Google
This is a digital copy of a book that was prcscrvod for gcncrations on library shclvcs bcforc it was carcfully scannod by Google as pari of a projcct
to make the world's books discoverablc online.
It has survived long enough for the Copyright to expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject
to Copyright or whose legal Copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books
are our gateways to the past, representing a wealth of history, cultuie and knowledge that's often difficult to discover.
Marks, notations and other maiginalia present in the original volume will appear in this flle - a reminder of this book's long journcy from the
publisher to a library and finally to you.
Usage guidelines
Google is proud to partner with libraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. Public domain books belong to the
public and we are merely their custodians. Nevertheless, this work is expensive, so in order to keep providing this resource, we have taken Steps to
prcvcnt abuse by commercial parties, including placing lechnical restrictions on automated querying.
We also ask that you:
+ Make non-commercial use ofthefiles We designed Google Book Search for use by individuals, and we request that you use these files for
personal, non-commercial purposes.
+ Refrain fivm automated querying Do not send automated queries of any sort to Google's System: If you are conducting research on machinc
translation, optical character recognition or other areas where access to a laige amount of text is helpful, please contact us. We encouragc the
use of public domain materials for these purposes and may be able to help.
+ Maintain attributionTht GoogXt "watermark" you see on each flle is essential for informingpcoplcabout this projcct and hclping them lind
additional materials through Google Book Search. Please do not remove it.
+ Keep it legal Whatever your use, remember that you are lesponsible for ensuring that what you are doing is legal. Do not assume that just
because we believe a book is in the public domain for users in the United States, that the work is also in the public domain for users in other
countries. Whether a book is still in Copyright varies from country to country, and we can'l offer guidance on whether any speciflc use of
any speciflc book is allowed. Please do not assume that a book's appearance in Google Book Search mcans it can bc used in any manner
anywhere in the world. Copyright infringement liabili^ can be quite severe.
Äbout Google Book Search
Google's mission is to organizc the world's Information and to make it univcrsally accessible and uscful. Google Book Search hclps rcadcrs
discover the world's books while hclping authors and publishers rcach ncw audicnccs. You can search through the füll icxi of ihis book on the web
at |http: //books. google .com/l
I
'0I^K-'
w^^m
I
GESCHICHTE
DER
WIENER UNIVERSITÄT.
VON
JOSEPH KITTER voh ASGHBAGH.
ZWEITER BAND.
DIE WIENER UNIVERSITÄT UND IHRE HUMANISTEN
IM ZEITALTER KAISER MAXIMILIANS L
WIEN, 1877.
WILHELM BRÄUMÜLLER
K. K. HOF- UND ÜNIVER81TATSBUCHHÄNDLEB.
N
~J » o • ••••
» •«
, ; ••• • •• • •
DIE
WIENER UNIVERSITÄT
• ^ft* < *• m ^^ •• ' " ■ *•
UND
IHRE HUMANISTEN
IM ZEITALTER KAISER MAXIMILIANS L
VON
JOSEPH EITTEB von ASGHBAGH.
HERAUSGEGEBEN VON DER K. K. UNIVERSITÄT IN WIEN.
WIEN, 1877.
WILHELM BRAUMÜLLER
K. K. HOF- UND UNIVERSITItSBUCHHInDLBB.
• • •
• • •
•• • •
• ••.•• •
• •••'• m •
• •-
• • •.
••! .
• • • •
•• •
• • • • • •
U
• . •
r
s
n
1
1/
VORWORT.
■ / rc
j
.^ ^
Die Geschichte der Wiener Universität und
ihrer Humanisten im Zeitalter Kaiser Maximi-
lians I. ist eine Portsetzung der vom Verfasser
im Jahre 1865 veröffentlichten Schrift: ^jGeschichte
der Wiener Universität im ersten Jahrhunderte
ihres Bestehens" ; sie reiht sich daran als zweiter
Band. Dieser ist auch als ein selbständiges, für
sich abgeschlossenes Buch zu betrachten, welches
hauptsächlich dem Humanismus an der Wiener
Hochschule hinsichtlich seines Einflusses und seiner
Leistungen gewidmet ist. Um Wiederholungen zu
vermeiden, musste alles auf die Stiftung und
Organisation der Universität Bezügliche als schon
behandelt wegfallen, dagegen durfte der unter
Kaiser Friedrich HI. in Abnahme gekommene
Scholasticismus nicht unbesprochen bleiben. Erst
560'*9(>
VI
nach dem einleitenden Abschnitte, der die Ueber-
gangsstadien zum Humanismus behandelt, konnte
zu dessen siegreichem Aufschwünge und seiner
Blüthezeit, dem Hauptgegenstande des Buches,
vorgeschritten werden.
In unseren Tagen hat man sich mit einer
gewissen Vorliebe in eifrigen Studien dem Jahr-
hunderte des Wiederauflebens der classischen
Wissenschaften und der Geschichte ihrer vor-
züglichsten Träger sowohl in allgemeinen wie
in Einzelschriften zugewendet, aber auffallender
Weise sind die Humanisten der Wiener Hoch-
schule, welche sich doch die wesentlichsten Ver-
dienste in ihrem Fache erworben, kaum oder nur
unvollständig gewürdigt worden. Diese Lücke in
der Literatur auszufüllen und der Wiener Univer-
sität die ihr gebührende ausgezeichnete Stellung
nicht nur in den mathematischen Disciplinen,
worin sie schon früher Vorzügliches geleistet
hatte, sondern auch auf dem Gebiete der Pflege
der classischen Wissenschaften zuzuweisen und zu
sichern, war die im Buche zu lösende Haupt-
aufgabe. Es musste dabei den hohen Verdiensten
des Kaisers Maximilian, der wie kaum ein anderer
Fürst ein wahrhafter Pfleger und Freund von
Kunst und Wissenschaft war, Rechnung getragen
VII
werden. Von ihm ging ganz eigentlich der Im-
puls aus zur Betreibung der classischen Studien
und der Ausübung der schönen Künste, zur Auf-
nahme der für das Leben und den Staat nöthigen
Real- und Staatswissenschaften, im Gegensatz zu
dem früher herrschenden Scholasticismus mit seiner
ziemlich veralteten Lehrmethode, mit seinen meist
unfruchtbaren Speculationen und häufig abge-
schmackten Sophistereien. Mit vollem Rechte kann
Maximilian als der Erwecker eines neuen geistigen
Lebens an der Wiener Hochschule gepriesen wer-
den: ihm vorzüglich verdankte man, dass diese
im Laufe von wenigen Jahren sich zu einem An-
sehen und Glänze erhob, wodurch sie unter den
europäischen Hochschulen in Bezug auf den Ruf
ihrer Lehrer und die Zahl ihrer Schüler eine der
ersten Stellen einnahm.
Auf die lebhafte Anregung des Herrn Rector
Magnificus Hofrath Langer hat der akademische
Senat der k. k. Wiener Universität in anerkennen-
der Würdigung des Buches, welches der Geschichte
der Glanzperiode der Hochschule und der Erhal-
tung des Andenkens an ihre damaligen Koryphäen
gewidmet ist, auf das Entgegenkommendste die
Mittel zur Drucklegung des Werkes beschaffen
und seine Herausgabe besorgen lassen. Für die
VIII
ehrenvolle Auszeichnung, die dem Verfasser zu
Theil geworden ist, fühlt sich derselbe ver-
pflichtet, seinen wärmsten Dank hiermit öffentlich
auszusprechen.
Wien, im Juli 1876.
Der Y&dB&m.
INHALT.
Erstes Buch.
Qesohiohte der Wiener Universität von der letzten Begiernngs-
zeit Kaiser Friedrichs III. bis auf den Tod Maximilians I
Seite
Erster Abschnitt. Verfall der Wiener Universität in der
letzten Regierungszeit des Kaisers Friedrich III 3—40
Zweiter Abschnitt. Einführung des Humanismus und der
damit verbundenen Reformen an der Wiener Universität
im letzten Decennium des 15. Jahrhunderts 41 — 60
Dritter Abschnitt. Die humanistischen Studien an der
Wiener Universität unter der Leitung des Conrad Celtes . 61 — 82
Vierter Abschnitt. Einwirkungen des Humanismus auf
die verschiedenen Facultätsstudien in der letzten Zeit des
Kaisers Maximilian 1 83 — 122
Fünfter Abschnitt. Aeusserer Bestand der Wiener Uni-
■
versität im Anfange des 16. Jahrhunderts 123—138
Zweites Buch.
Leben nnd Schriften der Wiener Humanisten im Zeitalter
Kaiser Maximilians L
Agricola (Rudolf Baumann aus Wasserburg) 141 -—146
B albus (Hieronymus Balbi aus Venedig) 146 — 169
Burgerius (Johann Burger aus Eggenburg in Niederösterreich) 170 — 171
Camers (Johann Riccuzzi aus Camerino) 172 — 184
Capinius (Martin Siebenburger aus Wien) 186 — 188
Celtes (Conrad Pickel aus Wipfeld in Franken) 189—270
Seite
Collimitius (Georg Tannstetter aus Rain) 271—277
Cospus (Angelo Cospi aus Bologna) 278 — 283
jCuspinianus (Johann Spiesshaimer aus Schweinfurt) . . . 284—309
Eubolius (Gabriel Gutrather aus Salzburg) 310 — 311
Fabri (Udalrich Fabri aus Thornberg) 312—315
Gerbelius (Nicolaus Gerbel aus Pforzheim) 316 — 318
Gundelius (Philipp Gundel aus Passau) 319 — 326
Hadelius (Janus Hadel aus Niedersachsen) 327 — 329
Logus (Georg Logau aus Breslau) 330 — 334
Marius (Johann Mayer aus Nördlingen) 335 — 336
Misbeckius (Andreas Misbeck aus Mergentheim) .... 337 — 338
Perlachius (Andreas Perlacher aus Witschin) 339 — 343
Polymnius (Wilhelm Puelinger aus Wirting) 344 — 345
Rithaimerus (Georg Rithaimer aus Mariazell) 346 — 347
Rosinus (Stephan Rössel aus Augsburg) 348 — 350
Salzerius (Ambrosius Salzer aus Oedenburg) 351 — 353
Scipio (Bartholomäus Steher aui Wien) 354 — 356
Spiegelius (Jacob Spiegel aus Schlettstadt) 357 — 362
^Stabius (Johann Stab aus Steyer) 363 — 373
Stiborius (Andreas Stöberl aus Nördlingen) 374 — 376
Suntheimius (Ladislaus Suntheimer aus Ravensburg) . . . 377 — 381
Ursinus (Caspar Vel aus Schweidnitz) 382 — 390
Vadianus (Joachim Watt aus St. Gallen) 391—409
Velocianus (Thomas Resch aus Krems) 410 — 414
Wolfhardus (Adrian Wolfhard aus Siebenbürgen) . » . . 415 — 418
Anhang.
I. Die Mitglieder der gelehrten Donaugesellschaft -
II. Das CoUegium Poetarum et Mathematicorum . .
III. Testament des Conrad Celtes
IV. Die Rectoren der Universität von 1466 bis 1520 .
V. Die Decane der vier Facultäten von 1466 bis 1520
VI. Die Procuratoren der Universitäts-Nationen von 1466 bis 1520
421—438
439—441
442—446
447—449
450—455
456—460
Register 461-467
BESTES BUCH.
Geschichte der Wiener Universität
von der letzten Regierungszeit K. Friedrichs III.
bis auf den Tod Maximilians I.
\
Erster Abschnitt.
Verfall der Wiener Universität in der letzten ßegierungs-
zeit des Kaisers Friedrich IIL
Im ersten Jahrhundert ihres Bestehens war die Wiener
Universität eine autonome gelehrte Körperschaft, deren Ein-
richtung und Studiengang einen clericalen Charakter und
ein kirchliches Gepräge hatten. Sie war ganz und gar von
dem Scholasticismus beherrscht.
Der Papst und die weltliche Regierung hatten mitein-
ander gewetteifert, der Hochschule eine Menge Vergünsti-
gungen, Privilegien und Vorrechte zuzuwenden. Unter dem
Schutze beider Gewalten war das allgemeine Studium der
vier Facultäten von Jahr zu Jahr gewachsen und gediehen
bis gegen die Mitte des 15. Jahrhunderts, wo ein Stillstand
eintrat, der allmälig die Richtung zum Verfall nahm.
Die Basler Kirchenversammlung hatte die Universität
in eine fast feindliche Stellung zum Oberhaupt der Kirche
gebracht: der Bruderkrieg zwischen Kaiser Friedrich und
Herzog Albrecht von Oesterreich verwickelte die Professo-
ren in die politischen Parteikämpfe. Dadurch wurden sie
ihrem eigentlichen Berufe entfremdet und zuletzt in eine
falsche Stellung zur Regierung versetzt.
1*
•• • • -••^••«
Ä • • *
>z • • •••*•••
• • • • • • <
• _•••• _•••• •
• •
• •••: .*.
4 Die Stellung der Universität zar Begterung K. Friedrichs III.
Bald zeigte sich auch eine Rückwirkung dieser Ver-
hältnisse auf die inneren Zustände des Universitätslebens,
auf die Betreibung der Studien und die Beziehungen der
Glieder der Hochschule zu einander wie auch zu dem städti-
schen Regimente. Bei der allmäligen Lockerung der alten
Einrichtungen, an deren Stelle nicht sogleich andere traten,
musste ein zersetzender Uebergangsprocess folgen, der an-
fänglich nachtheilig wirkte, später aber für die nöthigen
Reformen empfanglich machte.
Ziehen wir die Hauptmomente des' Verfalles der Uni-
versität in der letzten Regierungszeit Kaiser Friedrichs HI.
in. nähere Betrachtung, so lassen sie sich nach der stoff-
lichen Zusammengehörigkeit in drei Gruppen sondern.
Es ist zunächst die Stellung der Universität zur Re-
gierung, sodann ihr Verhältniss zur Kirche und endlich ihr
allmäliger Verfall in Bezug auf ihren äusserlichen Bestand
und ihr wissenschaftliches Leben darzulegen. .
Die Stellung der Universität zur Regierung.
Kaiser Friedrich HI. konnte es nicht vergessen, dass
bei dem Kampfe mit seinem Bruder Albrecht die Stadt
Wien wie auch die Hochschule eifrig Partei für den letzte-
ren genommen und Bürger wie Universitäts- Angehörige so-
gar die kaiserliche Burg belagert und beschossen hatten.
Wenn auch nach dem baldigen Ableben des siegreichen
Erzherzogs (2. December 1463) die volle Herrschaft des
Kaisers in der Stadt wiederhergestellt wurde, so grollte die-
ser doch ferner denen, die er für verrätherische Unterthanen
hatte halten müssen. Diese entschiedene Abneigung gegen
Wien legte er auch dadurch an den Tag, dass er vermied,
daselbst einen längeren Aufenthalt zu nehmen; die Univer-
sität, die noch dazu beim Kaiser arg verleumdet worden,
Hess er besonders seine Ungnade fühlen, indem er ihr
Nachtliei liger Einflnss der Kriegszustände anf die Universität. 5
die von der Regierung zugewiesenen Einkünfte einstellte
oder nur unregelmässig zukommen Hess.
Erst nach der Rückkehr von seiner zweiten Reise nach
Rom besuchte er (4. December 1469) wiederum Wien, das
er eine Reihe von Jahren hindurch nicht betreten hatte.
Den Einzug hielt er am siebenten Jahrestag des unglück-
lichen Ausganges des Bruderkrieges, in dem er genöthigt
worden, die kaiserliche Burg zu verlassen. Stadt und Uni-
versität boten Alles auf, dem rückkehrenden Fürsten einen
feierlichen Empfang zu bereiten. Trotz des allgemeinen Ju-
bels und der vielen Festlichkeiten, worin sie ihre Treue
und Anhänglichkeit an den Tag legten, waren sie doch nicht
im Stande, das früher Geschehene vergessen zu machen
und die volle Gunst des Herrschers zu gewinnen. Der Kai-
ser verweilte nur wenige Monate in Wien und besuchte es
in den nächstfolgenden Jahren nur selten und auf kurze
Zeit: er wählte, wenn er sich in seinen Erblanden aufhielt,
gewöhnlich Neustadt, Linz oder Graz zu seiner Residenz.
Indem in den beiden folgenden Decennien in Nieder-
österreich, namentlich um Wien, fast ein beständiger Kriegs-
zustand herrschte, litt nicht nur die Stadt, sondern auch
die Universität unter diesen Verhältnissen ausserordentlich.
Das Schlimmste für die Hochschule war, dass sie gezwun-
gen wurde, als eine selbständige Corporation von gewichti-
ger Autorität an allen politischen Ereignissen, welche das
Land erschütterten, Theil zu nehmen, und daher ihrem
eigentlichen Beruf, die Wissenschaften zu pflegen und zu
fordern, nur wenig obliegen konnte.
Bei dem Kriege, der zwischen dem böhmischen König
Wladislaus und dem ungarischen König Matthias entbrannte,
musste die Wiener Universität flir den erstem Partei neh-
men, indem der Kaiser sich für ihn erklärte und der Hoch-
schule befahl, an Wladislaus, als er Wien besuchte, eine
Deputation zu schicken und ihn in einer Rede als verbün-
6 Stellung der Universit&t zur Regierung K. Friedrichs III.
deten Fürsten zu begrüssen, ^) Es konnte nicht unerwartet
sein, dass Matthias, als er Niedere ster reich mit seinen
rohen Kriegsschaaren verheerend überzog, 2) auch Wien
nicht verschonte, das der Kaiser fast hilflos sich selbst
überlassen hatte. Die Stadt wurde von den Ungarn über
sechs Monate, bis gegen Ende des Jahres 1477, belagert.
Die Frequenz der Universität war damals keine grosse.
Studenten und Professoren vereinigten sich mit der Bürger-
schaft und man leistete den Feinden mit Aufbietung aller
Kraft und Ausdauer einen erfolgreichen Widerstand. Da-
durch wurde der ungarische König bestimmt, die Vermitt-
lung des Papstes anzunehmen und einen Frieden, der frei-
lich eigentlich nur eine Waffenruhe war, einzugehen. (Dec.
1477.) 3)
Kaum begann die Universität nach den Kriegsunruhen
bei den friedlicheren Zuständen sich etwas zu erholen, so
wurde sie im Jahre 1481 durch ein neues Uebel heimge-
sucht. Eine pestartige Epidemie, wie sie in Wien häufig
herrschte, brach mit ungewöhnlicher Heftigkeit aus. Sie
raffte eine grosse Anzahl Studirender dahin. Um der tödt-
lichen Krankheit zu entgehen, verliessen viele die Stadt:
die Hörsäle mussten geschlossen werden.'*)
^) Eder Catal. Rect. ad a. 1476. Ladislaus rex Bohemiae Viennam
Ingrediens excipitur ab academia oratione diserta, cui ipse et omate et
benigne respondit, hoc sibi Studium esse longe gratissimum.
2) Die Rhein. Nation. Matrik. ad a. 1477. Mathias Walachus Rex
Hungariae in fructiferam terram Austriae nedum christianae religionis
homines, sed eidem religioni inimicos pestiferos sc. Bohemos, Rascianos et
quod lamentabilius est Judeos et Turcos induxerat, quorum auxilio et villae
et castra et civitates captae sunt.
3) Der Magister Johann Goldberger von Wien, damals Decan der
artistischen Facultät, liefert einen ausführlichen Bericht über die Belage-
rung in den Act. facult. art. ad a. 1477, welcher auch im Conspect. Hist.
Univ. Vienn. II. p. 20 — 28, vollständig abgedruckt ist.
*) Rhein. Nat. Matrik. ad ann. 1481. Morbus epidemiae oppidum
Vienn. sua severitate invaserat atque studentes in magna copia ad lares
Belagerung Wiens durch E. Matthias y. Ungarn. 7
Noch war der Schrecken vor der Pest nicht ganz vor-
über und die Studenten hatten sich allmälig, aber noch nicht
in grosser Zahl^ ^) in Wien zur weiteren Betreibung der
Studien wieder eingefunden, als der Krieg mit dem ungarischen
König von Neuem ausbrach. Mit grosser Heeresmacht, wel-
cher der Kaiser keine ansehnlichen Streitkräfte entgegen-
stellen konnte, überzog Matthias Niederösterreich und er-
stürmte einen festen Platz nach dem andern. Schon wüthete
der Krieg im dritten Jahre und der Ungarnkönig rückte
endlich im December 1484 zur eigentlichen Belagerung
Wiens vor, nachdem er der Stadt immer mehr die Zufuhr
von Lebensmitteln abgeschnitten hatte. Daher war sogleich
beim Beginn der Ein Schliessung die Hungersnoth der Be-
lagerten auf eine furchtbare Höhe gestiegen, obschon ein
Theil der städtischen Bevölkerung noch zu rechter Z«it
ausgewandert war.
Studenten waren nur in geringer Anzahl zurückgeblie-
ben. Von auswärts waren ohnehin bei den Kriegszeiten
keine eingetroffen. Vorlesungen und akademische Acte wur-
den ausgesetzt. 2) Alle Erwachsenen in der Stadt mussten
patemos ab universitate expnlerat. Cf. Act. f$c. theol. ad ann. 1482, und
Conspect. II. p. 36 Scholares — pestis fugarat. Mansit ex iis nuUus, nisi
de proximo gradnm sperarent. Accessit ex novellis nemo.
^) Rhein. Nat. Matrik. ad a. 1482. Quo (anno) pestis, bella, pluvia,
victualium penuria Austriae terram opprimebant. — Suppositorum (i. e.
scolarium) vix ducenta erant.
2) Act. fac. theol. II. fol. 66 : Haec urbis calamitas, quam ex peste
biennali et beUo ungaricali sufferebat, effecit, ut nemo hoc anno (1483)
inventus esset, qui vel ad sententias vel ad cursus se admitti deposceret.
In den anderen Facultäten war es ebenso. Die artistische Facultät setzte
(1484) den actus Quodlibeticus aus. Act. facult. art. lib. III. fol. 314. In
der Rhein. Nat. Matrikel ist bemerkt zum J. 1484: M. Georgius Päters-
dorfer in sua procuracia (v. 13. Oct. 1484 — 14. April 1485) nuUum suppo-
situm intitulayit, quia propter varios hujus patriae et inclytae terrae
Austriae lites et guerras et durissimam hujus insignis civitatis Wiennensis
obsidionem, quam Mathias rex Ungariae XXIII die mensis Januarii a. 148ö
inchoaverat et secunda die mensis Junii anni eiusdem triumphando consumavit.
8 l>ie Stellung der Universit&t zur Regierung K. Friedrichs Ilf.
beständig bereit sein zur Vertheidiguiig : sie mussten auf
den Wällen arbeiten und mit den Waffen in der Hand die
feindlichen Angriffe abwehren. *)
Es war einer Anzahl oberösterreichischer mit Getreide
beladen er Schiffe gelungen, auf der Donau durch die feind-
lichen Linien zu brechen und Wien einigermassen mit
Lebensmitteln zu versehen. Doch half dieses nur für kurze
Zeit der grössten Noth ab. Die Universität hatte schon
früher aus ihren eigenen Mitteln dem Stadtrath 80 Gold-
gulden als Beitrag zur Bestreitung allgemeiner Bedürfnisse
gespendet. Die von ihr aufgekauften Vorräthe von Getreide
zur Versorgung von Universitäts-Angehörigen überliess sie
später grösstentheils zur Vertheilung an ärmere Bürger.
Vom 23. Januar 1485 an betrieb der König Matthias
die Belagerung mit vermehrten Streitkräften: die Stadt
wurde immer enger eingeschlossen und von jeder Zufuhr
abgeschnitten. Vom Kaiser war sie ohne Hilfe gelassen.
Ohne Aussicht auf Entsatz ward ihre Lage jeden Tag ver-
zweiflungsvoller. Zum Uebermass der unglücklichen Situa-
tion kam noch, dass es dem ungarischen König gelang, unter
den Bürgern Zwietracht und Parteiungen zu erregen. Be-
reits waren die Feinde auf der östlichen Seite in der Nähe
des Stubenthores der Stadt ganz nahe gerückt und trafen
Anstalten zum Stürmen.
Um den äussersten blutigen Kampf abzuwenden, der
für die Stadt doch keinen glücklichen Ausgang versprach,
drangen viele Bürger darauf, mit Matthias wegen der Ueber-
gabe zu unterhandeln. Man meinte, die Vermittelung der
Universität könnte von grossem Nutzen sein : der den Wissen-
schaften so geneigte ungarische König, hoffte man, werde
^) Wenn Hormayr, Wiens Denkwtird. I. 4, S. 38 angibt, dass die
Studenten sich bei der Vertheidigung besonders ausgezeichnet hätten, so
tibersieht er, dass diese nur in äusserst geringer Zahl in Wien sich be-
fanden, wie die Universitätsacten angeben.
Wiens Unterwerfang unter die angarisclic Tlerrschnft. 9
den Bitten und Vorstellungen der Professoren ein geneig-
teres Ohr schenken, als den Bürgern, und in seinem Un-
willen und Zorn gegen die Stadt sich eher besänftigen lassen.
Seitdem der Fiscal Doctor Keller, der das kaiserliche In-
teresse in der Stadt zu wahren hatte, keinen Kath wusste
und überliess, nach eigenem Ermessen zu handeln, schien
der städtische Magistrat berechtigt zu sein, die Unterhand-
lungen mit Matthias selbständig zu fuhren.
Nach längeren Berathungen der Universität in allge-
meinen Congregationen, ob und in welcher Weise sie an
den Uebergabsverhandlungen Theil nehmen sollte, entschied
man sich endlich — aber nicht ohne grossen Widerspruch
— dahin, gemeinsam mit der Bürgerschaft in der Sache
vorzugehen, jedoch nur unter der Bedingung, dass auch die
in Wien befindlichen geistlichen Corporationen sich bethei-
ligten. Es war offenbar, dass die Universität wohl erkannte,
dass die Eröffnung von Unterhandlungen mit König Matthias
wegen der Uebergabe der Stadt ihr leicht vom Kaiser als
Verrath gebeutet werden konnte: sie wollte daher die Ver-
antwortlichkeit für diesen Schritt nicht allein übernehmen.
Der langsame Gang in der Entscheidung der Universität
entsprach aber nicht dem Interesse des ungarischen Königs,
auch war die Majorität der Wiener Bürgerschaft, welche er
für sich gewonnen hatte, nicht damit einverstanden. Diese
Partei wollte nichts von den vielen Vorbehalten und Spitz-
findigkeiten der Universität, welche den Abschluss der Ca-
pitulation nur verzögerten, wissen: sie drängte zu einer
schleunigen Uebergabe, um, wie sie meinte, bessere Bedin-
gungen von dem Könige zu erhalten. Ohne die Mitwirkung
der Universität abzuwarten, sandte der städtische Magistrat
Abgeordnete in's feindliche Lager und schloss am 21. Mai
1485 mit dem König Matthias den Vertrag wegen der
Uebergabe der Stadt ab. Schon wenige Tage später (am
10 Die Stellung der üniyersität zur Begierans: K. Friedrichs IIT.
1. Juni) ^) hielt derselbe an der Spitze von 8000 Reitern
seinen Einzug in Wien. Die, welche den Unterhandlungen
auch nicht beigestimmt hatten, konnten nunmehr nichts
mehr machen, als sich der vollendeten Thatsache fügen.
Wenn Matthias auch zugesagt hatte, den bestehenden Zu-
stand der Stadt ungeändert zu lassen, so hatte im Grunde
doch der Sieger eine Unterwerfung auf Gnade und Ungnade
erlangt: an die Stelle der habsburgischen Regierung war
bedingungslos die ungarische getreten.
Den in Wien einziehenden König empfingen auf der
steinernen Wienbrücke in der Nähe des Stubenthores der
Bürgermeister und die Rathsherren mit den Schlüsseln der
Stadt; ferner kamen ihm entgegen der Universitäts-Rector
mit den Decanen und Nations-Procuratoren wie auch die
Vorsteher der Kirchen und Klöster. So hatten Bürgerschaft,
Hochschule und Geistlichkeit insgesammt sich unterworfen.^)
Fünf Tage später hielt auch die ungarische Königin
Beatrix, eine neapolitanische Prinzessin, die in den classi-
schen Sprachen wohl unterrichtet war, ihren feierlichen Ein-
zug in die Stadt. In der St. Stephanskirche richtete der
theologische Professor Nicolaus Creuzenach eine lateinische
Anrede an das Königspaar. Die Königin schenkte den ihr
gewidmeten Begrüssungsworten volle Aufmerksamkeit und
äusserte ihre freundliche Aufnahme der Ansprache in ihren
^) Eder Cat. Rest. p. 40, setzt die Uebergabe auf den 2. JunL
2) Die wenigen in Wien anwesenden Studenten legten keine Sympa-
thien für den ungarischen König an den Tag. Auch berichtet die Rhein.
Nat. Matrikel ad a. 1485, dass damals kein der rheinischen Nation Ange-
höriger als Studirender immatriculirt w^orden sei: qua die (secunda die
mensis Junii) victor rex intravit Viennam ; nuUum de novo inclytae nostrae
nationis Rhenensis advenit suppositum. Beim J. 1490 wird bemerkt: Ob
bella plurima in Austria atque Ungaria aliisque terris adjacentibus facta
scholares atque baccalarii ab universitate abscesserunt. Ideo nemo intitula-
tus venit.
Haximilian zum röm. Kßnig gewählt. 11
Mienen und Kopf bewegungen. i) Der König versprach in
seiner lateinischen Erwiderungsrede der Universität, sie in
ihren Rechten und Privilegien zu lassen und versicherte sie
seiner huldvollen Gnade und seines Schutzes. 2)
Kaiser Friedrich III. hatte nichts für den Entsatz der
Stadt thun können. Es hatten ihm für eine energische
Kriegführung alle Mittel gefehlt; auch selbst noch in den
folgenden Jahren vermochte er keine ansehnlichen Streit-
kräfte in Bewegung zu setzen und den Versuch zu machen,
den ungarischen König wieder aus Wien zu verdrängen.
Im Gegentheil, dieser machte in Niederösterreich noch wei-
tere Eroberungen und Friedrich III. schien den Verlust
seiner Hauptstadt in stoischem Gleichmuthe zu verschmer-
zen. 3) Seine ganze Thätigkeit schien sich damals darauf
concentrirt zu haben, seinem Sohne Maximilian die Nach-
folge auf dem Kaiserthrone zu sichern. Das was vor ihm
so mancher Kaiser vergeblich versucht hatte, während seiner
Lebzeiten dem Sohne den römischen Königsthron zu ver-
schaffen, brachte er in der Zeit der grössten Erniedrigung
^) Die Act. Universitatis bemerken: Acta sunt haec in choro S. Ste-
phani ecclesiae. — Arrexit diligentissimas aures domina regina saepe,
cnin placita audierat, subridendo.
2) Die Belagerang und Einnahme Wiens durch König Matthias ist
in den Universitätsacten am genauesten berichtet, die im Conspect. bist,
univ. Vienn. II. p. 35 ff. zum Theil abgedruckt und von X. Schier voU-
ständiger in einem auf der Hof bibliothek zu Wien befindlichen Codex zu-
sammengestellt sind (Nr. 7237. 3). Kink, Gesch. d. Wien. Univ. I. Anh.
S. 103 — 108, hat dazu einige Ergänzungen geliefert. Von den gleichzeiti-
gen Nachrichten sind noch zu erwähnen : Jacob. Unrest, Chronic. Austriae
ed. Hahn in collect, monum. I. p. 704 fll. TichtePs Tagebuch, herausg.
V. Karajan. Wien 1855, S. 16. Von den Neueren handelt darüber vorzüglich
Hormayr, Wiens Denkw. I. 4. S. 32 ff.
3) Friedrich soll den Verlust von Wien und ganz Niederösterreich
für unwiederbringlich gehalten haben; man legt ihm die Aeussenmg in
den Mund: Berum irrecuperabilium summa felicitas est oblivio.
12 Die Stellung der Universität zur Regierung K. Friedrichs III.
Oesterreichs zu Stande. ^) Die Kurfürsten ^) setzten ihre frü-
heren Bedenklichkeiten vor einem übermächtigen Hause bei
Seite und wählten Friedrichs Sohn Maximilian zu Frankfurt
am 16. Februar 1486 zum römischen König : sie thaten aber
nichts für des Kaisers Zurückführung nach Wien, indem
sie ohne Aufbieten grosser Streitkräfte gegen Matthias dieses
auch nicht hätten durchfuhren können. Dagegen waren sie
zu dem Kriegszug in die Niederlande, welche Maximilian
durch seine Heirat mit Maria von Burgund gewonnen hatte,
eher bereit und es gelang ihnen, ihren König aus der Ge-
fangenschaft der rebellischen Bürger von Brügge zu be-
freien.
Die Universität Wien befand sich während der fünf-
jährigen ungarischen Herrschaft (von 1485—1490) keines-
wegs in einer günstigen Lage. Sie war offenbar nur der
Gewalt gewichen, indem sie sich dem König Matthias unter-
warf. Dieser, sonst ein grosser Freund und Pfleger der
Wissenschaften, der die Hochschule Ofen mit einer treff-
lichen Bibliothek ausgestattet und dahin ausgezeichnete
Lehrer berufen hatte, erwies sich in Wien vor allen Dingen
als Eroberer und Staatsmann. Er begnügte sich nicht mit
einem Scheine der Herrschaft. Wie die Bürgerschaft sich
ganz und gar unter seine Gewalt begeben hatte, ohne Vor-
behalt, solcher Art sollte auch die Unterwerfung der Hoch-
schule sein: wenn dieses geschehen, so versprach er, nicht
^) Ranke, Deutsche Gesch. I. S. 57: „Es kam ihnen hiebe! (den
Kurfürsten bei der Grundlegung der neuen Verfassung) zu Statten, dass
der Kaiser in eine so missliche Lage gerathen war. — Was seit Jahrhun-
derten einem Kaiser, und zwar auch dem nur in der FüUe der Macht,
nur in Folge sehr bedeutender Begünstigungen gelungen war, seinem Sohne
die Nachfolge zu verschaffen, das erreichte Friedrich III. in dem Momente
der tiefsten Erniedrigung und Machtlosigkeit".
2) Ohne den böhmischen König, da die Kur Böhmen damals zwischen
Wladislaus und Matthias streitig war: daher wurde keiner von beiden zur
Wahl eingeladen. Vgl. Palacky, Böhm. Gesch. V. 1. S. 284.
Die Universität versagt dem E. Matthias die Huldigung. 13
nur alle ihre Rechte ^Freiheiten und Privileg^ien zu bestäti-
gen, sondern auch sie mit neuen zu beschenken.*) Dafür
verlangte er aber vorerst Huldigung und Eidesleistung.
Beides verweigerte die Universität, die, auf den Charakter
einer autonomen, clericalen Körperschaft gestützt, früher
selbst ihrem angestammten Landesfürsten, dem Kaiser Fried-
rich III., die Huldigung wie den Eid der Treue zu leisten
versagt hatte; um so mehr musste sie Bedenken tragen,
dem Acte einer förmlichen Unterwerfung unter die unga-
rische Herrschaft sich zu fügen, indem dieselbe noch keines-
wegs festgegründet war und eine Restauration der alten
Regierung die Unterwerfung als Treulosigkeit und Rebellion
bestrafen konnte. Offenbar war die Stellung der Universität
dem alten Landesfürsten gegenüber eine andere als die der
Bürgerschaft, die sich dem ungarischen Könige auf Gnade
und Ungnade ergeben hatte, aber keine Gefahr lief, ihre
Autonomie oder Reichsunmittelbarkeit zu verlieren, da sie
diese schon längst eingebüsst hatte.
Schon in den ersten Wochen nach seinem Einzug in
Wien hatte Matthias von den besoldeten Professoren (lecto-
res stipendiati) die Huldigung und den Eid der Treue ver-
langt, welchem Ansinnen aber nicht entsprochen wurde, 2)
da man sich auf den geistlichen Charakter der Universität
berief, die keinem weltlichen Herrn unterthan sein dürfe.
Daher sperrte der ungarische König ihr alle Einkünfte,
welche sie bisher von der Regierung bezogen hatte und
stellte überhaupt alle ihre Rechte und Freiheiten in Frage.
1) Tichtel's Tagebuch, S. 33 flF. Kink a. a. O. I. Anh. S. 107.
2) Acta facult. art. lib. III. fol. 318. 23. Juni 1485. Congreg. Uni-
versit. Proponebat rector, quomodo veridica relatione didicisset, quod regia
majestas vocatuva esset lectores stipendiatos ad crastinum sibi praestandum
homagium et juramentum fidelitatis contra omnia privilegiä et libertatis
universitatis, cum utique universitas spiritüalis sit et de jure communi
nuUus spiritualinm seculari neque principi neque alteri obligari debeat.
14 Die Stellung der UniTersitöt zur Regierung K. Friedrichs III.
Bei der Noth, worin die Professoren durch diese Sper-
rung ihres Einkommens geriethen^ hatte man den Muth,
eine Botschaft an den Kaiser nach Linz zu schicken und
ihn zu bitten, dass er die von der Ypser Mauth ihnen zu-
gewiesene Dotation flüssig mache : welche Bitte der flüchtige
Fürst mit der Hinweisung auf ihren Abfall natürlich ent-
schieden abwies. ^)
Da aber nicht nur aus den österreichischen Erbländern,
sondern auch aus andern Gegenden (Ungarn etwa ausge-
nommen) die Studenten ausblieben und damit die weiteren
Quellen der Einnahmen den Professoren abgeschnitten waren,
so stand ein gänzlicher Verfall und eine Auflösung der
Universität in nächster Aussicht. Man erklärte, wenn keine
Besserung einträte, so seien die Professoren genöthigt, Wien
zu verlassen und als Lehrer an anderen Hochschulen auf-
zutreten. Ungarns König wollte es nicht auf das Aeusserste
ankommen lassen, auch nicht als Feind und Verfolger der
Studien und ihrer Pfleger angesehen sein. Nachdem die
Universität wiederholt fast drei Jahre hindurch die unga-
rische Regierung um Unterstützung angegangen, Hess sich
Matthias endlich herbei (1488), aus seiner Staatscasse Gel-
der zui* Besoldung der Professoren und Bestreitung von
Universitätsbedürfnissen anzuweisen, freilich nicht in aus-
reichendem Masse zur vollen Befriedigung der Hochschule.'^)
Tichtel's Tagebuch a. a. O. S. 35. Quo die Achatii (22. Juni 1486)
congregatis omnibus universitatis lectoribus retulit magister ille, quem
habuimus in Muta Yps, quod dominus dixerit Imperator nullum se nobis
solvere de praeteritis stipendiis velle, si obviam regi (Matthiae) universitas
dedisset in introitu hujus civitatis.
2) Conspect. bist. univ. Vienn, II. 47: Universitati non parum, nee
semel de obtinendis magistronim stipendiis cum rege luctandum fuit;
quorum defectu et alias se adituros minabuntur scholas, nee universitatem
subsistere posse videbant. Soluta sunt nonnulla a. 1488, ut acta theo-
log^ca meminere, assignatione Budensi ex aerario facta. Tichtel, Tage-
buch, S. 48. 7. Mai 1489: Regia majestas dedit lectoribus Stipendium,
videl. quingentos florenos, ex quibus e^o habui viginti florenos ungaricales.
Päpstliche Yermitfclung n. Tod des Königs Matthias. lö
Zu dieser theilweisen Nachgiebigkeit gegen eine Körper-
schaft^ die ihm noch immer die förmliche Huldigung versagte,
mag den ungarischen König wohl hauptsächlich der Papst
Innocenz VIII. bestimmt haben. Dieser arbeitete eifrig an
einer Friedensvermittlung zwischen Matthias und Kaiser
Friedrich, aber vor Allem nahm er sich der Universität an,
welche als geistliche Corporation unter dem besonderen
päpstlichen Schutze stand. Die einzigen Mittel ihres bis-
herigen Bestehens unter der ungarischen Herrschaft waren
die geistlichen Pfründen, womit sie der römische Stuhl aus-
gestattet hatte. Seit dem Basler Concilium hatte die Univer-
sität allerdings angefangen, den Versuch zu machen, sich
vom päpstlichen Finfluss zu emancipiren und daher eine
Reihe von Jahren unterlassen, nach Rom die Rotuli oder
das Verzeichniss ihres Personalbestandes zur Bestätigung
einzusenden. Bei den veränderten Verhältnissen aber hielt
man für rathsam, zu dem fast abgekommenen Gebrauch
zurückzukehren. Im Jahre 1488 schickte man die Rotuli
wieder nach Rom zur Bestätigung der alten Privilegien und
des Genusses der geistlichen Pfründen.
Endlich kam durch päpstliche Vermittlung eine Waffen-
ruhe zwischen dem Kaiser und Matthias zu Stande (1489).
Ein päpstlicher Legat kam nach Wien, um die Verhand-
lungen zu leiten, und die Universität setzte sich mit ihm
in Verbindung. Der Waffenstillstand bestimmte, dass bis
zum Ersätze der ansehnlichen ungarischen Kriegskosten der
Besitz der österreichischen Eroberungen dem Könige Matthias
verbleiben sollte. Der Rückfall an den Kaiser wurde erst
nach dem Tode des Eroberers zugesichert. Die Friedens-
artikel sollten bei einer zunächst stattfindenden persönlichen
Zusammenkunft der Fürsten in Ofen näher festgestellt wer-
den. Matthias aber verschob immer von Neuem wieder den
Congress, da er nicht aufrichtig den Frieden wünschte. Mit
despotischer Strenge und Willkür herrschte er unterdessen
16 Die StelluDg der üniversit&t zur Begiernng K. Friedrichs III.
in Wien und erpresste von reichen Bürgern und den Juden
wiederholt grosse Geldsummen.
Als der allgemein gefürchtete und gehasste König
in Wien nach ganz kurzer Krankheit am 6. April 1490
aus dem Leben schied, *) ohne dass über die Nachfolge
desselben etwas Bestimmtes angeordnet war, erhob sich so-
gleich die Wiener Bürgerschaft mit der Universität, das
schwere ungarische Joch abzuschütteln.
Die Universität lehnte ab, durch einen ihrer Magister
dem verstorbenen König die Leichenrede halten zu lassen:
man erklärte dazu nicht verpflichtet zu sein und berief sich
bei dieser Weigerung auf das frühere Vorgehen beim Tode
K. Albrechts II. Ungeachtet dieser Fürst der Universität
so viele Begünstigungen ertheilt habe, sei ihm von Seiten
der Universität keine Leichenrede gehalten worden.
Es lässt sich nicht verkennen, dass Matthias nicht nur
nichts für die Pflege und Förderung der Wissenschaften an
der Wiener Universität gethan, sondern im Gregentheil dahin
gewirkt hat, sie fast ganz zu Grunde zu richten. 2) Dieser
feindselige Sinn bei dem sonst den Wissenschaftön so er-
gebenen Fürsten ist daraus zu erklären, dass er absichtlich
darauf ausging, den grossen Ruf der Wiener Hochschule
auf die Ofener Universität zu übertragen. Diese wollte er
in die Reihe der ersten Universitäten Europas erheben.
Schon hatte er daselbst einen ungemein reichen Bücher-
') X. Schier hat in einer besonderen Abhandlung de die mortis
Matthiae Corvini (auf der Wiener Hof bibliothek Nr 7237, 10) die ver-
schiedenen Nachrichten zusammengestellt.
2) Maximilian im Berufungsschreiben an Celtes (7. März 1497) im
Cod. epist. Celtic, fol. 87, spricht darüber in starker Weise: Non te latet,
quibus procellis provinciam nostram Austriam et ejus metropolim Viennam
quondam Matthias Hungariae rex agitaverit, unde universale
studiam, quod in eadem civitate nostra tamquam primarium
inter omnia totius Germaniae studia florebat, barbarie obru-
tum, inopia doctorum virorum praesertim praeceptorum
paene desolatum.
Wiederherstellung der habsbnrgischen Herrscliaft in Wien. 17
schätz von den seltensten Werken in einer grossen Biblio-
thek gesammelt: er beschäftigte Hunderte von Abschreibern
in mehreren Ländern, namentlich in Italien, zog in seine
Umgebung eine Menge von Gelehrten und Künstlern, von
Buchdruckern und Gewerbsleuten, um Wissenschaften und
Cultur in seinen zum Theil noch barbarischen Ländern zu
verbreiten.
Nach dem Ableben des Matthias hatte der Befehlshaber
der in Wien liegenden ungarischen Truppen, der Graf
Stephan Zapolya, an die Bürgerschaft und Universität die
Aufforderung erlassen, ungesäumt sich eidlich zu verpflich-
ten, weder direct noch indirect, weder mit Worten noch
mit Thaten gegen die Krone Ungarn irgend etwas zu unter-
nehmen. Die Professoren der Hochschule wollten lieber
Wien verlassen, als einen solchen Eid leisten. Jedoch An-
gesichts der kritischen Lage der Stadt, wo die zahlreiche
ungarische Besatzung jeden Augenblick das Leben der Ein-
wohner gefilhrden konnte, hielt man es der Klugheit ange-
messen, im Verein mit der Bürgerschaft zu handeln und
so viel als möglich Zeit zu. gewinnen. Erst am 7. August
1490 kam man zu dem einmüthigen Beschluss: da nach
dem Tode des Königs Mathias mehrere Prätendenten auf
dessen Länder als Nachfolger Ansprüche erhöben, so könne
man sich vorerst nicht erklären, da man nicht wisse, ob
der böhmische König Wladislaus, oder der polnische Prinz
Albrecht, oder Johann Corvinus, natürlicher Sohn des Kö-
nigs Matthias, rechtmässiger Nachfolger sei. Am meisten
aber schienen die zwischen Kaiser Friedrich III. und König
Matthias geschlossenen und vom Papst bestätigten Verträge
für den Kaisersohn, den römischen König Maximilian, zu
sprechen, dass ihm die Nachfolge und die Herrschaft in
den zur ungarischen Krone gehörigen Ländern zugefallen.
Von Seiten der Universität hielt man es nicht für über-
flüssig, selbst bei dieser allgemeinen Erklärung zu Gunsten
y. Asciibach, Oeschiclite der Wiener Univers. IL 2
18 Die Stellang der Universität znr Beglcriin(|^ K. Friedrichs IIT.
Maximilians; in vorsichtiger Weise noch beizufügen, dass
man als clericale Corporation sich gegen alle Folgerungen
verwahre, die etwa zu ihrem Nachtheil in Zukunft aus ihrer
Unterwerfung gezogen werden könnten.
Dieser Beschluss hatte nach zwei Seiten hin bedeutende
Folgen. Die in Wien liegende ungarische Besatzung wagte
keinen ernstlichen Kampf und zog aus der Stadt. Der
römische König Maximilian, der sich in Linz bei dem Kaiser
aufhielt und einige Streitkräfte um sich versammelt hatte,
benützte unverweilt die günstige Stimmung für das Haus
Habsburg in Wien. Schon am 19. August 1490 erschien er
vor den Thoren der Stadt: unter dem Jubel der Bürger-
schaft, der Universität und Clerisei geleitete man ihn zur
St. Stephanskirche, wo ihn der Magister Nicolaus Creuze-
nach, Professor der Theologie, als rechtmässigen Fürsten
beglückwünschte und ihm zugleich die Bitten der Univer-
sität um die Besserung der in Verfall gekommenen Ein-
richtungen und der unglücklichen Lage der Magister vor-
trug. ^) Die noch in der Burg zurückgelassene kleine unga-
rische Besatzung von 124 Mann ergab sich Maximilian, als
dieser zur Erstürmung Anstalten getroffen hatte.
Obwohl die Bewegung offenbar nur zu Gunsten Maxi-
milians stattgefunden hatte, so wollte dieser doch in Bezug
auf Wien und Niederösterreich nur eine Wiederherstellung
der Regierung seines kaiserlichen Vaters gemacht haben.
Anders verhielt es sich mit den eigentlichen Ländern der
ungarischen Krone, welche ihm in Folge der abgeschlossenen
Verträge nach dem Tode des Matthias zufallen sollten. Als
dem habsburgischen Hause Niederösterreich wieder gewon-
nen war, drang Maximilian mit seinen gesammelten Streit-
kräften nach Ungarn vor, um die Krone des heil. Stephan
sich auf das Haupt zu setzen. Jedoch dieser Kriegszug hatte
^) Conspect. II. 49 ff. Tichtel, Tagebuch, S. 39.
Zuweisung der früheren Einkünfte an die Üniversit&t. 19
nicht den gehofften Ausgang. Seine nicht ausreichenden Streite
kräfte nöthigten ihn, vom Marsche nach Ofen abzustehen und
sich mit dem böhmischen Könige Wladislaus, der von dem
grösseren Theile der Magyaren als Herrscher anerkannt wurde,
dahin zu vergleichen, dass Maximilian einstweilen auch den
Titel König von Ungarn annahm und die Anwartschaft auf
die ungarische Nachfolge nach dem Abgange des Wladislaus
und seiner männlichen Descendenz zugesichert erhielt.
Nachdem die grossen politischen Fragen einigermassen
geregelt waren, konnte man auch an die Verbesserung der
ziemlich zerrütteten Universitätszustände denken. Es war
unumgänglich nothwendig, dass von Seiten der Regierung
Anstalten getroffen wurden zur Restauration der Hochschule,
wenn sie femer noch in ihrer früheren Bedeutung bestehen
sollte. Die Universität sandte daher Abgeordnete nach Linz,
wo damals der Kaiser sich aufhielt, um ihm die Bitte vor-
zutragen, für die materiellen Bedürfnisse der Hochschule,
namentlich die Besoldungen der Professoren, die nach dem
Tode des Königs Matthias von ungarischer Seite ganz ein-
gestellt waren, das Erforderlicl\e anzuweisen oder vielmehr
die früheren Einkünfte wieder zuzuwenden. Die Abgeord-
neten fanden den Kaiser in keiner guten Stimmung für die
Universität, an deren Verhalten während der ungarischen
Kriegszeit er gar Manches auszusetzen fand. ^) Es wurden
von ihm nur im Allgemeinen einige Versprechungen für die
Zukunft unter gewissen Voraussetzungen gegeben : in Wirk-
lichkeit aber ward nichts gewährt. Erst im Anfang des
folgenden Jahres 1491 gestalteten sich die Dinge günstiger.
Man wollte die Universität nicht ganz in Verfall gerathen
lassen : auch wirkte zu ihren Gunsten offenbar der römische
*) Offenbar war die Universität auch bei dem Kaiser vielfach ver-
länmdet worden. Der Wiener Bürgermeister Schönbrtickner soU Friedrich III.
gesagt haben, dass die Universität QueUe aUer dem Kaiser in Wien zuge-
fügten Unbill sei. Act. fac. theol. II. fol. 54.
2*
20 Die Stellung der Universität zar Red^iernng K. Friedrichs III.
König Maximilian. Es war schon ein gutes Anzeichen, dass
der Magister Bernhard Perger, Vorsteher der lateinischen
St. Stephansschule und Lehrer in der artistischen Facultät,
dem der Kaiser sein besonderes Vertrauen schenkte, und
der für das Interesse^ der Universität zu wirken sehr eifrig
bemüht war, zum Universitäts- Superintendenten ernannt
wurde. In dieser Eigenschaft hatte er nicht nur den Ver-
kehr zwischen der Regierung und der Hochschule zu be-
sorgen, sondern auch die Verwendung und Ueberwachung
der Universitätsstipendien (Besoldungen) und die Aufrecht-
haltung der Privilegien gehörten vorzüglich in den Kreis
seiner Obliegenheiten. Den wiederholten Vorstellungen des
Superintendenten gelang es, den Kaiser endlich geneigter
für die Universität zu stimmen. Derselbe versprach, das
was geschehen zu vergessen und für ihr Gedeihen bedacht zu
sein, wenn sie gelobe, in der Folge keinem anderen Fürsten
als einem^ habsburgischen gehorsam und ergeben zu sein. ^)
Nachdem mehrere Reformen in den Stüdieneinrichtungen
angeordnet und noch weitere angedeutet worden, wurden die
gesperrten Universitätseinkünfte von der Ypser Mauth im Be-
trage von 800 Pfd. Pfennige wieder flüssig gemacht und von
diesem Geld e Besoldungen der Professoren bezahlt, so dass der
grössten Nothlage mancher Magister vorerst abgeholfen war.
Kaiser Friedrich III. starb im 78. Lebensjahre nach
einer fast 54jährigen Regierung am 19. August 1493 zu
Linz, wo er zuletzt beständig residirt hatte. Sein Leichnam
wurde wenige Tage später nach Wien gebracht und daselbst
^) Nach den Universitätsacten lautete die Botschaft , welche der
Superintendent vom Kaiser brachte: Persolvenda circa festa Pentecostes,
ex telonio Ipsensi stipendia et se exasperatum nonnihil in Academicos
Caesaris animum lenisse, omnemque sinistram de Universitate opinionem
Caesari exemisse: ea tarnen adjecta conditione: Ne in futurum universitas
Ulli alten Principi quam Austriacis adhaereret Cf. Consp. hist Univ.
Vienn. II. p. 62.
Tod des Kaisers Friedricli III. . 21
in dem St. Stephansdome beigesetzt. Was man dem unga-
Tischen Könige Matthias von Seiten der Universität versagt
hatte, dem Fürsten eine feierliche Leichenrede zu halten,
trug man kein Bedenken, dem habsburgischen Herrscher
zu gewähren, dessen Andenken bei der Abhaltung seiner
Exequien von einem Universitäts-Mitgliede gepriesen wurde.
Friedrich III. hat während seiner langen Regierung in
Wahrheit nichts für das Aufblühen und Gredeihen der Wie-
ner Hochschule gethan, *) im Gegentheil in mancher Hin-
sicht nicht wenig zu ihrem Verfalle beigetragen. Freilich
waren auch die Zeitumstände die ungünstigsten ; namentlich
die immerwährenden Kriegsunruhen und Kämpfe liessen
keine ruhige Betreibung und Pflege der Wissenschaften zu.
Das Einzige, was die Universität bei allen Stürmen, welche
sie erschütterten, bewahrte, war ihre Autonomie als gelehrte
Corporation der Regierung gegenüber. Da aber bei den
nöthigen Reformen im Studiengang, welche die scholasti-
schen Einrichtungen wesentlich modificiren mussten, ein
tieferes Eingreifen der Regierung und ihre materielle Unter-
stützung nicht entbehrt werden konnten, war die Corpora-
tion sselb ständigkeit nicht mehr aufrecht zu erhalten.
Die Universität in ihren kirchlichen Verhältnissen und
Beziehungen.
Die Wiener Universität hatte in den ersten Decennien
des zweiten Jahrhunderts ihres Bestehens keine wesentliche
Veränderung in ihrer clericalen Stellung erfahren : sie blieb
eine geistliche Corporation, privilegirt vom Papst, und ihre
Mitglieder zogen aus kirchlichen Pfründen und Stiftungen
einen namhaften Theil ihrer Einkünfte. Die Hochschule
hatte von Zeit zu Zeit ein vollständiges Verzeichniss ihrer
') Conspect. bist. Univ. Vienn., p. 57, nennt ganz unrichtig Fried-
rich III. Universitatis fautor perpetuus.
22 Die Univ. in ihren kirchl. Beziehnngen znr Zeit E. Friedrichs III.
docirenden Mitglieder mit Angabe ihrer Obliegenheiten und
ihrer Bezüge aus den geistlichen Stiftungen und Pfründen
— die sogenannten Rotuli — nach Rom einzusenden. Na-
mentlich geschah dies beim Pontificatswechsel. Der neue
Papst bestätigte dann das ihm vorgelegte und fügte zuweilen
weitere Rechte und l^rivilegien hinzu. Die Rotuli-Einsen-
dung, welche gewöhnlich von einem Magister persönlich
beim römischen Stuhl überreicht wurde, unterblieb oft eine
Reihe von Jahren, weil sie mit Kosten verbunden und nicht
durchaus nothwendig war. Aber bei C«nflicten der Univer-
sität mit der weltlichen Regierung, wo Gefahren und Nach-
theile drohten, dann in Kriegszeiten, wo die clericale Stel-
lung durch die Eingriffe des Staates Noth leiden konnte,
versäumte man nicht, durch die Einsendung der Rotuli nach
Rom zu manifestiren, dass man in dem Papst einen mäch-
tigen Protector und Vertheidiger habe. Daher ist auch erklär-
lich, warum die Universität nach langer Unterbrechung dieses
Gebrauches, bei der Bedrängung durch König Matthias, die
Rotuli an Papst Innocenz VIII. absandte und sich von
ihm die Bestätigung ihrer Rechte, Freiheiten und Pfründen
geben liess (1489). i)
Der geistliche Charakter der Universitätsmitglieder trat
bei vielen Verhältnissen und Gelegenheiten an den Tag.
Sie verweigerte daher auch dem Landesherrn die förmliche
Huldigung und Eidesleistung der Tpeue. Es konnten nur
die von ihnen, welche unbeweibte Cleriker waren, die
höchste Würde des Rectorats bekleiden. Es war dieses schon
aus dem Grunde nothwendig, weil ein weltlicher Rector,
der gemäss dem päpstlichen Privilegium die geistliche Juris-
diction über alle Universitäts- Angehörigen, also auch über
Geistliche, zu üben hatte, nach den canonischen Gesetzen
dieses Amt nicht hätte führen können.
^) Conspect. II. 46.
Clerikaler Charakter der Uniyersität. 23
Der theologischen Facultät war vom Papst das Recht
und die Pflicht übertragen, die Echtheit und Reinheit des
katholischen Glaubens zu überwachen, ihn eifrigst aufrecht
zu erhalten und alle ketzerischen Lehrsätze, die sich an der
Hochschule zeigten, zu bekämpfen und über die üniversi-
tätsangehörigen selbst Censuren oder kirchliche Strafen zu
verhängen. Natürlich stand die Berufung an den Papst den
Verurtheilten noch offen.
Als Papst Pius II. im J. 1466 einen Kreuzzug gegen
die hussitischen Böhmen verkündigte und die Universität
aufforderte, kräftig für die Sache zu wirken, fand sie sich
bei der Gefahr, von dem benachbarten häretischen König
mit Krieg überzogen zu werden, in nicht geringer Verlegen-
heit. Sie . beschränkte ihre Theilnahme an der Sache end-
lich auf eine massige Geldunterstützung, welche sie den
Studenten gewährte, die sich unaufgefordert den Reihen der
Kreuzzügler anschlössen. ^)
Von der Ausübung der geistlichen Jurisdiction über
Universitätsangehörige von Seiten der theologischen Facultät
liegen aus der damaligen Zeit zwei merkwürdige Fälle vor.
Der eine Fall betraf den Doctor der Medicin, Georg
von Cilly, der auch Presbyter genannt wird, also ohne
Zweifel ein Geistlicher war. Er stellte einige Lehrsätze auf,
welche von der theologischen Facultät als laxe Moral be-
zeichnet wurden, die zur Unsittlichkeit und zu Vergehungen
fuhren könnten. Er wurde gezwungen zu widerrufen. 2)
Das andere Beispiel ist viel wichtiger, theils weil der
Angeklagte eine sehr bedeutende Stellung an der Univer-
*) Nach den Univ. Acten im Consp, hist. Univ. Vienn. ad ann. 1465.
II. p. 4.
2) Kink, Gesch. der Univ. Wien. I. Anhang S. 24 ff. gibt den Ab-
dnick der Verhandlungen : I. S. 237 aber verwechselt er den Dr. Med. u.
Presbyter Georg von Cilly mit dem Briccius Prepost von Cilly, einem der
angesehensten Magister der artistischen Facultät,
24 D ie üniv. in ihren kirchl. Beziehungen zur Zeit K. Friedrichs ILI.
sität inne hatte, theils weil der Gegenstand der Anklage
einen besonders interessanten Fall betraf. Der Magister
Johannes Kaltenmarkter, aus Salzburg gebürtig, war eines
der angesehensten Mitglieder der theologischen Facultät,
ein gründlicher Kenner des canonischen Rechtes, überhaupt
ein Gelehrter der scholastischen Schulweisheit; zugleich
hatte er für den Passauer Diöcesanbischof die Stelle eines
Officials in Wien zu versehen. ^) Das Rectorat hatte er
mehrere Male bekleidet. Dieser Professor hatte in seinen Vor-
lesungen .einige freisinnige Lehrsätze aufgestellt: zu diesen
gehörte auch die Proposition, dass ein allgemeines Conci-
lium über dem Papst stehe und ein Papst nicht einen von
einer allgemeinen Kirchenversammlung gefassten Beschluss
aufheben könne. Schon im J. 1483, also mitten in den un-
garischen Kriegswirren, hatte die theologische Facultät
mehrere Sätze Kaltenmarkter's für häretisch erklärt, ihn
vor ihr Gericht gezogen und zum Widerrufe verurtheilt;
Kaltenmarkter fand es anfönglich für rathsam, sich zu unter-
werfen. Aber schon wenige Jahre später, als die ungarische
Herrschaft zu Ende gegangen war, wm'de er (1490) durch
den Dominicaner-Mönch Ulrich Zehen ter, dem damaligen
Decan der theologischen Facultät, von Neuem angeklagt,-
ketzerische Lehren vorzutragen. Kaltenmarkter, der nun auf
seinen Lehransichten beharrte, verweigerte den Widerruf
und wandte sich an den damals gerade in Wien anwesen-
den päpstlichen Legaten, der seine Rechtfertigung annahm.
Dieses schreckte die. Facultät nicht ab, die Processsache
gegen den Collegen weiter zu verfolgen. 2) Sie wurde an
^) Die Rhein. Nat. Matrikel ad ann. 1470 mit der Randbemerkung:
Mag. Joh. Kaltenmarkter de Saltzburga, Officialis Patavien. Curie Viernie,
vir doctissimus et arcium et sacre theologie et juris pontificii professor.
Vita defunctus in curia Patavien. divae virginis in litore (Passauerhof bei
Maria Stiegen) anno 1507.
2) Bei Kink, Gesch. der Univ. Wien, I., S. 235, und im Anh. S. 35
sind aus archivalischen Quellen einige Stücke abgedruckt.
Errichtung des Wiener Bisthoms. 2ö
den päpstlichen Stuhl gebracht. Innocenz VIII. entschied
gegen den Angeklagten. Er erliess am 30. Juni 1492 ein
Schreiben an die Wiener theologische Facultät, worin er
ihren Eifer für die Bewahrung der Glaubensreinheit belobt,
mit grosser Befriedigung die Retractation Kaltenmarkter's
meldet und sie zu veröffentlichen anordnet, dabei aber nicht
unterlässt, der sonstigen vielfachen Verdienste des Gelehrten
zu gedenken und sie als höchst schätzen swerth zu bezeich-
nen. Kaltenmarkter, durch die geistliche Censur in seiner
Facultät auf ein Jahr vom Lehramte suspendirt, dann von
jedem Makel freigesprochen, blieb eine der geachtetsten und
einflussreichsten Persönlichkeiten der Universität. Er ward
in der Folge noch drei Mal zum Rector gewählt. ^)
Da die Universität die geistliche Jurisdiction hatte und
auch geistliche Censuren verhängen konnte, so war ihr Ver-
hältniss zum Ordinarius oder Diöcesan, dem Bischof von
Pas sau, ein . eigenthümliches. Der Bischof liess durch seinen
in Wien domicilirenden Official bei Sachen, welche Univer-
sitätsangehörige betrafen, interveniren, was man als unbe-
fugte Eingriffe bezeichnete. 2) Aber auch die Universität
erlaubte sich umgekehrt in kirchlichen Dingen Uebergriffe,
die ausserhalb des Kreises ihrer geistlichen Jurisdiction
lagen. Bei Streitigkeiten der Regierung mit dem Passauer
Bischof oder bei sti'eitiger Bischofswahl wurde nicht selten
die Universität zu Gutachten aufgefordert, die zu geben sie
in der Regel weislich ablehnte, um nicht in Conflicte zu
kommen. ^) Aber zu den Diöcesan-Synoden sandte sie regel-
mässig ihre Abgeordneten. ^)
Die Errichtung des Wiener Bisthums war ein lang-
jähriger Lieblingswunsch des Kaisers Friedrich III. Bei
^) Conspect. II. öo.
2) Conspect. II. 17.
3) Conspect. II. 17.
*) Conspect. II. 12.
26 I^ie Univ. in ihren kirchl. Beziehungen zur Zeit K. Friedrichs III.
seiner zweiten Anwesenheit in Rom im J. 1468 wurde die
Sache der Ausfuhrung näher gebracht. Es fanden mehrfache
Unterhandlungen mit dem Passauer Bischof statt. Die Uni-
versität wurde von dem Bischof angegangen^ dass sie sich
beim Kaiser gegen die Errichtung eines Wiener Bisthums
verwende ; ^) man wollte aber in der Sache keine entschie-
denen Schritte thun.
Dui'ch eine besondere Bulle (Rom, 18. Jan. 1469)
wurde, nachdem die geistliche Jurisdiction des Passauer
Diöcesanbischofs über Wien beseitigt worden, von Papst
Paul II. die Propstei zu St. Stephan zur Kathedralkirche
und zum Bischofssitze erhoben. 2)
Dennoch dauerte es mehrere Jahre, .bis das neue Bis-
thum in's Leben trat. Gegen dasselbe protestirte nicht nur
der Bischof von Passau, sondern auch die Universität er-
klärte sich dagegen. ^) Zwar erhob schon (16. Dec. 1471)
Papst Sixtus IV. den Brixner Bischof Leo von Spauer,
aus einer Tiroler alten Adelsfamilie, zum ersten Bischof
von Wien, aber mancherlei verhinderte die förmliche Ein-
setzung. Schon dass die vom Kaiser versprochene sofortige
Dotirung des Bisthums nicht sogleich erfolgte, musste die
Installation verzögern. ^) Ein scharfes kaiserliches Mandat,
das an die Universität erlassen worden, hatte befohlen, den
Widerspruch gegen den neuen Bischof aufzugeben und ihn
als ihren Ordinarius anzuerkennen. Leo von Spauer erlebte
nicht die feierliche Verkündigung der Errichtung des neuen
') Conspect. 1. c.
2) Hormayr, Wiens Denkw. I. 2. CXIX— CXXIII. Abdruck der Urk.
aus dem k. k. Staatsarchive. Auch im Uni versitäts- Statutenbuch des Kanz-
lers Paul V. Oberstein (in der k. k. Hofbiblioth. €od. 14.890) befindet sich
die päpstliche Bulle. Fol. 152.
3) Hormayr a. a. O. II. 2. S. 141.
*) Die darauf bezüglichen Actenstücke wie auch die Bulle des
P. Sixtus IV. sind zusammengestellt in Paul v. Oberstein's Statutenbuch,
fol. 163 fll.
Die ersten Wiener Bischöfe und der Universitäts-Kanzler. 27
bischöflichen Sitzes und seine Einführung auf denselben:
er starb, kaum vierarig Jahre alt, 1479. ^)
Erst als Streitigkeiten über die Wiederbesetzung des
erledigten Bisthums Pas sau ^) entstanden, wurden am
17. September 1480 vor dem Hochaltar in St. Stephan in
Wien von dem päpstlichen Nuntius Alexander, Bischof von
Forli, die Bullen über die Errichtung des Wiener Bisthums
öffentlich verkündigt. 3) Das Passauer Consistorium entfernte
sich darauf aus der Stadt nach Heiligenstadt : aber der Aus-
bruch der Pest, welche fast zwei Jahre hindurch in Wien
Tausende dahinraffte, dann die Erneuerung des blutigen
Krieges mit Ungarn brachte die Bisthumsangelegenheit nicht
in Fluss. Erst im J. 1482 übernahm Bernhard von Rohr, 4)
der auf sein Erzstift Salzburg zu Gunsten des flüchtigen
Graner Erzbischofs Johann Beckenschläger verzichtet hatte,
die Verwaltung des Bisthums Wien, worin er auch von
Papst Innocenz VHI. bestätigt wurde. Als aber der unga-
rische König Matthias zur Belagerung Wiens vorschritt,
entfloh Bernhard aus der Stadt und kehrte in sein altes
Erzstift Salzburg zurück, woselbst er schon 21. März 1487
aus dem Leben schied. Ohne sich um den Widerspruch des
Kaisers und des Papstes wie auch der Universität zu be-
kümmern, erhob Matthias den Erlauer Bischof Urban
Doczy an die Spitze des Wiener Bisthums, welches der-
selbe während der Dauer der ungarischen Herrschaft in
Wien innehatte (bis 1490). ^) Nur kui'ze Zeit verwaltete nach
1) Conspect. II. 32. Hormayr, Wiens Denkw. II. 1. S. 140 f.
2) Conspect. II. 30.
3) Conspect II. 32 u. 38.
*) Conspect. II. 39. 45. Eder, Catal. Rect. ad a. 1479, p. 38. Huic
(Leoni a Spaur) succedit M. Bernhardus de Ror archiep. Salisburg., qui
hie nunquam resedit.
*) Conspect. II. 52. Eder, Catal. lUct. ad a. 1483, p. 40: Tertius
Episcopus Viennen. Urbanus Episcopus Agnen. Mathiae regis Hungariae
Quaestor.
28 Die üniv. in ihren kirchl. Beziehiingen zur Zeit E. Friedrichs III.
Matthias' Tod und Doczy's Flucht der Seckauer Bischof
Matthias Schalt das Wiener Stift,') dann übertrug
Maximilian dasselbe zur Verwaltung seinem Anhänger, dem
Vesprimer Bischof Johann Vitez, den auch Papst Ale-
xander VI. als Administrator des Bisthums Wien bestätigte
(8. Febr. 1493). 2) Diese Wahl war für die Universität eine
glückliche, indem Johann Vitez als eifriger Freund und
Pfleger der Wissenschaften und der freisinnigen huma-
nistischen Richtung sich erwies.
Mit der Errichtung des neuen Bisthums tauchte auch
der Streit über die Stellung des Kanzlers zur Universität
wieder auf. Der Dompropst Alb recht von Schauenburg
hatte sein Kanzleramt durch Professoren als Vicekanzler
versehen lassen. Nach seinem Tode (1477) blieb einige Jahre
hindurch die Stelle des Propstes unbesetzt und daher musste
auch das Kanzleramt wieder durch Vicekanzler versehen
werden. Als das Bisthum Wien errichtet wurde (1480), war
der theologische Professor Thomas von Cilly Vicekanzler;
dieser ward nun auch als Dompropst der erste bischöfliche
Kanzler bis 1484. ^) Als Vicekanzler ernannte er den Ma-
gister Andreas von Pottenbrunn, indem schon vorher der
aus Wien flüchtige Bischof Bernhard von Rohr den theolo-
') Locher, Specul. Univ. Vindob. p. 304. Eo (Matthia rege) e vivis
sublato Matthias episc. Seccoviensis administrator eccles. Vienn. — — sed
ad episcopatum neque praesentato neque confirmato is honor non habetur.
Eder 1. c. Matthias quidaiu Episcopus Secovien. adrainistratorem se hnjus
ecclesiae appellari voluit, sed cum neque praesentatus fuerit neque confir-
matus, inter Episcopos Vienn. non numeratur.
2) Hormayr II. 1. p. 141 fll. gibt darüber das Nähere.
3) Die Urkunde K. Friedrichs III. vom 5. Jan. 1482 bei Kink,
Gesch. d. Univ. Wien. II. Nr. 39. S. 300 die Urkimde, dass der Dom-
propst von St. Stephan nach wie vor die Würde eines Kanzlers der Uni-
versität bekleiden sollte. Die literae Caesareae (Conspect. II. 39), quod
Universitas D. Praepositum, Mag. Thomam de Cilia pro Caneellario et
sequentes Praepositos eccles. Cathedralis Vienn. et mülum alium deberet
recognoscere.
Canonisation des Markgr. Leopold lY. v. Oesterreich. 29
gischen Professor Johann Kaltenmarkter dazu erhoben
hatte. 1) Der Kaiser bestimmte, dass der jedesmalige Dom-
propst oder Kanzler allein seinen Vicekanzler zu ernennen
habe.
Gleichzeitig mit der Errichtung des Wiener Bisthums
betrieb Kaiser Friedrich III. die Canonisation eines öster-
reichischen Fürsten für das neue Stift. Es empfahl sich
dazu vor allen anderen Persönlichkeiten der Babenberger
Markgraf Leopold IV. von Oesterreich (f 15. Nov. 1136),
der wegen seines frommen Lebenswandels und seiner zahl-
reichen kirchlichen, klösterlichen und wohlthätigen Stiftun-
gen im besten Andenken stand und schon hundert Jahre
früher auf Betreiben des Herzogs Rudolph IV. hatte heilig
gesprochen werden sollen. Friedrich III. nahm die Sache
wieder auf und betrieb sie eifrigst bei seiner zweiten An-
wesenheit in Rom : es sollte dabei auch die Mitwirkung der
Universität nicht fehlen. W^ährend des Canonisationspro-
cesses richtete sie (23. März 1470)^ ein Schreiben an Papst
Paul II., worin sie ihr Votum für die Heiligsprechung ab-
gab. 2) Dessenungeachtet zog sich dieselbe eine Reihe von
Jahren hinaus: erst von P. Innocenz VIII., der sich für
Friedrich III. in mehrfacher Hinsicht wohlgesinnt und will-
fährig bewies, wurde endlich die Bulle der Heiligsprechung
(6. Jan. 1485) erlassen, und zwar in der Kriegszeit, nach-
dem der König Matthias Wien bereits eng eingeschlossen
hatte. Als er die Stadt erobert hatte, setzte er natürlich
der päpstlichen Canonisations - Bulle keinen Widerspruch
entgegen: er Hess sogar den Jahrestag des neuen Patrons
für Niederösterreich am 15. November 1486 festlich be-
gehen, 3) aber erst nach der Restauration der habsburgischen
Conspect. II. 38 fl. Hormayr II. 1. p. 140, u. I. 4. p. 25.
2) Das Schreiben ist abgedruckt im Conspect. bist. Univ. Vienn. II.
pag. 11.
3) Steyerer, Albrecht II. 8. 483.
30 Personalbestand der Univ. u. ihre Wissenschaft!. Leistnng^en anter E. Friedr. III.
Herrschaft in Niederösterreich ward der Tag des Landes-
patrons Leopold des Heiligen am 15. November 1492 von
der Universität mit einer kirchlichen Feier und einer Lob-
preisung festlich begangen und bestimmt, dass auch in der
Folge der 15. November für die Universität ein mit Kirchen-
feier zu begehender Ferialtag sein sollte, i)
Die Universität in Bezug auf ihren Personalbestand und
ihre wissenschaftlichen Leistungen.
Die Universitäts-Organisation erfuhr in der letzten Re-
gierungszeit K. Friedrichs HL äusserst wenige Verände-
rungen: die alten Einrichtungen, wie sie im ersten Jahr-
hundert des Bestehens der Hochschule getroffen waren,
wurden mit geringen Ausnahmen beibehalten.
Die Wahl des Rectors wurde alljährlich zweimal (im
Februar und October) von den vier Procuratoren der
4
Nationen (der österreichischen, rheinischen, ungarischen
und sächsischen) vorgenommen und dabei ein Turnus unter
den vier Facultäten beobachtet. Es geschah öfter, dass das
höchste akademische Amt, welches mit vielen Pflichten,
Geschäften und Leistungen verbunden war, aber nur ein
geringes Einkommen abwarf und daher mehr als eine Last,
denn als eine zu erstrebende Ehrenstelle angesehen wurde,
von dem Gewählten abgelehnt ward, obschon auf eine nicht
gehörig begründete Ablehnung eine Geldstrafe und die Ent-
ziehung gewisser akademischer Rechte gesetzt war. Die
Wahl wurde von Jahr zu Jahr schwieriger. Die Universitäts-
Mitglieder wurden im Allgemeinen als Cleriker betrachtet;
doch wenn sie nicht wirklich geweihte Priester, wie die
Theologen und ein Theil der Artisten und Decretisten
waren, so konnten sie sich verheiraten. Die Mediciner
^) Conspect. hiat. UniT. Vienn. II. 46. 66.
Rectors- und Decans-Wahlen. 31
verehelichten sich meistens. Da aber die Theologen und
Decretisten häufig religiösen Orden angehörten, so war
durch diese Verhältnisse die Wahl sehr beschränkt : denn der
Rector durfte weder beweibt sein oder verehelicht gewesen,
noch dem Mönchsstande angehören. In der Regel sollten
auch nur solche, die den Doctor- oder Magistergrad hatten,
gewählt werden. Man nahm es aber oft nicht allzustreng:
wenn der Gewählte nur artistischer Magister war, so konnte
er, wenn er auch nur Licentiat oder Baccalaureus einer der
drei oberen Facultäten war, beim Turnus der Rectorswahl
von diesen berücksichtigt werden. Die Wahl eines Scholaren
zum Rector konnte nur statthaben, wenn er eine fürstliche
Person war.
Als besonders merkwürdige Beispiele von in unserem
Zeiträume vorgekommenen abgelehnten Rectorswablen sind
einige zu erwähnen.
Der Doctor der Medicin Pancratius Creuzer von
Traismauer wurde 1470 ordnungsmässig zum Rector ge-
wählt. Er lehnte die Wahl ab aus drei Gründen: wegen
Unerfahrenheit in den Geschäften, aus Mangel an Zeit bei
seiner besoldeten Professur und seiner starken Praxis, und
endlich weil er nicht unbeweibt sei. Man wollte die ange-
führten Gründe nicht als stichhältige gelten lassen, fand
sich aber endlich doch bemüssigt, die Ablehnung anzu-
nehmen. ^)
Paul Leubmann aus Melk, Professor der Theologie,
zum vierten Mal zum Rector (1471) gewählt, lehnte ab, weil
er schon zum öfteren Male das Amt bekleidet hatte. Der
Grund der Ablehnung ward nicht als giltig angenommen.
Nur um der angedrohten Geldstrafe zu entgehen, fügte er
sich endlich und unterzog sich dem Amte. Dagegen erlangte
im folgenden Jahre der Doctor des canonischen Rechts,
^) Nach den UniyerBitätsacten Conspect bist Univ. Vindob. II. 12.
32 Personalbestand der Univ. u. ihre wissenschaftl. Leistungen unter K. Friedr. III.
Jacob Hausmann^ der wegen Kränklichkeit und Geschäfts-
überbürdung die Rectorswürde ablehnte, mit Mühe die Frei-
sprechung davon.
Als aber im J. 1474 nacheinander der Rechtslicentiat
Michael Lochmaie r und der theologische Professor Mar-
tin Heinzel die Wahl nicht annehmen wollten, schritt die
Universität zu strengeren Massregeln, um zur Annahme des
Amtes zu nöthigen. Die Geldstrafe ward erhöht und dazu
noch Ausschliessung vom Decanat und anderen akademi-
schen Aemtern, ja selbst Entfernung aus dem Universitäts-
Verband, wie auch Entziehung von Einkünften, Pfründen,
Privilegien angedroht. Die Strenge verfehlte nicht ihre
Wirkung. Ablehnungen kommen nun selten vor. Desto öfter
fanden wiederholte Wahlen von Personen statt, welche die
Geschäfte bereitwillig und gut geführt hatten : so bekleidete
der theologische Professor Johann Kaltenmarkter sechs
Mal das Rectorat. ^)
Die einzelnen Facultäten, welche ihre Decane, die,
wie früher dieses auch geschah, halbjährig wechselten, aus
ihren Magistern oder Doctoren, ja selbst Licentiaten (aber
nicht aus den Baccalauren) 2) nahmen, sahen strenge darauf,
dass ihre Statuten und Einrichtungen genau beobachtet
wurden. Die Decane hatten dahingehende Instructionen und
es war ihnen vorgeschrieben, die in ihrer Aufbewahrung
gewesenen Statutenbücher, Urkunden, Acten, Siegel ihrem
Amtsnachfolger vollständig zu überliefern. ^)
Rangstreitigkeiten zwischen den Facultäten und
Nationen, ihren Vorstehern und den graduirten Personen,
^) Conspectus p. 16 u. 19.
2) Nur Ausnahme bei den Theologen.
3) Conspect 1. c. p. 14 nach den Univ. Acten: Facultatum decani
instituantur et confirmentur per praesentationem libri statutorum, sigilli,
ladulae et aliorum, quae more solito per et apud decanos facultatis debent
conservari.
Rangstreitigkeiten. 33
die früher häufig vorkamen, werden später seltener erwähnt.
Wie bei den Facultäten die theologische den ersten, die
juridische den zweiten, die medicinische den dritten und die
artistische den letzten Rang hatte, so reihten sich die vier
Nationen in die österreichische, rheinische, ungarische und
sächsische, wonach auch die vier Procuratoren, ihre halb-
jährigen Vorsteher, ihre Rangstufen hatten.
Eine besondere Rangstreitigkeit kam bei der Rectors-
wahl im Jahre 1471 vor. Der Procurator der sächsischen
Nation, der Canonist Augustinus von Elbing, der unter
seinen Collegen nach der Rangordnung die letzte Stelle
haben sollte, drängte sich vor an die erste. Die anderen
Procuratoren protestirten gegen diese Anmassung und be-
haupteten, Augustinus sei überhaupt gar nicht rechtmässig
gewählter Procurator, indem er wegen Unregelmässigkeiten
in seinem Rectorat (1470) von der Führung aller Uni-
versitätsämter ausgeschlossen worden. *) Dagegen erhob der
sächsische Procurator einen grossen Widerspruch und Lärm,
ohne etwas durchzusetzen. Im Gegentheil, er wurde genö-
thigt, als Procurator zurückzutreten. Um aber die sächsische
Nation zufrieden zu stellen, wurde ihr neu gewählter Pro-
curator, Prinz Georg von Anhalt, der noch unter den
Scholaren sich befand, aus Rücksicht auf seinen fürstlichen
Stand an die Spitze der Procuratoren gestellt, jedoch nur
ausnahmsweise und mit der ausdrücklichen Verwahrung,
dass dieser Vorgang nicht massgebend für die Folge in Be-
zug auf die Rangordnung der Nationen sein dürfe. 2)
Was den Personal stand der Universität in der da-
maligen Zeit betriflft, so war derselbe bei den fast bestän-
digen Kriegszeiten und den wiederholten Ausbrüchen epi-
demischer Krankheiten grossen Veränderungen unterworfen.
*) Cf. Conspect 1. c. p. 14.
2) Cf. Conspect. 1. c. p. 15.
y. Aschbach, Oeschiohte der Wiener Univers. II.
34 Per8onalbe8tand[der Univ. u. ihre wisnenBchaftl. Leistungen unter K. Friedr. f II.
doch bezüglich der Lehrenden weniger als der Scholaren. ^)
Die Frequenz war eine ziemlich schwankende: in den frü-
heren Jahren eine grosse, später aber eine sehr geringe.
Indem in der artistischen Facultät in den Jahren zwischen
1470 und 1480 die Zahl der Magistri legentes durchschnitt-
lich an 80 betrug, 1476 sie selbst auf 105 stieg, sank sie
im Kriegsjahr 1485 auf 27 und erhob sich während der
ungarischen Herrschaft nicht viel höher. 2) In den anderen
Facultäten war die Zahl der activen Professoren ohnehin
immer eine bedeutend geringere : ihre Gesammtzahl erreichte
nicht die der Artisten.
Wenn die Zahl der Wiener Studenten noch um die
Mitte des 15. Jahrhunderts nach Tausenden zählte, so
war es anders in den ungarischen Kriegsjahren und in der
Zeit der Pest, wo nur wenige Hunderte in Wien zurück-
geblieben waren. Es ist auffallend, dass in dieser Zeit (um
1484) freie Stellen oder Stipendien in Bursen gestiftet wur-
den, indem gerade in den Jahren, wo die Universität fast
verödet und unbesucht war, kein Bedürfniss zu solchen
Stiftungen sich zeigte. In Bursen und Coderien, wo sonst
60 bis 70 Scholaren waren, befanden sich damals kaum 10.
Auch dass gerade damals in der zweiten Hälfte des 15. Jahr-
hunderts mehrere neue Hochschulen im deutschen Reiche
gestiftet wurden, wirkte nachtheilig auf die Wiener Fre-
quenz. Zu den sieben früher bestandenen deutschen Univer-
sitäten 3) kamen weitere sieben: Trier 1455, Greifswalde
1456, Freiburg im Breisgau 1457, Basel 1460, Ingolstadt
1472, Mainz und Tübingen 1477. Manche von diesen neuen
^) Conspect. II. 37. Accessit ex noveUis nemo sicque desolata in
snppositis elanguit universitas , in doctoribus tarnen et magistris satis
copiosa.
2) Vgl. Kink I. S. 175.
3) Prag, Wien, Heidelberg, Köln, Erfurt, Leipzig, Rostock. Die im
J. 1402 gegründete Hochschule Würzburg war damals wieder eingegan-
gen, sie kann daher hier nicht zu den alten Universitäten gezählt werden.
Conflicte mit dem städtischen Regiment. 35
Universitäten hatten sich die Einrichtungen der Wiener zum
Muster genommen. ^)
In den Jahren vor dem ungarischen Kriege, wo die
Frequenz der Universität noch eine sehr starke gewesen,
fehlte es nicht an mancherlei Excessen der Studenten und
an blutigen Streitigkeiten, welche dieselben mit den Hand-
werkern und Bürgern hatten, wodurch der Rector wegen
streitiger Gerichtsbarkeit in mehrfache Conflicte mit dem
städtischen Regiment gerieth.
Mancherlei Umstände und Gewohnheiten gaben zu den
nicht selten vorkommenden blutigen Auftritten zwischen
den Scholaren und Bürgern Veranlassung. Zur Zeit der
Weinlese in den Wiener Vororten, wo auf beiden Seiten
ausgelassene Fröhlichkeit herrschte, kam' es gewöhnlich zu
blutigen Raufereien und Kämpfen der Studenten mit den
Winzern. 2) Da den ersteren verboten war, Waflfen zu tragen,
sie aber durch Abzeichen an ihrer Kleidung ihren Stand
kenntlich zu machen hatten, so waren sie umsomehr den
Insulten und Neckereien ihrer Gegner ausgesetzt, welche
freilich auch wieder von den übermüthigen und nicht selten
berauschten Scholaren gereizt und angegriflfen wurden. Erst
wenn auf beiden Seiten Blut geflossen, ja oft schwere Ver-
wundungen und Todtschläge stattgefunden, schritten zur
Unterdrückung der weiteren Kämpfe die städtischen be-
waffneten Wächter ein, und ergriffen ohne Rücksicht auf
die Privilegien und die Exemtion der Hochschule von
den bürgerlichen gewöhnlichen Gerichten die Scholaren.
1) Eder, Catal. Rect. p. 85 ad a. 1467: Academia Fribnrgen. Bris-
govii per oratorem suuiu M. Conrad, de Scharndorf petit ab Archigymnasio
Viennen. copias privilegiorum , statatorum et ordinationum tarn coUegii
qnam bursarum et contubernionim paupemm, theologum item, canonistam
et duos coUegas philosophos, qnoram opera et ductu suas instituerent leges.
2) Vgl. Conspect. II. 18, wo nach den Univ. Acten eine derartige
Rauferei im Herbst 1472 beschrieben ist.
3*
36 Personalbestand der Univ. u. ihre wissenschaftl . Leistungen anier K. Friedr. III.
Dieselben wurden in das Stadtgefängniss geworfen, dann
vor den Stadtrichter gebracht, um von ihm verurtheilt zu
werden.
Nunmehr kam aber die Universität mit dem städtischen
Regiment in Conflict, das in peinlichen Dingen, wo Univer-
sitäts-Angehörige an Bürgern und deren Leuten sich ver-
gangen hatten, die Gerichtsbarkeit in Anspruch nahm. Zu-
letzt entschieden nur kaiserliche Mandate, und zwar zu
Gunsten der Universität.
Ein solcher Fall war schon im J. 1471 vorgekommen.
Ein Baccalaureus, der eines Mordes beschuldigt worden,
wurde vom Stadtrichter trotz des Einspruchs des Rectors
eingekerkert und verurtheilt. Die Universität protestirte
gegen das Urtheil und berief sich auf ihre vom . Landes-
fürsten und Kaiser erhaltenen Privilegien, wonach sie ihre
Angehörigen nur selbst zu richten hatte. Der Kaiser erliess
zu Gunsten der Universität ein scharfes Mandat, wodurch
der Stadtrichter genöthigt war, den Inhaftirten frei zu geben
und von weiteren Schritten gegen denselben abzustehen:
jedoch geschah es nicht ohne die Erklärung des städtischen
Gerichts, dass man hier nur der Gewalt weiche und sich
nur gezwungen dem kaiserlichen Willen füge. ^)
Was das wissenschaftliche Leben und die Leistun-
gen der Wiener Universitäts-Professoren in jener Zeit be-
trifft, so lässt sich davon nicht viel Rühmliches sagen. Unter
dem Drucke ungünstiger Verhältnisse und der Einwirkung
des in Verfall gekommenen Scholasticismus konnten die
Wissenschaften nicht blühen und gedeihen. Dass die weni-
gen aufstrebenden Geister sich nicht frei bewegen konnten,
zeigen schon die stürmischen Universitäts-Congregationen,
^) Conspect. II. 15: Der Schluss lautet: Quod ipsa (das städtische
Gericht) dictum homicidam hac vice seriosis mandatis Caesareae
Majestatis coacta absolrat a carcere.
Wisgenschaftliche Leistungen. 37
welche die kleine Fortschrittspartei nicht zu Rede kommen
Hessen oder sie zwangen, ihre freimüthigen Aeusserungen
zu widerrufen. ^)
Unter den Wiener Magistern der damaligen Zeit kommt
in keinem Fache irgend eine besondere Celebrität vor.
Weder hatte die theologische Facultät einen Namen wie
Heinrich Langenstein von Hessen oder Thomas Ebendorfer
von Haselbach aufzuweisen, noch zählte die artistische Fa-
cultät eine Berühmtheit der Art, wie Georg Peuerbach oder
Johann Kegiomontanus gewesen. Die damaligen angesehen-
sten Magister an der Universität waren: Nicolaus von
Grenze nach, Michael Lochmayr von Haideck,
Johann Kaltenmarkter aus Salzburg. Sie waren
nach und nach Mitglieder von drei Facultäten, ihre wissen-
schaftlichen Leistungen aber sind von keiner Bedeutung. 2)
So verhielt es sich auch mit dem namhaftesten damaligen
medicinischen Doctor Paul Urschenbeck aus Seckendorf
(f 1487), obschon er zu den Koryphäen seiner Wissenschaft
in Wien in jener Zeit gezählt wurde. ^)
Besondere Verdienste um die Bereicherung der Uni-
versitäts-Bibliothek erwarben sich die Professoren da-
durch, dass sie fast regelmässig testamentisch ihre Bücher-
sammlungen nebst Geldlegaten der Universität vermachten.
Dadurch ward es nöthig, die Bibliotheks-Localitäten durch
einen Anbau zu erweitern (1482). Der Magister Jacob Yban
von Tyrnau hatte zu diesem Zwecke nicht nur hundert
Goldgulden gespendet, sondern auch in seinem Eifer zur
') Dieses begegnete im J. 1482 dem Führer der Partei, dem Magister
Briccius Preprost von Cilly. Act. fac. art. III. fol. 301. Kink I. S. 181.
2) Michael Lochmayr schrieb Sermones de Sanctis, ein Parochiale
curatorum und gab mit Berichtigungen die Secreta sacerdotum des Hein-
rich Von Langenstein heraus. Vgl. Script. Univ. Vienn. II. p. 19.
3) Vgl. Universitäts-Hymnus gradualis vom Jahre 1648 im Conspect.
II. 250.
38 Personalbestand der Univ. n. ihre wissenechaftl. Leistung^en unter K. Friedr. III.
schnelleren Betreibung der Sache persönlich mit Hand an's
Werk gelegt. ^)
Da es damals in Wien noch keine ständigen Buch-
druckereien gab, sondern nur sogenannte Wanderdrucker
dahin kamen, welche kleine Schriften und Flugblätter ver-
vielfältigten, so fühlte man das Bedürfniss, durch Magister,
die man an den Rhein und in das mittlere Deutschland wie
auch nach Italien sandte, neue Druckwerke aufkaufen zu
lassen: nur mit Mühe setzten einige artistische Professoren
durch, dass auch eine Anzahl classischer Werke erworben
wurde. ^) In dieser Beziehung wirkte die Herrschaft des
ungarischen Königs Matthias vortheilhaft, indem durch den
lebhaften Verkehr mit Ofen und den dort für den Humanis-
mus eifrig wirkenden Gelehrten der Sinn für die classischen
Studien mehr geweckt wurde. ^)
Von mehreren Magistern der artistischen Facultät wur-
den allmälig Versuche, wenn auch schwache und schüchterne,
gemacht, durch Vorlesungen über die vorzüglicheren römi-
schen Classiker, über Virgil, Horaz, Terenz, Cicero,
Sallust, Seneca, dem Humanismus, der bereits in Italien zur
Blüthe gelangt war, Bahn zu brechen. Zu diesen Magistern,
welche der humanistischen Richtung zugethan waren, ge-
hörten vor allen andern Bernhard Perger von Stainz,
der schon als Rector der Domschule für die Einführung
einer besseren lateinischen Grammatik gewirkt hatte. Er
hielt akademische Vorträge über Cicero und Sallust, über
^) Act. fac. art. ad a. 1479. — Ut ipse ad perfectionem stnicturae
librariae mann sua lapides portaverit ac eiindem ceraento claiiserit et
dealbaverit. Conspect. II. p. 16. Locher, Spec, p. 304 ad a. 1493, bemerkt:
In domo vulgo Hospitale dicta a facultate artium comparata insignis
sensim instruitur Bibliotheca.
2) Das Nähere darüber gibt Kink, S. 181, in der Note 220 aus den
Act. fac. art lib. III.
3) Schier diss. de regiae Badensis Bibliothecae Matthiae Corvini
ortu, lapsu, interitu et reliquiis.
Wissenschaftliche Leistangen. 39
Virgil und Horaz. Diesem Beispiele folgten die artistischen
Professoren Wolfgang Hayden und Johann Goldper-
ger, beide aus Wien, die besonders ciceronianische und
horazische Schriften erklärten. Ihnen schloss sich an
Briccius Preprost von Cilly, der sich vorzüglich mit
Cicero beschäftigte, wie auch sein Zeitgenosse, Sigmund
von Schärding. Dagegen wandten die Magister Paul
von Stockerau und Johann Rauch sich der Erklärung
des Virgilius zu. Indem Benedict Kneysel von Innsbruck
auf die Schönheit des Sallustischen Stils hinwies und
dadurch für Verbesserung der Latinität wirkte, führte
Georg Pattersdorfer aus Wasserburg den Scholaren Se-
neca, und Erasmus Parnagel eine Comödie des Terenz
vor. Wenn diese Vorlesungen auch weder den kritischen
noch den eigentlich philologischen Anforderungen entspra-
chen, so können sie immerhin als Vorläufer zur Einführung
der humanistischen Studien betrachtet werden, die freilich
mehrfach durch die ungarischen Kriegszeiten unterbrochen
wurden. ^)
Die Wiener Universität war im letzten Decennium der
Regierung K. Friedrichs III. unleugbar in argen Verfall
gerathen. Derselbe war nicht allein durch die äusseren un-
günstigen Verhältnisse herbeigeführt: er hatte vielmehr
seinen Grund in den inneren Zuständen. Die ganze Orga-
nisation der gelehrten autonomen Anstalt genügte nicht
weiter. Der bis dahin Alles beherrschende Scholasticis-
mus erwies sich als eine abgelebte Methode, als eine Ab-
richtung, der die frische Wissenschaftlichkeit und schöpfe-
rische Kraft auf geistigem Gebiete abging. Seitdem mit
Vernachlässigung der Culturfortschritte und mit Hintan-
setzung der selbständigen Behandlung geistiger Stoffe man
^) Vgl. die Act. fac. art. lib. III. zu den J. 1469—1492. Kink. I.
S. 182 f.
40 Personalbestand der Univ. u. ihre wiBsenschaftl. Leistungen unter K. Friedr. III.
nur Formeln aufstellte und das eig^ene Denken und Forschen
durch eine pedantische Dialektik ersetzen wollte, entäusserte
sich die Wissenschaft ihrer selbst : sie sank zu einem blossen
Handwerk, zu einer Fertigkeit herab. Es konnte sich die
Universität nur wieder heben, wenn dem abgelebten Scho-
lasticismus sein Gregner, der Humanismus, folgte.
Zweiter Abschnitt.
Einfuhrimg des Humanismus und der damit verbundenen
Reformen an der Wiener Universität im letzten Decennium
des XV. Jahrhunderts.
JN ach dem Tode des Kaiser Friedrich III., sogleich mit
dem Regierungsantritt seines Sohnes Maximilian, beginnt
eine neue Aera für die Wiener Universität. An die Stelle
des nicht mehr lebensfähigen Scholasticismus mit seiner geist-
losen Einschulung tritt allmälig ein frisches, freies, schöpfe-
risches Betreiben der Studien, die ihre Quelle und ihre
Richtung in den grossen Vorbildern der classischen Ver-
gangenheit hatten. Wenn auch die scholastische Methode
und ihre Grübeleien nicht sogleich beseitigt werden konnten,
wenn auch ihre Anhänger zähe und hartnäckig an ihrer
Einseitigkeit und an ihren Vorurtheilen festhielten, so war
es ihnen doch nicht möglich, der neuen wissenschaftlichen
Strömung mit Erfolg entgegen zu wirken, im Gegentheil,
frühere eifrige Vertheidiger des alten Lehrsystems wurden
zum Theil für die neue Richtung gewonnen und gingen in
das Lager ihrer bisherigen Gegner über. Dass aber gerade
in Wien, dem damaligen Hauptsitze des Scholasticismus in
Deutschland , derselbe in seinem innersten Wesen vorzüglich
4:2 Einführung des Hamanismas gegen Ende des XV. Jahrh.
erschüttert wurde, hatte zunächst und zumeist seinen Gnind
darin, dass die Reform von dem Landesherrn ausging . und
von ihm mit allem Eifer betrieben ward. Maximilian I.
war mit ganzer Seele der neuen Richtung zugethan und er
entbehrte bei seinen Reformbestrebungen nicht des guten
Beirathes und der kräftigen Unterstützung gleichgesinnter
tüchtiger Persönlichkeiten. In einer Zeit, wo die Folgen
der Erfindung der Buchdruckerkunst und das Wiederauf-
leben der classischen Wissenschaften sich überall fühlbar
machten auf dem geistigen Gebiete, konnte kein Stillstand
stattfinden. Alles drängte zum Fortschritte, zur Verbesse-
rung, zur Vervollkommnung.
Schon sogleich bei seinem Regierungsantritt, nach den
Leichenfeierlichkeiten für Kaiser Friedrich III., legte Maximi-
lian seine Vorliebe für die Wissenschaften überhaupt und
classischen Studien insbesondere an den Tag. Als er im An-
fang October 1493, also wenige Wochen nach Friedrichs III.
Tod, nach Wien kam, empfing ihn die ganze Universität
in feierlichster Weise am Eingange der St. Stephanskirche.
Bei dieser Gelegenheit hielt der Theologie-Professor Briccius
Preprost, welcher der humanistischen Richtung zugethan
war, die Ansprache mit der Bitte nicht nur um die Be-
stätigung der Universitäts-Privilegien, sondern auch um aus-
reichende Zutheilung von Besoldungen für die Vertreter
einzelner Zweige der Wissenschaften. Maximilian versprach,
die Bitte zu erfüllen und durch seinen Kanzler die Ent-
scheidung bekannt zu geben.
Die Bestätigung der Privilegien erfolgte aber nicht
sogleich, wie man gehofft hatte: vor allen Dingen sollten
Reformen eingeführt und dann gewissermassen als Preis der
Annahme derselben von Seite der Universität ihre Vorrechte
confirmirt werden. Zunächst kam die Stelle eines landesfürst-
lichen Superintendenten in Betracht. Dieser sollte nicht,
wie bisher der Fall war, blos die Aufsicht über die der
Die Stellung des Saperintendenten. 43
Hochschule zugewiesene Dotation führen^ sondern er sollte
auch ein entscheidendes Wort bei der Verwendung der
daraus fliessenden Gelder zu sprechen haben und auch bei
der Besetzung der besoldeten Professuren und Errichtung
derartiger neuer Stellen dem Landesfürsten in erster Reihe
die Vorschläge vorlegen. Damit stand in Verbindung, dass
nicht nur von auswärts Professoren an die Hochschule be-
rufeu; demnach neue Elemente in die früher ganz autonome
Corporation, welche sich gewöhnlich selbst ergänzte, eingeführt
wurden, sondern dass auch ein neues Lehrsystem, wodurch
das exclusive scholastische Wesen auf das Innerste alterirt
ward, sich ausbildete. Allerdings hatte der Superinten-
dent nicht ganz freie Hände, er war durch die Regierung,
die landesfürstlichen Regentes, an ihre endgiltigen
Beschlüsse gebunden, wenn seine Einrichtung oder Verord-
nung in Kraft treten sollte. Die Facultäten sahen diese
Aenderung in der Universitäts- Verfassung anfänglich sehr
ungern: sie hielten sich beeinträchtigt in ihrer Auto-
nomie, welche ihnen durch die Statuten der Hochschule
zugesichert war. Wenigstens nahmen sie das Recht des
Protestes oder der Gegenvorstellung in Anspruch. Aber
schon, dass man sich daran gewöhnte, oft die Intervention
der Regierung selbst bei geringfügigen Dingen anzurufen,
erschütterte allmälig die früher behauptete Selbständigkeit. •)
Die neuen Elemente, welche durch die Berufung auswärtiger
Humanisten in den Schoss der Hochschule drangen, voll-
endeten das Aufgeben eines beharrlichen Widerstandes, um
so mehr, als die Humanisten-Partei, die immer stärker wurde,
wohl erkannte, dass sie ohne das Eingreifen der Regierung
keine feste Stellung gewinnen und behaupten konnte.
') In einer Universitäts-Congregation im J. 1500 erhob man eine
förmliche Protestation gegen solche nicht zu rechtfertigende Anrufung der
Entscheidung der Regentes mit der Motivirung: quoniam Universitas non
parum humiliaretur. Act. Fac. Theol. lib. II. p. 86.
4a Einführnng des Hnmanismas n. Reformen gegen Ende des XV. Jahrh.
Daher bequemten sich am 14. April 1495 die Profes-
soren der drei oberen Facultäten, welche grossentheils als
besoldete Lehrer (lectores stipetidiati) mehr abhängig
waren, zur unbedingten Huldigungsleistung, ^) und erst
dann, wenige Monate später, erfolgte wie als Ersatz für die
erlittene Einbusse Maximilians I. Bestätigung der alten
Rechte, Privilegien, Freiheiten und Gewohnheiten der Uni-
versität, 2) welche Confirmation eigentlich keine rechte
Bedeutung mehr hatte.
Durch das Eindringen des Humanismus in das Wesen
der Universität verlor dieselbe allmälig den Charakter einer
clericalen Corporation. Früher war man gewöhnt, die
artistische Facultät nicht als einen selbständigen, für sich
abgeschlossenen Studiencurs anzusehen, sondern man be-
trachtete sie nur als eine Vorbereitung für die höheren
Facultäten, namentlich für deren Schluss und Gipfel der
Universitätsstudien, für die Theologie. Es hatte demnach
bei den scholastischen Studien das theologische Moment
ganz und gar vorgeherrscht. Als aber die Humanisten in
der philosophischen Facultät das Uebergewicht erlangten
und ganz andere Ziele, die von der Theologie sehr abseits
lagen, verfolgten; als die Mediciner sich immer mehr von
den ihnen lästigen scholastischen Anforderungen und Ge-
pflogenheiten emancipirten ; als die Juristen nicht mehr
allein das geistliche, sondern auch das römische Recht vor-
trugen und überhaupt verweltlichten, so konnte die theo-
logische Facultät für sich allein, ohne Unterstützung von
ihren Schwester-Genossenschaften, nicht den ganzen Kreis
der verschiedenen Wissenschaften umfassen und als ihre
Vertreterin gelten. Sie trat daher auch bei manchen
^) Act. Fac. art. III. fol. 378 ad ann. 1495. (Rcgentes) his diebus
a dominis doctoribus et lectoribus trium facultatum superiorum juramenta
loco Principis receperunt.
2) Kink II. n. 41 p. 302, vgl. «nten.
Reformen in hnmanistischer Richtang. 45
allgemeinen Fragen, wo die Theologie früher als entschei-
dend mitwirkte, im Gefühle ihrer Schwäche bescheiden
zurück. Jedoch wollte die Universität die enge Verbindung
mit dem römischen Stuhle, in welcher sie durch ihren
Kanzler stand, keineswegs aufgeben. Sie protestirte gegen
die Absicht der Regierung, die Lehrkanzel für das cano-
nische Recht ganz einzuziehen, und da eine Anzahl Profes-
soren aus kirchlichen, zum Theil vom Papst verliehenen
Pfründen ihre Einkünfte bezog, und man doch nicht ganz
dem Einfluss der weltlichen Regierung sich preisgeben wollte,
so war es natürlich, dass alle, auch selbst die verweltlichten
Facultäten, als wären sie noch eine geistliche Corpora-
tion, die Bestätigung ihrer Statuten, Privilegien und Frei-
heiten vom Papste, den sie als Mitgründer ihrer gelehrten
Anstalt betrachteten, von Zeit zu Zeit nachsuchten und er-
hielten.
Wenden wir uns von der allgemeinen Betrachtung der
Entwicklung einer neuen Universitäts-Richtung näher zu den
dabei einwirkenden und leitenden Persönlichkeiten wie auch
zu den Lehrkräften, welche bei dem veränderten Studien-
gange hauptsächlich thätig waren.
Es ist offenbar, dass der römische König Maximilian
bei der Einführung des Humanismus an der Wiener
Universität vorzüglich durch den Superintendenten Bernhard
Perger und seine Räthe, die landesfurstlichen Regentes
Johann Krachenberger und Johann Fuchsmagen, welche
enthusiastische Verehrer der Humanisten waren, auf das
kräftigste und erfolgreichste unterstützt wurde.
Bernhard Perger aus Stainz ^) hat schon unter
Kaiser Friedrich sich als entschiedenen Anhänger der huma-
nistischen Richtung erwiesen. Als Magister der artistischen
^) Biographisches iind Literarisches über ihn findet sich in der Festschrift
Gesch. der Wiener Univ. S. 673 fll. : um nicht zu wiederholen, wird in
Bezug auf das Nähere dahin verwiesen.
46 Einführung des nnmanisnius ge^en Ende des XY. Jahrh.
Facultät hatte er theils über Mathematik und Astronomie,
theils über classische Schriftsteller, Virgilius und Sallustius,
Vorlesungen gehalten und eine bessere Anleitung zu Er-
lernung der lateinischen Sprache geliefert. Als Decan der
artistischen Facultät und als Rector der Universität hatte
er über die inneren Zustände der Hochschule sich genau
zu unterrichten Gelegenheit gefunden. Als Vorsteher der
Dom-Schule bei St. Stephan erkannte er die Nothwendig-
keit, die Vorbereitung für die höheren Studien, namentlich
in Betreff der Erlernung der lateinischen Grammatik zu
verbessern. Auch die juridischen Studien betrieb er.
Während des letzten ungarischen Krieges hielt er sich einige
Zeit in Italien auf und trat in Padua und Bologna mit den
Humanisten in mannigfachen Verkehr.
Schon Kaiser Friedrich erkannte die Tüchtigkeit des
Mannes, welchen er auch wegen seiner Treue und Anhäng-
lichkeit an seine Person schätzte und mit seinem Vertrauen
auszeichnete. Mehr noch that dieses Maximilian sogleich
nach Beendigung des ungarischen Krieges (1490), als er die
Regierung in Oesterreich antrat. Er erhob ihn zum Super-
intendenten oder Curator der Wiener Universität mit
erweiterten Befugnissen: er übertrug ihm nicht nur die
Aufsicht über die Dotation der Hochschule, sondern er be-
auftragte ihn auch, Vorschläge zu machen und selbst An-
ordnungen zu treffen hinsichtlich der Verbesserung des
Unterrichtes und Einführung von Reformen im Studien-
gange.
Ungeachtet die Universität, auf ihre Autonomie sich
stützend , Einsprüche gegen Perger' s Vorgehen erhob , so
schritt dieser, durch den Willen der Regierung stark, in dem
Reformationswerke unbehindert weiter fort. Am 13. October
1492 wurden Anordnungen behufs der Abstellung mehrerer
Gebrechen und Missstände erlassen.
Keformen in humanistischer Richtung. 47
Bei den scholastischen Vorlesungen, welche von den
besoldeten Professoren gehalten wurden, schrieb man wesent-
liche Aenderungen vor. Die in lateinischer Sprache über-
setzten Schriften des Aristoteles, Euklides, Hippokrates und
Galenus sollten den Scholaren im vollständigen Text vor-
gelegt werden, nicht wie es bis dahin üblich war, in verstüm-
melten Auszügen nach den Büchern von Erklärern und
Glossatoren, welche viel Unbrauchbares und Ueberflüssiges
enthielten. Dabei wurde verfügt, dass die Vorlesungen vor-
schriftsmässig und ohne willkürliche Unterbrechungen ge-
halten und die Prüfungen der um die akademischen Grade
sich Bewerbenden nur in den zur Sache gehörigen Materien
vorgenommen werden sollten. Besonderen Anstoss erregte
es aber, dass in manchen Fällen auch die Gerichtsbarkeit
des Rectors beschränkt und in Bezug auf Administratives
bei Herstellung und Reparaturen von Universitäts-Gebäulich-
keiten eingegriffen ward. ^)
Nachdem Kaiser Friedrich (19. Aug. 1493) aus dem Leben
geschieden war und Perger als Kanzler im Wiener Stadt-
rath die Leichenrede gehalten, legte ihm Maximilian noch
mehr als bis dahin geschehen war, die Leitung der Univer-
sitäts-Angelegenheiten in di6 Hände und wies die beiden
Regentes Krachenberger und Fuchsmagen dazu an,
dass sie den Superintendenten bei seinen Reformen unter-
stützten.
Perger erliess zunächst an die artistische Facultät die
Aufforderung, sich zeitweise zu versammeln, um sich über
wissenschaftliche Gegenstände zu besprechen : es sollte damit
^) Auf die Klagen der Universität über die Eingriffe des Super-
intendenten in ihre Rechte, erwiderte dieser, dass er nach der vom Landes-
fürsten erhaltenen Instruction darauf zu sehen habe: ut lectiones debite
fiant, negligentibus stipendia subtrahantur, coUegii ducalis aedificia con-
serventur et reformentur. Act. Fac. theol. II. 86. Act. Fac. art. IV. 16.
Vgl. Kink, I. S. 194.
48 EinfÜhran; des Hamanismas gegen Ende des XY. Jahrh.
ein frischer, lebendiger, wissenschaftlicher Geist angeregt
werden. Auch die Scholaren sollten zu diesen Versamm-
lungen, die öffentlich waren, zugezogen werden, um ihnen
Gelegenheit zu bieten, nicht nur an den Besprechungen
durch Zuhören ihr Interesse an wissenschaftlichen Dingen
zu wecken, sondern sie auch aufzumuntern, mit freien Vor-
trägen daran Theil zu nehmen. Bei der Neuheit der Sache
strömten die Scholaren in grosser Zahl auf dem freien Platze
vor dem Universitätsgebäude , wo die peripatetischen Dispu-
tationen gehalten wurden, zusammen. Der Superintendent
und die weltlichen Professoren (die Geistlichen hielten sich
entfernt) wohnten den Unterredungen bei, welche über die
verschiedenartigsten philosophischen Materien aufgeworfen
und weiter gefuhrt wurden. Die wenig geregelten Dispu-
tationen und Redeübungen nahmen bald einen ungeord-
neten Gang. Die in den Nachmittagsstunden begonnenen
Versammlungen setzten sich bis zum Einbrüche der Nacht
fort und lösten sich zuletzt in tumultuarischer Weise auf,
indem einzelne Schaaren Scholaren lärmend und excedirend
die Strassen durchzogen und Veranlassung gaben, dass die
Bürger über die Zügellosigkeit der Studirenden Klage
führten. Man fand für gut, diese öffentlichen Conversationen
einzustellen, um nicht die Disciplin zu lockern. ^)
Auch bei der Berufung eines auswärtigen Humanisten an
die Wiener Hochschule war man anfänglich nicht glücklich.
Obschon mehrere ihrer Magister Freunde des Humanismus
waren und auch über classische Schriftsteller Vorträge hielten,
so fehlte ihnen doch die eigentliche humanistische Bildung.'^)
*) Act. Fac. art. ad 1. Sept. 1493. Conspect. bist. Univ. Vienn. ad
ann. 1493. p. 58.
2) Zu diesen hatte auch Johann Mader (Foeniseca) aus Augsburg
gehört, von dem beim J. 1494 die Randglosse im Rheinischen Nations-
Matrikel meldet: Homo graece et latine doctus: fortune casus impetuosis-
sime sustinens uxorem duxit versus in dementiam.
Wander-HnmaniBten in Wien. 49
In der lateinischen Versification , welche von einem
Humanisten durchaus verlangt wurde ^ war man noch ganz
zurück.
Es kam in jener Zeit nicht selten vor, dass die im
westlichen deutschen Reiche auftretenden Humanisten wie
fahrende Dichter von Universität zu Universität zogen, um
für den Humanismus Propaganda zu machen. Sie hielten
für Bezahlung vor Magistern und Scholaren Vorträge über
lateinische Verskunst, über die Dichter Horaz, Virgil, Ovid,
Lucan, wie auch über Beredsamkeit und die platonische
Philosophie. Solche Vorlesungen gehörten nicht in den
Kreis der vorgeschriebenen, sie wurden aber zugelassen,
wahrscheinlich unter" der Aufsicht des artistischen Decans.
Manchmal ward ein solcher fahrender Humanist auch von
Freunden der classischen Studien eingeladen, derartige
Vorträge gegen Bezahlung zu halten, und je nachdem er
befriedigte und Beifall empfing, konnte er eine mehr oder
weniger reichliche Einnahme machen. So war der erste
von Kaiser Friedrich HI. gekrönte deutsche Dichter Con-
rad Celtes mit solchen humanistischen Gastvorträgen in
Wien schon im J. 1490, grossen Beifall einerntend, vor
einem Kreise von Universitätslehrern und Studirenden auf-
getreten ') und er wurde dann einige Male aufgefordert,
die Vorträge zu wiederholen, was auch im Herbst 1492
geschah. So grossen Beifall er auch erhielt, lehnte er
doch weitere Besuche ab, indem ihm seine feste Professur
der Poetik an der Ingolstädter Universität eine öftere län-
gere Entfernung nicht erlaubte.
Um dieselbe Zeit kam ein anderer fahrender Dichter,
der als poeta laureatus bezeichnet wird, nach Wien. Es war
dieser der Minoriten-Mönch Magister Paulus Amaltheus
1) Vgl. Aschbach, Die frühem Wanderjahre des Conrad Celtes.
T. Asehbach, Geschichte der Wiener Univers. II. 4
OO KiaführuBg des Hnmanisnias gegen Ende des XY. Jahrh.
aus Portenau in Priaul. *) Er wurde in die artistische
Facultät aufgenommen und hatte gegen einen Jahresgehalt
von fünfzig rheinischen Gulden täglich zwei Stunden über
Poetik und Rhetorik Vorlesungen zu halten. Da er von
seinen Scholaren kein Collegiengeld (pastunr) erheben
durfte und der geringe Gehalt ihm für seine Leistungen
nicht entsprechend schien, so verliess er schon nach wenigen
Wochen (im Juli 1493) wieder die Universität. Die Facultät,
welche ihn auf sein Ansuchen der übernommenen Verpflich-
tung enthoben und ihm als Abfindung ein angemessenes
Viaticum zugewiesen hatte, war oflFenbar über den baldigen
Abgang eines Docenten, dessen Vorträge für überflüssig
gehalten wurden, sehr erfreut und zeigte grosse Befriedi-
gung^ seiner bald wieder ledig geworden zu sein.^)
Dagegen trat wenige Monate später ein noch ziemlich
jugendlicher Humanist, der theilweise seine Studien in Wien
gemacht hatte, mit Vorträgen über Poetik und Rhetorik auf.
Johann Spiesshaimer, auch Spiesshamer genannt, aus
Schweinfurt in Franken, war mit dem römischen König
Maximilian schon im J. 1490 nach Wien gekommen. ^)
Durch sein Gedicht über den heiligen Leopold, Markgrafen
von Oesterreich, hatte sich der noch nicht zwanzigjährige
Jüngling die Gunst des Kaisers Friedrich IIL erworben;
bei dessen in Wien abgehaltenen Exequien zeichnete ihn
Maximilian in einer grossen Versammlung adeliger Herren
und Universitäts- Angehöriger aus, indem er ihn mit dem
Dichterlorbeer schmückte. Der junge gekrönte Dichter er-
^) Act. fac. art. lib. III. p. 363. Anno 1493 intitalatus est frater
Paulus Amaltheus de Portu Naonis, ordinis minorum, artium liberalium
magister et poeta laureatus.
2) Act. fac. art. 1. c. Kink I. S. 196 und 204, not. 235. Auf der
k. k. Hofbibliothek Nr. 3506 befindet sich von ihm handschriftlich ein
Epicedium in obitu Friderici Imp. ad Romanor. regem Maximilianum.
3) Vgl. über ihn das Nähere unten im Leben Cuspinian's.
Berufungen italienischer nnd Ingolsiädter Professoren'. 51
scheint seit dieser Zeit unter seinem humanistischen Namen
Cuspinianus und er begann sodann regelmässig Vor-
lesungen über Poetik und Rhetorik zu halten, wozu ihm
auch ein Jahreseinkommen (Stipendium) angewiesen ward.
Obschon die meisten Mitglieder der Hochschule von
den humanistischen Studien nichts wissen wollten, so
wagten sie doch nicht Cuspinian, der sichtbar durch
die Gunst des Landesflirsten gehoben war, entgegen zu
wirken. Sie bewilligten ihm ziemlich Alles, was er ver-
langte: einen geräumigen Hörsaal, eine passende Stunde
für die Vorträge upd die nöthigen Bücher aus der öffent-
lichen Bibliothek. Nur in einem Punkte willfahrte man
seinen Wünschen und Anforderungen nicht: es wurde ihm
nicht gestattet, Collegiengelder zu erheben, weder von
Magistern noch von Scholaren.^) In den Kreis seiner ge-
wöhnlichen Vorlesungen über Rhetorik und Poetik fielen
Cicero und Sallust und die Dichter Virgil, Horaz und
Lucan.
Gleichzeitig wurden von Maximilian und dem Super-
intendenten andere Berufungen in Aussicht genommen. Man
wollte aus Italien, wo der Humanismus besonders gepflegt
wurde. Gelehrte berufen. Damit stand in Verbindung, dass
das römische Recht, welches an der Univei'sität Wien nur
selten vorgetragen wurde, in Aufnahme gebracht werde. Be-
rühmte römische Rechtslehrer oder Legisten an den Hoch-
schulen Padua und Bologna verbanden damals in der Regel
die Studien der römischen Classiker und des Justinianischen
Rechts. Der Superintendent Perger hatte während seines
^) Act. fac. art. III. p. 370. 4. Jul. ann. 1494. Proposuit decanus
de alio po€ta laureato Joanne N. [i. e. Cuspiniano] quomodo ille etiam
yellet petere, ut assignaretur sibi lectorimn, quia yellet in po^si aliqua
pnlchra legere et quod concederetur sibi quidam Über ex libraria. Mul-
tnm petit. Placuit facultatl, ita tarnen, ut non aggravaret audientes
neque magistros.
4*
52 EinfQhriing des Hnmanismas gegen Ende des XY. Jahrh.
früheren Aufenthaltes in Italien die Humanisten in Padua
und Bologna kennen gelernt; von diesen empfahl er dem
römischen Könige den ausgezeichneten Juristen Hierony-
mus Baibus aus Venedig, der in Paris und Padua das
römische Recht vorgetragen und classische Schriften inter-
pretirt hatte. Ihn berief Maximilian (1493) an die Wiener
Universität, um daselbst in den beiden Facultäten Vorträge
zu halten.^) Zunächst aber beschränkte sich Baibus darauf,
über römische Dichter, namentlich Virgil zu lesen.^) Er
gerieth aber schon nach kurzer Zeit mit der artistischen
Facultät in ärgerliche Streitigkeiten, indem er für seine
Person besondere Vorrechte und Begünstigungen in An-
spruch nahm. Obschon die Vorlesungen über Poetik und
Rhetorik nicht in die Reihe der für die Scholaren noth-
wendigen gehörten, verlangte Balbi, dass alle die, welche
akademische Grade erlangen wollten, zu ihrem Besuche
verhalten werden sollten; auch sei dafür das gewöhnliche
CoUegiengeld zu entrichten. Nur theil weise wurde den
Forderungen des Humanisten entsprochen : die Vorlesungen
wurden für obligatorische erklärt, aber sie sollten gratis
gehalten werden. Die landesflirstlichen Regenten, welche
die Sache entschieden, meinten, bei dem reichlichen Ge-
halte von hundert Gold gülden könne Balbi weitere Emolu-
mente entbehren. 3) Unzufrieden mit dieser Entscheidung
^) In der Universitäts-Matrikel im Sommer 1493: Intitulatus est
dominus Hieronymus Balbus Venetus, bonarum artium atque utriusque
juris interpres fundatissimus a Principe missus.
2) Conspect. bist. Univ. II. p. 58 ad ann. 1494 nennt unricbtig
Conrad Celtes, der damals nicbt in Wien war, anstatt Hieron. Balbi. Cui
a facultate legendi hora assi^ata est prima ad secundam: anthor vero
Virgilius.
3) Auf Balbi's Supplicatio an die Rezentes geben diese den Be-
scheid: Quod non arctentur scholares ad ei solvendum pastum sive
Minerval quod aliunde habeat Stipendium pingue a Principe: caetera
autem fiant.
Bernfnngen Italienisclier und Ingolstädter Professoren. 53
und gereizt durch die höhnischen und bekrittelnden Be-
merkungen seiner scholastischen Gegner über seine huma-
nistische Interpretations-Methode, ^) trat er täglich mehr
in erbitterter Opposition gegen seine Collegen auf. Auch
bei seinen Vorträgen über das römische Recht hatte er
unter den Zuhörern mehr Neugierige als eigentliche
Scholaren, welche des Studiums wegen gekommen waren,^)
denn das römische Recht war selbst für die Juristen nicht
ein obligatorischer Gegenstand. Daher stellte Balbi seine
juridischen Vorlesungen schon nach wenigen Wochen
wieder ein. Bei den wiederholten Zänkereien vergass der
heftige Italiener in einer Universitäts - Congregation dem
Rector gegenüber den geziemenden Anstand in der Weise,
dass ihn das Consistorium durch ein formliches Conclusum
von allen allgemeinen berathenden Versammlungen aus-
8chloss,3) wodurch seine Stellung an der Hochschule eine
für ihn höchst unbehagliche und verbitterte ward.
Um die Anhänger des Scholastici^mus, welche in den ver-
schiedenen Facultäten noch in der Mehrheit waren, einiger-
massen zu beruhigen und ihre Befürchtungen zu beseitigen,
dass die Hochschule bei dem weiteren Eindringen des Huma-
nismus vollständig ihre Autonomie verlieren und ihren cleri-
calen Charakter einbüssen möchte, gab Maximilian eine
*) Act. fac. art. III. p. 370 ad ann. 1494. — Interea deberet in-
cipere et legere Virgilinm, qiiod et fecit. Qualiter autem legit, sciunt isti
qui andierant.
2) Conspect. bist. Univ. Vienn. p. ö8 setzt die Eröfihiing der juridi-
schen Vorlesungen circa festum d. Joannis Baptist. 1494. Die Universitäts-
Acten beim J. 1494 melden: Lectionem ordinariam in legibus incipit
doctor Baibus legere in scholis juristarum dominica ante Joa. Bapt, ubi
ex diversis statibus (also nicht blos Scholaren) copia etiam studentium
quam plures interfuerunt. Act. fac. art. III. p. 370.
3) Act. fac. art. III. p. 373. Hieronymus Balbi in consistorio rectoris
inabilia proposuit ita, quod amplius deberet se abstinere ab omnibus con-
siliis ^t congregationibus universitatis.
54 Einffthrnng des Hamanismus gegen Ende des XV. Jahrh.
landesfürstliche Bestätigung der alten Universi-
täts-Statuten und Privilegien (3. Juli 1495) *) und
verwandte sich zudem auch bei dem päpstlichen Stuhle,
dass eine derartige Confirmation erlassen werde mit der
Erweiterung, dass neben dem canonischen Rechte auch das
römische vorzutragen gestattet sein solle und zwar fiir alle
Studirenden, nicht allein weltlichen, sondern auch geist-
lichen Standes.'^) Papst Alexander VI. bestätigte sodann
(6. Mai 1500) der Universität die ihr von Päpsten ertheil-
ten Rechte und Exemtionen. ^)
Noch ehe Balbi seine juridischen Vorlesungen wieder
aufnahm, brach (1495) eine pestartige Krankheit in Wien
aus; in Folge dieser Calamität wurden Monate hindurch
die Hörsäle geschlossen und Balbi verliess wie viele andere
Universitäts-Angehörige die Stadt, wohin er erst nach län-
gerer Abwesenheit auf einer Reise nach Paris und England
im Anfange des Jahres 1496 zurückkehrte.
Inzwischen waren in dem Personalbestand der Uni-
versität mehrere Veränderungen eingetreten: Berufungen
auswärtiger Gelehrten hatten stattgefunden. Der Super-
intendent, der mit besonderer Vorliebe für die italienischen
Humanisten eingenommen war, bewirkte, dass die Vorträge
über römische Classiker, über Poetik und Rhetorik Italienern
übertragen wurden: dem Minoriten-Mönch Johann Ricu-
tius aus Camerino und dem Bologneser Angelus Cospus.
Auch den Humanisten Franciscus Bonomus aus Triest,
der damals in Augsburg lebte, beabsichtigte man nach
Wien zu ziehen. Einige von den Regentes wollten lieber
deutsche Humanisten nach Wien berufen haben; Perger
») Gedr. bei Kink IL n. 40, S. 302.
^) Conspect. bist. Univ. Vind. II. 74. Signatura apostolica qua
legendi et audiendi jus civile quibuscunque alumnis etiam clericis indul-
tum est.
3) Gedr. bei Kink II. n. 42, S. 304.
Berufungen italienischer und Ingolstftdter Professoren. 55
aber hielt nicht viel auf diese. Er meinte, die Italiener
seien schon durch ihre Vorbildung auf den italienischen
Universitäten zur Verbreitung des Humanismus geeigneter.
Mit dieser Ansicht des Superintendenten waren die
einflussreichen Regentes Krachenberger und Fuchs-
magen nicht einverstanden. Nicht ohne Mühe gelang es
ihnen, den römischen König dafür zu gewinnen, dass man
auch deutsche Humanisten berief. Vor allen anderen rich-
tete man sein Augenmerk auf den berühmten gekrönten
Dichter Conrad Celtes^) und Männer aus seiner Schule,
die damals an der Universität Ingolstadt für die Verbreitung
des Humanismus wirkten.
Schon seit dem Jahre 1494 waren von den humanisti-
schen Freunden des Celtes in Wien wiederholte Versuche
gemacht worden, ihn zu bewegen, dass er bei ihnen seinen
Wohnsitz nehme und durch Vorlesungen in der Donaustadt
den Musen daselbst eine bleibende Stätte bereite. Nament-
lich verdienen genannt zu werden die beiden Professoren
der medizinischen Facultät Johann Tichtel und Bartho-
lomäus Steber (Scipio), wie auch der gekrönte Dichter
Cuspinian und der artistische Magister Johann Bürger^)
(Universitäts-Rector im J. 1495), welche Celtes dringend
einluden nach Wien zu kommen. Als aber Franciscus
Bonomus, ohne die ihm zugedachte Professur der Rhetorik
anzutreten, in das Geschäftsleben übergingt) und Hieronymus
^) In der Epistola des Stabius an Celtes a. a. O. heisst es : Johannes
Pierius (Krachenberger) gravius imprimis atque plures, qni te diligunt,
multa pro te elaboraverunt, ut hie Viennae apud eosdem tuo cum commodo
vivere possis: sunt alii qui etiam contra hoc occulte machinati: hi ut
Franciscus [i. e. Bonomus] Magister vocaretur obuixe manibus pedibusque
attentant et Perger germanus non vult musas.
2) Ueber Scipio und Burger s. im zweiten Buche die biographischen
Notizen.
^) ^S^- unten im Anhang: Die Mitglieder der gelehrten Donau-
Gesellschaft.
