochen hatte dazu mits
zuwirken. Durch Vergleich verfprach Adolf, ihm die mainzi⸗ 28. Oct.
fche Pfandſchaft der Bergſtraße bis zur Abzahlung der darauf
verfchriebenen 100,000 fl. zu laſſen und ihm und den Seints
ohne Zobifchlag. Niemand frage darnach. Der Pöbel Iebe fehr unges
orbnet und bem Bauche ergebens was in ber Woche verdient worden,
gehe am Sonntag auf. Groß fei bie Zahl der Hffentlichen Dirnens auch
die rauen ſeien felten mit einem Manne zufrieden, daher wenig alte
Zamilien, immer neue Anlömmlinge c. Opp. p. 718 saqgq.
535 Bud I. Erfter Zeitraum. Abfhnitt 4.
gen bie päpfifiche Abfolution zu verfchaffen. Daffelbe verſprach
Adolf dem Diether auf feine Koflen und die Ausſoͤhnung mit
dem Kaifer bazu. Diether muffte auf das Exzbiöthum ver
zichten ‚gegen einen Xheil des Landeögebietes ').
Durch diefe inneren Kriege wurde die Reichöverfaffung
und der Zürfenzug aufgehalten, boch blieb der Sieg enblid
auf Seiten des Kaifers und bes Papfled. Die Zufammenbe
sufung der Zürften durch ben Erzkanzler und die Berufungen
auf ein allgemeines Concilium wurden mit einander nieberge
fhlagen. Weil jedoch Pius II. immer an feine frühen Grund
fäße erinnert wurbe, fo hielt er nicht für überfläffig, noch im
— dritten Jahre ſeines Papſtthums einen oͤffentlichen Widerruf
— derſelben ausgehen zu laſſen. Dieſe iſt in einer foͤrmlichen
Bulle an Rector und Univerfität zu Coͤln gerichtet. Pins ſagt
darin: „er habe geirrt wie alle Menfchen, und möge wohl
auch Andere durch ferne früheren Schriften zum Irrthum ver
leitet haben. Da man nım feinen Wählern und feinen Nach⸗
folgern noch Vorwürfe barlıber machen koͤnnte, fo wolle er,
wie der heilige Auguftin, feine Unwiftenheit öffentlich befen
nen. Damit man auch nicht fagen Eönne, er habe erſt bei
“Annahme der apoflolifhen Winde oder um bderfelben willen
feine Gedanken geändert, fo wiberlegt er das, indem er erzäblt,
wie er fchon früher zur diefer Änderung gekommen, und ſchloß
mit dem Belenntniß, daß der Papft allein ein allgemeines Con⸗
cilium berufen und aufheben könne.‘
Zur nämlichen Zeit wuflte Pius den König von Frank;
reich zur Herausgabe der pragmatifchen Sanction zu bewegen
und alfo auch von biefer Seite den päpflliden Stuhl von
Beſchraͤnkungen zu befreien. Endlich bielt fih Pius IL flarf
genug zu vertilgen was noch von Reformationsverſuchen uͤbrig
war, Alles was zu ben allgemeinen Concilien Anlaß gegeben
ober was noch ferner Anlaß geben konnte. Er verbot ben
Böhmen geradezu bei ſchwerer Strafe den Gebrauch des Keb
des und wollte bie Compactaten aufgehoben wiflen ?).
1) Häberlin Beichsgefehichte VI, 501 ff. Das Ganze dieſes Für:
ſtenkriegs ſ. Geſchichte von Schwaben V, 142-170.
2) Tr kenne, ſagte Pius, gar keinen ſolchen Vergleich und werdt
&. Friedrich II. 1440-149. 539
As fein Legat Fantini wegen unbefonnener Steben verhaftet
wurde, wollte er ben König Georg mit dem Bann belegen 1463
und nach Rom citiren. Raum ließ er fich durch den Kaifer Mir
und ben Herzog Ludwig von Baiern abhalten die Bulle be
kannt zu machen. Einſtweilen berubte die Sache bis auf feis
nen Tod.
Dies Alles galt noch der Beſitznabme ber apoftolifchen
Würde im ganzen Umfange ihrer Primatialrechte. Zugleich bot
Pins IL Alles auf um feinen Lieblingdentwurf, den Kreuz:
zug, woran bie Vorgänger. erlegen waren, noch burchzujehen.
Schon während der Vermittlungen im Fuͤrſtenkrieg fandte er
dem K. Matthias von Ungern eine Summe Geldes für feine
Kriegsvoͤlker. Alfo wurde boch ein Theil ber eingebrachten
Gelder, wiewohl Pius verfchwenberifch lebte, zu ihrem Zwecke
verwendet. Nachdem feine befonderen Gefandtfchaften an die
europäifchen Könige wenig gefruchtet, ebenfo wenig die Fran⸗
eifcanermiffionen an bie Fürften in Perfien und Armenien zum
gleichzeitigen Angriffe auf die Tuͤrken, am wenigften aber ein
Bekehrungsſchreiben an den Sultan Mahnmnid felbft, fo ließ
Dius in demfelben Jahre mit der Widerrufäbulle eine Kreup -
Bulle in die ganze Chriftenheit ausgehen. Er fagt darin, alle
bisherigen Entwürfe feien vergeblich gewefen, auch fogar der
ausgefchriebene Behnte und Ablaß werde zu feinem Nachtheil
ausgelegt; bie große Gleichgültigkeit fer ed, welche das unbe:
ſchreibliche Unglüd angerichtet habe. Nun wolle er das größte
Verſprechen thun unb feinen Kopf felbft zu dem Feldzuge ans
bieten. „Welcher Ehrift," fragte er, „würde wohl fo fleiners
nen und eifernen Herzens fein, daß er zu Haufe bleiben koͤnnte,
wenn er hörte, daß der Schlüffelträger des ewigen Lebens mit
ven Cardinaͤlen und vielen Klerikern ſich in's Feld begebe?“
Er zaͤhlte dabei auf die Venetianer, Ungern, Albaneſer und
alle Griechen. Vom teutſchen Reich ſagte er Nichts; er wuſſte
nun ſchon, wie wenig von den uneinigen Staͤnden und dem
trägen, kargen Kaiſer zu erwarten wäre. Nur bed Herzogs
auch in Glaubensfachen Keinen eingehen. Dazu hätten die Böhmen, was
ihnen zu Baſel zugefianden worden, aͤberſchritten. Schroͤckh Kirchen.
gefchichte 34. Ed. ©. 734.
50 Bud I. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 4.
von Burgund iſt gebacht, ber ſchon früher ein Gelüͤbbe bei
halb auf fi genommen. CS liefen zwar, wenngleich bie
Fürften Nichts thaten , viele freiwillige Leute aus Zeutfchland
wie aus Frankreich und Spanien zufammen; Pins muſſte fie
aber größtentheild wieber zurüchveifen, weil fie den noͤthigen
Unterhalt nicht mitbrachten ober überhaupt untüchtig waren.
1464 Er beflimnte Ancona zur Einfchiffung, und da bie Benetia⸗
15. Aug.
ner eben eine Niederlage von ben. Zürlen erlitten, fo betrieb
er die Anflalten perfönlich, während er noch in den Bäben
verweilte. Er litt fehr an Gicht und Fieber. Als die vene
tianifche Flotte nach Ancona kam, ließ er fih an’s Ufer tre
gen mit tiefer Wehmuth, daß er felbſt keinen Gebrauch mehr
davon machen konnte; denn er war fchon fo ſchwach, daß er
bald darauf flarb.
Soviel vom Einflufle Pius II., des erften Auslänbers,
der ſich in Zeutfchland zu den Öffentlichen Gelchäften gebildet
und geraume Zeit ihrer Leitung bemächtigt hat. Ehe er Papfl
war, hat er, die Schwäche der Zeutfchen benuͤtzend, dem roͤmi⸗
ſchen Stuhl feine verlorne Macht wiedergegeben ımb das An-
fehn ber Goncilien fo gebrochen, daß wenige Jahre feines
Papfityums hinreichten den Sieg zu vollenden und wieber
auf Unternehmungen zu denken, wie wir fie zur Zeit des hoͤch⸗
fien Glanzes gefehen. Seine Regierung iſt ber Wendepunct
der Papfigefchichte, eben weil er nicht geſehen, daß bei die⸗
- fer Art ber Herflellung der Umſturz deſto gewifler erfolgen
muffte, fobalb das Zeitalter dazu reif war !).
1) Immerhin eine merkwürdige Erſcheinung auf bem paͤpſtlicher
Stuhle: kein Mönch, kein Theolog, — ein Rechtögelehrter, ein Rebner,
ein getrönter Dichter, der vom armen Landjunker durch alle Stufen bis
zur erfien Würde der Ehriftenheit ſich aufgeſchwungen, durch Feine an:
deren Hülfsmittel als die in ihm ſelbſt Tagen. Auf biefen verſchiebenen
Stufen hat er bald Lob, unbedingtes durch feine Liebe zu ben Wiſſen⸗
fchaften, bald ſchweren Zabel geerntet. Kür große Ideen —
fühlte er ſich zuerſt von der Freiheit der Concilien begeiſtert; dan⸗
hoffte ex, kurze Zeit, für bie Herſtellung des Kaiſerthums; endlich
faſſte er die Idee des Papſtthums auf, weil er in ihrer Feſthaltung
die meiſte Conſequenz fand. Doch hat nicht er die Schub dieſes legten
Übertritts, fondern K. Friedriche III. unempfaͤnglichkeit. So groß Äncas
8. Friedrich IL, 1440— 1493, | 541
7. Die Folgen: weder Landfriede noch Tuͤrkenzug noch
öffentlicher Geift überhaupt.
Dapft Paul Il. betreibt den Türkenkrieg. 8. Frieb⸗
rich erfhwert die Landfriedensorbnung Jener
vereitelt das Ganze durch unzeitige Verketzerung
des 8. Seorg von Böhmen. Kaifer und Papft wen
den den Kreuzzug gegen diefen. Friedrichs Wall
fahrt nah Rom zu Gunſten feines Sohnes. K. Mats
thias von Ungern muß fein Bünbnig mit 8. Georg
wieder aufgeben. Die Türkenkriegsanſtalten auf
dem großen Reichstag zu Regensburg (gemeiner Pfen⸗
ning) werben durch bie Städte hinter fih gebradt.
Wo ift das bürgerliche und kirchliche Leben hinges
kommen? Georgs von Heimburg Ausgang.
Kaifer Friedrich, feit dem Tode feines Bruders Albrecht im 1464
ruhigen Beſitze der öfterreichifchen Lande, Eonnte nun wohl .
dem Reiche mehr Sorgfalt widmen als biöher; doch Fam er
immer noch nicht felbft und ließ es fogar zwei Jahre anftehen,
bis er nur wieder einen Reichstag berief. In der That iſt 1466
ed ber neue Papft Paul IL, ber den Reichstag wegen des Nov.
Tuͤrkenzugs betrieb.
in ben Geſchaͤften erfcheint, fo verliert doch das Meifte feinen Werth
durh Mangelan fittliher Haltung, durch die zweimalige Ber
änderung feiner Grunbfäge. Nur bie Formen find es bie ihn begeifter-
ten; das Wefen ber Kirche ift ihm am meiften fremb geblieben. Wie
beugend, daß ihm zulegt bie Körperkraft verfagte für ihre Auffere
Größe noch etwas Entſcheidendes zu thun! Kein ungünftiges Zeugniß ifl,
daß Aneas in allen Ständen Freunde ſich erworben, von welchen bie
meiften auch dem Pius nicht abgmeigt wurden. Ebenfo erloſch in ihm
auch die Erinnerung an Bafel nicht, da er in der Külle feiner Macht
auf dem Gongreß zu Mantua freifinnig die dortige Univerfität beftätigte
(3. Müller Schweizer⸗Geſchichten IV, 452 ff.; vergl. Aen. Sylv.
Opp. p. 1053.). Seine Schriften, obgleich eine Zwitterart zwifchen ben
alten und ben fpätern Römern, lieft man, befonders in Vergleichung
mit andern gleichzeitigen, nicht ohne Vergnuͤgen, und «8 ift fpaßhaft,
daß die Rachfolger einen Theil derſelben auf die Lifte ber verbotenen
Bücher geſetzt haben.
542 Bud IL Erſter Zeitraum. Abſ qhnitt 4.
1466 Die Stände kamen auf die alte Bedingung zuruͤck, „af
die teutfche Nation Niemand wider den Zürken ſchicken möge,
es fei denn zuvor ein gemeiner Landfriede in teutfchen Landen
errichtet.” Schon vor dem Reichötage waren bie ſchwaͤbiſchen
Stände zu Um und Reutlmgen zufammengelommen, um-fid
zu berathen, wie der Sandfriebe vorerft in einem Theile dei
Reichs in's Werk gefebt werden koͤnne, da man bei dem Haſſe
des Adels gegen die Schweizer einem neuen Krieg entgegen
ſah. Zu Nürnberg Fam der Reichötag nicht weiter, ald ba
ein Rathfchlag gemacht wurde, welchen die Städte zum de
richt nahmen. Nach diefem folten auf den nächften Somme
20,000 Bann nach Ungern gefchidt, indeſſen aber ein Lan:
friede auf 5 Jahre errichtet werden, der vom Papfle zu be
flätigen wäre. K. Seorg von Böhmen, ein ausgegeidne
tee Feldherr, erbot fich mit feiner ganzen Macht gegen die
Zürken zu ziehen. Allein flatt darüber froh zu fein, meinte
der päpftliche Legat Fantini, man folle die Gefandten dei
Königs, der ein heimlicher Utraquiſt und Ketzer wäre, ga
nicht annehmen; und nun muſſte auch die von Pius IL zurid
gehaltene Bannbulle publictrt werden. Noch mehr, Paul IL
Hatte ſchon für einen Nachfolger geforgt und die boͤhmiſche
Krone dem K. Kafimir von Polen antragen laffen *). Diefe
Schritt machte großes Auffehen im Reich. K. Georg fland
mit den Kurfürften in freundfchaftlichen Verhaͤltniſſen und
hatte ihnen gegen ben Kaifer beigeftanden. Wenn der Koͤnig
von Polen, der eben durch den thorner Frieden ben langen
Krieg gegen ben Xeutfchorden. mit Unterwerfung von Bel
18. Oct. preuffen endigte, nun auch in den Beſitz von Böhmen km,
fo erfchien er als ein gar zu mächtiger Reichsſtand. Am Kar
fer war es den Papft zu fragen, wie er dazu komme Rede
lehen einzuziehen und zu verleihen. Allein er ließ ben Papf
gewähren und dachte babei im Zrüben zu fifchen. Dadurh
wurbe K. Georg fo aufgebracht, daB er gegen den Papf a
ein allgemeines Concilium appellitte, dem Kaifer aber einen Ab⸗
Dec. fagebrief zuſchickte mit bittern Vorwuͤrfen uͤber feinen Undank)
1) Dlugoss. L, XUL Balbin. L. V.
2) Lünig Cod. germ. dipl. I Nr. 405.
K. Friedrich IL, 1440-1493, 543
Friedrich Tehrte fich nicht daran; vielmehr ließ er auf dem näch-
fin Reihdtag zu Nürnberg zwei päpftliche Bullen verlefen, 1467
welche die Fürften auffoderten Hülfe gegen K. Georg zu ge: Jul.
ben und gemeinfchaftlich mit dem Papſte beffen Reich einem
chriftlichen Regenten zu übertragen. Unter dem Lebtern Dachte
Friedrich wohl an feinen andern ald fich felbft, denn er hatte
Böhmen fo wenig ald Ungern aus den Augen verlorenz .
allein er fah fich bald betrogen: im nämlichen Beitpunct kamen
die Tatholifchen Landherren in Böhmen auf Betreiben bed Pap⸗
fled zu Iglau zufammen und wählten den K. Kaſimir von
Polen oder defien Sohn zum König Kaflmir bezeugte jedoch
keine Luft, feinen bisherigen Freund und Bundesgenoffen zu
befriegen; vielmehr bot er, in Gemeinfchaft mit dem teutfchen
Reich, feine Vermittlung zwifhen 8. Georg und den katholi⸗
fihen Landherren an und brachte einen fünfmonatlichen Still: Dee.
fland zu Wege.
Der zweite Reichstag zu Nürnberg war eigentlich in der
Abficht berufen, den vorgefchlagenen Zürtenzug und Lands»
frieden zur Ausführung zu bringen. In Abficht des erflern
beachte man zwar den legten Antrag nach langen Berathuns
gen zum Befchluß, auf den Zünftigen Sommer 20,000 Mann .
wirklich. zu flellen und jeden Reichsſtand dazu anzufchlagen.
Aber über die Landfriedensorbnung entfland Uneinigkeit. Ein
Theil wollte beim legten nümberger Beſchluß ſtehen bleiben.
Die Städte hätten gern gefehen, daß der frühere Entwurf
‚von ſechs Kreifen in's Werk gefebt winde. Anderen fchien
die Strafe der Zriedbrecher zu hart. Wieder Andere fchlugen
ein Buͤndniß unter ben Kurfürften und Kürften vor, worein
auch der Kaifer, ald Herr von Öfterreich, treten follte; babei
wollten jene fich befonders verwahren, daß der Landfriede nicht
wider ihre (lanbeshoheitlichen) Rechte und Freiheiten fein follte.
Der Kaifer, der auch an diefem Neichötage nur durch Abges
ordnete Zheil genommen, war mit ben Borfchlägen nicht zus
frieben und erließ von Wieneriſch⸗Neuſtadt ein Mandat, wel 20, Aug.
ches, mit Beſtaͤtigung des legten nuͤrnberger Befchluffes, alle
Befehdungen bei Strafe des Majeftätöverbrechend und der
Reichsacht auf fünf Jahre mieberlegte. |
Der Kaifer that alfo diesmal einen Machtſpruch, jedoch
544 Bud IE. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 4.
1468 bloß in der Abficht, ums ben Kreuzzug gegen ben K. Georg
von Böhmen zu rüflen. Da bie Fürften Feine Luft bezeug⸗
ten der päpftlihen Auffoberung zu entfprechen, - fo ließ er
einflweilen in Oſterreich das Kreuz predigen und trat in ein
geheimes Buͤndniß mit K. Matthias von Ungen, K. Georgd
Schwiegerfohn: er verfprach ihn die Belehnung mit Böhmen,
‚ wenn er es erobern würbe, doch daß er ihm auf den Zall
feines unbeerbten Abfterbens die Nachfolge in Ungern zufichere.
Georg befchwerte ſich über diefe Schritte in Öffentlichen Aus⸗
ſchreiben an die teutfchen Reichöflände und ließ feinen Sohn
Victorin gegen den Kaifer zu Felde ziehen. |
Auch der Papft erlaubte fi den ZTürfenkrieg einflweilen
auszufegen; er erlaubte, was er fonft nie zugab, daß Matthias
einen Stillſtand mit den Ungläubigen einging; er unterflüßte
ihn mit Geld und ließ durch feine Legaten alle Ausföhnung
zwifchen. Georg und Matthias verhindern, Alles in der wohl
gemeinten Abficht, zuerft die böhmifchen Keger zu vertilgen.
Matthias fchlug den Victorin aus Öfterreich zuruͤck und befegte
‚Mähren, wuſſte auch durch verftellten Frieden fi) darin zu
behaupten.
Der Kaifer, ber immer noch nicht recht wuſſte, was er
denn eigentlich von biefem Kriege für ſich zu hoffen habe
lief jest im buchftäblichen Verflande dem Papfte nah. Es
fiel ihm ein, daß er, während ihn bie Wiener in feiner Burg
belagerten, das Gelübde eine Wallfahrt nah Rom gethan
24. Dec. habe. Bei feiner Ankunft benahm er fich, ald ob er fih naͤ⸗
bern Rath wegen bed Zürkenzugd vom Papfle erbitten wollte,
weil indeffen alle Anftalten im Reich vergeblich geweſen; dann
ließ er Etwa von einer allgemeinen Kirchenverfammlung zu
Coftanz fallen, wahrfcheinlicd um den Papfl durch diefed zu
Rom ungern gehörte Wort deflo eher zur Ginwilligung in
feine andere Bitte zu bewegen. Und nun eröffnete er im Ber
teauen, ber Papft möchte zur Nachfolge feines Sohnes Mar
milian auf dem böhmifchen. und ungerifchen Thron feine
Beiftimmung geben. So viele Gewalt Paul IL. durch biefen
Antrag fich eingeräumt fah, fo hatte er doch Feine Luft darauf
einzugehen und ftedte fich hinter allerlei Verzögerungen. Rad
fiebzehn Tagen ging ber Kaifer misvergnügt zuruͤck, doch ließ
8. Friedrich IL, 140—1493, . 545
er ſich mit einigen hundert Pfrünben zu beliebiger Vertheilung
beſchenken *).
Gleich nach ſeiner Zurückkunft ſetzte der Kaiſer einen 1469
Reichstag nach Regensburg, der in Gegenwart. bed päpfllichen Sr.
Legaten über Fortfekung des böhmifchen Kriegs handeln
ſollte, fich aber unverrichteter Dinge vertagte. Matthias dages
‘gen, dem bed Kaiferd‘ Schritte zu Rom verrathen worden,
ſchloß mit feinem Schwiegervater Georg auf ein Jahr Stils 4. April
ſtand. Allein obgleich der. Papft einen Stillſtand mitden Tür: |
ten erlaubt hatte, fo erklaͤrte er doch diefen mit einem ketzeri⸗
ſchen Könige für ungültig, und ber wankelmuͤthige Matthias
ließ fich zur Wieberergreifung ber Waffen bewegen; ed gelang .
ihm auch in Mähren und Schlefien bie Huldigung einzuneh⸗ Mai.
men. Deſto fiandhafter behauptete fih Georg in Böhmen
und befchloß den Sohn des Königs von Polen zum Nachfol⸗
ger anzunehmen.
Indeſſen fielen 20,000 . Zürten, "unter ‚dem Baſſa von
Bofnien, Affabey, in Kroatien, hann in Krain ein, und erreich
ten alfo, auſſer einer frühen Berührung ber windifchen Mar,
zum erflen Mal unter ſchrecklicher Verheerung ben Reichsboden.
Das war denn mit Recht ald Schuld des muthwillig herbeis
geführten böhmifchen Kriegs anzufehen, und doc ließ man -
bei der nahen Gefahr für Zeutfchland und Italien noch zwei -
ganze Sabre verfliefien, bis der Kaifer endlich, ba die Tür:
ten in fein Jagdrevier einbrachen, fich entſchloß, nach den
Vorberathungen zu Wien und Nürnberg, in eigner Perſon
einen großen Neichötag zu Regensburg zu halten. Wegen ber 1471
Wichtigkeit und der zahlreichen Befuchung auch von auswärs Jun.
tigen Gefandten heifft diefe Verfammlung: „ber Faiferlich chriſt⸗
liche Zag der Türken halber zu Regensburg.” Wiewohl ber
legte fünfjährige Landfriede noch beftand, fo war doch in allen
Zanben folche Unficherheit, daß bie Reichsſtaͤdte „wegen biefer
gefährlichen Läufe dem Kaifer 200 Reiſige zur Bebedung
entgegenſchicken muſſten. Diefe durften jedoch zwei Monate
zu Paffau barren, bis der Kaifer herauſtam. Nachdem er acht
1) — Piccolomini Card, Papiens, — L. VIL Dio-
zvoss. |.
Dfifer Geſchichte d. Teutſchen IIL 35
546 Bud IL Erſter Zeitraum. Abſchaitt 4.
Tage zu Regendburg von ber Reife gerubt, wurben die Gi;
zungen eröffnet. Aber ſchon bei ber etwas langen Cröffnungs-
rebe des Legaten Campanus fchlief der gute Kaiſer ein; ber
erſte Legat Jatob Piccolomini, Better des verfiorbenen Anzas,
erlaubte fich ihn zu weden). Run verlangte ber Kaifer zu:
naͤchſt zur Grenzvertheibigung, d. h. für feine eigenen Lande,
10,000 Mann nebfl Ergänzungszufge; dann follten die Stände
rathichlagen, wie auf das mn: en |
tiger Heerzug gegen bie Tinken zu bewerkſtelligen wäre.
dieſem Antrage waren bie paͤpſtlichen Begaten mit Recht =
zufrieden; fie meinten, das Lebtere follte das Erſte fein. Aber
der Kaifer kannte fchon bie Stimmung bed Reichſtags. Die
Grenzwehre mit 10,000 Dann und weiterer Ergänzung farb
keinen Anftand; die Fürften bewilligten fie fogleich, die Städte
nach ein Paar Zagen Bebenkzeit. Der allgemeine Heerzug
ſollte im naͤchſten Jahre vorgenommen werben; Alles aber un
ter ber alten Bedingung bed Landfriebend. Das war num eben
was dem Kaifer immer zu ſchwer bäuchte: er hätte gem um:
bedingte Zufage gehabt. Indeſſen wurbe ein Ausſchuß nieber:
gefest, um den Anfchlag zu den beiden Ausrhflungen fowie
bie Lanbfriedensordnung zu entwerfen. In Ruͤckſicht des Er⸗
ſtern ging man auf den im Huſſitenkriege aufgekommenen
„gemeinen Pfenning“ zurüd, jedoch mit ber bedeutenden
Erhöhung, daß nicht wie damals ber hunberte fonbern ber
zehnte Pfenning ober Vermögensfleuer von allen unmittelba-
ven und mittelbaren Reichsunterthanen entrichtet werben follte.
. Die Fürften waren damit zufrieden, aber die Städte es
hoben weinerliche Klagen und ftellten vor, wie fie ſeit geraus
mer Zeit mit vielen verberblihen Kriegen zu Waſſer und zu
Land und in viele andere Wege befhäbiget worden, und baten
daher um einen leiblichern Anfchlag.
Da wieber fihlimmere richten aus Krain einliefen,
wollte der Kaifer einen andern Anfchlag vornehmen und den
Landfrieden verlefen laffen. Aber damit waren bie Städte
wieber nicht zufrieden und wollten bie Sache erft „hinter fid
1) Bu ben letztangefuͤhrten gehören noch Campani Epp., im Xs:
bang zu den Commentarien bes Gobelin und Jac. Piccolontini.
8. Friedtich IL, 1400-1498. 047
bringen‘! (an ihre Gonmittenten). Die ſchweigeriſchen Eidge⸗
noſſen hatten auch keine Luſt dazu, und die Graven und Hr
ren hielten es für eine doppelte Befchwerung, wenn zugleich |
mit ihnen auch ihre Leute belegt würben. Der Kaifer verlegte 1471
den Reichstag nach Nürnberg, weil Mangel und Krankheiten Aus
entftanden. Indeſſen befprachen fich die Städte zu Frankfurt
und orbneten fieben Geſandte an den Kaifer ab, welche ihm
erklärten, ber zehnte Pfenning fei bei. ihrer Verarmung zu
ſchwer; fie.wollten zu einem gemeinen Heerzug gegen bie Tuͤr⸗
ten willig fein, wenn alle Lehenlente bes Reichs fich aufs
machen würden (alfo Anſchlag an Mannfchaft, nicht an Gelb).
Auf dem verlängerten Reichötage zu Frankfurt blieben fie auf”
ber vorigen Antwort, und fo kam in viermonatlichen Verhand⸗
lungen Nichts zu Stande. | |
Der Kaifer berief nun wieder einen Reichstag nach Augs⸗ 1473
burg und kam felbft in die vordern Lande, wo er in breiffig
Jahren, feit feiner Schweizerreife, nicht mehr gefehen worben
war. Allein es war ihm jest weniger um ben Zürkenzug
als um eine Zuſammenkunſt mit dem Herzog Karl von
Burgund zu thun. Den Städten wurde ein anderer Ans '
ſchlag gemacht. Mit Ausfchluß ber Herren: und HanfesStäbte
und der Schweizer follten die Reichöftädte zu ben 10,000 Mann
Grenzwehre 1000 zu Roß in die Eaiferlichen Erblande ftellen.
Beil aber nur funfzehn Gefanbte von ihnen dawaren, wel
che Feine volle Gewalt hatten, fo muffte ihnen der Kaiſer wies
der das Hinterfichbringen erlauben. Die Städte wankten jegt:
ein heil wollte dem Kaifer feinen Willen thun; bie Mehr
zahl aber flimmte dagegen und gab dem Kaifer zu Straßburg
die bisherige Antwort. Er befahl, fie ſollten bei feine Ruͤck⸗
kehr vom Niederrhein mit voller Gewalt zu Augsburg erfcheis 17
nen. Hier wurben ihre Eimwendungen 'gegen ben vierjähri-
gen regensburger Landfrieben nicht gehört und mit Einwilli«
gung der Kurfürften eine Verlängerung auf ſechs Jahre ver-
fünbet, doch mit Vorbehalt näherer Vorſchlaͤge von Seiten der
Staͤdte uͤber die Art der Handhabung. Wegen Berweigerung
‘des zehnten Pfennings ließ der Kaiſer den Städten einen
harten Verweis geben: „er fei bisher nur durch feine abelige
angeborme Milde abgehalten worben Strenge gegen fie zu
35 *
H
r
1
;
|
LH H
I
nie
Hm
Al
vr
H
8
HH
Bpza
Für:
Hr
—X
trag zu entkraͤften, ſo wollten ſie, wenn der Kaiſer
meine Hälfe nach dem Herkommen auf des
3
5
8
5
&
i
E
Es
ging. Im eine ſolche Verfafiungslofigkeit ließ K. Friedrich TIL
bad Reich verfinten, daB man nicht mehr eine Grenzwehre
aufbringen konnte.
Sehen wir um 50 Jahre zurhd auf die Zeit ber coſtan⸗
zer Kicchenverfanmlung, fo fragt man erflaunt: wo if da3
bürgerliche und kirchliche Leben, das damals in fo freu
diger Bewegung wear?
So arm waren die Städte Doch wohl nicht, daß fie jene
Anlage nicht auf fi nehmen konnten; fie haben auch gleih
im Bolgenden ſich wieder flärder angegriffen. Der Kaiſer
1) Das Gange, auffer den einzelnen Eitaten, nah Müller RZ.
Theatrum Vorſt. IV. V. Geſch. v. Schwaben V, 191—206. |
\r
- 8. Friedrich IL, 1440-1493. . 59
ſchwankte ſelbſt; ex wollte fie als unmittelbare Unterthanen
fhonen, weil er in feinen Gelbverlegenheiten immer wieder zu
ihnen Zuflucht nahm. Der wahre Grund ihrer Zuruͤckhaltung
iſt im Städtefrieg zu fuchen. Der Kaifer hatte fie den Fürs
fien preißgegeben, weil fie ihn im Schweizerkriege ſtecken
lieffen. Nun wollten fie ihn in ben Erblanden daſſelbe füh ⸗
len laſſen.
Die ſchlaffe Reichtverwaltung unter den —
hat doch die heilſame Folge gehabt, daß die Staͤnde zum
Selbſtgefuͤhl gekommen ſind und durch ihre Einungen den
Mangel der Geſammtoerbindung zu erſetzen geſucht haben.
Aber dieſe Zuſammenwirkung iſt jetzt auch erloſchen. Die
Staͤdte konnten ihren fruͤher ſo maͤchtigen Bund nicht mehr
herſtellen, weil lauter kleinliche Intereſſen die Oberhand be⸗
hielten. Eben dieſe aͤngſtliche Berechnung hat ſich dann auch
nicht geſcheut in Abficht der Reichswehre ſich auszuſprechen.
Die kirchlichen Verhandlungen wichen immer mehr von
der Hauptſache ab, und ſomit erloſch auch der Eifer für
dieſe. Die baſler Vaͤter traten durch voreilige Wahl eines
Gegenpapſtes aus ihrer Stellung heraus. Die Kurfuͤrſten
wollten die Neutralitaͤt durch ein drittes Concilium behaupten.
Aber der ſchwache Kaiſer, auch fuͤr ſeine Gewalt beſorgt, ließ
ſich fangen. Die Fuͤrſten und Biſchoͤfe wurden einer um den
andern berlibergebracht. Es war ja nur noch ber Finanz⸗
yunct, um den ſich Alles drehte. Wie Tonnte man bei bies
fer Lage der Dinge zu Rom fi) noch überreden die Voͤller
zu einem Glaubenskrieg zu entflammen, da ihnen Alles ent
fremdet war, was biefen Glauben hätte theuer und heilig
machen Eönnen? In Böhmen war noch Etwas von biefem Ge:
fühl vorhanden; bas muſſte auch noch vertilgt werden, um
endlich Har zu fehen, daß Bein Auffchwung irgend einer Art
mehr möglich fei. Wenige Stimmen waren noch übrig, wie
die Georgs von Heimburg, ber, ald Pius den Bifchof
von Würzburg gegen ihn zu Felbe ziehen ließ, lieber in's
Elend ging, als daß er fein Haupt hätte beugen wollen. Er
ermuthigte den Erzherzog Albrecht, dann den Erzbiſchof Dies
ther; ald er in Zeutfchland Alles verloren fah, fand er Schuß
bei dem K. Georg von Böhmen, den er mit feinem Kath
550 Buch I. Exfter Zeitraum. Abſchnitt 4.
unterflügte. Dreiſßg Sabre hatte ex der Stadt Nürnberg mit
Ruhm gedient und durch feine Sefandtichaften auch in Italien
einen großen Namen erlangt. - Paul IL ſprach noch einmal
den Bann über ihn aus. Endlich, nachdem K. Georg und
Rokyczan geftorben waren, nahm ber mübe, fliehenbe Greis,
4472 kurz vor feinem Zobe, aus der Hand des Bifchofs von Meif-
Aug. fen den Frieden der Kirche ').
8. Das burgundifche Erbe.
Söpenunet des neuburgundifhen Hauſes. Erwer
, bung des Herzjogthbums Luremburg. VBorderöfter:
teih wird an Burgund verpfändet, umbiefe Macht
gegen die Schweizer zu gebrauden. K. Friedrich
und Karl der Kühne zu Trier. Die burgundifde
Königswürde und die Verlobung der Maria mit
Marimilian durch 8. Ludwig XI von Frankreich
verhindert. Goalition von Öfterreich, Frankreich,
Schweiz, Elfaß und Lothringen gegen Karl ben
". Kühnen. Bald auch Reichskrieg wegen Neuß. Se:
paratfriede des Kaifers und des Königs Lub-
wig XI Karls Angriff auf Lothringen und bie
Schweiz (bie obere und niedere Bereinigung).
Die großen Zage bei Sranfon, Murten, Nancy.
Nah Karls Untergang will Frankreich zugreifen.
Marimilian erhält die Zuſage der Maria. Die
Schweizer heifen Frankreich befeitigen und fhlief
fen ewigen Frieden mit Öfterreich.
Wahrend Kalfer und Reich in gänzliche Unthaͤtigkeit verſan⸗
ken, ſah man mit verſchiedenen Empfindungen auf bie empor:
blühende Größe ded neuburgundifchen Hauſes, das nun
eben nicht müffig war von ben Umfländen Hugen Gebrauch
zu machen. Schon bei ber erfien Reife in die obem Lande
nach der Krönung hatte 8. Griebrich OL eine — mit
| 1) Adami vitae Germ. Jureeonsult. p. 8. Müller Schwetzer⸗
geſchichten IH, 504. 536. Shrödh a. a D. ©. 26L ff. !
8. Geiedeich II. 4440-149, 551
dem Herzog Philipp von Burgund zu Befancon '). Er dachte 1442
wohl ſchon damals an eine Verbindung ber beiden Haͤuſe.
Kein Fürft konnte fih mit bem reichen Herzoge meflen. Bei
der Kirchenverfammlung zu Bafel trat er mit einem koͤnigli⸗
hen Anfehn auf. Dem Papſte entging nicht, daß man ſich
von ber burgundifchen Macht gegen bie Türken mehr verfpres
chen bürfe ald vom ‚ganzen Übrigen Reihe. Am wenigften
entging bem Könige von Frankreich, wieviel Gewicht biefer in
der Mitte liegende Staat, halb im teutfchen, halb im franzd:
fifchen Lehenverbanbe, auf bie eine ober Die andere Seite legen
koͤnne. Der Streit um bie luremburgifche Stammherr⸗
Schaft iſt oben fchon berührt worden; er enbigte bamit, daß
Herzog Wilhelm von Sachfen und feine Gemahlin Anna, K.
Albrechts IL, Tochter, ihre Rechte, weiche K. Karl VII. von
Frankreich ſchon angekauft hatte, nach deſſen Tode an Herzog
Philipp von Burgund für 50,000 Schildthaler verkauften. 1462
Karl der Kühne, Philipps Nachfolger, bezahlte der andern 4467
Tochter 8. Albrechts, Eliſabeth, K. Kafimird von Polen Ge⸗
mahlin, fuͤr ihre Anſpruͤche an Luxemburg ebenfalls eine große
Summe Geldes), und ſomit wurde dieſe ſchoͤne Provinz
ohne weitern Widerſpruch mit den burgundiſchen Landen ver⸗
einigt. Erzherzog Sigmund, nach dem zweiten Schweizer⸗ 1468
krieg, der im waldshuter Frieden mit bedeutenden Opfern ge⸗
ſchloſſen worden, in neuer Verlegenheit theils wegen der Frie⸗
densgelder theils wegen des unzufriedenen Adels, wandte ſich,
weil der Koͤnig von Frankreich bereits die Abſicht hatte die
Schweizer gegen Burgund zu gewinnen, an den Herzog Karl
und bot ihm Vorderoͤſterreich als Pfandſchaft an für die Sum⸗
me von 50,000 fl. *), in Erwartung, dieſer kriegeriſche Fuͤrſt
werde bald den Schweizerbund dahin bringen, daß Öflerreich
nicht mehr ein Spott der Kuhhirten fein dürfte. Für Karls
des Kühnen Vergrößerungsbegierbe konnte Nichts erwünfchter
fein als die freiwillige Abtretung ber Schlüffel Teutſchlands,
1) Haͤberlin NReichögefch. VI, 126.
2) Bertholet. Hist. de Luxemb. T. VII. VIII.
8) Die Friebensgelder betrugen nur 10,000 fi. in 1O Monaten zu
bezahlen; das Übrige ging auf die andern Schulden.
’
552 Bud IE Erſter Zeitraum. Abſchnitt &.
1469 der Schweiz und feines Hochburgunds. Die Foderung des
9. Mai, yerfchnideten Erzherzogs fand er eine Kleinigkeit, bie Gelber
wurden bezahlt, die Eidgenofien befriedigt. Dann ließ Karl
„ bie Huldigung einnehmen. und die Verwaltung ber Lande fo:
gleih auf burgundifhen Fuß fegen, ald ob er fihon gewiß
wäre, daß ber Erzherzog bei feiner fchlechten Wirthſchaft fie
nie wieder einlöfen. koͤnnte. Ein paar Jahre ließ er verflieffen,
shne, wie Sigmund und ber öÖfterreichifche Abel erwarteten,
den Krieg gegen bie Eidgenoffen aufzunehmen ').
4473 : Nun kam 8. Friedrich auf den Gedanken, brei Jahre nad
der Romfahrt Karl den Kühnen zu befuchen, uͤm bier für ſei⸗
nen Sohn zu erreichen, was ihm beim Papſte fehlgefchlagen.
Karl hatte eine einzige Tochter, Maria, jest funfzehn Fahre
alt, an Schönheit und Geiſt gleih auögezeichnet, auf welche
einft das reiche burgundifche Erbe fallen folte. Zehn Sabre
(1463) früher, da H. Philipp noch lebte, war der Kaifer bamit ums»
gegangen, ben „böfen pfälzer Fritz,“ den er auf Feine Weiſe
zus Unterwerfung bringen Fonnte, durch die burgundiſche Macht
zu bemüthigen; er wollte Philipp zum Reichsvicar jenfeit des
Rheined und zum Reichshauptmann ernennen, ihm auch ben
Königlichen Zitel verleihen, zugleich aber eine $amilienverbin-
dung anknüpfen. Pius II. folte dazu bie Hand bieten; er
ſchrieb an Philipp; die Verhandlungen blieben aber ohne Er
folg ?). Überhaupt kam K. Friedrich, feit er jener Leitung ent:
behrte, wie wir gefehen, immer tiefer herunter. Endlich kam
Grav Hug von Werbenberg an feinen Hof. Von bie
ſem Augenblide hoben fich die Geſchaͤfte. Grav Hug iſt der
Einzige der an ber vertrauten Unterredbung mit Karl Theil
nahm. Den nächften Anlaß gaben .die Landfchaften Geldern
und Zuͤtphen, welche Karl eben jebt gegen bie Anfprüce
des Graven Egmond von Geldern an fidh brachte. Er bat
ben Kaifer um Belehnung, und biefer verglich fich mit ihm
zu einer perfönlihen Zuſammenkunft. Das war jebodh nur
die Einleitung zu höheren Plauen. Karl wollte die früheren
1) Geſchichte von Schwaben V, 188.
2) nn Sylv. Epp. Nr. 881, Müller 8, Theatrum worß
IV. E.8
8. Friedrich IL, 1440—1493. : 553
Anträge verwirflichen und flelgern. Er verlangte, der Kaiſer
folle die gefammten burgundifchen Lande mit den bisherigen
Erwerbungen zu einem Staate vereinigen, die Bisthlimer
Utrecht, Lüttich, Cambrai und Domid dazu ſchlagen und ihn
zum König von Burgund’ und - ‚zum Reichsvicar jenfeit des
Rheins ernennen. Sein Ehrgeiz ſah fhon, wenn er noch
Lothringen dazu eroberte, im Weſten Teutſchlands ein zweites
Reich entſtehen, das durch Einheit und innere Hüuͤlfsmittel,
hauptſaͤchlich aber durch eine ſtreng geordnete Verwaltung,
worin er Meiſter war, bald das alte Reich uͤberbieten wuͤrde.
Der Kaifer kam feinem Berlangen gern entgegen in Hoffs
nung, baß er ihn durch die Gewährung um fo gewifler zur
Vermaͤhlung feiner Tochter mit Marimilian bewegen würde,
Die Zuruͤckgabe ber vorberöfterreichifchen Pfandfchaft hoffte er
ohnehin, und es war fogar bie Rede davon, die Eidgenofs
ſenſchaft zwiſchen Burgund, Öfterreih und Savoyen zu thei⸗
len. Friedrich hielt ven Gewinn feinerfeits für überwiegend:
denn er entſchloß fich, fobald die Sefandten das Nöthige eins
geleitet hatten, zu dem Herzog bis Trier zu reifen. Die Ders
ſammlung was: ungemein zahlreich und glänzend. Marimis 4473
Lian, in demfelben Alter wie Maria, zu den größten Hoffe 9. en
nungen aufblühend, tritt an ber Seite feines Vaters auf einem
braunen Hengft, in fehwarzer Kleidung, mit herabhaͤngenden,
gelben Soden, und wurde von Karl mit Wohlgefallen gegrüßt.
Maria, Karl Zochter, war mit ihrer Mutter gekommen,
ihre Schönheit verbunfelte ben auderlefnen Schmud. Bei
dem Kaifer waren einige Kurfinften, viele Zürften und Her:
zen; doch erfchien fein Gefolge binftig gegen ben prächtig ges
rüfteten burgunbifchen Adel. Diefer fand an den Zeutichen
Nichts zu bemerken als ihre ſtarken Geſtalten und bie lan⸗
gen, gelben Haare. An der Bruſt des Herzogs glänzte der
Drden bed goldenen Vlieſſes; der Kaifer und fein Sohn tru-
gen den Orden der Mäßigfeit ').
Saft zwei Donate verweilten die beiden Furſten bei ein⸗
ander zu Trier, konnten aber kein rechtes Zutrauen zu einan⸗
der faſſen. Jeder wollte ſeine Bedingung zuerſt erfüllt ſehen,
| 1) Fugger m a. O. S 77%,
554 Buch IE Erfter Zeitraum Abſchnitt 4:
der Kaifer die Vermählung, ber Herzog bie Krönung, wozu
er auch ſchon Anftalt getroffen. Karl beforgte, im erftern Zal
koͤnnten bie Kurfürften noch Schwierigkeiten mit ber Königs
würde machen. Der Kaifer fürchtete, Karl möchte nicht Wort
halten, da er feine Zochter ſchon einigen Fuͤrſten zugefagt
hatte. Diefe Zögerung wuſſte Karld Todfeind, König Zub:
wig XL von Frankreich, Hug zu benutzen. Er warnte
den ohnehin argwähnifchen Kaifer, Karl werbe ſich mit der
Königdwürde nicht begnügen, ſondern bie Hand nach ber
Kaifertrone ausſtrecken. Überhaupt fcheint die Nähe dieſes in
jeder Hinficht überlegenen Fürften dem Kaifer immer brüdens
- ber geworben zu fein; er wuflte fi am Ende nicht anders zu
Gnde helfen, ald daß er ſchnell ohne Abfchied aufbrach und Dem Der
an zog durch ben Graven Hug fagen ließ, Unruhen im Erzſtifte
Coͤln fodern feine Gegenwart; übrigens folle bad Verabrebete
zu einer andern Zeit gefchehen. Karl fand fich Durch biefes
Benehmen fo beleidigt, daß er Rache fhwur. Alles fchien
vereitelt. Doch blieb die Zufammenkunft nicht ohne Folgen.
