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Full text of "Geschichte der Teutschen. Nach den quellen"

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— 







BOUGHT WITH 





THE INCOME, FROM 
THE BEQUEST OF 
CHARLES MINOT, 
OF SOMERVILLE, 
(Class of 1828,) 


AUG 30 1880 

















— 


Gefſchichte 


curopaͤiſchen Staaten. 


Herausgegeben 
von 


4.98% Heeren und F. A. Ukert. 


Geſchichte der Teutſchen, 


von 


J. G. Pfiſter. 





Dritter Band. 





/ 
I Hamburg, 1831. 
Bei Friedrich Perthes. 


Y 3104 


AUGSUlEBU . en 


0 Mine act 


Geſchichte 
| der 
Teutſchen. 
Nach den Quellen | 


von 


3 C. Pfilter, 
Doctor der Philofophle, Pfarrer zu Unter » Zürkheim bei Stuttgart, 
‚Mitglied mehrerer gelehrten Geſellſchaften. 


Dritter Band, 


Bon der Herftellung des Reiche nach den Hohen 
Staufen bis zu Kailer Marimiliand L Tod. 


Mit Könige. Würtembergifchem Privilegium gegen ben Rachdruck. 





Hamburg, 1831. 
Bei Friedrich Perthes. 





—X 310.9 


„Quam et qualem horum potentiam principum, quam formidabi- 
lem, quam terribilem putas, si uno in loco se ostenderit!‘ 
Aeneas Syloius, A. 1458, 


„Wenn dieſe Menge betraͤchtlicher Staͤdte und Länder mit ihrer 
Mannſchaft und ihrem Wohlſtand auf einerlei Zweck vereinigt wären, 
wei’ ein Reich und Volk wäre das teutfche! 


Johannes Mäller, 3. 1797. 


aa 8 8. 


JInhalts-Uberſicht 


des 


Dritten Bud, 


Das fpätere Reich der Teutſchen in der Zeit 
der Landeshoheit. 


Von der Herſtellung nach den Hohenſtaufen bis zur Aufloͤſung des 
Reiche, 1273 bis 1806 (533 Jahre). 


Eriter Zeitraum, 
Die Reis: und Kirchen Freiheit unter Kaifern von, 


verſchiedenen Käufern, von K. Rudolf L bis zu 8. 
Marimiliand I. Tod, 1273—1519 (246 Sahre). 


Stufenweife Wiebereinrihtung des — Reichs und wechſelsweiſe 
Behauptung der koͤniglichen Erbmacht, der VFuͤrſtenhoheit, der Reichs⸗ 
freiheit der kleinern Staͤnde, bis das Einungsweſen der letztern (die Ein⸗ 
kreifang) die Grundlage der ſpaͤtern Reichsverfaſſung wird. Das Papſt⸗ 
thum, nach dem Misbrauche ſeines Siegs uͤber das Kaiſerthum durch 
die Kurfürften und Kirchenverfammlungen beſchraͤnkt, die laͤngſt RA 
derte Reformation umgehend, bietet dem Kaiſerthum im neuern Sinne 
wieder die Hand. 


Erfter Abſchnitt. Die Monarchie. Herflellung des 
Reichs unter K. Rudolf. in Italien im Sinne bes 
paͤpſtlichen Stuhles, in Zeutfchland im Sinne der Ho: 
benflaufen 1273—1291. 


1. Wer hat die Wieberaufrichtung bauptfächlich beförbert? " 
Lage der Dinge in VBergleichung mit jener nad) der Auf: 


va Inhalts = Üderfidt. 
= . Seite 
loͤſung des karolingiſchen Reichs. Die uͤbrigen abendlaͤn⸗ 
diſchen Staaten. Papſt Gregor X. Die rheiniſchen Bun⸗ 
deaſtaͤdte. Erzbiſchof Werner von Mainz. Burggrav 
Friedrich von Nuͤrnberg.. 8 


8. Wie Rubolf von Habsburg war. 5 


e kunft, Berpäitn Grund 
EN 


. K. Rubolfs I. Wahl, 
— vol der baieriſchen und böhmifchen 
rftimme. t, wie das urfprünglihe Wahl⸗ 
nee ber — auf die Erzaͤmter uͤbergetra⸗ 
gen worden. Rubolfs Toͤchter. Herſtellung bes Lands 
friebens und ber alten. Lett - « oo 000 0. 33 


K. Ruboife J. Vertrag mit Papft Gregor X. 


Im Gebränge von zwei — bewilligt. 
Rudolf mehr * ſeine Vorgaͤnger. Gregors Verwen⸗ 
bung bei K. Alphons von Ca und_ K. Ottokar 
von Boͤhmen; Zuſammenkunft mit Rudolf zu Lau⸗ 
—* Die Minoriten. Letzter Entwurf eines Kreuz⸗ * 
zugs 0 ® U) — o,. ® — 0 0 U) — — 0 “ ) 


Rubdolfs Herftellung ber Reichsrechte in Obertentfchland 
und Gründung einer — Hausmacht ( ſterreich). 
Reichstag de u Augsburg. Rubolf beftätigt 


- 


bas Wahlrecht bes zogthums Baiern. Aufftand 
der ſchwaͤbiſchen Grave, des Herzogs Heinrichs von 
— = - weh ars *3 ler le 

ieg u eg. auf bem . ehr 
nung feiner Söhne mit Dfterreich. Kaͤrnthen kommt 
an Grav Mainharb von Tirol. Sweiter Aufftand in 
Schwaben. Grav Sherharh von Wirtemberg.. 83 


.Was K. Rudolf für die Reicherechte in Italien, — 
und Lothringen gethan. 


Schwierigkeiten in Italien. Endolſe weitere Ri 
träge mit Papft Nicolaus III. Beſtaͤtigung des jetzi⸗ 
gen Kirchenflantes. Vertrag und Bamilienverbindung 
mit dem Haufe Anjou. Die Statthalter in Italien. 
Mubolfs Krieg mit Gavoyen und ben Graven von 
Burgund. Mermählung mit Ifabella von Burgund. 
Verwahrung ber lothringifchen Grenze gegen Brantreih 58 


7. 8. Rubolfe Anorbnungen im mittlern und nördlichen 
Teutſchland. 

Das Erzbisthum Mainz. —— dr Frel⸗ 

beit en bes Eee in Preuſſen. Oſtſee⸗ 

länder. Die Hanſe verftärkt ſich. Bee in ben 

Niederlanden, in Thüringen und Sachſen. Abenteurer 

unter bem Namen K. ichs IL. Landfriede in 


R 


Inhalts = Überfidt. = 


üringen. Die boͤhmiſche Kurftimme. Die Erzaͤm⸗ 
= gen jegt — als Grundlage des Wahl⸗ 


&, R. Rudoifs legte Entwürfe für fein Haus. 
Abſichten auf Ungern. Vereitelte zömifche Könige 
wahl Albrechts. Rudolfs Kb . . . 2.00. 


9. Wie alfo K. Rudolf das Reich Hergeftellt hat? 

Das teutſche Königreih. Niederlage des Kalfers 
thums. Die Landfricdensverfaffung. Zahl und Glaſ⸗ 
fen ber unmittelbaren Reichöftände mit und ohne Ter⸗ 
ritorien. Übergang aus dem hohenſtaufiſchen Zeitals 
ter. Die Grundzüge biefes dritten Buhs . . + . 


ıx 
Geite 


. 


71 


weiter Abſchnitt. Die Ariflofratie. Wahlparteien 


und auöwärtiger Einfluß (von Rom und Frankreich) 
bis zur Unabhängigkeitserflärung und Feſtſtellung ber 
sömifchen Königewahl, ober von K. Adolf bis zu 8. 
Karls IV. goldner Bulle, 1291—1356 (65 Jahre). 


1. Erzbiſchof Gerhard von Mainz. Angriffe der rheinifchen 

. Kurfürften auf das Reichsgut bei K. Adolfs Wahl. Des 

Königs Selbſtaͤndigkeit; Landfriedensanſtalten; Lanbers 

werbungen. Unzufriebenheit ber Aufürfen . . . » 

2. 9. Mbrecht von Öfterreich gegen K. Adolf durch den Erz⸗ 
bifchof von Mainz aufgerufen. 

—— Spannung zwiſchen Albrecht und Adolf. 

Yapft Bonifacius VIIE. entfheibet einftweilen bloß 

über die Reichsgrenze zwilchen Frankreich u. Teutſch⸗ 

— fand. Abolf, von einem Theile der Kurfürften abges 

fegt, fallt in der Schlacht bei Belhem . . - . « 


8. 8. Albrechts J. Politik. 

Nochmalige Wahl. Neue Bereicherung ber Kurs 
fürften, K. Abolfs Wittwe abgewiefen. Bonifacius VIII. 
Papft u, Kaifer! Albrechts Gegenbuͤndniß mit Frank⸗ 

reich auf Koften der Heicheintegrität. Der Papfk 
entreifft ben Kurfürften die gberftrichterliche ' Ge⸗ 
walt über den König. Albrecht bemüthigt bie rheini⸗ 
ſchen Kurfärften, demüthigt fich aber noch viel mehr 
vor dem Papfte, da diefer feine Proteftation zurück 
nimmt, um buch ihn K. Philipp IV. von Frank⸗ 
reich zu unterwerfen, der jedoch bald das Papſtthum 
ſelbſt unter feine Gewalt bringt. Albrechts Hoffnung 
das Reich erblih zu mahen . «v2 2. 0... 


4 K. Albrecht I. Ländergier und Tod. u 
Abfichten auf Holland, Seeland, Schwahen, Thuͤ⸗ 


ringen, Böhmen. Wieberholter Krieg wegen ber. zwei 


Inhalts⸗überſicht. 

Seite 
legtern Sande. Erldſchen des przemyfl'ſchen Manns⸗ 
— Die boͤhmiſchen Stände find zwifchen Öfters 
reich und Kaͤrnthen getheilt. Paͤpſtlicher Einfluß auf 
die Beſetzung der teutfchen Bisthümer. Peter Ach: 
fpalter wird Erzbifhof zu Mainz, Balduin von 
Euremburg zu Trier. Die ſchweizeriſchen Walbftätte 
widerfegen ſich der Erweiterung ber habsburgifchen 
Landesherrſchaft. Herzog Johann, Albrechts Reffe, 
in feinem Erbe betheiligt, ermordet den König . . 111 


5. Herftellung des Kaiſerthums durch Heinrich VII. 


Die Erzbifchöfe Peter u. Balduin retten die Wahl: 
freiheit gegen Frankreich und Öfterreich. Das lurem: 
burgifche Haus. Peters Belohnung. Verforgung ber 
Wittwe 8. oe Hapft Clemens V. verlangt für 
K. Heinrichs VII. Beſtaͤtigung den Eid ber Treue 
und Sicherheit des Kirchenflaates in feiner weiteften 
Ausdehnung. K. Heinrich VII. bringt Böhmen an 
fein Haus, verföhnt ſich mit den Herzogen von Öfters 
reich und ächtet ben Graven Eberhard von Wirtem⸗ 
berg. Römerzug. Veränberter Zuftand Italiens feit 
ben Hobenftaufen. Übergang der Republiten in Herr: 
ſchaften; die Gibellinen der ſchwaͤchere Theil. Heinrich 
neutral, hofft beide Parteien zu verföhnen; die Guelfen 
und Neapel nöthigen ihn an die Spige ber Gibelli- 
nen zu treten. bahnt fidy mit den Waffen in ber 
Hand ben Weg zur Krönung und verbindet ſich mit 
K. Friedrich von Gicilien. K. Robert von Neapel 
wird mit feinen Anhängern durch Rechtsſpruch geaͤch⸗ 
tet und zum Tode verurtheilt. Heinrichs Rüftung 

ur Groberung Neapel und Vereinigung von ganz 

talien wird durch Gift vereitelt. Siemens V. rüdt 
mit der Gonftitution vom Reichsvicartat heraus. In 
Teutſchland iſt indeffen Böhmen für Heinrichs Sohn 
erobert, der Srav von Wirtemberg durch die Städte 
von Land und Leuten vertrieben worden. Der teut: 
ſche Orden bringt Pomersllen zu Preuſſen. Sturz 
der Tempefritter. eg zwifchen Brandenburg und 
Thüringen. Die Linien bed wittelsbachiſchen Hauſes. 
9. Ludwig von Oberbaiern fiegt über H. Friedrich 
von Öfterreich bei Samelöborf -. . -. - 2 2... 


6. Die luxemburgiſch⸗ baterifche Partei gegen Öfterreich, Papft 
und Frankreich bis zur Unabhängigkeitserftärung ber 
Krone durch K. Eubwig IV. 


Umtriebe der öfterreihifchen und Iuremburgis 
ſchen Partei. Bereinigung ber A mit Ludwig 
dem Baier. Abermalige Sigennüsigkeit ber Kurfür: 
ſten. Streitige Wahlftimmen. Friedrich der Schöne 
von Öfterreih und Ludwig der Baier Gegenkod⸗ 
nige. Demonftrationen im Felde. Parteiwechſel in 
Schwaben. MWieberherftellung bed Graven von Wir: 


125 


Inhalte⸗Überſicht. 


x 


Seite 


temberg. ‚Deraog Leopold bei- Morgarten geſchlagen; 

Friedrich bei Mühldorf gefangen. Ludwig der Baier 

erwirbt Brandenburg. Papſt Johann XXL. maßt 

- ſich bes Reichsvicariats nicht nur in Italien fondern 
! auch in Teutſchland an. Lubwigs erſte Proteſtation. 
Der Papſt bannt ihn und will das Reich an Frank⸗ 
— Ludwigs zweite Proteſtation. Die Mi⸗ 

nor gen den Papft. Lubwig, in neuer Bedraͤng⸗ 

niß — den Papft und H. Leopold, befreit Fried⸗ 

rich. Verſuch einer Zweiberrihaft. - . . » 


7. Bon Lubwigs IV. Kaifertrönung bis zum Kurverein, 1827 
bis 1338. 


Ludwig zieht den Gibellinen zu Hülfe, laͤſſt fi 
| von den Römern Trönen und fegt einen Minoriten, ' 
| Ricolaus V., zum Gegenpapft. Sein Rüdzug. Papft 
| Johann AXIL, mit den Römern verföhnt, ſchleudert 

einen neuen Bannfludh. Ludwig läfft durch die Luxrem⸗ 
burger unterhanbeln, fängt an ee ſucht 
Huͤife bei Ofterreich, deckt ſich durch ein Landfrie⸗ 
densbuͤndniß mit den ſchwaͤbiſchen Staͤdten, entſchlieſſt 
ſich endlich — niederzulegen durch überredung 
K. Johanns von Böhmen. Krieg gegen dieſen wegen 
der kaͤrnthiſchen Erbfolge. Vergeblich demüthigt ſich 
Ludwig auch vor Yapt Benedict XIL K. Philipp 
von Frankreich laͤſſt ihn nicht ——— Lubwig 
tritt von Frankreich zu England über. Die geiftlichen 


und weltlichen Kürften werben auf bie Gefahr der - 


Bahlfreiheit aufmerffam. Schriftfteller. Kurverein. 


152 


Frankfurter Sagungen von ber Unabhängigkeit des * 


Kaiſerthumsss De —— A 
8. Vom Kurverein bis zu Karls IV. golbner Bulle, 1988 
bis 1856. 


Kaiferlicher Rechtsſpruch zwiſchen England und 

nlreih. Ludwig IV, tritt wieder auf bie letztere 
Seite, um bie päpftlicde Losfprechung zu erhalten; 
vergeblih. Seine Landberwerbungen; Zirol. Zurück 
ſtoßung des Iunremburgifchen Haufes. Ludwigs aber 
malige Annäherung zu Frankreich und neue Demüs 
thigung vor bem Por Die Bürften trennen ihre 
Sache von ber des Kaifers. Lubwig erwirbt Holland, 
GSegenwahl Karls IV. mit Umſtoßung des Kurvereins. 
Ludwigs IV. Tod; überſicht feiner Regierung. Die 
Wahlfreiheit durch Erzbiſchof Heinrich von Mainz bes 
hauptet. Günther von Schwarzburg. Karl IV. ges 
winnt die Fürften u. Staͤdte u. laͤſſt ſich zum zwei⸗ 
ten Mal kroͤnen, als gefeglich ermählter König. Trau⸗ 
tige Lage Teutſchlands. Die große Peft. Judenver⸗ 
folgung. Geißlerfecte. Landfriebensanftalten. Vermeh⸗ 
rung der böhmifchen Hausmacht, befonders auf Ko: 
fen des baierifchen Hauſes. Erneuerte Landfrichenss 


xu 


onftalten am Oberrhein. Reichskrieg gegen Zürich. 


JInhalts⸗überficht. 


Karls IV. Kalſerkroͤnung. Petrarca. Letzte Begeiſte⸗ 
zung ber Römer für das Kaiſerthum. FReichstag zu 
Rürnberg und Med. Wahlsif - « u» 2... 


Überfücht des zweiten Abfchnitte. 


Geite 


201 


Gefteigerte Gingriffe des Papftes in bie teutfche - 


Keichöverfaffung während feiner eigenen Demüthigung 
zu Avignon. Entgegenftellung des teutfchen Staates 
rechtes. Inconfequenz ber Fürften. Das Reich kommt 
aus der Abhängigkeit vom Papfte in bie der Kurfür- 
fen. Heillofe Nachahmung ber römifchen Politik. 
Lob ber Stäbte. Gefchloffene Territorien. Dreierlet 
Landesgebiete und breierlei Entwürfe in den folgens 
ben Begebenheiten - = - 2 0 0 en 2 0. . 


Dritter Abſchnitt. Der republicanifche Zeitraum; 
ober die Reichs⸗ und Kirchen = Freiheit durch Buͤnd⸗ 
niffe und Goncilien unter dem Iuremburgifchen Haufe. 
J. 1357—1437 (80 Jahre). 


[4 


A. Das Reid. 


1. Schwinden des Kaiferthums im alten Sinne. 


Karls IV. Bildung und Eigenfhaften. Das Kir: 
chenrecht bleibt im Wibderfpruche mit dem Staatsrecht. 
Erfter Antrag a Verbefferung ber Geiftlichleit. Vers 
einigung des Kaifers und bed Papftes zu Wiederher⸗ 
flellung beiber Gewalten in Italien. Das arelatifche 
Reich im Hinneigen zu Frankreich. Entftehung bes 
neuburgundifchen Reiches. Freicompagnien in Frank⸗ 
reich und Stalien. Krieg gegen die Bilconti zu Mais 
land; Petrarca. Karl führt ben Papft nad Rom. 
Briede mit Bernabo Bifcontizs Schagung der Staͤdte 
Rückkehr bes Kaiſers und bes Papftes aus Italien . 


®. Das Inremburgifche Haus. 


2, RVerfuch eines boͤhmiſch⸗teutſchen Erbreiches unter Kari IV, 


Bon jest an tritt der Kalfer das Erbland nicht 


235 


Inhalts: Überfige. 


F 


bes boͤhmi e . Karls weitere Ent⸗ 
wär in Beet bes Hanfetifhen Sandeld . . . 258 


db. Die Reichöftände. eich im engern Sinne. 


3. Die Kerhältniffe im Übrigen Reicheland unter Karl IV. 


Reue Fürften und andere Stanbeserhebungen. Stäb: 
teeinungen. überſicht ihrer bisherigen Aufnahme. Die 
oberteutfchen Städte. Durchbruch bes eigentlichen 
Bürgerftandes vermittelft Theilnahme der Zünfte an 
der ftäbtifchen Verwaltung. Kittereinungen. KarlsIV. 
ſchwankende Leitung. Gewinn ber Gtäbte. Landfrie⸗ 
densbuͤndniſſe in ben andern Srovingen. Die Banfe. 
Vergleihung mit dem oberteutfchen Stäbtebund. Hö« 
hepunct ber Hanfes dänifcher Krieg. Gebrechen. Vers 
fchiebenheit der Kaiferregierung im füblichen u. noͤrb⸗ 
lichen Teutſchland. Der Zeutichorben in Preuffen. 
Bisherige innere und — Zunahme deſſelben. Fort⸗ 
ſetzung des lithauiſchen Kriegs. Gehoffte weitere Aus⸗ 
breitung teutſcher Cultur in Nordoſt. Der Hochmei⸗ 
ſter Kniprode. Die vornehmſte Kriegsſchule. Bon ber 
en Anwendung ber Feuergewehre. Zufammenfafs * 

JJ 


c. Bortſetung vom lurxemburgiſchen Haufe. 


4. Berletzung ber golbnen Bulle und ver frantfurter Satzun⸗ 
gen bei K. Wenzlams Wahl 


Erfaufung der Kurfürften durch Reichsgut. Des 
muͤthige Einholung der päpftlichen —— 

Wahl bei Lebzeiten des Kaifers, fowie beren Beſa⸗ 
tigung, — jedoch hinausgeſchoben wird. Rück 
tritt Karls IV. nach der Wahl auf die Seite der zu 
den Wahlkoften verpfaͤndeten Staͤdte. Zuruͤcknahme 
auch ber den Fuͤrſten verlichenen Zoͤlle und anderer 
KReichspfandſchaften. Ermaͤßigung ber Grundruhr. 
Verleihung des arelatiſchen Reichsvicariats an ben 
Dauphin von Frankreich. Gleichzeitiger Verfall des 
Kaiſerthums und des Papftthums. überſicht von 


Karls IV. Regierung.... .. 801 
5. Stellung des Reiche unter K. Wenzlaw beim Anfange ber 
Kirchenfpaltung. — 


mit 
halten oo 08 08 08 98 8 28 © 2 0 . . o 2 @ 312 


xıv 


Inhalts-⸗überſicht. 


d. Die Einungen. 


6. K. Benzlaws ſchwankendes Benehmen. bei ber Ausdehnung 
der Staͤdte⸗, Ritter⸗ u. Fuͤrſten⸗Buͤndniſſe zu einem all⸗ 
gemeinen Landfriedensbund, 1379 - 1890. 


Wenzlaw opfert die ſchwaͤbiſchen Landvogteien dem 
Herzoge Leopold von ſterreich. Staͤdtebund dage⸗ 
gen. Weitere Berſtaͤrkung ber Ritter⸗ und Staͤdte⸗ 
Einungen. Erfter Zufammentritt der drei Stände in 
den obern Landen. Wenzlaws Verſuch, bad Reich in 
vier Lanbdfriebenskreife zu bringen; bie Staͤdte behal⸗ 
ten jebo ihren Bund bei. Werfegung deſſelben mit 
den Städten der ſchweizeriſchen Eidgenoffenfchaft. H. 
Leopold mit der Bläthe ber teutfchen Stitterfchaft er⸗ 
liegt bei Sempaͤch. Wenzlaw beftätigt den Stäbtes 
bund und bringt ihn etwas naͤher zu den verbuͤnde⸗ 
ten Fuͤrſten im mergentheimer Landfrieden. Nieber⸗ 
lage ber Städte bei Doͤffingen 2c. Wenzlaw tritt =] 
die Eeite der Fürften und hebt den Stäbtebund auf. 
Allgemeiner Landfriede zu Eger. Einerlei Münze im 
Reich und Abthuung ber Subenfhulten .— -. . . 


7. & Wenzlaw verliert das Gleichgewicht in ben erblänbis 
ſchen und HaussAngelegenheiten. : 


Theilung ber Erblande na Karls IV. Berorbs 
nung. Guter Anfang unter Wenzlaw. Aufftanb der 
böhmifchen Landherren und ber Geiftlichkeit wegen 
Burüdfoberung ber verpfändeten Krongüter. K. eig. 
mund von Ungern verbindet fich gegen feinen Brus 
der Wenzlaw und fest ihn gefangen. . - . . R 


8. Die Reichsverhältniffe bei Wenzlaws Unthaten in Böhmen 
bis zum frankfurter Lanbdfrieden, 1894—1898, 


Dex Reichsverweſer, Pfalzgrav Ruprecht, bringt 
auf K. Wenzlaws Befreiung. Bär bie Errichtung 
des Herzogthums Mailand erhält Wenzlaw Geld: 
huͤlfe; tritt feinem Bruder das ganze Reichsvicariat 
ab, ber ihm noch dazu einen Reichsrath in Böhmen 
fegt, aber auch nicht nad) Zeutfchland kommt. Wenz⸗ 
law fchafft ſich wieder freie Hände. Wegen feiner 
langen Abweſenheit aus Teutſchland mit Abfegung 
bebroht, thut er boch wieber Etwas in ben bringend« 
ſten Angelegenheiten - - - - 0 0 2 2 2.0. 


9. Fuͤrſten⸗ und Städte sBünbniffe, während das Reich wie 
die Kicche unter gwei Oberhäupter zerfällt und Frank⸗ 
reich die Kirchenangelegenheiten leitet. 

u. Die Univerfitäten bringen auf ein allgemeines Gons 
ellium. Wenzlaw tritt dem franzöflfchen Hofe bei; 
wird durch den Erzbifhof Johann von Mainz abge 
fest. Wahl und Gapitulation Ruprechts von ber 


817 


— ur Tee u we 





Inhalts-überſicht. xv 


Seite 
⸗ 

Pfalz. —— Partei. ep unglüdtiher 
—* enzlaw ſoll auch nach Italien; ſeine 
zweite Gefangenſchaft und Entfegung von. der boͤh⸗ 
mifchen Regierung durch feinen Bruder Sigmund. 

Der römifche Papft entfcheibet für Ruprecht. Wenz⸗ 

law fommt in Böhmen wieder auf. Marbacher Bund 
— Kuprecht durch den mainzer Erzbiſchof. Fuͤr⸗ 

n und Städte behaupten dad Recht freier Buͤnd⸗ 
niſſe. Den Appenzellern wirb es abgefprodhen. Der 
marbacher Bund gegen Öfterreih. Zuwachs ber 
fihweizerifhen Eidgenoſſenſchaft. Legte Ausbildung 
der Hanfe. Unruhen in Luͤbeck. Bebrängniß bes teuts 
Then Ordens, nachdem das chriftlich geworbene Eis 
thauen mit Polen vereinigt if. Schlacht bei Tan⸗ 
nenberg. Die Hanſe und ber Orben appelliren, jene ' 
an ben roͤmiſchen König, dieſer an die Kirchenver⸗ 
fommlung . . e [ .. a 8 8 28 08 06 L} . Sal 


10, Wie Kirche und Reich je unter drei Oberhäupter zerfals 
len, unter Frankreichs fortwährendem übergewicht, bis 
dad Reich wieder vereinigt wirb unter bem legten Luxem⸗ 
burger. 


B. Die Kirche. 


11. Anlaß und Vorbereitung ber großen Kirchenverſamm⸗ 
lung zu Eoftanz unter K. Sigmunds Schirmvogtei. 


Verderbniß der Kirche in Haupt und Gliedern. Vf⸗ 
fentliche Zefte und Sitten. zoll. Secten, Ketzer. 
Schulen und Univerfitäten. Spaltung zu Prag. Jos 
hann Huf. Das böhmifche Volk. Auffoderungen zu 
einem allgemeinen Concilium an K. Sigmund; deffen 
Charakter. Verhandlungen mit Papft Johann XXIIL 864 


12. Die Hauptverhandlungen der coftanger Kirchenverfamms 
lung, 1414 ff. 
Bufammenfluß aus der ganzen abenblänbifchen Chris 


ſtenheit. DieHauptparteien in ber VBerfammlung. Eine 
richtung ihrer Verhandlungen. Papft Sopanns KXIUL. 


XVI 


Inhalts⸗ überſicht. 


Flucht und Abſezung. Huß und Hieronymus von 
Prag werden als Ketzer verbrannt. Nach Abdankun 
Gregors XII. und Abſetzung Benedicts XIII. w 
Martin V. zum alleinigen Oberhaupte gewählt, ber je⸗ 
doch bie eigentliche Reformation wieber ee 
ben weiß. Verhalten bes Kaifers und ber teutfchen 
Nation bei biefen Verhandlungen e “ ® » . * . 


18. Die Kriege und andere politiihe SWeränberungen zur 
Zeit der coflanzer Kirchenverfammlung. 


Kolgen bes öfterreihifhen Kriege. K. Sigmund 
Verkauft den fchweizerifhen Eibgenoffen bie zum Keich 
eroberte habsburgiſche Stammherrſchaft und empfängt 


Geite 


887 


auch Selb für H. Friebrichs Wieberbelehnung mit _ 


den übrigen vorberäfterreihifchen Landen. Er vers 
pfändet ferner die ſchwaͤbiſchen Landvogteien und ans 
dere Reichsgüter und Rechte, und verfauft den Lüs 
bediern zwei verfchiebene Rechtsſpruͤche. Ex verkauft 
fein Kurfürftenthum Brandenburg an den Burggros 
ven Kriedrich von Nürnberg (Hohenzollern). Marks 
grav Friedrich der Gtreitbare von Meiffen wird mit 
der Kur Sachſen belehnt. Der Huſſitenkrieg. Erſter 
Aufftand gegen bie Kirchenverfammlung und den römis 


Then König Sigmund. Wenzlams Tod. Bortgefegs ' 


ter Aufftand gegen Sigmund als Erblönig von Boͤh⸗ 
men. Die vier prager Artilel. Die zwölf Artikel 
der Zaboriten. Sigmunds zweiter Feldzug. Ex über: 
Kit Mähren feinem Eidam, bem Herzog Albrecht von 

fterreih. Der Reichskrieg. Die erfte Matrilel. Rach 
Zizkas Tod vier huffitifche Parteien; deren ſchreckliche 
Verheerungen in den unbefchügten teutfchen Provins 
zen, während bes Tuͤrkenkriegs in Ungern. Erſter 
Hauptzug vom Reich gegen bie Huſſiten; Vorſchlag 
einer Kriegsſteuer, „gemeiner Pfenning.“ Landfrie⸗ 
densverhandlungen. Zweiter Hauptzug. üble Lage 
bes Teutſchordens in Preuſſen bei dieſem Krieg. Ers 
neuerte Bereinigung des Ordens mit Ar gleichfalls 
im Sinken begriffenen Harfe » - «se 2 0 0. 


14. Die Kirchenverſammlung zu Bafel bis zum Erloſchen des 
luxemburgiſchen Hauſes, 14311497, 


Julian Caͤſarini, paͤpftlicher Legat, betreibt die Kir⸗ 
chenverſammlung wegen ber Huffiten und fährt fort 
felbft gegen ben Willen bes Papftes. Sigmunbs uns 
geitige und unwuͤrdige Kaiferfrönung. Beine Vers 
mittlung zwifchen Papft und Conchhium, um mit 
Hülfe des Lestern die Böhmen zu unterwerfen. Die 
vier prager Artikel als Sompactaten für bie Utraqui⸗ 
ften. Reue Spannung des Concilium mit bem Papfl. 
Sigmunds Vertrag mit den Böhmen. Begenreformas 
tion in Übereinflimmung mit dem Papfte. Sigmunds 
legte Berrichtungen im Reiche. Vergeblicher Wider⸗ 


42 


Inhalts = Überfide. 


des neusburgunbifchen me Ans 
— Losreiſſung vom —— —* — 
—& Barbara im ns * * Huſſi⸗ 
tm. Sigmunds Vorkehrungen und a 
feiner Regierung. De Kanıler © 
Tinerficht ug dritten Abſchnitts. 
ge der Reicheguͤter, Enrft 
— Hausmacht. Bei der Rachlaͤ 
in der Reichsregierun iu 
= * in Staat und 
ſchritte der Landeshohelt. Der Reichstag Über = 
— die a a rg; über den Papft. ua 
die Erwartung ber Völker getäufcht worden . . 


Vierter Abſchnitt. Verſchiedenartiges Wiederaufle⸗ 
ben der Monarchie in Kirche und Staat im erſten Zeit 
raum bed Öfterreichifchen Kaiferhaufes, mit allmäliger 
Herſtellung ber innen Berfafjung durch Concordate, 
Sandfriebensbündniffe, Reichögerichte, Einkreifung, von 
K. Albrecht IL. bis 8. Maximilians I. Tod, 1437 bis 
4519 (82 Sabre). 


EL Gemeflene Maßregeln für ben Land⸗ und Kirchen⸗Frie⸗ 
den ımter K. Albrechts II, kurzer Regierung, T 27. Oct. 1839. 
Lage der europäifchen Staaten bei ber Erhebung bes Haufes 
Öfterreich. Der Kurfürften Reutralität in Abficht der 
Streitigkeiten bes bafler Eoncilium mit Papſt Eugen IV. 
Hoffnungen von K. Albrecht II. Deffen Beitritt zur Neu: 

tealität. Beſitznahme von Böhmen. Reihstagsverhanbs 

lungen unter bem Kanzler Schlid. Sortwährende Eifer: 

fucht der Fuͤrſten unb Städte in Abficht der Landfrie⸗ 

densorbnung und Einkreiſung. Mainzer Acceptationsurs 

tunbe ber bafler Reformationsberrete. Rees Schifma: 

Felix V. gegen Cugen IV. K. Albrechts Tod auf dem 

Kuͤckweg vom Tuͤrkenkrieg oe ee —ı |) er 8 8  _. se eo. 6 


IE. Alimäliges Reifwerden ber Kirchen⸗ und Weiche = Ber- 
foffung neben dem öfterreichiichen Hausplan unter K. Fried: 
richs DIL. 83jaͤhriger Regierung, 1440-1493. 

1. Die Hauptaufgaben und Schwierigkeiten. 


Kurfürftenverein und Stäbteeinung vor ber Wa 
— bleibt bei dem Haufe Öfterreih. Friedrichs 
Gigenfchaften. age des Sauler. Des Reichstags 
b 


avın ZI2halts⸗überſicht. 
Seite 
gg unb ſchiedsrichterlicher Spruch 
in ber Berlegung bed Concilium an einen 
dritten Ort. Avifamenta ber teutfchen Ration. rn 
—2 — — er. —— Oh re er⸗ 
ſter RKeichstag und Krönung. Kückſchritt von ben letz⸗ 


ten Landfriedensentwuͤrfen.. . + 4831 
u K. . IH, — unb ber große Staͤdte⸗ 


— Dandniß mit Zuͤrich; Schweizerreiſe u. 
Zuruͤckſoderu * der verlornen Stammlande. Der Abel, 
die ger ‚gegen bie Schweiger. —— 
ed e Verwicklun — die 


ai muß in der enoffenfelaft m —5* 
d Herren werfen * Unwillen auf bie Keichs⸗ 
äbte, Aus vier, auleat fünf Behben ‚ allgemeiner 
Krieg in Schwaben und Franken. Rechtstage. Zer⸗ 
fall des Stödtebunde® - . - 2 2 2 0 00% 
9. Das bafler Concilium preiögegeben. . 


Aneas Sylvius Piccolomini, — Dichter, 


teitt — apg Seliz V. an —— als Ge⸗ 
heimſchreiber er 
Kanzler AA Berhit als Geſchi —2 


meinen Concilium und der Herſtellung des Kaiſer⸗ 
thums. Aneas tritt als Geſandter Friedrichs zu 

Eugen IV. über und wird deſſen Geheimſchreiber mit 

* — Gtelle. ver⸗ 

eas 


ſtenwereins durch ein ka Buͤndniß, 
gen — Obebienz leiſtet. -Die Gtaͤdte bei ber * 
ung bes baſler Conciliumm. 


4. Letzte Romfahrt und Kaiſerkroͤnung, 1461 ff. 


Schlicks Tod. UÜneas, kaiſerl. Rath und Biſchof 
von Siena, geht voraus nach Italien auch in Betreff 
ber et Ka a "en Bee Be von Por⸗ 
* Mailand laſſen. — ge vor bem 


— — ———— des — — 


gegen den Papft. Friedrich, zu — ⸗Reuſtadt 
elagert, muß ben Ladiſlaus den Ständen von 

zeih, Ungern ımb Böhmen ausliefern. Grneurung 
— des erzherzoglichen Titeeeee 515 


Snhbalss » Überfige. 
5. Rom Zärtentrieg nach dem Gturze bes 


griechifchen Kais 
festfums, vorher aber vom Bandfrieben, 1458-1460, 


Birchof Kneas bewegt einen Kreu di 
— — — * 2 


glocke. Entfas von Belgrad. ee 
gen Kaifer und Papft. Sarbinal Kneas arbeitet vs 
gen. Breimhsgigkeie des mainziſchen Kanzlers, Georg 
Streit um das Erbe des Labiflaus. Fried⸗ 
ci . theitt Öfterreih mit feinem Bruder u. Vet 
ter. Ungern und Böhmen Tommen an einheimifche 
Kürften. Papft Pius II. beruft einen Congreß nad) 
Mantua wegen bed Kreuzzugs; Verweis an 
sich. Georg von Den, —— —2* 


6. Weitere Hinderniſſe der Reichsverfaffung durch ben Fuͤr⸗ 
ſtenkrieg, 1458-1464, 


* — —— vom a Yarl durch die Sch dr 

egt. ſchof Diether von M — das Opfer 
fär die ii — — — er es 

Kaiſer aus. 

een fol de anne? * 

en in Böhmen vollendet werben. Legte An⸗ 

ungen Pius II. für einm Kreuzzug gegen bie 
Far Ruͤckblick auf feinen Einfluß baupt 


7. Die Folgen: weber Landfriede, noch Tuͤrkenzug, noch oͤf⸗ 
fentticher Geift überhaupt. 


Payft Paul II. betreibt ben Türkenkrieg. K. Fried⸗ 

Pi — die Landfriedensordnun jener vereis 

e durch unzeitige Berkegerung des 8. 

— von Böhmen. Kalſer und Papſfſt — den 

Sreutgug gt gen biefen. * edrichs Balfahrt nach 

Rom ch nften feines ned, K. Matthias von 

Tagen * ein Buͤndniß * K. Georg wieder auf: 

Die Tuͤrkenkriegsanſtalten auf dem großen 

ir — gensburg (gemeiner ——— wer⸗ 

le Stäbe hinter Es gebracht. Wo tft das 

buͤrgerliche u. ae Leben ——— George 
von Deimburg Ausgang . - —— 


8 Dos burgundiſche Erbe. 


E ct des neub bi Haufes. Grwer: 

sun So Semeigune Summlrz — 
t egen 

die Schweiger ———— — l 


gebrau Friedri 
der Kuͤhne zu "u Ice. Die burgundifce —** 


Sal 


xx 


Anhalts = Überficht. 


und die Verlobung ber Maria mir Marimilian durch 
K. Lubwig XL. von Frankreich verhindert. Coalition 
von Öfterreich, Frankreich, Schweiz, Elſaß u. Lothrin- 
gen gegen Karl den Kühnen. auch Reichskrieg 
wegen Reuß. — des Kaiſers und des 
Könige Ludwig XJ. Karls Angriff auf Lothringen 
und bie Schweiz (die obere und niebere Bereinigung). 
Die großen Tage bei Sranfon, Murten, Nancy. 
Nach Karls Untergang will Frankreich zugreifen. 
Marimilion erhält bie Zuſage ber ach. Die 
Schweizer helfen Frankreich efeitigen unb fchlieffen 
ewigen Frieden mit Dfterrih - oo 00.“ 


9. Des Kaifers Noth, 1477 — 1486. 


Gleichzeitige Angriffe ber Branzofen, Un unb 
Tuͤrken auf die vergrößerten a — —2* 
Die Staͤdte erſchweren wieder die allgemeine Reichs⸗ 
huͤlfe. Zuzuͤge einzelner Fuͤrſten und Staͤnde. Tod 
der Maria von Burgund. Die niederlaͤndiſchen Stände 
bemädhtigen 19 mit Beiftand Frankreichs der Vor⸗ 
mundfhaft über ihren Bohn. Marimilian erhält 
diefe wieder. Abfall der Wiener. K. Friedrich aus 
Öfterreich vertrieben . 


“ U) “ [ ) ® ©“ . L; ® 
— 


10, Marimilians I. römifche Koͤnigswahl. Der frankfurter 


Landfriede und ber ſchwaͤbiſche Bund bis zu K. Friebe 
richs III. Tod, 1486 — 1498, 


Grav Hug von Werdenberg. Lanbfriede und Kams 
mergericht als Bedingung ber roͤmiſchen Koͤnigswahl 
und bie Reichähälfe gegen die Ungern und Tuͤrken. 
Vorbehalte bes Kaifers. Die ghuͤlfe reicht nicht 
um Entfage Öfterreichd. Errichtung des ſchwaͤbiſchen 

unbes zu Handhabung bes Frankfurter Landfriebens. 
Beſondere Abfichten des Kaiferd und ber Staͤnde. 
St. Georgen Schild. Hülfe gegen die Niederländer, 
Franzoſen und Ungern, durch fortwährende Spannung 
mit dem baierifchen Haufe gehemmt. Mit dem Tode 
des K. Matthias fällt Oſterreich zurid und Maxi⸗ 
milian erhält Anwartichaft auf Ungern. K. Karls VEIT. 
von Frankreich Treubruch. Reichs: und Bundes: Aufs 
gebot. Friede mit Baiern; Friede gu Genlis. Mari: 
milians zweite Vermaͤhlung mit Blanca Maria von 
Mailand. Überſicht der Regierung feines Vaters 


Seite 


I. Allſeitige Fortſchritte unter K. Maximilian J. 14903 - 1519. 


1. Dev teutſche Staatenverein, im Gebränge zwiſchen Frank⸗ 
reich und den Tuͤrken, endlich ein geſetlicher Staat. 


Maximilian Gegenbilb von K. Friedrich III. Seine 


Entwuͤrfe in Abſicht des franzoſiſcheitalieniſchen Kriegs 


Inhalts⸗Üüberſicht. 


ber Joͤrken. Der Gtäbte Zahlgkeit erzwingt end⸗ 
Fr die — der — er Landfri 
er — 


— — Abſichten — ———— 
and unb Wirtemberg. W ——— 
* oſterreichiſchen und —ãe—— Haufe 


8 Weitere Ausführung ber erneiterten Reicheverfaffung, 
1496-1512, in Abſicht des Landfriedens, Kammerges 
= Reichöregiments, Reichshofrathe, enblich der Eins 

ung. 


Erſtreckung bes ſchwaͤbiſ⸗ Bundes. Fortwaͤh⸗ 
rende Zaͤhigkeit der ar de in Abſicht ber — 
Maximilians 


— Bearbeitung der Keichsſtaͤnde gegen np 


ts 
— zu — in der —— — 


3. überſicht der Reiches und Territorial⸗Verfaffung. 


zehn Rei * e hiſtori Die nicht 

—— * — allmaͤl 

losgewordenen — "Eortfhritie der — 
beſo — in Abſicht des Steuer⸗ und Gerichts 

ſens. Die Sehmgeri ir m chraͤnkung. Die 
—— — BR land —5 — efaflung- 


en 8 Reid unter bie Ob ech haft von Polen ges 
ommen. nu bie ungleichartige Zus 
— des — etwas mehr eit 
und Thaͤtigkeit F bringen. Das Hauptergebniß des 
Zeitraums von —*8 I. bis Merimiuiani. Äneas 
eu von der Lage und den Bitten Teutſchlands 
in ber Mitte bes funfzehnten Jahrhunderts . - » 


4 Die Berhältniffe gegenäber von Italien, politifch, kirch⸗ 
lich, wiſſenſchaftlich, als Übergang zum folgenden Seit 
zaum. 


Hemmung ber höheren Entwuͤrfe Maximilians. 
Krtegsfhaun in Stalien unter treulofen Negotia⸗ 
tionen ber ichen Mächte, wobei allein ber Kirs 

enflaat gewinnt. Gluͤcklicher Erfolg von Marimis 
Hans Bamilienverträgen in Abſicht auf Spanien, Uns 
aid und Böhmen. Größe bed Hauſes. ckwirkung 

der italleniſchen Kriege auf Teutſchland. Nachtheil 
für die Städte. Freie Söldner, ehe ‚ Lande: 
knechte. Maximilians Grfindungen im iegswefen. 
Statt des Tuͤrkenkriegs Vorbereitung eines allgemei⸗ 
nen Angriffs auf das ausgeartete Papſtthum. Die 


zxu 


Inhalts : Überfice. 
Kaiſerkrone wird von nr unabhaͤngig. Schilderung 


| ehe fien. Die Wi in und 
—ã ſſenſchaften — 


Erneuerte Hei Prien Erd Fr 

en Schönen Maximi⸗ 

an win ſelbſt — — Schluß des laterani⸗ 

ſchen Goncilium. Theſes. Marimilians let⸗ 
ter — 


Geite 


Dritte Bud. 


Erfter Zeitraum. 


Das fpätere Reich der Veutfchen in der Zeit der 
Landeshoheit, oder von der Herftellung nach den 
Hohenftaufen bis auf K. Marimiliand I. Tod. 
Jahr 1273 — 1519, 





Hrifter Seſchichte d. Zeutſchen ID. 1 


Erfter Zeitraum. 


Die Reichs⸗ und Kirchenfreiheit unter Kaifern von verfchie- 
denen Häufern. Von K. Rudolf I. bis zu 8. Maximilian J. 
Tod 1273— 1529 (246 Iahre). 


Stufenweife Wiedereinrihtung des zerfallenen 
Reichs und wechfelsweife Behauptung der tönigli- 
den Erbmacht, der Fürſtenhoheit, der Reichsfrei— 
heit der Fleineren Stände, bis das Einungsweſen 
ber legtern (die Einkreifung) die Grundlage der 
[pätern Reichöverfaffung wird. Das Papftthum, 
nah dem Misbrauche feines Siegs über dad Kaiz 
ſerthum, durh die Kurfürften und Kirhenver: 
fommlungen befhräntt, die längft gefoderte Re: 
formation umgehend, bietet dem Kaiferthume im 
neueren Sinne wieder bie Hand. 


Eriter Abſchnitt. 


Die Monarchie. Herſtellung des Reichs un— 

ter & Rudolf J., in Italien im Sinne des 

paͤpſtlichen Stuhles, in Teutſchland im Sinne 
ber Hohenftanfen, von 1273 bis 1291. 


1. Ber hat die Wiederaufrihtung hauptſaͤchlich beför« 
dert? Rage der Dinge in Vergleihung mit jener nad) 
der Auflöfung des karolingiſchen Reiches. Die übrigen 
abenbländifchen Staaten. Papft Gregor X. Die rhei- 
niſchen Bundesſtaͤdte. Erzbifhof Werner von Mainz. 
Burggrav Friebrich von Nürnberg. 


N, waren die Verhältniffe Teutſchlands mislicher als. nach 
dem Untergange des hobenflaufifhen Kaiferhaufes. Es ent 
1* 


4 Buch III. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 1. 


ſtanden zwar jedesmal nach dem Abſterben des erwaͤhlten 
Herrſcherſtammes, nach den Karolingern, nach dem ſaͤchſiſchen, 
nach dem fraͤnkiſchen Hauſe, große Bewegungen, bis die Krone 
wieder feſt ſtand; aber nach den Hohenſtaufen waren faſt alle 
Bande geloͤſt durch die vieljaͤhrigen Parteiungen in Kirche und 
Staat. Es beſtanden nicht mehr vier oder fuͤnf Hauptvoͤlker, 
jedes wenigſtens in ſich ein Ganzes ausmachend; ſie waren 
getheilt in eine große Zahl meiſt kleiner Staͤnde, welche nun 
eigentlich verwaiſt in beſtaͤndiger Gefahr ſtanden, entweder die 
Beute etlicher maͤchtiger Fuͤrſten zu werden oder in der ſchon 
angefangenen Anarchie zu bleiben. Das Traurigſte aber, daß 
kein teutfcher Fuͤrſt mehr es auf ſich nehmen wollte Ober: 
haupt einer ſolchen verwirrten Maſſe zu werden; ſo ſehr war 
bie Krone in ihrem Werthe geſunken. Ein ſlaviſcher Koͤ⸗ 
nig, Ottokar von Böhmen, hielt fi allein fir mächtig genug 
dazu; aber einen folchen wollten die Zeutfchen nicht haben. 
Ein Glüd, daß gerade in biefem mislichen Zeitpuncte die 
benachbarten Staaten keine Verfuchung in fich felbft hatten, 
wie kurz zuvor Frankreich und England, fich einzumifchen ober 
Partei zu nehmen, oder Reichölande an fich zu ziehen, wie 
Dänemark zur Zeit Ottos IV. Durch ihr Einverſtaͤndniß wäre es 
nicht fchwer gemwefen, dad Kernland des Kaiſerthums, das fonft 
bie Oberaufficht über die abendländifchen Staaten behauptet, 
unter fich zu theilen; fie hatten aber jegt für fih zu thun. 
In Dänemark, das bisher wie Zeutfchland zwifchen 
Wahlreich und Erbreich geſchwebt, war bem Könige Magnus, 
Hakons Sohn, Alles daran gelegen die Thronfolge für fein 
Haus feftzuftellen, während die Adelsariſtokratie fchon eine bes 
deutende Macht erlangt hatte. Ludwig ber Heilige, König 
von Frankreich, hatte auffer den Kreuzzügen drei Haupts 
aufgaben : die eine, bie Engländer zu verdrängen; bie andere, 
bie eröffneten Lehen mit den Kronglitern zu vereinigen; die 
britte, das Gerichtöwefen in eine burchgreifende Einheit zu Brins 
1272 gen. Sein Nachfolger, Philipp der Kühne, ſetzte dieſe Ent⸗ 
würfe fort und bekriegte zugleich bie aufblühenpen ſpaniſchen 
Reiche, Gaftilien und Arragonien. England empfand 
noch die Stinme der Baronenariftofratie; K. Eduard L, ber 
zu gleicher Zeit mit — den Thron beſtieg, war im Krieg 


Lage Teutſchlands nach dem Untergange der Hohenſtaufen. 5 


gegen Wales und Schottland und befchäftigte fich, wie jener, 
mit Berbefjerungen ber gerichtlichen Verfaſſung. 

Da nun die beiden letzteren Reiche gerabe in dieſem Zeit 
puncte Nichts gegen einander unternahmen, wobei die Zeuts 
fhen mit. eingeflochten werben konnten (wie ed früher und noch 
oft fpdter der al war), ‚fo durfte das teutfche Reich um fo 
ruhiger fich wieder fammeln. Es war aber um fo bringens 


der diefen Augenblick zu benugen, denn während der neuen 


Grindung des Reichs machen jene Staaten weit glüdlichere 
Fortſchritte in ihrer inmern Geſtaltung und gelangen ‚bald zu 
emer Macht, welche für Zeutichland erft beunruhigend, dann 
aber immer brohender wirb bis zur endlichen Auflöfung bes 
Reiche. 

Nachdem ber Papft gemeinfchaftlih mit den Fürften 
die Kaifergewalt herabgefest, zuletzt eigentlich vernichtet hatte, 
muftte er billig wieder der Erſte fein, der für die Herftellung 
forgte, wern nicht auch dad Papſtthum fallen ſollte. Nach 


Cemens IV. biieb der Stuhl faft drei Jahre erledigt, weil 
die Cardinaͤle fich nicht vereinigen konnten. Während dieſes 


zweifachen Bwifchenreiches (nach K. Richards Tode) erlofch aller 
perfönlicher Haß, und man konnte nun an eine aufrichtige Ver⸗ 
Ühnung der beiden Gewalten denken. Doch kam man nur 


auf einem Unmwege dazu. Thebald, aus dem Haufe ber 1271 


Bifconti zu Placenz, Archidiaconus zu Lüttich, als Gregor X. 
zum Pontificat erhoben, kam voll von Entwürfen zu einem 


num Kreuzzuge aus Akkon zurld, bem einzigen Plage, 22 


den die Chriften noch in Syrien behaupteten, Schon zu die 
fm Zwecke muſſte vor allen Dingen ber Kaiferthron wieder 


biegt werben. Alfo erinnerte er bie teutſchen Fuͤrſten (ohne 
Rüdficht auf Alphons von Caftilien) einen römifhen König - 


zu wählen, mit ber Bedrohung, daß er ſonſt mit dem Rath 
der Cardinaͤle für ein Oberhaupt des Reichs forgen werde '). 
Die Laienfürften hatten faft nur Sinn für ihre Hausangele: 
genheiten; den rheinifchen Bifchdfen Ing mehr daran das Wahl: 
scht zu üben. Die Städte aber hatten das aufrichtigfte 


1) Fragm. hist. in Urstis. serr. II. p. 93. Zum Übrigen Ray- 
aald. Annal, Kocl. ad an. 1271—1273. 


⁊ 


6 Bug. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 1. 


Verlangen wieder einen geſetzmaͤßigen Schirmherrn zu erhal⸗ 

1273 ten. Che die Fuͤrſten zuſammenkamen, erneuerte Mainz mit 

5. Febr. ſechs andern rheiniſchen und wetterauiſchen Staͤdten das Buͤnd⸗ 

niß in gleichem Sinne wie nach K. Wilhelms Tode; fie ga⸗ 

ben einander die feſte Zuſage, keinen andern Herrn zum Koͤ⸗ 

nig anzunehmen oder einzulaſſen, als welcher einmuͤthig er⸗ 

wählt fein würde !). 

Indeſſen fchrieb der Erzbifchof von Mainz, Werner von 

29. Sept. Eppenftein, ben Wahltag nach Frankfurt aus. Bor ihm 

hatten drei Siegfriede aus demfelben Haufe diefe Würde be 

Heidet in den Zeiten des heftigften Kampfes zwifchen bem Kais 

| ſerthum und Papftthum 2). Werner war ed der, mit König 

1262 Richard unzufrieden, zweimal den Verfuc gemacht Konra⸗ 

1266 din zum vömifchen Könige wählen zu laffen. Im Herzen 

immer gibellinifch, erfah er nun den Graven Rudolf von 

Habsburg, einen ber treueflen und mächtigfien Anhänger 

bed hohenflaufifchen Haufes, zum Nachfolger im Reich, nicht 

allein aus perfönlicher Dankbarkeit, weil-ihm Rudolf bei feis 

ner Romfahrt, da er’ das Palium geholt, ſicheres Geleit 

: über bie Alpen gegeben, ſondern hauptfächlich, weil er in ihm 

den Mann gefunden, dem ee Einficht und Kraft zutraute, den 

Thron wieber aufzurichten °)., Er verband fich zu dieſem 

Zwede mit den Erzbifchöfen von Trier und Coͤln und mit 

dem Rheinpfalzgraven Ludwig, Herzog von Baiern, Konras 

dins Oheim. Durch den Burggraven von Nürnberg, Fried: 

rich von Hohenzollern, Rubolfd Freund und Schwager *), 
wurden bie Fuͤrſten noch befonderd gewonnen. 

Alfo ift es theild dem Papſte wegen bed Kreuzzuges, 

theils dem Gemeinſinne der Staͤdte, vorzuͤglich aber den eben⸗ 


1) Guden. Cd. dipl. T. I. p. 744. Die übrigen Städte waren: 
Worms, Oppenheim, Frankfurt, Friedberg, Weplar, Gelnhaufen. 


2) Siegfrieb L von 1059—1084. Giegfrieb II. non 1220— 1230. 
Siegfried II. His 1249. N. Vogt rhein. Gef. ac. II. 


8) Albert. Argent, in Urstis, scer. U, p. 100. Auch zum Fol⸗ 
genden, Hauptquelle. 


4) Zur Lauben Tables gensal. 
} 


Derfönk Verhaͤltniſſe Mudolfs v. Habsburg 7 


genannten Fürfien zuzufchreiben, daß wieder eine felbfifkän: 
dige — unter einem geſetzlichen Oberhaupte zu 
Stande kam. 


2. Wie Rudolf von Habsburg war. 


Seine Herkunft, früheren Verhaͤltniſſe, Srund⸗ 
füge, Stammgut, Familie, 


Sn den Tagen da 8. Friedrich IT. den Gegenkönig Otto IV. 
befiegt und die Macht des hohenftaufifchen Haufes zum zwei⸗ 
ten Male begrimbet hatte, bat ihn Grav Albrecht von Hab8s 
burg zum Pathen feines Sohnes Rudolf, welchen ihm 1218 
Heilwig, feine Gemahlin, Graͤvin von Kiburg, ‚geboren '). Az! Mal, 
Friedrich nach funfzehnjähriger Abwefenheit wieder aus Italien 
zutuckkam, um ben Aufftand feines Sohnes Heinrich zu uns 1235 
terdruͤcken, ſah Rudolf den Kaiſer auf dem großen Reichstage 
zu Mainz; in ſeinem achtzehnten Jahre folgte er ihm nach 1236 
Italien in den lombardiſchen und paͤpſtlichen Krieg, wo er 
den Ritterſchlag empfing ?). In dieſer Zeit ſtarb fein Vater 1243 
Abrecht auf der Kreuzfahrt zu Akkon, und Rudolf trat alfo 
m die Verwaltung feines Antheild der habsburgiſchen 
Güter. 

Obgleich fpätere Unterfuhungen das von’ Rudolf gegrüns 
bete Kaiſerhaus, gemeinfchaftlich mit Zaͤringen und Loth⸗ 
singen, bis auf Herzog Ethiko zurückführen, der noch zur 
Zeit des Heidenthums dad Elſaß beherrſchte, ſo war doch die —* 
habsburgiſche Linie damals in maͤßigen Umſtaͤnden. Im ſie⸗ 
benten Gliede ſtammte Rudolf von jenem Graven Ratbod, 
weicher zur Zeit ba bie ſaliſchen Kaiſer aufkamen, mit feinem 
Bruder; dem Biſchof Werner von Straßburg ?), Habsburg 
(Habichtöburg) im Aargau erbaute, wovon dad Haus ben 
Namen erhalten hat *). Die Hälfte ber Güter befaß Rubolfs 


1) Gerbert. Fact. Rud. c. 2. 

2) Annal, Colmar. ad an. 1249. 

8) Bergl. oben Band U. S. 155. 147. 158. 

4) Nach ten bekannten Unterfuhungen von Herrgott Gemenlog. 


8 Buch I. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 1. 


Vaters Bruder gleiched Namens, ber mit fünf Söhnen zu 
Laufenburg wohnte. Ohne andern Glanz als ben ihres ho⸗ 
ben Adels lebten die Graven von Habsburg von dem CErtrage 
ihrer Felder und von den Binfen ihrer Bauern in dem Eigen 
auf ihrer Burg, von deren Saal in dem (noch flehenden) 
Thurm 1) fie Die Grenze des umliegenden Stammgutes leicht 
überfaben. fiber benachbarte Kloͤſter und Städte erwarben fie 
bie vorübergehende Macht einer Hauptmannfchaft ober Vogtei 
nie ohne Verdienfl. Um fo größer erſcheint der Mann, der 
aus ſo beſchraͤnkten Verhaͤltniſſen ſich zu einem Anſehn erhob, 
das die Augen der erſten Fuͤrſten und des ganzen Reichs auf 
fi. 309. Unter den Waffen erwachſen, Fein Latein verftehend, 
deſto gefchidter die Schaaren in's Gefecht zu führen, leicht 
aufgebracht durch wirklicheö ober vermeintes Unrecht, führte er 
feine erften Fehden wegen der Stammgüter gegen bie beiden 
alten Oheime von Lauffenburg und Kiburg. Aus Unwillen 
über ihn vergabte ber Letztere dad ganze Fihurgifche Erbgut 
nebft dem Ienzburgifchen feiner Gemahlin an das Hochſtift 
Straßburg. Zweimal fiel Rubolf in den päpfllihen Bann, 
einmal ald Anhänger K. Friedrichs II., da der Landgrav Hein- 
rih von Thüringen zum Gegenfönige "aufgerufen wurbe; doch 
1249 baute Rudolf in diefer Zeit die Stadt Waldshut am Rhein. 
Das andere Mal forach Innocenz IV. insbefondere Bann und 
Interbict Über ihn und Teine Verbündeten aus, weil er in 
1254 einer Fehde gegen den Biſchof von Bafel ein Klofter in ber 
Vorſtadt eingeäfchert hatte. Diefer Bann fcheint jeboch nicht 
förmlich verkündet und daher auch nicht ausdruͤcklich wieber 
aufgehoben worden zu fein ?). — gab deshalb feine An⸗ 


dipl, etc. Schoepflin Alsat. illustr. ete. Zur Lauben Tables 
genealogiques etc. 


1) Die Schweiz in ihren Mitterburgen ꝛc., hiſtoriſch dargeftellt von 
vaterländifchen Schriftſtellern, mit einer hiſtoriſchen Einleitung von Prof. 
3. 3. Hottinger in Züri und heraudg. von Prof. Guſt. Schwab 
in Stuttgart. Chur 1828. Banb I. 89 ff. 


. 2) Yapfk Gregor X. ignorirt bie Sache ganz; aber König Ottolar, 
unter welchem Rudolf gegen bie Preuffen gezogen, bringt fie in Crin⸗ 
nerung. 





Perſoͤnl. VBerhältniffe Rudolfs v. Habsburg. 9 - 


frühe an den Bifchof nicht auf, that aber zur nämlichen 
Zeit, alfo wahrfcheinlich zur Ausfähnung der Kirche, die Kreuz 
fhrt gegen die heibnifchen Preuffen mit König Ottofar von _ 
Döhmen, wie fhon am Schluffe des zweiten Buches gebacht 
worden. Bon dieſem Zeitpuncte an erfcheint Rudolf ald ein 
Nann, der, feiner Leidenfchaften Herr, fich berufen fah, in ber 
herrenlofen Zeit Befchliger der Schwächen zu fein, ohne jedoch 
die Vermehrung feiner Hausmacht zu vergeffen. Die drei Wald» 
fätte Urt, Schwytz und Unterwalben, deren Mannfchaft einft 
mit ihm für 8. Friedrich II. in Italien gefochten, wählten 1257 
ihn jegt zu ihrem oberften Hauptmanne und Schirmherrn, bis 
ein echter, ordentlicher König durch einhellige Wahl geſetzt 
fein würde.” Dies gefchah zu ber Zeit, da Richarb und Ab 
phons zugleich gewählt worden. Nun verföhnte ſich Rudolf 
auch mit feinen Verwandten. Der jüngere Grav Hartmann 
von Kiburg trat mit ihm in Buͤndniß; Gottfried, der Sohn 
des Graven Rudolf von Habsburgskauffenburg, war bed Fries 
dens um fo mehr ‚froh, ba bie bisherige Fehde ihn arm ges 
macht. Später ging fein gleichnamiger Sohn nach England, 
wo fein zitterliches Gefchlecht unter dem Namen Fielding 
(Laufenburg - Rheinfelden), den habsburgiſchen Manns⸗ 
famm überlebend, im Parlamente fist. Um den Bifchof von 
Straßburg, Walter von Geroldseck, zum Verzicht auf das ki⸗ 
burgiſche Erbe zu bewegen, wie es jetzt der aͤltere Grav Hart⸗ 
mann ſelbſt wuͤnſchte, leiſtete Rudolf demſelben Huͤlfe gegen die 
Stadt Straßburg, mit der er ſeit ſeiner Wahl zerfallen war. Da 
aber der Abt von St. Gallen dem Biſchof abrieth, weil er 
au Anſpruͤche auf einen Theil jener Herrſchaften machte, fo 
fogte ihm Rudolf feinen Dienft wieder aufund trat mit mebs 
teren anderen auf die Seite der Straßburger, die ihn, wie 
früher feinen Water, zum Hauptmann ober Zelboberften waͤhl⸗ 
tm. In diefe Zeit fällt das Geleit, das Rudolf dem mains 
ze Exzbifchof über die Alpen gab. Nachdem ber Bifchof in 1262 
öffener Feldfchlacht von den Straßburgern geichlagen worben, 
nahmen diefe dad Friedgebot K. Richards, der bazumal in 
Hagenau war, nicht an, fonbern fuhren fort die Freiheiten 
ihter Stadt gegen den Bifchof zu behaupten, bis biefer aus 
Verdruß flarb; worauf fein Nachfolger, der bereits von einem 





| 10 Buch IL Erſter — Abſqnitt 1. 


Theil der Geiftlichleit gewählt war, Frieden ſchloß und den 
. 1266 fibingifhen Vergebungäbrief herausgab. Während diefer Fehde 
‚waren nach ‚einander ber jüngere und ber dltere Grav von 
Kiburg geſtorben; alfo trat Rudolf in den Beſitz ihres Erbes, 
1264 Zwei Jahre vor dem ſtraßburger Frieden hatte ihn auch Zürich 
zum Hauptmann berufen. 
Diefe Städt wollten Konradins NRäthe früher zum Her⸗ 
- 1262 zogthum Schwaben ziehen, was aber von König Richard uns 
terfagt worden. Nun war ihre Reichöfreiheit bebroht durch 
Grav Lütold von Regensberg, ihren maͤchtigen Nachbar. 
Rudolf unternahm ben Krieg um fo bereitwilliger, da ber 
Grav, als kiburgiſcher Neffe auch auf jene Exbfchaft Anz 
foruch machend, bereitö mit den Vettern von Kauffenburg und 
andern Graven und Herten gegen ihn in ein Bünbniß getres 
ten war. Diefer Krieg ward aber nicht ſowohl in offener 
Fehde geführt wie ber flraßburgiiche als im Angriff auf die 
zahlreihen Burgen, mit welchen Zürich umgeben war. Da 
bewies nun Rudolf fo viele Kunft im Umgehen ımb Hers 
ausloden, mit’ Hinterhalt und kuͤhnen Handſchlaͤgen, daß 
Luͤtolds Verbündete endlich ermübeten und ihn für unbefiegbar 
erflärten. Rudolf wollte feinen Gegner nicht ganz verderben, 
in Müdficht auf die lauffenburger Vettern, doch warb berfelbe 
fo weit gebracht, daß er froh fein muflte in das Bürgerrecht 
der Stabt aufgenommen zu werben, bie er kurz zuvor unter 
feine Herrfchaft bringen wollte. 
Dies geſchah in den letzten Jahren Konradins, welche 
diefer in den Städten am Bodenſee zubrachte. Rudolf bewies 
fih als einen fo treuen Freund und Rathgeber bes königlichen 
’ — Juͤnglings, daß derſelbe zu Engen die Verſicherung gab, ſo⸗ 
"bald er zum roͤmiſchen Könige erwaͤhlt ſein wuͤrde, ihm auch 
die Reichdlehen zu verleihen, welche der jimgere Grav Hart⸗ 
mann von Kiburg befeffen *). Andere kiburgiſche Güter, wel⸗ 
che von St. Gallen zu Lehen gingen, hatte Rudolf aus Uns 
wilen gegen den Abt zu muthen unterlaffen, weil dieſer mit 
dem Biſchof ven Straßburg gegen ihn gehalten. Während 
nun Rudolf mit vielen andern Rittern und Herren zu Bafel 


. 1) Jager Geſchlchte Konrads IL. ꝛc. Urk. IV. 


Derfönt Verbältniffe Rudolfs v. Habsburg. 11 


der Faſtnachtluſt pflegte, rüflete fich der Abt, Bertold von Fal⸗ 
kenſtein, in das Kiburgifche einzufallen. Rubolf eilte ihm ent: 
gegen. Kaum aber war er von Baſel weggeritten, fo erhoben 
die Bürger gegen die Übrigen Ritter einen: blutigen Aufftand, 
weil fie im Übermuth die Grenzen der Ehrbarkeit überfchritten; 
ja es entſtand darauf in der Stadt felbft eine Spaltung, in 
weiber die vornehmeren Gefchlechter, die Geſellſchaft vom 
Stern, von den anderen, ober dex Gefelfchaft zum Sittich, 
nit Beiftand bes Bifchofs auögstrieben wurden. Das war dann 
gemeinfchaftliche Sache des Adels), und Rudolf, fonft ber 
Bürger und Landleute Befchüßer, befchloß fofort dieſen Schimpf 
on denen von Bafel zu rächen, um fo mehr, da er auch mit dem 
Biſchofe, Heinrich von Welſch⸗Neuenburg, theild wegen älterer 
Anfprüche, theild wegen der Städte Breifach und Rheinfelden, 
welche berfelbe zum Bisthum eingezogen, gelpannt war. 

Mer aber zwei Zeinde vor fih hat, fprach Rudolf, der 
muß mit dem einen fich verſoͤhnen; fofort ritt er mit Wenigen 
nach Weil im Xhurgau, trat ohne Geleit zu dem Abt von 
St. Sallen ein der eben mit feinen Freunden bei der Tafel 
ſaß, und bot ihm die Hand zum Frieden mit ben Worten, 
daß er bereit fe, nach ‚dem Ausfpruche der Schiebörichter zu - 
schen. Der Abt Iberrafcht nahm ihn freundlich auf und wurde 
loger bald fein Bundesgenoſſe gegen den Bifchof von Bafel. 
Auch die anwefenden Ritter traten ihm bei. 

Diefe neuen Fehden, während auch Die obengenannten noch 
nicht ganz beigelegt waren, find wohl die Haupturfache, wars 
m Rudolf nicht mit Konrabin zog, als diefer nach Italien 
afbrach. Die Stadt Bafel wurde zwar durch Rudolfs maͤch⸗ 
tiges Aufgebot genöthigt, nachdem ihre Vorflädte eingenom⸗ 
nm waren, um Frieden zu bitten; aber ber Biſchof ſetzte 
den Krieg deſto heftiger fort. Rudolf ſchlug unerwartet eine 
Shiffbrude über den Rhein, eine von ihm neu aufgebrachte 


1) Rudolf gehörte zur Geſellſchaft vom Stern, bie Graven von 
Reich: Neuenburg und von Hochberg zu der vom Sittich. Albert. 
Argent. p. 99. Über die Gntfiehung ſolcher Parteien unter den ftäbtis 
Men Geſchlechtern, woran die Frauen Theil gehabt, f. Hüllmann 
Städtemefen des Mittelalters. IL, 241 fi. 


12 Bub HI. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 1. 


Aunſt, und nahm Breifach ein. Dur Vermittler wurde ein 
breijähriger Stilftand gefchloffen, in welchem Rubolf feine 
übrigen Verhältniffe orbnete. Nach dem Ablauf ſchloß Rudolf 
wieder Bafel durch Belagerung ein, weil bie Bertriebenen 
noch nicht aufgenommen waren. Als endlich auch der Bifchof 
aufs Yufferfte getrieben war, gab ihm Rudolf vierundzwanzig 
Tage Stilftand, während deffen durch felbfterwählte Richter 
nach Minne oder Recht entichieben werben follte; unter dieſen 
war der Burggrav Briedrih von Nürnberg '). 

Die bisher erzählten Fehden in ben oberen Landen geben 
zugleich ein Bild von bem übrigen Zeutfchland. So war es 
ungefähr im allen Gauen, feit die koͤnigliche Macht gebrochen 
worden. Die Biſchoͤfe wollten ihre Landesherrſchaft erwei⸗ 
ten, wie die Fürften, und Gravfchaften und Klöfter in ihr 
Gebiet ziehen. Die Graven verfuhren eben fo gegen die 
Heineren Grundherren. Gegen die Städte waren beide 
Theile. 

Rudolf fieht über den Meiften dadurch, daß er feinen 
Arm zum Schuge der Hülflofen erhob, daß feine Fehden nicht 
auf Unterbrüdung der Nachbarn, fondern auf Zufammenbrin- 
gen ber zerfireuten Bamiliengüter und Lehen gerichtet waren, 
und daß er auch darin immer bereit war die Schiebärichter 
zu hören. Die großen Prälaten behandelte er nach den Kriegs: 
gefegen, als Fürften die ihre Macht miöbrauchten. Der Kirche 
aber und ihren wirbigen Dienern bewies ex foldhe Achtung, 
daß er einft einem armen Priefter, der mit bem Sacrament 
zu einem Sterbenben eilend an einem angelaufenen Bach auf: 
gehalten war, fein eignes Pferd zum Überſetzen gab und fols 
ches nicht mehr zuruͤcknahm, weil ed nach ſolchem BDienfte 
nicht wieder zum gewöhnlichen gebraucht werben follte *). 
Seine Gewiflensräthe waren vom Drben ber Minoriten, 
zuerft Werner aus den Städtchen Brugk, dann Heinrich von 
Ißni, der nachher zum Bifchof von Bafel, zulegt zum Erz⸗ 


1) Das Ganze hauptſaͤchlich nah 3. v. Müller Geſchichte der 
Schweiz. I. Gap. 7. &. 507 ff. ber Originalausgabe von 1806. 


2) Der Priefter wurde nachher Caplan des Erzbiſchofs Werner. 
Müller a. a. D. ©. 535. Not. 92. 


Derfönt. Verhältniffe Rudolfs v. Habsburg. 13 


kichof von Mainz erhoben wurde. - Diefer begleitete ihn auf- 
lien feinen Kriegszügen. 

So erhielt Rudolf mit dem großen Kriegsruhme zugleich 
tas Lob der Gerechtigkeit und Froͤmmigkeit. Die Straßbur: 
ger errichteten ihm aus Dankbarkeit ein Reiter-Stanbbild in 
ihter Stabt '). Sein felbftgeftedtes Ziel fah Rudolf erreicht. 
Er vereinigte mit ber väterlichen Gravſchaft im Aargau, in 
dem vormals an Burgund gekommenen Theile von Aleman⸗ 
nien, bie mütterlihen Gravfchaften Kiburg, Baden, Lenzburg. 
3u der Landgraufchaft im Elſaß, von welcher fchon fein Groß» 
vater ben Zitel geführt, kamen auch die Erbgüter feiner Ge 
mahlin, Anna von Hohenberg, in Schwaben und Elſaß. 
Kein anderer Landherr Fam ihm gleich in diefem Theile des 
Reiche. Übrigens war Rudolf in den einfachen Sitten feines 
Landes, mäßig in Speife und Trank, im Felde wie ein ges 
meiner Krieger. Seine fieben Fuß hohe Geftalt ?) gebot Ehrs 
furcht; in feinem etwas bleichen Angeficht mit ftarker, gebo⸗ 
gener Naſe waren Züge hohen Ernſtes; aber wenn er ſprach, 
gewann er BZutrauen durch Freundlichkeit; er liebte muntern 
Scherz und war hold den Frauen. Seine Gemahlin gebar 
ihm vier Söhne ?) und ſechs Züchter. Auch diefer Haudfegen 
wird in unferer Gefchichte wichtig. 

Fuͤmfundfunfzig Jahre zählte Rudolf, ald er zum römi: 
fhen König erwählt wurde. Mit ungefchwächter Kraft hielt 
er das Scepter bis in's fiebenzigfte Jahr. 


3. 8 Rudolfs J. Wahl. 


Streit zwiſchen Der baieriſchen und boͤhmiſchen 
Kurſt imme. Überſicht, wie das urſprüngliche Wahls 
recht der Volksherzoge auf die Erzaͤmter uͤberge⸗ 
tragen worden. Rudolfs Toͤchter. Herſtellung des 
Landfriedens und der alten Treue. 


Wehrend des Stillſtandes mit Baſel geſchah die Königs: 4273 
wahl zu Frankfurt. Die erften Fuͤrſten Teutſchlands Eur Sept. 
1) Fugger Ehrenfpiegel zc. has bie Abbildung. 


2, Chron. Colmar. P. I. ab init. in Urstis. scrr. II. p. 37. 
3) Der vierte, Karl, ſtarb in ber Kindheit. Ann. Colm. ad a. 1276. 


14 Buch IE Erſter Zeitraum. Abſchnitt 1. 


nen in Perfon, ausgenommen Herzog Heinrich von Baiern 
und König Ottokar von Böhmen, welche ihre Gefandts 
fchaften dazu abgeorbnet hatten; aber gerade über ihre beiden 
Wahlſtinmen beftand ein Zwift, der zwar zu Gunften dieſer 
Mahl befeitigt, jedoch in der Folge mehrmals erneuert eine 
foihe Bedeutung erhalten hat, daß es nöthig ift bier eine 
Furze Nachricht von der Entſtehung und den Veränderungen 
der Kurſtimmen vorauszufhiden. 

Bei der Vereinigung bes Reichs nach dem Abgange der 
Farolingifchen Linie wählten die Volksherzoge mit ihren Ges 
folgen, als Vertreter ihres Stammes, den König. Als bie 
Krone von den Oſtfranken auf das fächfifhe Haus Überging, 
zählte man fünf Hauptvoͤlker, die Lothringer, Franken, 
Schwaben, Baiern, Sachſen. Da die Lebteren durch 
Ottos I. Erhebung für den Augenblid ohne Herzog waren, 
fo verfahen die vier erfteren Herzoge die damals zuerfl genann= 
ten, aus ber Farolingifchen Verfaſſung übergetragenen Erz⸗ 
ämter, Kämmerer, Truchſeß, Schen!, Marſchall. 
Diefe Ämter haben- in der Folge aus ähnlichen Urfachen mehr 
mals gewechfelt. Diefelben fünf Hauptvoͤlker übten ihr Wahl⸗ 
recht bei der Anertennung K. Heinrich II., des legten vom 
. fächfifchen Haufe. Als in Konrad II. ein neuer Herrſcher⸗ 
flamm gewählt wurde, zählte man im Lager fieben teutfche 
Voͤlker, weil die Kaͤrnthner gefondert von Baiern wieder einen 
eignen Herzog hatten ") und die Lothringer unter zwei Fürs 
ſten getheilt waren. Bei Lothars Wahl, nad dem Abgange 
des falifchen Haufes, wählten nur vier Hauptuälfer, die Loth: 
singer nahmen keinen Theil, fowie fie auch anfänglich bei ber 
Gründung des Reichs unter Konrad I. noch nicht dabei was 
ren und Überhaupt in einer loferen Verbindung mit Dem Reiche 
ſtanden als die übrigen Herzogthümer. Da Überdies die her⸗ 
zoglihe Gewalt hier bald getheilt wurde und einerfeitd an 
. Erbfürften andererſeits an bie Bifchöfe Fam, fo erloſch dieſe 
Wahlſtimme zuerft. 

Unter den Hohenflaufen, da die Zheilung auch bei ben 


1) Doch ſcheint diefer nie zu den Hauptwähleen gezählt worben zu 
fein, vielleicht weil Kaͤrnthen wie Böhmen (f. unten) ſlaviſch war. 


König Rudoifs L Wahl. 15 


anderen Volksherzogthumern fortfchritt, hielt man zwar auf 
der einen Seite noch an ber biöherigen Borftellung, daß ben 
alten Bolläherzogen als folhen bad Wahlrecht ge 
bühre, ſodaß dem neuen Herzoge von Öfterreich bei der naͤch⸗ 1156 
fen Stelle nah den PfalzErbfürften und neben anderen 
größeren Freiheiten doch Feine Hauptwahlſtimme zugeſtanden 
wurde. Andererſeits aber hatte bereits K. Konrad III. ben 1142 
Anfang gemacht, bad Wahlreht auf Erzämter allein zu 
gründen, indem er ber bisher unter dem Herzogthume Sachs 
fen geflandenen norbfächfiihen Mark, jebt Brandenburg, mit 
dem Erzlämmereramt bed Herzogthumes Schwaben dab 
Bahlrecht übertrug, um feinen Schwager, Albrecht den Baͤ⸗ 
ren, fir dad Herzogthum Sachfen zu entfchäbigen '). Ahn⸗ 
gen gingen mit den.andberen Erzämtern vor. 
Da Herzog Heinrich der Stolze zwei Herzogthümer und alfö 
auch zwei Erzaͤmter zugleich hatte (auf Sachſen ruhte das 
Marfchallamt, auf Baiern bad Erzfchentenamt), fo 
wurde letzteres einfiweilen dem Könige Sobieslav L von Boͤh⸗ 
men übergeben, jedoch wie es fcheint nur. um bes Hofdienftes 
willen. Nachdem das Herzogthum Franken eingegangen 
war, kam mit den Überreften defelben dad Erzmarſchall⸗ 
oder ZrucfeffensAmt an die Hohenflaufen, welche des⸗ 
wegen Dad obengebachte fchwäbifche Erzkaͤmmereramt om Hanfe 
Brandenburg abtraten. 
Senes wurde bann mit der Rheinpfalz ———— 
und wie vormals der Herzog von Oſtfranken der erſte war un⸗ 
ter den Volksherzogen, ſo behielt auch der Rheinpfalzgrav die 
erſte weltliche Wahlſtimme 2). Von Pfalzgrav Konrad, 
K. Friedrichs J. Bruder, kamen Amt und Land an Heinrichs 
des Loͤwen aͤlteſten Sohn gleiches Namens, als Tochtermann 
des Pfalzgraven, und bei dem unbeerbten Tode ſeines Sohnes 
an deſſen Schwager Herzog Otto von Baiern, aus dem 
wittelsbachiſchen Haufe, der dadurch einer ber maͤchtigſten 
Fürften und bie legte Stüße des fintenden Kaiferhaufed wurde. 


1) Grollius. von ben watlicdyen Heichdergämtern. Aot. Acad. 
T.W, 


54) Sroltius Abhandl., daß bie Pfalzgraven bei Rhein ıc. 


7 


16 Buch IT Erſter Zeitraum Abſchnitt 1. 


Nach Ottos Tode blieben die Söhne Ludwig und Hein—⸗ 
1255 rich eine Zeit lang in gemeinfchaftlicher Verwaltung, bann fie 
len fie auf Theilung ber Lande, Zitel und Würben aber fol: 
ten gemeinfchaftlih bleiben ). Dies die Veränderungen in 
Abſicht der weltlichen Erzämter, wobei zugleich bad her⸗ 
zogliche Wahlrecht auf diefe übergetragen wurde. Nur eines 
von den Erzämtern war noch bei einem alten, wiewohl fehr 
verminderten Herzogthbum: das ſaͤch ſiſche Haus führte das 
Marfhallamt. Das zweite Land das noch von den alten 
Herzogthümern übrig war, Baiern, hatte fein Erzamt ver- 
loren, dagegen befaß dad Haus zugleich die, Rheinpfalggravs 
fhaft mit dem Truchſeſſen amt. 

Eine neue Schwierigkeit in der Ausübung bes Wahl: 
rechtes befland darin, daß mit der Erblichkeit der alten wie 

ber neuen Fürfienthümer, nad) dem Vorgange des baierifchen 
Haufes, Theilungen auffamen, alfo erft feſtgeſetzt werben 
muffte, ob die Linien gemeinfchaftlich oder der Alteſte des Hau⸗ 
ſes allein die Wahlſtimme fuͤhren ſollten. 

Unter dieſen Veraͤnderungen mit den alten Hauptwa bl: 
ſtimmen Eonnte fhon 8. Heinrih VI. auf den Gedanken 
kommen, aud bie minderen $ürften, weiche fonft im Ge⸗ 
folge der Großherzoge geflanden, zur unmittelbaren Aushbung 
des Wahlrechtes zuzulafien, ober vielmehr durch ihre erfaufte 
Einwilligung die Hauptwähler ganz zu flünzen unb fomit das 
Reich erblich zu machen. 

Died hat jedoch die Hierarchie verhindert. Sie hat - 
aber noch mehr gethan, fie hat vom Anfange an auf die Wah⸗ 
len bedeutenden Einfluß erhalten und fich bald in das Recht 
felbft eingemifcht. Der Erzbifchof von Mainz, der mit feis 
nen aus der Parolingifhen Verfaſſung herübergebrachten Pri- 
matialsechten in Zeutfchland, als Erzkanzler des Reichs *) 
und Erzcapellan bed kaiſerlichen Hofes, zuerft nur bie Reiches 
tagsberufung bei Erledigung bes Thrones und den Wahlvers 


1) Mannert Gef. Baierns. I. ©. 275. 

2) Seit 1239 heifft er Erzkanzler durch Teutſchland, Guden. 
Codex diplom. I, u ohne Zweifel, vum Unterſchiede von ben zwei‘ 
anderen. 





König Rudoifsl. Wahl. 17 


tag batte, ging unvermerft über zur Behauptung ber ers 
ken geiftlihen Wahlſtimme. Die zwei andern rheinifchen 
Exzbifchöfe, Zrier und Coͤln, welche anfänglid nur auf das 
Kroͤnungsrecht Anfpruch machten, erhielten nach bem Vorgange 
von Mainz ebenfalls wirkliche Wahlflimmen. Iener, deſſen 
Kirche auf das apoſtoliſche Zeitalter zuruͤckgefuͤhrt wurde, vor 
mals Primas in Gallien, hieß Erzkanzler bes (Iotharingis 
ſchen) Reiches zu Aachen und erhielt nachmals die Erz: 
kanzlerwürde im arelatifchen Reich. Diefen (den Erz 
bifhof von Coͤln) ernannte Papft Leo IX. zum befländigen 1049 
Erzkanzler bed päpftlihen Stuhles, und der Kaifer ehrte ihn“ 
fpater mit der Erzfanglerwürde des lombardiſchen 
Reichs:). Alſo waren es auch drei Erzämter oder vielmehr 
drei Abtheilungen der Erzfanzlerwürde bed Reichs (in Teutſch⸗ 
land, Burgund und Italien), wodurch die drei rheinifchen Erz⸗ 
bifhöfe drei geiftlihe Hauptwahlflimmen erhielten. - 
Dazu hatten diefe Prälaten aus den alten Herzogthiimern Lo⸗ 
thringen, Sachen, Zranten beträchtliche Kandeögebiete, wahre 
Fürſtenthuͤmer, in den herrlichflen Gauen zuſammengedracht; 
(don zu Ottos I. Zeit bekleidete der Erzbifhof von Cöln 
die erzberzogliche Wuͤrde über beide Zothringen, und von Fried⸗ 
rich L erhielt er einen wirklichen Zheil des Großherzogthums 
Sahfen. Mit dem Erzbifchof von Mainz flritt er um bie 
Ehre des Vorſitzes?). 

Auf jene Vorzuͤge konnten die drei andern teutſchen Erz 
bisthümer, Bremen, Magdeburg, Salzburg deinen Ans - 
ſpruch machen, fie blieben alfo in der Reihe der nachgeorbnes 
ten Fürften, traten aber bald unter dem Schuße ber rheini⸗ 
(hen Hauptwähler mit den übrigen Bifchöfen, bie ſonſt im 
Gefolge der Herzoge gefommen waren, in ein eigenes Wahl: 


1) Landrecht Gap. 113. ber fchilterfchen Ausgabe. Gebhardi Se 
ſchichte ber erbl. Reichsſtaͤnde I, 164. Rach dem oben angegebenen Da: 
tum wurde diefe Abtheilung vor ber Mitte des dreizehnten Jahrhunderts 
unter K. Friedrich II. gemacht. 

2), Ehen bei Rubolfs Kroͤnungsmahl feste er ſich zu deſſen rechter 
Seite. Der Mainzer gab nad, ließ fich aber vom Pfalzgraven eine Urs 
tande ausftellen, daß ſolches feinem Recht unnachtheilig fein folle. Gu- 
den, Cod. dipl. I. Num. 843. p. 758. 

Pfiſter Gefhichte d. Teutſchen TIL. 2 


18 Bud II Erſter Zeitraum. Abſchnitt 1. 


collegium zufammen, "das fich durch feinen Stand und Ein- 
fluß über den weltlichen Senat erhob. Bei der Aufſtellung 
der Gegenkönige riß ber päpftliche Stuhl die Leitung der Wah⸗ 
len vom mainzer Erzbistum an ſich und maßte fih fogar 
- am über firgitige weltliche Wahlſtimmen zu entfcheiden zur 
folge der eitlen Behauptung, daß der apoftolifhe Stuhl nicht 
nur das Kaifertbum von den Griechen auf die Franken und 
Zeutfchen übergetragen, fondern auch den Zürflen dad Wahl: 
recht verliehen habe. 

In diefem Sinne wandte fih denn auch Herzog Heinz 
rich von Baiern (meil er im Reid) keinen Beiſtand erhielt) 
an den neugewählten Papft Gregor X. mit der Bitte, daß er 
feine Stelle unter den übrigen Wahlfuͤrſten mit väterlicher 
Milde beftimmen möchte"). 

Das war nım eben der Streit, ber vor Rudolf Wahl 
entfchieden werben follte. Dean ließ ed nicht auf den paͤpſt⸗ 
lichen Ausfpruch antommen, fondern die Wahlfürften hielten 
fi) zur vorläufigen Entſcheidung berechtigt und legten nach 
ber dem neugewählten Könige die Sache auf dem Reichötage 
vor. Das Herlommen war dieſes: Bei der Wahl K. Ri- 
chards hatten die beiden Brüder, Lubwig und Heinrich, ges 
flimmt, jener wie es fcheint ald Rheinpfalzgrav, dieſer als 
Herzog von Baiern?); dem ihr Vater,‘ Herzog Otto, al 
Alleinhere der Lande (Baiern und Rheinpfalz), hatte vormals 
die beiden Stimmen geführt). Aber der König Ottokar von 
Böhmen wollte feine Wahlſtimme auch geltend machen we⸗ 
gen des von Batern auf Böhmen übergetragenen Erz ſchen⸗ 
Fenamtes (da fonft die Böhmen, wie die übrigen Slaven, 
nur unter der Obhut des Herzogs von Sachſen an den 
Wahltagen Theil genommen), und fo wuͤrden es fünf welt- 
liche Wahlfürften gewefen fein, woburch mit Einfchluß ber 
drei geifllihen Stimmen die ſchon geraume Zeit beliebte 
Siebenzahl überfchritten worden wäre. Man konnte nicht 


1) Bernh. Pez, thesaur. anecd, noviss. Cod. dipl, T. VI. P. U. 
p- 137. S ö 


2) Chron. August. ad a, 1257. 
$) Excerpta Aventin. in Oefel, scrr. I, 788. 


| König Ruboifel Mahl : 49 


in Abrebe giehen, daß ber König von Böhmen. an ben letzten 
Bahlen thätigen Antheil genommen, doch, wie es fcheint, 
nicht fowohl wegen bed Wahlrechtes kraft bed Erzſchenken⸗ 
amtes, fonden überhaupt als ein mächtiger Fuͤrſt, den bie 
Hohenftaufen den teutfchen Fürften entgegenftellen wollten; 
wiewohl er nachher auch auf die Seite der Lebtern trat. 
Merkwindig ift, daß ein fonft wohlunterrichteter Annalift *) 
(bei dem Aufrufe des Papfled zur Wahl eined Gegenkoͤnigs) bes 
merkt: „der König von Böhmen, obwohl Erzfchenke, wählt 
nicht, weil er Fein Teutſcher iſt.“ So iſt es auch in den 
Schwabanſpiegel und in das ſaͤchſiſche Landrecht gekommen: 
„der Koͤnig von Boͤhmen hat keine Kur, wenn er nicht ein 
teutſcher Mann iſt von Vater und Mutter oder ihrer einem." 
Übrigens konnte König Ottokar auffer feiner Mutter, Ppilipps 
von Hohenftaufen Zochter, zwei teutfche Ahnen auftoeifen 2), 
Allein die Wahlfürften fiheinen gar nicht darauf einge⸗ 
gangen zu ſein; ungeachtet wenigſtens ſchon in der erften 
Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts das Herfommen feftftand, 
= die Zürflen wegen ihres Erzamtes das Wahlrecht ha= 
ben’), fo nahmen fie jegt doch den alten Grundſatz wieder 
auf, daß den Herzo gen als folhen dad Wahlrecht ‚ge 
bühre, und fo ward Baiern, um den König von Böhmen aus⸗ 
zufchliefien, noch ald das einzige Herzogthum anerkannt, bei 
welchen die Wahlſtimme auf vem Lande oder Bolt, nicht 
auf dem Erzamte ruhe. Ein. befonderer Streit heſtand noch 
darüber, ob Pfalzgrav Ludwig bei ber Abmefenheit. feines Bru⸗ 
derö Heinrich die beiden Stimmen vom pfälgifchen Erzamt und 
vom ‚baierifchen Herzogtbum zugleich führe, wie fein Vater 
Dtto, ober ob die letztere Stimme feinem Bruder allein ge 
bühre. Die Abgeorbneten Pen feinen auf dem Lestern 

1) Albert. Abb, Send. ad a. 1. ur: 

2) Seine Großmutter, die Gemahlin Premiflavs II, war . Adela, 
Marfgrav Ottos von Meiffen Tochter; hie Urgrofmutter, Ladiflavs II. 
Gemahlin, Zubith, Tochter bes kandgraven Ludwig III. von Thuͤringen. 

9 Albert. Abb. Stad. ä c. Palatinus eligit, quia .Dapifer 
. est, Dux Saxoniae, quia Marscalcus etc. Vom Wahlrecht des Herr 
098 von Baiern weiß er Nichte. * 


‘ 


2 Bud IL Erſter Beitraum. Abſchnitt 1. 


beftanden zu haben. Die Nachrichten find jedoch nicht ganz - 
deutlich. Heinrich gab feine Zuflimmung !), wiewohl er mit 
feinem Bruder in Spannung blieb, und fo wurde die Wahl 
mit fieben Kurflimmen, nach Ausfchluß des Königs bon Boͤh⸗ 
men, ald eine einhellige betrachtet. 

Was nun die Abfichten der Wähler betrifft, fo wollte 
keiner von den Kurfürften, ob fie gleich zu ben maͤchtigſten 
gehörten, König werben, oder Feiner fand Zutrauen genug, 
um ed werden zu Finnen; fie wollten vielmehr einflimmig 
mit den Erzbiſchoͤfen einen König, der, wie die letzten nach 
den Hohenflaufen, an Hausmacht eher unter als über ih⸗ 
nen wäre, ‚damit fie nicht gehindert würden ihre Landesho⸗ 
heit weiter auszudehnen. Zudem waren gerade drei berfelben 
unverehlicht, Pfalzgrav Ludwig, ‚Herzog Albrecht von 
Sachfen Wittenberg und Markgrav Otto von Branden⸗ 
burg; dieſe durften wohl hoffen, durch Verbindung mit dem 
neuen Koͤnigshauſe noch befondere Vortheile zu erhalten ?) 
Der Pfalzgrav Ludwig, Konradins Oheim, hatte ſchon vor 

1956 fiebenzehn Jahren bie Unmenfchlichkeit begangen, feine treffs 
liche Gemahlin, Maria, Herzog Heinrichs von Brabant Toch⸗ 
ter, Philipps von Hohenflaufen Enkelin, auf den voreiligen 
Verdacht von Untreue, der fich gleich nach ihrem Tod aufs 
Härte, in ber erften Aufwallung feined Zornes enthaupten zu 
laſſen, nachbem er ein Paar Perfonen, die er für mitfchulbig 
hielt, mit eigner Hand niebergeftoßen hatte. Für dieſe Graͤuel⸗ 
that, die ex tm erften Augenblide für Gerechtigkeit hielt, aber 
gleich darauf fo heftig bereute, daß fein 27jähriges Haupt in 
Einer Nacht grau geworben fein foll, wurde ihm zwar vom 
Papſte Ablaß ertheilt und zur Sühne, die Erbauung eines Klos 
ſters (Fuͤrſtenfeld zu den Karthäufern) aufgelegt ”);- aber bie 
That felbit war bei den Zeitgenoffen und befonberd bei feis 
nen Untertanen, bie ihm den Beinamen des Strengen ga⸗ 


1) Annal. Steronis Altah. ad a. 1278, 

2) Rubolf gab feinen Toͤchtern, wie wir im Kolgenden fehen, Reiches 
güter zur Ausflattung. 

8) Aventin. Annal. VO, 7.6. Adelsreiter Annal, I, 24, 
Meichelbeck Hist, Frising. II, 1, 48, 


König RubolfeL Wahl _ 21 


ben, fo wenig vergefien, daß er fürdtete, ber neue König 
möchte ihm noch zur Rechenſchaft ziehen. Daher zog er den 
Burgaraven Sriebrich im Vertrauen zu Rath, ob ex wohl des⸗ 
balb ficher fein Fönnte, wenn Rudolf römifcher König würde; 
zugleich wuͤnſchte ex eine feiner Zöchter zur Gemahlin zu ers 
halten. Als ihm nun ber Burggrav in Rubolfs Seele zuſagte. 
verſprach er ſeine Stimme. Auf dieſelbe Weiſe wurde mit 
den beiden andern Fuͤrſten unterhandelt. 

Nach biefer vertrauten Übereintunft fand ber Erzbiſchof '1273 
Berner für gut der Wahl ſelbſt noch die befondere Form zu 29. Sept. 
geben, daß, um allen Zwieſpalt zu verhüten, bie übrigen Fürs 
fen ihre Stimmen auf den Rheinpfalzgsaven Ludwig über 
trugen; und nun that biefer im Namen Aller den Ausfpruch 
fir Rudolf von Habsburg. 

Der Burggrav Friedrich war ber Erſte der dem neuen 
Konige die Kunde brachte, dann folgte des Reichs Untermar⸗ 
ſchall, Heinrich von Pappenheim, mit der förmlichen Eroͤff⸗ 
nung im Namen der Kurfürften. Es iſt glaublich, wenns 
gleich nicht erwiefen, daß Rubolf fchon voraus von ben Uns 
terhandlungen unterrichtet geweſen; denn der Burggrav war 
einer von denen, auf welchen bie Richtung mit Bafel audges 
fest war, und biefer muflte wohl auch wiflen, was er ben 
Förften verfprechen durfte. Rudolf fchien nicht überrafcht und 
entſprach gern dem Wunſche der Füuͤrſten. 

Aber feine bisherigen Feinde waren um fo mehr erflaunt. 

„Lieber Hate Gott,“ rief der Bifchof von Baſel aus, „fig 
fe auf deinem Xhron, daß ihn Rubolf nicht auch erſteige)!“ 
Andere verbiffen ihren Unwillen; eine weit größere Zahl von 
Ständen war dagegen von großer Freude ergriffen. Graven, _ 
and Städteboten firömten berzu, um bem neuen Ks 
nige ihre Gluͤckwuͤnſche darzubringen. Rudolf ſchloß ſchnell 
Frieden mit Stadt und Biſchof von Baſel, um aus dieſen 
beſondern Verhaͤltniſſen herauszutreten; er fuͤhrte die Geſell⸗ 
ſchaft vom Stern wieder in die Stadt und ward mit großem 
Jubel empfangen. Seine Gemahlin Anna, nach der Krb: 


1) Albert. Argent, p. 100. Rad bem Chron. Colmar. foll 
ber Biſchof tödlich erkrankt fein. 


2 Buch IT. Erſter Zettraum Abſchnitt 1. 


nung Gertrud genannt, verließ ihr Hausweſen zu Brugk!) 
und folgte ihm mit ihrem Bruder, dem Graven Albert von 
Hohenberg, über Frankfurt nach Aachen, begleitet von eis 
ner flattlichen Zahl ſchwaͤbiſcher und rheiniſcher Ritterfchaft. 
"Dazu kamen die Wahlfürften mit ihren Gefolgfchaften, zu⸗ 
fammen bei 20,000 Kitten. Die Straße war auf brei Mei⸗ 
len mit Menſchen bededt. Zu Mainz übergab der Erzbiſchof 
die nach Richards Tod verwahrten Reichöinfignien; nur bad 
Scepter feheint in der herrenlofen Zeit verloren gegangen oder 
vergefien worden zu fein. Als daher nach der Krönung zu 
. Aachen bie Fürften buldigen und die Belehnung empfangen 
follten, entftand eine ſtarke Umfrage, ob folches wohl ohne 
das gewöhnliche Zeichen bes Scepters gefchehen Tünne. Ru⸗ 
dolf aber ergriff ein Eleines Erucifir vom Altar und fprach, 
indem er es kuͤſſte: „dieſes Zeichen, in welchem wir und bie 
ganze Melt erlöfet find, wird wohl auch die Stelle bed Scep⸗ 
ter3 vertreten;" worauf bie Fürften, durch feine Beſonnenheit 
hberrafcht, das Kreuz ebenfalls kuͤſſten und die Huldigung 
leifteten ?). 

Unter den Belehnungen welche Rudolf ertheilte oder 
ersfeuerte, bewies er vorzüglich dem Burggraven Friedrich 
für die geleifteten Dienfte feinen Dank, indem er ihm bie 
Burggravſchaft Nürnberg als ein gemifchtes Lehen verlieh’). 
Dann vermählte er feine zwei aͤltern Toͤchter, Mechtild und 
Agnes, jene dem Rheinpfalzgraven Ludwig, dieſe dem Her: 

zog Albrecht von Sachſen. Die Vermaͤhlung der dritten, 
Hedwig, mit dem Markgraven Otto von Brandenburg, ge⸗ 
ſchah einige Jahre ſpaͤter. Dem Pfalzgraven beſtaͤtigte er bald 
darauf zu Hagenau die konradiniſche Schenkung “). Dem 
Erzbiſchof Werner von Mainz, den er noch beſonders gegen 
Heimich, Herrn von Heſſen, in Schutz nahm, ertheilte er 


1) Domum regebät in Brucco. Chron. Colmar. p. 40, 


2) Sterol. c. Daß Übrige nah Albert. Argent. u. Chron. 
Colmar, oo. 


8) Detter — einer Geſch. d. Burggr. von Nürnberg. Ih. II, 
und IIL 


4) Lort J Num. XVI. 


Rudolfs J. erfie Handlungen. 23 


auf dem erſten Reichötage zu Nümberg bie Beſtaͤtigung aller 
von den vorigen Kaifern und namentlich von K. Friedrich IL 
vor feiner Abfegung verliehenen Rechte und Freiheiten '). Daf: 
felbe that er auch den andern Bilchöfen. So bewies fi Rus 
dolf dankbar gegen diejenigen die feine Erhebung befördert 
hatten F 


Nach der Kroͤnung zog er wieder herauf in die obern 
Rheinlande, die feiner Gegenwart am meiſten bedurften, und 
verweilte in ber vormald hohenſtaufiſchen Pfalz zu Hagenau. 
Wo ex hin kam, brachten Bürger und Kaufleute große Klagen 
vor ihn, uͤber bie vielen und ungerechten Zölle, welche bie 
Landherren aufgerichtet, und wie fie mwüflten die Straßen mei: 
den, weil fie nicht mehr Durch Geleit behütet würben?). Es 
war ihm nicht unbelannt, wie auffer den Zöllen auch viele 
andere Rechte dem eich verloren gegangen, während der. Zeit 
da die Kaiferwürbe darniedergelegen; er felbft war lange ge- 
nug Zeuge gewefen, wie auf biefe Weife bie ſchwaͤchern Stände 
ven ben mächtigern unterbrüdt worden. Daher ließ er fchon 
zu Speier audrufen: es follen alle Diejenigen welche in ber 
verflofjenen Zeit bes Reiche Güter und Lehen an fich gebracht, 
folche wieder zu feinen und des Reich Händen flellen. Er. 
ließ Schreiben auögehen an alle Stände bes Reichs: auf den 
Königsthron erhoben, werde er mit Gottes Hülfe das ſchon 
lange zerrüttete Semeinwefen durch Herftellung des Landfrie⸗ 
dens wieber aufrichten und bie Unterbrüdten gegen bie Ty⸗ 
sannei in Schuß nehmen; dazu verfpreche er fich den Gehore 
fan und Beiftand der Glieder des Reichs ’). 

Auf feinem erſten Reichötage zu Nürnberg, ba alle Für 
ſten und Stände ſich verfammelten, ausgenommen König Dt: 
tokar von Böhmen und Herzog Heinrich von Baiern, 
der aus Unzufriedenheit über feinen in das Vertrauen bed 
Königs gelommenen Bruder *) an jenen fih anfchloß, faß 


1) Dabei nennt er bie wiinger Kirche: „‚eolumnam Imperũ princi- 
palem, titulis ab antiquo tempore conspicuis ac konorum et liberta- 
tum eximiis dotibus insiguitam.“ Guden. Cod. dipl, Num, 344. 845. 

2) Dttofars Reimchronik in Pez scar. T. III, 120. 

3) Lambacher öfter. Interregnum Urk. 40. 

4) Daß Rudolf dem Pfalzgraven allein bie konradiniſche Schenkung 





⸗ 


24 Bud m. Erfter geitraum. WAſchnitt 1. 


Rubolf zu Bericht und hörte alle Klagen. Dann ließ er oͤf⸗ 
fentlich ausrufen bei Leib und Gut, daß Niemand follte an⸗ 
greifen bie Straßen; auch ließ er die gefchriebenen Rechte und 
die kaiſerlichen Sagungen vorlefen und Fürften, Herren und 
Städte ſchwoͤren, daß fie den Landfrieden halten wollen. So⸗ 
dann ging er wieber in bie obern Lande, von einer Stabt zu 
der andern, um auch die geringern Sachen zu orbnen!). 
In dem allen. blieb Rudolf unverändert, denn er that 
jest nur im Großen, was er bisher in feinem kleinen Kreife 
gethan. „Win ich denn König," ſprach er zu ben wacheha⸗ 
benben Kriegsleuten, bie einen armen Mann abweiſen wolls 
ten, „um verfchlofien "u fein?" Rudolf war eigentlich der 
Mann des Volks; Jedem bekannt, Jedem zugänglich, leutfelig 
gegen Alle, nur furchtbar den Übelthätern. Den Zolleinneh⸗ 
mern ſchrieb er: „Das Geſchrei der Armuth iſt vor meine 
Ohren gelommen; die Reifenden zwingt ihr zu Auflagen bie 
fie nicht bezahlen follen, zu Laſten bie fie nicht ertragen. 
Haltet eure Hände zurüd vom unrechten Gut und nehmet 
was euch zufommt. Ihr folt willen, daß ich alle Sorgfalt 
und Macht anwenden werbe für Frieden und’ Recht, unter 
allen die Eöftlichften Gaben des Himmels 2). So wenig hielt 
Rudolf auf aͤuſſern Glanz, daß er erſt zwei Jahre nach ber 
. Krönung zur Zuſammenkunft mit dem Papfte fein Gefolge 
beffer kleidete'). Er felbfi trug feinen einfachen grauen 
Rod, bie alts lothringiſche Farbe *), während der Biſchof Pe⸗ 
ter von Baſel in praͤchtigem Aufzug unter andern einen Moh⸗ 
ren in weiſſer Kleidung und einen drei Fuß hohen Zwergen, 
genannt Ritter Konrad, mit ſich fuͤhrte“). Erſt in Rudolfs 
letzten Jahren wird bemerkt, daß er aus Liebhaberei fuͤr fremde 
Thiere Ausgaben gemacht ). Wackere Bürger ehrte er, wie 


beſtaͤtigt hatte, mochte Heinrichs Groll noch erhoͤht haben; ſ. oben; vol. 
Lam bach er oͤſterr. Interregnum S. 129. 
1) Bgl. Geſch. v. Schwaben IH, 29 ff. 
2) Müller Gef. der Schweiz I, 536. 
B8) Er verwenbete dazu 900 Marl. Annal. Colmar. ad a. 1275. 
4) Müller Gef. ber Schweiz. V. Buch 1. Gap. Anmerk. 561. 
5) Annal. Colmar. ad a. 1284 


6) Für 80 Pfd. Sicbere eh er gu Bafel einen Räfig für einen 


Rubolfs L Eharakter 25 


jivor, durch Beſuch unb ſah mit Vergnügen ihre Wohlha⸗ 
benheit. 

Wenn wir zuruͤckſehen, wie in einem Menſchenalter feit 1240-73 
ber Aufwerfung ber Gegentönige, durch päpftliche Beſtechung, 
durch Zöfung der Eidſchwure und ber Lehenstreue, durch fich 
ſelbſt verächtlich machenben Miöbrauch der Kicchengewalt, fers 
ner durch Bedrückung ber Mächtigern, durch Ausartung des 
Adels, durch Gewaltthaten, Mord und Raub, allgemeines 
Verderbniß überhandgenommen, fo gereicht ed ben Wahlfuͤr⸗ 
fien eben fo fehr zur Ehre, daß fie endlich unter einem Ober 
baupte fich vereinigten, in welchem die alte Treue und Red⸗ 
lichke it wieder hervorgerufen wurbe. Rubolf ging in Allem, 
auch was er nachher für fein Haus that, ben offenen und 
geraden Weg. Im ben Reichögefhäften bezog er fih auf 8. 
Friedrich II. Was die andern Könige ohne Zuflimmung ber 
Kurfürften gethan, das hob er auf ald verfaflungswibrig. So 
in Zeutfchland. 


4. K. Rudolfs L Vertrag mit Papft Gregor X. 1). 


Im Gedränge von zwei Mitbewerbern bewilligt 

Rudolf mehr als feine Vorgänger. Gregors Ber: 

wenbung bei 8. Alphons von Caftilien und 8. Ot⸗ 

tofar von Böhmen; Zufammentunft mit Rudolf 

zu Laufanne Die Minoriten. Legter Entwurf 
eines Kreuzzuges. 


Erſt ein. halbes Jahr nad) feiner Krönung zu Aachen ſandte 1774 
Rudolf den Burggraven Friedrich von Nürnberg und ſei⸗ Apr. 


GSittich (Papagey) machen. Zur nämlichen Zeit hatte er ein großes drei⸗ 
jähriges Kameel zu Kolmar. Annal. Colmar. ad a. 1389. Die Könts 

gin ließ in den Garten ber Prebigermöndge u nr ein Stachelſchwein, 
ni chaad air Giitant, bringen. ib. ad a. 6. 


1) Hieher gehört eine nicht in ben — gekommene akademiſche 
Diſſertation: De prudentia Imp. Rudolphi I. in rebus cum curia pa- 
pali transactis, ex temporum illorum indole aestimanda, Auctore F. 
C. Le Bret, Tubing. 1788, Der Berf., Sohn des Geſchichtſchreibers 
von Italien, vormaligen Kanzlers in Tuͤbingen, ift am 24. Rovbr. 1829 


26 Bud IL Erſtert Beitcaum. Abſchnitt 1. 


nen Hoflanzler, ben Propfi Otto von St. Guido zu Speier, 
mit einem ehrerbietigen Schreiben an Papft GregorX., um 
bie gewöhnliche Anerkennung und Kaiferfrönung zu erhalten '). 
Der Papſt, mit einer großen Kirchenverfammlung zu £yon be- 
ſchaͤftigt, eilte feinerfeitö noch weniger, zu entfprechen, weil er 
noch verfchiedene Bebenklichkeiten hatte. 

Zuerſt fehlen Rudolf nicht mächtig genug, um den ber: 
abgewürbigten Thron wieder aufzurichten und, was vor als 
len Dingen gewünfcht wurde, das Aufgebot eined allgemei- 
nen Kreuzzuges durchzuſetzen. Man hatte indeffen Gelegenheit 
gehabt fich zu überzeugen, baß die Kirche unter fchwachen 
Königen auch Nichts gewinne, und der Bifchof von Dlmüs 
fagt in einem vertraulichen Schreiben an ben Papft geradezu: 
es fei doch befier ein mächtiger, wenn er auch zuweilen et 
was fchlinnn wäre?) In Abficht des Lestern wuflte man 


‚ Ion, daß von Rubolf Nichts zu beforgen feiz in Beziehung 


aber auf die erſte Bedenklichkeit fchrieb der Erzbifchof von Coͤln 
an den Papft: „Rudolf ift rechtglaͤubig ein Freund der Kirche, 
ein Liebhaber der Gerechtigkeit, ein Mann von Einſicht und 
großer Froͤmmigkeit, maͤchtig durch eigene Kraͤfte und mit vie⸗ 
len Maͤchtigen verwandt; er iſt, wie wir hoffen, bei Gott be⸗ 
liebt, hat ein angenehmes Ausſehen, iſt uͤberdies am Koͤrper 
abgehaͤrtet und im Krieg gegen Treuloſe gluͤcklich“ So weit 
wäre nun der Papft mit der Wahl der Fürften zufrieden ges 
wefen. 

Allein es waren noch zwei Gegner vorhanden, welche 
fi) ebenfalls an den Papft wandten, K. Alphons von Ca⸗ 
ſtilien und K. Ottokar von Böhmen. Jener erneuerte ganz 
ernſtlich ſeine Anſpruͤche an das Reich und an das Herzog⸗ 
thum Schwaben. Er verlangte eine geheime Unterredung mit 


als Oberſtudienrath und Oberbibliothekar in Stuttgart geſtorben. Seiner 


freundſchaftlichen Bereitwilligkeit bin ich vielen Dank ſchuldig. 

1) Das Schreiben iſt datirt aus Kotemburg von Quaſimodogeniti 
127&. Raynald. ad h. a. 

2) „malignari vellet‘“ Raynald. ad a. 1273. $. XI. Den Über 
mächtigen, ſetzt der Biſchof hinzu, nehme doch ber Tod hinweg; aber 
wenn Biele gegen einen Schwachen im Aufftande wären, ſei fchwer gu 
beifen. Er fpricht eigentlich für K. Ottokar. 


Audolfs J Bertrag mit Gregor X. v4 


Gregor, auch wegen der Verhältniffe mit Frankreich und Sa⸗ 
vopen. Segen Rudolfd Wahl konnte ex im Sinne bes roͤ⸗ 
mildern Stuhles. ſelbſt einwenden, er fei doch früher von 
Meranber IV. begimfligt, und der Streit zwifchen ihm und 
K. Richard vom römifhen Stuhl zur Entfcheibung übernoms 
men, indeffen aber buch Richards Tod von felbft entſchieden 
worden. Dittofar feinerfeits griff die Rechtmäßigkeit der 
Wahl Rudolfs an; fein Gefandter war gegen das Herkom⸗ 
men?) auögefchloffen worden. Seine eigenen Anfprüce an 
das Kaiſerthum gründete er auf. die bisherigen Berdienfte um . 
den römifchen Stuhl, befonderd “a feine zwei Kreuzgüge ge 
gen die Preuffen. 

Das Conctlium fand jedoch nicht für gut, fich. mit die⸗ 
fen Einreden aufzuhalten, es drang vielmehr in den Papfk, 
zur Ausführmg des Kreuzzuges vor allen Dingen bie Rube 
der chriſtlichen Staaten und beſonders bes teutfchen Reiches 
berzuftellen. Nun befchloß Gregor X. Rudolf alö vechtrhä- 
Bigen römifchen König anzuerkennen, zuvor aber die Verhält- 
niffe des xömifchen Stuhls nach allen Rüdfichten zu fichern. 

Er Tieß erfi ven Geſandten Rudolf in Gegenwart ber 
Väter des Conciliums und ber teutfchen Erzbifchöfe insbefondere 
die Verträge mit 8. Otto IV. und Sriebrid II. vorlegen, 
und da der Burggrav Friedrich weber leſen koͤnnte noch La⸗ 
tein verftand ?), den Inhalt deutlich erklaͤren, namentlich, daß 
jene beiden Kaifer beim Antritt ihrer Regierung feierlich ver 
ſprochen, dem paͤpſtlichen Stuhl, wie ihre Vorfahren, allen 
Sehorfam und alle Ehrerbietung zu beweifen, bie Wahlen frei 
zu laffen, auf dad Spolien= und Regalien⸗Recht zu 
verzichten, dem Papfte in Ausrottung ber Keber beizuftchen 
und der römifchen Kirche alle ihre bisherigen (namentlich auf 
gezaͤhlten) Landbeſitzungen und Rechte zu lafien, ihr dazu zu 
verhelfen und fie dabei zu ſchuͤtzen ?). 


1) das Mudoif fpäter ſelbſt beftätigte. 

2) Wie e8 zweimal bei ben Unterfchriften des neuen Vertrags bes 
merkt wirb. Raynald, ad a. 1274. $. 7. 12. Auch von Rudolfs Soͤh⸗ 
nen und andern Yürften wird bei ben Urkundenunterfchreiften baffelbe ans 
gezeigt. 
8) Dttos IV. Urkunde ift ohne Zweifel deswegen beigezogen, weil 





28 Bud IL Erſter Zeitraum. Abſchnitt 2. 


Auf diefe Verträge ober Freiheiten bed römifchen Stuhls ging 
Gregor X. zuruͤck, ohne fich auf die nachgefolgten Streitigkeiten, 
bei welchen die beiden Kaiſer bad Meifte wieder zurlicigenommen, 
einzulaffen; vielmehr fegte Gregor X. voraus, daß durch Fried⸗ 
richs H. Tod Alles wieber in den vorigen Stand gekom⸗ 
men, und dad hätte wohl genug fein mögen. Allein er fand 
für gut in Abfiht auf den gegenwärtigen Stand ber 
Dinge noch folgende nähere Bedingungen hinzuzufeßen: - 

Die Sefandten folen in Rudolfs Seele fchwören, er: 
fen, nit nur bie Güter der römifchen Kieche, fonbern auch 
die Güter ihrer Vafallen nicht einzunehmen, felbft wenn dieſe 
(wie die Städte in der Mark Ancona und im Herzogthum 
Spoleto zum Theil ſchon gethan) fich freiwillig ihm unter 
werfen wollten; zweitens, ohne Erlaubnig bes Papfles 
Feine Würbe im Kirchenflaat ober in Rom anzunehmen (nas 
mentlich die Senatonwürbe, welche die Römer fchon ein paar 
Mal an Audwärtige verliehen hatten), auch benen bie fich 
folcher anmaßen würben, nicht beizufteben, fonbern vielmehr 
dem römifchen Stuhl; drittens, unter den Vaſallen ber roͤ⸗ 
mifchen Kirche befonders ben 8. Karl von Sicilien nicht zu 
beleidigen, noch Andern darin beizuftehen; das Reich Sici- 
lien nicht anzugreifen, noch durch Andere angreifen zu laſ⸗ 
fen, noch heimlich ober Öffentlich dazu zu helfen; auch andere 
Getreuen der Kirche, welche dem Könige Karl gegen Fried⸗ 
rich, feine Erben und Nachfolger beigeftanden, beshalb . 
nicht gu beichweren,. fondern fie vielmehr zu begünftigen. 

In biefem legten Puncte wird Konradind Name, uns 
geachtet erſt ſechs Iahre feit feiner Hinrichtung verfloffen was 
ven, fo geflifientlich verfchwiegen, daß der Papft lieber Fried⸗ 
eich IL nennt, um jenen unter feinen Erben im Allgemeis 
nen zu begreifen, da doch Jedermann wuflte, daß zu K. 
Friedrichs II. Zeit Karl von Anjou noch lange nicht nach 
Italien berufen war. Bei dem allen konnte der Papft nicht 
leugnen, baß, wenn auch 8. Richard Nichts nach Konradins 


- fie voliftänbiger iſt und weil Friedrich I. nur auf das Gpolienredt, 
nicht aber auf dad Regalienrecht Verzicht gethan hatte. Wal. Eich 
A beutfche Staats⸗ und Rechts⸗Geſchichte S. 327. Anm. e. Band UI. 
©. 351. ; 


Rubotfs I. Vertrag mit Gregor X. — 


Schickſal gefragt, doch zu beſorgen ſei, ein wirklicher teutſcher 
König, der noch dazu mit dem hohenſtaufiſchen Haufe und 
mit Konradin befonders in Freundſchaft geflanden, möchte 
theils fire feine Perfon theild nach ‘den damaligen Vorſtellun⸗ 
gen von bee Obergewalt des Kaiſers über alle ändere chtiſt⸗ 
liche Fürften den Koͤnig Karl zur Rechenſchaft ziehen; ja er 
fönnte wohl auch die zuerft zum tentfchen Rei) gehörige Les 
benäherrlichkeit über Apulien wieder in Anſpruch nehmen. 

Diefe mislichen Verhaͤltniſſe hätten vieleicht mit Stille 
ſchweigen übergangen werben koͤnnen, aber Gregor X. wuſſte, 
daß er fodern Tonnte; denn Rudolf hatte in bem fchon 
gedachten Schreiben offenherzig gefagt, „er babe feinen Ge 
fandten volle Gewalt gegeben, in feinem Namen nicht 
nur Alles was feine Vorfahren geleiftet, ſondern auch Ans 
bereö zu verfprehen und. zuthun, was ber heilige 
Bater ohne Bergliederung des Reichs von Gott. 
und Rechts wegen für nuͤtzlich erachten werbe, ohne hier 
zu einer befondern Vollmacht zu bedürfen)". Alſo hatte 
Gregor nur noch dafir zu forgen, daß auch die Grfüllung 
auf's bimdigſte verfichert wurde. Deshalb ſetzte er noch bins 
zu, Rudolf folle dieſes alles nicht nur fogleich mit einem 
koͤrperlichen Eide auf das Evangelium befräftigen, ſondern 
auch bei feiner Krönung: zu Rom wiederholen. Zudem follen 
alle teutfchen Fürften fich für ihn verbirgen in ber Art, daß, 
wenn er wider Vermuthen fein Verfprechen nicht halten wide, 
fie ihm nicht beiftehen wollten. 

Die anmwelenden teutfchen Erzbifchöfe und Biſchoͤfe ges 
nehmigten bie mit ihrem Math und Beifall geführten Ber 
bandlungen, und nun thaten die Geſandten, wie ihnen bes 
fohlen war, fie gaben feierliche Zuſage und leifleten den Schwur 
in bie Seele Rudolfs. 

Dies gefchah fchon im zweiten Monat nach ber Abord⸗ 1274 
nung ber Gefandtfchafl. Dennoch ließ Gregor X. die Voll 16. Jun. 


1) Lubemwig hat deswegen bie Echtheit diefer Urkunde bezweifelts 
allein ber Erfolg beftätigt fie zur Genuͤge. Bgl. Gerbert. Cod. > 
p. 23. Baccagnt hat bie Urkunde aus dem paoͤpſtlichen Archiv. 
Lebret L c. p. 13. wiewohi Letterer bie * ausgehobenen — 
tikel uͤbergeht. 


26. Sept. 


30 Bud IL | Erſter Zeitraum. Abſchnitt 1. 
ziebung noch brei ganze Monate anſtehen. Woͤhrend berfels 


‚ben wurden bie Unterhandlungen mit Alphons forgeſetzt und 


deſſen Einreben an Rubolf mitgetheilt. Rudolf. aber ließ eine 
zweite Geſandtſchaft an ben Papft abgeben, wozu er den ers 
wählten Bifchof von Trient und feinen Geheimſchreiber, ben 
Minoriten, Deinrih von Ißni, erſah. Diefe benchmen 
bem Parfte alle noch Übrigen Zweifel, und fo entfchloß fich 
Gregor endlich, aufnochmalige Berathung mit den Cardinaͤlen, 
den Ausfpruch zu thun und Rudolf als roͤmiſchen König an» 
zuerfennen, ober, wie er ſich etwas zweideutig ausdrückt, ihm die⸗ 
fen Namen zu geben!) und ein eigenes Schreiben barüber 


an Rubolf auszuſtellen. Neben den väterlichen Ermabnungen, 


welche Gregor damit verband, foberte er zugleich ben König 
auf, fih num ungefäumt zur SKaiferfrönung bexeit zu halten, 
bamit er, wenn er berufen würbe, fobald es bie Umflände 
geftatteten, bei der Hand waͤre; indeſſen follte ex fogleich wie⸗ 
ber eine Gefanbtithaft an ihn abordnen, um mit bem Könige 
von Siciien und dem Graven von Savoyen zu ‚unterhanbeln. 

Bon diefer Entfcheivung gab der Papft auch ben teuts 
ſchen Fuͤrſten, befonders aber bem Könige Ottokar Nach» 
richt, und erinnerte diefen fich mit dem römifchen Könige durch 
gemeinfchaftliche Freunde zu vertragen, dba er nun deſſen ge 
rechte Sache zu unterflügen verbunden fei?). Allen Dttos 
tar war noch hartnädiger ald Alphons. Legterer hatte dem 
Dapfte vorgeftellt, in den achtzehn Jahren feiner Erwählung 
zum roͤmiſchen König fei er hauptfählich duch den Krieg mit 
den Arabern abgehalten worden nad; Teutſchland zu gehen, 
jest aber, da fein Sohn erwachlen wäre, wallte ex dieſem 
Gaftilien übergeben und bad Kaiſerthum antreten; babei be 
gebrte er immer noch das Herzogthum Schwaben als mütters 
liches Erbe. Rudolf gab durch die leute Geſandtſchaft dem 


1) nominare, denominationem ascribere, find bie zwei Ausbrüde 
Gregors; ob er nennen, benennen ober ernennen bamit fagen wollte, 
nahm man bei Rubolfs großer Bereitwilligkeit nicht fo genau, wie früher 
bei bem Worte beneficium, ob es Lehen oder Wohlthat heiffen follte. 
Die fämmtlichen en geborigen Actenſtuͤcke hat Raynald. beim u 
127%. SS. 6—12. und 5 

2) Raynald. ad. a. 1274. 6. 56—58, 


Rubolfs I. Bertrag mit Gregor X, 31 


Parpfte dieſelbe Auskunft, die er gleich nach feiner Wahl 
dem Alphons felbft gegeben hatte: daß nämlich das Herzogthum 
als heimgefallenes Mannlehen zum Reiche gezogen worben; bie 
legten, meiſt verpfändeten Allobien aber wären Dusch Konra⸗ 
dind Bermächtniß an die Herzoge von Baiern, feine Oheime, 
übergegangen und biefen bereits beſtaͤtigt worden. Nach Rubolfs - 
Anertennung kam. Gregor mit Alphons zu Beaucaise zuſam⸗ 
men unb flellte im vor, dab feine Partei in Teutſchland 
längft erloſchen fei usb daß es Überhaupt dad Wohl der Kirche 
und des Reichs erfobere, die Sachen beruhen zu Iaflen. Als 
phons wagte nun zwar nicht dem Papfte in's Geficht gu 
wiberfprechen; kaum war er aber nach Eaftilien zurüdiges 
kehrt, fo fehrieb er wieder an bie teutfchen und italienifchen 
Einten, daß fie ihn.gegen Rubolf unterflügen möchten. Run 
bedrobte ihn der Papft mit dem Bann, und da er auch aufs 
neue mit ben Arabern in Krieg verwidelt wurde, fo ließ er 
ſich endlich damit abfinden, daß ihm ber Papft if einige 
Zeit die Zehenten vom ben geiftlihen Gütern feines Landes 


Bon Benucaire ging Gregor X. nad) Lauſame, um fih 1275 
mit Rubolf vor ber Kaiferkrönung zu unterreben, was vor Oetbr. 
ihm wenige Paͤpſte gethan. Seine Abficht war, ihn perföns 
lich zu verpflichten und dann die nähern Anflalten zum Kueug - 
zug zu treffen. Rubolf kam mit Gemahlin und Kindern und 
einem anfehnlichen Gefolge. Da er ſchon bei feiner Krönung 
zu Aachen ben Kreuzzug zugefagt "), indeffen auch bem Papfle . 
geichzieben hatte, baß er in das Land ziehen wolle, wo bie - 
Sebeine feines Vaters ruheten?), fo nahm er mın mit fe 
feinem ganzen Gefolge dad Kreuz aus ber Hand bed heiligen 
Baterd und verfprach auf das nächte Pfingſtfeft mit 2000 
Rittern zur Krönung nad) Rom zu Tommen. Zu Lyon war 
verabredet, daß Rubolf den von feinen Gefandten befchwo- 
nen Vertrag mit einem leiblichen Eid befräftigen ſollte. Es 
wurde aber eine neue Urkunde verfafft, worin Rudolf auffer 


l 
1) Chron. Colmar. p. 40, z 
2) Gerbert. Cod. ep. L. I. Num. 18. 


22 Bud IH. Erfter Beitraum. Abſchnitt 1. 


benzöfter gebachten Beſitzungen des Kirchenſtaates auch noch 
Corſica und Sardinien demſelben zuerkannte!). 

Wie konnte Rudolf, fragt man nun mit Recht, alle Fo⸗ 
derungen bed Papftes fo gerabehin zugefteben, er der fonft 
ganz gibelliniſch geſinnt, von einem eben fo gefinnten Erz⸗ 
bifhof zum Throne berufen worden? Der naͤchſte Grund lag 
‚nicht fowehl in der Furcht vor den Mitbewerbern, bas hat 
er in ber Folge gegen Dttofar bewiefen, als. vielmehr in der 
Beforgniß, den Papft: auf ihre Seite treten zu fehen; und 
bier liegen tiefere Gründe. Rudolf feheint fchon auf dem 
Kreuzzuge gegen bie Preuffen feine Gefinnungen in Rüdficht 
auf die Kirche geändert zu haben. Er überließ fich in biefer 
Sache ber Leitung der Minoriten und ber Predigermönche, 
don welchen ein gleichzeitiger Annalift fagt, daß fie, vom päpfts 
lichen Stuhl als Stuͤtze gegen Friedrich IL und feinen Ans 
bang über alle andere Orden erhoben, einen Einfluß erlangt 
hätten, ber dem Papſte und ber Geiftlichkeit ſelbſt faft zu 
mächtig geworben ?). Bor biefen muffte alfo auch ber Erzbi⸗ 
(hof von Mainz fehweigen. Rudolf Eonnte fi) etwa damit 
beruhigen, daß die teutfchen Bifchöfe bei ber Kirchenverſamm⸗ 
lung zu &yon ebenſowohl die Pflicht gehabt den Königds 
rechten Nichts vergeben zu laſſen; allein es war ihnen nicht 
weniger erwünfcht als dem Papſt, dag Rudolf namentlicdy ben 
Verzicht auf das Spolien- und Regalien⸗Recht erneuern muſſte. 
Wenn bie Verträge von Otto IV. und Friedrich HL zum Grund 
gelegt wurden, fo konnte ed Rudolf nicht unbekannt fein, daß 
Friedrich nicht Alles bewilligt hatte was Dtto IV., und daß 
beide Kaifer nach der Befignahme des Thrones bie Verträge 
wieber umgeſtoßen. Sollte er vielleicht biefelbe Abficht ges 
habt haben? Auf keinen Fall aber iſt e8 zu rechtfertigen, Daß 
er, wie Peiner feiner Vorgänger, im Vertrauen auf den Papft 
auch noch Anderes oder Weiteres zu bewilligen fich vors 
qus bexeit bezeugte. "Den eigentlichen Auffchluß geben die 


1) Raynald. ad a. 1275. $. 38. Daß Rudolf überhaupt dem 
paͤpſtlichen Stuhle Rechte zuerkannt habe, welche biefer bis baher noch 
nicht hatte geltend machen Eönnen, ſ. Planck Geſchichte bes Papſtthums 
Ir. 1. 614. 

.2) Albert, Argent, p. 3%. 


Rudolfs l. Vertrag mit Gregor X. 33 


"Sahrbücher det Dominitaner zu Colmar: den Minoriten Hein: 
ich, Rudolf Beichtvater, der die legten Unterhandlungen 
geführt, ernannte ber Papfi auf der Zufammenkunft.zu Laus 
fanne zum Biſchof von Bafel und zum Legaten in Teutſch⸗ 
land, mit dem Befehl, die geiſtlichen Zehenten (zum Behuf 
des Kreuzzuges) einzuziehen und dem Könige Rubolf 12,000 
Mark einzubändigen, wenn er über bie Alpen ziehen würbe?). 

Mit dem allen aber hat Rudolf feinen Zweck nur halb 
erreicht: Alphons wurde zwar abgewielen, aber Ottokar blieb 


in fo behamylichem Widerfpruch, daß ed Rudolf num bach, uns... 
geachteb der Unterflügung bed päpfllihen Stuhles, auf ben - : 


ungewiſſen Ausgang des Kriegs ankommen laflen muſſte. Gre⸗ 
gor X. bat feinen Hauptzweck ‚gar nicht erreicht: denn ba ex. 
bald nach der Ruͤckkehr von Laufonne flarb, auch drei feiner 
Nachfolger nur kurze Zeit den römifchen Stuhl einnahmen, fo 
unterblieb ber ganze Kreuzzug, und die Verhandlungen find 
nur noch baburch merkwürdig, daß fie in Abficht des Mor⸗ 
genlandes zu ben lebten dieſer Art gehören. Rubolf kam nicht 
einmal nad Italien, alſo auch nicht zur Kaiſerkroͤnung, weil 
er in Zeutfchland immer alle Hände voll zu thun ‚hatte. 


5. Rudolfs Herſtellung der Reichsrechte in Ober⸗ 
teutſchland und — einer neuen Hausmacht 


(Öfterreich). 


Reichſstagsſchlüſſe zu Augsburg Rudolf beftatigt 
das Wahlrecht des Herzogthums Baiern. Auf: 
ſtand der ſchwaͤbiſchen Graven, des Herzogs Hein: 
rich von Baiern und K. Ottokars von Boͤhmen. 
Zweimaliger Krieg. Rudolfs Sieg auf dem March⸗ 
feld. Belehnung feiner Söhne mit Oſterreich. 
Kaͤrnthen kommt an Grav Mainhard von Tirol. 
Zweiter Aufſtand in Schwaben. Grav Eberhard 
son Wittemberg. 
As Ottokar vernahm, daß Gregor X. den roͤmiſchen Koͤnig 
Rudolf anerkannt habe, drohete er mit Appellation, verbot 


3) Annal, Colmar. ad a. 1275. p. 18, ’ 
Pfiſt er Geſchichte d. Teutſchen III. 3 


3 Bud II Erſter Zeitraum Abſchnitt 1. 


die auf dem Goncilium angeorbneten Kreuzpredigten unb Be 
bentreihung und nahm von feinen Biſchoͤfen das Werfprechen, 
von Niemand ohne feine Zuſtimmung Befehle anzunehmen '). 
Er zeigte überhaupt um fo größere Crbitterung, jemehr er 
bisher vom römifchen Stuhle fi begünfligt gefehn. Eben fo 
wenig hörte er auf Rudolfs Erintterungen. Da er auf bem 
erften Reichſtage zu Nürnberg nieht erfchienen war und fid 
Dagegen mit Herzog Heinrich von Baiern gegen männiglic) 
verbunden hatte”), fo lud Rudolf Beide auf einen andern 


1275 Reichstag zu Wlrjburg, dann zum dritten Mal nah Augs⸗ 
‚15. Mai hurg, wo er dad Mandat wegen Zurüdgabe der dem’ Reiche 


entzogenen Guͤter und echte erneuerte. Nun ſandten zwar 
die beiden Fuͤrſten Abgeoronete und ‚Sachwalter; fie. wollten 
aber vorerft nur die ſtreitige Wahlſtimme zur Sprache brins 
gen ’). Auffallend möchte ſcheinen, daß ungeachtet dieſes 
Streited die beiden Fürften-- einig waren: Böhmen verlangte 
die Wahlſtimme wegen des Erzſchenkenamtes; die Kurfürs 
ften hatten ‚fie dem Herzogthum Baiern zuerkannt; aber Hein⸗ 
rich war damit noch nicht zufrieben, er wollte fie allein has 
ben, -gefondert von feinem Bruder, dem Pfalzgrafen*). Ins 


‚ wiefern nun beide Zürften mit dem Ausſpruche der Kurfürften 
unzufrieden waren, konnten fie einig fein; in der That gber 
wurde der Streit um die Wahlftimme nur als Vorwand ges 


braucht, um Rudolf Mandat nicht befolgen zu dürfen. Auf 
jeden Fall befchleg Rudolf diefe Sache auf dem Reichstag 
zuerſt vorzunehmen: er ließ den Pfalzgraven Ludwig kraft 
feines Amtes vor allen Fuͤrſten, Baronen, Rittern und dem 
ganzen Volf Bericht erfiatten, wie e8 bei ben bisherigen Wahs 
len gehalten worden, und ald er biefen vernommen, gab er 
die Entfcheidung, daß den Herzogen von Baiern wegen bes 
Herzogthbumes eine von den fieben Wahlſtimmen zuloms 
me °), wodurch er zugleich bie Rechtmäßigkeit feiner Wahl 


1) Lambacher a. a. O. S. 133 ff. vgl. urk. 46. 
2) Chron. Heinr. Oetting. ad a. 1278. in Oefel, acer. T.I. 
$) Chron. Salisb, ad a. 1275. in Pez scrr. T.L 
4) Mannert Geld. Baierns I, 278 f. 
5) Lambacher a, a. D. Url. 97. 


% 


Rudolfs L Herfiellung ber Reichsrechte. 35 


betätigte. Dieler Spruch war ben Sachwaltern des Herzogs 
Heinrich aus dem fchon gedachten Grunde nicht genuͤgend, 
wiewohl ihn Rudolf offenbar in der Abficht gegeben, um 
den Herzog von dem Bimdniſſe mit dem Könige von. Boͤh⸗ 


men abzuziehen; ber Gefandte dieſes Lehtern aber, Wifhof 


Bernhard von Seccau, erhob fürmlichen Widerſpruch 
indem er in einer lateinifchen Rebe: anfing Rudolfs Wahl ' 
für ungültig zu erklaͤren, weil er und bie Wähler im päpfls 
lichen Bann geweſen (wovon boch ber Papft ſelbſt Nichts wif 
fen wollte). Schon ald Rudolf Latein hörte, fiel ex dem 
Bifchof in's Wort: „wenn Ihr mit Bifchöfen und Prieflern 
zu thun habet, möget Ihr immerhin Latein veben; fprechet Ihr 
aber mit Mir und von den Reichsrechten, fo vebet, daß Euch 
Leber verfiehen unb antworten kann." Die Fuͤrſten aber, als ſte 
Etwas von Papft und Ercommunication vernahmen, flanden mit 
großem Unwillen auf, und der Pfalzgrav wollte über den Rebe 
ner berfallen (wie fein Borfahr Otto über ven Cardinal Ros 
land), ber König nahm ihn aber in feinen perfönlichen Schu 
md ließ ihn den andern Zag abreifen., Dann hielt Rudolf 
ein Fuͤrſtengericht, welches gegen Dttolar wegen feineö Un- 
gehorfams die Reichsacht ausſprach. Um jedoch noch einmal 
den Weg der Güte zu verfuchen, fandte Rudolf den Burg. 
graven Friebrih an Dttofar, ber ihn zur Unterwerfung er⸗ 
mahnte, befonders in Abfücht ber Reichslehen *). 

Das war ber eigentliche Zweck bes augsburger Reichsta⸗ 
ges und zugleich das fchwierigfte Geſchaͤft des neuen Königs, 
die feit dem Sturze der Hobenflaufen in allen Provinzen dem 
Reiche entzogenen Güter und Rechte wieder zufams 
menzubringen. Rudolf nahm ed auf fi den Reichöfchluß 
in den obern Rheinlanden felbft zu vollziehen. Noch unſchlüͤſſig 
in Abficht des beimgefallenen Herzogtbums Schwaben, 
befegte er einflweilen bie zwei Landvogteien in bemfelben 
(ähnlich dem Kammerbotenamte zur Farolingifchen Zeit) durch 
den Sraven Albrecht von Hohenberg, feinen Schwager ,. und 


1) Ottofars Reimchronik Kap. 113. Chron. Leob. ad a. 1274, 
Chron. Salisb. ad a. 1275. Daß Herzog Heinrich nicht in die Acht ge: 
fommen, fondern von Rubolf fortwährend zur Unterwerfung ermahnt 
worden, zeigt Cambaher a. a, D. ©. 142. 

3% 


1275 
25. Aug. 


Det. 


365 Buch IE Erfter Zeitraum. Abſchnitt 1, 


durch den Graven Hugo von Werbenberg. Sie hatten den 
Befehl, die Reichörechte zu wahren und bie Heinern Stände 
gegen bie Landherren zu Tchügen. Da der Markgrav Rudolf 
von Baden fich feinen Befehlen nicht fügen wollte, belagerte 
er ihn zu Freiburg im Breisgau‘). Dies alles gefchah noch 
vor der Zufammenkunft mit dem Papfte. 

Nach der Rüdkehr von Laufanne fand Rudolf gewaffne⸗ 
ten Aufftand in Schwaben, Balern, Böhmen. Funfzehn 
fchwäbifche Graven, welche nicht geneigt waren die biöher 
etlangten Reichörechte herauszugeben, unter Leitung des Mark⸗ 
grauen von Baden und der Graven Ulrich und Eberhard von 
Wirtemberg, boten dem Herzoge Heinrich von Baiern die Hand 
und diefer dem König von Böhmen. Rudolf, um nicht in 
feinen Stammherrſchaften eingefchloffen ober vom übrigen Reiche 
abgefchnitten zu werden, befchloß ihnen zuvorzukommen und 
fie zu trennen. Mit Beifland des oberländifchen und elfaffl> 
ſchen Adeld und des Pfalzgraven Ludwig wurden zuerfl die 
ſchwaͤbiſchen Landherren gefchredt. Rubolf ließ zu Straßburg 
den Landfrieden erneuern, dann hielt er zu Kempten Reichs⸗ 
hof, um ſich zur Heerfahrt gegen Batern und Böhmen zu 
vüften; denn Ottokar fpottete nur des armen Graven von 
Habsburg und hatte auch den Burggraven Friedrich mit Ge⸗ 
ringſchaͤtzung abgemiefen ?). 

In diefer Lage war der römifche König nun -wohl bes 
rechtigt ein Reichsaufgebot zu machen, aber die ganze Wehrs 
anftalt war unter den bisherigen Parteiungen in Verfall geras 
then; im nördlichen und weftlichen Zeutfchland war Feine Neis 
gung gegen Böhmen zu ziehen. 

Sene fehwäbifchen Graven gaben auch nach dem Stils 
fland Feinen Zuzug; vermuthlich hatten fie fich dieſes vorbes 
halten. Während aber bad Aufgebot im mittlern Zeutfchland 
nur langjam ſich bewegte, fammelte Rudolf eine Kernfchaar 


1) Annel. Colmar. ad a. 1275. (Die zwei colmarifchen Jahrbücher 
in Urstis. sorr. werben unterfchieben, das exftere, kuͤrzere, als Anna- 
les, das andere als Chronicon oder auch als Pars II.) . 


2) „empot Ghunig Rubolffen ſpoͤttlich Bottſchaft.“ Hagen Ghror 
nit ©. 1086. Zum Übrigen vgl. Geſch. v. Schwaben IL, 89 ff. 


Rudolfs L Herftellung ber Reichstechte. 37 


von freiwilligen und geworbenen Sefolgen aus dem 
eberländifchen Adel, der ihn in feinen frühen: Fehden unter: 
flagt hatte. Zugleich flärkte ex fi durch Bündniffe mit den 
Rachbarn Ottokars. Der Grav Mainhard von Zirol und 
Görz, deflen Zochter Eliſabeth Rudolfs Erfigebormem, Al; 
brecht, verlobt wurde, verfprach buch Kaͤrnthen und Krain 
einzufallen. Der Erzbifchof von Saburg, von Ottokar ges 
druckt, und der Patriarch von Aquileja verfprachen gleichfalls 
gerüflet zu fein. Ungern, feit vielen Jahren im Krieg mit 


Böhmen, war nicht weniger beveit fich anzufchlieflen; zur 


Feſtſtellung des Bünbniffes nahm Rudolf den jungen König 
Radiflav und feinen Bruder, Herzog Audress von Slavo⸗ 
nien, weil fie frühzeitig ihren Vater verloren hatten, ald Söhne 
auf umd verlobte dem Lebtern feine Tochter: Clementiaz 
auch fchrieb er den Magneten, daß er für ihren Dienfteifer, 
den fie dem Könige bewiefen, bereit: fei ihnen Ehrenvorzüge 
oder Würden bed römischen Reiche, wenn fie folche begehrten, 
zu ertheilen'). Grmuthigt wurde Rudolf ferner dadurch, daß 
nicht nur die Öfterreichifchen Stände, der Gewaltherrfchaft Ot⸗ 


tofard "überbrüffig, fondern auch ein XThell des böhmifchen 


Abdels durch Briefe und Geſandte ihn einluden, fie von dem, 


mmerträglichen Joche zu befreien, indem fie ihres Theils allen 


Beifland anboten. 

Als nun Rudolf zuerft mit einer Heinen Schaar am Rhein 
binumter 309, um bie übrigen Heerbaufen an fich zu ziehen, 
fragte ihn der Herr von Klingen: „Herr, wer fol Euern 
Schag bewahren?" Er antwortete: „Ich babe keinen Schatz, 
auch fein Selb als dieſe fünf Schillinge fchlechter Münze 
bier.” — „ber womit wollt Ihr denn dad Kriegäheer ver 
forgen?'' erwieberte Iener. „Daflır wird Gott forgen”, ſprach 


Rudolf, „wie er biäher geforgt hat." Mit biefen Worten führte | 


er den Zug getroft weiter ?). 

Seine erſte Abfiht war, weil der Herzog von Baiern 
noch entgegenfland, mit dem Pfalzgraven Ludwig und dem 
Burggraven Friedrich durch Franken geradezu Böhmen anzu: 

1) Die Urkunden bei Cambaher a. a, DO, Rum. 51-6l. : 
‚2) Chron. Colmar, P. II. p. 41. 42, 








1276 
29. Mai. 


— 


38 Buch III. Erſter Zeitraum Abſchnitt 1. 


greifen und auf der andern Seite ſeinen Sohn Albrecht durch 
das Salzburgiſche mit den übrigen Verbuͤndeten in ſterreich 
eindringen zu laſſen. Indeſſen aͤnderte aber der Herzog Hein⸗ 
rich ſeine Geſinnungen, da er ſich von zwei Seiten bedroht 
und von Ottokar verlaſſen ſah. Er ſchloß zuerſt Frieden mit 
feinem Bruder dem Pfalzgraven, wobei jedoch der Hauptſtreit 
wegen Theilung der Lande und Titel, alſo auch wegen des 
Wahlrechts, auf weitere Entfcheibung ausgeſetzt blieb’). Dann 
unterwarf er fi auch dem Könige zur Lehenempfängniß, bie 
er indeflen gegen feine Ermahnungen verfchmäht hatte Ru⸗ 
dolf ließ fich bereit finden auch bier einen Freundfchaftövertrag 
anzutnüpfen: er verlobte dem Bohne des Herzogs, Dtto, feine 
Tochter Katharina und verbieß Oberöfterreih zum Braut⸗ 
ſchatz. Dagegen bezahlte Herzog Heinrich als Vorlehen 46,000 fi., 
da ed dem römifchen Könige an Gelb zu feiner Unternehmung 
fehlte, und flellte 1000 geharniſchte Reiter zu: den 2000, welche 
Rudolf mit fih führte®). 

Run war der Angriff auf Ottokar von allen Seiten frei. 
Mubolf erhielt weiten Zuzug, aufier dem Erzbiſchof von Mainz, 
von den Bilchöfen von Würzburg, Regensburg, Ghiemfee, 
dann aud von sheinifchen Fürften, Heinrich von Heflen, den 
Graven von Leiningen, Kabenellenbogen und Sponheim. Selbft 
der Bifchof von Seccau, der auf dem Neichötag zu Augsburg 
eine fo übermüthige Sprache geführt, wandte fich jetzt an die 
Gnade des Königs’). Nachdem der Erzbifhof von Salzburg 
in feinem ganzen Sprengel den Eid für Ottokar als ungliltig 
erklaͤrt, traf Rubolf bei feinem Einzug in Öfterreich feinen 
Widerfiand mehr ald zu Klofter-Neuburg und Wien. Erftere 
Stadt wurde mit Liſt eingenommen, Wien aber flnf Wochen 
lang belagert, denn fie war ohne die Burg in der Stadt noch. 
durch vier Burgen aufferhalb der Mauern vertheidigt. Als 
auch Grav Mainhard von Tirol durch Krain, Kaͤrnthen, Steier⸗ 
mark mit Verflärkung herankam, beſchloß Rudolf den König 


1) Mannerta.a.D. 8.280f. Lambach er a. a. D. ©. 163. 
2) Chron, Colmar. p. 42, 


8) Lambacher a. a. D. ©. 167 f. Auch zu dem Zolgenden lie⸗ 
fert genaue Nachweifungen. - 


Rudolfs L Herſtellung ber Reichsrechte. 39 


von Boͤhmen anzugreifen. Dieſer ſtand mit einem Heere von 
etwa 20000 Mann jenſeit der Donau, Rudolf wollte des⸗ 
wegen bie ſchon in ben rheinifchen Fehden gebrauchten Schiffs 
. brüden in Anwendung bringen. Da aber die Böhmen ſich 
fürchteten mit den Zeutichen zu fchlagen, fo ließ Dttofar 
ducch den. Bifchof Bruno von Ollmuͤtz Frieden bieten. Rubolf 
ließ ſich das gefallen. Man emannte vier Schiebärichter, 
deren Entſcheidung beide Theile fich unterwerfen follten: von - 
Seiten des römifchen Königs den Pfalzgraven Ludwig und _ 
den Biſchof Bertold von Würzburg; von Seiten des. Königs 
von Böhmen den Biſchof von DOllmüg und den Marigraven 
Dtto von Brandenburg. 

Ihr Ausſpruch war, aufjer ben gewöhnlichen Friedenbbedin⸗ 
gungen: Ottokar giebt Oſterreich, Steier, Kaͤrnthen, Krain und 
die windiſche Mark wie auch Eger und Portenau an das Reich 
zuruͤck, dagegen empfängt er vom roͤmiſchen Könige die Bes 
lehnung mit Boͤhmen, Maͤhren und was ſonſt von ſeinen Vor⸗ 
fahren auf ihn gekommen. Zur Beſtaͤtigung der Freundſchaft 
giebt Ottokar ſeine Tochter einem Sohne des roͤmiſchen Koͤnigs 
und verzichtet zugleich auf alle ſeine Guͤter und Beſitzungen 
in Sſterreich (worunter namentlich dad Erbe der Margarethe); 
Rudolf dagegen gieht eine ſeiner Toͤchter dem Sohne Ottokars 
zur Ehe und weiſet Beiden, ſeinem Sohne und ſeiner Tochter, 
je 40,000 Mark Silbers Brautſchatz an, jenem auf die Güter 
in Ofterreich, dieſer quf dad Land jenfeit der Donau. Die 
Stadt Bien wird von Rubolf zu Gnaden aufgenommen, mit 
Berficherung ihrer Rechte unb Freiheiten. In diefem Frieden 
wird auch der König von Ungern eingefchloffen, ‚fobaß es bei. 
den alten Grenzen beider Länder bleiben folle ?). 

Diefen Schiedfpruch nahmen beide Theile an. Im der 
Vertsagsurkunde ift ed nicht auögefprochen; aber Ottokars Ge: 
mahlin bat es durch ihre Vorwürfe verrathen, daß er haupts 
ſaͤchlich burch ‚bie vorläufige Derficherung, zu dem Erzfchenten: 
amte dad Wahlrecht wieder zu erhalten, zum Nachgeben bewos 
gen worden jei ’); auch fol Ottokar verfprochen haben dem 

1) Chron- Colmar. p. 44. 

2) urk. 74. bei Lambacher a. a. O. S. 111. 

8) Chron, Leob. ad a. 1276, 


A 





40 Bud II. Erſter Zeitraum, Abſchnitt 1. 


römifchen Könige mit 3000 geharniſchten Rittern zu dienen ?). 
Die Verhandlungen gefchahen im Lager vor Wien, und Ottos 
tor kam nun auch dahin, üm zu huldigen und die Lehen zu 
empfangen. Rudolf ließ die teutfchen Ritter ſtattlich gerüftet 
in zwei Reihen aufftellen, um Ottokar burchzulaffen. Als ihn 
die Fürften fragten, ob er nicht auch ben Töniglichen Schmuck 


anlegen wollte, weil der König von Böhmen mit ſtattlichem 


Gefolge, koſtbaren Ruͤſtungen und mit Gold und Edelſteinen 


bedeckten Kleidern im Anzuge wäre, ſprach er: „Der König von 


Böhmen hat oft meines grauen Rockes gefpottet, num foll ihre 
biefer auch beſchaͤmen“; und, zu feinem Geheimfchreiber: „Sieb 
mir deinen Mantel, damit der König von Böhmen meine Ars 
muth verlache. So empfing er ihn figend auf einem ſchlech⸗ 
ten Stuhle auf offener Reichöflraßez; feine lange, hagere Ges 
flalt, die Adlersnafe, den fchlichten Rod, den hoben Helm 
kannte Jedermann ?). Bttofar näherte fich, beugte das Krie 
und empfing die Belehnung. 

Nach diefee Handlung ging Dttoler zurüd in fein Land, 
äufferlich verföhnt, aber vol Unmuths im Herzen. Rudolf 
entließ das Reichsaufgebot bis auf fein Hausgefslge und traf 
fogleich näbere Anordnungen für bie eroberten Lande. Er ließ 


3. Dee einen Landfrieden auf fünf Jahre ſchwoͤren und beguͤnſtigte den 


Adel durch die Erlaubniß, ihre von Ottokar zerſtoͤrten Burgen 
wieder aufzubauen. Von ben Biſchoͤfen erhielt er Übertragung 
ber Lehen,’ welche die vorigen Herzoge von ihnen gehabt, auf 
feine Söhne: er hatte alfo bereit im Sinne bdenfelben bie 
Lande felbft zu verleihen. Doc dazu waren die Sachen noch 
.. reif ober — vielmehr noch einen neuen, groͤßeren 
ampf. 

Waͤhrend die Hſterreicher über die aufgelegte Kriegäfleuer 

unzufrieden waren, ließ Ottokar immer deutlicher merken, wie 


ſehr eb ihn veue ſich dem römifchen Könige unterworfen zu 


haben. Seine Gemahlin Kunigunde, eine Polin, machte ihm 
bittere Vorwürfe: „von ferne habe er den König Rudolf auf 
Hundeart angebellt, in ber Nähe aber fich vor ihm gebemüs 


1) Chron. Colmar, p. 44, 
2) Albert. Argent. p. 101, 


Nudolfs L Herfiellung ber Reihsrehte 41 


thigt”. Alſo brachte er eine Schwierigfeit um bie andere ger 
gen Die Vollziehung des Schiebfpruchs und ließ feine Tochter 
in ein Kofler geben. Rubolf ſandte deshalb feinen Sohn 
Albrecht nach Prag. Es wurbe ein neuer Vergleich getroffen; 
aber auch gegen biefen wuflte Ottokar bald wieder Einwen⸗ 
dungen. Über Verhandlungen und gegenfeitige Gebietsan⸗ 
giffe, da Rudolf das Land. jenfeit der. Donau wieber zu⸗ 
thelnahen, verfioß ein Jahr, bis Ottolar wieber förmlich. den 
Fehdehandſchuh hinwarf. Bugleich verfuchte. er bie ſterrei⸗ 
der aufzuwiegeln und den König von ungern auf feine Seite 
zu ziehen; man glaubte, ex habe Leute gebungen, Rubolf heim⸗ 
Ih aus dem Wege zu räumen. Auch fanbte er zu den rheis 
nifhen Finften und Ständen, daß fie dem roͤmiſchen Könige 
nit zu Huͤlfe kommen oder. ihn ebenfalls angreifen ſollten. 
Herzog Heinrich von Baiern, immer wanfelmüthig und un 
zufrieden, trat wieder öffentlich auf feine Seite. 

Wirklich kam Rudolf durch diefen neuen Krieg in Verles 
genheit; er fandte Eilboten an bie rheinifchen Stände und 
tieß fie dringend um Hülfe mahnen. Seit feiner. Abwefenbeit 
aber waren hier wieder fo viele Fehden ausgebrochen, daß 
Albrecht, fein Sohn, den er zum Landgrav des Elfaffes bes 
fiellt Hatte, Fein allgemeines Aufgebot zu Stande bringen 
fonnte. Doc thaten die einzelnen Freunde, was fie vermoch⸗ 
ten. Rudolf wandte fih auch an den Papft Nicolaus IIL, un 
der den Bann über Ottokar und feine Anhänger ausfprach, San. 
dagegen aber Nachgiebigkeit in Anfehung ber Reichsrechte in 
Stalien verlangte '). Mit dem Könige von Ungern erneuerte 
Rudolf auf einer perfönlichen Zuſammenkunft das Buͤndniß 
unb erhielt 14,000 wohlgerüflete Ritter unter bed Könige 
eigener Führung. In Öfterreich, Steier und Kärnthen fams 
melte er felbft Schaaren und bewog die Wiener, welche bes 
reits einen neuen Herzog wählen wollten, bei ihm auszuhar⸗ 
ren, indem ex feinen Leuten möglichfie Schonung gebot und 20. 4. 
die Stadt, nach König Friedrichs IL Vorgang, wieder zur Jun. 
Reichöftadt erhob ?). Endlich kam auch ber erwartete Bus 


1) Raynald. ad h. a. 
2) Lambacher a. a. O. ©. 218. 


33 Buch HI. Erſter Beitraum, Abfhuit 1. 


zug aus ben Rheinlanben, auf welchen er beſonderes Ver⸗ 
trauen ſetzte. Biſchof Heinrich von Baſel brachte mit dem 
Schirnwogt 100 Helme auf; zu dieſen gefellten fi) 100 ans 
dere unter dem Graven Albrecht von Hohenberg; auch gaben 
mehrere oberländifehe Städte Mannfchaft, weiche mit jenen 
nicht ohne Gefahr. durch Baiern hinabzogen. Bei ihrer Ans 
kunft ermuthigte füh Rudolf, ob. er gleich ſchwaͤcher war als : 
Dftolarz; fobalb fie ber Ruhe gepflegt hatten, am dritten Zage, 
zog er mit feinem ganzen Heere über bie Donau auf das 
Marchfeld, wo Ottokar in gewiſſer Hoffnung bed Sieges 
bereit war ihn zu empfangen. 
Dieeſer theilte feine Völker in drei Schlachthaufen: der 
eine beftand aus mehreven taufend cumaniſchen Huͤlfsvoͤlkern; 
bee andere war and verfchiebenen Leuten zufammengefekt; ins 
britten führte er ſelbſt 900 wohlgerüftete Ritter; das Feldzeis 
chen der Boͤhmen war gruͤn mit weiffem Kreuz 
Rudolfs Heer führte rothe Kreuze in weiflem Selbe (bie 
Öfterreichifche Farbe); er theilte ed auch in drei Haufen und 
‚ hätte gern gewollt, daß die Ungern ben Angriff auf bie wils 
ben Cumanen machten. Den zweiten Haufen führte er felbft 
gegen die Schaar bed Königs von Böhmen; zum Hinterhalt 
beftimmte er 300 wohlgerüftete Ritter, auf die er fich befons - 
4278 derö verließ. Das ganze Heer beichtete und bereitete fich zum 
35. Aug. Tode. Es war den Tag nah St. Bartholomäus. 
Ze As die beiden Schlachthaufen in der Fruͤhe langſam und 
26. Aug. ſcheu gegen einander ruͤckten, begann ber tapfere Biſchof Hein⸗ 
rich von Baſel den Schlachtgeſang, und Rudolf zu Rhyne, 
Ritzer von Baſel, erhob ſeine Stimme ſo ſtark, daß es durch 
beide Heere ſchallte. Das Feldgeſchrei war: „hie roͤmiſch 
Reich alle Tag”! Ein ſchwaͤbiſcher Dienſtmann des Biſchofs 
von Baſel, Heinrich Schorlin, von feinem unbaͤndigen Pferde 
Hingerifien, flürzte zuerft auf die Böhmen. Nun gab Rudolf 
Das Beichen zum Angriff. Er felbft hatte einen geringen, vos 
fligen Harnifch angelegt, ohne alte Zeichen, weil er wuflte, 
daß Dttolar ihm nach dem Leben trachten ließ. Als fein erftes 
Treffen zurüdgebrängt wurde, berief er den Hinterhalt und 
brach in den Mittelpunct des feindlichen Heeres. Da traf 
ein ruͤſtiger Böhme auf ihn, der ihn Überall gefucht hatte, und 


“ 


[4 


Kudolfs I. Herflellung ber Reichsrechte. 48 


ſtach fein Pferb, weil er feinen Harniſch nicht durchbohren 
fonnte: Rudolf fiel zur Erbe, bedeckte ſich aber mit feinem 
Schilde, bis die Meiterei über ihn weggefegt hatte Dann 
erhob er fich ſchnell auf ein anbered Pferd, trennte bie Boͤh⸗ 
men und griff ihe Sintertreffen au. Jeder Theil rief: „fir 
fliehen‘ I eine gewöhnliche Kriegslift, um die Verwirrung ber 
Beinde zu vermehren. Aber je mehr bie Böhmen riefen, beflo 
heftiger fielen die Stöße der Teutſchen auf fie, bis endlich ihr 
ganze Heer flüchtig wurbe. Ottokar, von einem geringen 
Solbaten gefangen und ausgezogen, ward non einem Steier⸗ 
märker, deſſen Bruber er fchmählich getöbtet, burchflochen !). 
Alſo verlor Dttolar Sieg und Leben faft an demſelben 
Zage, ba Konradin zehn Jahre früher bei Tagliacozzo geſchla⸗ 
gen. worben ?). Bon felbft bringt fi die Erimmerung auf, 
bag Dttolar damals Karl von Anjou aufgefodert Konrabin 
und Friedrich nicht leben zu laffen, weil er Öfterreich zu vers 
lieren fürchtete °). Und wiewohl Papft Gregor X. von Rus 


dolf das Berfprechen genommen, an Karl unb feinen Anhaͤn⸗ | 


gern Beine Rache zu nehmen, fo kam nun doch biefer Tag 
auch über. Ottobar, fogar mit Beiſtand des Papftes Nico 
aus IIL, der den Bann. über ihn audgefprochen. 

Für dad Haus Habsburg hat ber Tag auf den Mare . 
felde mehr entfchieben ald der Wahltag zu Frankfurt: er gab 
im Öſterreich. 

Nachdem Rubolf der Sitte gemäß drei Tage auf bem 
Wahlplatze geblieben, brach er auf, um in der erfien Beflin 
zung ber Feinde Auch Böhmen und Mähren einzunehmen; das 
Letztere brachte er wirkiich zur Unterwerfung; in Böhmen aber 
trat Ottokars Schwefterfohn, Otto der Lange, Markgrav von 
Brandenburg, an die Spige dev Gefchäfte, derfelbe der. dem 
erſten Frieden vermitteln half: er uͤbernahm die Vormunbfchaft 
über Dttolard achtjährigen Sohn Wenzlaw, fanımelte die zer⸗ 


1) Das Ganze hauptſaͤchlich nad) den ſchon angeführten Quellen: 
Chron. Colmar., Albert. Arg., Ottokars Reimdronit: u. Hagen. 


2) 33. Aug. 1268. Daß der Bartholomäustag den B., 24., 5. 
Auguft gefeiert worden, f. Augufti Aterthämer LIT, 281. 


8) Hagen in Pex scır. T. II. p. 1075. 





x 


4 Bub III. Erſter Beitraum. Abſchnitt 


ſtreuten Streitkräfte und zog Rudolf entgegen. Da warb denn 
bei Collin ein neuer Vertrag zwiſchen den beiden Haͤuſern ge⸗ 
ſchloſſen. Statt der erſtern Wechſelheirath willigte Rudolf in 
eine dreifache Verbindung. Rudolfs Tochter Juta ſollte ſei⸗ 
ner Zeit mit dem jungen Koͤnige Wenzlaw, und deſſen Schwe⸗ 
ſter Agnes mit Rudolfs zweitem Sohne gleiches Namens, 
dann Hedwig, eine andere Tochter Rudolfs, mit des Mark⸗ 
graven Bruder, auch Otto mit dem Zunamen ber, Kleine, 
vermähblt werben. Dabei beftätigte Rudolf dem Könige Wenz⸗ 
lam Böhmen und Mähren, und dem Markgraven Otto dem 
Langen die Vormundſchaft. Für die Kriegöfoften aber muflte 
ihm bie Narkgravſchaft Mähren auf fuͤnf Jahre uͤberlaſſen 
werben '). h 

: Nach diefem Sieg und Frieden, ben Rudolf durch Stifs 
tungen verberrlichte, kehrte er nach Wien zuräd und traf Ans 
flalt auch den Herzog Heinrih von Baiern wegen feines 
abermaligen Abfalle8 zu züchtigen. Diefer fandte aber feinen 
Sohn Otto, Rubolfd Zochtermann, und ließ um Gnade bit: 
ten. MRubolf verzieh und beftätigte dem Herzog feine Lehen. 
Dad Land ob ber End, das er für den Brautichat feiner 
Zochter werpfändet hatte, nahm ex zwar zurück, trat aber an 
Otto einige Grenzfläbte ab ). 

Das Herzogthum Öfterreich mit den dazu gezählten Fürs 
ftenthimern hatte nun König Rudblf zu feinen und des Reichs 
Handen gebracht, aber die weiteren Verfügungen Über biefe 
Lande erfoderten reife Berathung. Cr wollte fie nicht unter 
feiner unmittelbaren Verwaltung behalten, weil Die Reichöge: 
fee dagegen waren, wiewohl er ſich auf ben Vorgang Kaifer 
Friedrichs II. berufen konnte; feine Abfiht war fchon bei der 
erfien Beſetzung, feine Söhne bamit zu belehnen; dabei blieb 
er, doch mit Beobachtung ber Gefege unb ohne die Rechte 
Anbexer zu kraͤnken. 

1279 Hierzu gefhahen folgende Schritte: fürs erſte hielt er 
einen Gerichtötag unter feinem Vorſitze von Zürften, Graven 
und Freien bed Reichs, wie auch von Dienfimannen und Land: 


ı Hist, austral. ad a. 1273. Hagen a. a. D. 
2) Chron, Salisb. ad b. au. Ger. de Roo. L. I. p. 33, 





Rudolfs k Gründung einer Hausmaht 456 


leuten zu fterreich und Steier, worauf das Urteil erfolgte: 
daß der roͤmiſche König ober. der ben er benfelben Lauben 
zum Herm geben würde, alle Büter, weiche ber letztoerſtor⸗ 
bene Herzog Friedrich (vom babenbergifchen. Haufe) in. feiner 
Gewalt gehabt, in Befitz nehmen, biejenigen aber, welche on 
die Güter irgend Anſpruͤche haben, folhe in Zeiten auf dem 
Rechtswege ausfuͤhren folen. °  . « 

Dieſes Urtheil geht zuruͤck auf bie Anorduung Raifer 
Friedrichs IL, nach welcher bei dem Anfall des Fliftenthumes 
an das Reich, nach Herzog Friedrichs Dede, den Alodialecben 
ihre Rechte vorbehalten blieben.: Diefe waren nach nicht. ganz 
befriedigt, namentlich -Agnes7 des verfiorbenen Herzogs Bru⸗ 
derstochter, zuetſt mit Herzog Ulrich von Kaͤrnthen, jest. mit 
Grau Ulrich von Hermeberg vermaͤhlt. Ottokar ‚hatte Fe zwar 
mit einer geringen Abfindung zum MWerzicht gebracht; fie er 
Härte diefen aber fir abgebrungen und erhielt bean :noxh vom 
K. Rudolf 6000 Dark zur Entfchäbigung ’). 

Indeſſen bewarben ſich mechrere Fuͤrſten um bie Seleh⸗ 
nung mit den oͤſterreichiſchen Art: zuerſt Pfalzgrav Lu d⸗ 
wig, Rudolfs Schwiegerſohn, et ſech vielfältig um ihn und 
das Reich verdient gemacht, dem er auch ſchon bei der erſten 
Einnahme zugeſtanden hatte, auf den Fall feines. Ablcbens 
kraft des Reichsvicariats die Lande mit allen Nutzungen zu 
verwalten?)3; dann Grav Mainhard von Goͤrz und Tirol, 
deſſen Gemahlin Agnes eine Bruders Enkelin des Herzogo 
Friedrich vom babenbergiſchen Hauſe und Schweſter des un⸗ 
glücklichen FZriedrichs von Baden war, hatte durch ſeinen 
Zuzug nicht wenig zu der Einnahme von Öfterreich geholfen; 
endlich wagte auch Herzog Heinrich von Baiern Anfprüche 
zu machen, nicht fowohl für fi als für feinen Sohn Dtto, 
Rudolf Schwiegerfohn. Wiewohl nun dee König die Bers . 
dienſte von jenen gern anerkannte, fo hielt er fich doch übers 
zeugt, daß er ſelbſt die Hauptfache gethan, daß er bei gerins 
gem Beifland vom Reich vorzüglich mit ben Hausgefolg⸗ 


1) Lambacher a. aD. ©, 233 ff. 
2) uk. 78. bei Lambacher a. a. ©. 


6 Bud I. Erſtet Zeitraum. Abſchnitt 1. 


ſchaften, "Freunden und Bundesgenoſſen, „nicht ohne viel ° 

Schweiß und Blut”, wie ber. Pfalzgrav felbft in ſeinem 

‚nachher ausgeſtellten Willebrief zugefteht, die Lande wieder 

an "das. Reich gebracht, daß alfo ſein Haus die erften An⸗ 

ſpruche darauf: zu machen habe. Doch wollte er nicht ſelbſt 

entſcheiden, ſondern die Sache auf einem beſonderen Reichs⸗ 

tage zu Augsburg vornehmen laſſen. Das war ber zweite 

Schritt , dem er that. 

Waͤhrend dieſer Zeit luchte er die Einwilligiung der Kur⸗ 

1280 fuͤſen vom zedem beſonders, zu erhalten. Sein Schwieger⸗ 

= Sul. ſohn, Herzag Albrecht von Sachſen, und Markgrav Otto vom 

Brandenburg waren die Erfien welche die erfobexlichen ar 
gaben. Gegen. fünf Iahre verweilfe Rudolf in Öfterreich, bis 

die Angelegenheiten des Landes georbnet, waren. ‚Dann Übers 

trug er die Statthalterſchaft, weil die Rheinlande feine Ges 

genwart deingend erfoderten, feinem diteflen Sohne Albrecht, 

mit Beiorbnung eined Rathes von funfzehn Landherren. Auf 

1981 dem Neichstage zu Nürnberg warb vorläufig ‚auf feinen Ans 

9. Aug. trag eimflimenig der Beil: gefaßt, daß Alles was nach 

x K. Friebrichs II. Abfehung von Reichsguͤtern durch K. Richard 

ober · deſſen Vorgänger ohne ˖Bewilligung ber Kurfuͤrſten vers 

geben ober veräuffert worden, ungültig.fepn ſolle. Darunter 

war denn eigentlich Öfkerreich gemeint, welches K. Richarb 

ohne. vie Kurfürften dem Ottokar verliehen hatte. Nachdem 

Rudolf indeffen auch von ben übrigen Kurfürfien die Willes 

driefe zu Gunften feiner zwei dlteren Söhne, Albrecht und 

Rudolf, erhalten), berief er den beichloffenen Reichstag 

1282 nach Augsburg. Ed war am Schluffe deſſelben Jahres, da 

Dec. Karl von Anjou durch die Veſper den Befis von Sicilien und 

80.März)der Papft zugleich die Oberlehensherrlichkeit verlor. Der roͤmi⸗ 

fche König, feine zwei Söhne zur Seite, eröffnete den Für: 

ften und Ständen: „Was er dem Reiche gebient babe, das 

fei, nächft Gott, hauptſaͤchlich durch diefe feine Söhne hier 

gefchehen; darum wäre es billig, daß fie Fuͤrſten würden, 

damit fie dem Reich ihren Dienft deflo baß beweifen möchs 


1) Der bes Pfalsgraven Ludwig ift vom 22, September 1282. urk. 
105, bei Lambadher a. a. O 





Audoifs 1. Sründung einer Hausmadt. 47 | 


ten’: umd ob er gleich, fagt er in bem Belehuungdbriefe '); 
als König Über die Geſetze erhaben fei, fo habe er ſich doch 
denfelben unterworfen und wolle mım, mit Verwilligung ber 
Aurfürften, dieſe beiden Söhne mit den Herzogthuͤmern und 
Shrftenthümern Öfterreich, Kaͤrnthen, Steiermark, Krain und 
windifeh Mark feierlich belehnen mit allen Den Gütern, welche 
bie vormaligen Herzoge, Leopold ımb Friedrich, kann 8% Ot⸗e 1982 
tokar rechtmaͤßig darin beſeſſen. So empfingen ‚fie dann Die 27. 
feierliche Belehnung mit. ben Fahnen. Um :aber. den Graen 
Mainhard über ſeine Anfockche zufrieden zu ſtellen, ‚gaben 
fie, nach dem Bunfche Rudolfs noch vor Abfaſſung des der 
henbriefes, das Herzogthum 8 äruthen wieber in feine Haud 
wrüd, um ſolches an Nambarb zu verleifen. Nur Herzog 
Heimich von Baiern ging wieder misverguitgt und, wie es 
ſcheint, ohne ſeine beſondere Cinwinigung gegeben u haben, > 
vom Reichstage hinmeg: 

So wurden: denn bie Graven don Habsburg und Ki; 
burg umb.Landgraven des Elſaffes durch bie Verleihung der 
oͤſterre ichiſchen Lande gs Reichs fürſten hoben. Nur. 
Kaͤrnthen kam wieder wie in früheren Zeiten, jedoch mit 
Baminderung ?), unter einen eigenen Fürften: Zur nämlichen 
Zeit, woabrfcheinlich auf dem augsburger Reichätage, bedacht 
Rudolf auch feinen natürlichen Sohn, Albrecht von Schens 
tenberg, ben ex mit einer Unbefannten, Ita, erzeugt hatte *), Ä 
und berlich ihm die vom — Würzburg erkaufte Gra⸗ 


1) urk. 106. ebend. 


2, Wenigſtens hat das k. k. Archiv keinen Willebrief vo von — um 
die Zahl von fieben vol zu machen, hat Rudolf ben Herzog Johann von 
Sadyfen = Lauenburg, des obengenannten Albrecht Bruder, auch kinen - 
Brief ausftellen,, alfo das ſaͤchſtiche Haus doppelt ——— laſſen. Lam⸗ 
bacher a. 0. O. ©. 256. 

I) Die Güter weldhe die vorigen Herzoge von Kärnten in Krain 
aus Steiermark befaßen, wurden bavon getrennt. Dagegen hatte 
Moinhard aud Güter dafelbft. 

4) Im Jahr 1287 machte diefer Albert nebfl‘ feinee Gemahlin 
Euitgarde, auf Veranlaffung K. Rudolfs, eine Vergabung an das 
Aoſter Lichtenftern zu einem Sahrestage feiner Mutter Ita. Ga: 
beilofers Sammlung im koͤniglichen Archiv zu Stuttgart. ' 


8 Bud DI Erfter Zeitraum Abſchnitt 1. 


ſchaft Loͤwenſtein, wozu er kurz vor feinem. Tode, weil er ibn 
liebte, noch andere Güter hinzuthat. Die Kurfürften hatten 
ihm 600 Mark jährlicher Einkänfte verwilligt). 

Bei ber Öfterpeichifchen Belehnung hatte fi) Rubolf vor 
Behalten mit. Zuftimmmng feiner. Soͤhne die meiteren Verfüͤ⸗ 
„ungen tiber die Sande zu treffen, wie es die Umſtaͤnde erfo- 
v.. ben winben. Da nun bald hernach ber Abel und die Städte 
bdurch ihre Botfchafter vorſtellen lieffen, daß ed nicht gut fei 
1283 gweien Hercen zu dien, fo heichloß er zu Rheinfelden aus 
LJun. gäterlicher Gewalt und vorbehaltner Macht, zur Erhaltung des 
Friedens unter ſeinen Soͤhnen und in jenen Landen, daß dieſe 
den Herzog Albrecht allein als ihren Herrn erkennen und 
ihm gehorchen ſollten, To doch daß, wenn Rubolf nicht in⸗ 
— virr Jahre mit einem andern Reiche oder Fuͤrſten⸗ 
thume verſorgt fein wirde, Albrecht ober feine männlichen 
Nachkommen demſelben eine große Summe Geldes entrichten, 
im Fall aber Mbrecht ohne männliche: Erben abgeben wiürbe, 
die Lande an ihn fallen follten. Gleich darauf erneuerte und 
11. Sun. beftätigte Rubolf, auf Bitten feiner. Söhne und ber „Beflen 
des Landes”, die alten Freibeitöbriefe des Herzogthums, welche 
feine Vorgänger am Reich gegeben, en 8. Heinrichs IV. 
(1058) Brief fürn den Markgraven Ernſt von Öfterreih (worin 
auch angebliche. Briefe der heidnifchen Kaifer Iulius und Nero 
angeführt find); dann K. Friedrichs I. Brief, welchen er dem 
(1156) „großen Zürften” Heinrich, erſtem Derzege zu Öfterreich, 
verliehen; zulegt auch K. Friedrichs II. Gnadenbrief, welchen 
Rudolf noch im Gravenflande ald Zeuge unterfchrieben. Ins⸗ 
(1245) befondere ift die ſchon von K. Friedrich I. ausgeſprochene Uns 

theilbarkeit der Lande baburch beftätigt worden ?). 
| Mas für ein Reich oder Fürftentbum Rubolf feinem zwei⸗ 
ten Sohne einzugeben im Sinne gehabt, ob er die Stamm⸗ 
berefchaften im Nargau mit dem Überreſte des Herzogthums 


1) Kremer von ben Graven von Löwenſtein in Act. Acad. Palat. 
T. I. p. 828 gg. Über die Burg Schentenberg im Xargau f. die 
Schweiz in ihren Ritterburgen 2c. v. Hottinger u. Schwab, I, 163, 
nebft einer Abbildung. 


9) tamba her a. a. D. &. 277. Anhang, Url. 108. 109. 


Rudolfs I. Sründung einer Hausmacht. 49 


Schwaben, ober Burgund, oder Böhmen gemeint, laͤſſt ſich 
a3 Mangel an Nachrichten nicht beflimmt fagen, ‚oder Ru 
dolf wuſſte es damals ſelbſt noch nicht. Auf jeden Fall fand 
ex in den vordern Landen weit mehr Hinbemiffe für feine 
Hausentwürfe als bei Öfterseih. Mehr ald vier Jahre, in 
welchen ‚Herzog Rubolf verforgt werben follte, gingen vorüber; 
e flarb ein Jahr vor feinem Vater, ohne ein eigenes Für: 1290 
fienthum erhalten zu haben ). 

Während K. Rudolf in Öfterreich verweilte, hatten fich 
in den vordern Landen, wo Fein mächtiger Fuͤrſt gebot, faft 
alle Bande geloͤſt. Die zahlreichen groͤßeren und kleineren 
Staͤnde zerfielen in unendliche Fehden. Er hielt deswegen 
nacheinander vier Reichsſtage zu Regensburg, Nuͤrnberg, Mainz 1281 
und Worms, um ben Landfrieden wieder aufzurichten, auch 1282 
zog ex ſelbſt gegen bie Unruheſtifter. Zum zweiten Male bes 
lagerte er ben Graven von Zreiburg in diefer Stadt. Nach 
dem augsburger Reichötage eilte er dem Bifchof Heinrich von 
Bafel zu Hülfe, welchem der Grav Rainald von Mömpels 
gardt Brundruff genommen. Nach einer Belagerung von ſechs 
Wochen wurde biefe Stadt wieder erobert, und Raynald muffte 4983 
fih mit dem Bilchofe vergleichen. Dann gerieth Rubolf-mitis. April. 
tem Graven Philipp von Savoyen in Krieg, wovon unten 
das Weitere folgen wird. Die rheinifchen Städte ließ er noch: 1284 
mals zu Worms den Landfrieden fhwören. In Schwaben 29. Ian. 
zerflörte er mehrere Raubburgen. Dennoch waͤhrten die Unru⸗ 
hen fort. Die Stadt Kolmar im Elſaß, oft durch ſeine 
Gegenwart beehrt, widerſetzte ſich doch mehr als einmal, 
wenn er zu den vielen Kriegszuͤgen auſſerordentliche Steuern 
erhob. 

Nach einem zweiten Reichötage zu Augsburg, wo zwi⸗ 
ſchen dem neuen Herzog Mainhard von Kaͤrnthen und ſeinem 
Schwiegerſohn, Herzog Albrecht von Öflerreich, ein Erbvertrag 
richtet worden, flanden die fehwäbifchen Graven wieder auf, . 


1) Chron, Colmar. ad h. a. Mubolf heifft hier Dux Alsatiae, was 
vermuthlich daher kommt, daB ihm fein Vater einſtweilen bie befondere 
Serwaltung der Landgravichaft Elſaß und der Be — 

ubertragen hatte. 
| Hfifter Geſchichte d. Teutſchen. II. 4 


50 Bud ID. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 1. 


zugleich mit dem Abte Wilhelm von St. Gallen aus dem 
montfortiſchen Hauſe. Sie hatten die beiden Reichstage zu 
Augsburg nicht beſucht und beſorgten ohne Zweifel, der Koͤnig 
werbe, nachdem er Oſterreich an fein Haus gebracht, auch das 
Herzogthum Schwaben wieberherftellen. Allerdings hatte 
er die erfien Reichsburgen, Hohenftaufen und Achalm, 
an fich gezogen und bie Staͤdte und Kloͤſter durch feine Land⸗ 
voͤgte in beſonderen Schutz genommen, ihnen auch bei ſeiner 
öfteren Anweſenheit weitere Gnadenbriefe verlieben. Jene 
Graven aber verweigerten hartnaͤckig die Zurldigabe ber an 
fi) gebrachten Reichsguͤter und Rechte, und bedraͤngten auf 
vielfache Weife die zwifchen ihren Gebieten gelegenen Stäbte. 
An ihrer Spige fland Grav Eberharb von Wirtemberg, Ver: 
wanbter bed Königs‘). Die beiden Häufer Habsburg und 
Wirtemberg find, wenn man von ber Erbauung der Stamm= 
burg oder von ber Benennung nach berfelben zählt, ungefähr 
von gleichem Alter (aus dem eilften Jahrhundert), laſſen ſich 
aber auf zwei Hauptlinien ber erfien Gravenhäufer am Bo⸗ 
denſee zuridführen, wovon bie eine bem altherzoglichen 
Daufe, nachher Gibellinen, die andere den Welfen an⸗ 
gehört 2). Unter den Parteilämpfen feit K. Heinrich IV. 
find die Häufer oft unter fich felbft zwiefpaltig geworden, unb 
ihre Linien haben balb dieſe bald jene Seite gewählt. Die 
Graven von Wirtemberg waren wie bie Habsburger dem aus 
ihrer Mitte erhobenen bohenflaufifhen Haufe treu ergeben. 
Als aber Papft Innocenz IV. den Bann über 8. Friedrich II. 
ausfprach, traten bie Graven von Wirtemberg auf die welfis 
ſche Seite, während Gran Rudolf von Habsburg, troß des 
Banned, an der Spike der Gibellinen blieb. So beflans 
den längft zwei Hauptparteien in Schwaben, und es erhob 
- fi ein neuer Gegenfag, als K. Rubolf die Reichsrechte zu⸗ 
rüdfoderte. Die. miövergnügten Graven zerfielen mit Rubolfs 
Landvoͤgten; auch über befondere Hausfiveitigfeiten lagen fie 
faſt immer gegeneinander in Fehde. 


1) Chron, Colmar. ad a. 1286. 


2) Was bier angebeutet ift, ſoll feiner Belt in einer eigenen Ab⸗ 
banblung ausgeführt werben, 


Rubolfs I. Gründung einer Hausmacht. 51 


Run befchloß Rudolf ſelbſt zu den Sachen zu thun. Rah 
enem Thaͤdigungstage zwifchen den beiden Parteien zu Eßlin⸗ 1236 
gen berief er den Graven Eberhard von Wirtemberg mit feis 
nem Bunbesgenofien, Grau Ulrich von Helfenflein, nach Ulm 
mb machte eine Sühne, worin ber Letztere auch bie Heeres⸗ 
folge zum Roͤmerzuge verfprah. Da der Friede aus unbe 
kannten Urfachen wieder gebrochen wurde, ftellte ſich Rudolf mit 
feinen beiden Söhnen und dem Burggraven Friebrich von Nurn⸗ 
berg an die Spite eines ſtarken Aufgebote8 und belagerte ben _ 
Graven Eberhard in feiner ziemlich feften Stadt Stuttgart. 
Nach zwei Monaten unterwarf fi) der Grav burch Bermitt⸗ 

Img Heinrichs von Ißni, jebt Erzbiſchofs von Mainz; er 
umnfite die Stabt übergeben und ihre Mauern brechen. Im 
kurzer Zeit ſtellte er aber die Mauern ber und griff wieber zu 
den Waffen, gleichzeitig mit bem Markgraven Hermann von . 
Baden, der ebenfalld gegen bie hohenbergifche und haböburgifche 
Partei die Fehde erneuert. Grav Eberhard Fonnte fich immer 
noch nicht daran gewöhnen vor einem Könige ſich zu demls 
thigen, der vor nicht langer Zeit feines Gleichen’ geweſen; fpäs 
ter gab er noch deutlicher an ben Tag, daß er fi) nicht we⸗ 
niger fähig hielt den Thron einzunehmen. Jetzt war fein 
Vahlſpruch: „Gottes Freund, aller Welt Feind‘! 

Rudolf ließ alfo nochmals bad Meichdaufgebot ergehen 
mb unterſticzte befonderd die Stabt Eßlingen, welche ſich 
muthooll gegen den rüfligen Nachbar vertheidigte. Er ſelbſt 
brach ihm eine Anzahl Burgen im Umkreiſe von Stuttgart. 
Nachdem er flır die rheinifchen und fraͤnkiſchen Lande zu Mainz 
un Würzburg das Friedensgeſetz erneuert und mit ben nöthi 
gen Sufägen verfehen hatte, kam et wieber mit dem Exzbifchof 
von Mainz nach Eßlingen, um Eberhard mit feinen Anhin 
gem zur Ruhe zu bringen. Die Bedingungen waren: daß 10. Nov. 
Sherhard dem Reiche getreu fein und demſelben wiedererſtat⸗ 
in wolle, was er wider daffelbige gethan. Ebenfo folle er 
v8 Reiches Bürgern, Chriflen und Juden, ihre Foberungen 
anrichten nach dem Ausſpruche der Schiebörichter. Zur. Sie 
cherung des Friedens aber muffte er drei Burgen in jener 
Hände übergeben. Auf gleiche Bedingungen auch der Grad von 

Helfenſtein. Nur der Abt von St. Gallen blieb unverfähnt 
4r 


/ 


52° Bud DL Erfter Zeitraum. Abſchnitt 1. 


und wollte lieber das Land meiden ald Rubolfs Foderungen 
erfüllen‘), 

So viel Mühe hatte 8. Rudolf, um in ben Stammlan⸗ 
ben des legten Kaiferhaufed ben langen Fehdezuſtand zu un⸗ 
ierdruͤken und flatt der Selbfihülfe gefegliche Entfcheibung 
in Übung zu bringen. Auch. darin ging Rudolf ganz auf K. 


Friedrichs IL Zeit zuruͤck, indem er deſſen Landfriedensgeſetz 


zum Grund legte; felbft alle Münzen welche nach biefem Kai- 
fer gemacht worden, ließ er abfchägen und neue unter ‚feinem 
eignen Bilde prägen ?). 

Sa allen diefen Begebenheiten iſt aber vom Herzog 
thum Schwaben oder deſſen Wieberherfiellung nicht die Rebe. 
Mach den Reichögefegen follte es, wie jedes heimgefallene Les 
ben, in Jahr und Tag verlieben werben. Dies gefchah bei 
Öfterreich, wiewohl die Frift wegen der dazu nöthigen Vorbe⸗ 
reitungen weiter hinausgefegt wurde. Seit bem Heimfall des 
Herzogthumes Schwaben aber war fchon längere Zeit verflof- 
fen, und bas machte die Wiederaufrichtung weit fchwieriger- 


‚ Ein Theil der Stände hatte indeß Freiheiten erlangt, die fich 


mit der Unterwerfung unter einen Landeöfürften nicht mehr 
vertrugen. Alfo fcheinen jegt die Wünfche ded Königs mit 
denen der Stände darin zufammengetroffen zu fein, daß bie 
Lande unmittelbar unter des Reichs Verwaltung bleiben follten, 
wie er ed getroffen, bis etwa bie Umflände weitere Anorb= 


nungen zulaffen würden. Das ift wohl auch die Urfache, dag 


Fein förmlicher Beſchluß daruͤber gefafft worben iſt. 

"Wäre das Herzogthfum Schwaben jest wieber aufgerich- 
tet worden, fo hätte es Rudolf fo wenig fir ſich ſelbſt 
behalten duͤrfen als Öfterreich. Blieb ed aber unmittelbar bei 
bem Reiche, fo erhielt dad verminderte Reichsgut wieder 
eine bedeutende Vermehrung, wie vormald in bem abgegans 
genen Herzogthume Franken; und infofern trat Rudolf doch 
auch wieder in die Stelle des legten Kaiferhaufes ein. 

Dom Jura bis an die ungerifche Grenze war nun Ober: 
teutihland, mit Ausnahme Baternd und der Bisthuͤmer, wies 


1) Das Nähere in ber Gefchichte von Schwaben. II, 5669, 
° 2) Chron. Colmar. ad a. 1274. 


Pd 


Rudolf L und bie Reihsrechte in Italien. 53 


ter mittelbar ober unmittelbar unter-dem Königähaufe. IE 
aber fchon unter den legten Hohenſtaufen in ben obern Rhein« 
landen ein befonderes Reichsgebiet gegenüber von den 
sürftenländern entflanden, fo tritt dieſer Gegenſatz nun 
immer flärker hervor und wirb eine ber Angeln, in welchen 
fh die folgende Gefchichte bewegt. 


6 Vas K. Rudolf für die Reichsrechte in Italien, 
Burgund und Lothringen gethan. 


ShwierigFeiten in Italien. Rudolfs weitere Vers 


träge mit Nicolaus II. Beftdtigung des jegigen 


Sirhenflaated. Vertrag und Familienverbindung - 

mit dem Haufe Anjou. Die Statthalter in Ita 

‚lien. Rudolf Krieg mit Savoyen und den Gras. 

ven von Burgund; Vermählung mit Ifabella von 

Burgund. Verwahrung der lothringifhen Grenze 
gegen Frankreich. 


Warend der bisher erzaͤhlten Unternehmungen Rudolfs in 
ferreih und in den Rheinlanden wurden zugleich verſchie⸗ 
dene fchwierige Verhandlungen mit dem päpftlichen Stuhl, 
mit dem ficilifhen und fran zoͤſiſchen Hofe geführt, zu⸗ 
kt auch einige Fehden auf der burgundifchen Grenze. 

K. Alphons von Caſtilien war noch nicht abgemiefen, und 
der Krieg mit Ottokar nahe am Ausbruch, fo fand auch ein 
Gegner jenfeit der Alyen auf, Karl von Anjou, König beis 
de Sicilien. Da feit Sriebrich II. oder Konrad IV. kein teut⸗ 
der König mehr in Italien fich geltend machen Eonnte, ſo 
bitte Siemens EV. in den legten Jahren K. Richarbs, nicht 
lange vor der Ankunft Konradins, das Meichövicariat und die 
Statthalterfchaft von Zofcana an Karl von Anjou Übertragen, 
koch nur auf fo lange, bis der Papſt einen römifchen König 
oder Kaifer anerkannt h winde. Wiewohl nun Lebtered 
indeſſen von Gregor X. geicheben war, fo weigerte fich doch 
Kal jene Stellen niederzulegen. Seine Abficht war Feine ans 
tar, als ganz Italien unter feine ‚Herrfchaft zu bringen und 


4 Bud II. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 1. 


alfo fein Reich von Sicilien bis zur Provence auszudehnen. 
Viele italienifche Städte hatten ihn ſchon zu ihrem Pobefla 
oder Signore angenommen. Der Papft aber, in der Mitte 
zwifchen Karl und Rudolf, Fam bald auf ben Gedanken, ben 
einen gegen ben andern zu gebrauchen, um erft feine eigenen 
Hoheitörechte weit genug audzubreiten und zu befefligen. Da 
nun Überbied ein großer Theil der italienifchen Stänbe in ber 
berrenlofen Zeit fich ald vom teutfchen Reiche unabhängig zu 
betrachten angefangen, fo hatte Rubolf in der That auf drei 
Seiten zugleich anzulämpfen, wenn er die alten Reichörechte 
und fomit das Iombarbifche Reich und das Kalferthum wies 
berherftellen follte, 
Da er wegen ber teutfchen Angelegenheiten Fein eigenes 
Heer über, die Alpen fenden konnte, fo war kein anderer Rath, 
als jedesmal die mächtigere Partei zu unterflügen, gleichviel 
ob Welfen oder Gibellinen. In Mailand flanben beide 
fhon geraume Zeit gegen einander, bie le&tere unter bem Erz⸗ 
bifhof Dtto aus dem vifcontifchen Haufe, die erflere un⸗ 
ter Napoleon della Torre. Obgleich diefer biöher mit ben 
.. Welfen auf 8: Karls Seite geweſen war, fo wollte 
er doch nicht, daß berfelbe ‚Herr über alle lombarbifchen Städte 
“ werben folte, und wandte fich deshalb mit dem Markgraven 
von Montferrat an K. Rudolf, indem er ihm durch eine Ge⸗ 
127 fandtfchaft zu feiner Erwählung Gluͤck wuͤnſchte. Rubolf ließ 
ſich das gefallen, ernannte ihn zum Statthalter und ſandte 
ihm eine Schaar teutfcher Ritter zu Huͤlfe. Alphons feiner 
- feits hatte den Gibellinen Unterflügung gegeben. Nach ver> 
1276 ſchiedenen Gefechten fchlug Napoleon, mit Hülfe der teutfchen 
Ritter, bie vifcontifche oder gibellinifche Partei und ließ Die 
Gefangenen, worunter ein Neffe des Erzbiſchofs, niebermas 
chen !). Kachegluͤhend ſammelte der Erzbifchof feine Streit: 
träfte und brachte den Zorrianern im folgenden Jahre eine 
1777 Niederlage bei, in welcher zwar Napoleon von bem Erzbiſchof 
beim Leben erhalten, aber, wie die uͤbrigen Gefangenen, in 
einen eiſernen Kaͤfig geſteckt wurde. 


9 Annal. Colmar. ad a. 1276. Vergl. Leo ESTER ber. italieni⸗ 
fen Staaten. IU, 228. 





Rudolf I. und die Reihscehte in Italien 55 


Schon vor diefen Vorfaͤllen ſandte K. Rubolf feinen 1275 . 
Kanzler und Siegelbewahrer, Rudolf von Hohened, mit dem 
Johanniter⸗Ordensmeiſter Beringer nach Italien, um in ſei⸗ 
nem Namen die Huldigung einzunehmen. Da ſie den Staͤd⸗ 
ten manche Freiheiten bewilligten, jedoch mit Vorbehalt der 
Rechte des Kaiſers und des Reichs, ſo fanden ſie meiſt guͤn⸗ 
ſtige Aufnahme '); als fie aber mit dem päpftlichen Legaten ?) 
in das Exarchat und die Pentapolis Famen, wurden fie 
von Gregor X., der eben von Laufanrie zuruͤckkehrte, abge> 
wiefen. Das Jahr darauf fandte K. Rudolf den Graven 1276 
Heinrich von Zürftenberg, um Romagna huldigen zu laſ⸗ 
fen °). Allein Papft Nicolaus II. that um fo Eräftigere Ein: 1277 
fprache *), da Rudolfs Partei in ber. Lombardei unterlag. 

Allerdings hatte der roͤmiſche König in feinem Freiheits⸗ 
brief jene Landſchaften, wie die Vorgänger, im Allgemei- 
nen bem päpfllichen Stuhle zuerkannt; bie Grenzen aber 
waren damals fo unbeflimmt als früher, und bie. Päpfte hats 
tm noch nie in den ganzen Beſitz kommen Binnen, weil ein 
Theil der Städte von jeher dem Kaifer anhing. Indeſſen 
bedurfte K. Rubolf des Papfles, fowohl gegen Dttofar ald 
gegen Karl, und mufite fich alfo ſchon zu weiterer Bequemung 
entfchlieffen. Zu dieſem Ende fandte ee den Minoriten, 1278 
Konad von Tübingen, mit neuen Vollmachten, um bie feiis 19. San. 
been Verträge zu befldtigen und Alles aufzuheben, was etwa 
der Kanzler Rudolf „ohne feine Zuſtimmung“ gethan habe. 

Diefe Bollmachten fcheinen von dem Minoriten ober vom Papfte 
ſelbſt entworfen zu fein, weil darin dem Könige an bie Hand 
gegeben ift, „zur Erleichterung feines Gewiſſens die Schritte 
des Kanzlers fir ungültig zu erklären :). Zur Dankbarkeit 


1) Sigon. Hist. Ital. L. XX. | 
2) Georgisch. regest. chronol. dipl. T. II. ad a. 1275. Lü- 
ig. Cod. Ital. dipl. IL p. 1487. Of. Lebretl. c. p. 83. 42. 

: 8) Raynald. ad a. 1276. $. 47. 48.52. Gerbert. Cod. ep. 
L. II. Nr, 40-42. In diefem Jahre fandte K. Rudolf auch den Bru⸗ 
ver Ebmund vom Predigerorben mit geheimen Aufträgen an den Papft. 
Annal. Colmar. 

4) Raynald. ad a, 1277. $. 55. 
5) Raynald. nd a. 1278. $. 45-50. 





ur 


56 Buch IM. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 1. 


ſprach Nicolaus III. jest den Bann über Ottokar aus, wie 
oben ſchon beruͤhrt worden. Da jedoch der Kanzler Rudolf 
bei ſeinen erſten Befehlen beharrte, ſo muſſte der Koͤnig, in⸗ 
dem er ſich wieder zum Feldzuge gegen Ottokar ruͤſtete, noch 
als zweiten Geſandten den Propſt Gottfried von Sulz nach 
29. Mai. Stalien abordnen, um wieberholt die Hulbigung in der Ro- 
magna zuruͤckzunehmen; ja Nicolaus III. entwarf jetzt ſelbſt 
ein genaueres Verzeichniß aller der Staͤdte und Landſchaften, 
welche zum Erarhat und zur Pentapolis für immer ges 
J 1279 hoͤren ſollten, und K. Rudolf nahm keinen Anſtand ſolches 
Sehr. nach feinem ganzen Umfange zur beftätigen. Ex übergab bie 
ſaͤmmtlichen darin genannten Städte und Landfchaften nicht 
nur im ©eiftlichen ſondern auch im Zeitlichen ganz dem roͤ⸗ 
mifchen Stuhl und that alfo auf alle Hoheitsrechte des Reichs 
Verziht. Um die Sache unwiderruflich zu machen, ließ fich 
dee Papft (wie es fonft nur bei teutfchen Reichsrechten 
üblich war) auch von den Kurfürften Willebriefe auöftellen '). 
Dies geſchah faſt in derfelben Zeit, da Rudolf die Furfürflli= 
chen Willebriefe für die Belehnung feiner Söhne mit Öfter- 
reich nachfuchte. Iene Übergabe an den päpftlihen Stuhl ift 
um fo merkwuͤrdiger, da fie den Beſtand des jetzigen Kirchen: 
ſtaates begründet, wiewohl die gibellinifchen Städte ſich noch 
lange nicht dazu bequemen wollten. 
Da K. Rübolf nicht mit Nachdruck in Italien auftreten 
Eonnte, fo muffte er dem Papfte feinen Willen thun. Dafuͤr 
nahm ed Nicolaus III. auf fih, den König Karl zum Nach- 
geben zu bringen, jedoch nicht durch ben Bannftrahl, fondern 
durch freundliche Vermittlung, wozu K. Rudolf auch feine 
GSefandten, Konrad und Gottfried, bevollmächtigte. Zuerſt 
1778 erhielt der Papft nicht ohne Schwierigkeit von. Karl das Ver: 
16, Sept. ſprechen (bald nach Rudolfs Sieg über Ottokar), Toſcana zu 
. Sept. räumen; er nahm biefes einftweilen für den römifchen König 
in Beſitz, vergaß aber nicht bei dieſer Gelegenheit ſich ſelbſt 


.1) Raynald. ad a. 1278, a 62.5 1279. $. 1-6. CA. Bod- 
mann Cod, ep. Rud. I. Nr. 77. 78. Bei ber Errichtung des Ber: 
zogthumes Mailand unter K. Wenzlam nahmen es bie Kurfuͤrſten übel, 
baß fie nicht darum gefragt worben. 


— 


Rudolf I. und die Reichsrechte in Italien. 57 


die römifche Senatorwürde abtreten zu laſſen. Dann rieth er 
eine Verbindung zwifchen beiden Häufern *). Rudolf ließ fi 1279 
hierzu geneigt finden, wie bei ben teutfchen Fuͤrſten; er best Jun. 
fimmte feine jüngfte Tochter Clementia (deren erſter Ver 
Isbter, Herzog Andread von Kroatien, indefjen geflorben war) 
dem Sohne Karls, Karl Martel. Dabei fchlug der Papft 
folgende Bertragsbebingungen vor: K. Karl folle die Gravſchaf⸗ 
tm Provence und Forcalquier, welche er nach bes lebten 
Greven Raymund Berengard Tode, ald Erbe feiner Gemahlin 
Beatrix, deffen jüngerer Tochter, in Befig genommen, als 
eroͤffnetes Reichslehen für fih und feine. Erben von dem 
Bmifhen Könige empfangen, jedoch mit Vorbehalt der Rechte 
ver Altern Tochter des verfiorbenen Graven, Margarethe, Koͤ⸗ 
nigin Wittwe von Frankreich; Rudolf folle ihm den Ungehors 
ſam gegen die vorigen roͤmiſchen Könige (wegen unterlaſſener 
kehensmuthung) · fowie die Behauptung Siciliens gegen das 
Reich verzeihen. Wenn ein Krieg zwiſchen dem Reiche und 
der Kirche entſtehen ſollte, ſo leiſte Karl der Letzteren von 
Rechts wegen Beiſtand; wenn hingegen zwiſchen Sicilien und 
dm Reiche ein Zwiſt entſtinde, fo ſolle dieſer nicht durch's 
Echwerdt, ſondern nach dem Ausſpruche des Papſtes beigelegt 
werden; wenn aber ber Koͤnig von Sicilien das Reich angreis 
fen wide, fo follen die Sicilianer ihres Eides gegen ihn ent⸗ 

- bunden fein. 

Diefer Vertrag wurde von beiden Theilen genehmigt und 1280- . 
ine eigene Urkunde von Karl darüber ausgeflellt 2). Im fols 28. März. 
genden Jahre fandte Rudolf feine Tochter über die Alpen; 1281 
Ve Iombarbifchen Städte empfingen fie mit Geſchenken; bald 
Kauf wurbe ihre Vermaͤhlung mit Karl Martell vollzogen. 

Died gefchah, während Rudolf noch in Öfterreich verweilte. 
Dort ftar auch feine Gemahlin, Anna Gertrud, aus Schmerz 


me man glaubte über die Trennung von ber geliebten 
dhter °), 


i) Raynald. ad h, a. $. 10. 

2) Raynald. ada. 1279. $. 11.5 1280. $. 2 299. Leibnit. 
m. Cod, jur. gent. p. 20. 

3) Chron. austr. plen. ad a. 128]. 


58 Bub DI Erfer Zeitraum. Abſchnitt 1. 


Nach den beiden Verträgen mit bem Papfte unb dem 
Könige von Sicilien ſchien nun Rudolf nicht mehr gehindert 
die Reichörechte in bee Lombarbei und in Toſcana gel- 
tend zu machen; er fanbte feinen Kanzler mit dem Bifchofe 
von Surf in die letere Provinz zur Einnahme ber Hulbi- 
gung. Allein Karl meinte es fo wenig aufrichtig als zuvor: 
er wuflte befonderd die welfiichen Städte insgeheim abwenbig 
zu machen, unter dem Vorgeben, daß Rudolf fehwerlich nach 
Italien Eommen werde. Papſt Martin IV. ermahnte zwar 
feinerfeitö jene Städte zum Gehorſam; aber er that es auch 
nur zum Schein, denn er fland mit Karl, dem er hauptfäch- 
ch feine Wahl zu danken hatte, in geheimer Verbindung und 
hatte ihm aud bie Senatorswuͤrde wieber zurückgegeben, ge 
gen das Verſprechen, baß er ihm bie widerfpenfligen Städte 
im Kirchenflaate zur Unterwerfung bringen helfe). Erſt der 
1282 Abfall Siciliens und der Krieg mit Peter von Arragonien 
unterbrachen Karls Entwürfe auf das obere Italien; fein nach 
1285 drei Jahren erfolgter Tod beraubte die Welfen ihres Ober⸗ 
hauptes. K. Rudolf hatte indeſſen mit den Torrianern gehal⸗ 
ten, ſofern ſie gegen Karl ſtanden. Nun ließ ihm der Erz⸗ 
biſchof Otto von Mailand ein Buͤndniß antragen, um die 
Herrſchaft ſeines Hauſes zu begruͤnden, da er bereits zum 
Signore der Stadt gewaͤhlt war. Rudolf nahm es an und 
1284 trat alſo auf die Seite der Gibellinen oder vielmehr zu 
der viſcontiſchen Partei, welche zwiſchen den Welfen und 
Gibellinen in der Mitte ſtand. Er ſandte auch wieder Statt⸗ 
halter nach Toſcana. Nachdem Johann von Avbeſnes ber jüns 
gere geſtorben war, gab er gleichen Auftrag an Princival 
Fieſco, Graven von Lavagna, welchen Papſt Honorius IV. 
als ſeinen Verwandten dazu empfohlen hatte. Dieſer ſoll je⸗ 
doch, nach Einigen, aus Mangel den tuſciſchen Städten die 
Meichörechte verkauft haben ?); nach Andern waren ed Straf⸗ 
1296 gelber, welche er den Ungehorfamen auflegte °). So viel ift 


1) Raynald, ad a. 1281. $. 14 sqq. 

2) Ptolem. Lucc. in Muratori Hist, Ecel, T. XI. ad a. 1286. 
N Raynald. ad a, 1288. $. 22. 

8) Villani, L. VIL c. XL 


Kudoif J. und die Reihsrehte in Italien. 59 


gewiß, daß er mit der Überzeugung zu Rudolf zurüdkehrte, 
daß ohne ein Kriegäheer Nichts mehr auszurichten fei. Allein 
Rubolf war damals mit dem zweiten Aufftanbe der ſchwaͤbi⸗ 
ſhen Graven befchäftigt. Übrigens hatte der Papfl mit den 
im zuerkannten Stäbten benfelben Kampf, und biefer ſchwan⸗ 
ide Zufland war es, was bie Italiener wollten. 

Auffer den fchon berührten Hinderniſſen flanden noch ans 
vere der Kaiferkrönung im Wege Wähtend Rubolfd 
ehtzehnjähriger Regierung wechfelten acht Paͤpſte. Die vier 
efeen, Gregor X., Innocenz V., Adrian V. und Johann 
XXL, welche in kurzer Zeit auf einander folgten, wollten 
Iudolf gar wicht in Italien haben, bamit eö zwifchen ihm 
md Karl nicht zu Heindfeligkeiten kommen möchte Nico⸗ 
ws III. hatte bei feiner Vermittlung noch ganz andere Ab: 
fihten. Schon auf dem Concilium zu Lyon war ein Entwurf 
von dem Dominicaner Humbert über die Theilung bed 
Saiferthumes zum Vorſchein gekommen. Diefen mollte 
Ricolaus LIE. auf folgende Art zur Ausführung beingen: Ru⸗ 
delf folle auf Italien verzichten und dagegen das teutfche 
Königreich wrblich erhalten; das arelatifche Keich folle 
der Tochter Rudolfs, Karl Martelld Gemahlin, zum Braut: 
ſhat gegeben werben; die Lombarbei und Tuſcien füllen 
als zwei befondere Königreiche an Nepoten bed Papfles aus 
den Haufe Urfini kommen :). Es ift aber nicht befannt, ob 
nühere Verhandlungen barlber mit Rudolf geführt worden, 
md der fchnelle Tod des Papſtes vereitelt: den ganzen Plan. 1280 
gen Martin IV. war Rudolf ſchon aus den obengebachten 22 Aug. 
Seimden mistrauifch. Auch entfland eine neue Spannung 
wegen ber geiftlichen Zehenten, welche ber Papft in vier an 
Brankreich grenzenden teutfchen Bisthlimern bem Könige von 

ih, zum Krieg gegen Peter von Arragonien, Karls 
Seguer, angewiefen hatte?). Mei ben folgenden zwei Paͤp⸗ 
kn, Honorius IV. und Nicolaus IV., erneuerte Rudolf das 
Belangen geftönt zu werden. Dem Erſtern verſprach er, 
ufer der Beftätigung der früheren Verträge, auch die Erben 


1) Raynald. ad a. 1280. $. 28, 
2) Raynald. ad a, 1283. $. 61. 


- 


t 
‘ 1 


60 Buch IM. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 1. 


Karls zu ſchuͤtzen; aber die Zehentſtreitigkeit dauerte fort und 
der paͤpſtliche Legat wurde auf der Kirchenverſammlung zu Er⸗ 
furt uͤbel abgewieſen. Zuletzt konnte Rudolf uͤber die Ange⸗ 
legenheiten des noͤrdlichen Teutſchlandes (deren im Folgenden 
erwaͤhnt werden wird), wohl auch wegen ſeines hohen Alters 
nicht mehr zum Roͤmerzuge kommen. 

Überhaupt mit fo vielem Nachdrucke Rudolf dieſſeit der 
Alpen im Sinne feiner Vorfahren gehandelt, fo fehr bat er 
fich gehütet den Plan der Hohenflaufen in Italien wieder 
aufzunehmen; ober mit anderen Worten: für ihn war ed ges 


nug, das teutfche Königreich wieder emporgebracht zu 


haben; auf dad Kaiſerthum im alten Sinne Eonnte und 
wollte er keinen Anfpruch machen, und fo hat ex auch mit 
der unterbliebenen Krönung Nichts verloren; Teutſchland aber 
bat um fo mehr gewonnen. Die Päpfte waren zweimal zus 
frieden: denn es fland nun Niemand mehr ihrer Landesherr⸗ 
fchaft im Wege; fie hatten jegt erſt volftändig erreicht, was 
fie, folange es mächtige Kaifer gab, nicht erreichen konnten. 
Der teutfche König war fo ziemlich in die Reihe Der anderen 
Könige geftelt. Das zeigen auch bie Curialien. Seit Trieb: 
rich IE nennen die Päpfte den römifchen König ober Kaifer 


“nicht mehr Ihr, fondern wie bie anderen Du oder Deine 


Durchlaucht oder Hoheit; fich felbft aber laſſen fie nicht an: 
ders anreden ald Ihr oder Eure Heiligkeit. Da bie Gegen: 
fönige angefangen den Papft „ihren Herm’ zu nennen, fo 
ift das auch von Rudolf und feinen Nachfolgen beobachtet 
worden. Ebenſo ift es aufgefommen, wiewohl zuerft nur 
ſchriftlich, den Pantoffelluß anzubieten ). 

Von den Reichsrechten über Arelat iſt ſchon bei der 
Belehnung Karls von Anjou die Rede geweſen. Rudolf wollte 
anfänglich da8- alte burgundifche Reich wieberherftellen und 
beſtimmte daffelbe, nebit den habsburgifchen Stammlanden, 
feinem zweiten liebften Sohne, Hartmann, dem er auch 
die Nachfolge im Reiche zumenden wollte. Died eröffnete er 
dem 8. Eduard I. von England, deflen Tochter Johanna 
mit 10,000 Pf. Sterling Brautfchag mit Hartmann verlobt 


1) „‚oscula pedum beatorum‘., 


— 


Rudolf I. und die Reihsrehte in Burgund. 61 


mide *). Allein der. hoffnungspolle Fürft fand unwermuthet 1281 
einen ungluͤcklichen Zod. Als er nach dem erften fauoyfchen Dr 
Krieg, worin er fich mit jugendlicher Kriegöfreube hervorges 
than, zu feinem Vater auf dem Rhein hinabfuhr, ſchlug das 
Schiff bei Rheinau um und er ertrank mit faft allen feinen 
Gefährten, währenb er einen berfelben retten wollte. Diefen 
Schmerz konnte Rudolf nicht: vergeffen '. Indeſſen fuhr er 
fort die Reichsrechte in jenen Länbern zu erneuern, fand aber 
karten Widerftand an Pfalzgrav Otto von Burgund und 
deſſen Bruber, bem Graven Raynald von Mömpelgard, . 
fowie an ihrem Stiefoater, dem Graven Philipp von Sas 
voyen. Die große Freigrapfchaft Burgund, welche durch 
8. Friedrichs L Vermaͤhlung mit der Erbin Beatrir an das 
hohenſtaufiſche Haus und burch deren Enkelin gleiche Na 
mens an bie Herzoge von Meran gekommen, nach deren Er: 
loͤſchen aber an bie alte Kinie der Graven von Burgund und 
Chalons zuruͤckgefallen war ?), theilten jegt zwei Linien dieſes 
Haufes *). Don der erfiern waren die ebengebachten Graven 
Dtto und Raynald, deren Mutter Alifa in zweiter Ehe mit 
bem Graven Philipp von Savoyen lebte, welcher nach dem 
Zode feines Bruders Peter, obgleich ſchon 61 Jahre zählend, _ 
das Erzbisthum Lyon und den geiftlichen Stand verlaffen hatte, 
um die Regierung zu Übernehmen. Das Haus Savoyen aber 
war in ber leuten Zeit unter manchen Kämpfen biefleit und 
jenſeit der Alpen zu gleichem Anfehn gekommen wie dad 
| habsburgiſche am Oberrhein, und fragte wenig nach dem Koͤ⸗ 
ge. Als Rudolf bie Stadt Bern, welde ſich zur Zeit ber 
Gegenkoͤnige in ſavoyſchen Schuß begeben hatte, zum Reiche 
anüdfonerte; ald er Freiburg im Tichtlande, ‘auf welches 
des Sraven Philipp Schwefter, Wittwe beö lebten Graven 
von Kiburg, noch Anfprüche machte, durch Kauf von dem lau: 
fnburgifchen Haufe an dad feinige brachte, entfland eben 


+‘ 


1) Rymer foedera. T. I. P. IL p. 170 gg. 

2 Müller Gef. der Schweiz. I, 555, 

3) Siche Band II. ©. 64. . 

4) Die hier berührte Genealogie hat noch Dunkelheiten. Wir folgen 
lisentheils der Unterſuchungen Muͤllers, ſ. unten. 


—8 








62 Buch IH. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 1. 


jener Krieg, worin Hartmann, Rudolfs Sohn, genannt wors 
den. Bald darauf, da die Partei ded Graven von Laufanne 
den dortigen Bifchof vertrieb und Gran Philipp von Savoyen 
dem Könige wieber ben Gehorfam verfagte, zug 8. Rudolf 

Er felbft zu Gelbe und belagerte Murten. Der 6sjaͤhrige Greis 
fprengte in den See und kämpfte mit der Kraft eined Juͤng⸗ 
lings, bis ihm die Seinigen zu Hülfe famen. Nachdem er 
auch Peterlingen durch regelmäßige Belagerung bezwungen, 
unterwarf fi Graf Philipp und empfing, mit Verzichtleiftung 
auf feine übrigen Anfprüche, diejenigen Herrfchaften zu Lehen, 
welche Feine freien Güter wären. 

1284 Das Jahr darauf vermählte fi) Rudolf, feines Alters 
ungeachtet, mit ber vierzehnjährigen Iſabella von Burgund, 
von der andern Linie, Schwefter der Graven Robert und Jo⸗ 
hann von Burgund und Chalond. Es entſtand neue Span⸗ 
nung mit der erſtern Linie. Waͤhrend Bern wieder im Auf⸗ 
ſtande war, ging Pfalzgrav Otto damit um, ſich mit ſeinen 
Herrſchaften und mit der Schutzvogtei über Beſangon vom 
Meiche ab und Franfreich zuzumwenden '). 

1289 Sein Bruder, der Grav Raynald von Mömpelgerd, 

erhob wieder Fehde gegen dem Bifchof von Baſel. ‚Sobald 
Rudolf jene Abfichten vernahm, überließ er den Krieg gegen 
Bern feinem Sohne gleiches Namens und zog mit einem ftar- 
Sun. Ten Reichdaufgebot zuerſt vor Mömpelgard und nach deſſen 
Aug. Einnahme vor Befangon. Die beiden Graven, in Verbin 
dung mit dem Graven von Pfirt, brachten ein ſtarkes Heer aus 
den burgundifchen Landen zufammen und-verlieffen ſich auf ben 
Beiftand des Königs Philipp von Frankreich, der auch bereits 
rhftete und dem Ki Rubolf fagen ließ: er folle das Sand 
räumen. Aber Rudolf gab zur Antwort: „der König von 
Frankreich fol finden, daß wir nicht zum Zanzen bieher ge= 
kommen; wir werben ihn mit dem Degen in der Fauſt er⸗ 
warten” 2). Diefe Entfchloffenheit war dem Könige unerwar- 

tet; er überließ das burgundifche Heer fich felbft. 
Rudolf hatte nicht. für Bufuhr geforgt, weil er wollte, 


1) Möller Gef. ber Schweiz, ©. 356-568, 
2) Chron. Leob, ad a. 1289, 





Rudolf I und bie Reichsrechte in Burgund. 63 


daß die Seinigen folche In Feindes Land fuchen follten; auch 
bei der Ausrüftung dachte er zuletzt an fich felbft oder hatte fo 
wenig Leute im Xroß, daß man ihn: im Lager fein WBanımd - 
ſelbſt fliden fah *). Als das gegenüberliegende burgundifche . 
‚Heer die Zufuhr abgefchnitten hatte, zog er auf dem Felde 
eine Rübe heraus und aß fie, was benn fein ganzes Gefolge 
nachthat. Dann befahl er am andern Morgen zu ſchlagen, 
und als wieder Einer den Mangel an Lebensmitteln vorſchuͤtzte, 
erwiederte er: „wenn wir fiegen, fo finden wir ihrer genug; 
wenn fie und befiegen, fo werden fie als Edelleute den Ges 
fangenen wohl zu effen geben. Die Burgunder Ingen im 
Zhale (am Doubs) ‚, RudolfS Heer auf einer fleilen Anhöhe. 
Jene zweifelten, ob er wohl feine Schaaren in das Zhal her: 
abführen würde; einer von ihnen aber fagte: „ich kenne den 
König, wenn er auch auf Händen und Süßen klettern muͤſſte, 
er würde und angreifen”. Von den Schweizern, welche immer 
gen Rubolfs Fahnen folgten, waren 1200 in feinem Heeres - 
von dieſen Tief fchon in der Nacht eine Schaar hinunter und 
feste das feindliche Lager in Unruhe. Mit Anbruch des Zas 
ges fanbten die Graven Friebensboten. Mubolf begehrte vor 
Allem Freilaffung ber Gefangenen; dann befahl er den Gra⸗ 
ven zu Bafel zu ericheinen. Hier leifteten fie, als Lehensleute 
bes Reichs, den Eid ber Zreue und empfingen ihre Lehen 
wieder. Dem Graven vom Mömpelgarb warb eine Geld» 
buße aufgelegt. 

Diefen Krieg führte Rudolf in feinem 71. Jahre. Der 
Greis war fo ermuthigt über die Schlagluft feines Heeres, 
daß er fagte: „mit 4000 auserlefener Helme und 40,000 Fuß- 
gängern aus Alemannien wolle er jedem Feind die Spihe 
bieten” 2). In Abficht auf die burgundifchen Lande traf er 
noch folgende Verfügungen. Seinem Schwager, dem Gras 
ven Robert, ertheilte er die Anwartfchaft auf das Delfinat 
gegen Humbert de la Tour, Gemahl der Erbgraͤvdin Anna; 
dem Sraven Johann von Chalons, feinem andern Schwa⸗ 


ger, verlieh er das Zollrecht innerhalb der biſchoͤflichen Spren⸗ 1288 


1) Er befegte vie Ellenbogen mit neuen Flecken. Albert. Augen! 
2) Bis bieher hauptſaͤchlich nad) Albert. Argent. 


64 Buch IU. Eriter Zeitraum. Abſchnitt 1. 


gel, von Beſangon, Lyon, Vienne und Valence, bie erblich 

Schirmvogtei über bie unmittelbare Reichsabtei St. Eugend 

13, Sept.de Sour, und die Lehensherrlichkeit über Welfchneuenburg mi 

Zugehoͤr. Das burgundifche Königreich konnte zwar nicht ir 

feiner vorigen Geſtalt wiederhergeſtellt werden, doch bracht 

Rudolf die Lande wieder in nähere Verbindung mit dem Reiche: 

die Stände wurden bald zu ben teutfchen Reichötagen beru- 

fen, bald im Lande ‚felbft verfammelt, Kurz vor feinem Tode 

1291 ließ Rudolf auf einem Zage zu Mürat den Landfrieben 
ſchwoͤren !). 

Auf der ganzen Weflgrenze des Reichs, vom mittellän- 
difchen bis zum Norbmeer, fuchte die Krone Franfreih ein 
Stuͤck Landes um das andere an fi zu bringen. Die Grav⸗ 
fchaften Champagne und Venaiffin waren bereitö durch 
Heirath unmittelbar an das Eönigliche Haus gelommen, und 
Vegtere dem päpftlichen Stuhle abgetreten worden. Wie Karl 
von Anjou mit Provence und Forcalquier K. Rudolf Lehens- 
mann geworben, fo kamen teutiche Barone in Lothringen 
und ben Niederlanden unter bie Lehensherrlichkeit bes Königs 
von Frankreich; auch fielen manche Güter durch Heirath und 
Erbe an franzöfifhe Häufer, welche dem teutfchen Könige nicht 
unterworfen fein wollten. Die vielen Streitigkeiten Diefer 

Haͤuſer unter fich felbfl gaben dem Könige von Frankreich noch 
befonderd Gelegenheit, ſich einzumifchen und feine Oberherr- 
fhaft geltend zu machen. Bor dem burgundifchen Krieg wollte 
ber König noch befonders da8 Gebiet ded Graven von Bar 
und alles Land jenfeit des Baches Bienne, auch Stadt und 

1288 Bistbum Verdun an fich bringen. 8. Rudolf fandte des⸗ 
29. AR: wegen Abgeorbnete bahin, um die Sachen näher zu unterfu= 
— chen ?); er beklagte ſich auch bei dem Papſte, der aber, weil 
12. Octpr. bem Könige von Frankreich ſchon die Zehenten in den Grenz 
bisthümern angewiefen waren, nicht darauf eingehen wollte °). 

1290 Nun beſchloß Rubolf Gewalt zu gebrauchen; aber die Ange- 

1) Gebhardi Gef. der erblichen nn 1, 218. Vergl. 
Müller a a. O. ©. 565 f. 

2) Gebhardi a. a. O. ©, 221. 

8) Raynald, ad a. 1290, $. 21 qq. | 


— 


Rudoife Anorbnungen im mittlern Teutſchland. Ab’ 


Inenheiten des nördlichen Teutſchlands und fein bald dar⸗ 
euf erfolgter Tod lieffen ihn nicht mehr dazu kommen. Dieſe 
misliche Aufgabe blich den Nachfolgern. F 


7. K. Rudolfs Anorbnungen im mittlern und nörblie 
chen Zeutichland. 


Das Erzbistum Mainz, Befldtigung der Sreis 
heiten des Teutſchordens in Preuffen. Die Oſt⸗ 
feeländer. Die Hanfe verſtaͤrkt fih. Fehden in 
den Niederlanden, in Thüringen und Sacſen. 
Abenteurer unter dem Namen 8. Friedrichs IL 
Landfriede in Thüringen Die böhmifhe Kurs 
fimme Die Erzämter gelten jest allgemein als 
Grundlage bed Wahlrechts. 


Unter den Reichsguͤtern und Rechten welche Rudolf an das 

Reich zuruͤckfoderte, war auch Seligenſtadt und bie Gray 

haft Bachg au im mainzer Erzbisthum, doch ließ er folche 

erfi nach dem Tode feined Freundes, des Erzbiſchofs Wers 1978 
ner, einziehen. Dad Domkapitel proteflirte"), war aber über 2. Apr. 
bie neue Wahl unter ſich ſelbſt zerfallen. Ein Theil wählte 1984 
ven Domherm, Propft Peter, K. Rudolfs Leibarzt, ber an⸗ 

dere den Archidiaconud zu Trier, Gerhard von Eppen⸗ 
Bein. Nach dem wormfer Concorbat follte nun Rudolf in’ 

dad Mittel treten ober bem beſſern Theile beiſtimmen; ex 
überließ bie aber bem Papfle Honorius IV. und begnügte 1286 
fih feinen Leibarzt, den er zu ber Gefandtfchaft nach Rom 
wählte, ꝓorzuſchlagen. Da er jeboch bald darauf den Bifchof 
Heinrich von Bafel, feinen Altern vertrauten Freund, nach: 
ſandte, fo ernannte ber. Papſt diefen zum Erzbiſchof mit Vers 
werfung der Doppelwahl und entfchädigte den Propft Peter 

mit bem Bisſthum Bafel, womit ber König zweimal zufries 

den war; er behielt auch jene Reichögliter und gab dem neuen 
Erifchof andere Beweife feiner Freundſchaft?). Da aber 


1) Guden. Cod .äipl. I. p. 810, 
2) Gr entfegte eines feiner von Beinben belagerten Schldſſer. 
Hfifter Geſchichte d. Teutſchen ILL EB _ 


6 Buch IL Erſter Zeitraum. Abſchnitt 1. 


1288 Heinrich fchon nach zwei Jahren flarb, fo gelang es dem 

17, Därz. Gerhard von Eppenftein doch das Erzbisthum zu erhalten). ” 

Dieſer leidenſchaftliche, raͤnkevolle Mann vergaß ed bem Kö 

nige nicht, daß er ihn bei der vorigen Wahl zuruͤckgeſetzt hatte. 

4278 In Magdeburg war auch eine flreitige Erzbiſchofswahl; Diefe - 

wurde aber mit den Waffen für Eric) von Brandenburg ent- : 

1283 fhieben ?). : 
Das mittlere und nördliche Zeutfchland war noch 

. in einem eben fo herrenlofen Zuſtand wie das ganze Reich 

. vor Rudolfs Wahl; denn bis jest war feine ganze Thätigkeit 

. auf die obern Lande befchräntt. Zwar fchon in feinen erften 

Regterungsjahren gedachte er des fchweren Kampfes der teut- 

fchen Ritter in Preuffen, wovon er felbft Zeuge gewefen ’). 

Da nad Gregord X. unerwartetem Tode brei auf einanber 

folgende Päpfte Nichts für den Drben thaten, fo ımterließ 

Rudolf nicht demfelben alle feine Freiheiten und Vorrechte, 

4277 befonderd dad von 8. Friedrich II. zuerfannte Beſitzrecht auf 

10. Oct. dad Culmerland und auf ganz Preuffen zu beflätigen, und 

als zwei Jahre darauf Konrad von Feuchtwangen (au Fran- 

4279 Een) zum Landmeilter von Preufien und Livland zugleich 

17.3un. ernannt wurbe, gab Rudolf den Freiheiten des Ordens Aus⸗ 

dehnung auch auf den gefanmten Orden in Livland mit neuer 

Beftätigung derſelben“). Died that Rudolf während feiner 

Verwidiungen in Öfterreih und ahmte auch barin feinem 

großen Vorgänger Friedrich IL. nach, ber umter den ſchwer⸗ 

ſten Bebrängniffen in Italien den Zeutfchorben in Preuffen 

einführte. Allein thätige Unterftügung konnte er fo wenig 

verleihen als biefer. Der Krug ber das Jahr vor Rus 


1) Annal. Colmar. ad a. 1286, Trithem. Chron, ad aa, 1284, 
2) 1286. Serrarii Rer. Mog. L. V. in Joannis sa. Mog. T. L 

p- 621 agq. 

2) Lenz bipl. Stiftes und Lanbeshifl. von Magdeburg &. 238 fi. 

8) 28. Rovbr. 1275 (alfo kaum nach ber Sufammenkunft mit bem 
Papfte zu Laufanne) erließ Rudolf einen Befehl an bie Stadt Riga, den 
livlaͤndiſchen Ordensmeiſter als ihren oberſten Richter anzunehmen. 
Voigt Geſch. Preuſſens III, 352. 


4) Boigt a. a. D. S. 854. 869. 


I 


Rudolfs Anordnungen im nördlichen Zeutfhland. 67 


dolfs Wahl flattgefunden, Tonnte jetzt nicht erneuert werden. 
Um fo größer ift der Ruhm des Zeutfchorbend, durch feine 
kigene Kraft bie Unterwerfung von ganz Prteuffer vollendet ' 
zu haben. Died gefchah in derfelben Zeit, da Rudolf feine 1283 

Söhne mit Öfterreich belehnte. 

Die librigen Länder von der Oſtſee bis Lothringen waren 
vol mannichfaltiger Bewegungen, in welche Rudolf au Mans 
gel an Zeit und Macht nur wenig einzugreifen vermochte. 

Da der Herzog Miftwin von Danzig alle feine pom⸗ 
mernfchen Befisungen ven Markgrafen von Brandenburg 
zu Zehen aufgetragen und Sen Fürflen Barnim zu Stettin 1269 
Schwetz vermacht hatte, zulekt aber den Herzog Primiflav IE 
von Polen zum Erben einfete, fo geriethen bie Narkgraven 1271 
als Lehenshetten darüber in mehrjährigen Krieg, in welchem 
die Schlacht bei Gadebuſch nur vorlibergehend entſchiedi). 1283 

Zu eben biefer Zeit traten fieben Städte, Lübel, Ro 1284 
od, Stralſund, Greifswalde, Riga und die Zeutfchen auf 
Wisby in ein Kriegobuͤndniß?) gegen den König Eric) von 
Norwegen, der ihrer Schifffahrt und Handlung großen Scha⸗ 
den zufligte. Durch Verbot der Zufuhr und wiederholte Ans 
griffe auf bie norwegiſchen Kuͤſten zwangen fie den König 1285 
unter fchwebifcher Vermittlung zum Trieben, erhielten ihre zu⸗ 
rückgehaltenen Schiffe nebſt 6000 Mark Entfhäbigung unb 
bie Beflätigung ihrer vorigen Handelöfreibeiten. Dies alles \ 
baten fie aus ſich ſelbſt, ohne bei dem teutfchen Reich eine 
Anerkennung ihres Bundes oder thätige Unterflügung nachzu⸗ 
fuhen. So geſchah auch der Beitritt von mehreren Stäbten, 
woburc im flillen die Macht der teutfchen Hanfe begrüns 
bet wurde’). 

In den. Niederlanden waren zwei bebeutenbe Fehden, zus 


1) Buchholz Verſuch einer Geſchichte d. Kurmark Brandenburg, 
zH. I. &..250 ff. nn. geneal. Geſch. der erbl. Keichsſt. I, 
206 ff. vgl. open Bo. IL. ©. 64 

2) Hamburg, das ſchon = mit Luͤbeck das erſte Buͤndniß ge 
ihloffen, wovon gewöhnlich der Anfang ber Hanſe abgeleitet wird, iſt 
hier nicht genannt, nimmt aber im Bolgenden bei ber Wergrößerung des 
Bundes wieder lebhaften Antheil. Einſtweilen ſteht Luͤbeck an ber Spike. 

8) Sartorius Gel. d. hanſeat. Bundes I, 142, 

5% 


+ 


686 Bud U. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 1. 
erſt — der flandriſchen, dann wegen der limburgi⸗ 


1253 (hen Erbfolge. Iene, ſchon zu K. Wilhelms Zeit begonnen, 


fand ihre Entfcheidung auf Rudolfs zweiten Reichdtage zu 


4281 Nürnberg zu Gunften Iohanns von Aveſnes des jüngern, 


der in des Königs befonderm Vertrauen find. Die andere 


1232 nahm gleich darauf ihren Anfang. Der Brudersfohn ded 


legten limburgifchen Herzogs, Walrams V., Grav Adolf von 
Bergen, fland gegen Gran Rainald von Geldern,, befien 
Gemahlin, Ermengard Walrams Zochter gewefen, aber ſchon 


vor ihrem Vater ohne Kinder geftorben war. Xbolf- überließ 
: feine Anfprüche an Herzog Johann von Brabant und bat 


den König Rudolf demfelben die Belehrung zu ertheilen. Der 


Grav von Geldern warb dagegen mächtige Bundesgenoſſen, 


namentlich. den Erzbiſchof Siegfried von Coͤln und den Gra⸗ 


: ven, Abolf von Naffau, nachherigen König. Rudolf, damals 


4284 ĩ im Elſaſſe beſchaͤftigt, machte hier ſchnell Frieden und wollte 


| - 


ſelbſt gegen. den Erzbiſchof von Coͤln zu Felde ziehen‘), was 
aber wieber verhindert wurde. Indeſſen zog ‚der. Herzog von 


‚Brabant gegen bie verbündeten Zürften, befiegte fie endlich 
1288 bei Waringen und feste ſich alfo felbft in den Beſitz von 
Limburg, dad er mit Brabant vereinigte). 


In Thüringen waren bie vieljährigen Irrungen zwi⸗ 
Shen Markgrav Albrecht dem Ausgenrteten und feinen Soͤh⸗ 
‚nen, Friedrich und Tizmann, dann auch mit feinem Neffen 


Friedrich Zuta- von Landsberg noch nicht beigelegt, ober fie 


‚erhoben fich immer wieder aus neuen Urfachen, bis Friedrich 
feinen Vater bei Landsberg gefangen nahm. —. Die Söhne 


des verfiorbenen Herzogs Albrecht von Braunf chweig, Hein⸗ 


rich der Wunderliche, Otto der Fette und Wilhelm, zerfielen 
uͤber die Landestheilung. Der ſaͤchſiſche Landfriedensbund legte 
ſich zwar dazwiſchen; aber Heinrich zog auch Verbuͤndete aus 


Thuͤringen, Meiſſen und Heſſen an ſich, nahm den Erzbiſchof 


Erich von Magdeburg gefangen und gerieth dann auch in Krieg 
mit dem Biſchof Siegfried von Hildesheim ’). 


1) Annal, Colmar. ad a. 1284, 

A) Bäberlin teutfche Reichshiſtorie IT, 595 ff. 
5) Koch pragm. Geſchichte des Haufes Bcunfdoe e Lüneburg, 
IV. Abtheil. S. 108 ff. 


N 


Rudolfs Anordnungen im mittleen Teutſchland. 69 


Unter biefen Unruhen fland auch ein Betrüger auf, ber 
fich für den Kaifer Friedrich II. ausgab und allmdlig ernſtli⸗ 
deren Anhang fand. Ex hatte verfchiedene Namen ober Übers 
namen, Friedrich Holztuch, Zile Kolup, Dietrih Stol, und . 
trieb fein Wefen in den nieberrheinifchen Städten; von ben 
Coͤlnern verjagt, ging er nach Neuß und Wetzlar. K.Rudolf - _ 
fherzte über den Menfchen, ald aber fein Anhang fi bis 
Kolmar im Elſaß ausdehnte, zog er vor Wehlar, ließ fich den 
Betrüger ausliefern und verurtheilte ihn, wie die Keber, zum 
Sceiterhaufen!). Bier Jahre nach Rubolfs Zode wurde ein 
ähnlicher Betrüger zu EBlingen verbrannt 2). | 

Nach dem burgundifchen Kriege zog Rudolf endlich nach 1289 
Thüringen, um den Landfrieden mit Nachdruck herzuflellen. Dec 
Bei feiner Ankunft ließ er fofort 29 Raubritter, welche zu 
Stmenau gefangen worden, hinrichten. Dann berief er einen 
großen Reichötag nach Erfurt, um bie befondern Einungen, 

welche einerfeitö die ſaͤchſiſchen Stände ambererfeitd der (1284) 

Erzbiſchof von Mainz errichtet hatten, in ein allgemeines Land: (1287) 
friedensbimdniß zu bringeh. Diefed befchworen alle anmwefen- 
den Fuͤrſten und Herren. Zur Vollziehung ber Übereinkunft 
fandte Rudolf bewaffnete Schaaren aus, welche 66 Raub- 
ſchloͤſſer zerftörten. Über ein Jahr verweilte der König zu Er: 1290 
fint, bis alle Fehden, beſonders bie Zwiſtigkeiten im thuͤrin⸗ 
giſchen Haufe, beigelegt waren). 

In @iefer Zeit brachte Rudolf auch die böhmifchen Ans 
gelegenheiten zur Entfcheidung. Während der Vormundſchaft 
über den jungen König Wenzlaw war eine große Verwirrung 
entflanden, durch die Partei der Königin Wittwe Kunigunde 
und des Zarifius von Rofenberg, den fie endlich heirathete. 
Der Bormund, Markgrav Otto der Lange von Brandenburg, 
nahm deshalb den jungen König mit fi und übertrug bie - . 


1) Albert. Argent. p. 104. Hist. austr. ad a. 1284. Volc- 
mar. Chron, p. 534. in Oefel. scrr. II. 8Sifrid. Presb. ad a. 
1284. Chron. Erford. 8. Petrin. ad a, 1286. 


2) Annal. Colmar. ad a. 1295. 


3) Chron. Erfurt. Sanpetrin. ad aa. 1287—1290. Tenzel. vita 
Frid. Admors. in Meucken scrr. II. p. 927. 


/ 


0 Bud UL Erſter Beitraum, Abſchnitt 1. 


Statthalterfchaft dem Bifchof Gerhard von Brandenburg. Um 
» die Parteien niederzufchlagen, feste Rubolf den König in bie 
1286 Regierung ein und vermählte ihm feine Tochter Jutta. Der 
biöherige Streit über die Wahlſtimme nahm folgende Wen⸗ 
dung. Rudolf hatte zwar auf den Bericht bed Rheinpfalzgras 
ven dem Haufe Balern zwei Stimmen zuertannt, bie eine 
wegen bed Erztruchfeffenamtes bei der Nheinpfalz, die andere 
wegen bed Herzogthums Baiern. Allein ed war offenbar nur 
in der Abficht gefchehen, um die Wahlflimme des Königs Dts 
tofar von Böhmen, ber an einigen frühern Wahlen theils 
genommen, auszufchliefien. Sobald die Verhältniffe ſich än- 
beiten, warb auch jene Entſcheidung nicht mehr beachtet. 
Da Herzog Heinrich von Baiern nicht einmal mit Rudolfs 
Ausfpruche zufrieden war, wie wir oben gefehen, ed auch nie 
aufrichtig mit dem Könige meinte, fo gab diefer dem Dttofar 
bei dem erſten Friedensvertrag die Zuficherung bed Wahlrechts, 
und als nad) Ottokars Tod bie Wechfelheirath unter den Kin⸗ 
bern befchloffen wurde, warb die Sache ſchon fo für be 
1283 kannt angenommen, daß 8. Wenzlaw bei der Erneuerung bes 
‚Öfterreichifchen Herzogsbriefs ald ber erfle unter den Kurfürs 
ſten (ald König auch den Exrzbifchöfen vorangehend) aufgezählt 
1289 wid"). Doch geſchah die foͤrmliche Beftätigung des Erzfchen- 
4. März. Fenamtes und Kurrechts erſt auf dem Reichötage zu Eger und 
1290 wurde zu Erfurt wieberholt, da inbeffen der unruhige Herzog 
— wre. Heinrich von Baiern mit Tode abgegangen war. Auch ge: 
” nehmigte Rudolf ben zwifchen K. Wenzlam und Herzog Heins 

rich von Breſlau gefchloffenen Erbvertrag 2). 
Diefe Entfcheibung für die böhmifche Kurwürbe iſt aufs 
fer den fpäteen Folgen in ber Reichögefchichte fehon darum 
wichtig, weil es jetzt erſt ald allgemeingültiger Grundſatz ans 


1) Lambacher öfter. Interregnum, Urk. 109. &. 205. Wenzlaw 
war bamals noch nit einmal mündig. Herzog Heinrich von Baiern 
iſt nicht genannt, Ludwig, Pfalzgrav am Bthein und Herzog in Baiern, 
führt die Stimme allein, dagegen die beiben Herzoge von Sachſen, Al: 
breit und Hanf, gemeinſchaftlich. 


2) Eont. Cosm. Prag. ad hh. aa. Anon. Chron. Boh, in Men- 
cken scır. IH. p. 1727 sqg. Chron. Colmar. ad a. 1289. 


8. Rudolfs legte Entwürfe für fein Haus 71 


geſehen wurde, daß das Wahlrecht nicht mehr auf den Her 
zogthuͤmern fonbern auf den Erzämtern ruhe. 


8. 8 Rubolfs legte Entwürfe für fen Haus. 


Abfihten auf Ungern. Vereitelte römifhe Koͤ⸗ 
nigswahl Albrehtd. Rudolf Tod. 


Auf dem Reichötage zu Erfurt ſah Rudolf unter einer gros 
Sn Zahl von Zürften und Herren faft alle feine Kinder mit 
ihren Satten bei fi; bald darauf aber ſtarb fein Sohn Rus 
bolf auf einem Befuche zu Prag. Alſo war der erfigeborne, 1290 
Albrecht, Herzog von Öfterreich, noch allein übrig. Auf Mat. 
diefen fielen nun nicht allein die Stammgliter und alle bis⸗ 
berigen Erwerbungen, fonbern fein Vater gebachte ihm auch) 
das Königtei) Ungern zuzuwenden, gegen welche er fchon 
geraume Zeit Krieg führte Da eben jetzt König Ladiſlaus 
bei den innern Unruhen erfchlagen wurde und Feine Kinder 
hinterließ, fo erklärte Rudolf Ungern für ein erledigtes Reichs⸗ 
lehen; er flellte zu Eger eine Kundfchaft aus, daß er einft 
als Zeuge zugegen geweſen, wie K. Bela dem Kaifer Fried⸗ 
rich II. fein Reich zu Lehen aufgetragen und folches wieber 
von ihm ald Mannlehen empfangen habe; dann verlieh er ſei⸗ 81. Aug. 
nem Sohn die Belehnung'). Allein Papſt Nicolaus IV., 
der ihn anfänglich ſelbſt aufgefobert' Hatte fich des zerrütteten 
Landes anzunehmen), fprach jeht auch von Lehenäherrlichkeit, 
weil Ungern vormals durch den päpftlichen Stuhl zum chriſt⸗ 1291 
lichen Glauben gebracht worden fei?). Indeſſen vereitelte Ans 
dreas, des verfiorbenen Königs Oheim, die beiderlei Anfprüche, 
indem er fi mit gewaffneter Hand des Reichs bemächtigte. 

Rudolf hatte Luft feinem Sohn zu Hülfe zu ziehen, aber 
das zunehmende Alter erinnerte ihn demfelben erft die Nach⸗ 
-Tolge im Reich zu ſicher. Non dem Reichstage zu Erfurt 8. Apr. 


2 v. Hormayr aerdolh von Habsburg; im oͤſterr. Plutarch J. 


Raynald. ad a. 1290. 6. 42. 
3) Raynald, ad a. 1291. $. 47 40. 


J 


72 Bud III. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 1. 


1201 ging er zuruͤck nad Speier, ließ den Landfrieben auf ſechs 

Mai. Jahre erneuern und / berief dann einen Reichstag nach Frank⸗ 

furt. Hier trug er den Fuͤrſten vor: damit das Reich nach 

ſeinem Ableben nicht ohne Oberhaupt waͤre, ſo moͤchten ſie 

jetzt ſeinen Sohn Albrecht zum roͤmiſchen Koͤnig waͤhlen. Er 

konnte dies um ſo eher erwarten, da ſolches noch keinem ſei⸗ 

ner rechtmaͤßigen Vorgaͤnger verweigert worden war. Allein 

die Fuͤrſten hielten zuruͤck; ſie wollten die Sache erſt in wei⸗ 

tere Berathung ziehen. Das war das Werk Gerhards, des 

Erzbiſchofs von Mainz, ber noch der fruͤhern Ungunſt des 

Königs gedachte!). Zudem war Albrecht nicht Rudolf. Seine 

Härte und Habſucht hatte ihm weder in Öfterreich noch in ben 
obern Landen Freunde erworben. 

Alle Unternehmungen Rudolfs waren gelungen; nur bie 

ı Erreihung feiner legten Wuͤnſche follte er nicht mit Augen fes 
ben. Auch nad ihm ift das Ziel mehrmald weiter hinausge⸗ 
ruht worben; aber man muß geflehen, die ganze Zünftige 
Groͤße des Haufes ftand fihon vor feiner Seele. 

Bon dem Reichötage zu Frankfurt ging Rudolf mit ſtil⸗ 
lem Verdruß hinweg. Er befuchte nochmald den Oberrhein 
in Begleitung feiner jungen Gemahlin, ergößte fich bei feinen 
lieben Straßburgern und erinnerte fi) der frühern Zeiten. 

As die Ärzte den 73jährigen Greis auf die fehnelle Ab⸗ 
nahme feiner Kräfte aufmerkſam machten, fprach er: „wohlan, 
nach Speier'’ (zur Srabflätte der alten Kaifer), flarb aber ſchon 

1291 zu Germersheim?) und warb in dem Dome zu Speier ne: 
15. Zul. hen Philipo von Hohenſtaufen beigeſetzt. 


9. Wie alfo K. Rudolf das Reich hergeſtellt hat? 


Das teutfhe Königreih. Niederlage des Kaifer: 
tbumd. Die Landfriedensverfaffung Zahl und 


1) Chron, Erfurt, Sanpetrin. ad aa. 1284. 1289. 1291. 


2) Bon den Meiften wird der 15. Jul, als Zobestag angenommen. 
NRach der bei Albert. Arg. p. 109. aufbehaltenen —— aber iſt 
es der 30. Sept. 1291. 


überfiht ber Verdienſte Rudolfs um das Reich, 73 


Gloffen der unmittelbaren Reihsflände mit und 
opne Territorien. Übergang aus dem bohenflaus 
fifhen Zeitalter. Die Drandange biefes 
dritten Buchs. 


Weihe Mühe in Rubolfs 18jähriger — bis nur 
dufiere Ordnung und Ruhe einigermaßen bergeftellt war! Auf: 
fer den fümfthatb Jahren bie er in Öfterreich, und dem letzten 
Fahre das er in Erfurt zubrachte, war er faft immer unter 
den Waffen oder auf dem Zug von einem Theil des Reichs 
in den andern. Selten ein Stillſtand, weil er bald ımgehor: 
fame Reichöflieflen, bald Bebrüder der Beinen Stände, bald 
Aufſtand von Städten und Herren gegen fich felbfl zu be⸗ 
impfen hatte. So übte er mit raſtloſer Thaͤtigkeit bis in 
fein ſpaͤtes Alter das Königdamt in Handhabung bes Rechts 
und bed Friedens. 

Daß ein König ohne Reichsgut oder ohne Hausmacht 


und ohne Verbindung mit anderen Fürftenhäufern Nichts vers, 


möge, das war Rudolfs Überzeugung, wovon er ausging. 
Wie fchon feine Wahl durch vertraute Übereinkunft mit 
dem Haufe Hohenzollern eingeleitet worden, fo fah er in 
kurzer Zeit fünf Fuͤrſten, darunter alle weltliche Kurfuͤrſten, 
als Schwiegerfähne um feinen. Thron. Wenn die Dttonen fchon 
die Abficht gehabt die Ayäupter der Völker in Eine Familie 
zu bringen, fo mochte die Emeuerung dieſes Pland um fo 
nöthiger erfcheinen, da dev Häupter weit mehr geworden waren. 
Mit dee Herftellung der Reichsrechte (in Abficht der 
Krongüter) bat Rudolf in den obern NRheinlanden, dem Sitz 
deö Iehten Kaiferhaufes, angefangen und aufgehört. Durch 
durickfoderung der oͤſterreichiſchen Lande aus den Haͤnden des 
Knigs von Böhmen erhielt er die gewänfhte Haus macht. 
Daruͤber waren die teutfchen Fürften nicht einmal eiferfüchtig ; 


viel näher ging ed ihnen, wenn Rubolf einzelne Reichöghter 


zuruͤckfoderte, welche fie während des Zwifchenreichs ſchon als 
cigen betrachtet hatten, und das brachte die rheinifchen Erz: 
biſchoſe auf den Gedanken, fich bei den künftigen Wahlen bef: 
fer vorzuſehen. 

So erfiand in kurzer Zeit das Königreid ber Teut⸗ 
ſhen aus mehrjähriger Zerrüttung, doch nicht ohne bedeutende 


N 


. 


74 Bud II Erfter Zeitraum. Abſchnitt 1. 


Opfer gegen ben päpftlihen Stuhl. Um nur Rubolfs Aner⸗ 
kennung zu erhalten, muſſte dem Papfte das fehon von Gre⸗ 
gor VIL angefprochene Oberauffichtörecht über die Krone in 
einem bisher noch nicht flattgefundenen Umfang zugeftanden 
werden. Zugleich gelangte Pie römifche Kirche in Abficht ih⸗ 
ver Rechte und Befigungen zu einer ebenfalld noch nicht. ge= 
babten Freiheit und Unabhängigkeit: Was das wormfer Con⸗ 
cordat in Abficht der Bifchofswahlen dem Kaifer gelaffen, warb 
felten befolgt. Ale noch flreitige Hoheitörechte des Reichs 
über die zum Kirchenflaat gezogenen Städte und Landſchaften 
muflten aufgegeben werben. Wiewohl Gregor X. den K. Karl 
von Sieilien mit dem Gerichte Gottes bedrohen muffte, wenn 
er von feinen Bebrüdungen nicht ablaffe, fo wollten doch er 
und feine Nachfolger fich lieber wieder dem ficilifchen und 
franzöfifchen Hofe in Die Arme werfen ald ben wahren Schirm 
vogt ber Kirche, dem teutfchen König, wieder in Italien mäch- 
tig werben laffen. Darüber. und über die vielen Verwicklungen 
in Zeutfchland mufjte Rudolf auch im Faiferlichen Italien die 
Reichsrechte zurüdfeßen. ö 

Ufo erlitt das Kaiſerthum erſt unter Rudolf die völlige 
Niederlage, welche ſchon den hohenflaufifchen Kaifern zugedacht 
war, und das Papſtthum ſchien jegt auch in Rüdficht ber 
Territorialherrſchaft fein Ziel erreicht mi haben. ;Aber dad war 
auch ſchon der Anfangspunct feines Sinkens. 

Es ift nicht die Schuld Rudolfs, es war Wille der Für- 
ſten und fomit der Nation, den Kampf in Italien aufzuge⸗ 
ben, um erſt dad Reich im Innern wieder herzuftellen, da es 


“Uber jenem Kampf zu Grunde gegangen war. Mochte der 


Dapft die Krone flr abhängig anfehen, in Zeutichland übte 
Rudolf als freigewählter König bie Rechte des Thrones, wie 
Konrad und Heinrich, ehe das Kaifertyum damit verbunden 
war. Während er einzelne Rechte in Italien fchwinden ließ, 
erwarb er in Zeutfchland eine Hausmacht, welche feine Nach 
folger in den Stand ſetzte mit größerem Nachdruck aufzutxeten. 