56 Einfühning des Hamanismüs gegen Ende des XY. Jakrh.
Balbi ganz aus der artistischen Facultät geschieden war,*)
konnte Krachenberger dahin wirken , dass die erledigte
Professur der Poetik und Rhetorik dem Geltes übertragen
wurde. Bereits waren dessen Ingolstädter Collegen und
humanistische Freunde Andreas Stiborius und Johann
Stabius, welche die classischen Studien mit den mathe-
matischen verbanden, nach Wien berufen worden. Als der
römische König Maximilian selbst an den gekrönten Dichter
ein Berufungsschreiben 2) richtete (7. März 1497), so ^nt-
schloss sich endlich Oeltes, ungeachtet des nicht ansehn-
lichen Jahresgehaltes von fünfzig Gulden, die Professur der
Poetik und Rhetorik in Wien anzunehmen, indem ihm
Krachenberger in einem Schreiben weitere Einnahmen und
ausserordentliche Vortheile und Begünstigungen in Aussicht
gestellt hatte. 3)
So lange der Superintendent Bernhard Perger, der
den Italienern besonders gewogen war, die Universitäts-
studiej^ damals hauptsächlich leitete, konnte die deutsche
oder nationale Richtung des Humanismus in Wien keine
rechte Wurzel schlagen, ungeachtet Cuspinian und Krachen-
berger dafür eifrig thätig waren und die Zurücksetzung
der Realien durch die italienischen Humanisten nicht billig-
ten; im Gegentheil, sie wollten auch Mathematik und
Astronomie, Geographie und Geschichte, Nationalsprache
^) Brief Krachenberger' s an Celtes d. d. feria IV. in feriis Pentecostes
1497 (Cod. epist. Celt. fol. 77): „Ich hab Ewch nechstmalen geschriben
einer Lectur halber, die hie vaciren wirdet per resignatipnem meines be-
sonders lieben Gebieters Doctoris Jeronymi Balbi."
2) Das Schreiben Maximilians im Cod. epist. Celt. fol. 87, welches
bei Hormayr, Archiv XII, S. 487 fehlerhaft abgedruckt ist, schliesst: Te
sTimmopere hortamur quatenus sine mora bis literis nostris perlectis, ad
capitaneum, senatum regentesque provinciar. nostrar. Viennam te conferas,
lecturam praedictam (oratoriam et poeticam) ex ipsorum manibus nostro
nomine accepturus etc.
3) Der Brief Krachenberger's an Celtes im Cod. epist. Celtic. 1. c.
Bernfangen italienischer und Ingolstädter Professoren. 57
und Literatur zu den Humanitätsstudien aufgenommen
haben.
Conrad Celtes kam im Spätjahr 1497 nach Wien und
wurde bei seiner Ankunft von seinen humanistischen Freun-
den, welche sich in der gelehrten Donau-Gesellschaft bereits
enger aneinander geschlossen hatten, mit einem Kranz von
Bewillkommungsgedichten begrüsst. *)
Hieronymus Balbi war vor des Celtes Ankunft in Wien
dahin zurückgekehrt und hatte seine Vorlesungen über das
römische Recht wieder eröffnet. Er war dem deutschen
Humanisten brieflich 2) und in Versen freundlich entgegen-
gekommen, allein ihr Zusammenwirken in Wien war nur
von sehr kurzer Dauer. Der unruhige und unstete Italiener
verliess schon in der nächsten Zeit wieder die Donaustadt
und wir finden ihn 1499 in Prag, wo damals aus Mangel an
Lehrern und Studenten die Studien gänzlich darniederlagen.
Ein anderer italienischer Humanist, Johann Sylvius
Siculus, den man von Padua nach Wien als Balbi's Col-
legen auf die Lehrkanzel für das römische Recht berief,
blieb ebenfalls nicht lange: er verliess schon vor 1500
Wien. Von seiner akademischen Wirksamkeit und ihren
Erfolgen ist nichts bekannt. 3)
*) Vgl. unten das Leben des Celtes und im Anhange „über die
Mitglieder der Donau-Gesellschaft" die Episodia.
2) Das Schreiben des H. Balbi im Cod. epist. Celtic.
3) Man gibt gewöhnlich an, dass damals noch ein amderer italieni-
scher Legist, der Doctor Aurelius Siculus, nach Wien berufen worden.
Conspect. bist. Univ. Vienn. II. 61. Eink (I. p. 222, n. 260) meint, dass
man mit dem Namen Aurelius Siculus, der nirgends in den Universitäts-
Acten vorkommt, dieselbe Person bezeichnet, die auch als Johannes Syl-
vius Siculus benannt ist. Im juridischen Matrikelbuch heisst es beim
J. 1497: Dom. Joannes Silvius Siculus legum doctor Patavinus. Kink's
Meinung verdient allen Beifall. Es ist zu verwimdern, wie Mailath
(Gesch. V. Oestreich I. S. 393) sagen konnte: „Die Schüler (in Wien)
horchten den Worten der beiden grössten Rechtsgelehrten Italiens, Johann
Sylvius und Aurelius Siculus.**
ÖO Einführung des Hamanismas gegen Ende des XY. Jahrh.
Da die deutschen Humanisten anfingen ^ die alten
classischen Schriftsteller auch in deutscher Sprache zu
interpretiren, so trat dieser Neuerung der Superintendent
mit einem entschiedenen Verbote entgegen. Er erliess eine
Verordnung im J. 1499, wornach wesentliche Reformen im
Gange der scholastischen Studien vorgenommen wurden,
aber dabei Hülfsmittel in der Vulgärsprache zu gebrauchen
als ganz werthlos streng untersagt ward,*)
Die Regierungsverordnung, welche darauf am 8. August
1499 erfolgte 2), war recht eigentlich zur Beseitigung des
Scholasticismus gegeben. Es ward bestimmt, dass in der
artistischen Facultät die humanistischen Vorlesungen für
die Scholaren und Baccalaurei zur Erlangung des akademi-
schen Magistergrades obligatorische sein sollten. Ein neuer
Gang bei der Erlernung der lateinischen Grammatik wurde
vorgeschrieben; die früher gebrauchte Anleitung nach dem
Doctrinale Alexandri ward abgeschafft und dafür das Lehr-
buch von Nicolaus Perottus Sipontinus eingeführt. Ferner
sollte ein Cursus in den Stilübungen stattfinden und eine
bestimmte Anzahl römischer Dichter, namentlich Virgil,
sorgfaltig studirt werden ; dagegen wären die weitschweifigen
nominalistischen Lehrbücher in Compendien von massigem
Umfange zu bringen und die Real wissen Schäften vorzüglich
zu berücksichtigen, so dass die, welche sich denselben haupt-
sächlich zu widmen gedächten, als eine eigene Classe von
Realisten einen besonderen Hörsaal und* zur Wohnung
1) Act. fac. art. ad ann. 1499. T. IV. f. 9. (Kink I. S. 195. n. 226.)
Hortabantur (drei Regentes) pro iiberiori fama et utilitate iiniversitatis, ut
scholares et Waccalarii plus solito in veris originalibus et textualibiis ali-
cujus doctoris et autoris famati, non in illis jam diu attritis sophisticis
conceptis, item in viügaribus, ubi penitus nuUa originalis scientia continetur,
imbuerentur.
^) Act. fac. art. ad ann. 1499.
Weiiere Anordnnngen zur Befördernng^ des Hamanismas. 59
und gemeinschaftlichen Betreibung ihrer Studien eine eigen-
thümliche Bursa erhielten.*)
Diese Anordnungen wurden bekräftigt und erweitert
(22. Juli 1501) durch eine andere Verfügung, welche später
(1509) zu einem förmlichen Universitäts-Statut erhoben
ward. 2) Darin war die Art und Weise der Einführung in
die humanistischen Studien und ihre weitere Betreibung
näher vorgezeichnet und die frühere scholastische Behand-
lung als abgeschmackt, unnütz und geisttödtend ganz und
gar verworfen. 3)
Bernhard Perger konnte trotz seiner humanistischen
Richtung mit diesem gänzlichen Verwerfen des Scholasticis-
mus nicht einverstanden sein. Er war noch zu viel mit ihm
verwachsen, als dass er sich von ihm ganz loszusagen im
Stande gewesen wäre. Er konnte bei den eingetretenen Re-
formen, die er nur zum Theil billigte, nicht mehr Superinten-
dent sein. Auch bei der theologischen Facultät hatte er sich
verhasst gemacht-*), indem er allzu schrofiF ihr entgegentrat
und mehrere Eingriffe in ihre bisherigen Gerechtsame
1) Act. fac. art. 1. c. Besonders interessant ist der Schluss: Facultas
aliquos de gremio suo magistros eligat, qui libros seciindum viam Nomi-
nalium hinc inde disperses colligant et in unum librum aiit cursum com-
portent. — Si tanta fieret futuris temporibus affluentia scolarium, qui de-
siderarent sub tali, quam vocamus Realistanim via et disciplina edoceri,
tunc ima domus erigatur, in qua conventores, magistri, baccalaurei et
scholares Reales sunt neque alicui licitum sit, hac in domo inhabitare, nisi
sub hac disciplina edoceri velit. Offenbar ist hier der Plan zAim CoUegfium
po^tarum et raathematiconim, der erst einige Zeit später verwirklicht wurde,
schon angedeutet.
2) Gedr. bei Kink II. n. 47. S. 315 ff. Theilweise wird das Doctri-
nale Alexandri wieder zugelassen.
3) Act. fac. art. 1. c. p. 20: De modo instituendi scholares nostros
salubrioribus doctrinis et literis humanioribus , aliis squalidis, incultis ac
ineptis, quibus ipsorum ingenia onerabantur, resectis.
*) Act. fac. theol. ad. ann. 1500. Daselbst heisst es in einer all-
gemeinen Universitäts - Congregation : Quomodo dominus Superintendens
attemptaret se loco principia intromittere jurisdictioni, quae ad rectorem et
60 Einföhrnng des HumanismiiB gegen Ende des XY. Jahrh.
that. An Perger's Stelle trat 1501 Cuspinian als Super-
intendent; der ganz und gar fUr den Humanismus war
in der Gestalt, wie ihn sein Freund Conrad Celtes betrieb.
Perger aber zog sich an die Domsohule von St. Stephan
zurück, wo unter seiner Leitung schon früher eine bessere
Methode zur Erlernung der lateinischen Sprache eingeführt
worden war.^)
eius consistorium spectabat. — Domini collegiati ducalis coUeg^i protesta-
runt se inferentes ad libellum statutorum et deliberavit universitas Super-
intendenten! nuUam habere jurisdictionem nltra illam, quam superintendentis
jnramentum perstringit, si vero major sibi fuerit condonata auctoritas, eam
ostendat. Perger suchte sich gegen diese Anklage zu rechtfertigen. Kink I.
S. 196. n. 22Ö.
1) Kink I. S. 206. n. 237.
Dritter Abschnitt.
Die humanistischeii Studien an der Wiener Universität
unter der Leitung des Conrad Geltes.
JNach Perger's Abgang von der Superinten dentur
konnte unter Mitwirkung von dessen Nachfolger Cuspinian
und der thätigen Unterstützung des kaiserlichen Rathes
Krachenberger der Einfluss des Celtes auf die Universität
in Bezug auf die Verbreitung des Humanismus immer mehr
erstarken. Während seiner zehnjährigen Wirksamkeit in
Wien war er bemüht, neue Lehrgegenstände nach neuer
Methode vorzutragen.
Zunächst behandelte er platonische Philosophie in
Verbindung mit dem Neuplatonismus ; er legte dabei den
Apulejus zu Grunde, in dessen Schriften er den Kern der
platonischen Weltweisheit fand. Da aber nach seiner An-
sicht das Studium des Aristoteles, der alles menschliche
Wissen umfasste und früher besonders in formeller Be-
ziehung Führer war, auch die gehörige Beachtung erhalten
sollte, so legte er in einer Schrift, welche er mit einem
Carmen saeculare im sapphischen Versmasse am Eingange
des 16. Jahrhunderts , ausstattete, der Universitäts-Jugend
die schwierigsten Partien aus den aristotelischen Schriften
62 Die hnmaniBtiscbeii Studien in Wien unter der Leitung des Celtes.
•
in einer Anzahl von Lehrsätzen zum Nachdenken und zum
Studium vor. Aber er wollte auch öffentlich aussprechen,
dass über den philosophischen Problemen, Grübeleien und
Spitzfindigkeiten die praktische Lebensweisheit nicht zu
vernachlässigen sei, dass man nicht blos für die Schule,
sondern auch für das Leben lerne; er gab daher die
Sprüche der Sieben Weisen Griechenlands und seinen
Hausschatz oder die Oeconomia heraus J)
Ueberhaupt wies er überall darauf hin, dass das Theore-
tische mit dem Praktischen zu verbinden sei. Es war diese
Art die Studien zu betreiben eine ganz neue, originelle und
der scholastischen Lehr- und Lernweise entgegengesetzte. In
seiner Vorlesung über die Geographie des Alexandriners
Claudius Ptolemaeus legte er den griechischen Originaltext zu
Grunde, übersetzte ihn in's Lateinische und Deutsche und
verband damit die Erklärung am Himmels- und Erd-
globus. 2) Des Tacitus Buch über Deutschland, die germani-
schen Völkerschaften und deren Sitten, welches er durch
den Druck veröffentlichte, verglich er mit der vaterländi-
schen Geographie, Ethnographie und Sittengeschichte seiner
Zeit. — In seinen Vorträgen über Rhetorik und Poetik und
^) Das Nähere über die Schriften : Apulejus, Propositiones Nie. Cusanie,
Taciti Germania , Ansonii sententiae septem sapientam , Oeconomia wird
im zweiten Buche im Leben des Celtes besprochen.
2) Wie Celtes schon in Ingolstadt durch poetische Anschlagzettel
seine Vorlesungen ankündigte, so that er es auch in Wien. Die An-
kündigung über Ptolemaeus machte er in folgenden Distichen (Celt Epi-
gramm üb. V. n. 11):
Cynthius octavam cras postquam ostenderit umbram
Et croceo rutilum sparsit ore jubar,
Cosmographia mea tunc incipietur in aede
Quam magnuB scribit Claudius octo libris.
Hanc ego triplicem Celtis reserabo loquelam
Romanam, Grajam, Teutonicamque simul.
Ergo agite: hanc pulchram nemo modo negligat artem,
Qua sine me doctus judice nuUus erit.
Nene Lehrgegenstände und ihre Behandlung. 63
bei der Interpretation römischer Classiker behandelte er
Geschichte, Mythologie und Archäologie, gab dabei An-
leitung zur Abfassung von Reden und mancherlei Aufsätzen
und liess Gedichte in horazischen Versmassen abfassen. Bei
der Erklärung der Dramatiker wurden einzelne Stücke von
Plautus und Terenz durch Scholaren zur Aufführung,
gebracht.
Dass Geltes der griechischen Sprache kundig war,
ist nicht zu bezweifeln; jedoch ist nicht mit Sicherheit zu
behaupten, dass seine Kenntnisse darin besonders gründ-
liche und tiefe gewesen. Wenn man angibt, dass er in
Wien über die homerischen Gedichte erklärende Vor-
lesungen gehalten habe,^) so ist dieses allerdings unrichtig.
Da er aber die Schwester Pirkheimer's, die Nonne Charitas
in Nürnberg, in der griechischen Sprache unterrichtete und
er später die Anlage zu einer griechischen Grammatik
machte,-) so konnte er dieser Sprache nicht unkundig sein.
Weil damals an der Wiener Hochschule kaum ein oder der
andere Magister griechisch wusste^) und Geltes die Noth-
wendigkeit ihrer Kenntniss für einen Humanisten nicht
übersah, so war sein eifriges Bemühen, dass ein tüchtiger
Gräcist nach Wien berufen werde. Er wandte sich daher
zunächst an seine italienischen Freunde in dieser Beziehung
um ihre Vermittlung, doch der für die griechische Lehr-
kanzel ausgeworfene geringe Gehalt schreckte die Sprach-
gelehrten von der Annahme einer solchen Stelle ab.^) Auch
Johann Werner, Pfarrer von Wörth bei Nürnberg, ein
^) Erhard im Artikel Celtes in Ersch's allg. Encyclopädie.
2) Das Nähere darüber im zweiten Buche im Artikel Celtes.
^ Rhein. Nat-Matrik. ad ann. 1494: Johannes Mader ex Aug^sta
homo graece et latine doctns. — Ad ann. 1512: Baccalanreus Simon
Griner ex Feringen peritns in lingua latina, graeca et hebraica.
*) Aldus Manutius schreibt (Venetiis Jun. 1503) an Celtes: Graece
emditum quem ad te mittam habeo neminem, tum si quis esset non veni-
ret, nisi multa mercede conductus. (Cod. epist. Celt. XIII. ep. 4. fol. 148.)
64 Die hnmaniftischeii Stadien in Wien unter der Leitung des Celtes.
Freund Willibald Pirkheimer's und Mitglied der rheinischen
gelehrten Gesellschaft, ein gründlicher Kenner des Griechi-
schen, lehnte die Berufung ab.*) Dass ausser Celtes auch
noch einige andere Magister an der Wiener Hochschule
sich mit dem Griechischen beschäftigten, wird freilich be-
richtet; sie hielten darüber aber keine Vorlesungen und
lieferten über griechische Schriftsteller in ihrem Original-
texte keine Schriften. Dies geschah erst nach dem Tode
des Celtes.
Bei der Missgunst, mit welcher die meisten Magister
des Celtes Vorlesungen und Behandlung der Studien auf-
nahmen, weil dadurch dem alten scholastischen System so
entschieden der Krieg erklärt wurde, fand sich der Huma-
nist in mancherlei Weise in seiner Thätigkeit gehemmt:
man kam ihm wenig entgegen und erschwerte ihm vielfach
seine Wirksamkeit. Die Universität versagte ihm für seine
Vorlesungen eine passende Stunde und einen geräumigen
Hörsaal. Dadurch entstand ärgerlicher Hader; ungeachtet
der Superintendent sich in die Sache mischte, so konnte
doch dem Wunsche des gekrönten Dichters nicht ganz ent-
sprochen werden. Derselbe musste sich in Bezug auf den
beanspruchten Saal in die bestehende Ordnung fügen. 2)
Celtes verkannte nicht, dass er dem Scholasticismus
gegenüber, der sich durch seine strenge Unterrichtsmethode
in bestimmten Formen bewegte und in den Einrichtungen
der Universität eine feste Stütze hatte, mit dem Humanis-
mus nicht leicht aufkommen werde, wenn er nicht in das
Erziehungswesen, in die Unterrichtsmethode selbst ein-
dringe. Wenn das nicht geschehe, so sah er ein, dass die
*) Christoph. Schencfelt, artium et medicinae doctor, schreibt von
Nürnberg, 12. Sept 1503, an Celtes (Cod. epist. Celt XIII. ep. 8): Me
certiorem facias, an advenerit quisquam qui Graeca doceat. Der ablehnende
Brief Wemer's an Celtes d. d. 7. Dec. 1503 (Cod. epist. Celt. f. 146).
2) Act. fac. art lib. IV. ad ann. 1497. 31. Nov.
ErrichtuDg des Colleginm po^taniin. 65
Regierung selbst bei der erschütterten Autonomie der Hoch-
schule gegen den Willen der scholastischen Professoren
nicht leicht tiefgehende Aenderungen in der Lehrmethode
einführen könne. Es musste daher vorerst ein neues
Institut, das nur zur Vorbereitung des Humanismus dienen
sollte, eine Art von Seminar für humanistische Scholaren,
errichtet werden, nicht ausserhalb, sondern innerhalb der
Universität.
So ward auf Anregung und nach dem Entwürfe des
Celtes und unter Mitwirkung Cuspinian's am 31. October
1501 vom Kaiser Maximilian das Collegium poetarum
et mathematicorum errichtet und am 1. Februar 1502,
am 43. Geburtstage des Celtes, eröffnet und mit besonderen
Privilegien ausgestattet. ^) Das rein humanistische Institut,
welches keineswegs als eine fünfte Facultät^) gelten, aber
in Verbindung mit der artistischen Facultät zur Universität
gehören sollte, bestand aus zwei Abtheilungen. Die eine,
untere Abtheilung, umfasste realistische Fächer, besonders
Mathematik, Astronomie, Physik, die andere Poetik und
Rhetorik; jeder Abtheilung waren zwei Professoren zu-
gewiesen. Der eine von den Professoren der Poetik und
Rhetorik war als Vorsteher oder Director des ganzen In-
stituts bestimmt. Maximilian ernannte dazu den Celtes, den
geistigen Urheber der Anstalt; in dieser Stellung war er
nicht dem Decan der artistischen Facultät untergeordnet,
wenn er auch zur Universität gehörte und an ihren Privi-
legien und Vorrechten theilnahm, wie auch dem jedesmaligen
1) Abgedruckt bei Kink, Gesch. d. Univ. Wien Nr. 42, S. 305—307,
aus dem Univ.-Arch. mit dem Datum Bozano prid. KaL Nov. 1601. — Der
erste Druck ist in Celt. libb. Amorum. Norimb. 1502. Nr. VIII gegeben.
Auch im Conspect. bist. Univ. Vienn. II. p. 66 findet sich ein Abdruck.
2) Eder, Catal. Rect. p. 48 gibt ungenaue Nachrichten über das Col-
legium poetarum, indem er es quinta facultas der Universität nennt und
angibt, Maximilian habe der Universität die Potestas creandi poStas lau-
reatos ertheilt.
V. Aschbach, Geschichte der Wiener Uniyers. U. 5
66 I)ie human istischen Studien in Wien unter der Leitung des Celtes.
Rector unterstand. Wie die Hochschule ein eigenes Ge-
bäude fiir die Vorlesungen, ein CoUegium Ducale für die
Wohnungen von Professoren, und Bursen fiir die Scholaren
hatte, so sollten im kleineren Massstabe fiir die Realisten
und Poeten in einem Gebäude die Wohnungen des Vor-
stehers und der Professoren, wie auch die Hörsäle und
Quartiere der Scholaren zusammen sich JbefindenJ) Die
grossen Räumlichkeiten des St. Anna-Klosters in der Anna-
gasse waren zu fliesen verschiedenen Zwecken ganz ge-
eignet. Jede der beiden Abtheilungen war in zwei Classen
oder Curse geschieden.
Nach Absolvirung der sämmtlichen vorgeschriebenen
humanistischen Studien war eine strenge Prüfung zu be-
stehen. Die ausgezeichnetsten Scholaren wurden mit dem
Lorbeer, als dem Zeichen ihrer erlangten Meisterschaft,
bekränzt. Es ward darüber ein Diplom ausgestellt, mit
dem besonderen Siegel des Collegiums bekräftigt. Es
führte als Emblem den auf der Flöte blasenden Mercurius
und den schlangontödtenden Apollo, und hatte die Um-
schrift: Sigillum CoUegii poetarum Viennae. Da bei der
Dichterkrönung ausser dem Lorbeerkranz auch Scepter,
Birret und Ring wie bei einer Doctor-Creirung vorkamen,
so galt sie auch als eine Mitübertragung des philosophischen
Doctorgrades.2) Das Recht der Dichterkrönung hatte
bis dahin nur der Kaiser geübt; nur in Italien war es
durch denselben an Pfalzgrafen übertragen worden. In
dem Privilegium über die Errichtung des Wiener Dichter-
•
^) Celtes in einer Zuschrift vom J. 1504 an den König Maximilian
datirt dieselbe: Ex phrontisterio nostro et contabemio litterario Vienn.
Kai. Mart. anno secundo erectionis coUegii, salatis vero nostrae MDIY
(cf. Kltipfel I. 8. 205, n. 6).
2) Der Poäta laureatus nannte sich zwar nicht Magister artium, aber
doch Doctor philosophiae , wie dieses auch Celtes und Cuspinian thaten.
Er hiess auch Doctor triformis, d. i. Doctor der dreifachen platonischen
Philosophie.
Die Dicliterkröiiiingeii. 67
Collegiums aber wird dieses Recht von Maximilian, ohne
dass er sich desselben entäusserte, Conrad Celtes per-
sönlich als Vorsteher des Collegiums und für die Folge
auch seinem jedesmaligen Nachfolger im Vorsteheramte
ertheiltJ)
Wir wissen, dass Kaiser Maximilian vor der Errichtung
des Dichter-Collegiums schon einige Dichterkrönungen vor-
genommen. Unmittelbar nach den Exequien des Kaisers
Friedrich krönte er den 21jährigen Cuspinian, dann den
Jacob Locher Philomusus, später Professor der Poetik
in Ingolstadt, 2) und weiter den Humanisten Vincentius
Longinus Eleutherius (Lang aus Freistadt in Schlesien),
welchen Celtes als seinen Amtsgenossen im Dichter-CoUegium
sich auserwählt hatte. Diese dritte Krönung fand am
kaiserlichen Hoflager den 1. März 1501 zu Linz statt. Zur
Feier des Tages hatte Celtes ein Singspiel, Ludus Dianae,
gedichtet, worin dem Kaiser, seiner Gemahlin, Conrad Celtes,
Longinus Eleutherius und einer Anzahl Humanisten be-
sondere Rollen zugewiesen waren. ^)
Die einzige Dichterkrönung, welche Celtes selbst in
Folge des erhaltenen Privilegiums vornahm, wurde seinem
') Das Privilegium der Dichterkrönung war daher ursprünglich nicht
der Universität Wien, wie Eder (Catal. Rect. p. 48) und nach ihm der
Conspect hist. Univ. Vienn. 1. c. angeht, ertheilt.
2) Jacob Locher war aus Ehingen in Schwaben gebürtig; er verfasste
ausser anderen poetischen Schriften auch Theaterstücke. Von Ingolstadt,
wo er des Celtes Nachfolger war, kam er nach Freiburg im Breisgau,
kehrte aber nach Ingolstadt zurück, wo er um lö23 starb. Er übersetzte
Brant's Narrenschiff in's Lateinische und war Mitglied der von Celtes ge-
stifteten Sodalitas Bojorum litteraria. Vgl. Denis, Merkw. d. Garell. Bibl. I.
S. 177, wo Locher's Opuscula quaedam Argent. 1497 und andere seiner
Schriften besprochen werden. Vgl. Der schwäb, Humanist Jacob Locher Philo-
musus. Progr. des Ehinger Gymn. 1873, und Goiger, Gesch. d. HumaniB-
mus in Sybel's hist. Zeitschr. XVII. 8. 124.
3) Vgl. das Nähere im Artikel Celtes bei dessen Schrift Ludus
Dianae.
6*
68 I^ie hamanistiBchen Studien in Wien unter der Leitung des Celtes.
humanistischen Freunde Johann Stabius von Steyer zu
Theil, der gleichzeitig mit ihm von Ingolstadt nach Wien
für Mathematik und Astronomie berufen ward. Derselbe
hatte die Leitung der mathematischen Abtheilung des
Dichter -CoUegiums. Seine poetische Begabung hatte er
durch ein versificirtes Leben des heiligen Coloman an den
Tag gelegt; aber viel bedeutender war er als Geschichts-
kundiger, überhaupt als Polyhistor. Seine Dichterkrönung
durch Celtes fallt in das J. 1502. Manche geben allerdings
auch an, dass Johann Panaetianus aus Böhmen, ein
Zögling des Dichter- CoUegiums, den Lorbeer von Celtes
empfangen habe, dieses ist aber unrichtig, da in bestimmter
Weise berichtet wird, dass er von Kaiser Maximilian im
J. 1505 zum Dichter gekrönt worden. ^)
Alle weiteren Dichterkrönungen nach dem Tode des
Celtes wurden nicht von dem Vorsteher des CoUegium
poetarum, das seit 1508 eingegangen war, vorgenommen,
sondern von dem Kaiser Maximilian selbst. 2) Die gekrönten
Dichter gehörten sämmtlich der Wiener Hochschule an.
Die Poetae laureati sind: Thomas Resch (Velocianus)
von Krems (im J. 1508); Joachim von Watt (Vadianus)
aus St. Gallen (1514); Janus Hadelius aus Niedersachsen
(1515); Rudolfus Paumann (Agricola junior) aus Baiern
(1516). Von Georg Logau (Logus) aus Schlesien ist es
zweifelhaft, da er bei seinem längeren Aufenthalte in Italien
dort vielleicht von einem Comes Palatinus, der zu einer
1) Eder, Catal. Kect. ad ann. 1505. 23. Maji Joannes Panaetianus
Bohemus po^ta coronatus laureatus ab ipso Imperatore D. Maximiliano.
2) Der Conspect. hist, Univ. Vienn. II. p. 66 unterscheidet nicht die
Zeit und schreibt die Dichterkrönung nicht nur des Panaetianus, sondern
auch die des Velocianus und anderer Gelehrten dem Celtes zu. Rosas,
Wien. Hochsch. I. S. 187 fol^ dieser irrigen Angabe. Auch ist unrichtig,
dass damals schon die artistische Facultät bei Promotionen den Lorbeer
ertheilt habe. Bei Eder, Catal. Rect. ad ann. 1505 und 1516 werden die
Dichterkrönungen ausdrücklich dem Kaiser zugeschrieben.
Stellung des Dichtercollegiums zur Hochschule. 69
solchen Krönung berechtigt war, diese Auszeichnung er-
halten. ^)
Dass das Dichter-CoUegium unmittelbar mit dem Tode
des Celtes eingegangen, findet sich zwar nirgends ausdrück-
lich angegeben, aber es lässt sich aus mehreren Umständen
mit Sicherheit entnehmen. Die erforderlichen Lehrkräfte
zur Leitung eines derartigen humanistischen Instituts fehl-
ten, und zwar schon einige Zeit vor des Celtes Abgang.
Sein Stellvertreter in der Abtheilung des CoUegiums für
Poetik und Rhetorik, Vincentius Longinus Eleutherius,^)
war auf einer Reise in Rom, wohin er wegen Ankauf von
Büchern und Manuscripten im J. 1504 gesendet worden,
gestorben. 3) Es fand sich dann unter den Wiener huma-
nistischen Magistern keine Persönlichkeit, welche zu der
Stelle ganz geeignet war**) oder bereit sich zeigte, sie zu
übernehmen.
Damals gab es gerade auch mehrfache Zwistigkeiten
zwischen dem Collegium und der Universität über ihre
Stellung zu einander, indem ersteres Manches in Anspruch
*) lieber die Poetae laureati Velocianus, Vadianus, Hadelins, Agri-
cola, Lo^s die betreffenden Artikel unten im zweiten Buche.
2) Er war neben Celtes auch besonders bemüht, die Aldinischen Aus-
gaben der Classiker in Wien zu verbreiten. Aldus Manutius schrieb 1601
nach Wien an Celtes und Longinus: er sende ihnen Exemplare von Virgil,
Horaz und seiner lateinischen Grammatik, und erklärte seine Bereitwillig-
keit, ihnen so viele Bücher zu schicken, als sie nur verlangten. Epist.
Manutü in Philol. Epist. Centur. ex Bibl. M. Goldast. Francof. 1610. p. 76.
3) Im Cod. Epist. Celt. kommen von Longinus Eleutherius vier Briefe
vor (fol. 103, 12*2, 137 und 140), welche aus Venedig 18. Oct. 1499, aus
Rom 1500, aus Wien die Satumi ante dom. Judica 1500 und die Floriani
1 502 datirt sind, lieber seinen zweiten Aufenthalt in Rom und seinen Tod
gibt der Brief des Joh. Camers an Celtes d. d. Rom 1604 Nachricht. Er
findet sich ebenfalls im Cod. Epist. Celt.
*) Von des Longinus poetischer Begabung finden sich Proben in des
Celtes libri Amonim, wo als Praefatio von ihm: In Conradi Celtis Nove-
narium Lyra und dann noch ein Panegyricus im heroischen Versmass pro
ereotione coUegii poetarum abgedruckt ist.
70 Die hnmaniBtischeii Stadien in Wien unter der Leitung des Celtes.
nahm, was letztere, auf ihre Privilegien gestützt, nicht zu-
gestand. Diese Streitigkeiten *) mögen damals den Super-
intendenten Cuspinian veranlasst haben, auf einige Zeit von
seinem Amte zurückzutreten. Vorübergehend führte es kurze
Zeit der Humanist Georg Neudecker.^)
Aber auch die mathematische Abtheilung des CoUegiums
verlor ihren Hauptvorsteher, Johann Stabius, der als
Historiograph und Hofastronom ganz in die Umgebung
des Kaisers kam und ihn auf seinen Reisen gewöhnlich
begleitete; der zweite Professor Stefan Rosinus, der von
Krakau nach Wien berufen worden, fand es seinem Inter-
esse entsprechender, lieber die Professur der Mathematik
und Astronomie an der Universität zu übernehmen, welche
Stelle durch den Tod des Magisters Johann Muntz aus Blau-
beuern erledigt worden war. 3)
Das Einzige, was sich von der Thätigkeit und den
Leistungen des Dichter-CoUegiums erhalten hat, stammt aus
dem J. 1504. Bei Gelegenheit der Feier des kaiserlichen
Sieges über die Böhmen erstattete Celtes an Maximilian
einen Bericht über die Studien und Productionen der ihm
untergebenen, in drei Classen abgetheilten Scholaren, welche
*) Es bezieht sich das Schreiben eines königlichen Regens, des
Johann Fuchsmagen, an Conrad Celtes (d. d. Linz, 10. August 1504, im
Cod. epist. Celt. lib. XIV. ep. 8) wohl auf diese Streitigkeiten. Es wird
Celtes ersucht, an den gehässigen Factionen sich nicht zu betheiligen.
^) Dass Cuspinian die Superintendentur 1504 niederlegte, ist im-
zweifelhaft. Kink (Gesch. d. Univ. Wien I. Anh. XXXI. p. 46) theUt ein
arehivalisches Concept mit, welches die Ernennung des Georg Neudecker
zum Superintendenten im J. 1504 enthält. Kink (a. a. O. S. 206, n. 237)
meint, Neudecker habe nur interimistisch das Amt während einer Missions-
reise Cuspinian's geführt. Er verliess schon im folgenden Jahre Wien, da
er zum Bischof von Trient erhoben ward.
3) Matrikelb. der rhein. Nation in der Randglosse zum J. 1495. Ex-
ceilens fuit Astrologus, judicia annalia multa composuit. Obiit tandem
Canonicus Scti Stephani et baccalaureus Theologiae a. 1502. Vgl. Denis,
W. B. G. S. 111. 296. 301.
Stellung des Dichtercollegiums zur Hochschnle. 71
/
. dann öffentlich zu des Kaisers Ehren Lobgedichte absangen
und allegorische Schauspiele aufführten. *)
Dass das Dichter-CoUegium nach dem Tode des Celtes
nicht mehr bestanden hat, dafür spricht am meisten dessen
Testament, worin er den von Kaiser Maximilian im J. 1505
für die Dichterkrönungen erhaltenen Lorbeerkranz 2) mit
dem dazu gehörigen Siegel an die Universität vermacht,
zugleich mit dem von ihm urkundlich auf seine Kosten
erworbenen Privilegium, Dichter zu krönen.^) Des Dichter-
CoUegiums wird dabei nicht im mindesten gedacht.^)
Der Hauptgrund, dass das CoUegium poetarum nicht
prosperiren konnte, war seine Zwitterstellung zur Uni-
versität: es sollte eine selbständige Einrichtung und Lei-
tung haben und doch wieder ein integrirender Theil der
Hochschule sein. Es brachen beständige Conflicte zwischen
den beiden Anstalten aus. Die Universität nahm im Ganzen
so wenig als möglich Notiz von dem ihm durch fürstlichen
1) Es publicirte damals (Wien 1604) Celtes die Schrift: Ta4»co8{a
laudes et victoria de Boemannis publico spectaculo Viennae acta A. 1504,
wovon unten bei den Gelte s'schen Schriften näher gehandelt wird.
2) Denis, W. B. G., S. 596. Aschbach, Wanderjahre d. C. Celt.
S. 97, n. 4.
3) Die testamentarische Verfügung lautet: Ego jure legati relinquo
Universitati floridae studii Vienn. Privilegium creandi po^tas lau-
reatos per lectorem ordinarium poSticae, quod ab invictissimo
principe Rom. Imp. Dom. Maximiliano semper Augusto, propriis im-
pensis impetravi: similiter et lauream argenteam cum sigillo argenteo
eidem universitati relinquo. Merkwürdig ist es, dass in Ferdinand's I. Be-
stätigungsurkunde des Universitäts-Privilegiums von der testamentarischen
Verfügung des Celtes gar keine Erwähnung geschieht.
*) Die Universität machte ein halbes Jahrhundert hindurch keinen
Gebrauch von ihrem Rechte, Dichter zu krönen. Der Rector des J. 1558,
Georg Eder, kaiserlicher Rath, veranlasste am 10. Sept. 1558 die Erneue-
rung und Bestätigung dieses- Rechtes durch Kaiser Ferdinand I. (die Ur-
kunde bei Kink II. Nr. 46, S. 408). Schon einige Monate vorher, am
14. Juli 1558, war Heinrich Eccard aus Nürnberg von der Universität
zum Dichter gekrönt worden, und zwar unter Feierlichkeiten, wie sie bei
Ertheilung des Doctorgrades üblich waren; selbst der Doctorschmau»
72 Die hamanistiBclien Stadien in Wien unter der Leitung des Celles.
Machtspruch aufgedrungenen Institut ; auch selbst der
Universitäts-Kanzler konnte nicht zustimmen, dass Dichter-
krönungen, die ganz ohne seine Intervention vorgenommen
wurden, die Rechte eines Doctors der Philosophie verliehen.
Es kam so weit, dass man sich von Seiten des CoUegiums
als ganz selbständig betrachtete, die Vorsteher keinen An-
theil an den Geschäften der Universität nahmen, und selbst
sich nicht einmal in die Matrikel eintragen Hessen. Dagegen
ignorirte die Hochschule das Collegium so viel nur möglich:
man berief dessen Lehrer weder zu den allgemeinen noch
Facultäts-Versammlungen, lieferte keine Berichte über seine
Wirksamkeit und vorgekommene Aenderungen, und man
wählte aus seinen Professoren keinen zu akademischen
Aemtern. Celtes Hess erst, nachdem er ein Decennium in
Wien gewesen, (im J. 1507) seinen Namen in das Matrikel-
buch eintragen,^) offenbar in einer Zeit, wo man kurz vor
seinem Tode ein besseres Einvernehmen gewonnen hatte
und die nahe Auflösung des CoUegiums unzweifelhaft ge-
worden war.
Durch Celtes wurde in Wien auch noch ein anderes
humanistisches Institut in's Leben gerufen, welches mit
fehlte nicht. Hiezu kamen noch zahlreiche Begrüssungs- Ansprachen und
Gratulations-Gedichte. Noch im J. 1658 folgten am 15. September drei
weitere Dichterkrönungen und eben so viele zwei Jahre später. Dann
ruhte die Sache bis 1724, wo die letzte Dichterkrönung von der Wiener
Universität vorgenommen wurde. Vgl. Kink I. S. 269, n. 322. Der Kaiser
hatte sich aber seines Rechtes, Dichter zu krönen, nicht begeben; auf dem
Reichstage zu Regensburg 1567 schmückte Kaiser Rudolf II. das Haupt
des Magisters Nicolaus Frischlin, nachdem derselbe ihm seine Comödie
Rebecca vorgelesen, mit dem Dichterlorbeer und ernannte ihn später zum
Pfalzgrafen.
') Rhein. Nation. Matrikelbuch ad ann. 1507. Mag. . Conradus Celtis
primus po^ta laureatus in Germania, natione Franco. Kink (I. p. 212,
n. 246) irrt, wenn er angibt, Celtes sei erst im zehnten Jahre (1507) nach
seiner Ankunft in Wien immatriculirt und dann im J. 1608 zum Rector
erwählt worden. Celtes bekleidete nie ein akademisches Amt; er war nie
Decan, noch Rector.
Die gelehrte Donau-Gesellschaft. 73
seinem Tode wieder einging. Es war die gelehrte Donau-
Gesellschaft.^) Die Literaria Sodalitas Danubiana
war keine vom Staate eingerichtete Grenossenschaft zur
Betreibung humanistischer Studien, sondern im Grunde
nur eine freie Vereinigung gelehrter Männer zur Verbrei-
tung und Pflege des -Humanismus, eine Art von Akademie
mit einem von der Gesellschaft selbst gewählten Präsidenten
und Geschäftsleiter. Celtes hatte derartige Sodalitäten in
verschiedenen Gegenden in's Leben gerufen.2) Er war auch
der Schöpfer der Donau-Gesellschaft, welche früher ihren
Sitz in der ungarischen Hauptstadt Ofen gehabt, ihn aber
nach Wien verlegte, als Celtes dahin 1497 übersiedelte. 3)
Es hatten ihn dabei wesentlich unterstützt die kaiserlichen
Räthe Johann Fuchsmagen und Johann Krachen-
berger, daher er sie als Principes sodalitatis Danubianae
bezeichnete.^)
') Ein MitgUed der Sodalität schreibt am 20. Juni 1497 an Celtes
in der Aufschrift des Briefes: Franciscus Bonomus, regis secretarius,
doctissimo viro Conr. Celti bonarum artium et magistro Sodalitatis
nostrae principi.
2) Vgl. meine Schrift über die früheren Wanderungen des C. Celtes,
bes. S. 108, n. 3.
3) lieber die gelehrte Donau-Gesellschaft liefert Xyst. Schier in einem
Ms. der Wiener k. Hof bibliothek Cod. 7237. P. 1—80 und P. VIII. 1-19
einige Materialien; Zusätze dazu finden sich in dessen (P. IX. 1 — 24) Aula
docta Mathiae Corvini. Der Gegenstand ist auch behandelt bei Hormayr,
Denkw. Wien's IV. 1. S. 149. Kaltenbäck, bist. Zeitschr. III. 69—114.
Kink, Gesch. d. Wien. Univ. S. 211, n. 245.
*) In dem Vorworte zu seiner Ausgabe der Schrift des Apulejus de
Mundo nennt Celtes beide mit ihren humanistischen Namen Johann. Fuse-
mannus, regius Senator et Johann. Graceus Pierius, Prothonotarius et principes
Sodalitatis litterariae Danubianae. Von Krachenberger wird unten (im An-
hang) noch näher gesprochen; von Fuchsmagen, aus Hall in Tirol, den
die Humanisten Fusemannus, auch Fuxmagonus nennen, geben wir hier
eine kurze Lebensskizze. Er machte seine philosophischen und juridischen
Studien an der Universität Freiburg im Breisgau, wo er am 25. October
1469 immatriculirt ward. Er erlangte daselbst das artistische Magisterium
74 Die hnmanigtischeii Stadien in Wien unter der Leitung des Celtee.
Die Donau-Gesellschaft bildete keinen Bestandtheil der
Wiener Hochschule; sie stand mit ihr in keiner Verbindung
und in keinem Verkehre. Aber wie überhaupt einzelne
Gelehrte ; Prälaten, Staatsmänner, Aerzte sich der Societät
anschliessen konnten, um deren Zwecke: Betreibung der
classischen Studien und Verbreitung des Humanismus zu
fördern, so konnten es auch Universitäts - Angehörige,
Magister und Doctoren thun; bei diesen fand sie freilich
Anfangs nur spärlichen Anklang und Beifall.
Als Geltes nach Wien kam, hatte die Sodalität als
Präsidenten den ungarischen Bischof Johann Vitez von
Weszprim, einen Freund der Humanisten und eifrigen An-
hänger des Habsburgischen Hauses, der auch von Kaiser
Maximilian I. zum Administrator des erledigten Bisthums
und die juridische Doctorwürde; auch hielt er Vorlesungen über das
canonische Recht. Kaiser Friedrich III. machte ihn zu seinem geheimen
Rath und verwendete ihn bei mehreren Missionen ; in derselben Stellung
verblieb er auch bei Maximilian I., der seinen Rath besonders bei den
Universitäts-Reformen in humanistischer Richtung und bei Berufungen
auswärtiger Gelehrten an die Wiener Hochschule einholte. Da er ein
besonderer Gönner der Humanisten war und eifrig die Verbreitung der
classischen Studien beforderte, wurde er von den Dichtem und Philbiogen
jener Zeit als ihr.Mäcenas in ihren poetischen Productionen und Schriften
öfter gefeiert. Auf der Innsbrucker Universitäts-Bibliothek befindet sich
ein Manuscript mit einer Anzahl Gedichte an Fuchsmagen (vgl. Klüpfel,
vit. Celt. II. 57). Auf der Wiener Hofbibliothek sind handschriftlich auf-
bewahrt seine noch nicht gedruckten Werke: Historia de Burgundiae duce
Carolo Audace, und Catalogns sive Serie s Imperatorum, Caesarum, Tyranno-
rum, qui Imperium invadere ausi sunt. Eine alte Handschrift, die er auf-
gefunden, mit Consul -Verzeichnissen, überliess er seinem Freunde Cuspi-
nian, als dieser sein Werk de Consulibus bearbeitete (vgl. Mommsen,
über d. Chronograph, v. J. 364). Seine ansehnliche Sammlung alter Münzen
kam in die kaiserliche Münzsammlung. Von seinen hinterlassenen Briefen
sind nur wenige gedruckt In der Celtes'schen Briefsammlung kommen
von ihm zwei Briefe aus dem J. 1504 vor. Sein Brief an Reuchlin ist
gedruckt. Nach Cuspinian's Tagebuch (S. 403) starb Fuchsmagen am
3. Mai 1510 ; er wurde bei dem Dorotheerkloster in der Braeunerstrasse zu
Wien begraben.
Die gelehrte Donau-Gesellschaft. 75
Wien bestellt war. ') — Die Sodales gehörten verschiedenen
Nationalitäten an; es waren darunter Deutsche, Magyaren,
Slaven, Italiener in mancherlei Lebensstellungen, nur wenige
— ein halbes Dutzend — waren Professoren der . Wiener
Universität. Ausser den beiden kurz vor Geltes aus Ingolstadt
nach Wien gekommenen Mathematikern Johann Stabius
und Andreas Stiborius können nur der gekrönte Dichter
Johann Cuspinian^ der Jurist Hieronymus Balbi und
die beiden Aerzte Bartholomäus Steher und Johann
Tichtel, welche Mitglieder der medicinischen Facultät
waren, namentlich angeführt werden. Erst als der Präsident
Johann Vitez 1499 mit Tod abgegangen und die slavischen,
italienischen und magyarischen Elemente grösstentheils aus-
geschieden waren, in den ersten Jahren des 16. Säculums,
concentrirten sich die deutschen Kräfte in einer engeren
Wiener Genossenschaft, Contubernium, welches aber
immer noch mit der allgemeinen Benennung der Donau-
Sodalität sich bezeichnete. Sie hatte von der Universität
mehrere neue Mitglieder erhalten, freilich waren auch
andere, wie Steher und Tichtel, mit Tod abgegangen und
Balbi hatte sich bleibend eiftfernt und anderartigen Ge-
schäften gewidmet. Aber für die abgegangenen hatten sich
andere Universitäts - Professoren angeschlossen, nämlich
Gabriel Eubolius (Gutrather), der Rechte Doctor, Wil-
helm Polyhymnius (PuUinger), k. Leibarzt, Johann
Burgerius (Burger), artistischer Magister, Stefan Rosinus
(Rosslin oder Rössel), Mathematiker, i) Als auswärtige
*) Nachrichten über Joh. Vitez geben Schier, aod. Dan. fol. 29;
Kaltenbäck, a. a. O. III. 74; Perger, der Dom von St. Stephan S. 85,
und der Schlnss der im Anhange abgedruckten Episodia. Hieronym. Balbi
richtete an ihn mehrere Gedichte: Carm. Nr. 43. 137. 153. 166. 220
ed. Retzer. lieber seine politische Stellung: Engel, Gesch. d. Ungar.
Reiches III. 2. S. 27. Er hatte früher auch in Wien Vorlesimgen über
das canonische Recht gehalten. Vgl. Kiiik, S. 211, n. 145.
76 Die hnraanistischen Studien in Wien nnter der Leitung des Celies.
deutsche Mitglieder, welche die Verbindung mit der rheini-
schen Schwester - Sodalität unterhielten, wurden in das
Wiener Contubernium aufgenommen die Wanderärzte: der
Friese Theodoricus Ulsenius, der in Nürnberg, und
Henricus Eutyches (Geradwol), der in Frankfurt seinen
gewöhnlichen Wohnsitz hatte, welche beide 'ab- und zu-
reisten. 2)
Wenn sich auch immer mehr herausstellte, dass die
gelehrten Sodalitäten des Geltes ebensowohl zur Verbreitung
des Humanismus, als zur Bekämpfung des Scholasticismus
thätig sein sollten, so wagten doch die zahlreichen Gegner
der Humanisten an der Wiener Universität nicht direct
gegen die neue Richtung aufzutreten, deren Existenz man
kaum zu beachten schien. Da es bekannt war, dass
der Kaiser selbst den Humanismus begünstigte und die
gelehrte Donau- Gesellschaft nicht ungern sah, so konnte
sie fast wie eine Hofakademie, ähnlich der, wie Karl
der Grosse eine solche in seiner Umgebung geschaffen hatte,
betrachtet werden. Maximilians einflussreicher. Protonotar
Johann Krachenberger (Graccus Pierius) vertrat als Prä-
sident der Genossenschaft 3) ^ewissermassen die Stelle des
Fürsten, Cuspinian, Superintendent der Universität, und
Stabius, der kaiserliche Historiograph, leiteten neben Con-
rad Celtes, dem geistigen Haupt des Vereins, die Geschäfte.
Juristen, Aerzte, Philosophen bildeten die Genossenschaft
und damit auch das Theologische seine Vertretung fand,
^) Das Nähere unten in den biograph. und literar. Notizen über die
Wiener Humanisten.
2) Vgl. unten im Anhange: die Mitglieder der gelehrten Donau-
Gesellschaft.
^) Dass nach dem Tode des Joh. Vitez der Wormser Bischof Johann
Dalberg (f 1503), der Präsident der rheinischen Sodalität, auch an der
Spitze der Donau-Gesellschaft gestanden habe, ist zu bezweifeln, wenn ihn
auch Celtes in einem Gedichte Princeps sodalitatum literarianim per uni-
versam Germaniam nennt.
Pflege der ichönen Künste. 77
war der kaiserliche Hofcaplan, der gelehrte Ladislaus
Suntheim, ein genauer Kenner der genealogischen Ge-
schichte, beigezogen. Im Hause Cuspinian's in der Singer-
strasse oder in seiner bei Wien gelegenen reizenden Villa
Felicianum versAmmelten sich von Zeit zu Zeit die Sodales
zu wissenschaftlichen Besprechungen und geselligem Ver-
kehr, i) Celtes war das geistige, einigende Band: mit seinem
Tode löste sich dasselbe und man hört dann weiter nichts
mehr von der literaria Sodalitas Danubiana oder ihrem
Wiener Contubernium.^)
Einer von den namhaftesten Doctoren der medicinischen
Facultät, der zugleich Mathematiker und Astronom war,
Georg Tannstet ter aus Rain in Baiern, mit dem huma-
nistischen Namen Collimitius, versuchte es mit einem
neuen Vereine, welcher nach seinem Namen Sodalitas
Collimitiana bezeichnet wurde und sich auf Verbreitung
mathematischer und naturwissenschaftlicher Disciplinen be-
schränkte. Jedoch diese Societat fand keine rechte Auf-
nahme und ging daher auch bald wieder ein.
Wenn man hier von des Celtes literarischer Thätigkeit,
welche unten in seinem Leben besonders besprochen wird,
absieht, so sind doch noch weitere wichtige Momente in
Betreff seines Einflusses auf die Wiener Universität und die
daselbst betriebenen Studien nicht unbeachtet zu lassen.
Celtes war es vornehmlich in jener Zeit, welcher nicht
nur für das Poetische und Classische überhaupt den Sinn
*) Vgl. nnten im Anhange die Inschrift am Cnspinianischen Hause
in der Singerstrasse.
2) Die bei Kink a. a. O. ausgesprochene Ansicht ist nur theilweise
richtig: „Die ganze Gesellschaft in ihrer Geschlossenheit hat gewiss schon
nach dem Tode Vitez' (1499) oder doch nach dem Tode Celtes' (1508)
aufgehört. Später hat sie sicherlich nicht mehr ganz zusammengehalten,
sondern sich nach Contubemien, deren lockerer Verband nach Umständen
wechseln mochte, vertheilt".
78 Die humanistischen Studien in Wien unter der Leitung des Celtes.
weckte, sondern auch fiir die deutsche vaterländische Ver-
gangenheit lebhafteres Interesse einzuflössen bemüht war.
Daher seine eifrigen Nachforschungen in der mittelalter-
lichen Literatur und seine Bemühungen, in einem gefälligen
geschmackvollen Gewände die frühere deutsche Geschichte
vorzufuhren und für sie die studirende Jugend zu gewinnen
und zu begeistern.
Es ist nicht als ein geringes Verdienst anzuschlagen,
das sich Celtes erworben hat, indem er den Sinn für die
schönen Künste, welche bei den scholastischen Studien fast
ausgetilgt oder wenigstens in's Geschmacklose ausgeartet
waren, wieder weckte, namentlich durch die classischen Werke
der Alten. Da er ein grosser Verehrer der dramatischen
Kunst war und sich auf das eifrigste und innigste mit
Seneca, Plautus und Terenz vertraut gemacht hatte, ja
selbst mit der dramatischen Muse sich beschäftigte, so be-
trachtete er es als eine von ihm zu lösende Aufgabe, auch
in dieser Richtung als humanistischer Dichter an der Uni-
versität zu wirken. Nicht nur zog er die dramatischen
Dichter Rom's in den Kreis seiner Vorlesungen, sondern er
veranstaltete auch in der Aula theatralische Vorstellungen,
die er als Bildungsmittel für die studirende Jugend betrach-
tete. Unter seiner Leitung wurden Stücke von Plautus und
Terentius von Scholaren zur Aufführung gebracht,*) welchen
Productionen die Universitäts-Angehörigen mit Einschluss
^) Die Anlularia des Plautus, wie aus des Celtes Epigramm,
lib. IV. 65 zu ersehen ist. Zu der Aufführung des Terentianischen Stückes
Eunuchus lud er durch einen Anschlagzettel in Versen ein (Epigramm,
lib. IV. 18):
Pro Comoedia Eunuchi ad verbum latine dicta,
Qui cupiet veteres Romanos cemere ludos,
Egerat ut Latio scena latina foro:
Phoebus ubi primam nitidus signavit horam,
Hie petat excelsae tecta superba scholae.
Pflege der schönen Künste. 79
»
der Professoren mit grossem Interesse zahlreich bei-
wohnten.^)
Als Freund der Malerei wirkte er dahin, dass bei der
Restaurirung der Aula die früheren nackten Wände der-
selben mit passenden Gemälden geschmückt wurden, damit
auch auf dem Wege der Anschauung das ästhetische Gefühl
der Scholaren für das Schöne und Geschmackvolle geweckt
würde.2)
Ferner verkannte Geltes nicht, ein wie wichtiges Mo-
ment für den künftigen Dichter und Khetoriker es sei, das
Ohr frühzeitig an rhythmischen Tonfall und Harmonie zu
gewöhnen und daher die Musik, die ja zu den liberales
artes gehörte, durch geschickte Meister nicht nur theoretisch
vortragen zu lassen, sondern auch darin praktische Uebun-
gen zu veranstalten. Er selbst war ein passionirter Lieb-
haber der Musik 3) und mit den namhaftesten deutschen
Musikern seiner Zeit *) stand er in lebhaftem Verkehre und
in inniger Freundschaft; er benutzte ihre Winke und Kath-
*) In die Universitäts- Acten schrieb der Rector Puelinger (1602) mit
eigener Hand ein: £r&t profecto memoria dignissimus actus antea non visus
a me neque ceteris comoediae plures Jm aula Universitatis me annuente
et ut plnrimum praesente per pueros (scolares coUegii poetarum) recitatae
ac scenico plausu repraesentatae sunt.
2) Eder, Catal. Rect. p. 46; Locher, Spec. p. 305. Conradus Celtes
— aulam facultatis artinm (universitatis) sua opera renoyavit variisque
picturis condccoravit. In den Universitäts- Acten ad ann. 1558 wird be-
merkt, dass Kaiser Ferdinand I. den grossen Hörsaal der philosophischen
Facultät renoviren und bei dieser Gelegenheit ausser den Bildnissen öster-
reichischer Fürsten und alter Philosophen auch das Porträt des Conrad
Celtes aufstellen Hess. Cf. Eder, Catal. Rect. ad ann. 1558. p. 91.
^) Er wird in der Vita Celtis utriusque musices pertinax amator ge-
nannt. Vgl. unten bei den Schriften des Celtes : Ludus Dianae.
*) Es gehörte zu diesen auch der Wiener Musicus Heinrich Funk,
der mit Celtes schon seit 1492 befreundet war. Vgl. dessen Schreiben an
Celtes d. d. Wien 7. April 1492 im Cod. epist. Celt lib. II. ep. 8.
80 Die linmanistischen Stadien in Wien nnter der Leitung^ des Geltes.
schlage, indem er sie auch für die Universität in Anwendung
brachte. Dieselbe besass damals schon in dem Magister
Wolf gang Greffinger aus Krems einen tüchtigen Com-
ponisten.i) Um die musikalischen Kräfte an der Hochschule
zu vermehren, wollte er den Tiroler Musikus Magister
Petrus Tritonius, der in Italien humanistische Studien
betrieben hatte und dann als Lehrer an der Brixener
lateinischen Schule wirkte, nach Wien ziehen; derselbe
sollte Mitglied der gelehrten Donau -Gesellschaft werden
und im Dichter-CoUegium den Unterricht im Gesang und
in der Instrumentalmusik leiten. Zur Grundlage dabei
sollte das von ihnen beiden gemeinschaftlich herausgege-
bene Werk Melopoeae oder vierstimmige Harmonie
dienen. 2)
Es ist daher nicht allein der besonderen Vorliebe des
Kaisers Maximilian für die Musik zuzuschreiben, dass die-
selbe in damaliger Zeit vorzüglich in Wien gepflegt wurde; ^)
es muss auch als ein wesentliches Verdienst der Humanisten
^) Rhein. Nat. Matrik. ad ann. 1509. Dom. Wolfgang. Gräffinger ex
Crembs Australis (componista excellens). Denis (W. B. G. p. 199) führt
von ihm das Werk an : Aurelii Prudentii Cathemerinon, cujus singulis odis
singulas Harmonias quatuor vocum nusquam antea impressas Hier. Victor
chaleograph. adjecit: coraponente aliquando eas Dom. Wolfgango Grafinger
Pannone, sacerdote Musices peritissimo : cum Rodolfi Agricolae Rheti Prae-
fatione. Vienn. 1515. 4^, Vgl. Luscinii Institut. Musices. Argent. 1515. 4^.
Der Magister Albuin Greffinger ex Schwaz, theol. Lic, der 1522 und 1531
Wiener Universitäts-Kector war, ist mit Wolfgang Greffinger nicht zu
verwechseln.
2) Das Nähere über Tritonius, seine Briefe an Celtes und das von
ihnen herausgegebene Werk Melopoeae unten bei den Schriften des Celtes.
3) Cuspinian in der Vita Maximiliani nennt den Kaiser: Musices
singularis amator. Er bemerkt dazu: Quod vel hinc maxime patet, quod
nostra aetate musicorum principes omnes, in omni genere musices omnibus-
que instrumentis in ejus curia, veluti in fertilissimo agro succreverant.
Scriberem catalogum musicorum, quos novi, nisi magnitudinem operis
vererer.
Pflege der schönen Künste. 81
überhaupt und insbesondere des gekrönten Dichters Conrad
Celtes anerkannt werden, dass diese Kunst, welche nach
ihrem theoretischen Theil in die artistische Facultät ge-
hörte, von mehreren Meistern in jener Zeit nicht nur
wissenschaftlich bearbeitet, sondern auch praktisch geübt
und vervollkommnet wurde.
Als ein vorzüglicher Liebhaber und besonderer Kenner
der Musik wird in jener Zeit Georg von Slatkonia aus
Laibach gerühmt. Seinen slavischen Namen änderten seine
humanistischen Freunde in Chrysippus. Von 1513 bis
1522 stand er dem Wiener Bisthum vor. Wegen seiner
tiefen Kenntniss der Tonkunst führte er die Ehrenbenen-
nung Archimusicus. ^)
Es ist nicht unerwähnt zu lassen, dass der junge
Herzog Franz Sforza von Mailand, ein grosser Musik-
freund, der damals, obgleich noch Scholar an der Wiener
Universität, doch 1510 zu ihrem Rector erwählt ward, aus
seiner Heimat den herzoglichen Cantor Simon van
Eycken (de Quercu), einen geborenen Niederländer, mit
sich in die Donaustadt gebracht hatte. Derselbe veröffent-
lichte daselbst seine interessante Schrift über die figurative
Musik und den Contrapunkt, welche zu den ältesten musi-
kalischen Werken dieser Art gehört. 2)
Aus dieser musikalischen Schule der Humanisten ging
auch wohl der angesehene Wiener Compositeur Jacob Dia-
mond hervor, der beim Wiener Fürstencongress im J. 1515
^) Auch auf seinem Epitaphium in der St. Stephanskirche (mitgetheilt
von Perger, der Dom von St. Stephan S. 86) hat er diesen Ehrennamen,
welchen Denis, Merkw. der Garell. Bibl. S. 288, nicht richtig durch Spiel-
graf oder Hofcapellmeister tibersetzt.
2) Opusculum Musices de Gregoriana et figurativa atque contrapuncto
simplici tractans per Simonem Brabantinum de Quercu Cantorem ducum
Mediolanens. Vienn. 1609. 4. Vgl. Denis, W. B. G. S. 22.
T. Aschbach, Geschichte der Wiener Univers. II. 6
82 Die hnmanistischen Studien in Wien anter der Leitung des Celtes.
das von dem Humanisten Benedict Chelidonius, Abt
des Schottenklosters, gedichtete und von jungen adeligen
Heri-en zur Auffuhrung gebrachte Singspiel: Virtutis cum
voluptate disceptatio componirte. *)
^) Das Singspiel ist mit deutschen Knittelversen untermischt; der
Wiener Buchdrucker Johann Singriener hat es 1515 auf 6 Quartblättem
mit 2 Holzschnitten, prachtvoll ausgestattet, edirt. Denis, W. B. G. S. 137.
Vierter Abschnitt.
Einwirkungen des Humanismus auf die verschiedenen
Facultätsstudien in der letzten Zeit des Kaisers
Maximilian L
Uie Wiener Universität, welche unter Kaiser Friedrich III.
in sichtbaren Verfall gerathen war, hob sich durch die Auf-
nahme des Humanismus wieder ungemein. Dem veralteten
Scholasticismus und seinen den Fortschritt hemmenden Folgen
wurde entgegen gewirkt:, selbst in den Facultäten, welche
der Humanismus nicht unmittelbar berührte, ward ein
besserer Geist, eine lebendigere Behandlung der Wissen-
schaften geweckt. Am meisten gewann allerdings die arti-
stische Facultät. Die Abrichtung für die scholastische Philo-
sophie, die dialektischen Grübeleien und Spitzfindigkeiten
verloren allmälig ihre Geltung. An ihre Stelle traten ge-
sunder Menschenverstand, Sinn für den guten Geschmack,
Verständniss für das Reale in den Wissenschaften. Man lief
bei der neuen Richtung freilich Gefahr, auch einseitig zu
werden und über die bessere Form den Kern, das eigent-
liche Wesen der Wissenschaft, aus den Augen zu verlieren.
Die Rhetorik und Poetik erhielten eine überwiegende Be-
deutung, welche nicht ohne Nachtheil für die exacten Wissen-
6*
84 Einwirkungen des Humanismas auf die Facultätsstudien.
Schäften behauptet werden konnte. Die Fertigkeit, lateinische
Verse zu machen und sich in den classischen Schrift-
stellern entlehnten Phrasen auszudrücken, konnte nicht auf
die Dauer Ziel der Hauptstudien der philosophischen Facultät
sein, ohne zuletzt in das Handwerksmässige, Geistlose und
Abgeschmackte herabzusinken. Vor einer solchen Ausartung
aber bewahrte einerseits der für die Realien durch die
Mathematik und Naturkunde geweckte Sinn, was vorzüglich
der Arzneikunde zu Statten kam, anderseits das Betreiben
des römischen Rechts, welches die Schule dem wirklichen
Leben un4 dem Staate näher brachte.
Es war offenbar von grossem Nutzen, dass die nam-
haftesten Humanisten , wie Cuspinian , Stabius , Vadian,
Ursin u. A., zur Betreibung der geographischen und histo-
rischen Disciplinen ermunterten: die Geschichte betrachtete
man ohnehin als einen wichtigen Bestandtheil der Rhetorik.
Es ward auch damals allgemein in Deutschland aner-
kannt, dass die mathematischen und classischen Studien
nirgends so gut und erfolgreich betrieben wurden, wie an
der Wiener Universität: und gerade diesem vorth eilhaften
Rufe hatte sie ihren so überaus zahlreichen Besuch von
Studierenden aus allen Gegenden und Ländern zu verdanken.^)
Auch eine bessere Latinität und eine correctere Schreibart
ging von den Wiener Lehrern aus, namentlich im Briefstil
und in der eleganten Schreibweise. 2)
*) Eder Catal. Rect. p. 50. Certiim est, hoc Gymnasio uno celebrius
tum temporis in Germania non fuisse. Locher, Speciil. p. 306. Philosophia
Omnibus numeris erat absoluta et cum primis mathesis palmam praeripuit,
insuper linguarum peritia vis eloquentiae et divina poesis dominari visae
sunt. Ein Verzeichniss der berülimten Wiener Mathematiker, wozu er
selbst geliörte, gibt Georg Tannstetter (vgl. Denis' Wiener Buchdr. Gesch.
S. 108). Wenn Eoban Hesse schreibt, es gebe kein grösseres Glück, als
Lehrer in Wien zu sein, so meint er vorzüglich das Dociren in der philo-
sophischen Facultät.
2) Mailath, Gesch. v. Oestr. I. .392 nennt in dieser Bezielmng die
Scliriften von Franciscus Niger, Rodericus Dubravius, Aesticampianus,
Leistungen der artistischen Facnltät. 85
Es war besonders Cuspinianus, der als Super-
intendent der Universität einen grossen Einflass auf den
Studieng^ang ausübte und auch durch seine Schriften wirkte,
dass das Veraltete, Geschmack- und Nutzlose beseitigt und
entfernt wurde, freilich konnte er nicht überall, wie er
wünschte, vollständig durchgreifen. Nur mit Mühe gelang
es, die scholastischen Quodlibetistischen Disputa-
tionen, die jährlich noch als Musterreden gehalten wurden,
in Misscredit zu bringen, so dass sie allmälig zuletzt nur
in eine Art von geschmacklosen Declamationen übergingen
und später ganz aufhörten. *)
Als nach dem Tode des Conrad Celtes das Collegium
Poetarum eingegangen war, und es an einem Mittelpunkt
fehlte, der den humanistischen Studien eine bestimmte Rich-
tung gab, wirkten die Humanisten mehr vereinzelt schrift-
stellerisch, als an der Universität in einem Cyclus von be-
sonderen Vorlesungen.
Bei der Mehrheit der artistischen Magister herrschte
noch immer das scholastische Wesen vor. Bei der jähr-
lichen Verth eilung der akademischen Vorlesungen am
1. September wurden fast nur solche Disciplinen und Gegen-
Wimpheling : er übersieht, das» keiner von diesen an der Wiener Univer-
sität docirt hat, dagegen unterlässt er, die meisten der besseren Wiener
Latinisten zu nennen.
^) Locher, Specul. p. 317 ad a. 1558 nach Eder, Catal. Rect. p. 91.
Dispatationes Leontinae veteribus quodlibeticae nobis academicae per
multos annos intermissae, resumptae et in modum declamandi abierunt.
Aus dem Act. fac. art. lib. III. lässt sich ersehen, dass fast jedes Jahr
von 1500 — 1520 die quodlibetistisclien Disputationen noch gehalten wurden.
In dem Reformgesetz Ferdinands I. vom 2. Aug. 1533 bei Kink II. Nr. 54
heisst es S. 337: „Dass auch all actus der Universität und Facultäten als
nemblich actus quodlibeticus etc. wider aufgericht und gehalten werden".
1525 verfügte die Universität: dass wegen der geringen Zahl der Studie-
renden die Disputationes quodlibetianae vorerst ganz oder doch nur nach
aUen drei Jahren gehalten werden sollten. Die Vorsitzenden Professoren
der artistischen Facultät folgten einander nach dem Senium.
86 Einwirkang^en des Humanismas auf die Facnltätsstudien.
stände berücksichtigt, die seit dem 14. Jahrhundert vor-
getragen wurden. Man docu'te scholastische und aristotelische
Philosophie, die liberales artes einzeln, vorzüglich Mathe-
matik, Astronomie und Musik. Die lateinische Grammatik
ward selbst noch nach den einzelnen Theilen des Doctrinale
Alexandri vorgetragen, aber auch nach der besseren An-
leitung des Perotti und seines Bearbeiters Bernhard Perger.
Römische Classiker wurden nur selten erklärt. Horaz, Virgil,
Lucan kommen manchmal vor: öfter schon Cicero. Grie-
chische Sprache und griechische Schriftsteller linden kaum
Berücksichtigung •). Die Anzahl der Vorlesungen war eine
ziemlich schwankende : bedeutend grösser war die Zahl der
Magistri legentes, da häutig mehrere zugleich über den-
selben Gegenstand vortrugen und derselbe Magister nicht
mehr als eine Vorlesung hielt. Durchschnittlich betrug die
Zahl der lesenden Magister über ein halbes Hundert. Nur
die wenigsten hatten eine lectura ordinaria mit festem Ein-
kommen, welche zu regelmässigen Vorlesungen verpflichtete.
Maximilian hatte vier besoldete Professuren für die Dicht-
kunst, Beredtsamkeit, Mathematik und Astronomie neu ein-
gerichtet und einem jeden Rector oder Professor dieser
Disciplinen einen fixen Gehalt von 50 Gulden angewiesen.
Die meisten Magister konnten daher nach Belieben ihre
Vorträge aussetzen. 2) Sonst finden sich in der Reihe der
1) Dieses lässt sich aus dem Act. fac. art. lib. IV. von 1497—1519
ersehen: erst im folgenden Decennium fielen die meisten scholastischen
Vorlesungen aus. Ferdinands I. Verordnung vom J. 1533 stellt sie grössten-
theils wieder her: namentlich die über Dialectica, Gramm^rtica, Physica
und Ethica. Die lectura in literis humanioribus wurde aber damals auch
erneuert. Vgl. Kink II. 336.
2) Nach Maximilians I. Tod war die Universität in Folge der Refor-
mations - Bewegungen gänzlich in Verfall gerathen. Es fehlte an
Studenten — die ganze Hochschule zählte manchmal kaum ein halb
Hundert derselben: aber auch die Anzahl der Professoren verminderte sich
rasch, da auf die CoUegiengelder nicht mehr gerechnet werden konnte.
Die juridische Facultät schloss einige Zeit ihre Hörsäle, die theologische
Die namhaftesten Mitglieder der artistischen Facnltat. 87
wirklich vorlesenden Magister die Namen der angeseheneren
Humanisten nur selten, und wenn sie vorkommen, dociren
sie über scholastische Fächer.*)
Als die namhaftesten Humanisten, die ihren Ruf als
Schriftsteller begründeten, sind zu nennen: die Italiener
Angelus Cospus aus Bologna und der Minorit Johann
Riccutius aus Camerino, daher Cam er s geheissen: beide
waren durch ihre vertraute Kenntniss des Griechischen, durch •
ihre umfassende Gelehrsamkeit und ihren kritischen Sinn
ausgezeichnet. Besonderen Ruf erwarb sich Camers durch die
Menge seiner Ausgaben römischer Classiker, die er zum
Theil mit guten Erklärungen und Indices versah.^)
Ihnen zunächst steht der Schweizer Joachim Vadian
aus St. Gallen, der wie Cospus Professor der Poetik und
Rhetorik war, eine Anzahl Classiker mit Sacherklärungen
edirte und eine wahrhafte Fluth von kleineren Dichtungen
und Gelegenheitspoesien vom Stapel Hess. Da Vadian mit
konnte aus Mangel an Professoren keine regelmässigen Doctor-Creirungen
mehr vornehmen. Kaiser Ferdinand I. bot Alles auf, den Uebelständen
abzuhelfen: um Studenten anzuziehen, ward in der artistischen Facultät
(1554) das Collegiengeld aufgehoben; um die Professoren für die Ein-
busse zu entschädigen, errichtete er eine grössere Anzahl von besoldeten
Professuren und verdoppelte, ja verdreifachte den sonst systemmässigen
fixen Gehalt. Die Lectoren der griechichen, hebräisfehen und arabischen
Sprache erhielten vorzüglich hohe Besoldungen, die selbst bis 200 Gulden
stiegen. Die jährliche Universitäts-Dotation wurde in gleichem Verhält-
nisse vermehrt, so dass sie die Summe von 4000 Gulden erreichte, indem
in den österreichischen Kronländern die Klöster und Stifte zu regel-
mässigen Jahresbeiträgen beigezogen wurden.
') Dass es bei der jährlichen Vertheilung der Vorlesungen häufig
ziemlich eigenmächtig von Seiten des Decans herging und die zugetheilten
Vorlesungen theils unregelmässig, theils gar nicht gehalten wurden, lässt
sich aus Ferdinands I. Verordnungen in seinen ersten Regierungsjahren
entnehmen. Dahin gehört das Statut vom J. 1528: De conferendis lectioni-
bus publicis professorumque diligentia in der vom Universitäts-Canzler Paul
von Oberstain angelegten Sammlung von Statuten fol. 183 im Cod. MS.
Nr. 14898 auf der Wiener Hof bibliothek.
2) lieber das Nähere im 2. Buche: Artikel Camers und Cospus.
88 Einwirkungen des Humanismus auf die Facultätsstudien.
Johann Camers und Cuspinian, der sich auch mit der
Herausgabe von Classikern beschäftigte, in lebhaftem geisti-
gen Verkehr stand, so konnte trotz ihrer sonstigen freund-
schaftlichen Beziehungen zu einander bei der philologischen
Empfindlichkeit manchmal nicht vermieden werden, dass
zwischen ihnen Streitigkeiten ausbrachen, welche zu er-
bitterten gegenseitigen Ausfallen in ihren Schriften Veran-
lassung gaben. ') Es zeigte sich eine derartige Rivalität
besonders bei der Herausgabe und Erklärung der nämlichen
alten Schriftsteller. 2)
Von den andern hervorragendsten Humanisten verblieb
fast keiner ganz und gar den classischen Studien getreu:
sie wandten sich beinahe alle später anderen Disciplinen zu.
Selbst Vadian machte es wie Cuspinian, dass er sich der
Arzneikunde und dem politischen Leben vorzugsweise wid-
mete und Camers ging ganz zur Theologie über. Die
Humanisten und Dichter Wilhelm Polymnius und Udal-
rich Fabri finden wir später wie die Mathematiker Q-eorg
Collimitius und Andreas Perlachius unter den Aerzten.
Johann Stabius verliess bald die Universität und lebte
als Historiograph in der Umgebung des Kaisers am Hofe.
Andreas Stiborius widmete sich ganz den mathemati-
schen und astronomischen Studien und versah als Canonicus
zuletzt eine Pfarrei. Sein Studiengenosse Stefan Rosinus
wurde zum Hofcaplan erhoben und besorgte für Maximilian
in Rom mancherlei Geschäfte. Thomas Velocianus (Resch)
verblieb zwar an der Hochschule, aber nachdem er jahre-
lang mit aristotelischer Philosophie sich beschäftigt, ging er
^) Joseph Grünbeck hist. Frid. et Max. bei Chmel, Oest. Geschichtsf. I.
S. 65. Praetereo silentio nostros Germanicos poetas, qui se mutiüs conviciis
prope discerpere solent.
2) Den Florus edirten Cuspinian und Camers, beide auch nebst
Vadian den Dionysius Afer, Caraers und Vadian den Plinius und Solinus,
Cuspinian und Vadian beschäftigten sich mit der Erklärung des Ovid u. s. w.
Stellung der medicinischen Facaltät zur Wissenschaft und zum Leben. 89
endlich ganz zur Theologie über; so machte es auch Am-
brosius Salzer.
Die späteren Humanisten widmeten sich meist dem juristi-
schen Geschäftsleben oder traten in den Staatsdienst^ wie Nico-
laus Gerbel, Philipp Gundel, Jacob Spiegel, Caspar
Velius Ursinus, Gabriel Eubolius.^) Zu den wenigen,
welche wie Conrad Celtes den humanistischen und speciell
classischen Studien als Dichter und Rhetoriker bis an ihr
Lebensende getreu blieben, gehörten Johann Burger,
Rudolf Agricola junior, Georg Logus, Janus Hade-
lius, Johann Marius Rhaetus, Andreas Misbeck und
Georg Rithaimer.2)
Das medicinische Fachstudium war im Ganzen durch
die neue humanistische Richtung nicht viel berührt und
geändert worden. Im Allgemeinen wurde der von der
scholastischen Zeit überkommene Studiöngang ^) beibehalten
Hippokrates und Galenus und arabische und jüdische Er-
klärer derselben, wie auch einige italienische und fran-
zösische Auctoritäten blieben die Hauptführer bei den
medicinischen Studien.^)
Naturwissenschaften wurden nur in sehr geringem Masse
betrieben.^) Dass einzelne Humanisten mehrere Abschnitte
•) Rudolf Agricola in der Vorrede zu Georg Logus Epistolae und
£plgrammat. Vienn. 1517 nennt die vorzüglichsten Wiener Humanisten
seiner Zeit.
2) lieber das Leben und die Schriften aller dieser Humanisten wird
im 2. Buche näher gehandelt, Heinrich Stromer von Auerbach, den
Manche unter die damaligen Wiener Mathematiker zählen, gehört nicht
hieher. Sein sehr verbreiteter Algorismus linearis ist aber von 1512 — 1520
in drei verschiedenen Ausgaben in Wien gednickt, da derselbe von den
Studirenden häufig gebraucht wurde.
3) Vgl. Aschbach, Gesch. d. Univ. Wien. 8. 319 fll.
*) Rosas, Gesch. der Wiener Hochschule und der medicin. Facultät
derselben insbesond. s. Wien 1843. I. Thl. S. 107 und 124 fll. 149 fll. nach
den Act. fac. med. Kink, Gesch. d. Univ. Wien I. S. 220 fll.
^) Es erschienen damals von Wolfgang Aneraorinus (Windperger)
med. doctor Viennensis das Buch De Thermis (in Baden), de earum
90 Einwirkuugen des HumauismuH auf die Facaltätsstudien
aus dem Werke dos älteren Plinius über die Historia natu-
ralis und einige andere Classiker über naturwissenschaftliche
Gegenstände erklärten, kam allerdings auch der Arzneikunde
zu gute. Auch war für dieselbe vortheilhaft die Verordnung,
dass jeder, der den Doctorgrad in der Medicin erwerben
wollte, schon Magister artium sein musste. Dagegen kürzte
man die Stufenfolge bei der Erlangung der akademischen
Grade in der Medicin dadurch ab, dass der Licentiaten-
und Doctor-Titel zugleich ertheilt ward, ') ohne die früher
übliche Doppelprüfung und ohne Intervallum.
Das fun^ährige medicinische Studium wurde im Grunde
wenig systematisch und wissenschaftlich betrieben ; ein geord-
neter Gang in der Reihenfolge der Vorlesungen fand nicht
statt, obschon eine Art von Hodegetik einigermassen befolgt
werden sollte. Wie chaotisch und unwissenschaftlich man
im Studium der Arzneikunde vorging, Theoretisches und
Praktisches zugleich betrieb. Wesentliches und Zufälliges
und Fremdartiges zusammenwarf, zeigt das Buch eines der
renommirtesten Wiener Aerzte jener Zeit. Martin Stain-
peiss, erst artistischer, dann medicinischer Professor,
verfasste eine Anleitung zum Studium und Dociren der
Arzneikunde, worin nach dem Ausspruche eines neueren
Arztes allerdings merkwürdig „nüchterne medicinische Grund-
sätze" vorkommen, die aber in der ganzen Anlage wenig
wissenschaftlichen Geist verräth, obschon zugestanden werden
origfine ac natura quibusque morbis sunt salubres. Viennae 1511 und das
Lapidarium omni voluptate refertum et medicinae plnrima experimenta
complectens. Vienn. s. a. (vor 1519). Wolfgang Windperger ex Melico
kommt im J. 1499 im juristischen Matrikelbuch II. fol. 41 vor; er muss
daher früher die Studien der Rechtskunde betrieben haben. Windperger's
Schrift kommt als Ms. auf der Hofljibliothek Nr. 8873 unter dem Titel:
Tractatus de thermis Cetiis in deutscher Sprache vor.
1) Rosas S. 127 und 176. Die Promotions-Gebühren steigerten sich,
der Doctorschmaus ward kostspieliger und luxuriöser; auch nahmen die
Frauen der Professoren manchmal daran Theil,
Stellung der medicinischen Facultat zur Wissenschaft und sam Leben. 91
muss, dass das Buch viel Interessantes und manches Werth-
volle ^enthält. »)
Erst über ein Decennium später, unter dem Könige
Ferdinand L im J. 1533, wurde in die medicinische
Studienordnung eine wesentliche Verbesserung eingeführt,
indem von der Regierung zwei besoldete Lectoren oder
Professoren angestellt wurden, mit der Verpflichtung, dass
der eine die Theorie der Arzneikunde vorzutragen hatte,
der andere die Praxis leiten sollte. Für das letztere
Fach wurde zuerst ein Humanist, Udalrich Fabri, ein
Schweizer, der sich zuletzt der Medicin zugewendet hatte,
bestimmt. Etwas später kam noch ein dritter Lector für
die medicinische Propädeutik hinzu, der ebenfalls von
der Regierung besoldet ward.*^)
Als ein namhafter Fortschritt war zu betrachten, dass
die anatomischen Demonstrationen regelmässiger in
Aufnahme kamen und auch besondere Vorlesungen über
die Chirurgie gehalten wurden. Schon im J. 1484 ward
angeordnet, dass die anatomischen Demonstrationen, welche
bis dahin auf dem Kirchhofe des städtischen Spitals im
Freien stattgefunden, in der Folge im Gebäude der medi-
') Das Werk, welches den Titel führt: De modo studendi et legendi
in medicina und in Wien im Druck erschien, zerfällt in 7 Abschnitte oder
Bücher. Liber primus dat modum legendi incipienti. Secundus doctori
novello. Tertius aromalario. Quartus errores aromatariorum assignat.
Quintus tabulam de medicinis recitat. Sextus stilum practicantibus osten-
dit. Septimus speculum visitationis practicae. Rosas a. a. O. I. S. 149 — 164
gibt aus dem Werke ausführliche Auszüge; er setzt die Publitiation in
das J. 1519 oder 1520. Denis bestimmt mit Recht dafür 1517. (Wien.
Buchdr.-Gesch. S. 333.) Ein kürzeres Lehrbuch war von Stainpeiss schon
im J. 1497 verfasst worden.
2) Rosas I. 2. S. 47. Später wurden zwei Professoren der medicinischen
Theorie angestellt, der eine als professor medicinae primarius, der andere
als secundarius. Einen besonderen Lector für die Chirurgie bestellte die
Facultät 1537, der 52 Gulden jährliche Besoldung von der Regierung
erhielt. Rosas I. 2. S. 51,
u2 Einwirkaugen des HumanismuB auf die Facultätsstudien.
cinischen Facultät vorgenommen werden sollten, so dass
Lehrer und Scholaren wenigstens gegen Regen und anderes
Ungemach der Witterung geschützt waren. ^)
Dem Magister Gregor, der in chirurgischen Operationen,
namentlich der Blasensteine und Hernien, eine grosse Fertig-
keit gewonnen hatte, ertheilte die Facultät (2. August 1498)
darüber ein Diplom, das er mit einem Goldgulden zu be-
zahlen hatte.2) Dasselbe geschah auch bei einem andern
approbirten Chirurgen, einem Franzosen Namens Sebastian. 3)
Aber bei inneren Krankheiten dui'ften die Wundärzte
ohne Beirath eines Facultäts- Mitgliedes nicht ordiniren,
nicht einmal Purganzen zu geben war ihnen erlaubt.^)
Zu Kurpfuschern wurden alle gerechnet, welche
nicht der Facultät als Mitglieder angehörten oder nicht von
ihr approbirt waren und doch wagten, ärztliche Praxis aus-
zuüben. Gegen solche, sie mochten auswärtige Aerzte
»
oder Apotheker, geistliche oder weltliche Personen sein —
wurde streng mit Strafen eingeschritten und dazu die Hilfe
des städtischen Regiments, ja selbst des bischöflichen Offi-
cials, der über die Pfuscher die Excommunication auszu-
sprechen hatte, in Anspruch genommen. Die gewöhnlichen
Strafen waren Abschaffung aus der Stadt oder Geföngniss.
Letztere Strafe traf vorzüglich die Einheimischen und die
Juden. Den Apothekern war in diesem Falle die Schliessung
ihrer Apotheken angedroht. Wurden von Mönchen oder
Nonnen Kurpfuschereien getrieben , so wurde ihnen bei
') Rosas I. S. 128 liefert darüber das Nähere. Als ein besonders
interessanter Fall, der bei den anatomischen Demonstrationen vorgekommen,
wird berichtet, dass im J. 1491 im medicinischen Facultatsgebäude ein
Gehängter, der zur Secirung abgeliefert worden, durch Aderlass an beiden
Cephalicis und andere Mittel wieder in's Leben gerufen worden. Rosas I.
S. 165.
2) Rosas I. S. 173.
3) Rosas I. S. 178.
*) Rosas I. S. 177 nach einer k. Verordnung vom J. 1517.
Verordnungen über das Hedicinalwesen. 93
Erkrankungen der ärztliche Beistand der Facultäts-Doctoren
versagt J)
Es werden mehrere Beispiele der Bestrafung von Kur-
pfuschern angeführt, welche sich für auswärtige diplomirte
Aerzte ausgegeben und erst nachdem sie durch ihre un-
geschickten Ordinationen viel Unheil unter der Bevölkerung
der Stadt angerichtet hatten, zur Untersuchung gezogen
wurden, wobei es sich dann herausstellte^ dass sie weder
ein Doctordiplom besassen, noch medicinische Studien ge-
macht hatten. Die Verurtheilung solcher Kurpfuscher wurde
in der Weise veröffentlicht, dass sie in lateinischer und
deutscher Sprache an den Eingängen der St. Stephanskirche
angeschlagen wurde.^)
Zwei Verordnungen waren es vornehmlich, durch welche
Kaiser Maximilian I. das Wiener Medicinalwesen in eine
bessere Ordnung zu bringen suchte.
Nach der Verordnung vom J. 1501 ward bestimmt,
dass auswärtige, nicht von der Wiener Facultät approbirte
Aerzte, wenn sie sich unterstünden,- Kranke zu behandeln
oder Recepte zu schreiben, von der städtischen Obrigkeit
angehalten und um so strenger und empfindlicher bestraft
werden sollten, wenn bei der Prüfung, welche die Facultät
mit ihnen vorzunehmen habe, es sich herausstellte, dass die
Arzneikunde von ihnen nicht wissenschaftlich erlernt worden
und sie nicht die erforderliche Uebung in der Praxis erlangt
hätten 3).
Dass diese Verordnung bald in Vergessenheit gekommen
oder doch wenigstens nicht streng darnach verfahren wurde,
») Rosas I. S. 180.
2) Rosas I. S. 170 fll. Doch kam manchmal auch der Fall vor, dass
ein Kurpfuscher, der glückliche Kuren vollbracht und sich hohen Schutzes
erfreute, ungeachtet Facultät und Stadtrath eingeschritten waren, nicht als
unbefugter Praktiker aus der Stadt geschafft werden konnte. Rosas
8. 178 fll.
^) Act. fac. med. ad ann. 1501. Vgl. Rosas I. S. 172.
94 Einwirknngen des Humanismus auf die FaeulüLtsstridieii.
zeigen weitere Verfügungen Maximilians vom 9. October
1517,') um die Wiener Doctoren gegen die Concurrenz
auswärtiger Aerzte und der Kurpfuscher bei der Ausübung
der ärztlichen Praxis zu sichern. In der einen Verordnung
kommen folgende Artikel vor;
Nur ein Mitglied der Wiener medicinischen Facultät
oder nur ein solcher auswärtiger diplomirter Arzt, den
diese Facultät nach Entrichtung der üblichen Gebühren
zum actus repetitionis zugelassen und approbirt hat, darf
in Wien die ärztliche Praxis ausüben.
Der Facultät steht die Oberaufsicht über die Apo-
theken und das Recht der Approbation und Zulassung
der Wundärzte zu.
Diese dürfen nicht bei inneren Krankheiten ver-
ordnen.
Die nicht approbirten Aerzte . werden aus der Stadt
gewiesen.
Dagegen muss die Facultät dafür sorgen, dass ihre
Mitglieder in den Taxen für ihre ärztliche Hülfeleistung
oder Berathung sich massigen, aus ihrer Mitte einen
Armen- und Spitalsarzt bestellen, 2) der unentgeltlich
ordinirt.
^) Die eine abgedruckt bei Kink, Gesch. d. Wien. Univ. II. Nr. 53,
S. 330; die andere von demselben Datum. (Act. fac. med, ad ann. 1527
und bei Rosas I. S. 177.)
2) Der Spitalarzt wechselte wöchentlich unter allen Mitgliedern der
Facultät, was offenbar nicht im Interesse der Kranken war. Auch ein
Armenarzt wurde bestellt; er hatte durch einen für die Vorübergehenden
sichtbaren Anschlagzettel an der Thüre seines Hauses sein Amt zur öffent-
lichen Kenntniss zu bringen. Sein Name und Wohnort ward auch von der
Kanzel der St. Stephanskirche bekannt gemacht. Act. fac. med. III. p. 127,
Rosas I. 2. S. 50. Länger (bis 1540) dauerte es, bis ein von der Regierung
mit 200 Gulden Jahresgehalt besoldeter Sanitatis Magister, den die Facultät
bestimmte, zur Beaufsichtigung der städtischen Gesundheitspflege angestellt
wurde; in den Pestzeiten wollte häufig kein Facultäts-Mitglied diese so
gefährliche Stelle bekleiden. Rosas 1. c. S. 54.
Mitglieder der medicinischen Facnlt&t. 95
m
Eine andere Verordnung von demselben Datum befiehlt:
dass fremde Personen, Mann oder Frau, oder auch Juden,
die sich fälschlich den Titel „Leibarzt" beilegen, ihre ärzt-
lichen Dienste weder durch Strassenanschläge bekannt geben,
noch überhaupt prakticiren dürfen, wenn die Facultät es
ihnen nicht ausdrücklich gestattet. Sie sollen unnachsicht-
lich aus der Stadt entfernt werden.
Man kann keine grosse Meinung von den tiefen wissen-
schaftlichen Kenntnissen und der Geschicklichkeit der da-
maligen Wiener Aerzte haben, wenn die ersten ihres Standes
von ihren CoUegen so wegwerfend und verächtlich sprechen.
Bartholomäus Steher, als Humanist Scipio genannt,
schrieb als Decan in das medicinische Facultätsbuch : Die
Doctores medicinae hielten schlechte Vorlesungen : sie seien
ohne Kenntnisse, aber voller Eitelkeit und Streitlust. Stärker
noch lauten die Aeusserungen des Decans Martin Stain-
peiss, der die andern Mitglieder seiner Facultät nicht für
mehr werth hält, als dass sie davongejagt werden. Man
rächte sich an dem schmähsüchtigen Collegen dadurch, dass
man ihn auf einige Zeit aus der Facultät ausschloss, doch
versah er später wiederholt ihr Decanat. ^)
Wenn man bedenkt, dass nur Doctoren der medicini-
schen Facultät die ärztliche Praxis in der ziemlich bevölkerten
Stadt ausüben durften; dass ihre Zahl damals immer nur
eine geringe war, die selten mehr als einige zwanzig betrug;^)
dass ferner in jener Zeit fast regelmässig nach Intervallen
von wenigen Jahren verheerende Epidemien Wien heim-
suchten: so wird man die beständigen Klagen des Stadt-
1) Rosas S. 176. Kink S. 222.
2) Im J. 1511 werden nur 18 Doctoren angeführt. Rosas I. S. 176.
Allerdings hatte jeder Doctor einige ältere Studierende als Assistenten, die
zur Einführung in die Praxis mit an's Krankenbett genommen wurden.
Selbständig aber durften diese nicht die Heilkunde ausüben, wollten sie
sich nicht die Strafe der Ausschliessung vom Doctorgrad zuziehen.
96 Einwirkungen des Hnmanisnins anf die Facnlt&tsstndien.
magistrats begreiflich und wohl berechtigt finden, dass die
Wiener Bevölkerung an den Facultäts-Doctoren keine aus-
reichende ärztliche Hilfe hatte, und es daher nöthig war,
entweder auswärtige Aerzte zu berufen oder sie wenigstens
zur Praxis zuzulassen. Man erklärte dieses für desto noth-
wendiger, je mehr der Mangel an einheimischen Aerzten
fast zu wahrhaften Gelderpressungen führte. •)
Von Seiten der Bürgerschaft trat man endlich mit einer
an den Rector gerichteten Beschwerdeschrift auf. Man
drohte, wenn der Rector den Uebelständen nicht ernstlich
abhelfe, der Stadtrath gezwungen sei, die einheimischen
Aerzte, die des Vertrauens unwürdig seien, mit Gewalt zu
entfernen und mit besseren Doctoren von auswärts sich zu
versehen.
Ein beständiger Gegenstand besonderer Klagen waren
die hohen Taxen, welche die Aerzte für ihre Krankenvisiten
erhoben. Sie nahmen für einen einmaligen Besuch einen
Gold gülden, von reicheren Patienten selbst das Doppelte. ^)
Aus den Aufzeichnungen in dem Tagebuche des Johann
Tichtel, eines damaligen renommirten Wiener Arztes, lässt
sich entnehmen, dass die Einnahmen der Aerzte nicht blos
in Geld, sondern auch in Naturalien, besonders in Geflügel,
Eiern, Butter, Wein bestanden und dass sie durch ihr an-
sehnliches Einkommen schnell zum Wohlstand,, ja selbst
zum Reichthum gelangten. ^)
1) Rosas I. 169.
2) Rosas a. a. O. und Kink I. S. 251 und n. 257: „Am 26. Juni 1494,
als der Decan B. Steber beim Apotheker Chr. Krueg zu Tische sass,
kamen zwei Wiener Bürger, Steph. Enn und Jak. Zächwein, herbei,
wiederholten die früheren Klagen im Namen des Stadtrathes und fügten
bei, man werde endlich die wegen unersättlicher Habsucht nicht mehr zu
ertragenden Priester Apollos von Wien verjagen müssen".
3) Vgl. Joh. TichtePs Tagebuch (von 1477—1495), welches Karajan
in den Schrift, d. Wien. Akad. Fontes rer. Austriac. I. p. 1 — 64. Wien
1855 herausgegeben hat.
Die namhaftesten Professoren der Medicin. 97
Da die Aerzte als Mitglieder ihrer Facultät an der
Universität thätig waren, so hatten sie auch von den Col-
legien- und Prüfungsgeldern ein ansehnliches Einkommen.
Privatvorträge über einzelne Krankheiten oder die Einführung
in die ärztliche Praxis mussten von den Scholaren, die
häufig schon graduirte Personen waren, namentlich der arti-
stischen Facultät, besonders und zwar ziemlich hoch bezahlt
werden. Nur die vom Landesherrn mit Gehalt angestellten
Professoren, welche zugleich gewöhnlich auch fürstliche
Leibärzte waren, erhielten kein Collegiengeld : es hiessen
ihre Vorträge lectiones publicae vel Principis.
Die angesehensten Aerzte Wiens in jener Zeit gehörten
der Humanistenpartei an. Ausser Cuspinian, Scipio, Poly-
mnius zählten zu dieser Classe Vadianus, Collimitius,
Udalrich Fabri, Andreas Perlacher, die alle als huma-
nistische oder mathematische Schriftsteller einen Namen
haben, aber wie ihre CoUegen in ihrem medicinischen Fache
nur wenig literarisch auftraten. Von dem Werke des Martin
Stainpeiss ist schon gesprochen, er schrieb noch ein
zweite»- über die Mittel gegen die in Wien so häufig vor-
kommende pestartige Epidemie. *) Einige seiner CoUegen
schrieben über den Morbus Grallicus oder die Mala de
Franzos, welche damals von Italien aus anfing, sich in den
Donauländern zu verbreiten. ^)
Von den Professoren der Medicin, welche durch ihre
AmtssteUung als Rector oder Decan vorzüglich hervortreten,
sind bemerkenswerth : Johann Wisinger aus Passau, der
^) Antidotale Praeservationis cum additionibus in epidemicum morbum.
Vienn. 1510 und 1520. Auch in deutscher Sprache: Anzeig wider die
Pestilenz 1515. Collimitius und Johann Salius (Ferdinands I. Leibarzt)
schrieben auch gegen die Pest: der letztere ein Opusculum de praeser-
vatione a Pestilentia. Vienn. 1510.
2) Zuerst Scipio (Steher) — vgl. unten im 2. Buche Art Scipio —
dann der k. Leibarzt Joseph Grünbeck im J. 1496 de pestilentiali Scorra
seu morbo Qallico.
y. Aschbach, Geschichte der Wiener Univers. U. 7
98 ßinwirkuugen des Ilumauismus auf die Facaltätsstudieti.
als Rector 1506 an der Pest starb, Simon Lazius aus
Stuttgart, der Vater des Wolfgang Lazius, der ebenfalls
ein Opfer der Pest würde; ferner Johann Pilhamer von
Haidek, Michael Sartoris von Preniarthon, Johann
Salius aus Steier, Georg Ladend orf aus Wien und
Leopold de Jordanis. ')
Trotz mancherlei Verordnungen und Einrichtungen war
das Apothekerwesen, worüber die Facultät die Inspection
und Regelung führte, in der letzten Zeit Kaiser Friedrichs III.
in kläglichen Verfall gekommen. Dem Uebelstande abzu-
helfen, verfiel man endlich auf ein sonderbares Auskunfts-
mittel: die Facultät beabsichtigte, unter ihrer eigenen
Leitung eine Musterapotheke zu errichten; sie wollte das
dazu nöthige Geld vorschiessen und die Arzneimittel und
Droguen einkaufen, einen Apotheker als Administrator
anstellen, welchem ein Viertel Antheil am Gewinne zuge-
sichert wurde. Die Apotheker, welche wohl befürchten
mochten, dass ihre Officinen dadurch in grossen Nachtheil
kommen könnten, wandten sich an den Stadtrath und die
Regierung, ihr Geschäft und ihre verbrieften Privilegien zu
schützen. Die Facultät war genöthigt nachzugeben. Man
verständigte sich, die Sache in gemischten Commissionen
in Berathung zu ziehen. Verschiedene Entwürfe von neuen
Apotheker -Ordnungen wurden vorgelegt: die Vorschläge
aber endlich verworfen und man war genöthigt, zum alten
Schlendrian mit seinen Missständen zurückzukehren, da
die widerstrebenden Interessen der Betheiligten nicht aus-
geglichen werden konnten. ^)
^) ^S^' Schier, Auszüge a. d. Act. fac. med. v. 1490 — 1558 u. im
Rotiilus profess. med. Ms. auf der k. Hofbibl. nr. 9520. — Leopold de
Jordanis wird auch Leopoldus Jordanus Viennensis genannt. Der Hymnus
gradualis der Universität setzt ihn unter die Koryphäen der medicinischen
Professoren.
2) Vgl. Rosas I. 165—168.
Das Apotliekerwesen. Das Studenten-Krankenhaus. 99
Als Folge dieser vergeblichen Schritte der Facultät um
die Verbesserung des Apotheker wesens war zu betrachten
die Erbitterung der Apotheker gegen die mediciniöchen
Doctoren, welche bald zu heftigen Ausfallen gegen, dieselben,
mancherlei Beschuldigungen, Ehrenbeleidigungs- Processen,
ja selbst zur Aufreizung der medicinischen Scholaren gegen
ihre Professoren und zu Excessen der Ersteren gegen die
Letzteren führten. *) Ja die Mitglieder der Facultät selbst
geriethen zuletzt gegen einander in Hader und die ärger-
lichsten Auftritte erfolgten, die nur mit Mühe beigelegt
wurden. 2)
Ein Spital gab es in Wien schon in der ersten Hälfte
des 15. Jahrhunderts, welches die Doctoren der Medicin
bei ihren Vorträgen benützten. Bei den häufigen Ausbrüchen
von Epidemien in Wien war es nöthig, ein neues Spital zu
erbauen. Schon im J. 1482, wo eine furchtbare Pest die
Stadt heimsuchte, wurde dazu der Entschluss gefasst, der-
selbe kam aber erst unter Maximilians Regierung zur Aus-
führung. Dem herzoglichen Collegium gegenüber (auf der
Stelle des gegenwärtigen Universitätsplatzes) wurde ein dem
Kloster Engelszell gehöriges Haus erworben und für Spital-
zwecke eingerichtet (1492), daselbst ward auch die artistische
oder Universitäts - Bibliothek untergebracht. 3) Es währte
aber noch eine Reihe von Jahren, und man bedurfte man-
cherlei Geldunterstützung, wozu die Universität aus ihren
eigenen Mitteln beitrug, bis das Haus seiner eigentlichen
1) Rosas S. 169 fll.
2) Ibid. S. 174. 177. (1508. 1511.)
3) Eder Catal. Rect. ad ann. 1493. Inclyta facultas artium emit
domuiu quae hodie dicitur vulgo Hospitale: in qua ab eo tempore paula-
tiin instructissima comparata est Bibliotheca. Vgl. das Testament des
C. Celtes vom J. 1508: Lego omnes meos libros — universitati seu facul-
tati artium ad librariam ex opposito coUegii (ducalis) in hospitali novo,
tali conditione, ut iiwusum publicum reponantur.
7*
100 Einwirkangen des Ruinanismus auf die Facnlt&tsstudien.
Bestimmung zugeführt werden konnte. Das geschah erst
im Pestjahr 1506. »)
Es zeigte sich aber bald, dass das städtische Kranken-
haus wie «uch das neue Spital bei starken Epidemien für
die Aufnahme erkrankter Studenten nicht ausreichten. Diese
hatten bis dahin, wenigstens theilweise, auch Unterkommen
in den der medicinischen Facultät gehörigen, in der Weih-
burggasse gelegenen Gebäulichkeiten gefunden.^) Es stellte
sich aber das dringende Bedürfniss heraus, bei den nicht
genügenden Räumlichkeiten für die erkrankten Studenten
ein besonderes Spital zu erbauen.
Daher ward in der Nähe der Universität, vor dem
Stubenthor, bei der Kirche St. Sebastian, ein besonderes
Studenten-Krankenhaus errichtet (1511), welches aber
kaum zwei Decennien bestand. Denn bei der Türken-
belagerung 1529 wurde es sammt der Kirche eingeäschert
und nicht wieder aufgebaut, obschon bei der häufigen
Wiederkehr der Pest ein solches Spital, welches überhaupt
für die Fremden bestimmt war, höchst nothwendig ge-
wesen. 3)
') Kink I. S. 227, n. 264. Unrichtig aber wird da die Kirche von
St. Sebastian bei diesem Spitale angegeben : dieselbe lag bei dem Studenten-
Spital vor dem Stubenthor.
2) Das Haus wurde gewöhnlich an Aerzte vermiethet: im J. 1469
und 1475 betrug der Miethzins neun Goldg^lden, davon aber war noch
eine Lehensteuer an das Schottenkloster zu entrichten. Im J. 1504 bezog
es der medicinische Decan selbst (Rosas 127 u. 173). Im J. 1518
brannte das Haus nieder: es wurde dann wieder aufgebaut. Aber schon
wenige Jahre si)äter (1525) brannte es bei einer grossen Feuersbrunst,
welche 500 Häuser in Asche legte, abermals nieder: der Platz und Einiges
von den Gebäulichkeiten, was sich erhalten hatte, wurde dann verkauft,
so dass die medicinische Facultät ihres Besitzthumes in der Weihburggasse
sich ganz entäusserte (Rosas I. S. 180).
3) Eder Catal. Rect. ad a. 1511 p. 53. Academia Vienn. honorificum
erigit hospitale et templum S. Sebastiani in suburbiis ante portam Stubarum
exstruxit pulcherrimum, quo studiosi aegrotantes et peregrini recipian-
tur. Quod paulo post in obsidione Turcica a. 1529 igae consumitur.
"• • •
Epidemien in Wien. 101
Offenbar waren die in bestimmten Zeiträumen fast
periodisch wiederkehrenden Epidemien, welche unter der
Wiener Bevölkerung grosse Verheerungen anrichteten, für
die Universitätszustände höchst störend. In solchen Pest-
jahren wurden die Hörsäle geschlossen und wer konnte,
flüchtete aus der Stadt auf's Land und in entferntere Ge-
genden, um dem allgemeinen Verderben, das Jung und Alt
bedrohte, zu entgehen. ^) Gewöhnlich brach die Krankheit
in heisser Sommerszeit aus: nur selten kam sie im Winter
vor. 2) Die Dauer der Epidemie war einige Monate, und
man blieb dann mehrere Jahre verschont. Jedoch kam es
auch vor, dass sie mit Unterbrechung von Monaten zwei
Jahre hinter einander wüthete. Tausende wurden von ihr
hingerafft: die Zahl der täglich Gestorbenen betrug zu
manchen Zeiten 100 bis 150. Unter Maximilians I. Regie-
rung waren die Pestjahre 1495, 1506, 3) 1511 und 1513
durch besonders grosse Sterblichkeit verderblich. Die 1521
grassirende Epidemie, welche 9000 Menschen dahinraffte,
brach einige Jahre nach Maximilians Tod aus. Zur wirk-
samen Bekämpfung der Krankheit oder zu ihrer Abwehr
wussten die Aerzte kein Mittel, obschon es nicht an Schriften
fehlte, worin sie über die Pestilenz handelten. Totale Sonnen-
finster niss und andere merkwürdige Himmelserscheinungen
hielt man für Vorboten des Ausbruchs der Epidemie.^)
^) Cuspinian's Tagebuch ad ann. 1506. 2. Aug. Fugi pestem ex
Vienna cum uxore et liberis.
2) Rhein. Nat. Matrik. ad a. 1510. In praesenti procuracia (v. 1610
bis 1511) pauci studentes mansemnt Viennae propter pestem. Ideo paüci
fuerunt intitulati. Sed circum festum pascae 1511 reversi sunt.
3) Der Rector des J. 1506, Johann Wysinger, starb an der Pest.
Rhein. Nat. Matrikel: Johann Wysinger ex Patavis doctor med. peste obüt
Claustroniunberga a. 1506. Eder Catal. Rect ad a. 1506. Academia
Vienn. dissipatur propter pestem horribilem.
*) Denis, Wien. Buchdr. Gesch. S. 223 u. 398.
f.
10^ Einwirkungen des HumaniBmus auf die Facnltätsstndien.
In der juridischen Facultät, welche noch ihr eigenes
Haus in der Schulergasse hatte, worin auch Vorlesungen
gehalten wurden und einige Professoren wohnten, *) waren
unter Maximilian wesentliche Reformen gemacht worden, so
dass sie eine ganz veränderte Einrichtung erhielt. Früher
war nach den Bestimmungen der Universitäts-Stiftung und
der päpstlichen Bestätigung nur das canonische Recht Gegen-
stand ihrer Vorlesungen: die schwachen Versuche, welche
im Laufe des 15. Jahrhunderts gemacht wurden, auch das
römische Recht einzufuhren, waren ohne besonderen Er-
folg geblieben. Erst Maximilian war es vorbehalten, in.
dieser Sache entscheidend einzugreifen. Er errichtete be-
soldete Professuren für Lehrer des römischen Rechts 2) und
erlangte auch für diese Neuerung die päpstliche Bestätigung,
so dass auch Geistliche diese Vorlesungen besuchen durften
und die Facultät das Recht hatte, Doctores juris utriusque
zu creiren.
Wenn auch nicht schon damals eine stricte Ordnung
für den Studiengang im römischen Recht vorgeschrieben
war, so richtete man sich im Allgemeinen doch nach der
Art und Weise, wie in jener Zeit auf den italienischen
Universitäten, namentlich zu Bologna und Padua, vorge-
gangen wurde. ^)
') Das Haus, wozu auch die Yvo's Capelle gehörte, musste wegen
Baufälligkeit im J. 1634 umgebaut werden. Eder Catal. Rect. p. 71.
Im J. 1626 brannte es ab. Sorbait Catal. Rect. ad a. 1626. Das wieder
aufgebaute Haus mit Nr. 850 kam später in Privatbesitz des Grafen Alex.
Yon Nako.
2) Act. fac. theol. II. p. 83. Kink I. Anh. Nr. XXXI. 4. p. 115.
In der Sammlung der Universitätsacten von Paul von Oberstein, der von
1616 — 1644 Kanzler war, ist aus dem Acten-Stück fol. 185 zu ersehen, dass
die lectores ordinarii juris civilis regelmässig Vorlesungen hielten.
3) In Kaiser Ferdinands I. Neuen Reformation v. J. 1554 (bei Kink
II, n. 62) wird die frilher schon in den Gnmdzügen eingeführte Ordnung
wiederholt. Drei ordentliche Professoren juris civilis, zwei Lectores des Codex
und der Pandecten, einer der Institutionen lesen durch vier Jahre:
Die Decretisten and Legisten in der juridischen Facultät. 103
Seit dieser Zeit spaltete sich die juridische Facultät in
zwei Gruppen, in die Professores Decretorum und in
die Juris civilis, von denen die ersteren das canonische
Recht oder Jus Pontificium, die anderen das Jus
Caesareum oder die Leges vortrugen: sie unterschieden
sich gewöhnlich durch die Benennungen Decretisten und
Legisten. Indem die Letzteren wie die italienischen römischen
Rechtslehrer eifrig dem Humanismus zugethan waren und
häufig auch über römische Classiker lasen und schrieben,
waren die Decretisten noch ganz und gar für den Scholasti-
cismus. Man konnte diese fast wie eine Abtheilung der
theologischen Facultät ansehen, in welche sie auch später
häufig übertraten. Indem sie den Legisten, welche sie
als Eindringlinge in die rechtswissenschaftliche Genossen-
schaft betrachteten , vorwarfen , dass ihr Lehrgebiet ein
Luxusgegenstand sei, der weder der Kirche noch dem
Staate nütze, erklärten hinwiederum die Gegner, dass die
Decretisten gar nicht in die juridische Facultät gehörten,
sondern in die theologische. Die Legisten wollten das
canonische Recht bei den Juristen ganz beseitigt haben und
behaupteten, die Decretisten seien unfähig , die Rechts-
wissenschaft überhaupt zu dociren.
Die über diese Frage entstandenen Streitigkeiten
konnten nur durch das vermittelnde Dazwischentreten der
Regierung einigermassen geschlichtet werden.
I. 1. Jahrgang: Prima pars Codicis.
2. „ Prima pars Digesti veteris.
3. „ Secunda pars Codicis.
4. „ Secunda pars Digesti veteris.
II. 1. „ Prima pars Infortiati.
2. „ Prima pars Digesti novi.
3. „ Secunda pars Infortiati.
4. „ Secunda pars Digesti novi.
III. Institutionarius 1. Jahr: Die beiden ersten Bücher der Institu-
tionen. 2. Jahr: Die beiden letzten Bücher der Institutionen.
104 Einwirkungen des Humanismus auf die Facult&tsstndien.
Auch in einer anderen Sache waren im J. 1504 von
den Legisten ärgerliche Streitigkeiten im Schoosse der juri-
dischen Facultät veranlasst worden. Man verlangte, dass
die Wahl der juridischen und theologischen Professoren
nicht, wie bis dahin üblich gewesen, von dem Consistorium
oder von den Regentes ausgehen sollte, sondern von den
Scholaren: der Regierung sollte nur das Bestätigungsrecht
zustehen. Da die Sache in Bezug auf das Princip auch die
andern Facultäten anging, so musste eine Universitäts-
Congregation entscheiden, welche einen derartigen Modus
aber verwarf. ^)
Da die aus Italien von Padua berufenen römischen
Rechtslehrer Hier onymus Baibus und Johannes Sylvius
Siculus nach wenigen Jahren Wien wieder verlassen hatten,
so war man nur auf ihre deutschen Nachfolger beschränkt,
die meist dem Kreise der Humanisten angehörten und später
gewöhnlich den Katheder mit hohen Staatsämtern ver-
tauschten. Schriftstellerische Leistungen hinterliessen sie
nur wenige und selbst diese fallen meist nicht dem juristi-
schen Fache zu.
Die angeseheneren rechtskundigen Lehrer in den beiden
ersten Decennien des 16. Jahrhunderts an der Wiener
Universität waren folgende: Johann Stephani Reuss
aus Constanz, 2) U dal rieh Kaufmann aus Kempten,^)
^) Acta fac. theoL II. fol. 93 auch bei Kink I. Anh. p. 115 abge-
druckt. Es wird am Schluss noch beigefügt: Multi multa eodem tempore
attemptaverunt, maxime autem legum fautores.
2) Rhein. Nat. Matrik. ad a. 1499. Mag. Johannes Stephani Rews
de Constancia, artium et utriusque juris doctor lector Ordinarius juris
Caesarei in Univ. Vienn. (Obiit Viennae 1514. Fuit fiscalis camere
procurator famigeratissimus.) Decan war er 1500, 1504 und 1509;
Rector 1504.
5) Rhein. Nat. Matrik. Mag. Udalricus Kaufmann ex Campidona
(Doctor legum et Canon. Viennens.) war Decan 1508, 1611, 1522, 1617,
1519 und 1526; Rector 1510, 1518 und 1520.
Namhafte jaridische Professoren. 105
Wolfgang Pachaimer aus Gmunden, ^) Johann Angerer
aus Budweis oder Rosenberg, 2) Peter Tannhauser aus
Nürnberg, 3) Johann Kekmann aus Haugsdorf, ^) Georg
Gienger von Roteneck aus Ulm, ^) Victor Gamp®) aus
Wien. An diese reihen sich mit ausgesprochener humani-
stischer Richtung: Jacob Spiegel aus Schlettstadt, Philipp
Gundelius aus Passau und Martin Capinius Sieben-
burger aus Wien, letzterer mehr ein gewandter rechts-
*) Jurid. Matrik. ad ann. 1500. Dom. Bolfgang Pachaimer de Gmunden,
legum doctor. Decan 1600.
2) Jnrid. Matrik. ad ami. 1505. Dom. Jo. Angerer de Bosenbergh
Caesarei juris doctor. Eder, Catal. Rect. p. 64 nennt ihn bei seinem
Rectorat im J. 1512: Juris Pontificii Professor, archidiaconus
Pragensis. Decan war er 1508 u. 1611.
5) Jurid. Matrik. ad ann. 1612. Mag. Petrus Tanhauser ex Nöm-'
berga, doctor in Caesareo jure.
*) Er war Canonist und ist mit dem gleichnamigen Johann Chekmann
oder Kekmann aus Schillingstadt, welcher der theologischen Facultät an-
gehörte und noch 1616 lebte, nicht zu verwechseln. Der Haugsdorfer
Kekmann auch theologischer Licentiat starb 1512, wie sein Grabstein in
der St. Stephanskirche angibt.
^) Rhein Nat. Matrik. ad ann. 1612. Georg Gienger ex Ulma
(Utriusque jur. doctor Caes. Majestatis ex secretioribus consiliis, dominus
in Roteneck). — Eder, Catal. Rect. p. 60. Is ubi juris prudentiae amore
multa celeberrima gymnasia peragrasset atque doctorea floreret (Ügnitate ex
cancellario Constantien. imperii rebus exercitatissimo regis Ferdinandi fit
consiliarius in amplissimo senatu Tyrolensi Austriae supra Anasum. Es
wird dann davon gesprochen, wie Ferdinand ihn weiter in hohen Staats-
ämtem verwendet und mit vielen Ehren ausgezeichnet habe.
ö) Im J. 1611 war er noch in der artistischen Facultät und las über
die aristotelische Philosophie. Act. fac. art. lib. III. fol. 76. Decan war
er 1619 in der juridischen Facultät, Rector schon früher 1516. Dieser
Rechtsgelehrte, welcher in den Aufstand der Wiener Bürger gegen Maxi-
milians Enkel im J. 1521 tief verflochten war, wurde zwar begnadigt, aber
seiner Lehrstelle auf drei Jahre entsetzt. Später nahm ihn Ferdinand
wieder zu Gnaden auf. 'Eder, Catal. Rect. p. 60. Victor Gamp Vienn.
U. J. Doctor, factus postea regis Ferdinandi consiliarius fisci Austriaci
advocatus. — Obiit 29. Jul. ann. 1636. lieber seine beiden Söhne be-
richtet Eder, dass der eine, Hieronjrmus, Professor der Jurisprudenz, der
andere, Matthaeus, ein probns causidicus und singularis studiosorum fautor
gewesen sei.
106 Einwirkuni^eii des Huraanismns auf die Facaltätsstudien.
kundiger Geschäftsmann und ein politischer Volksfuhrer,
als ein eigentlicher Universitätslehrer. *)
Am meisten und empfindlichsten wurde von dem Um-
sichgreifen des Humanismus die theologische Facültät
betroffen, indem sie der eigentliche Kern des Scholasti-
cismus und all der Dinge war, welche mit demselben zu-
sammenhängen. Es ist nicht zu läugnen, die Humanisten
arbeiteten dahin, aus der clericalen Anstalt eine weltliche
Corporation zu machen. Es war dies schon eine natürliche
Folge ihrer Bestrebungen und der Art ihrer Studien, dass
man sich von der Kirche zu emancipiren suchte und sich
ihrem vorherrschenden Einfluss und ihrer Dienstbarkeit
entzog. Freilich wurde bei diesem Uebergang und bei
dieser Aenderung die Sache nicht offen und ausdrücklich
ausgesprochen, sie machte sich aber von selbst geltend,
indem man anfänglich von Seiten der Scholastiker durch
nachgiebiges oder gleichgiltiges Verhalten der neuen Rich-
tung das Feld räumte und thatsächlich auch deren Folgen
anerkannte und sich ihnen unterwarf. Als die Universität
im J. 1511 die Aufforderung erhielt, das allgemeine Con-
cilium in Pisa zu beschicken, legte man auf das den
Universitäten zukommende Recht der Theilnahme an den
ökumenischen Concilien so wenig Werth, dass in einer
Universitäts-Congregation der Beschluss gefasst wurde, um
die Sache, welche für wenig zeitgemäss gefunden ward,
sich nicht zu bekümmern. 2) Auch an dem wenige Jahre
später (1514) von Papst Leo X. berufenen Lateran-Con-
cilium, wozu die Universität eingeladen wurde, scheint
sie sich nur wenig betheiligt zu haben. Es bedurfte
^) Ueber Spiegel, Gundelius und Capinius sind im zweiten Buche die
betreffenden Artikel nachzusehen.
2) Kink, Gesch. d. Univ. Wien I. Anh. XXXII. S. 117 fll. Die Acte
fac. art. lib. III. fol. 75 schliessen den Bericht über die Verhandlungen:
Nihil tarnen actum est.
Die theologische Faeult&t in ihren geistlichen Eechten. 107
einer wiederholten Aufforderung des Kaisers, bis man end-
lich wenigstens theilweise den Wünschen des apostolischen
Stuhles entsprach.*) Es handelte sich zunächst um die Ver-
besserung des Kirchenkalenders, wozu das Gutachten der
Wiener Universität eingeholt wurde. Mit einer dahin ein-
schlagenden Arbeit wurden die beiden Professoren der
Mathematik und Astronomie, Andreas Stiborius und Georg
CoIIimitius, betraut. 2)
Uebrigens hielt die theologische Facultät ängstlich dar-
auf, dass ihr die in Folge der Stiftungsbriefe und Statuten
zukommenden kirchlichen Rechte, Privilegien und Befugnisse
nicht geschmälert oder irgend vermindert wurden. Dass
der Wiener Bischof als Ordinarius der DiÖcese die dem
Rector zustehende geistliche Jurisdiction über die Universi-
täts-Angehörigen ^) bestritt und der theologischen Facultät
das Recht, geistliche Censuren auszusprechen, nicht zu-
gestehen wollte,"*) musste zu mancherlei Reibungen und
Conflicten Veranlassung geben. Da die Universität aber
vom Kaiser kräftig unterstützt ward, konnte sie sich sieg-
reich in ihren alten Rechten behaupten. Auf Maximilians
Ansuchen bestätigte Papst Leo X. (11. Juli 1513) der Uni-
versität das Recht eigener und insbesondere geistlicher
') Schreiben Maximilianä an die Universität d. d. Füssen, 13. Sept.
1516 (bei Kink I. Anh. S. 117), worin vorkommt: Idque praecipue vos
studebitis agere tum pro obedientiae debito erga sacram apostolicam sedem,
tum ut et germanica natio, in qua prae caeteris astrologiae et mathemati-
carum artium elucet disciplina, non videatur gloriam snam negligere.
2) Vgl. unten im 2. Buche die Artikel CoIIimitius und Stiborius, und
Denis, Wien. Buchdr.-Gesch. S. 317.
3) Der Rector Wolfgang Mosnauer lud (1504) einen Licentiaten der
Theologie, der aich weigerte, in der Carmeliterkirche bei einer Universitäts-
Feierlichkeit zu predigen, vor sein Gericht. Ungeachtet der Vorgeladene
an den Papst appellirte und sich der über ihn verhängten Strafe entziehen
wollte, ward er auf Befehl des Rectors bei einer kirchlichen Procession
ergriffen und eingekerkert.
*) Eder, Catal. Rect. ad ann. 1513, p. 56. Ut Rector possit studiosos
ob excessus graviores excommunicare et excommunicatos iterum absolvere.
108 Einwirkungen des Hnmanisrnns anf die Facnlt&tsstndien.
Jurisdiction und verlieh ihr ausdrücklich die Exem-
tion von der bischöflichen Gerichtsbarkeit.^) Wenige Jahre
später (1, Juni 1517) erfolgte nicht nur die päpstliche
Confirmation der Universitäts-Privilegien, sondern sie wur-
den auch noch erweitert, 2) so dass die Hochschule und
namentlich ihre theologische Facultät dem Ordinarius
gegenüber eine freie und unabhängige Stellung einnahm.
In den beiden ersten Decennien des 16. Jahrhunderts
hatten den Wiener Bischofssitz inne zuerst Bernhard von
Pol heim als Nachfolger des Johann Vitez (von 1499 bis
1504), 3) dann Franciscus Bakats (bis 1509), der früher
Bischof von Raab gewesen, und endlich Georg Slatkonia
(bis 1522), ein Freund der Künste und Wissenschaften, der
sich als einen besonderen Gönner der Humanisten er-
wies und in ihrem Kreise den Namen Chrysippus führte,
der eine Uebersetzung seines slo venischen Namens ist.^)
1) Kink II. n. 49, p. 323—327. Im Jahre zuvor (1512) hatte das
Universitäts - Mitglied Canonicus Ladislaus Suntheim ein Testament
hinterlassen mit der Bestimmung, dass dasselbe von der Universität nach
der herkömmlichen Weise bestätigt und bekräftigt werde. Dieser Bestim-
mung zuwider nahm der Canonicus Georg Angerer die Sperre und Inven-
tirung im Namen der bischöflichen Curie vor, so dass ein mehrjähriger
Jurisdictionsstreit entstand, da der Bischof die geistlichen Magister und
Doctoren als seiner Gerichtsbarkeit zuständig betrachtete. Der Streit ward vor
den Papst und Kaiser gebracht-, der letztere verbot, die Sache vor das
päpstliche Gericht zu bringen. Vgl. über das Nähere Kink I. S. 291 fli.
Auf diese Streitsache bezieht sich ohne Zweifel die Stelle bei Eder, Catal.
Rect. ad ann. 1513, p. 56: Quod rector et decani sive consiliarii praefati
de Omnibus fet singulis civilibus, criminalibus, testamentariis et injuriarum
causis suppositorum universitatis hujusmodi soli et nuUus alius intra civi-
tatem et districtum Viennen. hujusmodi absque concurrentia dicti Episcopi
vel cujus vis alterius cognoscere et illas decidere possint.
2) Kink II. n. 52, p. 328 fll.
3) Eder, Catal. Rect. p. 46, nennt als fünften Bischof von Wien den
Bemhardus de Polhaim Baro., und fügt hinzu: Post cujus obitum vacavit
haec sedes Epi. Yien. ab anno 1503 usque ad annum 1513.
*) Vgl. Hormayr, Wien's Denkw. Jahrg. 2, Bd. 1, Hft. 2, S. 140-146.
— Ueber die Reihe der ersten Bischöfe Wiens bis auf Ferdinand I. handelt
Die Stellung des Bischofs und des Kanzlers zur Uniyersität. 109
Bei den eingetretenen mancherlei Veränderungen in
den Universitäts-Verhältnissen zur Kirche konnte die ur-
sprüngliche Stellung des Kanzlers nicht unberührt bleiben.
Derselbe hatte als Vertreter der höchsten kirchlichen Auc-
torität nur in Betreff des geistlichen Regiments und Lebens
an der Universität die erste Stelle, in Bezug auf die Disci-
plin und materiellen Angelegenheiten aber stand der ßector
an der Spitze.
Es waren schon in den früheren Zeiten mancherlei
Streitigkeiten und Conflicte über den Rang des Kanzlers
Perger, der Dom von St. Stephan zu Wien S. 85 f., wo auch die Grab-
schrift des Bischofs Georg Slatkonia mitgetheilt wird. Er wird nicht
nur als vorzüglicher Kenner der Musik gerühmt: er war auch ein
besonderer Liebhaber der Malerei. Er Hess (1518) durch Albrecht
Dürer ein grosses Bild: „Tod der heil. Maria" zum Gedächtniss an den
frühen Hingang von Maximilians erster Gemahlin Maria von Burgund
malen. Der Bischof erscheint selbst in weissem Chorgewand mit seinen
Wappen und einer Inschrift auf dem Gemälde. Von den das Sterbelager
der heil. Maria umgebenden betenden Personen sind einigen die Gesichts-
züge von Zeitgenossen des Malers beigelegt. Es kommen nicht nur die
Porträte des Kaisers Maximilian und seines Enkels Philipp von Burgund
vor, sondern auch die des Johann Stabius und des kaiserlichen Raths Johann
Cuspinian. Das Gemälde war früher in Wien in der gräflich Friesischen
Sammlung. Das Bild, welches 3' V S'" hoch und 271/2" breit ist, findet
sich in Meusel's Museum für Künstler, Mannh. 1788, St. 6, S. *24— 34
am genauesten beschrieben von Christian v. Mechel: Beschreib, eines
der merkw. Gemälde v. Albr. Dürer v. J. 1518, welches unter der Vor-
stellung der sterbenden Marie eine Menge interessanter Porträte etc. dar-
gestellet. Damach liefert auch Heller (Leben und Wirken A. Dürers.
Bamb. 1827, S. 261), der das Gemälde selbst noch gesehen hatte (in Wien
vor 1822), die Beschreibung. Als die Friesische Sammlung 1824 ver-
auctionirt wurde, soll das Bild nach England gekommen sein, doch Nie-
mand weiss, wo es dort aufbewahrt wird. Das Athenaeum, Lond. 1869,
21. Aug., S. 250 gibt die sonderbare Notiz, die ihm aus Deutschland zu-
gekommen, dass das lange verschwundene und längst vergeblich gesuchte
Dürer'sche Bild der sterbenden Maria gegenwärtig am Hochaltar in der
St. Wolfgangskirche in Oberösterreich sich befinde, aber es werden zur
Bestätigung der Sache weitere Nachrichten erwartet. Die Mrs. Ch. He a ton
bemerkt in ihrem Werke (The bist, of the Life of A. Dürer. London 1870,
p. 230), sie habe überall in England, aber vergeblich nach dem Bilde ge-
1 10 Einwirkungen des Humanismus auf die Facultätsatudien.
und seine Rechte vorgekommen. Nachdem das Bisthum
Wien errichtet worden, blieb der jedesmalige Praepositus
des Stephansstiftes nach wie vor Kanzler. Ihm kam das
Recht zu, bei der Ertheilung akademischer Grade zu inter-
veniren. ^) Da er aber in der Regel seine Person vertreten
liess durch einen Vice-Kanzler und dieser aus der Reihe
der Professoren zu nehmen war, so entstanden in solchen
Fällen vielfache Streitigkeiten; der Kanzler wollte bei den
Promotionen seinen Stellvertreter nur aus den theologischen
Professoren ernennen, welche Beschränkung man nicht
gelten liess. Der Superintendent setzte es endlich durch,
dass eine landesfürstliche Verordnung vom 22. Juli 1508
bestimmte, dass der Kanzler in der Folge zu jeder Zeit
nur aus den Doctoren und Professoren derjenigen Facultät,
um deren akademische Grrade es sich handelte, den Vice-
Kanzler zu ernennen habe. Es konnten daher die Stelle
des Letztern Docenten aus allen Facul täten bekleiden.*^)
forscht; sie reproducirt die Angabe des Athenaeum und bezweifelt ihre
Richtigkeit. Sehr auffallend ist, dass M. Thausing (Dürer, Gesch. seines
Lebens u. s. Kunst. Leipzig 1876) von dem Bilde keiue Erwähnuag
macht. Dürer'ö Handzeichnung und Holzsclmitt vom J. 16 10, Marias Tod
darstellend, ohne die zahlreiche Umgebung (Thausing S. 254) sind jeden-
falls als Grundlage des Gemäldes zu betrachten. Eine Copie von unserem
Bilde mit bedeutenden Aenderungen, aber von gleicher Grösse, befindet
sich in der fürstl. Liechtensteinischen Sammlung zu Sebenstein; dasselbe
hatte der Klostemeuburger Propst Andreas MosmüUer 1627 malen und
darauf sich selbst mit seinem Wappen anstatt des Georg Slatkonia und
dessen Wappen darstellen lassen. Vgl. J. Feil, Mittheil, des Wien.