Marimilian und Maria hatten einander gefehen.
Nach diefer Entzweiung fuchten alle Theile bie Freund⸗
ſchaft der Eidgenofien: Frankreich, Burgund, der Kaifer. Lud⸗
1474 wig AL kam zuvor: die Eidgenoflen fchloffen ihr erſtes Buͤnd⸗
10. San. nig mit. der Krone Frankreich: in diefem Verhältniß gegen
Burgund heiffen fie „Die obere Vereinigung.” Bald
darauf traten die eljäffifchen Stände in ein Buͤndniß mit den
Eidgenoffen gegen die Gewaltthaͤtigkeiten des burgundiſchen
Landvogts in den vorberäfterreichifchen Landen: fie heiſſen „bie
niedere Vereinigung.” Während ber Herzog von Bur
gund feine Gefandten bei den Eidgenofjen herumſchickte, um
ı fie bei friedlichen Sefinnungen zu erhalten, geſchah durch Ein-
wirkung Frankreichs, daß fle auf Anfuchen des Erzherzogs
Sigmund, nach mehr ald anberthalbhundertjähriges Feindſchaft,
eine „ewige Richtung” mit Öfterreich eingingen, welde alle
11. Sun. zehn Jahre erneuert werben follte. Kine ſolche Werbung
nahm die VBerpfändung der Vorlande an Burgund, daß Öfter:
reich jetzt felbft bei denen Hülfe fuchte, gegen die fie eigent
lich gerichtet'war. Es iſt aber nicht der einzige Umfchwung
in diefen Begebenheiten.
8. Friedrich IL, 1440-1493. 555
Die Städte der niebern Bereinigung übernahmen bie
Bezahlung des Pfandſchillings. Der Herzog weigerte ſich die
Auffündung anzunehmen, weil. fie nicht in ber rechten Form
gefchehen; gegen Gewaltfchritte befahl er feinem Landvogte,
Deter von Hagenbach, fih zu rüften. Diefer aber erfüllte
Dabei das Maß feiner Gewaltthaten. Er wurbe in einem
Aufftande unter Mitwirkung bed Erzherzogs Sigmund gefans
gen gefegt und auf einem förmlichen Rechtötage zum Schwerbt
verurtheilt. Karl war eben in den Niederlanden in den leb⸗
Bafteften Kriegsräftungen gegen Frankreich, in Verbindung mit
England, begriffen. Als er die Vereinigung der obern Lande -
und die Hinrichtung feines Landvogts erfuhr und in Alem
die Hand Ludwigs XI. fah, ſchwur er das Leben eher als
Die Rache aufzugeben; und er hielt feinen Schwur.
Vorerſt gab er feinen Hauptleuten Befehl and Hochburs
gund einen Angriff auf Mömpelgarbt und Pfirt zu machen.
Den Graven Heinrich von Würtemberg, ber auf jenes Land
abgetheilt, früher an feinem Hofe erzogen war, nahm er auf,
der Durchreife in den Nieberlanden gefangen und wollte ihn
zwingen ibm die Stabt einzugeben. Die Beſatzung blieb aber
flandhaft und wurde durch Schweizer verſtaͤrkt. Auch traten
die übrigen elfäffifchen Stände in bie niedere Vereinigung.
Es trat ferner der junge Herzog Rene von Lothringen in dies
ſes Bündnig, um einerfeitö gegen franzöfifihe Untreue, ande:
zerfeitd gegen burgundifche Gewalt gefchlist zu fein. So flans
den nun an ber Weflgrenze Teutſchlands zwei große Parteien
gegen einander. Die niebere Vereinigung rief die obere zu
Hülfe; dieſe ſchloß eine neue Übereinkunft mit Frankreich; ber 4474
König und der Erzherzog zahlten Subfidien. Der Kaifer be Oct.
fahl den Eidgenofjen Hochburgund anzugreifen.
Indefien zog Karl mit einem Heer von 60,000 Mann
vor Neuß (am Rhein, im Erzflifte Chin) und gab dadurch)
Anlaß zu einem allgemeinen Reichölrieg. Iene Unruhen, wels Aug-
he der Kaifer zum Vorwand feiner fchnellen Abreife von Zrier
gebraucht, waren veranlafit dur den Erzbifhof Ruprecht,
. der in Streitigkeiten mit feinem Domcapitel durch Mitwir:
fung des Papftes abgefeht worben und dem Adminiſtrator bed
Erzſtiftes, Hermann von Heſſen, nicht weichen wollte. Er rief
1474
81. Dec.
1475
März.
556 Buch II. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 4.
den Herzog Karl zu Hülfe, und diefer war recht frob dem
Kaifer Verdruß zu machen und zugleich feine Macht ale Schirm-
herr des Erzſtifts bis an den Rhein auszubreiten. Die Coölner
riefen den Kaifer an unter großen Gelbverſprechungen. Schnell
erfolgte bas Aufgebot, Friedrich wollte das Reichöheer ſelbſt
führen. Das war auf bemfelben Reichstage zu Augsburg,
auf welchem die Zürkenhülfe zuletzt abgelehnt wurde. Zum
einheimifchen Kriege war Alles gleich bereit. Auch Über den
Pfalzgraven Friedrich wurde die Acht auögefprochen, doch, um
im Hauptlrieg nicht geflört zu werben, wieder ein Stillftand
zugelaffen. Der Kaifer fchloß eine Allianz mit Frankreich;
das Reich trat bei. Während Zriedrich ven Schweizen be
fahl in Hochburgund einzufallen, fandte er dem Herzoge Karl
einen Abfagebrief. Die Reichsſtaͤdte wurden aufgeboten ein
Viertheil ihrer Mannſchaft zu fielen. So verfammelte ſich
ein flattliched Heer von mehr ald 50,000 Mann bei Edln ').
Lange Zeit batte man Feine ſolche Ruͤſtung gefehen. Nach
: Beilegung einiger Irrungen erhob fi) ber Kaifer zum Entfag
von Neuß. Die arme Stadt war aufs Aufferfie gebracht;
nach eilfmonatlicher Belagerung und unzähligen Stürmen, wel:
he fie immer flandhaft abgefchlagen, beſchloß Karl fie auszu⸗
bungern. Als bad. Reichöheer fich bis auf eine halbe Stunde
. näherte, ließ er, ungeachtet dad feinige ſchon fehr gefchwächt
war, einen hißigen Angriff machen und an einem Tage nem:
mal gegen die Stadt Sturm laufen, um fie wo möglich nody
in feine Gewalt zu befommen. Das Reichsheer hätte fich gern
mit den Burgundern in einer Hauptfchlacht gemeflen; ber
Kaiſer hatte ben Oberbefehl dem Kurfürflen Albrecht von Bran⸗
benburg übertragen: aber foweit wollte ex es fchon nicht Fom-
men laſſen. Der päpftliche Legat, ben ex. mitgebracht hatte,
vermittelte einen Stillftand, und bald darauf wurde ber Friede
geichlofien. “Der Kaifer verfprach das Reichsheer zu entlaffen,
werin Karl die Belagerung aufheben, dem Ruprecht nicht mehr
beifteben und den Erzbifchof Hermann anerkennen würbe. Da:
zwiſchen fanb wieder eine vertraute Unterrebung flat. Sm
1) Müller R2. Theatrum Vorſt. V.G. 71. Heinrih Rede:
geſchichte IV, 418, . |
8. Friedrich IL, 1400-199. 557
biefer erhielt Kriebrich ohne Zweifel die Ernenerung des Vers
loͤbniſſes zwifchen Marimilion und Maria; der Artikel wurde
jeboch geheim gehalten, damit die über den unrühmlichen Aus⸗
gang ded Kriegs ohnehin ſchon unzufriedenen Zürften nicht
fagen follten, ber Kaifer habe bie Ehre des Reichs feinem
Haufe geopfert.
Soviel fieht mari, ber Kaifer hatte feinen Swed erreicht: |
denn er fchloß nicht einmal bie Bunbeögenoffen in den Frie⸗
den ein, überließ 'fie alfo der Rache des Herzogs, mit dem
er bald darauf eine ewige Einung ſchloß. Der König von
Frankreich that nicht beffer: er nahm einen Stillſtand mit Karl
an und verfprach ben Eidgenoffen und dem Herzoge von Lo: -
thringen nicht beizufiehen. Alfo waren die Verbündeten, bie
mit ausbrüdlicher Auffoderung vom Kaifer und von Frank⸗
reich in den Krieg gezogen worden, preisgegeben. Doch in
dieſer Bebrängniß gefchahen nun erſt Kriegäthaten, welche ben
Ruhm der teutfchen Waffen über alle andern erhoben.
Karl Überfiel fogleich die Lothringifchen Lande, dann wandte Sept.
er fich genen bie Schweiz; ihre Einnahme fehien ihm eben 1476
nicht ſchwer; dann war ber Weg nach Italien gebahnt, Teutſch⸗
land von Frankreich getrennt und bie burgunbifche Macht von
einem Meere zum andern ausgebreitet. Die Schweizer boten
ihm Frieden an; er aber ließ fich nicht mehr aufhalten, bie
„Bergbauern“ follten feine Rache fühlen. Diefe griffen zu
den Waffen und zogen ihm entgegen. Bel Granſon er 2. März.
fochten fie den erſten herrlichen Sieg, ehe die Verbündeten
alle eingetroffen waren. Als ber Herzog größere Rüflungen
machte und die Eidgenofien ihre Verbündeten mahnten, rief
der Kaifer die ſchwaͤbiſchen Städte ab. Aber der Erzherzog
Sigmund und die niebere Vereinigung zogen mit ihrer gan-
zen Macht zu den Eidgenoſſen. Der vertriebene Herzog Rene
von Lothringen Fam mit einer Heinen Reiterfchaar. Sie tras
fen Karl in einer fihern Stellung bei Murten mit einem
trefflichen Heer und vielem verfchanzten Geſchuͤtz. Die Vor:
but führte Hallwyl, den Oberbefehl theilte Hanns Waldmann
von Zürich mit Wilhelm Hertar von der niebern Vereinigung.
. Man fah keinen Unterfchied zwifhen Schweizern und Bun⸗
beögenofien. Herzog Rene, tm erften Angriff auf das grobe
5585 Bud IN, Erfier Zeitraum. Abſchnitt 4.
Sefhüh, verlor fein Leibpferb und firitt zu Fuß. Hallwyi
umging ben Feind, endlich ſtuͤrmten Alle durch die Verſchan⸗
zung g auf ben Kern des feindlichen Heeres; fie brachten Die
1476 Reiterei in Verwirrung und bas Fußvolk zum Weichen. Zum
22. Jun. zweiten Mal gefchlagen fiel Karl beinahe in Geifteözerrättung.
Indem er Alles in Bewegung febte zu einem dritten Feldzug,
traten Kaifer, Papft und Ungern als Vermittler ein. Die
theinifchen Kurfürſten wollten der niebern Vereinigung beitre
ten. Mit Sapoyen wurde wirklich abgefchloffen; auch bie
Schweizer waren nicht abgeneigt: aber Karl wollte durchaus
den „Zungen von Lothringen” ausgeſchloſſen wiffen. Alſo
noch einmal Krieg. Inbeflen machte Ren& mit einer Schaar
meift freiwilliger Teutſcher einen Streifzug nach Lothringen
und nahm das Land faſt ohne Hinberniß nebft Nancy wie
der in Beſitz. Karl, aus Hochburgund hinter ihm her, bebrohte
25. Och. die Hauptflabt mit einer Belagerung. Rens eiligfk zu den
Schweizem, erhielt flatt ſechs⸗ achttaufenb Zuzug; bie nie
dere Vereinigung brach auf unter Hertar. Mit ungefähr 16,000
‚Mann ellte er zum Entfab von Nancy. Neuer Wetteifer un
1477 tee den Verbündeten. Karld Lager wurbe umgangen, geflürmt
5. San. und zulegt fein ganzed Heer in die Flucht gefchlagen; er felbft
ſtuͤrzte mit feinem Pferd in einen beeiften Graben und warb
unerkannt erfchlagen.
Nachdem die Verbündeten, vom Kaifer und von Frank⸗
reich verlafien, für fich allein bie burgundifche Macht gebro⸗
hen, wollten die Mächte fi) nun ſogleich davon zueignen
foviel fie vermodten. Während Renes Wiedereinſetzung und
Heinrichs von Würtemberg Befreiung durch die Verbimbeten
bewirkt wurbe, befegte K. Ludwig XI. Hochburgund, warb
Schweizer und ließ auch die meiften feften Plaͤtze in den von
Frankreich Iehenbaren nieberländifchen Propinzen einnehmen.
Zugleich bewarb er fi) um die Hanb ber Maria für feinen
‘fiebenjährigen Sohn, den Dauphin Karl. Die niederlaͤndi⸗
fchen Stände bemächtigten fich der Regierung, ertrotzten von
der Megentfchaft der Maria eine Freiheit um bie anderes bie
Genter lieffen fih von Frankreich aufrelzen und verurtheilten
Apr. zwei ihrer Räthe zum Tode. Im biefem Gebränge erfchienen
Sefandte ded Kaiferd, um Maria an ihr Wort zu erinnern.
\
Frledrich M, 10-149. 6460
Ihre Stiefmutter, die Herzogin Wittwe, Margarethe von
York, war es welche den Antrag von Frankreich ablehnte.
Die kaiſerlichen Geſandten zeigten ein Schreiben nebſt Ring,
welches Maria einſt mit Genehmigung ihres Vaters an Maxi⸗
milian geſchickt hatte. Sie erkannte Beides und gab alſo die
feierliche Zuſage für Maximilian. Der Pfalzgrav Ludwig von
Veldenz, des Erzherzogs Bevollmaͤchtigter, ließ ſich die Prin⸗
zeſſi ſin in ſeinem Namen antrauen, und nun kam Maximilian 1477
mit einem ſtattlichen Gefolge nach Gent und vollzog bie Vers 26. Apr.
mählung. » 19. Aus.
Einen ſolchen glüdlichen Ausgang für Öfterreich nahm
der burgunbifche Krieg durch bie Beſtaͤndigkeit der Marin.
In den Verhältniffen zu Frankreich gaben bie Cidgenoffen
wieder den Ausſchlag. Da das Schickſal von Hochburgund
noch unentfchieden war, lieflen fie zwei Gefanbtfchaften zus
gleich an den franzöfifchen und burgundifchen Hof abgehen.
Dort wurden fie mit Stolz empfangen; bier, bei Marimis
lians Vermählungsfeier, ehrenvoll und freundlihd. Dies be
flimmte ihren Entſchluß. Sie fchloffen erft mit Erzherzog
Sigmund, dann mit Marimilian und Maria ewigen Frieden Det.
und redlichen Erbverein, und traten Letzterm Hochburgund ges nn
gen 150,000 fl. für die Kriegskoften ab ').
ſterreichs vermeinter Erbfeind, die Eidgenoffen, weil
fie die habsburgiſchen Stammlande an ſich gebracht, erſt durch
die burgundifche Macht bedroht, dann gegen biefe von ſter⸗
reich felbft und von Frankreich aufgefobert, zulegt wieber im
Stich gelaffen, diefe finb es, welche ald Sieger über Bur⸗
gund, Frankreich Trotz und Hinterlifi mistrauend, fich wies
der offen für Öfterreich erklärten und dieſem alfo zu dem. reis
hen Erbe halfen.
Der Sturz des burgundifchen Reiches aber und bie zu⸗
naͤchſt zwiſchen Branfreih und dem Kaiferhaufe entflanbene
Eiferfucht hat eine Saat von Unruhen ausgeſtreut, welche bis
auf den heutigen Tag fortbauern.
1) Das Ganze nah I. Müller Schweiz. Geſch IV, Eap. 7,-8.
V. Eap. 1, 2. Geſch. v. Schwaben V, 217 246.
560 Bud I. Erſter Zeitraum Abſchnitt 4.
9. Des Kaifers Noty, 14771486.
Sleichzeitige Angriffe der Franzoſen, Ungern unb
Zürken auf die vergrößerten öſterreichiſchen Erb⸗
lande. Die Städte erſchweren wieder die allge⸗
meine Reichshülfe. Zuzüge einzelner Fürſten und
Staͤnde. Tod der Maria von Burgund. Die nie⸗
Derländifhen Stände bemaͤchtigen ſich mit Bei:
ſtand Sranfreihs der Vormundſchaft über ihren
Bohn. Darimilian erhält diefe wieder. Abfall
der Wiener. K. Friedrich IIL aus Öflerreid
; vertrieben.
Kaifer Friedrichs III. Freude über die Erwerbung bes bur-
gundifchen Erbes für feinen Sohn wurde nicht wenig getrübt
durch mehrfältige ſchwere Kriege, welche nicht nur den Ber
luſt des kaum erworbenen Landes fondern felbfi den Sum
des ‚Haufes fürchten. lieffen.
Wie folte der achtzehnjährige Marimilian gegen ben maͤch⸗
tigen und ränkevollen K. Ludwig von Fraukreich, ber in
den Niederlanden immer weiter vorruͤckte, fich behaupten? Sein
Vater Fonnte ihm Feine Hülfe geben, weil ex felbft folder
bedurfte. Doch ließ er den Muth nicht finken; mit Beifland
der treugebliebenen Provinzen gelang ed ihm einen DRonat
1477 nach feiner Vermählung Stilfland auf Wieberablünden mit
18. Sept. dem Könige zu fchlieffen ').
Schon vorher war K. Friebrich in ernfihafter Spannung
mit K. Matthiad von Ungern, feinem biöherigen Bundes⸗
genoffen gegen 8. Georg von Böhmen. Er hatte benfelben
im Verdacht, daß er bie misvergnügten Öfterreicher heimlich)
unterflüße; und ertheilte ihm daher nach Georgd Zobe die ver:
forochene Belehnung mit Böhmen nicht, fondern dem Ulabi:
10. Sun. flav, 8. Kafimird von Polen Sohn, welchen bie Böhmen
durch Mehrheit gewählt hatten. Auch trat er mit ben K.
Kafimir in ein Bünbniß gegen Matthias. - Über ſolchen Un-
dank und Zreubruch, „was doch erbärmlich ſei von einem fo
1) Du Moat T. HI. P. OL. Nr. 9.
8. Friebrich IL + 10-149. . 3661
hoben Fuͤrſten zu Hören *)," fanbte Matthias vol Erbitterung 1477
einen Fehdebrief an den, Kaifer und gab feinem Worte als⸗ 12. Jun.
bald Kraft, indem er in Öfterreich einfiel. Der misvergnügte
Adel trat zu ihm über. Während Marimilians Beilager zu 19. Aug.
Gent gehalten wurbe, war faſt ganz Öfterreich von ben Uns
gern erobert und verheert. Der Kaifer, unfähig zum Wider
fand, muſſte fich entfchlieflen den Frieden mit 100,000 -fl. 21. Dee.
zu erfaufen, nach deren Erlegung in Jahresfriſt Matthias
das Eroberte zuruͤckzugeben verſprach ?).
Ehe noch dieſer Friede geſchloſſen war, brach K. Lud⸗
wig XI. den niederlaͤndiſchen Stillſtand und beſetzte auch ei⸗
nige Plaͤtze, die zum teutſchen Reich gehoͤrten. Dies gab dem
Kaiſer nun doch Anlaß ein Aufgebot im Reich zu machen.
Ludwig XL ſah ſich gezwungen die Eroberungen zuruͤckzuge⸗ 1478
ben und auf ein Jahr Stillſtand zu ſchlieſſen. Nach deffen — Jan.
Ablauf ſchlug Maximilian die Franzoſen bei Guinegate. Seit⸗ Fr
dem wurde der Krieg, da ber König erkrankte, nur ſchwach 7. Aug. .
fortgefeßt ).
Während bed Neichökriegd gegen Frankreich fielen auch 4478
die Türken wieder in Steiermark, Kämthen, Krain ein.
Der Kaiſer konnte aber vom Reichstag Feine Hülfe gegen fie
erhalten, beſonders widerſetzten fi bie Städte, die beöwes 1479
gen von Grav Hug mit einem flarten Verweis entlaffen wur
den. Im folgenden Jahr ſchlug K. Matthias wieber los, 4480
weil Friedrich mit ben Friebendgelbern nicht einhielt und den
außdgetretenen Erzbifchof Johann von Gran in Schug nahm.
Nun verlangte der Kaifer doppelte Hülfe gegen die Ungern
und Türken; ber Reichötag bewilligte fie aber nur gegen
die Letztern. Die Fürften waren bereit ben regenöburger Ans
fchlag von 10 auf 15,000 Mann zu erhöhen; aber die Städte
hielten wie gewöhnli dad Ganze auf. SDarlber ſchloß ber
Kaifer mit Matthias wieder einen Stilfland, Die Fürften
gaben indefjen einzeln Zuzug, ohne Reichsſchluß, nahmen auch
1) Lünig Cod. Germ. dipl. T. I. Nr. 70.
2) Müller RI. Theatr. unter Friedrich M. Vorſtellung V. ©.
17. 42. 82.
8) Müller RI. Theater. unter Maximilian J. Vorſtellung L ©. 5.
Pfiſt er Geſchichte d. Teutſchen III. 36
562 Bub IIE Erſter Zeitraum Abſchnitt f.
die Koften dreier Gefanbifchaften, an Frankreich, Warimilian
und den Kaifer, auf fih. Die Städte follten nur zu ben Se
fchäften des Taiferlichen Anwaldes Gelb geben; fie fanden dies
aber wider bad Herkommen; in der Hauptfahe des Türken⸗
zugs wollten fie eben auch beim Alten bleiben, wenn einmal
ein beftänbiger Lanbfriebe vorgenommen werde, und die Geift:
lichkeit an den Kriegskoſten auch Theil nahme, damit nicht
das Ganze der weltlichen teutfchen Nation allein aufgelegt
1481 würde. Indeſſen ließ fich Friedrich durch den Erzbifhof von
Gran, der nicht im Stillſtand war, zur Erneuerung der Feind:
feligfeiten gegen den K. Matthiad bewegen. Diefer aber ſchloß
mit den Tuͤrken Stillſtand und bot feine ganze Macht gegen
Öfterreich auf. So kam der Kaifer durch feine Unvorfichtia-
feit in Gefahr die Erblande ganz zu verlieren. Vergeblich
rief er den Reichstag um Erhöhung bes Anfchlag an, weil
es nun gegen bie Ungern und Tinken zugleich gehe. Gran
. Hug verlangte, die Städte follten ſich wieber angreifen wie
vor Neuß. Allein fie Eonnten fich unter einander felbft nicht
mehr vereinigen und befchloffen endlich, daß jede Stabt für
ſich thun koͤnne was ſie wolle. So weit war ed num mit
den Reichſs-⸗ und Städte: Tagen gelommen. Der Kaifer er
griff jet ſelbſt dieſen Weg, da kein allgemeiner Reichsſchluß
mehr burchgefegt werden Tonnte. Er erhielt von einzelnen
Fuͤrſten und Städten gegen befondere Gnadenbezeugungen Zus
1482 züge, welche bei dem Gindringen der Ungern an der Leitha
Widerſtand thaten. Die faumfeligen Stäbte ſtrafte er um
Gelb, wofür dann Soͤldner geworben wırden. 8. Mattbics
ließ dagegen bie Stände vom Krieg abmahnen, weil biefer
bloß das Haus Öfterreich betreffe ?).
28. Maͤrz. In eben dieſem Jahr farb Maximilians liebenswuͤrdige
Gemahlin Maria, nach einem ungluͤcklichen Falle auf der
Falkenjagd, in ihrem fünf und zwanzigſten Jahr, und bin
terließ zwei Kinder, Philipp von vier, Margaretbe von
dritthalb Jahren. Jener follte nach dem Ehevertrage in allen
ihren Staaten folgen. Die Niederländer liebten den raſchen
Mn 1) Müller RR. Theater, unter riebrich III. Vorſtellung V. G.
— 85,
K. Friebrich IL, 1440—1493, 563
Marimilion weniger als feine Gemahlin, liefen ihm alfo
nicht einmal die Bormundfchaft und bemädtigten fich des juns
gen Prinzen. K. Ludwig XI. ließ ſchnell mit den Gentern
unterbandeln, ſowohl über den Frieden als über die Verlos
bung der Margarethe mit dem Dauphin Karl (dem er
früher ihre Mutter beflimmt hatte). Zu Arras warb die Übers
einfmft mit den Ständen getroffen: Margarethe follte auffer
den Sravfchaften Burgund und Artoid noch verfchiebene Herrs
fchaften an der franzöfifchen Grenze zur Mitgift erhalten, am
franzöfifchen Hofe erzogen werden, Philipp unter der Vor⸗
mundſchaft der Stände bleiben, ohne daß fich der König oder
ber Erzherzog Marimilian einmifhe. Wenn Margarethe oder
1482
23, Der.
Philipp ohne Erben abgehen würden, fo follten die Länder ’
an den Überlebenden fallen. Maximilian konnte zwar nicht
umhin feine Einwilligung zu biefem Vertrage zu geben, bes
fchloß aber zugleich, da er gegen Frankreich Nichtd vermochte,
doch die Flanderer wenigftens zur Auslieferung feines Soh⸗
ned zu zwingen. Er bekriegte fie fo flanbhaft, während fie
von Frankreich verlafien waren, daß fie zu Brügge einen
Vertrag mit ihm fchloffen, nach welchem fie ihn gegen Be:
1483
1484
1485
flätigung ihrer alten Zreiheiten ald Vormund und Landes> 28. Zun.
adminiftrator aufnahmen. Alles died that Marimtlian ohne
Hülfe von feinem Vater ').
Denn wenige Wochen vor dem Vertrag zu Brligge fiel
ganz Öfterreich, Wienerifch: Neuftadt allein ausgenommen, in
die Gewalt des Könige Matthias, der nun im Ernſt Anftalt
machte dad Land mit Ungern zu verbinden. Briedrich ließ
den Wienern nach ihrer Übergabe fagen, fie hätten ed vor-
mald nicht befier um ihm verdient. Bis Linz verfolgt, ging
er nach Tirol, übergab feine Tochte Kunigunde und
was er fonft Koftbared hatte dem Erzherzog Sigmund zu
Snöbrud und nahm dann ald VBertriebener feine Zuflucht
in das Reich. In Schwaben reifte er bei den Städten und
Kıöftern in der Runde herum, ließ fich bewirthen, nahm Ges-
ſchenke und Anlehen; wo Pferde fehlten, wurden Ochſen vor
1) Du Mont T. IH. P. II. Nr. 55. 78. Memoires de Comi-
nes L.V1.c. 7.9. Fugger ©. 917 ff. x
36 *
1. Sun.
\
564 Bud IL Erfier Zeitraum. Abſchnitt 4.
feinen Wagen gefpannt. Dann ging er nad Nürnberg; bei
Bamberg befuchte er die 14 NRothhelfer, hielt eine Zufanımen-
tunft mit den Markgraven Friebrih von Brandenburg unb Al⸗
- breit von Baben. Zulegt nahm er feinen Weg über Speer
abwärts am Rhein '). |
10. Marimilians I. römifhe Königewahl. Der frank
furter Landfriede und der Ihwäbilhe Bund bis u
Ä Friedrichs IN. Tod, 14861493.
Grav Hug von Werdenberg Lanbfriede und
Kammergeriht ald Bedingung der römifhen Kb:
nigswahl und der Reichöhülfe gegen die Ungern
und Türken. Vorbehalte des Kaifers. Die Reich:
hülfe veicht nicht zum Entfage Sſterreichs. Er:
rihtung bes [hwäbifhen Bundes zu Hanbhabung
bes franffurter Landfriedens. Befonbere Abſich—
ten bed Kailfers und ber Stände. Gt. Georgen»
Schild. Hülfe gegen die Niederländer, $ranzofen
und Ungern, buch fortwährende Spannung mit
dem baierifhen Haufe gehemmt. Mit dem Tode
des K. Matthias fällt Öfterreih zurück, umd
Marimilian erhält Anwartfchaft auf Ungern K
Karls VII Zreubrud. Reichs: und Bundes= Auf:
gebot. Eriede mit Baiern; Friede zu Senlis
Marimilians zweite Vermählung mit Blanca
Maria von Mailand. Überfiht der Regierung
feines Vaters,
1485 Kaifer Friedrich IIL muffte erſt als Vertriebener im Reiche
Hülfe fuchen, bis er zu angemeflenen Entfchlüffen fam. Nun
wollte ex feinen Sohn Marimilian zum römifchen König wäh:
len laffen und die Reichsverfaſſung ernfllich vornehmen, um
dann auch eine flattliche Hülfe gegen die Ungern und Zürfen
zu erhalten. Nach etlich und vierzigjähriger Regierung mochte
jene Aufgabe wohl nicht mehr zu früh kommen.
Sriedrich hatte endlich einen Mann gefunden, ber ihm in
1) Geſch. v. Schwaben V, 266 ſ.
8. Friedrich IL, 14401493. . 065
den Reichögefchäften mehr war als Schlid und Aneas. Die.
fer ift Stan Hug von Werdenberg, aus einem ſchwaͤbi⸗
fhen Haufe am Bodenfee, einem Zweig der Pfalzgraven von
Tübingen, Erben der alten Graven von Bregenz. Seit ber
Errichtung der Ritterfchaft von St. Georgen⸗Schild flehen die
Linien Werdenberg und Montfort (teutfch und romanifch
gleich bedeutend) immer an der Spige. Grav Hug, im Rath
wie im Felde tief blickend, erhielt K. Friedrichs ganzes Vers
trauen. Gegen die fäumigen Reichöflände nahm er eine ern⸗
flere Sprache an; die burgundifchen Verhandlungen wurden
durch ihn geführt. In allen Gefchäften iſt er des Kaiferd
Sprecher 1). Mit feinem Auftrage befuchte er nun bie Kurs
fürften, um die römifche Koͤnigswahl einzuleiten. Einige
derfelben hatten fchon felbft darauf gedacht, weil der Kaifer
das Reich folange vernachlaͤſſigte. Dagegen boten die Kö:
nige von Frankreich und Ungern allen ihren Einfluß auf,
um die Sache zu bintertreiben. Sie fanden jedoch keinen Eins
gang. Eher follte man fi) wundern, daß der Papft nicht
barein gefprochen, weil nach ben aufgeftellten Conflitutionen
Zein vömifcher König bei Lebzeiten bed Kaifers gewählt wers
den ſollte. Allein Innocenz VIII. war eben jetzt zu tief in
die italienifchen Kriege, namentlich in die Verbältniffe zu dem
woachfenden Freiflaate Venedig und zu dem K. Ferdinand von
Neapel verwidelt, ald daß ex Zeit gehabt hätte diefe Streits
frage wieder aufzuweden. Die päpflliche Regierung war über:
haupt auf dem Wege eine ganz andere Stellung als bisher
einzunehmen.
Indeſſen Fam Friedrich mit feinem Sohne, den er in 1485
acht Zahren nicht gefehn, zu Aachen zufammen und brachte De.
ihn mit fich nach Frankfurt, wo er von den ſchon anwefen- 1486
ven Finften eingeholt wurde. Das Vertrauen auf Marimis 10. Bebr.
lians treffliche Eigenfchaften war fo groß, daß ihn die Kur:
fürften nach der Auffoderung des Erzbifchofs Bertold von
Mainz einmüthig zum Nachfolger im Reich, in der That zum a
Gehülfen feines Vaters, erwählten. Während biefer Hands 16. Febr.
lung in ber St. Bartholomäus: Kirche feßte ſich der Kaifer,
1) Sch. v. Schwaben V, 278,
566 Buch IL Erfter Zeitraum. Abſchnitt 4.
um die. Kınfürflen nicht zu flören, in der Liberei an einem
befondern Ort über eine Stunde. Als ihm die einflinunige
Wahl angefagt wurde, hub er an „milbdiglich zu weinen 1).“
Was der Kaifer indeffen verzögert, theilmeife verweigert
hatte, das bot er nun von felb an: Zandfrieden und
Kammergeriht, um deſto gewiffer Hülfe gegen bie Zür
fen und Ungern zu erhalten. Er kam darin nur den Fuͤrſten
und Ständen entgegen, welche jene Bedingungen um fo nad»
druͤcklicher erneuerten, ehe fie fich zu der legtern Anmutbung
verfteben wollten. |
Der Landfriede an fich hatte Leine Schwierigkeiten.
1486 Unter Mitwirkung des römifchen Königs Fam man überein,
17. März. den legten fünfjährigen Landfrieden von Milbenftabt nebfl der
koͤniglichen fogenannten Reformation des erſten Reichstages
zu Frankfurt unter K. Friedrichs Regierung (vom J. 1442)
auf zehn Jahre ald allgemeinen Landfrieben zu erneuern.
Deffen war ber Kaifer zufrieden und ließ ihn fogleich verkuͤn⸗
den. Aber die Frage von ber Handhabung brachte fogleich
Schwierigkeiten. In Abfiht der Herſtellung oder Verbeſſe⸗
rung des Kammergerichts machten die Fuͤrſten einem
Entwurf, nach welchem dieſes hoͤchſte Gericht, vom Kaifer er:
Öffnet, beftändig fortdauern, der Kaifer aber babei fi keiner
Machtvollkommenheit bedienen, fondern Alles dem ordentlichen
Nechtögange Überlaffen, zum Sitze eine bequeme Stadt be
flimmen, und das Gericht mit trefflichen, gefhwornen Räthen
unter einem Oberrichter, welche wenigftens Evelleute ober
Doctoren und größtentheild Laien wären, befegen und von
den Sporteln befolden fole. Die Kurfürften theilten im
Ganzen diefe Anficht, doch wünfchten fie, daß man etwas fanf:
ter zu Werke gehe, damit der Kaifer nicht meine, daß man
feine Hoheitsrechte ſchmaͤlern wolle. Aber auch ihren glimpflis
ern Entwurf wollte der Kaifer erſt näher bedenken 2). In
deſſen fchritt man zur Verwilligung der Reichshüͤlfe.
Der Kaifer verlangte 34,000 Mann, Nach langer Be
1) Fugger a. a. ©. ©. 951. Das Übrige nah Müller RZ.
Theatr. unter Maximilian L Vorſtell. I. ©. 1 ff.
2) Müller RZ. Theatre. unter Friebrich ILL. Vorſt. VL
8. SriedrigIl., 1440—1493. 567
rathſchlagung zog man bie Bleinere ober eilende Hülfe mit
8000 Mann von jenen ab, welche auf naͤchſte Oftern geftellt
werden folten. Man befchloß aber zugleich nicht die Manns
Schaft fondern Geld zu geben, die ganze Hülfe zu 527,900;
die kleine zu 153,400 fl. angefchlagen. Jeder Fuͤrſt follte
nach feinem Anfchlage dad Geld von ben Untertbanen eins
fammen, Mit den Städten wollte der Kaifer felbft unter
. handeln und hernach dad Weitere auf einem neuen Reichstage
zur Vollziehung bringen. |
An den beiden Vorbehalten bed Kaifers blieb Alled wies
ber hängen. In Rüdficht des erflern gab der Kaifer auf dem 1486
Ruͤckwege von Marimiliand Krönung die Erklärung zu Coͤln 9. Apr.
in Abficht des Kammergerichtdö, daß er ed feiner und des
Reichs Würde fehuldig fei, die oberflrichtesliche. Gewalt nicht
einfchränten zu lafienz weshalb er die. Achtserklaͤrungen ſich
vorbehalte. Auch koͤnne er zur Befoldung der Richter fich
nicht verbindlich machen, im Fall die Sporteln nicht zureich-
ten.. Auf diefed gingen jedoch die Fürften nicht ein... Sie 27. Apr.
wollten ein Kammergericht das nicht nom Kalfer abhinge, fon
bern allein von ibm befegt, Die Stelle ber Austragsgerichte
verträte. Somit blieb dieſer Theil der Verhandlungen unerlebigt.
Beim andern vorbehaltenen Punct in Abſicht der Reichs⸗
hülfe hatten die Städte die gefegliche Einwendung, daß fie
nicht zum Neichötage berufen worden, und daß weder die hoͤ⸗
bern Stände noch der Kaifer berechtigt wären ohne ihre Zus
flimmung eine Auflage auf fie zu befchlieffen. Man habe fie,
erwiederte der Kaifer, abfichtlich nicht berufen, weil fie fich im⸗
mer nur auf das Hinterfichbringen legten. Als fie nun allers
lei Beſchraͤnkungen machen wollten und fich mit den lebten
Anftrengungen vor Neuß und gegen die Ungern: entfchuldigten,
erhielten ‚fie einen Verweis, weil fie nur ihre Schuldigkeit ges
than haͤtzen. Sie hielten mehrere Tage; zu Speier kam ber
Kaifer feibft zu ihnen; nachher fielen fie auf den Gedanken, 3. Dec.
fie hätten fi duch ihre Trennung (bei-der Hülfe gegen bie
Ungern) felbit gefchadet, und befchloffen alſo, daß Feine Stadt‘
Zünftig für fich allein. Etwas bewilligen, foudern alle für Eis.
nen Mann ftehen follten. Auf den angekündigten Reichstag
berief der Kaifer nur acht der vornehmften Städte mit voller
1487
März.
1487
Mai.
24. Nov.
568 Bud IE Erſter Zeitraum. Abſchnitt 4.
Gewalt. Hier vereinigten fie ſich nun mit ben hoͤhern Staͤn⸗
ben darüber, daß vor Leiftung ber Reichshülfe die ſaͤumigen
Stände, auch der Papſt und bie Könige von Böhmen und
Polen um Mithülfe erſucht, wegen bed Lanbfriebens und Kam⸗
mergerichts aber ernfllihere Maßregeln getroffen werben müſſ⸗
ten. Nebenden fragten fie den Kaifer, wo denn dad biöher
erhobene Geld hingelommen ſei. Darüber ging ihm endlich
bie Geduld aus und er gebrauchte einmal fein amtlidhes Ans
fehn. Nachdem er erklärt, die Stände follten es lieber offen
fagen, ob fle ihren Herrn verlaſſen wollten, und die dunkeln
Anhänge weglaffen: rief er in der Verfammlung jeden einzel
nen Fuͤrſten oder Geſandten zu einer beflimmten Aufferung auf.
Das wirkte. Obgleich Einige meinten: „ed fete nit Herfom>
men, alfo flumpf zu antworten,” fo gaben doch, weil der
Kaifer darauf befland, Alle nad) einander ihre Zufage Die
Städte erboten fich zu einem eigenen Anfchlag, doc daß bie
fer in der Folge ihnen unnachtheilig fein folle *).
Mit dem zufammengebrachten Gelde wurden dann Leute
geworben, um bie Ungern von Wieneriſch⸗Neuſtadt abzutrei⸗
ben. Das Unternehmen würbe jedoch wieber verzögert wors
ben fein, wenn nicht der tapfere H. Albrecht von Sachfen
fih an die Spige geftellt, von feinen eigenen Völfern aufge
boten und fein baares Geld zugefebt hätte. Der Kaifer hatte
verfprochen ihm bei Linz weitere Verſtaͤrkung zugeben zu lafs
fen; er traf fie aber nicht, und fo Tonnte ex auch den Über
gang der Stadt nicht mehr hindern. Er griff zwar die Un-
gen anz da er aber zu ſchwach war fie aus Öfterreich zu
vertreiben, fo ging er mit des Kaiferd Bewilligung einen
Stifftand ein, nach welchem Matthias, bis er in Abficht der
Friedensgelder und Kriegskoſten befriedigt fein wuͤrde, Öfler
reich inne behalten dürfe, übrigens mit beiderfeitigem Vorbe⸗
halt der frühern Verträge, namentlich) in Abficht ber ungeri⸗
ſchen Thronfolge, wovon 8. Friedrich den Zitel zu führen
habe. Der Kaifer verweilte indeflen auf der Reichöfefte zu
Nürnberg. As H. Albrecht zuruͤckkam, wollte er ihn nicht fes
ben, als ob ihn der Vertrag gereue, im: der That aber weil
1) Geſch. v. Schwaben V, 268.
8. Sriedrih Ill, 1440-1493, 569
er fich ſchaͤmte ihm die audgelegten Gelder nicht erfegen zu
koͤnnen. Alſo muffte der Kaifer feine Erblande noch auf uns»
befiimmte Zeit in ben Händen ber Ungern laſſen; da ihm die
Mittel fehlten fie loszukaufen, tröflete er fich einflweilen
mit der Erwartung, daß Matthiad bei fortwährender Kraͤnk⸗
lichkeit bald mit Zode abgehen würbe. Auf diefen Fall war
unentgeltliche Rüdgabe bedungen '). Vom Zürkenkrieg wollte
Niemand mehr hören, ungeachtet Papft Innocenz VL. die
Ungern und Zeutfchen wiederholt dazu auffoderte ?).
Von den Reichötagsfchlüffen war die Handhabung
des Landfriedens noch übrig, worüber jebesmal Klagen vorges
fommen. Da that nun der Kaifer wirflih Etwas das man
nach dem Biöherigen kaum erwarten follte, wenn es nicht viels
mehr der Rath des Graven von Werbenberg ift, den er bas
bei befolgte. Während H. Albrecht auf dem Zug gegen bie
Ungern begriffen war, befahl er dem Sraven Hug, als ſei⸗
nem Anwald, die fehwäbifhen Stände nach Eßlingen zu bes
rufen und ihnen zu eröffnen: „Nachdem zu Frankfurt ein ges
meiner Landfriede zu Gut und Gemach bem heiligen Reich bes
fhlofien und von Fürflen und Herren angenommen worden,
um in ihren Landen und Gebieten folchen zu handhaben, und
nun das Land Schwaben unmittelbar Baiferlicheer Mojeflät uns
terworfen und alfo ein römifcher Kaiſer deſſen ordentlicher und
natürlicher Here wäre: fo habe der Kaifer die Stände beru⸗
fen laſſen, daß fie helfen vatbfchlagen, wie ber georbnete
Friede im Lande zu Schwaben auch gehandhabt werden möge,
damit fie nicht von dem heiligen Reich gedrungen werben,
fondern bei ihren Rechten und Freiheiten bleiben unb bem
Kaifer defto baß dienen mögen.”
Diefer Vorſchlag war in der That nichts Neues; er folgte
von felbft aus dem Grundſatz, daß jeder Landesherr, alfo
auch der Kaifer im unmittelbaren Reichögebiet, für die Hands
habung des Landfriebens zu forgen habe; allein man wollte
noch eine weitere Abficht dadurch erreichen. Schon nach bem
Staͤdtekrieg hatte Biſchof Peter’von Augsburg den Entwurf
1) Das Ganze nah Häberlin Reichsg. VII, 818 ff. 349-309.
2) Raynald. ad an. 1484. .$. 60. 1485. 5. 1 sq. 1486. $. 60.
1488. 8. 10 89.
670 Bud UL Erker Zeitraum Abſchaitt 4.
vorgelegt, der ſeitdem mehrmals, befoubers auf einem Stätte
(1466) tag zu Ulm in Gegenwart bed Kciſers vorgenommen, und
j:et beſe nders durch den Erzbiſchof Berteld von Mainz betrie-
ben wurde: „Da alle bisherigen Landfriedensverſuche fehlge⸗
fragen und es nicht möglih fei die Sachen auf einmal
zu verhandeln und in Ein Weſen zu bringen, wegen Unge
legenheit der Lande und weil dad Reich groß und weit und
unter viderlei Mitglieder vertheilt wäre: fo. feie fein anbrer
eg, ald vorerfi an Einer Art Landes den Anfang
eines gemeinen Landfriedens zu machen unb folange fortzufah:
sen, biö das ganze Reich nad) Gelegenheit eined jeben Lan-
des in felhen Frieden und Einigkeit gebracht würde.‘
1487 Zu diefer Einfiht war man indeflen gekommen. Die
bisherigen Einungen ber Stände hatten, ihnen ſelbſt oft
unbewufft, auf diefen Zweck bingearbeitet. Über Died alles tra>
fen bei der jebigen Lage des Kaifers noch befonbere Umfiänte
zuſammen, die ihn veranlafiten, nachdem er über vierzig Sabre
faß gar nicht nach dem Einungdwefen gefragt, ſich dieſer ganz
erlegenen Sache auf einmal mit allem Nachdtuck
‚ WBährend der Verlegenbeiten im ungerifchen unb franzöftfchen
Kriege, während der Unruhen der Niederländer und Öfler
reicher nahm das baierifche Haus wieder eine drohende
Stellung gegen den Kaifer und die Nachbarflande an. Zwar
der Pfälzer Frig, der zu Zeiner Ausföhnung mit bem Kaifer
gebracht werden konnte, war indeſſen geflorben; auf ber an⸗
dern Seite aber auch des Kaiferd vornehmſte Stüge, be
Markgrav Albrecht von Brandenburg. Nun griffen die zwei
baierifchen Linien von München und Landshut im Reiche ge:
waltig um fih. Herzog Georg von der letztern Linie hatte
den Plan, in Oberfhwaben, wo er ſchon mehrere Herrſchaf⸗
ten befoß, alle Übrigen Städte, Kiöfter und Freiherren vom
Lech bis an die Iller, und ebenfo auf ber Nordfeite der Do:
nau von der Wernitz bis an die Brenz unter feine Landes:
boheit zu beingen. Dabei begegnete er dem Kaifer eben fo
hbermüthig wie fein Vater, Ludwig ber Reiche. H. Albrecht
von München nahm Regenöburg in Befig, wie fein Vorfahr
Donauwörth, und vermählte ſich mit-ded Kaiferd zu Insbruck
Zul. zurüdgelaffener Zochter, Kunigunde, ohne den Dater zu fra
ur} Friedrich III, 1440-1493. 571.
gen; fogar bewog er den Pinderlofen Erzherzog Sigmund, der °
ihn bei diefem Schritt begünftigt: hatte, die kaum eingelöfte
Reichslandvogtei Schwaben ihm abzutreten; aufferdem ver⸗
fchrieb der verfchuldete Erzherzog ben beiden Herzogen Albrecht
und Georg die Vorlande für 60,000 fl. auf Wiederlöfung nach:
feh8 Jahren (wie er fie vormald an Burgund verpfänbet
hatte); Zirol fol er dee Kunigunde zur Mitgift verfprochen
haben; alfo daß die noch übrigen Erblande, welche nicht, in
ber Gewalt der Ungern und ber Tuͤrken waren, wohl in kur⸗
zer Zeit an Baiern fallen durften.