Rudolf ‚hat aber nicht nur die teutfchen Reichsrechte, 
fondern auch die Rechte der Stände gegen einander feſtge⸗ 
fiel. Darin übte er vorzüglich das Königsamt und das 
if die Bedeutung ber Landfriedens einungen, welche er 


J 


überſicht der Verdienſte Rudolfs um das Reich. 75 


mehrmals erneuern und beſchwoͤren ließ. Seine Abſicht war, 
die befondern Buͤndniſſe, welche die Stände in ber herren⸗ 
loſen Zeit zu ihrer Sicherheit errichtet, zu einer allgemeinen 
Reichsanftalt unter Eöniglicher Beftätigung zu erheben; haupt⸗ 
ſaͤchlich in den aufgelöften Herzogthümern, wo kein Fuͤrſt maͤch⸗ 
tig ober uneigennügig genug war, bie verfchiedenen Stände 
in Ruhe zu erhalten. 

Das alte Landfriedensgefes, unter 8. Friedrich II. 
bergeftellt, auf mehrern Reichötagen erneuert und mit zeitges 
mäßen Zufäßen verfeben, endlich kurz vor Rudolfs Tode auf 
einer Verſammlung zu Speier in teutſcher Sprache!) verkuͤn⸗ 
det, mit der Fuͤrſten, Landherren und Staͤdte geſchwornen 
Eiden, geht von folgenden Grundlagen aus: 

4. Die Selbſthuͤlfe iſt verboten. 

2. Zürften und Ale welche Gerichte vom Reich has 
ben, follen wohl richten; ebenfo der Hofrichter, mit Vorbehalt 
ber Rechte des Königs. 

3. Nur wer vor den Gerichten feine Genugtbuung fins 
det, darf ſich felbft Recht fchaffen in aufrichtiger Fehde nach 
brei Tage vorhergegangener Widerfage. Wer das unterläfft, 
iR ehrlos und rechtlos. 

4. Ber, wenn Zwei mit einander urlugen (Krieg führen), 
bed Reichs Straßen angreift, ift als Straßenräuber zu 
sichten. 

5. Boll und Seleit darf Niemand machen, als wer 
es vom Reich hat, weber zu Land noch zu Waſſer; auch keine 
Burg darf Iemand anlegen auffer auf feinem Gut. 

6. Pfahlbürger follen allenthalben abgeſchafft werden. 

7. Wenn der Landfriede gebrochen wird, ſollen die Naͤchſt⸗ 
geſeſſenen zu Hülfe eilen, u. ſ. w.; wenn es noͤthig würde, 
der König felbfl. 

Über die Befolgung biefer Geſetze hielt Rubolf mit gro⸗ 
ßer Strenge, zum Theil mit geſchaͤrften Strafen: Straßenraͤu⸗ 
ber büßten am Strange; — in einem Keſſel ſieden⸗ 
den Waſſers ⁊). 


1) jedoch mit alten lateiniſchen Buchſtaben auf Pergament geſchrie⸗ 
ben. Lehmann ſpeier. Chronik ©. 555. 
2) Annal, Colmar. an mehrern Stellen. 





76 Bud IL Erfer Zeitraum. Abſchnitt1. 


Der Zweck des Landfriedens ift, jeden Stanb des Reiche 
in feinem Weſen zu erhalten, daß weder die Fleineren Stände 
von ben mädhtigern unterworfen, noch die Hinterfaffen der 
Landherren ohne Willen derfelben in das Bürgerrecht der Städte 
aufgenommen werden follten, alfo jedes Gebiet und jedes Recht 
unverletzt bliebe. 

Da nun auf diefe Weife alle unmittelbaren Reichs— 
ftände in ihren damaligen Verhältniffen beftätigt worden, fo 
ift bier dee Ort zu einer Überficht ihrer Anzahl und ihrer Claſ⸗ 
fen, um bie Veränderungen fpäterer Zeiten damit vergleichen 
zu koͤnnen. 

An geiſtlichen Reichöftänden zählte man in Teutſch⸗ 
land, ohne die burgunbifchen und. flavifchen Lande und ohne 
das Patriarchat von Aquileja mit der Markgravſchaft Iſtrien, 


6 Exzbifchöfe, worunter 3 Kurfürften, über 40 Bifchöfe, un⸗ 


gefähr 70 Prälaten und Äbtiffinnen, wovon die Hälfte da⸗ 
mals ober fpäter gefürflet worden, bazu 3 geiftliche Ritteror⸗ 
den (Sohanniter, Zempler und teutfche Ritter), zufammen 
über 100 geiftliche Stände. 

Die weltlichen Zürften und Neichöftände waren: 4 
Kurfuͤrſten (worunter 1 König, 1 Herzog, 1 Pfalzgrav, 1 
Markgrav); 6 Herzoge (Baiern, Öfterreich, Kärnthen, Braun⸗ 
fchweig, Lothringen, Brabant Limburg); gegen 30 gefürftete 
Graven, darunter einige Markgraven und Landgraven; unge: 
faͤhr 60 Reichsſtaͤdte, ein Theil erft noch im Werden: zufam= 
men wenigftend 100 weltliche Stände. Im Ganzen alfo über 
200 unmittelbare geiftliche und weltliche Reichsſtaͤnde!). Da 
die meiften fürftlichen und graͤvlichen Häufer fi in mehrere 
Linien theilten, fo ift der Perfonalftand noch höher. Bei K. 
Albrechts J. NReihötag zu Würzburg zählte man etliche und 
fiebenzig geiftliche und weltliche Fürften, 300 Graven und 
Herren und 5000 vom Abel; doch die beiden letztern Claſſen 
waren dem größten Theile nach im Gefolge von Lanbeöherren ; 


erſt ſpaͤter entſtanden die zwei Gravenbanken in der Reichsver⸗ 


1) Das Verzeichniß bei Gebhardi Geſch. d. erbl. Reichsſtaͤnde zc. 
I. S. 2891-821. begreift einen viel längeren Zeitraum; wir haben des⸗ 
wegen bier bei einigen Glafien nur ungefähre Zahlen geben können. 


Überfiht der Berbienfte Rudolfs um bas Rei. 77 


fommlung; auch die Verhaͤltniſſe ber Reichöftädte, weiche fchon 
nah K. Wilhelms Zode Luft hatten an der Koͤnigswahl Theil 
zu nehmen, erwarteten noch bie näheren Beſtimmungen. 

Dieſe große Zahl, befonderd von Heineren Ständen, ifl 
Folge theild der Auflöfung theils der Verminderung der alten 
Herzogthümer. Wie viel zufammengefebter erfcheint jetzt der 
Reichötag, wie viel. verwidelter wird bie Reichöregierung und 
Berwaltung im Verhältnig zu bem früheren Zeitraum, da 5 
bis 8 Herzoge und eben fo viele Markgraven ber Verwaltung 
der Provinzen vorfianden. Die meiften Fleinern Stände, 
Städte, Stifte, Klöfter, Landherren, find in den oberen Rheins 
landen, bann in ben nördlichen Küftenländern, jedoch häufig 
durchfchnitten von größern Gebieten ber Graven und Bifchöfe. 
In den herrlichſten Sauen längs dem Rhein von Bafel bis 
Utrecht entflanden auffer ber Mheinpfalz eine Reihe geiftlicher 
Gebiete und Fürftenthümer; fo tft auch Baiern und Sachſen 
durchſchnitten. Größere Staaten find im Oſten und Norden 
Zeutfchlands geblieben, und fe ſchimmert wieder die erſte Ans 
lage des alten Germaniend hindurch, da in ben Rheinlanden 
kleinere Stämme unter Wahlhaͤuptern, im Often größere Voͤl⸗ 
fer unter. Exrbfürften flanden. Jene Verhältniffe begründen 
auch eine nene Unterfcheibung. Jemehr die Fürftenflanten 
durch Zueignung der untergeorbneten Staatögewalt die Lans 
deshoheit erlangen (die unmittelbare Einwirfung bed Kaiz 
fers auöfchlieffen), deſto mehr wird die Geſammtheit der klei⸗ 
nern Stände als dad eigentliche Reichöland angefehn. Im 
inen Staaten entſtehen befondere Familien und Voͤlkerſchaf⸗ 
tem, nach ben landesherrlichen Häaufern.oder Hierarchieen 
genannt; in biefen find bie ReichSunterthanen,. das teutfche 
Volk im engern Sinn. Rudolf ift es der den Anfang ges 
macht hat dieſes Reichsland als Gegengewicht den. Kürften- 
ſtaaten entgegenzuflelleh. Kan > 

Haben die Hohenflaufen die Ritterſchaft (bie Dienſt⸗ 
mannfchaft bes Reiches) ald Baſis ihrer Macht vorzüglich, dam 
die Städte, ſoweit es ihren Herrfcherplanen angemeffen war, 
gehoben, fo treten Beide ünter Rudolf in’ gleiche Linie. Die 
ſtaͤdtiſchen Ritter thaten ſich unter feiner Führung nicht weni- 


78 Bud II. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 1. 


ger hervor als die Dienſtleute des platten Landes. Der Stand 
hob ſich durch die Entfernung der Straßenraͤuber. 

Die Kernſchaar aus den obern Landen galt viel bei Rus 
dolf. Jener Heinrich Schorlin aus Bafel, der den erften An⸗ 
griff auf dem Marchfeld gegen die Böhmen that, kam mit 
dem Könige nach Nürnberg, wo er fich gegen die fehr fchöne 
Zochter feines Hauswirthes Gewalt erlaubte. Darüber erhob 
das Volk einen Auflauf und foderte Iaut Gerechtigkeit. Der 
König hielt inne, ob nicht etwa Jemand ald Vertheidiger ein- 
. fchreiten würbe; endlich fprach er mit Entrüflung: „ich werbe 
über ihn richten, bier auf biefer Stelle werde ich richten.” Da 
erfchrafen die Edeln und das Volk, weil fie fahen, daß ihn der 
König fehr liebte. Der König aber ließ ihn mit dem Maͤd⸗ 
hen trauen und gab ihr 200 Mark zum Brautfchag :). We 
nige Jahre vorher hatte man zu Kolmar - einen Süingling we- 

gen gleichen Verbrechens Iebendig begraben ?). 
' Die firenge Ordnung welche die Städte in Ihrem In⸗ 
nern handhabten, mit welcher fie auch gegen Briebbrecher und 
Räuber audzogen, trug nicht wenig zu ihrer Aufnahme bei. 
Mudolf war freigebig mit Gnadenbriefen, aber er foberte auch 
nach feinen Bebürfniffen Steuern und Mannfchaft. Beides 
konnten bie an Bevoͤlkerung und Gewerben wachfenden Stäbte 
am beften geben; fie kamen aber ungern daran. 

Unter Nachklängen aus der hohenftaufifchen Zeit entfteht 
ein neuer Schwung unter Rudolf. Cr felbft flieht mitten inne. 
war verhallen bie Achten Minnefinger. Meiſter Konrad 
von Würzburg, ber legte Überarbeiter des Nibelungenlie- 
bes), ftirbt nicht Jange vor Rudolf *). Später endigte Hein 
sich Sranenlob zu Mainz, welcher teutfche Lieber, genannt 


1) Albert. Argent, p. 109. 

2) Annal. Colmar. ad a. 1276. Raft für rechtlos erlärt K. Rus 
dolf die „‚gemetnen Frauen: „indignum esset, ipsas legum laqueis in- 
nodare; volumus tamen, ne ab aliquo indebite offendantur.“ Lam: 
bader Urt. v. 3. 1278. ©, 252. 

8) Gruber im Probeheft ber allgemeinen Encycl. Art. Nibelun⸗ 
genlied. 

4) Annal. Colmar. 1287. Ex heiſſt hier; „multorum bonorum di- 
ctaminum compilator.“ 


überſicht der Verdienſte Rubdolfs um das Reich. 79 


„Unfer Frauen Lied,” gedichtet; er wurde von lauter Frauen⸗ 
haͤnden beſtattet und fein Grab mit vielem Wein Üübergoffen *). 
Auch Rudolf und fein Schwager, ber tapfere Grav Albrecht 
von Hohenberg, fanden noch Sänger ihrer Thaten. Zugleich 
aber kommt mit dem äffentlichen auch ein neues Xeben in bie 
Geſchichtſchreibung. Ein Schüler jener Sänger, welde in 
Friedrichs IL und Manfreds Gefolge waren, Ottokar aus 
Steiermark, hat eine große teutſche Reimchronik des Lan⸗ 
bes ſterreich verfaſſt, vom Tode Kaiſer Friedrichs bis auf 


Friedrich den Schönen, worin er viele ſchaͤtzbare Nachrichten 


als Augenzeuge mit gibellinifcher Sreimüthigkeit giebt*). Die 
Jahrbücher der Dominicaner zu Kolmar, fowie dad. von Als 
bert von Straßburg, find eigentlich burch Rubolf geweckt wor⸗ 
den. Sie find noch Lateinisch; aber feit Rudolf wirb es uͤb⸗ 
ih teutfche Urkunden zu verfaffen. Die Mönche wette 
eifern in wiffenfchaftlichen Beflrebungen. Zwei vom Predigers 
orden wuſſten Sonnenfinfternifje zu berechnen. Ein anderer 


bat eine Weltcharte auf zwölf Pergamentblättern gezeichnet. ' 


Mm Schwaben und Rhätien fand man Leute, welche ven Tas 


tholifchen Glauben näher prüften. Als der päpftliche Legat . 
auf einer Kirchenverfammlung zu Würzburg nicht nur die geifl: 1287 


lichen Zehenten fondern fogar den vierten Theil alles Ein- 
kommens foderte, widerfeßte fich der Bifchof Konrab von Zoul 
mit großem Nachdruck, und ald ber Legat ihn abfegen wollte, 
entfiand in der Verfammlung eine folhe Bewegung, daß der 
Legat für fein Leben flnchtete?). 

In diefer Beit alfo, da das Volk feine, großen Kaifer 
noch nicht vergeffen hatte, da die Sage von Friedrichs IL. 
Berborgenheit und Wiederkunft durch Pilger, welche aus — 
Morgenlande zuruͤckkamen, erneuert male *), hat Rudolf, ins 


1) Albert. Argent. p. 108. 

2) Pez scrr. rer, Austr. T. III, gang. S. 18 zählt Ottokar viele 
„Meifter, Gibler, Geiger,’ welche bei Manfseb waren, mit Namen auf, 
darunter: „Meifter Chunrat von Rotenberch, ber nach bes Prinzen Hi 
nevart lang hernady mein Meifter warb.” 

5) Annal. Colm, ad a. 1286, Raynald. adh a. MHist. austr. 
Sifr. Presb. ad a. 1287. Cf. Heur. Stero. 

4) Annal, Colmar. ad a. 1286, 


X 


80 Buch UL Erfter Zeitraum. Abſchnitt 2. 


bem feine Aufgabe war die Verfaſſung herzuftellen, unver⸗ 
merkt den Grund einer neuen. gelegt. 

Seit die Fürften in Erwerbung erblicher Territorien 
wetteifern, find es brei Elemente "welche die folgende Ges 
fhichte bewegen: 1. Der König will, wo nicht Erblichkeit 
der Krone, doch eine überwiegende Hausmacht. 2. Die geift- 
lichen und weltlichen Fuͤrſten wollen fein maͤchtiges Haus 
mehr fiber fi, da fhon Rudolf mehr gethan, als fie erwar⸗ 
tet hatten. Statt ber frähern Magnaten (Bollöherzoge) um— 
giebt eime zahlreiche Ariflofratie den Thron. 3. Die Eei- 
nern Stände in der Mitte werden balb von ber einen balb 
von ber: andern Seite ald Gegengewicht gehoben oder verlaf-. 
fen. Wo das Übergewicht bleiben werde, dad war in Der 
That fchon bei dem Sturze der Hohenflaufen zu vermuthen. 


Zweiter Abſchnitt. 


Die Ariflofratie Wahlparteien und aus— 
wärtiger Einfluß (von Rom und Frankreich) bis 
zur Unabhängigfeitserflärung and Beftftel- 
lung der römischen Königswahl; oder.von K. 
RT bie zu KarlslV. goldner Bulle. 
„12911356. (65 Sabre.) 


Erzbiſchof Gerhard von Mainz. Angriffe der rhei— 
—— Kurfuͤrſten auf das Reichsgut bei K. Adolfs 
Wahl. Des Koͤnigs Selbſtaͤndigkeit; Landfriedensan⸗ 
ſtalten; Landerwerbungen. Unzufriedenheit der Kurfuͤrſten. 


1291 Konig Budolfs Strenge bei Einziehung der Reichſsguͤter und 
Abſchaffung der ungefeglichen Rheinzölle hatte am meiften ben 
Unwillen des Erzbiſchofs von Mainz, Gerhards von Eppen= 
ftein, erregt; doch durfte er folchen bei des Königs Lebzeiten 
nicht laut werden laffen; aud) gegen Herzog Albrecht, Rubolfs 


\ 


— 


Adolfsé Koͤnigswahl, 1292. 81 


Sohn, verbarg er anfaͤnglich ſeine wahre Geſinnung und ließ 
ihn ſogar die Nachfolge im Reich hoffen‘), bis er eines ans . 
ven Beſchuͤtzers gewiß war. Im Einverſtaͤndniß mit dem 
Erzbifchof Siegfried von Coͤln, welchem der König bei dem 
flandrifchen Krieg .entgegengewefen, brachte er die übrigen 
Kurfürſten theils durch Verſprechungen theild durch falfche . 
Drohungen, indem er jedem einen ihm wibrigen Kronbewer⸗ 
ber nannte, dahin, baß ihm, wie bei Rubolfs Wahl dem 
Palzgraven, alle Stimmen übertragen wurden und biesmal 
noch dazu mit fchriftlichen Vollmachten, um alle Rüdfchritte 
abzufchneiden: Num ernannte er feinen Vetter, den jungen 1292 
Graven Adolf von Naffau, an welchen man am wenigften 10. Mai 
gedacht hatte, zum römifchen König 2). 

Die beiden Häufer Eppenftein und Naffau, urs 
fprünglich wohl zu Einem Gefchlechte gehörig, bald in Freund; 
ſchaft bald in heftigen Fehden mit Einander begriffen, waren 
aufs neue verbunden, da Gerhards Vater, Gottfried von Ep: 
penſtein, mit Elifabetha von Naffau, Schweſter von Abolfs 
Bater Walram, vermählt war. 

Gerhard war der fünfte Erzbifhof zu Mainz aus dem 
eppenfteinifhen Haufe, unter welchem das Erzſtift an 
Land und Leuten bedeutend zugenommen. In den naſſaui⸗ 
fhen Stammgütern ertennt man zum Theil die Sravfchaften 
mb Bogteien des erften falifchen Kaiſerhauſes. Grav Adolf 
befaß aber nur die ‚Hälfte derfelben mit ben Städten Wisba- 
den, Beilburg, Idſtein; die andere Hälfte gehörte feines Va⸗ 
ters Bruder Dito mit Dillenburg, Beilflein und Siegen °); 
dazu war Abolf Vaſall ded Kurfürflen von Trier, fowie bes 
Rheinpfalzgraven als Gaftellen des Schloſſes Daub ). 

Der Reichskanzler wollte alſo nur einen ſchwachen, ab⸗ 
haͤngigen Koͤnig, und die — ſtimmten infofern bei, als 


1) Chron. Leob, ad a. 1894. Albert. Argent. p. 109. 
2, O ttokars Reimchron. ©. 510 fi. Stero ad a, 1298: 
8). Vogt rhein. Geſch. II, 875890, wo auch die Stammtafeln. ° 
4) Schilter. Comment. ad jus feud. Alem. c. 26, Kirchliche 
Shen trug auch Rubolf und felbft das Hohenfläufifche Haus. Aber Adolf . 
, Über erſte König der eines andern weltlich en — Lehenmann war. 
P fiſter Geſchichte d. Teutſchen IT. 6 


82 Buch IL Erſter Zeitraum. Abſchnitt 2, 


ihnen fhon Rubolf zu mächtig geworben war. Die Bebins 
gungen welche Gebhard feinem Vetter gemacht, kamen nad 
der Wahl an den Zag. Ihm felbft verſprach Adolf Erfas 
nicht nur ber römischen Koͤnigswahlkoſten, welche er, da Abolf 
fein Geld hatte, auf fich genommen, fonbern auch der bei 
feinem eigenen Wahlproceß gemachten Schulden, ja ſogar Beis 
teeibung ter den Bürgern von Mainz wegen ihre Wiberflan- 
bed gegen ben vorigen Erzbifchof Heinrich, von K. Rudolf auf: 
gelegten Strafe von 6000 Marl. Herner verfprach Abolf dem 


Erzbiſchof auf Lebendlang die Vogtei Lahnflein, dem Erzſtift 


den Reichszoll zu Boppard, Friedzoll genannt, Stadtrecht für 
fech8 zu benennende Dörfer des Erzſtifts, die Reichöwogtei 
über die Städte Mühlhaufen und Norbhaufen, bie Juden⸗ 
fleuer, welche die Etabt Mainz an fi) gezogen, enblich bie 
Zuruckgabe von Seligenfladt und Bachgau, welche K. Rubolf 
dem Erzſtifte entzogen‘). UÜberhaupt beflätigte er alle Rechte 
und Freiheiten beffelben nebft der Erzlanzlerwürbe durch Teutſch⸗ 
land *); verſprach ihm auch Beiſtand gegen alle Feinde und 
bedachte noch befonders den Verwandten des Erzbifchofs, Sieg⸗ 
fried von Eppenſtein, mit der Burggravſchaft Friedberg. 
Dem Erzbifhof Siegfried von Coln gab Adolf die Schirm⸗ 
vogtei tiber das Stift Efjen zurkd ?), und bem Erzbiſchof von 
Trier für 4553 Mark Wahl: und KrönungssKoflen die Stabt 


Kochheim nebft Klotten *). 


1292 
30. Jun. 


Bei K. Nudosfs Wahl waren ed die weltlichen Kurs 
fürften, welche Bebingungen machten zu Gunften ber Berbin- 
dung mit dem Böniglichen Haufe. Es geſchahen diesmal auch 
folche Verfprechungen. Seine Tochter Mechtild verlobte Adolf 
bem Sohne des Rheinpfalzgraven, Rubolf :); und feinen Sohn 


1) Aachen 1. Jul., Bonn 3. Jul. 1892. Guden. Cod. dipl, T.I. 
Nom. 408, 410. 


2) Bonn 5. Jul. Worms 10 Nosember 129% Lünig Reichsar⸗ 
chiv — XVI. Rum. 44. 46. Die erſtere Urkunde betrifft die Erzkanz⸗ 
lerwurde 


9) 5. Octbr. 1292. Joannis Spicil. T. 1. p- 23 09. 
4) 22. Zul. 189. Hontheim T. 1. * 174. 
5) Guden. L. c. Num.407. Zu : 


Adolfs Koͤnigswahl, 129% 83 


Ruprecht der Tochter des Koͤnigs Wenzlaw von Böhmen, den 
ee noch überdied von der perfönlichen. Belehnung befreite '). 
Übrigens Bam die legtere Verbindung nicht zu Stande. In gan; 
anderer Art aber fingen bie vheinifchen Erzbifchöfe jest an, _ 
Wahlbedingungen zu machen. ben jene Reichsrechte welche 

8. Rudolf zurüdgefodert hatte, fuchten fle wieber an fich zu brins 
gen und alfo auf Koflen des Reichsgutes und der koͤniglichen 


Macht fi zu vergrößen. Cine einzige Wahlbebingung be 


traf die Reichöregierungs fie war! biefe: daß bei Vorladungen 
der Fürften die alte Friſt von 18 Wochen eingehalten werben 
müfle?). 

Dad waren die Bedingungen, welche bem neuen König 
Adolf gemacht wurden. Da gerade in biefan Beitpunct ber 
päpftliche Stuhl wegen Uneinigleit der Cardinaͤle erledigt fand, 
fo glaubte der erfle geiftliche Wuͤrdentraͤger in Teutſchland im 
Tone bed Papftes fprechen und für das mainzer Erzflift auf 
gleiche Art Zuwachs anfprechen zu bürfen, wie es jener inbefs 
fen in Abficht des Kischenflaates gethan. 

Die Lage des Reichs hingegen foderte einen mächtigen 
König, als ihn bie Kurfürften haben wollten. . Die ganze Oft 
grenze war in Unruhe. Der König von Böhmen unb der 
Kurfürft Otto der Lange von Brandenburg befriegten die Po- 
in; die übrigen Markgraven von Brandenburg nahmen Theil 
am thäringifchen Hauszwiſt. Der neue König Andreas vom 
Ungern, Herzog Otto von Baten, ber Erzbiſchof von Salz⸗ 
burg flanden feindfelig gegen Öfterreich. Auf der Weſtgrenze 
war es eben fo. Im Elſaß und in den Nieberlanden erho⸗ 
ben ſich die alten, von 8. Rudolf kaum nunterbrüdten Fehden 
wieder. 8. Philipp von Frankreich fuhr fort Reichslande 
an fich zu ziehen. Gegen die habeburgiſche Stammhertſchaft 
in Oberſchwaben fürhsten faft alle Nachbarn Krieg, hauptſaͤch⸗ 
lich auf Betreiben bet Etzbiſchoſs von Salzburg, ber dem 
Herzog Albrecht hier zu tbun geben wollte Der Abt von 
St. Gallen und der Bifhof von Speier, welche wegen ihres 
Biderflandes gegen 8. Rudolf vertrieben waren, kehrten zus 


1) Stero ad a. 1895. Goldast. T. I. p4l. 1" 
D) Guden. I. c. en — 
. 6* 


84 Buch IM. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 2.. 


ruͤck. Der Biſchof von Coſtanz ſchloß ein Buͤndniß mit dem 
Graven Amadeus von Savoyen und vielen andern Herren 
und Städten... Gegen fie führte Grav Hug von Werdenberg, 
Hauptmann ber habsburgifchen Lande, den Kiieg nicht un: 


gluͤcklich, bis Herzog Albrecht aus Öfterreich kam und bier 


im Meinen biefelbe Abneigung gegen feine Perfon fand wie 
bei den Reichöfürflen in Abficht der Königswahl. So war 
überall Unficherheit und Landfriedensbruch; Albrecht felhft aber 
fland erbittert dem neuen Könige gegenüber). 

Indeſſen trat Adolf mit gutem Muth bie Reichöregierung 
an; er war nicht ungelehrt und kannte bie Iateinifche und 
franzöfifche Sprache; was ihm an Hausmacht gebrach, bas 
hoffte er, wie K. Rudolf, durch Zapferbeit zu erfeßen, wies 
wohl ex deſſen Scharfblid nicht hatte ?). Seinen erfien Reichs: 
tag hielt er zu Coͤln und erneuerte K. Rubolfs Landfrieben 
auf drei Zahre?), nachdem er die Stadt Valenciennes, welche 
gegen ihren Srundheren, Johann von Aveſnes, aufgeftanden 
war, in die Acht erflärt hatte*). Dem Herzog Iohann von 
Brabant; deſſen Gefangener er in ber limburgifchen Fehde 
gewefen, übertrug ‚er dad Reichsvicariat von der Mofel bis 
an das Meer und vom Rhein bis Weftphalen ). Dann kam 
er herauf nach Oppenheim, mohin er den Herzog Albrecht 
berufen hatte, um ihm die Belehnung zu ertheilen. Dieſer 
teug tiefen Groll im Herzen, weil er mit vergeblicher Hoff: 
nung nad Frankfurt gekommen war; auf der ‚Burg Trifels 
hielt er die Reichöfleinodien zuruͤck; nachbem er feinen Unwil⸗ 
len. gegen ben Bifchof von Coftanz und feine Verbündeten aus- 
gelaſſen, wollte er wieder nad) Öfterreich ziehen, unbekuͤmmert 
um ben neuen König. Allein die Fuͤrſten gaben das nicht zu 


und lagen ihm an, ſich mit Adolf zu verfühnen Da er fah, 


daß er. beiten Beifland von ihnen zu: hoffen hatte und auch 


ſein Schwager, ber König von Böhmen, gegen ihn war; ba 


.. D.@efdichte v. Schwab III, 92-108. 
. 9) Stero l. c. Annal. Colmar. ad a, 1292. 
3) Reue Sammlung d. Reichsabſchiede I. Rum. 19. 
- 4) Martene Nov. Thes. Anecd. L Num. 1248. 
5) Lünig Cod. Germ. dipl. II. p. 1155. . 


v 


8. Adolfs Landfriedensanftalten 85 


feine eigenen Sande voll Unfrieben waren, fo beſchloß er end⸗ 
lich Frieden zu fuchen und ging mit einem ftattlichen Gefolge 
nach Oppenheim, wo er nach Übergebung: ber Reichökleinos 
dien bie Belehnung empfing und dann nach Oſterreich Buchs 
kehrte!) 
A Erzbiſchof von Mainz, der bem teutfchen Orden 
ſchon früher Verguͤnſtigungen erwieſen, gewann denſelben auch 
fr Adolf. Zu Boppard erneuerte Adolf die Freiheiten des 1293 
Drdens in ihrer größten Ausbehmmg mit dem Beiſatz, daß 28. Mai. 
der. römische König allein deſſen Befchüger fei... Der Hochmeifter 
war häufig in feinem Gefolge und wurbe auch in: Sefchäften 
verfenibet. . An den durch ganz Zeutfchland verbreiteten Rit⸗ 
tern hatte Adolf ein bedeutendes Gegengewicht gegen bie Fürs 
fin, und es entfiand bald. die Meinung, ſie ſeien die genaue⸗ 
ſten Ausſpaͤher ihrer Rathſchlaͤge). — 
Adolf zog herauf durch Elſaß und Schwaben, ließ ben 
Landfrieden fchwören und befekte bie Reichsvogteien. Da ihm 
bier der Grav Eberhard von Wirtemberg eben fo ent: 
gegen war wie feinen Vorgänger, fo verfuhr er’ gegen ibn 
auf gleiche Weile, nahm einige feiner Burgen in Beflb und 
fprach ihm die Reichsvogtei im: untern Schwaben ab’). Kaum 
hatte aber Abolf das Elſaß verlafien, fo machte ber Reiche: 
fhultheiß von Kolmar, Walter Röffelmann, einen Auffland, 
in Berbindung mit Anshelm Yon Rappoltflein und dem Bis. 
(hof Konrad von Straßburg. Der König vief deöwegen bie 
theinifchen Fürften zu den Waffen und belagerte Rapperswei⸗ 
ler, dann Kolmar. Nach ſechs Wochen traten die Bürger über; Sept. 
Ansheln: wurde in der Stadt, Röffelmann auf der Flucht ges 
fangen; ber König fchenkte zwar Beiden. bad Leben, ließ aber 
&rätern mit aufgehobenen Armen auf ein Rab gebunden in 
den Städten vor fich her führen, dann nebft feinem Sohn in 
einen Thurm werfen, wo er bald nachher flarb. Anshelm von 
Rappoltftein büßte mit zmeijähriger Gefangenfchaft auf ber 
Reichsburg Achalm; feine‘ Güter vertheilte der König den Ver: 


4) Ottokar ©. 518 ff. 
2) Boigt Geſch. Preuſſens IV, 76 ff. 
3) Geſch. v. Schwaben III, 107. 








6 Buch II. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 2. 


wandten und behielt einen Theil für ſich Der Bifchof. Kon: 
rad wurbe durch Vermittlung ber Straßburger wieder zu Gna⸗ 
ben aufgenommen+). Bei Adolfs Ruͤckkehr nah Schwaben 
fanden durch Vermittlung feiner Semahlin Imaging friedliche 
Unterhbandlungen mit dem Graven von Wirtemberg flatt, wel 
then ſich audy die uͤbrigen Herven anſchloſſen?). 


12 Nah Berfiuß von zwei Jahren, ba bie Ruhe im Reich 


: ziemlich bergeftellt war, wandte Adolf feine Aufmerkſamkeit 
auf bie Reichsrechte in Italien und zugleich auf bie Grenz⸗ 
befchhkung gegen. Frankreich. Matthäus Bifconti, auf 
Betreiben feines Berwanbten, des früher gebachten Erzbiſchofs 
Dtto, von den Mailändern, dann aud non aubern Städten 
und Sandfchafterr em Capitan emwählt, erhielt durch bebeus 
tende Geldſummen, deren Adolf bebürftig war, daß er zum 


21. März. Reichövicar in allen jenen Städten ernannt wurde; bie Hals 


Mat. 


31. Aug. 


bigung, welche Adolf hierauf durch vier Abgeordnete neit feis 
nem Beiſtand in des Sombarbifchen Staͤdten einnehmen ließ, 
fand auch Feine Schwierigkeiten, ba er beufelden alle vom ben 
vorigen Kaifern erhaltene Freiheiten beflätigte °). Hingegen 
Sohann von Chalond, welchen Adolf als Statthalter in To⸗ 
ſcana aborbnete, traf auf mancherlei Hinderniſſe, weil die 
Staͤdte ſich jetzt an den Papſt hielten. *). 

An König Philipp von Frankreich ſandte K. Adolf einen 
Sehdebrief des Suhalts: „es wäre Schande, wenn ber roͤmi⸗ 
fche König ertrüge, daß der König von Frankreich Die durch 
ihn und feine Borgänger dem Reiche eitzogenen &hter, Rechte 
und Laͤndergebiete nody länger vorenthielte; deshalb erklaͤre er, 
daß er ſich vorgenommen zu Wendung foldyen Unrecht feine 
Macht zu gebrauchen.“ Philipp, „König der Franken,“ gab 
bem „Könige von Alemonnien” zur Antwort: „er werbe fich 


durch vier Abgeordnete erkundigen, ob. das Schreiben — 





1) Chron. Colmar. ad a. 1293, Albert, Argent, p. 110. 
2) Geld. von Schwaben II, 110 ff. | 


8) Du Mont. T.L P.I. p.292. Fraux. Pipin.:Chron. L. IV. 
c. 89. in Murat. scrr. T. IX. Galvan. Flamma ib. T. XI. 


4) Ptolem. Luc. ad a. 1296 in Murat. T. XI. 


8. Adolf gegen SING 87 


von ihm ergangen ſei, und fh bann als Befehbeter bamad) 
verhalten ').' 

verließ fih auf ben König Eduard von Eng: 
land, ber gleiche Beſchwerden hatte; bald darauf Fam ein 
Buͤndniß zwifchen ihnen zu. Stande, daß fle einander beifte- 129 
hen wollten, die Rechte und Länder, welche ihnen der König % «4 
von Frankreich entzogen, wieber zu exlangen, Teinen Frieden 
ohne einander zu fchlieffen und bie etwaigen Eroberungen gleich 
zu vertbeilen. Eduard verfprady Überdies dem roͤmiſchen Kö: 
nig Adolf bei dem Papfle die Kaiferkrönung zu befördern ?). 

K. Philipp ließ fich jedoch durch dieſes Bimbniß nicht 
ſchrecken. Er brachte bald darauf den Pfalzgraven Ott o von 
Burgund dahin, daß er verſprach, mit ber Vermuͤhlung feis 1295 
ner Tochter mit einen Sohn des Königs zugleich am biefen 2. Maͤrz. 
bie Freigravſchaft Burgund gegen eine Summe Gelbes und 
einen Jahrgehalt abzutreten ’). Adolf hatte alfo das Recht, 
ein Reichdaufgebot gegen den König zu machen; felbft ber 
Papft beſtrafte diefen darüber, daß er offenbare Lehen bes 
Reha an nd ziehen wolle *). Allein bei ben teutfchen Für 
fin war wenig Neigung zu einem Kriege gegen Frankreich, 
auffet dem Graven Guido von Flandern, der ſchon vor Abolf 
ein befonbered Bünbniß mit: dem Könige von England ge 
fhloffen hatte. Abolf nahm alfo eine bedeutende Summe Gel 
des als Subfidien von England 5), um bamit Kriegslente zu 
werben. Doch, ald er bereits im Elſaß Anflalten zum Feld⸗ 
zug traf, trat Papſt Bonifacius VIII. dagwifchen und vermit⸗ 14. Aug. 
telte einen Stillſtand, bez in ber Folge auf fein Gebot ew 
neuert wurde. 

Jene lombardiſchen Gelder?) wollte K. Abolf zum 
Laͤnderkauf anwenden und benutzte dazu bie wieder ausgebro⸗ 


1) Leibnit. Cod. jur. gent. I. Num, 18, 19, 

2) Rymer foedera T. I. P. IH. p. 138. 

3) Du Mont. T. I. P. I. Num. 529. 532. 

4) Raynald. ad a. 1296. 

5) Rad den kolmarer Jahrbuͤchern erhielt Adolf 30,08, nach Als 
bert von Straßburg 100,008 Markt Silbers. 

6) Gewoͤhnlich nimmt man an, Adolf habe mit den englifchen 
Subfidien die thüringifchen Lande gekauft; allein 'e& trifft mit der Zeit 





8 Bud III. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 2. 
chenen Zwiſtigkeiten im thuͤringiſchen Haufe. Dex letzte Ber⸗ 


trag, welchen Landgrav Albrecht mit feinen zwei noch uͤbri⸗ 


gen Söhnen, Friedrich und Ditzmann, kurz vor K. Rudolfs 
Zod gefchloffen, war bald darauf wieber umgefloßen worben 


1291 über bie Derlafienfchaft feines Brudersfohnes, Friedrich Zuta 
‚16. Aug. yon Landsberg, in welche fich Friedrich und Digmann theil- 


ten und. ben Vater ausfchloffen. Diefer aber glaubte vor ih⸗ 
nen Anfprüche zu haben und verband fich deshalb mit Bran⸗ 


1292 benburg und Anhalt. Da er jeboch mit den Waffen Nichts 


gegen feine tapfern Söhne vermochte, fo faflte er dem ver- 


1294 zweifelten Entfchluß, nicht nur Meiffen und Niederlaufig, fei- 


Sep 


nes Neffen Verlaffenfchaft, fondern auch. Thuͤringen, unter der 
Bedingung lebenslaͤnglichen Beſitzes, an K. Adolf fuͤr die ge⸗ 
ringe Summe von 12,000 Mark abzutreten!), ungeachtet er 
in dem lebten Vertrag mit feinen Söhnen ausdrücklich verfpro= 
chen hatte ohne ihren Willen Nichts von den Landen zu ver- 
aͤuſſern. Der Landgrav glaubte, feine Söhne würden bem 


König nicht widerfiehen koͤnnen. Allein fie hatten den Abel 


* 


und die Staͤdte auf der Seite, verwarfen ben ungefeglichen 
Vertrag und thaten hartnädige Gegenwehr, Adolf führte ein 
flarles Kriegäheer meift von geworbenen Leuten mit großer 
Verwuͤſtung durch Thüringen bis ind Oſterland, wobei bie 
Lestern unerhörte Ausfchweifungen begingen und felbft Kirchen 
und Frauenkloͤſter nicht verfchonten; er muffte aber mit An⸗ 
fang des Winters, weil fich dad Heer felbft der Zufuhr bes 
zaubt hatte, an den Rhein zuruͤckkehren, wo er bie obenge⸗ 
dachte Rüftung gegen Frankreich betrieb. Nach der päpftlichen 


nidyt überein. Im Gept. 129% zieht Abolf Thon nah Thuͤringen, ber 
Handel muffte alfo vorher ſchon richtig fein. Das Bünbniß mit Eng⸗ 
land ift aber erft am 22%. Oct. 129% gefchloffen worden. Da ber Ber: 
trag felbft gar Nichts von Subfidiengeldern fagt, fo wurben fie gewiß 
eher ſpaͤter als früher gegeben. Das matländifche Geld aber erhielt Adolf 
fhon im Frühjahr 1294, alfo kam es gerabe recht zu dem Vertrag 
mit dem Landgraven Albrecht. Bon den engliſchen Subſidien ober ben 
damit gewordenen Leuten Tonnte Adolf erft nach dem Gtillftand mit 
Frankreich Gebrauch machen. 

1) Nah Ottokars KReimchronik S. 194. und Volcmar. ap. 
Oefel. I. p. 536, ſprach Adolf die meiſſniſchen Lande als eröffnetes 
Reichſlehen an, . 





K. Abolfs Landerwerbungen. —80 


Stiliftanhävermittiung beſchloß Adolf auch die engliſchen Sub: 
ſidien auf die Eroberung der thüringifchen Lande zu verwen- 
den und unternahm fogleich mit Unterflügung der rheinifchen 
Bifchöfe *) einen zweiten Feldzug, auf welchem. ee nach ber 
Eroberung von Frankenſtein und Salzungen und Eihäfcherung 
von Kreuzburg durch das Dfterland ind Meiffnifche kam. 
Hier gewann er nad langer: Belagerung die feſte Stadt Frei⸗ 
berg, war aben fo graufamt, von der Befakung 40 edle und 
tapfere Maͤnner enthaupten zu laffen. Um die übrigen Ge 
fangenen zu retten, übergab Markgrav driedrich auch die 
Stadt Meiſſen und die uͤbrigen Pläge?). — 

Doch von dieſem Augenblick an gingen aboiſ Sachen 
ruckwaͤrts. Daß er. durch den Ankauf jener Lande feine Haus⸗ 


macht vermehren wollte, würde die Fuͤrſten nicht verbroffen 


haben, vielmehr riethen und halfen ihm felbft mehrere dazu. 
Es war nun einmal allgemeines Beftreben ſich durch Erbs 


Aug. 


ande zu vergrößern. Aber die Verwüflungen und Graufam:' . 


keiten jenes Kriegs erregten großes Misfallen. Hierzu kam, 
daß Adolf waͤhrend ſeiner eigenen Vergroͤßerungen eben nicht 
eilte ben Kurfürften feine Verſprechungen zu halten. Erzbi⸗ 


(hof Gerhard erhielt den wichtigen Nheinzoll zu Boppard 


nicht und follte auch die übrigen, welche er wiberrechtlich er⸗ 


richtet hatte, abthun. Alfo wie unter K. Rudolf. Statt auf 


ihn zu hören, der ihn erhoben hatte, folgte Adolf lieber dem 


Rath der Erzbiſchoͤfe von Trier und Coͤln. Da foll Gerhard‘ : 


gefagt haben: „er habe noch mehr Könige in der Taſche.“ 


1) Der Mainzer gab ihm 200 Manns ber von. Zrier folgte felbft. 
Die Bifchöfe von Worms, Straßburg, Coſtanz, Würzburg 2c. gaben 
ssenfalls Zuzug. Der Mainzer hatte ihm gerathen das englifche Geld 
auf Meiſſen zu verwenden, um es wieber zurückzahlen zu können. Dt: 
tofars Reimchron. S. 194 ff. Nah Andern wurbe bas nachher eine 
Brfache ber Unzufriedenheit bes Erzbifchofs Gerhard, daß ihm Adolf 
(mahrfcheinlich für den Zuzug) Nichts von den englifchen Geldern ge: 
arben. 


3) Das Ganze Henr. Rebdorf. ad a. 1295. Albert. 
Argeut. p. 109. Rohte Chron. Thuring. Tenzel vita Frid. 
Admors. Beide Eektere in Menoken sar. T:D. ° 


OO Bub IE Erfter Zettraum. Abſchnitt 2. 


2. Herzog: Albrecht von Öfterteich gegen König Adolf 
durch den Erzbiſchof von Mainz aufgerufen. 


Steigende Spannung zwifchen Albrecht und Abolf. 
Papſt Bonifactus VER entſcheidet einfimeilen 
bloß über die Reichsgrenze zwifhen Frankreich und 
Zeutfhland. Adolf, von einem Theil der. Kurfürs 
Ken abgefegt, Fällt in der Schlacht bei Gelheim. 


Die Verföhnung zu Oppenheim war nur fheinbar. Herzog 
Albrecht hatte den Umfbinden nachgegeben; die erlittene Schmad 
Eonnte er nicht vergeffen. As K. Adolf um eine feiner Toͤch⸗ 
ter fuͤr ſeinen zweiten Sohn werben ließ, gab er eine ſtolze 
Abweifung'!). Seitden: faſſte auch Adolf perſonlichen Wider⸗ 
willen. Vertriebene vom äfterreichifchen Adel fanden bei ihm 
Zuflucht; er nahm fich auch des Erzbifchofs von Salzburg ge⸗ 
gen den Herzog an und ließ ihm Frieden gebieten; wenn ber 
$ g länger im Ungehorfam bleiben würde, brohete Adolf 
in Sr fterreich einzufallen ?). 
Herzog Albrecht aber machte Frieden fobald er Fonnte mit 
den Unterthanen und Nachbarn, um freie Hände gegen ben 
1293 König zu haben: zuerſt mit feinem Schwager, dem König 
Wenzlam von Böhmen?) und dem Könige Andreas von 
1295 Ungern; dem Letztern vermählte ex feine Zochter Agnes, mit 
einer großen: Ausflattung; früher hatte er fie ihm abgeſchla⸗ 
gen, unter dem Vorwande, weil ſeine Mutter eines venetiani⸗ 
ſchen Kaufmanns Tochter geweſen. Eine juͤngere Tochter, 
Anna, gab er dem Markgraven Hermann von Brandenburg *). 
Gegen vie Öfterreichtfchen und fleiermärkifchen Lanbherren, welche 
mit der Wienern mehrmaligen Aufftand erregt batten, wobei 
er, wie man glaubte, durch Gift ein Auge verloren ®), rief er 


1) Albert, Argent. p. 109. 

2) Ottolars Reimchron. ©. 582 ff. 

$) Hist. austr. plen. ad a. 1293. 

4) Albert. Arg. p. 111. Dttolar ©. 584. 


5) Die Kur war fonderbar. Der Herzog muffte fih an den Fü 
Ben aufhängen laffen, damit das Gift von ihm kaͤme. 


Albrecht v. Dfterseih gegen 8 What: 9 


bie ſchwaͤbiſche Rilterſchaft zu Huͤlfe und buachte-fie, wie auch 

den Erzbiſchof von Salzburg, mit vieler Mühe zur Ruhe; er 
muſſte auch verſprechen feine ſchwaäbiſchen Raͤthe: heimgu⸗ 
ſchiken:). Während deſſen ließ er. die Geſinnungen her Fürs 
fen: erforfchen 2): Erzbiſchaf Gerhard kam ihm entgegen! ex 
hielt mit den: Heczog non Sachſen und. dem. Macrkgraben un 
Brandenburg: eine Beratbung. md. beichloß, weil 8. Adalf 
um au Ginean und Kreunben und choͤricht in der Heiden - 
woltung fei, fe folle Herzog Albrecht gegen. Ihn aufgerufen 
werben. Der Herzog war diefer Botſchaft froh und ſandte 

die Briefe des Kurfinflen ſogleich durch den. Gmaven. Albrecht 
von Hohenderg nach Rom; mit 16,000 Mod Silbers, un 
die Einwilligung .zu einer neuen. Königswahl zu erhalten’), 

Sn der Zhat war Adolf noch: nicht förmlich anerkannt, : weil | 
— ha · ſeiner Wahl.n der xxioſtiche Stuhl arlebigt ſtand. s 
Der ſchwache Coleſtin V. konnte ſich nur kurze Zeit halten; 
Bonifacius VIIL, der ih verdraͤngt, beſchraͤnkte ſich in ben 1294 
erſten Jahren darauf, zwiſchen Adelf unb dem Könige. now 24. Der. 

Frankreich zu vermitteln, wie er überhaupt im Begaff war 
auch bei den uͤbrigen Koͤnigen der Chriftenheit bad Amt eines 
Friedensſtifters ober vielmehr Oberaufſehers mit großem Nach⸗ 
druck zu fuͤhren. Ex fand jedoch an dem Koͤnige: von Franke 
reich einen ſtaͤrkern Widerſacher, als er vermuthet hatte, und 
nuſſte ſuh aller Drohungen ungeachtet fagen laſſen, daß er 

m weltlichen Sachen. Nichts. eingureden habe*).. Da. nun 

in Zentichlanh eine Gegenwahl im Werk war, .:bislt Bonifa⸗ 
ins auf’3 neue zuruck Herzog: Albrecht behauptete zwar guͤn⸗ 
ſtiges Gehör gefunden zu haben und fanbte den Kurfuͤrſten 
Briefe, welche feine Geſandten dus. Rom mitgebracht hätten. 
Hingegen ven Gefandten Adolfs gah der Papſt nachher Die - 
Berficherung, daß jene Bricfe amtergefcheben feien, und echt - 
fih Adolf zum Kaifer zu Erönen, wenn er nach Roms kom: 
men würde. Die Kurfürften aber blieben dabei, daß fie vom 


1) Hist. austr. plen. ad a. 1295. Dttotar e. 521 fl. 
2) Volcmar. Chron. p. 536. 

3) Chron. Colmar. p. 57. 
4) Raynald, ad a. 1296. 5, 1821. 


1298 
27. Iun. 


2. Jun. 


92 ,Buh UI. Erfier Zeitraum. Abſchnitt 2. 


Papſte die Bewilligung: erhalten hätten eine andere Wahl 
vorzimehmen'). Dabei fällt noch befonders auf, daß Boni 
facius nicht dad Geringfle that, um den ausgebrochenen Krons 
ftreit zu befchwichtigen, während er doch in Abficht des fran⸗ 
zoͤſiſch⸗ engliſchen Kriegs wiederholte Friedgebote unter Bann 
androhung ergehen ließ und ſich ſogar befugt hielt Aber bie 


-teutfche Reichögrenze zu verfügen; denn er that in einer eige- 


nen Bulle den Ausfpruch, daß bie beiden Könige, Philipp 
und Adolf, jeber mit ber bisherigen Ausdehnung fich begnü- 
gen follten?). Allein die Sache erklärt fi Thon daraus, daß 
der Papſt gerade in biefem Seitpunct den König von Frank 
zeich wieder gewonnen zu haben glaubte und alfo..nicht un= 
gern fah, wenn. 8. Abolf durch Herzog Albrecht vom’ Kriege 
gegen Frankreich abgehalten wurbe. 

As 8. Adolf neue Rüftungen im Elfaß machte, vernahm 
er, da die Fürſten, welche ſich bei der Krönung des Königs 
von Böhmen zu Prag über feine Abfegung befprochen hatten, 
wieder in dieſer Abficht zu Eger zufammenkommen wollten ?); 
ex wandte alfo feine Waffen um fie zu verhindern, und hielt 
ben Erzbifhof von Mainz in einer feiner Burgen eingefchlof: 


- fen. Aber. während feine Befehlöhaber den thüringifchen Krieg 


nicht gluͤcklich fortfegten, muffte er dem Herzog Albrecht ent⸗ 


1298 gegengieben. . Diefer kam mit einer flarken Kriegemacht, um 


dem Berlangen der Fürflen zu entfprechen. Herzog Dtto von 
Niederbaiern geftattete ihm ben Durchzug gegen Geld, mit 
Adolfs Willen, gefland ihm aber aufrichtig, daß er, wenn ed 
dazu kommen follte, mit feinem Schwiegervater dem K. Abolf 
gegen ihn flreiten werbe*). Bei Ulm begegnete ihm Adolf 


- mit einem fo trefflich gerüfteten Heer, daß er nicht auf die 


1. Mai. 


von den FZürften auögefchriebene Verfammlung nad Frankfurt 
kommen Eonnte, fonbern — um Verlaͤngerung ber Friſt 
bitten muſſte. 


I) Chron. Colmar. 1. c. Raynald. ad a. 1298. 8. 11 40. 

2) Raynald. ad a. 1298. 6. 1-10, 
. 3) Stero ad a. 1297. Ottokar ©. 599. Hist. austr. — 
Siffrid. Presb. ad h. a. 

4) Chron. Leob. ad a. 1298. - 


Albrecht' v. Sſterreich gegen 8. Adolf. 93 


Herzog Albrecht führte in feinem Heere ımgerifche und 
cumanifche Hütfsnölfer, welche alle Bogenfchügen waren; feine 
Öfterreicher trugen allein eiferne Waffen. K. Adolf hingegen hatte 
meift Schwerbewaffnete mit eifernen Helmen und Wämfern, d. h. 


dichten Unterfleiven von Leinwand, Hanf ober alten Lappen. 


zufammengenäht und barüber ein Gamifol von ineittanbers 
greifenden eifernen Ringen, welche kein Pfeil durchdringen 
fonnte. Hundert folcher Krieger konnten taufend unbewaff- 
neten wiberfichen. Er hatte auch bei feiner Reiterei viele 
große Schlachtrofle oder Handpferde, welche bie andern weit 
überragten. Dieſe waren auch mit eiſernen Deden von in= 
einanbergefägten Ringen gefchüst, und die Reiter hatten eis 
fene Harnifhe und Handſchuhe, Stiefeln und glänzende 
Helme"). Herzog Albrecht, durch K. Adolf aufgehalten, nahm 
feinen Zug durch Oberfchwaben bis Waldshut, wo der thätige 
Grand Albrecht von Hohenberg⸗Heigerloch die alten Freunde 
des habsburgiſchen Hauſes verfammelt hatte. Das Elfaß und 
die Mortenau (auf dem rechten Rheinufer) waren bereitö ge 
gm K. Adolfs Landosgte aufgeflanden?). Auch Andere wel 
hen Adolfs Regierung unerwünfcht war, wie der Grav Eber- 
hard von Wirtemberg und der Bifchof von Straßburg, Hein- 
rich von Lichtenberg, traten auf Albrechts Seite. Mit unge: 
fähr 20,000 Streitern zog der Herzog nach Oftern das Breis- 
gau hinab vor Kenzingen. Hier ließ ihn K. Adolf durch den 
Sraven von Ötingen fragen: „warum ex heranfgezogen fe 
gegen bad Reich und feinen Herrn?“ Albrecht wieberholte feine 
Befchwerben, namentlich daß ex ihm Fein unpartelifcher Rich: 
tee gegen ben Salzburger gewefen, fondern ihn mit Krieg zu 
überziehen gebroht habe. Da ihm die Kurherren geladen hät 
tn, fo wollte er lieber hier gegen ihn flreiten als in Öfler- 
rich. Nun zog K. Adolf mit feiner ganzen Macht herauf 
und lagerte fich fo nahe bem Herzog gegenüber, daß nur das 
Fluͤßchen Elze zwifchen ihnen war. 

Während die beiden Heere. etwa vierzehn Tage unthätig 
einander gegenüber ftanden, kam auch Herzog Otto von Baiern 


V Chron. Colmar. p. 57. 
2) Anıtal. Colmar..p. 31. Chron, Colmar. p.. 56. 


Apr. 


94 Bach II. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 2. 


mit 300 Ritten, um zu bem Heere des Koͤnigs zu floßen. 

Der, tapfere Grav Albrecht von Hohenberg, in beffen Gebiet 

- der Herzog ſchon eingebrungen war, wollte ihn, da feine Zahl 

bie. ſtaͤrkers war, bei ber Nacht überfallen; von treulofen Spaͤ⸗ 

bern aber verrathen, ſah er ſich bald von der Übermacht um: 

ringt, ba der Herzog den Seinigen befohlen hatte allein auf 

den Graven einzudringen. Ex kämpfte mit eitem unerſchuͤt⸗ 

terlihen Muth, bis er endlich verwundet vom Schlachtroß 

; ſtürzte. In diefer Noth kamen ihm feine Bauern zu Hülfe; 

gegen 300 fielen unter den Schwerbtern der Ritter und bed 

ten den Leib bes erfchlagenen Sraven. Sein und ihr Lab ha; 

ben bie Beitgenofien befungen. Herzog Albrecht empfanb ben 

Tod feined Oheims, ber dem habsburgifchen Haufe fo viele 

wichtige Dienfte gethan, mit tiefem Schmerz. Da eben jekt 

Kenzingen dem Könige übergeben wurde und Mangel an Zu⸗ 

fuhr eintrat, ging Albrecht über ben Rhein und bezog ein feftes 

Lager bei Straßburg. Der König aber fehte ebenfalls bei 

Breifach über und belagerte Rufach, eine fefle Stadt des Bis 
fchofd von Straßburg. 

1298° Inbeffen kamen bie drei Kurfärften von Mainz, Sad 

24. Iun. ſen und Brandenburg zu Mainz zufammen und erlieffen eine 

Rabung an K. Abolf, daß er zu Recht fliehen folle wegen ber 

mancherlei Klagen und Beſchwerden, welche Kürften und Stände 

bed Reichs gegen ihn erhoben. Als er die Labung verwarf, 

lieſſen fie mit allen Sloden lauten und ſchwuren in der Dom⸗ 

kirche mit aufgehobenen Händen: „daß fie vor ſechs Jahren 

mit den andern Kurfürften, welche ihnen ihre Stimmen über: 

laſſen, Adolf von Naſſau, ba fie damals Leinen befien ge 

wuſſt, zum römischen Könige gewählt; ba er aber in kurzer 

‚ Seit den Rath der Weiferen veradhtet und ber Leitung von 

Zungen und Unerfahrnen fich überlaffen, auch weber But noch 

Freunde gehabt, worauf er fich verlaften könnte, fo hätten 

fie nun, wegen mehr als zwanzig Fehlen bie er begangen, 

nach erhaltener päpftlicher Bewilligung, ihn als ungenügend 

feiner Würde entfeßt und den Herzog Albreht von Öfters 

‚reich zum vömifchen Könige erwählt, und befldtigen folchen 

nad der ihnen übertragenen Vollmacht;“ worauf ein feierlis 

ches Te Deum gefungen, und bem neuen Könige bie Bots 





Albrecht v. Öſterreich gegen R. Abolf. 95 
A durch den Marfchall von Sachſen in's Lager gebracht 


et Abficht ver Beſchuldigungen, welche gegen K. Adolf 
echoben wurden, ſtimmen ‚die gleichzeitigen Befchichtfchreiber *) 
in folgenden überein: er fei meineibig geworben und auf 
die breimalige Labung nicht erfchienen; habe von einem Ge 
ingern, dem Könige von England, Sold genommen (maß 
dech K. Otto IV. au gethan mit paͤpſtlicher Bewilligung, 
und die Fürften ſelbſt mit ihm theilen wollten); ferner habe 
e Frauen und Iungfrauen, auch Ronnen entehrt (dies if 
allerdings durch feine Soldaten in Thuͤringen gefchehen); er 
habe ſeine gegebenen brieflichen Urkunden gebrochen (das war 
in beu Augen ber Kurfürfien dad Hauptverbrechen, daB er 
ihnen bie BReichörechte und Güter, welche ihnen bei feiner 
Wahl und Krönung zugefagt worden, nicht .alle eingegeben, 
wodurch er in ber That gegen feinen Koͤnigseid gehandelt hätte; 
doch befchuldigten fie ihn noch weiter:) daß er endlich bad Reich 
nicht gemehrt fonbern gemindert, auch ben Landfrieben nicht 
gehandhabt hätte (was er doch nadı Kräften gethan). 


Auffer der Seichtheit diefer Beichuldigungen und abge 


ſehn von ber nicht erwiefenen päpftlihen Bewilligung, war 
die Abfegung Adolfs fowohl ald die Gegenmahl Alrechts 
ſchon darum ganz wiberrechtlich, weil brei Kurfürſten, von 
Trier, Coͤln und Rheinpfalz, nicht babei waren. Da bie aus 
dern ſelbſt nach Adolfs Sturz eine neue Wahl fir nöthig 
bielten und ber Papf ausdruͤckich widerrief, fo iſt biefer 
Schritt ohne Beifpiel in unferer Geſchichte. 

K. Adolf aber ließ ben Muth nicht ſinken, denn er hatte 
noch Freunde und ein flattliches Beer. Die Mheinftähte, welche 
er ſich noch kuͤrzlich verbunden hatte, namentlich Speier und 
Worms, lachten des neuen Königs und ſchnitten ihm die Zu⸗ 
br ab, als er von Straßburg den Mhein herabkam, um ſich 
mit dem Erzbifchof von Mainz zu vereinigen, ſodaß Beide 
ſchon am achten Zage nach ber Wahl zurückgehen mufiten. 
Diefe Hören erfannen aber eine Lift: fie liefen dad Lager 


1) Siffrid. Presb. ad a. 1296, Chron. Colmer, p. 59. Otto: 
far ©. 616 ff. 


4 


- 96 Buch IM Erfler Zeitraum. Abſchnitt 2. 


anzünden und trennten ihre Heere. Als dies Abolf vernahm, 
raffte er die naͤchſten Schaaren zufammen, um fie auf dem 
Fuße zu verfolgen, kam aber unvermuthet mitten unter Die 
oͤſterreichiſchen Haufen, die fich plöglich zur Schlacht ſtellten 
und ihn einfchloflen. „Wir find verrathen,” vief er; „wem wir 
fliehen, find wir ohnehin verloren, alfo muthig in ben Kampf!” 
Und zu feinem Sohn ſprach er: „gehe Du zurüd, denn meine 
Jeinde werben mich nicht leben laſſen.“ Diefer aber erwie 
derte: „Vater, wohin Du gehft, werde ich mit Dir geben, 
es fei zum Tod ober zum Leben.” 

Albrecht hatte ben Seinigen befohlen mit einer neuen 
Art langer fcharfer Schwerdter nur bie Pferbe der Feinde nie⸗ 
derzuftoßen, der Reiter aber zu fchonen und vor Allem auf 
den König einzubringen. So warb ber ganze erſte Schlacht⸗ 
haufe der .baterifchen Fürften, welche Adolf bei ſich hatte, ber 
Dferde beraubt, daß die übereinander liegenden Leichname 
einen Wall machten, den beide Xheile kaum zu überfleigen 
vermochten. Nun kam Adolf mit feiner Schaar zu Hülfe und 
fielte die Schlachtorbnung wieber ber, worin er eine große 
Geſchicklichkeit hatte. Ex fiel aber mit feinem Pferde und wurde 
von demfelben fcharf beſchaͤdigt. Dennoch ſchwang er fich mit 
Hilfe der Seinigen auf ein anbered, ohne Helm, der ihm zu 
ſchwer wurde. Albrecht hatte ein fremdes Zeichen oder Wappen 
genommen und das feinige mehrern Andern gegeben. Diefe 
griff Adolf an und erlegte mit tapferer Hand Einen um den 
Anden. Da er endlich Albrecht, felbft fah, rief ex: „bier 
wirft Du das Reich laſſen!“ Albrecht fprach: „das fleht in 
Gottes Hand!" Während fie mit den Ihrigen gegen einander 
sannten, warb Abolf getroffen, mit feinem Pferde niedergewor⸗ 
fen und vor Albrechtd Augen erfhlagen. Gen Som Rus 
precht gexieth mit Andern in Gefangenfchaftl. Nur 100M., 
aber einige taufenb Pferde follen umgelommen fein. Der 
Erzbiſchof Gerhard war mit Albrecht in der Schlacht. Als er 
den ausgezogenen, blutigen Leichnam bed Königs fah, vergoß er 
Thraͤnen und beklagte das unglüdliche Schidjal bed Zapfern '). 

z = J 

1) ‚‚cor validiesimum perũsse.“ Albert. Arg. p. 110. Auſ⸗ 

ſer diefer Hauptquelle haben wir die zum Theil abweichenden Nachrichten 


"8. Albrechts L Politik. 97 


3. König Albrechts I. Politik, 


Nohmalige Wahl. Neue Bereiherung der Kur: 
fürſten. K. Adolf Wittwe abgewiefen. Bonifas 
cius VID. Papſt und Kaifer! Albrechts Gegenbünb- 
niß mit Frankreich auf Koften der Reichsintegri⸗ 
tät. Der Papſt entreifft den Kurfürften die oberfts 
sihterlihe Gewalt über den König Albrecht 
demüthigt die Kurfürften, demüthigt fi aber 
noch viel mehr vordem Papfte, da diefer feine Pros 
teflation zurüdnimmt, um durch ihn K. Philipp IV. 
von Kranfreih zu unterwerfen, der jedoch bald. 
das Papſtthum felbfi unter feine Gewalt bringt. 
Albrehts Hoffnung bad Reich erblich zu maden. 


König Adolfs Tod brachte allgemeine Beſtuͤrzung in das Reich 

und feste ſelbſt feine Feinde in Verlegenheit. Albrecht Eonnte 

fih zwar jest als römifcher König geltend machen, aber wer 

der er noch die mit ihm verbundenen Kurfürften wagten dies 

fo gerabehin zu thun; vielmehr kamen fie überein, daß Albrecht‘ 
entſagen und dann eine neue geſetzliche Wahl von ſaͤmmtli⸗ 

den Kurfirften vorgenommen werden folle. Albrecht warf 
fogar die Aufferung bin: wenn die Wahl auf einen Andern 
falfe, werde er mit Freuden beitreten; denn ex habe die Waf⸗ 

fen nicht ergriffen, um ben Koͤnig vom Throne zu floßen und " 
fih ſelbſt darauf zu fegen!). Allein er war feiner Sache 
fhon gewiß genug. Dem Könige Wenzlaw von Böhmen 
hatte er fehon vor feinem Aufbruche aus Öfterreih Befreiung 1298 
von allen Lehendienften und von der Befuchung der Reiches Behr. 
toge, Berpfändung des egerfchen Kreifed und des Pleiſſner⸗ 
Iondes und dad Reichsvicariat in Meiffen verfprochen ?). Nah 
Wolfs Tode wandte er fi) an befien- Schwiegerfohn, ben 
Sheinpfalzgraven Rudolf, entfchuldigte dad Vorgefallene und 
verforach ihm ben dabei erlittenen Schaden mit Gelb zu er 


in Dttofars Meimchronit, Chrom. Leob. und Chron. Colmar. ſoviel 
möglich zu vereinigen gefücht. | 
1) Volcmar. Chron. p. 587. Wergl: Dttolar 8. 629 f. . 
D Ludewig. Bel. Mser. T. V. p. 440 saq. 
Pfiſter Geſchichte d. Teutſchen TIL 7 


98 Bud II. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 2. 
ſetzen '). Was er den andern Kurfürften zugefagt, blieb auch 


1298 Fein Geheimniß. Den Tag nach feiner Krönung zu Aachen 
25. Aug. gab er dem Erzbifhof Boemund von Zrier die. vom König 


Adolf verpfändete Stabt Kocheim zum Eigenthume.?); brei 


. 8. Aug. Tage barauf dem Kırflrflen von Coͤln einen Gnabenbrief, 


16. Nov. 
17. 


daß feine Unterthanen vor Fein fremdes Gericht gefodert wer⸗ 
ben follen, auffer im Falle verweigerten Recht ?). Dem Erz 
bifchofe Gerhard von Mainz ertheilte er, mit Beflätigung 
aller von feinen Vorgängern verliehenen Freiheiten, noch be: 
fonders das Vorrecht, daß nicht nur keine Geiſtlichen ſeines 
Sprengels vor ein weltliches Gericht, ſondern ſelbſt auch kei⸗ 
ner ſeiner Dienſtmannen und Leute vor das Gericht des Koͤ⸗ 
niges oder feiner Richter geladen werben ſolle. Dazu überließ 
er ihm den bopparder Reichszoll flr immer, verlegte biefen, 
wie Thon Adolf verfprochen, nach Lahnflein, und erlaubte ihm 
noch einen neuen Zoll daſelbſt oder zu Ruͤdesheim in gleichem 
Betrag wie jenen zu errichten. Endlich beſtaͤtigte er ihm auch 
alle Würden und Freiheiten, die ihm als Erzkanzler des heil. 
Reichs durch Teutfchland, dann in Aufehung des Judenzinſes 
und ber Beflelung eined Kanzler am Eaiferlichen Hofe ge 
buͤhrten *). 

So wufiten denn die Kurfürften, beſonders der Erzkanz⸗ 
ler, jede neue Wahl als eine Vermehrung ihrer Rechte und 
Guͤter, als neuen Schritt zur Landeshoheit zu gebrauchen. 
K. Albrecht jollte vollenden, was K. Adolf unerfüllt gelaffen 
hatte, und noch mehr Dazu thun. Allein er hatte wohl fo we 
nig im Sinn wie diefer Alles zu halten. 

Auf dem erflen feierlichen Reichötage zu Nürnberg ließ 
Albrecht feine Gemahlin Elifabeth kroͤnen Als er mit großer 
Pracht an der: Zafel faß, wobei die Kurfürften ihre Erzaͤmter 
perſoͤnlich verrichteten, kam K. Adolfs Wittwe herein in 
Trauerkleidern, fiel vor der neuen Koͤnigin nieder und bat 
mit Thraͤnen, daß ſie die Befreiung ihres Sohnes bei Koͤnig 


1) Volemar. |. c. 

2) Hontheim. Hist. Trevir. dipl, T. L num, 575. 
3) Lünig. spicll. eoel. Th. L Fortf. Str. 51. 

4) Guden. ]. c. num. 427 —429, 


8. Albrechts 1. Politi. 99 


Albrecht erlangen möchte. Diefer wies fie aber an den Erz 
bifchof von Mainz, der den Gefangenen in feinem Gewahrfam 
hatte. „Ach“! rief die Königin-Wittwe, „nun bin ich ver 
ſchmaͤht“ Sie fland auf, verließ den Saal unb bat Gott, baß 
er bie junge Königin nicht in gleichen Iammer kommen lafs 
fen möchte '). 

Bei dem Papfte Bonifacius VIIL fand K. Albrecht si 
Bere Schwierigkeiten als bei den Kurfinften. As dieſer 
Adolfs Tod vernahm, rief er aus: „Gott foll mich ſtrafen, 
wenn ich ihn nicht räche” 2)! Albrecht ließ beshalb nach dem 
Reichsſstage eine Gefandtfchaft mit reichen Gefchenten nad, Rom 
abgehen und um Befldtigung der Wahl bitten. Aber Boni⸗ 
facius empfing die Gefandtfchaft mit harten Worten: „Er if 
des Reichs unwindig, weil er dur Derzath feinen Herrn 
erſchlagen hat". Ferner ſprach der Papſt: d,Er hat ein uns 
geſtaltetes Geſicht und nur Ein Auge; ſeine Gemahlin Eli⸗ 
ſabeth (Konradins Stiefſchweſter) gehört zu dem ODtterge⸗ 
zuchte Friedrichs II.” >). “Indem Bonifacius den Geſandten 
Gehoͤr gab, ſaß er auf ſeinem Thron mit einer Krone auf 
dem Haupte und einem Schwerdte an der Seite und ſchloß 
mit den Worten: „ich bin Kaifer’ *)! 

Albrecht erwieberte in gleichem Zone. Als die Gefandten 
zuruͤckkamen, febte er fich die Krone auf, nahm das Schwerdt 
in bie Hand und rief: „Ei was iſt e8 denn, wenn mir der 


1) Ottokar &. 636 f. 


2) Volcmar. 1. c. Der Papft fehte Hinzu: „Alle Reiche find in 
meinee Band; idy habe zwei Schwerdter, wenn bas eine nicht zureicht, 
werbe ich dad anbere nehmen”. 


3) Albert. Arg. p. 111. Balduin, Gesta aa Trevir. 
ia Martene Coll. ampl. T. IV. p. 876. 


4) Benevenuti de Rambaldis ‚Lib. Augustalis ap. F'reher. 
T. IE. p. 15. Der Berf. nennt ben Papft „magnanimus tyrannus sa- 
cerdotum“. Nach ber Note bei Freher. p.16.hat Aeneas Bylvius 
das Merk des Benevenutus fortgefegt , alfo wohl dafjelbe gebilligt. Es 
wire zu wuͤnſchen, dieſe bis jegt nicht bekannt gewordene Zortfegung 
möchte noch aufgefunden werben. — Muratoris Bezweiflung ber bier 
gegebenen Notiz (Annali d’Italia ad a. 1298) tft unzureichend. Vergl. 
vie obige Rote aus Volcmar. | 

7* 





100° Buch IL Erfter Zeitraum. Abſchnitt 2, 


Papft die Krönung verweigert? Bin ich nicht Durch die Wahl 
der Fürſten König und Kaifer?" *) Er trat öffentlich auf 
die Seite des Königs Philipp von Frankreich, der, über tie 
obige Entfcheidung des Papfled unzufrieden, auf's neue mit 
demfelben zerfallen war. &chon vor dem Kriege gegen Adolf 


hatte Albrecht deshalb unterhandelt und gefprochen: „Wenn es 


dem Könige der Teutſchen Feine Schande ift, des Königs von 
England Dienfimann oder Sölöner zu fein, fo iſt es dem 
Herzöge von Öfterreich noch weniger unruͤhmlich, dem Könige 
von Frankreich zu dienen” ?). Jetzt gefchahen die Verhand- 


1299 (ungen mit Beiziehung ber teutfchen Fuͤrſten, welche vor allen 


Dingen die Zurückgabe ber vom Reiche abgerifienen Länder 
und Rechte verlangten. Der kluge König Philipp aber wuſſte 
den Sachen eine andere Wendung zu geben: er ſchlug einen 
guͤtlichen Vergleich vor und zugleich die —* ſeiner 
. Schweſter Blanca mit Albrechts aͤlteſten Sohne Rudolf. 
Das war fuͤr Albrecht ſo erwuͤnſcht, daß er des naͤhern Buͤnd⸗ 
niſſes wegen bei ber Zuſammenkunft zu Quatrerour jene 
Reichsrechte auf fich beruhen ließ. Die zu Straßburg abge- 
fchloffene Conföberation lautete „gegen maͤnniglich“2); und 
fo hoffte Albrecht, mit Beifland des Königs von Frankreich, 
den Papft bald zu dem zu zwingen, was er ihm verweigerte. 

Aber indem Albrecht auf diefe Weiſe feine Sache befier 
zu machen glaubte, verdarb er das Verhaͤltniß mit den Kurs 
fürften. Drei von diefen waren nebſt anderen Fürften bei 
jener Zuſammenkunft; fie gaben zwar ihre Buftimmung zu ber 
Verbindung beider Häufer; aber bie weiteren Anträge bed 
Königs von Frankreich gefielen ihnen nicht, befonderd wurben 
fie über Albrechts Gletchgültigkeit in Abficht der Reichögrenzen 
in Lothringen unwillig. Als diefer noch die Abficht ausfprach, 
für, feinen Sohn Rudolf, dem er bereitö nad) der feierlichen 
Belehrung zu Nürnberg die Verwaltung Öfterreich8 abge 


1) Trithem. Chron. Hirsaug. ad a, 1299, 
2) Alb. Argent. p. 110, 


3) T,eibnit. Cod. jur. gent, dipl. —8 89. Du Mont. T. L. P. I. 
num, 565. Ottotar ©. 645 f. 


K Albrechts L Politit. 101 


treten hatte, das arelatiſche Reich wiederherzuſtellen (K. 
Kudolfs J. Plan), wozu dann Frankreich die dort abgeriſſenen 
Landestheile zuruͤckgeben ſollte, widerſprach der Erzbiſchof Wic⸗ 
bald von Coͤln. Noch ſtaͤrker widerſprach der Erzbiſchof Ger⸗ 
hard von Mainz, als der Koͤnig von Frankreich verlangte, 
daß Rudolf ſofort zum roͤmiſchen Koͤnig erwaͤhlt und 
deshalb Albrechts Kaiſerkroͤnung betrieben werben ſollte. Ger⸗ 
hard ſprach ſeinen Grundſatz nun offen aus: „daß er (wie 
ſchon unter K. Rudolf) nie zugeben werde, bei des Koͤnigs 
Lebzeiten die Regierung bed Reichs deſſen Erben zu übertra- 
gen”. Aus Unwillen loͤſte K. Albrecht den Erzbifchof nicht ° 
aus (Tieß ihn die Reifekoften ſelbſt leiden). Darüber wurde 
ihm Gerhard noch mehr abgeneigt und trat mit den Anderen 
Kurfürften gegen ihn zufammen ?). Auf der Jagd fol er 
fein Hom genommen und gefagt haben: „Ich will balb wieder 
einen andern König herausblafen”. 

Doch diesmal verrechnete ſich der Erzbifchof. Sobald 
Abrecht die veränderten Gefinnungen der Kurfürften fah, er 1300 
geiff er firengere Maßregeln und nahm bie Verwilligungen 
wieder zuruͤck, die er ihnen bei feiner Wahl gemacht hatte. 
Hierzu hatte er das Geſetz für fih: denn der Landfriebe, wels 
hen er auf dem erflen Meichötage erneuerte, gebot ausdruͤck⸗ 
ih, daß alle unrechtmäßigen Zölle abgethan werben follten. 
Darunter waren denn hauptfächlich die vielen Rheinzölle zu 
verſtehen, welche die Zinften feit Friedrich II. vom Reiche an 
fi gebracht und noch erhöht ober vermehrt hatten zu großer 
Bedruͤckung der Städte und des ganzen Hanbelsflanded; und 
wiewohl Albrecht bei feiner Wahl den Kurfürften folche Zölle 
zugeſtanden, fo war es boch entweder ſchon damals nicht fein 
Emfi, oder er ergriff jet um fo begieriger den Anlaß, wel 
hen ihm die Klagen der Städte barboten, und ließ bie 
Fürften zu einem Rechtstage vorladen. Da aber biefe mit 
Entfchloffenheit zurüczugeben verweigerten, was ihnen von ben 
vorigen Kaifern. und Albrecht felbft beflätigt worden war, fo 
ließ er fie durch eine eigene Geſandtſchaft bei dem Papfte an: 
Magen, als folche, welche fih Erprefiungen und Bedruͤckungen 


1) Chron. Erfurt. Saupetrin. ad a. 1299. 


102 Bug II Erfter Zeitraum. Abſchnitt 2. 


gegen die anderen Stände erlaubten ). Da jedoch der Papft 
fein Urtheil noch zurüdhielt, wiewohl er indefien Diether 
1299 von Naffau, K. Adolf Bruder, vom Dominicanerorden, 
in das erledigte Erzbisthum Zrier gegen den Willen des Dom⸗ 
capitels einfegte ?), fo fuhr K. Albrecht zu und ließ die Fuͤr⸗ 
fien perurtheilen. Andererſeits riefen die drei xheinifchen Erz⸗ 
bifchöfe den Pfalzgraven Rudolf, K. Adolfs Schwiegerfohn, 
1300 al8 oberfien Richter ded Reichs, gegen ben K. Albrecht auf. 
Sept. Man dachte babei, wie es fcheint, an ben vormaligen ober- 
fien Pfalzgraven über Zeutfchland aus dem karolingifchen Zeit⸗ 
raume, und fo ift ed mit den alten Gewohnheiten in das 
ſaͤchſiſche und ſchwaͤbiſche Landrecht aufgenommen worden, daß 
der Rheinpfalzgrav den Vorzug hat bei den Klagen der 
Fürften, „daß er Richter ift über den König”). Die Fürs 
ſten befchränkten fich aber nicht darauf 8. Albrecht etwa we: 
gen einzelner Gewaltfchritte anzuklagen, fondern fie wollten 
vor allen Dingen die Wahl felbft noch einmal unterfuchen la‘; 
fen. Da diefes Recht feit der Gründung des teutfchen Wahl- 
reichs noch nie von den teutfchen Fürften gehbt, fondern 
immer dem Papfte Überlafien worden war, fo ift jener Be⸗ 
ſchluß der xheinifchen Kurfürften in der That als der erfte 
Schritt, die römifche Königswahl vom paͤpſtlichen Stuble 
unabhängig zu machen, anzufehn. Der Papft felbft fah 
es fo an: denn faum hatte er Nachricht von ihrem Beginnen, 
fo trat er aus feiner Unentfchledenheit heraus und fchrieb den 
Erzbiſchoͤfen, unter Entſchuldigung feines biöherigen Zoͤgerns: 
„ihm komme das Recht zu, die Perfon eines erwählten römis 
fchen Königs zu prüfen, zu kroͤnen, über Tauglichkeit oder Uns 
tauglichkeit zu entfcheiden; fie follen alfo dem K. Albrecht in 
feinem Namen öffentlich bedeuten, daß er innerhalb ſechs Mo- 


1) Annal. et Chron. Colmar. ad a. 1800. p. 38 et 61. 

2) Es geſchah ausdrüdtich in ber Abſicht, einen Gegner Albrechts 
aufzuftellen. Balduin. Gesta Archiep. Trevir. L c. 

9) „ex quadam consuetudine“. Henr. de Rebdorf ad a. 1300. 
Sachſenſpiegel 8. IIT. Art. 52. 5.5. Schwaͤb. Landrecht €. 20. $. 4. 
6. 50. Bei Abolfs Abſetzung wollten bie & Kurfürften noch Nichts von 
Pe Rechtsform wiffen, — weil ber Pfalsgrav nicht von ihrer Par⸗ 
ei war, 


8. Albrechts I Politik. 103 


naten vor ihm erfcheine, feine Unſchuld und fein Recht zur 
Krone erweile und das Urtheil erwarte, mit Bedrohung bag 
er, wenn Albrecht nicht gehorchen würde, Zürften und Stände 
ihres Eides entbinden und mit geifllichen und weltlichen Stra⸗ 
fen gegen ihn und feine Anhänger verfahren werde '). 

&o war man denn unvernuthet auf die Frage von ber 
oberfirihterlihen Gewalt über ben König zurldges 
gangen; aber Albrecht ließ es weder zu jener noch zu biefer 
Unterfuchung konmmen. Gr hatte zwar durch das Bisherige 
feine Sache übel gemacht: flatt durch dad franzöfifche Buͤnd⸗ 
niß ben Papft zu demuͤthigen, hatte er mur-nocd mehr bie 
Kurfürften gereist. Auch viele andere Herren und Stände, 
weichen er feit feiner Erhebung nicht verziehen ober ſich ſonſt 
hart beiwiefen, lieſſen ihre Unzufriedenheit laut werden; eB - 
konnte ihm alfo leicht. daſſelbe Schidfal wie dem K. Abolf 
bereitet werden. Allein er vertraute auf feine überlegene Haus 
macht, bie er ſchnell aufbot, um den Kurfürften zuvorzukom⸗ 
men. Dazu verband er fich mit den rheinifchen Städten 
als Beſchuͤtzer gegen bie Fuͤrſten?) und ſtellte ſich an bie 
Spige der elfafftihen Lanbfriedend-Einung, was biöher noch 
kin König gethan ’). 

Mit einem zahlreichen und flattlichern Heere, ald man 
feit Langer Zeit gefehen, darunter 2200 Ritter, 309: Albrecht 
am Rhein hinab und überfiel zuesfi den Pfalzgraven, dann 
den Erzbifhof von Mainz, ehe fie Zeit hatten ſich mitein⸗ 
ander und mit Hülfe des Königd von Böhmen zur Wehre 
zu fegen. Er eroberte Burgen und Städte der Reihe nad; 
nur Bingen, durch feine fefte Lage zu Waſſer und zu Lande 
geichligt, wiberfland einige Wochen. Hier brachte Albrecht, 
wie in Öfterreich *), neue Belagerungswerfzeuge in Ans 
wendung, welche er durch gefchidte Werkmeiſter verfertigen 
leg. Das eine hieß die Kage, das andere ber Krebs. Es 
waren beide vieredige hölzerne Zhürme, aus Ballen und. 


1) Raynald. ad a. 1301. $. 1—3, 

2) Guden. I. c. T. IH. num. 4. 

3) Geſchichte von Schwaben IH, 113 f. 

4) Müller Geſchichte der Schweiz I, 602. 





104 Bud I. Eriter Zeitraum. Abſchnitt 2 » 


Bretern zufammengefügt, welche vorwärts geſchoben wurden 
zur Beſtuͤrmung der Mauern, und oben mit einem dicken 
Dach gegen die herabgeworfenen Steine geſchuͤtzt. Die Katze, 
von leichterer Bauart, ward zuerſt an die Stadt gebracht, bei 
einem Ausfall aber unten umgehauen und in den Graben ge⸗ 
ſtüurzt. Darauf ruͤckte der Krebs an mit 500 Mann; dieſer 
batte oben einen dicken, mit Eiſen befchlagenen, beweglichen 
Ballen ober Hebel, der die Mauern und Thirme einftieß. 
Nach dieſem Angriffe ergab ſich die Befakung '). Albrecht 
erhielt auch franzoͤſiſche Hülfsoölßer zu dieſer Belagerung. Als 
4302 ex im Begriff war im folgenden Fruͤhjahre den Feldzug wies 
21. Märzber zw eröffnen, unterwarf fih ber Erzbifchof von Mainz auf 
ziemlich harte Bedingungen, namentlich muffte er die Boll 
ftätten zu Lahnflein und Ehrenfeld nebſt vier Burgen dem 
Könige übergeben und verfprechen ihm fünf Jahre lang in 
allen Reichölriegen gewärtig zu fein ?). 

Pfalzgrav Rudolf, mit feinem Bruder Dtto über bie 
Ländertheilung entzweit, -Eonnte dem Könige ebenfalls nicht 
länger widerftehen. Diefer hatte auch bie Oberpfalz burch die 
fchwäbifchen Landvoͤgte befegen und einige von der konradiniſchen 
Erbichaft herrührende Städte und Befigungen einziehen laffen. 
Nun foderte Albrecht vor Allem Fretlaffung feiner Schwefter 
Mechtild, Pfalzgrav Ludwigs Wittwe. Rudolf, ihr Sohn, 
batte fie nach München gefangen geführt und bort ihren Bis 
cedom, Konrad von Öttlingen, enthaupten laffen. Nach Bei- 
legung diefed, Samilienzwiftes orbnete K. Albrecht das Vers 
haͤltniß zwifchen den beiden Brüdern °). Der übrige Inhalt 

des Friedensvertrags ifl, wie * mainziſche, nicht bekannt 
geworden. 


1) Chron. Colmar. p. 61. 


2) Chron. Sanpetrin, ad a. 1299. Trithem. Chron. Hirs. ad 
a. 1302. Guden. |, c. T. III. hat die Vertragsurkunde zurüdgehals 
ten. Sollte fie jegt nicht mehr aufzufinden fein? Papſt Benebict XI. 
fagt fpäter no, ber Erzbiſchof habe quasdam damuosas pactiones et 
ordinationes in enorme suum et ecclesiae suae praejudicium eingehen 
müffen. Raynald. ad a. 1304. $. 7. 


3) Chron. Colmar. p. 61. Mannert Geſchichte Baierns I, 803. 


8. Albrechts L Politik. 105 


Mit neuen Hüuͤlfsvoͤlkern aus Öfterreich, Ungern und Boͤh⸗ 
men zog K. Albrecht gegen bie. Erzbifchöfe von Trier und. 
Coͤln; die erſtere Stadt wurbe belagert, die letztere war, wie 
Manz, auf K. Abrechts Seite. Die Graven von der Marl, 
von Sülich und Geldern waren ihm fchon mit ihrem Zuzuge 
vorangegangen. Nun wurden die beiden Erzbiſchoͤfe ſo in die 
Enge getrieben, daß fie ſich ebenfalls unterwarfen und den 
Rhein fir die Handelsſchiffe frei lieſſen '). 

Mit folcher Kraft war fhon lange Fein König gegen bie 
Surften aufgetreten; K. Albrecht gab fich das Anfehn, die Hei: 
neren Stände, bejonderd ben Verkehr. der Städte zu. fchüßen. 
Die Befreiung des Rheins war in ber That eine große 
Bohlthat für das Reich; doch that ed Albrecht nur aus Rache 
gegen die Fuͤrſten, und was er von den Reichörechten zuruͤck⸗ 
verlangte, geſchah mehr für fein Haus als für das Reid). 

Mit der Unterwerfung der rheinifhen Kurfürften hatte 
K. Albrecht aud) des Papfles Widerftand zu brechen, um fo 
eher, als derfelbe inbeffen auch mit dem 8. Wenzlam von 
Böhmen wegen ber Aniprüche auf Ungern zerfallen war. Doch 
würde Bonifacius VIII. ſchwerlich nachgegeben haben, wenn 
niht König Philipp von Frankreich flärkere Schritte gegen ihn 
gethan hätte 2). Diefe that jedoch Philipp für fich allein, 
ohne Ruͤckſicht auf das Buͤndniß mit Albrecht, das bereits 
wegen der obengebachten Schwierigkeiten erfaltet war und 
einem geheimen Vertrage mit dem Könige von Böhmen Platz 
gemacht hatte. Philipp begegnete dem leidenfchaftlichen Papfte 
mit fo gemeflenen Schritten, daß diefer, nachdem er auch den 
Baunflrahl vergebens gefchleudert, fich entfchloß den Schild 1302 
zu wenden und den 8. Albrecht gegen Frankreich zu gewinnen ?). 

Ungeachtet Bonifacius noch nicht lange Albrechts Gefanbte 
wegen Zofcana, wo er Karl von Valois, des Königs Phi- | 
lipp IV. Bruder, zum Paciarius ernannt, abgewiefen hatte *), 1301 


1) Navibus libere ascendere et descendere permiserunt, Chron. 
Colmar. 
2, Er fagt unter Anderm dem Papfte: „Sciat maxima tua Fatui- 

tas, nos in temporalibus nemini subesse,‘ 
8) Raynald, ad a. 1302. $. 13 sqgq. 
4) Villani L. VIIL c. 48. in Murator, scrr. IX. 


% 


106 Bud TU. Erfter Zeitraum, Abſchnitt 2, 


fo ließ ee ihn jet wiſſen, er möchte eine neue Gefandtichaft 
wegen feiner Befldtigung aborbnen. Albrecht erfah hierzu den 


1303 Graven Eberhard von Kadenellenbogen, bdenfelben ber fchon 
« früher in Rom unterhanbelt hatte, und flellte dem Papfte in 


zwei offenen, befiegelten Urkunden die gewöhnlichen Verfiches 
rungen aus. Nun bielt Bonifacius in feierlichem Confiftos 
rium eine Rede, worin er auf die Zabel zurüdging, „baß das 
zömifche Reich durch den Statthalter Chrifli und Nachfolger 
des heiligen Peter von den Griechen auf die Germanen übers 
getragen und biefen das Recht verliehen worden den römis 
fhen König zu wählen, der dann durch den Papft zum 


Kaiſer und Monarchen aller Könige und Fürften der 


30. Apr. 


Erde erhoben werde; auch der gallicanifche Stolz, ber Feinen 
Höhern über fich erkennen wolle, lüge, weil fie von Rechts 
wegen unter dem römifchen Könige und Kaifer ſtuͤnden und flehen 
müflten”. Doch‘, fegte er hinzu, „ſollten die Teutfchen aufs 
merken, denn das Reich Eönnte ebenfo auch wieder von ihnen 
genommen werben” ?). Hierauf erklärte er Albrecht für ben 
rechtmäßigen römifchen König und erließ ein Schreiben an ihn 
folgenden Inhalts: 

„Da der Papft fich der lebenslaͤnglichen Treue und Er⸗ 
gebenheit ſeines Vaters Rudolf erinnere, wie auch der Erge⸗ 
benheit und Demuth, welche er ſelbſt in jenen Tagen dem 
paͤpſtlichen Stuhle bewieſen; da Albrecht von den Wahlfuͤr⸗ 
ſten einmuͤthig zum eömifghen Könige gewählt und zu Aachen 
gekrönt worden; da er wegen des Vorgefallenen nicht an Das 
Recht fondern an die Gnade fich gewendet und bereits in 
feinen Briefen dem römifchen Stuhle ben Eid der Treue und 

bes Gehorfams geleiftet, auch alle Berwilligungen feiner Vor⸗ 
gänger beftätiget habe: fo wolle in Rüdficht viefer Demuth 


der Papſt, als Statthalter Chriſti, den Weg der Milde, Gnade 


und Sanftmuth ſtatt der Strenge waͤhlen, damit ihm ſein 
Gehorſam gegen die Kirche zum Nutzen gereiche, ſowie den 
Berächtern, namentlich den Franzoſen, der Ungehorſam zum 


1) Vouftändig ift dieſe Gonpttorialrede bei Baluzius hinter P. de 
Marca de Conc. Sac. etc. I. II. c. 4. in Böhmers Ausg. ©. 108. 
Vergl. Dlenfchlager Staatsgeſch. urk. €. 


8. Albrechts I Poritie 107 


Berberben gereihen werde. Daher nehme er ihn mit Rath des 
Gardindle, aus apoftolifher Machtvollfommenheit, als Sohn 
und vömifchen König an, ber zum Kaifer erhoben werben 
fole, und ergänze hiermit alle Mängel, die etwa in Rückficht 
der Formen oder der Perfon bei der Wahl, Krönung und bits 
herigen Verwaltung gefunden werben follten; auch .beftätige 
er Alles, was Albrecht indeffen nach Recht und Billigleit vors 
genommen. Endlich ermahne er ihn feines Vaters Beifpiele 
zu folgen, ſich ‚ver Kirche dankbar und nuͤtzlich zu beweifen 
und die Wolker mit Gerechtigkeit zu regieren‘ "). 

Die Kurfürften ermahnte Bonifacius zu gleicher Zeit, 
Abrecht als rechtmäßigen römifchen König zu erkennen, wos 
durch fie fein hoͤchſtes Wohlgefallen verdienen würden. Den 
König erinnerte er dagegen, den rheiniſchen Erzbifchöfen und | 
ihren Kicchen wieberzuerflatten, was er ihnen entzogen. Um. - - 
aber nun feine Macht gegen den König von Frankreich ges 
beauchen zu können, bob er in einem weitern Schreiben in 
allgemeinen Ausdrücken alle Bimdniffe auf, welche Albrecht 
zuvor mit Königen und Fürften eingegangen ?). 

Das war ed, warum Bonifacius VIIL fi bewogen fand 
feine vorigen Audfprüche zurüdzunehmen und feine eigenen 
Einwendungen gegen Albrechts Perfon zu widerlegen. Auch 
Ahrecht änderte jegt die Sprache. In fehr demüthigen Aus⸗ 1993 
drücken und mit Erbietung des Fußkuſſes beantwortete er das 17 Jul. 
paͤpſtliche Schreiben, wahrfcheinlih in der vom Papfte ſelbſt 
vorgefchriebenen Zorm ?’), Er befennt, daß er dem Papfte 
und der heiligen Kirche fir unzählige Gnaden und unermeſſ⸗ 
liche Wohlthaten verpflichtet feis ex erkennt die in der oben 
angeführten Rebe bed Papfles auögefprochene Übertragung des 
Reich von den Griechen auf die Germanen, nebſt der Verleis 
bung des Wahlrechts an gewiffe (damals noch gar nicht vors. 
handene) geiftliche und weltliche Fürfter an; er befennt, daß 
bie römifchen Könige und Kaifer, weil fie von dem paͤpſtlichen 


a 


1) Raynald. ad a. 1503. $. 2 gg. 
2) Raynald. ad a. 1303. 8. 7. 
* Gie ſeler Kehrbuc der Kirchengeſchichte. 2. Mb. 2. Abth. ©. 


108 Bud II. Erſter Zeitraum, - Abfchnitt 2. 


Sthuhle die Gewalt des weltlichen Schwerbtes erhalten, haupt⸗ 

fählih und befonderd von bemfelben angenommen werben, 
um Schirmvoͤgte ber heiligen römifchen Kirche, Bertheibiger 
des katholiſchen Glaubens und der Kirche zu fein. Er ſchwoͤrt 
deshalb auf das Evangelium, dem heiligen Peter, dem Papſte 
und deſſen Nachfolgern getreu und gehorfam zu fein, ben 
römifchen Papat und die Regalien des heiligen Peter gegen 
männiglich zu vertheidigen und überhaupt Alles was fein 
Vater Rudolf und die fämmtlichen Vorgänger am Reich der 
zömifchen Kirche verliehen und zugeftanden, auf gleiche Weiſe 
zu erneuern und zu beflätigen. Hieran noch nicht genug; es 
kommen noch neue Berficherungen hinzu. Albrecht fchwört, 
den Primat, die Rechte und Freiheiten des apoftolifchen 
Stuhles gegen alle und jebe Zeinde, wenn fie auch von koͤ⸗ 
niglicher oder Faiferliher Würde wären, zu fhügen und zu 
vertheidigen, mit folchen Feine Freundſchaft oder Bündniffe zu 
- fchlieffen, noch zu halten, wenn ein ſolches ſchon gefchloffen 
wäre ober würde; vielmehr auf Befehl des Papftes folche mit 
Krieg zu überziehen und mit aller Macht zu bekämpfen. Zu⸗ 
legt verfpricht Albrecht, auch die Mechte des römifchen Reichs 
und bed Kaifertbums zu vertheidigen und wieberherzuftellen 
nach beftem Wiffen und Vermögen '). 

So näherten fi) Bonifacius und Albrecht mit Zuruͤckkahme 
ihrer früheren Xufferungen, und Albrecht ift der, der unter 
allen Kaifern dad Meifte dem römifchen Stuhle zugeflanden 
oder der Paiferlichen Gewalt vergeben hat. Jeder Theil hatte 

“eine Hauptbebingung; beide kamen jett zur Sprache. Wie 
der Papft in allgemeinen Ausdrüden Albrechts Bünbniffe mit 
anderen Königen aufgehoben, fo gab diefer eben fo allgemein 
bie Verſicherung feines Beiſtandes; alfo erinnerte der Papft 
‚ beutlicher an den Krieg gegen Frankreich. Albrecht hatte 
Bedenklichkeiten. Im feiner Erbitterung gegen 8. Philipp bot ' 
ihm, der Papft fogar das franzöfifche Reich an ?). Albrecht, 


1) Raynald, ad a. 1803. $. 9 sqa. 

2) Der Papft ſcheint auf Rationalhaß gezählt zu haben. Er fagt 
(Du Puy Preuvef. p. 72): Nos scimus secreta Regni: nos scimus, 
quomodo diligunt Gallicos Alamanni et illi de Lingadooh ( Langue- 





8. Albrechts J Politit. 100 


wohl fuͤhlend, wie ſchwer es fein muͤſſe ein ſolches Reich ſei⸗ 
nem Koͤnigshauſe zu entreiſſen, unter welchem es bereits zu 
einer feſtern Verfaſſung gediehen war als das teutſche, be⸗ 
gnügte ſich auf die Geſchichte zu verweiſen: beide Reiche ſeien 
nach Karl dem Großen weislich getrennt worden, damit Fürs 
nes Uber das andere die Oberherrfchaft ſich anmaßen follte '). 
Doc) ließ er jetzt auch feine Bebingung laut werben: nur auf 
den Kal Eönne er fich verbindlich machen den Franken aus 
feinem Reiche zu vertreiben ober fein Leben daran zu ſetzen, 
wenn ihm und feinen Erben das teutfche Reich nebft dem Kais 
ſerthum durch den Papſt erblich zugefichert würde; denn aufs 
Ungewiffe oder zum Verberben feines Hauſes koͤnne ex einge 
ſolchen Gefahr fich nicht unterziehen 2). Darum hatte er ' 
fo dem Papſte mehr zugeflanden ald alle feine Vorgänger, 
um auch mehr zu erhalten als dieſe; ja mit der Erblichkeit 
der Krone würde der größte Theil feiner Zugefländniffe von 
febft wieder gefallen fein. Es wurbe noch Vieles darüber 
unterhanbelt . theild zwifchen Albrecht und dem päpfllichen 
Stuhle theild mit den teutfchen Fuͤrſten. Über diefen Ver: 
handlungen unterblieb der Krieg, oder vielmehr K. Philipp 
fand Gelegenheit, dem flolzen Papite, der ſchon ſeine Abſez⸗ 
| zungöbulle fertig hatte *), durch Unterſtuͤtzung einer Verſchwoͤ⸗ 
wung in Rom den Todesſtoß zu geben. Bonifacius wurde 
in feinem Zufluchtsorte zu Anagni überfallen und drei Tage 
lang in fchredlicher Todesangſt gehalten, worauf er in ein 1303 _ 
hitziges Fieber fiel und ftarb *). 11.D9ct. — 

Eine foldhe Wendung nahmen bie Berhältniffe. zu Guns 

ſten K. Albrechts, nachdem ihn die Kurfürften und der Papſt 
' mit Abfeßung bedroht hatten: jene wurden gebemüthigt und 


dee?) et Burgundi, qui possunt dicere illis, quod b, Bernhardus 
äxit de Romanis: „Amantes neminem amat vos memo.“ 

1) Trithem. Chron. Hirs. ad a 1301. 

2) Albert. Argent. p. 111. Albrecht verlangte alfo weit mehr, - * 
als Nicolaus IIL feinem Vater Rudolf I. vorgefchlagen hattes f. oben 
e 59, 

5) Auf den 8. September follte fie auögegeben werben. Du ser 
Preaves p. 181. 

4) Villani L. vIIL c. 80, 





110 Bud IH Erfter Zeitraum. Abſchnitt 2. 


der früheren Verwilligungen beraubt '), dieſer gewonnen, ohne 
feine Hauptbedingung erfüllt zu fehen. Von diefem Augen: 
blicke an nahmen die VBerhältniffe des Papſtthums auch eine 
unerwartete Wendung zu Gunſten Frankreichs. Als Bene: 


1304 dict XI., Nachfolger des Bonifacius, in kurzer Zeit mit Tod 
7. Zul. abging und der Stuhl über ein Jahr erledigt blieb, gelang 


e8 dem Könige Philipp durch die franzöfifchen Garbindle zum 
erften Male Wahlbebingungen zu machen und den neuen 
Dayft Clemens V., einen Gafeonier, in Abhängigkeit zu 
bringen, alfo Alles was ihm Bonifacius VIII. gebroht hatte 
geradezu umzukehren. Diefe franzöfifche Partei, welche 
ſich eigentlich von der engen Verbindung des paͤpſtlichen Stuh⸗ 
les mit dem franzoͤſiſch⸗neapolitaniſchen Hofe berfchrieb 2), 
verfolgte nun fchnell den Plan, dem biöherigen Syfteme des 
Papſtthumes, und indem man fi auch ber unmittelbaren 
Schirmvogtei Über daffelbe bemächtigte, auch dem Kaiferthume 
eine andere Richtung zu geben, oder dieſes an Frankreich zu 
bringen. , So muflte e8 kommen, nachdem Bonifacius VIII. 
in feiner lächerlichen Eitelkeit das Papſtthum noch in diefer 
Zeit auf eine Höhe zu flellen verfucht hatte, bie es unter -viel 
größeren Vorgängern und günftigeren Umfländen nicht errei- 
chen konnte. 

Jenen Schritten des franzöfifchen Hofes mit Nachdruck 
zu begegnen waͤre K. Albrecht, als Schirmvogt der Kirche, 


verpflichtet und berechtiget geweſen, oder man haͤtte vielmehr 


ſchon fruͤher daran denken ſollen mehr teutſche Cardinaͤle 
in das Collegium zu bringen, um den Franzoſen nicht das 
Übergewicht zu laſſen. Albrecht hingegen verlor die wahre Be- 
deutung des Kaifertbums und tes Papfithums über dem Be— 
fireben, durch Zufammenbringung recht vieler Erblande feinem 
Haufe das teutfche Königreich zu fihern. Doch bat er feine 
Abfiht fo wenig erreicht ald Papft Bonifacius VII vie 
feinige. - 


1) Vergeblich — auch Benedict XI. an bie Zuruͤckgabe. Ray- 


nald. ad a. 150%. $.7 


2) Eihhorn — Staats: und Rechts⸗Geſchichte. UI. S. 388. 
©. 12 fl. i 


8. Albrechts L Laͤnderſucht. 111 
4. K. Albrechts J. Laͤndergier und Tod. 


Abſichten auf Holland und Seeland, Schwaben, 
rThüringen, Böhmen. Wiederholter Krieg wegen 
der zwei letzteren Lande Erlöfhung bed przes 
mil’fhen Mannsflammes. Die böhmifhen Stän 
defind zwifchen Öfterreich und Kaͤrnthen getheilt. 
Pipflliher Einfluß auf die Beſetzung der teut> 
Iden BisthHümer. Peter Aichfpalter wird Erzbis 
(hof zu Mainz, Balduin von kuremburg zu Trier. 
Die f[hweizerifhen Waldftätte widerfegen fich ber 
Erweiterung der habsburgiſchen Landesherrfchaft. 
derzog Sobenn, Albrechts Neffe, in feinem Erbe. 
‚ betheiligt, ermordet ben König. 


Die Herzogthumer Sſterreich und Steiermark, nebfl den 
hbsburgifchen Stammberrfchaften in Helvetien, Schwaben 
und Elſaß waren wohl eine anfehnliche Hausmacht, und K. 
Ahrecht hatte ſchon bewiefen, wie fehr er bamit ben Zürflen 
überlegen fei. Aber er hatte ſechs Söhne und fünf Töchter; 
für dieſe daͤuchten ihm die Lande nicht zureichend. Mit Öfters 
wih hatte er vor der Hand die fämmtlichen Söhne belehnt, 
- wollte er jeden mit einem eigenen Fuͤrſtenthume auds 

— 

Eine feiner erſten Handlungen nach der Beſitznahme bes 1299 
Reichs ging dahin, die Landfchaften Holland und Sees ul. 
land, weil die männlicye Linie ihrer Erbgraven abgeflorben 
war, dem Reiche verfallen zu erklären. Nach den Landesge⸗ 
ſehen fielen fie aber auf die weibliche Linie, von welcher Jo⸗ 
kam von Avefnes, Grav von Hennegav, und Hermann, 
Gravb von Henneberg, abflammten. Der Sohn bed Erftern, 
gleiches Namens, Taufte dem Letztern feine Anfprüche ab und 
nahm die ſaͤmmtlichen Lande in Befig. Die Seelaͤnder waren 
doch nicht Damit zufrieden und verfprachen dem K. Albrecht 
Beiſtand gegen Johann von Aveſnes. Der König ließ alfo 
em Aufgebot von den rheinifchen Fuͤrſten vorausgehen, um 
De Srapfchaften im Namen ded Reichs zu befegen. Der Grau 
hat aber ernſtlichen Widerftand, fuchte Hülfe bei dem Könige 


112 Bud IE Erfter Zeitraum. Abſchnitt 2. 
von Frankreich und verband fi mit dem Graven Rainald 


1299 von Geldern. Diefem hatte der König nicht lange zuvor die 
35. Apr. Statthalterfchaft über Oſtfriesland beflätigt und zugleich das 


Wort gegeben, feinen zweiten Sohn, Herzog Friedrich, mit 
der Tochter des Graven zu vermählen, foldhes aber wieder 
zuruͤckgenommen. Daburh fand fih nun Rainald fo belei- 


. "dig, daß er fich mit dem Graven Johann gegen bad Leben 


+ 


des Königs verſchwor; doch eben feine Tochter war e8, welche 
den König warnte, als er auf Einladen der beiden Graven 
zu einem gütlichen Vergleiche nach Nimwegen gelommen war '). 
K. Albrecht entfloh durch eine Meine Pforte, die. fie ihm oͤff⸗ 
nete, und fam mit nur zwei Pferden auf’ das Schloß Kron⸗ 
burg zu dem Graven Dietrich von Gleve, deſſen Gemahlin aus 
dem Haufe-Kiburg war ?). Da nun aud ber ‚erwartete Zu⸗ 
zug der Seeländer audblieb, fo ließ fih K. Albrecht durch 
Vermittlung des Erzbifchofs Wichald von Coͤln bewegen So: 
hann von Aveſnes mit der Gravſchaft Holland zu belehnen °). 
Da die Verhandlungen in Abficht des Koͤnigreichs Arelat 
ebenfalls mislangen, begab ſich K. Albrecht, nach dem Kriege 
gegen die rheiniſchen Kurfürften, in die oberen Lande, um 
feine Stammberrfchaft zu vermehren und auszurunden. 
Er Hatte ſchon bei feines Vaters Lebzeiten daran gearbeitet, 
jedoch eben keine Freunde dadurch erworben. Beim Antritte 
der Reichöregierung begabte er zwar diejenigen Landberren, 
welche ihm gegen K. Adolf beigefianden: namentlich fiellte ex 
dem Sraven Eberhard von Wirtemberg wieder zu, was ihm 
von ben beiden Vorfahren entzogen worden; auch ben Städten 
verlieh er Gnadenbriefe. Dagegen nahm er aber uneble Rache, 
an Adolfs Anhängern. Dem Haufe Ufenberg, welches dem⸗ 
felben Kenzingen geöffnet, zog er die Guͤter ein und gab fie 
nur zum Theil wieder ald Lehen zuruͤck. Dem Bifchofe Peter 
von Bafel nahm er die Stadt Breiſach. Anderen brach er 
ihre Burgen. Der einzige Abt Wilhelm von Gt. —. 


1) Ottotar, ©. 696 ff. 
2) Daher Albert. Argent. p. 111 fie als &etterin bes Ki 


nigs nennt. 
3) Allgemeine Geſchichte ber vereinigten Nieberlande, aus dem Hol⸗ 


laͤndiſchen te L ©. 418. 44. 


\ K. Albrechts L Laͤnderſucht. 113 


welcher feit feinem Aufſtande gegen K. Rubalf I. vertrieben war, 
wurbe von ihm auf Vermittlung bes verdienten Bifchofs von 
Coflanz, Heinrichs von Klingenberg, begnadigt, wobei er aber - 
zugleich bie Kaftvogtei des Gotteshaufes St. Gallen übernahm. 

Mit großem Eifer verfolgte König Albrecht feinen Plan. 
Einerfeitd bewog er bie Stifte und Gotteshäufer, die erledig⸗ 
tn Bogteien, ob fie gleich vom Reiche gefreit waren, ihm 
ober feinen Söhnen erblich zu übertragen. So erhielt er 
von der Abtiffin zu Sedingen mit der Kaſtoogtei über alle 
isre Städte und Landſchaften auch bie Vogtei über Glarus, 
dann dad Frickgau, Waldshut und einen Theil des obern 
Schwarzwalbed als Lehen. Ebenfo zog er die Reichsyogtei 
über Radolfzell und bie coflanzifhe Stadt Aach an fi. Den 
Abt von Einfiedeln nöthigte er ihm feine Erdlaftvogtei zu 
übergebenz auch die übrigen Reichsvogteien im rhaͤtiſchen Ges 
birge eignete er fich zu. | — 

Andererſeits erwarb K. Albrecht von verarmten Landher⸗ 
ten durch Kauf ober andere Verträge Burgen, Städte und 
Landfchaften: namentlih im Algau ein zweites. Habsburg, 
usrblich vom Bodenſee die. Herrfchaften Thengen, Heu, - 
Sigmaringen, Scheer, Sulgau und eine. Burg auf dem Buſ⸗ 
fen; ferner Krenkingen, Zhuffen, Breunlingen, Varingen 
Riedlingen, Hobengunbdelfingen, Munderkingen, Herwartflein; 
endlich die Markgravſchaft Burgau vor dem Letzten biefes 
Stammes. — 

Dieſe und viele kleinere Erwerbungen an Land und Leu⸗ 
ten brachte K. Albrecht in kurzer Zeit an ſein Haus und legte 
alſo den Grund zu einem zuſammenhaͤngenden Londeögebist 
von den Gletſchern bis an die Donau. Wem. auch die Frage 
von Wieberherfiellung des. Herzogthums Schwaben als ver⸗ 
altet anzuſehn war, fo fammelte K. Albrecht doch fo viele vers 
einzefte Rechte befielben an Gravfchaften und Vogteien, daß 
er bald ein Paar Zürflenthümer in, Schwaben, Helvetien und 
Elſaß für feine Söhne, daraus geftalten konnte). Dabei 
fhwebten ihm aber noch größere Entwürfe vor in Abficht auf 
Böhmen, Meiffen und Thüringen. 


1) Das Nähere hierüber in Ber Geſch. von Schwaben. II, 138 f. 
Pfiſter Geſchichte d. Jeutſchen ILL. 8 


x 


114 Buhl Eifer Zeitraum. Abſchnitt 2. 


Mit feinem Schwager, dem 8. Wenzlaw von Boͤh⸗ 
men, war 8. Albrecht ſchon auf dem erften Reichstage wies 
"der zerfallen, theils weil ex ihn gezwungen das Erzſchenken⸗ 
amt perföntlich mit der Krone auf dem Haupte zu verrichten, 
an bemfelben Zage da K. Adolfs Wittwe vor ihm fnieete, 
theils weil er ihm bie verlangte Belehnung mit Meiffen ab: 
ſchlug, worüber er ihm vor feiner Wahl dad MeichEvicariat 
übertragen hatte. Wiewohl ihn Albrecht über Beides wieder 
zu befänftigen fuchte, indem er ihm fuͤr's kuͤnftige von pers 
fönlihen Dienften freiforah und ihm erlaubte das erfaufte 

_ Yima mit Böhmen zu vereinigen, fo bebielt er doch tiefen 
Unwillen, trat mit den rheiniſchen Kurfürften in Verſtaͤndniß 
und ſchloß ein geheimes Bündniß mit Frankreich?). Dies 
führte dann auch auf Albrechts Seite eine neue Spannung 
herbei, bei welcher diefer nur darauf dachte das Haus Boͤh⸗ 
men zu Gunften des feinigen zu demüthigen. 

Wenzlaw ſcheute ſich ‚Öffentlich gegen K. Albrecht aufzus 
treten, weil er in feinen eigenen Angelegenheiten zu tief vers 
‚widelt war: benn er hatte Beine geringeren Vergrößerungsplane 
als K. Albredit. Durch feine Gemahlin Eliſabeth machte er 
Erbanfprühe auf Polen, und ba es ihm gelungen war das 
Land in Beſitz zu nehmen, fo warf er feine Augen auf Un⸗ 
gern. Nach dem Tode des Königs Andreas waren hier zwei 
Parteien: bie eine wählte Wenzlams Sohn gleiches Namens 
zum Könige, bie andere den neapolitanifchen Prinzen Karl 
Robert, K. Rubolfs I. Enkel von der Clementia: jenen aber 
hatte fein Water bereits zu Stuhlweiffenburg kroͤnen laſſen. 
Solche Fortſchritte konnte K. Albrecht nicht mit gleichgültigen 
Augen anfehn: denn das böhmtfche Königshaus wirde dadurch 
zu einer Macht gekommen fein, welche für Teutſchland noch 
drohender werden konnte ald die K. Ottokars, welche X. Rus 
dolf gebrochen hatte. Albrecht ließ fich alfo gern vom Papfte 

1303 Bonifacius auffodern Karl Robert, feinen Neffen, zu untere 
fügen 2); er befahl dem Könige von Böhmen Ungern zu ver⸗ 


1) Chron. Bohem, c. 87. in Mencken scrr. III. Dttofar, &. 
687. 636. Chron. austr. ad a, 1298, 
2) Raynald. ad a. 1508; $. 16. 





8. Albrechte L Länderfuht. 115 


laſſen, auch einen Theil von Polen den rechtmäßigen Erben 
zurückzugeben. Nun erllärte Wenzlaw den Krieg; Albrecht 
aber beſchloß ihm zuvorzukommen; er ſprach die Acht über ihn 1304 
as, befahl feinem Sohne Rudolf mit einem Öfterreichifchen 
Deere in Mähren einzufalen und zog felbft mit einem ſtarden 
Aufgebote von ber ſchwaͤbiſchen und rheinifchen Ritterſchaft 
nach Böhmen, wo er mit feinem Sohne zufammentraf. Durch . 
bie Belagerung von Kuttenberg aber fah er fih aufgehalten 
und ging daher mit anbrechendem Winter durch Franken zus 
rad, um einen Aufflend in Schwaben zu unterdrüden, den 
keine dortigen Eanderwerbungen erregt hatten. Grav Eberhard 
von Wirtemberg beste ihm zwar die Heereſsfolge nach Böhmen 
geleiftet, war aber unzufrieden zuruͤckgegangen, theils weil 
Albrecht feinen Rath in Abficht der armen. Kuttenberger ver 
ſchmaͤhte, theils ihm feinen. Schaben zu erfegen verweigerte, 
während Albrechts Söhne fortführen ihm in feinen eigenen 
Zanderwerbungen in Nieberfihwaben in ben Weg zu treten, 
Ungeachtet der König vor dem böhmifchen Feldzuge ben Lands 
frieben zu Nürnberg emeuert hatte, fo hielt er ihn doch ſelbſt 
nicht und wollte den Graven mit geroaffneter Hand übenie: 
ben. Diefer vertheibigte ſich aber: in feinen Burgen fo tapfen 
daß Albrecht, weil das Hauptheer außeinandergegangen mat, 
Nichts gegen ihn vensibchte, ſondern einen Vertrag einging, 
nach weichen ex den Graden nicht nur feinen Schaden mit 
2900 Dark erfeßte, ſondern auch nebſt feinen Söhnen ven 
fprach ihn nicht weiter. in feinen Landerwerbungen zu irrer. 
König Abtecht wollte in den obern Landen Fein Zenwinrfniß 
zuchdlaffen, das ihn an der Fortſetzung bes hoͤhmiſchen Kriege 
pindern lännte. Im kurzet Zeit aber trat Grav Eberhard als 
Neth und Diener K. Wengaws in Böhmen. gegen ihn auf. 
Abbrecht wände auch auf dem zweiten Feldzuge wenig erreicht 
haben, wenn nicht unerwartete Veränderungen ihm entgegen⸗ 
gekommen wären.. 8. Wenijglaw IL, ſtarb mitten in feinen 1305. 
Unternehmungen. Sein fiebyahniähriger Sohn, Wenzlaw LIE, 21. Sun. 
ſchuͤchtern und friedlich, entfagte der ungerifchen Krone und 
vertrug ſich mit 8. Albrecht: gegen Abtretung des egerfchen 18. Aug. 
Kreifed und ber Anfpruche auf Meiſſen empfing er die Beleh⸗ 
nung nicht nur mit Böhmen, fondern auch mit Polen; 

8 ” 


⸗ 
a‘ 


416 Bud IE Sefter Zeitraum. Abſchnitt 2. 


Albrecht erkannte alſo jetzt den Befitz bes .Iehtern Landes als 
rechtmaͤßig, in Hoffnung, ſolches auf's neue mit dem teut⸗ 
ſchen Reiche in Verbindung zu bringen. Eine noch größere 
Hoffnung ging ihm ſchon im folgenden Jahre auf, ald der 
junge König, im Begriff ein Heer nad Polen zu führen, bei 
‚1306 einem Aufftande zu Olmüg ermordet wurde Da mit ihm 
%. Aug. Her Mannöftamm erlofch, fo erklärte K. Albrecht Böhmen als 
eröffnetes Reichslehen, um folches ſeinem aͤlteſten Sohne, 

Herzog Rudolf von Öfterreich, zu uͤbertragen. 
Aber: die boͤhmiſchen Stände gingen zum Wahlrechte 
zuruͤck, jedoch nicht ohne Ruͤckſicht auf die weibliche Linie. 
Unter allen zum römifchen Reiche - gehörigen Rändern. war Boͤh⸗ 
men noch allein in der Verfaffung-ber atten Großherzogthiimer. 
Die Stände theilten ſich aber zwilchen dem Herzog Hein 
sich von Kärnthen, der bes letztverſtorbenen Königs Schweiter, 
Anna, zur Gemahlin hatte, und zwifhen Herzog Rudolf 
von Öfterreich, der des vorigen Königs Wenzlaws II. Wittwe, 
Elifabeth von Polen, zu heirathen verſprach. Die Scheitern 
bes Iehtverftorbeneh Königs traten in die Verſammlung baar⸗ 
fuß und baten weinend für den Herzog von Kämthen. Aber 
&. Albrecht fehte die Wahl feines Sohnes durchz an .ber 
Spige eines ſtarken Heeres führte er ihn in Prag ein und 
1306 erklärte ihm als Oberlehensherr zum König. Das Herzogthum 
Sept. ſterreich übergab er feinem zweiten Sohne Friedrich und 
ſchloß zugleich einem Erbvertrag zwiſchen beiden Staaten, deü 

es von ben boͤhmiſchen Ständen beflätigen ließ *). 

Diefe in fo kurzer Zeit erlangte bedeutende Vermehrung 
der Hausmacht war für K. Albrecht noch nicht genug. Kaum 
faß fein Sohn Rudolf auf: dem boͤhmiſchen Throne, fo zog 
er nah Ungern, zu Gunſten ſeines Neffen, Karl Robert 
von: Neapel, : gegen- Welchen. die paͤpſtliche Partei ben Herzog 
Dito von Baiem zum Könige berufen hatte. Zur naͤmlichen 
Zeit wollte er auch die meeiffnifchen und thüringiſchen 
Laͤnde — auf welche er ſchon fruͤher ein Auge gewor⸗ 
fen: hatte. Er nahm an, K. Adolf * f e zum Reich 


1) Ottokar, e. 662 ff.; 701 ff.3 770 ff. — Nesbug, ad 
a. 1304. in Pez serr. I. -Chren.: beob, ad a. 1806. ' 





8. Albrechts L kaͤnderſucht. 4117 


erwerben, ſowie auch deſſen Statthalter und Befagungen, 
weiche..noch einen Theil jener Lande inne. hatten, ſich an ihn 
hielten. Grav Phifipy non Naffau hingegen. fah fie ald Haus⸗ | 
erwerbung an; 8. Benzlaw IL aber wollte Meiffen, wie ww _ 
eben geſehen, zu Böhmen ziehen. Indeſſen verſtaͤrkten ſich die 
shundßigen Erben, Friedrich und Dizmann, und nahmen 

faſt alle Burgen und Staͤdte wieder ein, bis auf Gifenac, 
dad, in Hoffnung Reichsſtadt zu werben, fih mit einigen an⸗ 
deren Staͤdten an 8. Albrecht hielt. 

VUm Sid) gegen alle Theile als unparteitfhen Richter zu 
zeigen, berief Albrecht, auf bie Klagen ber Eifenacher, bie 
beiden Markgraven, mit ihrem Vater, Landgrav Albrecht von 1306 
Tuͤringen, fowie. den Graven von Naſſau auf. einen Tag Jul. 
nach Fulda. Da jene. aber nicht erſchienen, ergriff er den An⸗ 
laß fie ſofort in die Reichsacht zu erklaͤren und führte dans 
gleich nach dem ungesifchen Kriegszuge wine faule. Macht: aus 
Schwaben. und den Rheinlanden in ‚das. Oſterland. Aber 1397 
Friedrich und Dizmann, durch braunfchweigifchen Zuzug ver⸗ 
ſtaͤckt, Kberfielen die ſchwaͤbiſchen Schaaren bei. Luͤken im 
Altenburgifchen und brachten ihnen nach einem fuͤnfſtuͤndigen | 
bisigen Gefechte eine Niederlage bei, ‚wehehe zum Sprichwort 31. Mai. 
wurde. 

Wenige Wochen nach bisfem Unfalle: tref K. Albrechts 
Haus ein zweiter. Sein Som, K. Rudolf von Böhmen, 
farb ſchon im erſten Jahre feiner Regiaung, da er einen 3. Zut. 
gegen ihn ausgebrochenen Aufftanb ber Färnthifchen Partei un: 
terbrichen wollte. E regierte alfo nicht; einmal fe lange ld 
fein Vorgänger. Die Sewaltthätigkeiten und. Erpreſſungen, 
welche  fih im Sinne feined Vaters erlaubte, brachten eine 
ſolche Abneigung in die Böhmen, daß fie, als Rudolfs Brus 
der, Herzog Friedrich ‚von.-Öfterreich, in der Berfammlung zu 
Prog zum Könige vorgeichlagen wurde, mit einſtimmigem 
Sıfe „wir wollen. keinen Öſterreicher am König“ die 
Schwerdter zogen, im’ Angefchte ber vermittweten Königin - 
drei Anhänger des Haufe ermordeten und gegen ben kaum 
gefchloffenen oͤſterreichiſchen Erbvertrag den Herzog Heinrich 
von Kärnthen auf's neue zum König erdlädten, welcher m 
fort mit feinem Gefolge nah Boͤhmen fayı --- 


118 Bud II. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 2. 


So hatten denn K. Abrechts Entwürfe auf einmal einen 
großen Stoß erlitten. Um die Sachen wieder gut zu machen, 
führte K. Albrecht ein mächtiges Heer über Eger nach Boͤh⸗ 
men, Friedrich brachte Verſtaͤrkung aus Öfterreich, auch ließ 
er einen Einfall in Kaͤrnthen unb Krain machen, um Hein⸗ 
rich zur Ruͤckkehr zu. bewegen. Aber in Böhmen felbfi fand 
Albrecht noch ſtaͤrkern Widerſtand vor Kuttenberg und Collin 
als Das vorige Mil. Herzog Otto von Baiern, Biſchof Des 
tee von Bafel, Grav Eberhard von WBirtemberg und. Andere 
führten dem Könige Heinrich Hülfsvoͤller zu und mumterten 
ihn auf, fich durch K. Albrechts Büflungen nicht fchreden zu 

laffen. Der Bischof von Baſel, durch bie Eutreiffung Brei⸗ 

ſachs aufgebracht, wollte auch den König von Frankreich gegen 

R. "Albrecht aufrufen. Durch ben einbrechenden Winter wies 

ber zum Ruͤckzuge gezwungen, hinterließ K. Albrecht Beſatzun⸗ 

gen in einigen felten Plägen Diefe wurden aber zu Anfange 

1303 des folgenden Jahres von ben Böhmen angegriffen und aufs 
gerieben ). | | 

" ı Während des Winters machte K. Albrecht in den Rheins 

‚ landen noch groͤßere Ruͤſtungen, fowohl gegen Böhmen als 

gegen Thhringen, um trotz alles Widerſtandes feine Abfirhten 

dennoch durchzuführen. 

So ganz erfuͤllt war K. Albrecht von biefen Hausange⸗ 

Legenheiten, daß er wenig Stan oder Aufmerkfamleit für die 

! uübrigen Verhältniffe und Vorfälle im Reich behielt. Die drei 

sheinifchen Erzbiſchoͤfe gingen in diefer Zeit, mit Tod ab, 

Während fo viele anbere Fuͤrſten ſchon in der böhmüchen und 

Hiringifchen Sache gegen ihn ſtanden, follte es ihm um fo 

mehr darum zu thun geweſen fein jene drei Münben mit 

Männern wieder befebt zu. ſehen, auf die er beſſer zahlen 

konnte als auf ihre Vorgänger, Allein er fah dieſen Veraͤn⸗ 

derungen gleichgültig. zu. Das toͤlner Domcapitel war geibeilt 

1304 zwifchen dem Domprosft Heinrich von Virneburg und dem 

Mai. Propſt von Gonn. Atbvecht wollte nicht enticheidens fo ganz 


1) Auſſer ben in ber vorhergehenden Note angeführten ſ. Chron. 
Erfurt. Sanpetrin, ad a, 1806. Rohte Chron. Thuring. p. 1764 agq. 
Wilke Ticemannus p. 165 aqq. 





8. Albrechts I Länderfuhe. 119. 


war das wormfer Concorbat ſchon in Vergeſſenheit geftellt;. 

er überließ die Sache dem päpftlihen Stuhle, worauf endlich 

Clemens V. ben Heinrich von Virneburg beflätigte '). Bei 1306 

den zwei anbern Erledigungen war der Gran Heinrich von 

&uremburg beflo thätiger, um feinen Bruder Balduin, 

emporzubringen, und burch diefen fich felbfl. Da das mains 

zer Domcapitel ebenfalld über bie Wahl zerfallen war, fanbte 

Grav Heinrich feinen Freund, den Bifhof Peter Aichſpal⸗ 

ter von Bafel, an Papft Clemens V. zu Sunften Balduins. 

Zwar erhielt Peter das Erzbistum Mainz für fich ſelbſt, 

weil er, wie man borgab, als geſchickter Arzt den Papft von 

einer gefährlichen Krankheit rettete, ober vielmehr, weil er dem 

päpfllichen Stuhle 3000 Markt Silber verfprach 2). Dageı. 

gen wurde Balduin im folgenden Jahre zum Erzbifchof von 1307 

Zrier gewählt. Ungeachtet Peter Aichfpalter früher aus ben 7. De. 

Dienften ded Herzogs Rubolf von Öfterreich zu 8. Wenzlaw H. 

von Böhmen Übergetreten und von biefem zu einer Gefanbts 

fchaft nach Frankreich gebraucht, unterwegs aber aufgefangen, 

werben war, auch als Bifhof zu Bafel die Städte Lichten⸗ 

ſtall und Ellenweiher im Elſaß dem 8. Albrecht weggefauft 

hatte , fo Eonnte diefer doch nicht umhin demfelben auf das 
päpflliche Empfehlungsfchreiben die Regalien zu verleihen ). 

Er konnte aber wifien, was fein Haus für die Zukunft von 

dieſen Rurfürften fich zu verfprechen habe. 

König Albrecht trug feinen Widerwillen gegen Stift und 
Stadt Balel auch auf Peters Nachfolger, Dito von Sranfon, 
über, wahrſcheinlich weil er jene Erwerbungen nicht heraus⸗ 
geben wollte. Ald er ihm bie Verleihung der Regalien vers 
weigerte, erſchien Otto bei ſeiner Ankunft zu Baſel vor ihm 
und ließ durch einen Dolmetſcher, weil er als geborner Bur⸗ 
gunder ber teutſchen Sprache unkundig war, noch. einmal 

darum bitten. Der junge, heftige Mann war ————— 


1) Northof. Chron. Com, de Marka ad un. 1504-1806. 
3) Siehe unten bei K. Heinticht VIL Wahl. 
8) Dttotar ©. 739. Albert. Arg. f. 113. Raynald. ad a. 
$. 1B. Serrarius Ber. Mogunt. T. v. in Joannis sorr. Mog. 
T. I. p- 63% sqq, Gesta Balduin, L. L. 


120 Bud IL Erſter Beittaum, Abſchnitt 2 


den Koͤnig auf der Stelle zu ermorden, wenn er mit einer 
ſchmaͤhlichen Antwort abgewieſen werben ſollte. Albrecht fragte 
bei feinem Anblide: „was will biefer Schhler?" Schon bei 
dem Zone biefer Frage, ob er fie gleich nicht verſtand, gerieth 
der Bifchof in Zorn („Qui dit? Qui dit?” fragte er hitig). 
Da trat der Dolmetfcher, Hugo zur Sonne, kluͤglich dazwi⸗ 
ſchen und fprad zum Biſchof: der König habe gefagt, er. 
wolle die Sache morgen vornehmen, worauf der Bifchof dank⸗ 
ſagend („rammerey!“) zurüdging. Der König aber, ber 
feine Aufwallung gefehen, mied Bafel und warf eine noch 
größere Ungnabe auf den Biſchof). 

Duurch alle diefe Erfahrungen ließ fi K. Albrecht in feis 
nem Lieblingsplane nicht irre machen. Im ben obern Landen 
: hatte er faft alle Reihövogteien erblich an fein Haus gebracht. 
Nur die drei Waldſtaͤtte, Schwyz, Uri und Unterwals 

den, weigerten fich befien. — 

Dieſe Landſchaften im Gebirge, in alten Zeiten lange 
unbekannt, bis fie zu K. Heinrichs V. Zeit in einem Grenz⸗ 
ſtreite mit dem Abte von Einſiedeln, welchem vormals K. 
Heinrich I. die angrenzende „Wüſte“ (Alpenweiden) verliehen 
hatte, zuerſt in der Geſchichte genannt werden, hatten als 
herrenloſes, faſt vergeſſenes Land von ſelbſt des Reiches 
Schutz gewaͤhlt und demſelben zu allen Zeiten als tapfere, 
biedere Männer gedient. Solcher freien Bauerngemein= 
den waren vormals hin und wieder in dem aufgeloͤſten Herz 
zogthume Alemannien, namentlich die Wallifer (im obern 
Rheinthale wie jenfeits im Rhonethal), die Appenzeller, bie 
Leute im bregenzer Wald, im Algau, im Schwarzwald und 
andern Gegenden von Schwaben 2). Sie waren freie Reichs⸗ 
bauern, unmittelbar unter bed Reiches Schub. Die meiften 
von diefen find jedoch mit ihren Vogteien und Landgerichten 
an Erbherren gekommen und Theile von Landesherrſchaften 
geworden, ſowie im Norden die freien frieſiſchen Gauen un⸗ 
ter Erbgraven gekommen. Aber jene drei Walbflätte haben 
von jeher einen befondern Eifer für die Erhaltung ihrer urs 


1) Albert. Argent. p. 113, 
2), Geſchichte von Schwaben, V, 868. 


RR. Albrechts I. Länderfude.- - 421: 


fprünglichen Freiheit gegeigt. Als ihnen zu K. Konrads TIL 
Zeit Gehorfam gegen den Abt von Einſiedeln aufgrlegt wurde, 
ımter Androbung der Faiferlihen Acht, traten fie aus des 
Reiches Schub. 8. Friedrich I. ließ fie als tapfere Männer 
zum Heerzuge nad Italien mahnen duch den Granen Ulrich 
von Lenzburg, ihren Schirmvogt. Von da un biteben fie 
dem hohenflaufifchen Haufe mit unerſchuͤtterlicher Treue erges 
ben. - Ihren Bund, ben Ale unter :fih geſchloſſen, erneuerten 
fie alle zehn Jahre. Nach · ben Graven von Lenzburg Fam die 
Reichsvogtei von Unterwalben..an..8. Rudolfs Großvater; 
auch die von Schwyz, doch ungern. Ihre. Freiheiten erneu⸗ 
erte driedrich ., ‚bau fie wieder in ‚Stalien au — 


zogen. 

an Sir Kubolf v von Habebrug⸗ Lauferhin (8 Rus 
dolfs Dheim) die Vogtei: hier Schwyz und: Unterwalden vers 
Ioren, weil er dem Papſte anhing, ſchloſſen ‚die Yon Schwyz 
und Uri ein Bimdniß mit Blirkh, und die Exfteren Kbertrugen 
bem jungen Rudolf von Habsburg ihre Vogtei, ber:.hernach 
als König ihre Freiheiten beftätigte: Nach feinem Tode ers 
neuerten die drei Waldſtaͤtte ihren Bund und ſchwuren dem 
K. Adolf. Für die-Befdtigang.-ihrer Freiheiten zogen: fie 
mit ihm in die Entfcheidungsfchlaht. Das konnte nun K. 
Albrecht nicht vergeſſen. Wiederholt ſchlug er die Beftaͤti⸗ 1299 
sung ihrer Briefe ab; dann ließ. er ihnen fagen: „alle benach⸗ 1300 
barten Städte und Länder, bie: Kaftvogteien faft aller Kloͤſter, 
weiche Gut und Leute bei ihnen haben, feien fein. Wenn 
er, ber Enkel ihrer alten Schirmvpoͤgte, ihnen ben ewigen 
Schirm feines: ganzen glorreichen Befchlechtes mittheiten wolle, . .: t 
fo gefchehe es nicht, als ob ex Etwas von ihrer Armuth ber 
gehrte, ſondern weil fie tapfere Männer feien, die er zu Sieg 
führen und durch Ritterfchaft und Lehen ‚erhöhen wolle“. Sie . ; 
fprachen: „ber feltge König ſei ihnen ein guter Hauptmann 
und Vogt geweien, das winden fie immer ſeinem Stamme 
gedenken; aber fie wollten in dem Zuſtand ihrer Altvordern 
bleiben; der König moͤchte dieſen beſtaͤtigen, wie fein Vater“. 

Indeſſen ließ K. Albrecht durch habsburgiſche Amtleute 1301 
zu Rotenburg und Lucern den Blutbann in den Waldſtaͤtten 
verwalten, um ſie an ben: Übergang zu gewöhnen. 8 fie 


422 Bud IL Exfer Zeitraum. Abſchnitt 2. 


dann wieberholf um einen Reichsvogt ‚baten, gab er ihnen 
130% endlich deren zwei, Hermann Geßler von-Bruned und 
Beringer von .Landenberg,. Diefe waren nicht wie die 
alten Graven, .melche, auf eigenen Schlöffern wohnend, nur 

zur: Zeit ihrer: Amtsverrichtungen in das Land famen, fondern 

als habsburgiſche Dienfileute (vom niedern Adel) ſahen fie 

bad Amt ald -Berforgung ;an und erbauten. fh Burgen um 
Sande. Dabei waren fie hewilh und gewalttbätig, Wie Al⸗ 
brechts Voͤgte in Öfterreich und Steiermark ..bereit$ das Volk 

zum Wibderſtande gereizt hatten, um eine Urſache zur Vernich⸗ 
‚kung ihrer Fteiheiten zu baben..: fo. thaten jene nun auch in 
den Weidfätten, Albrechts Beamte matın Überhaupt: ppm dem 
einfachen Sitten K. Rudolfs abgefommen; mit Trotz auf.ihre 
Gewalt verhängten fie harte, ußgeſetzliche Strafen; euhehten 

die Zoͤlle, erſchwerten bie Xußfuhe, nannten bie alten, æhrba⸗ 

ven Stfchlehter ;‚Bauernadel”. Mas alles -geihah: wg nicht 

auf ausbradiichen Befehl, doch im Sinne K. Yilapshföu ber 
auch den Klagen wenig Gehoͤr gub. Das. Ührige vollenbete 

der Voͤgte eigener Übermutgz nicht bedenkend, daß zu derſel⸗ 
bigen Zeit der Abt von Admont and gleicher Urſache yon ben 
Steiermaͤrkern erſchlagen worden. Landenberg ließ einem alten 
Manne. zu. Meichthal, dem ee zur Strafe ein- Joch, Ochfen 
:weggenommen, bie Augen audflechen, weil fein. Sohn bem 
“.„. Snechte bed Bogts den Finger. abgeichlagen und bazauf fich 
flüchtig gemacht. hatte. Während fchon gegen tragige Burg⸗ 
wögte, welche auch Gewalt gegen. Weiber fi erlaubfen, Noth⸗ 
wehr gebraucht wurbe, traten zuerſt drei Männer vertraulich 
1307 zufanmen, Berner Stauffacher aus Steinen. in Schwyz, 
Walter Fürſt aus Uri und Arnold Melchthal von Unters 
walden. Im Rütli, einem einfamen Platze am waldſtaͤtter 
Rov. See, kamen fie öfter zur Nachtzeit zufammen, um ſich über 
bie Rettung bed Landes zu berathen; als jeher noch zehn Ver⸗ 
traute mit fich brachte, ſchwuren fie mit aufgebobenen Häns 

den einander nicht zu verlafien,. den Graven von Hahsburg 
von ihren Gütern und Rechten. nicht dad Geringſte zu neh⸗ 
men, auch Fein Blut zu vergieflen, aber die alte Freiheit des 
unfchulbig unterbuiichten Volkes bis in ben Tod zu behaupten. 
Beßider, ben verbiffenen. Ingrimm des. Volkes bemer⸗ 


8. Albrechts L.Länderfugt. 123 
1 


kend, fellte einen Herzogshut auf, um bie Gemäther zu pruͤ⸗ 

ten. Da geſchah Wilhelm Zelld-in den Sagen erhaltene 

Ebel. Schnell folgte das Übrige. In der Nacht des neuen 

ehres nahmen: bie. Verſchwornen die Zwingburgen mit Liſt 38 
ein; Laudenberg muſſte wie bie Burgooͤgte Urphede ſchwoͤren. 

Des and war befreit, wie fie geſchworen, ohne Blutoergieſ⸗ 7. * 
ſen. Sie erweussten den ewigen Bund. 

K. Abrecht Kam aus dem ‚böhmilchen und. hhingifchen 
— als dieſes in den obem Landen geſchah. Cr 
befahl den Walzfaͤtlen allen Handel und Wandel zu. ſnerren 
und drohete fle mit Heeresmacht gu, perberben; doch eins fa 
Heime Garde, wie er meinte: folte den neuen Rıiegdgug nad 
Boͤhmen richt hindern. Wer ſollte auch gedacht bhaben, daß 
bie von ſeines Oewſchaften ganz vumgarnten Malhfläue einſ 
fein ganzes, / Sſammgut in hren Bund bringen wirken? - 

Au einen Weil von dieſem ancuerte eben jetzt ſaine Erb⸗ 
anfprüche Dayeg Joh aun, 8. Albrechts Bruberöfahn. Bein 
Baier Rud olf Hase die habthurgiſchen Bande eine Zeit ang 
befonber& verwaltet, waͤhrend Albxacht in Oßterreich wars. ....ı 
feiner Mutter. men bie kihurgiſche Gravſchaft zus Margengabe 
verfepriehen. Auf Hſterreich und Stelesmart war Rudolf wits 
beichnt, fo. daß Albrecht ibm ehte Summe. Geldes entrichten 
mußte, bis K. Raubolf ihm ein anderes Fürſtenthum ob — 
Ichen warde. Als er barkber ſtarb, ging die Wittwe mit . 
ihres Sahne Johann von Brugk, ihrem Widdun, zu dem ; 
Könige Wenzlaw II. von Böhmen, ihrem Bruder, der fie dem 
Könige von Ungern vermählen wollte. Als auch fie ſtarb, 
wellte Wenziaw den jungen Herzng Johann, weil, er ihn 
liebte, an feinem" Hofe behalten; Albrecht foberte ihn aber _ 
zurück, um ihn mit feinen Söhnen erziehen zu laſſen. Sogar 
auf die Krone von Böhmen hatte Zohann nähere Anfprüche 
als Albrechts Sohn Rudolf, denn er war duch feine Mutter 
8. Ditokars Enkel. Für jest. was aber nur noch vom den 
habsburgiſchen Stanmlanden bie. Rebe.. Da jedoch K. Als 
brecht dieſe nicht gern theilte, fo wollte er fir Johaun Meiſ⸗ 
fen erobern. Oft ſchon hatte der junge Herzog feinem Oheim 
um das vaͤterliche Erbe angelegen und war immer mit leeren 
Borten abgewieſen werben, Da ex volljährig war, beſtand 





124 Bud II Erſtet Zeitraum, Abfchnitt 2. 


er mit Ernſt auf feinem Verlangen. Er fand Weilnahme bei 
allen Fuͤrſten und Herten, ‚weiche über. K. Albrechts Laͤnder⸗ 
gier aufgebracht waren; beſonders bei dem Erzbiſchof Peter 
von Mainz, feines Vaters ehemaligem Diener;, ber ihm auch 
am böhmifchen Hofe zugethan blieb. Er munterte den Her⸗ 
309 auf, feine Foderung zu verfolgen, umd verhieß ihm feine 
Gürfprache. Aber zu gleicher Beit fammelten fich auch um 
ihn unzufriedene Slnglinge, beſonders von· habsburgiſchen 
Dienſtmannen, weiche nicht weniger Über Vorenthaltung ihrer 
Güter Magten und zuletzt zu erhitzten Anſchlaͤgen ben -jungen 
Flrrſten hinriſſen. Walter. don: Efchenbach „deffen: Vater für 
K. Rudolf das Leben hingegeben, Rudolf von Balm, Wer: 
wandter ‘von ‘jenem, Rudolf von Wart,: Nachbar beffelben; 
and Konrad von Tegernſeld, Johanns Erztehro waren es 
welche ſich mit ihm gegen das Leben. des Knigẽ /verſchworen. 
Der Anſchlag wurde zwar verrathen, von Könige aber nicht 
geglaubt oder verachtet; - oder ließ in fin Schickſal die. Ge: 
41308 fahr nicht fehen. Es war Her Tag einer öhfichen Moienfahrt, 
‚ 2. Dat. da der König mit den Reichöfürften nach Brugl- im- Aargau 
gekommen war. Nach der Meſſe rebeten bar: GErzbiſchof von 
Meinz und Biſchof von. Softang mit dem Könige zu” 
Bunften Herzog Johanns. Nach der Heerfahrt verſprach er 
Alles zu verrichten mit der Firſten Rath und.-bot dem Her 
zog hundert der beten Ritter zur Führung ar. Diefer ſchwieZ. 
Bei der Tafel brachte ein Junker Maienkwänzes: der König 
gab Den fchörften dem Herzog Johann, To much die beften 
und ausgeſuchteſten Speifen. Den Kranz legte Johann neben 
ſich, in feinem Auge fah man Thränen. Nadmittags; - als 
. der König zu feiner Gemahlin nach Rheinfelden reiten wollte, 
erfahen die. Verſchwornen ihre Gelegenheit, bis fie mit dem 
Könige allein über den Fluß Neuß vorausfamen: :Als er hier 
im Saatfelde in ihrer Mitte vitt, fielen fie ploͤtzlich über ihn. 
Der Koͤnig rief: ‚Wetter, zu Hülfel" „Da iſt bie Hülfe! u ſchrie 
Herzog Johann und rannte ihm dad Schwerdt in den Nak⸗ 
Zen, daß ed vorne durch bie Bruft hinausging. Die Übrigen 
— den Mord und Ae jeder einen ). 


% Dar Same hauptſaͤchlich nah 3. Mätter- Gefch. der Schweiz. 


8. Aubrechts J So, 1308. °:- 126 


In Öftereeih, in den Nieberlanden, in Bafel am Leben 
bedroht, fiel K. Albrecht mitten in feinen Herrfcherplanen durch 
die Hand feines Neffen in feinem eigenen Lande. Auffer Phi» 
Kpp von Hohenflaufen hatte Bein teutfcher König ein folches 
Ende genommen. Doch ward Iener im ganzen Reiche beilagt, 
weil er, ein milder, gerechter Fuͤrſt, im Begriff fein Recht zu 
edangen, ber Privatrache unterlag. Bei Albrechtd Tod erin⸗ 
nerte fich Jeder, daß er Fuͤrſten und Ständen Unrecht gethan 
und, indem er mr für fein Haus geſorgt, nicht einmal feis 
nen Verwandten Gerechtigkeit bewiefen. Ob feine Wittwe 
Siſabeth wohl fich erinnerte, was K. Adolfs Wittwe vor. sche 
Jahren ausgeſprochen? Nach den glüuͤcklichen Unternehmungen 
ſeines Vaters war in K. Albrecht das Verlangen entſtanden, 
die Hausmacht nach dem Vorgange Frankreichs ſo zu vermeh⸗ 
ren, daß Zeutfchland ein Erbreich werben: müſſte; daher er 
auch-vor dem Papfte allein ſich gebemütbigt, um bie Kürften 
deſto gewiſſer zu unterdruͤcken. - Aber Feiner feiner Entwürfe 
warb erreicht. Holland, Böhmen,. Meiflen und. Zhiningen 
gingen ihm verloren, und bie Fürften waren ihm fo abgeneigt 
geworden, daß fie nicht. nur bei feinen Lebzeiten keinen Nach⸗ 
folger aus feinem Haufe wählten, ſondern auch über ein Jahr⸗ 
hundert Alles aufboten, um — nicht mehr auf den Thron 
kommen zu laſſen. 

Das Letztere wird naͤchſt den fruͤheren Verhaͤltniſſen eine 
Haupttriebfeder der folgenden Geſchichten. 


5. Herſtellung des Kaiſerthums durch Heinrich VII. 


Die Erzbiſchoͤfe Peter und Balduinrettenbie Wahl⸗ 
freiheit gegen Frankreich u. Sſterreich. Das Iurems 
burgifhe Haus. Peters. Belohnung Berforgung 
der Wittwe 8. Adolf. Papſt Elemens V. verlangt 
für 8. Heinrichs VBeflätigung den Eid der Treue 
und Sicherheit des Kirchenſtaats in feiner weiteften 
Ausdehnung. K. Heinrich bringt Böhmen an fein 
Haus, verföhnt fih mit ben Herzogen von öfters 


1. ©. 416 ff. 238, 488, 498, 509: ff.. soo f. u 1-26. Url. von 
Schwaben. II, 145157. 





126 Bud W. Erſtet Zeitraum. Abſchnitt 2, 


reich und dhtet den Graven Eberhard; nom Wirs 
temberg. Roͤmerzug. Veraͤnderter Zufland Ita⸗ 
Nliens ſeit den Hohenſtaufen. Übergang der Re— 
publiken in Herrſchaften; die Gibellinen der 
ſchwaͤchere Theil. Heinrich neutral hofft beide 
Theile zu verſoͤhnen; die Guelfen und Neapel noͤ⸗ 
thigen ihn an die Spitze der Gibellinen zu treten. 
Er bahnt ſich mit den Waffen den Weg zur Krös 
nung in Rom und verbindet ſich mit K. Friedrich 
von Sicilien. 8. Robert von Neapel wird mit feis 
nen Anhängern durch Rehtöfprud geächtet und 
zum Tode verurthbeilt. Heinrichs Rüſtung zur 
Eroberung Reapels und Vereinigung von ganz 
Stalien wird durch Gift vereitelt. Clemens V. 
eüudt mit der Eonflitution vom Reidspicariat 
heraus. In Teutſchland ift indeffen Böhmen für 
Heinrichs Sohn erobert, der Gray von Wirtem⸗ 
berg burd die Städte von Land und Leuten ver⸗ 
trieben worden. Der teutfhe Orden bringt Pos 
merellen zu Preuffen. - Sturz der Tempelritter. 
Krieg zwifhen Brandenburg und Thüringen. Die 
Linien des witteldbahifhen Haufes. Herzog Lud⸗ 
wig von Dberbaiern fiegt über Herzog Friedrich 
von Öfterreich bei Bamelsborf. 


Au König Albrechtöl. gewaltfamer Tod vernommen wurbe, 
fürchtete man großen Unfrieven. Städte und Herren fahen 
fih vor und fihloffen Buͤndniſſe. Einige Fürften verbanden 
ſich über wie. Frage, wen. fie zum Könige haben wollten ober 
4308 richt. Die erſte Wahlconföberation. Die meiflen trach⸗ 
23 Dcı. teten ſelbſt nach bee Krone, fo viel Reiz hatte biefe wieder 
feit 8. Rudolf I. erhalten, Darunter waren auch. zwei Gra⸗ 
ven, Albrecht don Anhalt und Eberhard von: Wirtemberg. 
Segen den Letztern ‚aber. mar jenes Buͤndniß namentlich gerich« 
tet, wie gegen Herzog Otto von Baien '). Sieben Monate 
blieb dad Reich erledigt. = 


1) Die Urkunde if abgebruckt in Gattlers = Wirtembergs 
unter den Braven. I. Rr. 42%. 





Herſtellung des Kaiſerthums durch ‚Hehiich VIE ‚177 


&o vide einander entgegengefeßte Beſtrebungen fah nicht 
ungen 8. Philipp IV., genannt der Schöne, von Frank⸗ 
reich; ihm fihien ber Zeitpunct gekommen, feine großen Ents 
würfe in's Werk zu ſetzen. Der Papft war ſchon in feiner 
Sewaltz die Kaiferfrone follte e8 auch werben. Er beſchloß 
feinen Bruder Karl von Balois zum roͤmiſchen Könige 
wählen zu laſſen; zugleich warb er für ihn, uns auch jeufeft 
Zeutfchlands feſten Fuß zu erhalten, um bie noch zwifchen 
Öfterreich und Kaͤrnthen freitige Krone von’ Böhmen, nebſt 
Dolen. Da eben jetzt die Linie von Anjou im Begriff war 
bie ungerſche Krone mit der neapolitanifhen zu vers 1307 ff. 
einigen, fo fehlen das Gluͤck dem franzäfi ſchen Koͤnigshauſe 
ſchnell den Weg zur Univerſalmonarchie zu zeigen, nachdem 
es kaum vom Papſt Bonifacius VIII. mit Unterwerfung uns 
ter das teutſche Reich bedroht war. „Niemandem geſchehe 
unrecht”, ſprach K. Philipp, „wenn mit dem erlebigten Reiche 
eine Veränderung vorgehe: die Päpfte hätten daffelbe ehemals 
auch getban, und jebt bringe es das Verhaͤngniß mit fich, 
daß das Kaifertbum, wie ed einft von den Griechen auf bie 
Franken, dann eine kurze Zeit auf italientfche Fuͤrſten, zuletzt 
auf bie Zeutfchen gefommen, wieder zu den Nachkommen der 
Franken zurüdkehre". Das gefiel den Großen des Reiche. 
Der König begab ſich felbft mit feinem Bruder zum Papfle 
nah Poitierd, um ihn an die geheinigehaltene ſechſte Wahl⸗ 
bedingung zu erinnern !); und da Elernens V. ihm Nichts abs 
fhlagen durfte, fo wurden alsbald Abgeordnete mit Empfeh⸗ 
lungsſcheriben an die Kurfürften gefchidt, von welchen fich 
fogleich zwei gavinnen lieffen, der Erzbiſchof Heinrich von 
Coͤln und dee Herzog Johann von Sachſen⸗ eauens 
burg ?). ’ 

Diefe glänzenden Entwirrfe, welche den Papft feine — 
tm Stitze berauben und Teutſchland ſelbſt in gleiche Abhaͤn⸗ 
gigkeit ſetzen ſollten, brachten doch ben Papſt und die übrigen 


1) Conr. Vecerii, regi secretarii, de rebus gestis Jap. Hen- 
ra VII. Lib. in Urstis scr, T. IL p. 66, Eine Haupkquelle zu die ' / 
ſen Abfchnitt. 


2) Dienfhlager — x. urt. 7. 


18 Bud IL Erſter Zeitraum. Abſchnit 2. 


teutfchen Fürfien zur Befinnung. Clemens V. ober vielmehr 
fein erſter Rathgeber, der GCarbinalbifhof von Oftie, del 
Prato, vereinigte fih mit dem Erzbiſchof Peter von Mainz, 
um durch Beſchleunigung der Wahl dem Könige zuvorzukom⸗ 
men. Aüch der Bifchof von Bafel, Otto von Sranfon, 
munterte ben Papſt insgeheim dazu auf '). Beide letztere 
Praͤlaten, die wir oben ſchon als Hauptfeinde des habsburgi⸗ 
ſchen Hauſes geſehen, hatten dabei zur zweiten Abficht, dieſes 
Haus ebenſo wie das franzoͤſiſche auszuſchlieſſen und wieder 
einen ſolchen Koͤnig zu erheben, unter welchem die Kurfuͤrſten ihre 
= Rechnung beſſer finden wirden. Erzbiſchof Peter, durch 
welchen Balduin, Grav Heinrichs von Luxemburg 
Bruder, vom mainzer Stuhle verdraͤngt, dagegen auf den von 
Trier erhoben worden, beſchloß den Graven Heinrich, der 
ihm noch. nicht reiht gut war, ganz für feine Abſichten zu ges 
winnen ımd bracdıte ihn dem paͤpſtlichen Stuhle, biefer aber 
den teutfchen. Fürften zum römifchen Könige in Vorfchlag, als 
einen tapfern und frommen, die Kirche und die Geiftlichkeit 
ehrenden Ritter. 
Da. die hbrigen Zürften nicht einig waren, fo wuffte ber 
ſchlaue Erzbiſchof dieſes Vorhaben um fo eher durchzuſetzen. 
Auſſer der Spannung der Kronbewerber unter ſich ſelbſt ſtrit⸗ 
ten auch die in mehrere Linien getheilten kurfuͤrſtlichen Haͤuſer 
um bie Führung der Wahlſtimme, namentlich Sachſen⸗Wit⸗ 
tenberg und Lauenburg, und das Lestere trug deswegen 
feine Stimme dem Kurfürften Waldemar von Brandenburg 
auf. Die böhmifhe Stimme wurde nicht beachtet, weil Hein 
rich von Kärnthen nicht vom Reich ald König anerkannt war. 
As auf der erſten Zufammenkunft zu Renfe drei geifllide und 
drei weltliche Kurfürften fich nicht vereinigen Tonnten, fchlug 
Erzbifchof Peter geheime Stimmenſammlung vor; dadurch 
erhielt er Beitritt von zwei weltlichen Rurfürften zu feine und 
Erzbiſchof Balduins Stimme. Mit diefer Mehrheit gelang es 
ihm auch die anderen auf der Wahlverfammlung zu Frankfurt 
1308 dahin zu bringen, daß Pfalzgrav Rudolf die einflimmige Wahl 
277.Rov.für Heinrich, Graven von Luremburg, ausfprach ?). 
1) Müller Gef. der Schweiz. I. ©. 15. Rote 9. 
2) Albertini Mussati Hist. augusta L. L in Muratori scrr. 


Herfleltung db. Kalferthums buch Heinrich VII. 129 


Schon vor ber Wahl forgte Erzbifchof Peter für fih 
und fein Erzſtift noch beſſer als der Vorgänger Gebhard. Gr 
ließ fich von ‚Heinrich nicht nur alle von Adolf und Albrecht 
erhaltenen Freiheiten und Rechte wörtlich beflätigen, mit dem 
Berfprechen bad Unerfüllte zu ergänzen nebſt den Entſchaͤdi⸗ 
gungen, welche dad Erzſtift noch an K. Albrecht zu fodern 
hatte '), ſondern fich überdied bie Zufage geben, baf ihm 
Heinrich fowohl die bei der römifchen Koͤnigswahl gehabten 
Koften als aud bie für feine eigene Beflätigung 
dem päpftlihen Hofe noch fhuldigen 3000 Markt 
Silberd bezahlen und ihn überhaupt Eräftig ſchuͤtzen und 
ſchadlos halten wolle, im Fall er wegen der roͤmiſchen Koͤ⸗ 
nigswahl angefochten werben follte*). Heinrich muſſte alfo 
für dieſen Erzbiſchof mehr thun ald für feinen eigenen Brus- 
der, den Erzbifhof Balduin von Zrier, dem er, foniel 
man weiß, nur bie gewöhnliche Beftätigung der von den Vors 
gängern erhaltenen Rechte und Freiheiten gab. Balduin war ° 
zufrieben feinen Bruder auf dem Throne zu fehen. Nach ben 
früßeren DBorgängen wurde bei der Wahl auch eine Heirath 
befprochen: Heinrich verlobte feine Tochter Maria dem Sohne 
bed Pfalzgraven Rudolfs, Ludwig, obgleich Beide noch Kinder 
waren. Endlich bebachte Heinrich auch K. Adolfs Wittwe, 
indem er ihr. auf die Neichöfteuer zu Friedberg und Wetzlar 
jährlich 600 Pfund Heller anwies ’). 

Sp kam denn die Meichöregierung an ein niederläns. 
diſches Gravenhaus, aus welchem ſchon zu K. Hein 
richs IV. Beit Hermann zum Gegenkönig aufgerufen wors 
den, ein Urenkel jened Siegfried, der im zehnten Jahr⸗ 
hunderte dad Schloß Luremburg an fein Haus gebracht 
und feine Zochter Kunigunde mit 8. Heinrich II. vermählt 


T.X. Gesta Balduin. L. II. c. I. Ottotars Reimchronik. © 
810 ff. Ä 

3) 10,000 Sf. Heller und 3000 Mark Silbers. 

2) Würdtwein Sabsid. dipl. T. IV. Num. CV. Guden, Cod. 
Mog. dipl. T. HI. Num. 42 sqq. 

5) Guden. Sylloge dipl p. 485.; auch bei Sattler a. a. O. 
Nummer 43a. . 

Dfifter Geſchichte d. Teutſchen IH. 9° 


N 


130 Buch I. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 2. 


hatte. Der neu erwählte König Heinrih VIL ſtammte 
jedoch nur von mütterlicher Seite aus jenem Haufe, väterli= 
cherfeitd von den alten Herzogen von Limburg; der Groß: 
vater Heinrich I. hatte von feiner Mutter Ermefindid die Grav⸗ 
Schaft Luremburg geerbt *). Diefe, am Saume bed Arden⸗ 
nenwaldes, größtentheild von Zeutfchen, dem kleinern heile 
nach von Franzoſen bewohnt, zählte Nichts weiter ald neun 
Städte ?); aber in feinem andern teutichen Lande war ber 
Landfriede fo fireng gehandhabt ald im Luremburgifchen, da⸗ 
ber man mit Recht erwartete, Heinrich) werde das Reich auf 
gleiche Weiſe ordnen und befonderd, ald Nachbar von Frank⸗ 
reich, die Grenzen flandhaft behaupten: benn er befaß einen 
boben Muth und viele Kriegserfahrung; man hielt ihn, wie 
einft 8. Heintih J., für den erften Zurnierheiben. Nach⸗ 
dem er mit feiner Gemahlin, Margaretha von Brabant, durch 


4309 ven früher franzöfifh gefinnten Erzbifhof von Coͤln die Kroͤ⸗ 


6. Ian. 


3. Jun. 


2. Jun. 


nung erhalten, machte er feinen erſten Zug am Rheine auf: 
waͤrts bis Coſtanz, erneuerte den Landfrieden und beftätigte 
größern und Meinen Ständen ihre Freiheiten; er vergaß auch 
nicht die drei verbündeten Waldſtaͤtte aus dem äfterreichifchen 
Gerichtözwange wieder unter ben Schutz des Reichs zu nehmen. 

Ein halbes Iahr nach feiner Wahl fandte K. Heinrich VL. 
eine anſehnliche Botfchaft an den Papft, nicht nur wegen ſei⸗ 
ner Beſtaͤtigung, fondern auch wegen ber bald vorzunehmen: 
den Kaiferrönung. Bei derfelben war der fchon gedachte Bi- 
ſchof Dito von Bafel, der Grau Amadeus von Savoyen, 
Heinrihd Schwager, auch der Schatmeifter von Mes, Simon 
von Marville, des Königs Geheimfchreiber. Ihre Vollmacht, 
ohne Zweifel von den Bifchöfen entworfen, ging wo möglich 
noch weiter ald bie der Vorgänger. „Sie follen”, heiſſt es 
darin, „des Königs Ergebenheit und Eindliche Ehrfurcht gegen 


den Papft und die römifche Kirche an den Tag legen, des 


Dapftes Gunſt und Gnade zu erlangen ſuchen und ihm den 
ſchuldigen Eid der Treue und jeden andern ſchwoͤren, 
auch alles Weitere leiſten und thun, was nach Gott und 


1) Häberlin Reichsgeſch. III, 4. 
2) Veceriusl. c. 


Herſtellunged. Kaiſerthums durch Heintich VI. 131 


Hecht zu der Kaiſerkroͤnung zutraͤglich gefunden werben würbe”. 
Zum erſten Male überfchidten die Kürften dem Papſte ein 
förmliches Wabldecret '). 

Clemens V., für feine Perſon der Wahl fehr froh und 
nur noch in Verlegenheit dem Könige Philipp gegenüber, 
fuchte diefen durch allerlei Verfprechungen zu beglütigen: Karl 
von Valois folle zum conflantinopolitanifchen Kaiferthum bes 
förbert werben; K. Heinrich VII. werde gute Freundſchaft mit 
Frankreich halten. Er that fogar ald wolle er erfi Philipps 
Kath hören, ehe er ihn befidtigte. Allein Philipp fchwieg 1309 
Fi, und Siemens fchritt alfo zur Befldtigung. Der Eid, den 26. Zul. 
er von den Geſandten foderte, betraf zunaͤchſt nur die Kai⸗ 
fertrönung.. Sie muflten mit dem feierlichfien Eide in 
Heinrich Seele verfprechen, baß dem Papfte nie am Leben, 
an Sliedern oder Ehre Etwas zu Leib gefchehen folle; daß 
Heinrich in. feinem Stüde, das ben Papft oder bie Römer - 
angehe, eine Anordnung zu Rom machen wolle ohne feinen - 
Kath und Vorwiſſen; daß er, bad von Gütern ber römifchen 
Kirche an ihn gelangt wäre ober gelangen würde, ungefdumt 
zurückgeben, und fo oft er Jemand nach Zufcien ober in bie 
Lombardei ſchicken werde, jedes Mal ſchwoͤren laſſen wolle 
den Kirchenſtaat vertheidigen zu helfen; endlich, wenn er mit 
Zulafien feines Herm, bes Papſtes (der body felbft nicht dort 
fein durfte), nach Rom fommen werde, folle er ihn und bie 
Kirche nach Kräften erheben und vor. der Kaiferfrönung biefen 
Eid noch einmal felbft ſchwoͤren. 

Dann verlieh er die volle Beitätigung in folgender Art: 
„den erwählten König Heinrich, feinen geliebteften Sohn, 
balte, ernenne, verfünbige und erkläre er als römifchen König, 
finde feine Perſon, ſoweit man von dem Abweſenden urthei⸗ 
len Eönne, tauglich zur Kaiſerkroͤnung, die zu ſchicklicher Zeit 
mb Stelle vorgenommen werben folle, verleihe ihm indeſſen 
feine Gunft und Gnade, und befehle allen feinen Unterthanen 
ihm zu geborchen”. . 

Die nähere Capitulation wurde dem vömifhen Könige 1310 
erſt vor Antritt des Römerzuges zu Laufanne vorgelegt. Ste 11. Okt. 


1) Raynald. ad. a. 1309. $. 10 :q, 
9* 


4132 Buch IL: Erſter Zeitraum. Abfhnitt 2 


ift noch weit umfichtiger zu Sicherftellung bes römifchen Stuh⸗ 
led und fchwälftiger in den Danföbezeugungen und Zufagen 
gegen benfelben abgefafft ald bie. der Vorgänger, nebſt einigen 
weitern Zuſaͤtzen; insbeſondere laͤſſt fih der Papſt verfprechen, 
daß Heinrich die hochheilige Fatholifche und apoftolifche Kirche 
und den Tatholifchen Glauben von ganzer Seele, mit lauterer 
Treue und heiligem Eifer erhalten, alle Keber und Kebereien 
audrotten, zu ‚keiner Zeit durch Heirat oder Buͤndniß mit 
faracenifchen, heibnifchen oder fchifmatifchen Königen und Zürs 
ſten oder auch nur folchen welche der römifchen Kirche ver- 
dachtig find, fich einlaffen wolle. Im Abficht der Erhaltung 
des Kirchenflaated find in dad frühere Verzeichniß ber dazu 
gehörigen Städte, Landichaften und Rechte namentlich noch 

. einige Städte in Tuſcien, bie Gravſchaft Sabina, Sampanien 
und der Bezirk Maritima aufgenommen !). 

So gelang ed denn dem Papfie Clemens V. wieber ei- 
nen Schirmoogt nad) feinen Wunfc gegen den König von 
Frankreich zu haben, dem Erzbifchof Peter aber ein neues 
Koͤnigshaus dem öfterreichifchen entgegenzuftelen, wobei fie 
Beide auch im Zeitlichen ihren Stuhl recht wohl zu bedenken 
wufften. 

Zur Sicherheit des Erzbifchofs, der von einem Gefange- 
| nen ald Haupturheber von K. Albrechtd Mord genannt wor= 
4309 den), verlegte K. Heinrich den Reichstag von Nürnberg nach 
Aug. Speier. Hier wurden fofort bie wichtigften Angelegenheiten 

Septbr. yorgenommen. 

Da der Krieg wegen ber böhmifchen Thronfolge zwi: 
fchen den Herzogen von Öfterreich, Kärnthen und Baiern, wie 
auch andere Fehden noch fortdauerten, fo berief ber König 
biefe Firſten vor den Reichötag, baß fie in ihren Sachen 
Recht nehmen und ihm huldigen follten. Unter ven boͤhmi⸗ 
fhen Ständen aber, welche bisher zwifchen Kaͤrnthen und 
Frankreich getheilt gewefen, fand eine britte Partei auf, welche 


1) Raynald. ad a. 1310. $. 3 sg. 


2 Dttofar ©. 834 ff. „Daß an ber Maintat mit Werfen unb 
mit Rat — nyeman ſchulbiger war benn ber ungetrew Wolf von Mainz 
ber Piſcholf.“ 





Herfiellung d. Kaiferthums buch Heinrih VIEL. 133 


den Beſchluß faſſte fich dem neuen Königshaufe in die. Arme 
zu werfen. Sie befreiten bie jüngfte Schwefter des verflor 
been 8. Benceflaus II, Elifabeth, welche von ihrem Schwas 
ger, Herzog Heinrich von Kärnthen, gefangen gehalten worden, 
und lieffen ihre Hand dem vierzehnjährigen Sohne K. Heins 
richs VIL, Johann, anbieten. Diefer Antrag war dem Koͤ⸗ 
nige ſehr willlommen, und es wurden bald Wege gefunden, 
um die Sache in Form Rechtens auszutragen. Da ‘Heinrich 
von Kaͤrnthen fchon drei Jahre der böhmifchen Krone fih ans 
gemaßt, ohne die Belehnung vom Reich nachzufuchen, fo er: 
kannte bad Fürftengericht, daß Böhmen als vermwirktes Lehen 
zu des vömifchen Königs Handen ftehe, mit Vorbehalt des 
Erbrechtes der Elifabeth. Diefe wurde noch während bes 
Reichstages nach Speier begleitet und mit Johann vermählt, 
worauf ihm fein Vater die feierliche Belehnung mit Böhmen 


Nach diefem kam die Reihe an die. Herzoge von Öſter⸗ 
reich, Friedrich und Leopold, welche mit fo ftattlicheg Ges 
folge zu dem Reichötag gelommen waren, baß ber König et> 
was befrembet fie darüber zur Rebe ſtellte. Sie entſchuldig⸗ 
ten fich mit der Pflicht gegen ihren ermordeten Vater, defien 
Feinde in der Reichöverfammlung wären, unb mit der vorzus 
nebmenden feierlichen Beftattung. Diefe ließ alfo König Hein- 
rich fogleich vornehmen, zugleih auch K. Adolfs Sarg neben 
dem von K. Albrecht in dem Dome zu Speier beifegen; dann 
befahl er den Herzogen ihr Geleit zu entlaffen. Um fie deſto 
eher zum Berzicht auf Böhmen zu bewegen, flellte der König 
nach den Rathe der Fuͤrſten erſt Gegenanfprüche auf; Her: 
309 Sohannd, des Moͤrders, Erbtheil fei dem Reiche verfallen, 
ebenfo was K. Albrecht mit Gewalt oder Recht erworben. 
Die böhmifchen Stände griffen fogar bie Belehnung bed habs⸗ 
burgifchen Haufes mit Öfterreih an und ‚wollten bad von 
8. Richard dem Ottokar verliehene Recht auf Öfterreich wies 
der geltend machen. Herzog Friedrich, unwillig über dieſe 
Neckerei, wollte den Reichötag verlaflen, um fo mehr da in 


1) Chron. Leob. ad a. 1309. Gesta Balduin, L.II. c. 5. Chron. 
Bohem. in Mencken scrr. T. III. p. 1749. 


134 Buch IHL, Erſter Zeitraum. Abſchnitt 2. 


Öfterreich ſelbſt wieder Unruhen entſtanden waren. Allein 
der wohlgefinnte Bifhof Johann von "Straßburg ließ nicht 
ab, bi ein Vertrag zwifchen dem Könige und ben Herzogen 
von Öfterreih gefchloffen war. Gegen die Pfandfchaft von 
vier mährifchen Städten zu 50,000 Mark, wovon fie dem 
Könige 20,000 Mark vorfchieffen, das Übrige für ſich behals 
ten follten, verſprachen Friedrich und Leopold für fih und 
ihre Brüder, dem Könige zur Eroberung von Böhmen gegen 
Heinrich von Kärnthen und deſſen Schwager, Friedrich von 
Thüringen, beizuftehen; einer von ihnen follte auch die Hees 
resfolge zum Römerzug leiſten. Nach diefer freundlichen Übers 
eintunft empfingen die Herzoge von der Hand des Königs 
alle ihre Lehen. Den andern Zag, ba K. Heinrich über die 
Königemärber zu Gericht faß, bezeugte er auch, indem er die 
Acht über fie auöfprach, daß Herzog Iohann an allen Lehen 
ber Herzoge von Öfterreich Feine Rechte gehabt, welche dem 
Meich verfallen wären !). 

Die Reichsacht oder vielmehr die Blutrache wear bereits 
von K. Albrechts Mittwe und Söhnen vollzogen. Bon ben 
funf Verſchwornen fiel nur Einer in ihre Hände: Rudolf von 
Wart, der bei ben Morde nicht einmal Hand angelegt hatte. 
Diefer wurde mit gebrochenen Gliedern auf's Rad geflochten, 
unter welchem feine treue Gattin, aus dem Haufe Balm, 
nachdem fie vergeblich die Königin um Gnade gefleht, betend 
verharrte, bis er nach drei Tagen ſtarb, worauf ſie nach Ba⸗ 
ſel ging, wo in kurzer Zeit der Gram ſie toͤdtete. Herzog 
Johann und die Übrigen verdarben unerkannt im Elend. Aber 
von ihren Angehoͤrigen wurden in Verfolgung der Rache mehr 
als tauſend unſchuldige Maͤnner, Weiber und Kinder durch 
Henkershand hingerichtet. Dann gruͤndete die Koͤnigin Wittwe 
mit ihrer Tochter Agnes, welche der Blutrache nicht ſatt wer⸗ 
den konnte, das Kloſter Koͤnigsfelden auf der Stelle, da K. 
Albrecht ermordet worden ?). 


Unter den übrigen Fuͤrſten welche wegen gebrochenen 


1) Geſch. von Schwaben IH, 172 ff. (& 17% 3. 14 von unten ft 
ftatt 30,000, 50,000 Mark zu Iefen.) 


3) Müller Geſch. d. Schweiz II, 18—21, 


Herſtellung d. Kaiſerthums durd Heinrich VIL 135 


Landfriedens vor ben Reichötag zu Speier berufen worben, war 
Grav Eberhard von Wirtemberg am melften beſchwert 
durch bie Klagen der fchwäbifchen Reichsſtaͤdte. Er erſchien 
auch, wie die Herzoge von Öfterreich, mit einem anfehnlichen 
Gefolge und erwiederte auf die frieblichen Erbietungen des Koͤ⸗ 
nigs, ohne ihn anzuſehen: „was er gegen die Staͤdte unter⸗ 
nommen, dazu habe er Fug und Macht vom Reich gehabt, 
auch ſei er keines Andern Dienſtmann, daß er nicht 
thun koͤnnte was ihm gut daͤuchte.“ So ſprach Eberhard im 
Gefuͤhl, daß er nicht weniger als der Grav von Luxemburg 
der Behauptung des Thrones faͤhig geweſen waͤre. Da er 
nun ohne Abſchied vom Reichstage hinwegging, ſprach der 
König die Acht über ihn aus ). 

Die weitern Verhandlungen dieſes Reichötagd wurden 
fofort auf den Römerzug gerichtet. Auch hier kamen dem 
Könige, wie im Vorhergehenden, lauter günftige VBerhältmiffe 
entgegen. Der päpftlihe Stuhl, der fonft immer der kaiſer⸗ 
lichen Macht in Stalien im Wege geflanden, foderte ihn jetzt 
felbft dazu auf, um durch ihn wieder in Rom eingefebt zu 
werben. Aus der Lombardei kamen von den Sibellinen 
und Guelfen zugleich Abgeordnete, um ihn einzuladen, jeder 
Theil freilich nur in ber Hoffnung, ihn für fi) zu gewinnen. 
Matthäus Vifconti, Gapitan von Mailand und mehrern 
andern Städten, von ben beiden lehten Königen ald Reichs: 
vicar uͤber diefelben beftätigt, durch die Torrianer aber aus 
Mailand, wie Theobald Brufciati aus Brefcia, vertrieben, 
fuchte mit diefem perfönlich bei K. Heinrich Hülfe Guido 
della Torre, der jenen vertrieben, ließ durch Abgeordnete 
ebenfalls bei dem Könige unterhandeln?). Zürs Dritte zeigte 
fi) auch bei den teutfchen Fuͤrſten und Ständen wieder mehr 
Bereitwilligkeit zum Römerzug, ald man feit dem Erlöfchen 
der Hohenſtaufen gefehen. Mehrere waren burch Heinrich per: 
ſoͤnlich gewonnen; der Reichötag faffte den einflimmigen Schluß 
alle Reichövafallen zu- mahnen und beflimmte auf den Herbſt 
des folgenden Jahres Lauſanne zum Sammelplag. Auch die 


1) Geſch. von Schwaben II, 176 f. 
2) Albert. Arg. p. 116. 








I} 


136 Buch IL Erſter Zeitraum. Abſchnitt 2. 


Großen des arelatifchen Reichs, wieber fefler an Teutſchland 
fih anfchlieffend, verfprachen Zuzug. So ungen 8. Phi⸗ 
lipp von Frankreich Heinrichs Erhebung fehen mochte, fo 
bielt er ed doch der Klugheit gemäß auf Heinrichd Anerbieten 


4310 einen Freundſchaftsvertrag mit ihm einzugeben. Hein 


26. Zun. 


oo 
— 


rich verſprach dagegen, deſſen Sohn Philipp mit der Grav⸗ 
ſchaft Burgund zu belehnen, ſobald durch Austraͤge entſchie⸗ 
den fein würde, mit wieviel Mannſchaft derſelbe als Reichs⸗ 
vafall den Römerzug begleiten folle :). 

Ale diefe wichtigen Verhandlungen wurden in etwa ſechs 
Wochen auf dem Reichötage zu Speier abgethban. In Folge 
derfelben fegten fih zur beflimmten Zeit drei Heere in Bes 
wegung. Das erfte, um Böhmen für K. Johann einzunch 
men; ba8 andere, größtentheild aus ben obern Reichöftädten, 
um die Acht gegen Grav Eberhard von Wirtemberg zu volls 
ziehen unb ihn zugleich von weiterer Xheilnahme an ben böhs 
mifchen Angelegenheiten abzuhalten; das dritte, ſtaͤrkſte, führte 
K. Heinrich felbft über die Alpen. Schneller als feine legten 
Vorgänger hatte er das Reich geordnet oder vielmehr auf 
der Grundlage von jenen fortgebaut. Nach zwei Jahren ift 
ihm ſchon der Schauplag zu klein; er fucht einen glänzen- 
dern in Stalien, wo feit fechzig- Iahren Bein Kaifer mehr füch 
geltend machen konnte. 

Dies fchien nun auch nicht mehr fo fehwer, da ber * 
ſtand des Landes ſich indeſſen merklich geaͤndert hatte: 
Papſt entfernt, das ſiciliſche Reich getheilt, die Inſel 
mehr dem Papſte gehorchend, die blühenden Republiken ber 
Lombardei in Zudungen verblutend. Was den Muth und bie 
Kraft diefer Städte gehoben, als fie in dem großen Freiheits⸗ 
kampfe gegen die hohenſtaufiſchen Kaiſer die Reichslehenleute, 
einen / maͤchtigen Abel, zum Beitritt gebracht oder in ſich aufs 
genommen, dad wurde die Quelle ihrer Unterjochung. Die 
Podeſtas, melde die dem Meiche vorbehaltenen Rechte im 


- Namen des Kaiſers oder bed Bifchofd verwalteten, dann auch 


die Verwaltung ber den Städten überlaffenen Regalien, be⸗ 
fonderd das Gapitaneat oft in mehreren Städten zugleich 


1) Leibnit, Cod. jur. gent. dipl. I. Num. 32 sq. 


Herſtellung d. Kaiſerthums durch Heinrich vu 137 


an fich brachten, ſchwangen ſich in dem fortwaͤhrenden Par⸗ 
teikampfe aus ſtaͤdtiſchen Beamten zu Herten (Seigneurs) 
der Städte auf. Sie lieffen fich dazu vom Kaifer, oder wenn 
feiner bawar, vom Papſte auch das Reichsvicariat über ges 
wifle Diſtricte übertragen, und verbanden alfo in ihrer Per 
fon mehrerlei Gewalten zugleich, ovon bie eine der andern 
zur Unterflügung diente. Bei dem Übergewicht ded kriege⸗ 
rifhen Adels aber waren ed gewöhnlich mehrere größere 
Familien in jeder Stadt, welche um bdiefe Rechte miteinander 
im Kampfe liegend fich wechfelsweife vertrieben oder Buͤnd⸗ 
niffe einander entgegenfiellten. Der frühere Kampf der Gi⸗ 
beillinen ober SKaiferlichen mit den Guelfen oder fäbtifch 
und paͤpſtlich Gefinnten war in einen Kampf der Parteihäup: 
ter übergegangen, welche zwar bie alten Namen beibehielten, 
aber nur die perfönliche Oberherefchaft zum Ziele hatten *). 
Penn die Kaifer vormald gegen bie Widerfpenftigen mit’ firens 
gen, gefeglichen Strafen verfuhren, fo berrfchten jeht die ein» 
heimifchen Herzen über ihre ehemaligen Mitbürger mit beifpiel- 
Lofer Willkuͤr und Grauſamkeit?). — 

Um ſo dringender war das Einſchreiten des Reichsober⸗ 
hauptes, und um fo leichter ſchien es die durch fortwaͤhrende 
Spaltungen geſchwaͤchten Staͤnde in die vorige Unterwerfung 
zurückbringen zu koͤnnen. K. Heinrich VIL hoffte das nicht 
ſowohl durch Waffenmacht als durch Maͤßigung zu erreichen, 
da er ſich entſchloſſen hatte keine Partei zu nehmen. So | 
ging er vertrauendvoll über den Genis, begleitet von zwei 1310. 
Brüdern, dem Erzbifchof Balduin und dem Graven Walram Septbr. 
von Luremburg, von dem Pfalzgraven Rubolf, bem Herzoge San 
Leopold von Öfterreich, den Graven Amadeus von Savoyen 


be 


1) Verst, Eichhorn deutſche Staats: unb Rechts⸗Geſch. F. 897. 

2, Statt aller Beifpiele führen wir, das Toörturmandat von 
Galeazzo IL aus dem Haufe Viſconti an. Die weldye während bes ins - 
nern Kriegs im mindeften ihm entgegen gewefen, wurden nicht weniger 
als 40 Zage gemartert, bis fie endlich) auf's Rad gelegt wurden. Vom 
3. Zage an fuhr man mit Augenaudreiffen, Gliederabſchneiden 2c. fort 
und ließ immer wieder einen Tag dazwiſchen. In ben Ichten 6 Tagen 
wurben bie Genitalien auf dreimal abgefchnitten. Leo Geſch. v. Italien 
II. ©, 311. 


1335 Bud IH. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 2. 


und Guido von Zlandern, den Bifchöfen von Lüttich, Baſel 
und vielen andern Herren. 

As der Bifhof von Coflanz feine Ankunft in der Lom⸗ 
barbei verfündigte, entfland in allen Städten eine fo große 
Bewegung, ober ed erwachten in allen Parteien fo lebhafte 
Hoffnungen, daß die von Guido de la Torre vorgefchlagene 
Gegenvereinigung vereitelt und die fämmtlihen Herten ber 
Städte gendthigt wurden mit ihrer Mannfchaft dem Könige 
entgegenzuziehen, wodurch fein etwa aus 1000 Bogenſchuͤtzen 
und eben fo vieler Reiterei beſtehendes Heer beveutend an⸗ 
wuchs. So bielt er, mit Befeitigung ber erften Hinberniffe, 

. 1310 feierlihen Einzug in Mailand, wo Guidos Fahnen, weil er 
2. Dee fie nicht fogleich vor dem Könige fenkte, von den teutfchen 
Kriegern zur Erbe geriffen wurden. Allgemeinen Frieden ließ 
Heinrich ausrufen und erflärte, daß ex weber Gibellinen noch 
Buelfen kenne. Er ließ auch die Parteihäupter einander die 
Hände ‚geben und Vergeſſenheit des Bergangenen und Wie⸗ 
deraufnahme der Vertricbenen verfprechen. Bei der feierlichen 
Krönung, wozu eine neue Krone gemacht wurde, weil die fo: 
genannte eiferne des lombardiſchen Reichs verloren gegangen 
war, empfing Heinrich die Huldigung von ben Städten der 
Lombardei und der veronefifhen Mark und hielt darauf einen 
Reichötag, um bie Berwaltung zu ordnen. Soweit ging Alles 
nah Wunfd ').. 

Aber von biefem Tage an traten größere Schwier'gleiten 
hervor. Es war befchloffen auf den Antrag ded Königs, daß 
jede Stadt fir den biöherigen Podefta einen Königlichen Statt: 
halter einnehmen folle, und Heinrich wählte hierzu Guelfen 
und Gibellinen ohne Unterfchied, das Reichsvicariat der Lom⸗ 
bardei aber übertrug er dem Graven von Savoyen. Nicht 
fowohl jene Abänderung in der Verfaflung, wobei der König 
auf die roncalifchen Beſchluͤſſe K. Friedrichs I. zurüdzugeben 
ſchien, ald vielmehr bie Unverträglichleit der Parteien, da bie 
Guelfen die bisher unterdrüdten Gibellinen ſich gleichgeſtellt 


1) Zu den ſchon angeführten Quellen gehört noch Nicol. Bo- 
tront. ep. relatio etc. in Murat. scrr. T. IX. auch zu bem Bol: 
genden. 


Herfiellung db. Kaiſerthums durch Heinrich VIL 139 


fahen, weckte fofort neue Gährung, und diefe ergriff die erfle 
Gelegenheit zum Ausbruch, als der König zur Dedung feis 
ner Koften eine Kronftener umlegen ließ. Mailand ging wie 
gewöhnlich voran, mehrere anbere Städte folgten dem Bei⸗ 
ſpiel und trieben die Gibellinen wieder aus. Sie fanden dar⸗ 
in Aufmunterung bei den tufcifchen Städten, und zugleich Tas 
men bie geheimen Verſtaͤndniſſe König Roberts von Nea⸗ 
pel an den Tag. 

Dieſem war K. Heimichs Ankunft am meiſten zuwider. 
Kaum zuvor hatte er vom Papfte zu Avignon die Anerken⸗ 
nung und Krönung erhalten, gegen die Anfprüche feines Oheims 
Karl Robert, der zu der ungerifchen Krone auch die von Nea- 
pel behalten wollte. Auf feiner Rüdkehr hatte er die Staͤdte 
Aſti und Alerandria auf feine Seite gebracht; die tufcifchen 
Städte waren es fchon und festen fih nun in Bereitichaft 
ut feiner Unterſtuͤtzung Heinrichs Kaiferfrönung zu verhins 
ben. Dabei hatte auch der König von Frankreich feine Hand 
im Spiele, ungeachtet in dem Freundſchaftsvertrag mit Hein» 
rich bedungen war, daß Jeder des Andern Gefahr und Scha⸗ 
ben ohne Trug und Lift wenden folle !). 

Durch diefe fehnelle Wendung der Dinge ſah fih König 
Heinrich bei allen übrigen Verfchievenheiten doch nun in der⸗ 
felben Lage wie vormals die hohenflaufifchen Kaifer: er muſſte 
zum Schwerbt greifen. In Mailand wurden bie Torrianer 
vertrieben, ihre Häufer geplündert und zerflärt. Die Cremo⸗ 
nefer ‚wollten der Strafe zuvorfommen und fich unterwerfen; 
Heinrich vernichtete aber ihre Freiheiten und ließ die Stadt⸗ 
mauern nieberreiffen. Breſcia hingegen widerfland vier Mo: 
note lang; die päpftlichen Legaten, welche den König begleis 
teten, vermittelten endlich die Übergabe, die Bürger muflten 1311 
aber auffer der Niederreiffung ihrer Mauern 70,000 fl. Strafe 24. Sept. 
bezahlen; ihr Gapitan Brufciati, der dem Könige feine 
Wiedereinſetzung zu danken hatte, war bei einem Ausfall ge 
fangen und als Eidbrüchiger an ein Pferd gebunden und ges 
fihleift worden. 


1) ©. oben. Die Urkunde wurbe fogar während biefer Begebenhei⸗ 
ten noch einmal beftätige, 23. Eeptbr. 1811, am Tage vor ber Über: 
gabe Breſcias. Du Mont, T. L P. I. Num. 615. 


140 Bud DL Erfter Zeitraum. Abſchnitt 2. 


Heinrich VII. hoffte den rigen Stäbten Schreden ein 
zujagen, aber ex fleigerte nur die Erbitterung. Die Gibelli- 
nen traten unter feinen Schuß; die Ernennung des Matthäus 


. Bifconti zum Reichsvicar in Mailand warb als öffentliche 


1311 


13. Der. 


Erflärung fir ihre Partei angefehn, und fo fand die alte Zwie⸗ 
tracht der Guelfen und Gibellinen wieber in hellen Flammen. 
Ungeachtet Heinrich brei Viertheile ſeines Heered vor Brefcia 
durch Hunger, Seuchen und Waffen verloren hatte, wobei 
fein Bruder Grav Walram geblieben, fo ließ er ſich Doch 
nicht abhalten den Zug nach Rom fortzufegen. Bon Genua, 
wo er auch feine treffliche Gemahlin verlor, ging er zu Schiffe 
nah Piſa. Hier erhielt ex bedeutende Verſtaͤrkung von den 
Gibellinen, erfuhr aber, daß zu Rom ein flärkerer Widerſtand 
feiner warte, 

K. Robert von Neapel hatte ihm zu Genua ein Bimd⸗ 
niß antragen laffen und auffer einer Kamilienverbindung das 
Reichövicariat uͤber Tuſcien und die Lombarbei nebſt der Reichs⸗ 
admiralwinde im mittelländifchen Meere verlangt; auch ber 
König von Frankreich verlangte jebt das arelatifche eich 
und dad Rhoneland bi Genf dafür, baß er bei Heinrichs 
weitern Fortfchritten unthätig bleiben würde. Da Heinrich Beide 
mit Verachtung adgewiefen, fo verflärkte K. Robert die Bes 
fagung von Rom, bie er ſchon während jener Verhandlungen 
unter dem Vorgeben babin gelegt hatte, Heinrichd Krönung 
zu verberrlihen. Rom ſelbſt war, wie alle italienifchen Städte, 
in zwei Parteien getheilt, unter den Häufern Colonna und 
Urfini, den Lebtern als Guelfen, ben Erſtern als Gibellinen, 


4312 und fo fand Heinrich bei feiner Ankunft die Hälfte der Stadt 
7. Dat, mit einem flarten und feindlichen Heere, wozu auch tufcifche 





Guelfen gefloßen waren, beſetzt). Heinrich VIE eroberte 
zwar das Gapitol, aber den Batican und bie Peterskirche, wo 
berfömmlich die Kaiferfrönung gefchehen follte, Tonnte er den 
Neapolitanern nicht entreiffen. Endlich, nachdem diefer Kriegö- 
zuſtand die Stadt faſt zwei Monate lang gebrüdt, wurben 
die Carbindle von Heinrih im Einverftändniß mit ben uns 


— Gin ähnlicher Fall war bei K. Heinrichs IV. Krönung. Bbo. IL 





Herfellung d. Raifertbums buch Heinrich VIL 141 


gebulbigen Römern gezwungen bie Krönung in der trans 
fchen Kirche vorzunehmen, nachdem er den Kroͤnungseid abs 1312 
gelegt. Die Carbinäle entihuldigten fich bei dem abweſenden 2. Jun. 
apſte; dieſer nahm aber Seinen Anftand zu. Ganflen Hein: 
richs die Beflätigung zu geben und das Mangelhafte zu ers 
ganzen. 
Als nach der Auflöfung bed fränkifchen Kaiferreiches das 
teutfche Reich gegründet wurde, verfloffen 40 Jahre unter drei 
Königen, bis der dritte (Dito L) das Königreich Italien und _ 
dad Kaiferthum berzubrachte. Zaſt eben ſoviel Jahre verflofs 
fr feit der Wieberherfielung des Reichs durch K. Rudolf J. 
und 62 Sabre feit 8. Friedrichs IE. Tod, bis Zeutfchland wies 
der einen Kaifer hatte oder bis. es wieber zur Ausuͤbung ber 
Kaifergewalt in Italien Fam; wiewohl die beiden Zeiträume 
mächtig Darin verfchieben find, daB damals bas Kaiſerthum 
im Steigen war, jegt aber nurnoch die Trummer zuſammen⸗ 
gehalten: wurben unter Abhängigkeit vom paͤpſtlichen Stuhl. 
Heinrich VII, hatte zwar die Krönung erreicht, aber fir 
alien, für das kaiſerliche Anfehn war noch Nichts gethan. 
Seine Stellung in Rom wurde fogar hoͤchſt bedenklich, da 
die teutichen Fuͤrſten nach erfülter Pflicht des Roͤmerzugs zu⸗ 
rudgingen. Gegen ihn flanb der tapfere, unternehmenbe Koͤ⸗ 
mg Robert, in feinem. Ricken die vereinigte Macht ber 
Gunelfenz fen Statthalter in der Lombarbei, Grav Werner 
von Hohenberg, in demſelben Gedraͤnge. Aber Heinrichs Muth 
und Klugheit fanden bald: neue Mittel. Noch che ihn. die 
Zürften vertieften, ſchloß ex mit dem Könige Friedrich von 
Sicilien ein Buͤndniß gegen K. Robert, inbem er jenem 
einen Theil deffen zugefland, was biefer verlangt hatte. Gr 
verlobte eine feiner Töchter dem Sohn beffelben und ernannte 
ihn ſelbſt zum Reichsadmiral mit dem VBerfprechen, ihm zur 
Eroberung bed neapolitauifcken Reiches zu helfen. K. Friebe 
rich verfprach ihm Dagegen Beifland zu Wafler und zu Lande 
gegen die Guelfen mit jährlichen 50,000 Duc. Subfibien '). 
Sogleich erlärte Heinrich den Guelfen im mittlern en Zul. 


1) Chron. Sicil. e. 74. in Muratori T. X. p. 2; auffer ben 
ſchon angeführten Quellen. 


x 


142 Bud Hl. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 2, 


lien den ‚Krieg, indem er Rom verließ. Nach verſchiedenen 
Geefechten und Eroberungen fchlug er fein Lager vor Florenz, 
den Hauptfiße der Guelfen, auf. Bei Annäherung des Win 
ters zog er nad St, Caſciano, danmn nach Poggiboni, wo er 
ein kaiſerliches Schloß anlegte. Zugleich entbot er ſeinem Sohn, 
1313 dem Koͤnige Johann von Boͤhmen, den Reichstag zu einem 
6. Ian. neuen Zuzug zu vermögen. Die Fürften' ‚Kelten zwar erft die 
Frage, ob der Krieg gegen Neapel als ein Reichskrieg zu be⸗ 
trachten ſei; doch verſtanden ſich mehrere zu einer freiwilli⸗ 
gen Huͤlfe, beſonders die Herzoge von Öſterreich, deren Schwe⸗ 
ſter Katharina dem Kaiſer vermaͤhlt werden ſollte. Es wurde 
beſchloſſen, K. Johann ſolle auf das Fruͤhjahr das Kriegsheer 
feinem Vater zuführen. 
Während dieſer Binterrüflumgen unterließ 8. Heinrich 
nicht ven Recht sweg vorzunehmen. "Schon auf der Ruͤck⸗ 
kehr von Rome zu Axezzo warb König Robert mit allen fei- 
nen. Anhängern (den Guelfen) des Verbrechens ber Empörung 
und der beleidigten Majefät angeklagt, und ald Niemand auf 
die Vorladung erfchien, die Sache den Rechtögelehrten zu Bo⸗ 
logna zum Gutachten übergeben. Diefe erfannten auf Reichs⸗ 
acht, Verluſt aller Würden, Güter und Leben nebft der To⸗ 
deöftrafe. Heinrich genehmigte dies Urtheil und ließ es, ba 
85, April. er nach Piſa Fain, in Öffentlicher Verſammlung. verkünden 2), 
Ob man dabei an das Verfahren gegen Konradin gedacht, iſt 
nicht bemerkt, es findet vielmehr hier Das umgekehrte Verhaͤlt⸗ 
niß ſtatt. Konradin verfolgte .befanntlic fein Erbrecht und 
war nit von K. Karl abhängig, vielmehr hatte diefer die Be: 
lehnung mit der Grapfchaft Provence, wie er fpdter felbfi 
gegen K. Rudolf: zugeflanden, zu muthen unterlafien. K. Ro: 
bert, fein Enfel, aber war nicht nur anerkannter Reichsvaſall 
durch jene Gravſchaft, fondern die Rechtsgelehrten fcheinen 
auch die zu König Lothar Zeit behaupteten Reichörechte über 
Apulien, wo nicht die Eaiferliche Dberhoheit über alle andern 
Könige, vor Augen gehabt zu haben. 
Schon durch die Kriegsruͤſtungen un noch mehr durch 
dieſes Urtheil wurden der Papſt und der König von Frank⸗ 


1) Raynald, ad a. 1818. S, 11 49. 


Herftellung d. Raifertbums duch Heinrich VII, 143 


reich aufgebracht. Jener verlangte als Lehendherr van Nea⸗ 
pel, ber Kaifer folle fich mit feinem Vafallen, dem K. Sobert, 
vertragen und das Buͤndniß mit dem König von Sicilien aufs 
geben. Als der Kaifer erwieberte, der Papft habe Feine Macht 
dad Berfahren gegen aufrührerifche Vaſallen zu hindern, fos 
derte Clemens blinden Gehorfam Fraft des geleifteten Eides 
br Zreue Nun ift allerdings wahr, daß Heinrich, wie 
oben gemeldet, feinen Sefandten an den päpftlichen Stuhl aufs 
getragen den Eid der Zreue und jeden andern zu ſchwoͤren; 
in feinem Kroͤmmgseid aber, den er bem Carbinallegaten abges 
legt, bat er nur in allgememen Auöbrüden verfprochen, daß 
er Beſchützer, Sahmwalter und Vertheidiger bed roͤ⸗ 
miſchen Stuhles fein wolle, nach feinem beſten Wiſſen und 
Vermoͤgen, mit aufrichtiger und lauterer Treue?!). 
Deswegen gab er auf jene Anfoderung des Papſtes vor No⸗ 
tar und Zeugen die Erklärung, daß er Niemandem (ald Bas 
fall) mit dem Eid der Treue verbunden fei, jener Eid dürfe 
alfo nicht über feinen Sinn ausgebehnt werben). Viel⸗ 
mehr verlangte ex nach der Achtöerflärung, der Papft folle 
nach dem Beifpiele feiner Borfahren über die Rebellen bes 
Reichs auch den Bann ausſprechen und den K. Robert wegen 
feiner zu Verachtung bed Kaiferd und bed Papſtes in Rom 
vorgenommenen Gewaltihätigkeiten zur Strafe ziehen. Allein 
Cemens V. muſſte eben jetzt auf's neue feine Abhängigkeit 
vor Frankreich fühlen; K. Philipp verlangte, er folle im Se 
geniheil den Kaifer mit dem Banne bedrohen, wenn er nicht 
von dem Kriege gegen 8. Robert abftcehen würde. Er felbft 
machte Anftalt in das Luremburgifche einzufallen ?). 

Doc Heinrich VIL, nicht gewohnt fich ſchrecken zu laffen, 
betrieb nur um fo mehr, da der Papſt den Bann wirklich 
auöfprach *), feine Rüftinigen zu Waffer und zu Lande. Die 
Genuefer und Pifaner lieffen, wie zu Konrabind Zeit, eine 
Flotte auslaufen, K. Friedrich von Sicilien landete in Cala 





1) Raynald. ad a. 1312, $. 65. 

D) Olenſchlager Staatsgeſch. x. Urk. 15. 
3) Albertin. Mussat. L. XVI. c. 8, 

4) Baluz. vit. Pontif, Aven. T. II. p. 1228. 





444 Buch DIL. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 2.' 


brien. „Heinrich ſelbſt brachte von ben Gibelliuen und durch 
Freigedigkeit mit ReichBlehen ein beträchtliche Heer zuſam⸗ 
men, mit bem er bei Zerracina in das neapolitanifche Gebiet 
eindringen wollte; das teutſche Huͤlfsheer war ſchon unters 
wegs:). K. Robert ſah fich fo im Gedraͤnge, daß man glaubte, 
er werde zur See nach Frankreich fliehen. Der Zeitpunct 
ſchien alſo nicht mehr fern, da ganz Italien wieder unter Ei⸗ 
nen Herrn gebracht und die Kaiſergewalt vollkommen herge⸗ 
ſtellt werden konnte. 

1313 Da ſtarb K. Heinrich VII., nach italieniſchen Geſchicht⸗ 
24. Aug. fchreibern ?) an einer gewöhnlichen Krankheit, nach teutfchen °) 
an Sift, das ihm ein Dominicanermönch, Bernhard von Monte 
Pulciano, beim Abendmahl im Spuͤlkelch beigebracht hatte. 
Es ift nicht unwahrſcheinlich, daß Beides zufammengetroffen, die 
letztere Meinung aber hat mit triftigern Gründen als ähnliche 
Sagen beim Tode K. Friedrichs II.. K. Konrads IV. u. A. 
fofort eine ſolche Allgemeinheit erhalten, daß der Dominicas 
ners ober Prediger: Drben nad) 33 Jahren nach nöthig fand 
fich von dem Sohne des Kaifers frei forechen zu Infien, was 

eben auch wieber Fein gutes Zeichen ift*). 
Wie dem nun fein mag, fo Eonnte ber guelfifhen 
Partei Nichts erwünfchter fallen ald ber Zob des Kaifers in 
dieſem Augenblid. Sie feierte Sreubenfefle, daß an dem⸗ 


1) Albertin. Mussat. L co. 

2) Albertinus Mussatus, Joh. de Cormenate, Ferre- 
tus Vicentinus,. 

8) Die gleichzeitigen Albertus Argent., Volcmar, Joh. 
Vitoduranus, befonderd aber die Gesta Balduini, deren Verfaſſer 
bie Nachricht von dem Bruder bes Kaiſers haben konnte, wiewohl biefer 
ſchon früher nach) Haus gelommen war. 

4) Leibnit. cod. jur. gent. I. p. 188. K. Johann beburfte ba- 
mals be Papftes gegen Lubwig ben Baier. Das Merkwürbigfte if, bag 
zwei Prebigermöndge bie Vergiftung "geradezu geftehen, Ptolemaeus 
Lucensis und Conradus de Halberstadt, Muratoris 
Zweifel gegen ben Erftern hat Häberlin (Reichögefchichte IIT, 66. Anz 
merk, 0.) aus einer Handſchrift des vierzehnten Jahrhunderts widerlegt. 
Auh Aeneas Sylvius (nachheriger Papft Piusll.) fagt in der Hist. 
Boh. in Freher. p. 138.: — VAL: hostili fraude veneno ex- 
tinctus fertur, 





8. Heinrichs VIEL Xob, 1313. 145 


felben Tage (St. Bartholomäus) da vor 45 Jahren Konradin 
gefchlagen worden, die neue Oberherrſchaft ihr Ende gefun- 
den. Im der That aber hat biefe Begebenheit für Zeutfchland - 
wie für Italien fchwere Folgen gehabt. Wenn man auch mit. 
Recht zweifeln darf, ob bei ber Ausführung der Entwürfe 
Heinrich VII. Italien fofort zur Ruhe zuruͤckgekehrt fein würbe, 
fo muß man doch zugeftehen, daß kein Kaifer verhältnißmä- 
Big und in fo Eurzer Zeit (wovon nur zwei Jahre auf Teutſch⸗ 
lanb, vier auf Italien kommen) fo vafche und nachdruͤckliche 
Fortſchritte gemacht habe, daß nicht bie plöglihe Hemmung 
derfelben die größten Exfchütterungen nach fich ziehen muffte. 
Da die Geſchichte ſich nicht mit Möglichkeiten aufhalten darf, 
fo wenden wir und fofort zu ben wirklichen, Folgen. 

In Italien brach der Parteilampf mit neuer Erbitterung 
and. Der Statthalter, Grav Werner von Hohenberg, muſſte 
zwar endlich die Lombardei verlafien, bagegen übernahm 
Matthäus Vifconti die Leitung ber Gibellinen. Diefe . 
mufften alle ihre Kräfte zufammenraffen, um bie Guelfen zu 
verhindern, daß fie nicht auch das nördliche Italien in bie 
Hände K. Robert überlieferten. 

Payft Clemens V. wagte nun erfl ganz laut zu fprechen. 
Er bob die Reichdacht gegen K. Robert ald nichtig auf und er⸗ 
Härte den kaiſerlichen Krönungseib für einen wirflichen Eid 
der Treue (wie ihn jeder Vaſall zu ſchwoͤren habe); alfo follte 
das Kaiſerthum in ver Hand bes Papftes fiehen und biefer 
bei der Erledigung an die Stelle des Kaiferd treten!). Im 
biefer Eigenſchaft ernannte er den K. Robert zum Reichs⸗ 
verwefer in Italien. Dieſer ſtarb aber ſchon acht Monate 1314 
nach K. ‚Heinrich, und ein halbes Jahr nach ihm auch König 20. ‚April 
Philipp von Frankreich, Alfo traten’ in kurzer Zeit bie 
Hauptperfonen vom Schauplage ab. Im Ganzen hat Heins 
richs VIL vereitelte Unternehmung die nachgefolgte Zerſplitte⸗ 
sung Italiens befoͤrdert. 

In Teutſchland waren ſchon waͤhrend Heinrichs vier⸗ 
jähriger Abweſenheit mancherlei on und Beränderuns 


“ 


1) Constitutio Clementis V. de sentent, et re judicata; de Jure- 
jerando. Vergl. Olenſchlager a. a. O. 
Pfiſt er Geſchichte d. Teuticgen IM. 10 





146 Buch M. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 2. 


gen entflanden, ungeachtet er immer bie Reichsverwaltung im 
Auge behielt und häufige Verordnungen herausſandte. 

Wegen der Jugend bed Könige Johann von Böhmen, 
welchem fein Vater. die Reichsverwefung übertragen hatte, wa 
ten bemfelben ber Erzbifchof Peter von Mainz und ber in 
den Fuͤrſtenſtand erhobene Gran Bertold von Henneberg 
beigeordnet. Die Eroberung von Böhmen ging unter bie 
fer Leitung gluͤcklich von flatten. Heinrich von Kaͤrnthen that 
zwar noch mit dem Landgraven Friebrich von Thürin⸗ 

germ Widerſtand und befegte die feflen Plaͤtze. Doch ergab 

fih Kuttenberg mit Berufung auf Prag, und die Prager, ber 

Belagerung uͤberdruͤſſig, lieſſen endlich den 8. Johann ein. 

Heinrich von Kaͤrnthen erhielt freien Abzug aus dem Hrad⸗ 

fchin und entfagte feinen Rechten, den Titel audgenommen. 

Dann erfolgte 8 FJohanns feierliche Krönung durch den 

Erzbiſchof Peter von Mainz. Durth dieſen wurde zu Prag 

1310 auch ein Vergleich mit dem Landgraven Friedrich getroffen, 

19. Dec. ſobald Heinrich von Kaͤrnthen zuwüdgetreten war. Er erhielt 

Meiſſen und Ihlningen, weldyes die beiden Könige Abolf und 

Albrecht an das Reich oder an ihr Haus bringen wollten, zu⸗ 

hd. K. Johann, dem es die verpfändete böhmifche Stadt 

Luna wieder eingegeben, fıberließ ihm das noch zum RKeich 

1311 gehörige pleiffner Land auf zehn Jahre, das dann auch bei 
1. April. feinem Haufe blied, ba die Einloͤſung unterlaffen wurde '). 

Das andere Reichöheer, das K. Heinrich bei feinen Zug 
nad) Italien gegen die Graven Eberhard von Wirtemberg und 
Konrad von Dtingen zu Felde ziehen ließ, machte eben fo 
gute Sortfehritte. Beide wurden nach dem Verluſt ihrer Bur⸗ 
gen von Land und Leuten vertriebens die meiften ihrer Stäbte 
waren ſchon im Begriff Reichöftädte zu werden. Diefe Gras 
ven durften fich über ben Tod bes Kaifers fteuen; ohne dieſe 
Begebenbeit würde wohl ihre Landesherrſchaft erlofchen fein. 
Dagegen find die Herren von Weindberg, welche das fläbti= 
fche Heer führten, Tängft verfchmwunden ?). 


1) Chron. Leob. ad hh. aa. Anon. Chron. Bohem. c. 93. Ten- 
zel vita Frid. adinors. Sect. IV. in Menckea sar. U. p. 952 sq. 


2) Geſch. von Schwaben III, 178 ff. 


⸗ 


Das nordoͤſtliche Teutſchtand unt. Heinrich VII. 147 


Die andern Länder blieben in dieſer Seit ſaſt ganz ſich 
ſelhſt überlaffen. Darkder ift e8 in dem norböfllihen 
Zeutichland zu folgenden Berhältniffen gekommen. 

Zu derfelben Zeit als K. Heinrich VII. nach Italien auf: 
bach, entfland ein verwidelter Kampf um ben Befig von 
Yommern. Die Markgraven von Brandenburg waren 
don von K. Sriebri II. mit biefem Lande belehnt worden 
ud hatten auch von K.Adolf die Urkunde ernenern Taffen. 
Uber die beiden Kronen Böhmen und Polen wollten ihre 
Infprüche nicht aufgeben. Niemand wuffte, wer der eigentliche 
Herr wäre. Bon der einen Seite griffen die Brandenburger 
zu; auf der andern gelang es dem K. Wenzlam II. von Böhs 1305 
nen bad Land in Befig zu nehmen, nad feiner Ermordung 1306 
ober beachte der polnifche König Uadiſlaw Loktek bie Gros 
dm auf feine Seite, indem er bie boͤhmiſchen Berfügungen . 
wider aufbob. 

Diefer Streit konnte den teutfchen Rittern in Preufs 
im gar nicht gleichghltig fein, da fie bereits anfingen ihre 
Serfhaft gegen Pommern bin auszubreitn. Böhmen war 
km Orden von jeher günflig, von feiner Nachbarfchaft war 
noch weitere Bereicherung des Drbenögebietes zu hoffen. Wenn 
hingegen Pommern unter der Henfhaft von Polen blieb, . 
das die Oberberrlithfleit des teutfchen Reichs nicht mehr aner- 
kannte, fo war der Orden Durch jenes Zwiſchenland vom Reiche 
abgeſchnitten. Während biefer Beforgrtiffe aber näberten ſich 
die Polen von felbft und riefen bie Bitter gegen die Brars 
denburger zu Huͤlfe, welche fehon bis Danzig vorgebrungen 1308 
waren. Bern fanbte der Landmeiſter einen Zuzug. urch 
dieſen wurde nicht nur die Burg zu Danzig behauptet, ſon⸗ 
dem andy die Stade wieder ben Branbehburgern entriffen. 
Arm entſtand Streit zwifchen ten Bitten und ben Polen. 
Die Letztern verlangten den Abzug der Ritter, che biefe ent 
Mädigt waren. Darlibes kam es zum blutigen Rampfe: bie 
Yon wurden erft aus ber Burg, dann auch aus der Stadt 
vertrieben, unb fo brachte ber Orden Danzig in feine Gewalt. 
Im ſich darin zu fichern, hielt ſich dee Landmeiſter berechtigt 
ach die Städte Dirſchau und Schwetz zu beſetzen. Doc 
mochte er fühlen, daß das Eroberungsrecht aan 


. 


. 448 Bud IN. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 2. 


ſei. Er trat daher in Unterhanblungen mit dem Marfgraven 
Waldemar von Brandenburg, der für bie Summe von 19,000 
Mark die brei Städte mit ihrem Gebiet an den Orden fiber 
tieß und auch bie Zuftimmung der Fürften von Rügen und 
der Herzoge von Glogau beizubringen verfprach, fowie ber 
Orden feinerfeitd die Bewilligung des Papfles nachfuchen 
wollte. _ Schon vorher kaufte der Orden ben Bezirk zwifchen 
der Weichſel, Nogat und dem frifchen Haff, das Fiſchwerder 
genannt, von bem Herzog Primiſlav von Cujavien für 1000 
thorner Denare. 

. Mitten in biefen Erwerbungen aber brobte dem teutfchen 
Orden durch ben Erzbifhof von Riga ein ähnliches Unglüd, 
wie den Zempelrittern durch den König von Frankreich; bie 
beiden Gegner‘ hatten ſchon ben Papft Clemens V. für ihre 
Abfichten gewonnen. Die bed Erzbifchofs war Feine andere, 
ald den teutfchen Drben aus allen feinen biöherigen Erwer- 
bungen in Preuffen und Livland zu verbrängen. Diefe Lage 
veranlaffte den Hochmeifter das Haupthaus von Venedig nach 
Marienburg zu verlegen. Während der Papft ben weitauöfes 
benden Proceß zu Gunſten des Erzbiſchofs einleitete, trat der 
Kaifer mit befonderer Zuneigung auf die Seite bed Ordens 
in Abficht der Erwerbungen in Pommern. Schon vor ber 
1310 Romfahrt beftätigte ex den Vertrag mit dem Markgraven Wal- 
77. Zul. demar. Auf bem Zuge in Italien machten ſich mehrere Mit- 
glieder bed Ordens, befonderd ber Landkomthur in Franken, 
fo verdient, daß der Kaifer, während der Belagerung von Bres 
1311 feia, dem Orden überhaupt alle ſchon gemachten oder noch 
12. Zul. zu machenden Erwerbungen zuerkannte und genehmigte. Alfo 
kam Hinterpommern oder Pomerellen, von der Mündung 
der Leba bis Schweß hinauf, an ben teutfchen Orden; Mark: 
grav Waldemar hingegen behielt das Cafubens und Wenden: 
Land diefleit der Leba. Auf bie Anfprüche der Polen wurbe 
Feine Rücficht mehr genommen, nachdem ber Markgrav die an 
dern Zuſtimmungen beigebracht hatte; die Bewilligung bes 
Papſtes warb übergangen. Der Kaifer betrachtete die bisher 
erworbene Landfirede bed teutichen Drbens als Zugehör bes 

teutfchen Reiche '). 

1) Voigt Gef: Preuſſens x. IV, 182266. 


Das nordoͤſtliche Teutſchland unt. Heinrich VIE 149 


| Das traurige Schilfal das K. Philipp von Frankreich 
den Zempelrittern wegen ihres freimüthigen Widerſtandes 
gegen feine Geldoperationen bereitete, Eonnte Kaifer Heinrich 
zwar nicht abwenden, boch wurde es in Zeutfchland nach Möge 
lichkeit gemildert, weil die bieffeitigen Kirchenverſammlungen 
die den Rittern aufgebürdeten Befchuldigungen nicht gegrüns 
det fanden. Zu Mainz führte der Rheingrav Hugo die Sache 1310 
feines Drbens mit ebler Freimuͤthigkeit und appellirte an ben 
kuͤnftigen Papft und eine allgemeine Kixchenverfammlung. Als 
Dapft Clemens V. auf dem Goncilium zu Vienne (welches 
ihn auch an ber Kaiferfrönung verhinderte) fich bewegen ließ 
den Orden auf die fchmählichfte Weife der Habſucht und Graus 
ſamkeit des franzöfiichen Königs zu opfern, fo muffte zwar. 
derſelbe auf päpftlihen Befehl auch in Zeutfchland aufgehoben 1312 
werben, doch nur foweit, baß bie Templer unter bie Iohans 3 Mei 
niter geſteckt wurden, welche nach und nach auch ihre Güter 
erhielten. So erhob fih das Johanniter: Heermeiflerthum 
im Brandenburgifchen. In den Weichfelgegenden aber kamen 
die meiften Guͤter der Johanniter durch Kauf und Zaufch an 
den teutfchen Orden ). 

Markgrav Waldemar verkaufte feine Anfpräche an Po⸗ 
merellen hauptſaͤchlich deswegen, weil er faſt mit dem ganzen 
Rorben im Krieg war. Ihm gegenüber ſteht der eben fo krie⸗ 
geriſche Landgrav Friedrich von Thüringen, bir, nachdem 
der oben berührte prager Vertrag ihm ben Kanbesbeflg von 
Seiten des Reichs gefichert hatte, erſt noch um einzelne Theile 
mit den Nachbarn kaͤmpfen muffte, einerfeitd mit den Erfur⸗ 1g44 
tern, welchen fein Bater Güter verkauft, andrerfelts wit dem mat. 
Morkgraven Waldemar, welchem Friedrichs Bruber, Digmann,' 1312 
die Niederlaufis überlaffen hatte. Er gerieth: in bed. Marks 
graven Gefangenfchaftz über feine Erledigung brach neuer 
Krieg aus, während auch die Erfurter den ihrigen fortfegten. 

Die brandenburgifchen Lande, bisher unter mehrere Linien ge: 
theilt, fielen durch Abfterben derfelben an Waldemar allein, 


1) Plant Geſch. d. Papſtthums II, 189 ff. Häbertin Reihe: 
gefchichte IL, 85 f Buchholz Seſchichte ber Churmart il, 3%. 
Boigt a. a. O. 


160 Buh.ÄHL: Erfter Beitraum, Abſchnitt 2.. 


bis auf den Antheil Heinrichs von Landsberg‘). Damit 
nicht zufrieden ‚fehte Waldemar ben Krieg gegen ben Landgra⸗ 
gen Friedrich fort, während er auf der andern Seite in Ver- 
bindung mit. dem Könige Erig VIII. von Dänemark und 
Herzog Heintih, von Mecklenburg die Stadt Rofiod befeh⸗ 
1316 bete. Der Landgrar endigte den erfurter Krieg, während deſ⸗ 
“ fen. fein Vater, Albrecht der Ausgeartete, fein unruhiges Leben 
in großer Dürftigkeit. beſchloß. Dagegen verlor er an den 
Markgraven Waldemar die Städte Meiffen, BDreöben und 
1317 Großenhayn. . Endlich. kamen ſie auch miteinander au einem 
Friedensvertrag, zu deſſen Erfüllung beiderfeits einige Stähte 
zuruͤkbehalten wurden ?).. Diefe Begebenheiten fallen zuns 
Theil noch in. die, nmaͤchſte Kaiferregierung, uud Waldemars vald 
darauf erfolgter Top vevanlaffte eine der wichtigſten Veronde⸗ 
rungen unter .bem Bürfenhäufern. 
. Die Begebenheiten in Baiern und Sſterreich hinge: 
gen führen uns wieber zu dem Hauptfaden unſerer Gefchichte 
zuruͤck. Herzog Otto, aus dem Hauſe Wittelsbach, ge 
nennt ber. Erlauchte, Alleinben in Bajern und Rheinpfalz, 
1253 binterließ_feiner Zeit zwei Söhne, Ludwig ımd Heinrich, 
unter welchen die Stammlande in, Ober». und Nieber - Baiern 
getheilt, die Pfalzgravſchaft aber won dem aͤlteſten allein bes 
hauptet wurde. Dieſer hatte wieder zwei Soͤhne, Rudolf 
und Ludwig; H. Heinrich yon Niederbaiern aber bhinterließ 
beren drei, Otto, Ludwig und Stephan. Jene wurden in 
ihren Streitigkeiten Durch K. Albrecht vertragen, wie eben ſchon 
. berührt worden, Nach beiten Tode verlangte Ludwig, ba 
er indeflen zur ‚Volljährigkeit. gefommen und des Drades von 
feinem Bruber Rudolf uͤberdruͤſſig war, eine Aänbertheilung. 
1310 Diefe gefchah durch neun Minifterielen ald Schiedrichter: fie 
tbeilten bie ig Lande, ae ne Pfalzgravſchaft nicht ; 


- 


1) Man weiß nicht genau, in welchem Jahr der aͤltere Heinrich, 
genannt ohne Land, geſtorben iſt; doͤch ſcheint er um dieſe Zeit noch ge⸗ 
lebt zu haben. Buchholz Geſch. ber Churmark Brandenburg IT. Th. 
©. 308. Der Sohn gleiches Namens, damals minderjährig, wurde 

s wider Bermuthen Walbemard Erbe ſ. unten Gap. 6. 


2) Häberlin Reichsgeſch. III, 75 fi. 


Baiern u. Öſterreich unter Heinrich VL 1451- 


daruͤber entfland denn eine eben fo große Erbitterung wie 
jwiſchen ihrem Bater und Oheim, bis bie folgenben Begeben- 
heiten in Niederbaiern fie veranlaflten Frieden zu fchlieffen. 1313 
Diefem zufolge follte Ludwig nach Rudolfs Tode in die Pfalz; 1. Sun. 
gravſchaft und Kurwuͤrde eintreten, und ſolche immer bei dem 
Üteften des. Haufes bleiben, nach Ludwig alfo auf Rudolfs 
Söhne zuruͤckfallen. Diefer Zriede kam zu Stande zwei Mo: 
nate vor 8. Heinrichs VII. Tode. 
Im Gegenſatz mit diefen zwei Brüdern waren bie brei 
Söhne Herzog Heinrichs oon Niederbaiern Fläglih in ges 
meinfchaftjicher — geblieben und konnten daher auch 
den Herzogen von Ofterreich kraͤftig entgegentreten, namentlich 
der ältefte, Herzog Otto, zuerſt als Anhänger K. Abolfs, 
dann als Kronprätendent von Ungern. Der mittlere Bruber, 
Ludwig, Farb noch zu K. Adolfs Zeit ohne Erben. Alſo 1296 
regierten und Triegten Dtto und Stephan mit vereinter 3 
Macht, bis fie auch im kurzer Zeit nacheinander mit Tode ab» 
gingen, während der Kaifer in Italien war. Stephan, 1310 
‚weicher zuerfk ſtarb, hinterließ zwei Söhne, Heinrich von > Du 
acht, Dtto von fünf Jahren. Ihr Vormund, Herzog Dtto, 1311 
(bloß mit dem Herzoge Friedrich von ſterreich eine Fami⸗ —— 
lienverbindung. Als ex im folgenden Jahre auch ſtarb und zo... 
einen Sohn, Heinrih, von nur 13 Tagen hinterließ, er- 
nannte ex zum Vormund befielben, fowie feiner Brudersfähne, 
den Herzog Ludwig von DOberbaiern mit Beiziehung ber 
Städte Straubingen und Landshut. Aber die Miniſteria⸗ 
len (kandſtaͤnde vom Abel), welche den Städten diefe Ehre 
nicht gönnten, beriefen den Herzog Friedrich von Öfter: 
ih zum Wormund. Nun ſollten die Waffen entfcheiden, 
die Städte Iuden deswegen ben Pfalzgraven Rudolf, Ludwigs 
Önider, zum Mitvormund ein. Herzog Friedrich gedachte 1313 
woorzufommen, er fiel In Nieberbaiern ein; fein Bruder Leo: 
pold follte ihm mit fchwähifchen Schaaren entgegentommen. 
Da fammelte Ludwig fchnell feine Krieger, darunter auch 
Bundeögenoffen aus Schwaben, und fhlug ben Herzog Fried: 
ih bei Sammelsdorf. Das war drei Monate nah K. 9. Ron. 
Heinrichs VII. Tode. Im Rüdfiht auf die bevorſtehende Koͤ⸗ 


152: Buch II. Erfter Beitraum. Abſchnitt 2. 


nigewahl fhloß Friedrich mit Ludwig Frieden und ent 
ſagte det Vormundfchaft *). | 
In diefem Augenblid dachte man noch nicht daran, daß 
die beiden von Jugend an freundfchaftlich gegen einander ge 
finnten Zürften in kurzem um einen höhern Preis mit einan- 
der in den Kampf treten würden. 


6. Die Iuremburgifch = baierifche Partei gegen öſter— 
reich, Papft und Frankreich bis zur Unabhängigkeitser- 
klaͤrung der Krone duch K. Ludwig IV. 


Umtriebe der Öfterreichifchen und der luxemburgi— 
[hen Partei. Bereinigung ber le&tern mit Lud— 
wig dem Baier. Abermalige Eigennüsigfeit der 
Kurfürften. Streitige Wahlſtimmen. Zriebrich der 
Schöne von Öfterreih und Ludwig der Baier, Ge: 
gentönige. Demonfirationen im Selbe. Partei: 
wechfel in Schwaben. Wiederherftellung des Gra⸗ 
ven von Wirtemberg. Herzog Leopold bei Mor: 
garten gefhlagen; Friedrich bei Mühldorf gefan: 
gen. Ludwig ber Baier erwirbt Brandenburg. 
Dapft Johann XXI. maßt fich des Reichsvicariats 
nicht nur in Italien fondern auch in Zeutfhland 
an. Ludwigs erfte Proteflation. Der Papft bannt 
ihn und will das Reich an Frankreich bringen. 
Ludwigs zweite Proteflation. Die Minvriten ge: 
gen den Papfl. Ludwig, in neuer Bedraͤngniß durch 
den Papſt und H. Leopold, befreit Friedridh. Vers 
fu einer Zweiherrſchaft. 


1313 König Heinrich VIL. ftarb, ehe fein Haus und bie Kurfürflen 
die e8 erhoben, flarf genug waren, daß Öfterreichifche vom 
Throne entfernt zu halten. In diefem Sinn durfte Erzbifchof 
Peter von Mainz wohl fagen, in 500 Jahren fei keines Kai⸗ 
ferd Tod dem Reiche fo nachtheilig gewefen wie diefer. Die 


1) Mannert Geſchichte Baierns I, 223-313. Deffeiben K. Lud⸗ 
wig IV, 8, 57—84, 


Kampf LubwigIV. um die Alteinherrfhaft. 153 


Uneinigleit der Kurfürften hatte ein Iwifchenreih von 14 Mos 
naten zur Folge. Der päpftliche Stuhl blieb aus ähnlichen 
Urfachen zwei Jahre erledigt. Da die zwei Hauptparteien 
im Reich (die Iuremburgifhe und bie öfterreihifche) 
ungefähr gleich waren, fo ftellte jene eine britted Haus, das 
baierifche, voran; ed entfland eine zwiflige Königewahl und 
ein Kronkrieg, der faft acht Jahre Oberteutfchland verheerte; 
durch Cinmifchung bed Papfted und bed Königs von Frank⸗ 
reich wurbe ber verwidelte Streit noch über wangig Jahre 
fortgefegt t), 

Bon biefem großen Zerwürfnifie und feinen Kolgen be 
ben wir zu unferm Zwede hauptſaͤchlich aus, was die Verfaſ⸗ 
fung, die Gefinnungen der Zürften und der Völker betriffl. 

Boran fteht wieder der Eigennug der Kurfürften und 
ber Wankelmuth der andern, überhaupt bie damalige Politif _ 
der teutfchen Fürften. Herzog Friedrich, genannt ver Schöne, 1313 
der dltefte von den Herzogen von ſterreich, unterſtuͤtzt durch 
feinen unternehmenden Bruder, Herzog Leopold, emeuerte 
mit Nachdruck die nach feines Vaters Albrechtö L Tode vereis 
telte Kronbewerbung. Er fandte gleich nah 8: Heinrichs VL. 
Tode den Guelfen in. Italien gewaffnete Unterflühung, um 
zugleich den Papft und Frankreich zu gewinnen. Seine Schwes 
fer Katharina, welche dem verfiorbenen Kaifer verlobt war, 


1) Schon bie gleichzeitigen Quellen (wovon bie wichtigften in ben 
Anmertungen angeführt werben) find nicht immer befriedigend, zuwei⸗ 
im auch im Widerſpruche mit einander, wie es in einer Periode voller 
Parteiungen nicht andere zu eribarten ifl.. Der Streit ber Schrift 
ſteller bat ſich aber noch zweimal ernmert: im fiebenzehnten Jahr⸗ 
hundert, da Gewold und Herwart durch Herzog Marimilian J. von 
Baiern aufgerufen wurden, des Dominicanerd Bzovius Angriffe auf 
kudwig den Baier zu wiberlegen; bann im achtzehnten Jahrhundert 
über ben transniger und die übrigen Werträge zwiſchen Baiern und 
Öfterreich, wovon unten. Seit Olenſchlagers Staatsgeſch. zc. 1755, 
bat dieſe Periode Eeine umfaflende Bearbeitung gefunden. Haͤberlin 
unb Heinrich legen ihn zum Grund. Mannerts Ludwig ber Baier, 
1812, {fl unvermerft eine Apologie geworben. Ludwigs Größe wirb haupt: 

ih auf dem kirchlichen Standpunct gefucht, was wir eben nicht fin» 

. Die teutfchen Berhältniffe find barüber in ben — geſtellt, 
and nicht alle Vorgänger dabei benutzt. 


l 


154 . Bud HL Erfler Zeitraum. Abſchnitt 2. 


1314 vermählte ee dem Herzog Karl von Galabrien, Thronerben 
von Neapel, ber früher eine Tochter von Heinrich VIL be- 
gehrt hatte, und fchloß auch ein Buͤndniß mit bem Könige 
Karl Robert von Ungern, aus demfelben Haufe. Zugleich 
wurden bei den Kurfürften weder Gelb noch Verſprechungen 
gefpart. Pfalzgrav Rudolf, der bei feines Bruders Lubwig 

23. April. Krieg zweibeutig zuruͤckgehalten, gab die erſte ſchriftliche Zu: 

1. Mat. fage; gleich darauf Markgrav Heinrich von Brandenburg 
9: Mai. Landöbergz dann ber vorher franzöfifch gefinnte Erzbifchof von 
Chin, Heinrih von Virneburg, beffen Bruderötochter Fried⸗ 
richs jüngerm Bruder ‚Heinrich verlobt wurde, Serzog Leo: 
pold beforgte die Berfchreibungen. Etwas ſpaͤter verfprach auch 
Herzog Rudolf von Sacfens Wittenberg feine Stimme '). 
So hoffte Friedrich die Mehrheit zu erhalten. 

.Die, luremburgifche Partei war anfangs in Verle⸗ 
genheit wegen eines angemeſſenen Oberhauptes, daher verjoͤ⸗ 
gerte auch: der Erzbiſchof von Mainz das Ausſchreiben der 
MWahlverfanmmkng. Heinrichs VIL Sohn, K. Sobann non 
Böhmen, zählte erfi fiebzehn Jahre, war alfo zu unefahren 
und perfönlich noch nicht genug mit ben Bürften. befreundet, 
um fih im Reich und in dem ohnehin noch nicht befefligten 
Befig von Böhmen behaupten zu können, ja Die vorzliglich- 
ſten Frenube feines Haufes wänfchten felbft nicht exuftlich die 
Krone vom Vater auf den Sohn übergehen zu feben. 

Nun that fich fehon eine dritte Partei. hervor, deren Mit- 
telpunct der früher gedachte Eriegerifche Markgrav Waldemar 

1313 von Brandenburg war. Seine Übereinkunft mit ben Her— 

81. Oct. zogen Erih und Johann von Sachen sSauenburg (mit ihm 
gleihförmig zu flimmen) folte jedoch nur eine Wiederholung 
ber frühern Wahlconföderation nach K. Albrechts Tode 
fein, wodurch fie, ohne fi beſtimmt für einen Fuͤrſten zu 
entfcheiden, fich verwahrten, daß Fein ihnen gebäffiger auf den 

Thron kommen follte?). Die zwei Etzzbiſchoͤſe von Main; 

und Trier wandten fich alfo an ein anbered Haus: fie erfa: 


29. Iul. 


un 3 


1) Chron. Leob. ad aa, 1813. 1314, Dlenfhlager Staatsge⸗ 
ſchichte ꝛc. Urkunde 17—19. Geſch. v. Schwaben III, 184. 
2) Gerken Ks: vet. March. Brand. T. I. Num. 207. 


Kampf 2ubwigIV, um die Xlleinherefhaft. 455 


ben den Herzog Ludwig mon Dberbaiern, ber durch den 
Sieg bei Bamelöborf den Ruhm eines ber tapferfien unb um: 
fihtigfien Zürften erlangt hatte, auch in Abficgt feiner übrir . : 
gen Eigenjchaften Sriebric dem Schönen wohl ‚gegenüber ges - 
flellt werben Eonnte, zum Könige. Cr ſelbſt war von hem 
Antrag uͤberraſcht. „Er habe," ſprach er, „dan Herzog Fried⸗ 
ih, feinem Better, bei dem Friedensſchluß das Wort gege- .. . 
ben, ibm bei der toͤmiſchen Koͤnigswahl Richt entgegen zu fein; 
auch fei ex an Land und.Beuten bei weitem nicht mädtig ge - ' 
nug, um gegen das Haus Ofterreich auftreten zu Können.“ 
Denn er beſaß aur bie Hälfte von Oberbaiern ober ein Vier⸗ 
theil der fünmtlihen pfalzbaieriſchen Stammlande Jaut der 
oben berübsten Theilung; eu. rieth foger den Kurfuͤrſten ſelbſt, 
Friedrich zu wählen. Dieſe erwieberten mit Zuſtimmung ber 
Rechtsgelehrten: „jene Zuſage fei gegeben worben, the er dar⸗ 
an gebacht hätte, daß die Wahl ihn ſelbſt tweffen könne; in - 
biefem Fall fei fie als nicht. gegeben anzufehn. Was bie Macht 
betreffe, fo ſtehe das Inremburgifche Haus mit allen feinen 
Freuunden au ihm, und eß bleibe. ihm nichts Anderes übrig, 
wenn er ben ehrenpollen Kampf nicht aufnaͤhme, als fein und 
feiner Laube Berderben.“ Diele Vorftellungen Tonnte Ludwig 
nicht mehr abweiſen?). Sobald er aber die Zuſage ausge . 
ſprochen, daß er «5 dulden wolle in den Wahlvorfchlag zu 
kommen, fo machten bie Kurfuͤrſten Gegenbebingungen. Zu⸗ 
af ließ fi der habſuͤchtige Erzbiſchof Peter in zwei Urkun⸗ 
den werfprechen, ber Reichägoll zu Ehrenfels folle ihm folange 1314 
überlaffen bleiben, bis jene 3000 Mark, welche fchon in Hein⸗ 12 Sept. 
richs VII. Capitulation vorgekommen, erfeht ſein wuͤrden; wenn 
Ludwig Thuͤringen erobere, ſollen diejenigen Reichslehen welche 
vom Erzſtift Mainz herruhren, ſowie die Lehen des verſtor⸗ 
benen Landgraven Johann won Heſſen, an das Erzſtift fallen, 
dieſem auch das Recht der erſten Bitte in allen Kirchen ſei⸗ 
ned Sprengeld zurſtehen. Weiter ‚alle Ludwig dem Exzbiſchof 
die Stadt Weinheim nebſt Augehör einraͤumen und für bie 


— 


1) Volcmar. Chron. in Oefele scrr. T. II. p. 546. 3oh. Vi- 
todur. in Ecsard. ser. T. I. p. 1788, —— ie 
(8. Lubwig IV.) ©. 89 ff. . 


156 Bud IL Erſter Zeitraum. Abſchnitt 2. 


Wahl⸗ und KrönungssKoften 10,000 Mark S. bezahlen, nicht zu 

vergeffen auch 1000 Mark für die erzbifchöflichen Räthe!). Der 

1314 Exzbifhof von Trier ließ ſich nach der Wahl ebenfalls das 

2 Die Recht ber erfien Bitte in feinem Sprengel zuerkennen?), und 

2. Dec. Beide erhalten noch die Erlaubniß, Reichslehen an fi) zu loͤ⸗ 
fen, nur nicht über 500 Mark jährlich am Werthe. 

2. De. Dem Könige Iohann von Böhmen muffte Ludwig ne 
ben ber Beflätigung der fämmtlichen böhmifchen und luxem⸗ 
burgifchen Lande verfprechen, die Herzoge von Öfterreich zur 
Herausgabe aller brieflichen Rechte auf Böhmen zu bewegen, 
ihm überdies den egerfchen Kreis für 10,000 Mark zu ver- 
‚pfänden, endlich auch die Herzogthlimer Lothringen, Brabant 
und Limburg, wenn fie erledigt würden, ihm zuzumenden ?). 
Aus diefen Anfoderungen war wohl abzunehmen, das luxem⸗ 

burgiſche Haus wolle Ludwig nue folange voranflelen, bis 
der Zeltpunct gelommen fein würde ben Kaiſerthron ſelbſt 
einzunehmen. Ludwig ging aber ohne Mistrauen in die Be 
dingungen ein.- 

Die Wahl felbft fand noch befondere Schwierigkeiten: 
einerfeitd ſtand der Erzbifhof von Coͤln in einer Privatfehde 
mit den beiden andern Erzbifchöfen und dem Könige Johann 
von Böhmen und wollte diefen nicht anerkennen; andererfeits 
waren bie Linien von Sachfen und Brandenburg über die Fuͤh⸗ 
rung der Wahlſtimme getheilt. Zur Vorberathung ber Wahl 
erfchienen zu Renfe nur die Erzbifchöfe von Mainz und Zrier 
in Perfon, die andern durch Gefandte. Vor Frankfurt tra⸗ 
fen die eben genannten Erzbifchöfe nebſt ihren Gefolgen mit 
dem König Iohann von Böhmen zufammen. Mit ifmen ver: 
einigte fi Markgrav Waldemar von Brandenburg nebſt Hein: 

rich von Landsberg und ber Herzog Johann von Sachſen⸗ 
Lauenburg. Herzog Ludwig von Baiern war bei ihnen mit 
einem anflänbigen Gefolge. 

Auf der andern Seite des Mains lagerte Herzog Fried: 
rich mit feinem Bruder Leopold, dem Pfalzgrav Rudolf und 


1) Guden. Cod. dipl. Mog. T. III. Num. 79. 80, 
2) Hontheim Hist. Trevir. dipl, T. I. Num. 614 sq. 
8) Olenſchlager a. a. D. Url. 78. 


/ 


Kampf Ludwig IV, um die Alleinherrſchaft. 157 | 


dem Herzog Rubolf von Sachen » Wittenberg. 5. Heinrich 
von Kärnihen war ebenfalls gefommen, um feine Rechte auf 
die Krone Böhmen wieder geltend zu machen. Nur ber Erz 
bifchof von Coͤln fehlte, wegen ber fchon berührten Fehde; er 
batte aber feine Stimme auf Kurpfalz übergetragen. ı 

Die Öfterreichifche Partei eilte mit der Wahl zuvorzuloms 1314 
men und brachte vier Stimmen auf, anffer der cölnifchen, 19. Oct. 
pfäßzifchen und fachfen = wittenbergifchen auch bie kaͤrnthiſche 
wegen Böhmen; und fo fprach der Pfalzgrav Rudalf die Wahl 
fir Sriedrih aus. Am folgenden Tag wählten die Luxem⸗ 20. Oct. 
burgifhen Ludwig durch den Mund des Erzbifchofs von 
Mainz, wobei fünf Stimmen gezählt wurden, die mainzifche, 
trierifche, böhmifche, brandenburgifche und die facbfen = Jauen> 
burgifche, in Widerfprud mit Wittenberg. 

Auf jeden Fall, wenn man auch bie unrechtmäßigen oder 
boppelt gezählten Stimmen abzieht, hatte Ludwig bad Über 
gewicht mit vier gegen Drei. Da aber noch Fein beftimmtes 
Gefeß vorhanden war, daß bie Mehrheit enticheide, viel- 
mehr nad dem Herfommen Einftinmigfeit fein follte, fo woll⸗ 
ten die Parteien zunaͤchſt auch mit der Krönung, ald we 
fentlichem Erfoderniß, einander zuvorkommen, nachben jebe 
ein Wahldecret ausgeſtellt hatte. 

Die Frankfurter, welche bisher mit den wetteranifchen 
Städten eine würbige Neutralität behauptet hatten, öffneten 
aus dem angeführten Grund dem K. Ludwig ihre Thore und 
huldigten ihm bei der herkömmlichen Erhebung. K. Friedrich, 
mit Gewalt abgetrieben, wollte nun Aachen zuerft befegen, 
aber Ludwig traf vor ihm ein. Er ließ ſich alfo zu Bonn 25. Nov. 
dur den Erzbiſchof von Coͤln Frönen. Einen Tag fpdter 26. Rov. 
wurbe Ludwigs Krönung zu Aachen durch ben Erzbifchof von 
Mainz vollzogen. Diefer hatte alfo den rechtmäßigen Kroͤ⸗ 
nungsort für fi, jener aber den zur Krönung‘ bevorcechteten 
Erzbifhof. Der Lehtere wollte fih fogar anmaßen, wahr 
fcheinlidy wegen Erledigung des päpftlichen Stuhles, uͤber bie 
beiden Wahlen zu entfcheidenz; nad) ber Krönung aber war 
nicht mehr die Rebe davon). 


1) Die Urkunden bei Dlenfhlager Num. 22, 24, 25, 26, 50, 


158 Bud III. Erſtet Beiscaum, Abſchnitt 2. 


Afo Hatte Zentfchland nun zwei Könige, beibe Enkel 
von K. Rudolf J.). Jeder Theil behauptete Rechtmaͤßig⸗ 
keit der Wahl und konnte bei der Mangelhaftigkeit des 
Wahlgeſetzes nicht widerlegt werben. Auch in Xbfücht der per⸗ 
fönlihen Eigenfchaften wuͤrde bie Enticheibung zwifchen ben 
beiden Königen ſchwer gewefen fein, denn ed war ber eine 
wie der andere bieder und tapfer. Das bewiden fie noch 
während des Kreonfireites; und das ift das Zweite was ſich 
herausftellt. 

Wiewohl unter den angeführten Umftänben nichts Anders 
übrig blieb als Waffenentfheibung, fo vergingen doch ein 
Paar Jahre, ehe es zu ernfllichern Auftritten kam, ja bie 
beiden Könige fchienen bad Zufammentreffen zu vermeiben 
und wollten jeder nur feine Partei verflärten. Sie Batten 
folgende Stellung zu einander. Zu ber überwiegenden Haus⸗ 
macht Friedrichs vom Elſaß bis Öfterreich ſtand noc ber 
größere Theil der ſchwaͤbiſchen Graven und Städte, an Rhein 
der Pfalzgrav Rudolf und der Erzbifchof von Coͤln. Dage⸗ 
gen hatte Ludwig bei feiner geringen Hausmacht in Ober 
baiern Hülfe von Böhmen, Meiffen, Thüringen, Mainz, Trier 
und faft vom allen Rheinftäbten von Selz bis Coͤln, von dem 
größten Theil der nieberländifchen unb weftphälifchen Stände, 
dann von einigen fränkifchen, nieberfchwäbifchen und Donau: 
Städten, beögleichen von den drei ſchweizeriſchen Walbflätten. 
Eben hier, in der Umgebung ber baböburgifchen Stammbers 
ſchaft, waren die flärkften Parteiumtriebe, wie vormals zu 8. 
Heinrichs IV. Zeit. Die Zwietracht Fam in das Innere ber 
Städte, ber Kirchen, ber Familien ?). 

Die Kurfürften von Sachfen und Brandenburg blie 
ben neutral. Dagegen entſtand hier ein anderer großer Krieg 
1314 — wegen Stralfund, in welchem gegen ben Markgraven Wal: 
1316 demar, ihren Beſchuͤtzer, und feinen Bunbeögenoffen, ben Hers 

309 Bratiflan von Pommern, bie meiſten norbteutfchen 
' Sürfien in Verbindung mit Dänemark, Schweben, Norwegen 


83. Das Übrige nach Henric. Rebdorf. Volcmar. Chron, Leob. 
Chron. ad 3, 1314. 

1) Ludwigs Mutter war Mechtild, Rubolfs Tochter. 

2) Geld. v. Schwaben III, 182 ff. 


L 





Kampf eudwig IV. um bie Alleinherrſchaft. 159 


und Polen auftsaten. ' Diefer Krivg muß jeboch um ſo mehr 
übergangen werben, da der Friede nach zwei Jahren Alles 1316 
wieder in den vorigen Stand ftellte '). Bs. Nov. 

Das ſuüdliche md weſtliche Teutſchland aber wurde 

ist erſt der Schauplatz des Kronkrieges und. wegen der vie⸗ 

* befonbern Fehden der Parteien untereinander der Schau⸗ 
platz eined wahren Bürgerkriegs. 

Die beiven Könige trafen zum erften Mal mit ihrer Ariege⸗ 1315 
macht bei Speier zufammen, welches kurz zuvor mt Worms Jan. 
durch den Erzbiſchof Peter anf 8, Ludwigs Seite getreten 
wer. : Da jedoch in diefem Jahre eine druͤckende Hungers⸗ F 
noth in ganz Teutſchland ausbrach, die Heere alſo an Unter 
halt litten, fo entließ Ludwig ben größten Theil des ſeinigen 
und ging nad Oberbaiern zuruͤck, wo ſein Bruder, der Pfalz⸗ 
grav Rudolf, Unruhen erregte. Ex ſoͤhnte fich mit demfelben 

aus und ward als rechtmaͤßiger König von ihm anerkannt, 6. Mai. 
ri fi) aber deſſen ungeachtet bald wieder von ihm vers ° 
laffen *). 

Es war noch nicht einmal eine fürmliche Kriegserklaͤrung 
zwiſchen den beiden Königen gefchehen. Als fie nun faſt zu 
gleicher Zeit, Friedrich zu Baſet, Ludwig zu Närmberg, 3. = 
ihren erſten Reichstag hielten, fprach Lebterer, wahrſcheinlich ö 
wegen jener Anmaßung, die Reichs acht Über Sie Herzoge 
von Oſterreich aus. Dagegen machten biefe einen Einfall in 
Baiern, gingen aber wieder nach Schwaben zurüd, als ihnen 
Lubwig entgegentrat. Ernſtlichere Ausbrüche erfolgten, wo 
bereitö dlterer Parteihaß beftands In ben Verhaͤltniſſen Habs⸗ 
burgs zu den fchweizerifchen Waldſtaͤtten. H. Leopold hatte 
fhon nach 8. Heinrichs VII. Tode Zeindfeligkeiten gegen Un- 
terwalben angefangen; bie Schweizer ihrerfetts, gereizt buch 
erneuerten Streit des von Öfterreich geſchuͤtzten Abtes von. 
Einftebein, überftelen und beraubten das Kloſter, worauf fie 
vom Bifchof von Coſtanz in den Bann, von dem Hofgericht 
zu Rotweil in die Acht erflärt wurden. Dies trieb fie um fo 

1) Häberlin Reichegeſch. TIL, 128 ff.“ . 
2) Volcmar. Chron, p. 548 sg.‘ Gewvld Defensio Lad, IV. 
p- 37. m es F 


160 Buch IL Erſter Zeitraum. Abſchnitt 2. 


‚mehr an bei 8. Ludwig Schuß zu fuchen, ber fie auch von 
der Reichsacht befreite und durch den Erzbifchof von Mainz 
- von dem Banne loöfprechen ließ. Nun beſchloß H. Leopold 
Rache zu nehmen. Don zwei Seiten zugleich) machte er den 
Angriff: ex felbft führte eine auserlefene Ritterfchaft durch ben 
engen Daß von Morgarten; der Gran Dtto von Straßberg 
follte über den Brünig eindringen. Das Unternehmen fchlug 
aber ganz auf die entgegengefegte Seite aus. Die Wald: 
4315 ftätte, heimlich unterrichtet, überfielen den Herzog in bem engen 
15. Rov. Paß; ebenfo wurde der Grav von Straßberg zurldgetrieben. 
Die Bluͤthe der oberländifchen Ritterfchaft fand ihren Unter 
gang. Diefe Kriegsthat hat den Ruhm ber Schweizer ge 
gründet. Um die Sache feines Bruberd nicht aus ben Au- 
gen zu verlieren, ließ H. Leopold gefcheben, daß feine Unter 
thanen einen Stillſtand mit den Waldſtaͤtten machten, und ſpaͤ⸗ 
ter war er durch die Umflände veranlafft demfelben ebenfalls 
beizutreten !). 
Zur nämlichen Zeit kam es auh in Schwaben zu ernſt⸗ 
lichen Auftritten, indem die Parteien wechfelten. Die Städte 
"waren anfänglihb auf 8. Friedrichs Seite getreten, weil 
ihr Gegner, der Grav Eberhard von Wirtemberg, ben fie von 
Land und Leuten vertrieben, ald alter Zreund des Herzogs 
Otto von Niederbaiern zu Gunften feiner unmimbigen Söhne 
fhon vor der römischen Königdwahl mit Ludwig verbunden 
war. Da aber Friedrich zur Schlichtung ihres Streites ver: 
langte bad eroberte Land zu feinen Handen zu fiellen, fo 
traten die Städte zu Ludwig; Eberhard hingegen ging zu 
Friedrich über und Fam dadurch bald wieder in ben Befig fei- 
nes Landes. Friedtich bebrohte Eßlingen, ald Mittelpunct 
der verbünbeten Städte, und vereinigte fich mit Leopold um 
fie zu belagern. Nun Fam Ludwig mit böhmifchen und trieri= 
ſchen Huͤlfsvoͤlkern zum Entſatz, und da wurde burch zufaͤlli⸗ 
ges Zufammentreffen ber ZTroßfnechte am Nedar dad erſte 
größere Treffen zwifchen ben. beiden Königen herbeigeführt. 
Wiewohl der Sieg unentfchieden war, fo ging doch Ludwig 
zuräd, und Friedrich brachte dann Eßlingen mit den übrigen 


1) Müller Gef. der Schweiz III, 44 ff. 


Kampf Ludwigs IV. um die Alteinherrfhaft 161 


Städten auch auf feine Seite. Der 8. Johann von Böhmen 
aber vermittelte einen Stillſtand!). 

Diefen wollte Briebrich benugen, um auch in Italien 
weitern Einfluß zu gewinnen, wie wir unten fehen werben. 
H. Leopold aber konnte nicht lange raſten, er führte ein 
neued Kriegäheer vor Speier. Als er hier duch Ludwig 
mit Hülfe der Straßburger in's Gebränge kam, brachte ihm 
Sriedrich Verflärfung, und nun flanden die beiden Könige . 
wieber einander gegenüber. Aber Feiner wollte eine offene 1320 
zeldſchlachi wagen; es traten alſo auch hier Unterhandlungen 6. Aus. 
ein, und Speier machte einen Stillſtand mit Friedrich. 