Alterth.-Vereins Bd. I., S. 190, wo eine ausführliche Beschreibung ge-
liefert ist.
1) Randbemerkung in der Rhein. Nat. Matrik. ad ann. 1 494. Accidit
res satis nova, ymo in hoc studio inaudita, ex parte quatuor Baccalariorum
a licentia rejectorum, quos tamen Cancellarius hujus studii sua auctoritate
(sed non potuit) admisit. Quid praesagii sit, novit deus. Vgl. Oonspect.
bist. Univ. Vienn. II. p. 73, wo von den Streitigkeiten ob promovenda ad
literarios honores jura gesprochen wird.
^) Maximilians Entscheidung findet sich abgedruckt bei Kink II.
S. 310, n. 45. n^SkB der gegenwärtig und ein yeder künftiger Thumb-
Geistliche Gerichtsbarkeit der theologischen Facnltät. 111
Ungeachtet dieser Verordnung dauerten die Streitigkeiten
über diesen Gegenstand von Seiten des Kanzlers noch
längere Zeit fort.
Unter Maximilians I. Regierung bekleideten das Kanzler-
amt die Dompröpste Virgilius Cantzler aus Salzburg von
1491 — 1502/) Justus Kasman bis 1510, Doctor Theologiae
Johann Busch bis 1516, und Paulus von Oberstein,
Doctor der Rechte und kaiserl. Geheimschreiber, bis 1544. 2)
In Bezug auf die Rangstellung ward später durch eine
kaiserliche Verordnung (29. Jan. 1534) bestimmt, dass dem
Rector die erste Stelle gebühre, dem Kanzler die zweite,
vor dem landesfurstlichen Superintendenten, der fi'üher den
Vorrang in Anspruch genommen hatte.^)
In Gemässheit der vom Papst erhaltenen Privilegien
und Vorrechte übte die theologische Facultät die geist-
liche Gerichtsbarkeit, führte die Aufsicht über die
theologischen Vorträge und Predigten^) und hatte
endlich die Bücher-Censur.
brobst in unser stat Wien furan in der berürten unser Universität daselbst
zu Wien, so ain Doctor, Licentiat oder Maister gemacht werden solle,
allain so offt daz not wurde, einen Vicecancelari aus derselben Facultät
darinn Doctores oder Maister gewirdigt werden, benenn oder gebe" etc.
^) Ueber die Installation des Kanzlers gibt das Fragmentum Tabularii
canonicorum S. Stephani Nachricht. Nachdem der erste Dompropst des
Wiener Bisthums, Thomas von Cilly 1491 Bischof von Constanz geworden
war, heisst es: Praesentatus fuit per Ser. Dom. Fridericum Rom. Imp.
Dominus Virgilius Cantzler ex Salisburga, qui investitus et installatus ex-
stitit per Doct. Hieron. Hollabrunnen , tunc Vice-decanum et officialatus
commissarium praesentibus consultis ejusdem imper. Maj. per baculum
pastoralem, annulum aureum et biretum rubeum. Vgl. Conspect. bist.
Univ. Vienn. II. p. 53.
2) Eder, Catal. Rect. zu den betreffenden Jahren. Conspect. hist.
Univ. Vienn. Append. p. 80.
3) Gedr. bei Kink II. S. 340, n. 55. Vgl. Act. fac. art. IV. fol. 168.
*) In Folge einer päpstlichen Bulle vom J. 1465 (in der Statuten-
Sammlung vom Kanzler Paulus von Oberstein fol. 179) war die Verord-
nung gegeben: Qualiter facultas theologica possit incautos et scandalosos
lectores (i. e. professores) et praedicatores corrigere.
1 12 Einnirkungen des Hamanisnus auf die Facalt&tsstadien.
Um das Jahr 1510 lagen mehrere Fälle vor, wo die
Entscheidung der Facultät zu geben war. Ein Mitglied
derselben, der Professor Wolf gang Sack, zugleich
Pfarrer bei St. Michael, hatte auf der Kanzel angeblich
Lästerungen gegen die Bettelorden ausgesprochen, aus denen
manche Mitglieder früher mit Ehren und rühmlich an der
Universität gewirkt hatten. Der Angeklagte reinigte sich
durch einen Eid von der Anschuldigung und wurde sodann
wieder in die theologische Facultät, aus welcher er zeit-
weise ausgestossen worden war, aufgenommen.
Ein Priester, der sich thätlich an dem theologischen
Facultäts-Decan vergriffen hatte, wurde excommunicirt und
zur Einkerkerung verurtheilt.
Zwei Bernhardiner hatten gegen den Missbrauch der
Reliquien in den Kirchen gepredigt und behauptet, sie
seien häufig Thierknochen. Zugleich hatten sie gegen die
grosse Sündhaftigkeit der Wiener Geistlichen losgezogen
und gesagt, dass ein jeder von diesen ein Pferd habe,
worauf er in die Hölle reite. Die wegen solcher Predigten
vor das Gericht der theologischen Facultät Geladenen be-
stritten als Mönche deren Competenz, über sie zu richten,
indem sie nicht zur Universität gehörten. Um nicht einen
Competenzstreit herbeizuführen, Hess man die Sache fallen,
umsomehr, als die Mönche erklärten, in der Zukunft ge-
mässigter und vorsichtiger in ihren Predigten sein zu wollen.
Als der Doctor Philipp Torrianus von Padua in Wien
gegen die Indulgenzen gepredigt hatte und die Facultät ihn
desshalb zur Rechenschaft zog, schützte er sich gegen die
gerichtliche Verfolgung durch die Berufung auf eine päpst-
liche Bulle, welcher man aber für den gegebenen Fall die
Geltung absprach.*)
*) Ueber diese verschiedenen Fälle geben Nachricht: Act. fac. theol. II.,
woraus Kink I. Anh. p. 27 fll. Auszüge liefert. Conspect. II. pS 73 fll.
Die geistliclie Gerichtsbarkeit der theologischen Facult&t. 113
Es hatte sich damals bei der Wiener Bevölkerung
und zum Theil auch bei der Geistlichkeit der Glaube ein-
geschlichen, dass, wenn der nach Pfingsten zunächst fol-
gende Donnerstag auf den Eintritt des Neumondes falle,
die Frohnleichnams-Procession dann mit ganz besonderem
Pomp und ausserordentlicher Festlichkeit zu begehen sei.
Der Kaiser Maximilian, von der Sache in Kenntniss gesetzt
und besorgt, dass aus dieser Gewohnheit Aberglaube und
Ketzerei entstehen könnten, forderte in einem Schreiben
vom 10. Februar 1512 an den Rector von der theologischen
Facultät, wie auch von den CoUegiatis der artistischen
Facultat ein Gutachten. Man entsprach der Aufforderung
vollständig. Es wurde eine gelehrte Auskunft über die Ent-
stehung der jüdischen und theilweise heidnischen Sitte ge-
geben und zugleich mitgetheilt, dass dieselbe bereits ohne
allen Widerspruch abgestellt worden : man unterlässt dabei
nicht, dem Kaiser wegen seiner umsichtigen Sorgfalt für
den reinen Glauben zu danken und ihn zu preisen.^)
Mit welchen sonderbaren Dingen das geistliche Gericht
behelligt wurde, lässt sich aus einer Anklage entnehmen,
die, wie 'es scheint, nicht einmal einen Universitäts- Ange-
hörigen betraf. Es wurde der theologischen Facultät ein
eigenthümliches Werkzeug vorgelegt, das man Coelum
(Kelle) nannte, womit durch dämonischen Beistand aber-
gläubische Menschen verborgene Schätze aufzufinden und
zu heben vermeinten. Dem damaligen Rector Victor Gamp
(1515) wurde es übergeben und derselbe ersucht, darüber
eine Untersuchung anstellen und einen Bericht an die
theologische Facultät erstatten zu lassen. Nachdem dieses
^) Der Conspect. hist. Univ. Vienn. II. p. 75 — 81 gibt das kaiser-
Uche Schreiben und die Antwort darauf, welche die Unterschrift hat:
Thomas Velocianus Austriacus Rector. Theologiae Professores. Magistri
Collegiales studii Viennensis vestrae imperatoriae Celsitudinis Oratores
seduil.
T. Aschbach, Geschichte der Wiener Uniyers. II. 8
1 14 Kinwirkangen des Hnmanisiniu anf die Facaltätsstadien.
geschehen, beschloss die Facultät, das Werkzeug dem
Verfertiger nicht zurückzugeben, auch nicht irgendwo zu
deponiren, da Missbrauch damit getrieben und Schaden an-
gerichtet werden könnte. Man vernichtete es. Gegen den
Verfertiger aber sollte weiter ein Untersuchungsprocess ein-
geleitet werden. Der Ausgang der abenteuerlichen Sache
ist nicht bekannt.^)
Damals lag Johann Keuchlin mit dem getauften
Juden Johann Pfefferkorn, der die Verbrennung hebräischer
Bücher betrieb, in heftigen Streitigkeiten. Er kam in seinem
Speculum oculare wegen dieser Sache auch mit den Theo-
logen in Köln in grossen Widerspruch und in Folge des
fanatischen Verfahrens gegen seine Schrift, die als eine
ketzerische verbrannt wurde, erklärten sich auch selbst
Universitäten wie Erfurt und Paris gegen den Reuchlin'schen
„Augenspiegel". Es traten jedoch die meisten anderen theo-
logischen Facultäten auf Seiten Reuchlin's, der eine beson-
dere Vertheidigungsschrift verfasst hatte, welche von den
Humanisten fast allgemein mit Beifall .und Zustimmung
aufgenommen wurde. Auch die Wiener Humanisten, wie
Gerbelius, Cuspinian, Vadianus u. A. 2) erklärten sich für
Reuchlin.^) Doch vermied die Wiener theologische Facultät
in dem Streit, der von 1509 — 1516 dauerte und bei welchem
mehrere päpstliche und kaiserliche Entscheidungen erlassen
wurden, gegen einen so fanatischen Ketzerrichter, wie Jacob
Hoogstrat war, mit Entschiedenheit aufzutreten. So viel
aber ist gewiss, dass der Humanist Stephan Kosinus, früher
Professor der Wiener Hochschule, Hofcaplan Maximilians,
^) Act. fac. theol. lib. III. fol. 22. Excerpte daraus bei Kink I.
Anh. S. 30.
2) Bulaeiis, bist. Univ. Paris. IV. p. 78 nennt unter den Reuchlin
Beistimmenden Nicolaus Gerbel von Pforzheim und Simon Lazius von
Stuttgart. S. unten den Artikel Velocianus, wo der Brief des Lazius
an Reuchlin erwähnt wird. — Vgl. Kink I. p. 225.
^) Bulaei bist. Univ. Paris, ad ann. 1512. IV. p. 58.
Bü6lieT-Censiir . 115
den der Kaiser in Rom als seinen Greschäftsfiihrer hatte,
eifrig zu Gunsten Reuchlin's gewirkt hat.*)
Dass auch über wissenschaftliche Fragen, die nur ent-
fernt mit der Theologie in Verbindung standen, die Ent-
scheidungen der theologischen Facultät nachgesucht wurden,
kam nicht selten vor. Kaiser Maximilian trug Bedenken, #
der Meinung seines Historiographen Johann Stabius in
Bezug auf die directe Abstammung des Hauses Habsburg
von Noe und seinem Sohne Cham beizustimmen. Er fand
diese Behauptung nicht ganz begründet und glaubwürdig,
ja vielleicht auch mit der biblischen Ueberlieferung nicht
ganz im Einklang. Er verlangte daher von der theologischen
Facultät über die Frage ein entscheidendes Gutachten. Diese
ernannte zur Prüfang der Sache ihre zwei gelehrtesten Mit-
glieder, die Doctoren Johann Trapp und Johann Camers.
Der nicht lange hernach erfolgte Tod des Kaisers überhob
die Facultät der Verlegenheit, entweder ihre Unwissenheit
in der Sache einzugestehen, oder mit einem gedrehten,
nichtssagenden Gutachten einer bestimmten Antwort auszu-
weichen. Die Behauptung einiger späterer Schriftsteller,
dass wirklich ein theologisches Gutachten abgegeben wor-
den, stützt sich nicht auf ein urkundliches Schriftstück.^) '
Seit der Erfindung der Buchdruckerkunst war der theo-
logischen Facultät noch ein weiteres Vorrecht zugefallen,
1) Vgl. unten im 2. Buche den Artikel Kosinus.
2) Conspect bist. Univ. Vienn. II. 96. ad ann. 1518: Maximilianus
dedit ad Universitäten! literas, ut certos de facultate theologica deligeret,
qui genealogiam a Noe inchoatam ad Sicambrum uaque, si fors quidquam
sententiae Jo. Stabii aUonimque ejusdem mentis subesset veritatis con-
texerent: cujus imperio obsequuta facultas per designatos eum in laborem
doctores Joannem Trapp et Joannem Camertem, desideratam complexa est
genealogiam Caesarique transmisit — Cod. Nr. 3327 auf der k. k. Hof-
bibUothek, worin: Scriptum Jo. Stabii super Conclusionibus genealogie
domus Austrie. Vgl. Lambec. lib. 2. Comment. p. 467. Chmel, Handschr.
d. k. k. Hofb. I. 8. 486.
8*
116 Einwirkungen des Hamanismue anf die Facnltätestadien.
nämlich die Bücheir-Censur. Sie zog alle von den
Universitäts - Angehörigen durch den Druck verbreiteten
Schriften vor ihr Forum und sie entschied, ob die Druck-
werke als ketzerische ganz unterdrückt oder als theilweise zu
purificirende nur bedingungsweise zugelassen werden dürften.
Ein Beispiel letzterer Art liefert die von dem Humanisten
Thomas Velocianus nach dem Tode des Celtes dessen
in Druck herausgegebene Oden-Sammlung (1513). Da darin
manches Anstössige, Irrthümliche, den wahren Glauben und
die guten Sitten Verletzende gefunden wurde, so verlangte
die theologische Facultät, dass alle missfalligen Stellen ent-
fernt wtirden, bevor der Verkauf und die Weiterverbreitung
der Sammlung stattfände. Dass die Beschlüsse nicht immer
strenge ausgeführt wurden, zeigte sich auch hier: weder
ward eine zweite castigirte Ausgabe veranstaltet, noch findet
man, dass die Verbreitung des unveränderten ursprünglichen
Textes eingestellt wurde.')
Mancherlei Conflicte entstanden zwischen dem Rector
und der theologischen Facultät, namentlich wenn jener nicht
ein theologischer Doctor war, insbesondere in Betreff der
geistlichen Gerichtsbarkeit. Da der artistische Magister
Thomas Velocianus als Baccalaureus der Theologie im
J. 1511 nach dem üblichen Turnus zur Vertretung der
theologischen Facultät zum Rector erwählt wurde, so prote-
stirte diese gegen die Wahl, weil ein Baccalaureus sie nicht
vertreten könne. Da der Widerspruch durch Fälle früherer
Gepflogenheit widerlegt werden konnte, so zögerte Velocianus
nicht, über die theologische Facultät, welche ihm den Ge-
horsam versagte, die Excommunication auszusprechen. Die
Excommunicirten betrachteten aber aen Bann nicht als giltig;
sie Hessen sich im Besuch und in der Abhaltung des Gottes-
dienstes nicht stören und appellirten an Kaiser und Papst.
') Kink I. Anh. S. 28 fll. und unten 2. Buch, Artikel Velocianus.
Job. Eck*B theologische DiBpntation in Wien. 117
Die Sache erregte grosses Aergerniss. Die Ungehorsamen
fanden endlich doch für gut, bald zu ihrer Pflicht zurück-
zukehren und den neuen Rector anzuerkennen, ja sogar den
Papst wegen ihres ungesetzlichen Verhaltens um Absolution
zu bitten, welche ihnen auch zu Theil ward.^)
In Betreff der Behandlung der Disciplinen des Studien-
ganges in der theologischen Facultät waren keine Aende-
rungen von besonderer Erheblichkeit eingetreten, höchstens
machte sich bei der biblischen Exegese der Einfluss des
Humanismus geltend, so dass man den Werth der Kenntniss
des Griechischen und Hebräischen zu schätzen anfing. 2)
Die Namen der damaligen ausgezeichneteren theologi-
schen Professoren an der Wiener Universität mit einer
kurzen Charakteristik ihrer Persönlichkeit erfahrt man aus
r
einem Schreiben des bekannten Ingolstädter theologischen
Professors Dr. Johann Eck, der damals auf seinen Beisen
zum Besuch der deutschen Universitäten auch einige Zeit
(im Sommer 1515) in Wien verweilte. Bereits war er zu
Köln, Heidelberg, Mainz, Freiburg, Tübingen, Basel, aber
auch in Italien zu Bologna in theologischen Disputationen
mit den ersten Gelehrten seines Faches aufgetreten und
hatte durch seine Sprachfertigkeit, sein umfassendes Wissen,
besonders aber durch sein eminentes Gedächtniss überall
Triumphe gefeiert. Er wollte auch in Wien, welche Hoch-
schule in früheren Jahren durch ihre quodlibetistischen
Disputationen und scholastischen Prunkreden einen beson-
dern Ruf hatte, neue Lorbeeren sammeln. Er forderte
daher die theologische Facultät auf, sich mit ihm in einen
1) Kink I. S. 209. Anh. XXXIV. S. 118.
2) Eine ständige Professur für die griechische Sprache wurde jedoch
erst 1523 in der artistischen Facultät errichtet (vgl. unten 2. Buch, Artikel
Rithaimer). Der erste Professor der hebräischen Sprache kommt 1533 vor.
Damals kam Anton Margarita, Sohn des Rabbiners Samuel von Tübingen,
nach Wien. Vgl. Kink I. S. 276, n. 324.
118 Einwiitcuiigen des HnmaniBmns auf die Facalt&tBstadien.
gelehrten Redekampf einzulassen. Nur zögernd und ungern
nahm man mit Zustimmung des Superintendenten und des
Rectors die Aufforderung an. Die Disputation fand am
28. August 1515 in der Universitäts-Aula statt, unter dem
Vorsitze des von den landesfürstlichen Regentes delegirten
juridischen Doctors Georg Besserer. Auch der Rector Victor
Gamp war zugegen und eine zahlreiche Versammlung von
Professoren, Magistern, Baccalaureen, Studenten aller Facul-
täten. Das Gedränge war überaus gross, ja lebensgefahrlich.
Einen ohnmächtig gewordenen Studenten trug man als todt
aus dem Saale. Es wurde über eine Reihe der verschieden-
sten und schwierigsten theologischen und scholastischen
Fragen den ganzen Tag hindurch auf das hartnäckigste
disputirt. Die Facultät hatte ihre tüchtigsten Streiter
gestellt: an der Spitze ihren im scholastischen Wissen
ausgezeichneten Decan Martin Huper, einen Domini-
caner; dann den an der Pariser Universität gebildeten
gelehrten Johann Trapp; ferner den Minoriten Johann
Camers, einen ebenso als Theologen, wie als Philosophen
und Humanisten ausgezeichneten Italiener, nach welchen die
Doctoren Johann Launtsch aus Weissenburg und Chri-
stoph Külber aus Graz folgten, jener als Anhänger des
wissenschaftlichen Fortschritts, der andere durch seinen
Scharfsinn und sein tieferes Eindringen in die zu behan-
delnden Fragen bekannt. Den Theologen reihten sich an die
beiden artistischen Magister JohannChekman aus Schillings-
stadt und Thomas Velocianus aus Krems, der eine Licentiat
der Theologie, der mit viel Geschrei und in derber Weise
opponirte, der andere Baccalaureus der Theologie, beide in
den Schriften Augustinus und Plato's sehr bewandert ; Velo-
cianus war auch ein namhafter Humanist. Nachdem man
sich bis zum Abend gestritten, machte der Vorsitzende mit
Zustimmung des Rectors und des theologischen Decans dem
Redeturnier von zweifelhaftem Ausgange ein Ende. Jeder
Die Tonüf licheren Mitglieder der theologischen Facultät. 119
Theil konnte sich rühmen ^ nicht überwunden worden
zu sein. *)
Bei der vorherrschenden Richtung; an der Universität,
wo die Humanisten sich ziemlich offen und scharf über
manche kirchliche Missbräuche äusserten ^) und selbst einige
Theologen durch ihre freisinnige Auffassung kirchlicher
Zustände und Verhältnisse Anstoss erregt hatten,^) wie auch
bei der ganzen Zeitströmung kann es nicht auffallend sein,
dass die reformatorische Bewegung, welche in Deutsch-
*) Jo. Eck berichtet seinem Bischof von Eichstett in einem Briefe
über die Disputation wie folgt (vgl. Conspect. II. p. 91): Argumentatus
est Dr. Martinus Hu per Facult. Theol. Decanus ex sacro Praedicatorum
ordine, vir admodum acutus et hujus scholastici exercitii gnarus: Dr.
Joannes Trapp, maturae eruditionis ac doctrinae vir, Leucoteciae Parrhi-
siorum alumnus: Dr. Joannes Camers Italus, divi Francisci sacerdos
varia doctrina praeditns, Musarum antistes et historiae diligens scrutator,
qui ex studio Paduano (ubi cum magna laude philosophiam professus est)
ad Viennam concessit, et primus Doctoris Subtilis Joannis Duns Scoti
dogmata subtüissima plenis velis Viennensi gymnasio invexit: Dr. quoque
Joannes Lentsch (i. e. Launtsch) Wisenburg^cus, industrius Neotericorum
sectae assertor: Dr. Christophorus Külber ingenio, ut mihi videbatur acuto,
accurate et in forma, ut ajunt, rationes suas validas ad amussim stringebat
— Post sacrae Theologiae Doctores locus datus est facultatis
artium decano ac Domino Joanni Heck man, sacrae sophiae Licentiato,
in quo solo desiderassem majorem modestiam: nam is omnia clamoribus
opplebat, ac scholasticis sua volebat proponere argumenta. Thomas item
Resch cognomento Velocianus, amoenissimi ingenii vir, in sacra
Theologia et humanioribus literis laurea insignitiis, afl'erebat pleraque
remotiöra ex divi Augustini et Piatonis de angelicis spiritibus sententia.
Eder, Catal. Rect. ad ann. 1615. p. 60: Florebant hoc tempore celeberrimi
Theologi: Martinus Hupper, Christophor. Kulber, Joann. Trapp,
Georg. Launtsch, Theodoricus Rhenanus, Thomas Resch, Joannes
Heckmann, Joannes Camers. Eder nennt hier noch bei den Theologen
den Theodorich Rhenanus aus Schlettstadt im Elsass, ednen Ver-
wandten des berühmten Beatus Rhenanus, welcher wahrscheinlich im
J. 1515 nicht mehr lebte, daher er auch von Dr. Eck niclit erwähnt wird.
2) Z. B. Celtes über den Ablass.
3) Wie der theologische Professor Dr. Johann Kaltenraarkter , von
dessen Process oben S. 24 gehandelt worden.
120 EinwirknngAii d«8 Humanisnins auf die Facultttsstudien.
land durch Martin Luther hervorgerufen ward, auch An-
klang fand in der Donaustadt unter den Gelehrten. So
lange aber Kaiser Maximilian lebte, hielt man sich noch
mit öffentlichen Manifestationen zurück. Selbst die theo-
logische Disputation des in Wien wohlbekannten Dr. Eck
mit Karlstadt und Luther in Leipzig (1518) machte auf
die Wiener noch keinen besondern Eindruck; man war
offenbar über die Sache noch zu wenig orientirt und ahnte
nicht ihre eminente Bedeutung und ausserordentliche Trag-
weite.
Die bald nach Maximilians Tod in Wien ausgebrochenen
politischen Unruhen und die Hinneigung der verwegenen
Führer der tumultuarischen Bewegungen bei der Entfernung
der Landesfürsten in Spanien machten für alle Neuerungen
auch auf kirchlichem Gebiete empfanglicher.
Der damalige Wiener Bischof Georg Slatkonia, mehr
ein Gelehrter und Kunstfreund als ein strenger Theolog,
verhielt sich passiv; die Universität Hess die Verbreitung
der neuen Lehren zu, die theologische Facultät, welcher es
vorzüglich zugekommen wäre, dagegen einzuschreiten, fühlte
sich zu schwach, dieses zu thun, und verhielt sich zuwartend.
Erst als reformatorische Bücher und Flugschriften im An-
fange des J. 1520 vielfach in Wien verbreitet wurden,
versuchte man mit Hülfe des Bischofs und der städtischen
Behörde die Bewegung zu unterdrücken.
Gegen Ende des J. 1520 nahmen die kirchlichen Zu-
stände für die Hochschule eine ernstere Gestalt an und sie
wurde mehr dazu gedrängt, Partei zu ergreifen. Im October
schon war von dem päpstlichen Commissär Dr. Johann Eck
die päpstliche Verdammungsbulle einer Anzahl lutherischer
Lehrsätze eingelaufen mit der Aufforderung, alle in Umlauf
befindlichen reformatorischen Schriften zu vernichten und
gegen die Anhänger der verdammten Lehren strafend ein-
zuschreiten.
Erste Verbreitung von Lnther's Lehrsätzen in Wien. 121
Die Universität entsprach der päpstlichen Weisung
nicht, aus mehrfachen Gründen : zunächst hegte man Zweifel
an der Echtheit der Bulle, dann aber behauptete man, wenn
auch ihre Echtheit bewiesen sei, müsse man erst abwarten,
was in der Sache der Kaiser und das Reich beschlössen,
endlich wollte man von dem Wiener Bischof, der sich aber
unschlüssig zeigte, die Initiative ergriflfen haben.
Die theologische Facultät handelte allerdings mit
grösserer Entschiedenheit, um der Bulle zu entsprechen.
Sie traf Anstalt, selbst eine Widerlegungsschrift gegen
Luther's Ansichten zu verfassen; aber sie fand an allen
Orten Widerspruch und Hinderniss. Der Rector legte
eine motivirte Verwahrung gegen die Veröffentlichung
der päpstlichen Bulle ein, freilich mit der Betheuerung
seiner Anhänglichkeit am katholischen Glauben, an der
Treue gegen die Kirche und am Evangelium: und das
Verbot , das er zugleich gegen die Verbreiter der Bulle
erliess, die er mit dem Kirchenbanne bedrohte, schreckte
die Facultät von ihrem Vorhaben zurück. Dazu kam
noch, dass der Statthalter Leonhard Zeg, der für den
abwesenden Enkel Maximilians, den spanischen König Karl,
die Regierung führte, der Lutherischen Lehransicht ganz
zugethan war ') und den Rector in seinen Massregeln gegen
die theologische Facultät auf das kräftigste unterstützte ; er
inhibirte förmlich, dass sie irgend eine Erklärung gegen die
neue Glaubenslehre durch den Druck veröffentlichte. Erst
nach dem Tode Zeg^s, der im Anfange der Jahres 1521 aus
dem Leben schied, konnten die Theologen ungehinderter
und freier handeln. 2)
^) Qui fait capitaneus loco Principis et totus Lutheranus et in-
fest us facultati atque clero. Er wird auch osor Pontificis genannt.
Act fac. theol. ad ann. 1520.
2) Vgl. Conspect. hist. Univ. Vienn. II. 9ö. Kink I. S. 235 fll.
122 EinwirkiingAn des Hmnanismas auf die Fscalt&tsstudien.
Aber die in jener Zeit eingetretenen bürgerlichen Un-
ruhen und Aufstände in Wien, ferner die Verheerungen,
welche daselbst die Pest anrichtete, lenkten einigermassen
von den kirchlichen Streitfragen ab.*) Der weitere Verlauf
derselben kann aber hier nicht gegeben werden, indem sie
über den Rahmen unserer geschichtlichen Darstellung hinaus
liegen.
^) lieber di6 kirchlichen Streitfragen und bürgerlichen Unruhen in
Wien nach Maximilians Tod bis auf Ferdinands Ankunft (von 1519 — 1622)
die Act. fac. theol. zu den betreffenden Jahren, die Hauptstellen bei Kink I.
Anhang. XXXI. S. 120—129, n. 1—23, und Buchholtz, Gesch. Ferdinands I.
S. 329, die Act. fac. art. IV. fol. 112 fll., Conspect. bist. Univ. Vienn. II.
p. 102, und unten im 2. Buche die Artikel Camers und Capinius.
Fünfter Abschnitt.
Aeusserer Bestand der Wiener Universität im Anfang
des 16. Jahrhunderts.
Was die äusseren Verhältnisse der Universität, ihre
Organisation und Einrichtung betrifft, so hatte sie in der
Zeit der Regierung des Kaiser Maximilian I. keine wesent-
lichen Veränderungen erfahren. Die alten Universitäts-
Statuten bildeten immer noch die Grundlage aller ihrer
Einrichtungen. Darnach wurde der Rector fiir jedes
Semester von den jedesmaligen halbjährigen Procuratoren
der vier Nationen, welche die Gesammtheit der Lehrer
wie der Scholaren vertraten, gewählt und zwar nach einem
regelmässigen Turnus, aus den lehrenden Mitgliedern der
verschiedenen Facultäten.
Nur selten wurde von diesem Modus abgewichen. In
dem Vierteljahrhundert der Maximilianischen Regierung be-
kleideten die Professoren Christoph Kulber fünf*) und
Johann Trapp vier Mal das Rectorat. Eine drei- und
zweimalige Führung des Amtes kommt öfter vor.
^) Neuere Rectoren-Cataloge enthalten die unrichtige Angabe, dass
der Licentiat der Theologie Johann Chekman fünf Mal Rector
gewesen. Johann Kekman oder Chekman, aus Haugsdorf, Licentiat
der Theologie und Pfarrer in Statz, war als Doctor des canonischen
Rechts, zweimal 1496 und 1501 Rector. Er starb 1512, wie sein mit
124 Aensserer Bestand der Universität im Anfang des XYI. Jahrh.
Eine besondere Erwähnung verdient, dass die auf italie-
nischen Universitäten nicht selten vorgekommene Sitte,
fürstliche Scholaren zur höchsten akademischen Würde zu
erheben, auch in Wien Nachahmung fand. Mit der Er-
hebung wurde in diesem Falle zugleich honoris causa das
philosophische Magistcrium ertheilt, so dass dann der fürst-
liche Scholar als graduirtes Facultäts-Mitglied galt.
In solcher Weise wurde im J. 1503 der schlesische
Herzogssohn Friedrich von Teschen und Grossglogau,
der in Wien die Rechte studierte, *) und einige Jahre später
(1510) der ebenfalls der juridischen Facultät angehörige
Scholar Franz Sforza, Herzog von Mailand, 2) durch
Erwählung zum Rector ausgezeichnet. Dem mit ihm fast
gleichzeitig in Wien studierenden baierischen Prinzen Ludwig
widerfuhr jedoch diese Auszeichnung nicht. ^)
Erst seit Maximilians I. Regierung kam es auf, dass
der Rector officiell das Prädicat „Magnificus" führte.'*)
einer Inschrift versehener Grabstein in der St. Stephanskirche angibt.
(Vgl. Ilg in den Mittheil, der Central-Commiss. f. Erforsch, d. Kiinst-
Denkm. Wien 1875. Neue Folge I. Hft. 4.) Ein anderer Johann
Checkmann oder Heckmann, aus Schillingsstadt in Franken, eben-
falls Licentiat der Theologie, bekleidete als artistischer Professor, drei
Mal 1507, 1510 und 1514 das Rectorat. Mit diesem disputirte Johann
Eck im J. 1515. (Vgl. oben S. 118.)
^) Eder, Catal. Rect. p. 49 ad ann. 1503. Dominus Fridericus illustr.
dux Silesiae Teschnens. et Majoris Glogoviae.
2) Eder 1. c. ad ann. 1510. Franciscus Sforcia dei gratia dux Mediolani
et Barhi.
3) Eder 1. c. ad ann. 1511: dedit hie operam literis ill. Princeps
et D. Ludovicus Dux Bavariae.
^) In den Act. fac. art. und in den Act. Univ. bekommt schon im
J. 1500 der Rector den Ehrentitel Magnificus officiell. Vgl. Conspect.
bist. univ. Vienn. II. 67 f. Die Humanisten bezeichneten den Rector ge-
wöhnlich mit dem Worte Moderator. Dass Cuspinian nicht der erste war,
welcher in seinem Rectorate (1500) den Titel Magnificus führte, wie Rosas
(Gesch. d. Wien. Hochsch. I. S. 107) meint, lässt sich daraus ersehen,
dass Briccius Preprost, der 1497 Rector war, dieses Prädicat schon hatte.
Vgl. unten 2. Buch im Art. Scipio.
Frequenz der Uniyersit&t. 125
•
In den beiden ersten Decennien des 16.. Jahrhunderts
hatte die Frequenz der Studierenden an der Wiener Hoch-
schule ausserordentlich zugenommen. ^) Der jährliche Zu-
gang* der Immatriculirten betrug zwischen 600 bis 800 Scho-
laren. Am zahlreichsten war die rheinische Nation, wozu
das ganze westliche Deutschland und die Schweiz 2) gehörten,
vertreten. Die Hälfte aller Scholaren waren die Rhenani.
Die österreichische Nation mit den dazu gehörigen Italienern 3)
zählten kaum halb so viel und die ungarische mit der säch-
sischen Nation zusammen, d. i. die von Osten und Norden
hergekommenen, bildeten kaum ein Viertel der Gesammt-
zahl, die zur Zeit Maximilians in manchen Jahren auf 5000
und mehr anzuschlagen ist. ^)
Bei der grossen Menge der Studierenden war es zur
genauen Beaufsichtigung des Personalstandes der Universität
noth wendig, dass jeder zur Universität Gehörige , der an
ihren Privilegien und Vorrechten Theil nehmen wollte, nicht
nui' bei dem Decan der Facultät, wohin er seinen Studien
nach gehörte, sich einschreiben Hess, sondern auch von dem
Procurator seiner Nation in dessen Matrikelbuch
eingetragen wurde. Selbst neu angekommene Baccalaureen,
Licentiaten, Magister und Doctoren waren in die Nations-
*) In einer Oratio Modesti Umbri vom J. 1510 heisst es: (Viennae)
tantum studiosonim multitudinem quantum me in nullo Italiae ' gymnasio
vidisse unquam confiteor.
2) Ulrich Zwingli studierte als 15- oder 16 jähriger Scholar 1499 und
1500 in der artistischen Facultät in Wien. Er zeigte in der Folge, dass
er dieser Hochschule vor allen andern zugethan war, indem er ihren Be-
such seinen Brüdern und Landsleuten empfahl.
^) Franciscus Piccolomini aus Siena (Neffe des Aeneas Sylvius),
der als Plus III. im J. 1503 den päpstlichen Stuhl bestieg, hatte in Wien
einen Theil seiner Studien gemacht.
*) Eder, Catal. Rect. p. 50 gibt 7000 an: Quorum (scolarium) non-
nunquam ultra VII milia uno tempore hie (Viennae) fuisse constat. Elnk,
Gesch. Wien. Univ. I. S. 226, n. 264 bezweifelt die hohe Zahl, welche
Eder angibt.
126 Aensterer Bestand der UniTenittt im Anfiuig des XYI. Jahrh.
Matrikel eiozuschreiben. Die Gebühr für die Oraduirten
betrug 1 bis 2 Groschen, für die Scholaren 4 Pfennige.
Die Inscription oder Intitulation in die Nations-
Matrikel wurde nicht selten unterlassen. Daher wurde am
22. März 1515 zur strengen Beobachtung des alten Gesetzes
wiederholt angeordnet, dass die Scholaren, welche die In-
titulation unterliessen, beim Ansuchen um die Ertheilung
der akademischen Grade zurückzuweisen wären.*)
Zu den Universitäts- Angehörigen, welche, ohne Graduirte
und Scholaren zu sein, dem Kector und dessen akademischen
Gerichtsbarkeit unterstanden, kamen ausser den sogenannten
Supposita (Officianten, Pedellen, Schreibern, Instrumenten-
machern etc.) seit der Verbreitung der Buchdrucker-
kunst eine neue Classe hinzu: ^) nämlich die Buch-
drucker, Buchhändler und Buchverleger, welche eine
doppelte Stellung hatten, zur Universität und auch zum
städtischen Regiment, indem sie in der Regel wohlhabende
und angesehene Wiener Bürger waren.
Als der erste ständige Buchdrucker in Wien ^) ist
Johann Winterburger (De hiberna arce) *) aus der rhei-
nischen Grafschaft Sponheim, vielleicht einer der Gehilfen
der ersten Erfinder der Typographie in Mainz, anzusehen,
der sich in der letzten Regierungszeit Kaiser Friedrichs III.
») Kink II. Statutenbuch N. 61. S. 327.
^) Es führte der Decan der artistischen Facultat ein besonderes Yer-
zeichniss oder eine besondere Matrikel Über die Supposita.
^) lieber die ersten Buchdrucker und Buchhändler in Wien handelt
Denis, Wien's Buchdruckergeschiehte in der Vorrede p. VII — XX aus-
führlich. Schier in der Commentatio de prim. Vindobon. Typogr. hatte
den Gegenstand schon früher behandelt. Auch Hormayer, Wiens Denkw.
I. 4. S. 122 ff. spricht in der Kürze davon.
*) Der Name findet sich auf den Büchern auch abgekürzt angegeben :
Winterburg, Winterb., Winter, u. Jo. W., der Druckort ist bezeichnet: in
urbe Viennensi, Viennae Austriae, Viennae Pannoniae, in urbe Pannoniae,
quae olim Flaviana.
Die ersten Wiener Buchdrucker und Bnchhändler. 127
in Wien niederliess. Sein erstes in Wien gedrucktes Buch
ist aus dem J. 1492, sein letztes aus dem J. 1519. Celtes
und Cuspinian Hessen bei ihm meistens ihre Schriften
drucken. Seit 1510 druckte Hieronymus Victor oder
Böttcher aus Liebenthal in Schlesien (daher auch Doliarius
und Philovallis beigenannt) zuerst allein, dann häufig in
Gesellschaft mit Johann Singriener oder Syngrenius *)
aus Oettingen in Baiern. Vom J. 1515 trennten sie ihre
Druckereien. Hieronymus Victor druckte in Wien bis 1531
und siedelte dann nach Krakau über, Singriener setzte die
Druckerei in Wien fort bis an seinen Tod 1545. Mit grie-
chischen Lettern druckte man in Wien erst im Anfang des
16. Jahrhunderts. 2)
Von den Chalcographen oder Typographen, auch
Impressoren genannt, sind zu unterscheiden die Buch-
händler und Verleger, auch Buchführer, Bibliopolen
und Venditores librorum geheissen. Die ersten Buchhändler
in Wien waren die Gebrüder Leonhard und Lucas Alantsee
aus einer Augsburger Buchhändler-Familie, ^) die ihren Laden
in der Nähe von St. Stephan, auf der Brandstatt hatten,
und seit 1510 bei Winterburger, Victor und Singriener,
aber auch auswärts in Venedig, Basel, Strassburg drucken
liessen. *) In Venedig, Frankfurt und anderen Orten kauften
^) Auch abgekürzt bezeichnet: Singre. und J. S. Als Gesellschafter
nennen sich beide Buchdrucker Calcographi Sodales, Socii und Partiarii.
Den Druckort geben sie an: ex aedibus Viennae Anstriae oder Pannoniae,
manchmal auch nur mit Viennae. Die Druckerei befand sich zuerst auf
dem alten Fleischraarkte, dem St. Laurentius-Kloster gegenüber, später in
der Weihburggasse im Mediciner-Hause.
2) Vgl. Denis, W. B. G. 8. 46, wo von einer Wiener Edition des
Sallust V. J. 1511, worin griechische Lettern vorkommen, gesprochen wird.
3) Vgl. Mittheil, der k. k. Central-Commission z. Erforsch, u. Erhalt,
der Baudenkmale.' Suppl.-Bd. II. Hft. Wien 1874. Abhandl. v. Hart-
mann V. Franzenshuld: die BuchfÜhrer-Familie Alantsee in Wien.
*) Als Verleger kündigen sie sich an bei ihrem Namen durch den
Zusatz: ex impensis oder expensis, auch sumtibus und ductu; letzteres war
128 Aensserer Bestand der Universität im Anfangr des XVI. Jahrh.
sie Bücher auf, welche sie als Buchführer oder Bibliopolen
zum Verkaufe ausstellten. ^) Als Leonhard im Jahre ^ 1518
gestorben, setzte sein Bruder Lucas allein das Geschäft bis
an seinen Tod 1522 in dem bei dem Stephansplatz gelegenen
Hause fort. 2)
Johann Metzker, der als Buchhändler seit 1513
meist bei Singriener drucken Hess, überlebte die Gebrüder
Alantsee.
Bei dem raschen Anwachsen der Universitäts-Biblio-
thek, die auch Bibliotheca artistica genannt wurde, musste
für neue Räumlichkeiten gesorgt werden, die Bücher unter-
zubringen. Die Juristen hatten theilweise ihre Bücher-
Sammlung in der Schulergasse in der Schola Juristarum,
die Mediciner in ihrer Behausung in der Weihburggasse,
die Theologen im CoUegium Ducale. Die Artisten, welche
aber aus allen Facultäten Bücher aufnahmen, fanden sich
bald im Raum beschränkt, obschon sie seit 1493 ein beson-
deres Gebäude, dem Collegium Ducale gegenüber, am Aus-
gange der unteren Bäckergasse, besassen. Anfänglich hatte
die neue Localität vollkommen ausgereicht, so dass man
noch sogar einige Räume in der Zeit der Epidemie für
Studenten als Krankensäle benützen konnte, und diesen
Theil des Hauses auch das neue Hospital nannte. Bald er-
kannte man aber das Unpassende der Zusammenstellung
die eigentliche Bezeichnung, wenn der Verfasser des Buches Selbst-
verleger war.
*) Dr. Kürschner, Vorsteher des k. k. Reichs-Finanz- Archivs, hatte
die Gefälligkeit, daraus eine Abschrift von Kaiser Maximilians Vergünstigung
vom J. 1512 für die Gebrüder Alantsee dem Verfasser mitzutheilen , wo-
nach ihnen auf sechs Jahre gestattet wurde, Bücher zum Verkauf auszustellen.
Zum Behufe der Feststellung billiger Preise sollte aber vorher mit der
Universität verhandelt werden. — Von 1510 — 1520 sind fast aUe huma-
nistischen Bücher, welche in Wien erschienen, im Verlag der Gebrüder
Alantsee von Victor und Singrenius gedruckt worden.
2) Er legte sich stolze Beinamen zu: Tegniphilus (i. e. techniphilns)
Nobilis, omnium literatorum Parens.
Universitäts-Bibliothek. Bnraen. 129
der Bücher mit den Kranken und errichtete, um für die
Bibliothek allein das ganze Haus verwenden zu können,
ein besonderes Studenten- Spital bei der St. Sebastianskirche
vor dem Stubenthor. Da dieses Krankenhaus aber schon
nach wenigen Jahren, zur Zeit der türkischen Belagerung
1529, eingeäschert wurde, musste man zu dem verlassenen
Spital bei der Bibliothek zurückkehren, welcher Missstand
damals nicht sehr auffallen konnte, indem gerade die
Frequenz durch die Kriegsereignisse und reformatorischen
Bewegungen ganz herunter gekommen war und die Biblio-
thek weder durch Ankauf noch Schenkungen von Büchern
einen merklichen Zuwachs erhielt. *)
Bei der grossen Frequenz der Universität mussten,
nm Unordnungen und Excessen mehr vorzubeugen^ die
Disciplinargesetze streng gehandhabt, selbst verschärft
werden. Namentlich waren hinsichtlich der Bursen und
Coderien oder Armen-Contubernien , worin die Scholaren
manchmal in grosser Zahl zusammenwohnten, eine genaue
und beständige Aufsicht nothwendig.
Zu den alten Bursen 2) in der Umgebung der Univer-
sität, (Lamm-, Brücken-, Pauls-, Rosen-, Lilien-,
Polen-, auch Schlesische oder Pankota - Burse) und zu
^) Seitdem mit dem Anfang der Reformation die Professoren sich
meistens verheiratheten und Leibeserben hinterliessen, hörte die Sitte, der
XJniversitäts-Bibliothek Bücher testamentarisch zuzuwenden, so ziemlich
auf. Die reichen Bücher-Sammlungen von Cuspinian, den beiden Brassicani
u. A. wurden von ihren Erben verkauft. Der Bischof Johann Fabri von
Wien erwarb sie zu seiner Privatbibliothek, die er jedoch auch nicht bei
seinem Tode der Universität vermachte, sondern der Studenten-Stiftung
von St. Nicolaus, und nach deren Auflösung kam sie, aber nicht ohne
Process, an die Bursa Brück und dann an die Coderia Goldberg. Erst
später wurde sie mit der Universitäts-Bibliothek vereinigt, mit der sie im
J. 1766 in die Hofbibliothek aufgenommen wurde.
2) Vgl. Aschbach, Gesch. d. Univ. Wien S. 201 fll. Kink I. S. 143 fl.,
n. 167. Conspect. bist. univ. Vienn. III.' S. 141 fll. Näheres bei Savageri,
chron.-hist. Samml. aller besteh. Stiftungen. Brunn 1832.
y. Aschbach, Geschichte der Wiener Uniyers. 11. 9
130 Aensserer Bestand der Universität im Anfang des XYI. Jahrh.
den Coderien armer Studenten kamen einige neue Convente
und die bereits bestehenden wurden durch Stiftungen von
Professoren und anderen Wohlthätern reichlicher dotirt, ^)
namentlich wurden die studentischen Armenhäuser ver-
mehrt. Die meisten derselben kamen den Artisten zu
Statten. Da bei der UeberfüUung dieser Convicte und bei
der mangelhaften Aufsicht Vernachlässigung der Studien
und mancherlei Excesse an den Tag getreten waren und
desshalb vielfache Klagen vorgebracht wurden, ward im
J. 1504 von der artistischen Facultät angeordnet, in welcher
Art und Weise jeder auf die Universität kommende Scholar
an einen Magister als Rathgeber für seinen Studiengang
sich anzuschliessen habe und wie viele zahlende und arme ^)
Scholaren höchstens ein Magister in den Bursen und Coderien
unter seiner Leitung zu nehmen habe. ^) Am 13. Juli 1509
wurde in dieser Beziehung ein Universitätsgesetz erlassen, *)
welches näher bestimmte, in welcher Weise in den Coderien
^) Oswald de Weikersdorf, ein Wiener Canonicus, machte 1497 für
die Brückenburse eine Stiftung (Locher, Specul. p. 304). — Der Theologie-
Professor Johann Trapp machte 1504 und folgende Jahre einige Stiftungen
zu Gunsten der Lammburse (Locher 1. c). — Der Med. Dr. Georg Taler,
Bürger in Wiener- Neustadt, vermachte 1 508 in einem Testamente 600 Pfd.
Pfennige der Bursa Pauli (Rhein. Nat. Matrik. ad ann. 1608). Eben diese
Burse, welche auch den Namen Heidenreich führte, erhielt 1517 vermehrte
Einkünfte und die Rosenburse ward 1510 neu restaurirt. Im J. 1520 wies
der theologische Professor Kulber der Lammsburse ein ansehnliches Stipen-
dium zu (Locher 1. c). — Eder, Catal. Rect. an mehreren Stellen; ad
ann. 1517 p. 63 berichtet er: Venditur Bursa Pauli et ejus in locum domus
emitur proxima, quae nunc dicitur Bursa Haydenhaim ex fundatione Pauli
Wann Canonici et Concionatoris circa ann. 1484.
2) Derjenige Scholar, welcher durch voUgiltige Zeugnisse darlegen
konnte, dass er nicht über 10 Pfd. Pfennige jährlich zu verzehren habe,
wurde als pauper discipulus aufgenommen. Wo ein Magister die Studien
von zwölf zahlenden Scholaren leitete, musste er sechs arme, die nicht
zahlten, dazu nehmen.
3) Kink, Gesch. d. Wien. Univ. II, n. 47. p. 315.
*) Kink a. a. O., n. 46. p. 312—314.
Der lateinische Krieg. 131
für unbemittelte Studenten von den Conventoren, welche
in der Regel Magister oder Baccalaurei waren, die Bekösti-
gung, Beaufsichtigung und Repetitionen zu leiten seien. ^)
Auch waren die Facultätsdecane angewiesen, eine strenge
und beständige controlirende Inspection über die genaue
Beobachtung der erlassenen Verordnungen zu führen.
Ungeachtet der strengen Disciplinargesetze nahmen die
studentischen Excesse und Zügellosigkeiten überhand. Freilich
trugen die Studenten nicht immer allein die Schuld bei dem
häufigen Strassenunfug und den nicht seltenen blutigen
Raufereien mit den Handwerksgesellen und Bürgern. Die
Scholaren machten, wie die Gesetze vorschrieben, durch
ihre besondere Tracht mit den Gugeln und Gürteln
ihren Stand kenntlich. 2) Nur wenn sie diese Studenten-
Abzeichen trugen, waren sie der Universitäts - Privilegien
theilhaftig. Es waren diese äusseren Kennzeichen, die sie
unter den Schutz der Universität stellten um so nöthiger,
da ihnen das frühere Vorrecht Waffen zu tragen entzogen
war. 3) Aber gerade die Abzeichen gaben häufig hinwiederum
Veranlassung zum Spott und zu Neckereien von Seiten der
Gegner der Studenten und fiihrten dann zu Strassen-
kämpfen.
*) Ein Artikel bestimmte auch: Conventor domus Paupenim viginti
quatuor discipulos pro Codria stantes nee pluresTprotune assumere debet,
qnibus similiter Praeceptor superintendere debet. Quieunque vero magistri
jam acta viginti etiam plures discipulos habuerint seu divites vel pauperes,
hoc praefatis magistris ad mittimus. Sed tales interea nuUam jam novellum
discipulum suscipiant, donec praescriptus discipulomm numeros aequatur
sub poenis majoribus facultatis.
^) Ueber die Studentenkleidung gibt die Verordnung vom 29. Juni
1613 wiederholt nähere Bestimmimgen. Kink II, n. 48. S. 318 ff. Eder,
Catal. Rect. p. 50 fasst die Sache kurz zusammen: Tirones singularum
facultatum — cingula, profectiores cappas, alii demum alia atque alia
gestabant ornamenta, quibus ab indoctae plebis turba et agnosci et honorari
possent.
3) Kink 1. c. S. 321.
9*
132 Aensserer Bestand der ünivenit&t im Anfang des XVT. Jahrh.
Unter diesen Kämpfen war der am 20. Mai 1513
entstandene der blutigste: er wurde, da die Streitigkeiten
sich noch einige Zeit weiter fortzogen, der lateinische
Krieg genannt. Durch Neckereien anfänglich herbeigeführt,
entwickelte er sich bald zu grösseren Dimensionen, zu
schweren und gefahrlichen Verwundungen und zu Todt-
schlägen.
Anstatt dass der städtische Magistrat dem Unwesen
steuerte und die Bürger wie die Gesellen von der Insul-
tirung der Studenten abhielt, wurde von dem damaligen
Wiener Bürgermeister Johann Rynner, einem rohen
Gerber, der mit Hass und Erbitterung gegen die Univer-
sität erfüllt war, in ganz rücksichtsloser brutaler Weise
vorgegangen. Er Hess durch seine Schergen die mit den
Bürgern im Kampf befindlichen Studenten aufgreifen und,
ohne auf die Universitäts-Privilegien Rücksicht zu nehmen,
unter Misshandlungen in die städtischen Gefängnisse werfen,
wo sie trotz des Protestes des Rectors weiter in Haft ge-
halten wurden. ')
Ein landesherrliches Edict, welches damals (29. Juni
1513) erlassen wurde und den Studenten zwar erlaubte, die
Gürtel abzulegen, aber doch die anderen Abzeichen zu tragen
anbefahl, half wenig und wurde um so unbefriedigter auf-
genommen, als das frühere Verbot des Waflfentragens er-
neuert ward. 2)
1) Die Rhein. Nat. Matrik. ad aim. 1614 beigeschrieben [statt ad
ann. 1513]. Hoc anno electus est in judicem civitatis (i. e. Consul s.
Praetor urbanus) quidam coriarius Joannes Rynner nomine, qui in suo
officio Tiniversitatem nostram multipliciter turbare attentavit et turbavit,
ejusqne alumnos verbalibus et realibus injoriis affectes suo carceri manci-
pavit et ultra ^uam debuit ex jurejurando universitatis nostrae privilegiis
non yiolandi praestito detinuit etiam universitatis magistratibus anxie
soUicitantibus.
2) Kink II, p. 318, n. 48. zu vergl. mit Kink I. S. 229, n. 266.
Sorbait, Catal. Rect p. 71 fast ganz nach Eder: Studiosis armorum usus
S tndenten- Auszug. 1 33
Da eine Genugthuung für die erlittenen Gewaltmass-
regeln des städtischen Regiments nicht gegeben worden,
und man den Angriflfen der bürgerlichen Bevölkerung
gegenüber keinen hinreichenden Schutz erhielt, so fassten
viele Studenten, die nicht in den österreichischen Ländern
einheimisch waren, namentlich solche, welche der rheinischen
Nation angehörten, den Beschluss, die Universität zu ver-
lassen. Es waren ungefähr sieben- bis achthundert Studenten,
welche von Wien auszogen und sich ihrer Heimat, dem west-
lichen Deutschland, zuwandten. Unterwegs in Oberösterreich,
wo sich damals zu Wels Kaiser Maximilian aufhielt, machten
sie Rast, um demselben, bevor sie Oesterreich verliessen,
ihre Beschwerden vorzutragen über das erlittene Unrecht
und sich wegen des Abzuges zu rechtfertigen.
Der Kaiser nahm die Studenten nicht ungnädig auf.
Nachdem er ihre Beschwerden vernommen und ihnen Ab-
hilfe versprochen, ermahnte er sie ernstlich, ruhig zu ihren
Studien zurückzukehren. Zu diesem Zwecke liess er ihnen
ein Viaticum geben. Aber nur ein geringer Theil kehrte
nach Wien zurück. ^) Die meisten setzten ihren Weg in
die Heimat fort oder begaben sich auf andere Universitäten.
Manche von denen, die nicht zurückgekehrt waren, hatten
die Gelegenheit benützt, ihre Schulden unbezahlt zu lassen:
publico interdicitnr decreto. Quo facto Indocta multitado philosophiae
candidatis cingulo indutis illudere incipiebat. Quod cum studiosi ferre
non possent, cingulomm depositionem violentius quam conveniret petunt.
^) Nach Eder, Catal. Rect. p. 66 u. Sorbait, Catal. Rect p. 61, der
jenen f^st wörtlich ausschreibt, wird der Zusammenhang der Begebenheiten
etwas abweichend von anderen Berichten erzählt. Authores (Studiosi)
hujus tnrbae in vigilia D. Laurentii, ne graviorem excitarent seditionem, ab
nrbe discedere jubentur. Eo audito communis fit confoederatio ac eodem
die octingenti studiosi erecto vexillo egrediuntur urbem Welsam usque
ad D. Mazimilianum Caesar. Aug. a quo hanc scholam unice diligi sciebant
profecturi. Dass die Studenten sämmtlich nach der gnädigen Aufnahme
und Besohenkung^ durch den Kaiser nach Wien zurückgekehrt, ist sicher
ein ungenauer Bericht, den auch Kink I. S. 229, n. verwirft.
134 Aeasserer Bestand der Universität im Anfang des XYI. Jahrb.
andere^ die gewissenhafter waren, ihren Verpflichtungen nach-
zukommen, kehrten zwar zurück, aber nur um ihre Gläu-
biger zu befriedigen und dann auch wieder abzureisen. ^)
In welcher Weise wegen der Verletzung der Universitäts-
Privilegien von Seiten des städtischen Regiments Genug-
thuung gegeben ward, findet sich nicht berichet. Doch wird
ausdrücklich angeführt, dass eine wiederholte landesherrliche
Confirmation der Universitäts-Privilegien namentlich in Be-
zug auf ihre besondere Gerichtsbarkeit erfolgte. 2) Dass
damals den Scholaren erlaubt worden sei, wieder Waflfen
zu tragen, wie eine spätere Nachricht meldet, ist nicht
glaublich. ^)
Die Magister und Professoren hatten eine besondere
Amtstracht, worin sie bei öffentlichen Gelegenheiten, aber
auch selbst bei ihren Vorlesungen auf dem Katheder auf-
traten. An ihren Mänteln waren aus Tuch drei Zungen
befestigt, um damit anzuzeigen, dass sie die Gabe der ßeredt-
samkeit in den drei gelehrten Sprachen, -im Lateinischen,
^) Den zuverlässigsten Bericht liefert das Rhein. Nat. Matrikelbueh :
Tandem (judex civitatis Jo. Rjnner) — odio et rancore eflfecit, ut die
9. eiusdem mensis (Augusti) studentes abirent numero ferme 700 ad
sacratiss. Caesar. Majestatem euntes et qnandam supplicationem porrigentes,
cujus copia apud acta Universitatis habetur. Quanquam ad mandatum
S. C. Majestatis per quosdam commissarios salvus studentibus fuisset et
Über regressus datus, attamen paucissimi eorum, qui antea exierunt, redie-
runt. Quidam autem redeuntes creditoribus satisfecerunt et iterato abienmt.
2)- Eder 1. c. bemerkt, dass der Kaiser die Sache seinem Statthalter
in Oesterreich, dem Markgrafen Ernst von Baden, zur Untersuchung über-
lassen habe und schliesst mit den Worten: Studiosi non cingulorum tantum
impetrant liberationem, sed de novo leguntur et confirmantur huic Gymnasio
antiqua sua Privilegia, ubi etiam publice admonitus fuit Magistratus civilis,
ne Academiae Privilegia in minimo offendat. Es handelte sich dabei um
die städtische Zoll- und Steuerfreiheit der Universitäts-Angehörigen. Vgl.
Eder, Catal. Rect. p. 50 ad ann. 1503. ,
3) Conspect. hist. univ. Vienn, II. p. 85. Optimus Caesar — milites
scholasticos honesto donatos viatico cum clementiae significatione redire
jubet. — Repetunt illi Viennam in vigilia Nat. Mariae atque non cingu-
lorum ponendorum modo impetrare facultatem, sed et armorum usum.
Amtstracht und Öffentliche Eeden der Professoren. 135
Griechischen und Hebräischen besässen. *) Freilich war die
Sache nicht streng wörtlich zu nehmen. Denn des Grie-
chischen waren nur sehr wenige kundig, und die Kenntniss
des Hebräischen besass kaum der eine oder der andere
Professor der Theologie. Eine genaue und gründliche Kennt-
niss der deutschen Sprache aber wurde von keinem Univer-
sitäts-Gelehrten verlangt.
Bei allen öffentlichen Feierlichkeiten und Festlichkeiten,
wo Reden zu halten waren, wurden die Magister und Doctoren
beigezogen : ihnen lag ob, im Namen der Universität alle wich-
tigen Ereignisse, welche den Landesfürsten und sein Haus be-
trafen, in wohlgesetzten lateinischen Reden zu besprechen,
namentlich gehörten dahin die Reden bei dem Regierungs-
antritt des Landesherrn, bei seiner Vermählung, seinem Tode
und den wichtigeren Ereignissen in seiner Familie, Kamen
fremde Fürsten nach Wien oder fanden daselbst fürstliche Ver-
sammlungen statt, so wurden von der Universität ihre besten
Redner deputirt, die hohen Gäste in lateinischer Sprache
zu begrüssen. Ganz besonders fand dieses bei dem Wiener
Fürsten-Congress im Juli 1515 statt, wo nicht weniger als
22 solcher lateinischer Begrüssungsreden gehalten wurden. 2)
J) Eder, Catal. p. 49.
2) Eder im Catal. Reet. p. 58 beim J. 1515 gibt das Verzeiehniss
der 22 Redner:
- Celeberriums fuit hie conventus Principum, quos omnes et singulos
Academia commodissimis et dissertissimis excepit Orationibus:
1. Divum Maximilianum excepit Joachim. Vadianus Poöta.
2. Vladislaum Hnng. et Boem.
reg. una cum liberis [Anna et
Ludovico] T, Andreas Misbegius.
3. Sigismundum reg. Poloniae „ Joachimus Yadian. Poeta.
4. Mariam reginam Gastellae
[sponsam Ludovici filii regis
Hung.] „ Sebastianus Wunderl.
5. Thomam Cardin. Strigonensem „ Ludovicus Restio.
6. Matheum Cardinal. Gurcen. „ Sebastianus Wunderl.
7. Christoph. Episc. Premen. „ Christoph. Crassus.
136 Aensserer Bestand der Universität im Anfuig des XYI. Jahrh.
Als Kaiser Maximilian am 12. Januar 1519 in Ober-
österreich zu Wels, wo er häufig reaidirte, im 59. Lebensjahre
8. Joan. Bayariae ducexn, Epiftc.
Batisp. excepit Cyprian. Koster.
9. Wilhelm, ducem Bavariae „ Georg. Rythaimerus.
10. Ludovicum dnc. Bavariae „ Ludovicus Komhuber.
11. Casimir. Marchion. Brandenb. „ Christoph. Crassus.
12. Albert, ducem de Mechelburg „ Leonardus Cotumicus.
13. üdalricPrincipem Wirtenberg. „ Conradus Scipionis.
14. Georg. Episc. Colocens. Hung. „ Leonard. Cotumicus.
15. Georg. Ep.Quinqueeccl. Hung. „ Joannes Kresling.
16. Joannem £p. Posnaniens. Pol. f, Stephan. Sprugl.
17. Mathiam Episc. Yladislavien. „ Leopold. Hellndorfer.
18. Petrum Episc. Premissien. Pol. „ Rudolfus Agricola Junior Rethus.
19. StanislaumEp.Olomuc.Morav. „ Wolfgang Heiligmair.
20. Christophor Episc. Labacen. „ Petrus Freylender.
21. Wigileum Episc. Patavien. „ Georg. Huetter.
22. Bertold. Ep. Eemens. Bavar. „ Leonardus Cotumicus Wirtenberg.
Horum omnium orationes disertissimae typis circumferuntur excusae.
Orationes Viennae Austriae ad divum Maximilianum Caes. Aug.
aliosq. illustr. Principes habitae in celeberrimo Regum ad Caesarem con-
ventu. A. MDXV. Vienn. 1516. 4^. Denis S. 145 meint, diese Reden zusammen
machten einen vortheilhaften Eindmck in Bezug auf das geistige und ge-
lehrte Leben an der Wiener Universität im Zeitalter Maximilians.
Die rhein. Nat. Matrik. ad a. 1515 gibt ein genaues Verzeichniss der
Fürsten und Bischöfe etc. nebst der Zeit ihrer Ankunft in Wien; der
Conspect. bist. Univ. Vienn. liefert ebenfalls ein solches Verzeichniss mit
dem Beifügen: Totius hujus conventus seriem festivitatesque rerum sin-
gulis diebus gestarum diario complexus est Jo. Cuspinianus. Tribus
item libris, quos Hodoeporicon vocat, eundem descripsit Perusinus Cardinali
Gurcensi a Sacellis (i. e. Matthaeo Lang). Vgl. unten 2. Buch im Artikel:
Cuspinianus.
Von den obigen 16 Rednern, wovon einige zwei, einer sogar drei
Ansprachen gehalten, sind die meisten sonst wenig oder nicht bekannt.
Von Joachim Vadianus, Rudolf Agricola, Georg Rithaimer und Andreas
Misbegius wird bei den Wiener Humanisten des Näheren gehandelt. Von
den übrigen sind nur drei hervorzuheben: der Schweizer Christoph
Crassus (Dick), ein Freund des Vadianus, Dichter und Herausgeber der
Briefe des Franciscus Philelphus und einiger Hymni des Prudentius.
Vienn. 1514. Vgl. Denis, W. B. G. S. 45 und 119, Gareil. Bibl. S. 258.
Femer Ludwig Restio von Wördt (daher Vordinganus), der eine
Maximilian's Tod and Verdienste um die ünivereit&t. 137
gestorben war, brachten die irdische Hülle seine beiden
Leibärzte Wilhelm Polymnius und Georg Tannstetter, Pro-
fessoren der Wiener medicinischen Facultät, die ihn in seiner
Krankheit behandelt hatten, nach Wien. Dem Leichenzuge
schlössen sich fünfzehn infulirte Prälaten und zahlreiche
Herren des österreichischen Adels an. In der St. Stephans -
kirche wurden die feierlichen Exequien am 29. Januar ge-
halten, und der Humanist Philipp Gundelius, Professor der
Poetik, sprach die Leichenrede. ')
Mit Recht konnte von dem verstorbenen Fürsten ge-
rühmt werden, dass man den blühenden Zustand der Wiener
Universität, welche damals eine der ersten in Europa war, ^)
fast einzig und allein seiner eifrigen Theilnahme an den
Studien und seiner sorgsamen Pflege, die er ihnen ange-
deihen Hess, verdankte 3) und dass er es vorzüglich war,
welcher die Verbreitung des Humanismus nicht nur be-
günstigte, sondern auch zur vorherrschenden Richtung an
Rede an die mailändische Prinzessin Bona Sforza, Gemalin des polnischen
Königs Sigismund, bei ihrer Anwesenheit in Wien richtete (1518), und ver-
schiedene Ausgaben von Schriften seiner Freunde mit Distichen versah
(vgl. Denis S. 4. 199 u. 329), endlich Sebastian Wunderl, der auch
Binderl und Bunderl hiess. Er gab die Ovidischen Epistolae Heroidum
heraus, Vienn. 1513, und wird auch als Rechtskundiger von seinem Freunde
Collimitius genannt. Vgl. Denis S. 98 und 134.
1) Rhein. Nat. Matrik. ad ann. 1519. Cuius (Maximiliani Imp.) funus
Viennam allatnm XXIX. Jan., quod XV Praelati infnlati ac universa nobi-
litas Austriae comitati. Laudavit pro funere Mag. Philippus Gundelius
Bojus Ordinarius poetices. Cf. Eder, Catal. p. 63.
^) Gerbel Praef. ad Cuspinian. Opp. NuUum erat ea tempestate in
Germania celebrius Gymnasium ob abundantiam rerum omnium et doctissi-
momm hominum incredibilem multitudinem.
3) Das grösste Lob spendet dem Kaiser Maximilian Eder, Catal. Rect.
p. 49: Florebat hie (Viennae) prae ceteris theologia, creverat jurispru-
dentia, medicina in summo erat pretio, nee uUa philosophiae pars inculta
jacebat. Mathesis haec schola aliis omnem laudem praeripuisse credebatur.
Qiiibus accesserat summa linguarum doctrina, po^sis item atque divina
dicendi facultas.
138 Aeus8«reT Bestand dor Universität im Anfang des XYI, Jahrh.
der Hochschule erhob. *) Es hatten ihn bei diesem Streben
die kaiserlichen Räthe Johann Krachenberger und Johann
Fuchsmagen^ die Superintendenten Bernhard Perger und
Johann Cuspinian, der Humanist Conrad Celtes und andere
wissenschaftliche Celebritäten 2) so erfolgreich unterstützt,
dass der Ruf von der Blüthe der Wiener Hochschule sich
durch alle Länder Europas verbreitete und Schaaren von
lernbegierigen Studierenden in die Donaustadt zog. Die
Wiener Universität hatte damals auch in der Frequenz ihren
Höhepunkt erlangt, wie sie ihn in der Folge nie mehr er-
reichte.
*) Cuspinian's Inschrift an seinem Hause in der Singergasse Nr. 897
gibt in einigen kurzen Sätzen die Verdienste Maximilians an: Imp. Caes.
Aug. Maximilianus Friderici III. fil. Archidux Austriae liberales litteras
Viennam invexit. Gymnasium viris illustribus exomavit. Imperatorias leges
adduxit. Barbariem e Germania sustulit. Ac militarem disciplinam Ger-
manos docuit. (Bei Fischer brev. Notit. Vindob. P. III. p. 201.)
^) Rhein. Nat. Matrik. ad ann. 1519. Maximilianus Imp. imprimis de
studio Vienn. optime meritus, qui ductu Joannis Fuchsmagonii et Joannis
Grachi Pierii ac aliorum lectores quinque (i. e. Poetices, Bhetorices, Mathe-
matices, Astronomiae et Juris Romani) fundavit.
ZWEITES BUCH.
UM IIA Sctrinei der Wimm Hnnailstiii
im Zeitalter Kaiser Maximilian's I.
Agricola.
Rudolf Baumann aus Wasserburg.
t 1Ö21.
Rudolf Agricola, zur Unterscheidung von dem altern
gleichnamigen Heidelberger Humanisten, der aus Groningen
in Friesland stammte, Junior und nach seinem süddeutschen
Vaterland Rh actus beigenannt, war aus Wasserburg*) ge-
bürtig, daher er auch zuweilen sich den Beinamen Wasser-
burgensis^) oder Hydroburgius ^) gibt. Sein eigentlicher
deutscher Familienname war Baiimann oder Paumann.^)
Wo er zuerst seine humanistischen Studien gemacht
hat, ist unbekannt. Im letzten Decennium des 15. Jahr-
hunderts, bald nach der Zeit, als Conrad Celtes die Uni-
versität Krakau verlassen hatte, war Agricola dorthin ge-
kommen, um die classischen Studien unter dem namhaften
^) Ob ans dem am Inn oder aus dem am Bodensee g^elegenen Orte
ist zweifelhaft. Denis, W. B. G. S. 122 entscheidet sich für den letzteren.
2) Vgl. Carmen de divo Casimiro unten S. 142. n. 2.
3) In der Elegie an Cardinal Matthäus Lang im J. 1616. Denis
S. 316.
^) In der Empfehlung Agricola*s zu Jo. Harmonii Comoedia Stepha-
nium ist von gleichzeitiger Hand (1516) Über Agricola im Buch ein-
geschrieben: Paumann. Denis S. 120.
142 Leben und Schriften der Hnmanisten.
Gelehrten Laarentius Corvinus *) weiter zu betreiben , aber
um auch daneben sich den mathematischen und astronomi-
schen Disciplinen zu widmen^ welche damals auf der
Krakauer Hochschule durch den berühmten Albertus de
Brudzewo besonders in Aufnahme gebracht worden waren.
Im Jahre 1511 verfasste er ein elegisches Gedicht über
den heiligen Casimir^ Prinzen von Polen,^) und im fol-
genden Jahre gab er des Proclus Diadochus Schrift de
Sphaera heraus. 3)
Von Krakau begab er sich zunächst (1512) nach Krem-
nitz in Ungarn^ um daselbst seine Kenntnisse in der Metal-
lurgie zu erweitern, zum nähern Verständniss einzelner Ab-
schnitte des Plinius.^) Sein Aufenthalt im Sommer 1514
bei seinem Gönner, dem Cardinal-Erzbischof Thomas Bakaos
von Gran, war nur von kurzer Dauer. Er begab sich so-
dann nach Wien, wo er in den Jahren 1515 bis 1518 an
der Universität Poetik und Rhetorik vortrug.^)
Auf dem Congress zu Wien im J. 1515, wo Maximilian
mit den Königen von Ungarn, Böhmen und Polen und einer
^) In dem Briefe, welcher der Sammlung^ der Epistolae und Epi-
grammata des Velius Ursinus vom J. 1516 (Denis S. 122) beigegeben ist,
spricht Agricola von seinem Lehrer Laurentius Corvinus in Krakau.
2) Rudolf. Agricolae Vasserburgen. de divo Casimiro regio
Poloniae et Lituaniae principe, signis et miraculis carmen elegiacum, prae-
ceptori suo M. Paulo Crosnensi florentissimi studii Cracovien. collegae ob-
latum. Cracov. 1611. 4. Vgl. Zeissberg, Die polnischen Geschichtsquellen
des Mittelalters. Leipzig 1873. S. 192.
3) Cracov. 1612. Cf. Janoc. Mem. Miscell. Aut. Polon. I. p. 6.
^) Zuschrift des Agricola an den Magister Nicol. de Czebinio, eccl.
Novisolii praefecti, in der Isagoge in philosophiam moralem Leon. Aretin.
Galeot. Vienn. 1616 (Denis S. 128), woselbst auch vier Distichen des Agri-
cola zur Empfehlung des Buches.
^) Denis S. 136 fll. Er beschäftigte sich damals besonders mit Horaz
und Statins Papinius. Von dem Letzteren gab er die Achilleis (Vienn. 1514)
und von Horatius daselbst um dieselbe Zeit die Epistolae heraus, freilich
nur nach einem Aldinischen Abdruck, der wenige Jahre vorher in Venedig
erschienen. Vgl. Denis S. 136.
Agricola. 143
grossen Anzahl von Fürsten und Bischöfen zusammenkam ^
hatte die Universität eine Anzahl ihrer artistischen Magister
beauftragt, an die versammelten Fürsten passende Ansprachen
zu halten. Rudolf Agricola hatte den Auftrag, den Bischof
Peter von Przemysl in einer Rede zu begrüssenJ)
Nachdem Agricola den Dialog des Erzbischofs An sei -
mus von Canterbury über die Theologie und des Aure-
lius Prudentius Cathemerinon mit Beigaben versehen,
edirt 2) und bei mancherlei Gelegenheiten kleinere poetische
Productionen geliefert hatte, zeichnete ihn (1516) Kaiser
Maximilian durch die Krönung zum Dichter aus.^)
Mit seinen humanistischen Freunden Joachim Vadianus,
Udalrich Fabri, Angelus Cospus, Velius Ursinus u. A. stand
er im lebhaftesten Verkehr und nahm an ihren schrift-
stellerischen Arbeiten mehrfachen Antheil.^) Im J. 1518
*) Die Rede ist nicht nur in der Sammlung der 22 damals gedruckten
Orationes aufgenommen, sondern auch besonders erschienen. Oratio ad
Petrum Episcopum Premisliensem habita ab Rud. Agricola Juniore Rhaeto.
Vienn. 1515. Kink, Gesch. d. Wien. Univ. I. S. 212, n. 260, ist im Irr-
thum, wenn er meint, Agricola sei nicht Mitglied der Wiener Universität
gewesen.
2) Divi Anselmi, Archiep. Cantuarien. Elucidarium dialogi-
cum Theologiae tripartitum etc. Cum Rudolfi Agricolae Junioris elegia.
Vienn. 1515. — Aurelii Prudentii Cathemerinon h, e. Diurnarum
opusVarium. Cum Rudolfi Agricolae Rheti Praefatione. Vienn. 1515. —
Vgl. Denis, W. B. G. S. 139—141.
3) Denis, W. B. G. S. 123: In Fabri's Ausgabe der Tabula Cebetis
vom J. 1519 findet sich am Schluss beigefügt: Argumentum Tabulae
Cebetis per Rudolfum Agricolam Rhetum poetam laureatum mit neun
Distichen.
^) Dahin gehört seine Epistola ad Joaeh. Vadianum, qua de
locorum nonnuUorum obscuritate quaestio sit (aus Plinius, Augustinus,
Lactantius, Macrobius, Mela, Lucanus, Virgilius, Cicero), nebst Vadian's
Antwort und einer Zuschrift des Velius Ursinus. Viennae 1515. 4. Vgl.
Denis S. 123. Vadianische Bibl. in St. Gallen. 1864. S. 163. — Zu Cospus'
Ausgabe der Horazischen Episteln, Vienn. 1515, fügte Agricola ein ludi-
cium de Horatio. — In des Velius Ursinus Sammlung der Epistolae et
Epigramm, Vienn. 1515 gibt er eine Zuschrift über die zeitgenössischen
deutschen Gelehrten. Vgl. Denis S. 122.
144 Leben und Schriften der Humanisten.
yerliess er wieder Wien^ fast um dieselbe Zeit, als sein
Schweizer Freund Vadian aus der Donaustadt in seine
vaterländische Heimath zurückgekehrt war. Agricola begab
sich nach Krakau, um dort wieder als Lehrer der Poetik
und Rhetorik aufzutreten. Gleich nach seiner Ankunft in
der polnischen Hauptstadt richtete er an die mailändische
Prinzessin Bona Sforza, welche der polnische König
Sigismund geheiratet hatte, ein sie verherrlichendes Ge-
dicht.0 In Krakau erfreute er sich nicht nur der beson-
deren Gunst des Königspaares, sondern es war ihm auch
der Bischof Johann Konarsky, ein Mäceoas der Huma-
nisten, vorzüglich gewogen.^)
Nur einige wenige Jahre dauerte die zweite akademische
Wirksamkeit Agricola's in Krakau. Die Rede des Iso-
crates an den Nicocles übersetzte er aus dem Griechi-
schen in's Lateinische;^) zu der Tabula Cebetis, welche
sein Freund Udalrich Fabri 1519 herausgab, lieferte er
poetische Beigaben;^) von Georg Peuerbach's Algoris-
mus veranstaltete er eine neue Ausgabe und versah sie
ebenfalls mit solchen Ausschmückungen.^) Als er 1521 aus
dem Leben schied, widmete ihm Udalrich Fabri einen
dichterischen Nachruf, den der Wiener Buchdrucker Hierony-
mus Victor, der nach Krakau übersiedelt war, in seiner
1) In Laurent. Corvini Epithalamium (auf die Hochzeit Sigismunds
mit der Bona Sforza, Cracov. 1618) heisst es: Quo splendore potens
(reg^a) Cracovinam ingressa sit urbem Rudolfi Agricolae disces de car-
mine vates.
2) Vgl. Denis, W. B. G. S, 329. Janoc. Mem. Miscell. aut. Polon. I.
Artik. Rudolph. Agricola.
3) Diese Uebersetzung befindet sich auch auf der Wiener Hofbibliothek
Cod. MS. Nr. 13908 (mit Cuspinian's Randbemerkungen). Vgl. Tabulae
codd. MSS. in bibl. Palat. Vindob. Nr. 9629. T. VI. p. 64: Paraeneticae
per epitomen Isocratis e Graeco in Lat. translat. per Rud. Agpricolam.
*) Denis S. 198. Vgl. unten den Artikel Udalrich Fabri.
&) Denis S. 216.
Agricola. 145
Officin durch den Druck veröffentlichte.*) Obschon Agricola
keine literarische Leistung von ansehnlichem Umfange oder
grosser Bedeutung hinterlassen^ so zählte man ihn doch zu
den ersten Celebritäten unter den deutschen Humanisten
des 16. Jahrhunderts. 2)
') Epicedium in obitum Rudolf! Agricolae. Cracov. p. Hier.
Vietor. 1621. Abgedruckt auch in Henr. Glarean. de ratione Syllabar.
Vienn. 1525.
^) Joseph Scaliger (Scaligerian. Col. 1695. p. 15) rühmt ihn besonders:
Helvetii et Germani habuerunt magnos viros: Melanchthonena, Glareanum,
Camerarium, Gessnerum, sed praecipne Vadianum et Agricolam.
V. Asclibacli, (beschichte der Wiener Univers. lt. 10
Baibus.
Girolamö Balbi aus Venedig.
t 1535.
Das Leben des Hieronymus Balbi war ein sehr
bewegtes, ein höchst abenteuerliches. Er verbrachte es
weniger in seinem Vaterlande Italien, als vielmehr in
Frankreich und Deutschland, in Böhmen und Ungarn. In
seiner letzten Lebenszeit kehrte er in seine Heimat zurück,
wo er abgezogen von der Welt in Dunkelheit starb.*)
Der öftere Wechsel in seinen Aufenthaltsorten und
die mannigfachen Beschäftigungen mit humanistischen und
juridischen, mit politischen und theologischen Studien
machen es erklärlich, wie es schwierig, ja manchmal kaum
möglich ist, volle Klarheit in seine äusseren Lebensverhält-
nisse und seine litterarische Thätigkeit zu bringen. Dazu
1) Schier in der liandschriftl. Abhandlung de Sodalitate Danubiana
auf der Wiener Hof bibliothek. Conspect. bist. Univ. Vienn. II. 58. Scrip-
tores Univ. Vienn. II. 36. Tiraboschi, stör. lett. d'Italia. T. VI. P. 2. p. 353.
Denis, Wiens Buchdr.- Gesch. 8. 2 — 7, besonders nach Mazzuchelli Scritt.
d'Italia. Vol. II. P. 1, p. 83. J. Retzer, Leben u. Schriften von Hieron.
Balbi. Wien 1790. J. Retzer, Hieronym. Balbi opera poßtica, oratoria ac
politico-moralia e codd. Mss. primisque typis coli. (Die Praef. dazu die
Uebers. v. Retzer, Leb. u. Schrift, v. Balbi.) Vienn. 1791, 2 Voll.
Kaltenbäck, bist. Zeitschr. 1835. I. S. 361. II. S. 86 (von Dudik). Baur
und Mohnike im Artikel Balbi (Hieron.) in der Encycl. v. Ersch und
Gruber VIL S. 215 fl. Kink, Gesch. d. Univ. Wien. I. S. 196, n. 228 fl.
nach den Act. fac. art. u. jurid.
Baibus. 147
kommt noch, dass der eitle, seinen Werth überschätzende
und ungemein streitsüchtige Gelehrte sich Viele zu erbitter-
ten Gegnern gemacht hatte, welche seine Schwächen und
Fehler rücksichtslos aufdeckten und geisselten, ja sogar
durch angedichtete Vergehen vergrösserten , indem hin-
wiederum auf anderer Seite seine Freunde und Beschützer
ihn übermässig erhoben und ihm vielfache Beweise ihrer
Anhänglichkeit und Gunst gaben J)
Hieronymus Balbi war ii^ Venedig geboren,^) doch ist
man sowohl über das Jahr der Geburt wie auch über die
Stellung seiner Familie nicht unterrichtet.^) Es ist wahr-
scheinlich, dass seine Geburt vor 1465 fällt.*) Er scheint
auf der Universität Padua seine Bildung in den humanisti-
schen Disciplinen erhalten und in Folge seiner dichterischen
Begabung und Productionen den Dichterlorbeer daselbst
empfangen zu haben. Auch ist es wahrscheinlich, dass er
dann in Padua die juridischen Studien betrieben hat. Seine
weitere Ausbildung erhielt er in Rom, wo er den berühmten
Pomponius Laetus, den Stifter der Platonischen Akademie
daselbst, zum Lehrer hatte.^) Hierauf begab er sich nach
Paris, und zwar finden wir ihn dort schon im J. 1485.^)
^) Trithemius (script eccl. n. 199 ed. Fabr.) nennt ihn virum
celebemmae opinionis et in omnibus disciplinis bonarum artium egregie
doctum, philosophnm clanim, rhetorem facundum, metro excellentem et
disertum eloquio, qui docendo et legendo publice et scribendo magnam
gloriam apud Gallos et Parisienses commeruit.
2) Balbi sagt selbst von sich: Me Veneti lares genuere.
3) Der erbitterte Gegner Balbi*s, Fanstns Andreiini, g^bt freilich in
einem Briefe an Robert Gaguin an: Baibus habe den Namen Baibus usur-
pirt, denn er stamme nicht ex illustri familia der Balbi, sed ex domo
Acellina et obscuris abjectisque parentibus ortum esse constat.
*) Baur a. a. O. setzt das Geburtsjahr um 1465.
^) Balbi Carmina n. 154: Ad Pomponium Laetum praeceptorem suum.
8) Balbi in der Zuschrift an den Erzherzog Ferdinand in seinem
Tractat. de rebus Turcicis sagt von sich selbst: Haec ipsa philosophiae
studia a me olim in celebri Lutetiae Parisiorum Academia diu multum-
que agitata. Bulaei bist. Univ. Par. T. V. 882. Denis a. a. O. S. 4.
10»
148 Leben und Schriften der Humanisten.
An der Pariser Universität las er als Magister über die
liberales artes seit 1489, gerieth aber mit seinen CoUegen
in heftige Streitigkeiten: zuerst mit Wilhelm Tardif, gegen
dessen lateinische Grammatik er eine Schrift verfasste, dann
mit dem Italiener Faustus Andreiini aus Forli und dem
Franzosen Robert Gaguin, der de arte metrificandi schrieb.
Diese Verhältnisse waren wohl auch Ursache, wesshalb
Balbi schon 1491 Paris wieder verliess und sich in sein
Vaterland zurückbegab, wo ßr zu Padua vorzüglich Vor-
lesungen über die Jurisprudenz hielt, und zwar sowohl im
canonischen wie im römischen Rechte, und sich in diesen
Disciplinen einen Namen erwarb.
Als Maximilian sogleich nach seinem Regierungsantritte
mehrere Reformen an der Wiener Universität vornahm und
daselbst nicht nur die humanistischen Studien, sondern
auch die Betreibung des römischen Rechts befördern wollte,
wurde ihm zur Ausführung dieser doppelten Absicht der
Paduaner Professor Hieronymus Balbi besonders empfohlen,
indem derselbe zugleich poeta laureatus und Doctor beider
Rechte war. Die Berufung an die Wiener Universität er-
folgte noch im J. 1493. Bis die ordentliche Professur für
das römische Recht gehörig eingerichtet war (denn bis
dahin bestand keine besoldete Stelle für diese Disciplin an
der Universität), sollte der Legist einstweilen in der artisti-
schen Facultät über Poetik und römische Classiker lesen
und dafür einen Jahresgehalt von hundert Goldgulden be-
ziehen. Später sollte er auch in der juridischen Facultät Vor-
lesungen halten. Wirklich eröffnete er auch schon im folgen-
den Jahre 1494 die Vorlesungen über das römische Recht. *)
*) Act. fac. art. II. ad ann. 1494, p. 370. In legibus incipit doctor
Balbns legere in scolis juristarum. Es wird von einer copia studentinm in
der Vorlesung gesprochen: die Act. fac. jurid. sprechen von einem inviso
antehac ad lectionea novi Magistri concursu. Vgl. Kink und oben I. Buch,
Abschn. 2. S. 62.
Balbns. 149
Die doppelte Stellung an zwei Facultäten zu gleicher
Zeit, die den Universitäts-Statuten nicht gemäss war, die
Anforderung, dass seine sehr zahlreich besuchten Vor-
lesungen über Virgil, wie die über das römische Recht als
obligatorische von den Scholaren bezahlt werden sollten,
was weder von der Universität noch den Regentes zu-
gestanden wurde, endlich der streitsüchtige Charakter
Balbi's, der ihn mit seinen Collegen gänzlich entzweite,
waren Ursachen, dass er zuerst nur zwei Jahre (1493 und
1494) in Wien zubrachte. ^) Indem er sich in seiner Er-
wartung auf ein grosses Einkommen in Wien getäuscht
sah, gedachte er seinen Wirkungskreis mit einem neuen
bessern zu vertauschen. Ohne jedoch seine Stelle in Wien
ganz aufzugeben, benutzte er den Umstand, als beim Aus-
bruch der Pest in Wien die Hörsäle geschlossen wurden,
und reiste nach Paris in der doppelten Absicht, dort eine
einträglichere Professur zu erlangen und gegen seine Wider-
sacher, die ihn in polemischen Schriften rücksichtslos an-
gegriffen hatten, persönlich mit Wort und Schrift zu
kämpfen und ihre Verläumdungen niederzuschlagen.
Balbi's zweiter Aufenthalt in Paris war jedenfalls nur
von kurzer Dauer. Sein Streit mit Wilhelm Tardif und
Paust US Andreiini wuchs an Heftigkeit. Balbi, der als
Humanist und Dichter, als Lehrer des canonischen und
römischen Rechts, als Astronom und Philosoph auftrat, 2)
wurde von seinen Gegnern nicht nur als ein gewaltiger
Pfuscher in den Wissenschaften herabgesetzt, sondern auch
*) Vgl. oben Gesch. d. Univ. a. a. O.
2) Roberi Gaguin (vgl. Retzer S. 8) schreibt über Baibus, qui poesim
ajatea musasque tantum initio professus faisset, omnem ferme parvo post
tempore disciplinam se interpretaturum jactavit: quippe qui et Justinianei
digesti et nonnullorum ex jure Pontificio enucleationem audacissime magis
quam prudenter assumserit. Nee a sphaerae explanatione fides sibi inter-
pres temperavit , adeo impudentissimus erat ignoratarum sibi artium
Usurpator.
150 Leben and Schriften der Humanisten.
als sittenloser Mensch, schlechter Charakter und gottloser
Freidenker verlästerte) Selbst angesehene Auctoritäten wie
Robert Gaguin traten gegen ihn auf. Dass der berühmte
Erasmus von Rotterdam sich seiner annahm, 2) half ihm
nicht viel. Sein längeres Verweilen in Paris war nicht
möglich. Um ernstlicheren Verunglimpfungen und weiteren
Verfolgungen zu entgehen, verli^sö er mit fluchtartiger Eile
die französische Hauptstadt und begab sich auf kurze Zeit
nach England (1496). »)
Dass er von England nach Padua zurückkehrte und
dort wiederum im J. 1496 auf kurze Zeit juridische Vor-
lesungen hielt, ist unwahrscheinlich.'*) Es ist gewiss, dass
er sich schon im Juni 1496 wieder in Wien zur Fort-
setzung seiner juridischen Vorträge eingefunden hatte. ^)
^) Antibalbica vel Recriminatio Tardiviana in Balbum imo Acelli-
nnm. Paris 1496. Faustus Andrelinus de fuga Balbi ab urbe Farislana.
Paris 1496.
2) Erasm. Rotterdam. Opp. II. p. 489.
3) Ueber den zweiten Aufenthalt Balbfs in Paris vgl. Bulaei, bist Univ.
Paris. V. 882. — Retzer S. 7 fll. und Denis, W. B. G. S. 3 bezweifeln
den zweiten Aufenthalt Balbi's in Paris und seine Flucht nach England;
Kink, Gesch. d. Univ. Wien I. S. 196, hat aus den Wiener Universitäts-
Acten über die Zeit Berichtigungen geliefert.
*) Ganz unrichtig ist die Angabe Retzer's, Leb. H. Balb. S. 13:
„Darin kommen alle Schriftsteller überein, dass Balbi unter Maximilian I.
Regierung 1497 von Padua aus an die Universität zu Wien als Lehrer
der Rechte berufen ward**.
^) In einem Schreiben Balbi's an Geltes d. d. ex Vienna Kalend.
Juniis antio 96, welches sich im Cod. epist. Celtic. fol. 48 vorfindet und
bei Retzer, Opp. Balb. I. p. 25 und Klüpfel, vit. Gelt. I. p. 177 ge-
druckt ist; daselbst spricht der italienische Humanist seinen Wunsch aus,
dass Geltes, der damals noch nicht die kaiserliche Berufung erhalten hatte,
nach Wien zu kommen sich entschliessen möge: quod si nobiscum vitam
deducere libuerit, o tunc nos felices ac beatos ! Nee deerit tibi honesta
conditio et stipendia pro gymnasii moribus ampla, sin minus te et venien-
tem et abeuntem viatico prosequemur.
Baibus. 151
Er ward nun förmlich in die Rechtsfacultät inscribirt ^) und
begann im Anfang des J. 1497 wieder seine akademische
Lehrthätigkeit. 2)
Als Conrad Celtes gegen Ende des J. 1497 die, Pro-
fessur der Rhetorik und Poetik an der Wiener Universität
übernahm, trat Balbi mit dem deutschen gekrönten Dichter
in den freundlichsten Verkehr, wurde Mitglied der gelehrten
Donau-Gesellschaft und begrüsste sammt andern Sodales
der dichterischen Genossenschaft den ankommenden Huma-
nisten mit Episodien.
Der unruhige Geist Balbi's konnte aber nicht leicht
am selben Orte lange gefesselt werden; es brachen neue
Zwistigkeiten mit seinen Wiener Collegen aus und da ihm
der feste Gehalt seiner Stelle ohne Bezug von CoUeg-
geldern zu gering war, so verliess er höchst unzufrieden
schon im folgenden Jahre die Donaustadt und schloss
damit seine Lehrthätigkeit an der Universität Wien, welche
für sie in keiner Beziehung, weder in Hinsicht auf die
humanistischen Studien, noch in Ansehung der Förderung
der Kenntnisse im römischen Recht, von grosser Bedeutung
war. Im Begriff nach Italien zurückzukehren, wurde er
unterwegs von Räubern überfallen und ausgeplündert. 3)
Seine Gönner und Freunde in Oesterreich, Böhmen
und Ungarn wollten von dem unglücklichen Humanisten
nicht ganz ihre Hand abziehen; es waren namentlich der
Bischof Johann Vitez von Vesprim, zugleich Administrator
*) Act fac. jurid. ad ann. 1498. Dominus Jeronimus Balbus Venetus
juris utriusque doctor pro incorporatione facultati nostrae inclytae dedit
1 floren. hungar. Kink, Univ. Wien. I. p. 196. Eder, Catal. Rect. ad
ann. 1497.
2) Vgl. oben die Gesch. der Wiener Univ. Buch 1. S. 67.
3) In Balbi's Elegie zu Bohuslaus v. Hassenstein's Gedichten p. 329
erzählt
152 Leben and Scluiflen der Hnraanisten.
des Bisthums Wien, der Olmützer Propst Augustin, der
böhmische Herr Bohuslaus von Hassenstein und der Ge-
heimschreiber des Königs Wladislaus von Böhmen und
Ungarn; Johann Schlechta, *) die sich seiner auf das wärmste
annahmen und ihm zu einer Professur an der Prager Uni-
versität verhalfen, wo er im J. 1499 neben der Rhetorik
und Poetik das römische Recht anfanglich mit grossem
Zulauf und mit vielem Beifall vortrug 2) und ihm eine reich-
liche Einnahme nicht fehlte. Jedoch war es nicht möglich,
den unsteten und unverträglichen Italiener lange in Prag
zu fesseln. Der Spötter und Satyriker, welcher die böhmi-
schen Vorurtheile nicht schonte, machte sich bald viele
Gegner; durch seine schlüpfrigen Dichtungen und an-
stössigen Lebenswandel gab er diesen die Waflfen in die
Hand, gegen ihn mit Erfolg aufzutreten. Selbst seine ein-
flussreichen Gönner, welche er mit Schmeicheleien und
Lobeserhebungen überhäufte , 3) konnten ihn kaum vor
ernstlichen Insulten schützen.
') Schreiben von den genannten Freunden Balbi's an ihn und von
ihm an dieselben aind von Retzer in der Balbi'schen Briefsammlung mit-
getheilt. Auch in dem Cod. epist. Celtic. kommen mehrere Briefe des
Augustinus an Geltes aus den J. 1497 und 1498 vor, worin des gemein-
schaftlichen Freundes Balbi gedacht wird.
2) In einem Schreiben Schlechta's vom 30. Sept. 1500 (bei Retzer
p. 15) heisst es: In universitate Pragensi constitutus nonnuUas lectiones
partim publice partim in privato legebat, magnamque auditorum frequen-
tiam habuit et in magno honore ab omnibus habitus fuit, nee parvam
pecuniae summam collegit.
3) Hieron. Balbi Jurist. Itali opusculum Bohemiae et Procerum ejus
laudes continens. Prag. 1560 und Elegia ad Bohusl. de Hassinstein in
Boh. de Hassinstein a Lobkowitz farrago pofe'matum. Prag 1570. Decius,
de vetust. Pol. II. p. 322, bemerkt darüber: Hieron. Baibus Elegia Hodoe-
poricon vulgavit suum Wladislai Ultimi hoc nomine regis tempore, quo
summe Bohemiam commendavit: at adulatorium hoc carmen esse
Bohusl. Lobkowicius in quadam epistola dicit et placere voluisse
authore m.
Balbas. 153
Sogar Bohuslaw von Hassenstein, der seine Gelehrsam-
keit vollkommen würdigte, ^) war einige Zeit mit ihm zer-
fallen, da demselben die leichtfertigen Sitten Balbi's im
hohen Grade missfielen. 2) Der Umstand, dass sich seine
Freunde allmälig von ihm zurückzogen und täglich die
Zahl seiner Gegner wuchs, bestimmte Balbi, Prag bald zu
verlassen ^) und sich nach Ungarn zu begeben, um dort in
Zurückgezogenheit den gelehrten Beschäftigungen zu leben
und durch einen ernsteren Lebenswandel das früher gege-
bene Aergerniss vergessen zu machen.
Ueber ein Decennium entzieht sich Balbi ganz und gar
der Beachtung, so dass über ihn die Nachrichten von^ 1500
bis 1512 fehlen; als er wieder am Hofe des ungarischen
Königs Wladislaus auftaucht, gehört er dem geistlichen
Stand an, ist königlicher Geheimschreiber, Propst von
Waizen und dann von Pressburg und zugleich Prinzen-
') Er nennt ihn im böhmischen Lande sine uUa dubitatione omnium
doctissimum.
2) Bohuslav von Hassenstein, ein grosser Freund der Humanisten
(vgl. Denis, Wiens Buchdr.-Gesch. S. 4) spricht in einem Gedicht auf
Balbi (bei Betzer S. 19) von dessen guten und schlechten Eigenschaften:
Attulit is nobis Musas legesque Lycurgi,
Attulit Ausonium Cecropiumque sophos
Aflferat et si vis Pharios (i. e. Aegyptiacos) Arabumque magistros,
Tantum ne mores afferat ille suos.
Barbara gens simus, dum nuUum inclinet Amillus
Hie novus Idaei discipulusque Jovis.
Turba rudis simus, geminarumque inscia legum.
Dum simul et simus nescia turba Jolae.
Joläs hiess der Liebling Balbi's. Daher konnte auch Decius, de vetust.
Pol. II. p. 322, von ihm sagen: In Bohemia male audiebat ob mores
illicitos. Retzer S. 18 sucht vergeblich Balbi in besserem Lichte er-
scheinen zu lassen.
3) Von seiner akademischen Wirksamkeit an der Universität Prag
haben sich nur wenige Spuren erhalten. Vgl. Baibin. Bohem. doct., Prag
1777. p. 211. Denis, Wiens Buchdr.-Gesch. S. 4. Tomek, Gesch. der
Univ. Prag, macht von H. Balbi gar keine Erwähnung.
lo4 Leben und Schriften der Hnmanisten.
erzieher.^) Drei Jahre (von 1512 bis 1515) leitet er die
Studien des jugendlichen Kronprinzen Ludwig, der bald
(1516) den Thron besteigt und dem frühern Lehrer alle
seine Gunst zuwendet.
Aus einem streitsüchtigen Gelehrten, einem frivolen
Freidenker und Atheisten, dessen leichtfertiger Lebens-
wandel grosses Aergerniss gegeben hatte, war ein feiner
Hofmann, ein ernster Pädagog, ein frommer Prälat gewor-
den, 2) der wegen seiner Umgänglichkeit, seiner strengen
Sittlichkeit und Religiosität, wegen seiner vielfachen Geschäfts-
gewandtheit und gründlichen Kenntniss der Landesgesetze
sich überall als brauchbar und fast unentbehrlich erwies.
In den Jahren seiner Zurückgezogenheit, wo er in den
geistlichen Stand getreten, hatte er nicht nui* die theologi-
schen Studien betrieben, sondern auch seine geistigen Kräfte
dem Zustandekommen einer grossen ungarischen Gesetz-
sammlung gewidmet, welche von Stephan Verböczy mit Zu-
ziehung von angesehenen Rechtsgelehrten begonnen und
vollendet wurde. ^)
») Kltipfel, Vit. Celt. I. p. 177, nennt den Balbi beim J. 1496 Bischof
von Fünfkirchen — Episcopus Quinqueecclesiae — was er nie war. Ranke,
deutsche Gesch. im Zeitalter d. Ref. I. 181 : „Wir sehen Lehrer (des
Studiums der Alten) in Prag, einen Italiener (Balbi), der den Prinzen
unterrichtete und auch an Staatsgeschäften Antheil nahm". — In der
Tannstetter'schen Ausgabe des Albertus Magnus de Natura locorum.
Vienn. 1513 (Denis, Wien. Buchdr.-Gesch. S. 104) ist eine Zuschrift an
Balbi gerichtet: Reverendo Patri Domino Hieronymo Balbo, jur. doct.
praepositoque Vaciensi et Ungariae regis a secretis dignissimo. Zum
Propst von Pressburg wurde er im J. 1515 ernannt (Retzer S. 21).
2) Bohusl. de Hassenstein, Epigrammaton lib. III. p. 162:
Ecclesiae membrum est Baibus, gaudete Camoenae,
Tartareum membrum scilicet ante fuit.
Censuit is nostras animas cum corpore solvi,
Et nuUum in coelo censuit esse Deum.
Der Bischof Georg Szakmäri von Fünfkirchen erhebt in einem Schreiben
die egregias virtutes des Balbi. Vgl. Denis 1. c. p. 6 und Retzer S. 21 fl.
3) Die ungarische Gesetzsammlung: Tripartitum Opus juris Hungarici
erschien zuerst Buda 1514, mit einer poetischen Zuschrift des H. Balbi,
Balbus. 155
Seine diplomatische Laufbahn begann er im J. 1515
bei dem Wiener Fürsten-Congress, wo die Könige von
Ungarn und Polen mit dem Kaiser Maximilian zusammen-
kamen, Balbi war zuvor von dem ungarisch-böhmischen
König Wladislaus für die einleitenden Unterhandlungen zum
Kaiser nach Innsbruck gesendet worden. *)
Als Ludwig IL seinem Vater Wladislaus in -der Kegie-
rung über Ungarn und Böhmen 1516 folgte, stieg das An-
sehen und der EiAfl4»s8 Bälbi's bei dem noch minderjährigen
König, den er erzogen hatte, noch höher. 2)
Damals war Johann Busch, der Propst des Wiener
Domstiftes, gestorben. Mit der Dompropstei war das
Universitäts - Kanzleramt verbunden. Balbi suchte diese
Stelle, welche Maximilian zu vergeben hatte, durch den
Einfluss des ungarischen Königs zu erlangen, der zur Em-
pfehlung seines früheren Erziehers selbst an Maximilian
schrieb; auch der ungarische Kanzler, der Bischof Georg
Szakmäri, richtete an den Kaiser in gleicher Absicht ein
worin sich derselbe in der Aufschrift der Elegia Praepositus Posoniensis
und Secretarina regis nennt; die zweite Ausgabe folgte drei Jahre später
zu Wien unter dem Titel: Tripartitum opus juris consuetudinarii inclyti
regis Hungariae per Magistrum Stephanum de Werbewez personalis prae-
sentia regia Majestatis locum tenentem editum. Vgl. Denis, Wiens Buchdr.
Gesch. S. 174. Dann erst nahm Balbi die ausgesetzten philosophischen
Studien wieder auf, wie er selbst in dem an Erzh. Ferdinand gerichteten
Briefe beim Tractat. de rebus Turcicis "ausdrücklich angibt: Haec ipsa
philosophiae studia, a me olim in celebri Lutetiae Parisiorum Academia
diu multumque agitata, deinde per inanem ambitionem longo inteivallo
intermissa, domum his annis ingravescentibus repetita.
') Cuspiniani diarium de congressu Imp. Maximil. et trium Hungar.
Bohem. et Polon. regum p. 501. Vgl. Retzer S. 23.
') Engel, Gesch. d. ungarischen Reichs. III. 2. S. 191. Georg
Szakmari, Bischof von Fünf kirclien, war damals als Kanzler des jungen
Königs bestätigt worden, dieser nahm den Hieronymus Balbi als seinen
Secretarius zu sich.
1Ö6 Leben and Schriften der Humanisten.
Empfehlungsschreiben. ^) Es arbeiteten aber Balbi's zahl-
reiche Wiener Widersacher gegen den Italiener; da er sich
an der Universität ziemlich verhasst gemacht hatte. Die
Stelle erhielt Paul von Oberstein, welchem sie der Kaiser
scholl früher versprochen hatte.
Balbi wurde vom König Ludwig als Botschafter zu
mehreren Gesandtschaften verwendet. 1518 ward er in
einer geheimen Mission an den polnischen Hof zu König
Sigmund gesendet und wohnte in dieser Eigenschaft auch
dessen Hochzeitfeier mit der mailändischen Prinzessin Bona
Sforza bei. 2) Nach der Krakauer Mission finden wir ihn
noch in demselben Jahre als ungarischen Gesandten auf
dem Augsburger Reichstag. ^) Zwei Jahre später (1520)
schickte ihn der König Ludwig H. nach Innsbruck, um da-
selbst bei der feierlichen Verlobung des Erzherzogs Ferdi-
nand, Infanten von Spanien, mit der ungarischen Prinzessin
Anna seine Person zu vertreten.^)
Als Maximilians Enkel, der spanische König Karl, von
den Niederlanden aus nach Aachen kam, wurde ihm von
dem ungarischen König Ludwig zur Begrüssung seines
Schwagers Balbi als Gesandter entgegengeschickt. ^) Auf
dem berühmten Wormser Reichstag (1521), den Karl als
Kaiser berufen hatte, erschien Balbi wieder als König Lud-
wigs Gesandter und sprach sich in einer schwungvollen
Rede einestheils gegen Luther's Reformation aus, andern-
1) Bei Ketzer S. 24.
2) Wie der Kanzler Georg Szakmäri sich in einem Schreiben aus-
drückt: ad quaedam secretiora et summam status Hnngarici concernentia
Sigismundo Regi Poloniae — perferenda. Vgl. Ketzer S. 2ö. Decii Diar.
Cracov. 1518. Damals führt Balbi auch den Titel Propst von Stobnicza.
Vgl. Denis S. 5.
3) Ulr. V. Hütten Epist, ad Jul. Pflugk Basil. 1618 u. Kich. Bartolini
descript. convent. Augustan. 1518.
*) Ketzer S. 26.
^) Balbi de Coronation. Carol. V. c. 21.
Baibus. 157
theils forderte er eindringlichst die deutschen Reichsfürsten
zur Hilfe für die Ungarn gegen die siegreich vorrückenden
Türken auf. ^
Bald nach dieser Zeit trat Balbi in die Dienste des
habsburgischen Hauses. Kaiser Karl V. wie sein Bruder
der Erzherzog Ferdinand, dem die österreichischen Länder
zugefallen waren, erkannten die Tüchtigkeit, Geschäfts-
gewandtheit und mannigfachen Kenntnisse des Mannes und
beschlossen, solche ungewöhnliche Eigenschaften für die
Interessen ihres Hauses zu verwenden. Bei dem Neustädter
Gerichte über die Wiener Rebellen, welche sich gegen
Maximilians Enkel erhoben hatten, wurde er als rechts-
kundiger Beisitzer zugezogen (im Sommer 1522). 2) Erzherzog
Ferdinand designirte ihn damals zum Bischof von Triest,^)
ernannte ihn aber nicht lange nachher zum Bischöfe von
^) Oratio in imperiali conventii Bormatiensi die III. April. 1521 per
inclyt. reg. Hungariae et Bohem. oratorem (Balbum) habita s. 1. e. a.
Auch gedr. b. Istuanfii regn. Hung. bist. lib. VI. p. 67. Pray annal. Hungar.
T. V. p. 46. Katona, liist. crit. regn. Hung. XIX. p. 243. Retzer, Balb.
Opp. I. p. 545. Retzer, Leb. Balbi's S. 27. Denis, W. B. G. S. 5 u. 339.
Zinkeisen, Gesch. d. Osman. Reichs II. S. 618, bemerkt, dass Balbi auf
dem Reichstag am eindringlichsten und ergreifendsten gegen die Türken
gesprochen habe.
2) Hormayr, Wiens Denkw. I. 2. S. 156 fll. Vgl. unten den Artikel
Capinius, wo darüber das Nähere.
3) Istuanfi 1. c. nennt Baibus nach der Rückkehr von Worms Epi-
scopus Tergestinus, postremo vero Gurcensis. Retzer, Leben Balbi's S. 28,
meint, er sei nur für kurze Zeit Coadjutor gewesen für Petrus Bonomus,
der Bischof von Triest von 1520 — 1546 war. Der Titel Episcopus Terge-
stinus wird sonst dem Balbi nur noch von dem böhmischen Geschicht-
schreiber Baibin. Boh. docta Prag 1777, Tröct. 1, beigelegt. Auch dass
er Propst von Weissenburg in Siebenbürgen (Praepositus Albensis in
Transilvania) gewesen, ist eine vereinzelte, songt nirgends verbürgte Nachricht.
In dem auf der Wiener Hof bibliothek befindlichen Exemplar der Balbi'schen
Epigrammata (vom J. 1494) ist von der Hand des Joh. Demschwam von
Hradiczin eingeschrieben: Fuit is Baibus A. 1514 Budae in Hungaria
dominus meus usque ad A. 1517. Erat tunc praepositus Posoniensis et
Albensisin Transilvania: factus tandem Episcopus Gurcensis : natione
Venetus. .
158 Leben und Schriften der Humanisten.
Gurk an die Stelle des Matthaeus Lang, der Cardinal und
Erzbischof von Salzburg geworden war. ^)
Noch in demselben Jahre schickte er ihn als seinen
Gesandten nach Rom zur Begrüssung des neuen Papstes
Hadrian VI. Es war ihm zugleich der Auftrag ertheilt
worden, dass er dahin wirke, dass der Papst zu einem
Kreuzzuge gegen die Türken, welche schon die österreichi-
schen Länder bedrohten, die abendländischen Christen auf-
fordere. Zu diesem Zwecke hielt der Gurker Bischof eine
glänzende Rede mit vielem oratorischen Schwünge vor dem
Papste, 2) welche auch von historischem Werthe ist durch
die lebhaften Schilderungen, die er von den Zuständen im
Südosten Europas macht. ^) Besonders interessant ist, dass
damals Balbi die schon früher von dem russischen Gross-
fürsten Basilius IV. eingeleiteten Versuche zur Vereinigung
der russischen Kirche mit der römischen wieder aufgenommen
haben wollte: aber bei den dagegen gemachten Umtrieben
der Polen den ängstlichen Papst nicht zu raschen entschei-
denden Schritten bewegen konnte. ^)
Eine abermalige Mission nach Rom übernahm Balbi,
als nach Hadrian's Tod Clemens VII. das Pontificat führte.
Er hielt damals vor dem Papste wieder eine Rede, in
welcher er zur wirksameren Vertreibung der Türken die
kräftige Unterstützung des Papstes nachsuchte. Dieser sollte
*) Coronini. Opp. Miscell. I. 252. Retzer a. a. O. S. 28.
2) Ein Brief von Peter Salamanca Hoyos an seinen Bruder Gabriel
spricht mit ausserordentlichem Lob von dieser Rede. Vgl. Retzer S. 29 fl.
3) Oratio habita ab eloquentissüno viro Hieronymo Balbo, Praestile
Gurcensi, serenissimi Principis Ferdinandi Archiducis Austriae Oratore iina
cum ill. Petro a Corduba coram Adriano VI. Pont. Max. s. 1. e. a. [1522]
4. und wiederholter Abdruck: Romae 1523. Non. April. 40. Retzer S. 79
bis 94 hat den Hauptinhalt in deutscher Uebersetzung* mitgetheilt, den
lateinischen Text gibt er in Opp. Balbi in dem Abschnitt Orationes I.
p. 646—648.
*) Vgl, die Epist. Albert. Campensis ad P. M. Clement. VII. und
Paul. Jov. Vit. Hadrian. VI. c. 131. Retzer S. 31 fl.
BalbQS. 159
den vierten Theil der geistlichen Einkünfte dem Kaiser und
dessen Bruder für die Kriegsfiihrung überlassen und mit
diesen und im Bündnisse mit Frankreich und England, wie
auch vereinigt mit den anderen christlichen Abendländern,
die Vertreibung der furchtbaren Türken bewerkstelligen. *)
Unter dem Pontificat Clemens VII. brachte er einige
Jahre in Rom zu und verkehrte als Vertrauter und Haus-
prälat fast täglich mit dem Papste. 2) Bei seinem langen
Aufenthalt in Ungarn und seinen vielfachen Berührungen mit
seinen Landsleuten, den Venetianern, hatte er die politi-
schen Verhältnisse im Südosten Europas genauer als irgend
Jemand kennen lernen und es war ihm nicht entgangen,
dass die venetianische Republik bei den beständigen Angriffen
der Türken auf die christlichen, namentlich Österreichischen
Länder, in Oberitalien ihre eigene Herrschaft ausbreiten
wollte. Er suchte daher den Papst über diese Verhältnisse
aufzuklären, konnte aber bei dem französischen Einflüsse
am päpstlichen Stuhle dennoch nicht viel durchsetzen. 3)
Balbi wäre bald selbst ein Opfer der treulosen, schänd-
lichen Politik der Venetianer geworden : sie hassten ihn auf
das Aeusserste, um so mehr als er ihr Mitbürger war; in
arglistiger Weise wollten sie ihre Rache an ihn üben und
sich seines grossen Vermögens bemächtigen. Um ihn in
*) Hieronymi Balbi, Episc. Gurcensis, Oratio habita coram de-
mente VII. de confoederatione nuper inita paceque universali atque ex-
peditione adversus Turcas suscipienda. s. 1. e. a. 4^. Retzer (S. 97), der
in Opp. Balbi 1. c. auch einen Abdruck liefert, behauptet, dass der erste
Druck nicht vor dem J. 1529 hätte gemacht werden können.
^) Epistola Balbi ad Ferdinand. Arch. Aust. aus der vaticanischen
Bibliothek von Retzer (vgl. S. 33) mitgetheilt. Er schreibt: In eodem palatio
per aliquot annos cum Pontifice habitavi: quique assidue fui eius Prae-
latus domesticus et familiaris, et ad quotidiana colloquia liberrime
admissus.
3) Epistola Balbi 1. c.
160 Leben und Schriften der Hnmanisten.
das Gebiet der Republik zu locken, machten sie ihm ver-
führerische Anerbietungen: sie übertrugen ihm die Leitung
der Universität Padua mit einem jährlichen Gehalt von
tausend Ducaten und schickten ihm, da er von Rom nach
Nürnberg sich begeben hatte, einen besonderen Boten, der
ihm das mit goldenem Siegel versehene Ernennungsschreiben
überbringen sollte. Doch Balbi, dem nicht verborgen ge-
blieben, dass er in Venedig Todtfeinde habe, ging vorsichtig
zu Werke. Er liess sich von dem König Ferdinand als
Gesandter nach Venedig schicken, um dort die Dinge genau
kennen zu lernen und zu prüfen. Er erkannte bald, dass
man seinem Leben nachstelle und ihn vergiften wolle. Daher
verliess er eiligst die Stadt und begab sich wieder nach Rom. *)
Bei den vielen weltlichen Geschäften und öfteren Mis-
sionen konnte Balbi wenig den geistlichen Pflichten eines
Bischofs obliegen. Er hatte bei der Erlangung des Bis-
thums Gurk seinen Canonicaten in Ungarn entsagt, -nur die
Propstei in Pressburg hatte er behalten. Als Bischof von
Gurk versammelte er den Diöcesanklerus, liess zeitgemässe
Anordnungen in Bezug auf Kirchen-Disciplin machen und
bestimmte, dass solche Diöcesan-Synoden alljährlich gehalten
würden, und zwar wenn er abwesend wäre, von dem Archi-
diaconus und bischöflichen Kanzler. 2)
1) Vgl. Ketzer S. 34 fl. Balbi gibt über die Sache dem König Fer-
dinand in einem ansfQhrlichen Sclireiben Nachricht. Es heisst darin:
Veneti tandem sub specie honoris, oblato mille ducatorum stipendio me
ad regendnm Studium Fatavinum advocarunt, utque blanditiis allicerent,
mihi literas et quidem sigillo auro munitas usque ad Norimbergam per
proprium nuntium misenint, quas ego, tantarum fraudum inscius, instar
magni muneris, accepi, et Rudolfo D. Tridentino et D. Comiti Salamancae
legendas tradidi et ut honorificentius illuc irem, a Majestate Vestra lega-
tionem ad eos impetravi: quo ubi perveni, deprehendi insidias mihi strui,
quod nisi festinassem isthinc abire, et Roman me conferre, poculo venenato
paucis post diebus erat mihi pereuhdum.
2) Retzer S. 28. Die Statuta der Synode abgedruckt in Balbi Opp. II.
p. 482 ß\.
Ba]bu8. 161
Bei der seltenen Anwesenheit in seiner Diöcese und der
häufigen Verwendung zu Gesandtschaften, wie auch bei der
zunehmenden Schwäche seines Alters war es nöthig, dass
Balbi in seinem bischöflichen Amte einen Coadjutor erhielt.
Der Spanier Antonius Hoyos von Salamanca wurde dazu
mit dem Rechte der Nachfolge erwählt im J. 1529. ^)
Balbi begleitete dann 1530 Karl V. zur Kaiserkrönung
nach Bologna und schrieb eine kirchenstaatsrechtliche Schrift
über die Kaiserkrönung und Stellung der höchsten welt-
lichen Gewalt zur geistlichen.^)
Nach dieser Zeit verschwindet Balbi aus der Geschichte.
Ueber den letzten Jahren seines Lebens liegt ein mysteriöses
Dunkel. ^) Manche meinen, er sei um das J. 1530, also
bald nach der Kaiserkrönung Karl V. aus dem Leben ge-
schieden. ^) Sonderbar ist die Nachricht, welche öfter wieder-
holt sich findet, dass er im J. 1525 in Venedig gestorben
sei,^) denn da zweifellose Daten vorliegen, dass er auf
seine Propstei in Pressburg nach der Schlacht bei Mohacz,
1526, resignirt und im J. 1530 Kaiser Karls V. Krönung
*) Vgl. Retzer S. 36. Baur 1. c. S. 216 setzt die Resignation auf das
Bisthum Gurk irrthümlich in's J. 1626 und bemerkt, Balbi habe die erz-
bischöfliche Würde beibehalten. Potthast, Bibl. bist. med. aevi. Suppl.
S. 326 gibt die irrthümliche Nachricht, Balbi sei schon im J. 1619 Bischof
von Gurk gewordeja und habe 1626 resignirt, nennt aber als seinen Nach-
folger Antonius v. Hoyos beim J. 1533.
2) Vgl. unten das Nähere über diese Schrift.
3) Ueber Balbi's Todesjahr hat Retzer S. 38 — 42 näher gehandelt.
*) So Denis S. 6. und Kink W. Univ, Gesch.
5) Ein Salzburg. Verzeichniss Gurker Bischöfe (bei Retzer S. 38)
liefert die Notiz: Hieronymus Baibus, Venetus et Praepositus Cathedralis
Posoniensis Episcopatum per resignationem ab Archiep. Mathaeo accepit
1621 aut 1522: verum non diu praefuit, sed anno 1526 Venetiis obiit et
in ecclesia SS. Petri et Pauli sepultus est. Im Archiv der Gurker Kathedral-
kirche wird die handschriftliche Nachricht gegeben: Baibus obiit Venetiis
ann. 1525 in eccl. ibidem SS. Joannis et Pauli sepultus. Vgl. Retzer
S. 39, wo noch andere Nachrichten mit Angabe des falschen Todesjahres
1525 mitgetheUt werden.
T. Asehbacli, Geschichte der Wiener Univers. II. 11
162 Leben and Schriften der Humanisten.
beigewohnt und darüber eine Schrift verfasst hat, so kann
er nicht schon 1525 gestorben sein.
Nicht ganz aus der Luft gegriffen ist ein kurzer Bericht
der Gurker Kirche, der meldet, Balbi habe ohne Angabe
eines besonderen Grundes sein Bisthum Gurk verlassen und
sich nach Venedig begeben, wo er in grösster Armuth ge-
storben sei. Es wird aber das Todesjahr nicht angegeben.
Da von mehreren Seiten berichtet wird, dass er zu Venedig
in der Peter- und Paulkirche (wo die Grabstätten nur für
Spital-Arme waren) begraben worden, so steht dieses mit
der obigen Gurker Nachricht nicht im Widerspruche, nur
das angegebene Jahr des Todes 1525 ist falsch, ßalbi ist
wahrscheinlich erst 1535, über 75 Jahre alt, gestorben ; *)
er hatte sich, vielleicht von kirchlichen Gegnern verfolgt,
in die Stille eines Klosters nach Venedig zurückgezogen.
Es ist nicht zu erweisen, dass er in den Dominicaner-Orden
getreten : 2) aber es ist wahrscheinlich, dass er einige Jahre
vor seinem Tode sich einer geistlichen Genossenschaft zu-
gewendet und als Conversus derselben in Venedig gestorben
ist, wo er bei der Spitalkirche von Peter und Paul seine
Grabstätte fand.
Die zahlreichen Schriften, welche Hieronymus Balbi
hinterlassen hat und von denen die meisten während seiner
Lebenszeit durch den Druck veröffentlicht wurden, sind erst
gegen Ende des 18. Jahrhunderts in einer Gesammt-Ausgabe
von Joseph Hetzer vereinigt worden. 3) Nach der ver-
schiedenen Lebensstellung des Verfassers und seiner manch-
faltigen Geistesrichtung behandeln sie ziemlich Verschieden-
^) Retzer führt eine zu Brüssel erschienene Kirchengeschichte Deutsch-
lands an, worin vorkommt J^röme Baibus V^nitien — mourüt Tan 1535.
2) Possevin, Hansiz, Jöcher zählen Balbi zu den Dominicanern, wo-
gegen mit Recht die Scriptores univ. Vienn. II. 36, Denis a. a. O. S. 6
und Retzer S. 41 sich erklärt haben.
3) Hieronjnaii Balbi opera poetica, oratoria et politica etc. coli. Joseph
Retzer. Vindob. 1791 u. 1792. 2 Voll. 8^.
Balbns. 163
artiges. Sie zerfallen in dichterische und rhetorische
Productionen, in polemische und satyrische Pam-
phlete, endlich in philosophische und politische Ab-
handlungen. Eigentliche juridische Schriften sind
von dem berühmten Rechtskundigen nicht bekannt. Seine
Theilnahme an der Sammlung des Opus tripartitum juris
Hungarici kann im Einzelnen nicht näher nachgewiesen
werden.
Von seinen philologischen Leistungen ist nur Weniges
bekannt. Das dahin Gehörige ist noch nicht im Druck er-
schienen. ^)
Von seinen poetischen Productionen (Carmina), welche
zu seinen frühesten Leistungen gerechnet werden müssen,
bilden die Epigrammata, die zum Theil sehr schlüpfrigen
Inhalts sind und nicht selten CatulFs Natürlichkeit und
Martial's Witz vereinigen, weitaus die Mehrzahl. Sie waren
sehr verbreitet, wurden von den Zeitgenossen viel gelesen
und einige Male gedruckt. Die Wiener Ausgabe vom
J. 1494 ist nicht die erste, denn schon früher war eine
mit 111 Nummern ohne Angabe des Jahres und des
Druckortes erschienen. ^) Der Wiener Druck , der zu den
frühesten Publicationen der Wiener Presse gehört und
von dem ersten der dort ansässigen Buchdrucker, Johann
Winterburger, herausgegeben ward, 3) zählt 165 Stücke:
das Buch gehört zu den höchst seltenen, da jetzt nur noch
^) Zu diesen Arbeiten Balbrs gehört auch sein Commentarius in
Somninm Scipionis, der auf der Wiener Hofbibliothek Nr. 3123 hand-
schriftlich sich vorfindet
2) Hieronymi Balbi Poetae Epigrammata. s. 1. e. a. Vgl.
Ebert, Bibl. Lex. Nr. 1534. Hain, Repertor. bibliogr. I. 1. p. 286. Retzer,
Leben des H. Balbi. S. 166.
') Hieronymi Balbi utriusque juris doctoris necnon poStae atque
oratoris insignis opnsculiim epigrammaton exaratum Jo. Winterburg in urbe
Tiennensi 1494. 4^.
11*
164 Leben nnd Schriften der Humanisten.
6 Exemplare davon existiren sollen. *) Die zuletzt in Wien
1791 von J. Hetzer besorgte Ausgabe enthält 229 Nummern. 2)
Darin finden sich auch abgedruckt: aus zwei Wiener Hand-
schriften das vollständige Carmen de successibus et futuris
Caroli Imperatoris et Ferdinandi regis triumphis Vaticinatio ^)
und die Elegia de cladibus Italicis, wie auch andere kleinere
Gedichte aus der Innsbrucker Bibliothek und einigen seltenen
Werken. Von den Gedichten ist eine Anzahl an Wiener
angesehene Persönlichkeiten , namentlich Professoren , ge-
richtet;^) die späteren Carmina sind meistens Cardinälen
und Bischöfen gewidmet.
Von Balbi's Orationes, die er als Gesandter des
ungarischen Königs in Worms vor Kaiser Karl V. und in
Rom vor den Päpsten Hadrian VI. und Clemens VII. hielt,
ist schon oben gesprochen worden. Diese Reden sind nicht
frei von rhetorischem Bombast und Schwulst: sie athmen
aber einen ausserordentlichen Eifer gegen die Türken und
fordern zu deren Bekämpfung die christlichen Völker auf. ^)
') Denis, Wiens Buchdruckergeschichte S. 2.
2) H. Balbi Opera, ed J. Ketzer I. p. 99-— 270. Es sind darin auch
die im J. 1523 zu Rom gedruckten Epigramme aufgenommen. Oratio
Hier. Balbi Episc. Gurcensis coram Adriano VI. P. M. habita: additis
aliquot ejusdem Balbi episc. Epigrammatibus. Romae per Marcell.
Silber. 1623.
3) Früher schon Bononiae 1529 u. bei Schard Script, rer. Germ. II.
p. 29, aber nicht vollständig gedruckt.
*) Ad Jo. Vitezium Episc. Vesprimens. ac Viennens. (Nr. 113. 153.
166. 220\ ad Jo. Fuchsmagen, Senatorem (Nr. 115. 219. 221. 222. 223),
ad Jo. Crachenberger, Secretarium regium (N. 139), ad Bernhard. Perger,
Senatorem regium (Nr. 116), ad Jo. Kaltenmarckter (Nr. 81), ad Jo.
Cuspinian. (Nr, 118. 119), ad Jo. Burger (Nr. 187), ad Gabriel Guttrater
(Nr. 135), ad Wolfgang Sackh (Nr. 143), ad Bartholora. Staber, Medicnm
(Nr. 149).
^) Die Ausgaben der einzelnen Orationes sind oben angeführt. In
Retzer*s Sammlung von Balbi Opp. stehen sie T. I. p. 645—643. Theilweise
in's Deutsche übersetzt, g^bt sie Retzer in seiner Schrift über das Leben
Balbi's S. 72—97.
Balbtts. 165
Was seine polemischen und satyrischen Schriften
betrifiPt; so fallen diese meist in die Zeit seines ersten und
zweiten Pariser Aufenthalts. Dahin gehören auch mehrere
Epigramme ; welche Wilhelm Tardif (Lentus),*) Faustus
Andrelinus 2) und Robert Gaguin^) betreffen. Vorzüglich aber
ißt hier anzuführen sein Dialog Rhetor gloriosus sive
de Eloquentia, welcher gegen Wilhelm Tardif, dessen
lateinische Grammatik er verwarf, geschrieben ist. ^)
Interessanter und wichtiger als diese philologische Streit-
schrift ist ein anderer polemischer Dialog, Julius betitelt, '■*)
welcher gegen den Papst Julius IL gerichtet ist. In dieser
bitteren Satyre wird der Papst auf das schärfste gegeisselt :
seine grenzenlose Herrschsucht, masslose Verweltlichung und
Kriegslust wird in greller Weise geschildert, und dem
heiligen Petrus, welcher den schuldbeladenen Papst nach
seinem Tode von den Pforten des Himmels wegweist, die
Lehre in den Mund gelegt, dass die Bischöfe, als Nachfolger
der Apostel, zu ihrer ursprünglichen Bestimmung, der sie
durch die römische herrschsüchtige Politik entzogen worden,
zurückkehren und die allgemeinen Concilien gegen die
päpstlichen Uebergriffe in ihrer Auctorität fest gegründet
werden müssten. ^)
1) Balb. Epigr. Nr. 60. 65.
2) Balb. Epigr. Nr. 228.
3) Balbi Epigr. Nr. 36. 67. 76. 87. 92.
*) Hieronymi Balbi Rhetoris gloriosi liber. Paris 1494. Auf der
Leidener Bibliothek befindet sich im Ms. derselbe Dialog unter dem Titel :
H. Balbi Dialogus de Eloquentia. Vgl. Retzer, Leb. des Balbi S. 64, und
Opp. T. I. bei den Dialogis p. 271 fll.
^) Julius. Dialogus festivus viri cuiusdam, quomodo Julius II. P. M.
post mortem coeli fores pulsando ab ianitore illo D. Petro intromitti
nequiverit. Paris bei Gourmont s. a. 4^, dann ibid. 1513 und später öfter
gedruckt: auch bei Retzer. Balbi Opp., bei den Dialogis I. S. 271 fll.
Baur und Mohnike a. a. O. sprechen von 18 Ausgaben.
6) Mencken judic. de Dialogo Julio in den Mise. Lips,
166 Leben and Schriften der HnmMiisten.
Manche sprechen den Dialog Julius^ dem es nicht an
Witz und Geist wie auch an überraschenden, Wendungen
fehlt , dem Hieronymus Balbi ab. ^) Dass er aber von
Erasmus von Rotterdam oder Ulrich Hütten verfasst wor-
den^ ^) lässt sich nicht mit voUgiltigen Gründen beweisen.
Da die Satyre gegen das Papstthum, wie es zur Zeit
Julius II. war^ im Interesse der französischen Regierung
geschrieben ist, und König Ludwig XII. damals im offenen
Kriege mit Rom lebte, daher auch erlaubte, dass der Dialog
an der Pariser Universität öffentlich vorgetragen werden
durfte, so lässt sich wohl behaupten, dass die Satyre auf
Anregung des französischen Königs verfasst worden ist.