In demfelben Zeitpundt da Sigmund in das Verfiänds 1487
niß mit Baiern trat, ließ der Kaifer den Bundestag zu Ep: Ende Sul.
lingen eröffnen. Es war alfo die nächte feiner Abfichten,
dem baierifchen Haufe einen Damm entgegenzufegen; und alle
Die Stände welche von diefer Seite her bedroht waren, lieſ⸗
fen fih zu dem Bunde willig finden. Ward dann durch diefe
Maßregel das Verftänpniß zwifchen Sigmund und dem baie⸗
rifhen Haufe rldgängig gemacht und Vorderoͤſterreich in ben
Bund aufgenommen, fo hoffte der Kaifer, auch bie ſchweize⸗
rifche Eidgenoffenfchaft, mit welcher ein großer Theil ber aber.
ſchwaͤbiſchen Stände in freundfchaftlichen Verhältniffen ſtand,
berüber zu bringen. Eine folche audgebehnte Vereinigung:
konnte dann der Stüßpunct nicht allein gegen Baiern, fons
dern auch für die burgundifchen Lande gegen Frankreich wers
den, ja man konnte die ganze Reichskriegsverfafſung darauf
gründen.
Das waren die befonderen Abfichten des Kaiferö bei der
Einleitung des fchwäbifhen Bundes. Die Hauptfache felbft
aber, der Landfriede, foderte auf jeden Hau feine Einwir⸗
kung. Das Einungsweſen dee Städte, die ſich fo oft aus
eigener Macht zufammengethan, war ganz in Abgang ges
kommen. Nur die Rittergefellfchaften beflanden no.
Sollten diefe beiden Stände fich verbinden, fo konnte «6:
nur von Reichs wegen durch bad Oberhaupt ſelbſt gefchehen.-
Daher hatte ver Eaiferliche Amwald, Gran Hug, am meis
fien mit den Städten zu verhandeln. Nad dem erfien Bun
beötag zu Eßlingen,. wo ber Entwurf der Vereinigung durch
einen Ausfhuß von jedem Stand geftellt wurde, kamen die
573 Bub IE Erſter Zeitraum. Abſchnitt 4,
1487 Gtäbte bald wieder dafelbft zuſammen ‚um ihre Rechte u
24, Aug.
8. Sept.
wahren. Der Kaifer wollte zweimal ſelbſt kommen. Mit Au
berung einiger Artikel gelang ed dem Sraven Hug einen Ab:
fhied zu verfaflen, die eigendliche Grundlage des Bundeöbrieft,
wiewohl ihn die Städte erft wieder zum Hinterfihbringen
annahmen. De näher zum Abfchluß, deſto mehr Bedenklich
keiten. Sie wollten ein Buͤndniß und doch Feine Verbindlich
keit; fie wollten Sicherheit, aber kein Opfer. Ihre erfle Frage
betraf immer nur die Anlage. Manche wollten erſt abwarten,
ob die benachbarten Landherren in ben Bunb treten wuͤrden;
fie wünfchten recht viele Mitgliever, um deflo weniger tragen
& Oct.
Dec.
zu duͤrfen.
Diefe neue Zögerung mar dem Kaifer um fo verbrüß
licher, da bie Slanderer wieder Unruhen gegen Maximilian an:
fingen. Er erließ, gegen feine Gewohnheit, ein fieenges Pe
nalmandat an Prälaten, Adel und Städte in Schwaben, fich
auf folange, ald der franffurter Landfriebe währe, ohne Ber
zug zu verbinden; zugleich erklärte er bie biöherigen befondern
Einungen für aufgehoben, wie zu Wenzlams und Karls IV.
Seit, weil fie der allgemeinen Vereinigung entgegenflanben.
Das Poͤnalmandat war fo ernfllich gefaflt, daß der Bund num
fhon ald unwiderruflich galt, doch ließ man noch einige Ab⸗
änderungen in ben Artifeln zu. Dann kamen die Stände
noch einigemal wegen bed Beitrittö ber faumfeligen zufam-
men. Alle diefe Verhandlungen geſchahen waͤhrend des oben⸗
gedachten Feldzugs gegen die Ungern in Öfterreich. Jetzt, da
ber Stifftandövertrag mit K. Matthiad gefchloffen war, brach
ber Kaifer von Rürnberg auf und eilte über Ulm, ohne fid
mit den Bundedfachen aufzuhalten, nach Insbrud, um ben
Erzherzog Sigmund von der Übereinkunft mit Baiern loszu⸗
reiffen und fein Land in den Bund zu bringen. Beides be
wirkte der Kaifer durch feine Gegenwart. Der Pfandfchilling
wurde an H. Albrecht zuruͤckbezahlt. Die Wundeöglieder was
ren des Beitritts der vorberöfterreichifchen ande fo zufrieben,
baß fie den Anfchlag wegen Zirol nicht erhöhen wollten. Run
Son. erließ Friedrich auch an die übrigen Zürflen in Schwaben,
Behr.
"gen in den Bunb- zu treten. &
namentlich an Wirtemberg und Baden, ernflliche Auffoderun⸗
8. Friebrich IL, 1440—1493. 573
Da entflanden aber neue Schwierigkeiten. Die erfte Verei⸗
nigung follte nur ſolche Stände ober Lande begreifen, deren
unmittelbarer Herr der Kaifer war, Städte, Klöfter und Abel.
Wenn auffer den Zaiferlihen Exblanden auch andere Fürften
beitreten follten, fo erhielt der Bund entweber eine andere
- Ratur, oder die Fürften mufiten beforgen an ihrer bisher ers
rungenen Zanbeöhoheit zu verlieren bei einem Bünbniß, befs
fen Oberhaupt der Kaifer und ber Landesherr von Öfterreich
war. Daher vielfältige Ausflüchte und Vorbehalte, bis ber
Kaifer durch wieberholte Strafmanbate dad Verlangen ber klei⸗
nern Stände unterflügte. Indeſſen gefland man doch ſoviel
zu, daß die Verbindung, wie in ben frühen großen Landfrie⸗
Dendeinungen, partieenweife gefcheben ſolle; d. h. daß jeder
Stand mit dem andern befonders abfchlieffe, und erft dadurch
die Verbindung im Ganzen bewirkt werde. Zur Grundlage
aber wurben weber die bisherigen Fuͤrſtenbuͤndnjſſe noch bie
Städteeinungen angenommen, fondern Grav Hug ließ jetzt feine
Geſellſchaft von St. Georgen⸗Schild hervortreten, -bie
feit dem Zerfall unter den uremburgern immer eine würbige
Neutralitaͤt unter den Ständen beobachtet, auch indeflen ihre
Berbindung fortgefegt und erweitert hatte. Alle übrigen Adels⸗
gefellichaften,, auffer der Freichgauifchen und ber Löwenpefells
ſchaft in Baiern, hatte fie in fi) aufgenommen und beftanb
jest aus vier Kreifen oder Gantonen: im Degau und am Bo⸗
denfee, an der Donau, am Nedar und am Kocher. Ihre
Dereinigung hatte einen doppelten Zweck: einmal ald Turner⸗
gefelihaft vom Fiſch und vom Falken (oder Sewer und
Schnaitholzer) die Ehre des Adels an den Höfen ritterlich zu
vollbringen; dann als flaatsrechtliche Genofienfchaft, in Bes
tracht, „daß der Abel von Gott verorbnet wäre, um Gerech⸗
tigkeit und Frieden zu fördern.” Im letztern Sinne hatte Grav
Hug ihre Emenerung nach dem milbenftädter Landfrieden auf
ſechs Jahre betrieben und der franffurter Lanbfriebe war von
den Räthen der vier Kreife unterfchrieben. Zu ihrer Gefells
fchaft wurden auch bie meiften fhwäbifchen Prälaten gezählt.
An Valentind Tag, auf welchen der Kaifer bie Abfchliefs
fung des Bundes gefegt, traten nun zu Eßlingen Prälaten,
Graven, Freie, Herten, Ritter und Kuechte, ober bie Ges
1488
14. ehr.
5743 Bub OL Erſter Zeitraum... Abſchnitt 4.
fellfchaft von St. Georgen:S child, welche an biefem
Tag ihre Vereinigung 'erneuerte, vorerfi mit 22 Reihsftäd:
ten in Berbindung, und zu diefen zwei Parteien traten dann
bie Fürften, namentlich Gran Eberhard von Wirtemberg unb
Erzherzog Sigmund von Öfterreich, als die dritte Partei hinzu,
und gaben einander die erfoderlichen Gegenbriefe. Diefe Ver
einigung ber brei Stände exhielt von ihrer Grundlage anfäng-
lich auch den Namen von St. Georgen⸗Schild, bis all
mälig der Provinzialname fchwäbifcher Bund auffam.
Das Verdienſt diefed mühfamen Werkes gebührt dem
Graven Hug von Werbenberg, deſſen Haus der Ritterfchaft
fchon lange mit Ehren vorgeflanden. Gehen wir zurüd, fo
ift es derſelbe Adel, der unter den Hobenflaufen feinen Ruhm
gegründet, mit deſſen Arm Rudolf von Habsburg als Grav
feine Schlachten gefhlagen, als römifcher König Öfterreich er:
obert hat, wo auch eine Anzahl fchwäbifcher Häufer Damals
ſich niedergelaſſen. Nach Rudolf zuweilen vom Haufe Öfters
reich verlafien, hat diefe Ritterfchaft doch immer für die Ehre
des Reichs und ded Kaifertbums ſich hervorgethan, und Fried⸗
rich III. erfuhr nun, wie wohl er thue fein Vertrauen auf
fie zu fegen.
In der Hauptfache enthält der Bundeöbrief nichts Anderes
als die bisherigen Landfriedendeinungen; nur die Form ift
eine andere. Er heiſſt „des Kaiferd und bes Reichs Bund
im Lande zu Schwaben.” Die Mitglieder trugen St. Georgs
Schild und dad war auch bie Hauptfahne; das Feldzeichen
aber für dad Bundesvolk iſt die Öfterreichifche Hausfarbe, ros
thes Kreuz im weiſſen Felde ').
Kaum war der Bund gefchloffen. und noch nicht von al
len fchwäbifchen Ständen, wie es der Kaiſer wünfchte, ange
nommen, fo wurde ſchon die Bunbeshülfe aufgeboten — für
1488 die Niederlande. In bdenfelben Tagen dba der Abfhluß zu
5 Gebr. Eßlingen gefchah, nahmen die Bürger von Brügge ben rös
mifhen König Marimiltan gefangen. Der Kaiſer war in
Insbruck. Trotz feines hohen Alters kam er in der rauhen
Jahreszeit über das Gebirg heraus nad) Schwaben und er
1) Das Bisherige nach der. Geſch. von Schwaben V, 257286.
u
.
8. Friedrich II. 144p— 1493. 575
ließ ein Mandat an den Bund, dem- sömifchen Könige: zu
Hülfe zu ziehen, zugleich mit einem allgemeinen Aufgebot in
das Reich. Vermoͤge des lehtern waren bie ſchwaͤbiſchen
Stände fchuldig wie die andern die Heeresfolge zu leiften. Der
Bund ald Landfrietendeinung hatte Feinen andern Zweck als
die Sicherheit der Lande, daß Fein Stand von dem andern
oder durch Auswärtige‘ aud feinen Rechten unb Freiheiten vers
drangt werde. Allein dem vömifchen Könige zu helfen, ber
gleih anfangs das frankfurter Landfriedensgefchäft fo eifrig
betrieben, dazu fanden ſich alle Stände auch von Bundes wes
gen bereit. Sie fammelten fi zu Mainz. Zu Coͤln Fam auch
ein wohlgerüftetes Reich5aufgebot von etwa 15,000 Mann
zufammen, das der Kaifer felbft gegen die Aufrlihrer führen
mollte. Er kam bis Mecheln. Indeffen wurde zwar Dart:
milian freigelaffen, nachdem ihm bie Staͤdte Brügge, Gent und 1488
Ypern einen Vergleich abgenöthigt, vermöge deſſen er bie 16. Mai.
Bormundfchaft in Flandern nieberlegen und das fremde Kriege
volk in vier Tagen aus Flandern, in acht Tagen aus den ge⸗
fammten Niederlanden abführen follte. Allein der Kaifer hielt
fi) dadurch nicht gebunden. Er febte ein Fürftengericht zu Jul.
Mecheln nieder, das den abgebrungenen Vergleich ald nichtig
erflärte und die aufgeflandenen Staͤdte ald Majeftätöverbrecher
verfällte, welche der Kaifer mit Hülfe des Reichs zu beftrafen
habe. Doch die enter thaten mit franzöfifcher Hülfe fo ernfts
lichen Widerſtand, daß Friedrich mit feinem Sohn nach Zeutfchs
land zurüdging, um den Reichötag zu färkerer Unterflügung Det.
aufzufodern. Indeſſen feste H. Albrecht von Sachſen als
Paiferlicher Befehlöhaber und ald Statthalter Marimiliand den
Krieg fort ?).
Deer Kaiſer ſah ſich jest in der Nothwenbigfeit, Hülfe 1489
gegen Frankreich und Ungern zugleich fuchen zu müffen.
Er fagt in dem Ausfchreiben: „bie öfterreichifchen Exblande, 9. Mai
zum teutichen Reich gehörig, Pforte und Schild gegen Fran:
reich und Ungern, würben von biefen beiden Mächten ange:
fochten, um die römifche Krone, welche durch die Mannlichkeit
1) Müller RR. Theater. unter Marimilien I. Vorſtellung J.
©. 5.8
ſo follten die Reichöftänbe deshalb das Weitere
—2
676 Bud DL Erſter Zeitraum. Abſchnitt
5°
4
I:
r
A
Hi
Hr
Fr
f - - 2
römifche König, nicht mehr allein Widerſtand
Die ſchwaͤbiſchen Bunbesflände hätten ihrerfeits Hi
gen den H. Georg von Baiern loöfchlagen
in immer flärtere Spannung mit ihm geriethen. i
ungelegene Streitfache vermittelte Marimilian fig
warb fogleich 2000 Mann für den nieberländifchen Krieg.
Der Kaifer verlangte vom Reichötag 40,000 Mann zu
bem zweifachen Krieg Der Reichstag ermäßigte anfänglich
bie Zahl auf 24,000 und 6000 Mann zur eilenden Hüuͤlfe,
dann ging man wieber höher auf 32,000 im Ganzen; jedoch
immer mit Wiederholung der alten Befchwerden wegen Be
fiellung ded Kammerg ericht zur Handhabung des Lands
friedens. Da bie Hülfe nach Flandern dringender begehrt
#
ik
J
83
4489 wurde als für Öfterreich, fo kam man endlich überein, daß
28. Jul. die Stände fofort den Sold für die ſchon geworbenen 2000
Mann übernehmen, bie Übrigen 4000 M. zur eilenden Hülfe
22. Su. aber wirklich flellen foßten. Unter dieſen Verhandlungen wurde
zu Frankfurt ein Vergleich mit &. Karl VIIL von Frankreich
geſchloſſen, wogegen biefer verfprach zur Unterwerfung der
Flandrer nöthigenfals mit gewaffneter Macht zu helfen. Theils
durch feine Einfchreitung, theils durch die teutfche Hülfe, welche
indefien in die Niederlande fam, wurben bie Flandrer zu ei
1. Oct, nem erwuͤnſchten Frieden gebracht. Mearimilian erbielt bie
Aug.
Bormundfcaft und Regierung wieber, und ‘bie ‚drei aufge
flandenen Städte mufften, ‚nach fußfälliger Ahbitte, 300,000 fi.
bezahlen.
Während die Hülfe in die Niederlande abging, kamen
ber Kaifer und fein Sohn mit dem K. Matthias zu Ling zu
fammen, um Öfterteich zurüdzuerhalten. Matthias foderte
70,000 fl., das daͤuchte dem Kaifer gar zu vieles Gelb; er
gab nicht nad, ungeachtet Marimilian es für fhmählich hielt,
um bed fchnöben Geldes willen, dad fchöne Land noch länger
in den Händen der Ungern zu laflen. Der Kaifer hatte ih
überzeugt, daß Matthias nicht mehr lange leben koͤnne. Sein
nn Tod erfolgte fhon im nächften Jahre. Nun beeilte fi) Maris
. 8 Seiebrig II; 1400-149, 577
milian nicht nur ſterreich toleber einzunehmen, fonbern auch
die ungerifche Krone fidh zuzueignen, laut ber frühen Ver⸗
träge, welche auch in dem echten Stillſtande mit Matthias
vorbehalten waren. Allein indem Marimilian zu Ulm die
Bundeshuͤlfe nachfuchte und die vom Erzherzog Sigmund ihm
abgetretenen Sande in den Bund aufnehmen ließ, wählte bie
Mehrheit der ungerifhen Magnaten, aus Abneigung gegen 100°
die Zeutichen, den K. Uladiflav von Böhmen. Marimis 15. Zul.
lian vermittelte wieber bei ben baterifchen Herzogen und eilte
mit der zufammengebrachten Mannſchaft nach Ungern, um
mit Belfland der Misvergnügten vor der Ankunft des Ulabis
ſlav das Königreich in Beſitz zu nehmen. Er eroberte Stubls
weiſſenburg und einige andere fefle Pläße, und nahm beveits
ben koͤniglichen Zitel an; da entftand aus Geldmangel Mau: Det.
terei ımter feinen Leuten, weiche ihn zuruͤckzugehen nöthigte.
Im nn. Jahr begehrte der Kaifer auf dem Reichs⸗ 1491
tage zu Nuͤrnberg 6000 zu Roß und 12,000 zu Fuß für den Aprit.
ungerifchen Krieg. Allein die anweſenden Stände meinten,
ber Kaifer könne ſolches nicht befehlen, ſondern nur frehwillis
gen Dienft verlangen. So wurde denn bie Wahl gefkellt, wer
Geld oder Volk geben wolle. Die Ausführung blieb: jeboch
Durch die fortwährende Spannung mit Baiern verhindert.
Marimilian hätte fie gern befeitigen mögen, aber die Bundes⸗
fände ruͤſteten fich jebt ernſtlich, und der Kaifer ſelbſt blieb Zul.
Dabei, „ber Stolz der Fürflen von Baiern müfle gedemuͤthigt
werben. Da nun Marimilian fah, daß er uflter diefen Um⸗
fiänden fobald auf Feine nachdruückliche Hülfe zählen könne, fo
traf er mit Ulabiflav einen Vergleich zu Preßburg: ex follte 7. RB:
für die Kriegöfoften 100,000 fl. erhalten und nach Abfterben
Des Uladiſlav ober. feines Mannsſtammes in, Ungern folgen,
einflweilen ven koͤniglichen Zitel führen ').
Marimilian muffte biefer Übereinkunft froh fein, da eben
jegt 8. Karl VII, fein künftiger Schwiegerfohn, mit einer
unerbörten weifachen Verrätherei hervortrat. Nach dem nies
Derländifchen Frieden hatte Marimilian die Erbin von Bres
tagne, Anna, beren Vater H. Franz IE ihm treulich gegen .
1) Müller Borft. VI. ©. 49. _ ——
Pfifter Geſchichte d. Teutſchen TIL. 37
578 Bub UL Erſter Zeitraum. Abſchnitt 4.
die Rieberlänber und Sranzofen beigeflanben, zu feiner zwei:
ten Gemahlin erfeben; fie war in jenen Frieden mit einge
fhloffen und indefien burch Procuration dem Prinzen von
1490 Dranien angetraut worben. Diefe Verbindung war dem X
nige von Frankreich unerträglih, Wenn Marimilian zu ben
Saum erworbenen burgundifchen Landen nun auch bad ſchoͤne,
veiche Herzogthum Bretagne erhielt, bad eine Million Gulbes
an jährlichen Einkinften trug und mit den Nieberlanben is
wichtigen Handelsverbindungen fland, fo hatte Frankreich auf
drei Seiten, im Wellen, Norden und Oſten das Kaiferhaus,
"das jetzt auch im Bündniffe mit England fland, zum überle
genen Nachbar; nebendem daß durch den Übergang von Be
— das franzoͤfiſche Incorporationsſyſtem einen gervaltigen
Stoß erlitt. Karl VILLE mochte fich vorwerfen, daß er burd
den nieberlänbifcyen Frieden felbft dazu gebolfen und fich nun
überliftet ſehe. Er bielt alfo Alles für erlaubt, um bie Sache
zu vereiteln. Hatte er Durch Verlobung mit Marimilians Toch
tee Margarethe wenigfiens eines Theiles der burgundiſche
Rande fich verfichert, fo befchloß er jetzt biefe Verbindung
wieder zu brechen unb bie Anna felbfi zu beiratben. Se
dem Marimilian noch in Ungern befchäftigt war, ſuchte Kar
theils durch Beſtechung der bretagnifchen Stände theils burd
1491 Waffengewalt ‘fein Vorhaben zu erreichen. Er eroberte Raw
Rod. nes, den Gig der jungen Herzogin, in bemfelben Beitpund
da Maximilian mit Wabiflao in Unterbandlung trat. Du
aun bie befloddenen Großen ber bebrängten Finftin bie nad
druͤcklichſten Vorftelungen machten, baß fie in Gefahr fick
ihr ganzes Land zu verlieren, wenn fie dem Könige vom Frank⸗
veich ihre Hand verfage, fo ließ fie fich endlich Dazu Abe:
ben; doch wollte ber König ſelbſt, daß das Ganze ben Schein
einer völlig freien Wahl haben follte. Er zog feine Leute zu:
süd; die Herzogin that als wollte fie nach Teutſchland zu
ihrem Verlobten reifen, lenkte aber fchnell nach Langeai in Tor⸗
6. Dec, raine, wo Karl den Heirathsvertrag ſchloß und das Beilage
0 ehe noch die nachgefuchte paͤpſtliche Dispenſation eis
jährige Margaretha ſchickte er ihrem Bate
= —— aber ihre Mitgift.
Solchen Treubruch wagte Karl vor ganz Europa, und
8. Friebeih IL, 1440-148. - 579
Imotenz VEIL gab feine Zufimmung ')! Nicht nur das Kals 1491
ſerhaus fondern auch fein Bundesgenoffe, der X. Heinrich VIE 15. Bw.
von England, der die Sache als feine eigene betrachtete, ries
fen die teutfchen Fuͤrſten auf, den Schimpf, der ihnen und
bem ganzen teutfchen Weiche wiberfahren fei, nachbrädtichft
zu rächen. Der Kaifer berief den Reichstag nah Mainz. Da
trat wieder das bisherige Hinderniß in die Mitte. Die In
rungen mit Baiern waren fomweit gekommen, baß nothwendig
bier zuerſt ein Schlag gefehehen mufite, ehe man einen aus⸗
wärtigen Krieg unternehmen konnte. Das Reich wurde bes
fehligt die fchwäbifchen Bundesſtaͤnde zu unterfiügen. Durch März
diefe Anftalten geſchah, daß zuerſt Herzog Georg geſchreckt Apett.
fi) mit dem Kaifer ausfühnte und die Markgravfchaft Bur⸗
gau gegen ben Pfandſchilling zuruckgab. H. Albrecht, jest
allein flehend, fchien die Sache auf's Aufferfte kommen laſſen
zu wollen. Das Bunbeöheer war im Begriff Landsberg anzugreis Mal.
fen, da Fam die Botichaft, daß Marimilian zu Augdburg ben
Frieden vermittelt habe, H. Albrecht gab Regensburg an das
Rech, die tiroler Verfchreibung an das Kaiſerhaus zuräd,
und verfprach feine Vaſallen und Untertbanen, befonbers die
Löwengefelfchaft, nicht mehr am Beitritt zum fchwäbifchen
Bunde zu binbern 2).
Als Maximilian bad Bundesheer bei Augsburg ſah, fprach
er, er wollte eine Gravſchaft darum geben, wenn er biefes
‚Heer nebf feinem Sefhü an ber franzoͤfiſchen Grenze hätte’).
Diele Hülfe betrieb nun Marimilian bei dem Bundestag, ba
der nach Mainz audgefchriebene Reichötag wenig Hoffnumg
ließ. Bei den fchweizerifchen Eidgenoflen war der König von -
Frankreich fchon zuvorgekommen. Die fhwäbifchen Bundes
flände waren bie erflen, welche 400 Meifige in bie Riebers Aug.
Lande abgehen lieffen. Nicht fo der Reichätag. Die erfle
1) Du Mont T. ID. P. IL. Nr. 148 2q. Möller RZ. Theatr.
unter Maximilian J. Vorſt. I. 6. 20.24.
2) Geſch. von Schwaben V, 811 ff.
8) Es beſtand aus 1500 Reitern und 8 bis 9000 Fußknechten.
Karl VI. hatte bei feinem Einfall in Neapel nicht mehr als 6 bis 7000
Reiter unb 12,000 zu uf. i
37*
580 Buch IL Erſter Zeitraum. Abſchnitt 4.
Verſammlung zu Mainz kam zu keinem Entſchlaß. Auf ec:
wer zweiten zu Coblenz that Marimilian neue Borflellungen
wegen der erlittenen Schmach, der englifhe Geſandte ſchil⸗
derte die Franzoſen als das treulofefle Voll. Die erlitiene
Schmach machte jeboch bei den Reichöfländen weniger Ein:
druck als die Furcht vor Frankreich bei ihrer vermeintlichen
1492 Unvermögenheit. Man beſchloß endlich, zum Beinen Anſchlag
15. Oct. per Reichöhülfe eine Geldumlage auf jede Feuerflätte zu ma
chen,. dad Übrige aber auf einem dritten Reichötage zu Frank:
Dec. furt zu verhandeln. Ungeachtet der allgemeine Stäbtetag fid
. foweit endlich begriff, das unglüdliche Hinterfihbringen ab:
thus zu wollen, d. h. bie Abgeordneten immer mit voller Ge
walt zu fchidden, fo half es jetzt Nichts mehr, denn ber frank⸗
furter Reichötag kam gar nicht zu Stande. Maximilian hatte
indeſſen den Feldzug eröffnet, im Vertrauen auf den König
von England. Diefer machte wirklich große Anflalten, ſchiffte
über nach Calais und belagerte Boulogne. Aber Selb war
ihm auch lieber ald Ehre und Treue: er nahm eine große
Sunme Geldes: von Karl VIIL, womit er feinen eigene
noch ſchwankenden Thron erſt ſicherſtellen wollte, und fchlos
8. Rov. Frieden 1).
1493 Da nun Maximilian von keiner Seite Huͤlfe ſah, nahm
Ian. er auch Friedensunterhandlungen auf, doch unter Fortſetzung
ber Kriegsruͤſtungen. Er ging nach Brundrut unb wollte ei:
nen Reichötag nach Colmar berufen. Der Kaifer fobexte das
Meich wieder durch Mandate auf, „um ſolch' Übel, Schande
und Lafter, fo der König von Frankreich an Öfterreich und
gemeiner teutfcher Nation begangen, zu ſtrafen.“ Darauf
28. März. befchloffen die ſchwaͤbiſchen Stände dem roͤmiſchen König als
‚Bundeöverwandten 400 zu Roß und 1600 zu Fuß zu ge
ben *). Indeſſen, ald Marimilians Schaaren die Stadt Ar
ras durch Überfall eingenommen, wurde zu Colmar ein Stil:
fland mit Srankreich eingeleitet, auf weichen zu Senlis Friede
23. Mat. gefchloffen wurde. Karl VIIL gab die Gravſchaften, melde
zur Mitgift der Margaretha beſtimmt waren, zuruͤck, und fe:
1) Du Mont. T. II. P. II. Nr. 158.
S Geſch. v. Schwaben V, 316—822,
8. Friedrih IIL, 14401493, 581
mit wurden wenigfiend bie burgundifchen Lande wieder er⸗
gäanzt. Won weiterer Genugthuung. ift nicht die Rede ').
Marimilion und Karl hatten Beide ihren Blick ſchon auf
Italien gerichtet. Lebterer ging damit um, Neapel einzus
nehmen. ‚Dem Erflern ließ der Regent von Malland, Ludwig 1493
Sforza, genannt Moro, feine Nichte Blanca Maria, Toch⸗ 10. Mei
ter des verfiorbenen Herzogs Galeazzo Maria Sforza, mit
200,000 Ducaten zur Gemahlin anbieten, eben als ber Friebe
zu Senlis gefchloffen wurde. Einen Monat danach gab Darts 24. Ian.
milian feine Einwilligung. Manche Fuͤrſten hielten zwar dieſe
Verbindung nicht fir flandesmäßig, denn der Stifter des Haus
ſes Sforza, Franz, Großvater der Blanca, hatte fi vom
aufferehelichen Bauerjungen zum Gonbottiere aufgefhwungen .
und mit einer nathrlichen Zochter des Herzogs Philipp Mas
ria Bifconti verheirathet, war auch von K. Friebrich III. nicht
ald Herzog von Mailand anerfannt worden. Andere fuͤrchte⸗
ten nicht ohne Grund, das Reich möchte wieder tiefer in bie
italienifhen Parteiungen hineingezogen werben. Allein ber
Erzherzog Sigmund und einige Kurfürften und Fimſten rie⸗
then zu der Verbindung; bei der Geldarmuth in Öfterreich
war die Mitgift nicht zu verachten. Die ausgezeichneten pers
fönlichen Eigenfchaften der Blanca fcheinen weniger in Be
tracht gezogen worden zu fein; Martmilian fand fie nicht nad)
feinem Geſchmack und hatte aud Feine Kinder von ihr, weis (1511)
bald fie, wie man glaubte, frühzeitig vor Verdruß geflorben 81. Der.
fein ſolle 2). Der alte Kaiſer lebte in Zuruͤckgezegenheit zu
Linz. Eine feiner legten Sorgen war, das Land Öfterreich
von dem Raubgefinde zu fäubern, das vom ungerifchen Kriege
übrig geblieben war. Sohn einer Mutter, welche mit bloßen
Händen Hufeifen zerbrach, genoß er einer trefflichen Seſund⸗
heit und erreichte ‘bei feiner großen Mäßigkeit ein hohes Alter.
In den legten ſechs Jahren zog er ſich durch die üble Ges
wohnbeit, Thüren mit dem Fuße aufzufloßen, einen Schaden
ar bemfelben zu, der vernachläffigt in Falten Brand überging
und zweimalige Abnahme zur Folge hatte, die er mit einem
1) Müller Borft. 1. &. 26. .
2) Häberlin Reihegefäh. VII, 648.
.
982 Bud IL Erfter Zeitraum. Abſchnitt 4.
Schlaftrunk überfiand, Während der Heilung genoß er nad
einem Faſttage acht Melonen und trank Waſſer barauf. Rım
beflel ihn die rothe Ruhr, an welcher ex nad wenigen Ta
1493 gen farb, im 5833ſten Jahre feiner Reichöregierung unb im
19. Zug. Igſten feines Alters '). Kein Kaifer hat fo lange regiert, un⸗
ter Seinem if fo wenig für das Meich gefchehen, keiner bat
auch fo viele widrige Schidfale erbuldet als er, und doch hat
er am Ende noch Alles erlangt, was er zum Biel feiner Wuͤnſche
geſetzt hatte. Er überlebte alle feine Gegner, ohne ihnen nad»
gegeben zu haben. Die Öfterreichifchen GErblande, wovon ce
nur einen Theil antrat, fah er durch Vertrag mit Erzherzog
Sigmund vereinigt. Die Anwartfchaft auf die Kronen von
Ungern und Böhmen war wenigſtens vorbehalten. In Bus
gund und ben Nieberlanden fah er feinen Enkel Philipp auf
dem Thron. Judeſſen, ob er gleich für die Hausmacht Alles
aufgeopfert, genoß er doch keinen Augenblid die Erblande in
- &Rube und hinterließ fie in einem zerrütteten und verarmten
Buftande. Aus blinder Ergebenheit gegen den Papft bat er
die Kurfürften verrathen und die Unterdrüdung ber Concilien,
überhaupt bed öffentlichen Geiſtes, vollenden helfen. Das
Eaiferliche Anfehn in Italien war ganz erloſchen. Des teut
(hen Reichs nahm er ſich erſt an, als er aus Öflerreich ver
trieben war, und that auch jetzt Nichts weiter, ald.nöthig war
um Hülfe zu erhalten; das Kammergericht kam nicht zu Stande,
weil er für feine kaiſerlichen Vorrechte fürchtete. Selten ging
ex geradezu, fonbern fuchte durch heimliche er
und duch Stiftung von Parteien fein Ziel zu erreichen;
kam ihm nicht darauf an, dieſe öfter zu wechſeln, wie er a
gen die Könige Ladiflaus, Georg und Matthiad, gegen Karl
von Burgund, gegen bie Schweizer und die Reichöfläbte es
bewiefen. Unerfeglic, iſt Zeutichland In dem halben Jahrhun⸗
bert feiner, Regierung zuruͤckgekommen, während die andem
Staaten mächtig. fortgefcpritten find. Erſt am Gchluffe fei
nee Zeit gelang es einigen wohlgefinnten Männern Etwas
zu Stande zu bringen, was bie Grundlage weiterer Curich.
1) Fugger a. a O. ©. 1078. Grünb eck Gedenäbefhreibung 2
driedrichs TIL :
8. Marimitian L, 1493—1519. 583
tungen wide. Bieles war mit umenblicher, Mühe im Reiche
vorbereitet, durchgedacht und verfucht. Es bedurfte nur einer
kraͤftigen, geſchickten Hand, um bie Sachen am — Ende
zu faſſen.
IM. Allfeitige Fortſchritte unter K. Mari:
milian L 1493 — 1519.
1. Der teutſche Staatenverein, im Gedränge zwiſchen
Frankreich und den Türken, endlich ein gefeßlicher Staat.
Marimilian, Segenbild von Friedrich IL Seine
Entwürfe in Abficht des franzoͤſiſch-italieniſchen
Kriegs und der Türken. Der Städte Zähigkeit
erzwingt enblid die Feſtſtellung der Verfaffung.
Ewiger. Landfriede;s Kammergerihtz Feichsregi⸗
ment; gemeiner Pfenning. Polizei. Öfterreihs
Abfihten auf die Herzogthämer Mailand und
Wirtemberg Wechſelheirath zwifchen dem öfters
seihifhen und cafilifhsaragonifhen Haufe.
Sur rufligen Mannesalter, vierundbreiffig Jahre alt, uͤder⸗
nahm Marimilian die Reichöregierung '), nachdem er ges
gen acht Jahre ald römifcher König an den wichtigſten Ders
bandlungen Theil genommen. Baft in Allem das Gegenbilb
feines Vaters, giebt er den Geſchaͤften einen rafchern Schwung.
Sein hoher, ritterlicher Sinn, der Bühne, heile Bid, die Ges
Kalt, die Gefichtsbildung *) erinners an den Ahnherrn Rus
1) Zur Erſparung bed Raumes geben wir bie wichtigften Quellen
auf einmal an. Bugger Ehrenfpiegel 2. Hegewifc Geſch. K. Maris
milians J. nebft dem Anhang über die Culturgeſchichte. Fuͤr bie Ver⸗
faffungsangelegenheit: Müllers RI. Theatr., und RT, Gtaat ums
ter 8. Marimilian J. Reue Bamml. der RE. Abſchiede.
2), Maximilian fcherzte wie Rudolf über feine Naſe. In einer Reiches
ftabt wurden ihm einmal gar gu viele Abbildungen In Wachs, Metall,
Gips ıc; Abergeben. Gr befchenkte die Eeute, fügte aber endlich: „ſeht,
554 Buch IN. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 4.
dolf J. Durch Leutſeligkeit und heitere Scherzreden gewann
er wie jener die Liebe aller Staͤnde. An Feinheit der Sit⸗
ten iſt er weiter voraus als fein Zeitalter vor jmem. Den
burgundiſch⸗ franzöfi [hen Krieg nahm er mit bemfelben Su:
genbungeftüm auf wie Rubolf bie habsburgiſchen Stamnifeh-
den. Die Erfahrungen nüßte er wie dieſer im reifen Alter,
‚doch blieb immer feine rege Einbildungskraft vorherrſchend.
&o wenig man fih in der Kindheit von ihm verfprach, da er
im fünften Jahre erſt deutlich reden lernte, dann bei Meifler
Engelbrecht an der Grammatik erlag, fo gewaltig entwidelte
fih hernach, umter befieren Lehrem, in ihm eine Wißbegierbe,
die Alles zu umfaflen brannte. Cr fprach das Lateinifche,
Sranzöfifche und Stalienifche mit Fertigkeit. Sein Bater ließ
ihn in den Fleben freien Kimften, in ber Theologie und Po:
litik, in der fhwarzen Kunft und in ber Arzneifunde unters
richten, und wiewohl er diefe Laufbahn bald verließ, fo be
hielt ee doch eine ungemeine Liebe zu den Wiffenfchaften und
befchäftigte firh im Umgange mit Gelehrten mit der Erbbe
ſchreibung und Gefchichte, mit Malerei, Baukunft, Muſik und
mit der Bergkunde. Im Kriegsweſen mathte er Erfindungen
wie RubolfI., er legte ſelbſt Hand an als Harniſchmacher
und Geſchuͤtzmeiſter. Nichts unverfucht laſſend, gab ex feinem
Körper eine aufferorbentliche Gewandtheit und Staͤrke. In
. unzähligen Gefahren auf der Jagd und im Krieg, zu Waſſer
und zu Lande, kam er als Waghald durch. Muth und Bei:
fleögegenwart immer glüdtich durh. Im Tirol war er ber
verwegenfte und glüdlichfte Gemfenjäger; im Roßlauf gewann
er (don im funfzehnten Iahre zu Straßburg den zweiten Preis
mit einer Armbruft, da er auf der Reife zu Karl dem Kuͤh⸗
nen war; auf feinem erften kaiſerlichen Reichstage warf er
im Zurnier den franzöfifchen Ritter Claudius von Batre, mit
bem es Keiner aufzunehmen wagte. Seinen Hof koͤnnte man
den legten Nachklang von der Zeit der Tafelrunde nennen.
Sm Reichörathe wählte er die verftändigften und thätigfien
wer eine große Nafe nachmachen Eann, kommt und will uns bamit bie
Den. Zusser ©. 1886. WBgl. — von Schwaben III. S. 88. An:
merk.
8. Marimiiten L, 1493—1519. 585
Fürften und" Stäbtebotfhafter aus und trat mit ihnen in
Freundſchaft. Mit To großer und vielfacher Unternehmungs-
luſt iſt möcht leicht ein Kaiſer biefer ſpaͤtern Zeit aufgetreten.
Den Erfolg haben wir nun zu befchreiben.
Waͤhrend K. Friedrichs II. Leichenfeier machten die Tuͤr⸗ 1493
ten einen Streifzug bis Laibach. Es war aber nur eine vor⸗ Aug.
uͤbergehende Störung, denn fie gingen bald wieder mit ihrer
Beute zuruͤck. Maximilian verfolgte fie bis Crvatien; bei Mas.
drutz wurden die Ungern von ihnen gefchlagen ). Maximi⸗ 18. Gept.
liand erſter Gedanke war, in ben Erblanden und im Reiche
fih fo bald als möglich freie Hände zu machen, um mit deſto
größerem Nachdruck in Italien und gegen bie Tuͤrken zu Selb:
zieben zu koͤnnen. Aber ‚die Verkältniffe im Reiche waren vom
der Art, daß er bald, was er nur ald Mittel betrachten wollte,
zum Hauptzwede wenigftend feiner erflen Regierungszeit mas
chen mufite.
Nachdem Rarimilion feine Vermaͤhlung mit Blanca Ma⸗ 1494
ria zu Insbruck unter großem Gepraͤnge vollzogen, ging er 16. Maͤrz.
in die Niederlande, um den Grauen Karl von Egmont, ber
Die Anfprüche auf Geldern erneuerte, zu befeitigen, dann bie
nieberländifche Regierung an feinen inbeflen mimbig gemors
denen- Sohn Philipp abzutreten 2). Über diefen Anorbnuns
gen konnte er feinen erfien Reichätag erſt auf das naͤchſte Jahr 1495
auöfchreibenz er wählte aber dazu nicht Nürnberg, nach der Behr.
goldenen Bulle, fonden Worms, weil biefe Stabt unter ben
vorwaltenden Umflänben die gelegenſte fchien.
Indefien trugen fich in Italien folche Veränderungen zu, :
bei welchen Marimilton nicht ohne thätige Theilnahme blei⸗
ben konnte. Fürs erſte hatte er dem Ludwig Sforza bei
der Verlobung mit feiner Nichte die Belehnung mit bem Her:
zogthum Mailand zugefagt, das diefer einſtweilen für feinen... '
Neffen, Johann Galeazzo, der Blanca Bruder, ben er ald
blödfinnig ausgab, verwaltete. Marimilian nahm keinen An⸗
ſtand dieſen feinen — auszuſchlieſſen, theils weil deſ⸗
ſen Vater wider Willen K R. Triedrichs III. fich des Herzog⸗
1) Prithem. Chron, Hirs. ad a. 1498.
| 2) Heuter, Ber, Austs, L, V.
556 Bud IL Eerſter Zeitraum. Abfhnitt 4.
thums angemaßt, cheils weil Lubwig Sforza fich das Berbienft
gab, durch Anerkennung ber Lehensherrlichkeit das Herzogthum
bei dem Reiche zu erhalten !). Ludwig Sforza hatte aber Feine
geringere Abficht, ald unter ben italieniſchen Staaten, welche
vergeblich einander im Gleichgewichte zu erhalten ſtrebten, durch
auswärtigen Beiſtand fich eine entſcheidende Macht zu geben.
Kaum vor den Verhandlungen mit Marimilien hatte er mit
K. Kari VIII. von Frankreich ein Buͤndniß gegen K. Ferdi⸗
nand von Aragoniens Neapel gefchloffen. Papft Aleranber VL
tsat dagegen nebſt den Blorentinern mit deſſen Sohn und
Nachfolger, Aphons IL, in Verbindung. Ludwig Sferza aber,
indem er mit dem Könige und mit dem Kaifer zwei befon-
| . dere Bimdniſſe ſchloß, hoffte an Jedem gegen den Andern ei
; nen Stuͤtzpunct zu haben.
1494 Der vreiundzwanzigtährige Karl brach mit einem nicht
ſehr großen, aber gut ausgerüfteten Heere, wie man. lange
Zeit Feines in Italien gefehen, über die Alpen, und ob er
gleich weber Geld noͤch Kriegserfahrung befaß, fo ging doch
der Feldzug ſo gluͤcklich von Statten, daß er faft ohne Schwerdt⸗
1495 frei, wie im Triumph zu Blovenz, zu Rom, zu Reapei
22. Bebr. feinen Einzug bielt. Papft Alerander VL fagte: die Framzo⸗
fen find mit hölzernen Sporen und wie Fourierſchuͤtzen mit
der Kreide in der Hand nach Neapel gekommen, um ihre
Quartiere an bie Hausthiren anzufchreiben. Diefe Eroberung
ging num weit über die Abfichten Ludwigs Sforza; er fürd
tete für fein eigenes Heczogthum. Karl begnügte fich nich
die Anfprüche des jüngern Haufes Anjou auf Neapel geltend
gemacht zu haben: in Rom übte er Hoheitsrechte; in Reapel
- führte er kaiſerliche Infignien, ſei e8 nun, weil ihm Andreas
VPalaͤologus, Wetter des letzten griechifchen Kaifers, feine Rechte
abgetreten, ober weil ex bie abenblänbiiche Kaiferwürbe im
Sinn hatte. Alſo beirieb nun Ludwig ein Gegenbuͤndniß mit
Spanien, Rom, Benedig und foderte feinen Lehnähern, ben
Kalfer, zum Beitritt auf, um ben König von — wie
bes aus. Itallen zu vertreiben ?).
1) Löünig Cod. Ital. dipl. T. IT. No. 8-97.