Da nun Schwaben und die obern Rheinlande groͤßten⸗ 
theils auf oͤſterreichiſcher Seite waren, beſchloſſen Friedrich 
und Leopold den Krieg nach Baiern zu ſpielen. Ludwig aber 
ſah ſich jetzt von feinen maͤchtigſten Freunden verlaſſen. Der 
Anblick ſeines verheerten Landes machte ihn ſo kleinmuͤthig, 
daß er die Krone niederlegen wollte. Da ſprachen ihm ſeine 
Freunde wieder Muth ein; auch der K. Johann von Boͤh⸗ 
men, ber in Folge feiner eigenen Angelegenheiten etwas zweideu⸗ 
tig geworden war, brachte ihm Huͤlfsvoͤlker. Endlich entſtand 
Erhitterung bei den Kriegsfuͤrſten; man beſchloß dem trauri⸗ 
gen Streit durch einen Hauptſchlag ein Ende zu machen. 
Friedrich führte eine ſtarke Macht aus Öfterreich herauf, eine 
andere Leopold aus Schwaben ihm entgegen. Derfelbe Plan 
wie bei dem nieberbaierifchen Vormundſchaftsktieg und ebenfo 
der Ausgang. Zriebrich hatte mehr ald 30,000 Streiter uns 
ter feiner Führung, dabei auch ungerifhe Hülfsvölfer. Als 
er von Leopold Feine Nachricht erbielt, weil die Mönche von 
Sinftenfeld die Boten aufgefangen hatten, und er fchon vier 
Tage auf ber ampfinger Haide bei Mühldorf bem Heere 
Ludwigs gegenüber fand, fo ließ ex fich nicht mehr abhalten 
die Schlacht zu wagen. Ludwig vereinigte ungefähr eine gleiche 4390 
Macht; auſſer dem Könige von Böhmen waren ber Herzog 28. Sept. 
Heinrich von Nieberbaiern, der Burggrav Friebrich von Nuͤrn⸗ 
berg und mehrere andere Fürften bei ihm. Er uͤbergab aber, 
um nicht nach ber biöherigen Sitte jede Schaar unter Ihrem 


1) Geſch. v. Schwaben III, 192 ff, auch zu dem Folgenden. 
Pfifker Geſchichte d. Deutfchen I. 1 


⁊ 2 


162 Bud HI. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 2. 


Führer befonders fechten zu laffen, den Oberbefehl einem al- 
ten verfuchten Ritter, Senfried Schweppermann aus Fran: 
fen. Diefer erfab die ſchwache Seite bes linken feindlichen 
Flügels und richtete den Angriff fo, daß, nachdem Durch zehn: 
ſtuͤndiges hitziges Gefecht die beiden Deere erfchöpft waren, ber 
Burggrav von Nimmberg dem Zeinde in den Rüden fiel, das 
öfterreichifehe Heer geſchlagen und 1300 Edle gefangen wur⸗ 
den. Friedrich, der mit großer Tapferkeit gefochten, ergab 
fih einem Dienſtmann des Burggraben gegen Berficherung 
feines Lebens. 

„Ich freue mich, lieber Obeim, Euch bier zu fehen,” 
ſprach Ludwig, ald Friedrich, Durch den Burggraven vorgeflellt, 
mit gefenktem Haupte daftand. Vor der Schlacht war die 
Meinung, daß wer in des andern Hände fallen wirde mit 
dem Leben büßen müflte. Der Sieg ſchlug allen Unmillen 
nieber. Auch vergaß Rudwig richt, wem er biefen verdanke; 
feine Worte find im Munde des Bold, als das ſparſame 
Abendbrod vertheilt wurde: „Jedem ein &, dem frommen 

Schweppermann zweil“ 

eudwig war nun wohl der Perſon ſeines Gegners maͤch⸗ 

tig und brachte ihn auf die Veſte Zrausnig in Verwahrung '). 

Aber feine Partei war noch nicht bezwungen. H. Leopold, 

verwundert daß fein Bruder beim Leben erhalten werten, "blieb 

boch vol Haß. Er verweigerte die Herausgabe der Reichs: 
‚Meinodien und legte die Waffen nicht. nieder. 

1323 Dagegen, flatt den Krieg weiter zu verfolgen, berief Lud⸗ 

9. April. wig einen Reichstag nach Nürnberg, um fic als alleinigen, 

rechtmäßigen König zu zeigen und das Reich zu orbhen. Er 

ließ einen allgemeinen Landfrieden verkünden und alle Feh⸗ 

den und Pladersien, befonders die ungefeglichen Zölle abthun 2). 

Auf diefem Keichstage verfänmte er auch nicht den Ichon zwei 

1319 dahre beitandenen Streit fiber die erledigte Matt Brans 

Spt, denburg beizulegen. Da Markgrav Waldemar, der die 


., 


1) Albert. Arg. p. 121 sg. Volcmar. Chron. p.552. Anen. 
Narratio de proelio etc. in Pez scrr. 'T. I, p. 1002, Anon. de Du- 
cibus Bav. in Oofel. L p. 41. Staindel. Chron. ibid. p. 516. 


2) Neue Sammlung d. 8. A. Ih. I. Num. 21. 





Kampf Ludwigs IV. um die Alleinherefhaft. 163 | 


bndenburgifchen Lande vereinigt ‚hafte, und ein Jahr nach 
im auch fein Erbe, Heinrich von Landsberg, bes legte 
männliche Nachkomme des afcanifhen Stammes, geftorben. 
‚war, fo machten verfchiedene Fuͤrſten Anſpruͤche auf. die Nach 
folge, al6 Seitenverwandten von bem erflen Erwerber, Al⸗ 


1320 
Sept. 


hrecht dem Bären; H. Rubolf von Sachfen hatte ſchon bei | 


Lebzeiten Heinrichs zugegriffen und einige Landesthelle an ſich 
gebracht; eberifo eignete fich ber ſchleſiſche Herzog Heinrich von 
Jauer die Oberlaufig zu, trat fie aber an König Johann von 
Böhmen ab, welcher von K. Ludwig damit belehnt wurbe. 
Die Marl Brandenburg aber erklärte der König jetzt als er 
iffnetes Reichslehen, um alle andern Anfprüche abzufchneiben, 
und beflimmte fie feinem eigenen, erft achtjährigen Sohn Lud⸗ 
wig, unter Beiorbnung bes Fuͤrſten Bertold von Henneberg, 
md ertheilte demfelben im folgenden Jahre die Belehnung *). 
Um einen mächtigen Nachbar zum Freund zu erhalten, ver: 
iobte er ihm Die Tochter des Königs Chriftoph von Dänes 
mark. Alſo that Ludwig wie feine Vorgänger: fobald er freie 
Hände im Reich hatte, vermehrte er die Hausmacht. Seine 
Tochter Mechtild verlobte er um diefe Zeit dem Markgraven 
von Meiflen, Friedrich dem Ernſthaften. 

Nach jenem Reichstag fchien es Ludwig Zeit, ſich auch 
in Jtalien geltend zu machen: Dadurch gerieth die teut- 
ſche und die paͤpſtliche Politik in die mislichſten Berüh⸗ 
rungen, und das iſt das dritte, dad merkwuͤrdigſte, aber auch 
traurigſte Verhaͤltniß, in welches der Kronſtreit überging. Als 
nad zweijaͤhriger Erledigung des paͤpſtlichen Stuhles Johann 


J 
13. Sept. 


1323 
April. 


AXI. gewählt wurde, gab derfelbe ſowohl Friedrich ald Lud⸗ 


wig Nachricht von der Wahl, nannte fie beide roͤmiſche Koͤ⸗ 
nige und ermahnte fie zugleich ihre Sache nicht durch Waf⸗ 
fen fondern durch Vergleich auszumachen. Als ober Jeder 
hernach die‘ Beftätigung fuchte, wies er die Gefandten ver- 
ähtlih ab. Seine wahre Abficht war, einen von Beiden 
anzuerkennen, um das Reich ſsvicariat beflo Iänger zu fuͤh⸗ 


von. Was einige Päpfte feit der hohenflaufifchen Zeit fi ans. 


1) Olenſchlager Ark. 41. Das Übrige nach Buchholz Geſch. 
dr Churmark Brandenburg II. B. 
11* 


N 


4 


‚ 16 Bud IM. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 2. 


gemaßt, das flellte ex jet als Rechtögrundfak auf: er erließ 

1317 eine Bulle, welche behauptete, folange dad Kaiſerthum erle- 
23. März digt fei, gehöre dad Reichsvicariat dem Papfte allein; zu: 
gleich befahl ex die Verorbnungen feines Vorgängers, die cle⸗ 
mentiniſchen Satzungen, auf den Univerfitäten zu Bologna 

und Paris, ald allgemeingültig, beim Kirchenrechte zum Grund 

zu legen‘). Diefes Reichsvicariat wollte er nicht nur auf 

Italien ſondern auch auf Teutſchland ausdehnen, was noch 

kein Papft feit dem großen Zwiſchenreich fo merklich gethan 
hatte2); er maßte fih an auch in Privatfachen der Fürften 

| zu entfcheiden ’). Weder Zriebrich noch Ludwig hatten ed in⸗ 
deſſen gewagt bei folchen einzelnen Schritten ſich zu wider: 
fegen, um ihn wegen ber Befldtigung nicht gegen ſich zu 
haben. Auch war es dem Papfte felbft zunaͤchſt um das ita⸗ 
lieniſche Reichsvicariat zu thunz er wollte die Zeit bed Kron⸗ 
ſtreites hauptfächlich dazu benugen, mit Beiftand bes Königs 
Robert von Neapel und der Guelfen die Gibellinen ganz zu 
unterdruͤcken, auch den König Mobert, bem er einfiweilen bie 
Handhabung bes Reichsvicariats übertrug *), nur fo lange zu 
Hülfe ziehen, bis er für fich felbft die Oberherrſchaft über 
das nördliche und mittlere Italien erlangt haben würbe. 
Diefem gemäß gebot er den Städtehäuptern die von Hein⸗ 
rich VII. erhaltenen kaiſerlichen Statthalterfchaften fogleich nie⸗ 
derzulegen. Allein eben biefe Schritte gaben ben Gibellinen 
neuen Schwung. Matthäus Viſconti legte zwar nieder, ließ 
fich aber dafür von den Mailänden zum „Oberherrn“ ernen- 
nen, und brachte in kurzer Zeit sehn Städte zu feinem Ges 


1) Bulla Joannis XXII. praefiza Clementinis in Corp. jur. Can. 
Ci. Raynald. ad a. 1817. $. 15 qq. . 

2) So hat Alexander IV. 1255 der Stabt Worms, 1261 der Stabt 
Speier bas jus de non evocando beftätigt und ſich dabei auf ältere, gar 
nicht vorhandene päpftliche Eonceffionen berufen. Ludewig rel. Msc. 
T. II. p. 227. Lehmann fpeier. Ehronit S. 544. 

3) Er befichlt 3.8. dem Biſchof von Bafel von feiner Fehde gegen 
den Graven Rudolf von Welfch:Reuenburg abzuftehen, 1817. Weitere 
Bälle hat Dienfhlager Staatsgefhichte &. 10%. CA, Raynald. 
ad a, 1320, $. 8, 

4) Raynald. ad a. 1817. $. 29. 


Kampf Ludwigs IV. um bie Alleinherrſchaft. 165 


bie. Bar Mailand zur Zeit des großen Freiheitskriegs Haupt 
der guelfifhen Republiten, fo tritt es jest ald Mittelpunct 
eined neuen gibellinifhen Fürſtenthums auf. Matthäus 
bebrängte auch Genua, das fonft Faiferlich gefinnt, jetzt zu 
den Guelfen oder auf K. Roberts Seite getreten war, durch 
eine fünfjährige Belagerung. Da weder der Bann noch eine 
pöpflliche Reiterſchaar Etwas gegen ihn vermocdten, fo rief 
Johann XXI, mit 8. Robert Friedrich von Öfterreich zu 
Hülfe und verfprach ihn als römifchen König —— 
auch 100,000 fl. Subfidien zu zahlen. 

Sofort fandte Friedrich feinen Bruder Heinrich mit 1500 1322 
Fittern und einer Anzahl Lanzknechten. Aber kaum war er 
im der Lombardei angetommen, fo bewogen ihn bie Gibelli⸗ 
nen wieder zuruͤckzugehen; als alt Eaiferlich gefinnt verfprachen 
fe feinem Bruder alle Unterſtuͤzung und bezahlten ihm ftatt 
der eiteln päpfllichen Verfprechungen 60,000 fl. baar '). 

Das war kurz vor ber mühldorfer Schlacht, an welcher 
Hanrich mit feinen Schaaren Theil nahm. Nach berfelben 
ef Galeazzo, Sohn und Nachfolger bed Matthäus Bis 
konti, den 8. Lubwig zu Hülfe, weil der päpflliche Legat 
indeffen ein zahlreiches Heer zufammengebracht hatte, mit wels 
dem er Mailand und die übrigen gibellinifchen Städte zu uns 
terwerfen drohte. Ludwig entfprach nun biefer Auffoderung 1323 
und fandte nicht nur 800 Ritter, fondern ließ auch durch Ges 
ſandte die andern gibellinifchen Häupter, welche ſchon zum 
Papfte übergegangen waren, zum Rücktritt bevegen. Den 
Papfi ließ er von der Belagerung Mailands als einer Stadt 
des Reichs abmahnen. Da der Legat nur mit Verachtung 
von dem „OHerzog von Baiern“ ſprach, ſo Fam ed zum Ges 
feht, ımb eine zugleich auögebrochene Seuche nöthigte ben Jul. 
kegaten die Belagerung aufzuheben ?). 

Über dieſe Vereitelung ſeines Planes ergrimmte nun Jo⸗ 
hann XXII. gewaltig. Er hatte indeſſen ſein Urtheil uͤber den 


1) Annal Mediol. in Murat. T. XVI. Villani L. IX. ce. 88. 
107, 142, 


2) Auſſer den vorhergehenden vergl. Chron. Leob. ad a. 1323. 
Chron. Astens, c. 112, in Muratori T. XI. 


1323 
8. Oct. 


16. Der. 


x 


166 Bud IL. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 2, 


Kronftreit zurüdgebalten. Da ihm Ludwig fo gerabezu nt 
gegentrat oder, wie der Papſt fih ausdrückte, Keger und Kir 
chenfeinde unterſtuͤtzte, fo griff er ohne weiteres die Recht⸗ 
mäßigkeit feiner Reichöverwaltung an. Ohne alle Unterfiz= 
hung unterfagte er ihm bie Reichöregierung auf brei Monate 
gänzlich, bis erft feine Wahl und Perfon vom apoflolifchenz 
Stuhle geprüft und zugelaflen fein werbe; ex befahl ihm uͤberdies 
Alles was er bisher ald roͤmiſcher König gethban zu wider- 
rufen, fowie fich auch Niemand unterftehen follte ihm in Reichs= 
fachen zu gehorchen :). Bon diefer Procedur machte Jo⸗ 
hann XXIL dem 8. Ludwig nicht einmal eine Mittheilung, 
ſondern ließ den Beſchluß bloß an den Kirchenthüren zu 
Ayignon aufchlagen. Dies Verfahren uͤberbot Alles was die 

früheren Päpfte ſich erlaubt, ſowohl in der Sache als in der 
Form ). 

K. Ludwig in feiner Milde that zwar noch ein Übriges 
und ließ fich erfk zu Avignon über bie Urfache biefes feltfa- 
men Schritted erfundigen, ba er doch gar nicht fchulbig war 
nur Kenntniß davon zu nehmen. Damm begab er fi aber 
nach Nürnberg und legte. zur Behauptung der beſchwornen 
Rechte des Reichs eine Proteflatton und Appellation vor No⸗ 
tar und Zeugen nieder, des Inhalts: „Seit unfürbenflichen 
Zeiten ift es m Teutſchland Herkommen und Recht, auch all: 
gemein befannt und unzweifelhaft bei allen Fürften und Stän- 
den des Reichs, daß ber welcher durch .alle ober das Mehr: 
theil der Kurfuͤrſten erwählt ift, wirklicher König ift und heiſſt 
und ald folcher die Reichöregierung zu führen hat. Unterfu: 
hung, Biligung oder VBerwarfung ber Wahl kann dem Papfte 
höchftens in dem Falle zuſtehen, wenn die Sache durch Klage 
oder Appellation an ihn gelaugt. Schon zehn Jahre, fügt 
Ludwig hinzu, bin ich römifcher König und übe biefe Gewalt; 


- wie kann denn der Papft fagen, daß das Reich erledigt ſei?“ 


Den Vorwurf ber Unterflügung bed Galeazzo und anderer 


1) Olenſchlager urk. 86. 

2) Selbſt bei K. Friedrichs IT. beifpiellofer Abſetung ging doch 
eine Art von a Anllage, Vertheibigung voraus. ©. oben 
Band II. ©. 568 


| Kampf Ludwigs IV. um bie Alleinhereſchaft. 167 


| Keher giebt Ludwig dem Papfle zurüd. Ungeachtet der haͤu⸗ 

figen Klagen, welche die hohe und niedere Geiftlichfeit gegen- 
bie Rinoriten und ihre Vorſteher vor den paͤpſtlichen Stuhl 
gebracht, daß fie die Beichtgeheinmiſſe versathen, fei derſelbe 
indeſſen ausgewichen, verſchleiere das abſcheuliche Ubel und 
tee feine Anflalt zur Abhuͤlfe. Zuletzt appellirt Ludwig an 
ein allgemeines Concilium, bei welchem er felbfl gegenwärtig 
fein wolle ). 

Das ift K. Lubwigs w. Verdienf, daß er, noch nicht 
im fihern Beſitze des Reichs (gegen Friedrich), zuerft bie fo 
lange angefochtene Unabhängigkeit der Krone aus koͤ⸗ 
niglicher Machtvollkommenheit ausgeſprochen hat. 

Der Papſt aber wollte noch nicht ruhen. Die Frage 
muflte noch. gefleigert werben, bis auh Volk und Fürfien 

und alfo Das ganze Reich dem Könige beitrat und ber Er⸗ 
färıng ihren ganzen Nachdrud geb. 

Den Gefandten Ludwigs erwiederte Iohann XXIL: „ein 1324 
neues Verbrechen fei es, daß Lubwig fich fogar noch rechtfer⸗ Jan. 
tigen wolle, da er doch gegen ihn die gehörige Rechtöform 
beobachtet babe; es bleibe alfo dabei und es werde ihm nur 
noch die Frift von zwei Monaten verwilligt ?): 

Us Ludwig diefe Srift, wie leicht zu erachten, verftrei- 
den ließ, indeſſen auch das päpflliche Heer vor Mailand zum 
weiten Mal gefchlagen wurde), fo fuhr der Papft in feinem 
Precefie fort. Er erlärte, Herzog Ludwig von Baiern ſei 23. Mär. 
wegen feines Ungehorſams bereitd in die Strafe des Ban⸗ 
nes verfallen, und wer ihm ferner als römifhem König ges 
berche, fei in gleicher Strafe; alle Verpflichtungen gegen ihn 
fin aufgehoben. Mit den weitern Strafen wolle ex noch 
drei Monate zuruͤckhalten, in welcher Zeit Ludwig, wie er 


1) STenfdlager a. a. D. Nr. 37. Um dem Papſte den letztern 
Vorwurf um fo unbefangener machen zu koͤnnen, hatte Ludwig dem 
Galeazzo das Reichevicariat abgenommen und zum Schein in andere 
Hände seiegt. Herwart von ee Ladov. IV. Lup. defensus 
etc, I. p. 233 

2) Dieufälage: urt. 38. \ 

3) Villani IX. c. 288. 





168 Bud II. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 2. 


bereitö erinnert worden, Zitel und Beichöverwaltung nisber- 
legen, bie Ketzer nicht weiter unterflügen und Alles wa& er 
bisher als vömifcher König gethan widerrufen ſolle. Diefe 
Sentenz ließ Iohann XXIL wieder zu Avignon anfhlagen. 
Als Ludwig von diefem Verfahren Nachricht erhielt, legte: 
er zu Sachfenhaufen eine zweite feierliche Proteflation und: 
Appellation nieder. Diefe ift mit weit ſtaͤrkern Beſchuldigun⸗ 
gen und Ausbrüden abgefaflt ald die frühere, wurde aber erſt 
als der Papfi den Bann wirklich vollzog, als Manifeft aus: 
gegeben und fcheint auch dem Papfte nicht früher befannt ge 


4394 voorben zu fein. Als die drei Monate verfloffen waren, feßte 
11. Zul. der Papft zum legten Male eine- gleiche Zrift auf den Dcto⸗ 


"Sul. 


ber, mit Wiederholung ber bereitö ausgefprochenen Drohung, 
wenn Lubwig nicht auf biefe Zeit perfünlid) oder durch Ab⸗ 
geordnete vor ihm erfcheinen wide. Kluͤglich ſetzte der Papft 
diesmal hinzu, er wolle hierdurch keinen Eingriff in die Vor⸗ 
rechte der Kurfuͤrſten thun!). Er hatte ihnen bereits daruͤber 
gefchrieben *). Auch ließ er dieſe Sentenz nicht bloß zu Avis 
gnon anfchlagen, fondern theilte fie den Kurfürften mit und 
befahl, beſonders ven rheinifchen Erzbifchöfen, den Bann zu 
verkünden °), 

In dem nämlichen Zeitpuncte wurde eine Verſammlung 
zu Barsfurs’Aube veranflaltet, um den König Karl IV. von 
Frankreich zum römifchen Könige wählen zu laſſen. Hierzu 


- gewann ber Papft defien Schwager, ben 8. Johann von 


Böhmen und den Erzbifhof Balduin von Trier, Bruder 
der Königin. Auch Herzog Leopold trat bei. Als diefer bie 
Befreiung feines Bruders nicht erlangen Tonnte, was dem 
Dapfte felbft nicht lieb geweien wäre, ließ er fi) aus Rache 
gegen Ludwig zu einem Buͤndniß mit K. Karl bewegen und 


= verfprach dieſem zum Kaiferthume zu verhelfen und fogar fei- 


nen Bruber Friedrich, wenn er befreit werde, zum ‚Verzicht 
zu bringen: daflır folte ee 30,000 Mark Silbers erhalten und 


1) Olenſchlager urk. 42, 

2) Ebend. Urt. 40. vom 26. Mai 1324. 

9) Wilhelm. Egmond. Chron, ad. a. 1824. in Matthaei 
Analect, vet. aevi. T. II. p. 621. 





Kampf Ludwigs IV. um die Alleinherrfhaft. 169 


Reichsverweſer in Zeutichlanb werden. Allein Karl IV. hatte. 
nit den unternehmenden Geift feines Vorgängers Philipp. 
Da auffer Leopold Feiner von den erwarteten Fuͤrſten kam, 
misftel ihm ſchon das ganze Unternehmen, und zu einem weit 
auöfehenden Kriege konnte ex fi) gar nicht entichlieffen. Leo⸗ 
yold, über feine Bedenklichkeit entrüftet, änderte fchnell feine 
Sefinnung und trat wieder mit Ludwig in Unterhandlungen. 
Diefer kam ihm ebenfalld entgegen und verlangte vorerſt Aus⸗ 
lieferung ber Reichöfleinodien, wenn Friedrich freigelaffen 
werden follte. Leopold fanbte fie ihm wirklich nach Nirn⸗ 
berg, wiewohl nicht ohne Mistrauen '); denn Ludwig foderte 
auch noch die Zurlufgabe der beſetzten Reichsſtaͤdte in Schwa⸗ i 
ben und Eifaß. 

In dieſem Zeitpuncte ging die lebte vom Papft be 1324 
Kimmte Friſt zu Ende. Unabwenbbar fiel der Bann auf Lud⸗ 1. Oct. 
wig und Alle die ihn für den roͤmiſchen König erkannten, 
das Interdict fiel auf das ganze Land. Aller öffentliche 
Gottesdienſt hörte auf, die Kirchen wurden gefchloffen, ben 
Sterbenden ber letzte Troſt verfagt. 

So war denn Krieg auf Tod und Leben erklaͤrt und es 
Im nun darauf an, nicht nur mit welchem Beiſtande, mit 
welchen Mitteln jeder Theil feine Sache ausfechten würbe, 
fondern zu allererfi, ob Ludwig, ob bie Fürften fich ſelbſt treu 
bleiben wuͤrden. 

Ludwig hatte indeſſen mehrere Fuͤrſten fich zu — 
gemacht und namentlich mit den Nachbarn der brandenburgi⸗ 
ſchen Lande Vergleiche getroffen, um dieſe Erwerbung ſicher 
zu ſtellen. Als Bann und Interdict zur Vollziehung kommen 
fellten, berief er den Reichötag nach Regensburg *) und ließ 
die zu Sachfenhaufen niebergelegte Proteflation und Appella⸗ 
tion Öffentlich verfünden. Der Hauptinhalt iſt diefer °): 


1) Albert, Argent. p. 124, 

2) Aventin. Ann. Boj. L. VII. c. 16. Burgundus in Lud, IV. 
inp. p. 87. Richt zu Frankfurt war der Reichstag, wie Mannert 
in der Preisſchr. S. 228 und, 231 annimmt; bort war früher bie Pros 
teftation niedergelegt, zu Regensburg aber wurbe fie verkuͤndet. 

3) Olenſchlager urk. 43. Die Stelle von dem Minoritenſtreite, 





170 Bud IH. Erſter Zeitraum, Abſchnitt 2. 


„ubwig, von Gottes Gnaden römifcher König, erklärt 
Johann, der ſich Papſt XXII. nennt, für einen Feind bed 
Friedens, fir einen Saͤtmann bes Unkrauted unter den Recht: 
gläubigen, benn er bat Prälsten und Fuͤrſten des Reichs 
oft und viel zum Krieg und Aufftanb gegen das heilige Reich 
and Uns erregt. Iohann foll öffentlich gefagt haben, wenn 
Uneinigkeit unter den Königen und Fürften herrfche, dann fei 
der Papft erft wirklicher Papſt, und die Uneinigkeit im teuts 
. ſchen Reiche bringe Heil und Frieben ber Kirche. So viele 
GSeldpreffer und Sammler ex in Teutſchland hat, fo hat er 
doch nie eine Friebensbotfchaft gefandt zur Abwenbung bes 
Übels. Durch Lehre und Wandel beweifi er, daß er Chrifli 
Stellvertretek nicht if. Er bebenkt nicht, daß weiland Papft 
Spivefter in feiner Höhle vom Kaifer Conflantin großmäthig 
erhalten hat, was bie Kirche heute, an Freiheit und Ehre ges 
niefft. Das alles dankt ex dem Reiche fchlecht, indem er feine. 
"Macht, die ihm mur zur Erbauung ber Kirche gegeben ift, 
dazu anwendet dad Reich umzufehren. Sein Proceß, ber 
vielmehr Exceß genannt werden follte, hat gar Feine Rechts: 
form beobachtet: denn nad dem gefchriebenen kanoniſchen 
Recht kann Fein römifcher Pontifer Jemand vernrtbeilen, ohne 
daß ſich diefer verantwortet hat. Er kehrt göttliche und menſch⸗ 
liche Rechte um.. Er vertheilt Erzbiſsthuͤmer und andere geiſt⸗ 
liche Winden an die Unwuͤrdigſten, wenn fie fih nur zum 
Aufſtande gegen das Reich gebrauchen laſſen, deſſen Vafallen 
fie find. Er will Unfere Baht für unguͤltig erklaͤren, ba fie 
doch durch Mehrheit von vier, nicht nur von einer fondern 
von beiden Seiten geſchehen ift, und flößt fomit die Rechte 
und Gewohnheiten bed Reiches um. Wenn auch Unfere Wahl 
eine zwielpaltige gewefen wäre, ba fie doch eine einhellige ift, 
fo ift befannt, daß felbft in Zwieſpalt erwählte zömifche Koͤ⸗ 
nige, Lothar, Konrad, Philipp, Otto, Richard, Aphons, 
Adolf, Albert, fich der Reichöverwaltung unterwunben haben. 
Uns aber will er das abfprehen! Cbenfo greift ex in bie 
Rechte der Zürften ein: er maßt ſich bed Neichövicariates an, 


welche bort ausgelaffen worden, iſt zu ergänzen aus Raynald, ad a. 
1324. $. 29, 


—R8 


Kampf Ludwigs IV. um die Alleinherrſchaft. 171 


da doch nach Recht und Herkommen bei erledigtem Reiche 
Niemandem dad Reichövicariat, befonders in Zeutfchland, zu⸗ 
kommt ald dem Pfalzgraven am Rhein. Im Confiftorium 
bat er Öffentlich gefagt, ex wolle mit allen Kräften dahin ar 
beiten, baß er die eherne Schlange, das Reih, mit Füßen - 
trete. Als ein betrligerifcher Fuchs bat er bald Und bald den 
Herzog von Öfterreich, flatt den Frieden zu vermitteln, zum 
Kriege aufgereizt, um deſto cher das Reichsvicariat zu behaus 
pten. Nicht genug, weltliche Rechte angetaftet zu haben, erhebt 
er ſich auch gegen den König aller Könige und feine heiligſte 
Rutter und das heilige Gollegium der Apoflel, ‚welche mit ihm 
im Gelübbe der Armuth gelebt haben. Er ift ein arger 
Scher: denn er behauptet, Chriſtus und die Apoftel haben Guͤ⸗ 
ter in Gemeinfchoft befefien wie andere Collegien; dadurch 
widerfpricht er dem Evangelium, weiches lehrt, daß fie in 
höchfier Armuth gelebt, d. h. in einer ſolchen, welche überhaupt 
Nichts ‚bürgerlicher Weife befist in diefee Welt, wie es auch 
dapſt Innocenz V. bekannt, hauptfächlich aber ber feraphifche 
Rem Franciſcus erneuert bat. Endlich handelt er gottlos 
und graufam gegen das heilige Land, indem er Die Geldfchäge, 
welche er in aller Welt eintreibt, und welche feine Vorfahren 
dazu beſtimmt haben um diefem Lande zu Hülfe zu kommen, 
betzligesifcher Weife zu anderen Abfichten, ja zu gottlofem und 
giauſamem Blutvergieffen verwendet und bad heilige Land in 
den Händen der Saracenen und ber Feinde bed dhriftlichen 
Glaubens laͤfft. Allen diefen Gottlofigkeiten”, fo fchliefft 
Ludwig, „find wir nach Unferm Kroͤnungseide fhuldig Wis 
derſtand zu thun ald Schirmvogt der Kirche. Wir ſchwoͤren 
auf das Evangelienbuch, daß Alles und Jedes was wir im 
Vorhergebenden geſagt, Wahrheit ſei, und wollen ſolches auf 
einem allgemeinen Concilium barthun“. 

Dies iſt der Hauptinhalt der ausführlichen Proteftation, 1324 
welche Ludwig num ald Manifeft in dad Reich ergehen ließ, Det. 
Bern Ludwig in ber erften Proteflation den Papft anges 
Magt, daß er die Minoriten und ihre Häupter gegen bie 
Klagen über Verlegung des Beichtgeheimniffes in Schug nehme, 
und nun in ber zweiten im Gegentheil den Papſt einen Keber 
nennt, weil er gegen dad Evangelium ben Franciſcaner⸗ oben 


172 Bud IL Erſter Zeitraum. Abſchnitt 2. 


MinoritensOrben verurtheiles fo ift zur Erläuterung $olgen- 
des nöthig: 

Die Bettelmönde') haben eigentlich den Sieg bes 
Papftthumes über die hohenflaufifchen Kaifer vollendet. König 
Rudolf I. wurde durch fie zu Bedingungen gebracht, welche 
jene nie anerkannt haben würden. Diefe blieben die Grund⸗ 
lage auch für die Nachfolger und wurden bis je&t immer noch 
gefteigert. Die beiden DOrben, der Dominicaner und ber 
Srancifcaner oder Minoriten, gelangten dabei auch flr fich 
felbft zu einem Anfehn, das (wie wir früher fchon bei K. Rus 
dolfs Geſchichte bemerkten) zulegt dem Papfte felbft und der 
übrigen Geiftlichkeit zu mächtig wurde.” Auffer ihrem großen 
Einfluffe auf dad Volk zählten fie auch die meiften Gelehrten 
in ihrer Mitte. Bu ihrem Unglüde geriethen fie gegen einan⸗ 
der in Eiferfucht und entzweiten fich über allerlei Fragen, zu⸗ 
Vet über dad Gelübde der Armuth. Die Dominicaner waren 
der Meinung, was der Menfch täglich brauche, dazu müfle er 
doch das Eigenthumsrecht haben. Die Minoriten aber ſpra⸗ 
den: auch von dem Biſſen den wir in den Mund ſtecken, 
haben wir nur den Genuß, nicht dad Eigenthum. Der Papſt 
erklaͤrte fich, wie leicht zu erachten, für Die Dominicaner. Der 
Streit mochte fein: welcher er wollte, dad Wichtigere ift, daß 
die Minoriten dagegen in ihrer Überzeugung ed wagten bes 
Papſtes Unfehlbarkeit anzugreifen und ihn felbft der Keberei 
zu befchuldigen. Da jeboch der Papft nur die Häupter ber 
Minoriten verfolgte und der übrige Orden fich leidend vers 
bielt, fo entfland ein Zwiefpalt unter ihnen felbfl. Der Or⸗ 
bensgeneral Michael von Caͤſena und mehrere Provincias 
len 2), darunter Wilhelm von Dccam von England, Nis 
colaus von Frankreich, Heinrich von Talheim von Ober: 
teutfchland,, trennten fich vom Übrigen Orden. Die Meiften 
nahmen ihre Zuflucht zu K. Ludwig; das fällt gerade in die 
Zeit zwifchen den beiden Proteflationen. Lubwig machte ges 


1) Das Nähere über ihre Entflehung bei Plant, Geſchichte des 
Papſtthumes. II. 2. 498,5 über ihren Einfluß ebenb. 508. 

2) Die ua in or. Proteftation gegen Johann XXIL in 
Raynald. ad a, 1822, 6.5 


Kampf Lubwigs IV. um die Alleinherefhaft. 173 


meinfchaftliche Sache mit ihnen und nahm ihren Proceß in 
den feinigen auf: er befchwur, wie wir oben vernonmen ha⸗ 
ben, Alles als Wahrheit was in dem Manifefl nusgefprochen 
iſt. Daß fle dabei hauptfächlich die Feber geführt, geht aus 
der Sache ſelbſt hervor 1); inſofern jedoch zwei verſchiedene 
Kageſachen in ben zwei Manifeſten berührt find, ſtehen fie 
nicht ‚gerade mit einander im Widerfpruch ?). , So geſchah, 
daß ein Theil der bisherigen eifrigften Borfechter des Pap ſt⸗ 
thumes auf einmal als Vorfechter des Kaiſerthumes aufs 
traten. Man ſieht, daß das Papſtthum gerade in feiner glaͤn⸗ 
zendſten Periode ein Aufferftes ergriffen hatte, ohne zu beden⸗ 
Ten, baß biefelben Waffen ebenfo leicht rückwaͤrts gebraucht- 
werben koͤnnten. Wie viele folher Warnungen ſtehen 
Doch vergeblich in der Geſchichte! 

Übrigens fehlte es dem K. Ludwig auffer den Minoriten 
gar nicht an Männern, welche im Stande waren bie päpfts 
lichen Angriffe von Grund aus zu widerlegen. Sein erfler 
Seheimſchreiber (Protonstar) war Meiſter Ulrich von Augs⸗ 
burg, aus dem angeſehnen Geſchlechte der Hangener, ein 
cusgezeichneter Decretiſt (oder Kenner bed paͤpſtlichen Kirchen⸗ 
rechtes), Freund oder Schüler von Dante Wlighieri ?), deſſen 
Werk über die Monarchie bereits in Italien den Ton gegen 
die Dberherrfchaft des Papftes gegeben *). Dabei befaß Mei⸗ 
ſter Ulrich in Gemäßheit feines Amtes fo viele Umficht in den 
Gefchäften, daß der Papft, ob er ihn gleich als einen feiner 
wichtigfien Gegner Tannte, doch nie ben Bann namentlich über 
ihn audzufprechen wagte. Zur Zeit des vegendburger Reiches 


1) &ubwig IV. gefteht felbft fpäter dem Papſte (Raynald. ad a. 
1324. $. 31.), die Appellation fei von Lehrern der Theologie und Relis 
giofen verfafit worden. Raynald. ad a, 1327. $. 19. nennt ben Pfeus 
dominsriten Nicolaus als VBerfaffer, ohne Zweifel den obengenannten 
Provincial von Frankreih. Ra Joh. Vitodur. p. 1863 wurde Hein 
rich von Zalheim, Provincial von Oberteutfchland, von K. Ludwig als 
Kanzler angeftellt, Tpäter aber wieder entlaffen. 

2, Auch blieb der Papft immer noch Beichüger des übrigen Ordens 
nach den Austritte der Häupter. 

3) Gefhicdhte von Schwaben U, 241. 

4) Raynald, ad a, 1321. $. 48. 


174 Buch Il. Erfter Beitraum. Abſchnitt 2,2 


‚taged wurden mehrere ſcharfe Schriften gegen den Papfi vers 
breitet 1). An philoſophiſchem Scharfſinn aber wie an tiefer 
Gelehrſamkeit ſteht oben an eine Schrift mit dem Titel: De- 
fensor pacis, „gegen die angemaßte Gerichtsbarkeit des roͤmi⸗ 
ſchen Biſchofs“, von Marſilius von Padua, K. Ludwigs 
Leibarzt 2). Neben ihm wird genannt Johann von Gent. 
Beide waren keine Minoriten. Ihre Schriften trugen haupt⸗ 
ſaͤchlich dazu bei, das Zeitalter uͤber die bisherigen Anmaßun⸗ 
gen des paͤpſtlichen Stuhles zu belehren. Aber das bleibt im⸗ 
mer wahr, an ben Minoriten erhielt Ludwig mächtige Allirte, 
ſowohl beim Volke ald bei dem gelehrten Stande. Durch bie 
vereinten Bemühungen diefer Männer gefchab, daß auch bie 
Univerfitäten zu Paris und Bologna (einer päpftlichen Stadt) 
des Papftes Verfahren für rechtöwidrig unb nichtig erflärten ?). 
. Daß Iohann XXI. fi, in feiner innerſten Schugwehr 
angegriffen fühlte, bewies er dadurch daß er, als Ludwigs 
Dec. zweites Manifeſt ihm zulam *), noch einmal den Bannfluch 
über ihn ausfprach als erBlärten Keber *). Aber jebt follte er 
auch. erfahren, wie viel der Bann feit funfzig Jahren an feiner 
Wirkung. verloren hatte. Ludwigs Manifeft fand weit mehr 
Beifall als alle feine Bullen. Nur wo die Dominicaner und 
die oͤſterreichiſche Partei noch die Oberhand hatten, wurben 
fie. beachtet. 

2 Dagegen that ſich K Lubwig bald ſelbſt wieder Scha⸗ 
den. Die Übereinkunft mit H. Leopold zerfchlug fich, nach⸗ 
dem bie Reichsinſignien ſchon auögeliefert waren; Friedrich 
wurbe nicht freigelaffen. Neue Erbitterung Leopolds. Er faͤllt 

. mit gewaffneter Hand von Burgau in Baiern ein. Ludwig 
Nov. wii ihn Dagegen beimfuchen, wirb aber gefchlagen °). Durch 


1) Martin, Minorit. Flores tempp. ad a. 1323, in Eccard, 
serr. T. 1. 
2) Raynald. ad a. 1327. $. 37. Das Werk ſelbſt wurbe erft 
zur Zeit ber Reformation (1522) im Drud herausgegeben. 
8) Martin. Minorita ad a. 1324. - 
4) Berthold, de Tuttlingen in Oefel. scrr. T. L. p. 794. 
5) Raynald, ad a. 1524. $. 27. 
6) Volcmar. Chron. p. 558. 


Kampf Ludwigs IV. um die Alleinherrſchaft. 175 — 


dieſen Vorfall verlor er ſchon wieder das Vertrauen mehrerer 
Fuͤrſten. Der Papft dagegen verbatg die Kleinmuͤthigkeit, bie 
ihn angewandelt hatte, indem er fortfuhr die Gegenwahl zu 
Gunſten Frankreichs zu betreiben. Auf ſein Verlangen kamen 
die Erzbiſchoͤte von Mainz und Coͤln mit den franzöftfchen 
und paͤpſtlichen Geſandten zu Renſe zuſammen. Als ſie aber 
mit einander fiber ben Rhein fuhren, erhob fish ber Teutſch⸗ 
ordens⸗ Commenthur von Coblenz, Berchtold d Grav von 
Bucheck, Bruder des vom Papſte eingeſetzten mainzer Erzbi⸗ 
ſchofs, mit derſelben Freimuͤthigkeit wie nicht lange zuvor der 
Zempelritter Rheingrav Hugo auf ber mainzer Kirchenver⸗ 
ſammlung und widerſprach ſtandhaft dem ſchimpflichen Unter⸗ 
nehmen, das Reich auf einen fremden Koͤnig uͤbergehen zu 
| 


). | 
Indefſen fah 8. Ludwig ein, daß er gegen H. Leopold 1325 

gefehlt habe; unvermuthet vitt er ohne feine Räthe nach Traud⸗ 
mg und bot dem gefangen Gegentönige felbik, bie Freiheit 
an. Diefer Entſchluß kam wohl ganz aus ihm felbſt? Doc . 
neing gleichzeitige Nachrichten fagen, fein Beichtvater; der 
Korthäufer Gottfried, fei es gewefen ber ihn dazu aufgefos 
dert ). Friedrich war von. dem Antsage fo überrafcht, daß er 
gem die vorgelegten Bebingungen einging : er entjagte dem 
Reich, verſprach die befegten Reichöghter unb Städte heraus: 
jugeben und dem K. Ludwig ſpgar beizuſtehen. Auch für nde 18, März. 
here Berbinbung ber beiden Häufer warb Ruͤckſprache genou⸗ 
mn, Auf den Fall daß Friedrich dieſe Schnee nicht erfüllen 
(„wubringen”) koͤnnte, verſptach er auf Johannistag zux Som 
nenwende fich ſelbſt wieder in’3 Gefängnis zu ſtellen). Die 
fer Gall war voraudzuſehn, "denn Herzog ‚Leopold Tonnte wie 
daz vorige Mal durchaus nicht zur Ruͤckgabe ber elfaffifchen 
md fchwäbifchen Reichsguͤter bervogen werben. Der Papſt 
benichtete den Vertrag und bedrohte Friedrich fogar mit dem 4. Mai. 
Damme, wenn er wieber in die Gefangenfchaft fich flellen 


1) Albert. Arg. p. 128. j 

2) Martin. Polon. Contin. in Eccard. scrr. T. I. p. 1445, 
Leob, ad a. 1325. Albert..Arg. r e 

3) Olenſchlager urk. M. 


v 


1716 Bud IL Sefter Zeitraum. Abſchnitt 2 


wuͤrde!). Aber Friedrich hielt als teutſcher Mann fein Wort und 

"Sam wieber zurüd. "Nicht weniger Edelmuth bewies K. Lud⸗ 

wig: er ließ ihn nicht mehr.nach Trausnitz, fondern behielt 

ihn bei ſich zu München, theilte Wohnung, Tiſch und Bette 

mit ihm ?). Eine folche Denkart war dem Papfte unbegreif- 

lich. Auf's neue bietet er Alles gegen K. Ludwig auf. Die 

brandenburgifchen Stände werben durch ein Breve ihres Ge 

borfams gegen den Markgraven Ludwig (Sohn des Königs) 

41325 entbunden. Herzog Leopold fest den Krieg gegen die elfaf- 

26. Zul. fifchen Stäbte fort.. Der Papft hält ihn durch VBerfprechungen 

80. Zul. für Friedrich hin, während er zugleich auf den König von 

Frankreich fchmält, daß er nicht ernflliher dazu thue bas 

Aug. Reich an fi) zu bringen. Die Graven von Buche und Bir- 

neburg, welche von den Erzbifchöfen von Mainz und. Edln zu 

Gunſten Friedrichs an den Papſt geſchickt wurben, erhielten 

zur Antwort, er. müflte erſt das Wahldecret haben, um eine 
ordentliche Entſcheidung geben zu Fönnen ’). 

Da nun Leopold von Johanns XXI. Zweideutigkeit 

5. Se überzeugt wurde, fo gab ex endlich feine Zuftimmung zu einem 

zweiten Vergleiche zmifchen Lubwig und Friedrich, worin 

dieſe uͤbereinkamen die Reichsregierung ald Brüder gemein= 

Thaftlich zu führen. Keiner. follte einen Vorzug vor dem 

Anbern haben; in des Einen Siegel follte bes Anden Name 

voranftehen und die Unterfchriften einen Tag um ben andern 

wechfeln. Sie wollten nur Einen Hoffchreiber und Ein Hof⸗ 

gericht beftellen und nur den Ort des Lebtern halbjährig wech⸗ 

feln *). Im der That ein eigener Gedanke, aus Gegenföni- 

gen eine Zweiherrfchaft zu machen; er laͤſſt fih nur aus 

der Milde und Redlichkeit der beiden Fürften erklären. An 

fich aber und unter den damaligen Verhältnifien konnte ex 
nicht wohl zur Ausführung gebracht werben. 

Diefer zweite, zu München gefchloffene Vergleich wurde 


1) Raynald. ad a. 13825. $. 2. 
2) Petrus Abbas in ——— aul reg. c. 15. in Froher. script. 
rer, Boh. p. 48, 
5 8) Dieafdragee Ur. 4649, 
4) Olenſchlager Ark. 50. Joh, Vitodur. p. 1792. 


4 


Kampf Ludwigs IV. um die Alteinheerfchaft. 177 


| noch mehr geheim gehalten’ ald ber trausniger, eben um Fein 

Hinderniß vor feiner Verwirklichung auflommen zu laſſen. 
Daher kennen auch die gleichzeitigen Schriftfteller beide nicht, 
und aus gleichen Gründen find auch die Nachrichten über bie 
nachher geführten öffentlichen Verhandlungen unbefriedigend. 
Ef in neueren Zeiten find bie Urkunden durch Streit zwis 
fhen baierifchen und öfterreichifchen Schriftſtellern an's Licht 
gelommen 1). Es wurden damals, wie es ſcheint, zwei Fürs 
lenverſammlungen daruͤber gehalten: bie erſte kam zu keinem 
Schluß; auf der andern erhielt der Vertrag die nähere Be⸗ 1326 
fimmung: „daß Ludwig feinem lieben Oheim und Bruder. 
entweichen wolle an bem Königreih von Rom, als ob 
a von dem Papft beftätigt worben, es fei num mit ber Fürs 
fen Willen oder nicht” 2). Das Königreich von Rom beifft 
hier —— nicht das Kaiſerthum, ſondern das roͤmiſche Koͤ⸗ 
nigteich, d. h. das teutſche Reich; denn Ludwig ſtand bereits 
im Begriff fich zum Kaiſer kroͤnen zu laſfen Da aber jetzt 
H. Leopold in Folge ſeiner Anſtrengungen im Elfaß ſtarb, — Behr. 
gerieth die Gemeinſchaftlichkeit gleich in's Stoden, und es ift 
alſo wohl der mimchner Vertrag nur ald ein Verfuch zu bes 
trachten den Papſt audzufchlieffen und den H. Leopold zufeies 
den zu fielen. Nach Leopolds Zode wurde Zeutfchland fo - 
whig, daß man wohl fah, nicht Friedrich fondern er fei der 
Enentliche Gegenkoͤnig geweſen. 


7. Von eudwigs IV. Kaiſerkroͤnung bis zum Kurverein, 
1327 - 1338. 


kudwig zieht den Gibellinen zu Hülfe, laͤfſt ſich 
von den Roͤmern kroͤnen und ſetzt einen Minori⸗ 
ten, Nicolaus V., zum Gegenpapſt. Sein Ruͤck⸗ 
ing. Papſt Johann XXIL, un den Römern vers 


1) Häberlin geichsgeſch. IN. 198., wo bie hierher gehörigen 
Gäriften verzeichnet find. 

* alter urk. 51. ulm 1826, Am Erichtag nach dem 
wolften 


Dfißee Gefiicte 6 Teutfgen I. 12 





-47%8 Bud II Erſter Zeitraum. Abſchnitt 2. 


föhnt, ſchleudert einen neuen Bannfluch. Ludwig 
laͤfſt durch die Luremburger unterhandeln, fängt 
an nachzugeben, ſucht Hülfe bei Öſterreich, deckt 
ſich durch ein Landfriedens-Bündniß mit ben 
ſchwaͤbiſchen Städten, entſchlieſſt ſich endlich un- 
bedingt niederzulegen buch Überredung K. Io: 
banns von Böhmen. Krieg gegen diefen wegen 
der Färnthbifhen Erbfolge Vergeblich demuͤthigt 
fih Ludwig aud vor Papſt Benedict XII. K. Phi: 
lipp von Frankreich Iäfft ihn nicht abfolpiren. 
‚Kubwig tritt von Frankreich zu England über. Die 
geiſtlichen und weltlichen Fürſten werben auf die 
Gefahr der Wahlfreiheit aufmerkſam. Schriftſtel⸗ 
ler. Kurverein. Frankfurter Satzungen von der 
Unabhaͤngigkeit des Kaiſerthums. 


1326 Nechdem 8. Ludwig in Teutſchland Alles erſchöpft hatte, 
um fich trotz bes päpftlichen Banned ben Beſitz bed Reiches 
zu fichern, befhloß er den Papft in Italien zu vernichten und 
bier alfo das teutfche Reich zu erobem. Bei dieſem Vorha⸗ 
ben ließ er dad. Verhältniß mit- Zriebrich gerade auf ſich be⸗ 
zuben. Wegen verweigerter Zuflimmung ber Kurfürften wurbe 
der muͤnchner Vertrag ald aufgehoben angefehn. Die Ver: 
traulichkeit verlor ſich; ; Friedrich wandte ſich wieder an den 
Papft, erhielt aber eine abfchlägliche Antwort ). Ob Fried⸗ 
rich nach diefem Schritte im Ernſt erwarten konnte während 
Ludwigs Abwefenheit die Verwaltung des teutfchen Reiches zu 
erhalten, {ft ſehr zweifelhaft. Zu Insbruck fchieden die beiden 
FZürften unverrichteter Dinge von einander 2) und fahen fich 
auch nicht wieber. Ludwig fcheint gar Keinen Reichsverweſer 
beftellt zu haben ?), und Zriedrich hatte von jebt an in hei: 


1) Raynald. ad. a. 1826. $. 7. 

2, „nicht fehr freundſchaftlich“, fagt Henric. Rebdorf. 

8) Das einzige (oſterreichiſche) Chron. Ci. Neoburg. ad a. 1825 
fpricht von Friedrichs Reichsverwaltung. Allein es fehlt durchaus an 
Urkunden aus biefem Zeitraume. Der in diefer Beziehung befonders auf: 
merffame Häberlin — IL 200, 236.) wuͤrde ſie gewiß zu: 
fammengeftellt haben. 


! 





Kaifer Lubwig IV. 1377 bis 1338. 179 


lungsſtreitigkeiten mit feinen noch übrigen Bruͤdern, ba nad 
Leopold auch Heinrich farb, immer in Öfterreih zu thım. 
Bon diefer Seite konnte alfo Ludwig mit Ruhe den Römerzug 
antreten. 
Er war wiederholt von ben Gibellinen bazu aufgefo⸗ 

dert, weil fie durch ihre vereinten Gegner, Papſt, Neapel 
und die Suelfen, ſchon mehrmals in's Gebränge gekommen. 
Reue Zuverfiht erwachte, ald fie vernahmen, wie muthvoll 
Eudwig dem päpfllichen Banne entgegengetreten. Die teuts 

- hen Fürften wollten zwar anfänglich N'chts vom Römer: 
zuge hören. Die fchredlichen Verwüflungen, welche die vom 
Dapfte hereingerufenen Polen und Lithauer in den brandenburgis 
ſchen Landen verübt hatten, waren kaum durch den K. Jo⸗ 
hann von Böhmen abgewenbet worben '), Erzbiſchof Bals 
duin von Trier mit einem großen Theil ber Biſchoͤfe, blieb 
unentſchieden ?). Ludwig machte deswegen noch einen Ver⸗ 
fuch bei dem Papſte durch eine Geſandtſchaft nach Avignon, 
die jeboch, wie leicht zu erachten, nicht gehört wurde’). Run 1327 
ging Ludwig zuerſt nur mit etwa hundert Reitern in Beglei⸗ 
tung einiger Fürften nach Trient, wo die Häupter der Gibel⸗ Febr. 
Iinen feiner warteten; fobald aber diefe große Gelbfunmen 
zufücherten *), fehlte e8 nicht mehr an teutfchem Kriegsvoll, 
und als die Sachen gut von Statten gingen, kamen immer - 
größere Schaaren nach. Schon feit dem Zwifchenzgiche waren 
teutfche Sölöner gewohnt über die Alpen zu gehen, um unter 
den Parteihäuptern zu fechten. Gegenüber vom Reich und 
befonderd von den Kıurfürften fleht alfo Ludwigs Heerfahrt in 
der Mitte zwifchen einem eigentlihen Römerzuge und einer 
bloßen Gefolgfchaft *). Cr konnte alſo auch nur fo lange 
guten Fortgang erwarten, ald er es mit den Partelhäuptern 


1) Joh. Vitodur. col. 1798, 

2) Gesta Balduin. L. III c. 4 aqgg. 

8) Raynald, ad a, 1327. $. 8. 

4) VillanilL.X. c. 15. 

5) Daher fagt auch der eine (Gesta Balduin. ); Ludwig ſei ohne 
Zuſtimmung der Kurfuͤrſten, der andere (Mutius L. 24.), er ſei mit 
allgemeinem Beifall nach Italien gegangen. F 


43237 
Mai. 


Sul. 


- Aug. 


Dci. 


180 Buch IL Erſter Zeitraum. Abſchnitt 2. 


nicht verdarb. Hierzu geſchah jedoch der Anfang ſchon nach 


ſeiner Ankunft und Kroͤnung zu Mailand. Ludwig warf ſich 
hier zuerſt dem Galeazzo Viſconti in die Arme, den die 
übrigen ſtreng gibelliniſchen Haͤupter nicht als ben Ihrigen er⸗ 
kannten, und ernannte ihn zum Reichsvicar über Mailand; 
bald darauf ließ er ihn aber, weil ex ihm verbächtig gemacht 


wurde - oder die verfprochenen Gelber zurüdhielt, verhaften; 


feine teutfchen Soͤldner traten zu Ludwig über. Er gab ber 


Stadt eine mehr teutiche Verfaffung und fekte den Markgra⸗ 


ven Wilhelm von Montfereat zum Statthalter :). Dies Vers 
fahren, befonders aber bie zur weitern Heerfahrt erhobenen 
Geldſummen bewirkten fchon bei den übrigen Gibellinen etwas 


Zuruͤckhaltung, doch leifteten fie dem Könige die verfprochene 
Unterflügung , und diefer fette. feinen Zug nach Kom muthig 


fort, unbelümmert um Johanns XXI. wieberholte Banns 
flüche. Das Heer des päpftlichen Legaten und bie Beſatzun⸗ 
gen K. Roberts wagten nicht angreifend entgegenzutreten, 
denn ber Muth der Suelfen war feit Ludwigs Aufunft ebenfo 
gefunten, als ber der Sibellinen ſich gehoben hatte. Durch 
Zufcien begleitete ihn ber tapfere Gafteuccio, Her von 
Lucca und Piſtoja. AS Piſa aus Haß gegen diefen ben Kös 
nig nicht einlafien wollte, wurden ihr ald Reichsſtadt durch 
Belagerung 160,000 fl. Strafe aufgelegt. Aus Dankbarkeit 
für. feinen Beiſtand emannte Ludwig ben Caſtruccio zum 
Reichöfürften ald Herzog von Lucca und verlieh ihm, bad 


Erzamt des NReichefähnbriche *). Zu Pifa nahm Lubwig das 


Bünbniß feines Vorgängerd mit 8. Friedrich von Sicilien 
auf und erneuerte Die Meichbacht gegen K. Robert von NRea⸗ 
pel. Dann zog er weiter mit 3000 Reiten und vielem Fuß⸗ 
voll, wobei Verſtaͤrkung von Caſtruccio. Zu Viterbo kauen 
ihm die Abgeorbneten ber "Römer entgegen. Tief gekraͤnkt 
über die Gefangenhaltung ihres Papftes in Frankreich fowie 
über feine ausweichenden Antworten auf ihre wiederholten Ein: 
Iabungen zur — hatten fie den paͤpſtlich gefinnten Adel 


1) Villanil.c. c. so, Gualvan. Flamma c.865.in Murat 


T. XI. Annal. Mediol. c, 9. 
2) Villani lc. c. 86. Leibnit Cod. jar. gent. L p. 122, 





Kaifer Zubwig IV. 1327 bis 1338. 181 


verjagt und den Sciarra Colonna zum Capitan mit Bei⸗ 
ordnung von 52 Bürgern gewählt und befchlofien dem K. Lubs  - 
wig ihre Thore zu Öffnen, um der Stadt ihren alten Nas 
men ald Haupt der Welt zu erhalten *). Don Ludwigs Leuts 
feligleit eingenommen, empfingen fie ihn frohlodend ald Her. 1328 .. 
und König und trafen fofort Anflalt zur Kaiferfrönung, ins ” Jan. 
dem fie behaupteten, das Recht dazu gebuͤhre der Stadt, 
nicht dem Papfte. Inſofern iſt Ludwigs Krönung bie einzige 
in ihrer Art. Zum Gtadtpräfeet und Pfalzgraven vom Lates 
ran ernannte Lubwig den Caſtruccio und ertheilte ihm mit 
mehren Andern den Ritterſchlag. Sciarra fehte dem Kaifer 17. Jan. 
die Krone aufs Haupt; Peter Colonna übergab ihm den mit 
Dimweigen ummunbenen Scepter; die Salbung vollzogen zwei - 
excommunicirte Bifchöfe, von Venedig und von Aleria. ' 
Während der neue Kaifer in teutfchen Reichöfachen Mehreres 
mordnete und beftätigte, wurbe das Volk duch Peter Mars 
ſilins md Ubertinus von Eafali, einem Mönche aus Ges 
ana, in Predigten und Flugſchriften vorbereitet auf Johanns 
XXI, Abfegung In aller Form Rechtens ließ ber Kaifer 18, Apr. 
vor der Peterskirche öffentliche Anklage gegen Johann von 
Cahors, der fich Kügenhafterweife Papſt XXII. nenne, erheben 
ud, da fih Kein Vertheidiger fand, denſelben als notorifchen 
Shnonifen , Keger und Majeſtaͤtsſchaͤnder ber päpftlichen Winde 
verluftig erklaͤren?). Dann verfammelte er bad Wolf zu einer 12. Mai 
nem Wahl; ed wurde aber Fein Römer vorgefchlagen, fons 
den Peter von Corvara, ein Minorite, der, ald das Volk 
ſeinen Beifall gegeben, als Nicolaus V. zur päpfllichen Würde 
ehoben, vom Kaifer felbft mit dem Zifcherring und Mantel 
bekleidet wurde. So fah man wieder die Zeit der Salier und 
Hobenftaufen, wo Abfegung mit Abfegung erwiedert und die 
Topfiwahl vom Kaiſer geleitet wurde. 
Bis hierher glich Ludwigs Römerzug einem eiumph 
aber eben ſo ſchnell trat nun die andere Seite hervor, wie 
bei den Vorgaͤngern. An demſelben Tage da der neue Papſt 
dem Volke egegen wurde, verkuͤndete Peter Colonna dem 


Albertin. Mussat. p. 778. in Murat. T.X. 
N) Dienfdhlager, urk. 58. on R 


11862 Bud IH, Erſter Zeitraum. »Abſchnitt 2, 


noch verſammelten Volke des Kaiſers Abſetzung, welche Jo⸗ 
hann XXI. über ihn aysgefprochen hatte :). Diefer rafche 
Übergang hatte mehrere Urfachen. Nach der Kaiferfrönung 
ging Caſtruccio unter allerlei Vorwand zurüd, um Ludwig 
fühlen zu laſſen, was er ihm bisher gewefen; ihm gin⸗ 
gen auch. die teutfchen Fuͤrſten nach Haus. Über dem Ber: 
fahren gegen Johann XXH. hatte man dem 8. Robert Zeit 
gelaffen, Oſtia und Anagni zu befegen und den Römern bie 
Zufuhr abzufchneiden. Die gibellinifchen Geldzuflüffe, womit 
Ludwig indeffen die Krönungskoften und den Unterhalt bes 
neuen Papftes beftritten, vertrodneten; Caſtruccio hielt fie abs 
fihtlich zurüd. Die Soldaten, fchlecht bezahlt, erlaubten füch 
Gewaltthaten. Die oberländifchen und nieberteutfchen Soͤld⸗ 
ner famen fogar über die Beute zu Gifterna felbfi an einander. 
Als der Kaifer endlich aus Geldmangel den Römern Steuern 
auflegte und fich zugleich der Papſtwahl bemächtigte, ging ber 
Enthuflafmus plöglih in Haß über. Johanns XXII. Anhaͤn⸗ 
ger. wachten wieder auf. Als Ludwig nad fünf Monaten mit 
4. Aug. dem Reſte feined Heeres abzog, erfcholl der Ruf: „nieber mit 
den Ketzern und Verbannten! ed lebe die heilige Kirche!” Mit 
demfelben Legaten, der vorher von den Römern vertrieben 
die Vorftädte verbrannt hatte, fchloffen fie jetzt Frieden und 
föhnten fich auch mit Johann XXL. wieder aus 2). 
Ludwig zog mit etma 2000 Mann gegen Florenz, um 
... mit bem immer noch verfteliten Gaftruccio die reiche guelfifch- 
gefinnte Stadt einzunehmen. Als dieſer unvermuthet flarb, 
8. Sept. ging eubwig zurück nach Pifa, um fich mit der ficilifchen Flotte 
zu vereinigen. Auf diefem Rüdzuge kamen zu ihm Michael 
von Cefena, der Ordenögeneral der Minoriten, mit den 
Provincialen Bonagratia von Bergamo und Wilhelm 
Dccam von England ?). Sie hatten fi beimlih von 
Avignon entfernt, wo ihr Proceß noch anhängig war. Sie 


\ 


[22 


1) Villani L. X. e. 71. auch zum Folgenden. 
2) Raynald. ad a. 1828. 8.50 sqq. Albert. Mussat. p. 777 
sqq. Villanill.c, 


' 8) Nicol. Minorita in Baluz. vit. Pap. Aven. T. I. 709. Job. 
Vitodur. p. 1800, 


Kaifer Ludwig IV. 1327 bis 1338. - 183 


riethen dem Kaifer, vor einem freien Concilium von Geiftlis 
chen und Weltlihen den Proceß gegen Johann XXI noch 
einmal unterfuchen zu Laflen, um allen Schein von Übereilung : 
zu entfernen. Died geſchah; das Urtheil wurbe beftätigt, und 13. Dec. 
Papſt Nicolaus V.,. der dem Kaifer nach Pifa gefolgt war, 

ſprach den. Bann über den abgefegten Johann, desgleichen 
über K. Robert und die Guelfen. Indeſſen entſtand zu Piſa 1329 . 
biefelbe Seldverlegenheit wie zu Rom. Die hohen Foberuns 

gen ner Soldaten, ihre Erprefiungen bei den Landeseinwoh⸗ 

nern, die Steuer. welche dev Stabt aufgelegt wurde, das alles 

führte zu demfelben Ausgange. Nachdem der: Kaiſer abgezos 11. Apr, 
gen war, wurbe auch fein Statthalter vertrieben *). 

Den Sommer brachte Ludwig in Pavia zu, in Hoff. 

nung Verſtaͤrkung aus Zeutichland zu erhalten. Dann ging 

er nad) Trient und hinterließ ben Gibellinen das Verfprechen, Dec. 
die temtfchen Fuͤrſten zu einem neuen Zuzug zu vermögen. 

As ex aber dort Friedrichs von Öfterreich Tod vernahm, eilte 1330 
er nach Zeutfchland 2). 18. Ian. 
Dies 8. Ludwigs IV. Römerzug. Etwas mochte er wohl 
dazu beigetragen haben die Abfichten Johanns XXL. auf das 
nördliche Italien zu vereiteln, obwohl die Sibellinen auch ohne 
ihn dieſer Oberherrſchaft ſich erwehrt haben würden, wie fie 
es wirklich nachher thaten. Im Übrigen hat Ludwigs Ankunft 
für Italien Feine andere Wirkung gehabt, ald daß fie die Bes 
gruͤndung neuer Fuͤrſtenthuͤmer zwifchen den freien Städten, 
alſo einen ähnlichen Zufland wie in Teutſchland beförberte. 
Für feinen Hauptzwed aber hat Ludwig fo wenig erreicht, daß 
er, flatt das Reich in Italien zu erobern, vielmehr wieder in . 
Zeutſchland Hülfe ſuchen muß. Johanns XXII. Abſetzung 
iſt in der That der Anfang des päpfllihen Sieges. Ludwig 
muß fich von dem an auf Verhandlungen, auf Nachgeben und 
Bitten legen. Wie bei dieſer auffallenden Wendung bie teut⸗ 
ſchen Fuͤrſten und Stände fi benonmen, wird ſich aus dem 

Solgenden ergeben. 
Während K. Ludwigs faft dreiiähriger Abweſenheit bielt 


1) Villani, L. X. c. 107 gg. 
2) Dlenſchlager Staatsgeſch. ©. 123. 


- 414 Buy II. Erfer Zeitraum. Abſchnitt 2. 


die Iusemburgifche Partei fein Anfehn it Teutſchland aufrecht. 
Die Angriffe des Papfles fanden noch wenig Cingang. 

1328 As Johann XXI. die Krönung zu Rom erfuhr, erflärte 
er diefelbe fofort für ungültig und foberte Die teutfchen Für 
ften Auf, fich zu einer neuen Wahl zu vereinigen. Die paͤpſt⸗ 
lich⸗geſinnten Kurfürften Tamen wirklich zufammen, und weil 

der Erzbiſchof Balduin darüber mit dem Erzbiſchof Matthias 
von Mainz in "Streit gerieth, fo nahm füch der Papfi auch 

noch das neue Recht heraus, für diesmal die Wahl an einem 
andern Drte ald zu Frankfurt zu erlauben. Da aber Bat: 
thiad bald darauf flarb, fo entfland zuerſt eine zwiflige Erz⸗ 
bifchofswahl, weil es jeder Partei darum zu thun war ben 
neuen Erzkanzler fuͤr fih zu haben. Erzbiſchof Balduin ließ 

fich deswegen von bem Domcapitel pofluliren; der Papft aber 
cernannte den Graven Heinrich von Virneburg zum Nach⸗ 

4329 folge. Doch behauptete Balduin den größten Theil des Erz⸗ 
bisthums und wurbe fpäter mit Beiſtand K. Lubwigs auch 

1332 von der Stadt Mainz aufgenommen !). 

‚Gegen die Herzoge von Öfterreih fland K. Johann 

von Böhmen, Balduind Neffe. Die Marl Brantenburg war 

dem Schutze der Zeutichorbenssfitter übergeben. Die wie 

berholten Angriffe der wilden Lithauer half K. Johann zurüd: 
fhlagen, auch um feiner eigenen Rande willen ?). 

1330 Bei 8. Ludwigs Rüdkehr aus Italien fanden die Sa: 
hen noch immer gut. Der Papft ließ zwar eine heftige „Ag= 
gravation” gegen ihn ergeben und bedrohte mit den fchwerften 
Strafen Alle die ihm anhangen würden. Aber Lubwig vertrieb 
überall die Pfaffen die nicht beten und fingen wollten. Die 
Rheinftädte nahmen ihn freudig auf. Im Elſaß ſtand Herzog 
Dtto von Öfterreich; ex hatte mit päpfilichem Gelb eine flarke 
Kriegsmacht zufammengebracht, mit welcher K. Ludwig für ben 
Augenblid ſich nicht meffen konnte. Alein 8. Johann, der 

Mai. fich noch nicht lange mit Otto ausgefühnt und verfchwägert 
batte, vermittelte den Frieden. K. Ludwig beflätigte ben Her⸗ 
zogen von ÜÖfterreich alle Fürftenthiimer, Herrſchaſten und 


1) Gesta Balduin. L. III. ce. 7. 
2) Petrus Abbas in Chron, aul, reg. e. 20, 








Kaifer Ludwig IV. 1327 his 1338. 185 


Rechte welche fie vor feiner Wahl inne gehabt; Dagegen folls 
ten fie was fie fonft vom Reich eingenommen zurüdgeben, 
doch durften fie vier Städte am Oberrhein für die Kriegskoſten 
behalten. Beide Theile verbanden fich nebft.ihren Bundesge⸗ 
noffen gegen alle Feinde, ausgenommen bie Kirche, die Kurs 
fürften und einige andere Bifchöfe und Herren. Was vormals- 
zwiſchen kudwig und Friedrich verabredet worden und dem 
einen oder dem andern Thelle nachtheilig waͤre, ſollte aufge⸗ 
hoben fein :). 

Mach diefem Frieden trat Herzog Dito auch der Vermitts 


lung zwifchen 8. Ludwig und dem Papfte bei, welche K. Ios 


hann und fein Oheim Balduin bereitö eingeleitet hatten. Zus 
tranensvoll überließ fich der Kaifer dieſen Fürften, welche, um 
nur einmal Frieden zu machen es koſte was es wolle, folgende 
Bedingungen vorfchlugen: „Der Kaifer folle 1) feinen ketzeri⸗ 
fhen Gegenpapft Nicolaus V. abfegen; 2) die Appellation 
gänzlich aufgeben; 3) Alles widerrufen was er gegen die heis 
lige Perfon desd Heren Papfted unternonmen; er folle 4) ans 
erkennen, daß er darin zu weit gegangen und fich der Strafe 
des Bannes ſchuldig gemacht habe; 5) fich in Abficht der Aus⸗ 
fühnung der Gnade des Papftes uͤberlaſſen, jeboch mit dem 
Vorbehalt, daß er dabei in Stand und Ehren, d. h. beim Reich 
und Kaiferthum bleibe” 2). 

Wie konnte K. Ludwig über fich erhalten die muthvoll 
betretene Bahn ayıf einmal zu verlaffen und namentlich feine 
eidlich beſchworne Appellation ſelbſt zu vernichten? Ohne Zwei⸗ 
fel war ihm ſchon in Italien der Muth entfallen, und dann 
mochte man ihn glauben machen, er koͤnne immerhin einige 
Opfer ſich gefallen laſſen, wenn er ſich nur als Kaiſer behaupte. 
Allein er ſollte jetzt erfahren, daß, wer einmal anfängt in feis 
ner rechtmäßigen Sache Etwas nachzugeben, nicht eher losge⸗ 
laſſen wird, als bis ber Gegner Alles erreicht hat. 

Johann XXU. erwiederte nach feinem Syſtem ganz folges 
recht: „er Bönne Ludwig nicht begnabigen, folange er die Minos 
riten, welche ihn zu gefährlichen Vergehungen verleitet, ſchuͤtze; 


1) Olenfhlager, Urt. 61. 
2) Dienfhhlager, Urt. 62, 


16 Bud DL Erſter Zeitraum. Abſchnitt 2. 


ed ſei Iächerlich den Gegenpapft abfegen zu wollen (was er 
nicht einmal als vechtmäßiger Kaifer koͤnnte), da fish diefer 
bereits felbft in feine Hände übergeben habe; die Appellation 
fei voraus nichtig, bebürfe alfo nicht einmal der Aufhebung ; 
man koͤnne gar nicht vom Papfte appellivten, weil er Niemand 
über fi habe. Am Widerruf überhaupt fei es nicht genug, 
Ludwig muͤſſe das gefchebene Unrecht erſt erflatten, mit einem 
Wort dad Reich niederlegen, denn ein im Bann befindlicher 
Zyrann koͤnne gar nicht Anfpruch darauf machen; vielmehr 
follen die Fürften einmal zur Wahl eines rechtgläubigen römis 


ſchen Königs ſchreiten“ *). 


⸗ 


Ungeachtet dieſe Erklaͤrung vor der Hand noch Feine Wir: 
Tung In Zeutfchland machte, fo hatte fich doch Lubwig dem 
Papfte einmal bloß gegeben und zugleich ganz in die Arme 
bes Königs Johann geworfen, der bereits mit eigenen Ent- 


wuͤrfen umging, wozu ihn Lubwigs Schwäche felbft gereizt 


haben mochte. Iohanı: hatte indeſſen auch in Italien zu Gun⸗ 
fien Ludwigs vermittelt; da aber die Gibellinen Nichts mehr 
von ihm wiffen wollten, befchloß er hier unerwartet an Lud⸗ 
wigs Stelle felbft zu treten. Nachdem er ben alten Feind 
feines Haufes, den Herzog Heinrih von Kaͤrnthen und 
Graven von Zirol, wegen der Anfprüche auf Böhmen mit 
40,000 fl. zufriedengeftelt und eine Heirath feines Sohnes 
Johann Heinrich mit defien Tochter Margaretba befpro: 
chen hatte, ging er nach Xrient und ließ ſich gem von ben 
guelfifchen Brefcianern zu Hülfe rufen gegen Azzo Vifconti 
in Mailand und Maflino della Scala zu Verona. Der Kais 


1330 fer, dem diefe Herren zu mächtig wurden, gab zu, daß Dos 
Des. Hann eine. große Zahl oberländifcher Söloner warb, um bie 


Städte zu unterflügen; auch fand Iohann als Friedensſtifter, 
wie er fih im Sinne feines Vaters 8. Heinrichs VII. aufün= 
digte, einen über Erwartung günftigen Eingang. Auf der 
einen Seite gab er fich bei den Gibellinen für ben Taiferlichen 
Reichsvicar aus, bid die Städte fich unterworfen hatten; auf 
der andern trat er mit bem päpftlichen Legaten in Ferrara in 
Verbindung und überrebete bie Buelfen, er handle im Auf: 


‘ 1) Raynald, ad a. 1350. $. 29 aqq. 





"Kaifer Ludwig IV. 1327 bis 1338, 187. 


trage des Papſtes). Eine ſolche Doppelfeitigkeit konnte aber 
in die Länge nicht beftehen. Der Papft erklärte, daß er Nichts 
von 8. Johann wiſſe. Der Kaifer, welchen Johann immer 
noch bereben wollte, daß er Alles zum Bellen des Reichs 
thue, ſchloß zur Vorſorge doch ein näheres Buͤndniß mit. 1331. 
den Herzogen von Öfierreich unb ernannte den Herzog 9 Mai 
Dito zum Reichöverwefer in Teutfchland auf den Fall. feiner 
Abwefenheit. Auf dem Reichötage zu Nürnberg faflte K. Lud⸗ Jun. 
wig wieder etwas Muth und trug ben Ständen für’ erfle 
feine Befchwerden gegen ben Papft vor, daß vdiefer mit lau⸗ 
ter Zrug und Züden ihm begegne, und daß es Pflicht fei des 
in feine-Sefangenfchaft gerathenen Gegenpapfted fich anzuneh⸗ 
men?). Es ift aber nicht bekannt, was der Reichstag darauf, . 
beſchloſſen. Dann klagte Ludwig die Hinterlift des K. Io: . 
hann an, der jebody an feinem Oheim, dem Erzbifchof Bal⸗ 
duin, einen,fo mächtigen Fürfprecher hatte, daß auch Nichts 
gegen ihn bechloffen werben konnte. Um fo mehr bemühte 
fih K. Ludwig, hauptſaͤchlich gegen die päpfilich gefinnten =. 
Bifchöfe am Oberrhein, mit den Herzogen von Öftereeih, in 
beren Buͤndniß ausdruͤdlich bedungen war, daß die Beſetzung 
der Reichsvogteien in Schwaben und Elſaß mit ihrer Übereinz 
Rimmung geſchehen folle, auf die Grundlage des Städte: 
bunbes in Ober= und Nieder: Schwaben ein allgemeines 
Landfriedensbüundniß zwifhen den f[hwäbifchen und 
baierifchen Ständen, welchem aud feine Söhne nebft dem 
Markgraven von Brandenburg beitraten, einzuleiten. Diefes 
Bündniß, auf feine Lebenszeit geſchloſſen und von ihm beſtaͤ⸗ 20. Nov 
tigt, gab auf alle Faͤlle einen ſichern Anhaltpunct ’), wobei. 9. Dee. 
man fi nur wundern muß, wie fi Ludwig befien ungeach⸗ 
tet zu den folgenden Schritten verſtehen konnte. 

Als K. Johanns Unternehmungen von ſelbſt in's Stocken 
geriethen, kam er aus Italien zuruͤck und wuſſte den Kaiſer 
wieder ſo einzunehmen, daß er ihm nicht nur das italieniſche 


1) Albert. Argent. p.124. VillaniL.X, c. 168 sq. Henr. z 
Rebdorf. — Raynald, ad a. 1380. $. 18. 


2) Mutius Chron. Germ. p. 231. 
8) Geſch. v. Schwaben III, 224-2299, 


1885 Buch I. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 2. 


Reichsvicariat wirklich übertrug, fondern auch auf's neue feine 
Vermittlung bei dem Papfte annahm). Auf Johanns Rath 
1331 ließ Ludwig wieder eine Gefandtfchaft nad) Avignon abgehen. 
‚ 49.2. Er entſchloß ſich, ob gem ober ungern wiſſen wir nicht, noch 
weiter nachzugeben. Auſſer einem demuͤthigen Schreiben an 

. ben Papſt, worin er Alles zu thun verſpricht was unbeſcha⸗ 
bet der Ehre des Reichs gefchehen koͤnne, gab er den Seſand⸗ 
ten noch eine geheime Inſtruction mit, die fie jedoch nicht 
eber vorzeigen follten, als bis fie eines guten Erfolgs gewiß 


fein winden. Cr bewilligt nach dem Berlangen des Papftes, 
bie Minoritenund ben Marfilius nicht mehr zu fhügen?), 


‚wenn fie fich nicht zum Gehorſam bringen laffen wollten, 
vielmehr dem heil. Stuhl gegen fie beizuftehen, wenn fie Et 
was wider den Glauben lehren follten; er will fi der Kir- 
henbuße unterwerfen, um aus dem Bann zu fommen; er 
erfennt an, daß bie Kaiferfrönung und Salbung dem Papfte 
gebühre, und will deswegen die Krone fo lange niederle⸗ 


gen, bis er fie aus feinen Händen erhalte; er will Alles be. 


fhwören, was bie frühern Kaifer befchworen haben u. f. w.°). 
Allein der Papft, der ihn einmal fo weit hatte, befand auf 
unbedingter Niederlegung. So blieben die Sachen noch 
zwei SIahre und kamen auch durch König Johanns angeb> 
lihe Verwendungen nicht weiter. Diefer, ein aufferorbentlis 
‘her Gefchwindreiter *), eilte das eine Mal nach Paris, das 
andere Mal nach "Avignon, während "beide Mal die Öfterreicher 
mit den Ungern und Polen feine Erblande angriffen. In der 
That wolte er nur Frankreich und den Papſt für fi gewin⸗ 
nen, um in Stalien fi den Weg zum Kaifertjum zu bah⸗ 
nen; er fuchte auch von Frankreich aus mit einem geworbe⸗ 
nen Heere dahin einzudringen; allein die Guelfen und Gibel⸗ 
linen ſahen jetzt heller: fie traten zuſammen und verbanden 


1) Burgundus p. 137. Petrus Abbas in Chron. aul. reg. 
o. 27. 
ı 2) Rah Villani X, 102, war War (tus ſchon 1328 zu Monte 
Alto auf des Kalfers Rüdzug geftorben. 
8) Gewold, Defens. Lud. IV. imp. p. 118 sq. 
9 Petrus Abbas .c. 9. 


Kaifer Ludwig IV, 1327. bis 1338. 189 


ih auch gegen den König Robert von Neapel. Johann vers 1333 
mochte Nichts gegen die fehlen Städte und nahm endlich feis Aus. 
am Abzug °). Dagegen hoffte er bei feiner Rückkehr nach 
Zeutſchland Durch einen Handgriff ſchnell zu feinem Ziele zu 
gelangen. In Verbindung mit dem Könige von Frankreich 

brang er num in den Kaifer, daß dieſer, durch das feitherige 
Hinhalten ohnehin ſchon mürbe genug gemacht, endlich zu 

dem verzweifelten Entſchluß kam, ben letzten Schritt zu thun 
und fi dem Papſte unbedingt zu unterwerfen. Er that 
wirklich Verz icht auf das Reich, nur in ber Form meinte 
a noch eine Art von Hinterthüre offen zu behalten. Wie er 
feiner letzten Gefanttfchaft an den Papft befohlen hatte ben 
zu ſchlieſſenden Vergleich nicht eher herauszugeben, bis fie die 
Ausföhnungsbulle erlangt haben würde: fo warb jegt die Übers 
einfunft getroffen, die Sache noch geheim zu halten und den 
Verzichtbrief ?) in ‚bie Hänbe eines Dritten, des Herzogs Heinz 
uch von Nieberbaiern, fo lange nieberzulegen, bis die Abfolus 
tion wirklich erfolgt fein werde Ludwig bachte wohl nicht 
ders, ald mit der Abfolution werde dann auch feine Wies 
derherſtellung in die kaiſerliche Würde gefchehen. Es ift aber 
feht die Frage, ob die Unterhändler und der Papſt ihn nicht 
beim Worte gehalten haben würden. Herzog Heinrich war 
K. Johanns Schwiegerfohn , er that aber etwas vorlaut; er 
wollte fchon die Huldigung von den Rheinſtaͤdten einnehmen 
und fand unerwarteten Widerſpruch. Dad war Ludwigs Rets 
tung. Da Heinrich die Zufage gebrochen, fo hielt er fich bes 
rechtigt Öffentlich zu widerfprechen, daß er je an Verzichtleis 
fung gedacht babe’). 

Ludwig hatte noch -einen Gewinn: die Augen wurben 
ihm geöffnet; aber in der Sache felbft war Nichts gebeffert. 
Aus dee verftellten Freundſchaft der beiden Könige von. Boͤh⸗ 
men und Frankreich Ientfland offenbare Zeindfchaft, und 


I} 


1) Auſſer Petrus Abbas I, c. Vita Caroli IV. iap. in Fre- 
ker. ser. rer, Boh. p. 90 agq. 


2) Diefen ferbft hat man nicht mehr, fondern nur den Revers H. 
deintichs in Oefel. serr. T. II. p. 163 zqq. 


9) Henrixv. Rebdorf. — Andr, Ratisb. ad a, 1883. 


188 Buch DI. Erſter Zeitraum Abſchnitt 2, 


Reichövicariat wirklich übertrug, fondern auch auf's neue feine 
Vermittlung bei dem Papfte annahm?). Auf Johanns Rath 
1331 ließ Ludwig wieder eine Gefandtfchaft nach Avignon abgehen. 


| 49. Oct. Er entfchloß fih, ob gern oder ungern wiſſen wir nicht, noch 


weiter nachzugeben. Auſſer einem demuͤthigen Schreiben an 
. ben Papſt, worin er Alles zu thun verſpricht was unbeſcha⸗ 
det der Ehre des Reichs geſchehen koͤnne, gab er den Geſand⸗ 
ten noch eine geheime Inſtruction mit, die ſie jedoch nicht 
eher vorzeigen ſollten, als bis ſie eines guten Erfolgs gewiß 
fein wuͤrden. Er bewilligt nach dem Verlangen bed Papftes, 
bie Minoritenund den Marfilius nicht mehr zu fhügen ?), 
‚wenn fie fi nicht zum Gehorfam bringen laffen wollten, 
"vielmehr dem heil. Stuhl gegen fie beizuftchen, wenn fie Et⸗ 
was wider den Glauben lehren ſollten; er will fi der Kir⸗ 
henbuße unterwerfen, um aus dem Bann zu fommen; er 
ertennt an, daß die Kaiferfrönung und Salbung dem Papfle 
gebühre, und will deswegen die Krone fo lange nieberles 
gen, bis er fie aus feinen Hänben erhalte; er will Alles be. 
fhwören, was die frühern Kaifer befchworen haben u. f. w. ?). 
Allein der Papft, der ihn einmal fo weit hatte, befland auf 
unbedingter Niederlegung. So blieben die Sachen nod) 
zwei Jahre und kamen auch durch König Johanns angeb- 
liche Verwendungen nicht weiter. Diefer, ein aufferorbentfis 
‘her Sefchwindreiter *), eilte das eine Mal nach Paris, bas 
andere Mal nad) Avignon, während "beide Mal die Öfterreicher 
mit den Ungern und Polen feine Erblande angriffen. In ber 
That wollte er nur Frankreich und den Papſt für ſich gewin- 
nen, um in Stalien fih den Weg zum Kaiferthum zu bab: 
nen; er ſuchte auch von. Frankreich aus mit einem geworbe⸗ 
nen ‚Deere dahin einzubringen; allein die Guelfen und Gibel⸗ 
Iimen ſahen jetzt heller: fie traten zufammen und verbanden 


1) Burgundus p. 137. Petrus Abbas in Chron. aul. reg. 
ce. 27. 
2) Rach Villani X, 102. war Marſilius ſchon 1328 zu Monte 
Alto auf des Kalfers Rüdzug geftorben. 
8) Gewold, Defens. Lud. IV. imp. p. 118 sq. 
9 Petrus Abbas c. 29. 


Ralfer Ludwig IV. 1327. bis 1338. 180 


ſich auch gegen ben König Robert von Neapel. Johann ver 1333 
mochte Richt gegen die feften Städte und nahm endlich feis Aus. 
nen Abzug '). Dagegen hoffte er bei feiner Rüdkehr nach 
Zeutfchland durch einen Handgriff ſchnell zu feinem Ziele zu 
gelangen. In Verbindung mit dem Könige von Frankreich 
drang er num in den Kaifer, daß dieſer, durch das feitherige 
Hinhalten ohnehin ſchon mürbe genug gemacht, endlich zu 

dem verzweifelten Entſchluß kam, den legten Schritt zu thun 
und fidy dem Papfle unbedingt zu unterwerfen. Er that 
wicklich Verzicht.auf bad Meich, nur in ber Form meinte 
er noch eine Art von Hinterthüre offen zu behalten. Wie er 
feiner letzten Gefanttfchaft an den Papft befohlen hatte den 
zu fchlieffenden Vergleich nicht eher herauszugeben, bis fie bie 
Ausſohnungsbulle erlangt haben würde: fo warb jest die Übers 
eintunft getroffen, die Sache noch geheim zu halten und ben 
Berzichtbrief?) in ‚Die Hände eines Dritten, des Herzogs Heinz 
ih von Niederbaiern, fo lange nieberzulegen, bis die Abfolus 
tion wirklich erfolgt fein werde. Ludwig dachte wohl nicht 
anders, ald mit der Abfolution werbe dann auch feine Wies 
derherſtellung in bie Faiferliche Würde gefchehen. Es ift aber 
fehr die Frage, ob die Unterhändler und der Papft ihn nicht 
beim Worte gehalten haben würden. Herzog Heinrich war 
8. Johanns Schwiegerfohn,, er that aber etwas vorlaut; er 
wollte fchon die Huldigung von den Rheinftädten einnehmen 
und fand unerwarteten Widerfpruch. Das war Ludwigs Rets 
tung. Da Heinrich die Zuſage gebrochen, fo hielt er fich bes 
tehtigt Öffentlich zu widerfprechen, daß er je an Verzichtleis 
fung gebacht habe’). 

Ludwig hatte noch -einen Gewinn: die Augen wurben 
ihm geöffnet; aber in ber Sache felbft war Nichts gebeflert. 
Aus der verftellten Freundſchaft ber beiden Könige von. Böhs 
men und Frankreich Ientflandb offenbare Zeindfchaft, und 


—— 


1) Auſſer Petrus Abbas L. c. Vita Caroli IV. iap. in Fre- 
her. scrr. rer. Boh. p. 90 zqq. 


D, Diefen ſelbſt hat man nicht mehr, fondern nur ben Revers 9. 
Peinrichs in Oefel. scrr. T. U. p. 163 aqg. 


3) Henric. Rebdorf. — Andr. Ratisb. ad a, 1883. 


1335 
4. Xpr. 


1336 


9, Det. 


10 Bud IL Erfter Zeitraum. Abſchnitt 2. 


Ludwig machte Togar gegen ben Erſtern den Aingreifenden. 
Da nicht lange darauf H: Heinrih von Kärnthen und Ti: 
rol flarb, nahm er fein Wort zurüd, das er bemfelben in 
Abficht der Erbfolge feiner Tochter Margaretha, welche mit 
K. Johanns Sohn vermählt war, gegeben hatte, und fchloß 
ein nened Buͤndniß mit den Herzogen von Öfterreich, welche 
von Ihrer Mutter, des lebten Herzogs Schwefter, Anfprüche 
Auf die Erbfolge machten, während die Stänte von Zirol 
fich der böhmifchen Herrfchaft unterwarfen. Um Alles abzu⸗ 
ſchneiden, ergriff der Kaifer diefelbe Maßregel wie bei der Mark 
Brandenburg: ’ er erlärte Kaͤrnthen und Zirol fir erledigte 
Mannlehen und uͤbertrug fie dem Haufe Öfterreih). K. Jo⸗ 
hann lag zu Paris an Zumierwunden. Schnell machte er 
ein Gegenbündniß mit den Königen von Polen und Ungern, 
indem er allen Anfprüchen auf Polen und bie fchlefifchen Für: 
ſtenthuͤmer, welche er indefjen eingenommen hatte, entfagte. 
Sein Schwiegerfohn, Herzog Heinrich von Niederbaiern, trat 
bem Bündniffe bei. Johann ſchwur nicht eher zu ruhen, bis 
er den Kaifer tobt oder lebendig dem Papſte In Avignon über: 
Hiefert haben würde. Sein Angriff war gut berechnet. Nach⸗ 
dem er mit feinen Bundeögenoffen Öfterreich verheert, wollte 
er durch Baiern in Zirol eindringen. Ludwig vereinigte fich 
aber mit den Herzogen von Öfterreich und trat ihm bei Lan⸗ 
dau in Baiern mit einer fo flarten Macht entgegen, daß er 
keine Schlacht wagen wollte. Ludwig konnte fogar den Krieg 
nach Böhmen bringen, entzweite ſich aber unglüdlichermweife 
mit ben Herzogen von Öfterreich, weil fie ihm für die Kriegs: 
koſten Nichts abtreten wollten. Dies benuste K. Johann und 
fchloß mit den Herzogen einen befondern Frieden, ber bie Sa⸗ 
chen ließ wie fie vor dem Kriege waren. Kärnthen blieb bei 
Öfterreich, Tirol bei Böhmen. K. Johann erhielt auch von 
den Öfterreichern Entſchaͤdigung für die Kriegskoften. 

- Da faß Ludwig nun wieder, die Freunde flanden von 
ihm ab; 8. Iohann blieb ihm gram. Schon vor biefem 


1) Chron. Leob. ad a. 1835. Steyerer Comment. pro hist. 
Albert. II. etc. Addit. ad c. 1. p. 78 aq. Vita Caroli IV. imp. p. 96. 
auch zu bem Bolgenben. 


Kaifer Ludwig IV. 1327 bis 1338. 19 


Krieg war der unerbittlichftie Gegner, Papſt Iohann XXL, 

in hohem Alter geftorben; fein Nachfolger Benebict XIL, .ein 
guter, gerader Mann, der Nichts ſehnlicher wünfchte ald den 
paͤpſtlichen Stuhl aud der feanzöfifchen Sefangenfchaft wieber 

nah Rom zu bringen, hätte fi), wie es fcheint, dem Kaifer 1335 
gern zu biefem Zweck in die Arme geworfen und bot ihm Irr- 
felbft die Ausföhnung an!). Allein er hatte nicht die Um⸗ 

fiht und Erfahrung, um den Raͤnken bes franzöfifchen Hofes 

in Abficht auf Italien und das Kaiferthum eine windige Hal 

tung entgegenzuflellen; er fühlte dies felbft To tief, daß er 

dem Cardinalcollegium geſagt haben ſoll: „ihr habt einen 
Eſel gewählt)!" und gegen den Kaiſer vergaß er doch auch) 

den Papſt nicht. 

Ludwig Fonnte lange nicht glauben, daß bei den auds 
gefprochenen friedlichen Sefinnungen des Papftes die Ausſoͤh⸗ 
nung mit der Kirche nicht möglich fein folte. Er ließ eine 
ſtattliche Geſandtſchaft nach Avignon gehen, wobei auch fein 
after Geheimfchreiber, Meiſter Ulrich von Augsburg. Bes 
nebict empfing fie freundlich und machte folgende Bebinguns 
gen: Ludwig folle dem heiligen Stuhle verförechen was feine 
Vorfahren; das Unrecht. gegen Johann XXIL wiberrufen 
fowie die fchon von K. Heinrich VII. gegen K. Robert aus⸗ 
gefprochene Acht, und demſelben das italienifche Reichsvicariat 
verleihen; ex folle dad Eigenthum des römifchen Stuhles nie 
angreifen, namentlich beide Sicilien, Sardinien und Corſicaz 
Stalin und Rom folle ex nie wieber betreten ohne Geheiß 
des Papfles und die Stadt am Kroͤnungstage wieder verlafs 
fen; auch nie eine Gerichtöbarkeit im Kirchenſtaate auslıben >): 
Ludwig genehmigte biefe Bedingungen, fo emiebrigend fie 
waren, durch eine zweite Geſandtſchaft. Der Papfl nahm biefe Aug. 
noch freundlicher auf und bezeugte fein Vergnügen, baß ein 
fo ebler Aſt der Kirche wie Zeutfchland, der ſchon in Ludwigs 
Perfon fire abgerifien angefehn worden, wieder mit dem Baume 


1) Raynald. ad a. 1835. $. 1 sg. * 
2) Villani L. XI. c. 21. 
3) Raynald. ad a. 1386. $. 18 q. 


192 Buh IE. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 2. 


vereinigt werben follte. Er ruͤhmte die teutſche Ration und 
- nannte Ludwig den edelſten Herm der Welt. Die Sachen 
waren fchon am Abfchluß, da trat eine, anfehnlidhe. Sefanbt- 
ſchaft von den Königen von Zrankreih und Neapel bazwis 
fhen. Die Bebingungen des Papftes hatten hauptfächlich die 
Rückkehr nad Rom im ‚Auge. Das durfte nicht zugegeben 
werden. Man fragte ihn, wie er ſich denn mit einem Erz⸗ 
ketzer befreunden koͤnne. Er dagegen: haben wir uns nicht 
vielmehr gegen ihn vergangen? Ludwig würde mit dem Stabe 
in der Hand zu den Füßen unfers Vorfahren gekommen fein, 
wenn er angenommen worben wäre. Die Beichimpfungen 
die man ihm zugefügt, haben ihn zu Allem was er gethan 
gezwungen '). Nun ließ König Philipp auf die Güter der. 
franzoͤſiſchen Cardinaͤle Belchlag legen. Dies wirkte. Lubwigs 
Gefandte wurden nach vielfältigen Ausflüchten endlich wieder 
heimgeſchickt. 
1336 Nach dem kaͤrnthiſchen Kriege nahm Ludwig die Unter⸗ 
Oct. handlungen wieder auf und legte noch ein groͤßeres Suͤnden⸗ 
bekenntniß ab als zuvor. „Er habe aus bloßer Rache Jo⸗ 
hann XXII. abgeſetzt, wozu er ohnehin keine Macht gehabt. 
Er bereue, ſich der ketzeriſchen Viſconti und der Minori⸗ 
ten angenommen zu haben. Ihre Irrthuͤmer wegen ber Ar 
muth Chrifti habe er nie gebilligt und fie aus Unverſtand in 
‘feine Appellation mit aufgenommen. Als Kriegsmann, ber 
von gelehrten Streitigkeiten Nichts wifle, habe er fi) den 
Theologen und Religiofen überlaffen. Ebenfo bebaure er, ba 
er die Rathichläge des Marfilius und Johann von Gent 
angenommen unb ihre Lehren unter bem Volke habe verbrei= 
ten lafien. Zu diefem allen fei er durch die Härtigfeit feines 
Gegners gezwungen worden. Um dem heiligen Stuhle völlig 
genug zu thun, wolle er den Baiferlichen Zitel wieber ablegen, 
in eigener Perfon um Abfolution- bitten und die Bußen übers 
nehmen die man ihm auflegen würbe. Dagegen hoffe er, 
daß ber Papft ihn zu Gnaden aufnehmen, ihm die Taiferliche 
Würde wieder verleihen, das Interdiet von Teutſchland 


1) Albert, Argent. p. 126.. 


Kaifer Ludwig VI. 13771338. 193 


nehmen und alle feine Freunde von dem Banne befreien 

werde” !), 
Da Ludwig fich überzeugt hatte, wo das Haupthinberniß 

liege, fo ließ ex zu gleicher Zeit dem Könige Philipp durch | 

eine feierliche Geſandtſchaft Vergleich über feine bisherigen 1336 

Streitigkeiten mit dem Reich und ein freundfchaftliches Buͤnd⸗ Det. 

niß anbieten. Diefe treuherzige Annäherung brachte den Koͤ⸗ 

nig beinahe in Verlegenheit; ex that ald ober den Papfl um 

Rath fragte: einen folchen Antrag könne man ja nicht abwei⸗ 

fen. Einftweilen ließ ſich Philipp ald Grundlage des Buͤnd⸗ 

nified von ben Gefandten fchwören, baß Ludwig mit feinem 23. Dec. 

Feinde Frankreichs jemals fich verbinden, noch feinen Freun⸗ 

den und Unterthanen folches zulaffen wolle 2). Dabei ließ es 

Philipp bewenden. Nun glaubte der Papft nicht anders ald 1337 

mit der Abfolution vorfchreiten zu dinfen. Allein bie franzds Gebr. 

fifchen Carbindle verlangten Auffchub, bid bie Könige von E 

Frankreich und Neapel eingewilligt haben wuͤrden. Endlich 

kam Botfchaft von Philipp, Ludwigs Buße fei mur Verftels 

Img; der Papft war endlich genöthigt den Gefandten dieſelbe 

Antwort zu geben, nur mit.etwad mildern Worten, daß Lud⸗ 

wig noch nicht zue Buße gefchict fei. ' Vergeblich warnte Bes 11. Apr. 

nebict den König, „die fcharffüchtigen Zeutfchen” werben fich 

nicht Länger berumführen laffen °). Der tiefe Unwille, wels 

hen Ludwig über diefe Schritte empfand, weckte wieder 

Selbfivertrauen in ihm. Er rief feine Geſandten zuruͤck. Die 

Fuͤrſten waren jebt überzeugt, daß die Schuld nicht an ihm 

lege. Mit Zreuben wurden bie Geſandten des Königs 

Eduard III. von England aufgenonmen, welche ein Buͤnd⸗ 

niß gegen Frankreich antrugen. Alle Zürften, mit Ausnahme - 

8. Sohanns von Böhmen, gaben ihre Zuflimmung. Der 

fhlaue Philipp meinte, er babe Ludwig die Hände gebunden, 

AMein diefer hielt fih ſchon dadurch feines Eides entlebigt, 

daß der König neuerlich die Integrität des Reichs angegrifs 


1) Raynald. ad a. 1336. $. 31 egq. 

D Leibnit. Cod. jur. gent. p. 148 sqgq. 

9) Raynald. ad a. 1837. $. 1 sqq. 
Pfifter Geſchichte d. Teutſchen ZU. 13 


194 Bub IL Erſter Zeitraum. Abſchnitt 2, ° 


fen und einige fefte Orte in der Gegend von Cambrai einge: 

nommen hatte ?). Ohne weiteres Bedenken gab er feinem 

4337 Schwager, dem 8. Eduard, die Hand zum Bunde. Eduard 

22. Sul. verfprach ihm die Würde des Kaiſerthums mit aller feiner 

Macht verteidigen zu helfen und zu dem Zug nach Avignon 

300,000 Goldgulden auszubezahlen. Ludwig verfprach dDage 

gen ihm 2000 teutfche Heime auf naͤchſtes Spaͤtjahr zum 
Kriege gegen Frankreich in Perfon zuzuführen ?). 

Noch einen Schritt that Ludwig, um auch die Geiſtlichkeit 

{im Reiche zur Übereinftimmung zu bringen. Der Papfk hatte 

fi) noch befonderd darüber befchwert, daß Lubwig Balduins 

eigenmächtige Befignahme des Erzbisthums Mainz gegen Hein: 

rich von Virneburg dulde. Er wollte endlich einen neuen Ein⸗ 

griff in die Verfaſſung thun und dad Erzbisthum durch zwei 

beſondere ‚Legaten in Befchlag nehmen laffen ’). Um bies 

auszufchlieffen, bewog Ludwig den Erzbifhof Balduin bie 

Würde dem Domcapitel zurüdzugeben. Diefes wählte fobann 

den fchon vom Papft ernannten Heinrich von VBirneburg, 

jedoch nur unter ber Bedingung daß er gemeinfchaftliche Sache 

mit dem Kaifer mache *). Dad that Heinrich und berief balb 

1338 darauf eine Kirchenverfammlung feined Sprengeld, zu welcher 

März. auch der Kaifer felbft Fam. Als nun die Bifchöfe aus feinem 

Munde vernahmen, wie Ernſt es ihm fei, Frieden mit ber 

Kirche zu ſchlieſſen, wollten fie auch ihrerfeitö durch eine eigene 

Geſandtſchaft den Papſt dazu ermahnen >). Allen die Ge 

fandten fanden, daß Benedict XII. nichts Anderes thun dürfe, 

als was der König von Frankreich verlange; zur erſten Be 

dingung muffte er machen, daß Ludwig die Feindfeligkeiten 

gegen Frankreich einftellen fole. Albert von Straßburg, 

ber bald darauf in Sachen feines Bifchofs nach Avignon kam, 

verfichert in feinem fchägbaren Gefchichtwerke, Benebict XH. 

habe den Gefandten mit Thraͤnen · entdeckt, K. Philipp habe 


1) Raynald. I, c. $: 18. 

2) Rymer. IV. p. 798 agq. 

8). Raynald ad a. 1356, $. 57 aqq. 1338. $. 6. 
4) Albert. Argent. p. 177. 

5) Olenſchlager Url. 66, 


Kaifer Ludwig IV, 1327--1338. 195 


ihn bedroht, wenn er ben Baier abfoloire, fo folle er noch 
härter behandelt werden als Bonifactus VILL °). 

So muflte ed kommen, bis die geiftlihen und welt 
lihen Fürften, wie zu 8. Heinrichs V. Seit, allgemein zur - 
Einficht gelangten, ed gelte nicht bloß dem Kaifer, es gelte 
auch ihren Rechten und überhaupt ber Unabhängigkeit des 
Reiche, da zuerft die Anmaßung ber Päpfte, dann ihre Schrods 
de ed dahin gebracht, daß die Beflätigung der vömifchen Koͤ⸗ 
nigewahl von: einer fremden Macht abbängig fein follte, 

Was hatte ed geholfen, daß Ludwig aus Föniglicher Macht 
vollkommenheit die Freiheit und Rechtmäßigkeit feiner Wahl 
gegen Johann XXI. auögefprochen? Seine unmwürdige Zus 
rudnahme der Proteflation bereitete dem Papſt nur neuen 
Zriumpb. Doch eben diefe Widerfprüche mufften die Beffern 
im Bolfe zum Nachdenken, zu tiefern Unterfuchungen führen. 
Bir ſehen die Fortfehung deflen was ſchon unter K. Heins 
richs IV. Kampfe begonnen. Die päpftlihen Schriftfieller 
kamen zu ſpaͤt. Wenn der ſpaniſche Minorite Alvarus Pela⸗ 
gius in einer Schrift „Klage der Kirche” 2) die alten Anma⸗ 
zungen wieder aufftellen wollte: „daß der Papft über alle an« 
dere Macht erhaben, keinen Richter auf Erden Über fich habe, 
beide Schwerbter führe und Kaifer und Könige abfegen koͤnne: 
fo ließ ein anderer Minorite, der Bruder Bonagratia, eine 
Schrift audgeben über die Unrechtmaͤßigkeit der Bannflüche 
Johanns XXII. und über die Rechte des Kaiferthums, wel 
che an alle Gapitel und gelehrte Anſtalten gefandt wurde °). 
Auffer der ſchon angeführten Schrift des Marſilius erfchies 
nen noch zwei eben fo bedeutende Werke: das eine von dem 
englifchen Minoriten Wilhelm Occam, „über bie Grenzen 
der geiſtlichen und weltlichen Gewalt”; das andere von einem 
teutfchen Domherrn, Lupold von Bebenbaurg, „über die 
Rechte des römifchen Reichs und Kaiferthbums” *). 


1) Albert, Argent. p. 127. 132, 
2) Du Pin Bibliotheque etc. T. XI. p. 64. 
3) Freher. scrr. T. I. | 
4) Die fämmtlichen hierher gehörigen on find gefammelt in 
Goldast. Monarchia 8. Rom. Imp. etc. T. I 
48 . 


16 Bud TU. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 2. 


Wenn die Päpfte bisher Gregors VII. Princip durch 
falfch gebeutete Schriftftellern unb untergefchobene Decretalen im 
gröbften Widerfpruche mit der Gefchichte zu behaupten ſuch⸗ 
. ten: fo bat nun einerfeit8 Occam aus der Schrift, aud dem 
altrömifchen und kanonifchen Recht, andererfeits Marſilius 
aus den Grundfägen ber ariftotelifhen Philof o phie bie Ge 
gengründe geführt; Bebenburg aber ifl einer der Erſten ber 
aus der bisher vernadhläffigten Geſchich te die factifchen Be: 
weife aufgeftelt bat '), und fo machen bie Schriften diefer 
drei Männer zuſammen ein treffliches Ganzes, das die Paͤpſt⸗ 
Ver nicht mehr umſtoßen Eonnten. Aus jenen drei Stand: 
puncten haben fie folgende Säge aufgeftellt : 

1) In einer Wahlmonarchie wird die hoͤchſte 
Gewalt durch das Volk mitteld der Wahl über: 
tragen. Die Übertragung des Reich auf Karl den Großen 
iſt zufälligermweife, nicht in der Regel durch den Papfl, 
weil Niemand anders dawar, aus göttlihem Recht gefche 
ben; aber die Rechtmaͤßigkeit diefer factifchen Veraͤnde⸗ 
sung hat auf der Einwilligung des Volks beruht. - 

2) Das Wahlrecht der Kurfuͤrſten kann durchaus nicht 
vom Papſte abgeleitet werden; der kirchliche Act der Kroͤnung 
giebt ihm auch Fein- Recht, dem durch Mehrheit Gewaͤhlten 
folche zu verfagen ober erft eine Prüfung feiner Züchtigkeit 
anzuftelen. | 

3) Die Gewalt des Papftes ift von ber kaiſerlichen ganz 
verfchieden und nicht höher als diefe. Die von Gott einge 
feßte Gewalt gehört in weltlihen Dingen dem Kaifer 
allein, in geifllihen den Bifchöfen überhaupt; daher 
iſt auch der päpflliche Primat, foweit er die Goncilien und 
die bifchöfliche Gewalt beeinträchtigt, eine Ufurpation. Der 
Kaifer als folcher iſt auf Feine Art der geiſtlichen Gewalt 
unterworfen. 

4) Wenn Ketzer nur diejenigen ſind welche die Grund⸗ 
Wahrheiten der chriftlichen Religion bezweifeln, fo ift Verketze⸗ 

41) Wir bezeichnen hier nur das Vorherrſchende bet jebem, wos 
bei es ſich von felbft verfteht, daß fie auch Brände aus den andern Faͤ⸗ 
chern beigezogen haben. 





v 


Kaiſer Ludwig VI. 1327-1333. 197 


rung derer, welche nicht in allen geiſtlichen und weltlichen 
Dingen die paͤpſtliche Autoritaͤt unbedingt anerkennen, ein 
Misbrauch des Banned). 

Dieſe Saͤtze ſind es welche bei dem weitern Verfahren 
gegen den Papſt zum Grunde gelegt wurden. Mit dem In⸗ 
veſtiturſtreit hatte der Kampf zwiſchen dem Kaiſerthum und 
Papfitbum zu Gregors VII. Zeit begonnen, und das worm⸗ 
fer Eoncordat hat auch nur die Grenzen der beiben Gewalten 
bei der Inveftitur beflimmt. Die Hauptfrage über ihr Vers 
bälmiß zu einander felbft blieb indeflen auf fich beruhen oder 
wurde vielmehr durch eine Reihe von Ufurpationen noch vers 
widelter gemadt. Als die Hohbenflaufen in der Bekämpfung 
auch dee weltlichen Herrſchaft des Papſtes erlagen, übers 
tedete man ſich, jetzt ſei erſt die rechte Zeit gekommen den 
tdmiſchen Stuhl über ale Gewalten zu ſtellen. 

Längft wäre e8. Sache des Reichstages gewelen bie 
wohlhergebrachten Rechte des Reichs factifch gegen den Papfl 
zu behaupten. Aber die Uneinigleit unter den Fürften und 
die Bahlparteiungen befonder& hatten es nicht zugelaffen, ober 
vielmehr noch bie innere Blöße den Eingriffen des Papfles 
dargeboten.” Endlich ba die beffern Einfichten fich verbreitet 
hatten, da alle Stände mit Ungebuld das Ende der vieljähris 
gen Zerrhttung zu fehen wünfchten, gelang ed dem K. Lud⸗ 
wig IV. nach mehren vergeblihen Verſuchen einen — 
denden Reichstag zuſammenzubringen. 

Noch ein beſonderer Fall zeigt, zu welchem Selbſtgefuͤhl 
kudwig IV. ſich jetzt erhoben. Während dieſe wichtigen 
Verhandlungen eingeleitet wurden, warf er auch einen Blick 
auf die entfernteſter Grenzen des Reichs. Er verlieh dem 
teutfchen Orden aus Paiferlicher Gewalt ganz Litthauen zum 
eigenen und ewigen Beſitz. Seine Meinung war, nicht der 
Papft fondern der Kaifer, als oberfter Lehenshere der Chris 
fimbeit, habe über folche Länder zu verfügen, welche erſt zum 
chriſtlichen Glauben gebracht werben follten. Zur. Ehre ſeines 
Haufes fügte Ludwig noch weiter hinzu, die Baierburg, 
welhe Herzog Heinrich an der Memel erbaut, ſolle der Mit⸗ 


H Bergl. Eichhorn teutſche Staats⸗ * gechts· Geſch. 8. 393. 





1338 


195 Bud IL Erſter Beiteaum Abſqhnitt 2. 


telpunct ber Eroberung bleiben, und die neue Kirche für immer 
ben Namen Baiern führen '). 
Zu dem großen Reichötage in Frankfurt wurben nicht 


nur die geifllihen und weltlichen Kürften und Herren, fons 


dern auch die Reichs⸗Freien und Edeln, bie Gapitel von 
den Stiften und der Städte Sendboten berufen. 8. Lud⸗ 
wig eröffnete die VBerfammlung im vollen kaiſerlichen Schmude 
und klagte mit Wehmuth über die. bisher von ben Päpften erlits 


tene Schmach; er berichtete feine vielfältigen Bemühungen zu 


Herftellung des Friedens und befchwerte fich hauptfächlich, Daß 
man ihn wegen angefchulbigter Keberei vom Reiche verbrans 
gen wolle. Um Fürften und Volk von feiner Rechtgläubigkeit 
zu überzeugen, fprach er Hffentlic mit lauter Stimme dad Va⸗ 
ter Unfer, den englifhen Gruß und das apoftolifche Glau⸗ 
bensbefenntniß 2). Dann trug er auf einen Reichöfrieg gegen 
den 8. von Frankreich an, weil dieſer eigentlich die Ausſoͤh⸗ 
nung mit der Kirche verhindere ’). Wie er es aber mit dem 
Dapfte anzugreifen habe, wiſſe er nicht mehr; er begehre alfo 
darüber der Stände Rath und ſtandhafte Erktärung. 

Nun traten die Stände zufammen und festen eine Ans 


zahl von Kanoniften, Juriſten und Prälaten nieder, um bie 
. Sachen in genaue Erwägung zu ziehen. Als dieſes gefchehen 


war, erflärten die Stände einmüthig auf ihren Eid, „daß der 


Kaiſer gegen den Papſt Alles erfchöpft habe was man von 


ihm hätte verlangen koͤnnen, und daß ihm wegen ber biöheris 
gen Verwirrung Feine Schuld gegeben werden Tinne”. Dar 
auf fafiten fie den Befchluß, daß alle Proceffe Sohannd XXIL 
für nichtig zu achten und der Kaifer zu erfuchen fei das Ins 
terdict im ganzen Reiche aufzuheben und die ungehinderte 
Verrihtung ded Gottesdienftes zu gebieten. Die Geiſt⸗ 
lichen welche fich widerfegen würden, follten als Ruheſtoͤrer 
zu fchwerer Strafe gezogen werden *). 

Indeſſen ging ber Kaifer mit den Kurfürfien nad 


1) Voigt Geſchichte Preuffens zc. IV. 558 £. 
2) Chron. S. Petzin. Erfurt, ad a, 1338, 

8) Raynald, ad a. 1333, $. 8, 
4) Joh. Vitodur. ool, 1344. 


Kaißer Ludwig IV. 1327—1338, 199 


Renfe zum Königöfluhl, um Über die Hauptfache, das anges . 
fohtene Wahlrecht, fich zu vereinigen. Das ganze pfalzs 
baterfhe Haus war anweſend: die Neffen des Kaifers, Pfalz: 
gran Rudolf mit feinem Bruder und Bruderdfohn, und Hers 
zog Stephan, bed Kaifers jüngerer Sohn. Wiewohl fie zus 
fanmen mır Eine Stimme hatten, fo wirkten fie doch nicht 
wenig auf bie andern, gemeinfchaftlich mit dem Markgraven 
Ludwig von Brandenburg, des Kaifers aͤlteſtem Sohne. Dies 
fen zwei weltlihen Stimmen traten gern die drei rheinifchen 
Erzbifcgöfe beit Heinrich von Mainz, weil er dem Kaifer den- 
Befig feined Landes verdankte, Balduin von Trier aus alter 
Grgebenheit, Balsam von Coͤln ald Schwager des Markgra⸗ 
ven von Juͤlich, der dad Buͤndniß mit England betrieben, 
Ihnen fchloß fich auch der Herzog Rubolf von Sachſen an. 
Nur 8. Iohann von Böhmen blieb im Widerſpruch, ber Eins 
zige der den Reichstag nicht befuchte. Alfo traten bie genann- 1338 
ten ſechs Kurfuͤrſten zuſammen und verbanden ſich durch einen 18. Sul. 
‚ feierlichen Eid, „daß fie das heilige römifche Reich und ihre 
firftliche Ehre, die fie von ihm, haben, an der Kur bes 
- Reid, an feinen und ihren Rechten, Freiheiten und Her 
kommen, wie ed von Alters an des Reichs Kurfürften herges 
bracht iſt, handhaben, ſchuͤtzen und fchirmen wollen nach aller 
ihrer Macht und Kraft wider, männiglih, Niemand audges 
nommen, weil es ihre Ehre und ihren Eid angehe, und daß 
fie das nicht laſſen, durch Feinerlei Gebot, fondern einander _ 
bebolfen und beiftändig fein und auch ihre Leute und Bürger 
dazu anhalten wollen. Im Fall Zweiung oder Zweifel über 
diefe Sachen unter ihnen aufftünden, fo fol es bei dem blei⸗ 
ben, was fie gemeinfam ober ber mehrere Theil unter ihnen, 
fprechen und machen würden; und welther von ihnen dieſer 
Berbindung entgegenhandeln wide, folfte vor Gott und aller 
Welt ehrlos, treulos und meineibig fein und heiffen” *). 

Diefed Buͤndniß heifft der erſte Kurfürftenverein. 
Nach dem Abfchluffe deffelben ward mit Rath und Zuſtimmung 
der Kurfürften und anderer Fuͤrſten des Reichs folgende kai⸗ 
ferlihe Satung verfafit: 


1) Olenſchlager Url. 67 (teutfch). 


200 Buch IL: Erſter Beitegum, Abſchnitt 2. 


„Obwohl beider Rechte Zeugniffe offenbar erflären, daß 
die kaiſerliche Wuͤrde und Gewalt unmittelbar von Gott aus⸗ 
gegangen, fo hat es doch verbiendete und unwiffende Leute- 
gegeben, welche -fagen wollten, daß die Faiferliche Würde und 
Gewalt vom Papft fei und daß der Erwählte nicht eher wah⸗ 


‚ rer Kaifer oder König fei, bis er vom Papfte beftätigt und 


gekrönt wäre. Zur Entfernung diefes Unweſens erklären wir 
nun, daß die Eatferliche Würde und Gewalt unmittelbar von 
Gott allein komme, und baß derjenige ber von allen oder 
den meiften Kurfürften zum König ober Kaifer gewählt wors 
ben, fofort und vermöge der Wahl allein für den wahren Kös 
nig und römifchen Kaifer zu halten und fo zu nennen fei, und 
alle Glieder und Untertbanen des Reichs ihm gehorchen müfs 
fen; daß er auch völlige Macht habe alle Reichs⸗- und Kaifers 
Rechte zu verwalten und der Einwilligungund Beflätigung bed 
Papſtes hierzu gar nicht bebürfe. Würde Iemand biefem ewig 
dauernden Reichsgeſetze auf irgend eine Weife entgegenhans 
bein, fo folle derſelbe aller feiner Reichslehen und aller erhals 
tenen Rechte und Sreiheiten verluftig fein und als ein Dias 


jeftätöverbrecher angefehen und beflxaft werden“ 1). 


1338 
8. Aug. 


Diefed Faiferliche und Reichs-⸗Grundgeſetz von der Une 
abbängigkeit bes Kaiſerthums ließ K. Ludwig bei feis 
ner Ruͤckkehr nach Frankfurt vor allem Volke verkünden. An 
bemfelben Tage ließ er ein Manifefl, von dem Minoriten Bos 
nagratia verfafit, an den Kirchthüren anfchlagen, worin bie 
Miderrechtlichfeit der päpftlichen Proceſſe erwieſen und dad Ins 
terbict im ganzen Reiche aufgehoben wurde. Dabei ergingen 
noch drei befondere kaiſerliche Sagungen: die eine, daß Nies 
mand eine päpftliche Bulle annehmen oder befolgen folle, ohne 


"Erlaubniß des Didcefanenz die andere, daß ber Eid welchen 





ber Kaifer dem Papfte zu Ieiften pflege, nicht, wie Clemens V. 
gewollt, ein Eid der Freue, fondern ein Gehorfamds und 
Schutz⸗Eid in Abfiht des Fatholifchen Glaubens fein follez 
die dritte, daß bei Erledigung des Reichs nicht ber Papft fon« 
dern der Pfalzgrav am Rhein dad Reichövicariat habe 2). 


1) Dlenfhlager urk. 68 (lat.) 
2) Olenſchlager ©. 288 f. urk. 69.70. 





Katfer Ludwig VI. 1327-1338, 21 


Nach ſo langer Schmach und Erniedrigung des Reichs 
in ſeinem Oberhaupte ſah endlich die Wahlſtadt den Tag, da 
der Kaifer mit Beiſtand der Fürſten die Ehre und Würde 
bes Reich wiederherſtellte. Doch. müffte man fi) wundern, 
wenn bie päpflliche Partei fchon gewonnen gegeben hätte. 
Benedict XII., von dem Befchluffe der Kurfürften benachrich 
tigt, bedrohte fie mit feiner höchften Ungnade. Zu Frankfurt 
waren feine Abgeordneten, welche an bemfelben Tage feine 
Bannbullen anfchlugen. Am ungebärbigften zeigten fich bie 
Dominicaner und GCarmeliter, als fie den Gottesdienft wieder 
eröffnen follten. Sie wurden aber in Frankfurt und in den 
übrigem Städten und Gebieten auögetrieben *). Auffer der 
firhlihen Zerrüttung hatten auch viele andere Unorbnungen 
inbeffen überhband genommen. Die fläbtifhen Bünfte ver 
trieben mit der Geiftlichfeit zugleich die adeligen Geſchlech⸗ 
ter, welche fich nicht mit ihnen vereinigen wollten. Der Ps 
bei, durch Hunger und Seuchen geplagt, erhob wieber eine 
Judenverfolgung. K. Ludwig ließ deshalb den. früher ge⸗ 
orneten Landfrieden zwifchen Herren und Städten auf 1340 
feine Lebenszeit verlängern und erneuerte auch das Büntnig . . 
mit H. Albrecht von ſterreich?). So kam endlich einige 1339 
Kuhe in die Rheinlande, doch nicht lange. | 


8. Vom Kurverein bis zu K. Karls IV. goldner Bulle, 
1338— 1356. 


Kaiferlicher Rehtsfpruh zwifhen England und 
Frankreich. LubwiglV. tritt wieder auf die letztere 
Seite, um die paͤpſtliche Kosfprehung zu erhals 
ten; vergeblih. Seine Landerwerbungenz Tirol. 
Zurückſtoßung des Iuremburgifchen Haufes. Lud⸗ 
wigs abermalige Annäherung an Frankreich und 
neue Demüthigung vor dem Papfte Die Fürften 
Itennen ihre Sache von der bed Kaifers. Ludwig 


1) Dlenfälager a. a. D. 
2) Gefhichte von Schwaben II, 237-260, 


3. 


202 Buch II. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 2. 


erwirbt Holland. Gegenwahl Karls IV. mit Um: 
ſtoßung des Kurvereins. Ludwigs IV. Tod; Über: 
ſicht ſeiner Regierung. Die Wahlfreiheit durch 
Erzbiſchof Heinrich von Mainz behauptet. Guͤn⸗ 
ther von Schwarzburg. Karl IV. gewinnt bie Für⸗ 
ſten und Staͤdte und laͤſſt ſich zum zweiten Mal 
kroͤnen als geſetzlich erwaͤhlter König Traurige 
Lage Teutſchlands. Die große Peſt. Judenver⸗ 
folgung. Geißlerſecte. Landfriedensanftalten. 
Vermehrung ber boͤhmiſchen Hausmacht, beſon⸗ 
ders auf Koſten des baieriſchen Hauſes. Erneuerte 
Landfriedensanſtalten am Oberrhein. Reichskrieg 
gegen Zürich. Karls IV. Kaiſerkroͤnung. Petrarcha. 
Letzte Begeiſterung der Roͤmer fuͤr das Kaiſerthum. 
Reichsſstag zu Nürnberg und Mes. Wahlgeſetz. 


—_ Auf ven großen Reichstag zu Frankfurt folgte ein zweiter zu 
ept. Coblenz / welcher die Macht und das Anfehn des Reichs 


eben fo gegen ben König von Frankreich zeigen follte wie 
‚jener gegen den Papſt. K. Eduard II. von England erfchien 
in Perfon, um Kaifer und Reich zum Richter aufzufobern. 
K. Ludwig IV. faß im vollen Schmude auf dem Thron in 
der Mitte des Marktes, hinter ihm ein Ritter mit bloßem 
Schwerbt, zu feiner Seite 4 Herzoge, 3 Erzbiſchoͤfe, 7 Bis 
fhöfe und 37 Graven; an Edeln und Witten wurden gegen 
17,000 gezählt. Auf einen anden Thron feste ſich etwas 
fpäter der König von England von feinen Großen umgeben. 
Nachdem die frankfurter Sagungen von der Unabhängigkeit 
bed Kaiferthbums noch einmal verlefen und beflätigt waren, 
klagte Eduard: der König von Frankreich habe ihm nicht nur 
die Normandie, Guienne und Anjou weggenommen, fondern 
auch bie franzöfifche Krone, fein vechtmäßiged Erbe: von dem 
Kaifer, als oberſtem Richter der Chriftenheit, verlange er Ges 
rechtigkeit und Hülfe.” 


Das Zürflengericht erkannte die Klage des Königs für 


. gerecht. Der Kaifer, fich ebenfalls beflagend, daß K. Phi⸗ 


lipp VE. über feine teutfchen Neichölehen noch Teine Beleh⸗ 
nung nachgefucht, fprach dem Könige von England fein Erbe 








Vom Kurverein 1338 b. 3. goldnen Bulle 1356. 203 


zu, verhieß ihm Beiſtand und ernannte ihn zum Reichsver⸗ 
wefer in fämmtlichen Landen jenfeit des Rheins, mit der Weis 
fung an die niederlänbifchen Fürften und Herren, demſelben in 
dieſer Eigenfchaft gegen Frankreich beizuftehen. Auf fieben 
Jahre warb biefes zugefagt. Das Ganze war ſchon vor bies 

fer feierlichen Verſammlung verabredet, in Beziehung auf ben 
fhon angeführten Subfidientractat. 

Dann erließ der Kaifer eine Auffoberung an Philipp von 
Valois (ohne ihm ben Königötitel zu geben), daß er zu Recht 
ſtehen folle wegen der Klagen K. Eduards; fonft werde er 
ihm abfagen, da er auch biß jeßk feine Lehen vom Reich noch 
nicht empfangen habe: Dem Papfte gab Ludwig ebenfalls 
Nachricht. 2 : 


Philipp fand bei diefen Verhandlungen beveitö im Felde, 
Auch 8. Eduard hatte ſchon eine beträchtlihe Macht beifams 
men und fchloß mit den nieberländifchen und rheinifchen „Kür: 
fien noch befondere Subfidienverträge '). Bei Eröffnung des 1339 
Feldzuges im nächften Jahre leiftete der Kaiſer den vertragds . 
mäßigen Zuzug durch feinen Sohn, den Markgraven Ludwig 
von Brandenburg. Philipp wich aus; er wollte fich mit dem 
deiperaten und graufamen Volfe in Feine Schlacht einlaflenz 
fo nannte er bad vereinigte Heer?). Dagegen fehnitt er ihm 
bie Zufuhr ab, daß es fich wieder nach Brabant zurüdziehen 
muffte. Im folgenden Jahre aber blieb Lubwigs Hülfe uus, 
weil die Subfidien zu fpdt und in geringerer Summe anka⸗ 
men, daher er fie wieder zurucdfandte?). K. Eduard machte 
defien ungeachtet glüdliche Zortfchritte, nachdem er die franz 
zoͤſiſche Flotte an der flandrifchen Küfte zerftört hatte. Aber 
in Zeutfchland fchmählte man über ben Kaifer. Seine geheis 
men Beweggründe Famen auch bald an den Tag. Philipp VL 
hatte ihn gleich zu. Anfang des englifhen Buͤndniſſes durch 
den Papft bedroht, dann wieder mit der Hoffnung getäufcht, 
feine Ausföhnung mit dieſem zu bewirken, wenn er von dem 
Buͤndniß ablafjen würde. Als die Fuͤrſten feine Wankelmuͤ⸗ 


5 


1) Dlenfhlager Staatsgeſchichte S. 292 ff. 
2) Brabanzonen, Teutfche, Slaminger. Villani L. XI. c. 86. 
3) Mannert Preisfchr. S. 405 ff. 











203 Bud UL. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 2. 
thigkeit bemerkten, drangen fie darauf die franffurter Sagun- 


1338 gen auf einem neuen Neichötage nochmals zu befldtigen und 


März. 


1340 . 


als allgemeines Reichögefeb in Austbung zu bringen. Auch K. 
Johann von Böhmen, der indeſſen zurhdigehalten hatte, Fam 
mit feinem Sohn Karl, ſchwur dem Kaifer den Eid, ber 
Treue und gab Hülfe gegen Frankreich. Während des zwei: 
ten Feldzugs ließ Philipp ferne Schweiter, die Huge Johanna 
von Valois, verwittwete Giaͤvin von Hennegau und Holland, 
ald Vermittlerin eintreten. Die Gemahlin Eduards und die 
Gemahlin Ludwigs waren beide ihre Töchter. Durch jene er: 


235. Sept. pielt fie zuerft, daß Eduard einen neunmonatlichen Stillſtand 


einging. Dann gewann fie „die Beherrfcherin von Teutfchland" 


durch dad PVerfprechen, daß Philipp jetzt gewiß die Ausfühs 


134 


24. San. 


nung mit dem Papſte durchfegen werde. Der Kaifer, ſchon 
wieber in Gewiffensangft, nahm das Erbieten begierig an und 
verfgrath „ein guter, treuer, gänzlicher Sreund und Bundes: 
genoſſe“ König Philipps zu fein. Unter dem Vorwand, baß 
Eduard den Stilftand ohne ihn gefchlofien, nahm er dem» 
felben das Reichsvicariat ab, bot ihm aber boch feine Frie⸗ 
denövermittlung an. 

Eduard war darüber nicht wenig verwundert und erwies 
berte, einzelne Unterhandlungen feien ihm wohl erlaubt gewe⸗ 
fen, die Zurucknahme des Reichsvicariats aber fei erſt auf den 
Fall bedungen worben, wenn Frankreich ober ein beträdytlicher 
Theil diefes Reiches erobert fein würde. Doch erreichte Lud⸗ 
wig auch durch diefen Übertritt feine Abficht nicht. Er meinte, 
da Philipp jetzt Öffentlich auf feine Seite getreten fei, fo werde 
der gute Benedict zu der Abfolution gleich ja fagen. Sons 
berbar ruft Albert von Straßburg aus: ber Franke that als 
ob er wollte, was er doch nicht wollte, Benebict, als ob er 
nicht wollte, was er wolte. Ludwig erhielt wieder die vorige 
Antwort, er müfje fich erſt den Rechtöformen unterwerfen und 
wahre Zeichen des Gehorſams und der Reue zeigen ')! 

Für diefen fchmählichen Ausgang tröftete fid) Ludwig auf 
einer andern Seite mit Landerwerbungen. Sein älterer Brus 
der, Pfalzgrav Rudolf, der faft immer gegen ihn gewefen, 


1) Olenfhlager ©. 85-810. 


Dom Kurverein 1338 b. z. goldnen Bulle 1356. 205 


endigte im Ausland, nachdem er ihm fein Land gegen ein ges 1319 
ringed Jahrgeld hatte abtreten müflen. Obgleich derfelbe drei 1317 
Söhne, Adolf, Rudolf und Ruprecht, binterlaffen, fo behielt 
boch Ludwig die Rheinpfalz auch nach ihrer Volljährigkeit; fie 
mufften fich mit den geringen Einkünften ihrer Mutter Mech⸗ 
tild begnügen. Deshalb traten Rudolf und Ruprecht, als fie 
dem Kaifer nach Itälien ‚folgten, mit dem päpftlichen Legaten 
in Unterhandlung gegen iin. Das Billigkeitögefühl überwog 
endlich. Ludwig machte während feines Aufenthaltes zu Pas 1329 
via einen Xheilungsvertrag. Die gefammten Sande der o ber⸗ 9 Aug. 
baterifchen.Zinie wurden in zwei Xheile zerlegt. Den eis 
nen überließ Ludwig feined Bruderd Rudolfs Söhnen, ndms 
Ih die Rheinpfalz nebfl dem größern Theile des Nords 
gaued, ſeitdem Oberpfalz genannt. Er felbft behielt zu 
ſeinem Antheil Oberbaiern. Zugleich warb die Übereinkunft 
getsoffen, daß dieſe beiden Linien, die pfälzifche und bie obers 
baieriſche, in ber Führung der Kurflimme wechfeln und jene, 
als die ditere, den Anfang machen, beim Audfterben der einen 
aber die Lande und Rechte an die anbere fallen, auch von kei⸗ 
nem Theil Etwas. auswaͤrts veräuffert werden folle, damit bie 
Lande fir immer beifammen bleiben). Einer der erften Fin- 
fenverträge welcher Unveräufferlichfeit der Stammlande 
fefffegt; das Übrige gefchah nach dem Herkommen. Theilung 
unter den Linien blieb noch immer vorbehalten. 1339 
Nun erloſch die niederbaierifche Linie mit dem Tode Sert. 
Herzog Heinrichs und feines zehnjährigen einzigen Sohnes. 1340 . 
Die beiden Linien von Dberbaiern, ober bie pfälzifche und. 21. Dec. 
nene oberbaierifche, hatten gleiche Erbanfprüche und durften 
alſo nach den alten Haudgefegen die Lande unter fich «theilen. 
Kein der Kaiſer, für welchen bie Vereinigung der fämmtlis 
hen baierifchen Lande eben jett von beſonderer Wichtigkeit 
war, bewog bie nieberbaterifchen Stände, daß fie ihn, mit 
Ausſchluß feiner Neffen, zum alleinigen Landeshern annah⸗ 
men?). Erſt nad) feinem Tode wurben die Pfalzgraven mit 
60,000 fl. abgefunden, nebſt dem Vorbehalt kuͤnftiger Erb⸗ 


1) Attenkhofer Geſch. d. H. von Baiern. Beil. 80. 
2) Chren. Leob, ad a, 1889. | 


206 Buch. IDI. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 2. 


folge nach dem Abgange des oberbaieriſchen Mannsſtammes, 
wodurch der Vertrag von Pavia auch auf Niederbaiern aus⸗ 
gedehnt wurbe.‘). 

Die Reichslandvogtei Oberſchwaben übertrug der Kai⸗ 
ſer ſeinem Sohn Herzog Stephan. Dies geſchah nicht bloß 
in ber Abficht, dem ſchon früher begruͤndeten Landfriedensbuͤnd⸗ 
niß zwifchen den fchwäbifchen und baierifchen Ständen einen 
neuen Halt zu geben; man ſah darin zugleich das Auffaſſen 
des habsburgiſchen Planes in Anſehung des Herzogthums 

1339 Schwaben?). Zur naͤmlichen Zeit ließ der Kaiſer zur Siche⸗ 

zung der Mark Brandenburg feinen Sohn Ludwig mit den 

. , meiften norbteutfchen Fürften und ben Hanſeſtaͤdten einen 
Landfrieben auf ſechs Jahre ſchwoͤren. 

In eben dieſem Zeitpunct brachte der Kaiſer die Grav⸗ 
ſchaft Tirol an fein Haus. Die Erbin des Landes, Mar: 
garetha, vermählt mit Johann Heinrih, Sohn des K. Io: 
hann von Böhmen, Nagte über Unvermögenheit ihres zwan⸗ 
zigjaͤhrigen Gemahls. Im Einverſtaͤndniß mit ihr und den 
Staͤnden von Tirol ſchlug der Kaiſer die Scheidung vor und 
zum Ehenachfolger ſeinen Sohn den Markgrafen Ludwig von 
Brandenburg, der eben Wittwer war. Man konnte vorauds 
fehen, daß der ohnehin noch nicht verföhnte Papft weber in 
die Scheidung willigen, noch von der Berwandtfchaft im brit- 
ten Grade, worin Ludwig mit Margaretha fland, diöpenfiren 
würbe. Daher wollte der Bifchof Leopold von Freifingen an 
der Stelle des Papfted die Sache auf fi) nehmen. Da er 
aber unterwegs verunglüdte, erinnerte ſich der Kaifer, daß er, 
wie Wilhelm Occam und Marfilius von Padua?) gegen den 
Papft bewiefen, auc in Ehefachen zu dispenfiren dad Recht 
habe. Alfo fette er zuerſt ein Gericht nieder, um die Klage 
der Margaretha zu unterfuchen. Da ber Beklagte nicht er 
fhien, ward er für überwiefen angenommen und die Ehe als 
nichtig "aufgehoben. Dann ertheilte der Kaifer auch die Ver⸗ 


1) Exposs des motifs, qui ont engage 8. M. le Roi de Prusse 
& s’opposer au demembrement de la Baviere. 1778. p. 68. 

2) Sch. v. Schwaben II, 267 ff. 

8) Goldast. Monarchia ete. T. I. p. 21. T. IL. p. 1858. 





Vom Kurverein 1338 b. z. goldnen Bulle 1356. 207 


wandtſchaftsdispenſation und ließ das Beilager mit großer 1342 
Pracht auf dem Bergfchloffe Tirol vollziehen ). Sehr. 
So vermehrte der Kaifer feine Hausmacht. Aber durch 

alle diefe Schritte verlor er fehr in der Öffentlichen Meinung; 

fe waren auf jeden Fall zur Unzeit, alſo unklug, wenn er 

fh auch dazu berechtigt halten Fonnte. Wegen der Diöpens 

fation hielt ihn Volk und Geiftlichleit aufs neue für. einen 

Ketzer. Die Ländergier muſſte feine eigenen Verwandten, die 

Malgraven, hauptſaͤchlich das Iuremburgifche Haus, dem er 

doch Alles zu banken hatte, aufbringen. Da er bei ber Be 

lehnung feines Sohnes mit Zirol zugleich den herzoglichen Ti⸗ 

tel von Kaͤrnthen ermeuerte, wurden auch bie Herzoge von 

Oſterreich wieder auf jene Seite getrieben. K. Iohann, des 

Gefhiedenen Vater, war zwar in Zolge feiner Anftrengungen 

ehlindet und in Schulden gerathen, auch konnte er durch eine 

verttaute Zuſammenkunft mit dem Herzog Albrecht von Öfiers 

sich nicht viel bewirken, der Kaiſer wuſſte die Öfterreicher mies 

der zu beruhigen. Defto mehr aber that Erzbifchof Balduin 7. Mai. 

bi bem neuen Papſte Clemens VI. Diefer hatte fchon als | 

Enbifhof von Rouen eine fehr unglinflige Meinung von Lud⸗ 

wig, den er Baurus ſtatt Bavarus nannte, gefafft und dage⸗ 

gen eine befto vortheilhaftere von 8. Johanns Sohn Karl, 

deſſen Lehrer er geweſen. Lehterer war Überbied Schwager des 

Koͤnigs Philipp VL. von Frankreich, welcher den Clemens ex 

hoben ober vielmehr in gleiche Abhängigkeit geſetzt hatte wie 

feinen Borfahr, Clemens V. ‚Ohne Zweifel gefhah ed durch 
Balduins Einwirkung, daß der Papfl, nachdem er Ludwigs Det. 1842 

Geſandte drei Monate hatte warten Igffen, auffer den frühern — 

Bedingungen namentlich auch die Zuruͤckgabe Tirols verlangte. 1343 

As Ludwig das verweigerte, erließ ber Papft eine Bulle, wor⸗ 12. Apr. 

in er ihm unter anderm bie franffurter Satzungen fowie bie 

Zulaſſung einer. blutfchänderifchen Ehe zum Verbrechen anrechs 

nete, und eine breimonatliche Frift feßte, in welcher er alle 


1) Chron. Leob. Henr. Rebd. Contin. Martin. Pol. ad 
1.1341. 42, Dlenſchlager Urk. 81. Nach Steyerer in Albert. - 
IL p. 634. ſchiebt Johann Heinrich die Schulb auf Zauberei, daß er 
ver Margaretha nie habe mächtig werden Binnen, wiewohl «8 ihm fonft 
Kühe an Potenz gefehlt. | 


208 Bud HI Erſter Zeitraum. Abſchnitt 2. 


feine Würden, auch als Herzog von Baiern, nieberlegen, das 
ber Kirche zugefligte Unrecht zurücknehmen und perſoͤnlich zu 
Avignon ericheinen follte, um ſich zu unterwerfen, wenn er 
nicht noch härtere Strafen ſich zuziehen wollte '). 

In dieſer neuen Bedrängniß wandte ſich Ludwig wieber 
an den König von Frankreich) und erhielt, indem er mit Cr 
neuerung des englifchen Bünbnifjes drohte, wenigſtens eine 
Schriftliche Zuficherung feiner Verwendung bei dem Papfte. 
Mit diefem Schreiben berubigte Lubwig einfhweilen die Kur⸗ 
fürften, welche fich bereitö zu einer neuen Wahl verfammelt 
hatten. Der Papft überfah auch die Überſchreitung der ges 
festen Friſt, als Ludwig ihm. überließ die Bedingungen der 
Ausſoͤhnung felbft zu machen. Diefe waren denn fo hart, daß 
man in Frankreich glaubte, Ludwig koͤnnte fie nicht annehmen, 

41343 wenn ee auch im Thurm gefangen läge?). Doc nimmt fie 
13, Sept. Ludwig wirklich an, er wiberruft nicht nur alle feine bißheris 
gen Handlungen gegen bie Kirche, befonderd die Abfegung 
des Papfles, die Xheilnahme am Minoritenflxeit, den er nicht 
verftanden, bie harten Ausdrücke, zu melchen er durch feinen 
Geheimfchreiber Ulrich Groildonis verleitet worden u. f. w., 
fondern er verzichtet auch auf dad Kaiferthum und ver 
foricht, unter Vernichtung feiner frühern Verfügungen, Ita⸗ 
lien nicht mehr zu betreten; nur Dfttet er nach erhaltener Abs 
folution wieber in ben Zufland wie vor dem Bann gefeßt zu 
werben und einflweilen die Pönigliche Regierung fortführen 

zu dürfen. 
41344 Diefe Artikel ließ Lubwig durch feine Gefandten in Avi⸗ 
16. Ian. gnon befehwören ’). Allgemeine Erwartung war in Teutſch⸗ 
land, endlich den fehnlichen Zeitpunct der Aufhebung bes In⸗ 
terdicts zu ſehen. Da kam die Kunde, daß ber Papft noch 
andere Artikel weltlichen Inhalts vorgelegt habe, zu beren 
Annahme Lubwig fi) nicht verftehen konnte oder wollte *). 


1) Dlenfhlager Staatsgeſch. 318 —826. urk. 84. 

2) Albert. Argent. p. 188. 

8) Dlenſchlager urk. 85. 86. 

4) Gewold. Defens, Lud. IV. p. 178. Mannert Pre’sfäri 
©. 495 ff. 


Vom Kurverein 1338 b. 5. golbnen Bulle 1356. 209 


Die Rachrichten find nicht ganz klar; aber aus dem Erfolge 

ift abzunehmen, daß fie-hauptfächlih Tirol und die frank⸗ 
furter Satungen betrafen. Gerade diefe zwei Puncte find 

es, wovon bie Fürften endlich Anlaß nahmen, bie perfön- 

liche Angelegenheit des Kaiferd von ber bed Reichs zu tren⸗ 

nen. In Abficht der legtern fand Ludwig bie vorige Zuftim: 
mung wieber. Der Reichötag, wozu er auch die Städte be: 1344 
vief, befchloß einmüthig, da die Foderungen des Papftes of: Septbr. 
fenbar auf das Verderben des Reiches abzielten, durch eine 
eigene Botſchaft bei ihm proteſtiren zu laſſen. Auch der Erz⸗ 
biſchof Balduin trat bei. 


Als aber der Kaiſer acht Tage darauf mit den aurfür—⸗ 
ſten weitere Verhandlungen zu Renſe vornehmen wollte (denn 
jene Botſchaft hatte ſonſt keinen Auftrag), ſo vernahm er bald 
ihre Unzufriedenheit wegen Tirol. Der Erzbiſchof von Mainz 1341 
war noch beſonders unzufrieden, daß Prag wegen ſeiner bis⸗ 1344 
herigen Ergebenheit gegen ben Kaiſer zu: einem Erzbisthum er⸗ 
hoben und dadurch fein Sprengel bedeutend vermindert wor: 
den. Der Pfalzgrav Rudolf grollte dem Kaifer über Entzie⸗ 
fing des Städtchend Weinheim. K. Iohann aber, befien 
perfönlichen Bitten der Kaifer zu Bacharach wenig Gehör ge: 
geben, brachte die Fürften zu einer Conföderation. Sie mach: 
ten dem Kaifer Vorwürfe über feine ſchimpfliche Nachgiebig- 
kit gegen den päpftlihen Stuhl ımb über die feitherige Ver: 
nahläffigung des Reichs; fie verlangten, baß er die Regie: 
nung an den Markgraven Karl von Mähren, K. Johanns 
von Böhmen Sohn, abtreten follte.e Da die Sachen foweit 
gelommen waren, wollte Ludwig feinen Sohn, den Mark» 
graven von Brandenburg, vorfchlagen. Die Fürften fagten 
ihm aber troden: fie wollten Feinen Baier mehr *)! 


Doc, gelang ihm die Gegenwahl noch einmal abzuwens 
den. Den Pfalzgraven Rudolf gewann er durch Verwilligung 
feiner Foderung. Dem K. Johann von Böhmen beste er. fafl 
ale Nachbarn auf den Hals, daß er nach kurzem Krieg auf 


i) Albert. Arg. p. 184. Auch biefer Schriftſteller ändert feine 
Sprache. Joh. Vitod. p. 1909. Henr. Rebdorf. ad a. 1344, 
Pfiſter Geſchichte d. Zeutfchen LIE 4 











40 Buch IM. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 2. 


Tirol Verzicht that und ſich mit Goͤrlitz und Bautzen in der 
Laufitz nebſt einer Geldſumme entſchaͤdigen ließ"). 

Unter dieſen Verhandlungen fiel dem Kaiſer noch ein rei⸗ 
ches Erbe zu. Gran Wilhelm von Holland, der aud un: 


1345 ter den Throncandidaten genannt worden, farb ohne Kinder; 
27. Sept. ifo hatte feine ältefte Schwefter, Margaretha, 8. Ludwigs 


Gemahlin, die nächften Yyfprlche. Aber K. Eduard von Eng: 
land, der Gemahl der zweiten Schwefter, wollte wenigitend 
Seeland haben; einen andern Theil verlangte der Grav von 
Juͤlich, ald Gemahl der britten Schwefter. Nun that Ludwig 
wieder, wie man fich ſchon mehrmals geholfen. Er ließ bie 


-1346 Lande auf dem Reichstage als dem Reiche verfallen erklären; 
15. Jan. dann belehnte er feine Gemahlin mit ben vier Gravfchaften 


13. Apr. 


7. Apr. 


‚Holland, Seeland, Friesland und Hennegau, wo 


mit auch die Einwohner zufrieden waren, weil fie Feine Zren: 
nung wünfhten?). _ - 
Siemens VI. hatte indeffen die Gegenwahl bloß deswe⸗ 
gen nicht ernflicher betrieben, weil er beforgte, K. Philipp 
felbſt möchte fih eindrängen. Als aber dieſer tiefer in den 
englifchen Krieg verwidelt wurde, und dagegen auf der an 
dern Seite burch bie Erledigung des neapolitanifchen Zhrond 
die Beforgniß entfland, Ludwig möchte, wie er ſchon einige: 


mal im Sinn hatte, durch Tirol Italien überziehen, fo fchleuberte 


der Papft auf einmal eine fürchterliche Bann⸗ oder Verfluchungs⸗ 
Bulle gegen Ludwig und foberte die Kurfürften auf, wie vor: 


mals Gregor X., ohne Zeitverluft zur Wahl zu fchreiten, wenn 


er nicht felbf die nöthigen Vorkehrungen dazu treffen follte °). 
Zugleich fegte er auch ben Erzbifchof von Mainz, Heinrich 
von Virneburg, wegen feiner Anhänglichkeit an K. Ludwig ab 
und ernannte Gerlach, Graven von Naffau, zum Nachfol⸗ 


ger*). Markgrav Karl begab fi) mit feinem Vater, dem 


blinden Könige Johann, zu bem Papfle nach Avignon, um 


1) Vita Carol. IV. imp. p. 105. Bergl. Dienfhlager Staats: 
geſchichte 338346. 
2) Dlerfhlager Url. 94. Albert. Argent. p. 135 sq. Cro- 
nica de Hollant, in Matthaei Anal. T. V. p. 560. 
. 8) Raynald. ad a. 1846, 5. 5 sq. 
4) Albert. Arg. p. 1355. Raynald. ad a, 1346. $, 12 sgq. 


4 





Bom Kurverein 1338 b. 5. goldnen Bulle 1356. 211 


ihm nach feinem Berlangen zum voraus die vollfommenfte 
Obebienz zu leiften, ober wie ſich nachher ber Papft gegen den 
König von Frankreich ausprädte, fih um die römifche Krone 

zu bewerben). Ungeachtet Johanns XXII. Plan in Abficht 

der Lombardei vernichtet war, fo wollte Clemens VI; wenig: 

find den Kirchenftaat in feiner möglichflen Ausbehnung ficher: 
fielen; darüber ließ er fich von Karl die bündigften Verſiche⸗ 1346 
rungen geben, namentlich, baß er alle Handlungen Ludwigs 26. Apr. 
des Baiern vernichten und die Zufagen feines Großvaterd, K. 
Heinrich& VII. erfüllen wolle. In Abficht der Krönung mufite 

er verfprechen, nicht eher Italien zu betreten, bis der Papft 

ihn beflätigt habe, am Krönungstag aber Rom fogleich wie: 

der zu verlafien, auch fofort nad Zeutfchland zuruͤckzukehren 

und ohne des Papftes Erlaubniß nicht wiederzulommen. Auf 

diefes empfahl ihn Glemens den Kurfürften ald den tauglich 

ſten und nuͤtzlichſten den fie wählen Eönnten ?). Es kamen aber 

nur ihrer fünf zu Renſe zufammen, weil bie pfälzifche und 11. Zul. 
brandenburgifche Stimme von felbft auögefchloffen waren. Von 

dem Erzbifchof von Coͤln und dem Herzog Rudolf von Sach⸗ 

fen weiß man, daß fie erfauft worden’). Kaum find acht 

Sabre verfloſſen, daß die Kurfürften ihre- Wahlfreiheit gegen 
männiglich zu behaupten gefchivoren, fo wird fchon die Mehr: 

beit berfelben vor aller Welt meineibig! Der Kaifr dr 
hatte: fhon vor ihnen widerrufen! 

K. Ludwig war eben in Zirol in Untereebung mit dem Sul. 
Könige von Ungern und dem Maſtino della Scala, Herm zu 
Derona, in Betreff ber italienifchen Angelegenheiten. Alss er 
die Wahl Karls IV. vernahm, eilte er zurlick an den Rhein 
und fand zu feinem Vergnügen, daß die Städte und meh: 
tere weltliche Zinften ihm treu geblieben. Frankfurt und 
Aachen lieffen Karl nicht ein. Diefer räumte gewiffermaßen 
felbft das Feld, indem er mit feinem Vater Iohann dem Kö: 
nige von Srankreich gegen die Engländer zu Huͤlfe zog. Nach 


1) Rex Johannes cum Papa practicavit etc. fagt Karl felbft 
in feiner 2ebenöbefchreibung. Frreher. scrr. rer. Boh. p. 107. 
2) Raynald. ad a. 1346. p. 19 sg. Dlenfhlager urk. 93. 
8) Albert, Arg. p. 135. 3 
ö ’ 14 * 


' U 


212 Bud II. Erxfier Zeitraum. Abſchnitt 2. 


1346 der unglücklichen Schlacht bei Ereffy, worin ber blinde Koͤ— 

26. Aug. gig Johann erfchlagen worden, erhielt Karl die paͤpſtliche Be 

Nov. flätigung und ließ fih zu Bonn durch den Erzbifchof von 

1347 Coͤln kroͤnen. Auf drei Seiten zugleich wurbe jest Ludwig 

Mai. angegriffen. Er bewies fi) durch Kriegserfahrung überlegen, 

Jun. endigte aber unvermuthet am Schlagfluß, auf der Bärenjagd, 

11. Oct. 63 Jahre alt 1). Der Ichte Kaifer der gebannt worden und 
als folcher geſtorben. | 

Die 32jährige Zerruͤttung Teutſchlands von Ludwigs 

Wahl bis zu feinem Tod kann wohl von Anfang an ihm 

nicht allein aufgebürbet werben, denn da war erfuͤr's erfle nur 

Haupt einer Partei und von dieſer nicht immer aufs befte un 

terftügt. Ex meinte ed gut, und fo oft er dies Öffentlich zeigte, 

vereinigte er auch die um fich, welche dafür Sinn hatten. In 

der Folge aber, da er mehr als Parteibaupt fein follte, ward 

er dem Papfte gegenüber in eine Politik hineingezogen, die 

nach dem Muſter der päpftlichen Alles für erlaubt hielt, aber 

im geraden Gegenfab mit diefer von folgerechter Handlung 

gar Feinen Begriff hatte, alfo in ber That nicht ärger fein 

fonnte. 

Wie ruͤhmlich flieht Ludwig noch, ald er fin fih allein 
aus koͤniglicher Machtvollkommenheit die Unabhängigkeit 
der teutfchen Krone gegen ben Papft ausfpriht! Wie Hein, 
da er fhon im erften Schreden Alles widerruft und auch feine 
Schüglinge Preis giebt! Das Fonnte wohl Warnung genug 
fein. Er erhebt fich wieber und wirb vom ganzen Reich un 
terftüßt. Doppelt fchimpflih, zum zweiten Mat fich zum Wi: 
derfpruch zwingen zu laflen und lieber auf das Kaiſerthum ald 
auf Zirol zu verzichten! Nur dem böfen Willen K. Philipps 
dankt er's, daß man ihm nicht Öffentlich Buße thun fah wie 
weiland Kaifer Ludwig I. Von ben beiden Königen von Fran: 
reich und Böhmen mehrmals betrogen, wirft er fich ihnen 
immer wieber in die Arme, opfert jenem auch feinen Bundes: 
genoflen, den König von England; umſonſt. Durch Länder: 
gier und Wortbruch flößt er zulegt auch das Iuremburgifche 
Haus von fich, in einem Zeitpunct wo er deſſen Beifland am 


1) Albert. Arg. — Henric, Rebdorf. 


Vom Kurverein 1338 b. 5. goldnen Bulle 1356. 213 


wenigften miffen konnte. Darliber verlaffen endlich die Fuͤrſten 
feine Sache und retten die ihrige — auch nicht! 
Doc hat Zeutfchland Biefen argen Kampf nicht vergeb⸗ 
lich gekaͤmpft. Es ragen drei rühmliche Erfcheinungen herz 
über, an welchen Ludwig ber Baier verhaͤltnißmaͤßig auch fei- 
nen Antheil hat. Erſtens die Vereinigung der Beffern 
und Berftändigen zur Aufdedung ber paͤpſtlichen Anma⸗ 


Bungen, welde bis dahin an Dreiftigfeit geftiegen find, von 


jest an aber zurüdigewiefen werden '). Zweitens bad Erſtar⸗ 
ten der Städte in ihrem Innern fowohl als in ber Unter 
füsung des Reichötages durch die Landfriedens buͤndniſſe. 
Drittens Befreiung der Lombardei vom paͤpſtlichen Reiche: 
Bicariat und feflere Begründung der teutfchen Verfaſſung durch 
gefegliche Beftimmung des Herkommens; Unabhängigkeit 
der Krone und des Wahlrechtd gegenüber vom Papfte; 
wiewohl noch ein weiterer zehnjähriger Parteifampf unter den 
Fuͤrſten ein drittes Geſetz zur Ergänzung nöthig macht. 
Durd 8. Ludwigs IV. Zod und Karls IV. Obedienz 
war ber Papft verfühnt. Den Reichötagsbefchlüffen zum Trotz 
ſchien er den Sieg zu behalten. Er wollte ſogar jene allge⸗ 
mein widerrufen wiſſen, deshalb ließ er die Abſolution im 
Reich nur unter der Bedingung verkünden, daß Jeder der vom 
Banne loögefprochen fein wolle, befennen müffe: „Fein Kaifer 
habe die Macht ven Papft abzufegen oder vor der päpftlichen 
Beflätigung fi) der Neichöregierung zu unterziehen ?). Da 
erhob fich zur Behauptung der Wahlfreiheit der vom Papſt 
zwar abgefegte, aber nicht aus dem Befig gewichene Erzbifchof 
Heinrich von Mainz; er hielt mehrere Zürftenzufammen- 
kinfte, um flatt Karl IV. einen vom Papfte unabhängigen 
König zu wählen’). Er hatte aber nur die Stimmen von 
Rheinyfalz, Brandenburg und Sachfen: Lauenburg auf ber 
Seite, mit der feinigen vier; ba hingegen bie andern, Trier, 


1) Wenn wir des einzigen Eupold von Bebenburg eben und 
Erfahrungen hätten, wie viel anziehender muͤſſten fie fein als die ganze 
Geſchichte Ludwigs IV! 

D) Dlenfhlager Staatsgeſch. ©. 582 fl. 

3) Albert. Argent, p. 141, auch zum Folgenden. 


1347 
Rov. 





2144 Buch UL Erfter Zeitraum. Abſchnitt 2. 


Coͤln, Böhmen mit Sachſen⸗Wittenberg und dem paͤpſtlichen 
Erzbiſchof Gerlah von Mainz fünf zählten. 

Es wollte fih auch Fein Oberhaupt nach Heinrichs Wun⸗ 

1348 fche finden. 8. Eduard EV. von England, gerade jest von 

San. Frankreich bedrängt, dankte für das Zutrauen; Markgrav 

Sun. Friedrich von Meiffen, Ludwigs IV. Schwiegerfohn, fürchtete 

bad benachbarte Böhmen und Tieß fi von Karl IV. mit 

10,000 Mark abfinden. Markgrav Ludwig von Brandenburg 

fürchtete wohl das Schickſal feines Vaters; doch blieb er an 

- der Spige der unzufriebenen Fürften. Wie die Iuremburgifche 

Partei anfänglich fi mit Baiern gegen Öflerreich verftärft 

* hatte, bei ihrer Spaltung aber bie Öfterreicher abwechfelnd 

bald zu Böhmen bald zu Ludwig dem Baier lıber — wa⸗ 

ren, fo fand Karl IV. nun angemeſſen ſich mit Oſterreich 

zu verbinden. Er verlobte feine Zohter Katharina mit 

Herzog Albrechts minderjährigem Sohne Rudolf. Alſo wur 

ben aus drei Parteien wieber zwei, und bie luremburgifd- 

Öfterreichifche fhien der baierifchen bereitd überlegen. 

Da Markgrav Ludwig fich nicht unterwerfen wollte, fo wurde 

\ er mit dem Verluſte von Brandenburg bedroht. Bei der Un 

zufriedenheit des Landes mit feiner Regierung ') ließ man 

1347 den verflorbenen Markgraven Waldemar auferftehen in ber 

Derfon eines Abentenrerd (Müller Rehbod oder Meinide), 

' der vorgab, er fei von 28jähriger Pilgerfchaft zuruͤckkgekommen. 

1348 Sahfen:Bittenberg und Anhalt thaten ihm Beiftand 

2. Oct. und lieffen fih voraus von Karl IV. auf Brandenburg mit: 

belehnen auf den Fall unbeerbten Abfterbens des falfchen Wal⸗ 

Zul. demar. Die flavifchen Fürften Albrecht und Johann erhob 

Karl zu Herzogen von Medlenburg, daß fie ihm eben: 

falls zu Huͤlfe ziehen follten 2). Mit diefem vereinigten Heere 

wurde Markgrav Lubwig in Frankfurt belagert. Da Karl im 

Winter zurüdging , erfab die baierifche Partei den Graven 

. Sünther von Schwarzburg zum Oberhaupt, einen 


1) Albert, Argent. p. 146. 


2, Belmann anhalt. Hift. Th V. ©.83. Gerdes Sammlung 
mecklenburgiſcher Schriften 2c. Thl. J. Num. 1. Das Übrige nah Hen- 
ric. Rebdorf. Cont. Chron. Leob. ad a. 1848. 2 





Dom Kurverein 1338 b. z. goldnen Bulle 1356. 215 


tapfern, reblichen Fuͤrſten ‚ der zur ausbrüdlichen Bedingung 
machte, daß dad Reich erft für erledigt erklärt werden und die 

Wahl durch Mehrheit, ohne alle Beftechung, gefchehen müffte. 

Dies gefhab zu Frankfurt, jedoch nur von ber baierifchen 1349 
Partei). Karl IV. berief dagegen alle Reichsvaſallen und 6- Gebr. 
Städte auf einen beflimmten Zag nad Kaflel, Mainz gegen: 22. Sehr. 
über, um Günther aud Frankfurt zu vertreiben. Er nahm 

auch den Zrankfurtern ihre Meffe und verlegte fie nach Mainz, 
woburch er lettere Stadt gegen den Erzbifchof Heinrich ge⸗ 
wann. Günther aber ließ auf denfelben Tag ein Zurnier in 

Kaffel anfagen und machte alfo Karls Kriegsanftalten laͤcher⸗ 

ih. Nun wurden andere Waffen gegen ihn gebraucht. Zuerft 
brachte Karl den Pfalzgrav Rudolf auf feine Seite, indem 

er fih mit deſſen Zochter Anna vermähltee Nach Rubolfs 
Borgange unterwarfen ſich auch die andern pfalzbaierifchen = 
Burften gegen Zuficherung ruhigen Befited ihrer. Lande, aus⸗ 
genommen Markgrab Lubwig Karl berief fobann einen 
Reichstag nach Speier, zu welchem die Fürften auch Guͤn⸗ 
ther einluben. Diefer verwarf aber alle Vergleichsvorſchlaͤge, 
obgleich feine Freunde untreu geworben, und beſetzte Sriebberg. 
Indeſſen erkrankte er zu Frankfurt und erhielt in der Arznei 
Gift, das ber Diener des Arztes Freidank, wie man fagte, 
darein geworfen. Einige legen die Schuld auf Karl, die Mei: 
ſten aber auf Gerlach, den päpftlichen Erzbifchof von Mainz. 
Während dad Gift langſam wirkte (der Arzt felbft, der den 
Trank Eredenzte, farb nach drei Tagen), rüdten bie beiden 
Heere gegen einander. Günther hielt bei Eltweil, einem 
Schloſſe des Erzbifhofs Heinrich, dad die Mainzer belager⸗ 
ten 2). Karl feste über den Rhein, wobei Grau Eberhard 
von Wirtemberg, der fchon vor Ludwigs IV. Zod zu ihm 
übergetreten war, fich hervorthat. Günther erwartete Verſtaͤr · 
fung von dem Markgraven Ludwig von Brandenburg. Die: 

fer Fam aber ohne Mannfchaft und fand gerathen, da Guͤn⸗ 
thers Krankheit zunahm, mit Karl in Unterhandlung zu treten. 
Mismüthig fiber den Abfall der lebten Freunde bequemte fich 26. Mai. 


1) Olenſchlager urk. 101. 
2) Albert. Arg.\.e. | 


216 Bud IL Erfter Zeitraum. Abſchnitt 2, 


Günther gegen eine Entfchädigung von 20,000 Mark Sitbers 
ber Krone zu entfagen *), behielt aber den Xitel bis zwei 


1349 Tage vor feinem Tode. Der Erzbifhof Heinrich trat ſchon 
12. Sum. zu Eltweil über gegen bad Verfprechen, daß ihn Karl gegen 





Gerlach von Naffau fhügen und alle Freiheiten und Rechte 


feines Erzſtiftes beflätigen wolle 2). Die Entfcheidvung bes 
Streites geſchah jeboch erſt nach einigen Jahren bei dem Tode 
Heinrichs. Ebenfo wurden die Verhandlungen wegen ber 
Markt Brandenburg dem Fürftengerichte vorbehalten, nachdem 
Ludwig dem Sriedensvertrage feiner Brüder beigetreten war. 
Die rheinifchen und fchwäbifchen Städte, welche ſich anfangs 
geweigert Karl IV. anzuerfennen, waren bereitö vor dieſen 
Berhandlungen gewonnen, indem Karl alle ihre Rechte und 
Freiheiten beftätigte und befonderd verſprach fie nicht vom 
Reich zu veräuffern, d. b. an feinen Landheren zu verpfänden. 
Die meiften Fürften und Herren hatte Karl durch Gelb und 
Reichövogteien auf feine Seite gebracht °). 

Markgrav Ludwig hatte in dem Vertrage mit Karl zur 
Bedingung gemacht, einerfeit3 daß diefer ihn in dem Befitze 
von Zirol laffe und bei dem Papſt die Gültigfprechung feiner 
Ehe mit Margarethe auswirke; andererfeitd daß Karl, weil 
Ludwig gefchworen die Wahl zu Renfe nicht anzuerkennen, 
fih noch einmal wählen und Erönen laffen wolle. Bis Aus: 
trag der brandenburgifchen Sache aber behielt Ludwig bie 
Reicheinfignien noch zurüd. Demnach, begab fi) Karl mit 
ben Fürften nah Aachen; bie erfte Wahl fowie die Krönung 
zu Bonn wurde für ungültig und dad Reich feit Ludwigs 
Tod für erledigt erflärt. Darauf empfing Karl die gefeßliche 
Krönung *). 


1) Dlenfchlager Url. 105. Das Übrige hauptfächlih nach Al- 


bert. Arg. p. 151. 


2) Lünig Spicil. eccl. Thl. I. Fortſ. ©. 51. 

8) Geſch. v. Schwaben IV. S. 5—12. 

4) Der Erzbiſchof Johann von Mailand fchreibt diefes dem Papſte, 
nad Alb. Arg. p. 151. Ob eine neue Wahlverfammlung zu Frank 
furt abgehalten worben fei, wirb nicht gefagt, es ift auch nicht wahr: 
ſcheinlich. Weit fi der Papft durch bie neue Krönung beleidigt fühlte, 
unterblieb auch bie Verhandlung wegen Markgrav Ludwigs Ehe, unge: 


\ 
Bom Kurverein 1338 b. 3 goldnen Bulle 1356. 217 


Auf diefe Art that er den Reichsgeſetzen Genüge, 
wiewohl der Papft nicht damit zufrieben war, weil er ihn 
bereitß beflätigt hatte. Wenn auch auf etwas zweideutige 
Weile, fhien der Friede doch auf beiden Seiten endlich herge⸗ 
Relt, infofern wenigftend der Papfl den Kurfürften nicht aus⸗ 
drücklich widerſprach. 

Nach 35 Jahren inneren Zerwuͤrfniſſes war es wohl Zeit 
dad Reich zu beruhigen. Noch andere Übel vermehrten das 
älgemeine Unglüd: Erbbeben, Hungersnoth, Pefl. Unerhört 
war die Verheerung ber Lehtern. An den Kranken fuhren böfe 
Geſchwuͤre auf, fie flarben ſchon nach drei Tagen. Diefleit 
und jenfeit des Meeres in allen chriftlichen und heibnifchen 
Uindern würtbete die Seuche. Kaum der dritte Theil der Men 
(hen blieb am Leben; in Zeutfchland war dad Sterben nicht 
am ſtaͤrkſften, doc wurden zu Straßburg über 16,000 Men: 
ſchen begraben. Im Ganzen flarben mehr Arme ald Reiche, 
vorzüglich in den Städten welche noch fehr eng und unrein> 
id gebaut waren. Das Boll warf die Schuld auf bie 
Buherjuden. Es ift erwielen, daß genuefifhe Kaufleute 
das Übel aus der Levante mitgebracht, und infofern mögen 
denn auch die Juden zur Verbreitung mitgewirkt haben. Aber 
das Volk fprach, fie hätten die Brunnen vergiftet. An eini⸗ 
gen Orten wurben fie auf der Kolter zum Geflänbnifje ge⸗ 
Draht. Schon früher gefhahen aus ähnlichen Veranlaſſungen 
Jubenverfolgungen. Diesmal erhob ſich wie auf Verabredung 
dad Volk faſt zu gleicher Zeit in den meiften Städten, trieb 
die Juden zufammen und verbrannte fie in ihren Häufern '). 
Ber wollte wehren, da kein oberfter Richter anertannt war 
und die Stände gegen einander felbft alle Arten von Bedrüͤk⸗ 
tungen verübten? Bon der andern Seite fand wieber eine 


ahtet ber Bifchof von Chur indeffen mit päpftlichem Conſens die Schei⸗ 
img vom erften Gemahl genchmigt hatte. Man ließ die Sachen beider: 
ſeits auf ſich beruhen. 

1) Schon im Jahre 1821 war etwas Ähnliches da. Der Verf. des 
Chron. Aul. reg. fah damals in ben Rheinlanden bie fammt ben Be: 
wohnen eingeäfcherten Leprofenhäufer, weil man geglaubt, bie Lepro⸗ 
fen fein von Juden und Heiden geivonnen worden, die Brunnen zu ver⸗ 
öfter. Freher. sar. rer. Boh. p. 35. 





218 Bud II. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 2. 


große Zahl Menfchen auf, welche auf moͤnchiſche Weife durch 
- leibliche Bußübungen bie Gerichte Gottes abzuwenden fuchten. 
„Es erfhien die Secte der Geißler, welche fchaarenweife 
durch's Land zogen und fich den nadten Rüden zerfleifchten, 
indem fie das die Bluttaufe nannten, ohne welche Niemand 
felig werde. Eine folche zahlreiche Geiffelfahrt traf Karl IV. 
auf dem Wege nach Aachen; der Menfchenflrom verfperrte die 
Straßen, daß er eine Zeit lang zw Bonn warten mufte. Er 
foderte die Bifchöfe und den Papfl auf, diefe Secte wegen 
ihrer wilden Lebensart zur Ruhe zu weifen. Gegen das „Ju: 
benbrennen” erließ er firenge Abmahnungäbefehle, weil bie 
Juden mit ihrem Vermögen unter des Reiches Schuß ſtuͤn⸗ 
den. Die Städte muſſten deshalb den Reichs⸗Landvoͤgten 
und der Paiferlichen Kammer Abtrag thun; dafür blieben ihnen 

die Häufer und Übrige Verlaffenfchaft der Juden '). 
Gegen ungefegliche Zehden und Straßenraub hatten be 
41349 reits 25 ſchwaͤbiſche Städte aus eigener Macht ein neues 
10. Aug. Buͤndniß errichtet, jedoch mit Vorbehalt der königlichen Beſtaͤ⸗ 
tigung. Bei Hagenau war dad eigene Gefolge Karls IV. 
überfallen und geplündert worden. Daher ließ er eines feiner 
erften Gefhäfte fein, bei der Rüdkehr von Aachen einen all 
Sept. gemeinen Yandfrieden zu Speier einzuleiten ?), Dann eilte 
er in feine Erblande, von vielen fehmwäbifchen Herren bes 
gleitet. Ungeachtet feine Hausmacht größer war als bie jebes 
andern Fürftenhaufes, fo tft doc fein Hauptbeftreben von jest 
an auf Zuwachs ſowie auf Emporbringung diefer Lande ge: 
richtet. Zuerſt muflten die brandenburgifchen Angelegenheiten 
: = georbnet werden. Nach vorläufiger Befprehung zu Bauten, 
Dir, auf welche Markgrav Ludwig die Reichöinfignien herausgab, 
entfchted Karl in dem Fürftengericht zu Nürnberg auf den Vor: 
6. April. trag bed Pfalzgraven Rudolf, daß Waldemar nicht der wahre 
fei, und feste alfo Ludwig wieber in die Mark ein?) Nun 


1) Im Jahr 1388 hatte K. Iohann von Böhmen eine graufamt 
Verfolgung über die Juden in Böhmen und Mähren verhängt, um ihr 
Vermögen zu feiner erſchoͤpften Kammer einzuziehen. 

2) Geh. von Schwaben IV, 15—%. 

8) Dlenfhlager urk. 107. 108. Albert. Argent. p. 156. 
Henr. Rebd. ad a. 1350. 


Bom Kurverein 1338 b. 3. goldnen Bulle 1356. 219 


war aber dieſer felbft nicht mehr mit dem unruhigen Lande 
zufrieden oder er 309 es vor, Zirol mit einem Theile Baierns 
zu vereinigen und traf alfo mit feinen zwei jünger Brüdern, 1351 
Ludwig dem Roͤmer und Otto, einen Theilungs⸗ und Zaufch: 28. Der. 
Vertrag zu Lukka, worin er ihnen die brandenburgifchen Lande 
gegen ihren Antheil an Oberbaiern abtrat, doch behielt er fi) 
vor die Kurflimme von Brandenburg gemeinfchaftlich mit ih⸗ 
nen zu führen"). Da übrigens die beiden Brüder wohl fahen, 
daß fie ohne den Beifland K. Karls fich nicht würden in Brans 
denburg behaupten koͤnnen, fo geftanden fie ihm auf fein Ver⸗ 
langen bie einflige Einloͤſung ber an Meiſſen verpfändeten 
Niederlaufig zu?). Karl ſchien ſich eigentlich darin zu — 
gefallen, auf Koſten eben dieſes Hauſes, das ihm bisher imꝰ· März. 
Wege geſtanden, ſich zu vergroͤßern. Bei ſeiner Vermaͤhlung 
mit Pfalzgrav Rudolfs Tochter Anna hatte er ſich die Erb⸗ 1349 
folge in dem Lanbesantheil feines Schwiegervaterd zufichern 
laffen, auf den Fall daß derfelbe ohne Söhne abfterben würde. 
Das war fehon ein Riß in ben durch die Kurfürften beftätig- 
ten Haudvertrag von Pavia. Wiewohl nun Anna mit ihrem 
Soͤhnchen Wenzel noch vor dem Vater farb, fo machte Karl 1352 
doch Anfpruch auf Rudolfs Antheil an ber Oberpfalz, und 1353 
wuffte auch die beiden Pfalzgraven, Ruprecht den Altern und ee 
den Süngern, zur Einwilligung zu bringen. Nachher — 
er noch einige Gebiete durch Kauf von ihnen ?). 

Karls Vater, K. Johann, hatte bereits den größten Theit 
der unter mehrere polniſche Fuͤrſten getheilten ſchleſiſchen 
Lande an ſich gebracht. Bolko IL war noch allein unabhaͤn⸗ 
sig. Durch Vermählung mit defien Tochter Anna (nach dem 
Zode der pfälzifchen Anna) erwarb Karl auch die Fuͤrſtenthuͤe 1353 
mer Schweibnig und Jauer. Zur naͤmlichen Zeit trat ihm 9 Sul 
fein Tochtermann K. Ludwig von Ungern Beuthen und Kreuz- 
burg ab. Mithin brachte er ganz Schlefien mit der Oberlau⸗ 


1) Ättenthover Geſchichte der Herzöge von Baiern Beil. 35. 
2) Lünig Cod. germ. dipl. I. p. 1086, 
9 Du Mont. T. I. P. II. ar. 315. 841. 346, Goldast. de 


regn. Bohem. T. I. App. p. 87. T. II. p. 233 sgq. Henric. — 
dorf. ad a. 1853. 


29) Bud II. Erfter Zeitraum Abſchnitt 2 


fig und der Gravſchaft Glatz an fein Haus. Der egerfche 
Kreis war ſchon von K. Ludwig IV. an 8. Johann verpfän- 
1355 det worden. Diefe fämmtlichen Länder wurden der Krone 


e en Böhmen einverleibt, die Oberpfalz mit Bewilligung der Kur 


3, Dec. fürften ). 

Unterbeffen gerfiel der Landfriebe in den teutfchen Reichs: 
ändern, am Oberrhein gleich nad) Karl Entfernung, weil 
er fi nicht Zeit genommen hatte die Landherren mit den 
Städten zu vertragen. Die fchwäbifchen Städte vereinigten 
fich gegen die Sraven von Wirtemberg, welche die Reich 
Landvogtei ſchon zur Landeshoheit machen wollten; bie rheini- 
fhen Städte gegen ben Markgraven Hermann von Baden; 
andere gegen andere Herzen; die fchweizerifhen Waldftaͤtte 
gegen Herzog Albrecht von Öfterreich. Im dritten Jahre Fam 
Karl wieder aus Böhmen und ließ zuerſt zu Nürnberg, das 
fi) auch mit den fchwäbifchen Städten verbunden, dann zu 
Coſtanz den Landfrieven fchwören, indem er bie Landherren 
zwang bemfelben- beizutreten. Daffelbe geſchah zu Hagenau, 
zu Speier, zu Mainz. In der Schweizerangelegenheit Fam 
er zum zweiten Mal nach Zürich, um ald Schiebörichter ein: 
zufchreiten. Da aber die Waldflätte ihre Buͤndniſſe vorbehal: 
ten wollten, ſprach er unmillig, fie feien nicht befugt gewe 
fen ohne Verguͤnſtigung eines römifchen Königs fich zu ver 
binden und eben fo wenig Andere ohne Willen ihrer Landher⸗ 
ren in ihr Buͤndniß aufzunehmen. 

An fi), nach den Reichögefeßen, war dad Urtheil richtig. 
Aber aud den vorangegangenen herrenlofen Zeiten fland bie 
Einwendung, daß die Stände, eben weil kein Kaifer fie ge: 
ſchuͤtzt, durch Nothwehr dazu gebrungen gewefen, unb daß 
dann ihr Bund felbft von ben nachgefolgten Kaifern beftätigt 
worden. Der wahre Grund der Weigerung war jedoch Mi: 
trauen gegen Karl IV. und die Herzoge von Öfterreich, wel: 
che nichts Anderd wünfchten ald die Schmad von Morgarten 
zu rächen. Wegen Ungehorfamd ward gegen bie Waldſtaͤtte 
und ihre Verbündeten ber Reichskrieg erklaͤrt; kraft feines kuͤrz⸗ 


1) Du Mont. T. I. P. I. nr. 353. De rn acrr. 
rer. Sil. T. I. p. 776. 868. | 


Dom Kurversin 1338 6, 3. golbnen Bulle 1356. 221 


lich gefchloffenen Buͤndniſſes mit den Herzogen Albrecht und 1353 
Rudolf von Öfterreich führte K. Karl feibft ein böhmifches Mei. 
Heer zu dem Aufgebot aus Öfterreih und dem fchwäbifchen 
und oberrheinifchen Adel und belagerte Zürich als Vorfechte⸗ 
rin des Schweizerbundes. Ein ſo großes Heer vor einer ein⸗ 
zigen Stabt! Aber bald ſah man es dich) Zwietracht getrennt. 
Die Öfterreich&& befiritten den Schwaben das feit Karl dem 
Großen behauptete Vorrecht des erfien Angriffs unter St. 
Georg Panner. Diefe gingen alfo zuruͤck. Zürich aber, den . 
Reichsadler aufſteckend, wandte fi) an bie Gnade bed Kaifers. 
Diefer übergab dann die Sache dem Heichögerichte zu Res 
gendburg, weil ex den Roͤmerzug vorhatte. Nach ſeiner Ruͤck⸗ 
kehr fiel das Urtheil: „was die Eidgenoſſen im Kriege beſetzt, 
fol an Öſterreich zurückgegeben werden; beide Theile behalten 
ihre Bünde, Rechte und Freiheiten; nur Zug und Glaris fols 
in aus dem Schweizerbunde bleiben”. Dagegen beharrten 
die Schweizer auf ihrem Vorbehalt; und da andere NRüdfiche 
tn und Händel dazwifchenlamen, fo ließ man die Sachen 
endlih auf fich beruhen '). 

Karl IV. hatte Luft aldbald nach der Krönung zu Aachen 
fh auch in Rom kroͤnen zu laſſen. Das wollte aber Cle⸗ 
mend VI. fo wenig ald Johann Viſconti, Herr zu Mailand. 
Diefer durfte jenen nicht erſt darauf aufmerffam machen, daß 
Karl mit dem gebannten baierifchen Haufe ſich verbinde und 
burch die zweite Wahl und Krönung die päpflliche Beflätigung 
fir ungliltig erklärt habe °). Es war dem Papſte hauptſaͤch⸗ 
ih um Sicherflellung feiner Landesherrfchaft zu thun; Dede - 
halb gab er den Sefandten Karl zur Antwort, die Sache 1351 
babe zu große Schwierigkeiten und es dürften leicht durch fets 
ne Ankunft neue Unruhen in Italien erregt werben °), d. h. 
der Papft dürfte das Reichsvicariat verlieren. Sonſt waren 
die Gibellinen des EZaiferlichen Schutzes froh; jetzt umge⸗ 
kehrt. Luchino Viſconti hatte bereits eine ſolche Macht er⸗ 
langt, daß das Gebiet von Mailand 22 Staͤdte zaͤhlte; ſein 


1) Geſchichte von —— IV, 388. 
D Albert. Arg. p. 151. 
3) Raynald, ad a. 1351. $. 30 sqq. 


222 Bud IL Erfter Zeitraum. Abſchnitt 2. 


Nachfolger Johann, zuvor Erzbiſchof von Mailand, unterwarf 

auch Bologna und bedrohte Tuſcien. Alſo waren jetzt die 
Guelfen der ſchwaͤchere Theil, der den roͤmiſchen Koͤnig zu 
1353 Hülfe rief. Innocenz VI, Nachfolger von Clemens VI., 
machte weniger Schwierigkeiten; Sobald alfo Karl die oben 
1354 erzählten Angelegenheiten beigelegt hatte, brach er mit einem 
Oct. Heinen Gefolge nach Italien auf und erließ erfi zu Mantua 
Nov. Befehl, daß die zum Römerzug erfoderlihe Mannfchaft nach 
kommen folle ). Seine Sefinnung war noch friebliher als 

die feines Großvaters, Heinrichs VII., oder vielmehr er that 

jeder Partei, was fie verlangte, für Geld. Drei Viſcontis, 
Brubderöföhne des verfiorbenen Sobann, gewannen ihn bald, 

daß er fie ungeflört in ihrer Herrfchaft ließ. Von ber Krö- 
1355 nung zu Mailand zog er nach Piſa und nahm gleichfalls Geld 
6. Ian. yon den tofeanifchen Städten. So fand er auch Fein Hin- 
5, — derniß in Rom und empfing durch den Cardinallegaten von 
Oſtia, den der Papſt dazu bevollmaͤchtigt hatte, die Kaiſer⸗ 
Trone ?). Die Römer foderten ihn fogar auf, die alte Herr⸗ 
lichkeit der Stadt wiederherzuftelen und feinen Thron bei 
ihnen aufzurichten. Das ift das dritte Mal feit Otto II. 
und Friedrich I., daß diefelbe Volksbewegung fi) herverthat, 
diesmal jedoch unter zwei verfchiebenen Repräfentantn. An 

der Spitze des Pöbeld ſtand ein armer Notar, Cola di 
Renzo, Sohn eines Gaftwirths, der früher bei einer Zurüd: 
berufungsgefanbtfchaft an den Papft gebraucht worden. Zum 
Wolkstribun gewählt in dem Beitpunct da Clemens VI: Karl 
den IV. gegen Ludwig IV. aufftellen ließ, citirte Gola nicht 
nur bie beiden Gegner fondern auch den Papſt felbft in ei» 
nem Manifeſt, weil nur den Römern zuſtehe über das Kai 
ſerthum zu entfcheiden °). Der Gegenfat zu den päpfllichen 
1350 Anmaßungen! Da Cola bald darnach durch einen Volksauf⸗ 
fland vertrieben, in Zeutfchland aufgefangen wurde, fandte 
ihn Karl nach Avignon. Innocenz VI. aber fand für gut, 
ihn im paͤpſtlichen Intereffe wieder nad) Rom zuruͤckkehren zu 


‘ 


1) Albert. Argent. p.163, 
2) Villani IV. c. 73 aqq. 92. 
8) Dlenfhlager Url. 9. 


Vom Kurverein 1338 b. 3. golbnen Bulle 1356. 223 


laſſen, wo jedoch feine Sachen bald einen uͤbeln Ausgang nah⸗ 
men). Die Anfichten der Edeln fprah Petrarca auß. 
Bas Dante Alighieri gewollt (defien Bild fich Petrarcas 
Kindheit: eingeprägt hatte) *), das hoffte er nun erfüllt zu 
feben. Ex hatte anfänglich den Gola felbft aufgemuntert; nach⸗ 
dem er fich aber in ihm getäufcht gefunden, wandte er ſich 
an Karl IV., von dem er fhon zu Avignon eine gute Mei- 
nung gefaflt hatte. Bei einem glänzenden Feſte, das die 
Stadt dem künftigen römifchen Könige gegeben, fuchte Karl 
die von Petrarca befungene Laura von Sade aus der Menge 
der Srauenzimmer heraus und Füflte ihre Augen und Stirn 


nach franzöfifcher Sitte. Ein Sonnet preift Karls koͤnigliche 


Gigenfchaften?). Als Elemens VI. die ſchon erwähnten Hinz 


berniffe gegen den Roͤmerzug machte, aͤuſſerte Petrarca gegen . 


den Carbinal Zaleyrand, der hauptſaͤchlich Karls Anerken⸗ 
nung zu Avignon bewirkt hatte, „er fehe das Kaiferthum und 
da3 Papſtthum am Rande bed Unterganges; da beide nicht 
mehr in den ‚Händen der Italiener feien, fo werde man um 
fo mehr bie Schuld den barbariſchen Laͤndern beimeſſen, die 
jene Winden jetzt im Beſitz haͤtten, wovon das eine hart und 
ſchrecklich, das andere weichlich und entnerot fei (Teutſchland 
und Frankreich) *). Doch fchrieb Petrarca zum zweiten Dial an 


1) Plant Geſch. d. Papſtthums. III, 299 f. 

2) Er erinnerte fih, daß man ihm ben Dante gezeigt (Abbe de 
$ade) M&moires pour la vie de Frang. Petrargue T. III. p. 509. 
Sein Urtheil von ihm ald Dichter iſt: vulgaire pour le style, mais 
trts-noble pour les pensées. 

3) Real natura, angelico intelletto, 

Chiar alma, pronta vista, occhio cervero, 
Providenzia veloce, alto pensero, 
E veramente degno di quel petto etc. 

Petrarca, der meift in feiner Einftebelei zu Vaucluſe lebte, ſah 
war Karl zu Avignon, wie er ihm fieben Jahre fpäter ſchreibt, kam 
aber damals noch nicht in feine perfönliche Bekanntſchaft. — Laura, 1325 
mit Hugo von Sade verheirathet, zählte 1346 etwa 39 Jahre. Me- 
moires etc, II, 267. 

4) M&moires etc. III, 281. II, 264. Der Gardinal antwortete: 
„ünfere zwei Elemens haben der Kicche mehr Schaden gethan, als eure 
feben Gregore gut gemacht haben’. 


1352 


224 Bud IE Erfter Zeitraum. Abſchnitt 2. 


Karl, um ihn für die Herftellung des alten Kaiſerthums zu 
begeiften. Dieſes Schreiben beantwortete Karl, indem er 
nüchtern und troden auf die traurige Wirklichkeit hinwies !). 
„Er babe fchon früher”, fagt er (bei feinem erften Aufenthalte 
in Stalien), „die Zerrüttung des Lande, die Kleinmüthigkeit 
des andäctigen Roms gefehen. Bei der Übernahme des 
Reichs habe er fich der Worte Trajand erinnert: ihr wiſſt nicht, 
was fir ein wildes Thier dad Reich'ift! Die römifche Repus 
blik, welche fonft mit ihrem Überfluffe die Kaifer zu unter 
ſtuͤtzen pflegte, fei zur Bettlerin geworden. Die Braut des 
Reichs, die Freiheit, ſei geſtürzt“. (Bedachte Karl 
nicht, was er ſelbſt dem Papfte verſprochen hatte?!) 

1354 Als Karl endlich kam, lebte Petrarca neu auf: „Rom 
und Caͤſar!“ Er hoffte, Karl werde wie ein Gewitter aus den 
Alpen hervorbrechen?). Karl ließ ihn von Mailand nad 
Mantua fommen und empfing ihn mit feiner gewohnten Freund: 
lichkeit. Petrarca erwiebderte die Schmeichelredben; dad unge 
wöhnlich Falte Wetter, das die Zeutfchen nach der Meinung 
der Italiener mitgebracht hatten, fei von der Vorfehung ge- 
fommen, um fie nach und nach an das Klima zu gewöhnen. Doch 
legte er feine Freimüthigkeit nicht ab. Als Karl fragte, ob 
fein Werl von den großen Männern noch nicht vollendet wäre, 
verfegte er: es bedarf dazu nichts weiter ald Muße von mei: 
ner Seite und Zugend von der eurigen! Karl verlangte, er 

ſolle ihn nach Rom begleiten, weil er biefe Stabt mit feinen 
Augen ſehen wollte. Allein Petrarca war nicht zu bewegen 
feine jetzige Zurüdgezogenheit zu verlaffen. Karl drohte im 
Scherz feine Schrift „über die Einſamkeit“, wenn er fie be 
kaͤme, in's Zeuer zu werfen. Petrarca begleitete ihn fünf 
Meilen über Piacenza. Beim Abfchied nahm ihn ein tofcani- 
fher Ritter bei der Hand und fagte zu Karl: „das ift der 
Mann, von dem ich Euch fo oft gefagt habe; ex wird Euern 
Namen, wenn Ihr etwad Rühmliches verrichtet, nicht in Ver⸗ 


1) Pelzel K. Karl IV. Th. I. urk. 161. 


2) Franc. Petrarchae Epp. de jur. Imp. Roman, nr, 5. in 
Goldast. Monarchia etc. T. U. p. 852, 





Vom Kurverein 1338 b. i goldnen Bulle 1356. 225 


geffenheit kommen laſſen; aufferbem weiß er zu reben und zu 
fQweigen" '). 
Was follte Petrarca auch in Rom machen? Karl hatte 


ia dem Papft verfprechen müffen noch am Krönungstage Rom 1355 
wieder zu verlafien. Unter dem Vorwande einer Jagd ging’. April. 


er weg und eilte nach Toſcana zurid. So wenig.ihn jene 
Emiebrigung vor dem Papſt gekoſtet, fo wenig befchämten 
ihn die Vorwürfe, welche ihm Petrarca nachfandte 2); ebenfo 
wenig kraͤnkte ihn auch die Verachtung, welche ihn bie Städte 
fowohl als die Viſconti fühlen liefen. Ex nahm ihr Geld 


‚ mb brachte dem kaiſerlichen Titel nebſt einigen zu Rom batirs 


tm Urkunden ?) zurüd. 

Daß Karl nicht Länger in Italien verweilte, war wohl 
mit der Dringlichkeit der teutfchen Angelegenheiten wie bei 
kudwig IV. zu entfchulbigen, oder mit der noch immer herr⸗ 
ſchenden Verwirrung. Cr ließ auch gleich bei feiner Ruͤckkehr 
w Regensburg die ſchweizer Sache zur Entfcheibung brin⸗ 
gen; doch lag ihm noch weit mehr an feinem Erbreiche Boͤh⸗ 
mn, wo er vor allen Dingen die fhon gedachte Incorporas 


tion der erworbenen Länbertheile zu Stande brachte*). Dann9. Sct. 


aber bezeigte er wirklichen Ernſt, die mangelhaften Reichöges - 


fege zu ergänzen, und infofern kann man es ald einen Ges 
winn des italienifchen Zugs fir Xeutfchland betrachten, daß 
Karl auf demfelben die Bekanntſchaft ded berühmten Rechts⸗ 
gelehrten Bartolus machte *). Schon zu Piacenza fchrieb er 
den Straßburgern: er wolle nad) feiner Zurhdfunft feine und 
des Reichs Angelegenheiten und Ehre mit Gottes Hülfe ernſt⸗ 
ih vornehmen und befürden, daß alle feine getreuen Unters 
thanen dadurch getröftet werden ſollten °). Während der Ans 
ordnung ber böhmifchen Angelegenheiten erließ er von Prag 


eine Reichötagsberufung nad Nürnberg: „wegen ehehaftiger 17. Sept. 


1) Mömoires etc. III. 875. 891. 
2) Franc. Petrarchae Opp. T. I. p. 29. 
8) Häberlin Keichsgeſch. III. 575. 
4) Du Mont T. 1. P. I. p. 802, 
5) Goldast de Senioratu, L. III. c. 19. $. 8. 
6) Wenker in Apparat. eto, p. M. 
Pfiſt er Geſchichte d. Zeutfchen I. 15 





226 Buch III. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 2. 


und redlicher Sachen, Kaiſer und Reich, Frieden und Gemach 
der Unterthanen betreffend, ſollen alle Fuͤrſten, Graven, Her⸗ 
ren und Städte ſich verſammeln, um gemeinen Nutzen bera⸗ 


then zu helfen” ®). 


Auf Seiten der Reichsſtaͤnde war eben fo großes Ber 
langen, nach vieljähriger Zerruͤtung Ruhe und Ordnung be 


1335 fefligt zu fehen, daß lange Zeit Fein Reichstag fo zahlreich 
Nov. befuht wurde. Man zählte aufjer den Kurfürften gegen 40 


[ai 





geiſtliche und weltliche Zürften. Die Zahl der Graven, Frei⸗ 
berren und der Städteboten Iäfft fich nicht genan angeben. 

Nachdem die frankfurter Beſchluͤſſe die Eingriffe des Pap⸗ 
ſtes oder anderer Maͤchte in die Selbſtſtaͤndigkeit des Reichs, 
beſonders der Wahlfreiheit, ausgeſchloſſen, ſo waren noch zwei 
Hauptſachen zur Berathung übrig: 1) das Verhaͤltniß der 
Fürften zum Kaifer oder das Wahlgeſetz; 2) dad Verhälts 
niß ber Stände zu einander oder ber Landfriede; Beides 
hervorgegangen aus dem allgemeinen Wunfche, bie Ruhe bes 
Reichs befonderd gegen Wahlzwifligleiten und deren verberd- 
liche Folgen zu fichern. 

Über ven erftern Gegenſtand berieth fih Karl IV. mit den 
Kurfürften befonders, und hielt ſich dabei vorzüglich an bie 
drei Erzbifchöfe von Mainz, Trier und Coͤln, „ohne bie er 
Nichts thun wollte?) (weil ed hauptfächlic die Stimmen der 
weltlichen Kurfürftenlinien betraf). Das andere Gefchäft wur: 
de an Fürften, Herren und Städte ober an die ganze Reiche 
verfammlung gebradht. Das erflere war eigentlich Fortfegung 
der fehon unter K. Rudolf I. gefafften Befchlüffe. Denn feit 
die römifche Koͤnigswahl vorzugsweiſe an die fieben Erzämter 
des Reichs gekommen (wobei den übrigen Fuͤrſten und Staͤn⸗ 
ben nur bad Recht der Zuftimmung geblieben), fo entflanden, 
auffer den päpftlichen Eingriffen, die meiſten Verwirrungen 
theils durch bie ſchon berührten Zheilungen ber weltlichen Kur- 
fürftenhäufer, wovon jede Linie auf das Stimmrecht Anſpruch 
machte, theils auch durch Streitigkeiten unter den geiftlichen 
Kurfürften über ihre Vorzüge vor einander, durch welches Al⸗ 


1) Dlenſchlager Erlaͤut. d. golbn. B. urk. 1. 
2) Dlenfhlager a. a. D. Url. 2. 


; | 
Dom Kurverein 1338 b. 5. golbunen Bulle 1356. 227 


les, bei den Parteiungen unter ben Fürften, Doppelwahlen 

begimfligt wiınden. Da Karl IV. die Erfahrung davon ges 

macht hatte, fo lag ihm felbft nicht wenig daran biefe Vers 

hältniffe zu orbnen, und er benußte ſchon die Zwifchenzeit bis 

zur Zuſammenkunft des Reichstags, bie Einleitung dazu nach 

feinem Wunſche zu treffen. ; 
In Abficht der Kurſtimme bed Erzſchenkenamtes, 

worüber zu K. Rudolfs I. Zeit die ſtaͤrkften Streitigkeiten zwi⸗ 

ſchen Baiern und Boͤhmen geweſen, blieb es bei der getroffe⸗ 

nen Entſcheidung zu Gunſten Boͤhmens. Da dieſes Reich 

umtheitbar war, fo konnte auch Fein weiterer Swift mehr über. 

die Ausübung der Stimme entſtehen. Hingegen bei den brei 

andern weltlichen: Erzaͤmtern tvaren deſto mehr. Verwirrungen.- 

Die pfaͤlziſche Kurfiimme des Zruchlelfen Amtes hatte 

8. Rudolf. I. von der Herzoglich baierifchen. Linie getrennt, 

obgleich Ein Haus beide Länder beſaß. Durch den Vertrag 

von Pavia warb die Kurſtimme den beiben Linien ˖wechſels⸗ 

weile zuerkannt. Nach des Pfahgraven Rudolf Tode ſtrit⸗ 1 

ten Ruprecht der Ältere unb der Füngere darum; Karl ſprach ar 

fie dem Ültern zu und machte fpäter noch bie Bebingung, 1355 

daß nach feinem umbeerbten Tode der Ihmgere eintrete '), wo⸗ 27. Dec. 

— der Vertrag von Pavia wieder beſchraͤnkt wurde. 

Im ſaͤchſiſchen Herzogshaufe machte die lauenbur⸗ 
giſche Linie, als die aͤltere, auf die Kurſtimme des Mar⸗ 
ſhallen amtes Anſpruch, die wittenbergiſche aber als 
Beſtzerin der Kurlande. Da Lauenburg gegen Karl IV. 
geſtimmt, fo erkannte er der wittenbergifchen Linie das Wahls 6. Oct. 
seht um fo mehr zu, als fie ed bisher meift auögelbt, alfo .. 
dad Herkommen für fich hatte *). 

Die brandenburgifche Kurſtimme bes Erzkaͤmme⸗ 
teramtes ſollte zufolge des luckauer Vecrtrages von den drei 
Soͤhnen Ludwigs des Baiern gemeinſchaftlich geführt werbet; 
Karl IV, fprach nach demſelben Grundſattze mie “bei nn 
md Mheinpfalz: ber jüngere Ludwig, genannt det Römer, als 


1) Tolner. Cod. pl, Pal nr. 148, 188. Olenſchlager Er⸗ 
Iäut. d. goldn. B. Urt. 8. 
2) Schannat. Vindem. Lätt, coll. IL ar. Sl. 
15 * 


228 Bu m, Erfier Zeitraum. Abſchnitt 2. 


Befiger der brandenburgifchen Lande, follte auch die Kur: 
fimme führen *).. Damit wurbe der ältere Ludwig, Karls 
hartnädigfter Gegner, jebt Herzog in Oberbaiern, von felbf 
ausgeſchloſſen, und das Herzogthum Baiern ging wiederholt 
leer aus. 

Sobald Karl dies Alles vorbereitet hatte, ließ er die Kur⸗ 
fürften auf dem Reichſtage darüber erkennen und Willebriefe 
von ihnen ausſtellen, worauf er die genannten Fuͤrſten mit 
der Kurwuͤrde belehnte. Zu gleicher Zeit wurden auch bie 
Borrechte der geiftlihen Kurfürften in ihrem Verhaͤltniſſe 
zu einander in Berathung gezogen. Nach der Feſtſetzung des 
Wahlrechted und der befondern Rechte der Kurfürften ließ der 
Kaifer ihre Vorrechte vor den übrigen Fuͤrſten näher beftim- 
men, bei der Abfaffuhg des Gefeges aber die Wahlart nebſt 
den dazu gehörigen Verordnungen in Abficht auf Seit und Ort 
vorausſchicken. 

Waͤhrend dieſer Verhandlungen mit den aurfurſten kapen 
denn auch im Reichsrathe die Fragen von der Mimze, von 
Rheinzoͤllen und Geleit, von ben Pfahlbuͤrgern, überhaupt 
vom Landfrieden zur. Berafbung. Weil aber fihon mehrere 

- 4356 Wochen Über der Verfammlung verflofien waren, fo ließ ber 
10. Jan. Kaifer einſtweilen bie gefaflten Beſchlüſſe verfünden und ſetzte 

einen andern Reichötsg auf Ende deffelben Jahres nach Mes. 

Karl wählte diefe Stadt aus mehreren Gründen. Sein 

Bruder Wenzlaw, dem er die luremburgifchen Stamm: 
41354 londe als Herzogthum überlaffen hatte, ſtand im Krieg 

.. mit Gran Ludwig von Flandern über bie Exbfolge in dem 

1355 Herzagthume Brabant und Limburg, welche der kuͤrzlich 

5. Dec. ohne Söhne verflorbene Herzog Johann ber Gemahlin Benz 

laws, Johanna, als ber älteflen Zochter, zugebacht hatte. 

Johanna felbft führte diefen Krieg ſtatt ihres trägen, uͤppigen 

Semabls nicht ohne Gluͤckk. Weil aber Grav Lubwig - von 

Flandern, der Gemahl. ihrer zweiten Schwefter, die Waffen 

noch nicht nieberlegen wollte und Antwerpen belagerte, fo 

1356 hielt der Kaifer für nöthig felbft einzufchreiten. Vom Papft 

wurde er ald Vermittler in bem franzoͤſiſch⸗engliſchen 


1) Hear. Rebdorf, — a. 1356, 


Vom Kurverein 1338 b. ;. goldnen Bulle 1356. 229 


Krieg aufgerufen, ba ber König Johann von Frankreich, 1356 
fein Neffe, in der Schladht von Maupertuis in die Gefan⸗ 19. Sept. 
genfchaft des fchwarzen Prinzen, Eduards von Wallis, geras 
then war '). Den Weg nach Lothringen aber nahm Karl 
buch Schwaben und Elſaß, weil bie Städte über bie zu 
Nürnberg verkimbeten Sagungen in Betreff der Pfahlbürs 
ger unzufrieden waren. Er befuchte die Reichsburg Hohen 
kaufen, welche jest mit ber Landvogtei Nieberfchwaben als 
Pandfchaft in den Händen der Graven von Wirtemberg war. 
In Übereiuftimmung mit diefen wollte er, wie fchon zu Ans 
fang nach feiner Wahl, die Städte auf der Seite behalten, 
und gab ihnen baher Erlaubniß fich auf's neue untereinander 
zu verbinden. Auf biefelbe Weiſe wurbe der Landfriede auch 
im Elſaß gefichert ?). 

Zu dem Reichdtage zu Met kamen Gefandte vom Papft 
und vom Könige von England. Der Reichöregent von Frank⸗ 
reich, des gefangenen K. Johanns dltefler Sohn Karl, Her 
308 ber Normandie und Delphin von Vienne, als folcher teuts 
her Reichsvaſall, war in Perfon gegenwärtig. Die Ver 
hanblungen Über das zu Nurnberg entworfene Reichsgeſetz wur⸗ 
den fefigefeßt. Zu den 23 erften Gapiteln kamen noch fieben 
hinzu in Betreff der weiteren Rechte ber Kurfürften und ihrer 
Amtöverrichtungen bei feierlichen Reichöhöfen. Dann ließ ber 
Kaifer dad Ganze, in Iateinifher Sprache audgefertigt, als 
mmerwährended Reichögefet Öffentlich verfünden und da825. Dec. 
Majeflätsfiegel, die goldne Bulle, von der ed vorzugsweiſe 
den Namen hat, daran hängen. Das Original ber Urkunbe 
ward dem Reichs⸗Erzkanzler uͤbergeben ). 

Der Inhalt dieſes Reichsgeſetzes *), fomeit er für unſere 
Geſchichte noch wichtig ift, iſt dieſer. Erſter Haupttheil, von 
— roͤmiſchen Konigewabl und den Kurfuͤrſten. 


1) Häberlin Neihägefh. IT, 610-612, 
2) GSefhichte von Schwaben, IV, 87 f. ‘ 
— eat ift wohl biefed und überhaupt das mainzer Archiv ge⸗ 


* — nach Vergleichung verſchiedener Gremplare in Olen⸗ 
ſchlagers Erkaͤuterung. 


= a a ee 


2330 Buch IL Erfter Zeitraum. Abſchnitt 2. 


)y) Ausgeſchrieben wird die Wahl nach Erledigung 
bed Faiferlichen Thrones durch den Kurfürften von Mainz an 
jeden Kurfürften binnen drei Monaten nah Frankfurt 
am Main. Wer in ber gefehten Zeit nicht in Perfon ober 
durch Botfchafter mit vorgefchriebener Vollmacht erſcheint, 
verliert fir diesmal fein Wahlrecht. Die Verſammelten ſchwoͤ⸗ 
ven den Wahleid, daß fie nach beftem Wiffen und Gewifs 
fen die tauglichfte Perfon ohne Privatrüdficht wählen 
und den Wahlort nicht eher. verlaffen wollen, bis fich tie 
Mehrheit vereinigt bat. Cine Wahl burch Mehrheit hat 
diefelbe Gültigkeit, wie wenn alle einflimmig gewelen wären 
(mas bisher noch nicht gefeßlich beflimmt war). Wenn ber 
Kurfürft von Mainz feine Pflicht verfäumt, verſammeln ſich 
die Kurfürften in der-'gefehten Zeit unaufgefodert. Wahlher⸗ 
ren und Botfchafter fliehen unter Baiferlihem Geleit bei der 
hoͤchſten Acht, und die Bürger von Frankfurt leiften noch be 
fonders den Sicherheitseid. Die Krönung gefchieht zu Aachen. 

2) Ausſchließliches Wahlrecht haben die fieben Kur 
fürften, die Erzbifchöfe von Mainz, Trier, Coͤln, der König 
von Böhmen, der Pfalzgrav bei Rhein, der Herzog von Sach⸗ 
fen-Wittenberg und der Markgrav von Brandenburg. Zu 
Verhuͤtung kuͤnftiger Streitigkeiten haftet die Kurwuͤrde auf 
dem wirklichen Beſitze des Kurlandes (nicht bloß auf dem 
Erzamte allein). Diefed Kurland ift untheilbar, reichsle⸗ 
benbar, mit Vorbehalt des Wahlrechtes der böhmifchen Stände 
beim Grlöfchen des Königsflammes, wirb in ben weltlichen 
Kurfürftenhäufern nach dem Rechte der Erſtgeburt vererbt, mit 
Ausſchluß der geiftlichen Glieder, und, im Kal der Minder⸗ 
jährigfeit, von dem nächflen weltlichen Agnaten vormundſchaft⸗ 
lich verwaltet. 

3) Kurfuͤrſtliche Vorrechte (vor den anderen Reichs⸗ 
fländen). Ihre Territorien find für die Eaiferlihen Ges 
richte geſchloſſen, d. h. die ihnen unterworfenen Stände 
ftehen unter ihren Gerichten und haben Feine Berufung an 
bie Paiferlichen Gerichte auffer im Fall verweigerte Juſtiz 
(jus de non evocando, wozu die rheinifchen Kurfürften bei 
Adolfs und Albrecht Wahl den Anfang gemacht). Die Kur: 
fürften baben in ihren Ländern das kaiſerliche Regal ber 


! 


Vom Kurverein 1338 b. 3. goldnen Bulle 1356. 231 


Bergwerke, die Münze, bie hergebrachten Zölle, den Juden⸗ 
(bug; ihnen gebührt das Necht, wie der Krone Böhmen, von 
anderen Fuͤrſten und Ständen Alobien und Reichslehen an 
fih bringen zu dürfen, voraudgefeht daß die Verhaͤltniſſe fols 
her Güter und Herrfchaften zum Reich nicht verändert wer 
den *); fie haben ben Vorrang vor allen anderen Reichöfläns 
den und find mit der Perfon des Kaifers fo nahe verbunden, 
daß, wer ſich an ihnen vergreift, des Majeſtaͤtsverbrechens 
ſchuldig wird. "Sie heiffen die Grundfäulen und bie ſieben 
Leuchter des Reiche. 

4) Reihögefchäfte ber Kurfürften auffer der Wahl. 
Eie verfammeln ſich alle Jahre vier Wochen nach Oftern, um 
über die Heichdangelegenheiten zu rathfchlagen und mit dem Kais 
fer zu fchlieffen. Während der Erledigung des Faiferlichen Thro⸗ 
nes iſt der Rhein Pfalzgran In ben Landen am Rhein und 
in Schwaben und im Lande fränkifchen Rechtes, der Her: 
zog von Sachfen aber, wo fächfifche Rechte gehalten wers 
den, Reichsverwefer; nur bürfen fie keine Fahnlehen vers 
kihen und Nichts veraͤuſſern. Der Pfalzgrav behätt ven her⸗ 
koͤmmlichen (unter 8. Albrecht I. erneuerten) Vorzug daß der 
Kaifer vor ihm zu Recht fliehen muß, jedoch nur in verſam⸗ 
meltem Reichshof. 

5) Bei den Hofdienſten oder Verrichtungen der Erz⸗ 
ämter ift neben Beſtimmungen ihres Ranges und Vortritts ıc. 
die Schlußverorbnuung: da das roͤmiſche Reich verfchiedene Na⸗ 
tionen von verfchiedenen Sitten, Sprachen, Gefegen und 
Regirungsformen vereinigt , fo follen die Söhne der Kurfür⸗ 
fien unter Vorausſetzung, daß fie von Geburt die teutfche 
Sprache verſtehen, auch in der Grammatik ober Iateinis 
ſchen, in der italienifchen und flavifchen Sprache vom 
Pebenten bis zum vierzehnten Jahre unterrichtet werben, um 
in Führung der Gefchäfte dem Kaifer defto eher beiftehen zu 

Einnen, 


1) Dabei wird alfo vorausgefegt, daß bie Länderfäufe der anderen 
Fürften, wie fie häufig vorfommen, bei Öfterreih, Wirtemberg, befon- 
derer Taiferlicher Erlaubniß bedurften. Übrigens bringt Olenfhlagers 
Eläut. S. 221 ff. die Sache nicht recht in's Klare. 


232 Bud IIL Erfter Zeitraum. Abſchnitt 2. 


Zweiter Haupttheil, vom Landfrieden und dazu gehoͤ⸗ 
rigen Gegenſtaͤnden. Wer in unredlicher Fehde dem Lehens⸗ 
herrn die Lehen aufkuͤndet und dieſe ſelbſt dann angreift und 
ſich wieder zueignet, hat dieſelben verwirkt. Verbindungen 
der Städte ober einzelner Perſonen unter fi oder mit ans 
dern, obne Wiſſen und Willen ihrer Landesherren, werben 
abgethan, fowie die Pfahlbürger. 

Auf diefen zweiten Theil fcheint weniger Fleiß in ben 
Verhandlungen verwendet worden zu fein ald auf den erfien, 
denn es find lauter alte oder herkömmliche Reichsgeſetze, wel: 
che ſchon unter den Hohenflaufen zu Sunften der Fürften 
gegeben worben. Karl IV. wurde zu ihrer Erneuerung ver 
anlaſſt, einerfeits durch die vielen unredlichen Fehden des Her 
senftandes, anbererfeitd durch die zunehmenden Staͤdtebuͤnd⸗ 
niffe, beſonders die fchweizerifhen. Im Übrigen blieb es bei 
dem biöherigen Fehderechte. 

Auch im erſten Haupttheil der goldnen Bulle iſt Rüds 
fiht auf ditere Verfaffungsformen oder eine gewiſſe Veraͤhn⸗ 
üchung. Die Eurfürftlihen Lande werben den Volksherzog⸗ 
thümern gleichgeftellt; die jährliche Verſammlung der Kurfür: 
fien an Oftern follte wohl die regelmäßigen Reichötage erfehen. 

Die Frage, wer Verfaſſer dieſes Reichögefees, ift über 
flüſſig. Da Karl IV. dem berühmten Rechtögelehrten Bar: 
tolus von Perugia, den er ſchon auf dem erſten Römerzuge 
zu feinem Rath ernannt und mit verfchievenen Vorrechten be: 
.gnadigt hatte, die Bearbeitung des neuen böhmiichen Geſetz⸗ 
buches übertragen bat, fü iſt wohl zu glauben, daß er ihn 
auch bei diefen Verhandlungen vorzüglich beigezogen habe. 
Wenn Übrigens die Urkunde auch von Einer Hand gefchrieben 
fein mag, vielleicht duch Rudolf von Friedberg, nachhe⸗ 
rigen Kanzler bed Kaiferd und Biſchof zu Verden; wenn viels 
leicht auch Karl felbft Manches bictirt zu haben fcheint, wie 
man aus ber Ähnlichkeit der Sprache mit der in feiner Les 
benöbefchreibung ‚fchlieffen wollte *), fo zeigt doch der Inhalt 
Spuren mebrfeitigen Einfluffes. Selbſt bei der Schlußver: 
ordnung, welde ohne Zweifel vol Karl felbft herfommt , iſt 


1) Dienfhlager Erlaͤut. ıc. ©. 390. 


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Vom Kurverein 1338 b. z. goldnen Bulle 1356. 2333 


gefagt, daß der „Rath aller Weiſen“ gehört worden. Wie 
vielen Antheil Die Kurfuͤrſten am Ganzen gehabt, befonders 
die sheinifchen Erzbiſchoͤfe, ift bereitd bemerkt worden. 

Die auswärtigen Sefandbtfchaften fcheint Karl mehr zur 
Verherrlichung des Reichötaged zu Meb ald zu Berhanbluns 
gen in ihren Angelegenheiten beigezogen zu haben; denn die 
Stanzofen waren fehr unzufrieden, daß das Vermittlungsge⸗ 
(haft mit England nicht ernfllicher betrieben worden; doch 
emeuerte ber Reichöregent, Delphin Karl, vor feiner Ruͤckkehr 
das Bimdniß mit dem Kaifer ). Der Papft hatte den Kar⸗ 
dinal Zaleyrand von Perigord abgeorbnet, benfelben ber 
vormald Karls IV. Ernennung zum römifchen König burchges 
feßt hatte. Durch feinen Einfluß mag es gefcheben fein, daß 
bad italienifche Reichsvicariat in ber goldnen Bulle über: 
Sangen worden iſt, wiewohl die Urkunde fich überhaupt auf 
Zeutichland befchränkt. Doch konnte er nicht verhindern, daß 
durch bie näheren Beflimmungen, im Abficht des teutfchen 
Reihsvicariats, ſtillſchweigend der Papft audgefchloffen 


wurdes bie frankfurter Sagungen find zwar nicht namentlich . 


genannt, doch werben fie bei dem ganzen Wahlgefeg voraus⸗ 
— und vom paͤpſtlichen Beſtaͤtigungsrecht iſt gar nicht 
ie Rebe. 

Drei teutfche Fürftenhäufer, Baiern, Öfterreih, Sad: 
fen&auenburg, wollten fich über ihre Ausfchlieffung von den 
Vorrechten ber Kurfürften nicht zufrieden geben. Die Ritter: 
(haft zuͤrnte über die Befchränktung des Fehdeweſens, wies 
wohl die Hauptfache beim Alten blieb; bie Städte wollten, 
wie wie fchon gehört, die Abflelung der Pfahlbürger nicht 
kiden. Die Rüdwirtungen aller diefer Verhältniffe wird der 
naͤchſte Abfchnitt zeigen. Übrigens war das neue Reichögefeg 
= allen rechtlichen Erfoderniffen angenommen und be 

igt. 

Kart IV. Hat gegen jene Fürftenhäufer allerdings eine 
eigennuͤtzige Politik durchgefeht, doch hat er für fich felbfl, als 
Kaifer, Nichts erlangt; als König von Böhmen theilte er die 
Dorrechte der anderen Kurfürften, nur daß er mehr Mittel 


1) Du Mont T. L P. U. p. 828. 


— * 








2343 Bud II. Erſter Zeitraum. Abſhnitt 2. 


befaß fie zu beugen, und hat es vielleicht noch für Befchei- 
denbeit gehalten, daß er bei der Rangbeflimmung das König: 
reich Böhmen nicht auch den geifllichen Kurfürften vorgefegt 
bat, wie ed K. Rudolf I. für feinen Schwiegerfohn im Sinn 
hatte). Die Kurfürften hingegen haben fich deſto beſſer be: 
dacht und liefen fi dadurch für das Iuremburgifche Haus 
gewinnen. Ale ihre Anmaßungen während ber zwifligen Wah⸗ 
Ion von K. Abolf an lieffen fie fich gefeglich beftätigen. Die 
Reichsguͤter und Rechte, welche fie an fich gerifien, blieben 
bei ihrem Landgebiet; dieſes warb für untheilbar und gefchlof 
fen erklärt, wie die Volksherzogthuͤmer oder die noch Altern 
fränfifchen Reichslehen. Die Wahlſtimmen wurden nicht bloß 
auf dad Erzamt, fonbern auch wieder auf das Land ge 
gründet ?). Wenn bie alten Vollöherzoge als Vertreter ihrer 
Provinz an der Spitze ihrer beiflimmenden Sefolgfchaften auf 
dem Wahltag erfchienen, fo ift jest von Gefolgfchaften nicht 
mehr die Rede, und ber Zuruf der übrigen Fürften und Stände 
kommt in Abgang. Kurz, die Kurfürften haben nicht bloß bie 
Vorwahl oder Hauptwahl, fondern bie Wahl: allein, 
und diefe wird den Übrigen Ständen verfündet °). Wenn bie 
jährlichen Kurfürfientage nach ihrem Sinn zu Stande famen *), 
fo muſſte auch die Theilnahme der Stände an ben Übrigen 
Reichsangelegenheiten zeitiger erlöfchen, als fie erlofch. Alſo 
bat Karl IV. felbft dazu mitwirken müflen, daß die durch 
Wahlparteiungen aufgelommene Ariſtokratie in bie Ver 
foffung aufgenommen wurde; und damit Niemand an ben 


1) &. oben &. 70. 

2) Bei der pfälzifhen Kurflimme wird ausdruͤcklich gefagt, daß fie 
auf das Kürftenthbum und Land der Pfalz und aufdas Truchſeſ⸗ 
fenamt fo feft gegründet fei, daß das eine ohne das andere nicht beftes 
ben koͤnne. Olenſchlager Erläut. d. goldn. B. Nr. 4. 

8) Früher hieß es von den Kurfürften: „ad quos jus eligendi — 
principaliter pertinere dignoscitur‘. Karl IV. fagt bei der Wahl ſei⸗ 
nes Sohnes Wenzlaw: „ad quos jus eligendi legitime spectare digno- 
scitur“. Raynald, ad a. 1376. $. 15. 

4) Daß fie nie zu Stande Tamen, erklärt Olenſchlager ©. 
291 daraus, baß die kurfuͤrſtlichn Willebriefe, beren auch in dem 
"genannten Buche gar nicht gedacht ifl, in Abgang gelommen fein würden. 


überſicht. — 235 
Vorrechten der Kurfuͤrſten zweifeln ſollte, wird bei jebem der⸗ 
ſelben ausdruͤcklich hinzugeſetzt: „wie ſolches nach altem loͤbli⸗ 
chen Herkommen, nach gut geheiſſener laͤngſt verjaͤhrter Ge⸗ 
wohnheit beobachtet worden”. 





Überficht des zweiten Abſchnittes. 


Geſteigerte Eingriffe des Papſtes in bie teutſche Reiches 
verfaffung, während feiner eigenen Demüthigung zu 
Avignon. Cntgegenftellung des teutfchen Staatsrechts. 
Inconfequenz der Fürften. Das Reich kommt aus der 
Ahhängigkeit vom Papſte, welche die Herflellung der 
Ronarchie im erften Abſchnitt begleitete,‘ in Abhängig: 
kit von ‚den Kurfürften.. Heillofe Nachahmung ber 
roͤmiſchen Politik. Lob der Städte. Geſchloſſene Ter⸗ 
ritorien. Dreierlei Landesgebiete und dreierlei Ent- 
wuͤrfe in den folgenden Begebenheiten. 


Der vielſeitige Kampf gewährt ein eigenes Schauſpiel. Aus 
fänglih gaben die Parteiungen unter den Zürften dem Papfte 
Bloͤßen genug, feine Eingriffe noch viel weiter auszubehnen. 
Bas die früheren Paͤpſte nur in einzelnen Fällen gewagt, oft 
ieder zurlickgenommen '), dad wurde jetzt offen ald Theorie 
aufgeftellt: „Der Papft ift oberſter Weltregent; bie Könige ha⸗ 
ben die Gewalt von ihm. Er bat das Reich auf die Teut⸗ 
fhen gebracht und den Fürften das Wahlrecht verliehen; wenn 
fie dieſes nerfäumen, ſetzt er felbft den römifchen König ein. 
Er hat das Beftätigungs- und Abſetzungs⸗Recht; der erwählte 
tömifche König darf nicht cher in die Reichöverwaltung tres 


H Platt Geſchichte des Papfktpumd. IL 2. 728 ff 


236 Bud II. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 2. 


ten, bis ihn ber Papſt ernannt hat. Ein folcher unter dem 
Papfte ſtehender Kaifer iſt dann doch das Haupt über alle 
anderen chriftlichen Könige. Aber in Rom hat der Kaifer Nichts 
zu fagen. Der Kirchenflaat, foweit ihn bie Päpfle ausge 
dehnt, iſt völlig unabhängig. Bei Erlebigung des Thrones 
bat der Papſt dad Reichövicariat dieffeit und jenfeit der Al⸗ 
ven. In Streitfällen entfcheidet ee über dad Stimmrecht, 
beflimmt den Wahlort, fett den Reichs⸗Erzkanzler ab, wenn 
er die Wahl nicht nach feinen Wünfchen leitet; Läfft dad Erz 
bisthum in Befchlag nehmen. Sehenten und andere Abgaben 
werben nach den Bebürfnifen des roͤmiſchen Stuhls in Teutſch⸗ 
land erhoben“. 

Das Alles muffte gerade noch vor dem Sturze bed Papfl- 
thums gefleigert werben. Der Letztere Fam jeboch nicht von 
ber Kaifergewali, fondern von den Königen von Frankreich, 
bei welchen bie Päpfte früher gegen die Kaifer Huͤlfe gefuct. 
Nur fo lange wollten die Zranzofen die päpflliche Obergewalt 
noch gelten lafien, bis fie ald Werkzeug gedient hätte, die 
Selöftftändigkeit des teutfchen Reichs zu vernichten. 

Anfänglich waren die Fuͤrſten mit dem Papſte barin eins 
fimmig, kein mächtiges Kaiferhaus mehr aufkommen zu lafs 
fen. Sie wollten nur ſchwache Wahloberhäupter, bei deren 
Wechſel fie fich jedesmal bereichern Eonnten. Nur der Papfl 
ſelbſt konnte die Erzbiſchoͤfe hindern, daß fie nicht gar in feine 
Stelle traten und Kaifer abfegten oder über flreitige Wahlen 
entfchieden. Die Wahlkoͤnige, von zwei Seiten im Gebränge, 
warfen fich dann auch lieber wieder dem Papft in die Arme, 
bewilligten für den Augenblid Alles was er ihnen vorfchrieb 
und erfannten die fabelhafteften Behauptungen an. So ats 
beiteten ihm beide Theile in bie Hände, und es waͤre thöricht 
geroefen nicht zuzugreifen. Auch die Wahlgelder wuffte er den 
Kurfürften wieder abzunehmen. Heinrichs VII. kraͤftiges Auf: 
treten hätte das Ganze ändern können, wenn ed von Befland 
— wäre. Erſt als die Sachen unter Ludwig IV. auf's 
| ufferfte gelommen waren, erwachte bad Selbftgefühl wieber. 

Ludwig fafft Muth förmlich zu proteſtiren: „durch gefesliche 
Vahl ber Fuͤrſten, nicht vom Papſte, bat der roͤmiſche 
König das Recht der Reichöregierung”. Die Kurfuͤrſten er⸗ 


Überficht. 237 


kennen, daß es auch ihre fuͤrſtliche Ehre betrifft; fie verbin⸗ 
den fih, „die Wahlfreiheit gegen maͤnniglich zu behau⸗ 
pten”. Der Reichstag fpricht die Unabhängigkeit des 
Kaiſerthums aus. „Die hoͤchſte Gewalt wirb vom 
Volk vermittelt der Wahl übertragen. In weltlichen 
Dingen gebührt die von Gott eingefeßte höchfte Gewalt dem 
Kaifer allein”. 

Diefe Theorie wird ber paͤpftlichen entgegengeſtellt, ſo⸗ 
wohl nach Rechtsgrundſaͤtzen als nach geſchichtlichen Thatſa⸗ 
hen. Indeſſen hatte ber Papſt die Macht der Gewohn⸗ 
heit für. fi"), und diefe erhielt fich um fo mehr, als bie 
Firſten das was fie ald recht erfannt und fogar befchwaren 
hatten, noch mehrmals verlieflen, bis es endlich in wirkliche 
Rechtskraft überging. Ludwig IV. iſt zum Widerruf geneigt, 


fo oft ed die Umflänbe zu erfobern fcheinen, und beharrt zus 


let nur noch um nicht auch feine Landerwerbungen opfern 
zu müffen. Die Kurfürften aber werfen fich wieber mit einer 
Gegenwahl dem Papfte in die Arme, und biefer fäumt nicht 
die alten Anfprüche zu erneuern. Karl IV. erkennt fie an, bis 
er im Beſitz der Macht iſt. Endlich giebt er zu Abſchneidung 
Fünftiger Zwiſtigkeiten ein Wahlgeſetz, muß aber zugleich alle 
biöherigen Anmaßungen der Kurfürften beflätigen. Alſo haben 
biefe nicht das Reich fonbern ‚fich gerettet. Im Übrigen bleis 
ben Papft und Kaifer im Widerſpruch; endlich beruhen bie 
gegenfeitigen Anſprüche auf fich. 

Bie viel Üibels hat die Nachahmung der päpftlichen Pos 
litik in Teutſchland gefliftet! Geſetze und. Gidſchwire werden 
nicht mehr geachtet. Ein Gegenkoͤnig erlegt den andern in 
offener Schlacht und wird fgiter von feinem Neffen ermordet; 
zwei ober drei der Nachfolg®& werben durch Gift weggerdumt. 
kaͤnderſucht ift die Haupttriebfeder. Die ſchwachen Wahlkoͤ⸗ 
nige müffen auf Vermehrung der Hausmacht denken, weil bie 
Surfen das Reichsgut an fich ziehen. Bei Exbfolgeflreitigs 
keiten wird der Knoten gewöhnlich baburch zerhauen, baß ber 
Kaiſer die Lande für erledigte Reichslehen erklaͤrt, um * 
Belieben daruͤber verfügen zu konnen. 





1) Plant Geſchichte des Papſtihume. M, 270. . . 


23 Bub II Erfter Zeitraum. Abſchnitt 2. 


Den teutfihen Städten gebührt der Ruhm, daß ihr 
treued Zuſammenhalten feit dem großen Zwiſchenreich eine 
Hauptſtittze ber Sffentlihen Sicherheit und Ordnung gewor 
den ift, während die italienifchen in unenbliden Parteikaͤm⸗ 
pfen fich aufgerieben haben. Entfcheidend für die ganze fünf: 
tige Verfaflung ift, daß in dieſem Zeitraume bereits die grö- 
ßeren Fuͤrſtenthuͤmer ald gefhloffene Landesgebiete ew 
Hart find , woburd eine neue Scheidewand ber Bölfer ent: 
ſteht, wie in den alten Herzogihümern, nur daß bie Abgren> 
zung nit mehr nach den urfprünglihen Stammes⸗ und 
Volls⸗Verhaͤltniſſen oder nach. den erſten Gaugrenzen, fondern 
nah Erbguͤtern und Reichslehen gefchieht. Diefe hin und wie 
ber zufammengebrachten neuem Staaten nennen fich nach ben 

FZuͤrſtenhaͤuſern ober Hierarchien. Vereinzelung wird von nun 
an herrſchend. Auſſer jenen groͤßern Fürftentbimern, in wel⸗ 
chen die kaiſerliche Gerichtsbarkeit ausgeſchloſſen wird, bleibt 
aber noch viel unmittelbares Reichsland übrig, wodurch 
ein beittes, in ber alten. Berfoffung der Herzogthuͤmer noch 
nicht gewefened Verhältniß hervortritt, eine Zwifchenmacht, in 
deren Bewegung bauptfächlich die Politit des folgenden Zeit: 

raums Befteht, nach den Grundzuͤgen welche ſich ſchon unter 

K. Rudolf I. gezeigt. 

Das Reich hat num Breierlei Gebiete: 

4) die Föniglihe Hausmacht oder Erblanbe; 

2) geiftliche und weltlihe Fuͤrſtenlaͤnder mit aner⸗ 

Tannter Landeshoheit; 

3) das übrige unmittelbare Reichsland. 

Das Letztere zerfällt aber auch wieder in mehrere Unter 
abtheilungen: 

a) Beinere Fuͤrſten, welche auch nach Landeshoheit 
fireben; 

b) der übrige Adel ober Herrenſtand; 

o) die freien Staͤdte. Von jenen iſt der Koͤnig noch 
beſonderer Oberherr, vom dieſen Grundherr. Dieſe kleineren 
Stände hahen bereits angefangen gegen bie Ausdehnung ber 
- fürftlichen Landeshoheit in Bimbniffe zu. treten. ar 

Nun zeigen fich verfchiebene Wege, aus fo verfchiebenar: 
tigen Xheilen dad Reich neu zufammenzufegen ober die 


: überſicht. 239 


Vereinzelten in eine wirkſamere Einheit zu bringen. Entwe⸗ 
der werden bie Lande und Fuͤrſtenthuͤmer unter verſchledenen 
Ziteln an das Königshaus gebracht (zu einer Erbmonarchie 
wie Frankreich), oder die Bünbniffe der kleineren Staͤnde wer⸗ 
den auf das ganze Reich ausgedehnt (teutſches Kaiſerthum 
in engern Sinne), oder man laͤſſt der Landeshoheit das UÜber⸗ 
gewicht. Die Verſuche werden auch wirklich in dieſer Ord⸗ 
nung gemacht und zum Theil wiederholt, aber keiner ganz 
durchgeführt, und fo entſteht am Ende eine noch vielſeitigere 
Sufanımenfegung. 


Dritter Abſchnitt. 
Derrepublicanifche Zeitraum oderdie Reichs: 


und Kirchen = Freiheit duch Bünpniffe und 


Koncilien unter dem luremburgifcen, Hauſe. 
3. 1357 - 1437 (80 Jahre). 


1. Schwinden deö Kaiferthums im alten. Sinne. 


Karls IV. Bildung und Eigenfhaften. Das Kir 
benreht. Erfter Antrag zur Verbefferung der 
Geiftlihleit. Bereinigung bes Kaifers und des 
Dapftes zu Wiederberftellung beider Gewalten in 
Stalien. Das arelatifhe Reich zu Frankreich fi 
binneigend. Entflehbung des neuburgundifden 
Reis, Sreicompagnien in Frankreich und Ita⸗ 
lien. Krieg gegen die Vifconti zu Mailand; Pes 
tarca. KarllV. führt den Papſt nah Rom; Friede 
mit Bernabo Viſconti. Schagung der Staͤdte. 
Rückkehr des Kaifers und des Papſtes aus Italien. 


Rad ber Unabhängigkeitderftärung ber teutichen Krone follte 
ein — Kaiſer wohl zunaͤchſt — gedacht var 


240 Bud II. Erfter Zeitraum. Abſchniet 3. 


ben, bie berabgewürbigte Gewalt wieder zu erheben ober bas 
Anfehn bed Reichdoberhauptes ſowohl in Italien als in Teutſch⸗ 

land durch ſtrenge Handhabung der Geſetze herzuſtellen. Allein 

die Zeitverhaͤltniſſe hatten bereits eine Richtung genommen, 

welche faft unuͤberſteigliche Hinderniſſe in den Weg legte. Uns 

ternehmenden Geift hat Karl IV. allerdings bewiefen, aber zu 

- einem ganz andern Biel. 

Karl IV. gilt nach Friedrich IL. für den erſten gelehrten 

1323 Kaifer. Als ficbenjährigen Knaben fandte ihn fein Water zu 

dem Könige Karl IV. von Brankreich, feinem Schwager. Die 

fer gewann ihn fehr lieb und gab ihm, ald er vom Papfle 
confirmirt wurde, feinen Namen *), ſtatt bes flavifchen Zauf: 
namens Wenzlaw; auch befahl er dem Hofcaplan ihn ein we 

nig in den Wiflenfchaften zu unterrichten, ob er gleich ſelbſt 

deren unkundig war. So lernte Karl zuerſt die Horen Iefen. 

Dann verlobte ihm der König bie Tochter feines Oheims Karl, 
132% des Stifter8 der valefifchen Linie. Nah dem Tode feines 

Wohlthaͤters blieb Karl noch zwei Jahre am Hofe König Phi: 

lipps VL, feines Schwagers, mit dem er erzogen worden. 
war. Hier ſah ex den Abt Peter, nachherigen Papft Cle 
mens VI., bei der Meffe am Afcyermittwoch und warb von 
der Würde des Mannes fo ergriffen, daß er fih an ihn am 
fhloß und von ihm Unterricht in der heiligen Schrift erhielt. 
In reifern Jahren erneuerte Karl die Freundſchaft, da er Mark⸗ 
grav in Mähren war, Peter ſagte zu ihm in Avignon: „Du 
wirſt noch roͤmiſcher König werben!" er dagegen: „Du vorher 

Papſt!“ Von der Art feiner Studien, beſonders von myſti⸗ 
ſcher Schrifterklaͤrung und Moral, giebt einen Begriff die Be: 
fhreibung feines „eiteln und thörichten Lebens,“ welche Karl 
. für feine Söhne, Wenzlaw und Sigmund , da fie ſchon Koͤ⸗ 
nige waren, jener in Boͤhmen, dieſer in Ungern, aufgeſetzt 
bat. Sie enthält feine Jugendſchickſale und bie frühzeitige 

Theilnahme an den Sffentlichen Angelegenheiten bid zur römis 

fhen Königswahl?). Karl verfland fünf Sprachen. Cr hat 


4) Der luxemburgiſche Karl nimmt auch die Zahl IV. am wie ber 

N capetingifche; Beide zählen alfo nach ben Karolingern. 
3 2) 3a Freher. scrr. rer. Bohem. p. 86 sqq. Die Aufſchriſt if: 
„Carolus IV, Romauorum et Bohemine Bex etc, Becundis seden sedentibus 


T 


Schwinden d. Kaiſerthums unt. Kari IV. . 241 


befiere lateinifche Briefe gefchrieben ald fein Kanzler Johann 
von Neumark *). Aber er wurde ſchon im vierzehnten Fahre 
von der wifienfchaftlihen Laufbahn abgerufen. K. Philipp 
ſandte ihn mit feiner Braut oder Gemahlin: nach. Luremburg, 
und fein Vater, 8. Jehann, ließ ihn bald darauf zu fich 
nach Italien kommen, um ihn frühzeitig in bie Kriegsſchule 
einzuführen. Durch die Hofleute gerieth er eine- Zeit! lang in 
Ausfchweifungen, von- benen. er jedoch, wie er ſelbſt erzäplt, 
durch einen warnenden Traum, bem er nachher dem Papſt 
Benebict KIT. beichtete, feinem Vater aber verhehlte, zuruͤck⸗ 
gebracht wurde. Unter den Entwürfen feines Baters, deſſen 
unruhiger Geift ihn immer fiefer in die Stretigkeiten: zwifchen 
8. Ludwig IV. und dem paͤpſtlichen und franzöfiihen Hofe 
verwickelte, Tonnte er kein anderes Ziel der Staatsklugheit 
kennen lernen als Laͤndererwerb, und keinen eblern Grunbfaß, 
als won der Thorheit Anderer Nutzen zu ziehen?). Zugleich 
aber wandte er fich, wahrſcheinlich durch bie Verſchwendung 
ſeines Vaters gewarnt, zur Sparſamkeit, welche ein Haupt⸗ 
zug in ſeinem Leben blieb. Mit der Rechtswiſſenſchaft wurde 
er in Italien näher bekannt; er hatte auch Freude an ber 
Geſchichte; aber ber Geiſt des claffifchen Alterthums, fowie 
der teutfchen Helbenlieber, worin die Hohenſtaufen ſich gefie 
in, fcheint ihm fremd geblieben zu fein. Er ſchaͤtzte den Pe⸗ 
tarca nicht ſowohl als Dichter, woruͤber ihm diefer ſelbſt Feine 
Stimme zuerkannte), ſondern wegen feiner Kenntniß der aͤl⸗ 
ten und nenern Geſchichte, beſonders aber wegen ſeiner Er⸗ 
fahrung in den italieniſchen Angelegenheiten. Seine trockene 
Antwort in u der: Herſtellung des vömifhen Kaiſerthums 


in thronis meis. binis, Bas mundi vitas agnoscere et meliorem 
““ 

1) Übrigens zweifelt * ei (I. Vorbericht), ob bie eben gebachte 
Lehensbefchreibung urſpruͤnglich Iateinifch ober I, a fei, und 
möchte eher für das Letztere entfcheiden. 

2) „Optimüm est, aliena Ansania frui.* J 

3) Er ſchrieb einem feiner Freunde, als Karl IV. den Dichter Za⸗ 
nobi zu Rom gekroͤnt hatte: Virum-doetum Ausoniis armatum’ Musis 
barbarica nuper laurus ornävit, deque nostris ingeniis (mirum 
dictu) judex censorque germanicus ferre sententiam Kon expavit. 

Pfiſter Geſchichte d. Zeutjchen ILL 16 


242 Buch II Erſter Zeitraum. Abſchnitt 3. 


haben wir oben ſchon vernogumen. Den „heiligen“ Karl (den 

Großen) kannte er nur ald Vorfechter der: vechtgjäubigen 
Kirche *). Das naͤchſte Beiſpiel ſeines Großvaters, Heinxichs VIL, 
ſcheint wenig Eindruck auf ihn gemacht zu haben. Wir fin: 
den guch in feinen perfönlichen Kigmfchaften große Verſchie⸗ 
denheit vom jenen ’) 

Karl IV. wor im Verhaͤltniß zu den Zeutfchen von klei⸗ 
ner Seftalt, der Rüden etwpd gebogen, Kopf unb Hals vor 
haͤngend. - Breites Gefiht, vorfichende Backenknochen, dicke 
Augenlider, ſchwarze Haare zeigen mehr Verwandtſchaft mit 
dem ſlaviſchen Stamme durch ſeine Mutter als mit dem 
teutſchen. Er war nicht gewohnt Perfonen welche vor ihn 
teaten gerabe in’d Auge zu faſſen; während ihres Vortrages 
fchjen er zerfirent und blidte auf. den Umſtehenden herum; 
feine Haͤnde beſchaͤftigten ſich wit hölzernem Schnigwerß, eine 
befpnbere Liebhaberei; doch entging ihm Feine Sylhe. Seine 
Antworten waren Furz und treffend, Wo gr ed usthig fand, 
fehlten ihre Schmeichelreden nicht. Seine Entſchlieſſungen 
kamen immes qus ihm ſelbſt. Dft hielt er fie ſeiner Mätben 

geheim. „Ban Natur Falt und zwehlbaftend, kopute er nicht 
leicht fir Etmad begeiftert werden. Seine äyfigtliche Froͤm⸗ 
migkeit zog dad Volk an; er hielt jährlich moͤnchiſche Andachts⸗ 
übungen ’); ſpaͤter wurde man gegen ihn wistsauifeh. Chr 
erbietung gegen die Geiftlichfgjt war ihm von Jugend au ein: 
prägt. Im Übrigen neigte ex ſich zu den frangaͤßſchen Sit: 
ten. Die. päpflliche Politik durchſchaute er, aber «3 feblet ihm 
an Muth Etwas durchzuſetzen. 

1359 as ihm der Papfſt feine Yngufeigbenpeit. aber die Be⸗ 
fchlüffe der goldenen Bulle zu erkennen gab, foderte er dage⸗ 
gen Aufhebung der clementinifchen Gonftitutionen und der weis 
tern dem Reiche nachtheiligen Befchlüffe ISohannd XXI. In 


1) Schannat. Vindem. lit. goll, II. p. 147. 

2) Nach der Befchreibung von Matth. Villani L.TV. c.74. vgl. 
Cronica Sanese in Murat. T. XV. p. m Das übrige nad} Pel⸗ 
zel a. a. O. 

8) Er verſchloß ſich z. B. mehrere ie auf Rariftein ‚ wohin auch 
ber weibliche Hof nie kommen durfte, und ließ ſich feine Beduͤrfniſſe band 
eine Heine Öffnung reichen. 


Schmwinden d. Kaiferthums unt. Karl IV. 243 


nocenz VE. erwieberte, biefe Satzungen fein einmal bem ka⸗ 
nonifchen Rechte einverleibt und ed werde auf ben äffentlichen 
Schulen berüber geleſen; mithin koͤnne man fie nicht wieber 
berauönehmen oder qufheben!). Da nah andare Differenzen 
in Teutſchland aufflanben, fo hätte Karl ben Papft weit treis 
ben koͤnnen, aber man hielt für heſſer, dieſe Begenfäge auf 
fh beruben zu laſſen; ber Pauft ſragte ˖nicht mehr nach ber 
gelonen Bulle. Die neuen Zwiſtigkeiten faxen yon ben geifl- 
lichen Zehenten. Bald nach dem Reihätage zu Met ließ der 
Papft dunch Den Biſchof Phiäpp von Gataillon biefe Abgabe 
son allen geifflichen Einkünften in Fautfchlanb fodern. Die 
Geiſtlichkeit widerſetzte ſich. Karl berief einen Reichstag nach 
Maing mit Zuziehung des Nuntius. Da trat der gelehrte 
Konrad von Alzan, pfaͤlziſcher Kanzler, im Namen der geiſt⸗ 
lichen Fürften auf und wies die Foderung mit ſtarken Aus⸗ 
drcken abt „der Papft habe von jeher Teutſchland als eine 
Galdarube betrachtet und unter unzähligen Vormaͤnden ‚große 
Summen :gesogen. Jabann XXIL habe den Erzbiſchöfen 
noch dad Recht genommen, die Wahl ihrer Weihbifhöfe zu 
beflätigen, ‚und. jetzt perlauge ey neue unerhoͤrte Abgaben. Sol; . 

chem Übel smöffe gleich in Der Wurzel begegnet werben." End⸗ 
erg nahm Karl ſelbſt das Wort und fagte dem Nuntius mit 
Bitterleit: „es befremde ib, wie ber Papft von der Geiſt⸗ 
lichkeit ſo wiel Selb fobere unb nicht darauf denke ihre 
Sitten zu verbeffern, hefonders die ayffallende Schwel⸗ 
geni und Kleiderpracht?).“ Der Nuntius ging zuruck. Da⸗ 
gegen ſandte ber Papſt Andeze, welche flatt ber. Zehenten bie 
Hälfte der erledigten Pfruͤnden einzogen ’). Das war. freilich 
gegen dag wormſer oncordat; aber man hatte ja feithem bie 
Kaiſer auf das Spolien = und Regalien : Recht Verzicht thun 
fen. | 


U Raynald. ad a. 1869, S. 11. 

2) Der Kaifer erblicte in der Berfammlung einen mainzer Dom: 
keren, Kuno von: Falkenſtein, mit’ einem prächtigen Kleide. Er bat ſich 
dieſes aus, legte es an und fprach zu ben Fürfien: „Sehe ich nicht ei⸗ 
nm Ritter ähnlicher als einem Domherrn ?i Pokzel IL, 596. 

$) Vita Innocent. VI, ia Balyz. wit, — Ayen. T. — 850. 
Trithem. Chron. ad a. 1359. 

16* 


s 


244 Buch II. Erfter Zeitraum. Abfchnitt 3. 


Dem Katfer war es Ernſt mit der Reformation ber 

1359 Geiftlichkeit. Ex befahl den Erzbiſchoͤfen fie alsbald vor- 
18. März. zunehmen; wenn fie nicht gefchehe, werde er dem Papſte An- 
zeige machen und den Laienfürften auftragen den ausgearte⸗ 

ten und wiberfpenftigen Geiftlichen ihre Pfruͤnden fo lange 

‚ Inne zu behalten, bis vom Papſt eine Antwort erfolgt fein 
würde). Daß liefen fih die Fuͤrſten nicht zweimal fagen.. 
Jener Entfchluß des Kaiferd würde um fo mehr Audzeichnung 
verdienen, ald er damit den Zon zu der bald lauter werden 

ben Stimme bed Zeitalters gegebeu?), wenn er fih nur nicht 
gleich wieder hätte fchredien Faffen. Der Papft fchrieb ihm: 

„in die Verbefferung der Geiſtlichkeit habe er ſich nicht zu mis 

ſchen und er fülle die eingezogenen Güter alsbald wieber er 
flatten laſſen; in Abficht ‚jenes Gefchäfts würden die Erzbi⸗ 
fchöfe fehon die nähere Weifung erhalten ?).” Bugleich wurbe 

dem Kaifer binterbracht, der Erzbifchöf Gerlach von Mainz 
habe geheimen Auftrag, ben König Ludwig von Ungern ge- 

gen ihn zum römifchen König wählen zu laflen. Run föderte 

er zwar ben Erzbifchof zur Verantwortung, fand aber doch 

18. Oct, bald für gut eine kaiſerliche Satzung von der geiſtlichen 
Freiheit ausgehn zu laſſen, worin er die Sicherheit der 
geiſtlichen Perſonen und Guͤter wider alle Unternehmungen 

der Weltlichen feſtſtellte. Dieſe Satzung ward auch mit einer 
goldnen Bulle befiegelt“). Dagegen ließ ſich Innocenz VI. 

nun doch bewegen in einer oͤffentlichen Urkunde zu erklaͤren, 

daß das was in ben elementiniſchen Conſtitutionen im 

ber damaligen Verwirrung gegen K. Heinrich VII. audgefpro: 

hen worden, feiner Ehre, als eines vechtgläubigen Sohnes 

der Kirche, unnachtheilig ſeis). Da man nicht verfäumte 


1) Guden. Cod. Mog. dipl. T. II. ar. 296. 


2, Es ift Niemand genannt, ber ihn dazu veranlafft hätte. Später 
kommt ber prager Prediger Iohann Milicz vor, der bie, ärgerlichen 
Bitten ber GBeiftlichkeit fo ſtark angriff, daß er beshalb nach Rom ber 
zufen, von Karl aber gefhüst wurde. Pelzel a. a. DO. & 855. 953. 


8) Raynald, ad a. 1869. $. 11. 
9 Raynaläd, 1. c. 6. 18. Guden. 1, c. nr. 290 sqq. 
5) 11. Sehr. 1861. Pelgel url, 298. 


Schmwinben d. Kaifertbums unt. Sarı IV. 245 


Karl IV. offen daran zu erinnern, wen er feine Erhebung zu 
banken habe, fo war er immer wieder geneigt dem päpftlichen 
Stuhle fich gefällig zu erzeigen. Iene Minoriten, welche 
Ludwig den Baier unterfiügt hatten, muſſten in ganz Teutſch⸗ 
land verfolgt werden. Karl fchliäte bie  Kegermeifler und be 
fahl den Fürften diefe „willigen Armen” als Feinde der Kirche 


und bes römifchen Reiches zu verjagen. Ihre Häufer ſchenkte J 
er der Inquiſition und befahl dieſelben zu Ketzergefaͤngniſſen 
einzurichten). 


In dieſem Zeitpunct ließ Karl IV. die italieniſchen An⸗ 
gelegenheiten ganz ruhen. Zwar ſandten ihm die Viſconti 1356 
bald nach dem Roͤmerzug den Petrarca nach, weil ſich Be⸗ 
——— verbreitet hatten, der Kaiſer werde mit Unterftügung 
von fterreich und Ungem wieber fiber bie Alpen kommen ?), . 

Alein er hatte fo wenig Luft nach Stalien, daß er vielmehr 

den Petrarca, ben er zum kaiſerlichen Pfalzgraven ernannte), 

bei fich zu behalten wuͤnſchte. Er wieberholte diefen Antrag, 1361 
als er mit feinem erfien Sohn erfreut wurde, und wollte den 
geiſtvollen Dann zu deſſen Erzieher ober Überhaupt als Leh⸗ 

ver bei der Univerfität Prag aufftellen. Petrarca drehte die 
Sache um und flellte ihm vor, weil ex jet einen Erben für 
feine teutfchen Länder hätte, fo follte er fih ganz bem Kai: 
ſerthum widmen. Karl beharrte jedoch mit allem Ernſt auf 1362 
feiner Einlabung; da er wuflte, daß der König von Frankreich 

und der Papft um den Mann buhlten, fo ſchrieb er nicht nur 

an die Viſcontis, in deren Dienften er feit jener Geſandtſchaft 
war, daß fie ihm die Reife nach Teutſchland arlauben moͤch⸗ | 
ten, fondern erneuerte auch feine Bitten bei Petrarta ſelbſt 

mit einiger Begeiſterung: „ſein bekannter Eifer fuͤr die Ehre 
des heiligen Reichs, die hoͤchſte Wuͤrde der Welt, ſollte ioh 
doch beſtimmen zu ihm zu kommen, da er ein ganz beſonde⸗ 

res Verlangen nach feinem lehrreichen und angenehmen Um⸗ 

gang habe *). Nun entichloß ſich endlich Petrarca, gegen den 


1) Mos he im Kirchengeſch. II. 397. 
2) Pelzel II. S. 550 fi. 

3) Mönmeires pour la vie de Franc, Petrarque III, 441. 
4) Pelzel IL url, 322, 


a 





246 Bud DE Erftei Zeitraum. Abſchnitt 3. 


Willen feines Freundes Boccacid!) (mit welchen der Kai⸗ 
fer auch Im Briefwechſel fland), noch einmal in das „Innere 
der Barbarei zu gehen, da er ſich fchon bei feiner Geſandt⸗ 
ſchaftsreiſe Aberzeugt Hatte, daß ed Männer von fo feinen Sit 
ten ba gebe, als ob fie in Athen geboren wären?). Allein 
wegen ber Krlegsunruhen in ber Lombardei Fam er nicht wei- 
ter als dis Padua. 

Mit dem folgenden Papfte; Urban V., verftand fi Rarl 
beſſer als mit Innocenz VI. und ließ ſich denn endlich auch 
geneigt finden wieber ih Italien dufgütreten. ach der lan: 
gen Herabwilrbigung des Papſtthums zu Avignon faffte Ur- 
ban V. der maͤnnlichen Entſchluß; ven Sitz nah Rom zu: 
ruͤck zu verlegen. Er wollte auch wieber einen Kreuzzug ver⸗ 
anftalten und erließ beöhalb ein Breve in das teutfche Reich. 
Da jedoch Niemand mehr davon hören wollte, To fobette er 
den Kaifer zunaͤchſt um Beiftend in Stalien auf: dem bie 
Bifcontis zu Mailand waren indeſſen zu einer Macht 
gekommen, welche bie Freiheit der ganzen Lombardei und ſelbſt 
den Kirchenftaat bedrohte, wobei ſie ſich unerhoͤrten Bedruͤckun⸗ 
gen und Graufamkeiten überlieſſen. Mehrmals eingeladen bes 


1365 gab fih der Kaifer zu dem Pupſte nach Abignon uhb ging 
Mai. ein geheimes Buͤndniß mit ihm ein, vermoͤge befien er verfprach, 


Zu 


* 


fich im kurzer Zelt mit dem Papfte nach Italien: zu erheben, ihn 
in Rom einjufehen und wider :die Viſconti zu ſchützen?) Es 
derfloffen ader noch drei Jahre, bid ed dazu kam. Vorerſt 
meinte Karl auf jener Reiſe dad arelatifche Reich wieder 
berzuftelen und ließ fi zu dieſem Ende zu Arles Erönen, 
eine Felerlichkeit welche ſeit den ſaliſchen Kalſern nicht mehr 
vorgekommen war. Allein mit ber Krönung wer es noch nicht 
gethan. Schon zur hohenſtaufiſchen Zeit hatte die innere Auf⸗ 
töfutig des Reichs und bie allmaͤlige Losreiſſung einzelner 
Staͤnde vom Kaiferreiche angefangen. K. Friedrich IE muffte 


1) Memoires etc. III, 600 sq. 


2) Kpist. fan. L. 12. ep. 2. Der Erzbiſchof Arneſt von Prag 
batte ihm felbft gefagt, es thue ihm Leib ihn unter Barbaren zu Tchen. 