Als Verfasser betrachten manche den französischen Hof-
dichter Faustus Andreiini von Forli. ^)
Von Balbi's philosophischen und politischen
Schriften, welche er im späteren Alter verfasste, sind
folgende anzuführen:
Hieronymi Balbi Episc. Gurcensis ad dementem VII.
P. M. de civili et bellica fortitudine ex mysteriis
poetae Virgilii nunc primum depromptus tractatus cui ad-
ditus est alter continens: Turcarum originem, mores,
Imperium aliaque praeclara scitu cognituque dignissima,
welche beide Abhandlungen zuerst Romae 1526 heraus-
gegeben und dann von Retzer in die Balbi' sehe Gesammt-
ausgabe aufgenommen wurden.*)
^) Retzer, Leb. u. Sehr, des H. Balbi p. 66 fl. Münch, Ep. vir. obscur.
p. 428 fll. Grässe, Lit. Gesch. III. S. 47 nennen H. Balbi als Verfasser.
2) Baur u. Mohnike a. a. O. verwerfen Erasmus und Hütten und er-
klären sich für Faustus AndrelinL Man hat eine deutsche Uebersetzung
des Dialogs von Joh. Curaeus.
3) Die unter den Handschriften der Pariser Bibliothek befindlichen
Epistola di Roma a GiuHo II. P. M. con la riposta del Pontifice wird
von Einigen Balbi, von Anderen dem Faustus Andreiini zugeschrieben:
Betzer 1. c.
*) Die Analyse von diesen beiden Tractaten gibt Retzer, Leb. u.
Schrift, des H. Balbi S. 97-107.
Balbos. 167
Hieron. Balbi Episc. Guro. ad Cardinal. Pompon.
Columnam : de Pace inter Christianos Principes gibt Retzer
aus einer Wiener Handschrift i) und aus einem Pariser
Manuscript seine Schrift de Fortuna et Providentia libri IV. 2)
Wichtiger noch ist sein Werk;
De Virtutibus libri HI. ad dementem VII. Pont.
Max.; von welcher Schrift aber das zweite Buch ver-
loren ist. 3)
Unter allen Schriften Balbi's ist seine umfassende Ab-
handlung über die Kaiserkrönung Karls V. am meisten b^
kannt geworden. Balbi selbst besorgte den ersten Druck
unter dem Titel: Hieronymi Balbi Episcopi Gurcensis ad
Carolum V. imperatorem semper Augustum deCoronatione
liber. Bononiae 1530 und in demselben Jahre folgt auch
die Lyoner Ausgabe.*)
Obschon Balbi in seinen päpstlichen Reden der römi-
schen Curie ungemein geschmeichelt und die Gunst der
Päpste dadurch gewonnen hatte, so verscherzte er sie doch
wieder durch diese politische Schrift. Wenn er darin auch
die päpstliche Macht über die kaiserliche setzte, so ver-
neinte er doch die beiden Hauptfragen, die er in der Ab-
handlung zu lösen versuchte, ijadem er die römische Krönung
durch den Papst zur Kaiserwürde nicht für nöthig erklärte
und auch Rom als alleinigen Krönungsort nicht gelten liess.
1) Vgl. Retzer 1. c. p. 116 fll.
2) Vgl. Retzer S. 108 fl.
3) Retzer (vgl. S. 107 — 115) hat aus einer Modeneser HancUchrift
das erste, aus einer Trientiner das dritte Buch herausgegeben.
*) Ausser dem Drucke bei Retzer in der Gesammtausgabe der
Balbi'schen Werke (vgl. S. 119) hat man auch mehrere ältere Ab-
drucke. Petrus de Andlo in seinen libris de Imperio Romano, Regis et
Augusti creatione etc., welche Marquard Freher Argentorat. 1603. 4. be-
sorgte, hat Balbi's Schriffc wieder abdrucken lassen : auch in späteren Aus-
gaben Andlo's Argent, 1624 und Heidelberg 1624, in Freher. script. rer.
Germanic. und bei Melch. Goldast in Imperialibus politicis kommt sie vor.
168 Leben and Schriften der Hnmanisten.
Es kann daher nicht Wunder nehmen, dass gegen Balbi's
Ansichten in Schriften nicht nur polemisirt ward, *) sondern
der Tractat de Coronatione auch in den römischen Index
verbotener Bücher gesetzt wurde. 2) Natürlich fehlte es
auch nicht an zustimmenden Schriften , namentlich in
Deutschland, ^) wo schon im 14. Jahrhunderte bei dem
Streite Ludwig des Baiern solche Ansichten, wie Balbi auf-
gestellt hatte, ausgesprochen wurden. ^)
Dass Balbi die Absicht gehabt habe, eine ungarische
Geschichte zu schreiben, wird mit Recht bezweifelt, s) Wenn
er auch in Bezug auf die Zeitgeschichte, durch seine Stellung
am Hofe in die StaatsangelegenheiJten eingeweiht, ganz ge-
eignet gewesen, die Begebenheiten, die er mit erlebt, genau
und richtig zu schildern, so dürfte doch seine Kenntniss der
früheren Geschichte nicht sehr tief gewesen sein. Auch
würde er nach Art der Humanisten wohl gar Manches durch
zu reichen oratorischen Schmuck entstellt haben.
Balbi stand in einem lebhaften Briefwechsel mit
Fürsten und Prälaten, mit Gelehrten und Staatsmännern.
*) Besonders von Campegias Symphorianus in der Monarchia GaUorum
Lugd. 1537 unter dem Titel: Apologia in Hier. Balbum Gurcens. Episc.
2) Index lib. expnrgandor. Rom. 1716. p. 567. Aach im Spanischen
Index lib. expurg. p. 517.
*) Retzer, Leb. u. Schrift, des H. Balbi handelt S. 119—165 über
die Schrift und ihre Gegner: er gibt eine Analyse der Abhandlung und
spricht sich zustimmend für Balbi's Ansichten aus.
*) DöUinger, die Papstfabeln, Mtinch. 1863, wo er von den späteren
Urtheilen der Gelehrten über Constantins Schenkung und ihren Folgerungen
handelt, unterlässt es, die Schrift Balbi^s zu erwähnen.
5) Retzer, Leb. d. H. Balbi S. 71. Die Worte im Gedichte des
Joh. Dantiscus (in des Rieh. Bartholinus Perusinus Odeporicon an Matth.
Lang, Cardinal. Gurc.) lauten:
Baibus item Phoebi quondam, nunc rite sacerdos
Et Jovis interpres veri, qui grandia facta,
Hunniaci scribit regni, totque edidit olim,.
Quod sua non potis est unquam evanescere fama.
Balbns. 169
Es ist bis jetzt nur eine geringe Anzahl dieser Briefe,
welche nicht nur für das Leben Balbi's, sondern zum Theil
auch für die Zeitgeschichte von Werth sind, gesammelt. *)
*) Retzer hat in Opp. Hier. Balbi Vol. I. p. 1 — 98 die von ihm ge-
sammelten 43 Briefe aufgenommen, die wohl noch ansehnlich vermehrt
werden könnten. Unter diesen Briefen kommen Schreiben vor: an den
römischen König Ferdinand, an Kaiser Karl V., an den Protonotar Joh
Schlechta, an Bohuslaus v. Hassenstein, an Conrad Celtes u. A.
Burgferius.
Johann Burger aus Eggenburg in Niederösterreich.
t nach 1507.
Johann Bürger^ aus Eggenburg in Niederösterreich^
gehört zu den Wiener Professoren, welche sich am frühesten
dem Humanismus zuwandten und eifrig sich bemühten, den
Conrad Celtes als Professor der Rhetorik und Poetik für
Wien zu gewinnen. Als Magister der freien Künste an der
Universität las er über römische Schriftsteller, namentlich
über Sallust. ^) Er war zwei Mal Rector der Hochschule :
das erste Mal vom Februar bis October 1495, dann wieder
vom October 1496 bis Februar 1497. ^) In seinem ersten
Rectorat richtete er im Namen der Wiener Humanisten an
*) Act. fac. art. ad ann. 1494.
2) Steyerer (Albert II. p. 486), welcher die älteren Universitätsacten und
die Univ. Matrikel noch yor sich hatte, gibt sein erstes Rectorat an A. 1495,
die beator. Tiburcii et Valeriani, es fiel demnach in das Sommer-Semester.
Das zweite Rectorat begann am 16. October 1496: Johannes Würger ex
Egenburga, in artibus Magister, die S. Colomani Martyr. secundo in
rectorem — ehgitor. Das zweite Rectorat dauerte bis Februar 1497. Das
Datum im Schreiben Burger*s an C. Celtes, worin er sich Rector nennt
und welches im Cod. epist. Celtic. f. 80 und bei Elüpfel vit. Celt. I.
5. 175 lückenhaft abgedruckt ist, wird unrichtig angegeben: Viennae
6. Martii ann. 97 Es kann nur der 6. März 1495 gemeint sein. Die
Datimngen in den an Celtes gerichteten Briefen sind durch Schuld des
Copisten öfter unrichtig angegeben.
Bni^erins. 171
Celtes ein SchreibeD, worin er ihn ersuchte, seinem Ver-
sprechen nachzukommen und in Wien Vorlesungen zu
halten. ^) Dass er noch im J. 1507 lebte, zeigt Cuspinian's
Inschrift an seinem Hause auf die Sodales der gelehrten
Donaugesellschaft, deren Mitglied er war. 2) Von seinen
literarischen Productionen ist jedoch nichts bekannt. Dass
er aber nicht zu den unbedeutenden Persönlichkeiten der
Wiener Universität gehörte, zeigt das Epigramm, welches
Hieronymus Baibus an ihn richtet, in einer Zeit, wo Burger
noch nicht Rector gewesen. 3)
1) Der Anfang des Briefes lautet: Johannes Burger ex Egenburga
studii Viennensis rector humanissimo viro Conrado Celti domino et
fautori suo peculiari felicitatem optat. Celebris et humanissime vir, plerique
Viennensis gymnasii alumni tui amantissimi admiratione ducuntor, cur
promissioni tuae, qua te propediem reversurum poUicebaris hucusque
minime satisfeceris, fortassis quia longe honestior tuae excellentiae alibi
quam hie erat conditio. Nee tarnen non immemores tuae doctrinae jucun-
dissimae commercii integri, coUoquii denique humanissimi, quo nos ob-
lectasti et nostrae academiae decori fuisti, rem silentio praeterire ne-
qnaquam poterimus et ut speramus, data est occasio, qua tuam excellen-
tiam in reditum concitemus etc.
2) Der Name lautet daselbst Joan. Burgrius. In den Universitäts-
Acten kommt die Form Burger und Würger vor.
3) Retzer hat das Gedicht unter der Nr. 127 der Carmina Balbi's
herausgegeben.
Gamers.
Giovanni ßicuzzi Vellini aus Camerino.
t 1546.
Johann Camers ^) gehört zu den gelehrtesten, viel-
seitigsten und fruchtbarsten Wiener Humanisten; seine
literarischen Leistungen erstrecken sich auf die classischen
Wissenschaften, auf die Philosophie und Theologie. Auch
im canonischen und römischen Recht besass er ausgezeich-
nete Kenntnisse. Von seinen poetischen Productionen aber
lässt sich nichts Erhebliches nachweisen.
Johannes 2) Ricutius Vellinus,^) aus der im Kirchen-
staat gelegenen Stadt Camerino gebürtig (1458?), wird
nach seinem Geburtsorte in der Literaturgeschichte gewöhn-
lich Camers genannt. Seine frühere Lebenszeit und seine
Familienstellung sind nicht näher bekannt. Er gehörte dem
^) lieber Camers geben Nachrichten die Act. fac. theol. und art. iind
die Beigaben zu den yon ihm herausgegebenen alten Schriften, lieber ihn
handeln: Job. de Luca, Annal. Minor. T. XVIII. S. 210. Jacobill. Biblioth.
Umbriae I. p. 149. Scriptores Univ. Vienn. II. 40. Khautz, Oest. Gelehrte.
Vorrede, S. VIII fll. Denis, Wiens Buchdr.-Gesch, an verschiedenen Stellen,
besonders S. 234, und in den Merkw. d. Garell, Biblioth. S. 269. Eink,
Gesch. d. Wien. Univ. I. 8. 206, n. 238.
2) In dem unten angeführten Briefe an Celtes nennt sich Camers:
Joannes Lucas.
3) Sein italienischer Name lautete: Giovanni Ricuzzi Vellini.
CamerR. 173
Minoriten-Orden an, was erklärlich macht, dass er in der
Philosophie dem Franciscaner Dans Scotus folgte, der in
der scholastischen Philosophie bekanntlich eine besondere
Schule stiftete, welche dem scholastischen System des Thomas
von Aquino entgegenstand. Camers lehrte zuerst an der
Universität Padua die scholastische Philosophie und betrieb
dabei die humanistischen Studien.*) Des Griechischen war
er vollkommen mächtig, so dass er in dieser Sprache nicht
nur die Classiker las, sondern auch darin mit Griechen
brieflich verkehrte. 2) Noch vor Ablauf des 15. Jahrhunderts
kam er an die Universität Wien, an der er im J. 1499 in
der theologischen Facultät als Decan fungirte. Seine Vor-
lesungen betrafen zunächst die scholastische Philosophie, 3)
sodann auch Aristoteles und des Augustinus Bücher de
civitate dei. ^) Endlich wandte er sich auch den platonischen
Schriften und überhaupt den alten Classikern zu. So kam
er mit den Wiener Humanisten in vielfachen Verkehr, der
freilich nicht immer der freundlichsten Art war. Als Realist
^) Dr. Joh. Eck schreibt in einem im J. 1516 an den Eich-
städter Bischof gerichteten Briefe (vgl. Hist. Univ. Vienn. II. 91): Doctor
Joannes Camers, Italus divi Francisci sacerdos varia doctrina praeditus,
Musarura antistes, et historiae diligens scrutator, qui ex studio Paduano
(ubi cum magna laude philosophiam est professus) ad Viennam concessit
et primus doctoris subtilis Joannis Duns Scoti dogmata subtilissima plenis
velis Viennensi gymnasio invexit.
2) Dieses erfahren wir von ihm selbst in der Vorrede zu seinen Enarra-
tiones in Solinum, in welcher er angibt, dass er mit dem Erzbischof Marcus
Musurus von Maivasia in Morea in griechischer Sprache correspondirt habe.
3) Joh. Eck 1. c. ist nicht ganz genau unterrichtet, wenn er be-
hauptet, Camers habe zuerst die Lehrsätze des Duns Scotus in Wien vor-
getragen; in den Script. Univ. Vienn. II. 39 ist dieses berichtigt. Camers
ging nur tiefer und gründlicher in das System ein. Daher gibt Dr. Eck
auch an: (Camers) Cordigeri nonnuUa Francisci Mayronis in sententiis
scripta subtilissima, nondum a calcographis excusa. Franciscus Mayronis
(lebte um 1320) schrieb auch über die libri Augnstini de civitate dei,
welche in der Zeit des Camers in Venedig gedruckt erschienen.
*) Script. Univ. Vienn. II. 70.
174 Leben vnd Sehrifton der Hamanisten.
war er im Grunde den deutschen Humanisten näher ge-
treten, als sonst die Italiener und die meisten Theologen,
welche gewöhnlich dem Nominalismus und dem System des
Thomas Aquinas huldigten. Mit Celtes, Cuspinianus, Va-
dianus, Collimitius und andern gleichzeitig an der Wiener
Universität wirkenden Humanisten vertrug er sich ziem-
lich; jedoch scheinen hie und da einige Störungen in ihrem
gelehrten Verkehre vorgekommen zu sein.
Im J. 1503 verliess Camers auf einige Zeit Wien.
Kaiser Maximilian I. tibertrug ihm eine Mission nach Rom
an Papst Julius H. Wir finden Camers dort noch 1504 1)
mit gelehrten Arbeiten beschäftigt. Aber im selben Jahre
war er wieder nach Wien zurückgekehrt, hielt in der
artistischen und theologischen Pacultät Vorlesungen 2) und
befasste sich vielfach mit der Herausgabe und Erklärung
alter Schriftsteller.
In der theologischen Facultät, welcher dann Camers
ausschliessend angehörte, war er überaus thätig: nicht nur,
dass er als Decan achtmal ihre Geschäfte besorgte, 3) son-
dern auch bei der Bücher-Censur und der Ueberwachung
der reinen Glaubenslehre. Es stand ihm hier zur Seite der
gelehrte Doctor Johann Trapp, der in Paris seine Studien
gemacht hatte. Ihre Gutachten wurden von der Facultät
überall eingeholt. Namentlich geschah dieses bei der Frage,
ob die ohne Bewilligung der Facultät edirten Oden des
Conrad Celtes weiter verbreitet werden dürften, und bei
den kirchenreformatorischen Streitigkeiten, welche sich in
Folge der Lehrsätze Luther's und anderer Glaubensneuerer
erhoben. Camers schrieb im Namen der theologischen
Facultät gegen die reformatorische Bewegung und bekämpfte
*) Vgl. unten die Epistola Camertis an Celtes d. d. Rom. 17. Martii 1504.
2) Act. fikc. art ad ann. 1505. T, III. fol. 41.
3) Locher, Specul. ad ann. 1499. 1602. 1604. 1605. 1612. 1517. 1622.
1628. Als Mönch konnte er nicht das Rectorat bekleiden.
J
Camers. 175
die Ansichten des Paulus Speratus, der die lutherischen
Lehren zuerst in Wien 1524 in Predigten verbreitete. *)
Bei dem sichtbaren Verfall der Universität, bei dem
Uebertritte einiger seiner Freunde zum neuen Glauben, 2)
bei der gesteigerten Heftigkeit, womit die religiösen Kämpfe
gefuhrt wurden, verleidete ihm der Aufenthalt in Wien
immer mehr. Nachdem er 1528 das achte Mal das Decanat
in der theologischen Facultät gefuhrt hatte, verliess er Wien
und kehrte, in sein Vaterland nach Italien zurück, wo er
noch einige Decennien lebte. Hochbejahrt starb er 1546^)
in seinem Geburtsorte Camerino. Seine ansehnliche Bücher-
Sammlung hatte er seiner Vaterstadt geschenkt, wodurch er
den Grund zu einer öffentlichen Bibliothek daselbst legte. ^)
Indem schon oben von seiner theologischen Wirksam-
keit als Schriftsteller gesprochen worden ^) und von seinen
poetischen Productionen nicht viel zu sagend) ist, so kann
sogleich zu seiner humanistischen Thätigkeit als Heraus-
^) Theologicae facultatis universalis studii Viennensis do<?fcorum in
Panlum non Apostolum, sed suae farinae hominibus ocva t7*jV TrpöffOsffiv
eT(p.ovov Speratam Retaliatio. Yienn. 1524. Näheres über diese Camer-
tillische Schrift Denis, W. B. G. S. 260. Conspect. bist. Univ. Vienn. II.
p. 114. Kink, I. S. 248. Diese Streitschrift ist auch in Raupach's erlänt.
evangel. Oesterreichs Fortsetz. I. Th. S. 12 fll., Beil. Nr. 3 gedruckt.
2) Sein Schüler und Freund, der Humanist Vadianus, hatte auch Wien
verlassen und war in seiner Vaterstadt St. Gallen Zwinglianer geworden.
3) Bei Locher, Spec. acad. Vienn. ist unrichtig das J. 1656 angegeben.
Camers wäre demnach 98 Jahre alt geworden.
*) Denis, Merkw. d. Garell. Bibl. S. 269, und Wiens Buchdr.-Gesch.
S. 234, vorzüglich nach Lud. Jacobilli und Job. de Luca 11. cc.
^) Es ist noch hinzuzufügen, dass er mehreres Exegetisches über
biblische Schriften schrieb, was nicht durch den Druck veröffentlicht
wurde. Im Cod. MS. Nr. 11711 auf der Wiener k. k. Hof bibliothek be-
finden sich von ihm Annotationes in Canticum canticorum, in Evangelium
Joannis, in Apocalypsim, in Epistolam ad Romanos und einiges Andere.
*) In den Script. Univ. Vienn. II. 40 wird bemerkt: Poetica opus-
cula complura a Schönleben visa. Einige elegische Gedichte von ihm ent-
hält das in' Wien ohne Jahresangabe gedruckte Werkchen, welches dem
Erzbischof Matthäus Lang von Salzburg gewidmet ist: Virtutis ^EyKtofiiov.
176 Leben and Schriften der Humanisten.
geber alter Schriftsteller übergegangen werden, in welcher
Hinsicht er eine grössere Bedeutung hat als irgend ein
anderer Wiener Humanist seiner Zeit.^) Es ist nicht zu
verkennen, dass er sich meistens solche Schriftsteller zur
Herausgabe gewählt hat, die weniger durch ihre Classicität
ausgezeichnet sind, als vielmehr durch ihren reichen stoff-
lichen Inhalt Gelegenheit boten, sein umfassendes, eminentes
Wissen in beigefügten Commentarien an den Tag zu leg^n.2)
Es zogen ihn daher auch encyclopädische , geographische,
übersichtliche historische Werke besonders an ; er versah sie
meistens mit Commentarien — die aber nicht alle gedruckt
wurden — und mit guten Indices.
Unter den Ausgaben alter Autoren, welche Camers
veranstaltete und mit Anmerkungen, Indices oder sonstigen
Beilagen versah, ist wohl die früheste von der aus dem
Griechischen in's Lateinische übersetzten Tabula des
Cebes, welche nach einem von Philipp Beroaldus in
Bologna 1497. Fol. veranstalteten Drucke von Camers mit
einem kleinen Commentar edirt wurde. 3)
Humanae vitae qnezimonia. Fortunae Inconstantia. Sie sind yon keinem
grossen poetischen Werth. Distichen nnd kleinere Carmina von Camers
kommen in verschiedenen Schriften von Zeitgenossen vor.
<) Döliinger, Reformat. I. S. 643, sagt, er habe für die Herausgabe
der lateinischen Classiker miter seinen Zeitgenossen am meisten geleistet.
— Ein Verzeichniss der von Camers edirten Schriften liefert Khautz,
Oesterr. Gelehrte. Vorrede S. VIII; dasselbe ist aber nicht ganz voll-
ständig. Denis handelt in Wiens Bachdrucker-Geschichte von den in Wien
gedruckten Schriften.
^) Joh. Herold in der von ihm Basil. 1657 veranstalteten CoUection
des Solin., Florus, Cebes und Mela bemerkt: Camertis commentariolos si
quis legerit, proculdubio intelliget — quantum Camers valebat ubicunque
ingenium intendit, adeo ut quae in Lucanum, in Dionysium Alexandrinum
commentatus fnit, doctorum omnium dolore et iiterarum bonarum incom-
modo ingenti desiderentur, nee non alia, quae ipse scripsit, ab Harpyis non-
nullis supprimantur indig^e.
^) In Tabulam Cebetis commentariolum Joannis Camertis.
Paris 1498. Eine zweite Ausgabe besorgte Joh. Herold Basil. 1657 (die
Camers. 177
Wenn auch Camers die in Wien ohne Angabe des
Jahres erschienene lateinische Uebersetzung der libri octo
physicorum Äristotelis, welche Johann Argyropulos
machte, nicht selbst edirte, sondern sein College , der
Magister Wolfgang Mosnauer, so versah er die Ausgabe
doch mit einer Vita des Aristoteles, einem Epigramm und
sechs Distichen. 1)
Von den alten römischen Schriftstellern 2) war es der
christliche Dichter Claudianus aus Alexandria (starb nach
408), welchem Camers dann seine besonderen Studien zu-
wandte. Er gab dessen Werke, welche für Mythologie und
die Geschichte der Völkerwanderung nicht ohne Wichtigkeit
sind, in Wien 1510 in der damals neu entstandenen Buch-
drucker-Societät des Hieronymus Victor und Johann Singren
und im Buchhändler -Verlag der Gebrüder Alantsee heraus. 3)
Uebersetziing ist von La.d. Odaxius Patayinus gemacht); es fehlt aber da-
selbst der Commentar des Camers. Auch^ in der Ausgabe des Udalrich
Fabri, Vienn. 1519. 4. wird der Commentar des Camers nicht erwähnt.
(Ygl. unten den Artikel Fabri.) Denis, Wiens Buchdr.-Gesch. S. 199,
meint, der Beisatz commentariolüm Joh. Camertis sei eine willkürliche
Angabe Mattaire's. „Ich sehe," sagt Denis, „nicht wohl ein, wie des
Camers, der damals vermuthlich in Padua lehrte, Handschrift nach
Paris kommen konnte, und glaube also, es müsse 1497 oder 1498 eine
Cdition in Italien yorangegangen sein, die ich aber freilich nicht angeben
kann." Joh. Herold deutet an, dass der Commentar von seinen Neidern
unterdrückt worden.
^) Denis, W. B. G. S. 309, meint, der Druck müsse jedenfalls vor
das J. 1510 zu setzen sein.
2) Vgl. über des Camers Ausgaben im Allgemeinen: Fabric. biblioth.
latin. I. 491, II. 780.
3) Claudiani Opera novissime per D. Jo. Camertem accura-
tissime recognita. Vienn. 1510. 4^. Man kann diese Ausgabe zwar nicht die
editio princeps des Claudianus nennen (vgl. Teuffei, Rom. Lit.-Ge6ch. 1872.
§. 433), denn es waren die Venetianer vom J. 1482 und die Parmesaner
von 1493 ihr vorausgegangen ; aber sie enthält vier früher nicht gedruckte
Gedichte aus einer alten Handschrift: Laus Christi, Miracula Christi,
Landes Herculis , Laus Serenae reginae. Ausserdem war darin ein von
dem im 5. Jahrhundert lebenden Dichter Flavius Merobaudes verfasstes
Carmen de Christo zum ersten Male im Druck veröffentlicht (vgl. Teuffei
V. Aschbach, Geschichte der Wiener Univers. II. 12
178 Leben und Schriften der Hamanisten.
Während Camers sich mit rumischen Dichtem ') be-
schäftigte, wandte er seine Studien auch speciell Roms
AlterthUmern zu; eine Frucht derselben war die Ausgabe
des L. Fenestella de Komanis Magistratibus mit Bei-
gebe des mittelalterlichen Dichters Albricus: libellus de deo-
rum imaginibus.2)
Die in Wien 1512 und 1518 erschienene Ausgabe von
Cicero 's Büchern de officiis und mehreren kleineren
Schriften dieses berühmten römischen Redners, welche im
Grunde nur ein Abdruck der in Venedig gemachten Aldini-
schen Edition ist, verdiente eigentlich keine besondere
a. a. O. §. 457). Beigeflifirt ist t»ine von Camers verfasste Vita Claudiani
und ein Index. Zugleieli verspricht der Heran.sgel)er einen loconim diffici-
liiim conimentariolnm, der aber nicht erschienen ist. Mehrere Jahre später
wurde aus dieser Aasgabe abgedruckt: Gl. Claudiani Aegyptü Poetae in-
signis libri de raptu Proserpinae tres. Vienn. 1517. Vgl. über beide Wiener
Ausgaben Denis S. 38 und 16ß.
*) Denis, Wiens Buchdr, - Gesch. S. 51 findet glaublich, dass
A. Persii Satyrae Vienn. 1511 von Camers edirt worden. Es war ihm
unbekannt, dass von diesem Dichter schon 14i>"J in Wien eine Ausgabe
erschienen war. ITebrigens war die editio princeps von Persius schon 1470
in Rom ged nickt.
2) Der vollständige Titel des Buches lautet: L. Fenestella de
Ro. Magistratibus: nitori tandem nativo restitutus, mille fluentibus
ulceribus curatis, industria doctissimi Joannis Camertis Theo. Professo.
cum loconim omnium oh commune opti. litte ramm incrementum annota-
tionibus. Francisco Sfortia Gymnasii mo«leratore (Universitäts-Rector) Vienn.
A. X. quarto Non. Decembris. 4. Ausser dem libellus de deomm imagini-
bus von Albricus philosophus et po^ta doctissimus mit Abbildungen sind
eine Anzahl Distichen von den Humanisten Joach. Vadian, Petrej. Aper-
bach und Marius Rhetus beigefügt. Ein neuer Abdnick von dieser höchst
seltenen Ausgabe wurde Wien 15:J3 g<> macht. Vgl. Denis S. 29 und 240.
Camers hatte keine Ahnung davon, dass er anstatt den Text eines dem
Augusteischen Zeitalter angt»hörigen Autors das Machwerk des um 1450
lebenden FlonMitiners Andr. Dominic. Floccus (t^occhi) edirte. Vgl. Tira-
boschi, Lett. Ital. VI. 2. p. 240. Niebuhr, Vorl. über Rom. Gesch. I. 34.
Teuffei, Röui. Lit. ^. 264. Die wenigtMi echten J^agmente des Fenestella
sind von Haven*amp u. A. gesammelt. Poeth de Fenestella. Bonn 1849 gibt
an, dass man ein Mamiscript gefunden mit der Aufschrift: Andreae Dominici
Flocci Floreutini ad Brandeni Caniinalem Florent. de Romanis magistratibus.
Camen. 1 79
Beachtung. Camers hatte sie mit seinem Freunde Vadianus,
an den auch eine Zuschrift gerichtet ist, gemeinschaftlich
zum Gebrauch bei den über diese Schriften häufig gehaltenen
Wiener akademischen Vorlesungen gemacht. ^)
Camers beschäftigte sich viel *mit den römischen
Historikern, welche die römische oder allgemeine Ge-
schichte im Abriss liefern, und besorgte zum Gebrauche
der Studirenden beachten swerthe Ausgaben von Florus
(1511) und Sextus Rufus (1518),2) ferner von Justinus
(1517)^) und nach seinem Abgange von Wien auch noch
von Eutropius (1536).^)
^) M. T. Ciceronis de officiis libri tres, dein Laelius et Cato
Major et Somnium Scipionis cum Paradoxis, castigate impressi, adjecto
indice copiosissimo D. Joannis Camertis. Vienn. 1512. 4. Zweite Aus-
gabe mit etwas verändertem Titel und der Beifügung : Ex Archetjpo Aldino
nuper eraendatissime impress. Vienn. 1618. 4'^. Vgl. Denis, W. B. G. S. 66
und 181. Khautz hat keine von beiden Ausgaben angeführt.
2) Lucii Flori bellorum Romanorum libri quatnor ex vetustissimo
exemplari novissime ac diligenter recognita. Vienn. 1611. 4". Dazu Anno-
tationum in Lucinm Florum libellus. Vienn. löll, und neue Auflage:
Joannis Camertis in quatuor gestor. Rom. Lucii Flori libror. Index
copiosissimus. Sextus Rufus de regia, consulari ac imperiali dignitate
deque Romani imperii accessione per eundem Camertem suo nitori resti-
tutus. Vienn. 1518. 4. Vgl. Khautz a. a. O. und Denis, Merkw. d. Garell.
Bibl. S. 267. Wiens Buchdr.-Gesch. S. 63 und 188. Fabric. Bibl, lat. I.
p. 491 und II. p. 780 zeigt eilf spätere Ausgaben des Florus an, worin
die Camertinischen Noten, die mehr von Gelehrsamkeit als Kritik zeugen,
vollständig aufgenommen worden. — In demselben Jahre 1611 edirte auch
Cuspinian seinen Florus.
3) Justini nobilissimi in Trogum Pompejum libri quadra-
ginta quatuor. Additus insuper est per Joannem Camertem ord.
Minor. Index copiosissimus. Vienn. 1617. 4. Justinus war damals schon
zwei Mal in Deutschland: zu Strassbui^ 1606 und zu Leipzig 1514 gedruckt
worden. Die Camertinische Wiener Ausgabe ist ziemlich selten. Vgl. Denis,
W. B. G. S. 165.
*) Eutropii Breviarium historiae Romanae cum notis Ca-
mertis. Argentor. 1636. Khautz a. a. O. erklärt diese Ausgabe für eine
sehr seltene. Eutropius war mit Sextus Rufus schon 1471 in Rom im Druck
erschienen.
12*
180 Leben und Schriften der Humanisten.
Dass er aut^h Commentarien und Noten zu Livius und
Lucanus geschrieben habe, findet sich bei einigen Schrift-
stellern angeführt. 1)
Ein wesentliches Verdienst erwarb sich Camers um die
alte Erdbeschreibung durch die Herausgabe zweier
geographischer Werke, die er auch mit dem philo-
logischen Apparat versah. Er edirte fast gleichzeitig im
J. 1512 die drei Bücher der Geographie desPomponius
Mela^) und die Periegesis oder Geographie des
Alexandriners Dionysius nach der lateinischen Ueber-
setzung des Priscianus. 3) '
Sehr eingehende Studien widmete in den nächsten
Jahren der gelehrte Minorit zwei encyclopädi sehen Werken
des Alterthums: der Naturgeschichte des älteren
P 1 i n i u s , welche er mit einem trefflichen Index ver-
*) Bei J. Herold in der Collect, von Solinus, Florus, Cebes, Pomp.
Mela etc. Basil. 1557. Khautz 1. c. Denis, Merkw. d. Garell. Bibl. S. 269.
Baur in der Realencycl. v. Ersch. Art. Camers. Bd. XV. S. 19.
^) Pomponii Melae Geographiae libri tres. Hermolai Barbari
in eundem integrae castigationes. Index in Pomponio contentorum copio-
sisaimus. Vienn. 1512. Pridie Non. Sept. Mit Zuschrift des Herausgebers
Camers an den Minoriten Theobald von Offenburg und vier Distichen des
Nicolaus Gerbelius. Eine neue Ausgabe folgte Vienn. 1 520 und ein Nach-
druck Lips. 1521. Vgl. Denis S. 71 und 213. Die Camertinische Ausgabe
ist die erste, welche von Pomponius in Deutschland erschienen ist ; er war
aber schon früher in Italien (1471 in Mailand) gedruckt.
3) Dionysii Afri de situ orbis sive Geographia Prisciano
aut Fannio Rhennio interprete liber unicus Joannis Camertis
in eundem commentariolum. Vienn. XI. Kai. Nov. A. 1512. 4^. In der
Vorrede gibt Camers an, dass Magister Joach. Vadianus ac Mag. Adrian.
Wolfhardus Transsylvanus (mihi ob eorum ingenuos mores ac non vulgarem
eruditionem charitate junctissimi) Zeugniss ablegen könnten, dass er den
Commentar in weniger als 30 Tagen gefertigt habe. Er fährt dann weiter
fort: Attulit non parvam opem Jo. Cuspinianus, saluberrimae medicinae
doctor, poeta candidissimus — qui mihi Graeci Dionysii venerandae vetu-
statis copiam fecit. Cuspinian hatte schon 1508 die lateinische Uebersetzung
des Dionysius von Rufns Avienus herausgegeben. Vgl. unten den Art.
Cuspinian und Denis, W. B. G. S. 19 und 73.
Camers. 181
sah,^) und dem Memorabilienbuch des Julius SolinuS;
das er ebenfalls mit einem ausführlichen Index ausstattete. 2)
Die Brauchbarkeit dieser Indices erkannte man auch all-
gemein an ; spätere Herausgeber dieser beiden Werke haben
sie daher auch in ihre Ausgaben aufgenommen.
Wie Camers früher bei der Herausgabe des Florus gegen-
über seinem Freunde Cuspinian als Rivale auftrat und mit ihm
in Conflict gerieth, so begegnete es ihm hinwiederum selbst
bei seinem CoUegen Joachim Vadianus, mit dem er
lange bei ihren gemeinschaftlichen humanistischen Studien
im besten Vernehmen gestanden hatte. Vadian erlaubte
sich in seinem Pomponius Mela und bei anderen Gelegen-
heiten Ausfälle gegen den italienischen Humanisten und
veranlasste dadurch eine literarische Fehde. Camers schrieb
gegen ihn zwei polemische Schriften: 3) er führte aber den
*) Der Index erschien in zwei Abtheilungen: Prima parsPlyniani
I n d i c i 8 edita per Joannem Camertem, in qua tabellae pictae instar mira
litterarum connexione dicuntur ea omnia Geographiam praeter, quae toto
Plyniano volumine continentur. Vienn. 1514. Prid. Kai. Septemb. Pars
secunda Plyniani Indicis ejusdem Joannis Camertis Geographiam etc.
continens copiose seeundum inter se seriem litterarum. Vienn. 1614. Calend.
Septemb. 4^. Eine Zuschrift an den berühmten ungarischen Juristen Stephan
Verböczy ist beigefügt, worin über Stil und Inhalt des Plinianischen Werkes
gehandelt ist. Das Nähere die Ausgabe Betreffende findet sich bei Denis
S. 111 fll.
2) Joannis Camertis Minoritani art. et sacr. theol. doctor. in
Julium Solinum FIoXufaTwpa Enarrationes. Additus ejusdem
Camertis Index tum literarum ordine, tum rerum notabilium copia per-
commodus stndiosis. Vienn. 1520. fol. Eine Quartausgabe des Textes mit
abgekürztem Register veranstaltete noch im selben Jahre Johann Rosaerius:
Julii Solinus Polyhistor. Cum Indice summatim omnia complectente. Vgl.
darüber das Nähere bei Denis S. 211 f. Eine spätere Ausgabe Leyden
1539. 8. gibt auf dem Titel noch an: Ad vetust. exemplarium fidem
illustr. per Joannem Camertem. Das Werk, welches auch betitelt ist: De
situ et memorabilibus orbis und Collectanea rerum memorabilium , hat in
neuester Zeit (Berlin 1864) Mommsen am besten herausgegeben.
3) Die eine Schrift führt den Titel: Loca aliquot ex Pompo-
nianis commentariis repetita indicataque, in quibus censendis et
182 Leben und Schriften der Humanisten.
gelehrten Streit mit aller Mässigiing; indem er die grossen
Verdienste seines Gegners und dessen Gelehrsamkeit voll-
kommen anerkannte, aber die Anschuldigung desselben,
dass er ein Deutschenfeind sei, entschieden zurückwies.
Seine Kritik in Betreff des Solinus rechtfertigte er durch
die Angabe, dass er zehn alte Manuscripte von diesem
Schriftsteller genau verglichen habe.
Manche von Camers Commentarien und sehr brauch-
bar angelegten Indices verschied,ener Schriften sind ver-
loren oder nicht veröffentlicht worden. *) Dass er ein sehr
ausführliches Repertorium über die Pandecten ge-
macht hat, erfahren wir aus dem kaiserlichen Privilegium
vom 6. Mai 1514, welches für den Plinianischen Index
gegeben worden war. 2)
Briefe, welche zwischen Camers und Alexander Brassi-
canus (1521 — 1531) gewechselt wurden, kommen in dem
Codex Nr. 9735 auf der Wiener Hofbibliothek vor. Den in
mehrfacher Beziehung interessanten Brief des italienischen
Minoriten an Conrad Celtes aus Rom, 11. März 1504, theilen
wir unten in der Note mit. ^)
aestimandi» Jo. Camerti Theologo Minoritano viro doctissimo suis in
Solinum enarrationibu» cum J. Vadiano non admodum convenit. Vienn.
1Ö21, und die andere: Jo. Camertis Antilogia, id est, locofum quo-
rundam apud J. Solinum a J. Vadiano Helvetio confutatorum amica defensio.
Vienn. 1Ö22.
i) Vgl. Khautzl. c. Vorrede, fol. VII.
2) Sie werden genannt tabulae repertoriae, quales in legales nostras
Pandectas ac in alia praeclarorum opera miro ingenio et labore diceris eom-
portasse etc. Vgl. Denis S. 112.
^) Conrado Celti Johannes Lucas Camers comraendatione prae-
missa S. P. D. Sexto Idus Marcii tuas percepi literas, vir optirae, quibus
scribis te gaudere me velle libros ad regiae majestatis biblio-
thecam dudum destinatos restituere. Non possura satis admirari
imperatorem nostrum esse tarn infelicem et pauperem, qui etiam libros
defuncti Vincentii sibi usuri)are velit: quod minime credo. Minaris quoque
mihi dicendo, quod apud jam dictum Imperatorem nostrum et alios amicos
meos Komae et Viennae erit tibi contra me justus querelae locus: me
Camers. 183
paiiter respondendi seu defendendi lociim liabiturum iion dubites: cur
precor, vir humanissime, contra me amicum tuum et innocentem minus
juste machinaris, quam te nunqiiam offenderim, sed potius famam laudemque
tuam ubique locorum pro mea virili parte ampliavi: etiam interdum tuae
subveni necessitati mutuando pecunias: videl. quomodo iter versus Bolfsperg
ad nostrum • Amicum medicum arriperes, 4 duc. ungar. partim in auro et
partim in moneta et iterum, dum ad regiam Majestatem pergere volebas,
ducat. 5 etiam ungar. tibi fideliter mutuavi: de quibus solummodo in 5 ducal^
per supradictum Vincentium est mihi satisfactum. Quum autem eimdem Vin-
centium abunde pecunianim habuisse dicitur: verum quidem, sed ea con-
dicione reliquos ducatos quatuor reddere nolebat, dicons, si tibi ante ad-
ventum Celtis satisfecero, eandem pecuniam perdam : rogo, habe patientiam
quousque de pecuniis stipendii tibi satisfiet: cuius petitioni acquievi, aed
postquam mortuus fuerat, te quoque extremum clausisse diem ex certo
rumore intellexissem, libros subscriptos manu Vincentii, signatos regiis et
tuis intactis . . . loco debiti, cum scientia et voluntate Dnae Medicae
accepi, ex quibus certos vendidi Udalrico Tobriocher Villacensi videl. divum
Platonem, novam translationem Argyropuli super lib. Aristotelis, textum
Bibliae et adhuc unum aut duos, quonim titulos modo, oblivioni tradidi, in
quibus Omnibus habetur manus Viueentii saepedicti in hac forma: Vincentii
Longini Eleutherii ego sum. Item Leonardo [Alantsee] Bibliopolae dedi duo
officiola b. m. v. [beatae Mariae Virg.] in graeco et alios duos, si bene
mente teneo, libellos non ligatos. Si ergo, doctor egregie, hos libros habere
cupis, cum pietate primo tam Udalricum quam Leonardum, ne mihi scan-
dalum oriatur, alloquere, ut tibi eosdem reddant, restituta tum eis prius
pecunia: quare de pecunia, quam mihi debes, illis satisfac et libros accipe,
requiratur Udalricus per juramentum, quantum pecuniae pro libris super-
nominatis mihi dederit, quia quantum perceperim ignoro: pariter, si opus
fuerat Leonardus, ex quo ambo propter debitum mihi dedere. Tandem tuae
excellentiae ex mea commissione Laurentius K. [Corvinus Vratislaviensis]
presbyter 2 aut 3 aut 4 libellos, de quibus antea D, Doctor i Briccio
scripseram, praesentabit : de quorum numero et etiam aliorum superius
tactorum incertus sum. Si vero mihi et meis amicis fidem adhibere nolueris,
nee de his per me sie ordinatis esse contentus, vadas ad praefatum
Laurentium , apud quem reculas meas in quadam cista repositas habeo et
tu ipse singula quae illius erant recipe, forsan etiam, si bene memini
ejus carmina reperies. Ego enim in hoc et aliis praedictis, ut virum
prudentem decet, sine meo scandalo et damno te acturum spero. Tandem
t. e. [tua excellentia] novitates scire cupit: de quibus paucissimis me
absolvam. Scias itaque Pontificem Julium quinta Decembris ad S. Jo-
hannem Lateranensem pro accipienda possessione cum maxima pompa
et solemnitate equitasse: in cujus laudem et congratulationera carmina
sparsim in Roma fuerunt affixa: multique arcus triumphales pulcherrimi
a Romanis et Forensibus erant positi: quae carmina tuae transmitto
184 Leben und Sehriffcen der Humanisten.
donationi. De guerra autem in regno Neapolitano qualem finem
habuerit, credo te non latere. Id tarnen te scire volo, qaod tria millia
Gallomm nudi, discalciati, debiles, sine annis, penitns nihil unde viverent
habentes, stradioti pedestres, qnae res satis ridiculosa erat, relicto campo
urbem intraveront, ubi in plateis pabUcis in fimo jacentes et fame et
frigore pltirimi ex eis mortui sunt. Cives vero Romani futurum pericu-
lum considerantes summum Pontificem Julium accesserunt eidem suppli-
cando et in haec verba exponendo: Nisi vestra S. provideret, Galli mor-
bosi, qui ex campo venerunt, totam inficient urbem. His auditis papa mox
dedit ordinem: reip. voleiis providere et ut per mare ad Franciam duce-
rentur, mandavit et paucos post dies ducti sunt per Tiberim ad Hostiam,
ubi in duas galeas missi omnes primo die submersi sunt, habentes ventum
corum. Ecce qualem fortunam habuere primo ex campo fugati, in itinere
spoliati, postremo submersL Totam istius guerrae historiam in vulgari
Italico apud doctorem Briccium reperies. Item apud nos fertur Roma-
norum, Hispanorum et Gallorum reges treugas ad 3 annos pepigisse. Et
regem nostrum non solum Roma sed tota Italia cum magno desiderio
expectat. Non aliud pronunc: fui longior quam institueram. Valeat
igitur tua excellentia, cui me recommendo. Ex urbe 11. Martii anno 1504.
Rescribe et amicitiam pristinam ostende.
Capinius.
Martin Sieben burger aus Wien.
t 1522.
Martin Capinius sollte streng genommen nicht zu
den Humanisten der Wiener Universität gezählt werden,
indem von ihm keine literarischen Productionen in der
Richtung des Humanismus vorliegen. ^) Da er aber im
Kreise der Humanisten lebte und mit deren Führer und
Meister Conrad Celtes vielfach verkehrte, so kann er wohl
füglich dessen Schule beigezählt werden, um so mehr, als
die frühere Wirksamkeit des Magisters Capinius an der
artistischen Facultät in die Zeit fallt, wo Celtes in voller
Lehrthätigkeit in Wien war.
Martin Capinius 2) stammte aus einer angesehenen
Familie, welche in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts
aus Hermannstadt in Siebenbürgen nach Wien eingewandert
») Chmel, Handschrift, der k. k. Hofbibl. I. S. 231—239, woselbst
besprochen sind die Capinianischen Schriftstücke in den Codd. 8134, 8166
und 9039.
2) In den Act. fac. art. kommt er auch unter dem Namen Cibinius
vor; diese Benennung Hess sich wohl von Cibinium, dem lateinischen
Namen von Hermannstadt, woher die Familie stammte, leiten. Da man
Siebenbürgen auch mit Cibinium zusammenstellt, so meint man, Capinius
(Cabinius oder Cibinius) bedeute überhaupt Siebenburger. Franz Mayer,
Gesch. Oesterreichs. Wien 1874 I. S. 274, nennt ihn irrthümlicher Weise
Copinitz.
186 , Leben und Schriften der Hamanisten.
war; daher führte er auch den Beinamen Siebenburger.
Bereits im J. 1503 wird er als Procurator der ungarischen
Nation an der Wiener Universität angeführt; es lässt sich
daraus entnehmen, dass er, obwohl in Wien gebürtig, doch
seine siebenbürgische Abstammung noch geltend machte.
Nach Beendigung seiner Universitätsstudien in der artisti-
schen Facultät, in der er auch als Magister über einige
philosophische Disciplinen Vorlesungen hielt, ^ wandte er
sich der juridischen Facultät zu, erlangte darin den Doctor-
grad und führte ihre Geschäfte als Decan dreimal (1505,
1510 und 1516). Das Rectorat aber führte er niemals: weil
er verheirathet war, schlössen ihn die Universitäts-Statuten
von diesem Amte aus.
Capinius gehörte zu den angesehensten Rechtskundigen
in Wien; daher wurde er überall bei Rechtsstreitigkeiten
zu Rathe gezogen. Im Testament des Conrad Celtes, mit
dem er sehr befreundet war, 2) wird er unter den Executoren
angeführt. Das allgemeine Vertrauen in seine Kenntnisse
und seine Erfahrung erhob ihn zu dem wichtigen Amte
eines Stadtrichters, 3) welches er von 1512 — 1517 bekleidete.
Seine Aussprüche galten wie Orakel und man drängte sich
von allen Seiten dazu, dem einflussreichen und hochgeach-
teten Manne nahe zu stehen.^)
1) Act. fac. art lib. II. fol. 333 und lib. III. fol. 25.
2) Es- wird seine Gegenwart beim Lcichenbegängniss des Celtes, als
einer der näheren Freunde desselben, erwähnt. Velocian in der Nach-
schrift zu der Ausgabe der Oden des Celtes. Vgl. unten das Leben des
Celtes.
3) Der Humanist Adrianus Wolfliardus Transsylvanus in seiner Pane-
gyris ad Caes. Maximil. August. Vienn. 1612 richtet ein Vorwort an
Capinius und nemit ihn darin: Martinus Capinius Transsylvanus utriusque
juris et philosophiae professor ac reipublicae Viennensis supremus
Censor. Vgl. Denis, W. B. G. S. 67.
'*) Der Anonymus bei Pez, Script, rer. Austr. II. p. 990. Ostentabat
quandam literati hominis gravitatem et domus ejus velut oraculum a pleris-
que adiri solebat.
Capinias. 187
Als nach dem Tode Maximilians unter den Wiener
Bürgern tumultuarische Bewerbungen gegen die kaiserlichen
Enkel^ den spanischen König Karl und dessen Bruder, den
Infanten Ferdinand, ausbrachen und die alten Regen tes,
welche die habsburgischen Rechte verfochten, verjagt wur-
den, bildeten die Rebellen eine revolutionäre Regierung,
an deren Spitze Martin Capinius, der frühere Bürgermeister
Johann Rinner, ein Grärber, und der gewesene Universitäts-
Rector Victor Gamp traten. Auch die Theilnahmc des Adels
fehlte nicht. Als Hauptführer und vorzüglicher Agitator
galt Capinius, der auch an allen Gesandtschaften, die nach
Spanien, den Niederlanden und Deutschland geschickt wur-
den, theilnahm. Zweimal reiste er zu König Karl; er wohnte
dessen Krönung in Aachen bei und besuchte auch den Augs-
burger Reichstag: überall führte er das Wort, und zwar in
ziemlich kühner und derber Weise.*) Erst mit der Ankunft
des Infanten Erzherzogs Ferdinand in den österreichischen
Landen 1521 wurde der Aufstand vollständig unterdrückt.
Ferdinand sass dann in Wiener-Neustadt über die Rebellen
zu Gericht. Da die zum Tode verurtheilten Hauptschuldigen,
zu denen auch Capinius gehörte, in ihrem Trotze nicht um
Gnade baten, wurden sie öffentlich mit dem Schwerte hin-
gerichtet. So Hei auch des Capinius Haupt durch Henkers-
hand am 13. August 1522. 2)
^) Sigmund Ilerbcrstein in seiner Autobiographie, herausg. v. Karajan
in den Font. rer. Auatriac. I. p, '205. 235. 350.
2) lieber den Wiener Aufätand und seine Folgen geben mehrere
Quellenschriften und ziemlich viele neuere Werke Nachrichten. Zu den
ersteren gehört des Anonymus (bei Pez 1. c.) Enarratio de dissensione
provincialium Austriac post obit. Maximil. I. — Sigmund llerberstein's
Autobiographie 1. c; bei ihm ist die Hinrichtung der bürgerlichen Rebellen
nicht angegeben; es ist dafür im Codex ein leeres Blatt gelassen. Cuspi-
nian's Tagebuch ad ann. 1522. 11. Aug. meldet nur kurz: DecoUati Siben-
burger, Rumer (i. e. Rinner), Presch etc. — Ausführlicher in der Rhein.
Nat.-Matrikel ad ann. 1522. Accidit hac tempestate facinus memoriae
188 Leben und Schriften der Humanisten.
posterum non injuste prodendum. Si quidem octo non tarn felicis quam
vehementis animi viri principis Ferdinandi jussu idibus Augusti capita sunt
pertnmcata: quorum nomina: Dom. Michael de Eitzing", Dom. Joh. de
Buacham, ambo insignes Austriae Barones, Martinas Sibenburger tum miles
tum u. j. doctor, Joamies Binner olim Consol et Praetor nrbanus etc. Ton
den neueren Schriften sind zu erwähnen ausser Hormayr's Wien's Denkw. IV.
S. 156 Bnchholz, Gesch. Ferdinands I. Bd. I. S. 461. Karajan, Capiniana.
Strenae ann. 1851. Uj-Magyar, Muzeum Pestin. 1867. S. 531, vorzüglich
folgende: Siebenbürg. Quartalschr. 1869. S. 39 ill. Trauschenfels, Magaz.
f. d. Gesch. Siebenbürg. Neue Folge II. 36. W. Schmidt, Gesch. des
Wiener Aufruhrs in der Bielzi^schen Transsilvania. 3. Jahrg. 1863. S. 4.
Oberleitner, Die Parteikämpfe in Niederösterreich. Wien 1864. J. Trausch,
Schriftsteller-Lexikon od. biogr.-lit. Denkblätter der Siebenbürg. Deutsch.
Krönst. 1868. im Artikel Capinius. Vor allen Andern aber Kraus, Die
Gesch. Oesterreichs unter Ferdinand I. 1619—1622. Wien 1873, worin
mehreres bisher Ungedrucktes und von Capinius über sein Leben selbst
Verfasstes vorkommt; daselbst ist auch benutzt das auf dem Wiener Stadt-
archiv befindliche Tagebuch Wolfg. Kirchhofer's über den Aufstand und
Hans Segker's Denkw. zur Gesch. K. Karl V. und Ferd. I. nebst Briefen
auf der Wien. Hofbibl. Cod. Nr. 14722.
Celtes.
Conrad Pickel aus Wipfeld in Franken.
t 1508.
Der berühmteste unter den Wiener Humanisten ist
Conrad Celtes. Sicher war er unter ihnen Allen derjenige,
welcher die reichste dichterische Begabung* hatte. Auch
widmete er seine ganze literarische Thätigkeit den classi-
schen Studien und dem Humanismus und ging nicht wie
die meisten Humanisten in späteren Jahren zu einer exacten
Wissenschaft über.
Sein bewegtes und unstetes Leben, das ihn zum öfteren
Wechsel seines Aufenthaltsortes drängte, die ziemlich reich-
lichen Nachrichten über ihn und seine Thätigkeit liefern
uns zu seiner Biographie so vielen Stoflf wie bei keinem der
anderen Wiener Humanisten.
Nach den Hauptmomenten im Leben des Celtes lässt
sich dasselbe naturgemäss eintheilen, erstlich in die Zeit
seiner früheren Wanderungen, dann in die Jahre seines
Aufenthalts in Ingolstadt und zuletzt in die Periode
seines Wirkens an der Wiener Universität, an welches
Biographische endlich eine chronologische Uebersicht seiner
literarischen Thätigkeit anzuschliessen ist.
] 90 Leb«n und Schriften der Hanian\sten.
Conrad Celtes *) war am 1. Februar 1459 zu Wip-
fel d, eiuem am Main in Franken in der Würzburg^er
Diöcese gelegenen Dorfe, geboren. 2) Sein Vater Johann
Pickel war Bauer: derselbe hatte die Absicht, den Sohn
bei der Landwirthschaft zu erhalten. Aber ein geistlicher
Verwandter der Familie, ein Benedictiner in einem benach-
barten Kloster, unterrichtete den talentv^ollen Knaben im
Lateinischen und gab ihm die erste Grundlage zu einer
gelehrten Bildung. Noch in jüngeren Jahren stehend
legte er sich, nach der damaligen Sitte der Gelehrten, den
latinisirten Namen Celtes bei, der eine Uebersetzung des
Namens Pickel (d. i. Meissel) sein sollte. Er schrieb diesen
Namen Celtes abwechselnd auch in der Form Celtis^) und
') Die Vita Conradi Celtis per sodalitatera literariam Rhenanam,
welche nur bis ziim Jahre 1492 gelit, aber einen kleinere»- späteren
Zusatz hat, ist abgedruckt in C. Celtis libb. IV. Odar. Argent. 1513
und bei Aschbachf die früheren Wanderjahre des C. Celtes. Wien 1869.
8. 137 flL — Von den Neueren handeln am Ausführlichsten über Celtes:
E. Klüpfel, de vita et scriptis Conr. Celtis. Friburg. 2 Voll. 1827. L. End-
licher in Hormayr*8 Archiv fiir Gesch. Bd. XII. J. 1821 und dessen Rec.
über Klüpfel, Wiener Jahrb. d. Lit. Bd. XLV. Wien 1829. H. A. Erhard,
Gesch. des Wiederauflebens wissensch. Bildung. 2. Bd. Magdeburg 1830
und dessen Art. Celtes in der Encyclopäd. v. Ersch und Gruber. Bd. XX.
S. 135 fll.
'^) Der Zeitgenosse Lorenz Fries, Gesch. des Würzburg. Bisthums S. 395
gibt an: Der Poet Conrad Pickel, Celtis genannt, von Wipfeld am Main.
Trithemius nennt ihn einmal einen geborenen Schweinfurter, dann aber
gibt er richtig seinen Geburtsort Wipfeld prope Schweinfurt an. Celtes
aber selbst nennt sich gewöhnlich einen Würzburger — Herbipolensis —
weil er in der Diöcese Würzburg geboren war.
•') Celtes ist so viel als Caelites = Caeltes, Grabstichel, Meissel.
Im Griechischen schrieb er den Namen KeXttj;: je nachdem man die
Reuchlinische oder Erasraische Aussprache des griechischen t) befolgte,
lautete das Wort Keltes oder Keltis. Conrad Celtes beobachtete meist
Reuchlin's Aussprache, die meisten Humanist-en aber richteten sich mehr
nach Erasmus. Die Formen Zeltes und Zeltis, die auch vorkommen, sind
wohl von dem Dichter nicht selbst gebraucht worden.
Oeltes. 191
fugte dazu später die in das Griechische übersetzte Benen-
nung Protucius. ^)
Nachdem er mit einigen römischen Classikern bekannt
geworden, entführte ihn der Drang nach weiterem Wissen
der Heimat und den gewöhnlichen bäuerlichen Beschäfti-
gungen. Auf einem Rheinfloss mit SchifFsleuten aus Franken
kam er als achtzehnjähriger Jüngling nach Köln, wo er
als armer Scholar von Wohlthätern unterstützt, sich an der
dortigen Universität den humanistischen und scholastischen
Studien widmete. 2) Doch nach wenigen Jahren wandte er
sich von den letzteren, welche ihn zum geistlichen Stand
führen sollten, ^) ganz ab und richtete seine ganze Lern-
thätigkeit auf das Lesen und Verstehen der römischen
Classiker.
Um dieser Richtung sich ganz *hingeben zu können,
besuchte er im Jahre 1484 die Universität Heidelberg,^)
wo der Wormser Bischof Johann von Dalberg, Kanzler des
Pfalzgrafen Philipp, und der gelehrte Friese Johann Agricola
für die Verbreitung der humanistischen Studien überaus
thätig waren. Von dem Ersteren wurde er für die platonische
^) Protucius kommt von den griechischen Wörtern izpo und tuxoc oder
TTjxiov und bedeutet Meissel. AUe anderen Ableitungen wie auch die,
welche Erhard gibt, von tccwto; und x(a> (der erste Anreger), sind unrichtig.
Auch die Meinung, dass der Name von einer fränkischen Ortschaft komme,
ist falsch, da eine solche mit derartigem Klange nicht existirte. Uebrigens
ist nur die Form Protucius, die Celtes selbst gebraucht, die richtige : die
Varianten Protutius, Prothucius, Producius, Produccius, Protusius, Protasius etc.
sind fehlerhafte Schreibungen.
2) Vita Celtis.
3) Vita Celtis: ibique (Coloniae) liberalibus studiis et theologiae
aliquamdiu vacavit.
*) Er wurde nach der Universitäts- Matrikel 12. December 1484 ein-
geschrieben als Conradus Celtis Franco, die beigefügten Worte insignis
poeta et polyhistor sind ohne Zweifel späterer Zusatz.
192 Leb«n und Schriften der Hamanisten.
Philosophie gewonnen, unter der Leitung des Letzteren er-
lernte er das Griechische und Hebräische. ^)
Nach dem Tode Agricola's (1485) besuchte Celtes andere
deutsche Universitäten, Erfurt, Rostock und Leipzig,
nicht um daselbst zu studiren, sondern um durch öffent-
liche Vorträge die humanistischen Studien zu verbreiten.
Gegen Entgelt hielt er als fahrender Humanist Vor-
lesungen 2) über platonische Philosophie and Ciceronianische
Rhetorik, über antiken Versbau und Horazische Poesie und
unterliess dabei nicht, heftig gegen die veraltete Scholastik
und die dadurch herbeigeführte Geschmacklosigkeit zu eifern.
Nicht nur Studenten, sondern auch Magister und Doctoren
strömten in grosser Zahl zu den Vorträgen, um deren
classische Form zu bewundern, um die in Horazischen Vers-
massen verfassten Gedichte zu hören und Anleitung zur
Erlernung der antikSn Metrik zu erhalten. Freilich war
der Beifall, den er erhielt, nicht überall ein ungetheilter :
in Leipzig, wo die Gegner der Humanisten noch mächtig
waren und durch die Polemik des Celtes erbitterter wurden,
vertrieben sie ihn aus der Stadt. ^)
Celtes verkannte nicht, dass es für einen deutschen
Humanisten zu seiner vollkommenen Ausbildung nöthig sei,
Italien, die Heimat der classischen Wissenschaften, zu be-
suchen. Durch die reichlichen Einnahmen, welche ihm seine
Vorträge eingebracht hatten, mit den erforderlichen Mitteln
ausgestattet, trat er gegen Ende des Jahres 1486 die Reise
über die Alpen an. Vorerst war ihr Ziel Rom, wo er vor-
^) Vita Celtis. In der Ars versificandi gibt Celtes eine Elegie auf
den Tod des Agricola, worin er denselben als seinen Lehrer preist:
Quique mihi tribuit aliena idiomata, Graecos Noscere et Hebraeos doctus
utrosque legens.
2) Vita Celtis: Per Erfordiensium, Lipsiensinm, Rostoccensium gym-
nasia iter corripiens, non paucas pecunias docendo conqulsivit.
3) Aesticampion. Oratio 1507 Lipsiae habita: Conradum Celtin paene
hostiliter expulistis.
Celtes. 193
züglich mit dem Humanisten Julius Poniponius Laetus, dem
Stifter der platonischen Akademie daselbst, vielfach ver-
kehrte und in einem solchen Vereine ein nachahmens-
würdiges Muster für andere gelehrte Sodalitäten zur Be-
förderung und Verbreitung des Humanismus sah. Nachdem
er dem Papst Innocenz VHI. den Pantoffel geküsst und die
Ruinen der weltbeherrschenden Roma nach allen Richtungen
durchwandert hatte, eilte er wieder seiner Heimat zu. Doch
verweilte er noch einige Zeit in Florenz bei dem Platoniker
Marsilius Ficinus, in Bologna bei dem Polyhistor Philippus
Beroaldus. Um sich im Griechischen mehr zu vervoll-
kommnen, verweilte er in Ferrara im näheren Umgang mit
Johann Baptista Guarinus aus Verona und in Padua besuchte er
die Vorlesungen des Brescianer Johann Calphurnius und des
Marcus Musurus aus Greta. Auch Venedig liess er nicht
unbesucht, theils um nach Büchern und Handschriften sich
umzusehen, theils die dortigen ausgezeichneten Humanisten,
vor allen den Marcus Antonius Sabellicus und den be-
rühmten gelehrten Buchdrucker Aldus Manutius kennen zu
lernen. ^)
Nach einem kaum halbjährigen 2) Aufenthalt in Italien
kehrte er in seine Heimat zurück, wo wir ihn im Frühjahr
1487 zu Nürnberg bei seinen humanistischen Freunden finden.
^) Endlicher a. a. O. S. 158 meint, man könnte versucht sein, daran
zu zweifeln, ob die italienische Reise des Celtes je stattgefunden habe.
Die Anspielung darauf in den Celtes'schen Gedichten (lib. Odar. I. od. 14
und Epigr. II. Nr. 48) will er nicht wie Kltipfel im buchstäblichen Sinne
nehmen. Aber auch in der Vita Celtis ist so bestimmt von der Reise die
Rede, dass daran nicht gezweifelt werden kann: Ad Italiam profectus,
Paduae Calphurnium et Creticum, Ferrariae Guarinum, Bononiae Phi-
lippum Beroaldum, Florentiae Ficinum, Venetiis Sabellicum, Romae Pom-
ponium Laetum audivit.
2) Man bestimmt gewöhnlich für die Dauer der Reise zwei Jahre.
Erhard spricht sich wenigstens für ein Jahr aus. Da Celtes im Spätjahr
1486 Leipzig verliess xmd im April 1487 in Nürnberg war, kann die Reise
nicht viel länger als sechs Monate gedauert haben.
V. Aschbach, Geschichte der Wiener Univers. II. 13
194: Leben und Schriften der linnianisteii.
Schon bevor Celles seine italienische Reise angetreten
hattC; war er als Schriftsteller aufgetreten und hatte seinen
Namen in weiteren Kreisen in Deutschland unter den
humanistischen Gelehrten zur Geltung gebracht. Er ver-
öffentlichte zu Leipzig seine erste Schrift 1486 durch den
Druck unter dem Titel Ars versificandi, widmete sie
dem Herzog Friedrich von Sachsen, dem Pfleger der
humanistischen Studien, nebst einer Elegie zur Lobpreisung
des Fürsten und fügt einige Beigaben hinzu zur Verherr-
lichung des sächsischen Hauses und der die Regierungs-
geschäfte leitenden Persönlichkeiten, welche er als Gönner
und Freunde verehrte. Auch vergass er nicht, sich selbst
Weihrauch zu streuen in einer Ode, welche dem Dichter-
gotte Apollo geweiht war. Fast gleichzeitig hatte er von
Seneca zuerst die Tragödie Hercules furens, dann die
CoenaThyestis in Druck herausgegeben mit prologartigen
Gedichten, wovon das eine dem Fürsten Magnus von Anhalt
gewidmet war. •)
Der Verwendung der fürstlichen Gönner, des sächsi-
schen Herzogs Friedrich und seines Bruders des Erzbischofs
Ernst von Magdeburg, verdankte Geltes die hohe kaiserliche
Auszeichnung, welche bis dahin noch keinem deutschen
Dichter zu Theil geworden war. Es war bei Gelegenheit
der Abhaltung eines Reichstages zu Nürnberg, dass Kaiser
Friedrich auf der dortigen Burg am 18. April 1487 ^^) das
Haupt des eben erst aus Italien heimgekehrten Dichters mit
einem silbernen Lorbeerkranz und den Doctorhut^)
') Vgl. über die Ars Versificandi und die Ausgabe der Seneca'schen
Stücke unten die literarischen Notizen.
2) Vita Celt. : Friderici Saxoniae ducis familiaritatem nactus , cujus
suasu et ductu coronam poeticam a Caesare meruit primusque eius
dignitatis titulum et insignia apud Germanos gessit.
3) Dass die Dichterkrönung im J. 1487 und nicht wie vielfach an-
gegeben wird im J. 1491 stattgefunden hat, lässt sich aus der Beilage zu der
Celtes^schen Schrift Proseuticum ersehen, wo nach der von dem Astronomen
Celtcs. 195
schmückte. So war Geltes der erste von kaiserlichen Hän-
den gekrönte deutsche Dichter geworden. Auch bei dieser
Gelegenheit verfasste derselbe einige Gedichte und Briefe,
welche er in dem Proseuticon wenige Tage nach dem feier-
lichen Acte in Nürnberg durch den Druck veröffentlichte. ^)
Nicht blos seine Wanderlust, sondern hauptsächlich die
Absicht, seine Kenntnisse in der Mathematik und Astro-
nomie auf einer Universität, die in Beziehung auf diese
Disciplinen in der damaligen Zeit einen ausgezeichneten
Ruf hatte, zu vermehren und zu vervollständigen, fährten
ihn noch im Jahre der Dichterkrönung nach Polens Haupt-
stadt Krakau, wo an der Hochschule Albertus von Brudzewo
als einer der ersten Astronomen seiner Zeit glänzte. Unter
dessen vorzüglicher Leitung erlangte er auch vollkommen
den Zweck seines Aufenthalts in Polen. *^) Daneben lernte
er bei seinen öfteren Ausflügen in den Weichselgegenden
bis an die Karpathen und die Ostsee Land und Leute
näher kennen : was ihm auch Veranlassung gab zu mancherlei
poetischen Schilderungen und Productionen. Von grossem
Werthe für seine humanistische Vervollkommnung musste
ihm die Freundschaft eines italienischen Humanisten und
früheren Mitgliedes der römischen platonischen Akademie
des Pomponius Laetus sein. Dieser Gelehrte, der am Hofe
des polnischen Königs als Prinzenerzieher lebte , war der
Johann Canter die Constellaüon bei der Dichterkrönung auf Tag und Stande
angegeben ist. Wie die Verwechselung des Jahres entstehen konnte, ist
in der Schrift Wanderungen des Celtes S. 95 nachgewiesen worden. Dass
damals Celtes mit der Dichterkrönung den Doctorhut erhalten habe, ist
nicht zu bezweifeln. Es wird ausdrücklich gesagt: birretatus et
laureatus est a Caesare. Das kaiserliche Diplom über die Dichterkrönung
in Abschrift bei Hormayr, Archiv XII. S. 395 und Aschbach, Früh. Wand,
des Celt. S. 143.
^) ^S^' unten bei den Schriften des Celtes.
2) Vita Celtis: Sarmatas adiit, ibique astrorum studio vacavit, prae-
ceptore Alberto Bruto usus.
13*
196 Leben und Schriften der Humanisten.
Florentiner Philipp Bonacursius, Callimachus beigenannt. Mit
diesem und mehreren gleichgesinnten Freunden ^) gedachte
Celtes eine gelehrte Gesellschaft mit ähnlicher Tendenz wie
die römische des Pomponius Laetus für die Verbreitung des
Humanismus in Polen zu gründen. Sie sollte den Namen
nach dem polnischen Hauptstrora Literaria Sodalitas
Vistulana führen. Doch kam die Sache nicht zur voll-
ständigen Ausführung: wenigstens hatte sie keine lange
Dauer. '^)
Celtes blieb zwei Jahre hindurch in Krakau.^) Es fesselten
ihn daselbst nicht nur die mathematischen und astronomi-
schen Studien, sondern auch die Liebe zu einer polnischen
Edelfrau Namens Hasilina, welche er in den Gedichten über
seine sarmatische Reise in Liedern vielfach feiert.'*)
In den ersten Wochen des Jahres 1490 verliess er
Polen. Sein nächstes Reiseziel war die ungarische Königs-
stadt Ofen,^) wo an der Hochschule der die classischen
Studien fördernde König Matthias Corvinus einen Kreis
von Humanisten um sich versammelt und eine Bibliothek
mit reichen Bücherschätzen angelegt hatte. Nach kurzer
Rast in Prag, wo er mit dem böhmischen Edelmann Bohus-
laus von Hassenstein, der den Orient durchwandert, Freund-
schaft geschlossen, und in Olmütz, wo er den Propst Augustinus,
1) Nach der. Vita Celtis und den Oden des Celtes waren diese
Freunde ausser Callimachus und Albert. Brutus: Andreas Pegasus,
Laurentius Corvinus, Johann Bagius (Aesticampianus) u. A.
2) Früh. Wanderungen des Celtes S. 103.
3) Celt. Odar. lib. I. 23.
*) Celt. lib. Amor. I. eleg. 1. 3. 6. 7—9. 12. 13. IL 1. lib. Odar. I.
od. 3. 6. 10. 14. 16. 22. II. 1. 5. Epod. 5. Celtes'sche Briefsammlung
fol. 86. 92 u. 121. Brief der Hasilina an Celtes: abgedr. in den früh.
Wand, des Celt. S. 144 fll.
^) Für die Rückreise des Celtes von Krakau durch Ungarn und
Oesterreich nach Regensburg sind seine libri Amorum Über II. Hauptquelle.
Celtes. 197
einen Dichter und Humanisten, begrüsst hatte, *) eilte er
nach Ofen. 2) Ungeachtet die Zeitverhältnisse höchst un-
günstige waren, so hatte doch sein Aufenthalt daselbst
einigen Erfolg. König Matthias war gerade (am 6. April
1490) zu Wien, wo er nach der Eroberung von Nieder-
österreich seine Residenz aufgeschlagen hatte, plötzlich aus
dem Leben geschieden. Wegen der Nachfolge entstanden
sogleich in den Ländern, die er beherrscht hatte, Unruhen
und Kämpfe. Bei solchen stürmischen Verhältnissen war
es immerhin viel, dass Celtes, der die in Ofen und Wien
lebenden Humanisten zu einer Literaria Sodalitas Danu-
biana vereinigen wollte, wenigstens einen derartigen Verein
in Ofen unter dem Namen Sodalitas Ungarorum zu
Stande brachte. ^)
In Wien, wo man damals die Wiederherstellung der
habsburgischen Regierung erwartete, waren die Zustände
noch bewegter als in Ungarn; auch fand Celtes an der
dortigen Hochschule den Scholasticismus noch in der vollen
Herrschaft : 4) nur wenige Professoren, unter welchen die
beiden medicinischen Doctoren Bartholomäus Steber und
Johann Tichtel ^) und der artistische Magister Johann
') Lib. Arfior. II. eleg. 3. Hodiporicon a Sarmatia per Silesiam,
Boemos et Moravoa.
2) Celt. lib. Amor. II. eleg. 4. u. libr. Odar. II. od. 2.
3) Celtes tiberschreibt das 2. Gedicht des 2. Baches seiner Oden:
Ad sodalitatem literariam Ungarorum, worin er handelt: de situ Budae et
monstris, quae praecessemnt mortem divi Mathiae, Pannoniae regis. Da
man über die Zeit der Errichtung der sodalitas Danubiana nicht einig ist,
so kann man aus den angeführten Worten der Ueberschrift der Ode einen
Fingerzeig haben, dass die Sodalität schon in der ersten Hälfte des
Jahres 1490, bald nach dem Tode des Königs Matthias ihren Anfang ge-
nommen. Manche setzen die Errichtung erst später, 1492, 1494, ja selbst
erst 1497, als Celtes nach Wien kam.
4) Celt. Odar. Üb. II. od. 3.
5) Celt. od. lib. II. od. 4.
198 Leben and Schriften der Humanisten.
Burger, ^) waren eutschiedene Humanisten. Man erwartete
aber von der nächsten Zukunft eine günstige Wendung
zum Bessern und lud Celtes zu einem baldigen erneuerten
Besuch ein, damit er durch Vorträge für die Verbreitung
des Humanismus wirke, und der Dichter sagte auch seine
demnächstige Wiederkehr zu.
Indem er in die heimatlichen Gegenden zurückgekehrt
bei seinem Freunde, dem Domherrn Janus Tolophus in
Regensburg, einem ausgezeichneten Humanisten, ver-
weilte, 2) berieth er mit ihm weitere Wanderungen zum
Besuche von deutschen Universitäten und zur Errich-
tung gelehrter Gesellschaften zur Verbreitung des Huma-
nismus in Deutschland. ^) Die Ausführung der Reisepläne
erfolgte sogleich. Er riss sich los von seiner neuen Regens-
burger Freundin, der reizenden Eis ula,^) welche er in den
Gedichten über die Donauländer besang, und trat seine
weiteren Wanderungen an.
Zunächst durchzog er das schwäbische Land bis an
den Neckar,^) wo er die Hochschule Tübingen besuchte
und wo seine humanistischen Freunde Johann Reuchlin und
Heinrich Bebel in der nächsten Zeit mit so grossem Er-
folge wirkten.
Von ganz besonderer Wichtigkeit erschien dem Dichter
sein Aufenthalt in Heidelberg und Mainz durch längeren
Verkehr mit den dortigen Humanisten, namentlich mit dem
Wormser Bischof Johann von Dalberg, dem Sponheimer
Dessen Brief an Celtes dd. 6. März 1496. Steber's Brief dd. 6. Febr.
1493. Beide Schreiben im Cod. epistolaris Celtic.
2) Celt. Amor. libr. II. eleg. 5. Odar. II. od. 13.
3) Vita Celt. Ad peregrinationem rursus conversus, cujus avidissimus
discendi gratia fuerat, totam Gerraaniam et ejus quindecim publica gym-
nasia perlustravit.
4) Celt. Amor. lib. II. eleg. 4. 7. 9. 10. 24. Odar. lib. II. od. 5—10.
Epod. carm. 5.
5) Celt. Amor. lib. III, eleg. 1.
C«ltes. 1 99
Abt Johann von Trittenheim und dem Heidelberger Pro-
fessor Johann Wacker (Vigilius). Am 1. Februar 1491, ^)
dem 32jährigen Geburtstage des Celtes, wurde zu Mainz
die Sodalitas literaria Rhenana, die auch Celtica be-
nannt wurde, gestiftet unter der Präsidentschaft des Bischofs
Johann von Dalberg. 2) Celtes, der sich bescheiden von
dem Vorsitze zurückzog, wurde für würdig erklärt, die
Dichterkrone zu tragen, welche er bereits aus kaiserlichen
Händen empfangen hatte: es war eine Art erneuerter
Dichterkrönung. ^)
Es nahmen die Ideen des Celtes, wie der Humanismus
am wirksamsten und schnellsten in den deutschen Landen
zu verbreiten sei, bestimmtere Formen und concretere Ge-
stalt an. Es sollten die verschiedenen Sodalitates an der
Weichsel , an der Donau und . in anderen Gegenden in
gleicher Weise constituirt und unter die Leitung eines
gemeinsamen Präsidenten gestellt werden, um den getrennten
Theilen ein gemeinsames Band und eine innere Ueberein-
stimmung zu geben. Johann von Dalberg sollte die Seele
der Vereinigung der Sodales in den verschiedenen deutschen
Ländern sein, er sollte als Präsident an der Spitze sämmt-
licher Sodalitäten stehen.
Ein hitziges Fieber rafifte in Mainz dem Celtes seine
rheinische Freundin Ursula, welche er in den Gedichten
über die Rheingegenden besungen, dahin. ^) Er eilte nun
>) Klüpfel Vit. Celt. I. S. 109 fll. gibt die Beweise für die Richtigkeit
dieses Jahres. Die abweichenden Angaben sind zu verwerfen. Vgl. Aech-
bach, d. früh. Wand. d. Celt. S. 116, n. 3.
2) Das Nähere über die Sodalitas Rhenana und ihre Mitglieder vgl.
Aschbach a. a. O. S. 117—123.
3) lieber die Diehterkrönung des Celtes aus den Händen seiner huma-
nistischen Freunde vgl. Aschbach a. a. O. S. 117, n. 1 u. 2.
' ^) Der Ursula, welche auch Galla Rhenana genannt wird, sind ge-
widmet im libr. III. Amomm, die Elegien 3. 7. 13. 16. 17, in der Oden-
Sammlung lib. III. od. 3. 4. 6. 11. 12 und erwähnt ist sie in Amor. IIb.
II. eleg. 27 u. Epod. carm. 5.
200 Leben und Schriften der Humanisten.
die Stadt, wo er einen so schmerzlichen Verlust erlitten
hatte, zu verlassen. Zur Verbreitung des Humanismus am
Niederrhein, an der Ems, Weser und Elbe bis an die Nord-
und Ostsee wanderte er wie ein Apostel von Stadt zu Stadt
im Sommer 1491 1): es sollte eine vierte humanistische Ge-
sellschaft, die Sodalitas literaria Albina oder Baltica
(Codanea), gestiftet werden. Der Dichter fand aber für
den Samen, den er hier ausstreute, einen weniger empfang-
lichen Boden. Diese Sodalität kam nicht zu Stande. Geltes,
der in Lübeck einige Wochen krank gelegen, trat dann
die Rückkehr in, die fränkische Heimat an, ohne den
hohen Norden bis zur Insel Thule (Island) mit seiner
cimbrischen oder sächsischen Freundin Barbara 2) besucht
zu haben, wie er jedoch in einem Gedichte näher beschreibt. ^)
Bei der Rückkehr die Elbe hinauf durch Böhmen rastete
er einige Tage bei seinen humanistischen Freunden in Prag.
Seine unvorsichtigen Angriffe in beissenden Epigrammen
und Satire'n^) auf die Czechen und ihre Eigenthümlich-
keiten erregte gegen ihn einen Volksauflauf, kaum dass es
ihm gelang, durch eilige Flucht starken Insulten zu entrinnen.^)
^) Celt. Amor. libr. IV. eleg. 2. Odiporicon a Rheno ad sinum
Codaneum et mare Balticum et Tylen insulam.
2) Er besingt sie in Amor. lib. IV. 1. 2. 5 — 12. Während die Hasilina,
Elsula und Ursula wirklich existirende Persönlichkeiten gewesen, war die
Barbara Cimbrica nur eine fingirte.
^) Amor. lib. IV. eleg. 14. Navigationem ab ostiis Albis ad Tylen
insulam oborta tempestate describit. — Dass im J. 1491 Celtes eine
nordische Seereise nicht unternommen haben kann, wie Klüpfel I. S. 197
annimmt, ist gar nicht zu bezweifeln. Die Reise kann aber auch nicht
später im J. 1501 gemacht worden sein (manche behaupten dies und
setzen eine Reise nach Lappland damit in Verbindung). Vgl. die früh.
Wand, des Celtes S. 182.
*) Celt. Epigramm, bei Klüpfel I. S. 126 fil. und Aschbach, früh.
Wand, des Celtes S. 134.
^) Brief des Jacob Argyrius an Celtes dd. Prag, 7. Sept. 1491 (im
Co^. epist. Qelt. ep. 2) und ein anderes Schreiben von Joh. Pisnensis dd.
Prag, 1. Nov. 1491. (1. c. ep. 3.)
Celtes. 201
Im September 1491 traf er in Nürnberg bei seinen
alten Studiengenossen ein, zu welchen namentlich der reiche
Patricier Willibald Pirkheimer und der joviale Arzt und
Dichter, der Friese Theodorich Ulsenius gehörten.
Die Nürnberger Freunde unseres Dichters drangen in
ihn, dass er bei ihnen seinen bleibenden Aufenthalt nehme
und sein Dichtertalent und seine ausgebreiteten Kenntnisse
für sich und andere fruchtbarer mache, indem er nun eine
ruhigere Lebensweise antrete und die Resultate seiner auf
der Reise gewonnenen Erfahrungen und Erforschungen
ordnete und veröffentlichte. Der reiche Kunstfreund Sebald
Schreier (Clamosus) und der Rathsherr Petrus Danhauser
(Abietiscola) , dem Humanismus eifrig zugethan, verwen-
deten sich bei dem Nürnberger Stadtrath dahin, dass Celtes
mit einem festen und ausreichenden Jahresgehalt an der
städtischen gelehrten Schule angestellt und eine neue
Dichterschule unter seiner Leitung errichtet werde. ^) Die
Sache aber verschlug sich wieder, weil der Magistrat mit
dem Gehalte kargte und er auch, wenigstens in seiner Mehr-
heit, kein rechtes Verständniss für die Errichtung der be-
antragten Schule hatte. Celtes selbst aber mochte nicht
übersehen, dass eine Stadt wie Nürnberg, wo die materiellen
Interessen den Ton angaben, nicht für ihn der rechte Platz
sei: auch verhehlte er sich nicht, dass seine durch und
durch classische Richtung neben dem derben deutschen
Meistergesang, der damals vorzüglich in Nürnberg seine
Pflege fand, sich nicht gut vertrug. Während seines
damaligen Aufenthalts in dieser Reichsstadt hielt er nicht
nur mit grossem Beifall aufgenommene Vorträge, sondern
>) Der Brief des Petrus Danhauser an Celtes (Nümb. 10. Sept. 1491)
spricht von der Sache. Cives nostri laborant jam, si consules vellent
fovere poetam annuo stipendio et spero quod consequeris nobiscum magni-
fica. Nam carminibus tuis maxima fides. — Nonnulli sunt qui dies et
noctes apud senatum vigilant, si te in nostrae urbis poetam habere valeant.
202 Leben und Schritten der HumaDisteu.
er unterrichtete auch im Griechischen und Lateinischen.
Seinen Unterricht genoss auch Willibald Pirkheimer's
Schwester, die Clarissinnen- Nonne Charitas, die schon
von ihrem Bruder eine gelehrte Vorbildung erhalten hatte. *)
So lange es noch unentschieden war, ob Celtes in
Nürnberg bleibe oder nicht, wandte er sich, von seinen
dortigen Freunden angeregt, der Geschichte der berühmten
Reichsstadt zu. Die Frucht dieser historischen Studien,
worüber er die dichterischen Beschäftigungen nicht zurück-
setzte, war eine doppelte: er verfasste eine Ode im sapphi-
schen Versmasse auf Nürnbergs Schutzpatron, den heiligen
Sebaldus (Vita Sancti Sebaldi civitatis Noricae Patroni) und
machte sich an eine historische Schrift in Prosa über den
Ursprung, die Lage, Sitten und Anstalten der
Stadt Nürnberg (Libellus de origine, situ, moribus et
institutis civitatis Norimbergae), welche er freilich erst einige
Zeit später beendigte.^)
Diese Productionen wurden dem Nürnberger Stadtrath
dedicirt. Wenn von dessen Munificenz unser Dichter grosse
Erwartungen hegte, so fand er sich ziemlich enttäuscht, als
ihm eine Ehrengabe von acht Goldgulden zugetheilt wurde.
Mit Unwillen wies er sie zurück: und als ihm später selbst
zwanzig Goldgulden — in der damaligen Zeit für die Pro-
ductionen von geringem Umfange ein ansehnliches Honorar
— gegeben ward, so zeigte er doch keine volle Befrie-
digung. 3)
») Will. Pirkheimer's Brief an Celtes d. d. Nürnberg 14. März 1504
im Cod. Epist. Celt. fol. 155. Briefe der Charitas an Celtes und dessen
Gedicht an dieselbe. Vgl. Aschbach, Roswitha und C. Celtes S. 8, n. 1 u. 2.
und Beil. la u. b. S. 49 — 51. Vgl. Binder, Charitas Pirkheimer. Freib. 1873.
2) Das Nähere unten im Abschn. über Celtes' literar. Thätigkeit.
3) Celt. Epigrammat. lib. III. epigr. 45.
Octonos mihi Noricus Senatus
Parvi ponderis aureos dicavit:
Quos missos merito sed ipse sprevi.
Celtes. 203
Celtes stand im Begriffe, seiner Wanderlust weitere
Folge zu geben, Deutschland zu verlassen und sich nach
Frankreich und England zu begeben, *) wo er mehr Ver-
ständniss seiner dichterischen Talente und dankbarere An-
erkennung als bei seinen Landsleuten zu finden hoffte;
gerade als er in dieser nicht glücklichen Stimmung neue
Reisepläne fasste, bekam er die Berufung an die Universität
Ingolstadt und wurde dadurch dem deutschen Vaterlande
erhalten.
Den zweiten Abschnitt im Leben des Celtes bildet seine
fünfjährige (v. 1492 — 1497) Ingolstadter akademische
Wirksamkeit als Professor der Poetik und Rhetorik.
Des Celtes Freunde erkannten die Nothwendigkeit, dass
der Dichter sich zeitweise einer ruhigeren und geregelteren
Lebensweise zuwenden müsse, theils zu seiner inneren
Sammlung, theils zur Betreibung tieferer Studien. Die Be-
kleidung einer Stelle an einer Hochschule konnte am besten
dem talentvollen Dichter und dem classisch gebildeten Ge-
lehrten zur Verwerthung und Erweiterung seiner Gaben
und Kenntnisse Gelegenheit geben : er war im Stande, dann
am wirksamsten anzuregen und am lebendigsten angeregt
zu werden.
Einige Humanisten in Ingolstadt, welche Celtes zu
seinen Freunden zählte, verwandten sich mit allem Eifer
In den Oden lib. III. 11 findet sich die Aenderung:
Bis denos mihi Noricus Senatus
Parvi ponderis aureos dicavit:
Quos missos meritis meis recepi.
Cell. Odar. lib. II. od. 25.
Mens erat nuper trucibus relictis
Sarmatis Rheniim patrium videre,
Gallicas urbes et ab orbe secti
Regna Britanni.
204 Leben und Schriften der Homanisten.
dahin^ ihn an die baierische Hochschule zu ziehen. Die-
selbe war erst seit zwei Decennien (1472) von dem Herzog
Georg von Baiern nach dem Vorbilde der Wiener Univer-
sität gestiftet worden. Sie blühte rasch auf und zählte
unter ihren Mitgliedern mehrere tüchtige Professoren,
namentlich im canonischen Rechte. Auch der neuen huma-
nistischen Richtung waren manche von ihnen lebhaft za-
gethan. Zu diesen Letzteren gehörten : der einer Nürn-
berger Patricier-Familie angehörige Sixtus Tucher, der in
Padua und Bologna studirt und eben so tüchtiger Jurist
als auch eifriger Humanist war: dem Humanismus gleich-
falls zugethan waren die Lehrer des cänonischen Rechtes
Hieronymus von Croaria und Johann Kaufmann ; zu ihnen
gesellte sich noch der Mathematiker Johann Stabius. Im
Granzen herrschte in Ingolstadt noch der Scholasticismus.
Dessen Anhänger boten Alles auf, dass Celtes nicht berufen
werde. Sie beschuldigten ihn sogar der Irreligiosität und
der Freidenkerei. Denn sie wussten, wie eifrig er an der
Verbreitung des Humanismus arbeitete; sie kannten die
Wirkungen seiner Vorträge und poetischen Productionen
und befürchteten , dass er* mit seinem scharfen Witze und
beissenden Spotte die bisher herrschende Richtung angreifen
und nicht wenig schädigen werde. Man stützte sich bei der
Opposition gegen die Berufung des lorbeerbekränzten Dichters
vorzüglich auf den Umstand, dass die Stelle für die Rhe-
torik bereits besetzt und eine doppelte Vertretung des
Faches den übrigen Universitäts -Verhältnissen nicht ange-
messen sei. Da es aber den Freunden des Celtes gelang,
den Herzog Georg persönlich für den Dichter zu inter-
essiren, so scheiterten alle gegnerischen Umtriebe an dem
fürstlichen Willen. Celtes wurde für die Poetik und Rhe-
torik nach Ingolstadt berufen, freilich nur auf ein Jahr
und mit dem knappen Gehalte von fünfzig Gulden, welche
der Herzog auf seine Privatkasse anwies. Der Neuberufene
Celtes. 205
sollte sein Amt schon im Februar 1492 antreten,^) aber es
vergingen noch mehrere Monate, ehe im Sommer von ihm
die Vorlesungen über Poetik und Rhetorik, über Gedächtniss-
kunst und Horazische Dichtungen eröffnet wurden.
Schon die Art, wie er in seinen Anschlägen am so-
genannten schwarzen Brett zu seinen Vorlesungen einlud,
war ungewöhnlich und neu; die Ankündigungen in latei-
nischen Versen hatten einen gewissen poetischen Anstrich. ^)
Aber auch die Behandlung und Methode, die er in seinen
Vorträgen selbst an den Tag legte, war originell und wich
von der herrschenden scholastischen Lehrart ganz und
gar ab. ^
Um den Scholaren die geschmacklosen alten Lehrbücher
aus den Händen- zu nehmen und ihnen einen besseren Leit-
faden zu geben, verfasste er über Styl und Rhetorik und
was damit zusammenhängt, eine Druckschrift unter dem
Titel : Epitoma in utramque Ciceronis Rhetoricam cum Arte
Memorativa et modo epistolandi, versah sie mit einer
*) Celtes wurde am 2. Febr. 1492 unter dem Rectorat des Johann
Kaufmann in die Univ. Matrikel eingeschrieben. Klüpfel, Celt. p. 137 gibt
den Wortlaut der Intitulation : Novus professor Conradus Celtis Wirceburg.
prof. human. Der Brief des Rectors J. Kaufmann an Celtes über seine
Berufung und Antrittsrede ist datirt: Ingolstadt 6. Jan. 1492. Cod. epistol.
Celt fol. 12.
2) Epigrammat, üb. 1. epigr. 18.
Si quis Rhetoricen Ciceronis utramque requirat,
Qui Latiae linguae dicitur esse parens,
Si quis epistolium vera vult scribere et arte,.
Et memorativae qui petit artis opus:
Hie cras, octavam dum malleus insonat horam,
Conradi Celtis Candida tecta petat.
lib. IL Epigr. 21. epigr.
Mellifluos cupiens, juvenis, cognoscere versus,
Et canere ad resonam carmina cuncta lyram,
Mox cras, septeno dum malleus insonat ictu,
Ad nostros properes, erudiende, lares.
Epigr. 22. AehnUche Einladung zum Besuche der Horazischen Vorlesung.
'20h Leben nnd Schriften der Humanisten.
schwungvollen Dedication an den römischen König- Maxi-
milian und fugte einige von seinen Gedichten bei. ^)
In der Antrittsrede, welche er in Gegenwart der ganzen
Universität hielt, erklärt er der scholastischen Lehrmethode
offen den Krieg. In greller Weise schildert er den erbärm-
lichen Zustand des wissenschaftlichen Lebens in Deutsch-
land, beschuldigt der Geistesträgheit und Unwissenheit die
Fürsten und Bischöfe, warf Mangel an wahrer Bildung und
geistiger Frische den auf den vierzehn deutschen Univer-
sitäten lehrenden Professoren vor. Er spricht dann seine
Hoffnung aus, dass mit der Betreibung der humanistischen
Studien ein neues wissenschaftliches Leben bei den Deutschen
sich einbürgern werde, so dass sie ferner nicht nöthig hätten,
sich die Bildung im Ausland, in Italien, zu holen. Zuletzt
setzt er sein ganzes Vertrauen auf den bairischen Herzog
Georg, dessen Sinn für das Wissenschaftliche, alles Geistige
pflege, hebe und verbreite.
Diese Rede, welche er auf Anrathen des Ingolstadter
Rectors Johann Kaufmann an manchen zu schroffen Stellen
änderte, 2) gab er noch in demselben Jahre mit der ver-
sificirten Panegyris ad duces Bavariae et Philippum Palati-
num Rheni heraus und fügte einige poetische Stücke hinzu. ^)
Die akademische Wirksamkeit des Geltes in Ingolstadt
war wohl keine bedeutende: kaum hatte er sie begonnen,
so regte sich in ihm wieder die Wanderlust. Seine heftigen
Ausfalle auf die Scholastiker und ihre Richtung hatten ihn
sogleich in eine feindliche Stellung zu seinen meisten Ingol-
städter Collegen gebracht, was ihm nicht wenig das Leben
in seinem neuen Aufenthaltsorte verleidete und verbitterte.
') Vgl. unten den Abschnitt Über die literarische Thatigkeit des Celtes.
2) Der Brief Kaufmannes an Conr. Celtes (Cod. epistol. Celtic. fol. 12)
d. d. Ingolstadt 6. Jan. 1492.
3) Vgl. unten bei der Celtis*schen literarischen Thatigkeit das Nähere.
(Jeltes. 207
Unter den baierischen Humanisten war Johann Krachen-
berger, den Geltes gewöhnlich Graccus Pierius nennt, sein
besonderer Freund und Verehrer. ^) Von Geburt ein Baier
aus Passau war er als tüchtiger Rechtskundiger und Geschäfts-
mann in die kaiserlichen Dienste getreten und in die Hof-
kanzlei aufgenommen. Ausgestattet mit manchfachen Kennt-
nissen, selbst Humanist und Dichter, wie auch deutscher
Sprachforscher, schloss er sich mit ganzer Seele einem
Gelehrten wie Geltes war an. Krachenberger und gleichgesinnte
Freunde in Wien ersuchten den Dichter, dort Gast vor träge
zu halten zui* Verbreitung des Humanismus. Derselbe ent-
sprach der Aufforderung. Kaum waren in Ingolstadt die
Herbstferien 1492 eingetreten, so begab sich Geltes nach
Wien und hielt hier vor einem ausgewählten Kreise von
Männern, welche den classischen Studien gewogen waren,
unter ausserordentlichem Beifall Vorträge über Dichtkunst
und Rhetorik, 2) Man Hess sich vom Dichter versprechen.
Celt. Amor. lib. II. eleg. 13.
Pierius Graccus vitalem hie (Patavii) coeperat auram,
Carmina Pieriis digua legenda canens.
Major in Austriacas citus hie diverteris oras,
Pamionii regis quae trucis arma tulit:
Vidimus hie pulsis per diruta tecta colonis
Arva sub informi moesta jacere situ.
Ein anderes Gedicht an Krachenberger mit der Ueberschrift in mores
aulicos (aus dem J. 1492) in Celt. Odar. lib. II. n. 9. Das Nähere über
Krachenberger unten in dem Anh. über die Mitglieder der Donau-
gesellschaft.
2) Celtes Odar. lib. II. in der dritten Ode ad Benedictum (richtig
Joannem) Tichtelium amicum et philosophum Viennensem wirft Früheres
aus den J. 1490 und 1492 mit Späterem, selbst aus dem J. 1501, wo der
Kaiser Maximilian das Collegium poetarum gründete, zusammen. Auf das
Jahr 1492 beziehen sich die beiden Strophen:
Doctos amicos hie et quaerito,
Favore et omni cum studio pari,
Tu solus inventus Camoenas
Tichtelius qui adamas vetustaa.
208 Leben and Schriften der Humanisten.
den Besuch bald zu wiederholen : ja man hoffte ihn für die
Universität bleibend zu gewinnen. *)
Dass weder das eine noch das andere geschah, hatte
seinen Grund in den Verhältnissen der Hochschule Wien.
Celtes wollte nur mit der bestimmten Zusichening, eine
feste Professur daselbst zu erhalten, wieder nach Wien
kommen: seine Gregner, welche die Herrschaft des Scholasti-
cismus aufrecht zu erhalten suchten, intriguirten gegen seine
Berufung: ja selbst ein Theil der Humanisten mit dem
Superintendenten Bernhard Perger waren mehr J'ür einen
italienischen als einen deutschen Humanisten, daher wurde
selbst die erledigte Professur nicht einmal Celtes ertheilt,
sondern man bestimmte sie einem Italiener: und obwohl
nach dem Tode des Kaiser Friedrich HI. dessen Nach-
folger Maximilian sehr günstig für die Hebung der classi-
schen Studien an der Wiener Universität gesinnt war, so
änderte dieses zunächst Venig an den bestehenden Ver-
hältnissen.
Auch die Schreiben der beiden humanistischen Freunde
Bartholomäus Steber und Johann Tichtel, die ihn an sein
gegebenes Versprechen erinnerten (Februar 1493), bewirkten
nichts, da sie nicht etwas Bestimmtes und Sicheres zusagen
konnten.
Da dem Dichter die Ingolstadter Professur nur einst-
weilen auf ein Jahr übertragen worden und er versäumt
hatte, eine Verlängerung seines Amtes nachzusuchen, so
löste sich seine Verbindlichkeit, auf der baierischen Hoch-
Tu Graeca nostris aedibus (sodalitatis) excipis,
Clarisque natis discere praecipis,
Et docta quicquid scripta vatum
Blandiloquis recitant libeUis,
1) Der Brief des Johann Tichtel an Celtes (im Cod. episi. Celt
fol. 27) abgedr. von Karajan d. d. Wien, Februar 1493. Fontes Austr.
18Ö6. S. 65.
Geltes. 209
schule Vorlesungen zu halten, von selbst und es stand
ihm frei, seiner Wanderlust zu genügen und seine Müsse
beliebigen Produetionen zuzuwenden. Er begab sich zunächst
zu seinem Gönner, dem Domherrn Janus Tolhopf, nach
Regensburg, der ihm die interimistische Leitung der
dortigen lateinischen Domschule verschaflFte, wodurch auch
zunächst für seinen Lebensunterhalt einigermassen gesorgt
war. *) Doch scheint der Dichter sich nicht viel um die
Schulgeschäfte gekümmert zu haben: er verwendete seine
Zeit mehr auf die Auffindung alter Handschriften, Bear-
beitung herauszugebender Werke und Producirung von Dich-
tungen. Er blieb auch nur wenige Monate in dieser Stellung
in Kegensburg (bis in den Sommer 1493 2) und besuchte
dann seine reichen Freunde Sebald Schreier und Willibald
Pirkheimer in Nürnberg.
Unterdessen war es den Humanisten in Ingolstadt ge-
lungen, dass dem Dichter die Professur fiir Poetik und Rhe-
torik von Neuem übertragen wurde. ^) In den ersten Wochen
des Jahres 1494 eröffnete er über diese Gegenstände die
Vorlesungen und führte sie einige Zeit regelmässig durch.
Sein fester Gehalt (Stipendium), das Collegiengeld (Minerval
oder Pastum), die Aufnahme von Scholaren in sein Haus
^) Barth. Steber's Brief an Celtes (Cod. epist. Celtic. fol. 19) d. d. Vienn.
seqnente die S. Dorotheae 1493: Ratisbonae praeceptorio munere te fdngi
accipio. Endlicher a. a. O. B. 160 polemisirt gegen Klüpfel I. 146, dass
dieser die provisorische Anstellung-, des Celtes in Begensbnrg als wahr
angenommen habe. Endlicher meint, Celtes habe die Sache erdichtet, tun
eine Ausrede wegen seines unterlassenen Wiener 'Besuches zu haben.
*) Janus Tolophus meinte, Celtes sei im Spätherbst 1493 nach Wien
gereist, was aber nicht der Fall war. Er adressirt seinen Brief an Celtes
October 1493: Clarissimo viro Conrado Celti poetae laureato Viennae
degenti. (Cod. epist. Celt fol. 23.)
3) Annal. Ingolstad. Acad. I. p. 44 ad ann. 1494: Conductus est
ad legendum studia bumanitatis M. Conradus Celtis, Herbipolitanus, primus
Germaniae poeta.
y. Aschbach, Geschichte der Wiener Univers. II. 14
210 Leben und Schriften der Humanisten.
zur Beköstigung und zur Beaufsichtigung ihrer Studien
sicherten ihm ein ansehnliches Einkommen. Da er aber an
häusliche Ordnung und regelmässiges Leben^ an gleichartige
Beschäftigung und stetigen Aufenthalt an demselben Orte
sich nicht gewöhnen konnte; da auch seine angegriffene
Gesundheit eine andauernde sitzende Lebensweise nicht ver-
trug und das Einerlei in der kleinen Stadt mit den darin
herrschenden Klatschereien ihn langweilte und anekelte:
so kehrte er bald zu seiner früheren Freiheit und Unge-
bundenheit zurück ; er vernachlässigte das Hauswesen, setzte
nach Belieben die Vorlesungen aus und bekümmerte sich
wenig oder nicht um die anderen akademischen Ge-
schäfte. ^)
Nachdem er wenige Monate die Vorträge gehalten hatte,
meinte er seinem akademischen Amte Genüge gethan zu
haben. Ohne auf die Warnungen wohlmeinender Freunde
zu achten, den Gegnern keinen Anlass zu ihren gehässigen
Anklagen zu geben, 2) verliess er im Sommer 1494 vor der
Ferialzeit Ingolstadt, um die Genossen der rheinischen
Sodalität zu. besuchen und im persönlichen Verkehr ihre
beabsichtigten literarischen Arbeiten und Publicationen zu
besprechen. Er durchwanderte in der Lechgegend das
schwäbische Land und begab sich über den Schwarzwald
und Freiburg nach Basel. In der ersteren Stadt verfehlte
er den Humanisten Johann Zasius, der gerade abwesend
war; glücklicher war er in Basel, wo er den Canonicus
Hartmann von Eptingen, einen Dichter und Mathematiker,
wie auch den Johann Tunsei von Silberberg (de Monte
Argenteo), einen Arzt, Rechtskundigen und Humanisten,
1) Das Nähere bei Kltipfel vit. Celtis.
2) Der Regensburger Benedictiner Erasmus Australis schreibt an
Celtes im November 1494 einen eindringlichen Brief mit wohlmeinenden
Vorstellmigen. (Cod. epist. Celt. fol. 35.)
Celteß. 21 1
traf und sich mit ihnen über Manches verständigte, was
vorerst geheim gehalten werden sollte. ^)
In gleicher Absicht setzte er die Reise den Rhein
abwärts weiter fort: er verweilte bei dem Wormser Bischof
Johann von Dalberg, den Heidelberger Professoren Johann
Wacker (Vigilius) und Heinrich Spiess (Cuspidius), dem
Mainzer Humanisten Theodorich öresmund und endlich bei
dem Sponheimer Abt Johann Trithemius, lauter Mitglieder
der rheinischen Sodalität, mit welchen gar Manches in
Bezug auf die Unternehmungen, welche von diesem ge-
lehrten Vereine ausgehen sollten, besprochen und festgestellt
wurde. 2) Namentlich wurden damals wegen der Heraus-
gabe der angeblichen Werke der Dichterin Roswitha, wovon
Geltes dem Trithemius den Codex zur Abschrift überbrachte,
nähere Verabredungen getroflfen.
Zur Erinnerung an die gelehrte Wanderung hinterliess
Geltes fast an all' den Orten, wo er länger verweilte, Ge-
dichte und Epigramme, in denen er seiner freundlichen
Gastwirthe gedenkt. Im Kloster Sponheim wurden im so-
genannten Trithemischen Saale zu den Versen alter christ-
licher Dichter an den Wänden auch einige Epigramme von
Geltes beigefügt. Auch sein gemaltes Porträt Hess er
zurück mit der Beischrift : Gonradus Geltes Protucius, poeta
laureatus haec cecinit anno domini 1494, cum esset hie. ^)
1) lieber die Reise ist zu vgl. Celt. Odar. lib. III. od. 22—26. Celt.
Epigr. lib. III. 34. Vgl. auch TunseFs Brief an Celles vom 10. September
1494. (Cod. epist Celt fol. 39.)
2) Erhard a. a. O. S. 63 lässt damals 1494 die Sodalitas rhenana
gründen und verbindet damit auch den Aufenthalt des Celtes in Mainz,
der schon im J. 1491 stattgefunden hatte. Erhard verwirrt nicht selten
den chronologischen Zusammenhang.
3) Die Verse des Celtes lauten:
Aspice versiculos, hospes venerabilis, istos
Trithemius posuit quos tribus ecce notis
nie vetustatis cultor quantus, vel amator
Linguarum) paries scriptus utrumque docet.
14*
212 Leben und Schriflen der Unmanisten.
Als Celtes zu seinem akademischen Lehramt nach
Ingolstadt zurückgekehrt war, fiel er in Folge seiner un-
geregelten Lebensweise in eine bedenkliche Krankheit,
welche ihn zu allen anstrengenden wissenschaftlichen Be-
schäftigungen unfähig machte und ihn nöthigte, seine Vor-
lesungen auszusetzen. Der fromm gewordene Humanist ge-
lobte zur Wiederherstellung seiner Gesundheit der heiligen
Jungfrau eine Wallfahrt zu ihrer Capelle nach Alt-OettingJ)
Als er dem öelöbniss entsprochen hatte und wieder genesen
war, zeigte er sich sorgfaltiger in der Ausübung seines
Lehrberufs und er suchte selbst das Versäumte durch ver-
mehrte Vorträge nachträglich zu ersetzen. 2) Die Herbst-
ferien des Jahres 1495 benützte er zu einer Erholungsreise
nach Oberösterreich, welche er aber nicht nach Wien, wo
man ihn schon im Frühjahr erwartet hatte, ^) ausdehnte. *)
In den ersten Tagen des Jahres 1496 hatte der Dichter
die Ehre, seinen Gönner, den Wormser Bischof Johann
von Dalberg, in seiner Ingolstadter Behausung bewirthen
nnd ad faturum abbatem:
Qtdsquis faturas sis Abbas, haec carmina nostra
Mente rogo memori volvere saepe velis.
Esto plus, Clemens et religionis amator,
Trithemiumque meam, consulo, disce sequi.
*) Celt. Epigrammat. lib. IV, n. 37 mit der Aufschrift: In aede
Oettingensi divae Virgini soluta devotio.
2) Celt. Epigr. IV, n. 36. Gedicht an seine Zuhörer, worin er ver-
spricht, das durch die Reise nach Alt-Oetting Versäumte nachzuholen und
in einem anderen Epigr. IV, n. 22:
Restituit priscum plus quam deus ipee vigorem
Et nobis sartum corpus habere dedit.
Incipiam veteri Celtis me reddere ludo
Horatii dulces continuando lyras.
3) Nach dem Brief des Joh. Burger d. d. 5. März 1497 unrichtig
statt 1495. Vgl. oben den Art. Burger.
*) Celt. Epigr. lib. IV, n. 43. Gedicht an seine Zuhörer, seine aber-
malige Reise entschuldigend, mit dem Schlüsse:
Laetus in Austriacos ille ubi pergit agros.
Celtes. 213
ZU können. Rupert, der Sohn des Pfalzgrafen Philipp, war
zum Bischof von Freising erwählt worden; Johann von
Dalberg übernahm es, den Neugewählten feierlich in sein
Bisthum einzuführen. Bei dieser Gelegenheit sollte der
gekrönte Dichter in dem benachbarten Ingolstadt besucht
werden. Celtes war von der Sache schon vorher durch
seine Heidelberger Freunde Johann Vigilius und Jacob
Dracontius benachrichtigt worden, und damit er dem Bischof
einen würdigen Empfang bereite und es an nichts fehlen
lasse, gab ihm Vigilius nicht nur eine sehr genaue An-
weisung, sondern er schickte ihm auch einen erfahrenen
und gewandten Diener zur Besorgung und Veranstaltung
alles dessen, was die gewohnte Bequemlichkeit des hohen
Gastes und seines Gefolges etwa benöthigte. Zugleich machte
er darauf aufmerksam, dass es den Bischof ganz besonders
erfreuen würde, wenn auch die Ingolstadter Professoren an
dem festlichen Empfang theilnähmen, wenn Celtes ihm
seine Bibliothek ganz zur Verfügung stelle und ihn bei der
Abreise mit einer Handschrift oder einem seltenen Werke,
womöglich in griechischer Sprache beschenke. Celtes suchte
der erhaltenen Weisung in Allem getreu nachzukommen.^)
Das Glück, das ihm durch den Besuch des Bischofs und
dessen Bewirthung zu Theil geworden, besang er in einer
schwungvollen Ode, die er seinem Gönner bei der Abreise
überreichte. 2)
Im Sommer 1496 brach in Baiern eine pestartige
Krankheit aus, welche sich rasch in den Städten an der
obern Donau verbreitete und auch Ingolstadt mit einer
1) Die Briefe des Vigüius befinden sich im Cod. epist. Celt foL 12.
18. 25. 34, d. d. Heidelberg 28. Oct., 15. Nov., 9. und 16. Dec. 1496
[1495]. Theilweise hat sie Klüpfel, Celt. I. p. 167 abdrucken lassen; auch
ist daraus bei Erhard a. a. O. S. 78 fll. Einiges mitgetheilt.
2) Celt. Odar. lib. III. od. 18. Ad musam suam, dum Episcopum
Wormac. hospitio reciperet.
^14 Leben and Schriften der Hnmanisten.
grossen Sterblichkeit der Einwohner heimsuchte. Die Vor-
lesungen wurden geschlossen und Professoren wie Scholaren
flüchteten aufs Land oder in von der Krankheit verschonte
Gegenden in der Ferne. Celtes begab sich nach Heidel-
berg zu den Freunden der rheinischen Sodalität: auch mit
Jacob Wimpfeling dem Speierer Domherrn kam er öfter
zusammen^ um die literarischen Unternehmungen, die sie
gemeinschaftlich machen wollten, näher zu besprechen. Die
schon früher besessene Gunst des Pfalzgrafen Philipp be-
festigte er noch mehr durch den Eifer, womit er dessen
Söhne im Griechischen und Lateinischen unterrichtete.
Die Pest war in Baiern und namentlich in Ingolstadt
längst erloschen, die Professoren und Scholaren hatten
sich zu ihren Studien und Geschäften zurückbegeben, aber
Celtes verweilte noch immer in Heidelberg und schien sich
nicht um seine Ingolstadter Professur zu bekümmern, un-
geachtet wiederholte Aufforderungen an ihn ergangen waren,
die Vorlesungen wieder zu beginnen. Endlich im Anfang
des Jahres 1497 brach er nach Ingolstadt auf. Der Pfalz-
graf richtete ein eigenhändiges Schreiben an den Universi-
täts-Rector, den gekrönten Dichter wegen seines längeren
Ausbleibens zu entschuldigen und ihm nichts an seiner Be-
soldung abzubrechen ; derselbe werde durch eine genauere
und strengere Einhaltung seiner Lehr Verpflichtungen und
Amtsthätigkeit das Versäumte wieder einbringen. *)
Die öfteren Unterbrechungen der Vorlesungen wurden
Celtes sehr übel vermerkt und gaben seinen Wider-
sachern Veranlassung, gegen ihn aufzutreten und ihn der
Vernachlässigung seines Amtes anzuklagen. Der Hader
zwischen ihm und der alten Partei der Scholastiker nahm
•) Der in deutscher Sprache geschriebene Brief des Pfalzgrafen d. d.
Heidelberg 29. Jan. 1497 befindet sich im Cod. epist Celt. fol. 71. Ge-
druckt steht er bei Hormayr, Arch. XII. J. 1821. S. 486.
Celtes. 215
immer mehr einen schärferen Charakter an, je weniger
Unterstützung er bei der verminderten Zahl der Humanisten
fand. Mehrere hatte die Pest dahingerafft, andere waren
nicht mehr in die Stadt zurückgekehrt, wie der einfluss-
reiche Sixtus Tucher, der in seiner Vaterstadt Nürnberg
verblieb. Die Freunde Johann Stabius ^) und Andreas
Stiborius, ausgezeichnete Mathematiker, war man im Be-
griffe, an die Hochschule Wien zu ziehen.
In seinen Oden klagt der Dichter über Alles und Jedes
in der kleinen bairischen Universitätsstadt: 2) die feuchte
Lage des Ortes und das Klima bekommen ihm nicht gut;
die Nahrungsmittel sind grob und schlecht; nur Rhapophagen
können da ihr Leben fristen. Das dünne und saure
Bier kann nur der trinken, der dem Tode des Ver-
durstens nahe ist. Die Menschen und die Umgegend sind
langweilig und bieten nichts zur Unterhaltung und Erheite-
rung. An der Hochschule herrschen nur Intriguen, beson-
ders gespönnen von der ränkevollen Frau eines juristischen
Professors, die sich in alle, private wie öffentliche Ange-
legenheiten mischt, ihren Günstlingen Aemter, Auszeich-
nungen, Vortheile jeder Art verschafft, denen aber, welche
ihr nicht schmeicheln, keine Greschenke geben, nicht den
Hof machen, entgegenwirkt und ihre Zurücksetzung veran-
lasst. Celtes war ihr vorzüglichster Gegner; er nannte sie
eine Megäre und geisselte sie in seinen Gedichten, er hatte
hinwiederum nicht wenig durch ihre Intriguen und Ver-
folgungen zu leiden. 3)
^) Celt. Odar. lib. II. od. 16 ad Stabium. Hier heisst es am Schluss:
Haec tibi nostri monumenta amoris
Lusimus, cruda regione Boum [Boiorum]
Barbari cives ubi nulla curant
Carmina Phoebi.
2) Celt. Odar. lib. II. od. 26. Ad Ingolstadenses , cur eos reliquerit.
3) Celt. Odar. libb. — Epod. n. 11 ad Fontulanum Jurisperitum et
conjugem suam. Die letzten Verse lauten: '
216 Leben und Schriften der Humanisten.
Dass bei dieser Lage der Dinge dem Dichter der
Aufenthalt in Ingolstadt ganz zuwider war und er begierig
die Gelegenheit ergriff, von dort wegzukommen, war natür-
lich. Mit Freuden nahm er daher die Berufung nach Wien
an, welche er im Frühjahr 1497 erhielt.
Das letzte Decennium seines Lebens, welches Celtes
(von 1497—1508) als Professor der Poetik und Rhe-
torik an der Wiener Universität zubrachte, bildet den
dritten oder Hauptabschnitt seiner humanistischen Wirk-
samkeit.
Als Celtes nach Wien kam, hatte der römische König
Maximilian I. bereits seit mehreren Jahren seine wohlthätigen
Reformen an der Universität eingeführt. Die humanisti-
schen Freunde des gekrönten Dichters, die am Hofe von
Einfluss waren, namentlich die königlichen Räthe Johann
Fuchsmagen und Johann Krachenberger , wie auch Johann
Cuspinian, sein Landsmann, hatten Alles aufgeboten, die
Berufung zu Stande zu bringen. Da Maximilian ein beson-
deres Schreiben (7. März 1497) selbst an ihn richtete, worin
er ihn zum Professor der Eloquenz und der Dicht-
kunst an der Wiener Universität ernannte, so folgte
er dem Rufe, ungeachtet die Stelle nicht mit einem hohen
Gehalte verbunden war. Auch wurden ihm von Krachen-
berger und seinen anderen Freunden baldige namhafte Ver-
besserungen und Emolumente in Aussicht gestellt. Gegen
Ende October 1497 traf Celtes in Wien ein, wo ihn seine
in der gelehrten Donau-Gesellschaft vereinigten Freunde
mit Bewillkommnungsgedichten empfingen.
Hujus favorem si quis ergo negligat,
Exul petat Pannonias.
O docta Norici ducis gymnasia,
Qaae tanta vexet bellua.
Celles. 217
Mit dieser Uebersiedelung nach Oesterreieh beginnt für
den Dichter eine neue Lebensepoche, die für sein Thun
und Treiben höchst vortheilhaft war. Er entsagte dem
früheren vagirenden und unregelmässigen Leben; stetiger
an demselben Orte verbleibend und nicht mehr durch
knappes Einkommen und mancherlei drückende Verhält-
nisse beengt, konnte er in freudigerer Stimmung und mit
grösserer Müsse der Dichtung, der Kunst und der Wissen-
schaft leben, obschon es auch nicht in Wien in seiner
Umgebung an Gegnern und Neidern fehlte und er mit
denselben mancherlei Kämpfe durchzumachen hatte; nament-
lich war es die scholastische Partei, welche er freilich auch
nicht unangefochten Hess und die er daher zum Wider-
spruch und zum Streit gewissermassen herausforderte. Aber
da er das persönliche Wohlwollen des Fürsten für sich
hatte, die Anzahl der Anhänger des Humanismus in Zu-
nahme begriffen war, und die ungewöhnlichen dichterischen
Talente und das reiche Wissen des Mannes nicht blos die
Scholaren, sondern auch die Gelehrten zur Anerkennung
und Annäherung nöthigten, so befestigte sich seine Stellung
an der Universität und sein Einfluss in den gelehrten und
tonangebenden Kreisen immer mehr. Besonders förderlich
waren in dieser Beziehung, ausser der neuen, geistvollen
Behandlung der wissenschaftlichen Gegenstände in seinen
Vorträgen, das neu errichtete Collegium poetarum et
mathematicorum — ein wahrhaftes Seminar zur Heran-
bildung von Humanisten — und die Verlegung der gelehrten
Donau- Sodalität von Ofen nach Wien für die Ver-
einigung und Stärkung der humanistischen Bestrebungen
in eine Art von Akademie. Von beiden Instituten, die
sich der Gunst und Unterstützung der Regierung erfreuten,
war Geltes die Alles belebende und kräftigende Seele.
^18 Leben and Schriften der Humanisten.
Indem von seiner Wiener akademischen Wirksamkeit
oben in der Geschichte der Universität gehandelt ist, und
seine literarische Thätigkeit und veröflfentlichten Schriften
unten näher besprochen werden, so sind hier nur im All-
gemeinen einige Ueberblicke über seine Verdienste als Uni-
versitätslehrer und humanistischer Schriftsteller zu geben.
Schon frühzeitig hatte sich Celtes eine doppelte Auf-
gabe gesetzt: einestheils sollte in seinen dichterischen Pro-
ductionen, worin er Horaz und Ovid, Virgil und Lucan,
Martial und Ausonius glücklich nachahmte und eine wahrhaft
poetische Begabung an den Tag legte, zur Verbreitung
des Humanismus in Deutschland der Grund gelegt,
anderntheils aber auch die Geschichte des deutschen
Vaterlandes in geschmackvoller Weise und im poetischen
Gewände den Gebildeten seines Volkes vorgeführt werden, l)
Vorzügliche Unterstützungsmittel für diesen doppelten Zweck
waren Vorlesungen an den Universitäten und das Zusammen-
wirken der gelehrten Gesellschaften bei Veröflfentlichung der
dahin gehenden Druckschriften. Das Ziel der Aufgabe war
offenbar ein patriotisches. Die Lösung konnte nur durch
Poeten und Historiker zu Stande gebracht werden. Das Er-
gebniss ihrer vereinten Leistungen sollte das grosse Werk
„Die Germania illustrata" sein. Darnach wäre die
vaterländische Geschichte in würdiger Sprache, in poetischem
Gewände vorzuführen. Die Darstellung der Vergangenheit
sollte aber nicht als eine Schöpfung der Phantasie erscheinen,
sondern als auf Grundlage der alten Quellen beruhende Ueber-
lieferung. Diese lagen in Wirklichkeit in grosser Zahl
vor, aber in geschmackloser Form und in abschreckender
^) Casp. Bruschius im Carmen vor Cuspiniani Austria bezeichnet ihn
daher treffend :
Egregius vates magnus et historicus,
Qui primus lauri frondes gestavit ad Istnim
Porrectas manibus, Rex Friderice, tuis.
Celtes. 219
Trockenheit. Durch die poetische Bearbeitung sollte die
historische Treue nicht verwischt, sondern nur, mit Fleisch
und Blut bekleidet, um so lebendiger und wahrer hervor-
treten. Die Ausfuhrung dieser Idee ging über die Kräfte
eines Dichters, eines Historikers; man bedurfte dabei des
Zusammenwirkens vieler Gleichgesinnten und Gleichbegabten
in gelehrten Vereinen. So wurden von Celtes die gelehrten
Sodalitäten am Rhein und an der Donau errichtet, für die
Beförderung des Humanismus überhaupt und die Verwirk-
lichung der „Germania illustrata" insbesondere.
In Bezug auf das letztere Werk lässt , sich wohl er-
rathen, wie Celtes dasselbe zu Stande bringen wollte. Für
das früheste deutsche Alterthum und insbesondere für das
JEthnographische sollten Tacitus und Ptolemäus erforscht
werden. Daher hielt Celtes zunächst Vorträge über Ptole-
mäus und gab die Behandlung der Taciteischen Schrift de
Germania. Für die Völkerwanderung wollte er des Jordanis
Schrift de rebus Geticis zu Grunde legen. Der Gegenstand
sollte nach der Art der Virgilianischen Aeneide in einem
Epos, in der Theodoriceis, als Geschichte des ostgothischen
Königs Theodorich des Grossen und der im römischen Reiche
siegreich auftretenden germanischen Völker bearbeitet wer-
den. Für das deutsche Wahlreich und die deutsche Con-
foderation der verschiedenen Stämme und Stände sind als
einige vorbereitende Arbeiten der Panegyricus Ottonum,
die Geschichte der Stadt Nürnberg, der Ligurinus anzu-
führen. Den Schluss der deutschen mittelalterlichen Ge-
schichte sollten die Habsburger in einem besonderen Werke
machen, wOrin dem Kaiser Maximilian in den burgundischen
Kriegen wohl die Hauptrolle zugewiesen war.
Eine dichterische Beschreibung des deutschen Reiches
mit seinen weitesten Grenzen im Osten bis an die Weichsel
und an die Theiss, worin Celtes die Geographie seines Vater-
landes mit den gleichzeitigen Culturzuständen und seinen
220 Leben und Schriften der Humanisten.
eigenen Lebenserfahrungen lieferte, gaben seine libriAmo-
rum und O darum. Sie können als der Schluss einer Reihe
von zusammengehörigen, einander ergänzenden poetischen
Productionen angesehen werden.
Wenn auch einige aus dem Cyclus dieser historischen
Dichtungen von Celtes nicht selbst herrühren, so sind sie
doch, da er Alles leitete und revidirte und überhaupt die
Seele des gesammten Werkes war, in seinem Sinne und
Greiste entworfen und durchgeführt. Um mehr Eindruck
zu machen, wollte Celtes die poetischen Bearbeitungen
der alten Quellen und Chroniken keineswegs als Producte
seiner Zeit veröffentlichen, sondern er gab sie als alte
Originalwerke aus, die erst von ihm aufgefunden worden.
Dies war allerdings ein gelehrter Betrug, der aber durch
die Verhältnisse seiner Zeit entschuldigt werden muss,
indem man dem Alten einestheils als Quelle, anderntheils
als Merkwürdigkeit in Bezug auf das Formelle grössere
Aufmerksamkeit zuwandte und mehr Geltung gab. Dazu
kam, dass eigentlich der Inhalt des Historischen und Ueber-
lieferten nicht geändert, sondern nur die geschmacklose
und trockene Form in's Poetische und mehr Geniessbare
übertragen wurde. Nur darin bestand demnach die Fälschung,
dass man die Namen der Verfasser der Dichtungen fingirte
und sie in frühere Zeiten setzte, indem sie doch Huma-
nisten waren und dem 15. Jahrhunderte angehörten.
Anders verhält es sich, wo Celtes sich daran machte,
verlorene Werke von Classikern durch eigene Machwerke,
die er aufgefunden zu haben vorgab, zu ersetzen. Das
grosse Talent, welches er besass, mit Leichtigkeit die
Eigenthümlichkeiten der Sprache und den Geist alter
Dichter wiederzugeben, verleitete ihn sogar zu dem Unter-
nehmen, verlorene Werke von Apulejus und Ovid zu fabri-
ciren. Doch erkannte er noch zur rechten Zeit, dass er zu
solcher Imitation weder alle Hilfsmittel, noch das volle
Celtes. - 221
Talent besitze ; er gab daher die gefahrlichen Versuche auf,
wo von den Gelehrten seine Fälschungen leichter an den
Tag gebracht werden konnten.
Celtes hatte in Wien nicht nur die doppelte amtliche
Stellung eines Professors der Rhetorik und Poetik, wie
auch eines Vorstehers des Dichter-Collegiums, son-
dern auch ausserdem noch die Leitung der von Kaiser
Maximilian gegründeten Hofbibliothek zu führen J) Der
Kaiser hatte nach dem Beispiele des ungarischen Königs
Matthias Corvinus eine grosse Anzahl Bücher, sowohl hand-
schriftliche wie gedruckte, sammeln lassen, indem er ver-
schiedene Gelehrte, namentlich Celtes, Suntheim, Stabius,
Longinus u. a. beauftragte, auf ihren Reisen die ihnen vor-
kommenden werthvoUen und seltenen Schriften für ihn an-
zukaufen und an seine Bibliothek. abzuliefern. 2) So war es
möglich, in wenigen Jahren die nicht ansehnliche Samm-
lung von Werken, die Celtes bereits in der kaiserlichen
Burg vorfand, 3) namentlich mit historischen und geographi-
schen, mit mathematischen und astronomischen bedeutend
zu vermehren und zu der Bibliothek den Grund zu legen,
welche in der Folge zu den berühmtesten Büchersamm-
^) Vgl. Mosel, Geschichte der k. Hofbibliothek. Wien 1835, und
Lambec. de August. Biblioth. origine. — Die über des Celtes Beziehungen
zur Hofbibüothek wichtigen, aber früher nicht benutzten Briefe des Vin-
centius Longinus und des Camers befinden sich im Cod. epist. Celt.
2) Der bekannte Venetianische Buchdrucker Aldus Manutius schickte
an Celtes im J. löOl eine Anzahl Exemplare der Werke des Virgilius
und Horatius nebst seiner lateinischen Grammatik. Er schreibt dabei:
Quos libros si vos (Celtes et Longinus) putaveritis istic (Viennae)- venditum
iri, non sit grave scribere. Mittam enim quotquot jusseritis. cf. Phüol.
epist. centuria ex bibl. Melch. Goldasti. Frcf. 1610. p. 76.
3) Celtes sagt in dem seiner Schrift ßhapsodia vorgesetzten brief-
lichen Vorworte an Kaiser Maximilian: Bibliothecam regiam instruxi,
matheseos etiam libris ex ordine positis nuper a Majestate Tua coSmptis
cum globis non parvis et chartis utramque coeli et terrae superficiem de-
signantibus.
222 Loben und Schriften der Humanisten.
langen Europas gezählt wird. Wenn auch Celtes nicht
officiell den Titel eines Hofbibliothekars fährte, so war er
doch in Wirklichkeit der erste Vorsteher. Cuspinian, der
ihm in diesem Amte folgte, hatte auch nicht diesen Titel,
der erst im Anfange des 17. Jahrhunderts einem bestimmten
Hofbeamten beigelegt ward.') Bei der Leitung der Uni-
versitäts- Bibliothek war Celtes nicht betheiligt.
Nachdem Celtes seinen bleibenden Wohnsitz in Wien
genommen hatte, machte er nur noch wenige, und zwar
nicht mehr in weite Ferne gehende Wanderungen. Eine
Reise nach Italien, welche er im J. 1498 beabsichtigte zum
Ankaufe von Handschriften und Druckwerken für die kaiser-
liche Bibliothek, unterblieb. Die nordische Reise, wovon er
in seinen Elegien erzählt, dass sie ihn bis an das Ende der
bekannten Erde, nach Thule (d. i. Island), geführt und dann
auf der Rückkehr im Lande Tirol zu Bozen mit dem Kaiser
Maximilian zusammengebracht habe (1501), ist eine poetische
Fiction.2) Diese Reise hat umsoweniger stattfinden können,
als der Dichter in jener Zeit zur Betreibung des Druckes
von einem seiner Werke in Nürnberg verweilte.