2) Memoires de Comines L. VH. Gelcciardisi u L
K Marimitian L, 14931519. 587
"Während dieſes Binbniß eingeleitet wurde, eröffnete Raxi⸗ 1495
milian die Reichötagshandlungen zu Worms. Gein Plan war 36. Maͤrz.
raſch entworfen diefer: die Fürſten und Staͤnde follten mit
fo gut geräfletem Gefolge exicheinen, daß er gleich nach vier
zehn Tagen den Römerzug antreten und noch benfelben Som:
mer den Tuͤrkenkrieg aufnehmen koͤnnte. Er fanb jeboch bald,
daß er ſich gewaltig verredinet hatte. Aufferdem baß ex feine
eigene Ankunft verfpätet, zogen ſich die Verhandlungen in
eine unabfehbare Länge und Breite. Je dringendere Auffobes
rungen von ben italiemifchen Verbündeten kamen, deſto mehr
bäuften fi die Schwierigkeiten, befonber& bei den kleinern
Reichöftänden. Die Kurfürſten und Zürften zeigten fich zwar
nicht abgeneigt gegen Maximilians Antrag: daß gegen *
Zürten, als Feinde ber Chriſtenheit, und gegen Frankreich, als
Beind des römifchen Reichs, nicht nur eine eilende, ſondern
eine beftändige Hülfe auf 10 bis 12 Jahre nöthig fei oder
fo viel Geld, um ein ſtehendes Neichöheer zu unterhalten
Aber die Staͤdte, welche fpäter kamen, weil fie fich indeſſen
befonberd berathen hatten und exft volle Gewalt einholen
mufiten, entgegneten: es koͤnne Nichts befchlofien werben, bes
vor den Befchwerben einer jeden Stabt abgeholfen wäre, und
warnten zugleich, man möchte fich nicht zu ewigem Tribut
noch Geroitut verleiten laſſen. Bei ben fämmtlichen Ständen
aber war derfelbe Nachhall, den man auf den biöherigen Reiches
tagen immer gehört hatte: auswärtige Hülfe könne nicht cher
geleiftet werben, bevor im Innern die drei Stüde, Friede,
Recht und Ordnung, hergeſtellt wären
Wenn Marimilian neue Botfchaften aus Italien voregte,
verficherten dagegen die franzöfifchen Geſandten bei dem Reiches
tage: ihr König wolle weber gegen den heiligen Vater noch
roͤmiſchen König noch wider das Reich und die teutſche Nas
tion handeln. Die Staͤnde hierdurch treuherzig gemacht be⸗
ſchloſſen eine beſondere Geſandtſchaft nach Frankreich abgehen
zu laſſen. Maximilian ließ ſich aber nicht irren. „Die Fran⸗
zoſen,“ ſagte ex, „fingen höher denn genotirt iſt; fie leſen an⸗
bers denn geſchrieben iſt; fie reden anders denn ihnen im Hess
gen if." — „D liebe Herren!" fo fprach der Erzkanzler zu
| u vor — zoͤgern wollten, „ed gehet gar laugſam zu;
588 Bud HI Erfier Zeitraum. Abſchnitt 4.
es if wenig Fleiß und Eruſt in den Ständen bed Reiche vom
Oben bis zum Unten und billig zum Erbarmen. Es if
aber zu beforgen, wo man fich nicht anders denn biäher in Die
Sachen ſchicken und fleiffiger fich zufanıınenftellen werde, daß ei⸗
nes Tags etwan ein Brember fomme, der uns Alle
mit eifernen Ruthen vegieren wird.” Gran Eber:
hard von Wirtemberg, der auf dieſem Reichötag zum Her-
309 erhoben wurde, ließ bie zwei erſten Philippiken bed
Demofihenes, durch Reuchlin Überfegt vertheilen.
100,000, enblid 150,080 fl. war bie ganze Gumnne,
weiche der Reichötag als Anlehen aufzubringen verfprach, um
die 9000 Mann, welche Maximilian zu Folge feined Buͤnd⸗
niffes nach Italien zu fchiden verfprochen, zu beſolden. Die
Fürſten nahmen den Beſchluß an, und es ging andy einiges
Geld ein; aber die Städte, anfänglich zu einem Drittheil, dann
- zu einen Viertbeil diefer Summe angefchlagen, verweigerten
hartnädig die Unterfchrift bed Anlehns, bis Marimilian end:
lich, nach vierzehnwöchentlichen Werhandlungen, mit ber be
Kimmten Erklärung hervorteat, baß er nach den übergebenen
Entwürfen Landfrieden und Kammergericht ſogleich begrän-
ben wollte, worauf die Städte auch ihre Zuſage gaben.
So verzögerte ſich denn allerdings die Reichshuͤlfe über
die gefehte Zeitz indeſſen machte ber — von Frankreich
ſelbſt größere Anſtrengungen überfläffig, denn ſobald er nur
von dem Gegenbimdniſſe Nachricht erhielt, brach ex ſogleich
bon Neapel wieder auf, aus Beſorgniß ben Ruͤckweg verlegt
zu finden. Seine Furcht war noch größer als die, welche
man in Mailand und Zeutichland vor ihm hatte Er flieg
12495 bei Suomaro im Sebiete von Parma auf die Verbündeten und
6. Sul. ſchlug fich gegen ihre Überzahl nur mit großem Verluſte durch
Von: Seiten Marimilians nahmen 2000 teutfche Landsknechte
und 1000 Reiter an dieſem Gefechte Theil. Dies geſchah ei⸗
ren Monat vor bee oben gebachten Verwilligung des Reicht
tags. Drei Monate darauf, während bie Reichsſchluͤſſe im
Zeutichland vollzogen wurben, fchloß Karl mit dem Herzoge
10, Oct. von Mailand einen befonbern Frieden unb ging über die Al⸗
ven zurkd. Bon ihrem ausgelaffenen Leben in Neapel brach
ten bie Sranzofen eine wuͤſte Krankheit mit, welche, in Teutſch⸗
‚8 Maximilian J., 4493-119... . 6580
Land nach ihnen genannt, fich fehmell Aber bie benachbarten
— verbreitete und ſeitdem * mehr ausgerottet werden
onnte !).
Die Ruͤckwirkung von Marimitians Kuͤſtungen auf die
teutſche Reichöuerfaffung iſt fe unſere Geſchichte von ber groͤß⸗
ten Bedeutung. Hat das alte Kaiſerthum bauptiächlic durch
das Ungluͤck des hohenſtaufiſchen Hauſes in Italien, beſon⸗
ders bush. den Widerſtand von Rom und Mailand feine Auf⸗
Löfung erlitten: fo iſt nun nach mehr als zweihunbertjähriger
Verwirrung Marimilian gedrungen werben, um Mailand und
Kom gegen Frankreichs lbermacht zu fchügen, bie innere
Grundlage bed Reichs wieberhezuftelien. Die Fürften,
unter Leitung des weilen Exzbifchefs Bertold von Mainz, bar
ben ben ‚Entwurf gegeben; bie Stäbte aber find es bie
durch ihr wibrige® Hinterfichbringen enblic doch das erreicht
haben, daß Marimilian feine Zuſtimmung nicht länger aufs
fhieben durfte. Die Sache felbft iſt auf folgende: Weiſe and
geführt worden.
Als die Verlegenheit am hoͤchſten war, ba man beforgte, bie
Branzofen möchten nicht nur Mailand erobern, fonbern auch
aus Ghampagne, wo fie fich gleichfalls rüfteten, Teutſchland
von ber zweiten ‚Seite angreifen, ſaß Marimilian zwei Tage
von Morgens 8 Uhr bis Abends zu derfelben Stunde, bie
Mahlzeit auögenommen, um bie Landfriedens⸗ umb Kammer⸗
gerichtö> Entwürfe zu vollenden. Nach ber letzten Erklaͤrung
der Städte erfchien er felbft in der Verſammlung, gab obiges
Verfprechen, und in brei Tagen wurben die Grundgeſetze des 1495
Sriedens, des Rechts und ber Drbnung verkimbet. 7.Aug.
Zuerft warb. mit Übereinfiimmung der Stände nach dem
Antrage bed Erzkanzlers befchlofien: daß das Fehderecht
unbedingt aufgehoben und ein ewiger Landfriede ſein ſolle,
bei Strafe der Reichsacht und 2000 Mark Goldes. Dies if
ein wefentlich neuer Schritt, denn alle bisherigen Landfrie⸗
densorbnungen waren nur Stillſtaͤnde auf eine beſtimmte Zeit
1) Die neuern Erklärungen bis 1816 von ber Gntflehung biefer
Krankheit f. bei Glutz-⸗Blotzheim, Gefch. d. Eidgenoffen S. 58. Für
die Anficht, daß ein (veränderter) Heft des Ausfages zum Grund Hiege,
fpräche die dort angeführte Gage von’ einem Feldfiechen.
600 Bub. El. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 4,
und vorichergehende Beſchraͤnkungen bes Fehderrchts. Solange
bie Stände das Waffenrecht gegen einander "übten, ſtanden
fie als fremde Staaten ſich gegenüber. Seit dieſem Befchluf
kann Teutſchland erft ein gefeglicher Staat heiffen.
Weil aber, fo fagt Maximilian ſelbſt in feiner Bekannt:
machung,. ein gemeiner Lanbfriede ohne redlich, ehrbar und
" förderlich Recht fehwerlich im Weſen befleben mag, fo muſſte
zugleich mit demſelben das Kammergeriht ober ein hoͤch⸗
ſtes Reichsgericht, wie es laͤngſt — — aufgerich⸗
tet werben: denn wenn das Fehderecht ober die Gelbfihälfe
aufhören foll, fo muͤſſen Richter fein, vor welchen ber Be
fhädigte Recht finden kann. Dies iſt bad zweite Städ ber
Verhandlungen vom Recht. Die BVorfielung von einem
oberſten Meichögericht war wohl nie ganz erlofchen, aber «es
war felten beſtehend, daher in vorfommenben Fällen oft Für:
fiengerichte berufen ober Austräge niebergefeht wurden
Aud die befonbern Reichsgerichte ober Taiferlihen Land:
gerichte in den unmittelbaren Reichölanden waren nicht ims
mer in Übung wie fie follten. Die Haupthinberniffe ber
Aufrichtumg eines beftänbigen Kammergerichtö haben wir oben
unter K. Friedrich IH. gefehn. Auch Marimilian hätte gem
die kaiſerlichen Vorrechte vorbehalten mögen. Doch gab er
enblich foweit nach, daß er dem Kammergerikht bie Gewalt
einraͤumte bie Reichsacht zu erkennen. Die Befolbung ber
Richten follte gunächft auffer den Sporteln von dem umzule
genden gemeinen Pfenning auf vier Jahre, bann vom Kaifer
gereicht, die Richter aber nicht von biefem allein fonbern aud
von den Reichsſtaͤnden gewählt werden, und dieſes Kannner⸗
gericht fortan in einer beſtinmiten Stadt (Frankfurt) feinen
Sig haben. Für alle unmittelbaren Reichsſtaͤnde iſt dieſer Ge
richtshof erfte Inſtanz; mittelbare koͤnnen dahin appelliven.
Den Kurfurſten und allen Firſtenmaͤßigen bleiben bie bisheri⸗
gen gewilllärten Austragsgerichte vorbehalten, ober wenn fie
deren nicht hätten, vor ihren Räthen oder anbern
Herren als Austrägen. Geſprochen folle werben nach des
Reichs gemeinen Rechten und nach ehrbaren Sewohnbeiten
der Fuͤrſtenthuͤmer, Herrſchaften unb Berichte.
In Abficht bed dritten Stud, ber Drbnung ober Hanb⸗
8. Maximilian L, 193-1519. 59
habung bed Friebens und Rechted, trug man: auf ein Reich 8⸗
regiment an, das auch zu Frankfurt ſeinen Sitz haben ſollte
Da jedoch Maximilian dagegen hielt, daß er bisher ſo regiert
habe, daß Riemand Hagen koͤnne, und daß er einige Hof⸗
raͤthe zu dieſem Zweck an feinem Hof halten wollte, ſo ließ
man dieſe Sache vor der Hand beruhen und beſchloß dage⸗
gen, daß der Reichstag jährlich auf einen Monat zuſam⸗
mentommen folle, um über Vollziebung bed Lanbfriedens,
der Kammergerichtäurtheile und ber Auöträgalerfenutniffe zu
balten.
Endlich zu ben Koſten bewilligte ber Reichstag auf vier
Jahre ben gemeinen Pfenning nach Claſſen, ungefähr
wie im Huffitenkrieg, wovon vorerft jene 150,000 fi. zur eis.
lenden Hülfe für Stalien abgerechnet, das Übrige zum Kam⸗
mergericht und zum Zürkentrieg verwendet werben follte.
Das waren die Grundzüge, welche nach dem Ausbrude
ber Stände „bad Weſen des Stanted" betrafen. Kon ihren _
nähern Beflimmungen, zum Theil Abaͤnderungen, wird bald
die Rebe fein.
Auch die öffentlihen Sitten werben von jetzt an
Gegenſtand des Neichötagd, wie des ſchwaͤbiſchen Bundesra⸗
thes. Im Abſicht der „boͤſen Blattern),“ welche bie Fran⸗
zoſen von Neapel mitgebracht (mal de Naplen), erkannten
die Rechtsgelehrten, daß fie eine göttliche Strafe für das im
Schwange. gehende abfcheuliche Fluchen fein, da ber große
Geſetzgeber Juſtinian einſt dad Fluchen und Schwoͤren als
Urſache aller Landplagen erklaͤrt und deswegen Todesſtrafe
darauf geſetzt habe. Dieſe Strafe wollten ſie nun zwar nicht
auf das Fluchen erkennen, doch wurden ſchwere Geld⸗ und
Leibes⸗Strafen ausgeſprochen. Das VWolltrinken, auch in
1 Anfänglich ſchaͤmten fich weber Bürften noch gemeine Beute dies
fee Krankheit; man hielt fie wie andere Seuchen für eine Lanbplage.
Sie wird auch auf bem Seichstage unter andern Grünben angeführt,
warum man bie vom Papft verlangten Gelder nicht aufbringen koͤnne;
Teutſchland habe fo viele Wittwen, Waiſen, Kranke, arme Mädchen, _
Die fonft verführt werben könnten, Hausarme und pustulati (von ben
Blattern Angeftedte) wovon leider ganz Teutſchland voll wäre, zu un:
terhalten. Freher. T. IL p. 679.
592 Buch IL Erſter Zeitraum. Abſchnitt 4.
Zelblagern, wurde fireng verboten, das lbrige dem tünftigen
Reichötage mit Anberem vorbehalten.
Auch für das Reichsgut hat Maximilian zu forgen
‚nicht vergeffen bei zwei Kürftenbelehnungen, welche auf biefem
1495 Reichötage vorkamen. Gleich zu Anfang beffelben wurde bie
5. April. yon ihm zugefagte Belehnung bes Lubwig Sforza mit bem
Herzugtbum Mailand befldtigt, mit ber Beſtimmung,
daß folches nicht exblich fei, fondern nad Ludwigs Tode an
Kaifer und Reich zurüdfallen folle'). Etwas Ähnliches ge
21. Jul. ſchah ein paar Monate fpäter bei der Grimdung bed Her:
zogthums Wirtemberg Man Fönnte fi wundern, daß
Marimilian nicht eher die oͤſterreichiſchen Vorlande zu einem
Herzogthum vereinigte, ba fchon Herzog Rudolf IV. auf bie
fer Zitel-Anfpruch gemacht, auch K. Sriebrich HL feinen Bru⸗
ber Albrecht als Herzog und Graven biefer Fürfkenthümer umb
Lande (Breisgau, ſchwaͤbiſch Öfterreich und Worariberg) be
zeichnet hatte. Es war inbefien die Reichslandvogtei in Ober
und Rieder⸗ Schwaben dazu gekemmen, die Grwerbung ber
Landgravfchaft Nellenburg unb ber Gravſchaft —
nebſt mehrern kleinern hatte die Lande in naͤhern Zuſammen⸗
hang unter ſich gebracht, und ſo konnte man wohl an Wie⸗
derherſtellung des Herzogthums Schwaben denken. Erzherzog
Sigmund hatte dieſe Lande bereits an Marimilian übergeben,
und im folgenden Jahre fielen fie ihm durch feinen Tod gän;-
lich zu. Allein Maximilian begnügte fi) bie Benennung
„Bürft zu Schwaben” und bie altvaͤterliche Landgrav im El⸗
faß" in feine Titel aufzunehmen. Dagegen trug ex dem Gra⸗
ven. Eberhard dem Bärtigen von Wirtemberg aus eigenem
Antrieb die herzogliche Wuͤrde an, um, wie er in ber Urkunde
fagt, bed, Reichs Abgang an dem Herzogthum Schwaben zu
erfegen, ſodaß alle wirtembergifchen Lande in ein Mannlehn
als Reichöherzogthum vereinigt -wurden.
Eberhard der Bärtige war in ber That einer ber außge:
zeichnetfien Fuͤrſten dieſer Zeit, ein Freund des Erzbiſchofs
Bertold von Mainz, in vielen Stüden aͤhnlich dem K. Mari:
milian, nur daß er älter und erfahrner war, weshalb ihn diefer
1) Du Mont T. I. P. IL Nr. 302,
8. Marimilian L; 1493-1519. 593
auch beſonders hochſchaͤgte. Gr. hatte die zerruͤtteten Stamm⸗
lande in kurzer Zeit durch Haus⸗ und Landes⸗Vertraͤge, durch
Stiftung der Univerſitaͤt Tübingen und andere loͤbliche Ein:
richtungen in kurzer Zeit fo in Aufnahme gebracht und bie
innere Verwaltung fo gehandhabt, daß er in biefer fehdevol⸗
len Zeit vor allen Fuͤrſten fi ruͤhmen durfte, „er koͤnne in
jedes Unterthanen Schoos ſicher ſchlafen.“ Eberhard ſah wohl,
was Maximilian wollte. Er ſelbſt und ſein Veiter Eberhard
der Jungere, waren ohne Erben; des Letztern Bruber Hein⸗
rich war durch die Mishandlungen in der burgundiſchen Ge⸗
fangenſchaft regierungsunfaͤhig geworden und hatte damals
nur einen achtjaͤhrigen Sohn, den nachherigen Herzog Ulrich.
Auf diefem jungen Fuͤrſten berubte alfo die ganze Nachfolge.
Erloſch der Mannsſtamm, fo fiel das Land an das Reich und
Eonnte einem oͤſterreichiſchen Prinzen verliehen werden. Nach⸗
dem Eberhard mit ſeinen Raͤthen Alles uͤberlegt hatte, nahm
er bie Belehnung an, unter ber Bedingung daß das Laud
nach dem Erloͤſchen des Mannsſtammes nicht mehr verliehen,
ſondern als des Reichs Widdumgut der kaiſerlichen Kammer auf
ewige Zeiten einverleibt bleiben und mit Beſtaͤtigung aller
Rechte und Freiheiten durch einen Regimentsrath aus den drei
Ständen bed Landes verwaltet werben ſolle. So war auf
jeben Fall fir das Beſte des Landes geforgt '), und: was
Eberhard dem Haufe Oſterreich nicht zugeſtehn wollte, das
Tonnte er dem Kaiſer, feinem Freunde, nicht verfagen 2),
Maximilian behielt wenigfins die Hoffnung, das Reichögut
in einer Provinz vermehrt zu fehen, wo es ſchon fo beträchte
lich vermindert war.
In Abfiht des Herzogthums Mailand hingegen hatte
Maorimilion ohne Zweifel die Erwartung, daß es bald einem
Sürften feines Haufed verliehen und bamit die Oberherrſchaft
in Stalien neu begründet werben koͤnne. US ARE
Died Alles geſchah auf dem großen Reichötage zu Worms,
‚ber ein halbes Jahr dauerte. Die Vorbereitungen erkennt
man wohl feit Marimilians roͤmiſcher Koͤnigswahl, aber ex
1) folange bas Kaiſerthum mährte.
2) Meine Geſchichte H. Eberhards I. von Wärtemberg ©. 291 £.
Pfiſter Geſchichte d. Teutſchen IM. 38
694 Bud II Erſter Zeitraum. Abſchnitt 4.
feibß hätte wohl wicht gebadht, daß ſchon in den erſten zwei
Jahren feiner Reichöregierung bie innere Verfaſſung foweit
bergeflellt werben wirde, ehe er zu feinen hoͤhern Gutwürfen
tam. Die Wechſelwirkung dieſer beiben Richtungen bleibt
auch in den folgenden Begebenheiten ber Hauptfaden; bed
muß, um bie Ergebniffe Marer in's Auge zu faſſen, jeder
Theil befonders abgehandelt werben.
Voraus iſt noch zu gedenken, was in eben biefem Zeit
1496 puncte für dad Kaiſerhaus geſchah. Ein Jahr nach dem
4.Mörz wormfer Reichötage, ba durch die tirol iſche Erbſchaft alle
* öfterreichifche Lande vereinigt wurben, veranlaffte bad wibe
Frankreich errichtete Buͤndniß und bie mütterlihe Berwantt
(haft Maximilians mit dem caftilifchen Haufe eine zwei⸗
fache Familienverbindung. Es wurde vermählt ber Erzherzog
21. Det. Philipp, Martmilians Sohn, mit Johanna, zweiter Zoch
! ter K. Ferdinands des Rechtgläubigen von Aragonien, Dank
4497 Marimiliand Tochter Margaretha mit Ferdinands einzigen
4. April. Sohn Johann. Geit Ferdinand mit Iſabella von Gafii
lien vermählt war, hatten bie beiben Reiche ungemein zuge
nommen, einerfeitö durch Gruͤndung eines allgemeinen Lant:
(1476) feiebend vermittelft ber heiligen Hermandad (ähnlich dem ſchwoͤ
bifchen Bund, wenn biefer nicht jener nachgebilbet iſt), ande
rerſeits durch Erhebung ber Pöniglichen Macht vermittelt der
(1484) Inquifition unter Leitung bes Brancifcanerd Zinenez, banz
(1492) durch die Eroberung von Granada, endlich durch bie begon
nene Entdeckung von Weſtindien. Niemand dachte wohl, daß
dies Alles in kurzer Zeit dem Haufe Öfterreich zu gut. kom
1497 men würde. Aber ſchon ein halbes Jahr nach ber Vermaͤh
4, Det. lung flarb ber Kronprinz Johann, und feine Wittwe wurde
Mutter eines todten Kindes. Ein Jahr darauf fiarb Ferdi
1498 nands dltere Tochter, die Königin Iſabella von Portugal, unt
ihr Sohn Michael folgte ihr fehon nach zwei Jahren. Alſo
wurde Johanna, Philipps Gemahlin, die einzige Erbin. Dieſe
über alle Erwartung günflige Wendung für das Haus Öfter
geich bat in der Folge auch auf die teutfche Gefchichte bes
wichtigften Einfluß erhalten.
8. Marimitian I, 1498— 1518. 895
2. Weitere Ausführung der erneuerten Heichövetfafs -
fung, 1496—1512, in Abficht des Landfriedens, Kants
mergerichts, Reichöregimente ‚ Reihshofraths, —
der Einkreiſung.
Erfiredung des ſchwaͤbiſchen Bundes. Fortwaͤh⸗
rende Zaͤhigkeit der Reichsſtaͤnde in Abſicht der
auswärtigen Reichshülfe. Maximilians Schwei⸗
zerfrieg. Kurverein gegen den Kaiſer. Gewünſchte
Kurwürde für Öfterreih. Pfalzbaieriſcher Erb—
folgekrieg. Frankreichs Bearbeitung der Reichs⸗
flände gegen Maximilians Theilnahme am italie⸗
niſchen Kriege. Hauptreichsſstag zu Coͤln in der
Verfaffungsfache.
Zur Vollziehung ber wormſer Schlüffe war die zugleich ein⸗
geleitete Erſtreckung des ſchwaͤbiſchen Bundes ein Haupt⸗
beſtandtheil. Dieſer hatte bereits eine hedeuicade Erweiterung
feiner urſpruͤnglichen Beſtimmung erhalten, durch den Beitritt
der Markgraven von Brandenburg in Franken und der Erz⸗
bifchöfe von Mainz und Xrier, fo wie durch die Loͤwengeſell⸗
fchaft in Baiern. Wie es der erſte Zweck des Bundes war
den zehnjährigen franffurter Landfrieden zu unterflügen, fo
ergab fi von ſelbſt, daß er auch den ewigen Landfrieden
wenigftend fo lange mufite behaupten helfen, bis bie übrigen
Reichslande in gleiche Einungen gebracht und fbmit erſt „daB
Weſen des teutfchen Staats" ganz feftgeftellt fein würde. Über⸗
Dies ſtellte der Erzbiſchof Bertold feinen Mitverwandten auf 1496 .
dem Bundedtage zu Eßlingen vor: „ba mächtige Nationen Ian.
fi) erhöben, um teutfche Reichsſtaͤnde anzutaften, fo müflte
ernftlicher Widerfiond vorgenommen werben. Die Stände
hatten. zwar mancherlei Befhwerden und. Bebenklichleiten ges
gen die Bortfegung des Bundes; die meiſten Städte wollten
gar zurhdtreten. Allein Marimilian wufite fie über Alles zu 1495
beruhigen. Er hatte nicht vergefien, welche wichtige Dienfte 22. Nov.
der Bund ihm ſchon geleiftet. Der Bürgermeifter Wilhelm
Beflerer zu Um, den er zu Worms zum Ritter gefchlagen,
brachte auch bie Städte wieder herzu. Cinfiweilen übernahm
38 *
56 Buch IL Eeſter Zeitraum. Abſchnitt 4.
‚1496 der Bund die Berlängerung auf Weri Sare (Bis zum Cik
Mai.
Dct.
a a
tere zwoͤlf Jahre Bedacht genommen ').
Sofort berief Maximilian drei Reichötäge nach einander
Den erfien verlegte er nach Lindau am Bodenſee, weil a
bier zugleih einen Heerzug nah Italien bewerkſtellige
wollte, um Karl VIIL entfernt zu halten. Die Reichsflänk
ſchlugen ihm aber die Hülfe ab. Der gemeine Pfenning well:
auch nicht eingehen. Maximilian z0g dennoch mit einem klei
nen Gefolge über die Alpen, im Vertrauen auf feine Ber
bimbetn Mailand und Venedig. Diefe wollten abe
Nichts. von ihm wiflen, fobalb man fichere Nachricht hatte, daß
Karl feinen Heerzug eingeftellt habe. Bis er zurückkam, fuht
ber Reichtag fort die Verfafiungsfache, wozu er —
berufen war, weiter zu berathen. Der Landfriebe, Bien
noch eine ungewohnte Sache, wurde nen beflätigt und feiw
Beobachtung eingeſchaͤrft. Dad Kammergericht bingega
muſſte bereitö eingeftelt werben, weil die Befoldungen nick
Hoffen. Da Marimilian fi) weigerte bie Koften auf vier Jahrt
1497 zu Übernehmen, fo wurde bie Sache bem nächften
Det.
gau ausgeführt werden. Diefer dauerte über gehn Monate,
Reichetag
9.Aprl. zu Worms vorbehalten. Man beſchloß bann ben Sitz bei
Kammergerichts hierher zu verlegen und einflweilen an be
Befoldungen zu bezahlen; die völlige Befekung aber folite,
nachdem man gegen fünf Donate zu Worms beifammen ge
weſen, durch ben britten Reichötag zu Freiburg im Breit
da auch neue Beſchwerden gegen Frankreich vorlamen. Nah
einer Erläuterung bed wormfer Landfriedens erließ Warimi:
lan ein firenges Mandat zu Gunften des fhwäbifchen Bun:
ded. Er bedrohte mit der Acht fowohl diejenigen bie fih
davon trennen wuͤrden, als bie weldye ſich noch u barein
begeben hätten. Auf den Fall von Friebbrüchen, bei welche⸗
man nicht auf bie jährliche Reichsverſammlung warten Förmte,
erhielt der Kammerrichter Gewalt die naͤchſten Fürften zu
Erecution zu berufen. Da ber Sik des Kammergerichts
baffelbe as
auf's neue ungewiß war, ſo wollte Maximilian
1) Geſchichte von Schwaben V, 840 ff.
— —
8. Marimition L, 14931519, , ” 597
feinen Hof ziehen. Die Stände waren barkber verlegen unb
wufiten fi) nicht anders zu helfen, als daß fie den Sufag
machten: wenn ber Kaifer felbft feinen beflänbigen Sie in
einer gelegenen Stabt des Reich nehmen würbe. Dabei ließ
man dem bie Frage beruhen. Die Beſoldung der Kammer
richter wurde auf wieberholtes Verlangen verbeflest, bamit fie
in Gutwilligleit erhalten würden und befto fleiffiger fein moͤch⸗
ten. Da man fchon zu Lindau auf Werbefferung des Juſtiz⸗
wefend angetragen Hatte, fo befchloß ber Reichötag eine Res
formation dee peinlihen Serihtsorbnung einzuleiten.
In Abficht der Reihspolizeigefege, weiche man zu Worms
zu weiterm Bedenken angenommen und ebenfalls zu Lindau
mit befonberer Wichtigkeit behandelt hatte, wurden nun weis
tere Beſchluͤſſe gefafft: die großen Foftbaren Hochzeiten folle
jeder Fürſt, jebe Obrigkeit in ihren Gebieten abfchaffenz ebenfo
alle tiberflüffige Kleiderprachtz; die kurzen Röde follen fo
Yang gemacht werden, daß fie hinten und vorne wohl bedien
mögen. Pfeifern, Zrompetern und Spielleuten folle
binlänglicher Sold gegeben werben, damit fie andere Leute
unbelaͤſtiget laſſen. Die Überflüffigkeit der Narren folle ab»
geichafft und nicht Länger zugegeben werben, daß ihnen Schilde,
Ketten und Ringe bee Herren ober abeliger Perfonen anges
hängt werben; wo man fie etwa nicht entbehren wollte, ſetzt
der freiburger Abfchieb hinzu, follen fie wenigſtens fo gehals
ten werben, daß fie Anbern nicht zur Lafl fallen. Zigeuner,
als Ausfpäher der Lande, follen bis nächte Oſtern aus dem
Lande gefchafft und wenn fie wieber betreten würben für
vogeiftei gehalten werden. Betrug mit Tuͤchern ift verboten,
und wegen der wiebereinzeiffenden Weinverfälfhung wird
eine gefchärfte Weinordnung gegeben.
An jenen 150,000 fl., welche das Reich zur Hülfe für
Italien zugefagt hatte, war noch ein ſtarker Ruͤckſtand. Maris
miltan betrieb daher auf biefem Neichötage ben gemeinen Pfen⸗
ning um ſo mehr, als er bereits im Begriff war jene bur⸗
gundiſchen Gravſchaften, welche Karl VIII. gegen den Frieden
von Senlis zuruͤckhielt, mit gewaffneter Hand einzunehmen.
Statt ſich wegen des Rüdftandes zu entfchulbigen, verlangte
der Reichstag erfi Rechnung über die an Maximilian entriche
58 Buch MH. Erſter Zeitraum Abſchnitt 4.
teten Gelder, welche man vorläufig. u 50,000 fl. anſchlug
Auf Abfchlag wurden dann weitere 70,000 $. bewilligt, weil
* Maximilian ſchon Soͤldner im Feld hatte; vorher aber wollte
man noch eine Sefanbtfchaft nach Frankreich fchiden, be es
1498 die Reidöintegrität betraf. Indeſſen machte Karld VII, Rad»
SAus ſolger, Ludwig XII., einen Vergleich mit dem Erxzherzoge
Philipp, der ihm gegen die Zuruͤckgabe einiger Staͤdte den
lebenslaͤnglichen Befig von Bourgogne, Maçonais, Aureme
und Bar⸗ſur⸗Seine zu laſſen verſprach. Maximilian war da⸗
mit nicht zufrieden, aber er konnte fich nicht weiter Dagegen
fegen, weil ee noch wegen bed Herzogthums Geldern mit
dem Sraven von Egmond, ben man auf bem Reichstage abs
gewiefen hatte, in Krieg fland, und weil ein noch größerer
Krieg mit den Schweizern im Anzug var.
Bei der Errichtung des fchwäbilchen Bundes hatten fo
wohl die Stände als der Kaifer, jeder Theil aus befonberen
Gruͤnden, ihr Abfehen auf die fchweizerifhen Eidgenoſſen.
Zuerft fragten die Städte bei’ ihnen an, dann wurde im Na
men bed Bundes eine Sefandtfchaft nach Zürich abgeordnet.
Man fand aber keinen Eingang. Schon ‚die Verficherung,
ber Bund fei nicht gegen bie Eidgenoſſenſchaft gerichtet, er
regte Mistrauen. Die Ablehnung gefchab zwar auf die glimpfs
lichſte Art, doch fab man bald Spannung entfliehen. Der
Adel, Buch den Bund trotzig, ließ hören: jetzt fei der Fund
gefunden, daß die Bauern nicht mehr Herren fein werben. Der
alte Haß erwachte und firdmte in Schmachliedern aus. Mari⸗
milian, noch xömifcher König, gewann ben Birgermeiſter
Waldmann zu Bürichz jedoch ohne Erfolg. Ebenfo wenig ge
lang ihm, als Sigmund die Vorlande abtrat, bie Erbeimung
zu erneuern, benn bie Gidgenofien betvachteten dies als den
Weg fie in den ſchwaͤbiſchen Bund zu bringen‘). So gün:
fig ſie dem jungen, hochherzigen Fuͤrſten gewefen, fo groß
war st ihre Abneigung gegen feine Reichsanſtalten. Der
' 1) Gefchichte von Schwaben V, 330. Das Weitere nach der über
fit der Geſchichte von Schwaben. 1813. ©. 89 ff. Hauptfädlich aber
nach Blug-Biogbeim: Geſchichte der Widgenoffeh. 1816. &. 63 |,
wo biefer Krieg umgekehrt ber Schwabenkrieg heiſſt
8 Maximilian L, 1493—1519; 599
„ſtaͤhlene Bund,“ fo hieß er in der Schweiz in Rüdficht auf
die Ritterſchaft, mar eine vom Kalfer .gebotene Vereinigung
verichiedener Ständez. was er dem Reich gewähren follte, das
Alte befaßen fie ſchon in ihrer Eidgenoſſenſchaft. Auf jeben
Ball erneuerten fie jebt das Buͤndniß mit der niedern Verei⸗
nigung (im Elſaß). Sie verfehlten nicht ben wormfer Reiches
tag zu befchiden; als aber Marimilian verlangte, daß fie als 1495
Gehorſame des Reichs und Liebhaber der Gerechtigkeit ben
Beichlüffen Folge leiften, namentlich den gemeinen Pfenning
entrichten und dem SKammergericht fich unterwerfen follten,
bielten fie ihre Freiheiten gefährdet. Als Kaifer und Papft
begehrten, fie follten dem Bimbniffe mit Frankreich entfagen, 1496
fo erklaͤrten fie das fir eine unbillige Zumuthung, denn Frank⸗
zeich fodere nicht, fonbern gebe Geld. Kurz, fie ſahen fich
in ber That ald nicht mehr zum Meich gehörig an. j
Die Spannung kam zum Ausbruch über Streitigkeiten
im Münfterthale zwifchen Zirol und Graubimdten, hauptſaͤch⸗
lich durch die Leidenfchaftlichkeit der Öfterreichifchen Raͤthe,
während Marimilian noch im gelbrifchen Krieg: zuruͤckgehalten
wurde. Er war zum Brieden geneigt. Sollte er vergeffen
haben, was bie Eidgenoffen für das burgundifche Erbe ge
tban? Aber ber Krieg war nicht mehr aufzuhalten. Die Sraus
buͤndtner befegten das Münfterthal und traten in den Schweis 1498
zerbund. Dagegen riefen bie Tiroler den fchwäbifchen Bund
zu Hülfe. Beide Theile rhfleten; man that als wollte man
zur die Grenzen wahren, aber fchnell erfolgten Feindſeligkei⸗ 1499
ten, es bedurfte Feiner Kriegserklaͤrung. Sie lag nit in dies 9"
fer oder jener Rechtsſache; der Krieg fland in den Gemüthern.
Der Biſchof von Eoflanz, andere Fuͤrſten und Städte wollten
vermitteln. Maximilian erbot fich zu Verhandlungen; aber
ver ſchwaͤbiſche Bund, der Adel, die Öfterreichiichen Raͤthe
wollten Nichtd mehr vom Frieden hören. Der Bund, durch
feine Stellung gegen Baier ermuthigt, verachtete die Schweizer.
An der That wären bie innen Verhältniffe der Eidges
noffen nicht ungänftig für einen feindlichen Angriff gewefen:
fie waren unter fich felbft getheilt und neigten fi auf ver
fchiedene Seiten; durch geſchickten Zwiſchentritt wäre vieleicht
mehr gewonnen worden als durch Waffen. Indeſſen vereis
1499
16. Mörz. ſen ein zehniähriges Huͤlfsbuͤndniß mit Frankreich. Ihre Kriege
zucht war fo ſchlecht als bie ber andern Deere; aber beim |
600 Bud IE. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 4.
nigten fie ſich fchnell gegen den verhafften Bund und fdhlof:
Angriff mufften fie ſchwoͤren Teinem Feind das Leben zu ſchen⸗
ken, in ihrer Stellung bis in den Zob zu verharren und flie
hende Kampfgenoſſen nieberzuftoßen. Das machte ihre Waf⸗
fen furchtbar. Bon Seiten des Reichs fehlte der Nachdruck;
dies entfchieb den Krieg. Es folgten hitzige Gefechte, meiſt
zu Sunften der Schweizer. Eine Schaar ber Eidgenoſſen fiel
in das Hegau, eine andere zog über Rankweil, lodte das
Bundesvolk bei Hart heraus und flug ed in die FAucht.
Hierauf ergab fich dad Volk im bregenzer Bald. Im Ben:
35. Bi derholz zunächfi Bafel verlor dad bunbifche Heer. Bei Coflanz
23. Mai.
wollten beide Xheile einander umgeben, bie Schweizer erhiel⸗
ten aber einen vollfländigen Sieg. Als fie dagegen vor Er
matingen verjagt wurden, drohte fehon der Hauptmann des
bundifchen Fußvolks, „er wolle in der Kühmäuler Land ber:
maßen brennen, daB Gott auf dam Regenbogen vor Rauch
und Hite blinzen und bie Füße an fich ziehen muͤſſte.“ At
lein die Bunbifchen wurden beim Schwaderloch (Wald unfern
Coſtanz) geſchlagen und bis Stüuͤlingen verfolgt. Auf der
malfer Haide im Vinßgau erlitten die Landsknechte eine ſolche
Niederlage, daß fle im Grimm die Geifeln vom Engabin
umbrachten.
As nun die eibgenöffifchen Baffen auf der ganzen Srenʒe
von den buͤndneriſchen Alpen bis in den Sundgau ſolchen Fort⸗
gang gewannen, ſchloß Maximilian in. Geldern Stillſtand,
führte das niederlaͤndiſche Kriegsvolk herauf und erließ ein
Aufgebot in das Reich mit der fürmlichen Kriegserklaͤrung:
„die ſchnoͤden, gottlofen Bauern, vormald gegen ihre natlıs
lichen Herren aufgeflanben, hätten ihren falfchen Bund indeſ⸗
fen Immer weiter auögebreitet, und eben jetzt, ba die Macht
der Türken die Chriftenheit bebrohe, wären fie ohne Verwah⸗
sung ihrer Ehre in das heilige Reich eingedrungen. Da zwei
ihrer Heere auf teutfchem Boden fländen, fo babe er ſich vor
genommen felbft gegen fie zu ziehen, als Oberhaupt bes
Reichs, und erwarte ungefäumten Zuzug.” Zu Überlingen be
ſchloß der Kaifer im Kriegsrath mit den angelommenen Füuͤr⸗
|
8. Maximilian JL. 1493—1519. 601
flen die Eidgenoſſen auf verfehlebenen Seiten zugleich anzus
greifen, um fie zu ermüden. Sie fandten eine Friedensbot⸗
ſchaft; er ließ fie unbeantwortet und zog mit etwa 20,000 M.
burch Goftanz gegen das Schwaderloch, wo bie. Cidgenofien
ſich aufgeftellt hatten. Schon. fingen die großen Büchfen an 1499
gegen einander zu krachen. Da fiellten bie Fürften vor: fie 13. Sul
feien nicht gefommen, die Ehre ihrer Waffen gegen Bauern
aufs Spiel zu fehen. Unmuthsvoll ſprach der Kaifer: „es
wäre b58 Schweizer mit Schweigen zu fchlagen,” unb nahm
ben Rüdzug unter bem Rauche des Geſchuͤtzes. Er ’verließ
bier die Reichönöller und ging nach Lindau, um einen andern - _
Angriff zu orbnen, während der Grav Heinrich von Fürftens
berg mit 15,000 Dann bei Dormed eindringen ſollte. Dies
fer war aber nicht auf feiner Hut; er meinte, das eibgenöffis
ſche Heer wäre noch weit entfernt, und. wurde fo unerwartet
im Lager überfallen, daß er ſelbſt einer der erſten im Gefecht 22. Zur.
fill. Das war die bintigfle und letzte Schlacht. Als Maxi⸗
milian zu Linden die Botſchaft erhielt, ſchloß er fi ein, ew
ſchien aber wieder bei der Abendtafel; dann betrachtete er bie
Sterne, ſprach viel von ihrer Natur und fuhr den folgenden
Tag auf dem See nad Coftanz, unter Scherzen feinen Uns
muth verbergend. Aber die Sieger waren auch des verheeren
den Krieges herzlich mübe. Sranzöfifche und mailändifche Ges
fandte überboten fich bei der Vermittlung auf dem Friedens⸗ 25. Aug.
tage zu Coſtanz. K. Ludwig XII. rüflete ſich die Anfprüche
des Haufes Orleans auf Mailand mit ben Waffen burchs
zufegen. Herzog Ludwig Sforza fparte daher weder Geld
noch gute Worte, um bie Eidgenofien auf feine Seite zu
bringen und fie zugleich mit dem Kaifer auözuföhnen. Er
fand Eingang, weil ihnen der König die verfprochene Unter
ſtuͤzung in diefem Kriege nicht gehalten hatte. Als Maximi⸗
lan von dem rafchen Vorbringen ber Franzoſen auf Mailand
Nachricht erhielt, gab er den Geſandten des Herzogs Voll:
macht, den Schweizern dad Landgericht Thurgau anzubieten.
Run ward der Friede gefchloffen auf folgende Bebingungen: 22. Sept
auffer der eben genannten Abtretung fol jeder Theil das
Eroberte zurüdgeben, der Streit zwifchen Zirol und Graus
bündten ſoll durdy den Biſchof von Augäburg vertragen . wers
02 Bud | Deitter Zeitraum Abſchnitt .
den, ed tee er ng
zicht und von den Reichsauflagen befreit bleiben.
Das war ber Audgang eines kurzen, exbitterten Kriegs,
in welchem über 20,000 Menſchen geblieben, gegen 2000 Die
fer, Flecken und Schlöffer abgebrannt und bei 30 Meilen Lau:
bes verwüßlet worden. Statt die Eidgenoffen zum fchwäbifchen
Bunde zu bringen, muflte fie ber Kaifer auch vom Reiche
verbanbe in der Hauptfache Ioöfprechen,. wiewohl bie foͤrmliche
Zrennung erfl nach anderthalb Jahrhunderten erfolgte.
1499 Das Glüͤck des Königs von Frankreich, der in der naͤm⸗
Aug. Jichen Zeit das Herzogtum Mailand eroberte, da Maximi⸗
6, Oct. lian bie Schweiz verlor, veranlafite diefen einen akt.
zu Augsburg in Perfon zu halten, um Zürften und
1500 dringend um Hülfe gegen Frankre ich und die Zurfen auf
10. Apr. zurufen; vor Allem folte Mailand (dad über dem Schweizer:
krieg im Stiche gelaflen worden) wieder zum Reich gebracht
werden. Dagegen verfprach er Friede und Ruh im Heiligen
sömifchen Reich nach beflem Vermögen aufzurichten und zu
handhaben. Die Stände kehrten aber die Sache um und hiel⸗
ten das Lebtere für bie Hauptfaches das Andere wäre, wie
fie meinten, durch gütliche Unterhanblungen zu erlangen. —*
dem Ausſchuſſe, der bad Verfaſſungsweſen weiter berathen
foüte, feste der Erzbiſchof Bertold den frühen Entwurf
e Zul. eined Reichöregiments durch, als einer befländigen Auf:
fit über Kammergericht und Landfrieden. Marimilian mochte
darin einen flillfchweigenden Vorwurf, wo nicht für feine Per
fon, doch für die bisherige Reichöverwaltung ſehen, oder bie
Stände hatten jetzt erſt ben rechten Fund getban, ber ſchon
bei den lebten gleichgültigen Kaifern fo nöthig geweſen wäre.