$) Vita Urbani V. in Baluz. T.J. p. 366. 401 sqq. Raynald, 
ad a. 1368. 1364. 1865. = 5 | 


Schwinden d. Kaifertfums unt. Karl IV. 27 
fi) mit der bloßen Hulbigung begnügen. 8. Rubolf I. konnte 


fie mur mit den Waffen in ber Hand erlangen. Seitdem 


blieben die Lande faſt ganz fich ſelbſt Aberlaffen, oder vielmehr 
Frankreich fegte die Erwerbungen fort. Nachdem der Erzbis 
fhof von-®yon unter franzöfifcheri Schuß getreten war, wurde 
diefer auch über die Stadt Lyon auögebehnt; dann Sam bie 
Reihe an bie angrenzende Gravſchaft Bienne oder das Del: 
phinat, bei welchen eine Anzahl fo fchönet Herrſchaften vers 
einige war, baß Bubwig der Baier dem lebten Befitzer, 
Humbert, den Koͤnigstitel ahteug, wenn er feine Ausſoͤh⸗ 
mung, mit dem Papfte betreiben wollte"). Als Delphin Hum⸗ 
bert feinen einzigen Sohn verlür und duch Verſchwendung 


1307 
un 


und Krieg mit Savoyen im Schulden geraten war, ließ er 


” theils durch Verſprechungen theild durch Drohungen bes 

gen feine Beftgungen gegen einen Sahrgehalt an den Sohn 
* yiliyps VI. abzuteeten, wobei er die Bedingung makhte, 
daß fein Beiname (Delphin, Dauphin) dem franzöfifchen Kron⸗ 


1343 
31. Zul. 


erben bleiben folle?). Ungeachtet Srav Iohann von Chalons, 


ein Verwandter Humbertd, nach arelatifchem Erbrechte die 
Lande anfprach, fo beflätigte doch Karl IV. jenen Vertrag, 
theils aus Vorliebe fir das ihm verwandte franzöfifche Hans, 
theils wohl auch durch die Vorftellung gefchmeichelt, ven Thron⸗ 
erben von Frankreich unter feine Vafallen zu zaͤhlen. Er be 
Iehnte damit K. Philipps VE. Alteflen Enkel Karl, ber oben 
ſchon bei dem Reichsſstage zu Metz genannt worden; uͤbtigens 
war in dem Vertrage bedungen, daß das Land nie mit der 


Krone Frankreich vereinigt werden ſollte). Zu eben diefer- 


Zeit wollte die Königin Iohanma von Neapel die Gravſchaft 
Provence an Frankreich verkaufen, um zu dem ungerifchen 


Kriege Geld zu erhalten; allein die Stände widerfegten fi, 


weil fie lieber unter dem Kaifer ald unter Frankreich fein woll⸗ 
tm. Dagegen erwarb der Papft zu der fchon früher erlang⸗ 


1) Gebhardt geneal. Gefch. d. erbl. Reichaft. I. 225. . vgl. 188. 

2) Die Entftehung biefes Beinamens ſ. Bd. II. ©. 375. 

8) Leibnit. Cod. jur. gent. dipl. I. Nro,84. Häberlin Reiche: 
gefh. III. S. 439 ff. Der Delphin Humbert trat eine Beit lang in ben 
Prebigerorben, wurde nachher Garbinal, enblich Patriarch... Albert. 
Argent. p. 153. 


1349 ' 


248 Bug II. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 3. 


1348 ten Gravfchaft Venaiffin das Eigenthbum der Stadt Avis 
gnon, und Karl IV. konnte nicht umbin den Kauf zu bes 
flätigen). Dies Alles geſchah zu ber Zeit, da Karl felbfi 

— noch nicht im ſichern Beſitze des Reiches war und alſo den 
Beiſtand vom Papſt und von Frankreich zweifach noͤthig hatte. 
Bei der Vererbung der burgundiſchen Lande traten noch 
beſonders guͤnſtige Verhaͤltniſſe fuͤr Frankre ich ein. Jo⸗ 

+ 1303 hanna, die Erbin des letzten Pfalzgraven Otto von Hoch⸗ 
burgund, der zu K. Rudolfs Zeit unter Frankreich treten 
wollte, wurde von K. Philipp V. zur Gemahlin erſehen. Ihre 

+1329 Tochter gleiches Namens heirathete den Herzog Eudo von 
Burgund, wodurch die fanmtlichen burgundifchen Lande 
teutfchen und franzoͤſiſchen Antheil® vereinigt wurden. Dex 
+1346 Sohn Philipp, welcher noch vor dem Vater flarb, hinterließ 
einen Sohn--gleiches Namens, dem die Erbin von Flandern, 

1361 Margaretha, vermählt wurde. Mit ihm erlofchen bie burguns 
bifehen Derzoge vom capetingifchen Stamme, und bie ſaͤmmt⸗ 
lichen Lande fielen nun an 8. Johann von Frankreich von 
ber valefifchen Linie, ber die Wittwe bes aͤltern Philipps, 
Johanna, Erbin von Boulogne und Auvergne, geheirathet 
hatte. 8. Johann gab die burgundifchen Lande feinem jüng- 
ften Sohn, Philipp dem Kühnen, der mit der Wittwe bes 

letzten Philipp die Gravfchaften Burgund, Artois, Flandern, 
Rethel, Antwerpen und Mecheln erhielt. So entftand zwifchen 
Frankreich und Zeutfchland das neuburgundifhe Reid, 
das für unfere Gefhichte bald von großer Wichtigkeit wird. 
Karl IV. hatte dabei Nichts zu thun; er muffte fih noch das 
Anfehn geben, ald ob er Alles gern gefchehen laffe. Nach dem 
Tode des lebten Philipp, den er für volljähig erklärt hatte, 

41358 belehnte er Philipp den Kühnen mit bem bisher von Teutſch⸗ 

1361 Tand zu Lehen gegangenen Erbe feiner Gemahlin. Er durfte 
alfo, auffer dem Dauphin, noch einen Sohn des Königd von 
Frankreich feinen Vafallen nennen; aber es war auch nicht 
viel weiter ald der Name, denn Philipp der Kühne empfing 
nach der teutfchen auch die Belehnung von feinem Dater *). 

. 1) Gebhardi a. a. D. 288. 


2) Mascov. de nexu regn. Burg. g. Imp. Rom. Germ. p. 72. 
Bol. Hübners geneal. Tabellen 51, 52, 62, 64. 


Schwinden d. Kalfertbums unt. Karl IV. 249 


Nun waren von dem’ alten burgunbifch s arelatifchen Reiche bie 

drei größten Lehen, Burgund, Dauphine, Provence, in bem 
Beſitze franzöfifcher Prinzen. Auf dem Nömerzuge erneuerte 1355 
zwar Neapel die Lehensabhängigfeit der Gravſchaften Provence, 
Zorcalquier und Piemont; doch waren die Lande bereits ald 
getrennt vom Kaiferreiche zu betrachten, bis auch der Schatten 

der Lehensherrlichkeit verichwand. Die über das Delphinat 1481 
verlor fich fehon nah Karl IV. Es blieb alfo nur noch bie 
Gravſchaft Savoyen eigentlich unter dem Reiche und dem Na- 
men nad die Freigravfchaft Burgund; von den Schirmvog⸗ 
teien ber letztern ward allen noch Beſangon befonders an ben 
Graven Heinrich: von Mömpelgarh verliehen; bie übrigen übte 1362 
Frankreich). 

Nach alles dieſen Verhaͤltniſſen konnte Karls IV. Kroͤ⸗ 
nung zu Arles nicht mehr viel bedeuten. Im Grunde war 
die Handlung bloß Erneuerung des Rechtes, ein Reichs⸗ 
vicariat uͤber Arles und Vienne zu beſtellen. 

Ehe Karl IV. mit dem Papſte fih nad Italien wenden 
konnte, fand er eben auf den franzöfifchen Grenzen noch ein 
bedeutendes Hinderniß. Im den franzöfifch=englifchen Krie⸗ 

‚gen hatten die Sreicompagnien (von Sölönern), wie in 
Stalien, fo überhband genommen, daß fie nach dem Frieden von 
Bretigny der Schreden und bie Geiffel der Lande wurden. Sie 
bieffen die fpät Angelommenen, beim gemeinen Volke Ma- 
landrinen, am Niederchein Linfarben, gewoͤhnlich Englän: 

der. Die. unter dem Erzpriefter Gervola nannten fich die 
große Geſellſchaft. Als fie fich Teutſchland näberten, traten 1362 
die elfaffifchen Herren und Städte zu Colmar in ein Buͤnd⸗ Mai. 
niß, um ihre Räubereien und Gewaltthaten abzutreiben. Waͤh⸗ 

end Karl IV. zu Avignon war, kamen fie wieder etwa 40,000 
ſtark; Karl hatte ſich mit Cervola in Unterhandlungen einge: 
laſſen und fchien die Geſellſchaft in Sold nehmen zu wollen, 

weil er einerfeitd mit Öfterreich in Spannung war, anderer 

ſeits vom Papfte zu neuen Unternehmungen aufgefobert wurbe; 

fie konnten vieleicht gar zum Kreuzzuge verwendet werden. 
Allein Cervola Fam ſogleich mit feiner ganzen Macht und nahm — 


1 


1) Gebhardi a. a. D. ©. 283, 


1366 
27. Dt. 


"1368 
2. Gebr. 


1367 
Zul. 


Aug. 


30 Bud III. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 3, 


eine folche feindliche Stellung vor Straßburg, daß, der Kaiſer 
bei feiner Ruͤckkehr von Avignon ſich in die fefle Stadt Sel; 
werfen muſſte, bis auf den Nothruf der Lande ein Reiche: 
aufgebot jufammengebracht wurde. Mit diefen brach dann 
der Kaiſer auf, befreite Straßburg und trieb die Freibeuter 
durch die burgundifchen Lande zutlick. Cervola beklagte ſich, 
daß er von dem Kaifer getäufcht worden. Später kamen die 
Horben wieder zum Vorfchein '). 

Karl hatte dann auch fonft im-Meiche noch Verſchiedenes 
zu ordnen, bis er ben zweiten Römerzug ‚antrat. Die Reiche 
verwefung übertrug er feinem Bruder, dem Herzoge Wenzlaw 
von Luxemburg. Dann ließ er zu Frankfurt einen allgeme: 
nen Landfrieden am Rhein und an der Mofel verkünden. 

- Papft Urban V., der nicht folange warten wollte, war 
bereitö gegen den Willen der franzöfiichen Barbindle von 
Avignon abgegangen, nachdem er mit dem Markgraven Nico: 
laus von Eſte und andern lombardiſchen Herren ein Buͤndniß 
angeblich gegen bie italienifhen Sreieompagnien?), in 
ber That aber gegen die Viſconti errichtet hatte. Cr nahm 
den Weg theild zur See, und da’ er den Kaifer micht zu Bi 
terbo traf, wie es verabredet war, fo hielt er einſtweilen, un 


- ter dem Gelette jener Bundeögenoffen, feinen Einzug zu Rom 


zur großen Freude des Volles ’). 

Nochmals durd eine Sefandtfchäft aufgefobert brach dann 
auch der Kaifer mit einem Kriegsheer in Xeutfchland auf; 
ehe er aber die Grenzen von Italien betrat, Heß fich ber Papfl 
eine neue Befldtigung aller von feinen Vorfahren, beſonders 
von 8. Heinrich VII. ertheilten Rechte und Freiheiten ausſtel⸗ 
len; fo wenig aufrichtiges Vertrauen feste er in ihn. Karls 
Heer beftand aus etwa 3000 Reitern und einem: verhältniß: 
mäßigen Fußvolk von Zeutfehen und Böhmen. Der Papfl 


und feine Bundesgenofien hatten ein noch zahlreicheres ‚Heer 


von Staltenern, Provencalen, Franzoſen, Spaniern, Eng: 


laͤndern. Auf der andern Seite hatten die Viſconti auffer den 


„1 Häberlin Reichsgeſch. IH, 703. Gef. v. Schwaben IV, 70 ff. 
2) Das Nähere über diefe bei Sim. Sismondi Hist,. des Rep. 


ltal. etc. T. VIO. ch. 58. 


8) Raynald. ad a, 1367. 8. 4- 6. 


Schwinden d. Kaiſerthums unt. Karl IV. 251 


Lombarden auch teutfche, ungerifche, englifche, burgundiſche 
Söldner. Aus fo vielerlei Nationen traten jetzt Krieger im 
freundliche und feindliche Berühtungs alle fielen dem Lunde 
zur Laſt, und nad -ber engen Derheering ward am Ende 
Nichts entfchieben. - 

Die Brüder Vifconti, als fie feft alle italieniſchen — 
ten mit dem Papſte, Kaiſer und Koͤnige von Ungern gegen 
ſich vereinigt ſahen, ſaͤumten nicht gemeſſene Vorkehrungen 
zu treffen. Sie ſchloſſen eine Doppelheirath mit Dem herzog⸗ 
lich baierſchen Hauſe und ein Buͤndniß mit Cane della Scala, 
Herrn von Verona. Bernaboͤ — nahm eine un⸗ 

angreifbare Stellung bei Mantua. In der Befeſtigungskunſt 
wären die Italiener überhaupt den Teutſchen noch immer uͤber⸗ 
legen. Die an fich treffliche teutfche Reiterei taugte am we⸗ 
nigften zu Belagerungen. Rachdem ſich der Kaifer an- eini- 
gen feflen Plägen verfucht, warf er ſich nah Mantus, we 
er einen Monat unthätig blieb. Bernaboͤ benutzte dieſe Zeit 
zu Unterhandlungen: zuerft fandte er den Petrarcaan den 
Garbinal Angelico, Bruder des Papfles, feinen befondern 
Freund 2); da jedoch der Papft auf dem ausgefprochenen Bann⸗ 
fluch beharrte, ließ Bernabo durch die Herzoge von Baiern 
bei- dem Kaiſer vermitteln. Man ſollte erwarten Petrarca 
hier ebenfaͤlls eintreten zu ſehen; allein es findet ſich keine 
Spur davon. Es ſcheint vielmehr, Petrarca habe den Kaifer 
aufgegeben, und biefer habe ihn gleichfalld nicht wieber fehen 
wollen, weil ex, flatt nach Zeutfchland zu kommen, in ben 
Dienflen der Bifconti geblieben. Karl nahm Geld, fchloß ei— 
nen- Stinftand mit Bernabö und zog dann weiter in's Toſca⸗ 
niſche, wo wegen ber vielen Innern Zerrüttungen feine Ans 
kunft fehnlichft erwartet wurde. Ex legte aber vorerft den Pi⸗ 
fanern wegen ber bisherigen "Unruhen eine Schagung auf 


und entlehnte dann noch von den Kaufleuten 12,000 fl. In 


Siena nahm er dem Abel die Regierung auf Bitten bed 

Dolls und ſetzte den Malateſta zum Statthalter, dagegen 
muflte die Stadt feine zu Florenz verfegte Kaiſerkrone einld- 
fen und m noch ‚2000 fl. vorſchieſſen. aus 308 er über 


1) a ben oben age Memoires T. II, 118, 


2352 Buch IL Erfter Zeitraum. Abſchnitt 3. 


Viterbo, wo ihn ber Papfk erwartete, nah Rom. Hier em: 
pfing er den nachgefolgten Papſt mit großem Gepränge, flieg 
bei der Engelöburg ab und führte den Zelter des Papſtes am 
Zügel bis zur Peteröliche. Diefer noch von feinem Kaifer 
geleiftete Dienft ward von Einigen als verftellte Demuth, ‚von 
Andern als lächerlich und verächtlich betrachtet '). Nachdem 
Karl feine Gemahlin hatte Erönen lafien und ein Spital für 
1368 böhmifche Pilger gefliftet, ging er wieder zurid nach Siena. 
VJon. Der vertriebene Adel hatte indefien einen Auffland gemacht. 
Karl ſelbſt in feinem Palaſte belagert muſſte ſich zu einem 
Vergleich bequemen, worin er mit Bewilligung allgemeiner 
Amneſtie die Freiheiten der Stadt beſtaͤtigte; dagegen erhielt 
er für den erlittenen Schimpf 5000 fl., und weitere 15,000 fl. 
folten in drei Zerminen folgen. Bernabo hatte die Fries 
dendpräliminarien von Modena nicht gehalten und wurde alfo 
wieber in die Acht erklärt. Ein neuer Congreß zu Bologna 
brachte endlich allgemeinen Frieden unter den Parteien zu 
Stande, ber faft Alles ließ wie. es vor Ankunft des Kaifers 
geweſen; nur bie neue Schanze, welche Bernabo im Mans 
tuanifchen aufgeworfen, mujlte gefchleift werden. Mit Flo⸗ 
renz und Pifa traf Karl einen Vergleich und empfing von 
jeber ein Gefchen? von 50,000 fl. Die Stadt Lucca, von 
ber Herrichaft der Pifaner befreit, bezahlte 25,000 fl. Mit 
diefen Geldern ging der Kaifer wieder nach Zeutfchland, wo: 
bin ihn die feindliche Stellung der Könige von Ungern und 
Polen zu rufen fhien. Alſo endigte biefer zweite Römerzug 
eben fo ‚nachtheilig für das kaiſerliche Anfehn als der erfle. 
Urban V. war mit Karls mangelbaften Anorbnungen fo übel 
zufrieden, daß er dad Jahr darauf Rom auch wieber verließ 
und wohl gar bie Abfegung des Kaiferd verfucht haben würde, 
wenn er länger gelebt hätte). _ 
Mehr und mehr ging die Bedeutung des Kaiſerthums 
verloren. Nachdem Karl IV. in ven Verhandlungen mit den 


1) Ep. Col. Salut. ad Boccac. in den oben ie Memoires 
pour la vie de Fr. Petrarque T. IH 

2) Baluz, vitae Pontif. Aven, T I. p. 873 aq. 206 9. CL 
Cronica Sanese, Coat, Chron. Estens. in Murat, T. XV. 


Schwinden d. Kaiſerthums unt. Karl IV. 2353 


Kurfürften nur -feine Erblande bebacht, bewies er ſich auch 
gegen den Papſt und Frankreich nachgiehig fo weit: er konnte, 
um Beide zu Freunden zu behalten. Der alten Streeitigkeiten 
Berührung vermied er. Wo ihm etwa zu viel zugemuthet 

wurde, wuflte er geſchickt auszuweichen. Während er bad 
arelatifche Reich dem Namen nach hetftellte, Fonnte er voraus⸗ 
ſehen, wie am Ende das Ganze an Frankreich kommen würde, 
Dem Papfte zu: gefallen ſchien er ben zweiten Römerzug zu 
unternehmen, vergaß aber nicht fich babet bezahlt zu machen. 
Er ſah Italien nur für ein Nebenland an und die Kaiſerwuͤrde 
als den gultigſton Atel, aus den reihen Handelsſtaͤdten Selb 
zu beziehen. Wat aber das fein ganzer Plan? Kelneswegs. 
Nicht jenſeit· des Alpen, bieſſeits tief im Innern, zwiſchen dem 
Rieſen⸗ und Fichtel⸗Gebirge, wo einſt Marbot RB gewe⸗ 
ſen, Ban: das feiner — —— 


— ſaremduesiſqe — 
— Verſuch eines bohmiſch teutſchen Erbreichs. 


Bon. jeßt. am. triit der Raifer das Erbland nicht 


mebr, ab.- Verſchiedene Folgen. Zuſtand' von Boͤh⸗ 
men. „Seine Emporbringung. Univerfität Prag; 
Sefehgebung, firhlihe Stiftungen; die Städte; 
Belebung‘ ‚aller Zweige bes. Nationalwohlflandes, 
Bereinigung teutſcher Laͤnder mit Böhmen. unter 
verfchiedenen . Titeln. : Dur Schleſien iſt das 
teutſche Reich erweitert worden, dagegen werden 
auſſer einem Theil der Oberpfalz und dem eger⸗ 
ſchen Kreiſe die beiden Lauſitzen und die Mark 
Brandenburg mit Böhmen vereinigt. Erbverbruͤ⸗ 
berungen mit Öfterreich und Thüringen. Vermaͤh⸗ 
lung des Söhne Karls IV. - Erweiterung bes boͤh⸗ 
miſchen Lehenhofes. ‘Karls weitere Entwürfe in 
Betreff des hbanfeatifhen Handels, 


Nach dem Antritt der Taiferlichen Regierung übergab Karl IV. 
das Exrbland Böhmen als Reichslehen weder einem feiner 





2354 Buch DL Erſter Zeitraum Abſchnitt 3. 


Bruͤder noch fodter feinem Sohn Wenzlaw, ab er gleich den⸗ 
ſelben ſchon in. der Kindheit kroͤnen ließ. Jene Sitte iſt mit 
ber Aufßoͤſung der alten Herzogthuͤmer erloſchen. Karl be 
flinmte vielmehr Böhmen zum Site dev Reichöregierung, und 
das blieb es auch unter feinem Nachfolger. - Die wechleffeiti= 
gen Folgen mirb die weitere. Entwiddelung unferer Geſchichte 
zeigen. Damals war Böhmen noch in -gsoßer. Zerrütiung 
und fland auch fonft in manchen Stüden .noch hinter ben 
‚ tentfchen Bändern, befonder hinter dom Stammlande Lupem= 

burg an ber franzoͤſiſchen Grenze, Die bisherigen Begebenhei⸗ 
ten dieſes Landes zeigen uͤberdies beſondere Raͤckmirkungen des 
Kaiſerthums. Zur Zeit der Großherzogthuͤmer war Boͤhmen, 
wie bie andern flavifchen Länder, Leibutpflichtiges: Nehenland 
und gewiſſexmaßen durch die Sachſen vertreten. Als Hein⸗ 
tip IV. gegen dieſe den Herzog von Böhmen an ſich zog, 
verlieh er ihm den Koͤnigstitel; der Tribut erloſch. Friedrich J. 
that daſſelbe für den Beiſtand gegen die Polen!). Friedrich IL 
wiederholte die Begänftigung' für- Ottokar, det ihm mehr Er⸗ 
gebenheit bewies als manche teutfche Fürften. ‚So wurde un- 
ter dem hohenſtaufifchen / Kaaͤfarhaufe die Konigsiolrde biefbend; 
fie gründete die Selbſtaͤndigkeit des Staates, ſowie bad von 
Gebirgen ur Wäldern ringsum eingeſchloffene Land ſchon von 
Natur ein befonderes Ganzes bildet. Durch das Erzfihenten- 
amt erhielt der König Stimmrecht bei der roͤmiſchen Königs- 
wahl. Nach Komrads IV. Tode trat Ottokar (gegen Konra⸗ 
din) auf KR. Richards Seite und erhielt neue Beguͤnſtigungen, 
während'er zugleich im Kriegr ‚gegen die Nachbarn gluͤcklich 
war. "Wir ſahen ihn im Begriff ein großes Slavenreich zu 
gründen, zwiſchen Teutſchland, Ungern und Polen. So hoch 
damals die voͤhmiſche Macht, ftand, fo tief fan? fie nach ber 
Wiederherſtellung des teutfhen Reichs durch Köhig’ Rudolf I. 
Das Abſterben des przemiffihen Mannsſtammes, Öfterer Re 
gierungswechfel, bie Partelımgen zwifchen ftetreich, Kaͤrn⸗ 
then, Luxemburg brachten Alles in Verwirrung. Diefe bau: 
erte fort under K. Johanns I6jähriger Regletung." Seine 
teutſchen Räthe wollten gute Einrichtungen machen, aber fie 


1) San IL ©. 288. 876, 


Karls IV. Verfuch eines boͤhmiſch⸗ teutfehen Erbreichs. 265 | 


waren old Fremde verhafit; er ſelbſt war faft immer auswärts 
befchäftigt und hätte lieber Sfalien erobern mögen ald ein 
Land ordnen, bas feine Goygfalt allein erfabert und verbient 
hätte, Jemehr feine Entwurfe ſich erweitesten, deſto weniger 
jeigte ſich eis fees Plan. Er machte auch Anſpruch auf Pos 
len, als Erbſchaft feiner Gemahlin. Wenn es ihm gelungen 
wäre das Kaiſerthum an firh- zu veiflen, fo. würbe er fein 
Haus bereins auf bie Höhe geſtellt haben, auf Die es Karl V. 
brachte. Daruber erfhöpfte er. Böhmen und muſſte den Ans 
ſpruch auf Polen aufgeben. Mehrnals gegen feinen Sohn 
mistrauiſch gemacht, Kberteug er dieſem doch gegen einen Jahr⸗ 
gehalt die Raichſsverweſung, als ihm Blindheit und Schul⸗ 
den :) Mles verleidet hatten. Dann erfoderte Karls roͤmiſche 
Koͤnigswahl und ber darqus gefolgte Kronſtreit erſt noch das 
Aufbleten Hex letzten Bandeäfräfte. 

Nun aber befchloß Kork, da er eine befondere Vorliebe 
für Böhmen gefafit hatte, Alles wieder zu vergüten. Nicht 
lange nach K. Ludwigs IV. Tode, da bie beierſche VYartei 
noch mit einer Gegenwahl umging machte ev ſchon einen wich 
tigen Gebrauch von. ſeinen Fechten als roͤmiſcher König, im 
dem er dem, Lande die von. feinen. Vorgängern <a Reich er⸗ 
theilten Freiheiten und Rechte in ihrem ganzen Umfange be: 1348 
ſaͤtigte. Bei N. Friedrichs FI. Freipeitsbrief erlaͤterie ex das 7. Apr. 
Bahlserht der böhmifchen Stände bahin, daß. dieſes erſt ein 
trete, wenn’ auch kein weiblicher Nachlomme des Koͤnigkbauſes 
mehr oͤbig ſein wuͤrde; alſo erklärte er Boͤhmen ds poͤlliges 
Erbraicht : mich. erneuerte er den von K. Richard an Ottokar 
ertheilten, pan 8. Mubelf I. Aber unb Heinrich VI. für uns 
gültig arBäwen. Belehnungshrief über Öf und Steier⸗ 
mark, und beſtaͤtigte das von K. Rudolf dem Könige von 
Böhmen zuertannte Erzfchentenamt und Kurrecht, worliber 


1) Inaestimabilia debita, fagt bad Chron. Anl. reg. in Freher. 
p. 53. Ein Auge verlor Johan ſchon 1328 im Kriege gegen bie Li⸗ 
thauer; das andere durch Ungefchidlichkeit der Ärzte, wovon er ben 
eften, einen Franzofen, im Sade erfäufen ließ. Der andere, ein Ara 
ber, ließ fich erſt das Leben fichern, dann ging er, nachdem Johann und 
mehrere Andere das Geſicht verlosen hatten, davon. 





2356 Buch IL Erſter Beitraum. Abſchnitt 3. 


er auch die Kurfürften noch vor Errichtung der — Bulle 
befondere Willebriefe ausſtellen ließ). 

An demſelben Tage da Katl IV. die Grundverfaſſung 
von Böhmen mit den Vorrechten der Krone beſtaͤtigte, befies 
gelte er den Stiftungäbrief der neugegründeten Univerfität 
Drag Schon in feinen Jugendjahren, da er am franzöfis 
ſchen Hofe war, foll er zu feinen Böhmen gefagt haben: "Wir 
‚wollen einft die Schulen zu Prag nah dem Muſtet der pa 
tifer hohen Schule einrichten?). Da er jetzt im Begriff war 
die Altſtadt Prag durch die Neuftadt, wozu er ſelbſt die Stra 
fen ausmefjen half, nach befiern Muftern, bie er ebenfalls in 
Frankreich und Italien gefehn, zu erweitern, fo wuſſte er dem 
Königsfige Feine größere Zierde zu geben al: bie erſte Uni⸗ 
verſitaͤt im teutſchen Reiche. Es waren zwar laͤngſt in den 
Kloͤſtern und Biſchofsſitzen, alſo auch zu Prag, geehrte Schu⸗ 
len, jedoch nur für einzelne Sheile der Wiffenfhaften ober 
für die umtern Stufen derfelben. Sie hieſſen daher Parti⸗ 
cularſchulen; Lehrer und Schüler flanden in Feiner naͤhern 
Verbindung unter ſich; wer in den hoͤhern Wilfenfchaften 
Grabe erlangen wollte, muſſte nach Italien ober Frankreich 
gehen. . In diefen Staaten waren feit dem elften Jahrhun⸗ 
dert neben den Stiftsfchulen freie Geſellſchaften von Lehren 
und Lernenden entflanden, welde anfänglich ohne alles Zus 
thun ber weltlichen und geiflichen Ortsobrigfeit in eine wiſ⸗ 
fenfchaftirche Inmung, Gemeinheit, Geſammtheit (Utiversitas 
literaria) 2), traten; zur Auszeichnung vor den biöheris 
gen niedern Anftalten erhielten biefe den Namen Studium, 
- fpäter Studium generale*). Einer ſolchen hergebrach⸗ 
ten Bereinigung zu Bologna ertheilte K. Lothar * em 


1) pelzel I, 208 ff. 

2) Pelzel I, 18, 201 fi. 

3) Zum Unterſchied von einer bürgerlichen Universitas, K. Yrieb: 
rich I. erklaͤrt für ungültig in omni civitate communia concilia, Ma- 
gistros avium — vel alios quoslibet officiales, qui ab Universi- 
tate sine Kpiscoporum beneplacito siatountur , etc. — 
Hist, Ep. Worm. num, 120, . 


4) Im Gegenſat zu den Particularſchulen. 


Knie IV. Verſuch eines böͤhmiſch· tentſchen Erbreich. 287 


Freiheitsbrief; dann hat K. Friedrich I. aus Dankbarkeit ges 
gen bie Schüler des gelehrten Irnerius fr bie Erwedlung bed 
tömifchen Rechts die universitas literaria derſelben buch 
einen audgezeichneten $reiheitöbrief geehrt 1), Indem nun 
Karl IV. eine folche zu Prag zu errichten befchloß, im der Mitte 
eined von Fremden häufig befuchten Landes, erhielt er auch 
die Genehmigung des Papſtes. Er beflimmte diefe Anftalt 1347 
ober nicht bloß für feine Böhmen, bie, wie er fih im Stif⸗ 2%. San. 
tungäbriefe ausbrüdt, ihr Verlangen nad den Wiſſenſchaften 
num nicht mehr durch Betteln bei den‘ Ausländern flillen ſoll⸗ 
ten, fondern für die teutfchen ſowohl ald für bie benachbars 
ten flavifchen, ja felbft für bie fcanbinavifchen Lande. & 
theilte die Stubirenden in vier Nationen, die böhmifche, 
baierifche, polnifche, fächfifche, ober jebe Sprache nach zwei 
Munbarten. Unter den Baiern waren zugleich bie ſterrei⸗ 
her, Schwaben, Franken und Rheinländer, unter den Sach⸗ 
fen auch die Thüringer und Meiffuer, die Dänen und Schwer 
den verfianden. Er hatte alfo eigentlih eine kaiſerliche 
Univerfität im Sinne, Durch offene Briefe lud er Lehrer und 
Stubirende aus allen Landen, . jene unter Verheiſſung ‚großer 
Belohnungen, dieſe unter denfelben Freiheiten wie zu Paris 
und Bologna. Zu ben vier Facultäten berief Karl anfänglich 
acht Doctoren, darunter zwei Zeutfche, zwei Franzoſen, bie 
übrigen aus Böhmen und Mähren. Zum befländigen Kanye 
ler der Univerfität ernannte er ben Erzbifchof Arneft von Prag, 
einen ber vorzüglichflen Geiſtlichen dieſer Zeit. Einige Jahre 
ſpaͤter errichtete er noch ein. beſonderes Collegium, Carolinum 
genannt, dem er bie Eimichtung der pariſer Sorbonne gab; 
zugleich gründete es eine Bibliothek und machte Stiftungen 
für arme Stubirende. In allen feinen Reichen verlieh er den 
Studirenden Zoll⸗ und Steuer⸗ Freiheit. In kurzer Zeit er⸗ 
hielt Prag einen ſolchen Zuſammenfluß, daB mar 5000, bei 
Karls Tod 7000 Stubirenbe zählte. Karl felbft wohnte oft ihren 
Übungen bei, und als er einft von den Hofleuten an die Zeit 
der Mittagstafel erinnert wurbe, erwiederte er: „dieſe gelehrten 
Unterrebungen find meine liebſte Mahlzeit." Obgleich Karl 
1) Eihhorn teutfhe Staates und Rechts⸗Seſch. $. — 
Pfiſter u d. Zentfchen IE. 47 





2358 Bud ID Erſter Zeitraum Abſchnitt 3. 


für feine Perfon frühe von den Wiſſenſchaften abgerufen wor⸗ 
den, fo bat ihn doch die Liebe zu denfelben zu folchen An⸗ 
falten geführt,. deren Folgen fü» das Ganze ſich noch gar 
nicht berechnen lieflen. J 
Auſſer ver. heiligen Schrift, mit ber er ſich häufig 
befchäftigte, waren Geſchichte und Geſetzkunde Karls 
Lieblingöfächer, die er zum Beſten bes Reichs bearbeitet fehen 
wollte. Cosſsmas von Prag, ber Water ber böhmifchen Ge 
fihichte, würde fchwerlich erhalten worden fein, wenn Karl 
nicht befohlen hätte brei Abfchriften von feinem Zeitbuch zu 
machen. Da bes verdiente Erzbiſchof Arne von Prag bei 
feinem Hochſtift eine Urkundenfammlung anlegte, verordnete 
Karl, daß diefe Sammlung in geifllihen Sachen gleiches Ans 
fehn haben follte wie bie unter feinem Water 1319. angelegte 
Landtafel in weltlichen, wodurch die böhmifche Landesgefchichte 
erft eine fichere Grundlage erhielt. Dann übertrug er vier 
Gelehrten die Ältere und neuere Geſchichte zu fchreiben; eben 
- fo bat er fih um bie brandenburgiſche Landeöbefchreibung vers 
dient gemacht). | 
Da Karl eben jebt anfing angrenzende Länder mit Boͤh⸗ 
men zu vereinigen Cwie ſchon im vorigen Abfchnitte gezeigt 
worden), fo verboppelte er feinen Eifer das Erbland durch 
angemeffene Einrichtungen und Fuge Verwaltung in Aufnahme 
zu bringen, weil er wohl einfah, daß es erſt dadurch Zuwachs 
verdiene. 
1350 Zwei Jahre nach der Beſtaͤtigung der Reichsverfaffung 
Septbr. berief Karl einen Landtag, um demſelben ein neues Geſetz⸗ 
buch vorzulegen. In ſeiner Rede ſchilderte er den traurigen 
Zuſtand, worin er Böhmen gefunden?). Veraͤuſſerung und 
Verſchenkung ber Föniglichen Schlöffer und Kammergüter hätten 
bie Folge gehabt, daß man bei der häufigen Abweſenheit feis 
ned Vaters den überhanbgenonnnenen Räubereien und Ge 
waltthaten nicht mehr habe begegnen können, und daß zulegt 
‚ bie koͤnigliche Majeftät ſich habe erniebrigen muͤſſen durch Bits 


- 


1) Pelzel DI, 955. Des Gefchichtfchreibers Heinrich von Herford 
Grabmahl zu Minden ließ Karl-wieberherftellen. Ebend. S. 922. 


2) Pelzel ©. 810 fi. 


N 


KacisIV. Vaſuch eins Sihmifd- teutfchen Erbreichh. 29 


ten unb Geſchenke bie Raubritter zu Nieberlegung ber Bıffen 
zu vermögen. Mit diefer Schilderung ſtimmen auch die Bes 
richte, ber Zeitgenofjen überein. Durch den Königswechfel aus 
derſchiedenen Haͤuſern, ſetzt der Abt von Koͤnigshofen hinzu *), 
feien manche fremde Sitten und Trachten in dad Sand ges 
bracht worden, woburch bie Leute von ber alten einfachen Le⸗ 
benöweife abgefommen. Gpäter noch beſchreibt Ancas - 
vind die böhmifchen Volksclaſſen auf folgende Weile: ber 
Poͤbel ift im ganzen Keiche trunkliebend, dem Bauch erg 
ben, abergläubifch und neugierig. Der Mittelftand ift 2, 
verfhlagen, raubgierig, ungenügfam; der "Abel ruhmbegierig, 
den Gefahren trogend, feinem Worte treu, aber unerfättlidh ). 
Da die Böhmen Überhaupt noch Feine gefchriebenen. Geſetze 
hatten, wie vormals die Teutfchen, unter ihren Rechtögewohns 
keiten aber viele ſchaͤdliche und wiberfinnige gefunden wurben, 
wobei Vieles der Willkuͤr der Richter uͤberlaſſen blieb: fo war 
Karls Abficht, durch das neue Geſetzbuch, deſſen Ausarbeitung 
a dem berühmten Rechtögelehrten Bartolus von. Saxofer⸗ 
rato aufgetragen, neben ber Wegräumung jener Übel übers 
haupt den Öffentlichen Zuſtand zu verbeffern. Auffer den Bes 
fimmungen über Unveräufferlichleit der Rammergüter und ber 
Berpflichtung der Beamten zu Handhabung der Ordnung und 
Gerechtigkeit, wird befonders dem Abel unterfagt Buͤndniſſe 
ohne Genehmigung bed Königs zu errichten; dad Fehdeweſen 
wird befchränkt; den Gutsherren ift Verflümmelung ihrer Leib⸗ 
eigenen bei Strafe der Wiedervergeltung verboten. Beuers 
und Wafler- Probe und gerichtlicher Zweikampf werben bes’ 
ſchraͤnkt. 

Indeſſen wollte Karl dieſes Geſetzbuch, worin auch ein 
neues Erbrecht aufgenommen war, nicht aufdringen. Die 
Staͤnde baten um Bedenkzeit. So blieben vie Sachen fühf 
Jahre, und Karl Eonnte leicht abnehmen, daß der Hersenftand 
an jenen Beichränkungen keinen Gefallen finde und überhaupt 
die altflavifchen Gewohnheiten den Beflimmungen bes roͤmi⸗ 
ſchen Rechtes vorziche. Da nun durch irgend einen Zufall 


1) Chron. Aul. reg. in Freher. scrr. rer. Boh. p. 72%. 
2) Hist. Bob. c, 1. 
17* - 


0 Bud DIE Erſter Beitcaum. Abſchnitt 3. 


das Gebäude, worin bad Geſetzbuch niebergelegt war, im Feuer 
aufging, ſo ergriff Karl zwar die Gelegenheit dad Werk für 
ungültig zu erklaͤren; bagegen aber —* er im folgenden 
| 1356 Jahre wieder einen Landtag und gab bie Erklärung, daß er 
22. debr. feſt entfchloffen fei vor allen Dingen dem Unwefen im Lande 
ein Ende zu machen: Vom heutigen Zage an müuͤſſen alle Un⸗ 
ordnungen und Gewaltthaͤtigkeiten aufhören: wer einer Mord⸗ 
that überwiefen werde, er möge Herr, Ritter, Wladyk oder 
Bürger fein, der werbe mit dem Tode beflzaft; und wer einen 
Raub oder Diebftahl begehe, der folle feiner Ehren und Güter 
verluſtig fein. Zur Handhabung der Sicherheit theilte er Böh- 
men nach bem Vorgang der teutfchen Reichdlande in Land⸗ 
friedenskreife, jeden unter zwei Hauptleuten, und verpflichtete 
bie Landherren dazu mitzuwirken. Nicht zufrieben diefe An⸗ 
orbnungen gemacht zu haben, nahm Karl eine bewaffnete 
Schaar und durchzog felbft das Land, um bie Raubfchlöfier 
zu brechen. Died gefchah in der Zwifchenzeit jener Reichs⸗ 
tage zu Nümberg und Met, auf welchen die goldene Bulle . 
zur Vollendung kam. In bürgerlichen Rechtöfachen hatte Karl 
die Gewohnheit fein koͤnigliches Amt perfönlich zu üben; er 
faß zu Gericht oft bis Sonnenuntergang vor den Thoren ber 
Schlöffer oder auf dem Markte in den Stäpten '). 

In dem neuen Geſetzbuche waren die erfien Gapitel der 
Öffentlihen Religionsubung beflimmt. Die Tatholifche Re 
ligion folle allein in Böhmen flattfinden; Heiden und Garas 
cenen dürfen nicht darin wohnen ?); Ketzer müffen ber geiſtli⸗ 
chen Gerichtsbarkeit übergeben werben und die beharrlichen 
werden zum Feuer verdammt. Vom Papſt erhielt Karl die 
Erlaubniß wenigftens in Einem Klofter zu Prag den Gottes: 
dienft in der Landesfprache, „ber ebeln, ber lieben, füßen 
Sprache," wie er fie Öftes nennt, halten zu laffen’). Die 


1) Pelzel a. a. D. 580 ff. 922. 0, 
‚» Mahomebaniſche Zapetenwirker, weldhe Karl kommen lieh, muff: 
ten unter Zelten ihr Gefchäft treiben. 

8) Aen. Sylvius fagt in ber Hist.. Boh. p. 120 bei Freher. 
und wiederholt es in der Schrift de moribus Germanorum, in ben boͤh⸗ 
mifchen Kicchen erhalte das Volk Vorträge in teutfcher Sprache, auf 


” 


% 





Karls IV. Verſuch eines boͤhmiſchateutſchen Erreicht, 261 


Zeit der frommen Stiftungen, in ben übrigen Reiche: 
landen faft ſchon voruͤber, ging in Böhmen erft noch einmal 
recht an umter Karls IV. Regierung. Vielen Theil hatte ſeine 
große Verehrung der Reliquien, welche er in allen Laͤndern 
durch Kauf, Geſchenk, zuweilen auch mit Gewalt zuſammen⸗ 
brachte und dem Volke zur Andacht ausſtellen ließ. An eis 


nem folchen Jahrestage konnte man zu Prag 100,000 Fremde 


zählen. Nicht weniger Antheil hatte Karls Bauluft, die ſich 
nicht nur in Städten und Schlöffern, fondern vorzüglich auch 

in fchönen Kirchengebäuden gefiel, wozu er die berühmteften 
—2* aus verſchiedenen Ländern berief *). Den Anfang 
hatte er ſchon bei feines Waters Lebzeiten mit der ſchoͤnen Ka⸗ 
thedrale zu Prag gemacht, und das wurde dann auch unter 
feines ganzen Regierung fo fortgefeßt, daß Aneas Sylvius 
fagt, vor ben Berflörungen bed Huffitenkrieges habe Fein Land 


in Europa fo viele, fchöne, reiche und verzierte Kicchen ge _ 


habt in Städten und Dörfern als Böhmen. Auſſer vielen 
Beinen Stiftungen zähle man zehn Klöfter von verfchiedbenen 


Orden, welche Karl neu gegründet und begabt bat. Doch 


fah er endlich, daß eine Grenze geſteckt werben müfje; er bes 
ſchraͤnkte den Ankauf liegender Güter in tobte Hand. Einen 
wichtigen Schritt zum Selbftändigkeit ber böhmifchen Kirche 
hatte ſchon K. Johann gethan, indem auf fein Betreiben bad 
Bisthum Prag vom mainzer Sprengel getrennt und zu eis 
nem Erzbiöthum für Böhmen und Mähren erhoben wurbe?). 


ſerhalb derſelben, auf den Kirchhöfen, von ben Weitprieftern und Min: 


dien in der böhmifchen. Er meint, das komme noch davon her, baß ehe⸗ 
mals teutfche Stämme in Böhmen gewohnt. Bichtiger erklaͤrt es ſich 
wohl daraus, daß das Ehriſtenthum v von Teutſchland aus in Boͤhmen 
ringefuͤhrt worden. 


1) Auch Ölgemälde waren ſchon auf dem Karlſtein, der uͤberhaupt 
Alles vereinigte was man an Kunft und Pracht damals finden Tonnte. 
Gebhardi Geſch. des Reiche Böhmen (Allgem. Welthiſt. LIL) L 8b. 
6. 480. 


2) 23. Zulius 1341 fprach BVenedict XII. die Befreiung aus. GSle⸗ 
mms VI. vollendete die Sache SO. April 1348. Das nette Bisthum Lis 
tomyft und das Bisthum Olmuͤt wurben bem untergeordnet. 
Gebhardi a. a. D. ©. W2, 





262 Bud IL Erfier Zeitraum. Abfchnitt 3. 


K. Johann hatte den Ritterfiand hauptfächlich beglins 
fligt; auch Karl war in feinen jimgern Jahren, wie der Va⸗ 
ter und Großvater, ein Freund der Turniere und machte fich 
burch perfönliche Theilnahme gefällig. Da er aber nun mit 
möglichfler Vermeidung koſtbarer Kriege fi) ganz zur Staats- 
wirthfchaft wandte, zog er mehr bie Bürger an fi; 
- gegen bie bisherige Sitte ſah man ihm zuweilen mit ihmen 

‚fpeifen. Wiewohl die Städte nicht im Krönungseid ſtehen, 
fo nahm fih Karl doch bderfelben vorzüglich an; fie fliegen, 
während der troßige Abel gebemütbigt wurde. Den Handel 
beſonders beförberte er burch Extheilung vieler Freiheiten. Mit 
Venedig fchloß er einen Vertrag über den freien Handel zwi⸗ 
Shen Venedig, Böhmen und Zeutichland; Prag und Breflau 
erhob er zu Stapelſtaͤdten. Das böhmifche Land hat in feis 
- ner Rage auch das Eigenthüimliche, daß alle Gewaͤſſer welche 
mit Ausnahme der Eger barin entfpringen, fich in dem Haupt⸗ 
fluß, ber Elbe, vereinigen, wodurch bie Ein» und Ausfuhr 
befonders begünftigt if; den zweiten Hauptfluß, die Mol: 
dau, machte Karl ebenfalls wieder fihiffbar, nebft einigen aus 
‚ ben Nebenflüffen. Ex foll fogar den Wunfch gehabt haben, 
die Moldau durch einen Kanal mit der nur fieben Meilen ent: 
fernten Donau zu verbinden). Die fleinerne Brüde zu Prag, 
eine ber größten und. fchönften, unter feiner Regierung anges 
fangen, wurbe erft nach 145 Jahren vollendet. Man kann 
leicht denken, daß die reichen böhmifhen Bergwerke Karls 
befondere Aufmerkfamkeit auf ſich gezogen; ex ließ auch ver⸗ 
ſchuͤttete Gruben wieber herſtellen und neue entveden. Bald 
erfreute er fich einer folchen Ausbeute, daß er fich rühmte Die 
prager Zhürme mit Gold deden laffen zu können. Die Sage 
fhreibt ihm die Entdedung bes Karlsbades zu. Xepla 
bieß die warme Quelle in ber Randesfprache. Die neue Stadt 
die er dabei gründete, nannte er zuerft Karlshaus. Schon bei 
ihrer Einwanderung find die Slaven als ein flilles, landbau⸗ 
treibentes Volk, das bis in die fränkifchen und baierifchen 


1) Hällmann Staͤdteweſen bes Mittelalters I, 358. Mangel an 
Hülfsmitteln habe bie Sache vereitelt. Tbrigens fcheint das dazwiſchen 
liegende Gebirg ein. unüberfteigliches Hinderniß zu fein. 





Saris IV. Werfuch eines boötmifch⸗ teutſchen Erbreiche. 263 


Gauen gekommen, in unfern Gefchichten genannt worben. 
Doch fand Karl noch Wälder auszuroden und neue Dörfer 
anzulegen. Unter den Erzeugniffen des fruchtbaren Landes 
vermifite Kari Nichts mehr ald Wein, ba jährlich große Sum⸗ 
men dafür in's Ausland gingen, Er ließ alfo Weinreben aus 
Oſterreich und Burgund kommen, um bie fonneizeichfien Hlı- 
gel!) damit zu bepflanzen. Der Erfolg entforach feiner Ab: 
fiht foweit, daß er nad einiger Zeit die Einfuhr frember 
Beine, mit Auönahme der itaktenifchen, verbieten zu koͤnnen 
glaubte. Als erfahrner Landwirth verfegte er fich in bie Zeit 
bes alten Koͤnigsſtammes. Das Dorf Stadicz an ber Bila, 
den Geburtsort Przemifls, befreite er von allen Abgaben. 
Die drei Hufen Landes, welche Przemifl vor feiner Berufung 
zum Throne bebaut, erklaͤrte er für das Eigenthum des Kö: 
nigshauſes und befahl den Einwohnern, jene nach der Sage 
aus dem Stabe des Ahuherrn entiproffene Haſelſtaude forgs 
fältig zu pflegen und die Nüffe jährlich dem Könige zu brin⸗ 
gm. Die Sitte, ſolche am Krönungstage unter dad Volk 
auszuftreuen, bat ſich bis auf Ferbinand TIL. erhalten. 

So fah Kari fein gelichtes Böhmen aufblühen. Er konnte 
vom ganzen Lande fagen, waser, wenn ex von den Fenſtern 
des prager Schloffes die darunter liegende Neuſtadt den Fürs 
fen zeigte, zu fagen pflegte: „das ift mein Werl!" Damals 
zählte Böhmen auf feiner Grundfläche von 950 Quabratmeis ' 
im 100 woblerbaute, mit Mauern umgebene Städte, 300 
Rarktflecken, 260 feſte Schiöfter, 360 Dörfer und eine Menge 
Höfe, 20 Collegiatkirchen, 2033 Pfarreien ?). 

Das ift das Gute bei dem Wechfel der Kaiferhäufer für 
Zeutſchland geweien, baß der Mittelpunct des Öffentlichen Le⸗ 
bens und alles deſſen was zur Emporbringung ber Lande ges 
hört, nicht an Einem Orte geblieben, fondern von einer Pros 
vinz zur andern gewanbert iſt. Zuerſt ſahen wir das oflfräns 
kiſche Reich in den mittlern Rheinlanden blühen; dann flieg 
ſchnell Sachſen, das zuletzt berzugebrachte Land; wieber kam 
das Reich an die Franken, dann zu ben fübteutfchen Staaten, 


1) Bei der Reuflaht Prag u. a. Drten. Pelzet I, 208. 
2) Pelzel a. a. DO. 974. 


1 


266 Buch IL Erſter Zeitraum. Abſchnitt 8. 


Elſaß, Schwaben, Baiern; endlich ging es Über zu ben Boͤh⸗ 
men, welche man bisher als Stiefbrüder angeſehn. Wenn 
Karls IV. Vater, K. Johann, das Kaiſerthum erlangt haͤtte, 
fo wuͤrde er wohl fein Luremburg ober das benachbarte Aachen 

wieder zum Sie des Reichs erwählt haben. Aber Karl hatte 
bie entgegengefegte Anficht. Er überließ die Niederlande ih⸗ 
ren eigenen Fortfchritten, bie eben jeßt im Wetteifer mit Frank⸗ 
reich und "England fihtbar wurden, und richtete alle feine 
Sorgfalt auf die Emporbringung von Böhmer. Wenn er 
auch nicht die Faiferlichen Reichsinfignien auf fein Schloß Karls 
flein in Verwahrung gebracht hätte, fo fprechen ſchon bie bis⸗ 
ber angeführten Thatſachen, von ber Gründung der Univerfis 
tät bis auf die zuletzt bemerkten Begünftigungen bed Handels, 
daß er Böhmen zum Mittelpunct bes teutjchen Reichs und 
Prag, wo auch teutſche Fuͤrſten Paläfte bauten, zur Haupts 
ſtadt machen wollte. Karls- bed Großen Andenken aber glaubte 
er noch immer zu ehren, wenn er in beflen Palafle zu Ins 
gelheim ein Chorherinftift für gebowme Böhmen gründete, welche 
die böhmifche Sprache redeten ‘). 

f Sowie nun bie innern Kräfte bed Erblandes wuchfen, 
fo fuhr Karl IV. auch in: feinen Vergrößerungsentwärfen fort. 
Wir haben oben gelehn, wie er bie Erwerbung von Schlefien 

‚ vollendet, auch einen Theil der Oberpfalz zu Böhmen gebracht. 
Bunächft bleiben nun feine Unternehmungen gegen bie angren⸗ 
zenden Fürftenhäufer gerichtet, Öfterreich und Baiern. 

- Ein Jahr nach Errichtung der golonen Bulle vermaͤhlte 

4357 Karl feine Tochter Katharina dem Herzog Rudolf von 

Zul. Öfterreich, dem älteften von vier Brübern, welche die Regies 
rung ber Lande gemeinfchaftlich führten; er übertrug ihm auch 
bie Landvogtei Elſaß und glaubte ihn ganzı für fein Haus ger 
monnen zu haben. Allein Rubolf, ein bochherziger, unter- 
nehmender Jüngling, metteiferte eigentlih mit Karl IV. Was 
diefer zu Prag that, das that er zu Wien. Er erbaute bie 
St. Stephanskirche und fliftete die Univerſitaͤt dafelbfl. 
Dabei trug er Entwürfe in fich, welche mit Karl Abfichten - 


1) Guden, Cod. dipl, Mog. T. III. p. 877. Acta Acad. Palat. 
T. 3.307 29q. 


. 





Karls IV. Verſuch eines boͤhmiſch⸗ teutſchen Erbreichs. 265 


nicht zuſammenſtimmten. Eingedenk, daß K. Friedrich J. ſei⸗ 

nen Vorfahren im Herzogsbrief die naͤchſte Stelle nach den 
Pfalzerzfuͤrſten, jedoch ohne Wahlſtimme, verliehen hatte, nahm 

er den Titel eines „Erzherzogd der kaiſerlichen Pfalz“ an und 
nannte fi auch Herzog oder Fuürſten in Schwaben und El⸗ 

faß. * Zugleich verband er fi) mit den Graven von Wirtem⸗ 

berg, welche gleiche Abfichten auf Nieberfchwaben hatten, Auf 

die Befchwerden ber andern Fuͤrſten entzog ihm Karl die el 1360 
ſaͤſſiſche Landvogtei und wollte ihn auf einer perfönlichen Zu: 
ſammenkunft zu Tyrnau unter Vermittlung des Königs von 16. Mai 
Ungern zur Ablegung jener Zitel und zu Aufgebung bed wir: 
tembergifchen Buͤndniſſes bringen. Da er nicht nachgab, machte 

Karl ein ſtarkes Reichsaufgebot und fchlug zuerſt die Graven 

von Wirtemberg bei Schorndorf, dann mufite auch Rudolf 

ſich unterwerfen, weil er verfäumt hatte mit jenen zufammen; 
zutreten. Er verſprach Alles zurudzunehmen, was er bisher 

gegen Kaifer und Reich gethan. Daflır fchloß Karl ein Schuß» 
bundniß mit ihm unb überließ ihm zur Entſchaͤdigung das 5. Sept. 
Judenſchutzgeld im / Elſaß und Schwaben. Dennoch fing Ru⸗ 

dolf in kurzer Zeit wieder an jene Titel zu fuͤhren, auch kai⸗ 

ferlihe und koͤnigliche Zierden als angebliche Vorrechte der 
Herzoge von Öfterreich zu gebrauchen. Der Kaiſer berief ihn 

daher wieder zu fih und ließ ſich neue Verfchreibungen unter 
Buͤrgſchaft der. öfterreichifchen Landſtaͤnde ausftellen‘), Nun 

gab Rudolf zwar ben herzoglichen Titel von Schwaben auf, 
führte aber den des Erzherzogs aufs neue, ald ihn K. Lud⸗ 

wig von Ungern, ebenfalls Schwiegerfohn von Karl IV. (wies 

wohl feine Gemahlin Margarethe bereitd geflorben war), durch 

eine Auſſerung des Kaiſers über feine Mutter beleidigt, zu eis 

nem Biindniß gegen denſelben auffoderte. Die beiden Haͤu⸗ 1362 
fer, Ungern und Öfterreich, flanden bereits in Erbverbrübes 7. San. 
tung. Als Karl das Verſtaͤndniß erfuhr, kam er in ſolche 
Derlegenheit, daß er den Beiſtand der Kurfürften anrief. Er 

brachte feine Klagen auf dem Reichötage zu Nürnberg vor und - 
verlangte, Daß die Kurfürften den Herzog Rudolf abmahnen, 

ihm aber verfprechen follten auf ven Fall feines Abfterbens - 


1) Gef. v. Schwaben IV, 74 fi 


S 


266 Bud. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 3. 


keinen Öfkerreicher zum roͤmiſchen König zu wählen. Bugleich 
verband er fich, mit den fchwäbifchen Reichsſtaͤdten und bewil⸗ 

ligte jet auch den fchweizerifchen Waldſtaͤtten die biöher ver⸗ 
weigerte Beſtaͤtigung ihrer Freiheiten, um auf den Fall eines 
Krieges Hülfe von ihnen zu haben. Herzog Rudolf aber 
Tehrte fi an jene Abmahnungen nicht, vielmehr verband er 

fih noch mit einigen Bifchöfen, und das ungeriſche Buͤndniß 
wurde erweitert, indem ſein Schwager, der junge Herzog 
1362 Mainhard von Baiern und Tirol, und ber K. Kaſimir von 

31. Dec. Holen zu Preßburg beitraten ). Go’ fland denn ein bedeu⸗ 
tender Zürftenverein gegen Karls Entwürfe. Doch dieſe dro⸗ 
hende Stellung erhielt ſchnell eine andere Wendung über dem 
Erbe von Zirol, und Karls Schlauheit verfehlte nicht neuen 
Vortheil daraus zu ziehen. 

1363. Vierzehn Tage nach bem preßburger Buͤndniß flarb Her⸗ 

15. Ian. zog Mainhard ohne Kinder. Da feine Mutter, die verwitt⸗ 
wete Margaretha Maultafh, bei feiner Vermaͤhlung 

mit Margaretha von Öfterreih den Brüdern derfelben, ald 
nahen Anverwandten ihres Haufed, auf biefen Fall Zirol zus 
gelagt hatte, fo ließ Herzog Rubolf fofort von den Krieges 
rüflungen gegen den Kaifer ab und eilte nach Bogen, wo er 
durch feine einnehmenden Reben und Sitten fomohl die Graͤ⸗ 
pin als ‘die Landflände gewann, daß ihm ber Befis des Lan⸗ 

26: San. des beflätigt und balb barauf aud von der Grävin gegen an: 

11. Sept. gemeflenen Unterhalt die Regierung abgetreten wurbe ?). 

Ä Dem Kaifer konnte es zwar nicht gefallen, daß Öfter: 
reich Zuwachs erhielt, befonderd durch ein Land, dad früher 
feinem Bruder Johann Heinrich beſtimmt war; allein auf ber 
andern Seite ſah er eine geboppelte Spaltung entfliehen, wel: 

ce ihm fehr erwünfht kam. Herzog Stephan von Baiern, 
Oheim bed verflorbenen Herzogs Mainhard, trat ald Gegner 
von Öfterreih aufs zugleich entzweite er fih mit feinen Bruͤ⸗ 
dern, den Markgraven von ER! indem er des Nef: 


. 1) Steyerer Hist. Alb. II. c. 5. p. 21. Addit. p. 833 sqq. 
Guden. Cod, Mog. dipl, T. III. nr. 306. 


2) Auffer Steyerer lc. Henr. Rebdort. ad a. 1362. Chron. 
Salisb, ad a. 1363. Erſterer auch zu dem Folgenden. 


\ ⸗ 


Kari IV. Verſuch eines boͤhmiſch⸗ teutſchen Erbreichs. 267° ' 


fen Mainhards Antheil an Baiern für fich allein behielt. Bei Ä 

biefer Lage der Dinge unternahm ber Kaifer zuerfi das preß⸗ 1364 

birsgifche Bündniß zu trennen. Da er zum zweiten Mal Witts Jan. 

wer war, vermähtte er fich mit Elifabeth, Zochter bed Her⸗ 

3098 Bogiflaus von Pommern und Enkelin 8. Kafimirs 

von Polen, woburd er den Lesten fchon auf feine Seite 

brachte. Dann bielt er mit dem Könige von Ungern und ben 

Herzogen von Öfterreich eine Iufammenkunft zu Brünn md 

ließ feine Tochter Katharina, H. Rudolfs Gemahlin, als 

Dermittlerin eintreten. Bei dem Kriege zwifchen ſterreich 

und Baiern kam allerdings dad Meifte darauf an, welchem 

Zheil der Kaifer beitreten winde. Karl erbot fich die Schen⸗ 

tung ber Graͤvin Margaretha zu beſtaͤtigen; dagegen bebung 

er eine Erbverbrüberung zwifchen Öfterreih und Luremburg 

mit Einfluß der Margaretha, fo daß bei dem Abgange des 

männlichen Stammes in dem’ einen Haufe der bed andern in 

deffen-Lande folgen follte. Die vier Herzoge von- Öfkerreich 

waren noch ohne Nachkommenſchaft; fie lieſſen ſich aber die 

Bedingung gefallen, um die Zuerkennung von Tirol zu. erhal: 10. Febr. 

ten. &o gimg bie lange Eiferſucht zwiſchen den beiden Haͤu⸗ 

fern, da fie noch kuͤrzlich einen weit ausſehenden Krieg ges 

brobt, im freundliche Vereinigung über und warb durch den 23 — 

Beitritt der beiderſeitigen Landſtaͤnde befeſtigt. & 
H. Stephan von Baiern aber, mit der Entfcheibung bes 

Kaifers nicht zufrieden, feste den Krieg fort. Karl ließ ihm - 

feinen Bang, denn e8 war ihm nicht entgegen, wenn bie Fuͤr⸗ 

fien fi) aufrieben. Erſt als er ſah, daß H. Stephan wieder ' 

auftam, weil K. Ludwig von Ungern aus geheimem Unwiß 

len gegen bie luremburgifche Erbverbrüdetung ein Blndnig 1368 

mit dem baterifchen Haufe gegen Öfterreich gefchloffen hatte ), — 

trat er endlich in die Mitte und ließ die Streitfrage durch c, Febr. 

Schiedörichter beilegen. Nach ihrem Ausfpruche bezahlte Oſter⸗ Sept. 

reich an Baiern 116,000 fl. baar, trat drei Gerichte im Un⸗ 

terinnthale, welche der Margaretha zum Leibgeding verfchries 

ben waren, beögleichen die verpfändete Stabt Schärding, auch 

die Herrſchaft Weiſſenhorn in Schwaben ab; dagegen verzich 


1) Specimen diplomat, Baj. in Oefel T. V. p. 187, 191. 


268 Sud IL. Erfier Zeitraum. Abſchnitt 3. 


teten die baieriſchen Herzoge auf alle Anfprlüche an Zirol '). 
Benige Zage nach biefem Frieden flach die Grävin Marge 

retha zu Wien. 
Während diefer Begebenheiten waren auch bie Derzoge 
Rudolf und Friedrich von Öfterreich geflorben. Da die 
zwei anberen, Albrecht und Leopold, noch unverheirathet 
waren, fo hoffte Karl bie Erbyerbrüberung bald in Erfüllung 
gehen zu fehen. Da noch ein älterer Vertrag biefer Art zwi⸗ 
fhen ſterreich und Ungern befand, fo ruhete ex nicht, bis 
1366 biefer aufgehoben war; es gelang ihm daß beide Theile mit 
—* gutem Willen demfelben entfagten, worauf er bie Iuremburs 
"% gifche Grbverbrüderung mit Willebriefen der Kurfürften erneu⸗ 
„14, April. er 2) und feine Tochter Elifabeth bem Herzog Albrecht ver 


Jetzt ſah es der Kaiſer nicht mehr ungern, daß Abietht 
und Leopold in ber Vergrößerung ihrer Hausmacht fortfuhren. 
In diefem Zeitpuncte traten -fie ald Vermittler ein in bem 
Kriege ber breisgauifhen Stabt Freiburg mit dem Graven 

' Egon, ihrem Schirmherrn, und ber beiberfeitigen Bunbeöge: 
noſſen. Egon gab der Stadt die Schirmherrſchaft zurüd, und 
ſie wählte nun die Herzoge von Öfterreich, welche baflır einen 
Heinen Theil der Kriegskoſten übernahmen. Gegen die Er⸗ 
wartung des Sraven Egon zogen bie Herzoge auch bie Land: 
graufchaft Breisgau an fich, weil fie von jeher zur Herrſchaft 
Freiburg gehört habe. Hierzu kamen dann noch mehrere Er: 
werbungen in Oberfhwaben, wozu ſchon Albrecht I. und II. 
den Grund gelegt hatten. Kirnberg und Kenzingen wurben 

. als eröffnete Lehen eingezogen, Ziyberg gekauft. Der Kaifer 
gab ihnen bie, von Wirtemberg zuruͤckgenommenen Reiches 
Dfandfchaften Achelm und Hobenflaufen. Dann kauften fie 
bie Herrſchaft Feldkirch im Vorarlbergiſchen von dem Haufe 
Montfort, und fo kam allmdlig ein näherer Länberzufammens 
hang von Elſaß bis Tirol. Das Haus Öfterreich hat nad 
ber fo viele Herzogthümer und Königreiche erworben ald das 
mald Burgen oder Städte; aber ohne diefe Heinen Herxfchaf⸗ 


’ 1) Mannert Gefchichte Baierns I, 358 f. 
2) Da Mont. T. U. P. I. Nr. 37-40, 54, 


atls IV. Verſuch eine böfmifdeteutfhen Erbreichs. 269 


ten wuͤrde es ben ausgebehnten Erblanden an Verbindung 
gefehlt haben. . 

Nun trug ſich zu, da die Brüber meinig wurden. Al 
brecht, ein Freund der Natur und der Wiffenfchaften, zog den 
Umgang ber Gelehrten zu Wien jeber andern Beichäftigung 
vor. Leopold verwaltete, wie fonfk die jüngern Bruͤder, die 
eben genannten vordern Lande befonderd; Tirol war gemein: . 
ſchaftlich. Sein aufflrebender Geift ertrug Feinen Zwang; ob» 
gleich ber Jüngere, hätte er bie ganze oͤſterreichiſche Macht un⸗ 
ter ſich haben moͤgen. So ertrotzte er eine foͤrmliche Thei⸗ 
Lung und erhielt auſſer Schwaben und Elſaß auch Tirol, 
Kaͤrnthen und Steiermark. Albrecht behielt nach dem Vor⸗ 
rechte des Altern Wien mit Inmeroͤſterreich. Die öflerreichk 
ſchen Erblande gehören unter die erften, in welchen Untheil⸗ 
barkeit durch Hauss und Reichs⸗Vertraͤge fefigefeht war. Aber 
‚ ber Kaifer verweigerte bie Einwilligung zur Theilung nicht. 
Range”, fprach er, „haben wir getrachtet dad Haus ſter⸗ 
reich zu demüthigen und haben den Weg nicht gefunden: nun, 
zeigt es biefen felbft” *). 

Ein Jahr vor der oͤſterreichiſchen Erbverbruͤderung errich⸗ 1363 
tete Karl IV. eine ähnliche mit Brandenburg ?)5 der An- 13. 
laß ging ebenfalls aus dem tirolifchen Erbfolgeſtreit hervor; 
ed folgte aber eine längere Reihe von Verhandlungen, bie 
den Kaifer endlich in den wirklichen Befig des Landes: brach⸗ 
tn. Da H. Stephan von Baiern bei dem heimgefallenen 
baierifhen Landestheil feined verfiorbenen Neffen Mainharb, 
wie wir oben fchon bemerkten, keine Rüdficht auf feine zwei 
Brüder, Lubwig den Römer und Otto, welche auf die Marl 
Brandenburg abgetheilt waren, genonmien hatte, fo liefen 
diefe fih um fo eher uͤberreden in Karls IV. Abfichten einzu⸗ 
gehen. Der Vertrag wurde auf dieſelbe Weiſe geſchloſſen wie 
mit ſterreich, und man kennt drei Turfürftliche Willebriefe für 
denſelben. Stephan und feine Bruberäföhne, die übrigen Her 


= 
ed x 


1) Geſchichte von Schwaben IV, 74—87. 


2) Lünig Cod, German. dipl. T. I. p. 1277. Chron. Sallsb, 
ad a, 1368, 


270 Buch IH. Erfter Beltraum, Abſchnitt 3, 


zoge in Baiern, durften -Eeine Eimwenbung gegen ben Kaifer 
wagen, auch wenn fie nicht in ben Öfterreichifchen Krieg vers 
widelt-gewefen wären. Die beiden Marlgraven Ludwig und 
Otto waren ohne Erben. Einfiweilen fing der Kaifer an, die 

von Brandenburg veräufjerten Landestheile zurkdzubringen. 
1353 Schon fräher war ihm die Einloͤſung der an Meiffen verpfäns 
beten Niederlaufis zugeflanden worben. Diele bewerffiel- 
1364 ligte er. fo, daß das Land als böhmifches Lehen zuerfl 
Apr. dem Herzog Bolko von Schweibnig und Iauer gegeben, nach 
befien Tode an Markgrav Dito fallen unb nad) diefem, wenn 

er Beine Erben hinterlieffe, von Markgrav Ludwig um die von 
‚dem Kaifer erlegte Summe wieder eingelöft werben follte 2). 
Dabei verſprach Karl dem Dtto feine Tochter Elifabeth zur 
Gemahlin zu geben 2), verzögerte aber bie Sache und gab fie 
enblih, wie wir oben gefehen, dem Herzog Albrecht von 
Öfterreith. Dann ließ man Dtto hoffen, Karls ältere Tochter 
Katkarina, H. Rudolfs von Öfterreich Wittwe, zu erhalten >). 

Aber Otto blieb unvermäplt; da Ludwig unvermuthet flarb, 

Tom er in ben Befis der ganzen Mark, wirthichaftete aber fo 
1365 übel," daß ihn der Kaifer an feinen Hof berief und auf ſechs 
Dec. Jahre der Landesverwaltung entſetzte. Am Hofe gerieth er 
1368 aufs neue in folhe Schulden, baß er die Nieberlaufig für 
13. Jan. eine gewiffe Summe an bed Kaiſers Sohn Wenzlaw überließ, 
‚1370 alfo auf die Einlöfung Verzicht that; daher das Land fofort 
1. Aus. nach H. Bolkos Tode mit Böhmen vereinigt wurde *).. In 
die Verwaltung ber Mark wieber eingeſetzt kam Otto in Krieg 

mit Pommern, wobei er ſeine wenigen Kraͤfte vollends zuſetzte 

und ſo gut als moͤglich Frieden machen muſſte. Da ihn der 
Kaiſer ganz hilflos gelaſſen hatte, fo gingen ihm endlich Die 
Augen auf. Er befchloß deöwegen feinem Neffen, H. Fried⸗ 
1371 rich von Baiern, Stephans Sohn, der ihm auf einem Um: 
wege zu Hülfe gefommen war, die brandenburgifchen Lande 


1) Lünig L c. p. 1283. 

2) Lünigl. c. p. 1391. 

$) Gebhardi a. a. D. S. AM. 

4) Du Mont, T. IL P. J. Nr. 6%. 


Larls IV. Verſuch a boͤhmiſch: teutſchen Erbreichs. 27 1 


zuzuwenden; einſtweilen verpfänbete er ihm die Altmark und un 
Prignig für 200,000 fl. und ließ ihm hulbigen '). 
Über diefe Verlegung des Erboertrags wurde ber Kaifer 
fo aufgebracht, daß er fchnell ein Kriegäheer aufbot und in Sum 
das Brandenburgiſche eindrang. Markgrav Otto nnd fein 
Neffe waren bald in die Enge getrieben; fie kamen zu dem , 
Kaifer in das Lager bei Zürfienwalbe und gingen nach kurzen 
Verhandlungen folgenden Vergleich ein: Otto tritt die ganze 15. Aus 
Bart Brandenburg an die Söhne des Kaifers ab-ımb erhält 
dagegen einige Schlöffer und Staͤdte in ber Oberpfalz, welche 
Böhmen im Fall feines unbeerbten Abfterbens für 100,000 fl. 
von den Herzogen von Baiern wieber .einlöfen barfz dazu ers 
hält er einen Jahrgehalt von 3000 Schod böhmifch, dann .- 
weitere 100,000 fl. in Zerminen und fix 100,000 Pfand⸗ 
fhaften. Tbrigens behält ſich Otto die Kurwinde und das 
| eramt lebenslänglich vor 2). Nebendem ließ ber 
Kaiſer die uͤbrigen Herzoge von Baiern auf alle Anfprüche an 
Brandenburg verzichten und bie Urkunden herausgeben. End⸗ 
li ſchloß er noch eine befondere Einung mit bem Geſammt⸗ 1374 
hauſe Pfalzbaiern, worin dieſes verfprechen muſſte, nie in Boͤh⸗ Pt. 
mm, Mähren, Brandenburg, Polen, Baiern, Franken. Etwas 
on fih zu bringen, was dem Haufe. Luremburg gehörte, Das 
gegen verlieh er den baierifchen Herzogen die zwei Reichsland⸗ 
vogteien in Oberfhwaben und Elſaß. Markgrav Dtto aber 
lebte fortan fröhlich mit feiher Gretl, einer fchönen Beckers⸗ 
frau, auf dem Schloffe Wolfſtein an ber Ifer, bis er wieder 
‚in Gelbmangel gerieth und Abſchlagszahlungen an jenen Sums 
men annehmen muſſte. Ein Jahr nach ben Kaiſer flarh er 1379 
in verbienter Verachtung °). 
Mit dem zeitig erlangten’ Beſitz ber Mark war Karl noch 
nicht zufrieden. Er beſchloß das Land, obgleich ein teutſches 1374 
enthum, wie die andern Erwerbungen der Krone Boͤh⸗ 
men einzuverleiben. Zu dem Ende ließ er durch den Biſchof 


1) Buchholz Geſchichte der Churmark Brandenburg. Thl. I 
.D. G. 479. 


9) Üttenthover Geſchichte d. Herz. von Baiern. Beil. 70, 
5) Bergl, Mannert a. a. O. 368. 


272 Buch IL Erſter Ieltraum. Abſchnitt 3. 


Dieterih von Brandenburg, aus bem fchulenbargifchen Haufe, 

diefe Maßregel auf dem Landtage zu Tangermünde empfehlen 

ald das ficherfte Mittel das Land nach ber biöherigen ſchlech⸗ 

ten Verwaltung wieder emporzubsingen. Dies fand Eingang: 

ed verbanden ſich vierzig maͤhriſche Städte mit der Iufage, 

fih nicht .mehe von Böhmen zu ‚trennen oder fonft verdäuffern 

1374 zu laſſen. Nun vollzog der Katfer auf einem großen Land⸗ 

29. Jun. tage zu Gruben in ber Mitte der böhmifchen und branden⸗ 

burgifchen Stände die Vereinigung und beftätigte zugleich bie 

Rechte und Freiheiten ber Lebteren ’). Während diefer Der: 

handlungen emeuerte Karl IV. bie Erbeinigung mit den an 
graven von Thüringen und Meiffen®). 

Endlich griff Karl auch in den luͤneburgiſchen &b- 

 folgeftreit ein, um dabei ebenfalls feine befondern Abfichten zu 

erreichen. Herzog Wilhelm von Lüneburg hatte nur zwei 

Zöchter: von ber älteren, Elifabethb, H. Rudolf von Sach⸗ 

fens Wittenberg Gemahlin, flammte H. Albrecht; bie jün- 

gere, Mechtild, war mit ihrem Better Herzog Lubwig von 

Braunſchweig vermählt.. Diefen beflimmte H. Wilhelm 

1355 mit Einverſtaͤndniß der- Landflände zum Nachfolger, in Ges 

23. Zun. mäßheit der Erbverbrüberung ber beiden Häufer. Der Kaifer 

aber erinnerte fih, daB H. Wilhelm früher fein Gegner gewes 

fen, weil er nach 8. Ludwigs IV. Zode von einigen Fürften 

zum roͤmiſchen König vorgefchlagen worden; er-erflärte fich 

alfo für Sacfen-Wittenberg, das er auch fhon in der gold: 

nen: Bulle wegen feiner Ergebenheit begünftigt hatte. Sofort 

6. Oct. ertheilte er dem Geſammthauſe die vorläufige Belebnung mit 

Lüneburg auf den Zal von Wilhelms Abfterben ’), und weil 

diefer auf feine Ladung nicht erfchienen war, fprach er ohne 

Zuziehung des Fürftengerichts die Acht Über ihn aus. Indeſ⸗ 

1367 fen flarb Ludwig von Braunſchweig noch vor H. Wilhelm; 

biefee ernannte alfo feinen Bruber Magnus Torquatus zum 

Nachfolger. Nah Wilhelms Tode aber erklärte der Kaifer das 


. 1) Die Urkunden zu bem Bicherigen ſiehe in LünigL c, Nr. 
812— 315. 
2) Du Mont. T. IL P. L Nr. 76. 
8) Origg. Guelf, T. IV, Praef. p. 9. 10. 


Karla IV. Verſuch eines bögmifcheteutfchen Erbreiche. 273 


Sand für ein erledigted Reichslehen und wiederholte die Be⸗ 1370 
lehnung ber ſaͤchſtſchen Herzoge, indem er den H. Magnus Märı- 
Zorquatus wegen feiner Widerſetzlichkeit mit der Acht belegte. 

Da diefer auch bald darauf ſtarb, trafen feine Söhne, Fried⸗ 

rih und Bernhard, mit den fächfifchen Herzogen, Wenzel und . 
Abrecht, einen Vergleich, nach welchen die Regierung Luͤne⸗ 1373 
burgs zwifchen den Alteften ber beiden Häufer wechfeln follte *). Sept. 
Später ward eine Doppelheirath gefliftt. Dennoch entfland 
wieder ein neuer Krieg, in welchem bie Iimeburgifchen Fürften 

ide Land behielten. Eine Exbverbrüberung zwifchen Lüneburg 
und Sachen brachte endlich geraume Zeit nach Karls IV. Tode 1389 
die Streitigkeiten zu Ende). Man glaubte, Karl habe das 
fachfen-wittenbergifche Haus in der Abficht begimfligt, um es 

fir feine Anfprüche auf Brandenburg und Medienburg zu 
befriebigern ober dad Haus einſt ganz auf Lüneburg zu vers 

fegen, um dagegen Wittenberg nebft dem Kurkreis an Boͤh⸗ 

men ziehen zu können ?). 

Das war alfo Karls IV. Plan gegen die benachbarten 
Firrſtenhaͤu ſer, beſonders folche, voelche vom Anfang an bem 
feinigen entgegen gewefen: fie mufiten fich entweder zu Ver⸗ 
brüderungen und andern Verträgen bequemen, oder in gänzs 
liche Unmacht verfebt werden, um auf bie eine ober andere 
At ihre Lande an Böhmen gelangen zu fehen. Einmal erhob 
ſich doch ein Fürflenverein mit Oferzeid; aber Karl wuffte 
ihn bald wieder zu trennen. Mit den Vereinzelten kam er 
licht zum Ziele; es waren meift fchwache, in Zwieſpalt le 
bende oder verfchuldete Zürften, die gegen ihn nicht auflom= 
men Tonnten. Am meiften bat er dad Haus Baiern ge 
ſchwaͤcht und ihm Die unter dem Kaifertbum gemachten Erwer 
bungen wieber abgenommen. 

Auf diefe Weife hat Karl IV. nad) ber Erwerbung von 
Shlefien und der heiven Lauſitzen einen Xheil ber 
Oberpfalz und bie brandenburgifchen Lande an Boͤh⸗ 

men gebracht; in ber That ein Länderzufammenhang wie man 


I) Hoffmann Samml. ungebrudter Nachrichten. Th. I. ©. 193. 
2) Qrigg. Guelf. 1. c. 5. 13. 
I) Hähberlin Reichsgefchicdhte. IV, 3 f. 

Pier Geſchichte d. Teutſchen ILL. 18 


27 Bud HL Erſter Zeitraum. Abſchnitt 3. 


ihn noch unter keinem Fürftenbaufe geſehen; auch war ſchon 
Vorkehrung getroffen, daß das zum Herzogthum erhobene 
Stammiand Luxremburg nebſt dem Herzogthum Brabant 

und Limburg nach ſeines Bruders Wenzlaws Tade an Boͤh⸗ 

men fallen ſollte; ein Laͤndergewinn ſchon unter dem Enkel 
des Graven von Anembues, ber den oͤſterre ichiſchen noch 
weit überwog, und auch auf biefen hoffte Karl vermöge ber 
Erbverbrüberung, ſowie auf Ihlwingen und Meiffen. In gleis 

cher Abſicht geihah vie Verheirathung feiner Söhne Wenz⸗ 
1370 Yaw, ber @rfigebome, erbielt Iohanna, Zochter von Herzog 
17,309. Albrecht, Ludwig bed Baiers letztem Sobne, weldem Karl 
zue BWachfolge in Holland ıc. nach dem Tode feines Bruders 
Wilhelm geholfen hatte). Sigmund, Karld zweiter Sohn, 
1372 wurde verlobt. mit Maria, Tochter 8. Lubwigd von Ungern 
23. Mai. mp Polen, der zugleich auf ale Anfprüche Polens an Boͤh⸗ 
men und Gchlefien Verzicht that), Wenn Karl die Hoff: 
nung hatte, daß durch Wenzlams Vermählung auch die bob 
ländifehen Herrſchaften des baterifhen Haufes an das 
Inremburgifche falten koͤnnten, fo iß diefe Hoffnung zwar 
vereitelt werben; dagegen wurde bem Gigmund bie Nachfolge 
1383 in Ungern und Polen zugefagt und ex erhielt fie auch im 
erſtern Reiche. Zu einer falhen Macht ſah Karl fein Haus 
auffteigen. Zu biefem Allen machte er noch viele Heine Er: 
werbungen fir ben böhmilchen Lehenhof. Es trugen ihm 

auf die Landgraven von Leuchtenberg ihre Schlöfler Blei 
fein, Reichenftein und die Stadt Pegnitz; Heinrich Reuf von 
Plauen dad Gebiet Reichenbach und das Schloß Drove; bie 
Graven von Schwarzburg Hoyerswerda und Spremberg 

in der Nieberlaufig; bie Graven von Wirtemberg von ih: 

ven Landerwerbungen brei Burgen und Gtäbte nebft ihrem 
Gebiet; Grav Eberhard von Werthheim Schloß und Stadt 
dieſes Namend; die Edeln von Werle im Mecklenburgiſchen 

die Schloͤſſer Parchim, Plauen unb Penzlin; die Kürten von 
Medlenburg Stargard. Das waren Alobien welde 





1) Mannert Gef. Weieens 1, 879 f. Pelzel KR. Wenceflaus. | 
D) . | 


9) Du Mont T.U. P. I. Nr. 71. 


Karte IV. Berfuch eines böhmifchsteutfchen- Erbreichs. 275 = 


lehenbar gemacht wurden, um Dagegen ben Schuß des Kais 
ferbaufes zu. erhalten. Dann brachte Karl auch verfchiebene 
Reihöghter, Dörfer und Pfanbfchaften in Böhmen und Fran: 
fen an fich, : fo daß er den Reichstag zu Nuraberg ganz auf 
eigenem Gebiet beſuchen Tonute '). 

Solchen Gebrauch machte Karl IV. von bem in ber gol⸗ 
denen Bulle beſtaͤtigten Vorrechte der Kurfürften, „Reichölehen 
am fih zu bringen". Wenn er auf ber einen Seite dem Kais 
ferreich einen beträchtlichen Zuwachs verfchafft hat, indem ganz 
Schlefien von dem polnifhen Reiche getrennt unb mit dem 
teutfchen vereinigt worden: fo hat er auf der andern Seite 
das teutfche Kurfuͤrſtenthum Brandenburg und einen Theil 
des Pfaͤlziſchen, fogar mit Bewilligung der Kurfürften, da 
body die Kurlande nach der goldenen Bulle unzertrennlich fein 
foltten, den flavifchen Erblanden einverleibt und noch dazu - 
viele andere teutſche Landestheile unter bie Oberherrlichkeit von 
Böhmen gebracht, unangefehn daß er felbft in der goldnen Bulle 

ausdrüdlich geboten, daß die Reichölehen und andere Güter, 
welche die Kurfürflen an fich bringen dürfen, in ihren Ber 
haͤltniſſen zum Reich nicht verändert werben follen 2). 

So weit fam Karl IV. in Landerwerbungen. Seine 
Handeldentwürfe gingen noch weiter. In den lebten Jah⸗ 
ven feiner Regierung befuchte er Lübed, die erſte Stadt des 1375 
banfeatifchen Bundes, Seit Friebrich II. war Fein Kaifer in 
ihren Mauern gefehen worben. Von biefer Zeit fcheint die 
Lieferung von 12 Falken herzurühren, welche Kaifer und Reich 
jaͤhrlich in ber Stadt zu empfangen hatten; denn Friedrich II. 
war ein großer Freund der Salkenjagd. Karl IV. hatte biefe 
Abgabe unlängft dem. Erzbiſchof Gerlach von Mainz angewie⸗ 
fen’). Das Jahr vor feiner Aust ertheilte ex der Stadt 


1) Das Verzeichniß bei Gebhardi a. a. D. S. 489. K. Johann 
war auch darin ſchon vorangegangen. 

2) Karl entſchuldigt ſich auch einmal deshalb: „er wolle ſolche Les 
hen von dem Reiche nicht zumahl entfremden mit ſeinem Schaden, ſon⸗ 
bern ſolche bei dem Königreich Böhmen, einem ehrwuͤrdigen Glied bes 
Reichs, diefem mehr zum Frommen als zum Schaden verbleiben laffen”. 
Pelzel 970. 

3) Guden. Cod. dipl. ‚Mog. T. III. Nr. 310, p. 460. 

18 * 


276 Bud IM. Erfter Zeitraum.. Abſchnitt 3. 


- 1374 ein Prieilegium wider das Strandrecht, ernannte bie Bürger: 
25, März. meifter zu Reich svicarien und gab ihnen Befehl alle Fried⸗ 
-brecher und Räuber zu Waſſer und zu Lande, in aller Für 

ſten und Herren Ländern aufzufuchen und zu flrafen ). Er 
kam nun mit feiner Gemahlin und einem großen Gefolge und 
wurde mit vielen Ehrenbezgeugungen empfangen. Hatte er ein 
‚ mal die Sendboten der Stadt Straßburg nicht angehört, weil 
fie in ihrer Rede anfingen, „unfere Herren von Straßburg”: 
fö redete er nun im Gegentheil Bürgermeifter und Rath von 
Luͤbeck als „Herren“ an; als fie aus Befcheidenheit diefen 
Titel verbagen, ſprach er: „bie Regimentöperfonen von Lübed 
wären Herren und Faiferliche Räthe”. Wenn Karl IV. Schmei: 
chelworte gebrauchte, fo hatte ex immer feine Abfichten. Da 
er fhon von Anfang feiner Regierung darauf bedacht war 
‚ben levantifchen und italienifchen Handel nach Böhmen zu jie 
ben, fo muffte er auf halbem Wege ftehen bleiben, wenn nicht 
auf der. andern Seite die Handelöwege durch bie Ober und 
Elbe bis zur Oft: und Nord⸗See ausgedehnt wurden. Die 
Dder, bereits fchiffbar gemacht, gehörte faſt ganz feinen 
Staaten an; den Heinen Überreft bis zu ihrem Ausfluß hoffte 
er wohl noch von den Herzogen von Pommern, feinen Ba: 
fallen und Bundesgenoſſen ?), zu erhalten. In Abficht der 
Zwifchenländer, welche die Elbe von der böhmifchen Grenze 
bis zur Altmark durchſtroͤmt, waren auch fchon Mafregeln ge: 
troffen. In Meiffen befag Karl einige haltbare Plaͤtze am 
Eibufer, Koͤnigsſtein, Pirna, Mühlberg. Bei der Lüneburgi- 
fchen Erbfolge haben wir gefehen, wie ber Kaifer den fächfie 
fen Kurkreis an fich zu bringen hoffte. Die Zürften von 
Anhalt durften ihm auch Fein Hinderniß in ben Weg legen. 
. Seit der Einverleibung der brandenburgifchen Lande war Tan: 
germünde Karls Lieblingsaufenthalt. Hier wollte er eine Haupts 
nieberlage fir Hamburg und Lübed errichten, und darauf gin 


1) Dreyer de pin Lub. circa jus naufrag. 5. 4 Scheid. 
Bibl. hist. p. 269. 


2) 18, Mai 1374, Sanbniß Karis IV. mit den Herzogen von Pom⸗ 


mern zu gemeinfchaftlicher Wertheibigung beiberfeitiger Bande. Haͤber⸗ 
lin IV, 6, 








L 


Karis IV. Verſuch eines böhmifcheteutfchen Erbreiche.” 277 


gen nun wohl bauptfächlich feine Verhandlungen in letzterer 
Stadt. Er verweilte zehn Tage daſelbſt. Man glaubt, er habe 
fih mit der Erwartung gefchmeichelt zum Haupt des hanſea⸗ 
tiihen Bundes erwählt zu werben. Dann würbe freilich die 
norböflliche Hälfte des teutfchen Reichs in kurzer Zeit ein eis 
gener Staat unter dem böhmifchen Haufe geworben fein. 
Indeſſen erwieberten die Lübeder Höflicgkeit mit Höflich- 
keit. Nachdem fie den. hohen Gaft Löftlich bewirthet, Tieffen 
fie dad Thor durch welches er gegangen auf ewig vermauern, 
damit, wie fie fagten, Fein Unbeiliger je wieder die Stelle 
betrete, welche bed Kaiferd Buß berührt hatte °). Es ift auch 
nah Karl IV. Bein Kaifer mehr in Kübel? gefehn worden. 


b. Die Reihsflände;s Reich im engern Sinne. 
3. Die BVerhältniffe im übrigen Reichsland unter 
8. Karl IV. 


Neue Fürſten und andere Stanbederhebungen. 
StädtesEinungen. Überfiht ihrer bisherigen Auf- 
nahme. Die oberteutfhen Städte Durchbruch 
des Bürgerflandes durch Theilnahme ber Zünfte 
an der Fädtifhen Verwaltung. Ritter-Einungen. 
Karls IV. Shwantende Leitung Gewinn , der 
Städte. Landfriedensbündniffe in den übrigen 
Provinzen. Die Hanfe Vergleichung mit dem 
oberteutfhen Städtebund. Höhepunct der Hanfe; 
daͤniſcher Krieg Gebrehen. Berfchiedenheit der 
Kaiferregierung im füdlihden und nörbliden 
Zeutfhland. Der Zeutfhs Orden in Preuffen. 
Bisherige innere und Auffere Zunahme deffelben. 
Sortfetzung bes lithauifhen Kriegs. Gehoffte 
weitere Verbreitung teutſcher Eultur in Nord— 
of. Der Hohmeifter Kniprode. Die vornehmfte 
Sriegsfhule Bon ber erfien Anwendung ber 
Beuergewehre. Zufammenfaffung. 
Den übrigen Reichsſtaͤnden, welche ihrer Lage nach in Feine 
nähere Berührung mit Böhmen kamen, bewies fih Karl IV. 


1) Sartorius Gefch. des hanf. Bundes. Th. II. ©. 135. 


2778 Bud IL Erſter Beittaum. Abſchnitt 3. 


meift als einen milden, nachfichtigen Kaifer: er war ziemlich 
freigebig mit Reichsguͤtern und echten und fparte auch die 

- Snadenbriefe oder Ertheilungen von Freiheiten nicht, wenn je 
babei für ihn felbft oder die ihm ergebenen Fuͤrſten und Stände 
ein Vortheil erreicht werben Fonnte. 

De Zürftenftand, in der goldnen Bulle ganz mit Stils 
fchweigen übergangen ober vielmehr nach dem Gegenſtande 
derſelben ftilfchweigend von aller Theilnahme an der römifchen 
Koͤnigswahl ausgeſchloſſen, wie er ed in der That ſchon war, 
wetteiferte nur um fo mehr um bie übrigen kurfuͤrſtlichen Vor⸗ 
rechte, namentlich um gefchloffene Gerichtsbarkeit feis 
ner Ierritorien; die Graven aber und bie andern Beinen 
Herren beeiferten fich wieder den Fürften gleich zu Tommen; 
wenigftend waren bie alten Graven, als Befiger von Fahnle> 
ben, den Fürften gleich und gehörten zum hoben Adel. Die 
neueren Erbgraven aber, ald Beſitzer von allerlei Beinen 
Lehen und Alodien, lieffen fih vom Kaifer zu Fürften im 
neuern Sinne erheben, indem ihre Herrfchaften oder auch nur 
ein Theil dem Reiche zu Lehen aufgetragen oder zu gleicher 
Stufe mit den bisherigen Reichöfahnlehen erhoben wurden. 
Diefe Sitte hat eigentlich mit dem fhätern Reiche der Zeut: 
fhen, gleih nah 8. Rudolf I, angefangen. Bei 8. Adolfs 

1292 Wahl wurde der Landgrav Heinrich, Herr von Heffen, bei: 
11. Mei ſen Haus häufig mit dem Erzbisthum Mainz im Kampf ges 
wefen, zum $ürften ernannt; er trug die Stadt Eſchwege an 

der Werra mit Zugehör dem Reiche zu Lehen auf, und ber 

König ſchlug dad Schloß Bomeneburg dazu. K. Heinrich VII. 

1310 erhob den Graven Bertold von Henneberg für feine Per: 
Sul fon und Nachlommenfchaft zu fürftlicher Ehre und Würde, 
fein Land hingegen blieb Gravſchaft. Ludwig der Baier gab 

1339 dem Sraven von Geldern ben Zitel eines Herzogs mit Bei⸗ 
füuüͤgung ber Gravfchaft Zütphen; den Markgraven von Zuͤlich 
verfegte er in den Fürftenfland. Unter Karl IV. nahmen über: 

1349 haupt die Standederhebungen zu. Er ſchuf fünf neue Her⸗ 
1354 309€, von Medlenburg, Luremburg, Bar, Lüttich, 

. 1356 Berg Diefe Fürften und Graven führten alfo mit ihren 
1375 Landen gleihen Titel, wie bie Nachkommen der alten Groß: 
berzoge. Auch gefürftete Gravfcpaften erkannte Karl an: 


Das Reich u. d. Reihsflände unter Karı IV. 279 


Dont a Mouffon und Raffau:SBaarbrüd !) Dem 
Burggraven von Nürnberg beftätigte er eigentlich nur das 1363 
althergebrachte Zürftenrecht. Dabei lieh er ihm die Bergwerke 
in feinem Lande und geflattete Vererbung des Landes anf die 
weibliche Linie im Fall des Abganges der männlichen ). Die 
Sraven von Wirtemberg fragten für jetzt nicht ‚nach dem 
Bürftens oder Herzogs⸗Titel, dagegen lieſſen fie fd, wie die 1361 
Herzoge von Öfterreich, die Freiheit ertheilen,. daß ihre Unter: 
thanen nicht vor amdere Gerichte gezogen werben binfen. Die 
Markgraven von Baden beachten ihre fämmtlichen Herrſchaf⸗ 1362 
ten, Alodien und Leben in Ein Reichslehen als Markgrav⸗ 
fchaftz aber jenes Vorrecht erhielten fie erſt 25 Jahre fpds 
ter °). Endlich find unter Karl IV. auch Ybeläbriefe und ans 
dere Stanbeserhöhungen wie in Frankreich übli geworden. 
Waren bie Fürfien feit dem XAufblüben ber Städte 
durch die Pfahlbürgeraufnahme in Sorgen gefest ihre Hins 
terfafien zu verlieren, fo kam jetzt bie Reihe der Beſorgniſſe 
an die Städte ober überhaupt an die Fleineren Stände, daß 
fie unter die Gerichtsbarkeit und Landesherrſchaft der Fuͤrſten 
gezogen werben möchten, nachdem bie goldene Bulle nicht nur - 
die Pfahlkürger abgethban, fondem auch den Kurfürften eine 
geſchloſſene Gerichtsbarkeit über die ihnen unterworfenen 
Stände, Graven, Haren, Ritter, Dienflleute unb Bürger 
zugeſtanden hatte, worin die andern Fürften, wie fchon be 
merkt worben, ihnen nachthun wollten. Dieſer allgemeine 
Ausdruck „unterworfen, unterthan“ konnte immer fo gedeutet 
werden, daß nicht nur die welche zur Gerichtsbarkeit der 
alten Gravſchaft gehoͤrten, ſondern auch ſolche Staͤnde, 
über welche ſich bloß Heerbann, Lehendienſt, Vogtei 
erſtreckten, dazu gezählt werben durften. Auf dieſe Weiſe 
konnten die Füͤrſten auſſer ihren eigentlichen Hinterſaſſen 


1) Gebhardi Geſchichte der erblichen Reichsſtaͤnde. J, 489. Eich⸗ 
born teutſche Staats⸗ und Rechts⸗Geſchichte. 5. 394. Note b. 

D) Olenſchlager goldne Bulle. Urk. 43. 1365 verlich Karl dem 
Burggraven alle elfaffifchen Zoͤlle und Anwartſchaft auf dortige Reiches 
Ichen: Pelzel 763 f. 

8) Geſchichte von Schwaben. IV, 90, 


280 Bud II. Erfter Zeitraum Abſchnitt 3. 


alle übrigen ald Landfaffen anfehen und in wahre Landes: 
unterthbanen verwandeln, wie man Land» und Fuͤrſt en⸗ 
Gebiet fuͤr Eines nahm 5 

Gegen dieſe Erweiterung der Land esherrſchaft oder 
Hoheit war bei der Mangelhaftigkeit der Gerichte und uͤbri⸗ 
gen Reichsanſtalten kein anderes Mittel fuͤr die gefaͤhrdeten 

Freiherren und Städte, als Rückkehr zu ben urſpruͤngli⸗ 
chen Einungen jedes Standes und ebenfalls zu moͤglichſter 
Ausdehnung derſelben. 

Da eröffnet ſich nun ein neues Feld für das oͤffentliche 

Leben, für die Betriebfamkeit und Bedeutung der Stäbte, 
fir den Unternehmungdgeift der Ritter, aber aud) m die 
Politik der Fürften und bed Kaiferhaufes, 

Die Städteeinungen, zuerſt nur theilmeife und vor⸗ 
uͤbergehend über einzelne Gegenden ſich erſtrekend, bilden all⸗ 
maͤlig zwei lange Linien von den Alpen bis in bie Nieder⸗ 
Iande und von der Süberfee bis zum frifchen Haff, nachdem 
die dritte Linie oder vielmehr bie. erfte jenfeit ber Alpen, ber 
Iombarbifche und tufcifche Staͤdtebund, feiner ſchon bemerkten 
Auflöfung. entgegengegangen war. Die teutfhen Städte 
geben jegt mit vergrößerten Bünbniffen voran, ihnen folgen 
die Ritter, dann die Fürften. Die indeflen im Stillen 
gepflegten Keime bürgerlicher Gewerbfamteit fangen an groͤ⸗ 
Bere Ergebniffe zu zeigen, fie greifen in die Gefchichte ein 
und dehnen diefe auf das ganze Volt aus, nachdem jene ſich 
geraume Zeit nur mit den Häuptern, Fürften, Landherren, 
Geiftlichkeit, zu beichäftigen hatte. 

In Abficht auf den Welthandel, feit den Kreuzzügen 
bie Hauptquelle des ftädtifchen Wohlſtandes, unterfcheiden wit 
zwei Hauptgebiete im teutfchen Reiche, das ſuͤdweſtliche und 
das nordoͤſtliche. Für jenes find die zwei Hauptflüffe Do 
nau und Rhein die eigentlichen Handelöwege, für dieſes bie 
Elbe und Oder, für beide die Nord: und Oſt⸗See. Der 

1268 Landweg nach Mailand und Venedig, wo ſchon frühzeitig ein 

teutfched Kaufhaus entftand, ging durch die Alpenpäffe über 
den Gotthard und Septimer. Augsburg, Nürnberg: 


1) Eichhorn a. a. O. $. 89%. 





Das Rei u, d. Reichsſtaͤnde unter Karl VV. 281 


Regensburg, Bien find bie Hauptnieberlagen und Ver 
bindungäglieber des norbifhen Hanbeld. Die bevoͤlkertſte und 
wichtigfie Stadt bis Ende des zwölften Jahrhunderts war 
Regendburg. Zu Kaifer Friedrichs II. Zeit wurde bier bie 
erfte fleinerne Donaubrüde gebaut. Am Niederrhein erhob fich 
Coͤln von den früheflen Zeiten an burd innere Einrichtun: 
gen und Hanbelsüberlegenheit. Die norbifhen Städte wett⸗ 
eiferten als Eühne Seefahrer mit ben italienifchen; nach den 
Kreuzzügen üiberlieffen fie biefen die Colonifirung der Infeln 
und Küften des mittellänbifchen Meeres und thaten daſſelhe 
in ber Oſtſee bis Rußland. 

Die teutfchen Städte waren aber in Abficht ihrer Gruͤn⸗ 
dung und Verfaſſung von fehr verſchiedener Art. Bei einigen 
war ber Grundherr der König, bei andern ein geiftlicher ober 
weltlicher Landesfürfl, wieder bei andern ift bie Grundherr⸗ 
fchaft gemifcht und im Streite, bis bie eine ober die andere 
das Übergewicht erhält. Noch verfchiedener find fie in Abficht 
ihrer innern Einrichtungen und in der Ausdehnung berfelben. 
Nach ihrer befondern Lage, nach ben verfchiedenen Gegenflän- 
den ihrer Gewerbthätigteit erhalten fie mehr ober weniger Frei: 
heiten d. h. Ausnahmen von der alten Gauverfaffung und 
Landesherrſchaft und nähern fich alfo auf verfchiedenen Stus 
fen der Selbfiverwaltung und einer gewiſſen Serbfiftänbigkeit. 
Wir müffen und jedoch hier nur auf die allgemeine Überficht 
beſchraͤnken. 

Nachdem die Staͤdte unter K. Heinrich J. das Recht der 
Befeſtigung und Vertheidigung, unter K. Heinrich IV. das 
Waffenrecht im Felde erhalten, ſchritten fie fort das Recht der 
Buͤndniſſe auf die duffere und innere Sicherheit zugleich aus⸗ 
zubehnen. Diefed Recht, urfprünglich vom Grundherrn ver: 
liehen, warb zuweilen auch ohne ihn oder gar gegen ihn ges 
übt. Beim Sinken des alten Kaifertbumd haben wir den An⸗ 
fang zweier größerer Buͤndniſſe auf den genannten Hauptli⸗ 
nien gefebn, den rheinifhen Bund und die Hanfe, je⸗ 
doch ſchon in ihrer Entſtehung verſchieden und noch mehr in 
der weitern Entfaltung. Aus dem erſtern, von den Rhein⸗ 
ſtaͤdten gegruͤndet und auf Fuͤrſten und Herren als vorüber: 
gehender Landfriedensbund ausgedehnt, während bie Hanſe in 


282 Bud IT. Erfier Zeitraum. Abſchnitt 3. 


gleichartiger Verbindung fortgefchritten, ſind nach feiner Auf: 
löfung erft wieder befondere Städteeinungen hervorgegangen, - 
die ſich waͤhrend der zwiftigen Koͤnigswahlen einem allgemei- 
nen Bunde nähern. Der Schauplag find die aufgelöften Her: 
zogthümer Franken und Schwaben, das Reichsland im engern 
Sinne, wo größere Landherren fehlten oder fich erſt erheben 
wollten, gegen welche fi) dann eben bie Beineren Stände in 
ihrer Reichöfreiheit oder Unmittelbarkeit zu behaupten fuchen. 

Mähren ber Wahlparteiungen von 8. Abolf an waren 
die oberteutfchen Städte bald unter fich allein bald mit an: 
dern Ständen in Verbindung, hielten aber gewöhnlich die 
echt teutfche Partei gegen bie paͤpſtlichen Eingriffe. Dabei 
find zwei befondere Mittelpuncte entflanden: ber eine mit klei⸗ 
nem Anfange gegen bie sflerreichifche Kandesherrfchaft in ben 
drei fchmeizerifchen Landgemeinden (Walbflätten), welchen 
dann auch Öfterreichifche Eandftadte und Reichsſtaͤdte bei- 
traten, mit ber befondern Auszeichnung, daß der Bund gleich 
von Anfang auf ewig gefchloffen wurde. 

Der andere Mittelpunct von Stäbteeinungen war in 
- Schwaben (Um, Eßlingen) gegen die Herrfchaft von Wir 
temberg und einige andere Landherren. Dieſes Buͤndniß be 
fand aus lauter Reihsftädten, beren Grundherr der Kai 
fer war; nach Lage und Umfang aber konnte man einige mehr 
„Aderftädte”, andere dagegen Manufacturftädte nennen; einige 
befaßen oder erwarben auch ein größeres Landgebiet Die 
Heinen an bie größern fich anfchlieffend fliegen allmälig mit 
diefen zu einem gewiffen Umfange von Rechten und Freihei⸗ 
ten empor. . Aus dem Vertheidigungsſtande gingen fie ſchon 
unter 8. Heinrich VII zum Angriff über, und fie waren mehr: 
mald daran ganz Schwaben in ein ſtaͤdtiſches Gemeinweſen zu 
bringen mit Entfernung des Adels und der Landherren, . wie 
ed endlich dem Schweizerbunde gelungen. Bon den biſchoͤf⸗ 
lichen und gemiſchten Staͤdten trat Augsburg mit den 
Nachbarſtaͤdten in Bund gegen den Biſchof ſowie gegen die 
Herzoge von Baiern; die Rheinſtaͤdte von Coſtanz bis Chin 
vereinigten ſich öfter mit den Reichsſtaͤdten im Elſaß und in 
ber Wetterau, fowie die fränkifhen Reichsſtaͤdte gewöhnlich 
den fchwäbifchen beitraten. 


Das Reich u. d. Reichsſtaͤnde unter KarılV. 283 


Unter dem Iuremburgifchen Haufe greifen nun diefe Einun⸗ 
gen immer tiefer in die Staatöverhältnifle ein und. bieten das 
einfachſte Mittel dar die bisherige loſe Zuſammenſetzung zu 
einer feſtern Verfaſſung zu bringen, wenn ai die Kaifer die 
Aufgabe nicht einfeitig auffafiten. 

Da Karl IV. gefehn, wie Ludwig IV. hauptſachlch durch 
den Beiſtand der Staͤdte ſich emporgehalten, ſo war er eigent⸗ 
lich nur deswegen bereitwillig ihre bisher erworbenen Rechte 
und Freiheiten in ihrem ganzen Umfange zu beſtaͤtigen und 
vermittelte auch ſorgfaͤltig ihre Spannungen mit den Landherren. 
Allein wie er feine Regierungsmaximen immer nach den Um⸗ 
ſtaͤnden gerichtet und eben ſo oft gegen ſeine eigenen Geſetze 
ſich ausgeſprochen, fo wird nun dieſes ſchwankende Benehmen 
vorzuͤglich in den Verhaͤltniſſen der Staͤdte kund. In der 
goldenen Bulle muſſte er den Zürften zu gefallen die eigen» 
mächtigen Stäbteverbindungen fowie die Aufnahme der Pfahls 
bürger abthun. Da aber die Städte über biefe Verbote fehr 
unzufrieden waren, fo muflte er ihnen wenigftend geflatten 
fich theilweife wieder zu verbinden zum Behuf bed Landfrie 1359 
bend. Ebenfo begünftigte er auch Die Schweizer gegen Öfterreich. 

In den Städten felbft aber war faft Diefed ganze Jahr⸗ 
bundert hindurch große Gährung zwifchen den alten Ge: 
ſchlechtern und den Zünften. Die reich und ſtark gewor- 
benen Handwerksinnungen verlangten überall und faſt zu glei- 
cher Zeit Antheil an der Städteverwaltung. Ihre urfprünglich 
gewerbliche Vereinigung veränderte alfo ihre Natur, indem 
fie zur Eriegerifhen und ſtaatsbuͤrgerlichen fich erwei⸗ 
tete. Und wiewohl ed dabei oft etwas unfanft berging, fo 
muß man boch geflehen, daß ohne diefen Durchbruch Fein wah⸗ 
ver Bürgers oder dritter Stand aufgefonmen wäre, weil 
die alten Gefchlechter fich zum Adel zählten, ob fie gleich we⸗ 
gem ihrer ſtaͤdtiſchen Rechte Bürger bieflen und den Gewerb⸗ 
fland ſchwerlich freiwillig der Vormundſchaft entlaffen haben. 
würden. Worms, die erſte Stadt welche unter Heinrich IV. 
das Waffenrecht erhalten hatte, ging auch hierin voran zu 
Anfang des vierzehnten: Iahrhunderts. Die Übrigen Rhein- 

fädte von Baſel bis Mainz blieben nicht zuruck; doch famen 
die meiften erſt unter Karls IV. Regierung darüber in's Reine, 


— — — — — — — — 





284 Bud IH. Erfter Zeitraum. ul LS 


einige noch foäter Je nach den befondern Irtlichen Verhaͤlt⸗ 
niſſen gelangten dann die Zuͤnfte unter verſchiedenen Formen 
zur Theilnahme an den oͤffentlichen Berathungen. Das Alles 
thaten die Städte für fich ſelbſt, ſelten mit Huͤlfe einer Nach⸗ 
barfchaftz; nicht einmal den Kaiſer wollten fie dabei einzeden 
1360 laſſen. Als Karl IV. zu Eplingen Reichshof hielt und feine 
Unzufriedenheit bezeugte, baß die Zunftmeifter, welde ſchon 
zu Rudolfs J. Zeit ald Hauptleute der Bürgerbewaffnung auf⸗ 
geſtellt waren, immer mehr in die Stadtgefchäfte ſich mifchten, 
erhoben die Bürger einen fo wüthenden Auflauf, daß der Kai⸗ 
fer durch den Garten des BarfüßersKiofterd in das Gebiet ber 
Sraven von Wirtemberg ſich retten muſſte. Er flrafte Die 
Eßlinger um 100,000 fl. und übertrug dem Graven Eberhard 
die Vollziehung. So reich waren damals die Städte, daß 
Gelbfummen welde jetzt ihren Ruin nach fich ziehen würden, 
in kurzer Zeit verfchmerzt waren. Da jeboch ber Gran weiter 
ging ald e8 der Kaifer wollte, indem er von der ihm ver- 
fohriebenen Landvogtei einen ſolchen Gebrauch machte, als. ob 
ihm des Reichs Unterthanen nicht bloß bebingungsweife fon= 
dern als Landedunterthanen und für immer überlaffen wären, 
fo muffte der Kaifer-den verbündeten Städten wieder felbft zu 
Hülfe ziehen. Er feste etwas mildere Bebingungen, jeboch 
nur auf feine Lebenszeit. Die Städte halfen fih nun auf 
eine andere Art: fie befchloffen die verfchriebenen Steuern und 
Nutzungen mit Ihrem eigenen Gelde einzulöfen. Dafür er- 
theilte ihnen dann der Kaifer eine neue Verficherung ber Un⸗ 
1364 veräufferlichleit. Nachher, als die elfäffifhen Städte fich durch 
Rüftungen gegen die böfe Geſellſchaft oder die englifchen Frei: 
1365 beuter angegriffen, ließ fich der Kaifer bewegen ihnen gegen 
bie goldene Bulle auch wieder Pfahlbürger zu geftatten. Es 
ift zum QVerwundern, wie bie Bevölkerung der Stäbte in dies 
fer Zeit zugenommen. Ungeachtet zu Anfang von Karld IV. 
Regierung zu Straßburg 16,000 Menfchen an der Peft flarben, 
fo konnte doch die Stabt fchon unter feinem Sohne Wenzlaw 
wieder 20,000 wohl bewaffnete. Männer in's Feld fielen ). 


1) Was auf eine Einwohnerzahl von 100,000 ſchlieſſen Läfft. Eben 
fo hoch wurbe die von Nürnberg berechnet. 


- 


Das Reid u. 6. Reihsflände unter KarıIV. 285 


Bei diefer Zunahme der Städte fah ber Ritterfland, 
Daß es Zeit wäre auch durch engeres Aneinanderſchlieſſen fich 
vorzufehn. Um bed Landfriedens willen hatte fihon Lubwig 1333 
der Baier den Städten erlaubt fich mit den Rittern zu ver 
Binden. Aber jetzt galt es gegen bie Städte wie gegen bie 
Landherren, weil die Ritterfchaft von biefen beiden Seiten in’s 
Sedränge kam. Ihre feitherigen Zurniergefellfchaften, 
von alten Zeiten her nad) befondern Sinnbildern genannt, hats 
ten die Erhaltung der Ehrbarkeit (des wahren Adels) und ber 
guten alten Gewohnheiten zum Gegenſtand; jest nahmen fie 
die Ratur Öffentlicher Bündniffe an wie die Zünfte, wel: 
he gleichfalls ihre eigenen Zeichen führten. In Erinnerung 
wie zur Zeit der hohenflaufifchen Kaifer die fchwäbifchen Lande 
die hoͤchſte Bluͤthe der Ritterfchaft gefehn, dann in Betracht 
wie jetzt bei Verarmung mancher alten Häufer bie größern 
Kandherren durch Kauf und Lehenfchaft viele Herrichaften an 
ſich brachten, merkten die zerfireut gefeffenen Herren, - Ritter 
und Edelknechte, daß die Unterwerfung bald auch an fie kom⸗ 
men würde. Dad neue Zeichen, Schlegel ober Keule, wor 
unter fie zufammentraten, zeigt, daß ihre Verbindung eigent= 
lich Verwahrung gegen die Landeshoheit ber Fuͤrſten fein ſollte. 
Zu ihrem Hauptmann ernannten fie ben Graven Wolf von 
Eherflein. Ein kühner Ritter, Wolf von Wunnenſtein, ber 
viele Beeinträchtigungen in feinem Erbe vom Haufe Wir: 1368 
temberg erfahren hatte, führte fie zum Angriff unter Beguͤn⸗ 
fligung des Pfalzgraven Ruprecht, der dem Kaifer und dem 
Graven von Wirtemberg abgeneigt war. Gran Eberhard rief 
den Kaifer ober König von Böhmen als feinen Lehensherrn 
zu Hülfe und erhielt auf deffen Befehl auch Zuzug vom ſtaͤdti⸗ 
fchen Landfrievensbunde. Hierdurch wurde der erfle Streit 
zwar vertragen, bie Eiferfucht felbft aber nicht getilgt. 

In Oberfchwaben hielten andere Rittergefellfchaften vom 
Schwerdt und von der Krone zufammen gegen bie Stäbte 
in Verbindung mit Geſchlechtern, welche über dem Streit mit 
den Zünften audgetreten waren. Dies bewog den Kaifer den 
Stäbtebund unter eigenen Hauptleuten oder Feldoberſten er» 
neuen zu laſſen, als Gegengewicht gegen die Rittereinungen. 
Aber diefe verfiärkten fih nur um fo mehr, unb dba ed gegen 


2356 ‘Bud HL Erfier Zeitraum. Abſchnitt 3. 


die Städte ging, fo machte der Stau von Wirtemberg gem 
gemeinſchaftliche Sache; ſogar der Kaiſer bediente fich feine 
wieder um die Staͤdteſteuern eimzutzeiben. 

So wechſelte Karl IV. fo oft er es für gut fand, und 
diefen Plan hinterließ er auch feinem Sohn. Dennod iſt ber 
Iuremburgifche Zeitraum eigentlich ber, in weichen; bie Städte 
ihren Wohlſtand und zugleich ihre Einwirkung auf Die öffent 
lichen Angelegenheiten gegründet. Die Freiheiten welche bie 
meiften Städte in biefer Zeit theild einzeln theils wit einans 
ber erhielten, find: 1) volfländiges Stadtrecht; 2) Selbfibe 
fleuerung; 3) Recht der Bündniffe, deö Kriegs und Friedens; 
4) Befreiung von auswärtigen Gerichten (wie die Fuͤrſten); 
5) Unveräufferlichleit vom Reiche, wiewohl die legtere Zufage 
von Karl und Wenzlaw eben fo oft wieder gebrochen worden '). 

Diefe oberteutfchen Einungen gaben dad DBeifpiel, nah 
welchen Karl auch in andern Provinzen die Stände zufammens 

4371 treten ließ, namentlich in Wefiphalen und am Nieberrhein. 
Hier hatte er bereitö ben Plan vor Augen, nicht bloß bie eine 
oder die andere Partei, ſondern alle Stänbe zufammen, geifl: 
Aiche und weltliche Herren und Städte in ein Landfriedens⸗ 
bündniß zu bringen 2). Ebenfo verfündete er zu Prag einen 

4372 Londfrieben, der ganz Böhmen und defien einverleibte Länder, 

3. Mrz. auch Meiffen und Zhüringen in ſich begriff °). 
In diefer Zeit erneuerte eine Anzahl banfeatifcher 
Städte ihr Bündnis zu Coͤln in Beziehung auf ihren Krieg 

1364 mit 8. Waldemar IIL von Dänemark; die erſte fchriftliche 
Urkunde welche von ihrer Vereinigung vorhanden if. Sie 
thaten bied für fih, ohne Ruͤckſicht auf Kaifer und Reid. 
Überhaupt, ſoviel die Kaifer mit den oberteutichen Buͤndniſſen 
zu thun gehabt, fo wenig ift dieſes der Fall bei der Hanfe; 
dies erklärt fich theild aus ihrer verfchiebenen Natur und Ein 
richtung, theild aus der damaligen Lage des Reiche. 

Nicht al Reichsſtaͤdte, ſondern überhaupt als ſtaͤd ti⸗ 
ſche Koͤrperſchaften, gleichviel ob fie unmittelbar unter 


1) Über das Ganze ſ. Befhichte von Schwaben. IV. Gap. n—rın. 
2) De Ludewig Rel Mac. T. X. p. 289, 246. 
8) Lünig C. G. d. T. L p. 398. 


Das Reid u, d. Reihsftände unter Karl IV. 287 


bem SKaifer ober unter Landherren flanben *), hatten bie norb- 
teutſchen Städte die freien Kaufmannögefellichaften oder Han⸗ 
fen ihrer Buͤrger zu einer Hffentlichen Sache gemadt als 
Grundlage des ſtaͤdtiſchen Wohlſtandes. Hierzu bedurften fie 
nicht ſawohl Privilegien von Kaiſer und Meich ald von den 
auswärtigen Stasten, wit welchen fie in Handelsverkehr 
flanden; fa brachten fie es durch Unterbandlungen und Ges 
ſchenke dahin, daß fie in England, Daͤnemark, Schweden, 
Rußland pie. Rechte ber eigenen Landesunterthanen, alfo freie 
Ein= und Ausfuhr erhielten. Dadurch beinächtigten fie fich 
des ausſchließlichen Handels in der Oſtſee. Sie hatten Han⸗ 
deldcomptoird zu London, Brügge, Bergen, Nowogorod. 
Ihre Berbindungen, Verſtrickungen ?) ıc. lauten von vorn 
berein wie: die der andern teutfchen ober auch ber lombardi⸗ 
fhen Städte. Weehſelſeitige Hülfe in ber ſchutzloſen, fehde⸗ 
vollen, Zeit ifi die Hauptſache. Indem fie fih zur Ehre Got- 
ted und zu Erhaltung der Ruhe und bed Zriedend verbinden 
gegen männiglih, nehmen fie allein aus Kaifer und Reich; 
auch leiſtet jede Stadt ihrem rechten Herm, was fie von Eh⸗ 
ren und Rechts wegen zu leiſten fehuldig ifl. Das. Recht aber 
fih zu verbinden wird als unbeflritten vorausgefeht, ohne daß 
fie wie die oberteutfchen Städte das Buͤndniß auf des Kais 
ſers Zuftimmung ober Abkündung audfegen. Denn zeigt fich 
in den befonderen Beftimmungen eine ganz verſchiedene Rich: 
tung. Wenn die lombarbifchen Städte gegen Eingriffe bes 
Kaiferd ober feiner Statthalter fih verbanden, bie oberteut: 


1) Luͤbeck, Goslar, Dortmund waren allein vboͤllige Reichsftäbte. 
Muͤhlhauſen und Nordhaufen flanden in entfernterer Verbindung mit der 
Hanſe. Hamburg wurbe von ben Sraven von Holftein, Bremen vom 
Biihofe, wenn gleich hoch privilegirt, als Landſtadt angefehn. In der 
Folge erhielten aber viele hanſiſche Städte ſolche Freiheiten, nach wels 
hen fie felbft bis auf das Wappen den Reichsftädten gleichlamen. ©. 
mten Cap. 9. 


2) Vorbunde, Vorstrikinge, Vorwithinge etc. Sartorius Geld. 
des Hanf. Bundes. II, 12. In Cöln wurde 1258 verorbnet, wer einen 
fremden Schiffer bei ber Übertretung eines gewiffen Gebots beträfe, follte 
befugt fein ihn zu „hanfen” d. h. mit Rohr ober Binfen zu bin: 
den. Hüllmann Gtädtewefen. I, 898. 


288 Bud HI. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 3. 


ſchen aber für ihre Unmittelbarkeit, beide alſo fir Erhaltung 
ihres freien Standes und Gebietes unter dem Reid: 
fo gehen dagegen bie hanſeatiſchen Verbindungen zunaͤchſt auf 
‚Handelsfreiheit und erft in deren Folge auf ſtaats büͤr⸗ 


gerlihe Befreiungen. Die teutfchen Städte erhielten auch 


Zollbefreiungen und andere Handelsvorrechte vom Kaifer ober 
von den Fürften, aber das war ihre befondere Sache, nicht 
die ihres Bundes; bei der Hanfe iſt dad umgekehrte Verhaͤlt⸗ 
niß: Hanbelöfreieiten waren Bwed des Bundes, unb Erwer⸗ 


bung flaatöblirgerlicher Freiheiten Sache der einzelnen. In 


der Hanfe uͤberwog die Zahl der Landſtaͤdte die der Reiche: 
ſtaͤdte weit. 

Die oberteutfchen Städte machen fih zur Bebingung, 
. daß Feine einzelne Stadt in Gtreitigkeiten mit dem Kaifer 
oder den Landherren Etwad befchlieflen oder vertragen folle 
ohne ben Stäbtebund; fie berufen ſich auf Austräge und er: 
kennen die oberftrichterliche Gewalt des Kaiſers. Die Hanſea⸗ 
ten gehen dagegen frühzeitig darauf aus, in ihren Streitig⸗ 
Teiten mit den Landherren Beine anderen Schiedsrichter anzu: 
erkennen als die Schweflerfläbte. Das war ber Weg zu ei- 
ner unabhängigen Handelsrepublik. In biefer Eigenfchaft 
treten fie bereits in Nebenbündnife mit auswärtigen und teut⸗ 
fhen Zürften, ſchlieſſen über Krieg und Frieden, ohne daß 
Kaiſer und Reich weiter darnach fragen. 
Der Handel war überhaupt Fein Gegenfland der Reichs: 
verwaltung; er war Sache ber freien Xhätigkeit der 
Stände und ber Gewerbe und konnte auch allein in biefer 
Eigenfchaft gedeihen. Nur über Sicherheit der Straßen hatte 
die Obrigkeit zu wachen, und wenn fie biefes nicht that, ' fo 
halfen auch darin die Körperfchaften fich ſelbſt. Alfo fland 
bie Hanfe eigentlich über ober auffer der Reichöverfaffung; 
fie bewegte fich in einer mit biefer kaum in Beruͤhrung Toms 
menden Sphäre. Die einzelnen Städte erhielten wohl auch 
vom Kaifer und Reich befondere Rechte und Freiheiten; jeder 
blieb es uͤberlaſſen mit ihrem Herm audzulommen; aber ber 
banfeatifhe Bund ald folder war nie förmlich vom Kaifer 
und Reich beflätigt, obgleich in einzelnen Verhandlungen als 
Längft beftehend angenommen. 


Das Reid u. d. Reihsftände unter Kari IV. 289 


In dem fchon berührten daͤniſchen Kriege erreichte bie 
Hanfe ihren Hoͤhepunct. Vergeblich fuchte ber vertriebene 
8. Waldemar bei dem Kaifer und den teutfchen Fuͤrſten Hülfe. 
Die Danfeaten eroberten Kopenhagen, Helfingör und andere 1368 
fefte Schlöffer, wurden Herren des Sunbes und ber fchonifchen 
Schlöffer, welche ihnen auf 15 Jahre verpfändbet werben muſſ⸗ 
ten; bie wichtigften Befigungen im Norden für ihren Handel 
und Gewerbe, wobei auch wieder eine Schaar Lübeder fich 
hervorgethan, wie vormals auf ben Kreuzzuͤgen. Der König 
mufite bei feiner Ruͤckkehr die Verpfändung beflätigen und 
noch dazu verfprechen, ohne Rath und Einwilligung ber Hans 
ſeſtaͤdte duͤrfe nach ihm Feiner zur Krone von Dänemarl ge 
longen , bevor er nicht die Verträge anerkannt haben wuͤrde. 

Jetzt, Tönnte man denken, wäre es Zeit gewefen bie 
Hanfe auch auf dem Zefilande zu ihrer Vollendung zu führen, 
namentlich, nach dem Mufter der Lombarden, die Raubritter 
zu unterbrüden, den Abel aufferhalb der Städte aufzulöfen, 
innerhalb der Mauern unſchaͤdlich zu machen, den einzelnen 
Bundesftädten ihre zweifelhafte Freiheit ficher zu ſtellen, uͤber⸗ 
haupt, wie die Schweizer, das. ohnehin kaum im Namen be 
ſtehende Verhaͤltniß zum Reich allmälig auf die Seite zu ſchie⸗ 
ben und alfo die Hanſe zu einer ganz felbfiftändigen Macht 
zu erheben. 

Allein es lagen In ihrer Bufammenfebung felbft, zum Theil 
vie bei ben oberteutfchen Städten, unter andern zwei bedeu⸗ 
tende Hinderniffe. Das eine, daß eben jetzt wie überall die 
Handwerkögilden fich in bie Studtverwaltung einbrängten, und """ 
zwar meiſt mit noch größerm Ungeflim als in Oberteutfchs 
land. Wenn hier bie Revolution fir bie innere Verfaſſung 
ginflig war, fo haben dagegen die Unruhen in den Hanſe⸗ 
fädten die Untemehmungen nach auffen gehemmt; baher ifl 
es ein Bundesartikel, ben die oberteutfchen Städte nicht has 
ben, daß fie einander auch gegen die innern Ruheſtoͤrer zu 
Hülfe kommen. Später haben diefe Unordnungen den Ein 
wirfungen bed Kaiferd und Reichs mehr Raum gegeben und 
fomit die Selbfifiändigfelt des Bundes aufgehoben. Das an⸗ 
dere Hinberniß lag in der Mangelbaftigkeit der Confoͤderation. 
Diefe hatte zwar vor den oberteuffchen Ginungen noch ben 

Pfiſter Sefhichte.d. Zeutfchen III. -49 


29% Buch I Erſter Zeitraum. Abſchnitt 3. 


Vorzug, daß ſie beſtaͤndig fortgeſetzt wurde, waͤhrend jene 
haͤufige Unterbrechungen erlitten. Aber es war doch nur eine 
Zuſammenſetzung von lauter beſonderen Buͤndniſſen, die bloß 
durch die gemeinſchaftliche Natur ihres Verkehrs, nicht aber 
durch eine Gentralgewalt beifammengehalten wurden, Die 
Hanfetage waren dazu nicht hinreichend. Man zählte in die 
fer Zeit an 77 norbteutfche und wenbifthe Städte, welche in 
Quartiere abgetheilt waren. Aber jeder Theil hatte nach ſei⸗ 
ner verfchiebenen Lage ein verfchiebenes Intereffe; das der 
binnenländifchen war nicht das der Seeſtaͤdte. Bald nıd 
dem daͤniſchen Kriege brach die Eiferfucht zwifchen ben nieber: 
laͤndiſchen und Oftfee-Stäbten in offene Fehde ans und hatte 
zur Folge, daß mehrere holländifche fich für immer trennten 
oder vielmehr den Grund zu einer eigenen Republik legten. 


Dabei hatten die Städte die Freiheit in Nebenbünbniffe mit 


andern nicht in der Hanſe befindlihen Städten zu trete, 
wodurch bie Einheit noch größere Störungen erhielt. Ends 
ich dam, wie wir fpdter fehen werben, dee Verluſt des Mo: 
nopols in der Oſtſee. 

Was dann noch die Kaiferregierung betrifft, To if 
Norbteutfchland feit dem fächfifchen Kaifern in weiterer Ent: 
fernung geftanben als bie ſuͤdweſtlichen Länder, welche wegen 
ihred aufgelöften Zuſtandes die meifte Aufmerkſamkeit der Kai 
fer erfoderten, bie hier auch als im eigentlichen Reichslande 
ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten. Im Rorden machte fid 
foft Alles von ſelbſt, fowohl in den Fürftenländern als in ben 


1339 Städten. Einmal’ koͤmmt unter Ludwig dem Baier der Fall 


vor, daß zur Sicherung ber Mark. Brandenburg mit den Han⸗ 
feftädten und den meiflen norbteutfehen Fürften ein Landfriede 
auf ſechs Jahre geſchloſſen wurde. Die Beſtimmung der gold: 
nen Bulle, daß die Staͤdte Feine Berbindungen ohne den Wil 
len ihrer Grundherren eingehen follen, wird bier gar nicht in 
Anwendung gebracht; fie war auch durchaus nicht ‘auf bie 
-  Handeldögefellichaften gegeben, fordern allein auf bie grund: 
berriihen Verhaͤltniſſe des füblichen Zeutfchlands: 

Erſt ald Karl IV. mit feineri Landerwerbungen im Res 
nen war, wandte er den Blick allerdings auch auf die Hanfe. 
Die beſondern Freiheiten die er der Stadt Lübe gab, fol 











N 


Das Reich u. d. Reihsftände unter Karl IV. 291 


ten als Einleitung zu feinen weitern Planen dienen; aber bei 
näherer Einficht der Bundesverfaſſung muffte er-fi bald übers - 
zeugen, daß das was er von Reichs wegen nicht fodern könnte, 
noch weniger freiwillig ihm aufgetragen werben würbe. 

Wenn die Hanfe je einen Schirmherrn annehmen wollte, 

ber dann auch die Leitung der Bundedtage an fich ziehen 
tonnte, fo wäre es der Hochmeifler des Teutſchordens gewe⸗ 
fen, der ſchon bei der Eroberung Preuffens die Städte begim- 
figte und jet in einem befondern Buͤndniß mit der Hanf 
fland, vermöge deſſen er ſich auch bei austwärfigen Staaten 
für fie verwendete. Allein dieſes Verhaͤltniß war doch nie ein 
anderes als das eined mächtigen Alllirten, mit dem man fich 
über gemetnfchaftliche Dlaßregeln, Pfundzoll ic. verſtand; ſo⸗ 
wie dagegen auch Falle vorfummen, daß der Orden in Streis 
tigkeiten mit andern Mächten das fchiedsrichterliche Einfchreis 
ten der Hanſe angenommen, ſich auch den Strafgefetzen der 
Hanſe unterworfen bat '). 

Am Zeutfhorden in Preuffen ſehen wir eine vom 
Kaifer ind Papft gegründete, vielfältig beftätigte, zum römi« 
fhen Reich gezählte Verbindung, die jedoch meiſt fich ſelbſt 
überlaffen, in dieſem Zeitraume wie die Hanfe' ihre fchönften 
Thaten gethan. Nach der Eroberung von Preuffen und dem 1283 
bald darauf erfolgten Verluſt der Beſitzungen in Syrien er 1291 
hielt dee teutſche Orden eine ‚ganz andere Richtung, bie wohl 
ſchon bei feiner. Einführung in das kulmer Sand: dem verdien⸗ 
ten Hochmeiſter Hermann von Salsa vorgefehwebt: hatte. Die 
Zempler "und JZohanniter befchränkten fi) auf ven Genuß ihs 
rer in Europa zerſtreuten reichen Stiftungen; bie drei Orden 
ertannten ‘einander kaum noch als Brüder, nachdem ihre ge: 
meinfchaftliche Beſtimmung aufgehoͤrt hatte. Die Tempier 
wurden, wie wir oben ſchon geſehn, das Opfer ihrer Reich⸗ 
thumer. Die teutſchen Ritter hingegen ſahen ein neues gro⸗ 
fe Feld für- ihre Shätigkeit vor fih. Die Lithauer und 
Samaiten, ein bem preuffifchen verwandter Vettifcher- Volks: 
ſtamm, lebten noch im Heidenthum und im ihrer urfprönglis 


1) Das Ganze nad) Gartortws a. a. O. ee Bacato il 
Preufiens. II, 871. 
19% 


292 Bud DL Erſter Zeitraum. Abſchnitt 3. 


hen Verfaffung; folange fie nicht befehrt waren, Tonnte der 
Orden auch ben Beſitz von Preuffen nicht gefichert halten. 
Soo ging denn aus bem urfprünglichen Berufe bed Ordens, 
. au& bem Kampfe gegen bie Ungläubigen im Morgenlande, 
die gewaffnete Bekehrung ber im Heibenthum begriffenen eu⸗ 
sopäifchen Völker hervor, während ein großer Theil ber übri⸗ 
gen Statuten bes Ordens nicht mehr anwendbar” war. 

Der Krieg gegen Lithauen mit feinen Zwifchenhand: 
lungen nimmt, einen Seitraum von achtzig Iahren ein. Er 
wurbe mit gegenfeitiger Erbitterung und Grauſamkeit geführt, 
wie ehemals der Bekehrungskrieg der Sachſen. Bald kam 
uch Krieg mit den Polen hinzu: zuerſt galt ed den Erwer 
bungen, welche der Orden rüdwärtd in ben Weichfelgegenben 
machte, dann feiner Unabhängigkeit überhaupt. Diefer Krieg 
dauerte mit kurzen Unterbrechungen an zweihundert Jahre 
alfo weit über den gegenwärtigen Zeitraum hinaus. In bie 
fem auögebreiteten ſchweren Kampfe erhielt der Orden nid 
-imper Unterflügung, obgleich die Belehrung der Lithauer ald 
Sache der ganzen Ghriftenheit betrachtet wurbe. Anfaͤnglich 
trugen fich die Paͤpſte immer noch mit Verfuhen zu Bie 
dereroberung des Morgenlandes und fragten nicht viel nad 

4294 den Heiden im Norden. Wenn Gölefiin V. und Bonifacius 
4296 VIIL dem Orden einige Abgaben von ihren europäifchen Be 
figungen nachlieffen, fo bielt man bad ſchon für einen Bei: 
trag zu feinem neuen Kampfe. Der Erzbiſchof von Riga, 
Grav Johann von Schwerin, verband fich fogar mit den Li⸗ 
thauern gegen ben Drben und fand auch an dem Papfl eine 
Stuͤtze gegen benfelben. Ä 

Dagegen erfreute fich der Drben des befondern Schutzes 
der teiften Kaiſer, fowie er auch feinerfeits ihrer Sache 
nicht geringe Opfer brachte. Schon wegen ber Anhänglichkeit 

nn an K. Adolf gingen Orbensballeien in Italien vegloren, Wie 

Heinrich VII. den Orden in der Erwerbung von Pomerellen 

4310 ff. begünftigt, iſt ebenfalls ſchon oben erwähnt worden. Die Der: 
1309 legung des Haupthaufes von Venedig nah Marienburg 
war eine fehr gut gewählte Maßregel. Dieſe herrliche Zelle, 

in ihrer Bauart einzig, war ber rechte Mittelpunct, aus wer 
chem alle Unternehmungen mit größerm Nachdrucke geführt 





Das Reihn. d. Reihsflände unter Karl IV. 293 


werden Tonnten. Um fo dringender war die Vereinigung ber 
eigenen Kräfte, da bei allen Zreiheitsbriefen der Kaifer doch 
vom Reiche als folhem nie eine thätige Hülfe gegeben 
wurde. Wenn Etwas gefchah, fo gefchah ed durch freiwillige 
Shaaren von einzelnen Fürften und Herren, wozu manchmal 
ah Engländer und Franzofen kamen. Inſofern that bie 
Kiche eher Etwas als das Reich, wenn es gerade bie Päpfte 
mit ihren andern Planen verträglich fanden bad Kreuz gegen 
die Lithauer predigen zu laflen. 

Beim Anfange des Kronftreites zwifchen Ludwig dem 
Baier und Friedrich von Öfterreich war es befonders K. Jo⸗ 
hann von Böhmen, der dem Orden viele Gunft bewies. Da⸗ 1319 
gegen verloren bie Ritter die Gunſt des Papſtes, als fie df- 1321 
fentih auf Ludwigs Geite traten, als der Hochmeifter ihn 
nah Italien zur Abſetzung des Papftes begleitete und der mus 


thige Comthur von Coblenz, Berchtold von Buche, die Wahl 1326 


eines päpftlichen Gegenkoͤnigs in Zeutfchland hintertrieb. Der 
Dapft erklärte fich jeht in der Angelegenheit von Pommern 
fin den König Uladiflav von Polen. Da er jedoch erſt 
die Mark Brandenburg, Lubwigd des Baiern Erwerbung, 
durch die Polen und Lithauer angreifen ließ, fo muflte ber 
teutfche Orden noch gegen die Heiden im Felde gehalten wer: 
den, und infoweit kam ed demfelben zu gut, baß einige Kreuz⸗ , 
fhaaren aufgeboten wurben, welche ihm gegen die Samaiten 
zu Hülfe kamen. Der ritterlihe König Johann, der die Li⸗ 
thauer wieber abgetrieben und verfolgt, bebachte ben Orden 
auf eine audgezeichnete Weile: als Prätendent von Polen vers 
jihtete er auf Pommern; das von Polen abgenommene bos 1329. 
briner Sand fchenkte er demfelben erſt zur Hälfte, dann über: 4. Apr. 
ließ er ihm das Ganze buch Verlauf. So hatte denn ber 1330 
Krieg mit Polen begonnen. Diefes Reich, auf deſſen Ge 
biet (Mafovien) der Orden eingepflanzt worben, war bisher 1327 
wegen feiner innen Spaltungen noch nicht furchtbar geweſen. 
8. Albtecht I hatte noch eine Art von Oberhoheit darüber 
behauptet, indem er feinem Schwager bem 8. Wenzlaw von 1330 
Böhmen erlaubte daffelbe für fi) und das teutfche Reich zu 
erobern. Allein Wenzlaw, ber bald darauf mit Albrecht ſelbſt 
in Krieg gerieth, warb dadurch fo geſchwaͤcht, daß fein Sohn 


In 


ed 


⸗ 


29 Bud IL Erfter Zeitraum. Abſchnitt 3. 


Wenzlaw II. die polnifche Krone an oben gedachten Ulabi: 
1305 flaus Loktek vom piaftifchen Stamme, Fafimirfcher Linie, zu: 
rüdfallen laffen muffte. Diefem verlieh der Papft, dem Kai⸗ 

1319 fer Ludwig zum Trotz, bie Königswürde, wogegen K. Johann 
von Seiten feiner Mötter, K. Wenzlaws Tochter, bie fchen 
berübrten Anfprüche auf Polen machte. Uladiſlav behauptet 
fich und führte den Krieg mit allem Nachdruck!). 

Während eines kurzen Stillflandes mit Polen eroberte 

ber Orden Riga, dann zog ee wieder gegen Uladiſlav zu 

1331 Felde und erfocht bei Ploweze einen bebeutenden Sieg. Jetzt 

Dec. erſt beflätigte Lubwig IV. bie Freiheiten des Ordens. Aber 
Papft Benedict XII, vol Eiferd zur Verföhnung mit dem 
Kaifer, zog den Drben ebenfalld wieder an fidh, indem er 

1335 demfelben für die biöherige Bekämpfung ber ‚Heiden bie groͤß⸗ 
ten Lobfprüche ertheilte. Der Orden ergriff diefe Annäherung 
in der Abficht den Frieden mit Polen zu betreiben. Die er 
korenen Schiedörichter, die Könige von Böhmen und Uggern, 

24. Rov. gaben ben Spruch: Kujavien und Dobrin follen an Polen 
zurüdgegeben, Pommern hingegen dem teutichen Orden abge: 
freten werden. Allein die Vollziehung dieſes Spruch bradıte 
bald wieder neue Störungen. 

Indeffen wurde der lithauifche Krieg fortgefegt mit Hülfe 
neuer Kreuzfchaaren, an deren Spitze nach dem König Johann 
der Herzog Heinrich von Baiern fich hervorthat, der bie Baier: 
burg an ber Memel erbaute. Der Kaifer überbot jept ben 
Papft an Gunftbezeugungen. Aus Dankbarkeit, dag ber Hoch⸗ 
meifter feine Ausföhnung am päpftlihen Hofe betrieben, ver: 

lieh ex dem Orden dad ganze Land Lithauen, nebfl Sa: 
1337 maiten, Karfau und Rußland, foweit ed die Hei: 
Dec. den inne hatten, zu eigenem und ewigem Befige. Dage 

gen fan die Sache des Ordens wieder bei dem päpfllichen 
Stuhle. K. Uladiſlav brachte in Übereinfiimmung mit ben 
polnifchen Bifchöfen hoͤchſt gehäffige Klagen vor und verlangte 
fogar au die Lande zurüd, welche laͤngſt von Kaifern und 


1) Gebharbi Geſchichte der erblichen Reichsſtaͤnde I, 222 f. Dei: 
wo ze bes Reiche Boͤhmen. Allgemeine Welthiſt. LIL l, 
ff. 91. 


/ 


Das Rei u db. Reichsſtaͤnde unter Karı IV. 295 


Paͤpſten dem Orden beflätigt waren. K. Ludwig befahl den 1338 

Kitten vor Niemand als ihm Recht zu flehen, denn der Or⸗  Iul. 

den fei von Kaifern und römifchen Königen geftiftet zu bes 

‚Reih8 und des Glaubens Vertheibigung, und bie Be 

ſchuͤtzung des Ordens ſtehe hauptfächlich dem Kaifer zu. Al⸗ 

lein da der Papft ein befonderes Einmifchungsrecht in die pol- 

niſchen Angelegenheiten behauptete, weil das Reich der roͤmi⸗ 

fhen Kirche zinsbar fei und nach Gott ‚feinen Höhern auf 

Erden über fich erkenne, und da die Nuntien, welche er ab: 

geordnet batte, von K. Uladiſlav beflochen mit befonberer " 

Steenge zu Berk gingen, fo konnte ber Orden nicht umhin 

gegen das Verfahren der Nuntien an den Papſt felbft zu ap: 1339 

peliven. Jene liefen fich jeboch nicht abhalten dem Orden zu 

Sunften Polens alle biöherigen Eroberungen abzufprechen und 

noch eine bedeutende Entihädigungsfumme aufzulegen. Der 

Papft aber ließ fich wirklich beffer unterrichten und wollte eine 

neue Unterfuchung vornehmen laffen. Allein der Kaifer, ber 

in feiner eigenen Sache wieber in neue Schwierigkeiten vers , 

widelt wurde, Fonnte jett feinen Worten keinen weitern Nach: 

druck geben. Dagegen traten‘ die Könige von Böhmen und 1341 

Ungern wieber ald Vermittler zwifchen. dem Orden und dem 

König Kafimir von Polen ein '). Zwei Iahre darauf murbe 1343 

Friede gefchloffen unter den fchon früher auögefprochenen gegen» ul. 

feitigen Abtretungen. ⸗ 
Muthvoll ward dann der lithauiſche Krieg fortgeſetzt. 

Nach mehrern gegenſeitigen Überfaͤllen und Verluſten ſchlug 

der Hochmeiſter Heinrich Duſemer von Offberg am Fluſſe 

Straben den lithauiſchen Koͤnig mit ſeinen Bundesgenoſſen. 1347 

Zu eben dieſer Zeit brachte der Orden vom König Waldemar 8. Febr 

von Dänemark ganz Eſtland durch Kauf an ſich; er bezahlte 

ihm dafür 19,000 Mark Silbers und dem Markgraven Lud⸗ 

wig von Brandenburg 6000 Mark Silberd wegen bed Braut- 

Ihages feiner Gemahlin Margaretha; Alles mit Bewilligung 


1) Das Ganze bis hieher hauptſaͤchlich nach Voigt Geſch. Preuſ⸗ / 
fend IV. Band. Das Folgende nach Lucas David preuffifcher Chronik, 
herausgegeben von Hennig. Thl. VI. De Wal Hist. de l’Ordre teut. 

T. WM. Doaellii Hist, Ord. eq. teut. p. 32 sqq. 


26 Bud UI. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 3. 


EK. Ludwigs IV. Das war dad Letzte was dieſer Kaiſer für 
den Orden that. 

Welche Ausficht hatte jebt der Drben fir fene Macht 
und Wirkfamkeit vor fich! denn er begnügte fich nicht mit Er⸗ 
werben; er gründete überall Burgen und Städte nach teut⸗ 
ſchem Recht, legte Schulen an, erhob. den Landbau, führte 
Coloniſten ein. Wenn bie Unterwerfung der Lithauer voll- 
bracht wurde, fo Eofmte teutfche Sprache und Sitte vom fin- 
nifhen Meerbufen bis zum Dnieper, alfo weit in bas heutige 
Rußland verbreitet werben. 

1351 Dazumal erhielt der Orden an WBinrih von Kniprobe 
einen Hochmeifter, der an Hermann von Galza erinnert. ° 
Kniprode fette den Krieg mit Kithauen fort, vergaß aber nicht 

ben Orden in feinem Innern zu erheben und bie Landesver⸗ 
waltung nach allen XTheilen auf-8 .befte zu orbnen. Nach 

K. Ludwigs IV. Tod fragte Niemand nach dem teutfchen Or⸗ 

1355 denz.erft im achten Jahre feiner Regierung beftätigte Karl IV. 
13. Dec. pemfelben bie feit K Sriedrich IL. erhaltenen Freiheiten und 
1356 Rechte. Das Jahr darauf aber erneuerte er auch feine De 
3. Mai. fenſiv⸗Allianz mit K. Kaſimir von Polen, kraft deren er bies 
fem mit 600 Helmen Beiftand leiſten follte. Zu dem Krieg 

gegen die Heiden kamen von Zeit zu Zeit wieber freiwillige 

1360 Schaaren. Aber Karl IV. glaubte von Seiten des Reichs 
18. Dec, genug gethan zu haben, wenn er dem Orden zum Behuf des 
lithauifchen Kriegs Steuerfreibeit in allen feinen teutfchen Be 
figungen bewilligte '). Papft Urban V. hingegen wollte die 
Tuͤrkenſteuer auch in Preuffen einziehen laflen, ungeachtet fein 
Vorgänger den teutfhen und Johanniter⸗Orden davon ausge 
nommen hatte. Auf bie flandhafte Weigerung der teutfchen 

Ritter Sprach der Papft Bann und Interbict aus, und de fie 

auch darnach wenig fragten, weil ihre Brod und Bier noch 

ebenfo gut ſchmecke als vorber, fo foderte ex den K. Karl IV. 

zu Vollgiehung bed Bannes auf. Nun kam die Sache zu 
Unterhandlungen; Kaifer und Papft liefen ſich mit Gelb ab: 
finden. Kniprode, der ftattliche Hochmeifter, fuhr in der Vers 
waltung fott ald wenn er über einen unabhängigen Staat zu 


1) Pelzel Karl IV. &. 601. 525, 671. 





5 . 


Das Reid u, d. Reihsftände unter Karl IV. 297 


gebieten ‚hätte. Seine Kriegsmacht ſetzte er in einen furchts 
baren Zuſtand. Lithauer, Ruffen, Zataren famen mit einem - 
Heere von etwa 70,000 Mann. Er führte gegen fie 40,000, 
Bei Rudau ohnweit Koͤnigsberg erfocht er einen großen Sieg, 1370 . 
auf welchen ein vierjähriger Stilftand folgte. Nach feinem 
Ablaufe kamen auch wieder Hülfsihaaren aus Zeutfchland, 
namentlich unter H. Albrecht von Üfterreich. Im Zodejahre 1378 
Karls IV. wurde wieder ein Stülftand gefchloffen. 

Das war der ruhmvollſte Zeitraum bed Ordens in Preuf: 
ſen. Unter fortwährenden Kriegen geſchahen im Innern große 
Verbeſſerungen. Damals war es als mit der Hanſe das oben 
gedachte Schutzbuͤndiß gehalten wurde. Danzig, meiſt von 
Zeutfchen- bevoͤlkert, kam in großen Wohlſtand. Kniprode 
vermehrte bie Seemacht mit acht Kriegsſchiffen gegen die Sees 
sauber. Polen, Ruffen, !ithauer brachten ihre Waaren in 
preuflifche Häfen; Britten, Slanderer kamen zum Austaufch. 
Ackerbau und Landwirthichaft blühten. Damald wurde Wein 
in Preuffen gebaut wie in Böhmen. Auf dem Lande entftans 
den Schulen; höhere zu Königäberg unb Marienburg. Knip⸗ 
rodes Nachfolger gründete eine Univerfität zu Kulm. Der 
Oden zählte viele Gelehrte; in jedem Convent muffte ein 
Juriſt und ein Theologe fen. Schon unter Dem vorigen Hochs 
meilter, Luther von Braunfchweig, war Marienburg der Sitz 
dee Sänger und Dichter, wie einſt die Wartburg in Thuͤrin⸗ 
gen zur Zeit Hermanns von Salza. Was alfo bei dem Adel 
in Zeutfchland bereit erlofchen fchien, das lebte in Preuffen 
wieder auf. Man berechnet, daß ber Orden bamald in Preufs 
fen und den bazu gehörigen Landfchaften wenigftend 2 Mils 
tionen Einwohner hatte. Er befaß 55 Städte, 19,108 Doͤr⸗ 
fer, 2000 Höfe, 48 wohl verfehene Schlöffer, welche zufams 
men 800,000 Mark ober 16,000 ungerfche Gulden an jährlis 
hen Einkünften abwarfen, ohne die übrigen Heinen Nubuns 
gen und Gefälle. In einem Jahrhundert hat alfo der Orden 
das alte Bernfleinland aus feinem wilden Zuflande zu einer 
Blüthe gebracht, welche manche teutfche Ränder kaum aufweis 
fen konnten. Hier war Feine Lehensanarchie; von hierarchi⸗ 
hen Befchränkungen wuſſte ſich der Orden ziemlich fern zu 
halten. „Ladet man. euch vor ben Kaiſer“, hieß es, „fo ſteht 


— 


- 298 Bud IN. Erfier Zeitraum. Abſchnitt 3. 


ihr unter dem Papſt; verklagt man euch bei diefem, fo ſteht 
ihre wieber unter dem Reich”. Handel und Gewerbe, fonft 
überall vom Ritterſtande gebrüdt, wurden duch Den Orden 
am meiflen gefördert. Alles zu Einem Iwede. Die ehelofen 
Ritter hatten ffir Feine Nachkommenſchaft zu forgen, fie tonn: 
ten ſich alfo mit ihrem Einkommen begnügen. Der Bauer 
war nicht leibeigen. Auch tm Kriege blieb er bei feinem 
Pfluge; nur in Nothfällen ftellten zehn Bauern einen Reiter. 
Beiondere Auflagen Fonnten nur mit Zuſtimmung der Capitel 
und der Staͤdte gemacht werben. Im ber Regel trug Alles 
der Ordensſchatz mit feinen Zuflüffen aus den andern Pro 
vinzen. So ſtreng bie Sweat), fo gemeflen die ganze 
Landesverwaltung. 

Der teutfche Orden war bie vornehmfte Kriegsſchule, 
denn ein ſolcher ſtehender Krieg und ein ſolches ſtehendes 
Heer war nirgends zu finden als in Preuſſen. Auſſer den 
erſten Wuͤrdentraͤgern zaͤhlte man 28 Landcommenthure, 46 
Hauscommenthure, gegen 800 Ritter, 2000 Bruͤder, 6000 
Knechte. 

Nach den Landeschroniken ſind in den Kriegen des teut⸗ 
ſchen Ordens die erſten Donnerbüchſen oder Bombarden 
gebraucht worden. Wenn auch die Zeitangaben etwas unficher 
ſind, ſo iſt doch erfichtlich, daß in der Umwandlung des Kriegs⸗ 
weſens durch die Anwendung des Schießpulvers der Orden 
nicht zuruͤckgeblieben iſt. In der Bearbeitung des Materials 
hingegen gebuͤhrt das Verdienſt dem Kunſtfleiß der teutſchen 
Staͤdte. In der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts findet 
man auf einmal auf ganz entgegengeſetzten Puncten, zu Augs⸗ 
burg, zu Löwen, zu Lüuͤbeck die erſten Nachrichten von Don⸗ 
nerbüchfen. Dies fegt wohl mehrjährige Verfuche und Bor: 
bereitungen voraud. Wenige Erfindungen fliehen glei im 
Anfang in ihrer Vollkommenheit ba; am wenigſten biefe, eine 
der folgenreichften. Es iſt ein allmäfiger Übergang von ber 
alten Kriegdart zu der neuen. Feurige Geſchoſſe, Pfeile, gli: 
hende Kugeln kommen fihon in frühern Zeiten vor; eben fo 
große Steinfchleudern '). Entzündbare Stoffe zum Sprengen 


1) Solche Kriegsmaſchinen hatten bereits den Namen Artillerie. 


Das Reich u. d. Reihsflände unter KarıIV. 299 


ver Bergwerke waren wohl auch fchon befannt. Man wuflte 


fhon, vielleicht feit Roger Baco, daß die Mifchung von 
Selpeter, Schwefel, Kohlen Feuer und Knall hervorbringe; 
aber die Entdedung, daß dadurch fchwere Körper geworfen 
werden, fchreibt die allgemeine Sage dem Srancifcanermönd 
Bertold Schwarz zu. Durch Zufall foll ein Feuerfunke 
in den Mörfer mit jener Mifchung gefallen fein und ben bars 
aufgelegten Stein bi8 an die Dede des Zimmers emporge 
worfen haben 2). Das führte dann auf den Gedanken mes 
tallne Mörfer auf folche Weife zu laden flatt der Steinfchleus 
den. Ein neues Feld für die Geſchicklichkeit ber teutfchen 
Zeuerarbeiter. Die Erfindung verbreitete fich fehnell bei ben 
Städten. Zuerſt wurden große Mörfer gegoflen, welche cents 
nerſchwere Steine warfen. Zu Augsburg fing man an auch 
metallne Kugeln zu gieſſen. Bon Lübel weiß man, baß bie 
Pulverbereitung ſchon in's Große getrieben wurde; durch Uns 
vorfichtigfeit der Arbeiter flog das Haus mit dem Vorrathe 
in die Luft. Daß gekörntes Pulver flärkere Wirkung habe 
als dad gemahlene, warb fpäter entbedt. Dann wurden auch 
fleinere Büchfen, Zeldfchlangen, gegofien, bie fich leichter fort: 
bringen Tieffen. Handrohre kamen noch fpäter auf. Noch ges 
raume. Zeit blieben Armbrüfte die gewöhnlichen Gefchoffe der 
Zußgänger und Reiter. Alfo gefchab der Übergang von der 
alten Kriegsart zur neuen nur flufenweife. Die oberteutfchen 
Staͤdte brauchten die Donnerbücfen bei VBelagerungen, die 
Hanfeftädte führten fie auf den Schiffen ein. Die teutfchen 
Ritter haben nach der Sage zuerſt in Feldichlachten Gebrauch 
davon gemacht. Die Städte hielten die Pulverbereitung ans 
fänglih geheim, und man hatte überhaupt eine gewiſſe Scheu, 
die neuen mörberifchen Werkzeuge, welche mit der alten reblis 
hen Kriegsart im Widerfpruch zu flehen fchienen, in Anwen⸗ 
dung zu bringen. Die Hanſeſtaͤdte emeuerten öfter die Ver⸗ 
ordnung, daß Fein freier Handel mit Feuergewehren, Buͤch⸗ 

fenfraut und Loth in Fürftenländer getrieben werbe, als hätte 


1) Gassari Annales Augstburgenses in Mencken. scrr. T. 


— 1491. Polydor. Vergilius de inventoribus rerum, Lib, IL 
p. 11. 


1354 


1372 


1361 


00 Buch III. Erfter BEIDEN Abſchnitt 3. 


ihnen bereits geahnet, daß dadurch ihr Untergang befchleunigt 
werden würbe ?). 

Wenngleich in anderen Ländern, befonders in Frankreich, 
bie Donnerblchfen bald verbreitet und verbefiert wurden, fo 
iſt doch die Ehre der Erfindung einflimmig den Zeutf hen 
zugefchrieben worden. Soweit bie italienifhen Städte im 
Übrigen voraus waren, fo haben doch bie Benetianer zu ber 
Zeit, da die augsburger Gieffereien in Gang famen, bie erſten 


1378 Dormerbüchfen und Biüchfenmeifter aus Sübteutfchland erhal: 


ten, um ihre Slotte gegen die Genuefer bamit zu bewaffnen ?). 

Wir kehren zum Hauptfaben unferer Gefhichte zurüd. 
Im ganzen Norden von Teutichland bis zur ruffifchen Grenze 
haben Waffen, Schifffahrt, Handel in freien Unternehmungen 
Fortgang gehabt, während im Mittelpuncte des Reichs ein 
Paar Häufer um die Oberherrfchaft geftritten, enblich das fie 
genbe auf Gruͤndung einer Hausmacht, eines flavifchen Erb⸗ 
reichs im Oſten, fich befchräntt bat. Faſt ebenfo find bie 
ſudweſtlichen Reichsſtaͤnde ſich uͤberlaſſen geblieben. Dadurch 
iſt an beiden Enden ſelbſtthaͤtige Entwickelung gefoͤrdert wor⸗ 
den; dort in Coloniſirung, Heidenbekehrung, Verbreitung teut⸗ 

ſcher Landwirthſchaft, teutſcher Stadtrechte und Sitten; hier, 
wetteifernd mit den nordteutſchen Staͤdten, Gewerbfleiß, Han⸗ 
delsbetriebſamkeit, Erfindungsgeiſt, überhaupt mitten unter 
den vielen Fehden Nationalwohlftand und Selbftgefüht. 

Aus dem Ganzen ergiebt fich, in welchen verfchiebenen, 
theils nähern, theils entferntern, theils faft ganz unabhängis 
gen Verhältniffen die Staaten und Stände Teutſchlands be 
mals zu Kaifer und Reich geflanden find. Während die Für: 
ften nach Vermehrung ihrer Hausmacht und Landeshoheit 
getrachtet, blieb dem übrige unmittelbaren Reichslande, 
dem Herren» und Bürger-Stande in feiner Zerſtreutheit nichts 
Anbered übrig als buch Einungen ſich zu ftärken. Wenn die 


1) Sartorius aa O. ©. 18, 
2) Das Ganze nad) zwei Abhandlungen von Sram und Temler 
‘in Heinzens hiſtor. Abhandl. d. Geſellſch. d. Wiſſenſch. zu Kopenhagen 
ZH. I. Zu den neueften gehört ©. v. Deder Geſchichte des Geſchuͤt⸗ 
weſens. 1828, 


Das Reich u. d. Reihsflände unter Karl IV. 301 


Freiheiten ber Stände, als Ausnahmen (Privilegien) von ber 
allgemeinen Grundverfaſſung erworben,. überall auf Vereinzes 
lung führten und dem Kaifer nur die Oberaufficht, mit feltes 
ner unmittelbarer Einfchreitung blieb, fo muſſten die Einuns 
gen wieber eine feftere Zufammenfegung des Ganzen bringen 


c. Fortfetzung vom luxemburgiſchen Hauſe. 


4. Verletzung der goldenen Bulle und der frankfurter 
Satzungen bei K. Wenzlaws Wahl. 


Erkaufung ber Kurfürſten durch Reichsgut. Des 
müthige Einholung ber paͤpſtlichen Erlaubniß 
zur Wahl bei Lebzeiten des Kaiſers, ſowie deren 
Befätigung, welche jedoch hinausgeſchoben wird. 
Rücktritt Karls IV. auf bie Seite ber zu den Wahl⸗ 
toften verpfändeten Städte Zurücknahme aud 
der den Zürften verliehenen Zölle und übrigen 
Prandpfchaften. Ermäßigung ber Grundruhr. Ver⸗ 
leihung des arelatifhen Reichsvicariats an ben 
Daupbin. Sleihzeitiger Verfall des Kaifertbums 
und Des Papſtthums. Überfiht von Karls IV. 
Regierung. 


Ars wos Karl IV. im Bisherigen für das Verhaͤltuiß (due 
Erblande zum Reich ober bed Reichs zu jenem gethan, ö 
vergeblich, wenn das Kaiſerthum nicht bei feinem ‚Haufe —* 
In dieſem Fall muſſten die Landerwerbungen ebenſo wieder ver 
loten gehn wie die des baieriſchen Haufes. In jenem Fall 
hingegen, wenn das luxemburgiſche Haus den teutſchen Thron 
behielt, konnte das Bisherige nicht nur feſtgeſtellt ſe ondern 
auch fortgeſetzt und alſo am Ende Teutſchland noch in ein 
eigentliches Erbreich gebracht werden. Derſelbe Plan den ſchon 
K. Albrecht I. vor Augen gehabt und für welchen jetzt Karl IV. 
nah dem Vorgange Frankreichs Alles aufbieten zu duͤrfen 
glaubte. 

Seit der Wiederherſtellung des Reichs durch K. Rudolf J. 
beſtanden die Kurfuͤrſten mit dem Papſte darauf, zu Behaup⸗ 


a 


302 Bud MI: Erfter Zeitraum. Abſchnitt 3 


tung der Wahtfreiheit, Leinen roͤmiſchen König bei Lebzeiten 
des Kaiferd zu wählen. Daher ift auch dieſer Fall in Der 
goldenen Bulle ganz mit Stillfchweigen übergangen; vielmehr 


wird immer vorausgefest, daß bie Wahl erft bei wirklicher Er- 
lebigung des Thrones gefchehen folle. Doc war das Gegent- 


theil nicht ausbrüdtich verboten; alfo durfte Karl IV. endlich 
wohl den Verſuch machen, nachdem er biöher Alles gethan 
- am fich der Kurfürften zu verſichern. Die Erzbifchöfe hatte 
et immer mit Schonung und Auszeichnung behandelt; von 
den weltlichen Stimmen führte ex felbft die erfle und bie lette: | 


die fachfen-wittenbergifche dankte ihm ihre Beſtaͤtigung; in 


1375 Abfiht der andern war er auch nicht in Sorgen. Alſo ſchlug 


er num geradezu feinen älteften,. jest vierzehnjährigen Sohn 
Wenzlaw, ben er ſchon im zweiten Jahr zum König von 
Böhmen hatte kroͤnen laſſen, zum roͤmiſchen König vor und 
erreichte feine Abſi cht auf folgende Beife. 

Ungeachtet der Wahleid in ber galbenen Bulle den Kur 
fürften zur Pflicht macht ihre Stimmen nach. beftem Wiffen 
und Gewiſſen auf den tauglichſten Mann zu richten, ohne 
irgend einen Vertrag, Sokd, Preid oder Berfprechen ‚, 
verfichern doch die gleichzeitigen, Geſchichtſchreiber einſtimmig 
daß Karl die Kurfuͤrſten durch große Geldfummen 1), nach 
einigen jeden mit 100,000 fl... gewonnen habe. Bon den Ber 
trägen iſt zwar nur einer vorhanden, aber biefer laͤſſt mit 
Necht auf die ‘andern ſchlieſſen, Dem Kurfürften -Gune-von 
Trier uͤberließ Karl die reiche Abtei Prim zur Einvrtleſbung 
mit dem Erzſtift und ſchlug auf die bereits ſtehende —* 
ſchaft auf‘ Boppard und Weſel 'nuch weitere 10,000 Mark 
Silber 2). Der neue- Kurfhrft Friedrich von Chin, Nette des 
frierifchen, hatte dieſem fchon voraus verfpeochen hel der roͤ⸗ 
mifchen Koͤnigswahl mit ihm zu flimmen >). Der mainzer 


„Stuhl war noch im Streit zwifchen Ludwig vun: Bhhringen 


und Abolf von Naffau. Kür jenen erflärte ſich ber Kaifer 
nebft den Furſten, und war alfo feiner Stimme ‘auch gewiß; 


1) non sine magna pecunia, Albert. Arg. 
2) Hontheim Hist. Trevir. dipl. T. II. Nr. 76 29a. 
$) HontheimL c. Nr. 734 sq. 


Benzlams Wahl und Karls IV. legte Zeit. 303 


diefem aber ließ er unter bem Vorwand ber zwilchen Böhmen 
und Mainz beftehenden apa. 2 durch Wenzlam einen 
Reverd ausftellen, daß er, went er römifcher König werde, 
weder ihn noch den: von ihm befegten Theil des Erzſtiftes 
feindlich uͤberziehen wolle, (d.h. daß die Zurückſetzung bei ber 
Wahl feinen Rechten keinen Nachtheil bringe) '). Dem Pfalz 
graven Ruprecht wurbe die Pfandfchaft von Kaiferslautern, 
Oppenheim, Odernheim und Ingelheim überlaflen*). Karld 
Verhandlungen mit den rheinifchen Kurfürften zeigen alfo bie 
Fortſetzung Der vormaligen Gapitulationen auf Koften der Rhein⸗ 
zölle und anderer Reichörechte. Eine zweite Thatſache iſt, daß 
Karl eben jetzt neue Schabungen auf bie Reichsſtaͤdte legte, 
um bie erfoderlichen Summen aufzubringen, wobei auch ans 
dere Kürften bedacht wurden, wie Grav Eberhard von Wir 
temberg, fomwohl für die Beitreibung der Gelder ald für bie 
Bereitwilligleit dem 8. Wenzlaw zu huldigen?). Auffer ben 
Kurfürften konnten die Herzoge von Öfterreich und der Burgs 
grav Friedrich von Nürnberg die meiften Schwierigkeiten mas 
hen. Der Kaifer Iud deshalb Beide zu fih nah Eger und 
ließ ihnen Durch feinen Sohn dad Verfprechen geben, wenn ex 
timifcher Koͤnig werde, alle ihre Neichslehen, Freiheiten und 
Rechte zus beflätigen; zudem verlobfe er feine jüngfle Tochter 
Margaretha: dem. Sohne des Burggraven; worauf diefe Für 
fen die Verficherung gaben, daß fie Nichts gegen ae 
Wahl einwenden wollten *). 

Über dies Alles lieg Karl von Nürnberg aus einen offes 
nen Brief in das Reich ergehen, worin er noch befonders bie 
Einwendungen wegen Wenzlaws Jugend zu widerlegen fucht. 
„Die Söhne regierender Herren”, fagt er darin, „muͤſſten mit 
foeiel Sorgfalt erzogen werben, baß fie im fiebzehnten Jahr, 
worein Wenzlaw jeht getreten war, mehr als andere Men⸗ 
Ihen in höherem Alter wifien Eönnten; dabei wäre zu 


1) Guden. Cod. Mog. dipl. T. IH. Nr. 337. 
d) Winde Geh. K. Sigmunds in Mencken sa. T. J. p-1 1076. 
3) Gefchichte von Schwaben IV, 134. 


4) Pelzel Lebensgefchichte des roͤm u. böhmifchen K. Wenceflaus 
1, 4, ur. 12. — 


ter ala andere wären 


4 


304 Buch III. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 3. 


glauben, daß Gott den Prinzen ſolcheSeelen ver— 
leihe, welche ihrer de gemäß und aufgellär 

Er derweil auf Salomo und 
andere Könige im alten Teflament. Dann beruft er ſich auf 
bie Minderjährigkeit Kaifer Dttos III. und Heinrichs IV. Zu: 
gleich macht er ben Reichsfürſten bemerklich, welche Vortheile 
fie fih davon verſprechen dürften, wenn die kaiſerliche Wuüͤrde 
bei einem Haufe bliebe, das mächtig genug wäre den Feinden 


des Reichs Widerfland zu thun, die innen Unruhen zu daͤm⸗ 
pfen und Fürften und Städte bei ihren Gerechtfamen zu en 


halten °). Dabei war Karld befondere Abficht, auch bie letz⸗ 
teen Stände, die bereits im Begriff waren fich gegen die be⸗ 
vorſtehenden Verpfaͤndungen zu verbinden, in guͤnſtiger Mei⸗ 
nung zu erhalten?). 

Indeſſen erinnerten fi die Kurfürften bei aller Bereit- 
willigkeit gegen den Katfer bes frühern Einverfländniffes mit 
dem Papfte und verlangten alfo, daß Karl ausbrädiich deſſen 
Erlaubniß nachſuchen ſollte. Wiewohl die goldene Bulle gar 
Nichts davon enthält, die frankfurter Sagungen aber gerabezu 
wiberfprechen, fo erniedrigte fich doch Karl foweit, baß er 
förmlich den Papſt um die Erlaubnig bat bie Wahl vorneh⸗ 


4376 men laffen zu dürfen. Da er auf das erſte Schreiben nicht 
6. März. einmal Antwort erhielt, erließ er ein zweites, worin er bie 


4, Apr. 


Srimde wiederholt, die ihn bewogen fich mit den Kurfuͤrſten 
barüber zu verftändigen: namentlich baß er bei: zunehmendem 
Alter eine Stüge brauche und kuünftigen Wahlumtrieben und 
Serrhttumgen des Reichs begeguen wolle,. (womit er beildufig 
zugefteht, daß die Beflfehung ber Wahlſtimmen in der golbenen 


- Bulle noch keine hinreichende Sicherheit gewaͤhre). Aus: 


druͤcklich aber gefleht ex dem Papfle, daß biefe Wahl bei fei- 
nen Lebzeiten nicht ohne deſſen „Senehmigung, Zuflimmung, 
Gnade und Gunſt“ gefchehen bürfe, und bittet alfo ehrerbie 


- tig und demüthig um biefelbige?). - 


8, Mat, 


Das nimmt denn Pr ber Papſt in feine —— auf, 


1). Pelzel X. Karl IV. e 897. 
2) Gefchichte von Schwaben IV, 134. 
8) Raynald. ad a. 1376. $. 13 qq. _ 





Wenzlaws Wahl und Karls IV. letzte Zeit. 308 


indem er das ganze Faiferliche Schreiben von Wort zu Wort 
wieberholenb fagt: von Recht wegen koͤmme und bürfe allem 
dings Die Wahl bei Lebzeiten des Kaiſers ‚nicht vorgenommen 
werden; doch da man unter Gottes Beiſtand das Belle des 
Reichs dadurch erreicht zu fehen hoffe (in der. That aber weil 
Gregor XI. zur Zurückverlegung des paͤpſtlichen Stuhls nach 
Rom des Kaifers Beiſtand wünfchte) ').. fa. wollte er fürn . 
diesmal, nach fleiffiger Erwägung mit den Garbindien, feing 
Genehmigung, Zuflimmung, Gnade und Gunſt aus apoflo« 
liſcher Machtoolltommenbeit . ertheilen, ohne jedoch hierdurch 
den Kurfuͤrſten für die Zukunft ein Recht eingmäumen en 
der roͤmiſchen Kirche Etwas zu vergeben ?). 

Nun wurden in Wenzlaws Namen zwei Kbgeorbneis 
an den Papft geſandt, welche verfprechen muflten, daB ex 
Aes ſchwoͤren und halten wolle, was fein Vater und 
Urgroßvater dem apoſtoliſchen Stuhl zugefagt und geſchwo⸗ 
sm, fobalb er zum römifchen König erwählt fein winde. Der 
Papft nahm das an und fandte Dagegen feine Botfchafter nach 
drankfurt, in deren Hände Wenzlaw kurz vor der Wahl ver 
möge einer ausführlichen Urkunde gelobte, Alles. was Deins 
ih, der legte Kaifes, fein Urgroßvater ’), dem apoſtoli⸗ 
(hen Stuhl befonders in Abſicht der Erhaltung des Kirchens 
faates zugefagt, ‚zu halten und dagegen Alles. was Ludwig 
der Baier unter angemaßtem Laiferlichen Zitel zu Rom oder 
irgend: fonft gethan und vorgenommen, zu. vernichten *). 

Bei der Wahl felbft erlaubte ſich der. Kaifer auch noch 
einige Schritte, welche mit der goldenen Bulle nicht übereins 
fimmen. Er bielt eine Vorwahl zu Bacharach und zu Renſe, 


1) Raynald. ad a. 1374. 5.28. Im October 1876 brach der 
Popft von Avignon nach Italien auf. 

Pelzel K. Karl IV, urk. 233, 

3) Wenzlaw hatte fi erboten auch Alles weh fein Vater bes 
(hosen hatte, zu halten. Warum iſt dieſer in ber ohne Zweifel vom 
Yapfte feibft entworfenen Urkunde uͤbergangen? Unter. anderm ift das Ver» 
ſprechen barin aufgenommen, daß Wenzlaw am Tage der Kaiſerkroͤnung 
die Stadt wieder verlaſſen wolle; was bekanntlich Karl IV. gethan. Hier 
iR ober auch fein Name nicht genannt. 

4) Pelzel K. Wenceflaus Url. 13. j 

Pifter Gefchichte d. Zeutfchen IIL 20 





06 Buch II. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 3 


wobei bie oben gedachten Verhandlungen mit den Kurfürfien 
1376 in’8 Reine gebracht wurden; dann warb erſt der fürmlide 
10. 3un. Bahltag zu Frankfurt angefegt. Da Wenzlam nach’ ber boͤh⸗ 
mifhen Krönung auch mit der Mark Brandenburg beiehnt 
worden war, fo Heß ihn ber Kaifer diefe an feinen juͤngern 
Bruder Sigmund abtreten, um bie Einwendung abzuſchnei⸗ 
den, daß er zwei Kurflimmen befige. Allein die branbenbur 
giſche Kurſtimme hatte ber letzte Markgrav Otto bei der Ab 
tretung ded Landes auf Lebenszeit vorbehalten; auch ließ ſich 
Karl von Dtto, der zu Frankfurt anweſend war, eine ſchrift⸗ 
liche Zuflimmung und Anerfennung Wenzlaws auöflellen'); 
deſſen ungeachtet muffte der achtiährige Sigmund die bran 
benburgifche Stimme führen. Die goldene Bulle bemett, 
werm ein Kurfürfl von den andern gewählt werde, fo fole 
“feine Stimme gleiche Kraft mit ben ihrigen haben. In ba 
Wahlanzeige?) an ben Papft aber zählt Karl fich ſelbſt ald 
König von Böhmen, dann auch, feinen Sohn Wenzlam, cbew 
falls König von Böhmen, als die erfien WBahlfürften vor den 
Eubifhöfen auf, feinen Sohn Sigmund, Markgraven von 
Brandenburg, als den lebten ®). 

Da Karl ſchon zur Vornahme ber Wahl die Erlaubniß 
bes Papftes erbeten hatte, fo folgt von felbft, daß er auch 
die Beftätigung derfelben nachfuchte, ungeachtet fein Wahl 
geſetz, die goldene Bulle, Nichts bavon_-enthält. Er durfte 
um fo mehr glauben, daß ed daran nicht fehlen werde. Die 
ſaͤmmtlichen er des Kaiferd, der Kurfürften und dei 


1) Pelzel & Karl IV. Url. 24. 
2) Raynald. ad a. 1876. $. 14. 


8) Man koͤnnte noch fragen: wer führte eigentlich bie boͤhmiſche 
Stimme, der Kaiſer ſelbſt oder fein Sohn aber Beide zugleich? Muſſte 
nicht ber achtjährige Sigmund einen Vormund haben? Diefer war nad 
der goldenen Bulle der naͤchſte Agnat nad ben Erſtgeburtsrecht. Im 
folgenden 3. 1377 nennt ſich Karl felbft wider Markgraven von Brau⸗ 
benburg und handelt als folcher. (Häberlin Reichsgeſch. IV, 86.) Wenf 
law felbft war noch nicht 18 Jahre alt, alfo nach ber golbenen Bulk 
auch nicht volljährig. Mithin Hätte Karl eigentlich zwei Stimmen ge 
führt. Cine Menge Anomalien, bei welchen wir uns jedoch wicht weis 
ter aufpalen. 


Wenztaws Wahl und Karls W. leute Zeit. 307 


nenen roͤmiſchen Königs an den Papft find vom Wahltage 1376 
batirt. Das des Letztern iſt ganz der Wiederhall der fruͤhern 10. Jun. 
Untertbänigfelt. „Seine Sefanbten,” fchreibt Wenzlaw, „fden 
bevollmaͤchtigt der römifchen Kirche den Eid der Treue und 
jeden andern zu ſchwoͤren und alle Andere und Weitere 
zu thun und zu leiften, was nach Bott und Recht in Abficht 
der Kaiſerkroͤnung dienlich fein möcte!)” Doc alle biefe 
Demüthigungen erreichten nun erft ihren Iwed nicht. Gres 
gor XL lehnte die Beflätigung ab, weil er inbeffen von x den 
WVahlbeſtechungen Nachricht erhalten hatte. 

Während die Verhandlungen darüber fortgingen, war es 
vor allen Dingen nöthig die Unruhen im Reich, welche fiber 
ve Wahlfoften, befonders durh die Städteverpfäns 
dungen entflanden waren, beizulegen. Die fchwäbifchen 
Städte erweiterten ihr Buͤndniß und verfiärkten ihre Mauern | 
uns Thuͤrme. Gtatt der Steinſchleudern fingen fie jest am 
aus großen’ metallenen Donnerbücdfen Steine mit Schießs 
pulver zu werfen. Ihre zahlreiche, kriegsfreudige Mannſchaft 
tat auch im freien Felde kuͤhn den Nittern entgegen. : Sie 
befhloffen dem roͤmiſchen König Wenzlaw nicht: zu- hulbigen, 
Rn fie nur wieder gefihäbt werden würden. Nun machte 

Karl ein Reichsaufgebot und legte: fih vor Ulm,. das Haupt 
der verbintdeten Städte. Da er ihr aber Nichts anhaben fonnte, 
fo nahm er die Vermittlung der Herzöge von Baien an und 
wolte die Sache auf dem Reichstage zu Nürnberg vertragen. 
Allein während des Stilftandes brachen die Städte wieder soo. 
los. Der junge Grav Uli von Wirtemberg, Eberhards 1377 
Sohn, wurbe bei Reutlingen gefchlagen. Der Kaifer ſah, daß Mei. 
er nachgeben muͤſſe. Er fandte deswegen feinen Sohn, bei 
rͤmiſchen König, der zuerſt den Landfrieden in Franken ſchwoͤ⸗ 
ven ließ und darauf mit ben ſchwaͤbiſchen Städten eine 
Sühne machte, kraft deren ihren Verpfaͤndung widerrufen 
wurde. Allein damit waren Die verbuͤndeten Herren nicht 
zuftieden, fie erneuerten ben Krieg, und es entflanb nun eine 
ſolche Verheerung unter. den Fleinen Mächten, daß ber Kaiſer 


1) Pelze &. Wencefiaus urk. 16, 
2 Reynald. ad a; 1826, 5. 18, 
20* 


._ 


308 Bud II. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 3. 


1378 noch einmal ſelbſt nach Nirnberg kommen mufſte, um eine 
31. Aug. udliche Richtung zu machen. Nach dieſer muſſte Wirtemberg 


bie, Pfandbriefe und die Landvogtei Niederſchwaben zuruͤdge⸗ 
ben und ſich mit einigen kleinen Verſchreibungen begnuͤgen. 
Die niedere Landvogtei aber uͤbertrug der Kaiſer dem Herzog 
Friedrich von Baiern, der bereits die oberſchwaͤbiſche und die 
elſaͤſſiſche verwaltete. Damit trat er denn wieder auf die 
Seite der Staͤdte, weil er vorausſah, daß ſein Sohn ih 
res Beiſtandes gegen bie Fuͤrſten und Landherren beduͤrfen 
wuͤrde!). 

Auch bie andern Verpfaͤndungen i in Abficht auf bie Rheins 
und Main⸗Zoͤlle, wobei Karl den Fürften noch viele Eigen⸗ 


mächtigfeiten gegen die Hanbelöfläbte nachgelehn, nahm er 


22, Iun. 


ein Jahr nach der roͤmiſchen Koͤnigswahl wieder zuruͤck. Da 
er auf ſeiner letzten Reiſe in den Rheinlanden ſchwere Klagen 
über die vielen Zölle vernommen, fo erließ er ein Edict in 
dad Reich, welches einerſeits alle von ibm und. feinen Bor 
fahren auf Widerruf ertheilte, ambererfeits die von Fuͤrſten 
und Ständen eigenmächtig angelegten Zölle am Rhein⸗ und 
Main: Strom und in ganz Teutſchland aufhob. - Den hei 
niſchen Kurfürften gab er deshalb noch befonbere Verbote?) 
Wir werben aber im Folgenden fehn, wie wenig fie gehalten 
wurden. Es war eine graufame Sitte aus ber gefeglofen Zeit, 
da noch Fein Landfriede unter den Ständen gehalten wurde, 
daß Kaufmannöwaaren welche bei Berunglüdung: des Schif- 
fe8 ober Wagens den Grund berühtten, dem Grundherm 


41366 verfallen waren. ?). Diefe „Grundruhr“ that Karl fo weit ab, 
4. Dec. daß dagegen nur eine mäßige Abgabe (im Verhaͤlmiß von 


42 Heller auf ein Fuder Weind) gegeben werben durfte; er 
that dies, mie er ſagt, zum Rugen ver — und Staͤdte 
welche bie Straßen bauen *). 


1) Geſchichte don Schwaben m;i 485.447. 
2 Lnig R.AT.IV.628 


8) Auf den Waſſer⸗ und Lands Straßen daſſelbe was! an Ze Sr 
bad Strandrecht. Von letzterem gab es wohl auch ne Befreiungen, 
aber gang abgefchafft Eonnte es nicht werben. 


4) Gingelne En hatten ſchon fruͤhen Weſtcnngen erhalten feit 


Karls IV. legte Zeit. 306 


Waͤhrend der letztgedachten Verhandlungen machte Karl 
noch einmal eine Reiſe nach Frankreich, wo er ſeine Erzie⸗ 
bung erhalten hatte. Schon auf-dem Wege drangen fich dem 1377 
alternden Kaifer ernfle Erinnerungen auf. Zu Hervord fah Nov. 
er Witekinds verfallened Srabmahl und befahl es wieder her⸗ 
zuſtellen?). Zu Aachen gab er bie Verordnung, daß das 
Sahresfeft Karls des Großen felerlicher als bisher begangen 
werben folle, wegen feiner großen Verdienſte um die Kirche, 
Auch ließ er dem Könige. von Frankreich Etwas von feinen 
Reliquien mittheilen für eine zum Andenken des großen Kais 
jerd zu erbauende Kirche). Bei feiner Ankunft in Paris 1378 
warb er von dem Könige Karl V., feinem Schwefterfohn, 
mit großen Ehren und koſtbaren Gefchenken empfangen. Karl IV. 4. Jan. 
hatte feinen Sohn, den römifchen König Wenzlaw, bei fich. 
Die Abficht war ohne Zweifel, eine bleibende Freundſchaft 
zwifhen den beiden Häufern zu fliften. Im diefer Beziehung 
geſchah es wohl, daß der Katfer den Dauphin Karl VL, den er 
zugleich fuͤr volljährig erflärte, zum Generaloicar des arelatie 
ſchen Reichs und namentlid in der Gravſchaft Dauphine 
auf Lebenszeit und unwiderruflich mit fehr erweiterter Gewalt 
emannte und ihm dad Schloß Pompet bei Vienne verlieh’). 
Die Hoheit des teutfchen Reichs wurde zwar ausdrüdlich vor⸗ 
behalten; im der That aber hat dieſer Schritt den völligen 
Übergang jener Sande an Frankreich befördert. Alfo hat 
Kan IV, auf diefer Seite wieder vermindert, was auf ber 
Dfifeite durch die Vereinigung Schleſiens dem Reiche zuge 
machten iſt. 

Gregor XI. fhlug Wenzlaws Beftätigung zweimal ab, 
unter dem Vorwande daß die gewöhnlichen Eide noch nicht 
geleiftet umd die verlangten Briefe noch nicht überfchidt waͤ⸗ 


K Friebrich IL. Beiſpiele hat Hällmann Gtädtewefen IV, 102 ff. 
Die letztgenannte aber gilt allgemein, „ben Rhein und den Main uff 
und zu Thal, und gemeinlich überall im xöm. Reich.“ Luͤnig ®. A. 
T.IV. ©, 219. 

1) Pelzel a. a. D. ©. 922. 

2) Schannat. Vindem. litt. Coll. IL Nr. 47. 8. 

9 Häberlin R. Geſchichte IV, 42 8. mit Berichtigung der bie: 
ber gehörigen Stellen. 


— 


310 Bud II. Erſter Zeittaum. Abſchnitt 3. 


ren. Cr führte überhaupt eine höhere Sprache, feit er nal 
Rom zurüdgebehrt war. Während diefer Verhandlungen, auf 
41378 welche fi) wohl auch Karls IV. Befuh am frangöfifchen Hofe 
27. Mai. bezog, flarb Gregor XL, ohne Wenzlam anerkannt zu baben. 
Nun entfland dich Trennung der franzöfifchen und italien, 
DO. Sept. Shen Garbindle eine zwiflige Papfiwahl"), der Anfang einer 
ZHjährigen Kirchenfpaltung, zugleich eine dringende Auffobe 
rung, das Faiferlihe Amt der Schirmvogtei der abenbländis 
fhen Kirche mit Nachbrud zu führen. Allein Karl IV. farb 
fhon zwei Monate nach dem Ausbruch der Spaltung, im 
29,Rov. zweiunbfechzigften Jahre feines Alters. 

Duch eine befondere Fügung holt der Verfall des 
Papſtthums den des Kaiferthums ein, oder gebt dem 
kaum wieber bergeflellten noch voran. Karl IV. mochte wäh 
nen burch feine Vorforge bem bes letztern vorgebeugt zu be 
ben; aber er gab dem Meiche ein fo unerfahrnes Oberhaupt, 
baß die Spaltung, wenn auc noch etwas verzögert, nur um 
fo gewiffer und trauriger ausbrechen muffte. Unter bie lebten 
Zeichen ter hinfintenden päpfllihen Dbergewalt gehört, daß 
von nun an auch nicht einmal Ehrenbalber der morgenländis 
fhen Kreuzzüge gebacht wird. Seit ben vereitelten An 
flalten zu König Rubolfd I. Zeit brachten die Päpfte noch 
manchmal die Auffoderung, einerfeitd um die Kaifer zu ſchrek⸗ 
en, ambererfeits etsifweilen Gelder zu fammeln. Auch von 
Karl IV. verlangten Urban V. und Gregor XI. noch baffelbe, 
wie man ihn auch bie Belehrung der Lithauer hoffen lief. 
Er antwortete, die Sache koſte zu viel und die Eroberungen 
würben fich doch nicht behaupten laſſen. Beſſer, meinte er, 
ber Adler nehme dem treulofen Wolf, dem Griechen, der fchon 

einen Theil den Türken eingeräumt, fein Reich ab, um es mit 
dem römifchen zu vereinigen ?). | 

In der dreiffigiährigen Reichſsregierung Karls IV. ſollte 
bie ebenſo lange beſtandene Zerruͤttung unter Ludwig IV. wie 
ber verbefiert werben. Der Auffere Friede wurde bergeftelt; 
aber was hat das Innere dabei gewonnen ? Karid Regierung 


1) Raynald. ad a. 1378. $. 1 2qq. ‘ j 
2) Pelgel a. a. ©. ©. 730 ff. 


113) erſicht von Karıs IV. Regierung. 341 


hat zwei oder brei Richtungen: bie Ealferlichen Verhuͤltniffe 
zum Papft und zu Italien; die koͤniglichen im unmittelbaren 
teutfhen Reichsland und die böhmifch>erbländifchen. Die bei⸗ 
den erſtern VBerhältniffe hat er nur benüst für den dritten und _ 
eigentlichen Zweck feiner Regierung. : Das ift ſeine einzige 
fefle Maxime; alles Übrige hat fich in unzähligen Widerfprie 
den darnach bequemen müflen. Wiewohl Teutſchland eben 
jest im Begriff fland die Grundverfaffung in Beziehung auf 
das Mahloberhaupt und befonder6 im Verhältnig zum päpfe 
üben Stuhl durh gefchriebene Geſetze feflgeftelt zu fe 
ben, wiewohl Karl IV. fih dazu berufen fühlte diefe Geſetz⸗ 
gebung zu vollenden: fo hat doch Fein anderer Kaifer fich fo 
viele Willkouͤrlichkeiten erlaubt, Feiner feine eigenen Gefege fo 
geradezu wieder überfhritten, keiner was dem Papfle abges 
ſprochen worden, wieder fo unbedingt zugeflanden, wie er. 

Linderfucht, die allgemeine Krankheit feit K. Rudolfs I. Zeit, 
bat ſich in ihm am allermeiflen bervorgeftellt. Das Reich s⸗ 
gut iſt unter Karl IV. fo verfchleudert worden '), daß man 
feinen Kaifer mehr wählen konnte, der nicht fchon ein bedeu⸗ 
tendes Erbland hatte. Daher hat ihn auch K. Marimilian I. 

des heiligen römifchen Reichs Stiefvater genannt). 

Auf der andern Seite ift die Stiftung der erften Uni⸗ 
verfität diefjeit ver Alpen ein wahrhaft Faiferliches Verdienſt, 
defien Früchte fi) bald über ganz Teutſchland verbreiteten. 
Ein großes Verdienſt hat Karl in Böhmen. Er hat teutfche 
Sitte und Bildung in die flavifchen Lande eingeführt und 
fie zu größerem Wohlftande erhoben. Doc war die Blüthe 
nme täufchend. Er hinterließ die Erblande verfhuldet ’) und 


1) Im 3. 1861 trug Karl dem Zeutichorbens: Gomthur in Böhse 
men, Rubolf von Homburg, und bem Werner von Ertmarftarf auf, vers 
Pfändete Städte, Länder und Güter wieder an bad Reich zu bringen, 
Glafey p. 548. Auch ernannte er in dieſer Abficht (Pelzel Url. 349. 
ohne Datum) den Herzog Rudolf v. Sachſen zu feinem Bistum (Vice- 
Dominus) und Hauptmann, in Beziehung auf die Keichsſtaͤdte. Man 
findet aber keinen Erfolg. 

2) Cuspinian. de Caesar. p. 885. 


3) Statt eines Schages, den man von feiner Sparfamteit erwarten 
folte, waren die meiften Schäffer und Krondomainen :verpfändet, umb 





42 Bud EU. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 3. 


vol Gaͤhrung gegen die Teutſchen. Ein folcher mit ſoviel 
Ungerechtigkeiten ımb Innern Widerfprlichen errungener Stand: 
punct konnte fi unmöglich halten. Karl IV. glaubte das 
teutfche und böhmifche Reich feinem Haufe gefihert zu haben, 
unb doch ging es ſchon in feinen Söhnen unter. Nicht ein: 
mal dad Raiferthum im engern Sinn konnte fih auf Die bis⸗ 
berige Weife behaupten. Die Stände ergriffen jegt Den zwei⸗ 
ten Weg, den wir oben bezeichnet haben ), Ausdehnung if 
ver Einungen auf dad ganze Reich, aufgefobert Durch bie Zer⸗ 
rüttungen im Reich&= und Kirchen Regiment. 


5. Stellung bes Reichs unter K. Wenzlaw beim An- 
fange der Kirchenfpaltung. 


Wenzlaws Eigenfhaften. : Unter einer dreifachen 

. Sährung wird er bald das Spielzeug berParteien, 

mit denen er fpielen zu dürfen glaubte In der 

eiftern, der Kirchenfpaltung, muß er ſich um ber 
Wahlbeflätigung willen für den roͤmiſchen Papſt 
Urban VI. erklaͤren; er mittelt deshalb in Teutſch⸗ 
land, und fuht mit Frankreich und England zu: 

gleih Freundſchaft zu halten. 


1378 Bon einem fiebzehnjährigen?) roͤmiſchen Könige, den fein 
, Septbr. Vater auf einem fehr unwuͤrdigen Wege gegenüber von Papfl 
und Kurfürften auf den Thron gehoben, Fonnte man voraus⸗ 

fehen, daß er fehwerlich die Würde und das Anfehn des Reis - 
behaupten werde, zumal bei der mislichen Lage, in ber es 
Karl IV. Hinterlaffen hatte. Man hatte zwar anfänglich von 
Wenzlaws Perfönlichkeit gute Erwartımgen: er war offen, guͤ⸗ 
tig, freigebig, ein Freund der Gerechtigkeit, Feind aller Be 


ungeachtet der aufferorbentlichen Steuern mufften oft bie böhmifden 
Städte die Hofhaltung durch freiwillige Gaben unterſtuͤßen. Gebharbi 
Geſch. des Reiche Böhmen (Allgem. Welthiſt. LII. Thl. J. Bo. ©. 502) 
Pelzel K. Wenceſlaus J, 228. EN 

-1) am Schluſſe bes zweiten Abſchnitts dieſes Buche 

2) Wenzlaw war geboren 26. Febr. 1861. 


Stellung d. Reichs unt. 8. Wenzlaw. 313 


vradungen, abhold den Raͤubereien des KRitterſtandes ſowie 
den Anmaßungen der Geiſtlichkeit Man weiß nicht genau, 
wer feine Erzieher geweſen; ber böhmifche Kanzler und Propfi 
auf dem Wiſchehrede, Burghard, heiſſt in Gefchäftelt fein Pros 
curator, Vormund und Schaffee '). Ohne Zweifel waren es 
Geiftliche Die feinen Unterricht beſorgten; ber Kaifer felbft zog 
ihn frühzeitig zu den Reichögefchäften und überhäufte ihn ſchon 
im Knabenalter mit Würben Wenzlaw blieb aber roh und 
zur Üppigleit geneigt, wiberlögte alfo bald, was Karl bei ſei⸗ 
ner Wahl in dad Reich audgefchrieben hatte. Die lebten Leh⸗ 
ven die ihm der Vater gab, waren diefe: „Liebe beine Freunde 
md Güter, benn bie Güter haben dich zum oberſten Herm 
und König gemacht. Sei friedfam, und was. du durch Güte 
elangen kannſt, ſuche nicht durch Krieg. Erweiſe Jedermann 
Ehre und habe den Papft, die Pfaffheit und die Zeutfchen 
zu Freunden, fo wirft du deſto beffer in Frieden leben.“ Das 
waren allerdings Karls IV. Marimen; aber Wenzlaw, faſt in 
Allem das Gegenbild des Vaters, Tonnte auf Beinen Fall in 
der bisherigen Weiſe fortregieren. Ä 

Nach den verfchiebenen Geſichtspuncten welche Karl IV. 
vor ſich gehabt, fand Wenzlaw denn auch eine dreifache Gaͤh⸗ 
tung, in der Kirchenſpaltung, bei den teutſchen Reichsſtaͤnden 
und bei den. Böhmen. Dazu kam noch viertens die von 
Karl IV. angeordnete Vertheilung der Erblande unter feine 
Soͤhne. Karls ſchlaue Umſicht, die ihm Immer eine gewiffe 
Überlegenheit gegeben, war durchaus nicht auf Wenzlaw uͤber⸗ 
gegangen. Da Karl Feine felbfiändigen Raͤthe gebildet, Wenz⸗ 
law aber nicht die Gabe hatte fulche auszufinden, fo fehen 
wir ihm, nachbem er eine Zeit lang den uͤblen Verſuch ges 
macht mit den Parteien fein Spiel zu treiben, endlich ſelbſt 
ihr Spielzeug werben. 2 

Zuerſt ift zu erwähnen, welche Stellung 8. Wenzlaw und 
das Reich gegen bie Kirchenfpaltung genommen. Die Tren⸗ 
nung ſelbſt kam von dem übel berechneten Beginnen ber Päpfte, 
Schutz gegen die Kaifer bei Frankreich zu fuchen, wodurch fie 
beranlafit. waren eine größere Anzahl von franzöfiichen Cardi⸗ 


1) Pelzel K. Wenceſlaus I, 16. 


+‘ 


314 Bud IL Erſter Zeitraum. Abſchnitt 3. 


nälen zu ernennen, welche den Sig zu Avignon bem zu Rom 

.  vorzogen. Diefe konnten nun zwar nicht verhindern, daß nad) 

1378 Gregord XI. Tode auf Andringen der Römer wieder ein ite 

8. April lieniſcher Papft gewählt wurde; der Erzbiſchof von Bari, der 

den Namen Urbaͤn VL annahm; fie ergriffen aber bald ben 

Anlaß wegen ber zuruͤckſtoßenden Härte befielben Rom zu ver 

laſſen, die Wahl wegen der Gewaltthätigleiten. der Römer 

für unguͤltig zu erklaͤren und dagegen den Cardinal Robert 

. Sept. von Genf als Clemens VOL zum Papſte zu wählen, ber 

nachher von Urban VI. vertrieben, die Zuflucht wieder nach 

Frankreich nahm. Das war dann ſchon Grund genug für das 

tentſche Reich, bei dem erſt gewählten Papſte zu bleiben. 

Das Iuremburgifche Haus hatte aber noch einen nähern Grund. 

Urban VL hatte bald nach erlangter päpftlicher Wärbe Die 

von feinem Vorgänger zurhdgehaltene Beftdtigung der mi: 

ſchen Königswahl ertheilt; dies war hinreichend, daß Karl auf 

WVI.Nov. dem Todbette feinem Sohn befahl bei demfelben auszuhalten. 

1379 '‘ Auf dem erflen Reichötage zu Nürnberg, ber jedoch nad) 

Fa einiger Zeit nach Frankfurt verlegt werben muffte, brachte es 
Wenzlaw dahin, daß Urban VI. für den rechten Papſt erfannt 

wurde '). Die Kurfürften vereinigten fich noch befonders auch 

bei etwaiger Thronerledigung Eeinen römifchen König zu wäh- 

len, ber nicht vorher eben biefes eiblich verfprechen wirde, 

und in ben erneuerten Landfrieden wurbe ausdrücklich aufge: 

nommen, baß bie Reichsſtaͤnde Nichts von dem Gegenpapfle 

annehmen follten?). Dennoch traten einige Fürften, Bifchöfe 

und Städte heimlich ober Öffentlich auf die Seite des Letztern, 

darunter Herzog Leopold von Öfterreich und der Gegen: 

5. Fehr. erzbifhof Adolf von Mainz. Mit dem Erſtern vertrug fi 

Wenzlaw ſchon auf dem Neichötage, indem er ihm für feine 

Foderungen, bie er noch an den verfiorbenen Kalfer zu mas 

‚Sen hatte, die beiden Lanbvogteien in Schwaben als Pfand: 

ſchaft verfchrieb. Dann befuchte er den Herzog in ben habs⸗ 

burgiſchen Borlanden, und diefer folgte ihm wieder nad) Znaym, 


1) Raynald. ad a. 1378 et 1379, u. Vitae Pontificum in Ma- 
ratori scr. rer. Ital. T. IH. P. II. p. 712 6qq.- 


2) Wenker Appar. et Instr. archiv. p. 230. 





! 
6 


Stellung d. Reichs unt. 8. Wenzlay. 315 


wohin auch König Lubwig von Ungern kam, mit welchem 
Wenzlaw zu Gunſten Urbans VI. gemeinfchaftlihe Maßregeln 
verabredete'). Die Verhandlungen mit dem Erzbifchof Adolf 
waren fchwierigr. Schon mehrere Jahre beſtand ber Streit 
zwifchen ihm und Ludwig von Zhiningen um bad Erzſtift 
Mainz, ohne daß unter bem vorigen Kaifer Etwas weiter ald 
ein Eurzer Stilftanb zuwegegebraht wurd. Da Urban VI. 
ben Letztern beftdtigte, fo trat Adolf von Naffau, der fafl 
das ganze Erzflift eingenommen hatte, zu Clemens VIL über 
und erbielt von diefem gleichfalls das Pallium. Im einen 
neuem Krieg mit dem Pfalzgraven Ruprecht verwidelt, naͤ⸗ 
berte er fich jeboch wieder dem K. Wenzlaw, wahrfcheinlich in 1381 
Gemaͤßheit der Verfprechungen, die ex ſchon bei der römifchen 4 Jebr. 
Koͤnigswahl erhalten hatte; da er zugleich den Reichsſchluͤſſen 
zu Gunften Urbans beitrat, fo wurde er auf Wenzlaws Vers 
wendung in Mainz eingefeßt; Ludwig aber muffte ſich gefals 28, Apı. 
len laſſen das Erzbisthum Magdeburg anzunehmen ?). So 
weit ſchien nun bie Ruhe in Zeutfchland hergeftellt. 

Indeſſen Fam Wenzlaw noch in eine befonbere Verlegen» 
heit durch das bisherige freundfchaftliche Verhältniß mit dem 
8. Karl V. von Frankreich. Diefer fland, wie leicht zu 
erwarten, auf ber Seite der franzoͤſiſchen Cardinaͤle und ver: 
langte dann auch von Wenzlam Anertennung des Papſtes 
Clemens VII, während ihn Urban VI. von Frankreich abzu- 
ziehen fuchte. Als die Kurfürften fahen, daß Wenzlaw wanke, 1380 
erneuerten fie ihren Verein zu Weſel). Wenzlam gab feine 11. Jan. 
wiederholte Zuflimmung, da’ er in Begleitung eines Legaten 
von Urban VI. eine Zeit lang zu Aachen verweilte*). Den: Dlai 
noch eneuerte er zwei Monate darauf das fchon von feinem 
Vater eingeleitete Buͤndniß mit dem Könige von Frankreich *). 22. Iut. 
Im folgenden Jahre trat Wenzlam mit dem K. Richard IL — 


1) Lünig C. J. d. T.IV. Nr. 63. Geſch. v. Schwaben IV, 153 ff. 


2) Guden. Cod. Mog. dipl. T. IH. Nr, 841—844, Joannis 
scrr. Mog. T. I. p. 686 aq. 


3) Wenker l. c. p. 224 sq, 
4) Trithem. Chron. ad a. 1381, 
5) Pelze urk. Oo " 





316 Bud II. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 3. 


1381. von England in Vereinigung, weil ihm biefer mit einem 
1. Sept. Heträchtlichen Anlehen zu Hülfe kam und feine Schwefter Anna 
1382 heirathete!). Da Richard auf Urbans VI. Seite war, fo wurde 
biefer nun ſchon breiftee und verlangte Aufhebung des fran- 
zoͤſiſchen Buͤndniſſes; den neuen König von Frankreich, Karl VL, 
bedrohte er fogar mit dem Bann und erlaubte fich auch ge⸗ 
fegwidrige Eingriffe in die böhmifchen Kirchenfachen. Dies 
wedte Wenzlaws Selbfigefühl; er ließ den Papſt fragen, wie 
er dazu komme Bünbniffe freier Könige aufzuheben. um 
lenkte Urban VI. wieder ein und verſprach ihm die Kaiſetkroͤ⸗ 
nung, verlangte aber zugleich nicht zuzugeben, daß Ludwig 
von Anjou, Oheim des Königs von Zrankreich, zur Regie 
sung von Neapel gelange*). 

1383 Der Reichstag zu Nürnberg bewilligte den Römerzug; 
März. Wenzlaw ließ einen allgemeinen Landfrieven ſchwoͤren und be 
Met. ſtimmte ſchon bie Zeit des Aufbruchs; bald aber befann er 
fi) wieder anders und fandte einflweilen feinen Better, den 
Markgraven Joſt von Mähren, als Generaloicar nach Italien. 
"Urban VI. gab ihm deshalb Werweife, diefe bewirkten aber 
nur, daß er fich wieder fefter an Frankreich anfchloß und ben 

Ludwig von Anjou geradezu unterftügen ließ’). 

Weiter that Wenzlaw in den fuͤnf erſten Jahren ſeiner 
Regierung Nichts in der Sache der Kirchenſpaltung. Als 
Schirmvogt der Kirche hatte er die Pflicht und das Recht, 
zur Belegung des Ärgerniffes ein allgemeines Concilium zu 
berufen. Es follte ihm erwäünfcht gewefen fein, daß wieder 

ein römifcher Papſt dawar, der den Schub des Reichs gegen 
Frankreich und Neapel fuchte.: Aber ex wollte ed mit keinem 
Xheile verderben und alfo ſoviel möglich dad Gleichgewicht 
halten *, Dies iſt auch ber Inhalt. der erſten zehn Jahre 
ſeiner Reichöregierung. 


1) Rymer Act. Angl, T. III. P. III. p. 101—13. Das Bünb: 
niß wurde erneuert 1883, ibid. p. 188. 
2) Pelzel a. a. D. ©. 12% ff. 133. 
9) Pelzel &. 186 ff. mit Urk. belegt. 
4) Furcht vor Frankreich fcheint ihn hauptfächlich abgehalten zu 
— bie Kaiſerkrone von einem Papſte zu empfangen, ben dieſes nicht 
anerkannte. 


.: 
Landfriedens:Bündniffe unt, Wenzlam.: 317 
d; Die :Etnungen. 


6. 8, Wenzlaws ſchwankendes Benehmen bei..der Aus⸗ 
behnung. der Staͤdte⸗, Ritter⸗ und Fuͤrſten— Bündniffe 
zu einem allgemeinen Landkriedensbund. 1379 - 1390. 


Wenzlaw opfert die ſchwaͤbiſchen Lanbvogteien 
dem H. Leopold von Öſterreich. Staͤdtebund da⸗ 
gegen. Weitere Verſtaͤrkung ber Ritter: u. Stäbies 
Einungen. Erſtes Bünbniß der drei Stände in 
ben obern Feichslanden' Wrnzlaws Verſuch, das 
Reich im vier Landfriebeindfreife zu bringen; bie 
Städte behalten jed och ihren Bund bei, Verfeßung 
deffelben mit den Städten der ſchweizeriſchen Eid⸗ 
genoſſenſchaft. Herzog Leopold mit der Blüthe 
der Ritterſchaft erliegt, Dei Sempach. Wenzlaw 
beſtaͤtigt den Staͤdtebund und bringt ihn etwas 
näher zu den verbündeten Sürften im mergentheis» 
mer Landfrieden. Niederlage ber Städte bei Doͤf⸗ 
fingen. Wenzlaw tritt auf bie Seite. der Fürs 
fen und hebt den Staͤdtebund auf. Allgemeiner 
kandfriede zit, Eger: Einerlei‘ Münze: im Reid 
und Abthurung ber Judenſchulbden. | 


Au die ſchwaͤbiſchen Gtäbte thre Werpfänbung an Iflerseich 1379 
vernahmen, waren. fie nidyt wenig: befremdet, DAB K. Wenzlaw 

fein feierlich gegebenes Wort. alſobald im Anfang feiner Re⸗ 

gierung gebrochen... Mit allen ihren Steuern, Renten und 
Nutzungen ‚follten die Stäbte nebft den unmittelbaren Kloͤſtern, 
Dörfern und :Beuten der beiden. ſchwaͤbiſchen Vogtelen dem 

Herzog Leopold, ald. des Kaiſers und Reichs Landvogt, ge: 

wärtig fein Laut des Mandats zu jährlichen 6526 fl., bis 28. Sun. 
berfelbe. die. Boderung' von :40,000 fl. erlangt oder .ber roͤmi⸗ 

Ihe König fie, mit feinem: Geld wieder zum Reich eingeloͤſt 

haben wirbe. Da nun das Rebtere ſehr zweifelhaft war u x 

dem Herzog noch aufferdem befondere Vorrechte in Abfücht de 

Subenfteuer fowie ber Einläfung‚eriebigter Keichtlehen ins 
nerhalb der beiben Bogteien zugeflanben wurden, fo- war nicht 

“ohne Grund zu heforgen, daß Öfterseich, wie es ſpaͤter wirk⸗ 


3i8 Bud IL. Erfter Zeitraum, Abſchnitt 3. 
lich that, auf eine beſtaͤndige Sandeöhersfhaft Bedacht nehmen 


' werde. 





Ungefäumt erneuerten alfo die Städte ihren Bund, wie 
bei Wenzlaws Wahl. Er. hatte ihnen ja felbft in ihrem Frei⸗ 
heitöbrief Macht gegeben, fi zu verbinden [obald fie burch 
Jemand von ihren Freiheiten verbrungen werben follten. Es 
traten im Ganzen 31 Städte zufammen, jedoch mit der Vor: 
fit, daß fie zugleich mit dem Haufe ihres biöherigen Land⸗ 
vogts, des Rheinpfalzgraven Ruprecht, ſowie mit dem badi⸗ 
ſchen Hauſe ſich verbanden. Die andern Nachbarfuͤrſten wur⸗ 
den im Buͤndniſſe ausgenommen, Öſterreich nicht '). 

Es war allerdings untlug von Wenzlaw, einen vorzügs 
lichen Theil des unmittelbaren Reichölandes, das den Kaifern 
bisher zur Stüge gedient, fofort einem Fuͤrſtenhauſe zu opfern, 
das dem feinigen von jeher entgegengeflanden. Der entſchloſ⸗ 
fene Widerftand der Stäbte brachte ihn in Verlegenheif; auch 
der Herzog wäre gern in gutem Bernehmen mit ihnen geblie⸗ 
ben; alfo ließ man bie Übergabe der Pfandſchaft einftweilen 
beruhen. FEN — W 
Aber die Ausdehnung. der Staͤdteeinungen hatte auf ber 
andern Seite ‚wieder dieſelbe Folge, die wir früher gefehen. 
Die Rittereinungen mufften fich ebenfalls verftärken, um 
nicht zwifchen zwei Gegnern, Zürften und Städten, unterzus 
‚gehn. Die Löwengefellihaft verzweigte fih am ganzen 
Rheinſtrom bis in die Niederlande. Eine der diteften ift wohl 
die Geſellſchaft vom heil. Georg in Schwaben und in ben 
benachbarten Landen; ihr zur Seite fland die Gefellfehaft vom 
heil. Wilhelm. Diefe Gefellfchaften theilten ſich in Bezirke, 
Kreife, Reviere, unter Hauptleuten und Räthen?). 

Ruͤckwirkung dieſer Rittereinungen war, daß die Städte 
fih, nun noch mehr verſtaͤrkten. Sieben Rheinſtaͤdte hatten 
Taum ihren Bund erneuert, fo kamen bie Senbboten von 33 
fchwäbifchen Städten nad Speier und machten mit benfelben, 
ungeachtet Straßburg keine Einmilhung in ihre Angelegen⸗ 


1) Geſch. von Schwaben IV, 156 ff. 
D) Daff de pace' publ. p. 48. Schaͤnnat Sammlung alter 
Schriften co J. Nr. 4. Eichhorn a. a. O. @ Wi _ 


Landfeisdens:Bänbuiffe unt. Wenzlam 349 


heiten wollte, ein großes Blnbwiß zu Schutz und Meng auf 
brei Jahre, angenommen den Katfes und bad Keich und bie 
ienigen Fuͤrſten, mit welchen: fie-Bereitö in befondern Ginnns 
gen flanden. Im folgenden Jahre wurde dad Bimdniß auf 
Regensburg, Weslar und einige elfäffifche Städte ‚suögebefut 
und auf neun Jahre afliedt. - , 

Bei diefee drohenden Stellung von Segen bönbniffen 
faſſte Grav Eberhard von Wirtemberg an ber Spitze der Loͤ⸗ 
wengefellfchaft ben Gedanken, zuerfl die genannten Drei Rit⸗ 
tergeſellſchaften in Eine zu bringen, dann die drri Stände 
ver oben Lande, Rüter, Städte, Fuͤrſten, in einen Lands 
friedensbund zu vereinigen. Dies geſchah auf einem Zuge 1382 
u Ehingen an der’ Donau. Die drei Rittergeſellſchaften 9. Avr. 
mit Wirtembeig von der einen, 34 Freis und Reiche: Städte 
von ber andern, und Herzog: Beopeid von Öſterteich mit 
den fäntmilichen Vorlanden von. der dritten Seite, verfchrie: 
ben ſich gegenſeitig auf em Jahr zur Crhaltung ‚bes Land⸗ 
friedens einaifder'gegen ihre "Feinde und Beſchaͤdiger beizufte⸗ 
ben, ihre Skreitigkeiten unter ſich vurch Austraͤge —— 
die der Aigehoͤrigen jeden Theis Too ihren Gerichten entſ 
den zu laſſen, beſöndias aber die Pſchlbiaget innerchalb = 2 
reöfrift von den Staͤbten zuruͤckfodern zu’ dürfen. Dabei wurs 
ben die ſchon beſtrhenden Buͤndniſſe der Einzelnen fo weit aus⸗ 
genommen, als die Übrigen hit Dadurd) beſchaͤdigt würden. 

Der Kreis des Landfriedens ging von Straßburg, Baſel bis 
Bregenz, Nuͤnchen, Regenbblirg, Eger, Koburg, Beibelberg. 

Died Alles Yhaten die Weihöftände ohne den rotaiſchen 
König Wenqlaw, der in Boͤhmen beſchaͤftigt war. Er kam Jul. 
zwar in‘biefem Jahre heraus nach Frankfurt; weil aber mes 
nige Finſten und Stände erſchlenen, fo ſetzte er auf das fol⸗ 
gende Jahr einen Reichſtag nach Nürnberg, denfeiben auf 1383 _ 
welchem der ſchon gebachte, nicht zur Ausführung yelommene Mär. 
Römerzug befchloffen wurde. Möchte Wenzlaw indeffen nicht 
ungern gefehn haben, "wie Adel und Städte: ven Fuͤrſten 
entgegenflanden, fo durfte er doch Beine Überlegenheit uͤber 
diefe geflatten. Mit Rath der Kurfürften, Fürften, Graven 
und Herren wurbe befchloffen: (waheſcheinlich nach dem Bor 
gange des von Karl IV. errichteten und von Wenzlaw befld- 


‘ 


30 Bud. IH. Erſter' Keitraum. Abſchnitt 3. 


tigten weſtphaͤtiſchen Landfriedens) einen. allgemeinen Land⸗ 

frieden fuͤr das ganze Reich zu begründen, da ohnehin die 

oben gedachte Einung der ‚drei: Stände zu Ende ging. Die 

Haupfbebingungen waren, daß bie verbuͤndeten Fürften einan⸗ 

ber und. dem: roͤmiſchen König gegen alle Feinde beiftehen und 

ohne feine Erlaubniß keine andern Buͤndniffe reingehen ſollten. 

Der Entwurf:.theilte das Reich in vier Parteien: 1. Böhmen, 

Brandenburg, Sachen, Limehurg; 2; die rheinifehen Kurfürften- 

thuͤmer nebſt Hoffen und Buden; 3. Öfterreich, Batern, Wirtem⸗ 

berg, Lothringen und bie aberländifchen Biſchoͤße; 4. die frän= 

* Tischen Viſchoͤfe, die Binggranfhaft Nienberg und bie, weiſſner 

. und thiringer Lande. Die oberteutſchen Städte wurden, wie bie 

—uübrigen Stände welche nicht auf-dem Reichstage waren, zum 

Beitritt eingeladen. Da aber noch befonders ‚geboten wurde, 

daß Fuͤrſten und- Herren the Bündniffe mit ben- Stäbten ab- 

Zinben, die. beifretenden Stäbie. aber ver ke: nächftglegenen 

Partei zugetheilt werben ſollten, fo faben die Staͤdte in dem 

Entwurfe.nichtö Anders als Dreennung ihres zu, Speier ge: 
fchloffenen Bundes, der such ‚einige Jahre beſtahen folte. . 

Sie wverweigerten alfe den ‚Beitritt, bis dieſe Zweifel ge 

1384 hoben waren. Nun Andere K. Wenzlaw im folgenden Sabre 

zu Heideiberg den Eutwurf dahin, daß die Stähte nicht 

ben Parteieh der; Bürfen zugetbeilt, ſondemm als eine. fchon 

vereinigte Partei .dem nürnberger Sandfrieden: beitreten follten ; 

auch wurde ihnen geflattet, bie uͤbrigen befonbern Einungen 

beizubehalten. Dagegen muſſten fie verſprechen in der Zeit 

des Landfriedens keine Pfahlbuͤrger aufzunehmgn. Das hieß 

dann eine „freundliche Stallung“ (Stillſtand). ‚Auf biefe Weife 

26. Jul. ſchloſſen nim die verbünbeten ſchwaͤbiſchen, cbeiniſchen elſaͤſ⸗ 

ſiſchen und wetterauiſchen Staͤdte mit den zu! Ni ver⸗ 

bundenen Fuͤrſten und Herren eine beſondere Vereinigung 

auf vier Jahre, mit Beibehaltung ihres Bundes 1), 

‚1383 Während dieſer Verhandlungen wiederholte Wenzlaw ben 

11. Aug. Befehl an hie; ſchwaͤbiſchen Städte, dem ‚Herzog, Leopold als 

ihrem — Bm bulbigen, - Sie koauten AND: nicht mehr 


NM. Samatl. ber. —2 1 We = Wanber — Arch. 
p Mög —— ee De 





nt a en ea — 


Landfriedens sBüundniffe nut VBenzlar. 


umhin Folge zu leiſten, da doch iht Se — 
vertcugen ſich auch bald nach dem Tage m 
dem Herzog uͤber ihre Boderung am die Sravſcheſi 
berg, welche berfelbe bei dem Ausfterben des Hauke 
brachte. Da jeboch bald wieber neue Spannungen : 
keiten entftanden, ſo befchloffen die Städte auch bie 
riihen Eidgenoffen in ihr Bimdniß zu ziehen. De 
liegt fo nahe, daß man fi wundern muß, daß es mudt 
früher gefehehen. Aber die Stifter der Eidg 

drei fhweizerifchen Land gemeinden, ; 
aufferhalb ihrer Gebirge. Dagegen waren bie 
nöfffchen Städte, Zürich, Bern, Golothum, 
nicht abgeneigt in den großen Stäbtebund 
machten 51 Freis und Reichs⸗ Städte mit 
ein Buͤndniß auf neun Sabre, N 
und Famen babei überein ( wie die Hanfeaten) 
keiten mit dieſem Haufe nirgend anders alS vor ; 
Recht zu nehmen: Diefen bedeutenden Squit zu uskins- 
gigfeit that der große Stäptebund mit dem Iünscischuns sus: 
fest. Der roͤmiſche König fragte nicht dameh, a a6 m 


Böhmen. 

Um fo mehr beeiferte fich ‚Herzog Zeoyalb bad Piunf 5 
teen und fand ben erfien niaß dazı in Dem Minchsuah, sr 
Drei fchweizerifchen Land — item 5 Die in⸗ 


Higte, ließ er Zucern, eine DON en f 


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Frieden ein. Da er je 
gen blieben, wiewohl fie Der 
Städte auch nicht entſprochen hatten 
feinen Play und bot dem fhwäpifsen 
Diefe gingen darauf ein: ohne vie Code uf 2 Com ug 
coftanzer Binbniffed zu TebeH, weil — ec 
ten Willen gefunden. — Grete — 
der trotzte ® ee Tasfı 
— wollte Krieg ab @ Br 5 er. 
Mühe vermittelten bie ſchwaͤpr 
fand. Die fchweizerifd 
Bern, firchteten Den ig fo — 
Hfifker Geſchichte D- Zeu 






















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322 Bub IL Erſter Zeitraum, Abſchnitt 3. 


auf fi) nehmen wollten, als daB fie gegen ben Willen der 
alten Drte den Stäbtebund zufolge des coflanzer Bünbnifles 
gemahnt hätten. 

Nicht weniger Selbflvertrauen zeigte Herzog Leopold, 
der hohen Ritterfchaft Bier. Keiner der damaligen Fürfien 
war ihm gleich zu achten. Durch die Überlegenheit feiner Waf: 
fen wollte er bie Schweizer züchtigen für alle Schmach, die 
fie feinem Haufe biöher zugefügt. Es war in dieſer Zeit ein 
‚allgemeiner heftiger Haß zwifchen Abel und Gtädten, am 
meiften aber haſſte die Nitterfchaft die fchweizerifchen Land: 
leute, grobe Bauern genannt. Bol frohen Muthes folgte 
fie feinem Panner, ald der Krieg erklärt war. Vlertauſend ber 
auserlefenften Ritter und eine Anzahl Fußvolks führte der 
Herzog in bie Waldflätte und Fam vor Sempach, das auch 
von ihm abgefallen war. Die Eidgenoffen, nur etwa 1500 
Mann ſtark, traten auf der Anhöhe aus dem Wald hervor. 
Als fie die Ritter anfichtig wurden, thaten fie das Schlacht: 
gebet und rannten den Berg herunter. Zürchterlicher Anprall. 
Die Ritter waren von den Pferden geftiegen, weil fie für un 
reblich hielten mit ungleichen Waffen zu ſtreiten. Sie hieben 
die langen Schnäbel von ben Schuhen und flellten fi in 
ein feftgefchloffenes Biere mit vorgehaltenen Lanzen, die noch 
vom vierter Glied hervorragten. Die Eidgenoflen, Leicht be 
waffnet, meift ohne Harniſch, trugen Hallbarten, breite 
Schwerbter und Morgenfterne (zadige Keulen). Gefchofle 
‚wurden nicht gebraucht; ber Kampf war Mann gegen Mam. 
Lange müheten fih die Eidgenofien in bie gepanzerten Rit: 
terfchaaren einzubrechen; manche erlagen unter ihren Spief: 
fen. In diefer Stunde, die fiber das Schickſal der: freien 
Thaͤler entfcheiden follte, trat hervor Amold von Binkelried, 
ein ebler Ritter aus Unterwalden, ſprach: „Liebe Eidgenoffen, 
gedenket meines Weibs und meiner frommen Kinder,” ergriff 
mit feinen Armen foviel der Ritterſpieſſe ald er faſſen konnte, 
und zog fie in feine Bruſt gedruͤckt mit fih zur Ede Da 
gewannen die Eidgenoffen eine Gaffe, fie brachen in bie Reb 
ben ber Ritter durch einen neuen Harſt verfidrft und zerfchme: 
4296 terfen mit ihren gewaltigen Gtreichen Helme und Hamifhe 
9, Zu, E5 war ein ſchwuͤler Tag; bie Ritter ermatteten in bee ſchwe⸗ 





\ 


Londfriedens- Bündniffe unt. Wenzlaw. 323 


ren Rüflung. Als Herzog Leopold das Banner von Oſter⸗ 
reich ſinken fab, wollte er ben Tod fo vieler edlen Ritter nicht 
überleben, flürzte in das Getuͤmmel und warb unerkannt von 
einem gemeinen Schweizerhirten erfchlagen. Seinen Leib bedte 
Martin Malterer von Freiburg mit feinem eigenen. 

As der Derzog erfchlagen war, eilten die uͤbrigen Rit⸗ 
ter zu den Roſſen; aber diefe waren mit ber Hinterhut ents 
fiohen. Alſo warb die Niederlage allgemein. Unter etwa 
2000 Erfchlagenen zählte man 656 Graven und Ritter, bare 
unter 350 gefrönte Helme. Die Eidgenoſſen verloren. etwa 
00 Mann. An diefem Tage erlofchen viele alte Häufer, und 2 
der Glanz der fürflliden Hoflager ging auf viele Jahre 
unter?). Ä 

Als die Meichöftädte die That der Eidgenoſſen vernabs 
men, waren fie nicht wenig uͤberraſcht, baß biefe, welche zum 
Zpeil ihren Bund nicht gewollt, zum Theil, da fie konnten, 
nicht einmal gemahnt, für fi allein die Macht Oſterreichs 
und bes Abeld alfo gebrochen. Darüber waren fie erfreut, 
daß der gemeinfchaftliche Feind untergelegen; aber biefe Freude 
warb bald wieder getrübt, da fie fahen, wie ſchon nach wes 
nigen Zagen unter dem jungen Sohn des Herzogs Leopold 
ein eigentliche Rachekrieg fih entfpann. Da fie fürchteten 
buch das coflanzer Bündnig am Ende auch in ben Krieg ges 
zogen zu werben, fo fuchten fie ernftltch zu vermitteln, erbiels 4386 
ten aber. auch wieder nur einen kurzen Stillftand. Der Krieg 25. Zul. 
dauerte noch brei Jahre, auch Bern nahm Theil, doch wolls 
ten die eidgenoͤſſiſchen Städte auch jebt ben großen Städtebund 
niht mahnen. Diefer hatte für fich felbft zu thun. 

Gegen die Eidgenoſſen fand nur Ein Feind, dad Haus 
Öfterreich; gegen ben Gtädtebund aber fanden zehn ftatt 
eines, vermoͤge ihrer zerfiveuten Lage zwifchen den Herrenlaͤn⸗ 
den. Einige Städte hatten Brüche mit Wirtemberg, andere 
mit Baden, mit Ted, mit Ötingen, mit dem Bifchof von 
Vinzburg, mit dem Burggraven von Nurnberg. Sänmitliche 
Städte waren in Spannung mit dem pfalzbaierifhen Haufe, 
alſo auf mehreren Seiten zugleich. Die Fuͤrſten und Herren 


1) Müller Schweiz. Geſch. IT, 443-518 (der Orig. Ausgake). 
21* 


324 Buch IH. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 3. 


fchloffen überdies ein geheimed Buͤndniß unter fih, der Faym 
genannt, ähnlich den weftphälifchen Vehmgerichten, um bie 
Ihrigen vom Eintritt in ſtaͤdtiſches Bürgerrecht abzuhalten. 
In dieſer mislihen Stellung, bei der Ausfiht auf Krieg 
Aller gegen Alle, zogen die Städte friedliche Mittel vor, ob 
fie gleich zum Kriege gerüftet und von König Wenzlaw felbft 
bazu aufgefodert waren. Während fie zwiſchen Öfterreih und 
den Schweizern mittelten, famen fie auf einem Tag zu Mer: 
gentheim überein, im ihren eigenen Angelegenheiten 'vier 
„Thaidinger“ zu wählen, ‚welche mit den Fürften unterhan- 
deln folten. Das waren die Bürgermeifter von Regenöburg, 
Augsburg, Nürnberg, Ulm. Durch fie wurde eine Richtung 
geſchloſſen faft auf denfelben Zag, da der fchweizerifche Stil: 
fland zu Ende ging. Fuͤr alle und jede Brüche festen fie be 
fondere Austräge, und bie meiflen derfelben wurben hernach 
1386 zu Augdburg vertragen. Auf diefe Weife fahen fie den Krieg 
Rod. wo nicht vermieden, doch aufgefchoben. 
K. Wenzlaw hatte biefen Bewegungen zwei Jahre lang 
wie eö fehlen ganz unthätig zugefehen, in ber Stille aber die 
Städte wieder aufgemuntert die Zürften zu befchränten. 
Mit geheimer Freude fah er, wie ber fchweizerifhe Stier 
alfo troßig Über den habsburgiſchen Löwen gefommen. Auch 
in Rüdficht auf die Partei des Gegenpapfles Clemens VII. 
wear ihm ber Stäbtebund willfommen. Die Fuͤrſten aber ge: 
riethen in große Unzufriedenheit und fingen ſchon an auf 
eine neue Koͤnigswahl zu denken. Nun hielt Wenzlaw doch 
1387 für gut wieder auf einen Tag nad Nürnberg zu kommen 
und fich Öffentlich für die Städte zu erklären. Er bob bie 
ohnehin durch H. Leopolds Tod gefallene Verpfäntung auf 
und übertrug die Landvogteien keinem Fürftenhaufe mehr fon: 
bern geringeren Herren. Dann verfprach er den Stäbten mit 
feinem eigenen Mund, ihren Bund nicht mehr abzuthun fein 
19. März. Leben lang, und beflätigte alle ihre wohlhergebrachten Freihei⸗ 
"sem. Auf diefes ſchwuren 37 ſchwaͤbiſche und fränfifche Städte 
nebft Regendburg und Bafel, ihm als roͤmiſchem König beizu⸗ 
fiehen dieſſeit des Gebirgeö gegen Jeden, ber ihn von Beiche 
verbrängen wollte. 
} As Wenzlaw der Städte verfichert war, verſammelte er 


gandfriedens: Bündniffe uns Wenzlaw. 325 


zu Mergentheim Fürften und Staͤdte, um das zu Ende 
gehende heidelberger Buͤndniß zu erneuern. Vor feiner 
Ankunft zu Nürnberg hatte er den weftphälifchen Landfrieden 
wegen Klagen über Bedrüdungen det einzelnen Stände auf: 
gehoben. Nun war feine Abficht ohne Zweifel, den zu Nürns 
berg früher entworfenen allgemeinen Landfrieden zur nds 
bern Ausführung zu bringen. Die Städte waren aber fo 
wenig geneigt ald damals fich in bie vier Kreife der Fuͤrſten⸗ 
länder eintheilen oder unterfieden zu laſſen; bie rheiniſchen 
Städte wollten überhaupt keinen Theil nehmen, fondern bei 
ihrer zehnjährigen Einung bleiben. Doc, verftanden fich die 
ſchwaͤbiſchen, fränkifchen und baierifchen Städte dazu, gegen⸗ 
über von den vier Fuͤrſtenkreiſen fih auch in vier Kreife zu 
theilen, im Übrigen aber ihre befonderen Einungen vorzubes 
halten. Auf diefe Weife ſchloſſen fie mit den Fuͤrſten ein 1387 
neue Buͤndniß auf ein Jahr; fie nahmen dabei befonders 9. Nov. 
aus den Erzbifchof Pilegrin von Salzburg, mit dem fie in, 
Einung fanden, und die sheinifchen Städte. Im dritten Zür- - 
fienkreife ift Lothringen ausgelaffen, das wohl auch dem Ent- 
wurf nie beigetreten war. Alſo wurbe wieder Bein allgemei- 
ner Landfriede erreicht, und bie Fürften waren über dad Zu- 
ſammenhalten der Städte auf’3 neue unmillig. 

| Kaum verfloffen vierzehn Tage, fo. brachen die Herzoge. 
von Baiern den Frieden burch Niederwerfung des Erzbi⸗ 
ſchofs von Salzburg und durch Überfall ſtaͤdtiſcher Kaufleute. 
Schnell boten die Städte ihre Macht auf, ber römifche König, 
ſelbſt erließ eine Kriegserklärung an Baiern. Pfalzgrav Rus 
precht ſprach als Schiedörichterz dennoch entbrannte der Krieg 
wieder mit großer Erbitterung; die übrigen Fuͤrſten ſchlugen 
ebenfalls los; die Städte mahnten bie rheinifchen Städte und 
erhielten Zuzug von K. Wenzlaw. . Alfo war dad mergentheiz 
mer Bündniß wieder aufgelöft, und es beflanden nur noch die 
beſondern Einungen, zwifchen dieſen aber allgemeiner Krieg. 

Zur nämlichen Zeit fegten die Schweizer den Krieg ges 
gen Öflerreich fort, ungeachtet bie ſchwaͤbiſchen Städte zweis 
mal einen Stillſtand vermittelt hatten. Bei Naͤf els erlitten 1388 
bie oͤſterreichiſchen Schaaren zum zweiten Mal eine Niederlage 7. Aprül. 
faft mit eben fo großem Verluſt wie zwei Jahre zuvor zu 


326 Bud IH. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 3. 


Sempach. Hierdurch ermuthigt zogen die ſchwaͤbiſchen Städte 
mit ihrer Hauptmacht von Ulm herab gegen Wirtemberg, um 
einen gleihen Schlag auszuführen. Sie zählten 4000 Strei⸗ 
ter von verfchiedenen Waffen. Bei Döffingen unfern Beil 
1388 der Stadt trafen fie mit den Wirternbergifchen und ihren Ver⸗ 
24. Aug. himdeten zufammen. Es war ein heiſſer Tag. Im Anfange 
der Schlacht fiel Grav Ulrich von WBirtemberg, berfelbe ber 
vormals bei Reutlingen gefchlagen worden. Sein Vater, der 
alte Grav Eberhard, fprach zu den bewaffneten Schaaren: er 
ift wie ein anderer Mann; flehet tapfer, die Feinde fliehen. 
Sm entfcheidenden Augenblid Fam fein alter Feind, der Schleg⸗ 
lee Hauptmann, Wolf von Wimmenftein, obſchon ee ihn 
nicht gewollt, mit einer Ritterfchaae ihm au Hülfe, weil «8 ges 
gen die Städte galt. Diefe erlitten dann eine völlige Nieder 
lage unb büßten 1000 Todte und 600 Gefangene ein. Mac 
ber Schlacht erhielt Grav Eberhard Botichaft, daß feines En: 

kels Eberhards Gemahlin einen Sohn geboren. . 

Wenn bie Städte fiegten, fo möchte wohl in Schwaben 
fo wenig mehr ein Fürftenhaus gefunden werben ald in Del: 
vetin. Run aber fiel Schreden auf ihre zerfireuten Schaas 
ren. Die rheinifchen Städte wurden von Baben und Pfalz 

6. Rov. verfolgt, bei Worms gefchlagen und 60 Räuber in einen 
Kalkofen geworfen. Die fränfifchen Bifchöfe und der Burg: 
grad von Nürnberg eroberten drei Städte und befchäbigten 
Nürnberg. Auch die Frankfurter erlitten im folgenden Sabre 
eine harte Niederlage bei Kronberg. Zwifchen Augsburg und 
Baiern warb ber Krieg mit abwechfelndem Erfolg fortgefegt. 

Zwifchen Öfterreich und ben Schweizern vermittelten die 

1389 oberfhwäbifchen Städte einen fiebenjährigen Frieden, aber in 
ben Rheinlanden, in Schwaben, Baiern, Franken blieb der 
Fehdezuſtand. 

Mit dem Unglüd der Städte aͤnderte 8. Wenzlaw 
wieder feine Gefinnung. Die Verwirrung, wozu er das Seis 
nige beigetragen, war ihm fo entleidet, daß er ſchon damit 
umging das Reich aufzugeben, wenn er nur hoffen durfte, 
daß-die Krone einem feiner Brüber zu Theil werden winbe. 
Da er jedoch hiefür wenig Wahrfcheinlichkeit fah, fo entſchloß 

April. er fih Fuͤrſten und Städte zu fih nah Eger zu berufen, 


Landfriedens: Bändniffe unt. Wenzlam. 327 


um noch einmal einen Verfuch zu einem allgemeinen Land⸗ 
frieden zu machen. Herzog Friedrich von Baiern, einer der 
Hauptanfänger ded Kriegs, war ed, ber ihn wieder auf bie 
Seite der Fürften brachte. Diele lagen ihm an und flells 
ten vor, folange die beſondern Einungen, hauptſaͤchlich ber 
Städtebund, beſtuͤnden, folange gebe ed Feinen Frieden (für 
fie), folange könne Fein Landfriebensbund für das ganze Reich 
gefchlofjen werden. 

Afo entfchied die Mehrheit im Reichsrath, daß mit Auf: 
bebung aller befondem Buͤndniſſe ein allgemeiner Lands 
ftiede gefchlofien werben folle. Dem gemäß erließ Wenzlaw 1389 
ein Mandat an die Städte: „da fie wider feinen und feines 2. Mai. 
feligen Vaters Willen ſich verbunden, wiewohl fie ihn und das 
Reich dabei ausgenommen, fo erkenne er jest gänzlich, daß 
folhe Buͤndniſſe wider Gott und Recht und wider das heilige 
Reich feien, und gebiete ihnen alfo bei ihren Eiden und bei 
Berluft ihrer Freiheiten, alle folhe Buͤndniſſe abzuthun und 
ſich an ihn und das heilige Reich zu halten und demnach in 
den allgemeinen Landfrieden zu treten." 

Auf folche Weife fah fih K. Wenzlam in der Lage, fein 
feierlich gegebened Wort zum zweiten Dial zurlidzunehmen, 
weil er die Städte nur ald Gegenpartei gebraucht hatte. Die 
‚Klagen der ‚Städte wurden nicht gehört. Vielmehr ſetzte man 5. Mai. 
feft: welche Stabt dem allgemeinen Landfrieden nicht beitres 
ten und mit den Fürften ſich nicht richten würbe, gegen dieſe 
fol au das Fuͤrſtenbuͤndniß fortbeftehen; wenn aber bie 
Städte beitreten würden, fo folle dieſes auch aufgehoben wer: 
den. Zugleich befianden die Zürften auf Abthuung der Pfahl 
bürger. Run fahen die Städte nichts Anderes vor ſich als 
ſich zum Ziel zu legen. Nur fieben Geeftädte in Oberſchwa⸗ 
ben hielten zuräd'; fie waren wohl gefonnen zu den Schwei⸗ 
zern zu treten. 

So viele Reibungen hat es gekoftet, bis endlih, mit 
Sefeitigung aller Befonderheiten, die Stände der füdweftlichen 
Lande in einen gleichen Bund vereinigt wurden, als Stuͤtz⸗ 
punct der Neichöverfaffung. Der Landfriede wurde geſchwo⸗ 
ven zunächft auf ſechs Jahre, der Kreis umfaflte die Ober: 
theinlande, Schwaben, Baiern, Franken, Heffen, Thüringen 


— — 


38 Bud 1. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 3. 


und Meiffen. Zur Beilegung ber Irrungen wurben neun 
Männer gewählt, vier von ben. Fürften, eben fo viele von 
den Städten und ein Obmann pom römifchen König. Diele 


. brachten dam auch wirklich bie nähern Verträge zwifchen den 


Bürften und Städten, jedoch meift mit Entfchädigungdgelbern 
von Seiten der lebten, zu Stande, 
Nun faffte K. Wenzlaw wieder Muth, auf einem wei 


1390 tern Reichstage im folgenden Jahre auch die Übrigen Gegen: 
Septbr. fände der Verwirrung, befonderd im Gelbwefen, zu orbnen. 


— 


Die Operation war kurz und einfach. Füuͤr's erſte befahl 


Wenzlaw, daß im ganzen Reiche einerlei Münze geprägt wer: 


ben folle, 38 Pfenninge = 1 Loth Silber ninnbergifch Ges 
wicht. In Abficht der vielen Juden: oder Bucher: Schuls 
ben, über deren Bezahlung manche Fürften und Stände hät 
ten’ verarmen müflen, warb ber Knoten zerbauen. Die Ju⸗ 
den, ein zerfireutes Volk ohne Landbeſitz, vom Geldgewerbe 
lebend, wufite man in die auf Landeigenthbum und Leben 
gegründete Reichsverfaſſung nicht anders einzufchieben, als 
daß fie mit. Leib und Gut als Eigenthum der Faiferlichen 


"Kammer betrachtet wurden‘). Wenn nun der Fall eintrat, 


baß bie jüdifchen Foderungen die Zahlungsfaͤhigkeit uͤberſtie⸗ 
gen, fo hielt der Kaifer für Fein Unrecht, wie fchon Lubwig IV. 
und Karl IV., auch die Könige von Frankreich und England 
getban, alle Sudenfchulden mit einem Feberzug zu vernich 
ten, unter der Bedingung, daß die freigefprochenen Schuld» 
ner funfzehn vom Hundert zur Faiferlihen Kammer entrichtes 
ten. So war biefer und den Neichöfländen geholfen. Die 
Koften der bisherigen Kriege fielen auf bie Juden. „Mit 
wohlbedachtem Muthe und mit dem Rathe rechtskundiger 
Männer,” fagt 8. Wenzlaw in feinem Mandat, „haben wir 
bied befchloffen.” Das Jahr zuvor hatte er fich benfelben 
Schritt in Böhmen erlaubt ?). 


1) Spieß archiv. Nebenarbeiten I, 118 ff. 


2) Über das ganze Capitel f. Geſch. von Schwaben IV, 157 — 202, 
nach ben daſelbſt angeführten gebrudten und handſchriftlichen Quellen. 


8. Wenzlaw und ſeine Erblande. 329 


7. K. Wenzlaw verliert das Gleichgewicht in den erb⸗ 
laͤndiſchen und Haus⸗Angelegenheiten. 


Theilung der Erblande nah Karls IV. Verord⸗ 
nung. Guter Anfang unter Wenzlaw. Aufſtand 
der boͤhmiſchen Landherren und der Geiſtlichkeit 
wegen Zurückfoderung der verpfaͤndeten Kronguüͤ⸗ 
ter. K. Sigmund von Ungern verbindet ſich ge⸗ 
gen ſeinen Bruder Wenzlaw und ſetzt ihn 
gefangen. 


Wenn Karl IV. das teutfche Reich ale Mittel zur Empor 


bringung von Böhmen anfah, -für diefen Zweck aber immer 


aufs thätigfte eingeiff » fo zeigte Wenzlaw das Gegentheil: 
er begnuͤgte fich mit Böhmen und fah Zeutfchland faft nur als 
Rebenprovinz an, worin er Nichts zu thun wuffte als mit dem 
Gleichgewichte unter den Parteien ben Zitel des Oberhauptes 
au behaupten. Darüber ift er um fo mehr zu tabeln, als bie 
innere Ruhe von. Böhmen in ben erften Jahren feiner Regie 
rung ibm gar wohl erlaubt hätte fich ben Reichsgeſchaͤften zu 
wibmen. Verkehrterweiſe wollte er erfi darin mit Nachdruck han⸗ 
dein, als ihn die auch in Böhmen ausbrehende Gährung zu 
bindern anfing oder ihm fin feine beiden Kronen bang wurde, 

Nah Karls IV. Verordnung waren die Exblande auf - 
folgende Weife unter feine drei Söhne vertheilt: K Benz: 
law behielt Böhmen und Schlefien; Sigmund die Mark 
Brandenburg; Johann die Niederlaufig, Görlig 
und Schweidnig. Mähren befaßı ' die Vettern Jodo⸗ 
cus (Jobſt) und Procopius, Söhne von Karls IV. Bru⸗ 
der Johann Heinrich. Fünf Jahre nach Karld Tode fiel Durch 
feines juͤngſten Bruders Wenzlaw Einderlofes Abfterben das 
Herzogthum Luremburg an Böhmen zurüd; Brabant und 
Limburg aber blieben der Wittwe Johanna. Sigmund, durch 
feine Verlobung mit Maria, K. Ludwigs von Ungern und 
Polen einziger Exbin, zu deſſen Nachfolger befiimmt und im ' 
erftern Lande erzogen, mufite nach dem Tode deflelben zur Aufs 
ſtellung eines Heeres gegen verfchiebene Kronprätendenten und 
innere Parteien Gelb borgen und verpfänbete beöwegen feinen 


30 Bud. IE Erſter Feitnraum.“ Abſchnitt 3. 


tigten weſtphaͤliſchen Landfricdens) einen: allgemeinen Lund 
frieden fuͤr das ganze Reich zu begründen, de..ohnehin die 
oben gedachte Einung der drei: Stände zu Ende ging. Die 
Hauptbebingungen waren, daß die verbünbeten Fürften einan⸗ 
der und. dem: roͤmiſchen König gegen alle Feinde beiſtehen und 
ohne feine Erlaubniß Feine andern Bündniffe ringehen follten. 
Der Entwinf:theilte das Reich in vier Parteien: 1. Böhmen, 
Brandenburg; Sachen, Liusehurg ;. 2; die cheinifehen Kurrflirften- 
thümer nebft Hoffen und Buden; 3. Öfterreich, Batern, Wirten⸗ 
berg, Lothringen. ind bie obeslänbigpen Biſchoͤſez 4. die fräns 
kiſchen Viſchoͤfa, die Burggrarſchaft Niunberg und Pie weiſſner 
nund thininger Lande. Die oberfeutfchen Städtempben, wie bie 
uübrigen Staͤnde welche nicht auf-dem Reichätage, waren, zum 
Beitritt eingeladen. Da aber noch beſenders ‚geboten wurde, 
daß Fürften und Herren the Bündniffe mit den⸗ Staͤdten ab⸗ 
kinden, die beſtrelenden Stänke. aber der fe: nächftgglegenen 
Partei zugetheilt werben folter, fo ſahen die Städte in bem 
Entwurfe. nichtö . Anders als. Ztennung ihres zu Speier ges 

ſchloſſenen Bundes, der och ‚einige Jahre befiaben Sollte. 
Sie verweigerten alfe den ‚Beitritt, bis dieſe Zweifel ge⸗ 
1384 hoben waren. Nun änderte |. Wenziege im folgenden Jahre 
zu Heidetberg den Entwurf. babin, daß bie Stäbte nicht 
den Parteien der. Fuͤrſten zugetheilt, ſondern als, eine ſchon 
vereinigte. Paxtet dem nürnberger Landfrieden: beitreten ‚follten ; 
auch wurde ihnen geftattet, bie übrigen befonbern Einungen 
beizubehalten. Dagegen muſſten fie. yverſprechen im ber Zeit 
des Landfriedens feine Pfahlblirger .aufzunehngg. ; Das bieß 
dann eine „Freundliche Stellung" (Stillftand). ‚Auf diefe Weiſe 
26. Sul. ſchloſſen nim die verbuͤndeten ſchwaͤbiſchen, cheiniſchen, elſaͤſ⸗ 
ſiſchen und. wetterauiſchen Städte mit den au Niunberg per 
bundenen Sürflen und Herzen, eine befondere Vereinigung 

- auf vier Jahre, mit,Beibehaltung ihres Bunbes '). 

‚1383 Waͤhrend biefer. Verhandlungen wiederholte Wenzlam ben 
11. Aug. Befehl an hie: ſchwaͤbiſchen Städte, dem Herzog Leopold als 
ihrem inter m bulbigen, - «Sie koanten nun nicht mehr 


2 Bam α im z les dab 
p. 246 og. LEE — 





F 


Lanbfriedens-Buüͤndnifſe unt. Wenzlaw. 34 


umbin Folge zu leiften, da doch ihr Bund gefichert war; fie 1384 
vertrugen fich auch bald nach dem Tage zu Heidelberg mit Per 
dem Herzog uͤber ihre Foderung an die Gravſchaft Hohen: 
berg, welche berfelbe bei dem Ausſterben des Haufes an ſich 
brachte. Da jedoch bald wieder neue Spannungen und Streitigs 
feiten entflanden, fo beſchloſſen die Staͤdte auch bie ſchweize⸗ 
sifchen Eidgenoffen in ihr Bünbniß zu ziehen. Der Gedanke 
liegt fo nahe, daß man ſich wundern muß, daß ed nicht fhon 
früher geſchehen. Aber die Stifter der Eidgenoffenfchaft, die 
drei fchweizerifchen Landgemeinden, wollten feinen Krieg 
aufferhalb ihrer Gebirge. Dagegen waren bie fünf eidges 
nöffifchen Städte, Zurich, Bern, Solothurn, Zug, Lucern, 
nicht abgeneigt in ben großen Stäbtebund zu treten. Alſo 
machten 51 Frei: und Reich8 » Städte mit ihnen zu Goftanz 1385 
ein Bündniß auf neun Jahre, namentlih gegen Öfterreich, 21. Behr. 
und Famen babei überein (wie bie Hanfeaten) in Gtreitig- 
keiten mit diefem Haufe nirgend anders ald vor ihrem Bunde 
Recht zu nehmen. Diefen bedeutenden Schritt zur Unabhäns 
gigkeit that ber große Städtebund mit dem fchweizerifchen vers 
ſetzt. Der römifche König fragte night darnach, er blieb im 
Böhmen, 

Um fo mehr beeiferte fi) Herzog Leopold bad Bimbniß zu 
treimen und fand ben erſten Anlaß dazu in dem Widerſpruch ber 
drei fchweizerifchen Landgemeinden: inden er dieſe beguͤn⸗ 
fligte, ließ er Lucern, eine von ben fimf Städten, erſt feinen Uns 
willen fühlen, dann Ind ex fie zu einem Buͤndniſſe oder ewigen 
Frieden ein. Da er jedoch ſah, daß fie bei den alten Gefinnuns 
gen blieben, wiewohl fie der erſten Mahnung der ſchwaͤbiſchen 
Städte auch ‚nicht entfprochen hatten, fo änderte er ſchnell 
feinen Plan und bot den [hwäbifchen Städten Frieden. 
Diefe gingen darauf ein, ohne die Sache auf den Spruch des 
coſtanzer Bimdniſſes zu ſetzen, weil ſie bei dieſem wenig gu⸗ 
ten Willen gefunden. Voll Freude uͤber die Trennung fuhr 
der Herzog zu, trotzte den Schweizern und erregte noch groͤ⸗ 
ßern Trotz. Er wollte Krieg und er ſollte ihn haben. Mit 
Mühe vermittelten bie ſchwaͤbiſchen Städte einen kurzen Still⸗ 
ſtand. Die fchweizerifchen Eidgenofien, mit Ausnahme von 
Bern, fürchteten ben Krieg fo wenig, daß fie ihn lieber allein 

Hfifter Geſchichte d. Zeutfchen II. 24 u 


322 Bub IL Erfter Zeitraum, Abſchnitt 3, 


auf fi nehmen wollten, als daB fie gegen ben Willen der 
alten Drte den Städtebund zufolge des coflanzer Bimdniſſes 
gemahnt hätten. 

Nicht weniger Selbfivertrauen zeigte Herzog Leopold, 
der hohen Ritterfchaft Bier. Keiner der damaligen Zürften 
war ihm gleich zu achten. Durch die Überlegenheit feiner Waf: 
fen wollte er die Schweizer züchtigen für alle Schmach, bie 
fie feinem Haufe bisher zugefügt. Es war in biefer Zeit ein 
‚allgemeiner heftiger Haß zwifchen Abel und Gtädten, am 
meiften aber haſſte die Ritterſchaft die ſchweizeriſchen Land: 
leute, grobe Bauern genannt. Voll frohen Muthes folgte 
fie ‘feinem Panner, ald der Krieg erklärt war. Viertauſend der 
auserlefenften Ritter und eine Anzahl Fußvolks führte der 
Herzog in die Waldflätte und kam vor Sempach, das auf 
von ihm abgefallen war. Die Eidgenoffen, nur etwa 1500 
Mann ſtark, traten auf der Anhöhe aus dem Wald hervor. 
Als fie die Ritter anfichtig wurben, thaten fie das Schlacht: 
gebet und rannten den Berg herunter. Fürchterlicher Anprall. 
Die Ritter waren von den Pferden gefliegen, weil fie fir un 
reblich hielten mit ungleichen Waffen zu flreiten. Sie bieben 
die langen Schnäbel von den Schuhen und flellten fi in 
ein feftgefchloffenes Viereck mit vorgehaltenen Lanzen, bie noch 
vom viertert Glied hervorragten. Die Eidgenoffen, leicht be 
waffnet, meift ohne Hamifh, trugen Hallbarten, breite 
Schwerbter und Morgenſterne (zadige Keulen). Geſchoſſe 
‚wurden nicht gebraucht; ber Kampf war Mann gegen Mann. 
Lange müheten fi die Eidgenoffen in bie gepanzerten Rit- 
terfchaaren einzubrechen; manche erlagen unter ihren Spies 
fen. In diefer Stunde, die fiber das Schidfal der freim 
Zhäler entfcheiden follte, trat hervor Arnold von Winkelried, 
ein edler Ritter aus Unterwalden, ſprach: „Liebe Eidgenoſſen, 
gebentet meines Weibs und meiner frommen Kinder, ergriff 
mit feinen Armen foviel ber Ritterfpieffe als er faſſen konnte, 
und zog fie in feine Bruſt gedrückt mit ſich zur Erbe. Da 
gewannen bie Eidgenofien eine Gaffe, fie brachen in bie Reis 
ben ber Ritter durch einen neuen Harft verfidrkt und zerfchmet: 
terten mit ihren gewaltigen Streichen Helme und Harniſche. 
Es war ein ſchwuͤler Tag; bie Ritter ermatteten in ber ſchwe⸗ 


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1386 
9, Zul, 


Landfriedens: Bündniffe unt. Wenzlaw. 323 


ren Rüflung. Als Herzog Leopold das Banner von Öfter: 
reich ſinken fah, wollte er ben Tod fo vieler edlen Ritter nicht 
überleben, flürzte in bad Getuͤmmel und warb unerkannt von 
einem gemeinen Schweizerhirten erfchlagen. Seinen Leib deckte 
Martin Malterer von Freiburg mit feinem eigenen. 