Seine späteren Wanderungen von Wien aus, welche
nur von kui'zer Dauer waren, führten ihn nicht ausserhalb
') Der Niederländer Hugo Blotzius führte seit 1608 zuerst den offi-
cieUen Titel eines Hofbibliothekars. Vgl. Lambecius de August. Biblioth.
origine comment. de bibl. Caes. Vindob. I. p. 36 und Khautz, Oest. Ge-
lehrte. Vorr. fol. 8.
2) Erhard im Artikel Celtes in der Encyclop. von Ersch, zum Theil
auf Klüpfel (Celt. I. S. 197 fll.) gestützt, confundirt einige frühere Reisen
des Celtes und setzt sie nicht in die richtige Zeit. Er lässt den Dichter
im J. 1499 in der Schweiz und dann den Rhein hinab reisen, sodann nach
Niedersachsen und Dänemark kommen, Island besuchen,« über Lappland
und Livland zurückkehren und endlich mit Kaiser Maximilian 1501 in
Tirol zusammenkommen. Der Zusammenhang dieser Wanderangen und
ihr Abschluss, wie auch die Zeit, worin sie gemacht worden, sind als
Fiction zu bezeichnen. Vgl. Aschbach, Die früheren Wanderungen des
C. Celtes, besonders S. 104 und 131 fll.
Celtes. 223
des Gebietes der Donauländer; es waren Besuche, die er
seinen humanistischen Freunden in Ofen, Mähren, Böhmen,
Oberösterreich und Steiermark machte. In dem Pestjahr
1506 selbst scheint er Wien oder dessen nähere Umgebung
nicht verlassen zu haben. Vielleicht hat ihn schon damals
Kränklichkeit an's Haus gefesselt. Wenig glaublich ist die
Nachricht, dass er um das J. 1506 eine Reise nach Franken
gemacht zur Durchforschung dortiger Klöster nach alten
Handschriften und dann auf der Rückkehr in Augsburg bei
Conrad Pentinger und anderen Humanisten einige Zeit sich
aufgehalten habe, i)
Durch seine frühere unregelmässige Lebensweise, 2) die
ihn einige Male aufs Krankenlager warf, war seine Gesund-
heit erschüttert. Er alterte frühzeitig; noch ehe er das
50. Lebensjahr erreicht hatte, zeigte er das Bild eines ab-
gelebten Greises. 3) Er fühlte schon längere Zeit vor seinem
Ende seine körperliche Auflösung. Noch geistig kräftig
und stark, machte er sich schon im J. 1507 selbst seine
^) Prolog, ad Günther. Ligurin. Aug. Vindel. 1507. Venit his diebus
Augustam Conradus Celtis. ßogavimus, si aliquos libros antehac nobis
incognitos percgrinando in Germania reperisset. ßebulit in monastezio
qnodam Francorum orientalium, quam nostrates Franconium appellant, se
invenisse Ligurinum. Vgl. unten über des Celtes literarische Thätigkeit,
wo über Ligurinus gesprochen wird.
2) Die Elegia des Formbacher Abtes Angelus Rumpier de laudibus
virtutis (Oefele, Script, rer. Boic. I. 97 de vit. et Script. Angeli Rumpleri)
meldet von Celtes:
Qui canit horrifici Martis, qui Caesaris arma,
Sed nimio vates tantus amore perit.
Endlicher a. a. O. S. 155 äussert sich dahin: „Celtes unterlag dem
Angriffe einer Krankheit, die erst kürzlich über Europa hereingebrochen
war, beinahe epidemisch geworden. Der Formbacher Abt A. Rumpier —
gibt es an. Klüpfel schweigt davon".
3) Celtes Amor. lib. IV. eleg. 3. Dass er sich selbst als abgelebten
Greis schildert, ist wohl nicht als dichterische Licentia aufzufassen.
224 Leben and Scliriften der Hamanisten.
Grabschrift. ^) Aber erst im folgenden Jahre 1508 am
4. Februar, 2) wenige Tage nach dem Antritte seines
50. Lebensjahres, schied er aus dem irdischen Dasein.
Die Leichenrede hielt ihm sein Freund und Landsmann
Cuspinian.3) Seine irdische Hülle wurde beigesetzt an der
äusseren Ostseite der Wiener St. Stephanskirche, wo noch
heutigen Tages seine Grabschrift zu lesen ist.**)
^) Sie lautet:
D. O. M.
Flete pii vates et tundite pectora palmis,
Vester enim hie Celtis fata suprema tulit,
Mortuus ille quidem, sed lon^um vivus in aevum
CoUoquitiir doctis per sua scripta viris.
Chun. Cel. Pro. Viennae laureae custos et coUator
Hie in Chris, quiescit. Vixit an. M. sal. sesquimiU.
et VII sub divo Maximiliano Augus.
H. B.
2) Den Todestag gibt die Rhein. Nation. Matrikel ad ann. 1507 über-
einstimmend mit der Grabschrift: Magister Conradus Celtes primus poeta
laureatus in Germania, natione Francus (Obiit 1508 IV. die Febr.). Cuspi-
nian in seinem Tagebuch gibt den 3. Februar an.
3) Cuspinian's Tagebuch S. 402 ad ann. 1508: 3. Februarii Celtes
mortuus est. Ego dixi funebrem.
*) Sie lautet:
DEO OP. MAX.
CON. CELTl PROTVCIO
POE. OSTßOFRANCO EX
TESTAM. PIE POSITVM
V^O
e AN. XPI MDVIII II NO FEBRV
VIX. AN. XLVIIII. DI. III.
i. e. Deo optimo Maximo. Conrado Celti Protucio poötae Ostrofranco ex
testamento pie positum vivo. Obiit anno Christi MDVHI. II Nonas Fe-
bruarii. Vixit annis quadraginta novem diebus tribus. lieber der Inschrift
ist der Dichter selbst mit Büchern abgebildet; links und rechts sind
Früchte zu sehen. In der Mitte des Steines befindet sich ein Lorbeer-
V f I
kränz, worin die Buchstaben -.T"^ • Vgl. Perger, der Dom zu St. Stephan
in Wien. Triest 1854. S. 48 und S. 110. Insc. XVII.
Geltes. 225
Von seinen humanistischen Freunden wurden ihm
mehrere poetische Nachrufe gewidmet, i)
Kurze Zeit vor seinem Tode (am 24. Januar 1508)
hatte er ein Testament errichtet. 2) Er vermachte darin der
artistischen Facultät die meisten seiner zum Theil werth-
vollen Bücher und Handschriften, wie auch seine mathe-
matischen und astronomischen Instrumente ; 3) ferner dias
ihm von Kaiser Maximilian verliehene Privilegium der
Dichterkrönung nebst dem silbernen Lorbeerkranz und
^) Thomas Velocianus in seiner Ausgabe der Celtes'schen Oden gibt
am Schlüsse des Buches einen Bericht über das Leichenbegängniss :
Mortuus est Celtes noster et pie et Christianissime funeris pompa, toto
Viennensis Gjmnasii coetu comitante juxta aedem s. Stephani traditus est
sepulturae. Ibique in marmore candenti ad orientis plagam haec Romano
more inscriptura est honoratus per amicos D. Joannem Pierium Gracchum
poetam, Martinum Capinium jureconsultum, Andream Styborium mathemati-
cum, Thomam Velocianum Austriacum et Stephanum Rosinum Augustanum.
Vgl. Kltipfel, Celt II. p. 216 sqq. und unten den Artikel Thomas Velocianus,
wo dessen poetischer Nachruf an Celtes abgedruckt ist Joann. Menanus
Greul in der bist. s. Kiliani. Vienn. 1526 am Schluss der Celtes gewidmeten
Sapphischen Ode:
Vive Celtis ter quaterque beatus,
Qui novem primus graciles sorores
Ducis Almanas Helicone in oras
Nectare sacro.
^) Das Original des Testaments war im Archiv der artistischen
Facultät niedergelegt worden. Act. fac. art ad ann. 1508: Die lunae
penultima Februarii consistorialiter testamentum Conradi Celtis et productum
et approbatum a rectoratu venerabilis et egregii viri Joannis Hegkmann
ex Schillingstadt, s. Theologiae Licentiato. Klüpfel Hess sich von dem
Testament eine Abschrift machen, um sie in seinem Werke über Celtes
zu veröffentlichen, was aber nicht geschehen ist Diese Abschrift wird
gegenwärtig noch auf der Freiburger Universitäts-Bibliothek aufbewahrt.
Im Wiener UniversitÄts- Archiv befindet sich jetzt das Original nicht mehr,
sondern nur eine Abschrift davon. Endlicher in der Recension über
Klüpfel's Werk in den Wiener Jahrbüchern hat nur einen Theil des
Testaments abdrucken lassen.
3) Die Vita Celtis, welche von der rheinischen Sodalität heraus-
gegeben ward, bemerkt nur in der Kürze: Reliquit in testamento in electis
scriptoribus utrinsque linguae. — Die Signatur der meisten Celtes^schen
y. Asciibach, Oescbichte der Wiener ünivers. II. 15
226 Leben und Schriften der Humanisten.
dem Siegel des CoUegium Poetarum. Seinem Freunde, dem
Augsburger Patricier Conrad Peutinger, überliess er mehrere
Handschriften und eine Reisekarte oder Itinerarium aus der
römischen Kaiserzeit. ^)
Von des Geltes Persönlichkeit haben seine huma-
nistischen Freunde uns eine lebendige Schilderung geliefert.^)
Darnach war er von mittlerer Grösse, schmächtiger Gestalt,
grossen, leuchtenden Augen, länglichtem Gesichte und spär-
lichem Haare. Seine Mienen verriethen Frohsinn und Heiter-
keit. Im Ganzen war er von gesunder Körperbeschaflfenheit.
Aber durch seine zeitweise sehr excessive Lebensweise war
er früh gealtert; die vorgeneigte Haltung des Kopfes deutete
auf seine vor der Zeit gebrochene Kraft. ^)
Was seine geistige Begabung, seine Fähigkeiten und
Neigungen, überhaupt seinen Charakter betrifft, so war er
in vieler Beziehung kein gewöhnlicher Mensch. Offenbar
Bücher ist: Con. Gel. Pro. poete sum (i. e. Conradi Celtis Protucii poetae
sum), häufig auch mit des Dichters Insignia in einem Schilde ( ii ;| ) [Con-
radus Celtis Protucius Poeta] mit zwei Sternen darüber und einem Stern
darunter, beigefügt Doctor Triformis. Unter dem Schilde als Motto : IIap£<JTü>
4>p6v7)ai5.
^) Vgl. unten bei den Schriften des Celtes die Tabula Peutingeriana.
2) Vita Celtis per sodalitatem literariam Rhenanam p. 137 in Asch-
bach, Wanderungen des C. Celtes, abgedruckt.
3) Panzer, Verz. v. Nürnberger Porträten. Nümb. 1790. 40. S. 31
liefert zehn Porträte von Celtes in Holzschnitten und Kupferstichen. Vgl.
Klüpfel I. S. 226 fll. Das in Jac. Bruckeri Ehrentempel befindliche hat
die Randschrift: Conradus Celtes Protucius P. L. C. (i. e. Poeta Laureatus
Coronatus) et Professor Vienn. Nat. 1. Febr. 1459. Dec. die 3. Febr. 1508.
Job. Jac. Haid excudit Aug. Vind. aeri incis. Klüpfel beschreibt eine Kupfer-
münze mit des Celtes Brustbild und Schrift: Avers. An. Vitae XLVIII.
Revers. Adde sonum vocis Celtis is alter erit MDVII. Vgl.
Denis, Gareil. Bibl. S. 186, wo dieses Porträt besprochen wird. In Teubner's
„Photograph. Philologen-Porträts": Nr. 7 die Photographie von C. Celtes.
In der kais. Privat- und Famil.-Biblioth. in Wien befindet sich ein Stich
von einem Celtes'schen Porträt. Catal. d. bist. Ausstell, d. Stadt Wien
1873. S. 114.
Celtes. 227
überragt er an poetischem Talent und an Leichtigkeit in
Handhabung der antiken Metrik seine humanistischen Zeit-
genossen in Deutschland; in seinen Werken lässt sich ein
entschieden vorwärts drängendes Element nicht verkennen.
Seine Angriffe auf das Veraltete und Abgeschmackte waren
rücksichtslos und seine Heftigkeit überschritt nicht selten
das rechte Mass. Er war sonst eine echte Künstlernatur in
mehrfacher Beziehung; der Reiz der Schönheit ergriff ihn
überwältigend; er war ein grosser Freund der Natur und
der Kunst, ein vorzüglicher Liebhaber der Musik. In der
Freundschaft war er treu und zuverlässig, im Umgange
gefallig und liebenswürdig, im Zorn aufbrausend und schwör
zu besänftigen. Sparsamkeit war nicht seine Tugend. Wenn
er Geld hatte, so wusste er es nicht zu Rath zu halten; er
verschwendete es oft' an Unwürdige, die sich an ihn heran-
drängten. Obschon in seinen Grundsätzen ein Weltweiser,
war er im Leben häufig ein Sklave der Leidenschaft und
ergab sich ganz dem augenblicklichen Eindruck der Sinn-
lichkeit. Ein Theil seiner Dichtungen, namentlich seine
libri Amorum, geben durch unverhüllte Schilderungen seiner
Liebesgeschichten einen Einblick in sein frivoles und aus-
schweifendes Leben. Man entschuldigt den Dichter damit,
dass er nicht Sittenprediger sei. Celtes selbst aber nimmt
sonderbarer Weise noch ein moralisches Verdienst in An-
spruch, dass er durch seine nackten Darstellungen die
Jugend vor Abwegen warne und von Verirrungen zurück-
halte.
Es lassen sich zwar in den Werken des Celtes nicht
wenige Stellen angeben, welche ihn als Gegner von Geist-
lichen und kirchlichen Dingen darstellen und manche
Spöttereien über dieselben enthalten. Aber man darf solche
Auslassungen i) des Dichters nicht immer allzustreng wörtlich
^) Z. B. über den Ablass das Epigramm:. Omnia nummus habet,
coelum venale, quid ultra?
16*
228 Leben und Schriften der Hamanisten.
nehmen. Derselbe zeigte hinwiederum im Leben eine grosse
Verehrung für würdige Geistliche und spricht seine innige
Anhänglichkeit an die Kirche und das Christenthum mit
warmen Worten aus. Man darf nicht vergessen, dass auch
Hass und Unverstand Manches erfanden und verdrehten,
um den Gegner der scholastischen Theologie gottlos und
verdammenswürdig zu machen. Als er in Prag die Calix-
tiner verspottete, beschuldigte man ihn, er verwerfe Beichte
und Abendmahl. Da er in seinen Gedichten die Gottheiten
Phoebus, Mercurius, Jupiter, Venus u. a. besang und ver-
herrlichte, so sah man in ihm einen Feind des Christen-
tbums, der darauf ausging, mit dem Humanismus den heid-
nischen Cultus herzustellen. Aus seinen ernsten Gedichten
und seinem Testamente lässt sich ersehen, dass er keines-
wegs ein ungläubiger Christ war, im Gegentheil an Vielem
noch festhielt, was bald nach ihm von den Reformatoren
ganz und gar verworfen wurde. ')
Wenn manche protestantische Schriftsteller Conrad
Geltes seiner Gesinnung nach zu den Ihrigen zählen und
behaupten, dass er die Messe, das Fegefeuer, die Anrufung
der Heiligen etc. verworfen habe und desshalb excommuni-
' cirt worden, so sind diese Angaben nicht richtig. Schon
der Wortlaut seines Testaments zeugt von seiner kirch-
lichen Gesinnung. Allerdings kommt sein Name in dem
Index librorum damnatorum vor, welche die spanische
Inquisition herausgegeben hat,'-^) sie hat aber nicht näher
bezeichnet, welches Werk oder welche ketzerische Lehre
gemeint sei. Dagegen findet sich sein Name nicht in dem
römischen Index librorum prohibitorum.
^) Celt. epigr. lib. IV. n. 36 und 37. Carmen: In aede Oettingensi
divae Virgini soluta devotio.
2) Index librorum damnatorum Matriti p. 194. Conradus Celtis seu
Celtis Protussius, seu Protucius Francof (statt Franeus) Germanns poöta
et cosmographus.
Gelte«. 229
Freilich fand die Wiener theologische Facultät, wie
schon anderwärts näher angegeben ward , *) Manches an
seinen ohne ihre vorgängige Einsicht durch den Universi-
täts - Professor Thomas Velocianus veröffentlichten Oden
auszusetzen als nicht ganz orthodox und nach Ketzerei
schmeckend, aber es kam doch nicht zu einer eigentlichen
Verurtheilung, obschon der Herausgeber zur Verantwortung
gezogen und die zu veranstaltende Castigation ausgesprochen
wurde.
Weil Geltes ein heftiger Feind der Türken gewesen
und den Kaiser zu deren Bekriegung aufgefordert habe,
will man auch daraus folgern, dass er von guter kirchlicher
Gesinnung war. Aber schon der Humanist hasste die Türken
als Barbaren und Zerstörer altclassischer Denkmäler.
Dass des Geltes Rechtgläubigkeit später von der Wiener
theologischen Facultät nicht in Frage gestellt war, lässt sich
daraus entnehmen, dass er in dem von den Wiener Jesuiten
verfassten Hymnus gradualis mit besonderer Auszeichnung
namentlich angeführt wird. Dieser Hymnus wurde seit 1648
(bis 1783) jährlich am 6. November zum Gedächtniss an
die verstorbenen Wiener Universitäts-Professoren im feier-
lichen Gottesdienst abgesungen. 2)
Die literarische Thätigkeit des Geltes, die durch-
gehend s eine humanistische war, lässt sich schwer nach
*) Vgl. im ersten Buche S. 116 und unten den Art Velocianus.
2) Der 6. November wurde wegen der Kirchenfeier ein Ferialtag für
die Universität; erst unter Kaiser Josef II. (1783) ward derselbe aufge-
hoben. Der Hymnus Gradualis ist vollständig abgedruckt im Conspect.
bist. Univ. Vieiln. III. p. 250. Locher, Specul. p. 332. Die fünfte Strophe
lautet :
Sigismundus ab Herberstein et Regiomontanus,
Peuerbachius et Stabius et cum Gelte Jordanus,
Deus aetemam requiem in lucis claritate
Donet cum sanctls omnibus ex Christi charitate,
230 Leben and Schriften der Humanisten.
gewissen Rubriken oder Fächern theilen, wenn auch die
zweifache Sonderung in prosaische und dichterische Pro-
ductionen gemacht werden könnte. Da ein chronologisches
Verzeichniss der ziemlich zahlreichen Schriften zugleich
einen Einblick in den fortschreitenden Bildungsgang des
gekrönten Dichters liefert, wie auch seinen Antheil an der
Verbreitung des Humanismus an den Tag legt, so dürfte
es am zweckmässigsten und geeignetsten sein, die Schriften
nach der Zeit ihrer Publication anzugeben und einige Be-
merkungen beizufügen.
A. Chronologisches Yerzeichniss der Celtes'schen
gedrnekten Schriften.
I. Conradi Celtis Protucii Ars versificandi et
qarminum [s. 1. et a.]. 4^. und zweite Ausgabe: Conradi
Celtis Protucii poetae laureati Ars versificandi et
carminum [s. l. et a.J. 4^.
Es lässt sich vermuthen, dass die erste Ausgabe, welche
24 Blätter umfasst, vor der Dichterkrönung im J. 1486 zu
Leipzig gedruckt worden, indem bei dem Namen des Ver-
fassers der Beisatz poeta laureatus fehlt. Die zweite Aus-
gabe hat denselben, daher sie jedenfalls nicht schon 1486
erschienen sein kann. Sie umfasst nur 20 Blätter, hat aber
dessenungeachtet einige Zusätze. Das seltene Werkchen
enthält folgende Stücke:
1. Epistola [dedicatoria] ad Fridericum, ducem Saxoniae.
2. Carmen ad lectorem.
3. Carmen ad Fridericum, ducem Saxoniae.
4. Ars metrica et poetica,
5. Carmen ad Fridianum Pighinium Lucensem.
6. Responsum Fridiani ad Celtis elogium.
7. Oda Fridiani ad Sanct. Sebastianum.
(Zeltes. 231
8. Carmen Fridiani ad Martinum [Pollichium] Melier-
stadium.
9. Fridiani epistolae metricae.
10. Celtis Epigramma elegiacum ad lectorem,
11. Conradi Celtis Protucii Ode ad Apollinem, reper-
torem poetices, ut ab Italia cum lyra ad GermanoB veniat.^
Die ars versificandi zerfällt in zwei Theile: in die ars
metrica, welche in Hexametern über die Versfüsse und
Dichtungarten handelt, und in die ars poetica, welche sich
vorzüglich mit der Prosodie beschäftigt.
Die Ode ad Apollinem, welche auch in der Celtes'schen
Odensammlung (lib. IV. od. 5) aufgenommen wurde, ist
später mehrmals gedruckt worden. Sie findet sich auch bei.
Erhard, Gesch. d. Wiederauf blühung wissenschaftl. Bildung
B. IL S. 116 abgedruckt.
IL Drei Ausgaben einzelner Stücke des Seneca:
Hercules furens. Cura Conradi Celtis [s. a. et 1.]. 4".
Coena Thyestis tragoedia secunda [s. a. et 1.]. 4^
Lucii Annaei Senecae Tragoediae Hercules
furens et Coena Thyestis. Lipsiae 1487. 4^.
Es ist nicht zu bezweifeln, dass von Celtes die bei-
den Seneca'schen Tragödien zuerst einzeln herausgegeben
wurden, und zwar vor dem 18. April 1487, dem Tag seiner
Dichterkrönung, indem bei seinem Namen der Beisatz poeta
laureatus noch nicht vorkommt. Es ist daher für diese typo-
graphischen Seltenheiten als Druckjahr entweder 1486 oder
der Anfang des J. 1487 anzunehmen. Der zweite Gesammt-
abdruck der beiden Stücke, der ebenfalls höchst selten vor-
kommt, erfolgte dann 1487 in Leipzig. Diese Ausgabe,
') lieber dieses früheste literarische Product des Celtes handeln:
Mencken, Miscell. Lips. nov. Vol. VII. P. I. p. 309 sqq. Klüpfel, de vit.
et Script. Celt. II. p. H sqq. Hain, Repertor. Bibliogr. Nr. 4845. I. 2.
p. 86. Aschbach, früh. Wander. des C. Celtes. S. 86.
232 Leben and Schriften der Humanisten.
welche wenige Jahre nach der Editio princeps des Seneca,
Ferrara 1484. fol. erschien, kannten weder Klüpfel 1. c. p. 11,
noch Endlicher, Rec. über Klüpfel in den Wiener Jahrb. der
Lit. XLV. 8. 166: („Ref. [Endlicher] war auch nicht so
glücklich, von dieser allen Bibliographen unbekannten Aus-
gabe ein Exemplar zu sehen. "*) Aber Erhard a. a. O. S. 137
gibt an: L. Annaei Senecae Tragoediae Hercules furens et
Thyestes. Lips. 1487. 4^. — Ort und Jahrzahl sind unter
der Vorrede des C. Celtes Protucius an den Fürsten Magnus
von Anhalt bemerkt. Dem Hercules furens wie der Coena
Thyestis schickt Celtes ein Gedicht anstatt eines Argumen-
tum oder Prologus voraus; diese Gedichte finden sich bei
Erhard 8. 137 fl. abgedruckt. — Dass Celtes die Absicht
hatte, alle 8tücke des 8eneca mit Commentarien heraus-
zugeben, erfahren wir aus einem Briefe eines Freundes an
ihn. Er führte diesen Plan aber nicht aus.
ni. Proseuticon ad divum Fridericum tertium
pro laurea Apollinari. Norimbergae per F. Kreus-
ner s. a. [1487]. 4«.
Die kleine, nur 6 Quartblätter umfassende 8chrift,
welche zu Nürnberg von Friedrich Kreusner wiederholt im
J. 1500 gedruckt worden ist und auch einen spätem Ab-
druck durch G. Meyer unter dem veränderten Titel: Daphne
Apollinaris. Hamburg. 1615. 8^. erhalten hat, gibt mehrere
auf des Celtes Dichterkrönung bezügliche 8tücke in Prosa
und in Versen:
1. Epistola Conradi Celtis Protucii poetae laureati (d. d.
Norimberg. VIT. Kai. Maji) ad Georgium Saxoniae -ducem.
2. Epistola Conradi Celtis ad Fridericum tertium Im-
peratorem.
3. Ad divum Fridericum tertium Imperatorem Conradi
Celtis elegiacum proseuticum pro laurea Apollinari.
4. Ad imp. Fridericum tertium Conradi Celtis poetae
laureati gratiarum actio post impositionem poeticae crinalis.
Celte». 233
5. Ad Fridericum Caesarem pro laurea.
6. und 7. Carmina ad eundem.
8. Carmen ad Principes Germaniae.
9. Carmen ad Fridericum electorem Saxoniae.
10. Constellatio Conradi Celtis etcJ)
IV. Conradi Celtis Panegyris ad duces Bava-
riae [s. a. et 1. Augsburg. 1492.] 8".
Diese Schrift, welche nach dem Epigramm des Hen-
ricus Euticus de Monte Norico auf der Rückseite des Titel-
blattes die Notiz liefert, dass der Augsburger Magister
Erhard Radolt ihr Herausgeber oder Drucker war, enthält
auf 11 Blättern mehrere Stücke:
1. Praefatio Conradi Celtis ad lectores.
2. Conradi Celtis Protucii Grermani imperatoris
manibus poetae laureati Panegyris ad duces Bava-
riae et Philippum Comitem Palatinum Rheni, dum
in Ingolstadio donatus fuisset publice stipendio.
[156 Verse.]
3. Oratio in gymnasio in Ingolstadio publice recitata
(mit dem Schlüsse: Dicta a prima elementorum concordia
6691 [i. e. 1492] pridie Kalendas Septembris. *)
4. Oda ad Sigismundum Fusilium Wratislaviensem,
quibus [modis] instituendi sint adolescentes.
5. Hymnus ad divam dei genitricem pro pace et con-
cordia principum Germanorum.^)
1) Vgl. Hain, Repertor. bibliogr. I. 2. p. 85. Nr. 4841. Klüpfel
1. c. II. p. 11: Burckhardt, de fatis ling. lat. II. 297 sqq., wo die meisten
Stücke auch wieder abgedruckt sind, und die Abb. über die früh. Wande-
rungen d. C. Celtes 8. 93 fl. und im Anhang S. 141 fll., wo Nr. 2. 3. 4.
5 mitgetheUt werden. Nr. 5 kommt auch in der Celtes'schen Odensamm-
hmg üb. I. od. 1 und Nr. 8 in des Celtes Epod. carm. 1 vor.
2) Die Panegyris, worüber Hain Repert. bibl. I. 2. p. 85. Nr. 4841.
Denis, Merkw. d. Gareil. Bibl. S. 238. Klüpfel II. p. 16—20 nachzusehen
ist, gibt auch Lipowski, Leben der Agnes Bemauerin Münch. 1800, in
einem incorrecten Abdruck. Die Ode an Fusilius findet sich auch in
Celt. Odar. lib. I. od. 11.
234 Leben und Schriften der Rnmanisten.
V. Epitoma in utramque Ciceronis Rhetoricam
cum arte memorativa et modo epistolandi utilis-
simo [s. a. et 1.]. 4^
Dieses Werkelien auf 23 Blättern, worüber Hain, Rep.
bibl. 1. c. p. 86. Nr. 4842 und Klüpfel IL 21—28 nach-
zusehen ist, wurde im J. 1492 entweder in Ingolstadt oder
in Augsburg gedruckt und fand später mehrere Wieder-
abdrücke in Ingolstadt 1532, in Strassburg 1534 und 1568 etc.
Es liefert folgende Stücke:
1. Epistola principi divo Maximiliano Romanorum Regi
semper Augusto mit der Unterschrift: Conradus Celtes
Protucius etc. ex Ingolstadt quinto Kalendas Apriles a. sal.
MCCCCXCII.
2. Epitomatis figura in utramque Ciceronis Rhetoricam
secundum omnes partes orationis et oratoris et rhetoris.
3. Epitoma in utramque Ciceronis Rhetoricam cum
praeceptis et locis constitutionum et orationum. Demonstra-
tivae, deliberativae et judicialis cum modo epistolandi.
4. De artificiali memoria, quam vocant artem memora-
tivam.
5. Tractatus de condendis epistolis.
6. Quinque Carmina:
Ad Georgium Morinum in laudem eloquentiae.
De Navigatione sua Sarmatica.
Ad Coetum Ungarorum.
In Crispinum Glogomurum Balatronem.
De Coena Myricae.
Nr. 1 findet sich auch gedruckt bei Burckhardt de fat. ling.
lat. II. p. 304. Nr. 5 öfter wieder gedruckt: die fünf Car-
mina Nr. 6 kommen mit veränderten Ueber Schriften auch
in der Celtes'schen Oden-Sammlung I. 20. IV. 3. II. 2.
I. 19 u. I. 21 vor.
^) Ist eine Art Praefatio, welche eine Einleitung über den Gehalt
und Geist der abgekürzten Ciceronianischen Rhetorik gibt.
Celteg. 235
VI. Conradi Celtis vita S. Sebaldi civitatis
Noricae patroni [s. a. et L] 4^
Dieses kleine im Sapphischen Versmasse gedichtete
Carmen, welches handschriftlich sich auf der Wiener Hof-
bibliothek Nr. 3307 vorfindet, ist nach KlüpfeFs Ansicht
p. 32 wahrscheinlich zuerst in Nürnberg zwischen 1492
und 1494 gedruckt worden. Es ist mit einem den Heiligen
vorstellenden Holzschnitte von Albrecht Dürer, oder wie
Thausing (Dürer S. 204) meint, von Wolgemuth ausgestattet.
Spätere Ausgaben in verschiedenen Schriften kommen vor
Nürnberg 1496, 1502 und 1509, Strassburg 1511 und 1513,
Frankfurt 1610, Altdorf 1697, Antwerpen 1737. Das Gedicht
ist auch in die Celtes'sche Oden- Sammlung aufgenommen
worden. Um dieselbe Zeit (1492) dichtete Geltes auch eine
Oda pro felicitate urbis Noricae, die auf einem ein-
zigen Blatt ohne Jahres- und Ortsangabe erschien. (Vgl.
Hain, Rep. Bibl. Nr. 4844.)
VII. Ad Charitatem de familia Pirkhaimerorum
sanctimonialem ord. S. Clarae Norimbergae profes-
sam Conradi Celtis Carmen [s. a. et»l.].
Das ebenfalls im Sapphischen Versmasse gedichtete
Carmen, das wahrscheinlich in Nürnberg um 1494 erschien,
dann aber öfter in verschiedenen Werken (Bologna 1506,
Nürnberg 1513 und 1515, Frankfurt 1610, Leipzig 1750,
Wien 1867 und 1868) gedruckt ward, wurde der Charitas
Pirkheimer gewidmet, als ihr Celtes sein Gedicht Vita
S. Sebaldi übersandte.^)
In der Celtes'schen Oden - Sammlung kommt dieses
Carmen wie manche andere seiner Oden nicht vor.
Vni. Conradi Celtes Protucii Germani Impera-
toris manibus poetae laureati de origine, situ,
moribus et institutis Norimbergae libellus [s. a. et 1.].
*) Vgl. Kltipfel II. p. 46 und Aschbach, Roswitha und C. Celtes
S. 7 und S. 56.
236 Leben und Schriften der Humanisten.
Die erste Ausgabe der Nürnberger Stadtgeschichte,
welche von Celtes schon 1492 oder 1493 geschrieben und
von dem Nürnberger Schatzmeister Georg Alt in's Deutsche
übersetzt Nürnberg 1495 herausgegeben worden war, vermag
man nicht mit Bestimmtheit in Bezug auf das Druckjahr
anzugeben. Klüpfel (11. 32 fll.) verwirft die angeblich
im J. 1494 in Parma erschienene als erdichtet. Trithemius
spricht von der Schrift als geschrieben in seinem literari-
schen Werke schon im J. 1494: er kannte damals wohl
nur das Manuscript. Der Lübecker Syndicus Quirinus
schreibt im J. 1500 an Celtes: Miratus vehementer sum,
quod in lucem non edis — Norimberge situm et mores.
Die Vita Celtis, welche um 1492 geschrieben wurde, be-
zeichnet das Buch als handelnd de situ Norimbergae et de
ejus institutis et moribus. Im Anhang zu den libris Amorum
erschien die Schrift Norimberg. 1502, später dann Hagenau
1518, Francof. 1610, Hannov. 1728.
IX. Conradi Celtis, Oeconomia, id est, de his
quae requiruntur ad honestam suppellectilem philo-
sophi patris familias [s. a. et 1.].
Die vier Quartblätter umfassende kleine Schrift, welche
nicht, wie Endlicher und Hain (Nr. 4843) vermuthen, im
J. 1497 in Wien bei Winterburger, sondern höchst wahr-
scheinlich in Nürnberg nach dem J. 1492 gedruckt worden,
enthält 28 Epigramme, welche grösstentheils auch in an-
deren Celtes'schen Büchern, namentlich im dritten Buche
der ungedruckten Epigrammen-Sammlung (vgl. Klüpfel IL
29 fll.) in gleicher oder etwas veränderter Form vorkommen.
Am Schlüsse ist beigefügt die Oda ad Musam suam, welche
auch in der Oden-Sammlung lib. III. od. 4 vorkommt.
X. Lucii Apuleji Platonici et Aristotelici philo-
sophi Epitoma divinum de Mundo seu Cosmographia
ductu Conradi Celtis. Impressum Vienne — per
Celt«8. 237
Joannem de hiberna arce haud procul a ripis Rhe-
nanis et urbe inventrice et parente impressorie
artis Moguntiaco. *)
Das zu Wien bei Johann Winterburger im J. 1497 in
Folio gedruckte, aus 6 Blättern bestehende Werkchen,
welches höchst selten ist (vgl. Ebert bibliogr. Lex, n. 874)
liefert an der Spitze folgende Beigaben:
1. Episodia sodalitatis litterariae Danubianae ad Con-
radum Celtem, dum a Norico gymnasio ad Viennam Pan-
noniae concesserat.
2. Sodalitium Danubianum Episcopum Vesprim. prin-
cipem sodalitatis elegit.
3. Conradus Celtis Protucius Triformis Philosophie
Doctor, Imperatorisq. manibus poeta laureatus, Joanni Fuse-
manno, Regio Senatori, et Joanni Gracco Pierio Prothonotario,
sodalitatis litterariae Danubianae principibus S. D. P. [Dat.
Vienne Kalendas Novembribus orbe nostro Christiane 1497.]
Die Episodia an Celtes folgen unten im Anhang ab-
gedruckt. Die Celtes' sehe Ausgabe des Apulejus ist eine
grosse typographische Seltenheit. Dass der gekrönte Dichter
den Apulejus schon 1494 zu Memmingen herausgegeben
habe, wie Hamberger II. p. 348 angibt, ist unrichtig. Des
Apulejus' Buch de Mundo ist eine Uebersetzung der griechi-
schen Schrift icept xöffixoü, welche man dem Aristoteles bei-
legt. Celtes hatte die Absicht, auch noch andere Apulejische
Schriften zu ediren. Er sagt in der Zuschrift an die beiden
kaiserlichen Räthe : Valete, reliquos libros Apuleji libros de
Platonica majestate et sublimitate nostramque de Phoebo et
Marte mythologiam lecturi. Celtes erfüllte sein Versprechen
1) Vgl. Denis, Wiens Buchdruck. Gesch. S. 8 fll. Klöpfel IL 27 fll.
Hölscher, über das Buch des Apulejus de Mundo. Herford 1846. 4.
Ascbbacb, Roswitha und Conr. Celt. Wien 1868. S. 51.
238 Leben aad Schriften der Hamanisten.
nicht. Uebrigens gab es unter den Apulejischen Schriften
keine mit dem angeführten Titel. ^) Vielleicht meinte Celtes
damit die Fragmente des Apulejus de dogmate Piatonis
libri tres, welche aber grossentheils unecht sind 2) und
welche er in ein Buch verarbeiten wollte, das dem Apulejus
zugeschrieben werden sollte. Dass sich Celtes „Triformis
philosophiae doctor" auf dem Titel des Buches nennt, be-
zieht sich nicht auf seine dreifache Sprachkenntniss des
Lateinischen, Griechischen und Hebräischen, sondern auf
die dreifache Eintheilung der platonischen Philosophie in
philosophia naturalis, moralis und rational is. Der Humanist
Michael Styrus Transilvanus in einem Brief an Celtes nennt
ihn tripartitae philosophiae doctor (Cod. epist. Celt. f. 91).
XL Propositiones domini Cardinalis Nicolai
Cuse de li Non aliud. Conradi Celtis Carmen secu-
lare [s. a. et 1.].
Die auf 4 Quartblättern in Wien 1500 gedruckte kleine
Schrift (vgl. Denis, W. Buchd. Gesch. S. 300) enthält zu-
nächst 20 scholastische Aristotelische Propositionen, welche
aus der LI. (51.) Proposition in des Cardinal Cusanus Dia-
logus „de non aliud" (Hontheim hist. Trevir. dipl. IL p. 328)
entnommen ist. Mit Unrecht zählt Clemens in seinem Buch
über Nicolaus Cusanus den Dialogus de non aliud zu dessen
verlorenen Schriften. Das Carmen saeculare, eine Horazische
Nachahmung, das auch in der Celtes'schen Oden-Sammlung
abgedruckt ist, gibt 24 Sapphische Strophen an die 7 Pla-
neten und 12 Zodiakalzeichen mit dem Schlüsse : Haec ego
in Austriaca cantavi cärmina terra etc. Vgl. Klüpfel IL p. 73.
1) Teuffei, Rom. Lit Gesch. 2. Ausg. 1872 §. 331. p. 831 fll.
Mehr als Hildebrandt für die Opp. Apulej. (1842) geleistet, verspricht in
einer neuen kritischen Ausgabe Luetjohann, Lips. 1876, besonders fiir die
kleineren Schriften zu geben.
2) Fr. Adam, de auctor. libri etc. Berolin. 1861 spricht sich für die
Echtheit aus.
Celtes. 239
XII. In hoc libello continentur Septenaria soda-
litas litteraria Germanie, Ausonii sententie Septem
sapientum septenis versibus explicate. Ejusdem
Ausonii ad Drepanum de ludo Septem sapientum.
Epistola sancti Hieronymi ad Magnum Oratorem
urbis de legendis et audiendis poetis. — Impressum
Vienne ductu Conradi Celtis anno M quingentesimo
seculari.
Die auf 8 Quartblättern von Job. Winterburger im
J. 1500 zu Wien von Celtes herausgegebene Schrift (vgl.
Denis a. a. O. S. 11 ff. Klüpfel II. 167) enthält zunächst
7 Gedichte: 1. Septem Castrensis Danubianus. 2. Duntis-
canus Vistulanus. 3. Pomeranus Codoneus. 4. Albinus Lune-
burgenus. 5. Alpinus Drauanus. 6. Rhenanus Vangioanus.
7. Necaranus Hercinianus. Jedes Gedicht handelt in 7 Jamben
über merkwürdige Sieben, wie Planeten, Hügel Roms etc.
Dieses Stück ist auch in der Celtes' sehen Oden-Sammlung
lib. Epodon, n. 14, aufgenommen mit einigen Aenderungen.
Der Titel lautet dort: Septenaria Sodalitas litteraria Ger-
manie irspl T^<; eßBo[i.aSo;. Nr. 6 hat die Ueberschrift : Rhenanus
Vangionus et Mosellanus. Die Ausonischen Stücke, welche
in den früheren Ausgaben des Ausonius von 1472 bis 1497
nicht vorkommen, hat Celtes entweder aus der Parmesanischen
Edition von 1499, oder aus einer schlechten Handschrift
abdrucken lassen.*)
XIII. Cornelii Tnciti de origine et situ Ger-
manorum liber incipit [s. a. et 1.].^)
^) Ueber die ältesten Ausgaben des Ausonius handelt Teuflfel in
der Literaturgeschichte Roms S. 963.
2) Der Ingolstädter Magister Jacob Locher Philomusus spricht von
dieser Ausgabe in einem Schreiben an Celtes d. d. Ingolstadt in diebus
PaschaUbus 1500 (im Cod. epistol. Celt. fol. 93): Accepi diebus quadra-
gesimaUbus, mi praeceptor, Cornelii Taciti de origine et situ Gennanorum
libellum industria tua castigatum et distinctum.
240 Leben and Schriften der Hamanitten.
Zweite Ausgabe:
Cornelii Taciti veridici historici de situ Germaniae et
incolaruni; ut secla olim ferebant, moribus libellus lecta
dignissimus. Conradi Celtis Protucii Poetae fragmenta
quaedam de iisdem scitu admodum utilia : omnibus diligenter
revisis et castigatis. Impressum est hoc opusculum aecurata
diligentia Joannis Singrenii calcographi Viennae Pannoniae
mense Januario MDXV.
Die erste Ausgabe ist ohne Angabe des Jahres und
Druckortes auf 14 Quartblätter, wahrscheinlich 1500 in
Wien bei Johann Winterburger gedruckt; die zweite hat
22 Quartblätter und gibt noch nachfolgende Stücke, die aus der
Ausgabe der libri Amorum Norimb. 1502 entnommen sind:
Conradi Celtis Carmen typographicum de Germania und
Carmen de Hercyniae sylvae magnitudine (aus der Schrift
de situ et moribus Norimbergae)J)
Taciti Germania war schon Bononia 1472 und Venet. 1476
in Druck erschienen. In Deutschland aber war die Celtes-
sche Ausgabe der erste Druck: sie liefert nicht den Abdruck
einer der früher in Italien erschienenen, sondern gab nach
einer Handschrift den Text, freilich ziemlich unkritisch;
auch eine nicht sehr geschickte Capitel-Eintheilung ist ge-
troflfen : Endlicher äussert sich ziemlich wegwerfend über
den Werth der Edition. Er bemerkt: Die zahlreichen Emen-
dationen oder besser Cörruptionen scheinen ex ingenio und
keineswegs aus einem Codex genommen zu sein und zeugen
von keinem kritischen Sinne.
XIV. Ludus Dianae in modum Comoediae coram
Maximiliane Romanorum Rege Kalendis Martiis et
Ludis Saturnalibus in arce Linciana actus. Im-
pressus Norimbergae ab Hieronymo Hölzelio cive
Norenbergensi A. 1501. Idibus Majis.
») Vgl. Kltipfel II. p. 60 bis 64 nebst Endlicher Rec. a. a. O. S. 169
über Kltipfel. Denis, W. B. G. S. 132.
Celtes. 241
Neuer Abdruck in den libris Amorum Norimb. 1502
unter dem Titel Ludus Dyanae coram Maximiliano rege. *)
Celtes dichtete das auf 6 Quartblättern gedruckte
dramatische Singspiel Ludus DIanae und brachte es zur
Aufführung am 1. März 1501 auf dem Linzer Schloss in
Gegenwart Maximilians, seiner Gemalin Maria Bianca und
des Herzogs von Mailand, unter der Mitwirkung seiner
humanistischen Freunde zur Feier der Dichterkrönung seines
Collegen, des Schlesiers Vincentius Longinus Eleutherius.
Das Drama hatte 5 Acte, worin 24 Personen unter Gesang
und Tanz mitspielten. Celtes selbst war mit agirend und
der Hofcaplan und licibarzt Joseph Grünbeck sprach den
Prolog. Im ersten Act erscheint die Göttin Diana, umgeben
von Nymphen und ihrem übrigen Gefolge und begrüsst
den römischen König als ihren Herrn und Meister : es folgt
dann Gesang und Tanz. Im zweiten Act kommt Sylvanus
mit Bacchus und Faunen : nach der Recitation folgt wieder
vierstimmiger Gesang, Citherspiel und Blasinstrumen ten-
Musik mit Pfeifenbegleitung. Der dritte Act liefert die
Hauptscene. Des Celtes College, der Dichter Longinus
Eleutherius, erscheint als Bacchus mit dem Thyrsos : er stürzt
zu den Füssen des Kaisers und bittet um den Lorbeerkranz.
Worauf sich der Kaiser erhebt, dem Dichter den Fried ens-
kuss und den Jaspis-Ring gibt und sein Haupt mit dom
Lorbeer bekränzt, hierauf der Chor der Bacchantinnen einen
Dankgesang anstimmt. Den vierten Act leitet der betrunkene
und stammelnde Silenus auf einem Esel mit leerem Wein-
schlauch ein und Diener credenzen dann in goldenen Bechern
und Schalen den Wein, der unter Pauken- und Hörnerschall
auf das Wohl des Fürsten getrunken wird. Im Schlussact
tritt Diana nochmals auf und zwar im Gefolge Aller, die
1) Vgl. Klüpfel II. 96 fll. und dazu Endlicher, Recension. Kaltenbäck,
Österreich. Zeitschr. für Gesch. I. 3. 4. Kink, Gesch. der Univ. Wien I.
199, n. 231.
V. Aschbach, Geschichte der Wiener Univers. II. 16
242 Leben und Rchrifken der Humanisten.
mitgespielt hatten , um vom Fürsten und seiner G-emalin
sich zu verabschieden und dann in den Wäldern zu ver-
schwinden.
XV. Opera Hrosuite illustris virginis et monialis
germane gente Saxonica orte, nuper a Conrade Gelte
inventa. Impressum Norimbergae sub privilegio
sodalitatis Celtice a senatu Romani Imperii im-
petrate (sie) et A. quingentesimo primo supra mille-
simum. [Fol. mit 8 Holzschnitten, Hrosuita, Geltes und
6 Hauptpersonen der Komödien darstellend.]
Reihenfolge der Stücke:
1. Praefatio epistolaris ad Fridericum ducem
Gonradi Geltis.
Schluss : Ex Norimberga Praetoria Augusta. .
2. Sodalitatis litterariae Epigrammata in opera
Hrosuite.
Joannes Dalburgius, Wormatiensis Episcopus.
Joannes Trithemius, Abbas in Spanheim.
Heinricus de Bunaw.
Hölolykos de Stein, alias Eytelwolf.
Bilibaldus Pirkhamer, Norimbergensis.
Joannes Tolophus, Praepositus.
Joannes Q-roninger. .
Joannes Werner.
Martinus Melierstadt, alias Polichius, medicus.
Conradus Geltes.
Joannes Lateranus.
Joannes Stabius, mathematicus Ingolstadiensis.
Urbanus Prebusinus.
Sebastianus Sprentz.
3. Gomoediae sex in aemulationem Terentii.
[1. Gallicanus. 2. Dulcitius. 3. Galimachus. 4. Abraham.
5. Paphnutius. 6. Sapientia.]
4. Octo sacrae historiae versibus elegiacis.
Celtes. 243
[1. Historia nativitatis — Dei genitricis. 2. De Ascen-
sione Domini, 3. Passio s, Googolfi. 4. Passio s. Pelagii.
5. Lapsus et conversio Theophili. 6. Historia Proterii.
7. Passio s. Dionysii. 8. Passio s. Agnetis.]
5. Panegyricus versibus heroicis in laudem
Ottonis Magni primi in Germania imperatoris.
Druck nach einem scheinbar alten Codex, mit Ver-
änderungen, Zusätzen und Weglassungen. Ein incorrecter
Abdruck der ersten Ausgabe ist gemacht von H. L. Schurz-
fleisch. Wittenberg 1707. K. A. Barack hat eine kritische
Ausgabe der Werke der Hrotsvitha mit Vergleichung der
Pommersfelder Abschrift, Nürnberg 1858 geliefert, aber
ohne die Praefatio des Celtes, ohne die Epigramme der
rheinischen Sodales und die Argumenta der Legenden.
Celtes Hess aus einem angeblich von ihm aufgefundenen
alten Codex, der früher zu Regensburg dem St. Emmerams-
kloster gehörte und gegenwärtig auf der Münchener Hof-
bibliothek aufbewahrt wird, die Werke der Gandersheimer
Nonne Roswitha in Druck herausgeben. Aschbach bestreitet
in einer Abhandlung (Roswitha und Conrad Celtes. Wien
1867 und 2. A. Wien 1868) nicht nur die Echtheit der
Rojswitha' sehen Werke, sondern suchte auch darzulegen, dass
sie von Celtes und einigen seiner humanistischen Freunde
fabricirt worden seien. Diese Behauptung veranlasste eine
heftige literarische Fehde. R. Köpke (Hrotsuit von Ganders-
heim, Berlin 1869) sucht nicht nur Celtes von jedem Ver-
dachte einer Fälschung freizusprechen, sondern bestreitet
auch die Angriffe auf die Echtheit der Roswitha' sehen
Schriften ; er ist bemüht, die Gandersheimer Nonne in jeder
Beziehung zu glorificiren. Er führt die Sache wie ein
Rechtsanwalt, um einen Process zu gewinnen, nicht wie ein
unbefangener Kritiker, dem es einzig und allein um die
wissenschaftliche Ermittelung der Wahrheit zu thun sein
soll. Nach Köpke's Ansicht war die sächsische Nonne
16*
^44 Leben und Schriften der Humanisten.
mitten in einer halbbarbarischen Zeit ein seltenes Genie,
das mit der gelehrten Bildung in der alten classischen
Literatur Kenntniss des Piatonismus und der scholastischen
Theologie verband und dabei auch in mehrfacher Hinsicht
als eine emancipirte Frau selbst der Kirche gegenüber zu
betrachten sei. Natürlich entzieht sich dann ein solches
Weltwunder als incommensurable Grösse der Beurtheilung
nach gewöhnlichem Massstabe.
Die Holzschnitte, welche den Opp. Roswithae bei-
gegeben sind und gewöhnlich als von A. Dürer herrührend
bezeichnet werden, spricht Thausing (Dürer S. 205), als dem
Nürnberger berühmten Künstler nicht würdig, diesem ab.
XVI. Erster Holzschnitt, Titel:
Conradi Celtis Protucii primi inter Germanos Im-
peratoris manibus Poete laureati quatuor libri
Amorum secundum quatuor latera Germaniae feli-
citer incipiant. Quatuor urbes tetragonales Ger-
manie ad quatuor latera eius: eiusdem ferme Longi-
tudinis et Latitudinis.
Dann in einem Blumenkreise:
Ratisbona Danubius Meridies Juventus
Boemia Albis Fluvius
Moguncia Rhenus OccasusSenectus (jjfjujjj Croca Vistula Oriens Adolescentia
Lubecum Sinus Codanus Nox Mors.
Quum tot jam nutriat tellus Germana poetas,
Student qui cunctis spargere metra plagis,
Cur ego ter quinum tacui qui Celtis in annum
Non ausim nostros in orbe libros.
Zweiter Holzschnitt: Kaiser Maximilian mit dem vor ihm
knienden Dichter darstellend.
Qui maledicit Principi suo morte moriatur. Ex. XXI.
Zuschrift an Kaiser Maximilian : Panegyrici pars prima.
Schluss : Ex Norimberga diversorio nostro litterario
aedibus Villibaldi Pirkhamer.
Celtes. 245
Dritter Holzschnitt: Die Philosophie auf dem Thron,
behangen mit 5 Medaillons : Ptolemaeus, Plato, Cicero, Vir-
gilius und Albertus Magnus darstellend.
Vierter Holzschnitt: Der schreibende Celtes, umgeben
von Göttern und Musen, über ihm seine ChijQEre ( ) i. e.
Conrad Celtes Protucius Poeta.
Die Holzschnitte sind von Albrecht Dürer nach An-
weisung des Nürnberger Chronisten Hartmann Schedel und
des Dichters selbst. Vgl. A. Ruland, die Entwürfe zu den
Holzschnitten der Werke des C. Celtes im Archiv für
zeichnende Kunst. H. S. 254 — 300 und Thausing, Dürer
S. 206. Derselbe behauptet, nur das Porträt von Celtes sei
von Dürer, die andern Holzschnitte von Wohlgemuth.
Unter dem dritten Holzschnitte befindet sich die Chiffre
des Künstlers.
Reihenfolge der ausser dem Panegyricus auf Maximilian
im Buche aufgenommenen Stücke:
1. Vincentii Longini Eleutherii in Confradi] C[eltis]
Novenarium Lyra.
2. Index eorum, quae continentur in hoc Volumine.
3. Libri IV Amorum secundum quatuor latera Ger-
manie versibus elegiacis.
Lib. I. Hasilina Sarmata. IL Elsula Norica. III. Ursula
Rhenana. IV. Barbara Cymbrica.
[Mit vier auf die betreffenden Länder bezüglichen
Holzschnitten.]
4. Generalis Germanie descriptio carmine heroico.
Schluss: Anno millesimo quingentesimo et novi seculi
secundo Kalendis Februariis. In anno vitae meae XLIII.
5. Liber de situ et moribus Norimberge et magnitudine
Hercynie sylve.
6. Hymnus de vita S. Sebaldi Norimbergensis Patroni.
246 Leben und Schriften der Hamanisten.
[Ein Bild, den heiligen Sebaldus, ein anderes, Phoebus
und Daphne darstellend.]
7. Ludus Dyanae cor am Maxmyliano Rege.
8. Copia buUae regiae erectionis collegii poetarum et
mathematicorum in Vienna.
9. Panegyricus Vincentii Longini pro eodem erecto col-
legio carmine heroico.
10. Epistola Sebaldi Clamosi. Noriinberg. Kalendis
Mart. 1500.
11. Epistola C. Celtis ad Sebaldum Clamosum. Viennae.
Kai. Febr. 1502.
Schluss: Absoluta sunt haec C. C. opera in Vienna
domicilio Max. Aug. Caesar. Anno MD novi seculi II. Kai.
Febr. Impressa autem Norimbergae eiusdem anni Nonis
Aprilibus. 4. ^)
An den libris Amorum oder den Reisebildern arbeitete
Celtes über zehn Jahre lang: sie lagen schon grossentheils
dem Sponheimer Abt Trithemius, als er im J. 1494 seine
Schrift: De Script, ecclesiasticis herausgab, vor; einzelne
Theile daraus waren abschriftlich, wie die Peregrinatio Sar-
matica, ja manche sogar durch den Druck schon verbreitet.
Der Verfasser der Vita Celtis, der die Biographie nicht
beendigte und sie nicht bis zu des Celtes Uebersiedlung
nach Wien (1497) führte, kannte schon den Inhalt und die
Anlage der libri Amorum. Es heisst darin: Scripsit —
libros Amorum quatuor secundum vitae circulos, ut Pytha-
gorici tradunt, et secundum quatuor Germaniae latera, ut
illam ab occasu Rhenus, a septentrione Codanus et mare
Germanicum, ab ortu Vistula, a meridie Danubius et Alpes
claudunt, observatis maxime gentium moribus et locorum
naturis, fluminibus, lacubus, sylvis et urbibus insignioribus.
Vgl. Kltipfel II. 101. Denis, Merkwürd. der Garell. Bibl. S. 422.
Aschbach, die früheren Wanderjahre des Con. Celtes. S, 98 — 186,
Celtes. 247
Aehnlich schreibt darüber der Lübecker Syndicus Quirinus
(im Cod. epistol. Celtic. üb. X. ep. 20).
Wie Celtes in seineu Oden den Horaz nachahmte, so
nahm er sich bei den libris Amorum den Ovid zum Vor-
bilde. Daher flocht er in die Beschreibung Deutschlands,
seiner geographischen Beschaflfenheit, seiner Sitten und Ge-
bräuche vielfach Erotisches ein. Er widmet den vier Frauen,
welchen er bei der Bereisung der vier Haupttheile Deutsch-
lands seine Liebe zugewendet, die einzelnen Partien seines
Werkes: er schildert in ihren Eigenschaften zugleich die
besonderen Eigenthümlichkeiten der einzelnen Stämme.
Oflfenbar enthalten die Schilderungen von seinen Freuden
und Leiden, welche aus seinen wechselvollen Liebesverhält-
nissen entsprangen, Wahrheit und Dichtung; die Sarmatin
Hasilina, die Süddeutsche Elsula, die Rheinländerin Ursula
sind nicht blos poetische Figuren, sondern beruhen auf
wirklichen Persönlichkeiten, welche der Dichter auf seiner
Reise in den verschiedenen Ländern zwischen Weichsel
und Rhein, zwischen der Donau und der Ostsee kennen
gelernt hatte. Sqine oft frivolen und schamlosen Schilde-
rungen, welche an Schlüpfrigkeit die Ovidischen noch
übertreffen, sucht der Dichter in sonderbarer Weise zu
entschuldigen, dass unverhüllte Darstellung der Aus-
schweifungen vor den Abwegen und Gefahren einer zügel-
losen Sinnlichkeit am besten zu schützen vermöchten.
XVIL In hoc libello continentur: Divo Maximiliane
Augusto Conradi Celtis patlwS'.a laudes et victoria
de Boemannis per septem Electores et Regem, Phoe-
bum, Mercurium et Bacchum et novem Musas per-
sonatas, publice spectaculo Viennae acta anno
MDIIIL Divo Maximiliane sodalitatis litterariae
collegii poetarum in delectu publice per classes
decantatae et recitatae laudes pro erectione eius-
dem collegii.
248 Leben nnd Schriften der Humanisten.
Schluss: Finiunt panegyrici decantati divo Maximlliano
Augusto per sodalitatem literariam Danubianam censoribus
Conrado Peutingero, Joanne Foeniseca, Sebastiano'Sperantio :
impressi autem Augusta Vindel. per Magistrum Joannem
Otmar sub privilegiis regis, ne quis in decem annis illa
imprimat in urbibus imperii et regiae majestatis terris.
Anno MDV.
Die mit Holzschnitten versehene, auf 11 Quartblättern
gedruckte Schrift, die in doppelter Ausgabe 1505 erschienen
und von Klüpfel U. 109 fll. und Endlicher S. 168 be-
sprochen worden ist, enthält folgende Stücke:
1. Duo Epigrammata ad divum Maximilianum.
2. Duae Epistolae ad Augustinum Moravum.
3. Eiusdem Epistola ad C. Celtem.
4. Rhapsodia sive spectaculum ludusve scenicus.
5. Celtis epigramma de Jo. Huss. [Fehlt in der einen
Ausgabe: Quod anser interpretatur.]
6. Celtis Ode adBohuslaum Hassenstein de situPragae etc.
7. Sodalitatis litterariae Viennensis CoUegii et instructae
classes unacum epistola Celtis ad Imperatorem, qua reddit
rationem studiorum et musarum suorum.
8. Celtis Epigramma adversus obtrectatorem.
9. Juvenum carmina eucharistica pro instituto poetarum
CoUegio.
10. Jo. Sturni Carmen ad C. Celtem.
11. Distichon: Oraculum ApoUinis ad Celtem. [Fehlt
in der einen Ausgabe.]
Die Schrift ist besonders für die Geschichte des Dichter-
Collegiums wichtig: man erfahrt daraus, dass dasselbe in
drei Classen eingetheilt war; im Jahre 1505 hatte eine jede
vier Alumnen und zwar waren Sodales litterarii coUegii
primae classis:
Celtes. 249
Eustachius Neophorus, Esslingus.
Thomas Aretius, Cremisanus [Resch — Velocianus —
aus Krems, später Professor an der Univ. Wien].
Hieronymus Pius Baitungus [Professor später in Frei-
burg im Br.].
Pancratius Vulturinus Silesianus fLicentiat der Theo-
logie in Neisse].
Secundae classis:
Georgius Borius Cecianus [d. i. von Zeiselmauer bei
Klosterneuburg] .
Joannes Panaetius, Boemanus [1505 poeta laureatus].
Joannes Menanus, Ostrofrancus [später Pfarrer in
Ottakring, Johann Greul Menanus genannt].
Clemens Bonicampius, Carneolanus.
Tertiae classis:
Adam Seragus, Necaranus.
Joannes Volscus de Zuola, ßemus.
Nicolaus Musophilus, Phorciensis [Nie. Gerbel von
Pforzheim, der Biograph Cuspinians].
Christophorus Apitius, Maierhofanus.
XVIII. Melopoiae sive Harmoniae tetracenticae
super XXII genera carminum heroicorum elegia-
corum, lyricorum et ecclesiasticorum hymnorum
per Petrum Tritonium et alios doctos sodalitatis
litterariae nostrae musicos secundum naturas et
tempora syllabarum et pedum compositae et regu-
latae ductu Chunradi Celtis feliciter impressae. ^)
Carminum dulces resonemus odas
Concinant laeti pueri teueres
Et graves fauces cythara sonante
Temperet alter.
') Wenn auch die Composition und der Notendruck von Tritonius
und Oglin herrührt, so ist doch als der eigentliche Herausgeber der
250 Leben und Schriften der Hnmanisten.
Optime musiphile; Btrophos id est repetitiones carminum;
coUisiones syllabarum, conjugationes et connubia pedum pro
affectu animi; motu et gestu corporis diligenter observa.
Vorstehender Titel in Form eines Bechers gesetzt, da-
neben rechts Grate r, links Bachi beigefügt. Dazu kommen
noch unterhalb ein Hexastichon Chunradi Celtis ad muso-
philos und ein Tetrastichon ad Jordanum Modulatorem
Augustensem.
Es folgen dann die Titel der duo et viginti genera
carminum mit einem Verzeichniss der Namen der in Musik
gesetzten Versarten der meist aus Horaz und Geltes ge-
nommenen Gedichte.
Ferner eine sapphische Ode mit der Aufschrift: Bene-
dictus Chelidonius Norimber. ad C. Gel. und Holzschnitt,
den Parnass mit Apollo und andere Gottheiten darstellend.
Es kommen sodann auf den nächsten Blättern die für
die Arien in Kupfer gestochenen Choralnoten (Notulae
musicae ad quas exigendus cantus IV vocum) und zwar
auf fünf Linien. Discant und Tenor stehen auf der einen,
Alt und Bass auf der andern Seite sich gegenüber. Nach
den weltlichen Carmina werden die Kirchenhymnen (hymni
ecclesiastici) mit ihren Metris vorgeführt und ein Lob von
C. Geltes in einem Epigramm für den Noten Stecher bei-
gefügt: Impressum Augusta Vindelicorum ingenio et in-
dustria Erhardi Oglin, expensis Joannis Riman, alias de
Ganna et Oringen. Ad Erhardum Oglin impressorem:
Inter Germanos nostros fuit Oglin Erhardus,
Qui primus nitidas pressit in aeris notas
Primus et hie lyricas expressit carmine musas
Quatuor et docnit vocibus aere cani.
musikalischen Schrift Conrad Celtes anzusehen und es können die Melopoiae
wohl füglich einen Platz unter seinen Schriften erhalten.
Celtes. 251
Angehängt findet sich : Theodorici Vlsenii Phrisii medici
et poete laureati ad Chunradum Celtem Carmen. Darunter
Plaudite musae. Impressum anno [M] sesquimillesimo et VII.
Auguste.
Von den zwei beigefugten Imagines liefert der eine
Holzschnitt den Apollo mit der Geige unter einem Lorbeer-
baum^ der andere Phoebus mit der Lyra und Jupiter in den
Wolken, zu dessen Seite Mercurius und Pallas : im Umkreis
die neun Musen. Darunter die Insignia des Celtes.
Die auf 10 Folioblättern gedruckte Schrift, welche auf
des Celtes Veranlassung von Petrus Tritonius, Magister der
Brixener lateinischen Schule, herausgegeben worden, ist
für die Geschichte der Musik ein höchst merkwürdiges
Stück, das nur äusserst selten sich noch auf Bibliotheken
vorfindet. Eine zweite Ausgabe der Schrift auf 21 Quart-
blättern (ohne Holzschnitte und mit Weglassung einiger
Stücke) erschien in demselben Jahre ebenfalls in Augsburg
unter dem Titel : Harmoniae Petri Tritonii super odis Horatii
Flacci. Denuo impressae per Erhard um Oglin. Augustae
1507 vicesima secunda AugustiJ)
Auf der Wiener Hof bibliothek befinden sich beide Aus-
gaben in wohlerhaltenen Exemplaren.
Der Tiroler Petrus Tritonius Athesinus aus Brixen war
ein Humanist, der in Padua seine Studien gemacht und
dann in seiner Vaterstadt einer lateinischen Schule vorstand.
Er war Magister der freien Künste und ein in den classi-
schen Schriftstellern belesener Gelehrter, der unter den
Musikfreunden und Componisten seiner Zeit einen Ruf
hatte. Mit Celtes stand er in Briefwechsel, wie die im
^) Vgl. Zapf, Augsburg. Buchdruck. II. 25 fl. Denis, Merkw. der
GareU. Biblioth. S. 566 fll. Klüpfel II. p. 128 fll. mit Endlicheres Be-
merkungen in der Rec. über Klüpfel S. 169 fll. Budik in Riedler, Oesterr.
Archiv. 1832. II. S. 319.
252 Leben und Schriften der Humanisten.
Codex epistolaris Celticus befindlichen beiden Schreiben aus
den Jahren 1501 und 1503 an Geltes zeigen. Der gekrönte
Dichter zog ihn später nach Wien und er wurde daselbst
Mitglied der gelehrten Donaugesellschaft. Denis deutet die
Worte Sodalitatis litterariae nostrae auf dem Titel der
Melopoiae nicht richtig auf die Sodalitas Bojorum. Nach
des Celtes Tod kehrte Petrus Tritonius in sein Vaterland
zurück und leitete die lateinische Schule in Bozen.
XIX. Conradi Celtis carmina de diversis et
inutilibus studiis et inanibus curis cum Epistola
Luciferi ad malos principes ecclesiasticos [s. a. et 1.].
Die kleine Schrift in 4^, welche auch später öfter ge-
druckt wurde, erschien wahrscheinlich zuerst in Wien, jeden-
falls vor dem J. 1508. Klüpfel macht von diesen Carmina
des Celtes keine Erwähnung: dagegen ergänzt ihn End-
licheres Rec. S. 169. Die in den libris Amorum lib. IIL
eleg. 10 und lib. IV. eleg. 16 vorkommenden Carmina de
diversis diversorum studiis sind mit den vorgenannten Gte-
dichten nicht zu verwechseln.
Früher ungedruckte Gedichte, Epigramme und Briefe
des Celtes sind aus einem Codex des Nürnberger Huma-
nisten Sebaldus Clamosus (Schreyer) in Theoph. Sinceri
Bibl. bist. crit. oder Analecta litter. von lauter alt. und rar.
Büchern, Nürnberg 1756, S. 348 flf., mitgetheilt. Auch in
den Deliciis Poetar. Germanor. P. II kommen einige
Celtes'sche Gedichte vor.
XX. Guutheri Ligurini de gestis imperatoris
Caesaris Friderici primi Augusti libri decem car-
mine heroico conscripti, nuper apud Francones in
sylva Hercynia et Druidarum Ebracensi coenobio
a Conrado Celte reperti, postliminio restituti.
August. Vindel. per Erhard. Oeglin. 1507 mense
Aprile. Fol.
Celtes. 253
Enthält :
1. Praefatio Sodalium litterariorum, qui Augustae dege-
bant. (Marquardus de Stain, Matthaeus Marschalck, Bern,
et Conr. A3elman de Adelmansfeldeo, Canonici August.,
Conradus Peutinger et Georgius Herbart.)
2. Carmen Conradi Celtis ad Ligurinum.
3. Argumenta librorum X.
4. Conradi Celtis Epigram ma ad Jo. Ryman.
5. Opus ipsum sive libri X. Günther! poetae de
rebus Friderici Imperatoris gestis potissimum in
Liguria. *
6. Epistola Conradi Peutingeri ad Maximilianum Impe-
ratorem.
7. Epistola Friderici I. Imperatoris ad Ottonem Episcop.
Frisingensem.
8. Conrad. Peutingeri dissertatio historica de ortu, genere,
posteris Friderici I. Imperatoris.
Ueber die beigefügten Holzschnitte von A. Dürer han-
delt Thausing Dürer. S. 209. 211.0
Streng genommen gehört der Guntherus Ligurin us
nach der bisher herrschenden Ansicht nicht zu den Schriften,
welche unter den Werken des Celtes einen Platz finden
können. Früher stand es fest, dass Celtes der Auffinder des
Gedichtes gewesen und es Peutinger und anderen Freuüden
in Augsburg zur Herausgabe mitgetheilt habe (Klüpfel II.
123 fll.). Allgemein wurde im 16. und 17. Jahrhundert das
Werk für die Schrift eines mit Kaiser Friedrich I. gleich-
lebenden Dichters gehalten Erst Senckenberg 2) behauptet
^) Spätere Drucke: Joh. Schott, ed. Gunth. Ligur. etc. c. not. Jac.
Spiegelii. Accedant Rieh. Bartholini Austriados libb. XII. Argentor. 1531.
fol. Pithoeus ed. unac. Ottone Frising. Basil. 1569. fol. Just. Reuber.
Script, veter. Francof. 1584. fol. u. ib. 1726. Ausg. v. Dümge, Heidel-
berg 1812. 8.
2) Conjecturae de Gunthero Ligurino scriptore supposititio in den
Parerga sive access. ad omnis generis eruditionem; Gott. I. 3. S. 149.
254 Leben und Schriften der Hnmanisten. '
im J. 1737 ihre Unechtheit. Jacob Grimm,') Pertz,2) Stalin,^)
Wattenbach, ^) Aschbach, •^) Köpke ^) sprachen sich mit grosser
Entschiedenheit für die Unechtheit aus: nur wenige Stimmen,
wie Dümge,'') Erhard und Ruland vertheidigten die Echtheit.
Wattenbach erklärte sich dahin : „Das Gedicht Ligurinus
ist jedoch ohne Zweifel unecht und vermuthlich von Geltes,
der es im Kloster Eberach gefunden haben wollte, selbst
verfasst; ein merkwürdiges Zeichen, wie gut es ihm gelungen
war, eine lebendige Anschauung der mittelalterlichen Zustände
sich zu erwerben. Der Zweck des Gedichtes ist die Verherr-
lichung des alten deutschen Reiches und es schliesst sich
den echten Quellen so genau an, dass aus der Benützung
nur geringer Schaden erwachsen ist. — Es ist nur eine
Paraphrase von Otto von Freisingen und seinem Fortsetzer
Radevicus (Ragewin)." Damit stimmt auch ganz überein
Potthast (Bibl. bist. med. aevi p. 357): „Eine poetische Schul-
übung, die durch geschickte und talentvolle Behandlung des
Stoffes noch heute ihren usurpirten Platz in der geschicht-
lichen Litteratur behauptet."
In der neuesten Zeit ist A. Pannenborg in einer
Abhandlung: „Ueber den Ligurinus" (Forschungen zur
deutschen Geschichte. Bd. XI. Heft 2. S. 161 fll.) für die
Echtheit eingetreten, und Wattenbach, der ganz und gar
von seiner frühern Ansicht abgekommen, ist in einer Re-
cension über Pannenborg's Schrift unter dem Titel: „Die
Ehrenrettung des Ligurinus" (H. v. Sybel, bist. Zeitschrift.
Bd. 26. S. 386 fll.) in das gegnerische Lager übergetreten.
*) Gedichte des Mittelalters. S. 14.
2) Steins Leben V. 266. Archiv X. 86.
3) Würtemberg. Gesch. II. 22.
*) Deutschlands Geschichtsquellen S. 3.
6) Roswitha und Conr. Celtes. Wien 1868. S. 47.
6) Köpke Hrotsuit. Berl. 1869. Anh. S. 260-278.
') Dümge in seiner Ausgabe des Lignrin. Heidelberg 1812, in der
Vorrede.
Celtes. 255
Nur in dem Punkte, dass Guntherus ein italienischer
Dichter des 12. Jahrhunderts gewesen, nicht ein deutscher,
will er nicht beistimmen. Auch dass Otto von Freisingen
und Ragewin die Grundlage des Gedichtes bilden, wird fest-
gehalten. Im Ganzen ist auf die Ansicht von Dümge
wieder zurückgegangen. — In der dritten Ausgabe der
deutschen Geschichtsquellen liefert Wattenbach S. 201 noch
weiter einen Excurs über die Sache.
«
Es ist hier der Ort nicht, auf die Streitsache näher ein-
zugehen; es wird genügen, auf ihren Stand hingewiesen
zu haben. Die Streitfrage ist durch Pannenborg's Schrift
keineswegs zur Entscheidung gebracht.
XXI. Conradi Celtis primi in Germania coro-
nati poetae libri Odarum quatuor cum Epodo et
seculari carmine diligenter et accurate impressi et
hoc primum typo in studiorum emolumentum editi.
Argentorati ex officina Schureriana ductu Leonardi
et Lucae Alantsee fratrum. A. 1513. Mense Majo. 4<^.
Das mit Holzschnitten versehene Buch enthält in nach-
stehender Reihenfolge die einzelnen Theile:
Epistola Joachimi Vadiani.
Epigrammata.
Epistola Thomae Velociani.
Conradi Celtis per sodalitatem litterariam Rhena-
nam vita.
Libri Odarum quatuor.
Liber Epodon.
Carmen seculare.
Epistola Thomae Velociani de Celtis obitu et quae-
dam sodalium carmina et inscriptio sepulcralis. ^)
«) Vgl. Klüpfel II. 134—139. Erhard II. 142 fl. Denis, Merkw.
der Garell. Bibl. II. S. 422 fll. Ueber die Seltenheit des Werkes vgl.
Engel, Bibl. Select. p. 41. 8chellhom, Amoen. Lit. III. p. 144. — Vita Celtis:
256 Leben und Schriften der Hnmanisten.
Die Odensainmlung ist erst nach des Celtes Tod von
seinem humanistischen Schüler und Freunde Thomas Velo-
cianus (Resch) in Strassburg 1513 im Verlage der Wiener
Buchhändler Gebrüder Alantsee nach dem auf der Wiener
Universitäts-Bibliothek befindlichen handschriftlichen Nach-
lasse veröflFentlicht worden. Erhard ist im Irrthum, wenn
er behauptet, es habe schon eine frühere Ausgabe, die 1502
in Nürnberg erschienen, existirt; er verwechselt offenbar mit
der Odensammlung die libri Amor um quatuor. Einzelne
Oden waren allerdings gelegentlich früher schon von Celtes
durch den Druck veröffentlicht worden, so das Carmen
seculare (bei den Propositiones Cardinalis Cusae im J. 1500,
vgl. Hain, Report, bibliogr. I. 2. p. 86), die Ode ad ApoUi-
nem in der Ars versificandi 1486, die Ode an Kaiser Fried-
rich III. etc., der Hymnus ad divam dei genitricem etc.
An seinen poetischen Productionen, welche drei beson-
dere Theile: die libri Amorum quatuor, die libri Odarum
quatuor und die libri Epigram matum quinque umfassten,
arbeitete Celtes einige Lustra hindurch; es waren Nach-
ahmungen der römischen Dichter Ovid, Horaz und Ausonius.
In den Oden ahmte er den Horaz in den Aufschriften der
libri IV Odarum, Epodon und Carmen Saeculare, wie auch
in den Versmassen nach. Bei den einzelnen Büchern der
Oden lässt sich auch die Zeit ihrer Entstehung nachweisen.
Das erste Buch enthält 28 Oden auf die Zeit von der
Dichterkrönung bis auf die Rückkehr aus Polen, das zweite
30 bis zur Berufung nach Ingolstadt, das dritte 28 während
seines Aufenthaltes daselbst, und das vierte 10 während
seines Wiener Aufenthaltes. Freilich ist bei manchen Ge-
dichten eine spätere ergänzende Hand nicht zu verkennen.
Das Buch der 18 Epoden enthält Gedichte aus den ver-
(Scripsit) libros Carminum totidem (i. e. quatuor) Horatium maxime
»ecutus in Lyricis (Odis) et Epodis: libros Epigrammatum quinque.
Celtes. 257
schiedenen Zeitperioden. Die vier Bücher Oden entsprechen
auch in einiger Beziehung den libris Amorum, welche nach
den Namen der vier Geliebten des Celtes bezeichnet sind.
Im ersten Buche wird in den Oden 3, 6, 10, 14, 15, 22
die Hasilina, welcher das erste Buch der Amores gewidmet
ist, besungen; in dem zweiten Odenbuche wird Ode 5, 7
und 24 die Elsula, wornach der liber secundus Amor um
benannt wird, gefeiert; im dritten Buche der Oden Nr. 3,
7, 13, 16, 17 erscheint die Ursula, die dem dritten Buche
der Amores den Namen gibt. Nur für die Barbara kommt
im vierten Buche, das vielleicht noch nicht als abgeschlossen
zu betrachten ist, keine Ode vor. Aber auch in dem spätem
fünften Gredichte der Epoden wird nur die dreifache Liebe
des Dichters erwähnt, ohne dass der Barbara gedacht wird.
Auch in Bezug auf Länder und Nationen wird in den drei
ersten Büchern ein unverkennbarer Unterschied gemacht;
die Oden im ersten Buche sind ausser an Kaiser Fried-
rich in. (1487) besonders an die Humanisten* in Polen,*)
im zweiten an die ungarischen und norischen Sodales,^) im
dritten an die rheinischen Freunde 3) und Grönner gewidmet.
^) Janus Canusius, Andreas Pegasus, Philippus Callimachus, Sigis-
mundns Fusilius, Albertus Brutlew, Ursus Medicus, Salemnius Delius,
Georg Morinnus, Statilius Simonides.
2) Benedict Tichtl, Graccus Pierius, Xystus Tucher, Bernhard Wald-
kirch, Janus Tolophus, Andreas Stiborius, Georg Codes, Cumanus Athesi-
nus, Lamberg Frisingius, Georg Czyngl, Sebald Clamosus, Hieronymus de
Croaria.
3) Johann Dalberg, Battus Minucius, Johann Vigilius, Johann Melber,
Georg Herbard, Wilhelm Mommer, Hartmann v. Eptingen, Bernhard Walter,
Johann Reuchlin, Ulrich Zasius, Theodorich Gresraunde, Johann Trithe-
mius. — Schlosser's Urtheil (Weltgesch. IX. S. 437) über des Celtes Ge-
dichte ist zum Theil unrichtig: „Die in Strassburg 1613 [statt 1513] er-
schienene Ausgabe," sagt er, „enthält nur anständige Oden und Epi-
gramme; in der andern, welche 1502 in Nürnberg gedruckt wurde, finden
sich vier Bücher schmutziger Elegien". Denis a. a. O. S. 424 er-
V. Aschbach, Geschichte der Wiener ünivers. 11. 17
258 Leben and Schriften der Humanisten.
Im vierten Buche, wo Odeo an Matthäus Lang* und
an Augustinus Olomucensis, und in den Epoden, wo solche
an Heinrich Cuspidius und Graccus Pierius vorkommen,
lässt sich solche Sonderung* nicht machen. Uebrigens finden
sich als Gegenstand der Diclitung auch Heilige, die Kaiser
Friedrich und Maximilian, die Gottheiten Venus, Phöbus,
Mercurius und die Musen.
Da 'eine Gesammtausgabe seiner Oden Geltes nicht
selbst veranstaltet hatte, sondern erst seine Freunde nach
seinem Tode eine solche besorgten, so konnte es leicht
geschehen, dass viele Gedichte, die theils zerstreut schon
gedruckt, oder noch nicht veröflfentlicht waren, keine Auf-
nahme fanden.
Weil vorauszusehen war, dass die Wiener theologische
Facultät, welche die Bücher-Censur hatte, Anstand nehmen
würde, zum Drucke ihre Bewilligung zu geben, wenn nicht
eine Anzahl der anstössigen Oden ausgeschieden oder
manche Stellen in den Gedichten geändert würden, so ver-
öffentlichte man die Sammlung auswärts.
XXII. Ein noch ungedrucktes Gedicht des Conrad
Geltes, metrisch übersetzt und erläutert von J. Reber.
Stadtamhof 1872. 8«.
Enthält ein Carmen ad Mattheum Marscalcum de
Caladin hospitem suum Augustae Canonicum Con-
radus Geltes. Anno Domini MDV.^)
eifert sich über des Celtes gehässige Ausfälle gegen die Geistlichkeit. Er
schreibt: „Der unstete rohe Student, dessen nicht zu verachtende Kennt-
nisse nur sehr wenig auf sein Herz wirkten, blickt allenthalben aus seinen
Gedichten hervor".
^) Vgl. Verhandlungen des histor. Vereins für die Oberpfalz und
Regensburg. Bd. XXI. Bericht von Graf von Waldemdorf. AUg. Augs-
burger Zeitung 1874. 16. April. Nr. 106 Beilage.
Celtes. 259
B. Nicht gedruckte Schriften des Conrad €eltes.
Von den ungedruckten Schriften des Celtes sind zuerst
seine Epigrammatum libri quinque anzuführen.*) Sie
waren grossentheils schon vor 1494 verfasst, da sie von
Trithemius in seinem Werke, das 1494 im Drucke heraus-
kam, erwähnt werden ; auch die von der rheinischen Sodalität
um 1493 niedergeschriebene Vita Celtis gedenkt der quinque
libri Epigrammatum, wie auch der Lübecker Syndicus
Quirinus in seinem Schreiben an Celtes im Jahre 1500. Es
sollte ein jedes Buch 100 Epigramme umfassen. Klüpfel
hatte eine Anzahl Epigramme aus einer Freiburger Abschrift
— von der früher in Nürnberg 2) aufbewahrten Original-
handschrift — in seinem Leben des Celtes veröffentlicht
und die Absicht, die ganze Sammlung zu seinem Buche
im Anhange za publiciren. Es ist zu bemerken, dass das
erste Buch 90, das zweite 96, das dritte 115, das vierte 94,
das fünfte aber nur 55 Epigramme enthält, wesshalb die
Angabe, dass jedes Buch 100 umfasse, eine nicht genaue ist.
Die Epigramme, welche zum Theile Nachahmungen von
Persius, Juvenalis, Ausonius sind und dem Werthe nach in
gute und schlechte gesondert werden könnten, sind kleinere
Gedichte vermischten Inhalts, theils metrische Aufschriften,
theils Sinngedichte, manche mit Witz und überraschenden
Gedanken wen düngen. Selbst Epitaphien, die Celtes auf
Fürsten und Herren, auf Gelehrte und Freunde machte.
^) Klüpfel II. 139 — 143. Vita Celtis: Scripsit libros epigrammatum
quinque. Brief des Lübecker Syndicus Quirinus an Celtes vom J. 1500
In lucem non edis quinque epigrammatum libros singulis centenis epi-
grammatibus descriptos.
2) Nach der Versichening des Nürnberger Stadt-Bibliothekars Lützel-
berger findet sich die Handschrift gegenwärtig nicht mehr auf der Biblio-
thek vor. Murr (Memorabil. Bibl. Norimb. publ. T. VI. p. 14), der den
Codex selbst einsah, hielt ihn für ein Autog^aphon.
17*
260 Leben und Schriften der Homanisten.
befinden sich darunter. Sie beziehen sich auf sehr Manch-
faltiges, auf Göttliches und Menschliches, auf Freunde und
Gegner; es befinden sich darunter auch sehr schlüpfrige
und anstössige, wesshalb wohl auch Velocianus bei der
Odensammlung sie nicht herauszugeben gewagt hat, um
nicht mit der Wiener theologischen Facultät allzusehr in
Conflict zu gerathen.
Einen Theil der Epigramme hatte Geltes schon in ver-
schiedenen seiner Werke zerstreut gedruckt, namentlich in
der Schrift Oeconomia.
Zu diescF Gattung Celtes'scher Dichtungen satyrischen
und schlüpfrigen Inhalts, die wohl nie gedruckt wurden,
sondern nur im engeren Kreise der Humanisten umliefen,
gehörten einige poetische Productionen, wovon sich keine
Handschriften erhalten haben. Ein derartiges Gedicht war
das von Geltes dem Wormser Bischof Johann von Dalburg
gewidmete Carmen Archilochium,^) und ein anderes, das
den Titel fiihrte: Certamen Auri et Priapi de emi-
nentia. 2)
Dagegen mehrere andere Gedichte ernsteren Inhalts,
den wir aber auch nicht näher kennen, waren: Panegyri-
cus in laudem divorum tutelarium Austriae, 3) Car-
men morale de hominis vita,^) Parnassus biceps, in
') Jac. Wimpfeling in einem Briefe an Celtes vom J. 1496 schreibt
darüber: Si quid novae habes luciibratiunculae, me fac participem, sicut
et fecisti in Archilochio tiio dorn. Antistiti Vangionnm dedicato, quod mihi
mirum in modura placet adeo ut paene ex hora, qua allatum fuit, ex-
scripserim.
2) Au^stinus Olomucensis schliesst einen Brief an Celtes d. d. Buda
7. Sept. 1Ö04 (Cod. epist. Celt. fol. 153): Priapi cum auro certamen, quod
pollicitus es, mitte.
3) Augustin. Olomuc. epist. ad Celt. d. d. Buda 24. Febr. 1504 1. c.
Ego tibi gratias ago de panegyrico abs te mihi misso, quem in laudem
divorum tutelarium Austriae - cecinisti.
*) In dem Cod. Ms. 9629. Nr. 7 in der Wiener Hof bibliothek auf
einem fast ganz verblichenen Quartblatte.
Celtes. 261
qua Conradus Celtes poetas et theologos concordat, in welch'
letzterer Schrift wohl eine Anleitung gegeben worden, wie
kirchliche Ausdrücke in classischer Sprache wiederzugeben
seiend)
Da man von Celtes weiss ^ dass er in Heidelberg das
Griechische unter der Leitung des Rudolf Agricola erlernt
und durch den lebhaften Verkehr mit Reuchlin sich darin
vervollkommnet hat, so hegte man die Erwartung, dass die
von ihm ausgearbeitete und im Ms. noch jetzt vorhandene
griechische Grammatik über die acht Redetheile nicht
ohne Bedeutung sein müsse. Allein diese Grammatik, welche
sehr roh angelegt ist, verdient kaum den Namen einer
Sprachlehre; sie liefert hauptsächlich nur Uebersichten in
Tabellen; man hat ihren Druck mit Recht nicht veran-
staltet, 2)
Dass Celtes als Professor der Rhetorik schon zur Be-
lehrung seiner Schüler im Collegium poetarum Muster-
reden verfasst und einzelne oder mehrere zusammen wenn
nicht durch den Druck, wenigstens durch Abschriften ver-
öffentlicht hat, dürfte unzweifelhaft sein, wenn wir auch
nicht bestimmte Nachrichten darüber hätten. Solche Reden,
wie er eine in Ingolstadt beim Antritt seiner Professur gehalten
(welche schon unter seinen Druckschriften besprochen ist).
^) In der von der rhein. Sodalität gelieferten Vita Celtis wird der
Pamaasus biceps erwähnt und die anderen kleineren Schriften nur im All-
gemeinen berührt: Aliaque non multi ponderis opuHcula.
2) Das Ms., welches sich früher im Kloster Mondsee befand, ist
gegenwärtig auf der Wiener Hof bibliothek Cod. 3748. Nr. 3. fol. 236—246.
Es ist nicht von der Hand des Celtes, sondern von einem seiner Schüler
geschrieben, wie ausdrücklich bemerkt ist: r£Ypa[jL[ievov 8ia (xou Iwavvou
To(j£vßepY£p ^^^ 1500. Celtes hatte an dem Compendium des Chrysolaras,
das ihm sein Freund Franciscus Bonomus 1497 von Augsburg mit nach
Wien gegeben hatte, einen Führer für das Griechische.
262 Leben und Schriften der Humanisten.
hat er ohne Zweifel auch in Wien bei verschiedenen Gelegen-
heiten öffentlich vorgetragen. ^)
Celtes, der schon in Ingolstadt de epistolis condendis,
wie aus seiner Druckschrift Epitome in Ciceronis rhetoricam
zu ersehen ist, Anleitung gegeben hatte, legte auf einen
schönen Briefstil als Humanist grossen Werth; er unterhielt
mit einer sehr grossen Anzahl Gelehrten nicht nur in allen
deutschen Ländern, sondern auch in Italien, Ungarn,
Böhmen, Polen etc. einen lebhaften Briefwechsel, der
für die geistige Richtung der Zeit, die humanistische Lite-
ratur und ihre Geschichte belehrende Einblicke und inter-
essante Aufschlüsse zu geben geeignet ist. Die Briefe des
Geltes kommen theils ziemlich zerstreut in den Werken
seiner Zeitgenossen vor, oder sie finden sich handschriftlich
auf Bibliotheken. Es ist Schade, dass bis jetzt niemand
sich daran gemacht hat, diese so interessanten und theil-
weise sehr wichtigen Briefe zu sammeln und zu veröffent-
lichen.^)
Da durch die Ungunst der Zeit die meisten Briefe des
Geltes verloren gegangen, so bietet für diesen beklagens-
werthen Verlust einigen Ersatz, dass Geltes selbst eine
Sammlung der Briefe seiner Freunde an ihn angelegt 3)
*) Trithemius a. a. O. spricht schon im J. 1494 davon, dass Celtes
Orationes multas et varias gehalten. Der Abt Sebaldus des Cistercienser-
klosters zu Ileilbronn dankt in einem Schreiben an Celtes (28. August
1502 im Cod. epist. Celt. XII. ep. 9) für das Geschenk, welches der
Dichter ihm durch die Uebersendung seiner Orationes gemacht habe.
Chytraeus (Chronic. Saxon. p. 179) lobt des Celtes Reden: Optimas literas
professus est, ut orationes ab eo habitae testantur.
2) Schon Erhard a. a. O. II. 145 klagt über diese Vernachlässigung
des berühmten Humanisten.
3) Es sind keine Briefe von Celtes selbst, wie Köpke, Hrotsuit
S. 249 unrichtig angegeben hat. Er ist zu dieser irrigen Meinung veran-
lasst worden durch Klüpfel's Zusammenstellung einer Celtes'schen Corre-
spondenz. Klüpfel hat aus den Antwortschreiben der humanistischen
Celtes. 263
und sie in Abschrift nach Jahren und Büchern geordnet in
einem Codex epistolaris der Nachwelt aufbewahrt hatJ)
Diese Briefe, 263 an der Zahl, welche freilich nur aus-
gewählte 2) sind, gehen von 1491 bis 1505. Viele Briefe,
darunter vielleicht die interessantesten, welche vertrauliche
Mittheilungen, namentlich über die gelehrten Arbeiten der
Sodalitäten enthielten und für Geltes unangenehme Auf-
klärungen über manche in Dunkel gehüllte Productionen
zu geben geeignet waren, sind ausgeschieden worden.
Ueberhaupt sind die Briefe, welche vielleicht im Original
selbst nicht immer sehr leserlich geschrieben waren, oft
ungenau und fehlerhaft copirt, wie auch nicht selten un-
richtig datirt. Eine Ausgabe dieser Briefsammlung, welche
einen Schatz von Materialien zur Geschichte des gelehrten
Treibens der humanistischen Vereine enthält, ist bis jetzt
nicht unternommen, 3) nur einzelne Briefe sind daraus durch
den Druck publicirt worden. *)
Geltes hatte die Absicht, noch mancherlei dichterische
Werke, Abhandlungen und belehrende Schriften heraus-
Freunde des Celtes sich ausgedaclit, wie der Inhalt der Briefe des Celles
gelautet haben dürfte; er hat diese übersichtliche Zusammenstellung seiner
Vita Celtis II. p. 147-158 beigefügt.
') Auf der Wiener Hof bibliothek Nr. 3448 findet sieh der inter-
essante Codex.
') Es sind meist Briefe, die zum Lobe und zur Verherrliclmng des '
Celtes geschrieben sind; er sagt dies selbst auf dem Titelblatt: Liber
epistolaris et carminum sodalitatis literariae ad (^onradum CV'ltem.
[Motto] Utinam talis essem qualem illi me praedicant,
Malo tamen de falso laudari quam vere vituperari.
3) Klüpfel wollte die Sammlung, wozu Denis ein gutes Register ge-
liefert hat, in seinem Werke de vita et scriptis C. Celtis im Appendix
abdrucken lassen, was leider nicht geschehen ist. Endlicher in der Rec.
über Klüpfel S. 170 — 178 gibt ein alphabetisches Verzeichniss der Brief-
sehreiber mit kurzen Notizen.
^) Eine Anzahl dieser Briefe ist abgedruckt ]>ei Aschbach, Roswitha
und C. Celtes und in dessen früheren Wanderungen des C. Celtes in den
Anhängen.
264 Leben und Schriften der Hnmanisten.
zugeben, an welchem Vorhaben er aber durch seinen frühen
Tod verhindert wurde.
Nach dem Vorbilde der Virgilianischen Aeneide wollte
er ein grosses Epos unter dem Titel Theodoriceis über
die germanische Völkerwanderung und die Niederlassung
der Gothen in Italien schreiben. *)
Ein allegorisches Gedicht unter dem Titel Mytho-
logia de Phoebo et Marte sollte in die religiösen römi-
schen Alterthümer einführen.
Abhandlungen über P lato 2) sollten den Geist und die
Bedeutung der Platonischen Philosophie darlegen.
Ein Werk über den wahren Adel sollte die Frucht
historischer und philosophischer Untersuchungen und Be-
trachtungen sein. 3)
Zu dem Hauptwerke aber, welches Celtes auszuführen
sich vorsetzte, gehörte die Germania illustrata, worin
Deutschlands ganze Vergangenheit in einer Reihe historischer
Dichtungen, genealogischer, geographischer und ethno-
graphischer Schriften lebendig dargestellt werden sollte.**)
^) Vita Celtis: Theodoriceidem (scribere) orsus, quo Theodorici regia
Gothorum et Germaniae historiam complecti voluit versu heroico.
2) Celtes in der Praefatio zu seinem Apuleius an die kaiserlichen
Käthe Krachenberger und Fuchsmagen: Valete: reliquos libros de Plato-
nica majestate et sublimitate nostramque de Phoebo et Marte Mythologiam
lecturi.
3) Das Opusculum de vera nobilitate wird von dem Speierer Dom-
herrn Thomas Truchsess 6. April 1497 erwähnt, nicht ^als schon verfasst,
sondern als im Erscheinen begriffen. Cod. epist. Celt. fol. 76.
*) Darüber geben Andeutungen die Praefationes oder Panegyrici an
Kaiser Maximilian. Die zu den Oden und Epigrammen versprochenen
sind nicht erschienen. Die Epist. ad Imp. Maximil. zur Rhapsodia spricht
von der historia stirpis Habspurgicae et Maxim. Imp. Von der Germania
illustrata gibt die Vita Celtis an, dass sie Oratione pedestri geschrieben
werden sollte, imd in dem Briefe des Lübecker Syndicus Quirinus an
Celtes vom J. 1500 heisst es: In lucem non edis — totam illustratam
Germaniam, quam forte adhuc in manibus tenes. Cod. epist. Celt. fol. 118.
Celtes. 265
Da Celtes sich viel mit alten Manuscripteu beschäftigte
und sich mit den alten Schriftzeichen, wie auch mit den
Abreviaturen , Siglen und Noten vertraut zu machen suchte,
so war ihm die kleine Schrift des Marcus Valerius Pro-
bus de Notis antiquis, ^) die er wahrscheinlich während
seines Aufenthalts in Italien in einem Manuscript entdeckte,
ein willkommener und wichtiger Fund. Er brachte davon
eine Abschrift nach Deutschland zurück 2) und hatte wahr-
scheinlich die Absicht, sie durch den Druck zu veröffent-
lichen.
Dass Celtes damit umging, die Fabulae Phaedri
herauszugeben, findet sich nirgends berichtet. Aber es ist
eine schlecht verbürgte Angabe, dass er sie aufgefunden
und zuerst ihre Veröffentlichung durch den Druck veran-
lasst habe. 3)
Der gekrönte Dichter hatte schon frühzeitig den Ovi-
dius zum Vorbild sich genommen und dessen Dichtungen
*) Momiusen (in den Berichten der sächsischen Gesellschaft der
Wissenschaft phil. Cl. 1853. S. 91), welcher des Val. Probus Schrift für
einen Auszug aus dem Jus Flavianum oder dem alten priesterlichen
Klagespiegel der Römer hält, handelt näher über die Beschaffenheit des
Opusculum des Probus.
2) Die Handschrift auf. der Wiener Hofbibliothek (Nr. 269. Vgl.
Endlicher 325) mit aus dem 10. Jahrb. stammenden Glossen zum Priscian
und Venantius enthält auf zwei Blättern die Celtes'sche Abschrift, worauf
sich auch angegeben findet: Conr. Celt. Pro. [i. e. Conradi Celtis Protucii]
poete sum.
3) Sax. Onomastic. litterar. II. p. 502. Christ, Protusio de Phaedro
eiusque fabulis. Lips. 1746. Endlicher (in Hormayr's Archiv XII. p. 418),
der mit Recht die Sache verwirft, fügt die sonderbare Meinung bei: wenn
die Angabe (dass Celtes die Fabeln aufgefunden habe) richtig wäre , so
würden die Zweifel an der Echtheit der Phädrischcn Fabeln gehoben
sein. Es gibt aber Handschriften des Phädrus aus dem 9. und 10. Jahrh.
Vgl. Grässe, Lit.-Gesch. I. S. 255. Teuffei, Rom. Lit.-Gesch. §. 279.
S. 608 fll. gibt als die Editio princeps an die von Pithoeus, Autun 1596
herausgegebene. Perotti hatte um die Mitte des 15. Jahrh. mehrere
Phädrische Fabeln aufgefunden und sie nach seiner Erklärung interpolirt.
266 Leben nud Schriften der Hmoanisten.
glücklich nachgeahmt. Schon im J. 1493 beabsichtigte er
eine römische Mythologie, welche vorzüglich auf Ovidia-
nische Dichtwerke, besonders die Fasti, sich stützte, mit
Illustrationen versehen, herauszugeben.^) Doch bei der Kost-
spieligkeit des Unternehmens und der Schwierigkeit der
künstlerischen Ausfuhrung Hess er die Sache wieder fallen.
Dagegen fasste er die Idee, das Werk der Ovidischen
Fasti, wovon wir nur noch die sechs ersten Bücher be-
sitzen, durch die Beifügung der sechs letztern zu
ergänzen. Er wollte diese in einem schwäbischen Kloster
gefunden haben 2) und er hoffte die gelehrte Welt durch
seine grosse dichterische Begabung und glückliches Nach-
ahmungstalent zu mystificiren. Er lieferte sogar Proben
aus den angeblichen Ovidischen Fasti •^) und sandte sie
dem gelehrten Buchdrucker Aldus Manutius nach Venedig,
in der Hoffnung, dass derselbe den Druck übernähme.
Doch dieser schöpfte Verdacht; er vermuthete eine Fäl-
schung und wollte das Ganze zur Einsicht haben. ^) Dieses
warnte den Dichter, von dem gewagten Unternehmen ab-
zustehen. Er hätte dasselbe, trotz seiner grossen poetischen
Begabung und inniger Vertrautheit mit der Ovidischen
Sprache, nicht durchführen können, da es ihm an den
^) Cod. epist. Celt. lib. III. ep. 13. Nach einem Briefe des Reg-ens-
burger Caiionieus J. Toloplius an Celtea sollte der Titel des Werkes sein :
Antiquorum Deorum prosapia sive niythologia et Faatorum (Ovidii) sex
librorum iniaginil)us illustratio.
2) J. F. Gronov's Brief an N. Heinsius. Vgl. Fabric. Bibl. lat. T. V.
Klüpfel, Vita Celt. II. 165.
^) Der Anfang des Monats Juli:
Tu quoque mutati causas et nomina mensis,
A te qui sequitur niaxime Caesar habes.
^) Renouard, Annales de Timprimerie des Aldes. III. p. 275. Das
Schreiben des Manutius auch im Cod. epist. Celt. fol. 133. Vgl. darüber
das Nähere: Roswitha u. C. Celtes. 2. Ausg. ö. 49 fll.
Celtes. 267
erforderlichen genauen Kenntnissen der römischen Staats-
und Religions-Alterthümer fehlte.*)
Auf einer seiner früheren gelehrten Rheinreisen, wo er in
Klöstern und Ortschaften eifrig Nachforschungen nach alten
Handschriften und Denkmälern anstellte, fand Celtes in Speier
ein grosses Kartenwerk auf zwölf gemalten Pergamentblättern,
welche ein sogenanntes Itinerarinm Imperii Komani ent-
hielt. Das Werk aber, von dessen Besitzer keine Erwähnung
gemacht wird, findet sich mehrere Jahre später in Worms, 2)
wo es um einen hohen Preis verkäuflich war. 3) Kurz vor
seinem Tode kam Celtes in seinen Besitz, ohne dass man
näher etwas darüber erfahrt, unter welchen Umständen es
geschah.^)
Auf den Karten finden sich angegeben die römischen
Militärstrassen mit den daran liegenden Orten, Städten,
Festungen, Lagern, Colonien, Municipien, Stationen, zu-
gleich mit der Anzeige ihrer Entfernung von einander nach
römischen Meilen. Dabei sind angedeutet die Grebirgszüge
und der Lauf der Flüsse nebst ihren Uebergängen. Auch
fehlen nicht die Namen der barbarischen Völker an den
Grenzen. Die Kartenfolge beginnt im äussersten Westen
des römischen Reiches und lauft in zwölf Blättern in der
*) V&l» die Ausgabe der Fasti von Merkel. Berol. 1841. Teuffei,
Rom. Lit. §. 244. S. 511.
2) Khautz, Oesterr. Gelehrte S. 125, nennt Speier ala Fundort. Vgl.
Endlicher in Hormayr's Archiv XII. S. 418. Dagegen bezeichnet Pauly,
Realencycl. III. 736, Worms als Ort, wo das Kartenwerk entdeckt ward.
Dass es in Worms noch um 1507 aufbewahrt wurde, sagt Trithemius in
den Epist. famü. Nr. 41 ausdrücklich.
3) Trithemius 1. c. schreibt 1507 an einen Freund; Orbem terrae
marisque et insularum, quem pulchre depictum in Wormatia scribis esse
venalem, me quidem consequi posse optarem, sed quadraginta pro illo
expensare florenos nemo facile mihi persuadebit.
*) Nach Trithemius 1. c. wurde über die Sache zwischen ihm, Willi-
bald Pirkheimer und Celtes verhandelt: Cum nuper Augustam venissem,
tuas (Pirkheimeri) ultimas Celti nostro legendas tradidi.
268 ' Leben und Schriften der Humanisten.
Richtung nach Osten bis an die Mündung des Ganges. Nur
beim Anfange des Werkes fehlt Einiges von der iberischen
Halbinsel und von Mauretanien.^)
Es ist durch die Forschungen neuerer Grelehrten fest-
gestellt, dass die ursprüngliche Anlage des Kartenwerkes
aus der Zeit des römischen Kaisers Alexander Severus,
also aus der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts herrührt
und dass der Name Itinerarium Antonini entweder auf
Caracalla oder Heliogabalus zu beziehen ist, welche beide
Kaiser den Beinamen Antoninus führten.'^)
Es enthalten diese Karten-Pergamentblätter nicht ein
Original aus dem Alterthum, sondern wie die Schrift zeigt,
eine Copie aus dem Mittelalter. Ein Dominicaner-Mönch in
Colmar hat dieselbe im 13. Jahrhundert gefertigt. ^)
Geltes kannte ein ähnliches Kartenwerk, das sogenannte
Itinerarum Antonini, welches schon der Gardinal Nicolaus
Gusanus mit einigen Berichtigungen versehen hatte und das
bereits im J. 1494 zu Venedig herausgegeben worden w^ar.^)
Daher ist anzunehmen, dass es Geltes zu Gesicht gekommen
*) Im J. 1835 fand Wyttenbach in Trier auf der dortigen städtischen
Bibliothek das Fragment einer Karte, einen Theil des römischen Spanien,
mit welchem Kartenfragmente man meinte, den fehlenden Theil der iberi-
sclien Halbinsel ergänzen zu können. Man hat aber darüber in der Folge
nichts weiter publicirt.
2) Mannert, de Tabula Peutinger. in der Schrift: Res Trajani ad Danub.
gest. Nürnberg 1793 und in seiner Ausgabe der Tab. Peutinger. Introd.
3) Annal. Colmar. ad ann. 1265. Mappam mundi descripsi in pelles
duodecim pergameni. Böhmer, Font. rer. Germ. II. 4.
^) Es gab zweierlei Arten von Itineraria: theils einfache Verzeich-
nisse der Orte oder Stationen an den Militärstrassen mit Angabe der Ent-
fernung derselben von einander, oder specieller angelegte gemalte Karten,
die Itineraria picta hiessen. Unsere Tabula gehörte zu der letzteren Art.
Von der einfachen Art oder den Itinerarien der Militär-Strassenzüge ist
das Cusanische das berühmteste und in neuester Zeit von Pinder und
Parthey, Berlin 1848. 80., mit den nöthigen Beigaben -versehen, am besten
herausgegeben.
Celtes. 269
war; auch nannte er sein Kartenwerk mit gleichem Namen
Itinerarium Antonini. Er hatte ohne Zweifel die Absicht,
sein Itinerarium selbst zu veröflfentlichen. Aber der grosse
Kostenaufwand des Druckes oder vielmehr Stiches und sein
frühzeitiger Tod verhinderten ihn an der Ausführung der
Unternehmung, doch sorgte er in seinem Testamente dafür,
dass die Sache von einem seiner humanistischen Freunde,
dem Augsburger Patricier Conrad Peutinger, in's Werk
gesetzt werde. Er bestimmte in seinem letzten Willen, dass
Peutinger, dem er das Kartenwerk geliehen hatte, dasselbe
eigenthümlich besitzen sollte. Nach dessen Tod aber wäre
es zum öflfentlichen Gebrauch an eine Bibliothek abzu-
geben. ^) Von dem neuen Besitzer erhielt das Kartenwerk
den Namen Tabula Peutingeriana.
Die Tabula blieb vorerst unveröffentlicht;*-^) erst nach
Peutinger's Tod gab sie 1591 in Augsburg fragmentarisch
und im verkleinerten Maassstabe (in Quarte) Wolfgang
Welser heraus. Längere Zeit hielt man die Tabula selbst für
verloren; endlich kam sie wieder zum Vorschein und man
gab sie wiederholt im Granzen und in einzelnen Abtheilungen
heraus. 3) Das gelehrte Interesse an der Tabula wurde wieder
geweckt, als der Prinz Eugen von Savoyen sie eigen thüm-
*) Die testamentarische Bestimmung lautete: Lego ego domino
doctori Conrado Peutinger Itinerarium Antonini Pii [so benannte Celtes das
Kartenwerk falschlich] qui etiam idem nunc habet: volo tamen et rogo, ut
post eins mortem ad usum publicum, puta aliquam librariam convertatur.
2) Celtes hatte wahrscheinlich die Hoffnung, dass Peutinger die
Tabula herausgeben werde. Er sagt in seinem Testamente : Volo, ut opera
mea, quae hactenus non sunt impressa — ad Augustam mittantur, et illic
domino doctori Conrado Peuting., Prothonotario, et Jo. Reyman de Ehrin-
gen impressori librorum praesententur et apud eum curetur, ut imprimantur
in communem studiorum utilitatem. Celtes hatte hier freilich zunächst
seine eigenen Werke im Auge.
3) Bertius, Theatr. Geograph. Vet. Lugd. Bat. 1718. T. II. fol. —
Bergier, bist, des grands chemins de Tempire Rom. Brux. 1728. 4^
270 Leben und Schriften der Hnmanisten.
lieh erwarb und dann nach seinem Tode die Wiener Hof-
bibliothek 1738 in ihren Besitz kam, wo sie noch gegen-
wärtig unter ihren literarischen Schätzen aufbewahrt wird.
Nachdem Scheyb eine gute Ausgabe, welche durch C. Man-
nert reproducirt worden, veranstaltet hat, *) freilich nur in
schwarzem Druck, beschäftigt sich gegenwärtig Ernest des
Jardins in Paris mit ihrer Publication in Farbendruck und
mit reichhaltigem Commentar und Kartenbeigabe. 2)
1) Sclieyl), Tabula Peutin^. Vindob. 1768. fol. C. Mannert, Tabula
Peiiting^. Lips. 1824. fol.
2) Ernest des Jardins, La Table de Peutinger d'apres Tori-
ginal conserve ä Vienne, pr^cedt^e d'une introduetion liist. et crit. et ac-
compag^m'e 1. d'un index alpbabet. etc.; 2. d'un texte donnant poiir chaque
nom le depcmillement geograph.; 3. d'nne carte de redressement etc. Pari»
1869. fol. Die Tabula in 11 FarbenblHttern vollständig. Von den 18 Liefe-
rungen sind bis 1875 erscbienen 14. Ks feblen nocb die Comraentare über
die Donau- und orientaliscben Länder. Einen Vortrag über die Peutin-
ger'scbe Tafel liefert Dionys Grtin in den Mittbeil. d. geogr. Gesellsch. in
Wien 1874. Bd. XVII (der neuen Folge Bd. VII). Red. von M. A. Becker.
Wien 1874.
CoUimitius.
Georg Tanns tetter ans Rain in Baiern.
t 1535.
GeorgTannstetter war 1482 in der baierischen Stadt
Rain^ welche in der Nähe der Mündung des Lech in die
Donau liegt, geboren. Da bekanntlich das Wort Rain die
Grenzmarke (limes) zwischen zwei Aeckern oder Grund-
stücken bezeichnet, so latinisirte er seinen Namen nach' dem
des Geburtsortes in CoUimitius; unter welcher Benennung
er bei den Humanisten gewöhnlich vorkommt. ^)
Er machte seine Universitäts-Studien in Ingolstadt:
vorzüglich widmete er sich der Mathematik und Astronomie.
Schon im 21. Lebensjahre erwarb er die Magisterwürde.
Von seinen Freunden und Gönnern Celtes und Stiborius
empfohlen, ward er für das Fach der Mathematik nach Wien
berufen, wo er seine Vorlesungen über diesen Gegenstand
1503 eröffnete. 2)
*) Die Rhein. Nat. MatriJt. ad ann. 1508 bemerkt über ihn: Mag.
Georgius Tannstetter ex Rain (CoUimitius). Er erhält manchmal auch den
dichterischen Beinamen Cicoripesis, weil seine Geburtsstätte am Lech-
fluss lag.
2) Act. fac. art. lib. III. fol. 30. Ann. IßO.S in die s. Crucis ad-
missus Georg. Tannstetter magister alterius Universitatis. Damach ist
Kaltenböck zu berichtigen, der ihn erst 1510 nach Wien kommen lässt.
272 Leben und Schriften der Hnmanisten.
Er wandte sich bald mit Vorliebe der Astronomie zu,
in welchem Studium ihn der Wiener Mathematiker Stiborius,
der mit ihm innig befreundet war, nicht nur bestärkte, son-
dern auch zu grösseren astronomischen Arbeiten anregte.
Er nahm sich die älteren grossen Wiener Astronomen
Peuerbach ^) und Kegiomontanus zu seinen Vorbildern und
stellte sodann selbstständig astronomische Beobachtungen,
und zwar mit so ausserordentlichem Erfolge an, dass er
unter den Sternkundigen bald als eine nicht gewöhnliche
Celebrität galt. Freilich hatte seine Astronomie einen
starken Beisatz von Astrologie, obschon er nicht zu deren
unbedingten Anhängern 2) zählte. Die Astrologie führte ihn
dann auch zu der medicinischen Wissenschaft, worin er
schnell glänzende Fortschritte machte, so dass er schon nach
wenigen Jahren darin das Doctorat erlangte. ^) Den glück-
lichen Erfolgen in seiner ärztlichen Praxis verdankte er,
noch nicht dreissig Jahre alt, 1510 seine Erhebung zum
kaiserlichen Leibarzt, in welcher Stellung er 25 Jahre hin-
durch bis an das Ende seines Lebens bei Kaiser Maximilian
und dessen Nachfolger Ferdinand I. verblieb. Das Decanat
der artistischen Facultät führte er im J. 1512; unmittelbar
darauf ward er zum Rector erwählt ^) und bekleidete sodann
^) Im J. 1511 las er über Peuerbach's Theoria planetaram. Act. fac.
III. fol. 75.
2) Ant. Rozanus im Compend. de levitate vaticinantium futuros rerum
eventus (Norimb. Jlö24) bemerkt von Tannstetter: A fide astrolo^ae in
processu temporis aliqualiter alienavit.
3) Die Rhein. Nat. Matrik. ad ann. 1509 nennt ihn schon bei diesem
Jahre, wo er Procurator der rheinischen Nation war, art. et Med. doctor.
In der Randglosse werden die Benennungen Collegiatus et poeta laureatas
beigefügt. Er war demnach in das Collegium ducale aufgenommen und
hatte den Dichterlorbeer erhalten. Es ist unbekannt, für welche dich-
terische Leistung,
*) Eine Sammlung verschiedener Schriftstücke, Protokolle, Notizen
aus Tannstetter's Rectorat (1512 und 1513) befindet sich im Wiener
Universitäts- Archiv.
Collimitins. 273
auch das Vice-Kanzler-Amt. Nachdem er aus der artisti-
schen Facultät ganz ausgeschieden und in die medicinische
übergetreten war, führte er als Decan der letzteren vier
Mal, 1514, 1520, 1524 und 1528, ihre Geschäfte^) Mit
Cuspinian reiste er öfter nach Ofen zur Aufsuchung seltener
alter Handschriften. 2) Auch war ihm mehrere Jahre hin-
durch die Leitung der Hofbibliothek anvertraut.
Seine astrologischen Prophezeiungen standen in grossem
Ansehen: er soll den Tod des Kaisers Maximilian I. in be-
stimmter Weise genau auf den Tag lange vorausgesagt
haben. ^) Als ein vages Gerücht in Wien 1523 ging,
Collimitius habe aus der im folgenden Jahre bevorstehenden
Planeten-Constellation den Untergang der Stadt prophezeit,
musste er in einer besonderen Schrift die im höchsten
Grade aufgeregten Wiener beruhigen. *)
Da nach dem Tode des Geltes das Collegium poetarum
et mathematicorum wie auch die gelehrte Donaugesellschaft
eingegangen war, versuchte Collimitius wenigstens die eine
Richtung dieser Vereine zu erhalten durch die Constituirung
einer mathematisch -astronomischen Societät, welche nach
ihrem Stifter CoIIimitiana genannt wurde. ^) Der Verein
bestand aber nicht lange.
Als im J. 1521 wegen der Pest die Hörsäle der Wiener
Universität geschlossen waren, begab sich Collimitius als
^) Locher ftpecul. zu den betreffenden Jahren.
2) Cusi>inian. vit. Maximil. p. 492. Vgl. Denis, Merkw, der Garell.
Biblioth. S. 271.
3) Eder, Catal. Rect. ad ann, 1512. p. 54. Script, iiniv. Vienn. II.
p. 44. Fenint Georgium (Tannstetter) Maximiliatii mortem dudum ante
praecepisse animo et Wolfgango Lazio adhiie dum puero eniditionem prae-
cellentem vaticinatum fuisse. Praesagationi utrique fidem stetisse eventus
comprobavit. Die Prophezeiung in Bezug auf den Tod des Kaisers Maxi-
milian wird auch dem Stabius zugeschrieben.
*) Vgl. Kink, Gesch. d. Wien. Univ. I. S. 208, n. 241.
^) Denis a. a. O.
V. Aschbach, Geschichte der Wiener ünivers. II 18
274: Leben und Schriften der Hnmanisten.
fürstlicher Leibarzt an den Hof Ferdinands L, der sich da-
mals abwechselnd in Linz und Graz befand. Nachdem die
Epidemie geschwunden war und die Yorlesungen wieder er-
öffnet wurden, behielt man ihn noch am Hofe zurück, da
Ferdinand den geschickten Medicus vorerst nicht aus seiner
Umgebung entlassen wollte. ')
Wie Cuspinian öfter von der Regierung zu Missionen
verwendet ward, ungeachtet er eigentlich seinem Berufe
nach Arzt war, so war es auch bei Tannstetter der Fall.
Zur Belohnung seiner mannigfaltigen Dienstleistungen erhob
ihn Ferdinand in den Adelstand mit dem Prädicat „von
Thannau".
Tannstetter schied am 26. März 1535, 53 Jahre alt,
aus dem Leben. In Wiener-Neustadt, wo er zuletzt seinen
Wohnsitz gehabt hatte , Hess ihm ' seine Frau ein Grab-
denkmal setzen mit folgender lateinischer und deutscher
Inschrift : 2)
Georgio Tannstetter a Thonnau, Medico et Mathematico
sui temporis Principi, DD. Maximiliani ac Ferdinandi Ne-
potis Rom. Regis, liberorumq. Ejus. Itemque Panno. Reginae
Mariae a Curatione et Consiliis absolutiss. Martha pudiciss.
uxor Amantissimo Marito, Christiernus, Elisabetha et Martha
dulcissimi Liberi, suavissimo et carissimo Patri. Q. V. A.
LIII. Ob. MDXXXV, Die Martii XXVI.
1) Kink, Gesch. d. Wien, Univ. I. Anh. XXXVII. S. 137 ^bt von
Ferdinands Gemalin ein Schreiben an die Universität Wien d. d. 10. Dec.
1521. Ferdinand von Gots gnaden Printz von Hispanien etc. Da die
Universität in Wien die bisher der sterbenden Leuff halben suspendirten
Lectionen wieder beginnen wolle, so zeige er hiermit an, dass er den
Georg Tannstetter, Dr. der Erzney, da er seiner in eigenen Geschäften be-
dürfe bis ungefähr Ende März von der Lectur Dispensire. Pro Principe
Anna. Anna führte seit 22. Juli 1515 als kirchlich Angetraute des Infanten
Ferdinand in Folge der kaiserlichen Proclamation den Titel Regina.
2) Denis, W. B. G. S. 66.
Collimitius. 275
E coelo Collimitius Ventura canebat
Ex terra vitae protulit auxilia.
Non obiit, quamvis mortalis desiit esse,
Sed bene quae novit sidera nunc adiit.
Anno Dni 1535 am 26. Tag Marcii starb der Edl
Hochgelehrt Herr Doctor Georg Tannstetter von Thannau
im 53. Jar seines Alters, der weilant Keyser Maximilianus etc.
and Folgends Ferdinanden Römischen, auch Hungarischen
und Behemischen Künigs 25 Jar getreuer Diener, Rat vnd
desselben Künigs Ferdinanden geliebsten Kindern Leibarz
gewesen ist. Der AUmechtig woll seiner vnd allen gläubigen
Seelen gnedig vnd barmherzig seyn. Diese Gedechtnis hat
ime die Ersame Vrauw Martha Merusin sein gewesnes
weib machen lassen.
Tannstetter hinterliess einen Sohn Christian, der wegen
seines Talentes und seiner mehrfachen Kenntnisse gelobt
wird und in den Wiener Stadtrath aufgenommen wurde. ^)
Die Zeitgenossen, sowohl in Wien wie auch auf andern
deutschen Universitäten, sprechen von Tannstetter mit dem
höchsten Lob: sie setzen ihn unter die ersten Mathe-
matiker und Astronomen des 16. Jahrhunderts. 2) Kaiser
Maximilian empfahl ihn und Andreas Stiborius, als Papst
Leo X. zur Verbesserung des Kirchen-Kalenders von der
Wiener Hochschule kundige Gelehrte verlangte. ^)
*) Eder, Catal. Rect. ad ann. 1512, p. 54.
2) Unter denen, die des Tannstetter besonders rühmend gedenken,
gehören: Heinricus Grammateus Erphordiensis im libellus de compositione
regularum pro vasorum mensuratione. Vienn. 1518; Ursinus Velius in
seinen Reisepoesien im J. 1524; Jo. Voegelin in seiner Euclidis Geometria.
Vienn. 1625 und in seiner Schrift Theodosius de sphaericis lib. III. Vienn.
1529', sein Schüler Andreas Perlach in seinen Ephemeriden; Joachim
Vadian in verschiedenen Schriften und Johann Camers vorzüglich in seiner
Antilogia, wo er sich äussert, dass er Tannstetter so hoch schätze in der
Mathematik und Astronomie, ut parum sit, quin huic in bis artibus inter
viventea tribuam principatum.
3) Eder, Catal. Rect. ad ann. 1512. Besonders Kink, Gesch. d. Univ.
Wien I. S, 207, n. 240. Vgl. auch unten den Artik. Stiborius.
18*
276 Leben nnd Schriften der Humanisten.
Die Schriften Tannstetter's ^) sind theils mathe-
matisch-astronomische, theils medicinische. Auch
erwarb er sich namhafte Verdienste um Herausgabe älterer
Werke in seinem Fache. In letzterer Beziehung sind zu
erwähnen seine Ausgabe von Proclus Diadochus,^)
Alberti Magni de Natura locorum Hb. 3), Johannes
de Sacro Bosco **) und Peuerbach^s Tabulae ec-
lipsium. '"*)
Seine astronomischen Werke versah er meist mit
Kalender und brachte sie mit Astrologie und Heilkunde
in Verbindung.^') Unter dem Titel Ephemerides, Alma-
nach, Practica erschienen seit 1515 fast jedes Jahr theils
') Theil weise nur gesammelt: Georgii Tannstetteri Collimitii Opera.
Strassburg 1536.
2) Prodi Diadoclii Spliaera. Thoma Linacro Britannico medico
(f 1524) interprete. Api>endicata G. T. Collimitii de ortu et occasii
sidenira etc. Vienn. 1510. Abdruck der Aldinischen Ausgabe. Venet. 1499.
•^) Albert. Magn. de Natura ed. a G. Tannstetter. CoUimitio. Vienn.
1514 und Argentor. 1515. Mit einer Zuschrift an den Waizener Propst
Hieronyraus Balbi, den berühmten Juristen. Die Schrift ist wichtig für
die physikalische Geographie. Vgl. Denis, Wiens Buchdr. G. S. 104.
*) Opusculum de Sphaera Joannis de Sacro Bosco. Vienn. 1518,
das an der Wiener Universität gebrauchte Lehrbuch der Astronomie.
Vgl. Denis a. a. O. S. 183.
^) Talnilae eclipsium Mag. Georg. Peuerbachii. Tabula primi mo-
bilis Joannis de Monte regio. Indices praeterea monumentonim, quae
clarissimi viri studii Vienn. alumni in Astronomia et aliis mathematicis
disciplinis scripta reliquerunt. Rec. a G. Tannstetter CoUimitio. Vienn. 1514.
fol. Die Vorreden des CoUimitius nebst der Praefatio des Stiborius über
die Wiener Mathematiker und Astronomen sind höchst wiclitig für die
Geschichte derselben, von der Zeit der Gründung der Universität bis auf
Tannstetter's Zeit. Vgl. Khautz, österr. Gelelirten S. 51 fll. Denis S. 108
bis 111.
ß) Die Scrii)t. nniv. Vienn. II. p. 45 führen von Tannstetter nur ein
einziges Werk an, sie geben ihm den Titel: Artificium de applicatione
Astrologiae ad Medicinara et de ratione dierum criticorum in 2. librum
Plinü.
CoUimitius. 277
von ihm allein^ theils in Verbindung mit seinem Schüler,
dem Mathematiker Andreas Perlach, solche Ephem^riden. *)
Von seinen besonderen medicinischen Schriften ist die
auf die im J. 1521 zu Wien herrschende Pest bezügliche
anzuführen. Er schrieb sie zur allgemeineren Belehrung in
deutscher Sprache. '^)
Nicht unerwähnt ist zu lassen, dass Tannstetter, durch
seine Beschäftigung mit Albertus Magnus und seine Beachtung
klimatischer Verhältnisse in Bezug auf die menschliche Ge-
sundheit veranlasst, der physikalischen Geographie seine
Studien zuwandte. In gleicher Weise wie sein Freund der
Historiker Johann Stabius sich eifrig mit Entwürfen von
Karten, namentlich der österreichischen Länder, beschäftigte,
versuchte sich auch Tannstetter in der Kartographie. '^)
Briefe von Georg Tannstetter aus seiner späteren
Lebenszeit kommen in der handschriftlichen Brief Samm-
lung des Alexander Brassicanus vor, welche auf der Wiener
Hofbibliothek (Cod. 9735) aufbewahrt wird.
^) Andreae Perlachii usus Almanach seu Ephemeridum c. commen-
tariis Georg. Tannstetter CoUimitii praeceptoris sui decerpti. Vienn. 1515
und Vienn. 1518. Tannstett. CoUimitii Judicium astronomicum. Vienn.
1519. — Idem Vienn. 1520. — Georg. Tannstetter CoUimitii Lycoripesis
Medici et matliematici UbeUus consultatorius, quo opinionem jam dudum
annis liominum exquorundam astrologorum divinatione insidcntem de futuro
diluvio et multis aliis hon*endis periculis XXIIII anni etc. Vienn. 1523
imd deutsch Wien 1523. — Practica Meyster Jörgen Tannstetten zu Wien
practicirt auf MCCCCCXVI. Jar. Vgl. über diese zum Theil seltenen
Ephemeriden oder Kalender: Denis, W. 15. G. S. 189, 238, 242, 320, dessen
Merkw. der Gareil. Bibl. I. 269 fll.
2) Regiment für den Lauff der Pestilentz, durch Georgen Tannstetter
von Rain, der siben freyen Kunst und Erzney doctor. Anno 1521. (Vgl.
Denis, W. B. G. S. 340.) Auf der Wiener Ilofbibliothek befindet sich im
Cod. MS. Nr. 11548 Tannstetter's medicinische Schrift: Remedium ad
apostema circa pectus.
3) Von des Stabius und CoUimitius kartographischen I^eistungen
spricht Cuspinian am Schlüsse seiner Austria. Vgl. die Artikel Cuspinianus
und Stabius.
Cospus.
Angelo Cospi aus Bologna.
t 1516.
Angelus Cospus aus Bologna gehört zu den ge-
lehrtesten Wiener Humanisten ; dennoch haben wir nur
spärliche und ungenaue Nachrichten über sein Leben. Die
Literaturhistoriker erwähnen seiner kaum^ oder wenn sie
von ihm sprechen, so geschieht dies gewöhnlich nicht ohne
grosse Unrichtigkeiten ; selbst den Namen gibt man un-
richtig an: manche nennen ihn Angelus Cossus, andere
Bartholomaeus oder Andreas Cospus. ^) Angelus Cospus,
der aus einer vornehmen Bologneser Familie stammte,
widmete sich in seiner Vaterstadt den classischen Studien
und trat darin auch als öflFentlicher Lehrer mit Erfolg auf.
Kaiser Maximilian, der bemüht war, die classischen
Studien, namentlich das Griechische, an der Universität
Wien mehr in Aufnahme zu bringen, berief in dem ersten
Decennium des 16. Jahrhunderts den Angelus Cospus zum
Lector der classischen Sprachen und da Cuspinian, der
^) Der Artikel Cospi im Universallexikon von Ersch und Gruber
Bd. XX. S. 11, wo er irrig Andreas Bartholomaeus Cospus heisst, ist
theilweise ganz und gar unrichtig und auch mangelhaft. Er wird als
päpstlicher Legat in Wien aufgeführt und später Senator und Geheim-
schreiber Kaiser Maximilians I. genannt.
Cospus. 279
Professor der Rhetorik, durch anderweitige Amtsgeschäfte
öfter abgehalten war, seiner akademischen Wirksamkeit zu
obliegen, so vertrat, ihn der Italiener. ^) Aber Cospus war
auch ohne diesen Umstand der eigentliche Lehrer der
griechischen Sprache, welche damals an der Universität
nur sehr wenige gründlich verstanden. Jedoch beschränkte
er sich nicht allein auf die Erklärung griechischer Schrift-
steller, sondern er widmete seine Studien auch den römi-
schen Dichtern, ganz besonders dem Horatius, von dessen
Epistolae er im J. 1515 eine Ausgabe veranstaltete. '^) Vorher
schon hatte er von Palaephat^s mythologischen Erzählungen
(xept Twv axiaTwv) aus dem Griechischen die erste lateinische
Uebersetzung, die von dieser Schrift erschienen, gemacht. ^)
*) Phil. Gundelii (initio aiin. 1519) habita Oratio: Nuper in nostro
illo gymnasio Vienn. portices et eloquentiae publica professio — post Con-
radum Celtera, ipsum Ciispinianiim, Angel um Cospum Bononiensem et
Joachimum Vadianum tantos viros quinto demum loco [mihi Ph. Gundelio]
delata est.
'-•) Sie ist im Grunde ein Abdnick der 1501 zu Venedig erschienenen
und führt den Titel: Quinti Horatii Flacci Epistolarum libri duo ad
archetypon Aldi Manutii accuratissime impressi. Viennae ann. 1515. 4*^.
Es sind dem Druck Distichen auf den Verfasser, Herausgeber und Drucker
beigefügt (vgl. Denis 8. 136):
Flaccus composuit. Cospus docet ista. Victor
Impressit. Parvo grandia lector emes.
Flaccus. Victor. Cospus. Ingenio, manu,
Scientia ingens, dacdaleus, perspicax.
Haec author, impressor, professor naviter
Graphice, diserte fecit, excudit, docet.
Satin' haec ementi diximus, lector, tibi?
3) Palaephati graeci authoris opusculum de falsis historiis Angelo
Cospo interprete. Viennae A. 1514. Die beiden Humanisten Vadian und
Camers lieferton auf den Ueberset/er Epigramme. Der Erstere :
Cospus Felsineae [i. e. Bononiae] decus et nova gloria terrae,
Dum nitet et graecis artibus et latus.
Der Andere mit den Schlussworten:
Angelus hunc [Palaephatum] Cospus, vivat modo plura daturus,
Transtulit, en gestit verba latina loqui.
Vgl. Denis S. 100, der das seltene Buch näher beschreibt.