Maximilian ließ fich den Anteng gefallen, um nur bie ge
wöünfchte Hülfe zu erhalten. Nach dem Entwurf follte Das
Heichöregiment einflweilen fechd Jahre dauern, flatt der jaͤhr⸗
lichen Reihsverfammlung, unter dem Vorſitz bed Kaiferd ober
feines Statthalters. Zu biefem ernannte Maximilian den Kur:
fürften von Sachſen, Sriedrich den Weifen, mit 6000 fl. Be
foldung. Die zwanzig Beifiber follten dem größern heile
nach- aus allen Reichsfländen nach Verhältniß gewählt, baum
noch, aufler den burgundiſchen und Öflerreichiichen Eanden, aus
8. Rarimilian L, 1493-1519. 603
jebem ber ſechs Reichötreife, wie fie unter K. Albrecht IL.
vorgefchlagen worden, je einer beftellt: werben. Die Handha⸗
bung bed Landfriedens hatte noch immer fo viele Schwies
rigkeiten, daB man auffer einigen neuen Zufägen und Erlaͤu⸗
terungen nöthig fand eine päpflliihe Bannbulle darauf zu
fegen. Um das eingeflellte Kammergericht wieder aufzurichten,
befhloß man einen Anfchlag von 10,000 fl. auf das Reich
zu machen und bie Beſoldungen darnach einzurichten. Der
Sitz deſſelben wurde mit dem bed Reichöregimentd zu Nuͤrn⸗
berg angewiefen.
Run kam wohl auch die Reichshuͤlfe zur Sprache Gin
Anfchlag gegen die Tuͤrken warb wirklich in den Abfchieb aufs
genommen, aber, wie e8 ſcheint, bloß des Brauchs wegen:
benn es geſchah überall Nichts und der gemeine Pfenning
gerieth auch wieder in's Stoden. An den König von Frank⸗
reich ließ der Reichſtag eine Geſandtſchaft abgehen, welche 1500
einen Stilltand vermittelte. Inzwifchen nahm Maximilian 13. Dec.
das Neichöregiment in Anfpruch, wie es für folche wichtigere
Bälle verorbnet war; es kam auf fein Verlangen eine vers
färkte Verfammlung von den Kurfürflen und zwölf Fuͤrſten 1501
zufammen, ber er feine Friedenöbebingungen vorlegte. Auch ai.
K. Ludwig AU. war zu Verhandlungen geneigt, weil er im
Belige von Mailand noch gar nicht ficher fland. Aber die.
Sache wurbe von einer Zuſammenkunft zur andern aufgefchos
ben, bis es dem Könige gelang Maximilian burch eine zu 1504
Blois verabredete Samilienverbindung zu gewinnen, aͤhnlich 32. Sept.
jener mit bem caflilifchsaragonifchen Hauſe, bie aber durchaus
nicht ernfllich gemeint fein konnte, wie der Erfolg beiiefen.
Indeſſen brachte diefe Übereinkunft dem teutfchen Verfaſſungs⸗
wefen die nachtheilige Bolge, daß -man das Reichsregi⸗
ment, ehe ed recht feinen Anfang genommen, fchon wieber
eingeben ließ, theils weil Marimilian, des Beiſtandes nicht 1502
mehr bebürftig, die Stände nicht zu Mitregenten haben
wollte, theild weil bie andern Reichöftände, welche feinen Theil
daran hatten, eine Dligarchie befürchteten, durch welche fie
zurudgefegt würden. Dagegen fing Marimilian an, den erb⸗
Iändifchen Hofrath in Öfterreich mit dem fogenannten innern
Taiferlihen Rath zu verbinden, indem er ihn nicht nur
604 Bud UL Erſter Zeitraum, Abſchnitt 4.
zu ben kaiſerlichen Reſervatrechten fonbem auch zu ben an:
bern Reichöfachen nach und nach beizog, worand ber nachhe:
eige Reichshofrath entſtand!). Berner machte Marimi:
lan jest den Verſuch, weil mit den Reichsſtagsbewilligungen
zum Tuͤrkenkrieg Nichts erreicht wurde, bie einzelnen Sins
1502 flen zum Zuzug aufzufodern. Diefe Schritte veranlafften bie
5. Iut. Kurflrften zu Gelnhaufen einen allgemeinen Kurverein
(fatt des unterdruͤckten Reichöregiments) zu fehlieffen, in ber
Abficht fich jährlich zu verfammeln und über Abweichungen
1503 von der Reihöverfaffung zu wachen. Darüber machte Maxi⸗
9, San. millan dem Erzbiſchof Bertold Vorwürfe, weil ex, wie er
Mai.
ihm indeffen bei allen Reichötagen entgegengewefen, jetzt auch
Urheber ſolcher Eigenmächtigkeiten wäre 2). Wiewohl Bertold
im folgenden Sabre ſtarb, fo lieſſen ſich doch die andern Kır-
fürften die Zuſammenkuͤnfte nicht verbieten; fie hatten neue
Einwendungen und Befchwerben.
Marimilian verlangte die Errichtung einer achten Kur
würde für feinen Sohn Philipp, als Erzherzog von Öfter
reich und Graven von Zirol, „ba folches dem teutfchen Reiche
merklich Ehre und Nuben bringen würde.” Dabei vergaß ex
wohl nicht, folange die Nachfolge in Böhmen noch ungewiß
war, feinem Haufe wenigſtens eine Kurſtimme zu fichern.
Jener Gedanke liegt fo nahe, daß man glauben möchte, Kaifer
Friedrich III. habe ihn ſchon bei der Erneuerung bed erzher⸗
. zoglichen Ziteld im Auge gehabt. Allein die Kurfürften verba⸗
ten fich den Antrag ald eine verfaflungswidrige Neuerung ).
Zur nämlichen Zeit wollte Markmilian das Reichs kam⸗
mergericht wieder aufrichten und ihm den Sitz zu Res
gensburg anweifen. Dabei nahm er aber mit dee Gerichts:
ordnung folche Abänberungen vor, baß die Kurfürften weber
in diefe noch in den neuen Sig eimwilligen zu Binnen glaub:
ten. Der Kaifer ließ fich aber hier nicht abbringen, und fo
mit wäre doch ein Haupttheil ber Verfaflung wirber im Gange
geweien.
1) Harpredgt Staatsarchiv des Breihstanmmergerichts Th. I.
2) Guden. Cod, dipl. Mog. Tom. IV. Nr. 259,
9) Muͤl ler Reichetagsfiaat x. B. II C. 8-10.
8. Maximilian L, 1493—1519. cos
Allein der pfalzbaieriſche Erbfolgekrieg, der jetzt
ausbrach, ſetzte das Reich in neue Erfchütterung. Was davon
für die allgemeine Geſchichte gehört, iſt dieſes.
Da H. Georg von Baiern:tandshut, genannt ber 1503
Reiche, ohne männliche Erben abgehenb feine Tochter Elifas 1 Der.
beth mit ihrem Gemahl, dem Rheinpfahgraven Ruprecht,
zu Erben eingefebt und die Stammvetten, Albrecht und Wolf:
gang von ber münchner Linie, ausgefchloffen hatte, fo ent
ſchied 8. Marimilian im Fuͤrſtenrathe, wozu ex bad Kammer: 1504
gericht von Regensburg nach Augsburg berufen hatte, daß die 20. April.
fammtlihen Reich slehen auf beide Lebtere fallen follten.
Diefem Spruche widerfegte fi Ruprecht und trat, nebft feis
nem Bater, dem Pfalzgraven Philipp, mit mehrern andern
Zürften in Verbindung, fuchte auch ‚Hülfe bei Frankreich.
Daher ſprach der Kaifer die Acht aus und fiellte fich felbft an
Die Spige des verlängerten fchwäbifchen Bundes. Die ſchon
früher gegen Pfalzbaiern feindfelig gefinnten Rachbarflände
Jun.
brachen zugleich von allen Seiten los. Waͤhrend des Kriegs 18.Sept.
flarb Ruprecht und hinterließ zwei unmimdige Söhne. Der
Großvater Philipp, von Frankreich verlaffen, wandte fich jetzt
an bie Gnade bed Kaiferd, um ber Länderverheerung ein Ende
zu machen. Doc dauerte der Krieg in Baiern faft noch ein
ganzes Jahr, bi ed zu einem Stilftande Fam.
Der Reihötag zu Coͤln, welchen ber Kaifer wegen vers 1505
fchiedener "wichtiger Gefchäfte berief, entfchied: Ruprechts 80. Zu.
Söhne follten Neubsırg an der Donau mit ſoviel andern groß-
väterlichen Beflgüngen erhalten, welche zufammen 24,000 fl.
jährlicher Einkünfte trügen, das Übrige aber bei Baiern blei⸗
ben. Dadurch entfland nach näherer Ausmittlung bie foges 1507
nannte junge oder neue Pfalz Die Reichsiehen überließ
Zul.
ber unvermählte Herzog Wolfgang faſt ganz feinem Bruder 1506
Albrecht, und e8 wurde zugleich, mit Zuziehung der baierifchen 3- Jul.
Landſtaͤnde, das Erfigeburtsrecht eingeführt. Kür die Kriegs:
£often aber nahmen Öfterreich, Brandenburg, Heſſen, Win⸗
temiberg, Ötingen, Zollern, Ortenburg und die Stabt Nürn:
berg eine beträchtliche Zahl pfälzifcher und baierifcher Stäbte
hinweg, und Pfalzgrav Philipp wurde nicht eher von ber
Neichöacht entbunden, bis er in die Xbtretungen eimwils
4
608 Bud I. Erſter Zeitraum Abſchnitt &
1509 langte eilende Hülfe auf ein Jahr gerabezu ab, weil bie Ligue
April ohne Rath und Willen der Stände gefchloffen worben, umb
Sun. eine folche treffliche Hülfe, obne vorgängige Beratbfchlagung
md zu fa ungelegener Zeit, ganz wider das Reichöherlouumen
wäre !). Maximilian führte nun den Krieg mit erblänbifchem
und geworbenem Voll, mit entlehntem Gelde; daher gehört
der Verlauf nicht hierher und wird erft in ber Folge in einem
andern Zufammenhange wieder berührt werben.
4510 Drei Jahre brachte Marimilian mit bem venetianifchen
April. Kriege zu. Im erfien machte er wieber einen Verſuch bei dem
Reichötage zu Augsburg und entlehnte dazu vom König Lud⸗
wig XU. den berühmten Rebner Lubwig Heliano, einen Mai:
länder, um von den Reichöfländen eine flattliche Hälfe zu
erlangen. Heliano lieferte ein Meifterfiid in feiner Art, das
Morimilian fogleich zu Augsburg bruden ließ. Er band ben
Zeutfchen arge Unwahrheiten über die Venetianer auf, 3. B.
daß fie auf ihren Märkten Menſchenfleiſch verkauften, und
fuchte durch alle erdenkliche Mebnerlünfle bie Gemüther zu
erhigen. Der Reichötag entfprach und faflte ſchneller als ges
wöhnlich den Beſchluß: die Venetianer find in die Acht erklaͤrt
und ein Reichsheer von 6000 zu Fuß und 1800 zu Pferd fol
die Acht vollziehen. Allein biefer Eifer war bald wieder ver:
raucht. Wenige Stände leifleten ben verfprochenen Zuzug,
- und auch diefe verliefen fich wieder, weil fie ihren Sold nicht
erhielten.
41512 Nach Beendigung des Kriegs hielt Marimilien einen
April großen Reichstag zu Coͤln. Eine befländige Reihö-Kriegs:
verfaffung wollte ee haben; an fich betrachtet gewiß eine
längft nöthige Anordnung, aber zu ben Zweden welche Maris
miltan damit verband, wollte Niemand ja fagen. Die Stänve
entfchulbigten fich mit ihrer Unvermögenheit, ba fie von ihren
Unterthanen Zeinen Beitrag zu einer fo koſtſpieligen Sache
erhalten koͤnnten. Nun ging man an bie Reichſs⸗Execu⸗
tionsordnung und befchloß, zu burchgreifenber Handha⸗
bung des Landfriebens und Kammergerichtd, die letzte Hand
onzulegen und nicht bloß die Pleineren Staaten und Stänbe,
1) Boldaft Reihshandlungen . ©. 84
überficht dee Berfaffung. 609
fonbern das ganze Reich in Landfriedenskreiſe zu brin⸗
gen. Martmilian ließ ſich den Antrag der Stände gefallen,
Bon der frühern Eintheilung der ſechs Kreife wurden die drei
erſtern beibehalten, in Franken, Baiern, Schwaben. Die drei
übrigen wurben durch die kurfürſtlichen Lande verflärkt
und getheilt in den obers und nieberrheinifchen, in den weſt⸗
phälifchen und in den obers und nieberfächfifchen Kreis. Zu
biefen acht Kreifen wurden noch die burgundifchen und bie
öfterreichifchen Lande hinzugefügt. So waren es denn zehn
Landfriebendfreife, jeder das Reich im Kleinen vorftellend *),
unter einem Kreidoberftien mit zugeorbneten Räthen, um
über Öffentliche Ruhe und Sicherheit, über raſchere und gleich-
förmige Vollziehung der Reichsſchlüſſe zu wachen. Wiewohl
bie Kreisorbnung erfl unter Marimilians Nachfolger zur Vol: (1522)
endung gebracht worden, fo behält doch feine Regierung das
Verdienſt, gegen die wachfende Macht der Nachbarflaaten
endlich den Grundriß zu einer feftern Vereinigung bes Reichs
nad innen und auffen und zu einer gelenffamern Verwaltung
gefunden zu haben. Nachbem aus den vielen, voruͤbergehen⸗
den Separateinungen gleichzeitiger Stände allmälig größere
Landfriedensbünbniffe der gefammten Staaten eines Bezirks
erwachſen und ber fchwäbifche Bund zuerft Eine Provinz uns
ter Leitung bed Kaiferd zufammengebracht, fo find dann nach
diefen Grundzügen in ben übrigen Reichölanden gewiffermaßen
gefchloflene Provinzen, ähnlich den alten Großherzogthlimern,
entflanden, und dad Reich wurde eine aus zehn Landfries
denskreiſen beftchende große Einung, gegrimbet auf den
erigen Landfrieben, zu Handhabung ber Verfaffung.
3. Überficht der Reichs = und Zerritorial-Verfaffung.
Die zehn Reichskreiſe hiſtoriſch-ſtatiſtiſch. Die
nicht eingefreiften und die vom Reichsverbande
allmälig losgeworbenen Länder. Fortſchritte der
Landeshoheit, befonders in Abfiht des Steuers
1) Eigentlich mit Zerlegung ber anfaͤnglich dem Reichsregiment
gemachten Aufgabe.
Pfiſter Geſchichte d. Teutſchen III. 39
610 Bud IL Erſter Zeitraum. Abſchnitt 2
uud Berihts-Wefens. Die Behmgerichte und» ihre
Befhräntung Die Hauptzüge der landſtaändiſchen
Berfaffung BiePreuffen über dem innern Kampf
der Staͤnde vom teutfhen Rei unter die Dber:
herrfhaft von Polen gelommen Schwierigkeit,
in die ungleihartige Zufammenfetung des Reid:
Lörpers etwas mehr Einheit und Thätigkeit zu
bringen. Das Hauptergebniß des Zeitraums von
Rudolf L bis Rarimiliaen L Äneas Sylvins won
der Lage und den Gitten Zeutfhland3 in der Mitte
des funfzehnten Jahrhunderts.
Da mit der Aufhebung des Fehderechts allen gewaltfamen
Veränderungen in dem Verhaͤltniß ber Reichöflände zu einan⸗
der ein Ziel geſteckt worden, „bamit Jeder bei feinen Rechten
und Freiheiten, bei Stand und Wefen erhalten werbe:" fo if
bier nur der Ort diejenigen Reichöflände aufzuzählen, welche
fih erhalten ober vergrößert haben, zur Vergleihung einerfeits
mit dem Verzeichniffe zu Anfang biefes Zeitraums unter
K. RubolfL, andererfeits mit den nachgefolgten Beränderun-
gen, welche durch Kriege, Verträge und Reichöfchlüffe geſche
ben find. Zuerſt die Lande in der Kreideintheilung, bann bie
nicht eingekreiften; ferner die vom Reiche abgelöften; endlich
Umfang und Zufammenfegung des Reichs überhaupt.
An dem Öfterreihifchen Kreife *), welcher von dem
alten Herzogthbume den Namen bat und auffer ben früher da:
mit verbundenen Fuͤrſtenthuͤmern Kärntben, Krain und Steier:
markt alle übrigen von dem Kaiferhaufe erworbenen Kante
vom adriatifchen Meere bis zum Oberrhein, alfo die alten
Herzogthiimer Baiern und Schwaben burchfchneidend, bie
1) Die zehn Reichskreiſe Hatten nie eine beflimmte Sethenfolge;
wir gehen Hier von ber geographifchen Lage aus. Die Angaben find
meift nah Buͤſching, jedoch mit Unterfcheidung derjenigen Veraͤnde
rungen, welche erft durch ben weftphälifchen Frieden u. f. w. geſchehen
find. Vgl. von Guͤnderode Unterfuchung bes teutfchen Kreisweſent,
1788. (Matth. Hofmann) Verſuch einer flaatsrechtlichen Theorie von ben
teutſchen Reichskreiſen zc. 1787. In ber folgenden Abtheilung, bei ber
Ausbildung ber Kreisverfaffung, werden wir wieber darauf zurüdlonmen.
Überficht der VBerfaffung. 611
ganze Suͤdgrenze Teutſchlands in fich faſſt '), find wenige
reichäummittelbare Stände geblieben, welche nicht durch das
Erzhaus vertreten wuͤrden, wie bie mit Zirol vereinigten ‚Bis
fchöfe von Zrident unb Briren, die Hersfchaft Traſp, die
Teutſchordens⸗ und IohennitersBalleien. Es iſt der größte
Reichskreis von etwa 2025 Meilen und trug 4 von ben Ver
willigungen bed Reiche, Freiwillig hat er die Anlage von zwei
Kurfürftenthümern übernommen.
Der baierifche Kreis von etwa 10% Meilen, alfo
faft die Hälfte Peiner als der Öfterreichifche, begreift nuffer
dem ÜÜberreft der altherzoglichen Lande neun geiflliche Stände,
das Erzftift Salzburg, bie Bisthümer Freifingen, Regens⸗
burg, Daflau, die Probftei Berchtoldsgaden und drei Abteien
in Regenöburg; von weltlihen Ständen die Landgravfchaft
Leuchtenberg,, drei andere Sravfchaften und fünf Herrichaften ;
von Reichöftädten allein Regenoburg. Baiern und Salz
burg führen das Directorium. Durch die verberblichen Thei⸗
Iungsfriege gewarnt, nach dem Erloͤſchen der flraubinger und
landshuter Linien, und nach ber Abtretung eined Theils der
Oberpfalz an Rheinpfalz, führte die münchner Linie das Erſi⸗
geburtsrecht ein, wie in ben Kurländern.
Bon dem alten Herzogthum Schwaben, über Abzug def
fen was zum Öfterreihifchen Kreife und fonft ausgeſchieden wor⸗
den, find 90 geiflliche und weltliche Stände in den ſchwaͤ⸗
bifchen Kreis gefommen *): zwei Bifchöfe, Coſtanz, Augs⸗
burg, zwei geiftliche gefürftete Stifte, zwei weltliche Fuͤrſten⸗
haͤuſer mit ihren Linien, nebfl einigen gefürfteten Graven und
Stiften, fechzehn Prälaten und Äbtiffinnen, etlihundzwanzig
Sraven, zweiunddreiffig Reichsſtaͤdte mit Einſchluß von Dos
nauwoͤrth, das fpäter an Baiern gekommen. Beträchtliche
Territorien haben Würtemberg und Baden aus Gran
fchaften, Herrſchaften, Städten und Stiften zufammenges
bracht, welche das Erſtere durch Haus: und Landes⸗Vertraͤge
zu einem untheilbaren Ganzen vereinigt hat. Die Gründung
1) Mit alleiniger Ausnahme ber alten Landgravſchaft, nachherigen
Lanbvogtei bes Glfaffes.
2) Wenn man aber nach Stimmen zählt, 100.
39 *
612 Bub IE Erſter Zeitraum. Abfchnite 4.
des Herzogthums iſt ſchon oben erzäßlt. Der Umfang be
Kreifed betrug etwa 729 Meilen. Das Directorium fühe
ten Coſtanz und Würtemberg.
Auf nicht ganz 500 TIMeilen find bie Stände des vor
maligen- Herzogtbumd Franken zuſammengeſchmolzen umd
zählen bei dem Kreife diefed Namens auf vier Baͤnken: brei
Bifhöfe, Bamberg, Würzburg, Eichfläbt, und den ee
Drben, ber Mergentheim zum Mittelpunct feiner Befigungen
machte, ald Preuffen in ber Reformation verloren ging. Fer
ner die brandenburgifchen Fürftenthümer, Baiteutb und An-
fpach, einige gefürftete, ſpaͤter zu Fuͤrſtenthuͤmern erhobene
Gravſchaften, dann acht weitere Grav⸗ und Herrſchaften und
fünf Neicheflädte, worunter Nürnberg bie erſte, Weiffenburg
die letzte. Das Directorium führte Bamberg allein, das Aus
fchreibamt mit Brandenburg. Würzburg hat hier ben Her
zogstitel von Franken nicht geltend machen können.
Zum oberrheinifchen Kreife wurden anfänglich ge
zaͤhlt: die Herzogthuͤmer Savoyen, Lothringen, die Bisthümer
und Reichöftädte Met, Zoul, Verdun, Straßburg, Befancon,
die Abteien Murbach, Münfter, Gravſchaft Bitſch und Land⸗
vogtei Hagenau mit zwoͤlf Reichsſtaͤdten, welche in der Folge
ſaͤmmtlich vom Reiche abgeriſſen worden und, mit Ausnahme
Savoyens, an Frankreich gekommen ſind. Dann ſind geblie
ben: fünf Bisthümer, Straßburg, Baſel, Worms, Speier,
Fulda; die Propfleien Weiffenburg, Prüm, Obenheim, das
Sohanniter-Meiftertfum, bie jenfeitigen pfälzifchen Lande, dann
die heſſiſchen und naffauifchen; ferner Solms, Iſenburg,
Leiningen, Witgenſtein im Ganzen etlichunddreiſſig Fürften
und Graven mit ihren Linien, und fuͤnf Reichsfläbte, Worms,
Speier, Frankfurt, Friedberg, Wetzlar. Die Leitung hat der
Bifchof von Worms und Rheinpfalz. Unter den weltlichen
Ländern dieſes Kreifes find die heffifchen zu einer groͤßern
Bedeutung gefommen durch Vereinigung beimgefallener Gran:
fchaften, durch Erheirathung, durch Auftragung vieler Lehen
und andere Erwerbungen mitten unter Fehden, wie Würtem⸗
berg. Landgrav Lubwig, vor Friedrich III zum Kaifer vor
gefchlagen, trat freiwillig zurkd '). Nachdem das Land unter
1) Aen, Sylrv. Opp. p. 1057.
«
d
®
;
Überſicht der Verfaffung. - 613
feine zwei Söhne getheilt war, brachte es der Enkel, Phis
lipp der Großmüthige, wieder zuſammen.
Der kurrheiniſche Kreis beträgt mit dem oberrheinis
(hen nicht ganz 1000 TIMeilen und enthält drei geiftliche
Kurfürftenthämer, Mainz, Trier, Coln, und Kurpfalz, das
Herzogthum Amberg, die Teutſchordens⸗Balley Coblenz und
einige andere Herrſchaften. Die berrlichften, fruchtbarften Laͤn⸗
ber in Zeutfchland, vormals der Mittelpunct des Reichs. Die '
Leitung des Kreifes fland hei Kur-Mainz..
Das rheinpfaͤlziſche Haus hat auffer den untheilba⸗
ren Kurlanden mehrere Befigungen bieffeit und jenfeit bes
Rheins, wie in ber Oberpfalz, zu verfchiebenen Zeiten erwors
ben. In diefen fanden mehrfache Xheilungen flatt, wovon
auch der Befiger der Kurlande feinen Theil erhielt. Die fchon
beim oberrheinifchen Kreis erwähnten pfälzifchen Sande zwifchen
der Saar und Mofel kamen an eine befondere Linie, die fich
wieder theilte. Bon ben im pfalzbaierifchen Erbfolgekrieg ab:
gerifienen Stüden wurben einige wieder eingelöft, und bie -
Pfalz erholte fih am Ende biefes Zeitraums fichtbar. Wie
die Erzſtifte während der Kronkriege an Reichöpfanbfchaften ıc.
zugenommen, {ft früher ſchon angebeutet. Det tritt ber
Grenzpunct aller Stiftlande ein.
Sm burgundifchen Kreife wurden vereinigt vier Her:
zogthämer, acht Srapfchaften, neun Herrſchaften, vormals
unmittelbare Meichöftände, jetzt durch Einen Herm vertreten.
Der Kreis wurde durch Karl V. noch enger mit dem Weiche
verbunden und unter deſſen Schuß geflellt, für die gemeinen
Heichdanlagen zu zwei, wider die Türken zu brei Kurfürfien>
thümern angelchlagen. Hier wie im oberrheinifchen Kreiſe
hat die Verletzung ber Reichöintegrität durch Frankreich ans
gefangen.
Die aͤltern und neuern Verzeichniſſe der Stände. bes
weftphälifchen Kreifes haben noch mehrere Abaͤnderungen
als vie der andem. Anfängli wurden die Stifte Utrecht,
Geldern, Zütphen, Bisthum und Stadt Cambrai dazu gezählt.
Dann fehs Bisthuͤmer, Münfter, Paderborn, Lüttich, Osna⸗
brüd, Minden, Verden und acht Abtelen. Die Herzogthüs
mer Gleve, Juͤlich, Berg fielen mit Ende dieſes Zeitraums
—— EEE
614 Buch II. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 4
zuſammen durch die bergiſche Erbtochter Maria, welche mit
dem Herzog Johann von Cleve vermaͤhlt wurde. Die Land⸗
ſtaͤnde haben die Vereinigung gegen das anfaͤnglich vom K
Maximilian begünftigte ſaͤchſiſche Haus durchführen helſen.
Friesland verlor allmaͤlig feine alte freie Verfaſſung und
wurde zwiſchen dem burgundifchen und weflphäliihen Kreis
getheilt. Statt der von den Gemeinden gewählten Häuptlinge
(den altfächfifchen Edelingen aͤhnlich), welche wie die lombar
bifhen Pobeflas die Oberherrſchaft erhielten, wurden vom
Reiche Graven und Statthalter gefest. Über Weftfries:
land gab 8. Marimilian dem Herzog Abredt von Sacfen
bie Statthalterfchaft; ungeachtet ded Widerflanbed der riefen
| ee Karl V. diefe Herrfchaft mit den burgundifchen Staa
ten. er die Landeshoheit von Oſtfriesland firitten bie
Häuptlinge mit ben Sraven von Didenburg. In Ruflringen
entfland ein eigenes Häuptlingögefchlecht, dad die Herrſchaft
Zever dem Öfterreichifcheburgundifchen Haufe zu Lehen übertrug.
Durdy Verträge mit den andern Häuptlingen und durch Ex
oberungen erhielten endlich die Graven von Oldenburg ba3
ganze Weſerufer bis an die Zahbe'). Diefer Theil in Fries⸗
land wurde zum wefiphälifchen Kreife gezählt, fowie noch
mehrere andere Grav⸗ und Herrfchaften, und dazu drei Reid
ſtaͤdte, Coͤln, Aachen, Dortmund. Der ganze Umfang betrug
etwa 1250 Meilen. Die Leitung hatten Münfter und Eleve.
Zum nieberfächfifchen Kreife wurden auf 1420 NMei⸗
len gezählt zwei Erzbisthümer, Magdeburg und Bremen, die
Bisthiimer Halberftadt, Hildesheim und Lübel; bie Herzog
thümer Braunſchweig und Lüneburg, Sachſen⸗Lauenburg, Hol:
flein, Mecklenburg unb einige Herrfchaften; ſechs Reichsſtaͤdte,
Lübel, Goslar, Mühlhaufen, Norbhaufen, Hamburg, Bre
men. Magdeburg und Braunfchweig hatten die Leitung. Auf
Lauenburg bat fih der Sach ſen Name in ben alten Sitzen ev
halten. Die welfifchen Fürftenthimer Braunfchweig und
Lüneburg wurden zwar unter ihrem Stamme öfter gerheilt,
famen aber darüber zu einer beflimmteren VBerfaffung, an
welcher die Landflände nicht wenig Antheil hatten. Durch eins
1) Eichh orn deutſche Staats⸗ und Rechtsgeſchichte 5. AM
Überfiche der Verfaffung. 615
gezogene Lehen und neuerworbene Meichöbelehnungen wurben
die Haudbefigungen vermehrt. Nach dem Erlöfchen ber wendis
fchen und flargarber Linien Famen die medlenburgifden
Rande zuſammen; neue Theilung wufften die Stände zu vers
hüten. Beim Erlöfchen der bolfteinifchen Herzoge vom
fhaumburgifchen Sravenflamm 1459 Fam zwar 8. Chriflian
von Dänemarf, olbenburgifchen Stammes, zum Beſitz von
Schleswig und Holftein, jedoch nur gegen das den Stäns
ben gegebene Verfprechen, daß Schleswig niemals wieber mit
Dänemark vereinigt werben, ſondern mit Holftein ungetbeilt
unter einem von ben Ständen felbft zu wählenben Heren aus
feinem Haufe beifammen bleiben folte K. Zriedrich vereis
nigte 1474 Holftein, Stormarn und Ditmarfen zu einem reichöe
lehenbaren Herzogthum. Die Ditmarfen baben fih aber
allein von allen Frieſen bis 1559 ber Landeshoheit erwehrt.
Zum oberfähfifhen Kreife endlich gehörten in einem
Umfange von 1950 TIMeilen die zwei Kurfuͤrſtenthumer Sach:
fen und Brandenburg mit ihren Abtheilungen, dad Herzog:
thum Pommern, die Fuͤrſtenthuͤmer Anhalt, Schwarzburg, das
Bisthum Kamin, die Abtei Quedlinburg und zwei Eeinere.
Fuͤnf Stavfchaften, Mansfeld, Stolberg, Barby, Reuß,
Schönburg. Keine Reichsſtadt. Die Leitung hat Kurfachfen
allein gehabt.
Die zwei unter den Luxemburgern aufgelommenen neuen
kurfuͤrſtlichen Häufer Sachfen und Brandenburg haben
die Zeiten fehr zu ihrer Aufnahme zu nuͤtzen verftanden. Das
wettinifhe Haus, in Friedrich dem Streitbaren zur Kurs
würbe und zu ben Hauptbefigungen bed ausgeſtorbenen fache
fen-wittenbergifchen Hauſes gelangt, hatte flatt förmlicher Lan⸗
deötheilungen nur Örterungen, Anweifungen auf Einkünfte
beflimmter Landestheile eingeführt. Als die thuͤringiſche Linie
erlofch (1440), wurbe mit Unfrieben getheilt. Friedrich ber
Sanftmüthige wollte, daß feine Söhne Emfi und Albrecht
die Runde ungetheilt regierten; als aber Thüringen zum zwei⸗
ten Mal heimfiel (1482), Fam es bald zu einer definitiven Thei⸗
Iung ber erneftinifhen und albertinifchen Linie In
jener wurde nach dem Tode des Stifter der Grundſatz ge:
meinfchaftlicher Regierung beibehalten; in dieſer die Untheil⸗
/
616 Bud IH. Erſter Zeitraum. Abſchaitt &
barkei eingeführt. Erufs alterer Sohn, Friedrich ber
tentſchen
Hohenzollern, Friedrich J., entwarf ſelbſt eine Eänbeutheis
lung für feine vier Söhne. Der dritte, Albrecht Achilles, wei
der die fränkifchen ande mit der Marl ga ik
alö der zweite Stammvater zu betrachten. Zu Ende
Zeitraums wurden bie Marken für untpeilbar erftärt, m
den fräntifchen Landen folten nie mehr als Gürfen
(Ansbah, Bairenth) regieren. Die Hulbigung geſchah m
allen Ländern für den ganzen Stamm, unb fo empfing auch
der Kurfürft die Reichdichen für fi unb alle andere Finften
zugleich. Eine Reihe Friegerifcher und unternehmender Zärfien
bat die Lande auch aufferhalb diefed Kreifes (in Schlefien, im
ber Laufitz 2c.) erweitert und durch Exbverträge noch groͤßere
Hoffnungen begründet.
Dies in Kürze die Eintheilung ber zehn Reichskreiſe mit |
ihren Ständen. Wenn man afle Elaffen, von bem ie |
Öfterreich bis zur Heinen Reichsſtadt Buchhorn am Bodenſee,
zufammenzäblt, fo Tommen über brittehalbhundert Kreis:
flände heraus, bie jebody beim Reichstage, wo bie klei⸗
nern Stände nur curienweife ſtimmen, nicht viel übeg 100
sählen. Bei dieſer Eintheilung bat man zwar auf bie alten
Großherzogthuͤmer, mit Beibehaltung ihrer Ramen, zurädges |
fehen, die Grenzen find aber oft nad ganz andern Kuͤckfich⸗
ten beflimmt und das Ganze fehr willkuͤrlich zuſammengeſtellt,
und daher auch noch bie und ba abgeändert worden. Die
Kreife durchſchneiden fich oft auf fonderbare Weife. Und ſelbſt
biefer Entwurf iſt nicht einmal ganz durchgeführt worben,
denn e8 blieben innerhalb der Kreife noch verfchiebene Stände
übrig, welche nicht in die Einkreifung gekommen, unmittelbare
Grav⸗ und Herrfchaften, Abteien,. Reichöbörfer, dann bie
1) &. die eben erſcheinende Gefchichte des Kurflaats und König:
reichs Sachſen von Dr. C. W. Boͤttiger. L 3b.
*
Überficht der Berfaffung. 617
Ritterfchaft, welche in Schwaben, Franken und am Rhein in
eigene Gantone getreten. Es gab Kreiöflände ohne Kreiss
ande; andere find in der Matrikel, haben aber feine Stimme,
Dann gab es Kreiöftände welche keine Reichsſtaͤnde was
ten und umgekehrt; endlich auch folche welche Feines von
beiden waren. Die inneren Einrichtungen blieben dem Kreis⸗
tage überlafien; er that darin wie der Neichötag im Großen.
Dann find bedeutende Reichöländer ganz aus ber Kreiövers
faffung geblieben: das Königreih Böhmen mit Mähren,
Schiefien, Laufiß, und die preuffifhen und liefländifchen
Stände weigerten fich in diefe Verfaffung zu treten und nah⸗
men auc dad Kammergericht nicht an. Zwiſchen dem bur⸗
gundifchen und oberrheinifchen Kreis ift die Sravfchaft Moͤm⸗
pelgardt ausgelaflen worden. Wie der Verſuch bei der Eid⸗
genoffenfhaft mislungen, ift bereits erzäplt worben. Wie
verfchieden haben ſich an den beiden entgegengeſetzten Enden
von Zeutfchland die Werhältniffe der Schweizer und riefen
gefaltet, welche urfprünglich einerlei Berfaffung hatten! Am
Audbehnung ber Kreife Über die Meichöländer jenfeit der Als
pen konñte gar nicht gedacht werden. So ifl denn auch bies
ſes Werk nach innen und auffen fehr unvollkommen geblieben.
Bon der Entflehung neuer Territorien in den Reichs⸗
landen geht die Überficht weiter zu ben Kortfchritten in ber
Bereinigung lanbeöhoheitliher Rechte, ſowohl gegens
über van der Eöniglichen Gewalt als gegenüber von ben
un 5 ſen.
Die einzelnen (ſchon früher aufgezaͤhlten) koͤnigli⸗
chen Rechte, welche den urſpruͤnglichen Beſtandtheil der
Landeshoheit ausmachten, nähern ſich erſt einer vollſt aͤn⸗
digen oͤffentlichen Gewalt, aͤhnlich der koͤniglichen, hauptſaͤch⸗
lich durch zwei Stuͤcke, das Steuer⸗ und Gerichts⸗We⸗
ſen. Der Kaiſer mochte immer noch den ganzen Reichsboden
als ihm unmittelbar unterworfen betrachten, und in dieſer
Rückficht mit dem Reichstage namentlich das Recht Üben, ge
meine Reihdloften, Steuern, Reifen (Kriegdaufgebot) auf
alle Reichsunterthanen zu legen; hingegen die wirkliche Voll⸗
ziehung bei den mittelbaren Unterthanen blieb ganz ben Lans
desherren überlafien; fie befolgten dabei nur Befchlüffe, bei
618 Bud UI. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 4.
welchen fie felbft mitgeflimmt hatten. Dan ließ eö unbeflimmt,
wie bie Summe bed Anfchlags von ihnen auf die Untertbe:
nen umgelegt werben binfe. Nur wenn fie nicht zur Ber
wiligung geneigt waren, fledten fie ſich hinter ihre Unter
tbanen, wie in Marimiliand Kriegen mehrere Beifpiele vor
fommen.
An Abficht des Gerichtsweſens flanden der Landes
hoheit bin und wieber noch Eaiferlihe Berichte im Wege.
Ein wichtige Erwerbung, wenn bie Fürften ein ſolches Land;
gericht felbft an ſich brachten, wie bie Brandenburger in
Franken, die baierifchen Herzoge in Oberfchwaben 1); auffe
der Befreiung ihrer eigenen Unterthanen konnten fie auch bie
übrigen Stände, welche in den Gerichtözwang gehörten, unter
ihre Landeshoheit bringen. Zuletzt werben wenige kaiſerliche
Sandgerichte mehr gefunden ober bloß liberrefte, welche ne
mentlich in Schwaben mit der Reichslandvogtei unter Öfter
eich verbunden wurden. Aber ed gab noch eine eigene Art
von Gerichten, gegen welche Feine Landeshoheit fchüste, deren
weite Verbreitung einen langen Kampf erfoberte, bis Die Ter⸗
sitörien gaͤnzlich von ihren Eingriffen befreit waren: dies find
die weftphälifchen Freigerichte, die flilen, heimlichen ober
VBehmgerichte, deren Urfprung, Natur, Grenzen und Re
gein unzugängliches Dunkel barg, daß Viele Faum davon zu
reden wagten, aus welchen bisweilen wie ein Blitz die Zei-
“tung einer plößlichen, fuͤrchterlichen Hinrichtung fuhr. Es if
die legte Nebelgeflalt des Mittelalters, bie endlich am Schluffe
dieſes Zeitraums zerflief.
Vehmgerichte heiffen auch aufierhalb Weſtphalen ſolche
welche ven Blutbann üben (Beim, Zaem, obere Blutge⸗
sihte). Im Weflphalen aber bat fich die Gaugerichtsverfaſ⸗
fung (die von ber Saugravfchaft abhängigen Gerichte über
Freie) am längften erhalten unter Formen, bie ſich zum heil
bis auf Karl den Großen ober auf die Unterwerfung ber Sad;
fen zuruͤckfuͤhren laffen: wie damals ber geheime Eid da
Fehmſchoͤffen hauptfächlich auf Anzeige und Beſtrafung des
Abfalls vom Chriſtenthum ging, fo wurde er nach gaͤnz⸗
1) Geſchichte von Schwaben V, 270 fR
Überfiht der Berfaffung. | 619
licher Erlöfchung des Heidenthums überhaupt auf alle to:
deöwürbige Verbrechen übergetragen und fomit auch die
urſpruͤngliche Geheimhaltung. Als nach dem Sturze Heinrichs .
bes Löwen und der Zertrümmerung des Großherzogthums
Sachſen der Erzbiſchof von Chin in einem Xheile beffelben
Stuhlhere der Freigerichte wurde, burch lehenbares Recht als
Statthalter des Kaifers, des oberfien Stuhlherrn, fo legten
bie geiftlihen Herren Manches in die Freigerichte hinein, was
fe von andern ordentlichen Gerichten, offenbaren Freige⸗
richten, unterfcheidet, als Stiligerichte, heimliche Gerichte.
Die Schöffen der Freigravfchaft und der ihnen untergeordnes .
ten Amtöfprengel (freien Stühle) wurben eiblich verbunden
ie Einrichtung diefer Gerichte geheim zu balten und ſich Durch
ine gewifle Loofung einander zu erfennen zu geben; daher „bie
Biffenden.” Das Eigenthümliche bed gerichtlichen Verfahrens
veftand unter Anderem hauptfächlich darin, dag „Nichtwifs
ende," wenn fie nicht vor dem offenen Freigericht auf deſſen
tadung erſchienen oder von ihrem ordentlichen Gericht gegen
Bürgfchaft abgefodert wurden, ohne Vertheidigung auf den
Std des Klägerd.verurtheilt ober verfehmt wurden; wenn fie
ich nicht herauszogen, wad uͤbrigens auf diefelbe Art wie bei
ver gewöhnlichen Acht geſchah, fo wurde das Urtheil durch‘
jie Freiſchoͤffen felbft vollzogen. Bei handhafter That gefchah
te Vollziehung der Strafe durch drei oder vier Freifchöffen
mf der Stelle. Jeder Freiſchoͤffe war verpflichtet, was zur
‚Behmroge” (Rüge) gehörte, zur Anzeige zu bringen. Vor
»em Zehmgerichte war Übrigens nur dann gegen Nichtwiffende
u Plagen erlaubt, wenn vor bemt. ordentlichen Gerichte bes
Rlägerd Fein Recht zu erlangen fland. Ausgenommen von
ven heimlichen Gerichten waren alle Seifttichen, die Reichſsun⸗
nittelbarcn mit vollfländiger Landeshoheit, dann wohl auch
Suden und Frauen.
Auffer diefem heimlichen Verfahren ift e8 die Ausdeh⸗
ung dieſer Gerichte als kaiſerlicher Gerichte über ganz Teutſch⸗
and, was fie in diefem rechtlofen Zeitalter zu einer ganz ei⸗
jenen Erfcheinung macht. Eine Verbindung , nicht zum Um⸗
kurz einer veralteten ober zur Errichtung irgend einer neuen
Sewalt ober Herrfchaft, nicht gegen den unthätigen Kaifer,
620 Bud UL Erſter Zeitraum. Abſchnitt .
ſondern zur Handhabung bes vernachläffigten öffenflichen Rich:
teramted, auf geheimen Wegen, mit gefeßlicher Unantaſtbar
keit der Richter. Eine fonderbare Zufammenfehung: eine ver:
borgene Majeflät des Rechts, wohlthätig, folange Recht vor
Gewalt nicht auflommen mochte; grunbverberblih, als bie
Würde von diefen Gerichten gewichen, ald dad Geheinmiß
Werkzeug eigennügiger Bosheit wurde ').
Seit K. Ruprechtö Zeit, da die Freigraven auch aufler
halb Weftphalen Wiffende annahmen, kommen Klagen übe
die Ausdehnung und Miöbräuche dieſer Gerichte vor). Man
kannte ihre Berfaffung fo wenig, daß Ruprecht erſt einige
Sreigraven nach Heidelberg fommen ließ, um fi) von ihnen
ein Weisthum vorlegen zu laflen. Unter Sigmund und Frieb⸗
rich III, wurde mit Reformationen fortgefahten, und wer fi
durch das gewöhnliche Privilegium gegen Evocation nicht ge
fichert hielt, ließ fih vom Kaifer noch eine ausbrüdlidhe Erem-
tion von ben Freigerichten geben; ober es traten mehrere
Stände in Verbindung, Jedermann Recht finden zu Iafien,
aber Eide zu nehmen, daß Niemand folches in Weftphalen
bei heimlichen Gerichten ſuche; oder man ließ fürfiliche und
ſtaͤdtiſche Raͤthe felbft unter die Zahl der Zreifchöffen aufneh:
men, um das Abberufen bee Sachen oder die eigene Bertheis
bigung zu erleihten. Herzog Ulrih von Würtemberg war
ſelbſt Sreifchöffe. Das befte Gegenmittel aber war, dafür zu
forgen, daß in den Pandeögebieten nicht mehr über Gerech⸗
tigkeitöpflege geklagt werben konnte. So wurben die Vehm⸗
gerichte endlich wieder in ihre alten Grenzen als orbentliche
Landgerichte zuruͤckgewieſen ?).
Einen neuen Stüuͤtzpunct hatten die Lanbeöherren gegen
ben Kaiſer an ihren Ständen, wenn ihnen, wie wir fchon
1) Joh. Müller Schweizer Gefhhichten IV, 529 f.
2) Bis Preuffen, bis Wien behnten ſich diefe Gerichte aus. Kaifer
Friedrich III. befiehle 1452 dem Biſchof von Gamin, Land und Städte
von Preuffen wider fie zu fügen. Häberlin VI, 809. Der ausge
tretene Bürgermeifter von Augsburg, Peter Egen, wurde zu Wien
wie man glaubte, durch bie heimlichen Fehmrichter erwuͤrgt. Geſchichte
von Schwaben V, 209.
5), Eichhorn aa. D. 8 419 ff.