Als der Herzog erfchlagen war, eilten bie. übrigen Rit⸗ 
ter zu ben Roſſen; aber dieſe waren mit der Hinterhut ents 
flohen. Alfo warb bie Niederlage allgemein. Unter etwa 
2000 Exfchlagenen zählte man 656 Graven und Ritter, dar⸗ 
unter 350 gefrönte Helme. Die Eidgenoſſen verloren. etwa 
200 Mann. An diefem Zage erlofchen viele alte Häufer, und 2 
der Glanz der fürfllichen Hoflager ging anf viele Jahre 
unter ?). 

As die Reichsſtaͤdte die That der Eibgenoflen vernabs 
men, waren fie nicht wenig uͤberraſcht, daß biefe, welche zum 
Theil ihren Bund nicht gewollt, zum Theil, da fie konnten, 
nicht einmal gemahnt, für, fih allein bie Macht Öfterreichs 
und des Abeld alfo gebrochen. Darüber waren fie erfreut, 
daß der gemeinfchaftliche Feind untergelegen; aber dieſe Freude 
warb bald wieder getrübt, da fie fahen, wie ſchon nach wes 
nigen Zagen unter dem jungen Bohn des Herzogs Leopold 
ein eigentliches Rachekrieg fich entſpann. Da fie fürchteten 
durch das coflanzer Buͤndniß am Ende auch in ben Krieg ges 
zogen zu werden, fo fuchten fie ernftlich zu vermitteln, erbiels 4386 
tm aber. auch wieber nur einen kurzen Stillſtand. Der Krieg 25. Zul. 
dauerte noch drei Jahre, auch Bern nahm Theil, doch wolls 
ten die eidgenöfflfchen Städte auch jetzt ben großen Staͤdtebund 
nicht mahnen. Diefer hatte für fich felbft zu thun. 

Gegen die Eidgenoffen fland nur Ein Feind, dad Haus 
Öfterreich; gegen ben &täbtebund aber fanden zehn flatt 
eined, vermöge ihrer zerfireuten Lage zwifchen den Herrenlaͤn⸗ 
den. Einige Städte hatten Brüche mit Wirtemberg, andere 
mit Baden, mit Ted, mit Ötingen, mit ben Bifchof von 
Vimzburg, mit dem Burggraven von Nürnberg, Sämmtliche 
Städte waren in Spannung mit dem pfalzbaierifchen Haufe, 

Mo auf mehreren Seiten zugleich. Die Fuͤrſten und Herten 


1) Mälter Schweiz. Geſch. IT, 43518 (der Orig. Ausgabe). 
21* 


324 Bub IL Erfier Zeitraum. Abſchnitt 3. 


fchloffen uͤberdies ein geheimes Buͤndniß unter fi, ber Faym 
genannt, aͤhnlich den weſtphaͤliſchen Vehmgerichten, um die 
Ihrigen vom Eintritt in ſtaͤdtiſches Bürgerrecht abzuhalten. 
Sn diefer mislihen Stellung, bei der Ausfiht auf Krieg 
Aller gegen Alle, zogen die Städte friedliche Mittel vor, ob 
fie gleich zum Kriege gerüftet unb von König Wenzlaw ſelbſt 
dazu aufgefodert waren. Während fie zwifchen Öfterreich und 
den Schweizern mittelten, kamen fie auf einem Tag zu Mer: 
gentheim überein, in ihren eigenen Angelegenheiten vier 
„Thaidinger“ zu wählen, ‚weldhe mit den Fürften unterhan 
dein follten. Das waren die Bürgermeifter von Regensburg, 
Augsburg, Nürnberg, Ulm. Durch fie wurde eine Richtung 
gefchlofien faft auf denfelben Zag, ba der fchweizerifche Stil: 
fland zu Ende ging. Kür alle und jede Brüche festen fie be 
fondere Audträge, und die meiflen berfelben wurden hernach 
1386 zu Augsburg vertragen. Auf biefe Weife fahen fie den Krieg 
Rod. wo nicht vermieden, doch aufgefchoben. 
K. Wenzlaw hatte diefen Bewegungen zwei Jahre lang 
wie ed ſchien ganz unthätig zugefehen, in der Stille aber die 
Städte wieber aufgemuntert bie Kürften zu befchränten. 
Mit geheimer Freude fah er, wie ber fchweizeriihe Stier 
alfo trogig über den habsburgifchen Löwen gelommen. Auch 
in Rüdficht auf die Partei des Gegenpapſtes Glemens VII. 
war ihm der Stäbtebund willlommen. Die Zürften aber ge 
riethben in große Unzufriedenheit ımd fingen fchon an auf 
eine neue Königewahl zu denken. Nun hielt Wenzlaw doch 
1387 für gut wieder auf einen Tag nach Nürnberg zu kommen 
und ſich Iffentlih für die Stäbte zu erfldren. Er bob bie 
ohnehin durch H. Leopold Tod gefallene Verpfäntung auf 
und übertrug die Landvogteien keinem Fürftenhaufe mehr fon: 
bern geringeren Herren. Dann verfprach er den Städten mit 
feinem eigenen Mund, ihren Bund nicht mehr abzuthun fein 
19. März. Leben lang, und beflätigte alle ihre wohlhergebrachten Freihei⸗ 
ten. Auf dieſed fchwuren 37 fchwäbifche und fränkifche Städte 
nebft Regensburg und Bafel, ihm als roͤmiſchem König beizu⸗ 
fiehen dieſſeit des Gebirges gegen Jeden, ber ihn von Reiche 
verbrängen wollte. | 
} Als Wenzlaw der Städte verfichert war, verfammelte er 


Randfriedens: Bündniffe uns. Wenzlam. 325 


zu Mergentheim Zürften und Staͤdte, um dad zu Ende 
gehende heidelberger Bünbniß zu emeuern. Bor feiner 
Ankunft zu Nürnberg hatte er den weſtphaͤliſchen Landfrieden 
wegen Klagen über Bedrückungen der einzelnen Stände auf: 
gehoben. Nun war feine Abficht ohne Zweifel, den zu Nuͤrn⸗ 
berg früher entworfenen allgemeinen Landfrieden zur nd» 
beren Ausführung zu bringen. Die Städte waren aber fo 
wenig geneigt ald damals fich in die vier Kreife der Fuͤrſten⸗ 
länder eintheilen oder unterfteden zu laflen; die rheinifchen 
Städte wollten überhaupt Feinen Theil nehmen, ſondern bei 
ihrer zehnjährigen Einung bleiben. Doch verftanden fich die 
fhwäbifchen, fränkifchen und baierifchen Städte dazu, gegen- 
über von den vier Fuͤrſtenkreiſen fi) auch in vier Kreife zu 
theilen, im Übrigen aber ihre befonderen Einungen vorzubes 
halten. Auf diefe Weife ſchloſſen fie mit den Fuͤrſten ein 1387 
neued Bündnig auf ein Jahr; fie nahmen dabei befonders 5. Nov. 
aus den Erzbifchof Pilegrin von Salzburg, mit dem file in 
Einung flanden, und die rheinifhen Städte. Im dritten Fuͤr⸗ 
fienkreife ift Lothringen auögelaffen, das wohl au dem Ent- 
wurf nie beigetreten war. Alſo wurbe wieber Fein allgemei- 
ner Landfriede erreicht, und die Fürften waren über dad Zu- 
ſammenhalten der Städte auf's neue unwillig. 

| Kaum verfloffen vierzehn Tage, fo. brachen die Herzoge. 
von Baiern den Frieden durch NRiederwerfung des Erzbi⸗ 
ſchofs von Salzburg und durch Überfall fläbtifcher Kaufleute. 
Schnell boten die Städte ihre Macht auf, der römifche König. 
ſelbſt erließ eine Kriegserfiärung an Baiern. Pfalzgrav Rus. 
precht fprach als Schiebsrichter; dennoch entbrannte ber Krieg 
wieber mit großer Exbitterung; bie übrigen Fuͤrſten fchlugen 
ebenfalls los; die Städte mahnten die rheinifchen Städte und 
erhielten Zuzug von K. Wenzlaw.. Alfo war dad mergenthei⸗ 
mer Bimdniß wieder aufgelöft, und es beflanden nur noch die 
befondern Einungen, zwifchen biefen aber allgemeiner Krieg. 

Zur nämlichen Zeit fegten die Schweizer den Krieg ges 
gen Oſterreich fort, ungeachtet die ſchwaͤbiſchen Staͤdte zwei⸗ 
mal einen Stillſtand vermittelt hatten. Bei Naͤfels erlitten 1388 
die Öfterreichifchen Schaaren zum zweiten Mal eine Niederlage 7. April. 
faſt mit eben fo großem Verluſt wie zwei Jahre zuvor zu 


n 


326 Bud IL Erſter Zeitraum. Abſchnitt 3. 


Sempach. Hierdurch ermuthigt zogen die ſchwaͤbiſchen Staͤdte 
mit ihrer Hauptmacht von Ulm herab gegen Wirtemberg, um 
einen gleihen Schlag auszuführen. Sie zählten 4000 Strei⸗ 
ter von verfchiebenen Waffen. Dei Döffingen unfern Beil 


1388 der Stadt trafen fie mit den Wirternbergifchen und ihren Ver 


2%. Aug. 


6. Nov. 


bünbeten zufammen. Es war ein heifler Tag. Im Anfange 
der Schlacht fiel Grav Uldih von Wirtemberg, derſelbe der 
vormals bei Reutlingen gefchlagen worden. Sein Vater, ber 
alte Grav Eberhard, forach zu den bewaffneten Schaaren: er 
ift wie ein anderer Dann; flebet tapfer, die Feinde fliehen. 
Im entfcheidenden Augenblid kam fein alter Feind, der Schlegs 
ler Hauptmann, Wolf von Wimmenftein, obſchon er ihn 
wicht gewollt, mit einer Ritterfchaar ihm zu Hülfe, weil «8 ge 
gen die Städte galt. Diefe erlitten dann eine völlige Nieder 
Jage und büßten 1000 Todte und 600 Gefangene ein. Nach 
ber Schlacht erhielt Stan Eberhard Botfchaft, daß feines En: 
kels Eberhards Gemahlin einen Sohn geboren. 

Wenn die Städte fiegten, fo möchte wohl in Schwaben 
fo wenig mehr ein Fuͤrſtenhaus gefunden werben als in Heb 
vetin. Nun aber fiel Schreden auf ihre zerfireuten Schaa⸗ 
ren. Die rheinifchen Städte wurden von Baben und Pfalz 
verfolgt, bei Worms gefchlagen und 60 Räuber in einen 
Kallofen geworfen. Die fränkifchen Bifchöfe und der Burg 
grav von Nümberg eroberten drei Städte und befchäbigten 
Nürnberg. Auch die Frankfurter erlitten im folgenden Jahre 
eine harte Niederlage bei Kronberg. Zwiſchen Augsburg und 
Baiern ward ber Krieg mit abwechſelndem Erfolg fortgeſetzt. 

Zwiſchen Öfterreich und dem Schweizern vermittelten die 


1389 oberfchwäbifchen Städte einen fiebenjährigen Frieden, aber in 


ben Rheinlanden, in Schwaben, Baiern, Franken blieb der 
Fehdezuſtand. 

Mit dem Unglüd der Städte änderte 8. Wenzlaw 
wieder feine Gefinnung. Die Verwirrung, wozu er das Se 
nige beigetragen, war ihm fo entleibet, daß er ſchon damit 
umging das Reich aufzugeben, wenn er nur hoffen durfte, 
daß-die Krone einem feiner Brüder zu Theil werden wilde. 
Da er jeboch hiefür wenig Wahrſcheinlichkeit fah, fo entſchloß 


April. er fih Fuͤrſten und Städte zu fih nad Eger zu berufen, 


Landfriedens: Bündniffe unt. Wenzlam, 327 


um noch einmal einen Verſuch zu einem allgemeinen Land⸗ 
feieben zu machen. Herzog Zriedrih von Baiern, einer der 
Hauptanfänger des Kriegs, war es, ber ihn wieber auf bie 
Seite der Fürften brachte. Diefe lagen ihm an und fell: 
ten vor, folange die befondern Einungen, hauptfächlich ber 
Städtebund, beflünden, folange gebe ed Feinen Frieden (für 
fie), folange koͤnne Fein Landfriedensbund für das ganze Reich 
geichloffen werden. 

Afo entfchieb die Mehrheit im Reichsrath, daß mit Auf- 
bebung aller befondern Bünbniffe ein allgemeiner Land» 
friede gefchloffen werben folle. Dem gemäß erließ Wenzlaw 1389 
ein Mandat an die Städte: „da fie wider feinen und feines 2. Mat. 
feligen Vaters Willen fich verbunden, wiewohl fie ihn und das 
Reich dabei ausgenommen, fo erkenne er jegt gänzlich, daß 
folhe Buͤndniſſe wider Gott und Recht und wider das heilige 
Reich feien, und gebiete ihnen alfo bei ihren Eiden und bei 
Verluſt ihrer Freiheiten, alle ſolche Buͤndniſſe abzuthun und 
fi an ihn und das heilige Reich zu halten und demnach in 
den allgemeinen Landfrieden zu treten.” 

Auf folche Weiſe fah fih K. Wenzlam in der Lage, fein 
feierlich gegebened Wort zum zweiten Dial zurüdzunehmen, 
weil er Die Städte nur ald Gegenpartei gebraucht hatte. Die 
‚Klagen der -Städte wurden nicht gehört. Vielmehr fehte man 5.Mai. 
feft: welche Stadt dem allgemeinen Landfrieden nicht beitre⸗ | 
ten und mit den Fürften fich. nicht richten würde, gegen biefe 
fol auch das Fuͤrſtenbuͤndniß fortbeflehen; wenn aber bie 
Städte beitzeten wuͤrden, fo folle dieſes auch aufgehoben wer- 
den. Zugleich beftanden die Fuͤrſten auf Abthuung der Pfahl 
bürger. Nun ſahen die Städte nichts Anderes vor fih als 
fi zum Biel zu legen. Nur fieben Seeſtaͤdte in Oberfchwa- 
ben hielten zuruck; fie waren wohl gefonnen zu den Schwei- 
jern zu treten. 

So viele Reibungen bat ed gekoftet, bis endlich, mit 
Sefeitigung aller Befonderheiten, die Stände der füdweftlichen 
Lande in einen gleichen Bund vereinigt wurben, als Stüßs 
punct der Reichöverfaffung. Der Landfriede wurde gefchwo- 
ven zunächft auf ſechs Jahre, der Kreis umfaflte die Ober: 
theinlande, Schwaben, Baiern, Franken, Hefien, Thüringen 


38 Bud IL Erſter Zeitraum. Abſchnitt 3. 


und Meiffen. Zur Beilegung ber Irrungen wınben nam 
Männer gewählt, vier von den: Fürften, eben fo viele von 
den Städten und ein Obmann vom roͤmiſchen König. Diefe 
. brachten dam auch wirklich die nähern Verträge zwifchen den 
Bürften und Städten, jeboch meift mit Entſchaͤdigungsgeldern 
von Seiten der lebten, zu Stande. 
Nun faffte K. Wenzlaw wieder Muth, auf ‚einem wei 
1390 tern Reichötage im folgenden Jahre auch die übrigen Gegen: 
Geptör. Hände der Verwirrung, befonders im Geldweſen, zu orbnen. 
Die Operation war kurz und einfach. Fuͤr's erſte befahl 
‚Wenzlaw, daß im ganzen Reiche einerlei Münze geprägt wer: 
ben folle, 38 Pfenninge — 1 Loth Silber ninnbergifch Ges 
wicht. In Abficht der vielen Ju den⸗ oder Bucher: Schul: 
den, über deren Bezahlung manche Fürften und Stände hät 
ten verarmen müflen, warb der Knoten zerhauen. Die Aus 
den, ein zerſtreutes Volk ohne Landbeſitz, vom Geldgewerbe 
lebend, wuflte man in die auf Landeigenthum und Lehen 
gegründete Reichsverfaſſung nicht anderd einzufchieben, als 
daß fie mit. Leib und Gut als Eigenthbum der Paiferlichen 
“ Kammer betradtet wurden‘). Wenn nun ber Fall eintrat, 
daß die juͤdiſchen Foderungen die Zahlungsfaͤhigkeit überſtie⸗ 
gen, fo hielt der Kaiſer für kein Unrecht, wie ſchon Ludwig IV. 
und Karl IV., auch die Koͤnige von Frankreich und England 
gethan, alle Judenſchulden mit einem Federzug zu vernich⸗ 
ten, unter der Bedingung, daß die freigeſprochenen Schuld⸗ 
ner funfzehn vom Hundert zur Faiferlichen Kammer entrichtes 
ten. So war diefer und den Reichöfländen geholfen. Die 
Koften der biöherigen Kriege fielen auf die Juden. „Mit 
wohlbedachtem Muthe und mit dem Rathe rechtskundiger 
Maͤnner,“ ſagt K. Wenzlaw in ſeinem Mandat, „haben wir 
dies beſchloſſen. Das Jahr zuvor hatte er fich denſelben 
Schritt in Böhmen erlaubt?). 


1) Spiep archiv. Rebenarbeiten L 118 ff. 


2) Über das ganze Gapitel |. Geſch. von Schwaben IV, 157 — 202. 
nach ben daſelbſt angeführten gebrudten und handſchriftlichen Quellen. 


K. Wenzlaw und feine Erblande. 329 


7. 8. Wenzlaw verliert das Gleichgewicht In den erb- 
laͤndiſchen und Haus⸗Angelegenheiten. 


Theilung der Erblande nah Karls IV. Verord⸗ 
nung. Guter Anfang unter Wenzlaw. Aufſtand 
der boͤhmiſchen Landherren und der Geiſtlichkeit 
wegen Zurückfoderung ber verpfändeten Krongü⸗ 
ter. 8. Sigmund von Ungern verbindet fi ges 
gen feinen Bruder Wenzlaw und fegt ihn 
gefangen. 


Wenn Karl IV. das teutfche Reich als Mittel zur Empor 
bringung von Böhmen anfah, fir Diefen Zweck aber immer 
auf's thaͤtigſte eingriff „ſo zeigte Wenzlaw das Gegentheil: 
er begnuͤgte ſich mit Boͤhmen und ſah Teutſchland faſt nur als 
Nebenprovinz an, worin er Nichts zu thun wuſſte als mit dem 
Gleichgewichte unter den Parteien den Titel des Oberhauptes 
iu behaupten. Darüber iſt er um fo mehr zu tadeln, als bie 
innere Rube von. Böhmen in den erſten Iahren feiner Regie⸗ 
rung ihm gar wohl erlaubt hätte ſich ben Reichsgeſchaͤften zu 
widmen. Verkehrterweiſe wollte ex erſt darin mit Nachdruck hans 
dein, ald ihn die auch in Böhmen audbrechende Gährung zu 
hindern anfing oder ihm für feine beiden Kronen bang wurde, 
Nach Karls IV, Verordnung waren die Erblande auf - 
folgende Weiſe unter feine drei Söhne vertheilt. K Wenz⸗ 
law behielt Böhmen und Schleſien; Sigmund bie Mark 
Brandenburg; Johann die Niederlaufig, Görlig 
uns Schweidnit. Mähren befaßı die Vetten Jodo⸗ 
cus (Sobfl) und Procopius, Söhne von Karl IV. Bru⸗ 
ber Johann Heinrich. Fünf Jahre nah Karld Tode fiel Durch 
feined juͤngſten Bruders Wenzlaw Tinderlofes Abfterben das 
Herzogthum Luremburg an Böhmen zuruͤck; Brabant und 
Eimburg aber blieben der Wittwe Johanna. Sigmund, durch 
feine Verlobung mit Maria, K. Ludwigs von Ungem und 
Polen einziger Erbin, zu befien Nachfolger beftimmt und im ' 
erſtern Lande erzogen, muffte nach dem Tode deffelben zur Auf: 
ſtellung eines Heeres gegen verſchiedene Kronpraͤtendenten und 
innere Parteien Geld borgen und verpfaͤndete deswegen ſeinen 


x 


330 Bub UL Erſter Zeitraum. Abſchnitt 3. 


Vettern von Mähren einen Theil von Brandenburg. Da 
Wenzlaw daruͤber unzufrieden war, muflte er ihm das übrige 
Kurfürftenthum überlaffen. Die Stände aber, weil fie nicht 
zwei Herren haben wollten, unterwarfen fi dem 8. Wenz⸗ 
low allein, der feinen jüngern Bruder Johann zum Statt- 
halter verorbnet.e So weit wurbe der Hauöfriede in ben 
erften fieben Jahren erhalten; eben fo lange auch die Rube 
in Böhmen. 

Wenzlaw hielt fo fireng auf den Landfrieden, daß man 
geraume Zeit von keinem Straßenraub hörte. Um dem Dan: 
1381 gel an Richtern abzuhelfen, verordnete er die Geſchwornen und 
Aiteflen der Städte zu befänbigen Lanbrichtem ihrer Bezirke. 
Er befuchte felbft die Brods und Fleiſch⸗Schrannen in Prag 
und beflxafte die Betrüger hart. Auch die nächtlichen Schaar= 
wachen begleitete er unerkannt und ließ aufgefangene unzüch- 
tige Weiböperfonen den andern Tag an ben Pranger ftellen, 
wenn ed auch Concubinen von Geiftlichen waren. So freige: 
big er felbft gegen bie Kirche war, fo gab er bod) das Geſetz, 
daß keine Verdufferung von Gütern an biefelbe gültig fein 
fole, weil fie bereits ein Drittbeil des Grundeigenthums bes 
faß. Zur Stiftung einer Kirche, worin dem Volk in der Lan: 
beöfprache gepredigt werben follte, gab ex gern die Bewillis 
gung; nah ibm auch der Papft. Wenzlaws Halbfchwefter 
Anna, welche dem 8. Richard von England vermählt wurde, 
befaß ſchon ein Evangelienbuch in böhmifcher Sprache. Ihre 
Begleiter brachten wahrfcheinlich ſchon damals. Wiclefs Schrif⸗ 
ten aus England nah Prag. Die Univerſitaͤt bluͤhte immer 
1392 mehr auf. Wenzlam befreite fie von ber gewöhnlichen Ge: 
41337 richtsbarkeit und übertrug diefe dem Rector; auch fliftete er 

ein neued Collegium. 
In dem Allen konnte Wenzlaws Regierung Wblich heifs 
fen. Aber bald nahmen feine Sitten und fein Verhalten eine 
- immer ſchlimmere Richtung. Einige meinen, nicht in Prag, 
wo man allerdings gewohnt war üppig zu leben, ſondern zu 
Aachen, wo .er eine Zeit lang ber NReichögefchäfte wegen ver: 
41380 weilte, fei der Anfang dazu gefchehen. Gewiß ift, daß. diefe 
Veränderung in die Zeit fällt, wo er drei feiner beften Raͤthe 
und feine tugendhafte Gemahlin Elifabeth verlor. Bene waren 


8. Wenzlaw und feine Erblande. 331 


ber Garbinal Johann von Wlaſchim, vormaliger Erzbiſchof von 
Prag, der Biſchof von Leutomifchel, Albrecht von Sternberg, und 
der Bifchof von Olmuͤtz, Johann von Neumark, Karls IV. 
Kanzler. Ienen erfehte Wenzlaw durch Iohann von Ienzen: 
flein, ber feine ganze Gunſt hatte, nicht ſowohl wegen feiner 
Gelehrfamfeit als weil er an Jagden, Zurnieren, Taͤnzen 
fröhlichen Antheil nahm. Die näheren Umflände von dem 
ſchnellen Zode feiner Gemahlin ließ Wenzlam nicht bekannt 
werden; es iſt fehr wahrfcheiniih, daß fie Nachts beim Aufs 
ſtehen aus dem Bette von einem feiner großen Hunde, die 
er immer, um fich hatte, angefallen und erwürgt wurde. 1386 
Wenzlaw bileb ſechs Jahre Wittwer und vermählte ſich dann 
wieder mit Sophia, Herzog Johanns von Baiern Zochter. 1392' 
Aus beiden Ehen aber hatte er fich Feiner Nachkommenſchaft 
zu erfreuen. Bei einem folchen wilben Leben verfiel Wenzlaw 
in dee Meinung ſtrenger Gerechtigkeit auf eigenmädhtige und 
graufame Handlungen. Er konnte Beinen Widerfpruch ertras 
gen und überließ fich feinem Idhzome. So entfland bei den 
Untertbanen Abneigung und Widerſetzlichkeit, in ben Gefchäf: 
ten aber Verwirrung. | 
In derſelben Zeit da die teutichen Städte gegen den 1385 

Herzog von Öfterreich und andere Landherren fi zum Kriege 
rüfleten, lieſſen Die Prager ihren Unwillen über Wenzlaws 
Regierung zum erſten Mal laut werben. Sie befchwerten fich 
unter anderm barüber, daß Wenzlaw immer mehr Teutſche 
bereingiehe und die wichtigften Amter ihnen anvertraue. Wenz⸗ 
law befolgte darin feined Vaters Plan, ber die beiden Natios 
nen näher mit einander befteunden wollte. Diele Teutfche liefs 
jen fih in Prag nieder; aber darin ging Wenzlaw zu weit, 
daß er ſelbſt den altſtaͤdter Magifirat faft ganz mit Zeutfchen 
befeßte, fowie er dagegen teutſche Reichövogteien an böhmifche 
Hessen übertmg. Als nächtliche Zuſammenkuͤnfte einen Aufs 
kauf befürchten liefien, kam er fehnell zuvor, ließ die Gaſt⸗ 
wirthe einziehen und zwei berfelben gleich am dritten Zage . 
Öffentlich enthaupten. Während Wenzlaw am egrifchen Lands 1389 

frieden arbeitete, erhob das Vol zu Prag einen fürchterlichen 
Aufftand gegen die Juden, weil einige berfelben bie heilige 
Hoflie verfpottet hatten; es wurben 3000 derſelben getöbtet 


332 Bub II Erſter Zeitraum Abſchnitt 3. 


and verbrannt, wenige gerettete Weiber und Kinder aber ge- 
tauft. Bei feiner Ruͤckkehr ließ ed Wenzlaw dabei, Daß bie 
Juden fi ſelbſt dad Unglüd zuzufchreiben hätten; ihr Selb 
aber, das auf die Rathhaͤnſer gebracht worden, z0g er ein in 
‚ ber Summe von fünf Tonnen Silbers. Mit diefer Bereiche 
zung, bie im folgenden Jahre durch allgemeine Aufhebung 
der Judenſchulden in Zeutfchland noch vermehrt wurde, war 
feiner Schatzkammer doch nicht lange geholfen, weil bie mei⸗ 
fien boͤhmiſchen Kronguͤter verpfändet waren. Die „Berne” 
ober Steuer von den Städten und Kloͤſtern betrug kaum 
8000 Schod Srofchen ober 160,000 fl. heutiges Geld. Wenn 
Karl IV. die Einziehung der Krongüter nicht durchfehen Eonnte, 
fo hatte die Aufgabe für Wenzlaw noch größere Schwierigfei- 
ten. Zuerſt berief er einen Landtag und ftellte den Pfandbe- 
figern vor, daß bie meiften wohl längft durch die Pfandſchaft 
fih bezahlt gemacht hätten. Die Herren und Ritter begehrten 
Auffhub, um ſich mit einander zu berathen. Er ſprach: „bes 
rathet euch mit der gefunden Vernunft”! Gleich darauf hielt 
er einen andern Landtag, um mit aller Stvenge zu Werk zu 
gehen. Er foberte die einzelnen Pfardbefiger vor in ein ſchwar⸗ 
zes Zelt; bie welche die Zuruͤckgabe verweigerten, ließ er in 
ein rothes Zelt führen und ohne weiteres koͤpfen. Die ans 
dern. welche bie blutige Procedur merkten, willigten dann in 
die Zuruͤckgabe. Aber dieſer Schritt zog dem Könige unaus- 
loͤſchlichen Haß von ben Lanbherren zu. Er kehrte fich nicht 
daran und ließ bald darauf zwei berfelben wegen Straßen: 
raubs gefangen nehmen und einen bavon hinrichten Run tras 
‚ten die Misvergnügten zu Koͤnigsgraͤt zufammen, während 
1391 Wenzlaw zu Nürnberg war; er eilte deshalb zuruͤck nach Prag 
und ließ wieber zwei. Ritter als Aufwiegler enthaupten. 

Hatte Wenzlaw fchon durch feine ſtrenge Polizei den Uns 
willen der niebern Geiſtlichkeit gereizt, fo zerfiel er jetzt auch 
mit dem Erzbiſchof Johann von Ienzenftein, der fich als boͤh⸗ 
mifchen Papfl anfah. Der Iuflige Geſellſchafter änderte auf 

einmal feinen Sinn. Als der Erzbiſchof Ludwig, der, wie wir 
oben gejehen, von Mainz nach Magdeburg verfekt worden, 
1382 auf einem Taͤnze bei ausgebrochenem euer den Hald brad), 
“ wurde Johann ein beftiget Eiferer, trieb Mönchsubungen und 


8. Wenzlaw und feine Erblande. 333 


wollte den König auch befehren. In Kirchenfachen ließ‘ er fich 
gar Nichts einreden. Doc das Hauptzerwürfniß entſtand 
über die verpfändeten Krongüter. Der Erzbifchof befaß allein 
fieben Städte und verfchiedene Schlöffer und Guͤte. Da er 
fi dem Könige entgegenfegte und zwifchen den beiberfeitigen - 
Beamten immer wieder neue Streitigkeiten vorfielen, fo ließ 
Benzlaw feinem Zorn ben Lauf. Er bedrohte den Erzbifchof 
mit Erfäufen und zog, da biefer auf fein feſtes Schloß Gais⸗ 
berg entfloh, das Domcapitel in fcharfe Unterfuhung. Den 
Domdechant fchlug er wegen feiner freimüthigen Antworten 
mit dem Degenktnopfe auf die Stime. Den erzbifchöflichen 
Official aber und den General⸗Vicar Johann Pomuk half er 
mit eigener Hand foltern und ließ Letztern wirklich erfäufen '). 1393 
Darüber gerieth nun auch das Volk in tiefen Ingrimm, denn 
Nepomuk war ein rechtfchaffener Mann und wirb ſeitdem 
ald Märtyrer und Heiliger verehrt. Wenzlaw zeigte zwar tiefe 
Reue wegen diefer Übereilung und war auch bereit mit bem 
Erzbiſchofe fi auszuſoͤhnen. Diefer fah ſich aber faum in 
Sreiheit, fo eilte er nach Rom, um bei dem Papſt Urban VI. 
feine Klagen anzubringen; er fand jedoch wenig Gehör, weil. 
der Papſt Wenzlaws Beifland gegen Clemens VII nicht ent: 
bebren konnte. 

Alſo war Wenzlaw ein anderer König in Böhmen als i im 
teutfchen Reich, wiewohl am Ende mit gleich üblem Erfolg 
an beiden Drten. In Zeutfchland fcheuete er fich tiefer eins 
zugreifen, fchlug fich bald zu biefer bald zu jener Partei und 
gerieth durch feine Gleichgültigkeit, durch Spott und Worts 
bruch in allgemeine Verachtung. Im. Erbreich glauhfe er da⸗ 
gegen allen Herrfcherlaunen freien Lauf laſſen zu dürfen und 
verbarb durch Graufamkeiten auch die gerechte Sache. Geift: 
lichkeit, Landherren und Volk waren in gleichem Grab aufgereizt. 

Nun Tam auch der Hauszwift hinzu. In dem ungeri- 
ſchen Kronflreit war K. Wenzlaw zum Schiedsrichter in Bes 
treff der mährifchen Schuld und zum Vormund der Königin 
Maria und ihrer Mutter Elifabeth gewählt worden. Nachher 1386 
verfäumte er feinem Bruder mit dem verfprochenen Kriegäheer 


1) Die gepoͤhnliche Todesſtrafe geiftlicher Perfonen. 








” 


34 Bud IL Erfter Zeitraum Abſchnitt 3. 


zu Hülfe zu kommen. Dies vergaß ihm Sigmund nicht. 
Als diefer fi in noch tiefere Schulden flürgen muffte, um 
endlich Ungern zu behaupten und feine Gemahlin zu befreien, 
fo verpfändete er auf's neue ganz Brandenburg an feinen 
Vetter, den Markgraven Jobſt. Die Brüder Wenzlaw und 
Johann gaben zwar die Einwilligung, Sigmund muſſte aber 
1388 jenem feinen Theil an Kuttenberg, diefem die Neumark ab- 
treten und dazu auf fein Erbrecht an Böhmen verzichten, auch 
‚ geftatten, daß Wenzlaw, ber Feine Erben hatte, biefed Reich 

an Johann vermachen dürfe. 

Über die letztere Bedingung warf Sigmund feinen Uns 
wilfen auf Johann und hielt fih an Wenzlaw, indem er ihm 
alle Hülfe und die Ihronfolge in Ungern verfprach, wenn er 
ihn zum Nachfolger in Böhmen einfegen würde. Johann ver: 
band fich dagegen mit dem Markgraven Wilhelm von Meiſ⸗ 
fen und verpfändete demfelben die in feinem Lande liegenden 

1397 boͤhmiſchen Schiöffer, auf den Kal daß er König in Böhmen 
3. Dec. würde. Weil aber Wenzlaw den Erwartungen Sigmunbs 
nicht entſprach, fo verband fich dieſer nun auch gegen ibn; 
18. Der. er traf eine geheime Übereinkunft mit Markgrav Jobſt und 
Herzog Albrecht von Öfterreich, welcher auch der Markgray Bil: 
beim beiftimmte, und trat in ein Verſtaͤndniß mit den misver: 
gnügten böhmifchen Landherren. Die Abficht war, Wenzlaw abzu⸗ 
feßen oder doch unfchäblich zu machen. Die Ausführung über: 
ließ er dem Markgraven Jobſt, der mit böhmifchen Rittern 
1394 den König auf der Reife überfiel und nach Prag gefangen 
8. Mai. ſetzte. Vor den Einwohnern wurbe jedoch die Lage des Koͤ⸗ 
nigs fo geheim gehalten, daß fie die von ihm ausgeftellten 
Urkunden für freiwillige Entfchlieffungen hielten. Als ndmlid) 
Wenzlam audgetobt hatte, verftand er fi dem Markgraven 
2. Jun. Jobſt nicht nur die Landvogtei Elfaß zu übertragen, ſondern 
ihn auch zum Staroſt oder Statthalter in Böhmen zu ernen: 
nen. Unter dieſer Bedingung follte Wenzlaw feine Freiheit 
erhalten; da aber fein Bruder, Herzog Iohann von Goͤrlitz, 
mit einem Kriegäheer zu feiner Befreiung heranzog, führten 
ihn bie Verſchwornen weiter, zulegt nach ſterreich auf das 
flahrenbergifche Schloß Wildberg !). 
1) Rah Pelzel Leben des K. Wenceflaus L Band. 


Das Reih unt. 8. Wenzlam, 1394—1398. 435 


8. Die Reichöverhältniffe bei Wenzlaws Unthaten in 
Böhmen bis zum frankfurter Landfrieden, von 
1394 — 1398. 


Der Reihöverwefer, Pfalzgrav Ruprecht, bringt 
auf Wenzlaws Befreiung. Zür die Errihtung bed 
Herzogthbums Mailand erhält Wenzlaw Geldhülfe: 
tritt feinem Bruder das ganze Reichsvicariat ab, 
der ibm noch dazu in Böhmen einen Reichsrath 
fest, aber auch nicht nah Teutſchland Tommt. 
Benzlaw ſchafft fih wieder freie Hände. Wegen 
langer Abwefenhbeit aus Teutſchland mit Abfez 
zung bedroht, thut er wieder Etwa in den drin 
gendftern Angelegenheiten. 


So wenig Wenzlaw in Teutſchland geachtet war, ſo fuͤhlte 1394 
man doch den nie vorgekommenen Schimpf, daß ein roͤmiſcher 

Koͤnig in ſeinem Erblande gefangen ſein ſollte. Auf Anſuchen 

ſeines Bruders, des Herzogs Johann, beſchloß der Reichſtag 
eine Geſandtſchaft an die boͤhmiſchen Landherren abzuordnen 

md einſtweilen ben Pfalzgraven Ruprecht ald Reichsverwe⸗ 18. Jul. 
ſer aufzuſtellen. Als dieſer mit einem Kriegszug drohte, ward 
Wenzlaw freigelaſſen gegen Verzicht auf alle Rache an denen, 

die ihn gefangen genommen hatten. Aber kaum war er wie⸗ 

der zu Prag angelangt, fo ließ er ben Buͤrgermeiſter und ei⸗ 10. Nov. 
nige vom Stabtrath, weil fie um bie Sache gewuſſt hätten, 
enthaupten ). Das Haus bed Erftern beflimmte ex zu einer 
Schule. Wenzlaw wollte durch dieſe Härte feine Gegner 
ſchrecken; aber ex bewirkte das Gegentheil, denn bie Landher: 
ven traten auf’3 neue mit Markgrav Jobſt und Herzog Albrecht 
in Verbindung. 

Wenzlaw fland mit Polen und Frankreich in Buͤnd⸗ 
niß, erhielt aber keinen thaͤtigen Beiſtand; dagegen fand er 
unerwartete Geldhuͤlfe in Italien. Johann Galeazzo Vi⸗ 
ſconti zu Mailand hatte den verhaſſten Bernabo, ſeinen 


e 


1) Ob diefe zu den Zeutfchen gehörten, bie er eingefeht, ober ob 
es Böhmen waren, wird nicht berichtet. 


336 Bud IL Erfier Zeitraum, Abſchnitt 3. 


Dheim und Mitregenten, nebft deſſen Söhnen, aus dem Wege 
gefchafft, fih zum Alleinheren des mailändifchen aus 25 Stät- 
ten beftebenden Staated erhoben, durch den Sturz ber Haͤupt⸗ 
linge della Scala und Carrara bie Städte Verona, Vicenza, 
dann Siena unterworfen, und alfo faft bie ganze Lombarbei 
in feine Gewalt gebracht. Ohne den Widerſtand der Floren- 
tiner und ihrer Verbündeten wuͤrde er wohl feine Herrfchaft 
über ganz Dberitalien ausgebreitet haben. Beide Parteien 
fuchten den K. Wenzlaw durch Geſandte fuͤr ſich zu gewin⸗ 
nen. Wiewohl man bisher in Italien noch weniger als in 
Teutſchland nach dem roͤmiſchen Koͤnig gefragt hatte, ſo war 
doch beiden Theilen darum zu thun ihren Unternehmungen 
wenigſtens den Titel der Rechtmaͤßigkeit durch ihn geben zu 
laſſen. Den Florentinern war Wenzlaw ſchon vorher abge⸗ 
neigt. Viſcontis Geſandter hingegen, der Biſchof Pietro Fi⸗ 
largo von Novara (nachheriger Papſt Alexander V.), gewann 
| mit 100,000 fl. feine Gunſt. Wenzlam verlieh dem Bilconti 
1395 ftatt des bisherigen Reichsvicariats die herzogliche Wuͤrde. 
11. Mai. Has Reich verlor dabei im Weſentlichen Nichts; bei ber Un: 
‚macht des Kaiſerthums konnte fich der mailändifche Staat 
wohl ganz Iosreiffen. Aber für dad Haus Viſconti und für 
die Verfaffung von Oberitalien war die Erhebung von großer 
Wichtigkeit. Wenzlaw mochte im Stillen froh fein, daß ne 
ben ber fchönen Geldſumme doch die Oberherrlichkeit des 
Reichs erkannt wurde. Er gab fogar bald darauf dem Her 
zogthum Mailand den Titel eines Herzogthums der 
1397 Lombardie !); wenn er aber in ber Urkunde fagt, Viſcontis 
30: März. Erhebung fei mit Rath ber Fürften und Stände bed Reichs 
gefcheben, fo ift das eine leere Kanzleiformel, denn er fragte 
die Finften nicht und biefe fahen Die Sache auch in einem 

ganz andern Lichte an ?). 


RE 


. 1) Annal. Mediol. in Muratori acrr. T. XVI. p. 772 2qq. Die 
urkunben in Leibnit. Cod, jur. gent. I. p. 257. Du Mont T. I. 
P.-I. p. 261. | 
8) Ihre nähern Gründe finden wir nirgenb angegeben; fie wieder⸗ 
holen immer, Mailand fei vom Reich veräuffert ober abgerifien worben. 
Das kann aber keinen andern Sinn haben als: aus einem unmittels, 


Das Reid, unt. K Wenzlaw, 139&—1398, 337 


Während nım Wenzlaw. hier einen mächtigen Freund ges 
wann, wurden die Unterhandlungen mit dem Markgraven 
3 obft fortgefet. Ex ließ ihn mit den böhmifchen Landherren 
unter ficherem Geleit nach Prag kommen und verſprach ihm 
neben ber elſaͤſſiſchen Landvogtei das Herzogthum Luxemburg. 1395 
Jobſt aber verlangte noch mehr, denn er hatte ebenfalls aus Mai. 
Schuldennoth Brandenburg wieder verpfändet, mit Widers 
fprud feined Bruders Procop. Nun vermittelte Herzog Io: 
bann, Wenzlaws Bruder, einen Vergleich zwiſchen Wenzlaw 80. Min, 
und den böhmifchen Landhersen, nach welchem jener neben ber 
Beflätigung ihrer Vorrechte auf Zuruͤckfoderung der Kronpfands 
Ichaften, worüber ber Auffland ausgebrochen war, verzichten 
muſſte. Soviel Wenzlaw darin ben koͤniglichen Rechten vers 
geben hatte, fo hielten fih doch die Aufrührer für ihre Per⸗ 
fon noch nicht gefichert, ſondern feßten ben Krieg fo. In . 
feiner Hülflofigkeit übertrug Wenzlam feinem Bruder Jo⸗ 
bann bie Statthalterfchaft von Böhmen und ließ ihn mit 10. Aug. 
den Aufrührern unterhanbeln, um bie bereitö gegebenen Vers 
fchreibungen zu enden und zu volführen. Da ex fich aber 
aufs neue hintergangen ſah, feste er Iohann und den pras 
ger Stadtratb, der ihn begünftigte, ab und ließ die Urheber 1396 
des Aufſtandes vor ihren Thuͤren enthaupten. Johann durfte 
Prag nicht verlafien und flarb bald Darauf, wie man glaubte, 1. Mai. 
an Sift. 

Da Wenzlaw mit diefen neuen Gewaltſchritten wieder 
Nichts gewann, fo warf er fih nun feinem Bruder Sig: 
mund in die Arme, ungeachtet diefer zu feiner Gefangennehs 
mung mitgewirkt hatte, Ex fchloß mit ihm die früher von dem⸗ 
felben vorgefhlagene Exbverbrüberung, nad) welcher im Übers 
lebungsfall er in Ungern, Sigmund in Böhmen folgen follte. 
Auf Verlangen der teutfchen Zürften übertrug er ihm, weiler 
feibft verhindert war nach Zeutfchland zu Fommen, das Reich s⸗ 


baren Neichsland ift ein mittelbares geworben. Die Einkünfte 
waren vorher ſchon verfchwunden. Daß Wenzlaw Gelb genommen 
ober tie neue Würde verkauft, das war ed wohl eigentlich was bie Yürs 
fien verbroß. Dagegen konnte man fagen, buch das Lehenband wurde 
das Herzogthum wieder enger mit dem Rei verknüpft. 
Pfiſter Geſchichte d. Teutſchen IL. 22 


0 


[ 


338 Bud IL Erſter Zeitraum. Abſchnitt 3. 


1396 Bicariat über den ganzen Umfang des roͤmiſchen Reichs!) 
19. März. auf Lebenszeit mit faſt unumfchränkter Gewalt. An bemfelben 


Zage brachte Sigmund die Ausföhnung mit Markgrav Jobfſt 
und ben verbündeten böhmifchen Landherren zu Stande, wo 
bei der vor einem Jahr von dem H. Iohann vermittelte Ber 
gleich zum Grund gelegt wurbe. Über die von Wenzlaw vor: 
behaltenen Puncte wurde ein Compromiß auf Sigmund und 


51. Maͤrz. Jobſt geftelt. Diefe thaten den Ausſpruch, daß ein boͤhmi⸗ 


fcher Reichs rath and der Geiftlichkeit und den Landherren 
beftehen folle, welchen Wenzlam nicht abſetzen Fönne und ohne 


deſſen Willen im Lande Nichts geänbert werben duͤrfe; Kei⸗ 


ner ber am Kriege Theil genommen folle geſtraft, unb bie 
eingezogenen Güter follen den Eigenthümern zuchdigegeben 
werben, Der Erzbifchof von ‚Vrag, Sohann von SIenzenflein, 
muffte jedoch abtreten, um einem Anbern ben erfien Platz im 


Neichörathe zu laſſen. 


So ſchien endlich die Ruhe in Böhmen hergeftellt durch 


gänzlihe Nachgiebigkeit Wenzlaws, ber num eigentlich unter 
der Vormundſchaft feines Bruders als Reichsvicars und bei 


böhmifen Reichsrathes fland. Indeſſen war bem teutfhen 
Reiche doch nicht geholfen; denn Sigmund, flatt der Berwab 


tung deſſelben ſich anzunehmen, ward nach Ungern gerufen, | 


um dem Vorbringen der Tinken zu begegnen; er verlor bie 


28. Sept. große Schlacht bei Nikopolis und gerieth nachher, wie Benz: 


10, Aug. 


law, in die Gefangenfchaft feiner midvergnügten Unterthanen. 
Wenzlaw aber fuchte einſtweilen nur Gelegenheit, des 


druͤckenden Vergleichs wieder 108° zu werben. Er gewann zuaft 
den Markgraven Wilhelm von Meiffen, dem er die Tochter 


feines verftorbenen Bruders Johann verlobte. Im Vertrauen 


“auf feinen Beiſtand fing er fogleih an die verpfänbeten Kron⸗ 


1) Es iR als ob die boͤhmiſche Kanzlei, wie Wenzlaw ſelbſt, gi 
digen Spaß mit bem Reich getrieben hätte, benn e8 werben zu demſel⸗ 


ben gezählt und untereinandergeworfen: Lombarbei, Italien, Zufcien, 


"Ancona, Romanbiola, Apulien, Piemont, Abruzzo, Galabrien, Ci 


lien, Briaul, Terriſin, das Delphinat, bie Provence, Brabant, Loth 


singen, Burgundien, Savoyen, Flandern, ganz Germanien und A 
mannien; auffer Böhmen auch Ungern, Dänemark, Schweden und Row | 


wegen. Pelze II, 322 5. 


— 


v 





Das Reich unt. K Wenzlaw, 1394-1398. 339 


guͤter zuruͤckzufodern und ließ den Markgraven Jobſt, der zum 1397 
Beſuch auf Karlſtein kam, als Verraͤther verhaften. Doch ge⸗ 
reute ihn dieſer Gewaltſchritt bald wieder; er gab dem Mark⸗ 
graven feine Freiheit; dieſer aber begehrte zur Genugthuung 
die Niederlauſitz und ſetzte dem Koͤnig ſo lang mit gewaffne⸗ 
ter Hand zu, bis er ſie ihm auſſer den ſchon geſchehenen Ab⸗ 
tretungen fin immer überließ, und noch dazu Goͤrlitz und 
Bautzen auf fünf Jahre. Zwei Tage darauf ſchloß Wenzlaw 4. Febr. 
fogar ein Vertheibigungsbündniß mit ihm und übertrug ihm 
die Marl Brandenburg, die er bisher pfandweiſe befefferi, mit 
der kurfuͤrſtlichen Winde als Erbland zu Lehen.' Diefes Opfer 
brachte Wenzlaw, um ben Marfgraven von der Sache ber 
böhmifchen Landherren zu trennen und füch des Iäfligen Reichs» 
raths zu entledigen. Da vier defelben befehulbigt: wırden 
Benzlam von Zeutfchland zurückgehalten zu haben, um ihn 
aus dem Wege fchaffen zu Finnen, fo ließ er fie durch den 
Herzog von Troppan in Unterfuchung ziehen ober vielmehr ben 2. Zun. = 
Proceß mit ihrer Ermorbung anfangen, wobei dann 'einer vor - 
feinem Tode bie Verſchwoͤrung noch befannte. Auch ergab 
fih, daß prager Bürger im Cinverfiändniffe waren, welche 
bei dem Markgraven Jobſt Schug fanden. Nun hielt fich 
Wenzlaw berechtigt den mit bemfelben errichteten Vergleich 
wieder aufzuheben und feßte deſſen Bruder Procop an feiner 
Stelle zum Statthalter in Böhmen, Laufig und Goͤrlitz. 

Sechs Jahre blieb Wenzlaw über biefen Unruhen aus 
Zeutſchland abwefend. Das Einzige wad er that war Ber 
lingerung bes egerfchen Landfriedens ?). Allein das war nicht 1395 
hinreichend; in ben unmittelbaren Reichslanden befpnderd ers 
hoben fich immer wieber neue Spannungen, welche Wenzlaws 
Landvogt, der Böhme Worfiboy von Swinar, nur mit Mäbe 
beichwichtigte. Die Stände waren in den meiften. Fällen auf 
die Selbſthuͤlfe verwieſen. Als Grav Eberhard von Wirtent- 
berg, genannt ber Greiner, in hohem Alter flarb, gerieth feiw 
Enkel, Eberhard ber Milde, in Spannung mit den Sees 
ſtaͤdten, dann mit den Scleglern. Bei jenen vermittelte 
der Herzog von Öftereih, der jegt mit ben Schweizern im 


1) Lünig R. %,, Part. spec, Cont, IV. P. II. Nr. 5. 
. A 22* 


340 Bud II. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 3, 


Frieden war. Gegen biefe ſchloß Eberhard ein Buͤndniß mit 

13 Reichöftädten und zog gegen fie zu Felde, um feine Leute 

1396 und Hinterfaflen, welche fie bereits in ihren Bund aufge: 

Sept. nommen hatten, wieber unter feine Landesherrſchaft zurüd- 

zubringen. | | 

Die teutfhen Fürften luden ben 8. Wenzlaw wiederholt 

ein felbft in's Neich zu fommen, weil Sigmund bie Reichs⸗ 

verweferei nicht antreten Tonnte. Der Erzbifchof von Mainz, 

Johann von Naffau, bereits im geheimen Verſtaͤndniß mit 

1397 dem Pfalzgraven Ruprecht, fehrieb einen Tag nach Frankfurt 

April. aus. Da Wenzlaw nicht Fam, fo trug er bei den Kurfürften 

auf eine Änderung an, über die man jedoch noch nicht einig 

werden konnte. Indeffen that Wenzlaw doch wieder einige 

Schritte, um wenigſtens die dringenbften Klagen zu beben. 

Gr gebot, daß das Bündniß der Schlegler als geſetzwidrig ab 

fein ſolle. Dieſe leifteten jedoch erſt Folge, als fie durch Ber: 

einigung ber Fürften dazu gezwungen wurden. Allein jetzt 

nahm fie Wenzlaw ſelbſt indgeheim in feinen Dienſt, um fie, 

wie vorher die Städte, ben Fuͤrſten entgegenzuftellen. End⸗ 

U nach fieben Jahren, da ex mit feinen erbländifchen Geg⸗ 

1398 nem fertig war, ließ er fich wieder in Frankfurt fehen, um 

auf dem Reichstage das Nöthige zur Beruhigung des Reichs 

anzusehnen. Darin Famen alle Stände überein, daß vor allen 

Dingen der Landfriede wieder gefchworen werden müfle. Sie 

blieben aber bei dem alten Zehderecht: wer vor dem Richter 

fein Recht findet, darf fich felbft Hülfe fchaffen, nur fol er 

drei Tage und brei Nächte zuvor feine Ehre bewahren, d. h. 

reblich wiberfagen; es folle aber in jevem Land, Herrens oder 

StädtesSebiet, ein Richter gewählt werben, ber von des römis 

fehen Könige und des Reichs wegen Jedem unverzüglich zu fei: 

nem Recht behülflich fei. Dieſer frankfurter Landfriede 

6. Zan. wurde auf zehn Jahre gefchworen und zunaͤchſt ven den rhei⸗ 
nischen Kurfuͤrſten und Ständen unterfchrieben !). 

‚ Hierdurch glaubte Wenzlam ſowohl für das Weich als 

für die Sicherheit feiner Krone hinreichend geforgt zu baben, 

“ohne ſich auf Die Befchwerben ber Zürflen weiter einlaffen zu 


1) Geſchichte von Schwaben IV. 208-219. 


Das Reich unter zwei Dberhäuptern. 341 


dürfen... Er wollte fich jetzt ungefäumt' dem Kirchenfrieden 
widmen, und das wurde unverfehend fein Sturz ‘). 


9. Fürften- und Städte» Bünbniffe, während bad Neid) 
wie die "Kirche unter zwei Oberhäupter zerfällt und 
Frankreich die Kirchenangelegenheiten leitet. 


Die Univerfitäten dringen auf ein allgemeines 
Concilium. Benzlaw tritt dem franzöfifhen Hof, 
bei; wirb durd den Erzbifhof Johann von Mainz 
abgelegt. Wahl und Capitulation Ruprechts von 
ber Pfalz Wenzlaws Partei. Ruprechts unglüds 
licher Römerzug Wenzlaw foll auch nah Ita= 
lien; feine zweite Sefangenfhaft und Entfesung 
von ber böhmifhen Regierung durch feinen Brus 
der Sigmund. Der römifhe Papft entſcheidet für 
Rupredht. Wenzlaw Fommt in Böhmen wieder 
auf. Marbacher Bund gegen Rupreht burd ben 
mainzer Erzbifhhof. Fürften und Städte behaup⸗ 
ten das Recht freier Bündniffe Den Appenzels 
lern wird es abgefprodhen. Der marbadher Bunb 
gegen Öfterreich. Zuwachs der ſchweizeriſchen Eid⸗ 
genoffenfhaft. Legte Ausbildung der Hanfe Um 
ruhen in Lübeck. Bedrängniß bed teutfhen Or⸗ 
dens, nahbem dad chriſtlich gewordene Lithauen 
mit Polen vereinigt if. Schlacht bei Tannenberg. 
Die Hanſe und der Orden appelliren, jene an 
den römifhen König, diefer an die Kirchen: 
verfammlung. 


Fuͤrſten und Stände des Reichs hätten wohl mehr Urfache 
gehabt Wenzlaw abzufegen als vormald Adolf von Naſſau; 
ed war ihnen aber auf der andern Seite auch wieder recht, 
daß Wenzlaw unthätig in Böhmen blieb; nur wenn die Vers 
wirrung zu arg wurbe, follte er auf einmal Alles wieder gut 


1) Die nähern Belege zum Ganzen f. bei Pelze kebensgeſch. bes 
K. Wenceflaus Bd. II. 


32 Bub IL Erſter Zeitraum. Abfhnitt 3. 


machen. Es muſſte erſt ein beſonderer Grund binzulommen, 

bis zur Abſetzung geſchritten wurde. Dieſer lag in den per⸗ 

ſoͤnlichen Verhaͤltniſſen des Erzbiſchofs Joh ann von Mainz 

aus dem naſſauiſchen Hauſe. 

124389 Bon den zwei Päpften ſtarb zuerſt ber roͤmiſche, Urban VI. 

15. Oct. Da die Garbindle, um die Vereinigung mit dem franzöfifchen 

1390 Papſt zu hintertreiben, einen Neapolitaner, Bonifacius IX, 

wählten, fo blieb das teutfche Reich wie bisher auf der Seite 

des vömifchen Papfles. Ungeachtet Wenzlam eben jetzt das 

18. Sept. Buͤndniß mit bem K. Karl VL von Frankreich emeuerte, fo 

m fertigte ex doch gleich zwei Abgeorbnete an ben neuen Papft 

21.Nov. nach Rom ab und fchrieb ihm, daß er ihn gegen feine Feinde 

fhüsen, bald nah Italien kommen und ſich zum Kaifer kroͤ⸗ 

nen laſſen wolle Weil es an Gelb fehlte, bewilligte ihm Bo⸗ 

nifacius den Zehenten von allen geifllichen Gütern in Teutſch⸗ 

land und Böhmen, befahl aber feinen Rentmeiftern die Hälfte 

des Geldes erft beim Eintritt in Italien, die andere bei fei- 

ner Rüdkreife auszubezahlen. Das war zur Zeit des nürnber 

‚ ges Reichötags, da Wenzlaw nod Etwas in Teutſchland galt. 

Da aber die nachgefolgten Unruhen in Böhmen an Feine Un- 

ternehmung biefes Art denken lieffen, fo nahm der Papſt bie 

gefammelten Gelder zu feinen Handen '). Bon eben biefem 

Papfte wurde nahher Johann von Naffau, gegen Wenz⸗ 

laws Willen, aber unter bem Schuhe bed Rheinpfalzgraven 

Ruprechtö, auf bem Wege der Provifion, zum Erzbifchof 

1397 yon Mainz erhoben und die Wahl des Domkcapiteld ver 
24 Tan. worfen 2), 

1394 Als indeſſen der franzöftiche Papft Clemens VIL aud 

16. Gept. ſtarb, wählten die Garbindie zu Avignon zwar wieber einen 

eigenen Papft, Peter von Luna aus Arragonien, der den Na: 

men Benedict XIII. amahm, lieffen fich aber von ihm das 

Berfpreihen geben, daß er das Möglichfte fuͤr die Herftellung 

ber Kircheneinheit thun wolle. Da jedoch ber hinterliftige 


1) Pelzel 0.0 O. I, 234 fi. 


2) Guden. T. II. Nr. 389 sgq. Joannis scrr. T. I. p. 708 
aqq. Wenzlaw nöthigte ihn auch den Domberren, die fich wiberfegt 
hatten, ihre Pfründen wiederzugeben. 


— 


Das Reich unter zwei Überhäuptern. 343 


Mann das Welen ein Paar Jahre trieb, ohne es zum Siele 
gelangen zu laflen, fo befchloß 8. Kari VI. ernſtlich einzugrei: 
fen: er trat mit den andern Mächten in nähere Verbindung 
und Heß von ber Univerfität zu Paris ein Gutachten ſtellen. 
Ein Zeutfder, Heinrich von Heften, genannt Langen⸗ 
fein, hatte fchon mehrere Jahre zuvor in einer eigenen (1381) 
Schrift darauf hingebeutet, daß die Vereinigung und Refors 
mation der Kirche nur in einem allgemeinen Concilium zu 
ſuchen ſei ). Nun gaben bie parifer Doctoren unter ihrem - 
angefehnen Kanzler Gerſon den Ausſpruch, baß fich jeder 
Papft einem allgemeinen Eoncilium unterwerfen muͤſſe. 
Die Univerfität Oxford trug ebenfalls darauf an, daß man 1398 
ein folches erzwingen müffe, und bie beiden Gelehrtenvereine 
erkannten, daß bie Sache nicht ohne den römifchen König aus» 
geführt werben koͤnne. Die prager Univerfität gab Beifall, 
und Wenzlaw kam alfo nad) fieben Jahren, wie wir fchon 
gefehen, wieder in das Reich. Kaum war der frankfurter 
Landfriebe gefchloffen, fo machte er Anſtalt mit dem König 
von Frankreich zu Rheims zufammenzufommen. Über diefen 
Entfihluß war der Erzbifchof Johann nicht wenig betroffen: 
denn wenn nun, wie vorauszufehn war, bie beiden Päpfte 
zum Niederlegen gezwungen werben follten, fo muflte er be: 
forgen, aud fein Erzbisthum, bad er von Bonifacius IX. 
erfauft hatte, zu verlieren. Er ließ alfo durch feinen Freund, 
den Pfalzgraven Ruprecht, dem er ſchon vor feiner Erbe: 
bung auf den mainzer Stuhl geheime Verfprechungen gege: 
ben *), den vömifchen König ernfllich abmahnen. In diefem ' 
Schreiben wird die Beforgniß umgekehrt: ex flellt dem König 
vor, daß Er feine Krone aufs Spiel fege, wenn Bonifacius 
abdanken mäffte, von dem er die Beflätigung erhalten; über: 
haupt fucht er ihn gegen Frankreich als alten Reichöfeind mis⸗ 
trauifch zu machen und räth ihm, breift genug, ben Branzofen 
zu fagen: „wenn er auch manchmal als Kind gehandelt habe, 


1) Plant Geſch. d. Papſtthums II, 85%. 

2) 23. Det. 1396. „ihm zu allen Ehren und Würden, darnach er 
ſtellen wollte, mit allen feinen Freunden beiftändig und behülfli zu 
fein.” Guden. Le. 

& 


1398 
8. März 


24. Jun. 


3 Bud II Erfter Zeitraum. Abſchnitt 3. 


fo wolle er fich. vpn nun an ald Dann zeigen". Wirklich fehien 
Wenzlaͤw dies zuerft gegen bie Kutfürften. thun zu wollen: 
denn er ließ fich nicht abhalten nach Rheims zu gehn, wo ber 
gemeinfchaftlihe Beſchluß gefafft wurde, die beiden Päpfte 
zur Abdication zu nöthigen und einen alleinigen rechtmäßigen 
Papſt wählen zu laſſen. 

Mährend Wenzlaw in Frankreich war, erlaubten fich bie 
drei rheinischen Kurfürften den erſt befchwomen frankfurter 
Landfrieben mit ben darin begriffenen Ständen von zehn Jah⸗ 
zen auf fünf herabzufegen. Eine wahre Ungefeblichleit, von 
ber man fonft kein Beifpiel findet. Sie waren breift genug, 
nach Wenzlams Ruͤckkehr ſich die Beſtaͤtigung von ihm geben 
zu laffen. Dabei kam es denn allerdings zu einem lebhaften 
Wortwechfel über die bisherige Reichsverwaltung. Wenzlaw 
kehrte fich aber nicht weiter daran, fondern ging, nachdem er 
dad Bündniß mit Frankreich zu gegenfeitigem Schuß noch eins 


. mal beftätigt hatte, wieder nach Böhmen. 


1399 


2 Jun. 


Sort. 





Sobald aber die Befchlüffe von Rheims bekannt wurben, 
trat Erzbifchof Johann mit dem Papſte Bonifarius in nähere 
Verbindung, in ber Abficht, lieber den römischen König abzu- 
fegen als fich abfegen zu lafien. Der Papfi gab zwar ben 
Furfürftlichen Gefandten sffentlich noch Feine Beflimmte Zufage, 
Doch erkannte er nachher ihre Schritte als unter feiner Autos 
rität gefchehen an *). Indeſſen fchloß der Erzbifhof mit den 
Kurfürften von Coͤln, Pfalz und Sachen zu Marburg einen 
ähnlichen Verein, wie der Kurverein zu Ludwigs IV. Zeit, 
nur mit dem Unterfchied, daß fie die Kirche und den Stuhl 
zu Rom voranfegten, zu deſſen Erhaltung fie, wie für bie 
Rechte des Reichs und der Kurfürfien, treulich zufammenbalten 
wollten. Als Wenzlaw vernahm, daß es doc Ernſt werden 
folte, that er endlich die Schritte, die er laͤngſt hätte thun 
follen. Zweimal fchrieb er aus, er wolle einen Reichätag hal 
ten, um alle Befchwerben zu heben: Aber die Kurfürften liel- 
fen fich nicht mehr zurüchalten. Sie erneuerten und verſtaͤrk⸗ 
ten vielmehr ihren Verein: zu Mainz trat der Erzbifchof von 
Trier bei, ihm folgten andere Fuͤrſten, und nun fagten fie of 


1) Raynald. ad a, 1408: Nr. 4 


L 
& 


. Das Reid) unter zwei Oberhaͤuptetn. 3465 


fen, die Abficht fei einen andern roͤmiſchen König zu waͤhlen 
und zu-fegen. Wenzlaws Gefanbte wurben mit allerlei Auss 
flüchten abgewiefen, nur bei den Städten fanden fie noch Ges 
hir. Die Fürften kamen wieder zu Mainz zufammen, und 
Erzbiſchof Johann ließ ihnen einftweilen die Freude bie Fürs 
fienhäufer zu bezeichnen, aus welchen gewählt werben follte. 
Auf einer andern Verfammlung zu Frankfurt fand zwar uns 1400 
vermuthet eine Gegenpartei auf, welche Johanns Verabredung 9. Jun. 
mit Ruprecht zu vereiteln drohte. Kurfürft Rudolf von Sachs 
fen wollte feinen Schwager, ben Eugen und tapfern Herzog 
Friedrich von Braunfchweig , vorfchlagen. Der ſchlaue Erzbis 
[hof wuſſte fid aber bald zu helfen. Er ließ die beiben Fürs 
fin, als fie unzufrieden zurüdgingen, unterwegs durch mainz: 
ziſche Dienftleute überfallen, angeblich wegen einer Foderung 
des Graven Heinrich von Waldeck; fie follten gefangen ges 
nommen werben, H. Friedrich aber hatte das Ungläüd im Ges 
fechte zu fallen. Run reinigte fich zwar ber Erzbifchof durch 
einen Eid, konnte aber doch den allgemeinen. Verdacht nicht 
widerlegen und wurbe deshalb von ben Brüdern des erſchla⸗ 
genen Herzogs einige Jahre befriegt. | 
Den andern Zag nad der Abreife des Kurfinften von 4. Sun. 
Sachſen wurde ſchon ein Tag nach Oberlahnftein gefeßt, auf 11. Aug. 
welchen Wenzlaw fich verantworten folte In det Ladung 
wird zum erſten Mal bed Anrufens der Nation erwähnt. 
Ber aufjer den Fürften darunter verflanden fein follte, wird 
nicht gefagt; denn bie Städte, welchen das Vorhaben bes 
kannt gemacht wurde, verwahrten fich auf einer Verfammlung 
zu Mainz, baß man bisher nicht offen in der Sache mit ihnen 
gehandelt, fie auch nicht verfichert, waß fie von einem neuen 
Könige zu erwarten hätten. Sie befchloffen deswegen ben 
Gehorfam, den fie dem römifchen König Wenzlaw gefchworen, 
zu halten ). 
Auf den beflimmten Zag kamen die vier xheinifchen Kurs 
fürften nebft andern Fürften und Herren und den Abgeorbnes 
‚ten ber rheinifchen Städte zu Oberlahnſtein zufammen. 
Die Kurfürften von Sachſen und Brandenburg kamen nicht. 


1) Acta deposit. Wenc. p. 29 sqq. 





46 Buch IH. Erfter Zeitraum, Abſchnitt 3. 


Dos Heid, war alfo in der That ſchon geheilt. Die drei 
Erzbifhöfe nahmen zuerft vor, was ihnen die Hauptfache war. 
Pfalzggrao Ruprecht, den fie fchon zum römifchen König be 
flimmt hatten, mufite voraus verfprechen, auffer ihren Rhein: 
zoͤllen keine andern ohne ihre Bewilligung anzulegen. Zum 
Schein wurde in der Capitulation vorausgefchidt, baß er auch 
die vom Reich entäufierten Lande, namentlich Mailand und 
Brabant, jedoch auf deren eigene Koften, zuruͤckbringen folle. 
1400 Dann faßen fie mit einander zu Gericht über ben römifchen 
20. Aug. König Wenzlaw, und ber Erzbiſchof Johann that in ihrem 
Namen vor einer großen Menge Volks den Ausfpruch: „weil 
ber römifche König Wenzlaw 1) ald Schirmvogt ber Kirche 
nie zum Frieden geholfen; 2) da8 Reich gefchmälert, nament⸗ 
lich den Viſconti als bed Reichs Diener für Geld zum Hes 
zog erhoben; 3) fonft in Zeutfchland und Italien viele Städte 
und Länder, welde dem Weich beimgefallen waren, wieder 
vergeben; 4) unbefchriebene Pergamente unter feinem Siegel 
ausgegeben, auf welche die Inhaber nach Belieben Privilegien 
fegen konnten; 5) den Unruhen und Fehden im Reich nicht 
begegnet; 6) viele perfönliche Graufamleiten begangen, auch 
7) auf ihre Ermahnungen und Ladungen nicht geachtet, ſo 
feien die Kurfüchten übereingelommen, ihn als einen unnuͤtzen, 
verfäumlichen, unachtbaren Entglieberer und unwürbigen Hand: 
baber des heiligen Reichs abzufegen”. 

Gewiß war Wenzlaw ein arger Verfäumer bed Reichs 
und feiner eigenen Würde dazu; aber feine Hauptvergehen 
wurden von den Fürften getheilt, und die andern find nur zur 
Vermehrung der Anklage hinzugefügt. Die Graufamteiten 

. hatte Wenzlaw nicht im Reich fondern in ben Erblanden be 
gangen, wo er bereits gebüßt hatte. Blanquets waren fchon 
von Karl IV. ausgeftellt worben, ohne daß dagegen geklagt 
worden wäre. Lubwig IV. hatte den Caſtruccio auch zum 
Herzog von Lucca erhoben ohne Widerfpruch der Fürften. Die 
Verwirrung im Reich war ein unverantwortlicher Zuſtand; aber 
Wenzlaw Tonnte nicht Alles allein thun, folange noch bie 
Stände felbft ihre Rechnung bei der Verwirrung fanden. Bei 
der Verſchleuderung der Reichögliter vergaßen die Kurfürften, 
daß das Meifte in ihre Hände gekommen; endlich verſchwie⸗ 


a 


Das Reich unter zwei DObechäuptern. 7 


gen fie kluͤglich Wenzlaws letzten Schritt zu Herflellung des 
Kirchenfriedens, denn das war ja die Urfache warum fie ihn 
abſetzten. 
Alſo hat der Erzbiſchof Johann, der auch bie Abſez⸗ 
zungsurkunde allein unterfchrieben, die Schuld auf fi, aus 
perfönlihem Eigennug nicht nur die Kirchenvereinigung vers 
zögert, fondern auch im Reich eine eben fo misliche Spal⸗ 
tung erregt zu haben. 

Den Tag nah Wenzlaws Abfegung wählten bie drei 1400 
theinifchen Exzbifchöfe den Pfalggraven Ruprecht, der feine 21. Aug. 
Stimme an Mainz übertragen hatte, zum römifchen König. 

In der That war es bloß eine Parteimahl; auffer ben abwes 
fenden Kurfürften von Sacfen und Brandenburg flanden 
Öfterreich, Braunfchweig, Lüneburg, Brabant und die Reiche: 
ſtaͤdte noch bei 8. Wenzlaw. Frankreich, Ungern, Polen, 
Dänemark, Schweden und Norwegen erlannten ihn als roͤmi⸗ 
fhen König. Bonifacius IX. felbft, unter deffen Erhaltung 
Erzbiſchof Johann feine eigene fuchte, wagte noch nicht fih 
Öffentlich auözufprechen; mochte ex immerhin ben rheinifchen 
Kurfürften geheime Zuficherungen gegeben haben; er hatte auch 
ben 8. Wenzlam, wenigftens zum Schein, gewarnt und ihn 
zur fchleunigen Kaiferfrönung eingeladen. Solange bie an- 
ben Könige für ihn waren, muflte er beforgen ihre Obebienz 
zu verlieren, wenn er fich für Ruprecht erklärte; er beichloß 
alfo abzuwarten, welcher von Beiden fi) behaupten wuͤrde. 

Wenzlaws Sache war demnach noch gar nicht verloren, 
wenn er nur mit feinem Bruber Sigmund über befien Anfos 
derungen fich hätte verfländigen ober überhaupt mehr Thaͤtig⸗ 
keit zeigen wplieh. Aber diefelbe Kraftlofigkeit bie ihn fo weit 
gebracht, half auch feinen Untergang vollenden. Er dankte 
zwar den Städten für ihre Treue und ermahnte fie zur Stand 
haftigfeitz mehrere ber angefehnern wollten ſich dem neuen 
Könige nicht fügen. Aachen verweigerte ihm durchaus ben 
Eingang zur Krönung, daher er folche in Coͤln vollziehen ließ. 1401 
Da jedoch Wenzlaw feinen Worten Eeinen Nachbrud gab, fo 6. San. 
erfalteten Die meiften wie die Kürften. Sie fragten Rechtds 
gelehrte um Rath; diefe gaben ben Ausfpruch: „Ruprecht fet 
vehtmäßig gewählt, doch follten fie ihm nicht eher huldigen, 





348 Bud IL Erſter Zeitraum. Abſchnitt 3. 


bis ihre Freiheiten von ihm beftätigt fein wuͤrden; follte Wenz⸗ 
law Etwas an fie verlangen, fo wäre er als tobt zu betrach⸗ 
ten. Dies befolgten die oberteutfchen Städte; ihre Haupt: 
forge war, daß fie in den unter dem luremburgiichen Haufe 
erhaltenen Freiheiten bleiben möchten; Ruprecht fäumte nun 


10. Aug Mit ihnen dieſes zuzufagen, und fo gewann er fie auf die 


felbe Weiſe wie die rheinifchen Kurfürften 7). 


Nach der Abficht von Ruprechts Wahl ſollte er fih nicht 
lange mit den teutfchen Angelegenheiten aufhalten, fondem 
alöbald nach Italien aufbrechen, um theild mit dem Papfle 
ſich zu verfländigen theild den Viſconti zu flürzen. Kür das 
Lebtere wurde er hauptfächlich von den Zlorentinern aufgefos 


dert und er benußte fofort ihre Einladung, um die zum Roͤ⸗ 
merzug nöthigen Gelder zu erhalten 2). Aber der Papft, dem 
ee nach der Abficht des mainzer Erzbifhofs ganz erwünfct 
kommen foltte, machte noch allerlei Bedenklichkeiten: er wollte 
erft Gewißheit haben, was er fich von Ruprecht verfpredhen 
dürfe, und legte ihm die Bebingungen feiner Beflätigung 
vor, namentlich baß er fich mit Frankreich nicht einlaffen folle ?). 
Mai, Indeffen wurde auf dem Reichstag zu Nürnberg der Römer 
zug befchloffen und mit den andern Mächten, die ihn hindern 
oder fördern konnten, auch mit Frankreich unterhandelt. Jetzt 
wollte fi) Wenzlaw ermannen: er verwarf den zu München 
23. Iun. entworfenen Vergleich, wegen ber harten Bedingungen, und 
rüftete fich zu einem gewaffneten Zuge nach Zeutfchland; aber 
eben fo bald überwarf er fich wieder mit feinem Bruder, mit 
feinen Vettern und mit ben böhmifchen Landherren. Ruprecht 
fäumte nicht die Letztern auf feine Seite zu bringen und ließ 
feinen Sohn mit einem Kriegöheer zu ihnen floßen, das bis 
vor Prag kam und die Stadt ſechs Wochen lang beremnte. 
Der Erzbifchof trat auch über. Wenzlam wuſſte nun feine 
andere Rettung ald daß er eine allgemeine Amneftie in Böh: 
men verkünden ließ und wieder einen Reichörath unter Sig⸗ 
munds Leitung einfebte. Nun wurde zwar das Land im In: 


1) Geſchichte von Schwaben IV, 226. 
2) Martene Thes. Anecd. T. 1. p. 1662 sgg. 
3) Raynald. ad a. 1401. Nr. 1-5. 


Das Reich unter zwei Dberhäuptern. 349 


nern beruhigt, in feinem Umfang aber von Freunden und 
Seinden berupft. Der Markgrav Jobſt erhielt die Niederlau⸗ 
fig nebft einem Jahrgeld; die Meifiner eroberten die in ihrem 
Lande gelegenen böhmifchen, Städte; was Karl IV. in der 
Dberpfalz an fi) gebracht hatte, Fam wieder an Pfalzbaiern, 
Obgleich. Wenzlam den Zitel nicht aufgab, ſo war er doch 
jest auffer Stand gefegt während Ruprecht Römerzug Et⸗ 
was im Reich zu unternehmen. Indeſſen wurbe Öfterreich 
von Ruprecht gewonnen, dad den Eingang nach Stalien bins 
dem konnte. Died gefchah durch Geld, das die Florentiner 
eben jeßt bewilligten. Der junge Herzog Leopold verſprach 
fogar die Heereöfolge mit 1000 Lanzen zu leiften. Nachdem 
Ruprecht feinen Sohn zum Reichsverweſer beftelt und alle .. 
Fehden bei Strafe der Acht unterfagt hatte, brach er von! 3. Sept. 
Augsburg auf und nahm feinen Weg durch Zirol, An den 
Herzog von Mailand ließ er eine Kriegserklaͤrung vorandges _ 
hen. Er führte 5000 Lanzen, eine Anzahl Bogenfhüsen unb 25. Sept. 
Sußgänger. Aber die Italiener hatten indeß große Fortſchritte 
im Kriegsweſen gemacht. Der erfahrene mailändifche Feld⸗ 
hauptmann, Grav Aiberico de Barbiano, empfing bie teutz 
fhen Schaaren fhon im Brefcianifchen mit folhem Nachdruck, 
daß H. Leopold gefangen und beinahe das ganze Heer aufges 21. Oct. 
vieben wurde. Jener erhielt feine Befreiung unter, ber Bedin⸗ 
sung der Heimkehr. Ruprecht felbfi wäre dazu geneigt ges 
wefen, wenn ihm nicht die Florentiner zugefprochen bitten 
noch einen Verſuch zu machen und auf einem Umwege fich 
nad Padua zu wenden. Allein er gerieth bald auch in folche 
Geldnoth, daß er fein Silbergefchirr verfegen muſſte. Da nun Rev. 
die Florentiner Nichts mehr bezahlten und ber Papſt noch ims 
mer Schwierigkeiten machte, fo ging er im Frühling des fol⸗ 
genden Jahres wieder nach Zeutichland, ohne bad Mindeſte ci 
erreicht zu haben '). 
Rupretht war noch nicht aus Italien zuruͤck, fo ließ fi chs 
Wenzlaw einfallen, er wolle den rechten Roͤmerzug unter⸗ 
nehmen. Sein Bruder Sigmund, ber eben erft ber Gefanz 


1) — Pistor. ad a. 1401 {a Murator. sar. T. xvr. 
Martene Coll.; ampl. T. IV. p. 80. 5 


— — 


7 


300 Buch II Erfter Zeitraum. Abſchnitt 3. 


1401 genfchaft in Ungern entlaflen war, ſprach ihm Muth ein, 
Dec.” weil Bonifacius IX. fich noch nicht für Ruprecht erklaͤrt hätte. 
Zuvor aber follten die Familien: und Landes⸗Zwiſtigkeiten 

1402 beigelegt werden. Wenzlaw befriebigte bie Foberungen der 
beiden Bettern von Mähren, Sigmund aber ließ fich die Statt- 

4, Gebr. halterfchaft von Böhmen abtreten. Dann wurde ein Landtag 
18, Sehr. gehalten, um alle inneren Befchwerben zu heben. Mit den 
Herzogen von Öfterreih waren ſchon Unterhanblungen über 
freien Durchzug eingeleitet. Da trat Ruprecht dazwifchen und 
gewann bie beiden mährifhen Markgraven, auch die Herzoge 

von Öfterreih. Mit Sigmund aber zerfiel Wenzlaw felbft 
wieber in fo hohem Grad, daß dies nun erft der Weg zu feb 

nem gänzliden Sturz wurbe: denn nun trat Sigmund für 

fich felbft auf. Er brachte den Markgraven Procop in Haft 

29. April. und ließ auch Wenzlaw wieder gefangen ſetzen, weil er feinem 
Wankelmuthe nicht traute. Er übergab ihn nach einiger Zeit 

den Herzogen von Öfterreich und erneuerte mit diefen bie frü⸗ 

bern Haudverträge oder die Erbverbrüberung. Wie hatten fih 

die Ausfichten feit Karı IV. verändert! Diefer zählte auf bal⸗ 

diges Auöfterben des öfterreichifchen Haufes, jest war bie 

Heihe am Iuremburgifchen. Wenzlaw hatte gar Teinen Erben, 
Sigmund keinen Sohn. Auch Markgrav Jobſt wurde wegen 

feiner Neigung zu Ruprecht von der Erbfolge ausgeſchloſſen, 

und bie brandenburgifche Neumark an den Zeutfchorden in 
Preuflen verpfändet. Da Böhmen auf's neue von Ruprechts 
Anhängen bedroht war, fo wurde der verhaftete Wenzlaw 
gezwungen Leib, Ehre, Gut, Land und Leute unbedingt den 
Herzogen von .Öfterreich zu übergeben und ihnen und Gig- 
20.Rov. mund die Öffnung aller feiner Schlöffer einzuräumen. Gigs 
mund kam nun mit 12,000 Ungern, brandfchagte das ganze 

- Land und nahm alles Krongut, ben koͤniglichen Schag und 
den ganzen Vorrath ber Futtenberger Werke zu feinen Hanbden. 

Durch diefes unglüdliche Berwürfniß wurde gerade Rus 

prechts Anerkennung beförbert. Da Bonifacius IX. ſah, daß 

er dad Iusemburgifche Haus nicht mehr zu fürchten habe, auf 

ber andern Seite aber beforgen muſſte, Ruprecht möchte fih 

4405 endlich mit Frankreich vereinigen, fo erließ er dann bie Beſtaͤ⸗ 
1. Oct. tigungsbulle, vergaß aber dabei die alten Anmaßungen nicht. 


Das Reich unter zwei Oberhaͤuptern. 351 


Ohne zu fragen, aus welchen Urſachen Wenzlaw ſchon von den 
Kurfuͤrſten abgeſetzt ſei, ſprach er aus apoſtoliſcher Gewalt 
feine Abſetzung aus, jedoch bloß aus dem Grund, weil er der 
vielen Auffoderungen ungeachtet Italien und die Kirche ver⸗ 
ſaͤumt habe. Dann genehmigte er Ruprechts Wahl, ergaͤnzte 
alle etwaige Mängel (wie bei Albrecht I.) und befahl den Ges 
treuen des Reichs ihm zu gehorchen). Der Eid ben er 
von Ruprecht foberte, iſt nicht genau befannt, wahrfcheinlic) 
wiederholte er die Bedingungen vor dem Nömerzuge, daß 
Ruprecht ben Kirchenflaat erhalten, Beine Anfpräche auf Sici⸗ 
lien machen und ſich bemühen wolle den franzoſiſchen Papſt 
von der Trennung zuruͤckzubringen. 

In der That war ed dem Papft nur darum zu thun Ruprecht 
wieder in Italien zu haben, weil die Umſtaͤnde ſich indeſſen 
ſehr zu age Sunften geändert hatten. Der mächtige Gas 
leazzo, der nad Ruprechts Abzug dem Kirchenftant noch ges 
waltig zugeſetzt hatte, war unvermuthet weggeflorben und feine 14:03 
Herfchaft unter feine minderjährigen Söhne getheilt. Den 3. Sept. 
tapfern Alberico hatte der Papfk in feinen Dienft genommen, 
fi) mit den Florentinern verbunden und fland auf dem Weg 
die ihm entriffenen Städte wieder einzunehmen. Zu ben Ko⸗ 
fin ded neuen Römerzuges wies er wie zuvor dem K. Wenz⸗ 
law die Zehnten von allen geiftlichen Einkünften in Teutſch⸗ 
Ind an. Die Bifchöfe aber erinnerten fich, wohin bie damals 
eingezogenen Gelder gefloffen waren, und thaten Widerrede. 
Darüber unterblieb benn dieſer Mömerzug ganz. Doch ers 
reichte der Papft fo viel, daß ihm durch einen Separatfrie 
den mit den Bormündern der Vifconti die abgenommenen 25. Aug. 
Städte zurüdgegeben wurben 2). 

Mit Wenzlam kam Ruprecht auch nicht weiter, vielmehr 
nahm deſſen Schickſal wieder eine ganz unvermuthete Wen- 
a Kaum hatte Ruprecht die päpftliche Beftätigung erhal 

‚ fo entlam Wenzlaw aus feinem Gefängnig zu Wien 9. Nov. 
= bemächtigte fich Leicht der Regierung von Böhmen wieder; 


1) Senkenberg Select. jur. etc. T. IV. p. 424. 


2) Sozomen. Pistor, l, c. Magn, Chron. Belg. - - Raynald, 
ad a. 1409, 


352 Buch UI. Erfter Zeitraum, Abſchnitt 3. 


denn Sigmmmdb war nach Ungern gerufen, bad ber Papft durch 
den König von Neapel hatte angreifen laffen, um ihn von der 
Unterflüßung des Römerzugs abzuhalten. Ruprecht ließ nun 
zuerfi durch ‚den Herzog Albrecht von Öfterreich mit Wenzlaw 


. 1404 unterhandeln, und als diefer farb, nahm er felbft die Unter: 
14. Sept. andlung auf; allein Wenzlam war durchaus nicht zu bewe: 


4. Nov. 


= 


gen ihn für den rechtmäßigen römifchen König anzuerkennen. 
In dieſem einzigen Stud bewies Wenzlaw Feſtigkeit, und es 
ſchien, durch bie bisherigen Beugungen fei guch wieder mehr 
Selbftgefühl in ihm erwacht: denn er foberte zuerfl ben Ki 
nig von Ungern, feinen Bruder, vor feinen Richterfluhl, um 
fi) wegen der begangenen Zreulofigkeit zu verantworten. Als 
Sigmund ein Kriegsheer ſchickte, ſchloß er ein Buͤndniß mit 
bem 8. Ladiſlaus von Poleg und eröffnete mit Mähren und 
Öfterreich Unterhandlungen zum Nachtheil Sigmunds, wie die 
fer vorher, gegen ihn gethan. Er gefland den Herzogen von 
Öfterreich nach dem, Exlöfchen des Iuremburgifchen Haufes, 
mit Ausſchluß Sigmunds, die Thronſolge in Böhmen zu; 
darauf, warb er von ihnen wie von den Markgraven Jobſt 
und Procop aufs neue als römifcher König erkannt. 

Die Wenzlaws Sache flieg, fo ging ed auf ber andern 
Seite mit Ruprecht zurüd. Dad was er eigentlich thun 
follte, hatte er nicht erreicht. Durch den fchmählichen Ruͤckzug 
aus Italien verlor er ale Achtung; man hatte erwartet, er 
werde noch Geld mitbringen, er kam mit leerer Tafche. De: 
gegen that er nun, was er nach der Meinung der Fürften 
nicht thun folte. Er fing an auf firenge Ordnung zu halten 
und verfehonte dabei auch feinen Schöpfer, den Erzbiſchof Io: 


41405 bann, nicht, indem er die Raubfchlöffer feiner Vafallen brechen 


ließ '). Wenzlaw war angeklagt, daß er mit Gnabenbriefen 
zu freigebig gewefen. Nun verlangten die Fürflen welche 


ſolche hatten, Ruprecht folle fie anerkennen; daß er dieſes 
nicht that, war wieder nicht recht, Hatte man Wenzlaws 


Nachläffigkeit gefchmäht, fo gefiel der firengere Nachfolger auch 

nicht.“ Da man jeboch nicht fchon wieder zu einer neuen 

Wahl fehreiten durfte, weil dann gar zwei abgeſetzte Könige 
3) Wenker l.c, p. 283, 


Das Reich unter zwei Dberhänptern - 353 


dageweſen wären, To erfah der Erzbiſchof ein Gegenmittel in 
dem Einungswefen. Gr wählte hierzu das Bünbniß, 
welches Grav Eberhard von Wirtemberg ſchon vor Wenzlaws 
Wahl mit den ſchwaͤbiſchen Städten gefchloffen hatte. Der kriege⸗ 
riſche Markgrav Bernharb von Baden, gegen welchen Ruprecht 
diefes Bünbuiß aufgeboten hatte, trat bemfelben nun auch bei, 
und fo machten bie drei Fuͤrſten mit ſiebzehn ſchwaͤbiſchen 
Städten und der Stadt Straßburg ein Buͤndniß zu Mars 1405 
bad, einer wirtembergifchen Landſtadt, zwar in der gemöhns 14. Sept. 
lichen Form und mit gefeßlicher Ausnahme des vömifchen Koͤ⸗ 
nigs unb bed Reichs, boch alfo, daß, wenn er ober wer ſonſt 
fie von ihren Rechten und Freiheiten drängen wide, fie eins 
ander barum unverzügliche Hülfe leiſten wollten. Sie waren 
freimuͤthig genug dem K. Ruprecht bied Bänbniß zur Beſtaͤ⸗ 
tigung vorzulegen. Obgleich diefer die wahre Abſicht deſſelben 
licht erkannte, fo wagte er doch nicht es abzutünben, wie 
feine Vorgänger oft gethan hatten, ſondern bot Unterhandlun⸗ 
gm an. Die Yürften entgegneten, fie hätten den Bunb _ 
einzig zu ihrer Sicherheit gemacht, und weigerten fi auf 
einem Reichötag zu erfcheinen. Nun bat Ruprecht, fie möchs 
ten den Bund abthun; er wolle den Landfrieden felbft beftels 
Im unb „ein gemein Recht, das lange verdruckt gewefen, ſez⸗ 
zn". Er erbot fi) auch auf alle Klagen, bie man gegen ihn 
erheben koͤnnte, redlich zu antworten und auf dem Wege Rech⸗ 
tens ober durch Schiebsrichter enticheiden zu laſſen. Allein 
bie Sürften blieben bei ihrer Weigerung und rüfteten fich zum 
gewaffneten Widerſtande. Nun wandte fih Ruprecht an bie. 
Städte. Dieſe liefen fich aber eben fo wenig das Recht 
nehmen Buͤmdniſſe zu fchlieffen als die Zürften; fie beriefen 
Rh darauf, daß er und fein Haus unter den Vorgängern 
daſſelbe gethan, unb nahmen noch weitere Städte fowie ben 
Herzog Ludwig von Baiern auf). 

Dad waren denn erwünfchte Neuigkeiten für Wenzlaw; 
er erwachte einen Augenblid aus feiner Voͤllerei, welche, wie 
man fagte, Folge eines durch Vergiftung entflandenen immer» 
waͤhrenden Durſtes war, Er foberte den marbacher Bund auf 


1) Gaqhidute on Schwaben IV, 289 ff. Auch zu dem Bolgenden 
Pfiſter Gefchichte d. Teutſchen ILL. 23 


354 Bub IE Erſter Zeitraum. Abſchnitt 3. 


bei ihm auszuharren. Aber das war nicht bie Abficht im weis 
cher biefer gefchloffen war; vielmehr hielt er fich im ber Mitte 
zwifchen dee wenzlawſchen unb ruprechtſchen Part, 
um zu ergänzen was unter folchen Umſtaͤnden bie Ruhe und 
Sicherheit des Reichs erfoderte. 
.Da Ruvrecht bie hefanbern Abſichten der Fürſten kannte, 
fo fuchte ex jegt mit den, Einzelnen ſich abzufiuben, in Hoff⸗ 
- mung dann aud ben Bund aufzuläfen. Dem Erzbiſchof Io 
hann überließ. er nicht nur die ſchon von Wenzlaw erhaltene 
Berpfändung des halben Reichszolles zu Hoͤchſt auf. immer, 
fonden gab ibm auch bie andere Hälfte für 12,000 fl. in 
Manbfcaft. Der Markgrav Bernbarb non Baden behielt bie 


ebenfalld von Wenzlaw angewiefenen Rheinyblle, ner mit der 
Befchränkung daß ex, ſolange Ruprecht lebe, das Geld nidt 
erhebe. Mit Speier ſchloß Ruprecht ein Schutzbuͤnbniß. Bei 
dem allen aber gaben die Stände den marbacher Bund nicht 
auf, vielmehr wurde jetzt oͤffentlich der Grundſatz behaupte, 
daß die Stände auch ohne Erlaubniß bes römis 
fhen Königs fih verbinden bärfen; in feine HM 
dafielbe was im Nächfifolgenden bie Kirchenverfammlung ge 


genüber vom Papſte feſthaͤlt. 
Auf andere. Art verfuhr Ruprecht‘ in dem gleichzeitigen 





appenzeller Krieg. Anfänglid fragte er gar nicht darnach, 
wie Wenzlaw bei dem Staͤdtekrieg, ober vielmehr es wand 
ihm nicht gefingt, was für Zwiſte der Abt von St Bob 


len mit feinen Gotteöhandleuten habe, Der. Abt bewarb fih 


zuerſt um ben Beifland der Gerflddte, weiche ald Vermittler 
in Güte und Ernſt einzufchreiten verſuchten. Dann fe 
den Herzog Friedrich von Öfterreich und bie ſchwaͤbiſche Kit 
terfhaft zu Hülfe. Die Appenzeller aber fchsitten muthig in 
ihrem Bünbdniffe fort. Der Lauf kam zu ben Banbleuten im 


Rheinthal, Walliſern, in das Lech> und Jun⸗-Thal, in den 
bregenzer Wald ımd bis in das Algau. in Sqhwaben Erf 


als zu beforgen war, es moͤchte hier eine geößere Eibgenok 


fenfchaft von „Bauerfamen’: ober freien Landgemeinden ent 


4408 flehen old in der Gchweig, im febenten Sabre bes. Kuleph 


erbob ſich K. Ruprecht nach Coſtanz. Nachdem die Landleute 


ſowohl ale bie Ritterſchaft per Sache ia feine Hand: gelegt 


Dos Reid unter zwei Dberhäuptern. 356 


that er deu Kubfprüch, den füheh zu Aufang der Märgermeie 
fer von Ulm als Obmann ber Schledsrichter gethan, ba 
das Bänbriß ber Appenzeller, fo fie wider ben — 
Vts gemacht, ab fein ſolle, weil es, ſetzte er himzu, weder 
bie heilige Kirche, das Reich unb gemeinen Nutzen erfunden 
worden Alles ‚Übrige wurde‘ auf beiven Seiten in den vori⸗ 
gen Zuftand gefest. ber den Anlaß des Kriegs zwifchen dem 
Abt mid den Appenzellern ſprach ber Köriig auf einem Tage 
zu Heidelberg, daß denſelben die Reichspfandſchaft bleibe bis 
zur Wiederlöfung. Wenn die Appenzeller nicht bomit zufrie⸗ 
ben wären, fo bürften fie ihr Recht weiter vor dem Könige 
verfolgen. Sie thaten das aber nicht, ſondern traten zu den 
ſchweizeriſchen Eipgenoffen, welche hernach in Güte entſchieden. 
Der maerbacher Bund blieb in dieſen Streitigkeiten neu⸗ 
tal, gerieth aber bald auch in Krieg mit dem Herzog Fried⸗ 1409 
rich von Öfterzeich wegen Niederwerfung der Kaufleute durch 
Ranbritter auf dem Hanbelöwege durch Tirol, vocchen der 
Herzog bisher in Schu genommen. Auf der andem Geite 
erhoben die Landvoͤgte der Öfterreichtichen Vorlande Krieg ger 
gen Bafel. Da die ſchwaͤbiſche Ritterſchaft ſich hierbusch auf. 
zwei Seiten gefährdet fab, vermittelte fie erft bei den Bune 
beskädten, welchen ber Herzog für bie Entſchäͤdigungsſumme 
bie. mlaͤngſt erworbene Herrfchaft Rotenburg. auf’8 neue im 
Yfrudſchaft gab; dann wurbe auch durch gemeinſchaftliche Ver⸗ 
mittlimg von Baden und der — rm 
Briede mit Bafel gefchleffen. Gewarnt durch biefe 
. taten bie Stauͤnde der Öfterreichifchen Vorlande, he Age Balds 
leute (uf dem Schwarzwald) und Mitterfchaft unter fich in 
en Buͤndniß, jedoch auf Butheifjen bes Landesherrn '). 

Dies das Einungsweſen in feinen Fortfchritten unter bem 
Gegenkoͤnigen Wenzlaw und NRupreht. Nach den Fuͤrſten 
behaupten Die Reichöftädte das Recht freier Buͤndniſſe feibfl 
———— im Ball dieſer feinen Pflichten 


1) Geſchichte von Schwaben IV, 236 f. Soweit biefes Gapitel 
Benzlaims Gefchichte betrifft, verweifen wir, um nicht zu viele Gitate 
zu haͤufen, atıf die Öfter angeführte Lebensbeſchreibung von Bein 
®%t. IL, wo bie Bar: forgfältig gefemelt —8 

23 * 


356 Bud II. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 3. 
nicht: entſprach. Aber den Beinen Reichsſtänden, freien 


Landgemeinden, Rötterfchaft, warb diefes Recht neh 


‚dem Grlenntniß ber höhern Reichöflände nicht eingeräumt, 


: noch ‚weniger den Lanbfländen, ohne Bewilligung ihres Herm.. 
Dadurch wurben fie zu den Schweizern getrieben, unb fo ent⸗ 
fland allmälig eine Eidgenoffenfchaft aufferbalb des 





Reiche. 


- Während diefe im fühlichen Zeutichland die erfien Schritte | 


bierzu thaten, erhielt bie Hanfe im Norden = (este 
Ausbildung. 

So oft auch bie einzelnen banfifchen Städte mit Kaiſer 
und Reich zu verhandeln hatten, ſo kommt doch die Hanſe 
als ſolche weder auf dem Reichstage noch in kaiſerlichen 


. (1414) Urkunden vor, bis auf die Zeit 8. Sigmunds, der bei einem. 
Aufftande der Weftfriefen ber Hanfe befahl gegen fie zu zie⸗ 


ben und bann mit ben Oſtfrieſen fich zu verbinden. Die 


Hanfe ‚beharrte fortwährend auf oberfier Gerichtsbarkeit ber 


ihre Bunbesftäbte in letter Inflanz und buldete keine frenıbe 
Einmifhung. ‚Gegen bie auswärtigen weftphälifchen ſowie 
gegen die geiftlichen Gerichte beflanden firenge Vorkehrungen. 
Gleichzeitig mit den Reichöftäbten ber oberen Laube wufften 
die hanfifchen von ihren verſchiedenen Herren eine Freiheit 
um bie anbere an fich zu bringen,. baß fie zulegt ben ummit 
telbaren Städten gleich fianden, bie wirklichen Reichsſtaͤdte 
aber fi wie unabhängige Staaten betrugen. Manche ertrotz⸗ 
‚sen, was nidht gern bewilligt wurde. Als ber Biſchof von 
Paderborn ſich weigerte bie Privilegien der kleinen Stabt War⸗ 
burg zu befldtigen, wie& ber Bürgermeifter auf den Hahn bes 
Thurms und fprach: „biefer bier fieht in vier Herren Sünder, 
und die Gemeinde flellt 1500 gewaffnete Bürger”. Der Bis 
ſchof bewilligte. Die Bürger von Magdeburg fperrten ihren 
Erzbiſchof in die Rathöfemmer, mit der Bebrohung ihn in 
‚einem hölzernen Käfig an ben Stabtthurm aufzubängen, wenn 


er nicht beftätigte. Er that es; als er aber nachher bad Vers - 


fprechen. für abgebrungen erBlärte, warb er im Berließ des 
Rathhaufes elendiglich ermordet. Um Bann und Acht pflegte 
man ſich wenig zu bekuͤmmern. Wenn bie Landherren nicht 
— wandten fh bie Staͤdte auch an den kaiſenlichen 


Das Reich unter zwei Oberhaͤuptern. 3557 


Hof, wo für Geld Altes feil war. Die Reichöftädte wollten 
frei fein von ben Reichslaſten wie die Landfläbte, und dieſe 
wollten frei fein von den Xerritorialbefchwerben wie bie Reichs 


Räbte. Die an ber See gelegenen hatten noch mehr Mittel‘ 


in ber Hand, Vortheile von ihren Herven zu erhalten In 
allen war die Bevoͤlkerung im fleten, vafchen Zunehmen, wels 
ches Erweiterung durch Vorflädte nöthig machte. Die Stadt 
Dortmund, welche jetzt etwa 800 Häufer zählt,’ hatte Damals 
10,000, und Lübed eine zwei bis dreimal größere Bevoͤlke⸗ 
rung ald jetzt. Die meilten Städte erwarben noch dazu ein 
bebentenbes Landgebiet. Auf die Ausbildung ber innern 
Verfaffung hat die Hanſe wenig eingewirkt, fonbern biefe je 
der Stadt felbfi-überlafienz; nie wollte fie darin etwas Gleich: 


foͤrmiges und Allgemeines unter ihren Mitgliedern einführen. 


Dagegen bat fie deſto mehr ihr Anfehn verwendet, um bie 
Bürger bei den häufigen Sährungen über die Theilnahme ber 
Zimfte am Stabtregiment im Gehorfam gegen ihre Oben zu 
erhalten. Nur in ber Hauptflabt felbfi, in Luͤbeck, wo bie 
längften und gewaltigftien Bewegungen entflanden, erlagen 
ihre Bemühungen. Da die Hälfte des Raths vertrieben wurde 
und mehrere andere Städte dem Beifpiel folgen wollten, warb 


enblich befchloffen die Sache an ben römifchen König zu bins - 


gen. Das war dann ber erfte Riß in die biöher behauptete 
freie Serichtöbarkeit der Hanfe '). 


Das Bimdniß mit dem ‚Hochmeifter bed teutſchen Or⸗ 


dens, eine Art Schirnwertrag, beſtand noch in dieſem Zeit⸗ 
puncte. Der Orden ſelbſt aber gerieth jetzt in den preuſſiſchen 
Verhaͤltniſſen in eine veränderte Lage, welche die Anſtrengung 
aller feiner Kräfte erfoderte. Schon im vierten Jahre nach 
bed Hochmeifterd Kniprode Tod wurben bie beiden Mächte, 
welche der Orden befämpfte und die fich bisher gegenfeitig 
gefchwächt hatten, vereinigt. Auf Verlangen ber polnifchen 
Stände muſſte die Kronerbin Hedwig, zweite Tochter bes 
8. Ludwig von Ungern und Polen, Schwefler der Gemahlin 
K. Sigrmmds, ihren Gemahl Herzog Wilhelm von Öfterreich 
verlaffen und dem lithauiſchen Fuͤrſten Jagello, der fi 


1) Sartorius a. a. D. S. 157-2. 


! 


358 | Buch IL Erfer Zeitraum. Anfgeitt 3, 


zum Oberberm ber andern aufgeworfen Hatte, ifee Hand ges 
ben. Diefer verſprach dagegen fi Karen zu — 
x tbhauen nebſt Samaiten ( Samegitien) dem polniſchen Reiche 
-  einzuverleiben, und noch dazu Kulm und Pomerellen wieber 
dem teutſchen Drben zu entreiflen. 

In dieſer Gefahr, alle feit einem Jahrhundert gemachten 
Eroberungen zu verlieren, rief der Hochmeifter die teutſchen 
Fuͤrſten zu Hülfe. Vergeblih: denn mit dem lbengange der 
Lithaner zum Chriſtenthum erloſch der bisherige Zweck "dei 
Kriegs. Die Fortfegung war nicht mehr Sache der Chriften⸗ 

heit, fondern des Ordens eigene Sache als Landesherrn, 

wollte er ſich anders in dem erworbenen Staate behaupten. 
Daher ſchloß der Hochmeiſter eisen Subfibtenvertrag mit den 
1389 Herzogen von Pommern und fing an Söldner zu werben 
Es kamen auch noch freiwillige Schaaren aus England, Franb⸗ 
reich, Teutſchland, "weil bie feitherige Michtung fich nicht auf 
einmal verlor. Auf Verheiffung hohen Soldes und des Eh 
rentiſches ſtroͤmten nody mehrere aus Teutſchland herzu, bis 
fih ein Heer von 46,000 Streitern ſammelte. Mit biefen von 
. einigte der Hochmeiſter Wallenrode fein eigenes von 418,000 
und biang in drei Abteilungen in Lithauen ein. Wilna wurde 

belagert. Das Heer, im Vertrauen auf feine Übermacht, uͤber⸗ 

Heß fi der Sicherheit. In biefer wurbe ed won bem treu⸗ 
1393 loſen lithauifchen Fuͤrſten Vitold überfallen und gef | 

Während die Streifersien auf: der lithauiſchen Grenze 
fortgingen, führte dee Orben Krieg gegen bie Seeräuber, Vi⸗ 
talienbrüber genammt. Es gelang ihm Wisby und Goth⸗ 

1397 land zu erobern. Auf Bermittlung K. Wenzlaws wurde bie 
Beſitzung nach drei Jahren gegen Erſatz der Koſten an die 
Königin Margaretha von Dänemark zuruͤckgegeben. Aber dreiſ⸗ 
fig Jahre verfloſſen, bis die Seerduber mit Beiſtand der Danfe 
endlich vertilgt wurben. Noch, eine wichtige Sanderwerbung 

1400 ff. machte der Orden, inbem ihm die Neumark, wo er fihon 
einige Süter hatte, von K. Sigmund nah und nach verpfim 

’ bet wurbe. Aber der Hochmeifter Konad von Zungingen ver 
fäumte den günfligen Zeitpuntt, ba Jagello und Witold ihr 
ganzes Heer gegen die Zataren eingebüßt hatten, ben Krieg 
mit Ernſt gegen fie zu erneuern. Als ex es enblih that, 





Das Reg unter zwei Dberhäuptern. 359 


macthte Jagello Frichentusrfihläge, und man mar zufeieben, 

baß er ben früher gebachten Frieden K. Kafimixs —2* 

Über den Befig von Samogitien, das der Orden ſchon ziem⸗ 1404 
lich angebaut hatte, wurbe ihm der Krieg wieder angefimbigt. 

Als der Hochmeifter frifche Bruͤder und wohlgerüftete Gäfte 

aus Teutſchland kommen ließ, verſtand fich Jagello, weil ihn 
Vitold gerade nicht unterſtuͤtzen konnte, bie Entſcheidung dem 

8. Benzlaw zu überlaffen. Diefer gab den Schiedsſpruch: 
Jagello folle Dobrin, der Orden Samogitien wiebererhalten. 

Aber die Polen nahmen den Spruch nicht an und rüfteten fich 1410 
auf neue. Jagello erhielt teutfche und böhmifche Soͤldner, 
zuſammen 21,000; zu Vitolds Lithauern flieflen 40,000 Rufs 

jen und Zataren. Der Orden, aber warb wenigfiend 30,000 
teutſche Söloner und brachte mit feinem eigenen Aufgebot ein 

Herr von 83,000 Mann zufanmen. Bei Zannenberg tras 

fen die Heere aufeinander. So verzagt ber moͤnchiſche Jagello 

war, fo kuͤhn flanden bie Ritter. Schon iſt Vitold mit ſei⸗ 

nen Zataren und Ruſſen geſchlagen; aber die Ritter verfolgen 

die Füehenden zu weit und greifen die Polen zu fpdt an. Da 

der Sieg auf der Spitze flieht, fällt der Hochmeifter, Iagello 

wird gerettet und ber Kampf endet zum Vortheil ber Polen. 

Von biefem Tage an finkt die Macht des Ordens. Der neue 15. Jul 
Hochmeifter, Heinrich Ren von Plauen, bat das Berbienfl 
verhindert zu haben, baß nicht jest -fchon Preuffen mit Polen 
vereinigt wurbe. Im Friedensſchluſſe trat ber Drben Samos 1411 
gitim ab, für bie übrigen von den Polen befegten Pläte in 
‚Sreuffen ſollten 100,000 Schod böhmifche Groſchen erlegt 
werden. Noch immer erfiredte ſich die Herrfchaft des Ordens 

von der Oder oder von der Neumark bis Narva und Reval. 

Da der folgende Hochmeiftr, Michael Kuchenmeifter von 
Sternberg, mit ben Briebenöbebingungen zögerte, fielen die Po⸗ 

len wieder in Preufien ein. Der päpflliche Legat aber vermits 144 
telte einen Stillftand, und die Sache wurbe (mie bie hanſea⸗ 

tifchen Streitigkeiten) auf das Goncilium zu Coſtanz verwiefen '). 

Dies führt uns wieder zu bem Hauptfaben unferer Gefdyichte. 


1) Benaton hiſt. Bericht ıc. S. 121-131. Duellii Hist. Ord. 
Teut, p. 34-40: Bacyto Gefchichte Preuffens II. Band. Hier enbis 


30 Bud EU. Erfer Zeitraum... Abſchnitt 3. 


10. Wie Kirche und Reich je unter drei Oberhäupter 
zerfallen, unter Frankreichs fortwährendem Übergewicht, 
bis das Reich wieder vereinigt wird: unter dem letz⸗ 

ten Luxemburger. | 


Hof und Univerfität zu Paris bringen ein allges 
meines Goncilium zu Piſa zu Stande, das fi 
über die Päpfte ſtellt. 8. Ruprecht will den römis 
fhen Papft nicht aufgeben. Trennung darüber in 
Zeutfhland Wahl eines allgemeinen Papftes 
(Aleranders V.) zu Piſa. Anerkennung Benz: 


laws ald vehtmäßigen römifchen Königs. Wider 


ſpruch Ruprechts und der bisherigen zwei Gegen 
päpfte Der Erzbifhof von Mainz wird von Frank 
reih gegen K. Ruprecht unterfiüst. Doppelwahl 
nah Ruprechts Tod. Nah Jobſts od behält 
Sigmund das Reich, Wenzlaw den leeren Zitel. 


Seit Wenzlaws Abfekung geſchah von Seiten des Reiche Fein 
ernfllicher Schritt gegen bie Kirchenfpaltung, vielmehr buhlten 
Ruprecht und Wenzlaw wechfelöweife um bie Gunſt bes roͤ⸗ 
miſchen Papftes, und der Erflere war zu froh endlich deſſen 
Beftätigung erhalten zu haben, als daß er fi auf etwas 
Beiteres eingelafien hätte, das biefen beunruhigen konnte. 


. Behn Jahre wurde auf diefe Weile aufgehalten, was Frank⸗ 


reichs Fräftige Regierung bereitö eingeleitet hatte. Diefe bes 
ſchloß nun zu thun, was fonfl des Kaiferd Aufgabe geweſen 
wäre, Da der franzöfifche Papſt, Benedict XIII., gegen 
fein fruͤheres Verfprechen Öffentlich erklärte, er wolle fich lieber 
lebendig verbrennen, fchinden oder gliebers und ſtuͤckweiſe zer: 

reiſſen laſſen als bad Pontificat nieberlegen ); dba er * 
fuhr die groͤbſten Geldſchneidereien ſich zu erlauben und end⸗ 
lich den Koͤnig zu bedrohen; da auf der andern Seite auch 


gen die Hauptquellen, bie Chroniken von Dusburg und David. 
Übrigens ift vom Jahr 1841 an, wo ber neuefle Banb von Woigts 
Preufien fteht, noch ein großes Feld für bie Kritik offen. 

1) Martene Thea. Anecd, T. U. p. 1800 qq. 





ü — > 2 Au gi” e 4 — 


* are 


Kirche und Rei.unter drei Obsrhäuptern. IL 


die Verhandlungen bei dem neugewählten sbömifhen Papft; 1407 
Gregor XI, zu feinem Ziele führten, fo erließ der Könly 
ein zweites Manifeft, worin Frankreich ben beiden Päpften 1408 
die Obedienz auflünbete, wenn nicht in beflimmter Zeit die 14, San. 
Einigkeit bergeftellt fein würde. Die Bannbulle, welche Be 
nebiet XII. dagegen erließ, warb am franzöfifchen Hof öffent 
li zerriſſen und ihm bie Obedien; unbedingt aufgefagt. 
Unter Mitwirkung ber parifer Univerfität brachte man es das 
bin, daß bie beiden Päpfte von ihren meiſten Garbindien vers 
laſſen wurben, und ba man der Meinung war, in Ermanges 
lung eines allgemein anertannten Papfles könne nur burch bie 
Cardinaͤle beider Parteien das bereitö vorgeſchlagene allges 
meine Concilium ausgefchrieben werben, fo wurbe die 
Mehrheit derfelben wirklich in dieſer Abficht zu Piſa verfams Sat. 
melt, um auf Pfingſten des nächflen Jahres das Eoncilium 
zu eröffnen. | 

Run konnte K. Ruprecht nicht umhin fich der Sache auch _ 
anzunehmen. Er berief einen Neichötag nach Frankfurt, auf 1409 
welchen zuerft Abgeorbnete von den Sarbindlen zu Pifa, dann Jan. 
auch ein Legat von Gregor XIL erſchienen. Da Ruprecht aber 
von jeber und ſchon vor feiner Wahl für den römifchen Papfl 
gewefen, auch dem 8. Wenzlaw bie Vereinigung mit Frank⸗ 
reich nachbrüdtich abgerathen; da er von dem römifchen Papft 
die Betätigung gefucht und erhalten hatte, fo erklaͤrte er fich 
um fo mehr fir Gregors XIL Anträge, als biefer ihm zuge: 
fand, im Verbinderungsfall des Papftes habe der römifche 
König bad Recht ein Concilium auszufchreiben. Die 
meiften Reichöftände hingegen flimmten für Neutralität, wie 
Frankreich, und der Erzbifhof von Mainz erflärte fich jet 
öffentlich für dad Concilium zu Pifa. Daffelbe that K. Wenz⸗ 
law und verorbnete eine Gefandtfchaft dahin. Es entfland alfo 
auch in Kirchenfachen eine neue Trennung im Reich, und in» 
fofeın traf bald ein, was Ruprecht vorhergefagt hatte: „ed 
werde aus ber Zweiung eine Dreifaltigkeit werben” 1). 

Die zwei Gegenpäpfte warteten nicht auf das pifanifche 4405 
Concilium. Benedict berief fchon vorher ein folches nach Pers Rov. 


1) Wenker App. arch, p. 29. 


| — 
= . 


362 Bud I. Irſter Zeitraum. Abſchnitt 3. 


1409 pignen, und Gregor eroͤffnete ein gleiches zu Cividad del Auſtria 
Sul in Friaulz auf beiben erfchienen aber. nur wenige Prälaten. 
Weit zahlreicher wer die nach Piſa auögefchriebene Der: 


35. Märg. fommlung. Auffee 22 Garbindien, 2 Patriarchen, 12 Erzbi⸗ 


fhöfen kamen 80 Bifkhöfe, 87 Abe und Deputirte von ben 
Univerfitäten, 300 Doctoren und Gefandbte von Frankreich, 
England, Portugal, Böhmen, Polen, Sicilien, Eypern, nebfl 

vielen andem Fuͤrſten und Herren. Die Berſanmlung erklärte 

ſich alfo mit Recht für ein- allgemeines Concilium unb über 

die Päpfte; fie ſetzte die beiden Gegenpäpfte als hartnädige 
5. Jun. Schifmatiter und Keber, die ihren Eid und’ das Gelübde 
| freiwilliger Abdication gebrochen hätten, ab und wählte ben 
26. Jun. Gardinal Peter von Candia ald Alexander V. zum alleinigen 


„10. 3al. Vapft, der fofort die Gehläffe befldtigte, das Weitere aber 


in Rüdfiht ber Kirchenreformation auf bad naͤchſte Goncilium 
vorbehielt. 

K. Kuprechts Geſandter, der zu Gunſten Gregors XII. 
vermitteln wollte, ward gar nicht in jener Eigenſchaft aner 
kannt; vielmehr erklärte das Concilium den K. Wenzlaw für 
den rechtmaͤßigen roͤmiſchen König '). Ruprechts Proteſtation 
warb fo wenig gehört als die der beiden Gegenpaͤpfte. Da 
der Erzbifchof von Mainz fich. fir Alexander V. erklärte, ri- 
flete fi) Ruprecht zum Krieg. Der Erzbiſchof trat Dagegen 
unter den Schutz bed Königs von Frankreich, welcher bie 
Reichsſtaͤdte auffoberte ihm beizuflehn 2). Während dieſer Gaͤh⸗ 
rung ſtarb K. Ruprecht, ſie wurde aber uͤber die Frage vom 

uio Nachfolger noch geſteigert. Sachſen und Brandenburg, welche 
18. Mai an Ruprechts Wahl keinen Theil genommen, wollten üben 
haupt von feiner Wahl hören, weil man noch einen lebenden 

. zömifchen König hätte. Die rheinifchen Kurfürften hingegen 

erklaͤrten den Thron für erlebigt; fie waren and darin eins 
fümmig, daß wieder ein Luremburger gewählt werben 

- follte; aber Mainz und Coͤln, weiche dem piſaniſchen Papfle 


ä 1) Wenker I, c. p. 299. über das Ganze ift zu vergleichen 
Theod. a Niem de Schisnat. L. Il. IV. Baynald. ad a, 1409. 
Plank a. a. D. II, 857. 


2) Dienfhlager Erlaͤut. ver golbnen Bulk. Ust. 54. 


\ 


Das Relch unter drei Oberhaͤuptern. 363 


anhingen, Hinmien auf Markgrav Jobſt ven Mähren, Trier 
und Pfalz bagegen, welche noch mit Gregor XII. hielten, 
fir K. Sigmund von Ungern. Sie konnten alfo über ben 
neuen König fo wenig einig werben als Über: ben Papſt, ber 
ihn beſtaͤtigen follte. Über die branbenburgifche Stimme bes 
flanb noch befonderer Zwiſt. Markgrav Jobſt, der wirkliche 
Befiker ber Kulande, war nicht anweſend. Bei der ſteigen⸗ 
den Uneinigkeit auf dem Wahltage erkannten Trier und Pfalz 
ben Burggraven Friedrich von Nürnberg als brandenburgiſchen 
Geſandten von wegen K. Sigmunds und eilten den Andern 
zuvorzukommen. Da ihnen die gewöhnliche Kirche verſchloſ⸗ 
fen wurde, fo wählten fie auf dem Kirchhofe den K. Gigs 230. Sept. 
mund mit vermeinter Stimmenmehrheit, weil Sachen und 
Böhmen durch ihr Ausbleiben das Wahlrecht verloven Hätten. 
Acht Tage fpäter, als ber Wahltermin ſchon verfirichen wat, - 
kamen die Gefanbten vom 8. Wenzlaw, vom Markgrav Jobſt 
und dem Kurfinften von Sachſen zu Frankfurt an und wähls 
tm unter Leitung des Erzbiſchofs von Mainz den Markgra⸗ 
ven FZobft zum römifchen König. Wenzlaw felbfi ſoll dies 
zugeftanden haben mit der Bedingung, daß er fich die Kais 
ferwürde vorbehalte; er hat aber ben biöherigen Titel forts 
geführt '). 

Unerachtet bei dieſer Doppelwahl Karls IV. goldene Bulle 

mehrfaͤltig verletzt wurde, ſo behauptete doch jeder Theil recht⸗ 
maͤßig gewaͤhlt zu haben. Das Reich hatte nun brei roͤmiſche 
Könige aus Einem Haufe zugleich, wie die Kirche drei Päpflte 
auf verfchiedenen Sigen, in Folge der gegenfeitig in einander 
greifenden Berbältnifie. 

Nicht lange nach feiner Wahl flarb Jobſt ohne gekrönt 1411 
worden zu fein. Nun eilte Sigmund aud bie andern Kurs 8. Jan. 


I 


1) Andreas Presb. Batisb. in Eccard. acrr. T. I. 2148, Auf 
dieſer Wahlgeſchichte liegt noch Dunkelheit, wie fon Häberlin ge 
zeigt hat. Der Schluͤſſel if wohl barin zu ſuchen, daß der Crzbiſchof 
von Mainz mit fich felbft in Widerſpruch gerieth. Im Yolge ber Aner⸗ 
kennung des pifanifchen Conciliums ſollte Wenzlaw wieder eingefeßt wer⸗ 
den, den er doch abgeſezt hatte. Man ſuchte alſo einen Mittelweg, da 
Jobſt gerade damals mit Wenzlaw in gutem Vernehmen ſtand. * das 
Ganze f Dlenfhlager . 0 D. urt᷑. 7Of 


364 Bud IL Erſter Zeitraum. Abſchnitt 3. 


- fürflen zu gewinnen, vor allen ben Erzbiſchof Johann vom 

1410 Mainz. Seiner Partei halte er ſchon von Ungern aus vers 

5. Aug. ſprochen allen Fleiß zu Herſtellung ber Kischeneinheit anzu 

wenden und einen einmütbhigen Papft wählen zu laffen‘). 

Dem Mainzer aber muffte er jetzt verfprechen feine Beflätis 

gung von feinem Andern ald von Alexanders V. Nachfolger, 

Johann XXIII., zu nehmen; er muflte dem Erzbifchof noch 

beſonders verfprechen im mainzer Gebiet Feine neuen Zölle 

anzulegen, noch bie alten zu erhöhen, auch ohne ihn Feinen 

Reichsvicar zu feßen und diefem biefelbe Beflätigung feiner 

Rechte und Freiheiten ausſtellen zu laffen; endlich auch bie 

abgerifjenen Reichölande, namentlih Mailand, zurückzubrin⸗ 

sen ?). Nach diefen Zugeflänbnifien erfolgte Sigmunds 

1414 einfliimmige Wahl zum römifchen Könige. Ob Wenzlaw noch 
«1. Zul. den Titel habe, darnach ward nicht weiter gefragt. 

So kam das Reich wieder zur Einheit, früher als bie 

Kirche, und nun war bie näcfle Aufgabe, bie kaiſerliche 
Schirmvogtei über diefe wieber geltenb zu machen. 


11. Anlaß und Vorbereitung der großen Kitchenver: 
fammlung zu Coftanz unter 8. Sigmunds Schirmoogtei. 


Berderbniß der Kirche in Haupt und Gliedern. 
Öffentlihe Feſte und Sitten. Polizei. Secten, 
Keger. Schulen und Univerfitäten. Spaltung zu 
Prag. Johann Huf. Das böhmifhe Volk. Auf: 
foderung zu einem allgemeinen Concilium an &. 
Sigmund;deſſen Charakter. Verhandlungen mit 
| Papſt Johann XXI. 


1409 Nach der piſaniſchen Kirchenverſammlung entfland erſt ein 


vecht Iebhafted Verlangen nach einer wahren, burchgreifenden 
Verbeſſerung der Kirche: denn mit der Wahl eines allgemei: 


1) Wenker App. arch, p. 802. Nr. 54. 
‚2 Dlenfälager a. a. D..Urk 108. 


— 








Borbereitung d. allg. Synode zu Coflanz ımt. Sigmund. 365 


nen Papfles war noch nicht einmal bie Kircheneinheit herge- 

ftellt, weil bie beiden Gegenpäpfte fortwährend die. Abtretung 
verweigerten; bie Kirchenvereinigung felbft aber wide nur 

als Mittel angefehn, bie laͤngſt gewünfchte Reformation an 
Haupt und Gliedern durchzufuͤhren. Deshalb hatte die Mehr: 

beit. der pifaner Kirchenverſammlung fchon voraus zur Wahl⸗ 
bedingung gemacht, daß der neue Papft bie Verſammlung 

nicht eher aufheben dürfe, bis eine hinlänglihe Reformas - 
tion gefchehen wäre. Da aber Aleranber V. besungeachtet 

bie Sache anf ein anderes, in drei Jahren zu berufendes Con⸗ 
cilium auffhob, fo ward dadurch das Berlangen nur noch 
mehr gefleigert. Auf's Hoͤchſte ſtieg es, als ſchon im falgen> 

bem Jahre nach Aleranberd Tod in der Perſon Johanns XXIUL 1410' 
fi) ein Maun auf den paͤpftlichen Stuhl fchwang, der mit 17. Mai. 
der Rohheit des Seeraͤubers, was er in ber Jugend geweſen, 

alle Lafter- und Ausfchweifungen auf eine fo ſchamloſe Weife 
trieb, daß man burin eigentlich eine Verhoͤhnung der oͤffentli⸗ 

chen Meinung ſah. 

Wie das Haupt, ſo die Glieder, und umgekehrt. Die 
Klagen find nit neu, fie haben vielmehr feit Jahrhunderten 
fih gehäuft, Schon unter den erſten teutfchen Kaifern, da 
bie Kirche eine reiche Kirche wirde, fingen die Ausastungen 
an, Der Träftige K. Heinrich IIL berief Synoden, um bie 
Simonie abzufchaffen. Dagegen machte Hildebrand die 
Ebeloſigkeit der Prieſter zum allgemeinen Geſetz, aber auch 
Hzu einer Quelle vieler neuen Ürgerniffe. Det zweihundertjaͤb⸗ 

rige Kampf zwiſchen dem Kaiſer⸗ und Papſtthum ging, wie 
wir früher gefehn, eigentlich davon aus, alle kaiſerliche Qber⸗ 
aufficht auszufchlieffen und die Kirche mit ihren Guten und 
Derfonen zu einem unabhaͤngigen Staate zu erheben! Se 
mächtiger. aber: die Päpfte wurben, befto weniger gefchab ge⸗ 
gen die zunehmende Entartung bes geiſtlichen Standes, welche 
mit der Verwilderung aller Stände in einem faſt gefeblofen 
Zeitalter ‚gleichen Schritt hielt. Wie der paͤpſtliche Haf zu 
Avignon der. Schauplat aller Uppigkeit war, — durch die 
Franzoſen euft, noch Meapel und ins übrige Italien gehbracht 
wurbe, fe hatten auch Die bitchöflächen - Hoflager. in Vemsichs . 
land gany had, Ausſehen weltläher Höfe Waffen, Turniere, . 


H6 Bud II Erfter Beitraum. Abſchnitt 3. 


Jagden, Taͤnze, Trinkgelage: waren bad Vergnügen Der hohen 
Geiſtlichkeit, und die niebere ahmte nach ſoviel fie vermochte 
Man fand es nicht einmoal unfähig, daß ber Bifihof als Grund⸗ 
herr auch Abgaben von öffentlichen Frauenhaͤuſern dezog ober 
Erlaubniß zur Errichtung berfelben ertheilte. Waͤhrend bie 
äuffere Macht des Papftthums durch die Könige ven Frank 
seich gebrochen wurbe, nahm bee Druck beffelben im Innern 
der Kirche nur um fo mehr zu. Als die Kixchentvennung bie 
Einnahmen verringerte und die Ausgaben vermehete, wurden 
die Erpreffungen auf den hoͤchſten Grab getrieben; fogar Aus 
wartfchaften auf geiftliche Amter wurden verfauft; kurz am 
päpfltihen Hofe war Alles fell wie am Zaiferlichen. Bis 
ſchoͤſe, Ate, Domherten, Pfarrer fuchten dann was ihnen 
durch Simpnie abgenommen war, wieder durch drüdenbe 
Auflagen zu gewinnen. Die Erfieen bezogen von ben ketz⸗ 
tem eine gewiffe Summe für öffentliche Haftung von Gen 
cubinen, fo oft biefe auch von ben Kirchenverſammlungen ders 
boten worben waren. „Wo man Böfes hörte oder Krieg war,” 
fügt Windeck, 8. Sigmunds Ratih, „une man fragte: wer 
thut das? ba hieß ed, der Biſchof, ber Propſt, der Dechant, 
der Dfaffe; — bie Laien gaben den Pfaffen bie Schuld und 
ebenfo bie Pfaffen den Laim." Die Weltgeiflichkeit und bie 
Moͤnchsorden geriethen auf gleiche Welfe in Verfall. Die 
reichern Orden, befonberd die Benebictiner, zählten Schaaren 
von umwifienden, faulen, lafterhaften Menſchen, welche durch 
ihre Zuͤgellofigkeit allgemeinen Haß erregten. „Die Mönche, 
fagt Nicolaus von Glamenge, „find reiffende Woͤlſe in Schaaft⸗ 
kleidern, die ſich Aufferlich ſtreng, keuſch, bemäthig und heis 
lig anſtellen, inwendig aber voll ſchaͤndlicher Wolluͤſte find, 
fih mit Wein und fetten Speifen überfüllen, mit fremder 
Weibern leben und Alles mit ihren Lüften beflecken. Was 
find in unſern Zeiten”, fährt er fort, „bie Nonnenkloͤſter anders 
als abfcheuliche Hurenhaͤufer?“ Auch in bie ſtrenge oe. - 
NRitterorden drang Müffiggang und Gchwelgerei ein. 

teutſchen Ritter wollten nicht mehr Bruͤder wie bie un 
ſondern Kreutzherren heiſſen. Zu Marienburg, me. 
Hochmeiſters, war ein Öffentliches Frauenhaus. Die Peebie 
ger= und Bettel⸗Moͤnche, zur Beilımg des. Volles, eigentlich 


Vorbereitung d. allg. Synede zu Coſtan; unt. Sigmund. 367 


zur Stuͤtze des Yayfitbumd gefifiet, geriefhen unter ſich feihft, 
mit der Weltgeiſtlichkeit und deu Univerſitaͤten im bie aͤrger⸗ 
lichſten Streitigkeiten. Berfolgungs⸗ und Verdammungs⸗Sucht 
galt bei jedem Theil als Eifer für Rechtglaͤnbigkeit und ſprach 
alſo der Religien der Liebe oͤffentlich Hohn. Vom gemeinen 
Volle wurde auf unzaͤhlige Arten Geld erprefft; ben Abiaß⸗ 
kram aber hat Niemand: frecher geführt als Johann AXHEA 
(den als Cardinal Balthafar von. Sofa). 

Die Verwilderung ber ae Gisten in Folge 
ber Ausartung ber fruͤhern zeigt: fich am allermeilien in der 
At, wie die kirch lichen Feſte begangen wurden, deren 
uefprimgliche Bedeutung wir zur Zeit der ſaͤchſiſchen Kaifer 
geſehen. Den. Anfing der Weih nach tfreuden, bei Entbeh⸗ 
sung bes Naturgenuſſes, machte das St. NRicolaus feſt mit 
argen Bermunnmungen, Gelagen, Taͤnzen, muthwilligen Streis 
hen, oft bis zu blutigen Haͤndeln, aͤrger als bei den heid⸗ 
niſchen Saturnalien. Es: wurden Schauteufel herumgefuͤhrt, 
mohrenhaft angeſchwaͤrztz dann folgte ein eigentliches Nar⸗ 
renfeſt mit einem Rarrenbiſchof, woran auch junge Geiſtliche 
Freiheit ‚erhielten ‚Öffentlich ausmfchrusifen und Die Lawe dir 
Achigkeit abzulegen. Die Faſt nach t luſtbarkeiten waren 
Wiederholung und wo möglich Überbistung des ausgelaſſenen 
Getimmels. Nah dem Mai feſt und den Pfingfitänzgen 


wurte auch bed indeſſen eingeführte Frohnleihnamsf 


auf sine höchft laͤrmende Weife begangen, nicht weniger bie 
Heiligentage und die Kirchweihen. Spuren hoidniſchen Aber⸗ 
glanbens werden noch in Menge gefunden. Die Kirchen 
wurden durch allerlei Gef@äfte ‚ Märkte und Belufligungen 
entweiht 


Neben der allgemeinen Robheit und Gewaltthaͤtigkeit bes 
Zeitalter fah man befonberd im fläbtifchen Leben zunch⸗ 
mende Uppigkeit, beguͤnſtigt durch Wohiſtand der Gewerbe, 
anögebehnten Handelsoverkehr und hereingebrachte viele neue 
Dinge. Die ſtehende kaiſeliche Hofhaltung zu Prag, ganz 
verſchieden von. bes. wandernden ber aͤltern Kaiſer, ging darin 
voran, wie der paͤpſtliche Hof zu Avignon. In den Reichs⸗ 


1) Sarrdey ucchengeſch DO-EM DW. 


68 Bud IL Erſter Zeitraum. Abſchnitt 3. 


ſtaͤdten wurden bie häuslichen Feſte, Hochzeiten, Taufen fos 
wie die Zunftgelage mit unbegrenzter Schwelgerei begangen. 
Meben begieriger. Nachahmung auslaͤndiſcher Trachten zeigten 
beide Geſchlechter in ihrem Anzug große Frechheit. Haupt⸗ 
ſaͤchlich wisd geklagt uͤber Ausfchweifungen im ber Wolluſt. 
Ber der Zudringlichkeit ber gemeinen Frauen wiberflanb, wurbe 
an Sodomiter gefcholten. Jene traten, nach der Sitte bed 
Zeitalters, auch in Öffentliche Innungen, wie bie rechtlichen 
Gewerbe, und genaflen bes obrigkeitlichen Schuged gegen ge 
wiffe Abgaben. Bu 8. Rubolfs I. Zeit waren fie auffer den 
Belegen. In ben größern Städten nahmen fie eigene Stra⸗ 
Gen ein. Die fahrenden: Weiber zogen, wie die Gaukel⸗ 
fpieler, den DE Turnieren, Reichstagen und Kirchen⸗ 
verſ⸗ 


ammlungen nach ') 
2 ge größer bie gefelfchaftlichen Übel werben, deſto mehr 
Lafien fie dad Bebürfniß ber Heilung fühlen. In allen Staͤn⸗ 
den und Claſſen lebten Männer, welche bie Nothwendigkeit 
erlannten, der Verderbniß in dee Kirche und in ben. öffent 
lichen Sitten zu ſteuern. Der beſſere Theil der Geiſtlich⸗ 
keit, erhob. feine Stimme lautz aus ihren Schriften iſt ein 
Theil der obigen Schilderung ihres ausgearteten Standes ge: 
nommen. Der Cardinal Peter von Ailly ſagt: „es waͤre ſchon 
zum Sprichwort geworden, die Kirche ſei in einen ſolchen Zuſtand 
gerathen, daß fie durch keine andere als verworfene Leute 
regiert werben koͤnne.“ Indeſſen bis man an dad Hauptübel 
Sam, fäumten bie andern Stände nicht in ihrem Theil Hanb 
an bas Werk zu legen, und fo wurden erfi Verbeſſerungs⸗ 
verfuche im Einzelnen und von unten herauf gemacht. 

In den Städten, wo bie Ausgelaffenheit am größten 
war, hat man auch zuerft polizeiliche Gegenvorkehrungen 
getroffen. Bon der erworbenen Selbſtaͤndigkeit bei der innern 
Geſetzgebung haben biebere Stabträthe für Alles was das Ges 
meinmwohl betrifft ben loͤblichſten Gebrauch zu machen gewuflt. 
Die Strafen wurden gefhärft und ohne Nadficht auch an 


affen vollzogen. Auf ER Reben beim Zutrin⸗ 


1) Huͤllmann täbtaoefen. x. HIV. Bb. Auch ein Theil des 
Bolgenden iſt daraus geſchoͤpft. al. Geſch. von Ehwaben IV, 7. Gap. 


4 
J 


⸗Vorbereitung d. allg. Synode zu Coſtanz unt. Sigmund. zoo 


ten ſtand ſchwere Buße. Nürnberg, eine ber reichſten Staͤdte, 
ift in Verordnungen gegen Narcenfefte, unzuͤchtige Zänze und 
Kleivungen vorangegangen. Die Luruögefege erfireden fich 
auf's Kleinfte, geben aber auch zugleich die Erfahrung, daß 
fie immer ‚wieder an den prachtliebenden Erfindungen des weibs 
lichen Geſchlechtes gefcheitert find. Nürnberg bat das erfle 
Gebaͤrhaus für arme Frauen. Es traten überall Sefellfchafs 
ten ‚zufammen zu Verpflegung ber Armen unb Kranken, 
„Elendsgilden“ genannt. . Beflerungsanflalten wurben von 
einzelnen Buͤrgern, von Biſchͤfen und andern Vorſtehern, 
auch von den Koͤrperſchaften gegruͤndet. In Colmar, Speier, 
Straßburg geſchahen zu gleicher Zeit Stiftungen zur Auf⸗ 
nahme entehrter Mädchen und Schauſpielerinnen. Su Halle 
an ber Saale beflanden Vermächtniffe für fromme Gefellen, 
welche arme Sünderinnen aus bem gemeinen Haufe zu Frauen . 
nahmen. Bei einem Turnier zu Magdeburg wurde eine Dirne 
audgefpielt, welche ein alter Kaufherr aus Goslar, der fie 
gewann, auöfteuerte, damit fie ihre Lebensart verlaſſen konnte. 
Zu Prog fliftete der - Kaufmann Kreuz in Verbindung mit Ios 1394 
hann von Mühlheim eine Kicche, Bethlehem genannt, nebſt 
Wohnung für zwei Prediger, welche bad Wort Gottes in 
böhmifcher Landesſprache vortragen. follten. Ähnliche Stiftuns ' 
gen geſchahen in teutfchen Städten 1), Die Laien fühlten, 
wie nötbig es fei, flatt des unverfländlichen Ceremoniendien⸗ 
fied und der todten Werkheiligkeit dem Wolfe etwas Brauch 
barered zu geben. 

In me That, wie die Geiſtlichkeit biöher in ben 
Wiffenfchaften vordangegangen, fo bat dagegen ber Bür= 
gerfiand in der Sittenverbefferung die Bahn gebros 
hen. Im Volk überhaupt iſt der Sim flr einen beffern 
Zuftand geblieben und bat fi auf mannichfaltige Weife aus⸗ 
gefprochen. Aus biefem Gefichtöpuncte find auch die Secten 
und Ketzer und ihre damalige Zunahme zu betrachten. Diele 
Menfchen fanden Feine Befriedigung ‚in dem was man Chris 
ſtenthum und Gottesbienft nannte; mit Abfchen gegen bie öfs 


— 


1) Pelzel Leben K. Wenzlaws, I, 248. Gattler Geh. Wär 
-  tembergs unter ben Graven IV, 13. 
Pfiſter Geſchichte d. Zeutfchen II. 24 


370 Bud IH. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 3 


fentlichen AÄrgerniſſe fuchten fie einen eigenen Weg, wenn fie 
auch babei Gefahr liefen auf neue Irrthuͤmer zu gerathen. 
Wiewohl die Handfchriften der Bibel felten und koſtbar, Über⸗ 
feßungen aber, auffer ber lateinifchen, noch gar nicht vorhans 
den waren, fo fand man doch fchon zu Anfang des vierzehn 
1312 ten, Jahrhunderts in Öfterreich viele folcher Leute, welche den 
Anhalt. des neuen Zeflamentd teutfeh auswenbig mwufften '). 
Andere folgten gewiſſen, wohl ſehr alten Überlieferungen, die 
im Herzen bed Volks, in geheimen Geſellſchaften, unter mans 
cherlei Zufägen fich erhalten, durch wandernde Prebiger, zum 
Zheil auch durch Schriften fich verbreitet haben ?). Nachdem 
die Albigenfer durch blutige Verfolgungen fa aufgerieben 
‚waren, baben fih die Waldenfer?’) nicht nur in Piemont 
erhalten, fonbern auch faſt durch das ganze weflliche Europa 
verzweigt. In Zeutichland kamen ihre Srunbfäße bis au bie 
Nord⸗ und Oſt⸗See. Im weiten Sinne wurden ſchon bie 
frieſiſchen Stedinger zu K. Friedrichs II. Zeit zu ihnen ge 
zahlt *). Im dem Reichsſtaͤdten fanden fie großen Anhang. 
Ein andere Elaſſe find die Brüder und Schweflern dei 
freien Geiſtes. Man findet fie durch mehrere Länder ven 
breitet. Ginen Hauptfis hatten fie zu Coͤn. Das Bolk giebt 
ihnen verfchiedene Namen, ober es waren noch befondere Ver 
eine barımter, deren Zufammenhang oder Verſchiedenheit fon 
damals nicht genug gekannt, jet noch weniger zu ermitteln 
fein möchte, da auch in den Namen felbfl VBerwechölungen 
vorkommen. Eine große Zahl hieß Begharben (feige Be 
ter), die weiblichen Vereine Begninen; eine andere große 
Zahl hatte den Ramen Lollharden (fanfte Singer). Eine 
Brüderfchaft diefer Art entftand zu Antwerpen, die füh be 
ſonders ber von den Geifllichen verfäumten Peſtkranken annahıı. 


1) Anon. narratio de haeresi adamitica eta in Pez. scır. mer. 
Austr. T. II. p. 538. 

2) Trithem. Chron. Hirs. T. Hp. 155. 

8) Der Name Hat eine zweifache Ableitung, von Petrus Valdus 
(von Baur) zu Lyon, unb e Shalbewohnerns das m bei Mos⸗ 
beim SKicchengefd IL, 622 

4) Dieſer Geſchichte IL — 587. 








Borbereitung b. allg. Synode zu Golan unt. Sigmund, 371 


Daß die alten Moͤnchsorden ihre Beftimmung erfüllt oder 
überlebt hatten, fieht man eben an ber Entflehung neuer, freier, 
geiftlicher Vereine, worunter bie zu. Deventer zuſammengetre⸗ 
tenen Bruͤder ded gemeinen (gemeinfhaftlihen) Lebens 
audgezeichnet find. Unter ihrer Leitung entflanben’auch wies 
der Laienvereine von Männern und Weibern, aͤhnlich ben 
Begharben und Beguinen !). 

Man wird wohl nicht irren, wenn man obige Secten auf 
zwei Hauptäfle zurldführt, welche aus den Morgenländern 
auf mancheriei Wegen über die Alpen gekommen. Ein Theil 
hatte das Auffere Leben der Chriſten im Auge, die Gemein⸗ 
deverfaffung, nad dem Borbilbe des apoflolifchen Zeitalters 
Diefe waren natürliche Gegner des Papſtthums. Andere 
fuchten mehr das innere Leben tim Gegenfab gegen bie Gchos 
laſtik ſowohl al& gegen die trofllofen Geremonien und Moͤnchs⸗ 
übungen. Diefe fliegen ober ſanken zur Myſtik in verfchies 
denem Sinne, je nachdem bdiefelbein reinern oder trübern 
Ausflüffen fih ergoß?). rinnen wir uns, daß das Chris 
ſtenthum fchon bei der Einführung in Teutſchland ganz mit 
der römifch = päpfllichen Kicchenverfafiung verfeßt war und baß 
jegt dieſe mit fo vielen druͤckenden Satzungen auf dem Volle 
lag, fo ift wohl abzunehmen, wie ‚leicht jene Anfichten bei 
bemfelben Eingang fanden, wie begierig es, bei dem allge 
meinen Misbehagen an dem. verberbten Weltzuflande, Lehren 
ergriff, welche dem innen und duffern Leben eine gänzliche 
Umgeftaltung verfprachen. 

! Das Kirchenregiment aber, flatt mit grinblichen Belchs 
rungen entgegenzutommen, bie Abwege zu zeigen ober bei ges . 
gründeten Befchwerben Abhülfe zu thun, ergeiff den Fürzeften 


1) Moshetim Sirdhengefch. II, 958, 991 ff. 

2) Müller Geſch. db. Schweiz J. Wd. 14. Gap. &.406 ff. IV. Bb. 
4 Cap. S. 284 ff. der Originalausg. wo bas meifte hieher Gehoͤrige ge⸗ 
prüft zufammengeftellt if. — Daß alle diefe Gecten auch ihre Schate 
tenfeite haben, ift uns recht wohl befannt. " Es kommen arge Aube 
artungen vor, bie auch an ihrem Orte nicht unbemerkt gelaffen werben. 
Über hier, wo bie Bebe einſtweilen nur davon ift, daß fie zu einem 
beſſern Impuls des Beitalters mitgewirkt haben, verdient doch bie ur⸗ 
fprüngliche Licht» &eite zuerſt ausgehoben zu werben. 

24° 


372 Bud II. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 3. 


Beg, Alles was „Ketzer“ hieß zu verfolgen ober ganz und 
gar auszurotten. Seit K. Friedrichs IL Zeit wurden häufig 
Kebermeifter nah Teutſchland geſchickt, welche bei ihrer 
willkuͤrlichen Berfahrungsart immer Opfer genug fanden, bie, 
wenn fie nicht abfchwuren, mit bem Leben büßten. Wie 
Karl VL flatt der von ihm felbft in Antrag gebrachten Ber 
befferung des geifllihen Standes in heuchlerifcher Ergeben⸗ 
heit gegen den päpftlichen Stuhl die Inquifition unterflügt 
babe, ift oben ſchon vorgefommen. Doc dieſe graufamen 
Mittel bewirkten nur um fo eifrigeres Fefthalten au der errun⸗ 

‚ genen Überzeugimg. Hunderte flarben mit Freuden den Mär: 
tyrertod in den Flammen; Anbere zogen in bie Einſamkeit 
oder in benachbarte Länder, bis endlich die Zeit kam, wo das 
Wahre, dad fie im Auge hatten, geläutert, geprüft, befler 
geltend gemacht werben Fonnte. 

Solange die Macht bed Papfittums in ihrer ganzen 
&urchtbarkeit daſtand, trugen die dagegen aufgeflandenen Par: 
teien das Gepräge ber Leidenihaft und Schwärmerei, und 
fanden ſich getrieben ihr Heil auffer der Kirche zu fuchen. 
Als jene zu finfen anfing, erhielten die Verbefferungsverfuche 
eine befonnenere Richtung innerhalb der Kirche. Dies zeigt 
fi fchon in ber Wirkſamkeit der Prediger, in welcher bis 
ber noch eine Miſchung, ein Kampf des Beflern und Schlech⸗ 
teen war. Unter ben Myſtikern, welche auf den erſten Grund 
der chriſtlichen Frömmigkeit, Beflerung des Herzens, zuruͤd⸗ 

+41361 gingen, fleht voran Johann Zauler, Dominicaner zu Straf 
burg, der von einem Laien darauf geführt wurde, wie feine 
Vorträge einzurichten feien, „daß ber Menfh zum Nächten 

und Höchften, ſoviel es nur in diefer Welt möglich wäre, ge: 

’ langen tönne').” Er ſprach mit einer folchen eindringenden 


1) Zanler verſprach feinen Suhdrern „nicht viel Lateins zu pre 
chen, fondern Alles mit der Schrift zu beweiſen und zu zeigen, welches 
die rechten, wahren, vernünftigen, erleuchteten, ſchauenden en: 
ſchen feien, die ſich hier durchgebrochen und ſich Gott in einer fterben: 
den Weife gelaffen haben.” In ber Ausgabe von 1508 haben feine Pre: 
bigten ben Titel: „Sermones zc. bie da weiſen auf den nächften wah⸗ 
ven Weg im Geift zu wandern durch überfhwebenben Sinn’ Wie 
viel einfacher iſt die im Text angezeigte, ein Jahrhundert fpätere Schrift 





Vorbereitung b. allg. Spnobe zu Coſtanz unt. Sigmund. 378 


Berebfamkeit vor dem Volke, daß Männer und Weiber hoͤchſt 
betroffen wie tobt niederſtürzten. Eines Ungenannten bier 
Bücher von der Nachfolge Ehrifti fanden bei ihrer Er- 
fdeinung und in ber nachfolgenden Zeit fo allgemeinen Bei: 
fol, daB man auffer den Abfchriften gegen 2000 gebrudte 
Auögaben mit Einfchluß der Überfegungen gezählt hat. Meh⸗ 
rere Orden und Anftalten flritten fih um den Verfaffer, und 
auch in dieſer Ruͤckſicht hat nicht leicht ein Buch ſoviel Aufs 
fehen gemacht ald dieſes. Nachdem man ed ben berühi- 
teften Namen zugefchrieben, ift man endlich mit größter 
Wahrfcheinnlichkeit bei Thomas von Kempen geblieben, ber 


/ 


unter den Kleribern ded gemeinen Lebens zu Windesheim 71471 


fine Bildung erhalten hatte. In Gegenden wo die Wal: 
denfer Eingang gefunden, befonderd in den Reichöftädten, 
fehlte e8 nicht an Männern, welche das Volk mit den einfas 
hen Wahrheiten der Schrift näher befannt machten‘). Im 
Prag gab es ſchon frühzeitig fehr freimhthige Prediger. Kons 


rad Stiekna führt den Reihen; er heifft auch Konrad von + 1369 
Öfterieich. Ihm folgte Johann Milicz, der durch feine. + 1374 


Strafpredigten unter Anden 300 öffentliche Dirnen befehrte 
und in einem eigenen Haufe verforgte. Die Geiftlichkeit, bie 
er angegriffen, verflagte ihn zu Rom, er wurbe aber freiges 


ſprochen. Ein britter, Matthias von Ianow, iferte wie + er = 


ime und brang auf eine lebendige, innere Religion ?). 

So viel von einzelnen Verfuchen zu Verbeſſerung ber 
Sitten und ber Lehre theild auſſerhalb theils innerhalb ber 
Kirche. Die Hauptaufgabe aber befland darin, nicht nur eins 
zelne Misbräuche zu heben, fondern die Kirche felbft, ihr We⸗ 


— 


des Thomas von Kempen, welche auch Proteſtanten in ſpaͤtern Ausga⸗ 
ben mit Weglaſſung deſſen, was die Moͤnche angeht, ſich zugeeignet 
haben. Ihr eigentlicher Titel war: de contemtu mundi R — vom er⸗ 
ſten Buch: de imitatione Christi. 

1) Geſchichte von Schwaben IV, 292 .u. 899. Daher ca Yapft 
Eugen IV. nachher gegen das Goncilium zu Bafel unter Anderm bie 
Einwendung machte, daß ſchon in diefer Gegend Hufliten zu finden feien. 

2) Pelzel K. Wenceflaus S. 855. Bol. Giefeler Lehrbuch der 
Kirchengeſch. Bd. II. Abtheil. 3. S. 81 ff. Solche Männer heiffen bei 
den proteftantifchen Schriftſtellern „Zeugen der Wahrheit. 


- 


.374 Bud II. Erſter Beitraum, Abſchnitt J 


fen und ihren Geiſt zu erneuern. Hierzu blieb bie Einleitung 
vorbehalten dem gekehrten Stande, ber allmälig vom 
Klerus fich Iosreiffend in dieſem Zeitraum als ein eigner 
Stand auftritt. Wir treffen hier aber auch noch auf Einſeitigkei⸗ 
ten und Gegenſaͤtze, auf Steeitigkeiten unter fich felbft, mit 
den Secten, mit ber herrfchenden Kirche, bis nur einmal ein 
Standpunct ber allgemein gewünfchten Verbeſſerung feflge: 
ſtellt wird. 

Aus jenen duflern ober Nebenfchulen, welche bei ben 
Stiftsſchulen für die Laien beſtanden, find die Stabtfchulen 
und die hohen Schulen hervorgegangen, und da finb es wieber zus 
erſt die ſtaͤd tiſchen Behörden, welche die geiflliche Oberhertſchaft 
zu entfernen wuflten, indem fie, wenn ber Klerus Schwierig 
feiten machte, fi) an den Landesheren wandten '). Überhaupt 
gebt mit dem Zerfall der Kiofterfchulen ein neues Leben für 
die Laienfchulen auf. Zu Salerno bat man von ben Ara» 
bern Arzneitunde gelernt; zu Bologna fland das römifche Recht 
wieder auf; zu Paris kam an ber Hand ber Scholaſtik Theo⸗ 

logie empor. Das find drei Lichtpuncte für die Wiffenfchafs 
ten geworben. Das Innungswefen, bad alle gefellfchafts 
lichen Berhältniffe diefer Zeit umfaflt, half ſchnell zur Begruͤn⸗ 
Dung der gelehrten Vereine. Da in diefem Neuen Stande 
jeber Einzelne, befonders ber Fremde, feinen eigenen Schuß 
haben muſſte, fo traten die Stubirenden in bas Gefolge 
eines Lehrers, wie bie Knappen bei den Kitten. Nach ber 
urfprünglichen Einrichtung mufften die Lehrer vom Bifchofe 
“oder Papft Erlaubniß zum Lehren erhalten, aber ihre Geſell⸗ 
ſchaften waren freie Senoflenfchaften. Seit 8. Friedrich L 
fanden fie durch Freiheitöbriefe unter dem befondern Staats 
fhuge. Die Menge der Fremden machte Eintheilungen in 
Landömannfchaften nöthig, die ſich dann zur Univerfität 
oder Geſammtheit verhielten wie bie Zünfte zur Stadtge 
meinde. In ihre innern Einrichtungen legten ſich weber Staat 
noch Kirche, wiewohl der Zufchnitt noch ziemlich moͤnchiſch 
warz K. Wenzlaw verlieh ber prager Univerfität eigene Ge 
sichtöbarkeit unter dem Rector. In bdiefem Zeitraum find in 


1) Hüllmann a. a. D. IV, 344, 


Vorbereitung d. allg. Synode zu Coſtanz unt. Sigmund. 375 


Teutſchland felbft vier neue Univerfitäten bald nad 
einanber gegrimbet worben. Die ‚Herzoge von Öfterreich, in 
Allem mit dem Iuremburgifchen Haufe wetteifernd, erhielten 1365 
von Papft Urban V. die Erlaubniß, für drei Farultäten eine 
hohe Schule zu Wien zu errichten. Urban VI. that auch 
die theologäfche Hacultät hinzu. Johannes Buridanus, von 1384 
den Realiften zu Paris vertrieben, war ber erſte Rathgeber 
der Herzoge, ber die Sache zur Ausführung bringen half). 
Heinsih Langenflein von Heffen, der ebenfalls in Pas 
ris flubirt hatte, wo ein eigened Collegium ber Teutſchen 
war, wurde zum Lehrer ber Theologie berufen. Seiner freis 
mäthigen Schriften if bereitö früher gebacht worden. Die 
Studirenden wurden in vier Nationen getheilt, anfänglich: 
Öfterreicher, Sachen, Böhmen, Ungen. Herzog Albrecht 
bat aber in bem neuen Stiftungöbrief flatt der Böhmen bie 
Kheinländer gelebt. Diefer Brief wurde aufler dem Metro⸗ 
yolitan und dem Didcefanbifchof von den Landherren und 
dem Rathe zu Wien befldtigt?).. Kaum wurden bie Rheins 
länder zu ben wiener Studirenben gezählt, fo beſtimmte Pfalzs 
grav Ruprecht, ber nachher zum roͤmiſchen König erwählt 
| u feine Stadt Heidelberg zum’ Sige einer Univerfis 1386 
tät mit Genehmigung Papft Urbans VI. Sie erhielt ebenfalls 
vier Sacultäten und eben fo viele Nationen. Mit den Fürs 
fen wetteiferten ‚zwei Städte in Norbteutfchland, Coͤln 
und Erfurt: erflere eine der älteften, veichften und mächtige 
ſten; die andere nicht einmal im Beſitz völliger Reichöfreiheit, 
weil der Erzbifhof von Mainz und ber Landgrav von XThüs 
tingen gewiſſe Rechte über fie behaupteten. Beide erhielten 4389 
faſt zu gleicher Zeit Papft Urbans VI. Genehmigung zur Stif- 1392 
tung einer Univerſitaͤt Zu Würzburg wollte ber Bifchof 4402 
eine gleiche Anftalt gründen; weil aber bie angewiefenen Eins 
Fünfte nicht zureichten, fo vereinigten fich die erften Lehrer und 


1) Mosheim Kirchengeſch. IT, 809. 


2) Der erfle Rector heifft: „der durchleucht Meifter in ben fies 
ben Künften, Meifter Albrecht (von Riggenftorf, auch, von Sachſen) 
zu den Beiten obrifter Schulmeifter zu ‚Wien. „ — Com- 
ment, pro Hist, Alberti DJ. etc. p. 450, 


% 





376 Bud Il. Erſter Zeitraum, Abſchnitt 3. 


Stubirenden mit ben Exfurtern. Zählen wir die hohe Schule 
1387 za Kulm hinzu, welche zur nämlichen Zeit vom Teutfchmeifter 
gegründet wurde, fo hat das Reich feit der Stiftung bes 
prager Univerfität in einem balben Jahrhundert ſechs folcher 
Anfalten erhalten‘). 

Wiewohl die paͤpſtliche Licenzertheilung noch an bie 
urfprüngliche Entflehung erinnert, fo wuflten doch diefe Koͤr⸗ 
perfchaften fi) immer unabhängiger zu machen und erhielten 

als folhe Sig und Stimme auf den Reichſs⸗ und Kirchens 
Verfammlungen. Ihre Richtung gegen den Klerus tritt nun 
flärfer hervor. Für Teutſchland ift ed in feinen Folgen bes 
ſonders wichtig geworben, was zuerft zu DOxford gegen bie 
Bettelmoͤnche geſchah, welche die Rechte und Statuten der Unis 

1360 verfität angreifen wollten. Johann W iclef (Wicliffe) wiberlegte 
fie nicht nur,- fondern tabelte auch den Papft, der fie in Schuß 
nahm. Noch Fein Öffentlicher Lehrer hatte das ausgefprochen, 
was Wiclef; er hieß den Papft den Antichrifl, den weltlich⸗ 
folgen Priefter von Rom, ben abfcheulichfien Schaaffcheerer 
und Beutelfchneider ?), Durch freied Forſchen in der heiligen 
Schrift, die er auch in's Engliſche überfeste, erwarb fich 
Wiclef ven Ruhm eined „enangeliichen Lehrers.“ Seine Vor⸗ 
träge und Schriften hatten nicht bloß die Kirchenverfaffung 
fondern die Herftellung ber göttlichen Wahrheiten des Chris 
ftenthums zum Zweck. „Hier,“ fagte er, „könne Fein anderes 
ald das Anfehn der Schrift gültig feinz bie vielen Irr⸗ 
thümer aber kaͤmen bavon her, weil bie Ausleger Richts 
von Grammatik und Logik verflünden"“ Nach eis 
nem langen Proceß brachte es zwar der Erzbiſchof von Gans 
terburg dahin, daß Wiclefs Lehrfäge theild ald Ketzereien 
theilö ald Irrthuͤmer verworfen wurden; aber feine zahlreichen 
und eifrigen Anhänger Eonnten fo leicht nicht unterdruͤckt wer 


| 1) Meiners Gef. der Entſteh. ꝛc. der hohen Schulen zc. L Thl. 

: Die verfhiedenen Angaben ber Stiftungsjahre rühren bavon ber, daß 
man bald das kaiſerl. oder päpftliche Privilegium, bald ben wirklichen 
Anfang der Untverfität vor Augen hatte. Berge. Eich horn beutfche 
Staats⸗ und Rechts⸗Geſch. 6. 441. ; 


2) „the most cursed of Clippers and Purse kervera.“ 





Vorbereitung d. allg. Synode zu Coſtanz unt. Sigmund. 377 


ben; nachdem fie zulegt bis anf ben Tod verfolgt worben, 
nahmen viele ihre Zuflucht nach Zeutfchland, wo fie an den 
Waldenſern Glaubensverwandte trafen und den Namen Loll⸗ 
harden erhielten. So kam auch in dieſer Zeit der gelehrte 


Dr. Leander aus Frankreich vertrieben nach Preuſſen und 1388 


fand Schutz bei dem teutſchen Orden, der nie ein Freund 
ber Kleriſei war '). 

Die Univerfität zu Paris ſtand damals in ihrem groͤß⸗ 
ten Anſehn. Sie hatte auch Streit mit den Dominicanern; 
das war aber Nebenſache. Auſſer den Verhandlungen über 
bie Kiechentvennung erhielt fie großen Einfluß in die Staats⸗ 
angelegenheiten. Bei der Spannung zwiſchen der burgun⸗ 
diſchen und orleansſchen Partei ſuchte die Univerſitaͤt 
Frieden zu ſtiften; dem ſchwachen Könige Karl VL. ſtellte fie 
freimuͤthig die Mängel vor, welche gehoben werden muͤſſten. 
Nicolaus Oreſme, ein parifer Theolog, hielt zu Avignon 


vor Urban V. und den Cardinaͤlen eine Predigt, worin er der 


chriſtlichen Kirche ein gleiches Schickſal weiſſagte wie ber juͤ⸗ 
diſchen, wenn nicht die Verſchlimmerung beſonders der Lehrer 
gehoben wuͤrde. Dieſe haben auſſer dem’ ſchon gedachten 
Nicolaus von Camenge, auch Peter von Ailly und Jo⸗ 
hann Gerſon mit den ſtaͤrkſten Farben geſchildert. Peter, 
ein ausgezeichneter Anhaͤnger der ſcholaſtiſchen Philoſophie, 
Beichtvater des Koͤnigs und eine Zeit lang Kanzler der Uni⸗ 
verſitaͤt, erhielt wegen ſeiner Thaͤtigkeit in den kirchlichen Strei⸗ 
tigkeiten den Namen „Frankreichs Adler und Hammer der 
Abweihenden.” Sein Schüler, Freund und Nachfolger in der 
Kanzleewürbe, Gerſon, galt fir den größten Theologen bie: 
fer Zeit. Er bat alle Bacher dieſer Biffenfhaft beleuchtet, 
auch die Myſtik zu reinigen geſucht; im Ganzen aber hat er 
ben beftehenden Tatholifchen Lehrbegriff unangetaftet gelaflen. 


Seine Stärke febte er in bie Vertheidigung der Freiheiten der 


gallicaniſchen Kirche; hielt ſich alſo in der Hauptſache in den 
geſetzlichen Schranken, da hingegen Wiclef mit ſeinen Anhaͤn⸗ 
gern auſſer denſelben erklärt wurbe?). 


1) Baczko Geſch. Preuffens II, 268, 
2) Das Bisherige nah Schroͤckh a. a. O 


378 Bud IL Erſter Zeitraum Abſchnitt I 


In diefen zwei Richtungen gingen bie Auffoberungen zur 
Kircheureformation von DOrforb und Paris aus. Die neuges 
fifteten teutfchen Univerfitäten fcheinen noch zu jung gewe⸗ 
fen zu fein, um mit gleicher Thaͤtigkeit darauf einwirken zu 
koͤnnen. Dagegen ifi zu Prag eine Bewegung entflanben, 
welche dieffeit ber Alpen ben erſten Auftoß gegeben hat, nad 
Wiclefs Vorgang bie DVerbeflerung der Kirche ober der Geifl: 
lichkeit mit der Verbeſſerung der Lehre zu verbinden ober 
eigentlich auf diefe zu grimben. 

In demfelben Zeitpunct da K. Wenzlaw von ben rhei⸗ 
niſchen Erzbiſchoͤfen des Reichs entſetzzt wurbe, weil er auf 
den Rath der prager Univerſitaͤt ſich mit Frankreich zu He 

4402 bung der Kirchenfpaltung verbunden hatte, trat Johann von 
Huffines an ber Kirhe Bethlehem zu Prag als firenger 
Sittenprediger auf. In der That fuhr er in demfelben Zone 
fort, worin bie oben genannten prager Geifllichen vorangegan- 
gen waren. Über die Reinheit feines Wandels iſt auch bei 
feinen Zeinden nur Eine Stimme; er befaß gelehrte Kennt 
niſſe, Scharffinn, große Beredſamkeit. Die Königin Sophia, 
aus dem baierifchen Haufe, wählte ihn zum Beichtvater, und 
er fand viele Gunſt am Hofe. Als bie Mönde und Geiflb 
hen ihn bei K. Wenzlaw verklagten, fprach dieſer: „folange 
Huß wider und Laien predigte, habt ihr Freube daran ges 
habt; jegt, da er euch angreift, möget ihr's euch auch gefallen 
laſſen.“ In eben diefer Zeit wurden Wiclefs Schriften in Prag 
bekannt, und obgleich Huß anfänglich Dagegen eingenommen war, 
weil fie als ketzeriſch verſchrieen waren, fo erhielt er doch bald 
eine beffere Meinung von ihrem Inhalt. Ex flimmte zwar 
nicht in allen Stüden damit überein, beſonders in Abficht 
ber Abendmahlslehre; dagegen fand er erwünfchte Auffchlüffe 
über Papſt und Kirchenregiment. Diefe Anfichten theilte. fein 
Freund Hieronymus, aus dem Gefchlechte Faulfifch von 
Drag, ber bie Univerfitäten zu Gr, Heidelberg und Paris 
befucht, auch eine Zeit lang in England fich aufgehalten hatte. 
Hieronymus war noch gelehrter und beredter als Huß; 
er trat aber nicht in den geifllichen Stand, fondern hielt fid 
als Ritter an den Hof bes Könige.” Er half dem Könige 
won Polen die Univerfität gu Cracau errichten, predigte gu 


Vorbereitung d. allg. Synode zu Coſtanz unt. Sigmund. 379 


Dfen, wurde von ber Univerfität zu Wien gefangen gefeht, 

aber auf Verwendung der Prager wieber freigegeben. Diefe 

beide Männer, von gleichem Eifer für Wahrheit befeelt, find 

es welche mit ihren Freunden und Anhängern das Reforma⸗ 

ttonswefen in Böhmen zu beginnen fich aufgefobert fühlten. 

Als Papſt Bonifacius IX. Ablaßprebiger fandte, ſprach Huß 

um fo dreifter gegen biefe ſchaͤndlichen Gelderpreffungen, als 

8. Sigmund, damald Wenzlaws Statthalter, mit dem Papfte 

gefpannt, den Ablaß felbft verboten hatte. Darüber ergrimmte 

der höchft papfilich gefinnte Erzbiſchof Sbinko zu Prag, und, 

da er wuſſte, daB Huß ein Anhänger von Wiclef wäre, fo 

brachte er bei der Univerfität zumege, daß 45 aus Wiclefs 

Schriften gezogene Säge durch Mehrheit vorzüglich der teut⸗ 

fhen Lehrer verboten, und diejenigen mit dem Scheiterhaus 

fen bedroht wurden, die fie ferner lehren wirben; denn Huß 

hatte bei den Disputationen die teutfchen Magifter durch jene 

Lehrſaͤtze Häufig in die Enge getrieben. Dies führte aber zu 18. Mai. 

einer noch flärkern Gegenwirtung. Die vier Landsmannfchafs 

tm der Univerfität waren bereit in zwei Hauptparteien ges 

fpalten: die erfle begriff die Teutſchen, zu welchen aud 

die Polen fich hielten; die andere die Böhmen. Diefe was 

ten nicht nur wegen Berfchiebenheit ihrer Sitten einander abs 

geneigt, fondern auch ald Anhänger zweier fcholaftifcher Pars 

teien: jene befannten fih zu den Nominaliften, biefe zu 

ben Realiften. Da nun bie Zeutfchen mit den zu ihnen 

gezaͤhlten Landsmannfchaften drei Stimmen hatten und alfo 

beſonders bei Befekung ber Ämter immer Überlegen waren, 

fo brachte e8 Huß durch feinen Einfluß beim Hofe dahin, 1409 

daß dieſes Verhaͤltniß umgebehrt wurde. Karl IV. hatte felbft 

noch eine Urkunde gegeben, daß, wie die Gründung, fo auch 

die Verbefferung der Univerfität immer nach dem Mufter von 

Paris gefchehen folle. Da nun dort die Ausländer zufammen 

nur Eine Stimme, die Inländer aber drei hatten, fo warb 

dies auch in Prag fo angeordnet. ‚18. Dt. 
Darüber verliefjen aber die teutfhen und polnifchen Leh⸗ 

rer und Studenten zu Taufenden Prag, und es blieben etwa 

nur noch 2000 böhmifche und mährifche Studenten mit. ihren 

Lehrern zunüd, weiche Huß zum Rector wählten. Die Außs 


5 





380 Buch UL Erfter Zeitraum. Abfhnitt 3. 


gewanberten zogen auf andere Univerfitäten; 300 derſelben 
1409 fanden in Leipzig Aufnahme, wo Markgrav Friedrich der 
Dec. Streitbare eben im Begriff war auch eine Univerfität zu 
gründen (die fiebente feit Prag). 

Zur nämlichen Zeit lud Huß aufs neue den Zom bes 
Erzbiſchofs auf fih, da er mit K. Wenzlaw ben pifanifchen 
Papft, Alexander V., für den allgemeinen Papfl erkannte. 
Sbinko, der noch mit Gregor XII. hielt, verbot ihm und den 
übrigen Lehrern alle geiftliche Handlungen, und ungeachtet er 
ferbft in der Folge Alerander V. anertennen muffte, fo vers 
Magte er Huß auch bei diefem wegen feiner Anhänglichkeit 
an Wiclef, verbot ihm das Prebigen und ließ fich die wiclefis 
fhen Hanbfchriften mon den Beflgern berfelben außliefern. 
Die Univerfität bat den König die Schriften nicht verhrenmen 
zu laſſen. Sbinko kehrte ſich aber nicht daran und ließ uͤber 
koſtbare Handſchriften in feinem Palaſt in's Feuer wer⸗ 
fen. Darliber wurde ber König, der Hof und ein großer 
Theil der Einwohner fehr erbittertz felbft bad gemeine Volk 
gerieth in Bewegung und es wurden bereit8 an bemfelben 
Tage einige Mordthaten ausgeübt. Waren die Prager 
wegen ber Abnahme ihrer Univerfität biäher - ungehalten auf 
Huß, fo wandte fih ihr Unwille zu feinen Gunſten ge 
gen den Erzbifhof. Nur die teutfchen Einwohner wollten 
Huß aus feiner Capelle vertreiben. Als ber König dem Doms 
capitel befahl die verbrannten Hanbdfchriften zu vergüten, ent 

1410 fland eine neue Bewegung gegen die Geiſtlichkeit. Dieſe 
brachte ihre Klagen an den Papfl, Huß wurbe nach Rom cis 
tiet; ber König unb bie Königin lieffen ihn durch eine Ge 
fandtfchaft entfchuldigen, deſſen ungeachtet wurde Huſſens 
Sachwalter eingefegt, er felbft für einen Keber erklaͤrt und 
der Ort feined Aufenthaltes mit dem Interbict belegt. Der 
König binderte die Vollziehung der Bulle, und Huß appellizte 

141 an ein kuͤnftiges Goncilium. Die Prager empfanden den Vor: 
wurf der Kegerei fehr Übel. Mehrere Lehrer traten Huffens 
Appelation bei. Im diefer Bewegung gelang ed dem König 
einen Stillſtand zu vermitteln. Nach feinem Schiedſpruch vers 
ſprach der Erzbifchof fih vor dem Könige zu demuͤthigen, 
dem Papfle zu berichten, baß feine Keberei in Böhmen ges 


\ 
11 


Vorbereitung d. allg. Synode zu Coſtanz unt. Sigmund. 384 


funden werde, und ſomit die Aufhebung des Bannes zu be⸗ 
wirken. Huß aber legte ſein Glaubensbekenntniß ab, welches 
die Univerfität fuͤr aͤcht katholiſch erklaͤrte. 

Nun geſchah, daß der Papft auf's neue Geld durch Ab: 1412 
. {aß eintreiben und das Kreuz gegen ben 8. Labiflaus von . 
Neapel prebigen ließ. Died gab wieder eine flärkere Aufreis 
zung. Huß und Hieronymus ſprachen und handelten ohne 
allen Ruͤckhalt. Der König, der anfänglich den Ablaß erlaubt 
batte, ließ Huß und feinen bisherigen Freund, Stephan 
Palecz, der den Ablaß auch getadelt, aber feine Sefinnung 
geändert hatte, Öffentlich miteinander disputiren. Huß erbot 
fih gegen männiglih feine Meinung zu behaupten, bei 
Strafe des Feuers, ber aber auch feine Gegner fich uns 
terwerfen müflten. Die Töniglihen Räthe entlieſſen fie aber 
mit den Worteh: vertragt euch miteinander! Um bie Univers 
fität zu gewinnen, Eündigte Huß durch Anfchlag an ben Kirche 7. Jun. 
re eine Öffentliche Disputation über die lebte paͤpſtliche 
Bulle an. Der Zulauf war fehr groß, auch bad gemeine 
Volk ließ fich nicht abweifen. Auf bie Einwendungen und 
Barnungen einiger ditern Doctoren fing bie Menge an zu 
murren; Huß befänftigte fi. Hieronymus hielt dann eine 
lange Rebe und enbigte mit den Worten, er werde jest mit 
Huß auf dad Rathhaus geben und ungefcheut fagen, daß bie 
Bulle und ber Ablaß ungerecht fei. 

Den Zag darauf gab ed ſchon Zuſammenrottungen ge⸗ 
gen die Ablaßprediger. Hieronymus nahm einen ſolchen 
nebft zwei Öffentlicherf Dirnen gefangen und ließ fie auf einem 
Wagen durch die Stadt führen. Den päpfllichen Ablopbrif 
hing er den Dirnen auf die entblößte Bruft und verbrannte 
ihn hernach Öffentlich am Pranger. Die Gährung im Volfe ' 
war jest nicht mehr aufzuhalten, ungeachtet Huß und Hieros 
nymus von mehreren Seiten gewarnt fi mit allen Kräften 
dagegen ſetzten. Als man von denjenigen welche die Ablaßs 
prebiger Öffentlich in der Kirche befehimpft hatten, drei ergriff 
und auf dem Rathhaufe zum Tode verurtbeilte, bat Huß für 
fie, weil er eher felbft Strafe verdient hätte. Da der Rath 
fie dennoch enthaupten ließ, vottete fich das Volk zufammen 
und beerdigte die Leichname in ber Bethlehemskirche; ja 


+ 


3322 Bud IL | Erfter Zeltraum. Abſchnitt 3. 


es boten fi 40 Perfonen freiwillig zu ſolchem Märtyrer 
tode an. 

Jetzt fprach der Papſt den Bann über Huß und Hiero⸗ 
nymus und das Imterdict über den Ort ihres Aufenthaltes 


13 aus. Huß ging alfo von Prag in feinen Geburtsort, ge 


fhüst von dem Grundherrn, Nicolaus von Huflineg, umd 
fuhr fort in Predigten und Schriften gegen Papft und Geifl- 
lichkeit zu wirken. Der neue Erzbifchof, Konrad von Vechta, 
wiederholte ven Bann und bemühte fi) auch, auf Erſuchen 
bes parifer Kanzler Gerſon, den wiclefifhen Lehren zu 
Drag Einhalt zu thun. Doch blieb ein großer Theil der Uni: 


- verfität unb der Laien auf Huſſens Seite. Als der Erzbiſchof 
1414 richt lange vor der allgemeinen Kirchenverfammlung zu Co⸗ 
Aug. ſtanz eine Synode nad) Prag berief, erfchien Huß auch Das 


ſelbſt und foderte burch öffentlichen Anfchlag Jeden auf, ihn 
ber angefchuldigten Kegerei zu überführen. Allein der Erzbi⸗ 
fchof zeigte ihn an, feine Gegenwart fei Kberflüffig, weil Bein 
Kläger erſchienen wäre. Er ließ ſich darüber ein Zeugniß aus⸗ 
ſtellen. Selb der paͤpſtliche Ketzerrichter in Böhmen, ber 
Bifchof von Nazareth, gab eine Urkunde, daß er Huf in 
ae 0 Unterrebungen als. rechtgläubigen Lehrer gefuns 
ben. Alſo ging Huß getroſt zu dam Concilium nach Coſtanz, 
an das er appellirt hatte‘). 

Neben den übrigen Berfchiebenheiten if in ber Theil⸗ 
nahme an den Kirchenfachen diefer Zeit mehrfacher Gegenſatz 
zwifhen ben Zeutfhen und Böhmen So vide Den: 
fhen in teutfchen Städten und Provinzen vorhanden waren, 


* welche, ber kirchlichen Zerräittung uͤberdruͤſſig, ihrer eignen Übers 


zeugung folgten, fo fanden dieſe doch an ben Behörden wes 
der Aufmunterung noch Hälfe Es blieb ihre befondere 
Sache. Die. Obrigkeiten legten ben Ketzerrichtern wenigſtens 
fein Hinderniß in. den Weg. Man weiß Teinen Fürften, ber 
fih det Verfolgten angenonmen hätte. Der Grund liegt wohl 
bauptfähli darin, daß arge Audartungen an ben Tag 


1) Das Gange nach Pelzei q. a. D. Vergl. Schroͤckh a a. D. 
Sd. XXXIV. ©. 576 fi. 


Vorbereitung b. allg. Synode zu Coſtanz unt. Sigmund. 383 


kamen, eben weil bie Secten fih ſelbſt überlafien blieben”). 

Die Univerfitätäichrer zeigten ſich den Böhmen abgeneigt, nicht 
fowohl wegen ber Religiondfrage ald wegen der prager Spal⸗ 
tung überhaupt. Das Bolt im Ganzen, allerdings voll Er⸗ 
wartung einer bucchgreifenden Reformation, wuſſte fich noch 
nicht zu entfcheiden. In Boͤhmen war bied Alles anders. Der 
König bewies ſich ald eben fo großen Gönner der neuen Un⸗ 
terfuchungen, als er der Klerifei abhold war. Huffitifche Schrifte 
ſteller haben behauptet, es fei in der Erinnerung bes Volles 
noch nicht erlofchen gewefen, daß bas Chriftenthuns nicht durch 
zömifche fondern durch griechiſche Miſſtonaire eingeführt - 
worden, welche namentlich Priefterehe und Abendmahl unter 
beiderlei Geſtalt zugelaflen Hatten ?). Das ift wenigftens ofe 
fenbar, daß der große Aufwand bed Geremoniendienfted dem 
Volke weniger gefiel), daß bie römifchen Bedruͤckungen, bes 
ſonders dee Ablaßkram, in Böhmen tiefer gefühlt. wurben und 
um ein Jahrhundert früher als in Zeutfchland. Auch ift nicht 
unwahrfcheintich, daß die zahlreichen, in die böhmifchen Waͤl⸗ 


per geflüchteten Waldenfer, die daher auch Grubenhei⸗ 


mer hieſſen, das Ihrige bazu beigetragen haben. Die Ein 
wohner dee Hauptitabt und bald and ein großer Theil des 
Landvollks nahmen Huſſens Sache als Nationalf ache. vhr 


1) Beifpiste bei Mosheim Kirchengeſch. WM. Die Ramen Ei 
den, Beguinen, Lollharden zc. wurben zulegt Schimpfnamen. Im Jahr 
137% fand in ben Niederlanden eins ganz ſchamloſe Zängerfecte auf 
(wahrſcheinlich vom Reitötanz).. Radulphi de Rivo Gesta Pon- 


tiff. Leod. c. 9. Zu Edln fand man mehr denn 100 Srauen und Dienfle - 


maͤgde, die nicht ehrliche Mänher hattenz „bie wurden alle in der Taͤn⸗ 
zerei Imdertragend, unb wenn fie tanzten, bunden und Enebelten fie 
fi; Hart um ben Leib, daß fie deſto geringer wären.” Eimpurgifche Shron. 
5. 122, 

. 2 Biefeler a. a. O. ©. 91 hat Zweifel gegen jene Behauptung, 
die auch Schroͤckh .a.D. Wh. XXXIV. ©. 565. aus Zittes Lebens 
beſchreibungen ber drei Vorläufer von 3. Huß 2c. angenommen. “ 

8) Die vielen und, reichen Stiftungen an Kirchen und Klöftern, welche 
erft zu Karls IV. Zeit geſchahen, bürften als Anlaß hierzu angeführt 
werden. Wir geben Übrigens hier nur Andeutungen, weil wir nirgends 
etwas SBefriebigenbes gefunden haben. Die weitere Erörterung gehört 
in bie böhmifche Geſchichte. oo» 


334 Bud I. Erfei Beitraum. Abſqhnitt 3. 


Eifer aber ging ſchnell in Fanatifmus über, in um fo wil⸗ 
dern Ausbruͤchen, je weiter dad Volk im Übrigen noch gegen 
die Zentfchen zuruͤckſtand. 

Dies die mancherlei Vorbereitungen und Erwartungen 
in Beziehung auf eine allgemeine Kirchenverfammlung. ber 
ihre Berufung waren die Gelehrten einſtimmig. Ungeach⸗ 

- tet die Krone Frankreich während der Xheilung und Schwäche 
des teutichen Kaiferthbums die Leitung ber allgemeinen Kir 
chenangelegenheiten an fi) gezogen, fo erfannte doch der Kanz⸗ 
lee Serfon, „ben römifchen Könige und künftigen Kai: 
fer ſtehe das Recht zu, ein allgemeines Goncilium audzufchrei= 
ben, ja 8. Sigmmb fei bei Strafe einer Tobfünbe und ber 
ewigen Verdammniß verbunden, in ber gegenwärtigen Lage der 
Kicche ein Concilium anzufegen.” 

Gluͤcklicherweiſe war eben jest die Einigkeit bed Reiche 
durch Sigmunds Wahl bergeftellt. Neben dem allgemeinen 
Bebürfniß der Kirche, nach welchem Sigmund baldige Beru⸗ 
fung eines Concilium zugefagt hatte, lag ihm noch befonders 
daran auf biefem Wege au Böhmen zu beruhigen. Go 
weit war es ihm allerdings Ernſt. „Von dem Tage an,” fagt 
"er in der ihm zugefchriebenen allgemeinen Reformation, „als 
Wir des Reihe Knecht und Diener wurden, flellten Bir 
mit allen Sinnen darnach, daß eine rechte Drbnung würde, 
und wie eine Orbnung ber Päpfte wärbe, danach ein Con⸗ 
cilium ordnen follte den Staat der heil. Kirche !)." Im Gans 
zen heilt Sigmund die guten und fehlimmen Cigenfchaften 
feines Bruders Wenzlaw; doch iſt einige Verfchiebenheit. Er 
war weniger dem Wein ald der Woluft ergeben. Wahrfcheins 
lich durch Wenzlaws Übereilungen gewedt, zeigt er mehr Bor» 
ficht, aber auch noch weniger Achtung der Verträge; ex blieb 

thaͤtiger als jener; bei aller Beweglichkeit iſt ein gewiſſer Plan 
‚in feinem Leben, nur Tehlt ihm im Augenblic® der Entfcheis 
dung männliche Feſtigkeit. Gegen ben päpftlichen Stuhl bat 
er bie heuchlerifche Ergebenheit feines Vaters. Wenn er ev 
nen Ketzer nermen börte, fo war fein Urtheil gefprochen. 
Setzen wir hinzu, ex fchämte fich der Freundfchaft eines Jo⸗ 
bannes XXI, nicht, fo ift Alles gefagt. 

1) Gef. v. Schwaben IV, 485. - 


⸗ — 


Vorbereitung d. allg. Synode zu Coſtanz unt. Sigmunbd. 385 


Da Sigmund im Augenblicke ſeiner Wahl mit den Ve⸗ 
netianern im Krieg war, fo konnte er die Regierung in Teutſch⸗ 
land nicht gleich antreten; dagegen wollte er waͤhrend feiner 
Anwefenheit in Italien mit der Unterwerfung Mailands den 
Anfang machen und fi zum König von Italien Erönen lafs 1413 
fen. Da ihm dies fehlfchlug, ‘weil er die ihm zugezogenen Octbr. 
Schweizer nicht bezahlen konnte, fo begab er ſich nach Lodi, 
um mit Johann XXIIL nähere Übereinkunft wegen der Kir⸗ 
henverfammlung zu treffen‘). Wiewohl ihm als römifchem 
König, bei der gegenwärtigen Trennung der Kirche, dad Berus 
fungsrecht unſtreitig allein zufland, fo wollte er daſſelbe doch 
nicht ohne dieſen Papft aushben, der auf jeben Fall noch den 
ſtaͤrkſten Anhang hatte und ihm auch vermöge der Wahlcapis 
tulation die Beflätigung ertheilen follte.- Johann hatte bereits 
feinerfeit8 ein Goncilium‘ audgefchrieben ohne den Ort zu nen⸗ 18. — 
nen; aber. ee war nun auch beſonders froh ſich an Sigmund 
zu halten, weil K. Ladiflaus von Neapel ihm gewaltig zus 
fegte und ihm bereits aus Rom vertrieben hatte. Gegen dies 
fen jungen, unternehmenben Fürſten, ber Ungern, Italien-und 
bad Kaiſerthum bedrohte, traten Sigmund und Johann, als 
gegen ihren gemeinichaftlichen Feind, in Freundſchaft, jeboch 
nm in der Abfiht, einander zu überlifin. Um das Conci⸗ 
lium in eine. teutiche Stabt zu bringen, ließ Sigmund feinen 
Freund hoffen, daß er der alleinige, rechtmäßige Papft bieis - 
ben foßlte, wenn er von dem Vorfchlag einer italienifchen Stadt‘ 
abgehen wine. Sie verweilten faft einen Monat bei einander 
zu Lodi, bis Johann endlich beftätigte, was feine Geſandten 
bereit8 etwas voreilig zugefagt hatten. Sigmund fragte num 
die. Herren in feinem Gefolge, welche Meichöftabt nahe am Ge 
birge vorzäglich zu der Kirchenverfammlung tauglich wäre. 
Da nannte Grav Eberhard von Nellenburg die Stadt Eos 
ſtanz, anmuthig am Bobenfee gelegen; diefe Stabt wäre 
bed Reichs, habe einen biſchoͤflichen Sitz, ſei wohl erbaut und 
mit allen Erfoderniſſen im Überfluß verſehen; es winden haͤufig 


! 


N 


1) Eberhard Windel Leben K. Sigmumds in Menoken sarr. 
T.Lp. 1091. 0.28. Sfgudil, 671. Möller Schweiz. Geſch. 
II, 22, wur 
Pfiſter Geſchichte d. Zentichen II. 25 


336 Buch IH. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 3. . | 


Städtes und Ritters Zage bort gehalten, und unlängft habe 
auch K. Ruprecht den appenzeller Krieg dort gefihlichtet. Man 
Eonnte binzufegen, ed fei diefelbe Stadt, in welcher vor mehr 
als 200 Jahren 8. Friedrich I. mit den lombardiſchen Stäbten 
Frieden geichloffen. Der Papft ließ ſich den Vorſchlag ge 


14413 fallen. Beide, Sigmund und Johann, fehrieben nun die Ver 


Dick. 
Dec. 


144 . 


Aug. 


fammlung aus. he fie fhieden, erinnerte Sigmund ben Papfl 
noch recht bemüthig, er möchte doch bie fihlen Sitten, durch 
welche er die ganze Welt geärgert habe, ablegen und fich alle 
Mühe geben, daß das Eoncilium feinen Zweck erreiche. Jo⸗ 
hann verfprach die ärgerlichen Ausfchweifungen, befonbers die 
Keberei der Simonie, zu unterlaffen. 

Nicht lange vor dem Termine ber Kirchenverfammlung 
ftarb 8. Ladiſlaus. Nun wollte Ichann fchon feine Zufage 
bereuen und nad Rom zurückkehren; allein bie Garbindie, 


‚ vorausfehend, daß er fich mehr mit ber Wiedereinrichtung bed 


Kicchenflaats ald mit ber Reformation befchäftigen würde, be’ 
fanden darauf, daß er jene, als eine weltliche Sache, durch 
einen Legaten beforgen, dieſe aber in Perfon leiten mäüflte. 
Sp begab er ſich denn darein, brauchte aber alle Vorficht für 
feine perfönlihe Sicherheit. Er ließ fih nicht nur von be 
‚Stadt Coſtanz eine Öffentliche Urkunde barüber auöftellen, fon 
bern trat auch während ber Reife in einen geheimen Schutz⸗ 
vertrag mit dem Herzoge Friebrich von Oſterreich. Dieſer 
war um fo mehr dazu geneigt, ald er mit Sigmund übe 
eine ſehr anftößige Geſchichte zu Imsbrud fich entzweit hats 
te!). Johann wies ihm 6000 Goldgulden auf feine Kam 
mer, au und emannte ihn zu beö apoflelifchen Stuhls oberfiem 
Hauptmann und geheimem Rath. Als ein üble Zeichen ward 
ed angefehn, daß Johanns Wagen im Schnee des Arlbergs 
umſchlug, wobei die Leute nody ein beſonderes Ärgerniß baran 
nahmen, daß ber Papſt in bed Teufels Namen geflndht. Als 
er die hobe Bergflaͤche erreichte und berabfah auf den Boden⸗ 
fee und bad umliegende Land bis Goflanz, wurde jebe große 


1) Es wurbe eine Bürgerstochter vom Tanz hinweggeführt x. und 
ber König deshalb beſchulbigt. Sie felbft fagte aus, au ber Gpradk | 
fei e8 nicht ber König gewefen. Windeck p. 1093. 





Worbereitung d. allg. Synode zu Coftanz unt. Giomumd. 387 


Empfindung in feiner Seele erſtickt durch Ahnungen, welche 
in ihm auffliegen.”” Dort ift die Orube, „fagte er auf Coftanz 
deutend, „wo man die Fuͤchſe fängt.‘ er 
Nachdem Sigmund nor einige fruchtlofe Schritte gegen 
den Herzog von Mailand verfucht hatte, ging er vor dem 1414 
Yapfe nach Zentfchland, um fich zu Aachen kibnen zu laſſen. Jul. 
Da er aber wenige Zürfien umterwegs traf, wollte er im Uns 
willen gar nach Ungern zurückkehren. Der Burggrav Friebs 
rich von Nürnberg hielt ihn auf., Ex errichtete einftwellen ei⸗ 
nen breijährigen Landfrieben in Franken:) und zog dann nad) 30. Sept. 
Achen, mo er in Gegenwart der Kurfürften und mehrerer 
anderer Furſten und ‚Herren die Krönung empfing, als bie 8. Nov. 
Derfammlung zu Coſtanz fchon angefangen hatte?). 
Das waren bie zwei Oberhäupter ber Chriftenheit, unter 
deren Leitung die Iangerfebnte Herftellung der Kirchens 
einheit und Die Neformation an Haupt und — 
dern vorgenommen werden ſolite. 


12. Die Hauptverhandlungen der coſtanzer Kirchen⸗ 
verſammlung, 1414 ff. 


Zuſammenfluß aus der ganzen abendlaͤndiſchen 
Shriftenheit. Die Hauptparteien in der Berfamm: 
lung. Einrichtung ihrer Verhandlungen. Papft 
Sohannd XXH. Flucht und Abfegung Huß und 
Hieronymus von Prag werden ald Keber vers 
brannt. Nah Abdankung Gregors il: und Abs 
fegung Benedicts XI. wird Martin V. zum als 
leinigen Oberhaupt erwählt, der jedoch die Mes 
formation wieder hinauszufchieben weiß. Ver⸗ 
halten bes Kaifers und der feutfhen Nation = 
diefen Verhandlungen. 


Auf die beſtinnnte Zeit ber Kirchenverſammlung ſah man faſt Ro. 
täglich zu Coflanz einreiten Zürften und Herten, geiſtliche 


1) Wenker Appar. arch. p. 814. 
2) Über das Ganje Thead. a Nism, de yita Joh. XXI. ip: 
v.d, Hardt Conal. Const.. T. II. vergl. mit ben übrigen Stellen 
25 * 


‘ 388 Buch U Erſter Zeitraum. Abſchnitt 3. 


und weltliche, und Abgeorbnete aus allen Landen, Mächten 
und Ständen der Chriſtenheit: fo erzaͤhlt Ulrich von Reis 
chenthal, ein Augenzeuge. Es kamen in Perfon die Kur 
flrften des Reichs und bie andern Zürften, Bifchöfe und Pri- 
laten, Graven, Ritterſchaft und Abel, deögleichen die Abge 
orbneten ber Stäpte, Ale mit zahlreichen Befolgen und vielen 
Dferden. Dann kamen Botfchafter aller chriſtlichen Könige 
und Erzbifchöfe und Bilchöfe ihrer Lande, die Hochmeifter der 
geiftlichen Ritterorden, die Meifter göttlicher Kunfl, die Schul: 
pfaffen und die andern gelehrten Leute aus England, Schott: 
land, Hifpanien, Italien, Schweden, Daͤnemark, Preuſſen, 
Böhmen und den wendifchen Landen; aus Ungerland, Polen, 
Mafovienz Botfchafter aus Griechenland, mit langen ſchwar⸗ 
zen Haaren und Bärtenz Botfchafter aus Lithauen und Re: 
zen, aus der großen und Beinen Walachei, von den Königen 
gefeffen in der Türkei, von den Herzogen ber weiffen und 
rothen Reuffen, und mit ihnen viel mancherlei heidnifche 
Herren, mit wunberlihem Gewand, mit Tüchern um das 
Haupt gewunden und mit fpigigen Hüten, viele vom grie 
hifhen, einige von Mahomeds Glauben, und auch rechte 
Heiden. SEE 
4414 Wenige Lage vor ber Eröffnung bes Goncilium hielt um: 
23. Oct. ter großem Gepränge feinen Einzug Papfi Johann XXI. 
mit einem Gefolge von 600 Pferden. Sechs Zage nach ihm 
kom Johann Huß mit drei Begleitern unter kaiſerlichem Ge 
leit. Auf Weihnachten, als die Verhandlungen. fchon im Gange 
waren, kam Katfer Sigmund mit feiner Gemahlin und einem 
flattlihen Gefolge. Etwas fpäter fah man. Abgeordnete der 
zwei andern Päpfle; Gregorö XU. und Benebict XI. 
Gebhard Daher, ein angefehner Mann zu Coſtanz, hat 
auf Befehl des Kurfürften von Sachfen, als Erzmarfchalld des 
Reihe, ein Verzeichniß aller Anwefenden aufgenonmen und 
‚eine „ordentliche Befchreibung der großen Pracht des cofl: 
nigifhen Concktii” verfafft. Nach diefer Zählung kann man 
bie Mittelzahl der Fremden ih den zwei erflen Jahren auf 


in deſſen T. I. P. X. p. 589. T. VI. P. L p.5 qq. Leonard. 
Aretin, Comment, in Murat. T. XIX. p. 927 sq. 


Coſtanzer Kirhenverfommlang. 389 


80,000 ſchaͤtzen, zur Zeit bes färkften Zufammenfluffes mag 
die Zahl wohl 150,000 Menfchen mit, 30,000 Pferden betras 
gen haben. Unter den vornehmften Perfonen fah man, nad 
Kaifer und Papft und den Legaten der zwei abwefenden Päpfte, 
drei Patriarchen (von Conftantinopel, Grado, Antiochien), 
22 Cardinäle, 20 Erzbifchöfe, 92 Bifchöfe, wozu noch einige 
englifche kamen, 124 Äbte, 1800 Prieſter, Doctoren verfchies 
dener Wiſſenſchafien, Abgeordnete der Univerfitäten, auch viele 
Mönche. Nicht weniger zahlreich waren bie Fürften und Hers 
ten vom Laienflande. Zum Gefolge des Kaiferd gehörten 1000 
Perfonen. Hierzu famen dann noch viele Kaufleute, Künfller 
und Handwerker, welche von ber Volksmenge wieder ihren 
Gewinn fuchten, und‘ endli die unzähligen unnügen Men⸗ 
fhen die bloß aus Luft und Kurzweil kamen und die vielen 
Bettler. Man zählte 346 Schaufpieler und Gaukler aller Art, 
700 gemeine Frauen in Häufern; der heimlichen Frauen mas 
ren wohl eben fo viele; die fchlechteften lagen in Badftuben 
und Ställen, anbere in Wirthöhäufern bei Wein und Spiel, 
Alſo brachte die Kirchenverfammlung felbft dad Iebenbigfte Ges 
mälde der Sitten und der Lebensweiſe aller Stände mit fich, 
einfchließlich bed großen Gepränges und der vielen Ceremo⸗ 
nien bei den Verhandlungen felbft. z 
Eine der größten Kirchenverfammlungen, von ber ganz 
zen europäifchen Chriftenheit befchidt, kam auf diefe Weiſe 
zufammen in Goftanz, einer Stadt des teutichen Reiche, uns 
ter dem Schutze des Kaiſers. Die wirklichen Theilnehmer 
aber waren nur die fünf abendländifchen Nationen: Italie⸗ 
ner, Teutſche, Franzoſen, Engländer, Spanier. 
Der Zweck unferer Geſchichte befchränkt fich jedoch auffer dem 
Örtlichen auf die Verhältniffe des Kaiferd, ber teutfchen Nation 
und ihrer Kirche. 
Ungeachtet des aufferordentlihen BZufammenfluffes van 
Menfchen aller Art, von ungefähr breiffig Sprachen, aus Läns 
dern, deren Könige zum Theil mit einander im Kriege waren, 
ereignete fich doch in ben vierthalb Jahren der Verfammlung 
feine merkliche Störung oder Unbill, auch Feine anftedende 
Krankheit. Durch Vorſorge der Stadt blieb Alles in gutem 
Kauf und Niemand hatte Mangel. Biefe Ordnung iß um 


% 


30 Bud II. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 3. 


fo mehr zu bewundern, ba ber bie verfchiebenften Meinun⸗ 
gen mit Eifer und Erbitterung gekämpft wurde. Das Volt 
im Ganzen war Über die zügellofen Sitten der Pfaffheit aufs 
gebracht. Unter den Stimmflhrern. des geiftlihen und gelebt: 
ten Standes traten zwei Hauptparteien hervot, die römifche 
ober italienifhe und die franzoͤſiſche, an welche fich die 
teutfche anfchloß. Die Italiener, befonderd die Cardinaͤle, vers 
droß ed nicht wenig, daß, nachdem die Kirchenverfaffung und 
die erſten Strahlen der Wiffenfchaften von Ihnen ausgegangen 
waren, bie Norbländer jet ber Kirchengewalt Schranken 


fegen wollten. Bei ihnen fand felbft ein fo übelberüchtigter 


Dapft wie Johann XXIII. Unterflügung, wiewohl er fich täus 
ſchen ließ, auch feine Perſon retten zu wollen. An der Spike 
der franzöfifhen Partei fliehen die fchon öfter genannten 
Deter von Ailly, Erzbifhof zu Gambray, und Johann 
Gerfon, Kanzler der Univerfität zu Paris, Männer, auf de 
sen Stimme. ganz Europa hörte, die fchon auf der pifanifchen 
Derfammlung fid) hervorgethan und nun zu Coſtanz bie Leis 
tung bed Ganzen in ihre Hand bekamen. Bon.teutfchen 


Gelehrten haben fih in gleichen Gefinnungen auögezeichnet 
Dietrich von Riem, aus dem Paderbornſchen, Seheimfchreis 


ber von fünf Päpften, bes ſchon an K. Ruprecht eine Auffe 


derung zu Hebung des Schifma gerichtet '), dann auch dad 
Leben Johanns XXI. als Augenzeuge fehr freimüthig be 
fehrieben hat; und der Auguftiner Dietrich Vrie aus Sach⸗ 
fen, von welchem wir eine Gefchichte diefer Kirchenverſamm⸗ 


lung befigen. 


Diele zwei Hauptparteien hatten zunaͤchſt die Kirchen: 
verfaffung, beſonders die Beſchraͤnkung ded_Papfles im 
Auge. Die Wünfhe der Nation in Beziehung auf Berbef 


ferung bes Lehrſtandes und ber Lehre felbft fanden noch 


im Hintergrunde. Die Univerfität Prag war nicht vertreten, 
wie e8 die dortigen Vorfälle erfobert. hätten? Huß, de 


1) Mo She m Kirchengefch. II, 968. 


2) Der Erzbiſchof von Prag blich zu Haus Dagegen wird ber 


Bifhof Johann von Leutomifchl auf der Verfammlung genannt; von 
Prag Dr. Morig, Lehrer der Theologie, f unten. Beide waren Geg⸗ 
ner von Huf. 


\ 


[4 


Coſtanzer Kirchenverſammlung. 391 


Anfänger jener Bewegungen, erfchien nicht unter den Stimm: 
füdrern, fondern ald Appellant, in kurzer Beit als Beklagter. 
Bei diefer Lage der Dinge konnte der Ausgang der Verbands 
lungen ſchon mit ziemlicher Wahrſcheinlichkeit vermuthet werben. 

Auf Betreiben der franzöfifchen Partei, zu welcher auch 
der Cardinal Wilhelm Fillaſtre, Dechant von Rheims, übers 
trat, geſchah, daß gleich zu Anfang in der Geſtalt der Ver⸗ 
handlungen zwei bedeutende Veraͤnderungen gemacht wurden, 
auf welche ſchon zu Piſa angetragen worden: die eine, daß 
auſſer ven Biſchoͤfen und Abten, welche urſpruͤnglich allein 
Stimmrecht hatten, auch bie Univerfitaͤtsgelehrten und Docto⸗ 
ren, welche vermoͤge ihrer Wiſſenſchaft die Berathung fuͤhr⸗ 
ten, auch an der Abſtimmung Antheil nehmen, und daß 
in aͤuſſern Kirchenſachen, welche keine Glaubensartikel betraͤfen, 
auch die Könige und Fuͤrſten durch ihre Geſandte mitſtimmen 
Dürften; die andere, daß die Stimmen nicht mehr nad) Köpfen 
wie bisher, fondern allein nad) ben Nationen gezählt wers 
den follten, welche deshalb in befondere Gongregationen zu 
den Hauptfigungen fih vorzubereiten hatten. 

Diefe zwei Schritte, vom Kaifer beftätigt, ſchlugen ſchon 
die Abſichten der Roͤmiſch⸗ Päpfilichen gewaltig nieder: denn 
nun konnten fie, wiewohl fie in allen Ländern ihre Greaturen 
hatten, nicht mehr auf Stimmenmehrheit zählen. 

Es waren drei Halptaufgaben: gänzliche Beilegung des 
Schiſma; Ausrottung der Ketzereien; Reformation an 
Haupt und Gliedern. Johanns XXIII. Partei hätte bie er⸗ 
ftere gern. umgehen und fogleich zur zweiten fchreiten mögen, 
unter der Vorausſetzung, daß das coflanzer Eoncilium nur 
Kortfegung des pifanifchen fei, und demnach Johann als als 
leiniger Papft angenommen werde. Allein bie Verſammlung 
erffärte fich als eine neue, welche Alles was die pifanifhe . 
nicht auszuführen vermocht, von Grund aus zu heben entfchlof> 
fen fei, und daß man alfo mit den Päpften den Anfang machen 
müffe, um „biefe abfcheuliche Dreieinigkeit," wie fie Gerfon 
nannte, aus dem Wege zu fchaffen. Gin Zeuticher, Mat⸗ 
thias Röder, Lehrer der Theologie an dem Collegium von 
Navarra zu Parid, wollte vor allen Dingen bie Reformation 
und nad berfelben erft die Wahl eines würdigen Papfles. 


392 Buch IN, Eeſter Zeitraum. Abſqnitt 3. 


Die Verſammlung beſchloß, da man die Abdankung der zei 
GSegenpäpfte bisher nicht habe bewirken tünnen, fo müfle mar 
auf den erflen Weg zuruͤckgehen und alle drei zu freiwilliger 


Niederlegung anhalten. Dieſer Beſchluß wurde hauptſaͤchlich 


durch die obengenannten Cardinaͤle bewirkt, noch ehe der Kai⸗ 
fer dawar. Dieſer ſah ſich num genoͤthigt feine frühere Übers 
einkunft mit Johann XXIII., nach welcher derſelbe die Ver⸗ 
ſammlung eroͤffnen und den Vorfit darin fuͤhren ſollte, wie er 
auch bisher gethan, zurückzunehmen. Sigmund erbot ſich ſo⸗ 
gar Johann zum Niederlegen zu bewegen, ungeachtet er ſeine 
Beſtaͤtigung von ihm angenommen hatte. Da gütliche Vor⸗ 
ſtellungen Nichts vermochten, ſo wurde eine Schrift in Ums 
lauf geſetzt, welche dem Papfte Johann alle Tobfünden und 
Abfcheulichkeiten, alfo weit mehr Befchuldigungen zur Lafl 
legte, ald zu feiner Abſetzung nöthig waren. Dies ſchreckte 
ben Mann foweit, daß. er fich ftellte als ob er nachgeben 
wollte. Da aber zwei Erklärungen, die er gab, mit leeren 
Ausflüchten ‚angefüllt waren, fo muflte er fich gefallen laſſen, 
daß ihm eine unummunbene Abdankungsurkunde vorgelegt 
wurde. Diefe nahm er unvermuthet an, las fie felbft ab, 
beihwor fie eidlich und ſtellte eine eigene Bulle darüber aus, 


. worin der Eidfchwur wiederholt war. . Zwei Tage darauf aber 


verſchwand er aus Coſtanz. Der Anfchlag dazu war fchon 
von Anfang auf folgende Art eingeleitet. 

Auffer dem früher gefchloffenen Buͤndniß mit dem Her 
zoge Friedrich von Öfterreich trat Johann, fobalb ihm 
die Anträge Peters von Ailly befannt wurden, im ein gehei⸗ 
med Verftänbniß mit dem Markgraven Bernharb von Bas 
den, ber mit 16,000 fl. gewonnen wurde. Er zählte ferner 
auf ben mächtigen Herzog von Burgund, Sohann den Uns 
erfchrodenen, und hoffte alfo leicht au8 dem einen Gebiete in 
das andere zu kommen. Dem Kaifer ſelbſt gab er noch eine 
goldene Rofe zum Geſchenk, die nah der Gewohnheit am 
Sonntage Lätare geweiht wurbe; diefer hielt jedoch den Kir 
chenfrieden fuͤr einen ſchoͤnern Preis und gab die Roſe der 
Kirche. In dieſem Zeitpunct kam H. Friedrich nach Coſtanz; 
da er indeſſen in ſeinen vordern Herrſchaften dem Kaiſer ge⸗ 
trotzt, auch in Streitigkeiten mit Nachbarſtaͤnden ſich ſeinem 


Coſtanzer Kirchenvetſammlung. 393 


Urtheile nicht gefügt, ſo entſtand Verdacht. Johann aͤuſſerte 
ſelbſt gegen den Kaiſer: „die Luft in Coſtanz ſei ihm nicht 
zutraͤglich.“ Nun bat ihn ber Kaiſer dringend doch ja nicht 
wegzugehen und ließ Beide genau beobachten. Den andern 
Zag gab der Herzog ein großes Nitterfpiel. Waͤhrend Aller 
Augen darauf gerichtet waten, entwich der Papft in ber Vers 
kleidung eined Herrenboten, eine Armbruft an ſich tragend, 
auf einem fchlechten Pferde, von einem. einzigen Knaben be⸗ 
gleitet. Ihm folgte der Herzog und traf mit ihm zu Schaff⸗ 
haufen zufammen. Hier ſchrieb Johann an den Kaifer, bie 
Luft fei beffer, und ſetzte noch hinzu, er Babe ben Schritt 
ohne Vorwiſſen des Herzogs gethan. 

So groß war noch die Vorſtellung von der Gegenwart 
eines Oberhauptes der Kirche, daß auf die Nachricht von feis 
ner Entweichung große Beſtuͤrzung in Coſtanz fich verbreitete 
und die Auflöfung der Kirchenverfammlung befürchtet wurbe. 
Dies hätte Johann gern gefehn. Aber feine Abſicht fcheiterte 
an der Zefligkeit der Verfammlung und an ber Drbnungäliebe 
bei Coflanzer. Auch der Kaifer blieb flandhaft. Er ritt ſelbſt 
durch die Stadt, um das Volk zu beruhigen. Die Väter bes 
zief er in eine Generalverfammlung und erflärte, daß das 
Concilium auch ohne den Papft beſtehen ſolle. Er verfprady 
es mit Gefahr feines Lebens zu ſchuͤtzen und das Vereinigunges 
geſchaͤft zu betreiben. Nach einer Fraftuollen Rede des Kanz: 
lers Gerfon, worin diefer wiederholt den Grundſatz ausführte, 
daß das Concilium über dem Papft fei, ward in ber folgen» 
den dritten Hauptfigung befchloffen: „daß dad Goncilium durch 
die Entfernung des Papfles nicht aufgehoben fei, auch nicht 
aufgehoben ober verlegt, noch von einzelnen Mitgliedern ver 
laſſen werden folle, bis das Schifma völlig gehoben und bie 
Reformation im Glauben und in Sitten, an Haupt und Glies 
‚dern zu Stande gebracht fein würde.” An den bifchöfliden 

Dalaft, Johanns biöherige Wohnung, wurde eine Schrift ge 
gen ihn und die Garbindle angefchlagen. Dieſer heiligſte Va⸗ 
ter, ber ein Stein des Anſtoßes und ein Feld des Argerniſſes 
fei, babe, um feine Bosheit zu verbergen, lügenhaft an den 
Kaifer gefchrieben, daß er ohne Vorwiflen bes Herzogs von 
Öfterreich obgereift fe. Was das für Cardinaͤle wären, bie 


I. 


* 


394 Buch DL Erſter Zeitraum Abſchnitt 3. 


dieſen Balthaſar, einen bekannten Tyrannen, Moͤrder und 
Simoniacus, gewählt, der mit feinen Anhängern geiſtliche Win: 
den wie Schweine auf dem Markt verkauft Habe.” 

Man hatte dem Papſt einige Cardinaͤle nachgeſchickt, die 


D.März ihn zurädbeingen ſollten. Als fie unverrichteter Dinge wieber: 


kamen, brachten die Väter obigeri Befchluß fogleich zur wei- 
teren Ausführung und feßten fefl: „Die gegenwärtige Ber: 
ſammlung iſt ein allgemeines Concilium, das die ganze Kirche 


vorftelit und feine. Gewalt unmittelbar von Chriſto hat; ein 


Seder, auch ber Papſt, muß demfelben gehorchen ober bie 
Kirchenfizafen erleiden; namentlich: bat Johann XXIII. als 
Begünfliger des Schiſma fich det Keberei verbäctig gemacht.” 
Diefer Beſchluß wurde troß des heftigſten Widerſpruchs ber 


Gardindle in ber vierten Hauptfikung in Gegenwart bed Kai 


- 6. Apr. ſers/ oͤffentlich verfündet und beflätigt. . 


Der Kaifer feinerfeitd hielt den andern Tag Bürftenge: 
richt über den Herzog von Öfterreih. Wegen feines beharr⸗ 
lihen Ungehorfams ſprach dad Gericht bie Acht, die Kirchen: 


verfammlung den Bann über ihn aus, nebft Ablaß für Alle 
die ihn befriegen würden. Ehe der Herzog ſich rüften konnte, 


fielen drei Kriegsheere von den umliegenden Reichsſtaͤdten in 


feine Lande ein, zulegt auch auf befonbered Betreiben bes 


Kaiferd die fchweizerifchen Eidgenoffen; in act Tagen war 


der Überreft der habsburgiſchen Stammherrfchaft in der Hand 
ber Letztern. Diefer Krieg nebft den weiten Ergebniffen wir 
unten im Zuſammenhange berichtet werben. Die erfie Folge 
war, daß Herzog Friedrich fich entfchloß, auf Zureben feine 


Vetters, des Herzogs Ludwig von Baiern, ſich in des Kai: 


ferd Gnade zu ergeben. Sigmund empfing ihn in feierliche 
Verſammlung vieler Reichsſtaͤnde und Mitgliever des Conci: 
liums fowie der italienifchen Hersen und Abgeorbneten. Drei: 
mal kniete H. Friedrich mit feinen Begleitern nieder. H. Lud⸗ 
wig führte die Rede und verfprach, daß H. Friedrich Alles 
halten wolle, was in dem vorgezeigten Brief ſtehe. Diefer 
Brief warb Öffentlich verlefen und enthielt, daß Herzog Fried: 
eich fich und feine Lande in des Kaiferd Gnade Üübergebe und 
zu Recht fiehen wolle Allen, die Etwas an ihn zu fprechen 
hätten; ferner, daß er den Papft wieder nach Coſtanz flellen 





Cofanyer Kichenverfammlung, 395 


und ſelbſt folange als Geifel daſelbſt bleiben wolle, bis alle 
- feine Lande, vom Elſaß bis Tyrol, dem Kaiſer gehuldigt ha 
ben würden.‘ Nun wandte fich der Kaifer zu ben anweſenden 
Herren und Botfchaftern: „Ihr Herren aus Italien, ihr wähnet 
und wiffet nicht anders, denn daß bie Herzoge von Öfters 
reich die gewaltigften Herren feien in der Nation Germania. 

Nun fehet ihr, daß ich ein mächtiger Fürfl bin uͤber die von 
Öfterreich und fonft Über ale Fuͤrſten, Herren und Städte z" 
und damit kehrte er fi wieder um zu H. Friedrich und ſprach: 

„Unfer und des heiligen Reiche Fuͤrſt, Herzog Friedrich, will 
Er das halten?“ der Herzog ſprach: „Ja, und ich bitte Euer 
Majeſtaͤt um Derſelben Gnade.“ Der Kaiſer: „Uns iſt leid, 
daß Er dieſes verſchuldet.“ Hierauf hub der Herzog Hand 
und Finger auf und ſchwur zu Gott und den Heiligen, daß 
er den Brief halten wolle. 

Wenige Tage nach dieſer tiefen Demuͤthigung des Hers 1415 
5098 faßen die Väter. des Gonciliums zu Gericht über Papſt 14. Mai. 
Johann XXIII., weil er auf ihre wiederholte Ladung nicht 
erfhienen war. Giebzig Klagepuncte wurden aufgefeht, und 
vierundbreiffig vereivete Zeugen, lauter angefehne Männer, 
don den ernannten Richtern vernommen. Doch fand man für 
gut nur vierundfunfzig der Anklagepuncte Öffentlich zu verles 16. Mai. 
fen; denn bie übrigen‘ enthielten folche Abfcheulichkeiten, daß 
man fie unterdrüden zu müflen glaubte, namentlich daß er 
feinen Vorgänger Alerander V. vergiftet, feines Bruders Weib 
befchlafen, gegen 300 Nonnen geſchwaͤcht und fie nachher auf 
Abteien und Priorate gefebt, daß er Päderaftie und Sodo⸗ 
mie begangen, dazu, daß er oft gerebet, es gebe Fein ewig 
Leben und Auferftehung, fondern Leib und Seele ftürben mit 
einander. Den Tag nach diefer Anklage wurde Johann/nach 
Ratolfzell, gegenüber von Coftanz, gebracht. Als ihm die Klag⸗ 
puncte durch eine Botfchaft vorgehalten wurden mit dem Bei⸗ 
fügen, daß er, wenn er wolle, vor offener Sitzung erfcheinen 
und fi) verantworten möge (nachdem er den Katfer fchriftlich 
um Fürbitte angegangen und an fein früheres Wort erinnert 
hatte), gab er zur Antwort: wiewohl er der Ichten Artilel uns  ı 
ſchuldig wäre und etlicher mehr, fo wolle er doch nicht wis E 
derfechten, ſondern bitte das Concilium, daß fie wollen anfes 


n 


36 Bud UI. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 3. 


- ben, wie er von Anfang an treulich geholfen baffelbe zu fir: 
dern, auch fich nicht geweigert vom Papſtthum abzuftehen, 
und erſt nach ſolchem fei er fchänblieh genug vom Goncilium 
gewichen, dag ihm viel lieber wäre, er wäre felbigen Tages, 
feiner Seele ohne Nachtheil, des Todes geflorben. Nun es 

‚ leider gefchehen, wolle ex den Beſchluß des Concilium erwar⸗ 
ten, und ob man ihn fchon des Papfithums entfete, wolle 
er's gen annehmen. Da fprach das Concilium die Abſetzung 
Johanns XXI. aus und übergab ihn dem Kaifer, daß er 
ihn bewahren folle, bis zu weiterem Beſcheid. Man brachte 
ihn zuerft in das Schloß Gottlieben bei Coftanz, wo Huß 
gefangen faß, den er als Keber hatte einfperren laſſen. Da 
er aber einen Briefwechfel mit Coftanz zu unterhalten fuchte, 
übergab ihn der Kaifer dem Pfalzgraven Lubwig am Rhein, 
der ihn drei Jahre in feinem Schloß zu Heidelberg in leident: 
lihem Gewahrfam hielt, bis er von dem neuen Papfte befreit 
und zum Cardinal ernannt wurde. * 

Nach diefem ſtarken Schlag, der den möächtigften von den 
brei Päpften vernichtete, hoffte die Kirchenverfammlung mit 
ben beiden andern bafd am Ziele zu fein. Der ditere Papſt 
Gregor XIL hatte ſich ſchon vorher zur Abdankung bereit 

1415 erklärt, fobald Johann XXI fi) fügen würde, und fo fandte 
%. Jul er denn auch die Abdankungsurkunde wirklich ein, welche mit 
vielen, zum Zheil fonderbaren Ceremonien in der Kirchenvers 
fanmlung unter dem Vorſitze des Kaiſers verkündet wurbe. 
Alſo war nur noch Benedict XIIL übrig, der hartnädigfte 
von allen, der fih nach Catalonien zurüdigezogen hatte. Da 
er jeboch um eine Unterredung mit dem Kaifer bat, fo ließ 
fih’8 diefer gefallen mit ihm und bem Könige von Aragos 
nien zu Nizza zufammenzulommen. Bor feiner Abreife aber 
geſchah Folgendes zu Coſtanz. Nach. Johanns AXUL Abs 
fegung fchritt bie Kirchenverfammlung fofort zu ihrer zweiten 
Aufgabe, der Unterfuchung der Kebereien. Sie ging dar 
in fo raſch zu Werk, daß fchon zwei Tage nach Gregors XII. 

6. Zul. Abdankung das Urtheil uͤber Huß geſprochen wurde. 
1414 Bei feiner Ankunft zu Coſtanz war Huß von Johann XXIII. 
3. Rov. gut aufgenommen und vom Banne befreit worden, wahrſchein⸗ 


lich auf das mitgebrachte Beugniß des böhmifchen Ketzermei⸗ 





Eoſtanzer Kirchenverſammlung. 397 


ſters. Huß hatte nicht geringes Vertrauen zu dem Concilium, 
weil er wuflte, daß der befjere Theil beffelben feine für ketze⸗ 
riſch ausgefchrieenen Grundfäße theilte. Aber feine eigenen 
Landsleute und Amtöbrüder verfolgten ihn bis Coſtanz. Bald 
nad ihm kamen zwei folcher Eiferer an, Stephan Palecz, 
fein vormaliger Freund, mit dem er auf. Wenzlams Bes 
febl zu Prag disputirt hatte,- und Michael de Eaufis, 
vormals Prediger zu Prag, der aber wegen Schurkereien aus 
Böhmen entfliehen muſſte. Diefe übergaben bem Goncilium 
einen Auszug aus Huſſens Schriften, namentlich gegen bie 
Gewalt des Papſtes; auf ihe Betreiben wurde dann Huß vom 
Papft und den Cardinaͤlen gefangen geſetzt troß des Faiferli- 1414 
chen Geleitbriefes, vor Sigmund Ankunft. Einer feiner Bes 28. Rov. 
gleiter, welche ihm K. Wenzlaw mitgegeben, Sohann von 
Chlum, befchwerte fi) nachdruͤcklich uͤber dies Derfahren bei 
dem Papfte unb gab dem Kalfer Nachricht, der ihn fogleich 
in Freiheit zu feßen und nöthigenfalld die Sefängnißthären 
zu fprengen befahl. Aber der Papft und bie Cardinaͤle lieſſen 
ihn nur noch enger verhaften. Als der Kaifer nach Goflanz 
kam, beflürmten ihn die Kirchenrechtslehrer (Kansniften) ſei⸗ 
nen Geleitöbrief zuruͤckzuunehmen. In diefem iſt gefagt: ber 
Kaifer habe den ehrfamen M. Huß, der zum allgemeinen Con⸗ 
cilium nach Coſtnitz ziehe, in feinen und des heiligen Reiches 
Schutz und Schirm genommenzs zugleich befehle er allen Stäns 
ben, Ohrigkeiten und Unterthanen bed Reichs, ihn wohl aufs 
zunehmen, feine Reife und Rüdreife zu befördern und wenn 
ed nöthig wäre, ihm mit einem befonbern Geleit zu verfehen. 
Nun hätte ihn Sigmund gern befreien mögen: er fürchtete die 
Böhmen und feinen Bruder Wenzlaw; er fühlte, wad es ihm 
und dem Reich für Schimpf bringen würde, wenn fein frei 
fiher Geleit ſollte gebrochen werben: aber er fünchtete noch 
mehr die Kirchenverſammlung. As ihm vorgeftellt wurbe, 
er müffe die Freiheit derfelben aufrecht erhalten und binfe die 
angefangene Unterfuchung nicht unter dem Vorwand feines 
Geleitsbriefs hemmen, fo ließ er fich die Erklärung abtrogen: 
in Glaubensſachen folle das Concilium ganz frei fein und 
wider alle der Ketzerei Verdächtige rechtlich verfahren können; 
was bie Drokungen zum Vortheil Huſſens betreffe, fo habe 


398 Bub UL Erfier Zeitraum. Abſchnitt 3, 


er die Vollziehung berfelben verboten. Nochmals entfchulpigte 
er ſich gegen Huß felbft mit den Worten: „einige Leute be 
baupteten, er fei gar nicht berechtigt denjenigen zu befchüben, 
der entweber ein Keber ober ber Keberei verdaͤchtig wäre", 
Vepgrgeblich fchrieben die böhmifchen Stände an die Kirchens 
verfammlung und an den Kaifer und baten ihn fein feierlis 
ches Wort nicht zu brechen. Das Schreiben wurbe in ber 

- VBerfanymlumg vorgelefen unb verbrannt. 
41415 : Nach balbjähriger Gefangenfchaft, zwei Tage nachdem ber 
6. Jun. abgefegte Papft Iohann auf Gottlieben feſtgeſetzt worden, be 
- fahl die Kirchenverfommlung Huß vorzuführen; fie war ſchon 
‚ Im. Begriff die ihm aufgebürbeten Lehrfäge zu verbanmmen, 
ehe fie ihn darüber gehört hatte. Auf Verlangen bed Kaiſers 
wurbe ihm zwar eine Verantwortung geflattet, aber, die Ders 
fanmlung erhob ein ſolches Spottgeſchrei, daß er gar nicht 
zum Wort kommen konnte. Im naͤchſten Verhör, welchem 
7. un. der Kaifer felbft anwohnte, widerlegte Huß bie drei Anklagen 
des Michael de Cauſis fo treffend, dag man Beine Schuld auf 
8. Zun. ihn bringen konnte. Den andern Zag wurden 39 andere Ar 
titel vorgebracht, welche Palecz und die übrigen Ankläger aus 
feinen Schriften gezogen haben wollten. Won biefen geſtand 
Huß Einiges zu, dad Meiſte aber verwarf er ald offenbare 
Verſtuͤmmelung und Verbrehung. In Abficht des Inhalts bes 
‚treffen die Anklagepuncte in der That nur wenige Glau⸗ 
benslehren, und es ift darin Feine Kegerei im wahren Sinn 
bes Wortes zu finden *), Die meiften beziehen fich auf bie 
Geiftlichkeit und die Kirchewerfaſſung, Gegenflände über 
welhe Serfon, Peter von Ailly und andere angefehne 
Mitglieder der Kirchenverfammlung fich eben fo ſtark ausgeſpro⸗ 
chen hatten. Man konnte erwarten, dieſe wuͤrden bie Ehre des 
Gonsilium retten. Aber fie gehörten zu ben Nominaliften, 
und Huß war .ein eifriger Realiſt. Alfo flanb zweifacher 
Parteihaß gegen den armen Angeklagten. Beſonders lebhaft 
trat Peter von Ally gegen Huß auf und fuchte ihn durch 
allerlei ſcholaſtiſche Beflimmungen in die Enge zu treiben *). 
1) Dies Hat auch Royko Geſchichte der großen allgemeinen Kir 

henverfamminng zu Goftnig IV, 148 zugeſtanden. 

2) Die. Romtinaliften geftchen es felbſt im einem Schreiben an ben 


Coflanzer- Kirhenverfämmlung. 899 


Zuleßt verlangte er mit den Andern, Huß Tolle fi dem 
Goncilium in Demuth unterwerfen, da man jest wifle, wie 
arge Vergebungen auf ihm liegen. Als Huß nım ſich bereit 
erfiäxte Belehrung anzunehmen, ba er beöwegen gefonnnen 
fei, fo fuhr Peter von Ally fort: „das fet ſchon von fechzig 
Doctoren entfchieden, daß er. geirrt habe, mithin bleibe Richts 
übrig als alle diefe Artikel zu widerrufen.” "Der Kaifer wollte 
ihm die Sache in feiner Art erleihtern: man koͤnne ja Jer⸗ 
thümer abfchwören ohne fie vorgetragen zu haben; allein Huß 
zeigte ihm, daß das Abfchwören bier eine andere Bebeutung 
habe. Feſt blieb er babei, er koͤnne nicht wider fein. Gewifs 
fen handeln, und bat nur fich gegen die ihm aufgebindeten 
SIrethinmer verantworten zu duͤrfen. Endlich verlor ber Kaiſer 
bie Gebuld, trat aus feinem Kreife heraus und fprach: „er 
halte die vielen und ſchweren, binlänglich erwiefenen, von 
Huß felbfi befannten Verbrechen alle des Todes winbig; wenn 
er nicht widerrufe, fo müfle er verbrannt werden; und wenn 
er auch wiberrufe, fo müfle ihm doch das Lehren und Pre 
digen und der Aufenthalt in Böhmen verboten bleiben. 
Während diefer Verhandlungen Fam eine neue Klage von 
dem Erzbiſchof Konrad von Prag, dab Jacob von Mieß ') 
feit Huß's Abgang durch die Lehre von beiderlei Geſtalt 
bed Abendmahl eine große Bewegung unter dem Volk 
verurfache. Die Kirchenverfommlung erfiärte Died Beginnen 1415 
ald Ketzerei und erließ den Befchluß, daß die Laien das Abend⸗ 15. Sun. 
mahl nur unter einer Geſtalt empfangen und bie Dagegen 
Handelnden als Keber verfolgt werben follen. Obgleih Huf 
feinen unmittelbaren Antheil an biefer Sache hatte, fo wurbe 
doch die feinige dadurch nicht gebeffet. Der Cardinal von 
Oftia, Johann von Brogni, iſt einer der Wenigen die mit 
Schonung ihm entgegentamen: er entwarf eine ſehr gemäßigte 


König von Frankreich, Huß fei durch ihre Partei gefallen, Mosheim 
a. a. D. 938. " 


1) Mifa ober Strzieber, einem böhmifchen Staͤdtchen; aus Verach⸗ 
tung nannten ihn bie Katholifchen Jacobellus. Er ift zu unterfcheiben 
von einem Andern, Peter von Dresden, der auch ein Zreund von Huß 
und Hieronymus war. 





400 Bud IH Erfier Zeitraum. Abſchnitt 3. 


Wiberruföformel. . Aber fo,.. wie die Anklagen geftellt waren, 

tonnte Huß nicht wiberrufen. „Was wollt ihe thun“, fiorach 

er zu Palecz, einem feiner Hauptanklaͤger, „wenn ihr euch 

Feines Irrthums bewußt feid und ihn boch abſchwoͤren folk"? 

— iſt ſchwer“, verſetzte Palecz und ſoll dabei geweint 
en. 

Nachdem auch die weitern Verſuche der vornehmſten Praͤ⸗ 
1416 laten, Huß zum Widerruf zu bewegen, vergeblich waren, ſchritt 
6. Zul. man zu feiner Verurtheilung. Zuerſt wurden eine Anzahl von 

Wiclefd Grundfägen vorgelefen ımb verworfen. (Kaum ein 
Jahr vor diefer Sirchenverfammlung hatte man in England 36 
Anhaͤnger Wiclefs, darunter zween Edelleute und einen Priefter, 
gehenkt und verbrannt.) Dann folgten Huffens Ierthimer. 
Allen und Ieben In der Berfammlung, felbft Kaifern und Kö: 
nigen, war bei hoher Strafe Stilfchweigen aufgelegt. Als 
die gröbflen Entflellungen vorfamen, wie, daß Huß vier Per: 
fonen in der Gottheit gelehrt, konnte er ſich nicht enthalten 
wiederholt einzureben; man gebot ben Gerichtöbienern ihn 
zum Schweigen zu bringen. Gegen bie Befhuldigung, daß 
er den Bann bed Papſtes verachtet habe, verſetzte er, er habe 
deshalb an den Papft ſelbſt appellict und vergeblich Bevoll⸗ 
mächtigte nach Rom gefhidt; freiwillig fei ee und unter 
dem ficbern Geleite des Kaiferd auf die Kirchenverfammlumg 
gekommen, um feine Unfchuld gegen Iebermann zu vertheibi: 
gen. Bei diefen Worten erröthete der Kaifer, von Huf 
ſtarr angeſehn. Als alle Vertheidigung vergeblich war, fiel 
Huß auf die Kniee und bat Gott, daß er feinen Feinden ver 
geben möchte. Ehe man ihn der Prieflerwürbe entfegte, frag: 
ten ihn die Bifchöfe noch einmal, ob er widerrufen wolle. 
Er fprach weinend zu dem umflchenden Volk, wie er ed vor 
Gott verantworten koͤnnte Irrthünier abzufchwören, welche nie 
die feinigen gewefen wären? Nun fchrie die ganze Verſamm⸗ 
‚lung: da fehe man den hartnädigen Ketzer! Alſo nicht ſowohl 
das was Buß wirklich gegem die Unfehlbarkeit des Papſtes 
behauptet und was man ihm, wie den angefehnften Mitglie | 
dern der Kirhenverfammlung, als Keberei im päpftlichen Sinn 
aufbürben Tonnte, fonbern vielmehr was er nicht behauptet, 
wad man auffer allem Zufammenhang aus feinen Schriften 





Coſtanzer Kirchenverfammlung. 401 


herausgeriſſen, dieſes muſſte fiber ihn das „Schuldig! ſpre⸗ 
chen. Nach ſeiner Entkleidung wurde Huß, als von der Kir⸗ 
„che ausgeſtoßen, der weltlichen Gewalt uͤbergeben. Als man 
ihm eine hohe papierne Muͤtze mit drei gemalten Teufeln 
der Aufſchrift „das iſt ein Erzketzer!“ aufſetzte und feine Se 
ber Hölle -übergab, ſprach er: „und ich befehle fie meinem 
Herrn Jeſu Chriſto!“ F 
Der Kaiſer, der dies Alles mit anſah, befahl dem Kurs 
fürften Ludwig von der Pfalz Huß dem Scharfrichter zu über 
geben und ihn fofort zur Hinrichtung zu begleiten. Der Kur 
finft that dies, nachbem ex erſt feinen fürftlichen Schmud abs 
gelegt hatte. Unterwegs ſah Huß lächelnd bie Verbrennung 
feiner Bücher. Bor dem Holzſtoß fragte ihn Ulrich von Rels 
chenthal, ob er nicht mehr zu beichten verlange, erbielt aber 
eine ablehnende Antwort. Als er ſchon am den Pfahl anges 
bunden war, ermahnte ihn der Kurfürfl noch eimmal feine 
Kebereien abzufchwören. Aber Huß erklärte fich bereit feine 
Lehre mit feinem Tod zu verfiegeln. Er wollte noch eine teut⸗ 
ſche Rede an das Volk halten. Da gebot der Kurfürfl anzus 
zunden. Alfo empfahl Huß feine Seele Gott. und erlitt den 
qualvellen Tod. Seine Aſche wurbe in den Rhein gefiveut, 
damit die Böhmen fie nicht fammeln könnten. Das Volt 
aber, das babei war, blieb auf der Meinung, Papft Johann 
hätte wegen feiner fehänblichen Thaten wohl baß verdient denn 
Huß verbrannt zu werben. 
Als die zu Coflanz anwefenden Böhmen mit der Kumbe 
von Huffens Märtyrertod nah Prag kamen, brach ein Schrei 
des tiefften Unwillend aus: auf eine fo fchänbliche Art habe 
man den Beichtvater der Königin, den untadelhaften Priefter, 
den Liebling der Nation hingerichtet! K. Wenzlam fchmähte 
feinen Bruber,. daß ex das Geleit gebrochen, er ſchmaͤhte die 
böhmifche Geiſtlichkeit als Urfächerin von Huflend Tod, Vol. 
Verdruß ging er einige Monate auf fein entlegenes Schloß 
Tocznick und wollte gar Nichts mehr von der Kixchenverfamms 
Iung bören. Zwanzig Tage nach Huſſens Zod-fchrieb die Kir⸗ 
erfammlung an ben Erzbifhof von Prag und ben ges 
fammten böhmifchen Klerus: „da Huß und Hieronymus durch 
die wiclefifchen„ Lehren viele Unruhen in Böhmen erregt haͤt⸗ 
Pfiſter Geſchichte d. Teutſchen IIL 26 


402 Bud I. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 2 


ten, fo babe fie fi) unaußfpredlic, viele und liebreiche Mühe 
gegeben Erſtern feiner Kebereien zu Überführen; da er aber 
durch teuflifche Eingebung immer balsflarriger geworben, fei 

man gendthigt geweſen ihn ber weltlichen Obrigkeit zur Be 
— zu übergeben; num ermahne fie den Klerus auf Aus⸗ 
rottung gebachter Irrlehren eifrigft bedacht zu fein". Aber der 
Bifhof Johann von Leutomiſchl, der diefen Brief von 
Goftanz brachte, warb fo übel anpfangen, daß er Prag alsbald 


verlafien muffte. Die boͤhmiſchen und maͤhriſchen Stände ver 


fanmelten fi) mit Bewiligung 8. Wenzlaws. Ungefaͤhr 60 
Landherren und viele Ritter erlieſſen ein nachdruͤckliches Schreis 


4445 ben an bie Kirchenverfammlung, worin fie aufs feierliche 


2. Dec. proteſtiren, daB Huß ein Ketzer gewefen oder daß in Böhmen 


Kebereien gelehrt würden. Zugleich beſchwerten fie fi übe 


die harte Behandlung des Hietonymus und appellirten an den 


neuzumwählenden Papſt, mit der Betheuerung, daß fie dad 


Geſetz Chriſti und alle ſtandhafte Lehren beffelben mit ihrem 


letzten Blutötropfen beſchuͤtzen wollten”. 


Waͤhrend Huß im Gefängniß lag, war fein Freund Hie: 
4. Apr. ronymus gekommen, um ibm beizuſtehn. Da er kenn 


Geleitsbrief hatte, mufite ex wieber zutüdgehn, wurbe aber in | 


der Oberpfalz gefangen und nad) Goftanz geliefert, wo er auf 


33, Mai das erfie Verhoͤr in einen finflern flinfenden Kerker geworfen 


wurde. Zwei Monate nad Huflens Hinrichtung unb des Kai 


fer Abreife nach Nizza warb feine Sache auf vorgenonmen, | 
da die Väter in Erwartung der ſpaniſchen Prälaten wenig zu 
19. Zur. thun hatten. Schon im erſten Verhoͤr hatte ihm Gerfon 


vorgeworfen, daß er durch realiftifche Meinungen Unruben 
zu Paris angefangen habe; Doctoren von Coln und Heibeb 


berg brachten Ähnliches vor. Hieronymus antwortete ſtand⸗ 


haft: „wenn euch mein Tod gefaͤllt, im Namen bed Henn"! 
21. Sept. Jetzt durch Krankheit und Elend gebeugt, ließ er ſich nach und 


nach durch Drohu — und Verfprechungen, endlich ans Liebe 


zum Leben zum Widerruf bewegen, ben er zuerſt bebingt, 

28. Sept. mit Vorbehalt feiner Achtung fir Huß, dann unbedingt gab. 

Auch einige philofopbifche —* kehnate muſſte er 
zurücknehmen. 

In eben dieſer Zeit faffte die Verſammlung zur Verthei⸗ 


Coſtanzer Kirchenverſammlung. 40 


digung des Vorgeſallenen zwei Beſchluͤſſe. Der erſte heiſſt: 
wenn Kaiſer ober Fuͤrſten einem ber Ketzerei Verdaͤchtigen, in 
Hoffnung ſoichen davon zuruͤckzuführen, einen Sicherheitsbrief 
ertheilen, fo foR.das den kirchlichen Richter nicht hindern zu 
unterfuchen und zu fixafen, gefeht auch daß die Schuldigen 
im Vertrauen auf das Geleit an ben Gerichtsort gekommen. 
. feien.. Dex andere: da Übelgefinnte den Raifer und die Sys 
node wegen Ved Geleitöbriefes an Huß verleumben, fo wirb 
erklaͤrt, daß derſelbe ald ein haldflarriger Feind des wah⸗ 
ven Glaubens ſich des Geleitsvorrechts unwuͤrdig gemacht 
babe, daß ihm nach dem natürlichen, göttlichen unb menſch⸗ 
lichen Rechte Leine Treue noch ein Verſprechen zum 
Schaden jenes Glaubens gehalten werben duͤrfe; daher 

babe auch der Kaifer gethan was er fonnte und muffte. 
Pit dem Widerruf des Hieronymus waren feine Feinde 
noch nicht zufrieden. Die prager Mönche ſchickten neue Kla⸗ 
gen, mit werben Palecz ımb Michael de Cauſis ſich alle 
Mühe gaben feine, Loslaflung zu verbinden. Auch Gerſon 
fhämte ſich nicht in einer eigenen Schrift ben Widerruf ver 
daͤchtig zu machen. Peter von Ailly und drei andere Car⸗ 
dinaͤle, welche die Unterfuchung gefuͤhrt und bewieſen, daß 
Hieronymus nicht ohne Ungerechtigkeit laͤnger gefangen gehal⸗ 
ten werden duͤrfe, wurden der Beſtechung befchuldigt; fie legs 
ten ihr Richteramt nieber, unb es wurbe 'enblich eine neue Uns 
terſuchung angeordnet. Nachdem Hieronymus über ein Jahr 
im Kerker gelegen, warb er auf wiederholtes Verlangen in 
einer Hauptſitzung verhoͤrt. Aber wie erſtaunte dieſe, als der 
abgemagerte, ſchwache Mann mit einer ſeltnen Geiſtesſtaͤrre 

ganz aus dem Gedaͤchtniß alle großen Männer ber Vorwelt 
der Reihe nach aufführte und zeigte, was bie Bekenner der 
Wahrheit ihrem Andenken ſchuldig felen. Er erfiärte feinen 
Widerruf. ald die größte Simde bie er hätte begehen koͤnnen, 
und verficherte, daß er mit Wicef ımb Huß, die einzige 
Abendmahlslehre ausgenommen, bi8 an feinen Tod gleich den⸗ 
ken werde. Mehrere der milder gefinnten Prälaten, befonders 
der Garbinal Zabarella von Florenz, wuͤnſchten um feiner gros 
fen Gaben willen ihn beim Leben zu erhalten. Er ewie _ 
a ‚fobalb fie ihm feine Irtthimer aud der Schrift be 

26 * 


404 Bud IH. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 3. 


weifen wuͤrden, wolle er- ben Widerruf ernenern, und ſetzte auf 

bie Einwendung, baß die Schrift dunkel fei unb der Audle 
gung ber Väter bebürfe, hinzu: nach Paulus unterweiſe die 
Schrift felbfi. In einer weitern Sitzung wiberlegte er Die Rebe 
des Bifchofs von Lodi Schritt für Schritt mit folcher Beredt⸗ 
famfeit, daß bie ganze Berfammlung ergriffen wurde und Meh⸗ 
rere den Wunſch für feine Erhaltung wiederholten. Er follte 
nur noch einmal widerrufen, fo winde ex in Freiheit geſetzt 
werden. Allein mit hohem Selbſtgefühl verachtete ex jeden fol: 
chen Antrag, und nun ward. er ald zurüdgefallener Ketzer 
zum Scheiterhaufen verurtheilt. 

Der kaiſerliche Kanzler Kaſpar Schlid legte im Namen 
feines abwefenden Herrn Proteſtation gegen biefed Verfahren 
ein; aber die Kirchennerfammlung hörte ihn nicht. Hierony 
mus wurde auf biefelbe Weife unb an bemfelben Drt wie 
Huß zum Tode geführt. Als er ein Bäuerlein- erblicte, dab 

Remſig Holz zum Scheiterhaufen trug, rief er: „o heilige Ein 

falt, wer dich betrügt, der hat. deß taufenbfältige Simde!“ 

Der Henter wollte im Süden anzünden; er verlangte, daß 

es vorne gefchehe, benn wenn er fich vor dem Feuer gefiuch⸗ 

tet hätte, fo wöre er nicht an.den Pfahl gebunden worben. 

Nun fuhr er fort zu beten und zu fingen und flarb alfe, wie 

.Huß, mit einem Muthe, ber ihn felbft nach dem Zengniſſe 

derer, die feine Überzeugung nicht theilten, unter bie größten 

Männer aller Zeiten verfeßte. 

44 Die Kicchenverfammlung aber, aufgebracht über dad Schrei: 

26 Febr. ben der böhmifchen Landherren, citirte alle Huffiten zur ge 

richtlichen Unterfuchung und verfaflte 24 Artikel, nach welchen 

alle Keberei in Böhmen auögerottet und namentlid) die Unt- 

verſitaͤt reformirt werben follte. Der Kaifer hingegen fchrieb 

fpäter nach feiner Art einen ganz milden Brief: er habe fi 

gefreut, daß Huß nach Coſtanz gegangen, weil er gehofft, er 

werbe fich rechtfertigen; feine Angelegenheit .wärbe vielleicht 

auch einen beffern Ausgang genommen haben, wenn er 5 
gleich mit ihm dahin gereift wäre. Gott fei e8 bewuſſt, daß 

ihn der Unfall unbefchreiblich geſchmerzt habe; er habe fich fei- 

ner auch angenommen, habe das Goncilium öfter mit heftigem 

Unwillen verlaſſen, aber ihm.enblich boch feinen Willen laſſen 





Coflanzer Kirchenverſammlung. | 405 


müflen, wenn ed nicht ganz anfgelöft werben follte. Zuletzt 
warnt er bie Böhmen vor weitern Unruheir, ſonſt würde das 
Krenz gegen fie gepredigt werben; fie follen bie Verbeſſerung 

der GeifllichBeit. den Dbern uͤberlaſſen, dem Laien fei es nicht 
erlaubt noch möglich die Tiefen ber Schrift zu enforfchen. 

Erſt acht Monate nach dem zweiten Juſſizmord Fam end⸗ 1417 
lich K. Sigmund von feinen Verhandlungen mit hen Spas 
nien aus Narbonne zuruͤck. Da der alte Beneolet KIM. 
durchaus von Feiner Nachgiebigleit hören wollte, fo bewog 
Sigmund die Könige von Aragonien, ’Gaflilien und Navarra, 

daß fie ihm die Obedienz aufkuͤndeten. Nun ‚gingen fogleich 

die Abgeordneten der fpanifhen Nation auf das Conci⸗ 

lium, das dadurch erft ganz vollſtaͤndig warde. Der Proceß 

gegen Benebiet war bereits eingeleitet, als Sigmund ankam 

und neue Thaͤtigkeit in die Berſammlung brachte. Benedict 
ging auch jetzt weder auf die Vorladungen noch auf die weis. 

tem Anträge ein; alfe wurbe endlich fein Abſetzungsurtheil, 

als eines melneibigen, hartnaͤckigen, unverhefferlichen Schiſma⸗ 

tikers und Ketzers, oͤffentlich bekannt gemacht. Von feinem 26.Jul. 
Felſen zu Peniscola, einem Familienſchloß in Valencia, wohn 
er ſich mit ein Paar Cardinaͤlen gefluͤchtet, ſprach der Greis 
den Bann über die ganze Welt ımb blieb dabei bis an ſei⸗ 
nen Tod, deü ihn erſt in feinem’ 9oſten Jahre traf, nachbem 
er von den Cardinaͤlen, bie bei ihm auögehalten, dad Ver⸗ 
forechen genommen, einen aus ihrer Mitte zum Papft wäh 
len zu wollen. Allein die Kischenverfummiung fah ſchon mit 
ſeinet Abſetzung das Schifma als geenbigt an unb wollte alfo 
zu ihrer dritten, größten Aufgabe, zur a an 
Haupt und Gliedern, fehreiten. 

Da entſtand aber erſt im Concilium felbft: ein: heftiger 
Zwieſpalt uͤber bie Frage: ob hie-Reformation vor ober.nach 
der neuen Papftwahl gefchehen folle? Der Kaifer mit der t eut⸗ 
ſchen Nation beharrte darauf, baß das Geſchaͤft vor ber 

Wahl vorgenommen werben müuͤſſe; die englifche Nation 
fimmte bei. Man wuffte; wie e8 bei dem pifanifchen Conci⸗ 
lium gepangen, und beforgte alfo mit Recht, der meue Papft 
werde die Reformation, wenn fie nicht fchon gefchehen wäre, 
ebenfo umgehen wie ber Vorgänger. Aber bie Gasbinäle, 


\ 


Sn 


46 Bud IL Erſter Zeitraum Abſchnitt 3. 


denen es jest an's Leben ging, traten mit aller Macht entges 
gen; fie hatten dabei nicht nur bie italienifhe Nation vor 
aus für fi, fondern wufften auch die Franzoſen und nad 
ihnen die Spanier zu gewinnen. Ungeachtet bisher bie 
franzoͤſiſchen Gelehrten am eifrigften für die Verbeſſerung 
ber Kirche geſchrieben und gefpeschen, fo trat jeßt Peter von 
Ailly auf und zog in einer heftigen Rebe gegen biejenigen 
los, welche die Papſtwahl verfchoben wiflen wollten. Die fünf 
Notionen kamen in ber Hauptſitzung fo hart an einander, daß 
man beforgte, dad ganze Concilium werde füch zerfchlagen. 
Der Garbinal Zabarella erhob feine Stimme fo heftig, daß er 


kurz darauf ſtarb. Roc hielt K. Sigmund feflz er brachte 


die Verſammlung wieder in Gang, ungeachtet bie Sranzofen 
fih befchwerten, daß er ber Freiheit des Concilium Gewalt 
anthue. Don Seite ber teutichen Nation werden zwei Spre⸗ 
cher befonbers genannt. Der eine, Morit, Lehrer ber Theo⸗ 
logie zu Prag, der, wiewohl er gegen Huß unb Jacob von 
Mieß aufgetreten, doch eben fo ſtark al& jener über bie grobe 
Ummiffenheit und Entartung des Klerus fich herausließ. Den 
Garbindien fagt er, fie hätten den rothen Hut bloß zur Griw 
nerung, daß fie ſchuldig wären den letzten Blatstropfen für 
die. Kirche zu vergieften und füch nicht durch Menfchenfurcht 
bei der Papſtwahl leiten zu laſſen. Die Kirchenserfammlung 
müffe um fo mehr die Simonie abthun, weil die gemeine 
Meinung fei, Huß ſei hauptfächlic wegen feiner Predigten 
gegen: diefelbe verurtheilt werden. Der andere Sprecher iſt der 
neue Kurfuͤrſt Friedrich von Brandenburg, aus dem Haufe 
Hohenzollern.: Aus langer Erfahrung, fagt er, babe er fih 
überzeugt, welche Nachtheile Zeutfchland von ber Ausartung 
der Geiftlichkeit habe. Durch einen eignen Beſchluß foRe man 
tor weitere Erwerbung unbeweglicher Güter verbieten, weil fie 
fbon einen großen heil des Reichs im Beſitz habe. Den 
Sardindien, welche ben Papft vor ber Reformation mählen 
wollten, trat er fo derb entgegen, baß fie Geleit verlangten, 


um dad Concilium zu verlaflenz er erwiederte aber, bie Be | 
rufung und Auflöfung des Concilium ſtehe allein dem Kalle 


zu, auch auſſer der Zeit des Schifma '). 
1) Leufant Hist, du Cono, ds Conat, II, 70, 


. Rofanzer Kichenperfammlung. "407 


Als bie trei Nationen eine ſtarke Proteflation gegen die 

Verſchiebung ber Wahl vorlefen wollten, verließ Sigmund den 
Gast; eine. Stimme wagte ihn „Keber” nachzurufen. Als in 
der naͤchſten Sigung die Proteflation doch verlefen wurde, 
drohte er Die Cardinaͤle feffegen zu laſſen. Er fühlte jetzt doch, 
wie verächtlich ihn dieſe zu behandeln anfingen. Es hatte nicht 
an Rednern ‚gefehlt, welche bee Kirchenverſammlung in's Ge⸗ 
ſicht fogten, fie ſelbſt fei theilweife fo verbarben, daß hie Res 
formatien.nnicht länger. verfchoben werben bürfe. Allein Peter 
von Aully, jegt mehr Cardinal ald Refosmator, gab den Bor 
wurf zuruͤck; was denn dad fir Bette wären, bie ben Klerus 
xeformiren wollten und ihre eigenen Laſter verſchwiegen? Alle 
Gefahr des Verzögerung ber Wahl wurde jegt auf die teutfche 
Netion gemarfen unb fogar ber Verdacht wicleſiſcher und huſ⸗ 
ſiſcher Keherei ausgefprochen. 

Auf dieſes uͤbergaben die Teutſchen folgende Proteſtation 
an bad Contilium. „She fodert, wie eure Vorgänger (zu Piſa), 
übereilt und in verkehrter Ordnung zur Wahl eines oberflen 
Biſchofs unter andern auch die, ‚wie wir hoffen, gottesfuͤrch⸗ 
tige, duldſame und befcheibene germanifche Nation anf, eine 
Nation welche bucch Sottes Gnade nicht unmächtig iſt, fons 
den auſſer dem Kaiſerthum acht Königseiche (mit Einfchluß 
der ſcandinaviſchen und flavifchen), viele Herzögthümer, Mars . 
gravſchaften, Herr⸗ und Gravfchaften enthält. Ihr fehet in 
der Verzögerung einer folhen Wahl wer weiß was für Ges 
fahren und beſchuldiget und ketzeriſcher und fchifmatifcher Ges 
ſimumgen. Bu dieſen Befchuldigungen könnten wir aus Liebe 
zum Frieden wohl fchweigen; auch wird Niemand glauben, 
daß unfere Nation ihres Namens fo fehr vergeffen werde, um 
nicht alle ihre Kräfte zu Herflellung bes Kirchenfriebens aufs 
zubieten. Wir brauchen uns kaum darauf zu berufen, daß 
die Nationen ſchon zwei Jahre ohne Papf auf 
bem Concilium fih zufammengetban haben, obne 
daß iegend eine Gefahr dabei entſtanden' wäre. 
Vielmehr bringt die Natur des Sache mit fih, baß in der 
Überellung der Wahl neue Gefahr liege: denn da von bem 
Verderbniß der öffentlichen Bitten ber Geiſtlichkeit und von 
den zwiſtigen Papflwahlen alle Spaltung und Entartung ber 


’ 


408 Bud UL Erſter Zeitraum Abſchnitt 3. 


Kirche entflanden ift, fo muß vor allen Dingen und nach ben 
. bereitö gefchehenen. Erflärungen eine Reformation in Haupt 
und Gliedern vorauögehen, auf welche erſt die fünftige Papii- 


wahl :gegrünbet werden Tann”. 
Diefe Proteflation war dad Lehte was die Teutſchen 


1417 thun konnten. Nach dem Tode des verdienten Biſchofs von 
Sept. Salisbury, Robert Halam, traten auch die Engländer über. 