280 Leben und Schriften der Humanisten.
Noch in demselben Jahre 1516, in welchem Cospus am
2. November aus dem licben schied, *) veröffentlichte er
seine wichtiii^ste Production : es sind zwei lateinische Ueber-
setzungen des 16. und 17. Buches der historischen Biblio-
thek Diodors von Sicilien und eines Abschnittes aus
der griechischen Chronik des byzantinischen Mönches
Johannes Zonaras. 2)
Cospus war zu dieser Arbeit durch den Kaiser Maxi-
milian selbst veranlasst worden. Dieser wollte den ganzen
Diodor, so weit er noch vorhanden war, anfanglich von
dem Nürnberger Patricier Willibald Pirkheimer, einen des
Griechischen ganz mächtigen Gelehrten , ins Lateinische
übersetzt haben^ 3) da dieser aber die Sache ablehnte , so
unterzog sich auf den Wunsch des Kaisers Cospus der
Arbeit und lieferte zunächst eine Probe seiner Fähigkeit,
eine derartige Uebersetzung ausführen zu können. ^)
Es war die Uebersetzung des Cospus die erste, welche
von Diodor und Zonaras, freilich nur von einzelnen Stücken
ihrer Werke, in Deutschland gemacht wurde. In Italien
existirte allerdings schon seit 1472 eine lateinische Ueber-
*) Vadian in der Aegloga Faustiis schreibt 1517 an den kaiserlichen
Rath Krachenberger: Cum nuper Angelus Cospus Bononiensis, vir graece
et latine juxta peritissimus, vita defunctus esset etc.
-) Diodori Sicnli scriptoris Graeci libri duo : primus de Philipp! regis
Macedoniae aliorumve quorundam ilhistrium ducum, alter de Alexandri
filii rebus gestis. Utrumcpie latinitate donavit Angelus Cospus Bononiensis.
Alexandri regis vita, quam graece scriptam a Joanne Monacho Ang.
Cospus vertit in nostram linguam. Vienn, mense Aug. A. Iöl6. [fol.] Die
nähere Beschreibiuig des prachtvoll auf 98 Blättern gedruckten Werkes
liefert Denis, Merkvv. der Garellisch. Bibl. S. 263 — 265.
3) Der Brief Maximilians (d. d. Gmunden 20. Aug. 1514) an Willib.
Pirkheimer ist in dessen Opp. p. 93 gedruckt: er findet sich auch bei
Khautz, Oesterr. Gelehrt. S. .115.
*) Er schreibt in der Widmungsschrift an Kaiser Maximilian: Volui
vires experiii in his duobus libris Diodori etc.
Cospas. 281
Setzung des Diodor, welche aber wahrscheinlich Cospus
nicht bekannt war.
Sonderbarei' Weise wurde aus den auf dem Titel des
Buches befindlichen missverstandenen Worten (Vita) quam
graece scriptam a Joanne Monacho Ang. Cospus vertit in
nostram linguam unser Cospus mit einem in Wien gleich-
zeitig lebenden Mathematiker Johannes Augelus aus Aicha
in Baiern verwechselt. Da dieser auch Angelus Bavarus
genannt wurde, so meinte mau, der Johannes Monachus sei
so viel als Johannes de Monaco (von München). Ja des
Angelus Bavarus Todesjahr 1512 und dessen Grabstätte bei
St. Lauren tius wurde fälschlich auf unsern Angelus Cospus,
der 1516 starb, übertragen. ^)
Offenbar lag es in der Absicht Cospi's, nicht nur den
ganzen Diodorus Siculus, so weit er noch vorhanden war,
sondern auch den Zonaras ins Lateinische zu übertragen.
Eine griechische Ausgabe zu veranstalten hatte er gewiss
nicht im Sinne. Auch hatte er keine Untersuchungen
darüber angestellt, aus welchen älteren Geschichts werken
die Chronik des Zonaras zusammengetragen war. Nament-
lich war ihm nicht bekannt, dass der Abschnitt über
Alexander den Grossen, den er übersetzte, aus Plutarch's
Biographie des macedonischen Königs entnommen worden.
Uebrigens ist nicht unerwähnt zu lassen , dass damals
Plutarch's Biographien noch nicht ins Lateinische übersetzt,
') Eder Catal. Rect. ad ann. 1512. Obiit hoc anno Johann Angelus
Bavarus excellentissimus mathematicus et Orator, qui vertit Theo-
dorum [i. e. Diodorum] Siculum de vita Alexandri Magni, relictis
post se multis et praeclarissimis scriptis, sepultus est hie Viennae apud D.
Laurentium. Eben so darnach die Nachrichten bei Sorbait, Catal. Rect.
p. 58 und Script, univ, Vienn. II, p. 28. Merkwürdig ist die Unwissen-
heit von Khautz (öst. Gelehrt. S. 115) über Johannes Zonaras: „Ich muss
hier meine Unwissenheit bekennen, indem ich nichts von diesem Johann
dem Mönche, ob er oder seine Dollraetschung an das Tageslicht gekommen,
weiss oder irgendwo bisher habe finden können" .
I :
i r
l 2o2 Leben und Schriften der Hamanisten.
1
r
ja im griechischen Original noch nicht durch den Druck
veröflFentlicht waren. ')
Die Handschriften, welche Cospi bei seiner Ueber-
setzung vor sich hatte, waren ihm von Cuspinian aus der
[ Ofen er Bibliothek geliefert worden. ^^) Sie kamen später in
; . die Wiener Hof bibliothek. ^)
^ Wenn sich angegeben findet, dass Angelus Cospi viele
f Werke hinterlassen habe, so beruht dies offenbar auf der
irrthümlichen Annahme, dass er mit Johann Angelus
P Bavarus eine und dieselbe Person sei. ^) Von Letzterem
V
^ ^) Der griechische Text des Diodor wurde von Opsopoeus Basil.
^ 1539. 4. gedruckt: man nahm die Cospi'sche Uebertragung in die latei-
nische Uebersetzung des Poggio (Basil. 1531 und 1548) auf. In der
^ späteren Ausgabe von Curtius (Basil. 1545) wurde die Uebertragung des
j' Cospus vom Leben Alexanders des Grossen, wie es Zonaras gibt, bei-
i gedruckt. — Plutarchi Vitae in griechischer Sprache erschienen erst zu
Florenz 1517.
2) Cospi sagt dieses selbst in der beigefügten Zuschrift an die
' Studiosi. Cuspinian meldet in Cassiod. Chronic, p. 123. Sex ego libros
• Graecos ab XVI usque XX (Diodori) reperi Budae in Bibliotheca regia.
jÄ Duos ex illis sex elegantissime est interpretatus Angelus Cospus Bono-
■^ niensis, qui honestas literas Viennae non sine summa gloria professus erat.
y Dass aus derselben Bibliothek auch die Chronik des Monachus Zonaras
^ nach Wien gekommen, meldet uns Cuspinian ebenfalls.
^ 3) Nicolaus Gerbel in seiner Vita Cuspiniani wusste nicht, ob der
Codex des Zonaras in Wien oder in Nürnberg aufbewahrt werde. Denis
j in den Merkw. d. Garell. Bibl. S. 265 meint, er sei mit den Cuspiniani-
f sehen Büchern später in die kaiserliche Bibliothek gekommen und es sei
dasselbe Exemplar, welches der spätere Uebersetzer des Zonaras, Hierony-
^ mus Wolf, aus Wien erhalten habe.
* *) Eder, der in der oben angeführten Stelle seines Catalog. rector.
den Irrthum veranlasst hat, berichtigt ihn am Schlüsse seines Werkes nur
unvollständig und fügt einiges neue Irrige bei: Nota Angelum illum Ba-
varum non esse eum qui vertit Theodorum Siculum, sed alium qui dictus
fuit Angelus Cospus Bononiensis: uterque tamen in suo genere quod eru-
ditissima illorum testantur opera, fuit excellens. Bavarus ille mathematicus
insignis: hie sumus Philosophus, Orator et Poeta celeberrimus (?) sepultus
hie Vienn. apud divum Lauren tium ann. 1516.
i
1
Cospas. 283
Sind mehrere mathematische und astronomische Schriften *)
bekannt, welche beweisen, dass er ein Schüler Peuerbach^s
und Regiomontan^s gewesen. 2)
^) Astrolabium planum in tabulis. Aug. Vind. 1488. 4. Albumasaris
libb. VIII. de magnis conjunctibua. Aug. Vind. 1489. 8. Ephemerides
motuum coelestium pro 1494 — 1500. Vienn. 4. Prognostica. — Libellus de
emendatione Calendarii. — Alraanach novum ad ann. 1509 und 1510.
(Denis, W. B. G. S. 305.) Almanach novum atque correctum per Joannem
Angelum artium et medicine doctorem peritiHsimum ex propriis tabulis
calculatum super ann. 1512. Impr. Vienn. 1512. '(Vgl. Denis, W. B. G.
S. 79.) Peuerbachii tabulae aequationum motuum Planetar. 1512.
2) CoUimitius (Tannstetter) zu den Tabul. ecclipsium Mag. Georg.
Peurbachii gibt ein Verzeichniss ausgezeichneter Wiener Mathematiker,
worunter auch der Magister Johann Angelus von Aicha aus Baiern ge-
nannt wird. Vgl. Denis, W. B. G. 8. 108 und im Anhang. Einer der
frühesten Wiener Dnicke ist sein Almanach : • Joannis Angeli Ephemerides
coelestium motuum usque ad ann. 1500. Vienn. 1494. (Denis S. 7.)
i
1
1
•i
I
ii
r.
0i
t
*
*
• ' i
Cuspinianus.
Johann Spiesshaimer aus Schweinfurt in Franken.')
t 1529.
ÜDter den Wiener Humanisten ist Cuspinianus neben
Conrad Celtes der berülimteste, weniger durch seine eigent-
^ liehen humanistischen literarischen Leistungen, als vielmehr
durch seine Uriiversitäts-Amtsthätigkeit und seine histori-
, sehen Verdienste.
• Johann Spiesshaimer oder Spiesshamer 2) war im
t J. 1473 zu Schweinfurt in Ost-Franken geboren. Der
f ') Nachrichten über ihn geben seine Scliüler und Fretinde: Johannes
1 Greulius Moenanns, Parochus in Ottochari viUa, Ostrofrancus in den Prae-
|F fatio zu seiner dicliterischen historia divi Kiliani. Viennae 152G. 4. und
Nicolaus Gerbelius Pliorciensis in der Vita Cuspiniani vor seiner Ausgabe
des Cuspinianisclien Opus de Caeaaribus et Imperatoribus. Argentor. 1540.
/ fol. [Jedoch ist diese Vita weniger Biographie als Panegyricus.] Einzelne
Notizen enthält Cuspinian's Tagebuch v. 1502 — 1527, herausg. von Th. v.
' Karajan in den Fontes rer. Austriac. I. p. 397 fll. Philipp. Gundelius
* (vgl. d. Artik. unten) gibt in seinen Schriften Specielles über ihn. Von
^ Neueren handeln über Cuspinian: Lambec. de BJblioth, Caes. Vindob.
^ Scriptores univ. Vienn., Denis, Wiens Buchd. Gesell, und Merkw. d. Garell.
; Bibl. an verschiedenen Stellen. Scliier und Kaltenbäck über die gelehrte
•:; Donaugesellscli. Kink, Gesch. der Wien. Univ. I. S. 196 und 200 fll.
^ Haselbach, Cuspinian als Staatsmann imd Gelehrter. W^ien 1867.
'-) Man gibt gewöhnlich an, der Name habe Spiesshamer gelautet,
J was unriclitig ist. Die Benennung Spieshaimer (so sollte der Name eigent-
Cnspinianns. 28ö
deutsche Name der Familie wurde iu die lateinische Benen-
nung Cuspinianus verändert, welche er nicht nur als
Humanist, sondern auch in gewöhnlichem Leben und in
seiner amtlichen Stellung zu jeder Zeit als einzigen Namen
führte.
Bald nach dem Tode des ungarischen Königs Matthias
Corvinus, als der römische König Maximilian im J. 1490
Wien seinem Hause wieder gewonnen hatte, finden wir
Johann Cuspinianus an der dortigen Universität. *) Von
seiner früheren Jugendzeit und seinem Bildungsgang ist
uns nichts Näheres bekannt. Er hatte Maximilian auf dem
ungarischen Kriegszug begleitet, kehrte aber dann nach
Wien zurück, um daselbst ganz den classischen Studien zu
obliegen, worin er schon frühzeitig nicht gewöhnliche Fort-
schritte gemacht hatte. Ohne wirkliches Facultäts - Mit-
glied zu sein, trat der achtzehnjährige Jüngling mit huma-
nistischen Vorträgen an der Hochschule auf vor einem
ansehnlichen Kreise von Zuhörern, denen er Virgil, Horaz
und Lucan, Sallust und Cicero erklärte. '^) Er erwarb sich
bald die Zuneigung einflussreicher Herren vom Adel und
gewann selbst die Gunst des Kaisers Friedrich, nachdem
lieh geschrieben werden) kommt her von dem hei Baireuth gelegenen
Dorfe Spies, welches die Heimat der Familie der Spieshaimer oder Spies-
hamer (wie Pirkhaimer und Pirkhamer) war. Da auch die Verwandten
Cuspinian's, namentlich sein Bnider und dessen Sohn Georg, Canonicus
Iferbipolensis, den latinisirtcn Na^men führten (vgl. Denis, W. B. G. S. 88),
so ist wahrscheinlich, dass ihn schon der Vater unseres Cuspinianus, von
dessen bürgerlicher Stelhmg wir nichts Näheres wissen, angenommen hat.
^) Nicolaus Gerbel Cuspinian's Biograph ist hier in dessen Vita ziem-
lich ungenau. Nach ihm hatte Cuspinian unter Conrad Celtes in Wien
seine Studien gemacht, was nicht sein kann, da Celtes erst viel später,
1497, naoh Wien benifen worden ist.
2) Jo. Greulii Praef. ad bist, divi Kiliani: (Cuspinianus) Vix natus.
annos octo et decem, publice in frequenti auditorio, Maronem, Lucanum,
Ciceronem, Sallustium, Flaccum ac optimos quosque est professus.
286 Leben und Schriften der Hamanisten.
er in einem Gedichte das Lehen des österreichischen
Markgrafen Leopold des Heiligen besungen hatte.*)
Kaum war Kaiser Friedrich im .1. 1493 aus dem Leben
geschieden und sein Sohn Maximilian ihm in der Regierung
gefolgt, so wandte dieser, ganz und gar der humanistischen
Richtung zugethan, dem jugendlichen Cuspinian seine Gunst
zu. In Gegenwart einer zahlreichen glänzenden Versamm-
lung, unmittelbar nach Abhaltung der kaiserlichen Exequien,
krönte er ihn zum Dichter und wies ihm einen Jahres-
gehalt an. 2) Mit dem ApoUinarischen Lorbeer hatte Cuspi-
nian auch die Magisterwürde oder den Grad eines Doctors
der Philosophie erhalten. Öer kaum einundzwanzigjährige
gekrönte Dichter trat nun an der Universität als Lehrer
der Philosophie, der Beredtsamkeit und der freien Künste
auf und fand namentlich beim Adel und selbst bei manchen
mit den Wissenschaften schon vertrauten Männern grossen
Beifall, indem er die bis dahin herrschende abschreckende
scholastische Methode in seinen Lehrvorträgen vermied und
dafür eine anregende, geschmackvolle Behandlung lieferte.
Ungeachtet die artistische Facultät in der Mehrheit ihrer
Mitglieder den humanistischen Studien nicht gewogen war,
musste sie sich doch dazu bequemen, ihm auf seinem
Wunsche ein für die grosse Zahl seiner Zuhörer passenderes
Auditorium zu überlassen und ihm überhaupt alle Begünsti-
gungen zu gestatten, deren sich sonst nur die von der
Facultät selbst ordnungsmässig ins Lehramt Eingeführten
erfreuten. 3)
') Joh. Greul Moenanus 1. c. Friderico III. Imperator! non param
dilectus, quod vitam divi Luipaldi, Marchionis Austriae, quem in niimermn
sanctorum retulit, resonante carmine ceciniaset.
2) Ibid.
3) Acta facTilt. art. III. fol. 370 ad ann. 1494. 4. Jul. Poeta laureatus
Johannes N. (den humanistischen Namen Cuspinianus vermied man zu
nennen, den wirklichen deutschen Familiennamen kannte man vielleicht
Cnspinianns. 287
Neben seiner humanistischen Lehrthätigkeit setzte
Cuspinian aber auch seine weiteren Studien als Scholar
fort. Er widmete sich mit vollem Eifer den Realwissen-
schaften, namentlich der Arzneikunde, worin er schon nach
wenigen Jahren solche Portschritte gemacht hatte, dass er
den Grad eines Doctors der medicinischen Facultät
erlangte. ^) Er zählte erst 27 Jahre, als man ihn zum
Rector der Universität erwählte (Oct 1500). 2) Er war
zwar nicht der erste Rector, welcher das Prädicat Magni-
ficus führte, aber nach ihm ward es beständiger Gebrauch,
dass der Träger der höchsten akademischen Magistratur
durch diese Benennung ausgezeichnet wurde.
Obschon ihn Maximilian bald nachher in seinen ge-
heimen Rath aufnahm und ihn zum beständigen 3) Super-
intendenten oder Curator der Universität ernannte, so
gab er doqh nicht die akademische Lehrthätigkeit auf, indem
er vier Mal, von 1502 — 1511, als Decan der medicinischen
Facultät deren Geschäfte besorgte und auch seiner Professur
der Eloquenz in der artistischen Facultät nicht ganz entsagte.^)
nicht) miiltiim petiit. Placiiit facultati ita tarnen, ut non aggravaret
audientes neque magistros.
^) In dem rhein. Nat. Matrikelbiich ad ann. 1496 wird Joh. Cuspinian
als Doctor, poeta laureat. und lector Ordinarius artis oratoriae aufgeführt.
2) Univers. Vienn. Matric. fol. 115 (Act. VI. fol. 30) bei Steyerer,
Albert. II. p. 488: Die S. Colomanni (löOO) in moderatorem nostri studii
desig^atur Joannes Cuspinianus Philosophiae ac Medicinae doctor ac poeta
manibus Maximiliani Regis Rom. Vienne laureatus in exequiis Friderici
Imperatoris. Rhein. Matrik. ad ann. löOl (eigentl. schon im Oct. 1500)
Doctor Johannes Cuspinianus ex Schweinfordia poeta laureatus saluberrimae
medicinae doctor studiique nostri Vienn. Rector.
3) Im J. 1504 sollte Georg Neudecker während der Zeit von
Cuspinian's Abwesenheit auf einer Mission die Geschäfte eines Super-
intendenten führen. Es scheint aber nicht dazu gekommen zu sein. Kink,
Wien. Univ. I. 206, n. 237. Beil. XXXI. 7.
*) Cuspinianus Tagebuch ad ann. 1508. 19. Martii. Feci principium
in lectionem oratoriam; ad ann. 1506. 1. Febr. Venit rex Viennam. 2. Febr.
Dixi orationem Regi, suscipiendo ipsum nomine universitatis.
i
J5
ff
6^
i
*-
r
^
4
288 Leben und Schriften der Hnmanisten.
* Doch Hess er sich in dieser Stelle zuerst durch den Ita^
^ liener Angelus Cospus, dann durch den Schweizer Joachim
^ Vadianus vertreten. Dabei wurde er nicht nur im kaiser-
y liehen Cabinet verwendet, sondern auch bei diplomatischen
Verhandlungen und wichtigen Gesandtschaften. Innerhalb
fünf Jahre waren ihm nach Ungarn 24 Missionen übertragen
worden.'^)
Neben diesen vielfachen Geschäften liefen neue Anord-
nungen und Reformen, welche die Universität betrafen, die
aber nicht selten mit Zwistigkeiten und Hader verbunden
waren, da sowohl die Facultäten, wie einzelne Professoren
und der Universitäts-Kanzler Widerspruch erhoben. ^)
Als besonderer Gönner erwies er sich der gelehrten
Donaugesellschaft und mit seinem fränkischen Landsmannes
j dem Humanisten Conrad Geltes, war er durch die Bande
f' der innigsten Freundschaft verbunden. Er hatte die Be-
rufung desselben nach Wien vorzüglich betrieben und be-
wirkt, dass der Humanismus in Wien in Aufnahme kam
und sich befestigte. Nach dem Tode des Bischofs Johann
Vitez (1499) stand zwar der kaiserliche Rath Johann
^ * Krachenberger dem Namen nach an der Spitze der Donau-
gesellschaft als Präsident, aber Cuspinian leitete im Vereine
mit Geltes hauptsächlich die Geschäfte. Er versammelte
f öfter die Mitglieder der Sodalität in seinem, in der Singer-
^) Phil. Gundelü aeclogae dnae. Vienn. 1518. Vgl. Denis, W. B. G.
^ S. 184, densen Merkw. der Gareil. Bibl. S. 261 und Cuspinian's Tagebuch.
Aus der Zuschrift des Georgius Cuspinianus Canonicus Herbipolensis in
/', Haugis an Cuapinian's Sohn Felix (in der Ausgabe der Panegyrici Vienn.
/ 1513) erfahren wir, dass schon vor 1513 nicht nur Cuspinian selbst, son-
^ dern auch sein Bruder Georg liäuiig bei Gesandtschaften verwendet wurden.
i Vgl. Denis, W. B. G. S. 88.
2) Conspect. bist. univ. Vienn. II. 73. Interea (um 1510) domi haud
suae archigymnasio lites et minora bella deerant, quae ei cum Cancellario
Universitatis ac Superintendente Joanne Cuspiniano ob promovendi ad
*^ literarios honores jura intercesserant. Vgl. Denis, W. B. G. S. 261, wo
• - von Brassican^s Ausgabe des Lucanus die Rede ist.
L
Caspinianns. 289
Strasse geleg-enen Stadthause ^) oder auf seinem Land gute
Foelicianum zu humanistischen Besprechungen und gegen-
seitigen Mittheilungen. 2)
Der Geschäftskreis Cuspinian's erweiterte sich um ein
Ansehnliches, als ihn Kaiser Maximilian zum kaiserlichen
Präfecten oder Ambald der Stadt Wien ernannte
(1515) und er durch sein neues Amt in die Nothwendigkeit
versetzt war, sich dem Studium von mancherlei Rechts-
verhältnissen zu widmen. ^)
Der kaiserliche Rath, Leibarzt und Historiograph, Stadt-
präfect und Universitäts-Superintendent, wie auch gekrönte
Dichter, Professor der Eloquenz und Arzneikunde, theilte
seine Zeit zwischen Staatsgeschäften, welche er oft halbe
Nächte hindurch mit dem Kaiser besprach , *) Kranken-
besuch, gelehrten historischen Arbeiten, Vorlesungen, öffent-
lichen Reden, Herausgabe von Druckschriften, Unterhal-
tungen mit seinen humanistischen Freunden. Zu diesen
gehörten vor Allen Conrad Geltes und Johann Krachen-
berger, die Philologen. Angelus Cospus, Johann Camers und
Joachim Vadianus, die Mathematiker Stabius, Stiborius und
') Zum Andenken an diese Versammlungen Hess er 1607 eine
steinerne Inschrift an sein Haus setzen, die sich noch jetzt erhalten hat.
Vg"!. unten im Anhang.
2) Vgl. Denis, W. B. G. S. 259, die Excerpte aus Joh. Greulii praef.
zu dessen historia s. KilianL
3) Rhein. Matrik. 1. c. Obiit hie Viennae Superintendens Universitatis
et praefectus Senatus Viennensis. Cuspinian schreibt über das Amt eines
Praefectus urbis oder Ambaldus (Anwalt) an den Markgrafen Albrecht
von Brandenburg d. d. Wien 1525: Des Fürsten Anwald muess darauf
sehen, dass nichts wider die F. D. fürgenoraen oder gehandelt werd und
dass der F. D. bevelch so oft sy kummen volstregt werden on der si kain
Kadt dürfen haben, damit nichts hairalichs gepraticiert werd, das wider
den Fürsten wer. Vgl. Notizenblatt der kaiserl. Akad. VI. 1856. p. 417.
Wiener Stadt Jahrb. 1864. S. 215. Haselbach, Cusp. S. 26.
*) Cuspinian. de Caesarib. p. 484 und Tagebuch 8. 404, ad ann. 1511.
Veni ad Caesarem in Lyncz, alloquutus eum usque ad mediam noctem.
Nie. Gerbel. vita Cuspinian.
T. Asehbach, Qeschichte der Wiener Univers. II. 19
290 Leben und Schriften der Humanisten.
Kosinus, die Juristen Gabriel Eubolius, Caspar Velius Ursinus
und Philippus Gundelius; letzterer war auch Erzieher und
Lehrer seines ältesten Sohnes. Von auswärtigen Freunden
sind Conrad Peutinger in Augsburg, ^) Willibald Pirkheimer
in Nürnberg und Johann Reuchlin zu nennen. Sie alle
priesen in ihren Schriften 2) die vielfachen Verdienste des
Gelehrten und Staatsmannes. Sein vertrautester Freund
und Secretär war Johann Grempier, der ihn gewöhnlich
auf seinen Missionsreisen begleitete und ihn bei den manch-
fachen Geschäften kräftig unterstützte. ^)
Cuspinian's politische Thätigkeit erstreckte sich
hauptsächlich auf Verhandlungen des Kaisers mit Ungarn
und Polen. Schon unter Friedrich III. und Wladislaus II.
war zwischen dem habsburgischen Hause und dem böhmisch-
ungarischen Könige über die Erbfolge in den beiderseitigen
Ländern vielfach verhandelt worden. Um dem früheren
Erbvertrage grössere Geltung zu geben, wurde eine Doppel-
heirat zwischen beiden Häusern für ganz besonders ange-
zeigt gefunden. Es war Cuspinian's Werk, dass er alle
Schwierigkeiten und Intriguen siegreich überwand und am
12. November 1507 zuerst den Vertrag zu Stande brachte,
wonach eine Heirat zwischen einem Enkel Kaiser Maxi-
milians und einer Tochter des ungarischen Königs Wladis-
laus, und eine zweite Verbindung zwischen des Letzteren
Sohn Ludwig mit einer Enkelin des Kaisers stattfinden
sollte. In Folge dieses Vertrages wurde dann acht Jahre
') Vgl. Herberger, Conrad Peutinger in seinem Verhältnisse zu Maxi-
milian. Augsb. 1851.
2) Es feierte ihn besonders Caspar Ursinus Velius im Epistolar. lib.
Wien 1515. Vgl. Denis, Wiens Buchdr. Gesch. S. 324.
3) Vita Cuspiniani von Nie. Gerbelius. p. 2. Ueber J. Gremper und
dessen literarische Thätigkeit vgl. Denis, Wiens Buchdr. Gesch. S. 159
und 176 und dessen Merkw. der Gareil. Bibl. S. 196. Cuspinian schrieb
sehr unleserlich ; Gremper war ihm bei seinen schriftsteUerischen Arbeiten
besonders behilflich.
Cuspinianiis. 291
später 1515 bei dem Fürsten-Congress in Wien, wo Maxi-
milian mit den Königen von Ungarn und Polen zusammen-
kam, ^) durch Cuspinian^s Unterhandlungen die verabredete
Doppelheirat der Verwirklichung näher gebracht 2) und dazu
noch zwischen den in Verschwägerung getretenen Dynastien
durch den Abschluss eines Offensiv- und Defensiv-Bünd-
nisses eine enge Union herbeigeführt. ^)
Im Jahre 1518 erhielt Cuspinian den kaiserlichen Auf-
trag, die Mailänder Herzogstochter Bona Sforza, Braut des
polnischen Königs Sigismund, nach Krakau zu begleiten, ^)
wo er auch den Hochzeitfeierlichkeiten beiwohnte.
Seine vielfachen erfolgreichen Dienste liess der Kaiser
nicht unbelohnt. Er wurde mit Gnaden und Gunst wahr-
haft überschüttet. Auch die Geschenke, die er auf seinen
Missionen von auswärtigen Fürsten erhielt, waren ansehnlich,
namentlich bei der polnischen Botschaft. Die Einkünfte
von seinen verschiedenen Aemtern und eine gute haus-
hälterische Wirthschaft vermehrten sein Vermögen. Er be-
sass Landhäuser in Schwechat, Sievering und andern Orten
der Umgebung Wiens. In der Stadt gehörte ihm das Haus
zum weissen Rössel in der Singerstrasse ; in den Vorstädten
*) Conspect. bist. univ. Vieiin. II. 87. Totius bujus conventus seriem
festevitatesque rerum singulis diebus gestarum Diario complexns . est
Jo. Cuspinianus. Caspinian^s Tagebuch ad ann. 1415, p. 408.
2) Am 22. Juli 1515 wurde in Anwesenbeit der auf dem Congresse
gegenwärtigen Fürsten Anna, die "Tocbter des ungariscben Königs Wladis-
laus, als angetraute Braut von Maximilians zweiten Enkel Ferdinand, von
Kaiser Maximilian zur Königin erklärt und ibr eine goldene Krone auf's
Haupt gesetzt: es folgte dann die Trauung des ungariscben (9jäbrigen)
Prinzen Ludwig mit Maximilians Enkelin Maria, Scbwester Karls (V.).
3) lieber das Nähere Haselbaeh, Cuspinian als Staatsmann etc.
S. 10—14.
*) Cuspinianus Tagebuch ad ann. 1518. p. 410. Vgl. das Carmen
elegiacum von Joachim Vadianus de Nuptiis Poloniae regis Sigismundi.
Vienn. 1618. 4.
19*
292 Leben und Schriften der Hnmanieten.
besass er Villen, Aecker, Weinberge und Gärten. ^) Einen
schönen ländlichen Wohnsitz, ein wahrhaftes Tusculum, wo
er häufig seine Freunde bei sich versammelte, nannte er
Foelicianum nach dem Namen seines Sohnes Sebastian
Foelix.2)
Die nächsten Jahre nach dem Tode Kaiser Maximilians
von 1519 — 1522 waren in Wien durch tumultuarische und
revolutionäre Bewegungen der Bevölkerung, wie auch durch
eine verheerende Pest im höchsten Grade traurige Zeiten
und es fanden sich alle Verhältnisse tief erschüttert. Die von
Maximilian bestellten Regenten mussten aus der Stadt
flüchten; sie begaben sich nach Wiener-Neustadt. Unter
der Führung des Wiener Bürgermeisters Johann Rinner,
eines ehemaligen Gärbers, und einiger adeliger Herren,
denen sich der Rechtsanwalt Doctor Martin Capinius und
der gewesene Universitäts-Rector Victor Gamp anschlössen,
wurde von der Bürgerschaft ein neuer Regenten-Rath ein-
gesetzt, der in Frage stellte, ob man den Enkeln und Erben
Maximilians, dem spanischen König Karl und dessen Bruder,
dem Infanten Ferdinand, irgend Gehorsam zu leisten habe. 3)
Mittlerweile wüthete auch die Pest in Wien, welche
täglich an hundert Menschen dahinraffte und weiter dazu
Veranlassung gab, dass die meisten Universitäts- An gehörigen
die Stadt verliessen und die Vorlesungen ganz ausgesetzt
wurden. Cuspinian, in seiner doppelten Eigenschaft als
Superintendent und städtischer Praefectus, konnte, ohne
^) Vgl. Haselbach a. a. O. S. 8.
2) Job. Greulii Moenani bist. s. Kilian. in der Praefat Vgl. Denis,
W. B. G. S. 259.
3) Cuspinian'ß Tagebucb ad ann. 1519, S. 402: Tottis bic annus
moestus est et lugubris et seditiosus ob mortem nostri divi Caes. Maximi-
liani. — Ad ann. 1520, p. 413: Hie annus non minus quam superior nobis
foit tristis ac calamitiosus ob mortem Caesaris et quia priyati sumns
domino et principe, cum plebs maledicta saeviret.
Cnspinianas. ^93
Aufrührer zu sein, der Bewegung sich nicht anschliessen ;
es blieb ihm nichts anderes übrig, als in der revohitionären
Zeit sich ganz zurückzuziehen und sich von Wien zu ent-
fernen. Als in Folge eines Vertrags zwischen Karl, der
unterdessen zum Kaiser erhoben worden, und seinem Bruder
Ferdinand die österreichischen Länder dem I^etzteren 1521
abgetreten wurden, so säumte Cuspinian nicht, dem neuen
Fürsten, der erst nach Linz, dann nach Graz gekommen
war, sich vorzustellen. Nachdem die Führer der Rebellen
mit Hinrichtung oder Landesverweisung bestraft und die
alten Verhältnisse wieder hergestellt worden, ward auch
Cuspinian, der am 9. Februar 1522 mit seiner Familie nach
Wien zurückgekehrt war, von Ferdinand in seinen Aemtern
restituirt und zu mehreren Missionen, besonders nach Ungarn,
verwendet.^)
In der nächstfolgenden Zeit, wo Cuspinian sich mehr
aus dem öffentlichen Leben zurückzog und hauptsächlich
schriftstellerischen Arbeiten lebte, trafen ihn mehrere
Schicksalsschläge. Eine besondere Unglückszeit war für ihn
das Jahr 1525; bei einer grossen Feuersbrunst, welche
einen Theil von Wien in Asche legte, brannten ihm zwei
Häuser nieder, und ein arges Unwetter verheerte seine
Felder und Weingärten.'-^)
') Cuspinian's Tagebuch ad ann. 1521, p. 413: 3. Jul. Exivi Vienna
cum uxore et liberis. 6. Jul. Vixi Gretz. 7. Jul. Accessi Principem Ferdi-
nandum. 11. Jul. Praestiti juramentum et confirmatus in officio. 9. Febr.
1522. Veni Viennam in domum salvus cum omni familia. 24. Febr. Exivi
in legatione ad regem Ludovicum Hungaria etc. Näheres über den Wiener
Aufstand 1520 und 1521 und die Bestrafung der Rebellen ist in dem
Artikel Capinius berichtet.
2) Cuspinian'» Tagebuch ad ann. 1525, p. 415: Ego omnes incom-
moditates bonorum, fractione cruris, incendio, fulmine, falsis calumniis
sum misere hoc anno exceptus. — In hoc incendio domus quoque mea
crudeliter arsii — Horreum praeterea cum domo in suburbio oppletum
frumentis et decima mea cum 80 vasis et aliis necessariis periit. Sic uno
die plus quam in sex millibus .jacturam passus sum. lieber den grossen
294 Leben and Schriften der Humanisten.
Cuspinian hatte nicht nur den Schmerz, so grosse Ver-
luste in seinem Vermögen zu erleiden, es verbitterten ihm
auQh mancherlei Erfahrungen, die er in seiner doppelten
Amtsstellung als Superintendent der Universität und als
Stadtpräfect machte, seine letzte Lebenszeit. Ungeachtet er
früher mit so grossem Erfolge die Hochschule zu seltener
Blüthe und Ansehen gebracht hatte, und er diesen glück-
lichen Zustand hauptsächlich seinen rastlosen Bemühungen
zuschreiben konnte, musste er den allmäligen Verfall seines
Werkes sehen. Weniger wie früher von der Regierung
unterstützt, fand er sich bei den kirchlichen Zerwürfnissen
in Folge der Reformation Luther' s, welche auf den Bestand
der Universität und den Betrieb der Studien überaus störend
wirkten, immer mehr ausser Stand, den raschen Verfall der
Universität aufzuhalten, indem auch der ärgerliche Hader
mit dem anmassenden Universitäts-Kanzler Paul von Ober-
stein von nachtheiligen Folgen begleitet war und der Hass
der Bevölkerung gegen die fremde studirende Jugend zu-
nahm. Seit 1525 nahm die Frequenz jährlich ab, so dass
im J. 1529 der Besuch fast ganz aufhörte. Der Verfall war
in dem Grade eingetreten, dass die Universität, welche
unter Maximilian mehrere Tausende Studenten gezählt
hatte, in allen Facultäten zusammen kaum noch einige
Dutzende hatte. ^)
Seitdem der ungarische König Ludwig H. 1526 in der
Schlacht bei Mohacz von den Türken besiegt, auf der Flucht
seinen Tod gefunden und in Ungarn selbst Uneinigkeit und
Bürgerkrieg herrschte, sah Cuspinian die Gefahren voraus,
welche Oesterreich von Seiten der Türken bedrohten. Sie
Brand in Wien, wodurch das Haus der medicinischen Facultät, drei Klöster
und über 400 Häuser eingeäschert wurden, berichten die Act. fac. art. ad
ann. 1525. Eder, Catal. Rect. p. 65. Vgl. Rosas, Gesch. d. Wien. Hoch-
schule etc. I. 1. S. 182.
') Kink, Gesch. d. Univ. Wien. I. S. 264.
CnspinianuB. 295
womöglich abzuwenden, dieser Gedanke beschäftigte ihn viel-
fach. Er erlebte es aber nicht, den furchtbaren Feind vor den
Mauern Wiens zu sehen. Er war einige Monate früher, am
19. April 1529,^) im 56. Jahre aus dem Leben geschieden,
noch ehe seine Besitzungen in den Vorstädten und in der
Umgebung Wiens der Zerstörung preisgegeben wurden.
Cuspinian ward in der St. Stephanskirche begraben, wo
sich noch jetzt sein Grabmal aus rothem Marmor mit Bild-
werken und Inschrift befindet. 2)
') In dem Artikel Cuspinian in der Encyelop. von Ersch und Gruber
XX. 8. 385 ist unrichtig gesagt: Er starb am 19. April, vier Tage vor
der Belagerung Wiens 1525.
2) Vgl. Tschischka, der Dom von St. Stephan. Wien 1832. Fol.
Kupfertaf. 40. Perger, der Dom zu St. Stephan in Wien. Triest 1864.
S. 63 und 115. Insc. XLIV. Haselbach a. a. O. S. 27 fl. Die Inschrift
in der Tima-Capelle lautet:
JOANN. CUSPI. DOC. QUONDAM
CIVI. VIENNENS. PREFECTUS
Excolui . Primum . Musas . Et . ApoUinis . Artes.
Nempe . Fui . Medicus . Tuncq. Poeta . Simul.
Postea . Me . Rebus . Natum . Majoribus . Auxit.
Caesar . Et . Ornavit . Praesidis . Officio,
lila . Igitur . Nostro . Sint . Verba . Inscripta . Se pulchro.
Unica . Vixi . Olim . Cuspinianus . Eram.
Historiae . Immensae . Monumenta . Aetema . Reliqui.
Vivus . In . His . Semper . Cuspinianus . Erit.
Vixit . Ann . LVI . Ob . Ann . MDXXIX . Mens . April . Die . XIX.
Oben neben den ersten Zeilen zu beiden Seiten die Namen der beiden
Frauen :
Agnes Altera
Conjux.
Anna Mater
Octo Liberorum
darunter die Namen der acht Kinder in zwei Reihen:
Sebastianus Foelix Nicolaus Chrysostomus
Leopoldus Anastasius Anonymus
Anna Theodora Joanna Agatha
Helena Alexandra Barbara Sophia.
Die Bildwerke auf dem Grabstein stellen dar: Cuspinian mit breitem
Barett auf dem Haupte, die Hände auf Bücher gestützt. Zu den beiden
Seiten die zwei Frauen mit zwei Schilden: der zur rechten Seite, wo die
296 Leben and Schriften der Humanisten.
Wenn man zu den Aemtern und Würden, welche in
der Grabschrift erwähnt werden, dem Cuspinian auch noch
weitere andere gibt, so ist dieses nicht genau nachweisbar. Er
war weder kaiserlicher Kanzler, ^) noch Vorsteher des
kaiserlichen Hausarchivs'-^) und der Hofbibliothek.^)
Um die Vermehrung und Bereicherung der Hofbibliothek
aber erwarb er sich jedenfalls namhafte Verdienste. Er
bewirkte, dass durch eine kaiserliche Aufforderung die
Klöster angewiesen wurden, aus ihren Sammlungen Bücher
an die Hofbibliothek abzugeben, und brachte von der
Ofener königlichen Bibliothek seltene und werthvoUe Co-
dices und Bücher nach Wien. *) Auch seine eigene ansehn-
Frau Anna, mit einer abenteuerlichen Gestalt, eine Sense in der Hand;
auf dem andern der Agnes ein L in einem S verschlungen. Unter der
Hauptinschrift ist die ganze Familie sitzend abgebildet. Ober dem
sitzenden Cuspinian ein Bogen, worüber zwei Schilde: in dem einen ein
Arm mit Schwert, in dem andern die Buchstaben C. M.
') Hormayr, Archiv 1810. S. 408, nennt ihn kaiserlichen Canzler und
behauptet, dass er auch in diesem Amt gestorben sei. Cuspinian aber
nennt sich nie so, auch in der Grabschrift findet sich dieses Amt nicht
angegeben.
2) Hormayr a. a. O. gibt ihm diesen Titel, und Wattenbach, deutsche
Geschichtsquellen S. 3, nennt ihn falschlich Archivar, lieber die Ent-
stehung des habsburg. Hausarchivs ist gehandelt: Wiener Alterthums-
verein VI. 1863. S. 33. Veranlassung der irrthümlichen Benennung hat
hauptsächlich eine Stelle bei Nie. Gerbel, Vita Cuspiniani, gegeben: Pate-
bant ei (Cuspiniano) ex Caesaris liberalitate et beneficentia omnes undique
vetustiores bibliothecae , omnia ducum Aiistriae secretiora scrinia et
archeja.
3) Vgl. Lambec. Commentar. de bibl. Caes. Vindob. I. p. 31. Mosel,
Gesch. d. Hofbibl. S. 10. Haselbach, Cuspin. S. 15. Celtes stand bis zu
seinem Tode (1508) der Hofbibliothek vor. Dass dann Cuspinian ihr Vor-
steher wurde, wird vermuthet. Soviel ist gewiss, dass noch vor seinem
Tode CoUimitius einige Zeit die Aufsicht führte.
^) Schior, de reg. Budens. Biblioth. Matth. Corv. S. 26. Auf seinen
öfteren Reisen nach Ofen brachte Cuspinian häufig von dort Bücher nach
Wien: die griechischen Autoren Isokrates, Philostratus, Diodorus Siculus,
Zonaras. Vgl. Denis, Gareil. Bibl. S. 253 fll.
Caspinianns. 297
liehe Büchersammlung kam in der Folge in die Hof-
bibliothek J)
Cuspinian's äussere Persönlichkeit wird von seinen
Zeitgenossen sehr vortheilhaft geschildert. Sein Biograph
Nicolaus Gerbel gibt ihm eine schöne, impouirende Gestalt,
frische Complexion und ein einnehmendes, gewinnendes
Wesen, mit grosser Lebhaftigkeit, Energie und nicht ge-
wöhnlicher Beredsamkeit. Dabei besass er einen scharfen
Verstand, schnelle, eindringende Beobachtungsgabe und
eine rastlose Thätigkeit — Eigenschaften, die ihm in seinen
verschiedenen Berufsgeschäften, namentlich aber bei seinen
diplomatischen Verhandlungen und gesandtschaftlichen Mis-
sionen sehr zu Statten kamen. Er war ausserdem ein guter
Familienvater und ein sparsamer Hauswirth, der sich ein
ansehnliches Vermögen sammelte und selbst in Opulenz
leben konnte, da er Häuser, Villen, Gärten und Aecker
besass. Häutig am Hofe lebend und mit fürstlichen und
hochstehenden Personen verkehrend, bewahrte er doch den
einfachen, ernsten, philosophischen Sinn. Dabei entbehrte
er nicht der Frömmigkeit und eines religiösen Glaubens,
der ihn bei niederschmetternden Schicksalsschlägen wieder
aufrichtete und stärkte. '^) Die kirchlichen Missbräuche
seiner Zeit nicht übersehend, wie die Besten seiner Zeit,
und ihre Beseitigung wünschend, begrüsste er anfänglich
Luther^ s reformatorisches Auftreten als ein gutes und zu
J) Lambec. 1. c. p. 32. Kink, Gesch. d. Wien. Univ. I. S. 206, n. 237:
Cuspinian's Bücher (sie zählten 326 Nummern) kamen nach seinem Tode
durch Kauf an den Wiener Bischof Job. Faber. Die Fabrische Bibliothek
wurde später der Universitäts-Bibliothek einverleibt und endlich kam diese
an die k. Hofbibliothek 1756.
~) Cuspinian's Tagebuch an verschiedenen Stellen; er errichtete auch
in späterer Zeit in der Nähe seines Hauses eine Capelle (Sacellum) mit
einer Inschrift. Fischer, bTev. Notic. Vindob. II. p. 150. Tagebuch p. 412
ad ann. 1520: Sacellum meum est dedicatum a Reverend. Episcopo Georgio
Viennenai.
298 Leben und Schriften der Humanisten.
unterstützendes. Da er bald sah, wie viel Schlechtes sich
der Reformation zugesellte und wie das Gute von dem
Schlimmen überwuchert wurde, so zog er sich zurück.
Namentlich schmerzte es ihn, dass die kirchliche Spaltung
der türkischen Invasion unendlichen Vorschub leistete. ^)
Was Cuspinian's gelehrte und schriftstellerische
Thätigkeit betrifft, so war diese wie seine Wirksamkeit
in seinen verschiedenen Berufsgeschäften eine manchfaltige
und ziemlich umfassende. Nicht sehr hoch sind seine poeti-
schen Productionen anzuschlagen, aufweiche er auch selbst
keinen besonderen Werth gelegt zu haben scheint. Von
seinen Reden und übrigen rhetorischen Schriften ist
nur Weniges durch den Druck veröffentlicht worden. Seine
medicinischen Abhandlungen, die unter dem Titel CoUec-
tanea medica noch handschriftlich aufbewahrt werden, 2)
scheinen von keiner besonderen Erheblichkeit zu sein; es
sind auch eigentlich keine Cuspinianischen Schriften, wenn
sie auch von seiner Hand geschrieben sind.
Die besonders zu beachtenden Schriften Cuspinian's,
die in ziemlicher Anzahl vorliegen, lassen sich zur bequemen
Uebersicht in vier Gruppen sondern. Sie umfassen erstlich
Ausgaben alter classischer Schriftsteller, dann Aus-
gaben mittelalterlicher Schriften, ferner selbständige
Werke über römische und deutsche, namentlich öster-
*) Conspect. hist. Univ. Vienn. II. 142. Cuspinianus a Spondano in-
fectus Lutheri dogmatibus , quo authorie nescio id certe neque ex actis
nostris comprobare licuit. Cuspinian's Ansicht gegen Luther in der Oratio
protreptica contra Turcos p. 23. DöUinger, Reform. I. 626, bemerkt, dass
Cuspinian ein Schreiben Luthers an ihn unbeantwortet liess.
2) Auf der Wiener Hofbibliothek Nr. 4772. 3. Johannis Cuspiniani
CoUectanea varia ex historia litteraria medica, videl. Vita Hippocratis,
graece et latine, Epistola Hippocratis de Microcosmo, Epistola eadem ab
anonymo metrice redacta, Epistola Ventidiani ad Pentadium nepotem suum
aliaque notabilia medica.
Cnspinianus. 299
reichische Geschichte, endlich Diplomatisches,
Reden und die Tagesgeschichte Betreffendes.
Der noch in ziemlich jugendlichem Alter stehende
Cuspinian, der kaum das zwanzigste Lebensjahr über-
schritten hatte, war in Folge seiner dichterischen Behand-
lung des Lebens des österreichischen Markgrafen Leopold
des Heiligen von Kaiser Maximilian mit dem Dichterlorbeer
geschmückt worden (1493). Nicht lange hernach gab er
die Hymnen des christlichen Dichters Aurelius Pruden-
tius Clemens als sein erstes Druckwerk heraus. ^)
Neben der geistlichen Dichtung beschäftigte sich Cuspi-
nian in der frühern Zeit vielfach mit den römischen Dich-
tern, namentlich mit Ovid; offenbar hatte er die Absicht,
von diesem Dichter die libri Amorum und die libri VI
Fastorum herauszugeben. Er bereitete Alles zum Druck
vor, ohne ihn jedoch zu bewerkstelligen. 2)
*) Liber hymnorum Prudencii. Mit der Widmung: Magnanimo Jo-
hanni Graccho Pierio (Krachenberger) divi Maximiliani Romanorum Im-
peratoris designati prothonotario L. Johannes Cuspinianus. Impressum
Vienne per Johannem Winterburg. [s. a.] 4^. Es sind nicht sämmtliche
Dichtungen des Prudentius, sondern nur der liber Cathemerinon [xaÖ'
i^[j.Ep(ov] 12 Hymnen für die 12 Tagesstunden. Cuspinian nennt das Buch,
sein erstes Druckwerk, primicias. Da Maximilian schon Imperator heisst,
80 muss er bereits Friedrich III., der 1493 gestorben, gefolgt sein. Der
Druck ist nicht nach Handschriften, sondern nach einer früheren, in De-
venter 1472 erschienenen Edition gemacht. Weil J. Winterburg erst 1493
nach Wien kam, so bestimmt Denis 1494 als Druckjahr. Vgl. Wiens
Buchdr. -Gesch. S. 298. Der Buchstabe L. vor Cuspinian bedeutet laureatus
sc. pOeta. Denis meint, es könne durch Lector s. v. a. Professor, oder durch
Licentiatus erklärt werden ; das erstere war ohne Bezeichnung der Wissen-
schaft nicht üblich zum Namen zu setzen, das andere aber ist nicht statt-
haft, da Cuspinian bereits durch die Dichterkrönung Magister oder
Doctor der Philosophie war.
2) Auf der Wiener Hofbibliothek befindet sich ein Codex Ms. des
Ovidius, mit Interlinear- und Marginalnoten von Cuspinian's Hand ver-
sehen: Cod. Nr. 3111. fol. 1 — 53 De arte amandi übri, fol. 53 — 69 De
remedio amoris libri II, fol. 130 — 242. Fastorum libri VI. Zu <fen Fastis
300 Lebeo uod Schriften der Hamanisten.
Zu den frühesten Publicationen Cuspinian's gehören
auch seine beiden Ausgaben der lateinischen Uebersetzer
des geographischen Dichtwerkes Periegesis von dem Alexan-
driner Dionysius. Dieser, ein Zeitgenosse Strabo^s, hatte
ein geographisches Lehrgedicht verfasst, welches zwei latei-
nische metrische Uebersetzungen erhalten hat: eine bessere
von Rufus Avienus, der auch Fannius Khenius genannt
wird; und eine von dem Grammatiker Priscianus. Cuspi-
nian gab die letztere zuerst (um 1494), die andere später
im J. 1508 heraus. Beide Ausgaben sind weniger kritisch
wie die spätem von Camers und Vadianus, aber doch nicht
ohne Benützung von einigen Handschriften gemacht. *)
Als Professor der Rhetorik und Staatsmann fand sich
Cuspinian veranlasst, mit den rhetorischen Schriften der
Römer sich zu beschäftigen. Zu den bisher veröffentlichten
Panegyrici sammelte er eine Anzahl ungedruckter Lobreden.
Seinem jüngeren humanistischen Freunde, dem Magister
Philipp Gundel, überliess er zwölf derartige Panegyrici
zur Herausgabe. *^)
fol. '243—247 ist beig-egeben ein Index in Ovidii Fastoriim libros Joannis
Ouspiniani sive Spiessharamer. Letztere Benennung wahrscheinlich von
späterer Hand. — Ueber die von Giindelius im J. 1513 herausgeg'ebenen
Ovidn Fastorum libri VI, zu deren Edition Cuspinian angeregt und wozu
er ein altes Calendarium Romanum zum Abdrucke überlassen hatte, ist
unten der Artikel Gundelius zu vergleichen.
') Dionisii Alexandrini philosophi de situ orbis translatio per Priscia-
num graramaticorum [»rincipera. Impr. Vienne a Joanne Winterburg,
emendat. autem a L. Joanne Cuspiniano artium et huraanitatis professoris,
qui publice hunc libellum in studio Viennensi interpretatus est [s. a.]. 4®.
Dionysii Periegesis situs orbis Ruffo Avieno interprete. Cuspinianus nevos
et vermcas sustulit. Winterburger impr. a. 1508. 4^. Auf der Wiener Hof-
bibliothek Nr. 3227. fol. 1—187 befindet sich ein Cuspinianisches Ms. mit
der Aufschrift: Jo. Ouspiniani Commentarii in Dionysii Afri versionem
latinam metricam.
'^) Ph. Gundel gab sie in Wien 1513 bei dem Buchhändler Johann
Metzger heraus unter dem Titel: Panegyrici variorum autorum et declama-
Cnspinianns. 301
Mit ganz besonderer Vorliebe betrieb Cuspinian das
Studium der römischen Geschichte; wir verdanken ihm die
Herausgabe mehrerer Werke. Da der Text der römischen
Geschichte des Lucius Annaeus Florus in den bis dahin
erschienenen Ausgaben noch ein ziemlich fehlerhafter war,
so suchte Cuspinian ihn nach einigen Handschriften zu be-
richtigen, und er lieferte 1511 auf Anregung seiner huma-
nistischen Freunde Vadian und Joh. Marius einen berich-
tigten Text des römischen Epitomators. *)
Auch bei der Bearbeitung des Sexti Rufi breviarium
rerum gestarum populi Romani traten Cuspinian und Camers
als Rivalen auf; indem Camers den Sextus Rufus schon 1518
publicirte,2) behielt ihn Cuspinian noch zurück; er ward
erst nach seinem Tode in seinem Werke Commentarii de
Consulibus gedruckt.^)
tiones nonnuUae perquam eruditae, hactenus non impressae. An der Spitze
der Panegyrici steht der Plinianiache. Die drei letzten Declamationes von
einem Unbekannten über den Weiberschmuck waren früher nicht gedruckt.
Sie sind wahrscheinlich erst im 15. Jahrhundert gemacht; woher sie Cuspi-
nian erhalten hat, ist nicht bekannt. Vgl. Denis S. 88 fll.
*) Lucii Flori libri historiarum quatuor a Cuspiniano castigati cum
Indice. Impr. Vienne per Winter[burg] 1511. 12. Kai. Aug. 4^. Vgl. Denis
S. 52. In der Vorrede polemisirt Cuspinian gegen die in Italien und
Frankreich cursirenden Ausgaben des Florus und gegen die Gewohnheit
der Buchhändler seiner Zeit, ihre schlechten Ausgaben als von namhaften
Gelehrten empfohlen anzupreisen, um den halbgelehrten Leser zu täuschen.
Da fast um dieselbe Zeit der Italiener J. Caraers in Wien auch den Florus
herausgab und zwar mit besserem Texte und mit Ausfallen gegen die
deutschen Herausgeber, so war Cuspinian um so ungehaltener, da Vadian
mit einigen Widmungsversen die Ausgabe . des Camers sehr empfohlen
hatte. Cuspinian konnte in seinem Verdrusse darüber nicht unterlassen,
ein vorwurfsvolles Schreiben an den treulosen Freund zu richten. Abgedr.
in Philol. Epist. Centuria ex bibl. Melch. Goldast. Francf. 1610. n. 31.
Vgl. oben den Art. Camers.
2) Vgl. Denis S. 188.
3) Sexti ßuffi rerum gestarum populi Romani deque accessione im-
perii epitome cum Cuspiniani scholiis p. 14 sqq. Basil. 1553. fol.
302 Leben und Schriften der HnmaniBten.
Die vier ersten Capitel von des Valerius Maximus
erstem Buche der Memorabilia, welche er in einer alten
Handschrift fand, sandte er nach Venedig dem Aldus Manu-
tius zur Veröffentlichung. *)
Die an lateinischen und griechischen Handschriften
alter Schriftsteller reiche Ofener Bibliothek besuchte Cuspi-
nian öfter und er fand darin Manches von Werth und Be-
deutung auf. Da er selbst nicht im Stande war, griechische
Schriftsteller zu ediren,^) so überliess er solche seinen
humanistischen Freunden, welche des Griechischen voll-
kommen mächtig waren, zur Herausgabe oder vielmehr zur
Uebersetzung in das Lateinische. So wurde Angelus Cospus
angeregt, den Diodorus Siculus und die Chronik des
Zonaras, welche Cuspinian in Ofen aufgefunden hatte,
theilweise in die lateinische Sprache zu übersetzen. 3) Philo-
stratus, von dem ebenfalls ein Codex in Ofen entdeckt
ward, sollte Nicolaus Gerbel übersetzen und ediren.^)
Zu den mittelalterlichen Schriften, welche Cuspinian in
früheren Jahren edirte, gehört der Libellus Marbodi de
lapidibus pretiosis.'^) Die übrigen sind historische Quellen.
Ein namhaftes Verdienst um die Geschichte des Mittel-
alters erwarb sich Cuspinian durch die erste Herausgabe
von zwei höchst wichtigen Geschichtsquellen.
1) Moller, Dis8. de Val. Maxim. Altorf 1685. Val. Max. Opp. ed.
Salv. de Lennemas. Par. 1838.
2) Die lateinische, von Phileticus gemachte Uebersetzung der Reden
des Isocrates benutzte Cuspinian. Vgl. Denis, Garell. Bibl. S. 253. Die
Reden an Nicocles und die Praecepta an Demonicos versah er mit Rand-
bemerkungen. Der Cod. befindet sich auf der Wiener Hofbibl. Nr. 13908.
Suppl. Nr. 3329. fol. 13 und 908.
3) Vgl. oben den Art. Angelus Cospus.
*) Schier, de Bibl. Budens. p. 32. Denis, Garell. Bibl. S. 256.
^) Libellus de lapidibus preciosis sive Enchiridion Marbodei Galli de
lapidibus preciosis. Mit Cuspinian's Vorrede über die verlorenen und vor-
handenen Schriften der Alten über die Edelsteine. Vienn. 1511. 4fi. Der
seltene, nach einem Ofener Codex gemachte Druck ist, wenn nicht die
Cvspinianns. 303
Auf Grundlage einiger alten Handschriften bereitete er
die gothische Geschichte des Jordanis oder Jemandes
zum Drucke vor und Hess sie durch seinen humanistischen
Freund, den Patricier Conrad Peutinger, in Augsburg 1515
veröflFentlichen. •)
Noch wichtiger ist die Herausgabe einer zweiten Ge-
schichtsquelle, die er in demselben Jahre selbst besorgte.
Er edirte zu Strassburg die Weltchronik des Freisinger
Bischofs Otto nebst dessen Kriegsthaten Friedrichs
des Rothbarts nach einem vortreflFlichen Wiener Codex,
vielleicht auch nach einem Speierer, welchen Jacob Wimpfe-
ling besessen. 2)
Da Cuspinian in späteren Jahren von Kaiser Maximilian
in Staatsgeschäften und zu Missionen an den ungarischen
Editio princeps, doch eine der ältesten Ausgaben der Schrift des Bischofs
Marbodus von Rennes (f 1123), welche auch später unter dem Titel En-
chiridion de gemmis veröffentlicht wurde. Das Werkchen handelt in Hexa-
metern über die Edelsteine, wozu Cuspinian einen erläuternden Commentar
Uefert. Vgl. Denis, W. B. G. S. 56.
*) Der Titel der vortrefflichen Ausgabe ist: Jornandes de rebus
Gothorum. Paulus Diaconus Forojuliensis de gestis Langobardorum.
Aug. Vindel. a. 1615. fol. Closs in der neuesten Ausgabe des Jordanis.
Stnttg. 1861, hätte da, wo er von der Editio princeps spricht, die Ver-
dienste Cuspinian^s nicht unerwähnt lassen sollen. Vgl. Wattenbach,
Deutschlands Geschichtsquellen 8. 3 fl. 45 fll.
2) Ottonis Phrisingensis Episcopi, viri clarissimi, rerum ab origine
mundi ad ipsius usque tempora gestarum libri octo. Ejusdem de gestis
Friderici Aenobarbi Caes. Aug. libri duo. Radevici Phrisingensis eccl.
Canonici libri duo, prioribus additi, de ejusdem Friderici Imp. gestis.
Argentorat. Mense Mart. 1515. fol. Als Herausgeber nennt sich Jo. Cuspi-
nianus ex Vienna Pannoniae 1. Mart. 1514 selbst. Sein Freund Stabius
hatte ihn bei der Arbeit unterstützt. Potthast (bibl. bist. med. aev.) S. 477
nennt die Ausgabe eine vortreffliche, die Grundlage für die zunächst
folgenden. Man hat manchmal den Beatus Rhenanus fälschlich als den
Herausgeber genannt, weil auf dem Titel vorkommt: Beatus Rhenanus
F. C. Diese Angabe bezieht sich aber nur auf die den Kaiser Maximilian
verherrlichende Titelverzierung. Vgl. Wattenbach, a. a. O. 8. 4.
304 Leben nnd Schriften der Hnmanisten.
Hof verwendet ward, so wurde seine gelehrte Thätigkeit
öfter unterbrochen. Von seiner politischen Wirksamkeit
gibt zunächst seine Schrift über die Zusammenkunft
Maximilians im J. 1515 mit den Königen von Ungarn,
Böhmen und Polen und den auf diesem Congress statt-
gefundenen Verhaiidlungen Auskunft.^)
Die gesandtschaftlichen Reisen veranlassten ihn auch,
mit den Verhältnissen und der Geschichte der Türken
sich zu beschäftigen. Er gab nicht nur die Schrift des
Felix Petancius 1522 heraus, sondern fügte auch über
der Türken Ursprung, Religion und Regierung eine Ab-
handlung in der Praefatio an Kaiser Ferdinand I. hinzu.^)
Nach dem Tode des ungarischen Königs Ludwig, der in
der Türkenschlacht blieb, forderte er in einer Rede die
deutschen Reichsfürsten zum Kriege gegen die Türken auf,
*) Congressus ac celeberrimi conventus Caesaris Maximilian! et trium
regum Hnngariae, Bo^miae et Poloniae in Vienna Pannoniae, mense Julii
a. MDXV facti, brevis et verissima descriptio. Joannes Cuspinianus Prae-
fectus Viennensia. Vienn. 20. Aug. [1515.] Das Manuacript davon auf der
Wiener Hofbibliothek Nr. 7417. 7418. Die Schrift wird auch genannt
Diarium Joannis Cuspiniani praefecti urbis Vienn. In der Praefatio sagt
Cuspinian von seiner Thätigkeit als Gesandter in Ungarn: Quinque annos
— volvo hoc saxnm, quibus yigesies et qiiater in Hungaria orator ivi.
Cuspinian's Vertrauter, der Magister J. Gremper, lieferte gleichzeitig vom
Diarium eine deutsche Uebersetzung: Die erklärung der zusammenkhumung
Kaiser Maximilian und der dreyen Wladislai, Ludovici und Sigmunden zu
Hungern, Behem und Poln künige geschehn zw Wien, anfenglich durch
herm Johannsen Cuspinian kays. Ma. Oratorn und Anwald zw Wien
lateinisch gemacht und nachmals von Artickeln zu Artickeln geteutscht. 4".
Vgl. Denis, W. B. G. S. 319. Dess. Merkw. d. Garell. Bibl. S. 261. Ein
Wiederabdruck des lat. Textes des Diarium in Cuspinian. Opp. Francof.
1601. p. 741—762.
2) De Itineribus in Turciam libellus, Feiice Petantio, Cancellario
Segniae antore. Vienn. 1522. 4^. Dazu Cuspinian^s Schrift De Turcamm
origine, religione et tyrannide. Oft gedruckt, auch in Cuspinian. Opp.
Argent. 1540 und Francof. 1601 vor dem Leben Maximilians. Auch bei
Schwandtner I. p. 867. Vienn. 1746. Vgl. Denis, W. B. G. 8. 229.
Caspinianns. dOö
wobei er eine lebhafte Schilderung der ungarischen Zu-
stände lieferte. *)
Die Hauptwerke Cuspinian's, die ihn einen grossen
Theil seines Lebens beschäftigten, die er aber nicht selbst
herausgab; wurden erst ziemlich lange nach seinem Ableben
durch den Druck veröffentlicht. Es sind diese Schriften,
welche gewöhnlich in ihrer Gesammtheit als Opera Cuspi-
niani bezeichnet werden, Werke, welche die römische
Chronologie in ihrem ganzen Umfange, die römische und
deutsche Kaisergeschichte und insbesondere die österreichi-
schen Länder betreffen. Den auf die römische Geschichte
bezüglichen Schriften sind ziemlich ausfuhrliche Commen-
tarien beigegeben. Diese Schriften stehen in einem ge-
wissen Zusammenhange: die Grundlage oder den Anfang
in der Reihenfolge bilden die Consular fasten^) mit dem
Chronicon Cassiodori und dem Breviarium Sexti
Rufi, welche nebst den dazu gehörigen Commentarien
1553 zu Basel in einem Foliobande Nicolaus Gerbel
durch den Druck veröffentlichte. 3)
^) Oratio protreptica Joannis Cuspiniani ad sacri Ro. Imp. Principes
et proceres, ut bellum suscipiant contra Turcum cum descriptione con-
flictus, nuper in Hungaria facti, quo periit rex Hungariae Ludovicua. —
Cum enumeralione clara dotium, quibus a natura dotata est Hungaria etc.
Vienn. [1526]. 40. Ist auch in den Comment. de Consulib. Rom. 1663 ab-
gedruckt, aber nicht mit Cuspinian's Schrift de Turcarum origine zu ver-
wechseln. Vgl. Denis, W. B. G. S. 346 fl. Aehnlich ist Cuspinian's Com-
monitio ad Leonerti X Papam et Carolum V Imp. caeterosque principes
christianos de capta Constantinopoli et hello adv. Turcas suscipiendo com-
monefactio. Bei Reusneri orat. Turcic. T. II.
2) Aus einer Wien. Handschr. des 15. Jahrb., welche früher der k. Rath
Job. Fuchsmagen (f 1510) besass, der auch seinen Namen in dieselbe ein-
schrieb. Vgl. Th. Mommsen, üb. d. Chronograph, v. J. 354. S. 558. — Es
geliörte dazu auch ein Calendarium Roraanum, wovon Cuspinian dem Philipp
Gundelius eine Abschrift mittheilte. Derselbe Hess sie im Anhange seiner Aus-
gabe von Ovidii fastis. Vienn. 1513 abdrucken. Vgl. unten d. Art. Gundelius.
3) Joannis Cuspiniani de Romanoram Consulibus commentarii ex
optimis vetustissimis authoribus collecti. Voraus war geschickt: Sexti Ruffi
y. Aschbach, Geschichte der Wiener Univers. II. 20
o06 Leben und Schriften der Hnmanisten.
An die Consularfasten reiht sich das Geschichtswerk
De Caesaribus et Imperatoribus Romanorum, woran
Cuspinian schon seit 1512 gearbeitet und das er 1522 nahe
vollendet hatte. •) Diese Kaisergeschichte, welche mit Julius
Caesar beginnt und bis auf die letzten Regierungsjahre
Maximilians I. reicht, sollte eine Art Fürsten Spiegel sein.
Nicht blos die abendländischen Kaiser, sondern auch die
byzantinischen werden besprochen und auch ein Excurs
rerum ^estanim populi Romani epitome cum ejusdem scholiis et Magni
Aurelii Cassiodori Senatoris Chronicon breve seu Conaulare ab U. C. —
Ö19 p. Chr. cum commentariis. Basil. ex Officina Oporini. 1553. Cuspinian
erkannte bei seinen Studien über die römischen Consularfasti die Wichtig-
keit der Cassiodorischen Chronik für die Chronologie; er schrieb sie daher
aus einigen alten Codices ab, für eine Ausgabe des Cassiodor. Er kam
aber nicht dazu. Erst nachdem Sichard 1529 in Basel die Chronik heraus-
gegeben hatte, machte sich Cuspinian's Schüler, der Humanist Nicolaus
Gerbel, an die Veröffentlichung des Cuspinianischen Manuscripts. Dann
wurde Cassiodors Chronik öfter gedruckt, zuletzt besorgte Theod. Mommsen
(Leipzig 1861) eine Ausgabe. Die alten Consularfasten bis 519, welche
man früher als Cuspinianische bezeichnete, bespricht Mommsen in den
Abhandlungen der sächs. Gesellsch. Leipzig 1850 (in der Schrift über den
Chronographen vom J. 354). Mommsen a. a. O. S. 859, n. 1. Cuspinian
benutzte theils die drei Consular -Verzeichnisse der Fuchsmagen'schen
Handschrift (vgl. S. 858), theils das Consular -Verzeichniss des Cassiodor
in einem alten, aus der Schweiz durch Stabius nach Wien gebrachten
neuen Codex; wenn er letzteres sein zweites, dem ersten entsprechendes
Exemplar nennt, so ist dabei nicht an das Original der Fuchsmagen'schen
Handschrift, sondern an die ziemlich genaue Uebereinstimmung der Fasten
beider Handschriften gedacht. Cuspinian sagt von dem Stabius'schen Codex,
er sei admirandae vetustitatis gewesen, quem vix legere potui, ita erat
carie et situ et tineis corrosus. Hunc et Joach. Vadiano et Georg. Colli-
mitio viris veterum monimentorum praecipue studiosis et pluribus aliis
ostendi. ~- lieber die Fasti Ravennates oder den Anonymus Cuspiniani
handelt auch Pallmann, Gesch. der Völkerwander. II. 196 fll. und Pott-
hast, bibl. bist. med. aevi. Suppl. S. 46.
*) Cuspinian sagt 1522 in der Zuschrift an Kaiser Ferdinand in dem
libellus Felic. Petancii de itineribus Turcarum : Cum nuper sed opportune
in suppelectilia mea chartacea opusculum illud Fei. Petancii repertum —
dum Consulum Caesarumque meorum opus jam bene absolutum, nominis
tui (Ferdinandi Principis) auspicio in publicum exierit.
CnspinianüR. 307
über die Religion, Sitten und Einrichtungen der Türken
ist beigefügt. Manche Abschnitte des Werkes sind nicht
ohne Werth, namentlich gehören dahin die der Zeit des
Verfassers näherliegenden Partien.
Auch in Bezug auf das Geographische hat das Buch
seinen Werth. Dass der Historiograph Johann Stabius und
der Geograph Ladislaus Suntheim ihm in ihren Schriften,
die nur zum Tteil gedruckt sind, manches Material geliefert
haben, dürfte unzweifelhaft sein. Sein Freund Nicolaus
Gerbel von Pforzheim, der die Consularfasten und die
Cassiodorische Chronik herausgegeben, hat sich in pietät-
voller Weise ein namhaftes Verdienst um seinen früheren
Lehrer erworben, dass er dieses Geschichtswerk mit einer
Lebensbeschreibung des Verfassers 1540 in Strassburg in
Druck veröffentlichte. ^)
Das bedeutendste Werk, das Cuspinian hinterlassen
hat, ist ohne Widerstreit seine Au Stria. Er hat in lang-
jährigen Studien ein sehr reiches Quellen material zusammen-
gebracht, w^obei ihn seine humanistischen Freunde Johann
Stabius, Ladislaus Suntheim, Georg Collimitius u. A. mit
ihren ansehnlichen Sammlungen unterstützten. Er behandelt
nicht nur die ganze österreichische Geschichte von den
Babenbergischen Markgrafen an bis auf Maximilians L Tod,
sondern es wird auch eine Beschreibung der Landschaften
geliefert, indem überall auch das Geographische und Topo-
graphische seine Berücksichtigung findet. 2) Es lag daher
*) Joannis Cuspiniani poetae laiireati et Medicinae Doctoris de Caesa-
ribus atqne Imperatoribus Romanor. opus insigne ed. Nicolaiis Gerbelius.
Argentorat. 1540. fol. Deutsch ron Hedio. Strassb. 1541. fol. Mit Anno-
tationes von Wolfgang. Hnngari. Basil. 1561. fol. Wiedergedr. in Opp.
Cuspinian. Francof. 1601. fol.
2) Am Schlüsse der Austria bemerkt ihr Verfasser: Superest, ut
omnes fluvios, montes, oppida, castra et villas pro complemento subjicia-
mus, quae omnia sua peregrinatione J. Stabius oculis lustravit et jussu
Maximiliani Caesaris descripsit, Georg. Collimitius auxit et in pnlchram
20*
308 Leben und Schriften der Hnmanisten.
in der Absicht Ciispinian's, auch Karten beizug^eben, welche
die Mathematiker und Astronomen Johann Stabius und
Georg Collimitius besorgten. Da sie dem Drucke nicht
beigegeben wurden, so sind sie wohl verloren gegangen.
Wenn in der Austria auch manche Unrichtigkeiten und
schiefe Auffassungen vorkommen, so ist doch anzuerkennen,
dass man darin bereits den Anfängen einer kritischen
Behandlung der österreichischen Geschichte begegnet, *)
und Manches schon eine richtige Darstellung gefunden
hat, was erst durch spätere Forschungen als begründet
festgestellt worden ist. Von den Träumereien eines Stabius
in Bezug auf das hohe Alter der nachweisbaren Abstammung
des habsburgischen Hauses hielt er sich ferne. Er bekämpfte
auch die angeblichen Privilegien Cäsars und Neros für
Oesterreich. — Es verging ein volles Menschenalter nach
Cuspinian's Tod, bis der Humanist Caspar Bruschius aus
Schlackenwald in Böhmen, der sich durch ein Werk über
die deutschen Klöster und Bisthümer einen Namen gemacht
hatte, ^) es übernahm, die Austria in Basel in einem Folio-
bande herauszugeben.«^)
tabulam redegit, quam nunc subjungam, ut omnibns iniiotescat Austriae
Situs, lieber die Descriptio (Karte) iirl>is Viennensis Danubiique spricht er
im Anfange der Comment. in Cassiodor. Chronic. , und von der beabsich-
tigten Tabula Hungariae in dem Werke de Consulibus: Descriptiones regni
Hungariae et tabulam ejus addidi regi Hungariae Ferdinandi diciavi, quae
jam impressa circumfertur, opus hercle insigne, al»ait invidia verbo.
') Cuspinian bezeichnet selbst die Richtschnur seines Verfahrens bei
seinen Anga])en: Nihil assero praeterquara quod ea sie reperi in vetu-
stissimis annalibus venerandae antiquitatis.
'^) Adalb. Horawitz, Caspar Bnischius. Prag und Wien 1874, beson-
ders S. 135, wo auch von des Bruschius Vorrede zur Austria oder dem
Carmen zum Lobe Oesterreichs gesprochen wird.
^) Joannis Cuspiniani Austria cum omnibus ejusdem marchionibus,
ducibus, arcliiducibus ac rebus praeclare ad haec usque tempora ab iisdem
gestis cum praefat. Caspar. Bruschii. Basil. 1553. fol. In den Opp. Cuspin.
Francof. 160J. fol. Vgl. Vogel, Specim. Bibl. Germaniae Austriae. Viemi.
1779, I. 19.
Cuspinianns. 309
In neuester Zeit hat man auch ein Tagebuch Cuspinian's
edirt. In einem gedruckten Almanach novum (vielleicht von
Tannstetter) über die Jahre 1499 — 1529, der sich auf der
Wiener Hofbibliothek befand, hatte Cuspinian eigenhändig
Notizen über die Tagesereignisse, seine Gesandtschaften,
Familienvorfalle (van 1502 — 1527) eingetragen. J. Heyren-
bach, gewesener Gustos der Hofbibliothek, schrieb aus dem
Almanach, der jetzt für verloren gehalten wird, auf zehn
Quartblättern die Notizen ab,^) und Karajan veröffentlichte
sie als Cuspinian's Tagebuch.^) Da die Notizen nicht in
einem Manuscripte, sondern in einem gedruckten Almanach
eingeschrieben waren, so ist das ursprüngliche Tagebuch
nicht bei den Handschriften, sondern unter den gedruckten
Büchern zu suchen.
Cuspinian's Epistolae, Praefationes, Inscriptio-
nes etc. und andere kleinere Opuscula, in verschiedenen
Werken zerstreut, sind bis jetzt noch nicht gesammelt. 3)
>) Chmel, die Handschr. der k. k. Hofbibl. in Wien. 1840. I. S. 473
nach dem Cod. Mb. Nr. 7417: Joannis Cuspiniani diarium res aetate sua
gestas complectena.
2) In den Fontes rerura Austriacar. (1. p. 397 — 416) der Schriften der
k. Akad. der Wissensch. in Wien. 1855. Heraiisgeg. von Th. v. Karajan,
Tagebuch Johannes Cuspinian' s. 1502 — 1527.
•') Philipp Gundel in seinem im J. 1519 auf Kaiser Maximilian ge-
druckten Epicedion spricht von vier Epitai>hia Chispinian's und einer Stein-
Inschrift desselben. Denis S. 207. Fischer in den Notit. Vindob. P. II. p. 58,
P. III. p. 201 theilt die zwei Steininschriften Cuspinian's an seinem Hause
zum „Rössel" in der Singersirasse mit. Die Inschrift in der Deutschen
Ordens-Capelle gibt ebenfalls Fischer II. p. 56.
Eubolius.
Gabriel Gutratlier aus Laufen im Salzburgischen
t 1527.
Gabriel Gutrather, dessen humanistischer Name
Eubolius oder Eubulius aus dem Griechischen ent-
nommen war, hatte Laufen in der Salzburgischen Diöcese
zur Geburtsstätte. An der Wiener Universität docirte er
zuerst als Magister artium, ging aber schon vor dem letzten
Decennium des 15. Jahrhunderts zur juridischen Facultät
über. In deren Matrikel ist er bereits beim J. 1492 als
Licentiatus juris canonici eingetragen. Im J. 1500 wählte
man ihn zum Rector der Universität. ^)
Der gelehrten Donaugesellschaft trat er als Mitglied
bei,2) jedoch ist von ihm keine poetische Production bekannt.
Im J. 1509 finden wir ihn als Syndicus oder Proto-
notarius der Stadt Wien"^) und nach den stürmischen
*) 8teyerer bist. Albert. II. p. 487 aus der Univ. Matrik.: Anno 1500
die divor. Tibiircii et Valeriani designatus est per qnatuor procuratores
Gabriel Gutrater de Lauffen Salisburgensis artium liberal. Mag. sacra-
tissimaeque jurispriidentiae Licentiatus, in moderatoreni rei publ. literariae
praefati studii de consultlssima facultate jurisconsultoruni.
2) In der cnspinianiscben^Inschrift, welcbe die Namen der Mitglieder
der Sodalität angibt, wird er namentlich angeführt.
3) Cuspinian's Tagebuch S. 400 gibt an beim 17. Mai 1509, der
Firmpathe seines Sohnes Sebastian Felix sei gewesen Gabriel Eubolius :
prothonotarius nostre urbis Vienne Magister Gutrater dictus, Licen-
tiatus juris.
Eubolins. 311
Bürgerunruhen in Wien im J. 1521 unter dem Bürgermeister
Johann Rynner wurde er bei dem factischen Regierungs-
antritte des Erzherzogs Ferdinand als Bürgermeister seit
1522 eingesetzt. Noch vor der ersten Belagerung Wiens
durch die Türken 1529 war er aus dem Leben geschieden. ^)
Näheres von seinem Leben und seiner literarischen
Thätigkeit ist nichts bekannt.
') Die Matrikel der rheinischen Nation steht im Widerspruch mit
der Grabschrift, indem die erste re 1527, die letztere 1529 als Todesjahr
angibt. Die Matrikel meldet: Item moritur repentina morte vir egregius
Gabriel Giitradter, qui annis multis prothonotarius Viennensi» fuit, a. do-
mini 1527 die 9. Febr. Die Grabschrift in St. Stephan lautet: (cf. Locher
Spec. p. 400):
Hier liegen begraben
Gabriel Guetrather
der Rechte Licentiat
und Frau Catharina
seine eheliche Hausfrau
MDXXIX
Vielleicht bezieht sich die Jahreszahl 1529 nur auf das Todesjahr von
Gutrather's Frau. '
Fabri.
Udalrich Schmidts aus Thornberg in der Schweiz.
t n. 1544.
Ulrich Fabri aus Thornberg im Schweizer Canton
Bern gebürtig,^) mit dem Beinamen Rhaetus, gehört zu
den humanistischen Epigonen, die in der letzten Zeit Maxi-
milians I. an der Wiener Universität auftreten oder erst
unter dessen Nachfolger Ferdinand sich einen Namen machen.^)
Sein deutscher Name ist nicht bekannt : er mag wohl
Schmieds oder Schmidts (Schmitz) gelautet haben.
Seine früheren Studien in der artistischen Facultät hat
er ohne Zweifel in Wien gemacht. Im J. 1514 kam er von
Klosterneuburg, wo ei- Schulmeister gewesen, ^) nach Wien
und tritt nach wenigen Jahren daselbst unter den Huma-
nisten als artistischer Magister auf. Daneben betrieb er
nach dem Beispiele seiner Gönner und Freunde Cuspinian
und Vadian das Studium der Ärzneikunde '*) und erhielt die
*) Rosas I. 2. p. 140 gibt Vorarlberg als seine Heimat an.
■^) Ausser den spärlichen Notizen in den Act. fac. art. vgl. über ihn: die
dürftigen Angaben in Script, univ. Vienn. P. III. p. 10. Denis, Wiens
Buchdr. Gesch. S. 169 und in verschiedenen Noten bei der Drucknach-
weisung seiner Schriften.
3) Vgl. Denis, W. B. G. S. 168,
*) Script, luiiv. Vienn. P. III. p. 10: Udalricus Fabri, nonnullis
Faber, natione Rhetus, cum Francisco Emerico medicinam profiteri
jussus fuit.
Pabri. 313
medicinische Doctorwürde. Wenn Fabri sich auch als
Dichter und Kenner der lateinischen Sprache auszeichnete,
so kann er doch nicht wegen seiner besonderen Verdienste
um die Verbreitung des Griechischen gepriesen werden. ^)
Seine akademische Wirksamkeit beginnt erst recht von der
Zeit an, als sein Landsmann Vadianus Wien verlassen und
in seine Vaterstadt St. Gallen zurückgekehrt war (nach dem
J. 1518).
Von 1524 bis 1532 war er vier Mal Rector. Bei
seinem ersten Rectorat wird er schon als Doctor Medi-
cinae genannt: er führte auch die Benennungen Physicus
und Poeta. Seit dem J. 1533 bekleidete er die von der
Regierung bestellte Professur der praktischen Arzneikunde. 2)
Sein Todesjahr steht nicht ganz fest: jedenfalls starb er
erst nach 1544, ^) da er in diesem Jahre zum siebenten
Male als Decan der medicinischen Facultät ihre Geschäfte
geführt hat.
Zuerst trat Udalricus Fabri mit der Herausgabe einiger
italienischer Schriftsteller auf: er gab 1516 in Wien den
Dialog Phil aleth es des Dichters Maffeo Vegio von Lodi mit
einem gelehrten Commentar und einem Gedichte heraus;^)
^) Mailath, Gesch. v. Oesterr. I. S. 391 gibt die sonderbare Notiz:
„Dem Ulrich Fabri gebührt das Verdienst, durch Uebersetzungen aus dem
Griechischen in das Lateinische mehr Lust und Eifer zur griechischen
Sprache für die Folgezeit erweckt zu haben".
2) Act. fac. Medic. lib. III. p. 121 ad ann. 1533. Unter Kaiser
Ferdinand wurden zwei von der Regierung besoldete Lectoren der Arznei-
kunde angestellt (1533): der eine (Udalricus Fabri) hatte sich mit der
Praxis, der andere mit der Theorie zu befassen. Vgl. Rosas, Gesch. der
Wien. Hochschule, insb. der medic. Fac. I. 2. S. 47.
3) In den Script, univ. Vienn. P. III. p. 10, wo über ihn nur wenige
höchst dürftige Notizen gegeben werden, ist sein Tod 1541 angesetzt
Rosas setzt ihn ins J. 1544.
*) Vgl. Denis S. 151 fll. Maphei Vegii Laudensis poetae et oratoris
Dialogus, cui nomen Philaletlies (de Veritate) Vienn. 1516. 4^.
3l4r Lebea nnd Schriften der Hnraanisten.
dann im folgenden Jahre ebendaselbst Petrarca's Epistola
ad Thomam Messanensem mit Gedichten und einer Zu-
schrift an seinen Freund Jacob Kornhuber; ^) im selben
Jahre machte er zu dem Camertinischen Justinus den
Index nebst einer Elegie zum Lob der Historie und einer
Zuschrift an den Wiener Bischof Georg Slatkonia. 2) In
gleicher Weise fügte er auch der von Joh. Gremper 1514
herausgegebenen Schrift de Vitae perfectione des Gregor
von Nyssa, welche Georg von Trapezunt aus dem Griechi-
schen ins Lateinische übersetzt hatte^ eine Ode bei. ^)
Die Familiarium colloquiorum Formulae des
Erasmus Kotterdamus edirte er in Wien 1519 und
stattete sie mit einem empfehlenden Gedichte aus. ^)
Seine literarische Thätigkeit in humanistischer
Richtung legte er durch Veröffentlichung alter Schrift-
steller an den Tag, welche Ausgaben er theils mit Scho-
lien, theils mit Zuschriften und poetischen Beigaben versah.
Wir führen von diesen Ausgaben folgende an :
Piatonis Dialogus de philosophia atque ejus amatoribus
nach der Uebersetzung des Marsilius Ficinus, nebst einer
Zuschrift an den damaligen Rector Christ. Kulber und einer
Sapphischen Ode in laudem Gymnasii Viennensis. Vienn.
1517 an seine Freunde Ambrosius Salzer, Johann Hueber,
Martin Edlinger und Sebast. Wunderl. ^)
Basilii Magni libellus de veterum scriptorum et prae-
sertim poetarum libris Vienn. 1518. [Mit gelehrten Scholien.]®)
') Denis 168. Francisci Petrachae Oratoris et poetae Epistola ad
Th. Messanensem de inventionibus et ingenii vi etc. Vienn. 1517. 4.
2) Vgl. oben im Artikel Camers.
3) Denis S. 176. Es finden sich auch Oden von anderen Humanisten,
Hadelius, Gundelius, Logus etc. beigefügt
*) Vgl. Denis S. 195.
^) Denis, W. B. G. S. 321, unter den Werken, deren Druckjahr nicht
bestimmt ist.
«) Denis S. 190.
Fabri. 315
M. T. Ciceronis Oratio quam pro Aulo Licinio poeta
habuit unde et mag-na Poeticae laus in hac ipsa continetur
coloribus rlietoricis in inarg^ine suo loco eleganter appositis.
Udalric. Fabri lectoribus mit poetischen Beigaben, worunter
auch Fabri's Ode ad Rupert. Arietinum (Ilödl) coUegam et
Gymnas. Vienn. Vice-Cancell. und Tetrastichen ad Germa-
niae juventutem. Vienn. 1518. ')
Tabula Cebetis Thebani in der lateinischen Ueber-
setzuug von Ludovicus Odaxius Patavinus. Vieon. 1519 [mit
ScholienJ. 2)
Boethius de consolatione philosophiae in einer kritischen
Ausgabe. Vienn. 1521. 3)
Das von seinem Freunde, dem Ingolstädter Professor
der Poetik Jacob liOcher Philomusus, geschriebene Judicium
Paridis ludi cujusdam instar carmine descriptum (welches
Stück in Ingolstadt 1502 aufgeführt worden) gab Fabri mit
Erläuterungen heraus. Das Druckjahr ist nicht angegeben.'*)
Endlich sind von den poetischen Productionen Fabri's
noch anzuführen:
De Resurrectione Christi protrepticon ad laetitiam ele-
gia. Vienn. 1523. ^)
Epicedion in obitum Rudolphi Agricolae junioris.
Cracov. 1521.«)
Panegyris ad Baronem a Polhaim et Wartemberg:
authore Ulricho Fabri Rlieto Physico et Poeta, publico deni-
que humanarum literarum celeberrimae Viennensis Acade-
miae Professore et Rhetore. Ejusdem nonnulla Epigrammata.
Vienn. 1526. 7)
1) Denis S. 190.
2) Vgl. o})eii den Artikel Camers.
3) Denis S. 234.
*) Denis S. 642.
5) Sciiptor. univ. Vienn. 1. c.
ß) Vgl. oben den Art. Agricola.
7J Vgl. Denis S. 258.
Gerbelius.
Nicolaus Gerbel aus Phorzheim in Baden.
t 1560.
Nicolaus Gerbel aus Pforzheim gehörte zwar zu
den Humanisten und er war als Alumnus des Collegiums poe-
tarum (Musophilus benannte er sich damals)*) ein Schüler
des Conrad Celtes, aber er trat wenig als Dichter und mit
selbstständigen schriftstellerischen Arbeiten auf. Von Cuspi-
nian und dem kaiserlichen Rath Krachenberger besonders
unterstützt , 2) vollendete er in Wien seine Studien in
der artistischen Facultät. Seine literarische Thätigkeit be-
schränkte er vorzüglich darauf, dass er Werke seiner Lehrer,
namentlich des Cuspinian und Camers mit Vorreden und
Empfehlungen in Prosa und in Versen versehen heraus-
gab. Bei manchen Schriften, welche aus der Officin der
Buchdrucker Hieronymus Liebenthal und Johann Singren
hervorgingen und von den Gebrüdern Leonhard und Lucas
Alantsee verlegt wurden, besorgte er die Correctur und
Revision. In solcher Weise finden wir ihn thätig im Jahre
1512 bei der Herausgabe des Camertinischen Pomponius
*) Vgl. oben im Art. Conrad Celtes S. 249.
2) Gerbel gibt dieses in seiner Vita Ciispiniani, welcher er dessen
Opus de Caesaribus atque Imperatoribus beifügt, ausdrücklich an.
Gerbelius. 317
Mela ^) und der neuen verbesserten Ausgabe der Perottischen
lateinischen Grammatik (1513 und 1518), welche früher durch
Bernhard Perger veranstaltet worden war. 2)
Später betrieb er auch die juristischen Studien, jedoch
ohne darin sich durch eine schriftstellerische Leistung aus-
zuzeichnen. Nach dem Tode des Kaisers Maximilian ver-
Hess er Wien; wir finden ihn später in Strassburg, wo er
an der Universität Geschichte docirte und im Jahre 1560
aus dem Leben schied. ^)
Als im ersten Decennium der Reformationszeit in Strass-
bürg Lutheraner, Zwinglianer und andere Glaubensneuerer
auftraten, gehörte Gerbel zu den ersten Beförderern des
Lutherthums und gewann vor allen Anderen die Gunst und
den Beifall des Wittenberger Reformators, der durch ihn von
allen Vorgängen in Strassburg auf das genaueste unterrichtet
wurde. Luther schrieb ihm 1528, dass er hoffe, dass Bucer und
dessen Anhänger die verdiente Strafe wegen ihrer Schlechtig-
keit noch treffen möge, dass aber Gerbel, der unter Bestien
und Schlangen, Pardern und Löwen wie ein zweiter Daniel
lebe, in der Wahrheit des Glaubens erhalten werde. Gerbel
berichtet ihm dann im folgenden Jahre, dass er von dem Ver-
kehre mit den Strassburger Predigern ganz abgesondert sei."*)
1) Denis, W. B. G. S. 72.
2) Bernhard Perger hatte die Perotti'sche Grammatik Wien 1502
herausgegeben; neue Ausgaben folgten 1513 und 1518, die letztere führte
den Titel: Grararaatices institutiones novae magistri Bernhardi Pergeri et
modo vere novae, paucis pro uberiori utiliori et necessaria puerorum erudi-
tione additis, mit Index und poetischen Zuschriften von Nicolaus Gerbel
und Udalr. Fabri zur Empfehlung. Das Werk besteht aus vier Theilen.
Der erste Abschnitt handelt von den Theilen der Rede, der zweite von
der Construction, der dritte vom Briefschreiben, der vierte von der Prosodie.
Neu beigefügt ist die kleine Schrift von dem Italiener Mancinelli, Summae
declinationis Lexicon. Vgl. Denis, W. B. G. S. 192.
3) Denis, W. B.^G. S. 85. Note.
*) Röhrisch, Reform, im Elsass. II. 88. 119 und I. 310 fl., wo die
Epistola Gerbelii ad Luther, d. d. 23. April 1525. Vgl. Döllinger,
Reformat. II. S. 7 und 55 fl.
318 Leben nnd Schriften der HumaniBten.
Es war in Wahrheit eine Sache der Pietät und Dank-
barkeit^ dass er von seinem Lehrer und Wohlthäter Cuspi-
nian das Werk de Caesaribus atque Imperatoribus Romanis
im J. 1540 edirte und zur Einleitung Lebensnachrichten
über seinen früheren Gönner beifügte, welche Vita freilich
mehr als ein rhetorischer Panegyricus denn als eine streng
historische Biographie zu bezeichnen ist. ') Später edirte er
auch das von Cuspinian mit einem Commentar versehene
Chronicon Cassiodori aus dessen Nachlasse im Drucke 1552.2)
Seine Briefe finden sich an verschiedenen Orten zer-
streut; man hat sie noch nicht gesammelt und heraus-
gegeben. ^)
') JoannLs Cuspiniani Poetae laureati et Medic. doct. etc., de Cae-
saribus atque Imperatoribus Romanis opus insigne ed. Nicolaus Gerbelius.
Argent. 1540. fol.
2) Vgl. oben Cuspinian's »Scbriften. Cassiodori Chronic, c. comment.
Cuspin. Hasil. 1562 ed. Nie. Gerbel. fol.
•^) Auch in dem Münchener Codex 4007 der k. Ilofbibliothek, welcher
vorzüglich Briefe von und an den Humanisten Midi. Hummelberger ent-
hält, finden sicli Briefe von Nicol. (lerbelius. Vgl. Horawitz, M. Hummel-
berger. Berl. 1875. S. 9.
Gundelius.
Philipp Gundel aus Passau in Baiern.
t 1567.
Philipp Gundel,^) der nicht wie die meisten deut-
schen Humanisten seinen Familiennamen ins Griechische
oder Lateinische übertrug, war 1493 in der Diöcese Pas sau
in Baiern geboren. 2) Er kann als der letzte Humanist aus
der Celtes'schen Schule angesehen werden. Seine Universitäts-
studien machte er in Ingolstadt, wo berühmte Gelehrte be-
sonders in der artistischen Facultät viele Studirende um
sich versammelt 'hatten. Dann kam er 1511 nach Wien,
wo er unter der Leitung der Italiener Camers und Cospi,
wie auch des Schweizers Vadianus die humanistischen
Studien fortsetzte und zugleich auch im Hause Cuspinian's
dessen Sohn Sebastian unterrichtete. ^) Nachdem er die
') Was in den Script, univ. Vienn. IJI. p, 33 sq. über ihn bemerkt
wird, ist äusserst dürftig.. Kink I. S. 209, n. 242 gibt über ihn einige
gute Notizen.
2) lieber seine früheste Jugendzeit gibt Gundelius selbst Nachricht
in der Zuschrift an den baierischen Herzog Ernst, Administrator des Stiftes
Passau, welche dem Epicedion ad Divum Caes. Maximilian. Vienn. 1520
vorgesetzt ist. Vgl. Denis, W. B. G. S. 207.
3) Denis, W. B. G. S. 184 nach einer Vorrede des Gundelius.
o2\j Leben und Schriften der Humanisten.
Magisterwürde erlangt hatte, widmete er sich den
juridischen Studien, worin er das Doctorat sich erwarb. *)
Seine ungewöhnliche rhetorische und dichterische Be-
gabung, wie auch seine gründlichen Kenntnisse in den alten
classischen Sprachen empfahlen ihn nach dem Abgange des
Joachim Vadianus, der 1518 in sein Vaterland St. Gallen
zurückkehrte, zur Professur der Poetik und Eloquenz 2)
und im Anfang des Jahres 1519 hielt er im Auftrage der
Universität bei den Exequien des Kaisers Maximilian die
Leichenrede. ^)
Im Jahre 1521, wo politische Unruhen die Wiener
Universitäts- Verhältnisse zerrütteten, und die Verheerungen
der Pest nöthigten die Hörsäle zu schliessen, begab sich
Gundelius nach Polen, wo er an der Hochschule Krakau
die Rechte lehrte. Aber schon nach kurzer Zeit kehrte
«
er nach Wien zurück^) und trat ganz in die juridische
Facultät ein. 1530 war er ihr Decan und zehn Jahre später
bekleidete er das Rectorat.
^) Denis, W. B. G. S. 217. Script, univ. Vienn. III. p. 33.
2) In einer gedruckten Oratio ipso die christiani Natalis initio Anni
MDXIX habita Leopoldo Jordano philosopho ae medico, aeademiae
moderatore (vgl. Denis, W. B. G. S. 185) sagt Gundelius von sich selbst:
Illins (Cuspiniani) beneficio nuper in nostro illo gymnasio Viennensi
poetices et eloquentiae publica professio cum decentissimo quidem honorario
post — — Joachim. Vadianum mihi delata est.
3) Rhein. Nat. Matrik. ad ann. 1519. Laudavit pro funere . . . Mag.
Philipp. Gundelius Bojus, Ordinarius poetices. Consp. bist. univ. Vienn.
ad ann. 1519.
*) Velins Ursinus in einer Epistol. ad Erasmum vom. J. 1524 (vgl.
Denis S. 244):
Postremus rediit (Viennam) gelidis praecanus ab oris (Poloniae)
Gundelius, quo vix hodie jucundior alter
Vivit homo.
Nach der Oratio, welche Phil. Gnndel im Namen der Universität an den
Erzherzog Ferdinand bei seinem Einzug in Wien, 21. August 1522, hielt,
ist die Zeit seiner Rückkehr nach Wien zu bestimmen. Die Oratio in MS.
auf der HofbibL Nr. 7416.
Gandelins. 821
Grosse Auszeichnungen ertheilte ihm der römische
König Ferdinand, der ihn zum geheimen Bath seiner
Gemalin Maria und zum Fiscaladvocaten von Niederöster-
reich ^) ernannte und ihm mancherlei Beweise seiner beson-
deren Gunst gab. Auch die Universität wollte dem ausge-
zeichneten Gelehrten ihre vorzügliche Achtung und Aner-
kennung seiner Verdienste dadurch aussprechen, dass sie
ihm die sonst nicht vorgekommenen Ehrentitel : beständiger
Patronus und Conservator zuerkannte. 2) — In innigster
langjähriger Freundschaft stand er mit dem berühmten
Mathematiker, Astronomen und Medicus Andreas Perlacher,
dem er auch eine Grabschrift setzte.^)
Philipp Gundel erreichte ein hohes Alter: er starb am
4. September 1567 im 75. Lebensjahre; auf dem Kirchhofe
bei St. Stephan ward er beerdigt und ihm daselbst ein
Grabstein mit einer Inschrift von seinem Schwiegersohne
Ambrosius Brassicanus gesetzt. ^)
^) Script, univ. Vienn. 1. c. Consultissimus ad haec juris utriusque
ad summomm Principum consilia admotus, Ferdinand! I. inferioris Austriae
fisci advocatus et consiliarius regiminis summa fide, dexteritate ac pru-
dentia haec munera obivit.
2) Conspect. bist. Vienn. III. 33 besonders nach dem Zeitgenossen
Eder, Catal. Rect. p. 75, wo die grössten Lobpreisungen auf GundeFs
Gelehrsamkeit in griechischer und römischer Literatur, seine Verdienste
um Beförderung der Wissenschaften an den Universitäten Krakau und
Wien ausgesprochen und die Ehrenämter angegeben werden, w'elche er
von Kaiser Ferdinand und der Hochschule Wien erhielt.
3) Locher Specul. p. 402. Vgl. unten den Art. Perlacher.
*) Das Epitaphium, welches Locher Specul. p. 404 mittheilt, lautet:
D.O.M.S.
Philipp! Gundelii J . C.
Caesare! olim Senatoris
exanime corpus
hie conditum est.
Excessit a. Christi MDLXVII
quarta Septembris
Cum vixisset annos LXXIV
Mens. rV dies III.
T. Aschbach, Geschichte der Wiener ünivers. II. 21
3^2 Leben nnd Schriften der Humanisten.
Obschon Philipp Gundel zu den ersten juridischen
Celebri täten ^) an der Wiener Universität in Ferdinands I.
Regierungszeit gehörte, so besitzen wir doch von ihm keine
einzige die Kechtskunde betreflfende Schrift. 2) Seine lite-
rarische Thätigkeit erstreckte sich auf die humanistischen
Fächer, auf Poesie, Beredsamkeit und Herausgabe
alter Autoren; besonders zahlreich sind seine kleinen
dichterischen Productionen aus seiner früheren Zeit,
als er sich noch ganz dem Humanismus widmete und er
die von seinen Gönnern und Freunden herausgegebenen
Schriften mit Elegien, Epigrammen, Zuschriften, Epita-
phien etc. ^) versah und die von ihm als Professor der Elo-
quenz gehaltenen Universitätsreden edirte. *)
Catharina iixor
et Margaretha filia
eaedemque heredes
Marito et patri
benemerito P . P.
Joanne Ambrosio
Brassicano J . C.
genero carante.
In den Script, univ. Vienn. ist sein Tod unrichtig ins J. 1568 gesetzt.
') Casp. Bruschius in dem Carmen zum Lob Oesterreichs, welches
er seiner Ausgabe von Cuspiniani Austria (Basil. 1553) vorsetzt, nennt
unter den ersten Wiener Gelehrten seiner Zeit den Passauer Dr. Philippus
Gundelius, den Juristen, den er mit dem Römer Scaevola und dem Armen-
Advocaten Ipho (Yvo) vergleicht, ja ihn sogar als Aristoteles seiner Zeit
bezeichnet.
2) Wenn man etwa seine Consilia pro Ferdinand. I. Imp. contra
Paulum IV. papam (auf der Wiener Hofbiblioth. in MS. Nr. 8727) aus-
nimmt.
3) Eine Sammlung von seinen Gedichten und poetischen Productionen,
aber keine vollständige, erschien noch zu Lebzeiten des Verfassers:
Philippi Gundelii Carminum libri II. Vienn. 1539. 8. Vgl. Janoc. Memor.
Miscell. Polon. Vol. I. p. 105. Denis S. 396.
*) Dahin gehört vorzüglich seine unter dem Rectorate des Leopold
de Jordanis gehaltene Amtsantrittsrede (1519), worin er einige Nachrichten
über sein Leben gibt (Vgl. Denis, W. B. G. S. 185) und sein Leichen-
OundeliQB. 323
Schon in seinem zwanzigsten Lebensjahre 1513 war er,
besonders auf Anregung seines Gönners Cuspinian, mit ver-
schiedenen schriftstellerischen Arbeiten aufgetreten. Die von
ihm edirten Panegyrici variorum et declamationes
nonnullae perquam eruditae hactenus non impressae sind
eigentlich von Cuspinian zum Druck vorbereitet und von
Gundel edirt. *)
So wurde auch das von Jacobus Faber Stapulensis in
Paris 1502 herausgegebene Compendium philosophiae
moralis ex Aristotelis £thicorum et Politicorum
libris von ihm und seinem CoUegen Martin Edlinger zum
Wiederabdruck gebracht. 2)
In gleicher Weise Hess er das von dem italienischen
Humanisten Antonius Geraldinus verfasste Bucolicon
(oder XII Eglogae) de vita Christi wieder abdrucken und
fügte ein Carmen hinzu. ^)
Die bedeutendste literarische Leistung Gundel' s aus
diesem Jahre aber ist seine Ausgabe der Libri Publii
Ovidii Nasonis Fastorum sex, welche er ohne Zweifel
auch mit Unterstützung Cuspinian' s machte. 4)
gedieht (Epicedium) anf Kaiser Maximilian, welches bei dem Anniversarium
(19. Jan. 1620) in Druck erschien, nebst einer Anzahl griechischer und
lateinischer Epitaphien. Vgl. Denis S. 206.
*) Vgl. oben Cuspinian^s Leben S. 300.
2) Denis S. 87.
3) Denis S. 81.
*) Der vollständige Titel der Schrift lautet: Publii Ovidii Nasonis
Fastorum libri sex diligentissime recogniti. Addito Calendario Romano
venerandae vetustatis nunquam ante impresso, nebst einer dichterischen
Querela Philippi Gundelii de sex Fastorum libris amissis. Yienn. 1513. 4^.
(Vgl. Denis S. 90.) Dass Marens Welser die Ausgabe ins J. 1510 setzt,
ist offenbar unrichtig. In Script, univ. Vienn. III. p. 34 wird bemerkt,
dass Welser diese Ausgabe nicht habe auftreiben können. Vgl. Th. Mommsen,
Ueber den Chronographen vom J. 354. S. 561 fll. und oben im Leben des
Cuspinianus S. 299. Die Ausgabe selbst hat keinen besonderen kritischen Werth,
aber merkwürdig ist der beigefügte römische Kalender, welchen Cuspinian
21*
324 Leben und Schriften der Humanisten.
GundeFs beigefügtes Kli^egedicht über die sechs ver-
lorenen Bücher der Oyidianischen Fasti ist in so fern inter-
essant^ als daraus zu entnehmen ist^ auf wie wenig Wahrheit
die Angabe des Celtes beruht, er habe diese Bücher in einem
Kloster aufgefunden. Cuspinian, der vertraute Freund des
Celtes, welcher sich, wie bekannt ist, vielfach mit Ovid's
Gedichten beschäftigte, würde sicher von dem Funde nähere
Kenntniss gehabt und ihn seinem Lieblingsschüler Gundelius
nicht verschwiegen haben, wenn die Sache wahr gewesen.
Als Nachahmungen der zweiten und sechsten Ekloge
Virgils gab Gundel zwei Carmina heraus, welche die Titel
fuhren: Apollinodia und Callinera. Sie wurden seinem
Zögling, dem Sohne Cuspinian's, Sebastian Felix, ge-
widmet. ^)
Die Ausgabe von Claudian's Carmen in Rufinum, 2) ein
Abdruck der im J. 1510 erschienenen Camertinischen Edi-
tion, war in gleicher Weise wie die Ausgabe des siebenten
Buches der Plinianischen Natui-geschichte, für die Scholaren
bestimmt, die er, nach Vadian's Abreise in sein Schweizer
Vaterland, in den Vorlesungen über die Rhetorik um sich
versammelte. ^)
Die Vielseitigkeit der Wiener Humanisten zeigte sich
auch bei unserem Gundelius. Von den classischen Autoren
von dem kaiserlichen Rath Fuchsraagen erhalten hatte und den später
Lambec. Comment. Hb. IV. App., KoUar Anal. Vindob. p. 495, wie auch
in neuester Zeit Mommsen wieder haben abdrucken lassen.
') Philippi Gundelii Pataviensis philosophi et jurisprudentiae can-
didati Aeglogae duae: quarnm prior Apollinodia, altera Callinera inscri-
bitur. Vienn. 1518. 4^. Gundel dichtete die beiden Eklogen auf einer
ungarischen Reise, welche er in Gesellschaft mit seinem Gönner Ouspinian
machte.
^) Claudii Claudiani poetae in Rnffinum libri duo. Philippus Gun*
delius Studiosis. Vienn. 1518.
3) C. Plinii Secundi Über septimus naturalis historiae. Philippus
Gundelius ad studiosam juventutem. Vienn. 1519.
Gnndelius. 325
wandte er sich zu den Kirchenschriftstellern. Er edirte 1521
Tertullian's Apologeticus adversus gentes, *) kehrte
aber schon im folgenden Jahre zu Cicero zurück, dessen
Oratio pro lege Manilia er herausgab, und stellte in der
Praefatio in Aussicht, nach und nach alle Reden in für die
Scholaren bestimmten Ausgaben zu veröffentlichen, welchem
Versprechen er aber nicht nachkam. '^)
Ebenfalls für Studirende der Rhetorik hatte er schon
einige Jahre früher die wichtigsten Briefe des Franciscus
Philelphus mit zwei Episteln des Pico von Mirandola
edirt. ^)
In den späteren Jahren seines Lebens beschäftigte ' sich
Gundel weniger mit humanistischen Studien; theils nahm
ihn das Geschäftsleben mehr in Anspruch, theils fehlte ihm
nach dem Abgange seiner humanistischen Freunde die
äussere Anregung. Ein poetischer Nachruf an den Astro-
nomen und Arzt Andreas Perlacher, ^) und ein Leichen-
^) Q. Septimi Florentis Tertulliani adversus Gentes Apologeticus.
Mit einer Praefatio von Ph. Gundelius. Vienn. 1521. 4. Vgl. Denis,
W. B. G. S. 216.
2) M. TuUii Ciceronis pro lege Manilia sive de imperio Cn. Pompeji
Oratio. Compendii gratia seorsum impressa accurateque emendata. Phi-
lippus Gundelius Studiosis. Vienn. 1522. 4^. In der Vorrede verspricht der
Heraasgeber: Ciceronianas Orationes eo quo .circumferuntur ordine atque
numero, deo dante, universas qua potero fide enarraturus. — Nur die Oratio
pro Tito Annio Milone folgte noch in demselben Jahre, ohne Angabe des
Herausgebers, der aber ohne Zweifel Gundelius -war. Beide Ausgaben
gehören zu den seltenen. Vgl. Denis S. 227.
3) Francisci Philelphi epistolarum summa diligentia excerptarum
liber. Epistolarum item duae ex Joanne Pico Mirandulano. Vienn. 1520. 4^.
Denis S. 214 bezweifelt nicht, dass Gundelius der Herausgeber sei, obschon
er sich nicht genannt hat.
*) Vgl. unten Andreas Perlacher S. 340 das Epitaphium Gundel's auf
Perlacher und seine Elegie auf denselben, in den Comment. Ephemeridum
Andr. Perlachii. Vienn. 1551. Denis, W. B. G. S. 471.
326 Leben und Schriften der Humanisten.
gedieht auf seinen Schwiegersohn Franciscus Emericus, ^)
Professor der Arzneikuade^ der 1560 starb, gehören zu den
letzten dichterischen Productionen unseres Gundelius.
^) ^S^' l^enis S. 492 und 601. Am letzteren Orte bei Gelegenheit
der Angabe der Oratiuncula in fernere D. Fr. Emerici scripta wird be-
merkt: darin Zuschrift von Gundel, dessen Tochtermanu der Verstorbene
war, — endlich die Leichengedichte von Gundel etc.
Hadelius.
Jan Hadel aus Niedersachsen.
I
t n. 1518.
Janus Hadel aus dem Haderland an der unteren
Elbe studirte und lehrte im Anfange des 16. Jahrhunderts
(um 1507) an der Universität Leipzig die liberales artes.
Von seinen Lebensverhältnissen ist ausser dem, was er
gelegentlich von sich selbst berichtet, wenig bekannt. Von
Leipzig kam er auf kurze Zeit an die neu errichteten Hoch-
schulen Wittenberg und Frankfurt an der Oder. Dann
wandte er sich nach Greifswalde in Pommern, von wo er
an die Universität Rostock berufen ward. Der Wander-
Magister ward aber überall von Missgeschick verfolgt. In
Rostock wurden ihm sein Jahrgehalt und die Geschenke, die
ihm der Mecklenburger Herzog gegeben hatte, gestohlen.
Nur durch die Unterstützung edler Menschenfreunde wurde
er grosser Noth entzogen. Der dichterisch ziemlich begabte
Humanist zeichnete sich durch grosse Fertigkeit in der
antiken Versification und durch Schnelligkeit in der Pro-
ducirung von Gedichten über die ihm vorgelegten Stoffe aus. ^)
Er war ein ausgezeichneter Improvisator, der sich durch
^) Solche Gedichte nannte Hadelius Extemporales Camoenae. Vgl.
Denis, Merkw. d. Gareil. Bibl. S. 267.
328 Leben nnd Scliriften der Humanisten.
seine lobpreisenden Gedichte zwar Freunde und Gönner
erwarb, aber auch durch seine satyrischen Angriffe und
beissenden Epigramme erbitterte Feinde und Widersacher
zuzog. Von seinen Gegnern verfolgt, war seines Bleibens
in Rostock nicht lange: er war gezwungen, die Stadt zu
verlassen. Wie ein Abenteuerer wanderte er durch nord-
deutsche Länder bis nach Polen, wo er sich nach Krakau
begab, obschon dort gerade die Pest herrschte und viele
Einwohner aus der Stadt trieb. HadeFs nächste Absicht
bei der Wahl seines Aufenthaltes in Krakau ging dahin,
an der dortigen Universität Vorlesungen über die Poetik zu
halten und daneben die Arzneikunde zu studiren. Noth und
EJrankheit aber suchten ihn bald auf das Aeusserste heim.
Ein sächsischer Arzt Namens Johann Rosbach^^ der sich in
Krakau niedergelassen hatte, und der den Wander-Poeten
behandelte, erbarmte sich mit einigen Humanisten des
unglücklichen Hadelius. Als er genesen war, unterstützten
sie ihn mit den nöthigen Mitteln zur Reise nach Wien und
empfahlen ihn ihren dortigen Freunden. So kam er 1515 in
die Donaustadt, um daselbst das glücklicher durchzuführen,
was er in Krakau nicht hatte vollbringen können. Durch sein
ungewöhnliches Improvisations-Talent ward er im Kreise der
Wiener Humanisten bald bekannt und von dem Universitäts-
Superintendenten Cuspinian besonders protegirt. So ver-
besserte sich wesentlich seine Lage, zumal auch der Kaiser
Maximilian auf ihn seine Aufmerksamkeit richtete und ihn
durch die Ertheilung des Dichterlorbeers auszeichnete. Für
die ihm zu Theil gewordene Anerkennung und Auszeichnung
dankbar, erhob er in seinen poetischen Productionen seine
Freunde und Gönner mit grossen Lobpreisungen und be-
festigte sich dadurch nicht wenig in ihrer Gunst.
In dieser Richtung veröffentlichte er 1518 ein Buch
Elegien, worin er seine einflussreichen humanistischen
Freunde besang und eine weitere Sammlung solcher Gedichte
Hadelins. 329
in Aussicht stellte. ^) Zu Schriften und Ausgaben seiner
CoUegen lieferte er dichterische Empfehlungen/^) Dass er
auch Vorträge an der Universität hielt, ist nicht zu be-
zweifeln; jedoch lassen sich dieselben hinsichtlich der be-
handelten Gegenstände nicht näher nachweisen.
HadeFs unruhiger Geist und seine Wanderlust Hessen
ihn nicht lange an demselben Orte verweilen. Indem er
sich mit grossen Plänen für die Zukunft trug, ^) und mit
der Absicht umging, eine gelehrte Reise nach Italien zu
machen und dann später in seiner norddeutschen Heimat
ganz den humanistischen Studien sich widmen wollte, wurde
er frühzeitig dem Leben entrissen. Das Jahr seines Todes
ist unbekannt. ^)
^) Jani Hadelii Poetae a divo Maxiiuiliano coronati Elegianim (26)
liber primus. Vienn. 1518. Ein liber secundus ist nicht erschienen. Vgl.
Denis, Merkw. d. Garell. Bibl. S. 265.
2) Gregorii Nysseni de vita Moysis liber per Georg. Trapezunt. e
graeco in latin. conyers. Vienn. 1517. Mit Distichen und Oden von Janus
Hadelius, Phil. Gundel., Ud. Fabri u. A. Vgl. Denis, Wiens Buchdr. Gesch.
S. 176.
3) In der Elegie ad Vienn. scholasticum gibt Hadel. diese Pläne an:
Bis tria Peligni divina volumina vatis
(Caetera Fastorum tempus ademit edax)
Et satiras planabo graveis Juvenalis et illa
Quae modo de magna Livius urbe refert.
*) Denis (Merkw. d. Garell. Bibl. S. 265 ff.), der nicht viel auf die
poetische Begabung des Hadelius hält, hat aus dessen seltenem Buche der
Elegien die Nachrichten über sein Leben zusammengestellt.
Logus.
Georg Logau aus Breslau in Schlesien.
t 1Ö53.
Georg Logau, ^) dessen humanistischer Name in
Log US verändert ward, stammte aus einer schlesischen
adeligen Familie; 2) er war in Breslau gegen Ende des
15. Jahrhunderts geboren. Seine Universitäts-Studien machte
er wohl meistens in Wien, wo wir ihn im zweiten Decen-
nium des 16. Jahrhunderts als humanistischen Schriftsteller
finden.
Ob er den Dichterlorbeer aus den Händen Kaiser
Maximilians empfangen hat oder erst später bei seinem
') Dürftige Nachrichten geben über ihn meist aus Lazii Chronic,
urb. Vienn. p. 55 die Scriptores univ. Vienn. III. p. 32. Genauer sind
die kurzen Angaben bei Denis, Wiens Buchdr. Gesch. an verschiedenen
Stellen, besonders S. 286, 396 und 633 nach Sinap. Schles. Curiosität
p. 008 und Henel. Siles. renov. c. VIII. p. 516. Sommersberg. Scr. rer.
Sil. I. p. 223.
2) Script univ. Vienn. 1. c. Georg Logus, aliis Logau, nobilitate
generis, gestis honoribus, doctrinaeque praestantia — admodum clarus,
ex antiqua baronum familia ortus. Des Logus Vater, auch Georg Logau
geheissen, der in der Breslauer Cathedrale begraben wurde, erhielt daselbst
von seinem Sohne ein Epitaphium. Von den zahlreichen Söhnen dieses
altern Logau (beigenannt auf Schlaupitz) stammten die schlesischen
Herren von Logau und auch der im 17. Jahrhundert lebende Epigrammen-
dichter Friedrich von Logau.
Logui. 331
Aufenthalt in Italien von einem Cornea Palatinus, dem das
Recht der Dichterkrönung zustand^ lässt sich nicht er-
mitteln. ^) Seine juridischen Studien hat er wahrscheinlich
auf einer italienischen Universität gemacht: in seinen spä-
teren Jahren, als er bereits des römischen Königs Ferdinand
geheimer Rath war, wird er auch als Doctor des canoni-
schen Rechts bezeichnet. 2) Uebrigens nennt sich Logus
selbst weder Magister noch Doctor, auch die Bezeichnung
poeta laureatus gebraucht er nur selten.
Logus besuchte einige Male Italien ; er hielt sich längere
Zeit in Bologna, Rom und Venedig auf. ^)
Zuletzt lebte er in seiner Vaterstadt Breslau als Cano-
nicus an der Cathedrale St. Johann und war zugleich
Propst der h. Kreuzkirche. Er starb im J. 1553. *) Man
rühmt seine gründlichen Sprachkenntnisse im Griechischen
und Lateinischen,^) sein dichterisches Talent, namentlich
*) Eder, Catal. Rect. p. 62 ad ann. 1516: Eodem tempore philo-
Bophiae castra sequebantar Jacobus Spiegel — — et Georg. Logus Poeta
laureatus. Paul. Jov. Elog. doct. viror. p. 223 nennt ihn Georgium Logura
sodalem meum cum laurea signiferum.
2) Script, univ. Vienn. 1. c.
3) An Velius Ursinus sendet er von Bologna aus 1526 einen Horaz
(vgl. Denis S. 257), in Rom und Venedig verglich er Handschriften
griechischer Bukoliker 1534 (Denis S. 634), über seine Rückkehr aus
Italien nach Wien um 1534 schreibt er selbst: Ego Viennae non ita pri-
dem ex Italia reversus in Aula regia versarer etc. (Denis S. 633.)
Besonders interessant ist das der Sammlung von Elegien und Epi-
grammen des Logus (welche 1529 Kaiser Ferdinand gewidmet ist)
beigefügte Schreiben des Papst Clemens VII. an den ungarischen König
Ludwig II. d. d. Rom. 24. Nov. 1625: Is (Logus) nobis narravit, se
triennium jam in Italiae gymnasiis literis operam dedisse, adjutum libera-
litate et munificentia S. T., qui ei annuum subsidium ducentorum aureorum
constituisses. (Denis S. 287.)
*) Sinap. u. Henel 11. cc. Script, univ. Vienn. III. 32.
^) Henel. 1. c. Linguae graecae latinaeque adeo peritus, ut Pelasgi
illum suum, Romani iUum suum dicerent. P. Jovius 1. c. nennt ihn einen
vorzüglichen Interpreten griechischer Autoren.
332 Leben und Schriften der Hnnianisten.
in der Elegien- und Epigrammen-Gattung, *) seine Geschäfts-
gewandtheit und Lebenserfahrung. Der römische König
Ferdinand wurde dadurch bestimmt^ ihn bei wichtigen
Staatsangelegenheiten zu Rathe zu ziehen und ihm die Er-
ziehung seines Sohnes und Nachfolgers Maximilian anzu-
vertrauen. 2)
Was die schriftstellerischen Leistungen des Logus
betrifft, so sind diese in doppelter Beziehung zu betrachten,
erstens sind seine Ausgaben alter und italienischer
Dichter, dann seine eigenen poetischen Productionen
anzuführen.
Noch im jugendlichen Alter stehend, beschäftigte er sich
viel mit den Dichtwerken der Alten und der italienischen
Humanisten, welche das Hirten- und Landleben, vorzüglich
aber die Jagd beschreiben. In dieser Richtung sind auch
die Dichtungen, welche er als Erstlinge seiner literarischen
Muse edirte: die Bucolica T. Calphurnii Siculi und Magni
Aurelii Nemesiani, des letzteren Cynegeticon und des Gratius,
wie des Cardinais Adrianus Carmina de Venatione, Ovid's
Halieuticon, meist nach früheren Aldinischen Ausgaben.^)
Daran reihte sich die Ausgabe der Gedichte des Italieners
Lucius Petreius Zanchi, mit dem er in der innigsten Freund-
schaft längere Zeit in Bologna gelebt hatte. "*)
1) Papst Clemens VII. a. a. O. gibt ihm besondere Lobsprüche:
Cognovimus, siimmum in eo esse ingeniiim, summum graecarum et latinarum
literarum Studium, in quibus adeo nobis profecisse visus est, ut camiinibus
praesertim pangendis, paucos cnjuslibet aetatis, et nostro et aliorum judicio
habeat pares.
2) Henel u. 8cript. univ. Vienn. 11. cc.
3) T. Calphurnii Siculi et Anreli Nemesiani Carthaginensis poetamm
Aeglogae Viennae 1514 (vgl. Denis S. 101). Der Name Logau's als Heraus-
geber ist nicht genannt; dagegen findet er sich bei der späteren Aldini-
schen Ausgabe Venet. 1534, wo auch Gratii Cynegeticum, Ovidii Halieu-
ticon und des Cardinalis Adriani Carmen de venatione beigefügt sind.
Vgl. Note bei Denis S. 634 und Script, univ. Vienn. 1. c.
*) Lucii Petrei Zanchi Bergomatis poemata Varia, ed. G. Logus s. l.e.a.
Jedenfalls nach 1526. vieU. Venet. 1534. Vgl. Denis S. 634 fl.
Logos. 333
Eine Sammlung verschiedener italienischer Gedichte in
anderer Richtung — Carmina de S. Cruce etc., wurde nach
einer früher (1510) angelegten venetianischen CoUection
1516 in Wien herausgegeben; sie enthielt Gedichte von
Petrarca, Aeneas Sylvius, Philipp Beroaldus u. A. ')
Was weiter die eigentlichen Productionen des Dichters
Georg Logus selbst angeht, so erschienen die einzelnen
Gelegenheitsgedichte, Elegien, Epigramme, Zuschriften zer-
streut in vielen Büchern der zeitgenössischen Humanisten;
namentlich finden sie sich in den Schriften seiner Freunde
Joachim Vadianus,^) Velius Ursinus,^) Johann Faber, •*)
Johann Lang Silesius^) u. A.
Eine eigentliche Sammlung dieser Carmina varia machte
weder Logus, noch wurde sie von einer anderen Seite ver-
anstaltet. Jedoch legte er zu einer solchen CoUection schon
den Grund im J. 1529 in der Wiener Ausgabe seiner Ele-
giae und Epigrammata, die dem römischen König Ferdi-
nand I. gewidmet ist. ^•) Ansehnlich vermehrt könnte diese
^) Es sind auch einige Gedichte von alten christlichen Schriftstellern
und einige apokryphe Epistolae [Pilati de Jesu Christo ad Claudium,
Lentuli de Christo ad Senatum Rom.) beigefügt: die ursprüngliche Samm-
lung erschien Venet. 1501 unter dem Titel Poetae Christiani. Vgl. Denis
S. 155 fl.
2) In dessen Ausgabe des Jo. Joviani Pontani Meteororum Über.
Vienn. 1617, wozu Logus eine Elegie zum Lobe des Verfassers beifügt,
und zu dessen Edition des Pompon. Mela. Vienn. 1518. (Vgl. Denis S. 167
und 186.)
3) Bei dessen Naenia dominae Mariae reginae Pannoniorura de obitu
dominae Elisabethae reg. Danorum sororis. Vienn. 1526, bei den Mono-
sticha regum et viror. illustr. Vienn. 1528 und der Oratio habita die
coronationis Ferdinandi Ungariae, Bohemiae reg. Vienn. 1527. (Vgl. Denis
S. 257. 270. 349.)
*) In seinen Sermones contra Anabaptistas. Vienn. 1528. (Denis S. 267.)
*) Zu dessen Elegia pro Christianis contra Turcas. Vienn. 1529.
(Denis S. 389).
6) G. Logii Silesii ad inclyt. Ferdinandum Pann. et Boh. reg. Elegiae
et Epigrammata. Vienn. 1529. Mit einer Zuschrift an Ferdinand; wichtig
334 Leben nnd Schriften der Hnmanisten.
Sammlung werden durch die in Wien 1534 erschienenen
24 Gedichte, welche er zur Verherrlichung und Lobpreisung
der Eigenschaften seiner Verwandten, der Katharina, Ge-
mahn des Georg Loxan, verfasst hat. ^)
für Logau^s Lebensverhältnisse und seine Beziehungen zu den Humanisten
Velins Ursinus, Johann Kosinus u. A. (Vgl. Denis S. 286 fll.)
*) In laudem Catharinae aquUae Augustanae, Philippi filiae, Georgü
Loxani 8ilesii conjugis. Vienn. 1534. (Denis S. 633.)
Marius.
Johann Mayr aus Nördlingen in Baiern.
t n. 1518.
Johann Mayr, der aus Nördlingen in Baiern *)
stammte, führt als Humanist den Namen Marius Rhaetus. 2)
In den ersten Jahren des 16. Jahrhunderts kam er
nach Wien und trat, durch Cuspinian und Vadian em-
pfohlen, dort in einen Kreis von Männern, welche den
humanistischen Studien eifrig zugethan waren. ^) Dazu ge-
hörten auch die Schweizer Arbogast Strub aus Glarus, der
frühzeitig starb, und Ulrich Zwingli, der spätere Reformator.
Zum Andenken an den früh verblichenen Freund Strub
gab 1511 Joachim Vadian zwei Orationes desselben heraus
und versah sie mit einigen Beigaben und Epitaphien auf
den Verstorbenen. Unter den letzteren befindet sich auch
eines, das unsern Marius Rhaetus zum Verfasser hat. ^)
1) Das Matrikelb. d. rhein. Nation ad ann. 1609! Jacobus (richtiger
Johannes) Mayr ex Nördlingen (is classicis scriptoribus et politioribus
literis apprime emditus).
2) Er ist wohl zu unterscheide]^ von seinem Zeitgenossen dem Huma-
nisten Augustinus Mayr oder Marius Augustensis, Canonicus Ulmensis.
Vgl. Denis, W. B. G. S. 118.
3) Kink, Gesch. d. Wien. Univ. I. S. 312, n. 247, zählt ihn zu den
Mitgliedern der gelehrten Donaugesellschaft; jedoch lässt sich diese Mit-
gliedschaft zwar vermuthen, aber nicht bestimmt nachweisen.
*) Arbogasti Strub Claronesii orationes duae. Vienn. löll. Vgl. Denis,
W. B. G. S. 47.
336 Leben and Schriften der Hnmanisten.
Auch mit Ulrich Hütten, der damals 1511 einige Zeit
bei Vadian in Wien verweilte, war er sehr befreundet, wie
aus einer von Vadian herausgegebenen Schrift Hutten's zu
ersehen ist. ^)
Neben dem Studium der Classiker betrieb Marius die
Mathematik; zum Nutzen* der studirenden Jugend gab er
den Algorismus von Georg Peuerbach heraus und versah
das Buch mit einer Lobrede auf die Arithmetik. 2) Einige
Jahre später (1515) edirte er mit Vadian Ciceronis Epistolae
breviores und fugte eine Zuschrift an seinen Schüler
Christoph Lateranus (Ziegler) bei. 3)
Es scheint, dass er noch vor Vadian, doch jedenfalls
nicht später als 1518, Wien verlassen hat. Er hielt sich
dann in verschiedenen Gegenden Deutschlands auf. Es ist
nichts Näheres von seinen weiteren Lebensschicksalen
bekannt.
*) Uuttenii exhortatio ad Maximilian. Caes. beUo in Venetos euntem.
Vienn. 1612.
2) Georg Peuerbachii institutiones in Arithmeticam. Vienn. 1511.
Vgl. Denis S. 59.
3) M. T. Ciceronis eloquentiae parentis epistolae breviores. Vienn.
1515. 4. Es befinden sich dem Buche beigegeben auch fünf Disticha des
Vadianus an die Jugend und zwei Disticha von Christoph Crassus an den
Leser. Vgl. Denis S. 118.
Misbeckius.
Andreas Misbeck aus Mergentheim in Franken.
t n. 1522.
Andreas Misbeck (auch Misbeg) aus Mergent-
heim, der seinen deutschen Familiennamen als Humanist
nicht latinisirte, kommt schon in den ersten Jahren des
16. Jahrhundert an der Wiener Universität vor. ') Im
J. 1506 war er Procurator der rheinischen Nation ; dieselbe
Stelle führte er 1522. In der artistischen Facultät gehörte
er zu den fleissigsten activen Magistern : er las nicht nur
über verschiedene Theile der scholastischen Philosophie,
sondern auch über die Memorabilia des Valerius Maximus,
beschäftigte sich mit Cicero's Schriften, von denen einige
kleineren Umfanges er herausgab, 2) und mit dem heiligen
Hieronymus. ^) Da er des Griechischen kundig war, betrieb
*) In der Matrikel der rhein. Nat. wird beim J. 1503 erwähnt, dass
der Magister Andreas Misbeckius die Oratio de St. Ursula gehalten habe.