Überficht ber Verfaffun. 621
ngebeutet, etwa eine Verwilligung zu ſchwer daͤuchte. Mit
en äuffern Verhältniffen der Territorien gegen Kaifer _
ınd Reich und zugleich mit dem allmäligen Entflehen eines
even Kriegs und SteuersSpftemd geht die Gefchichte
ver innern Lanbeöverhältniffe gleichen Schritt. Beides zus
ammen begründet die feit diefer Zeit merklicher auseinander:
zehenden Specialgefchichten der teutfchen Staaten. Für un
ern Zwed kommt aber hier nur in allgemeinen Betracht, waß
n jener Begiehung zur Reichögefchichte, in diefer zur Volks⸗
yefchichte gehört, um die bebeutenberen Ergebnifie für das
Sanze herauszufinden.
In den älteren wie in ben neu zufammengebrachten Ter⸗
itorien erfcheinen wieder Landesgemeinden, ähnlich jenen
ur Zeit der Großherzogthuͤmer, auch gegründet auf ihte Trüms
ner, mit Einrechnung deſſen, worin feitbem das Öffentliche
Leben weiter gekommen. Einerſeits hat das Erſchlaffen aller
ınmittelbaren Verbindung zwifchen Reich und Landeseinfafs
en, anbererfeitö bie verfuchte Ausdehnung der urfprünglichen _
Srundherrfchaft auf alle Claſſen der Lestern, ih Folge der
Ausbildung der Landeshoheit, mehrfaches Beduͤrfniß einer
mgern Verbindung berfelben und eines fefter beflimmten Ver:
yältniffe zum Landeöheren fühlbar gemacht. Dies Alles iſt
edoch überall nur nach Gelegenheit der Lande, nach ben bes
onderen Umfländen und Verhaͤltniſſen, und auch nie weiter
ils diefe es erfoderten, zur Ausführung gekommen. Daher iſt
ie Verfchiebenheit in den ftändifchen Verfaſſungen der teuts
chen Lande eben fo groß, als die Zerritorien felbft in Abficht
ihrer Lage, Zuſammenſetzung und Gefchichte verfchiedben find.
Die-Entftehung verliert ſich gewöhnlich im Dunkel ber Vers
zangenheit; treten flänbifche Verhandlungen hervor, fo wird
das Weſen der Sache Ichon als bekannt angenommen. Ebenſo
ie Daum. Manche Verhaͤltniſſe fcheinen nur vorkbergehend
zu fein, die Grundzüge aber werben ebenfo unerwartet wieber
ufgenommen. Die Veranlaffung geben bald die Landeöherren,
yald die Stände, zuweilen auch beibe Xheile zugleich“ Aufs
jerorbentliche Bälle, doch nicht jeder, wo man nach ber bis»
yerigen Verfaſſung nicht herauszukommen wuflte, find ber
Segenftand; von Seiten der Landesherren Bimbniffe, Haus:
622 Bud DI. Erfier Zeitraum Abſchnitt 4.
angelegenheiten, Theilungen, Vereinigung, Fehden, nicht bes
gebrachte Abgaben. : Bon Seiten der Stände Verwahrung
gegen Veräufferungen, gegen Eingriffe in die Rechte bes ei
"nen ober des andern Standes oder aller zugleih. Bald er:
fcheint ‚dad Zufammentreten als Pflicht, bald ald erbeten:
Hülfe, Gewaͤhrleiſtung, Verbürgung, bald wird, was zuerf
vielleicht ungern gefcheben, ald Recht gefodert und geübt.
Diefed gründen die Stände entweder auf das alte Einungs
recht ihrer Corporationen, wo ſolche vorhanden waren, oder
es wird erſt erworben nach dem bekannten Srundfag: „wo
wir nicht mitrathen, wir auch nicht mitthaten.“
Die Zufammenfegung und Zahl der Stände iſt wieder
fehr verfchieden. In ben altherzoglichen Landen finden fid
gewöhnlih Prälaten, Ritter und Städte, andern fehlt
ber eine ober der andere Stand, oder ift wenigftend nicht zur
Derbindung mit den andern gefommen. Der Bauernfland,
duch feine Grundherren oder ben Lanbesheren felbft vertreten,
fommt in den wenigften Landen zu einer eigenen Stanbfchaft,
in einigen durch Verbindung mit den Städten ald Landfchaft
im engern Sinn. Häufig tritt jeder Stand in befondere Ber
bandlungen, weil die Rechte und Berbinblichkeiten fehr un:
gleih find. Die. Prälaten hatten Immunitäten und ver
landen fih nur zu freiwilligen Hülfen; bie Ritter thaten
ihren Dienft perfönlich, behielten deswegen ihre Ritterhufen
frei, und kamen ſchwer dazu ihren Leuten Etwas Über das
Herkömmliche aufzulegen. Die Städte gaben als ſolche Feine
eigentlichen Grunbfleuern und übernahmen fie oft erſt in Ber:
bindung mit den dazu gehörigen Dörfern. Nicht überall ver:
banden fich die Stände zu Einer Körperfchaft ), und fo iſt
denn auch die Vertretung in den meiſten Ländern fehr unvol-
kommen geblieben.
In Rüdfiht der Form ber Verhandlungen beiffen bie
Befchlüffe zwifchen dem Landesherrn und den Ständen, wie
beim Reichötage, Verabſchiedungenz felten find es wirf:
lihe Verträge, öfter Vergleiche über gegenfeitige Leiſtur⸗
1) Groͤßere Staaten, wie Öfterreih, haben in jedem Lanbesthriie
befondere ſtaͤndiſche Körperfchaften behalten, ohne fie zu einem Ganzer
zu vereinigen.
Überficht ber Verfaffung. 623
jen, manchmal auh nur Reverſe ober Schablosbriefe für
uͤnftige Fälle, Freiheitöbriefe vom Landesherrn, gewiffe ftändifche
Rechte anerkennend; in einigen Fällen auch vom Kaifer beftätigt. _
Etwas Gemeinfames liegt aber doch bei allen biefen
Berfchiedenheiten zum Grund; dieſes ift derſelbe Zweck wie
sei allen Bünbniffen und beim ewigen Landfrieben: „baß je
ver Theil bei Stand und Wefen erhalten werde.“ Befchrän-
ung und Zuwachs der Gewalt ift wechſelſeitig. Sieht man
ie Iandftändifche Verfaffung nur als Beſchraͤnkung der Für:
lenmacht an, fo kennt man fie nur fehr einfeitig. Ihr voll
taͤndiger Werth befteht vielmehr darin, daß fie die Autono⸗
nie der Landesgebiete begründet und erhoben hat. Die Stände
Ionnten in Fein feftes Verhältnig zum Lanbeshern kommen,
venn fie ihm nicht mehr Gewalt zugeflanden, als er biöher
jehabt, und wenn fie nicht mehr Laſten ald bisher uͤbernah⸗
nen. Dagegen erhielten fie ihrerfeitö feftere Begründung von
Rechten, die nur fehwantend ober zweifelhaft gewefen. So
yat jeder Theil gewonnen, und die perfönlichen Beſchraͤnkun⸗
yen ded Landeöheren in Abficht der Veräuflerungen, Theilun⸗
zen ıc. find wieder Wohlthat für Haus und Land zugleich.
Die Geſetzgebung, welche vollftändig, weder in der Gravfchaft
ch im Herzogthum und folglich auch nicht in ber Landes⸗
yobeit lag, konnte vom Landesherrn mit den Ständen in eis
iem neuen, fehr ausgedehnten Umfang geübt werben; bie Po⸗
izeigefeße wurben in Landedorbnungen zufammengeftellt; die
Serichtöverfoffung, das Landredht, die Stadtrechte erhielten
ıach gegenfeitiger Übereinkunft weitere Ausbildung. So hat
ich die Selbftändigkeit der Territorien und bie Iandeöherrliche
Sewalt zu einer Bedeutung gehoben, von der man früher
eine Spur findet. |
Diefer Theil unferer Sefchichte ift noch am wenigften uns
erfucht; doch kann man, was die altherzoglichen Lande be-
trifft, auf die baierifche und fächfifche Geſchichte verweifen, in
Cbfiht der neu entflandenen XZerritorien auf Wirtemberg.
Mehrere diefer Verfaffungen erhalten in der Folge eine bebeu:
ende Stelle auch in der allgemeinen Neichögefchichte.
Bis daher ift hauptfählih von Fuͤrſtenſtaaten bie
tede gewefen. Auch in der Städteverfaflung if etwas
624 Bud IL Erſter Zeitraum. Abſchaitt ©.
Khnliches gefchehen, durch Theilnahme der Zünfte am Stadt
svegiment, wovon fhon unter 8. Karl IV. gehandelt worden
Man kann binzufegen, daß unter ben Claſſen ded Bürger:
ſtandes größere Eiferfucht war ald unter den übrigen Stär
den gegen einander. Als K. Rorimilian einmal in eine Reichs
ſtadt Fam, und bie Bürger in brei Haufen gelheilt, ihn em
pfingen, Geſchlechter, Kaufleute, Handwerker, fprach er ſcher
zend: „fehet da bdreierlei Bauen auf Einem Mift ')W-
Eine eigene Zufammenfegung hatte die jüngfte teutſche
Eroberung, Preuffen. Der Ritterorden war ber Lan
deöhere. Der Hocmeifter und feine Gebietiger (Sommer
thure) führten die Verwaltung nach den Handfeften, welde
den Städten bei der Unterwerfung gegeben worben. Aber
Adel und Städte verlangten flänbifhe Mitwirkung, umd
‚über diefem innern Kampf fiel das Land, vom Reiche vemad-
laͤſſigt, wieder unter die Oberherrfchaft von Polen, wie wir
bier noch in Kürze fehen werden. Schon in dem unglückl⸗
chen Kriege gegen die Huffiten und Polen hatte der Hochmei⸗
fir Michael Kuchenmeifter von Sternberg, da ber Orden felbfl
in zwei Parteien, des goldenen Vlieſſes und des goldenen
Schiffes zerfallen war, fich gebrungen geſehn, um das Land
an ben Orden zu fefleln, einen Landrath zu berufen, befte:
bend unter feinem Vorfige und ſechs Ordensgebietigern, ſechs
Drälaten, ſechs Rittern aus dem Landabel und ſechs Bürgen
von ben Städten, Alle jedoch nah bed Hochmeiſters
41436 Wahl. Nah dem Frieden von Brzefcie, der hauptfaͤchlich
burch Zuthun des Eandrathes zu Stande kam, entflanb neu
Unzufriedenheit und Spaltung im Orden. Der alte Eidech⸗
fenbund wachte wieber auf; der Adel ſchloß fi an die Städte.
4440 Zu Marienwerber errichteten beide Stände einen Bund zu
15. März. Erhaltung ihrer Rechte. Vergeblich fuchte ihn der folgente
Hochmeiſter, Konrad von Erlihöhaufen, zu trennen ober er
nen neuen zu errichten. Sein fchwacher Nachfolger, Wilhelm
von Eppingen, rief die Vermittlung des Kaiferd und des Pap-
ſtes an. Die Stände beharren auf dem Bunde und erhalten
von K. Friedrich II. für 5400 fl. fürmliche Befldtigung def:
1) Bugger ©. 1886.
Überfiht. der Berfaffung. 625
feiben, nebft dem Rechte, zu Führung ihres Proceffes am kai⸗
ferlihen Hofe Schatungen umzulegen. Sie wählen einen en-
gern Rath oder Ausſchuß von zehn aus dem Laube und zehn
us den Städten. Da ber Kaiſer keinen Vergleich zu Stande
ringen farm, fo erflärt er, mit Zuziehung einiger kurfuͤrſtli⸗
hen und fürfilichen Gefandten, daß Land und Staͤdte Beine -
Macht gehabt hätten einen Bund zu errichten, daher verſelbe
:odt und ab fein ſolle. Die Stände hatten: die Bezahlung
ener Summe noch nicht geleiflet und fehten dazu einen neuen
Termin. Aneas Sylvius misbilligte zwar auch den Bund,
och gab er zu, daß der Orden übermäthig der Unterthanen
Rechte gebrochen. Im Vertrauen auf "den kaiſerlichen Spruch
vollte der Diden Rache üben; der Bund aber kimdigte den
Sehorfam auf und faſſte ben verzweifelten Entjchluß, nad
em es zum Kriege gefommen, bad Land dein - Könige Ra:
imit von Polen zu unterwerfen, der die Pribilegien befkge :
igte und noch’ vermehrte. Das Unglüd ves Ordens volldris
»eten die Söldner, mit welchen jetzt; nad) dem Beifpiele
inderer Staaten ; des Krieg geführt wurde. Um den Solb
ufzubeingen, verpfändete dei Orden die Neumark an den
Rurfürften Friedrich IL. von Brandenburg" auf Lebenszeit fire
100,000 fl. Auch dies teithte nicht zu: "Die Soͤldnerhaupt⸗
eute muflten felbft mit Pfaudfchaften von Landestheilen bes
tiedigt werben; biefe verkauften fle nehfl: Marienburg-an
en
«
1454
6. Febr.
en König von Polen für 436,000 fl., und fomit ging ber j
Hauptfig des Hochmeifters fchon an Polen’über. :
Während Kaſimir mit:Litthauen und Böhmen zu thun
yatte, ermattete allındlig der Krieg. Im öfffichen Preuffeit
yehielt der Orden die Oberhand, im weftlichen die Polen und
er Bund. Nach dreizehnjaͤhrigem Krieg vermittelte der paͤpft⸗
iche Legat den Frieden zu Thorn, wodurch die Lande Culm,
Michelau, Pomerellen nebſt den Bisthuͤmern Culm und Er:
neland an Polen abgetreten, das Samlaͤndiſche und Pome⸗
aniſche dagegen dem Orden gelaſſen wurde, jedoch unter pol:
tifher Lehenshoheit.” Alfo ging Preuſſen dem teutſchen
Reiche verloren im. zweihundertundvierzigften -Fahre,; nachdem
8 8. Friedrich IL in den Schuß deſſelben aufgenommen.
t. Friedrich DIL. und der Papſt fahen diefem Verluſte gleich
Dfifter Geſchichte d. Zeutfchen IH. 40
1466
626 Bub IE Erſter Zeitraum. Abſchnitt 2.
gültig zu. DIener war ‚mit ben teutichen Fuͤrſten ſelbſt im
Krieg, und Beide wollten dann lieber einen Kreuzzug gegen
den ketzeriſchen K. Georg von Böhmen führen. Man begnügte
fich die Anfprüche des Reichs nicht aufgegeben zu haben, um
fie etwa bei günftiger Zeit wieder geltend zu machen. Die
1470 folgenden Hochmeiſter verfuchten das polnifhe Lehensband
1476 wieber zu löfen, fie wurden aber jedesmal zur Hulbigung ge
zwungen. Ein neued Unglüd drohte bem Orden von ben
Ruſſen und Schweden. Der Landmeifler in Liefland,
Walter von Plettenberg, Tonnte den faft zehnmal ffaͤrken
ruffifchen Heexen kaum 4000 Reiter und einige taufend auf:
gebotene Bauern entgegenftellen, aber feine zahlreiche, gut be
1503 diente Artillerie gab ihm Überlegenheit. Nachdem er bei dem
Reiche vergeblich Hülfe gefucht, ſchloß er einen funfzehnjaͤhri⸗
gen Brieden, der, folange Iwan Wafiliewitich lebte, gehalten
4511 wurde’). Der Orden wählte endlich ben Markgraven AL
brecht von Brandenburg, Enkel des Achilles, und Schweſter
fohn 8. Sigmunds von Polen, zum Hochmeifter. Dan hoffte
bie entriffenen Länder vom Lebtern wieder zurückzuerhalten
und in nähere Verbindung mit dem teutfchen Reiche zu kom
men. 8. Sigmund bewies ſich gefällig, er wollte dem Dr
den ein Stud Landes in Pobolien oder Rothrußland zur Fort:
fegung bes Kriegs gegen die Ungläubigen abtreten. Aber die
Huldigung wurde nicht erlaffen. Albrecht fuchte Hülfe beim
Papft und Kaiſer. Da dieſe ausblieb, muffte er fid zu Ab⸗
1513 tretungen verſtehen. Der liefländifche Landmeiſter erfaufte von
ibm das Recht, daß Liefland, Kurland, Eſthland ihren Land:
meifter felbft wählen dürften; durch Erlaffung der Lehenspflicht
wurbe er unabhängiger Furſt. Um den Kurfürſten Joachim I.
von Brandenburg, feinen Stammedvetter, zu gewinnen, ent:
fagte Albrecht dem Wiedereinlöfungseechte der Neumark. Alſo
büßte der Orden auf zwei Seiten gerabe diejenigen Laͤnder ein,
welche nicht unter polnifcher Lehensherrlichleit waren, um
Mittel zu erhalten, diefe in feinem Hauptlande wieder abzu
werfen. Nun wollte 8. Marimilian doc Etwas für ben Dr
1514 den thun: er verlobte dem K. Chriſtian IL von Dänemark feine |
1) Hegemwifch Geſch. K. MarimitiensL Ahl. II, 198.
Überficht der Verfaffung. 627
zweite Enkelin, um beffen Beiſtand zu erhalten, und fchloß 1514
mit dem Stoßfürften Waſilej Iwanowitſch ein Angriffsbuͤndniß 4 XAug-
gegen 8. Sigmund von Polen ’). Er änderte aber bald, wies
der feinen Entfchluß, da er wit Sigmund umd feinem Brus
der Uladiſlav die Erbfolge feined Haufes in Ungern und Boͤh⸗
men bewerkftelligte, wie wir unten fehen werben. Dennoch
fing der Hochmeifter mit teutfchen Soͤldnern, welche freien
Zug durch die Marken erhielten, ben polnifhen Krieg wieber 1518
an. Sieben Jahre dauerte diefer Krieg, bis er durch die Kir
chenreformation mit dem Untergange bes Ordens in Preufs
fen ein Ende nahm.
Man muß fi) mehr über K. Marimilien I. als über -
Friedrich TIL wundern, daß ber teutfche Orden in ber lebten
Zeit fo ganz ohne Hülfe gelaffen worden. Warum ift Nie
mand bei den fortwährenden Zirrkenfriegäberathungen auf ben
Gedanken ‚gekommen, dieſen Orden wieder zu feiner erſten
Beſtimmung zurüdzuführen, wie die Johanniter?
So weit die Überficht der damaligen Lage der teutfchen
Staaten und bed Reichsumfanges. Alle europdifchen Staa⸗
ten waren im Mittelalter Nichts weiter ald Cinungen von
ſehr ungleichartigen Zheilen, durch das Lehenband und hierar⸗
chiſche Inftitute fehr unvollkommen zufammengefebt. Das
teutfche Reich iſt unter allen der zufammengefestefle Staats⸗
koͤrper von fehr ungleichartigen und unverhältnigmäßigen Thei⸗
len, während die Macht und der Umfang des Kaiferthums in
fleter Abnahme if. Einige Länder ſtehen nur noch in einem
loſen Lehenverband, wie ein Zheil von Italien und Sas
voyen. Das altburgundifche Reich iſt unter den Luxem⸗
burgern erlofhen. Die Schweizer, der Träftigfle teutfche
Stamm in Suͤdweſt, haben fid) vom Reiche abgelöft und lei⸗
hen ihre unbefiegbaren Waffen den umliegenden Staaten. In
Nordoſt erlofch die Tapferkeit des teutfchen Ritterordens,
Böhmen mit den dazu gehörigen Landen ſteht am Schluffe
dieſes Zeitraums kaum noch im Reichöverband, fo groß fein
1) Lünig Cod. Germ. dipl. T. I. p. 577 sq. Das Übrige nach
HäberHin Keichsgeſchichte VI, 302 ff. 55% f. Stengel Geſch. bes
preuſſiſchen Staats I, 196 ff. 286 ff.
40 *
6238 Bub II. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 4.
früherer Einfluß gewefen ifl. Dagegen find die zehn Reiche
Ereife, als untergeorbnete Staaten oder Provinzen, unter ib
ren Häupten eine gewifle Autonomie übend, durch ein neues,
feftered Band zu einem gefeglichen Staate verbunden und
machen nun da8 Reich im engern Sinne aus. Aber aud)
in diefem find wieder fehr verfchiedene Verhältniffe dee Stänte
unter fih und zum Reich. Es find drei Eollegin, Kurfür-
fen, Fürſten und Stände. Die beiden erſtern find mehr
als bloße Stände: fie führen felbft eine Landesregierung mit
Ständen, bie vornehmften von ihnen haben auch die Zeitung
der Kreife. Die Kurfürften, mit dem ausfchließlichen Wahl⸗
vecht, mit den Willebriefen und andern Vorrechten, ſtehen als
die fieben Leuchter um ben Kaiferthron, uͤben die Aufficht über
Erhaltung der Verfaflung und bilden die höhere Ariftokratie.
Die Fürſten wetteifern als Mittelmacht zwifchen ihnen und
den kleinern Ständen, aͤhnliche Rechte zu erlangen. Die
Städte, ald die vermöglichften Stände, folen bezahlen was
die andern verwilligen; fie gelangen nur zu einer befchränften
Reichsſtandſchaft und nehmen daher bie meiflen Be
fchlüffe „zum Hinterfichbringen (Sppofition)." Die Städte
haben in der That noch ein bebeutended Gegengewicht gegen
die Kürften: einerfeits durch ihre Zahl, Wohlhabenheit und
ihre noch beftehenden Bündniffe in der Hanfe und im ſchwaͤ⸗
bifchen Bunde; anbererfeitd durch die noch immer vorkommen⸗
den Theilungen ber Fürftenhäufer und ben geringern Wohl
fland ihrer Lande ’). Zwiſchen den Fürften und Städten fleht
wieber eine Mittelmacht, die Graven und Herren, ber
Reichsſtandſchaft eben auch nicht günftiger ift ald die der Legtern.
Diefe Heinen Stände flimmen nicht einzeln, fondern in Eu:
rien oder Baͤnken. Endlich behält der Kaifer die Reichs:
ritterfchaft, den Überreft des urfprünglichen Standes ter
gemeinen Freien, unter feiner befondern Leitung (als die dltefle
Reichsmiliz), die aber unter den Fortfchritten des Kriegsweſens
- von felbft antiquirt wird. Die kleinern Stände zufammen,
Prälaten, Sraven, Herten, Ritter, Knechte und Städte, beif:
—— 1) g en Handb. d. Gef. bed europ. Staatenſyſtems x.
1
überſicht der Verfaffung. 629
ſen das Reich im engſten Sinne, worin der Kaiſer noch
allein der eigentliche Landesherr bleibt. So ſind bei allen
Umgeſtaltungen des Reichs immer wieder Bruch⸗
ſtücke der alten Verfaſſung mit eingefügt worden,
und das Ganze befteht aus bielen ineinandergreifenden Rins
gen. Die Kreiötage find der verkleinerte Reichötag, und bie
meiften Xerritorien haben in ihren Landfländen wieder ben
Kreiötag im Kleinen, der Sache nach aber theils mehr theils
weniger .ald im Reichstag.
Dad Hauptergebniß bes Zeitraums von RudolfI. bis
Maximilian I. ift dieſes. Zuerft, da Bein Haus mehr mächtig
zenug war bad Kaifertbum im alten Sinne zu behaupten,
muſſte vor allen Dingen die koͤnigliche Macht in Teutſch⸗
and wiederhergeftellt werden. Dann ein langer Kampf der
erſten Häufer um bie hoͤchſte Wuͤrde, wobei Papft und Kur:
fürften nicht gefäumt bedeutende Rechte und Vortheile fich
juzueignen, bis die Letztern felbft den Anmaßungen von jenem
ich widerfegen muͤſſen; Kurverein. Die Folge ift das Wahls
zeſetz, die goldene Bulle vorzugsweife genannt, ein Reichs⸗
zrundgeſetz. Im dieſer verwirrten Zeit üben die Stände das
Sinungsredt für die Reichs» und Kirchen: Freiheit.
Segen die Concilien gelingt es dem Papfte feinen Primat wie:
ver aufzurichten; der Kaifer will fich anfchlieffen, um auch
eine Vorrechte gegen bie Landeshoheit der Sürften zu bes
aupten, muß aber endlich felbft an die Spitze des Einungs⸗ a
vefend treten, um erft fein Haus und feine Würde zu retten.
Der ewige Landfriede wird das zweite Reichögrundgefeg
iefer Periode. Durch die Einkreifung erhält das Reich
ine feftere Geftalt, als es bisher durch daB Lehenband und
te Hierarchie hatte. Da bei der mannichfachen Zufammen:
egung auch die Verwaltung fehwieriger wird und der Kaifer
n feinen Erblanden fist, fo werden verfchiedene Verfuche
emadt, umeinen befländigen Senat im Mittelpunct
u verordnen. ,
Allerdings ein Iangfamer und fohleppender Gang und eine
wer bewegliche Maffe. Das Eommt daher, weil man kei⸗
em Stand gewaltfam Etwas nehmen durfte, weil Peiner Et⸗
oas von feinen Rechten aufgeben, jeder bei feinen Freiheiten
630 Buch IL Erfter Zeitraum. Abſchnitt 4.
bleiben wollte. Nach ben Kronkriegen, und nachbem die Stände
. enblih dad Waffenrecht gegen einander aufgegeben, tft bad
Meifte fir das teutfche Gemeinwefen durch gefegliche und frie:
liche Mittel gefcheben, während die Monardhien in Frankreich,
Spanien, England durch eine Reihe von wilden, biustigen,
graufamen Auftritten ihre Macht befefligt haben. Und das |
ift nun das verfchiedenartige Wieberaufleben der Mons
arhie in Kirche und Staat: in jener mit Hülfe bed Kaifers,
zu einer faft abfoluten Oberherrfchaft über Glauben und Gi
ter der Kirche, mit Ausfchlieffung aller Reformationsverfuce;
in dieſem durch die gefeßlichen Bemühungen der Reichsflände
zu einer gemäßigten conflitutionellen Monarchie, nicht
fowohl duch Befchränkung der Faiferlihen Rechte ald durch
Übertragung der perfönlich gelibten hoͤchſten Gerichtöbarkeit
und Verwaltung auf verfaffungsmäßige Behörden,
Kammergericht und Reichöregiment, vom Kaifer und den Stäns
ben zugleich befeßt, unter dem Vorſitze eines kaiſerlichen Wir⸗
beträgerd. Die Perfon bes Kaifers ward dadurch erhoben zur
Unverleglichkeit. Nur die Oberlehenöberrlichkeit und die bamit
verbundene Oberbefehlähaberfchaft übt der Kaifer noch perſoͤn⸗
lich. Dieſe ganze Zeit nach dem Untergang der hohenflaufi:
fen Kaifer hat das Reich mit fich felbft zu thun gehabt.
Nun kann es auch wieder an ben europäifchen Angelegenbei>
ten Theil nehmen.
Bon der innern Lage Teutfchlands in der Mitte des funf:
zehnten Iahrhunderts bat Aneas Sylvius eine Schibe
rung binterlafien, bei welcher er Tacitus unfterbliches Werk
vor Augen gehabt zu haben feheint. Wenn der große Römer
fein verweichlichted Volk auf Tuiſkos kraͤftige Söhne aufmerk⸗
fam macht, fo fucht dagegen Aneas die Beſchuldigung abzu⸗
lehnen, ald hätte der römifhe Stuhl Zeutfchland unterbrädt
und audgefaugt, wobei ihm doch auch nicht entgeht, woher
noch der gefährlichfle Angriff des Papfitbums kommen könnte.
Der gebrängte Auszug iſt diefer ).
„Teutſchland,“ fagt Änens, „ift nie mächtiger und reicher
geweien als jetzt. Die Grenzen gehen weit über bie alten
Überfiht ber Berfaſſung. 631
binaus; Rhein und Donau, vormals Grenzfluͤſſe, ſtroͤmen jetzt
burch bie Mitte des Reiche. Belgien, Helvetien, Noricum,
ein Theil von Pannonien, felbft Die hoͤchſten Alpen find teutſch.
In Mähren und Schlefien, vormald zu Sarmatien gehörig,
und auf den Infeln des baltifchen Meeres findet man teut⸗
Ihe Sprache und Eliten. Welcher fhöne Anbau ſchmuͤckt
das ganze Land! Wer kann die Burgen, bie Stäbte, bie
Dörfer und Weiler zählen? Aachen, der alte Sig des Reichs,
bat einen Palaft mit Steinbilden der Kaifer und einen Tem⸗
pel mit Reliquien, wo die vömifchen Könige gefalbt werben.
Trier ift ein erzbifchöflicher Sig, wo ſchon in frühen Beiten
das Chriſtenthum gegründet worden. Keine fchönere Stabt
in Europa ald Coͤln, an Gebäuden, Bevölkerung und Lage.
Die Flanderer und Brabanter find teutfch, ob fie gleich zu
Frankreich zu gehören fcheinen. Mainz if alt und etwas
eng, aber mit herrlichen Gebäuden; Worms ift nicht groß,
aber angenehm. In dem volkteihen, gut gebauten Speier
ift der abgebrannte Dom wieber ſchoͤner aufgebaut und ent»
hält die Grabmaͤler der Kaifer. Straßburg mit feinen vie:
len Canaͤlen giebt ein Bild von Venedig, und feine flieſſen⸗
den Wafler find weit angenehmer und gefünder als die falzi>
gen und übelriehenden Lagunen. Die hohe Muͤnſterkirche von
Quaderſteinen bat zwei Thuͤrme, von welchen ber eine be
wunbderndwürdig mit der Spite in die Wolfen reicht. Die
Stadt hat Häufer von Bürgern und Geiftlihen, worin Fürs
fien wohnen dürften. Baſel iſt bei allen Voͤlkern befannt
Durch feine Befcheidenheit und Würde in der öffentlichen Ver⸗
waltung. Coſtanz liegt angenehm zwifchen. zwei Seeen,
welche der Rhein füllt und entleert. Bern laͤſſt unter feinem
Bürgermeifler 20,000 Bewaffnete ausziehen. Zürich iſt eine
große und blühende Stadt am See, den bie Limmat durch⸗
fliefft. Über Kempten, Memmingen, alte, nicht unbes
ruͤhmte Städte, geben wir nah Augsburg. Wenige Städte
werden gefunden, welche ditfer gleich kommen in Abficht auf
Glanz, Bevölkerung, Reichthümer ber Geiſtlichkeit und Ber
waltung bed gemeinen Weſens. In Baiern ift kaum eine
Stadt die nicht reinlih wäre. Das fchön gelegene, herrlich
gebaute Salzburg iſt erzbiſchoͤflicher Sig, Größer iſt Res
632 Buch IL Erfer Zeitraum Abſchnitt 4.
gensburg, wo ein K. Konrad I, ben Kreuzzug verſammelte.
Wie wohl gelegen it Paffau, zwifhen dem Sun und ber
Donau, welche bier mit ſolcher Macht zufammenflieffen, daß
man im Iweifel ift, welchem ber Sieg gebühre, wiewohl von
Alters ber ber legtere Strom dem erftern den Namen genom:
men. In Wienerifh:Neuftadt hat K. Friedrich III. meiſt ge
wohnt. Wien, der Sit der alten Herzoge von Öfterreich,
hat Tönigliche Paldfie und Tempel, welce Italien bewundern
winde. As einft bofnifche Gefandte den St. Stephansthurm
faben, feine Kunft und feine Höhe, fagten fie, der babe mehr
gekoftet, ald ganz Bofnien werth wäre. Die Stadt hat hohe,
fleinerne Häufer mit fürfllichen Eingängen, doc find wenige
mit Ziegeln gededt. Sie haben heizbare Stuben mit gefchlofs
fenen Glasfenfleen. Die Keller find fo tief und geräumig,
daß man eine ganze Stadt unter ber Erde finden könnte.
Das Straßenpflafter ift von harten Steinen. Es iſt ein Klo⸗
fler zum heiligen Hieronymus zur Belehrung gefallener Dir
nen; wenn eine derfelben rüdfällig wird, fo wird fie in ber
Donau erfäuft. 1200 Pferde find 40 Tage lang während
der Weinlefe in Thaͤtigkeit; der zehnte Pfennig vom Wein⸗
ſchank beträgt jährlich 12,000 fl. zur Kammer. Gonft haben
die Bürger wenig Abgaben. Man zählt 50,000 Communi⸗
canten. Nach dem Bann wird wenig gefragt; in der Faſten
ruhen die Zuhrleute nicht, es wirb auch immer Fleiſch ver
Fauft ).“
„Alle diefe Städte,” fährt Aneas fort, „find im neuern
Zeutfchland. Das alte hat nicht geringere. In Schlefien ift
Breflau, von Steinen gebaut, anftändig und feſt; dad Biss
thum dafelbft hieß ehmals das goldene. Brünn in Mähren
iſt vorzüglicher ald der Biſchofsſiz Olmig Danzig in
Preuſſen iſt zu Land und See gleich mächtig und führt nicht
weniger ald 50,000 Stereiter in den Kampf; feine Schiffe bes
berrfchen das baltifche Meer. Thorn ift auch nicht unbekannt,
wenn. ed gleich ehmals zu Sarmatien gehörte. Das flapis
ſche Böhmen ift ganz von teutfchen Ländern umgeben und
bat Bieled von teutfchen Sitten angenommen. Der Abel
1) Cf. Aen, S8ylv. Opp. p. 718 sg.
überſicht der Verfaffung. 633
fpricht beide Sprachen. Prag ifl nicht geringer als Florenz,
und die Moldau, welche die Stadt durchſtroͤmt, waflerreicher
ald der Arno. Das Land hat noch mehrere und audgezeich-
nete Städte. Die Rorblüfte von Zeutfchland eben fo. Un
ter ihnen ift Lübed die erfie an hohen, fehönen Gebäuden,
an Reichthum und Macht; fie hat einft (ald Haupt der Hanfe)
dem flandifhen Norden Könige gegeben. Braunſchweig,
die Heimat der Ottonen. Wer kann alle berühmten friefis-
ſchen, hollaͤndiſchen, weſtphaͤliſchen Städte aufzäh-
len? Heſſen und Thüringen hat auch ſolche, darunter
iſt Erfurt die bevoͤlkertſte und reichſte. Frankfurt am
Main iſt der gemeinſchaftliche Markt fur Ober⸗ und Nieder⸗
Teutſchland, und Sig der Reichsverſammlung und Koͤnigs⸗
wahl. Es hat hölzerne, aber auch fchöne fleinerne Häufer,
Daläfte und herrliche Tempel, Afhaffenburg ift der Er
bolungsort des mainzifhen Erzbiſchofs. Würzburg, aud
am Main, eine herzogliche und biſchoͤfliche Stadt zugleich,
mit einem ſtarken Schloß. Bamberg hat da8 Grabmal
K. Heinrich des Heiligen. Forchheim ift durch fein ſchnee⸗
weiſſes Bredb eruhmt. Die fränkifchen Städte überhaupt find
nicht zu verachten. Was für einen großen Anblid bietet
Nürnberg fchon von ferne dar. So viele Bürgerhäufer, fo
viele Schlöffer. Die Könige von Schottland würden gerne
wohnen wie ein mittlerer Nürnberger. In Schwaben iſt Ulm:
die Hauptflabt an der Donau, befeftigt und nicht unreinlich.“
„In Wahrheit, in Europa ift kein Land, bad nettere
und freundlichere Städte hätte ald Zeutfchland. Dan Pönnte
wohl einzelne in Italien vorziehen, aber das Ganze gegen
einander gehalten, hat Italien den Vorzug nit. Das Ans
fehn von’ Teutfchland iſt gewiffermaßen neu und die Städte
ſcheinen erſt geftern erbaut zu fein. Wenn ed wahr iſt, daß
Reichthum da iſt, wo Kaufleute, fo iſt Zeutfchland nicht arm.
Zudem hat es viele Bergwerke; im Rhein findet man Gold»
koͤrner, in ben böhmifchen Flüffen finden die Zaboriten eben
falls ſolche. Der Hausrath zeigt ed. Kein Saflmahl, wo nicht
aus fübernen Gefäßen getrunken würde; Bürgerfrauen glänzen
von Gold. Wir übergehen die reichen Rüftungen ber Ritter,
bie Kleinodien und übrigen Reichthiimer der Kirchen.”
634 Bud IL Erſter Beitenum. Abſchnitt 4.
„Maͤchtig iſt Zeutfchland. Prälsten, Fuͤrſten, Städte
find zwar alle Einem Haupte unterworfen, thun aber gemei:
niglich nad ihrem Gutduͤnken und fchalten gleichfam frei über
ihre Unterthbanen. Unter ben großen Prälaten find drei Erz⸗
bifchöfe Die angefehnften Kurfürften, welche das Kanzleramt
durch Germanien, Arelat und Stalien haben. Der von Trier
bat die erfie Stimme; ber von Coͤln iſt auch Herzog in We:
phalen. Ihnen gehorchen die angefehnflen, reichſten Stäbte
und ein zahllofer Adel. Der Erzbiſchof von Salzburg wird ge
borner Legat des römifchen Stuhld genannt. Unter ben Bi
thümern feines Sprengeld heifit Paflau das reichfie, Regens⸗
burg dad wüuͤrdigſte, Steifingen das ditefte, Brixen das ficherfle.
Alle haben Schlöffer, volfreiche Städte und viele Vaſallen.
Der Erzbifhof von Magbeburg gilt für ben Primas von
Zeutfhland. Der Erzbiſchof von Bremen ift aud mächtig.
Der fiebente Erzbifchof des Reichs zu Prag ift durch den Huf
fitenfrieg verarmt. Luͤttich und Utrecht find die blühendften
teutfchen Bisthuͤmer; jedes zieht mit nicht weniger als 40,000
Streitern in ben Krieg. Der Würzburger heifit zugleich ‚Her:
309 in Franken. Obgleich Bamberg auch in Franken Liegt,
fo bat es doch in Kärnthen viele reiche Stiftungen. Über 50
bifchöfliche Kirchen haben die Zeutfchen. In Vergleihung mit
diefen reichen Bifchöfen find die italienifchen kaum Stadtpfar
zer zu nennen. Wie viel find hernach Prälaturen, Propſteien,
Kanonilate, Decanate, Archidialonate, auf welchen lauter
eble oder gelehrte Männer figen. Lüttich hat bei der Haupt:
fire über 70 Pfründen. Wer zählt die reichen Klöfter, bie
eine große Zahl von Moͤnchen nähren und dabei eine große
Saftfreiheit üben? Der teutfche Orden hat Töniglihe Macht.
Wir Finnen die weltlihen Kurfürften und Fürften, die vielen
eblen und ritterlichen Sefchlechter, welche Fein anderes Land auf:
zuweifen hat, nicht alle aufzählen, unter weldyen mebrere ta
pfere und glüdliche Zeldberren gefunden werben. Wie furcht⸗
bar wäre die Macht aller diefer Fürften, wenn fie
auf Einem Puncte vereinigt wäre! Bei Feinem Voll
findet man eine ſolche Freiheit wie bei den Reichsſtaͤdten. In
Florenz, Venedig ꝛc. finb bie Bürger auffer benen, welche
die andern leiten, Sclaven. Bei den Zeutfchen ift Alles lieb:
Überfiht ber Verfaſſung. 635
lich und heiter, da wirb man feines Lebens froh. Niemand
wird beraubt; Jeder befigt fein Erbe ruhig‘ Es giebt Feine
Zactionen, wie in Italien. Über 100 folcher freien Städte
werben gefunden an ber Donau, am Rhein, im Binnenlande,
an ber Seeküfte; fie find gegen die Übermacht ber Fürften
vereinigt."
„Bon ber alten Barbarei find allein bie Raubritter uͤbrig;
fie werden aber mit dem Tode beſtraft. Die Gerichte und
andern Öffentlichen Handlungen werden mit Einfiht und An⸗
fand gehalten. Das Recht und die übrigen Wiſſenſchaf⸗
ten werben überall gelehrt. Fremde werden mit freundlichem
Geſicht und mit noch befferem Herzen aufgenommen. Die
Knaben lernen eher reiten als fprechen; fie fihen unbeweglich
in den Sätteln. Die langen Lanzen tragen fie ihren Herren
nach und find gegen Froſt und Hige abgehärtet. Keiner Ar
beit unterliegen fie. Kein Schwabe ober Franke reitet unbes
waffnet; fie tragen bie Waffen fo leicht als ihre Glieder.
Edle und Bürger haben Vorräthe davon in ihren Käufern.
Sie find fehr erfahren, Roffe zu tummeln, Pfeile zu fchieffen,
Lanze, Schild und Schwert zu führen und Gefchüge zu ge:
brauchen. Mit den teutfchen Waffenwerkftätten find Feine zu
vergleihen. Sie gieffen auch große Büchfen, die fie erfuns
den haben °). An Perfonen und Sachen iſt fo viele Verfei-
nerung, daß. Nichts mehr ald die Sprache an die Barbarel
erinnert."
„Wenn Ariovift, Gannaſcus, Malorir oder Civilis wie:
berfämen, fie würden zwar ben großen Bär und bie übris
gen Seftirne, nicht mehr aber ben Boden, die Städte und
Sitten der Einwohner kennen. Freilich ift das Reich nicht
mehr was ed unter Karl dem Großen war; nad den Friede:
rihen bat es fehr abgenommen. Aber daran ift nicht das
Geld fchuld, das die päpftliche Kammer bezieht, fondern eure
veränderten Sitten. Ihr ſeid nicht mehr jene Welteroberer.
Eure Uneinigkeit ift es, weil Viele regieren wollen und Keiner
gehorchen. Bon ber Nation, von ben Fuͤrſten und Bifchöfen
1) Dies ſchreibt Kneas im Jahre 1458,
636 Buch IL Erfer Zeitraum. Abſchnitt 4.
hat Rom weniger zu fürchten ald von Einigen, welche ſich
für gelehrt halten.”
&o weit Aneas.
4. Die Verhältniffe gegenüber von Italien, politiſch,
kirchlich, wiſſenſchaftlich, als Übergang zum folgenden
Zeitraum.
Hemmung ber böhern Entwürfe Marimilians.
Kriegsfhauplag in Italien unter treulofen Res
gotiationen der chriſtlichen Mächte, wobei allein
der Kirhenflaat gewinnt. Glücklicher Erfolg von
Marimilians Familienverträgen in Abſicht auf
Spanien, Ungern unb Böhmen. Größe des Hauſes.
Rückwirkung der italienifhen Kriege auf Teutſch⸗
land; Nachtheil für die Städte. Freie Söldner,
Schweizer, Landsknechte. Marimilians Erfindun-
gen im Kriegswefen. — Statt des Türkenkriegs
Vorbereitung eined allgemeinen Angriffs auf das
ausgeartete Papſtthum. Die Kaiferfrone wird
von felbft unabhängig. Schilderung von ſechs
Däipften Die Wilfenfhaften in Italien und
Zeutfhland. Die Humaniften. Marimilians nidt
letztes Verdienſt um die Wiffenfchaften, befonders
Geſchichte und Dichtkunſt. Die augöburger Runds
art. Bon der Buhdruderkunft und ihrem Ein:
fluß. Hemmungen von päpfllier Seite. Streit
der Humaniften und Scholaftifer. Stiftung der
Univerfität Wittenberg Erneuerte Reichstags—
beſchwerden gegen die concordatenwidrigen Geld—
fhneidereien. Marimtlian will felbft Papſt wer:
den. Schluß des lateranifhen Concilium. Luthers
Theſes. Marimilians legter Reichstag.
In biefem Zeitpunct, da Zeutfchland durch feine erneuerte
Derfaffung gegen duffere Einwirkungen gefchloffen wird, oͤff⸗
net fih Italien zum Schauplag ber europäifchen Politik. Die
Überfiht der politifchen Verhättniffe 637
Hauptfrage ift nicht mehr die Verbindung mit dem römifchen .
Reiche, beffen früherer Mittelpunct ed geweſen; ed handelt
fi) überhaupt von Erwerbungen der europdifchen Mächte, die
fi bier, als in einem gemeinfchaftlihen Mittelpuncte, am
bäufigften berühren und befchränten. In diefem Zuſammen⸗
bange folgt nun ber übrige Theil unſrer Gefchichte unter 8.
Maximilian 1.
Immer war biefer Kaifer gebrungen, wenn er zu feinen
hoͤhern Entwürfen fortfchreiten wollte, erft an ber Ordnung in
ZTeutfchland zu arbeiten und einen Stein nad) dem andern
zu legen. Darüber wurden jene von einem Sahre zum an⸗
dern hinausgefchoben, und er fand erft in der zweiten Hälfte
feiner Regierungszeit einen etwas freieren Spielraum dazu.