— 


Nun Hand die teutſche Nation allein gegen die vier ‚anbeem, 


welche, wie fie. von fich ſelbſt ſagten, den beſſern und zahlrei⸗ 


chern Theil des Concilium ausmachten. Endlich ‚gelang es 
den Cardinaͤlen auch einzelne teutſche Biſchoͤfe herumzubringen, 
namentlich den Erzbiſchof von Riga, Johann von Wallenrode, 
der mit dem Teutſchorden, und den Biſchof von Chur, Jo⸗ 
hann Abaudi, der mit dem Herzog Friedrich von Öfterreich 
im Krieg war; gegen das Verfprechen, auf andese Bisthinner 
verfegt zu werden, traten fie Über. Die Übrigen fingen auch 
an, zu wanken, und ba num ber Kalfer fich verlaſſen ſah, gab 
er endlich feine Buffimmung zur Papfiwahl, jedoch nad dem 
Wunſche der Nation nun. fomweit, daß die Reformation fogleich 
nach der Wahl ‚gefchehen müfle,. ehe ber neue Papft fein Amt 
eigentlich anträte. Die Kranzofen, um zu bewveifen, wie-senfl- 
lich e& ihnen um die Reformation zu thun ſei, vetſcrachen 
mit den Zeutfchen gemeinfhaftliche. Sache zu machen, : wern 
ber neue Papfk wider Vermuthen Hinderniffe machen follte, 
oder ihn gar abzufegen. So warb denn auf Antsag ber teut⸗ 
fchen Nation befchloften hen Papft in Eid und Pflicht zu neh 
men, daß er Coſtanz nicht eher verlaffen noch das Concilium 
aufheben wolle, bis bie Reformation vollendet fein wuͤrbe; 
ferner, baß in Zukunft alle zehn Jahre, das naͤchſte Mal aber 
ſchon nach fünf Jahren ein allgemeines Goncilium. gehalten 
werden folle, und baß bei entflehendem Schiſma fogleuh ein 
ſolches ausgeſchrieben, Eeiner ber. Segenpäpfte aber babei zu⸗ 
gelaffen werben folle. Auch fertigte bie Verfammlung ſogleich 
18 Artikel. aus, nach welchen ber neue Papft den römiichen Hof 


‚uud bie Kirche (Haupt und Glieber) fofort reformiren falle. 


‚. Um nu einmal zur Wahl zu kommen, lieſſen füch bie 
Gardindle einen Zufat von 30 Abgeorbneten aus den Natis⸗ 
nen gefallen; das -Ganclave warb im einem Kaufhauſe zu Go 


j 








—— Coſtanzer Kirchenverfammlung. 409 


Ranz eingerichtet... Da aber jebe Nation aus ihrer Mitte waͤh⸗ 
len wollte, fah -man- bald ein, daß diefes nicht zum Ziele fuͤh⸗ 
sen wohrde,:und die Teutfeher:-gaben darin zuerfl nach, daß bie 
Wahl dem Cardinals⸗Collegium bleiben folle. Dieſes wählte 
dann den Sardinal ·Otto de Colonna, aus einem der erflen 
roͤmiſchen Häufer,; der ‘dem Heiligen. bes Tags zu Ehren den 
Namen Martin V. annahm. Gear. einer der Letzten ges 
weſen die bei Dohanı XXIII. ausgehalten, hatte aber bisher 
in ben. Verhandlungen fo viele Mäßigung und Freifinn bewies 
fen, datz man fich alles Gute vow ihm verſprach. Sigmund 
vergaß ſich in ber Freude ſo weit, daß er ſelbſt in's Conclave 
eilte und dem neuen Papſt kniefaͤlig den Fuß kliffte! Bei 
der Kroͤnungsfeierlichkeit, da Maͤrtin mit ungemeſſenem Ges 
praͤnge und Gefolge durch die Stadt zog, fuͤhrte ex deſſen 
Pferd Fuß am Baum uud‘ hleit in der andern: Hand einen 
Stab („Bergel”), um dem Zudrange des Volles zu wehren. 
Viele fromme Lente aber meinten, St. Peter wäre nicht alfo . , . 
gekrönt — auch ibm sein ——— Kaiſer ſein 
RoB gefühl! :- 

Den Tag. nad ber gebnang Heß Martin V. dunch den 1417 
Cardinal von Oftia, Johann von Brogni, feine Canzleiregeln 22. Rov. 
ausfertigen; ber auch ‚die ſeines Vorgaͤngers abgefaſſt hatte. 
In dieſen wurden: faft alle bisherigen Misbraͤuche an Reſer⸗ 
vationen, Erpectationen ꝛc. nicht nur beibehalten ſondern zum 
Theil noch. weiter ausgedehnt. Da'man nun ſchon fah, mit 
wen man zu thun habe, ſo fäumten die fünf Nationen nicht 
dad Reformationswerk zu betreiben. Martin bezeugte fich 
febe bereitwillig unb verlangte von ihnen einige Abgeord⸗ 
nete zu den ſechs von ihm niebergefegten Eardinälen. - Diefe 
nahmen bie fchon entworfenen 18 Artikel vor. Bald zerfielen 
aber die Cardinaͤle mit einzelnen Abgeorbneten unb fanden 
Vorwaͤnde genug bie Sache gu verzögern. Endlich wurden 
auch die Nationen unter fich felbft uneinig,. da die eine mehr, 
die andere weniger Befchränkungen ‚machen wollte. Deſſen 
wurden dann bie Branzofen zuerft überbrüffig und baten den 
Kaifer die Sache bei dem Papſte zu betreiben. Er aber gab 
zur Antwort: „Da Wir vorhin die Reformation vor der Papfb 
wahl haben wollten, waret ihr anderer Meinung und wollte ' 


4410 Bud UL Erfer Zeitraum. Abſchnitt 3. 


erft einen Papft haben. Seht, um habt ihr einen; gebt zu 

ihm, Wir haben jest bei der Sache nicht fo viel zu thun, ald 

da der Stuhl ledig ıfland”. Die teutfche Nation übergab bem 
Dapft noch einen befondern Plan: über die 18 Artikel, welche 

_ eigentlich eben fo viele Befchwerben waren über bie feit einem 
Sahrhundert aufgefommenen Anmaßungen und Bedrückungen 

der xömifchen Curie. Nach zwei Monaten erließ der Papfl 

einen Verbefierungsentwurf zur naͤhern Pruͤhmg md Annahme. 

Cr ging allerdings auf jede Beſchwerde ein, nur den achten 
Artikel von der päpftlichen: Ganglei ließ er unberührt; etliche 
unbedeutende gab er ganz zu, ‚bei andern that er als ob Etwas 
verbefiert würde; bei ben ſchreiendſten und druͤckendſten aber 
erHlätte er geradezu, deß bie Umſtaͤnde noch feine Auberung 
zulieffen. Nach diefem ſtellte er fich als ob er bie Gegen⸗ 
bemerkungen nicht hörte, und da er fhon bie Uneinigkeit ber 

1418 Nationen gefehn hatte, fo ergriff er fchnell das Mittel mit 
20. Bebr jeder befondere Goncordate zu. ſchlieſſen. Die.teutfche erhielt 
. 41 Artikel: darin verfprach ex unter aubern nur’ im Allgemei⸗ 
nen, bie Gardindie, deren nicht über 24 fein ſollten, koͤnn⸗ 

ten aus allen Theilen der - Shrifienbeit-:gewählt werben. 
(Lange Zeit war Fein Zeutiher im Collegium; deſto mehr aber 
Sranzofen. Konnte man barüber Fein befiimmteres Berfpre 

chen erhalten?) Die Biſchofswahlen wollte der Papft freilaſ⸗ 

fen, wofern er nicht aus gegründeten und einleuchtenden Us 

fachen mit Rath der Cardinaͤle einen würdigen und tächtigern 

zu fegen für gut finden würde; und fo durch bad Ganze. Die 

31. Teutſchen nahmen das Goncorbat an. Die Böhmen wur 
22. Gebr. pen mit dem Bann bedroht, wenn fie nicht von der Ketzerei 
-  ablieffen. Das englifche Concordat bat noch weniger zu 
bebeuten. Die Franzoſen erhielten beffere Bedingungen als 

die Zeutfchen, doch verwarf das Parlament zu . Paris bad 
Ganze. Die Spanier waren eben fo wenig-zufrieden. Won 

ber italienifchen wird Nichts gefagt. Sie betuachtete im; 

“ mer bie Kirchenverfaffung als eine Erfinduig, von ber fie 

den Nutzen zöge. Im Abfiht der übrigen Gegenflänbe feines 

21. Mirz Entwurfs erließ Martin V. noch zum Schluffe fieben De 
crete, die einer Verbeflerung gleich fehen ſollten, in ber Thai 
aber fehr geringfügig waren; er ließ. fie aber auch nicht als 





Coftanzer Kichenverfammiung :-- 411 


Synodalſchluͤſſe fonbern ale päpftäe Verordnungen und Cons | 
flitutionen verkünden. - 

Dies in befonberer Beriehung uf Teutſchland der Ver⸗ 
Lauf der großen Kirchenverſammlung zu Coſtanz in vierthalb 
Jahren. Wie groß ſtanden bie Sachen im Anfange und wie - 
bat am Ende Alles wieder umgeichlagen! Das lange Beihnies 
Dergetzeteie Kaiſerthum erhob fi durch einen Zufammenfluß 
von günftigen Umflänben. zur glängendfin Wiedetausubung 
ber Schirmherrlichkeit über die Kirche. Die teutſche Nation 
wurbe auch in kirchlicher Hinficht als Mittelpundt ber abends 
laͤndiſchen Chriſtenheit betrachtet. Aber wie wenig faffte Sigs 
mund die Bedeutung feiner Winde! Ex freute ſich Johann 
XXI. und feine Garbindie.überlifet zu haben, inbem ex fie 
nach Tentfchland brachte. Die framzoͤſiſchen Doctoren erhiels 
ten, indem nationalweife geßhnmt wurbe, das - Übergewicht 
über die italienifchen. Das alte Kirchenrecht fiegte über bie 
päpftlihen Decretalen. Die Kirchenverfammlung behauptete 
fich über den Papftz aber zugleich ging in Abficht der Lehre 
das Bannrecht auf fie über und muſſte dem Parteihaß ber 
Gelehrten zum Vorwand dienen. Huß wurbe verfegert, weil 

er auf anderem Wege ald die franzöfifchen Doctoren zu gleis 
er Uberzeugung gefommen war. Die teutfche Nation ver 
ließ die Böhmen, ob fie gleich zu ihr gezählt wurden. Gig» 
mund ließ fich über feinen zweiten Betrug, den Geleitsbruch 
an Huf, von der Kirchenverfanmlung in ihrer Art rechtfertis 
gen; aber wer hieß ihn denn am feiner Verurtheilung perſoͤn⸗ 
Tichen Antheil nehmen? Kircheneinheit war das Einzige was 
diefe Synode zu Stande brachte. Zuletzt aber Fam die Reihe 
doc wieder an die Italicher die Andern zu überliften. Ein 
Fremd des abgefegten Papfles Fam an feine Stelle. Was an: 
fänglih auf den Sturz der päpfllichen Partei berechnet war, 
die Abflimmung der Nationen, das verftand er bald zurückzu⸗ 
geben, indem er fie trennte, Die teutfche hat am laͤngſten 
widerfianden, dann aber auch am meiſten nachgegeben. 

Rach den gebachten fhmählichen Abfertigungen ergriff 1418 
Martin den Vorwand einer entfiehenden Seuche und brach fo 
ſchnell als er Eonnte von Coflanz auf, mit Verweifung auf 16, Mai. 
dad naͤchſte Concilium. Nicht ein Laut von Unzufriedenheit 


— 
| 


42 Bud. III. Erſter Beitcaum Abſchnitt 3. 


ließ ſich jet mehr hören,. ſo. ſehr Hatte. er in Seit eines hal 
ben Jahres durch Vorfchläge, Hinhalten, vereinzelte Verhand⸗ 
Lungen Alles zu trennen und zu’ lähmen veiflanden. Alle 
heile begtüdmänfchten fih, als ob die Sachen aufs herr: 
lichfte ausgeführt wären. Ben Mitgliebern ber Synode gab 
ber Papfi. Ablaß; dem Kaifer wies er für ſeine Kofler den 
Zehnten von allen geiſtlichen Ginkänften in Zrutjchland an, 
ohne zu: - fragen, ob nicht Dagegen proteſtirt werben wirbe. 
Mit befonderd guädigen Ausdruͤcken dankte der Kaifer ber Kir- 
chenverſammlung für den bewieſenen behardichen Gifer. Zu⸗ 
legt fragte .er noch treuherzig den Papfl, ob er nicht eine 
teutfche Stadt zum Wohnfitz wählen wollte. Ebenfo fchlugen 
bie Franzoſen wieder Avignon 'nor. Martin aber.eiite in fein 
Rom, herzlich froh und nicht abtiend, daß bie Folgen einer 
fo erbaͤrwlichen Politik en lange außbleiben wärben '). 


13. Die Kriege und andere’ —5 Veränderungen 
zur Zeit der. coflangen Sirchenperfammlung- 
Folgen des oſterreichiſchen Kriegs. K. Sigmund 


verkauft den ſchweizeriſchen Eidgenoſſen die zum 


Reich eroberte habsburgiſche Stammherrſchaft 
und empfängt auch Geld für H. Friedrichs Wie: 
derbelehnung mit den übrigen Landen; er verpfän- 
bet ferner die [hwäbifhen Landvogteien und an: 
dere Reihögüter und Redte, und verkauft den 
Lübedern zwei verſchiedene Rechtsſpruͤche. Er ver 
kauft fein Kurfürftenthum Brandenburg au ben 
Burggraven Friedrich von Nürnberg (Hobenzol: 
lern). Markgrav Kriebrih der Streitbare von 
Meiffen wird mit der Kur Sachſen belehnt. Der 
DUIIMERErIES AufBEnD gegen bie Kirchenverſamm⸗ 


1) Über das Ganze ſ. Schroͤckhe gircheigeſch Bh. 89, S1., 3 
Pland Geſch. des Papſtthums Bo. 3. Eichhorn Staata⸗u. Rechts 
Geſchichte. 8. 205. 406. Über Böhmen Pelzel u. Gebhardi a. a. O. 
über das Örtliche auſſer den im Text angefährten Schriften Geſchichtt 
von Schwaben IV. 


Politiſche Begebenheiten zur Zelt ber coftanzer Spnobe. 413 


Iung und den römifhen König Sigmund.  Wenzs 
laws Zob. Fortgefegter Aufftand "gegen Gigs 
mund ald Erbkoͤnig von Boͤhmen. Die 4 prager 
Artikel; die 12 Artitei der Zaboriten. Sigmunds 
zweiter Feldzug. Er überldäfft Mähren feinem 
Eidam, H. Albredt von Öfterreih. Der Reichs⸗ 
krieg. Die erſte Matrikel. Nach Zizkas Tod vier 
huſſitiſche. Parteien; deren ſchreckkliche Berheerun—⸗ 
gen in den unbeſchützten teutſchen Provinzen wähs 
rend des Türkenkriegs in Ungern. Erſter Haupts 
zug gegen die Huffiten. Vorſchlag einer Kriegs 
fieuer, „gemeiner Pfenning”. Landfriedendvers 
bandlungen. Zweiter Hauptzug. Üble Lage des 
Zeutfhordens in Preuffen. bei Diefem Krieg. Er⸗ 
nenerte Bereinigung bed Ordens mit ber gleich 
falls im Sinten begriffemen Hanfe. 


Ein Länberfrieg und ein Meligionskrieg waren unmitlelbare 
Folge der coflanzer Kirchenverfammlung; beide, wie einige ans 
dere Beränderungen, batten noch befonbere Urfachen in &. Sig 
munds hinterliſtiger Schwaͤche. 
| Herzog Fried rich büßte feinen Ungehorfam gegen ben 1415 
Kaifer, wegen feiner Entwürfe gegen dad Goncilium und wes 
gen Bedrückung anderer Stände, mit dem Berlufte der habs: 
burgifhen Stammberrfchaft, wie fchon oben berährt worben. 
Die Sache ging auf folgende Weife zu. Es waren eben hun⸗ 
dert Jahre feit der Schlacht bei Morgarten verflofien, als die 
ſchweizeriſchen Eidgenofjen auf K. Sigmunds Befehl den funf 
Ngiährigen Brieden, den fie kaum drei Jahre zuvor mit ſter⸗ 
reich geſchloſſen, brachen; in einem Reichskriege, ſprach Sig⸗ 
mund, ſeien ſie ſchuldig, als Glieder des Reichs, ihm Bei⸗ 
ſtand zu leiſten, weil in allen Vertraͤgen und Bimdniſſen Kai⸗ 
fer und Reich ausgenommen werben müſſten. Um fie noch 
mehr zum Kriege aufzumuntern, verfprach er ihnen den ewigen 
Lehenbefig aller Länder, welche fie dem Herzog entreiſſen wiır> 
den; die vier. Waldftätte, fowie Zug und Glaris, befreite er 
noch überdies von allen Verpflichtungen gegen Öfterreich und 
eignete ihnen Alles was fie von biefem Hauſe pfanbweife 


414 Bub UL Erfer Zeitraum. Abſchnitt 3. 


inne hatten. Run erhoben fie ſchnell ihre furchtbaren Maf 
fen. Bem nahm zuerfl den wohlgelegenen Aargau ein; Hab bs 
burg, des Haufes ehrwuͤrdiger Stammſitz, fiel in Schutt usb 
Trümmer unb wurde nicht mehr aufgebaut. Lucern eroberte 
Surfee und einige andere Orte. Zürich nahm Mellingen und 
Bremgarten unb belagerte Baden. Während ſchon zwifchen 
Sigmund und Friedrich verhandelt wurde, brachen die fieben 
Orte das fehle Schloß Stein, wo bie Urkunden bed Haufe: 
verwahrt lagen. 

Als Herzog Friedrich nun bei der Unterwerfung alle feine 
Lande in des Kaiferd Hand übergab und biefer die Hulbigung 
einnehmen ließ, waren bie meiflen dazu bereitwillig, aufler 
ven oͤſterreichiſchen Städten in Schwaben, welche größtentheils 
erſt feit Rubolf I. erworben waren. Schaffbaufen, Radolf⸗ 
zel, Diefenhofen, Neuburg, Breifach u. a., zum Theil vom 
Meich an Öfterreich verpfändet, kauften fih an das Reich 
(dur Erlegung bes Pfandſchillings). Auch was die Eidge⸗ 
noffen eingenommen: hatten, wollte Sigmund jest an fich gie 
ben; er that es aber nur um Gelb zu der Reife nach Nar⸗ 

4415 bonne zu erhalten. Denn als fie ihn an fein erſtes Verſpre⸗ 

22. Zul. chen erinnerten, überließ er den eroberten Aargau an Bern 
um 5000 fl. Den Zuͤrichern trat er für 4500 fl. ab, was fie 
im Thurgau eingenommen hatten, und verfpradh ed nur mit 
ihrem Willen und um 6000 fl. über den Pfandfchilling wieber 
zu loͤſen. Mit feiner Erlaubniß traten die andern Orte, aufs 
fer Bern und Urt, in die Mitherrfchaft von Mellingen und 
Bremgarten; ben Lucernern aber wurde für ihre Anfpriche 
Surfee überlaffen. Sigmund wollte auh Zirol unb die vor 
aribergifchen Hertfchaften mit dem Reich vereinigen. Allein. 
hier trat ihm entgegen Herzog Ernſt, der Giferne genannt, 
und nahm die Lande in Beſitz, man wuſſte nicht, ob mit ober 
wider Willen feines Bruders Friedrich. 

4416 Waͤhrend Sigmunds Reife folte Friedrich zu Coſtanz als 
Geiſel bleiben bis Ausſstrag ber ganzen Sache. Da ihm aber 
bie Beit gar zu lang wurde und feine Feinde, beſonders bie 
Biſchoͤfe von Trient und Briren, ihm zufebten, auch überall 
Schmach und Verachtung ihm begegneten, brach er feinen Eid 
und eilte nach Zirol. Darüber wurde der Kaifer bei feiner 





Polltiſche Begebenheiten zur Zeit ber coſtanzer Synode. 415 


Zuruͤckkunft ſehr unwillig und wollte ihn noch einmal angrei⸗ 1417 

fen. Die Kirchenverfammlung ſprach aufs neue den Bann Apr. 

über ihn aus. Nun kam H. Ernft mit einem flattlichen Ges 

folge nach Coſtanz und machte dem Kaifer Vorwürfe, daß er 

bie herrlicher Landſchaften Aargau, Thurgau, Baden nebſt 

Lenzburg „den Bauern” um ein ſchnoͤdes Gelb überlaſſen. 

Sigmund verfprach gütlihe Verhandlung, fuhr aber immer 

noch fort von den eingenommenens Landen zu veräuffern. Feld⸗ 

kirch, das mit einer großen Steinfchleuber gebrochen werben, 

tıberließ ex dem Graven Friedrich von Zoggenburg. Der Stadt 26. Mai. 

Coftanz verlieh er fir 1600 fl., welche ex daſelbſt fchulbig ges 

worden, Landgeriht, Blutbann und Wildbahn im Thurgau, 

nebſt der Vogtei Frauenfeld. Kiburg gab er denen von Zuͤ⸗ 

rich zum Eigenthum für eine Summe Geldes. Der Stabt 

Bafel ließ er ebenfalls die von ihr eingenommenen Städte 

und Schloͤſſer ‚anbieten; fie nahm diefelben aber nicht an. Ends 

lich hielt er ein Lehengericht zu Coſtanz kurz vor dem Schluffe — 

des Concilium. Dieſes ſprach: „alle Lehen und Pfandſchaf⸗ Vebr. 

ten des Herzogs ſeien nach den ergangenen Urtheilen recht und 

redlich an das Reich verfallen und ſollen von Allen die fie 

inne habın in beſtinmter Frift zu Lehen empfangen werben. 
Nach diefem Spruh warb H. Friedrich wiederholt um 

eine gätliche Richtung. Er Fam mit Sigmund zu Mördburg 

zufammen. Im Bolge mehrerer Tagſatzungen wurde am Schluß 

das Epneiltum. gethädigt: H. Friedrich folle dem Biſchof von 2. Mai. 

Zrient und andern, was er ihnen entzogen, wieber berftellen. 

Bon feinen an dad Reich Kbergebenen Landen dinfe er Elſaß, 

Suntgau und Breisgau wieder einlöfen, dagegen möüffe er 

aber auf ewige Zeiten entfagen dem was bie ſchweizeriſchen 

Eidgenoffen eingenommen und was an das Reich gebracht 

worden. Den übrigen Städten und Burgen, welchen ber 

Kaifer bereits Gnadenbriefe gegeben ober die er verkauft, fol 

es frei fliehen beim Reiche zu bleiben oder umter Öfterreich 

zurüdzutreten. Endlich folle dee Herzog mit feinen Würben 

und Lehen wieder belehnt werben und dem Kaiſer 70,000 fi. 

bezahlen. 8 die Belehnung geſchehen war und ber Papft 

auch ven Bann aufgehoben hatte, gab ber Kaifer der Ges 

mahlin Friedrichs, geborner Herzogin von Braunfchweig, „eis 


46 Bud IM, Erſter Beittaum. Abſchnitt 3. 


ner gar fehönen,  bleihen Frau“, Enflöheim und die andern 
Städte als ihre Morgengabe zurüd. Auſſer Schaffhaufen und 
Ratolfzell traten die übrigen Städte und Landfchaften wieder 
unter Öfterreih '). 
. Eine folche uneble Rache nahm K. Sigmund an H. Fried⸗ 
rich von Öſterreich; fie wird noch umebler dadurch, daß er 
zugleich feine Geldverlegenheit zu decken ſuchte. Da er übe: 
haupt kein Haushälter war und vom Reich wenig Einkünfte 
batte, auch zu dem Aufenthalt in Coftanz mit großem Ge 
folge und zu den langen Verhandlungen mit den Spaniem 
ſich nicht verjehen batte, fo war ed ihm recht erwuͤnſcht, wenn 
ihm Etwas in die Haͤnde fiel, was mit einigem Schein ver 
‚ Auffert, werben konnte. Schon zu Anfang des Concilium war 
er ſchuldig und muflte aufnehmen. Er verpfändete deshalb 
bie große Reichövogtei in Ober» und Nieber-Schwaben dem 
Zruchfeß Johann von Waldburg für 6000 fl., ungeachtet 
er kaum zwei Jahre zuvor beim Regierungsantritt ben Staͤd⸗ 


/ 





ten die gewöhnliche Verfiherung der Unveräufferlichkeit 


gegeben hatte. Dabei. verfchrieb ex noch einzelne Städtefteuern, 
namentlich die von Ulm an Konrad von Weinfperg, der ihm 


zu der Behrung in Coſtanz 10,000 fl. gelichen hatte. Auf 


gleiche Weife verfchrieb er bie rheinifchen und elſaͤſſiſchen 
Staͤdte. Da ſich die Staͤdte gegen ſolche Verpfaͤndungen wie⸗ 
der mit einander verbanden, ſo ergriff er einen andern Weg 
und ertheilte ihnen in Abſicht ihrer innern Rechte viele Gna⸗ 
denbriefe; er befreite von auswaͤrtigen Gerichten, Zoͤllen, ver- 

lieh ihnen den Blutbann, das Recht Ungeld aufzulegen x. 
Das Alles warf wieber Gelb für die Laiferlihe Kammer ab. 
Auf die geiftlichen Zehnten, welche ihm ber Papſt zu einiger 
Entihädigung anwied, waren ſchon Schulden gemacht; er 
muffte einen Theil berfelben an den Markgraven Bernhard 
von Baden abtreten). Auch dad Recht felbft ober feine 
Mechtsfprüche verkaufte Sigmund, wie es ihm gerabe be 
liebte. In ber oben gedachten Streitfache ber enbeden die 


1) Rad Tſchudi und älter a. a. O. Ben Geſchichte von 
Schwaben IV, 310 ff. . 


. Geſch. von Schwaben IV, 397 ff: — 


Politiſche Begebenheiten zur Zeit ber coſtanzer Spnode. 417 


zu Coflanz vorgebracht wurde, entfchieb er zuerſt für ben vers 1415 
triebenen Rath. Als die Abgeordneten bed neuen Raths 
25,000 fl. erlegten, nahm ex bad Urtheil wieder zuruͤck, behielt 
fih aber vor auf den Fall, daß er das vorgefchoffene Gelb 
zuruͤkbezahlen würde, das Urtheil noch einmal zu reformiren. 
Nun wolte der alte Rath mit Beiflanb des K. Erih von 
Dänemark das Geld fchaffen, Die Stadt Iehnte ed aber ab. 
Gie gab erfi nah, als K. Eric 400 Kübeder beim Herings⸗ 
fang in Schoonen fing. Sigmund fandte Commiffarien, die 
fi vor Allem 16,000 fl. bezahlen liefien; bann wurbe mit 
Beziehung mehrerer banfeatifcher Städte endlich ein Vergleich 1416 
zu Stande gebracht, nach Hinrichtung der Infurgentenhäupter dvun. 
die alte Verfaſſung bergeflellt und der alte Rath wieder eins 
gefeßt, der jedoch von nun an größere Maͤßigung zeigte ?). - 

Nicht nur viele Reichs rechte und Güter wurden von 
8. Sigmund in feinen Gelbverlegenheiten verpfändet und vers 
fauft, ſondern er griff auch feine eigenen Erbländer an. 
Daß er die Neumarkt an den Zeutfchorben verpfänbet, ift 
früher fchon berührt worden. Unter den Fürften, welche ibm 
in den wichtigfteh' Gefchäften fletd zur Hand waren, ſteht ber 
Burggrav Friedrich von Nürnberg oben an, zugleich im 
Befige guter Gelbmittel. Schon vor ber römifchen Koͤnigswahl 1411 
verfchrieb Sigmund demfelben, wegen feiner geleifteten Dienfte 8. Sal. 
und vorgefchoffenen Gelbfummen, bie Mart Brandenburg 
fir 100,000 Ducaten und beftellte ihn zum Statthalter der 
felben, mit Vorbehalt der Kurwuͤrde. Vor der Reife nach 1415, 
Spanien lieh ihm Friedrich wieder 300,000 Ducaten. Nun 
verkaufte ihm Sigmund für das ganze Capital von 400,000 
Ducaten die Mark nebft der Kurwuͤrde auf Wiederlöfung und 30. Apr. 
brachte auch die Einwilligung feines Bruders und der Kur⸗ 
fürften bei. Die Herzoge von Öflerreich hätten vermöge ber 
Erbverbrüderung Einrede thun koͤnnen; aber fie waren getheilt. 
H. Friedrich von der tiroler Linie, durch Sigmunb bereits im 
Gedränge, vermochte nicht mehr gegen ihn aufzulommen; fein 
Bruder Ernft der Eiferne, von der fleiermärker Linie, war für 
ſich allein nicht mächtig genug.. Herzog Albrecht von der oͤſter⸗ 


1) Sartorius Gel. d. banf. Bundes II, 224 ff. 
Pfiſter Geſchichte d. Teutſchen II, 27 


418 Buch II. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 3. 


reichifchen Linie fland mit Sigmund in freundfehaftlichen Ber: 
haͤltniſſen, bie bald eine fir ihn günflige Verbindung herbei: 
führten. fo veräufferte Sigmund, während er die habsbur⸗ 
gifhen Stammlande den Schweizern in die Hände fpielte, 

von feinen eigenen Erblanden ein ganzed Kurfürftentfum, dei: 

fen Erwerbung feinem Vater nicht wenig Mühe gekoftet hatte. 

Die beiden Kaifer, Ludwig der Baier und Karl IV., wollen 

jeber mit Brandenburg bie Macht ihres Haufed vermeh- 

en; beide haben fich verrechnet. Ein drittes Hand trat durch 
Sigmunds Verguͤnſtigung in bleibenden Befitz. Der Burg 

grav Friedrich, aus dem Haufe Hohenzollern, hat den 
Ruhm die Macht dieſes Haufeb gegründet zu haben. Er ver 
1427 kaufte bagegen die Burggravſchaft Nürnberg, doch mit Vor: 
behalt verfchiedener Güter und Rechte, aus welden in de 
Bolge mit den übrigen fränfifchen Beſitzungen wieder ein Für: 
ſtenthum (Ansbach und Baireuth) errichtet wurde. Diefer 
Friedrich war kaum ein Paar Jahre im Beſitz von Bran⸗ 
denburg, fo machte er auch Anſpruüche auf das erledigte Kur: 
1422 fürftentbum Sachſen für feinen Sohn Johann, ber mit 
der Schwefter des leätverflorbenen Kurfürften Albrechts III. ver 
maͤhlt war, mit welchem die wittenbergifche Linie de 
afcanifchen Haufed. erlofch. Die männliche Linie von Lauen⸗ 
burg hatte offenbar ein näheres Recht: fie führte die ſaͤchfi⸗ 

ſche Kurflimme gemeinfchaftlih mit Wittenberg, bis fie durch 

Kari IV. davon audgefchloffen wurde. Allein Friebrich der 
Streitbare, Markgrav von Meiffen, kam den beide 
Bewerbern zuvor. Sein Geſandter gewann zuerft den K. Sig: 
mund zu Preßburg. Da er demfelben bereitd gegen bie auf 
geftandenen Böhmen die wichtigften Dienfte geleiftet hatte, fo 
erhielt er die Zufage der Belehnung, wiewohl Friedrich von 
1423 Brandenburg ſchon den Kurkreis befebt hatte. Die dagegen 
6. Ian. erhobenen Widerfprüche, befonders von Seiten des Herzogs 
Erich von Sachfensfauenburg, zogen die Sache zwar mehrere 
Jahre in die Länge, doc kam Friedrich der Streitbare 

in den wirflihen Beſitz. Er bezahlte dem Kurfürflen von 
Brandenburg für feine Anfprüche eine Geldſumme von 10,000 

235. Febr. Schod boͤhmiſchen Groſchen. Herzog Erich Tonnte mit allen 
feinen Gegenbemühungen nicht auflommen. As er enblih 


Politiſche Begebenheiten zur Zeit ber coflanzer Synode. 419 


farb, ließ fein BRruder und Nachfolger Bernhard die Sache 1435 
auf fich beruhen '). j 

Da die Begünftigung des meifinifchen Friedrich mit dem - 
böhmifchen Krieg im Zufammenhange fteht, fo kann man bie 
Beränderung mit bem Beſitze bes Kurfuͤrſtenthums Sachien 
fowie die Veräufferung bed brandenburgifchen Kurfürftentbums 
zu ben mittelbaren Folgen ber coflanzer Kischenverfammlung 
zählen ober ald Folge ber Verlegenheiten Sigmunds, in bie 
ihn jene gebracht hatte, Doch die größte unmittelbare Folge 
ift ver Huffitentrieg felbf. Der oben erzählte äfterreichis 
ſche Krieg ging in kurzer Zeit vorüber; der Aufſtand dev Boͤh⸗ 
men: bauerte fiebzehn Jahre, nahm Sigmunds und des gan⸗ 
zen Reichs Widerſtand in Anfpruch und greift noch in das 
nächfle Concilium zu Bafel ein; daher der Verlauf erft bier 
im Zufammenhange vorgelegt werben Tann. 

Nach der Proteflation, welche die böhmifchen und maͤhri⸗ 
ſchen Zandherren nach Coſtanz gefchidt hatten, fafiten fie einen 
Landtagsbeſchluß: daß jeder auf feinen Gütern das Wort Got⸗ * 
tes unverfaͤlſcht lehren laſſen koͤnne?), daß kein Prieſter aus⸗ 
laͤndiſche Bannbriefe annehmen oder vollziehen duͤrfe, und daß 
auch die Bilchöfe ohne ihre Genehmigung Fein Interbict aus⸗ 
forechen follten; bie theologifche Zacultät zu Prag follte als 
kein das Recht haben, bie Lehren ihrer Prediger zu beurtheis 
len. Dabei. verfprachen fie einander zu ſchuͤtzen. Das Volk 
fing bereitö an bie Mönche und bie Geifilichen, welche den 
Kelch im Abendmahl verweigerten, gu midhandeln. K. Wenz⸗ 
law, „anfänglich den Huffiten günflig, wurde bei ihren Bewe⸗ 
gungen miötrauifch, weil er Feinerlei Macht oder Mittel befaß 
die Unruhen niederzufchlagen. Niklas, Grundherr von Huf 
finecz, brannte vor Eifer den Tod feines Freundes Johann 
zu rächen und beffen Lehre zu vertheidigen. Von einem Haus 
fen Volks begleitet begehrte er vom 8. Wenzlaw Einraͤumung 


1) Über Brandenburg |. das Nähere bei Heinrich, Reichsgeſch. 
IV. 184 ff.; über Sachſen, ebend. 258 ff. 


2) Die böhmifhen Landherren behaupten alfo hier bereits das 
Recht, das bie teutfchen Fürften ein Jahrhundert fpäter bei der wirk⸗ 
lichen Kicchenverbefferung als Attribut ber Landeshoheit aufftellen. 

27* 


“40 Buch I. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 3. 


größerer Kirchen. Wenzlaw verſprach Antwort, ließ aber dem 

Niklas mit dem Strange drohen wenn, er nicht ruhig waͤre, 

1417 und verwies ihn aus Prag. Nun verfammelten ſich die Huf: 

Apr. fiten auf dem Berge Hrabiftie, den fie Zabor nannten, um 

den Gottesdienft nach ihrer Weiſe zu halten. Schon fürdhtete 

\ Wenzlaw durch Niklas von Huffinecz vom Thron geflürzt zu 

1418 werden. Als Martins V. Ketzerbulle erfchien, wurden auch die 

Febr. Prager fo trogig, daß fie feierlichen Umgang mit dem Kelch 

hielten. Wenzlaws Verbot machte fie noch trogiger: fie wähl: 

ten Zizka (Schiſchka) von Trocznomw zum Anführer, einen 

vormaligen Eimiglichen Hofbeamten, der in ber Schlacht bei 

Zannenberg unter den Hülfsvölfern des Königs von Polen 

gegen bie teutfchen Ritter gefochten und, obgleich einäugig, 

durch Xapferkeit, Kriegserfahrung und Entfchloffenheit bald 

über alle Heerführer diefer Zeit firh erhob ). Als fie die Her 

ausgabe einiger Gefangenen verlangten, von dem neuſtaͤdter 

Rathhaus aber mit Steinen geworfen wurben, flürmten fie 

1419 daſſelbe und warfen 13 Räthe nebſt dem Stabdtrichter durch 

Sub die Senfter in die Spieffe des unten fiehenden Volkes. Daf- 
felbe geſchah faft zu gleicher Zeit zu Breflau. 

Als Wenzlaw bie erftere Gräuelthat vernahm, gerieth et 
vor Born faft auffer ſich; er ſchwur allen Huffiten den Unteo 
gang und bat feinen Bruder eiligft um Hülfe. Nach einigen 
Tagen baten die Prager um Gnade; er verzieh ihnen, ſtarb 

16, Aug. aber an den Folgen des Schlaganfalles im 59ften Jahre fer 
nes Alters auf dem neuen Schloffe Cunratitz. Da er ohne 
Kinder war, fielen bie fämmtlichen Erblande Böhmen, Mi 
ven, Schlefien, Raufig an feinen Bruder Sigmund, der noch 
allein vom Iuremburgifchen Haufe übrig war und eine einzige 
Zochter hatte 2). Aber die Huſſiten wollten Nichts von Sig: 


1) Näheres über 4 Gebhardi Geſchichte bes Ric Böhmen 

(Kg. Welth. LII.) UI, | 
2) Bis hierher — a. a. D. Die gleichzeitigen Hauptquellen 

des Huſſitenkriegs find: Laur. Byzynii Diar. bell. Huss. in de Lu- 
dewig Relig. Msc. T. VI. Theobald. bell. Huss. (Francof. 1621). 
Aen. Sylvii Hist. Boh. Eberhard Winded Leben K. Sigmund. 
Balbini Epit. Rer. Boh.— Gpätere: Lenfant Hist. de la Guerre 
des Hussites etc, Schroͤckh Kirchengeſch. Bd. 84. 





Politiſche Begebenheiten zur Zeit der coſtanzer Synode. | 421 


mund bören, weil fie ihm den Tod ihres Lehrers zufchrieben ; 
fie ſetzten ſich in völligen Aufftand und fuhren fort ihren Grimm 
an den Kloͤſtern auszulaffen. Zizka und Niklas von Huffis 
necz überwältigten die Pleine Seite von Prag und legten viele 
Häufer nebft dem erzbifhöflichen Palaft in die Aſche. Mit 
Mühe gelang ed der verwittweten Königin Sophia einen Still 
fland zwifchen ihnen und den Katholifchen oder Königlichen 
auf ein Jahr zu vermitteln. 

Dem 8. Sigmund riethen die Seinigen nicht gerabezu 
nah Böhmen zu geben. Die Angelegenheiten in Ungern ers 
foderten faft noch dringender feine Gegenwart. Doch kam er 
zu Ende diefe8 Jahres nach Brünn in Mähren, um einen 1419 
Landtag zu halten und die Aufrührer zu Breflau zu beſtrafen. Der. 
Zu dem Landtag berief er auch Abgeordnete von Prag, em⸗ 
pfing fie aber mit einem firengen Verweiſe und befahl Alles 
wieder in den vorigen Stand zu flellen, auch durchaus Feine 
Geiftlihen zu beleidigen. Die Prager befolgten feine Befehle, 
und wenn Sigmund jebt gekommen wäre mit gewohnter Milde, 
fo möchte ed ihm gelungen fein das Volt zu beruhigen. Aber 
fein Unftern wollte, daß er fih in der Entfernung zu immer 
härteren Maßregeln verleiten ließ. Er febte alle huffitifche 
Beamte ab, gebot die Huffiten durchweg auszurotten und ließ 
fhon zu Breflau einen prager Rathmann, Johann Krafa, 
weil er bad coflanzer Concilium unkatholifch gebeiflen, zur 
Stadt hinausfchleifen und verbrennen. Died that er auf An- 
ſtiften des päpfllihen Nuntius, der zugleich eine Kreuzbulle 1420 
gegen die Huffiten verkündete. Hieruͤber gerietb dad Volk 17. März. 
anfs neue in Bewegung, welche befonderd burch einen vor: 
maligen Prämonftratenfermönh Johann unterhalten wurde. 
Die Prager verbanden fich ihre Religion gegen Jeden, der fie . 
anfechten wuͤrde, mit Gut und Blut zu behaupten und feßten 
die Stadt in Vertheidigungsſtand. Es wurden Briefe in Um: 
lauf gefegt, worin Sigmund als offenbarer, gefährlicher Feind 
der böhmifchen Nation und der Huffiten gefchildert und das 
Bolt ermahnt wurde ihn nie als König anzunehmen. So vers 
breitete fich fehnell der Aufſtand durch ganz Böhmen. Zizka 
benußte Sigmunds Zögerung, um fich zu Tabor zu befefligen 
und gewaffnetes Volt zu fammeln. Die Calixtiner oder 


422 Bud IH. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 3. 


Kelchner, Anhänger des Jakob von Mieß, welche das Abend 
mahl in beiderlei Geſtalt verlangten, hatten ſich gleich anfangs 
mit den eigentlihen Huffiten vereinigt. Taboriten iſt 
jest der berrfchende Name. Doch treten die Prager zumeis 
len als eigene Partei auf, was auch in der Folge entfcheidend 
wird. Theils unmwiffende und rohe theild überfpannte Führe, 
welche fich als Lehrer aufwarfen, gingen‘ weit tiber das Biel 
bad Huß im Auge gehabt hatte. Durch das Leſen der alt: 
teftamentlihen Kriegsgefchtchte, welche dem Volke mehr zu: 
fagte als der Zuftand- ber erſten Chriftengemeinben , verſetzte 
ſich daffelbe ganz in die vormalige Lage der Ifraeliten. Die 
Berge auf welchen fie fich verfammelten erhielten biblifche Ne 
men (Dreb, Zabor, Ölberg, grünender Berg, Berg des Sam 
med). Die Mönche und Altkathofifchen überhaupt hieffen Phi 
fifter, Helden, Mahomedaner. Alles hielten fie gegen biefe 
erlaubt, was einfl die Ifraeliten gegen bie Camaaniter gethan. 
Aus Mangel regelmäßiger Waffen ergriff eine große Zahl bei 
Volks hölzerne Keulen, Feuerhaken, Drefchflegel. Zizka übte 
fie täglich im Krieg und machte einige durch erbeutete Pferde 
beritten.. Er nannte fich felbft „Johann Zizka vom Kelch, 
Hauptmann ih der Hoffnung Gottes der Taboriten“. 

K. Sigmund wuffte noch nicht, was ein fanatifirtes Voll 
ft. Er meinte mit feiner Kriegsmacht die Aufgeflanbenen 
bald_ bezwingen zu koͤnnen. Aus Ungern und den übrigen 
Erblanden fowie durch Zuzug mehrerer teutfcher Zürften brachte 
er ein Heer von mehr ald 100,000 geübten Kriegen zufam: 
men. Als die Prager den Einzug bed erbländifchen Heeres 
zu Kuttenberg vernahmen, waren fie noch zum Frieden ge 
neigt und fandten dem Könige Abgeordnete entgegen mit vier 
Artikeln, nach welchen fie fich unterwerfen wollten. Aber Sig 
mund befland auf unbebingter Nieberlegung der Waffen. Nun 
beſchloſſen die Prager Alles zu wagen; fie zogen bie Tabori⸗ 
ten an ſich, trieben bie Katholifchen aus und fingen an das 
Schloß Wiffehrad zu befchieffen. Das teutfche Hülfsheer be 
ging ſchon bei feinem Eindringen in Böhmen viele Grauſam⸗ 
keiten und verbrannte huffitifche Priefler. Die päpflliche Kreup 
bulle gebot ja die Keber mit Feuer und Schwerbt zu vertil: 
gen. Aber gerade das hieß ihren Zanatifmus aufs Aufferfle 


Politiſche Begebenheiten zur Zeit der coftanzer Synode. 423 


treiben. Nachdem Sigmunb auf dem Schloſſe Tocznik Wenz 140 ı 
laws Schatz abgeholt hatte, befeßte ex den Wiſſehrad und 11. Jul. 
wollte Prag einfchlieflen. Aber Zizka kam ihm durch Beſetzung 

bed Berges Witkow zuvor und ſchlug die Meiffner zurüd. 14. Jul. 
Diefe befchuldigten dann die Fatholifchen Böhmen der Verraͤ⸗ 

therei, und fo kam Zwiſt in das Eönigliche Heer; der Krieg 

felbft aber nahm bie Natur eined wahren Verheerungskrieges 

on. Die Zeutfchen übten an den umliegenden Dörfern ſchreck⸗ 

lihe Rache und morbeten Weiber und Kinber. Die Prager 
verbeannten dagegen alle Gefangenen in verpichten Zäflern 

im Angeficht des koͤniglichen Heeres und lieffen dad Lager 19. Zur. 
anzuͤnden. 

Die katholiſchen Landherren waren die Erſten welche der 

Verheerung uͤberdruͤſſig wurden: ſie traten mit den Pragern 
zufonmen und lieſſen dem König bie ſchon gedachten vier 
Artilel noch einmal vorlegen, folgenden Inhalts: das Wort 
Gottes folle frei und ungehindert in boͤhmiſcher Sprache 
verkündet; der Kelch den Laien zugeſtanden werben; bie Geiſt⸗ 
lichkeit folle bie weltlichen Beſitzungen uͤnd Reichthü⸗ 
mer aufgeben und ein apoſtoliſches Leben führen; in 
Betreff der Kirchenzucht follen alle Zodfünden und ans 
bere Abweichungen vom göttlichen Geſetz, ſowohl bei bem 
Volke als bei der Geiftlihkeit, durch diejenigen für 
welche es gehört verboten und unterbricht werben; nicht 
bloß diejenigen welche ſolche Sünden verüben, fondern auch 
die welche darein willigen find des Todes fehulbig; jeder 
wahre Släubige ik ſchuldig ſolche an fi und Andern 
zu verfolgen, dod daß ein Jeder dabei bie Ord⸗ 
nung und den Stand feines Berufes beibehalte. 
Auf diefe Artitel wollten die Prager nebſt den Landherren 
ih dem K. Sigmund unterwerfen und allen übrigen Bes 
ſchwerden entfagen. Der päpftliche Legat aber, ber den Koͤ⸗ 
nig begleitete, fand ihren Inhalt gar zu bedenklich; fie wur⸗ 
den verworfen. 

Indeffen ließ fih Sigmund auf dem Wiſſehrad durch den 
Erzbifhof zum König von Böhmen Erönen, wiewohl ihm 28. Jul. 
jetzt nichts Anderes übrig blieb als bie Belagerung von Prag 
aufzugeben. Ex entließ das teutfche Heer und ging nach Kute 


44 Bud U. Erſter Zeitraum. Abſchniet 3. 


tenberg zuruͤck, erlaubte ſich aber noch die Kirchen ihrer Schaͤtze 
zu berauben, um ſein Heer zu bezahlen. 

Nach ſeinem Abzug zerfielen die Prager mit den Ta⸗ 
doriten. Die Letztern hielten die vier Artikel fuͤr viel zu ge⸗ 


1420 maͤßigt und legten zwoͤlf andere vor, welche ihre Prediger 
s. Aug. und Hauptleute aufgefegt hatten. Die Stage von den offen 


baren Sünden wird darin noch weiter audgebehnt, auch auf 
Zurudvergehen, und ba die Befchränktung der prager Artikel 
in Abficht der Verfolgung und Beſtrafung der Vergeben weg⸗ 
elaffen ift, wiewohl auch biefe fchon einen ziemlich weiten 

gielraum ließ, fo muflte durch bie taboritifchen Saͤtze ein 
Sittengericht entflehen, wobei Jeder zum Richter des Aubern 
fi aufwerfen Eonnte, ein Sittengericht das noch willkirli⸗ 
cher und härter verfahren burfte als felbft die Ketzergerichte 
der Dominicaner. Ferner verlangten die Taboriten, baß die 
beidnifchen und teutfchen Rechte abgefchafft, die Gegner ber 
göttlichen Wahrheit ausgefloßen, bie Teberifchen Klöfter und 
unnöthigen Kirchen und Altaͤre zerfiört und alle Bilder und 
Koftbarkeiten weggenommen werben follten. Diefe zwölf Ars 


titel gründen fi) auf vierzehn andere, welche ald eine Art 
Glaubensbekenniniß der Taboriten bereits allgemein verkündet 


waren, und nicht nur auf gänzlichen Umſturz bes beftehenden 
Sottesbienftes fondern auch auf Vernichtung des Lehramtes 
audgingen: denn es wird gleich voraus gefagt, daß alle Bis 
her aufier der Bibel ald Werke des Antichrifts vertilgt werden 
müflten; daß, wer die freien Künfte ſtudire, ein Heide fei und 
gegen das Evangelium handle; Daß man zu den heiligen Hand- 
lungen gar keine Kirchen und Altäre nöthig babe; baß ber 
Priefter einen Bauernrod anhaben koͤnne ꝛc. '). 

Den Pragern midfiel hauptſaͤchlich der Artikel von ber 
Kirchenzerflörung. Als der Stabtrath fich widerfegte, wählten 
die Taboriten einen neuen, der bie zwölf Artikel annahm. 
Sie zerſtoͤrten fofort die Klöfter in der Stabt bis auf vier. 
Da ed aber an bie Kirchen geben follte, traten die Bürger fo 


1) Byzyn. 1. c. p. 178 - 192. Schabe, daß biefer wichtige von 
Lenfant nicht benugte Schriftfteller in ber bei Lubewig a. a. D. ab 
gedruckten Handſchrift nicht. volfftänbig iſt. 








Politiſche Begebenheiten zur Zeit der coflanzer Synode. 426 


ſtandhaft dagegen, daß Zizka unwillig mit den meiſten Tabo⸗ 1420 
riten obzog, um bie Zerfiörungen auf dem Lane fortzufegen. 22, Aug. 
Im Lauf einiger Jahre wurden im Ganzen gegen 550 Kirchen 
und Klöfter dem Boden gleich gemacht. Auſſer der ifraelitis 
ſchen Kriegsgefchichte nahmen die Kuffitifchen Prediger auch 
apofalyptifche Vorſtellungen zu Hülfe: „Sigmund (ber ben 
Lindwurm im, Orben fuͤhrte) fei der rothe Drache in der Of⸗ 
fenbarung; nahe flehe die Zukunft ded Sohnes Gattes; diefer 
werde über die ganze Erde das Urtheil fprechen und alle Städte 
vertilgen, bis auf die welche die Huffiten befäßen. Der maͤh⸗ 
tifche Priefter Martin Loguis foderte bie Gläubigen auf, „bie 
Rache Chrifti an feinen Wiberfachern zu vollziehen; verflucht 
fei, wer fein Schwerdt vom Blut enthalte”. 

Die Huffiten hatten ſich ſchon nach Mähren verbreitet; 
bier entflanb aber eine ganz andere Secte, welche fowohl den 
Huffiten als den Katholifchen. feindlich entgegenfland. Diefe 
erklärte alle äufferliche Gotteöverehrung fir Abgoͤtterei, ver 
warf die Sacramente und wollte mit Beflegung aller Natur 
triebe im Stande ber Unfchulb ohne Kleider leben, baber fie 
auch Adamiten genannt wırden. In ber Zerflörungswuth 
aber übertrafen fie wo möglich noch die Taboriten, daher wurs 
ben fie auch von Zizka angegriffen, mit aller Macht verfolgt 
und zuletzt ganz aufgerieben. 1421 

Vermuthlich war es ſchon bei Sigmunds erfiem Ruͤckzug, 
daß er in Hinſicht auf die innern Parteiungen die bekannten 
Worte ausſprach: „bie Böhmen koͤnnten nur durch Böhmen 
bezwungen werben”. Allein diefe Erwartung fiand noch im 
. weiten Zelbe: denn wiewohl jest die Huffiten, gegenüber 
von den Katholifchen, in zwei Parteien getheilt waren, 
die gemäßigte der Prager und die überfpannte ber Tabo⸗ 
riten,. fo kaͤmpfte doch jede gegen ihn als gegen den ges 
meinfchaftlichen Feind. Die Prager belägerten das Schluß 
Wiffehrad; Sigmund eilte zum Entſatz herbei, erlitt aber eine 1400 
Schwere Niederlage und muſſte wieder nach Kuttenberg zurüds 1. Rov. 
geben. Hierauf warb dad herrliche Schloß, von welchem 
Karl IV. fo oft mit Wonne auf fein Drag herniebergeblidt, 
erflürmt und gefchleift. Um bie Übermacht ver Taboriten zu 
befchränten, lieflen die Prager dem polnifhen König Wla⸗ 


46 Bud II. Erfter Zeitenum Abſchnitt 3. 


1420 diſlav Jagello bie Krone anbieten; man fuchte ihn haupt: 
24. Rov. ſaͤchlich durch die Vorſtellung zu locken, daß er mit diefer ver- 


1421 
Zun. 


Jul 


28, Apr. 


Aug. 


mehrten Macht um fo gewifler feine Hauptfeinde, bie teut: 
fhen Ritter, befiegn winde Niklas von Huſſinecz aber, 
der felbft nach ber Krone fixebte, war mit diefem Beſchluſſe 
unzufrieben und zog mit feinen Anhängern aus Prag hinweg; 
da er jeboch bald darauf farb, wurbe Zizka der alleinige 
Dberbefehlshaber der Zaboriten. Diefer verfolgte den K. Sig: 
mund bi8 Mähren, und ob er gleich bei Raby durch einen 
Pfeilfhuß fein zweites Auge verlor, fo leitete er Doch ben 
Krieg wie bisher mit einer bewundernswürdigen Sicherheit. 

Die Prager hielten einen Landtag zu Gzaflaı und be 
drohten Sigmund mit förmlicher Abfegung, wenn er ihre Be: 
Dingungen nicht annehmen würbe. Als er biefe woieberholt 
verwarf, verorbneten fie eine Reichöverwaltung von zwan⸗ 
zig Herren und beriefen Iagellos Reffen, den lithauiſchen Fin⸗ 
fin Sigmund Koribut, zum oberfien Befehlöhaber. Die 
Zaboriten hingegen fprachen, freie Menſchen brauchten gar kei: 
nen König. 

Sekt, da die Spannung unter ihnen größer wurde, meinte 
Sigmund wäre e8 Zeit mit einem Kriegdheer zu fommen. Er 
hatte zu biefem Zwecke mit den rheinifchen Kurfürften und 
Friedrich von Meiffen ein Buͤndniß zu Nürnberg errichtet und 
fammelte num ein beträchtliches Heer beit Saab. Da er aber 
zugleich in Ungern gegen die Venetianer und Türken zu kaͤm⸗ 


ppfen hatte, fo verfpdtete ex fich mit dem erbländifchen Zuzug. 


Dct. 


Dec. 


1422 


8. San. 


Indeffen wurde das Reichsheer vor Saatz durch die Nachricht 
von Zizkas Anzug fo betroffen, daß es fogleich die Belage 
rung aufhob und nah Haus eilte. Nach dem Abzug ber 
Zeutfchen kam Sigmund doch mit 50,000 Bann aus Ungern, 


‚Mähren und Öfterreich. Die Prager aber riefen jebt den 


Zizka zu Hülfe. Diefer legte ſich ihm entgegen und fchlug 
fih durch, da ihn Sigmund: fchon eingefchloffen glaubte. Sig: 
mund legte Kuttenberg in bie Afche und wollte bie Winter 
quartiere in Mähren beziehen, wurbe aber bei Zeutfchbrod 
von Zizka eingeholt und gänzlich gefchlagen, daß er nur mit 
Wenigen nach Iglau kam. Alſo hatte Signmund burch biefen 
weiten Angriff auf Böhmen Nichts erreicht, als daß fich die 








Politifcye Begebenheiten zur Zeit der coftanzer Synode. 427 


Dartelen wieder gegen ihn vereinigten. Er dnberte jetzt feinen 
Plan oder ging vielmehr weiter in feinen Maßregeln. Da 

fein biöheriger erſter Freund und Rathgeber, ber neue Kur 

fürft Friedrich von Brandenburg, mit dem Könige Iagello ein 
Bimdniß gegen den Teutſchoͤrden fehloß, wobei fein achtjaͤhri⸗ 

ger Sohn Hoffnung zu der Krone von Polen und Lithauen 
erhielt, fo erfah Sigmund den tapfern Herzog Albrecht von 1422 
 Öfterreich, ber ihm bereits wichtigen Beiftand geleiftet hatte, April. 
zur eigentlichen Stüße feines Haufes; er gab ihm feine eins 

zige Tochter Elifabeth zur Gemahlin, mit einem Theil von 
Mähren als Brautfchab, und trat ihm balb darauf das ganze 
Land ald Lehen ab, damit es gegen ben Anbrang ber Huſſi⸗ 

ten einen mächtigen Befchüiger habe. 

Auf der andern Seite beſchloß Sigmund foͤrmlichen Reich & 
krieg gegen die Wiberfpenfligen aufzubieten und fchrieb deds Mai. 
halb eine Verſammlung nah Regensburg aus, unterflüht 
durch eine neue Kreuzbulle des Papftes. Fürften und Stände 
traten zuſammen, aber nicht zu Regensburg fonden zu Nürns Jul. 
berg, und Sigmund muffte fi bequemen zu ihnen zu tom» 
men. Da war jedoch erfi die Frage von der Zufammenfehung 
des Reichsheeres; denn foviel auch immer in ben einheimifchen 
Schden die Waffen in Übung waren, fo lag doch die Reichs 
kriegsverfaſſung ſchon geraume Zeit darnieder; der Lehendienft 
gerieth in Zerfall, und bei den Städten, bie indeſſen volkrei⸗ 
der geworden, fehlten die nähern Beflinmungen bed Aufges 
boted; aus diefen und andern Rüdfichten fing man an fich 
mit Sälönern zu beifen, wie fie längft in Frankreich und 
Stalien eingeführt waren. Auch die Römerzüge wurden zus 
weilen mit geworbenen Leuten unternommen. In ben Schweis - 
zerfriegen hatte man fi) Überzeugt, was eine gute Fußmacht 
vermoͤge. Endlich erfoderten die aufkommenden Feuergewehre 
eine eigene Übung, mit welcher die Lehenmiliz ſich nicht bes 
faffen wollte. So geichah denn im Reichsrathe ber Antrag, 
zur Aufflelung eines geworbenen, gelibten Heeres eine Geld: 
umlage zu machen; jeder Neichöftand follte von feinem Ein- 
tommen 1 vom 100 geben. Diefer Anſchlag gefiel den mei- 

. fen; nur die Städte verweigerten ihre Suflimmung, weil- fie 
fonft ihr Vermögen hätten offenbaren müflen, dad fie vor ben 





48 Bud IH. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 3. 


raubgierigen Rittern geheim hielten. Zulegt kam man wieder 
auf das alte Aufgebot zurück; wegen ber vielen bisherigen 
Veränderungen aber muſſte eine neue Mannlifte entworfen 
werben. Dies ift die erſte Matrikel die wir Eennen. Nach⸗ 
dem man die Stärke des Aufgebots feſtgeſetzt hatte, verei⸗ 
nigte fich der Reichötag auch über ben Heerführer. Die Zeit 
war vorüber, da ber Kaifer als erfter Kriegsfürft auszog. 
Soviel Kriege Sigmund feit feiner Berufung zum ungerifchen 
Thron geführt, fo fehlten ihm doch die Eigenfchaften des gro> 
Ben Feldherrn; feine Stärke war, wie bei feinem Vater, in 
den Verhandlungen. Alſo befehloß ber Reichötag den tapfern 
Markgraven Friedrih von Brandenburg zum oberften Feld⸗ 
bauptmann zu beftellen. Der Papft fanbte ihm ein geweih- 
te8 Panner; ald Kreuzzug wurde ber Krieg betrachtet. Aber 
es fehlte weit, daß man bie Zeutfchen zu einer Begeifterung 
gebracht hätte, wie bie der Böhmen war, die für Religion 
und Freiheit kaͤmpften. Der Reichötag verging mit vergebli- 
chen Anordnungen. Als ed zur Ausführung kommen follte, 
firitt man ernfllich über die Reichsverweſerei, ob namentlich 
bee roͤmiſche König das Recht habe, ftatt des Rheinpfalzgra 
ven ben Erzbifchof von Mainz dazu zu ernennen. Dann fan 
1422 den die meiflen Stände den Feldzug zu ſpaͤt im Jahre ange 
1. Rov. fegt und blieben aus. 
So mislangn Sigmunds Unternehmungen gegen die 
Huffiten auf allen Seiten; Mähren wurde im folgenden 
1423 Jahre von Zizka verheert. Es blieb ihm alfo nichts Anderes 
übrig als auf die innere Uneinigkeit der Böhmen zu zählen. 
Wirklich geriethen die Prager nach der Annahme des Koribut 
mit den Zaboriten auf’8 neue in Krieg. Zizka ſprach, em 
Ausländer koͤnne ein freies Voll wie die Böhmen nicht be 
herrfchen. Sigmund kam im nächften Jahre mit dem Könige 
von Polen zufammen und bewog biefen den Koribut zurüd: 
zuberufen. Auch Papft Martin V. verlangte ed. Nach Ko: 
ributs Abzug bebrängte Zizka wechfelöweife die Katholifchen 
und die Prager und brachte bie Verheerung auch in bie üuͤbri⸗ 
gen Gegenden, die fein Schwerbt noch nicht berührt hatte. 
Die Prager riefen den Koribut wieber zu Hülfe: er Fam und 
folte zum König erhoben werden; nur fehlten bie Reichsin⸗ 


Politiſche Begebenheiten zur Zeit der coftanzer Synode. 429 


fignien. Endlich trieb Zizka die Prager fo in bie Enge, baß 1424 
fie durch Vermittlung des Prieſters Johann Rokyczana Frie- Septbr. 
den ſchloſſen: er nannte den Koribut ſeinen Sohn und ver⸗ 
band ſich mit ihm, Sigmund gemeinſchaftlich zu bekriegen. 
Durch dieſe unerwartete Wendung ſah ſich Sigmund ge⸗ 
zwungen, da er ſo ſchnell kein Heer aufbringen konnte, mit 
Zizka auch in Unterhandlung zu treten. Er ging ſo weit, 
daß er demſelben die Statthalterſchaft und den Oberbefehl im 
Krieg 'antrug, wenn er die boͤhmiſchen Staͤnde vermögen 
würde ihn als König zu erfennen. Allein Zizka fcheint we⸗ 
nig darauf geachtet zu haben; vielmehr wollte er,. da Boͤh⸗ 
men ganz in feiner Gewalt war, mit verflärkter Macht nad 
Mähren ziehen, wo Herzog Albrecht von Öfterreich indeffen 
die Zaboriten vertrieben hatte. Er ftarb aber unvermuthet im 
Lager vor Przibiſlav an ber Peſt. . 12. Oct. 
Biffad Zod brachte zwar eine Trennung unter die Ta⸗ 
boriten: ein Theil berfelben unter dem biöherigen Namen 
wählte den vormaligen Mönch Procop Holy (den Srößern) 
zum Anführer; die Andern aber nannten fih Waiſen, weil 
fie den Vater Zizka verloren, und erfahen ſich verfchiebene 
Sührer, mworunter Procop der Kleine am meiften ausge⸗ 
zeichnet iſt. Von den Pragern fiel auch eine Partei ab, 
Orebiten genannt. Alſo ſtanden nun ſtatt der zwei bishe⸗ 
tigen vier Parteien gegen einander. Aber gegen Sigmund und 
die Altfatholifchen waren fie nicht nur Eines Sinned, fon 
dern fie fühlten fih auch fo ermuthigt, daß fie vom Verthei⸗ 
digungskrieg in den Angriff übergingen: fie fielen über bie 
Grenzen, nad ihrer Sprache, in die Lande der „Philiſter,“ 
welche „dem Volke Gottes” verfallen wären. 
Darin beftärkte fie einerſeits die fchlechte Kriegsverfaſ⸗ 
fung bes teutichen Reichs, andererſeits Sigmunds Bebräng- 
niß in Ungern, wo bie Tuͤrkengefahr noch viel größer war. 
Es verflofien mehrere Iahre, bis nur wieder Etwas vom Reiches 
kriege gehört wurde. Dazu kam noch baf die zwei mächtige 
fien Fürſten an der böhmifchen Grenze mit einander zerfielen. 
Friedrich von Brandenburg fah fich gekraͤnkt, dag Sigmund 
dem Marfgraven Friedrich von Meiffen dad Kurfürftentbum 1423 
Sachſen verlieh. Alſo blieb jedes Land fich ſelbſt uͤberlaſſen. Jan. 


430 Bud IL Erſter Beitraum. Abſchnitt 3. 


Die branbenburgifhen Städte wurden befeflist. In Sachſen 


geſchah daſſelbe; man glaubte ſich in die wilden Streifzüge 
der ungerifchen Horden des zehnten: Jahrhunderts verfebt. 
Die Meiffner thaten immer den tapferften Widerfiand gegen 


‚1425 die Huffiten. Mit ihnen wagte der neue Kurfuͤrſt auch in 


Boͤhmen einzudringen; er wurde aber bei Brix mit einem Ber 
luſte von 4000 M. gefchlagen. 

« So gleichgültig Sigmund gegen bie Huffiten jest war, 
daß man ihn ſelbſt einen Ketzer ſchalt, fo eifrig that Papft 
Martin in Betreibung eined Kreuzzuged. Nachdem er etliche 
Jahre dazu ermahnt, kamen endlich Fürften und Städte zu 


1426 Nurnberg zufanmen. Sigmund wollte ben Reichstag zu Wien 


er 
Jun 


15. Zun. 


halten und ließ fi) wegen Unpäßlichkeit entfchuldigen. Da 
man nun anfing über das Aufgebot fich zu berathen, gaben 
die Huffiten den Meiffnern den legten Beſuch wieder heim 
und verheerten dad Land mit gewohnter Grauſamkeit. Der 
Kurfinft von Sachſen brachte 20,000 Mann zufammen und 
verfolgte fie bis in ihre Wagenburg bei Auffig. Da entfland 
denn ein erbitterter Kampf vom Morgen bis Abend, doch ers 
litten endlich die Sachfen eine völlige Niederlage. 

Diefe Botfchaft befeuerte doch wohl den Reichstag um: 
gefäumt mit einem Hauptheer die Schmach zu rächen? — 
Nein! der Schreden war fo groß, daß man für gut hielt das 
naͤchſte Jahr zu Frankfurt weiter von ber Sache zu reden. 
Einftweilen beruhigte man fich mit der Erwartung, bie Pars 


teien in Böhmen wuͤrden fi) am Ende noch felbfi aufreiben. 
1427 Zu Frankfurt Fam dann doch ein anfehnlidher Reichötag zu: 
April. ſammen und ed wurde ein großer Plan vorgenommen. Bon 


vier Seiten follten zugleid vier flattlihe Deere in Böhmen 
eindringen: das erſte aus ben Rheinlanden, aus Franken und 
Baiern unter ber Führung des Erzbifchofs Dtto von Trier; 
das andere unter dem Kurfürften von Sachen; das britte aus 
Schlefien unter dem Kurfürften von Brandenburg; Das vierte 
aus Öfterreih und Salzburg. Zugleich entwarf der Reiche 
tag eine firenge Ordnung fowohl in Abſicht des Landfriebend 
als für den Kriegszug felbft und für das Verhalten der Mann⸗ 
fchaft. Da ein Erzbifchof mit Zuziehung einiger Laienfürften 
den Oberbefehl führte, und. der Krieg felbft als ein heiliger 








Politiſche Begebenheiten zur Zeit ber softanzer Synode. 431 


Krieg betrachtet wurbe, fo ſind auch die Gefeke in biefem 
Sinn geſtellt. Es war verboten, rauen, Spieler ımb ans 
dere Büberei mitzuführen; auf böfe. Flüche fanden Pranger 
und Spießruthen; Jeder muffte wöchentlich einmal beichten 
und fo oft es fein konnte die Meſſe hören. Die Kriegszucht 
felbft war nicht minder ſcharf. Doc, entſprach der Erfolg kei⸗ 
neswegde. Schon die Aufgebote kamen nicht fo zahlreich als 
fie foliten, weil viele Stände den Landfrieden nicht hielten. 
Indeffen drang bie vorberfte Heeresabtheilung ber Sachſen in — 
Boͤhmen ein und belagerte Mieß; ſobald aber das huſſitiſche Jun 
Heer unter Procop dem Großen heranzog, geriethen die Be⸗ 
lagerer in Schrecken und brachten durch uͤbereilten Ruͤckzug 21. Jul. 
auch die übrigen Schaaren in Unordnung. Die nacheilenden 
Huſſiten erſchlugen etwa 10,000 M. und machten große Beute. 
Man fab, baß ber Huffitenkrieg eine neue Art von Krieg 
wäre; auch ein anderer ald der Schweizerkrieg. Zwar bie 
Kriegskunft wurbe auch neu durch häufigere Anwendung der 
Beuergefchoffe, man führte fchon eine ziemliche Anzahl Buüͤch⸗ 
fen mit Kugeln und Pulverwagen in den böhmifchen Srieg. 
Aber eben jebt da das neue mörberifche Gewehr perfönliche 
Tapferkeit überflüffig zu machen fchien, bewiefen bie Buffiten 
erit, wad Mann gegen Mann, was Muth und Begeifterung 
vermag. In Böhmen waren auch ſchon Donnerbichfen eins 
geführt, allein es wurden nur wenige zur Vertheidigung ber 
Städte gebraudt. Im freien Felde erſetzte Koͤrperkraft und 
Ausdauer, was an künftlihen Waffen gebrah. Jene Dreſch⸗ 
flegel mit reelchen die Huffiten auszogen, waren mit Eifen 
befchlagen und wurden fo fertig geführt, daß ber Böhme in 
einee Minute 23 Menfchen niederfchlagen konnte. Mit den 
Feuerhaken wurden die Reiter aus den Sätteln geriffen. Das 
kager wurde mit einer Wagenburg ınngeben, welche durch Kets 
ten fo feft verbunden war, daß der Zeind nicht leicht durchs 
brechen konnte; erftieg er aber einige Wagen, fo gerietb ex 
in die Wagengaffen, wo ihn die von beiben Seiten auf ihn 
follenden Ziegel zerfchmetterten. Griff der Feind eine Anhöhe 
an, fo lieffen die Huffiten die Wagen auf ihn herablaufen 
und folgten eiligft nad. Zizka wird als ber Erfinder der 
neuern Befefligungskunft betrachtet: ex lehrte bie Huffiten Erd⸗ 


432 Buch UL Erfter Zeitraum. Abſchnitt 3. 


waͤlle aufwerfen, welche bald auch von ben ſaͤchſiſchen Staͤdten 
nachgeahmt wurden. Der letzte Angriff auf Boͤhmen bewirkte 
eine neue Vereinigung der Parteien. Koribut, der eines ge⸗ 
heimen Verſtaͤndniſſes mit dem Papſte beſchuldigt wurde, 
muſſte der Regierung entfagen und nach Lithauen zurück⸗ 
gehen. SEN 
Sofort nah dem verunglädten Feldzuge betrieb der paͤpſt⸗ 
liche Legat, während Sigmund in Ungern zu Felde lag, eine 
1427 neue Berfammlung zu Frankfurt. Der Kurfürft Friedrich von 
16. Rod. Brandenburg ging auf den frühern Vorſchlag zurück: gegen 
ein fo entfchloffenes Volk wie die Huffiten koͤnne das bishe⸗ 
rige Reichöaufgebot von allerlei zufammengerafften, zuchtlofen 
Zeuten nie Stand halten; man müffe auf ein gelibtes, befol: 
detes Heer Bedacht nehmen und alfo eine Geldumlage mas 
chen. Diele in Zeutfchland noch nicht flattgefundene Kriegs: 
fleuer wurde dann auf einem weitern Tag zu Heidelberg wirk⸗ 
lich befchloffen, unter dem Namen „ber gemeine Pfenning,” 
wozu nicht nur die Kriegöpflichtigen fondern alle Perfonen 
von jedem Alter, Stand und Gefhleht nad Verhältniß ih⸗ 
red Vermoͤgens anzuhalten wären. Jede geiftliche Perfon follte 
geben 1 von 20 nady ihrem Gewiflen; ber Jude 1 fl.; jeder 
Chrift über 15 Jahre 1-Beheimfchen (Groſchen); wer 100 
bis 200 fl. Werths hat, + fl.; wer 1000 fl. und darüber hat, 
Afl. Die Angabe blieb eined Jeden Gewiſſen überlaffen. Der 
Grav war angefchlagen zu 25 fl., der Freie zu 15, der Rit⸗ 
ter zu 5, ber Knecht zu 3 fl. 

Hatten nun die Städte gegen den erflen Vorſchlag ei: 
ner Vermoͤgensſteuer Einwendungen gemacht, fo thaten es 
jebt die Ritter, beſonders in den Rheinlanden; fie hätten, 
fprachen fie, mit ihren armen Leuten nie eine Steuer gege 
ben, fie dienten dem Reiche und der Kirsche mit ihrem Leib, 
nicht mit Geld. Auch bei den andern Ständen ging die Gelb: 
erhebung langfam. Es wurden mehrere Kurfürfientage gebal: 
ten; aber Feine Leute geworben. Der Kriegözug unterblieb. 

Diefe Rath» und Hülflofigkeit benußten die Huffiten. 
Sie fielen heraus in Schleflen, in die Laufis, Oberpfalz, 
Oſterreich; da in Böhmen ber Aderbau banieberlag, fo muflten 
fie ihr Bebürfniß in den umliegenden Ländern holen. Sig 


[2 


Holitifche Begebenheiten zur Zeit der eoftanzer Synode, 433 


mund, noch immer in ben Xürkenkrieg verwidelt, entichloß 
fi) jest zu gütlichen Unterhanblungen. Procop der Größere, 
der ih indefjen viele Mühe gegeben hatte die Parteien zu 
vereinigen und auf gemäßigtere Sefinnungen zu bringen‘, ließ 
fih zu einer Zuſammenkunft in Oſterreich bewegen, Gr hoffte 
wohl gleiche Anerbietungen wie Zizka zu erhalten. Allein 
Sigmunds Räthe waren dagegen. Dbgleich ihm Nichts bes 
willigt wurde, fo arbeitete er doch nach feiner Zuruͤkkunft am 
innern Frieden. Die vier Parteien flanden jetzt als zwei ges 
gen einander. Die Bürger ber Neuſtadt Prag und die Wai- 
fen verlangten, Sigmund müffe erft mit Ungern die huffitifche 
Lehre annehmen, ehe fie ihm buldigten; die altfläbter Prager 
aber und bie Zaboriten unter Procop wollten bie Bebingung 
. nicht foweit ausdehnen und lieſſen fich, als die flärkere Par⸗ 
tei, in weitere Unterhbandlungen mit Sigmund ein. Doc) 
mufften diefe wieder abgebrochen werben, weil bie Parteien 
aufs neue unter fich zerfielen. Um den Bürgerkrieg zu ſtil⸗ 
In, führte Procop die Schaaren wiedet auf einen Raubzug 
nad Meiffen, und fo kam immer größere Verheerung und 
Schmach über die unbefhüßten teutfchen Länder. 


Dieſer Hägliche Zuſtand machte endlich einen fehr ver 1429 


ſchiedenen Eindrud auf die Reichöflände und auf K. Gigs 


mund. Die Erftern beflürmten biefen zu Preßburg, daß er, Oct. 


da num mit den Türken Friede gefchloffen fei, doch einmal 


wieder in dad Reich kommen und fich deſſen beffer annehmen. 


möchte. Sigmund hingegen bezeigte fih ganz mismuthig: 
„es fei der teutfchen Reichsregierung laͤngſt Üüberbrüffig gewefen; 
wenn ber verwirrte Zuftanb noch länger beflünde, fo wollte 
er fich lieber derfelben entfchlagen, da er fein Brod in Ungern 
babe." Auch dem Papfle Martin V. fagte er die Kaiferwirde 
auf. Diefer nahm es aber nicht an, weil er ohne ihn die 
Huffiten nicht vertilgen zu koͤnnen glaubte. Die Kurfürfien 
hielten ihn ebenfalls bei feiner Pflicht, und fo muflte er fich 
bequemen auf. das naͤchſte Fruͤhjahr einen Reichstag nach 
Nürnberg audzufchreiben. Er ſelbſt kam zwar erſt auf ben 
Herbſt dieſes Jahres, da die Huffitengefahr vecht groß wurbe. 


1430. 


Indefien hielten die Fuͤrſten ihre Vorberathungen. Der Kurs Mai. 


für Friedrich von Brandenburg trug vor: m man bie 


Pfiſt er Geſchichte d. Teutſchen LU. 


434 Bud II Erfier Zeitraum. Abſchnitt 3. 


Huffiten ald verbammte Keger behandle, werben fie unüͤber⸗ 
windlich fein; man folle alfo ben Weg der Güte verfuchen 
und fie zu einem KReligiondgefpräc einladen. Allen Papſt 
Martin V. wollte durchaus Nichts davon hören und ließ ihm 
einen firengen Verweis geben. Bon den übrigen Vethand⸗ 
lungen ift Nichts befannt, als daß die Fuͤrſten endlich be 
fehloffen von dem einftweilen erhobenen gemeinen Pfenning 
Söldner werben zu lafien. 

Als die Huffiten diefe Anftalten vernahmen, verfammel- 

ten fie fih auf dem Berge Zabor, um benfelben zuvorzukom⸗ 
hen. - Sie zählten 50,000 zu Buß, 20,000 zu Roß und 
300 Steeitwagen; die Rotten, nach den Kreifen getheilt, 
unter befondern Namen, als Hoſenmaͤnner, Knefler u. f. w, 
wurden in brei Heeredabtheilungen geordnet. Die erfle war 
beſtimmt Öfterreih und Ungern anzufallen. Die andere brach 
wieder in Meiflen und Sachſen ein. Der Kurfürfl von Braw 
denburg verließ — und wollte fich mit den ſaͤchfiſchen 
Ständen vereinigen; e8 kam aber zu Feiner ernfllichen Zufam: 
menfegung. Die Sachſen wurden bei Grimma gefchlagen, 
und dann das Dſter⸗, Pleifiner- und Vogt⸗8 chrecklich 
mitgenommen. Das dritte Heer zog nach Fran Baiern 
und verwuͤſtete das ganze Land am Gebirge. Die groͤßern 
Staͤdte fanden ſich mit Geld ab; auch ber Kurfuͤrſt von Bran⸗ 
denburg verfland fih Dazu; die Umlage hieß der Keßergro: 
fhen. Die Huffiten konnten nicht Wagen genug aufbringen, 
um die Beute fortzufchleppen. Man zählt im Ganzen über 
100 Städte und Schlöffer und gegen anderthalbtaufend Dir 
fer und Weiler, welche durch ihre Brandfadel in Schutt und 
Zrümmer ſanken. 

Eine folde Heimfuchung mufite kommen, bi8 man fi 
enblich begriff. Man ging tiefer unb fand, daß der eigent: 
liche Grund ber fchlechten Heichöwehranftalten in der aufge 
loͤſten Landfrie den sverfaſſung zu fuchen fei: denn folange 
die Stände unter ſich felbft in Fehden flanben, konnte man 
an keine ernflliche Bufammenfegung nach auffen denken; es 
hatte fich oft zugetragen, daß Einzelne wieder von böhmifchen 
Feldzuge zuruͤckkehren mufften, weil fie indeſſen zu Haus an 
gefallen worben waren... Die Städte litten beſonders dadurch 





| NPolitiſche Begebenheiten zur Zeit ber coflanger Synode. 435 


und achten ihre Klagen an Sigmund. - Diefer verfprach des⸗ 
‚halb zu Preßburg: „er wolle dazu helfen, wenn Fürften und 
Stände auch dazu. hülfen, daß man dad Hecht wieder auf: 
sichtes dann wollte er auch dazu helfen mit aller feiner Macht, 
daß bie Keber und Huffiten vertilgt werben follten.” Da er 
nun auf den neuen Reichötag zu Nuͤrnberg Fam, fo machte 1431 
er damit ben Anfang, die Sehben beizulegen. Dann wurbe Gebr. 
wieber zum Behuf des Huffitenzuged der gemeine Pfenning 
in Anregung gebracht, mit der Ausdehnung, daß derfelbe nicht 
nur in allen teutfchen und welfchen Landen, fondern auch in. 
Dänemark, Schweden, Nonvegen, Polen ꝛc. eingezogen wers 
den ſollte. Da jedoch Die Sache von langer Hand ſchien, fo 
ließ Sigmund durch feinen Kanzler, Cafpar Schlid, den An⸗ 
ſchlag an Mannfhaft und das Landfriedenswefen 
zugleich zur näheren Berathung vorlegen. Ein Ausfhuß von 
ſechs aus ben Fuͤrſten und fech8 aus den Städten kam über 
die Anordnung bed Landfriedens bald überein; aber der Ans 
fhlag brachte noch vieles Hins und Herreben. Die Frage 
war: ob ein reiſiger Zeug zum täglichen Krieg (als fie 
bende Landwehr) od ein großer allgemeiner Heerzug (zum 
Angrifföfrieg) vorzuziehen wäre? Sigmund entfchieb fih be ' ' 
ſtimmt fuͤr das Letztere, da jest auch ber päpftliche Legat Ju⸗ 
lius Gäfarinus mit einer neuen Kreuzbulle ankam. Wiewohl 
die Städte noch etwas Schwierigkeiten machten, weil Gigs 
mund das Pfahlbürgerverbot erneuerte, fo Fam ed doch endlich 
zu einem einhelligen Beſchluß, und Sigmund ließ durch feis 
nen Kanzler den Abfchieb wegen bed Landfriedend und des | 
Kriegszugs verfaffen. Die vor vier Jahren gefaflten Bes 
fhlüffe erhielten einige nähere Beſtimmungen. Der Landfriede 
ſollte folange währen ald der Kriegszug und noch vier Wothen 
bartıber, d. h. alle Zehden follten indeß ftiüftehen, ebenfo die 
gerichtlichen Urtheile oder fonftige Nechtsanfprüche, Schulden 
ausgenommen. In Beziehung auf ben legten ſchmaͤhlich ab- 
gelaufenen Heerzug erhielt die Kriegsordnung ben Zufag, daß 
die welche vom Streit fliehen würden, mit Weib und Kin- 
dern ewiglich vertrieben fein und Hab und Gut verloren ha- 
ben follten. 

Ehe. jedoch das Aufgebot gefchah, ‚ging Sigmund nad) 

— 28* 





— 


4356 Buch IL Erſter Zeitraum. Abſchnitt 3. 


Eger, um noch einen Verſuch in Güte zu machen. Auch Pro- 
cop der Größere, der indeflen einige Niederlagen auf feinen 
Streifzügen erlitten hatte, war frieblicher gefinnt; nachbem er 
wiebet ein Religiondgefpräcd unter den vier Parteien. verfucht, 
bot er Unterhandlungen an. Aber dad Miötrauen ber Boͤh⸗ 
men brach fie bald wieder ab. Vergeblich fuchte der Legat fie 
zu überreden, baß fie dem Könige huldigen und fich bem Con: 
cilium unterwerfen follten. Er wurde nicht mehr gehört. 
Alſo wurde denn beichloffen „einen mächtigen Bug auf 
die Keber und Huflen zu thun, um fie mit Gottes Hülfe in 
folcher Maſſe zu tilgen, daß fie gewahr werben follten, wie 
fie mit unrechtem Frevel und Muthwillen wider die heilige 
Kirche und Chriftenheit fich gefegt." Mit Anfange bed Som⸗ 
werd gerietb ganz Zeutfchland in Bewegung ald zu einer 
Kreuzfahrt. Den Oberbefehl erhielt wieder ber Kurfürft Fried⸗ 
rich von Brandenburg, wiewohl er dem K. Sigmund nicht 
mehr geneigt war, weil ihn biefer nicht nur bei Verleihung 
der Kur Sachen zuruͤckgeſetzt, ſondern kuͤrzlich auch bie dem 
Zeutfchorben verpfändete Neumark, welche er zu ben am 


dern Marken zurücdzubringen gehofft, auf immer demfelben 
„1429) überlafien hatte‘). Der Cardinallegat ſtellte fich ebenfalls an 
2. Sept. die Spige. Sigmund blieb zu Nürnberg. Fuͤnf Heeredab: 


theilungen zogen von verfchlebenen Seiten gegen Böhmen her 





an. Herzog Albrecht von Hfterseich brachte Mähren wieder 
in feine Gewalt und zwang die Stände fi) dem Ausfpruche 


Zes Concilium zu unterwerfen. Kurfürft Friedrich berennte 
Dachau, zog fich aber bei Annäherung der Huffiten zurüd. 
Auch wollten bie Fuͤrſten voraus fchon wiflen, wer ihren Scha⸗ 
ben erfeße, den fie etwa in einer Entſcheidungsſchlacht erlei⸗ 
den wuͤrden. Darlber wurben fie uneinig. Der Herzog von 


Batern brach in der Nacht auf und nahm ben Weg nah Re 


gensburg. Der Kurfuͤrſt von Brandenburg z0g in den frauen: 
burger Bald. Das Volk zerriß die Fahnen und lief ausein⸗ 
ander. Der Carbinallegat eilte ihnen nach und brachte bie 


- 1) Baczko Gedichte Preuſſens III. &.226, Vorher bewies Gig: 
munb 1425 in einer eigenen Urkunde, baß bie Neumark nicht zur bran: 
denburger Mark gehöre, und ihre Abfonderung nicht ber goldenen Bulle 
(von ber Unzertsennlichkeit der Kurfuͤrſtenthuͤmet) wiberfpreche. 


\ 


Politifche Begebenheiten zur Beit der coftanzer Synode. 437 | 


Meiften wieber zufammen. Zwiſchen Zaus und Riefenberg 
foltten fie Stand halten. Als aber die Zaboriten unter Procop 
dem Größern heranzogen, in wilder Streitluft, keine Snabe vers 
langend, Beine Gnade gebend, fiel Schreden auf die vorberften Reis 
ben, und als diefe zuruͤckſtͤrzten, kam aldbald Verwirrung in bad 
ganze Heer. Da erfuhren nun bie Zeutfchen, wie vormals die 
Römer in unfern Wäldern, daß die Augen und Ohren zuerft 
überwunden werben. Die Wälder, durch welche fie flohen, 
erhöhten die Schrediniffe des nachfolgenden Feinded. Das Rus 
fen der Treiber, das Angfigefchrei dev Hülflofen, das Krachen 
und Braufen auffliegenber Pulverwagen in den Klüften bes 
unendlichen Waldes, das Alles gab ein feltfames, hundertmal 
wieberhallendes, betäubendes Getöfe. ‚Das ganze Lager, mehr 1431 
ald 8000 Wagen mit Kriegäbebinfniffen und 150 Stuͤcke gro⸗ 1% Aug. 
bed Geſchuͤtz, nebſt vieler anderer Beute fielen dem Feinde in 
bie Hände; 11,000 Mann gingen verloren; Wenige fielen in 
rühmlichem Streit; eine große Zahl durch Hunger und Elend. 
Die Übrigen kamen ſchaͤmlich heim. 

Das war ber Ausgang bed zweiten, folange vorbereite- 
ten Kreuzzugs gegen bie Huffiten. Fürſten und Adel zer 
fielen in heftigen Zwifl. Der Lebtere befchuldigte jene, daß 
fie durch ihre feige Flucht einen unauslöfchlichen Schimpf auf 
die teutfche Nation geladen hätten. Die Ritterfchaft von St. 
Georgenfhild trat mit dem Anerbieten hervor, einen Kriegs⸗ 
zug nach Böhmen auf ihre Fauſt zu unternehmen, fobald ein 
edler Ritter zum. oberſten Befehlshaber beftellt fein würde; fie 
wollten dann zeigen, daß bie Böhmen überwunden werben 
koͤnnten und Daß-der Zeutfche noch feine alte Tapferkeit und 
Kriegsklugheit befite*). Die Fürften hielten auch wieder Zu: 27. Sept. 
fammentünfte, um fich über einen neuen Kriegözug zu bera⸗ 
then; man befprach fich mit ber Ritterfchaft. Andere Stände 1432 
waren bawider. Nürnberg und Würzburg verlangten, man 
ſolle allen Angriff unterlaffen und nur für die Grenzvertheis 
digung forgen. Der Kaifer hingegen und ber Cardinal Ju⸗ 


1) Warum trat denn bie Ritterfchaft, deren Verbindungen Sig— 
munb mehrfältig begünftigt hatte, (Gefch. von Schwaben IV, 12.) nit . 
früher auf? Aber auch jegt find ef nur leere Worte. 








438 Bud IH. Erfter Zeitraum Abſchnitt 3. 


lian fielen auf ein anderes Mittel: fie wollten jest guͤtliche 
431 Unterhandblungen antntıpfen und die Böhmen trennen. Bier: 
37. Aug, zehn Tage nach jener Niederlage fchrieb Sigmund an bie Boͤh⸗ 
men und ermahrite. fie Abgeorbnete auf dad Concilium zu 
Oct. Bafel zu fenden; fie wiefen aber den Antrag mit harten Wor⸗ 
tm ab. Der Earbinal erfchöpfte fich in freundlichen Vorſtel⸗ 
lungen. Allein es verfloffen noch Jahr und ag, bis fie fich 
1432 näherten. Indeſſen festen fie den Krieg auf allen Seiten 
fort, da fie nur noch theilweifen Widerftand fanden. Proku⸗ 
pet vertrieb den Herzog Albrecht aus Mähren. Procop ber 
Größere durchzog Schlefien und fiel mit jenem in Ungern ein, 
wo fie jeboch zurüdgefchlagen wurden. Im Innern von Böh: 
men griffen die Waifen und Zaboriten die katholiſchen Land⸗ 
Jun. herren aufs neue an. Procop ber Größere fiel in's Vogt: 
land, in Meiffen, in Brandenburg ein, bis ihm ber Kurflirft 
Eriebrich entgegenzog; dann plünderte er wieder in Schlefien. 
Noch gefchahen einige Streifzüge nach Ungern, während ſchon 

die Verhandlungen zu Bafel begonnen hatten. 
Am Ende diefes Kriegs fiel durch K. Sigmunds Treu: 
Iofigkeit ein fchweres Schidfal auf den Teutſchorden in 
Preuſſen. Das Concilium zu Coflanz, das fih zur Vermitt⸗ 
lung im polnifch=lithauifchen Krieg erboten, brachte durch ben 
Biſchof von Laufanne bloß einen zweijährigen Stillſtand zu: 
1414 wege. Sigmund und der K. Karl von Frankreich verlänger: 
1416 ten ihn wieber auf zwei Jahre. Jener hielt fi) um fo mehr 
dazu verpflichtet, da er ſich ſchon einen fruͤhern Schiedfpruch, 
welchen die Polen fich nicht gefallen laſſen wollten, gut hatte 
bezahlen laffen. Da aber die Huffiten die böhmifche Krone 
dem K. von Polen anboten, gab Sigmund biefem auch gute 
Worte: er ließ ihm die Wahl zwifchen feiner noch jungen 
Tochter Elifabeth (die hernach bem Herzog Albrecht von 
Öfterreich zu Theil wurde) und Wenzlaws Wittwe Sophia, 
und verfprach ihm Beiſtand gegen die teutſchen Ritter, um ber: 
1421 nach) Preuffen zu theilen. Allein ber König von Polen, 
Aug. Uladiſlav Jagello, entichied fich für bie Huſſiten, indem er 
feinen Neffen, Sigmund Koribut, als böhmifchen Reichsver⸗ 
- wefer unterflüßte. Nun trat Sigmund wieder auf die Seite 
des teutfchen Ordens und verfprady ihm Hülfe gegen die Por 


N 


Politiſche Begebenheiten zur Betr cſtamer Synode, 439 


. In; er foberte deshalb die Reichsſtaͤdte und die Hanſe auf. 

Auch der Papſt befahl dem Orden fi an Sigmund anzus 1422 
fhlieffen, als diefer feinen zweiten Angriff auf Böhmen machte. 
Indeſſ ſen, bis jene Huͤlfe kam, fielen die Polen mit folcher 
Macht in das culmer Land, daß der unkriegeriſche Hochmei⸗ 
ſter Rußdorf aus Mangel an Geld und Mannſchaft am See 
Melno einen ſchimpflichen Frieden mit neuen Abtretungen ein⸗ 
gehen muſſte. Nun wollte Sigmund durch Unterſtuͤtzung des 
Großfuͤrſten Witold Lithauen von Polen abreiſſen und übers 
rebete ben teutfchen Orden fich mit demfelben zu verbinden. 

Nach deſſen Tode trat der Hochmeifter wider Willen feiner Städte 1430 
in ein Buͤndniß mit Swidrigal, Uladiſlavs Bruder, um ben 
Krieg gegen biefen fortzufegen. Allein Uladiflav z0g die huſ⸗ 1433 
fitifhen Waifen an fi, die jetzt Beit hatten fich nach der 
Neumark zu wenden; ed erging eine fchredliche Verheerung . 
durch Pomerellen bi8 Danzig, das allein den Angriff muthig 
abſchlug. Da jedoch die Polen auch Unfälle in Lithauen.er 1434 
litten, entfchloß ficy der alternde Uladiflav zu einem Stillſtand, 
ben. hernach fein Sohn gleiches Namens zum ewigen Frieden 4436 
erhob. Der Orden mufite dem Bunde mit Swidrigal entfas 
gen, Sigmund Koribut ald Großherzog von Lithauen aner⸗ 
kennen und bie legten Lanbabtretungen beftätigen. Der Kai⸗ 
fer wollte zwar dieſen Frieden nicht billigen, weil er. beforgte, 
die Polen möchten den Huffiten neue Unterſtuͤtzung geben. 
Alein da er dem Orden Feine Hülfe zu fchaffen wuſſte, fo 
muffte er die Sachen auf fich beruhen laffen. Won dem an 
zerfiel die innere und Auffere Macht des Ordens fichtbar. 

Wie zwei Unglüdliche “inander gern die Hände bieten, . 
fo entſtand jetzt auch wieder eine engere Verbindung zwilchen 
dem Orden und dee Hanfe. Diefe hatte zwar noch nicht 
lange eine entfcheidende That gethban, indem ihre Flotte den 
K. Erich von Daͤnemark zwang das Herzogthum Schles⸗ 
wig, das K. Sigmund ibm aus Freundſchaft zugefprochen, 
ten Sraven von Holftein zu laffen. Allein da fie nach und nach 
ihre Privilegien bei den auswärtigen Staaten verlor und von Eng: 
land befonders gebrücht wurde, fo war eine kräftige Vermittlung 1434 
nöthig. Diefe übernahm dev Ordenz doch ohne großen Erfolg ), 

1) Barzto Geſch. Preuffens Bd. IH. 





40 Bud I. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 3. 


14. Die Kirchenverſammlung zu Bafel bis zum Er: 
löfchen des Iuremburgifhhen Haufes, 1431—1437. 


Julian Caͤſarini, paͤpſtlicher Legat, betreibt die 
Kirhenverfammlung «wegen ber Huffiten und 
fährt fort felbfi gegen den Willen bed Papſtes. 
Sigmunds unzeitige und unwürdige Kaiſerkroͤ— 
nung. Seine Bermittlung zwifhen Papft und 
Concilium, um mit Hülfe des Lestern bie Böh: 
men zu unterwerfen. Die vier. prager Artikel ald 
Compactaten für die Utraquiſten Neue Spannung 
bes Concilium mit dem Papfl. Sigmunds Ber: 
. trag mit ben Böhmen. Gegenreformation in Über: 
einfiimmung mit dem Papſte. Gigmunds legte 
VBerrihtungen im Reich. Bergebliher Widerſtand 
gegen des neuburgundifhen Herzogthums An: 
wachs und Losreiffung vom teutfhenfeihe. Eben 
fo vergebliche Landfriedensanflalten Verraͤthe⸗ 
rei der K. Barbara im Einverfländniß mit ben Huſ⸗ 
fiten. Sigmund Vorkehrungen und Tod. 


Der Huffitenkrieg, durch die Befchlüffe der coflanzer Kirchen: 
verfammlung hervorgerufen, wurde wieder die Haupttriebfeder 

zu einer neuen, nachdem man fich genugfam überzeugt hatte, 

baß in einer folhen Sache die Waffen Nichtö vermögen. Waͤh⸗ 

rend diefer Zeit hatte man zwar nicht unterlaffen in ben übri- 

gen Kirchenangelegenheiten, befonderd in ber Reformation: 

ſache, die zu Eoftanz befchldffenen weitern Verhandlungen wie 

der aufzunehmen; allein dba Papfl Martin V. ſchon in Abficht 

bes Ortes ber Zuſammenkunft Alles aufgeboten, um fich nicht 

wieder in die Gewalt der Zeutfchen zu begeben, und deshalb 

bie Kirchenverfammlung erfi nach Bologna, dann wegen bet 

1423 Peft nach Siena verlegt hatte, fo wurde er num doch durch 
Stimmenmehrheit gezwungen, eben in Beziehung auf bie teut- 

fchen Angelegenheiten, eine allgemeine Kirchenverfammlung nad 

1424 Bafel auszufcpreiben, bie jedoch erft in fieben Jahren gehal: 
19. ven ten werden füllte. Kurz vor feinem Tode ernannte er ben 
1. Behr. Cardinal Julian Caͤſarini zu feinem vorfigenden Legaten; 


Synode zu Bafel, 1431—1437. 441 


fein Nachfolger Eugen IV. gab vor der Hand auch bie Bes 1431 

flätigung, und ‚man hatte in der That an dem Gardinal den Mai. 

Mann gefunden, bem es mehr Ernſt bei der Sache war als 

den biöherigen Päpften. Schon während er ben legten Kreuz 

zug gegen die Huffiten geführt, ließ er durch feinen Subbe- 

legirten bie Kirchenverſammlung zu Bafel eröffnen, und ba er 23. Jul. 

denn auf jener fchmählichen Flucht perfönlich geängfligt wor: 

den, fp betrieb er nun um fo mehr den Weg gütlicher Vers 15. Oct. 

handlungen. In der erften Sitzung trug Biſchof Philibert 

von Soutance (in der Normandie) der Kicchenverfammlung vor; 14. Dec: 

die Abſicht fei, folgende drei Gegenftände mit dem forgfältigs 

fien Fleiſſe zu bearbeiten: fuͤr's Exfte wolle fie Alles anwen⸗ 

den, damit bie Finfterniß fämmtlicher Kebereien aus ber 

Chriftenheit vertrieben werde; für's Zweite folle die Wuth der 

Kriege unter den Chriften gebämpft und ber Friebe überall 

bergeftellt werben; für’ Dritte follen die Difleln und Dors 

nen von Laſtern, welche beinahe zu einem diden Walde ge 

worden, aus dem Weinberge Chriſti ausgehauen werben, bas 

mit berfelbe wieber blühen und treffliche Srüchte tragen möge. 

Zeutfche Berichte haben das fo ausgebrädt: Die Meinung 

und Abficht des Concilium gehe vornehmlich auf drei Gas 

hen: erftend zu dämmen ben Unglauben der Huffen und 

Anderer die etwa aufflündenz zweitens alle böfe Sitten 

und Gewohnheiten und unorbentliche Läufe zu flrafen und 

abzuthun; brittend wohl zu machen und zu beftätigen gemei⸗ 

nen Frieden zwifchen allen Herren und in allen Landen. . 
Die verfammelten Väter waren im Begriff einen recht 

guten Anfang zu machen: fie beriethen nicht nationenweife, 

wie zu Coftanz, fondern in vier Ausfhüflen bie unter bie 

felben vertheilten Gefchäfte, bis folche zur öffentlichen Vers 

handlung und Cntfcheidung reif waren; fie gaben fich alle 

Mühe die Böhmen herbeizubringen und wollten fofort, . da 

jene noch zögerten, zur längfigewünfchten Reformation ſchrei⸗ 

tn. In dem Allen verbeflerten fie den Geſchaͤftsgang ber 

coflanzer Verfammlung, bei welcher die päpftliche Partei eben 

die Hauptfache, dad Reformationswerk, zur legten Aufgabe 

gemacht hatte, welche auch indeſſen auf's neue hinausgeſcho⸗ 

ben worden. Viele fahen wohl ein, daß ed ein Winerfpruch 


442 Bud IE Erfier Zeitraum. Abſchnitt 3. 


wäre, mit ben Kegereien ben Anfang machen zu wollen, fo: 
bange die eigentliche Urfache derfelben, das Verderbniß in ber 
Br Kirche und Geiftlichkeit, noch nicht gehoben waͤre. Da trat 
eine zweifache Hemmung ein, von Seiten des romiſchen Koͤ⸗ 
nigs und von Seiten des Payfies 

1431 Sigmund war gleich nachdem er die Böhmen ‚zur Kir 
29. Aug. chenverfammlung eingeladen hatte, nach Italien_aufgebrochen, 
um ſich zum Kaiſer kroͤnen zu laſſen. gwanzig Jahre fuͤhrte 
er die Reichsregierung unter dem Titel eines roͤmiſchen Koͤ⸗ 
nigs, ohne daß jener vermiſſt wurde. Jetzt, da er von allen 
Huͤlfsmitteln entbloͤßt war, da es Niemand verlangte, da viel⸗ 
mehr die erblaͤndiſchen wie die allgemeinen Reichsangelegen⸗ 
heiten ſeine Gegenwart in Teutſchland dringend foderten, ent⸗ 
fernte er ſich ganz unerwartet und blieb zwei ganzer Jahre 
aus. Es laͤſſt fich in dieſer ſonderbaren Entſchlieſſung nicht 
nur kein Zuſammenhang mit dem Zwecke der Kirchenverſamm⸗ 
lung finden, ſondern es brachten im Gegentheil die Verhand⸗ 
lungen wegen der Kroͤnung mehrfache Zoͤgerungen für jene, 
indem ed dem Papfte erwuͤnſcht war ihm zu ihrem Nachtheil 
Bedingungen machen zu können. Da die Väter eben das 
Meformationswerd vornehmen wollten, kam eine Bulle von 
12.Nov. Eugen IV., welche unter allerlei Vorwaͤnden die Verſamm⸗ 
lung zu Bafe aufhob;, befonderd flellte er darin voran, Daß 
die Berufung der Böhmen dem. Anfehn ber Kirchenverſamm⸗ 
lungen zu Coftanz und Siena entgegen wäre, welche diefelben 
für Keger erklaͤrt hätten. Der Legat gehorchte dem Papft in 
fofern, daß er nicht mehr in feinem Namen den Vorſitz führte; 
machte ihm aber in Gemeinfchaft mit der Kirchenverfammiung 
fehr freimüthige Vorftellungen: „wenn auch,“ fagt er unter an> 
derm, „Feine allgemeine Kirchenverfammlung berufen worden 
wäre, fo hätte doch ein Provinzialconcilium zur Reformation 
des Klerus in Zentfchland gehalten werben müflen, weil ſonſt, 
wenn dieſer fich nicht befjere, die Laien wie die Huffiten über 
benfelben hexrfallen würden, wie fie bereit8 verlauten lieſſen, 

und ed würben auch nach ber Außrottung der buffitifchen Kege: 
rei neue entſtehen.“ Ä 
1432 Die Vaͤter erneuerten in ihrer zweiten Hauptſitzung die 
15. Schr. coſtanzer Veſchluſſe von der Superioritaͤt des ing über 


Spnode zu Bafel, :1431— 1437. 443 . 


ben Papft mit der Erklärung, baß die gegenwärtige Verſamm⸗ 

lung zu Bafel ein rechtes allgemeines Goncilium fei, das ohne 

ihre Einwilligung gar nicht aufgehoben werben Tönne. Auf 

der andern Seite blieb der Papſt eben fo feft bei feinem Bes 
ſchluß das Goncilium zu verlegen und verweigerte dem roͤ⸗ 
mifchen Könige die Krönung, wenn er ihm nicht barin beiſte⸗ 

ben winde. Sigmund hatte fich bei feinem Römerzuge allein 

auf den Herzog von Mailand, Philipp Maria Viſconti, 

mit dem er ein Bünbniß gegen die Venetianer gefchloffen '), . 
verlaffen, und deshalb von den teutfchen Fürften weder die 
Heereöfolge verlangt noch ihnen überhaupt Etwas von feinem 
Borhaben befannt gemacht. Allein der Herzog vermied mit 

ibm zufammenzulommen, weil er, nach feiner Aufferung, 

vor Freuden fterben müffte, wenn er den Kaifer zu ſehen bes 1431 
time. Nun empfing zwar Sigmund die italienifhe Krone 25. Nov. 
zu Mailand, zog dann aber, weil ber Herzog von ber ver 
forochenen Unterflüßung an Geld und Mannfchaft nur wenig 

bielt, in Armuth und Sorgen nach Piacenza, anlegt nach Siena, 

wo er faft ein ganzed Jahr liegen bleiben muſſte, weil ihm 1432 
der Papft immer neue Schwierigkeiten in den Weg legte. 
Während diefer Zeit vergnügte fich ber 63jährige Sigmund 

im vertrauten Umgange mit einer ungemein fchönen Edelfrau 

zu Siena fo fehr, daß bie enblihe Berufung bed Papſtes 

ibm und ihr ganz unbequem fam?). Doc blieb Sigmund _ 
flandhaft gegen den Papſt; er warnte benfelben Nichts wei⸗ 

tee wider das bafeler Concilium zu unternehmen, weil er feine 

Ehre dabei auf's Spiel fehen wuͤrde. Er habe verfprochen 
daſſelbe zu ſchuͤtzen und zu erhalten. Es war ihm hauptfäch> 

ih um die Beruhigung der Böhmen, die er allein vom Con⸗ 
cilium erwartete, zu thun; deshalb ließ er auch daflelbe auf's 

neue verfichern, daß er ihm mit aller feiner Macht beiflehen 
werde bis zum Zobde?). Im Vertrauen auf diefe Verſiche⸗ 


1) Lünig Cod. Ital. dipl. T. II. p. 2827, 
2) Den Briefwechfel führte der Kanzler Schlid. Einen Iuftigen 
Auftritt beim Abſchied, da der Kaifer von dem unvermuthet hereingelom: 


menen Eheherrn fast ergriffen worden, |. Müller Schweiz. Geſch. UI, 
419, R. 106. 


8) Gef. v. Schwaben IV, 899. 


\ 


. 


444 Buch II. Erxfter Zeitraum. Abſchnitt 3. 


sung fohritten nun bie verfammelten Vaͤter ruhig in ihrem 
Verfahren gegen den Papft fort und befchloffen den Rechts 
1433 weg zu verfolgen. Sie festen ihm eine Friſt zum Widerrufe 
Bebr. per Aufhebungsbulle und bedrohten ihn, als er neue Aus 
April. flüchte fuchte, mit Sufpenfion oder gar Abfetung: Es leuch⸗ 
ten in diefer Berfammlung eine audgezeichneten Namen ver, 
wie wir fie zu Coflanz geſehen; aber die Zufammenflimmung 
war inniger und ernfllicher als dort. 

. Nun näherte fi Eugen IV. dem römifchen Könige. Ei⸗ 
ned ber biöherigen Hinderniſſe wurde dadurch gehoben, daß 
zwifchen ben Bundeögenofien bed Papfles, den Venetianern 
und Florentinern,” und zwifchen dem Herzog von Mailand, 

26. April. Sigmunds Verbündeten, ein Friebe zu Stande kam, an wel 
chem Sigmund zu Siena vergeblich gearbeitet hatte und bar: 
über mit dem Herzog ganz zerfallen war. Der Scholaſticus 
von Trier, Jacob von Sink, vermittelte dann noch weiter 
zwifchen Sigmund und Eugen, worauf bie Einlabung zur 

31. Mai. Krönung erfolgte. Der Papft verrichtete aber die Handlung 
nicht ſelbſt. Während Sigmund vos ihm Iniete, wurbe ihm 
die Krone von einem bazu Beftelten etwas fchief aufgefekt; 
der Papft hob dann den rechten Fuß auf und rüdte fie damit zu: 
recht; fo wäre ed Recht und Gewohnheit). Nach der Feier 
lichkeit hielt der Kaifer dem Papfte beim Auffteigen den Bü: 
gel. Bor ber Krönung hatte er den gemöhnlichen. Eid ge 
fhworen. Run blieb Sigmund noch drei Monate zu Rom, 
um zwifchen Papft und Goncilium zu vermitteln. Go viel 
that er jenem zu gefallen, daß er das Concilium bewog bie 
geſetzte Zrift zum Widerrufe zu verlängern. Als er nach Ba 

Aug. fel zuruckkam, bewirkte er eine nochmalige Erſtreckung von 
090 Tagen. Zuletzt muffte doch Eugen IV. fi fügen:  ew 
4434 ließ eine unummwundene Anertennung der bafeler Kirchenver 

3. Bebr- fammlung und nahm die erftere Bulle zuruͤck, worauf bie Bi 
ter von den anweſenden Garbindien bie coflanzer Befchlüffe 

24. Apr. befchwören lieffen*). 


1) WındeckL c. 

2) Auffer ben Ion beim Huſſitenkrieg angeführten Quellen gehoͤren 
hieher Labbei Conecil. T. XIL Harduin. T. VIII. Raynald. 
Annal. bei ben oben bemertten Jahren. : 


# 


Synode zu Baſel, 1431—1437. 445 


Über viefen Verhandlungen vergingen nun freilich zwei 
volle Jahre, in welchen die Kicchenverfammlung für ihre Auf: 
rechthaltung zu kaͤmpfen hatte. Ungeachtet das Concilium in 
teutfchen Landen gehalten wurde, fo waren doch gerade von 
ben teutfchen Prälaten viele ausgeblieben, ſchuͤchtern gemacht 
durch des Papſtes Zurkcdhaltung und bed Kaiferd Abweſen⸗ 
beit. Auch von den Fürften waren noch wenige erfchienen, 
fodaß die Väter ſich hauptſaͤchlich an bie Städte hielten, 
wiewohl Sigmund die Statthalterfchaft dem Herzog Wilhelm 
von Baiern Übertragen hatte. Mit des Kaiſers Ruͤckkehr ka⸗ 
men nun die Geſchaͤfte in beſſern Gang. Den abweſenden 1433 
HPrälaten gebot er unverzüglich zu erſcheinen. Mit den Boͤh⸗ 19. Rov. 
men waren die Verhandlungen indeſſen eingeleitet worden. 

Auf ihre erfle ſtarke Ablehnung der Anträge des Königs und 

der Kirchenverfammlung erließ ber Cardinal Iulian ein Schreis 1432 
ben in ben mildeften Ausbrüden, worin er fie dringend bat 8. März. 
einige Gotteögelehrte zur Unterrebung zu enden; man werbe _ 
fie mit aller Sanftmuth hören, foviel fie ed verlangten, bis 

der Geift der Wahrheit beide Theile auf ben rechten Weg 
fuͤhren wuͤrde. Überdies ſandte das Concilium ein paar Ab⸗ 
geordnete nach Nurnberg, um wegen ber Unterredung weiter 

zu handeln, und flellte einen Geleitäbrief für die böhmifchen 
Gefandten aus, welche der Übereinkunft gemäß zu Eger fich 
einfinden folten. Auch der Kurfünft Friedrich von Branden: Mat. 
burg, an welchen Sigmund die Böhmen bei feinem Aufbruch 

nach Stalien. gewiefen, und einige andere Bürfien und Her 

ven famen mit einem flarfen ‚Sefolge dahin. Die Böhmen 
waren noch immer mistrauiſch in Erinnerung an Huſſens Schick⸗ 

fal. Ihre Abgeordneten verlangten zu Eger, daß einige Fuͤr⸗ 

fin und Prälaten ihnen als Seifeln überliefert werden follten. 

Der Kurfürft Friedrich entfprach ihnen foweit, daß in feinen 
fränfifchen Ländern einige Prälaten ihre Einlager haben ſoll⸗ 

ten, bis ihre Gefandten von Bafel zuruͤckkommen wären. 

Ale Fürften und Stände, durch deren Gebiet fie reifen foll- 

ten, gaben befondere Geleitsbriefe; das Concilium felbft aber 

flellte einen fehr bündigen, allgemeinen Geleitöbrief aus. So⸗ 20. Sn 
mit wurben bie Sophiftereien ber coflanzer Kirchenverfamm; 

lung in Abficht der Unverbinhlichfeit des Ketzergeleites zuruͤck⸗ 


» 


46 Bud DI Erſter Zeitraum. Abſchnitt 3, 


genommen. Deſſen ungeachtet lieffen bie Böhmen erſt durch 
zwei Abgeordnete die Stimmung zu Bafel näher erforfchen; 
als diefe nun mit guten Rachrichten zurückkamen, hielten fie 
einen großen Landtag zu Prag, auf welchem, nicht ohne Wi: 
derfpruch der Zaboriten, Wailen und ded gemeinen Volks, 
eine förmliche Gefandtfchaft nach Baſel befchloffen wurbe. 
Der Rector der Univerfität emannte von jeder Partei einen 
Abgeordneten, welche von Procop dem Größern und mehre 
ven angefehnen Männern mit einem ſtattlichen Gefolge be 
gleitet wurden. An ihrer Spige fland Johann von Ro: 
Iyczana, den die Prager und Zaboriten ſchon früher zum 
Generalinfpector aller ihrer Kirchen erwählt hatten, ein fehr 
1433 beredter, fiharffinniger, aber auch ehrgeiziger Mann. Zu Ba: 
Ian. sel angelangt, legten fie, zur Verwunderung der Kirchenver: 
fammlung, bloß die vier prager Artikel ald eine Art Slau: 
bensbekenntniß vos Jeder Theil hoffte den andern zu übe: ' 
zeigen. Nachdem man lange ohne Erfolg diöputirt hatte, 
flug der Protector, Herzog Wilhelm von Baiern, eine Ver 
gleichshandlung vor; aber auch biefe führte nicht“ zum Ziel, 
April and nım gingen bie Geſandten verbrüßlich wieder zuruͤck, in: 
dem fie ed der Kirchenverfammlung frei flellten ihrerſeits auch 
Abgeordnete zu weitern Verhandlungen nad Prag zu fehiden. 
Man beſchloß noch einmal nachzugeben und bewilligte ben 
Antrag. 

Died war in bemfelben Zeitpunct, ba ber Papft anfing 
gegen die Kirchenverfammlung umzuflimmen. An ber Spige 
der baſeler Gefanbtichaft war ber fchlaue und gewanbte Bi- 
fchof Philibert mit zweierlei Imftructionen. Nach der Sf: 
fentlichen trug er auf Wiedervereinigung der Böhmen mit ber 
Kirche an; der Mitgefandte Polemar ſprach: „was zu Go: 
ftanz geſchehen, müffe vergeffen werden.” Phil: 
bert muffte. harte Worte darüber hören, verbarg aber feine 
Empfindungen unter lauter Schmeichelteden, benn nach bem 
geheimen. Auftrage bed Cardinallegaten follte er bie gemäßig: 
tern Huffitem oder Calirtiner an-fich ziehen, um dadurch bie 
Parteien für immer zu trennen und bie Widerſpenſtigen zu 
vernichten. Dies gelang. Ciner ber angefehnften Tatholifchen 

Landherren, Meinhard von Neubaus, ber die Geſandt⸗ 


Synode zu Bafel, 14311437, 447 


fchaft nach Baſel betrieben und wie bie Andern ber argen 
Verheerung längft überbrüffig war, trat über. Dem Io: 
hann von Rofyczana verſprach Philibert dad Erzbisthum 
Prag, und er wurde auch gewonnen. Als die Taboriten und 
Waifen merkten, daß die Calirtiner fich zur Union neigten, 1433 
von welcher fie durchaus Nichts hören wollten, fo war bie Sun. 
Trennung entſchieden. Die Galirtiner lieffen fih zu einem 
einfeitigen Vergleich mit. dem Goncilium bewegen auf den 
Grund der vier Artifd. Dies gefchah, als der Kaifer aud Aug. 
Italien zuruͤckkam. Die Artikel wurden erfllich zu Prag, dann 
zu Bafel folange erläutert und befchränft, bis fie endlich bei⸗ 
den Theilen vecht waren. Hierauf wurben, hauptfächlich durch 
Mitwirkung des Johann von Rokyczana, bie Compactaten 
zu Prag gefchloffen und die Artikel unterfchrieben. Die Be⸗ 90. Nov. 
fhräntungen, welche die Kirchenverfammlung angebracht, find. 
diefe: Bei der NReichung bed heiligen Abendbmahls unter beis 
derlei Geſtalt folle der Priefter hinzuſetzen, daß die perfüns 
lihe Gegenwert Chriſti auch unter Einer Geftalt zu fins 
ben feiz die Öffentlichen Zodfünden und andere Verbrechen 
folen fo viel möglih nah den göttlichen Geſetzen und den 
Ordnungen ber Kirchenvdter aeflraft werben, jedoch. nur von 
Derfonen, welche obrihkeitliche Macht haben und unter -deren 
Gerichtszwang die Verbrecher fonft ſtehen. Zur freien Pre: 
digt des göttlichen Wortes find nur verordnete Priefler zu: 
zulaffen, ohne Nachtheil der höchfien Gewalt des Papftes. 
Weltliche Güter follen die Beiftlichen befigen verwaltungss 
weile, nicht als Eigenthum; Andere aber als Geiſtliche, welche 
ſich derſelben anmaßen, werden als Kirchenraͤuber be⸗ 
trachtet. Be B 

Die Zaboriten und Waiſen ſahen in dieſen Beſchraͤnkun⸗ 1434 
gen nichts Anderes als die Wiedereinführung des 
Papſtthums; fie blieben nicht nur im Widerfpruch, ſon⸗ 2. Ian. 
dern die Erbitterung ber beiden Parteien brach bald mit eis 
ner folchen Heftigkeit aus, welche ben Untergang der einen 
oder der andern herbeiführen muffte. Die Schlacht bei Hrzib, 
unweit Böhmifchbrod, entichied für die mildern Huffiten oder 
Galiztiner; die beiden Procope fielen zugleich mit ihrer Sache. 30. Mai. 
Der Reft der Zaboriten fchloß fi in fefle Plaͤtze ein, wurde 


4 


in U 


458° Bud OL Erſter' Zeitraum. Abſchnitt 3. 


aber, nach abermaliger Rieberlage "bei Lomnicze, genoͤthigt 
alle diefe Städte, auch Tabor zu übergeben und Ruhe zu 
halten. 

&o warb die erfle Aufgabe der bafeler Kirchenverfamm- 
lung in Abfiht der Kegereien gelöft durch Nachgiebigkeit, 
Bergleih und Trennung der Parteien. Das Berfahren ge 
gen Huß und Hieronymus war fomit ſtillſchweigend verwor 
fen; Dagegen hoffte man um fo gewiffer durch Ummege zu 
erreichen, was die Zaboriten gefuͤrchtet. Indeſſen kam die 
Reihe an die weiteren Aufgaben der Kircchenverfammlung, au 
bie Reformation und ben allgemeinen Frieden. Da in 

1434 diefem Beitpunct die ſchon berlhrte päpftlihe Anerkennung: 
5. — bulle der Verſammlung einlief, worauf die Erneuerung der 
2 Sun. coſtanzer Befchlüffe geſchah, fo fühlten fi die Väter aufs 

neue ermuthigt die Sache ernfllich anzugseifen, obgleich Sig 
mund der Reihögefchäfte wegen Bafel jegt wieder verlieh. 

1435 Sie gaben zuerft Beſchlüſſe zur Abfchaffung der Concubinen, 
22. Jan. des (oben befchriebenen) Narrenfeftes, der Schmaufereien und 

Jahrmaͤrkte in dem Kicchen, der Miäbräuche beim Gottesdienſi 
und im Beneficienwelen; dann kamen fie aber gerabezu an 

9. Zun. den Papft felbft und das um fo mehr, weil dieſer bisher ale 

ernſtliche Reformationdverfuche zu vereiteln gewuſſt hatte. Das 
Meifte betraf zwar nur das Zeitliche: ed wurden dem Papfe 
die Annaten, bie Palliengelder zc. abgefprochen; die Kirche 
folle dem römifchen Stuhl nicht zinsbar fein, fondern dieſer 

1436 folle fi mit den Einkünften bes Kirchenflaates begnligen: 

28. März kurz, man wollte ben Papft wenigſtens wieder ſoweit zucäd- 
ſetzen, als er in Abſicht der Gewalt und der Einkünfte vor 
dem Sturze der hohenflaufifchen Kaifer gewefen. Allein die 
hieß ihm gerade an das Leben greifen. Es entſtand wieder 
eine neuer, heftiger Kampf. Da jetzt auch von Vereinigung 
16. April. der griechifchen Kirche die Mebe wurde, fo ergriff Eugen IV. 

1437 dieſe Veranlaffung, das Concilium zu Bafel aufzuheben oder 
18, Sept. nach Italien zu verlegen. Die Verhandlungen darüber wur 

den bis nach K. Sigmunds Tode fortgefegt, und. darüber auch 
die dritte Aufgabe, die Herflelung des allgemeinen Briebens, 
weiter hinausgeſchoben. 

Indeſſen ift bier noch zu zeigen, was K. Sigmund in 


f 


Spnobe zu Baſel, 1431-1437. _ 40 


feinen beei letzten Jahren in ben Erblanden und im Reich ges 
than, und unter welchen Umfländen er fein Haus gefchlofien. 

Mit. ber Unterwerfung der Huffiten unter die Kirche 
war ihre Unterwerfung unter ben Erbkoͤnig Sigmund noch 
gar nicht ausgefprochen. Als biefer die Nachricht von ber 1434 
Niederlage der Taboriten empfing, fertigte er von Ulm, wo er + Sun. 
Reichötag hielt, eine Gefandtichaft nach Prag abz die böhmis 
fhen Stände fandten darauf Abgeorbnete, weiche ihn zu Res 
gensburg trafen und vorerfi die Faiferliche Beſtaͤtigung 
ber Gompactaten verlangten. Er gab biefe und fragte dann, 
ob fie ihm num als ihrem Könige huldigen winden. Sie 
nahmen aber erſt bie Sache in nähere Überlegung. Der Lands 
tag zu Prag entwarf in 14 Artikeln die Bedingungen der 1435 
—Se Der Inhalt iſt dieſer: „K. Sigmund folle die 14 Beir. 
vom Goncilium zugegebenen vier prager Artikel befldtis 
gen und genau beobachten laſſen; an feinem Hofe huffitis 
‚ Ihe Prediger haben; Niemand in Böhmen zwingen Schlöfe 
fer auf feinen Gütern zu bauen ober Mönche anzunehmen; 
‚ bie Univerfität zu Prag berfiellen und die Hofpitalgüter 
vermehren; bie Böhmen nicht zwingen bie zerflörten Kiöfter 
wieder aufzubauen; dem Königreich feine Privilegien und die 
weggeführten Heiligthuͤmer und Reichskleinodien wiebergeben; 
aufferhalb ber Kirchen teutſch, innerhalb derfelben aber boͤh⸗ 
miſch prebigen laffen (mad früher umgekehrt war); keinen 
‚ Eremden in ben Rath ſetzen; verwaiſte Kinder nicht ohne 
‚ Bewilligung ihrer Freunde verheitathen; gute Münze fchlas 
gen und die Bergflädte wieder aufbringen; die Verweſung 
des Reichs keinem Fremden anvertrauen; den Juden keine 
Binfe zahlen laſſenz entwicdhene Bürger nicht wider Willen 
ihrer Mitbürger aufnehmen; überhaupt eine allgemeine 
Amneſtie bewilligen.“ 
| Diefe Artikel nahm Sigmund fo bereitwillig an, daß 6, Zul. 
man ſchon denken Eonnte, er fei nicht gefonnen fie länger zu 
halten, als bis er feine Abficht exreicht haben würde. In der 
Zwiſchenzeit ehe fie dem Kaifer zu Brünn vorgelegt werben 
konnten, weil bie drei huffitifchen Parteien wieder unter fich 
ſelbſt zerfielen, festen fie auch die Unterhanblungen mit bem 
Concilium fort, um eine Milderung ber vier Artifel oder 

Pfiſt er Geſchichte d. Zeutfchen IIL 29 


2 450 Bud IN. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 3. 


Compartaten zu erhalten. Wenige Tage nachbem Sigmund 

die gedachte Zuſage gegeben, „unterfchrieb ein Theil der huſ⸗ 

1435 Fitifchen Lehrer zu Braunau die vom Concilium zugeflandenen 
18. Jul. Abaͤnderungen; ba hingegen bie lbrigen mit den Gefandten 
des Concilium in bigigen Streit gerietben, befonder8 über 

den Artikel von den Kicchengütern, fo ſchlug Sigmund vor, 

wieber an das Concilium felbft zu gehen und deſſen Entfchei: 
Dung zu erwarten. Inzwiſchen bewirkte der Kanzler Schlid 
21. Sept. auf dem Landtage zu Prag den einmüthigen Schluß ber böh: 
mifchen und maͤhriſchen Stände, daß Sigmund auf bie vor 
gelegten 14 Artikel als König angenommen werben folle. Als 

num auch der Gefandte Polemar mit der ‚verlangten Milde 

rung des Artikels von ben Kirchengütern zuruͤckkam, fo daß 

flatt Kirhenraub nur unrehtmäßige Bemädhtigung 
41436 geſetzt werden folle, fo ertheilte K. Sigmund zu Stuhlweiß 
6.8. Zap. fenburg eine geboppelte Verfiherung, baß er die jetzt verglihe 
nen vier prager Artikel erfüllen, beftäfigen und den Böhmen 

und Mähren wider Alle die fie antaflen winden mit alle 

- Macht beiftehen wolle. Aus eigener Milde erflärte er noch zu 
ihren Gunften einige nicht deutlich genug geſetzte Puncte bei 

- Vergleiche. Er erlaubte, baß fie den Erzbifchof ımb die zwei 
Suffraganbifchöfe felbft wählen dürften, und verfprach dieſe 

zu beftätigen, ohne baß fie eine andere Befldtigung einholen 
dürften. Zudem vertheilte er den Gefanbten 60,000 Duca⸗ 

ten und ſchenkte den Böhmen eine Menge Vieh. Von jenem 
Rechte machte der. Landtag zu Prag ſogleich Gebrauch und 

wählte den Johann Rokyczana zum Erzbifchof. Auf e& 

3. Zul nem Landtage zu Iglau beſchwur Sigmund vor den Etän 
ben und ben Gefandten bed Goncilium, nebſt feinem Schwie⸗ 
gerfohn, H. Albrecht, bie Compactaten mit einem feierlichen 

Eide. Um die Übergabe bed Reichs zu befchleunigen, ertheilte 
Sigmund, wider ben Willen feiner Räthe, weitere große Zu: 
fiherungen. Roch beſtimmter als in den 14 Artikeln ver⸗ 

ſprach er in einer eigenen Urkunde, daß bie vertriebenen Moͤnche 

und Nonnen nicht zuruͤckberufen werben follten, ja bag man 

dem Papfte die Herrfhaft und Gewalt über die 

8. Jul. Kirchen in Böhmen entziehen wolle Cr beflätigte 
ben neuen a ‚, ber im Be ber ganzen böhmifchen 


Synode zu Bafel, 1431-1437. 451 


Geiſtlchkeit auf dem Markte zu Iglau bee rimiſchen Kirche 
nach Inhalt der Compactaten Gehorſam verſprach, — 
Biſchof Philibert den Bamm aufhob. Nach allen dieſen 
geſtaͤndniffen) hielt Sigmund endlich feinen Einzug in = 1436 
und empfing die Huldigung. Aud die Taboriten verſprachen 7 Te 
Frieden zu halten. Sigmunb erhob Tabor zu einer freien 
Königlichen Stadt und ſchenkte ie ein Städ Landes; er fol 
= * auf fuͤnf Sahıe völlige Serwiffensfreiheit Re r 
en 

Alles war von Sigmunde Milde durchdrungen. Ein ein⸗ 
ziger Ritter, Johann von Rohatecz und die Stadt Königine 
sräb zweifelten an feier Aufrichtigkeit und blieben im Aufs 
fland. Der ganze Adel zog gegen fie; bie Gtabt muffte fi 
in die Gnade des Königs ergeben; ber nnglüdliche Rohatec; 
wunde gefangen und büßte mit ben Seinigen am Galgen. 
Bald aber ergab fih, daß fie richtig geurtheilt hatten: denn 
Sigmund fing fogleich an, nachdem er die meiften feften Pläge 
befegt hatte, gegen feinen Eid zu handeln, ohne Zweifel, weil 
er ihn gegen Ketzer unverbindlich hielt. Er ließ Domberren 
und Mönche verfchiedener Orden wieder nach Prag kommen und 
ſtellte die Kirchen und ben katholiſchen Gottesdienſt mit ſei⸗ 
nen Sebräuchen wieder her. Der Papfi, eben fo uneinges 
denk, daß er den Böhmen zu dem Vertrage von Iglau Gluͤck 
gemwünfcht hatte, lobte jetzt Sigmunds Eifer für bie katholi⸗ 
fche Religion und ſandte ihm eine golbene Roſe. Dem neuen 
Erzbiſchof Rokyczana machte Sigmund Bedingungen, unter 
weichen ihn die Böhmen nit gewählt haben würden. Da | 
er fich nicht bequemen wollte, ſetzte er ben Bifchof Ppilibert 
von Eoutance zum Adminiflrator des Erzſtiftes ein, der dann 
Das ganze römifche Ritual wieder einführt. Rokyczana, 
aus feiner Taͤuſchung erwacht, verfluchte das Ritual öffentlich 
von ber Kanzel und foderte das Volk auf, den Mönchen, den 
Zeufelödienern, den Eintritt zu vermehren. Sigmund verjagte 
ihn aus Prag. Um bie Ruhe zu erhalten, ſtellte ex das oberfte 


1) Häberlin Keichegeſch V, 641 ff. 
2) Das mögen fo mündlide Zuſicherungen gewefen fein, mit benen 
ed noch weniger Ernſt war als mit den fchriftlichen. 
29 a 


7 


1437 
April. 


452 Bub IL GEefier Zeitraum. Abſchnitt 3. 


Gericht oder Landrecht zu Prag wieber her und befehte es mit 
lauter Eingebomen. Dann ließ er bei der Krönung feiner 
Gemahlin vieles Gelb unter das Voll auöwerfen. Allein bie 
Huffiten lieſſen fich nicht täufchen und brohten wieber zu ben 


Waffen zu greifen. Nun hielt Sigmund für gut einzulenfen, 


wiewobl das Concilium hauptfächlic wegen des Rokyczana 
neue Schwierigkeiten machte die Gompactaten zu beftätigen. 
Er geftand ben Calirtinern oder Utraquiften ein eigenes Con⸗ 
fiftorium zu, ließ öffentlich in vier Sprachen ausrufen, daß 
fie die vechten und erfien Söhne der Kirche wären und von 
den andern, welche das heilige Abendmahl nur unter Einer 
Seftalt empfingen, nicht bebrängt werben follten. Ex ernannte 
Meinhard von Neuhaus zum Statthalter, da er zu den teut- 
fchen Reichögefchäften abgerufen wurde, Sah er nicht endlich 
klar, der gewiffe Weg ein Volk feinem Fuͤrſtenhauſe zu ent: 
fremden fei, es in feinen beiligfien Erwartungen zu täufchen? 

Waͤhrend diefer Verhandlungen mit den Böhmen wollte 
Sigmund auch wieder Etwas für die Beruhigung des teut- 
fchen Reichs, fuͤr deflen innere und aͤuſſere Sicherheit thun. 


434 Ais er von Bafel nach Ulm kam, vermittelte er einfhweilen 


zwifchen Baiern und den fhwäbifchen Ständen, und 
brachte die Stadt Donauwörth wieder an dad Reich. Das 
für bezahlte ihm diefe 13,000 fl. theild zur Ausloͤſung feines 
zu Bafel verfegten Silbergefchired theils für die Zehrung zu 
Um. Eben fo viel wurde bem ‚Herzog Ludwig von Baiern 
aufgelegt. Gin Hauptzwed des Reichstages zu Ulm follten 
bie Verhältniffe bed Herzogthums Burgund fein, welche. 
die wefllihen Reichögrenzen mit einer bedeutenden Verminde⸗ 
sung bedrohten '). 

Wie die drei größten Provinzen im Suͤd⸗Weſt, Bur: 
gund, Daupbine, Provence, zur Zeit ba das Iurems 
burgifche Katferhaus auftrat, an franzöfifche Prinzen ge 
fommen und nur noch Savoyen und die burgundifche Frei⸗ 
graufchaft dem Namen nach unter teutfcher Lehensherrlichkeit 
geblieben, ift fchon früher angezeigt worden *). Indeſſen machte 


1) Geſchichte von Schwaben IV, 407. 
2) ©. oben ©. U. ' 


Synode zu Bafer, 1431—1437. 453 


das neuburgundifche Haus bie glädlichften Fortfchritte in 
Lanberwerbungen und in Vereinigung berfelben zu einem uns 
abhängigen Staate. Zu den ebenfalls oben ſchon genannten 
Befigungen kamen in kurzer Zeit folgende hinzu. Philipps 
des Kühnen, Gruͤnders bed neuburgundifchen Haufes, Sohn, 
Johann der Unerfchrodene und Grav Wilhelm II. von 
Holland (aus dem baierifchen Haufe) hatten jeder bed an⸗ 
dern Schwehter, Beide Margaretha genannt, zur Gemah⸗ 
lin. Won biefer doppelten Schwägerfchaft geben bie nachher 
geltend gemachten Erbanfprüche aus. As Herzog Wenzlaw 
von Luremburg, 8. Karls IV. Bruder, ohne Erben flarb, 1383 - 
behielt feine Wittwe Johanna ihe Erbe, Brabant und 
Limburg, und vermachte fpdter diefe Fürftentbümer ihrem 
Neffen Anton, Bruder des Herzogs Iohann von Burgund. 1404 
Luremburg, an das Kaiferhaus zurückgefallen, verfchrieb 

K. Wenzlaw feiner Nichte Elifabetb, H. Johanns von 
Goͤrlitz Tochter, für den audgefehten Brautfchag, als fie dem 

fo eben genannten Herzog Anton vermählt wurde. Da ed ihm 1409 
darum zu thun war bie burgundifchen und nieberlänbifchen 
Fuͤrſten gegen den römifchen König ‚Ruprecht auf der Seite 

zu behalten, verzichtete er bald darnach zu Antons Gunſten 

auf alle Anfprüce feines Haufes an Luremburg, Brabant 4411 
und Limburg). Als Sigmund zur Reichöregierung kam, ließ 

er fih von Wenzlaw zur Wiebereinlöfung Luxemburgs bevoll: 1416 
mächtigen ?), konnte e8 aber bei feinem befannten Gelbmangel 

nicht auöführen Nachdem Anton in der Schlacht bei Azins 
court geblieben war, heirathete Elifabeth den Graven Johann 41415 
von Holland; fie behielt Luremburg und verkaufte es ſpaͤter 

an Herzog Philipp den Gütigen von Burgund, Antond Nefs 4443 
fen. Die Herzogthuͤmer Brabant und Limburg erbten Antond 
Söhne, Johann und Philipp. Als diefe beide ohne Erben 
geftorben waren, hätte Margaretha, Herzog Wilhelmd von 
Holland Wittwe, die nächften Anfprüche gehabt, als Schwes 

fies Antons; aber der Neffe, Philipp der Ghtige von Bur⸗ 


4) Haͤberlin Reichsgefchichte V, 499-553. 
2) Gebhardi Geſchichte von Böhmen, der allgem. Weithiſt. LEI. 
25.1. 8b ©. 588, 


#54 Bud DI. Erſter Zeitraum Abſchnitt 3. 


gund, ſchloß fie — indem er ſich von den brabantiſchen 

1431 Staͤnden als Herrn anerkennen ließ, ohne den Kaiſer darum 

zu fragen. Das war zur Zeit bed letzten großen Huſſitenzugs. 

1434 Bald darauf beachte Philipp bie Sranfchaften Hennegau, 

Holland,. Seeland und Friesland an fich, nachdem er 

1428 ſchon Namur gelauft hatte. Jene Grapfchaften, welche 8. 

Ludwig der Baier feinem Haufe erworben, waren nach bem 

Tode feines Enkels, des ſchon gebachten Graven Wilhelm, 

an feine einzige Zochter Jacobaͤa gefallen, welche derſelbe 

mit der burgundiſchen Margaretha erzeugt hatte. Jacobaͤa, 

Idon im fiebenzehnten Jahre Wittwe des Dauphins Joham 

von Frankreich, wurde ein Spiel ber Parteien welche fich um 

die Vormundfchaft firitten. Ihres Vaters Bruder Johann 

gab dad Bisthum Lüttich auf und heirathete, wie fchon oben 

bemerkt worden, die Eliſabeth von Luxemburg; er wollte old 

Bruder des Berſtorbenen fich endlich felbfi zum Herrn aufs 

werfen, wurde aber nachher vergiftet. Die Barone waren 

laͤngſt in zwei Parteien getheilt, die Hour (Daten) und bie 

Kabeljaur, auch Heydeoten genannt. Auf Betreiben ber 

Erftern heirathete Jacobaͤa den Herzog Johann von Brabant, 

mit-dem fie Geſchwiſterkind war. Herzog Philipp von Bur 

1419 gund, in gleichen Grabe venvandt, vermittelte bem Frieden 

Als die unzufriebenen Hour die Jacobaͤa beredeten, ihre Che 

fei wegen der nahen Verwandtſchaft ungültig, flob fie nad 

England und heirathete ben Herzog Humfrieb von Gloceſter, 

mit Dispenfation bes Papſtes, der folche jedoch wie die er 

"tere wieder zurucknahm. Jacobaͤa floh zu Philipp und wurde 

von dort wieder nach Holland entführt. Als nah dem Tode 

Sohanns von Brabant Philipp deflen Lande einnahm und der 
Herzog von Gloceſter fich wieber anberwärtd verbeirathete, un 

1427 terzog fi Philipp der Vormundſchaft über bie fämmtlichen 

“ Befigungen der Jacobaͤa, mit ber Bebingung daß diefe nicht 

obne feinen Willen beirathe. Als er aber erfuhr, daß bie 

jährige Zürftin, welche mit brei Gemahlen nur die Bitter 

Peit ber Ehe genofien, aus Neigung ben Baron Frank von 

Borfel heimlich geheiratket, kam er unvermuthet, ließ ben 

1433 Freiherrn gefangen nach Flandern führen und zwang bie 9% 

— eobaͤa ihm alle ihre Lande abzutreten. Dagegen üuͤberließ er 


Synode zu Bafel, 1431—1437. 455 


ihr und ihrem wieder freigelaſſenen Gemahl einige Herrſchaf⸗ 

ten und das Oberforſtamt uͤber alle Wälder in Holland. Drei 
Sabre darnach flarb die unglückliche Fuͤrſtin an ber Schwind⸗ 1436 
fucht. Man erinnert fi, daß fie in ihrem Unglüd auf dem 
Schloſſe Zeinigen mit Verfertigung irdener Krüge ſich bes 
fchäftigt *). Alfo Fam nun eine Haupterwerbung bed baieris 
ſchen Haufed fowie die Stammberrfchaft des Luremburgifchen 

an dad neuburgundifhe Haus, ohne daß ed K. an 
hindern Tonnte. 

Nicht weniger gebieterifch verfuhr Herzog Philipp i in dem 
lotbringifchen Erbfolgeflreist zwifchen Rene von Anjou und 
Anton von Vaudemont; jener Enkel des verfiorbenen Herzog 
Karl von feiner Tochter Iſabella, diefer Neffe von feinem 
ſchon früher verfiorbenen Bruder Friedrich. In dem darüber 
entflandenen Kriege gerieth Rens in Philipps Gefangenſchaft; 
die Schiedsrichter verwieſen die Entſcheidung wie billig an 
den Kaiſer. Dennoch erlaubte ſich Philipp in der Sache zu 
ſprechen. Die lothringiſchen Staͤnde wandten ſich wiederholt 
an Sigmund, und dieſer berief beide Theile zu ſich nach Ba⸗ 
ſel, um das Concilium nicht eingreifen zu laſſen, wie es ſchon 
bei andern Staatsangelegenheiten, namentlich in dem lauen⸗ 
burgiſchen Erbfolgeſtreit, gethan. Sigmund ſprach zu Gunſten 
Des Rene von Anjou, für welchen fhon der verftorbene Her: 
zog fich erklärt hatte. Da Rene im nämlichen Zeitpunct von 1435 
der Königin Johanna von Neapel zum Erben dieſes Reichs 2. Bebr- 
eingefegt wurde, fo fpannte Philipp feine Ranzionsfoderungen 
nur höher und der Streit konnte noch nicht beigelegt wer 
ven 2). Auch bei dem Goncilium zeigten Philipps Gefanbte 
große Anmaßung: fie verlangten nach ben koͤniglichen Ges 
fandten, vor den Eurfürftlichen ihren Platz, worliber in einer 
eigenen Berathung befchloffen wurde fie vermifcht figen zu laffen. 

Beil nun Herzog Philipp bei allen feinen Landerwerbuns 
gen die Laiferliche Genehmigung nicht nachfuchte *), überhaupt * 


2) Haberlin Reichegeſch. V, 591. Monnert Geſch. Baierns 
1, 881 
2) Häberlin a. a. D. 485. 583 fi. 
9) Gr entſchuldigte fi, die hollaͤndiſchen Gravſchaften kin als 
Weiberichen nicht dem Reich verfallen geweſen. 


456 Bud IL. Eeſter Beitraum Abſchnitt 3. 


wenig nach dem Oberlehensheren fragte, auch Peine Huͤlfe ges 

gen die Huffitn gab, Sigmund alfo ſich vielfach verhöhnt 

ſah, fo fehloß diefer ein Buͤndniß mit Frankreich, das gleiche 

41434 Klagen hatte, und erließ auf bem ſchon gedachten Reichötag 

Zun. zu Ulm einen Fehdebrief an ben Herzog von Burgund. Bus 

| gleich foderte er die Reichöftände auf, benfelben feindlich an: 

zugreifen. Es erfchienen jebod wenige zu Ulm; deshalb ging 

er nad) Regendburg, um bie Unterhanblungen mit den Huffi 

ten zu beginnen, und fchrieb einen neuen Reichstag nad) 

Srankfurt aus, auf welchem Fürften und Stände wenigſtens 

durch Gefandte zu Rath gehen follten, was auſſer andern 

dringenden Angelegenheiten, Abftellung bed Fehdeweſens, Be 

ſchraͤnkung des Goncilium in weltlichen Sachen, befonbers 

gegen den ‚Herzog von Burgund zu thun fei, ber viele Lande 

innehabe, welche dem Reich zugebörten '). Allein es kam 

Nichts zu Stande, einerfeitd weil Sigmund in Böhmen und 

Uingern zu thun hatte, anbererfeits weil ben Reichsſtaͤnden 

alle Luft vergangen war, nach bem fehmäplichen ‚Huffitenkrieg 

wieber einen neuen anzufangen. Um jedoch Etwas zu thım, 

wollte Sigmund Repreffalien im Handel gebrauchen. Er 

ſchrieb zweimal an die Stadt Frankfurt, fie folle die burgun- 

°  bifchen Unterthanen auf alle Weife angreifen und befchädigen. 

Allein der Herzog wuſſte die Stadt über die thörichte Maß⸗ 

1435 regel zu beichren. Die Srankfurter ſtellten ſelbſt dem Kaiſer 

vor, daß es nicht möglich fei feinen Befehl zu.befolgen, ohne 

bie von den Kaifern und ihm felbft höchfibefreiten Reichs: 
Meffen zu verderben. 

Indeſſen ſchloß K. Karl VIL von Frankreich mit Herzog 

21. Sept. Philipp Friede; ed war ihm kein Preis zu theuer, die bur 

gundifche Allianz zu erfaufen; fo lange Beide lebten, foliten 

die lehensherrlichen Rechte über den franzöfifchen Antheil von 

Burgund ruben. Dazu wurden dem Herzog ein Paar fchöne 

Landesbezirke erblich uͤberlaſſen. Was. konnte unter biefen 

Umfländen Sigmund teutfcherfeitd thun? Auch die lothrin⸗ 

gifche Sache wurde ohne den Kaifer entfchieden. Rends und 

— Anton ſchloſſen unter burgundiſcher Leitung zu Ryſſel einen 


8 


1) Binbeck a. a D. S. 1855-69. Häberlin a. a O. 608, 


| 


Synode zu Bafet, 1431-1437. | 457 


Vertrag, nach welchen ber Exflere gegen -bebeutönbe Abtretuns 
gen und Entfhädigungen im Befitz des Herzogthumes Loth: 
ringen blieb '). So erhob fi in kurzer Zeit die burgundifche 
Macht zu einem Staate, der zwilchen Frankreich, England 
und Zeutfchland fi) zu behaupten wuſſte. Eine herrliche Läns 


derreihe bis zur Rordfee war unter einer weifen Regierung. 


vereinigt. Der Herzog von Burgund wurde ber reichfle Fürft 
in Europa, feine Länder die blühendften durch den Reichthum 
ihres Bodens und noch mehr durch ben audgebreiteten Hans 
bel und Gewerbfleiß ihrer Städte Unter Sigmund war 


nicht mehr von ber Oberlehensherrlichkeit über Burgund bie _ 


Rede. Die Verachtung gegen Kaifer und Reich, die er burch 
feinen Behbebrief wenden wollte, fiel auf neue auf ihn zurüd. 

Nachdem Sigmund bie Utraquiften, wie wir oben 
gefehen, in etwas zufrieben geftellt hatte, ging er zum Reichs⸗ 
tage nad) Eger, um einmal im Innern Xeutfchlands den 
allgemeinen Landfrieben berzuftellen. Sein Kanzler Schlid 


that ernflliche Anträge zu einer dauerhaften Berfaffung, be 


fonders zu Herſtellung der Reichögerichte und zur Reforma⸗ 
tion der heimlichen ober wefiphälifchen Gerichte. Aber bie 
geiftlichen Stände blieben aus: fo kam es wieder zu feinem 
Schluß *). Es war Sigmumds letzter Reichstag; er eilte 
zurüd nad) Prag, um bie Gegenreformation bei den Huffiten 
zu vollenden. Da entdedte er in feinem eigenen Palaſte eine 
Verſchwoͤrung, welche Alles, was er bisher für feine Erbmacht 
gethan, zu vernichten drohte. 

Mit feiner einzigen Zochter Elifabeth, H. Albrechts 
von Öfterreich Bemahlin, follten bie ſaͤmmtlichen Erblande 
auf eben dieſes Haus uͤbergehen, das Karl IV. zu beerben 
gehofft hatte. Zwar ſah er die Stammherrſchaft in anderen 
Händen und verkaufte ſelbſt die Mark Brandenburg; dagegen 
hatte er zu der boͤhmiſchen Krone eine zweite, die von Ungern, 
gebracht. Nicht damit zufrieden ſeinem Schwiegerſohn dieſe 


1) Kaͤberlin a. a. O. 588 ff. 


2) Binded a aD. S. 1272. R. Samml. v. Reichsabſchieden 
I. S. 152, Rachher kamen noch einige Stände zu Rürnberg zufammen 
des Banbfriebens wegen. j 


Aug. 


4558 Bud IIL Erfter Zeitraum. Abſchnitt 3. 


beiden Reiche zu binterlaffen, wollte er ihm auch das an Öfle: 
reich grengende nieberbaierifche Land zuwenden, das durch 
Herzog Johanns (von der firaubing-hollänbifchen Linie). Eins 
derlofen Abgang erledigt war. Ungeachtet bie baierifchen Lande 
mie Weiberlehen gewefen, fo machte H. Albrecht von Öfter 
reich doch Anfprüce auf das erledigte Furſtenthum, weil feine 
Mutter Johanna des verflorbenen Herzogs Schwefter geweien. 
Da man fah, daß er damit gegen bie Herzoge von Ober 
baiern nicht auskomme, ergriff Sigmund den von feinem Bas 
ter in ähnlichen Fällen gebrauchten Ausweg und erklärte un 
ter allerlei Vorwaͤnden das Land als dem Reich verfallen. 
Nach verfchievenen theils eingnber wiberfprechenben theils 
falſchen Urkunden, welde in diefer Sache aus der kaiſerlichen 
Kanzlei auögegangen waren '), Tprach jedoch ein Furſtengericht 
den oberbaierifchen Derzogen den Befiß zu mb fchlichtete den 
GStreit, den fie unter fich felbft hatten, dadurch daß fie nad 
Köpfen theiten folten. Unter dieſen Umſtaͤnden nahm ‚Herzog 
Albrecht für feine Anfprüche eine Summe Geldes und die in 
‚ Öflerreich Hegenbe baierifche Beſitzung Wilberſtadt. Nach 348 
Jahren kommt biefer Erbfolgeſtreit in größerer Bedeutung 
wieder zum Vorſchein ?). 

Indeſſen lag dem Kaifer bauptfächlich daran, noch bei 
Lebzeiten feinem Eidam bie Thronfolge in den beiden König 
veichen zu fichern. Bon den ungeriihen Magnaten hatte er 
bereit8 die Zufage, weil Elifabeth die Tochter feiner erften 
"Gemahlin Maria, der Erbin von Ungern, war. Aber feine 
zweite Gemahlin, Barbara von Eilly, fann auf ihr Ber 
derben; den baldigen Tod des abgelebten Kaifers vorausſehend, 
Befchloß fie der Stieftochter die beiden Reiche zu entreiffen umd 
für ſich zu behalten, indem fie, obgleich ſchon etwas bei Jah⸗ 
sen, dem jungen König Ladiflaus von Polen ?)ihre. Hand 


1) Daſſelbe geſchah im ſaͤchſiſchen Succefflonsflreit durch Konrab 
von Weinsberg, ohne daß es Sigmund befonders geahndet hätte. Sch. 
von Schwaben IV, 868. | 


S Das Wichtigfte hieruͤder iſt zufammengeftelt in Heinrichs teut: 
ſcher Reichtgeſchichte IV, 267 ff. 
8) Sohn bes Uladiflaus Jagello aus deſſen vierter Ehe mit Sophia, 


Spnode zu Baſel, 1431—1337. 459 


anbieten ließ. Sigmund und Barbara hatten ſchon fo oft bie 
ebeliche Treue gegen einander gebrochen, daß auch diefe Treu⸗ 
lofigkeit nicht mehr auffallen fonnte. Als Sigmund einfl von 
Bafel nach Ungern Fam, wurde ihm fo viel Schlimmes von 
ihr gefagt, daß er fie geraume Zeit nicht mehr fehen wollte 
und fie fo hart hielt, daß fie ganz elend und laufig wurbe‘), 
bis endlich die Stieftochter Elifabeth fie wieder mit ihm ver 
föhnte. Sonft verließ ſich Barbara auf ihre Reize, womit fie 
den ſchwachen Wolluflling immer wieder gewann. Nun vergaß 
fie aber auch alle Pflichten gegen bie Tochter. Sie gewann bie 
vornehmften Huffiten duich die Vorfielung, daß fie von H. 
Albrecht, als eifrigem Katholiken, fich nichts Gutes zu verſe⸗ 
ben hätten. Dies leuchtete ein. Als gekrönte Königin beſaß 
Barbara viele Schloͤſſer in Böhmen und Ungern; ihre Bruber 
Friedrich von Cilly und fein Sohn Ulrich hatten bebeutenbe 
Herrfchaften in Steiermark und Ungern und waren erſt vom 
Kaifer zu gefürfteten Graven erkoben worden. Mit ihrem Bei⸗ 
ſtand Hoffte fie die Sache leicht auszuführen. i 
As der Kaifer die Meuterei entdedte, gefiel er ſich im 
dem Gedanken feine Gemahlin zu überlifien. Da er in Böhs 
men wegen ihres Anhanges unter den Huffiten nicht mehr 1437 
fiher war, gab er vor, er wolle vor feinem herannahenden Nov. 
Ende noch einmal feine Tochter und ihren Gemahl in Mähs 
ren fehen. Wegen Schwachheit und pobagrifcher Schmerzen 
ließ er ſich in einer offenen Sänfte durch Prag tungen, - mit 
dem kaiſerlichen Schmud angethan und bie ſchoͤnen, weiſſen 
Roden mit einem Lorbeer umwunden. Man fab ihn fill weis 
nen; das verfehlte den Einbrud nicht. Seine Gemahlin mit 
ihrem Bruder und viele böhmifche Landherren von, der katho⸗ 
lifchen Partei folgten ibm. Sobald er zu Bnaim angelommen 
wars: ließ ee die Gemahlin verhaften, bevief die Zochter mit 
ihren: Gemahl zu fich und fertigte mit Beiſtimmung ber Land» 
berren eine Sefanbtfchaft unter dem beliebten Kanzler Schlick 
nach Prag ab, um Albrecht als Thronfolger anerkennen zu laf 


des Herzogs Andreas von Klow Tochter. Die erſte Gemahlin bes Sas 
- gello war Hedwig, Schweſter ber Marta, Sigmunds erfter Gemahlin; 
die zweite war Anna von Cilly, Schweſter der Barbara, 
1) Winded a co ©. &. 1149, ; 


460 Buch II. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 3. 


' fen. Kaum blieb ihm Zeit Tein Teſtament zu entwerfen, fo 
1437 erlag er der Erfhöpfung und flarb bafelbft nicht ganz 70 
9. Dec. Jahre alt 1). 

Alſo ſchloß Sigmund die Reihe ber Iuremburgifchen 
Kaifer. Bei dem mangelhaften Erfolg feiner ſechsundzwanzig⸗ 
jährigen Reichöregierung ift nicht zu überfehen, daß bie Auf: 
gaben zu groß, zu ausgedehnt umd zu verwidelt waren, als 
daß felbft ein Fürft von höheren Fähigkeiten und befferen 
Hülfsmitteln in Allem hätte genügen koͤnnen. Die Reichöfür: 
ſten konnten ſchon durch feinen Bruder Wenzlaw belehrt fein, 
wie wenig von einem König zu erwarten wäre, ber nicht eins 
mal feine Erblande zu beruhigen wuſſte. Dennoch wählten 
fie Sigmund, um von dem Haufe nicht abzumweichen. Zum 
erftien Mal feit dem großen Swifchenreich erhielt Teutſchland 
ein zwar durch feine Hausmacht dem Reich angehöriges, aber 
zugleih ein auswärtigesd Königreich befigendes Oberhaupt. 
Diefed Erbland feiner Gemahlin, Ungern, war faſt immer 
im Kriege mit den VBenetianern und Tuͤrken, wodurch aud 
die übrigen Verhältniffe in Italien geftört wurden. In bem 
väterlichen Erbland Böhmen griff‘ er voreilig ald Kaifer ein 
unb brachte ed zum Aufftand, ebe es noch an ihn fiel; fieb⸗ 
zehn Jahre konnte er deſſen nicht mächtig werben, und fo er: 
Märt es ſich ſchon daraus, warum er im Kaiferreiche noch viel 
weniger ausrichten fonnte, warum biefed bei den: vielen ins 
nern Reibungen wieder in einen Fehdezuſtand verfiel, den er 
kaum fo weit bemeiftern konnte, um Böhmen nicht ganz ver 
Ioren geben zu muͤſſen. 

Bei dem Allen haben fi) ihm doch manche günftige Um: 

“ fände dargeboten. Ohne fein Zuthun- wurde das Kaiſerthum 
durch die Kirchenverfammlung gewiffermaßen wieder auf feine 
frühere Höhe in der europäifchen Chriftenheit geftellt und Frank 
reichs Übermacht zuruckgewieſen. In allen Ständen war nicht 
nur lebhaftes Verlangen fonbern auch gemeflene Thaͤtigkeit, 
um dem Verfall in Kirche und Staat zu begegnen. Was 
konnte jegt ein Kaifee wie Briedrich II. tun! Doch Gig 


1) Auffer dem oͤſter angeführten Windel vergl. ar Sylr. 
Hist, Boh, ce. 52 sqq, Balbin, Epit. L. V. 


Synode zu Baſel, 1431—1437. 461 


mund erhob fich nicht zu dieſem Standpuncte. Im noch hoͤ⸗ 
berem Grade als fein Water dem päpflliden Stuhl ergeben, 
opferte er diefem feine Ehre, die Reichögüter, fogar einen 
heil der Erblande. Sein Geldmangel flürzte ihn von eis : 
ner Verlegenheit in die andere. Daß die Fürften, bie fonft 
fo leicht zur Kaiferabfebung fehritten, bei ihm gar nicht an. 
biefen Schritt gedacht, ift theils feiner Leutfeligkeit zuzuſchrei⸗ 
ben, mit der er fie immer wieder gewann, theild ihrer eignen 
Rathlofigkeit, theils aber und hauptfächlich feinem verſtaͤndi⸗ 
gen Kanzler Kafpar Shlid. Diefem giebt er ſelbſt das 
Zeugniß: „Schlick iſt Urfache geweſen, daß wir hin und ber 
Durchlommen und die Krone erlangten, dazu wir vormals nicht 
kommen mochten”. Schlick unterflüste ihn mit feinem eiges 
nen Gelde aus ben eröffneten reihen Bergwerken zu Joa⸗ 
himsthal; aus Dankbarkeit erhob er ihn zum Graven, zum &.,:. 
Reichs⸗Vicekanzler, zum oberfien Kanzler in Böhmen und 
Burggraven in Eger und fchenfte ihm viele beteutende Guͤ⸗ 
ter *). Diefer verdiente Mann, der überall im Zelde und im 
Rath um den Kaiſer war, auch ald Vertrauter feiner geheis 
men Geſchichten, konnte doch nicht gegen die Päpftier durch⸗ 
dringen, als er bie Keberverbrennung und bie nachherige Taͤu⸗ 
fung der Böhmen laut verwarf. - | 

Sigmund, der fchönfte Fuͤrſt feiner Seit, blieb dagegen 
in der perfönlihen Darftellung Meifter bis in die legten Aus . 
genblide. Er feste fich auf feinen Stuhl, ließ fich den kaiſe⸗ 
lichen Ornat anlegen und befahl nach feinem Berfcheiden ihn 
noch zwei oder drei Zage in diefer Stellung zu laffen, damit 
Jedermann fehen könne, „baß ber Herr aller Welt geflorben 
und todt fei”*), e ® 


. 4) Achtenflabt mit aller Zugehoͤr (Lünig 8. A. T. XXIIM.p. . 
1185,), das Reichslehen von Zodenburg, Uznach zc., in beffen Beſit 
jedoch Schlick nit fam. Müller Schweiger» Gefchichten III, 416— 
420, wo mehrere fehr intereffante Nachrichten Über Schlick aus Ur⸗ 
Eunden und Bamilienmittheilungen zufammengeftellt find. Sie geben je⸗ 
doch nur auf Eigmunbs Beil. Cine Lebensbefchreibung dieſes "Mannes, 
der unter drei Kalfern Kanzler war, wenn fie noch aus bem Familien⸗ 
archiv möglich wäre, muͤſſte wichtige Auffchläffe gewähren. 

2) Bindeck a. a. D. 


462 Bud II, Erſter Beitraum. Abſchnitt 3. 


Überfiht der Berfaffung unter bem Inrembur: 
giſchen Haufe 
Nach Verichleuderung der Reichsguͤter Entftehung einer 
kaiſerlichen Hausmacht. Bei der Nachlaͤſſigkeit der Luxem⸗ 
burger in der Reichſsregierung Aufnahme des Einungs- 
wefens in Staat und Kirche. Fortfchritte der Lan 
beshoheit. Der Reichstag über den Kaifer, die Kir 
henverfammlung über den Papfl. Wie die Erwartung 
der Voͤlker vereitelt worden. 


Neunʒig Jahre haben Karl IV. und feine Söhne, Wenzlaw 
und Sigmund, dem teutfchen Reiche vorgeſtanden. Zählen wir 
die frühern thatenweichen flnf Jahre Heinrichs VII. hinzu, der 
die Macht ded Hauſes gegründet, und wieder die etlih und 
‚breiffig Zwiſchenjahre, in welchen befien Sohn K. Johann 
von Böhmen die Oppofition erſt gegen Öfterreich, dann ge 
gen Baiern gehalten, bid es Zeit war Karl IV. zu erheben, 
fo ift das wohl ein Zeitraum, bei dem mit Recht gefragt 
wird: was hat das Iuremburgifche Haus audgeführt und nicht 
audgeflhrt, und wie ift ed unter ihm mit der Verfafiung im 
Ganzen geworben? 

Einmal, hat man angenommen, daß ber Kaifer nicht 
mehr ohne Erbland beftehen koͤnne gegentber von den Für 
fin, welche einen großen Theil ber Reichögüter und Rechte 
an fich gebracht. Der letzte Kaifer aud einem Sravenhaufe, 
der zum "legten Mal bie Oberbefehlshaberſchaft der 
Nation in Teutſchland und Stalien im alten Sinne -gefühet, 
bat doc, fogleih eine Landerwerbung gemacht, die fein Haus 
über bie andern Fuͤrſten ſtellte, zugleich aber auch der ganzen 
Reichöverwaltung eine andere BRichtung gab. Unter feinem 
Enkel Kari IV. wurde das ſlaviſche Nebenland Böhmen 
‚Mittelpunet des teutfchen Reichs. Der Kaifer hörte auf 
in den Gauen bin und berzuziehen; bie ‚Hofhaltung erhielt 
einen  feflen Sig; Sigmunb macht jeboch ſchon wieber eine 
Ausnahme, weil er erſt am Schluß feiner Regierung zum 
- Befig von Böhmen kam; zugleich fehlte es den Reichsgerich⸗ 








Berfaffung unter dem luremburgiſchen Hauſe. 463 


ten noch ſehr an einer feſten Geſtaltung. DaB Alles blieb 
nicht ohne bedeutenden Einfluß. 

Von der fruͤher bemerkten dreifachen Richtung in der An⸗ 
ordnung des Reichs hat unter dieſen Umſtaͤnden die erſte, wie 
leicht zu erachten, das Übergewicht erhalten, indem Karl IV. 
fhon ziemlich weit in dem Plane kam, durch Lehen und Ins 
corporationen eine böhmifchsteutfhe Monarchie zu ers 
richten. Selbſt die böhmifche Tracht wurde fihon von dem 
teutfchen Frauen nachgeahmt '). Die Kurfürften brachte Karl 
ganz auf feine Seite. Sein Haus beſaß ſelbſt zwei Kurlaͤn⸗ 
der; bie andern Finften wurben in Drud gehalten; nad ven 
Übrigen wenig gefragt. Was im Wahlgeſetz (der goidnen 
Bulle) mit Stiliſchweigen übergangen war, das gefchab: bie 
Krone blieb bei dem Haufe. Was diefed Geſetz eigentlich ver 
hüten follte, die Wahlzwiftigkeiten, das wurde doch nicht er 
reicht. Karte IV. Söhne und Neffen zerfallen unter fich ſelbſt. 
Dies Alles brachte Lähmung im die eigentlichen Reichögefchäfte. 
Die Habſucht, die Zreulofigkeit, die Entfittlihung des Haus 
ſes muſſten den Verfall herbeiführen. Wenige Fürftengefchlech« 
ter find fo ſchnell gefunfen wie das Iuremburgifche. In Hein 
rich VIL lebte noch einmal die ganze Kraft und Würde eines 
ritterlichen Kaiſets auf. Johann war Ritter, aber fein Regent. 
Karl IV. ift ein fchlauer Haußhalter, der fich zuletzt Doch vers 
rechnet. Wenzlaw bleibt roh und gefühllos für feine Winde. 
Sigmund, ein feiner Weltmann, bringt.ed zum Bankbruch. 
Mit der alten Zreue ift bie alte Kraft erlofchen. Aber wie 
fehnell gehen auch Karl Entwinfe unter feinen Söhnen zus 
ruͤck! Bei Wenzlaws Abweſenheit und Unthätigkeit tritt bie 
zweite Richtung in der Seftaltung des Reichs, bad Einungs« 
wefen, in feinem ganzen Umfange hervor. Die vom Ober 
haupt vernachläffigten Beinern Stände treten in Schutz buͤn d⸗ 
niffe und zwingen auch die größern zum Beitritt. Im ihrer 
Entgegenfetung verbirgt Wenzlam feine Unmacht. Die Stände 
aber erwerben fortwährend Rechte und Freiheiten, Bruch 
fläde ber höhern Staatögewalt, woraus bie Landes ho⸗ 
heit zufammengefebt wird. „Sie behaupten das m der 


1) Dr Gugelhauben. Limb. Chron. 19. 


464 Bud IL, Erſter Site Abſchnitt 3. 


Bumdniſſe zulegt ohne ben Kaifer, fowie fi) ber Reichötag 
über. die Gegenkoͤnige feht. 

Alſo iſt der Iuremburgifche Zeitraum, ungeachtet feines 
monarchifchen Anfangs, der eigentlich republitanifche ge 
worden, was fich auch noch in den folgenden oͤſterreichiſchen hin⸗ 
ein erſtrect Und in noch groͤßerer Bedeutung hat ſich dieſe Rich⸗ 
tung in der Kirchenverfaſſung gezeigt. Zwar trat Karl IV. 
mit der von Ludwig dem Baier bekaͤmpften Hierarchie in freund⸗ 
liches Verhaͤltniß, um in ſeinen Zwecken nicht geſtoͤrt zu wer⸗ 
den, ließ ſich von ber bereits gewuͤnſchten Reformation ab⸗ 
bringen und die Inquifition einführen; als dem erlangen 
bed Zeitalters nicht mehr Stillfchweigen geboten werben konnte, 
glaubte Sigmund. noch mit dem Papfle die Sache leiten zu 
koͤnnen. Aber die Kirhenverfammlung kam bald zum 
Gefühl ihrer ganzen Stärke. Die ftiüften, tiefften aller Ei⸗ 


nungen, bie Univerfitäten, treten hervor als Schiebörichtr 


der wichtigften Firchlichen und politiſchen Fragen, über welche 
nur Männer vom Fache entfcheiden koͤnnen; fie leiten nad 
wifienfchaftlichen Grundſaͤtzen die größte aller Gonföberationen, 
das allgemeine Conciium ber abenblänbifchen Ghriftenheit. 
Der gelehrte Stand erhebt ſich über den Priefterfland. 
Der Bürgerftand, das Volk überhaupt, flieht in großer Ex 


wartung einer grimblichen Verbeſſerung bed öffentlichen Zu⸗ 


fiandes. Wenn die zwifligen römiichen Königswahlen bie Uns 
macht bed Kaifertbums zugleich mit dem Eigennutze ber Kur⸗ 
finften an den Tag gegeben, fo haben bie im Zwiſt der Car⸗ 
dinaͤle verfchiebener Nationen gewählten Gegenpäpfle burd) 
ihre Schmähungen gegen einander das Geheimniß ihrer Her: 
ſchaft nebſt der tiefen Verderbniß der Kirche geoffenbart. Das 
Schifma in der Kirche Fonnte nicht mehr anders als durch 
Sottedurtheil d. h. durch den Schiedsſpruch ber Nationen 
- (da der fonft für untrüglic gehaltene paͤpſtliche 

war) gehoben werden. Das Goncilium erklaͤrte fi über ben 
VPapſt. Darin blieben die Väter ſtandhaft. Aber was fie für 
Herftellung der Kircheneinheit gethban, das wurde wieder 
Hindemiß der Reformation an Haupt und Bliedern. Wie 
fonnte man auch erwarten, daß Papft und Cardinaͤle fich ſelbſt 
reformiren würden? Darin hat die teutiche Nation zulegt, 


Berfaffung — dem luxemburgiſchen Hauft. 465 


dann aber auch am meiſten nachgegeben. Über die Einheit 
ber Lehre zerfiel der gelehrte Stand unter ſich felbfl. Die 
welche Feine Vertreter hatten, wurden als Ketzer verdammt. 
Der Seleitsbruh an Huß erregte den Fanatiſmus bei ben 
Böhmen in einer Art, wie ihn bis dahin unfere Gefchichte 
nicht gefehen. Eine furchtbare Warnung ſtehen dieſe Blut⸗ 
und Gräuel:Scenensda: wehe denen bie ein Volk aufreizen! 

Die bafler Kirchenverfommlung erkannte die Fehler der 
coſtanzer und wollte fie verbeffern. Die Zugefländniffe web 
che fie den Huffiten machte, mit Zurucknahme früherer Bes 
fhlüffe, follten jedoch unter der Leitung bes päpftlichen Lega⸗ 
ten nur dazu dienen die Böhmen zu trennen, zu lähmen und 
nad und nad) wieder zum Alten zurbdzuführen. Bei der Kir; 
henverbefferung im Allgemeinen brachte Thon Martin V. die 
fatale Maxime in Anwendung: in den Formen recht pumctlich 
zu Werke zu geben, die Aufmerkfamkeit zu zerſtreuen und das 
Befentlihe foviel möglich unberührt zu laſſen. Eugen IV. 
trat fogleich hemmend ein, als man dem Finanzwefen näher 
zu Leibe ging; ba er fich wohl gehütet felbft nach Zeutfchland 
zu kommen, konnte er einftweilen durch Verlegung des Con⸗ 
clium die Sachen aufhalten. Sigmunds neuer Treubruch 
an den Böhmen geſchah mit feiner Zuſtimmung. &o ward 
bie Erwartung der Völker verhöhnt, noch eine Zeit lang! 

Papft und Kaifer verflanden fih darin, daß Beide, bie 
hoͤchſten Würden der Chriſtenheit verfennend, nur ihre beſon⸗ 
dern Vortheile ſuchten, wobei jener durch Conſequenz mehr 
erreichte als dieſer. Das Papftthum wuſſte fich bald wieder 
feſtzuſtellen, obgleich der Zuſtand der Kirche noch lange 
ſchwankte. Das Kaiſerthum aber gerieth auf's neue in Zer⸗ 
fall. Bei der Vernachläffigung der Staatsſachen uͤber den 
kirchlichen Verhandlungen geriethen die Reichsgerichte und der 
Landfriede in Verwirrung, das Einungsweſen loͤſte ſich faſt 
auf unter zweckloſen Fehden und verlor ſeine eigentliche Rich⸗ 
tung. Die Reichskriegsverfaſſung kam erſt durch den Hufſi⸗ 
tenkrieg in ihrem ſchlechten Zuſtande an den Tag. Man: 
ſchwankte zwiſchen dem bisherigen Lehenaufgebot und geworbe⸗ 
nen Leuten. In der Stille fingen die Staͤdte an durch Be⸗ 
arbeitung der Feuergewehre eine Hauptveraͤnberung im Kriegs⸗ 

Pfifter Geſchichte d. Teutſchen II. 30 


466 Buch IL. Erfter Zeitraum, Abſchnitt 3. 


wefen vorzubereiten. Jene Begeifterung für die Sache der 
Kirche, welche wir zur Zeit der Kreuzzuͤge geſehen, Fonnte 
nicht mehr hervorgerufen werben. Die Ritterorben hatten ihre 
urfprüngliche Beflimmung verloren. Der Hocmeifler in Preufs 
fen Bämpfte um Landesherrſchaft wie die andern Fuͤrſten. 
Wiewohl K. Wenzlaws Kanzlei die Reichsgrenzen in einer 
Ausdehnung aufzaͤhlt die nie war, ſo hatte doch die Integri⸗ 
tät ſchon ſtark Noth gelitten. Die. ſuͤdlichen Provinzen ließ 
Karl IV. an franzöfifche Prinzen fallen. Daß Schlefien aus 
polniſcher DOberherrfchaft zu Böhmen gebracht wurbe, war zus 
naͤchſt Gewinn für das Iuremburgifhe Haus. Sigmund würs 
be die von K. Heinrich I. gegründete Marl Schleswig mit 
feiner gewohnten Gleichgültigkeit an Dänemark abgetreten has 
ben, wenn micht die Danfe dazwifchen getreten wäre. Als 
biefe ſelbſt in Abnahme gerieth, zog fih das Leben bes Handels 
immer mehr wefllich in die Niederlande. Eben dieſe, die ſchoͤn⸗ 
ſten und reichften Provinzen, wollte das neuburgundifche Haus 
vom Reich abreiffen, ohne daß ed Sigmund zu hindern wuffte. 
Das Eaiferlige Italien blieb faſt ganz ſich ſelbſt überlaffen 
und erlitt ebenfalld eine bebeutende Verminderung durch ben 
venstianifchen Freiſtaat. 

Mit einem Wort, bie Luxemburger haben Alles gethan 
für ihre Erbmacht, dann für die Kirche; das Kaiſerthum aber 
baben fie ſchmaͤhlich zerfallen laſſen. Dadurch wurden bie 
Stände ‚wieber auf ihre eigene innere Kraft zuruͤckgewieſen; 
es flanden auch, wieder Fürften auf, welche mit Kraft und 
Biederkeit in den Saug ber Dinge eingriffen. Die luxem⸗ 
burgifhe Hausmacht bagegen zerfiel zuletzt nach weit mehr und 
zeigt, daß das was wit Untreue esworben worben unmöglich 
Beſtand haben koͤnne. Was Ludwig der Baier an fein Haus 
gebracht, ging. doch erſt verloren, nachdem das Kaiſerthum bei 
einem andern Hauk war; aber Sigmund fing fhon ſelbſt 
‚an, feines Vaters Incorporationsſyſtem aufzulöfen. Im Haupt 
lande Böhmen zerſtoͤrte der Huſſitenkrieg alle Herrlichkeit, wel 
he Karl IV. gefchaffen. Wie 8. Johann durch bie boͤhmiſche 
Erbtochter aufgelommen, fg muſſte Sigmund dagegen froh 
fein, fich mit feiner Tochter dem bisher im Druck gehaltenen 
Haufe —— in die Arme zu ca Er wuſſte cuch 





8. Albrecht I, 1437—1439. 467 


nicht, was für einen Gegner er dieſem mit ben Hohenzollern 
in Brandenburg entgegenſtellte. Zu dem luxemburgiſchen Erbe 
iſt auch der Kanzler Schlick zu zaͤhlen, der erſt unter Koͤnig 
Albrecht Gelegenheit fand ſeine ganze Staatsklugdeit zu 
entwickeln. 

Um die fortwaͤhrende Zerruttung in — und Staet 
von Grund aus zu heben, muſſte noch einmal — weit 
zuruͤckgegangen werden. 


Vierter Abſchnitt. 


Verſchiedenartiges Wiederaufleben der Mo- _ 
narchie in Kirche und Staat im erften Zeit- 
raume des Öfterreihifhen Kaiferhaufes, mit 
allmäliger Herftellung der innern Verfaſ— 
fung durh Eoncordate, Landfriedensbuͤnd⸗ 
niffe, Reihögerihte, Gintreifung Bon 8. 
Albrecht IE bis 8. Marimilians L Tod. 
1437—1519 (82 Sabre). 


I. Gemeffene Maßregeln für den Land» und Kirchen 
Frieden unter K. Albrechts IL Furzer Regierung, 
+ 27. Oct. 1439, 


Lage der europäifhen Staaten bei ber Erhebung 
des Haufes Öfterseih. Der Kurfürften Neutralis 
tät in Abficht der Streitigkeiten bed bafler Con⸗ 
cilium mit Eugen IV. Doffnungen von 8. Al⸗ 
brecht I. Deffen Beitritt zur Neutralität. Bes 
fiunahme von Böhmen. Reihstagsverhandlungen 
unter dem Kanzler Schlid. Fortwaͤhrende Eifer⸗ 
fucht der Fürſten und Städte in Abficht der Lands 
30 * 


468 Bud IIL Erſter Zeitraum. Abſchnitt 4. 


friedensordnung und Einfreifung Mainzer cs 
ceptationsurtunde ber bafler Reformationspdes 
crete Neues Schifma: Felix V. gegen Eugen IV. 
K. Albrehhts I. Zod auf dem Rädwege vom 
Türkenkrieg. 


In dem Zeitpunct nach dem Erloͤſchen bed Iuremeburgifchen 
Kaiferhaufes bieten faft alle europäifche Staaten daffelbe Schau⸗ 
fpiel von Zerrüttung und Schwähe dar wie Zeutfchlant. 
Italien zieht die erfien Blicke auf ſich; es iſt gefeglofer als 
nach den Hobenflaufen. Nicht nur das kaiſerliche Anfehn if 
vernichtet, fonbern auch die päpftliche Macht; nach dem gro: 
ben Schiſma weiß man nit, wen ber Kirchenſtaat gehöre. 
Neapel erlitt mehrere Erfehltterungen in Abficht der Thron⸗ 
folge. Ober⸗ und Mittel-Italien blieb dem Kriegsglück der 
gibelinifchen und welfiſchen Gonbottieri überlaffen; das Land: 
volk wurbe Beute der Söldner oder Freicompagnieen. Won 
jenen batten einige auf den Zrummern der Republifen fuͤrſt⸗ 
liche Macht gegründet unb das Reichsvicariat an fich geriffen. 
Das Haus Vifconti, welchem K. Wenzlaw zuerfi die herzog⸗ 
liche Würde verkauft hatte, kam, troß ber inneren Erſchütte⸗ 


: ungen Mailands, zu einer Macht welcher K. Sigmund aus 


dem Wege geben muſſte. Bon eben diefem Kaifer erhielt 
Savoyen mis feinem ſchon ziemlich abgerundeten Gebiete und 
das gibelinifche Haus Gonzaga über einen Theil des man 
tanifchen Reichsvicariats gleithfalls den herzoglichen Titel. 
Die alten Markgraven von Ligurien, welche fi mehrerer 
Städte bemächtigten, dann die von Montferrat, auch einige 
andere mächtige Reichsvaſallen in ben Gebieten von Genua, 
Blorenz, Lucca, Siena waren nicht weniger thätig fich em⸗ 
porzufchwingen. So viele größere und Kleinere Gewalthaber 
lagen immer unter ſich felbft und mit den Städten im Unter 
druͤckungskampf. Während deſſen erhob fih Venedig aus feis 
nen Lagunen, um feine Eroberungen auf die norböflliche Lom⸗ 
bardei, auf ben Kirchenftaat und auf die neapolitanifchen Küs 
fien auszubehnen. Jener war zugleich durch innere Factionen 
zerrifien. Auf den frühverflorbenen K. Labiflaus, den letten 
aus dem Haufe Anjou, der noch einmal Ungern mit Neapel 


8. Albrecht IL, 14371439. 4600 


vereinigt und ganz Italien bedroht hatte, folgte ſeine Schwe⸗ 
ſter Johanna II., welche unter den durch ihre Lieblinge ver⸗ 
anlaſſten inneren Gaͤhrungen zuerſt den K. Alphons V. von 1420 
Aragonien adoptirte, dieſem aber nachher Ludwig von Anjou 
und nach deſſen Tode, kurz vor dem ihrigen, ſeinen Bruder 
René, Herzog von Lothringen und Bar, entgegenſtellte '). 1835 
Sind zuerft auswärtige Fuͤrſten durch den Beſitz von Neapel ® dc % 
angelodt worden, fo gaben nun die fortwährenden Zerwirf⸗ | 
niffe im obern und mittlern Italien Anlaß zu weiterer Ein⸗ 
mifhung, und bald wird Italien ber eigentliche Schauplag 
auf welchem bie europäifchen Mächte fich gegenfeitig befchräns 
fen. Dieſes Land zeigt das Vorbild von dem was Teutſch⸗ 
land zu erwarten hatte. 

Wie in Neapel und Sicilien ſo kam auch in den chriſt⸗ 
lichen Reichen in Spanien beim Sinken des koͤniglichen 
Anſehns eine gewaltige Ariſtokratie empor. Das große Über: 
gewicht dad Frankreich bis auf Karl VI. au in den Ki ” 
chenfachen behauptet, ſank eben fo ſchnell als das Iurembur - 
giſche Haus, das feine Sitten angenommen hatte. Die Fac⸗ 
tionen der Großen und bie Eroberungskriege der Engländer 
lieffen den Untergang ber Monarchie beforgen. Der junge 
Herzog Iohann von Burgund, ber feinen Nebenbuhler in 
der Reichöverwaltung, den Herzog Lubwig von Orleans, 
auf oͤffentlicher Straße in Parid hatte ermorden laffen und 1407 
bie Lehre von ber Rechtmaͤßigkeit des Tyrannenmordes kühn 
behauptete, wurde zwölf Jahre nachher zu Monteteau, unter 1419 
den Augen des Dauphin ebenfalld niebergeftoßen. Das Kriegs: 
glüd der Engländer wich erſt, ald der tapfere Baſtard von 
Orleans durch Johanna von Arc Bas Heer wieber begeifterte. 
Ein Jahr vor K. Sigmunds Tode wurde Karl VII. auf den 1436 
Thron feiner Väter eingefegt. Aber unter fimfundzwanzigs 
jährigen Kriegen und Parteiungen war ber Sinn für die alls 
gemeine Freiheit und flr die alten echte faſt ganz verloren 
‚gegangen; von nun an iſt es bloß ber Parteigeifl der Gro⸗ 
fien der die Eönigliche Gewalt beſchraͤnkt. 

In England gewann die Geiſtlichkeit en ber 


2 Häberlin Reichögefhichte V, 586 fi 


470. Buh I Deitter Zeitraum. Abſchnitt 4. 


Abweſenheit des Adels im franzöfifhen Kriege das lÜberge: 

wicht, um firengere Gefege gegen Wiklefiten u. A. durchzu⸗ 

ſetzen, auch gegen den Buͤrgerſtand eine feſte Stellung zu neh⸗ 

1421 men. Faſt gleichzeitig mit dem Huffitenkrieg hatte der Krieg 

zwifchen der rothen und weiflen Rofe begonnen (Lancaſtet 

und York),. der nicht nur die auswärtigen Unternehmungen 

hemmte, fondern auch eine große Berwilderung im Innern zur 

Bolge hatte. 

Unter diefen Rüdfchritten der Hauptftaaten hatte Teutſch⸗ 

land zwar Eeine Gefahr eines unmittelbaren Angriffö; aber in 

der Lombardei verlor dad Reich beträchtliche Streden durch 

die Eroberungen der Venetianer. Auf der Weflgrenze wur⸗ 

ben bie neuburgundifchen Lande ein ſtarker Aneignungspunct 

‚ fe die angrenzenden Stände. Indeſſen ſtand zu erwarten, 

‚ob Frankreich, England und die fpanifchen Reiche nicht eher 

erftarten wuͤrden als Teutſchland. Daran hing fofort bie 

Entfcheidung der Frage, wer daB lÜbergewicht, we nicht über 
Teutſchland, doch in Italien erhalten werde. 

Am Norben war das Reich fo ſtark, daß die drei ſcan⸗ 

1397 dinaviſchen Staaten, auch feit der Union von Salmar, den 

Unternehmungen der Hanfe, obgleich diefe ſchon ihre Höhe 

erreicht hatte, wenig Widerfiand thun konnten. K. Erich von 

Pommern hielt die Union nicht einmal zufammenz; er muflte 

1438 dem Herzog Chriftoph von Baiern weichen, der jeboch auch 
Det. nicht viele Achtung fich zu verfchaffen wouffte. 

Im Dften hingegen fah man zwei Staaten, über welche 
das Reich früher die Lehenshoheit ausdehnen wollte, im Fort: 
ſchreiten zu großer GSelbfländigkeit, Polen und Ungern. 
Sie waren nach dem Abſterben des polnifch-piaftifihen Stam⸗ 
mes vereinigt unter K. Ludwig dem Großen von Ungern, aud 
dem Haufe Anjou⸗Neapel, K. Rudolfs I. Enkel, der die Gren⸗ 
zen bis zur Oſtſee, zum adriatifchen und zum fehwarzen Meer 
erweiterte. Durch feine zwei Töchter wurden die Reiche wie: 
‚ber getrennt: die dltere, Maria, brachte Ungern, wie wir fri- 
ber gefehen, an das luremburgifche Haus; durch Vermaͤhlung 
der jingern, Hebwig, mit dem lithauifchen Fürften Ulabiflav 
Jagello, wurden Polen und Lithauen vereinigt, und das Reich 
gewann eine überlegene Macht gegen ben teutfchen Orden in 


8. Kibrege IL, 14377149. 471 


Preuffen. Ungern kam zwar ımter dem fchlaffen 8. Sigmund 
eine, Beit lang zuruck: zwei Gegenfönige von Neapel wurden 
gegen ihn aufgerufen, ex felbft einmal gefangen gefekt; die 
ungluͤckliche Schlacht gegen die Zürken bei Nikopolis brachte 
feinen Anhang faſt ganz herunter. Im Kriege gegen bie Bes 
netianer verlor er Dalmatien. Polen viß Rothrußland, Pos 
dolien, die Walachei an ſich. Sigmund muſſte auch die zipſer 
Staͤdte verpfaͤnden. Dennoch entwickelte das Reich im fort⸗ 
geſetzten Kriege gegen die Venetianer und Tuͤrken ſeine eigen⸗ 
thimiliche Kraft. Das Aufgebot und der Reichstag erhielten 
eine verbefierte Einrichtung. 

Ungern und Polen fanden jegt in demfelben Verhaͤlt⸗ 
niß, nur wit vergrößertem Maßftabe, zum teutfgen. Reiche 
wie vormals Böhmen und Öfterreich unter 8. Ditoßse 
zu Rudolf L Beit. Es ift auch derſelbe Plan, welchen deſ⸗ 
fen Nachfolger in Öfterreich, in Abſicht auf Ungern und 
Böhm en, fortfeßen, ohne fih durch die vielen und langwie 
zigen Hindemifle ermüben zu laſſen. 

Im Rüden von Ungern und Polen aber traten zwei noch 
größere Mächte auf, deren bie eine busch unaufhaltbare Er⸗ 
oberungen noch einmal Europa mit einer Voͤlkerwanderung 


1396 


bebroht, die andere, erſt von einer Ahnlichen, der tatarifchen, 


befreit, alle noch übrigen Siavenflämme zu dem audgebehn: 


teften Reiche, mit dem einen Fuße in Europa, mit dem ans 


dern in Afien, zu vereinigen anfängt: das find die Türken 
und die Ruffen. Die Lestern kommen zwar eben wegen 
ihres unermefllihen Spielraums noch geraume Zeit mit ber 
abendländifchen Gefchichte in Feine weitere Berührung ald mit 
der Hanfe und bem Zeutfhorben in Preuffen; die Erfiern 
aber greifen beflo gewaltiger ein und bebrohen, wo nicht wie 
die Araber die ganze Chriftenheit mit einem Umflurze, doc 
mit Zuruckdraͤngung auf die abendlaͤndiſchen und nordiſchen 
Staaten, indem ſie mit dem geſunkenen griechiſchen Kai⸗ 
ſerthum den Anfang machten. Von dem Urſtamme der 
Turkomanen am Irtiſch waren ausgegangen die Seld⸗ 
ſchucken, durch ihre Eroberungen das arabiſche Ghalifat und 
das perfifche Reich bedraͤngend, dann der Stamm der Os ma⸗ 
nen, anfaͤnglich nur aus vierhundert Familien beſtehend. Dieſe 


⸗ 


472 Bud IIL Erſter Zeitraum Abſchnitt a 


eroberten hei ihrem Anwachs nach und nach bie Laͤnder vom 

Zigris und Drieper bis zur Donau und zum Nil. Die 

Schwaͤche des griechifchen Reichs und die Heinen gegen Ungern 
‚gelegenen Staaten erleichterten ihre Fortſchritte; die Janit⸗ 
(charen waren die befte Fußmacht in der Welt. Zur Zeit ba 
Sigmund auf den teutfchen Thron gerufen wurbe, da nad 
der Beflegung Bajazeths durch den Mongolen Zimur bie 
Söhne des Erſtern unter fich felbfl zerfielen, damals foliten 
bie chriftlihen Mächte gegen bie Osmanen fich vereinigt ha⸗ 
benz allein fie betrachteten das griechifche Reich, weil ed mit 
ber römifchen Kirche nicht vereinigt war, als fremd und ſchiſ⸗ 
matifch und hofften, die tapfern Ungern wuͤrden wohl allein 
-Widerftand thun koͤnnen, wenn bie Reihe ber Unterwerfung 
an fie kommen werbe. 

Das war die Anfiht in Teutfchland, als nad K. Gigs 
munds Tode zur römifchen Koͤnigswahl geſchritten werden 
ſollte. Zuvor aber hatten die Kurfürſten noch eine andere 
Sorge. Da der Papft Eugen IV. eben jest, unter bem Bors 
wand bie Bereinigung mit den Griehen zu betreiben, das 
Concilium mit Widerſpruch der baſler Vaͤter nach Ferrara ver⸗ 

Feel legte, fo Tamen jene zweimal zu Frankfurt zufammen unb 
Dee. lieſſen eine Geſandtſchaft nach Baſel abgeben, um zu vermits 
teln. Die Väter wollten aber fo wenig nachgeben als der 

30, Dec. Papfl. ALS diefer vielmehr die Verlegung wiederholte und bie 
Berfammlung zu Zerrara wirklich eröffnete, fprachen die Baſler 

8. San, feine Suspenfion aus und wählten, weil ber Cardinal Julian 
27. Ian. Caͤſarini abging, den Garbinal Lubwig Allemand von Arles 
zum Vorfigenden. Beide Theile befchidten den Wahltag zu 

Frankfurt, um die Kurfürften für fich zu gewinnen '). Diefe 

wollten aber nın, da e8 einmal zur Zrennung gelommen, 
weder für den Papft noch für die Baſler unbebingt fich ent 
ſcheiden, fondern legten, als auch ihre erneuerte Vermittlung 
17. März. vergeblih war, eine foͤrmliche Proteflation nieder, ver 
möge beren fie während der Wahl eine genaue Reutralis 
tät beobachten, nach derfelben aber mit dem neuen vömifchen 
Könige unter dem Schilde bes Neutralität zur Herſtellung der 


D Harduin. Conail, T. VIIL IX, 








8. Albrecht IL, 1437 14390. 473 


Einigkeit nach allem Vermoͤgen arbeiten wollten 1). Um jeder 

Zrennung im Reiche vorzubeugen, traten fie drei Zage dar⸗ 

auf in einen Verein, wodurch fie fich verpflichteten, auch 

wenn die Kirchenfpaltung nicht geboben werben koͤnnte, den⸗ 

noch einträchtig zufammenzubalten *). Auf diefelbe Art hatte 

man es bei 8. Wenzlaws Wahl gehalten. | 
Während dieſer legten Verhandlungen gefchah die Abſtim⸗ 13, März. 

mung. Sie wurde einige Tage aufgehalten, einerfeitö durch 

Erneuerung der von Karl und Gigmund auögefchloflenen 

lauenburgifchen Anfprüche auf die fächfifche Kurſtimme, welche 

jedoch in Gemäßheit der goldenen Bulle abgewiefen wurben. ' 

Bon den Böhmen kam Fein Abgeordneter, weil fie uͤber Sig» 

munds Nachfolger noch nicht einig waren. Andererfeitd was 

ren die Kurfürfken anfimglich felbft getheilt zwifchen Fried⸗ 

r ich von Brandenburg und Herzog Albrecht von Öfterreich, 

in der That die angefehnften Yürften welche unter der -Iurems 

burgiſchen Erfchlaffung fich hervorgethan hatten. Der Kurfürfl 

Dietrich von Mainz wuffte jedoch die Stimmen, welche dieds 

mal auönahmöweife einzeln unter feinem Vorſitze abgegeben _ 

wurden ?), insgefammt zu Gunften bes Lestern zu lenken, und 

dere Kurfürft von Brandenburg trat ohne Groll zuruͤck. Es 

war dies der Wunſch des verftorbenen Kaiſers, der deshalb 

ſchon frühzeitig, namentlich bei dem Kırfürften Friedrich dein 

Steeitbaren von Sachſen, die Einwilligung nachgeſucht hatte *). (1425) 

Allein Albrechts eigener Wunfch war ed nicht, weil er voraus⸗ 

ſah, baß er in Böhmen und Ungern, welche ibm Sigmund 

binterlafien hatte, Beſchaͤftigung genug finden würde Die 

Böhmen hatten fih noch nicht Uber feine Annahme erllärtz 

den Ungern aber hatte er bei feiner Krönung eidlich verfpres 1488 

chen müflen die teutfche Krone nicht anzunehmen. Erſt auf 1-Ion- 

Zureben ber Zürften, namentlich feined Vetters des Herzogs 


2. Mär. 


1) Müller Neues teutfches Theater unter Briebrich III. Vorſtel-⸗ 
kung 1. Gap. 4. 

2) Guden. Cod, dipl. Mog. Tom. IV. Nr. 108. 

8) Laut des ig und Wahlberrets, Häöberlin 
Reichtgeidjiähte VI, 6. 

4) Hornd ein Friedriche der Streitbaren Urk 807. 


474 Bud II Erſter Zeitraum. Abſchnitt 4. 


Friedrich von der fleiermärkifchen Linie, unb auf Verwendung 
ber baſler Kirchenverfammlung bei ben Ungern um Exkaffung 
feines Eides, entfchloß ſich Abbrecht dem Vertrauen ber Sür: 
— ſten zu entforechen *). Soviel lag jetzt dem Reiche daran, ein 
Apr. mächtige Dberhaupt zu haben, das zugleich durch die Lage 
feiner Exblande die Zintengefahr abzumenden vermoͤchte. 
Einhundert und breiffig Jahre waren feit K. Albrecht J. 
verfloſſen, mit eingerechnet den Kronſtreit Friedrichs des Schoͤ⸗ 
nen gegen Ludwig den Baier, ba bie Herzoge von Oſterreich 
von der ReichEregierung verdrängt und noch durch eine eigene 
Erklärung Karls IV. davon ausgeſchloſſen worden *)., Run 
Tam die von K. Rudolf I. hergeftellte Krone wieder ungefucht 
an fein Haus und blieb von biefer Zeit an bei demfelben, mit 
‚einer einzigen Unterbrehung im baierlfchen Succeffiondkriege, 
"im Ganzen 363 Jahre bis zur Auflöfung des Reihe. Soviel 
hat diefe Wahl entfchieden. Wer kann fagen, wie die Ver: 
bältniffe Teutſchlands geworben wären, wenn bie Fuͤrſten fer 
ner in der Wahl minder mächtiger Häufer gewechſelt härten, 
oder wern bamald Brandenburg zur Beichöregierung ge 
Tommen wäre? Im letztern Fall würde fchon die Verlegung 
der Hauptmacht in das nörblihe Teutſchland ober auf bie 
fränfifhen Fuͤrſtenthuͤmer große Veränderungen nad) fih ge 
sogen haben. Nun blieb fie fortwaͤhrend in Suͤdoſt. Weiter 
laͤſſt fi von Möglichkeiten nicht fprechen. Wie vormals jener 
Burggrav Friedrich von Nürnberg bei Rudolf I. Wahl tha- 
fig gewefen, fo ift auch fein biederer Nachkomme, der Kur: 
fürft Friedrich gegen Albrecht zuruckgeſtanden und bat ihm bald 
wefentfiche Dienfte bewiefen. 

/K. Abrecht II. war in der That ein ganz anderer als 
K. Albrecht I. und eben fo verfchieden vom K. Sigmund. 
Schon feine Erziehung kann nicht die gewöhnliche genannt 
werben. Nach dem frühzeitigen Tode feines Vaterd, Herzog 


1) Winde am Schluſſe der Lebensbeſchreibung K. Sigmunds 
Aen. 8ylv. Hist. Frider. III. c. 5% sqq. Vit. Arenpek. Chron. 
Austs. ad a. 1438. Guden. Cod. dipl. Mog. T. IV. Nr. 110. 


2) Schals zuverläffige Rachrichten von bem zu Mainz anfbewahr: 
ten Reichsarchiv. 1784. &, 58 


8. Albrecht I., 1437—1439. 475 


Abrechts IV. von der Öfterreichfichen Linie, unter die Voi⸗ 
mundfchaft feiner drei uneinigen Oheime von ber fleiermärfer 
und tiroler Linie geftellt, warb er gegen bie Zerſtreuungen 
eine8 üppigen Hoflebens geſchuͤtzt durch feinen treuen Lehrer . 
Andreas Blank, Pfarrer zu Garften, den er machher zum Bis 
fhof von Zreifingen erhob, und durch die Leitung des biedern 
Remprecht von Waldfee, aud einem ſchon unter K. Rudolf 
nach Öfterreich gefommenen ſchwaͤbiſchen Geſchlecht. Der Letz⸗ 
tere betrieb wider Willen der Vormuͤnder, mit Einſtimmung 
der Stände, feine Einſetzung in das zerrättete Land und wurde 
fein Hofmeifte. Er war es auch der mit Kaſpar Schlick 
Albrecht Bermählung mit Sigmunds Xochter zu Stande 
brachte. Bei aller Berfchiedenheit in der Handlungsweiſe er: 
hielt Albrecht das Vertrauen feines Schwiegervaters und wurde 
bald deſſen vomehmfte Stüge durch feinen Kriegsmuth. Als 
ihn Sigmund fragte, wen er den Oberbefehl gegen die Huſ⸗ 
fiten anvertrauen folle, fprach er: „wenn Ihr einen Adern 
wiffet als mich, fo nennt mich nicht mehe Herzog von Bfter: 
reich.” Er war groß und überaus flart, durch Jagd und 
Waffenuͤbung abgehärtet. Seine blauen Augen waren voll 
Beuer. Man verfichert, daß er auffer feiner Gemahlin kein 
Weib berührt habe. In feinem Angeficht, unter blonden Lo⸗ 
den, war Milde und Ernſt vereinigt. Wer ihn nur fah, war 
überzeugt, daß er ed gut und reblich meine. „Reine beffere 
Leibwache“, ſprach er zu feinem Schwiegervater, „als ber Un: 
. terthanen Liebe!" Mit ungemeiner Wißbegierde umfaflte er Al: 
le8 was ein Fürft zu verſtehen braucht. Seine Feftigkeit flieg 
mit den Hinderniffen. Was er einmal reiflich überlegt hatte, 
das pflegte er mit ungeftümer Schnelligkeit auszuführen, nad 
feinem Sprichwort: gefhwind gewinnt! Seine flrenge Ge: 
rechtigkeit bewies er fchon als ein junger Fuͤrſt in der Hand⸗ 
habung der öffentlichen Ruhe und Sicherheit in Öfterreich. 
Eines ſolchen Dberhauptes bedurfte Zeutfchland. Für dem 
Glauben der Väter hatten ihm feine Erzieher großen Eifer’ 
eingeflößt. Durch biefen ließ er fich zu Grauſamkeiten gegen 
Ketzer und Juden hinreiſſen. Dies entflellt fein fchönes Bild. 
Er theilt diefen Fehler mit feinem Zeitalter, doch theilte er 
Sigmunds blinde Ergebenheit ‘gegen: den päpfllihen Stuhl 


“ 


476 Bud IL Erſter Zeitraum. Abſchnitt 4. 


‚ mit. WS üben biefer einen Biſchof zu Paffau aufbringen 
wollte, berief er fi) auf ein allgemeines Goncilium: „wolle 
man ihn", ſprach ex, „mit geifllichen Waffen angreifen, fo 
werde er das weltliche Schwerbt zu gebrauchen wien.” So 
trat er denn auch ber Neutralität der Kurfürften zwifchen Papfi 
und Goncilium bei. Lebtered verglich ihn einem Quadrat, das 
tiberall gleich unzugänglicy wäre '). 

Albrecht fchrieb nad) der Annahme der Wahl einen Reiche 
tag nach Nümberg aus, fowohl wegen ber Kirchenfachen ald 
wegen bes Landfriedend; dann wollte er ſich zu Aachen kroͤnen 
laſſen 2). Allein er war fchon fo tief in die erbländifchen An 
gelegenheiten verwidelt, daß er nicht kommen konnte. Em 
heil von jenen gehört jedoch in unfere Gefchichte, als For: 
ſetzung der böhmifhen Religionsfpaltung. Kanzler Schlick, 

1437 vor Sigmund Zob nad) Prag abgeorbnet, brachte zwar bie 

27. Der. katholiſchen Landherren auf Abrechts Seite, aber die gegen 
ihn eingenommenen Utraquiften wählten, unter Zeitung des 
Heinrich Ptarfco, zu Tabor den bdreizehnjährigen Bruder bei 
Königs Uladiflaus von Polen, Cafimir, zum Könige an 

1438 demfelben Zage da die Katholifhen zu Prag fih für As 
6. Dal. hrecht ausfprachen. Beide Theile gingen alfo zum Wahlrecht 
zurüd, wie auch die Ungern gethan, ungeachtet das Erbrecht 
fhon auf Albrechtd Seite war. Da ber König von Polen 
fi nicht abmahnen ließ feinen Bruder zu unterflügen, fo 
befchloß Albrecht zuvorzulommen; er eilte mit einer kleinen 

29. Zun. Schaar nach Prag und ließ fich dafelbft kroͤnen. Dies geſchah 
noch vor dem nümberger Reichötage. Da inbeffen die Polen 
in Böhmen und Sclefien einfielen, zog Albrecht flärkere 
Schaaren aus den Erblanden an fi und bot auch bas Reid 

- auf. Da bewies ihm ber Kurfürft Friedrich von Branden⸗ 
burg bie thätigfle Huͤlfe; er fanbte feinen dritten Sohn U 
brecht, wegen feiner Tapferkeit Achilled genannt, mit einem 
Buzug. Mit diefem vereinigten Heere griff Albrecht. die Po: 
Ien und Utraquiften bei Zabor an und fchloß fie in die Stadt 


1) Rah Fugger Ehrenſpiegel ıc. &. 402. 412 ff: 506 FE. 
2) Auffer Windel a. a D. Wonker. Appar. archiv. p. 387. 


8. Albrecht IL, 1437—1439, 477 


ein, bis fie durch Hunger gendthigt den Rüdzug begehrten. 
Dann fandte er den jungen Markgraven Albrecht als Statt⸗ 
halter nach Breſlau, ber durch einen Angriff auf Polen bie 
in Schleſien eingefallenen Schaaren zum Rüdzug bradte. 2 ri 
Nun trat das Concilium zu Baſel vermittelnd ein, um weis 
teres Blutvergiefien zu verhindern. K. Albrecht ging felbft 
nach Breflau; boch brachte er's mit den Polen wie mit den 
Utraquiften nur zu einem Stilftand, während ihn ber Zürs rg 
kenktieg nach Ungern rief ?). 

Im Laufe diefer Begebenheiten wurbe denn ber Reichstag 2438 
zu Nürnberg gehalten unter ber Leitung des Kamylers Schlick. I 
Wegen der Kirchenfpaltung hielt man für dringend erſt einen 
allgemeinen Landfrieden herzuſtellen. Der Kanzler ging ouf 
bie unter Wenzlaw und Sigmund erlegenen Verhandlungen 
zurüd: wie vormald im mergentheimer Landfrieden follten die 
Fleineren Reichslande (der aufgelöften Herzogthuͤmer) wieber 
in vier Landfriedenstreife zufanmentreten, jeder unter 
einem Hauptmann, zur Handhabung der Sicherheit gegen 
Befehdung und zur Vollziehung der gerichtlichen Ausfprüche, 
Diele vier Kreife folten umfaflen: 1) Franken und Baiernz 
2) Rheinlande und Schwaben; 3) Niederrhein, Weftphalen 
und Niederlande; 4) Ober: und Nieberfachfen. Öfterreich, 
Böhmen und die kurfürftlihen Lande blieben auögenommen 
(als gefchloffene Zerritorien). Allein der Antrag fließ wieder 
auf diefelben Schwierigkeiten wie vormald. Die Städte bes 
forgten bei ihrem Zufammentritte mit den Zürften die bisher 
erworbenen Freiheiten gegenüber von biefen einzubüßen. Sie 
hatten ſich deöwegen fchon vor dem Reichstage mit nue 
zu Ulm verbunden, um das was in ber leuten Reichsver⸗ 
fammlung zu ger zur Freiheit des teutfchen Reiche, d. h. 
der ihrigen, vorgetragen worben, feflzuhalten. Da fie nun 
mit den Zürften fich nicht vereinigen Eonnten, fo übergab 
jeder Theil einen befondern Landfriedensentwurf an bie koͤnig⸗ 
lichen Commiffarien. In den Kirchenfachen konnte man eben 
fo wenig zu einem Vergleiche zwifchen den Abgeorbneten beis 
der Theile fommen. Daher fchrieb K. Albrecht wieber einen 


1) Rab Balbin. und Aen. Bylv. Hist. Bohem. c. 55. 


v 


478 Bud I, Erſter Beitraum. Abſchnitt 4. 


1438 andern Reichstag⸗ auf den Herbſt deſſelben Jahred nach 
16. Dct. Nürnberg aus, indem er ſich entſchuldigte, daß er durch merl⸗ 


liche vorliegende Sachen verhindert waͤre perſoͤnlich zu der 
Sache zu thun. In der Zwiſchenzeit bot er die ſchon gedachte 
Reichshuͤlfe gegen die Böhmen auf. Die Fuͤrſten und bie 
Städte hielten wieber befonbere Zufammenkünfte in ihren Ans 
gelegenbeiten. Auf ber zweiten Verſammlung zu Nürnberg 
ließ dann 8. Albrecht durch den Kanzler Schlid einen aus den 
Entwürfen der Zürften und Städte zufammengefeßten „Rath 
fhlag" vorlegen über folgende Gegenflände: 1) Erneuerung 
der goldenen Bulle Karls IV. nach ihrem ganzen Inhalt, 
befonder8 gber in Vetreff der Befehbungen und Pfahlr 
bürger mit flarfer Verpönung biefer zwei Puncte. 2) Bel 
fere Beftelung der Gerichte und Anordnung der Xusträge 
mit ter Beſtimmung, daß die Reichsſtaͤdte vor Niemand als 
dem roͤmiſchen Könige oder feinen Beauftragten und in bef 
fen Abwefenheit vor ben Kreishauptleuten zu Recht fichen 
follten. 3) Verbeſſerung der Münze und Beflrafung ber 
Überfchreitungen. 4) Eintheilung der Reichslande mit Ber 
tritt der Eurfürftlichen in ſechs Landfriedendkreife flatt ber 
vorgefchlagenen vier, wovon bie beiden erftern je in zwei ge 
theilt werden follten; Böhmen und Öfterreich wieber ausge⸗ 
nommen. Die in jedem Kreife befindlichen Stände von Her 


"sen, Rittern und Städten follten einen Kreishbauptmann aus 


ben Zürften und zehn NRäthe aus den Ständen wählen. 
Dad Neue dieſes Vorſchlags befleht Darin, daß die Stände 
nicht mehr nad Claſſen ober Parteien fondern nah Lans 


desbezirken zu einander gerottet wurden und alfo ein geos 
graphiſches Ganzes, wie in ben alten Herzogthuͤmern, aus⸗ 


machten. Wiewohl nun 8. Albrecht darin den Fuͤrſten nad: 
gab, daß namentlich die Stäbte in keiner befondern Partei 
mehr ihnen gegenüber fliehen follten, wie in den porigen Lands 
friedensbünbniffen, fo waren doch die Kurfürften daruͤber ums 
zufrieden, daß benfelben ein unmittelbarer Gerichtöftand vor 
behalten wurbe. Sie befchuldigten den Kanzler, daß er, durch 
Geld gewonnen, ben flädtifhen Entwurf vorgezogen. Das 


maochte nun nicht ganz leer fein, weil es laͤngſt fo hergebracht 


war; indeffen wurde der Kanzler ungebalten und erwiederte: 


8 Albrecht Ak, 14371439... 79 


er werbe bie Sache an ken ömifiken König Bringen, der dann 
einen Landfrieden gebieten werde. Die Verhandlungen en⸗ 
digten mit einer neuen Vertagung nach Frankfurt, weiche aber 
wegen ber Pefl nach Mainz verlegt werden mufite ?)- 

Hier finden. wir jedoch bie Lanbfriebendfäche: nicht mehr 1139 
berührt, weil die kirchlichen Streitigkeiten. immer eenfihafter Febr. 
wurben. Jeder Theil, das baſter Goncilium und: ber Papſft 
Eugen IV. mit feinen GConeilium zu Ferrara, wollte das Reich 
auf feine Seite. ziehen. Der Reichsſtag aber beſchloß in fol« 
gerechter Neutralität, daß dad Verfahren der haften Vaͤter ges 
gen den Papſt eingeftellt und die Kirchenvesfammiung an einem 
dritten Ort verlegt werben ſollte, weil die Baſler daruͤber ſelbſt 
nicht mehr einig waren. Weiter befchloß der Reichſtag, da 
bein Theil nachgeben wollte, die ‚ganze Streitigkeit auf bie 
Seite zu fielen und einftweilen die bafler Beſchluͤſſe auf die 
Grundlage der coſtanzer mit gewiſſen Beſchraͤnkungen unb mit 
Ausſchluß des Papſtes anzunehmen, bamit der Weg zur Ver⸗ 
föhnung mit demfelben offen bleibe. Diefe Reformationsde⸗ 
cxete, an der Zahl ſechſsundzwanzig, bezogen fich, auſſer meh» 
reren Segenftänben der Liturgie und der Kixchenbifeigin, haupt⸗ 
fächlich auf Beſchraͤnkung der näpfllächen Reſervate ‚zufolge bee 
Beſchwerden ber teutſchen Nation. Diefe Beflätigung des 
Reichstags heit die mainzer Acceptationdurtunde, 26. Mär. 
womit die bafler Wäter zufrieden waren ?). 

Nicht lange darnach gelang es bem Papſte Eugen IV., J— 
auf ſeinem nach Florenz verlegten Concllinm, die Union mit 
dem dahin gekommenen griechiſchen Kaiſer Palaͤologus und 
ſeiner Geiſtlichkeit ſoweit einzuleilen, daß dieſe in drei Diffes 7. Iut. 
renzpuncten (vom Audgang bed heiligen Geiſtes, Fegfeuer 
und Primat des Papfles) den. Lateinern nachgeben wollten, 
ber vierte aber (vom ungeſaͤuerten Brod beim. Abendmahl) 
jeden Theils bisheriger Gewohnheit: überlafien bleiben ſollte. 
Diefe neh ſehr unfichere Übereinkunft machte Eugen fegleich 
mit großer Sreude befanmt: unb fobnnie ale Könige und Yürs 


1) Reue ee * Beiäpfäie Th. Rum. u f. Gr 
Thichte von Schwaben V, 8 ff. 


2) Koch sanctio pragmat. — Ulustr. p. 9. 


450 Bud IL Erſter Zeitraum. Abſchnitt 4. 


Ben der Chriſtenheit auf, bie Griechen von ber muhamebani 
ſchen Knechtſchaft zu erretten. Allein man hörte nicht darauf. 
Die baſler Väter waren indeflen in ihrem Berfahren fortge⸗ 
4430 fhritten: da Eugen ihrer Einlabung nicht Folge leiftete, fe 
25. Zun. fetten fie ihn förmlich ab als Schiſmatiker, Keper und Der 
j ſchwender der Kirchengliter, und obgleich Frankreich biefen 
misbilligte und Teutſchland in der Neutralität behartt, 
5. Rov. fo wäßlten fie doch einen ande Papfl, den vormaligen Her⸗ 
z0g Amabeus von Gavoyen, ber fih Felix V. nannte '). 
So flanden nun, trotz der Vorkehrungen der großen coſtan⸗ 
zer Kirchenverfammlung, wieber zwei Päpfte gegen einander 
im denifelben Zeitpunct, be man fchon bie Griechen zur Union 
gebracht zu haben glaubte. j 
Wenige Zage vor dem Ausbruche dieſes neuen Schiſm 
277.Dct. Harb K. Albrecht II. eines früßzeitigen Todes auf dein Ruͤckwege 
von einem ungluͤcklichen Kriegözuge gegen die Türken, welchen 
ex in Verbindung mit bem Defpoten Georg von Servien unter 
nommen hatte. Im Gedränge durch die tuͤrkiſche Übermacht hatte 
Georg. [hen früher den Beiſtand der Ungern durch die Abtre⸗ 
4436 tung von Belgrad erfauft, dann aber dem tärkifchen Sultan 
Murad 1I., der ihn deshalb anfiel, feine Tochter Maria zur 
' 1438 Ausföhnung gegeben. Desungeichtet überzog ihn biefer zum 
zweiten Mal und verlangte feine Hauptfladt Gemendria. K 
44139 Albrecht, von Georg zu Hülfe gerufen, kam gleich nad dem 
boͤhmiſchen Stillſtande nach Ungern und rüflete fi mit um 
gefähe 24,000 Mann bem viel färkern türkifchen Heere cine 
Schlacht zu liefern. . Der Sultan aber ehrte Albrechts Muth 
und Biederfinn: mit einem fo frommen und tapfern Fürften, 
dem er acht gegen einen entgegenftellen koͤnne, werbe er niht 
Schlagen. Zugleich fandte er ihm Briefe von ungerifhen Ma⸗ 
gnaten welche ihn versathen wollten. Als diefe nun in ber 
Nacht das Lager nerlieflen, entfland das Wolfögefchrei, ber 
Ruf zur Flucht. Die beiben Heere litten uͤberbies an ber Ruhr. 
Albrecht wurde auch davon ergriffen und ſtarb auf bem Wege 
27. Det. nach Wien zu Langendorf im 42ſten Jahre feines Alters ®). 


1) Harduin. T. VII. IX, 
2) v. Hormaps Öftere. Plutarch Ltes Bochen &.92 f. Ares ©. 35. 


- na 


0 8 Albrecht I, 1437-1439. 481 


„Set Chriſti Geburt,” ſagt Winde im Anhange zu. 
K. Sigmunds Leben, „if fein König von Edeln und Unebeln, 
Reichen und Armen fo bekauert worden ald Albredit.”" Su 


der That bat biefer unvermuthete Zob Alles wieder zurüdiges ° 


worfen, was fowohl für’ die, oͤſterreichiſche Hausmacht als in 
den Reichs⸗ und Kirchens Sachen in kurzer Zeit mit foviel 
Nachdruck eingeleitet worden. Die Erblande folten erſt er⸗ 
warten, ob Albrechts ſchwangere Gemahlin einen Sohn gebäs 
ren würbe, und kamen barüber in eine miöliche Lage. Die 
tuͤrkiſche Macht wuchs furchtbar heran; die Union ber Grie⸗ 
chen und Lateiner Fam nicht zu Stande, weil es jenen Fein 
Ernft war und dieſe wieber unter fich felbft zerfielen. Die. 
Lanpdfriebensanftalten firandeten auf’ neue an ber alten Eiferfucht 
der Fürften und Städte. Im den teutfchen Kirchenfachen als 
lein ift man durch die bafler Decrefe. etwas vorwaͤrts gekom⸗ 
men. Doch erfennen wir in Albrechts Furzer Regierung bie 
Har gefaſſten Grundzüge der Reichöverfaffung, deren Auss 
führung für den Nachfolger die Aufgabe eines halben Jahr⸗ 
hunderts wurbe. 


II. Alimäliges Reifwerden der Kirchen: und 


Reichs-Verfaſſung neben demöſterreichiſchen. 
Hausplan unter K. Friedrichs II. 583jäͤhri— 
ger Regierung. 1440-1493. 


1. Die Hauptaufgaben und Schwierigkeiten. 


Kurfürftlenvereinund Stäpteeinung vor ber Wahl 


Man bleibt bei dem Haufe Öfterreih. Friedrichs 
II. Eigenfhaften. Lage des Haufes. Des Reichs⸗ 
tags firengfle Neutralität und ſchiedsrichterlicher 
Spruch in Betreff der Verlegung bes Concilium 
an einen dritten Drt. Aviſamenta der teutfhen 
Nation. Selbfipülfe der Stände in Betreff des 


Landfriedens. Die Ritterfhaft von St. Geor⸗ 


Pfiſter Geſchichte d. Teutſchen TIL 31 


482 Buch IL Erfer Zeitraum, Abfchnitt 4. 


gen Schild. Friedrichs erſter Reichſtag und Kroͤ⸗ 
"nung. Rüdfritt von ben legten Landfriedens⸗ 
entwürfen, 


1439 Die Kurfürften waren eben zu Mainz i in den Kirchenan- 
gelegenheiten verfammelt, als die zwei Nachrichten von X. Al⸗ 
brecht8 Tode und der ausgebrochenen Kirchenfpaltung einlie 

11. Rov. fen. Sie emeuerten deswegen fogleich ihren Verein zu Be 
bauptung einer firengen Neutralität; bald darauf ſchloſſen 

20. Dec. die drei Erzbifchöfe zu Lahnſtein einen geheimen Vertrag fir 
eine einhellige römifche Koͤnigswahl. Weil die legten Reid 
tagäverhanblungen in ber Landfriedensſache Feine Entſcheidung 

81. Dec. herbeigeführt hatten, fo wollten die Städte zu Coͤln wieder 
‚einen Bund unter fih errichten. Diefer Tag Fam nicht zu 
Stande. Indeffen traten die vier Mheinftäbte Straßburg, 
Speier, Worms und Mainz zufammen und verbanben fid 
dem neuen römifchen Könige nicht eher zu hulbigen, bis er 
ihre Freiheiten beftätigt baben würde; einem zwiefpältig 
erwählten aber erſt nach weiterem Verſtaͤndniß unter fich bei 
zufallen '). 

Einftweilen vereinigten fünf Kurfürften ihre Stimme 
für Friedrich, den dlteften von den Herzogen: von Öfler 
reich, fletermärker Linie, Sohn H. Ernſts und ber Limburg 
von Mafovien. Sein vormaliger Geheimfchreiber, Johann 
Gert, wiberrieth die Wahl, weil Friedrich ein 
rubeliebender Here wäre.?). Diefe Überzeugung theilte ohne 
Zweifel der alternde Kurfürft Friedrich von Brandenburg; ca 
flimmte für den Landgraven Lubwig von Heſſen. Da bie 
Threonfolge in Böhmen noch nicht entfchieben war, fo fandten 
die Stände, um nit wie das leute Mal ihres Wahlrecht 
verluftig zu gehen, Heinrich von Plauen ald Abgeorbneten, 
der nach einigen Bebenklichleiten von ben Kurfürften ange 
nommen wurbe, während alle Fremben, namentlich die Ge 


1) Wenker App. archiv. num. 6%, 


O Häberlin RKeichtgefchichte VI, 75. Es tft wahrfcheinfich ber 
felbe Johann Gers zu Frankfurt, ber dei Gobellin. comment. p. 11. 
meordax.et invidae mentis homo heifſt. 


⸗ 





- 8 Friedrich IH, 1440—148. 483 


fanbten bed Papſtes und bed Conciliums, Frankfurt verlaſſen 

nufften. Diefer Abgeordnete flimmte ebenfalls für Ludwig ' 

von Heflen. Die Stimmen wurden wie bei Albrechts II. Wahl | 

einzeln aufgenommen. Da jeboch bie ‚fünf Kurfuͤrſten bei ih⸗ 

rem Vorhaben beharrten, ſo traten die zwei andern auch uͤber, 

und fo wurde Friedrich von Öfterreich als einmäthig erwähls 

ter römifcher König erflärt '). 1440 
Friedrich rechtfertigte dad Zeugniß feines Geheimfchreibers, 

ben ex befann ſich zu Wien nicht weniger als elf Wochen, 

bis er dem Wunſche der Kurfuͤrſten entſprach. Noch einmal 

ungefucht kam alfo die teutfche Krone an das Haus Öfterreich. 

Friedrich war noch nicht 25 Jahre alt. Sein Sinn fand weit 

mehr auf die flillen Befchäftigungen des Privatiebens als auf 

die Regierung eined großen Reichs, ob er gleich auch länders 

begierig war. Jene Vorliebe behielt in den verwideltftien Ges 

fchäften und ſelbſt unter Gefahren das Übergewicht. Als bie 

Ungern einmal in Öfterreich einfielen und man eiligfl zu den (1446) 

Waffen rief, blieb er rubig bei der Cinwinterung feiner Gars 

tengewächfe. Ex war ein Freund der Wiflenfchaften, bach mehr: 

zur Unterhaltung als fir die wahre Bildung des Geiſtes; das 

ber trieb er vorzüglich die Sternbeuterei und die Deſtillirkunſt. 

Aus den alten Schriftfiellen zeichnete er Sinnfprüche aus, 

verlor fich aber manchmal in Syibenftechereien ?). In feinem 

Auffern war ein gewifler Anfland mit Hoheit. Er lebte in 

allen Stüden mäßig und trank nie lauten Wein. Im feinem 

zwei und zwanzigften Jahre machte er wider ben Willen feiner 

Raͤthe eine Wallfahrt in's gelobte Land. Tiefe Verehrung der 

Kirche und ihres Oberhauptes war ihm von Jugend auf eins 


1) Acta elecfionis etc. in Kulpie Cod. dipl. ad hist. Frid, III. 
p- 188. Spteß archiv. Mebenarbeiten L 170 ff. Mäller RR. Thea⸗ 
trum unter Friedrich HI. Vorft. 1. Gap. 1. 

2) Schon als jüngerer ‚Herzog Friedrich bezeichnete er feine Sachen, 
was er bauen ober machen ließ, „mit dem Strich und ben fünf Buch⸗ 
ftaben‘‘ Zseto w, wovon Kollar in Anal. Monum. T. II, p. 675. ein 


Fac simile vorgelegt hat. Nach Friedrichs eigener — in feinem 
dort abgebrudten Tagebuch foll die Chiffre heiffen: 
Alles Erdreich ift Oeſterreich Unterthan, 

Austriae Kst Imperare Orbi Universo. / 

| J 312 


484 Bud I. Erfier Zeitraum. Abſchnitt 2 


geprägt. AB er zum erfin Mal in das Reich herauskam, 

fagt Tſchudi, hielt man ihm noch nicht für fonders witzig 

und ſinnreich; fand ihn aber zugleich, nach ber Fortfegung von 

Koonigshovens Chronik, „geizig und Treuttig.” Das allge 

meine Zengniß ber Beitgenofien flimmt damit überein, und 

fein vertrauter Rath Aneas, nachheriger Papft Pius IL, bat 

es ihm felbft vorgehalten. Doc) litt er fafl immer an Gelb: 

mangel, und feine wichtigfien Unternehmungen wurden da⸗ 

durch gehemmt; alfo bewies er fich bei dem Allen nicht als 

guter Haushalte, auffer daß er mehrere verpfänbete Herrſchaf⸗ 

ten in Öfterreich wieder einlöfte. Wenn er eben fo kriegeriſch 

als Iänderbegierig gewefen wäre, fo hätte feine Regierung für 

die Nachbarftaaten gefährlich werden Finnen. Zudem wurden 

feine Unternehmungen noch durch allzugroße Bebächtlichkeit ge 

mäßigt. Diefe grenzte oft an Angfllichleit oder Eigenfim 

und gab ihm wirklich in einigen Fällen dad Anfehn von Stand: 

baftigkeit und Ausdauer. Bei feinen übrigen Cigenfchaften 

war diefe in ber That das Einzige, was er bem verwinten 

Zuftande im Heid, entgegenfehen konnte. Man rühmt befon: 

ders feine Vorficht in der Wahl der Räthe; wir werden je 

doch fehen, wie übel er gerade in den wichtigfien Angelegen- 

beiten geleitet. worben. 

Die damalige Lage bed Haufes Öfterreih in feinen 

4440 drei Linien erfoberte allein fchon einen Fuͤrſten, ber mit 

22. Febr. Nachdruck an die Spige trat. Wald nach der römifchen Koͤ⸗ 

migswahl gebar K. Albrecht3 II. Wittwe, wie fie gehofft hatte, 

einen Sohn, Ladiſlaus posthumus genannt. Für diefen über _ 

nahm Friedrich, ald der Ältefte des Haufe, die Bormund: 

ſchaft im Herzogthpum Öfterreich, feinem väterlichen Lande& 
theil; zugleich aber folte dafür geforgt werben, daß Ladiflaus 

” von den Ungern und Böhmen ald König erkannt winbe. 

K. Friedrich war auch Vormund über den jetzt vierzehn 

iähtigen Herzog Sigmund vom ber tiroler Linie, Sogn 

jenes Briedrich, ber von K. Sigmund auf ber coflanzer Kir 

chenverfammlung gebemüthigt worden; für diefen hätte er gem 

‚wieber erobern mögen, was damals an bie Eidgenoffen verlo- 

ren worden. Mit feinem um drei Jahre jüngern Bruder Al: 

Brecht, ber eben fo unruhig und verfchwenberifch war, als 








8. Friebrich II., 1440—1493. 485 


er ſelbſt bedächtlich und habſuͤchtig, theilte Friedrich bie Regies 
rung der fleiermärkifchen Lande unter faſt immerwährens 
den Zwifligleiten. Während er an biefen eigentlih bloß die 
Hälfte zu feinem Landestheil befaß, ober ein Sechöthell ber 
Öfterreichifihen Hausmacht, ſo war es nun doch an ihm, zum 
Theil mit Widerſpruch im Hauſe ſelbſt, die großen Entwuͤrfe 
ſeines Vorgaͤngers, K. Albrechts IL, zu verfolgen, zuerſt die 
Erbanſpruͤche des Ladiſlaus. 

Die Boͤhmen waren anfaͤnglich noch weniger geneigt 
als die Ungern das Kind als Koͤnig anzunehmen; vielmehr 
betrieben die Utraquiſten, unter Leitung des Heinrich Ptarfco 
eine andere Wahl und fielen auf den Herzog Albrecht von 4440 
Baiern von ber münchner Linie. K. Friedrich gebrauchte je⸗ 28. Mat. 
doch fein Anfehn, um dieſen abzumahnen. Run änderten bie 
Stände ihren Sinn und befchloffen ihm ſelbſt die Regentſchaft 
zu überlaffen, bald darauf boten fie ihm fogar bie Krone an. 
Allein Friedrich hielt das Letztere für ein Unrecht gegen feinen 
Muͤndel und lehnte auch den erften Antrag ab, aus Kiebe 
zur Ruhe und zum Gelbe. Ex überließ ben Böhmen ihr Reich 
ſelbſt zu verwalten, bis zur Volljährigkeit des Ladiflaus. Das 
nahmen fie denn gerne an und wählten von ber katholiſchen 
Partei ben früher genannten Meinhard von Neuhaus, 1441 
von ben Utraquiften den Heinrich Ptarſco zu gemein⸗ | 
ſchaftlichen Gtatthaltern *). 

Die Ungern hatten ihre Krone fchon vor ber Geburt 
des Ladiflaus dem Könige Ulabiflav von Polen angelragen. 
K. Sigmund Wittwe Barbara hatte auch noch einen flars 
fen Anhang in biefem Lande. Im Gebränge zwifchen diefen 
beiden Parteien fühnte fich die Mutter des Lapiflaus mit ber 
Lestern aus und ließ ihren zarten Sohn zu Caſchau Tränen, 1440 
entflob aber darauf mit der heiligen Krone zu dem römifchen Mai. 
Könige Friedrich nach Oſterreich. Ihr Feldherr Johann Giſkra 
behauptete Oberungern gegen ben König von Polen. Hier 
vermittelte flatt Friedrichs Papft Eugen IV. und brachte eis 
nen Vergleich zu Stande, nach welchem die Regentfchaft bem 1441 


1) Aen. Sylvii hist. Boh. c. 57 sg, Ger. de Roo L. V. p. 
182 sq. audy zum Kolgenben. 


46 Bud I. , Erfler Beitraum. Abſchnitt #. 


* Könige von Polen bleiben, das Reich aber erſt auf ven Fall 
wenn Ladiflaus * Erben abgehen wuͤrde, an ihn fallen 
ſollte 2). 

Afo ließ K. Friedrich die Regentſchaft der zwei Erbreiche 
ſeines Muͤndels in fremde Haͤnde uͤbergehen und behielt allein 
die vormundſchaftliche Regierung über Öfterreich mit einem 
beigeorbneten Rath von ben Ständen, worin er. jeboch in der 
Folge noch vielen Verdruß fich zuzog. Über diefe Angelegen- 
.n verfloffen volle zwei Jahre, bis er in das Meich ber 
auslkam. 

1441 Einſtweilen ließ Friedrich feine Commiſſarien nach Mainz 
‚ 2. debr: gehen, wo in einer großen Verſammlung das auögebrochene 
Schifma beigelegt werben follte. Rachdem man die Sefanbten ber 
beiden Päpfte ausführlich gehört hatte, fiel der Schluß: es 
müfle zu Herſtellung des Kirchenfriebend ein allgemeined Gons 
dlium an einen dritten Ort berufen werden; wenn die Par 
teien fich darüber nicht vereinigen könnten, fo follte ber römis 
ſche König ſechs Städte in Zeutichland unb-eben fo viele in 
Frankreich vorzufchlagen berechtigt fein). Alſo führte der 
Reich ſtag das Schiebrichterammt über den Kirchenzwiſt. Die 
befchlofiene Neutralität konnte nicht ſtrenger beobachtet werden, 
als daß weder für einen ber fehifmatifchen Päpfte noch für 
eine der Kicchennerfannmlungen entichieven wurbe. Indeſſen 
fand der Spruch wenig Eingang. Jede Verfammlung wollte 
die rechte fein; Leine konnte fih zum Nachgeben entfchliefien. 
Nun follte allerdings dem Spruche weiterer Nachdruck gege 
ben werben; allein da fehlte der Beiſtand des roͤmiſchen Ki 
nigs, während EugenIV. Alles aufbot bad bisherige An 
fehn der bafler. Kirchenverſammlung zu ſchwaͤchen. Doch hat 
ber Reichstag noch einen Schritt für die teutſche Kirde 
Er fafite die Befchwerben der Nation Über bie Bedruͤckungen 
und Eingriffe des päpfllichen Stuhled unter dem Titel Avi- | 
samenta zufammen, um fie dem fünftigen allgemeinen Con | 
cifium porzulegen. Diefer Schritt blied nicht ohne Kolgen ?). 


. 


1) Auffer ben Vorigen Dlugoss. L XIL 
2) Pagi Breviar. gest. Pontif, Rom. T. IV, p. 628. | 
8) Reue Samml. d. M. A. IhL I. No. . | 


‘ 


"8. Stiedeih IR, 1440-1493. 467 


Über "Den kirchlichen Streitigkeiten verfkumte man den’ . ’ 
Sandfriedben. Während‘ der Abwefenheit des römifihen 
Königs nahmen die Fehden wieder aller Orten überhand. In . 


größern Sachen, wie in 'deih langen erbitterten Kriege zwi⸗ 
ſchen Brandenburg und Bäten wegen des Landgerichts in 


Franken ), erließ K. Feiedrich zwar Abmahnungsſchreiben; 1440 
aber fie waren ohne Erfolg. Alle Stände griffen zur Selbfb & a. 


huͤlfe. So traten denn die oberkänbifchen Staͤdte wieber zus 


fonmen'und zogen förmlich gegen die Raubritter zu Felde. 


Der Adel verftäikte ſich gleichfalls und gebrauchte Repreffalien. 
In diefem Zeitpunct hat die Ritterfchaft von St. Georgen» 
ſchitd, gegenuͤber vom Städtebund, ihren nachherigen wich» 
tigen Einfluß auf das Einungoͤweſen gegrimbet. Ald im Türs 
Tenkrirg unter K. Sigmund zwifchen der fchwäbifchen und 
böhmischen: Ritterfchaft Streit entfland über bie Ehre bed er 
ſten Angriffe, ſchloß bie erftere einen bejonderen Verein zu 
Behauptung dieſes von Karl dem Großen hergeleiteten Vor 
rechts; als freie Schwaben eigneten’ fie die Volksfahne ihrer 
befondern Gefellfchaft 'zu, nahmen aber zwifchen den übrigen 
Ritter: und Städte> Einungen ’ eine foviel moͤglich neutrale 
Stellung. : Nachdem die Städte eimen Streifzug in dad He⸗ 


gau gethan, erneuerten bie Ritter ihre Bereinigung auf brei 1442 


Sabre. Das war in demfelben Jahr, da K. Sriebrig | in das 
Reich herauskam 2). 


Bei ſeiner Ankunft traf Briebrich zu Nuͤrnberg eine Reichs⸗ Kprit 


verfammlung, auf welcher dad Schifma aufs neue in Beras 
hung gezogen wurde. Man kam wieber auf ben mainzer 
Beſchluß zuruͤck, ließ aber jest den baſler Vätern bebeuten, 
innerhalb Jahresfriſt ein allgemeines Goncilium an einem brit- 
ten Orte anzufegen °).’ "Da Friedrich zu der Krönung nad) 
Aachen eilte, verſchob er bie Seleitserneuerung für Baſel, ließ 
Aber einſtweilen durch Commiſſarien zu Frankfurt Die Abgeord⸗ 


neten ber beiden Paͤpſte weiter vernehmen, um bei feiner Rüds 


Sehe bie Entſcheldung geben zu koͤnnen. 


) Häbe ig Reichögef . VL 9. 

2, Geld. v. Schwaben V, 3 ff. 

-8) Hist. Norimb. dipl. Per. II. p. 624. wornach Bas Datum in 
Müllers RE. Theatrum Cap. 16. zu berichtigen if.='" 


458 Bud INH. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 4. 


142 Die Krednung geſchah mit. lange nicht gefehener Pracht 
17.30. Bei den Gefolgkhaften zählte man. im Ganzen 17,000 beit: 
‚tener Pferde. Friedrich beobachtete alle ditern en neuen Se 
bröuche; feine aus Oſterreich mitgebrachten gelbenen und fi 
"bernen Gefäße aber, welche nah der Bitte den Erzbeamten 
bleiben follten, verſprach ex mit eine Summe Gelbe wieder 
zu löfen °). Nach. ber Zurückkunft hielt ex den ſchon mehr 


ebenfalls 
in ſehr zahlreicher Verfommlung. Man Man konnte erwarten, daß 
die duch Albrechtö II. Tod abgebrochenen Landfriedenshand⸗ 
lungen wieber aufgenommen werben würden; allein bie Ab⸗ 
neigung der Zürften gegen die Städte behielt das Übergewicht, 
und Friedrich hatte auch feine Gründe mit: dee Sache nicht 
zu eilen. Dan ratbichlagte bei ſechs Wochen und kam end: 
lich darauf zurüd, bloß die Satzung her goldenen Bulle in 
Abficht der Zehden und Pfändungen gu erneuern; des geichen 
das Unmwefen ber heimlichen weſtphaͤliſchen Gerichte unb bie 
Münzverwirrung zu befchränfen Die Form allem iſt neu 
Der Reichdabfchieb oder „Ordnung mit Rath der Kurfürften, 
Fürften, Graven, Freyen, Herzen, Ritter, Knechte und Städte 
befchloffen" wirb als koͤnigliches Mandat allen hohen und nies 
bern Reichsunterth anen verkuͤndet, und auf die Übertre⸗ 
tung eine Strafe. von 100 Mark loͤthigen Golbes gefeht ?). 
Alfo geſchah wie Kanzler Schlid am Schluffe bes vorigen 
Reichstages gefprorhen: der roͤmiſche König gebot; doch nicht 
ben allgemeinen Landfrieben, wie er ‚gehofft hatte. Weil Für 
fien und Stände über den verbefferten Landfriebensentwurf 
fih nicht vereinigen fonnten, fo muflte einflweilen nur das 
alte Schdegefeg wieber gefchärft werden. Schlick wurde 
erſt auf der Fuͤckreiſe Friedrichs In das Kanzleramt eingefegt, 
Dad er unter den beiden Vorgängern bekteidet hatte € Geine 


Brüder erhob ber König ſchon bei ds Srönung in ben Frei⸗ 
berenfland. 


1) Windeck Anhang zum Leben % Sigmunds Gap. 223. 
2) Reue Samml. d. R. A. Thl. I. Rro. 45, 


5) Gobellini Comment. Pü 7 Pontif. p. 8. Über Schlick⸗ 
Brüder Lünig X. A. T. XXII. p. 1 228. 


8: Brtebuig il, 1440—1493. . : 480 


Die Br aufen Jahre von Ke Friedrichs III. Regierung 
zeigen nicht nur die Hauptgeſchaͤfte und ihre Schwierigkeiten, 
ſondern auch ihre Reihefolge und den Geiſt worin fie weiter 
gefuͤhrt wurden. Zuerſt Die Honbengelegerbeiten — 
bringung und Zuwachs · der Bande); dann bie Kirchen⸗ und 
Landfriedens⸗Sachen; letztgre auf die ſchon während feines 
verzoͤgerten Regierungsantritts geſchehene Grundlage, jedoch 
nach viel laͤngerem Ausbleiben, nachdem erſt groͤßere Gefah⸗ 
zen in DR und Weſt dringend mahnen. Zuerſt erhalten. wir 
Aufihluß, warum Friedrich fe * Soden. vor ber — 
beim — — — w⸗ — F 


8 Friedeicho II. Schweijerkrieg und der große. 
Staͤdtekrieg, 1442 — 1450. | 


Friedrichs Bündniß mit Zürich, Schweizerreife und 
Zurüdfoderung der verlornen Stammlande Der 
Adel, die Armagnaken gegen die Schweizer. Reichs⸗ 
krieg. Friedrichs gleihzeitige Verwicklung in bie 
böhmifhen und ungerifhen Angelegenheiten in 
Betreff feines Muͤndels Ladiſlaus. Beilegung 
Der oberlaͤndiſchen Fehden. Zürich muß im eidge— 
nöffifhen Bund bleiben. — Fürften und Herren 
werfen ihren Unwillen auf die Reichsſtaͤte. Aus 
vier, zulest fünf Fehden allgemeiner Krieg in 
Schwaben und Franken. Rechtstage. Zerfall bes 
Städtebundes, 


Zu Anden, ehe Friedrich die Kroͤmmmg empfing, erklaͤrte er 1442 
den Fürften, daß er die Lande welche feinem Haufe zu König 
Sigmunds Zeit entzogen worben, wieder herbeizubringen ent» 
fchloſſen fei und darin auf ihren Beiſtand zaͤhle. Am. Kroͤ⸗ 
nungstage ſelbſt ſchloß er mit der Stadt Zürich ein geheimes 17. Iun. 
Buͤndniß gegen bie Eidgenoſſen. Auf dem erſten Reichötage 

zu Frankfurt, wo er eines großen Zahl von Meichöfländen 

bie herkömmliche Beftätigung ihrer Freiheiten und Rechte gab, 

nicht vergeffend die des Hauſes Öfterreich, fchlug ex den ſchwei⸗ 
zerifchen Eidgenoſſen ihre Witte ob. Daun hob er ſich zu 


490 Buch I. Erfter Zeltraum. Abſchnitt 4. 


einer Reiſe in die obern Lande und kam zum erſten Bel im 
die heimatlichen Thaͤler und Gebirge, wo ſein Haus aufge 
bluͤht; wit Wehmuth ſah er die Triimmer von Haböburg. Zu 
1442 Goftanz fagte-er den feweizerifchen Abgeorbneteis deutlicher: 
28. Nov. er werde ihte Freiheiten. nicht eher beflätigen, bis fie bie ſei⸗ 
nem Hauſe entzogenen: Herrſchaften zurisdgeben wärben. Es 
wareh aber bie verlornen Städte und Laͤnder von zweierlei 
Art: -einige hatten fih unmittelbar an das Reich (von ber 
oͤſterreichiſchen Landesherrſchaft) Frei gekauft, die andern hatte 
8. Sigmund den‘ Eidgenoſſen: als Reichspfandſchaft Fberlaf- 
fen. Jene hoffte Friedrich durch gute Worte vbleber zum 
Ruͤcktritt unter Öfterreich zu bewegen, und es gelang ihm na 
mentlich bei Dieſſenhofen, Rapperswyl, Winterthur; bei ben 
andern wäre ber rechte" Meg" geweſen die Einlöfimg anzubie 
ten. Davon ft aber nicht die Rebe. Friedrich, der fo viel 
Geld nicht aufbringen konnte oder wollte ober bie Weigerung 
‚ber Schweizer vorausfah, ſprach nur.von feinem Recht und 
von bet unrechtmäßigen Verqͤuſſerung. Er wollte die Sache 
dem Reichstag oder einem Fürftengericht oder dem Rhein 
pfalzgraven als oberftem Richter unterwerfen. Bon dem As 
len wollten jeboch die Eidgenoffen Nichts hören, und fo rüfle 
. ten fich beide Theile zum Krieg. 

Friedrich überließ dem Landvogt ber vorberöfterreichifchen 
Eande In Verbindung mit Zürich die Schweizer zu befriegen; 
er vertraute auf den alten Haß des oberländiihen Adels und 
hoffte auch die fchwäbifchen Städte durch ben Reichslandvogt 
zum Beitritt zu bringen. Dann eilte ex über den Arlberg 
De. nah Steiermark, um feinen unrubigen Bruder Albrecht, 
der indeſſen über: die Lanbedtheilung Gewaltthaͤtigkeiten verlbt 
1443 hatte, herauszufchiden. Er bezahlte ihm und feinen Soͤldnem 
eine Summe Geldes und trat ihm bie Verwaltung der ſchwaͤ⸗ 
biſchen und elfäffifchen Lande ab !). Albrecht ſollte den Schwei⸗ 
zerfrieg in feinem Namen führen, weil er eben jetzt mit ſei⸗ 
nem Mündel Ladiſlaus tiefer in, bie böhmifchen und ungeri- 

ſchen Angelegenheiten verwickelt wurde. 
Zirich, zur Zeit Karld IV. Worfechterin des Eidgenoſſen⸗ 


1) hugger Ehrenſpiegel &.-537. 


8, Zriebeih I, 1440-1498. - 493 


ſchaft gegen das Reich, warb jeht von K. Friedrich zum Stuͤtz⸗ 
punct "feines Kriegs befiiummt, in der Abſicht nicht nur bie 
verisrnen Lande wieder zu erobern, fonbern überhaupt ben 
Schweizerbund zu trennen. Die Schweizer entgegmeten, biefe- 
Stabt, in ihtem ewigen Bunb ftehend, babe fick nicht mit 
Öfterreich- verbinden dürfen; das war benn die Vorfrage, nd .. 
fie blieb auch am Ende bed Kriegs die Hauptfrage. Vergeblich 
vermittelten die benachbarten Städte. und die Väter zu Baſel 
Als vie Eidgenofien mit Heftigkeit zu den Waffen griffen 
und Zürich bebrängten, ſchrieb K. Friedrich an bie Fürften 22. Zu. 
und Staͤdte um flattliche Hülfe. Sie erwieberten, biefer Krieg 
gehe fie Nichts an; überdied wären einige Staͤdte mit den 
Eidgenofien in alter Freundſchaft. Auch bie Ritterfchaft von - 
St. Georgen Schild wollte noch ihre Neutralität: behaupten,- 
wiewohl einige Mitglieder eifrig für Öfterreich warden. Rum 
ergab fih, daß das von K. Friedrich eingeleitete oberländifche 
Bimbniß nicht zureichend wäre, und ba er auch aus Öfler 
zeich Eeine Verſtaͤrkung fenden konnte, fo muffte man auf 
fremde Sölbner denfen und trat deshalb mit Burgund und 
Sranfreih in Unterhandlung. Auch Papft Eugen fol fih bes > Aug. 
halb bei der letztern Macht verwendet haben, um durch Her⸗ 
beiführung einer großen Kriegsmacht die bafler Verſammlung 
zu fchreden. Der König bewilligte mehr, als Friedrich ver 1444 
langt hatte: flatt 5000 fandte er 24,000 Mann, welche durch Jun. 
weitern Zulauf herrenloſer Söldner zulegt auf ‚bad Doppelte 
anwuchſen. Sie biefien Armagnaken, von ihrem Stifter 
bem Graven Bernhard von Armagnak, bein gememen Volk 
„arme Gecken.“ Da fie nah dem franzöfifch «burgunbifchen 
Frieden den Landen fehr zur Laſt fielen, fo war man froh fie 
auf das teutfche Reich zu wälzen. Zugleich ließ ber König 
bekannt machen: er fei um fo mehr bewogen worben bem 
Haufe Öfterreich Hülfe zu leiften, als Straßburg und die ganze 
Landſchaft bis an ben Rhein zu Frankreich gehörten; übrigens 
follen gegen das Reich keine Feindſeligkeiten gefcheben. 

Das ift das erſte Mal feit der Trennung XZeutichlands 
von Frankreich, daß die Rheingrenze — unter lauter Freund: 
fchaftsverficherungen "zur Sprache gefommen. Bei. der Anni 
berung bed franzöfifchen Deered, unten bes eigenen Anführung 


u 


492 Bud II. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 4. 


des Dauphin, erſchraken alle vordern Lande, eingedenk eines 
ähnlichen Überzugs der engliſchen Soͤldner zu Karls IV. Zeit. 
Bafel fette ſich in Vertheidigungsftand. Der Dauphin zog raſch 
vorüber, um Barndberg und Sirich zu entfeben und dann bie 

Eidgenoflen aufzureiben. Da fiel eine kleine Schaar von 1600 

26. Xug. Schweizern ihm in die Seite und ſchlug bei Pratteln eine 
vielmal flärkere Macht; bei Baſel an ber Bird abgefchnitten 
und zerfprengt kämpften die Zapfen zehn Stunden. lang mit 
Loͤwenmuth bis auf den legten Dann. 

Diefe That benahm dem Dauphin die Luft ben Krieg 
fortzufegen. Die Kirchenverfammlung mahnte ab, und der 
Reichstag trat in Unterhandlung. Beim -Anbli der Gefahr 

| lieſſen fich die Reichöflände nun doch durch Friedrichs Abge⸗ 

Septbr. ‚ordnete bewegen ſich etwas ernfllicher anzugreifen, nicht nur 

um die Armagnaken zuridzutreiben, ſondern auch den ſchimpf⸗ 

lich geführten Schweizerkrieg gemeinſchaftlich mit ihm aufzu⸗ 

nehmen. Jenes geſchah durch ein Paar Heeresabtheilungen 

unter dem Rheinpfalzgraven, welche das Breisgau beſetzten. 

1445 Auf einer Zufammenkunft zu Trier verfprach der Dauphin 

20. Mir. feine Völker abzuführen; dagegen ſolle für den erlittenen Scha⸗ 

den Peine Anfprache an Frankreich gemacht werden. Gegen 

bie Eidgenoffen traten bie nächftgelegenen Fürften mit Herzog 

Albrecht in Verbindung und brachten auch die Ritterfhaft von 

St. Georgen Schild zum Beitritt '), Der Abel beforgte, bie 

Schweizer möchten gar das Reich angreifen und ihren Bund 

“noch weiter ausbehnen. So entfland nun erfi ein recht erbit⸗ 

terter Verheerungskrieg auf der ganzen Grenze. Im Oberels 

4446 faß, auf dem Schwarzwald, um ben Bobenfee bis Zürich und 

bis in das farganfer Land hinauf wurben Burgen gebrochen, 

Dörfer abgebrannt, Heerben weggetrieben, Iammer und Elend 

überall verbreitet, ohne eine audgezeichnete That, welche Ent: 
fheibung gebracht hätte 2). 

K. Friedrich hatte den Ständen wiederholt. verfprochen 
Hülfe zu ſchichen; aber die Böhmen und Ungern machten 


1). Geſch. von Schwaben V, 46 ff. 


P) Das Ganze nah 3. Müller Schweiz. Geſch. II, = — 
Schluß. IV, 1—198. 





8. Sriebeidr IH, 1440—14%, J 43 . 


ihm fo viel zu ſchaffen, daß er nun wohl einſah, er bitte 
befjer gethan die Schweizer in Ruhe zu laſſen. 

Die Böhmen verlangten Auslieferung des jungen gabis 4442 
flaus, damit er in der Sprache und ben Sitten des Lanbed 
erzogen werden koͤnnte; daffelbe verlangten die Ungern. Bei⸗ 
den ſchlug Friedrich ihre Bitte ab. Indeſſen brachen in Boͤh⸗ 
men die Religionsunruhen wieder aus, auf Anftiften ber Kai: 
ferin Bittwe Barbara, welche mit ben Utraquiften hielt, Die 1443 
beiden Statthalter Ptarſco und Neuhaus führten offenen Krieg 
gegen einander. Nach des Erſten Tode wählten bie Utraquiſten 1444. 
Georg von Podiebrad, ber bie Prager auf feine Seite 25. Aug- 
brachte und mit Unterflügung der Barbara fat alle Gewalt 
an fih ri. Eugen IV. und K. Friedrich fandten Abgeorbe 
nete. Jener meinte irrig, es wäre jetzt ſoweit gekommen, daß. 
er geradezu die Aufhebung der Gompactaten umd völlige Wie 
dervereinigung ber Böhmen mit der roͤmiſchen Kiche fodern 
dürfe; Friedrich verfprach in biefem Falle den Ladiflaus nach 
Prag zu bringen und bis zu befien Volljährigkeit mit ihm 
dafelbfi zu wohnen. Allein der Landtag befland feſt auf den 11. Rov. 
Compactaten; er verlangte ihre Beftätigung mit Einfehung 
des Johann Rokyczana in das Erzbisſthum und fuberte 
wiederholt bie Auslieferung bed Labiflaud. So blieben. die 
Sachen auch in den weiten Verhandlungen; kein Theil ver 
ftand fi zum Nachgeben. Zuletzt gelang es dem Pobdiebrab 1448 
die Statthalterfchaft allein zu behaupten und fomit der utra⸗ 
quiftifchen Partei aufs neue das Übergewicht zu geben. 