2) Er edirte Ciceronis Somnium Scipionis, Cato Major vel de Senectute.
Vienn. 1511. Es nennt sich der Herausgeber: Andreas Misbeckius liberalium
studiorum Magister. Denis S. 41.
3) Divi Patris Hieronymi Aureola mit einer Zuschrift des Mag.
Andreas Misbegius an Georg Katzenberger. Vienn. 1511. Vgl. Denis,
Gareil. Bibl. S. 246 u. W. B. G. S. 42. Das Buch enthält grossentheUs
unechte Stücke älterer und späterer Kirchen Schriftsteller, Auszüge aus
Josephus Flavius, die Epistola Pilati de nece domini ad Claud. Imp.
y. Asciibach, Geschichte der Wiener Univers. II. 22
338 Leben and Schriften der Hnmanisten.
er auch eifrig die Leetüre griechischer Autoren und legte
von dieser Belesenheit Proben ab in der Rede, welche er
auf dem Wiener Fürstencongress im J. 1515 an den ungari-
schen König Wladislaus im Namen der Universität hielt, in
welcher Ansprache er in vielen griechischen Citaten seine
philologische Gelehrsamkeit an den Tag legte. ^)
Noch im selben Jahre 1515 gab er des Guarini Vero-
nensis Lehrgedichte heraus und versah sie mit einem Vor-
wort. 2) Von seinen eigenen Dichtungen haben sich einige
kleinere Versuche über den Tod des an der Pest im Jahre
1506 hingeraflften Universitäts-Rector Joh. Wisinger und
ein poetischer Nachruf auf das Ableben Philipps von den
Niederlanden, Sohnes des Kaisers Maximilian I., erhalten. ^)
Sein Todesjahr ist unbekannt.
*) Abgedr. in Orationes Viennae ad Maxim. Caes. Aug. aliosq. Prin-
cipes habitae. Vienn. 1516. 4.
2) Guarini Veronensis Graece et latine peritissimi Carmina. —
Baptistae Guarini Junioris de docendi discendique modo opusculum.
Misbeck nennt sich als Herausgeber Francus Orientalis. Die Verse des
Guarini mit seiner Grammatik sind oft herausgegeben. Die Misbeckische
Edition ist die fünfte. Vgl. Denis S. 127.
^) Im Matrikel der rhein. Nation beim J. 1506.
Perlachius.
Andreas Perlacher aus Witscliin in Steiermark.
t 1551.
Andreas Perlach oder Perlacher aus Witschin*)
in Steiermark führt unter den Wiener Epigonen der
grossen Mathematiker Johann von Gmunden, Georg Peuer-
bach und Regiomontanus, und als Schüler des Andreas
Stiborius und Georg Collimitius einen ausgezeichneten Namen
bei seinen Fachgenossen. An der Wiener Hochschule hatte
er seine akademischen Studien unter Collimitius gemacht;
später studirte er auch die Arzneikunde und erlangte (1530)
den Doctorgrad. Eine Reihe von Jahren hindurch war er
in der artistischen Facultät Professor der Mathematik,
dann trat er zur medicinischen über, deren Decan er von
1539 — 1550 vier Mal war. Das Rectorat bekleidete er
im J. 1549. Für Studiren de aus Steiermark stiftete er ein
ansehnliches Stipendium von 600 Gulden. 2)
Unter seinen Schülern verdient der als Mathematiker
und Astronom ausgezeichnete Gelehrte Johann Vögelin
') Schier Specim. Styriae lit. p. 14 unrichtig Witscheimensis. Wit-
schein oder Witschin ein steirisches Dorf bei Marburg.
2) Eder Catal. Rect. ad ann. 1549, p. 8*J: Andreas Perlachius, Med.
Doct., Mathematum per annos 34 publicus professor, fundavit Stipendium,
cujus superintendens est Magnificus Philipp. Gundelius. Cf. Freundt, Syll.
illust. Med. p. 40.
22*
340 Leben und Schriften der Humanisten.
aus Heilbronn genannt zu werden, der neben ihm in den
mathematischen Disciplinen an der Wiener Universität Vor-
lesungen hielt ^) und fast gleichzeitig mit seinem Lehrer um
die Mitte des 16. Jahrhunderts aus dem Leben schied.
Perlach starb Gljährig 1551 und wurde auf dem Kirchhof
bei St. Stephan begraben, wo ihm sein Freund Philipp
Gundel ein Epitaphium setzte. 2)
Andreas Perlach, der auch ein Astrolabium Arithmeti-
cum construirte nach seiner eigenen Erfindung, ^) beschäf-
tigte sich vorzüglich damit, die Lehrbücher seiner Vorgänger,
') Die Scriptores univ. Vienn. III. p. 24 nennen ihn unrichtig einen
Schüler des Kegiomontanns, setzen al)er dessen ungeachtet seinen Tod
ins J. 1558, welche Angabe auch unrichtig ist. Melanchthon und Casp.
Bruschius (carm. in laudem Austriae im Anfang der Ausgabe von Cuspi-
nian's Austria) nennen ihn neben CoUimitius bei den ersten Mathematikern
seiner Zeit 1550. Voegelin war mehr als sein Lehrer Perlach Astrolog.
Seine früheren schriftstellerischen Arbeiten bezogen sich auf Mathematik,
die späteren auf Astronomie und besonders Astrologie. Vgl. Denis, Buchdr.
Gesch. 8. 239 und Kink I. S. 266, n. 318. Auf der Wiener Hofbibl. befin-
den sich von ihm Nr. 10905, die beiden MSS. Op. de Cometis und Notae
ad exposit. Geberi Arabis in Cl. Ptolemaeum Almagestum.
2) Bei Locher Specul. p. 402. Perger, Dom von St. Stephan, S. 37.
Andreae Perlachio Styro
summae eruditionis mathematico
ac medico
pietate et moribus
ingenio integerrimo
hie sito
qui vixit annis LX
mensibus VI diebus XXIV
decessit XI Junii
anno Christi MDLI
Philippus Gundelius juris cons.
XL annis jugi amicitia
illi junctus posuit.
Sonderbarer Weise kommt Perlach noch in dem Besoldungs-Verzeichniss der
Wiener Professoren vom J. 1552 als Professor Astronomiae mit 90 Pf,
Pfennige vor. Kink I. Anh. Nr. LIV. S. 166.
3) Vgl. Denis, W. B. G. S. 471.
Perlachins. 341
namentlich ihre Almanache, Ephemeriden, Kalender mit
astronomischen und astrologischen Beigaben zu reproduciren
und zu vermehren. Von Tannstetter ermuntert und von
dem Humanisten Philipp Gundel eingeführt, gab er 1517
einen Almanach nach den Tafeln des Johann von
Gmunden auf das J. 1518 heraus mit einer Widmung an
den Wiener Bischof Georg von Slatkonia, der ein beson-
derer Freund aller mathematischen Disciplinen war. ')
Im folgenden Jahre folgte sein Almanach oder Ephe-
meridenbuch nach Tannstetter^s Comm entarien,
welches in 50 Propositionen getheilt war, wovon die 25
letzteren Probleme oder Utilitates enthalten, die nach An-
leitung der Astrologie über die rechte Zeit des Aderlassens,
Haar- und Nägelschneidens etc. Rath geben. 2)
Seine Ephemerides für das J. 1529 handeln auch über
die Stellungen der Planeten zu einander und zu den vor-
züglicheren Fixsternen 3) und die fiir das J. 1531 wurden
versehen mit einem Prognosticon. superioris anni eclipsium,
quarum effectus hoc anno apparebant. Er handelt dabei
von zwei durch ihn erfundenen astronomischen Instrumenten
und meldet die Erscheinung des Planeten Mercurius, den
Stabius nie, Stiborius aber nur ein Mal habe sehen können. *)
Er gab diese Ephemeriden auch in deutscher Uebersetzung
(in ziemlich ungelenker Sprache) heraus ^), um auch das
grosse Publicum der astrologischen Belehrung theilhaftig zu
machen.
*) Vgl. Denis S. 172.
2) Denis, W. B. G. S. 189 und Merkw. d. Garell. Bibl. S. 269, wo
in der Note einige interessante Mittheilungen über diese Ausgaben ge-
macht werden.
3) Denis, W. B. G. S. 351. Einen Auszug daraus liefert sein Schüler
Clemens Kukitz: ludicium Viennense ex A. Perlachii Ephemeridibus
extractum. Vienn. 1529. (Denis S. 355.)
*) Denis S. 357.
5) Denis 8. 629.
342 Leben und Schriften der HniDanisten.
Nach seiDem Tode *) edirte sein Freund Jacob Oechsle
(Taurellus) von Neuem seine Ephemeriden ^) und versah sie
mit einer Elegie Philipp GundeFs und einer von diesem
auf ihm verfassten Grabschrift auf dem St. Stephans-Friedhof,
nebst einer Elegie von dem Thüringer Christoph. Poppen-
heuser auf die Wiener Mathematiker. ')
^) Er erfolgte am 19. Juni 1551. Vgl. Petrus Raymundus Piatonis
dialogus de furore poetico Vienn. 1561, worin ein griechisclies Trauer-
gediclit in zehn Distichen auf den Tod Perlacher's vorkommt. Vgl. Denis
S. 465. Auch in Joh. Schrötter's (eines Schülers von Perlach) astrologischem
Tjpus ex Hippocrate, Galeno etc. Vienn. 1551 kommt zum Lob Perlach^s
ein elegisches Gedicht vor. Denis S. 486.
2) Comraentaria Epheraeridum Andreae Perlachii Stiri, medicae artis
doctoris ac in Academia Vienn. ordinarii qnondam mathematici — con-
scripta, ut quisque absque praeceptore ex sola lectione integram inde artem
consequi possit.
•*) Wir geben nachfolgend dieses Gedicht:
Magnus Joannes Gmundanns, nobilis arte,
Ingenio praestans et pietate gravis.
Carus et Aoniis Purbachius ille Deabus,
Cujus sat laudes dicere nemo queat.
Quique sua a patria duxit cognomen, Janus [i. e. Johannes
Regiomontanus]
Fama doctrinae notus ad astra suae.
Clarus Joannes Phorcensis, clanis et alter
Cuperspergenis, lumina magna duo.
Et Stabius nuUas non ingeniosus ad artes,
Plurima declarant ut monumenta viri.
Praeterea ingenii non dote Stiborii ima
Effulgens, Boii gloria magna soli.
Quique suo studio divinae profuit arti
Angelus, eximiae dexteritatis homo.
Et Tannstetterus tan tos non ultimus inter.
Quem sua praeclarum scripta fuisse docent.
Tum Vogelinua vir solertissimus atque
Senfthamer stndii sedulitate bonus.
Andre asque poten» sancta Perlachius arte,
Invida quem nui)er fata tulere senem.
Zur Erläuterung der in vorstehender Elegie vorkommenden Mathematiker
dient das Verzeichniss, welches Tannstetter (Collimitius) in der Ausgabe
der Peuerbachischen Tabulae eclipsium. Vienn. 1514 (Denis S. 107 fll.)
Perlachias. 343
von den Wiener Mathematikern liefert. Es kommen darin ausser den
allbekannten vor: Johann von Pforzheim, Johann von Kupferberg, Johann
Angelus von Aicha aus Baiern : Tannstetter vergisst sich auch nicht selbst,
er konnte aber nicht seine Schüler Johann Vögelin, Chri8toi»h. Septhaymer
und Andreas Perlach als Spätere anführen. Auch Stiborius im Lob der
Wiener Mathematiker (vgl. Denis S. 110) nennt den Doctor Theologiae
Johannes Phorcznensis [Rector 1479], den Magister J. Kupferberger aus
Münsterberg in Schlesien [Eder Catal. Rect. ad ann. 1486] und den Job.
Angelus [i.e. de Aicha, Bavarus f 1512], Nach Locher Specul. p. 150 war
der Mag. Christoph. Septhaymer (i. e. Serifthamer) 1544 Decan der
artistischen Facultät. Auffallend ist, dass in dem Verzeichniss der Wiener
Mathematiker Johann Muntz, den Eder Catal. Rect. ad ann. 1503 p. 50
als Mathematicus clarissimus bezeichnet, fehlt.
Polymnius.
Wilhelm Puelinger aus Wirting in Oberösterreicli.
t 1534.
Wilhelm Puelinger (auch Pullinger) ^) aus Wirting
(Würting)2) in der Diöcese Passau gebürtig, machte seine
Üniversitäts-Studien in Wien und kommt schon 1492 als
Magister legens vor. 3) Woher er den Beinamen Limonius
führt, 4) ist nicht bekannt. Als Humanist änderte er seinen
deutschen Namen in Polyhymnius oder gewöhnlich in
Polymnius. Er trat der gelehrten Donaugesellschaft bei
und kommt unter den Wiener Sodales in der Inschrift vor,
welche Cuspinian an seinem Hause 1507 der Sodalität
widmete. Bereits im Jahre 1494 war er vorübergehend der
Juristen-Facultät beigetreten, ^) widmete sich aber bald den
medicinischen Studium. 1502 schon wird er als Doctor
medicinae aufgeführt. ^) Procurator der rheinischen Nation
war er zwei Mal 1500 und 1507, Decan der medicinischen
^) Hormayr nennt ihn unrichtig Pleutinger.
2) Der Ort wird sehr verschieden geschrieben: Wirting, Würting,
Wtirtingen, Wising, Wursingen.
3) Act. fac. art. lib. II. p. 363: er las latitudines formarum.
*) In der Rhein. Nat. Matr. ad ann. 1500. Procuracia Magistri Guielmi
Polymnii Limonii (Puelinger), saluberrime medicine Scolaris.
5) Kink, Gesch. d. Univ. Wien I. S. 219, n. 254.
ß) Als gewählter Rector wird er bezeichnet ad ann. 1602 : Wilhelmus
Pulinger ex Wising artium et Medicinae doctor.
Polymnias. 345
Facultät neun Mal (von 1503 bis 1533). Die höchste
akademische Würde bekleidete er im J. 1502. Als Rector
gab er die Bewilligung, dass die Zöglinge des CoUegium
poetarum unter Leitung des Conrad Celtes in der Universi-
täts-Aula die Komödien des Terentius und Plautus aufführten. ^)
Kaiser Maximilian ernannte ihn zu seinem Leibarzte
und hatte ihn bis an sein Lebensende häufig in seiner Um-
gebung.
Der gekrönte Dichter Janus Hadelius richtete in seinem
liber Elegiarum 1518 an die namhaftesten Wiener Huma-
nisten jener Zeit poetische Zuschriften, darunter auch eine
an unsern Wilhelm Pullinger. 2)
Nachdem er längere Zeit das mühevolle Amt eines
Armenarztes geführt 3) und bald nachdem er zum neunten
Male als Decan die Geschäfte der medicinischen Facultät
besorgt hatte, ^) schied er im J. 1534 aus dem Leben. •^)
Von seinen Schriften scheint keine durch den Druck
veröffentlicht worden zu sein, wenigstens ist keine bekannt.
In den Acten der medicinischen Facultät wird bei der An-
gabe seines Todes von dem Decan Johann Enzianer bemerkt^
dass er ein Geschichtschreiber und guter Lateinei* gewesen.^)
*) In die Act. Univ. Vindob. schrieb Polymnius 1502 als Rector
eigenhändig den Bericht darüber ein. Vgl. oben S. 79.
2) Vgl. Denis, Merkw. der Garell. Bibl. S. 265.
3) Rosas, Gesch. der Wien. Hochschule, bes. der medic. Facultät.
I. 2. S. 48.
*) Locher, Spec. Decan. Fac. Med. ad ann. 1533.
5} Eder, Catal. ad ann. 1534. Obiit Wilhelm. Puelinger Pataviensis^
Superintendens Bursae Haydenhaim, vir de schola bene meritus.
6) Rosas a. a. O.
Rithaimeras.
Georg Rithaimer aus Mariazeil in Steiermark.
t 1543.
Georg Rithaimer, auch Rithamer, der keinen
latinisirten Namen führte, war aus Mariazell in Steier-
mark. Er lehrte erst einige Jahre nach dem Tode des
Celtes an der Wiener Universität die liberales artes *) und
widmete sich speciell dem griechischen Sprachstudium. 2)
Dabei betrieb er die Aristotelische Philosophie und unter
den classischen Schriftstellern las er mit Vorliebe die geo-
graphischen. Bei dem Wiener Fürstencongress im J. 1515
hielt er im Namen der Universität die Ansprache an den
baierischen Herzog Wilhelm. ,
Ausser dieser Rede veröffentlichte Rithaimer, der hoch-
bejahrt im J. 1543 starb, '^) noch einige Schriften, welche
') Er las 1Ö15 de aninia, 1616 die Insoliibilia. cf. Act. fac. art.
lib. III. ad 1515 und 1516.
2) Eder, Catal. ad aiin. 1542, p. 77, nennt den Georgius Rithamerus
Graecariiin literanini Professor. Die SteUe als ordentlicher Professor für
die griechische Sprache erhielt er aber erst nach Maximilians Tod im
J. 15'21). Daraals ward das Griechische zuerst als ein ordentliches Lehr-
fach in die artistische Facultät eingeführt. Act. fac. art. lib. IV. p. 1'29:
A. 1523. 4. Apr. Censuit facultas grammaticam Graecam esse legendam.
3) Eder, Catal. Rect. ad ann. 1543, p. 78. Hoc anno defunctus est
Georgius Rithamerus Graecorum literarum professor, cujus filia hone&tis-
sima Walpurgia nupta est cl. vir. D. Paulo Fabricio Medico D. Caes.
Ferdinandi et archiducum mathematico excellentissimo.
Bithaimems. 347
auf griechische Sprache, Aristotelische Philosophie
und allgemeine Erdkunde sich beziehen. Wenig be-
deutend sind seine Einleitung in die Aristotelischen Bücher
der Physik ^) und sein Lehrbuch der Erdbeschreibung. 2)
Er ist wohl nicht der erste deutsche Humanist, welcher
näher über griechische Grammatik schrieb, ^) — denn
Reuchlin und Celtes thaten dieses schon früher — aber er
lieferte darüber grössere Arbeiten, welche freilich sich ganz
an die Schriften von Guarini^) und Emanuel Chrysolaras ^)
anschliessen und daher kaum als Original werke betrachtet
werden können.
*) Georgii Ritfaajmeri libeUus eiaaYwyixo? in octo libros physicomm
Ariatotelis. Vienn. 1Ö19. Vgl. Denis S. 394 fil.
2) Georg. Rithamer, De situ orbis terrarum Compendium. Norimb. 1538.
^) Wie Denis und MaUatli meinen. •
*) Erotemata Guarini per Georg. Rithaymer pro rei necessitate non-
nihil aucta. Anomala verba. Formationes temporuni Georgii Rithaymer.
Sententiae Mönostichi ex variis Poetis. Viennae 1623. 8. Vgl. Kinkel.
S. 270, n. 223.
^) 'Etcitojat) FetopYiou 'PiOaijxrjpou Ttepi tiov oxtw tou Xoyou [xEptov x«i
oy^Tjjiaxiajiow xiov ypovwv. Fpriyopiow tou OsoXoyou yvtü(j.ai {j-ovoanyoi xaxa
aXopaßifjTov, ?a(xßixov. Xpuaa iizri tou nuGayopou. Compendium Georgii Rit-
haymeri in octo partes orationis et temporura formationes. Gregorii Theo-
logi sententiae, j>er ordinem Ute ramm, singulae singulis jambicis clausae.
Carmina aurea Pythagorae. Vienn. 1524. Ritbaimer sagt selbst, dass er
Chrysolaras ausgezogen hat, der schon von Guarini abgekürzt worden.
Vgl. Denis, W. B. G. S. 235 und 245. Um dieselbe Zeit, als Ritbaimer
seine griechische Grammatik herausgab, und etwas später erschienen von
mehreren Humanisten in Deutschland solche kurze Lehrbücher; unter
diesen zeichnete sich die von Beatus Rhenanus in Basel 1533 heraus-
gegebene Epitome grammaticae Graecae, welche sein im J. 1527 ver-
storbener Freund Michael Hummelberger verfasst hatte, besonders aus.
Ad. Horawitz, Mich. Hummelberger. Berlin 1875. S. 16 fll., spriclit von
der Euirichtung dieser Compendien näher.
Rosinus.
Stephan Rosslin aus Augsburg.
t nach 1533.
Stephan Rosslin^ auch Rössel genannt^ dessen
humanistischer Name Rosinus lautete, war in Schwaben
in der Diöcese Augsburg geboren, daher er auch den Bei-
namen Augusten sis führte. Nachdem er in Ingolstadt
unter der Leitung des Celtes seine humanistischen Studien
gemacht hatte, begab er sich zur weiteren Ausbildung in
den classischen Disciplinen nach Italien, wo er in Rom
länger verweilte,*) dann reiste er nach Deutschland, Däne-
mark und Schweden, später nach Polen, wo er in Krakau dem
tieferen Studium der Mathematik und Astronomie oblag
und auch die Magisterwürde erlangte. Auf die Empfehlung
des Celtes und der kaiserlichen Räthe Krachenberger und
Fuchsmagen wurde ihm von Maximilian eine Professur der
Mathematik an der Wiener Universität übertragen. ^) Celtes,
*) Unter den drei Briefen des Steph. Rosinus an Celtes im Cod. epist.
Celt. fol. 99 kommt einer d. d. ex Urbe (Roma) 12. Mai 1499 vor. Nach
dem ersten Briefe ist er am 25. Oct. 1498 noch in Ingolstadt. Ein
dritter Brief ist datirt von Augsburg 14. Juli 1499. Vgl. Klüpfel, Vita
Celt. II. 153. Die an verschiedenen Orten zerstreuten Briefe des Stephan
Rosinus sind noch nicht gesammelt. Auch in dem Münchener Codex der
Hummelbergischen Briefsammlung finden sich von ihm Briefe. Vgl. Hora-
witz, M. Hummelberger S. 9.
2) Act. fac. art. lib. III. fol. 22 ad ann. 1501. Admissus Stephanus
Rosinus Augustensis Magister Cracoviensis. Rhein. Nat. Matrik. ad ann.
1503. Mag. Stephanus Rosinus lector in Mathematica regle Majestatis.
Kosinns. 349
der ihm schon früher eine Lehrstelle an der Augsburger
Domschule verschafft hatte, wollte ihn an seinem CoUegium
poetarum für die Abtheilung der Mathematiker verwenden,
aber Kosinus zog die Universitäts-Professur vor. *) Doch
blieb er eifriges Mitglied der gelehrten Donaugesellschaft,
so lange dieselbe bestand.^) Auch gehörte er zu den Execu-
toren des von Celtes errichteten Testaments (1508).
Da Kosinus, ein ausgezeichneter Mathematiker und
Astronom,^) neben den classischen Studien eifrig Juris-
prudenz und Theologie studirte und sich in diesen Wissen-
schaften auszeichnete, so konnte ihn Maximilian vielfach
verwenden. Auch fand er bei seinen manchfaltigen Kennt-
nissen volle Anerkennung. Er wurde vierfacher Canonicus
in den Domcapiteln von Wien, Passau, Trient und Augs-
burg. ^) Der Kaiser erhob ihn zu seinem Hofcaplan und
ernannte ihn zu seinem Sollicitator für die Besorgung seiner
Angelegenheiten in Kom bei der päpstlichen Curie.'') Da-
selbst vertheidigte er auch den berühmten Keuchlin gegen
seine Ankläger und Widersacher. ®)
') Im Briefe des Longinus Eleutherius an Celtes d. d. Vienn. 19. März
1602 (Cod. epist. Celt. fol. 137): Mag. Stephanus Kosinus regiam curiam
pro mathematicorum stipendio petivit, quod, ut ab aliis accepi, collegio
universitatis impetrare conabitur. Quare per literas reginm mandatum
esset, quod admoneretur, quicunque solvere deberet Stipendium, ne in
collegium universitatis, sed secundum regsam buUam in poetarum mathe-
maticorumque collegium mitteretur. *
2) In der Cuspinianischen Inschrift vom J. 1507, worin die Namen
der Sodales vorkommen, wird er auch genannt.
3) Georg Tannstetter in den Tab. eclipsium von Georg Peuerbach,
Wien 1514, zählt ihn zu den ersten Wiener Astronomen.
*) Denis, W. B. G. S. 111 und 365.
^) Rhein. Nat. Matrik. (Rosinus) Canonicus Vienn. Patavien. Sacre
Majestatis in Urbe (Roma) causarum sollicitator. Solidus in einem Carmen
auf Stephan Rosinus (bei Denis, W. B. G. S. 303) spricht davon, dass
Rosinus die Geschäfte Maximilians in Rom besorgt habe.
6) Klüpfel, Vita Celt. I. p. 215.
oöO Leben und Schriften der Humanisten.
Von seinen literarischen Leistungen sind die Declina-
tionstafeln der Fixsterne und ein astronomischer Kalender^
der unter dem Titel Practica 1504 erschien, anzuführen. ^
Mit unserem Stephan Rosinus, dessen Todesjahr nach
1533 zu setzen ist,^) darf Johann Rosinus, der fast gleich-
zeitig mit ihm in Wien als Humanist und Dichter lebte
und als Vice-Kanzler 1545 starb, nicht verwechselt werden. 3)
') Practica teutsch magistri Steffani Rosslen von Augspurg zu würden
nnd eren der hohenschul zu Wien: auf das MCCCCC und IUI Jar.
Denis S. 302.
2) In Job. Voegelini Significatio Cometae, welche 1533 heraus-
gegeben wurde, kommt von Rosinus noch ein Epigramm vor, welches er
damals gedichtet hat. Denis a. a. O. 8. 302 bemerkt: Vermuthlich ist,
dass er sein Leben im hohen Alter beim Bischöfe Wolfgang von Salm in Passau
geendet hat. Denn so singt Seb. Solidus in seinem Necrophilis von ihm :
Sed tulit hoc tellus Musarum Boiara lumen,
Hie ubi Danubii jungitur Oenus aquis.
Vgl. Denis S. 659 über Seb. Solidus.
3) Locher, Spec. p. 416, und Denis S. 365 geben seine Grabschrift.
Ueber ihn handelt Karajan in einer kleinen Schrift: Johannes Rosinus.
Salzer.
Ambrosius Salzer aus Oedenburg In Ungarn.^)
t 1568.
An^brosius Salz er, zwar von deutscher Abstammung",
aber durch seinen Geburtsort Oedenburg ein Ungar, ist
weniger durch seine literarischen Leistungen, als vielmehr
durch seine eigenthümlichen Lebensverhältnisse unter den
Wiener Humanisten beachtenswerth. Er ist ihr Nestor, da
er alle Humanisten der Maximilianischen Periode, von wel-
chen sämmtlich er Coätan war, überlebte. 2)
Er kam als 22jähriger armer Scholar 1499^) an die
Universität Wien und wurde wegen seiner Dürftigkeit in
die Rosenbursa aufgenommen, wo er nach der damaligen
Sitte als armer Student seinen wohlhabenden Collegen
*) Salzer latinisirte , ungeachtet er zum Humanistenkreise gehörte,
nicht seinen Namen. Er ist wolil zu unterscheiden von seinem Zeitgenossen
Johann Salius (Salzer oder Salzmann) aus Steyer in 0])erösterreich , den
Kaiser Ferdinand als seinen Leiharzt nach Wien gebracht und den man
im J. 1522 zum Rector der Universität w«ähltc. Im Conspect. hist. Univ.
Vienn. III. 46 wird Salzer mit Salius verwechselt.
2) Eder, Catal. Beet. p. 84, der im J. 1558 schrieb, spricht von dem
damals noch lebenden achtzigjährigen Greis Ambrosius Salzer: qui pro-
fessus est artes liberales atque divinam scientiam per annos 42 integros.
In den Script, univ. Vienn. III. p. 51 ist übersehen, dass Salzer noch zehn
Jahre länger gelebt hat, und daher sind die daselbst gelieferten chrono-
logischen Angaben nicht richtig.
3) Eder 1. c. Adscriptus est (a. 1499) huic Albo.
3Ö2 Leben und Schriften der Humanisten.
mancherlei Dienste zu leisten hatte. Durch Fleiss und seine
guten Anlagen brachte er es in wenigen Jahren dahin ^ dass
er in der artistischen Facultät die akademischen Grade er-
langte und bald auch als magister legens auftreten konnte J)
Zwei Mal (1515 und 1520) besorgte er als Decan die Ge-
schäfte der artistischen Facultät. Daneben betrieb er das
theologische Studium, so dass er schon 1519 die aka-
demische Würde eines Theologiae Licentiatus erwarb, 2)
ohne jedoch seine Vorlesungen über die fi'eien Künste auf-
zugeben. ''^)
Das Rectorat bekleidete er vier Mal (1523, 1527, 1533
und 1541). Nachdem er Canonicus des St. Stephans-Stiftes
geworden,^) zeichnete ihn der römische König Ferdinand I.
durch Erhebung in den Ritterstand aus. ^) Von seinen
Collegen wegen seiner Umgänglichkeit allgemein geliebt,
von den Scholaren wegen seines manchfaltigen Wissens
und seiner guten Rednergabe sehr geachtet, von den
Armen ^) wegen seines Wohlthätigkeitssinnes und seiner
Freigebigkeit dankbar verehrt, ') starb er nach mehr als
*) In den Act. fac. art. III. fol. 41 kommt er beim J. 1505 unter
den legentihus magistris vor. Er las damals über die Aristotelischen libri
posterionim.
2) Eder 1. c. Post maximos labores — licentiam in Theologia asse-
cutus est a. 1519. Vadian nennt Salzer in der Ausgabe des Donatus (1613)
in der Praefatio schon Theologus et politioris literaturae adprime studiosus.
3) Es war seit 1541 die theologische Facultät aus Mangel an Lehrern
und Schülern fast eingegangen. Salzer und der Licentiat L. Villinus waren
einige Zeit die einzigen Mitglieder der Facultät. Vgl. Kink I. S. 276,
n. 332.
*) Script, bist. Univ. Vienn. III. p. 51.
^) Eder 1. c. Jam meritorum ergo rüde donatus emeriti militum
libertate placidissime perfruitur.
6) Script 1. c. In bursa Rosae memor beneficii duo egenis literarum
studiosis stipendia fundavit.
^ Caspar Bruschius in seinem Gedichte zum Lob Oesterreichs vor
Cuspinian^s Austria, Basil. 1553, erhebt Salzer wegen seiner Gelehrsam-
keit, Beredsamkeit und seines echten christlichen Sinnes; so auch Eder
Salzer. 353
halbhundertjähriger Lehrthätigkeit am 11. Juni 1568 im
92. Lebensjahre. ')
Obschon Ambrosius Salzer von seinen humanistischen
Freunden als ausgezeichneter Gelehrter gepriesen wird^ '^)
so hat er doch keine bedeutenden literarischen Leistungen
in Bezug auf die classischen Disciplinen hinterlassen. Wohl
aber trat er in der Theologie als exegetischer Schriftsteller
auf. Er lieferte erklärende Werke zu mehreren alttesta-
mentarischen Büchern und zu den Briefen Petri und Pauli,
die aber nicht gedruckt worden sind. ^)
1. c ad ann. 1523, p. 64. Vir ingenio praeclarus, doctrina magnus, con-
versatione jucundus et pietate integerrimus singulare hujus academiae
decus et omameiitum.
^) Locher, Specul. p. 425, gibt die Grabschrift. Sorbait, Catal. Rect.
ad ann. 1568, p. 118: Ambrosius Salzerus, s. Theologiae doctor et emeritus
Professor, nonagenarius ex hac vita discessit.
2) Vadian in der Praefatio zu des Grammatikers Donatus Fabulae
potiores Ovidianae Metamorphosis , Vienn. 1513, rühmt die Beihülfe des
A. Salzer, deren er sich bei der Herausgabe des Buches erfreute, nament-
lich dass er demselben eine gute Abschrift von dem schadhaften Manu-
script verdankte. Vgl. Denis, Garell. Bibl. S. 249. Auch Udalrich Fabri
und Barth. Reisacher zählten ihn zu den ausgezeichneten Gelehrten Wiens.
Denis, Wiens Buchdr.- Gesch. S. 191 und 463.
^) Script. Univ. Vienn. 1. c. Scripsit Annotationes in Proverb., Sapient.,
Ecclesiast., Oseam, Epistolam S. Pauli ad Roman, et Epist. S. Petri. In
Nr. 11726 Cod. Ms. auf der Wiener Hofbibliothek befinden sich von Salzer
Annotationes in epist. Pauli ad Rom., in epist Petri primam, scholia in
ecclesiast., dictata in Oseam prophetam.
V. Aschbach, Geschichte der Wiener Univers. II. 23
Scipio.
Bartholomäus Steber aus Wien.
t 1506.
Bartholomäus Steber, ^) eines Lederers Sohn, aus
Wien, der als Humanist den latinisirten Namen Scipio
führt, widmete sich in seiner Vaterstadt nach der Mitte des
15. Jahrhunderts zuerst den philosophischen Studien, und
nachdem er Magister artium geworden, betrieb er an der
Wiener Universität die Arzneikunde. Er erlangte in dieser
Wissenschaft den Doctorgrad und bald auch eine Pro-
fessur an der medicinischen Facultät. Sechs Mal
führte er deren Geschäfte als Decan (von 1492 — 1505),
nachdem er bereits im Jahre 1490 Rector gewesen. Als
Freund der Dichtkunst und der humanistischen Richtung
schloss er sich an seinen Collegen, den Doctor Johann
Tichtel,^) der ebenfalls an der Hochschule die Arzneikunde
lehrte und mit Conrad Celtes in innigen Verkehr getreten
') Hormayr, Wiens Denkw. X. S. 148, nennt ihn unrichtig Steckar;
er kommt auch unter dem Namen Stäber und Staber vor. In den Act.
fac. art. II. p. 363 wird er Stäber genannt. Cuspinian nennt ihn Steber.
Vgl. Kaltenbäck a. a. O. III. S. 88.
2) Tagebuch des Joh. Tichtel, herausg. von Karajan S. 43. Tichtel
nennt die Mutter seiner Frau eine Steberin.
Scipio. 355
war, als dieser, von Krakau in seine fränkische Heimat
zurückkelirend, in Wien einige Zeit verweilte (1490). Beide
legten mit dem gekrönten Dichter damals den ersten Grund
zur Errichtung der gelehrten Donaugesellschaft in Wien
und sie arbeiteten eifrig daran, dass die humanistischen
Studien an der Hochschule in Aufnahme kamen. Wenn
es ihnen auch nicht gelang, Celtes sogleich für die Universität
zu gewinnen^), so waren sie doch später durch die kaiser-
lichen Räthe Krachen berger und Fuchsmagen unterstützt im
Stande, erfolgreich für die Verbreitung der classischen Studien
vorzüglich dadurch zu wirken, dass einige Humanisten von
auswärts an die Wiener Hochschule gezogen wurden, wie
der Italiener Hieronymus Balbi.*^) Endlich gelang es ihnen,
dass Celtes berufen ward, welchen Steher bei seinem Ein-
treflfen in der Donaustadt mit einem Bewillkommnungsgedichte
begrüsste (1497). ^) Aus Cuspinian's Tagebuch ersehen
wir, dass er mit diesem CöUegen in sehr innigem und
lebhaftem Verkehre stand. ^) Am 14. Januar 1506 schied
er aus dem Leben. Er wurde in der St. Stephans-
kirche zur Ruhe bestattet, wo ihm auch eine Grabschrift
gesetzt ward.^)
1) Dartiber gibt Auskunft Steber*s Brief an Celtes d. d. Wien 6. März
1493 im Cod. epist. Celt. fol. 19. Klüpfel, Celtes I. p. 147, liefert nur
einen lückenhaften, incorrecten Abdruck davon.
2) Von der Freundschaft Balbi*8 und Steber's zeugen des ersteren
Gedichte an den letzteren: Retzer, Opp. Hieronym. Balb. Carm. 62. 149
und 248.
3) Vgl. unter den Episodien an Celtes nr. 10.
*) Cuspinian's von Karajan herausgegebenes Tagebuch, welches den
Tod Steber's am 14. Januar angibt, bemerkt beim J. 1605: In periculo
vitae cum Doctore Steher, in pravo itinere de Znaim ratione maximi
turbinis et nivis et frigoris.
^) Sie findet sich bei Locher, Specul. p. 398:
Anno nostrae salutis Christianae MDVI
Die XIV mensis Januarii
supremum diem obiit
28*
3f)6 Leben und Schriften der Hnmanisten.
Von den Schriften Steber's hat sich ein medicinisches
Werk erhalten, welches zu den ältesten Wiener Drucken
gehört und auch durch seinen Inhalt merkwürdig" ist. Es
hat den Titel: A Malafranczos morbo Gallorum preservatio
ac cura a Bartholomaeo Steher Viennensi artium et medicine
doctore nuper edita. Impress. per Jo. W. o. J. 4^ Hieronymus
Balbi fügt ein Epigramm ad lectorem bei, worin er kurz die
Krankheit beschreibt und mit dem Verse schliesst: „Attulit
optatam Bartholomaeus opem". Steher widmet die Schrift:
Briccie Preprost Ciliaco artium sacreque Theologie pro-
fessori, inclyti gymnasii Viennensi Rectori Magnifico. Er
polemisirt darin gegen die Aerzte, welche behaupten, dass
man gegen die Seuche i) kein Mittel habe ; er handelt von
den Ursachen und setzt darunter auch die Constellation
der Planeten in den Jahren 1480, 1485, 1487 und 1494.
Endlich gibt er die Ileilarten an. 2)
famatissimiis medicus
Bartholomaeus Steher Viennensis
Phil, et Med. Doetor egregius
cujus anima
quiescat in pace.
'), Sie wurde wie eine pestartige Krankheit !)etrachtet. Annal.
Mellieens. Pertz Mon. IX. 526. 1495. Hoc anno lues igninaria (inguinaria)
cruentissiraa toto saeviens orbe stravit mortales et ubi incipiebat, durabat
mensibus tribus.
2) Vgl. Denis, \V. B. G. S. 297. Das Bucli ist bei Johann Winter-
burger (denn das deutet Jo. W. an) gedruckt, und zwar ohne allen
Zweifel im J. 1497, worin Briecius Preprost von Cilly zum dritten Male
Reetor war. Dass es nicht auf ein frülieres Rectorat desselben in den
Jahren 1480 oder 1491 sich beziehen kann, das zeigt das Epigramm
Balbi's, der erst im J. 1493 nach Wien kam. Auch das Prädicat
Magnificus des Rectors kommt nicht vor Maximilians Regierungsantritt (1493)
vor, wie auch der Titel Artium Doetor für Artium Magister.
Spiegelius.
Jacob Spiegel aus Schlettstadt im Elsass.
t nach 1541.
Jacob Spiegel, der seinen deutschen Namen nicht
latinisirte, war 1483 zu Schlettstadt im Elsass geboren,
wo auch der berühmte Humanist Beatus Rhenanus seine
Geburtsstätto hatte. Mit dessen Familie war Spiegel ver-
wandt; ebenso mit dem gelehrten Speierer Domherrn Jacob
Wimpfeling, da derselbe der Bruder seiner Mutter Magda-
lena war. ')
In seiner Vaterstadt erhielt Spiegel die frühere Aus-
bildung in den alten Sprachen in der lateinischen Schule,
aus welcher mehrere ausgezeichnete Humanisten in der
zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts hervorgegangen waren.
Seine ersten Universitätsstudien machte er zu Freiburg im
Breisgau unter Ulrich Zasius.'-^)
In der Zeit, als Celtes an der Wiener Universität die
classischen Disciplinen vortrug, kam Spiegel dahin und
^) Jacob Wirapfeling in seiner Expurgatio contra detractatores nennt
den Jacob Spiegel seinen nepotem ex sorore. Daher ist Melch. Adam vita
Erudit. III. p. 31 zu berichtigen, der ihn einen nepotem ex Beati Rhenani
sorore nennt.
-) Am Schills» der Schollen zum ersten Buche der Alphonsinischen
Memorabilien des Antonius Panormitanus nennt er Zasius noster vir im-
mortalitate digniis, praeceptor mens.
358 Leben und Schriften der Humanisten.
wurde ganz und gar für den Humanismus gewonnen. Aber
nach dem Tode des gekrönten Dichters widmete er sich
mit Eifer den juridischen Studien und erlangte den Grad
eines Doctors beider Rechte. Kurze Zeit hielt er auch
juridische Vorlesungen, aber bald trat er in den Staats-
dienst, indem ihn Kaiser Maximilian zu einem seiner Ge-
heimschreiber ernannte. ^) Schon im J. 1512 kommt er in
dieser Eigenschaft vor, jedoch betrieb er noch weiter die
humanistischen Studien und stand in lebhaftem Verkehre
mit Cuspinian, Stabius, Vadianus und Ursinus, die er zu
seinen besonderen Freunden zählte und die ihn hinwiederum
vorzüglich schätzten und verehrten. 2)
Nach Maximilians Tod blieb er im Staatsdienste bei
dessen Enkeln und Nachfolgern Karl V. und Ferdinand I.,
ohne jedoch den humanistischen Studien zu entsagen, die
er sogar mit Vorliebe weiter betrieb. Die treuen und
eifrigen Dienste, welche er seinen Landesfürsten leistete,
belohnten diese durch manchfache Auszeichnungen und
Gun Stertheilungen: sie nahmen seinen Halbbruder Johann
Majus in kaiserlichen Dienst und erhoben ihn selbst in den
Adelstand. ^)
') Spiegel gab zu Perlach's Ausgabe der Peuerbach'scben Tabulae
eclipsium (Vienn. 1614) einen poetischen Applaus, wo er sich in studio
Viennensi jurium professor nennt. Eder, Catal. Rect. p. 62, spricht von ihm um
dieselbe Zeit: Philosophiae castra sequebatur Spiegel J. U. Lic. et Caes.
M aximiliani secretarius. — Johann Faber in der Orat. funebr. in Maximil.
ap. Freher. Script, rer. Genn. II. p. 412 zählt unter die zeitgenössischen
Gelehrten, welche der Kaiser besonders begünstigte, Stephan Kosinus,
Johannes Stabius, Johannes Cuspinianus und unsem Jacob Spiegel.
2) Vadianus in seiner im J. 1515 an Kaiser Maximilian gerichteten
Rede nennt ihn mit grossem Lobe: Vir cum singularem doctrinam tum
summam humanitatem mihi conjunctissimus. Ursinus fügt zu seinem Carmen
ad Mariam Virg. (1517) eine Zuschriften Jacob Spiegel. Dass dieser den
Johann Stabius auf einer seiner Reisen nach Augsburg begleitete, sagt er
selbst in den Schollen zu des Aen. Sylv. Comment. in Ant. Panormit. lib. II.
3) In einer alten gedruckten Thurocz'schen Chronik, deren früherer
Besitzer Jacob Spiegel gewesen, fand Denis (Wiens Buchdr.-Gesch. S. 326)
Spiegelins. 359
Als er 1532 aus dem Staatsdienste geschieden, kehrte
er zu seinen früheren gelehrten Beschäftigungen zurück;
er widmete seine Müsse der Leetüre der alten Schriftsteller
und der humanistischen Productionen seiner Zeitgenossen.
Für die kirchlichen Bewegungen und Reformen in der
Richtung und in dem Sinne, wie sie Luther und andere
Glaubensneuerer betrieben, hegte er zwar keine Sympathien,
jedoch sprach er sich entschieden dafür aus, dass die
Regierungen und die Bischöfe auf den Reichstagen gemein-
schaftlich an der Beseitigung der kirchlichen Missbräuche
und der Herstellung der nöthigen Reformen arbeiteten. ^)
Jacob Spiegel starb um die Mitte des 16. Jahrhunderts,
jedenfalls später als 1541, welches Jahr gewöhnlich als Zeit
seines Todes angegeben wird. 2)
In BetreflF seiner literarischen Thätigkeit,^) welche
meist dem zweiten Decennium des 16. Jahrhunderts ange-
hört, ist zu bemerken, dass er einige (bisher noch nicht
gedruckte) Werke verfasste, die in das juridische Fach
fallen, wie ein Lexicon juris civilis, die Medulla pragmaticae
sanctionis etc.; ferner ist zu nennen seine Abhandlung de
Astutiis Curtisanorum, die 1520 in Schlettstadt erschien.
das Spiegeische Wappen; es hat einen rothen Schrägbalken mit Pfauen-
spiegeln und ebensolche auch auf dem Helme.
1) Am 15. Nov. 1540 schreibt J. Spiegel an den Wiener Coadjutor
Friedrich Nausea und ermahnt ihn, auf dem nächsten Reichstage an das
Werk der Reformation Hand anzulegen. Er verspricht, wenn dies geschähe,
seine neugebaute Behausung zu verlassen und herbeizueilen zur gemein-
schaftlichen Arbeit. Ranke, deutsche Gesch. im Zeitalter der Ref. IV. 139
nach einer Epist. ad Nauseam p. 288.
2) Script. Univ. Vienn. III. p. 11.
3) Ueber SpiegeFs Schriften ist in den Script. Univ. Vienn. 1. c,
wo auch einige dürftige Notizen gegeben sind, ein ziemlich unvollständiges
Verzeichniss geliefert. Denis, der in den Merkw. der Garell. Bibl. S. 253 — 257
Biographisches und Literarisches über ihn beigebracht hat, spricht auch
in der Wien. Buchdr. -Gesch. bei den betreffenden Jahren der Ausgaben
der Schriften von ihnen, wenn sie in Wien erschienen sind.
360 Leben und Schriften der Hnmanieten.
Seine meisten Schriften gehören der humanistischen
Literatur an; es sind vorzüglich Wiederabdrücke nicht
nur von Classikern, sondern auch von Schriftstellern seiner
Zeit, welche er mit Episteln, Vorreden und besonders
mit Schollen und Commentarien ausstattete.
Mit einleitenden Episteln versah er des Pico von Miran-
dola Gedicht Staurosticon, des Jacob Wimpheling Apologie
gegen seine Widersacher, das Leichengedicht des Quintius
Aemilianus Cimbriacus auf Kaiser Friedrich III.; •) mit
Erläuterungen oder Vorreden gab er heraus Reuchlin's
Scenica progymnasmata und des portugiesischen Königs
Emmanuel Brief über die Eroberungen in Indien an den
Papst Leo X. ; '^) mit Scliolien und Commentarien stattete
er aus den Pontanus über die Immunität, den Erasmischen
Hymnus über die heil. Anna, das Trauergedicht des Petrus
Aegydii auf Kaiser Maximilian, den Günther. Ligurinus
und des Antonius Panormitanus Memorabilien von dem
aragonischen König Alfonso. ^)
1) Staurosticon h. e. Carmen de mysteriis dorainicae Crucis J. Franc.
Pici Mirandulani ad Maximil. Aug. cum J. Spiegelii Selestadani enarra-
tione, Tüb. 1512. — Jacobi Wimphelii expurgatio contra detrectatores c.
epist. J. Spiegelii. Vienn. 1514, — Isocratis de regno gubernando, Martino
Philetico interprete. Quintii Haemiliani Cimbriaci poetae Epicedion in
Div. Frideric. III. Imp. c. epist. J. Spiegelii. Vienn. 1514. Vgl. Denis,
Merkw. d. Garell. Bibl. S. 253 fll.
2) Jo. Reuchlini scenica progymnasmata cum explanatione Jac. Spie-
gelii Selestadano. Tüb. 1512. — Epist. Emmanuelis reg. Portugal, de
victoriis habitis in India et Malacha ad Leonem X. Papam c. Praef. Jac.
Spiegelii Selestensis, leg. lic. Caesar, secretar. et archiducalis ab epist.
Vienn. 1516. Nach Denis, W. B. G. S. 82, eine höchst seltene Druck-
schrift, welche Fr. Schottus und Pistorius unbekamit gewesen.
3) J. Spiegelii Scholia ad Jovian. Pontani lib. I. Aug. Vindel. 1510
und 1519. — Scholia J. Spiegelii in Hymnum Aviae Christi Anuae dictum
ab Erasmo Rotterd. Aug. Vindel. 1519. Schol. Jac. Spiegelii in Threnodiam
Petri Aegidii in obitum Maximiliani. — Günther Ligurinus cum scholiis
Jacobi Spiegelii. Accedunt Rieh. Bartholin. Austriados libri XII. Argentor.
1531. fol. Ausg. V. J. Reuber. Francof. 1584 und 1726. Köpke, Ottonische
Studien S, 274, legt diesen Schollen keinen besonderen Werth bei. —
Spiogelius. 361
Eine Probe von seinen poetischen Productionen ist sein
Gedicht mit der Ueberschrift Posteritati, welches Nachrichten
über sein Leben gibt und deshalb hier mitgetheilt wird. ^)
Antonii Panormitani de dictis et f actis Alfonsi regia Aragon, libri IV cum
commentariis Aeneae Sylvii et scholiis Jac. Spiegelii. Hasil. 1538. 4^. In
diesen Scholien legte J. Spiegel ein reiches Wissen aü den Tag und gibt
auch manche interessante Notizen über die Geschichte seiner Zeit.
^) Nach dem Abdrucke bei Denis, Wiens Buchdr.-Gesch. S. 326, lautet
das Gedicht:
Posteritati.
Quum peterem, tantum laudaret Caesar avitum
Insigne, exorno hoc te, Maximilianus ait.
Atque inter cretos longaeva nobilitate
Scribaeque arcani te volo habere locum.
Carolus llesperiae rex postquam avus astra petivit,
Qua prius admittit conditione fruar,
Ut Caesar dictus, censum dat, meque iidelem
Esse jubet servum, dum mihi vita manet;
Conspicuumque facit sacri largitus honorem
Pallati comitum splendidiore toga.
Fernandus Princeps, Rex post, Caesarque deinde
Haec rata liabens, me nunc confovet emeritum.
Sic vos felices concordi foedere fratres
Opprimite invicta castra iiümica manu.
Munere dum vestro contentus sorte mea, nunc
Evolvo libros ocia grata seni.
Caesar avus traxit septem bis, Carolus annos
Per treis nee parvo pondere servitium,
Tot Princeps Ferdinandus clarissimus Austriae,
Ac late innumeris imperitans populis.
Cui Majus frater, mea mox vestigia servans,
Praestitit ex sancta munia grata iide
Bis quiiupie annis, post haec mors, quae meta labonim es,
Crudelis, juvenem corripis ante diem.
Portet honoratos titulos dum Rex meditatur
Accipiatque sui praemia servitii.
Clauduntur nostri impensi tot Regibus anni,
Tot data pennigerae tempora militiae.
Nee tamen haec aetas Caesar dum [lostulat, aut Rex
Segnis abit longis usibus aucta. Vale.
Jacobus Spiegel Selestadiensis dicavit aetatis suae anno LVI salutis
MDXXXVIII. Tecum llabita.
362 Leben und Schriften der Hnmanisten.
Dazu fügen wir SpiegePs Lob Deutschlands in seinem Applaus zu
den Peuerbach'schen Tabulae eclipsium. Vienn. 1514 (vgl. Denis S. 109):
Bombarda et ratio preli, quo littera manat,
Vim rari ingenii jam prius edocuit:
At nunc quod numeris praestes, sacraeq. mathesi
Purbacco: et Jano gratia danda venit:
Cetera sunt aliis tecum communia: tres has
Ingenii dotes suscipe: quaere pares.
Seine hie und da vorkommenden, meist nicht gednickten Briefe sind
noch nicht gesammelt. Ein Brief von ihm an den Wiener Bischof Johann
Faber kommt auch in dessen handschriftl. Briefsammlung auf der Wiener
Hofbibliothek Nr. 9737 vor.
Stabius.
Johann Stab aus Steyer in Oberösterreich.
t 1522.
Johann Stabius^) aus Stadt Steyer 2) in Ober-
österreich gehörte za der Classe der Humanisten, welche
sich weniger der Poesie und der Rhetorik, als vielmehr der
Geschichte und der Mathematik zuwandten. In das Studium
der classischen Wissenschaften wurde er durch Dringen-
berg, den Vorsteher einer gelehrten Schule zu Schlettstadt
im Elsass, welche damals im grossen Ansehen stand, ein-
geführt. Neben den alten Sprachen studirte er eifrig Mathe-
matik und machte in dieser Wissenschaft so ungewöhn-
liche Fortschritte auf der Universität Ingolstadt, dass er
bald daselbst in dieser Disciplin eine Professur erhielt. Es
war dieses in der Zeit, als Conrad Celtes dort Poetik und
Rhetorik vortrug (1492 — 1497). Die innige Freundschaft
*) lieber ihn handelt, jedoch nur kurz und unvollständig, Khautz,
Geschichte der Österreich. Gelehrten. Vorr. VIII und S. 54. 86. 118. 124
und 169. Denis, Wiens Buchdr.- Gesch. S. 202 und an einigen anderen
Stellen, liefert auch nur spärliche Notizen. Johann Stabius kommt nur
unter seinem humanistischen Namen vor; sein eigentlicher Familienname
mag Stab gewesen sein. Seine humanistischen Fretmde Bartholomäus
Scipio (der eigentlich Steher hiess) und Andreas Stiborius, dessen Familien-
name Stöberl war, sind von ihm zu unterscheiden.
2) Die Bezeichnung Stabius Styrius oder ex Styria hat Veranlassung
zu der falschen Annahme gegeben, dass er aus Steiermark gewesen.
364: Leben und Schriften der Humanisten.
mit dem g^ekrönten Dichter wurde nicht durch dessen Be-
rufung* nach Wien unterbrochen, denn kurz vor der Zeit,
als dieser Ingolstadt verliess, war Stabius auch nach Wien
übersiedelt, wo er eine Professur der Mathematik im
J. 1497 erhalten hatte. ')
Sein lebhafter geistiger Verkehr mit Celtes macht es
erklärlich, dass Stabius ein eifriges Mitglied nicht nur der
Sodalitas literaria Rhcnana, sondern auch der gelehrten
Donaugesellschaft wurde. Als Celtes bei seiner Uebersiede-
lung nach Wien (1497) von den Mitgliedern der letzteren
Gesellschaft in Episodien gefeiert ward, linden wir auch
Stabius unter den Begrüssenden ; ^) und als die rheinische
Sodalität um den Herausgeber der angeblichen Koswitha-
schen Werke mit lobpreisenden Gedichten sich vereinigte,
fehlte nicht im Kreise derselben unser Stabius.^)
^) Dieses ist aus dem Sclireibeii des Job. Stabius d. d. Vienn. Oculi
ann. dorn. 1497 an Celtes, der damals nocb in Ingolstadt war, zu erseben.
Er scbreibt: Joannes Pierius Graccus (Kracbenberger) imprimis aliique
plures, «jui te diligunt, multa elaborarunt, ut bic Viennae apud eosdem
tuo in comniodo vivere posses. — Tuus Joannes Stabius pro te plus quam
pro se soUicitus est. Der Brief findet sieb im Cod. epist. Celt. fol. 74.
Ebenda fol. 35 imd 83 liefern aucb nocb zwei andere Briefe des Stabius
an Celtes Beweise von der innigen Freundscbaft der beiden Humanisten.
2) Vgl. unten die Episodien vor des Celtes Ausgabe des Apulejus
Nr. 6. Er wird in der Aufschrift als pbilosopbus et mathematieus be-
zeichnet.
^) Sein Epigramm lautet:
Barbara nostra licet dicatur patria tellus
Expers et Graji dograatis et Latii :
Attamen hoc calamo potuit Germana virago
Roswitha, quod Latii vix potuere viri.
Es ist auffallend, dass sich Johannes Stabius bei seinem Epigramm, das
im J. 1501 gedmckt war, noch als Mathematieus Ingolstadensis bezeichnet,
indem er schon vier Jahre die bairische Universität verlassen hatte. Es
erklärt sich aber die Sache dadurch, dass die sogenannten Roswitba'schen
Dichtungen nebst den Epigrammen der Mitglieder der rheinischen Sodalität
schon früher zum Druck bereit lagen.
Stabins. 365
Indem das unter der Leitung des Celtes von Kaiser
Maximilian neu errichtete Collegium poetarum eine mathe-
matische Abtheilung erhielt, wurde Stabius an deren Spitze
gestellt. Da er auch ein rhythmisches lieben des heiligen
Coloman, Patrons von Oesterreich, geschrieben ') und über-
haupt Beweise seiner dichterischen Begabung an den Tag
gelegt hatte, so veranstaltete Celtes, dem vom Kaiser das
Recht der Dichterkrönung als Vorstand des Dichter-Colle-
giums übertragen worden war, eine besondere Feierlichkeit,
wobei Stabius aus den Händen des Celtes den Lorbeer
empfing. Es war dies das erste Beispiel einer solchen
Dichterkrönung (1502). 2)
Stabius widmete seine gelehrte Thätigkeit mehr dem
Collegium poetarum als der Universität, •'^) an der er nie
^) Gedr. bei Pez, Script, rer. Aiistr. I. p. 106. Conspect. bist. Univ.
Vienn. ad ann. löOl. IL p. 67. Cuspinian, Austr. Basil. 1553. p. 665,
spricht von dem eniditnm et docttim carmen Joannis Stabil de sex pa-
tronis Austriae. In des Vitus Jacobaens Panegyricus de divo Leopoldo
Austriae Principe. Vienn. 1560 (vgl. Denis, Wiens Bncbdr.- Gesch. S. 612)
wird in einer Elegie des W. Lazins unser Job. Stabius gepriesen und im
Anbang dessen Precatio ad Sanctos Austriae Patronos abgedruckt. In der
Nürnberger Ausgabe des Gedichts, worin sich ein Holzschnitt des heiligen
Coloman von A. Dürer befindet, soll unter dem Bilde des "Heiligen das
Porträt des Stabius gegeben sein. Vgl. Thausing, Dürer. Gesch. seines
Lebens und seiner Kunst. Leipzig 1876. S. 463.
2) Gerbel in der Vita Cuspiniani erzählt die Sache ungenau, als habe
Cuspinian für den Kaiser die Dichterkrönung vorgenommen •, dass er dabei
eine Rede zum Lobe der Dichtkunst gehalten, mag ihm von Maximilian
übertragen worden sein.
2) Ilebrigens scheint im Schoosse des Collegium poetarum et mathe-
maticorum zwischen den Vorstehern der beiden Abtheilungen nicht das
beste Vernehmen bestanden zu haben. Longinus Eleutherius, der den Celtes
im Frühjahr 1502 bei dessen Abwesenheit vertrat, schreibt ihm (Cod. epist.
Celt. fol. 137): Johannes Stabius — Viennam venit, quem Andreas Stibo-
rius fovet et secum in nova domo mathematiconim Viennensis studii coUo-
care et fovere intendit. Quid vero Job. Stabius super hac re facturus sit,
penitus ignoro, arbitror tamen, cum ante tuae humanitatis reditum nihil
inchoatumm. Sentio enim sibi, ut tmicuique bono viro factiosos simulatores
et dissimulatores summo displicere.
366 Leben und Schriften der Hnmanisten.
ein akademisches Amt bekleidete. In der Donaugesellschaft
scheint er vorzüglich die G-eschäftsleitung gefuhrt zu haben^
wie sich yermuthen lässt aus der Stellung seines Namens
an drittem Platze, unmittelbar nach den Namen des Prä-
sidenten Krachenberger und des Vice-Präsidenten Cuspinian.^)
Als das CoUegium poetarum und die Donaugesellschaft
nach dem Tode des Celtes eingegangen waren, zog ihn
Kaiser Maximilian ganz in seine Umgebung; er ernannte
ihn zu seinem Historiographen und verlieh ihm einen
Wappenbrief. ^)
Schon seit dem Jahre 1503, mehr aber noch seit 1507
begleitete Stabius den Kaiser auf Reisen und Feldzügen; 3)
er war fast beständig in seiner Umgebung und wurde bei
dessen auf die Geschichte bezüglichen Arbeiten zu Rathe
gezogen oder damit betraut, sie weiter auszufuhren. Noch
in des Kaisers letzter Krankheit, wo derselbe die Nächte
schlaflos zubrachte, war der Historiograph beschäftigt, ihm
einzelne Partien der österreichischen Geschichte vorzulesen.^)
^) Cuspinian Hess an seinem Hause zum weissen Rössel in der
Singerstrasse eine Inschrift mit den Namen der zwölf Wiener Mitglieder
der Donau-Gesellschaft setzen (vgl. unten im Anhange).
2) Bei Werken des Stabius mit Albrecht Dürer'schen Holztafeln ist
sein Wappen abgebildet; auch in der Nomenclatura sex Ling^arum Ton
Gabriel Pesthinns. Wien 1638 (vgl. Denis a. a. O. S. 388) befindet es sich
mit der Umschrift:
Flammeus ecce volat clypeo Jovis armiger aureo.
Est Aquila in galea, sunt Crux, Diadema, Corona.
Caesaris Augusti pietas haec Maximilian!
Munere perpetuo Stabiis sacra contulit arma.
lieber die Holzschnitte des Wappens von Stabius, wovon Holzstöcke auf
der Wiener imd Berliner Hofbibliothek vorkommen, ist Thausing, Dürer
S. 376 fl. zu vergleichen. Dürer macht auch in seinem Tagebuch Erwäh-
nung von dem Wappen. Mrs. Ch. Heaton, life of Alb. Dürer. Lond. 1870.
S. 285.
3) Praefat. Cuspinian. in vita Maximil. Imp. (Stabius) castro Maxi-
miliani secutus semper lateri adhaesit annis jam assiduis sedecim.
*) Script, univ. Vienn. II. 32. Maximilianus Caesar Stabium legen-
tem res Austriacorum in supremo morbo noctu audiebat.
Stabius. 367
Maximilian hatte seinem Historiographen die Er-
forschung und Ausarbeitung der österreichischen Geschichte
aufgetragen. Es sollten ihm bei diesem schwierigen Werke,
wo nicht nur nach alten Schriften, Chroniken und Urkunden
in Bibliotheken und Archiven des In- und Auslandes Nach-
forschungen anzustellen ') und die Benützungen derselben
vorzunehmen waren, zwei Gelehrte, Jacob Manlius aus Frei-
burg und Ladislaus Suntheim aus Ravensburg (letzterer
besonders bezüglich der Genealogie und Geographie) behülf-
lich sein. Der Plan wurde später dahin erweitert, dass die
Materialien für eine vollständige deutsche Geschichte ge-
sammelt und zu einem grossen historischen Werke ver-
arbeitet werden sollten. 2)
Der Kaiser sammelte selbst die Materialien zu seiner
früheren Lebensgeschichte und Hess sie durch seinen Ge-
heimschreiber Marx Treizsauerwein von Erntreitz in einem
deutschen Buche, genannt der Weiss-Kunig, zusammen-
stellen, worin die historischen Personen in allegorischer
Weise vorgeführt werden. Die Erzählung umfasst die Zeit
bis zur Vermählung des Kaisers. Unter der Benennung
Weiss-Kunig wird der habsburgische Herrscher verstanden.-^)
^) Welcher Art die Forschungen des Stabius waren, lässl sich aus
der Handschrift Nr. 9045 in der Wiener k. k. Hofbibliothek ersehen, worin
die Excerpte ex libris Chronicis Abbatis Spanhem. Trithemii cum Glossa
Stabii vorkommen. Vgl. Chmel, die Handschriften der k. k. Hofbibliothek
in Wien. I. p. 312 fll.
^) Melanchthon in dedicat. Chronic. Conr. a Lichtenau ad Philipp.
Comit. Palat. Ehen. Bas. 1569.
•3) Der Weiss-Kunig, eine Erzählung von den Thaten des Kaisers
Maximilian I. (nebst den zu Graz entdeckten Holzschnitten von Hans
Burgmair). Wien 1775. fol. — v. Liliencron, der Weisskunig Kaiser Maxi-
milians I. in Kiehl, bist. Taschenb. 3. Jahrg. Leipzig 1873. Schönherr,
Treizsauerwein. Wien 1874. (Vgl. Archiv f. Ost. Gesch. XLVIII. S. 368 fll.)
Geiger in der Allg. Augsb. Zeitung 4. Juli 1876. Beil. Nr. 185. Thausing,
Dürer S. 370.
368 Leben nnd Schriften der Humanisten.
In gleicher Weise legte Maximilian zu einem deutschen
Epos oder ritterartigen Geschichtsroman den Grund, welcher
den Titel „Theuerdank" fuhrt und sein thatenreiches, mit
Abenteuern angefülltes Leben in allegorischer Darstellungs-
weise schildern sollte. •) Die nähere Ausführung des Ent-
wurfes übertrug er seinem früheren Secretär, dem Nürn-
berger Propst Melchior Pfinzing. 2)
Ein drittes historisches Werk, 3) wozu der Kaiser eben-
falls den Plan entworfen und die nähere Ausführung seinem
Ilistoriographen Johann Stabius übertrug, sollte das ganze
Leben Maximilians umfassen und ein Denkmal seiner ruhm-
vollen , thatenreichen Regierung sein. Was Stabius mit
Beihülfe des Freiburger Manlius und des Ravensburger
Snntheim mühsam und emsig aus Archiven und Chroniken
über die Geschichte des habsburgischen Stammes gesammelt
hatte, dieses historische Material ^) ordnete der Kaiser über-
sichtlich und kunstvoll zu einem Buche, welches Triumph-
bogen oder Ehrenpforte •'*) benannt ward. Es bestand
^) Der Held Thenerdank (Maximüian, der Thenres sinnt) ist Mittel-
punkt des Gedichtes. Er wirbt um . die Königstochter Ehrenreich (Maria
von Bnrgund) die er aher erst nach Ueberwindnng vieler ihm von seinen
Feinden Fürwittig, ITnfalo nnd Neidelhart bereiteten Gefahren gewinnt.
Die Erfindung ist freilich im Ganzen keine reiche nnd anch die Dar-
stellung ist ziemlich matt; die Versification wie die Sprache entbehren
der Leichtigkeit.
2) Die geverlichkeiten nnd eins teils der Geschichte des loblichen
streitparen und hochbenihmbten helds nnd ritters herr Tewerdanckhs gedr.
in Nürnberg von Hans Schönsperger mit 118 Holzschnitten von Hans
Schäufelein, Dürer's Schüler 1517, dann Augsb. 1519 und 1537. Frank-
furt löA.S.
3) Khautz, Oest. Gelehrte S. 78—108. Ueber die Schriften des Kaiser
Maximilian I.
*) Cod. Ms. Nr. 2834 auf der Wiener Hofbibliothek (vgl. Chmel,
Handschr. der Hofbibl. I. S. 475).
s) Lazii comment in genealog. Austr. p. 6. Maximilianus Imp. sociis
laboris Joann« Stabio, Jacobo Manlio et Ladislao Sundheymio majoram
suonim tumulos, nomina ac propagationem diligentissime perquisivit, eorum-
Statins . 369
aus Holzschüitten ^) auf 24 Blättern oach ZeichnuDgen von
Nürnberger Künstlern ^) und mit deutschen gereimten Ueber-
schriften von Johann Stabius.^) Es sollten die Vorstellungea
der Ehrenpforte als eine Autobiographie Maximilians an-
gesehen und zugleich als ein Buch zur Belehrung für das
deutsche Volk zu betrachten sein. Das in Deutschland
mehrfach gedruckte Werk ^) wurde auch durch eine Ueber-
setzung der gereimten deutschen Ueberschriften in die latei-
nische Sprache, welche Benedict Chelidonius, Abt des Wiener
Schottenklosters besorgte, ^) den auswärtigen Nationen zu-
gänglicher gemacht.
que seriem geneälogiae brevis forma arcubus illis triumphalibus
inseruit, quos ab honore vulgo Erenporten nuncupavit, non sine maximo
sumtu apnd Norimbergam sculptos atque impressos.
^) Es kann mit Recht als das grossartigste Holzschnittwerk bezeichnet
werden.
2) Die Mehrzahl der Holzschnitte sind von dem Nürnberger Hier.
Rösch nach Zeichnungen A. Dürer's gemacht. Zwölf Blätter waren der
Ehrenpforte des Lobes, ebensoviele der des Adels gewidmet-, sie geben
die Hauptmomente aus dem Leben des Kaisers. Vgl. H. Glax über die
vier Ausgaben der geschichtl. Vorstellungen der Ehrenpforte Kaiser Maxi-
milians I. von Albr. Dürer. (In Quell, u. Forsch, für vaterl. Gesch., Lit.
u. Kunst. Wien 1849. S. 257.) Thausing, Dürer S. 372 fll. Heaton S. 157.
3) Sie sind abgedruckt bei Glax a. a. O. S. 271 — 278. Cuspinian. in
vit. Maximil. p. 726. Pulchrum opus confinxit, quod Portam honoris
appellavit, a Stabio viro erudito erudite concinnatum. Willib. Pirkheimer
(opp. ed. Francof. 1610. p. 176): Porta honoris, hoc est, descriptio
portae honoris quondam Caesare Maximiliano I. anno 151Ö erectae per
Joannem Stabium Viennens. Majestatis illius ibidem historiographum.
*) Glax handelt über vier alte Ausgaben, wovon aber nur die mit
der Chelidonischen lateinischen Uebersetzung der Ueberschriften 24 Blätter
hat, die andern haben nur 21. So auch die Wiener Ausgabe von Raf. Haf-
falter vom J. 15Ö9. Die beste Ausgabe ist von A. Bartsch, Wien 1799.
^) Chelidonius im Prolog, zu seiner Ausgabe der libri sententiarum
Bandini (Denis, W. B. G. S. 199), Vienn. 1619, richtet an Maximilian I.
die Worte: (Die siegreichen Kämpfe) quos Joann. Stabius majestatis tuae
historiQus ea in grandem, quem triumphalem nuncupat, arcum coUegit. Cujus
nos commentarium ex germano in latinum jussu tuo vertimus.
Y. Aschbach, Geschichte der Wiener Univers. II. 24
370 Leben nnd Schriften der Hnmanisten.
Uebrigens darf nicht unberührt gelassen werden, dass
die Ehrenpforte nur einen Theil von einem grösseren Werke
bildet, welches im Ganzen den Titel Triuraphus oder
Triumphzug führt, dessen zweite Hälfte nach dem Mittel-
punkt der Darstellungen, wozu der Kaiser ebenfalls die
Ideen und Entwürfe gab, Maximilians Triumphwagen
genannt wird. Es ist daher die Ehrenpforte und der Triumph-
wagen, die manchmal miteinander verwechselt werden, aus-
einander zu halten. Dass auch bei den Entwürfen zu dem
Triumphzug Johann Stabius, der beständig in der Umgebung
des Kaisers lebte, von ihm vielfach zu Rathe gezogen wurde,
lässt sich nicht bezweifeln, jedoch nicht seine specielle
Theilnahme an dem Werke nachweisen, womit sich Maxi-
milian schon seit dem Jahre 1512 beschäftigte, demnach
schon früher als die Ehrenpforte herausgegeben wurde.
Die zahlreichen Darstellungen wurden nach den Angaben
Maximilians und des Humanisten und Nürnberger Patriciers
Willibald Pirkheimer von Albrecht Dürer gezeichnet und
von Burgmair in Holz geschnitten. ^)
Maximilian, der keineswegs gleichgültig in Betreff des
hohen Alters seines Hauses war, fand doch die Ansicht des
Stabius, dass die Entstehung des habsburgischen Stammes
an Noah und Cham anzuknüpfen sei, ziemlich abenteuer-
lich. 2) Er Hess die Meinung des Stabius der Wiener theo-
logischen Facultät vorlegen mit der Aufforderung, ihr Grut-
^) Bartsch, Peintre graveur VII. p. 230. Ch. Heaton a. a. O. S. 157.
Thausing, Dürer's Trinmphwagen nnd sein Antheil an Maximilians I.
Trinraphzng (in den Mittheil, der Central-Commission XIII. S. 135 fll.)
nnd besonders in dessen Bnch: Dürer. S. 387 fll. — Dass Joh. Stabins,
der mit Albr. Dürer auf das innigste befreundet war, dem Künstler von
dem Kaiser ein jährliches Leibgeding vpn 100 Gulden verschaffte (1515),
darüber gibt Thausing das Nähere an.
2) fScript. Univ. Vienn. III. p. 33. Quae sententia Maximiliano Caesari
non admodum placuit.
Stabius. 371
achten darüber abzugeben. Noch ehe aber dieses geschehen,
war der Kaiser aus dem Leben geschieden. ^
Wenn Stabius von den Zeitgenossen als ein Mann von
grossem und scharfem Verstände und ungewöhnlicher Ge-
lehrsamkeit gepriesen wird, 2) so ist dieses Lob weniger auf
seine historischen Leistungen, als vielmehr auf seine anderen
Arbeiten zu beziehen, welche Geographie, Mathematik
und Astronomie betreffen.^)
Vorzügliches leistete er im geographischen Fache,
namentlich in der Kartographie, und zwar sowohl im All-
gemeinen als auch insbesondere in Beziehung auf einzelne
Länder, namentlich die Herzogthümer Oesterreich und
Kärnten.4)
') Conspect. bist. TTniv. Vienn. II. 96. Maximil. dedit ad Universi-
täten! literas, iit certos de facultate thieolog. deligeret, qui genealogiani a
Noe inchoatam ad 8icambnim usque, si fors qiiidquam sententiae Joannis
Stabii — subesset veritatis, contexerent. Joliann Trapp und Jobann Ca-
mers, Professoren der Theologie, wurden beauftragt, das Gutachten zu
erstatten. Ueber diesen Gegenstand befindet sich auf der k. k. Hofbiblio-
thek raehreres Handschriftliche (Nr. 3327 und 8325 mit einigen Berichti-
gungen). Vgl. Chmel, Handschriften der Hofbibl. I. S. 486.
2) Ausser Cuspinian., praef. in vit. Maximil., und Erasm., Epistol.
lib. I. ep. 2, besonders Jan. Hadel. in lib. I. Elegiar. ad Jo. Stabium,
rerum a divo Maximiliano gestarum scriptorem, poetum laureatum Mathe-
maticumque insignem. Georg Tannstetter in der Ausgabe der Tab. Eclip-
sium Georg. Peuerbach. (Vienn. 1514), wo er von den berühmten Wiener
Mathematikern handelt, sagt von Stabius: Vir omnifariam eruditus: et in
novanira rerum inventionibus foelicissimi ingenii, cujus perraris inventis
invictisSi et illustriss. Caes. Maximilianus quotidie oblectatur: et ejus
Stiboriique ingenia miratus lectiones publicas in Astronoraia et Mathema-
tica Viennae novo stipendio instituit. — In reliquis artibus vir subtilis et
penetrantis ingenii cArmine et prosa plura et pulcherrima molitur, quibus
se aliquando posteritas oblectabit
3) J, Spiegel, Schol. in Comment. Aen. Sylv. ad Ant. Panormit.
lib. II. p. 299, nennt den Stabius magni saeculo nostro nominis mathe-
maticus.
*) Cuspinian. praefat in vita Maximil. Imp. Austriam et Carinthiam
graphice depinxerat, und am Schlüsse seiner Austria: Superest, ut nunc
24*
372 Leben nnd Schriften der Hamanisten.
Es ist zu beklagen, dass seine literarische Thätigkeit
in der genannten Richtung erst in seine spätere Lebenszeit
fallt, indem er früher als Historiograph und durch seinen
Aufenthalt am Hofe allzuviel anderweitig beschäftigt war;
dennoch leistete er in der Erdbeschreibung und Kosmo-
graphie Vorzügliches. ')
Nachdem er schon manche treffliche Erfindung in den
Einrichtungen von Mond- und Sonnenuhren gemacht 2) und
mit seinem Schüler Georg CoUimitius vielfache astrono-
mische Beobachtungen angestellt hatte ^), vertiefte er sich
omnes fluvios, montes, oppida, castra et villas pro complemento subjicia-
hius quae omnia aua peregrinatione Joannes Stabius oculis lustravit et
jussu Maximiliani Caeaaris descripsit, Georgius CoUimitius auxit et in
pulchrara tabulam redegit.
') Georg CoUimitius spricht von den Schriften, Instrumenten und
Karten welche sein Lehrer Stabius verfertigt hatte (vgl. Khautz a. a. O.
g VIII): Instrumentura chronometrum ad omnia climata cum vario usu.
— Compositio Meteoroscopii pro accipienda longitudine civitatis ignota.
Compositiones variarum projectionum universalium Ptolemaei pro toto
globo. — Variae chartae chorographicae propriae peregrinationis lustratione
depictae. — Descriptio variorum modorum pingendi tabulas cosmographicas
Ptolemaei ex veris principiis artis picturae. — Modus distantias miliariorum
inter diversa loca variis instramentis mensurandi. — Modus instituencli
tabula cosmographicas. — Constitutio tabulae cosmographicae sub quo grado
signi etc. Denis a. a. O. erwähnt noch Imago orbis und Iraagines coeli.
Ueber des Stabius astronomische und geographische Tafeln, welche in
Nürnberg 1515 unter Beihülfe von Albr. Dürer verfertigt wurden, vgl.
Thausing, Dürer. Leipzig 1876, S. 375, und Sotzman über J. Stabius und
dessen Weltkarte vom J. 1515 in den Monatsberichten über die Verhandl.
der GeseUsch. f. Erdkunde. Berlin 1848. Neue Folge V.* S. 232. Bei dem
Bl. Imagines coeli vom J. 1515 findet sich die Unterschrift: Joannes
Stabius ordinavit. Conradus Heinfogel posuit. Albrechtus Dürer circum-
scripsit.
2) Zu Nürnberg verfertigte er mit dem Mathematiker Joh. Werner
an der Lorenzikirche eine Sonnenuhr. (Doppelmayr, Nachr. v. Nürnberg.
Math. S. 32 und 44.) Er gab auch eine Anleitung zur Verfertigung einer
Monduhr: Modus faciendi horologium lunae ad quamque elevationem et
superficiem in lineis helicis.
3) Tabulae Astronomicae des Stabius befinden sich auf der Wiener
Hofbibliothek in Cod. Ms. Nr. 11637.
Stabins. 373
endlich auch in die Astrologie. Er verfertigte ein neues Horo-
scopium; *) er wollte vermittelst desselben die Zukunft und
die Zeit des Todes der Sterblichen voraussehen können.
So soll er auch den Tag des Todes Kaiser Maximilians
schon einige Jahre genau voraus angegeben haben. 2)
Als Domdechant an der St. Stephanskirche im Besitze
einer reichen Pfründe und nach Maximilians Tod vom Hof-
leben fern, widmete er sich mit doppeltem Eifer ganz den
mathematischen, geographischen und astronomischen Studien.
Er trug sich mit mancherlei grossartigen Plänen, als er auf
einer Reise in Graz am ersten Tage des Jahres 1522 plötz-
lich aus dem Leben schied. ^)
') Denis, Wiens Biichdr.-Gesch. S. 202, führt unter dem Namen Horo-
scopion von Stabius an: 1. Horoscopion universale pro multiplici diversa-
rum gentium ritu diei noctisque horas et momenta distinguens. [Mit einer
Epistol. ad Maxim. Imp. d. d. Ntirnb. 31. Jan. 1512 auf der Wiener Hofbibl.
Cod. Ms. Nr. 5280.] — 2. Horoscopion omni generaliter congruens elimati.
Darunter ist bemerkt: Veteri huic invento linearum horanim temporalium
atque inter duos solis exortus duosque occasus Joann. Stabius nuper an-
nexuit 1512. Georg Tannstetter nennt das Horoscopion universale in lineis
helicis und in lineis collunaribus ein Opus mirandiim.
2) Eder, Catal. Rect ad ann. 1512. Dicunt eum (Stabium) Imp-
Maximiliani mortem aliquibus annis praedicasse. Vgl. Script. Univ. Vienn.
II. p. 32.
3) Cuspin. praef. in vita Maximil. Imp. Stemmata domus Austriacae
ingenuissima in lucem produxerat, depromptunis ad hoc multa et speciosa
et insignia potissimum, nunc aulicis liberatus tempestatibus et tranquillitati
redditus eccl. Vienn. factus decanus — mors hunc insperato. cum moliretur
ingentia quaedam Graecii in Stiria nobis abstulit Kai. Jan. anno 1522.
Man hat das Porträt des Stabius von der Hand seines Freundes Albrecht
Dürer mehrmals auf Gemälden und Holzschnitten. Vgl. Thausing a. a. O.
S. 163, 342 und 368. Dass er auch auf dem Dürer'schen Gemälde „Maria
Tod-* imter den das Sterbelager befindlichen Personen vorkommt, ist schon
oben Buch I, Abschn. 4, S. 100 angegeben worden. Man vermuthet auch,
dass in Dürer's Bild Karls des Grossen (von A. Reindel 1847 in Kupfer
gestochen) der Kopf des Johann Stabius als Motiv gedient habe. Vgl.
Thausing S. 368.
Stiborius.
Andreas Stöberl aus Oettingen in Baiern.
t 1515.
Andreas Stiborius, dessen Familienname Stöberl
war, hatte Oettingen in Baiern zum Geburtsort. ^) Von
seiner früheren Jugend- und Studienzeit ist uns nichts be-
kannt. Es ist sehr wahrscheinlich, dass er die Universität
Ingolstadt besuchte, woselbst er die Magisterwürde erlangte
und als Lehrer der Mathematik und Astronomie gegen
Ende des 15. Jahrhunderts auftrat. 2)
Dass er sich den classischen Studien widmete, zeigt
sein lebhafter Verkehr mit dem Dichter Conrad Celtes, den
^) Die Rhein. Nat. Matrikel: Stöberl, Ingolstadiensis magister, ex
Oettingen. Schier, Denis, Kink geben nur dürftige Nachrichten über ihn.
Kaltenbäck III. 185 sagt, er sei zu Vilshofen geboren gewesen; er stützt
sich wohl bei dieser Angabe auf Celtes, Odar. lib. II. od. 29:
Qua se Vilsus in Istrum
Pulcro proripit alveo.
2) Denis, Merkw. der Gareil. Bibl. S. Iö6 behauptet, unser Stiborius
sei mit dem Olmützer Canonicus Andreas Stiborius identisch, dem sein
Verwandter, der Olmützer Propst Augustinus, von Padua aus 1495 des
Blanchini tabulae caelestium motuum dedicirt hat. Der Olmützer Canonicus
Andreas Stiborius war zwar auch Astronom, aber offenbar viel älter als
sein Ingolstädter Namensvetter, dem nirgends die Benemiung Canonicus
Olomucensis beigelegt wird.
Stiborius.
3'J^
er auch auf einigen seiner gelehrten Wanderungen von
Ingolstadt aus begleitete.^)
Einige Jahre nach dem Regierungsantritte des Kaisers
Maximilian wurde er von diesem 1497 als Professor der
Mathematik und Astronomie an die Hochschule Wien be-
rufen, 2) fast um dieselbe Zeit, als auch Geltes daselbst die
Professur der Poetik und Rhetorik übernahm. Indem sich
Stiborius auch in der Dichtkunst versucht hatte, so trat
er in Wien der gelchrtea Donaugesellschaft bei, und wir
finden seinen Namen und sein Episodium unter den Mit-
gliedern der Sodalität, die mit Gedichten den in der Donau-
stadt ankommenden gekrönten Poeten begrüssten.
Noch im J. 1507 gehörte er dem engeren Kreise der
genannten Gesellschaft an; auch erhielt er die Aufnahme
in das CoUegium ducale, da seine Stelle eine durch den
Kaiser besoldete war. Indem Stiborius sich auch den theo-
logischen Studien widmete, so erlangte er bald ein Canonicat
am Dom stifte zu St. Stephan. Als Priester erhielt er die
Pfarrei Stockerau. Seine Hauptwirksamkeit aber wendete
er der Mathematik und Astronomie zu; er versammelte
zahlreiche Schüler um sich und trug wesentlich dazu bei,
den Ruf der Universität Wien in Bezug auf die mathema-
tischen Disciplinen in ganz Europa zu verbreiten. Zu seinen
vorzüglichsten Schülern gehörte sein Landsmann Georg
Tannstetter CoUimitius, mit dem er seine meisten astro-
nomischen Beobachtungen und Arbeiten gemeinschaftlich
machte. Doch sind durch den Druck nur wenige von diesen
bekannt geworden.
*) Im Cod. epist. Celt. kommen fol. 49 und 52 zwei Briefe von
Stiborius an Celtes vor, die 1496 von Ingolstadt aus datirt sind. Celtes
richtete an ihn eine Ode (lib. II. od. 14) in jucunditatem vitae, in einer
andern (lib. II. od. 29) wird seiner erwähnt.
2) Georg Tannstetter erwähnt der Sache mit den Worten: Caes.
Maximilianus eins (Stabil) Stiboriique ingenia miratus lectiones publicas in
Astronomia et Mathematica Viennae novo stipendio instituit.
f?6
Leben und Schriften der Humanisten.
Zu Tannstetter's Ausgabe der Werke des Georg Peuer-
bach und Regiomontanus lieferte Stiborius eine Vorrede
mit dem Lobe der beiden grossen Astronomen und der
Wiener Schule überhaupt, i) Als Papst Leo X. die Ver-
besserung des Kirchenkalenders betrieb und zur
Unterstützung in der Sache von Kaiser Maximilian ge-
schickte Lehrer in der Astronomie erbat , wurden von
der Wiener Hochschule zu diesem Geschäfte Stiborius und
sein Schüler Tannstetter ausersehen, die mit einem Gut-
achten über den Gegenstand betraut wurden. Ihre Schrift,
worin sie dasselbe erstatteten, erschien schon im folgenden
Jahre 1515.2) Nicht lange Zeit hernach, am 3. September
1515, schied Stiborius aus dem Leben und wurde in seiner
Pfarrei Stockerau begraben. ^^)
') Es geschah dieses im J. 1514. Denis, W. B. G. S. 109.
2) Andreae Stiborii Boji Theologi et mathematici et Georgii Tann-
stetter Colliraitii Physici et Mathematici super requisitione Leonis X. Papae
et divi Maximiliani Imperat. de Romani Calendarii correctione conwliiim
in studio Viennensi Austriae conscriptum et editum. 4^. s. a. (Denis S. 316
vermuthet das Druckjahr 1515). Vgl. Kink, Univ. Wien I. S. 208, n. 240.
Beil. XXXI. Nr. 9 und 10. Das Ms. ist auf der Wiener Hofbibliothek
Nr. 10358 b, p. 113—120.
3) Rhein. Nat. Matrikel: Mag. Andreas Stiborius Canon. Vienn. et
plebanus in Stockerau, famigeratus Mathematicus, profundus theologus, vir
multigenae eruditionis, obiit Viennae 3. die Sept. anno 1515 et sepultus in
Stockerau. Ein Gedicht von Ursinus Velins auf Stibor's Tod, „Turaulus
Andreae Stiborii" betitelt, befindet sich in dessen Epistolar. et Epigramm,
lib. Vienn. 1516. Vgl. Denis S. 322 imd 325,
Suntheimius.
Ladislaus Suntheim oder Suntheimer aus Eavens-
bürg in Schwaben.
t 1512.
Ladislaus Suntheim, aus der schwäbischen Stadt
Ravensburg, machte seine Studien in den liberales artes
und in der Theologie an der Wiener Universität. Wir
finden seinen Namen in der rheinischen Nations-Matrikel
schon im J. 1460 eingetragen. Er lebte später mehrere
Jahre am Hofe des Tiroler Herzogs Sigismund als dessen
Caplan. Als Maximilian das Land seines kinderlosen Vetters
ererbt hatte, kehrte Suntheim nach Wien zurück, wo er
die Gunst des einflussreichen Cuspinian erlangte und zum
Hofcaplan des Kaisers erhoben wurde (1496). ^)
Maximilian beabsichtigte in ganz Deutschland Materia-
lien für die deutsche, besonders österreichische Geschichte
sammeln zu lassen und beauftragte mit diesem Geschäfte
seinen Historiographen Johann Stabius, dem er zur Bei-
hülfe seinen Geheim Schreiber Jacob Manlius von Freiburg
^) Ueber ihn handeln, freilich nur kurz: Cuspinian, de Caesarib.
p. DCCXXVI; Schier, Sodal. Danub. fol. 65—68; Khautz, Oest. Gelehrte
S. 123; Kaltenbäck, Arch. III. 113; Kink I. S. 211, n. 245. Am Hofe
führte er gewöhnlich den Namen Ladislaus Presbyter. Der Humanist
Michael Styrus Transsylvanus nennt Suntheim in einem Briefe an Celtes
d. d. Wien 1498 (Cod. epist. Celt. fol. 90) Ladislaus presbyter historiarum
atque novarum rerum Inquisitor curiosus.
378 Leben und Schriften der Hnmanisten.
und den Magister Ladislaus Suntheim mit den nöthig-en
Anweisungen zugesellte. ') Es sollten Deutschland und die
benachbarten Länder bereist und überall in Klöstern, Biblio-
theken und Archiven historische, besonders genealogische
Forschungen angestellt und von wichtigen Chroniken und
Denkmälern genaue Abschriften genommen werden. '^)
') Der Kaiser schrieb eigenhändig in sein M emorienbuch : Herr Lasla
Priester t^oll die oesterreichisch, sächsisch und bairisch Chroniken zusammen-
stimmen.
■-) Laz. praef. ad Comment. in geneal. Austr. p. 6. Divus Maximilian.
Imp. sociis laboris Joh. Stabio, Jac. Manlio et Ladislao Sundheymio,
majorum suorum tumulos, nomina ac projiagationem diligentissime perqui-
siyit. Interessant ist die in dem Archiv des Ministeriums des Innern iii
Wien aufbewahrte kaiserliche Instruction vom 19. März 1505 für Sunt-
heim, in welcher Richtung imd in welclier Art er seine Forschung auszu-
dehnen hätte.
Maximilian von Gots gnaden Köm. Künig etc.
Instruction was Wolft'gang Hamerl unser Secretari von uiuisern wegen bey
dem erbern unserm lieben andeclitigen Lasla von 8untheim unserni
Capplan, unser Cronica und Historien wegen handeln u. ausrichten sol.
Er sol alles das, so Lasla von Apis, von seinen vorfordern gemacht
hat, lautter abschreiben, was er von Albrecht des Apis »Sun hat.
Er sol auch Kunigs Rudolfs Cronik nacheinander abschreiben, dar-
nach aller Herren von Osterreich bis auf die Vorfordern, Ottobrecht.
Aller Swebischen Grafen gesiecht und die vor Zeitten den Graven
von Habspurg gesipt gewest sein abzuschreiben.
Die Grauen von ILabspurg, die abgestorben sein und nit in das
gesiecht gehören, dauon Kimig RudoltF komen ist, sol er besonder ab-
schreiben.
Die Cronica der Marggrauen von Osterreich bis auf Kunig Otaker.
Ein besunder Cronica von Kunig Otakher mitsambt dem 8treitt ab-
zuschreiben.
Darnach sol er was derselb Laslaw von allen Grafn von Habspurg,
oder Herczog von Zeyring [Zäringen] * hat abschreiben und wa ein yeder
begraben ligt, darzu wie ir yeder mit namen gehaissen hat.
Er sol alle Cronica inventurieren, so derselV) Lasziaw hat und als-
dann uns ain Inventari dauon zuschicken , damit wir wissen zu machen,
was man abschreiben sol.
Er sol auch denselben Lasziaw fragen, wie das Herczogthumb Kerndten
an Herczog Leopolden den tugendhaften kumen sey.
Er sol nach dem Wappen Zeyring fragen, ob es allain Swaben sey.
Suntheimias. 379
Die Frucht der g-elehrten Reisen Suntheim's ') war eine
doppelte: ein geographisches Werk und eine Chronik.
In dem ersteren wurden die Länder Süddeutschlands mit
ihren Einwohnern, Städten, Ortschaften und Merkwürdig-
keiten beschrieben, in der andern waren die für die öster-
reichische Geschichte gesammelten Materialien aufgenom-
men.'^) Dieser Theil wurde falschlich dem Jacob Manlius
zugeschrieben. Von dieser topographischen Chronik wurde
vor wenigen Decennien der Süddeutschland betreffende geo-
graphische Theil auf der Stuttgarter Hofbibliothek von
Franz PfeijßFer entdeckt und ein Bruchstück daraus — die
Beschreibung des Donauthals — durch den Druck ver-
öffentlicht. 3)
Von seinen anderen historischen Schriften sind zu er-
wähnen: die im J. 1491 mit dem KJosterneuburger Propst
Jacob verfassten Tabulae Claustro-Neoburgenses oder
Er sol mit demselben herr Laszlaw stjmen des ersamen Edelmans
von der Archa Noe mit dem wappen Noe Gminden aus dem Zollhaus,
Er sol auch den Auszug unser Schaczbrief zu Wien mit rat und gut
beduncken unsers Secretari Lucas Praittschwerdt vollenden und ein Re-
gister dauon machen und denselben mit allem vleiss machen als er zu
thun waist und vormals mit demselben Praittswert auch darin gehan-
delt hat.
Zu Giengenpach am XIX tag Marcy Anno [MD] quinto, unsßrs
Reichs im XX Jar. [Mitgetheilt von Dr. A. Fournier.]
^) K^untheira sciireibt in seinem Alter in einem Briete an Kaiser
Maximilian: „Als ich vor vergangen jaren und zeiten aus bevelch Ewer
kays. Maj. auszogen bin, und hab durchriten vil land und klöster, fünf
raysen getan und vil hystorien zu sammt bracht** etc. Bei Chmel, Urkk.
z. Gesch. Max. I. Stuttg. 1845. S. 486.
'-) Suntheim gibt in einem Briefe an den Erzbischof Matthäus Lang
selbst an, dass das Buch in zwei Abtheilungen zerfalle: die erstere handle
von dem Adel, den Königen, Fürsten und Ritterschaft, die andere von
Tjändern, Städten, Klöstern etc.
^) Im „Jahrbuch für vaterländische Geschichte"*. Wien 1861. S. 273
bis 297.
380 Leben und Schriften der Humanisten.
Stammtafel der Babenberger, *) und seine Historia Guel-
phorum. 2)
Suntheim war ein sorgfältiger, trockener Quellen-
forscher; er hatte eine andere Richtung als der geistreiche
Conrad Celtes, dessen Art, die deutschen Geschichtsquellen
zu seinen Zwecken der Verbreitung des Humanismus zu
behandeln, ihm nicht gefiel. Er war daher mehrfach mit
ihm in Widerspruch. ^) Nach seiner eigenthümlichen Bil-
dung gehörte Suntheim nicht dem Humanistenkreise an.
Es gelang aber Cuspinian, der Suntheim's Forschungen
und Sammlungen für seine österreichische Geschichte*)
schätzte und benutzte, ihn mit Conrad Celtes zu ver-
söhnen, ja ihn sogar in der Weise dem gekrönten Dichter
nahe zu bringen, dass er als Mitglied der gelehrten Donau-
gesellschaft aufgenommen wurde. ^) Zuletzt zählte ihn Celtes
sogar zu seinen besonderen Freunden. ^)
Die doppelte Stelle eines Caplans und eines Historio-
graphen, welche Suntheim am Hofe Maximilians bekleidete.
^) Gednickt Basil. 1591. fol. bei Pez, Script, rer. Austr. I. 1104.
Oefeie, Script. Boic. I. 801, II. 507. Schwandtner, Script. II. 336. Vgl.
Coxe, Gesch. d. Hauses Oestr. Deutsche Uebers. I. S. 507. Kink I. S. 211.
n. 245. Das Ms. von den Tabulis befindet sich auf der Wiener Hofbibl.
Nr. 8700 und 7752 in deutscher Sprache.
2) Leibnitz, Script, rer. Brunsvic. I. 801.
3) Suntheim schreibt an Bischof Matthäus Lang: Wo mich jemands
bei der kaiserl. Maj. verleumdet hette Doctor Celtes oder andere hinterrukh
wider mich geschriben bieten, demselben soll kais. Maj. und Ew. gnaden
nit glaubn gebn. Ich hab' mich nichts verpflicht mit dem Celtes zu machen,
wann er der neuen historien nit Unterricht ist, insunder was könige, fürsten
und herrn antrifi't. Vgl. auch den Brief des Matth. Pappenheim vom J. 1503
an Celtes, abgedr. in m. Abhandl. Roswitha u. C. Celtes S. 68 fl.
*) Cuspinian ward zum Erben von Suntheim's Schriften, die er viel-
fach benützte, eingesetzt. Khautz, Oest. Gelehrte S. 123.
^) In der Inschrift auf die zwölf Mitglieder der Donaugesellschaft,
welche Cuspinian an seinem Hause anbringen liess, kommt auch der Name
des Ladislaus Suntheim vor.
^) In dem von Celtes im J. 1508 errichteten Testamente wird unser
Suntheim als Zeuge genannt.
Suntheimius. 38 1
9
mag nicht sehr einträglich gewesen sein ; er lebte lange in
beschränkten Verhältnissen und klagt über sein geringes
Einkommen in einem Schreiben an den Kaiser. •) Wahr-
scheinlich auf Cuspinian's Verwendung erhielt er endlich
eine gute Pfründe an der St. Stephanskirche. Als ihr
Canonicus starb er 1512 hochbejahrt. 2)
') Schreiben Suntheim's an Maximilian in Chmers Urk., Briefe und
Aetenst. zur Gesch. Maximil. I., S. 486: Ew. k. Maj. wolle mich begaben
mit einer jarlichen Provision und jetzund mit einer erbarn zerung fürsehen,
wann ich in der warhayt gantz arm bin und bin darzu schuldig.
2) Necrolog. Canonic. eccles. Vienn. Ms. Rhein. Nat. Matrik. ad ann.
1460 alte Randglosse: Ladislaus Suntheimer de Ravenspurg. Canonicus
Vienn. et Serenissimi divi Maximil. Rom. Imp. Capellanus et hystoricus.
In Bezug auf den Jurisdictionsstreit, der um die Suntheimische Testaments-
Vollstreckung zwischen der Universität und der bischöflichen Curie ent-
stand, ist oben im ersten Buche, Absch. 4, S. 108, und Kink I. S. 291 — 293
zu vergleichen.
ürsinus.
Caspar Vel aus Schweidnitz in Schlesien.^)
t 1538.
Caspar Vel (oder Velius)^) war 1493 zu Schweidnitz
in Schlesien geboren. Er kam erst nach dem Tode des
Celtes im J. 1515 nach Wien. Frühzeitig hatte er sein
eminentes dichterisches Talent ausgebildet und in verschie-
denen Disciplinen sich die manchfaltigsten Kenntnisse er-
worben, so dass er wie ein Weltwunder angestaunt wurde.
Dem Cuspinian besonders, der ihm den Namen Ursinus,
d. h. der Nordmann (von Ursa) gab, '^) wird das Verdienst
^) lieber ihn handelt vorzüglich Kollar nach Martin Hanck de Silesiis
indigenis in der Praefatio zu seiner Ausgabe des Buches de hello Pan-
nonico von Velius Ursinus. Vindob. 1762.
2) Kollar 1. c. Gentile nomen fuit nostro Vel, ex quo Velius
finitum.
3) Elegia Velii ad Jo. Cuspinian. in der Logau'schen Epigrammen-
Sammlung (vgl. oben den Art. Logus).
Urs in i (memini) nomen mihi dulce dedisti
Hoc ratus ingenium commeruisse meum.
Credo equidem non nomen sine numine divüm
Auspice te spreto rite priore tuli.
Forsitan ipsa suo natum sub sidere vatem
Hoc dici voluit Parrhasis Ursa modo.
Der Name Ursinus findet sich gewöhnlich dem andern Velius vorgesetzt.
Kink I. S. 269, n. 242 scheint zu glauben, dass Ursinus aus Ursing latei-
nisirt worden, was unrichtig ist.
Ursinus. 383
zugeschrieben, ihn zur Poesie und den classischen Studien
angeregt zu haben. An dem Bischof Johann Thurzo von
Breslau, einem Freunde der Humanisten, hatte er einen
Gönner, der ihn vielfach unterstützte. ^) Ursinus, der als
ingenium praecox schon im 15. Lebensjahre gute griechische
und lateinische Verse gemacht haben soll, zählte bald zu den
ersten humanistischen Celebritäten an der Wiener Univer-
sität. Er hatte unter ihnen, wenn man Geltes aasnimmt,
offenbar die meiste dichterische Begabung. Dem Vadianus
und Philipp Gundelius konnte er ganz an die Seite gesetzt
werden in Bezug auf die poetische Fruchtbarkeit. Es er-
schien damals kaum ein bedeutendes Werk in Wien , zu
welchem nicht einer dieser drei Humanisten eine poetische
Beigabe geliefert hätte.
Noch in sehr jugendlichem Alter wurde er Magister
artium ; wenige Jahre später, nachdem er in Italien die
Akademien in Rom und Bologna besucht hatte, Doctor der
Rechte. Der Cardinal Erzbischof Matthäus Lang von Salz-
burg machte ihn zu seinem Secretär, '^) der Kaiser Maxi-
milian schmückte ihn mit dem Dichterlorbeer ^) und erhob
') KoUar 1. c. Maecenatis sTii (Jo. Thiirzonis Episc. Vratisl.) volun-
tate et sumptu academias Vindobonnensem, Romanam, Bononiensem et
alias adiit.
2) Es muss dieses schon um 1517 geschehen sein, da Rudolph
Agricola in der Vorrede zu den von Logau 1518 herausgegebenen Epi-
grammen des Ursinus sagt: Rev. Cardinalis Gurcensis (Matthaeus Lang)
a secretis, quod longa doctissimonim hominum Romae et in tota Italia
familiaritate usus est, idque Thursonis Episc. Vratislaviensis auspicio, quod
suis expensis suoque stipendio longam musanim castris militiam addixit,
illud eum unice commendat, quod integer vitae scelerisque punis et qui
t^ntae ingenii gratiae fidem, comitatem, mansuetudinem adjecerit.
3) Ursinus spricht davon in seinem Epicedion in div. Max. Caes. in
der Zuschrift an den Cardinal Matth. Lang: Ulius beatissimis manibus
debetur, qui tuae coramendationis autoritate illustrium ac praestantiss.
vivoriim in conspectu me hilariter atque ambobus ut ajunt manibus laurea
Corona insignivit. — Ursinus hatte damals wohl schon sein Epos auf den
heiligen Leopold geschrieben. Vgl. Denis S. 305.
384 Leben und Schriften der Humanisten.
ihn weg-en seiner vielfachen Kenntnisse und grossen Geistes-
gaben zu seinem geheimen Kath. Sein Nachfolger Ferdi-
nand bestimmte ihm die Professur der Rhetorik an der
Wiener Hochschule ') und ernannte ihn zu seinem Historio-
graphen. Auch die Erziehung seines Sohnes Maximilian
vertraute er ihm an. 2)
Von den ersten Gelehrten seiner Zeit ward Ursinus
hoch geschätzt und geehrt. ^) Da er einige Male in Italien^
zu Rom, Bologna und Florenz längere Zeit verweilte und
auch mehrere spanische und deutsche Universitäten besuchte,
so trat er mit vielen auswärtigen Humanisten in einen leb-
haften geistigen Verkehr : ^) namentlich unterhielt er mit
Erasmus von Rotterdam, der ihn wegen seines liebens-
würdigen Charakters, seiner Gelehrsamkeit und grossen
dichterischen Begabung hoch schätzte, einen lebhaften
Briefwechsel. ^)
^) Ferdinand schrieb 9. Febr. 1524 an den niederösterr. Hofrath
(Kink, Wien. Univ. I. Anh. Nr. XL. 139), dass die Lehrkanzel der Rhetorik,
welche dem immer noch nicht eingetroffenen Ursinus bestimmt gewesen,
dem Dr. Alex. Brassicanus zu verleihen sei. Darauf erfolgt die Antwort
8. April 1524: Ursinus sei aus Italien eingetroffen und habe lectura
oratoria übernommen. Ein anderes Schreiben Ferdinands (Stuttgart 7. Mai
1529) befiehlt, dass wenn Ursinus nicht mehr die Rhetorik lesen will, so
solle die Stelle dem Udalrich Fabri zukommen.
2) Eder, Catal. Rect. S. 74 ad ann. 1538: Casp. Ursinus Velius
Schemnicensis Poeta insignis, orator celebris, Graece et Latine doctissimus,
regis Ferdinand! liberonim praeceptor et historicus. Cf. Script, univ.
Vienn. IL 47 fl.
3) Ursinus Velius ist so naiv in einer Elegia ad Cuspinianum (vgl.
Denis, W. B. G. S. 325), welche um 1517 gedruckt wurde, die von
Italienern empfangenen Lobpreisungen wörtlich zu reproduciren.
*) In Bezug auf des Velius frühere Reisen sind seine von Logus
um 1518 in Wien herausgegebenen Briefe in dessen Epigrammen-Saramlung
von Wichtigkeit. Vgl. Kollar, Praefat. 1. c. und Denis, W. B. G. S. 324.
5) Erasmi Rotterd. Epist. lib. I. ep. 61. lib. V. ep. 74. lib. XVII.
ep. 9. Vgl. Denis a. a. O. Velius gibt in einem Schreiben an Eräsmus
(d. d. Linz 20. April 1530) Nachricht von seiner Hochzeit und fügt bei,
dass er seine Propstei aufgegeben habe. Kollar bezweifelt die Heirat des
ürsinus. 385
Noch im besten Mannesalter stehend , im 45. Jahre,
endigte Ursinus am 5. Mai 1538 auf eine räthselhafte Weise
sein Leben. Er war plötzlich verschwunden. Man ver-
muthete, er sei durch einen unglücklichen Zufall in die
Donau gestürzt und ertrunken. Manche bezweifelten, dass
die Sache zufallig geschehen : Ynan behauptete, er habe ab-
sichtlich seinen Tod gesucht. Da sein Leichnam nicht auf-
gefunden wurde, so erhielt auch das Gerücht Q-lauben, dass
er sich an einem einsamen Orte vergiftet habe. *)
Als Beweggrund zu dem Selbstmorde gab. man an, dass
die Quälereien seines schlechten Weibes ihm das Leben
unerträglich gemacht hätten. ^) Dass der römische König
Ferdinand nicht an einen Selbstmord glaubte, will man
Velius, weil derselbe Priester gewesen. Vgl. Denis S. 693. Im Universitäts-
Matrikel ad ann. 1515 (bei Kink I. ^. 242) heisst es ausdrücklich: In-
titulatus est Caspar Ursinus Schweidnicensis. Zusatz: Doctor, pogta,
historiographus, uxoratus.
^) Eder, Catal, rect. ad ann. 1638. 5. Maji mane sub horam 6. subito
amissus fuit. Quem alii in Danubium dejectum, alii meditabundum ut
assolebat in ripam delapsum, alii veneno sublatum existimabant. So auch
die Script, univ. Vienn. II. 48. Daher die Randbemerkung im Rhein. Nat.
Matrik. ad ann. 1581 am Schluss erklärlich, weil man den Leichnam nicht
auffand: O bone Ursine, ubi es?
^) Der Belgier Hadrianus Marius machte darauf die Verse:
Conjugis impatiens morüm se jecit in Istrum,
Et mortem cupido Velius ore bibit.
Siccine semper eris sacris infesta poetis
Foemina et Orphea non satiata nece es?
Nee sat erat sceleris vestri, quod conscius Hebrus
Erubuit, lacrumis intumuitque suis:
Ni nunc Ursini infames nece voveret undas?
Opprobrium vestri Danubius generis?
Kollar (1. c. Praef. p. III), der diese Verse mittheilt, verwirft die Sache
mit der Frau ganz und gar; er gibt als Stütze für seine Behauptung an:
Fuit quippe Ursinus Velius sacerdos inauguratus et Praepositus Myslerisis.
Successorem habuit Georg. Logum Praepositum S. Crucis Vratislav. Es sei
dieser Nachfolge eine spontanea et libera cessio et resignatio des Ursinus
vorausgegangen.
V. Aschbacb, Geschichte der Wiener Univers. 11. 25
386 Leben und Schriften der Humanisten.
aus dessen Verfugung schliessen, wonach der Leichnam,
wenn er aufgefunden würde, ein ordentliches Begräbniss
erhalten sollte. ^)
Die Schriften des Velins Ursinus zerfallen in zwei
Classen, in dichterische und historische. 2) Vereinzelt
ist seine aus dem Griechischen ins I^ateinische übertragene
Rede des Kirchenvaters Cyrillus Alexandrinus.-\)
Seine poetischen Productionen sind meistens
Gelegenheits-Q-edichte. Eines seiner frühesten Gedichte,
welches ihm vom Kaiser Maximilian den Lorbeerkranz ein-
trug, ist sein Paean auf den heiligen Leopold, den Schutz-
patron von Oesterreich, *) welchem bald ein anderes auf die
heilige Jungfrau folgte. ^)
Trauergesänge oder Klagelieder verfasste er auf
den Tod des Kaisers Maximilian ^) und dessen Enkelin, die
^) KoUar 1. c. dagegen gibt an: Alii commemorant: Repertum Velü
corpus, Ferdinand! jussu honesto funere humatum.
2) Die Scriptores univ. Vienn. II. 48 in dem kurzen Artikel über
Ursinus geben die Schriften nicht alle mit dem richtigen Titel in der
Kürze unter einander an: Posterität! reliquit Elegias, Epigrammata, Pane-
gyricos, Epitomen chronicarum mundi et opus quoddam de rebus Austriacis.
Pogmatum Ubri V. Basil. 1522. 4«.
3) Sancti Cyrilli Archiep. Alexandrini de animae secessu deque eius
vita altera sermo. C. Ursino Velio interprete. Vienn. 1521. 4. Beigefügt
sind Hexameter, welche Stellen aus dem Evangelium des Lucas dichterisch
paraphrasiren. Diese lateinische Uebersetznng der Cyrillischen Rede ist
die älteste, welche man kennt. Vgl. Denis, Wiens Buchdr. Gesch. S. 224.
*) Caspari Ursini Vebi poetae et historiographi reg^ Leopoldus seu
Paean in divum Leopoldum Austriae principem et tutelare numen Vienn.
1560 ist der Titel in der Ausgabe des Vitus Jacobaeus de divo Leopolde
Panegyricus. Die erste Ausgabe erschien Wien 1517 und dann öfter.
Vgl. Denis S. 611.
^) Casp. Ursini Velü ex Germanis Silesii doctoris et poetae laur. ad
Mariam Virginem matrem Dei Op. Max. Votum. Vienn. 1517. 4. Vgl. Denis
S. 178. Die heilige Jungfrau wird im Gedicht Dea omnipotens genannt.
ß) Naenia in div. Caes. Maximilian, anniversaria Vienn. [1520] ; auch
unter dem Titel: Epicedion in divum Maximilian. Caesar. Vgl. Denis,
Wiens Buchdr. Gesch. S. 332 und 336. Dem Epicedion sind beigefügt drei
ürsinuß. 387
dänische Königin Elisabeth. ^) Diese und eine Anzahl
andere Gedichte, wie das Hochzeits - Carmen auf den Erz-
herzog Ferdinand, 2) die Begrüssung des Kaisers Karl bei
seiner Ankunft in Deutschland ^) und auf dessen über den
französischen König Franz I. bei Pavia erfochtenen Sieg,
ferner der Panegyricus auf den Kaiser Maximilian und
seinen Verbündeten, den englischen König Heinrich VIII. ^)
gaben ihm den Charakter eines wahrhaften Hofpoeten des
habsburgischen Hauses.
Kleinere Gedichte, Elegien, Phaläcien, Disti-
chen, Epigramme etc. verfasste Ursinus in grosser Zahl;
in vielen in Wien erschienenen Werken seiner humanisti-
schen Zeitgenossen finden sich von ihm derartige poetische
Beigaben. Eine Sammlung der Epigramme nebst seinen
Zuschriften (Epistolae) veranstaltete sein Freund und Lands-
mann Georg Logus in Wien ; Rudolf Agricola gab dazu die
Vorrede, worin Lebensnachrichten über Ursinus geliefert
Gedichte, eines auf Karls V. Kaiserwahl und zwei Tetrastichen in griechi-
scher Sprache auf die Studien der griechischen Sprache an der Universität
Wien. Das eine lautet:
Au(Jovirj5 To Ttpiv (JtcouSt) [jlovov evOaSe yXcotn)?
Pü)[jiaia)v ßaaiXsus ^tov oie 7caT:;:o5 Itjv,
'AXX'oie TT)5 jjLsyaXr)? vuv xoipavoi; *EXXa8o$ caii
KapoXo;, d<; lauTTjv IlaXXa; ecjrjXOE tioXiv.
Nicht richtig ist es, wenn Ursinus das Studium der griechischen Sprache
in Wien erst mit Karl V., den er als König von Neapel Herrscher von
Grossgriechenland nennt, an die Wiener Universität kommen lässt.
') Naenia de obitu Elisabethae reginae Danorum. Vienn. 1526. Vgl.
Denis, W. B. G. S. 256.
2) De Nuptiis Ferdinandi archiducis Austr. Vienn. 1521.
3) De reditu Aug. Imp. Caroli V. in Germaniam. Vienn. 1621.
(Denis S. 225.)
4) De victoria Caesarianonim adversus Gallos ac potentissimi regis
(Francisci) captivitate Casp. Ursini Velii Ode. — Ejusdem in laudem div.
Caes. Maximlliani et Henrici VIII. Britanniae regis carmen. Vienn. 1525.
(Denis 252.)
25*
388 Leben und Schriften der Hnmanisten.
werden. •) Er wurde durch dieses Werkchen ge Wissermassen
in die Gelehrten- und Dichter weit eingeführt.
Sechs Jahre später erschien eine von Velius ürsinus
selbst angelegte Sammlung seiner Epigramme nebst einem
Briefe an Erasmus von Rotterdam und der Schrift Aurea
Carmina Pythagorae graeca et latina. 2)
Seine innigsten Wiener Freunde unter den Humanisten,
Collimitius, Logus, Stabius, Stiborius, Vadianus feiert er
in einem besonderen Gedichte. 3)
Zwei Sammlungen unter dem Titel Monosticha und
Disticha verfasste Ursiaus in späteren Jahren. Zuerst
schrieb er die Monosticha, welche er noch selbst edirte, ^)
^) Caspar! Ursini Velii Silesii Epistolarum et Epigrammatum über —
jam piimum in lucem editus a Gheorg. Logo Silesio. Vienn. [s. a.] 4.
Da Ursinus 1493 geboren war und in dem beigefügten Schreiben des
Rudolf Agricola die Stelle vorkommt: Annum XXV. nondum [Ursinus]
agit, so ist der Druck 1517 oder 1618 zu setzen.
2) Der vollständige Titel lautet: Oratio dominica in versus adstncta
Caspare llrsino Velio autliore. Aurea carmina Pythagorae graeca ac deinde
latina eodem Ursino interprete. Ejusdem epistola mense Maio 1524 ad D. Eras-
mum Rotterdamum. Ejusdem varia epigramraata. Vienn. 1624. Vgl. Denis,
W. B. G. 8. 244. In der Epistola an Erasmus (eine Nachahmung des
Horazischen Iter Brundisinum) wird die Reise von Basel nach Wien be-
schrieben: in Tübingen besuchte er J. Reuchlin. Er war damals 1522 in
Italien, von Wien 10 Monate lang abwesend gewesen wegen der daselbst
herrschenden Pest. In Passau war er Ostern 1524 eingetroffen. Er be-
richtet dann von dem Schlüsse der italienischen Reise nach Wien':
Moenia (Vienn.) quo decimo tandem post mense reverti
Incolumem Collimitium, sociosque salutans
Exilio veluti reduces, quos horrida pestis
Egerat invitos diversas quaerere terras.
Postremus rediit gelidis praecanus ab oris
Gundelius, quo vix hodie jucundior alter
Vivit homo: non est Detio dilectior * alter.
Detius oder Decius, dessen deutscher Name Dietz war, stammte aus
Weissenburg im Elsass, wurde in Krakau königlicher Geheimschreiber und
später daselbst Bürgermeister. Vgl. Janoc. Miscell. I. p. 56.
3) In aedes Ge. Collimitii invitatio ad coenam.
*) Monosticha regum Italiae, Albanorum, Romanorum et virorum
illustrium, tum Caesarum usque nostram aetatem. Monosticha summorum
TJrsinus. 389
die zweite Collection von Disticha ^) auf römische Kaiser, 2)
wozu noch die Monosticha auf italische und albanische
Könige, wie auch auf eine Anzahl deutscher Kaiser hinzu-
kamen. Letztere Sammlung befindet sich handschriftlich
auf der Wiener Hofbibliothek, wo auch noch Epigrammata
varia beigefügt sind. ^)
£inen besonderen Namen in der Literatur machte sich
Ursinus Velius durch sein Qeschichtswerk. Als Historiograph
Pontificum Romanorum a Petro usque ad dementem septimum Caspare
Ursino Veüo authore. Ejusdem carmen ad Adrianum sextum Pont. Max.
Adjuncta sunt praeterea Epigrammata quaedam selectiora. Vienn. Hart.
1528. Vgl. Denis a. a. O. S. 269. Erasmus schreibt in einer Epist.
26. Juli 1528 an Ursinus über diese kleinen Gedichte scherzend; O te
crudelem, qui tot reges, tot Caesares, tot Pontifices sie in arctum com-
pegeris! Diese Dichtungen sind offenbar Nachahmungen des römischen
Dichters Ausonius. Der Schluss der kleinen Dichtungen auf die Kaiser
lautet :
Cura Sigismundi labefacti corrigit orbem.
Alberto indignus Caesare mimdus erat.
Thesauros cumulat Fridericus inutilis armis
Clarus erat belli Natus et arte togae.
Carolus Hesperiis regnat, Femandus Eois.
Quam bene divisum est fratribus Imperium.
*) Denis bemerkt 8. 271: von den Monosticha ist Ursinus auf die
Disticha gekommen.
2) Disticha Caesarum Bomanorum a Julio dictatore usque ad nostram
memoriam [bis Ferdinand I.]. Vienn. (Oct.) 1528. Vgl. Denis S. 353. Mit
8 Distichen auf Kaiser Karl V. und eben so vielen, die den Inhalt des
Werkes angeben. Diese lauten:
Caesareos parvo proceres Auguste libello
Bomanae dominos urbis et orbis habes.
Omnes a primo generosae stirpis Julo
Ordine, ad usque tui nobile tempus avi.
Hie et virtutem, aut Vitium cujusque notatum,
Et qua quisque obiit conditione leges.
Ac ne longa creet fastidia lectio, totum
Singula perficiunt disticha semper opus.
3) Wiener k. HofbibUothek Cod. Nr. 9850. fol. 1—11. Die Varia
Epigrammata fol. 11 — 14.
390 Leiten und Schriften der Humanisten.
des römischen Königs Ferdinand I., der zugleich als Nach-
folger Ludwigs n. über Ungarn und Böhmen herrschte,
fühlte er sich dazu aufgefordert, die Kämpfe Ferdinands
mit der ungarischen Gegenpartei unter Johann Zapolya und
die Kriege mit den vordringenden Türken zu beschreiben.
Als Humanist, im Style die Historiker der Alten nach-
ahmend,^) verfasste er zehn Bücher über den pannoni-
schen Krieg, welches Werk erst im 18. Jahrhundert aus
Handschriften auf der Wiener Hof bibliothek 2) von A. F. Kollar
herausgegeben worden ist. ^)
Da der Verfasser im besten Mannesalter plötzlich aus
dem Leben schied, so lässt es sich aus diesem Umstand er-
klären^ dass das Werk, welches vielleicht nur einen Theil
der Geschichte Kaiser Ferdinands I. bilden sollte, *) selbst
in der besonderen Abtheilung der ungarischen Geschichte,
') Ranke, Deutsche Gesch. im Zeitalter der Ref. 4. Aufl. V. 353:
„Man nahm sich bei der Behandlung der Zeitgeschichte wenigstens in der
Sprache sie (die alten Historiker) zum Muster, recht glücklich unter
Anderen Ursinus Velius".
2) Cod. MS. Nr. 7688. fol. 352 a bis 363 und Cod. MS. Nr. 8657
(unter dem Titel: Rerum ungaricarum libb. I— VII^, Cod. MS. Nr. 8055
(Listoriae Austriacae libb. IV — VIII imd IX). Vgl. Chmel, Handschr. der
k. Hofbibl. Bd. I. S. 658. 6G0. 663 und 665. Schon Wolfgang Lazius
hat das Handschriftliche geordnet, vgl. Khautz, Oest. Gelehrt. S. 181.
Verzeichniss der Lazischen Handschriften: Caspari Ursini Velii historiae
Austriacae liber VII decadis IV a W. Lazio emendatus : item . IIb. VIII.
IX. X.
3) Caspar. Ilrsini Velii de hello Pannoaico a Ferdinand I. Caesare et
rege Hungar. cum Joanne Comite Scepnsiensi, regni aemulo feliciter gesto,
libri X. Ex codicibus manu ezaratis Caesareis nunc primum in lucem
prolati et adnotationibus necessariis, diplomatibus, literis etc. ex tabulis
authenticis fide et diligentia maxima exscriptls illustrati. Studio et opera
Adami Franc. Kollar. Vindob. 1762. 40.
*) Wie auch nach dem Briefe des Erasmus Rotterdam, ad Wilibald.
Pirkhamer v. J. 1528 in Erasm. R. Epist. lib. XIX. ep. 50 zu vermuthen
ist. Hanckius 1. c. nennt unrichtig das Werk des Ursinus: De rebus
Austriacis historiae decades VII.
Ursinus. 391
nicht vom Verfasser beendigt und herausgegeben ward. Es
umfasst nur die Jahre von 1526 bis 1531. Die neueren
ungarischen Geschichtschreiber ') sprechen sich überein-
stimmend über den Werth des Buches mit lobender An-
erkennung aus.
^) Wie Pray, Katona, Fessler, Engel, Mailath ii. A. Ein besonderes
Lob spendet dem Ursinus die Randbemerkung in Rhein. Nat. Matrikel ad
ann. 1531: Cum egregius historiographus C. Ursinus Velius, vir supra
graecam eruditionem, qua pollet, etiam facundia, ingenio et moribus nemini
non antiquorum latinonim conferendus, historiam jamjam sub incude habeat,
quocum si aliquis historiam scribendo contenderet, perinde faceret ac si
post divinum Homerum bellum Trojanum describere aggrederetur.
Vadianus.
Joachim von Watt aus St. Gallen in der Schweiz.
t 1551.
Der Schweizer Joachim von Wa 1 1 , •) der am
29. November 1484 zu St. Q-allen geboren war, stammte
aus einer alten thurgauischen Familie, welche vom Kaiser
Sigmund geadelt worden war. 2) Sein Vater Leonhard war
ein angesehener Kaufmann in St. Gallen. Als Humanist^)
änderte er seinen Familiennamen in Vadius ; da er aber in
') lieber Vadian's Leben und Schriften hat man ziemlich reichliche
Nachrichten: Script, univ. Vienn. III. p. 16 — 22. Khautz, Vorrede zur
Gesch. der öst. Gelehrt. Janoc. Mem. Mise. Polon. I. p. 291. Denis,
Merkw. der Garell. Bibl. S. 246 und Wiens Buchdr. Gesch. an mehreren
Stellen. Füssli, Vadian's Jugendzeit. Schweiz. Mus. 1790. Heft 7. S. 481.
J. Kessler, Joachim Vadiani vita: noch ungedr. auf 10 Blättern in der
St. Galler Vadianischen Biblioth. — Götzinger, Joachim von Watt als
Geschichtschreiber. St. Gallen 1873. — [Gust. Scherer] Verzeichniss der
Manuscripte und Incunabeln der Vadian. Bibl. in St. Gallen. St Gall. 1864.
Daselbst S. 6 fl. sind auch die zahlreichen ungedruckten Briefe Vadian's
von 1510 — 1550 besprochen.
2) Joachim. Vadiani de insignibus familiae Vadianorum a Sigismundo
Reg. Rom. donatis ad Melchiorem fratrem elegia exegetica. Vienn. 1517.
Auch seiner Ecloga Faustus beigedruckt. Denis, W. B. G. S. 169 ff.
Das Wappen war ein Greif mit goldener Halskette.
3) Anfanglich behielt er selbst noch als Magister legens in der
artistischen Facultät den Namen Watt bei: er las damals de Sphaera. —
In den späteren in deutscher Sprache verfassten Schriften nennt er sich
wieder Watt.
Vadianns. DUO
Erfahrung brachte, dass es unter den italienischen Huma-
nisten schon einen Vadius gebe, so nannte er sich Vadia-
nus, unter welchem Namen er dann bleibend in der ge-
lehrten Welt vorkommt.
Im 18. Lebensjahre kam er 1502 nach Wien, ^) wo
schon früher, seit 1499, sein Landsmann und Altersgenosse
Ulrich Zwingli den classischen Studien oblag. Während
dieser bald in sein Vaterland zurückkehrte und daselbst
eine Pfarrstelle antrat, vollendete Vadian in der artistischen
Facultät die philosophischen Studien unter Celtes, Camers
und Cuspinian und betrieb ausser den classischen Disciplinen
vorzüglich Naturkunde und Astronomie.
Nachdem er die Magisterwürde erlangt und in der
artistischen Facultät Vorlesungen gehalten hatte, verliess er
auf einige Zeit Wien, um andere Hochschulen in . Polen,
Ungarn, Deutschland und Italien zu besuchen. 2) Im Jahre
1508 war er wieder nach Wien zurückgekehrt, bald nach
der Zeit, als Conrad Celtes aus dem Leben geschieden war
und die von denselben errichteten gelehrten Genossen-
schaften, das Dichter-Collegium und die Donaugesellschaft,
eingegangen waren. Er Hess sich zwar noch 1 509 als Magister
Joachimus de Watt in die Universitäts-Matrikel eintragen,
aber schon im folgenden Jahre nennt er sich als activer
Lehrer an der Universität und als Schriftsteller Vadianus.^)
^) Im Matrikelbuch der rheinischen Nation findet sich ainter dem
Decanat des Georg Launtsch von Ellingen im J. 1502 fol. 315 eingetragen:
Joachimus de Wald ex Sancto Gallo; von gleichzeitiger Hand ist über
Wald die Verbesserung Watt geschrieben. Götzinger a. a. O. S. 3 bestimmt
als Zeit für die Ankunft Vadian's in Wien auch das Jahr 1502.
2) Script, univ. Vienn. III. p. 16, wo die Angabe von der Reise
durch eine rhetorische Phrase entstellt wird: Poloniam, Ungariam, Ger-
maniam, Italiam, quas ipse regiones omnes peragravit, eruditionis fama
complevit.
3) In der Oratio auf die heilige Ursula, welche 1510, und in der
Ausgabe der Orationes duae des Schweizer Arbogast Strub, welche im
selben Jahre erschien.
394 Leben und Schriften der Humanisten.
Da Cuspinian durch seioe vielfachen Beschäftigungen
in der medicinischen Facultät und die öftere Verwendung
im Staatsdienst sich in seiner Professur der Poetik und
Rhetorik durch den Italiener Angelo Oospi vertreten lassen
musste ; da Johann Camers als Professor der Theologie seine
Lehrthätigkeit dem Fache, das er vertrat, besonders zu-
wendete, so fehlte damals der artistischen Facultät eine
tüchtige Lehrkraft zur Behauptung ihres alten Ruhmes in
der Cultivirung der classischen Studien. Diesem Mangel
abzuhelfen, fand man in dem Humanisten Vadianus ganz
die geeignete Persönlichkeit; Cuspinian, Cospus und Camers,
die mit ihm auf das freundschaftlichste verkehrten, seine
dichterische Begabung und ausgebreiteten Kenntnisse in den
classischen Disciplinen vollkommen würdigten, wetteiferten
mit einander, ihn zu ihren gelehrten Beschäftigungen heran-
zuziehen und den jugendlichen gelehrten Schweizer ganz
für die Universität zu gewinnen.
Bereits hatte er mit grossem Erfolge Vorlesungen in
der artistischen Facultät gehalten; seit 1510 tritt er als
Verfasser von Dichtungen, Reden, Abhandlungen auf, gibt
alte Schriftsteller heraus und tritt in der Kritik verschie-
dener Classiker mit Cuspinian, Camers und anderen Huma-
nisten concurrirend in die Schranken. Auch Kaiser Maxi-
milian wurde durch mehrere seiner Dichtungen auf ihn
aufmerksam gemacht, namentlich durch seine sapphische
Ode auf den heiligen Coloman. ^) Er zögerte daher nicht,
sein Haupt mit dem Dichterlorbeer zu schmücken (1514).2)
^) Das Jahr der Veröffentlichung der Ode ist ungewias, da sie bei
Johann Winterburger in Wien ohne Angabe des Jahres erschien bei der
Schrift translatio divi Leopoldi etc. als Anhang. Vgl. Denis, W. B. G. S. 305.
2) Ganz falsch ist die Nachricht in den Script, univ. Vienn. 1. c
Viennae jussu Friderici III. philosophiae doctorum ordini adscriptos
— ex merito laurum adeptus fuit. Eder Catal. Kect. nennt erst beim
J. 1516 Vadianus Po^ta laureatus. Er wird aber schon 1515 bei den Beden
an Kaiser Maximilian und den polnischen König so genannt.