Es waren zwei oder brei große Entwürfe, womit er fich trug:
Erhebung des Kaiſerthums zugleih mit der Ausdehnung ber
Öfterreichifchen Hausmacht, dann die Vertreibung der Tuͤrken
aus Europa. Fuͤr den erſtern erreichte er in Italien wie in
Teutſchland wenig; fuͤr den andern deſto mehr durch glückliche
Familienverbindungen; in dem dritten waren, wie er ſelbſt
geſteht, von Jugend auf alle ſeine Gedanken und Wuͤnſche
vereinigt ). Für dieſen bringt er auch gar Nichts zur Aus
führung, dagegen fieht er noch den Anfang einer neuen Bes
wegung in ber GChriftenbeit, in welcher alle Beſtrebungen des
zu Ende gehenden Mittelalterd fich vereinigen. |
Da es den großen Mächten noch an einer verhaͤltnißmaͤ⸗
ßigen Kriegsverfaffung gebrach, fo lernte man von den Ita⸗
lienern die Kunft der Negotiationen. Jene verfuchten fich zu:
erft darin, um die fremden Eroberer, die ihre innere Uneinig»
Zeit herbeigerufen hatte, wieber zu entfernen. Nun kehrten die
großen Mächte dad Spiel um. Frankreich und Spanien woll-
ten durchaus Land in Italien haben. Marimilian konnte dabei
nicht muͤßig zufehen, und fo nahm er an jener Politik im⸗
mer lebhaftern Antheil, je weniger ihn dad Reich unterflügte,
Der obengedachte Vertrag zu Bloid enthielt eine dreis 4504
fache Übereinkunft. Marimilian verfprach gegen 200,000 fl, 22. Sept.
den 8. Ludwig XII. und feine männlichen Nachlommen, in
1) Schreiben an Leo X. bei Raynald. 1517.
. 638 Bud HL Erſter Zeitraum. Abſchnitt 4.
deren Grmangelung aber feine Tochter Claudia und ihren Fünf
tigen Gemahl mit dem Herzogthbum Mailand zu be:
lehnen. Ludwig XH . verhieß Dagegen feine Tochter bem
Enkel Marimilians, Karl, nebfl weitern Bellimmungen in
Abſicht der Erbſchaft von Mailand und Burgund, im —— End»
wig XII. ohne männliche Erben abgehen würde. Die britte
Übereinkunft betraf ein Bünbniß zwifhen Marimilien L, Lud⸗
wig XIL nnd dem Papfle Julius IL in der Abſicht, den Be
netianern Alles wieder abzunehmen, was fie vom Kicchenflaate,
‚von Mailand und vom Reich abgeriffen hatten !).
1504 Zwei Monate nach) dem Vertrag zu Blois flarb Die Koͤ⸗
6. Rov.nigin Afabella von Caſtilien. K. Ferdinand von Arage:
nien, ihr Gemahl, wollte kraft eines vorgegebenen Zeflaments
bie Regentfchaft für den Enkel Karl, Sohn der DIohanna
und bed Erzherzogs Philipp, übernehmen; aber ber Reichötag
zu Valladolid erfannte die Nachfolge den beiden Lehtern zu.
K. Ferdinand vermählte fich nun mit Germaine de Foix, Schwes
flertochter 8. Ludwigs XI, der das Glück des erzherzogli⸗
chen Haufes mit noch eiferfüchtigern Augen betrachtete. Erſt
‚ 41505 empfing Ludwig die Belehnung mit Mailand in ber Perfon
7. Apr. des Carbinal Georg von Amboife und bezahlte einflweilen die
1506 Hälfte des bedungenen Geldes; dann betrieb er ein geheimes
22. März. Bimdniß gegen feinen Lehenshern mit Venedig, Rom und
andern italienifchen Staaten, und verlobte feine Zochter Claus
dia dem Herzog Branz von Angouleme, feinem Nachfolger.
So war denn ber Vertrag von Blois und namentlich bie
Bererbung von Mailand fchon vernichtet ?).
25. Sept. Nicht lange darnach farb ber Erzherzog Philipp und hin-
terließ zwei unmünbige Söhne, ben ſchon gebachten Erzherzog
Karl und feinen Bruder. Ferdinand unb zwei Toͤchter Ma⸗
ria und Iſabelle. Marimilian erhielt dadurch die Vor⸗
mundfchaft uͤber die Niederlande, die ex feiner Tochter Marz
garethe, Wittwe des Infanten Iohann, abtratz bie Bor
munbfchaft über Caftilien aber muflte ex dem K. Zerbinand
gegen 500,000 Ducaten uͤberlaſſen.
1) Du Mont T. IV. P. I. Nr. 8W-30.
2), Müller Keichttagsſtaat. Wh. IIL. C. 2. 9, Bo. IV. €. 1.
Überſicht der politiſchen Verhältniffe- 639
As Ludwig XIL mit dem Herzogthum Mailand auch 1507
Die Herrſchaft über Genua mit: gewaffneter Hand behaupten
woollte, traten Papfi und Venedig von dem geheimen Ver
ſtandniß ab und hielten fich wieder zu Marimilian, weil fie
beforgten, Ludwig möchte fih auch des Kaifertbums bemäch-
‚tigen. Bis jedoch jener über die Alpen kam, hatten fie ihren 1508
Sinn fon wieder geändert, weil mit Ludwigs Rüdzug jene Jan.
Furcht verfhmunden war. Maximilian wollte jegt Mailand
befeten, weil es ber König verwirkt hätte; allein ex fand keine
Unterflügung, weil man ihn fo wenig in der Nähe haben
woolite als den König; baber fchloß er, wie fchon oben bemerkt
worden, einen dreijährigen Stillſtand mit Venedig. Jetzt kam 6. Jun.
Zulius I. in neue Bebrängniß durch Die venetianifchen Waf⸗
fen. Im kurzer Zeit brachte er Ludwig und Marimilian wie
der zufammen und fliftete die verrätherifche Ligue von 10. Der.
Gambray *); damit Lesterer feinen Stillſtand mit Ehren
brechen könne, gebot er ihm aus apoflolifcher Macht, ber
Kirche als Schirmpogt zu Hülfe zu kommen. Auch Ferdinand
von Aragonien trat dem Buͤndniſſe bei. So ftanden zwei 1509
Könige, der Kaifer und ber Herr des Kirchenflaates gegen
Venedig und gedachten die flolze Stadt zu demuͤthigen; über
die Theilung ihrer Befikungen auf dem feflen Lande waren
fie [bon einig. So geheim das Bünbniß eingeleitet worden,
fo war doch der Papft der Erſte der es den Venetianern ers
öffnete, in der gewiffen Hoffnung, er werde fie ſchon dadurch
zur Rüdgabe feiner Städte vermögen. Da fie aber den Vers
räther wie billig verachteten, fo ergriff er nun erſt um fo ers
bitterter den Krieg. Der Kaifer blieb bei feiner Zufage, uns
geachtet ihm die Venetianer wiederholt den Frieden anboten
und dad Reich die verlangte Hülfe erſchwerte. Die Franzo⸗
fen eröffneten raſch ben Belbzug, und ber Papft ſprach den Apr.
Bann aud. Bei Agnabello erlitten die Venetianer eine fo
ſchwere Niederlage, daß fie bereits das fefte Land aufgaben, 14. Mai
fei ed nun aus wirklicher Muthlofigkeit ober in der Abficht,
die Verbündeten wegen der Beute um fo gewiffer unter fich
zarfallen zu ſehen. Wollte Maximilian einfeitigen Frieden
1) Du Mont. T. IV. P. I. Nr. 50.
640 Bud IE Erſter Zeitraum. Abſchnitt 4.
ſchlieſſen, fo haͤtte er es mit großem Landgewinn thun Ein
nen. Die Venetianer machten ihm bie verführerifchfien Ber
fptechungen, wenn er fie gegen Frankreich fchügen und den
1509 Untergang ihres Namens verhüten würde. Allein er well
Sul jest auch Etwas leiften: er machte fogar Anflalt Venedig zu
Waſſer anzugreifen. Da ſah er fih von den Verbündeten
verlaffen.
Der König von Frankreich ging fiber die Alpen zurüd,
fobald er des Kaiferd Kortfchritte vernahm; der Papfl aber
1510 ſchloß einfeitigen Frieden, gegen die ausdruͤckliche Bedingung
24. Bebr. des Buͤndniſſes. Er hatte jetzt feine Städte wieder und wurfite
ſich zu entfchuldigen: „ber Papſt, als Statthalter Chrifi,
dürfe die nicht weiter verfolgen, welche mit Reue die Abfo-
lution fuchten.” Er that noch mehr. Da der Kirchenſtaat
befreit war, fo mufften die hereingerufenen Franzoſen und
Teutſchen wieber entfernt werben. Er fchloß zu diefem Ente
14, Mirz. ein Buͤndniß mit den Schweizern, entband den K. Ferdinand
feines Bundeseides, belehnte ihn mit Neapel und vernichtete
Frankreichs Anfprüche auf diefes Königreich.
Hierdurch wurden Ludwig und Marimilian einander wie
der näher gebracht, fo wenig Ernſt jener gezeigt hatte diefen
17.Rov. zu unterflügen. Sie fhloffen wieder ein Buͤndniß zu Blois
als Erneuerung des cambrayer und bedrohten den Papft mit
einem allgemeinen Goncilium, wenn er feine Genugthuung
geben würde. Vergeblich fuchte Julius II. die beiden Wonar
14511 den zu trennen. Sie fohrieben das Goncilium wirklich nad
a. Pifa aus und Inden den Papft vor. Diefer aber ſchloß
4, Oct mit Ferdinand und Venedig die heilige Ligue und eröffnete,
da ihn das pifaner Goncilium fufpendirte, ein anbered im
Lateran. Während diefer legten Schritte gelang es ihm
1512 auch den Kaifer zu einem Stillſtande mit den Venetianem
6. April. zu bringen, für den fich berfelbe 50,000 Ducaten bezahlen
ließ. Ehe aber Marimilian fein Heer von dem franzöfl:
11. Apr. fehen abrufen konnte, ſchlug Safton de Foir bei Ravenna
das päpftlich = fpanifche Heer in einer fehr blutigen Schlacht,
die er mit feinem Leben erfaufte. Nun ließ Julius die Schweis
zer aufbrechen, unter ber Fuͤhrung feines Legaten, bed Bi:
ſchofs Matthäus Schinner von Sitten. Die Sranzofen zogen
Überficht ber politifhen Vechältniffe 641
ich zurkd; Mailand ergab fi) an bie Schweizer und buch 1512
ie an bie-heilige Ligue. So gern ber Kaifer dad Herzogthum —
ite fich behalten hätte, fo muſſte er doch geſchehen laſſen, daß ai
ver Dapfi und die Schweizer daffelbe an den Sohn. des vers
lorbenen Herzogs Ludwig Moro, Marimilian Sforza, übers
gaben, aufler Abzug der Stüde, welche die Eibgenoflen, ber
Papſt und Venedig davon abgeriffen hatten.
Über den Friebensfchluß mit dem Kaifer zerfiel der Papſt 25. Rov:
wieder mit ben Venetianern, wodurch diefe fich bewogen fahen 1513
mit Frankreich zu Blois ein Bimbniß zu ſchlieſſen. Wenige ann
Tage nad dieſem Vertrage wurde zu Mech eln ein Angriffs⸗
buͤndniß gegen Frankreich geſchloſſen, zwiſchen dem Papſte,
dem Kaiſer, dem Koͤnig Ferdinand von Aragonien und dem
K. Heinrich VIII. von England, Ferdinands Schwiegerſohn.
Ehe dieſes noch zum Handeln kam, eroberte Ludwig XI. das
unbefchüßte Mailand, verlor ed aber eben fo fchnell wieber
durch die Schweizer in der Schladht von Novara. Nun 6.3un.
brach erſt ber verabrebete Angriff auf mehreren Seiten zugleich
108. , Der König von England fiel in Frankrei ein. Bei
Buinegate erfoht Marimilian einen zweiten Sieg, die Spo⸗ 15. Aug.
renſchlacht, von der Flucht der franzöfiichen Reiter genannt.
Hocburgund griffen die Schweizer in Maximilians Sold an,
verflärft durch teutfche Reiterei unter dem jungen Herzoge
Ulrich von Wirtemberg, um das Land für den Erzherzog Karl
zu erobern. In biefem Gebränge fuchte Ludwig XII. die Vers
bimbdeten zu trennen. Er gewann Leo X. durch Beitritt zum 6. Dct.
Lateranifchen Concilium nach Marimiliand Vorgang, den X.
Ferdinand durch einen Heirathövertrag zwifchen den Enkeln 1. Dec.
Karl und Renate, mit dem Verſprechen, Mailand an diefe
abzutreten. In der legten Ruͤckſicht ſchloß dann auch Mari: 1514
milian, als väterlicher Großvater Karls, einen Stillſtand. 18. Märı.
Mit England wurde ebenfalld ein Heirathövertrag gefchloffen. 7. Aug.
Gegen Ludwigs XII Nachfolger, Franz J., traten der 1515
Kaifer, der K. Kerbinand, der Herzog Marimilian Sforza 1. Ian.
und der Papſt mit den Schweizern in ein Buͤndniß. Franz,
der jugendliche Held, überrafchte fie durch die Einnahme von
Mailand; in der zweitägigen Niefenfchladht von Marignana 13. 14.
wurden. bie Schweizer zum erften Mal befiegt. Der Herzog Septbr.
Pfiſter Geſchichte d. Teutſchen III. 41
642 Bud II. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 4
von Mailand muffte entfagen. Der Papſt verglich ſich. Mori
1516 milian zog mit ſchweizeriſchen und teutfchen Soͤldnern im naͤch⸗
März. fen Jahr vor Mailand, und war ſchon im Begriff die Stadt
zur Übergabe zu bringen, als bie Schweizer fich weigerten
gegen ihre Landöleute, welche Branz indeffen geworben hatie,
zu fechten. Er muffte unverrichteter Dinge zurüdgehen. Die
29. Nov. —2 ſchloſſen bald darauf mit Frankreich den ewigen
Frieden, die Grundlage aller ihrer nachherigen Bimdniſſe
Durch Vermittlung feines Enkels Karl trat Marimilien ent
Dec. ih in Präliminarien mit Venedig, indem er Verona, bie
einzige Stabt die er noch in feiner Gewalt hatte, gegen cine
41517 Summe Geldes herausgab, wovon ein Anlehn bei Frankreich
15.3an. getilgt wurde. Auf dieſes folgte zu Cambray wieber ein De
11.März. fenfiobiindniß des Kaiferd und feines Enkel Karl mit dem
Könige von Frankreich und ein Angriffsbändnig gegen bie
8. Oct. Türken, Nachdem Franz und die Venetianer einander ihre
italienifchen Beſitzungen verbürgt hatten, ſchloß Marimilian
1518 mit der Republit auch ab. Died der Ausgang bed aus da
Ligue von Cambrai entſtandenen achtjährigen Kriegs !).
Mit Abſcheu wendet ſich die Gefchichte von den unzdh
- Ügen Treulofigkeiten des Buͤndnißwechſels, wobei bie „aller:
chriftlichften und vechtgläubigen Könige,” ber Kalfer und ber
heilige Vater weder Eibfchwüre geachtet, noch fich geſchaͤmt
nach vielfältigen Wortbruch fih Immer wieder balb mit ein
ander bald gegen einander zu verbinden. Doch haben wir bie
Senugthuung, auch bei diefem unwürbigen Stoffe zeigen zu
koͤnnen, wie die Untreue immer ihren eigenen Herrn gefchle-
gen. Das Haus Sforza, das die Negotiafionen angefangen,
warb zweimal geſtuͤrzt. Frankreich, zwar zulegt im Beſitze
von Mailand, behielt ed nur wenige Jahre und muffte dem
Reiche feine Oberlehnöherrlichkeit laſſen. Die Venetianer verloren
ihre Eroberungen im Kicchenflaat, im Neapolitanifchen und
an ber mailändifchen Grenze. Der Papft, unter die Triegfüh-
renden Mächte getreten, rettete wohl ben Kirchenflaat, verlor
aber darliber fein geiftliches Anfehn. 8. Marimilian gevam
1) Das ale — nach Gulcciardini L. XI. XIL
Heuter. Rer. Austr.
Überficht der politiſchen Verhaͤltniſfſe. 643
unit allen feinen Aufopferungen Nichts. Statt feine Exblande,
Die Eonfinien, an bad abriatifche Meer hin zu erweitern, muffte
er den Venetianern mehrere vormald zum teutfchen und lan⸗
gobarbifhen Reiche gehörige Städte und Lanbfchaften übers
Kafien; eben fo fah er dad Herzogthum Mailand wiederholt
won Frankreich befeßt. Kaum daß die Oberherrlichleit über
Die italienifchen Reichslehen noch erfannt wurde. Fuͤr Erhoͤ⸗
Hung des Paiferlichen Anfehns war Nichts zu hoffen.
Dagegen tröftete ſich Maximilian durch den glüdlichen ihr
feiner Hausvertraͤge. Auch während der Verwicklung in
ttalienifchen Angelegenheiten verlor er die Königreiche *
gern und Boͤhmen nicht aus den Augen. Nicht zufrieden,
Das ihm auf das Abſterben des uladiſlavſchen Mannsſtammes
Die Erbfolge in Ungern ſchon zugeſichert war, wollte er, nach
Den Beiſpiele feines Ahnherrn, Rudolf J., durch eine —
ſelheirath die Sache noch buͤndiger faſſen. Böhmen, in
der Mitte dieſes Zeitraums der Sitz des Kaiſerthums, war
ſeit der Wahl des Uladiſlaus auf dem Wege vom Reich ge⸗
trennt zu werden; es nahm weder an den Reichstagen noch
an der roͤmiſchen Koͤnigswahl Theil. Maximilian ließ einige
Jahre durch den Cardinal von Gurk, Matthaͤus Lang, und durch
ſeinen vertrauten Rath, Cuſpinian, negociren. In Folge die⸗
fer Verhandlungen kamen bie beiden koͤniglichen Bruͤder, Ul a⸗ 1515
diſlaus von Böhmen und Ungern, Sigmund von Polen,
zu bem Kaifer nach Wien und wurden mit großen Ehrenbes
zeugungen empfangen. Der Erfiere brachte feinen Sohn Lud⸗
wig mit fih und feine Tochter Anna, welche in einem ver
goldeten und bemalten Wagen mit acht weiſſen Pferden fuhr.
Die Könige und der Kaifer lieſſen ſich in Sänften tragenz
das zahlreiche Gefolge von Ungern und Polen fuhr auf leich
ten Bagen, in ihrer Sprache Kottfchi genannt. Marimis
Han eröffnete die Verfammlung mit einer langen, von Jeder⸗
mann bewunderten Rebe, worin er bie Nothwendigkeit dar⸗
that, die Reiche und Lande gegen die wachfende Macht ber
Tuͤrken zu vereinigen. Dann wurde ber verabrebete Heirathds 22. Zul.
vertrag unterfchrieben. Marimilian ließ ſich Sie Anna antrauen
für einen feiner Enkel, Karl oder Ferdinand; feine Enkelin,
Maris, Schweſter von diefen, wurde bean Sohne und Nachs
41°
64 Buch II. Erfier Zeitraum. Abſchnitt 2.
folger des Uladiſlaus, Lubwig, verlobt‘. Maximilian er
lebte zwar nicht mehr bie wirklihe Vermählung Ferdinand:
(1524) mit Anna, wodurch die beiden Königreiche, Ungern umd
Böhmen, nach Ludwigs Zode an dad Haus Öfterreich Fa
men; aber er hatte die Freude, an dieſem Zage bie folgen
teiche Verbindung gegründet zu haben, die einen überwiegen:
ben Erfag gab für Alles, was er von den Venetianern haͤtte
erobern können.
Wie der Ältere Enkel Kari noch unmünbig burch ben
Tod feiner Großmutter Ifabella auf den Thron von Gaflilien
gekommen, iſt fchon im Laufe der obigen Begebenheiten be
rührt worden. Zur Gemahlin war ihm zuerft beffimmt 8
Ludwigs XII, Tochter mit dem Herzogthum Mailand, dann
eine Tochter von K. Franz I. mit den Anfprüchen auf Neapel.
Beide Verbindungen wurden vereitelt. Aber eben fo vergeb
lich war des Großvaters, Ferbinands von Aragonien, Hoffnung,
von feiner zweiten Gemahlin Germaine noch einen Exben zu
erhalten. Da im Gegentheil die meiften Großen bed Bandes
fich auf die Baiferliche Seite neigten, fo feste Ferdinand kurz
1517 vor feinem Tode Karl zum Nachfolger in Aragonien ein,
1. Ian. wozu er während ber obigen Kriege Navarra erobert hatte,
Afo kamen nun bie brei Reihe, Gaftilien, Aragonien
und Navarra an Marimiliand dlteften Enkel, ber zugleid
als Herr der Niederlande und Erbe Sſterreichs der
1518 mächtigfte teutfche Reichsſtand war. Ein Jahr darauf hat
Ferdinand Eortez bie Eroberung von Mexiko begomen.
Frankreich, mit aller feiner Arglift, konnte diefen über alle
Erwartung großen Zuwachs des Haufes Sſterreich nicht hin;
bern. Die Folgen wird ber nächfle Zeitraum zeigen.
Hier müffen noch die weitern Folgen der italienifchen
Kriege berührt werben. Daß Teutfchland während berfel
ben durch Seftfiellung feiner inneren Verfaſſung mehr ge
wonnen ald Marimilian in Italien, haben wir fchon gefehn.
Dagegen haben die Städte neuen Schaden gelitten durch
Störung des levantiſchen Handels. Venedig, ber Mittelpund
. beffelben, verlor ih jenen Kriegen 40,000 Mann und opferte
* 1) Joh, Cuspinian, Diarium ete. in Freher. 88. T.IL.p.59.
Überfiht der politifhen Verhaͤltniſſe. 645
5 Millionen Ducaten. Es war alfo fchon geſchwaͤcht, ehe
Die eben. jebt entdedten neuen Handelöwege nach Oft: und
Mefl: Indien den Binnenländen ben Hauptzufluß entzogen.
Die füdteutfchen Städte, bisher durch die Verbindung mit
Italien zu großem Wohlftande gefommen, empfanden bie ers
fien Folgen davon. Die Hanfe im Norden, von den Engs
ländern in ihren Hanbelöfreiheiten befchränkt, führte mehrjaͤh⸗
rigen Krieg darüber. Durch ihre überlegene Seemacht erhielt
fie zwar in dem utrechter Frieden Herflellung derſelben nebft 1474
10,000 Pfd. Sterl. Schadloshaltung; muffte aber dagegen
den Engländern geflatten nach Preufien und andern Häfen
der Hanfe zu fhiffen und zu handeln :). Zür die nieberlän-
diſchen Städte Fam eine günfligere Epoche. |
Auf die Fortfchritte im Kriegsweſen haben die italies
nifchen Kriege wichtigen Einfluß gehabt. Eben weil dad Reich,
als folches, wenig Theil Daran genommen ober durchaus zu
feiner allgemeinen Kriegs verfaſſung fich verfiehen wollte,
bat Dagegen bie teutfche Bevoͤlkerung wie bie fchweizerifche
ein weites Zeld zum freien Solbdienfle gefunden, und
Marimilian bat feinerfeitd ein befonbered Talent in Erfinbuns
gen gezeigt. |
Die Wichtigkeit des Fußvolks kannten feine Vorfahren
ſchon feit den Schweizerkriegen; feit dem Huffitenfrieg wer⸗
den auch die böhmifchen Schaaren zu den tapferflen gezählt.
Im pfalzbaierifchen Exrbfolgefrieg, da dem Pfalzgraven Rus
precht eine Anzahl Böhmen zu Hülfe 309, lernte Marimilian
fie kennen, ald er bei Regensbung ihnen ein Treffen lieferte.
Die ſchweizer Sölöner führten, flatt ber Hellbarten und
Streitkolben ihrer Voreltern, ein großes auf dem Rüden haͤn⸗
gendes Schlachtfchwert, ein Beimefler im Gürtel und eine
achtzehnfüßige Lanze. Ihre Schlachtordnung, mit ber fie bie
Keiterei empfingen, bieß bei ven Franzoſen Stachelfchwein.
Maximilian gab den teutfchen Fußknechten nur einen Furzen
Degen und eine Lanze. Knechte biefien urfprünglic alle
Kriegsdienſtleute 2). Won ben Schweizern haben eine Zeit lang
1) Du Mont. Corps dipl. T. III. P. I. p. 468.
2, Auch die Edelknechte. Im Engliſchen knight == Nitter.
646 Buch IL Erſter Zeitraum, Abſchnitt 4.
alle Soͤldner den Namen gehabt. Dann hieß man bie text:
ſchen Fußgaͤnger, weil fie aus dem Landvolke waren, um Ge
genfaß gegen jene und den Ritterfland, Landslnechte')
Man fand fie zum Theil größer und anfehnlidher als bie
Schweizer. Übrigens hielten fie feine fo gute Kriegsordnung
wie die Legtern, und konnten nur durch ihre geachteten Haupt:
leute, Seorg von Srundsberg, Jacob von Embs, m
Zaume gehalten werben. Einer ber erſten Feldoberſten ımter
Morimilian war der Fürft Rudolf von Anhalt, der im den
nieberländifchen und italienifchen Kriegen fi) hervorgethan
Indeſſen wufiten die Branzofen die teutfchen Soldner fich bald
auch zu Nutzen zu machen. Da fie aus ihrer eigenen Nation
Fein gutes Fußvolk zufammenbrachten, fo nahm Lubwig XIL,
ald er mit den Schweizern fich überworfen, ein beſtaͤndiges
Corps von 6000 auögefuchten teutfchen Leuten in Bold; ber
erſte Stamm eines regelmäßigen Fußvolks, von ihren ſchwanz
geftreiften Fahnen fchwarze Banden genannt. Die Schlacht
bei Ravenna wäre ohne’ die Landöfnechte "verloren gewefen.
Eine andere Art Fußvolk bewaffnete Marimilian mit ſchwe⸗
zen Seuergefchofien, Hatenbüchfen (arquebuses), welde
auf Gabeln aufgelegt wurden. Marimilian führte auch mehr
grobe Geſchuͤtz mit fi, als man biöher gefehn, und fuchte
daffelbe auf verſchiedene Art zu verbefiern ?). Wiewohl aber
die leichten Feuerrohre oder Flinten in kurzer Zeit fo alge
mein geworden, daß fchon tm burgumdifchen Kriege Tauſende
damit bewaffnet waren, und wiewohl das Fußvolk Aberhaupt
die Entfcheidung der Schlachten an fich brachte, fo bat doch
bie Reiterei ihren biöherigen Ruhm noch immer zu behaup:
ten gefucht. Kein Reichdtag, Teine große Verſammlung in
1) Richt von ben Lanzen, wie Pirkheimer ausbrüdlich bemerkt,
fondern provinciales milites d. i. Landéknechte. Der gewöhnliche Solb
für den Fußgänger war 4 fl. monatlich, m den Reiſigen 10 ft auf je
bes Pferb.
2) Er erfand Mörfer und Poͤller * Beuereinwerfen, lange Rob
re zu ben Streichwehren und in bie Kerne zu ſchieſſen, Stuͤmpfe und
kurze Rohre zum Schrotfchieffen; die großen Büchfen hatten eigene Ra
men: — „Bed auf von öſterreich““ u. ſ. w. Hegewiſch
a. a. O. S. @
Überficht der politifchen Berhäteniffe, 647
den Stäbten wurde gefehn ohne Turniere, ohne Wettrennen.
Bis in fein Alter hat Maximilian fi darin als den Erſten
gezeigt. Jener tapfere Markgrav Albrecht Achilles wurde in
unzähligen Wettlämpfen nur ein einziges Mal durch Konrad
Haller, einen ninnberger Ritter, aus dem Sattel gehoben.
Bor der Schlacht bei Ravenna foberten die Ritter ber beiben
feindlichen Heere einander erft zum Zweikampfe heraus. Ja⸗
cob von Emb3 wurbe von dem fpanifchen Oberften Zamudio
mit der Lanze erfiochen. Fabius von Schlaberudorf, Johann
Spät von Pflummern, mit grünen Laubkraͤnzen auf ihren
Delmen, trafen mit zwei Spanien zufammen. Spät wurbe,
ehe ber Zweilampf begann, von eines Kugel getroffen; aber
Schlabernborf exrlegte feinen Gegner.
Mit allen feinen Anorbnungen kam jedoch Marimilian
nicht mehr dazu, die beffern Soldaten und Waffen gegen bie
Zürlen zu führen. Vielmehr geſchah durch eine eigene Fü⸗
gung ber Umflände, daß der von ben Päpften am meiften be
teiebene Turkenzug in einen Angriff gegen das Papſtthum
felbft ausging, und da kommen wir nun erſt auf die wichtig:
ſten Wechſelwirkungen zwifchen Zeutfchland und Stalien.
Unter den Kriegen für die Erhaltung und Audbreitung
des Kirchenſtaates trat die Kirche ſelbſt immer tiefer in
den Hintergrumd, und ber päpfllihe Stuhl verlor feine
höhere Würde und Haltung. Auch die nach fo vielen Kaͤm⸗
pfen errungenen Vorrechte gegenüber vom Kaiferthum zer
flofjen wie eine Wolle. Gern erließ Julius II. dem 8. Maxi⸗
milian die Krönung zu Rom nebft der fonft fo aͤngſtlich be
triebenen Eideöleiftung und Prüfung, wenn er nur fam, um
die ſtolzen Wenetianer demüthigen zu helfen. Zu Trient ers 1508
tlaͤrte ſich Marimilian ald „erwählten römifchen Kaifer“ 8. Behr.
und machte folches den Kurfürften, Fuͤrſten ımb Ständen bed
Reichs durch Rundfchreiben bekannt. Dem Papſte blieb nur
noch die Anertennung. In Zeutfchland wie in ben übrigen
Staaten wuflte man fonft wenig vom Papfte, ald daß er fo
viel möglih Geldgefälle bezog, angeblich zum Tuͤrkenkrieg,
in der That aber zu feinen eigenen Kriegen, zur Verſchoͤne⸗
rung Roms und zu feiner üppigen Hofhaltung. Das wurde
— jest weit empfindlicher gefühlt, ald was die Päpfte bisher ge-
648 Bud IL Erfer Zeitraum, Abſchnitt 2.
gen die Concilien und gegen bie Kirchenfreiheit gethan; umb
das if nun Papſtthum und Kaiferthbum im neueren
Sinne Der lange Kampf über das Verbältnig ber beiben
böchften Gewalten der Chriſtenheit bat faft alle Bedeutung
verloren. Das Papſtthum ruht jebt auf dem ſouverain ge
worbenen Kirchenflaat, und feine Primatialcechte über die abend:
ländifche Kirche, obgleich erneuert, gehen der Antiquirung ent
gegen. Das Kaiſerthum iſt ebenfalls, nach faſt gänzlichem Er:
loͤſchen der oberflen weltlichen Gewalt über bie Chriſtenheit
und ber befonderen über die biöher zum römifchen Reich ge
zählten Länder, beſchraͤnkt auf den enger verbundenen teutſchen
Reichskoͤrper, aber als eine verfaſſungsmaͤßige oberſte Leitung,
die eben in dieſer Verfaſſung ihren beſtaͤndigen Lebenskeim
hat, ſolange fie nicht daruͤber hinausſchreitet. Das VPapft⸗
thum Dagegen kommt bald wieder in den Fall, zu feiner Ex
haltung den Kaifer aufrufen zu müflen.
Auf Pius U. folgten ſechs Päpfte, deren jeber in feiner
1464 Art die Sache auf den Gipfel trieb. Paul IL fing den Am;
terverkauf Öffentlich an, jene Eimonie, gegen welche Gregor VII.
fo heftig geeifert; als Richter war er bald hart bald zu ge
lind, fchwer zugänglich, dabei prachtliebend und eite. Sir:
1474 tu8 IV. kam bei Allem was für die Aufnahme der Stadt
geſchah in folhen Haß, daß man an feinem Todestag einem
allgemeinen Auffland gegen feinen Günflling Riario machte
und Gott dankte, daß er fein Volk von ber Hanb eines fol
hen Mannes befreit, der Feine Liebe, Fein Wohlmollen kannte,
fonbern bloß durch unanfländige Selbbegierbe, pomphafte Auf:
züge und eitle Ruhmſucht geleitet wurbe. Mögen auch manche
ber Beichuldigungen übertrieben fein, fo iſt boch erwiefen,
daß beſonders durch den fchamlofen AÄmterverfauf, von den
böchften bis zu den niedrigfien Stellen, das Verderben in der
4484 Kirche reiffenb zugenommen. Innocenz VII. bat die Feh⸗
ler feiner Vorgänger in noch höherem Grabe; felbft Todes⸗
verbrechen konnten mit Gelb abgefauft werben. Sein Kin:
merling fprach: „Bott wolle nicht den Tod des GSünders,
fondern daß er zahle und lebe.” Imocenz wollte bafür
leutfelig gepriefen werden. Er ift der Erſte der feine uneheli:
1491 hen Kinder Öffentlich ausgeſtattet Alerander VI. trieb alle
—
4
Überſicht der Eichlihen Verhältniſſe. 649
Ausfchweifungen aufs Aufferfie. Seinen älteften Sohn, Jo⸗
bann Borgia, belehnte ex mit dem Herzogthum Benevent.
Den andern, Cäfar, erhob er zum Garbinal, biöpenfirte ihn
aber wieder, ald ihm K. Lubwig XII. die Schwefter des Koͤ⸗
nigs von Navara zur Gemahlin gab; dann ernannte er ihn
zum Herzog von Valentinois und zum Befehlshaber im ita>
lieniſchen Krieg, wo er Grauſamkeiten aller Art verübte. Seine
Tochter Lucretia ſchied Alexander von ihrem erften Gatten,
dem er fie ald Garbinal verheiratbet hatte, und gab fie dem
Alexander von Pefaro. Bei der Hochzeit fah man Iulia Bella,
ſeine erflärte Beifchläferin, Öffentlich neben ihm fiten. Mit der
Tochter Lucretia felbft lebte er als ein Mann von mehr ald 60
Jahren in einem auffallend vertrauten Umgange. Übereinflimmend
von allen Sefchichtfchreibern wird dad öffentliche Leben: biefes
Papſtes, wie bad feiner Söhne, ald ein Zuſammenhang von
babfüchtigen, treulofen, graufamen Handlungen und Meuchel⸗
morben, ihr Privatleben als unverfchämt, uͤppig und bis zum
Höchften Grade wolläflig befchrieben. Er flarb durch Misgriff
an Sift, das fein Sohn dem Cardinal Gorneto zugedacht
hatte. Als fein fchwarz geworbener Leichnam zur Schau aus⸗
geftellt wurde, lief Jedermann hinzu, fagt Guicciardini, um
ſich an dem Anblid der tobten Schlange zu fättigen, welche
die ganze Welt angeftedt hatte. An kühnen Entwürfen, an
Heftigkeit in der Ausführung, an Friegerifchem Geiſte und
Hinterlift übertraf alle Iulius IL Die Verwirrung, die er 1503
dadurch angerichtet, haben wir oben gefehn. Trunkliebe wird
ihm faft allgemein beigelegt, von Mehrern auch ausfchweifende
Wolluſt. Dagegen war ex frei von Nepotifmus. War Aleran-
der der audfchweifendfte, Julius der gewaltthätigfte, fo erfcheint
endlih Leo X. ald der hochfahrendfle Papft. Der zweite Sohn 1513
des großen Slorentinerd Lorenzo Medices, fürftlich erzogen, führte
er auf dem päpftlichen Stuhle eine mehr ald Königliche Pracht.
Bei der Krönung ritt er fein tuͤrkiſches Pferd, auf welchem
er als Cardinallegat in der Schlacht bei Ravenna gefangen
worden. Junge, reiche Cardinaͤle waren feine Gefellfchafter
auf der Jagd, die er leidenfchaftlich liebte, bei Gaflmahlen
und Schaufpielen. Die lederhafteften, feltenflen Gerichte muſſ⸗
ten feine Tafel zieren, Beim Kartenfpiele, ex mochte gewin⸗
650 Buy UL Erfter Zeitraum. Abſchnitt .
nen ober verlieren, warf er reichlich Solbftäde unter die In:
fhauer. Er wird auch ber umnatürlichen Wolluſt beſchuldigt.
Da er durch feine Strenge den Cardinaͤlen verhaflt wurde, em
nannte er auf einmal 31 neue. Seine Verflellung bat Vice
getäufcht. Seine Verſchwendung und die Leichtigkeit, mit der
er die Ämter vertheilte, brachte neue
Die Sefhichte, nicht ungerecht, laͤſſt biefen ſaͤmmtlichen
Päpften ein gemeinfchaftliches Berbienft, Liebe und Sorgfalt
für die Künfte und Wiſſenſchaften, foweit fie bei ihren übri-
gen Eigenfchaften dazu fähig fein mochten. Theologen waren
fie freilich nicht; ed iſt auch unter ihuen von bogmetifchen
Sragen wenig die Rede. Aber fie hatten mehr ober weniger
die Schule des claffifhen Altertbums gemacht, wie Pins IL
Einige haben ben vertriebenen Griechen Schub verliehen und
den Tuͤrkenkrieg auch um ihretwillen betrieben. Unter Paul IL
wurde fchon die erſte Druderpreffe nach, Rom gebracht. Ju⸗
lius II. bat den bewandernswuͤrdigen Bau ber &t. Peter
kirche durch den Baumeifler Bramante angefangen, Leo X. bat
ihn fortgefeßt.. Der Letztere war felbfl ein Freund ber ſchoͤ⸗
nen Redekuͤnſte und hatte immer Gelehrte um ſich. Doch war
es nur ein Nachhall von dem, was fen Haus zu Florenz
gethan. Am päpfllihen Hofe bienten bie Känfte und BWif:
fenfchaften nur als ein Zweig bed Luxus; ben Forſchungen
war ihre Grenze gefiedt ').
Ungeachtet die Univerfitäten in Zeutichland zunah⸗
men, fo wurde doch Italien immer noch von vielen Juͤnglin⸗
gen befucht, um bie wieber auflebende claffifche Litera:
tur nach Zeutfchland zu verpflanzen. Seht fah man, wie
die Teutichen längft in ber Stille gewohnt waren die Wiſ
fenfhaften fih zu eigen zu machen, d. b. fie auf ihre Art
gründlich zu bearbeiten; fie legten Eräftige Hand an, fie aus
ber biöherigen Barbarei zu ziehen unb eigentliche wiſſenſchaft⸗
liche Bortfchritte mit verbefferter Lehrart einzuführen. Nur da:
durch konnten die zwei Defpoten des Mittelalters, Papſtihum
und Scholaſticifmus, geflürzt werben.
1) Das meifle Bisherige und Folgende nah Schroͤckh Kirchengt
ſchichte Th. 3O— 84. Über die Univerfitäten vergl, Häberlin Reiche
geſchichte VIII. ©. 384 ff.
Überfigt ber wiffenfhaftlien Verhättniffe. 651
Zu ben fieben erſten Univerfitäten, mit Einſchluß ber
böhmifchen und preuffifhen, welche oben vor der coflanzer
Kirchenverſammlung genannt worden find, kam zehn Sabre
nach der leipziger die Univerfität zu Roſtock, welde bie 1419
Herzoge Iohann und Albrecht von Mecklenburg gemelnfchaft:
lich mit dem vofloder Stadtrath gefliftet, wozu jeboch erft
fpäter Papſt Eugen IV. auch eine theologifche Facultaͤt vers 1433
willigte. Löwen bat durch den legten Herzog Johann von 1426
Brabant ein studium generale erhalten. Der Kurfürft Ja⸗
cob von Trier, Gönner des Äneas, verherrlichte feinen Sig 1454
Durch eine gleihe Anflalt, erteilte derſelben bie Breiheiten der
cölner und übernahm felbft die Kanzlerwuͤrde. Zu Greifs⸗
walde, wohin die Untverfität von Roſtock einigemal verlegt 1456
worben, grimdete Herzog Vratiflav von Pommern ein
eigenes studium generale mit jährlid 1000 Ducaten aus
unbeweglichen Gütern. Mit Freuden ertheilte Papft Pins IH.
auf dem Congteß zu Mantua der Stadt Bafel diefelbe Ex 1460
laubniß, emannte den Bifchof zum Kanzler und gab allen
Lehrern und Studenten die Freiheit, ihre anderwärtigen Pfruͤn⸗
ben und Gefälle zu behalten. Die Pfalzgraͤvbin Mechtilde,
zuerſt Gemahlin Grav Ludwigs von Wirtemberg, dann Erz⸗
berzog Albrechts von Öfterreich, ermunterte Letztern zur Stif-
tung ber Univerfität Freiburg im Breiögau, welche nebfl
ben erften Lehrern die Statuten von Wien erhielt; dann nahm
fie Theil an der Gründung ber Univerfität Tübingen, durch 1477
welche ihr Sohn Eberhard der Bärtige, nachheriger erfier Her⸗
309 von Wirtemberg,, feinen Namen unfterblich gemacht. In
der Zwifchenzeit entfland Die hohe Schule zu Ingolfladt 1472
durch Freigebigfeit des Herzogs Ludwig von Baiern; ihre
Eintheilung in die baferifche, rheiniſche, fraͤnkiſche und ſaͤchſi⸗
fhe Nationen iſt wieder aufgehoben worden; der beflänbige
Kanzler war der Dibcefanbifhof von Eichſtaͤdtz zu Tübin⸗
gen der Propft der Stiftöfirche. Die meiften erhielten ihre
Einrichtung nah dem Mufter der perifer Univerfität. In
bemfelben Jahre mit Tuͤbingen kam auch die Univerfität 4477
zu Mainz empor durch den Erzbiſchof Diether, der bie
Stadt gewiffermaßen für die entzogene Reichsfreiheit ent
ſchaͤdigte.
8
652 Bub TU. Erſter Zeitraum Abſchnitt 4.
Alſo wetteiferten -Sraven, geiflliche und weltliche Fürften,
rauen und Städte in Begimfligung wilfenfchaftlicher Anftalten.
Seit 8. Friedrich III. haben auch die Kaifer angefangen, ne
ben dem Papfte, Privilegien zur Errichtung von Univerfte-
ten, Gymnafien und andern Öffentlichen Lehranflalten zu er
theilen. Indeſſen litt die innere Einrichtung ber hohen Schu
len noch an manchen Gebrechen; der Zufchnitt war moͤnchiſch
Die Lehrer verwendeten die meifte Zeit auf Dialekt. Bon
der wiener Univerfität fagt Aneas als Augenzeuge, „ed fei
viel unnüger Wortkram getrieben worden. Muſik, Rebekunfl,
Dichtkunſt, Arithmetik feien faft unbelannt. Die Schriften
von Ariſtoteles und Plato kenne man nur aus Commentarien.
Der gelebrte Theolog und Sefchichtichreiber Thomas von He
felbach babe einundzwanzig Jahre über das erſte Capitel bed
Jeſaias gelefen, ohne zum Ende zu fommen.” Wir haben
fhon bei Huffens ungluͤcklichem Schiefal die beftige Erbitte⸗
eung der Nominalifien und Realiſten gefehen; jene waren
vom Papfte Johann XXIL verdammt, dieſe von ber parifer
Univerfität. Der Streit währte bis zu Ende dieſes Zeitraums.
Die Rechtswiſſenſchaft kann verhaͤltnißmaͤßig bie meiften Hort:
fhritte aufmweifen; die Heilkunde fchon beöwegen nicht, weil
Papft Bonifacius VIII. die Leichenzerglieberung verboten.
Daß man ohne Zweifel weiter gelommen wäre, wenn
man ohne die fremden Formen fofort die teutfchen Stiftsſchu⸗
len für den Zweck der höhern Wiflenfchaften eingerichtet hätte,
dad zeigt nun eine Reihe von Männern, welche ſelbſtaͤndig
mit der Verbeflerung der Lehrart in den niebern Schulen ans
gefangen haben. Da müflen wir nun erfl das Lob erneuem,
dad bie durch Gerhard de Groote (den Großen) von De:
venter geflifteten Kleriler bes gemeinen Lebens, be
fonderd die fchon früher gedachten Schulen zu Weindeſem
und Twoll in ganz Zeutfhland erworben haben. Es if
genug, wenn wir fagen: fein Schüler Florent iu s war eh:
rer ded Thomas von Kempen, und biefer war es der den
Rudolf Agricola und viele andere Iünglinge ermunterte
nach Italien zu reifen, um mit ber griechifchen und römifchen
Literatur näher vertraut zu werben.
Die Sprachen und bie biflorifhen Wiffenfhaf
Überfit der wifſenſchaftlichen Verhaͤltniſſe. 653
ten waren auf ben Univerſitaͤten noch ganz vernadläffigt.
Nur buch fie konnte die erfte Facultätöwiffenfchaft, Die Theo⸗
logie, befferes Licht erhalten, bis auch die Philofophie ſich aus
der Barbarei erhob. Neue Hülfsmittel hatten die vertriebenen
Griechen nah Italien gebracht. Unter jenen Schuͤlern der
Kleriker des gemeinen Lebens ift Johann Weffel von Grö- + 1489
ningen einer der Erften ber bei gründlihem Sprachflubium
auch den Plato liebgewann, während der obengenannte Ni⸗
colau8 von Cuſa die mathematifche Methode in der Philos
fopbie einführen wollte. Erfurt iſt die erfle teutfche Univer-
fität welche das hatte was Aneas zu Wien vermiffte, Lehrer
der Rede und Dichtkunſt. Nun entflanden neben den Unit:
verfitäten verbeflerte Stiftöfchulen, worunter die zu Münfler
unter Rudolf Zange die berühmtefle geworden '). Es ent:
flanden auch Privatfchulen zu demfelben Zwecke. Auffer der
Vereinigung jener Klerifer traten die ausgezeichnetſten Maͤn⸗
ner wieder unter fich felbft in nähere Verbindung durch Brief⸗
wechfel, Reifen und Errichtung freier Gefellfehaften. Hiuma-
niora heiffen ihre Studien, weil fie zu den trefflichflen Wer:
Ten des menfchlichen Geiftes führen, welche zu jeder Zeit die
Barbarei entfernt und Vereblung dee Menſchheit begründet
haben. Diefe Humaniften haben die Reformation der Wiſ⸗
ſenſchaften eingeleitet, aus welcher dann erſt eine gruͤnd⸗
liche Reformation der Kirche hervorgehen konnte.