Den ungerifchen Thron nahm K. Ulabiflao von Polen 1442 
ohne weiteres in Beſitz, troß bes Eurz vorher mit der Mutter 
bes Ladiſlaus gefchloffenen Vertrags. Bei ben neu ausge⸗ 
breochenen Unruhen ergriff Eugen IV. ein anderes Mittel: er \ 
bewog ben König zum Tuͤrkenkrieg durch ben Cardinal Sulian, 1443 
ber vormals ben Huſſitenkrieg betrieben. Wiabiflav drang in 
Bulgarien ein, unb fein tapferer Heerführer, Johann Cor⸗ 
pin von Hunyad, Woiwode von Siebenbürgen (laut ber 
Sage. ein natürlicher Sohn K. Sigmunds), erfocht an ber 
Morawa und am Haͤmus einen boppelten Sieg über bie Tür» 24, Der. 
tn. Da Sultan Murad IL. auch in Afien Krieg hatte, fo 
wolte EugmIV. jetzt bie ganze Chriftenheit —— 


44 Bud IL Grker Zeitraum. Abſchnitt 4. 
einen entfcheibenden Schlag auszuführen. Auf dem Rei 


1443 tage zu Nürnberg, da König Friedrich Hülfe gegen bie 
Armagnaken begehrte, wurde auch ein Zürkenzug befchlof- 


fen. Murad bot jedoch die Hand zum Frieden. Er ver 
forach nicht nur den vertriebenen Defpoten Georg von Ger 
vien wieber einzufegen, ſondern auch alle8 den Ungern abge 
nouımene Land wieber zuruͤckzugeben. Auf dieſes ſchloß Ula⸗ 


18.3. diſlav / auf zehn Jahre ab. Aber Eugen IV. ließ den Frieden 


nicht gelten, er entbanb den König durch den Cardinal Sa- 


4. Aug. Han feines Eides und drang ihn den Krieg zu ernenern; der 


griechifche Kaifer und bie italienifchen Geefläbte verfiprachen 


den Hellespont zu befehen, damit Murad in Afien zuruͤckgehal⸗ 


11. Nob. 


ten wuͤrde. Nun fand Uladiſlav allerdings wenig Widerſtand; 
er kam mit einem geringen Heere von etwa 15,000 Ungern, 
Polen und einigen Kreuzſoldaten bis Varna. Da brach Mu: 
rad ſchnell in Aflen auf, hoͤchſt entrüftet über den Eidbruch 


ver Chriften;. die chriſtliche Flotte im Hellespont war theil 


durch Sturm zerfireut theild aus Mangel an Proviant zu 


vhdlgegangen; fie fah nicht, daß genuefiiche Schiffer, durch Se: 
winnfucht getrieben, zum Überſetzen bes türkifchen Heeres ſich 
dingen lieffen. &o trat Murad unvermuthet mit einem fafl 
zehnmal ſtaͤrkern Heer den Chriften bi Varna entgegen. 
Der tapfere Johann Corvin fürchtete ſich nicht ihn anzugrei⸗ 
fen: wo er focht, neigte ſich der Sieg auf feine Seite; ſchon 
Dachte Murad auf den Ruͤckzug. Da überredeten Gorvins 


Feinde ben K. Uladiflan aus feinem Hinterhalte Io8zubrechen, 


um jenem ben Sieg nicht allein zu lafien. In biefem Au 


genblic hielt Murad die Friedensurkunde hoch empor umd rief 


Gottes Rache über die Eipbrüchigen auf. Uladiſlav foberte 
ihn zum Kampfe heraus: Murad traf fein Pferd, er ſtuͤrzte 


ruͤcklings nieber; bie SIanitfcharen hieben ihm den Kopf ab. 


Nun wandte fih der Sieg zu ben Türken, nachdem fie mehr 
als 30,000, das ungerifche Heer etwa 9000 Mann verloren 
hatten. Corvin zog durch die Walachei nach Siebenbürgen. 
Der: Cardinal Julian, der das Ganze betrieben, wurbe auf ber 
Flucht von den Wallachen erfchlagen und in's Waſſer geworfen. 

Die. Botfchaft von diefer Niederlage Fam nach Teutſch⸗ 
land, ehe noch das beſchloſſene Reichſsheer in Bewegung ge 





8 Friedtich M, 1440-1498, .. . 8 


ht war. Bir, Uggem war ber. Sag bei Varna ein. zweifa⸗ 

ed Ungluͤckt Denn bie Polen und Benetianer erlaubten ſich 

neme Sanbabreiffsggen. Für R..Zuiedrihs Münbel, den pm 

gen Ladiſlaus, war ber Tod des zweiundzwanzigiaͤhrigen 
polniſchen Koͤniges inſofern guͤnſtig, als die Ungern ihn jetzt 
frmlich zum Könige wählten. Sie uͤhertrugen jedoch bie Bor 1445 
mmbfchaft bem tapfern Dunyab unb ‚wiederholten das Be⸗ 16. Mai, 
gehren, daß Ladiſlaus nebfl der. Krone angeliefert werben 

fol. Da Sriedrich diefed wieder abfhlug, weil ihm Ladi⸗ 

flaus von feiner Mutter empfohlen worden und die ihm in 

ver Kindheit aufgeſetzte Krone bei ihm bleibe, fo muflte Hu⸗ 

nad mit 12,000 Ungern in Öftergeich einfallen. Auf. biefes 

war Friedrich nicht vorgefehen, es traf auch Feine andere Ans 

ſtalt, als daß er fih in Wieneriſch⸗Neuſtadt einfhloß, wo. - 

ihn Hunyad eine Beit lang. vergeblich belagerte und dann mit 

vieler Beute. abzog. 

Dies geſchah das Jahr nachher, nachdem Friedrich bie 
Armagnaken ben obern Landen auf den Hals geworfen hatte. 
Do die Ungern im folgenden Jahre wieder drohten, fo bexief " 
Triedrich einen Reichötag nach Regensburg. Dieſer verfagte 1446 
ihm aber die verlangte Hülfe, weil der Krieg dad Reich nicht 
angehe. Alſo wor er denn boch gezwungen aus ben Erblan⸗ 
den ein Aufgebot zu machen, das an die Grenzen gelegt wurde. Im: 
Durch Vermittlung des Graven Ulrich von Cilly bewilligten dann 
die Ungern einen Stillſtand auf zwei Jahre ’). . Diefe Bege 
benheiten im ben beiden Erbreichen des Labiflans zogen fo 
ganz Briedrich6 Aufmerkfamkeit auf fich, daß er gar nicht nach 
den luremburgiſchen Stammlanden fragte, die doch auch 
auf denfelben gefallen waren; gar ‚nicht nach dem Krieg, ben 
eben jetzt deſſen Schwager, H. Wilhelm von Scchfen, gegen 
den. Herzog Philipp von Burgund führte). Er that nicht 
einmal für die eigenen Stammlaude, was ex zugelagt hatte, 


1).HEberlin Reichögefh. VI. 184 - 194. 

2) Das Herzogthunt Luremburg war, wie wir unter A. Wenzlaw 
geſehn, an die Herzogin Elifabeth von Goͤrlitz verpfändet. K. Albrecht 
ſtarb über der Einlöfung; feine Tochter Anna war mit H. Wilhelm von 
Sachſen vermaͤhlt. Wäre Labiflaus nicht nachgeboren worden, fo würde 
fe die Crbin geweſen fein. Das Nähere bei Häberlin a. a, DO; 181. 


N 


u) 


eg 


6 Bub HL Grfer Zeitraum. Abſchnitt 4 


vielmehr Tieß-.er den Rıteg auf den Kürfien -unb Ständen lie⸗ 

gen, bie fih damit eingelaffe hatten. Als darüber un mene 

4446 Furcht vor den Schweizer entſtand, traten bie Fürfien mit 

ı März. der Ritterfehaft näher zuſammen, und machten einen Anfchlag 

25. Iun. fi) dm Rhein zu verfammeln, um diefelbe Zeit da die Öfen 

reichiſche Srenzwehre angeorbnet wurde. Indefien, nah fo 

vielen Verheerungen erloſch die Kriegsluſt von ſelbſt. Man 

vereinigte ſich, wie in Offerreich, wo nicht zu einem eigentli 

chen Frieden, doch zum Stillſtand. Nah einigen Wochen 

beachte der Pfalzgrav Ludwig bie Präliminarien zu Stande, 

nach welchen. die Parteien fich verbindlich machten je auf be 
fondern Rechtötagen ihre Anfprlche entſcheiden zu laffen. 

Run ließ Öfterreich auf einem Zage zu Ulm feine Rechte 

auf die von den Schweizern eingenommenen Sande vortragen; 

daſſelbe thaten viele Graven und Herren, bie das Ihrige auch 

berloren hatten. Die Schweizer vertheidigten fih und fegten 

den Spruch auf den "Pfalzgraven. Der Pfalzgrav fprach nicht, 

und fo blieben: die Sachen wie fie waren. Man war nicht 

ſchwach genug Die Anfprüche aufzugeben, und doch fehlte bie 

Macht fie weiter zu behaupte. So entfchlief der Krieg ober 

wurde guͤnſtigern Umſtaͤnden vorbehalten. Die erſte Brage 

kam zuletzt zur Entſcheidung: ob Zuͤrich, die Reichsſtadt, in 

dem Bunde mit Öfterreich bleibe oder bei dem ewigen Bunde 

der  Eidgenoffen. Bür das kuͤnftige Verhaͤltniß der oben 

Lande war bie Frage von der größten Wichtigkeit. Die Eid 

Ze genoflen festen die Sache auf einen auswärtigen Obmann, 

1447 Peter Egen von Argon, Bürgermeifter zu Augsburg. Dieſer, 

77. Gebr. obſchon Gaſtfreund K. Friedrichs, fprach nach genauer Prös 

fung der Urkunden, für die Eidgenoſſenſchaft. Ein zweiter 

‚ von auswärtigen Städten. gewählter eidgenoͤſſiſcher Obmann, 

4450 Heinrich von Bubenhoven, Schultheiß zu Bern, ſprach wie 

18. Zul. der erſte: Zuͤrichs Bund mit Öfterreich iſt unrecht, alſo tobt 

und ab! 

So wenig erreichte K. Friedrich feine Abfichten in diefem 

Krieg, daß vielmehr die Cidgenoſſenſchaft in ihren Be 

fitungen und Rechten auf’3 neue feftgeftellt wurde. Öfter: 

reich blieb im Schaden. Aus dem Schweizerfrieg aber ent: 

fand der große Städtefrieg, der das Reich in noch tie⸗ 











8. Friedrich IL, 1440-1493. 407 


fern Schaben brachte. Finſten und Abel warfen ihren Un⸗ 
willen über ben unglüdlichen Erfolg jenes Kriege auf bie 
fämmtlichen oberländifchen Städte. -Diefe hatten zwar reblich 
vermittelt und das Friedenswerk betrieben; aber man vergaß 
nicht, daß fie Fuͤrſten und Herren immer in Sorgen gelaſſen 
hatten, ob fie nicht zu den Eidgenoſſen übertreten wuͤrden. 
K. Friedrich vergaß ihnen auch die Neutralität nicht, weil ex 
auf ihren gewaffneten Beiſtand gezählt hatte; er überließ fie 
ihrem Schidfal. Fafl jede biefer Städte war in befonbern Streis 
tigkeiten mit den benachbarten Landherren. Daſſelbe Verhaͤlt⸗ 
niß worin Öflerreih zu den Schweigen ſtand, wieberholte 
fih unzähligemal zwiſchen den Fürften und Städten in Schwas. 
ben und Franken. Die bisherige Aufnahme ber letztern war 
jenen immer ein Dom im Auge; unwillig ſahen fie, während 
fie ſelbſt verarmten, wie. die Städte ihre Gebiet durch Kauf 
vermehrten, wie fie auf ihr Gelbvermögen, auf ihre Mauern 
und Thürme, auf ihre zahlreiche in Waffen geuͤbte Mannfchaft 
trotzten. Hatten die Bürften von den Städten nicht erhalten 
Zönnen, baß fie bei den Landfriedenshandlungen Etwas von 
ihren Vorrechten nachgaben, fo ſollten fie jest au den gen 
fetlofen Zuftand, worin das Reich während ber Abwefenheis 
des römifchen Königs war, büßen. 

Die Stäbte fahen ſich in Zeiten vor. In demfelben Seit: 1446 
punct da bie Furſten das letzte Mal zu einer Grenzwehre ge Vaͤrz 
gen bie Schweizer fi) verbanden,. erneuerten 31 öwäbife 
und fränkifche Städte Ihr Bimdniß auf drei Sabre. Da in 149 
Diefer Zeit die letzten eidgenoͤſſiſchen Streitfragen beigelegt wur⸗ 
den, traten fie zu ernfllihern Wertheidigungsanftalten zuſam⸗ 
men. Es beftanden vier Hauptflveitigkeiten: zwifchen Nuͤrn⸗. 
berg und dem Markgraven Albrecht von Brandenburgs 
zwifhen EBlingen und bem Sraven Ulrich von Wirtem⸗ 
berg; zwifchen mehreren Bunbesflädten und dem Markgra⸗ 
ven Jakob von Babenz zwifhen Hall und Rotenburg 
und dem GErzbifchof von Mainz Der löblihe Vorgang ber 
Eidgenoſſen durch Austragsgerichte warb nicht beachtet; man 
wollte lieber bie Waffen entfcheiden laſſen. Die Fürften hoff⸗ 
ten, wie Öfterreich mit ben Schweizern vorgehabt, bie Reichs⸗ 
ftaͤdte nach und nach zu Landfläbten zu machen. 

Pfifter Geſchichte d. Teutſchen M. 32 


1449 
9. Jul. 


Staͤdte⸗Land verheert worden, kam ein Friedgebot vom roͤ⸗ 


2. Rov. 


28 Bud II. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 4. 


Markgrav Albrecht, der teutfche Achilles genannt, brach 
zuerfi ben Frieden. Nürnberg mahnte die Bunbesfläbte und 
hätte die Sache gern in Güte vertragen mögen. Aber bie 
Städte, auf ihre Zahl und Macht vertrauend, lieffen fich num 
auch nicht mehr zurintyalten. Ohne einen größern oder all- 
gemeinen Anlaß brach in kurzer Zeit ber Krieg aus vom Main 
bis an den Bodenſee. Die Städte hatten Alles gut geord⸗ 
net: fie warben Schweizer, flellten einen gemelnfchaftlichen 
veifigen Zeug auf und festen einen Kriegsrath zu Ulm nie 
der. Nachdem etwa einen Monat lang vieles Herren⸗ unb 


mifhen König Dan verfuchte Unterhandlungen, aber fie 
fhlugen nur in heftigern Streit aus. Im verfchiedenen Ge⸗ 
genden fielen Gefechte vor ohne Entſcheidung. Bei Eplingen 
erlitt der Staͤdtezeug eine Niederlage durch den Graven Ulrich 


von Wirtemberg. Nun wollten bie Städte ſchon ben Mutp 


1450 


verlieren und fuchten Hülfe bei den Schweizern, bei den Stäb- 
ten am Bobenfee und bei den Rheinflädten. Vergeblich: fie 
hatten den erſtern auch nicht: geholfen; die andern wollten 
fich überhaupt nicht einlaffen, ohne zu bebenken, daß ed am 
Ende auch am fie kommen würde. Doch geflatteten bie 
Schweizer ihrem Voll das Reislaufen d. b. Solddienſte. Die 
Städte boten alfo noch einmal ihr Aufferfles auf. Der Pfalz 
grav Ludwig und einige andere Fuͤrſten, welche Feine Freude 
an ber zwedlofen Verheerung hatten, thaten ernflliche Schritte 
zu Friedensvorſchlaͤgen; auch K. Sriebrich ließ jegt den Wunſch 


- Saut werben: „baß ed zu folchem Unrath nit Fommen wäre.’ 


11.Miry. 


16, Apr. 


Aber jeder Theil wollte noch einmal dad Waffenglüd verfu: 
den. Da gelang es den Nürnbergern unter Anführung des 
Kitterd Hann von Rechberg ben Markgraven Albrecht am 
Ger Bilgreut, wohin er fie zum Fiſchen aufgefobert, zu ſchla⸗ 
gen. Dagegen führte Srav Ulrich von Wirtemberg ben Ep 
Iingern 130 Frauen, Iungftauen und Kuaben hinweg, ohne 
fie jedoch zur Machgiebigkeit zu bringen. Endlich trat ‚Her: 
zog Albrecht von Öfterreich als ber fünfte Staͤdtefeind 
auf, wegen verfchiedener Anfprüche, befonberd wegen einer 
alten Pfandſchaft oder Schuld, wofuͤr bie Herrſchaft Hohen⸗ 


berg verfchrieben war. 


8. Friedrich IL, 1440-148, FF 


Nach einem Lage zu Mimchen brachten bie Zaiferlichen 1450 
Gonmiffarien zu Bamberg den Frieden foweit zu Stande, daß = April, 
jede der fünf Fehden auf einem beſondern Rechtötage theils — 
vor dem roͤmiſchen Konig theils vor dem Pfalzgraven vertra⸗ 
gen werben ſollte. Der Krieg hatte kaum ein Jahr gebanert, 
doch zählte man an 200 eingeäfcherte Dörfer; 80,000 fl. bes 
trugen bie gemeinfchaftlichen Kriegskoſten des Staͤdtebundes, 
ohne bie beſondern. Die Beilegung der verfchiedenen Anfprlche, 
zu welchen. immer wieder neue kamen, bauerte gegen zehn 
Sabre, bis fie endlich mit der donauwoͤrder Sache in ven 
nachgefolgten Fürſtenkrieg übergingen Nürnberg allein ges 
wann feine Streitfache; die übrigen hatten ben Schaben ums 
ſonſt. Die Zürften geriethen zwar auch in Schulden, aber 
für die Städte kam das eigentliche Unheil dadurch, daß fie 
am Ende unter fich felbft zerfielen. Schaffhaufen, von ber 
Sfterreichifchen Partei fortwährend genedt, mit den Bundes 
flädten in verbrüßlichem Abrechnungsficeit, trat zu ben Schweis 
zern über. Die Städte fahen jeht erſt ein, wie fehlerhaft ber 
Krieg geführt worben: in ihrer zerflreuten, von Fuͤrſtenlaͤndern 
durchſchnittenen Sage, waren bie meiften nur auf ihre Sichers 
heit bedacht; es fehlte von Anfang an ernflliher Zufammens 
fegung zu einem Bunbeöheer, das etwa einen größern Schlag 
ausführen konnte. In demfelben Zeitpund da die Hanfe 
Durch die Trennung ber nieberländifchen Städte einen Riß ers 
hielt, kam bei den oberländifchen Städten über bie Abrech⸗ 
nung der Kriegskoſten ein fo Heinlicher Eigennug an ben 
ag, daß die Grneuerang ihres Bundes von wenigen nod 
gewimſcht, von ben meiften verlaflen wurbe '). 

fo geſchah, daß bes biöherige Gegenſatz der Fluſten 
und Städte fie endlich felbft aufreiben muſſte. Welcher Schade 
dem Reich dadurch zugewachfen, das wird fich erſt fpäter er 
geben; dad Ganze als Folge von K. Friedrichs III. Verſaͤum⸗ 
nig der Landfriebensanftalten. Zehn Jahre feiner Regierung 
waren fchon verfloffen, ohne daß man um einen Schritt wei: 
ter gelommen ben gefetlofen Zuſtand zu hennnen. Zwar 


1) Seh. von Schwaben V, 62 — 184. größtentheils nach Hand⸗ 
riften. 
327 


SO Bud IE Eeſter Zeitraum. Abſchnitt 4. 


ich ex indeffen zu Wien, auffer ben r 
are — — * rs - auge — 
den und brachte ihn unvermutbet zu Stande, ſchon im ber 
Zwiſchenzeit zwiſchen dem Scweizer⸗ und Gtäbte-Rrieg, aber 
zu noch groͤßerm Unglimpf füz die teutihe Ration. 


3. Das bafler Concilium preißgegeben. 


Arneas Sylvius Piccolomint, getrönter Dichter, 
tritt von Papſt Zelir V. zu den Reutralen ald Ge: 
beimfhreiber 8. Friedrichs Sein Verhältniß 
zum Kanzler Schlid; Verdienſt als Geſchichtſchrei⸗ 
ber; Auffoderung an 8. Friedrich in Abficht eines 
allgemeinen Soncilium und ber Herfiellung bes 
Kaifertbums. Aneas tritt als Geſandter Fried⸗ 
richs zu Papſt Eugen IV. über und wird beffenGe: 
heimſchreiber, mit Beibehaltung feiner bisheri- 
gen Stelle. Kurfürfienverein. Friedrich verräth 
die Kurfürften durch Aneas dem Papfle Der teut: 
fhe Patriot Georg von Heimburg Johann von 
Lyfura und drei andere mainzifhe Räthe werben 
befiohen. Zrennung ded Kurfürfienvereins burd 
ein kaiſerliches Bündniß, dbadEugen demIV. Obe⸗ 
dienz leiftet. Die Städte bei ber Aufhebung bes 
bafler Concilium, 


Eine Dichterkroͤnung, damals zu ben kaiſerlichen Vorrechten 
gezählt, brachte den römifchen König Friebrich auf ſeinem er 
ſten Reichötage zu Frankfurt in die Bekanntſchaft eines Man⸗ 
nes, der im Begriff war in den Öffentlichen Gefchäften einen 
beb zu . & if Aneas Sylvius 
Piccolomini, aus einem alten roͤmiſchen, bis auf unfere 
Tage fortbeftandenen Gefchlechte, im Gebiete von Siena ge 
boren, wo er wegen Verarmung feiner Eltern, unter den bis 
gerlichen Unruhen, bis in fein zwei und zwanzigfles Jahr 
Seldarbeiten verzichtete. Mit Unterflügung feiner Verwandten 
zu Siena ergriff der ungemein fählge Iimgling das Studium 
der alten Römer und legte fih auf Dichtfunft unb Bered⸗ 


8. Friedrich EL, 1440-1493, 501 


famfeit, dann auf die Recdtsriffenfchaft. Wei dem Ausbruche 
neuer Unruhen verließ er die Stabt und kam mit dem Gars 
dinal Dominicus Capranita, als beffen Geheimfchreiber, auf 1431 
die kaum eröffnete Kirchenverfammlung zu Baſel. Ein aus 
dem Nefte geflogener Bogel (wie er nachher felbft dem Papfte 
Eugen IV. fagte), ergriff ee mit jugendlichen Feuer‘ die Sache 
der Kirhenfreiheit gegen ben Papſt. Nachdem er einis 
gemal feine Dienfle gewechfelt, weil Eugen IV. feine Gin 
ner verfolgte, kam er wieder nach Bafel und wurbe Geheim⸗ 
fchreiber der Kirchenverſammlung, dann Vorſteher ihrer Kanye 
lei. Zum Mitgliede bes Zwoͤlfer⸗Ausſchuſſes gewählt, zeich⸗ 
nete er fich bei vielen Verhandlungen durch feine Rednergabe 
and. Er gewann viele Freunde und hielt ſich hauptfächlich 
an den Cardinal Julian Caͤſarini, den er in ber Politik zum 
Mufter nahm. Dabei wurbe er zu verfchledenen Sefandtichafs 
ten gebrauht. Mitten unter biefen Gefchäften und Reifen 
feßte ex feine Stubien fort und führte ein fröhliches Leben, 
weil Enthaltſamkeit, wie er meinte, mehr ben Philofophen 
als den Dichtern zulomme '). Als die Kirchenverſammlung 
den Herzog Amadeus von Savoyen, Felir V., zum Papft 
wählte, brachte er demfelben die Botſchaft in feine Einfiedelei 
und warb von ihm zum Geheimfchreiber angenommen. Er 
begleitete bie Sefandtfchaft zu K. Friebrichs Krönung nad) 
Aachen. Hier wurde er den Faiferlichen Räthen bekannt und 
gewann befonber& die Gunſt bed ehrwuͤrdigen Biſchofs Syl⸗ 
vefter von Chiemfee. | 

Der Erzbiſchof Jacob von Trier ?) ſtellte dem vöniichen 
Könige auf dem Reichötag zu Frankfurt den Dichter ÄAneas 1442 
vor. Friedrich erklärte ihn in einem eigenen Diplom für eis 87. Sul. 


1) Ep. 50. Opp. edit. Basil. p. 584. — Inzwiſchen ergriff ihn 
auch die ausgebrochene Pe. Er zog einen ehrlichen teutſchen Arzt eis 
nem parifer vor, ber ihn durch ein Pulver, beffen Beflanbtheile er ges 
heim hielt, heilte. Auf bie Peftbenlen an geheimen Orten wurbe Bet: 
tigfaft und Kreide aufgelegt. Fuͤr 6 Goldſtuͤcke, welche AÄneas bem Arzte 
bezahlte, verſprach dieſer noch eben fo viele Arme umfonft zu heilen. 
Gobellini Comment. p. 8. 

D) Dem er eine Abhandlung Aber die Rhetorik, befonders über bie 
Sompofltion zuſchrieb. Opp, p. 992 


592 Bud MI. Erſter Zeitraum. Abfchnlitt 4. 


nen trefflichen Magiſter, Poeten und Hiſtoriker und ſetzte ihm 
eine Rorbeerfrone auf, mit Dank gegen Gott, daß er Maͤn⸗ 
ner von foldhen Gaben, welche den Alten-gleich kaͤmen, ſei⸗ 
nem Zeitalter nicht verfagt habe). Der Biihof Sylveſter 
mar es ber dem sömifchen Könige den Rath gab Aneas in 
feine Dienfte zu nehmen ?). Weil ihn jedoch Felix V. nicht 
gerne miſſen wollte, fo bewirkte Friedrich auf ber Schweizer: 
seife, als er demfelben zu Baſel einen Befuch machte, feine 
Entioffung. Aneas folgte ihm, als er vor dem oben erzähl: 
ten Schweizerkrieg über den Arlberg nach Öfterreih zurüds 

. ging, und wurbe zugleich mit bem Kanzler Cafpar Schlid 
als Geheimfchreiber in Pflicht genommen. Mit diefem Schritt 
änderte Aneas feine Grundſaͤtze fo weit, baß er nicht mehr 
Die Partei ber Kirchenverfammlung fondern ber Neutralen 
bielt, wiewohl immer noch mit den freimüthigften AXufferun- 
gen über die Gebrechen bed Payfitbums. Anfänglih waren 
bie Mitglieder der Laiferlichen Kanzlei dem Italiener auffäßig °), 
befonders Wilhelm Taz, ein Baier, der in Schlicks Abweſen⸗ 
heit die Stelle bes Kanzlers vertrat, Allein jener wurbe bald 
verdrängt. Schlid erinnerte fich mit Wergnügen feines vor 
maligen Aufenthaltes zu Siena mit 8. Sigmund, wo er in 
dem Haufe einer Verwandten von ÄAneas gewohnt hatte. Die 
Mutter bed Kanzler war auch eine Stalienerin, aus bem 
Haufe der Graven Colalto *). ÄAneas und Caſpar wurben 
4444 vertraute Freunde. Damals fchrieb Aneas die Gefchichte zweier 
8.3ul. Liebenden, Eurialus und Lucretia, enthaltend jene Abenteuer, 
welde K. Sigmund oder Schlid ſelbſt vormals zu Giena be 


1) De Guden. Sylkoge etc. p. 679. 


2) Laut des unten näher bezeichneten Pentalogus, in Per. Thea. 
Anecd. T. IV. p. 648. CE Gobellin. I. c. aud zu dem Yolgenben. 


3) Aneas lernte wohl nie recht Teutſch; ein Schwabe, Michael 
von Pfältendorf, überfegte feine Iateinifchen Arbeiten, f. den oben 
angeführten. Pentalogus, Gr gebenkt feinse auch mit Lob in einem 
Schreiben an Nicolaus von Ulm, Rathichreiber in Eßlingen, einen gro 
pen Kunftfreund, Ep. 119. 


6% Melch. Adami vitae Germenerum Jureusmeultorum dic. 
Heidelb. 1720. p. 5. 








8. Zriedt ich IL, 1440-1493, : 508 


landen 2) und wog ihm Letzterer ohne Zweifel die Briefe 
ausgehändigt. Anend nahm vielen Antheil an der Erziehung 
des Herzogs Sigmund und be jungen Labiflaus. Cr 
liebte Beide und munterte fie gu ben Wiffenfchaften auf, Sigs 
mund ließ fich viele feiner Briefe abfchreiben 2); für Labiflaus 
verfaffte er eine ausführliche Abhandlung über ben Untewicht 1450 
junger Fürften >). Im den lebten Jahren zu Bafel, da er Behr. 
mit ſich im Kampfe war, ob die Dichtkunſt und Wohlreden⸗ 
heit auch im Alter feine Armuth naͤhren wuͤrden, wählte er 
die Gefchichte, als eine den reifen Jahren angemeflenere Be 
ſchaͤftigung, und befchrieb zuerſt die bafler Verhandlungen 
vom nürnberger Convent bis zur Wahl Felix V. *). Gewohnt 
in jedem neuen Kreiſe fih mit Hülfe bes Gefchichte umzufes 
ben, las und fammelte Äneas nun, was er über Zeutfchland 
und die benachbarten Staaten norfand. Er if einer der Er⸗ 
ſten, der von ber [häsbaren Sammlung altteutfcher Hands 
ſchriften zu St. Gallen Nachricht giebt, wobei ee fi, 
wundert, daß die Zeutfchen nicht weiter gefommen °). KBei 
einer Sendung nad Böhmen machte er fich mit der Herkunſt 
Des Volles bekannt, und entwarf bei fpäterer Muße eine Ges 
ſchichte dieſes Landes, befonders in Ruͤckſicht der Religionss 
fpaltuıng °). Er verfaffte eine Befchichte von Öfterreich, welche 
noch ungebrudt iſt, und hielt fich berufen vor Allem die Re 
gierungsgefchichte feines Heren, des zömifchen Könige Fried 
ri, zu ſchreiben. Diefe bat er jeboch nur bis zum Tode 
des Sabiflaus fortgeführt"); fie iR Abrigens fo freimtthig 


1) f. oben bei 8. Sigmunds g nad) dem Anfang ber baf- 
ler Kicchenvesfammlung. Abſchn. IH. Gap. 14. Ep: 114. Opp. edit. 
cit. p. 

2) Müller Schweiz. Geſch. IV, 502 fſ. Kneas müffte dem jungen 
Craberzog einen Liebesbrief auffegen. Diefe Leibenfchaft follte ihn weden, 
bilden. Ep. 122. 

8) Ep. dit. cit. ep. 968. 

4) Die Vorrede dazu ia Opp. p- 1. 

5) Ep. 120, p. 647. an Georg von Heimburg. 

6) In den Baͤdern zu Viterbo eignete er biefe Geſchichte dem K. 
Alyhond ven Aragonien zu. Opp. p. 31. — 

7) Die neue Ausgabe in Koltar. Anal. Monum. Vindob. T. IE. 





504% Bud II. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 4. 


als wenn er nicht im Dienfle Friedrichs geweſen wäre. Aufs 
ferbem hat er in einer Koſmographie und in einer Beſchrei⸗ 
bung von Europa bie damalige Kenntniß aller bekannten 
Länder und Staaten mit vielen gefchichtlichen Nachrichten nie⸗ 
dergelegt '). 

Bon diefer Seite hat Aneas für unfere Geſchichte Wich⸗ 
tigkeit und Verdienſt. Auch feine Brieflammlung giebt über 
Vieles Aufſchluͤſſe, was uns ſonſt fehlen würde. Wir wiſſen 
aun, wie damals Auswärtige und angefehn. Was er ald Aus 
genzeuge oder als Theilnehmer an ben Gefchäften erzählt, das 
ift ganz nach dem Leben gezeichnet. Im Übrigen erfcheint er 
als ein Mann der über Alles foriht. In feiner Schreibart 
iſt glüdtiche Nachahmung ber Alten, wenn auch, wie feine 
Freunde bemerken, bei den teutfchen Sefchäften zuweilen der 
Ausdrud an Parbarei ſtreift. ge “ jenes Verdienſt 
keine Entfchädigung für dad, was Anens im Tolgenden ges 
. gen bie Kirchenfreibeit gethan. 

Waͤhrend der erfien Jahre an 8. Briebrihd Hof, da ex noch 
wenig zu thun hatte, verfaſſte Aneas zwei Geſpraͤche, worin 
er den römifchen König, weil berfelbe in ——— — und 
Abſtumpfung von den Geſchaͤften „vor lauter Baͤumen den 
Wald nicht fehe 2),“ darauf aufmerkſam macht, wie er durch 
die Kirchewereinigung und durch den Zug in fein Italien wah⸗ 
sen Ruhm erwerben könne. Durch das erſte, ein Geſpraͤch 
groifchen- ihm und dem roͤmiſchen König, gelang es ihm gro 
feres Vertrauen und freien Zutritt beim Kaifer zu erhalten. 
Des Mannes Fühner, unternehmenber Geift, mit feinen auss 
gebreiteten / Kenntniſſen, verbunden mit Wis, Scharffinn und 
Gewanbtheit, fühlte fich zu einem größern Wirkungskreiſe — 
ſchaffen. Die andere Abhandlung, ein Fuͤnfergeſpraͤch, 
welchen Caſpar Schlick und die Biſchoͤfe Sylveſter von Shiem 
fee und Nicodemud von Sreifingen beigezogen werben, führt 


1) Opp. p. 381. 887. Gine bis jeht noch nicht aufgefundene Fort: 
—— Kaiſergeſchichte haben wie oben ſchon bemerkt. & 90, An 


2) „oocupatum ao pene stupidum Begis animum et quasi quäbes- 
— — ie impeditum.“ Pon. Lo. p. 689 


8. Friedrich II., 1440—1493. 5800 


den Leſer in den kaiſerlichen geheimen Rath. Hier wird dem 
romiſchen König einleuchtend gemacht, wie er einerfeitd durch 
ein wahres allgemeines Coniilium ‚die Kirche beruhigen, ans 
— den Roͤmerzug vollbringen und die beiden Reiche, 
Teutſchland und Italien, eines durch das andere in Unter⸗ 
en erhalten, feinem Haufe aber die Kaiſerkrone ſichern 


N Rede Aneas an Friedrich den Fürften gefunden haben, 
den er wünfchte, fo möchten wohl die Verhältniffe ganz ans 
ders fih gefaltet haben. Aneas wäre nicht Papft geworben, 
Friedrich dagegen wahrer Kaifer. Nun aber blieb Aneas nicht 
lange bei ber Neutralität. Zu Wien fah er den Garbinal Ju⸗ 
lian wieber, ber von bee bafler Kirhenverfammlung zu Eu 
gen IV. übergetveten war und die Union der Griechen, dann 
den obengebachten Tuͤrkenkrieg in Ungern betrieb. Nach ihm 
am der Garbinal Iohamm von Garvajal, Mit Beiden hatte 
Uneas vertraute Unterredungen. Auch mit andern Gelehrten, 
welche an ben Faiferlichen Hof kamen, beſprach ſich Aneas 
häufig über das Verhaͤltniß zum Papfte. Ex geſteht, endlich) 
feien ihm auch die Zehler der Reutralen Far geworben. Was 
er nicht gefteht, ift, daß er fich überzeugte, wie Friedrich bei 
feiner Neutralität oder vielmehr Untbätigkeit nie zum Ziele 
kommen werde. Er gab den Kaifer auf, um feine ganze Thaͤ⸗ 
tigkeit dem roͤmiſchen Stuhle zuzuwenden. Die Schuld wirft 
er aber allein auf die bafler Verſammlung. 

Nach zweijährigen vergeblichen Verhandlungen mit Eus 
gen IV. und dem Concilium wurde die Sache auf bemfelben 
Beichötag zu Nuͤrnberg, auf welchem Friedrich Hülfe wider 1444 - 
die Schweizer und Tuͤrken verlangte, vorgenommen. Briebz 
sich befchidte den Reichstag dur Sylveſter, Bifchof von 
Ghiemfee, Thomas von Haſelbach, Doctor der Theologie zu 
Wim, Ulih von Sonnenberg und  Aneas. Eugen IV. war 
durch feine Verbindung mit 8. Alphons von Neapel trokiger 
geworden, boch wollte er fich endlich unter gewiſſen Beſtim⸗ 
nungen zu einem andern Goncilium verfiehen, fobald das 
Rech bie 9 Neutralität, als mit dem chrifllichen Glauben uns 
verträglich, ablegen würbe. Friedrich ſchlug Goflanz zum Site 
des Concilium vor; aber bie Väter zu Baſel verweigerten 


6 Bud IL Erfer Zeitraum. Abſchnitt 4. 


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3* 


her habe er dem Willen des roͤmiſchen Koͤnigs, ihm den Weg 
zur Gnade zu bahnen, nicht ungern gehorcht. Somit that 
Aneas den zweiten Übertritt von feinen frühen Grundſaͤtzen 
und erflärte fi als entichiebenen Anhänger der römifchen 
Gurie, die ee früher fo lebhaft bekämpft hatte. 

‚ Eugen ſah, baß er einen Mann vor fi) habe, welcher 
der Kirche wichtige Dienfle leiſten könnte. Er nahm ihn gnd- 


wurbe Aneas bedeutend Frank. Unter den Cardinaͤlen, welche 
ihn befuchten, war Thomas von Garzano, nachberiger Papft 
Nicolaus V., dem er dagegen, als er nachher mit Aufträgen 
. von Eugen IV. nad Wien kam, wefentlihe Dienfle bewies. 

Denn, wiewohl Eugen fich zu dem Hauptantrag wegen eines 
in Teutſchland zu haltenden neuem Concilium nicht verſtand, 
fo kam er am Ende mit Änens darin überein Gefanbte an 
die teutfchen Fürften abgeben zu lafien mit dem geheimen Auf: 
trag, fie von bes Neutralität abzuziehen 2). Anend war kaum 
zuruͤck, fo erhielt er durch den Garbinal Johann von Carva⸗ 


djai ein päpfiliches Schreiben, das ihm die Gtelle eined Be: 


1) Bulla Retractationum in Opp. ab init. (ohne Geitenzahl). 
D) Möller Beichötagstheatrum, Vorſtell. L G. DD ff. 





8. Friedrich IL, 1440-143. . 507 


heimfchreibers äbertrug *). Ermuthigt über die durch 
Aneas bewirkte Annaͤherung des roͤmiſchen Koͤnigs erlaubte 

ſich Eugen IV. ſchon einen Gewaltſchritt, der leicht das Ganze 
wieder verderben konnte. Um die andern Fuͤrſten zu ſchrecken, 
ſprach er die Abſetzung aus uͤber die beiden Erzbiſchoͤfe von 1445 
Trier und Gin, Jacob von Sink und Dietrich von Moͤrs, 8. Febr. 
weil ſie ihm bisher am meiſten entgegen geweſen und auf die 
Seite von Felix V. getreten waren; zugleich ernannte er für 
Trier den Biſchof Johaun von Cambray, natuͤrlichen Bruder 

des Herzogs Philipp von Burgund, fuͤr Coͤln des Letztern 
Schweſterſohn, Adolf von Eleve 2). 

Diefem Gewaltfchritt feßte dad Kurfürſtencollegium 
einen neuen Verein zu Frankfurt entgegen, mit dem Ber 1446 
ſchluß: wenn EugenIV. nit 1. die coflanzer und bafler 23. 
Decrete von ber. Gewalt der allgemeinen Kirchenverfommlung 
beflätige, 2. zu Beilegung des Schifma ein neued Concilium 
in eine von ſechs vorgefhlagenen teutfchen Städten anfebe, 

3. die bereitö zu Mainz angenommenen bafler Befchlüffe bes 
flätige und alle während der Neutralität gefchehenen Neueruns 
gen, namentlich die Abfegung ber beiden Kurfürften aufhebe: 
fo vohrben fie von ihm abtreten und das bafler Concilium für 
das vechtmäßige erkennen, jedoch mit Verlegung an einen von 
den Kurfürften zu beflimmenden Drt, auf den Hal wenn 
ber römifche König nicht beiträte. Sie verbanden fich eidlich 
den Beichluß geheim zu halten und ihn auffer dem römifchen 
König nur ſechs feiner Räthe gegen das gleiche Verſprechen 
zu offenbaren, indem fie denfelben: baten zugleich mit ihnen 
Sefandte an Eugen IV. zu fihiden, nach deren Zuruͤckkunft 
fie ihren Befchluß vollziehen wollten. 

Diele ſtandhafte Erklärung nahm K. Friedrich empfindlich 
anf. Aneas benügte die Stimmung, ihn in Gegenfag mit 
den Kurfuͤrſten zu bringen. Die gemeinfchaftliche Gefandtichaft 
ging ab, jeboch mit ſehr verſchiedenen Aufträgen. Friedrich 
‚vertraute. die feinigen dem Anens; an ber Spitze der Eur- 


1) Gobellioi — p. 9— 41. Beide auch) zu dem Bol: 
genden. 


2) Raynald. ad a, 1446. $. 1. 





508 Bud 1. Erſter Zeitraum. Abſchnitt A 


fuͤrſtlichen Sefandten fland Georg von Heimburg. Beide 
waren früher in freundfihaftlicher Verbindung zu Bafel als 
eifrige Gegner des Papfitbums. Als Gelehrte blieben fie auch 
foäter im Briefwechfel mit einander *); aber in Abſicht des 
Papſtthums handelten fie jebt gegen einander, Georg offen, 
Aneas verdedt. Georg erließ eine Auffoderung an alle Für 
ſten der Chriftenheit, die Neutralität gegen den römifchen Papſt, 
„die babylonifche Hure,” abzulegen, und erklärte es flr den 
größten Schimpf, daß der größte Monarch den Päpften einen 
Eid der Treue fhwören müffe. Im letztern Punct war Inend 
noch mit ihm einig. Georg, im Würzburgifchen geboren, Docs 
tor der Rechte und Syndicus der Reichsſtadt Nürnberg, vieler 
Kinften Rath und Sachwalter, flanb in großem Anfehn in 
ganz Teutfehland, als ein Mann von umbeftechlicher Bieder⸗ 
keit. Er war, nach des Aneas Befchreibung, von großer Ge 
ffalt, Tabl, -fonft fchön, mit einem freubigen Blick, fo beredt 
im Teutfchen wie im Lateinifchen, daß, wo ex war, Alles auf 
ihm ruhte; für einen Teutfchen, fagt Aneas, gelehrt, über bie 
Maßen freimüthig; ex folgte bloß feinem Kopfe, hatte feine 
eigenen Sitten und befonbere Lebensart und vernachläfiigte 
fein Aufferes. So erſchien Georg vor dem Papfle als ein 
derber Zeutfcher, in einer folgen Rede bie Beſchwerden ber 
Nation ohne Ruͤckhalt ausfprechend, mit dem Beiſatze, bag 
die Kurfürften bereits einen Tag feflgefegt hätten, um ihren 
Entſchluß auszuführen, je nachdem bie Antwort fallen wärbe *). 
Che jeboch die teutichen Geſandten vorgelaffen wurden 
erhielt ÄAneas vertraute Gehör bei Eugen IV. durch den Car 
dinal Xhomas von GSarzano, ber ihn von Wien nach Rom 
begleitet hatte. Der römifche König hatte ihm die Befchlüffe 
der Kurfürften, da in Rüdficht feiner geheiligten Würde Bein 
Eid von ihm verlangt worben, entbedt. Dieſe theilte nım 
Aneas, der nicht zu den ſechs Baiferlichen Raͤthen gehörte, dem 
Popfte mit und rieth ihm im Namen bes Königs wenigftens 
in ber Dauptfache den Kurfürften. nachgugeben, um eine Tren 


1) Rad) als Siſchof von Trieſt ſchreibt Ancas an Georg. Ep. 120 
in Opp. edit. Basil. p. 647. 


2) Sqhrodh Kirchengeſch. DIL 32 6 121 FE 





8. Sriedrich III, 1440-149, 509 


umg zu berhiten '). Der Papft dankte und nahm ben Ancas 
für, die bereitö übertragene Stelle eines Gebeimfchreibers in 
Pflicht. Ein Fall, einzig in feiner Art. Aneas, erſt Ge 
heimfchreiber des, Goncilium, dann des Gegenpapfles, jest 
in berfelben Stelle bei dem Kaifer und Papſt zugleih. Wir 
erinnern und, baß fchon der bloße Verdacht einer folhen Ans 
näherung dem verdienten Peter be Vineis unter K. Friedrich IL. 
das Leben gekoſtet. 

Den kurfuͤrſtlichen Geſandten antwortete Eugen kurz und 
gemeſſen und nahm ſich Zeit zu weiterer überlegung. Georg 
von Heimburg wurde nicht wenig ungeduldig; er ſchmaͤhte 
auf Rom, auf bie brennende Hitze, auf den Papfl. Endlich 
gab diefer den Beſcheid, weil die Gefandten keine Vollmacht 
zum weiten Verhandeln hätten, fo wollte er ben Fürſtentag 
zu Frankfurt beſchicken. 

Dielen Tag beſchickten auch die bafler Väter durch ben 1446 
Cardinal Ludwig von Arles. Im Namen K. Zriebrichs Fam 1. Sept. 
Caſpar Schlid mit zwei Bifchöfen und zwei Markgraven; un⸗ 
terwegß traf Aneas mit ihnen zufammen. Da Frietrich ſich 
von ben Kurfürften für verachtet hielt, fo ließ er Alles ver⸗ 
fuchen um fie zu trennen. Doch wollte er dieſes nicht.auf 
fi allein nehmen und eben fo wenig aud) bem Papfle allein 
beitreten, wiewohl er e8 in ber That ſchon gethan hatte. Aus 
diefer Verlegenheit half Anend. Da bie Verhandlungen ans 
faͤnglich zu Gunſten der Bafler fich neigten und die Kırflırs 
fien ihre Zuflimmung gaben, fo ftellten die Faiferlichen Ges 
fandten vor, daß dies gegen die Neutralität laufe, und droh⸗ 
ten wegzugehen. Nun machten bie Frankfurter einen Auflauf, 
fie hätten nicht den Kurfünften, fondern dem vömifchen Koͤ⸗ 
nige gehulbigt und muͤſſten alfo feine Geſandten unterflügen. 
Wergeblich berichtete Georg von Heimburg bie zurüdfloßenden 
Antworten bed Papftes, fchilderte ihn als Zeind der Teut⸗ 
ſchen, als hartnädigen Kopf, klagte bie Cardinaͤle an, daß fie 
die Goncilien herabwuͤrdigten und den römifchen Hof mäften 
wollten, gab jedem einen Spottnamen, ben Beflarion bieß 


1) Gobellia. Comment. p, 11.. Aen. 8ylvii hist, Frid, IH. 
in Kollar. Analect, Vindob, T, II. p. 122. 


510 Bud HL Erſter Zeitraum. Abſchnitt 4. 


er wegen: feines griechifchen Bartes einen Bock. Dagegen 
erzaͤhlte Aneas von den guten Hoffnungen welche zu Rom ge 
macht worden, und fand einen geheimen Ausweg 
Man wufite, daß der Verein dee Kurfürften nicht ihre 
eigene Erfindung war. Johann von Zyfura (von bem 
Dorfe Lyſer im Zrierfihen), Doctor des Eanonifchen Rechts, 
Domherr zu Mainz und Generaloicar des Erzbifchofs, vor 
mals auch bei der Kirchenverfammlung zu Bafel'), der eis 
gentliche Stifter des Vereins, war nicht unzugänglih. Un- 
“geachtet er anfänglich den Anend hart angelaffen, ob cr von 
Siena gekommen fei, um den Teutſchen Gefeße zu geben, fo 
leß er fih doch gewinnen durch Geld, „welches die Höfe be 
herrſcht, alle Ohren Öffnet, und dem Alles dient.” Lyſura 
und drei andere mainzifche Räthe eupfingen miteinanber 4000 
rheiniſche Goldgulden, daflır brachten fie ihren Kurfürften auf 
K. Friedrichs Seite. Das Gelb gab tiefer und erhielt es 
von Eugens IV. Nachfolger zuruͤckbezahlt. Died Alles gefteht 
Aneas felbft im Leben KR. Friedrichs 2). Damit jetoch ber 
Kurfürft mit Ehren von dem befchwornen Buͤndniß abtre: 
ten Tonnte, nahm Anead die Urkunde vor, faß eine ganze 
Racht darüber, drüdte, wie er fagt, alles Gift heraus und 
brachte fie in eine andere Geflalt, worin die wefentlichften 
Bebingungen ber Kurfürften zugeflanden wurden, obne dem 
Papſt zu nahe zu treten. Ä 
Bei diefem Schritt, auf welchen ſich Kneas nicht wenig 
zu qut that, ging er zwar weiter, ald die drei andern paͤpſt⸗ 
tichen Geſandten haben wollten. Unter biefen war Nicolaus 
von Eufa, aus dem Dorfe Euß im Zrierfchen, Landsmann 
‘von Lyſura, zuerſt Nechtögelehrter, dann, weil er feinen erſten 
Proceß gegen Georg von Heimburg verloren, in ben geiftli- 
hen Stand getreten, jebt ald Archidiafonus von Lüttich ben 
Nömern gegen fein Vaterland bienendb, wie oft an Heinen 
Derfönlichleiten große Gefchäfte hängen. Diefer wollte durch 
aus den Fürften nicht fo viel nachgegeben wiſſen. Auch zu 
Rom fand KAneas Widerforuch bei ben Gardindien, wenigfiene 


1) Shrödh a. a. O. S. 188. 
2) verfchweigt es aber in den Commentarien des Gobellin p. 12. 








I} 


.A. Friedrich II., 140-148, sit 


bei den Theologen, welche, wie er fagt, Alle erfchiveren. Al⸗ 
lein der ſtaatskluge Mann wuſſte wohl, wie man mit dem 
Scheine einiger Rachgiebigkeit doch das Ziel erreichen koͤnne. 
Seinen neuen Entwurf unterfehrieben mit dem römifhen Ko— 1 
nige die Kurfürſten von Mainz und Brandenburg und einige °- T- 
andere geiflliche und weltliche Fuͤrſten. So war ber Kurven 
ein getrennt, und ein neues entgegengefeßtes Buͤndniß einge 
leitet. Die drei andern Kurfürften wuflten ſich nicht fogleich 
zu benehmen. Es ging wieber eine gemeinfchaftliche Geſandt⸗ 
ſchaft nach Rom, bei welcher, wie leicht zu erachten, Johann 
von Lyſura. Die bafler Geſandtſchaft muſſte ſchmaͤhlich won 
Frankfurt abziehen und wurde unterwegs ausgeplindert. | 
Da Eugen IV. dem Tode nahe war, fo beſchleunigte 4447 
Aneas die Verhandlungen; Lyſura fagte, wenn ber Papft nur VSan. 
noch ben Heinen Zehen rührte, fo müffte die Sache zum Ab: 
fhluß fommen. Die GCarbindle $raten über unb es wurden 
ſchnell vier Bullen auögefertigt, worin Eugen verfpsach, bie 5. Gebr. 
abgefebten Erzbifchöfe wieder einzufegen, fobald fie ihm Obe⸗ 
dienz geleiftet haben würben, und bie malnzer Acceptations⸗· 
urkunde folange gelten zu laffen, bis man fich weiter Sergieh 
chen werde; jedoch, baß ihn die teutfche Nation für 
Die abgetretenen Rechte entſchaͤdige. Frelilich legte 
Eugen zu gleicher Zeit eine eigene Verwahrungsurkunde nies 
der, auf den Fall daß er fir den päpflliden Stuhl etwas 
Nachtheiliges verwilligt haben follte. Doch warb ihm jest Im 
Namen bed vömifchen Königs und der mit ihm verbundenen 
Zürften feierlich Obedienz geleiftet, unter großem Frohlocken 8. Behr. 
des römifchen Volk. Diefe Übereinkunft hat den Namen Füͤr⸗ 
flenconcordate, weil ber Kurverein allerdings bie Grund 
Lage dazu gegeben '). Man ſollte fie aber eher die roͤmiſchen 
Eoncorbate nennen, und wenn man erwaͤgt, wie fie mobificht = 
worben, fo mußmanmit Spittler fagen: „bie Xeutfchen wu⸗ 
ren verratben und verfauft.” Das war bad Werk eines Ita⸗ 
lieners, der auf ihre Koſten fi) ben Weg zum vapſtichen 
Stuhle bahnte. 
Aneas gehörte bisher dem Laienflanbe an, umgebihttt er 


1) Koch Sanctio pragmat.p. 19sqg. Müller Vorſtell. J. E. 26. 


1447 


512 Bud DE Eifer Beittaum.. Abſqhnitt 4, 


feit dem Abſchiede von Baſel geifllihe Pfrinben genoß. Erſt 
nach ber günfligen Aufnahme bei Eugen IV. trat er in den 
geiftlichen Stand und erhielt in Öfterreich die niederen Grabe, 
in Rom die Prieflerweibe. Während der letzten Unterhand⸗ 
lungen wurbe er zum päpftlihen Subbiafonus_ ernannt. Ni⸗ 
colaus V., Eugens Nachfolger, beflätigte ihn auch in ber 
Stelle eines Seheimfchreiberd. Da während feiner Rüdreife 
nah Wien der Bifchof von Trieſt flarb, erinnerte Gafpar 
Schlid den römifhen König ihn zu biefee Wuͤrde zu empfeh⸗ 
len. Nicolaus fprach feine Ernennung aus, unentgeltlich und 
obne die Garbindle zu fragen '). 

Es war noch übrig, die Entſchaͤdigung uber Proviſion 


6. März des Papftes zu beflimmen. Nicolaus V. ließ fih gut an. 


23. Sum. 


Zul. 


„Die römifchen Paͤpſte,“ fagte er zu ben teutfchen Gefandten, 
„baben allerbings ihre Hände zu weit auögeftredt, da fie den 
anbern Bifchöfen gar Feine Gerichtöbarkeit gelafien haben. Da⸗ 
gegen haben auch bie Bafler den Päpften zu fehr die Hände 
gebunden. Aber fo geht ed, wenn man Unrecht thut. Sch 
bin entfchloffen,” fuhr ex fort, „bie Biſchoͤfe nicht zu berau⸗ 
ben, denn dadurch hoffe ich meine eigene Gerichtsbarkeit am 
beften zu erhalten, wenn ich mir bie fremde nicht anmaße *)." 
Er beftätigte die. Zufagen feines Vorgängers und emannte 
den Gardinal Johann von Carvajal zum Legaten bei der Ver⸗ 
handlung über die Provifion. 

Die übrigen Kurfürften,- weiche dem Eaiferlihen Bimb⸗ 
niß nicht beigetreten waren, machten noch einen Verſuch für 
die Kirchenfreiheit und für die Behauptung der mainzer Ac⸗ 
ceptationdurfunde. Sie verbanden fich zu Bourges mit bem 
Könige von Frankreich. Erſt wenn ein allgemeines Goncis 
lium zur Beruhigung ber Kirche gehalten und das Anfehn 
folcher Verfammlungen wiederhergeſtellt wirde, dann woll- 
ten. fie Nicolaus V. für den rechtmäßigen Papſt erkennen. 
Alein der römifche König berief einen Reichstag nach Aſchaf⸗ 
fenburg im mainzer Gebiet, auf welchem Aneas mit bem 


4) Gobellin; L «, 
2) Aen, Sylvii Oratio ad Frid. Caes. in Baluz. Miscell, T. 
VII. p. 555. ’ 





0. A Friebrach IL, 1440-1493. -. © 5418 


Rehtägelehrten Hartung von Kapell beiden. übrigen Reiche 


fanden, .zuplche. Feine Sefondten nad), Nam geſchickt Hatten, 
die Anerkennung Nicolaus V. durchſetzte. Auch die Kurfür 
ſten von Shin und Pfalz ahen uͤben, ungeachtet der Letztere 
eine Tachſer von Felix V. zux Gemahlin hatte. Nun ſollte 


auf rim. qudern Reichätag zu; Nürnberg die paͤpſtliche Pro⸗ 
vifion Beſtimmt werben, auf ben Fall baß indeffen mit dem -- 
Legaten kein Vergleich zu: Stand kaͤme. Diefer Reichstag 1448 
wurde jeboch umgangen; ber Legat kam nach Wien und ſchloß San. 


durch Kneas mit dem römifchen Könige allein ab, nachdem 
Nicolaus, wie oben Schon bemerkt worden, feine Schatzkan⸗ 
mer geöffnet hatte. Es heiſſt zwar im Eingange bed Ver 
gleichd, der Kaifer habe „für bie teutfche Nation und unter 
Einwilligung mehrerer Kurfürften, auch anderer geifllicher und 
weltlicher Zürften” denſelben gefchloffen. . Allein es ift erwie 
fen, daß weber fie noch ihre Abgeordneten dabei waren. Ver 
möge ‚diefer wiener Concorbate, welche ald Zortfegung 
der roͤmiſchen zu betrachten find, wurden dem Papſte die durch 
die bafler Berfammlung aufgehobenen Refervationen und Ars 
naten unter gewiſſen Einſchraͤnkungen wieder zugeſtanden, die 
Verleihung ber geringern Beneficien ſollte monatlich zwiſchen 
dem Papft und ben Collatoren wechſeln. 

Diefe Eoncordate wurden auch nachher nicht dem Reich: 
tage vorgelegt, fonbern Aneas wuſſte nad) und nach die Eins 
willigung ber Einzelnen zu erhalten, indem er bei bem 
mainzer Erzbifhof den. Anfang machte). Fürften und Bis 
fchöfe erbielten jeder gewiffe kleine Verwilligungen. So gut 
Fannte Aneas bie Zeutfchen! . 

Nun wurde die bafler Kirchenverfammlung Preis geges 
ben. Schon zu Anfang der Verhandlungen mit Eugen IV. 
Fündigte ihr Friedrich das Geleit auf. Die Übrigen anweſen⸗ 
den Väter hielten nach dem Rücktritt der teutfchen Bifchöfe 
noch ein Jabr ſtandhaft aus, unter dem Schutz der Staͤdte, 
welchen bei jenen Verhandlungen mit dem FOREN Stuhl 


1) Koch Tabnlae Concoräat. inter Nicol. V. et * II. Vin- 
dobonae initorum, in Sanct. pragmat. p. 201 sg. Schrödh a. a. .D 
e. 161 |. - 

Hfifter Sefchichte d. Teutſchen HU. 33 


t 
& 


1447 


DT. 


514 Bud IH. Erſter Zeitraum. Abſqchnitt 4. 


keine Stimme zugeſtanden worden. Endlich auf drei wieber: 

holte Mandate des roͤmiſchen Koͤnigs, ba durch Übertritt . 

bafler Biſchofs Unruhen in der Stabt felbft eniianben, 

gen fich die Väter nach: Laufanne -gurüd und wolkten J 

Aufferfte abwarten. Indeſſen vermittelte der 8: von Frank⸗ 
1448 reich. Auf einer Berfammlung zu Lyon, wo ⸗auch: Sefandte 

Sul. von den Kurfürften von Coͤln und. Sachfen und der Kurfkrfl 

von Zrier ſich einfanten, wurde befchleffen Feliy:V. zur Nie 

1449 derlegung aufzufodern. Nachdem er diefe ausgefprochen, waͤhlte 

19. Apr. das Concilium nun auch Nicslaud V. zum rechtmäßigen Papfl, 

der eine allgemeine Ammeflie erließ, und bob fidy alfo nad 
fiebzehnjährigem Kampfe ſelbſt auf '). 

So wurden bie Erwartungen, weiche man auf bie zwei 
großen Goncilien zu Coſtanz und Baſel gefeht hatte, ge 
taͤuſcht. Ihre wichtigften Befchlüffe von der Gewalt der all⸗ 
gemeinen Concilien kamen bald fo in Vergeſſenheit, baß fie 
ſchon nad einem halben Jahrhundert von Leo X. geradezu für 
aufgehoben erklärt werben burften. 

Solche zahlreiche, freimüthige Zuſammenkuͤnfle ausge 
zeichneter Vertreter des chriftlichen Volkes hat man ſeildem in 
Teutſchland nicht mehr gefeben. Aber Leo X. ſelbſt: muſſte 
noch erfahren, daß biefe Concilien durch vielfeifige Ritthei⸗ 
Iungen unter den vorzüglihfien Männern aus allen Nationen 
eine Saat auögeflreut, deren Früchte nicht mehr unterbrirdt 
werben Fonnten. In demfelben Beitpunc ba die Concilien 
aufbörten, baben die Zeutfchen die Buhdruderfunft eu 

funden. 

— Das Jahr 1450 wurde in Rom als ein großes Jubel⸗ 
feſt begangen; von Seiten des Papſtes in ganz anderm Sinne 
als von Seiten des Volks. Einen ſolchen Sieg hatte man 
vor kurzem noch kaum zu hoffen gewagt. Aber Aneas, ber 
ihn berbeiführte, bedachte ſchwerlich, was er in eben dieſem 
Jahr dem jungen K. Ladiſlaus in ſeiner Schrift über Für 
fienerziehung fagt: 

„Der Zugenb ehesten bie Voͤlker, 
Gegen die Lafter fiehen fie auf!‘ 


1) Mäller Vorftel, I ©. 27. Geſch. v. Schwaben V, 59 ff. 


K, Kriedbrig IL, 1440-1493 . 515 
4. Letzte Romfahrt und Kaiferkroͤnung. | 


Schliks Tod. Kneas, Eaiferliher Rath und Bi- 
Ihof zu Siena, gebt voraus nah Italien, auch in 
Betreff der Vermaͤhlung Friedrichs JIL mit Eleos 
nora von Portugal Friedrich muß Franz Sforza 
im Befit von Mailand laffen. Er demüthigt ſich 
vor dem Papſte, um bei ber Bormundfchaft des Las 
biflaus gefhügt zu werben. Starke Sprache ber 
Öfterreicher gegen den Papfl. Friedrich, zu Wies 
neriſch-Neuſtadt belagert, muß den Ladiflaus den - 
Ständen von Öflerreih, Ungern und Böhmen 
. ausliefern.. m... bes erzherzoglichen 
iteld. 


Ban nach der Aufhebung des bafler Concilium flarb ber 4449 
Kanzler Caſpar Schlid in Folge von Schlaganfällen. Ein 6. Jul. 
feltene8 Beifpiel, daß ein Dann bei drei Kaifern von fehr 
verfchiedenen @igenfchaften in gleichem Vertrauen geflanben 

und von allen mit gleicher Dankbarkeit ausgezeichnet worben. 

Wie ihn K. Sigmund geehrt, ob er gleich den Paͤpſtlern auf 

dem Concilium widerflanden, haben wir oben ſchon gefehen. 

Von K. Albert erhielt er Weiſſenkirch in Ungern, von K. Fried⸗ 

ih Graͤz, mehrere Güter in der tarviſiſchen Mark und den 
Titel eines Graven von Baflano !). Eine fchlefiihe Herzogs 
tochter war feine Gemahlin ?). Er war von nicht großer Ge 
ftalt, aber wohlgebaut, hatte ein freundliches Ausfehn, lebhafte 
Augen unb eine gewiffe Hoheit in feiner ganzen Haltung. 

As ein Mann von anerfannter Tüchtigkeit fland er in gros 

Gem Anfehn bei den Zürften und dem ganzen Adel. Den 
Städten oder dem Buͤrgerſtande bewies er mehr Gunft, als 
jenen lieb war. Seine Kenntniß der Gebrechen Teutfchlands 

bat er an den Zag gelegt, da ihm in K. Albrechts ll, Abwe⸗ 
fenbeit die Landfriedensfache diberlaffen blieb. Bis er in K. 


1) Adami Vitae Germanorum Jureconsultorum p. 5 agq.5 vergl. 
Mälter Schweizergefhichten TIL, 417 Rot. 9. 
2) Ein ſchoͤner Brief von Kneas Aber ihren Tod In ben oͤfter ange- 
führten Opp. Ep. 110. v. 3. 1448, Er 
33 


516. Buch IL Erſter Zeitraum Abſchnitt 2. 


Friedrichs Dienfle Fam, waren bie Sachen fchon wieber auf 

‚ dem alten Fuße. Nun ſcheint er hauptfächlid, feine Gorgfalt 
auf bie Erblande gerichtet zu haben, welche durch ihn vom 
Inremburgifchen Haufe an das öfterreichifche gelommen. Die 
firchlichen Angelegenheiten muffte er dem Aneas überlaffen '). 
In dem Zeitpuncte feines Todes war der oben erzählte Städte 
Frieg im Ausbruch und rechtfertigte nur zu fehr, was er fri 
ber gefprochen. Es fland lange an, bis K. Friedrich wieder 
einen Mann fand, der die teutfche Verfaſſungsſache am rech⸗ 
ten Ende zu faſſen wuſſte. 

1450 Aneas wurde jegt unter bie Zahl ber Paiferlichen Raͤthe 
aufgenommen. Bald darauf ernannte Ihn Nicolaus V. zum 
Bifhof von Siena, feiner Vaterſtadt. Für die großen Opfer, 
welche K. Friedrich dem römifchen Stuhl auf Koften bed Reihe 
und der Kirche und feiner eigenen Ehre gebracht, verbieß ihm 
Aneas Erſatz durch die Kaiſerkroͤnung. Gr betrieb diefelbe 
felbft wider den Wunſch des Papſtes. Als mehrere italieniſche 
Stände Letztern in feiner Zuſage wankend gemacht hatten, 
ſchrieb ihm Aneas: von diefem Friedrich fei nichts zu befünd: 
ten; wäre er ein Feind bed Klerus, fo hätte er benfelben lädt 
während des Schifma vernichten tönen. Aber er habe fih 
ber Kirche, feiner Mutter, erbarmt, die Neutralität abgethan 
und ed dahin gebracht, daß jet alle Teutſchen dem Papfie 
gehorchten ?). 

Sriebrich felbft war nicht bloß luͤſtern nach Zitel und Ehre, 
er zählte auch auf fehr günftige Folgen. Er hoffte, wie der 
Dapft die Primatialcechte gegen die Abficht der Concilien nad 
und nach wieder an ſich gebracht, fo werde er num auch ben 
geleifteten Beiftand erwiedern und ihm zur Herftellung ba 
von ben NReichöftänden gefchmälerten Faiferlihen Bor: 


1) Darüber Haben wir am wenigften Licht, wie er von Aneas hr: 
umgebradjt worden. In den Verhandlungen mit Ungern wollte man 
Schlick dem Kaifer verbähtig machen. Diefer antwortete: „ich halt: 
Gafpern für einen reblichen, mir wohlgeneigten Dann. Bin ih oben 
meiner Meinung betrogen, fo will ich lieber, daß ber Betrug von ſelbſt 

. al8 durch unzeitiges Nachforſchen offenbar werde.” Fugger ©. 1088 

2) Aen. Sylv. Hist. Frid. IH. p. 73 sqq. Das Borgehende nad 

Gobellin, Comment, p. 13, 


"8 Btieheich TIL, 1440-1498 617 


rechte helfen. Der Zeitpunkt zum Aufbruch aus Teütſchland 
ſchien zwar nicht ſehr guͤnſtig. Auſſer den fortwaͤhrenden Bes 
wegungen im unmittelbaren Reichslande, wo noch manche bes 
fonbere Steeitfragen vom Gtäbtefrieg unentfchleben waren, 
entfiand in.dew Erblanden des Labiflaus innmer größere Gaͤh⸗ 
zung. Die Öfterreicher, die Ungern und bie Böhmen fpras 
den ihre Befchmerden Über Friedrichs Vormundſchaft laut ges 
nug aus und wiederholten flet3 das Verlangen, daß der junge 
König ihnen auögeliefert werde. Doc Friedrich überrebete 
fich dieſe Ausbrüche am ſicherſten durch den Papft nieberfchlas 
gen zu koͤnnen, und er fcheint das bei dem Römerzuge nod) 
näher im Auge gehabt zu haben als die Herfiellung der kai⸗ 
ferlichen Rechte. Indeſſen ließ er noch einmal in Güte mit 
ben Ständen unterhandeln. Nach Böhmen ging Aneas. als 
päpßlicher Legat, indem ex. fih zugleich viele Mühe gab ‚bie 
Utraquiſten wieder mit der roͤmiſchen Kirche zu vereinigen. 
Den jungen Ladiſlaus aber wollte Friedrich auf keinen Fall 
in dieſen Laͤndern zuruͤdlaſſen ſondern nahm ihn mit ſich auf — 
die Romfahrt. 

Auſſerdem hatte 03 Friedrich die Abficht, ba er fchon 36 
Jahre zählte, fich. zu vermählen. Seine Wahl entfchied ſich 
fie Eleonora, Tochter bed portugiefifchen Königs Eduard, 
Nichte des K. Alphons von Neapel, melde, zufolge des Hei⸗ 
rathövertragd, zu Schiffe nad Italien kommen folte, um 
mit ihm zu Rom getraut und gekrönt zu werden. Auch diefe 
Angelegenheit war durch Änead auf einer Sendung nad) Nea⸗ 
pel eingeleitet. Zu Siena erwartete er bie Ankunft der beiden 
boben Verlobten und bereitete auch den Papft dazu vor, wie 
oben ſchon bemerkt worden. 

Das Reich bewilligte dem xömifchen „Könige zu biefern 
Zuge 1000 Heifige, alle in Roth gelleivet, und 2000 Fuß⸗ 
knechte). Das war. num wohl ‚eine anſtaͤndige Sefolgfchaft, 
aber ed war Fein Roͤmerzug im alten Sinne, alſo auch nicht 
geeignet dem Reichenperhaupte die Achtung zu verichaffen, 
welche AÄneas in feinem früheren Vorſchlage bezwedt hatte. 
Überdies lag noch ein großer Stein im Wege, an u De 


9 Das Nähere bei Fugger, Ghrenfpiegel 577. 


58 Buch HL Grfer Zeltraum. Abſqhnitt 4. 


ſeitigung ſchon einige Jahre, nud; bei Lebzeiten des Kamecs 
Schlick, gearbeitet worden. 


Herzog Philipp Maria Biſconti von Mailand | 
war ohne männliche Erben geftorben, und K. Friedrich hattt 


nicht geſaͤumt das erbedigte Reichtlehen durch Cownsiffarien, 
unter der Leitung usa Schlidd und Aueas, in Beſit nehmen 


zu lafien. Allein e8 fanden doppelte Hinderniſſe auf: einem 


ſeits durch die Mailänder, welche die Umftände beuutzen well: 
en, um fich zu einem Freiſtaate zu erllaͤren, wie Florenz und 
Denedig; andererſeits durch Franz Sforza, ber vom ge 
meinen Krieger zum erſten Deerführer ſich aufgeſchwungen und 
als Schwiegerfohn des verflorbenen Herzogs, Durch veſſen na⸗ 
türliche Tochter Blanka Maria, auf die Nachfolge im Ho 
sogthbume Anſpruch machte Durch feine Gewandtheit fowehl 
als durch feine Tapferkeit wuflte Sforza in dem Gewuͤhle de 
Parteien, da die andern maildudifchen Staͤdte fich auch meh 
bängig machen wollten, dann bei ber Fortſetzung des verntis 
nifchen Kriegs und durch einfeitigen Friedensſchluß eine folde 
überwiegende Macht zu erlangen, daß er bie Mailänder durh 
Belagerung einſchloß. Diefe riefen num zwar den roͤmiſchen 


1449 König zu Hülfes allein da feine Abgeorbneten nur leere Ber 


öftung brachten, fo gelang ed dem Sforza die Stadt durch 


41450 Hunger zu bezwingen und ſich als Herzog anerkennen j 
26. Febr. laſſen ). 


K. Friedrich verſagte dem eingebsumgenen Herzog bie Be 
lehaung. Um jedoch feinem Worte Nachdruck zu gebem, hätte 
er mit einem viel flärkern Heere kommen müffen. Das wer 


1452 nun der Stein, ben Briedrih, wie K. Sigmund, umge 


- Gebr. 


muffte. Er that als wüflte er Nichts von Mailand und nahm 
feinen Weg nach Siena, wo Aneas bereits die Eleonore aw 
sangen hatte. Bald legte ihm auch der Papft Etwas in ben 
Weg, Indem er vor Betretung bed Kirchenſtaats ben berlin: 
lichen Eid verlangte. Aneas war noch fo weit Zaiferlich, deß 
er mit großer Gelehrſamkeit bewies, das fel eine Neueum 


1) Joh. Simoneta in Muratori T. XXI. eine Hauptquelli, 
verglihen mit Aen. Sylv. Histor. Frider. ILL, p. 234 I de etai⸗ 
Kuropae c. 46. _ 


&ı..nß. Ftledtich: HE, 14021499: 610 


ber eltmenkinifihen Sapungen: Aber Friedrich übertraf ihn an 
Chrexhietung: ob er gleich ſelbſt auch bie Eidesfoderung ſelt⸗ 

fen ſand, fp meinte ee: doch, dem hoͤchſten Prieſter, dem 
Statthalter Chriſti müfle ex gchorchen und feine Befehle als 

göttlich verchren ). Vor den Thoren von Rom ſchwur er auch 1452 
die ‚guten Gewohnheiten der Stadt zu erhalten. Nach dem’. März. 
feierlihen ‚Einzuge, wobsi er dem Papfle Buß, Hand und 
Wange gelüflt, bat er diefen zuerfl ausnabmeweife um Auf 

ſetzung der lombardiſchen Krone, weil zu Mailand — die Peſt 16, Dr; 
berrfche. Dann ließ er feine Ehe mit Gleonoren einfegnen, 

und, am britten Zage empfing er mit ihr die Kaiferfrönung. 19. März. 
Die Nuͤrnberger hatten diesmal die Infignien Karls des Gros 

Ben, die fie in Verwahrung hatten, mitgebracht. Vor dieſer 
Seierlichkeit hatte man ihm, als römifchem König, den Sig 

nah dem erſten Cardinal angewiefen; auch muflte er noch 

einmal dem Papfte ſchwoͤren, daß er ihn und bie Kirche aller 

wärts ſchuͤtzen wolle. Nachher hielt er dem Papſte die Buͤgel 

und führte fein Pferd einige Schritte am Baum. | 

Der Papſt hatte ihm geboten wegen des Sacraments bie 
Vollziehung der Ehe drei Tage zu verfchieben. Für den enthalts 
famen Friedrich war died Gebot überflüffig, denn er ließ ſich 
erft auf dem Beluche zu Neapel durch den Oheim Alphons, 
defien erhabene Regenitentugenden er nur bewundern konnte, 
zur Vollziebung bewegen. Er war anfänglid, gefonnen biefe 16. April. 
bis zur Ruͤckkehr nach Teutſchland aufzufchieben, weil er bes 
forgte, . ed möchte ihm ein Kind von italienifcher Gemüthsart 
geboren werben; auch fürchtete er Zauberei. Übrigens war er 
glüdlich in feiner Wahl: Eleoncre wird als eine fehr tugends 
hafte Fürflin .gepriefen. An Maͤßigkeit übertraf fie ihn ſelbſt, 

Denn fie konnte fih nie entichlieffen Wein zu trinken. 

Friedrich eilte von Neapel nach Rom zurüd, weil indefs 1451 
fen die Stände in Öfterreich einen Auffiand zu Gunſten des 14. Oct. 
Ladiflaus gemacht und ihre Klagen an ben Papſt gebracht hat: 
ten. Sie beichuldigten den Kaifer, daB er den Vormund⸗ 
fchoftövertrag in vielen Stüden überteten, auch ben jungen 
Furſten bloß beöwegen mit fih genommen habe, bamit er. jn 


1) Aen. Sylv. Hist. Frid. III. p. 182. 


620 Bud IL Erfer Zettraum. Abſqhaitt & 


ben heiſſen Lande umkommen und: das Detzogiiums alle an 
ihn fallen möchte. Friedrich verantwortete fü: Letaeres fi 
vielmehr in der Abficht gefchehen, um den jungen Ehren wi 
dem Papfle und ven Garbindien befannt zu machen; zugliä 
bat er den Papſt den Bann über bie aufrährerifchen ſterri⸗ 
cher auszuſprechen. Bald nach feiner Ankunft in Rom erſchiea 


1452 eine zweite Sefandtfchaft aus Öfterreih, an welche ſich and 
— bie Ungern anſchloſſen, um ben gedrohten Strafproceß abe 


Jun. 


wenden. „Diefe Sache“, ſprach Eines, „gehöre gar nit vn 
das Gericht des Papſtes, weil es eine weltliche Herrfchaft be 
treffe.” Dex Papft: „wiſſet ihr nicht, daß dem Petrus, mit 
bin audy feinen Nacfolgern, Alles zu binden und zu lfm . 
überlafien worden?” Da Ungern, fuhr er fort, Teinen weltli: 
chen Zürften über fih erkenne, der Kaifer aber gewiß über alle 
weltliche Macht hervorrage, fo koͤnne in diefer Sache Riemand 
Bichter fein ald der Papfi; und wenn bie Öfterzeicher nicht 
gehorchten, fo wären fie nicht weiter unter die Chriſten 
gu zählen ').. Alſo wieber biefelbe Sprache wie zu Ge 
gord VII. Zelt. 

Und dad war nun Alles was Friedrich von feinem A 
merzuge zuruͤckbrachte. Gleichguͤltig fah er, wie im Laiferlicen 
Stalien Fürſten und Städte, ohne ihn zu fragen, die Reichs⸗ 
rechte an ſich geriſſen, wenn er nur die Regentſchaft in den 


Erblanden nach feinem Wunſch fortfegen konnte. Seine De 


muͤthigung vor dem Papfte, wobei Aneas fih in Schmeidel: 
reden erſchoͤpfte, verberrlichte noch den Sieg Über die Kirchen⸗ 
verfammlung. Bei feiner Rückkehr aber nach Öfterreid traf 
ibn flott der Erfüllung feiner Wünfche eine neue Brugung. 
Ulrich Eiginger, Anführer der Aufgeflandenen, ben er einmal 
bei dem Kaufe eines Schloffes beleidigt hatte, ließ noch ein 
mal um Auslieferung bed Ladiflauß bitten. Als er fich bar 
über Bedenkzeit nahm, fagten ihm die Abgeorbneten ab und 
man rüftete fi zum Kriege. „Sollte der Kaiſer,“ fpracden 
die Öfterreicher, „darum furchtbarer fein, weil er die von Nuͤrn⸗ 
berg wmitgebrachte teutfche- Krone fih in Rom auffehen ließ!" 


1) Aen. Sylv. Hist. Frider. p. 183 aqq.; nicht weniger gu dem 
Bolgenden. 





Yes Frie drich ehe, Ye 


As der Papft mit Vollziehumg des: Bannes Werpte,ssenn fie 
nicht innerhalb 40 Tagen dem Kaiſer die‘ Regierung ihres 
Landes: zuruͤckgeben würden, warfen fie den Boten in's Ges 
faͤngniß und Heften durch ihre Doctoren eine Appellation ven 
bem nicht- genug unterrichteten an ben beffer' zu unterrichlens 
"den :Papft, oder an ein allgemeines Concilium, oder an bie 
allgemeine Kirche auflegen. Aus Zeutfchland hatte mam das 
eine folche Sprache ſchon zu Ludwigs des Baiern Zeit gehört; 
aber in Öfterreich war fie noch neu, und Aneas legt die Schuld 
davon auf die wiener Univerfität, als eine andgeartete Toch⸗ 
ter des apoflolifchen Stuhls. = ö 
Friedrich nahm gegen den Rath des Aneas einen huffitis 
fehen Feldherrn an und hoffte die Öfterreicher mit den Waf⸗ 
fen in der Hand zu unterwerfen. Allein er wurde durch Gil 4452 
zinger in Wieneriſch⸗Neuſtadt eingefchloffen und gezwungen Aus. 
ben Ladiſlaus feinem muͤtterlichen Oheim, dem Graven Ulrich 
von Cilly, audzuhändigen. Die Hfterreichiichen, ungerifchen 10. Sept. 
und böhmifhen Stände hielten dann einem großen Landtag 
zu Wien und befchloffen, daß in Ungern Johann von Hus 10. Rov. 
nyad, in Böhmen Georg Podiebrad, in Öflerreich ber 
Srav von Eilly bie Statthalterfchaft führen, der Kaifer aber 
ohne Entfehädigung für feine bisherigen Koften zurüdtreten 
folle. Der Verluſt alled Vertrauens fcheint Friebrich weniger 
gefchmerzt zu haben als die Herausgabe der fo lange feſtge⸗ 
baltenen Vormundfchaft, die ihm. num förmlich abgefprochen 
worden. Bei dem Allen mag er fi) in dem Gedanken gefal⸗ 
len haben, daß die beiden Reiche, Böhmen und Ungen, doch 
einen Fürften feines Haufes ald Oberhaupt erfannten: denn 
bald darauf ſah er fich veranlaſſt für das Geſammthaus auch 4458 
Etwas zu thun. Er erneuerte den erzberzoglichen Xitel, 6. Ian. 
welchen vormald H. Rudolf IV. wider Willen K. Karls IV. 
aufgebracht ‚hatte, gegründet auf K. Friedrichs IE. Freiheits⸗ 
brief, vermöge deſſen die Zürften des Haufes Öfterreich die 
nächfte Stelle nach den Pfalzerzfürften haben follen *). 
Math. Friedrich III. hat kein Kaifer mehr die Krönung zu 


1) Kulpis Diplom. ad hist. Frider; IIT. p. 7. Das Übrige meift 
nach der öfter angeführten Elist. Frid. III. von Aen. Sylvius. 





2 Bud Hirr-Erfer Zeier aum. Apſchaitt 4. 


Rom empfangen, und ſomit find auch bie Vorrechte weile 
Popſt Nicalaus. V. .bei biefem Anlaß ernenerte, von fehl 


ailoſchen Dob iſt die Stellung, des Papfithums in eine 


Fugen: Reibe won Jahren weit guͤnſtiger geworden als bie 
des Kaiferthums. Friedrich UII. hatte noch manchen Kampf 
t en· | 


5. Nom Zuͤrkenkriege nach dem Sturz des griechiſchen 
Kaiſerthums, vorher aber vom Landfrieden. | 
— 1453 — 1460. 


— Siſchof Anead bewegt einen Kreuzzug gegen die 
"© Kürlenz 8. Friedrich bringt den Reichsſchluß nicht 


zur Ausführung, Sohann von Capiſtranoz bie 
Türkenglocke; Entfab von Belgrad. Kurfürften 


verein gegen Kaifer und Papſt. Cardinal Uneas 


arbeitet dagegen. Freimüthigkeit des mainzifchen 
Kanzler Georg Mayer. Streit um dad Erbe des 
kadiſtaus. Friedrich IIL theilt Öfterreih mit fei: 
nem Bruder und Better. Ungern und Böhmen. 
tommen an einheimifhe Fürſten. Papfl PiusIE 
beruft einen Kongreß nah Mantua wegen det 
Kreuzzugs; Verweis an K. Friedrich. Georg von 
Heimburg. Vergeblihe Reichstagsverhand⸗ 
lungen. 


1458 in Jahr nach Brihrige I Kroͤnung zu Rom kam bie 


Kunde won dem Untergange des morgenlänbifchen ober grie 
chiſchen Kaiſerthums. Seit geraumer Zeit war diefes Schick⸗ 
fal vorherzuſehen; damals wer fon Gonflantinopel von dem 
furchtbaren Muhammed IL, Murads I Sohn, eingeſchloſſen 
und lag nım noch wie eine Iufel in den weis andgebreiteten 
Eroberungen ber Türken. Doch ſah man in der fibrigen Chris 
fienheit den Ausgang mit unbegreiflicher Gleichguͤltigkeit kom⸗ 
men. Selbſt die römifche Curie, welche immer das Meifte zur 
Rettung der Griechen gethan, theüte jegt diefe Gleichgültigeit, 








bla 8 rien Hih,, 03-13. 08 


riaetſrits weln te dngeltitett Umon wieber zerfallen war, ans 
dererſeits/ well man mit näder Legenden Gegenſtaͤnden zu thım 
hatte Rneas Hat den Ruhm,; ; tiefer geblickt und lebhafter 
empfunden zu haben. Als Begleiter K. Friedrichs dielt er in 
deſſen zu Rom eine: ſihr dringende Nee on den 
Papfſt über die Nothwenbigleitsieiner Vereinigung gegen bie 
Zürken. Nicolaus. antwortete jedoch ziemlich trocken: ber Aw 
trag des Kaifers fei lobenswärdig., ber apoſtoliſche Stuhl fei 
auch ſehr darauf bedacht; man: miſſe aber erfl mit den uͤbri⸗ 
gen chriſtlichen Koͤnigen füh beraten“). Das ſagte er ohne 
Zweifel, weil ee wohl fühlte wie wenig der unmaͤchtige Kai⸗ 
fer im Stanbe fein winde einem ———— Kreuzzug zur 
Ausfuͤhrung zu bringen. 


Inbdeſſen gelang es dem Sultan die Stadt nach sbtaͤgi⸗ 1453 
ger Belagerung mit Sturm eingumehmen; der letzte Kaiſer, . Mai. 


Conſtantin Palaͤologus, verlor fen Leben und- bie Sinwohner 
erlitten die fchredlichften Mishandlungen. Das alte oſtaoͤmi⸗ 
ſche Reich hörte auf zu fein. Diefe Botfchaft machte denn 
doch einen tiefer ‚Eindrud in Exkopa, wenn auch nur. wes 
gen der wichſenden Gefahr für die übrigen Länder, denn bie 


Zürten waren früher ſchon einmal bis in bie windiſche Mark (1408) 


vergedrungen. K. Briebrich fol über .biefe Nachricht in fein 
Gemach gegangen und in Thraͤnen ausgebrochen, Nicolaus 
aber in eine ſchwere Krankheit gefallen fein). Der Kaiſer 
erließ ein Auffoberungäfchreiben an ben Papft; Aneas ſchrieb 
biefem noch befonderö, wie bringenb ed jetzt fei Europa zu 
den Waffen: zu rufen °). Nicolaus fah felbft, daß alle Schwies 
rigkeiten befeitigt werben mufiten, um einen allgemeinen Kreuy 


zug zu verſuchen; er ließ bedhalb eine in ihrer Art fehr bes 1453 
sebte ‚Bulle an alte Fuͤrſten der Ghriftenheit ausgehen. Der 80. Det. 
Kaifer ſchrieb einen Meihötag auf das naͤchſte Fruͤhjahr nah 4454 
Regensbung and, zu welchem auch bie italienifiben Staͤnde 25. Apr. 


erfobert wurden. Gr kam jedoch nicht ſelbſt, fonbern überließ 
die Sache dem Unend und den Abzigen Gommiffarien. BER 


1) Aen, Sylv.1,c.p. 309. 
2) Zugger a. a. O. ©. 611. 
$) Epp. 155. 162. — Müller Borf. IL G. 2 ff. 





— 


54 Bud IE: Erſten Bilteaem. : Kpfgnite 4. 


entſprach wor Alten ber kriegetiſchr Hetzog Pikline:von Bus 
gund, in Erinnerung, daß fein Water im wünlifiher Sefangems 
ſchaft geweien. . Doc Fam: bie, Verſammlung zu Teinem 
nähen Beſchluß, als daß vorerſt ein fimfiähriger Landfriede 
errichtet uud dann ein Zug gegen die Zürlen vorgenommen, 
bie Ausführung aber auf, einen anbern Reichstag mit dem Kai⸗ 
fer verabſchiedet werden ſolle. 
1454 Dieſen Reichstag ſchrieb Friedrich in demſelben Jahre 
W. Sept. auf den Herbſt nach Frankfurt. aus, beimchte ih. aber wieder 
nicht felbft, weil er buyrchäte Unrnhen in Uñgern zurüdgebals 
ten wurde. Auch Die. teutſchen Stände waren ſchon wieber 
fo erkaltet, daß Aneas fich.menig. verſprach. Sie hatten we 
‚der zum Kaifer noch zum Papft Vertrauen und meinten, es 
fei Beiden nur um Geld zu thun. Nachdem er aber eine zwei: 
ſtuͤndige Rede gehalten, während welcher Niemand: zu räufpern 
wagte, fo erwachte doch wieber einiger Eifer, wo nicht für 
die Sache ber Chriftenheit, doch für die Sicherheit ber Staa 
ten. Die Verfammlung befiyloß 10,000 zu Roß und 30,000 
zu Fuß dem Königreiche Ungern zu Hülfe..zw.fciden; die 
Zürften wollten ſich jedoch perfönlih noch mit dem Kaifer 
2495 beſprechen. Diefer berief alfo bie Reichsſtaͤnde zu ſich nach 
2. Febr. Wieneriſch. Neuſtadt; auch ſtaͤdtiſche Abgeordnete werden in ber 
Berſammlung genannt. Aneas foderte den Kreuzprediger Jo⸗ 
hann von Capiſtrano auf, ihn mit ſeiner auſſerordentlichen 
Beredtfonzkeit zu unterſtuͤtzen: er. ſolle feine Stimme wie 
eine Pofaune erheben wiber. bie Zrägheit, deu Gtolzund den 
Geldgeiz, als die drei fchändlichflen Seuchen welche das — 
ſtenthum dem Schwerdte dr Turken unterwerfen winden 
Doch blieb dieſer Reichstag wieder an’ der Landfriedens ſache 
24. Keil hängen. Da.aud ber Zod bei Papfled Nicotaud V. dazwi⸗ 
ſchenkam, fo verfhob man gern das Weitere auf das nächfe 
Jahr. „Unſere Reichötage,' fagt fpottend Anens, „find frucht⸗ 
bar: jeber .geht mit einem andern fehmanger” !). 
Indefſen bewirkte Johann von Capiſtrano bei. dem Volke, 
was auf dem Reichstag vergeblich angeregt worben. Diefer 


1) Müller Borftel. DI. &. 7. 11. Aen. Sylvii Epp. 72. 197. 
191. 40. Gobellini Comment. p. 28. 


x 


ApBetedrich HE, 1440 —1493:. ©. 925 


Jranciſcaner⸗Moͤnch, der ſchon mehrere Jahte Wit paͤpſtlichen 
Auftrag in Teutſchland prebigte, "auch :die Huffiten zu bebeh⸗ 

ven. fuchto, machte durch fine” lateiniſchen VBortuige, deren 
Inhalt er nach italieniſcher Art wit Haͤnden und Fuͤßen zeigte, 
eisen fo: erfchätfernten Eindruck, daß Tauſende, ſich um ihn‘ 
verſammelten, ok fie gleich ſeine Worte nicht vearſtanden, und 

ihn zuletzt als Heiligen und Wunderthaͤter verehiten t). : 68; 
zogen beträchtliche Schaaren "freiwillige Kreuzfahrer “unter feis 

ner Führung dem tapfern Hunyad zu," und. Beibe wuſſten dad: _ 

Heer fo zu begeiflern, . daß Belgrad entſetzt und: ein verzwei⸗ 4456 
felter Sturm der Zürfen abgetrieben. wurde. Der neue Papf,.6. Aug. 
Galipt HL, fandte zwar den. Garbinal son Carvajal nach Teusihe - 

Iand, Ungern und Polen, um ben Kreuzzug aufs neue in 
Ansegung zu.bringen: er beſtimmte dazu bie Zehnten ber ganz 

zen Geiftlichkeit und befahl ale Mittage die Thrfenglode 

zu läuten ?). Allein die Fuͤrſten hatten jetzt auſſer ben: Land⸗ 
—* noch eine naͤhere Aufgabe, das Verhaͤltniß zum Pap ſt 

und Kaiſer: 

Unter der Leitung des Ezbiſchofs Jacob von Trier, 
deſſelben, weichen Eugen IV. abgefegt, dann wieder eingefeht 
hatte, ter bie Umwege bei Abichkieffung der Goncorbate nicht‘ 
vergeffen, Eürslich auf dem Neichöinge zu Wienerifch⸗Neuſtadt 
mit dem päpftlichen Legaten einen Praͤcedenzſtreit gehabt hatte, 
erklärten mehrere Zürften dem Kaiſer, jebt fei der Zeitpunct, 
ehe man Galirt III. anerfenne, Beſchraͤnkungen zu Machen, 
da immer neue Befchwerben über Beeinträchtigung ber tent= 
ſchen Kirche entftänden. Bisher, fagten fie, wären fie fchlims 
mer daran geweien ald die Franzofen und Italiener und vers 
dienten der Letzteren Knechte zu heiffen. Diefe Sprache fing 
an ben Keifer wanfend zu machen. Allein Aneas hatte ihn 
fo ganz in feiner Gewalt, baß er ihn leicht “wieder in das 
Geleis brachte. „Wie er daran denken koͤnne,“ fragte Äneas, 
„das Anfehn des Papftes herabzufegen, um fi bem Volke 
beliebt zu machen, bad doch feiner Natur nach hoͤchſt unbes 


1) Chron, Belg. in Pistor. ser. T. IL p. 415. Trithem, 
Chron. Hirs. ad a, 1456. 


2) Shrödh Br. 32. &. 200, 


565 Bud IE Erſter Zehtraum. Abſchnitt 4. 


fündig ſei? Es befände. igmihh ein ewiger Ang zwiſchen 
Boll und König." Zu dieſen majekätfihähberifchen Behaup⸗ 
tungen fopte ‚Arena: hinzu: „Papft und Kaifer mhfften deswe⸗ 
gen «einander ‘immer beiftchen.”: Mit ſolchen und ähnlichen 
Reben: bewog er ben ſchwachen Kaiſer dem Galirt nicht mm 
| m. zu. leiſten, ſondern ihm auch ein Bimoniß ang 
ieten | Ar 
:  Ünens,:er dies ſelbſt zur Kusfährung brachte; verrech⸗ 
nete ſich bei den Kürflen: denn bie voreilige "Dbebsenzleiflung 
„ buachte fie. nur noch mehr auf. „Rah Rom,” fagten fie, 
. „abe Friebrich reifen können, um fich eine Krone aufieken 
zu laflen, deren er nicht beburfte; auf bie näheren und brin 
gendereu Reichätage Eönne ex nicht konumen. Mährend er fih 
von einem Italiener leiten laſſe, wolle ex von ben vielen Ge 
4456 brechen ber teutfchen Nation Nichts hören.“ Sie ſetzten einm 
80. Rov. Tag nach Rinnberg und Iuben den Kaiſer bazu ein. Unge⸗ 
achtet biefer ernftlich abmahnte, kamen fie doch und fekten, 
um fi mit den Übrigen zu vereinigen, einen zweiten Tag 
‚1457 nach Brankfurt, wozu ein neuer Kurverein entworfen wurde, 
Mai. der den Kaiſer anhalten ſollte einen bleibenden Sitz im Heide 
zu nehmen und bad Gerichtüwefen zu ordnen; im entgegen 
gefehten Fall würde wiber feinen Willen ein tömifcher König 
ihm an die Seite gefeht werben (wahrſcheinlich ſein Bruder, 
H. Albrecht). Die Kurfürken zählten auf ben münbig gewor 
denen K. Ladiflaus, mit welchem ber Kaifer fchom zerfallen 
war. Man follte denken, fie wären jetzt im rechten Zuge ge 
weſen; aber in bemfelben Augenblid da die Hand aufgehoben 
wer, lieſſen fie fie wieber ſinken; fie waren zum Theil unter 
fich ſelbſt nicht recht einig, zum Theil wuflte fie der Kaiſer 
durch Privilegien ımd andere Vergimſtigungen wieber auf feine 
Seite zu ziehen *). Nicht viel beffem Fortgang hatte eine 
anbere Zuſammenkunft, welche bie Kurfünften wegen ber päpfl- 
lichen Gelberpreffungen hielten. Sie vereinigten ſich, durch 
den mainziſchen Kanzler die Beſchwerden ber teutfchen 


1) Gobellini Comment. p. 25, 
2) Möller RT. Theatrum. Th. L ©. SSiF. 


2: Friedrich WM. 14401493. 687 


Ration iauffegen zu laſſen und den Khifer drinhenb' zu 1 a 
ten auf ihre Abftellung bei’ dem Papfte, anzullägen =" " 

In dieſem Beitpuhcte wurde Aneas, wie es ſchon unter 1456 
dei vorigen Papſte Im Werke ivar, durch u des 21. Dec. 
kaiſerlichen Hofes zum Card in al erhoben. An feinem Genf: 
ſchreiben a R: Friedrich verfpricht er zu bewellen, daß tr mehr 
ein teutſcher als itätfenifcher Cardinal ſei. Damit wollte er 
ohne Iweifel nur ſoviel ſagen: er werde ſich ver jetzigen BD 
mwegungen in Teutſthland vorzüglich annehmen,’ ui fir,’ wie 
die Concorbate, zu Gunſten des Papftes zu beendigen?). Auch 
bezog er-in Zeutfchland Für feine geleiſteten Dienſte nicht wes 
niger als 2000 Gokdgulden jaͤhrlicher Einkhufte an reſervitten 
Pfruͤnden ?). ‘Da es in ganz Teutſchland unabhängige Mäns 
ner zu Kundſchaftern hatte, fo fegte er biefe an verfihiebes 
nen Orten in Xhätigkeit, um die Bürften und Biſchoöͤfe von 
ihrem Vorhaben abzumahnen: brobt den Letzteren, fie wuͤr⸗ 
den mit dem Anfehn bed roͤmiſchen Stuhls auch das ihrige 
verlieren; verheifft jenen leichtere Berſorgung ihrer nachgebors, 
nen Söhne durch den Papft ale durch die Domcapitel. Geis 
nem alten Freunde, dem beftuchenen Lyfura, ſchrieb er: „baflır 
zu forgen, daß das was fie (bei den Concordaten) zu ſam⸗ 
mengeffidt, nicht wieber zerriffen werde; bie nachäffenben. 
Teutſchen wuͤrden doch nicht Franzoſen werben wollen, und, 
die Biſchoͤfe follten ja nicht glauben, daß jeder in feinem 
Sprengel Papft werden Binne” ), | 

Aber ein anderer mainzifcher Rath tritt jebt ‘Auf, . der 
nicht zu den feilen Fuͤrſtenknechten gehörte. Er Yeifft Georg 
Mayer. Aneas hatte ihn auch in fein Vertrauen zu ziehen 
gefucht, als fie auf dem Heichötage zu Wienerifch-Neuftabt 
beifammen waren, und von ihm Beiftimmung erhalten, daß 
man den Papft nicht zu fehr fallen laſſen dürfe). Cr blieb 


4) Gravamina Germ. nationis etc. in Freher. ser. II. p. 677. 
-2) Ep. 189. Gr dankt auch ber Kaiferin und dent Labiflaus. 
‚. 8) unter andern eine Probftei mit ftattlicher Wohnung zu Worms, 
womit bas Kanzleramt zu Heldelberg verbunden war. Opp. p. 1052, 
4) Opp. p. 1068. 
5) Epp. 834, 348. ne: 
6) Ep. 552, — 


58 Bud IH. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 4. 


1457 mit Aneas ip, Kriefwechſel, ſchrieb ihm aber. fihon hei dem 
31. Aug. —— ——— mit teütſcher —— 
rn, „bie FZuͤrſſen fein, aus. ihrem, Traͤume erwacht und, entſchloſſen 
„. s, daz Joch abzufhütteln; denn ed würden immes mehr Wege 
erfonnen, „um, bie Teutſchen wie Barbaren um ihr Gelb zu 
beingen , soodunh.die vormals fo mächtige Nation zus Magd 
ernjebrigf und in ſchmuzige Armuth verfegt werbe.”- Darübe 
entſtand bern, sin Iebhafter Briefmechfel zwiſchen Aneas und 
Mayer,, der über die ‚Lage der Dinge wichtige Auffclüfe 
giebt *).- ‚Eiftere, bot ale feine, Beredtſamkeit auf, um bie 
Zeutfchen einerfeitd ‘von bes Unantaflbarkeit des roͤmiſchen 
Stuhls, andererfeits von ihrer noch immer fehr günftigen Lage 

zu überzeugen. . Das iſt die Schilderung. Teutfchlanbs, aus 
weicher mir am Schluffe diefed Zeitraumd einen Auszug vor 
legen werden. Übrigens bedurfte.ed nicht einmal eines folden 
Aufwandes von Berebtfamkeit; denn Aneas wuſſte ſchon, daß 

es bei den Fuͤrſten an gemeinſamem Nachdruck fehle. Seibfl 

ber Erzbiſchof von Mainz fing an zu wanken; ex wollte es 

doch mit dem Papft nicht ganz verderben. Andere waren nidt 

viel fefter. Andere fuchten im Einzelnen ihren Unmillen gegen 

bie, päpfllichen. Verordnungen audzülaffen,, etwa durch Beſchlag⸗ 
nahme ber eingezogenen Gelber. „Aber im: Ganzen geſchah 
Nichts ?). Der Kaifer that auch Nichts: ex hatte wieder au⸗ 

bere Hoffnungen und Sorgen. 
41457 8. Ladiſlaus farb in feinem achtundzwanzigfien Jahr, 
25. Rov.da.er eben im Begriff fland feine Vermählung mit ber Toch⸗ 
ter 8. Karls VII. von Frankreich, Magdalena, zu vollziehen. 
Diefer ſchnelle Zod gab zu mehrfäligem Verbachte von Ver 
giftung Anlaß, entweder von einer Buhlerin, ober von den 
Utraquiften, welche von jener Verbindung ihre Unterbrüdung 
befücchteten; nach .Andern war ed. die Peft welche ihn weg: 
zoffte ). Unter längerer Regierung dieſes hoffnungsvollen 


‚1) Opp. edit. cit. p. 1034 sqg. Diefe Correſpondenz theilt Aneab 
dem Cardinal Antonius mit, 1. Febr. 1458. Über die übrigen hierher 
gehörigen Briefe nebſt Berichtigung ihrer Daten ſ. Schroͤckh a. a. O. 

213 ff. — 


S. 
2) SchrdGh a. a. O. S. 226. 
8) Aen. Sylv. Hist. Boh. 0.70 sqq. Cf. de situ. ete. Germ. in 











8. Friedeich IL, — 520 


Finſten, dee wegen feiner trefflichen Eigenfchaften „bie Freude 
ber Welt" hieß, wuͤrden wohl die unter ihm vereinigten Staas 
ten dem Andrange ber türkifchen Macht binzeichenben Miders 
ſtand geleiftet haben. Nun brachte fein Zod eine große Vers 
änderung. Die Staaten wurben auf lange Zeit getrennt, und 
ber Streit um die Nachfolge war es eben was jetzt des Kai⸗ 
ſers ganze Thaͤtigkeit in Anſpruch nahm. 

Auf das erledigte Herzogthum Öfterreich machte Fried 
rich für ſich allein Anfpruch, ald der Ältefte des Haufes zus 
folge der Untheilbarkeit. Da aber bie Lande fchon mehrmals 
getheilt worden, fo hatten wohl bie beiden noch übrigen Linien, 
die fleiermärkifche und die tirolifche, gleichen Anſpruch auf 
die Verlaſſenſchaft der oͤſterreichiſchen oder albertiniſchen Linie. 1458 
Nun entſchieden die Landſtaͤnde auf folgende Weiſe: Friedrich BE 
muflte feinem Bruder Albrecht Oberoͤſterreich überlaffen und 
ſich mit Niederöfterreich begnügen; Erzherzog Sigmund wurbe 
mit einem Theile von Steiermark zufrieden geſtellt. Die Stabt 
Wien blieb gemeinfchaftlih, und in der Burg erhielt jeber der 
drei Zünften feine befondere Wohnung. 

In Ungern traten wohl einige Magnaten auf K. Fried⸗ 
richs Seite wie beim Anfange der Regentſchaft; er glaubte 
fchon den Königstitel annehmen zu bürfen. Aber die Mehr⸗ 
zahl wählte den Sohn des verdienten Johann Corvinus von 22, Ian. 
Hunyad, Mathias, ungeachtet feiner Minberjährigkeit zum 
Könige und ernannte feiner Mutter Bruder, Michael Zilagt, 
zum Statthalter. Als Oberlehensherr von Böhmen ging 
Friedrich auf die Iuremburgifche Exrbverbrüberung zuruͤck, auf 
welche jedoch Albrecht und Sigmund auch Anfpruch machten. 

K. Aldrehtd IL Schwiegerſoͤhne, H. Wilhelm von Sachfen 
und 8. Kafimir von Polen, Schwäger des Labiflaus, moch⸗ 
ten wohl noch nähere Rechte haben. Sogar der König von 
Frankreich wollte erben, weil feine Tochter mit Labiflaus vers 
lobt gewefen fei. Doch die Böhmen fragten nach allen dieſen 
Anſpruͤchen nicht und hielten eine freie Wahl, durch welde 
unter Leitung ded Johann von Rokyczan Georg Pobies 


Opp. p. 1057, wo ÄAneas mit vieler Wärme von diefem Bürften ſpricht. 
Ger. de Roo L. VI. p. 232. 
Pfiſt er Geſchichte d. Zeutfchen II. 34 


50 Buch IE Erſter Zeitraum. Abſchnitt 4. 


1458 brad zum Könige erhoben wurde. Die Anerkennung bed 
2. Maͤrz. Papſtes und Kaiferd erhielt Georg dadurch, daß er Aufferlid 


DD. au: 


4 


1459 
San. 


zur Batholifhen Kirche übertrat. So blieb dem Kaifer bad 
Nachſehen. „Sonderbar,“ ruft Aneas in feiner boͤhmiſchen 
Geſchichte aus, „daß die zwei Reiche von den edelſten Fürften: 
bäufern zu gleicher Zeit an zwei gemeine Edelleute Famen!"'). 

Über diefen Angelegenheiten vergaß denn K. Friedrich bie 
Beſchwerden der teutfchen Nation, vergaß auch ben Türken⸗ 
zug, wiewohl eben die Trennung ber Reiche bed Ladiſlaus 
und ihre noch fchwanfende Lage die Gefahr wieder ver 
größerten. 

Ünens, jetzt Pius IL, zur paͤpſtlichen Würde erhoben, 
am Biele feines zweiten Übertrittö, flellte fogleich, mit Umge 
bung der teutfchen Befchwerden, ben Kreuzzug ald Haupt⸗ 
aufgabe voran. Er fchrieb einen Generalcongreß aller if: 
lichen Mächte nach Mantua oder Udine aus, wiewohl bie ar 
bindle verlangten, daß er vermöge feiner Capitulation in Kom 
bleibe. Ungeachtet feiner gefchwächten Geſundheit ging et 
mitten im Winter über die Apenninen und war der Erſte in 
Mantua. Der Kaifer lieh fich entfchuldigen und glaubte, drei 
BSefandte, darunter der Bifchof Antonius von Trieſt, Rach 
folger des Kneas, welche er mit voller Gewalt abgeorbnet 
hatte, wirden die Sache wohl auörichten Finnen. Bun 
fetbft gefommen, fo winde er freilich nicht umhin gekonnt be 
ben dem ehemaligen Geheimfchreiber und Rath die Ehre dei 
Fußkuſſes zu beweifen. Doc war dies fchwerlich die Haupt 
fache die ihn abhielt. Pius IL nahm die Entſchuldigung nich 
an und führte eine höhere Sprache. Er ſchickte einen von den 
Sefandten zuruͤck und ließ den Kaifee wiffen: „er hätte nicht 
wetter nach Mantua gehabt als ber Papft, ber feinetmegen 
gefonmen fei. Man werde fagen, er fpare entweder aus Geij 
die Koften oder verachte bie Vertheidigung des Glaubens, 
und fei alfo nicht würdig uͤber Chriften zu herrſchen. „Bie 
kannſt bu," fragte er ihn, „Beſchuͤtzer und Schirmvogt der 


1) Aen. Sylv. Hist. Boh. c. 72. de statu Europ, c. 1. Lünig 
Cod. German, diplom. I. Nr. 878. Möller RE. Theatrum, If 
Vorſtell. III, * 


8. Friedrich W. 1440-1493. 531 


chriſtlichen Kirche heiffen, da bu nicht allein bie Kirche verlaͤſ 
feft, ſondern auch bie cheiflliche Religion unb den Glauben 
vernachläffigeft? Beneideſt du ben Pius, baß er bie in biefer 

Ehre zuvorgekommen ift, und willſt es vermeiden mit ihm 
zufammenzulommen? Du irrſt dich, er ſucht vielmehr beine 
Ehre und deinen Ruhm, da er bich mehr als feine Seele licht. 
Kannft bu nicht kommen, fo fehide wenigſtens Gefandte von 
größerem Anſehn und laſſe die Kirche Gottes nicht aus Ver 
flellung ober Geiz untergehen ')." Im letztern GStüde 
gehorchte der Kaifer und fandte den Markgraven Karl von 
Baden. Im Berlaufe der Verhandlungen trat Pius wieder 1459 . 
als Redner auf und ſprach faft drei Stunden von ber Noth⸗ 25. Sept. 
wendigkeit und von der Audführbarkeit bes Kreuzzuges. 

ihm ſprach der Cardinal Beffarion auch mit Beifall; doch 
meinte Pius, er hätte nur gezeigt, daß bie griechifche Beredt⸗ 
ſamkeit der Iateinifchen nicht gleich Fomme. Da die andern 
Stationen wenig Geneigtheit bezeugten, fo wandte fich Pius 

an die Zeutfchen. Aber bei diefen waren bie flädtifchen Abs 
georbneten wie gewöhnlich im Widerſpruch mit ben fürftlichen 

und kaiſerlichen. Georg von Heimburg, ald Gefandter 
Erzherzog Albrechts von Öfterreich nah Mantua gekommen, 

war auf den Kaifer*) wie auf den Papft Übel zu fprechen 

unb machte von feiner teutfchen Beredtſamkeit Gebrauch. Da 
endlich den meiften Cardinaͤlen der Aufenthalt bei den Zröfchen 

zu Mantua miöftel, fo mufite ſich Pius zu befonderen Unter 
handlungen bei den Geſandten bequemen. Nun erhielt ex die Der. 
Erneuerung ber ſchon feinem Borgänger gemachten Sufage 

von 30,000 zu Zuß und 10,000 zu Roß, jeboch mit bem 
Beifabe, daß wie bamald erfi ein Reichstag zu Nürnberg, 
dann ein zweiter bei bem Kaiſer in ſterreich gehalten werben 
müfle. Pius nahm dies an, und fo wurben die zwei Reichs⸗ 

tage angefeßt, ohne den Kaifer zu fragen. Dagegen ernannte 1460 
er den Kaifer zum oberſten Feldherrn bes bevorflehenden Kreuzs 12. Ian. 


1) Gobellimi Comment. p. 65. 

2) Bei den ſchlechten Lanbfriedensanftalten war er kuͤrzlich von 
SHäubern nichergeworfen worben und muflte fi) mit 6000 Goldguls 
den Idfen. > 

34 * 


März. 
Sept. 


532 Bud IL Erſter Zeitraum. Abſchnitt 4, 


zuges, weil ihm ald Kaifer alle Nationen gehorchen müflten, 
und weil e8 ihm weber an Arbeitfamleit, nod an Zapferkeit, 
Betriebfamkeit, Geſchwindigkeit, Klugheit und andern nöthigen 
Eigenſchaften fehle! Doch erlaubte er ihm, wenn er biefes Amt 
nicht felbft übernehmen könnte, einen teutfchen Kürften zu ſei⸗ 
nem Unterbefehlöhaber zu beftellen. Ex beſchickte die verabrebe- 
ten Reichötage durch den Cardinal Befjarion, allein ber Erfolg 
wurde wieder durch neue einheimifche Übel unterbrochen '). 


6. Weitere Hinderniſſe der Keichöverfaffung durch den 


Fuͤrſtenkrieg, 1458— 1464. 


Übergang vom Stäbtelrieg Das pfalzbaierifce 
Haus mit Erzherzog Albreht gegen Kaifer 
Friedrich. Erzherzog Sigmund vom Papfl durch 
die Schweizer befriegt. Erzbifhof Diether von 
Mainz wird das Opfer für die Reiches und Kir: 
chen⸗Freiheit. Der Pfälzer Erih halt gegen ben 
Kaifer aus. Widerrufsbulle Pius IL Die Gegen 
veformation foll durch Unterbrüdung ber Utra: 
quiften in Böhmen vollendet werden. Leute An: 
firengungen Pius DI. für einen Kreuzzug gegen 
die Türken Rüdblid auf feinen Einfluß 
überhaupt. 


Die Uneinigfeit der Reichsſtaͤnde (Bürften und Städte) und 
die Unzufriedenheit über Kaifer und Papſt gingen gleichen 
Schritt und brachen bald in allgemeinen Krieg auß. 

Der verberbliche Stäbtefrieg war noch fehr fühlbar in fei: 
nen erften Folgen. Die Fürften hielten den Zeitpunct nicht 
mehr ferne, da es ihnen gelingen würbe bie geſchwaͤchten 


1) Müller a. a. O. S. 647 ff. Shrödh aa. D. ©. 249 
257. Beffarion, von ben ftädtifchen Abgeordneten „hochwuͤrdiger Bu 
ter, gnäbiger Herr” genannt, wollte über biefe leeren Verhandlungen 
feinen Eränktichen Körper in bem fo Falten Teutſchlande nicht Län: 
ger verzchren. Aus Ärger Über bie Behntenverweigerung bes Klerus 
gab er beim Abfchiede ben Segen mit ber linten Hand. 


... 8, Friebdrich DIL, 1440—1493. 633 


und unter fich ſelbſt zerfallenen Reichsſtaͤdte zu Landſtaͤdten zu 
machen. Den erfien Verſuch that Herzog Luwig von Baiern, 1458 
ber bie von Karl IV. mit Freiheiten begabte Stadt Donau⸗ 16. Ott. 
wörth mit gewaffneter Hanb einnahm. In biefem Falle 
fäumte jeboch der Kaiſer nicht ernſtlich einzugreifen, bamit 

ihm Baiern nicht über den Kopf warhfe. Er ließ den Reichs 

krieg gegen ben Derzog erklären und gab dem Markgraven 
Albrecht von Brandenburg den Oberbefehl. Papft Pius bin- 
gegen, der durch .diefe Fehden in feinen höhern Entwürfen 
unterbrochen wurde, trat ald Vermittler ein. Nach dem Spruche 

des Reichstags wurde. die Stadt wieder zu des Reiche Hans 1459 
den eingenommen. Doch bie Spannung mit Baiern blieb, Der 
H. Ludwig verband fi mit dem Erzherzoge Albrecht ges ' 

gen K. Friedrich. Nocd einen befondern Unwillen warf 
Sriebrich auf den Pfalzgraven Friedrich, ber, ohne ihn zu - 
fragen, mit dee Bormundfchaft über feinen Neffen die Kur: 
würde angenommen, wiewohl mit dem Verfprechen, zu Guns 

fien deſſelben unverheirathet zu bleiben. Zriebrich war ein fehr 
unternehmender, tapferer Zürfl. As er mit dem Marfgraven 
Albrecht wegen perfönlicher Beleidigungen in Fehde gerieth und 
Beide Bundedgenofien warben, war ber Kaifer eben fo rafch 1460 
mit der Reichskriegserklaͤung da, wie in der donauwoͤrther März. 
Sache. Friedrich und Lubwig verbanben fich dagegen mit dem 

K. Seorg von Böhmen. Pius IL gab fich wieder alle Mühe 

die Spaltung im Reiche beizulegnm. Doc fchloffen die Fuͤr⸗ 

ſten erſt befondere Stillſtandsvertraͤge unter ſich, nachdem die 
Rheinlande, Schwaben und Franken gewaltig verheert waren. März 
Zulegt fland der Kaifer faft allein und muffte beforgen durch al 
K. Georg geftünzt zu werben. Die Öfterreicher griffen auch 
wieber, zu den Waffen und vereinigten fich mit Erzherzog Als 
brecht und deſſen Bundesgenoſſen. 

Daß der Kaifer nicht auch von feinem Vetter Sigmund 
befriegt wurbe, verhinderte Pius II. indem er diefem, feinem 
vormaligen Lieblinge, die Schweizer .auf den Hals warf. Sig: 
mund hatte feine Gunſt verfcherzt durch Feindſeligkeiten gegen 
den früher genannten Nicolaus von Cuſa, welchen der Papft 
gegen den kanoniſch gewählten Wißmayr, Sigmunds Geheim> 
fchreiber, zum Bifchof von Brixen eingefegt hatte. Er wider: 








634 Bud IL Evfter Belttaum. Abſchnitt 4. 


feste ſich hauptſaͤchlich ben Gelberpteffungen, welche Cuſa im 
1461 Ramen bed Papfted ausübte. Da bie Sache auf ber. Bes 
Apr. ſammlung zu Mantua nicht beigelegt worben, fo nahm Big 

mund ben Biſchof gefangen unb zwang ihn ſchwere Fi u 

- gungen einzugehen. Nach der Freilaſſung begab ſich 

zu feinem alten Freunde Pius IL. und erhielt, daß ber Era 

bezog mit feinen Räthen in den Bann. gethan unb das ganze 

Land mit dem Interbict belegt wurde. Unter ben Räthen war 

bauptfächlich Georg von Heimburg gemeint *), unb Pius IE 

verlangte noch überbied von ben Nürnbergern, in beren Dien⸗ 
fien er war, daß fie ihn als Keger und Majeſtaͤtsverbrecher 

1462 behandeln ſollten. Heimburg war aber nicht verlegen: er ap 

Ian. pellitte mit dem Erzherzog an den Eimftigen Papft ober ein 
allgemeines Concilium, fehrieb öffentlich und verächtlich gegen 
Pius IL, als welcher, wie Cufanus, durch Verleugnung feiner 

früheren Grunbfäge ſich lächerlich mache. Indeſſen ließ Pius 

die Schweizer wiffen, daß alle friedlichen Verhaͤltniſſe mit Erz⸗ 
herzog Sigmund, bem ehrlofen Majeflätsverbrecher, aufgehoͤrt 
hätten. Es fanden fich ausgetretene Unterthbanen Sigmunbs, 
durch welche bei mehreren unerlebigten Rechtsſachen das Krieges 
feuer fchnell angeblafen wurde Der Erzherzog kam in Ge; 
fahr den Reſt der Stammlande zu verlieren. Nun vermittels 
ten die Fürften gegen den Willen des Papſtes und brachten 
1461 einen funfzehnjährigen Stiäftand zu Wege, während befien 
Mat, die Schweizer behalten follten, was fie eingenommen. 

j Die Fürften vermittelten aber nur in der Abfiht, um 
Schweizer für fih zu werben, weil theils ihre eigenen Still: 
flanbsverträge abliefen, theild neue Erbitterung größe, ernſt⸗ 

Zur. lichern Krieg herbeiführte. Der Kaifer ſelbſt, nachbem zu 
Nürnberg vergeblid vom Frieden die Rede gewefen, feßte dem 
pfalzbaierifchen Haufe und deſſen Verbündeten drei Kriegsfürs 
fin von Reichs wegen entgegen: den Markgraven Albrecht 
von Brandenburg, den Graven Ulsich von Wirtemberg und 
den Markgraven Karl von Baden. Auch Pius IL, biöheriger 
Vermittler, vermehrte die Verwirrung durch heftige Streitig⸗ 
keiten mit dem Erzbiſchof von Mainz, Diether von Iſen⸗ 


1) Gegen welchen Cufa vormals feinen erſten Proceß verloren. 


8. Friedrich IH., 1440-1493, 535 


burg. Diefer lleß auf dem Kongreß zu Mantug um Beftäti- 
gung feiner Wahl anfuchen; Pins machte ihm aber zur Bes 
dingung, baß er weder auf eine Kirchenverſammlung dringen 

noch bie Fuͤrſten zufammenbersufen, alfo auf die zwei wichtig: 

fin Vorrechte ded Erzkanzlers Verzicht thun folle. Zugleich 
erließ Pius zu Mantus ein Decret, wodurch die Appellationen 

an ein Fünftiged Concilium, bas der Papſt vermöge ber 
coſtanzer und bafler Decrete zu halten fchuldig fei, bei Strafe 

beö Barnes verboten wurden, In bee hat ber Zobesftoß für 

die Reichs⸗ und Kirchen-Freiheit :). Diethers Gefandte er 
hielten endlich zu Rom die Befldtigung gegen das Verſpre⸗ 
chen, daß der Erzbilchof in Sahresfrift perfünlich zu Nom ew 
fcheinen und flatt 10,000 fl. Annaten, welche fein Vorgänger 
entrichtet, 20,501 fl. bezahlen wolle. Eine grobe Überſchrei⸗ 
tung der Goncorbate! Diether erkiärte, feine Gefandten feien , 
zu weit gegangen und von ben römifchen Wechslern überdies 
betyogen worden. Er appellirte feierlich zu Nürnberg an das 1461 
Fünftige allgemeine Goncilium. Über dieſe Verwerfung bes Betr. 
mantuanifchen Decretö gerietb Pius IL in Zom und fprach 

ben Bann über den Erzbifchof aus. Diether berief dagegen 

eine Verfammlung nah Mainz, um feine Befchwerben gegen Sun. 
den päpftlichen Stuhl zue Sache Der teuffchen Nation zuma 
en, indem er bie eigenmäctige Einziehung. der päpfllichen 
Zehnten für ben Zürkenkrieg zur Klage brachte. Er fand aber 

bei dem Einfluſſe des päpftlihen Legaten die erwartete Zuftim- 
mung nicht. Nun machte er geheime Angrbietungen, daß er 

die Appellation unter gewiflen Bedingungen zurüdnehmen 
wolle. Das ift ein Zeichen von Furcht, dachte Pius, und 
alsbald war feine Vernichtung befchloften. Er verſtand fi 

mit Abolf von Naffau, dem Mitbewerber um das Erzbis- 
thum, ſprach Diethers Abfegung aus und feßte Adolf ein. 21. Aug. 
Der Kaifer gab zu Beiden feine Buflimmung, weil er Diether 
fürchtete. Georg von Heimburg aber fcheute fich nicht in de - 
fentlihen Schriften zu: fagen, „den trägen Sarbanapalus bes 


1) Shrödy Kirchengeſch. Bd. 82, &. 258 ff. Müller ME, 
Theater. Thl. I. ©. 744: „eine fluchwürbige und unerhörte Gewohn⸗ 
heit feien bie Appellationen.‘' i 


536 Bud OL Eifer Beitranm. Abſchnitt 4 


wundern Untertbanen und Feinde, ja der ganzen chrifllichen 
Welt elle vor demſelben.“ Diether verband fich jetzt mit ſei⸗ 
nem bisherigen Zodfeinde, dem Rheinpfalzgraven Friedrich, 
1462 den der Papft auch in ben Bann that; dagegen ergriffen feine 
Jan. hisherigen Feinde bie Partei des Adolf. Der Kaifer gebet 
auch den Meichsftädten bei fehwerer Strafe an dem Kriege 
Theil zu nehmen. So fianden denn in Schwaben, Franken, 
Baiern und den Rheinlanden zwei erbitterte Parteien gegen 
einander; Kaifer und Papfl an der Spitze der einen gegen 
Diether und Friedrich. Die erſten größern Feindſeligkeiten fie 
len auf ber baierifchen Grenze vor. H. Ludwig wollte e& mit 
dem Markgraven Albrecht aufnehmen; ba er jevoch bei Hoͤch⸗ 
fläbt und Grimmelfingen gefchlagen wurbe, fette man einen 
Friedendtag nad) Nürnberg, bis zu weichem übrigens ber 
‚Krieg fortgefeßt werben follte. Gegen den Pfalzgraven Fried» 
sich verbanden ſich auf's neue Markgrav Karl von Baden, 
Biſchof Georg von Mes, fein Bruder, Gran Ulrich von 
Wirtemberg und ber Bifhof Johann von Gpeier, um vor 
ben Friedenshandlungen noch einen Dauptfchlag auszufichren. 
30, Sm. Diefer traf fie aber felbfl. Sie lieffen ſich bei Sedenheim in 
bie Landfpite locken, wo der Nedar in den Rhein fich ergiefit, 
wurben eingefchloffen und gefangen. 

Drei Zage vor bem Anfange der Verhandlungen wurbe 
19. Jul. Markgrav Albrecht bei Giengen gefchlagen. Zu Nürnberg ge: 
7. Zul. ſchah Nichts weiter, ald daß ein Stillſtand auf ein Jahr gefegt 
wurde. Während beffelben uͤberfiel der Erzbifchof Adolf die 
77.8. Stadt Mainz durch Verrath ber Bürgermeifter. Diether, wels 
chen er unter dem Vorwande eines Vergleichs dahin gelodt, 
entkam durch ein Seil über die Stadtmauer. Mainz, bie 
erfte und vornehmſte Stabt des Reich, wurbe der Pluͤnde⸗ 

rung Preis gegeben und zur bifchöflichen Landſtadt gemacht. 
Indeſſen kam ber Kaifer durch feinen Bruder und durch 
die Wiener '), wage ihn unter Anführung bed Bürgermeifters 


1) Als ſehr ungebunden fchilbert KRneas Sylvius bie Einwohner 
von Wien zu feiner Zeit. Tag und Nacht gebe es Hänbel auf ben Stra: 
Ben, bald zwiſchen den Handwerkern und Stubenten, bald zwifchen ‚Hof: 
leuten und Anbern. Selten fei ein großer Zufammenfluß von Menſchen 





8. Eriebei II, 1440-1498. - 537 


Holzer in der Burg belagerten, fo in's Gebränge, baß er ben 1462 
Reichdtag zu Regensburg um fchleunige Hülfe bitten muſſte. % Oct. 
Man verfprach, aber mit gewohnter Zögerung. Nun nahm. . 
fih der 8. Georg von Böhmen des verlafienen Kalferd an; 
wiewohl bisher mit Erzherzog Albrecht gegen ihn verbunden, 

wollte er ihn doch nicht ganz verderben und vermittelte alfo 
einen Vertrag, nad welchem Friedrich die Verwaltung von 6. Sept. 
Inneröftereeich gegen ein Jahrgeld auf acht Jahre an Albrecht 
abtreten follte. Da dieſer aber immer noch nicht zufrieden 

war, fo gebrauchte nun auch der Reichstag fein Anfehn und 1463 
ſprach die Acht über ihn aus. Darüber wurben benn bie ans April. 
bern Fürften, welche bisher mit ihm gehalten hatten, der Sache 

mübe und begehrten Frieden. Zuerſt wurbe H. Ludwig von 
Baiern mit dem Kaifer und dem Markgraven Albrecht vertras 22. Aug. 
gen; aber der Pfalzgrav Friedrich weigerte fich beharrlich ben 
Erzbifhof Dieter aufzugeben und die gefangenen Biürften 
freizulafien. Eben fo wenig wollte Erzherzog Albrecht bem 
Kaifer nachgeben. Es wuͤrde ein neuer Krieg in Öfterreich 
auögebrochen fein, wenn Albrecht nicht eben jetzt geflorben 2. Der. 
wäre. Da er ohne Erben war, fo kam 8. Friedrich nun in. 

den ungetheilten Beſitz von Öfterreih, und erhielt auch vom 
Erzherzoge Sigmund das Drittheil von dem Erbe des Las 
diſlaus zurüd, dafür daß er durch eimen Kniefall vor dem 
päpftlichen Legaten defien Befreiung vom Bann bewirkte. 
Pfalzgrav Friedrich allein verfiand fich zu Feiner Verfühnung 

mit dem Kalfer. Er zwang bie gefangenen Zürften fi mit 
ihrem eigenen Gelbe zu Iöfen, weil der Kaifer Nichts für fie 

that. Aber mit dem Papfle und dem Erzbifchofe Adolf muſſte 

ſich Friedrich endlich vertragen, weil fein Bruder Ruprecht bei 

der Wahl zum Erzbistum Coͤln verfprochen hatte dazu mits 
zuwirken. Durch Vergleich verfprach Adolf, ihm die mainzi⸗ 28. Oct. 
fche Pfandſchaft der Bergſtraße bis zur Abzahlung der darauf 
verfchriebenen 100,000 fl. zu laſſen und ihm und den Seints 


ohne Zobifchlag. Niemand frage darnach. Der Pöbel Iebe fehr unges 
orbnet und bem Bauche ergebens was in ber Woche verdient worden, 
gehe am Sonntag auf. Groß fei bie Zahl der Hffentlichen Dirnens auch 
die rauen ſeien felten mit einem Manne zufrieden, daher wenig alte 
Zamilien, immer neue Anlömmlinge c. Opp. p. 718 saqgq. 


535 Bud I. Erfter Zeitraum. Abfhnitt 4. 


gen bie päpfifiche Abfolution zu verfchaffen. Daffelbe verſprach 
Adolf dem Diether auf feine Koflen und die Ausſoͤhnung mit 
dem Kaifer bazu. Diether muffte auf das Exzbiöthum ver 
zichten ‚gegen einen Xheil des Landeögebietes '). 

Durch diefe inneren Kriege wurde die Reichöverfaffung 
und der Zürfenzug aufgehalten, boch blieb der Sieg enblid 
auf Seiten des Kaifers und bes Papfled. Die Zufammenbe 
sufung der Zürften durch ben Erzkanzler und die Berufungen 
auf ein allgemeines Concilium wurden mit einander nieberge 
fhlagen. Weil jedoch Pius II. immer an feine frühen Grund 
fäße erinnert wurbe, fo hielt er nicht für überfläffig, noch im 

— dritten Jahre ſeines Papſtthums einen oͤffentlichen Widerruf 
— derſelben ausgehen zu laſſen. Dieſe iſt in einer foͤrmlichen 
Bulle an Rector und Univerfität zu Coͤln gerichtet. Pins ſagt 
darin: „er habe geirrt wie alle Menfchen, und möge wohl 
auch Andere durch ferne früheren Schriften zum Irrthum ver 
leitet haben. Da man nım feinen Wählern und feinen Nach⸗ 
folgern noch Vorwürfe barlıber machen koͤnnte, fo wolle er, 
wie der heilige Auguftin, feine Unwiftenheit öffentlich befen 
nen. Damit man auch nicht fagen Eönne, er habe erſt bei 

“Annahme der apoflolifhen Winde oder um bderfelben willen 
feine Gedanken geändert, fo wiberlegt er das, indem er erzäblt, 
wie er fchon früher zur diefer Änderung gekommen, und ſchloß 
mit dem Belenntniß, daß der Papft allein ein allgemeines Con⸗ 
cilium berufen und aufheben könne.‘ 

Zur nämlichen Zeit wuflte Pius den König von Frank; 
reich zur Herausgabe der pragmatifchen Sanction zu bewegen 
und alfo auch von biefer Seite den päpflliden Stuhl von 
Beſchraͤnkungen zu befreien. Endlich bielt fih Pius IL flarf 
genug zu vertilgen was noch von Reformationsverſuchen uͤbrig 
war, Alles was zu ben allgemeinen Concilien Anlaß gegeben 
ober was noch ferner Anlaß geben konnte. Er verbot ben 
Böhmen geradezu bei ſchwerer Strafe den Gebrauch des Keb 
des und wollte bie Compactaten aufgehoben wiflen ?). 


1) Häberlin Beichsgefehichte VI, 501 ff. Das Ganze dieſes Für: 
ſtenkriegs ſ. Geſchichte von Schwaben V, 142-170. 
2) Tr kenne, ſagte Pius, gar keinen ſolchen Vergleich und werdt 





&. Friedrich II. 1440-149. 539 


As fein Legat Fantini wegen unbefonnener Steben verhaftet 
wurde, wollte er ben König Georg mit dem Bann belegen 1463 
und nach Rom citiren. Raum ließ er fich durch den Kaifer Mir 
und ben Herzog Ludwig von Baiern abhalten die Bulle be 
kannt zu machen. Einſtweilen berubte die Sache bis auf feis 
nen Tod. 

Dies Alles galt noch der Beſitznabme ber apoftolifchen 
Würde im ganzen Umfange ihrer Primatialrechte. Zugleich bot 
Pins IL Alles auf um feinen Lieblingdentwurf, den Kreuz: 
zug, woran bie Vorgänger. erlegen waren, noch burchzujehen. 
Schon während der Vermittlungen im Fuͤrſtenkrieg fandte er 
dem K. Matthias von Ungern eine Summe Geldes für feine 
Kriegsvoͤlker. Alfo wurde boch ein Theil ber eingebrachten 
Gelder, wiewohl Pius verfchwenberifch lebte, zu ihrem Zwecke 
verwendet. Nachdem feine befonderen Gefandtfchaften an die 
europäifchen Könige wenig gefruchtet, ebenfo wenig die Fran⸗ 
eifcanermiffionen an bie Fürften in Perfien und Armenien zum 
gleichzeitigen Angriffe auf die Tuͤrken, am wenigften aber ein 
Bekehrungsſchreiben an den Sultan Mahnmnid felbft, fo ließ 
Dius in demfelben Jahre mit der Widerrufäbulle eine Kreup - 
Bulle in die ganze Chriftenheit ausgehen. Er fagt darin, alle 
bisherigen Entwürfe feien vergeblich gewefen, auch fogar der 
ausgefchriebene Behnte und Ablaß werde zu feinem Nachtheil 
ausgelegt; bie große Gleichgültigkeit fer ed, welche das unbe: 
ſchreibliche Unglüd angerichtet habe. Nun wolle er das größte 
Verſprechen thun unb feinen Kopf felbft zu dem Feldzuge ans 
bieten. „Welcher Ehrift," fragte er, „würde wohl fo fleiners 
nen und eifernen Herzens fein, daß er zu Haufe bleiben koͤnnte, 
wenn er hörte, daß der Schlüffelträger des ewigen Lebens mit 
ven Cardinaͤlen und vielen Klerikern ſich in's Feld begebe?“ 
Er zaͤhlte dabei auf die Venetianer, Ungern, Albaneſer und 
alle Griechen. Vom teutſchen Reich ſagte er Nichts; er wuſſte 
nun ſchon, wie wenig von den uneinigen Staͤnden und dem 
trägen, kargen Kaiſer zu erwarten wäre. Nur bed Herzogs 


auch in Glaubensfachen Keinen eingehen. Dazu hätten die Böhmen, was 
ihnen zu Baſel zugefianden worden, aͤberſchritten. Schroͤckh Kirchen. 
gefchichte 34. Ed. ©. 734. 








50 Bud I. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 4. 


von Burgund iſt gebacht, ber ſchon früher ein Gelüͤbbe bei 
halb auf fi genommen. CS liefen zwar, wenngleich bie 
Fürften Nichts thaten , viele freiwillige Leute aus Zeutfchland 
wie aus Frankreich und Spanien zufammen; Pins muſſte fie 
aber größtentheild wieber zurüchveifen, weil fie den noͤthigen 
Unterhalt nicht mitbrachten ober überhaupt untüchtig waren. 


1464 Er beflimnte Ancona zur Einfchiffung, und da bie Benetia⸗ 


15. Aug. 


ner eben eine Niederlage von ben. Zürlen erlitten, fo betrieb 
er die Anflalten perfönlich, während er noch in den Bäben 
verweilte. Er litt fehr an Gicht und Fieber. Als die vene 
tianifche Flotte nach Ancona kam, ließ er fih an’s Ufer tre 
gen mit tiefer Wehmuth, daß er felbſt keinen Gebrauch mehr 
davon machen konnte; denn er war fchon fo ſchwach, daß er 
bald darauf flarb. 

Soviel vom Einflufle Pius II., des erften Auslänbers, 
der ſich in Zeutfchland zu den Öffentlichen Gelchäften gebildet 
und geraume Zeit ihrer Leitung bemächtigt hat. Ehe er Papfl 
war, hat er, die Schwäche der Zeutfchen benuͤtzend, dem roͤmi⸗ 
ſchen Stuhl feine verlorne Macht wiedergegeben ımb das An- 
fehn ber Goncilien fo gebrochen, daß wenige Jahre feines 
Papfityums hinreichten den Sieg zu vollenden und wieber 
auf Unternehmungen zu denken, wie wir fie zur Zeit des hoͤch⸗ 
fien Glanzes gefehen. Seine Regierung iſt ber Wendepunct 
der Papfigefchichte, eben weil er nicht geſehen, daß bei die⸗ 


- fer Art ber Herflellung der Umſturz deſto gewifler erfolgen 


muffte, fobalb das Zeitalter dazu reif war !). 


1) Immerhin eine merkwürdige Erſcheinung auf bem paͤpſtlicher 
Stuhle: kein Mönch, kein Theolog, — ein Rechtögelehrter, ein Rebner, 
ein getrönter Dichter, der vom armen Landjunker durch alle Stufen bis 
zur erfien Würde der Ehriftenheit ſich aufgeſchwungen, durch Feine an: 
deren Hülfsmittel als die in ihm ſelbſt Tagen. Auf biefen verſchiebenen 
Stufen hat er bald Lob, unbedingtes durch feine Liebe zu ben Wiſſen⸗ 
fchaften, bald ſchweren Zabel geerntet. Kür große Ideen — 
fühlte er ſich zuerſt von der Freiheit der Concilien begeiſtert; dan⸗ 
hoffte ex, kurze Zeit, für bie Herſtellung des Kaiſerthums; endlich 
faſſte er die Idee des Papſtthums auf, weil er in ihrer Feſthaltung 
die meiſte Conſequenz fand. Doch hat nicht er die Schub dieſes legten 
Übertritts, fondern K. Friedriche III. unempfaͤnglichkeit. So groß Äncas 





8. Friedrich IL, 1440— 1493, | 541 


7. Die Folgen: weder Landfriede noch Tuͤrkenzug noch 
öffentlicher Geift überhaupt. 


Dapft Paul Il. betreibt den Türkenkrieg. 8. Frieb⸗ 
rich erfhwert die Landfriedensorbnung Jener 
vereitelt das Ganze durch unzeitige Verketzerung 
des 8. Seorg von Böhmen. Kaifer und Papft wen 
den den Kreuzzug gegen diefen. Friedrichs Wall 
fahrt nah Rom zu Gunſten feines Sohnes. K. Mats 
thias von Ungern muß fein Bünbnig mit 8. Georg 
wieder aufgeben. Die Türkenkriegsanſtalten auf 
dem großen Reichstag zu Regensburg (gemeiner Pfen⸗ 
ning) werben durch bie Städte hinter fih gebradt. 
Wo ift das bürgerliche und kirchliche Leben hinges 
kommen? Georgs von Heimburg Ausgang. 


Kaifer Friedrich, feit dem Tode feines Bruders Albrecht im 1464 
ruhigen Beſitze der öfterreichifchen Lande, Eonnte nun wohl . 
dem Reiche mehr Sorgfalt widmen als biöher; doch Fam er 
immer noch nicht felbft und ließ es fogar zwei Jahre anftehen, 

bis er nur wieder einen Reichstag berief. In der That iſt 1466 
ed ber neue Papft Paul IL, ber den Reichstag wegen des Nov. 
Tuͤrkenzugs betrieb. 


in ben Geſchaͤften erfcheint, fo verliert doch das Meifte feinen Werth 
durh Mangelan fittliher Haltung, durch die zweimalige Ber 
änderung feiner Grunbfäge. Nur bie Formen find es bie ihn begeifter- 
ten; das Wefen ber Kirche ift ihm am meiften fremb geblieben. Wie 
beugend, daß ihm zulegt bie Körperkraft verfagte für ihre Auffere 
Größe noch etwas Entſcheidendes zu thun! Kein ungünftiges Zeugniß ifl, 
daß Aneas in allen Ständen Freunde ſich erworben, von welchen bie 
meiften auch dem Pius nicht abgmeigt wurden. Ebenfo erloſch in ihm 
auch die Erinnerung an Bafel nicht, da er in der Külle feiner Macht 
auf dem Gongreß zu Mantua freifinnig die dortige Univerfität beftätigte 
(3. Müller Schweizer⸗Geſchichten IV, 452 ff.; vergl. Aen. Sylv. 
Opp. p. 1053.). Seine Schriften, obgleich eine Zwitterart zwifchen ben 
alten und ben fpätern Römern, lieft man, befonders in Vergleichung 
mit andern gleichzeitigen, nicht ohne Vergnuͤgen, und «8 ift fpaßhaft, 
daß die Rachfolger einen Theil derſelben auf die Lifte ber verbotenen 
Bücher geſetzt haben. 


542 Bud IL Erſter Zeitraum. Abſ qhnitt 4. 


1466 Die Stände kamen auf die alte Bedingung zuruͤck, „af 
die teutfche Nation Niemand wider den Zürken ſchicken möge, 
es fei denn zuvor ein gemeiner Landfriede in teutfchen Landen 
errichtet.” Schon vor dem Reichötage waren bie ſchwaͤbiſchen 
Stände zu Um und Reutlmgen zufammengelommen, um-fid 
zu berathen, wie der Sandfriebe vorerft in einem Theile dei 
Reichs in's Werk gefebt werden koͤnne, da man bei dem Haſſe 
des Adels gegen die Schweizer einem neuen Krieg entgegen 
ſah. Zu Nürnberg Fam der Reichötag nicht weiter, ald ba 
ein Rathfchlag gemacht wurde, welchen die Städte zum de 
richt nahmen. Nach diefem folten auf den nächften Somme 
20,000 Bann nach Ungern gefchidt, indeſſen aber ein Lan: 
friede auf 5 Jahre errichtet werden, der vom Papfle zu be 
flätigen wäre. K. Seorg von Böhmen, ein ausgegeidne 
tee Feldherr, erbot fich mit feiner ganzen Macht gegen die 
Zürken zu ziehen. Allein flatt darüber froh zu fein, meinte 
der päpftliche Legat Fantini, man folle die Gefandten dei 
Königs, der ein heimlicher Utraquiſt und Ketzer wäre, ga 
nicht annehmen; und nun muſſte auch die von Pius IL zurid 
gehaltene Bannbulle publictrt werden. Noch mehr, Paul IL 
Hatte ſchon für einen Nachfolger geforgt und die boͤhmiſche 
Krone dem K. Kafimir von Polen antragen laffen *). Diefe 
Schritt machte großes Auffehen im Reich. K. Georg fland 
mit den Kurfürften in freundfchaftlichen Verhaͤltniſſen und 
hatte ihnen gegen ben Kaifer beigeftanden. Wenn der Koͤnig 
von Polen, der eben durch den thorner Frieden ben langen 
Krieg gegen ben Xeutfchorden. mit Unterwerfung von Bel 

18. Oct. preuffen endigte, nun auch in den Beſitz von Böhmen km, 
fo erfchien er als ein gar zu mächtiger Reichsſtand. Am Kar 
fer war es den Papft zu fragen, wie er dazu komme Rede 
lehen einzuziehen und zu verleihen. Allein er ließ ben Papf 
gewähren und dachte babei im Zrüben zu fifchen. Dadurh 
wurbe K. Georg fo aufgebracht, daB er gegen den Papf a 
ein allgemeines Concilium appellitte, dem Kaifer aber einen Ab⸗ 

Dec. fagebrief zuſchickte mit bittern Vorwuͤrfen uͤber feinen Undank) 


1) Dlugoss. L, XUL Balbin. L. V. 
2) Lünig Cod. germ. dipl. I Nr. 405. 


K. Friedrich IL, 1440-1493, 543 


Friedrich Tehrte fich nicht daran; vielmehr ließ er auf dem näch- 

fin Reihdtag zu Nürnberg zwei päpftliche Bullen verlefen, 1467 
welche die Fürften auffoderten Hülfe gegen K. Georg zu ge: Jul. 
ben und gemeinfchaftlich mit dem Papſte beffen Reich einem 
chriftlichen Regenten zu übertragen. Unter dem Lebtern Dachte 
Friedrich wohl an feinen andern ald fich felbft, denn er hatte 
Böhmen fo wenig ald Ungern aus den Augen verlorenz . 
allein er fah fich bald betrogen: im nämlichen Beitpunct kamen 

die Tatholifchen Landherren in Böhmen auf Betreiben bed Pap⸗ 

fled zu Iglau zufammen und wählten den K. Kaſimir von 
Polen oder defien Sohn zum König Kaflmir bezeugte jedoch 
keine Luft, feinen bisherigen Freund und Bundesgenoffen zu 
befriegen; vielmehr bot er, in Gemeinfchaft mit dem teutfchen 
Reich, feine Vermittlung zwifhen 8. Georg und den katholi⸗ 
fihen Landherren an und brachte einen fünfmonatlichen Still: Dee. 
fland zu Wege. 

Der zweite Reichstag zu Nürnberg war eigentlich in der 

Abficht berufen, den vorgefchlagenen Zürtenzug und Lands» 
frieden zur Ausführung zu bringen. In Abficht des erflern 
beachte man zwar den legten Antrag nach langen Berathuns 
gen zum Befchluß, auf den Zünftigen Sommer 20,000 Mann . 
wirklich. zu flellen und jeden Reichsſtand dazu anzufchlagen. 
Aber über die Landfriedensorbnung entfland Uneinigkeit. Ein 
Theil wollte beim legten nümberger Beſchluß ſtehen bleiben. 
Die Städte hätten gern gefehen, daß der frühere Entwurf 
‚von ſechs Kreifen in's Werk gefebt winde. Anderen fchien 
die Strafe der Zriedbrecher zu hart. Wieder Andere fchlugen 
ein Buͤndniß unter ben Kurfürften und Kürften vor, worein 
auch der Kaifer, ald Herr von Öfterreich, treten follte; babei 
wollten jene fich befonders verwahren, daß der Landfriede nicht 
wider ihre (lanbeshoheitlichen) Rechte und Freiheiten fein follte. 
Der Kaifer, der auch an diefem Neichötage nur durch Abges 
ordnete Zheil genommen, war mit ben Borfchlägen nicht zus 
frieben und erließ von Wieneriſch⸗Neuſtadt ein Mandat, wel 20, Aug. 
ches, mit Beſtaͤtigung des legten nuͤrnberger Befchluffes, alle 
Befehdungen bei Strafe des Majeftätöverbrechend und der 
Reichsacht auf fünf Jahre mieberlegte. | 

Der Kaifer that alfo diesmal einen Machtſpruch, jedoch 





544 Bud IE. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 4. 


1468 bloß in der Abficht, ums ben Kreuzzug gegen ben K. Georg 
von Böhmen zu rüflen. Da bie Fürften Feine Luft bezeug⸗ 
ten der päpftlihen Auffoberung zu entfprechen, - fo ließ er 
einflweilen in Oſterreich das Kreuz predigen und trat in ein 
geheimes Buͤndniß mit K. Matthias von Ungen, K. Georgd 
Schwiegerfohn: er verfprach ihn die Belehnung mit Böhmen, 

‚ wenn er es erobern würbe, doch daß er ihm auf den Zall 
feines unbeerbten Abfterbens die Nachfolge in Ungern zufichere. 
Georg befchwerte ſich über diefe Schritte in Öffentlichen Aus⸗ 
ſchreiben an die teutfchen Reichöflände und ließ feinen Sohn 
Victorin gegen den Kaifer zu Felde ziehen. | 

Auch der Papft erlaubte fi den ZTürfenkrieg einflweilen 
auszufegen; er erlaubte, was er fonft nie zugab, daß Matthias 
einen Stillſtand mit den Ungläubigen einging; er unterflüßte 
ihn mit Geld und ließ durch feine Legaten alle Ausföhnung 
zwifchen. Georg und Matthias verhindern, Alles in der wohl 
gemeinten Abficht, zuerft die böhmifchen Keger zu vertilgen. 
Matthias fchlug den Victorin aus Öfterreich zuruͤck und befegte 
‚Mähren, wuſſte auch durch verftellten Frieden fi) darin zu 
behaupten. 

Der Kaifer, ber immer noch nicht recht wuſſte, was er 
denn eigentlich von biefem Kriege für ſich zu hoffen habe 
lief jest im buchftäblichen Verflande dem Papfte nah. Es 
fiel ihm ein, daß er, während ihn bie Wiener in feiner Burg 
belagerten, das Gelübde eine Wallfahrt nah Rom gethan 

24. Dec. habe. Bei feiner Ankunft benahm er fich, ald ob er fih naͤ⸗ 
bern Rath wegen bed Zürkenzugd vom Papfle erbitten wollte, 
weil indeffen alle Anftalten im Reich vergeblich geweſen; dann 
ließ er Etwa von einer allgemeinen Kirchenverfammlung zu 
Coftanz fallen, wahrfcheinlicd um den Papfl durch diefed zu 
Rom ungern gehörte Wort deflo eher zur Ginwilligung in 
feine andere Bitte zu bewegen. Und nun eröffnete er im Ber 
teauen, ber Papft möchte zur Nachfolge feines Sohnes Mar 
milian auf dem böhmifchen. und ungerifchen Thron feine 
Beiftimmung geben. So viele Gewalt Paul IL. durch biefen 
Antrag fich eingeräumt fah, fo hatte er doch Feine Luft darauf 
einzugehen und ftedte fich hinter allerlei Verzögerungen. Rad 
fiebzehn Tagen ging ber Kaifer misvergnügt zuruͤck, doch ließ 





8. Friedrich IL, 140—1493, . 545 


er ſich mit einigen hundert Pfrünben zu beliebiger Vertheilung 
beſchenken *). 

Gleich nach ſeiner Zurückkunft ſetzte der Kaiſer einen 1469 
Reichstag nach Regensburg, der in Gegenwart. bed päpfllichen Sr. 
Legaten über Fortfekung des böhmifchen Kriegs handeln 
ſollte, fich aber unverrichteter Dinge vertagte. Matthias dages 
‘gen, dem bed Kaiferd‘ Schritte zu Rom verrathen worden, 
ſchloß mit feinem Schwiegervater Georg auf ein Jahr Stils 4. April 
ſtand. Allein obgleich der. Papft einen Stillſtand mitden Tür: | 
ten erlaubt hatte, fo erklaͤrte er doch diefen mit einem ketzeri⸗ 
ſchen Könige für ungültig, und ber wankelmuͤthige Matthias 
ließ fich zur Wieberergreifung ber Waffen bewegen; ed gelang . 
ihm auch in Mähren und Schlefien bie Huldigung einzuneh⸗ Mai. 
men. Deſto fiandhafter behauptete fih Georg in Böhmen 
und befchloß den Sohn des Königs von Polen zum Nachfol⸗ 
ger anzunehmen. 

Indeſſen fielen 20,000 . Zürten, "unter ‚dem Baſſa von 
Bofnien, Affabey, in Kroatien, hann in Krain ein, und erreich 
ten alfo, auſſer einer frühen Berührung ber windifchen Mar, 
zum erflen Mal unter ſchrecklicher Verheerung ben Reichsboden. 

Das war denn mit Recht ald Schuld des muthwillig herbeis 
geführten böhmifchen Kriegs anzufehen, und doc ließ man - 
bei der nahen Gefahr für Zeutfchland und Italien noch zwei - 
ganze Sabre verfliefien, bis der Kaifer endlich, ba die Tür: 

ten in fein Jagdrevier einbrachen, fich entſchloß, nach den 
Vorberathungen zu Wien und Nürnberg, in eigner Perſon 
einen großen Neichötag zu Regensburg zu halten. Wegen ber 1471 
Wichtigkeit und der zahlreichen Befuchung auch von auswärs Jun. 
tigen Gefandten heifft diefe Verfammlung: „ber Faiferlich chriſt⸗ 
liche Zag der Türken halber zu Regensburg.” Wiewohl ber 
legte fünfjährige Landfriede noch beftand, fo war doch in allen 
Zanben folche Unficherheit, daß bie Reichsſtaͤdte „wegen biefer 
gefährlichen Läufe dem Kaifer 200 Reiſige zur Bebedung 
entgegenſchicken muſſten. Diefe durften jedoch zwei Monate 

zu Paffau barren, bis der Kaifer herauſtam. Nachdem er acht 


1) — Piccolomini Card, Papiens, — L. VIL Dio- 
zvoss. |. 


Dfifer Geſchichte d. Teutſchen IIL 35 


546 Bud IL Erſter Zeitraum. Abſchaitt 4. 


Tage zu Regendburg von ber Reife gerubt, wurben die Gi; 
zungen eröffnet. Aber ſchon bei ber etwas langen Cröffnungs- 
rebe des Legaten Campanus fchlief der gute Kaiſer ein; ber 
erſte Legat Jatob Piccolomini, Better des verfiorbenen Anzas, 
erlaubte fich ihn zu weden). Run verlangte ber Kaifer zu: 
naͤchſt zur Grenzvertheibigung, d. h. für feine eigenen Lande, 
10,000 Mann nebfl Ergänzungszufge; dann follten die Stände 
rathichlagen, wie auf das mn: en | 
tiger Heerzug gegen bie Tinken zu bewerkſtelligen wäre. 

dieſem Antrage waren bie paͤpſtlichen Begaten mit Recht = 
zufrieden; fie meinten, das Lebtere follte das Erſte fein. Aber 
der Kaifer kannte fchon bie Stimmung bed Reichſtags. Die 
Grenzwehre mit 10,000 Dann und weiterer Ergänzung farb 
keinen Anftand; die Fürften bewilligten fie fogleich, die Städte 
nach ein Paar Zagen Bebenkzeit. Der allgemeine Heerzug 
ſollte im naͤchſten Jahre vorgenommen werben; Alles aber un 
ter ber alten Bedingung bed Landfriebend. Das war num eben 
was dem Kaifer immer zu ſchwer bäuchte: er hätte gem um: 
bedingte Zufage gehabt. Indeſſen wurbe ein Ausſchuß nieber: 
gefest, um den Anfchlag zu den beiden Ausrhflungen fowie 
bie Lanbfriedensordnung zu entwerfen. In Ruͤckſicht des Er⸗ 
ſtern ging man auf den im Huſſitenkriege aufgekommenen 
„gemeinen Pfenning“ zurüd, jedoch mit ber bedeutenden 
Erhöhung, daß nicht wie damals ber hunberte fonbern ber 
zehnte Pfenning ober Vermögensfleuer von allen unmittelba- 
ven und mittelbaren Reichsunterthanen entrichtet werben follte. 
. Die Fürften waren damit zufrieden, aber die Städte es 
hoben weinerliche Klagen und ftellten vor, wie fie ſeit geraus 
mer Zeit mit vielen verberblihen Kriegen zu Waſſer und zu 
Land und in viele andere Wege befhäbiget worden, und baten 
daher um einen leiblichern Anfchlag. 

Da wieber fihlimmere richten aus Krain einliefen, 
wollte der Kaifer einen andern Anfchlag vornehmen und den 
Landfrieden verlefen laffen. Aber damit waren bie Städte 
wieber nicht zufrieden und wollten bie Sache erft „hinter fid 

1) Bu ben letztangefuͤhrten gehören noch Campani Epp., im Xs: 
bang zu den Commentarien bes Gobelin und Jac. Piccolontini. 








8. Friedtich IL, 1400-1498. 047 


bringen‘! (an ihre Gonmittenten). Die ſchweigeriſchen Eidge⸗ 
noſſen hatten auch keine Luſt dazu, und die Graven und Hr 
ren hielten es für eine doppelte Befchwerung, wenn zugleich | 
mit ihnen auch ihre Leute belegt würben. Der Kaifer verlegte 1471 
den Reichstag nach Nürnberg, weil Mangel und Krankheiten Aus 
entftanden. Indeſſen befprachen fich die Städte zu Frankfurt 
und orbneten fieben Geſandte an den Kaifer ab, welche ihm 
erklärten, ber zehnte Pfenning fei bei. ihrer Verarmung zu 
ſchwer; fie.wollten zu einem gemeinen Heerzug gegen bie Tuͤr⸗ 
ten willig fein, wenn alle Lehenlente bes Reichs fich aufs 
machen würden (alfo Anſchlag an Mannfchaft, nicht an Gelb). 
Auf dem verlängerten Reichötage zu Frankfurt blieben fie auf” 
ber vorigen Antwort, und fo kam in viermonatlichen Verhand⸗ 
lungen Nichts zu Stande. | | 
Der Kaifer berief nun wieder einen Reichstag nach Augs⸗ 1473 
burg und kam felbft in die vordern Lande, wo er in breiffig 
Jahren, feit feiner Schweizerreife, nicht mehr gefehen worben 
war. Allein es war ihm jest weniger um ben Zürkenzug 
als um eine Zuſammenkunſt mit dem Herzog Karl von 
Burgund zu thun. Den Städten wurde ein anderer Ans ' 
ſchlag gemacht. Mit Ausfchluß ber Herren: und HanfesStäbte 
und der Schweizer follten die Reichöftädte zu ben 10,000 Mann 
Grenzwehre 1000 zu Roß in die Eaiferlichen Erblande ftellen. 
Beil aber nur funfzehn Gefanbte von ihnen dawaren, wel 
che Feine volle Gewalt hatten, fo muffte ihnen der Kaiſer wies 
der das Hinterfichbringen erlauben. Die Städte wankten jegt: 
ein heil wollte dem Kaifer feinen Willen thun; bie Mehr 
zahl aber flimmte dagegen und gab dem Kaifer zu Straßburg 
die bisherige Antwort. Er befahl, fie ſollten bei feine Ruͤck⸗ 
kehr vom Niederrhein mit voller Gewalt zu Augsburg erfcheis 17 
nen. Hier wurben ihre Eimwendungen 'gegen ben vierjähri- 
gen regensburger Landfrieben nicht gehört und mit Einwilli« 
gung der Kurfürften eine Verlängerung auf ſechs Jahre ver- 
fünbet, doch mit Vorbehalt näherer Vorſchlaͤge von Seiten der 
Staͤdte uͤber die Art der Handhabung. Wegen Berweigerung 
‘des zehnten Pfennings ließ der Kaiſer den Städten einen 
harten Verweis geben: „er fei bisher nur durch feine abelige 
angeborme Milde abgehalten worben Strenge gegen fie zu 
35 * 


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trag zu entkraͤften, ſo wollten ſie, wenn der Kaiſer 
meine Hälfe nach dem Herkommen auf des 


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ging. Im eine ſolche Verfafiungslofigkeit ließ K. Friedrich TIL 
bad Reich verfinten, daB man nicht mehr eine Grenzwehre 
aufbringen konnte. 

Sehen wir um 50 Jahre zurhd auf die Zeit ber coſtan⸗ 
zer Kicchenverfanmlung, fo fragt man erflaunt: wo if da3 
bürgerliche und kirchliche Leben, das damals in fo freu 
diger Bewegung wear? 

So arm waren die Städte Doch wohl nicht, daß fie jene 
Anlage nicht auf fi nehmen konnten; fie haben auch gleih 
im Bolgenden ſich wieder flärder angegriffen. Der Kaiſer 


1) Das Gange, auffer den einzelnen Eitaten, nah Müller RZ. 
Theatrum Vorſt. IV. V. Geſch. v. Schwaben V, 191—206. | 


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- 8. Friedrich IL, 1440-1493. . 59 


ſchwankte ſelbſt; ex wollte fie als unmittelbare Unterthanen 

fhonen, weil er in feinen Gelbverlegenheiten immer wieder zu 
ihnen Zuflucht nahm. Der wahre Grund ihrer Zuruͤckhaltung 
iſt im Städtefrieg zu fuchen. Der Kaifer hatte fie den Fürs 
fien preißgegeben, weil fie ihn im Schweizerkriege ſtecken 


lieffen. Nun wollten fie ihn in ben Erblanden daſſelbe füh ⸗ 


len laſſen. 

Die ſchlaffe Reichtverwaltung unter den — 
hat doch die heilſame Folge gehabt, daß die Staͤnde zum 
Selbſtgefuͤhl gekommen ſind und durch ihre Einungen den 
Mangel der Geſammtoerbindung zu erſetzen geſucht haben. 
Aber dieſe Zuſammenwirkung iſt jetzt auch erloſchen. Die 
Staͤdte konnten ihren fruͤher ſo maͤchtigen Bund nicht mehr 
herſtellen, weil lauter kleinliche Intereſſen die Oberhand be⸗ 
hielten. Eben dieſe aͤngſtliche Berechnung hat ſich dann auch 
nicht geſcheut in Abficht der Reichswehre ſich auszuſprechen. 

Die kirchlichen Verhandlungen wichen immer mehr von 
der Hauptſache ab, und ſomit erloſch auch der Eifer für 
dieſe. Die baſler Vaͤter traten durch voreilige Wahl eines 
Gegenpapſtes aus ihrer Stellung heraus. Die Kurfuͤrſten 
wollten die Neutralitaͤt durch ein drittes Concilium behaupten. 
Aber der ſchwache Kaiſer, auch fuͤr ſeine Gewalt beſorgt, ließ 
ſich fangen. Die Fuͤrſten und Biſchoͤfe wurden einer um den 
andern berlibergebracht. Es war ja nur noch ber Finanz⸗ 
yunct, um den ſich Alles drehte. Wie Tonnte man bei bies 
fer Lage der Dinge zu Rom fi) noch überreden die Voͤller 
zu einem Glaubenskrieg zu entflammen, da ihnen Alles ent 
fremdet war, was biefen Glauben hätte theuer und heilig 
machen Eönnen? In Böhmen war noch Etwas von biefem Ge: 
fühl vorhanden; bas muſſte auch noch vertilgt werden, um 
endlich Har zu fehen, daß Bein Auffchwung irgend einer Art 
mehr möglich fei. Wenige Stimmen waren noch übrig, wie 
die Georgs von Heimburg, ber, ald Pius den Bifchof 
von Würzburg gegen ihn zu Felbe ziehen ließ, lieber in's 
Elend ging, als daß er fein Haupt hätte beugen wollen. Er 
ermuthigte den Erzherzog Albrecht, dann den Erzbiſchof Dies 
ther; ald er in Zeutfchland Alles verloren fah, fand er Schuß 
bei dem K. Georg von Böhmen, den er mit feinem Kath 


550 Buch I. Exfter Zeitraum. Abſchnitt 4. 


unterflügte. Dreiſßg Sabre hatte ex der Stadt Nürnberg mit 

Ruhm gedient und durch feine Sefandtichaften auch in Italien 

einen großen Namen erlangt. - Paul IL ſprach noch einmal 

den Bann über ihn aus. Endlich, nachdem K. Georg und 

Rokyczan geftorben waren, nahm ber mübe, fliehenbe Greis, 
4472 kurz vor feinem Zobe, aus der Hand des Bifchofs von Meif- 
Aug. fen den Frieden der Kirche '). 


8. Das burgundifche Erbe. 


Söpenunet des neuburgundifhen Hauſes. Erwer 
, bung des Herzjogthbums Luremburg. VBorderöfter: 
teih wird an Burgund verpfändet, umbiefe Macht 
gegen die Schweizer zu gebrauden. K. Friedrich 
und Karl der Kühne zu Trier. Die burgundifde 
Königswürde und die Verlobung der Maria mit 
Marimilian durch 8. Ludwig XI von Frankreich 
verhindert. Goalition von Öfterreich, Frankreich, 
Schweiz, Elfaß und Lothringen gegen Karl ben 
". Kühnen. Bald auch Reichskrieg wegen Neuß. Se: 
paratfriede des Kaifers und des Königs Lub- 
wig XI Karls Angriff auf Lothringen und bie 
Schweiz (bie obere und niedere Bereinigung). 
Die großen Zage bei Sranfon, Murten, Nancy. 
Nah Karls Untergang will Frankreich zugreifen. 
Marimilian erhält die Zuſage der Maria. Die 
Schweizer heifen Frankreich befeitigen und fhlief 
fen ewigen Frieden mit Öfterreich. 


Wahrend Kalfer und Reich in gänzliche Unthaͤtigkeit verſan⸗ 
ken, ſah man mit verſchiedenen Empfindungen auf bie empor: 
blühende Größe ded neuburgundifchen Hauſes, das nun 
eben nicht müffig war von ben Umfländen Hugen Gebrauch 
zu machen. Schon bei ber erfien Reife in die obem Lande 
nach der Krönung hatte 8. Griebrich OL eine — mit 


| 1) Adami vitae Germ. Jureeonsult. p. 8. Müller Schwetzer⸗ 
geſchichten IH, 504. 536. Shrödh a. a D. ©. 26L ff. ! 


8. Geiedeich II. 4440-149, 551 


dem Herzog Philipp von Burgund zu Befancon '). Er dachte 1442 
wohl ſchon damals an eine Verbindung ber beiden Haͤuſe. 
Kein Fürft konnte fih mit bem reichen Herzoge meflen. Bei 

der Kirchenverfammlung zu Bafel trat er mit einem koͤnigli⸗ 

hen Anfehn auf. Dem Papſte entging nicht, daß man ſich 

von ber burgundifchen Macht gegen bie Türken mehr verfpres 

chen bürfe ald vom ‚ganzen Übrigen Reihe. Am wenigften 
entging bem Könige von Frankreich, wieviel Gewicht biefer in 

der Mitte liegende Staat, halb im teutfchen, halb im franzd: 
fifchen Lehenverbanbe, auf bie eine ober Die andere Seite legen 
koͤnne. Der Streit um bie luremburgifche Stammherr⸗ 
Schaft iſt oben fchon berührt worden; er enbigte bamit, daß 
Herzog Wilhelm von Sachfen und feine Gemahlin Anna, K. 
Albrechts IL, Tochter, ihre Rechte, weiche K. Karl VII. von 
Frankreich ſchon angekauft hatte, nach deſſen Tode an Herzog 
Philipp von Burgund für 50,000 Schildthaler verkauften. 1462 
Karl der Kühne, Philipps Nachfolger, bezahlte der andern 4467 
Tochter 8. Albrechts, Eliſabeth, K. Kafimird von Polen Ge⸗ 
mahlin, fuͤr ihre Anſpruͤche an Luxemburg ebenfalls eine große 
Summe Geldes), und ſomit wurde dieſe ſchoͤne Provinz 
ohne weitern Widerſpruch mit den burgundiſchen Landen ver⸗ 
einigt. Erzherzog Sigmund, nach dem zweiten Schweizer⸗ 1468 
krieg, der im waldshuter Frieden mit bedeutenden Opfern ge⸗ 
ſchloſſen worden, in neuer Verlegenheit theils wegen der Frie⸗ 
densgelder theils wegen des unzufriedenen Adels, wandte ſich, 

weil der Koͤnig von Frankreich bereits die Abſicht hatte die 
Schweizer gegen Burgund zu gewinnen, an den Herzog Karl 

und bot ihm Vorderoͤſterreich als Pfandſchaft an für die Sum⸗ 

me von 50,000 fl. *), in Erwartung, dieſer kriegeriſche Fuͤrſt 
werde bald den Schweizerbund dahin bringen, daß Öflerreich 
nicht mehr ein Spott der Kuhhirten fein dürfte. Für Karls 

des Kühnen Vergrößerungsbegierbe konnte Nichts erwünfchter 

fein als die freiwillige Abtretung ber Schlüffel Teutſchlands, 


1) Haͤberlin NReichögefch. VI, 126. 

2) Bertholet. Hist. de Luxemb. T. VII. VIII. 

8) Die Friebensgelder betrugen nur 10,000 fi. in 1O Monaten zu 
bezahlen; das Übrige ging auf die andern Schulden. 


’ 


552 Bud IE Erſter Zeitraum. Abſchnitt &. 


1469 der Schweiz und feines Hochburgunds. Die Foderung des 
9. Mai, yerfchnideten Erzherzogs fand er eine Kleinigkeit, bie Gelber 
wurden bezahlt, die Eidgenofien befriedigt. Dann ließ Karl 
„ bie Huldigung einnehmen. und die Verwaltung ber Lande fo: 
gleih auf burgundifhen Fuß fegen, ald ob er fihon gewiß 
wäre, daß ber Erzherzog bei feiner fchlechten Wirthſchaft fie 
nie wieder einlöfen. koͤnnte. Ein paar Jahre ließ er verflieffen, 
shne, wie Sigmund und ber öÖfterreichifche Abel erwarteten, 

den Krieg gegen bie Eidgenoffen aufzunehmen '). 

4473 : Nun kam 8. Friedrich auf den Gedanken, brei Jahre nad 
der Romfahrt Karl den Kühnen zu befuchen, uͤm bier für ſei⸗ 
nen Sohn zu erreichen, was ihm beim Papſte fehlgefchlagen. 
Karl hatte eine einzige Tochter, Maria, jest funfzehn Fahre 
alt, an Schönheit und Geiſt gleih auögezeichnet, auf welche 
einft das reiche burgundifche Erbe fallen folte. Zehn Sabre 

(1463) früher, da H. Philipp noch lebte, war der Kaifer bamit ums» 
gegangen, ben „böfen pfälzer Fritz,“ den er auf Feine Weiſe 
zus Unterwerfung bringen Fonnte, durch die burgundiſche Macht 

zu bemüthigen; er wollte Philipp zum Reichsvicar jenfeit des 
Rheined und zum Reichshauptmann ernennen, ihm auch ben 
Königlichen Zitel verleihen, zugleich aber eine $amilienverbin- 
dung anknüpfen. Pius II. folte dazu bie Hand bieten; er 
ſchrieb an Philipp; die Verhandlungen blieben aber ohne Er 
folg ?). Überhaupt kam K. Friedrich, feit er jener Leitung ent: 
behrte, wie wir gefehen, immer tiefer herunter. Endlich kam 
Grav Hug von Werbenberg an feinen Hof. Von bie 
ſem Augenblide hoben fich die Geſchaͤfte. Grav Hug iſt der 
Einzige der an ber vertrauten Unterredbung mit Karl Theil 
nahm. Den nächften Anlaß gaben .die Landfchaften Geldern 
und Zuͤtphen, welche Karl eben jebt gegen bie Anfprüce 
des Graven Egmond von Geldern an fidh brachte. Er bat 
ben Kaifer um Belehnung, und biefer verglich fich mit ihm 
zu einer perfönlihen Zuſammenkunft. Das war jebodh nur 
die Einleitung zu höheren Plauen. Karl wollte die früheren 


1) Geſchichte von Schwaben V, 188. 


2) nn Sylv. Epp. Nr. 881, Müller 8, Theatrum worß 
IV. E.8 








8. Friedrich IL, 1440—1493. : 553 


Anträge verwirflichen und flelgern. Er verlangte, der Kaiſer 
folle die gefammten burgundifchen Lande mit den bisherigen 
Erwerbungen zu einem Staate vereinigen, die Bisthlimer 
Utrecht, Lüttich, Cambrai und Domid dazu ſchlagen und ihn 
zum König von Burgund’ und - ‚zum Reichsvicar jenfeit des 
Rheins ernennen. Sein Ehrgeiz ſah fhon, wenn er noch 
Lothringen dazu eroberte, im Weſten Teutſchlands ein zweites 
Reich entſtehen, das durch Einheit und innere Hüuͤlfsmittel, 
hauptſaͤchlich aber durch eine ſtreng geordnete Verwaltung, 
worin er Meiſter war, bald das alte Reich uͤberbieten wuͤrde. 

Der Kaifer kam feinem Berlangen gern entgegen in Hoffs 
nung, baß er ihn durch die Gewährung um fo gewifler zur 
Vermaͤhlung feiner Tochter mit Marimilian bewegen würde, 
Die Zuruͤckgabe ber vorberöfterreichifchen Pfandfchaft hoffte er 
ohnehin, und es war fogar bie Rede davon, die Eidgenofs 
ſenſchaft zwiſchen Burgund, Öfterreih und Savoyen zu thei⸗ 
len. Friedrich hielt ven Gewinn feinerfeits für überwiegend: 
denn er entſchloß fich, fobald die Sefandten das Nöthige eins 
geleitet hatten, zu dem Herzog bis Trier zu reifen. Die Ders 
ſammlung was: ungemein zahlreich und glänzend. Marimis 4473 
Lian, in demfelben Alter wie Maria, zu den größten Hoffe 9. en 
nungen aufblühend, tritt an ber Seite feines Vaters auf einem 
braunen Hengft, in fehwarzer Kleidung, mit herabhaͤngenden, 
gelben Soden, und wurde von Karl mit Wohlgefallen gegrüßt. 
Maria, Karl Zochter, war mit ihrer Mutter gekommen, 
ihre Schönheit verbunfelte ben auderlefnen Schmud. Bei 
dem Kaifer waren einige Kurfinften, viele Zürften und Her: 
zen; doch erfchien fein Gefolge binftig gegen ben prächtig ges 
rüfteten burgunbifchen Adel. Diefer fand an den Zeutichen 
Nichts zu bemerken als ihre ſtarken Geſtalten und bie lan⸗ 
gen, gelben Haare. An der Bruſt des Herzogs glänzte der 
Drden bed goldenen Vlieſſes; der Kaifer und fein Sohn tru- 
gen den Orden der Mäßigfeit '). 

Saft zwei Donate verweilten die beiden Furſten bei ein⸗ 
ander zu Trier, konnten aber kein rechtes Zutrauen zu einan⸗ 
der faſſen. Jeder wollte ſeine Bedingung zuerſt erfüllt ſehen, 


| 1) Fugger m a. O. S 77%, 


554 Buch IE Erfter Zeitraum Abſchnitt 4: 


der Kaifer die Vermählung, ber Herzog bie Krönung, wozu 
er auch ſchon Anftalt getroffen. Karl beforgte, im erftern Zal 
koͤnnten bie Kurfürften noch Schwierigkeiten mit ber Königs 
würde machen. Der Kaifer fürchtete, Karl möchte nicht Wort 
halten, da er feine Zochter ſchon einigen Fuͤrſten zugefagt 
hatte. Diefe Zögerung wuſſte Karld Todfeind, König Zub: 
wig XL von Frankreich, Hug zu benutzen. Er warnte 
den ohnehin argwähnifchen Kaifer, Karl werbe ſich mit der 
Königdwürde nicht begnügen, ſondern bie Hand nach ber 
Kaifertrone ausſtrecken. Überhaupt fcheint die Nähe dieſes in 
jeder Hinficht überlegenen Fürften dem Kaifer immer brüdens 
- ber geworben zu fein; er wuflte fi am Ende nicht anders zu 
Gnde helfen, ald daß er ſchnell ohne Abfchied aufbrach und Dem Der 
an zog durch ben Graven Hug fagen ließ, Unruhen im Erzſtifte 
Coͤln fodern feine Gegenwart; übrigens folle bad Verabrebete 
zu einer andern Zeit gefchehen. Karl fand fich Durch biefes 
Benehmen fo beleidigt, daß er Rache fhwur. Alles fchien 
vereitelt. Doch blieb die Zufammenkunft nicht ohne Folgen. 

Marimilian und Maria hatten einander gefehen. 
Nach diefer Entzweiung fuchten alle Theile bie Freund⸗ 
ſchaft der Eidgenofien: Frankreich, Burgund, der Kaifer. Lud⸗ 
1474 wig AL kam zuvor: die Eidgenoflen fchloffen ihr erſtes Buͤnd⸗ 
10. San. nig mit. der Krone Frankreich: in diefem Verhältniß gegen 
Burgund heiffen fie „Die obere Vereinigung.” Bald 
darauf traten die eljäffifchen Stände in ein Buͤndniß mit den 
Eidgenoffen gegen die Gewaltthaͤtigkeiten des burgundiſchen 
Landvogts in den vorberäfterreichifchen Landen: fie heiſſen „bie 
niedere Vereinigung.” Während ber Herzog von Bur 
gund feine Gefandten bei den Eidgenofjen herumſchickte, um 
ı fie bei friedlichen Sefinnungen zu erhalten, geſchah durch Ein- 
wirkung Frankreichs, daß fle auf Anfuchen des Erzherzogs 
Sigmund, nach mehr ald anberthalbhundertjähriges Feindſchaft, 
eine „ewige Richtung” mit Öfterreich eingingen, welde alle 
11. Sun. zehn Jahre erneuert werben follte. Kine ſolche Werbung 
nahm die VBerpfändung der Vorlande an Burgund, daß Öfter: 
reich jetzt felbft bei denen Hülfe fuchte, gegen die fie eigent 
lich gerichtet'war. Es iſt aber nicht der einzige Umfchwung 

in diefen Begebenheiten. 





8. Friedrich IL, 1440-1493. 555 


Die Städte der niebern Bereinigung übernahmen bie 
Bezahlung des Pfandſchillings. Der Herzog weigerte ſich die 
Auffündung anzunehmen, weil. fie nicht in ber rechten Form 
gefchehen; gegen Gewaltfchritte befahl er feinem Landvogte, 
Deter von Hagenbach, fih zu rüften. Diefer aber erfüllte 
Dabei das Maß feiner Gewaltthaten. Er wurbe in einem 
Aufftande unter Mitwirkung bed Erzherzogs Sigmund gefans 
gen gefegt und auf einem förmlichen Rechtötage zum Schwerbt 
verurtheilt. Karl war eben in den Niederlanden in den leb⸗ 
Bafteften Kriegsräftungen gegen Frankreich, in Verbindung mit 
England, begriffen. Als er die Vereinigung der obern Lande - 
und die Hinrichtung feines Landvogts erfuhr und in Alem 
die Hand Ludwigs XI. fah, ſchwur er das Leben eher als 
Die Rache aufzugeben; und er hielt feinen Schwur. 

Vorerſt gab er feinen Hauptleuten Befehl and Hochburs 
gund einen Angriff auf Mömpelgarbt und Pfirt zu machen. 
Den Graven Heinrich von Würtemberg, ber auf jenes Land 
abgetheilt, früher an feinem Hofe erzogen war, nahm er auf, 
der Durchreife in den Nieberlanden gefangen und wollte ihn 
zwingen ibm die Stabt einzugeben. Die Beſatzung blieb aber 
flandhaft und wurde durch Schweizer verſtaͤrkt. Auch traten 
die übrigen elfäffifchen Stände in bie niedere Vereinigung. 
Es trat ferner der junge Herzog Rene von Lothringen in dies 
ſes Bündnig, um einerfeitö gegen franzöfifihe Untreue, ande: 
zerfeitd gegen burgundifche Gewalt gefchlist zu fein. So flans 
den nun an ber Weflgrenze Teutſchlands zwei große Parteien 
gegen einander. Die niebere Vereinigung rief die obere zu 
Hülfe; dieſe ſchloß eine neue Übereinkunft mit Frankreich; ber 4474 
König und der Erzherzog zahlten Subfidien. Der Kaifer be Oct. 
fahl den Eidgenofjen Hochburgund anzugreifen. 

Indefien zog Karl mit einem Heer von 60,000 Mann 
vor Neuß (am Rhein, im Erzflifte Chin) und gab dadurch) 
Anlaß zu einem allgemeinen Reichölrieg. Iene Unruhen, wels Aug- 
he der Kaifer zum Vorwand feiner fchnellen Abreife von Zrier 
gebraucht, waren veranlafit dur den Erzbifhof Ruprecht, 
. der in Streitigkeiten mit feinem Domcapitel durch Mitwir: 
fung des Papftes abgefeht worben und dem Adminiſtrator bed 
Erzſtiftes, Hermann von Heſſen, nicht weichen wollte. Er rief 


1474 


81. Dec. 


1475 
März. 


556 Buch II. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 4. 


den Herzog Karl zu Hülfe, und diefer war recht frob dem 
Kaifer Verdruß zu machen und zugleich feine Macht ale Schirm- 
herr des Erzſtifts bis an den Rhein auszubreiten. Die Coölner 
riefen den Kaifer an unter großen Gelbverſprechungen. Schnell 
erfolgte bas Aufgebot, Friedrich wollte das Reichöheer ſelbſt 
führen. Das war auf bemfelben Reichstage zu Augsburg, 
auf welchem die Zürkenhülfe zuletzt abgelehnt wurde. Zum 
einheimifchen Kriege war Alles gleich bereit. Auch Über den 
Pfalzgraven Friedrich wurde die Acht auögefprochen, doch, um 
im Hauptlrieg nicht geflört zu werben, wieder ein Stillftand 
zugelaffen. Der Kaifer fchloß eine Allianz mit Frankreich; 
das Reich trat bei. Während Zriedrich ven Schweizen be 
fahl in Hochburgund einzufallen, fandte er dem Herzoge Karl 
einen Abfagebrief. Die Reichsſtaͤdte wurden aufgeboten ein 
Viertheil ihrer Mannſchaft zu fielen. So verfammelte ſich 
ein flattliched Heer von mehr ald 50,000 Mann bei Edln '). 
Lange Zeit batte man Feine ſolche Ruͤſtung gefehen. Nach 


: Beilegung einiger Irrungen erhob fi) ber Kaifer zum Entfag 
von Neuß. Die arme Stadt war aufs Aufferfie gebracht; 


nach eilfmonatlicher Belagerung und unzähligen Stürmen, wel: 
he fie immer flandhaft abgefchlagen, beſchloß Karl fie auszu⸗ 
bungern. Als bad. Reichöheer fich bis auf eine halbe Stunde 


. näherte, ließ er, ungeachtet dad feinige ſchon fehr gefchwächt 


war, einen hißigen Angriff machen und an einem Tage nem: 
mal gegen die Stadt Sturm laufen, um fie wo möglich nody 
in feine Gewalt zu befommen. Das Reichsheer hätte fich gern 
mit den Burgundern in einer Hauptfchlacht gemeflen; ber 
Kaiſer hatte ben Oberbefehl dem Kurfürflen Albrecht von Bran⸗ 
benburg übertragen: aber foweit wollte ex es fchon nicht Fom- 
men laſſen. Der päpftliche Legat, ben ex. mitgebracht hatte, 
vermittelte einen Stillftand, und bald darauf wurde ber Friede 
geichlofien. “Der Kaifer verfprach das Reichsheer zu entlaffen, 
werin Karl die Belagerung aufheben, dem Ruprecht nicht mehr 
beifteben und den Erzbifchof Hermann anerkennen würbe. Da: 
zwiſchen fanb wieder eine vertraute Unterrebung flat. Sm 


1) Müller R2. Theatrum Vorſt. V.G. 71. Heinrih Rede: 
geſchichte IV, 418, . | 





8. Friedrich IL, 1400-199. 557 


biefer erhielt Kriebrich ohne Zweifel die Ernenerung des Vers 
loͤbniſſes zwifchen Marimilion und Maria; der Artikel wurde 
jeboch geheim gehalten, damit die über den unrühmlichen Aus⸗ 
gang ded Kriegs ohnehin ſchon unzufriedenen Zürften nicht 
fagen follten, ber Kaifer habe bie Ehre des Reichs feinem 
Haufe geopfert. 

Soviel fieht mari, ber Kaifer hatte feinen Swed erreicht: | 
denn er fchloß nicht einmal bie Bunbeögenoffen in den Frie⸗ 
den ein, überließ 'fie alfo der Rache des Herzogs, mit dem 
er bald darauf eine ewige Einung ſchloß. Der König von 
Frankreich that nicht beffer: er nahm einen Stillſtand mit Karl 
an und verfprach ben Eidgenoffen und dem Herzoge von Lo: - 
thringen nicht beizufiehen. Alfo waren die Verbündeten, bie 
mit ausbrüdlicher Auffoderung vom Kaifer und von Frank⸗ 
reich in den Krieg gezogen worden, preisgegeben. Doch in 
dieſer Bebrängniß gefchahen nun erſt Kriegäthaten, welche ben 
Ruhm der teutfchen Waffen über alle andern erhoben. 

Karl Überfiel fogleich die Lothringifchen Lande, dann wandte Sept. 
er fich genen bie Schweiz; ihre Einnahme fehien ihm eben 1476 
nicht ſchwer; dann war ber Weg nach Italien gebahnt, Teutſch⸗ 
land von Frankreich getrennt und bie burgunbifche Macht von 
einem Meere zum andern ausgebreitet. Die Schweizer boten 
ihm Frieden an; er aber ließ fich nicht mehr aufhalten, bie 
„Bergbauern“ follten feine Rache fühlen. Diefe griffen zu 
den Waffen und zogen ihm entgegen. Bel Granſon er 2. März. 
fochten fie den erſten herrlichen Sieg, ehe die Verbündeten 
alle eingetroffen waren. Als ber Herzog größere Rüflungen 
machte und die Eidgenofien ihre Verbündeten mahnten, rief 
der Kaifer die ſchwaͤbiſchen Städte ab. Aber der Erzherzog 
Sigmund und die niebere Vereinigung zogen mit ihrer gan- 
zen Macht zu den Eidgenoſſen. Der vertriebene Herzog Rene 
von Lothringen Fam mit einer Heinen Reiterfchaar. Sie tras 
fen Karl in einer fihern Stellung bei Murten mit einem 
trefflichen Heer und vielem verfchanzten Geſchuͤtz. Die Vor: 
but führte Hallwyl, den Oberbefehl theilte Hanns Waldmann 
von Zürich mit Wilhelm Hertar von der niebern Vereinigung. 

. Man fah keinen Unterfchied zwifhen Schweizern und Bun⸗ 
beögenofien. Herzog Rene, tm erften Angriff auf das grobe 


5585 Bud IN, Erfier Zeitraum. Abſchnitt 4. 


Sefhüh, verlor fein Leibpferb und firitt zu Fuß. Hallwyi 

umging ben Feind, endlich ſtuͤrmten Alle durch die Verſchan⸗ 

zung g auf ben Kern des feindlichen Heeres; fie brachten Die 

1476 Reiterei in Verwirrung und bas Fußvolk zum Weichen. Zum 

22. Jun. zweiten Mal gefchlagen fiel Karl beinahe in Geifteözerrättung. 

Indem er Alles in Bewegung febte zu einem dritten Feldzug, 

traten Kaifer, Papft und Ungern als Vermittler ein. Die 

theinifchen Kurfürſten wollten der niebern Vereinigung beitre 

ten. Mit Sapoyen wurde wirklich abgefchloffen; auch bie 

Schweizer waren nicht abgeneigt: aber Karl wollte durchaus 

den „Zungen von Lothringen” ausgeſchloſſen wiffen. Alſo 

noch einmal Krieg. Inbeflen machte Ren& mit einer Schaar 

meift freiwilliger Teutſcher einen Streifzug nach Lothringen 

und nahm das Land faſt ohne Hinberniß nebft Nancy wie 

der in Beſitz. Karl, aus Hochburgund hinter ihm her, bebrohte 

25. Och. die Hauptflabt mit einer Belagerung. Rens eiligfk zu den 

Schweizem, erhielt flatt ſechs⸗ achttaufenb Zuzug; bie nie 

dere Vereinigung brach auf unter Hertar. Mit ungefähr 16,000 

‚Mann ellte er zum Entfab von Nancy. Neuer Wetteifer un 

1477 tee den Verbündeten. Karld Lager wurbe umgangen, geflürmt 

5. San. und zulegt fein ganzed Heer in die Flucht gefchlagen; er felbft 

ſtuͤrzte mit feinem Pferd in einen beeiften Graben und warb 
unerkannt erfchlagen. 

Nachdem die Verbündeten, vom Kaifer und von Frank⸗ 
reich verlafien, für fich allein bie burgundifche Macht gebro⸗ 
hen, wollten die Mächte fi) nun ſogleich davon zueignen 
foviel fie vermodten. Während Renes Wiedereinſetzung und 
Heinrichs von Würtemberg Befreiung durch die Verbimbeten 
bewirkt wurbe, befegte K. Ludwig XI. Hochburgund, warb 
Schweizer und ließ auch die meiften feften Plaͤtze in den von 
Frankreich Iehenbaren nieberländifchen Propinzen einnehmen. 
Zugleich bewarb er fi) um die Hanb ber Maria für feinen 
‘fiebenjährigen Sohn, den Dauphin Karl. Die niederlaͤndi⸗ 
fchen Stände bemächtigten fich der Regierung, ertrotzten von 
der Megentfchaft der Maria eine Freiheit um bie anderes bie 
Genter lieffen fih von Frankreich aufrelzen und verurtheilten 

Apr. zwei ihrer Räthe zum Tode. Im biefem Gebränge erfchienen 
Sefandte ded Kaiferd, um Maria an ihr Wort zu erinnern. 


\ 


Frledrich M, 10-149. 6460 


Ihre Stiefmutter, die Herzogin Wittwe, Margarethe von 
York, war es welche den Antrag von Frankreich ablehnte. 
Die kaiſerlichen Geſandten zeigten ein Schreiben nebſt Ring, 
welches Maria einſt mit Genehmigung ihres Vaters an Maxi⸗ 
milian geſchickt hatte. Sie erkannte Beides und gab alſo die 
feierliche Zuſage für Maximilian. Der Pfalzgrav Ludwig von 
Veldenz, des Erzherzogs Bevollmaͤchtigter, ließ ſich die Prin⸗ 
zeſſi ſin in ſeinem Namen antrauen, und nun kam Maximilian 1477 
mit einem ſtattlichen Gefolge nach Gent und vollzog bie Vers 26. Apr. 
mählung. » 19. Aus. 

Einen ſolchen glüdlichen Ausgang für Öfterreich nahm 
der burgunbifche Krieg durch bie Beſtaͤndigkeit der Marin. 

In den Verhältniffen zu Frankreich gaben bie Cidgenoffen 
wieder den Ausſchlag. Da das Schickſal von Hochburgund 
noch unentfchieden war, lieflen fie zwei Gefanbtfchaften zus 
gleich an den franzöfifchen und burgundifchen Hof abgehen. 
Dort wurden fie mit Stolz empfangen; bier, bei Marimis 
lians Vermählungsfeier, ehrenvoll und freundlihd. Dies be 
flimmte ihren Entſchluß. Sie fchloffen erft mit Erzherzog 
Sigmund, dann mit Marimilian und Maria ewigen Frieden Det. 
und redlichen Erbverein, und traten Letzterm Hochburgund ges nn 
gen 150,000 fl. für die Kriegskoften ab '). 

ſterreichs vermeinter Erbfeind, die Eidgenoffen, weil 
fie die habsburgiſchen Stammlande an ſich gebracht, erſt durch 
die burgundifche Macht bedroht, dann gegen biefe von ſter⸗ 
reich felbft und von Frankreich aufgefobert, zulegt wieber im 
Stich gelaffen, diefe finb es, welche ald Sieger über Bur⸗ 
gund, Frankreich Trotz und Hinterlifi mistrauend, fich wies 
der offen für Öfterreich erklärten und dieſem alfo zu dem. reis 
hen Erbe halfen. 

Der Sturz des burgundifchen Reiches aber und bie zu⸗ 
naͤchſt zwiſchen Branfreih und dem Kaiferhaufe entflanbene 
Eiferfucht hat eine Saat von Unruhen ausgeſtreut, welche bis 
auf den heutigen Tag fortbauern. 


1) Das Ganze nah I. Müller Schweiz. Geſch IV, Eap. 7,-8. 
V. Eap. 1, 2. Geſch. v. Schwaben V, 217 246. 


560 Bud I. Erſter Zeitraum Abſchnitt 4. 


9. Des Kaifers Noty, 14771486. 


Sleichzeitige Angriffe der Franzoſen, Ungern unb 
Zürken auf die vergrößerten öſterreichiſchen Erb⸗ 
lande. Die Städte erſchweren wieder die allge⸗ 
meine Reichshülfe. Zuzüge einzelner Fürſten und 
Staͤnde. Tod der Maria von Burgund. Die nie⸗ 
Derländifhen Stände bemaͤchtigen ſich mit Bei: 
ſtand Sranfreihs der Vormundſchaft über ihren 
Bohn. Darimilian erhält diefe wieder. Abfall 
der Wiener. K. Friedrich IIL aus Öflerreid 
; vertrieben. 


Kaifer Friedrichs III. Freude über die Erwerbung bes bur- 
gundifchen Erbes für feinen Sohn wurde nicht wenig getrübt 
durch mehrfältige ſchwere Kriege, welche nicht nur den Ber 
luſt des kaum erworbenen Landes fondern felbfi den Sum 
des ‚Haufes fürchten. lieffen. 

Wie folte der achtzehnjährige Marimilian gegen ben maͤch⸗ 

tigen und ränkevollen K. Ludwig von Fraukreich, ber in 

den Niederlanden immer weiter vorruͤckte, fich behaupten? Sein 

Vater Fonnte ihm Feine Hülfe geben, weil ex felbft folder 

bedurfte. Doch ließ er den Muth nicht finken; mit Beifland 

der treugebliebenen Provinzen gelang ed ihm einen DRonat 

1477 nach feiner Vermählung Stilfland auf Wieberablünden mit 
18. Sept. dem Könige zu fchlieffen '). 

Schon vorher war K. Friebrich in ernfihafter Spannung 
mit K. Matthiad von Ungern, feinem biöherigen Bundes⸗ 
genoffen gegen 8. Georg von Böhmen. Er hatte benfelben 
im Verdacht, daß er bie misvergnügten Öfterreicher heimlich) 
unterflüße; und ertheilte ihm daher nach Georgd Zobe die ver: 
forochene Belehnung mit Böhmen nicht, fondern dem Ulabi: 

10. Sun. flav, 8. Kafimird von Polen Sohn, welchen bie Böhmen 
durch Mehrheit gewählt hatten. Auch trat er mit ben K. 
Kafimir in ein Bünbniß gegen Matthias. - Über ſolchen Un- 
dank und Zreubruch, „was doch erbärmlich ſei von einem fo 


1) Du Moat T. HI. P. OL. Nr. 9. 


8. Friebrich IL + 10-149. . 3661 


hoben Fuͤrſten zu Hören *)," fanbte Matthias vol Erbitterung 1477 
einen Fehdebrief an den, Kaifer und gab feinem Worte als⸗ 12. Jun. 
bald Kraft, indem er in Öfterreich einfiel. Der misvergnügte 

Adel trat zu ihm über. Während Marimilians Beilager zu 19. Aug. 
Gent gehalten wurbe, war faſt ganz Öfterreich von ben Uns 

gern erobert und verheert. Der Kaifer, unfähig zum Wider 

fand, muſſte fich entfchlieflen den Frieden mit 100,000 -fl. 21. Dee. 
zu erfaufen, nach deren Erlegung in Jahresfriſt Matthias 

das Eroberte zuruͤckzugeben verſprach ?). 

Ehe noch dieſer Friede geſchloſſen war, brach K. Lud⸗ 
wig XI. den niederlaͤndiſchen Stillſtand und beſetzte auch ei⸗ 
nige Plaͤtze, die zum teutſchen Reich gehoͤrten. Dies gab dem 
Kaiſer nun doch Anlaß ein Aufgebot im Reich zu machen. 
Ludwig XL ſah ſich gezwungen die Eroberungen zuruͤckzuge⸗ 1478 
ben und auf ein Jahr Stillſtand zu ſchlieſſen. Nach deffen — Jan. 
Ablauf ſchlug Maximilian die Franzoſen bei Guinegate. Seit⸗ Fr 
dem wurde der Krieg, da ber König erkrankte, nur ſchwach 7. Aug. . 
fortgefeßt ). 

Während bed Neichökriegd gegen Frankreich fielen auch 4478 
die Türken wieder in Steiermark, Kämthen, Krain ein. 
Der Kaiſer konnte aber vom Reichstag Feine Hülfe gegen fie 
erhalten, beſonders widerſetzten fi bie Städte, die beöwes 1479 
gen von Grav Hug mit einem flarten Verweis entlaffen wur 
den. Im folgenden Jahr ſchlug K. Matthias wieber los, 4480 
weil Friedrich mit ben Friebendgelbern nicht einhielt und den 
außdgetretenen Erzbifchof Johann von Gran in Schug nahm. 

Nun verlangte der Kaifer doppelte Hülfe gegen die Ungern 
und Türken; ber Reichötag bewilligte fie aber nur gegen 
die Letztern. Die Fürften waren bereit ben regenöburger Ans 
fchlag von 10 auf 15,000 Mann zu erhöhen; aber die Städte 
hielten wie gewöhnli dad Ganze auf. SDarlber ſchloß ber 
Kaifer mit Matthias wieder einen Stilfland, Die Fürften 
gaben indefjen einzeln Zuzug, ohne Reichsſchluß, nahmen auch 


1) Lünig Cod. Germ. dipl. T. I. Nr. 70. 

2) Müller RI. Theatr. unter Friedrich M. Vorſtellung V. ©. 
17. 42. 82. 

8) Müller RI. Theater. unter Maximilian J. Vorſtellung L ©. 5. 


Pfiſt er Geſchichte d. Teutſchen III. 36 


562 Bub IIE Erſter Zeitraum Abſchnitt f. 


die Koften dreier Gefanbifchaften, an Frankreich, Warimilian 
und den Kaifer, auf fih. Die Städte follten nur zu ben Se 
fchäften des Taiferlichen Anwaldes Gelb geben; fie fanden dies 
aber wider bad Herkommen; in der Hauptfahe des Türken⸗ 
zugs wollten fie eben auch beim Alten bleiben, wenn einmal 
ein beftänbiger Lanbfriebe vorgenommen werde, und die Geift: 
lichkeit an den Kriegskoſten auch Theil nahme, damit nicht 
das Ganze der weltlichen teutfchen Nation allein aufgelegt 
1481 würde. Indeſſen ließ fich Friedrich durch den Erzbifhof von 
Gran, der nicht im Stillſtand war, zur Erneuerung der Feind: 
feligfeiten gegen den K. Matthiad bewegen. Diefer aber ſchloß 
mit den Tuͤrken Stillſtand und bot feine ganze Macht gegen 
Öfterreich auf. So kam der Kaifer durch feine Unvorfichtia- 
feit in Gefahr die Erblande ganz zu verlieren. Vergeblich 
rief er den Reichstag um Erhöhung bes Anfchlag an, weil 
es nun gegen bie Ungern und Tinken zugleich gehe. Gran 
. Hug verlangte, die Städte follten ſich wieber angreifen wie 
vor Neuß. Allein fie Eonnten fich unter einander felbft nicht 
mehr vereinigen und befchloffen endlich, daß jede Stabt für 
ſich thun koͤnne was ſie wolle. So weit war ed num mit 
den Reichſs-⸗ und Städte: Tagen gelommen. Der Kaifer er 
griff jet ſelbſt dieſen Weg, da kein allgemeiner Reichsſchluß 
mehr burchgefegt werden Tonnte. Er erhielt von einzelnen 
Fuͤrſten und Städten gegen befondere Gnadenbezeugungen Zus 
1482 züge, welche bei dem Gindringen der Ungern an der Leitha 
Widerſtand thaten. Die faumfeligen Stäbte ſtrafte er um 
Gelb, wofür dann Soͤldner geworben wırden. 8. Mattbics 
ließ dagegen bie Stände vom Krieg abmahnen, weil biefer 
bloß das Haus Öfterreich betreffe ?). 

28. Maͤrz. In eben dieſem Jahr farb Maximilians liebenswuͤrdige 
Gemahlin Maria, nach einem ungluͤcklichen Falle auf der 
Falkenjagd, in ihrem fünf und zwanzigſten Jahr, und bin 
terließ zwei Kinder, Philipp von vier, Margaretbe von 
dritthalb Jahren. Jener follte nach dem Ehevertrage in allen 
ihren Staaten folgen. Die Niederländer liebten den raſchen 


Mn 1) Müller RR. Theater, unter riebrich III. Vorſtellung V. G. 
— 85, 








K. Friebrich IL, 1440—1493, 563 


Marimilion weniger als feine Gemahlin, liefen ihm alfo 
nicht einmal die Bormundfchaft und bemädtigten fich des juns 
gen Prinzen. K. Ludwig XI. ließ ſchnell mit den Gentern 
unterbandeln, ſowohl über den Frieden als über die Verlos 
bung der Margarethe mit dem Dauphin Karl (dem er 
früher ihre Mutter beflimmt hatte). Zu Arras warb die Übers 
einfmft mit den Ständen getroffen: Margarethe follte auffer 
den Sravfchaften Burgund und Artoid noch verfchiebene Herrs 
fchaften an der franzöfifchen Grenze zur Mitgift erhalten, am 
franzöfifchen Hofe erzogen werden, Philipp unter der Vor⸗ 
mundſchaft der Stände bleiben, ohne daß fich der König oder 
ber Erzherzog Marimilian einmifhe. Wenn Margarethe oder 


1482 
23, Der. 


Philipp ohne Erben abgehen würden, fo follten die Länder ’ 


an den Überlebenden fallen. Maximilian konnte zwar nicht 
umhin feine Einwilligung zu biefem Vertrage zu geben, bes 
fchloß aber zugleich, da er gegen Frankreich Nichtd vermochte, 
doch die Flanderer wenigftens zur Auslieferung feines Soh⸗ 
ned zu zwingen. Er bekriegte fie fo flanbhaft, während fie 
von Frankreich verlafien waren, daß fie zu Brügge einen 
Vertrag mit ihm fchloffen, nach welchem fie ihn gegen Be: 


1483 


1484 
1485 


flätigung ihrer alten Zreiheiten ald Vormund und Landes> 28. Zun. 


adminiftrator aufnahmen. Alles died that Marimtlian ohne 
Hülfe von feinem Vater '). 

Denn wenige Wochen vor dem Vertrag zu Brligge fiel 
ganz Öfterreich, Wienerifch: Neuftadt allein ausgenommen, in 
die Gewalt des Könige Matthias, der nun im Ernſt Anftalt 
machte dad Land mit Ungern zu verbinden. Briedrich ließ 
den Wienern nach ihrer Übergabe fagen, fie hätten ed vor- 
mald nicht befier um ihm verdient. Bis Linz verfolgt, ging 
er nach Tirol, übergab feine Tochte Kunigunde und 
was er fonft Koftbared hatte dem Erzherzog Sigmund zu 
Snöbrud und nahm dann ald VBertriebener feine Zuflucht 
in das Reich. In Schwaben reifte er bei den Städten und 


Kıöftern in der Runde herum, ließ fich bewirthen, nahm Ges- 


ſchenke und Anlehen; wo Pferde fehlten, wurden Ochſen vor 


1) Du Mont T. IH. P. II. Nr. 55. 78. Memoires de Comi- 


nes L.V1.c. 7.9. Fugger ©. 917 ff. x 
36 * 


1. Sun. 


\ 


564 Bud IL Erfier Zeitraum. Abſchnitt 4. 


feinen Wagen gefpannt. Dann ging er nad Nürnberg; bei 
Bamberg befuchte er die 14 NRothhelfer, hielt eine Zufanımen- 
tunft mit den Markgraven Friebrih von Brandenburg unb Al⸗ 
- breit von Baben. Zulegt nahm er feinen Weg über Speer 
abwärts am Rhein '). | 


10. Marimilians I. römifhe Königewahl. Der frank 
furter Landfriede und der Ihwäbilhe Bund bis u 
Ä Friedrichs IN. Tod, 14861493. 


Grav Hug von Werdenberg Lanbfriede und 
Kammergeriht ald Bedingung der römifhen Kb: 
nigswahl und der Reichöhülfe gegen die Ungern 
und Türken. Vorbehalte des Kaifers. Die Reich: 
hülfe veicht nicht zum Entfage Sſterreichs. Er: 
rihtung bes [hwäbifhen Bundes zu Hanbhabung 
bes franffurter Landfriedens. Befonbere Abſich— 
ten bed Kailfers und ber Stände. Gt. Georgen» 
Schild. Hülfe gegen die Niederländer, $ranzofen 
und Ungern, buch fortwährende Spannung mit 
dem baierifhen Haufe gehemmt. Mit dem Tode 
des K. Matthias fällt Öfterreih zurück, umd 
Marimilian erhält Anwartfchaft auf Ungern K 
Karls VII Zreubrud. Reichs: und Bundes= Auf: 
gebot. Eriede mit Baiern; Friede zu Senlis 
Marimilians zweite Vermählung mit Blanca 
Maria von Mailand. Überfiht der Regierung 
feines Vaters, 


1485 Kaifer Friedrich IIL muffte erſt als Vertriebener im Reiche 
Hülfe fuchen, bis er zu angemeflenen Entfchlüffen fam. Nun 
wollte ex feinen Sohn Marimilian zum römifchen König wäh: 
len laffen und die Reichsverfaſſung ernfllich vornehmen, um 
dann auch eine flattliche Hülfe gegen die Ungern und Zürfen 
zu erhalten. Nach etlich und vierzigjähriger Regierung mochte 
jene Aufgabe wohl nicht mehr zu früh kommen. 

Sriedrich hatte endlich einen Mann gefunden, ber ihm in 


1) Geſch. v. Schwaben V, 266 ſ. 








8. Friedrich IL, 14401493. . 065 


den Reichögefchäften mehr war als Schlid und Aneas. Die. 
fer ift Stan Hug von Werdenberg, aus einem ſchwaͤbi⸗ 
fhen Haufe am Bodenfee, einem Zweig der Pfalzgraven von 
Tübingen, Erben der alten Graven von Bregenz. Seit ber 
Errichtung der Ritterfchaft von St. Georgen⸗Schild flehen die 
Linien Werdenberg und Montfort (teutfch und romanifch 
gleich bedeutend) immer an der Spige. Grav Hug, im Rath 
wie im Felde tief blickend, erhielt K. Friedrichs ganzes Vers 
trauen. Gegen die fäumigen Reichöflände nahm er eine ern⸗ 
flere Sprache an; die burgundifchen Verhandlungen wurden 
durch ihn geführt. In allen Gefchäften iſt er des Kaiferd 
Sprecher 1). Mit feinem Auftrage befuchte er nun bie Kurs 
fürften, um die römifche Koͤnigswahl einzuleiten. Einige 
derfelben hatten fchon felbft darauf gedacht, weil der Kaifer 
das Reich folange vernachlaͤſſigte. Dagegen boten die Kö: 
nige von Frankreich und Ungern allen ihren Einfluß auf, 
um die Sache zu bintertreiben. Sie fanden jedoch keinen Eins 
gang. Eher follte man fi) wundern, daß der Papft nicht 
barein gefprochen, weil nach ben aufgeftellten Conflitutionen 
Zein vömifcher König bei Lebzeiten bed Kaifers gewählt wers 
den ſollte. Allein Innocenz VIII. war eben jetzt zu tief in 
die italienifchen Kriege, namentlich in die Verbältniffe zu dem 
woachfenden Freiflaate Venedig und zu dem K. Ferdinand von 
Neapel verwidelt, ald daß ex Zeit gehabt hätte diefe Streits 
frage wieder aufzuweden. Die päpflliche Regierung war über: 
haupt auf dem Wege eine ganz andere Stellung als bisher 
einzunehmen. 

Indeſſen Fam Friedrich mit feinem Sohne, den er in 1485 
acht Zahren nicht gefehn, zu Aachen zufammen und brachte De. 
ihn mit fich nach Frankfurt, wo er von den ſchon anwefen- 1486 
ven Finften eingeholt wurde. Das Vertrauen auf Marimis 10. Bebr. 
lians treffliche Eigenfchaften war fo groß, daß ihn die Kur: 
fürften nach der Auffoderung des Erzbifchofs Bertold von 
Mainz einmüthig zum Nachfolger im Reich, in der That zum a 
Gehülfen feines Vaters, erwählten. Während biefer Hands 16. Febr. 
lung in ber St. Bartholomäus: Kirche feßte ſich der Kaifer, 


1) Sch. v. Schwaben V, 278, 


566 Buch IL Erfter Zeitraum. Abſchnitt 4. 


um die. Kınfürflen nicht zu flören, in der Liberei an einem 
befondern Ort über eine Stunde. Als ihm die einflinunige 
Wahl angefagt wurde, hub er an „milbdiglich zu weinen 1).“ 
Was der Kaifer indeffen verzögert, theilmeife verweigert 
hatte, das bot er nun von felb an: Zandfrieden und 
Kammergeriht, um deſto gewiffer Hülfe gegen bie Zür 
fen und Ungern zu erhalten. Er kam darin nur den Fuͤrſten 
und Ständen entgegen, welche jene Bedingungen um fo nad» 
druͤcklicher erneuerten, ehe fie fich zu der legtern Anmutbung 
verfteben wollten. | 
Der Landfriede an fich hatte Leine Schwierigkeiten. 
1486 Unter Mitwirkung des römifchen Königs Fam man überein, 
17. März. den legten fünfjährigen Landfrieden von Milbenftabt nebfl der 
koͤniglichen fogenannten Reformation des erſten Reichstages 
zu Frankfurt unter K. Friedrichs Regierung (vom J. 1442) 
auf zehn Jahre ald allgemeinen Landfrieben zu erneuern. 
Deffen war ber Kaifer zufrieden und ließ ihn fogleich verkuͤn⸗ 
den. Aber die Frage von ber Handhabung brachte fogleich 
Schwierigkeiten. In Abfiht der Herſtellung oder Verbeſſe⸗ 
rung des Kammergerichts machten die Fuͤrſten einem 
Entwurf, nach welchem dieſes hoͤchſte Gericht, vom Kaifer er: 
Öffnet, beftändig fortdauern, der Kaifer aber babei fi keiner 
Machtvollkommenheit bedienen, fondern Alles dem ordentlichen 
Nechtögange Überlaffen, zum Sitze eine bequeme Stadt be 
flimmen, und das Gericht mit trefflichen, gefhwornen Räthen 
unter einem Oberrichter, welche wenigftens Evelleute ober 
Doctoren und größtentheild Laien wären, befegen und von 
den Sporteln befolden fole. Die Kurfürften theilten im 
Ganzen diefe Anficht, doch wünfchten fie, daß man etwas fanf: 
ter zu Werke gehe, damit der Kaifer nicht meine, daß man 
feine Hoheitsrechte ſchmaͤlern wolle. Aber auch ihren glimpflis 
ern Entwurf wollte der Kaifer erſt näher bedenken 2). In 
deſſen fchritt man zur Verwilligung der Reichshüͤlfe. 
Der Kaifer verlangte 34,000 Mann, Nach langer Be 


1) Fugger a. a. ©. ©. 951. Das Übrige nah Müller RZ. 
Theatr. unter Maximilian L Vorſtell. I. ©. 1 ff. 


2) Müller RZ. Theatre. unter Friebrich ILL. Vorſt. VL 


8. SriedrigIl., 1440—1493. 567 


rathſchlagung zog man bie Bleinere ober eilende Hülfe mit 
8000 Mann von jenen ab, welche auf naͤchſte Oftern geftellt 
werden folten. Man befchloß aber zugleich nicht die Manns 
Schaft fondern Geld zu geben, die ganze Hülfe zu 527,900; 
die kleine zu 153,400 fl. angefchlagen. Jeder Fuͤrſt follte 
nach feinem Anfchlage dad Geld von ben Untertbanen eins 
fammen, Mit den Städten wollte der Kaifer felbft unter 
. handeln und hernach dad Weitere auf einem neuen Reichstage 
zur Vollziehung bringen. | 

An den beiden Vorbehalten bed Kaifers blieb Alled wies 
ber hängen. In Rüdficht des erflern gab der Kaifer auf dem 1486 
Ruͤckwege von Marimiliand Krönung die Erklärung zu Coͤln 9. Apr. 
in Abficht des Kammergerichtdö, daß er ed feiner und des 
Reichs Würde fehuldig fei, die oberflrichtesliche. Gewalt nicht 
einfchränten zu lafienz weshalb er die. Achtserklaͤrungen ſich 
vorbehalte. Auch koͤnne er zur Befoldung der Richter fich 
nicht verbindlich machen, im Fall die Sporteln nicht zureich- 
ten.. Auf diefed gingen jedoch die Fürften nicht ein... Sie 27. Apr. 
wollten ein Kammergericht das nicht nom Kalfer abhinge, fon 
bern allein von ibm befegt, Die Stelle ber Austragsgerichte 
verträte. Somit blieb dieſer Theil der Verhandlungen unerlebigt. 

Beim andern vorbehaltenen Punct in Abſicht der Reichs⸗ 
hülfe hatten die Städte die gefegliche Einwendung, daß fie 
nicht zum Neichötage berufen worden, und daß weder die hoͤ⸗ 
bern Stände noch der Kaifer berechtigt wären ohne ihre Zus 
flimmung eine Auflage auf fie zu befchlieffen. Man habe fie, 
erwiederte der Kaifer, abfichtlich nicht berufen, weil fie fich im⸗ 
mer nur auf das Hinterfichbringen legten. Als fie nun allers 
lei Beſchraͤnkungen machen wollten und fich mit den lebten 
Anftrengungen vor Neuß und gegen die Ungern: entfchuldigten, 
erhielten ‚fie einen Verweis, weil fie nur ihre Schuldigkeit ges 
than haͤtzen. Sie hielten mehrere Tage; zu Speier kam ber 
Kaifer feibft zu ihnen; nachher fielen fie auf den Gedanken, 3. Dec. 
fie hätten fi duch ihre Trennung (bei-der Hülfe gegen bie 
Ungern) felbit gefchadet, und befchloffen alſo, daß Feine Stadt‘ 
Zünftig für fich allein. Etwas bewilligen, foudern alle für Eis. 
nen Mann ftehen follten. Auf den angekündigten Reichstag 
berief der Kaifer nur acht der vornehmften Städte mit voller 


1487 
März. 


1487 
Mai. 


24. Nov. 





568 Bud IE Erſter Zeitraum. Abſchnitt 4. 


Gewalt. Hier vereinigten fie ſich nun mit ben hoͤhern Staͤn⸗ 
ben darüber, daß vor Leiftung ber Reichshülfe die ſaͤumigen 
Stände, auch der Papſt und bie Könige von Böhmen und 
Polen um Mithülfe erſucht, wegen bed Lanbfriebens und Kam⸗ 
mergerichts aber ernfllihere Maßregeln getroffen werben müſſ⸗ 
ten. Nebenden fragten fie den Kaifer, wo denn dad biöher 
erhobene Geld hingelommen ſei. Darüber ging ihm endlich 
bie Geduld aus und er gebrauchte einmal fein amtlidhes Ans 
fehn. Nachdem er erklärt, die Stände follten es lieber offen 
fagen, ob fle ihren Herrn verlaſſen wollten, und die dunkeln 
Anhänge weglaffen: rief er in der Verfammlung jeden einzel 
nen Fuͤrſten oder Geſandten zu einer beflimmten Aufferung auf. 
Das wirkte. Obgleich Einige meinten: „ed fete nit Herfom> 
men, alfo flumpf zu antworten,” fo gaben doch, weil der 
Kaifer darauf befland, Alle nad) einander ihre Zufage Die 
Städte erboten fich zu einem eigenen Anfchlag, doc daß bie 
fer in der Folge ihnen unnachtheilig fein folle *). 

Mit dem zufammengebrachten Gelde wurden dann Leute 
geworben, um bie Ungern von Wieneriſch⸗Neuſtadt abzutrei⸗ 
ben. Das Unternehmen würbe jedoch wieber verzögert wors 
ben fein, wenn nicht der tapfere H. Albrecht von Sachfen 
fih an die Spige geftellt, von feinen eigenen Völfern aufge 
boten und fein baares Geld zugefebt hätte. Der Kaifer hatte 
verfprochen ihm bei Linz weitere Verſtaͤrkung zugeben zu lafs 
fen; er traf fie aber nicht, und fo Tonnte ex auch den Über 
gang der Stadt nicht mehr hindern. Er griff zwar die Un- 
gen anz da er aber zu ſchwach war fie aus Öfterreich zu 
vertreiben, fo ging er mit des Kaiferd Bewilligung einen 
Stifftand ein, nach welchem Matthias, bis er in Abficht der 
Friedensgelder und Kriegskoſten befriedigt fein wuͤrde, Öfler 
reich inne behalten dürfe, übrigens mit beiderfeitigem Vorbe⸗ 
halt der frühern Verträge, namentlich) in Abficht ber ungeri⸗ 
ſchen Thronfolge, wovon 8. Friedrich den Zitel zu führen 
habe. Der Kaifer verweilte indeflen auf der Reichöfefte zu 
Nürnberg. As H. Albrecht zuruͤckkam, wollte er ihn nicht fes 
ben, als ob ihn der Vertrag gereue, im: der That aber weil 


1) Geſch. v. Schwaben V, 268. 


8. Sriedrih Ill, 1440-1493, 569 


er fich ſchaͤmte ihm die audgelegten Gelder nicht erfegen zu 
koͤnnen. Alſo muffte der Kaifer feine Erblande noch auf uns» 
befiimmte Zeit in ben Händen ber Ungern laſſen; da ihm die 
Mittel fehlten fie loszukaufen, tröflete er fich einflweilen 
mit der Erwartung, daß Matthiad bei fortwährender Kraͤnk⸗ 
lichkeit bald mit Zode abgehen würbe. Auf diefen Fall war 
unentgeltliche Rüdgabe bedungen '). Vom Zürkenkrieg wollte 
Niemand mehr hören, ungeachtet Papft Innocenz VL. die 
Ungern und Zeutfchen wiederholt dazu auffoderte ?). 

Von den Reichötagsfchlüffen war die Handhabung 
des Landfriedens noch übrig, worüber jebesmal Klagen vorges 
fommen. Da that nun der Kaifer wirflih Etwas das man 
nach dem Biöherigen kaum erwarten follte, wenn es nicht viels 
mehr der Rath des Graven von Werbenberg ift, den er bas 
bei befolgte. Während H. Albrecht auf dem Zug gegen bie 
Ungern begriffen war, befahl er dem Sraven Hug, als ſei⸗ 
nem Anwald, die fehwäbifhen Stände nach Eßlingen zu bes 
rufen und ihnen zu eröffnen: „Nachdem zu Frankfurt ein ges 
meiner Landfriede zu Gut und Gemach bem heiligen Reich bes 
fhlofien und von Fürflen und Herren angenommen worden, 
um in ihren Landen und Gebieten folchen zu handhaben, und 
nun das Land Schwaben unmittelbar Baiferlicheer Mojeflät uns 
terworfen und alfo ein römifcher Kaiſer deſſen ordentlicher und 
natürlicher Here wäre: fo habe der Kaifer die Stände beru⸗ 
fen laſſen, daß fie helfen vatbfchlagen, wie ber georbnete 
Friede im Lande zu Schwaben auch gehandhabt werden möge, 
damit fie nicht von dem heiligen Reich gedrungen werben, 
fondern bei ihren Rechten und Freiheiten bleiben unb bem 
Kaifer defto baß dienen mögen.” 

Diefer Vorſchlag war in der That nichts Neues; er folgte 
von felbft aus dem Grundſatz, daß jeder Landesherr, alfo 
auch der Kaifer im unmittelbaren Reichögebiet, für die Hands 
habung des Landfriebens zu forgen habe; allein man wollte 
noch eine weitere Abficht dadurch erreichen. Schon nach bem 
Staͤdtekrieg hatte Biſchof Peter’von Augsburg den Entwurf 

1) Das Ganze nah Häberlin Reichsg. VII, 818 ff. 349-309. 

2) Raynald. ad an. 1484. .$. 60. 1485. 5. 1 sq. 1486. $. 60. 
1488. 8. 10 89. 


670 Bud UL Erker Zeitraum Abſchaitt 4. 


vorgelegt, der ſeitdem mehrmals, befoubers auf einem Stätte 

(1466) tag zu Ulm in Gegenwart bed Kciſers vorgenommen, und 
j:et beſe nders durch den Erzbiſchof Berteld von Mainz betrie- 
ben wurde: „Da alle bisherigen Landfriedensverſuche fehlge⸗ 
fragen und es nicht möglih fei die Sachen auf einmal 
zu verhandeln und in Ein Weſen zu bringen, wegen Unge 
legenheit der Lande und weil dad Reich groß und weit und 
unter viderlei Mitglieder vertheilt wäre: fo. feie fein anbrer 
eg, ald vorerfi an Einer Art Landes den Anfang 
eines gemeinen Landfriedens zu machen unb folange fortzufah: 
sen, biö das ganze Reich nad) Gelegenheit eined jeben Lan- 
des in felhen Frieden und Einigkeit gebracht würde.‘ 

1487 Zu diefer Einfiht war man indeflen gekommen. Die 
bisherigen Einungen ber Stände hatten, ihnen ſelbſt oft 
unbewufft, auf diefen Zweck bingearbeitet. Über Died alles tra> 
fen bei der jebigen Lage des Kaifers noch befonbere Umfiänte 
zuſammen, die ihn veranlafiten, nachdem er über vierzig Sabre 
faß gar nicht nach dem Einungdwefen gefragt, ſich dieſer ganz 
erlegenen Sache auf einmal mit allem Nachdtuck 

‚  WBährend der Verlegenbeiten im ungerifchen unb franzöftfchen 
Kriege, während der Unruhen der Niederländer und Öfler 
reicher nahm das baierifche Haus wieder eine drohende 
Stellung gegen den Kaifer und die Nachbarflande an. Zwar 
der Pfälzer Frig, der zu Zeiner Ausföhnung mit bem Kaifer 
gebracht werden konnte, war indeſſen geflorben; auf ber an⸗ 
dern Seite aber auch des Kaiferd vornehmſte Stüge, be 
Markgrav Albrecht von Brandenburg. Nun griffen die zwei 
baierifchen Linien von München und Landshut im Reiche ge: 
waltig um fih. Herzog Georg von der letztern Linie hatte 
den Plan, in Oberfhwaben, wo er ſchon mehrere Herrſchaf⸗ 
ten befoß, alle Übrigen Städte, Kiöfter und Freiherren vom 
Lech bis an die Iller, und ebenfo auf ber Nordfeite der Do: 
nau von der Wernitz bis an die Brenz unter feine Landes: 
boheit zu beingen. Dabei begegnete er dem Kaifer eben fo 
hbermüthig wie fein Vater, Ludwig ber Reiche. H. Albrecht 
von München nahm Regenöburg in Befig, wie fein Vorfahr 
Donauwörth, und vermählte ſich mit-ded Kaiferd zu Insbruck 
Zul. zurüdgelaffener Zochter, Kunigunde, ohne den Dater zu fra 


ur} Friedrich III, 1440-1493. 571. 


gen; fogar bewog er den Pinderlofen Erzherzog Sigmund, der ° 
ihn bei diefem Schritt begünftigt: hatte, die kaum eingelöfte 
Reichslandvogtei Schwaben ihm abzutreten; aufferdem ver⸗ 
fchrieb der verfchuldete Erzherzog ben beiden Herzogen Albrecht 
und Georg die Vorlande für 60,000 fl. auf Wiederlöfung nach: 
feh8 Jahren (wie er fie vormald an Burgund verpfänbet 
hatte); Zirol fol er dee Kunigunde zur Mitgift verfprochen 
haben; alfo daß die noch übrigen Erblande, welche nicht, in 
ber Gewalt der Ungern und ber Tuͤrken waren, wohl in kur⸗ 
zer Zeit an Baiern fallen durften. 

In demfelben Zeitpundt da Sigmund in das Verfiänds 1487 
niß mit Baiern trat, ließ der Kaifer den Bundestag zu Ep: Ende Sul. 
lingen eröffnen. Es war alfo die nächte feiner Abfichten, 
dem baierifchen Haufe einen Damm entgegenzufegen; und alle 
Die Stände welche von diefer Seite her bedroht waren, lieſ⸗ 
fen fih zu dem Bunde willig finden. Ward dann durch diefe 
Maßregel das Verftänpniß zwifchen Sigmund und dem baie⸗ 
rifhen Haufe rldgängig gemacht und Vorderoͤſterreich in ben 
Bund aufgenommen, fo hoffte der Kaifer, auch bie ſchweize⸗ 
rifche Eidgenoffenfchaft, mit welcher ein großer Theil ber aber. 
ſchwaͤbiſchen Stände in freundfchaftlichen Verhältniffen ſtand, 
berüber zu bringen. Eine folche audgebehnte Vereinigung: 
konnte dann der Stüßpunct nicht allein gegen Baiern, fons 
dern auch für die burgundifchen Lande gegen Frankreich wers 
den, ja man konnte die ganze Reichskriegsverfafſung darauf 
gründen. 

Das waren die befonderen Abfichten des Kaiferö bei der 
Einleitung des fchwäbifhen Bundes. Die Hauptfache felbft 
aber, der Landfriede, foderte auf jeden Hau feine Einwir⸗ 
kung. Das Einungsweſen dee Städte, die ſich fo oft aus 
eigener Macht zufammengethan, war ganz in Abgang ges 
kommen. Nur die Rittergefellfchaften beflanden no. 

Sollten diefe beiden Stände fich verbinden, fo konnte «6: 
nur von Reichs wegen durch bad Oberhaupt ſelbſt gefchehen.- 

Daher hatte ver Eaiferliche Amwald, Gran Hug, am meis 
fien mit den Städten zu verhandeln. Nad dem erfien Bun 
beötag zu Eßlingen,. wo ber Entwurf der Vereinigung durch 
einen Ausfhuß von jedem Stand geftellt wurde, kamen die 


573 Bub IE Erſter Zeitraum. Abſchnitt 4, 


1487 Gtäbte bald wieder dafelbft zuſammen ‚um ihre Rechte u 


24, Aug. 


8. Sept. 


wahren. Der Kaifer wollte zweimal ſelbſt kommen. Mit Au 
berung einiger Artikel gelang ed dem Sraven Hug einen Ab: 
fhied zu verfaflen, die eigendliche Grundlage des Bundeöbrieft, 
wiewohl ihn die Städte erft wieder zum Hinterfihbringen 
annahmen. De näher zum Abfchluß, deſto mehr Bedenklich 
keiten. Sie wollten ein Buͤndniß und doch Feine Verbindlich 
keit; fie wollten Sicherheit, aber kein Opfer. Ihre erfle Frage 
betraf immer nur die Anlage. Manche wollten erſt abwarten, 
ob die benachbarten Landherren in ben Bunb treten wuͤrden; 


fie wünfchten recht viele Mitgliever, um deflo weniger tragen 


& Oct. 


Dec. 


zu duͤrfen. 

Diefe neue Zögerung mar dem Kaifer um fo verbrüß 
licher, da bie Slanderer wieder Unruhen gegen Maximilian an: 
fingen. Er erließ, gegen feine Gewohnheit, ein fieenges Pe 
nalmandat an Prälaten, Adel und Städte in Schwaben, fich 
auf folange, ald der franffurter Landfriebe währe, ohne Ber 
zug zu verbinden; zugleich erklärte er bie biöherigen befondern 
Einungen für aufgehoben, wie zu Wenzlams und Karls IV. 
Seit, weil fie der allgemeinen Vereinigung entgegenflanben. 
Das Poͤnalmandat war fo ernfllich gefaflt, daß der Bund num 
fhon ald unwiderruflich galt, doch ließ man noch einige Ab⸗ 
änderungen in ben Artifeln zu. Dann kamen die Stände 
noch einigemal wegen bed Beitrittö ber faumfeligen zufam- 
men. Alle diefe Verhandlungen geſchahen waͤhrend des oben⸗ 
gedachten Feldzugs gegen die Ungern in Öfterreich. Jetzt, da 
ber Stifftandövertrag mit K. Matthiad gefchloffen war, brach 
ber Kaifer von Rürnberg auf und eilte über Ulm, ohne fid 
mit den Bundedfachen aufzuhalten, nach Insbrud, um ben 
Erzherzog Sigmund von der Übereinkunft mit Baiern loszu⸗ 
reiffen und fein Land in den Bund zu bringen. Beides be 
wirkte der Kaifer durch feine Gegenwart. Der Pfandfchilling 
wurde an H. Albrecht zuruͤckbezahlt. Die Wundeöglieder was 
ren des Beitritts der vorberöfterreichifchen ande fo zufrieben, 
baß fie den Anfchlag wegen Zirol nicht erhöhen wollten. Run 


Son. erließ Friedrich auch an die übrigen Zürflen in Schwaben, 


Behr. 
"gen in den Bunb- zu treten. & 


namentlich an Wirtemberg und Baden, ernflliche Auffoderun⸗ 








8. Friebrich IL, 1440—1493. 573 


Da entflanden aber neue Schwierigkeiten. Die erfte Verei⸗ 
nigung follte nur ſolche Stände ober Lande begreifen, deren 
unmittelbarer Herr der Kaifer war, Städte, Klöfter und Abel. 
Wenn auffer den Zaiferlihen Exblanden auch andere Fürften 
beitreten follten, fo erhielt der Bund entweber eine andere 
- Ratur, oder die Fürften mufiten beforgen an ihrer bisher ers 
rungenen Zanbeöhoheit zu verlieren bei einem Bünbniß, befs 
fen Oberhaupt der Kaifer und ber Landesherr von Öfterreich 
war. Daher vielfältige Ausflüchte und Vorbehalte, bis ber 
Kaifer durch wieberholte Strafmanbate dad Verlangen ber klei⸗ 
nern Stände unterflügte. Indeſſen gefland man doch ſoviel 
zu, daß die Verbindung, wie in ben frühen großen Landfrie⸗ 
Dendeinungen, partieenweife gefcheben ſolle; d. h. daß jeder 
Stand mit dem andern befonders abfchlieffe, und erft dadurch 
die Verbindung im Ganzen bewirkt werde. Zur Grundlage 
aber wurben weber die bisherigen Fuͤrſtenbuͤndnjſſe noch bie 
Städteeinungen angenommen, fondern Grav Hug ließ jetzt feine 
Geſellſchaft von St. Georgen⸗Schild hervortreten, -bie 
feit dem Zerfall unter den uremburgern immer eine würbige 
Neutralitaͤt unter den Ständen beobachtet, auch indeflen ihre 
Berbindung fortgefegt und erweitert hatte. Alle übrigen Adels⸗ 
gefellichaften,, auffer der Freichgauifchen und ber Löwenpefells 
ſchaft in Baiern, hatte fie in fi) aufgenommen und beftanb 
jest aus vier Kreifen oder Gantonen: im Degau und am Bo⸗ 
denfee, an der Donau, am Nedar und am Kocher. Ihre 
Dereinigung hatte einen doppelten Zweck: einmal ald Turner⸗ 
gefelihaft vom Fiſch und vom Falken (oder Sewer und 
Schnaitholzer) die Ehre des Adels an den Höfen ritterlich zu 
vollbringen; dann als flaatsrechtliche Genofienfchaft, in Bes 
tracht, „daß der Abel von Gott verorbnet wäre, um Gerech⸗ 
tigkeit und Frieden zu fördern.” Im letztern Sinne hatte Grav 
Hug ihre Emenerung nach dem milbenftädter Landfrieden auf 
ſechs Jahre betrieben und der franffurter Lanbfriebe war von 
den Räthen der vier Kreife unterfchrieben. Zu ihrer Gefells 
fchaft wurden auch bie meiften fhwäbifchen Prälaten gezählt. 

An Valentind Tag, auf welchen der Kaifer bie Abfchliefs 
fung des Bundes gefegt, traten nun zu Eßlingen Prälaten, 
Graven, Freie, Herten, Ritter und Kuechte, ober bie Ges 


1488 
14. ehr. 


5743 Bub OL Erſter Zeitraum... Abſchnitt 4. 


fellfchaft von St. Georgen:S child, welche an biefem 
Tag ihre Vereinigung 'erneuerte, vorerfi mit 22 Reihsftäd: 
ten in Berbindung, und zu diefen zwei Parteien traten dann 
bie Fürften, namentlich Gran Eberhard von Wirtemberg unb 
Erzherzog Sigmund von Öfterreich, als die dritte Partei hinzu, 
und gaben einander die erfoderlichen Gegenbriefe. Diefe Ver 
einigung ber brei Stände exhielt von ihrer Grundlage anfäng- 
lich auch den Namen von St. Georgen⸗Schild, bis all 
mälig der Provinzialname fchwäbifcher Bund auffam. 

Das Verdienſt diefed mühfamen Werkes gebührt dem 
Graven Hug von Werbenberg, deſſen Haus der Ritterfchaft 
fchon lange mit Ehren vorgeflanden. Gehen wir zurüd, fo 
ift es derſelbe Adel, der unter den Hobenflaufen feinen Ruhm 
gegründet, mit deſſen Arm Rudolf von Habsburg als Grav 
feine Schlachten gefhlagen, als römifcher König Öfterreich er: 
obert hat, wo auch eine Anzahl fchwäbifcher Häufer Damals 
ſich niedergelaſſen. Nach Rudolf zuweilen vom Haufe Öfters 
reich verlafien, hat diefe Ritterfchaft doch immer für die Ehre 
des Reichs und ded Kaifertbums ſich hervorgethan, und Fried⸗ 
rich III. erfuhr nun, wie wohl er thue fein Vertrauen auf 
fie zu fegen. 

In der Hauptfache enthält der Bundeöbrief nichts Anderes 
als die bisherigen Landfriedendeinungen; nur die Form ift 
eine andere. Er heiſſt „des Kaiferd und bes Reichs Bund 
im Lande zu Schwaben.” Die Mitglieder trugen St. Georgs 
Schild und dad war auch bie Hauptfahne; das Feldzeichen 
aber für dad Bundesvolk iſt die Öfterreichifche Hausfarbe, ros 
thes Kreuz im weiſſen Felde '). 

Kaum war der Bund gefchloffen. und noch nicht von al 
len fchwäbifchen Ständen, wie es der Kaiſer wünfchte, ange 
nommen, fo wurde ſchon die Bunbeshülfe aufgeboten — für 


1488 die Niederlande. In bdenfelben Tagen dba der Abfhluß zu 
5 Gebr. Eßlingen gefchah, nahmen die Bürger von Brügge ben rös 


mifhen König Marimiltan gefangen. Der Kaiſer war in 

Insbruck. Trotz feines hohen Alters kam er in der rauhen 

Jahreszeit über das Gebirg heraus nad) Schwaben und er 
1) Das Bisherige nach der. Geſch. von Schwaben V, 257286. 


u 





. 


8. Friedrich II. 144p— 1493. 575 


ließ ein Mandat an den Bund, dem- sömifchen Könige: zu 
Hülfe zu ziehen, zugleich mit einem allgemeinen Aufgebot in 

das Reich. Vermoͤge des lehtern waren bie ſchwaͤbiſchen 
Stände fchuldig wie die andern die Heeresfolge zu leiften. Der 
Bund ald Landfrietendeinung hatte Feinen andern Zweck als 

die Sicherheit der Lande, daß Fein Stand von dem andern 

oder durch Auswärtige‘ aud feinen Rechten unb Freiheiten vers 
drangt werde. Allein dem vömifchen Könige zu helfen, ber 
gleih anfangs das frankfurter Landfriedensgefchäft fo eifrig 
betrieben, dazu fanden ſich alle Stände auch von Bundes wes 

gen bereit. Sie fammelten fi zu Mainz. Zu Coͤln Fam auch 

ein wohlgerüftetes Reich5aufgebot von etwa 15,000 Mann 
zufammen, das der Kaifer felbft gegen die Aufrlihrer führen 
mollte. Er kam bis Mecheln. Indeffen wurde zwar Dart: 
milian freigelaffen, nachdem ihm bie Staͤdte Brügge, Gent und 1488 
Ypern einen Vergleich abgenöthigt, vermöge deſſen er bie 16. Mai. 
Bormundfchaft in Flandern nieberlegen und das fremde Kriege 
volk in vier Tagen aus Flandern, in acht Tagen aus den ge⸗ 
fammten Niederlanden abführen follte. Allein der Kaifer hielt 

fi) dadurch nicht gebunden. Er febte ein Fürftengericht zu Jul. 
Mecheln nieder, das den abgebrungenen Vergleich ald nichtig 
erflärte und die aufgeflandenen Staͤdte ald Majeftätöverbrecher 
verfällte, welche der Kaifer mit Hülfe des Reichs zu beftrafen 
habe. Doch die enter thaten mit franzöfifcher Hülfe fo ernfts 
lichen Widerſtand, daß Friedrich mit feinem Sohn nach Zeutfchs 

land zurüdging, um den Reichötag zu färkerer Unterflügung Det. 
aufzufodern. Indeſſen feste H. Albrecht von Sachſen als 
Paiferlicher Befehlöhaber und ald Statthalter Marimiliand den 
Krieg fort ?). 

Deer Kaiſer ſah ſich jest in der Nothwenbigfeit, Hülfe 1489 
gegen Frankreich und Ungern zugleich fuchen zu müffen. 

Er fagt in dem Ausfchreiben: „bie öfterreichifchen Exblande, 9. Mai 
zum teutichen Reich gehörig, Pforte und Schild gegen Fran: 

reich und Ungern, würben von biefen beiden Mächten ange: 
fochten, um die römifche Krone, welche durch die Mannlichkeit 


1) Müller RR. Theater. unter Marimilien I. Vorſtellung J. 
©. 5.8 





ſo follten die Reichöftänbe deshalb das Weitere 


—2 


676 Bud DL Erſter Zeitraum. Abſchnitt 


5° 
4 
I: 
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römifche König, nicht mehr allein Widerſtand 


Die ſchwaͤbiſchen Bunbesflände hätten ihrerfeits Hi 
gen den H. Georg von Baiern loöfchlagen 
in immer flärtere Spannung mit ihm geriethen. i 
ungelegene Streitfache vermittelte Marimilian fig 
warb fogleich 2000 Mann für den nieberländifchen Krieg. 

Der Kaifer verlangte vom Reichötag 40,000 Mann zu 
bem zweifachen Krieg Der Reichstag ermäßigte anfänglich 
bie Zahl auf 24,000 und 6000 Mann zur eilenden Hüuͤlfe, 
dann ging man wieber höher auf 32,000 im Ganzen; jedoch 
immer mit Wiederholung der alten Befchwerden wegen Be 
fiellung ded Kammerg ericht zur Handhabung des Lands 
friedens. Da bie Hülfe nach Flandern dringender begehrt 


# 
ik 


J 
83 


4489 wurde als für Öfterreich, fo kam man endlich überein, daß 
28. Jul. die Stände fofort den Sold für die ſchon geworbenen 2000 


Mann übernehmen, bie Übrigen 4000 M. zur eilenden Hülfe 


22. Su. aber wirklich flellen foßten. Unter dieſen Verhandlungen wurde 


zu Frankfurt ein Vergleich mit &. Karl VIIL von Frankreich 


geſchloſſen, wogegen biefer verfprach zur Unterwerfung der 


Flandrer nöthigenfals mit gewaffneter Macht zu helfen. Theils 
durch feine Einfchreitung, theils durch die teutfche Hülfe, welche 
indefien in die Niederlande fam, wurben bie Flandrer zu ei 


1. Oct, nem erwuͤnſchten Frieden gebracht. Mearimilian erbielt bie 


Aug. 


Bormundfcaft und Regierung wieber, und ‘bie ‚drei aufge 
flandenen Städte mufften, ‚nach fußfälliger Ahbitte, 300,000 fi. 
bezahlen. 

Während die Hülfe in die Niederlande abging, kamen 
ber Kaifer und fein Sohn mit dem K. Matthias zu Ling zu 
fammen, um Öfterteich zurüdzuerhalten. Matthias foderte 
70,000 fl., das daͤuchte dem Kaifer gar zu vieles Gelb; er 
gab nicht nad, ungeachtet Marimilian es für fhmählich hielt, 
um bed fchnöben Geldes willen, dad fchöne Land noch länger 
in den Händen der Ungern zu laflen. Der Kaifer hatte ih 
überzeugt, daß Matthias nicht mehr lange leben koͤnne. Sein 


nn Tod erfolgte fhon im nächften Jahre. Nun beeilte fi) Maris 





. 8 Seiebrig II; 1400-149, 577 


milian nicht nur ſterreich toleber einzunehmen, fonbern auch 
die ungerifche Krone fidh zuzueignen, laut ber frühen Ver⸗ 
träge, welche auch in dem echten Stillſtande mit Matthias 
vorbehalten waren. Allein indem Marimilian zu Ulm die 
Bundeshuͤlfe nachfuchte und die vom Erzherzog Sigmund ihm 
abgetretenen Sande in den Bund aufnehmen ließ, wählte bie 
Mehrheit der ungerifhen Magnaten, aus Abneigung gegen 100° 
die Zeutichen, den K. Uladiflav von Böhmen. Marimis 15. Zul. 
lian vermittelte wieber bei ben baterifchen Herzogen und eilte 
mit der zufammengebrachten Mannſchaft nach Ungern, um 
mit Belfland der Misvergnügten vor der Ankunft des Ulabis 
ſlav das Königreich in Beſitz zu nehmen. Er eroberte Stubls 
weiſſenburg und einige andere fefle Pläße, und nahm beveits 
ben koͤniglichen Zitel an; da entftand aus Geldmangel Mau: Det. 
terei ımter feinen Leuten, weiche ihn zuruͤckzugehen nöthigte. 
Im nn. Jahr begehrte der Kaifer auf dem Reichs⸗ 1491 
tage zu Nuͤrnberg 6000 zu Roß und 12,000 zu Fuß für den Aprit. 
ungerifchen Krieg. Allein die anweſenden Stände meinten, 
ber Kaifer könne ſolches nicht befehlen, ſondern nur frehwillis 
gen Dienft verlangen. So wurde denn bie Wahl gefkellt, wer 
Geld oder Volk geben wolle. Die Ausführung blieb: jeboch 
Durch die fortwährende Spannung mit Baiern verhindert. 
Marimilian hätte fie gern befeitigen mögen, aber die Bundes⸗ 
fände ruͤſteten fich jebt ernſtlich, und der Kaifer ſelbſt blieb Zul. 
Dabei, „ber Stolz der Fürflen von Baiern müfle gedemuͤthigt 
werben. Da nun Marimilian fah, daß er uflter diefen Um⸗ 
fiänden fobald auf Feine nachdruückliche Hülfe zählen könne, fo 
traf er mit Ulabiflav einen Vergleich zu Preßburg: ex follte 7. RB: 
für die Kriegöfoften 100,000 fl. erhalten und nach Abfterben 
Des Uladiſlav ober. feines Mannsſtammes in, Ungern folgen, 
einflweilen ven koͤniglichen Zitel führen '). 
Marimilian muffte biefer Übereinkunft froh fein, da eben 
jegt 8. Karl VII, fein künftiger Schwiegerfohn, mit einer 
unerbörten weifachen Verrätherei hervortrat. Nach dem nies 
Derländifchen Frieden hatte Marimilian die Erbin von Bres 
tagne, Anna, beren Vater H. Franz IE ihm treulich gegen . 


1) Müller Borft. VI. ©. 49. _ —— 
Pfifter Geſchichte d. Teutſchen TIL. 37 


578 Bub UL Erſter Zeitraum. Abſchnitt 4. 


die Rieberlänber und Sranzofen beigeflanben, zu feiner zwei: 
ten Gemahlin erfeben; fie war in jenen Frieden mit einge 
fhloffen und indefien burch Procuration dem Prinzen von 
1490 Dranien angetraut worben. Diefe Verbindung war dem X 
nige von Frankreich unerträglih, Wenn Marimilian zu ben 
Saum erworbenen burgundifchen Landen nun auch bad ſchoͤne, 
veiche Herzogthum Bretagne erhielt, bad eine Million Gulbes 
an jährlichen Einkinften trug und mit den Nieberlanben is 
wichtigen Handelsverbindungen fland, fo hatte Frankreich auf 
drei Seiten, im Wellen, Norden und Oſten das Kaiferhaus, 
"das jetzt auch im Bündniffe mit England fland, zum überle 
genen Nachbar; nebendem daß durch den Übergang von Be 
— das franzoͤfiſche Incorporationsſyſtem einen gervaltigen 
Stoß erlitt. Karl VILLE mochte fich vorwerfen, daß er burd 
den nieberlänbifcyen Frieden felbft dazu gebolfen und fich nun 
überliftet ſehe. Er bielt alfo Alles für erlaubt, um bie Sache 
zu vereiteln. Hatte er Durch Verlobung mit Marimilians Toch 
tee Margarethe wenigfiens eines Theiles der burgundiſche 
Rande fich verfichert, fo befchloß er jetzt biefe Verbindung 
wieder zu brechen unb bie Anna felbfi zu beiratben. Se 
dem Marimilian noch in Ungern befchäftigt war, ſuchte Kar 
theils durch Beſtechung der bretagnifchen Stände theils burd 
1491 Waffengewalt ‘fein Vorhaben zu erreichen. Er eroberte Raw 
Rod. nes, den Gig der jungen Herzogin, in bemfelben Beitpund 
da Maximilian mit Wabiflao in Unterbandlung trat. Du 
aun bie befloddenen Großen ber bebrängten Finftin bie nad 
druͤcklichſten Vorftelungen machten, baß fie in Gefahr fick 
ihr ganzes Land zu verlieren, wenn fie dem Könige vom Frank⸗ 
veich ihre Hand verfage, fo ließ fie fich endlich Dazu Abe: 
ben; doch wollte ber König ſelbſt, daß das Ganze ben Schein 
einer völlig freien Wahl haben follte. Er zog feine Leute zu: 
süd; die Herzogin that als wollte fie nach Teutſchland zu 
ihrem Verlobten reifen, lenkte aber fchnell nach Langeai in Tor⸗ 
6. Dec, raine, wo Karl den Heirathsvertrag ſchloß und das Beilage 
0 ehe noch die nachgefuchte paͤpſtliche Dispenſation eis 
jährige Margaretha ſchickte er ihrem Bate 

= —— aber ihre Mitgift. 
Solchen Treubruch wagte Karl vor ganz Europa, und 


8. Friebeih IL, 1440-148. - 579 


Imotenz VEIL gab feine Zufimmung ')! Nicht nur das Kals 1491 
ſerhaus fondern auch fein Bundesgenoffe, der X. Heinrich VIE 15. Bw. 
von England, der die Sache als feine eigene betrachtete, ries 
fen die teutfchen Fuͤrſten auf, den Schimpf, der ihnen und 
bem ganzen teutfchen Weiche wiberfahren fei, nachbrädtichft 
zu rächen. Der Kaifer berief den Reichstag nah Mainz. Da 
trat wieder das bisherige Hinderniß in die Mitte. Die In 
rungen mit Baiern waren fomweit gekommen, baß nothwendig 
bier zuerſt ein Schlag gefehehen mufite, ehe man einen aus⸗ 
wärtigen Krieg unternehmen konnte. Das Reich wurde bes 
fehligt die fchwäbifchen Bundesſtaͤnde zu unterfiügen. Durch März 
diefe Anftalten geſchah, daß zuerſt Herzog Georg geſchreckt Apett. 
fi) mit dem Kaifer ausfühnte und die Markgravfchaft Bur⸗ 
gau gegen ben Pfandſchilling zuruckgab. H. Albrecht, jest 
allein flehend, fchien die Sache auf's Aufferfte kommen laſſen 
zu wollen. Das Bunbeöheer war im Begriff Landsberg anzugreis Mal. 
fen, da Fam die Botichaft, daß Marimilian zu Augdburg ben 
Frieden vermittelt habe, H. Albrecht gab Regensburg an das 
Rech, die tiroler Verfchreibung an das Kaiſerhaus zuräd, 
und verfprach feine Vaſallen und Untertbanen, befonbers die 
Löwengefelfchaft, nicht mehr am Beitritt zum fchwäbifchen 
Bunde zu binbern 2). 

Als Maximilian bad Bundesheer bei Augsburg ſah, fprach 
er, er wollte eine Gravſchaft darum geben, wenn er biefes 
‚Heer nebf feinem Sefhü an ber franzoͤfiſchen Grenze hätte’). 
Diele Hülfe betrieb nun Marimilian bei dem Bundestag, ba 
der nach Mainz audgefchriebene Reichötag wenig Hoffnumg 
ließ. Bei den fchweizerifchen Eidgenoflen war der König von - 
Frankreich fchon zuvorgekommen. Die fhwäbifchen Bundes 
flände waren bie erflen, welche 400 Meifige in bie Riebers Aug. 
Lande abgehen lieffen. Nicht fo der Reichätag. Die erfle 


1) Du Mont T. ID. P. IL. Nr. 148 2q. Möller RZ. Theatr. 
unter Maximilian J. Vorſt. I. 6. 20.24. 

2) Geſch. von Schwaben V, 811 ff. 

8) Es beſtand aus 1500 Reitern und 8 bis 9000 Fußknechten. 
Karl VI. hatte bei feinem Einfall in Neapel nicht mehr als 6 bis 7000 
Reiter unb 12,000 zu uf. i 
37* 


580 Buch IL Erſter Zeitraum. Abſchnitt 4. 


Verſammlung zu Mainz kam zu keinem Entſchlaß. Auf ec: 
wer zweiten zu Coblenz that Marimilian neue Borflellungen 
wegen der erlittenen Schmach, der englifhe Geſandte ſchil⸗ 
derte die Franzoſen als das treulofefle Voll. Die erlitiene 
Schmach machte jeboch bei den Reichöfländen weniger Ein: 
druck als die Furcht vor Frankreich bei ihrer vermeintlichen 
1492 Unvermögenheit. Man beſchloß endlich, zum Beinen Anſchlag 
15. Oct. per Reichöhülfe eine Geldumlage auf jede Feuerflätte zu ma 
chen,. dad Übrige aber auf einem dritten Reichötage zu Frank: 
Dec. furt zu verhandeln. Ungeachtet der allgemeine Stäbtetag fid 
. foweit endlich begriff, das unglüdliche Hinterfihbringen ab: 
thus zu wollen, d. h. bie Abgeordneten immer mit voller Ge 
walt zu fchidden, fo half es jetzt Nichts mehr, denn ber frank⸗ 
furter Reichötag kam gar nicht zu Stande. Maximilian hatte 
indeſſen den Feldzug eröffnet, im Vertrauen auf den König 
von England. Diefer machte wirklich große Anflalten, ſchiffte 
über nach Calais und belagerte Boulogne. Aber Selb war 
ihm auch lieber ald Ehre und Treue: er nahm eine große 
Sunme Geldes: von Karl VIIL, womit er feinen eigene 
noch ſchwankenden Thron erſt ſicherſtellen wollte, und fchlos 

8. Rov. Frieden 1). 
1493 Da nun Maximilian von keiner Seite Huͤlfe ſah, nahm 
Ian. er auch Friedensunterhandlungen auf, doch unter Fortſetzung 
ber Kriegsruͤſtungen. Er ging nach Brundrut unb wollte ei: 
nen Reichötag nach Colmar berufen. Der Kaifer fobexte das 
Meich wieder durch Mandate auf, „um ſolch' Übel, Schande 
und Lafter, fo der König von Frankreich an Öfterreich und 
gemeiner teutfcher Nation begangen, zu ſtrafen.“ Darauf 
28. März. befchloffen die ſchwaͤbiſchen Stände dem roͤmiſchen König als 
‚Bundeöverwandten 400 zu Roß und 1600 zu Fuß zu ge 
ben *). Indeſſen, ald Marimilians Schaaren die Stadt Ar 
ras durch Überfall eingenommen, wurde zu Colmar ein Stil: 
fland mit Srankreich eingeleitet, auf weichen zu Senlis Friede 
23. Mat. gefchloffen wurde. Karl VIIL gab die Gravſchaften, melde 
zur Mitgift der Margaretha beſtimmt waren, zuruͤck, und fe: 


1) Du Mont. T. II. P. II. Nr. 158. 
S Geſch. v. Schwaben V, 316—822, 





8. Friedrih IIL, 14401493, 581 


mit wurden wenigfiend bie burgundifchen Lande wieder er⸗ 
gäanzt. Won weiterer Genugthuung. ift nicht die Rede '). 

Marimilion und Karl hatten Beide ihren Blick ſchon auf 

Italien gerichtet. Lebterer ging damit um, Neapel einzus 


nehmen. ‚Dem Erflern ließ der Regent von Malland, Ludwig 1493 
Sforza, genannt Moro, feine Nichte Blanca Maria, Toch⸗ 10. Mei 


ter des verfiorbenen Herzogs Galeazzo Maria Sforza, mit 
200,000 Ducaten zur Gemahlin anbieten, eben als ber Friebe 


zu Senlis gefchloffen wurde. Einen Monat danach gab Darts 24. Ian. 


milian feine Einwilligung. Manche Fuͤrſten hielten zwar dieſe 
Verbindung nicht fir flandesmäßig, denn der Stifter des Haus 
ſes Sforza, Franz, Großvater der Blanca, hatte fi vom 


aufferehelichen Bauerjungen zum Gonbottiere aufgefhwungen . 


und mit einer nathrlichen Zochter des Herzogs Philipp Mas 
ria Bifconti verheirathet, war auch von K. Friebrich III. nicht 
ald Herzog von Mailand anerfannt worden. Andere fuͤrchte⸗ 
ten nicht ohne Grund, das Reich möchte wieder tiefer in bie 
italienifhen Parteiungen hineingezogen werben. Allein ber 
Erzherzog Sigmund und einige Kurfürften und Fimſten rie⸗ 
then zu der Verbindung; bei der Geldarmuth in Öfterreich 
war die Mitgift nicht zu verachten. Die ausgezeichneten pers 


fönlichen Eigenfchaften der Blanca fcheinen weniger in Be 


tracht gezogen worden zu fein; Martmilian fand fie nicht nad) 


feinem Geſchmack und hatte aud Feine Kinder von ihr, weis (1511) 
bald fie, wie man glaubte, frühzeitig vor Verdruß geflorben 81. Der. 


fein ſolle 2). Der alte Kaiſer lebte in Zuruͤckgezegenheit zu 
Linz. Eine feiner legten Sorgen war, das Land Öfterreich 
von dem Raubgefinde zu fäubern, das vom ungerifchen Kriege 
übrig geblieben war. Sohn einer Mutter, welche mit bloßen 
Händen Hufeifen zerbrach, genoß er einer trefflichen Seſund⸗ 
heit und erreichte ‘bei feiner großen Mäßigkeit ein hohes Alter. 


In den legten ſechs Jahren zog er ſich durch die üble Ges 


wohnbeit, Thüren mit dem Fuße aufzufloßen, einen Schaden 
ar bemfelben zu, der vernachläffigt in Falten Brand überging 
und zweimalige Abnahme zur Folge hatte, die er mit einem 


1) Müller Borft. 1. &. 26. . 
2) Häberlin Reihegefäh. VII, 648. 


. 


982 Bud IL Erfter Zeitraum. Abſchnitt 4. 


Schlaftrunk überfiand, Während der Heilung genoß er nad 
einem Faſttage acht Melonen und trank Waſſer barauf. Rım 
beflel ihn die rothe Ruhr, an welcher ex nad wenigen Ta 
1493 gen farb, im 5833ſten Jahre feiner Reichöregierung unb im 
19. Zug. Igſten feines Alters '). Kein Kaifer hat fo lange regiert, un⸗ 
ter Seinem if fo wenig für das Meich gefchehen, keiner bat 
auch fo viele widrige Schidfale erbuldet als er, und doch hat 
er am Ende noch Alles erlangt, was er zum Biel feiner Wuͤnſche 
geſetzt hatte. Er überlebte alle feine Gegner, ohne ihnen nad» 
gegeben zu haben. Die Öfterreichifchen GErblande, wovon ce 
nur einen Theil antrat, fah er durch Vertrag mit Erzherzog 
Sigmund vereinigt. Die Anwartfchaft auf die Kronen von 
Ungern und Böhmen war wenigſtens vorbehalten. In Bus 
gund und ben Nieberlanden fah er feinen Enkel Philipp auf 
dem Thron. Judeſſen, ob er gleich für die Hausmacht Alles 
aufgeopfert, genoß er doch keinen Augenblid die Erblande in 
- &Rube und hinterließ fie in einem zerrütteten und verarmten 
Buftande. Aus blinder Ergebenheit gegen den Papft bat er 
die Kurfürften verrathen und die Unterdrüdung ber Concilien, 
überhaupt bed öffentlichen Geiſtes, vollenden helfen. Das 
Eaiferliche Anfehn in Italien war ganz erloſchen. Des teut 
(hen Reichs nahm er ſich erſt an, als er aus Öflerreich ver 
trieben war, und that auch jetzt Nichts weiter, ald.nöthig war 
um Hülfe zu erhalten; das Kammergericht kam nicht zu Stande, 
weil er für feine kaiſerlichen Vorrechte fürchtete. Selten ging 
ex geradezu, fonbern fuchte durch heimliche er 
und duch Stiftung von Parteien fein Ziel zu erreichen; 
kam ihm nicht darauf an, dieſe öfter zu wechſeln, wie er a 
gen die Könige Ladiflaus, Georg und Matthiad, gegen Karl 
von Burgund, gegen bie Schweizer und die Reichöfläbte es 
bewiefen. Unerfeglic, iſt Zeutichland In dem halben Jahrhun⸗ 
bert feiner, Regierung zuruͤckgekommen, während die andem 
Staaten mächtig. fortgefcpritten find. Erſt am Gchluffe fei 
nee Zeit gelang es einigen wohlgefinnten Männern Etwas 
zu Stande zu bringen, was bie Grundlage weiterer Curich. 


1) Fugger a. a O. ©. 1078. Grünb eck Gedenäbefhreibung 2 
driedrichs TIL : 








8. Marimitian L, 1493—1519. 583 


tungen wide. Bieles war mit umenblicher, Mühe im Reiche 
vorbereitet, durchgedacht und verfucht. Es bedurfte nur einer 
kraͤftigen, geſchickten Hand, um bie Sachen am — Ende 


zu faſſen. 


IM. Allfeitige Fortſchritte unter K. Mari: 
milian L 1493 — 1519. 





1. Der teutſche Staatenverein, im Gedränge zwiſchen 
Frankreich und den Türken, endlich ein gefeßlicher Staat. 


Marimilian, Segenbild von Friedrich IL Seine 
Entwürfe in Abficht des franzoͤſiſch-italieniſchen 
Kriegs und der Türken. Der Städte Zähigkeit 
erzwingt enblid die Feſtſtellung der Verfaffung. 
Ewiger. Landfriede;s Kammergerihtz Feichsregi⸗ 
ment; gemeiner Pfenning. Polizei. Öfterreihs 
Abfihten auf die Herzogthämer Mailand und 
Wirtemberg Wechſelheirath zwifchen dem öfters 
seihifhen und cafilifhsaragonifhen Haufe. 


Sur rufligen Mannesalter, vierundbreiffig Jahre alt, uͤder⸗ 
nahm Marimilian die Reichöregierung '), nachdem er ges 
gen acht Jahre ald römifcher König an den wichtigſten Ders 
bandlungen Theil genommen. Baft in Allem das Gegenbilb 
feines Vaters, giebt er den Geſchaͤften einen rafchern Schwung. 
Sein hoher, ritterlicher Sinn, der Bühne, heile Bid, die Ges 
Kalt, die Gefichtsbildung *) erinners an den Ahnherrn Rus 


1) Zur Erſparung bed Raumes geben wir bie wichtigften Quellen 
auf einmal an. Bugger Ehrenfpiegel 2. Hegewifc Geſch. K. Maris 
milians J. nebft dem Anhang über die Culturgeſchichte. Fuͤr bie Ver⸗ 
faffungsangelegenheit: Müllers RI. Theatr., und RT, Gtaat ums 
ter 8. Marimilian J. Reue Bamml. der RE. Abſchiede. 

2), Maximilian fcherzte wie Rudolf über feine Naſe. In einer Reiches 
ftabt wurden ihm einmal gar gu viele Abbildungen In Wachs, Metall, 
Gips ıc; Abergeben. Gr befchenkte die Eeute, fügte aber endlich: „ſeht, 





554 Buch IN. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 4. 


dolf J. Durch Leutſeligkeit und heitere Scherzreden gewann 
er wie jener die Liebe aller Staͤnde. An Feinheit der Sit⸗ 
ten iſt er weiter voraus als fein Zeitalter vor jmem. Den 
burgundiſch⸗ franzöfi [hen Krieg nahm er mit bemfelben Su: 
genbungeftüm auf wie Rubolf bie habsburgiſchen Stamnifeh- 
den. Die Erfahrungen nüßte er wie dieſer im reifen Alter, 
‚doch blieb immer feine rege Einbildungskraft vorherrſchend. 
&o wenig man fih in der Kindheit von ihm verfprach, da er 
im fünften Jahre erſt deutlich reden lernte, dann bei Meifler 
Engelbrecht an der Grammatik erlag, fo gewaltig entwidelte 
fih hernach, umter befieren Lehrem, in ihm eine Wißbegierbe, 
die Alles zu umfaflen brannte. Cr fprach das Lateinifche, 
Sranzöfifche und Stalienifche mit Fertigkeit. Sein Bater ließ 
ihn in den Fleben freien Kimften, in ber Theologie und Po: 
litik, in der fhwarzen Kunft und in ber Arzneifunde unters 
richten, und wiewohl er diefe Laufbahn bald verließ, fo be 
hielt ee doch eine ungemeine Liebe zu den Wiffenfchaften und 
befchäftigte firh im Umgange mit Gelehrten mit der Erbbe 
ſchreibung und Gefchichte, mit Malerei, Baukunft, Muſik und 
mit der Bergkunde. Im Kriegsweſen mathte er Erfindungen 
wie RubolfI., er legte ſelbſt Hand an als Harniſchmacher 
und Geſchuͤtzmeiſter. Nichts unverfucht laſſend, gab ex feinem 
Körper eine aufferorbentliche Gewandtheit und Staͤrke. In 
. unzähligen Gefahren auf der Jagd und im Krieg, zu Waſſer 
und zu Lande, kam er als Waghald durch. Muth und Bei: 
fleögegenwart immer glüdtich durh. Im Tirol war er ber 
verwegenfte und glüdlichfte Gemfenjäger; im Roßlauf gewann 
er (don im funfzehnten Iahre zu Straßburg den zweiten Preis 
mit einer Armbruft, da er auf der Reife zu Karl dem Kuͤh⸗ 
nen war; auf feinem erften kaiſerlichen Reichstage warf er 
im Zurnier den franzöfifchen Ritter Claudius von Batre, mit 
bem es Keiner aufzunehmen wagte. Seinen Hof koͤnnte man 
den legten Nachklang von der Zeit der Tafelrunde nennen. 
Sm Reichörathe wählte er die verftändigften und thätigfien 


wer eine große Nafe nachmachen Eann, kommt und will uns bamit bie 
Den. Zusser ©. 1886. WBgl. — von Schwaben III. S. 88. An: 
merk. 








8. Marimiiten L, 1493—1519. 585 


Fürften und" Stäbtebotfhafter aus und trat mit ihnen in 
Freundſchaft. Mit To großer und vielfacher Unternehmungs- 
luſt iſt möcht leicht ein Kaiſer biefer ſpaͤtern Zeit aufgetreten. 
Den Erfolg haben wir nun zu befchreiben. 

Waͤhrend K. Friedrichs II. Leichenfeier machten die Tuͤr⸗ 1493 
ten einen Streifzug bis Laibach. Es war aber nur eine vor⸗ Aug. 
uͤbergehende Störung, denn fie gingen bald wieder mit ihrer 
Beute zuruͤck. Maximilian verfolgte fie bis Crvatien; bei Mas. 
drutz wurden die Ungern von ihnen gefchlagen ). Maximi⸗ 18. Gept. 
liand erſter Gedanke war, in ben Erblanden und im Reiche 
fih fo bald als möglich freie Hände zu machen, um mit deſto 
größerem Nachdruck in Italien und gegen bie Tuͤrken zu Selb: 
zieben zu koͤnnen. Aber ‚die Verkältniffe im Reiche waren vom 
der Art, daß er bald, was er nur ald Mittel betrachten wollte, 
zum Hauptzwede wenigftend feiner erflen Regierungszeit mas 
chen mufite. 

Nachdem Rarimilion feine Vermaͤhlung mit Blanca Ma⸗ 1494 
ria zu Insbruck unter großem Gepraͤnge vollzogen, ging er 16. Maͤrz. 
in die Niederlande, um den Grauen Karl von Egmont, ber 
Die Anfprüche auf Geldern erneuerte, zu befeitigen, dann bie 
nieberländifche Regierung an feinen inbeflen mimbig gemors 
denen- Sohn Philipp abzutreten 2). Über diefen Anorbnuns 
gen konnte er feinen erfien Reichätag erſt auf das naͤchſte Jahr 1495 
auöfchreibenz er wählte aber dazu nicht Nürnberg, nach der Behr. 
goldenen Bulle, fonden Worms, weil biefe Stabt unter ben 
vorwaltenden Umflänben die gelegenſte fchien. 

Indefien trugen fich in Italien folche Veränderungen zu, : 
bei welchen Marimilton nicht ohne thätige Theilnahme blei⸗ 
ben konnte. Fürs erſte hatte er dem Ludwig Sforza bei 
der Verlobung mit feiner Nichte die Belehnung mit bem Her: 
zogthum Mailand zugefagt, das diefer einſtweilen für feinen... ' 
Neffen, Johann Galeazzo, der Blanca Bruder, ben er ald 
blödfinnig ausgab, verwaltete. Marimilian nahm keinen An⸗ 
ſtand dieſen feinen — auszuſchlieſſen, theils weil deſ⸗ 
ſen Vater wider Willen K R. Triedrichs III. fich des Herzog⸗ 


1) Prithem. Chron, Hirs. ad a. 1498. 
| 2) Heuter, Ber, Austs, L, V. 


556 Bud IL Eerſter Zeitraum. Abfhnitt 4. 


thums angemaßt, cheils weil Lubwig Sforza fich das Berbienft 
gab, durch Anerkennung ber Lehensherrlichkeit das Herzogthum 
bei dem Reiche zu erhalten !). Ludwig Sforza hatte aber Feine 
geringere Abficht, ald unter ben italieniſchen Staaten, welche 
vergeblich einander im Gleichgewichte zu erhalten ſtrebten, durch 
auswärtigen Beiſtand fich eine entſcheidende Macht zu geben. 
Kaum vor den Verhandlungen mit Marimilien hatte er mit 
K. Kari VIII. von Frankreich ein Buͤndniß gegen K. Ferdi⸗ 
nand von Aragoniens Neapel gefchloffen. Papft Aleranber VL 
tsat dagegen nebſt den Blorentinern mit deſſen Sohn und 
Nachfolger, Aphons IL, in Verbindung. Ludwig Sferza aber, 
indem er mit dem Könige und mit dem Kaifer zwei befon- 
| . dere Bimdniſſe ſchloß, hoffte an Jedem gegen den Andern ei 
; nen Stuͤtzpunct zu haben. 

1494 Der vreiundzwanzigtährige Karl brach mit einem nicht 
ſehr großen, aber gut ausgerüfteten Heere, wie man. lange 
Zeit Feines in Italien gefehen, über die Alpen, und ob er 
gleich weber Geld noͤch Kriegserfahrung befaß, fo ging doch 
der Feldzug ſo gluͤcklich von Statten, daß er faft ohne Schwerdt⸗ 
1495 frei, wie im Triumph zu Blovenz, zu Rom, zu Reapei 
22. Bebr. feinen Einzug bielt. Papft Alerander VL fagte: die Framzo⸗ 
fen find mit hölzernen Sporen und wie Fourierſchuͤtzen mit 
der Kreide in der Hand nach Neapel gekommen, um ihre 
Quartiere an bie Hausthiren anzufchreiben. Diefe Eroberung 
ging num weit über die Abfichten Ludwigs Sforza; er fürd 
tete für fein eigenes Heczogthum. Karl begnügte fich nich 
die Anfprüche des jüngern Haufes Anjou auf Neapel geltend 
gemacht zu haben: in Rom übte er Hoheitsrechte; in Reapel 
- führte er kaiſerliche Infignien, ſei e8 nun, weil ihm Andreas 
VPalaͤologus, Wetter des letzten griechifchen Kaifers, feine Rechte 
abgetreten, ober weil ex bie abenblänbiiche Kaiferwürbe im 
Sinn hatte. Alſo beirieb nun Ludwig ein Gegenbuͤndniß mit 
Spanien, Rom, Benedig und foderte feinen Lehnähern, ben 
Kalfer, zum Beitritt auf, um ben König von — wie 

bes aus. Itallen zu vertreiben ?). 


1) Löünig Cod. Ital. dipl. T. IT. No. 8-97. 
2) Memoires de Comines L. VH. Gelcciardisi u L 





K Marimitian L, 14931519. 587 


"Während dieſes Binbniß eingeleitet wurde, eröffnete Raxi⸗ 1495 
milian die Reichötagshandlungen zu Worms. Gein Plan war 36. Maͤrz. 
raſch entworfen diefer: die Fürſten und Staͤnde follten mit 
fo gut geräfletem Gefolge exicheinen, daß er gleich nach vier 
zehn Tagen den Römerzug antreten und noch benfelben Som: 
mer den Tuͤrkenkrieg aufnehmen koͤnnte. Er fanb jeboch bald, 
daß er ſich gewaltig verredinet hatte. Aufferdem baß ex feine 
eigene Ankunft verfpätet, zogen ſich die Verhandlungen in 
eine unabfehbare Länge und Breite. Je dringendere Auffobes 
rungen von ben italiemifchen Verbündeten kamen, deſto mehr 
bäuften fi die Schwierigkeiten, befonber& bei den kleinern 
Reichöftänden. Die Kurfürſten und Zürften zeigten fich zwar 
nicht abgeneigt gegen Maximilians Antrag: daß gegen * 
Zürten, als Feinde ber Chriſtenheit, und gegen Frankreich, als 
Beind des römifchen Reichs, nicht nur eine eilende, ſondern 
eine beftändige Hülfe auf 10 bis 12 Jahre nöthig fei oder 
fo viel Geld, um ein ſtehendes Neichöheer zu unterhalten 
Aber die Staͤdte, welche fpäter kamen, weil fie fich indeſſen 
befonberd berathen hatten und exft volle Gewalt einholen 
mufiten, entgegneten: es koͤnne Nichts befchlofien werben, bes 
vor den Befchwerben einer jeden Stabt abgeholfen wäre, und 
warnten zugleich, man möchte fich nicht zu ewigem Tribut 
noch Geroitut verleiten laſſen. Bei ben fämmtlichen Ständen 
aber war derfelbe Nachhall, den man auf den biöherigen Reiches 
tagen immer gehört hatte: auswärtige Hülfe könne nicht cher 
geleiftet werben, bevor im Innern die drei Stüde, Friede, 
Recht und Ordnung, hergeſtellt wären 

Wenn Marimilian neue Botfchaften aus Italien voregte, 
verficherten dagegen die franzöfifchen Geſandten bei dem Reiches 
tage: ihr König wolle weber gegen den heiligen Vater noch 
roͤmiſchen König noch wider das Reich und die teutſche Nas 
tion handeln. Die Staͤnde hierdurch treuherzig gemacht be⸗ 
ſchloſſen eine beſondere Geſandtſchaft nach Frankreich abgehen 
zu laſſen. Maximilian ließ ſich aber nicht irren. „Die Fran⸗ 
zoſen,“ ſagte ex, „fingen höher denn genotirt iſt; fie leſen an⸗ 
bers denn geſchrieben iſt; fie reden anders denn ihnen im Hess 

gen if." — „D liebe Herren!" fo fprach der Erzkanzler zu 
| u vor — zoͤgern wollten, „ed gehet gar laugſam zu; 


588 Bud HI Erfier Zeitraum. Abſchnitt 4. 


es if wenig Fleiß und Eruſt in den Ständen bed Reiche vom 
Oben bis zum Unten und billig zum Erbarmen. Es if 
aber zu beforgen, wo man fich nicht anders denn biäher in Die 
Sachen ſchicken und fleiffiger fich zufanıınenftellen werde, daß ei⸗ 
nes Tags etwan ein Brember fomme, der uns Alle 
mit eifernen Ruthen vegieren wird.” Gran Eber: 
hard von Wirtemberg, der auf dieſem Reichötag zum Her- 
309 erhoben wurde, ließ bie zwei erſten Philippiken bed 
Demofihenes, durch Reuchlin Überfegt vertheilen. 
100,000, enblid 150,080 fl. war bie ganze Gumnne, 
weiche der Reichötag als Anlehen aufzubringen verfprach, um 
die 9000 Mann, welche Maximilian zu Folge feined Buͤnd⸗ 
niffes nach Italien zu fchiden verfprochen, zu beſolden. Die 
Fürſten nahmen den Beſchluß an, und es ging andy einiges 
Geld ein; aber die Städte, anfänglich zu einem Drittheil, dann 
- zu einen Viertbeil diefer Summe angefchlagen, verweigerten 
hartnädig die Unterfchrift bed Anlehns, bis Marimilian end: 
lich, nach vierzehnwöchentlichen Werhandlungen, mit ber be 
Kimmten Erklärung hervorteat, baß er nach den übergebenen 
Entwürfen Landfrieden und Kammergericht ſogleich begrän- 
ben wollte, worauf die Städte auch ihre Zuſage gaben. 

So verzögerte ſich denn allerdings die Reichshuͤlfe über 
die gefehte Zeitz indeſſen machte ber — von Frankreich 
ſelbſt größere Anſtrengungen überfläffig, denn ſobald er nur 
von dem Gegenbimdniſſe Nachricht erhielt, brach ex ſogleich 
bon Neapel wieder auf, aus Beſorgniß ben Ruͤckweg verlegt 
zu finden. Seine Furcht war noch größer als die, welche 
man in Mailand und Zeutichland vor ihm hatte Er flieg 

12495 bei Suomaro im Sebiete von Parma auf die Verbündeten und 
6. Sul. ſchlug fich gegen ihre Überzahl nur mit großem Verluſte durch 

Von: Seiten Marimilians nahmen 2000 teutfche Landsknechte 

und 1000 Reiter an dieſem Gefechte Theil. Dies geſchah ei⸗ 

ren Monat vor bee oben gebachten Verwilligung des Reicht 

tags. Drei Monate darauf, während bie Reichsſchluͤſſe im 

Zeutichland vollzogen wurben, fchloß Karl mit dem Herzoge 

10, Oct. von Mailand einen befonbern Frieden unb ging über die Al⸗ 
ven zurkd. Bon ihrem ausgelaffenen Leben in Neapel brach 
ten bie Sranzofen eine wuͤſte Krankheit mit, welche, in Teutſch⸗ 








‚8 Maximilian J., 4493-119... . 6580 


Land nach ihnen genannt, fich fehmell Aber bie benachbarten 
— verbreitete und ſeitdem * mehr ausgerottet werden 
onnte !). 

Die Ruͤckwirkung von Marimitians Kuͤſtungen auf die 
teutſche Reichöuerfaffung iſt fe unſere Geſchichte von ber groͤß⸗ 
ten Bedeutung. Hat das alte Kaiſerthum bauptiächlic durch 
das Ungluͤck des hohenſtaufiſchen Hauſes in Italien, beſon⸗ 
ders bush. den Widerſtand von Rom und Mailand feine Auf⸗ 
Löfung erlitten: fo iſt nun nach mehr als zweihunbertjähriger 
Verwirrung Marimilian gedrungen werben, um Mailand und 
Kom gegen Frankreichs lbermacht zu fchügen, bie innere 
Grundlage bed Reichs wieberhezuftelien. Die Fürften, 
unter Leitung des weilen Exzbifchefs Bertold von Mainz, bar 
ben ben ‚Entwurf gegeben; bie Stäbte aber find es bie 
durch ihr wibrige® Hinterfichbringen enblic doch das erreicht 
haben, daß Marimilian feine Zuſtimmung nicht länger aufs 
fhieben durfte. Die Sache felbft iſt auf folgende: Weiſe and 
geführt worden. 

Als die Verlegenheit am hoͤchſten war, ba man beforgte, bie 
Branzofen möchten nicht nur Mailand erobern, fonbern auch 
aus Ghampagne, wo fie fich gleichfalls rüfteten, Teutſchland 
von ber zweiten ‚Seite angreifen, ſaß Marimilian zwei Tage 
von Morgens 8 Uhr bis Abends zu derfelben Stunde, bie 
Mahlzeit auögenommen, um bie Landfriedens⸗ umb Kammer⸗ 
gerichtö> Entwürfe zu vollenden. Nach ber letzten Erklaͤrung 
der Städte erfchien er felbft in der Verſammlung, gab obiges 
Verfprechen, und in brei Tagen wurben die Grundgeſetze des 1495 


Sriedens, des Rechts und ber Drbnung verkimbet. 7.Aug. 


Zuerft warb. mit Übereinfiimmung der Stände nach dem 
Antrage bed Erzkanzlers befchlofien: daß das Fehderecht 
unbedingt aufgehoben und ein ewiger Landfriede ſein ſolle, 
bei Strafe der Reichsacht und 2000 Mark Goldes. Dies if 
ein wefentlich neuer Schritt, denn alle bisherigen Landfrie⸗ 
densorbnungen waren nur Stillſtaͤnde auf eine beſtimmte Zeit 


1) Die neuern Erklärungen bis 1816 von ber Gntflehung biefer 
Krankheit f. bei Glutz-⸗Blotzheim, Gefch. d. Eidgenoffen S. 58. Für 
die Anficht, daß ein (veränderter) Heft des Ausfages zum Grund Hiege, 
fpräche die dort angeführte Gage von’ einem Feldfiechen. 


600 Bub. El. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 4, 


und vorichergehende Beſchraͤnkungen bes Fehderrchts. Solange 
bie Stände das Waffenrecht gegen einander "übten, ſtanden 
fie als fremde Staaten ſich gegenüber. Seit dieſem Befchluf 
kann Teutſchland erft ein gefeglicher Staat heiffen. 

Weil aber, fo fagt Maximilian ſelbſt in feiner Bekannt: 
machung,. ein gemeiner Lanbfriede ohne redlich, ehrbar und 
" förderlich Recht fehwerlich im Weſen befleben mag, fo muſſte 
zugleich mit demſelben das Kammergeriht ober ein hoͤch⸗ 
ſtes Reichsgericht, wie es laͤngſt — — aufgerich⸗ 
tet werben: denn wenn das Fehderecht ober die Gelbfihälfe 
aufhören foll, fo muͤſſen Richter fein, vor welchen ber Be 
fhädigte Recht finden kann. Dies iſt bad zweite Städ ber 
Verhandlungen vom Recht. Die BVorfielung von einem 
oberſten Meichögericht war wohl nie ganz erlofchen, aber «es 
war felten beſtehend, daher in vorfommenben Fällen oft Für: 
fiengerichte berufen ober Austräge niebergefeht wurden 
Aud die befonbern Reichsgerichte ober Taiferlihen Land: 
gerichte in den unmittelbaren Reichölanden waren nicht ims 
mer in Übung wie fie follten. Die Haupthinberniffe ber 
Aufrichtumg eines beftänbigen Kammergerichtö haben wir oben 
unter K. Friedrich IH. gefehn. Auch Marimilian hätte gem 
die kaiſerlichen Vorrechte vorbehalten mögen. Doch gab er 
enblich foweit nach, daß er dem Kammergerikht bie Gewalt 
einraͤumte bie Reichsacht zu erkennen. Die Befolbung ber 
Richten follte gunächft auffer den Sporteln von dem umzule 
genden gemeinen Pfenning auf vier Jahre, bann vom Kaifer 
gereicht, die Richter aber nicht von biefem allein fonbern aud 
von den Reichsſtaͤnden gewählt werden, und dieſes Kannner⸗ 
gericht fortan in einer beſtinmiten Stadt (Frankfurt) feinen 
Sig haben. Für alle unmittelbaren Reichsſtaͤnde iſt dieſer Ge 
richtshof erfte Inſtanz; mittelbare koͤnnen dahin appelliven. 
Den Kurfurſten und allen Firſtenmaͤßigen bleiben bie bisheri⸗ 
gen gewilllärten Austragsgerichte vorbehalten, ober wenn fie 
deren nicht hätten, vor ihren Räthen oder anbern 
Herren als Austrägen. Geſprochen folle werben nach des 
Reichs gemeinen Rechten und nach ehrbaren Sewohnbeiten 
der Fuͤrſtenthuͤmer, Herrſchaften unb Berichte. 

In Abficht bed dritten Stud, ber Drbnung ober Hanb⸗ 





8. Maximilian L, 193-1519. 59 


habung bed Friebens und Rechted, trug man: auf ein Reich 8⸗ 
regiment an, das auch zu Frankfurt ſeinen Sitz haben ſollte 
Da jedoch Maximilian dagegen hielt, daß er bisher ſo regiert 
habe, daß Riemand Hagen koͤnne, und daß er einige Hof⸗ 
raͤthe zu dieſem Zweck an feinem Hof halten wollte, ſo ließ 
man dieſe Sache vor der Hand beruhen und beſchloß dage⸗ 
gen, daß der Reichstag jährlich auf einen Monat zuſam⸗ 
mentommen folle, um über Vollziebung bed Lanbfriedens, 
der Kammergerichtäurtheile und ber Auöträgalerfenutniffe zu 
balten. 

Endlich zu ben Koſten bewilligte ber Reichstag auf vier 
Jahre ben gemeinen Pfenning nach Claſſen, ungefähr 
wie im Huffitenkrieg, wovon vorerft jene 150,000 fi. zur eis. 
lenden Hülfe für Stalien abgerechnet, das Übrige zum Kam⸗ 
mergericht und zum Zürkentrieg verwendet werben follte. 

Das waren die Grundzüge, welche nach dem Ausbrude 
ber Stände „bad Weſen des Stanted" betrafen. Kon ihren _ 
nähern Beflimmungen, zum Theil Abaͤnderungen, wird bald 
die Rebe fein. 

Auch die öffentlihen Sitten werben von jetzt an 
Gegenſtand des Neichötagd, wie des ſchwaͤbiſchen Bundesra⸗ 
thes. Im Abſicht der „boͤſen Blattern),“ welche bie Fran⸗ 
zoſen von Neapel mitgebracht (mal de Naplen), erkannten 
die Rechtsgelehrten, daß fie eine göttliche Strafe für das im 
Schwange. gehende abfcheuliche Fluchen fein, da ber große 
Geſetzgeber Juſtinian einſt dad Fluchen und Schwoͤren als 
Urſache aller Landplagen erklaͤrt und deswegen Todesſtrafe 
darauf geſetzt habe. Dieſe Strafe wollten ſie nun zwar nicht 
auf das Fluchen erkennen, doch wurden ſchwere Geld⸗ und 
Leibes⸗Strafen ausgeſprochen. Das VWolltrinken, auch in 


1 Anfänglich ſchaͤmten fich weber Bürften noch gemeine Beute dies 
fee Krankheit; man hielt fie wie andere Seuchen für eine Lanbplage. 
Sie wird auch auf bem Seichstage unter andern Grünben angeführt, 
warum man bie vom Papft verlangten Gelder nicht aufbringen koͤnne; 
Teutſchland habe fo viele Wittwen, Waiſen, Kranke, arme Mädchen, _ 
Die fonft verführt werben könnten, Hausarme und pustulati (von ben 
Blattern Angeftedte) wovon leider ganz Teutſchland voll wäre, zu un: 
terhalten. Freher. T. IL p. 679. 


592 Buch IL Erſter Zeitraum. Abſchnitt 4. 


Zelblagern, wurde fireng verboten, das lbrige dem tünftigen 
Reichötage mit Anberem vorbehalten. 
Auch für das Reichsgut hat Maximilian zu forgen 
‚nicht vergeffen bei zwei Kürftenbelehnungen, welche auf biefem 
1495 Reichötage vorkamen. Gleich zu Anfang beffelben wurde bie 
5. April. yon ihm zugefagte Belehnung bes Lubwig Sforza mit bem 
Herzugtbum Mailand befldtigt, mit ber Beſtimmung, 
daß folches nicht exblich fei, fondern nad Ludwigs Tode an 
Kaifer und Reich zurüdfallen folle'). Etwas Ähnliches ge 
21. Jul. ſchah ein paar Monate fpäter bei der Grimdung bed Her: 
zogthums Wirtemberg Man Fönnte fi wundern, daß 
Marimilian nicht eher die oͤſterreichiſchen Vorlande zu einem 
Herzogthum vereinigte, ba fchon Herzog Rudolf IV. auf bie 
fer Zitel-Anfpruch gemacht, auch K. Sriebrich HL feinen Bru⸗ 
ber Albrecht als Herzog und Graven biefer Fürfkenthümer umb 
Lande (Breisgau, ſchwaͤbiſch Öfterreich und Worariberg) be 
zeichnet hatte. Es war inbefien die Reichslandvogtei in Ober 
und Rieder⸗ Schwaben dazu gekemmen, die Grwerbung ber 
Landgravfchaft Nellenburg unb ber Gravſchaft — 
nebſt mehrern kleinern hatte die Lande in naͤhern Zuſammen⸗ 
hang unter ſich gebracht, und ſo konnte man wohl an Wie⸗ 
derherſtellung des Herzogthums Schwaben denken. Erzherzog 
Sigmund hatte dieſe Lande bereits an Marimilian übergeben, 
und im folgenden Jahre fielen fie ihm durch feinen Tod gän;- 
lich zu. Allein Maximilian begnügte fi) bie Benennung 
„Bürft zu Schwaben” und bie altvaͤterliche Landgrav im El⸗ 
faß" in feine Titel aufzunehmen. Dagegen trug ex dem Gra⸗ 
ven. Eberhard dem Bärtigen von Wirtemberg aus eigenem 
Antrieb die herzogliche Wuͤrde an, um, wie er in ber Urkunde 
fagt, bed, Reichs Abgang an dem Herzogthum Schwaben zu 
erfegen, ſodaß alle wirtembergifchen Lande in ein Mannlehn 
als Reichöherzogthum vereinigt -wurden. 
Eberhard der Bärtige war in ber That einer ber außge: 
zeichnetfien Fuͤrſten dieſer Zeit, ein Freund des Erzbiſchofs 
Bertold von Mainz, in vielen Stüden aͤhnlich dem K. Mari: 
milian, nur daß er älter und erfahrner war, weshalb ihn diefer 


1) Du Mont T. I. P. IL Nr. 302, 





8. Marimilian L; 1493-1519. 593 


auch beſonders hochſchaͤgte. Gr. hatte die zerruͤtteten Stamm⸗ 
lande in kurzer Zeit durch Haus⸗ und Landes⸗Vertraͤge, durch 
Stiftung der Univerſitaͤt Tübingen und andere loͤbliche Ein: 
richtungen in kurzer Zeit fo in Aufnahme gebracht und bie 
innere Verwaltung fo gehandhabt, daß er in biefer fehdevol⸗ 
len Zeit vor allen Fuͤrſten fi ruͤhmen durfte, „er koͤnne in 
jedes Unterthanen Schoos ſicher ſchlafen.“ Eberhard ſah wohl, 
was Maximilian wollte. Er ſelbſt und ſein Veiter Eberhard 
der Jungere, waren ohne Erben; des Letztern Bruber Hein⸗ 
rich war durch die Mishandlungen in der burgundiſchen Ge⸗ 
fangenſchaft regierungsunfaͤhig geworden und hatte damals 
nur einen achtjaͤhrigen Sohn, den nachherigen Herzog Ulrich. 
Auf diefem jungen Fuͤrſten berubte alfo die ganze Nachfolge. 
Erloſch der Mannsſtamm, fo fiel das Land an das Reich und 
Eonnte einem oͤſterreichiſchen Prinzen verliehen werden. Nach⸗ 
dem Eberhard mit ſeinen Raͤthen Alles uͤberlegt hatte, nahm 
er bie Belehnung an, unter ber Bedingung daß das Laud 
nach dem Erloͤſchen des Mannsſtammes nicht mehr verliehen, 
ſondern als des Reichs Widdumgut der kaiſerlichen Kammer auf 
ewige Zeiten einverleibt bleiben und mit Beſtaͤtigung aller 
Rechte und Freiheiten durch einen Regimentsrath aus den drei 
Ständen bed Landes verwaltet werben ſolle. So war auf 
jeben Fall fir das Beſte des Landes geforgt '), und: was 
Eberhard dem Haufe Oſterreich nicht zugeſtehn wollte, das 
Tonnte er dem Kaiſer, feinem Freunde, nicht verfagen 2), 
Maximilian behielt wenigfins die Hoffnung, das Reichögut 
in einer Provinz vermehrt zu fehen, wo es ſchon fo beträchte 
lich vermindert war. 

In Abfiht des Herzogthums Mailand hingegen hatte 
Maorimilion ohne Zweifel die Erwartung, daß es bald einem 
Sürften feines Haufed verliehen und bamit die Oberherrſchaft 
in Stalien neu begründet werben koͤnne. US ARE 

Died Alles geſchah auf dem großen Reichötage zu Worms, 
‚ber ein halbes Jahr dauerte. Die Vorbereitungen erkennt 
man wohl feit Marimilians roͤmiſcher Koͤnigswahl, aber ex 


1) folange bas Kaiſerthum mährte. 
2) Meine Geſchichte H. Eberhards I. von Wärtemberg ©. 291 £. 
Pfiſter Geſchichte d. Teutſchen IM. 38 


694 Bud II Erſter Zeitraum. Abſchnitt 4. 


feibß hätte wohl wicht gebadht, daß ſchon in den erſten zwei 
Jahren feiner Reichöregierung bie innere Verfaſſung foweit 
bergeflellt werben wirde, ehe er zu feinen hoͤhern Gutwürfen 


tam. Die Wechſelwirkung dieſer beiben Richtungen bleibt 


auch in den folgenden Begebenheiten ber Hauptfaden; bed 


muß, um bie Ergebniffe Marer in's Auge zu faſſen, jeder 


Theil befonders abgehandelt werben. 


Voraus iſt noch zu gedenken, was in eben biefem Zeit 


1496 puncte für dad Kaiſerhaus geſchah. Ein Jahr nach dem 





4.Mörz wormfer Reichötage, ba durch die tirol iſche Erbſchaft alle 
*  öfterreichifche Lande vereinigt wurben, veranlaffte bad wibe 
Frankreich errichtete Buͤndniß und bie mütterlihe Berwantt 

(haft Maximilians mit dem caftilifchen Haufe eine zwei⸗ 

fache Familienverbindung. Es wurde vermählt ber Erzherzog 

21. Det. Philipp, Martmilians Sohn, mit Johanna, zweiter Zoch 
! ter K. Ferdinands des Rechtgläubigen von Aragonien, Dank 
4497 Marimiliand Tochter Margaretha mit Ferdinands einzigen 
4. April. Sohn Johann. Geit Ferdinand mit Iſabella von Gafii 
lien vermählt war, hatten bie beiben Reiche ungemein zuge 
nommen, einerfeitö durch Gruͤndung eines allgemeinen Lant: 
(1476) feiebend vermittelft ber heiligen Hermandad (ähnlich dem ſchwoͤ 
bifchen Bund, wenn biefer nicht jener nachgebilbet iſt), ande 


rerſeits durch Erhebung ber Pöniglichen Macht vermittelt der 


(1484) Inquifition unter Leitung bes Brancifcanerd Zinenez, banz 
(1492) durch die Eroberung von Granada, endlich durch bie begon 
nene Entdeckung von Weſtindien. Niemand dachte wohl, daß 

dies Alles in kurzer Zeit dem Haufe Öfterreich zu gut. kom 

1497 men würde. Aber ſchon ein halbes Jahr nach ber Vermaͤh 
4, Det. lung flarb ber Kronprinz Johann, und feine Wittwe wurde 
Mutter eines todten Kindes. Ein Jahr darauf fiarb Ferdi 

1498 nands dltere Tochter, die Königin Iſabella von Portugal, unt 
ihr Sohn Michael folgte ihr fehon nach zwei Jahren. Alſo 





wurde Johanna, Philipps Gemahlin, die einzige Erbin. Dieſe 
über alle Erwartung günflige Wendung für das Haus Öfter 


geich bat in der Folge auch auf die teutfche Gefchichte bes 
wichtigften Einfluß erhalten. 





8. Marimitian I, 1498— 1518. 895 


2. Weitere Ausführung der erneuerten Heichövetfafs - 

fung, 1496—1512, in Abficht des Landfriedens, Kants 

mergerichts, Reichöregimente ‚ Reihshofraths, — 
der Einkreiſung. 


Erfiredung des ſchwaͤbiſchen Bundes. Fortwaͤh⸗ 
rende Zaͤhigkeit der Reichsſtaͤnde in Abſicht der 
auswärtigen Reichshülfe. Maximilians Schwei⸗ 
zerfrieg. Kurverein gegen den Kaiſer. Gewünſchte 
Kurwürde für Öfterreih. Pfalzbaieriſcher Erb— 
folgekrieg. Frankreichs Bearbeitung der Reichs⸗ 
flände gegen Maximilians Theilnahme am italie⸗ 
niſchen Kriege. Hauptreichsſstag zu Coͤln in der 
Verfaffungsfache. 


Zur Vollziehung ber wormſer Schlüffe war die zugleich ein⸗ 
geleitete Erſtreckung des ſchwaͤbiſchen Bundes ein Haupt⸗ 
beſtandtheil. Dieſer hatte bereits eine hedeuicade Erweiterung 
feiner urſpruͤnglichen Beſtimmung erhalten, durch den Beitritt 
der Markgraven von Brandenburg in Franken und der Erz⸗ 
bifchöfe von Mainz und Xrier, fo wie durch die Loͤwengeſell⸗ 
fchaft in Baiern. Wie es der erſte Zweck des Bundes war 
den zehnjährigen franffurter Landfrieden zu unterflügen, fo 
ergab fi von ſelbſt, daß er auch den ewigen Landfrieden 
wenigftend fo lange mufite behaupten helfen, bis bie übrigen 
Reichslande in gleiche Einungen gebracht und fbmit erſt „daB 
Weſen des teutfchen Staats" ganz feftgeftellt fein würde. Über⸗ 
Dies ſtellte der Erzbiſchof Bertold feinen Mitverwandten auf 1496 . 
dem Bundedtage zu Eßlingen vor: „ba mächtige Nationen Ian. 
fi) erhöben, um teutfche Reichsſtaͤnde anzutaften, fo müflte 
ernftlicher Widerfiond vorgenommen werben. Die Stände 
hatten. zwar mancherlei Befhwerden und. Bebenklichleiten ges 
gen die Bortfegung des Bundes; die meiſten Städte wollten 
gar zurhdtreten. Allein Marimilian wufite fie über Alles zu 1495 
beruhigen. Er hatte nicht vergefien, welche wichtige Dienfte 22. Nov. 
der Bund ihm ſchon geleiftet. Der Bürgermeifter Wilhelm 
Beflerer zu Um, den er zu Worms zum Ritter gefchlagen, 
brachte auch bie Städte wieder herzu. Cinfiweilen übernahm 

38 * 





56 Buch IL Eeſter Zeitraum. Abſchnitt 4. 


‚1496 der Bund die Berlängerung auf Weri Sare (Bis zum Cik 


Mai. 


Dct. 


a a 
tere zwoͤlf Jahre Bedacht genommen '). 

Sofort berief Maximilian drei Reichötäge nach einander 
Den erfien verlegte er nach Lindau am Bodenſee, weil a 
bier zugleih einen Heerzug nah Italien bewerkſtellige 
wollte, um Karl VIIL entfernt zu halten. Die Reichsflänk 
ſchlugen ihm aber die Hülfe ab. Der gemeine Pfenning well: 
auch nicht eingehen. Maximilian z0g dennoch mit einem klei 
nen Gefolge über die Alpen, im Vertrauen auf feine Ber 
bimbetn Mailand und Venedig. Diefe wollten abe 
Nichts. von ihm wiflen, fobalb man fichere Nachricht hatte, daß 
Karl feinen Heerzug eingeftellt habe. Bis er zurückkam, fuht 


ber Reichtag fort die Verfafiungsfache, wozu er — 


berufen war, weiter zu berathen. Der Landfriebe, Bien 
noch eine ungewohnte Sache, wurde nen beflätigt und feiw 
Beobachtung eingeſchaͤrft. Dad Kammergericht bingega 
muſſte bereitö eingeftelt werben, weil die Befoldungen nick 
Hoffen. Da Marimilian fi) weigerte bie Koften auf vier Jahrt 


1497 zu Übernehmen, fo wurde bie Sache bem nächften 


Det. 


gau ausgeführt werden. Diefer dauerte über gehn Monate, 


Reichetag 
9.Aprl. zu Worms vorbehalten. Man beſchloß bann ben Sitz bei 


Kammergerichts hierher zu verlegen und einflweilen an be 
Befoldungen zu bezahlen; die völlige Befekung aber folite, 
nachdem man gegen fünf Donate zu Worms beifammen ge 
weſen, durch ben britten Reichötag zu Freiburg im Breit 





da auch neue Beſchwerden gegen Frankreich vorlamen. Nah 
einer Erläuterung bed wormfer Landfriedens erließ Warimi: 
lan ein firenges Mandat zu Gunften des fhwäbifchen Bun: 
ded. Er bedrohte mit der Acht fowohl diejenigen bie fih 
davon trennen wuͤrden, als bie weldye ſich noch u barein 
begeben hätten. Auf den Fall von Friebbrüchen, bei welche⸗ 
man nicht auf bie jährliche Reichsverſammlung warten Förmte, 
erhielt der Kammerrichter Gewalt die naͤchſten Fürften zu 
Erecution zu berufen. Da ber Sik des Kammergerichts 
baffelbe as 





auf's neue ungewiß war, ſo wollte Maximilian 


1) Geſchichte von Schwaben V, 840 ff. 








— — 


8. Marimition L, 14931519, , ” 597 


feinen Hof ziehen. Die Stände waren barkber verlegen unb 
wufiten fi) nicht anders zu helfen, als daß fie den Sufag 
machten: wenn ber Kaifer felbft feinen beflänbigen Sie in 
einer gelegenen Stabt des Reich nehmen würbe. Dabei ließ 
man dem bie Frage beruhen. Die Beſoldung der Kammer 
richter wurde auf wieberholtes Verlangen verbeflest, bamit fie 
in Gutwilligleit erhalten würden und befto fleiffiger fein moͤch⸗ 
ten. Da man fchon zu Lindau auf Werbefferung des Juſtiz⸗ 
wefend angetragen Hatte, fo befchloß ber Reichötag eine Res 
formation dee peinlihen Serihtsorbnung einzuleiten. 


In Abficht der Reihspolizeigefege, weiche man zu Worms 


zu weiterm Bedenken angenommen und ebenfalls zu Lindau 
mit befonberer Wichtigkeit behandelt hatte, wurden nun weis 
tere Beſchluͤſſe gefafft: die großen Foftbaren Hochzeiten folle 
jeder Fürſt, jebe Obrigkeit in ihren Gebieten abfchaffenz ebenfo 
alle tiberflüffige Kleiderprachtz; die kurzen Röde follen fo 
Yang gemacht werden, daß fie hinten und vorne wohl bedien 
mögen. Pfeifern, Zrompetern und Spielleuten folle 
binlänglicher Sold gegeben werben, damit fie andere Leute 
unbelaͤſtiget laſſen. Die Überflüffigkeit der Narren folle ab» 
geichafft und nicht Länger zugegeben werben, daß ihnen Schilde, 
Ketten und Ringe bee Herren ober abeliger Perfonen anges 
hängt werben; wo man fie etwa nicht entbehren wollte, ſetzt 
der freiburger Abfchieb hinzu, follen fie wenigſtens fo gehals 
ten werben, daß fie Anbern nicht zur Lafl fallen. Zigeuner, 
als Ausfpäher der Lande, follen bis nächte Oſtern aus dem 
Lande gefchafft und wenn fie wieber betreten würben für 
vogeiftei gehalten werden. Betrug mit Tuͤchern ift verboten, 
und wegen der wiebereinzeiffenden Weinverfälfhung wird 
eine gefchärfte Weinordnung gegeben. 

An jenen 150,000 fl., welche das Reich zur Hülfe für 
Italien zugefagt hatte, war noch ein ſtarker Ruͤckſtand. Maris 
miltan betrieb daher auf biefem Neichötage ben gemeinen Pfen⸗ 
ning um ſo mehr, als er bereits im Begriff war jene bur⸗ 
gundiſchen Gravſchaften, welche Karl VIII. gegen den Frieden 
von Senlis zuruͤckhielt, mit gewaffneter Hand einzunehmen. 
Statt ſich wegen des Rüdftandes zu entfchulbigen, verlangte 
der Reichstag erfi Rechnung über die an Maximilian entriche 


58 Buch MH. Erſter Zeitraum Abſchnitt 4. 


teten Gelder, welche man vorläufig. u 50,000 fl. anſchlug 

Auf Abfchlag wurden dann weitere 70,000 $. bewilligt, weil 

* Maximilian ſchon Soͤldner im Feld hatte; vorher aber wollte 
man noch eine Sefanbtfchaft nach Frankreich fchiden, be es 

1498 die Reidöintegrität betraf. Indeſſen machte Karld VII, Rad» 

SAus ſolger, Ludwig XII., einen Vergleich mit dem Erxzherzoge 
Philipp, der ihm gegen die Zuruͤckgabe einiger Staͤdte den 
lebenslaͤnglichen Befig von Bourgogne, Maçonais, Aureme 
und Bar⸗ſur⸗Seine zu laſſen verſprach. Maximilian war da⸗ 
mit nicht zufrieden, aber er konnte fich nicht weiter Dagegen 
fegen, weil ee noch wegen bed Herzogthums Geldern mit 
dem Sraven von Egmond, ben man auf bem Reichstage abs 
gewiefen hatte, in Krieg fland, und weil ein noch größerer 
Krieg mit den Schweizern im Anzug var. 

Bei der Errichtung des fchwäbilchen Bundes hatten fo 
wohl die Stände als der Kaifer, jeder Theil aus befonberen 
Gruͤnden, ihr Abfehen auf die fchweizerifhen Eidgenoſſen. 
Zuerft fragten die Städte bei’ ihnen an, dann wurde im Na 
men bed Bundes eine Sefandtfchaft nach Zürich abgeordnet. 
Man fand aber keinen Eingang. Schon ‚die Verficherung, 
ber Bund fei nicht gegen bie Eidgenoſſenſchaft gerichtet, er 
regte Mistrauen. Die Ablehnung gefchab zwar auf die glimpfs 
lichſte Art, doch fab man bald Spannung entfliehen. Der 
Adel, Buch den Bund trotzig, ließ hören: jetzt fei der Fund 
gefunden, daß die Bauern nicht mehr Herren fein werben. Der 
alte Haß erwachte und firdmte in Schmachliedern aus. Mari⸗ 
milian, noch xömifcher König, gewann ben Birgermeiſter 
Waldmann zu Bürichz jedoch ohne Erfolg. Ebenfo wenig ge 
lang ihm, als Sigmund die Vorlande abtrat, bie Erbeimung 
zu erneuern, benn bie Gidgenofien betvachteten dies als den 
Weg fie in den ſchwaͤbiſchen Bund zu bringen‘). So gün: 
fig ſie dem jungen, hochherzigen Fuͤrſten gewefen, fo groß 
war st ihre Abneigung gegen feine Reichsanſtalten. Der 


' 1) Gefchichte von Schwaben V, 330. Das Weitere nach der über 
fit der Geſchichte von Schwaben. 1813. ©. 89 ff. Hauptfädlich aber 
nach Blug-Biogbeim: Geſchichte der Widgenoffeh. 1816. &. 63 |, 
wo biefer Krieg umgekehrt ber Schwabenkrieg heiſſt 


8 Maximilian L, 1493—1519; 599 


„ſtaͤhlene Bund,“ fo hieß er in der Schweiz in Rüdficht auf 
die Ritterſchaft, mar eine vom Kalfer .gebotene Vereinigung 
verichiedener Ständez. was er dem Reich gewähren follte, das 
Alte befaßen fie ſchon in ihrer Eidgenoſſenſchaft. Auf jeben 
Ball erneuerten fie jebt das Buͤndniß mit der niedern Verei⸗ 
nigung (im Elſaß). Sie verfehlten nicht ben wormfer Reiches 
tag zu befchiden; als aber Marimilian verlangte, daß fie als 1495 
Gehorſame des Reichs und Liebhaber der Gerechtigkeit ben 
Beichlüffen Folge leiften, namentlich den gemeinen Pfenning 
entrichten und dem SKammergericht fich unterwerfen follten, 
bielten fie ihre Freiheiten gefährdet. Als Kaifer und Papft 
begehrten, fie follten dem Bimbniffe mit Frankreich entfagen, 1496 
fo erklaͤrten fie das fir eine unbillige Zumuthung, denn Frank⸗ 
zeich fodere nicht, fonbern gebe Geld. Kurz, fie ſahen fich 
in ber That ald nicht mehr zum Meich gehörig an. j 
Die Spannung kam zum Ausbruch über Streitigkeiten 
im Münfterthale zwifchen Zirol und Graubimdten, hauptſaͤch⸗ 
lich durch die Leidenfchaftlichkeit der Öfterreichifchen Raͤthe, 
während Marimilian noch im gelbrifchen Krieg: zuruͤckgehalten 
wurde. Er war zum Brieden geneigt. Sollte er vergeffen 
haben, was bie Eidgenoffen für das burgundifche Erbe ge 
tban? Aber ber Krieg war nicht mehr aufzuhalten. Die Sraus 
buͤndtner befegten das Münfterthal und traten in den Schweis 1498 
zerbund. Dagegen riefen bie Tiroler den fchwäbifchen Bund 
zu Hülfe. Beide Theile rhfleten; man that als wollte man 
zur die Grenzen wahren, aber fchnell erfolgten Feindſeligkei⸗ 1499 
ten, es bedurfte Feiner Kriegserklaͤrung. Sie lag nit in dies 9" 
fer oder jener Rechtsſache; der Krieg fland in den Gemüthern. 
Der Biſchof von Eoflanz, andere Fuͤrſten und Städte wollten 
vermitteln. Maximilian erbot fich zu Verhandlungen; aber 
ver ſchwaͤbiſche Bund, der Adel, die Öfterreichiichen Raͤthe 
wollten Nichtd mehr vom Frieden hören. Der Bund, durch 
feine Stellung gegen Baier ermuthigt, verachtete die Schweizer. 
An der That wären bie innen Verhältniffe der Eidges 
noffen nicht ungänftig für einen feindlichen Angriff gewefen: 
fie waren unter fich felbft getheilt und neigten fi auf ver 
fchiedene Seiten; durch geſchickten Zwiſchentritt wäre vieleicht 
mehr gewonnen worden als durch Waffen. Indeſſen vereis 


1499 


16. Mörz. ſen ein zehniähriges Huͤlfsbuͤndniß mit Frankreich. Ihre Kriege 
zucht war fo ſchlecht als bie ber andern Deere; aber beim | 


600 Bud IE. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 4. 
nigten fie ſich fchnell gegen den verhafften Bund und fdhlof: 


Angriff mufften fie ſchwoͤren Teinem Feind das Leben zu ſchen⸗ 
ken, in ihrer Stellung bis in den Zob zu verharren und flie 
hende Kampfgenoſſen nieberzuftoßen. Das machte ihre Waf⸗ 
fen furchtbar. Bon Seiten des Reichs fehlte der Nachdruck; 
dies entfchieb den Krieg. Es folgten hitzige Gefechte, meiſt 
zu Sunften der Schweizer. Eine Schaar ber Eidgenoſſen fiel 
in das Hegau, eine andere zog über Rankweil, lodte das 
Bundesvolk bei Hart heraus und flug ed in die FAucht. 
Hierauf ergab fich dad Volk im bregenzer Bald. Im Ben: 


35. Bi derholz zunächfi Bafel verlor dad bunbifche Heer. Bei Coflanz 


23. Mai. 


wollten beide Xheile einander umgeben, bie Schweizer erhiel⸗ 
ten aber einen vollfländigen Sieg. Als fie dagegen vor Er 
matingen verjagt wurden, drohte fehon der Hauptmann des 
bundifchen Fußvolks, „er wolle in der Kühmäuler Land ber: 
maßen brennen, daB Gott auf dam Regenbogen vor Rauch 
und Hite blinzen und bie Füße an fich ziehen muͤſſte.“ At 
lein die Bunbifchen wurden beim Schwaderloch (Wald unfern 
Coſtanz) geſchlagen und bis Stüuͤlingen verfolgt. Auf der 
malfer Haide im Vinßgau erlitten die Landsknechte eine ſolche 
Niederlage, daß fle im Grimm die Geifeln vom Engabin 
umbrachten. 

As nun die eibgenöffifchen Baffen auf der ganzen Srenʒe 
von den buͤndneriſchen Alpen bis in den Sundgau ſolchen Fort⸗ 
gang gewannen, ſchloß Maximilian in. Geldern Stillſtand, 
führte das niederlaͤndiſche Kriegsvolk herauf und erließ ein 
Aufgebot in das Reich mit der fürmlichen Kriegserklaͤrung: 
„die ſchnoͤden, gottlofen Bauern, vormald gegen ihre natlıs 
lichen Herren aufgeflanben, hätten ihren falfchen Bund indeſ⸗ 
fen Immer weiter auögebreitet, und eben jetzt, ba die Macht 
der Türken die Chriftenheit bebrohe, wären fie ohne Verwah⸗ 
sung ihrer Ehre in das heilige Reich eingedrungen. Da zwei 
ihrer Heere auf teutfchem Boden fländen, fo babe er ſich vor 
genommen felbft gegen fie zu ziehen, als Oberhaupt bes 
Reichs, und erwarte ungefäumten Zuzug.” Zu Überlingen be 
ſchloß der Kaifer im Kriegsrath mit den angelommenen Füuͤr⸗ 


| 


8. Maximilian JL. 1493—1519. 601 


flen die Eidgenoſſen auf verfehlebenen Seiten zugleich anzus 
greifen, um fie zu ermüden. Sie fandten eine Friedensbot⸗ 
ſchaft; er ließ fie unbeantwortet und zog mit etwa 20,000 M. 

burch Goftanz gegen das Schwaderloch, wo bie. Cidgenofien 

ſich aufgeftellt hatten. Schon. fingen die großen Büchfen an 1499 
gegen einander zu krachen. Da fiellten bie Fürften vor: fie 13. Sul 
feien nicht gefommen, die Ehre ihrer Waffen gegen Bauern 

aufs Spiel zu fehen. Unmuthsvoll ſprach der Kaifer: „es 

wäre b58 Schweizer mit Schweigen zu fchlagen,” unb nahm 

ben Rüdzug unter bem Rauche des Geſchuͤtzes. Er ’verließ 

bier die Reichönöller und ging nach Lindau, um einen andern - _ 
Angriff zu orbnen, während der Grav Heinrich von Fürftens 

berg mit 15,000 Dann bei Dormed eindringen ſollte. Dies 

fer war aber nicht auf feiner Hut; er meinte, das eibgenöffis 

ſche Heer wäre noch weit entfernt, und. wurde fo unerwartet 

im Lager überfallen, daß er ſelbſt einer der erſten im Gefecht 22. Zur. 
fill. Das war die bintigfle und letzte Schlacht. Als Maxi⸗ 
milian zu Linden die Botſchaft erhielt, ſchloß er fi ein, ew 

ſchien aber wieder bei der Abendtafel; dann betrachtete er bie 
Sterne, ſprach viel von ihrer Natur und fuhr den folgenden 

Tag auf dem See nad Coftanz, unter Scherzen feinen Uns 

muth verbergend. Aber die Sieger waren auch des verheeren 

den Krieges herzlich mübe. Sranzöfifche und mailändifche Ges 
fandte überboten fich bei der Vermittlung auf dem Friedens⸗ 25. Aug. 
tage zu Coſtanz. K. Ludwig XII. rüflete ſich die Anfprüche 

des Haufes Orleans auf Mailand mit ben Waffen burchs 
zufegen. Herzog Ludwig Sforza fparte daher weder Geld 

noch gute Worte, um bie Eidgenofien auf feine Seite zu 
bringen und fie zugleich mit dem Kaifer auözuföhnen. Er 
fand Eingang, weil ihnen der König die verfprochene Unter 
ſtuͤzung in diefem Kriege nicht gehalten hatte. Als Maximi⸗ 

lan von dem rafchen Vorbringen ber Franzoſen auf Mailand 
Nachricht erhielt, gab er den Geſandten des Herzogs Voll: 
macht, den Schweizern dad Landgericht Thurgau anzubieten. 

Run ward der Friede gefchloffen auf folgende Bebingungen: 22. Sept 
auffer der eben genannten Abtretung fol jeder Theil das 
Eroberte zurüdgeben, der Streit zwifchen Zirol und Graus 
bündten ſoll durdy den Biſchof von Augäburg vertragen . wers 


02 Bud | Deitter Zeitraum Abſchnitt . 


den, ed tee er ng 
zicht und von den Reichsauflagen befreit bleiben. 
Das war ber Audgang eines kurzen, exbitterten Kriegs, 


in welchem über 20,000 Menſchen geblieben, gegen 2000 Die 


fer, Flecken und Schlöffer abgebrannt und bei 30 Meilen Lau: 
bes verwüßlet worden. Statt die Eidgenoffen zum fchwäbifchen 
Bunde zu bringen, muflte fie ber Kaifer auch vom Reiche 
verbanbe in der Hauptfache Ioöfprechen,. wiewohl bie foͤrmliche 
Zrennung erfl nach anderthalb Jahrhunderten erfolgte. 
1499 Das Glüͤck des Königs von Frankreich, der in der naͤm⸗ 
Aug. Jichen Zeit das Herzogtum Mailand eroberte, da Maximi⸗ 
6, Oct. lian bie Schweiz verlor, veranlafite diefen einen akt. 
zu Augsburg in Perfon zu halten, um Zürften und 
1500 dringend um Hülfe gegen Frankre ich und die Zurfen auf 
10. Apr. zurufen; vor Allem folte Mailand (dad über dem Schweizer: 
krieg im Stiche gelaflen worden) wieder zum Reich gebracht 
werden. Dagegen verfprach er Friede und Ruh im Heiligen 
sömifchen Reich nach beflem Vermögen aufzurichten und zu 
handhaben. Die Stände kehrten aber die Sache um und hiel⸗ 
ten das Lebtere für bie Hauptfaches das Andere wäre, wie 
fie meinten, durch gütliche Unterhanblungen zu erlangen. —* 
dem Ausſchuſſe, der bad Verfaſſungsweſen weiter berathen 
foüte, feste der Erzbiſchof Bertold den frühen Entwurf 
e Zul. eined Reichöregiments durch, als einer befländigen Auf: 
fit über Kammergericht und Landfrieden. Marimilian mochte 
darin einen flillfchweigenden Vorwurf, wo nicht für feine Per 
fon, doch für die bisherige Reichöverwaltung ſehen, oder bie 
Stände hatten jetzt erſt ben rechten Fund getban, ber ſchon 
bei den lebten gleichgültigen Kaifern fo nöthig geweſen wäre. 
Maximilian ließ fich den Anteng gefallen, um nur bie ge 
wöünfchte Hülfe zu erhalten. Nach dem Entwurf follte Das 
Heichöregiment einflweilen fechd Jahre dauern, flatt der jaͤhr⸗ 
lichen Reihsverfammlung, unter dem Vorſitz bed Kaiferd ober 
feines Statthalters. Zu biefem ernannte Maximilian den Kur: 
fürften von Sachſen, Sriedrich den Weifen, mit 6000 fl. Be 
foldung. Die zwanzig Beifiber follten dem größern heile 
nach- aus allen Reichsfländen nach Verhältniß gewählt, baum 
noch, aufler den burgundiſchen und Öflerreichiichen Eanden, aus 








8. Rarimilian L, 1493-1519. 603 


jebem ber ſechs Reichötreife, wie fie unter K. Albrecht IL. 
vorgefchlagen worden, je einer beftellt: werben. Die Handha⸗ 
bung bed Landfriedens hatte noch immer fo viele Schwies 
rigkeiten, daB man auffer einigen neuen Zufägen und Erlaͤu⸗ 
terungen nöthig fand eine päpflliihe Bannbulle darauf zu 
fegen. Um das eingeflellte Kammergericht wieder aufzurichten, 
befhloß man einen Anfchlag von 10,000 fl. auf das Reich 
zu machen und bie Beſoldungen darnach einzurichten. Der 
Sitz deſſelben wurde mit dem bed Reichöregimentd zu Nuͤrn⸗ 
berg angewiefen. 

Run kam wohl auch die Reichshuͤlfe zur Sprache Gin 
Anfchlag gegen die Tuͤrken warb wirklich in den Abfchieb aufs 
genommen, aber, wie e8 ſcheint, bloß des Brauchs wegen: 
benn es geſchah überall Nichts und der gemeine Pfenning 
gerieth auch wieder in's Stoden. An den König von Frank⸗ 
reich ließ der Reichſtag eine Geſandtſchaft abgehen, welche 1500 
einen Stilltand vermittelte. Inzwifchen nahm Maximilian 13. Dec. 
das Neichöregiment in Anfpruch, wie es für folche wichtigere 
Bälle verorbnet war; es kam auf fein Verlangen eine vers 
färkte Verfammlung von den Kurfürflen und zwölf Fuͤrſten 1501 
zufammen, ber er feine Friedenöbebingungen vorlegte. Auch ai. 
K. Ludwig AU. war zu Verhandlungen geneigt, weil er im 
Belige von Mailand noch gar nicht ficher fland. Aber die. 
Sache wurbe von einer Zuſammenkunft zur andern aufgefchos 
ben, bis es dem Könige gelang Maximilian burch eine zu 1504 
Blois verabredete Samilienverbindung zu gewinnen, aͤhnlich 32. Sept. 
jener mit bem caflilifchsaragonifchen Hauſe, bie aber durchaus 
nicht ernfllich gemeint fein konnte, wie der Erfolg beiiefen. 
Indeſſen brachte diefe Übereinkunft dem teutfchen Verfaſſungs⸗ 
wefen die nachtheilige Bolge, daß -man das Reichsregi⸗ 
ment, ehe ed recht feinen Anfang genommen, fchon wieber 
eingeben ließ, theils weil Marimilian, des Beiſtandes nicht 1502 
mehr bebürftig, die Stände nicht zu Mitregenten haben 
wollte, theild weil bie andern Reichöftände, welche feinen Theil 
daran hatten, eine Dligarchie befürchteten, durch welche fie 
zurudgefegt würden. Dagegen fing Marimilian an, den erb⸗ 
Iändifchen Hofrath in Öfterreich mit dem fogenannten innern 
Taiferlihen Rath zu verbinden, indem er ihn nicht nur 


604 Bud UL Erſter Zeitraum, Abſchnitt 4. 


zu ben kaiſerlichen Reſervatrechten fonbem auch zu ben an: 
bern Reichöfachen nach und nach beizog, worand ber nachhe: 
eige Reichshofrath entſtand!). Berner machte Marimi: 
lan jest den Verſuch, weil mit den Reichsſtagsbewilligungen 
zum Tuͤrkenkrieg Nichts erreicht wurde, bie einzelnen Sins 


1502 flen zum Zuzug aufzufodern. Diefe Schritte veranlafften bie 
5. Iut. Kurflrften zu Gelnhaufen einen allgemeinen Kurverein 


(fatt des unterdruͤckten Reichöregiments) zu fehlieffen, in ber 
Abficht fich jährlich zu verfammeln und über Abweichungen 


1503 von der Reihöverfaffung zu wachen. Darüber machte Maxi⸗ 
9, San. millan dem Erzbiſchof Bertold Vorwürfe, weil ex, wie er 


Mai. 


ihm indeffen bei allen Reichötagen entgegengewefen, jetzt auch 
Urheber ſolcher Eigenmächtigkeiten wäre 2). Wiewohl Bertold 
im folgenden Sabre ſtarb, fo lieſſen ſich doch die andern Kır- 
fürften die Zuſammenkuͤnfte nicht verbieten; fie hatten neue 
Einwendungen und Befchwerben. 

Marimilian verlangte die Errichtung einer achten Kur 
würde für feinen Sohn Philipp, als Erzherzog von Öfter 
reich und Graven von Zirol, „ba folches dem teutfchen Reiche 
merklich Ehre und Nuben bringen würde.” Dabei vergaß ex 
wohl nicht, folange die Nachfolge in Böhmen noch ungewiß 
war, feinem Haufe wenigſtens eine Kurſtimme zu fichern. 
Jener Gedanke liegt fo nahe, daß man glauben möchte, Kaifer 
Friedrich III. habe ihn ſchon bei der Erneuerung bed erzher⸗ 


. zoglichen Ziteld im Auge gehabt. Allein die Kurfürften verba⸗ 


ten fich den Antrag ald eine verfaflungswidrige Neuerung ). 

Zur nämlichen Zeit wollte Markmilian das Reichs kam⸗ 
mergericht wieder aufrichten und ihm den Sitz zu Res 
gensburg anweifen. Dabei nahm er aber mit dee Gerichts: 
ordnung folche Abänberungen vor, baß die Kurfürften weber 
in diefe noch in den neuen Sig eimwilligen zu Binnen glaub: 
ten. Der Kaifer ließ fich aber hier nicht abbringen, und fo 
mit wäre doch ein Haupttheil ber Verfaflung wirber im Gange 
geweien. 


1) Harpredgt Staatsarchiv des Breihstanmmergerichts Th. I. 
2) Guden. Cod, dipl. Mog. Tom. IV. Nr. 259, 
9) Muͤl ler Reichetagsfiaat x. B. II C. 8-10. 





8. Maximilian L, 1493—1519. cos 


Allein der pfalzbaieriſche Erbfolgekrieg, der jetzt 
ausbrach, ſetzte das Reich in neue Erfchütterung. Was davon 
für die allgemeine Geſchichte gehört, iſt dieſes. 


Da H. Georg von Baiern:tandshut, genannt ber 1503 
Reiche, ohne männliche Erben abgehenb feine Tochter Elifas 1 Der. 


beth mit ihrem Gemahl, dem Rheinpfahgraven Ruprecht, 
zu Erben eingefebt und die Stammvetten, Albrecht und Wolf: 
gang von ber münchner Linie, ausgefchloffen hatte, fo ent 


ſchied 8. Marimilian im Fuͤrſtenrathe, wozu ex bad Kammer: 1504 
gericht von Regensburg nach Augsburg berufen hatte, daß die 20. April. 


fammtlihen Reich slehen auf beide Lebtere fallen follten. 
Diefem Spruche widerfegte fi Ruprecht und trat, nebft feis 
nem Bater, dem Pfalzgraven Philipp, mit mehrern andern 
Zürften in Verbindung, fuchte auch ‚Hülfe bei Frankreich. 
Daher ſprach der Kaifer die Acht aus und fiellte fich felbft an 
Die Spige des verlängerten fchwäbifchen Bundes. Die ſchon 
früher gegen Pfalzbaiern feindfelig gefinnten Rachbarflände 


Jun. 


brachen zugleich von allen Seiten los. Waͤhrend des Kriegs 18.Sept. 


flarb Ruprecht und hinterließ zwei unmimdige Söhne. Der 
Großvater Philipp, von Frankreich verlaffen, wandte fich jetzt 
an bie Gnade bed Kaiferd, um ber Länderverheerung ein Ende 


zu machen. Doc dauerte der Krieg in Baiern faft noch ein 


ganzes Jahr, bi ed zu einem Stilftande Fam. 


Der Reihötag zu Coͤln, welchen ber Kaifer wegen vers 1505 
fchiedener "wichtiger Gefchäfte berief, entfchied: Ruprechts 80. Zu. 


Söhne follten Neubsırg an der Donau mit ſoviel andern groß- 


väterlichen Beflgüngen erhalten, welche zufammen 24,000 fl. 
jährlicher Einkünfte trügen, das Übrige aber bei Baiern blei⸗ 


ben. Dadurch entfland nach näherer Ausmittlung bie foges 1507 


nannte junge oder neue Pfalz Die Reichsiehen überließ 


Zul. 


ber unvermählte Herzog Wolfgang faſt ganz feinem Bruder 1506 
Albrecht, und e8 wurde zugleich, mit Zuziehung der baierifchen 3- Jul. 


Landſtaͤnde, das Erfigeburtsrecht eingeführt. Kür die Kriegs: 
£often aber nahmen Öfterreich, Brandenburg, Heſſen, Win⸗ 
temiberg, Ötingen, Zollern, Ortenburg und die Stabt Nürn: 
berg eine beträchtliche Zahl pfälzifcher und baierifcher Stäbte 
hinweg, und Pfalzgrav Philipp wurde nicht eher von ber 
Neichöacht entbunden, bis er in die Xbtretungen eimwils 


4 


608 Bud I. Erſter Zeitraum Abſchnitt & 


1509 langte eilende Hülfe auf ein Jahr gerabezu ab, weil bie Ligue 
April ohne Rath und Willen der Stände gefchloffen worben, umb 
Sun. eine folche treffliche Hülfe, obne vorgängige Beratbfchlagung 
md zu fa ungelegener Zeit, ganz wider das Reichöherlouumen 
wäre !). Maximilian führte nun den Krieg mit erblänbifchem 
und geworbenem Voll, mit entlehntem Gelde; daher gehört 
der Verlauf nicht hierher und wird erft in ber Folge in einem 
andern Zufammenhange wieder berührt werben. 
4510 Drei Jahre brachte Marimilian mit bem venetianifchen 
April. Kriege zu. Im erfien machte er wieber einen Verſuch bei dem 
Reichötage zu Augsburg und entlehnte dazu vom König Lud⸗ 
wig XU. den berühmten Rebner Lubwig Heliano, einen Mai: 
länder, um von den Reichöfländen eine flattliche Hälfe zu 
erlangen. Heliano lieferte ein Meifterfiid in feiner Art, das 
Morimilian fogleich zu Augsburg bruden ließ. Er band ben 
Zeutfchen arge Unwahrheiten über die Venetianer auf, 3. B. 
daß fie auf ihren Märkten Menſchenfleiſch verkauften, und 
fuchte durch alle erdenkliche Mebnerlünfle bie Gemüther zu 
erhigen. Der Reichötag entfprach und faflte ſchneller als ges 
wöhnlich den Beſchluß: die Venetianer find in die Acht erklaͤrt 
und ein Reichsheer von 6000 zu Fuß und 1800 zu Pferd fol 
die Acht vollziehen. Allein biefer Eifer war bald wieder ver: 
raucht. Wenige Stände leifleten ben verfprochenen Zuzug, 
- und auch diefe verliefen fich wieder, weil fie ihren Sold nicht 
erhielten. 
41512 Nach Beendigung des Kriegs hielt Marimilien einen 
April großen Reichstag zu Coͤln. Eine befländige Reihö-Kriegs: 
verfaffung wollte ee haben; an fich betrachtet gewiß eine 
längft nöthige Anordnung, aber zu ben Zweden welche Maris 
miltan damit verband, wollte Niemand ja fagen. Die Stänve 
entfchulbigten fich mit ihrer Unvermögenheit, ba fie von ihren 
Unterthanen Zeinen Beitrag zu einer fo koſtſpieligen Sache 
erhalten koͤnnten. Nun ging man an bie Reichſs⸗Execu⸗ 
tionsordnung und befchloß, zu burchgreifenber Handha⸗ 
bung des Landfriebens und Kammergerichtd, die letzte Hand 
onzulegen und nicht bloß die Pleineren Staaten und Stänbe, 


1) Boldaft Reihshandlungen . ©. 84 








überficht dee Berfaffung. 609 


fonbern das ganze Reich in Landfriedenskreiſe zu brin⸗ 
gen. Martmilian ließ ſich den Antrag der Stände gefallen, 
Bon der frühern Eintheilung der ſechs Kreife wurden die drei 
erſtern beibehalten, in Franken, Baiern, Schwaben. Die drei 
übrigen wurben durch die kurfürſtlichen Lande verflärkt 
und getheilt in den obers und nieberrheinifchen, in den weſt⸗ 
phälifchen und in den obers und nieberfächfifchen Kreis. Zu 
biefen acht Kreifen wurden noch die burgundifchen und bie 
öfterreichifchen Lande hinzugefügt. So waren es denn zehn 
Landfriebendfreife, jeder das Reich im Kleinen vorftellend *), 
unter einem Kreidoberftien mit zugeorbneten Räthen, um 
über Öffentliche Ruhe und Sicherheit, über raſchere und gleich- 
förmige Vollziehung der Reichsſchlüſſe zu wachen. Wiewohl 
bie Kreisorbnung erfl unter Marimilians Nachfolger zur Vol: (1522) 
endung gebracht worden, fo behält doch feine Regierung das 
Verdienſt, gegen die wachfende Macht der Nachbarflaaten 
endlich den Grundriß zu einer feftern Vereinigung bes Reichs 
nad innen und auffen und zu einer gelenffamern Verwaltung 
gefunden zu haben. Nachbem aus den vielen, voruͤbergehen⸗ 
den Separateinungen gleichzeitiger Stände allmälig größere 
Landfriedensbünbniffe der gefammten Staaten eines Bezirks 
erwachſen und ber fchwäbifche Bund zuerft Eine Provinz uns 
ter Leitung bed Kaiferd zufammengebracht, fo find dann nach 
diefen Grundzügen in ben übrigen Reichölanden gewiffermaßen 
gefchloflene Provinzen, ähnlich den alten Großherzogthlimern, 
entflanden, und dad Reich wurde eine aus zehn Landfries 
denskreiſen beftchende große Einung, gegrimbet auf den 
erigen Landfrieben, zu Handhabung ber Verfaffung. 


3. Überficht der Reichs = und Zerritorial-Verfaffung. 


Die zehn Reichskreiſe hiſtoriſch-ſtatiſtiſch. Die 
nicht eingefreiften und die vom Reichsverbande 
allmälig losgeworbenen Länder. Fortſchritte der 
Landeshoheit, befonders in Abfiht des Steuers 


1) Eigentlich mit Zerlegung ber anfaͤnglich dem Reichsregiment 
gemachten Aufgabe. 
Pfiſter Geſchichte d. Teutſchen III. 39 


610 Bud IL Erſter Zeitraum. Abſchnitt 2 


uud Berihts-Wefens. Die Behmgerichte und» ihre 
Befhräntung Die Hauptzüge der landſtaändiſchen 
Berfaffung BiePreuffen über dem innern Kampf 
der Staͤnde vom teutfhen Rei unter die Dber: 
herrfhaft von Polen gelommen Schwierigkeit, 
in die ungleihartige Zufammenfetung des Reid: 
Lörpers etwas mehr Einheit und Thätigkeit zu 
bringen. Das Hauptergebniß des Zeitraums von 
Rudolf L bis Rarimiliaen L Äneas Sylvins won 
der Lage und den Gitten Zeutfhland3 in der Mitte 
des funfzehnten Jahrhunderts. 


Da mit der Aufhebung des Fehderechts allen gewaltfamen 
Veränderungen in dem Verhaͤltniß ber Reichöflände zu einan⸗ 
der ein Ziel geſteckt worden, „bamit Jeder bei feinen Rechten 
und Freiheiten, bei Stand und Wefen erhalten werbe:" fo if 
bier nur der Ort diejenigen Reichöflände aufzuzählen, welche 
fih erhalten ober vergrößert haben, zur Vergleihung einerfeits 
mit dem Verzeichniffe zu Anfang biefes Zeitraums unter 
K. RubolfL, andererfeits mit den nachgefolgten Beränderun- 
gen, welche durch Kriege, Verträge und Reichöfchlüffe geſche 
ben find. Zuerſt die Lande in der Kreideintheilung, bann bie 
nicht eingekreiften; ferner die vom Reiche abgelöften; endlich 
Umfang und Zufammenfegung des Reichs überhaupt. 

An dem Öfterreihifchen Kreife *), welcher von dem 
alten Herzogthbume den Namen bat und auffer ben früher da: 
mit verbundenen Fuͤrſtenthuͤmern Kärntben, Krain und Steier: 
markt alle übrigen von dem Kaiferhaufe erworbenen Kante 
vom adriatifchen Meere bis zum Oberrhein, alfo die alten 
Herzogthiimer Baiern und Schwaben burchfchneidend, bie 


1) Die zehn Reichskreiſe Hatten nie eine beflimmte Sethenfolge; 
wir gehen Hier von ber geographifchen Lage aus. Die Angaben find 
meift nah Buͤſching, jedoch mit Unterfcheidung derjenigen Veraͤnde 
rungen, welche erft durch ben weftphälifchen Frieden u. f. w. geſchehen 
find. Vgl. von Guͤnderode Unterfuchung bes teutfchen Kreisweſent, 
1788. (Matth. Hofmann) Verſuch einer flaatsrechtlichen Theorie von ben 
teutſchen Reichskreiſen zc. 1787. In ber folgenden Abtheilung, bei ber 
Ausbildung ber Kreisverfaffung, werden wir wieber darauf zurüdlonmen. 











Überficht der VBerfaffung. 611 


ganze Suͤdgrenze Teutſchlands in fich faſſt '), find wenige 
reichäummittelbare Stände geblieben, welche nicht durch das 
Erzhaus vertreten wuͤrden, wie bie mit Zirol vereinigten ‚Bis 
fchöfe von Zrident unb Briren, die Hersfchaft Traſp, die 
Teutſchordens⸗ und IohennitersBalleien. Es iſt der größte 
Reichskreis von etwa 2025 Meilen und trug 4 von ben Ver 
willigungen bed Reiche, Freiwillig hat er die Anlage von zwei 
Kurfürftenthümern übernommen. 

Der baierifche Kreis von etwa 10% Meilen, alfo 
faft die Hälfte Peiner als der Öfterreichifche, begreift nuffer 
dem ÜÜberreft der altherzoglichen Lande neun geiflliche Stände, 
das Erzftift Salzburg, bie Bisthümer Freifingen, Regens⸗ 
burg, Daflau, die Probftei Berchtoldsgaden und drei Abteien 
in Regenöburg; von weltlihen Ständen die Landgravfchaft 
Leuchtenberg,, drei andere Sravfchaften und fünf Herrichaften ; 
von Reichöftädten allein Regenoburg. Baiern und Salz 
burg führen das Directorium. Durch die verberblichen Thei⸗ 
Iungsfriege gewarnt, nach dem Erloͤſchen der flraubinger und 
landshuter Linien, und nach ber Abtretung eined Theils der 
Oberpfalz an Rheinpfalz, führte die münchner Linie das Erſi⸗ 
geburtsrecht ein, wie in ben Kurländern. 

Bon dem alten Herzogthum Schwaben, über Abzug def 
fen was zum Öfterreihifchen Kreife und fonft ausgeſchieden wor⸗ 
den, find 90 geiflliche und weltliche Stände in den ſchwaͤ⸗ 
bifchen Kreis gefommen *): zwei Bifchöfe, Coſtanz, Augs⸗ 
burg, zwei geiftliche gefürftete Stifte, zwei weltliche Fuͤrſten⸗ 
haͤuſer mit ihren Linien, nebfl einigen gefürfteten Graven und 
Stiften, fechzehn Prälaten und Äbtiffinnen, etlihundzwanzig 
Sraven, zweiunddreiffig Reichsſtaͤdte mit Einſchluß von Dos 
nauwoͤrth, das fpäter an Baiern gekommen. Beträchtliche 
Territorien haben Würtemberg und Baden aus Gran 
fchaften, Herrſchaften, Städten und Stiften zufammenges 
bracht, welche das Erſtere durch Haus: und Landes⸗Vertraͤge 
zu einem untheilbaren Ganzen vereinigt hat. Die Gründung 


1) Mit alleiniger Ausnahme ber alten Landgravſchaft, nachherigen 
Lanbvogtei bes Glfaffes. 
2) Wenn man aber nach Stimmen zählt, 100. 
39 * 


612 Bub IE Erſter Zeitraum. Abfchnite 4. 


des Herzogthums iſt ſchon oben erzäßlt. Der Umfang be 
Kreifed betrug etwa 729 Meilen. Das Directorium fühe 
ten Coſtanz und Würtemberg. 

Auf nicht ganz 500 TIMeilen find bie Stände des vor 
maligen- Herzogtbumd Franken zuſammengeſchmolzen umd 
zählen bei dem Kreife diefed Namens auf vier Baͤnken: brei 
Bifhöfe, Bamberg, Würzburg, Eichfläbt, und den ee 
Drben, ber Mergentheim zum Mittelpunct feiner Befigungen 
machte, ald Preuffen in ber Reformation verloren ging. Fer 
ner die brandenburgifchen Fürftenthümer, Baiteutb und An- 
fpach, einige gefürftete, ſpaͤter zu Fuͤrſtenthuͤmern erhobene 
Gravſchaften, dann acht weitere Grav⸗ und Herrſchaften und 
fünf Neicheflädte, worunter Nürnberg bie erſte, Weiffenburg 
die letzte. Das Directorium führte Bamberg allein, das Aus 
fchreibamt mit Brandenburg. Würzburg hat hier ben Her 
zogstitel von Franken nicht geltend machen können. 

Zum oberrheinifchen Kreife wurden anfänglich ge 
zaͤhlt: die Herzogthuͤmer Savoyen, Lothringen, die Bisthümer 

und Reichöftädte Met, Zoul, Verdun, Straßburg, Befancon, 
die Abteien Murbach, Münfter, Gravſchaft Bitſch und Land⸗ 
vogtei Hagenau mit zwoͤlf Reichsſtaͤdten, welche in der Folge 
ſaͤmmtlich vom Reiche abgeriſſen worden und, mit Ausnahme 
Savoyens, an Frankreich gekommen ſind. Dann ſind geblie 
ben: fünf Bisthümer, Straßburg, Baſel, Worms, Speier, 
Fulda; die Propfleien Weiffenburg, Prüm, Obenheim, das 
Sohanniter-Meiftertfum, bie jenfeitigen pfälzifchen Lande, dann 
die heſſiſchen und naffauifchen; ferner Solms, Iſenburg, 
Leiningen, Witgenſtein im Ganzen etlichunddreiſſig Fürften 
und Graven mit ihren Linien, und fuͤnf Reichsfläbte, Worms, 
Speier, Frankfurt, Friedberg, Wetzlar. Die Leitung hat der 
Bifchof von Worms und Rheinpfalz. Unter den weltlichen 
Ländern dieſes Kreifes find die heffifchen zu einer groͤßern 
Bedeutung gefommen durch Vereinigung beimgefallener Gran: 
fchaften, durch Erheirathung, durch Auftragung vieler Lehen 
und andere Erwerbungen mitten unter Fehden, wie Würtem⸗ 
berg. Landgrav Lubwig, vor Friedrich III zum Kaifer vor 
gefchlagen, trat freiwillig zurkd '). Nachdem das Land unter 

1) Aen, Sylrv. Opp. p. 1057. 


« 
d 
® 
; 


Überſicht der Verfaffung. - 613 


feine zwei Söhne getheilt war, brachte es der Enkel, Phis 
lipp der Großmüthige, wieder zuſammen. 

Der kurrheiniſche Kreis beträgt mit dem oberrheinis 
(hen nicht ganz 1000 TIMeilen und enthält drei geiftliche 
Kurfürftenthämer, Mainz, Trier, Coln, und Kurpfalz, das 
Herzogthum Amberg, die Teutſchordens⸗Balley Coblenz und 
einige andere Herrſchaften. Die berrlichften, fruchtbarften Laͤn⸗ 
ber in Zeutfchland, vormals der Mittelpunct des Reichs. Die ' 
Leitung des Kreifes fland hei Kur-Mainz.. 

Das rheinpfaͤlziſche Haus hat auffer den untheilba⸗ 
ren Kurlanden mehrere Befigungen bieffeit und jenfeit bes 
Rheins, wie in ber Oberpfalz, zu verfchiebenen Zeiten erwors 
ben. In diefen fanden mehrfache Xheilungen flatt, wovon 
auch der Befiger der Kurlande feinen Theil erhielt. Die fchon 
beim oberrheinifchen Kreis erwähnten pfälzifchen Sande zwifchen 
der Saar und Mofel kamen an eine befondere Linie, die fich 
wieder theilte. Bon ben im pfalzbaierifchen Erbfolgekrieg ab: 
gerifienen Stüden wurben einige wieder eingelöft, und bie - 
Pfalz erholte fih am Ende biefes Zeitraums fichtbar. Wie 
die Erzſtifte während der Kronkriege an Reichöpfanbfchaften ıc. 
zugenommen, {ft früher ſchon angebeutet. Det tritt ber 
Grenzpunct aller Stiftlande ein. 

Sm burgundifchen Kreife wurden vereinigt vier Her: 
zogthämer, acht Srapfchaften, neun Herrſchaften, vormals 
unmittelbare Meichöftände, jetzt durch Einen Herm vertreten. 
Der Kreis wurde durch Karl V. noch enger mit dem Weiche 
verbunden und unter deſſen Schuß geflellt, für die gemeinen 
Heichdanlagen zu zwei, wider die Türken zu brei Kurfürfien> 
thümern angelchlagen. Hier wie im oberrheinifchen Kreiſe 
hat die Verletzung ber Reichöintegrität durch Frankreich ans 
gefangen. 

Die aͤltern und neuern Verzeichniſſe der Stände. bes 
weftphälifchen Kreifes haben noch mehrere Abaͤnderungen 
als vie der andem. Anfängli wurden die Stifte Utrecht, 
Geldern, Zütphen, Bisthum und Stadt Cambrai dazu gezählt. 
Dann fehs Bisthuͤmer, Münfter, Paderborn, Lüttich, Osna⸗ 
brüd, Minden, Verden und acht Abtelen. Die Herzogthüs 
mer Gleve, Juͤlich, Berg fielen mit Ende dieſes Zeitraums 





—— EEE 


614 Buch II. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 4 


zuſammen durch die bergiſche Erbtochter Maria, welche mit 
dem Herzog Johann von Cleve vermaͤhlt wurde. Die Land⸗ 
ſtaͤnde haben die Vereinigung gegen das anfaͤnglich vom K 
Maximilian begünftigte ſaͤchſiſche Haus durchführen helſen. 
Friesland verlor allmaͤlig feine alte freie Verfaſſung und 
wurde zwiſchen dem burgundifchen und weflphäliihen Kreis 
getheilt. Statt der von den Gemeinden gewählten Häuptlinge 
(den altfächfifchen Edelingen aͤhnlich), welche wie die lombar 
bifhen Pobeflas die Oberherrſchaft erhielten, wurden vom 
Reiche Graven und Statthalter gefest. Über Weftfries: 
land gab 8. Marimilian dem Herzog Abredt von Sacfen 
bie Statthalterfchaft; ungeachtet ded Widerflanbed der riefen 


| ee Karl V. diefe Herrfchaft mit den burgundifchen Staa 


ten. er die Landeshoheit von Oſtfriesland firitten bie 
Häuptlinge mit ben Sraven von Didenburg. In Ruflringen 
entfland ein eigenes Häuptlingögefchlecht, dad die Herrſchaft 
Zever dem Öfterreichifcheburgundifchen Haufe zu Lehen übertrug. 
Durdy Verträge mit den andern Häuptlingen und durch Ex 
oberungen erhielten endlich die Graven von Oldenburg ba3 
ganze Weſerufer bis an die Zahbe'). Diefer Theil in Fries⸗ 
land wurde zum wefiphälifchen Kreife gezählt, fowie noch 
mehrere andere Grav⸗ und Herrfchaften, und dazu drei Reid 


ſtaͤdte, Coͤln, Aachen, Dortmund. Der ganze Umfang betrug 


etwa 1250 Meilen. Die Leitung hatten Münfter und Eleve. 

Zum nieberfächfifchen Kreife wurden auf 1420 NMei⸗ 
len gezählt zwei Erzbisthümer, Magdeburg und Bremen, die 
Bisthiimer Halberftadt, Hildesheim und Lübel; bie Herzog 
thümer Braunſchweig und Lüneburg, Sachſen⸗Lauenburg, Hol: 
flein, Mecklenburg unb einige Herrfchaften; ſechs Reichsſtaͤdte, 
Lübel, Goslar, Mühlhaufen, Norbhaufen, Hamburg, Bre 
men. Magdeburg und Braunfchweig hatten die Leitung. Auf 
Lauenburg bat fih der Sach ſen Name in ben alten Sitzen ev 
halten. Die welfifchen Fürftenthimer Braunfchweig und 
Lüneburg wurden zwar unter ihrem Stamme öfter gerheilt, 
famen aber darüber zu einer beflimmteren VBerfaffung, an 
welcher die Landflände nicht wenig Antheil hatten. Durch eins 


1) Eichh orn deutſche Staats⸗ und Rechtsgeſchichte 5. AM 











Überfiche der Verfaffung. 615 


gezogene Lehen und neuerworbene Meichöbelehnungen wurben 
die Haudbefigungen vermehrt. Nach dem Erlöfchen ber wendis 
fchen und flargarber Linien Famen die medlenburgifden 
Rande zuſammen; neue Theilung wufften die Stände zu vers 
hüten. Beim Erlöfchen der bolfteinifchen Herzoge vom 
fhaumburgifchen Sravenflamm 1459 Fam zwar 8. Chriflian 
von Dänemarf, olbenburgifchen Stammes, zum Beſitz von 
Schleswig und Holftein, jedoch nur gegen das den Stäns 
ben gegebene Verfprechen, daß Schleswig niemals wieber mit 
Dänemark vereinigt werben, ſondern mit Holftein ungetbeilt 
unter einem von ben Ständen felbft zu wählenben Heren aus 
feinem Haufe beifammen bleiben folte K. Zriedrich vereis 
nigte 1474 Holftein, Stormarn und Ditmarfen zu einem reichöe 
lehenbaren Herzogthum. Die Ditmarfen baben fih aber 
allein von allen Frieſen bis 1559 ber Landeshoheit erwehrt. 

Zum oberfähfifhen Kreife endlich gehörten in einem 
Umfange von 1950 TIMeilen die zwei Kurfuͤrſtenthumer Sach: 
fen und Brandenburg mit ihren Abtheilungen, dad Herzog: 
thum Pommern, die Fuͤrſtenthuͤmer Anhalt, Schwarzburg, das 
Bisthum Kamin, die Abtei Quedlinburg und zwei Eeinere. 
Fuͤnf Stavfchaften, Mansfeld, Stolberg, Barby, Reuß, 
Schönburg. Keine Reichsſtadt. Die Leitung hat Kurfachfen 
allein gehabt. 

Die zwei unter den Luxemburgern aufgelommenen neuen 
kurfuͤrſtlichen Häufer Sachfen und Brandenburg haben 
die Zeiten fehr zu ihrer Aufnahme zu nuͤtzen verftanden. Das 
wettinifhe Haus, in Friedrich dem Streitbaren zur Kurs 
würbe und zu ben Hauptbefigungen bed ausgeſtorbenen fache 
fen-wittenbergifchen Hauſes gelangt, hatte flatt förmlicher Lan⸗ 
deötheilungen nur Örterungen, Anweifungen auf Einkünfte 
beflimmter Landestheile eingeführt. Als die thuͤringiſche Linie 
erlofch (1440), wurbe mit Unfrieben getheilt. Friedrich ber 
Sanftmüthige wollte, daß feine Söhne Emfi und Albrecht 
die Runde ungetheilt regierten; als aber Thüringen zum zwei⸗ 
ten Mal heimfiel (1482), Fam es bald zu einer definitiven Thei⸗ 
Iung ber erneftinifhen und albertinifchen Linie In 
jener wurde nach dem Tode des Stifter der Grundſatz ge: 
meinfchaftlicher Regierung beibehalten; in dieſer die Untheil⸗ 

/ 


616 Bud IH. Erſter Zeitraum. Abſchaitt & 
barkei eingeführt. Erufs alterer Sohn, Friedrich ber 
tentſchen 





Hohenzollern, Friedrich J., entwarf ſelbſt eine Eänbeutheis 
lung für feine vier Söhne. Der dritte, Albrecht Achilles, wei 
der die fränkifchen ande mit der Marl ga ik 
alö der zweite Stammvater zu betrachten. Zu Ende 

Zeitraums wurden bie Marken für untpeilbar erftärt, m 
den fräntifchen Landen folten nie mehr als Gürfen 
(Ansbah, Bairenth) regieren. Die Hulbigung geſchah m 
allen Ländern für den ganzen Stamm, unb fo empfing auch 
der Kurfürft die Reichdichen für fi unb alle andere Finften 
zugleich. Eine Reihe Friegerifcher und unternehmender Zärfien 
bat die Lande auch aufferhalb diefed Kreifes (in Schlefien, im 
ber Laufitz 2c.) erweitert und durch Exbverträge noch groͤßere 
Hoffnungen begründet. 

Dies in Kürze die Eintheilung ber zehn Reichskreiſe mit | 
ihren Ständen. Wenn man afle Elaffen, von bem ie | 
Öfterreich bis zur Heinen Reichsſtadt Buchhorn am Bodenſee, 
zufammenzäblt, fo Tommen über brittehalbhundert Kreis: 
flände heraus, bie jebody beim Reichstage, wo bie klei⸗ 
nern Stände nur curienweife ſtimmen, nicht viel übeg 100 
sählen. Bei dieſer Eintheilung bat man zwar auf bie alten 
Großherzogthuͤmer, mit Beibehaltung ihrer Ramen, zurädges | 
fehen, die Grenzen find aber oft nad ganz andern Kuͤckfich⸗ 
ten beflimmt und das Ganze fehr willkuͤrlich zuſammengeſtellt, 
und daher auch noch bie und ba abgeändert worden. Die 
Kreife durchſchneiden fich oft auf fonderbare Weife. Und ſelbſt 
biefer Entwurf iſt nicht einmal ganz durchgeführt worben, 
denn e8 blieben innerhalb der Kreife noch verfchiebene Stände 
übrig, welche nicht in die Einkreifung gekommen, unmittelbare 
Grav⸗ und Herrfchaften, Abteien,. Reichöbörfer, dann bie 


1) &. die eben erſcheinende Gefchichte des Kurflaats und König: 
reichs Sachſen von Dr. C. W. Boͤttiger. L 3b. 


* 











Überficht der Berfaffung. 617 


Ritterfchaft, welche in Schwaben, Franken und am Rhein in 
eigene Gantone getreten. Es gab Kreiöflände ohne Kreiss 
ande; andere find in der Matrikel, haben aber feine Stimme, 
Dann gab es Kreiöftände welche keine Reichsſtaͤnde was 
ten und umgekehrt; endlich auch folche welche Feines von 
beiden waren. Die inneren Einrichtungen blieben dem Kreis⸗ 
tage überlafien; er that darin wie der Neichötag im Großen. 
Dann find bedeutende Reichöländer ganz aus ber Kreiövers 
faffung geblieben: das Königreih Böhmen mit Mähren, 
Schiefien, Laufiß, und die preuffifhen und liefländifchen 
Stände weigerten fich in diefe Verfaffung zu treten und nah⸗ 
men auc dad Kammergericht nicht an. Zwiſchen dem bur⸗ 
gundifchen und oberrheinifchen Kreis ift die Sravfchaft Moͤm⸗ 
pelgardt ausgelaflen worden. Wie der Verſuch bei der Eid⸗ 
genoffenfhaft mislungen, ift bereits erzäplt worben. Wie 
verfchieden haben ſich an den beiden entgegengeſetzten Enden 
von Zeutfchland die Werhältniffe der Schweizer und riefen 
gefaltet, welche urfprünglich einerlei Berfaffung hatten! Am 
Audbehnung ber Kreife Über die Meichöländer jenfeit der Als 


pen konñte gar nicht gedacht werden. So ifl denn auch bies 


ſes Werk nach innen und auffen fehr unvollkommen geblieben. 

Bon der Entflehung neuer Territorien in den Reichs⸗ 
landen geht die Überficht weiter zu ben Kortfchritten in ber 
Bereinigung lanbeöhoheitliher Rechte, ſowohl gegens 
über van der Eöniglichen Gewalt als gegenüber von ben 
un 5 ſen. 

Die einzelnen (ſchon früher aufgezaͤhlten) koͤnigli⸗ 
chen Rechte, welche den urſpruͤnglichen Beſtandtheil der 
Landeshoheit ausmachten, nähern ſich erſt einer vollſt aͤn⸗ 
digen oͤffentlichen Gewalt, aͤhnlich der koͤniglichen, hauptſaͤch⸗ 
lich durch zwei Stuͤcke, das Steuer⸗ und Gerichts⸗We⸗ 
ſen. Der Kaiſer mochte immer noch den ganzen Reichsboden 
als ihm unmittelbar unterworfen betrachten, und in dieſer 
Rückficht mit dem Reichstage namentlich das Recht Üben, ge 
meine Reihdloften, Steuern, Reifen (Kriegdaufgebot) auf 
alle Reichsunterthanen zu legen; hingegen die wirkliche Voll⸗ 
ziehung bei den mittelbaren Unterthanen blieb ganz ben Lans 
desherren überlafien; fie befolgten dabei nur Befchlüffe, bei 


618 Bud UI. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 4. 


welchen fie felbft mitgeflimmt hatten. Dan ließ eö unbeflimmt, 
wie bie Summe bed Anfchlags von ihnen auf die Untertbe: 
nen umgelegt werben binfe. Nur wenn fie nicht zur Ber 
wiligung geneigt waren, fledten fie ſich hinter ihre Unter 
tbanen, wie in Marimiliand Kriegen mehrere Beifpiele vor 
fommen. 

An Abficht des Gerichtsweſens flanden der Landes 
hoheit bin und wieber noch Eaiferlihe Berichte im Wege. 
Ein wichtige Erwerbung, wenn bie Fürften ein ſolches Land; 
gericht felbft an ſich brachten, wie bie Brandenburger in 
Franken, die baierifchen Herzoge in Oberfchwaben 1); auffe 
der Befreiung ihrer eigenen Unterthanen konnten fie auch bie 
übrigen Stände, welche in den Gerichtözwang gehörten, unter 
ihre Landeshoheit bringen. Zuletzt werben wenige kaiſerliche 
Sandgerichte mehr gefunden ober bloß liberrefte, welche ne 
mentlich in Schwaben mit der Reichslandvogtei unter Öfter 
eich verbunden wurden. Aber ed gab noch eine eigene Art 
von Gerichten, gegen welche Feine Landeshoheit fchüste, deren 
weite Verbreitung einen langen Kampf erfoberte, bis Die Ter⸗ 
sitörien gaͤnzlich von ihren Eingriffen befreit waren: dies find 
die weftphälifchen Freigerichte, die flilen, heimlichen ober 
VBehmgerichte, deren Urfprung, Natur, Grenzen und Re 
gein unzugängliches Dunkel barg, daß Viele Faum davon zu 
reden wagten, aus welchen bisweilen wie ein Blitz die Zei- 


“tung einer plößlichen, fuͤrchterlichen Hinrichtung fuhr. Es if 


die legte Nebelgeflalt des Mittelalters, bie endlich am Schluffe 
dieſes Zeitraums zerflief. 

Vehmgerichte heiffen auch aufierhalb Weſtphalen ſolche 
welche ven Blutbann üben (Beim, Zaem, obere Blutge⸗ 
sihte). Im Weflphalen aber bat fich die Gaugerichtsverfaſ⸗ 
fung (die von ber Saugravfchaft abhängigen Gerichte über 
Freie) am längften erhalten unter Formen, bie ſich zum heil 
bis auf Karl den Großen ober auf die Unterwerfung ber Sad; 
fen zuruͤckfuͤhren laffen: wie damals ber geheime Eid da 
Fehmſchoͤffen hauptfächlich auf Anzeige und Beſtrafung des 
Abfalls vom Chriſtenthum ging, fo wurde er nach gaͤnz⸗ 


1) Geſchichte von Schwaben V, 270 fR 


Überfiht der Berfaffung. | 619 


licher Erlöfchung des Heidenthums überhaupt auf alle to: 
deöwürbige Verbrechen übergetragen und fomit auch die 
urſpruͤngliche Geheimhaltung. Als nach dem Sturze Heinrichs . 
bes Löwen und der Zertrümmerung des Großherzogthums 
Sachſen der Erzbiſchof von Chin in einem Xheile beffelben 
Stuhlhere der Freigerichte wurde, burch lehenbares Recht als 
Statthalter des Kaifers, des oberfien Stuhlherrn, fo legten 
bie geiftlihen Herren Manches in die Freigerichte hinein, was 
fe von andern ordentlichen Gerichten, offenbaren Freige⸗ 
richten, unterfcheidet, als Stiligerichte, heimliche Gerichte. 
Die Schöffen der Freigravfchaft und der ihnen untergeordnes . 
ten Amtöfprengel (freien Stühle) wurben eiblich verbunden 
ie Einrichtung diefer Gerichte geheim zu balten und ſich Durch 
ine gewifle Loofung einander zu erfennen zu geben; daher „bie 
Biffenden.” Das Eigenthümliche bed gerichtlichen Verfahrens 
veftand unter Anderem hauptfächlich darin, dag „Nichtwifs 
ende," wenn fie nicht vor dem offenen Freigericht auf deſſen 
tadung erſchienen oder von ihrem ordentlichen Gericht gegen 
Bürgfchaft abgefodert wurden, ohne Vertheidigung auf den 
Std des Klägerd.verurtheilt ober verfehmt wurden; wenn fie 
ich nicht herauszogen, wad uͤbrigens auf diefelbe Art wie bei 
ver gewöhnlichen Acht geſchah, fo wurde das Urtheil durch‘ 
jie Freiſchoͤffen felbft vollzogen. Bei handhafter That gefchah 
te Vollziehung der Strafe durch drei oder vier Freifchöffen 
mf der Stelle. Jeder Freiſchoͤffe war verpflichtet, was zur 
‚Behmroge” (Rüge) gehörte, zur Anzeige zu bringen. Vor 
»em Zehmgerichte war Übrigens nur dann gegen Nichtwiffende 
u Plagen erlaubt, wenn vor bemt. ordentlichen Gerichte bes 
Rlägerd Fein Recht zu erlangen fland. Ausgenommen von 
ven heimlichen Gerichten waren alle Seifttichen, die Reichſsun⸗ 
nittelbarcn mit vollfländiger Landeshoheit, dann wohl auch 
Suden und Frauen. 

Auffer diefem heimlichen Verfahren ift e8 die Ausdeh⸗ 
ung dieſer Gerichte als kaiſerlicher Gerichte über ganz Teutſch⸗ 
and, was fie in diefem rechtlofen Zeitalter zu einer ganz ei⸗ 
jenen Erfcheinung macht. Eine Verbindung , nicht zum Um⸗ 
kurz einer veralteten ober zur Errichtung irgend einer neuen 
Sewalt ober Herrfchaft, nicht gegen den unthätigen Kaifer, 


620 Bud UL Erſter Zeitraum. Abſchnitt . 


ſondern zur Handhabung bes vernachläffigten öffenflichen Rich: 
teramted, auf geheimen Wegen, mit gefeßlicher Unantaſtbar 
keit der Richter. Eine fonderbare Zufammenfehung: eine ver: 


borgene Majeflät des Rechts, wohlthätig, folange Recht vor 


Gewalt nicht auflommen mochte; grunbverberblih, als bie 
Würde von diefen Gerichten gewichen, ald dad Geheinmiß 
Werkzeug eigennügiger Bosheit wurde '). 

Seit K. Ruprechtö Zeit, da die Freigraven auch aufler 
halb Weftphalen Wiffende annahmen, kommen Klagen übe 
die Ausdehnung und Miöbräuche dieſer Gerichte vor). Man 
kannte ihre Berfaffung fo wenig, daß Ruprecht erſt einige 
Sreigraven nach Heidelberg fommen ließ, um fi) von ihnen 
ein Weisthum vorlegen zu laflen. Unter Sigmund und Frieb⸗ 
rich III, wurde mit Reformationen fortgefahten, und wer fi 
durch das gewöhnliche Privilegium gegen Evocation nicht ge 
fichert hielt, ließ fih vom Kaifer noch eine ausbrüdlidhe Erem- 
tion von ben Freigerichten geben; ober es traten mehrere 


Stände in Verbindung, Jedermann Recht finden zu Iafien, 


aber Eide zu nehmen, daß Niemand folches in Weftphalen 
bei heimlichen Gerichten ſuche; oder man ließ fürfiliche und 
ſtaͤdtiſche Raͤthe felbft unter die Zahl der Zreifchöffen aufneh: 
men, um das Abberufen bee Sachen oder die eigene Bertheis 
bigung zu erleihten. Herzog Ulrih von Würtemberg war 
ſelbſt Sreifchöffe. Das befte Gegenmittel aber war, dafür zu 
forgen, daß in den Pandeögebieten nicht mehr über Gerech⸗ 
tigkeitöpflege geklagt werben konnte. So wurben die Vehm⸗ 
gerichte endlich wieder in ihre alten Grenzen als orbentliche 
Landgerichte zuruͤckgewieſen ?). 

Einen neuen Stüuͤtzpunct hatten die Lanbeöherren gegen 
ben Kaiſer an ihren Ständen, wenn ihnen, wie wir fchon 


1) Joh. Müller Schweizer Gefhhichten IV, 529 f. 

2) Bis Preuffen, bis Wien behnten ſich diefe Gerichte aus. Kaifer 
Friedrich III. befiehle 1452 dem Biſchof von Gamin, Land und Städte 
von Preuffen wider fie zu fügen. Häberlin VI, 809. Der ausge 
tretene Bürgermeifter von Augsburg, Peter Egen, wurde zu Wien 
wie man glaubte, durch bie heimlichen Fehmrichter erwuͤrgt. Geſchichte 
von Schwaben V, 209. 

5), Eichhorn aa. D. 8 419 ff. 








Überficht ber Verfaffun. 621 


ngebeutet, etwa eine Verwilligung zu ſchwer daͤuchte. Mit 
en äuffern Verhältniffen der Territorien gegen Kaifer _ 
ınd Reich und zugleich mit dem allmäligen Entflehen eines 

even Kriegs und SteuersSpftemd geht die Gefchichte 

ver innern Lanbeöverhältniffe gleichen Schritt. Beides zus 

ammen begründet die feit diefer Zeit merklicher auseinander: 

zehenden Specialgefchichten der teutfchen Staaten. Für un 

ern Zwed kommt aber hier nur in allgemeinen Betracht, waß 
n jener Begiehung zur Reichögefchichte, in diefer zur Volks⸗ 

yefchichte gehört, um die bebeutenberen Ergebnifie für das 

Sanze herauszufinden. 

In den älteren wie in ben neu zufammengebrachten Ter⸗ 
itorien erfcheinen wieder Landesgemeinden, ähnlich jenen 
ur Zeit der Großherzogthuͤmer, auch gegründet auf ihte Trüms 
ner, mit Einrechnung deſſen, worin feitbem das Öffentliche 
Leben weiter gekommen. Einerſeits hat das Erſchlaffen aller 
ınmittelbaren Verbindung zwifchen Reich und Landeseinfafs 
en, anbererfeitö bie verfuchte Ausdehnung der urfprünglichen _ 
Srundherrfchaft auf alle Claſſen der Lestern, ih Folge der 
Ausbildung der Landeshoheit, mehrfaches Beduͤrfniß einer 
mgern Verbindung berfelben und eines fefter beflimmten Ver: 
yältniffe zum Landeöheren fühlbar gemacht. Dies Alles iſt 
edoch überall nur nach Gelegenheit der Lande, nach ben bes 
onderen Umfländen und Verhaͤltniſſen, und auch nie weiter 
ils diefe es erfoderten, zur Ausführung gekommen. Daher iſt 
ie Verfchiebenheit in den ftändifchen Verfaſſungen der teuts 
chen Lande eben fo groß, als die Zerritorien felbft in Abficht 
ihrer Lage, Zuſammenſetzung und Gefchichte verfchiedben find. 
Die-Entftehung verliert ſich gewöhnlich im Dunkel ber Vers 
zangenheit; treten flänbifche Verhandlungen hervor, fo wird 
das Weſen der Sache Ichon als bekannt angenommen. Ebenſo 
ie Daum. Manche Verhaͤltniſſe fcheinen nur vorkbergehend 
zu fein, die Grundzüge aber werben ebenfo unerwartet wieber 
ufgenommen. Die Veranlaffung geben bald die Landeöherren, 
yald die Stände, zuweilen auch beibe Xheile zugleich“ Aufs 
jerorbentliche Bälle, doch nicht jeder, wo man nach ber bis» 
yerigen Verfaſſung nicht herauszukommen wuflte, find ber 
Segenftand; von Seiten der Landesherren Bimbniffe, Haus: 


622 Bud DI. Erfier Zeitraum Abſchnitt 4. 


angelegenheiten, Theilungen, Vereinigung, Fehden, nicht bes 
gebrachte Abgaben. : Bon Seiten der Stände Verwahrung 
gegen Veräufferungen, gegen Eingriffe in die Rechte bes ei 
"nen ober des andern Standes oder aller zugleih. Bald er: 
fcheint ‚dad Zufammentreten als Pflicht, bald ald erbeten: 
Hülfe, Gewaͤhrleiſtung, Verbürgung, bald wird, was zuerf 
vielleicht ungern gefcheben, ald Recht gefodert und geübt. 
Diefed gründen die Stände entweder auf das alte Einungs 
recht ihrer Corporationen, wo ſolche vorhanden waren, oder 
es wird erſt erworben nach dem bekannten Srundfag: „wo 
wir nicht mitrathen, wir auch nicht mitthaten.“ 

Die Zufammenfegung und Zahl der Stände iſt wieder 
fehr verfchieden. In ben altherzoglichen Landen finden fid 
gewöhnlih Prälaten, Ritter und Städte, andern fehlt 
ber eine ober der andere Stand, oder ift wenigftend nicht zur 
Derbindung mit den andern gefommen. Der Bauernfland, 
duch feine Grundherren oder ben Lanbesheren felbft vertreten, 
fommt in den wenigften Landen zu einer eigenen Stanbfchaft, 
in einigen durch Verbindung mit den Städten ald Landfchaft 
im engern Sinn. Häufig tritt jeder Stand in befondere Ber 
bandlungen, weil die Rechte und Berbinblichkeiten fehr un: 
gleih find. Die. Prälaten hatten Immunitäten und ver 
landen fih nur zu freiwilligen Hülfen; bie Ritter thaten 
ihren Dienft perfönlich, behielten deswegen ihre Ritterhufen 
frei, und kamen ſchwer dazu ihren Leuten Etwas Über das 
Herkömmliche aufzulegen. Die Städte gaben als ſolche Feine 
eigentlichen Grunbfleuern und übernahmen fie oft erſt in Ber: 
bindung mit den dazu gehörigen Dörfern. Nicht überall ver: 
banden fich die Stände zu Einer Körperfchaft ), und fo iſt 
denn auch die Vertretung in den meiſten Ländern fehr unvol- 
kommen geblieben. 

In Rüdfiht der Form ber Verhandlungen beiffen bie 
Befchlüffe zwifchen dem Landesherrn und den Ständen, wie 
beim Reichötage, Verabſchiedungenz felten find es wirf: 
lihe Verträge, öfter Vergleiche über gegenfeitige Leiſtur⸗ 

1) Groͤßere Staaten, wie Öfterreih, haben in jedem Lanbesthriie 
befondere ſtaͤndiſche Körperfchaften behalten, ohne fie zu einem Ganzer 
zu vereinigen. 





Überficht ber Verfaffung. 623 


jen, manchmal auh nur Reverſe ober Schablosbriefe für 
uͤnftige Fälle, Freiheitöbriefe vom Landesherrn, gewiffe ftändifche 
Rechte anerkennend; in einigen Fällen auch vom Kaifer beftätigt. _ 

Etwas Gemeinfames liegt aber doch bei allen biefen 
Berfchiedenheiten zum Grund; dieſes ift derſelbe Zweck wie 
sei allen Bünbniffen und beim ewigen Landfrieben: „baß je 
ver Theil bei Stand und Wefen erhalten werde.“ Befchrän- 
ung und Zuwachs der Gewalt ift wechſelſeitig. Sieht man 
ie Iandftändifche Verfaffung nur als Beſchraͤnkung der Für: 
lenmacht an, fo kennt man fie nur fehr einfeitig. Ihr voll 
taͤndiger Werth befteht vielmehr darin, daß fie die Autono⸗ 
nie der Landesgebiete begründet und erhoben hat. Die Stände 
Ionnten in Fein feftes Verhältnig zum Lanbeshern kommen, 
venn fie ihm nicht mehr Gewalt zugeflanden, als er biöher 
jehabt, und wenn fie nicht mehr Laſten ald bisher uͤbernah⸗ 
nen. Dagegen erhielten fie ihrerfeitö feftere Begründung von 
Rechten, die nur fehwantend ober zweifelhaft gewefen. So 
yat jeder Theil gewonnen, und die perfönlichen Beſchraͤnkun⸗ 
yen ded Landeöheren in Abficht der Veräuflerungen, Theilun⸗ 
zen ıc. find wieder Wohlthat für Haus und Land zugleich. 
Die Geſetzgebung, welche vollftändig, weder in der Gravfchaft 
ch im Herzogthum und folglich auch nicht in ber Landes⸗ 
yobeit lag, konnte vom Landesherrn mit den Ständen in eis 
iem neuen, fehr ausgedehnten Umfang geübt werben; bie Po⸗ 
izeigefeße wurben in Landedorbnungen zufammengeftellt; die 
Serichtöverfoffung, das Landredht, die Stadtrechte erhielten 
ıach gegenfeitiger Übereinkunft weitere Ausbildung. So hat 
ich die Selbftändigkeit der Territorien und bie Iandeöherrliche 
Sewalt zu einer Bedeutung gehoben, von der man früher 
eine Spur findet. | 

Diefer Theil unferer Sefchichte ift noch am wenigften uns 
erfucht; doch kann man, was die altherzoglichen Lande be- 
trifft, auf die baierifche und fächfifche Geſchichte verweifen, in 
Cbfiht der neu entflandenen XZerritorien auf Wirtemberg. 
Mehrere diefer Verfaffungen erhalten in der Folge eine bebeu: 
ende Stelle auch in der allgemeinen Neichögefchichte. 

Bis daher ift hauptfählih von Fuͤrſtenſtaaten bie 
tede gewefen. Auch in der Städteverfaflung if etwas 


624 Bud IL Erſter Zeitraum. Abſchaitt ©. 


Khnliches gefchehen, durch Theilnahme der Zünfte am Stadt 
svegiment, wovon fhon unter 8. Karl IV. gehandelt worden 
Man kann binzufegen, daß unter ben Claſſen ded Bürger: 
ſtandes größere Eiferfucht war ald unter den übrigen Stär 
den gegen einander. Als K. Rorimilian einmal in eine Reichs 
ſtadt Fam, und bie Bürger in brei Haufen gelheilt, ihn em 

pfingen, Geſchlechter, Kaufleute, Handwerker, fprach er ſcher 
zend: „fehet da bdreierlei Bauen auf Einem Mift ')W- 

Eine eigene Zufammenfegung hatte die jüngfte teutſche 
Eroberung, Preuffen. Der Ritterorden war ber Lan 
deöhere. Der Hocmeifter und feine Gebietiger (Sommer 
thure) führten die Verwaltung nach den Handfeften, welde 
den Städten bei der Unterwerfung gegeben worben. Aber 
Adel und Städte verlangten flänbifhe Mitwirkung, umd 
‚über diefem innern Kampf fiel das Land, vom Reiche vemad- 

laͤſſigt, wieder unter die Oberherrfchaft von Polen, wie wir 
bier noch in Kürze fehen werden. Schon in dem unglückl⸗ 

chen Kriege gegen die Huffiten und Polen hatte der Hochmei⸗ 

fir Michael Kuchenmeifter von Sternberg, da ber Orden felbfl 

in zwei Parteien, des goldenen Vlieſſes und des goldenen 
Schiffes zerfallen war, fich gebrungen geſehn, um das Land 

an ben Orden zu fefleln, einen Landrath zu berufen, befte: 

bend unter feinem Vorfige und ſechs Ordensgebietigern, ſechs 
Drälaten, ſechs Rittern aus dem Landabel und ſechs Bürgen 

von ben Städten, Alle jedoch nah bed Hochmeiſters 
41436 Wahl. Nah dem Frieden von Brzefcie, der hauptfaͤchlich 
burch Zuthun des Eandrathes zu Stande kam, entflanb neu 
Unzufriedenheit und Spaltung im Orden. Der alte Eidech⸗ 
fenbund wachte wieber auf; der Adel ſchloß fi an die Städte. 
4440 Zu Marienwerber errichteten beide Stände einen Bund zu 
15. März. Erhaltung ihrer Rechte. Vergeblich fuchte ihn der folgente 
Hochmeiſter, Konrad von Erlihöhaufen, zu trennen ober er 

nen neuen zu errichten. Sein fchwacher Nachfolger, Wilhelm 

von Eppingen, rief die Vermittlung des Kaiferd und des Pap- 

ſtes an. Die Stände beharren auf dem Bunde und erhalten 

von K. Friedrich II. für 5400 fl. fürmliche Befldtigung def: 


1) Bugger ©. 1886. 





Überfiht. der Berfaffung. 625 


feiben, nebft dem Rechte, zu Führung ihres Proceffes am kai⸗ 
ferlihen Hofe Schatungen umzulegen. Sie wählen einen en- 
gern Rath oder Ausſchuß von zehn aus dem Laube und zehn 
us den Städten. Da ber Kaiſer keinen Vergleich zu Stande 
ringen farm, fo erflärt er, mit Zuziehung einiger kurfuͤrſtli⸗ 


hen und fürfilichen Gefandten, daß Land und Staͤdte Beine - 
Macht gehabt hätten einen Bund zu errichten, daher verſelbe 


:odt und ab fein ſolle. Die Stände hatten: die Bezahlung 
ener Summe noch nicht geleiflet und fehten dazu einen neuen 
Termin. Aneas Sylvius misbilligte zwar auch den Bund, 
och gab er zu, daß der Orden übermäthig der Unterthanen 
Rechte gebrochen. Im Vertrauen auf "den kaiſerlichen Spruch 
vollte der Diden Rache üben; der Bund aber kimdigte den 
Sehorfam auf und faſſte ben verzweifelten Entjchluß, nad 
em es zum Kriege gefommen, bad Land dein - Könige Ra: 


imit von Polen zu unterwerfen, der die Pribilegien befkge : 


igte und noch’ vermehrte. Das Unglüd ves Ordens volldris 
»eten die Söldner, mit welchen jetzt; nad) dem Beifpiele 
inderer Staaten ; des Krieg geführt wurde. Um den Solb 
ufzubeingen, verpfändete dei Orden die Neumark an den 
Rurfürften Friedrich IL. von Brandenburg" auf Lebenszeit fire 
100,000 fl. Auch dies teithte nicht zu: "Die Soͤldnerhaupt⸗ 
eute muflten felbft mit Pfaudfchaften von Landestheilen bes 
tiedigt werben; biefe verkauften fle nehfl: Marienburg-an 


en 
« 


1454 
6. Febr. 


en König von Polen für 436,000 fl., und fomit ging ber j 


Hauptfig des Hochmeifters fchon an Polen’über. : 

Während Kaſimir mit:Litthauen und Böhmen zu thun 
yatte, ermattete allındlig der Krieg. Im öfffichen Preuffeit 
yehielt der Orden die Oberhand, im weftlichen die Polen und 
er Bund. Nach dreizehnjaͤhrigem Krieg vermittelte der paͤpft⸗ 
iche Legat den Frieden zu Thorn, wodurch die Lande Culm, 
Michelau, Pomerellen nebſt den Bisthuͤmern Culm und Er: 
neland an Polen abgetreten, das Samlaͤndiſche und Pome⸗ 
aniſche dagegen dem Orden gelaſſen wurde, jedoch unter pol: 
tifher Lehenshoheit.” Alfo ging Preuſſen dem teutſchen 
Reiche verloren im. zweihundertundvierzigften -Fahre,; nachdem 
8 8. Friedrich IL in den Schuß deſſelben aufgenommen. 
t. Friedrich DIL. und der Papſt fahen diefem Verluſte gleich 
Dfifter Geſchichte d. Zeutfchen IH. 40 


1466 


626 Bub IE Erſter Zeitraum. Abſchnitt 2. 


gültig zu. DIener war ‚mit ben teutichen Fuͤrſten ſelbſt im 
Krieg, und Beide wollten dann lieber einen Kreuzzug gegen 
den ketzeriſchen K. Georg von Böhmen führen. Man begnügte 
fich die Anfprüche des Reichs nicht aufgegeben zu haben, um 
fie etwa bei günftiger Zeit wieder geltend zu machen. Die 
1470 folgenden Hochmeiſter verfuchten das polnifhe Lehensband 
1476 wieber zu löfen, fie wurden aber jedesmal zur Hulbigung ge 
zwungen. Ein neued Unglüd drohte bem Orden von ben 
Ruſſen und Schweden. Der Landmeifler in Liefland, 
Walter von Plettenberg, Tonnte den faft zehnmal ffaͤrken 
ruffifchen Heexen kaum 4000 Reiter und einige taufend auf: 
gebotene Bauern entgegenftellen, aber feine zahlreiche, gut be 
1503 diente Artillerie gab ihm Überlegenheit. Nachdem er bei dem 
Reiche vergeblich Hülfe gefucht, ſchloß er einen funfzehnjaͤhri⸗ 
gen Brieden, der, folange Iwan Wafiliewitich lebte, gehalten 
4511 wurde’). Der Orden wählte endlich ben Markgraven AL 
brecht von Brandenburg, Enkel des Achilles, und Schweſter 
fohn 8. Sigmunds von Polen, zum Hochmeifter. Dan hoffte 
bie entriffenen Länder vom Lebtern wieder zurückzuerhalten 
und in nähere Verbindung mit dem teutfchen Reiche zu kom 
men. 8. Sigmund bewies ſich gefällig, er wollte dem Dr 
den ein Stud Landes in Pobolien oder Rothrußland zur Fort: 
fegung bes Kriegs gegen die Ungläubigen abtreten. Aber die 
Huldigung wurde nicht erlaffen. Albrecht fuchte Hülfe beim 
Papft und Kaiſer. Da dieſe ausblieb, muffte er fid zu Ab⸗ 
1513 tretungen verſtehen. Der liefländifche Landmeiſter erfaufte von 
ibm das Recht, daß Liefland, Kurland, Eſthland ihren Land: 
meifter felbft wählen dürften; durch Erlaffung der Lehenspflicht 
wurbe er unabhängiger Furſt. Um den Kurfürſten Joachim I. 
von Brandenburg, feinen Stammedvetter, zu gewinnen, ent: 
fagte Albrecht dem Wiedereinlöfungseechte der Neumark. Alſo 
büßte der Orden auf zwei Seiten gerabe diejenigen Laͤnder ein, 
welche nicht unter polnifcher Lehensherrlichleit waren, um 
Mittel zu erhalten, diefe in feinem Hauptlande wieder abzu 
werfen. Nun wollte 8. Marimilian doc Etwas für ben Dr 
1514 den thun: er verlobte dem K. Chriſtian IL von Dänemark feine | 





1) Hegemwifch Geſch. K. MarimitiensL Ahl. II, 198. 





Überficht der Verfaffung. 627 


zweite Enkelin, um beffen Beiſtand zu erhalten, und fchloß 1514 
mit dem Stoßfürften Waſilej Iwanowitſch ein Angriffsbuͤndniß 4 XAug- 
gegen 8. Sigmund von Polen ’). Er änderte aber bald, wies 
der feinen Entfchluß, da er wit Sigmund umd feinem Brus 
der Uladiſlav die Erbfolge feined Haufes in Ungern und Boͤh⸗ 
men bewerkftelligte, wie wir unten fehen werben. Dennoch 
fing der Hochmeifter mit teutfchen Soͤldnern, welche freien 
Zug durch die Marken erhielten, ben polnifhen Krieg wieber 1518 
an. Sieben Jahre dauerte diefer Krieg, bis er durch die Kir 
chenreformation mit dem Untergange bes Ordens in Preufs 
fen ein Ende nahm. 

Man muß fi) mehr über K. Marimilien I. als über - 
Friedrich TIL wundern, daß ber teutfche Orden in ber lebten 
Zeit fo ganz ohne Hülfe gelaffen worden. Warum ift Nie 
mand bei den fortwährenden Zirrkenfriegäberathungen auf ben 
Gedanken ‚gekommen, dieſen Orden wieder zu feiner erſten 
Beſtimmung zurüdzuführen, wie die Johanniter? 

So weit die Überficht der damaligen Lage der teutfchen 
Staaten und bed Reichsumfanges. Alle europdifchen Staa⸗ 
ten waren im Mittelalter Nichts weiter ald Cinungen von 
ſehr ungleichartigen Zheilen, durch das Lehenband und hierar⸗ 
chiſche Inftitute fehr unvollkommen zufammengefebt. Das 
teutfche Reich iſt unter allen der zufammengefestefle Staats⸗ 
koͤrper von fehr ungleichartigen und unverhältnigmäßigen Thei⸗ 
len, während die Macht und der Umfang des Kaiferthums in 
fleter Abnahme if. Einige Länder ſtehen nur noch in einem 
loſen Lehenverband, wie ein Zheil von Italien und Sas 
voyen. Das altburgundifche Reich iſt unter den Luxem⸗ 
burgern erlofhen. Die Schweizer, der Träftigfle teutfche 
Stamm in Suͤdweſt, haben fid) vom Reiche abgelöft und lei⸗ 
hen ihre unbefiegbaren Waffen den umliegenden Staaten. In 
Nordoſt erlofch die Tapferkeit des teutfchen Ritterordens, 
Böhmen mit den dazu gehörigen Landen ſteht am Schluffe 
dieſes Zeitraums kaum noch im Reichöverband, fo groß fein 


1) Lünig Cod. Germ. dipl. T. I. p. 577 sq. Das Übrige nach 
HäberHin Keichsgeſchichte VI, 302 ff. 55% f. Stengel Geſch. bes 
preuſſiſchen Staats I, 196 ff. 286 ff. 

40 * 


6238 Bub II. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 4. 


früherer Einfluß gewefen ifl. Dagegen find die zehn Reiche 
Ereife, als untergeorbnete Staaten oder Provinzen, unter ib 
ren Häupten eine gewifle Autonomie übend, durch ein neues, 
feftered Band zu einem gefeglichen Staate verbunden und 
machen nun da8 Reich im engern Sinne aus. Aber aud) 
in diefem find wieder fehr verfchiedene Verhältniffe dee Stänte 
unter fih und zum Reich. Es find drei Eollegin, Kurfür- 
fen, Fürſten und Stände. Die beiden erſtern find mehr 
als bloße Stände: fie führen felbft eine Landesregierung mit 
Ständen, bie vornehmften von ihnen haben auch die Zeitung 
der Kreife. Die Kurfürften, mit dem ausfchließlichen Wahl⸗ 
vecht, mit den Willebriefen und andern Vorrechten, ſtehen als 
die fieben Leuchter um ben Kaiferthron, uͤben die Aufficht über 
Erhaltung der Verfaflung und bilden die höhere Ariftokratie. 
Die Fürſten wetteifern als Mittelmacht zwifchen ihnen und 
den kleinern Ständen, aͤhnliche Rechte zu erlangen. Die 
Städte, ald die vermöglichften Stände, folen bezahlen was 
die andern verwilligen; fie gelangen nur zu einer befchränften 
Reichsſtandſchaft und nehmen daher bie meiflen Be 
fchlüffe „zum Hinterfichbringen (Sppofition)." Die Städte 
haben in der That noch ein bebeutended Gegengewicht gegen 
die Kürften: einerfeits durch ihre Zahl, Wohlhabenheit und 
ihre noch beftehenden Bündniffe in der Hanfe und im ſchwaͤ⸗ 
bifchen Bunde; anbererfeitd durch die noch immer vorkommen⸗ 
den Theilungen ber Fürftenhäufer und ben geringern Wohl 
fland ihrer Lande ’). Zwiſchen den Fürften und Städten fleht 
wieber eine Mittelmacht, die Graven und Herren, ber 
Reichsſtandſchaft eben auch nicht günftiger ift ald die der Legtern. 
Diefe Heinen Stände flimmen nicht einzeln, fondern in Eu: 
rien oder Baͤnken. Endlich behält der Kaifer die Reichs: 
ritterfchaft, den Überreft des urfprünglichen Standes ter 
gemeinen Freien, unter feiner befondern Leitung (als die dltefle 
Reichsmiliz), die aber unter den Fortfchritten des Kriegsweſens 
- von felbft antiquirt wird. Die kleinern Stände zufammen, 
Prälaten, Sraven, Herten, Ritter, Knechte und Städte, beif: 


—— 1) g en Handb. d. Gef. bed europ. Staatenſyſtems x. 
1 


überſicht der Verfaffung. 629 


ſen das Reich im engſten Sinne, worin der Kaiſer noch 
allein der eigentliche Landesherr bleibt. So ſind bei allen 
Umgeſtaltungen des Reichs immer wieder Bruch⸗ 
ſtücke der alten Verfaſſung mit eingefügt worden, 
und das Ganze befteht aus bielen ineinandergreifenden Rins 
gen. Die Kreiötage find der verkleinerte Reichötag, und bie 
meiften Xerritorien haben in ihren Landfländen wieder ben 
Kreiötag im Kleinen, der Sache nach aber theils mehr theils 
weniger .ald im Reichstag. 

Dad Hauptergebniß bes Zeitraums von RudolfI. bis 
Maximilian I. ift dieſes. Zuerft, da Bein Haus mehr mächtig 
zenug war bad Kaifertbum im alten Sinne zu behaupten, 
muſſte vor allen Dingen die koͤnigliche Macht in Teutſch⸗ 
and wiederhergeftellt werden. Dann ein langer Kampf der 
erſten Häufer um bie hoͤchſte Wuͤrde, wobei Papft und Kur: 
fürften nicht gefäumt bedeutende Rechte und Vortheile fich 
juzueignen, bis die Letztern felbft den Anmaßungen von jenem 
ich widerfegen muͤſſen; Kurverein. Die Folge ift das Wahls 
zeſetz, die goldene Bulle vorzugsweife genannt, ein Reichs⸗ 
zrundgeſetz. Im dieſer verwirrten Zeit üben die Stände das 
Sinungsredt für die Reichs» und Kirchen: Freiheit. 
Segen die Concilien gelingt es dem Papfte feinen Primat wie: 
ver aufzurichten; der Kaifer will fich anfchlieffen, um auch 
eine Vorrechte gegen bie Landeshoheit der Sürften zu bes 
aupten, muß aber endlich felbft an die Spitze des Einungs⸗ a 
vefend treten, um erft fein Haus und feine Würde zu retten. 
Der ewige Landfriede wird das zweite Reichögrundgefeg 
iefer Periode. Durch die Einkreifung erhält das Reich 
ine feftere Geftalt, als es bisher durch daB Lehenband und 
te Hierarchie hatte. Da bei der mannichfachen Zufammen: 
egung auch die Verwaltung fehwieriger wird und der Kaifer 
n feinen Erblanden fist, fo werden verfchiedene Verfuche 
emadt, umeinen befländigen Senat im Mittelpunct 
u verordnen. , 

Allerdings ein Iangfamer und fohleppender Gang und eine 
wer bewegliche Maffe. Das Eommt daher, weil man kei⸗ 
em Stand gewaltfam Etwas nehmen durfte, weil Peiner Et⸗ 
oas von feinen Rechten aufgeben, jeder bei feinen Freiheiten 


630 Buch IL Erfter Zeitraum. Abſchnitt 4. 


bleiben wollte. Nach ben Kronkriegen, und nachbem die Stände 
. enblih dad Waffenrecht gegen einander aufgegeben, tft bad 
Meifte fir das teutfche Gemeinwefen durch gefegliche und frie: 
liche Mittel gefcheben, während die Monardhien in Frankreich, 
Spanien, England durch eine Reihe von wilden, biustigen, 
graufamen Auftritten ihre Macht befefligt haben. Und das | 
ift nun das verfchiedenartige Wieberaufleben der Mons 
arhie in Kirche und Staat: in jener mit Hülfe bed Kaifers, 
zu einer faft abfoluten Oberherrfchaft über Glauben und Gi 
ter der Kirche, mit Ausfchlieffung aller Reformationsverfuce; 
in dieſem durch die gefeßlichen Bemühungen der Reichsflände 
zu einer gemäßigten conflitutionellen Monarchie, nicht 
fowohl duch Befchränkung der Faiferlihen Rechte ald durch 
Übertragung der perfönlich gelibten hoͤchſten Gerichtöbarkeit 
und Verwaltung auf verfaffungsmäßige Behörden, 
Kammergericht und Reichöregiment, vom Kaifer und den Stäns 
ben zugleich befeßt, unter dem Vorſitze eines kaiſerlichen Wir⸗ 
beträgerd. Die Perfon bes Kaifers ward dadurch erhoben zur 
Unverleglichkeit. Nur die Oberlehenöberrlichkeit und die bamit 
verbundene Oberbefehlähaberfchaft übt der Kaifer noch perſoͤn⸗ 
lich. Dieſe ganze Zeit nach dem Untergang der hohenflaufi: 
fen Kaifer hat das Reich mit fich felbft zu thun gehabt. 
Nun kann es auch wieder an ben europäifchen Angelegenbei> 
ten Theil nehmen. 

Bon der innern Lage Teutfchlands in der Mitte des funf: 
zehnten Iahrhunderts bat Aneas Sylvius eine Schibe 
rung binterlafien, bei welcher er Tacitus unfterbliches Werk 
vor Augen gehabt zu haben feheint. Wenn der große Römer 
fein verweichlichted Volk auf Tuiſkos kraͤftige Söhne aufmerk⸗ 
fam macht, fo fucht dagegen Aneas die Beſchuldigung abzu⸗ 
lehnen, ald hätte der römifhe Stuhl Zeutfchland unterbrädt 
und audgefaugt, wobei ihm doch auch nicht entgeht, woher 
noch der gefährlichfle Angriff des Papfitbums kommen könnte. 
Der gebrängte Auszug iſt diefer ). 

„Teutſchland,“ fagt Änens, „ift nie mächtiger und reicher 
geweien als jetzt. Die Grenzen gehen weit über bie alten 











Überfiht ber Berfaſſung. 631 


binaus; Rhein und Donau, vormals Grenzfluͤſſe, ſtroͤmen jetzt 
burch bie Mitte des Reiche. Belgien, Helvetien, Noricum, 
ein Theil von Pannonien, felbft Die hoͤchſten Alpen find teutſch. 
In Mähren und Schlefien, vormald zu Sarmatien gehörig, 
und auf den Infeln des baltifchen Meeres findet man teut⸗ 
Ihe Sprache und Eliten. Welcher fhöne Anbau ſchmuͤckt 
das ganze Land! Wer kann die Burgen, bie Stäbte, bie 
Dörfer und Weiler zählen? Aachen, der alte Sig des Reichs, 
bat einen Palaft mit Steinbilden der Kaifer und einen Tem⸗ 
pel mit Reliquien, wo die vömifchen Könige gefalbt werben. 
Trier ift ein erzbifchöflicher Sig, wo ſchon in frühen Beiten 
das Chriſtenthum gegründet worden. Keine fchönere Stabt 
in Europa ald Coͤln, an Gebäuden, Bevölkerung und Lage. 
Die Flanderer und Brabanter find teutfch, ob fie gleich zu 
Frankreich zu gehören fcheinen. Mainz if alt und etwas 
eng, aber mit herrlichen Gebäuden; Worms ift nicht groß, 
aber angenehm. In dem volkteihen, gut gebauten Speier 
ift der abgebrannte Dom wieber ſchoͤner aufgebaut und ent» 
hält die Grabmaͤler der Kaifer. Straßburg mit feinen vie: 
len Canaͤlen giebt ein Bild von Venedig, und feine flieſſen⸗ 
den Wafler find weit angenehmer und gefünder als die falzi> 
gen und übelriehenden Lagunen. Die hohe Muͤnſterkirche von 
Quaderſteinen bat zwei Thuͤrme, von welchen ber eine be 
wunbderndwürdig mit der Spite in die Wolfen reicht. Die 
Stadt hat Häufer von Bürgern und Geiftlihen, worin Fürs 
fien wohnen dürften. Baſel iſt bei allen Voͤlkern befannt 
Durch feine Befcheidenheit und Würde in der öffentlichen Ver⸗ 
waltung. Coſtanz liegt angenehm zwifchen. zwei Seeen, 
welche der Rhein füllt und entleert. Bern laͤſſt unter feinem 
Bürgermeifler 20,000 Bewaffnete ausziehen. Zürich iſt eine 
große und blühende Stadt am See, den bie Limmat durch⸗ 
fliefft. Über Kempten, Memmingen, alte, nicht unbes 
ruͤhmte Städte, geben wir nah Augsburg. Wenige Städte 
werden gefunden, welche ditfer gleich kommen in Abficht auf 
Glanz, Bevölkerung, Reichthümer ber Geiſtlichkeit und Ber 
waltung bed gemeinen Weſens. In Baiern ift kaum eine 
Stadt die nicht reinlih wäre. Das fchön gelegene, herrlich 
gebaute Salzburg iſt erzbiſchoͤflicher Sig, Größer iſt Res 





632 Buch IL Erfer Zeitraum Abſchnitt 4. 


gensburg, wo ein K. Konrad I, ben Kreuzzug verſammelte. 
Wie wohl gelegen it Paffau, zwifhen dem Sun und ber 
Donau, welche bier mit ſolcher Macht zufammenflieffen, daß 
man im Iweifel ift, welchem ber Sieg gebühre, wiewohl von 
Alters ber ber legtere Strom dem erftern den Namen genom: 
men. In Wienerifh:Neuftadt hat K. Friedrich III. meiſt ge 
wohnt. Wien, der Sit der alten Herzoge von Öfterreich, 
hat Tönigliche Paldfie und Tempel, welce Italien bewundern 
winde. As einft bofnifche Gefandte den St. Stephansthurm 
faben, feine Kunft und feine Höhe, fagten fie, der babe mehr 
gekoftet, ald ganz Bofnien werth wäre. Die Stadt hat hohe, 
fleinerne Häufer mit fürfllichen Eingängen, doc find wenige 
mit Ziegeln gededt. Sie haben heizbare Stuben mit gefchlofs 
fenen Glasfenfleen. Die Keller find fo tief und geräumig, 
daß man eine ganze Stadt unter ber Erde finden könnte. 
Das Straßenpflafter ift von harten Steinen. Es iſt ein Klo⸗ 
fler zum heiligen Hieronymus zur Belehrung gefallener Dir 
nen; wenn eine derfelben rüdfällig wird, fo wird fie in ber 
Donau erfäuft. 1200 Pferde find 40 Tage lang während 
der Weinlefe in Thaͤtigkeit; der zehnte Pfennig vom Wein⸗ 
ſchank beträgt jährlich 12,000 fl. zur Kammer. Gonft haben 
die Bürger wenig Abgaben. Man zählt 50,000 Communi⸗ 
canten. Nach dem Bann wird wenig gefragt; in der Faſten 
ruhen die Zuhrleute nicht, es wirb auch immer Fleiſch ver 
Fauft ).“ 

„Alle diefe Städte,” fährt Aneas fort, „find im neuern 
Zeutfchland. Das alte hat nicht geringere. In Schlefien ift 
Breflau, von Steinen gebaut, anftändig und feſt; dad Biss 
thum dafelbft hieß ehmals das goldene. Brünn in Mähren 
iſt vorzüglicher ald der Biſchofsſiz Olmig Danzig in 
Preuſſen iſt zu Land und See gleich mächtig und führt nicht 
weniger ald 50,000 Stereiter in den Kampf; feine Schiffe bes 
berrfchen das baltifche Meer. Thorn ift auch nicht unbekannt, 
wenn. ed gleich ehmals zu Sarmatien gehörte. Das flapis 
ſche Böhmen ift ganz von teutfchen Ländern umgeben und 
bat Bieled von teutfchen Sitten angenommen. Der Abel 


1) Cf. Aen, S8ylv. Opp. p. 718 sg. 





überſicht der Verfaffung. 633 


fpricht beide Sprachen. Prag ifl nicht geringer als Florenz, 
und die Moldau, welche die Stadt durchſtroͤmt, waflerreicher 
ald der Arno. Das Land hat noch mehrere und audgezeich- 
nete Städte. Die Rorblüfte von Zeutfchland eben fo. Un 
ter ihnen ift Lübed die erfie an hohen, fehönen Gebäuden, 
an Reichthum und Macht; fie hat einft (ald Haupt der Hanfe) 
dem flandifhen Norden Könige gegeben. Braunſchweig, 
die Heimat der Ottonen. Wer kann alle berühmten friefis- 
ſchen, hollaͤndiſchen, weſtphaͤliſchen Städte aufzäh- 
len? Heſſen und Thüringen hat auch ſolche, darunter 
iſt Erfurt die bevoͤlkertſte und reichſte. Frankfurt am 
Main iſt der gemeinſchaftliche Markt fur Ober⸗ und Nieder⸗ 
Teutſchland, und Sig der Reichsverſammlung und Koͤnigs⸗ 
wahl. Es hat hölzerne, aber auch fchöne fleinerne Häufer, 
Daläfte und herrliche Tempel, Afhaffenburg ift der Er 
bolungsort des mainzifhen Erzbiſchofs. Würzburg, aud 
am Main, eine herzogliche und biſchoͤfliche Stadt zugleich, 
mit einem ſtarken Schloß. Bamberg hat da8 Grabmal 
K. Heinrich des Heiligen. Forchheim ift durch fein ſchnee⸗ 
weiſſes Bredb eruhmt. Die fränkifchen Städte überhaupt find 
nicht zu verachten. Was für einen großen Anblid bietet 
Nürnberg fchon von ferne dar. So viele Bürgerhäufer, fo 
viele Schlöffer. Die Könige von Schottland würden gerne 
wohnen wie ein mittlerer Nürnberger. In Schwaben iſt Ulm: 
die Hauptflabt an der Donau, befeftigt und nicht unreinlich.“ 

„In Wahrheit, in Europa ift kein Land, bad nettere 
und freundlichere Städte hätte ald Zeutfchland. Dan Pönnte 
wohl einzelne in Italien vorziehen, aber das Ganze gegen 
einander gehalten, hat Italien den Vorzug nit. Das Ans 
fehn von’ Teutfchland iſt gewiffermaßen neu und die Städte 
ſcheinen erſt geftern erbaut zu fein. Wenn ed wahr iſt, daß 
Reichthum da iſt, wo Kaufleute, fo iſt Zeutfchland nicht arm. 
Zudem hat es viele Bergwerke; im Rhein findet man Gold» 
koͤrner, in ben böhmifchen Flüffen finden die Zaboriten eben 
falls ſolche. Der Hausrath zeigt ed. Kein Saflmahl, wo nicht 
aus fübernen Gefäßen getrunken würde; Bürgerfrauen glänzen 
von Gold. Wir übergehen die reichen Rüftungen ber Ritter, 
bie Kleinodien und übrigen Reichthiimer der Kirchen.” 


634 Bud IL Erſter Beitenum. Abſchnitt 4. 


„Maͤchtig iſt Zeutfchland. Prälsten, Fuͤrſten, Städte 
find zwar alle Einem Haupte unterworfen, thun aber gemei: 
niglich nad ihrem Gutduͤnken und fchalten gleichfam frei über 
ihre Unterthbanen. Unter ben großen Prälaten find drei Erz⸗ 
bifchöfe Die angefehnften Kurfürften, welche das Kanzleramt 
durch Germanien, Arelat und Stalien haben. Der von Trier 
bat die erfie Stimme; ber von Coͤln iſt auch Herzog in We: 
phalen. Ihnen gehorchen die angefehnflen, reichſten Stäbte 
und ein zahllofer Adel. Der Erzbiſchof von Salzburg wird ge 
borner Legat des römifchen Stuhld genannt. Unter ben Bi 
thümern feines Sprengeld heifit Paflau das reichfie, Regens⸗ 
burg dad wüuͤrdigſte, Steifingen das ditefte, Brixen das ficherfle. 
Alle haben Schlöffer, volfreiche Städte und viele Vaſallen. 
Der Erzbifhof von Magbeburg gilt für ben Primas von 
Zeutfhland. Der Erzbiſchof von Bremen ift aud mächtig. 
Der fiebente Erzbifchof des Reichs zu Prag ift durch den Huf 
fitenfrieg verarmt. Luͤttich und Utrecht find die blühendften 
teutfchen Bisthuͤmer; jedes zieht mit nicht weniger als 40,000 
Streitern in ben Krieg. Der Würzburger heifit zugleich ‚Her: 
309 in Franken. Obgleich Bamberg auch in Franken Liegt, 
fo bat es doch in Kärnthen viele reiche Stiftungen. Über 50 
bifchöfliche Kirchen haben die Zeutfchen. In Vergleihung mit 
diefen reichen Bifchöfen find die italienifchen kaum Stadtpfar 
zer zu nennen. Wie viel find hernach Prälaturen, Propſteien, 
Kanonilate, Decanate, Archidialonate, auf welchen lauter 
eble oder gelehrte Männer figen. Lüttich hat bei der Haupt: 
fire über 70 Pfründen. Wer zählt die reichen Klöfter, bie 
eine große Zahl von Moͤnchen nähren und dabei eine große 
Saftfreiheit üben? Der teutfche Orden hat Töniglihe Macht. 
Wir Finnen die weltlihen Kurfürften und Fürften, die vielen 
eblen und ritterlichen Sefchlechter, welche Fein anderes Land auf: 
zuweifen hat, nicht alle aufzählen, unter weldyen mebrere ta 
pfere und glüdliche Zeldberren gefunden werben. Wie furcht⸗ 
bar wäre die Macht aller diefer Fürften, wenn fie 
auf Einem Puncte vereinigt wäre! Bei Feinem Voll 
findet man eine ſolche Freiheit wie bei den Reichsſtaͤdten. In 
Florenz, Venedig ꝛc. finb bie Bürger auffer benen, welche 
die andern leiten, Sclaven. Bei den Zeutfchen ift Alles lieb: 





Überfiht ber Verfaſſung. 635 


lich und heiter, da wirb man feines Lebens froh. Niemand 
wird beraubt; Jeder befigt fein Erbe ruhig‘ Es giebt Feine 
Zactionen, wie in Italien. Über 100 folcher freien Städte 
werben gefunden an ber Donau, am Rhein, im Binnenlande, 
an ber Seeküfte; fie find gegen die Übermacht ber Fürften 
vereinigt." 


„Bon ber alten Barbarei find allein bie Raubritter uͤbrig; 
fie werden aber mit dem Tode beſtraft. Die Gerichte und 
andern Öffentlichen Handlungen werden mit Einfiht und An⸗ 
fand gehalten. Das Recht und die übrigen Wiſſenſchaf⸗ 
ten werben überall gelehrt. Fremde werden mit freundlichem 
Geſicht und mit noch befferem Herzen aufgenommen. Die 
Knaben lernen eher reiten als fprechen; fie fihen unbeweglich 
in den Sätteln. Die langen Lanzen tragen fie ihren Herren 
nach und find gegen Froſt und Hige abgehärtet. Keiner Ar 
beit unterliegen fie. Kein Schwabe ober Franke reitet unbes 
waffnet; fie tragen bie Waffen fo leicht als ihre Glieder. 
Edle und Bürger haben Vorräthe davon in ihren Käufern. 
Sie find fehr erfahren, Roffe zu tummeln, Pfeile zu fchieffen, 
Lanze, Schild und Schwert zu führen und Gefchüge zu ge: 
brauchen. Mit den teutfchen Waffenwerkftätten find Feine zu 
vergleihen. Sie gieffen auch große Büchfen, die fie erfuns 
den haben °). An Perfonen und Sachen iſt fo viele Verfei- 
nerung, daß. Nichts mehr ald die Sprache an die Barbarel 
erinnert." 


„Wenn Ariovift, Gannaſcus, Malorir oder Civilis wie: 
berfämen, fie würden zwar ben großen Bär und bie übris 
gen Seftirne, nicht mehr aber ben Boden, die Städte und 
Sitten der Einwohner kennen. Freilich ift das Reich nicht 
mehr was ed unter Karl dem Großen war; nad den Friede: 
rihen bat es fehr abgenommen. Aber daran ift nicht das 
Geld fchuld, das die päpftliche Kammer bezieht, fondern eure 
veränderten Sitten. Ihr ſeid nicht mehr jene Welteroberer. 
Eure Uneinigkeit ift es, weil Viele regieren wollen und Keiner 
gehorchen. Bon ber Nation, von ben Fuͤrſten und Bifchöfen 


1) Dies ſchreibt Kneas im Jahre 1458, 


636 Buch IL Erfer Zeitraum. Abſchnitt 4. 


hat Rom weniger zu fürchten ald von Einigen, welche ſich 


für gelehrt halten.” 
&o weit Aneas. 


4. Die Verhältniffe gegenüber von Italien, politiſch, 
kirchlich, wiſſenſchaftlich, als Übergang zum folgenden 
Zeitraum. 


Hemmung ber böhern Entwürfe Marimilians. 
Kriegsfhauplag in Italien unter treulofen Res 
gotiationen der chriſtlichen Mächte, wobei allein 
der Kirhenflaat gewinnt. Glücklicher Erfolg von 
Marimilians Familienverträgen in Abſicht auf 
Spanien, Ungern unb Böhmen. Größe des Hauſes. 
Rückwirkung der italienifhen Kriege auf Teutſch⸗ 
land; Nachtheil für die Städte. Freie Söldner, 
Schweizer, Landsknechte. Marimilians Erfindun- 
gen im Kriegswefen. — Statt des Türkenkriegs 
Vorbereitung eined allgemeinen Angriffs auf das 
ausgeartete Papſtthum. Die Kaiferfrone wird 
von felbft unabhängig. Schilderung von ſechs 
Däipften Die Wilfenfhaften in Italien und 
Zeutfhland. Die Humaniften. Marimilians nidt 
letztes Verdienſt um die Wiffenfchaften, befonders 
Geſchichte und Dichtkunſt. Die augöburger Runds 
art. Bon der Buhdruderkunft und ihrem Ein: 
fluß. Hemmungen von päpfllier Seite. Streit 
der Humaniften und Scholaftifer. Stiftung der 
Univerfität Wittenberg Erneuerte Reichstags— 
beſchwerden gegen die concordatenwidrigen Geld— 
fhneidereien. Marimtlian will felbft Papſt wer: 
den. Schluß des lateranifhen Concilium. Luthers 
Theſes. Marimilians legter Reichstag. 


In biefem Zeitpunct, da Zeutfchland durch feine erneuerte 
Derfaffung gegen duffere Einwirkungen gefchloffen wird, oͤff⸗ 
net fih Italien zum Schauplag ber europäifchen Politik. Die 


Überfiht der politifchen Verhättniffe 637 


Hauptfrage ift nicht mehr die Verbindung mit dem römifchen . 
Reiche, beffen früherer Mittelpunct ed geweſen; ed handelt 
fi) überhaupt von Erwerbungen der europdifchen Mächte, die 
fi bier, als in einem gemeinfchaftlihen Mittelpuncte, am 
bäufigften berühren und befchränten. In diefem Zuſammen⸗ 
bange folgt nun ber übrige Theil unſrer Gefchichte unter 8. 
Maximilian 1. 

Immer war biefer Kaifer gebrungen, wenn er zu feinen 
hoͤhern Entwürfen fortfchreiten wollte, erft an ber Ordnung in 
ZTeutfchland zu arbeiten und einen Stein nad) dem andern 
zu legen. Darüber wurden jene von einem Sahre zum an⸗ 
dern hinausgefchoben, und er fand erft in der zweiten Hälfte 
feiner Regierungszeit einen etwas freieren Spielraum dazu. 
Es waren zwei oder brei große Entwürfe, womit er fich trug: 
Erhebung des Kaiſerthums zugleih mit der Ausdehnung ber 
Öfterreichifchen Hausmacht, dann die Vertreibung der Tuͤrken 
aus Europa. Fuͤr den erſtern erreichte er in Italien wie in 
Teutſchland wenig; fuͤr den andern deſto mehr durch glückliche 
Familienverbindungen; in dem dritten waren, wie er ſelbſt 
geſteht, von Jugend auf alle ſeine Gedanken und Wuͤnſche 
vereinigt ). Für dieſen bringt er auch gar Nichts zur Aus 
führung, dagegen fieht er noch den Anfang einer neuen Bes 
wegung in ber GChriftenbeit, in welcher alle Beſtrebungen des 
zu Ende gehenden Mittelalterd fich vereinigen. | 

Da es den großen Mächten noch an einer verhaͤltnißmaͤ⸗ 
ßigen Kriegsverfaffung gebrach, fo lernte man von den Ita⸗ 
lienern die Kunft der Negotiationen. Jene verfuchten fich zu: 
erft darin, um die fremden Eroberer, die ihre innere Uneinig» 
Zeit herbeigerufen hatte, wieber zu entfernen. Nun kehrten die 
großen Mächte dad Spiel um. Frankreich und Spanien woll- 
ten durchaus Land in Italien haben. Marimilian konnte dabei 
nicht muͤßig zufehen, und fo nahm er an jener Politik im⸗ 
mer lebhaftern Antheil, je weniger ihn dad Reich unterflügte, 

Der obengedachte Vertrag zu Bloid enthielt eine dreis 4504 
fache Übereinkunft. Marimilian verfprach gegen 200,000 fl, 22. Sept. 
den 8. Ludwig XII. und feine männlichen Nachlommen, in 


1) Schreiben an Leo X. bei Raynald. 1517. 


. 638 Bud HL Erſter Zeitraum. Abſchnitt 4. 


deren Grmangelung aber feine Tochter Claudia und ihren Fünf 
tigen Gemahl mit dem Herzogthbum Mailand zu be: 
lehnen. Ludwig XH . verhieß Dagegen feine Tochter bem 
Enkel Marimilians, Karl, nebfl weitern Bellimmungen in 
Abſicht der Erbſchaft von Mailand und Burgund, im —— End» 
wig XII. ohne männliche Erben abgehen würde. Die britte 
Übereinkunft betraf ein Bünbniß zwifhen Marimilien L, Lud⸗ 
wig XIL nnd dem Papfle Julius IL in der Abſicht, den Be 
netianern Alles wieder abzunehmen, was fie vom Kicchenflaate, 
‚von Mailand und vom Reich abgeriffen hatten !). 
1504 Zwei Monate nach) dem Vertrag zu Blois flarb Die Koͤ⸗ 
6. Rov.nigin Afabella von Caſtilien. K. Ferdinand von Arage: 
nien, ihr Gemahl, wollte kraft eines vorgegebenen Zeflaments 
bie Regentfchaft für den Enkel Karl, Sohn der DIohanna 
und bed Erzherzogs Philipp, übernehmen; aber ber Reichötag 
zu Valladolid erfannte die Nachfolge den beiden Lehtern zu. 
K. Ferdinand vermählte fich nun mit Germaine de Foix, Schwes 
flertochter 8. Ludwigs XI, der das Glück des erzherzogli⸗ 
chen Haufes mit noch eiferfüchtigern Augen betrachtete. Erſt 
‚ 41505 empfing Ludwig die Belehnung mit Mailand in ber Perfon 
7. Apr. des Carbinal Georg von Amboife und bezahlte einflweilen die 
1506 Hälfte des bedungenen Geldes; dann betrieb er ein geheimes 
22. März. Bimdniß gegen feinen Lehenshern mit Venedig, Rom und 
andern italienifchen Staaten, und verlobte feine Zochter Claus 
dia dem Herzog Branz von Angouleme, feinem Nachfolger. 
So war denn ber Vertrag von Blois und namentlich bie 
Bererbung von Mailand fchon vernichtet ?). 
25. Sept. Nicht lange darnach farb ber Erzherzog Philipp und hin- 
terließ zwei unmünbige Söhne, ben ſchon gebachten Erzherzog 
Karl und feinen Bruder. Ferdinand unb zwei Toͤchter Ma⸗ 
ria und Iſabelle. Marimilian erhielt dadurch die Vor⸗ 
mundfchaft uͤber die Niederlande, die ex feiner Tochter Marz 
garethe, Wittwe des Infanten Iohann, abtratz bie Bor 
munbfchaft über Caftilien aber muflte ex dem K. Zerbinand 
gegen 500,000 Ducaten uͤberlaſſen. 


1) Du Mont T. IV. P. I. Nr. 8W-30. 
2), Müller Keichttagsſtaat. Wh. IIL. C. 2. 9, Bo. IV. €. 1. 


Überſicht der politiſchen Verhältniffe- 639 


As Ludwig XIL mit dem Herzogthum Mailand auch 1507 
Die Herrſchaft über Genua mit: gewaffneter Hand behaupten 
woollte, traten Papfi und Venedig von dem geheimen Ver 
ſtandniß ab und hielten fich wieder zu Marimilian, weil fie 
beforgten, Ludwig möchte fih auch des Kaifertbums bemäch- 
‚tigen. Bis jedoch jener über die Alpen kam, hatten fie ihren 1508 
Sinn fon wieder geändert, weil mit Ludwigs Rüdzug jene Jan. 
Furcht verfhmunden war. Maximilian wollte jegt Mailand 
befeten, weil es ber König verwirkt hätte; allein ex fand keine 
Unterflügung, weil man ihn fo wenig in der Nähe haben 
woolite als den König; baber fchloß er, wie fchon oben bemerkt 
worden, einen dreijährigen Stillſtand mit Venedig. Jetzt kam 6. Jun. 
Zulius I. in neue Bebrängniß durch Die venetianifchen Waf⸗ 
fen. Im kurzer Zeit brachte er Ludwig und Marimilian wie 
der zufammen und fliftete die verrätherifche Ligue von 10. Der. 
Gambray *); damit Lesterer feinen Stillſtand mit Ehren 
brechen könne, gebot er ihm aus apoflolifcher Macht, ber 
Kirche als Schirmpogt zu Hülfe zu kommen. Auch Ferdinand 
von Aragonien trat dem Buͤndniſſe bei. So ftanden zwei 1509 
Könige, der Kaifer und ber Herr des Kirchenflaates gegen 
Venedig und gedachten die flolze Stadt zu demuͤthigen; über 
die Theilung ihrer Befikungen auf dem feflen Lande waren 
fie [bon einig. So geheim das Bünbniß eingeleitet worden, 
fo war doch der Papft der Erſte der es den Venetianern ers 
öffnete, in der gewiffen Hoffnung, er werde fie ſchon dadurch 
zur Rüdgabe feiner Städte vermögen. Da fie aber den Vers 
räther wie billig verachteten, fo ergriff er nun erſt um fo ers 
bitterter den Krieg. Der Kaifer blieb bei feiner Zufage, uns 
geachtet ihm die Venetianer wiederholt den Frieden anboten 
und dad Reich die verlangte Hülfe erſchwerte. Die Franzo⸗ 
fen eröffneten raſch ben Belbzug, und ber Papft ſprach den Apr. 
Bann aud. Bei Agnabello erlitten die Venetianer eine fo 
ſchwere Niederlage, daß fie bereits das fefte Land aufgaben, 14. Mai 
fei ed nun aus wirklicher Muthlofigkeit ober in der Abficht, 
die Verbündeten wegen der Beute um fo gewiffer unter fich 
zarfallen zu ſehen. Wollte Maximilian einfeitigen Frieden 


1) Du Mont. T. IV. P. I. Nr. 50. 


640 Bud IE Erſter Zeitraum. Abſchnitt 4. 


ſchlieſſen, fo haͤtte er es mit großem Landgewinn thun Ein 

nen. Die Venetianer machten ihm bie verführerifchfien Ber 

fptechungen, wenn er fie gegen Frankreich fchügen und den 

1509 Untergang ihres Namens verhüten würde. Allein er well 

Sul jest auch Etwas leiften: er machte fogar Anflalt Venedig zu 

Waſſer anzugreifen. Da ſah er fih von den Verbündeten 

verlaffen. 

Der König von Frankreich ging fiber die Alpen zurüd, 

fobald er des Kaiferd Kortfchritte vernahm; der Papfl aber 

1510 ſchloß einfeitigen Frieden, gegen die ausdruͤckliche Bedingung 

24. Bebr. des Buͤndniſſes. Er hatte jetzt feine Städte wieder und wurfite 

ſich zu entfchuldigen: „ber Papſt, als Statthalter Chrifi, 

dürfe die nicht weiter verfolgen, welche mit Reue die Abfo- 

lution fuchten.” Er that noch mehr. Da der Kirchenſtaat 

befreit war, fo mufften die hereingerufenen Franzoſen und 

Teutſchen wieber entfernt werben. Er fchloß zu diefem Ente 

14, Mirz. ein Buͤndniß mit den Schweizern, entband den K. Ferdinand 

feines Bundeseides, belehnte ihn mit Neapel und vernichtete 
Frankreichs Anfprüche auf diefes Königreich. 

Hierdurch wurden Ludwig und Marimilian einander wie 

der näher gebracht, fo wenig Ernſt jener gezeigt hatte diefen 

17.Rov. zu unterflügen. Sie fhloffen wieder ein Buͤndniß zu Blois 

als Erneuerung des cambrayer und bedrohten den Papft mit 

einem allgemeinen Goncilium, wenn er feine Genugthuung 

geben würde. Vergeblich fuchte Julius II. die beiden Wonar 

14511 den zu trennen. Sie fohrieben das Goncilium wirklich nad 

a. Pifa aus und Inden den Papft vor. Diefer aber ſchloß 

4, Oct mit Ferdinand und Venedig die heilige Ligue und eröffnete, 

da ihn das pifaner Goncilium fufpendirte, ein anbered im 

Lateran. Während diefer legten Schritte gelang es ihm 

1512 auch den Kaifer zu einem Stillſtande mit den Venetianem 

6. April. zu bringen, für den fich berfelbe 50,000 Ducaten bezahlen 

ließ. Ehe aber Marimilian fein Heer von dem franzöfl: 

11. Apr. fehen abrufen konnte, ſchlug Safton de Foir bei Ravenna 

das päpftlich = fpanifche Heer in einer fehr blutigen Schlacht, 

die er mit feinem Leben erfaufte. Nun ließ Julius die Schweis 

zer aufbrechen, unter ber Fuͤhrung feines Legaten, bed Bi: 

ſchofs Matthäus Schinner von Sitten. Die Sranzofen zogen 


Überficht ber politifhen Vechältniffe 641 


ich zurkd; Mailand ergab fi) an bie Schweizer und buch 1512 
ie an bie-heilige Ligue. So gern ber Kaifer dad Herzogthum — 
ite fich behalten hätte, fo muſſte er doch geſchehen laſſen, daß ai 
ver Dapfi und die Schweizer daffelbe an den Sohn. des vers 
lorbenen Herzogs Ludwig Moro, Marimilian Sforza, übers 
gaben, aufler Abzug der Stüde, welche die Eibgenoflen, ber 
Papſt und Venedig davon abgeriffen hatten. 

Über den Friebensfchluß mit dem Kaifer zerfiel der Papſt 25. Rov: 
wieder mit ben Venetianern, wodurch diefe fich bewogen fahen 1513 
mit Frankreich zu Blois ein Bimbniß zu ſchlieſſen. Wenige ann 
Tage nad dieſem Vertrage wurde zu Mech eln ein Angriffs⸗ 
buͤndniß gegen Frankreich geſchloſſen, zwiſchen dem Papſte, 
dem Kaiſer, dem Koͤnig Ferdinand von Aragonien und dem 
K. Heinrich VIII. von England, Ferdinands Schwiegerſohn. 

Ehe dieſes noch zum Handeln kam, eroberte Ludwig XI. das 
unbefchüßte Mailand, verlor ed aber eben fo fchnell wieber 

durch die Schweizer in der Schladht von Novara. Nun 6.3un. 
brach erſt ber verabrebete Angriff auf mehreren Seiten zugleich 

108. , Der König von England fiel in Frankrei ein. Bei 
Buinegate erfoht Marimilian einen zweiten Sieg, die Spo⸗ 15. Aug. 
renſchlacht, von der Flucht der franzöfiichen Reiter genannt. 
Hocburgund griffen die Schweizer in Maximilians Sold an, 
verflärft durch teutfche Reiterei unter dem jungen Herzoge 

Ulrich von Wirtemberg, um das Land für den Erzherzog Karl 

zu erobern. In biefem Gebränge fuchte Ludwig XII. die Vers 
bimbdeten zu trennen. Er gewann Leo X. durch Beitritt zum 6. Dct. 
Lateranifchen Concilium nach Marimiliand Vorgang, den X. 
Ferdinand durch einen Heirathövertrag zwifchen den Enkeln 1. Dec. 
Karl und Renate, mit dem Verſprechen, Mailand an diefe 
abzutreten. In der legten Ruͤckſicht ſchloß dann auch Mari: 1514 
milian, als väterlicher Großvater Karls, einen Stillſtand. 18. Märı. 
Mit England wurde ebenfalld ein Heirathövertrag gefchloffen. 7. Aug. 

Gegen Ludwigs XII Nachfolger, Franz J., traten der 1515 
Kaifer, der K. Kerbinand, der Herzog Marimilian Sforza 1. Ian. 
und der Papſt mit den Schweizern in ein Buͤndniß. Franz, 
der jugendliche Held, überrafchte fie durch die Einnahme von 
Mailand; in der zweitägigen Niefenfchladht von Marignana 13. 14. 
wurden. bie Schweizer zum erften Mal befiegt. Der Herzog Septbr. 

Pfiſter Geſchichte d. Teutſchen III. 41 





642 Bud II. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 4 


von Mailand muffte entfagen. Der Papſt verglich ſich. Mori 

1516 milian zog mit ſchweizeriſchen und teutfchen Soͤldnern im naͤch⸗ 

März. fen Jahr vor Mailand, und war ſchon im Begriff die Stadt 

zur Übergabe zu bringen, als bie Schweizer fich weigerten 

gegen ihre Landöleute, welche Branz indeffen geworben hatie, 

zu fechten. Er muffte unverrichteter Dinge zurüdgehen. Die 

29. Nov. —2 ſchloſſen bald darauf mit Frankreich den ewigen 

Frieden, die Grundlage aller ihrer nachherigen Bimdniſſe 

Durch Vermittlung feines Enkels Karl trat Marimilien ent 

Dec. ih in Präliminarien mit Venedig, indem er Verona, bie 

einzige Stabt die er noch in feiner Gewalt hatte, gegen cine 

41517 Summe Geldes herausgab, wovon ein Anlehn bei Frankreich 

15.3an. getilgt wurde. Auf dieſes folgte zu Cambray wieber ein De 

11.März. fenfiobiindniß des Kaiferd und feines Enkel Karl mit dem 

Könige von Frankreich und ein Angriffsbändnig gegen bie 

8. Oct. Türken, Nachdem Franz und die Venetianer einander ihre 

italienifchen Beſitzungen verbürgt hatten, ſchloß Marimilian 

1518 mit der Republit auch ab. Died der Ausgang bed aus da 
Ligue von Cambrai entſtandenen achtjährigen Kriegs !). 

Mit Abſcheu wendet ſich die Gefchichte von den unzdh 

- Ügen Treulofigkeiten des Buͤndnißwechſels, wobei bie „aller: 

chriftlichften und vechtgläubigen Könige,” ber Kalfer und ber 

heilige Vater weder Eibfchwüre geachtet, noch fich geſchaͤmt 

nach vielfältigen Wortbruch fih Immer wieder balb mit ein 

ander bald gegen einander zu verbinden. Doch haben wir bie 

Senugthuung, auch bei diefem unwürbigen Stoffe zeigen zu 

koͤnnen, wie die Untreue immer ihren eigenen Herrn gefchle- 

gen. Das Haus Sforza, das die Negotiafionen angefangen, 

warb zweimal geſtuͤrzt. Frankreich, zwar zulegt im Beſitze 

von Mailand, behielt ed nur wenige Jahre und muffte dem 

Reiche feine Oberlehnöherrlichkeit laſſen. Die Venetianer verloren 

ihre Eroberungen im Kicchenflaat, im Neapolitanifchen und 

an ber mailändifchen Grenze. Der Papft, unter die Triegfüh- 

renden Mächte getreten, rettete wohl ben Kirchenflaat, verlor 

aber darliber fein geiftliches Anfehn. 8. Marimilian gevam 


1) Das ale — nach Gulcciardini L. XI. XIL 
Heuter. Rer. Austr. 





Überficht der politiſchen Verhaͤltniſfſe. 643 


unit allen feinen Aufopferungen Nichts. Statt feine Exblande, 
Die Eonfinien, an bad abriatifche Meer hin zu erweitern, muffte 
er den Venetianern mehrere vormald zum teutfchen und lan⸗ 
gobarbifhen Reiche gehörige Städte und Lanbfchaften übers 
Kafien; eben fo fah er dad Herzogthum Mailand wiederholt 
won Frankreich befeßt. Kaum daß die Oberherrlichleit über 
Die italienifchen Reichslehen noch erfannt wurde. Fuͤr Erhoͤ⸗ 
Hung des Paiferlichen Anfehns war Nichts zu hoffen. 
Dagegen tröftete ſich Maximilian durch den glüdlichen ihr 
feiner Hausvertraͤge. Auch während der Verwicklung in 
ttalienifchen Angelegenheiten verlor er die Königreiche * 
gern und Boͤhmen nicht aus den Augen. Nicht zufrieden, 
Das ihm auf das Abſterben des uladiſlavſchen Mannsſtammes 
Die Erbfolge in Ungern ſchon zugeſichert war, wollte er, nach 
Den Beiſpiele feines Ahnherrn, Rudolf J., durch eine — 
ſelheirath die Sache noch buͤndiger faſſen. Böhmen, in 
der Mitte dieſes Zeitraums der Sitz des Kaiſerthums, war 
ſeit der Wahl des Uladiſlaus auf dem Wege vom Reich ge⸗ 
trennt zu werden; es nahm weder an den Reichstagen noch 
an der roͤmiſchen Koͤnigswahl Theil. Maximilian ließ einige 
Jahre durch den Cardinal von Gurk, Matthaͤus Lang, und durch 
ſeinen vertrauten Rath, Cuſpinian, negociren. In Folge die⸗ 
fer Verhandlungen kamen bie beiden koͤniglichen Bruͤder, Ul a⸗ 1515 
diſlaus von Böhmen und Ungern, Sigmund von Polen, 
zu bem Kaifer nach Wien und wurden mit großen Ehrenbes 
zeugungen empfangen. Der Erfiere brachte feinen Sohn Lud⸗ 
wig mit fih und feine Tochter Anna, welche in einem ver 
goldeten und bemalten Wagen mit acht weiſſen Pferden fuhr. 
Die Könige und der Kaifer lieſſen ſich in Sänften tragenz 
das zahlreiche Gefolge von Ungern und Polen fuhr auf leich 
ten Bagen, in ihrer Sprache Kottfchi genannt. Marimis 
Han eröffnete die Verfammlung mit einer langen, von Jeder⸗ 
mann bewunderten Rebe, worin er bie Nothwendigkeit dar⸗ 
that, die Reiche und Lande gegen die wachfende Macht ber 
Tuͤrken zu vereinigen. Dann wurde ber verabrebete Heirathds 22. Zul. 
vertrag unterfchrieben. Marimilian ließ ſich Sie Anna antrauen 
für einen feiner Enkel, Karl oder Ferdinand; feine Enkelin, 
Maris, Schweſter von diefen, wurde bean Sohne und Nachs 
41° 


64 Buch II. Erfier Zeitraum. Abſchnitt 2. 


folger des Uladiſlaus, Lubwig, verlobt‘. Maximilian er 

lebte zwar nicht mehr bie wirklihe Vermählung Ferdinand: 

(1524) mit Anna, wodurch die beiden Königreiche, Ungern umd 

Böhmen, nach Ludwigs Zode an dad Haus Öfterreich Fa 

men; aber er hatte die Freude, an dieſem Zage bie folgen 

teiche Verbindung gegründet zu haben, die einen überwiegen: 

ben Erfag gab für Alles, was er von den Venetianern haͤtte 
erobern können. 

Wie der Ältere Enkel Kari noch unmünbig burch ben 

Tod feiner Großmutter Ifabella auf den Thron von Gaflilien 

gekommen, iſt fchon im Laufe der obigen Begebenheiten be 

rührt worden. Zur Gemahlin war ihm zuerft beffimmt 8 

Ludwigs XII, Tochter mit dem Herzogthum Mailand, dann 

eine Tochter von K. Franz I. mit den Anfprüchen auf Neapel. 

Beide Verbindungen wurden vereitelt. Aber eben fo vergeb 

lich war des Großvaters, Ferbinands von Aragonien, Hoffnung, 

von feiner zweiten Gemahlin Germaine noch einen Exben zu 

erhalten. Da im Gegentheil die meiften Großen bed Bandes 

fich auf die Baiferliche Seite neigten, fo feste Ferdinand kurz 

1517 vor feinem Tode Karl zum Nachfolger in Aragonien ein, 

1. Ian. wozu er während ber obigen Kriege Navarra erobert hatte, 

Afo kamen nun bie brei Reihe, Gaftilien, Aragonien 

und Navarra an Marimiliand dlteften Enkel, ber zugleid 

als Herr der Niederlande und Erbe Sſterreichs der 

1518 mächtigfte teutfche Reichsſtand war. Ein Jahr darauf hat 

Ferdinand Eortez bie Eroberung von Mexiko begomen. 

Frankreich, mit aller feiner Arglift, konnte diefen über alle 

Erwartung großen Zuwachs des Haufes Sſterreich nicht hin; 

bern. Die Folgen wird ber nächfle Zeitraum zeigen. 

Hier müffen noch die weitern Folgen der italienifchen 

Kriege berührt werben. Daß Teutfchland während berfel 

ben durch Seftfiellung feiner inneren Verfaſſung mehr ge 

wonnen ald Marimilian in Italien, haben wir fchon gefehn. 

Dagegen haben die Städte neuen Schaden gelitten durch 

Störung des levantiſchen Handels. Venedig, ber Mittelpund 

. beffelben, verlor ih jenen Kriegen 40,000 Mann und opferte 


* 1) Joh, Cuspinian, Diarium ete. in Freher. 88. T.IL.p.59. 


Überfiht der politifhen Verhaͤltniſſe. 645 


5 Millionen Ducaten. Es war alfo fchon geſchwaͤcht, ehe 
Die eben. jebt entdedten neuen Handelöwege nach Oft: und 
Mefl: Indien den Binnenländen ben Hauptzufluß entzogen. 
Die füdteutfchen Städte, bisher durch die Verbindung mit 
Italien zu großem Wohlftande gefommen, empfanden bie ers 
fien Folgen davon. Die Hanfe im Norden, von den Engs 
ländern in ihren Hanbelöfreiheiten befchränkt, führte mehrjaͤh⸗ 
rigen Krieg darüber. Durch ihre überlegene Seemacht erhielt 
fie zwar in dem utrechter Frieden Herflellung derſelben nebft 1474 
10,000 Pfd. Sterl. Schadloshaltung; muffte aber dagegen 
den Engländern geflatten nach Preufien und andern Häfen 
der Hanfe zu fhiffen und zu handeln :). Zür die nieberlän- 
diſchen Städte Fam eine günfligere Epoche. | 
Auf die Fortfchritte im Kriegsweſen haben die italies 
nifchen Kriege wichtigen Einfluß gehabt. Eben weil dad Reich, 
als folches, wenig Theil Daran genommen ober durchaus zu 
feiner allgemeinen Kriegs verfaſſung fich verfiehen wollte, 
bat Dagegen bie teutfche Bevoͤlkerung wie bie fchweizerifche 
ein weites Zeld zum freien Solbdienfle gefunden, und 
Marimilian bat feinerfeitd ein befonbered Talent in Erfinbuns 
gen gezeigt. | 
Die Wichtigkeit des Fußvolks kannten feine Vorfahren 
ſchon feit den Schweizerkriegen; feit dem Huffitenfrieg wer⸗ 
den auch die böhmifchen Schaaren zu den tapferflen gezählt. 
Im pfalzbaierifchen Exrbfolgefrieg, da dem Pfalzgraven Rus 
precht eine Anzahl Böhmen zu Hülfe 309, lernte Marimilian 
fie kennen, ald er bei Regensbung ihnen ein Treffen lieferte. 
Die ſchweizer Sölöner führten, flatt ber Hellbarten und 
Streitkolben ihrer Voreltern, ein großes auf dem Rüden haͤn⸗ 
gendes Schlachtfchwert, ein Beimefler im Gürtel und eine 
achtzehnfüßige Lanze. Ihre Schlachtordnung, mit ber fie bie 
Keiterei empfingen, bieß bei ven Franzoſen Stachelfchwein. 
Maximilian gab den teutfchen Fußknechten nur einen Furzen 
Degen und eine Lanze. Knechte biefien urfprünglic alle 
Kriegsdienſtleute 2). Won ben Schweizern haben eine Zeit lang 


1) Du Mont. Corps dipl. T. III. P. I. p. 468. 
2, Auch die Edelknechte. Im Engliſchen knight == Nitter. 


646 Buch IL Erſter Zeitraum, Abſchnitt 4. 


alle Soͤldner den Namen gehabt. Dann hieß man bie text: 
ſchen Fußgaͤnger, weil fie aus dem Landvolke waren, um Ge 
genfaß gegen jene und den Ritterfland, Landslnechte') 
Man fand fie zum Theil größer und anfehnlidher als bie 
Schweizer. Übrigens hielten fie feine fo gute Kriegsordnung 
wie die Legtern, und konnten nur durch ihre geachteten Haupt: 
leute, Seorg von Srundsberg, Jacob von Embs, m 
Zaume gehalten werben. Einer ber erſten Feldoberſten ımter 
Morimilian war der Fürft Rudolf von Anhalt, der im den 
nieberländifchen und italienifchen Kriegen fi) hervorgethan 
Indeſſen wufiten die Branzofen die teutfchen Soldner fich bald 
auch zu Nutzen zu machen. Da fie aus ihrer eigenen Nation 
Fein gutes Fußvolk zufammenbrachten, fo nahm Lubwig XIL, 
ald er mit den Schweizern fich überworfen, ein beſtaͤndiges 
Corps von 6000 auögefuchten teutfchen Leuten in Bold; ber 
erſte Stamm eines regelmäßigen Fußvolks, von ihren ſchwanz 
geftreiften Fahnen fchwarze Banden genannt. Die Schlacht 
bei Ravenna wäre ohne’ die Landöfnechte "verloren gewefen. 
Eine andere Art Fußvolk bewaffnete Marimilian mit ſchwe⸗ 
zen Seuergefchofien, Hatenbüchfen (arquebuses), welde 
auf Gabeln aufgelegt wurden. Marimilian führte auch mehr 
grobe Geſchuͤtz mit fi, als man biöher gefehn, und fuchte 
daffelbe auf verſchiedene Art zu verbefiern ?). Wiewohl aber 
die leichten Feuerrohre oder Flinten in kurzer Zeit fo alge 
mein geworden, daß fchon tm burgumdifchen Kriege Tauſende 
damit bewaffnet waren, und wiewohl das Fußvolk Aberhaupt 
die Entfcheidung der Schlachten an fich brachte, fo bat doch 
bie Reiterei ihren biöherigen Ruhm noch immer zu behaup: 
ten gefucht. Kein Reichdtag, Teine große Verſammlung in 


1) Richt von ben Lanzen, wie Pirkheimer ausbrüdlich bemerkt, 
fondern provinciales milites d. i. Landéknechte. Der gewöhnliche Solb 
für den Fußgänger war 4 fl. monatlich, m den Reiſigen 10 ft auf je 
bes Pferb. 

2) Er erfand Mörfer und Poͤller * Beuereinwerfen, lange Rob 

re zu ben Streichwehren und in bie Kerne zu ſchieſſen, Stuͤmpfe und 
kurze Rohre zum Schrotfchieffen; die großen Büchfen hatten eigene Ra 
men: — „Bed auf von öſterreich““ u. ſ. w. Hegewiſch 
a. a. O. S. @ 





Überficht der politifchen Berhäteniffe, 647 


den Stäbten wurde gefehn ohne Turniere, ohne Wettrennen. 
Bis in fein Alter hat Maximilian fi darin als den Erſten 
gezeigt. Jener tapfere Markgrav Albrecht Achilles wurde in 
unzähligen Wettlämpfen nur ein einziges Mal durch Konrad 
Haller, einen ninnberger Ritter, aus dem Sattel gehoben. 
Bor der Schlacht bei Ravenna foberten die Ritter ber beiben 
feindlichen Heere einander erft zum Zweikampfe heraus. Ja⸗ 
cob von Emb3 wurbe von dem fpanifchen Oberften Zamudio 
mit der Lanze erfiochen. Fabius von Schlaberudorf, Johann 
Spät von Pflummern, mit grünen Laubkraͤnzen auf ihren 
Delmen, trafen mit zwei Spanien zufammen. Spät wurbe, 
ehe ber Zweilampf begann, von eines Kugel getroffen; aber 
Schlabernborf exrlegte feinen Gegner. 

Mit allen feinen Anorbnungen kam jedoch Marimilian 
nicht mehr dazu, die beffern Soldaten und Waffen gegen bie 
Zürlen zu führen. Vielmehr geſchah durch eine eigene Fü⸗ 
gung ber Umflände, daß der von ben Päpften am meiften be 
teiebene Turkenzug in einen Angriff gegen das Papſtthum 
felbft ausging, und da kommen wir nun erſt auf die wichtig: 
ſten Wechſelwirkungen zwifchen Zeutfchland und Stalien. 

Unter den Kriegen für die Erhaltung und Audbreitung 
des Kirchenſtaates trat die Kirche ſelbſt immer tiefer in 
den Hintergrumd, und ber päpfllihe Stuhl verlor feine 
höhere Würde und Haltung. Auch die nach fo vielen Kaͤm⸗ 
pfen errungenen Vorrechte gegenüber vom Kaiferthum zer 
flofjen wie eine Wolle. Gern erließ Julius II. dem 8. Maxi⸗ 
milian die Krönung zu Rom nebft der fonft fo aͤngſtlich be 
triebenen Eideöleiftung und Prüfung, wenn er nur fam, um 
die ſtolzen Wenetianer demüthigen zu helfen. Zu Trient ers 1508 
tlaͤrte ſich Marimilian ald „erwählten römifchen Kaifer“ 8. Behr. 
und machte folches den Kurfürften, Fuͤrſten ımb Ständen bed 
Reichs durch Rundfchreiben bekannt. Dem Papſte blieb nur 
noch die Anertennung. In Zeutfchland wie in ben übrigen 
Staaten wuflte man fonft wenig vom Papfte, ald daß er fo 
viel möglih Geldgefälle bezog, angeblich zum Tuͤrkenkrieg, 
in der That aber zu feinen eigenen Kriegen, zur Verſchoͤne⸗ 
rung Roms und zu feiner üppigen Hofhaltung. Das wurde 

— jest weit empfindlicher gefühlt, ald was die Päpfte bisher ge- 


648 Bud IL Erfer Zeitraum, Abſchnitt 2. 


gen die Concilien und gegen bie Kirchenfreiheit gethan; umb 
das if nun Papſtthum und Kaiferthbum im neueren 
Sinne Der lange Kampf über das Verbältnig ber beiben 
böchften Gewalten der Chriſtenheit bat faft alle Bedeutung 
verloren. Das Papſtthum ruht jebt auf dem ſouverain ge 
worbenen Kirchenflaat, und feine Primatialcechte über die abend: 
ländifche Kirche, obgleich erneuert, gehen der Antiquirung ent 
gegen. Das Kaiſerthum iſt ebenfalls, nach faſt gänzlichem Er: 
loͤſchen der oberflen weltlichen Gewalt über bie Chriſtenheit 
und ber befonderen über die biöher zum römifchen Reich ge 
zählten Länder, beſchraͤnkt auf den enger verbundenen teutſchen 
Reichskoͤrper, aber als eine verfaſſungsmaͤßige oberſte Leitung, 
die eben in dieſer Verfaſſung ihren beſtaͤndigen Lebenskeim 
hat, ſolange fie nicht daruͤber hinausſchreitet. Das VPapft⸗ 
thum Dagegen kommt bald wieder in den Fall, zu feiner Ex 
haltung den Kaifer aufrufen zu müflen. 
Auf Pius U. folgten ſechs Päpfte, deren jeber in feiner 
1464 Art die Sache auf den Gipfel trieb. Paul IL fing den Am; 
terverkauf Öffentlich an, jene Eimonie, gegen welche Gregor VII. 
fo heftig geeifert; als Richter war er bald hart bald zu ge 
lind, fchwer zugänglich, dabei prachtliebend und eite. Sir: 
1474 tu8 IV. kam bei Allem was für die Aufnahme der Stadt 
geſchah in folhen Haß, daß man an feinem Todestag einem 
allgemeinen Auffland gegen feinen Günflling Riario machte 
und Gott dankte, daß er fein Volk von ber Hanb eines fol 
hen Mannes befreit, der Feine Liebe, Fein Wohlmollen kannte, 
fonbern bloß durch unanfländige Selbbegierbe, pomphafte Auf: 
züge und eitle Ruhmſucht geleitet wurbe. Mögen auch manche 
ber Beichuldigungen übertrieben fein, fo iſt boch erwiefen, 
daß beſonders durch den fchamlofen AÄmterverfauf, von den 
böchften bis zu den niedrigfien Stellen, das Verderben in der 
4484 Kirche reiffenb zugenommen. Innocenz VII. bat die Feh⸗ 
ler feiner Vorgänger in noch höherem Grabe; felbft Todes⸗ 
verbrechen konnten mit Gelb abgefauft werben. Sein Kin: 
merling fprach: „Bott wolle nicht den Tod des GSünders, 
fondern daß er zahle und lebe.” Imocenz wollte bafür 
leutfelig gepriefen werden. Er ift der Erſte der feine uneheli: 
1491 hen Kinder Öffentlich ausgeſtattet Alerander VI. trieb alle 


— 


4 
Überſicht der Eichlihen Verhältniſſe. 649 


Ausfchweifungen aufs Aufferfie. Seinen älteften Sohn, Jo⸗ 
bann Borgia, belehnte ex mit dem Herzogthum Benevent. 
Den andern, Cäfar, erhob er zum Garbinal, biöpenfirte ihn 
aber wieder, ald ihm K. Lubwig XII. die Schwefter des Koͤ⸗ 
nigs von Navara zur Gemahlin gab; dann ernannte er ihn 
zum Herzog von Valentinois und zum Befehlshaber im ita> 
lieniſchen Krieg, wo er Grauſamkeiten aller Art verübte. Seine 
Tochter Lucretia ſchied Alexander von ihrem erften Gatten, 
dem er fie ald Garbinal verheiratbet hatte, und gab fie dem 
Alexander von Pefaro. Bei der Hochzeit fah man Iulia Bella, 
ſeine erflärte Beifchläferin, Öffentlich neben ihm fiten. Mit der 
Tochter Lucretia felbft lebte er als ein Mann von mehr ald 60 
Jahren in einem auffallend vertrauten Umgange. Übereinflimmend 
von allen Sefchichtfchreibern wird dad öffentliche Leben: biefes 
Papſtes, wie bad feiner Söhne, ald ein Zuſammenhang von 
babfüchtigen, treulofen, graufamen Handlungen und Meuchel⸗ 
morben, ihr Privatleben als unverfchämt, uͤppig und bis zum 
Höchften Grade wolläflig befchrieben. Er flarb durch Misgriff 
an Sift, das fein Sohn dem Cardinal Gorneto zugedacht 
hatte. Als fein fchwarz geworbener Leichnam zur Schau aus⸗ 
geftellt wurde, lief Jedermann hinzu, fagt Guicciardini, um 
ſich an dem Anblid der tobten Schlange zu fättigen, welche 
die ganze Welt angeftedt hatte. An kühnen Entwürfen, an 
Heftigkeit in der Ausführung, an Friegerifchem Geiſte und 
Hinterlift übertraf alle Iulius IL Die Verwirrung, die er 1503 
dadurch angerichtet, haben wir oben gefehn. Trunkliebe wird 
ihm faft allgemein beigelegt, von Mehrern auch ausfchweifende 
Wolluſt. Dagegen war ex frei von Nepotifmus. War Aleran- 
der der audfchweifendfte, Julius der gewaltthätigfte, fo erfcheint 
endlih Leo X. ald der hochfahrendfle Papft. Der zweite Sohn 1513 
des großen Slorentinerd Lorenzo Medices, fürftlich erzogen, führte 
er auf dem päpftlichen Stuhle eine mehr ald Königliche Pracht. 
Bei der Krönung ritt er fein tuͤrkiſches Pferd, auf welchem 
er als Cardinallegat in der Schlacht bei Ravenna gefangen 
worden. Junge, reiche Cardinaͤle waren feine Gefellfchafter 
auf der Jagd, die er leidenfchaftlich liebte, bei Gaflmahlen 
und Schaufpielen. Die lederhafteften, feltenflen Gerichte muſſ⸗ 
ten feine Tafel zieren, Beim Kartenfpiele, ex mochte gewin⸗ 


650 Buy UL Erfter Zeitraum. Abſchnitt . 


nen ober verlieren, warf er reichlich Solbftäde unter die In: 
fhauer. Er wird auch ber umnatürlichen Wolluſt beſchuldigt. 
Da er durch feine Strenge den Cardinaͤlen verhaflt wurde, em 
nannte er auf einmal 31 neue. Seine Verflellung bat Vice 
getäufcht. Seine Verſchwendung und die Leichtigkeit, mit der 
er die Ämter vertheilte, brachte neue 

Die Sefhichte, nicht ungerecht, laͤſſt biefen ſaͤmmtlichen 
Päpften ein gemeinfchaftliches Berbienft, Liebe und Sorgfalt 
für die Künfte und Wiſſenſchaften, foweit fie bei ihren übri- 
gen Eigenfchaften dazu fähig fein mochten. Theologen waren 
fie freilich nicht; ed iſt auch unter ihuen von bogmetifchen 
Sragen wenig die Rede. Aber fie hatten mehr ober weniger 
die Schule des claffifhen Altertbums gemacht, wie Pins IL 
Einige haben ben vertriebenen Griechen Schub verliehen und 
den Tuͤrkenkrieg auch um ihretwillen betrieben. Unter Paul IL 
wurde fchon die erſte Druderpreffe nach, Rom gebracht. Ju⸗ 
lius II. bat den bewandernswuͤrdigen Bau ber &t. Peter 
kirche durch den Baumeifler Bramante angefangen, Leo X. bat 
ihn fortgefeßt.. Der Letztere war felbfl ein Freund ber ſchoͤ⸗ 
nen Redekuͤnſte und hatte immer Gelehrte um ſich. Doch war 
es nur ein Nachhall von dem, was fen Haus zu Florenz 
gethan. Am päpfllihen Hofe bienten bie Känfte und BWif: 
fenfchaften nur als ein Zweig bed Luxus; ben Forſchungen 
war ihre Grenze gefiedt '). 

Ungeachtet die Univerfitäten in Zeutichland zunah⸗ 
men, fo wurde doch Italien immer noch von vielen Juͤnglin⸗ 
gen befucht, um bie wieber auflebende claffifche Litera: 
tur nach Zeutfchland zu verpflanzen. Seht fah man, wie 
die Teutichen längft in ber Stille gewohnt waren die Wiſ 
fenfhaften fih zu eigen zu machen, d. b. fie auf ihre Art 
gründlich zu bearbeiten; fie legten Eräftige Hand an, fie aus 
ber biöherigen Barbarei zu ziehen unb eigentliche wiſſenſchaft⸗ 
liche Bortfchritte mit verbefferter Lehrart einzuführen. Nur da: 
durch konnten die zwei Defpoten des Mittelalters, Papſtihum 
und Scholaſticifmus, geflürzt werben. 

1) Das meifle Bisherige und Folgende nah Schroͤckh Kirchengt 
ſchichte Th. 3O— 84. Über die Univerfitäten vergl, Häberlin Reiche 
geſchichte VIII. ©. 384 ff. 


Überfigt ber wiffenfhaftlien Verhättniffe. 651 


Zu ben fieben erſten Univerfitäten, mit Einſchluß ber 
böhmifchen und preuffifhen, welche oben vor der coflanzer 
Kirchenverſammlung genannt worden find, kam zehn Sabre 
nach der leipziger die Univerfität zu Roſtock, welde bie 1419 
Herzoge Iohann und Albrecht von Mecklenburg gemelnfchaft: 
lich mit dem vofloder Stadtrath gefliftet, wozu jeboch erft 
fpäter Papſt Eugen IV. auch eine theologifche Facultaͤt vers 1433 
willigte. Löwen bat durch den legten Herzog Johann von 1426 
Brabant ein studium generale erhalten. Der Kurfürft Ja⸗ 
cob von Trier, Gönner des Äneas, verherrlichte feinen Sig 1454 
Durch eine gleihe Anflalt, erteilte derſelben bie Breiheiten der 
cölner und übernahm felbft die Kanzlerwuͤrde. Zu Greifs⸗ 
walde, wohin die Untverfität von Roſtock einigemal verlegt 1456 
worben, grimdete Herzog Vratiflav von Pommern ein 
eigenes studium generale mit jährlid 1000 Ducaten aus 
unbeweglichen Gütern. Mit Freuden ertheilte Papft Pins IH. 
auf dem Congteß zu Mantua der Stadt Bafel diefelbe Ex 1460 
laubniß, emannte den Bifchof zum Kanzler und gab allen 
Lehrern und Studenten die Freiheit, ihre anderwärtigen Pfruͤn⸗ 
ben und Gefälle zu behalten. Die Pfalzgraͤvbin Mechtilde, 
zuerſt Gemahlin Grav Ludwigs von Wirtemberg, dann Erz⸗ 
berzog Albrechts von Öfterreich, ermunterte Letztern zur Stif- 
tung ber Univerfität Freiburg im Breiögau, welche nebfl 
ben erften Lehrern die Statuten von Wien erhielt; dann nahm 
fie Theil an der Gründung ber Univerfität Tübingen, durch 1477 
welche ihr Sohn Eberhard der Bärtige, nachheriger erfier Her⸗ 

309 von Wirtemberg,, feinen Namen unfterblich gemacht. In 

der Zwifchenzeit entfland Die hohe Schule zu Ingolfladt 1472 
durch Freigebigfeit des Herzogs Ludwig von Baiern; ihre 
Eintheilung in die baferifche, rheiniſche, fraͤnkiſche und ſaͤchſi⸗ 

fhe Nationen iſt wieder aufgehoben worden; der beflänbige 
Kanzler war der Dibcefanbifhof von Eichſtaͤdtz zu Tübin⸗ 

gen der Propft der Stiftöfirche. Die meiften erhielten ihre 
Einrichtung nah dem Mufter der perifer Univerfität. In 
bemfelben Jahre mit Tuͤbingen kam auch die Univerfität 4477 
zu Mainz empor durch den Erzbiſchof Diether, der bie 
Stadt gewiffermaßen für die entzogene Reichsfreiheit ent 
ſchaͤdigte. 


8 


652 Bub TU. Erſter Zeitraum Abſchnitt 4. 


Alſo wetteiferten -Sraven, geiflliche und weltliche Fürften, 
rauen und Städte in Begimfligung wilfenfchaftlicher Anftalten. 
Seit 8. Friedrich III. haben auch die Kaifer angefangen, ne 
ben dem Papfte, Privilegien zur Errichtung von Univerfte- 
ten, Gymnafien und andern Öffentlichen Lehranflalten zu er 
theilen. Indeſſen litt die innere Einrichtung ber hohen Schu 
len noch an manchen Gebrechen; der Zufchnitt war moͤnchiſch 
Die Lehrer verwendeten die meifte Zeit auf Dialekt. Bon 
der wiener Univerfität fagt Aneas als Augenzeuge, „ed fei 
viel unnüger Wortkram getrieben worden. Muſik, Rebekunfl, 
Dichtkunſt, Arithmetik feien faft unbelannt. Die Schriften 
von Ariſtoteles und Plato kenne man nur aus Commentarien. 
Der gelebrte Theolog und Sefchichtichreiber Thomas von He 
felbach babe einundzwanzig Jahre über das erſte Capitel bed 
Jeſaias gelefen, ohne zum Ende zu fommen.” Wir haben 
fhon bei Huffens ungluͤcklichem Schiefal die beftige Erbitte⸗ 
eung der Nominalifien und Realiſten gefehen; jene waren 
vom Papfte Johann XXIL verdammt, dieſe von ber parifer 
Univerfität. Der Streit währte bis zu Ende dieſes Zeitraums. 
Die Rechtswiſſenſchaft kann verhaͤltnißmaͤßig bie meiften Hort: 
fhritte aufmweifen; die Heilkunde fchon beöwegen nicht, weil 
Papft Bonifacius VIII. die Leichenzerglieberung verboten. 

Daß man ohne Zweifel weiter gelommen wäre, wenn 
man ohne die fremden Formen fofort die teutfchen Stiftsſchu⸗ 
len für den Zweck der höhern Wiflenfchaften eingerichtet hätte, 
dad zeigt nun eine Reihe von Männern, welche ſelbſtaͤndig 
mit der Verbeflerung der Lehrart in den niebern Schulen ans 
gefangen haben. Da müflen wir nun erfl das Lob erneuem, 
dad bie durch Gerhard de Groote (den Großen) von De: 
venter geflifteten Kleriler bes gemeinen Lebens, be 
fonderd die fchon früher gedachten Schulen zu Weindeſem 
und Twoll in ganz Zeutfhland erworben haben. Es if 
genug, wenn wir fagen: fein Schüler Florent iu s war eh: 
rer ded Thomas von Kempen, und biefer war es der den 
Rudolf Agricola und viele andere Iünglinge ermunterte 
nach Italien zu reifen, um mit ber griechifchen und römifchen 
Literatur näher vertraut zu werben. 

Die Sprachen und bie biflorifhen Wiffenfhaf 


Überfit der wifſenſchaftlichen Verhaͤltniſſe. 653 


ten waren auf ben Univerſitaͤten noch ganz vernadläffigt. 
Nur buch fie konnte die erfte Facultätöwiffenfchaft, Die Theo⸗ 
logie, befferes Licht erhalten, bis auch die Philofophie ſich aus 
der Barbarei erhob. Neue Hülfsmittel hatten die vertriebenen 
Griechen nah Italien gebracht. Unter jenen Schuͤlern der 
Kleriker des gemeinen Lebens ift Johann Weffel von Grö- + 1489 
ningen einer der Erften ber bei gründlihem Sprachflubium 
auch den Plato liebgewann, während der obengenannte Ni⸗ 
colau8 von Cuſa die mathematifche Methode in der Philos 
fopbie einführen wollte. Erfurt iſt die erfle teutfche Univer- 
fität welche das hatte was Aneas zu Wien vermiffte, Lehrer 
der Rede und Dichtkunſt. Nun entflanden neben den Unit: 
verfitäten verbeflerte Stiftöfchulen, worunter die zu Münfler 
unter Rudolf Zange die berühmtefle geworden '). Es ent: 
flanden auch Privatfchulen zu demfelben Zwecke. Auffer der 
Vereinigung jener Klerifer traten die ausgezeichnetſten Maͤn⸗ 
ner wieder unter fich felbft in nähere Verbindung durch Brief⸗ 
wechfel, Reifen und Errichtung freier Gefellfehaften. Hiuma- 
niora heiffen ihre Studien, weil fie zu den trefflichflen Wer: 
Ten des menfchlichen Geiftes führen, welche zu jeder Zeit die 
Barbarei entfernt und Vereblung dee Menſchheit begründet 
haben. Diefe Humaniften haben die Reformation der Wiſ⸗ 
ſenſchaften eingeleitet, aus welcher dann erſt eine gruͤnd⸗ 
liche Reformation der Kirche hervorgehen konnte. 

Der edle Johann von Dalberg, durch Reiſen in Ita⸗ 
lien, dann zu Ingolſtadt gebildet, Domherr, Propft, zuletzt 
Bifchof zu Worms, Kanzler des Pfalzgraven Philipp, durch 
den er Heidelberg emporhob, berief den Rudolf Agricola 
zum Lehrer bafelbft, nahm felbft von ihm Unterricht in ber 
griechifchen Sprache und gewann einen Rabbiner flır bie he⸗ 
bräifche. Conrad Celtes, aus Schweinfurt in Franken, vongeb. 1459 
demfelben aufgemuntert, hörte ebenfalls den Agricola und be: F 1508 
trieb ſchon als Studirender die richtung einer Gefellfchaft 
der vorzüglichfien Gelehrten, welche ald „societas litteraria 
rhenana“ die erſte feit Karls des Großen Akademie in Teutſch⸗ 


1) 9. A. Erhard Geſchichte des Wieberaufblähens wiſſenſchaftli⸗ 
her Bildung ꝛc. 1827. 3b. I. ©. 321 f. 


65% Buch IL Erſtet Zeitraum Abſchnitt 4. 


land geworben. Am Ende bes Beitalters, ba alle Stände im 
Zünfte und Innungen traten, find ed emblich die freien wi 
fenfchaftlichen Vereine welche wach und nach den Zunftzwang 
gelöft, indem fie Künfte und Wiffenfchaften zum tesstfchen 
Gemeingute machten. Celtes bereifte bie meiften Univerfitd- 
ten und wedte überall die Liebe zu den humanen Wiſſenſchaf⸗ 
ten. Auf Empfehlung bed weifen Kurfürften Sriebrich vor 
Sachſen Erönte ibn K. Friedrich III. auf einen feiner letzten 
1487 Reichötage zum Dichter; bie erfle Ehre diefer Art bie einem 
Zeutichen zu Theil wurde '). 
Mit Wohlgefallen ſah Maximilian biefen ebein Betteifer 
von Männern aus allen Ständen. Er fliftete eine fünfte Fe 
 eultät zu Wien für Poefie und Mathematit und berief den 
Geltes zum Profeffor und Bibliothefar. Zu feinem Nachfol⸗ 
ger wählte er Jobann Gufpinian, auch aus Schweinfurt 
gebürtig, der eine lateiniſche Kaiſergeſchichte bis auf Maximi⸗ 
lian geſchrieben und als vertrauter Rath deſſelben in vielen 
Geſchaͤften ſich hervorgethan hat. Unter Maximilians Aufmum 
terung vereinigten ſich Jakob Manlius von Freiburg, = 
diflaus Suntheim von Ravensburg, um in Zeutfchlanb und 
Stalien gefchichtlihe Denkmäler aller Art aufzufuchen und zu 
fammeln. Diefen Eifer theilten Johann Naucler, Bilibald 
Pirkheimer, Konrad Peutinger, Johann von Triten 
beim. Hier ift ber Anfang einer gründlichen Geſchichtsfor⸗ 
ſchung in Teutſchland. Das Übrige ſchöpfen wir aus ben 
Meichötagsverhandlungen. Marimilien verachtete diejenigen 
Fürften, welche e8 nicht der Mühe werth fänden ihrer Bor 
fahren Thaten befchreiben zu laſſen. Wie faſt in allen wiſ⸗ 
fenfchaftlichen Faͤchern fo wollte er auch bier fich ſelbſt ver 
ſuchen, teug aber feinen eigenthuͤmlichen Geſchmack auch auf 
die Gefchichte über. Als er nach der Niederlage bed Grave 
von Fürftenberg bei Dorned von Lindau auf dem See nad 
Softanz binunterfuhr, fing er an feinem Geheimfchreiber Marr 
Zreigfauerwein von Chrentreig jened Wert zu dictiren, 
das, von der Vermählung feines Vaters mit Eleonora von 
Portugal anfangend, in teutfcher Ausführumg ben Titel „der 


1) Heg ewiſch Überfiht ber deutſchen Kulturgeſch. zc. ©. 189 f. 


Überficht der wiffenfhaftlichen Berhaͤltniſſe. 655 


weiß (blank) König" erhielt. Am Abend uͤberlas er e8 und fragte 
Den nürnberger Patricier Pirkheimer, der den Schweizertrieg be 
Tchrieben, „wie ihm bies Neiterlatein gefalle :)2" Melchior 
Dfinzing, auch aus einem nürnberger Geſchlecht, Propft zu 
St. Sebald dafelbft, fehrieb nach Marimilians Entwurf „den 
Ritter Teuerdank“ (dev auf Abenteuer denkt) in teutfchen Ver: 
fen, Darimilians ritterliche Thaten und Gefahren enthaltend. 
Eine der erſten Prachtausgaben der aufblühenden Buchdrucker⸗ 
Tunft, dem Kaifer zugeeignet, hat lange Fein Gedicht in Teutſch⸗ 
land foviel Auffehn erregt ald dieſes. Man bielt Marimi- 
Kan felbft für den Verfaſſer. Zu dieſer eigenen Art von Ros 
man ift der weiſſe König ein Seitenflüd, mit dem Unterfchied, 
daß hier die Begebenheiten mit gefchichtlicher Treue, nur „in 
verborgener Geflalt” d. b. unter angenommenen Namen bar: 
geftelit find. Er iſt nicht wie der Anfang Iateinifch, fondern 
teutfch im öfterreichifchen Dialekte gefchrieben. 

Haben wir unter 8. Rubolf I. die letzten Minnefänger 
gefehen, nach welchen unter den Händen „ber ehrbaren Mei: 
ferfängerei” die teutfche Dichtkunft zum Handwerk geworden, 
fo zeigt num die Zeit des Teuerdanks einen neuen Auffhwung. 
Jene hat der ehrliche nuͤrnberger Schufler, Hans Sachs, 
nicht ohne Ruhm gefchlofien. Der teutfche Volksgeſang wurde 
begeiftert durch die Schweizerfiege. Veit Weber von Frei⸗ 
burg im Breisgau, wahrfcheinlich ein Schüler der Meifterfäns 
gerei, hat ein Siegeslieb auf die Schlacht bei Murten hin- 
terlaffen 2). Marimilian hielt an feinem Hofe Dichterkbuns 
gen nicht weniger als Turnſpiele. 

Der teutfchen Sprache hat ed nicht wenig gefchabet, daß 
die Inteinifche bis jet die oͤffentliche Geſchaͤftsſprache gewefen 
und daß die Gelehrten in ihren meiſten Schriften fich derfel- 
ben bebienten. Doc haben die Humaniften auch dad Ber: 
bienft um bie baterlänbifche Sprache fi) erworben, daß man 
fi in kurzer Zeit in Überfegungen ber Alten geübt hat. Zu 
Maximilians Zeit iſt die augsburger Mundart für bie 


1) Fugger &. 1121. 
2) Bouterwet Gerichte ber Künfte und Wiffenfchaften Bo. 9. 


66 Bud II Erfer Zeitraum. Abſchnitt 4. 


beſte gehalten worden !). Die Kraft der oberteutſchen Sprache 
ift aber erft in Luther bervorgetreten. 

Die Geiſtlichkeit, als folche, oder bie Anhänger des Papfl- 
thums fahen die Fortichritte in den Sprachen und hiſtoriſchen 
Wiſſenſchaften nicht gern, denn burch dieſes Licht kam ihre 
eigene Unmifienheit und Anmaßung immer mehr an ben ag. 
Johann Burchard von Oberwefel wurbe eines ber erſten 
Opfer ihrer Verfolgung ?). Er hielt den Srundfag feſt, die 
heilige Schrift müfle aus fich ſelbſt erklaͤrt werden, und ta⸗ 
delte dieſelben Misbraͤuche in der Kirche, welche Wiclef, Huß 
u. A. nach ihm mit Grund getadelt haben. Man hieß ihn 
einen Anhaͤnger der Juden, weil er wahrſcheinlich ſchon die 
hebraͤiſche Sprache zu Huͤlfe genommen. Der Kurfuͤrſt Die⸗ 
ther von Mainz fonnte nicht umhin dem Papfte zu Gefallen 

1479 ihn vor eine Synode zu flellen, bei welcher der Kegerrich: 
ter Johann von Eliten den Vorfiß führte. Der alte, kraͤnk⸗ 
lihe Mann wurbe überfchrieen, zum Widerrufe gezwungen und 

1481 zu lebendlänglichem Gefängniß verurtheilt, worin er balb flarb. 
Seine Schriften wurden verbrannt. 

Dagegen erfcheint nun bie mit ben Biffenfchaften zugleich 
aufblühende Buch druckerkunſt ald ein Hauptbeförberunge- 
mittel berfelben, indem fie die bisher Toflbaren, zum Theil 
feltnen Handfhriften fchnell vermehrte und Vieles auch dem 
Volke in die Hände gab, was ed biöher noch nicht kannte. 
Hundert Jahre nah Erfindung des Schießpulvers hat dieſe 
zweite große Erfindung der Zeutfchen einen noch weit bebeu- 
tenderen Umfchwung bewirkt als jene. Sie ift gleich berfelben 
aus unbemerkten Anfängen entflanden, eigentlich eine zwei- 
fahe Kunfl. Die Formenſchneider und Briefmaler find 
die Vorläufer der Buchdruder uns der Kupferſtecher. 
Die Holzfchnitte zu den Briefen oder Charten und zu ben 


1) In der Ausgabe von Taulers Prebigten vom Jahr 1508 iſt 
der Beiſatz: „die ba neulich corrigirt und gezogen ſeind zu ben merern 
Zail auf gut verftentlidh Augfpurger Sprach, bie da under andern teut: 

ſchen Zungen gemeiniglich für bie verſtentlichſte genommen und gehal⸗ 
ten wirt.’ 


2) Ein Freund bes oben gedachten Zohann von Weſel. 


Uüberſicht der wiffenfhaftlihen Verhättniffe. 657 


Heiligenbilbern mit Beiſchriften führten auf den Gebanten, 
ganze Seiten von Xert, enblic Bücher auf hölzerne Tafeln 
zu ſchneiden unb abzubruden. Die Bettelmönche, welche die 
Heiligenbüder zum Vollsunterrichte benübten, mögen die Sache 
vorzüglich gewedt haben. So entftand dann ein größeres 
Werk, die fogenannte Biblia pauperam nad) den Fenſterge⸗ 
mälden von Hirſau oder eines andern Kloflerd. Ein neuer 
Schritt war die Ausmittlung beweglicher Buchſtaben. 
Über die Ehre diefer Erfindung haben hollänbifche und obers 
teutſche Gelehrte geflritten, fie ift nun aber dem Johannes 
Sänfefleifh von Guttenberg, Bürger zu Mainz, zuerkannt. 
Auch mehrere Städte haben Aber ben erfien Sig dieſer Kunfl, 
wie bie fieben griechifchen über Homers Geburt, geeifert. Bis 
jegt iſt erwieſen, daß Guttenberg zuerft zu Straßburg die Ans 
wendung beweglicher Buchflaben verfucht, dann aber burch 
Beiftand des reichen Goldſchmids Johann Fauft zu Mainz 
bie Sache zur wirklichen Ausübung gebracht hat. Nachdem 
dieſe beiden Männer durch einen Proceß fich-getrennt, verband 
fich Fauſt mit Peter Schöffen, dem ex feine Tochter gab, und 
trieb das Geſchaͤft noch immer als Geheinmiß, ſodaß bie Bes 
fellen eidlich verpflichtet wie in einem Blockhaus arbeiten muſſ⸗ 
ten. Dies wurbe endlich gefprengt durch bie obenerzählte Bes 
filrmung der Stadt unter dem Erzbiſchof Adolf von Naſſau, 1462 
worauf bie Arbeiter in mehreren teutfchen und italienifchen 27. Det. 
Städten fich nieberlieflen und fomit die Kunft ſchnell in z | 
fentliche Auskbıumg brachten *). Cine andere Erfindung, weis 
che die Käuflichleit der Bücher erleichterte, ifl das Linnens ' 
oder eumpen⸗Papi ier, das ſchon ſeit Anfang des funfzehnten 
Jahrhunderts in Teutſchland den Gebrauch des theuern Pers 
gaments verdraͤngte. Die Erfindung ſelbſt ſcheint nicht teutſch 
zu ſein; man ließ das Papier anfaͤnglich aus Italien kom⸗ 
ne , aber balb findet man auch Papiermühlen zu Nürmberg 
und Bafel. 


1) Das tft die gewöhnliche Annahme, ſ. Hegewiſch a. a. O. &. 
164. Indeſſen hat Eichtenberger, Initia typographica etc, Straße 
burg 1811. S. 47. den Beweis gegeben, baß ſchon 1461, alfo ein Jahr 
vor ber mainzer Beſtuͤrmung, Albert Pfifter zu Bamberg ein 
Buch gebrudt hat. 


Pfiſter Geſchichte d. Teutſchen ILL 42 


658 Buch DI Erſter Zeitraum. Abſchnitt & 


Die Kupferſtecherkunſt, ſehr wahrfcheinlich von einem 
Florentiner erfunden, iſt durch Albrecht Dürer in Rüm 
berg fo verbeflert worden, daß feine Blätter in Stalien nach⸗ 
geftochen wurden. Die Holzfhnitte von Diner find in 
ihrer Art ebenfo ausgezeichnet; er bat eine ber erfien gebrud: 
ten Bibeln bamit geziert, wobel in ben Scenen der Dffenba: 
rung Iohannis bes Papſtes ebenfo wenig gefhont ii als in 
Dantes Hölle. Derfelbe it in der Malerei Schöpfer einer 
eigenen trefflichen Manier, ohne jemals Mufter vor ſich ges 
babt zu haben, während bie florentiniſche und . Schule 
unter Michael Angelo und Raphael glaͤnzten. Gleichzeitig 
und ebenſo ſelbſtaͤndig iſt Lukas Kranach In Wittenberg, 
beffen unten weiter gedacht wird Die Ölmalerei war fchon 
ein Jahrhundert früher erfunden bucch ben Niederländer Io: 
bann von Eyk. 

Die erfien gebructen Werke waren theils biblifche Dir 
cher in teutfcher Überfegung, freilich nur nach der Bulgato, 
und Prebigtbücher, theils verfchiebene Bolksfchriften, Calender, 
Reiſebeſchreibungen, Kräuterbücher. Das Meifte aber wurbe 
noch von Gelehrten für Gelehrte gefchrieben. Den Vertrieb 
ber Drudichriften verhinderte anfänglich der Eigennuß ber Ver⸗ 
leger ſelbſt; wenige theilten bie Ehrbegierde eines Frobe⸗ 
nius zu Baſel und feines Freumbes, bes gelehrten und thätis 
gen Eraſmus von Rotterdam '). Der Nachdruck ifl no. 
alt als die Buchdruckerkunſt ſelbſt. Maximilian muffte der 
theinifchen Gefelfchaft ein Privilegium geben. Auf gänzliches 
Verbot fcheint Niemand gefallen zu fein. Wie hoch Die Bud; 
druckerkunſt fchon in ihrem Anfange gefhägt wurde, Bann 
man aus ben Snadenbezeugungen K. Sriebrichs II. abnehmen. 
Er ertheilte den Kunflverwandten berfelben gleiche Frei⸗ 
beiten mit dem Abel und den Belehrten?). Aber kaum 


1) Des Letztern wiſſenſchaftliche Werbienfte und feine Stellung bei 
ber Reformation koͤnnen erſt im folgenden Abfchnitt vorkommen. Daf 
felbe gilt auch von ben weiter hier genannten Männern. 

2) mit ber Erlaubniß Gold zu tragen; ben GSchriftfegern verlich er 
einen Abler, den Drudern einen Greifen mit den Drudierballen in ben 
Klauen zum Mappen, nebft einem gekroͤnten offenen Selm. Häberlin 
Reichsgeſchichte VII, 649. 


Überficht ber wiffenfhaftlichen Verhältniffe 659 


fah man biefe neuen Beförberungsmittel der Klnfle und Wiſ⸗ 
fenfchaften im Gange, fo tritt auch das Papfitbum wieder 
mit feinen Befchräntungen ein. Es maßte fi) dad Recht ber 
Oberaufficht über die Preſſe in der ganzen Chriftenheit an, 
wie biöher über die Univerfitäten. Der mit allen Laftern bes 
fleckte Papft Alerander VL befahl zuerft bei Strafe des Baus 
nes, baß Fein Buchbruder ein Buch anders als mit vorgaͤn⸗ 
giger Cenſur feines Biſchofs druden folle. Leo X. wieder 
bolte dieſes Verbot unter gefchärften Strafen. Diefer Ver⸗ 
ordnung gemäß beftelite der Exzbifchof Bertold zu Mainz in 1486 
feiner Didcefe den erfien Genfor. 

Die möndifhen Theologen traten auch bald alb 
erklaͤrte Gegner der Humaniſten auf. Ein getaufter Jude, 
Johann Pfefferkorn, wirkte in Verbindung mit dem Domini⸗ 
caner Hogſtraten, einem gewaltigen Ketzerrichter, und dem Theo⸗ 
logen Arnold von Tungern zu Coͤln ein Mandat vom Kaiſer 
Maximilian aus, nach welchem alle juͤdiſche Buͤcher, auſſer 
der hebraͤiſchen Bibel, verbrannt werden ſollten, weil ſie nur 
Laͤſterungen auf das Chriſtenthum enthielten. Die Juden brach⸗ 
ten es jedoch dahin, daß dem Erzbiſchof von Mainz eine naͤ⸗ 
here Unterfuchung übertragen wurde. Diefer befragte darüber 
den gelehrten und tiefblidenden Johann Reuchlin aus Pforz⸗ 
beim, ter aufier feinen großen Verdienſten um bie claffifche 
Literatur und bie Mechtswifienfchaft zugleich als ber eigent⸗ 
liche Begründer des hebräifchen Sprachflubiums in Teutſchland 
zu beteachten iſt. Reuchlin gab das Gutachten: man müflte 
die Läfterfchriften wohl von denen unterfcheiben, welche bie 
Wiffenfchaft beiräfen; jene koͤnnte man verbrennen, bie aber 
müffe man erhalten, um fich nicht ſelbſt der Huͤlfsmittel zur 
Kenntniß der heiligen Schrift zu berauben, Darauf erhielten 
die Juden ihre Bücher wieder. Aber ihre Verfolger lieffen 
nun den ganzen Geinmm über Reuchlin aus; fie verklagten 
ihn beim Kaifer und Papfte, und ed kam zwiſchen ihnen umb 
Reuchlin zu einem hitzigen Schriftenwechſel. Die Schande 
fiel jedoch bald auf fie zurͤck. Leo X., als Freund ber 
Biffenfchaften, nahm Reuchlins Appellation an, die Earbk 
naͤle gaben einen fir ihn gimftigen un Ebenfo ber 
Kaifer. 

42* 


* 


660 Buch III. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 4. 


Indeſſen war es nun einmal zu offenem Kampfe zwi⸗ 
ſchen den Theologen und Humaniſten gekommen. De 
kuͤhne Ritter Ulrich von Hutten, ber um dieſe Zeit übe 
die. Ermordung feines Verwandten, Johann von Hutten, iz 
ben beftigflen Schriften gegen Herzog Ulrih von Wirte 
berg Rache rief, wurde Reuchlins WVorfechter und gab jene 
durch feinen unerfchöpflichen Wis dem Spotte und der Ber 
achtung preis. Wie er mit feinen Freunden gegen bie Gil 
ner „bie Briefe ber dunkeln Männer” fo treffend in Mönche 
Intein fchrieb, daß man fie in England für Acht hielt, fo ließ 
ex gegen bie flolzen Univerfitätögelehrten, welche auf Die Hu⸗ 
maniften mit Geringſchaͤtung herabfahen, das Zweigeſpraͤch 
„Niemand und Keiner" auögehen. Der Streit wurbe immer 
beftiger, die Humaniſten ſchimpften die. Scholaflifer Barbaren, 
diefe die Humaniften Keber und des Scheiterhaufens wäürbig, 
bis endlich der Zwiefpalt in einem noch größern ſich verlor. 

Sswiel die biöher genannten Männer für die Aufnahme 
der claffifchen Literatur durch Schriften, Reiſen und Vorträge 
auf den Univerfitäten gethan, fo fehlte doch noch eine foldk, 

’ welche diefen Zweig ber Wiflenfchaften eigentlich in ihren Plan 
aufnahm, wiewohl auf ber jüngften berfelben, Tübingen, fchon 
einige Verfuche dazu gefcheben waren. Dafür forgte num de 
weife Kurfirft Friedrich von Sachſen. Nah einer Wall 
fahrt in's gelobte Land, womit er nicht bloß ber alten Zei 
ihre Schuld bezahlt, ſondern in Begleitung feines Leibarztes 
Mollich und des Malers Lukas Kranach manches Merkwin⸗ 
bige — waͤhlte er auf des Erſtern Vorſchlag Wit⸗ 
1502 tenberg, als eine Stadt der altherzoglichen Lande, zum Sig 
einer Univerſitaͤt mit paͤpſtlichen und kaiſerlichen Privilegien 
zugleich. Reuchlin, den er um Lehrer der griechiſchen und 
hebraͤiſchen Sprache anging, ſandte ihm zu dieſem Zwecke von 
Tuͤbingen, wohin er anfaͤnglich ſelbſt berufen war, feinen 
Verwandten Philipp Schwarzerd oder Melanchthonz als 
Lehrer der Theologie Fam ebenfallö von bort Johann Stau⸗ 
pig, Luthers Lehrer und Freund. In kurzer Zeit erhielt bie 
Univerfität, eben wegen ihrer dem Zeitbebürfniß eutfprechenben 
Einrichtung, lebhaften Beſuch. 
Durch einen aͤrztlichen Streit zwiſchen Mollich und Pi⸗ 


Überficht der wiffenfgaftligen Verhättniffe, 661 


floris (über den Urfprung und die Ausbreitung der böfen 

Blattern) wurde ber Lestere veranlaflt an ben Hof des Kurs 

fürften Iohann von Brandenburg ald Leibarzt zu gehen. Jo⸗ 

hann, der teutfhe Cicero genannt, hatte bereits vom Kai: 

fer und Papſt Freiheitäbriefe zur Errichtung einer hohen Schule. 

Nach feinem Auftrage wählte Piftoris zu ihrem Sig Frank⸗ 

furt an der Oder. Johanns Nachfolger, Joachim J., brachte 1506 

die Anſtalt zur Ausführung. Zum erſten Rector wurde Con⸗ 

rad Koch von Wimpfen ernannt. Diefe zwei letztern Univers 

fitäten, Wittenberg und Srankfurt, gerietben ebenfo bald mit 

einander in lebhafte Streitigkeiten (in der Reformationsface), 

als jene beiden Männer, bie zu ihrer Stiftung gerathen hatten. 
Indem Gelehrte, Ritter und Fürften durch gründlichere 

.. Bearbeitung der Wiffenfchaften für die Erhebung des gelehr⸗ 

ten Standes felbfi und für beſſere Belehrung des Volkes ſorg⸗ 

ten, unterflüßten fie nicht wenig die Öffentlihen Vers 

bandlungen in Kirchenfachen gegen das Papftthum. Nicht 

lange durfte fich diefes nach Pius und Paul, der Hoffnung 

erfreuen, alle Reformationsgedanken für immer niedergefchlas 

gen zu haben, fo erwachtenneue Stimmen unb der Reichs 

tag Tam nach und nach auf bie alten Klagen zurüd. Ein 1496 

Jahr nach der Errichtung des ewigen Landfriedens erhoben 

fich nach den Polizeifachen Befchwerben gegen ben Papft, daß 

er die Beneficien den Soncordaten zuwider Ausländern zuwende, 

auch daß die geiftlichen Gerichte zu weit ausgebehnt würden. 

Auf dem folgenden Reichötage zu Freiburg wurde eine Vor: 1498 

fcheift für die Gefandtfchaft an Alexander VI. entworfen, wel 

che die Abfchaffung vieler Misbraͤuche betreiben follte. Zwei 

Sabre darauf faffte der Reichstag zu Augsburg denfelben Bes 

ſchluß wieder, daß wegen ber Übertretung ber Concordate und 

anderer mannichfaltiger Befchwerungen der teutfchen Ration 

ein Gefandter nach Rom gehen folle. Indeſſen Fam der Cars 

dinal Raymund nah Zeutfchland, der, flatt jene Beſchwerden 

zu heben, vielmehr Einfammlung des Zehnten für den Kreuz 

zug betrieb. Dies führte wohl zu neuen Beſchwerden bes 

Reichöregimentd über die zu weit ausgebehnte Gewalt des Les 

gaten. Das Ganze blieb‘ aber Immer noch ohne Nachdruck. 

As Maximilian im Begriff war zur Kaiſerkroͤnung nah Rom 1507 


662 Buch UL Erfter Beitraum Abſchnütt & 


zu geben, verfaflte fein Wertrauter, Jacob Regius, ein eige 
ned Schreiben an ihn, das wieder auf Abſtellung ber geſch | 
widrigen Verleihung der Kirchendmier unb Pfrunden brang 
Die Vorftellung unterblieb jebody mit dem Römerzug. Nur 
1508 fing Marimilian felbft auch an, um in keinem Fache frem 
zu bleiben, fich mit der Xheologie zu befaſſen. Während a 
einige Monate in den Rheingegenden zubracdhte, hatte er ben 
gelehrten Abt Johann von Zritenheim zum Begleiter; bie 
Dfingfizeit brachte er auf dem Schloffe Boppard zu; hie 
legte er dem Abte ächt zum Theil freifinnige theologifche Fre⸗ 
‚gen vor, bie berfelbe fchriftlih, aber bloß aus der natürli 
hen Erkenntniß, beantworten follte, um bamit bene, 
welche die Offenbarung leugneten, begegnen zu koͤnnen 
Der Abt war jedoch bei allen feinen Kenntniffen nicht de 
Mann dazu, ben Kaifer zu befriedigen; feine Antworten firt, 
gegenüber von ber Eatholifchen Rechtgläubigkeit, mit folder 
‚ Umficht und Angſtlichkeit abgefaflt, daß fie zuweilen in’s & 
cherliche und Abergläubifche verfallen‘). Alſo kam Maximi⸗ 
lian auch von dieſer Seite nicht weiter. Im Kriege gegen 
Qulius IL, da Ludwig XI. bei der Berufung bed pifanifchen 
Concilium bie von feinen Vorgaͤngern nachgelaflene prag: 
matifhe Sanction erneuem wollte, kam Marimilian dar 
454141 auf eine folhe auch für Zeutfchland zu erlangen, ba ſchon 
gur Zeit ded Anens davon bie Rebe gewefen. Er gab dem 
berühmten Zheologen Jacob Wimpheling, ber damals zu 
Straßburg lehrte, den Auftrag, die franzöfifchen Kirchengeſetze 
für Teutfchland in Anwendung zu bringen. Die Reichstags⸗ 
befchwerden, wozu Bertold von Mainz bereitd einen Ent 
wurf fertig batte, arbeitete Wimpheling ebenfalld aus mit Bor: 
-  fihlägen, wie den häufigen Überfchreitungen der Concorbate bes 
- gegnet werden koͤnne; die Vorficht mit weicher biefe Vorfchläge 
abgefafit find geben einen neuen Beweis, in welche Furcht fid 
das Papfitbum gefeht hatte. Marimilian konnte auch feinen 
teutfchen Bifchof zum Beſuch des piſaniſchen Conciliums 
bewegen, weil man eine Spaltung beflirchtete. Es war eine 
Hauptklage, daß fo viele einbeimifche junge Männer, welche 








1) Das Rähere bei Hegewifch Gefch. Maximillans L ©, 178 f. 





-- —⸗ — vu 


Kichlidhe Angelegenheiten. 063 


füch mit Eifer auf die Wiffenfchaften legten, durch päpflliche 
‚Döflinge, „Cortiſanen“, verdrängt würden, welche oft geſchick⸗ 
ter wären Maulthiere ald Menfchen zu weiden. Alein bie 
ganze Beichwerbeichrift blieb zuruͤckk, weil Marimilian fich mit 
Zulius II. verglih, um feinen Krieg mit Venedig beendigen 
zu koͤnnen. | 

Der Bifchof von Surf, Matthäus Lang, ein Mann von 
ausgezeichneter Einficht und Thaͤtigkeit, war ed, durch welchen 
Morimilian wie die meiften politifchen fo auch die Kirchen» 
Geſchaͤfte führte. Als Julius IL während jenes Kriegs heftig 1511 
‚erkrankte, gab Maximilian dem Bifchof ben Auftrag, fobalb 
er deffen Tod erfahren würde, nah Rom zu gehen um bie 
Gardinäle zu gewinnen; benn er kam auf ben feltlfamen Ge 
danken die Kaiferwürbe nieberzulegen und fich zum Papſte 
wählen zu lafien. Man koͤnnte zweifeln, ob es fein Ernſt ges 
wefen !); allein ex gab nicht nur Befehl, bei dem reichen Ja⸗ 16. &epe. 
Lob Fugger zu Augsburg 300,000 Ducaten aufzunehmen und 
dem Bifchof nachzuſchicken, fondern er erneuerte ben Antrag 
im folgenden Jahre ‘bei dem wiedergenefenen Papfle dahin, - 
Daß er ihn einftweilen zum Coadjutor annehmen möchte. Auch 
foderte er den König Ferdinand von Aragonien auf ihm dazu 1512 
behuͤlflich zu fein, indem er die Kaiſerkrone dem gemeinfchaft> - 
lichen Enkel Karl abtreten wollte. Seine nächte Abficht mochte . 
gewefen fein, die vorgehabte Reformation auf bem pifanifchen 
Concilium burchzufegen; bei dem zweiten Antrag konnte er 
biefe ſchon nicht mehr haben, denn er batte fich indeffen mit 
Sulius II. ausgeföhnt und war dem lateranifchen Concilium 
beigetreten. Gr fand aber bei diefem Fein weiteres Gehör ?). 
Da Julius bald darauf flarb, zögerten die Garbindle nicht 1513 
Leo X. zu erheben, ehe Marimilian ſich in das Wahlgefchäft *ı- Febr. 
mifchen konnte. Des Bifhof von Gurk erhielt den Carbis 11.Mär;. 
nalshut. | 


1) Er ſcherzte wohl auch felbft darüber, indem er feiner Tochter 
Margaretha fchrieb, fie werde ihn nach feinem Tode als Heillgen vers 
ehren. 

2) Mich, Coccinius de bello Maximil. I. cum Venetis in Fre- 
her. T. IL p. 547. Lettres du Roi Louis XII. T. IIL. IV. Golb: 
aft Reichshandiungen ©. 96, | 


— || — 00. 


664 Buch IL. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 4 


Leo brachte das Lateranifche Concilium zu "Ende im Geife 
feines Vorfahren. Julius hatte bei der Eröffnung verfümbigt, 
Vertilgung der alten Kebereien, Reformation der Sitten aller 
Stände und Dämpfung der Kriege fei die Abfiht. Das 
Zweite und Dritte war aber nicht fo ernfllich gemeint. in 
einziger Rebner, der Auguftiner-General Agidius von Viterbe, 
trat gegen ihn auf. „Seit die Kirche,“ fprad) er, „die Waf⸗ 
fen ergriffen, babe fie einen großen Theil ihrer Länder an 

- die Mahommebaner verloren: wenn es nicht fo fortgehen folle, 
fo müfje fie wieder in den Schoo8 der alten Frömmigkeit 
41516 zurückkehren.“ Leo kam mit 8. Franz L überein, Die prag- 
Dec. matiſche Sauction in Frankreich wieber auf's neue aufzuheben 
und fehloß mit ihm ein Concordat, wodurch bie gallicaniſche 
Kirche in die frühere Abhängigkeit vom römifchen Stuhle 
zurüdgeworfen wurde. So viele Widerfprüche diefe Überein⸗ 
tunft fand, fo wuffte fie doch der König endlih im Parla⸗ 
ment burchzufegen. Er hoffte in Abficht feiner andern Plane 
entfchädigt zu werden. Die lebten Beſchluͤſſe des Concilium 
gingen gegen dad Studium der Philofophie: Fein Geifllicyer 
oder Mönch ſollte ihr kuͤnftig Iänger ald fünf Jahre ohne 
.. Xheologie oder Fanonifches Recht obliegen. Der Dominicaner- 
Seneral Cajetan meinte, die Philofophen follten eigentlid) 
die Glaubenswahrheiten gar nicht lehren. In einem weitern 
Beichluffe wird den Laien alle richterlihe Gewalt über Geiſt⸗ 
liche fchlechterdings abgefprochen; zuletzt wiederholte Leo das 
Genfurebict. 
Sp ſchloß Leo das Interanifche Concilium und glaubte 
damit alle Unterfuhungen in Glaubensſachen für immer aus⸗ 
geſchloſſen zu haben. Sieben Monate darauf fchlug der 
Auguftiner Luther feine Theſes gegen den Ablaß zu Wits 
tenberg an. F | 

Indefien, da ber Friebe in Italien bergeftellt war, ver: 
einigte fi) Marimilian mit Leo ben allgemeinen Heerzug ge: 
gen die Türken nun einmal um fo ernſtlicher vorzunehmen, 
als Selim I. durch die Unterwerfung von Agypten und Algier 
die europdifchen Staaten auf's neue feine Übermacht fürchten 
ließ. Leo X. ſchrieb an alle Könige der Chriftenheit und fo 
derte fie auf, die Zürlen zu Wafler und zu Lande anzugrei- 





Kirchliche Angelegenpeiten. 665 


fen und aus Europa zu vertreiben. Maximilian fchloß zu die 1517 
fem Zweck ein Bündniß mit den Königen von Frankreich und 11. März. 
Spanien. Dann berief ex einen großen Reichstag nach Augs⸗ 
burg, auf welchem er überhaupt feine Entwürfe nody zur Aus⸗ 
führung zu bringen hoffte. | 

Leo X. fandte ihm gleich bei der Eröffnung des Reiche: 1518 
tags, als oberflem Feldherrn der Ehriftenheit, geweihten Hut 1- Aug- 
und Degen; dem neuen Erzbifchof von Mainz, Albrecht von 
Brandenburg, verlieh er dad Pallium gegen die biöherige Sitte 
unentgeltlich. Dann hielt der Legat Cajetan eine Rede, worin 
er den Vorwurf abzulehnen fuchte, daß ed dem römifchen Hofe 
bei den Kreuzzugsanftalten bloß um da8 Geld zu thun fei, 
weshalb er auch auf alle Theilnahme an ber Caſſe verzichtete. 
Nach langen Berathungen, während welcher man die einges 
laufenen Nachrichten von dem Vorrliden der Türken für bloße 
Erfindung zur Befchleunigung der Sache halten wollte, bis 
- bie ungetifhen Sefandten den Angriff auf Belgrad befldtig- 
ten, bielt Maximilian felbft eine lange Rebe in der Verſamm⸗ 18. Aug. ° 
lung. Da man num aber über eine Antwort an den paͤpſtli⸗ 
chen Legaten fich vereinigen wollte, zog ein vom Bifchof von 
Luͤttich abgeordneter GBeiftlicher eine Rebe hervor, welche vie 
bitterften Befchwerben über die päpftlichen Eingriffe und Geld: 
fchneidereien vorbrachte. Zugleich ging eine an bie Fürften 
Zeutfchlands gerichtete fchriftlihe Rede herum, welche den 
Vortrag des Cajetan Wort fir Wort in den heftigſten Auss 
drucken widerlegte. „Die ganze Chriſtenheit,“ heifit ed darin, . 
 nbefondbers aber Zeutfchland werde vom römilchen Hofe gewal⸗ 
tig geprefitz man folle nicht gefchehen laflen, daß Satans 
Engel fih in einen Engel des Lichts verfleide und das Volk 
glauben mache, er bringe feine Opfer Bott, wenn er fie dem 
- Geige laſterhafter Dienfchen bringe. Den Türken zuruͤckzu⸗ 
fchlagen wäre ein ruͤhmliches Vornehmen, aber der Türke, der 
am meiſten zu fürchten, wäre in Stalien zu fuchen. Gegen 
jenen der aud Alien gefommen, koͤnnte Zeutfchland ſich noch 
immer genug vertheidigen; aber den italienifchen Tuͤrken zu 
bezwingen, dazu wäre die ganze Chriftenheit nicht genug. 
Indeſſen folle man fi nur vor dem Banne nicht fürchten. 
Der Himmel werde auf den Wink eines Blorentiners eben 


J 


66 Bud U. Erſter Zeitraum. Abſchnitt 4. 


nicht zuͤrnen; das Gelb das die Zeutichen aufbringen follten, 
wäre bloß ein Zribut für jene ehrfüchtige Familie.” 

Bür den Verfafler hielt man Ulrich von Hutten, ber 
im Gefolge des Erzbifchofs Albrecht von Mainz nach Auge 
burg gekommen war, aber am Bieber frank Iag *). In feiner 
Jugend aus bem Klofter entlaufen, hatte er fi) mit ausge 
zeichneten Erfolg ben Wiffenfchaften ergeben und zu Frank: 
furt an der Oder bie Magiflerwürbe erlangt. Nachdem er 
zehn Sabre in Zeutfchlanb und Italien unter mancherlei Schid: 


“ falen, auch eine Zeit ang im italienifchen Kriege ſich herumge⸗ 
trieben, wurde er bei feiner Ruͤckkehr durch ben trefflichen Kon- 


sab Peutinger von Augsburg dem Kaifer vorgeftellt, der ihm 
zugleich den Dichterlorbeer auffegte und bie golbne Ritterfette 
umbing. Obige Rebe iſt wenigflens ganz im Zone feine 
Übrigen zahlreichen Schriften, mit welchen er Zeutfchland für 
die Sache der Freiheit begeifterte. 

Die Antwort der Reichöftände an ben Legaten lehnte 
ben Antrag beffelben gerabezu ab. Nach fo vielen Erſchoͤpfun⸗ 
gen fei ed unmöglich, zu den Kriegökoften den Zehnten von ber 
Seiftlichleit und den Bwanzigften von ben Weltlichen einzu: 
ziehen. Die Fuͤrſten müflten erſt ihre Landſtaͤnde darüber 
befragen. Maximilian ließ jedoch bloß den letztern Theil der 
Antwort gelten und verfchob deswegen die Entſcheidung auf 
einen andern MReichötag. Um inbeffen nicht ganz leer auszu⸗ 
geben, befchloß man drei Sabre lang jeben Communicanten 
im Reiche jährlich „4 fl. bezahlen zu laflen; die Reichsſtaͤnde 
folten nach Belieben beitragen °). Und bamit erloſch das 
ganze Unternehmen. 

Marimilian hatte noch einen andern Entwurf: er wollte 
feinen Entel Karl bei feinen Lebzeiten zum römifchen Könige 
wählen lafien. Die Unterhandlungen mit den. Kurfürften wa⸗ 
ven fchon eingeleitet. Karl fol zu diefem Zweck 200,000 Dus 
coten nach Zeutfchland gefchidt haben, und man hielt ſich der 


1) Adami Vitae etc, p. 17: Schon 1495 hatte Grav Eberhard 
von Wirtemberg in Verbindung mit Reuchlin den Verſuch gemacht ben 
Kelchstag durch ausgetheilte Reben zu bearbeiten; f. oben 


2) Reue Sammlung ber Leichsabſchiede Sp U, 170 Fi. 





Marimilians legte Zeit. 667 


Stimmen von Mainz, Coͤln, Pfalz und Brandenburg ver⸗ 
ſichert. Marimilian ſuchte auch den Papfl zu gewinnen und 
wollte fich erſt noch durch eine Gefanbtfchaft von Carbindien 
in Zeutfchlend zum Kaifer kroͤnen laſſen. Allein K. Franz J. 
von Frankreich mahnte den Papft ab und brachte ben Kurfürs 
ften von Trier auf feine Seite. Der Kurfürft von Sachfen, 
Friedrich der Weife, dem Kaiſerhauſe vielfältig verbunden , konnte 
den Ausfchlag geben. Der Kaifer berief ihn und den Kurfürs 
fin von Mainz während des Reichötags zu ſich in Gegenwart 
des Cardinals Bifchofs von Gurt. Friedrich gab keine beftimmte 
Erklärung ). Luthers Sache fland In der Mitte. Marimis 
lian wurde empfinblich; der Papfl aber war diefer Spannung 
froh. Die Unterhandlungen wurden zwar auch nad dem 
Reichstage fortgefeht; allein Marimilian erlebte die Gewaͤh⸗ 
sung feined WBunfches nicht mehr. Voll Unmillen über Leo X. 
tief er aus: „Run iſt dieſer Papft auch zu einem Boͤswicht 1518 
an mir worden; num mag ich fagen, baß mir kein Papft, fo 
lange ich gelebt, je Zreu und Glauben gehalten hat; hoffe, 
ob Sott will, dieſer fol der letzte ſeyn!“ 
Marimilian beurlaubte die Fürften und ritt von Augdhurg 6. Oct. 

über Fuͤeſſen nach Ehrenberg, um ſich mit der Falkenbeize zu 

zerſtreuen. Als er auf dem Ruͤckwege zu ber Rennſaͤule auf 
dem Lechfelde kam, wanbte er fich um, ſchlug ein Kreuz ges R 
gen die Stadt und fprach: „Nun gefegne dich Gott, du lie: 
beö Augsburg, und alle frommen Bürger barinne. Wohl haben 
wir manchen guten Muth in bir gehabt; nun werden wir dich 
nicht mehr fehen!" Er litt bald flärfer am Fieber; von Ines 
bruck, wo ihm bie Bürger einen Verdruß machten, ging er 
nah Wels; hier endigte ex nach drei Monaten fein thätiges 1519 
Leben im fechzigfien Jahre. Gewiß in Abficht auf Willen und 12. Ian. 
Thatkraft einer ber löblichflen Kaifer des fpätern Teutfchlands. 
Daß er nicht mehr erreicht hat in feiner fünfundzwanzigjäh: 
rigen Regierung, liegt allein barin, daß er zu viel gewollt und 
bei der Beweglichkeit feines Geiftes leicht wieber von neuen 


1) Spalatin Leben Briebriche bes Weifen In ber Sammlung ver 
mifchter Nachrichten zur fächfifchen Geſchichte IH V, 24 J. 127. Gu- 
den. Cod. dipl. T. IV. Nr. 286. 288. Guicciardiai L, XIII. 


68 Bud III. Erfter Zeitraum. Abſchnitt 4 


Speen ergriffen worben if. Dies iſt jedoch wieber ber teut 
fhen Verfaſſung zu gut gekommen, inbem er immer bereit 
war bie Entwürfe der Beſten zur Ausführung zu bringen. 
Bei allen übrigen Auffoderungen bat er dad Beduͤrfniß Zeutid- 
‚lands erkannt und gewirbigt. Er war fo glücklich, die Größe 
feines Haufes gegründet und das Reich in einem Frieben 
zu feben, der bald nach ihm erfchüttert wurde, vor ihm abe 
lange Zeit gar nicht gekannt war. Nach Friedrichs IH. Lang» 
weiliger Zeit welch eine Lebendigkeit tritt auf einmal in allen 
gefelfchaftlihen Verbältniffen hervor! In der That, Teutſch⸗ 

- Iand ift nie in allen feinen Ständen zugleich fo kraͤftig 
und maͤchtig geweſen als damals: eine Zahl von tapfern, ein⸗ 
ſichtsvollen Fuͤrſten, für das Wohl ihrer Lande wachend; ein 
ritterlicher Adel, Schwerbt und Feder zugleich führend; die 
Städte noch immer jo wohlbabend, wie fie nie wieber ge 
worden; an ihrer Spige Männer durch Bürgertugend groß, 
en Wohlſtand den Fürften gleich; der Stand ber Gelehr⸗ 
ten zum mutbhigen Kampfe entfchloffen gegen bie Feſſeln des 
menfchlichen Geiftes. 

Ein Höfling K. Ludwigs XII. wollte in Gegenwart bes 
Königs fich über den Kaifer luſtig machen unb nannte ihn den 
„Bürgermeifter von Augsburg. „Einfaͤltiger,“ fprach der 
König, „wenn diefer Bürgermeifter läffet bie Glocke Iäuten, 
fo ift ganz Zeutfchland im Harniſch und Frankreich muß 
zittern.‘ 

Luthers große Aufgabe faſſte Marimilian nicht mehr auf'). 
In feiner legten Krankheit ließ er einen alten Karthäufer, feis 
nen vormaligen Kanzler, aus Freiburg fommen: „dieſer Mann,” 
fagte er bei feinem Anblide, „fol mir den Weg zur Selig: 
keit weiſen.“ Mit feinem Beiſtand vollendete er den letz⸗ 
ten Kampf. 

Zwei Tage nach Maximilians Abreiſe von Augsburg kam 
1518 Luther daſelbſt an, um vor dem Cardinal Cajetan über feine 
8. Oct. biöherigen Schritte fich zu verantworten. Er follte widerru⸗ 

fen: ex wiberrief nicht, weil er nicht widerlegt war. Gajetan 


1) Er gab dem Papfie Rachricht von den Borfällen und foll gefagt 
Yaben: bez Mann werde ben Pfaffen zu thun geben 





Marimilians Verdienſte. 669 


ſchrieb an den Kurfürften Friedrich, feinen Landesherrn: Luther 
entweder nach Rom zu fiellen oder aus dem Lande zu jagen, 
um nicht wegen eined einzigen Mönchleind feine und feiner 
Vorfahren Ehre zu verdunfeln. Der Kurfürft that keines von 
beiden. Luther ließ die ganze Verhandlung druden und ap- 
pellirte von dem übel unterrichteten an den beſſer zu unter: 
richtenden Papſt. 

Soweit hatte Aneas fiebenzig Jahre früher richtig vors 
ausgefagt: ber römifche Stuhl werde noch mit teutichen Ge⸗ 
lehrten in Kampf gerathen. 


141411 
111114 


Drudfehler. 


unten flatt von Polen lies ben Polen 
hatten, 1. hätten 

Offberg L Affber 

Wifchehrebe I. at Pochrabe 
Bimmenftein . Bunnenftein 
Zerrifin L Sarvifin (tarvifer Mark) 


ft. 
ft. 
ft. 
4 
nach italien iſchen fege Nation. 


N 
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