Der edle Johann von Dalberg, durch Reiſen in Ita⸗
lien, dann zu Ingolſtadt gebildet, Domherr, Propft, zuletzt
Bifchof zu Worms, Kanzler des Pfalzgraven Philipp, durch
den er Heidelberg emporhob, berief den Rudolf Agricola
zum Lehrer bafelbft, nahm felbft von ihm Unterricht in ber
griechifchen Sprache und gewann einen Rabbiner flır bie he⸗
bräifche. Conrad Celtes, aus Schweinfurt in Franken, vongeb. 1459
demfelben aufgemuntert, hörte ebenfalls den Agricola und be: F 1508
trieb ſchon als Studirender die richtung einer Gefellfchaft
der vorzüglichfien Gelehrten, welche ald „societas litteraria
rhenana“ die erſte feit Karls des Großen Akademie in Teutſch⸗
1) 9. A. Erhard Geſchichte des Wieberaufblähens wiſſenſchaftli⸗
her Bildung ꝛc. 1827. 3b. I. ©. 321 f.
65% Buch IL Erſtet Zeitraum Abſchnitt 4.
land geworben. Am Ende bes Beitalters, ba alle Stände im
Zünfte und Innungen traten, find ed emblich die freien wi
fenfchaftlichen Vereine welche wach und nach den Zunftzwang
gelöft, indem fie Künfte und Wiffenfchaften zum tesstfchen
Gemeingute machten. Celtes bereifte bie meiften Univerfitd-
ten und wedte überall die Liebe zu den humanen Wiſſenſchaf⸗
ten. Auf Empfehlung bed weifen Kurfürften Sriebrich vor
Sachſen Erönte ibn K. Friedrich III. auf einen feiner letzten
1487 Reichötage zum Dichter; bie erfle Ehre diefer Art bie einem
Zeutichen zu Theil wurde ').
Mit Wohlgefallen ſah Maximilian biefen ebein Betteifer
von Männern aus allen Ständen. Er fliftete eine fünfte Fe
eultät zu Wien für Poefie und Mathematit und berief den
Geltes zum Profeffor und Bibliothefar. Zu feinem Nachfol⸗
ger wählte er Jobann Gufpinian, auch aus Schweinfurt
gebürtig, der eine lateiniſche Kaiſergeſchichte bis auf Maximi⸗
lian geſchrieben und als vertrauter Rath deſſelben in vielen
Geſchaͤften ſich hervorgethan hat. Unter Maximilians Aufmum
terung vereinigten ſich Jakob Manlius von Freiburg, =
diflaus Suntheim von Ravensburg, um in Zeutfchlanb und
Stalien gefchichtlihe Denkmäler aller Art aufzufuchen und zu
fammeln. Diefen Eifer theilten Johann Naucler, Bilibald
Pirkheimer, Konrad Peutinger, Johann von Triten
beim. Hier ift ber Anfang einer gründlichen Geſchichtsfor⸗
ſchung in Teutſchland. Das Übrige ſchöpfen wir aus ben
Meichötagsverhandlungen. Marimilien verachtete diejenigen
Fürften, welche e8 nicht der Mühe werth fänden ihrer Bor
fahren Thaten befchreiben zu laſſen. Wie faſt in allen wiſ⸗
fenfchaftlichen Faͤchern fo wollte er auch bier fich ſelbſt ver
ſuchen, teug aber feinen eigenthuͤmlichen Geſchmack auch auf
die Gefchichte über. Als er nach der Niederlage bed Grave
von Fürftenberg bei Dorned von Lindau auf dem See nad
Softanz binunterfuhr, fing er an feinem Geheimfchreiber Marr
Zreigfauerwein von Chrentreig jened Wert zu dictiren,
das, von der Vermählung feines Vaters mit Eleonora von
Portugal anfangend, in teutfcher Ausführumg ben Titel „der
1) Heg ewiſch Überfiht ber deutſchen Kulturgeſch. zc. ©. 189 f.
Überficht der wiffenfhaftlichen Berhaͤltniſſe. 655
weiß (blank) König" erhielt. Am Abend uͤberlas er e8 und fragte
Den nürnberger Patricier Pirkheimer, der den Schweizertrieg be
Tchrieben, „wie ihm bies Neiterlatein gefalle :)2" Melchior
Dfinzing, auch aus einem nürnberger Geſchlecht, Propft zu
St. Sebald dafelbft, fehrieb nach Marimilians Entwurf „den
Ritter Teuerdank“ (dev auf Abenteuer denkt) in teutfchen Ver:
fen, Darimilians ritterliche Thaten und Gefahren enthaltend.
Eine der erſten Prachtausgaben der aufblühenden Buchdrucker⸗
Tunft, dem Kaifer zugeeignet, hat lange Fein Gedicht in Teutſch⸗
land foviel Auffehn erregt ald dieſes. Man bielt Marimi-
Kan felbft für den Verfaſſer. Zu dieſer eigenen Art von Ros
man ift der weiſſe König ein Seitenflüd, mit dem Unterfchied,
daß hier die Begebenheiten mit gefchichtlicher Treue, nur „in
verborgener Geflalt” d. b. unter angenommenen Namen bar:
geftelit find. Er iſt nicht wie der Anfang Iateinifch, fondern
teutfch im öfterreichifchen Dialekte gefchrieben.
Haben wir unter 8. Rubolf I. die letzten Minnefänger
gefehen, nach welchen unter den Händen „ber ehrbaren Mei:
ferfängerei” die teutfche Dichtkunft zum Handwerk geworden,
fo zeigt num die Zeit des Teuerdanks einen neuen Auffhwung.
Jene hat der ehrliche nuͤrnberger Schufler, Hans Sachs,
nicht ohne Ruhm gefchlofien. Der teutfche Volksgeſang wurde
begeiftert durch die Schweizerfiege. Veit Weber von Frei⸗
burg im Breisgau, wahrfcheinlich ein Schüler der Meifterfäns
gerei, hat ein Siegeslieb auf die Schlacht bei Murten hin-
terlaffen 2). Marimilian hielt an feinem Hofe Dichterkbuns
gen nicht weniger als Turnſpiele.
Der teutfchen Sprache hat ed nicht wenig gefchabet, daß
die Inteinifche bis jet die oͤffentliche Geſchaͤftsſprache gewefen
und daß die Gelehrten in ihren meiſten Schriften fich derfel-
ben bebienten. Doc haben die Humaniften auch dad Ber:
bienft um bie baterlänbifche Sprache fi) erworben, daß man
fi in kurzer Zeit in Überfegungen ber Alten geübt hat. Zu
Maximilians Zeit iſt die augsburger Mundart für bie
1) Fugger &. 1121.
2) Bouterwet Gerichte ber Künfte und Wiffenfchaften Bo. 9.
66 Bud II Erfer Zeitraum. Abſchnitt 4.
beſte gehalten worden !). Die Kraft der oberteutſchen Sprache
ift aber erft in Luther bervorgetreten.
Die Geiſtlichkeit, als folche, oder bie Anhänger des Papfl-
thums fahen die Fortichritte in den Sprachen und hiſtoriſchen
Wiſſenſchaften nicht gern, denn burch dieſes Licht kam ihre
eigene Unmifienheit und Anmaßung immer mehr an ben ag.
Johann Burchard von Oberwefel wurbe eines ber erſten
Opfer ihrer Verfolgung ?). Er hielt den Srundfag feſt, die
heilige Schrift müfle aus fich ſelbſt erklaͤrt werden, und ta⸗
delte dieſelben Misbraͤuche in der Kirche, welche Wiclef, Huß
u. A. nach ihm mit Grund getadelt haben. Man hieß ihn
einen Anhaͤnger der Juden, weil er wahrſcheinlich ſchon die
hebraͤiſche Sprache zu Huͤlfe genommen. Der Kurfuͤrſt Die⸗
ther von Mainz fonnte nicht umhin dem Papfte zu Gefallen
1479 ihn vor eine Synode zu flellen, bei welcher der Kegerrich:
ter Johann von Eliten den Vorfiß führte. Der alte, kraͤnk⸗
lihe Mann wurbe überfchrieen, zum Widerrufe gezwungen und
1481 zu lebendlänglichem Gefängniß verurtheilt, worin er balb flarb.
Seine Schriften wurden verbrannt.
Dagegen erfcheint nun bie mit ben Biffenfchaften zugleich
aufblühende Buch druckerkunſt ald ein Hauptbeförberunge-
mittel berfelben, indem fie die bisher Toflbaren, zum Theil
feltnen Handfhriften fchnell vermehrte und Vieles auch dem
Volke in die Hände gab, was ed biöher noch nicht kannte.
Hundert Jahre nah Erfindung des Schießpulvers hat dieſe
zweite große Erfindung der Zeutfchen einen noch weit bebeu-
tenderen Umfchwung bewirkt als jene. Sie ift gleich berfelben
aus unbemerkten Anfängen entflanden, eigentlich eine zwei-
fahe Kunfl. Die Formenſchneider und Briefmaler find
die Vorläufer der Buchdruder uns der Kupferſtecher.
Die Holzfchnitte zu den Briefen oder Charten und zu ben
1) In der Ausgabe von Taulers Prebigten vom Jahr 1508 iſt
der Beiſatz: „die ba neulich corrigirt und gezogen ſeind zu ben merern
Zail auf gut verftentlidh Augfpurger Sprach, bie da under andern teut:
ſchen Zungen gemeiniglich für bie verſtentlichſte genommen und gehal⸗
ten wirt.’
2) Ein Freund bes oben gedachten Zohann von Weſel.
Uüberſicht der wiffenfhaftlihen Verhättniffe. 657
Heiligenbilbern mit Beiſchriften führten auf den Gebanten,
ganze Seiten von Xert, enblic Bücher auf hölzerne Tafeln
zu ſchneiden unb abzubruden. Die Bettelmönche, welche die
Heiligenbüder zum Vollsunterrichte benübten, mögen die Sache
vorzüglich gewedt haben. So entftand dann ein größeres
Werk, die fogenannte Biblia pauperam nad) den Fenſterge⸗
mälden von Hirſau oder eines andern Kloflerd. Ein neuer
Schritt war die Ausmittlung beweglicher Buchſtaben.
Über die Ehre diefer Erfindung haben hollänbifche und obers
teutſche Gelehrte geflritten, fie ift nun aber dem Johannes
Sänfefleifh von Guttenberg, Bürger zu Mainz, zuerkannt.
Auch mehrere Städte haben Aber ben erfien Sig dieſer Kunfl,
wie bie fieben griechifchen über Homers Geburt, geeifert. Bis
jegt iſt erwieſen, daß Guttenberg zuerft zu Straßburg die Ans
wendung beweglicher Buchflaben verfucht, dann aber burch
Beiftand des reichen Goldſchmids Johann Fauft zu Mainz
bie Sache zur wirklichen Ausübung gebracht hat. Nachdem
dieſe beiden Männer durch einen Proceß fich-getrennt, verband
fich Fauſt mit Peter Schöffen, dem ex feine Tochter gab, und
trieb das Geſchaͤft noch immer als Geheinmiß, ſodaß bie Bes
fellen eidlich verpflichtet wie in einem Blockhaus arbeiten muſſ⸗
ten. Dies wurbe endlich gefprengt durch bie obenerzählte Bes
filrmung der Stadt unter dem Erzbiſchof Adolf von Naſſau, 1462
worauf bie Arbeiter in mehreren teutfchen und italienifchen 27. Det.
Städten fich nieberlieflen und fomit die Kunft ſchnell in z |
fentliche Auskbıumg brachten *). Cine andere Erfindung, weis
che die Käuflichleit der Bücher erleichterte, ifl das Linnens '
oder eumpen⸗Papi ier, das ſchon ſeit Anfang des funfzehnten
Jahrhunderts in Teutſchland den Gebrauch des theuern Pers
gaments verdraͤngte. Die Erfindung ſelbſt ſcheint nicht teutſch
zu ſein; man ließ das Papier anfaͤnglich aus Italien kom⸗
ne , aber balb findet man auch Papiermühlen zu Nürmberg
und Bafel.
1) Das tft die gewöhnliche Annahme, ſ. Hegewiſch a. a. O. &.
164. Indeſſen hat Eichtenberger, Initia typographica etc, Straße
burg 1811. S. 47. den Beweis gegeben, baß ſchon 1461, alfo ein Jahr
vor ber mainzer Beſtuͤrmung, Albert Pfifter zu Bamberg ein
Buch gebrudt hat.
Pfiſter Geſchichte d. Teutſchen ILL 42
658 Buch DI Erſter Zeitraum. Abſchnitt &
Die Kupferſtecherkunſt, ſehr wahrfcheinlich von einem
Florentiner erfunden, iſt durch Albrecht Dürer in Rüm
berg fo verbeflert worden, daß feine Blätter in Stalien nach⸗
geftochen wurden. Die Holzfhnitte von Diner find in
ihrer Art ebenfo ausgezeichnet; er bat eine ber erfien gebrud:
ten Bibeln bamit geziert, wobel in ben Scenen der Dffenba:
rung Iohannis bes Papſtes ebenfo wenig gefhont ii als in
Dantes Hölle. Derfelbe it in der Malerei Schöpfer einer
eigenen trefflichen Manier, ohne jemals Mufter vor ſich ges
babt zu haben, während bie florentiniſche und . Schule
unter Michael Angelo und Raphael glaͤnzten. Gleichzeitig
und ebenſo ſelbſtaͤndig iſt Lukas Kranach In Wittenberg,
beffen unten weiter gedacht wird Die Ölmalerei war fchon
ein Jahrhundert früher erfunden bucch ben Niederländer Io:
bann von Eyk.
Die erfien gebructen Werke waren theils biblifche Dir
cher in teutfcher Überfegung, freilich nur nach der Bulgato,
und Prebigtbücher, theils verfchiebene Bolksfchriften, Calender,
Reiſebeſchreibungen, Kräuterbücher. Das Meifte aber wurbe
noch von Gelehrten für Gelehrte gefchrieben. Den Vertrieb
ber Drudichriften verhinderte anfänglich der Eigennuß ber Ver⸗
leger ſelbſt; wenige theilten bie Ehrbegierde eines Frobe⸗
nius zu Baſel und feines Freumbes, bes gelehrten und thätis
gen Eraſmus von Rotterdam '). Der Nachdruck ifl no.
alt als die Buchdruckerkunſt ſelbſt. Maximilian muffte der
theinifchen Gefelfchaft ein Privilegium geben. Auf gänzliches
Verbot fcheint Niemand gefallen zu fein. Wie hoch Die Bud;
druckerkunſt fchon in ihrem Anfange gefhägt wurde, Bann
man aus ben Snadenbezeugungen K. Sriebrichs II. abnehmen.
Er ertheilte den Kunflverwandten berfelben gleiche Frei⸗
beiten mit dem Abel und den Belehrten?). Aber kaum
1) Des Letztern wiſſenſchaftliche Werbienfte und feine Stellung bei
ber Reformation koͤnnen erſt im folgenden Abfchnitt vorkommen. Daf
felbe gilt auch von ben weiter hier genannten Männern.
2) mit ber Erlaubniß Gold zu tragen; ben GSchriftfegern verlich er
einen Abler, den Drudern einen Greifen mit den Drudierballen in ben
Klauen zum Mappen, nebft einem gekroͤnten offenen Selm. Häberlin
Reichsgeſchichte VII, 649.
Überficht ber wiffenfhaftlichen Verhältniffe 659
fah man biefe neuen Beförberungsmittel der Klnfle und Wiſ⸗
fenfchaften im Gange, fo tritt auch das Papfitbum wieder
mit feinen Befchräntungen ein. Es maßte fi) dad Recht ber
Oberaufficht über die Preſſe in der ganzen Chriftenheit an,
wie biöher über die Univerfitäten. Der mit allen Laftern bes
fleckte Papft Alerander VL befahl zuerft bei Strafe des Baus
nes, baß Fein Buchbruder ein Buch anders als mit vorgaͤn⸗
giger Cenſur feines Biſchofs druden folle. Leo X. wieder
bolte dieſes Verbot unter gefchärften Strafen. Diefer Ver⸗
ordnung gemäß beftelite der Exzbifchof Bertold zu Mainz in 1486
feiner Didcefe den erfien Genfor.
Die möndifhen Theologen traten auch bald alb
erklaͤrte Gegner der Humaniſten auf. Ein getaufter Jude,
Johann Pfefferkorn, wirkte in Verbindung mit dem Domini⸗
caner Hogſtraten, einem gewaltigen Ketzerrichter, und dem Theo⸗
logen Arnold von Tungern zu Coͤln ein Mandat vom Kaiſer
Maximilian aus, nach welchem alle juͤdiſche Buͤcher, auſſer
der hebraͤiſchen Bibel, verbrannt werden ſollten, weil ſie nur
Laͤſterungen auf das Chriſtenthum enthielten. Die Juden brach⸗
ten es jedoch dahin, daß dem Erzbiſchof von Mainz eine naͤ⸗
here Unterfuchung übertragen wurde. Diefer befragte darüber
den gelehrten und tiefblidenden Johann Reuchlin aus Pforz⸗
beim, ter aufier feinen großen Verdienſten um bie claffifche
Literatur und bie Mechtswifienfchaft zugleich als ber eigent⸗
liche Begründer des hebräifchen Sprachflubiums in Teutſchland
zu beteachten iſt. Reuchlin gab das Gutachten: man müflte
die Läfterfchriften wohl von denen unterfcheiben, welche bie
Wiffenfchaft beiräfen; jene koͤnnte man verbrennen, bie aber
müffe man erhalten, um fich nicht ſelbſt der Huͤlfsmittel zur
Kenntniß der heiligen Schrift zu berauben, Darauf erhielten
die Juden ihre Bücher wieder. Aber ihre Verfolger lieffen
nun den ganzen Geinmm über Reuchlin aus; fie verklagten
ihn beim Kaifer und Papfte, und ed kam zwiſchen ihnen umb
Reuchlin zu einem hitzigen Schriftenwechſel. Die Schande
fiel jedoch bald auf fie zurͤck. Leo X., als Freund ber
Biffenfchaften, nahm Reuchlins Appellation an, die Earbk
naͤle gaben einen fir ihn gimftigen un Ebenfo ber
Kaifer.
42*
*
660 Buch III. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 4.
Indeſſen war es nun einmal zu offenem Kampfe zwi⸗
ſchen den Theologen und Humaniſten gekommen. De
kuͤhne Ritter Ulrich von Hutten, ber um dieſe Zeit übe
die. Ermordung feines Verwandten, Johann von Hutten, iz
ben beftigflen Schriften gegen Herzog Ulrih von Wirte
berg Rache rief, wurde Reuchlins WVorfechter und gab jene
durch feinen unerfchöpflichen Wis dem Spotte und der Ber
achtung preis. Wie er mit feinen Freunden gegen bie Gil
ner „bie Briefe ber dunkeln Männer” fo treffend in Mönche
Intein fchrieb, daß man fie in England für Acht hielt, fo ließ
ex gegen bie flolzen Univerfitätögelehrten, welche auf Die Hu⸗
maniften mit Geringſchaͤtung herabfahen, das Zweigeſpraͤch
„Niemand und Keiner" auögehen. Der Streit wurbe immer
beftiger, die Humaniſten ſchimpften die. Scholaflifer Barbaren,
diefe die Humaniften Keber und des Scheiterhaufens wäürbig,
bis endlich der Zwiefpalt in einem noch größern ſich verlor.
Sswiel die biöher genannten Männer für die Aufnahme
der claffifchen Literatur durch Schriften, Reiſen und Vorträge
auf den Univerfitäten gethan, fo fehlte doch noch eine foldk,
’ welche diefen Zweig ber Wiflenfchaften eigentlich in ihren Plan
aufnahm, wiewohl auf ber jüngften berfelben, Tübingen, fchon
einige Verfuche dazu gefcheben waren. Dafür forgte num de
weife Kurfirft Friedrich von Sachſen. Nah einer Wall
fahrt in's gelobte Land, womit er nicht bloß ber alten Zei
ihre Schuld bezahlt, ſondern in Begleitung feines Leibarztes
Mollich und des Malers Lukas Kranach manches Merkwin⸗
bige — waͤhlte er auf des Erſtern Vorſchlag Wit⸗
1502 tenberg, als eine Stadt der altherzoglichen Lande, zum Sig
einer Univerſitaͤt mit paͤpſtlichen und kaiſerlichen Privilegien
zugleich. Reuchlin, den er um Lehrer der griechiſchen und
hebraͤiſchen Sprache anging, ſandte ihm zu dieſem Zwecke von
Tuͤbingen, wohin er anfaͤnglich ſelbſt berufen war, feinen
Verwandten Philipp Schwarzerd oder Melanchthonz als
Lehrer der Theologie Fam ebenfallö von bort Johann Stau⸗
pig, Luthers Lehrer und Freund. In kurzer Zeit erhielt bie
Univerfität, eben wegen ihrer dem Zeitbebürfniß eutfprechenben
Einrichtung, lebhaften Beſuch.
Durch einen aͤrztlichen Streit zwiſchen Mollich und Pi⸗
Überficht der wiffenfgaftligen Verhättniffe, 661
floris (über den Urfprung und die Ausbreitung der böfen
Blattern) wurde ber Lestere veranlaflt an ben Hof des Kurs
fürften Iohann von Brandenburg ald Leibarzt zu gehen. Jo⸗
hann, der teutfhe Cicero genannt, hatte bereits vom Kai:
fer und Papſt Freiheitäbriefe zur Errichtung einer hohen Schule.
Nach feinem Auftrage wählte Piftoris zu ihrem Sig Frank⸗
furt an der Oder. Johanns Nachfolger, Joachim J., brachte 1506
die Anſtalt zur Ausführung. Zum erſten Rector wurde Con⸗
rad Koch von Wimpfen ernannt. Diefe zwei letztern Univers
fitäten, Wittenberg und Srankfurt, gerietben ebenfo bald mit
einander in lebhafte Streitigkeiten (in der Reformationsface),
als jene beiden Männer, bie zu ihrer Stiftung gerathen hatten.
Indem Gelehrte, Ritter und Fürften durch gründlichere
.. Bearbeitung der Wiffenfchaften für die Erhebung des gelehr⸗
ten Standes felbfi und für beſſere Belehrung des Volkes ſorg⸗
ten, unterflüßten fie nicht wenig die Öffentlihen Vers
bandlungen in Kirchenfachen gegen das Papftthum. Nicht
lange durfte fich diefes nach Pius und Paul, der Hoffnung
erfreuen, alle Reformationsgedanken für immer niedergefchlas
gen zu haben, fo erwachtenneue Stimmen unb der Reichs
tag Tam nach und nach auf bie alten Klagen zurüd. Ein 1496
Jahr nach der Errichtung des ewigen Landfriedens erhoben
fich nach den Polizeifachen Befchwerben gegen ben Papft, daß
er die Beneficien den Soncordaten zuwider Ausländern zuwende,
auch daß die geiftlichen Gerichte zu weit ausgebehnt würden.
Auf dem folgenden Reichötage zu Freiburg wurde eine Vor: 1498
fcheift für die Gefandtfchaft an Alexander VI. entworfen, wel
che die Abfchaffung vieler Misbraͤuche betreiben follte. Zwei
Sabre darauf faffte der Reichstag zu Augsburg denfelben Bes
ſchluß wieder, daß wegen ber Übertretung ber Concordate und
anderer mannichfaltiger Befchwerungen der teutfchen Ration
ein Gefandter nach Rom gehen folle. Indeſſen Fam der Cars
dinal Raymund nah Zeutfchland, der, flatt jene Beſchwerden
zu heben, vielmehr Einfammlung des Zehnten für den Kreuz
zug betrieb. Dies führte wohl zu neuen Beſchwerden bes
Reichöregimentd über die zu weit ausgebehnte Gewalt des Les
gaten. Das Ganze blieb‘ aber Immer noch ohne Nachdruck.
As Maximilian im Begriff war zur Kaiſerkroͤnung nah Rom 1507
662 Buch UL Erfter Beitraum Abſchnütt &
zu geben, verfaflte fein Wertrauter, Jacob Regius, ein eige
ned Schreiben an ihn, das wieder auf Abſtellung ber geſch |
widrigen Verleihung der Kirchendmier unb Pfrunden brang
Die Vorftellung unterblieb jebody mit dem Römerzug. Nur
1508 fing Marimilian felbft auch an, um in keinem Fache frem
zu bleiben, fich mit der Xheologie zu befaſſen. Während a
einige Monate in den Rheingegenden zubracdhte, hatte er ben
gelehrten Abt Johann von Zritenheim zum Begleiter; bie
Dfingfizeit brachte er auf dem Schloffe Boppard zu; hie
legte er dem Abte ächt zum Theil freifinnige theologifche Fre⸗
‚gen vor, bie berfelbe fchriftlih, aber bloß aus der natürli
hen Erkenntniß, beantworten follte, um bamit bene,
welche die Offenbarung leugneten, begegnen zu koͤnnen
Der Abt war jedoch bei allen feinen Kenntniffen nicht de
Mann dazu, ben Kaifer zu befriedigen; feine Antworten firt,
gegenüber von ber Eatholifchen Rechtgläubigkeit, mit folder
‚ Umficht und Angſtlichkeit abgefaflt, daß fie zuweilen in’s &
cherliche und Abergläubifche verfallen‘). Alſo kam Maximi⸗
lian auch von dieſer Seite nicht weiter. Im Kriege gegen
Qulius IL, da Ludwig XI. bei der Berufung bed pifanifchen
Concilium bie von feinen Vorgaͤngern nachgelaflene prag:
matifhe Sanction erneuem wollte, kam Marimilian dar
454141 auf eine folhe auch für Zeutfchland zu erlangen, ba ſchon
gur Zeit ded Anens davon bie Rebe gewefen. Er gab dem
berühmten Zheologen Jacob Wimpheling, ber damals zu
Straßburg lehrte, den Auftrag, die franzöfifchen Kirchengeſetze
für Teutfchland in Anwendung zu bringen. Die Reichstags⸗
befchwerden, wozu Bertold von Mainz bereitd einen Ent
wurf fertig batte, arbeitete Wimpheling ebenfalld aus mit Bor:
- fihlägen, wie den häufigen Überfchreitungen der Concorbate bes
- gegnet werden koͤnne; die Vorficht mit weicher biefe Vorfchläge
abgefafit find geben einen neuen Beweis, in welche Furcht fid
das Papfitbum gefeht hatte. Marimilian konnte auch feinen
teutfchen Bifchof zum Beſuch des piſaniſchen Conciliums
bewegen, weil man eine Spaltung beflirchtete. Es war eine
Hauptklage, daß fo viele einbeimifche junge Männer, welche
1) Das Rähere bei Hegewifch Gefch. Maximillans L ©, 178 f.
-- —⸗ — vu
Kichlidhe Angelegenheiten. 063
füch mit Eifer auf die Wiffenfchaften legten, durch päpflliche
‚Döflinge, „Cortiſanen“, verdrängt würden, welche oft geſchick⸗
ter wären Maulthiere ald Menfchen zu weiden. Alein bie
ganze Beichwerbeichrift blieb zuruͤckk, weil Marimilian fich mit
Zulius II. verglih, um feinen Krieg mit Venedig beendigen
zu koͤnnen. |
Der Bifchof von Surf, Matthäus Lang, ein Mann von
ausgezeichneter Einficht und Thaͤtigkeit, war ed, durch welchen
Morimilian wie die meiften politifchen fo auch die Kirchen»
Geſchaͤfte führte. Als Julius IL während jenes Kriegs heftig 1511
‚erkrankte, gab Maximilian dem Bifchof ben Auftrag, fobalb
er deffen Tod erfahren würde, nah Rom zu gehen um bie
Gardinäle zu gewinnen; benn er kam auf ben feltlfamen Ge
danken die Kaiferwürbe nieberzulegen und fich zum Papſte
wählen zu lafien. Man koͤnnte zweifeln, ob es fein Ernſt ges
wefen !); allein ex gab nicht nur Befehl, bei dem reichen Ja⸗ 16. &epe.
Lob Fugger zu Augsburg 300,000 Ducaten aufzunehmen und
dem Bifchof nachzuſchicken, fondern er erneuerte ben Antrag
im folgenden Jahre ‘bei dem wiedergenefenen Papfle dahin, -
Daß er ihn einftweilen zum Coadjutor annehmen möchte. Auch
foderte er den König Ferdinand von Aragonien auf ihm dazu 1512
behuͤlflich zu fein, indem er die Kaiſerkrone dem gemeinfchaft> -
lichen Enkel Karl abtreten wollte. Seine nächte Abficht mochte .
gewefen fein, die vorgehabte Reformation auf bem pifanifchen
Concilium burchzufegen; bei dem zweiten Antrag konnte er
biefe ſchon nicht mehr haben, denn er batte fich indeffen mit
Sulius II. ausgeföhnt und war dem lateranifchen Concilium
beigetreten. Gr fand aber bei diefem Fein weiteres Gehör ?).
Da Julius bald darauf flarb, zögerten die Garbindle nicht 1513
Leo X. zu erheben, ehe Marimilian ſich in das Wahlgefchäft *ı- Febr.
mifchen konnte. Des Bifhof von Gurk erhielt den Carbis 11.Mär;.
nalshut. |
1) Er ſcherzte wohl auch felbft darüber, indem er feiner Tochter
Margaretha fchrieb, fie werde ihn nach feinem Tode als Heillgen vers
ehren.
2) Mich, Coccinius de bello Maximil. I. cum Venetis in Fre-
her. T. IL p. 547. Lettres du Roi Louis XII. T. IIL. IV. Golb:
aft Reichshandiungen ©. 96, |
— || — 00.
664 Buch IL. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 4
Leo brachte das Lateranifche Concilium zu "Ende im Geife
feines Vorfahren. Julius hatte bei der Eröffnung verfümbigt,
Vertilgung der alten Kebereien, Reformation der Sitten aller
Stände und Dämpfung der Kriege fei die Abfiht. Das
Zweite und Dritte war aber nicht fo ernfllich gemeint. in
einziger Rebner, der Auguftiner-General Agidius von Viterbe,
trat gegen ihn auf. „Seit die Kirche,“ fprad) er, „die Waf⸗
fen ergriffen, babe fie einen großen Theil ihrer Länder an
- die Mahommebaner verloren: wenn es nicht fo fortgehen folle,
fo müfje fie wieder in den Schoo8 der alten Frömmigkeit
41516 zurückkehren.“ Leo kam mit 8. Franz L überein, Die prag-
Dec. matiſche Sauction in Frankreich wieber auf's neue aufzuheben
und fehloß mit ihm ein Concordat, wodurch bie gallicaniſche
Kirche in die frühere Abhängigkeit vom römifchen Stuhle
zurüdgeworfen wurde. So viele Widerfprüche diefe Überein⸗
tunft fand, fo wuffte fie doch der König endlih im Parla⸗
ment burchzufegen. Er hoffte in Abficht feiner andern Plane
entfchädigt zu werden. Die lebten Beſchluͤſſe des Concilium
gingen gegen dad Studium der Philofophie: Fein Geifllicyer
oder Mönch ſollte ihr kuͤnftig Iänger ald fünf Jahre ohne
.. Xheologie oder Fanonifches Recht obliegen. Der Dominicaner-
Seneral Cajetan meinte, die Philofophen follten eigentlid)
die Glaubenswahrheiten gar nicht lehren. In einem weitern
Beichluffe wird den Laien alle richterlihe Gewalt über Geiſt⸗
liche fchlechterdings abgefprochen; zuletzt wiederholte Leo das
Genfurebict.
Sp ſchloß Leo das Interanifche Concilium und glaubte
damit alle Unterfuhungen in Glaubensſachen für immer aus⸗
geſchloſſen zu haben. Sieben Monate darauf fchlug der
Auguftiner Luther feine Theſes gegen den Ablaß zu Wits
tenberg an. F |
Indefien, da ber Friebe in Italien bergeftellt war, ver:
einigte fi) Marimilian mit Leo ben allgemeinen Heerzug ge:
gen die Türken nun einmal um fo ernſtlicher vorzunehmen,
als Selim I. durch die Unterwerfung von Agypten und Algier
die europdifchen Staaten auf's neue feine Übermacht fürchten
ließ. Leo X. ſchrieb an alle Könige der Chriftenheit und fo
derte fie auf, die Zürlen zu Wafler und zu Lande anzugrei-
Kirchliche Angelegenpeiten. 665
fen und aus Europa zu vertreiben. Maximilian fchloß zu die 1517
fem Zweck ein Bündniß mit den Königen von Frankreich und 11. März.
Spanien. Dann berief ex einen großen Reichstag nach Augs⸗
burg, auf welchem er überhaupt feine Entwürfe nody zur Aus⸗
führung zu bringen hoffte. |
Leo X. fandte ihm gleich bei der Eröffnung des Reiche: 1518
tags, als oberflem Feldherrn der Ehriftenheit, geweihten Hut 1- Aug-
und Degen; dem neuen Erzbifchof von Mainz, Albrecht von
Brandenburg, verlieh er dad Pallium gegen die biöherige Sitte
unentgeltlich. Dann hielt der Legat Cajetan eine Rede, worin
er den Vorwurf abzulehnen fuchte, daß ed dem römifchen Hofe
bei den Kreuzzugsanftalten bloß um da8 Geld zu thun fei,
weshalb er auch auf alle Theilnahme an ber Caſſe verzichtete.
Nach langen Berathungen, während welcher man die einges
laufenen Nachrichten von dem Vorrliden der Türken für bloße
Erfindung zur Befchleunigung der Sache halten wollte, bis
- bie ungetifhen Sefandten den Angriff auf Belgrad befldtig-
ten, bielt Maximilian felbft eine lange Rebe in der Verſamm⸗ 18. Aug. °
lung. Da man num aber über eine Antwort an den paͤpſtli⸗
chen Legaten fich vereinigen wollte, zog ein vom Bifchof von
Luͤttich abgeordneter GBeiftlicher eine Rebe hervor, welche vie
bitterften Befchwerben über die päpftlichen Eingriffe und Geld:
fchneidereien vorbrachte. Zugleich ging eine an bie Fürften
Zeutfchlands gerichtete fchriftlihe Rede herum, welche den
Vortrag des Cajetan Wort fir Wort in den heftigſten Auss
drucken widerlegte. „Die ganze Chriſtenheit,“ heifit ed darin, .
nbefondbers aber Zeutfchland werde vom römilchen Hofe gewal⸗
tig geprefitz man folle nicht gefchehen laflen, daß Satans
Engel fih in einen Engel des Lichts verfleide und das Volk
glauben mache, er bringe feine Opfer Bott, wenn er fie dem
- Geige laſterhafter Dienfchen bringe. Den Türken zuruͤckzu⸗
fchlagen wäre ein ruͤhmliches Vornehmen, aber der Türke, der
am meiſten zu fürchten, wäre in Stalien zu fuchen. Gegen
jenen der aud Alien gefommen, koͤnnte Zeutfchland ſich noch
immer genug vertheidigen; aber den italienifchen Tuͤrken zu
bezwingen, dazu wäre die ganze Chriftenheit nicht genug.
Indeſſen folle man fi nur vor dem Banne nicht fürchten.
Der Himmel werde auf den Wink eines Blorentiners eben
J
66 Bud U. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 4.
nicht zuͤrnen; das Gelb das die Zeutichen aufbringen follten,
wäre bloß ein Zribut für jene ehrfüchtige Familie.”
Bür den Verfafler hielt man Ulrich von Hutten, ber
im Gefolge des Erzbifchofs Albrecht von Mainz nach Auge
burg gekommen war, aber am Bieber frank Iag *). In feiner
Jugend aus bem Klofter entlaufen, hatte er fi) mit ausge
zeichneten Erfolg ben Wiffenfchaften ergeben und zu Frank:
furt an der Oder bie Magiflerwürbe erlangt. Nachdem er
zehn Sabre in Zeutfchlanb und Italien unter mancherlei Schid:
“ falen, auch eine Zeit ang im italienifchen Kriege ſich herumge⸗
trieben, wurde er bei feiner Ruͤckkehr durch ben trefflichen Kon-
sab Peutinger von Augsburg dem Kaifer vorgeftellt, der ihm
zugleich den Dichterlorbeer auffegte und bie golbne Ritterfette
umbing. Obige Rebe iſt wenigflens ganz im Zone feine
Übrigen zahlreichen Schriften, mit welchen er Zeutfchland für
die Sache der Freiheit begeifterte.
Die Antwort der Reichöftände an ben Legaten lehnte
ben Antrag beffelben gerabezu ab. Nach fo vielen Erſchoͤpfun⸗
gen fei ed unmöglich, zu den Kriegökoften den Zehnten von ber
Seiftlichleit und den Bwanzigften von ben Weltlichen einzu:
ziehen. Die Fuͤrſten müflten erſt ihre Landſtaͤnde darüber
befragen. Maximilian ließ jedoch bloß den letztern Theil der
Antwort gelten und verfchob deswegen die Entſcheidung auf
einen andern MReichötag. Um inbeffen nicht ganz leer auszu⸗
geben, befchloß man drei Sabre lang jeben Communicanten
im Reiche jährlich „4 fl. bezahlen zu laflen; die Reichsſtaͤnde
folten nach Belieben beitragen °). Und bamit erloſch das
ganze Unternehmen.
Marimilian hatte noch einen andern Entwurf: er wollte
feinen Entel Karl bei feinen Lebzeiten zum römifchen Könige
wählen lafien. Die Unterhandlungen mit den. Kurfürften wa⸗
ven fchon eingeleitet. Karl fol zu diefem Zweck 200,000 Dus
coten nach Zeutfchland gefchidt haben, und man hielt ſich der
1) Adami Vitae etc, p. 17: Schon 1495 hatte Grav Eberhard
von Wirtemberg in Verbindung mit Reuchlin den Verſuch gemacht ben
Kelchstag durch ausgetheilte Reben zu bearbeiten; f. oben
2) Reue Sammlung ber Leichsabſchiede Sp U, 170 Fi.
Marimilians legte Zeit. 667
Stimmen von Mainz, Coͤln, Pfalz und Brandenburg ver⸗
ſichert. Marimilian ſuchte auch den Papfl zu gewinnen und
wollte fich erſt noch durch eine Gefanbtfchaft von Carbindien
in Zeutfchlend zum Kaifer kroͤnen laſſen. Allein K. Franz J.
von Frankreich mahnte den Papft ab und brachte ben Kurfürs
ften von Trier auf feine Seite. Der Kurfürft von Sachfen,
Friedrich der Weife, dem Kaiſerhauſe vielfältig verbunden , konnte
den Ausfchlag geben. Der Kaifer berief ihn und den Kurfürs
fin von Mainz während des Reichötags zu ſich in Gegenwart
des Cardinals Bifchofs von Gurt. Friedrich gab keine beftimmte
Erklärung ). Luthers Sache fland In der Mitte. Marimis
lian wurde empfinblich; der Papfl aber war diefer Spannung
froh. Die Unterhandlungen wurden zwar auch nad dem
Reichstage fortgefeht; allein Marimilian erlebte die Gewaͤh⸗
sung feined WBunfches nicht mehr. Voll Unmillen über Leo X.
tief er aus: „Run iſt dieſer Papft auch zu einem Boͤswicht 1518
an mir worden; num mag ich fagen, baß mir kein Papft, fo
lange ich gelebt, je Zreu und Glauben gehalten hat; hoffe,
ob Sott will, dieſer fol der letzte ſeyn!“
Marimilian beurlaubte die Fürften und ritt von Augdhurg 6. Oct.
über Fuͤeſſen nach Ehrenberg, um ſich mit der Falkenbeize zu
zerſtreuen. Als er auf dem Ruͤckwege zu ber Rennſaͤule auf
dem Lechfelde kam, wanbte er fich um, ſchlug ein Kreuz ges R
gen die Stadt und fprach: „Nun gefegne dich Gott, du lie:
beö Augsburg, und alle frommen Bürger barinne. Wohl haben
wir manchen guten Muth in bir gehabt; nun werden wir dich
nicht mehr fehen!" Er litt bald flärfer am Fieber; von Ines
bruck, wo ihm bie Bürger einen Verdruß machten, ging er
nah Wels; hier endigte ex nach drei Monaten fein thätiges 1519
Leben im fechzigfien Jahre. Gewiß in Abficht auf Willen und 12. Ian.
Thatkraft einer ber löblichflen Kaifer des fpätern Teutfchlands.
Daß er nicht mehr erreicht hat in feiner fünfundzwanzigjäh:
rigen Regierung, liegt allein barin, daß er zu viel gewollt und
bei der Beweglichkeit feines Geiftes leicht wieber von neuen
1) Spalatin Leben Briebriche bes Weifen In ber Sammlung ver
mifchter Nachrichten zur fächfifchen Geſchichte IH V, 24 J. 127. Gu-
den. Cod. dipl. T. IV. Nr. 286. 288. Guicciardiai L, XIII.
68 Bud III. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 4
Speen ergriffen worben if. Dies iſt jedoch wieber ber teut
fhen Verfaſſung zu gut gekommen, inbem er immer bereit
war bie Entwürfe der Beſten zur Ausführung zu bringen.
Bei allen übrigen Auffoderungen bat er dad Beduͤrfniß Zeutid-
‚lands erkannt und gewirbigt. Er war fo glücklich, die Größe
feines Haufes gegründet und das Reich in einem Frieben
zu feben, der bald nach ihm erfchüttert wurde, vor ihm abe
lange Zeit gar nicht gekannt war. Nach Friedrichs IH. Lang»
weiliger Zeit welch eine Lebendigkeit tritt auf einmal in allen
gefelfchaftlihen Verbältniffen hervor! In der That, Teutſch⸗
- Iand ift nie in allen feinen Ständen zugleich fo kraͤftig
und maͤchtig geweſen als damals: eine Zahl von tapfern, ein⸗
ſichtsvollen Fuͤrſten, für das Wohl ihrer Lande wachend; ein
ritterlicher Adel, Schwerbt und Feder zugleich führend; die
Städte noch immer jo wohlbabend, wie fie nie wieber ge
worden; an ihrer Spige Männer durch Bürgertugend groß,
en Wohlſtand den Fürften gleich; der Stand ber Gelehr⸗
ten zum mutbhigen Kampfe entfchloffen gegen bie Feſſeln des
menfchlichen Geiftes.
Ein Höfling K. Ludwigs XII. wollte in Gegenwart bes
Königs fich über den Kaifer luſtig machen unb nannte ihn den
„Bürgermeifter von Augsburg. „Einfaͤltiger,“ fprach der
König, „wenn diefer Bürgermeifter läffet bie Glocke Iäuten,
fo ift ganz Zeutfchland im Harniſch und Frankreich muß
zittern.‘
Luthers große Aufgabe faſſte Marimilian nicht mehr auf').
In feiner legten Krankheit ließ er einen alten Karthäufer, feis
nen vormaligen Kanzler, aus Freiburg fommen: „dieſer Mann,”
fagte er bei feinem Anblide, „fol mir den Weg zur Selig:
keit weiſen.“ Mit feinem Beiſtand vollendete er den letz⸗
ten Kampf.
Zwei Tage nach Maximilians Abreiſe von Augsburg kam
1518 Luther daſelbſt an, um vor dem Cardinal Cajetan über feine
8. Oct. biöherigen Schritte fich zu verantworten. Er follte widerru⸗
fen: ex wiberrief nicht, weil er nicht widerlegt war. Gajetan
1) Er gab dem Papfie Rachricht von den Borfällen und foll gefagt
Yaben: bez Mann werde ben Pfaffen zu thun geben
Marimilians Verdienſte. 669
ſchrieb an den Kurfürften Friedrich, feinen Landesherrn: Luther
entweder nach Rom zu fiellen oder aus dem Lande zu jagen,
um nicht wegen eined einzigen Mönchleind feine und feiner
Vorfahren Ehre zu verdunfeln. Der Kurfürft that keines von
beiden. Luther ließ die ganze Verhandlung druden und ap-
pellirte von dem übel unterrichteten an den beſſer zu unter:
richtenden Papſt.
Soweit hatte Aneas fiebenzig Jahre früher richtig vors
ausgefagt: ber römifche Stuhl werde noch mit teutichen Ge⸗
lehrten in Kampf gerathen.
141411
111114
Drudfehler.
unten flatt von Polen lies ben Polen
hatten, 1. hätten
Offberg L Affber
Wifchehrebe I. at Pochrabe
Bimmenftein . Bunnenftein
Zerrifin L Sarvifin (tarvifer Mark)
ft.
ft.
ft.
4
nach italien iſchen fege Nation.
N
u.
u.
0,
0.
u.
u.
d.