Vadianus. 395
Bei der grossen Fürsten Versammlung in Wien im Jahre
1515 hielt Vadian in Auftrag der Universität die Reden an
Kaiser Maximilian und den polnischen König. Als im folgen-
den Jahre Angelus Cospus, der an der Stelle Cuspinian's
die Professur der Rhetorik gehabt hatte, mit Tod abging,
wurde Niemand für geeigneter zur Bekleidung dieser Professur
erachtet als Vadianus. ^)
Mittlerweile hatte er neben den humanistischen Disci-
plinen eifrig auch die medicinischen Studien betrieben
und den Doctorgrad in der Arzneikunde erhalten (1516). 2)
In demselben Jahre wurde er zum Rector der Universität
gewählt. 3)
Ungeachtet aller dieser Auszeichnungen war es doch
nicht möglich, Vadianus auf die Dauer in Wien zu fesseln.
Um die Zeit, als Kaiser Maximilian aus dem Leben schied,
verliess er Oesterreich ^) und kehrte in seine Vaterstadt
St. Gallen zurück, wo er seine Kenntnisse in der medici-
nischen Wissenschaft als städtischer Arzt verwerthete und
1) Vadian in seiner Ecloga Faustus (1517) spricht in seinem Vor-
worte an Johann Krachenberger von seinem Wiener Lebensgang und be-
merkt darin gegen den Schluss: Cum nuper (1516) Angelus Cospus —
vita defunctus est et ego in bonarum literarum professione, quae Viennae
Caesareo stipendio multis jam annis durat, successor factus fuissem, per-
belle illud prope omnibus placuit, hisque maxime, quorum fuit in ea re
Btatuendi auctoritas, nam quanta fide ante diligentiaque annis plus minus
dnobus loco Joannis Cuspiniani oratoris Caesarei, dum creberrimis lega-
tionibus distraheretur., legerim, recenter meminerant.
-2) Rhein. Nat. Matrikelb. ad ann. 1517: Joachim. Vadianus po6ta
[laureatus] artium et medicinae doctor. Es geschah nicht selten, dass die
graduirten Personen sich erst nach mehreren Jahren ihres Aufenthaltes an
der Universität in die Nationsmatrikel eintragen liessen.
3) Eder, Catal. Rect. ad ann. 1516. M. Joachim. Vadianus Helvetius
poSta laureatus et professor in arte poetica. Vadian vertrat damals die
medicinische Facultät, da im üblichen Turnus diese an der Reihe war,
dass aus ihrer Mitte der Rector gewählt wurde.
*) Er kommt noch am 9. Februar 1518 bei einer Commission der
medicinischen Facultät in Wien vor. Rosas, Wien. Univ. I. S. 178.
396 Leben and Schriften der Humanisten.
sein Ansehen bei seinen Mitbürgern in der Weise stieg,
dass sie ihn an die Spitze ihres Gemeindewesens als Bürger-
meister stellten. Ungeachtet dieser doppelten Lebensstellung,
welche ihn durch vielfache Geschäfte sehr in Anspruch
nahm, entsagte er doch nicht den schriftstellerischen Ar-
beiten. Freilich waren sie in anderer Richtung als die
früheren. Bald nach seiner Ankunft in St. Gallen wurde
er durch seinen alten Studiengenossen Ulrich Zwingli in
die reformatorische Bewegung gezogen. Er wurde ein
eifriger Zwinglianer *) und wohnte als Delegirter von
St. Gallen dem Religionsgespräche in Zürich am 28. Oct.
1523 bei, wozu mehrere Schweizer Cantone Abgeordnete
gesendet hatten. Gegen die Wiedertäufer, deren Lehre
Zwingli ganz und gar verwarf, schrieb er, wie auch gegen
die Schwenkfeldianer. Es schmerzte ihn sehr, dass bei dem
Kirchenstreit der Humanismus nichts gewann: im Gegen-
theil, die humanistischen Professoren wurden von den neuen
Prädicanten vielfach angefeindet und dem Volke als Lehrer
und Beförderer des Heidenthums geschildert; ja es kam
vor, dass das Studium der Theologie förmlich als unnütz
und schädlich von diesen Neuerern verworfen und verlästert
wurde. 2)
^) Melch. Adam. vit. Medicor. p. 26. Niceron ist schlecht unterrichtet,
wenn er von Vadian sagt: II a ^t^ un grand ennemi du Zwinglianisme.
Ein schönes Carmen von Caspar Brusch. auf Vadian steht bei Bensner
Icones und bei Horawitz. C. Brusch. S. 177:
Musarum Joachime bonus Phoebique sacerdos
Atque poetarum rex Vadiane
Urbis honor et consultu jura sceptra simulque
Totius Helvetiae jura superba regis:
A Philyra (Lindau) et quae sunt ad Jur et culmina montis
Divitiis et Rheni flumen ad usque lacu
Vitae via Christus.
2) Gastius de Anabaptist. errorib. Basil. 1524. p. 316. Brief des
Glareanus an Bullinger bei DöUinger, Reform. I. S. 440.
Yadianns. 397
Nach dem Abgange von Wien noch eine lange Reihe
von Jahren in seiner Vaterstadt lebend, wirkte er als Arzt
am Krankenbette, oder bei politischen Fragen seines Vater-
landes und seiner Vaterstadt als Bürgermeister, oder als
Historiker und Theologe in einer grossen Anzahl gelehrter
Schriften. Er starb in St. Gallen 1551 im 68. Lebens-
jahre.
Joachim Vadjanus gehört zu den vielseitigsten, gelehr-
testen und bedeutendsten Humanisten seiner Zeit; er war
auch einer der fruchtbarsten Schriftsteller, welcher in seinen
Schriften nicht nur die humanistischen Disciplinen,
sondern auch andere Zweige der Wissenschaften um-
fasste, so dass er mit Recht ein Polyhistor genannt werden
konnte. ^)
Er zeichnete sich aber nicht blos durch seine seltene
Erudition aus, sondern auch durch seinen kritischen Sinn
und feinen Geschmack. 2) Dabei war er ein treflflicher
Mensch, der durch seine Umgäuglichkeit und bereitwilligen
Dienstleistungen sich überall Freunde, in der Gelehrtenwelt
wie im gewöhnlichen Leben, erwarb. ^)
*) Rndolf. Agricola jun. in der Praef. zu Ursin. Velii Epistol. et
Epigr. Vienn. 1517 setzt unter die ersten Gelehrten seiner Zeit den
Joachim. Vadianus Helvetius, welchen er homo multifariam eruditus und
Polyhistor nennt. Joh. Eck. in epist. ad Episc. Aichstett. bezeichnet ihn
als Absolutissimus Musanim Antistes und J. Scaliger (in den Scaligerana
ed. Col. 1695. p. 15) sagt: Helvetii et Germani habuerunt magnos viros
Melanchthonem , Glareanum, Camerarium , Gesnerum sed praecipue
Vadianum et Agricolam (juniorem).
2) Wachler, bist. Forsch, und Kunst I. S. 202.
3) Erasmns Rotterd. Adagior. Chil. Hanov. 1617. fol. 617. Joach.
Vadianus mens, vir juxta candidus ac doctus. Der Brief des Casp. Bniscbius
an Joach. Camerar. von Lindau 1546 (bei Horawitz C. Brusch. Prag. 1874.
S. 214). Me commendabat Joachimus (Vadianus, consulari dignitate in
patria sua Sangallo conspicuus) amicis suis Tigurinis Gesnero et aliis,
apud quos dum diutius haereo, Joachimus Lindavio discedens Constanciam
se contulit, ubi adhuc apud doctos omnes in ea existimatione, quam eins
virtus et pietus et eruditio meretur.
398 Leben und Schriften der Hnmanisten.
Seine umfangreiche Thätigkeit lässt sich passend in
zwei Abschnitte sondern: in den ersten, welcher das Decen-
nium seiner Wiener schriftstellerischen Thätigkeit
von 1508 — 1518 in sich begreift, und in den zweiten län-
geren Zeitraum, der die Jahre von 1519 bis zu seinem
Tode 1551 umfasst. Da die letztere Zeit weniger den Huma-
nisten, als vielmehr den Schweizer Geographen und Histo-
riker, den polemischen Theologen, den praktischen Arzt
angeht, wird es dem Plan dieses Werkes entsprechen, an
seinem Orte nur ein übersichtliches Verzeichniss der Schriften
der späteren Periode anzugeben. ^)
In Bezug auf die zahlreichen literarischen I^eistungen
Vadian's während seines Aufenthaltes in Wien lassen sich
seine Schriften vornehmlich eintheilen : in dichterische,
in oratorische und abhandelnde; endlich in streng
philologische, welche der Herausgabe und Interpretation
lateinischer Autoren gewidmet sind. Daneben sind seine
zahlreichen dichterischen Beigaben und Gelegenheits-
gedichte, seine prosaischen Zuschriften und Präfa-
tionen zu den Schriften seiner Freunde nicht ganz ausser
Acht zu lassen. '^)
Von seinen kleineren Gedichten, zu denen die oben
angeführte Ode auf den heiligen Coloman gehört, hat
Vadian in den bis jetzt nicht edirten libris carminum
einen ansehnlichen Theil gesammelt. Eine frühere Sammlung
') In Bezug auf die spätere literarische Thätigkeit gibt das Werk:
Verzeichniss der MSS. und Incunabeln der Vadianischen Bibliothek in
St. Gallen, St. Gall. 1864, namentlich in der ersten Abtheilung, genauere
Mittheilungen, als man solche bisher gehabt hat.
2) Ganz richtig bemerkt Kink in der Gesch. der Wien. Univ. I.
S. 205: „An Gelegenheits-Gedichten war er (Vadian) vor allen Anderen
weitaus der fruchtbarste. So viele Bücher auch in Wien zur Zeit der
Humanisten herausgegeben wurden, so kann man doch nie sicher sein, ob
man nicht an irgend einer Stelle auf einige einleitende oder lobende
Distichen Vadian's stösst".
Yadianus. 399
wurde schon 1512 im Druck herausgegeben, welche natür-
lich nur wenig vollständig sein kann.
Von Vadian^s namhafteren Dichtungen kleineren Um-
fangs, die fast alle noch während seines Wiener Aufent-
haltes in verschiedenen Büchern gedruckt erschienen, mögen
hier, nach chronologischer Folge geordnet, mehrere erwähnt
werden.
Schon im J. 1510 fügte er zu der Ausgabe von Arnoldi
ürsingensis philosophia naturalis ein Decastichon, 2) zu des
Franciscus Niger Ars de scribendis epistolis 5 Distichen, 3)
zu dem Camertinischen Claudian gab er ein Lobgedicht
auf diesen römischen Dichter.^) Im folgenden Jahre, wo
er die Orationes duae seines früh verstorbenen Freundes
Arbogast Strub edirte, versah er dieses Buch mit einem
Carmen de Morte und einer Ode in laudem dominicae
resurr ectionis. ^) Um dieselbe Zeit richtete er fünf Disticha
an den Olmützer Propst Augustinus Moravus, welche in
dessen Catalogus episcoporum Olomucensium abgedruckt
sind. *») Zu der Wiener Ausgabe der lateinischen Ueber-
setzung des Erasmus von des Euripides Hecuba und Iphi-
genia lieferte er einige Disticha und ein Leben des griechi-
schen Tragikers. ^)
Im J. 1512 versah er die von Laudinus gemachte
lateinische Uebersetzung von Briefen des Sultans Mahomed
mit einem jambischen Gedichte zum Lobe der Buchdrucker-
kunst 8) und die Exhortatio Ulrici Hutteni ad Maximilianum
^) Joachimi Vadiani Minusculae poeticae. Tubingae ap. Thom.
Anshelm Badensem. 1512. 40. Vgl. Magjar Muzeum 1857. S. 418.
2) Denis, W. B. G. S. 28.
3) Denis S. 36.
*) Denis S. 38 fll.
6) Denis S. 47 fll.
«) Denis S. 308.
^) Denis S. 60.
ö) Denis ö. 62.
400 Leben und Sckriftieii der Humanisten.
Aug. bello in Venetos euntem ebenfalls mit einer poetischen
Beigabe ad Germanos und einer Epistola an Hütten. ^) In
J. Spiegel's lateinischer Ausgabe der Isokratischen Oratio
de regno gubernando erschien 1514 von ihm ein Lobgedicht
auf Kaiser Friedrich III. und seinen Sohn Maximilian nebst
einem Dedications-Schreiben an den Wiener Bischof Georg. 2)
Zur Empfehlung der Logik für die studirende Jugend
versah er Perlachii Parvulorum Logicalium über 1516 mit
zwei Carmina^) und ein Hochzeitsgedicht verfasste er 1518
auf die Vermählung des polnischen Königs Sigismund mit
der mailändischen Prinzessin Bona Sforza. *) An denselben
König richtete er auch 1519 seine Elegie, als er von Kaiser
Karl V. das goldene Vliess erhielt. ^)
Von grösserer Bedeutung als die angeführten kleineren
dichterischen Productionen ist seine Ekloge Faustus,
worin er unter fingirten Namen sich, den Kaiser, seine
Gönner und Neider am Hofe schildert und dadurch, wie in
der beigefügten Praefatio an den kaiserlichen Rath Johann
Krachenberger , interessante Notizen über seine Lebens-
verhältnisse in Wien liefert.^)
») Denis W. B. G. S. 64.
2) Denis, Merkw. der Garell. Bibl. S. 263 fll. und oben im Artikel
Jacob Spiegel S. 130.
3) Denis, W. B. G. S. 141.
*) Janoc. Memor. Miscell. Pol. I. p. 294. Denis S. 193 gibt den
Wiener Druck an: De Nuptiis Polon. reg. Sigismundi Joach. Yadiani
Helvetii po^'tae laureati carmen elegiacum. Vienn. 1518.
5) Joach. Vadiani Helv. poet. laur. de Sarmatiae Poloniaeque rege
Sigismundo — ordinis aurei velleris socio adscito. Vienn. 1519. Mit einer
Zuschrift; an Justus Ludovicus Decius (Dietz aus Weissenburg im Elsass),
den königlichen Geheimschreiber in Krakau. Denis S. 264. Janoc. Memor.
Miscell. aut. Polon. I. p. 294 nennt einen zweiten Druck. Cracov. 1625. 4.
ö) Joachimi Vadiani Helvetii Aegloga cui titulus Faustus. Eiusdem
de insignibus familiae Vadianorum etc. elegia exegetica. Vienn. 1617.
Die in dem Hirtengedichte vorkommenden Personen erklärt Vadianus in
der Praefatio selbst: Per Phronimum Caesarem intelligo Maximilianum,
Vadiapu«. 401
Schon einige Jahre früher hatte er ein allegorisches
Drama (mythicum sjntagma) unter dem Titel G a 1 1 u s
pugnans in Druck herausgegeben , ohne Zweifel eine
Satyre auf gewisse streit- und processsüchtige Personen.
Zu der Schrift hatten zehn Wiener Humanisten, darunter
Velocianus, Gerbelius und Gundelius, poetische Applause
beigefügt. ^)
Was die oratori sehen Schriften des Vadianus be-
triflft, so zerfallen sie in zwei Classen, in eigentliche Reden
und in solche Ansprachen, die einen kirchlichen Beisatz
haben und im Grunde Predigten sind. Zu der letzteren
Classe gehören seine Orationes über die eilftausend Jung-
frauen 2) und über Christi Geburtsfest, ^) welche zu den
frühesten literarischen Arbeiten des Humanisten gezählt
werden müssen, da sie schon im J. 1509 und 1510 in Wien
erschienen.
Alcon dominus Cuspinianus est, Lycoris vero ipsa Vienna, per Anolbum
invidum notavi: per Lycidam intelligi volo Graecum (Pierium) amicum
unicum et optimum philosophum. Faustus ego ipse sum.
') Joachim! Vadiani Helvetii mythicum syntagma, cui titulus Gallus
pugnans. Res tota in disceptatione posita est. Accusant Gallinae patrono
Philonico. Galli se tutantur propugnante Euthymo. Capi semimares, de-
creti arbitri, pronunciant, litemque sedant partibus conciliatis Nomothete
interprete. Vienn. Iöl4. 4^ auf 24 Blättern. Denis (Merkw. d. Gareil.
Bibl. S. 251 flf.) handelt näher über das seltene Büchlein. Er bemerkt,
„das Drama hat folgende Theile : einen Ausruf des Herolds in sechsfüssigen
Jamben, einen Prolog, die Rede des Philonicus für die Hennen, die Ant-
wort des Euthymus für die Hähne, eine Unterredung dieser zwei (Parteien)
mit dem Nomothetes, der darauf die Entscheidung der Kaphähne vorträgt
und einen Discurs des Schmarotzers Lichenor". Den Schluss macht ein
Phalaecius des Phil. Gundel. Veranlasst zu der scherzhaften Schrift wurde
Vadian durch den Anblick eines Hahnengefechtes in Ofen, wie jedes Jahr
ein solches dort zur Belustigung der Zuschauer veranstaltet ward.
2) Joach. Vadiani de undecim milibus Virginum Oratio. Vienn. s. a.
(1509?) 40, mit Versen untermischt, aus Beda und älteren St. Galler
Klosterchroniken. Vgl. Denis S. 307.
3) J. Vadiani oratio de Jesu Christi die Natali. Vienn. 1511. 4^, mit
vier Distichen von Philipp. Gundelius zur Empfehlung. Vgl. Denis S. 58.
V. Aschbacli, Geschichte der Wiener Univers. II. 26
402 Leben und Schriften der Humanisten.
Zu der anderen Gattung sind zu zählen die zwei Reden,
welche er bei der grossen Wiener Fürsten- Versammlung im
J. 1515 im Auftrag der Universität an Kaiser Maximilian
und den polnischen König Sigismund hielt. *)
In Betreff der abhandelnden Schriften ist eine, welche
auch in die erste Zeit seiner literarischen Thätigkeit in Wien
1510 fällt, anzuführen, nämlich seine Untersuchungen über
das Leben Homers und den Verfasser der Batrachomyo-
machie, in welcher der junge Gelehrte schon eine grosse
Erudition an den Tag legt. '^)
Dass Vadian auch über die Poesie gründlich nach-
dachte und bei Abfassung von Gedichten nach gewissen
Grundsätzen vorging, zeigte er in der Schrift de Poetica et
Carminis ratione. ^)
Seine Hauptbedeutung unter den Humanisten hat Vadian
durch die Herausgabe und Erklärung alter römischer
*) Divo Maximiliano Caes. Aug^sto. Oratio nomine Gymnasii Vien-
nensis per Joach. Vadianum Helvetium, Oratorem et Poetum ab eodem
laureatnm XI. Kai. Aug. 1515 exhibita und Oratio coram invict. Sigis-
mundo rege Poloniae in conventu Caesaris et trium regum, nomine univer-
sitatis Viennae Austriae per Joach. Vadianum Poetum laureatum habita
cum carmine in laudem eiusdem regia annexo, in quo quaedam de isto
conventu continentur. Vienn. 1615. Beide Reden auch in der Sammlung
der 22 damals (1515) in Wien von Professoren gehaltenen Reden. Vienn.
1516. Vgl. Denis S. 136. 129. — Cf. Eder, Catal. Rect. ad ann. 1515
und oben im 1. Buche, S. 135.
2) Homer. Batrachomyomachia Jo. Capnione Phorcensi metaphraste.
Vienn. 1510. Darin ist die abhandelnde Epist. ad Jo. Marium Rhaetum
etc. enthalten. Vgl. Denis S. 305.
3) Joachimi Vadiani de Poetica et Carminis ratione Über ad Mel-
chiorem Vadianum fratrem. Vienn. 1518. Niceron. T. 37. S. 20 handelt
über den Inhalt der Schrift näher; Denis S, 194 gibt nichts darüber an,
ob sie mit der in den Script, univ. Vienn. III. p. 21 angegebenen de re
poetica dieselbe ist. Aehnlich ist die von ihm an seinen Bruder Melchior
gerichtete Zuschrift in dem Abdrucke von Donati grammatici — argu-
menta in fabulas potiores Ovidianae Metamorphosis. Vienn. 1513. Vgl.
Denis, Gareil. Bibl. S. 249 fll.
Vadianns. 403
Schriftsteller. Zu den weniger werthvoUen Ausgaben, die
er in den Jahren 1510 und 1512 machte, gehören die von
Sallustius, 1) Sedulius 2) und Ovidius, ^) da sie eigentlich nur
Abdrücke von Aldinischen Editionen liefern.
Von ungleich grösserer Bedeutung als diese Ausgaben
sind seine philologischen Leistungen, die von ihm ausgingen
in Bezug auf die Edirung und Erklärung des älteren Plinius,
der lateinischen Uebersetzung des Avienus von der Perie-
gesis des Dionysius Afer und der Erdbeschreibung des
Pomponius Mela. *) Dadurch trat er mit seinen früheren
Lehrern und Freunden Cuspinian und Camers, welche
dieselben Autoren bearbeitet hatten, in Concurrenz, und es
fehlte bei der gewöhnlich vorkommenden Empfindlichkeit
der Philologen nicht an Angriflfen und Ausfallen, wodurch
Conflicte und Streitschriften hervorgerufen wurden.
Zunächst war es Plinius und zwar dessen Praefatio zu
seiner Naturgeschichte , *) welcher Vadian seine gelehrten
') C. Crispi Sallustii de conjuratione Catiliiui« et hello Ing^arthino.
Vienn. 1611. (Vgl. Denis, W. B. G. 8. 46.) Ist nur ein Abdruck einer
Aldinischen Ausgahe, welche 1509 in Venedig erschienen war.
') Coelii Sedulii presbyteri Mirabilium divinorum libri quatuor.
Vienn. 1611. (Denis, Merkw. der GareU. Bibl. S. 244, dessen W. B. G.
S. 64.) Die Ausgabe gehört zu den höchst seltenen.
^ P. Ovidii Nasonis Artis amandi libri tres. Bemedia amoris duo
castigate impressi. Vienn. 1612. (Vgl. Denis, W. B. G. 8. 72.)
*) Nicht unwichtig sind des Vadianus Randglossen zu einer Anzahl
von Classikem in seiner in St. Gallen aufbewahrten Bibliothek, welche
reich an Incunabeln und seltenen Drucken lateinischer Schriftsteller ist.
In Bezug darauf sind vorzüglich zu nennen: Columella, FenesteUa, Persius,
Plinius, Solinus, Pomponius Mela etc. Script, univ. Vienn. III. p. 21.
Vadian. Bibl. 8. 21.
^) C. Plinii Secundi Praefatio in historiam mundi ad Vespasianum
mit Vadiani Epistola an Georg Tannstetter GoUimitius , dem damaligen
Universitäts-Rector (Vienn. 1613. 4.). — Vadian spricht zunächst von den
früheren Erkiärem des Plinius in Italien. Caeteri item alii, sagt er dann,
permulti, inter quos et Jo. Cuspinianus est, vir doctissimus, qni anno
26*
404 Leben und Schriften der HamaniBten.
Studien zuwandte ; sodann (1515) edirte und comnientirte er
das siebente Buch des g^rossen Werkes. ') Kurz vorher
hatte er schon in einer Zuschrift an Rudolf Agricola
manche schwierige Plinianische Stellen mit grosser Gelehr-
samkeit erläutert. 2) Ob das im J. 1522 zu Wien heraus-
gegebene achte Buch des Plinius von Vadian oder Philipp
Gundelius veröffentlicht worden, dürfte zweifelhaft sein.
Doch ist das letztere wahrscheinlicher. ^)
Ueber das zweite' Buch des Plinius verfasste Vadian
gemeinschaftlich mit CoUimitius Scholien, welche aber erst
später 1531 in Druck erschienen. ^)
abhinc quinto, eam ipsam praefationem Viennae lectorio publico inter-
pretatns est. Dann handelt er noch von der Beschaffenheit des Pliniani-
schen Textes. Denis, W. B. G. S. 94 — 96, der einige gelehrte Erläu-
terungen über die seltene Schrift gibt, zeigt, wie wenig genau sie manchen
Literaturhistorikern bekannt war.
^) C. Plinii secundi Über septimus naturalis historiae seorsum im-
pressus et emendatus. Mit Vadian's Zuschrift Vienn. 12. April 1515.
Adolescentibus Cantoribus Viennae Pannoniae, publico Caesareae Majestatis
stipendio literis operam dantibns, discipulis suis bene agere. Neue Ab-
drücke erfolgten in Wien 1519 und 1560. Denis (W. B. G. S. 189. 196.
620) meint, die Sängerknaben seien wohl die der Hofcapelle gewesen.
2) Rudolph! Agricolae junioris Rheti ad Joach. Vadianum Helvet.
Poet laur. Epistola, qua de locorura non nullorum obscuritate quaestio sit
et percontatio. Joach. Vadiani Helv. P. laur. ad eundem Epistola, qua
eorum quae priori epistola quaesita sunt, ratio explicatur. Es sind Stellen
nicht blos aus Plinius (meist geographische), sondern auch aus Augustinus,
Lactantius, Macrobius, Pomp. Mela, Lucan, Persius, Virgil, Cicero. Denis
S. 121 nennt diese Schrift eine selten vorkommende. Vgl. Script, univ.
Vienn. III. 18.
3) C. Plinii Secundi Über octavus Naturalis historiae. Vienn. 1522,
ohne Angabe des Herausgebers. Denis S. 230 meint, Ph. Gundelius habe
die Edition besorgt.
*) Vgl. Denis S. 197 in der Note: „In Jac. Ziegler's von Landshut,
wie Einige glauben, Commentar über Plinius II. B. Basilae 1531. 4^*, be-
finden sich Scholien, die Joach. Vadian und G. Tannstätter in Wien ver-
fasst haben". Auch in den Script, univ. Vienn. p. 18 sind diese Scholien
erwähnt.
Yadianns. 405
In derselben Zeit beschäftig-te sich Vadian auch mit
geographischen und ethnographischen Werken. Seine
Ausgabe der Taciteischen Germania hat zwar keine
besondere Bedeutung, i) indem sie nur einen früheren Druck
wiederholt; aber von vorzüglichem Werthe sind seine Edi-
tionen des Dionysius Afer und des Pomponius Mela.
Zunächst veröffentlichte er 1515 zu Wien die Ausgabe
des Dionysius nach einer lateinischen versificirten Paraphrase
des Rufus Avienus. ^)
Offenbar die verdienstvollste Arbeit, welche er kurz
vor seinem Abgange von Wien im J. 1518 ausführte, ^) war
seine kritische Ausgabe des Pomponius Mela, welche er
mit gelehrten Schollen versah.*) Er hatte gute Hand-
schriften benützt, und in einer zweiten Auflage, die 1522
') Seine Ausgabe: Opusculum ComeKi Taciti de situ Germaniae
Vienn. Iöl4. 4^ ist nur der Abdruck einer früheren. Vgl. Script, univ.
Vienn. III. 21.
2) Dionisii Afri ambitus orbis Rufo Festo Avieno paraphraste, castiga-
tissime impressus, pellegente et conferente proba exemplaria Joachimo
Vadiano Helvetio, qui partim aliorum judicio partim suo studio — plera-
que loca, quae antehac viciosissima impressa erant — restituit. Vienn. 1515.
(Vgl. Denis S. 118, Bahr, Gesch. der röm. Literatur I. S. 299, wo er die
Ausgaben des Avienus erwähnt, gedenkt nicht der Vadianischen.) Vadian,
der in dieser Schrift auf die früheren Ausgaben des Dionysius, welche
seine Lehrer Cuspinian (1508) und Camers (1512) veranstaltet hatten,
einige wegwerfende Seitenblicke gerichtet, gerieth dadurch mit diesen in
eine gewisse Spannung.
3) Götzinger a. a. O. bemerkt mit Recht, dass Vadian einer der
ersten deutschen Humanisten war, welcher die Entdeckungen der Portu-
giesen und Spanier für die geographische Wissenschaft verwerthete.
*) Pomponii Melae Hispani libri de situ orbis tres, adjectis Joachimi
Vadiani Helvetii in eosdem scholiis: addita quoque in Geographiam
Catechesi. Vienn. 1518. fol. Dem Text waren ein St. Galler Codex und
eine Handschrift, die früher Andreas Stiborius besessen hatte, zu Grunde
gelegt. Denis S. 186. Isaac Vossius in seinen Observationes in Pomponium
Melam spricht wegwerfend von des Vadian Scholienj er sagt von ihnen;
Rus et stivam olent.
406 Leben nnd Schriften der Humanisten.
erBchien, *) machte er einige berichtigende Noten gegen
des Camerß Ausgabe vom Solinus, wodurch eine gelehrte
Fehde mit dem italienischen Humanisten hervorgerufen
wurde. 2)
Nachdem Vadian die Universität Wien verlassen und
in seiner Vaterstadt St. Gallen als praktischer Arzt auf-
getreten war, verstummt seine dichterische Muse und seine
literarische Thätigkeit wendet sich von den humanistischen
Studien ab, anderen Disciplinen zu, welche für das Leben
und den Staat von besonderer Bedeutung waren. Als Stadt-
arzt brachte er seinen leidenden Mitbürgern Trost und
Heilung, als Bürgermeister seiner Vaterstadt ordnete er
das Gemeindewesen nach Recht und Gesetz, als kirch-
licher Reformator disputirte er bei den Religions-
gesprächen, polemisirte gegen die Sectirer, predigte und
interpretirte die biblischen Schriften. Nur den historischen
und geographischen Disciplinen verbleibt er noch getreu
und widmet ihnen seine freien Musestunden.
Von seinen geographischen Schriften, welche grossen-
theils gedruckt sind, betreflfen mehrere Deutschland, andere
sind allgemeiner Art; auch über sein engeres Vaterland
lieferte er eine geographische Schrift. ^)
1) Basil. 1522. fol. Vgl. Denis S. 233. Die Script, univ. Vienn. III. 18
geben unrichtig das J. 1523 an. Ein späterer Abdruck ist Basil. 1564 er-
schienen. Bahr, Rom. Lit II. S. 515.
2) Jo. Camertis Antilogia, i. e. locorum quorundam apud Juliom
Solinum a Joach. Vadiano Helvet. confutatorum amica defensio. Vienn.
1522. 4. Vgl. Denis S. 187.
3) Vadian's geographische Schriften finden sich meistens gedruckt
bei Goldast. Script, rer. Alemannic. T. III. Das Verzeichniss derselben
steht nach der Angabe der Biblioth. Gesner. auch in den Script, univ.
Vienn. P. III. p. 29 fll. Epitome totius terrae partium Asiae, Airicae,
Europae compendiarem locorum descriptionem continens, praecipue quorum
in actis Lucae Evang. et Apost. meminere. Tigur. 1534. fol. und 1548. 8^*
— Germaniae descriptio in Germ, historiar. illustratio. Marb. 1542. 8. —
Epitome trium terrae partium c, comment. Jo. Hof leis in Procli Sphaeram.
Yadianiis. 407
Als Geschichtschreiber ist er fiir die Stadt St. Gra-llen
und den Canton Thurgau von Wichtigkeit. Sein in deutscher
Sprache geschriebenes Tagebuch wie auch seine grössere und
kleinere Chronik von St. Gallen sind bis jetzt noch nicht
in Druck erschienen, wohl aber seine Geschichte der Stadt
St. Gallen. 1)
Seine medicinischen Schriften, welche handschrift-
lich in der Vadianischen Bibliothek in St. Gallen aufbewahrt
werden, scheinen von keiner besonderen Bedeutung zu sein. 2)
Wichtiger sind seine theologischen Werke, welche
in Bezug auf Anzahl und Umfang beachtenswerth sind. Als
eifriger Zwinglianer hatte er sich der reformatorischen Be-
wegung entschieden angeschlossen ; er nahm warmen Antheil
— Farrago antiquitatum de coUegiis et monasteriis Germaniae veteribus
(bei Goldast. T. III). — Tabulae Cosmographicae. — Notae in Alberti Magni
descriptionem terranim. — Descriptio et historla Turgoviae. — Descriptio
lacus Acronii (üeberlinger See) et confinium locorum. J. Spiegel, Schol. in
Comment. Aen. Sylv. ad Ant. Panormit. lib. II. gibt dem Vadianus vorzugs-
weise das Prädicat Co smographus illustris; derselbe hatte auch den Mons
Calvus (Kahlenberg bei Wien) ganz richtig für den Mons Cecius der
Alten erklärt.
^) Götzinger, Joachim von Watt als Geschichtschreiber von St. Gallen.
St. Gall. 1873. fol. Darin abgedruckt: Vadian's Geschichte „von an-
fang, gelegenheit, regiment und handlung der weiterkannten frommen statt
zu Sant Gallen". Ist vorher in den St. Galler Neujahrsblättem erschienen.
— Als Vorarbeiten zu der St. Galler Stadtgesehichte schrieb Vadian eine
kleinere und grössere Chronik der St. Galler Aebte und Anderes, welches
die Mönche und Klöster im Thurgau betraf, welche Schriften noch unedirt
in der Vadianischen Bibliothek liegen. Vgl. Götzinger a. a. O. S. 8 fll.
und Vadian. BibHoth. S. 11—16. Auch auf der St. Galler Stiftsbibliothek
befindet sich eine Copie von der St. GaUer Chronik Nr. 1229. Vgl. Ver-
zeichniss der Handschrift der Stiftsbibl. von St. Gallen. St. Gallen 1875.
S. 431. Der historische Verein in St. Gallen beabsichtigt, die historischen
Werke Vadian's nächstens herauszugeben. L. Geiger, Schriften zur Gesch.
des Humanismus in Sybel's histor. Zeitschr. Jahrg. XVII. 187Ö. S. 122
und ebend. 3. Heft S. 168 Meyer's v. Knonau Aufsatz: Ueber die
neuesten Publicat. der geschichtforsch. Vereine der Schweiz.
2) Unter diesen Schriften befinden sich die Consilia contra pestem.
408 Leben und Schriften der Humanisten.
am i^bendmahlsstreit ^) und zeigte sich als einen heftigen
Gegner der Schwenkfeldianer, die er in mehreren Schriften
bekämpfte , von welchen nur einige gedruckt sind ; 2) er
verfasste aber auch noch andere theologische Schriften,
namentlich exegetischen ^) und polemischen Inhalts, ^) wovon
auch das Meiste noch nicht durch den Druck veröffent- »
licht ist.
Man hat von Vadian auch eine Anzahl von Schriften
vermischten Inhalts, von welchen manche die politischen
Verhältnisse seines Vaterlandes besprechen. ^)
Eine Sammlung von Vadian's zahlreichen Briefen,
welche für die zeitgenössische Literatur- und Kirchen-
geschichte manche Aufschlüsse zu geben versprechen, über-
haupt von hohem Interesse sein müssen, hat man bisher
') Aphorismi libri VI de consideratione Eucharistiae. Tigur. 1536.
Orthodoxa et erudita Epistola de corpore Christi. Tig. 1539. Pro veritate
camis triumphantis Christi. — Notae in Thomae Aquinatis tractat. de cor-
pore Christi. Vgl. Script, univ. Vienn. III. 20 sqq. und Vadianische
Biblioth. a. a. O.
2) Vadianische Bibliothek in St. Gallen S. 19—23. Zu diesen
Schriften gehören: Antilogia ad Casparis Schwenkfeldii argumenta in
libellum, qui ab eo summariam inscriptus est coUecta (Tigur. 1040). Contra
XIII. insignes Casparis Schwenkfeldii errores de confessione et gloria
Christi. Auch in deutscher Sprache.
3) Notationes in novum testamentum. — Explicationes in acta
Apostolorum.
*) Epistola ad Jo. Zwickium Constantiensis eccles. pastorem de
diversis naturis Christi. — Epistola ad Jo. Zwickium de conjug^o servorum
(bei Goldast gedruckt). De primitiva ecclesiae statu seu Christianismi
natalibus. Auf der St. Galler Stiftsbibliothek befindet sich auch eine
Schrift über den Mönchsstand. Nr. 1321. S. 447. Wohl dasselbe Werk,
das unter dem Titel de coUegiis et monasteriis angeführt wird.
^) Disceptatio et arbitrium in causa Bernensium et Septem paganorum
de administratione Landgraviatus Thurgoviensis quae St. Galli adhuc ex-
tat. — Quaestiones diversae et earum resolutiones Anacephaleosis sire
recapitulationes ad Senatum Bernensium Sylvae de laudibus patriae. —
Epitaphium Rudolphi Episc. Herbipolensis Argent. 1544. — Farrago auf
der Vadianischen Biblioth. S. 17—19. Scriptor. univ. Vienn. 1. c. 20—22.
Vadianns. 409
nicht veranstaltet, ungeachtet dafür ein überaus reicyiches
Material vorliegt. ^)
^) Gustav Scherer in dem Buche „Vadianische Bibliothek" S. 6 fll.
handelt von den daselbst befindlichen zahlreichen Briefen von und an
Vadian; sie sind in zwölf Bänden zusammengestellt. Sie beginnen mit dem
J. 1510 und gehen bis 1650. Die Zahl der Briefe vor dem J. 1520 ist
nicht gross, offenbar ist für die frühere Zeit keine vollständige Correspon-
denz vorhanden. Es sind nur vereinzelte Schreiben. Mit den späteren
Jahren werden die Briefe immer zahlreicher; der letzte ist datirt vom
6. November 1550, also einige Monate vor Vadian's Tode. Nur wenige
von diesen Briefen sind bis jetzt durch den Druck veröffentlicht worden.
Velocianus.
Thomas Resch aus Krems in Niederösterreich.
t 1520.
Thomas Resch aus Krems in Niederösterreich
kommt als Schriftsteller gewöhnlich unter dem Namen
Velocianus (s. v. a. Resch oder Rasch) vor. Seine huma-
nistischen Freunde nennen ihn manchmal Roscius, *) welchen
Namen er sich selbst, wie es scheint, nicht beigelegt hat.
Als Mitglied der Wiener Universität wird er von seinen
Collegen immer nur mit seinem deutschen Namen Resch
angeführt.
Als Magister legens tritt er schon im letzten Decennium
des 15. Jahrhunderts in der artistischen Facultät auf, und
zwar besonders in Vorlesungen über lateinische Grammatik
und die Isagoge des Porphyrius. Decan der Facultät war
er 1504, und später noch zweimal, 1508 und 1513. Den
Grad eines theologischen Baccalaureus hatte er sich im
J. 1508 erworben, 2) und im folgenden Jahre ward er zum
Rector erwählt ; drei Jahre später bekleidete er diese Würde
^) Vadian., Orat. de J. Chr. die natali. Vienn. 1511 (vgl. Denis,
W. B. G. S. 58) nennt in der Zuschrift an den Magister Johann Heck-
mann unsern Humanisten Thomas Boscius po^ta laureatus.
2) Eigenthtimlich wird er in den Act. fac. art. III. fol. 35 ad ann.
1508 bezeichnet als Professor Astrologiae et (Baccalaureus Theologiae)
Sententiarius.
Yeiocianu«. 41 1
noch einmal. Aus den Händen des Kaisers Maximilian
empfing er 1509 *) den Dichterlorbeer. Doch ist nicht be-
kannt^ welche poetische Production ihm diese Auszeichnung
erwarb.
Der artistischen Bibliothek stand er eine Reihe von
Jahren hindurch vor; er führte ihre Leitung mit Umsicht
und wirkte für ihre Vervollständigung ; er wird daher auch
mit den Ehrentiteln Bibliothecae artisticae custus et in-
staurator benannt.^) Nachdem er Licentiatus der Theologie
geworden, erhielt er die Stelle eines Canonicus von der
St. Stephanskirche. Auf ihrem Friedhofe fand er seine
Grabstätte , als er 1520 aus dem Leben schied. ^)
Die akademische Wirksamkeit des Velocianus bietet
uns einiges nicht Uninteressante dar. Schon dass er als
Theologe gegen den Geist und die Stimmung seiner Facultät
ganz und gar der neuen Richtung und dem Humanismus
zugethan war, musste ihn in eine Sonderstellung bringen,
welche nicht ohne Conflicte bleiben konnte.
Es manifestirten sich die Widersprüche des Velocianus
gegen die herrschenden Ansichten in der theologischen
Facultät bei einigen Gelegenheiten. Als er im J. 1511 von
der Universität nach dem üblichen Turnus zur Vertretung
^) Eder, Catal. Rect. ad ann. 1509. p. 52. Mag. Thomas Besch de
Krembs Theol. Baccal. Po^t. laur. coronatus maiübus D. Maximiliani Imp.
2) Ehautz, Oest. Gelehrte 8. 52. Denis, Wiens Buchdr.-Gesch. S. 108.
Die Mathematiker Tannstetter und Pschlacher rühmen Yorzüglich Resch^s
Liberalität in seinem Amte. Vgl. Denis 1. c. und S. 141.
5) Locher, Specul. p. 399:
D. O. M. S.
Thomae Resch Cremsensi
Art lib. Doctori
Vati laureato
ac sacrarum Literarum Licentiato
Hujus sedis Canonico
Mortuo
Amio Christi MDXX.
412 Leben und Schriften der Hnmanisten.
der theologischen Facultät zum Rector erhoben wurde, so
protestirte diese gegen die Wahl, weil Velocianus als Bacca-
laureus sie nicht vertreten könne. Aber der neue Rector
zwang die widerspenstigen Collegen, seine Auctorität anzu-
erkennen, wie früher in der Geschichte der Universität
erzählt worden ist.
Dass Velocianus mit Umgehung der von der Wiener
theologischen Facultät geübten Bücher -Censur die Oden des
Celtes in Strassburg 1513 durch den Druck veröflFentlichte,
zog ihm einen Process zu. Da über diesen schon früher
gesprochen worden, so kann es genügen nur zu bemerken,
dass die Ausgabe weder von der Facultät unterdrückt, noch
die Entfernung der anstössigen Stellen aus dem Buche
durchgesetzt werden konnte.
Bei den Streitigkeiten zwischen Reuchlin und seinen
fanatischen Gegnern, welche an den deutschen Universitäten
und in Rom so grosses Aufsehen und leidenschaftliche
Parteinahme erregten, zeigten sich auch die Wiener Huma-
nisten nicht gleichgültig. Reuchlin sandte durch seinen
Freund Simon Lazius aus Stuttgart, ^ der damals Professor
der Medicin an der Wiener Universität war, seine. Apologie
(Speculum oculare) an Velocianus und seine Gesinnungs-
genossen Cuspinian, Vadian, Stiborius, Gerbel, die ganz
auf Seiten des Tübinger Gelehrten traten (1512). 2)
1) Vgl. Bulaei hist. Univ. Paris. IV. p. 68.
2) Darüber gibt Nachricht ein Brief des Simon Lazius an Reuchlin
(bei Ehautz, Oest. Gelehrte S. 144), der hier folgt:
Literas tuas, vir humanissime , et Apologiam optimo viro Thomae
Res eh collegae, theol. Baccal., oratori et poetae laureato, nomine tuo
obtuli, qui osculabundus literas et Apologiam cum maximo animi gaudio
suscepit, quippe cui ut coram dicebat, ad id temporis gratius accidere
potuit nihil. Et id eo libentius, quod is vir perhumanus cum nostri
nobilissimi gymnasii gubernacula tunc habebat, quando enim
Viennam appuleram, gymnasiarcha electus fuerat, tum tui nominis
studio sissimus erat. Multa de te, nomen enim tuum apud nos notissimum
est, studio tuo, omnibusque rebus humaniter me interrogabat Diligentissime
Yelocianns. 413
Als wenige Jahre später der iDgolstädter Professor
Dr. Johann Eck mit der theologischen Facultät in einer
Disputation auftrat, so nahm auch Velocianus daran' Theil.
Eck erkannte dessen tiefe theologische und philosophische
Kenntnisse, seinen Scharfsinn und grosse Redegewandt-
heit an. ^)
Velocianus beschränkte seine literarische Thätigkeit
hauptsächlich auf die Herausgabe oder Anregung zur
Herausgabe von älteren akademischen Lehrbüchern, die er
mit empfehlenden Einleitungen und Zuschriften versah.^)
Als Tannstetter 1514 die Tabulae eclipsium des Georg
Peuerbach und die Tabula primi mobilis des Regiomontanus
vir ille Apollogiam tuam legit, quae postea rus ibat ad Stiborium
nostrum, qui eam ex intimo pectore legit et perlegit. Quae ubi domuitio-
nem capesserat, Cuspiniani fores appukabat, qui stomachabundus mihi
succensuit, quia ad se literarum nihil abs te aflTerrem. at excusationem non
rancidam pro tempore afferebam, literas tuas probe affuturas sig^nificans.
Quare tuum erit, quod verbis promiseram, opere perficias. Lecta autem a
Cuspiniano nostro Apolo^a, salutabat Vadianum et reliquos meos. Exem-
plar quoddam' illius pemiciosissimi hominis adversani tui Capnio mastigis
Coloniensis apud quendam mercatorem Suevum inveni, qui etiam plurimum
veneni ex libello illo famoso in te nomenque tuum suxerat, cui et nomen
tuum odiosum et detestabile erat. Ego statim huic venenoso morbillo
mederi satagens praesentissimum pharmacum attuli, utpote Apologiam
tuam, quam legeret, petii. Quae lecta fortiter omne venenum latenter intra
pectus irreptum praesentissimo antidoto expulit. Exemplar accommodato ac-
ceptum, ut legerent, omnibus meis obtuli. His, quid cum literis et Apo-
logia tua egerim, liquido intelligis. Cuspinianus etVadianus hie ad
te scribunt, qui ut rescribas plurimum rogitant. Scripsisset et Thomas
noster, ni subita et insperata tabellarii abitio nos fefellerit: at proximus
tabellarius literis vacuus ad te non ibit. Vale sane in dulces annos. Viennae
non. April, a. 1512.
') Die Epistol. Joh. Eckii ad Episc. Aichstett. im Conspect. bist
Univ. Vienn. II. 61.
2) Zuschrift des Velocianus an Martin Edlinger, dem Herausgeber
des Tractatus Joannis Holandrini dialectici obligationum et insolubilium.
Vienn. 1509 (Denis S. 23). Eine andere lobende Zuschrift an Conrad
Pschlacher, dem Herausgeber philosophischer Lehrbücher des Petrus
Hispanus logicalium priores und des Marsilius Dialectice (Vienn 1512).
Denis S. 68 und 141.
414 Leben uod Schriften der Humanisten.
in Druck gab^ fugte Velocianus eine Zuschrift an den
Herausgeber nebst einem Hexastichon bei. ^
Ebenso regte er seinen Landsmann, den Kremser Arzt
Dr. Wolfgang Anemorinus (Windberger), zur VeröflFentlichung
seiner interessanten Schrift De Thermis et earum origine et
natura quibusque morbis sint salubres (Vienn. 1511) an und
fügte Beigaben hinzu« ^)
Der Ausgabe, welche er von den Oden des Celtes ver-
anstaltete, fügte er nicht nur eine Epistola Vadiani bei,
sondern auch von sich selbst eine Zuschrift, welcher im
Anhang ein Epilog über das Ende und die Bestattung des
gekrönten Dichters folgt und mit einem poetischen Nachruf
auf denselben schloss.'^)
1) Denis S. 108.
2) Denis S. 43.
3) Thomas Velocianus in busta Celtica:
Quas Jovis ira ferox metuit contingere lanros,
Fulmine pro nimium mors tmcnlenta rapis.
Attamen excelsae surgent de stipite frondes
Dulcius eo solito Celtica mnsa canet.
Dum nisi corporeos potoisti solvere nexus,
Aetemum vivet carmine partos bonos.
Wolfhardus.
Adrian Wolfhard aus Siebenbürgen.
t 1545.
Von Adrian Wolfhard,^) dessen Geburtsstätte in
Siebenbürgen nicht bekannt ist, der aber nach seinem
Vaterland den Beinamen Transsylvanus führt, wissen wir
in Bezug auf seine äusseren Lebensverhältnisse nur sehr
wenig. Er war 1491 geboren und betrieb im Anfang des
16. Jahrhunderts in Wien in der artistischen Facultät seine
Studien ; er schloss sich dem humanistischen Kreise an und
zählte zu seinen besonderen Freunden und Gönnern die
Humanisten Johann Camers, 2) Joachim Vadianus, Georg
Logus 3) und Martin Capinius. *)
*) Die Nachrichten über Adrian Wolfhard sind nur spärlich und
unvollständig. Denis in der Wiener Buchdruckergeschichte liefert über ihn
einige Notizen S, 49 und 67. Er theilt mit, dass Wolfhard auch den
Namen Jazix geführt habe. Trausch in dem Schriftsteller-Lexikon oder in
den Siebenbürg. Gedenkblättern (Vervollständigung des Seivert'schen
Siebenbürg. Gelehrten-Lexikons) II. S. 509 — 613 hat mehreres über ihn
gesammelt. Vgl. auch Uj Magyar Muzeum 1867. S. 417.
2) Er sagt in seinem Commentar zu Dionysius Afer de situ orbis:
Magister Adrianus Wolfhard Transylvanus mihi ob ingenuos mores ac non
vulgarem eruditionem charitate junctissimus.
3) Logus richtet in seiner im J. 1629 edirten Elegien-Sammlung auch
ein Gedicht an A. Wolfhard.
*) Vgl. oben den Art Capinius. S. 186.
416 Leben and Schriften der Humanisten.
Er hatte kaum das 20. Lebensjahr zurückgelegt^ als er
schon öflFentlich mit einigen poetischen Productionen auftrat,
und nachdem er die Magisterwürde erworben, Vorlesungen
über philosophische Disciplinen hielt und die Herausgabe
der Werke zeitgenössischer Gelehrten besorgte. *) Später
betrieb er auch theologische Studien und nachdem er um
1522 in sein Vaterland nach Siebenbürgen zurückgekehrt
war, wirkte er daselbst in der Seelsorge und starb als
Pfarrer oder Pleban von Treppen im J. 1545. 2)
Die literarischen Leistungen des Adrian Wolfhard sind
zwar nicht von grosser Bedeutung, aber doch nicht uninter-
essant. Er veröffentlichte theils kleinere Dichtungen, theils
veranstaltete er Ausgaben der Werke von verschiedenen
Schriftstellern.
Seine bedeutendste poetische Production ist sein Lob-
gedicht auf Kaiser Maximilian I., welches er in seinem
21. Lebensjahre 1512 in Wien herausgab. ^) In der an
^) Wolfhard nennt sich in der von ihm 1612 veranstalteten Ausgabe
des Dialogus Mythicus Bartholomaei schon artium et philosophiae pro-
f e s s o r.
2) Seivert bei Trausch a. a. O. S. 509 nach der Kirchen - Matrikel
von Treppen.
3) Adriani Wolf hardi Transylvani Panegyris ad invictiss. Caes. Maxi-
milianum, semp. Aug. Vienn. 1512. 40. In der Zueignungsschrift an Capinius
sagt der Verfasser von sich selbst: Panegyrin juvenili animo, vix enim
primum et vigesimum annum, ut nosti, attigi, de divo Caesare Maximiliano
audaculus scribere institui. Joachim Vadian hat ein Octostichon zum Lobe
Wolfhard's beigegeben, worin es heisst:
Caesareas laudes doctaeque veneranda Viennae
Gymnasia et cultus Austria bella tuos,
Emuncto cecinit non vilis carmine vates
«
Wolfhardus: vati pulchra Vienna fave.
Auch der Humanist Christoph Crassus aus der Schweiz fttgte ein derartiges
Gedicht bei. Vgl. Denis S. 67. Trausch a. a. O. S. 509.
Wolfhardus. 417
Martin Capinius gerichteten Zueignungsschrift verspricht er
auch Idyllen ; es ist nicht bekannt^ ob sie wirklich in Druck
erschiencB sind.
Schriften, welche seine Freunde herausgaben, versah
er mit poetischen Beigaben; zu den von Joachim Vadian
edirten Orationes duae Arbogasti Strubi Glaronesii (eines
früh verstorbenen Freundes) lieferte er ein Leichencarmen
auf A. Strub und eine Elegie de humanae vitae aerumnis. ^)
Ausgaben von Schriften verschiedener Gelehrten, welche
Wolfhard besorgte, sind mehrere zu nennen. Von dem
Fünfkirchner Bischof Janus Pannonius besorgte er nicht
nur die Ausgabe der nachgelassenen Schriften, ^) sondern
er versah dessen Panegyricus auf Bapt. Guarini auch mit
dichterischen Beigaben ; ^) eben so machte er es mit der
Ausgabe des Guarinischen bellum Grammatieale ^) und dem
Dialogus mythicus Bartholomaei Coloniensis ; ^) mit des
Horatius Flaccus de arte poetica liber und Carmen saeculare ^)
») Denis a. a. O. S. 47 fll. Vgl. Oben den Artik. Vadian. S. 399.
2) Hormayr's Taschenbuch 1820. S. 124. Trausch a. a. O. S. 613.
3) Zu des Joannis Pannonii Episc. Quinqueeccles. poetae et oratoris
Panegyricus in laudem Baptistae Guarini Veronensis praeceptoris sui
Vienn. 1512 wurden eine Ode, sechs Distichen und verschiedene kleinere
Carmina beigefügt, welche von der dichterischen Begabung ihres Ver-
fassers Zeugniss geben.
*) Die zweite Ausgabe Vienn. 1523. Vgl. Denis S. 13$. Die erste
Ausgabe Vienn. 1512 erschien ohne das Carmen Wolfhardi.
^) Dialogus Mythologicus Bartolomei Coloniensis dulcibus et salibus
concinuisque sententiis refertus atque diligenter perelaboratus. Vienn. 1512.
Vgl. Denis S. 77. Wolfhard gibt dazu eine Zuschrift an seinen jüngeren
Bruder Hilarius und acht Disticha. Man beabsichtigte mit der Schrift,
der studirenden Jugend in unterhaltender Weise gute lateinische Aus-
drücke beizubringen.
®) Quinti Horatii Flacci de divina Poetarum Arte non minus elegans
quam omni cruditione refertum opus ad Pisones cunctis adprime neces-
sarium. Ejusdem carmen seculare perquam jucundum. Adrianus Wolfhardus
Transsylvanus. Viennae Austriae 1522. Das Werkchen, welchem sieben
V. Aschbach, Geschichte der Wiener ünivers. 11. 27
418 Leben und Schriften der Hninanisten.
und des Carmeliters Baptista Mantuanus Carmen contra poetas
impudice loquentes. *)
Distichen von Wolfhard zur Empfehlung beigefügt sind, wnrde vorzüglich
bei Vorlesungen gebranclit.
^) Ohne Jahr und Dnickort. Mit Wolfhard's Hendecasyllabi ad Ju-
venes. Denis S. 311 setzt den Dnick ins J. 1512 in der Officin der Wiener
Buchdrucker Victor und Singriener.
ANHANG.
27*
I.
Die Mitglieder der gelehrten Donaugesellschaft.
A. Episodia sodalitatis litterariae Dannbianae ad Con-
radnm Celtem,
dum e Norico Gymnasio (i. e. Ingolstadio) ad Viennam Paimoniae
concesserat. *)
1. Joannes Graccus Pierius, Bomanorum Regia Secretarius.^)
Celtis adest: Celtis Clarii nota prima triumphi,
Gentis Germanae gloria, Celtis adest.
Sed non solus adest: sacrae pia turba sorores,
Pars idem remo, pars pede carpit iter.
Laeta dies, albo nunquam caritura lapillo :
Äccipe candentis lactea signa notae.
Spumet odorato cristallus aquosa falerno,
Uraturque sacris laurea virga focis.
*) Abgedruckt in Lucii Apuleji Platonici et Aristotelici philo-
sophi Epitoma divinum de Mundo seu Cosmographia ductu Con-
radi Celtis impressum Vienne 1497. Mit einer Zuschrift des Celtes,
triformis philosophiae doctor an Johann. Fusemannus, regius Senator und
Johann. Graccus Pierius Prothonotarius et principes sodalitatis litterariae
Danubianae. Vienne Kai. Nov. 1497. Vgl. oben im zweiten Buche im
Artikel Celtes dessen Schriften Nr. X.
2) Johann Krachenberger, aus Passau in Baiern , ein Zeit-
genosse Reuchlin's, auf dessen Rath er den humanistischen Namen Grac-
cus Pierius annahm, trat schon unter Friedrich III. in kaiserliche
Dienste. Maximilian erhob ihn bald nach seinem Regierungsantritte zu
seinem Protonotarius und zog ihn wie den Johann Fuchsmagen bei der
Einführung mancher Reformen an der Universität Wien zu Rathe. Krachen-
berger war nicht nur ein tüchtiger Jurist und Geschäftsmann , sondern
422 Die Mitglieder der gelehrten Donaugesellschaft.
In primis merito Phoebo reddantur honores:
Thyrsig-ero fiant proxima sacra Deo.
Haec quoque Pieria passim vox personet aula :
Musarum Celtis spesque deeusque venit.
2. Augustinus Olomucensis, Hegis Pannoniae Secretarius. ^)
Celtis Pegaseas sacro ex Helicone Cainenas
Vexit ad Äustriaci rura beata soll.
Salve ig^itur Phoebi criniti sancte sacerdos,
Celtis tiermanae gloria magna togae,
auch ein nicht gewöhnlicher Redner, Dichter und deutscher Sprachforscher,
der sich daran machte, seihst eine deutsche Grammatik zu schreiben. Als
Mäcenas der Gelehrten und Dichter betrieb er eifrig die Beförderung der
classischen Studien und die Verbreitung des Humanismus, namentlich an
der Hochschule Wien, wohin auf seine Empfehlung Maximilian den Celtcs
und andere angesehene Humanisten berief. Das Aufblühen und Gedeihen
der gelehrten Donaugesellschaft verdankte man vorzüglich seiner Theil-
nahme imd seinem Schutze, so dass man ihn neben Celtes als den Haupt-
gründer dieser Sodalität betrachtete und er seit dem Jahre 1499 bis 1508
ihre Leitung als Präsident führte.
Die Koryphäen der Wiener Humanisten: Celtes, Cuspinian, Vadian,
Gundelius, Ursinus, Velins feierten ihn in ihren Schriften und Gedichten
als ihren Gönner und Freund und erhoben seine Verdienste um die Ver-
breitung des Humanismus und Hebung der Wissenschaften mit grossen
Lobsprüchen. Vadian, in seinem im J. 1517 erschienenen Hirtengedichte
Faustus, spricht seine besondere Verehrung für Krachenberger aus ; der-
selbe kann daher nicht vor dem J. 1517 gestorben sein.
Nachrichten über Job. Krachenberger linden sich bei Cuspinian.
Austria, ed. Bas. 1553, p. 51)H. und in dessen Ausgabe des Prudentius
Praef. (Denis, W. B. G. S. t>98.) In Celtis Amor. lib. IL eleg. 13.
Od. IL 9. Epod. 10. Balbi Carra. 139 (bei Ketzer), Vadian. Faustus,
Praef. Ursin. Vel. Epist. (Denis S. 322), Jac. Spiegel in der Ausg. des
Isokrates etc. (Denis, Merkw. d. Garell. Bibl. S. 253.) Briefe Krachen-
berger's an Celtes in Cod. epist. Celt. lib. IL ep. 5. lib. III. ep. 12 u. 14.
Vgl. Schier, Kaltenbäck, Klüpfel, oben im ersten Buche (S. 73) in den
angeführten Schriften und Denis, W. B. G., besonders S. 169.
^) Der Humanist Augustinus führt seinen Beinamen Olomucensis
von seiner Propstei Olmütz, die er nebst der von Brunn bekleidete. Sein
deutscher Familienname soll Kasenbrot geheissen haben. Er stammte wie
Episodia sodalitatis. 423
Et vos laurig^erae, cultissima turba sorores,
Tu quoque inaurata pulcher Apollo lyra.
Quae vohis genitus Morava gente poeta
Carmina dat tenui siiit licet orsa modo:
Perpetui, quaeso, sint vobis pignus amoris:
Haec sint parva licet, mens pia magna facit.
sein Verwandter Andreas Stiborius, der bekannte Humanist und Mathe-
matiker, aus Baiem. Die philosophischen und juridischen Studien hatte er
grösstentheils vor 1490 in Padua betrieben; in Bologna wurde er Doctor
des canonischen Rechts. Er trat hierauf in den geistlichen Stand, erlangte
in Mähren reiche Pfründen und ward Canonicus an den bischöflichen
Kirchen von Prag und Breslau. Der König Wladislaus II. von Böhmen
und Ungarn, der ihm sehr gewogen war, machte ihn zu seinem Geheim-
schreiber, später zum Vice-Kanzler. Augustinus, ein Freund der classischen
Wissenschaften und selbst Dichter — er besang die Thaten des ungarischen
Königs Matthias Corvinus -^ trat nicht nur als einer der ersten ^er ge-
lehrten Donaugesellschaft bei, sondern er gehörte auch zu den besondern
Verehrern des Conrad Celtes, mit dem er einen lebhaften Briefwechsel
unterhielt, von dem sich in dem Celtes'schen Codex epistolaris aus den
Jahren 1497 — 1505 noch sieben Briefe erhalten haben. Celtes unterlässt
auch nicht, in seinen libris Amorum seines Freundes zu gedenken. Der
Donau-Sodalität widmete Augustinus einen goldenen Becher mit einer
Inschrift, über deren Bedeutung man streitet. Auch stellte er seine reichen
Bücher-, Münzen-, Antiken- Sammlungen auf das bereitwilligste den Sodales
zur Verfügung, was Cuspinian bei der Herausgabe seines Libellus Maro-
bodei de lapidibus pretiosis und bei der Bearbeitung seiner Schrift de
Consulibus und Caesaribus sehr zu Statten kam und er auch rühmend
anerkannte. Augustinus gab mehrere Schriften heraus, welche aber
jetzt zu den seltenen. Druckwerken gehören , wie z. B. sein Dialogus in
defensionem Poetices, der zu Venedig 1493. 4^. erschienen ist. Seine
Bibliothek erbte nach seinem Tode, der im J. 1513 erfolgte , die bischöf-
liche Kirche von Olmütz, ward aber später zerstreut. — Böhme hat im
18. Jahrhundert zwei Abhandlungen über seine Lebensstellung und ge-
lehrten Beschäftigungen geschrieben, worin manche interessante Notizen
vorkommen, aber auch irrthümliche Angaben unterlaufen, wie über seinen
Tod, der in's J. 1510 gesetzt ist. Baibin, Bohcra. doct. tract. I. p. 95, hat
den Irrthum berichtigt, dem Denis (Mcrkw. der Gareil. Bibl. S. 156) an-
fänglich gefolgt ist, den er später aber (in der Wien. Buchdr.Gesch.
S. 309) verbessert hat. lieber die Inschrift auf dem goldenen Becher
handelt Böhme in seinem Comment. de patera Augustin. Olomuc. Lips.
1776. Endlicher in seiner Recension über Klüpfel, Vit. Celt. II. 161,
424 Die Mitglieder der gelehrten Donaugesellscliaft.
3. Julius Miliiis, Begis Fannoniae archiater. ^)
Cum tot carminibus, cum tot celebrare poetis:
Non opus est versu, Celti diserte, meo.
Nunquam Castalios hausi de fönte liquores:
Ubera prima licet Melpomene dederat,
Quod cernens Phoebus medicus me vertit ad artes
Et rerum causas noscere posse dedit.
Et dixit: dulcis sequeris eure Jule Camenas ?
Altera debetur laurea nempe tibi.
Cura erit ista tibi, reges servare potentes,
Atque Ulis medicus exhibuisse manus.
Parce igitur, quaeso, nobis, doctissime Celti:
8i Phoebus negat hoc, quod meus ardor habet.
bestreiket die Richtigkeit der Anslegnng Böhmens. Kaltenbäck, Arch. III.
S. 8, und Denis, besond. Merkw. der Gareil. Bibl. S. 156 und 249 und
an anderen verschiedenen Stellen, handeln in der Kürze über Augustinus.
*) Julius Milius (oder Aemilius) war ein Italiener aus dem
Neapolitanischen; er kam in den letzten Jahren der Regierung des unga-
rischen Königs Matthias Corvinus — vielleicht mit der neapolitanischen
Prinzessin Beatrice, welche des Königs Gemalin ward — als königlicher
Leibarzt nach Ofen. Er besass bald das volle Vertrauen des Königs, den
er glücklich in schwerer Krankheit behandelte. Aber die intriguante
Königin, welche mit schlechten Plänen umging, wusste ihren Gemal zu
bestimmen, dass er den geschickten Leibarzt, der zugleich auch mit Eifer
der humanistischen Richtung ergeben war, aus seiner unmittelbaren Nähe
entfernte (1489). Schon im folgenden Jahre starb Matthias Corvinus eines
plötzlichen Todes in Wien, das er erobert hatte; der neue König Wladis-
laus II. aber nahm den zurückgesetzten Leibarzt vertrauensvoll in seine
Umgebung. In Ofen hatten sich auf Anregung des Celtes, der von
Krakau über Ungarn in seine Heimat (1490) zurückreiste, mehrere Huma-
nisten, zu denen auch Julius Milius gehörte, zu einer gelehrten Gesell-
schaft vereinigt, aus der später die literaria sodalitas Danubiana erwuchs.
Als Celtes 1497 nach Wien kam, wurde der Mittelpunkt der Societät dahin
in die Nähe des berühmten gekrönten Dichters verlegt. Milius scheint
wenige Jahre später aus dem Leben geschieden zu sein.
Ueber ihn geben nur spärliche Nachrichten Schier 1. c. Kaltenbäck
III. 81. Denis, W. B. G. S. 9. Wespremi Biogr. Medicor. Hungar. Cent I.
art. 2. Cent. II. Suppl. 211, nebst den ungarischen Geschichtsschreibern:
Bonfin. bis. Ung. p. 507 und Engel, Ung. Gesch. III. S. 420.
Episodia sodalitatis. 425
Nunc Augustinus vates clarissimus ille
Describet laudes^ Celti diserte, tuas.
Scilicet, ut Musas ad ripas duxerit Istri,
Et sis Germani gloria prima soli.
Austria quod doctos per te dat clara poetas,
Ut similes Latio vix rear esse meo.
4. Joannes Cuspinianus, poeta laureatus. ^)
Dira lues quondam Romanam infecerat urbem:
Dum turpi tabe corpora multa cadunt.
Inde Coronides faciem mutatus, et ora
Obtulit optatam Tybride vectus opem.
Sic fera barbaries, qua non praesentior uUa,
Pestis habet Rheni, Danubiique piagas,
Occidet et penitus Germanis cedet ab oris:
Dum Celtem placidis advehit Ister aquis.
Ergo canendus eris, Celtes, dum sydera fulgent:
Quo duce, barbaries, pestis acerba, recit.
5. Andreas Stiborius, theologus et mathematicus. ^)
Bis quinis fueras annis, peregrinus in orbe,
Fatum Dulichii, Celti secute ducis.
Scilicet ut varias, et honestas prenderet artes
Pectus, Phoebaea quod tibi luce micat.
Sed faciles remos cuperes cum sistere tandem:
Te vocat ad nitidam clara Vienna scholam,
Qua nunc ingenuas docto cum pectore Musas
Concinis et quidquid philosophia docet.
6. Joannes Stabius, philosophus et mathematicus. ^)
Nota tibi, quondam regio, qua Carpathus albet,
Quaque vago Rhenus amne tricornis abit.
^) Vgl. oben Art. Cuspinianus S. 284.
2) Vgl. oben Art. Stiborius S. 373.
3) Vgl. oben Art. Stabius S. 361.
4:2o Die Mitglieder der gelehrten Donaugesellschaft.
Jana tibi sistit iter pigras qui versat arenas
Ister, ut in placida, Celti, inoreris humo,
Et doceaS; quid quid nuraerosa volumina vatuin
Contineant et quid philosophia docet.
7. Christophorus de Weitmyl, Pra^positus Pragensis. ')
Quid petis exig-uos arentis fluminis haustus
Celtes, Pindarici fama secunda chori?
Quis mel Aristaeo, quis Bacclio iiiolle Calenum,
Quis Cereri donet spicea serta deae?
Fertile pectus habes dulcique Helicone refertuuin:
Scribis et Orphea carmina dig-na Ijra.
Ast ego laurigerae modo sum novus accola rupis,
Et meus in primo pulvere sudat eqüus.
Plectra tarnen repetenda negat quis carmine Celti?
Si pudor hoc prohibet, scribere cogit araor.
Nee tarnen ipse tuae praeconia debita laudis
Cantabo: aut tanti moliar oris opus.
Laudis egent, quae sunt mediocria: livor iniquus
Commendat versus, Celti diserte, tuos.
«
8. Sturlinus de Schmalcaldia, Paedagogus. ^)
Aeneas patrios, Troja flagrante, penates
Transtulit in regnum, juste Latine, tuum.
') Cliristoph von Weitmyl, aus Prag, bereiste zu seiner Aus-
bildung Italien und trat in Bologna mit dem berfihraten Humanisten
Philipp Beroaldus in näheren Verkehr. Als Geistlicher erlangte er in
seinem böhmischen Vaterlande mehrere Pfründen und Aemter. Er ward
Propst von dem Prager Erzstift. Die Neigung zu den classischen Wissen-
schaften, die er in Italien gewonnen hatte, setzte er weiter fort und schloss
sich dann auch der gelehrten Donaugev^ellschaft an. Er verliess später den
geistlichen Stand; unter König Wladislaus II. trat er in Kriegsdienste.
Seine weiteren Schicksale sind nicht bekannt. Nur höchst spärliche Notizen
über ihn geben Schier, Kaltenbäck, Denis, Endlicher a. a. O.
'^) Johann Sturlin (auch Johannes Sturnus genannt), dessen
deutscher Familienname Starle lautete und der auch den Vornamen
Episodia sodalitatis. 427
Vexit et Idaeam Tyberiiia per ora Cybelem
Claudia Vestalis digna ministra foci,
Ista licet jactent veteres: majora videmus
Inferri terris Numina Pannonicis.
Celtis Apollineum per inhospita litora numen
Remigio vexit Calliopoea tuo.
Ecce novein mig-rant patria de sede sorores,
Atque petunt terras numina grata novas.
Äustria se quanto felix jactabit honore!
Nascitur en Cecio gloria quanta jugo!
Nunc laetare Ceci sacräs habitare cohortes :
Profers Pierio grata futura Deo.
Ut quondam Bacchus, sie te nunc ornat Apollo,
Inque tuis habitat numen utrumque jugis.
9. Hieronymus Balbus^ utriusque juris Doctor. ^)
Lux Clarii splendorque chori, quam doctus alit grex,
Grex Dryadum te doctus alit: tu Castalius dux.
Jodocus oder Jobst führte, war aus Schmalkaldeii gebürtig. Als Erzieher
der Söhne des beriihinten böhmischen Humanisten Herrn Bohuslaus von
Hassenstein, mit denen er längere Zeit Italien bereiste, hatte er den Bei-
namen Pae dag ogus angenommen. Er widmete sich eifrig den humanisti-
schen Studien und stand mit dem Stifter der gelehrten Gesellschaften,
Conrad Celtes, in lebhaftem brieflichen Verkehre. Als er im Anfang des
16. Jahrhunderts aus Italien in seine Heimat /.urückkehrte , war er in
Leipzig und Annaberg in Sachsen für die Verbreitung der classischen
Wissenschaften thätig. Von den Schriften, die er unter seinem Namen
veröffentlichte, werden ihm manche abgesprochen, da man ])ehauptet, dass
ihr eigentlicher Verfasser Bohuslaw von Hassenstein gewesen, dem er sie
entwendet habe. Noch im J. 1506 kommt ein von ihm an Conrad Celtes
gerichtetes Carmen in dessen Kliapsodia vor.
Nachrichten über ihn geben Schier fol. 53. Klüpfel II. 118. 154.
Endliclier S, 161. Kaltenbäck III. 85. Mencken, de Graecar. et latin. litt,
in Misnia restaur. §. 11. Im Cod. epist. Celt. kommen zwei Briefe von
ihm vor (vgl. Aschbach, Roswitha und C. Celtes S. 69).
1) Vgl. oben Art. Baibus S. 146.
428 Die Mitglieder der gelehrten Donaagesellschaft.
*
Dux Helicone rigas Istrum: jam bella fugit Thrax:
Thrax vates Dacusque colit: nee Sarmata jam trux,
, Trux rigor omnis abit: nunc passim blanda micat pax,
Pax Musis adveeta tuis: te digna manet merx,
Merx deeus aeternum tibi erit, dum fulva micat fax:
Fax Phoebi terris radians: dumque atra necis falx,
Falx metet orbis opes, mundi tu semper eris lux.
10. Bartholomaeus Scipio, Medicinae Doctor. ^)
Attica Romuleae Pallas eonjuneta Miner vae
Te duce Hyperboreos gaudet adire lares;
Danubiasque colit contemto Heliconide ripas,
Ister habet docti, quidquid in orbe fuit.
11. Joannes Schlechta , Regia Fannoniae Secretarius. ^)
Pannoniae Regis dum nuper viseret aulam
Celtis, et a trijugis vectus equabus erat;
Omnia tum secum sinuosum vexit ad Istrum,
Quod Graji et Latii concinuere viri.
1) Vgl. oben Art. Scipio S. 354.
2) Johann Schlechta von Wschehrd und Kosteletz in Böhmen,
Geheimschreiber des böhmisch - ungarischen Königs Wladislaus II., ein
Freund des Erasmus und Celtes, wie auch des Hieronymus Baibus und
Bohuslaw von Hassenstein, betrieb eifrig die humanistischen Studien. Er
beschäftigte sich viel mit dem geographischen Werke des Ptolemäus,
woraus zu ersehen ist, dass er auch der griechischen Sprache mächtig
war. Später lebte er in Zurückgezogenheit ganz den Wissenschaften auf
seinem Schlosse Strassnitz in Mähren, wo er 1525 starb.
Spärliche Notizen über ihn geben Schier, Donauges, fol. 38 fll.
Kltipfel, Vit. Celt. II. 153. Endlicher, Rec. 162. Denis S. 9. Kaltenbäck
III. 89. Hassenstein's Epistol. ad Schlecht, n. 25, in dessen Lucubr. Orat.
lib. 2. Baibin, Epist. Nr. 20—22. 27. Schlechta's Briefe an Celtes, worin
er über Ptolemäus spricht, stehen im Cod. epist. Celt. d. d. Ofen, 6. April
und 3. Mai 1498.
EpiBodia SodalitatiB. 429
12. G^orgius Neudecker, Begis Fannoniae Secretartus. ^)
Nuper ubi mecum trijugis raperetur equabus
Celtis et Hungaricas vellet adire piagas;
Vota dabam superis, illum ne morbifer aer
Laederet, aut raperet febris acuta virum.
' 13. Erasmus Finifer, Cracoviensis.
Floruit eloquio quondam gens Graja; sed olim
Omne decus Danaum Martia Roma tulit.
Quid non tempus edax variat? Cum Celtis ad Istrum
Transtulit, Ausonio quid quid io orbe fuit.
14. Joannes Tolophus, I. U. Doctor et Mathematicus.^)
Astrorum cursus et quidquid continet orbis,
Affers Danubio, Celti diserte, vago.
^) Georg Neu deck (oder Neudecker), aus Oesterreich, hatte seine
Studien, auch juridische, in Wien und in Bologna gemacht, wo er nicht
nur das canonische Recht docirte, sondern auch das Rectorat bekleidete.
Noch vor dem Schluss des 15. Jahrhunderts kehrte er in sein Vaterland
zurück. Anfanglich trat er in die Dienste des ungarisch-böhmischen Königs
Wladislaus II. als Geheimschreiber oder Kanzler. Später finden wir ihn in
gleicher Eigenschaft bei dem römischen König Maximilian, der ihn auch
wegen seiner humanistischen Studien zum Superintendenten der Universität
Wien als Nachfolger Cuspinian's bestimmte (1504). Aber dieses Amt
führte er nur ganz kurze «Zeit, da er bald nachher (1505) Bischof von
Trident wurde und zugleich als kaiserlicher Statthalter Verona verwaltete.
Sein Tod fallt in das Jahr 1514, den Manche unrichtig 1505 oder 1512
setzen. *
Nachrichten über ihn geben Schier, Kaltenbäck, Denis, Endlicher.
Hormayr, Denkw. Wiens I. 4. S. 148. Pyrrh. Pincii Annal. Trident. lib. 7.
Cuspinian's Tagebuch, herausgeg. von Karajan S. 399, ad ann. 1505 Georg
Neideck Cancellarius Austriae et Episc. Tridentinus. (So auch Eder, Catal.
Beet. 41.) Er war Pathe von Cuspinian's ältestem Sohn, lieber die Er-
nennung zum Universitäts-Superintendenten im J. 1504 Kink, Gesch. der
Wien. Univ. I. Anh. S. 116.
2)Janus Tolophus, dessen ursprünglicher Familienname Dol-
hopf lautete, stammte aus Franken. Er war Propst von Forchheim und
430 I^ie Mitglieder der gelehrten Donangesellschaft.
15. Theodoricus XJlsenius, archiaterJ)
Gelte tua silicem caelas, Conrade, rebellem:
Et mea dura silex: nil tua celtes agit.
Oinnia cum certo videas nascentia: vince '
Tempore duritiem, tempore mollitiem.
Regen8l)urger Canoniciis. Selbst Dichter und ITuraanist, war er auch ein
Freund und (fönner der (iJelehrten, die er wie ein Mäcenas aus seinen
reichen Mitteln freigebig unterstützte. Er sel])st betrieb vorzüglicli Astro-
nomie und Kosniographie. (»leiche Studien führten ihn frühzeitig mit dem
gekrönten Dichter Celtes zusammen. Dieser besuclite ihn Öfter in seinem
gewöhnlichen Aufenthaltsorte Regensburg und theilte ihm seine literari-
schen Untt^rnehmungen und Arbeiten mit, welche er auch in dem leb-
haften Briefwechsel mit ilim weiter besjirach. Schon im J. 1492 hatte
Celtes den Plan gefasst, eine Mytliologie der Griechen und Römer zu
schreiben und die seclis lUicher der Ovidischen Fasti , mit Illustrationen
versehen, herauszugeben. Tolophus wollte die Sache, die mit ansehnlichen
Kosten verbunden war, unterstützen; sie verschlug sich aber wieder, so
dass sie nicht ausgeführt ward. Tolophus war nicht allein Mitglied der
rheinischen Sodalität, sondern auch der Donaugesellschaft; er kam auf
seinen Reisen, welche ihn nach Rom führten, zuweilen auch nach Wien.
Als Celtes 1497 dahin übersiedelte, war der Regensburger Canonicus unter
den ihn mit Episodien Begriissenden. Cuspinian konnte, ihn in seiner
Inschrift vom J. 1507 nicht mehr als Mitglied des Wiener Contubernium.s
aufführen, weil er schon im J. 1503 aus dem Leben geschieden war.
Schier, Kaltenbäck und Endliclier geben nur sehr Weniges über ihn ;
ausführlicher ist Klüpfel I. 108 und II. 147. Die meisten Nachrichten
über ihn liefert Trithemius in den Script, eccl, ed. Fabr. Nr. 958, der ihn
einen gelehrten Canonisten, einen Dicliter, Astronomen, Kosmograplien und
einen maximus doctorum hominum fautor nennt. In dem Codex epistolaris
Celticus kommt eine Reihe von seinen Briefen (9 an der Zahl von 1492
bis 1500) an Celtes vor. Von seiner Reise spricht Celtes in der Od.
lib. II. 18 an ihn. Willib. Pirkheimer in einem Briefe an Celtes d. d.
Norimb. 17. Nov. 1503 meldet seinen Tod.
^) Theodorichus Ulsenius, aus Friesland, hatte in Heidelberg
humanistische und medicinische Studien gemacht. Als praktischer Arzt
lebte er eine Reihe von Jahren in Nürnberg, wo er mit Conrad Celtes
und anderen Humanisten in lebhaftem Verkehre stand, und als jener nach
Ingolstadt übersiedelte, denselben durch einen fleissigen Briefwechsel
unterhielt Sie theilten sich einander den Fortgang ihrer Studien mit und
Episodia sodalitatis. 4dl
16. Henricus Cuspidius. ^)
Rhenanis praeceptor eras mihi Celtis in oris,
De rerum causis dulcia verba sciens.
Sed doleo, Rheni quod dulcia liqueris arva,
Rhenanique simul jura sodalitii.
sprachen in geistvoller und witziger Weise über ihre und andere poetische
Productionen. OflFenbar gehörte lllsenius zu den Vertrauten des Celtes
und er erhielt von demselben Mittheilungen über seine geheimen literari-
schen Arbeiten, womit er die gelehrte Welt mystificirte. Wahrscheinlich
nahm Ulsenius selbst Antheil an diesen gelehrten Mystificationen. Der
dichterische, selir begabte Jünger Aesculap's, der Elegien und Epigramme
in grosser Anzahl mit Leichtigkeit machte, war ganz zu solchen Dingen
geeignet. Da er öfter von Nürnberg an den kaiserlichen Hof nach Linz
kam, so stand er den Sodales der Donaugesellschaft nicht fern, so dass es
zu erklären ist, wie er in dieselbe als Mitglied aufgenommen werden
konnte. Er starb nach dem Jahre 1507.
Trithemius, Script, eccl. ed. Fabric. n. 961 lobt ihn als Dichter und
Redner; er erwähnt seine Epig^ramme und Elegien. Im Cod. epist. Celt.
kommt von ihm eine Anzahl Briefe an Celtes aus den Jahren 1492, 1494
und 1496 vor. Vgl. Asciibach, Roswitha und C. Celtes S. 36 u. 66. Einige
Nachrichten über ihn geben Klüpfel, Vit. Celt. II. 95, 147 fll. Denis,
Garell. Bibl. S. 566. Kaltenbäck III. 90.
*) Heinrich Cuspidius oder Cuspianus, dessen deutscher Name
Spie SS war, lebte zu Heidelberg im Kreise der gelehrten Rheinischen
Sodalität, deren Geschäfte er führte, wie aus einem Schreiben von ihm
an Celtes entnommen werden kann. Er nennt sich selbst einen Schüler
des ersten gekrönten Dichters in Deutschland. Es ist auffallend, dass er
auch Mitglied der gelehrten Donaugesellschaft war, da er doch, so viel
wir wissen, nicht persönlich mit den Wiener Humanisten verkehrte. Celtes
richtete in seinen Epoden ein Gedicht an ihn, worin der Dichter sich
über seine spärlichen und kurzgefassten Schrei])en beklagt. Trithemius
spricht von seinen Dichtungen, sie sind aber nicht gedruckt worden. Denis
verwechselt ihn mit Henricus Eutychus.
Kaltenbäck, Klüpfel II. 156, Endlicher geben über ihn nur dürftige
Notizen. Der Brief des Cuspidius an Celtes d. d. Heidelberg 13. Mai 1496
befindet sich im Cod. epist. Celt. Vgl. Aschbach, die früh. Wand, des
C. Celtes. S. 121, n. 4.
432 Die Mitglieder der gelehrten Donangesellschaft.
17. und 18. Duo Bonomi, Begis et Beginae Bomanor.
Secretarii. ^)
Nuper apud Rhenum scripsisti, Celti, sodales,
Vangionum praesul quis sua jura dedit.
Sed nunc Danubii cum sint tibi, Celti, sodales:
Jura sodalitii quis dabis erg-o chori?
') Franciscus und Petrus Bonomus waren Brüder oder doch
nahe Verwandte. Sie stammten aus der Triester Patricierfamilie der Bonomi.
Francesco Bonomo lebte schon frühzeitig gegen Ende des 15. Jahr-
hunderts in Augsburg, daher wird er auch gewöhnlich Franciscus Bonomus
Augustensis genannt. Beide Italiener traten in kaiserliche Dienste: Petrus
ward Secretär des römischen Königs Maximilian, Franciscus bekleidete
diese Stelle bei dessen Gemahlin Maria Bianca, einer mailändischen Prin-
zessin. Beide waren ganz und gar der humanistischen Richtung zu-
gethan. Sie glänzten als Dichter und standen in lebhaftem Verkehr mit
dem Wormser Bischof Johann Dalberg und dem kaiserlichen Protonotar
Johann Krachenberger, wie auch mit Conrad Celtes, Conrad Peutinger
und andern Humanisten. Man hatte anfanglich die Absicht, den Frani^scus
Bonomus, der artistischer Magister war und auch gute Kenntnisse der
griechischen Sprache und Literatur besass, nach Wien als Professor der
Poetik und Rhetorik zu berufen; doch Krachenberger und Cuspinian
wirkten diesem Vorhaben des Universitäts - Superintendenten Bernhard
Perger entgegen: Conrad Celtes erhielt die Stelle. Doch störte diese
Rivalität nicht die Freundschaft zwischen Celtes und Franciscus Bonomus,
der dann wie auch Petrus in die Umgebung Maximilians und in den
Staatsdienst gezogen wurde. Indem Franciscus sich ganz den Geschäften
seines Amtes und gelehrten Arbeiten widmete, hatte Petrus eine glänzende
äussere Laufbahn: er ward eine lange Reihe von Jahren hindurch irt
manchfachen Staatsgeschäften verwendet. Maximilian schickte ihn als
seinen Gesandten 1518 nach Augsburg, ernannte ihn zum Statthalter in
Oesterreich und zum Executor seines Testaments. Wittwer geworden, trat
Petrus in den geistlichen Stand, wurde 1601 Bischof von Triest, verwaltete
von 1522 — 1523 das Bisthum Wien und starb über zwei Decennien später
hochbejahrt am 4. Juli 1546 in Triest, nachdem Franciscus schon viel
früher aus dem Leben geschieden war. Petrus Bonomus, der als ein aus-
gezeichneter Kenner des Alterthums, als ein guter Theolog und vorzüg-
licher Menschenfreund gepriesen wird, hinterliess unter seinen Schriften
mehrere dichterische Productionen. Wiener Humanisten feierten bei fest-
lichen Gelegenheiten oder in Bücherzuschriften in Reden und Gedichten
seine Vorzüge und Verdienste.
Onspinianische Inschrift. 4:33
Sodalitium Danubianum Episcopum Vesprimensem [Joasnem
Vitez] principem sodalitatis elegitJ)
Danubiana cohors Phoebaeis digna triumphis,
Quam decorat Clariis Celtica Musa sonis,
Principe te gaudet, concordique eligit ore
Patronum et nutu statque caditque tuo.
B. Cnspinianische Inschrift
auf das Wiener Contubernium der gelehrten Bonaugesellschaft.'^)
CVSPINIANVS . SODALITATIS . LRARI^..
DANVBIANiE . VIRIS . ERVDITISS . IN . MEMORIAM.
SEMPITERNAM .F.F.
lAN . GRACC» . PIERI« . IG AN . CVSPINIANVS.
10 AN . 8TABIVS . CONRAD VS
CELTES . THEODORICVS . VLSENIVS.
ANDRES . STIBORIVS . GABR . EVBOLIVS.
(JVILHE . POLYM» . lOAN . BVRCRIVS.
LADISL . SUNTHEM . STEPH. ROSIN.
HENETICVS . MVSAE . NOVEM . CHARITES . TRES.
Cuspinian^s Inschrift an seinem zu Wien Singerstrasse
Nr. 897 gelegenen und zum weissen Rössel genannten
Ueher die beiden Bonomi Schier, Kaltenbäck, Klüpfel, Endlicher
a. a. O. Khautz, Oesterr. Gelehrt. S. 111. Hormayr, Wiens Denkw. I. 4. S. 49.
Zwei Briefe von Petnis Bonomus an Celles d. d. Aiigsb. 7. Juni 1496 und
8. Mai 1500, ein Epist. von Franc. Bonomus, Augsb. 20. Juni 1497 im
Cod. epist. Celt. fol. 69, 79 und 112. Krachenberger schreibt an Celtes
über die Carraina des Franc. Bonomus (Linz 18. April 1492) im Cod.
epist. Celt. Trithem., Script, eccl. n. 922, spricht von den Gedichten des
Petrus Bonomus. Auf der k. Hof bibliothek in Wien befindet sicli von ihm
ein Carmen in nuptias Maximiliani et Blancae Mariae. Panegyrici auf ihn
(von den J. 1619 und 1523) werden angeführt bei Denis, W. B. G. S. 194
und 240.
1) Vgl. oben S. 74.
2) Fischer, brev. Notit. Vindob. IL 56
T. Aschbach, Geschichte der Wiener Univers. II. 28
434 Die Mitglieder der $^elehrt«ii Donangesellschaft.
Hause ^) gibt zwölf Namen von Mitgliedern der gelehrten
Donaugesellschaft, welche in einem Wiener Contubernium
oder engeren Ausschuss von nur der deutschen Nationalität
angehörigen Humanisten vereinigt waren. Die Inschrift
rührt nicht aus dem J. 1510 (wie Kink meint), sondern
aus dem J. 1506 oder 1507 her, denn im Januar 1506 war der
Wiener Arzt Bartholomaeus Scipio bereits durch den Tod
ausgeschieden. Aus einem späteren Jahre als 1507 kann
aber die Inschrift nicht sein, da der darin genannte Heinrich
Eutyches noch in demselben Jahre aus dem Leben schied
und mit dem Tode des Celtes, der am 4. Februar 1508
starb, die ganze Gesellschaft sich auflöste.
Die zwölf Contubernales sind in der Weise geordnet,
dass an der Spitze der Präsident Johann Graccus Pierius
steht und neben ihm der Vicepräsident und Hospes des
Contuberniums Johann Cuspinianus; es folgen sodann der
Geschäftsführer Johann Stabius und der eigentliche Stifter
des Vereines Conrad Celtes. An diese reihen sich nach der
Zeit ihres Beitritts die weiteren acht Sodales: Theodorich
Ulsenius, Andreas Stiborius, Gabriel Eubolius, Wilhelm
Polymnius, Johann Burger, Ladislaus Suntheim^ Stephan
Rosinus und Heinrich Euticus. Dass das Contubernium
gerade zwölf Mitglieder zählte, erklären die Schlussworte :
Musae novem, Charites tres.
Da nur einer von den Contubernales weder bei den
Humanisten der Wiener Universität, noch bei den Ver-
fassern der Episodien auf Celtes vorgekommen ist, so bleibt
dieser — Heinrich Euticus — noch zu besprechen.
Henricus Eutyches, auch Eutychus und Euticus
genannt, hiess nach seinem deutschen Familiennamen
1) Vgl. Hormayr, Wiens Denkw. II. 2. Heft 2 und 3. S. CLX. bei
der Singerstrasse Haus-Nr. 896 und 897. Das Haus führte auch die Be-
nennung zum weissen Einhorn.
Cnspinianiscbe Inschrift. 43ö
Geradwol. Obschon er in Augsburg geboren war, wird
er doch als Prancus bezeichnet, da er in Nürnberg, welches
zu Pranken gehörte, gewöhnlich seinen Wohnsitz hatte.
Endlicher wie Denis sind im Irrthum, wenn sie in da-
maliger Zeit zwei Humanisten mit dem Namen Heinrich
Eutyches annehmen, einen älteren aus München und einen
jüngeren aus Nürnberg. Denis verwechselt ihn noch dazu
mit Heinrich Cuspidius aus Heidelberg.
Eutyches hatte, was in seiner Zeit sehr gewöhnlich war,
die humanistischen Studien mit den medicinischen vereinigt.
Er nahm zwar seinen gewöhnlichen Wohnsitz in Nürnberg,
wo er die Heilkunde als Doctor utriusque medicinae für
innere und äussere Krankheiten ausübte, aber häufig be-
suchte er grössere Städte am Main und Rhein, am Neckar,
am Lech und an der Donau als Wanderarzt; in Augsburg
und in Frankfurt a. M. nahm er sogar Jahresbestellungen
wiederholt als städtischer Physicus an. Dabei verkehrte er
vielfach mit den Humanisten und nahm als Dichter und
Satyriker an ihren gelehrten Arbeiten Antheil. Mit Celtes
war er schon frühzeitig (seit 1490) in lebhaften Verkehr
und Freundschaft getreten und sie richteten an einander
Gedichte. Wenn auch nicht ausdrücklich sich angegeben
findet, dass Eutyches Mitglied der Rheinischen Sodalität
war, so ist es doch höchst wahrscheinlich. Auf seinen ärzt-
lichen Wanderungen ist er wohl auch öfter nach Wien ge-
kommen und seine dortigen humanistischen Freunde nahmen
ihn bei solcher Gelegenheit in ihren gelehrten Verein auf.
Dass er Mitglied der mathematischen Gesellschaft Collimi-
tiana gewesen, wird von Denis angegeben, aber es ist dieses
schon aus dem Grund zu verwerfen, weil Tannstetter letztere
Sodalität erst 1508 oder später gestiftet hat, nach dem Tode
des Celtes, Eutyches aber schon 1507 in Frankfurt als
städtischer Arzt gestorben war.
28*
436 Die Mitglieder der gelehrten Donatigesellschaft.
Von seinen Schriften ist bis jetzt keine durch den Druck
veröffentlicht worden, wenn man einige kleinere dichterische
Productionen ausnimmt, die in Werken seiner Freunde als
Beigaben erschienen sind. Trithemius, der Abt von Spon-
heim, der ihm die Bezeichnung Professor egregius gibt,
meldet, dass er vieles geschrieben habe, darunter Satyrisches
und ein Gedicht zur Lobpreisung der heiligen Jungfrau. ^)
C. Sonstige Mitglieder der gelehrten Donangesellsehaft.
Ohne Zweifel gehörten zur Sodalitas Danubiana noch
andere Humanisten als Mitglieder, welche weder unter den
Verfasser der Episodien, noch in der Cuspinianischen In-
schrift genannt werden. Von den Wiener Universitäts-
Professoren wissen wir, dass jedenfalls zu den Sodales ge-
hörten der Wiener Arzt Johann Tichtel aus Grein 2) und
der Mitvorsteher des Collegium poetarum und gekrönte
Dichter Vincentius Longinus Eleutherius (Vincenz Lang
^) Nachrichten über ihn erhalten wir bei Trithem. Script, eccl. ed.
Fabr. Nr. 925, des Eutyches Briefe an Celtes d. d. Augsburg 9. April
1496 mit einem Gedichte, und d. d. ex Moguntiaco (Endlicher liest falsch ex
Monaco) 29. August 1496. Ein Epigramm von ihm an Celtes findet sich
des letzterem Panegyricus ad duces Bavariae vorgesetzt. Celtes richtet
an ihn mehrere Oden lib. II. od. 14. lib. III. od. 1.3 u. 16. Vgl. Asch-
bach, WaBdeningen des C. Celtes S. 125. Kriegh, deutsch. Bürgerthum im
Mittelalter S. 51 spricht von seiner ärztlichen Praxis und seinem Tod in
Frankfurt nach städtischen archivalischen Quellen. Denis, W. B. G. S. 10
und Merkw. der Garell. Bibl. S. 240 gibt wie Klüpfel Vit. Celt. I. 42
irrthümliche Nachrichten. Letzterer glaubt, Eutyches habe ursprünglich
den deutschen Namen Selig geführt.
2) TichtePs Brief an Celtes d. d. Wien 6. Februar 1493 im Cod. epist
Celt. und Ode des Celtes an ihn Odar. Üb. III. 3. Ueber Tichtel ist
alles zusammengestellt in der Schrift von Th. G. v. Karajan: Joh. TichteVs
Tagebuch. Wien 1855.
Die Mitglieder der gelehrten Donangeseilschaft. 437
aus Freistadt in Schlesien). ') Die Humanisten Velocianus
(Kesch aus Krems) und Georg Collimitius (Tannstetter
aus Rain in Baiern) müssen ebenfalls dazu gezählt werden, 2)
wie auch der Schwabe Johannes Foeniseca (Mader) aus
Augsburg, ein des Griechischen kundiger Polyhistor, der
in Wien im letzten Decennium des XV. Jahrhunderts
den classischen Studien oblegen {latte. ^) Dass der kaiser-
liche geheime Rath Johann Fuchsmagen dem Vereine
angehörte, ist unzweifelhaft, da Geltes ihn und den Johann
Krachenberger als die Principes der Sodalität anführt. *)
Auch Maximilians I. Geheimschreiber und Biograph Joseph
Grünpeck^) muss dazu gezählt werden.
Zu den weiteren, ausserhalb Wien wohnenden Sodales
sind noch zu rechnen: der gekrönte Dichter Magister Jacob
Ganter aus Friesland, der in Böhmisch- Krumau lebte, ^)
der Magister Petrus Tritonius, ein ausgezeichneter Musiker
und Compositeur und Vorsteher einer lateinischen Schule
in Brixen, ') der Graf Bernhard von Waldkirch in Augs-
') Vgl. oben Buch I. Abschn. 3 S. 67 und bei den Schriften des
Celtes: Ludus Dianae S. 241.
2) Vgl. oben S. 273 und 410.
3) Rhein. Nat. Matrik. ad ann. 1494: Joh. Mader ex Augusta, homo
graece et latine doctua. Vgl. Schier fol. 35. Wird auch als Censor
literariae sodalitatis Danubianae beim Druck der Celtes'schen Rhapsodia
(1504) angeführt.
*) Vgl. oben Buch I. Abschn. 3 S. 73 und Buch II. Leben des
Celtes S. 237.
^) Seine Briefe an Celtes d. d. Augsburg 29 Oct. 1496 und München
20. October 1503 im Cod. epist. Celtic. Vgl. Schier fol. 45. Kink I. S. 207,
n. 239.
6) Seine Briefe an Celtes im Codex epistol. Celt. lib. IL ep. 11.
IIL ep. 2. VIL ep. 30. VIIL ep. 1. In einem Briefe bittet er Celtes:
dignare me asscribere sodalitati vestrae.
7) Vgl. Buch I. Abschn. 3 S. 80 und Buch IL bei der Schrift
des Celtes Melopoeae S. 249, wo auch die Rede ist von den beiden
Briefen des Tritonius an Celtes. Dass er zur Sodalität gehörte, wird aus-
438 Die Mitglieder der gelehrten Donaugeäellscliaft.
bürg ^) und endlich die berühmten und in den classischen
Sprachen wohl bewanderten Patricier Willibald Pirkheimer
in Nürnberg 2) und Conrad Peutinger in Augsburg, 3) beide
mit Celtes auf das Innigste befreundet. Wir erhalten somit
an 40 mit Namen bekannten Mitglieder der gelehrten Donau-
gesellschaft, zu welchen ohne Zweifel noch manche von den
Wiener und auswärtigen Humanisten, wie sich vermuthen
lässt, gezählt werden könnten. Die namhaften Wiener
Humanisten und Dichter Rudolf Agricola, Udalrich Fabri,
Philipp Gundelius, Georg Logus, Velius Ursinus, Joachim
Vadianus aber waren keine Sodales, da ihre Wirksamkeit
an der Universität erst beginnt, als bereits die Donau-
gesellschaft aufgelöst war.
drücklich auf dem Titel des zu Augsburg im J. 1507 erschienenen musika-
lischen Werkes bemerkt.
') Celtes widmete ihm seine Ode 12 im S. Buch: Waldkirch's drei
Briefe an Celtes d. d. 10. December 1492. 4. September H94 und Augsb.
29. October 1496 kommen im Cod. epist. Celt. vor.
2) Vgl. Art. Pirkheimer in der Allg. Encycl. v. Ersch u. Erhard,
W. Pirkheimer, in der Eleutheria 1820.
3) Schier fol. 42. Herberger. Conr. Peutinger. Augsb. 1851 und oben
Buch II. im Leben des Celtes: Tabula Peutingeriana S. 269.
Das Collegium poetarum et mathematicorum an der
Wiener Universität,
gestiftet durch Kaiser Maximilian I.
Maximilianus divina favente dementia Romanorum rex
semper Augustus, ac Hungariae, Dalmatiae, Croatiae Rex,
Archidux Austriae etc. etc. Ad perpetiiam rei memoriam
notiim facimas tenore praesentium universis: cum post
susceptum divino auspicio Caesareae Majestatis titulum,
officii nostri imprimis esse duxerimus ad ea singula animum
intendere, quae et reipublicae nostrae decori et ornamento
perpetuo esse arbitramur, et nationem nostram Germanicam
ac domum Austriae, ex qua orti sumus, quantis possemus
honoribus apud omnes gentes et posteritatem notas facere-
mus : id potissimum occurrit pro aeternitate litterarum ne-
cessarium in humanis rebus fore, ut populis et urbibus
nostris, Romanarum litterarum gymnasia, laudato ordine et
Romano more statueremus ; unde publicarum rerum Modera-
tores et Rectores ut plurimum excellentes prodiere, qui
veterum rerum gestarum lectione facti prudentiores , bene
et beate vivendi rationcs multa experientia scripsere : directis
itaque a Nobis in nostro Viennensi Gymnasio civilis juris
lectionibus, cum in Poetica et Oratoria arte nihil hactenus
ibi instituerimus, decrevimus pro ipsius Universitatis
nostrae augmento, collegium poetarum ibidem, pri-
scorum Imperatorum nostrorum more, erigere, abolitam-
440 Collegium poetarum.
que prisci saeculi eloquentiam restituere. Itaque pro
hac re provehenda et initianda duos et in Poetica Oratoria,
duos veio in mathematicis disciplinis eruditos ad
ipsum collegium dcputamus. Inter quos eum, quem pro
tempore Lectorem ordinarium in Poetica constitue-
mus, volumus eidem collegio praeesse: quem etiam
praesentibus nostris ipsius collcgii et lectionum Super-
intendenten! facimus et creamus. Quo autem praefatum
collegium uberiori a nobis gratia et privilegio decoretur
resque ipsa felici gradu debitum sumat incrementum pro
honore nostro et dignitate augenda Universitatis Viennensis,
Caesarea nostra autlioritate ac motu proprio praefatum col-
legium hoc praesenti privilegio ac praerogativa decoramus:
ut quicunque in praefata Universitate nostra Viennensi
in Oratoria et Poetica studuerit, laureamque con-
cupiverit, is in praenominato collegio diligenter
examinatus, si idoneus ad id munus suscipiendum
babitus et inventus fuerit, per honorabilem, fidelem,
nobis dilectum Conradum Celtem, per genitorem
nostrum Pridericum tertium divae memoriae, primum inter
Germanos Laureatum Poetam et modo in Universitate
nostra Viennensi Poetices ac Oratoriae lectorem ordinarium:
ac dein per successores ejus, qui pro tempore collegio prae-
fuerint, Laurea coronari possit: sicque per eum et suc-
cessores ejus laureatus pro Poeta ab omnibus habeatur et
celebretur, omnibusque privilegiis et insignibus, quibus
caeteri Poetae Laureati fruuntur qualibet consuetudine vel
de jure, uti et gaudere possit, ac si manibus nostris ea
dignitate fuisset insignitus. Cujus rei tenore praesentium
damus, concedimus et impertimur nostro Caesareo jure eidem
legenti Poetae ordinario, ut praedictum est, omnimodam
authoritatem , non obstantibus quibuscunque legibus, sta-
tutis, consuetudinibus, ordinationibus, aut aliis quibuscunque
in contrarium facientibus. Keservato tamen Nobis nihilo-
Collegium poetamm. 441
minus jure Poetas coronandi , quos idoneos duxerimus :
potestati etenim nostrae per hoc privilegium nequaquam
derogamus. NuUi ergo omnino hominum liceat hanc nostrae
concessionis et ordinationis paginam infringere aut ei ausu
temerario contraire. Si quis vero id attentare praesumpserit,
poenam indignationis nostrae gravissimae ac quinquaginta
Marcarum auri puri irremissibiliter se noverit incursurum:
quam medietatem imperiali fisco nostro ac reliquam partem
praefato collegio decernimus applicandam, harum testiinonium
litterarum sigilli nostri consueti appressione munitarum.
Datum in oppido nostro Bolzano pridie Kalendas Novembris,
Anno Domini Millesimo quingentesimo primo, regnorumi
nostrorum Romani sextodecimo, Huugariae vero duodecimo.
(Aus dem Original im Univ. Archiv abgedr. im Conspect.
univ. Vienn. IL 65 u. bei Kink II. nr. 42 p. 305.)
m.
Testament des Conrad Celtes
(mit Weglaasung einiger unwesentlichen Stellen am Eingang und Scbluss).
— — Ego Conradus Celtis artium et philosophiae
doctor, imperatoriis manibus laureatiis poeta in florido
studio Viennensi poetices lector Ordinarius etc. Per dei
gratiam. Sanus mente, sensu, visu, et intellectii, licet cor-
pore langucns in meam substantiam qiiantumvis exilem
ab omnipotenti deo mihi concessani, dum mens mea integra
atque in sua perfectaque dispositione consistit : de meis
bonis disponere volens, ne post mortem scandalum oriatar :
maxime cum pro salute animae meae et gloria dei omnibus
melioribus, modo, via, jui*e et forma, quibus melius potui et
possum licuit et licet banc meam voluntatem adscriptam
reducere volui et curavi in hunc modum qui sequitur : In
primis quidem aniiüam meam humiliter et devote omnipotenti
deo ejusque gloriosissimae matri Mariae semper virgini, toti-
que coelesti curiae recommendo et corporis mei, dum anima
mea ab eo fuerit soparata, sepulturam eligo in ecclesia vel
coemiterio S. Stephani, cum impensa funeris et conductione
ejusdem et celebratione anni honesta juxta consuetudinem
laudabilem hujus nostrae universitatis Vionnensis.
Item ego jure legati relinquo universitati floridae studii
Viennensis privilegium creandi'poetas laureatos per lectorem
ordinarium poeticae, quod ab invictissimo Principe Roma-
Testament des Courad Celtes. 443
norum Imperatore Maximiliano, semper Augusto, propriis
impensis impetravi, similiter et lauream argenteam cum
sigillo argenteo eidem universitati relinquo, rogo tarnen ut
etiam, cum officia pro defunctis publicis stationibus cele-
brantur, pro salute animae meae rogetur.
Item ego jure legati relinquo et lego omnes meos libros
praeterquam duos, quos dominus Joannes Krachenberger,
ut sequitur, elegerit, universitati seu facultati artium ad
librariam ex opposito coUegii in hospitali novo, tali condi-
tione, ut in usum publicum reponantur, nee ulli liceat
eosdem transferre: immo si quisquam eos transferre vellet
liceat, immo de jure testamentarii mei deputandi, vel post
eorum mortem Stipendiat orum Bui'sae Lilii superin tendentis
repetere debent et in usum praefatorum stipendiatorum ad
publicam eorum librariam reponantur.
Item ego jure legati relinquo praedictae Universitati ad
librariam praedictam tam sphaeram solidam superticiei coe-
lestis quam terrae cum Ptolemaeo Graeco, quae etiam in
publicum usum ponantur.
Item volo et ordino, ut si qui libri mei prius haberentur
in libraria universitatis seu facultatis, quod illi mei qui
prius habentur, reponantur, ad stipendiatos Bursae Liliorum
pro usu stipendiatorum.
Item quoniam humanum est errare, volo et rogo, ut si
aliquando scriptis meis quemquam ofiFenderam, antequam
hujusmodi mea opera impressioni dentur, quod hujusmodi
offensa emendetur, ne cuiquam ex opera mea et studio
quovis modo honoris vel famae jactura accedat.
Item ego ordino et jure legati relinquo, quod famulus
meus pro suo servitio legaliter contentetur.
Item volo, ut opera mea, quae hactenus non sunt im-
pressa, postquam sicut permittitur per bonos amicos et doctos
censores visa fuerint, ad Augustam mittantur et illis domino
doctori Conrado Peutinger, Prothonotario et Jo. Reymann
444 Testament des Conrad Celtes.
de Ehringen impressori librorum praesententur et apud eum
curetur, ut imprimantur in coinmunem studiorum utilitatem.
Item si pro exequiis meis honeste celebrandis aliqua
pecuoia deficeret, extimc de vestibus meis et suppelectili
habeatur quae pro exequiis meis celebrandis sufficiat.
Item rogo et volo, ut mei executores cum adjutorio
universitatis et facultatis, si alias mihi pro salute animae
meae memoriam ad S. Stephan, instituant.
Item ego lego domino doctori Conrado Peutinger
Itinerarium Antonini Pii, qui etiam eundem nunc habet,
volo tanren et rogo, ut post moitem ejus ad usum publicum
puta aliquam librariam convertatur.
Item schedulae et practicae meae volo maneant in
lectorio S. Annae, quamdiu Aula in usum lectoris manserit,
si autem lectorium esse, desineret, extunc reponantur ad
aulam collegii ducalis.
Item quonium ego adhuc sum debitor domini Jo.
Krachenberger volo, ut eligat duos vel tres libros sibi pla-
centes, quos pro se teneat, quamquam ad summam non
extendat et rogo humiliter, ut quia reliquos in usum publi-
cum deputaverim, meam voluntatem non infringat, tarnen
omnino contentetur. Lego autem etiam eidem timicam meam
fuscam de Schammelotto, item etiam lego Schubam de
viridi Atlas.
Item reliqua mea bona puta vestes et utensilia ven-
dantur et pecunia convertatur in pios usus pro missis le-
gendis et paupcribus subveniendis praecipue scolaribus.
Item census de domo S. Annae est nunc per me solutus
usque ad f. s. Georgii etc.
Dat. 24. Januar 1508 in domo S. Annae.
Conrad. Celtes,
in poetica in studio Viennensi lector Ordinarius.
Ulricus Kastner, Not. publ.
Testament des Conrad Celtes. 445
Testes: Ladislaus Suntheim ex Ravenspurg, Canon.
Vienn.
Magister Jo. Croner (confessor Celtis).
Matthaeus Halbgwachs.
Achatius (Celtis servitor).
Executores: Jo. Krachenberger, Pronotar.
Martinus de Cibinio [CapiniusJ, art. et Jur. Dr.
Thomas Resch, art. Mag. et Theol. Bacc. et
poet. laureat.
Stephan. Rosinus^ philos. Mag. et Theol. Bacc.
[Nachträgliche Bestimmungen.]
Volo etiam, ut fratres Praedicatores contententur de
libro, qui quatuor Evangelia graeca continet, quem con-
cesseram Episcopo Wormatiensi, secundum quod retuli Ma-
gistro Stephane Rosino et fiat commutatio pro eo quousque
ipso solvantur. — Dominus Olomucensis habet duas sphaeras
et cosmographiam Graecam Ptolemaei, Episcop. Worma-
ciensis habet quatuor evangelia graeca, senior capituli
Wormaciensis dominus de Helm Stadt praestitit Chiro-
graphum, qui jacet in monasterio Praedicatorum Heidel-
bergae. Item Mamarius habet novem scutellas stanneas. et
novem discos, item quatuor libros Priscianum, Papiam,
Ovidium et Transformationes in pergameno, item Itinera-
rium Anton ini, item perforatam patellam. Item Itinerarium
Antonini est apud dominum Peutinger. ^)
') Das Original des Celtes'schen Testaments, das anf dem Wiener
Universitäts- Archiv aufbewahrt war, ist verloren. Eine Abschrift davon
befindet sich noch auf demselben Archiv, wie auch auf der Freiburger
Universitäts - Bibliothek beim handschriftlichen Nachlass Klüpfers. Vor
wenigen Wochen entdeckte der Wiener Universitäts-Rector , Herr Hof-
rath Langer in einem entlegenen Archivwinkel eine ganz mit Staub
bedeckte hölzerne Cistula. Die auf dem Deckel angeheftete Aufschrift aus
dem J. 1508 gibt als den Inhalt der Cistula an: Privilegia des Kaisers
446 Tefltnment des Conrad Celtes.
Maximilian fiir Celtes in Bezug anf die Dichterkrönnng, den dazu ge-
hörigen silbernen Lorbeerkranz und das silberne Sigillum. Das Behältniss
war angefüllt mit Schriftstücken aus früherer und späterer Zeit, aber von
dem Maximilianischen Privilegium, dem Celtes'schen Testament, dem Lor-
beerkranz, dem Siegel, welche Dinge ohne Zweifel in dem abgesonderten
unteren Boden gewesen waren, fand sich nichts vor. Die Cistula hat ein
künstlerisches Interesse durch die Farbenbilder, welche an den vier
äusseren Seitenwänden angebracht sind: eines davon stellt den gekrönten
Dichtergott Apollo mit der Geige auf dem Pamassus dar; es ist ähnlich
dem A. Dürer'schen Ilolzschnitte von dem Gotte Apollo mit der Geige in
der Celtes'schen Ausgabe der Melopoiae vom J. 1507 (vgl. oben S. 251),
wie auch der RaphaePschen Darstellung desselben Gegenstandes, die aber
später gemalt worden ist. Die Deckel- Aufschrift der Cistula lautet: Privi-
legia divi Maximiliani Romanor. Imperatoris Archiducis Austrie etc.
Achademie Viennen. pro laureandis poetis concessa ductu ac industria
insignis et primi Germanie laureati poete Conradi Celtis, qui ob innatam
virtutem laurum cum sigillo argenteo eidem Achademie dono dedit: nulli
absque consistorii consensu communicanda. Anno 1508.
IV.
ßectoren der Wiener Universität von 1466 bis 1520.
1466
1467
1468
1469
1470
1471
1472
U73
1474
1475
1476
1477
1478
1479
Apr.
14
Mag.
Oct.
13
n
Apr. ]
14
n
Oct. ]
13
r»
Apr. 1
L4
n
Oct. 1
13
n
Apr. 1
4
n
Oct. ]
13
»
Apr. 1
4
r.
Oct. ]
13
n
Apr. ]
L4
r
Oct. 1
13
»1
Apr. 1
4
n
Oct. ]
13
r
Apr. 1
14
r
Oct. ]
L3
r
Apr. ]
14
r
Oct. ]
13
r
Apr. 1
4
r»
Oct. ]
13
r
Apr. 1
14
V
Oct. 1
13
yi
Apr. :
14
r>
Oct. \
13
n
Apr. ]
14
n
Oct.
13
n
Apr.
14
n
Oct. :
13
r
Wolfgang de Ilerzogenbnrga, utritisqne Jur. Dr.
Nicolaus de Ratisbona, Med. Dr.
Johann Harrer de Heilbronn, Tlieol. Lic.
Wolfgang de Eggenburga, Tbeol. Prof.
Nicolaus de Kreuzenacli, Decr. Dr. Theol. Prof.
Caspar Griessenbeck II., Med. Dr.
Rupert Weissenburger de Bruckh, Theol. Lic.
Andreas de Pottenbrunn, Theol. Prof.
Augustin de Elbing, Decr. Dr.
Nicolaus de Ratisbona II., Med. Dr.
Johann Goldner.
Paul Leubmann de Mellico IV., Theol. Prof.
Johann Huber de Freinstadt II., Decr. Dr.
Hermann Haym II. de Rotenburg, Med. Dr.
Petrus de Corona, Theol. Lic.
Nicolaus de Kreuzenacli IL, Decr. Dr., Theol. Prof.
Michael Lochmayr de Haideck.
Martin Ileinzel de Memmingen, Theol. Prof.
Leonhard Frumann ex Hirschau, Theol. Bacc.
Andreas de Potenbrunn IL
Leopold Pranz, Decr. Dr.
Michael Manesdorfer ex Vienna, Med. Dr.
Bartholomäus Tichtel ex Grein, Theol. Lic.
Johann Harrer IL
Johann Huber III.
Bernhard Perger ex Stanz, Decr. Bacc. rect. Schol.
St. Stephan.
Johann Goldberger de Wien, Theol. Bacc.
Johann de Phorczheim, Theol. Prof.
448
Rectoren der ÜniTersität.
1480 Apr. 14 Mag.
Oct.
13
n
1481
Apr.
14
n
Oct.
13
71
1482
Apr.
14
r)
Oct.
13
n
1483
Apr.
14
r»
Oct.
13
»
1484
Apr.
12
r
Oct.
13
n
1485
Apr.
14
n
Oct.
13
«
1486
Apr.
14
. n
Oct.
13
«
1487
Jan.
25
n
Apr.
7
n
Oct.
13
n
1488
Apr.
14
n
Oct.
13
r>
1489
Apr.
14
r
Oct.
13
n
1490
Apr.
14
V
Oct.
13
V
1491
Apr.
14
n
Oct.
13
n
1492
Apr.
14
n
Oct.
13
r)
1493
Apr.
14
n
Oct.
13
rt
1494
Apr.
14
n
Oct.
13
n
1495
Apr.
14
n
Oct.
13
n
1496
Apr.
L4
r»
Oct.
13
n
1497
Apr.
14
. "
Oct.
13
V
1498
Apr.
14
T)
Oct.
13
n
1499
Apr.
14
n
Oct.
13
ri
1500
Apr.
14
9
Oct.
13
n
Johann Kaltenmarkter ex Salceburgo, Decr. Lic,
Theol. Bacc.
Briccius Preprost de Cilia, Theol. Lic.
Paul de Stoekerau, Theol. Lic.
Nicolaiis de Kreuzenach III.
Martin Wölfel de Sitzendorf, Decr. Dr., Theol. Bacc.
Paul Urssenbeck ex Teckendorf, Med. Dr.
Oswald Ludovici ex Weikersdorf, Decr. Dr., Theol. Bacc.
Michael Lochmayr II.
Kilian Hom, Decr. Dr.
Paul Urssenbeck II.
Leonhard Fruman II.
Johann Harrer III.
Johann Kaltenmarkter II.
Udalricus Eberhardi ex Neuburga Claustrali, Med. Dr.
Bartholomäus Tichtel II.
Thomas Wiener ex Neuburga I^orensi.
Bartholomäus Tichtel III.
Hieronymus Hollenbrunner ex Vienna, Decr. Dr.
Fridericus Gräsl ex Heidenheim, Med. Dr.
Leonhard Müller ex Novo Foro, Theol. Bacc.
Johann Harrer IV.
Johann Kaltenmarkter III.
Bartholomäus Steher ex Vienna, Med. Dr.
Georg Pattersdorfer ex Wasserburg, Theol. Bacc.
Briccius Preprost de Cilia II.
Martin Wölfel de Sitzendorf II.
Fridericus Gräsl II.
Eberhard de Hartberg, Theol. Bacc.
Johann Kaltenmarkter IV.
Michael Rarkoch de Mistelbach, Theol. Bacc.
Wolfgang Hymler de Mellico, Med. Dr.
Johann Burger ex Eggenburga.
Johann Kaltenmarkter V.
Johann Chekmann ex Haugsdorf, Decr. Dr.
Johann Burger II.
Valentin Kraler ex HoUabrunn, Theol. Dr.
Briccius Preprost III.
Wenceslaus Mandl ex Budweis, Decr. Dr.
Georg Lantsch de Ellingen, Theol. Bacc.
Caspar Frid burger ex Rosenberg.
Oswald Ludovici ex Weikersdorf II.
Gabriel Gutrater de Laufen, Jur. Lic.
Johann Cuspinianus de Schweinfurt, Med. Dr.
Eectoren der Universität. 449
1501 Apr. Mag. Christoph Külber ex Grätz, Theol. Bacc. I.
Oet. „ Johann Kaltenmarkter VI.
1502 Apr. n Johann Chekmann II.
Oct. „ Wilhelm Puelinger ex Wising, Med. Dr.
1503 Apr. „ Fridericus Princeps Teschinenses etc.
Oet „ Christoph Külber II.
1504 Apr. n Johann Stephani Renas ex Constantia, Jur. Dr.
Oct. „ Johann Trapp de Wien, Theol. Dr.
1505 Apr. „ Wolfgang Mosnauer ex Wels, Decr. Lic.
Oct. „ Johann Trapp II.
1506 Apr. „ Johann Wisinger Patav., Med. Dr., f 10. Dec.
Oct. „ Michael Sartoris de Premarthon, Med. Dr. I.
Dec. „ Georg Prenner, Jur. Can. Dr.
1507 Apr. „ Michael Sartoris de Premarthon II.
Oct. ^ Johann Chekmann ex Schillingstadt I.
1508 Apr. „ Theodoricus Rhenanus ex Schlettstatt, Jur. Dr.
Oct. „ Michael de Premarthon III. •
1509 Apr. „ Thomas Resch de Krembs, Theol. Bacc.
Oct. „ Christoph Külber III.
1510 Apr. „ Udalricus Kauffmann de Campiduno, Jur. Dr.
Oct. „ Franciscus Sforzia, Mediol. Dux.
1511 Apr. „ Johann Chekmann II.
Oct. „ Thomas Resch II.
1512 Apr. „ Johann Angerer ex Budweis, Jur. Can. Dr.
Oct. „ Georg Tannstetter ex Rain, Med. Dr.
1513 Apr. „ Sebastian Tenckh ex Fronleiten, Theol. Bacc.
Oct. „ Johann Trapp III.
1514 Apr. „ Georg Prenner II.
Oct. „ Johann Trapp IV.
1515 Apr. „ Christoph Külber IV.
Oct. „ Johann Chekmann III.
1516 Apr. „ Victor Gamp ex Wien, U. Jur. Dr.
Oct. „ Joachim Vadianus ex S. Gallo, Med Dr.
1517 Apr. „ Johann Hueber ex Ebersperg, Theol. Bacc.
Oct. „ Christoph Külber V.
1518 Apr. „ Udalricus Kauffmann II.
Oct. „ Leopold de Jordanis ex Vienna, Med. Dr.
1519 Apr. „ Martin Edlinger, Theol. Lic.
Oct. „ Christoph Külber VI.
1520 Apr. „ Udalricus Kauffmann III.
Oct. „ Johann Wenzelhauser, Med. Dr.
V. Aschbacb, Geschichte der Wiener Univers. 11. 29
V.
Secane der vier Facultäten von 1466 bis 1520.
1466
Th.
Apr
. Jacob von Wuldersdorf.
Oct.
Wolfgang von Eggenburg.
t
Jur.
n
Alexius Tuner II.
ft
Johann Hueber V.
Med.
Tl
Nicolaus Molitor I.
n
Michael Puff X.
Art.
r>
Conrad Salder HI.
Tt
Martin HainzL
1467
Th.
n
Joh. Kaufmann O. Cist.
»1
Nicolaus von Creuzenach I.
Jur.
«
Alexius Tuner III.
»
Wolfgang V. Herzogenburg.
Med.
r>
Pangraz Creutzer X.
n
Caspar Griessenbeck III.
Art.
r
Johann von Trumpah.
T)
Wolfgang Herding.
1468
Th.
n
Andreas Schüssel I.
n
Leonhard Huntpichler, O.
Praed. V.
Jur.
n
Johann Hueber VII.
r^
Georg Steuerecker III.
Med.
r»
Johann Spardorfer III.
r\
Nicolaus Molitor II.
Art.
»
Rupert Weissenburger II.
rt
Christoph Perschacher.
1469
Th.
rt
Johann Harrer I.
n
Rupert Weissenbui^er I.
Jur.
»
Kilian Hom I.
n
Stephan Gerung I.
Med.
T1
Johann von Seligenstadt I.
rt
Hermann Haym IV.
Art.
n
Johann Goldner.
y
Johann Point Veyhinger I.
1470
Th.
n
Joh. Kaufmann 0. Cist. II.
T)
Nicolaus von Creuzenach II.
Jur.
r»
Leopold Pranz I.
r\
Johann Hueber VIII.
Med.
y»
Michael Puff XI.
r»
Pangraz Creutzer XI.
Art.
r
Stephan Murr.
fl
Paul Tag.
1471
Th.
T>
Johann Harrer H.
T>
Thomas Wölfel II.
Jur.
n
Georg Steuerecker IV.
r>
Kilian Hom II.
Med.
T»
Caspar Griessenbeck IV.
T>
Johann Spardorfer. IV.
Art.
n
Peter Göttfart.
n
Leopold Egerer IV.
1472
Th.
»
Nicol. V. Creuzenach III.
r\
Rupert Weissenburger II.
Jur.
71
Augustin von Elbing I.
n
Leopold Pranz II.
Med.
n
Nicolaus Molitor III.
«
Johann von Seligenstadt II.
Art.
n
Martin Prunner I.
r>
Wolfgang Haindl.
Decane der vier Facultäten.
451
1473 Th.
Apr.
Johann Harrer III.
Od
Jiir.
T)
Leopold Franz III.
»
Med.
r»
Christoph Kreutzer I.
n
Art.
V
Georg Czingl.
n
1474 Th.
*»
Nicolaus V. Creuzenach V.
Y>
Jur.
V
Wolfgang von Herzogen-
burg IV.
n
Med.
n
Michael Manesdorfer I.
n
Art.
»1
Paul von Stockerau.
■ «
1475 Th.
n
Martin Hainzel.
t>
Jur.
n
Georg Andreas von Nissa.
n
Med.
n
Hennann Haym V.
1)
Art
n
Stephan von Brück, Suff.
Barth. Tichtel II.
n
1476 Th.
n
Andreas Schüssel II.
rt
Jur.
r»
Johann Hueber IX.
»
Med.
n
Joh. von Seligenstadt III.
T»
Art.
M
Johann Point II.
»
1477 Th.
)?
Nicolaus V. Creuzenach V.
r»
Jur.
n
Georg Steuerecker III.
n
Med.
r
Hermann Haym VI.
V
Art.
n
Peter Frei.
f)
1478 Th.
rt
Johann Harrer VI.
n
Jur.
n
Wolfgang Stadler I.
n
Med.
n
Nicolaus Molitor VI.
n
Art.
r
Bernhard Perger.
n
1479 Th.
Tl
Nicolaus V. Creuzenach VI.
n
Jur.
71
Michael Lochmair II.
n
Med.
n
Christoph Kreutzer III.
71
Art.
r>
Leonhard Fruemann II.
n
1480 Th.
rt
Andreas Schüssel III.
n
Jur.
n
Kilian Hom IV.
n
Med.
n
Joh. von Seligenstadt IV.
»
Art.
n
Leonhard MtiUner I.
1481 Th.
r>
Nicol. V. Creuzenach VII.
ff
Jur.
r>
Augustin von Elbing II.
»
Med.
n
Christoph Kreutzer IV.
r»
Art.
V
Thomas Wiener.
n
1482 Th.
n
Leonhard Braxatoris 0.
Carm. I.
7?
Jur.
n
Martin VVölfel L
71
Med.
«
Johann Tichtel I.
»
Art.
»
Johann Diepolt.
11
Johann Harrer IV.
Jodocus Hausner V.
Nicolaus Molitor IV.
Leonhard Fruemann I.
Chrysostomus, O. Praed. I.
Michael Lochmair I.
Pangraz Creutzer XII.
Bartholomäus Tichtel I.
Rupert Weissenburger HI.
Hieronym. HoUenb runner I.
Nicolaus Molitor V.
Johann Goldner II.
Johann Harrer V.
Leopold Pranz IV.
Christoph Kreutzer II.
Briccius de Cilia I.
Johann Point Veyhinger II.
Kilian Hom III.
Michael Manesdorfer II.
Johann Goldberger I.
Reginald Kemplhofer O.
Praed.
Johann Hutter.
Georg Schöbly I.
Bartholomäus Tichtel III.
Joh. Herrenbauer O. Carm.
Georg Steuerecker VI.
Hermann Haym VII.
Martin Pruner II.
Chrysostomus, O. Praed. II.
Johann Kaltenmarkter I.
Oswald von Weikersdorf I.
Michael Lochmair I.
Stephan Gerung II.
Georg Schöbly II.
Georg Pattersdorfer I.
Paul von Stockerau.
Johann Kaltenmarkter II.
Hermann Haym VIII.
Briccius de Cilia II.
29*
452
Decane der vier FacnltätAti.
1483 Th.
Apr
'. Barthol. Tichtel I.
Od
;. Andreas Schüssel FV.
Jur.
>»
Kilian Hom V.
«
Hieron. Hollenbnmner II.
Med.
r»
Johann v. Seligenstadt V.
•n
Hermann Haym IX.
Art.
r
Leonhard Fruemann III.
n
Oswald von Weikersdorf II.
1484 Th.
V
Rupert Weissenburger IV.
n
Nicolaus V. Creuzenach VIII.
Jur.
»
Kilian Hom VI.
r»
Wolfgang Stadler III. Suff.
J. Kaltenmarkter III.
Med.
m
Georg Schöbly III.
r
Johann Tichtel II.
Art.
r
Erhard von Hartberg I.
n
Johann Goldberger II.
1485 Th.
n
Johann Harrer VII.
n
Chrysostomus, O. Praed. III.
Jur.
r»
Leonhard Pranz IV.
n
Stephan Gerung III.
Med.
r
Paul Ursenbeck.
m
Friedrich Grasl.
Art.
rt
Thomas Wiener II.
m
Briccius von Cüly III.
1486 Th.
y
Leonhard. Braxatoris 0.
Car. II.
»
Johann Veyhinger III.
Jur.
r
Wolfgang Stadler II.
n
Hieron. Hollenbnmner III.
Med.
n
Johann v. Seligenstadt V.
n
Georg Schöbly IV.
Art.
r
Michael Rarkoch I.
rt
Leonhard Müllner II.
1487 Th.
f
Michael Lochmayr II.
n
Andreas Schüssel V.
Jur.
*•
Johann Kaltenmarkter IV.
n
Wolfgang Stadler II.
Med.
n
Johann Tichtl III.
n
Frideric. Grasl II.
Art.
n
Oswald von Weikersdorf
III.
Nicolaus v.Kreuzenach IX.
n
Martin von Karschendorf.
1488 Th.
n
n
Alexius Puzel.
Jur.
T»
Johann Kaltenmarkter V.
n
Johann Kaltenmarkter VI.
Med.
n
Job. V. Seligenstadt VII.
rt
Georg Schöbly V.
Art.
V
Johann Goldberger III.
n
Oswald Stelzer I.
1489 Th.
»»
Petrus Coma, 0. Min. I.
»1
Udalricus Zehetner, O. Pr. t.
Jur.
n
Martin Wolfel II.
rt
Stephan Gerung IV.
Med.
r»
Johann Tichtl IV.
n
Andreas Voberg I.
Art.
r
Thomas Wiener IIL
T»
Mathias Schweller I.
1490 Th.
n
Johann Harrer VIII.
n
Johann Veyhinger IV.
Jur.
r<
Hieron. Hollenbrunn IV.
n
Johann Kaltenmarkter VII.
Med.
T»
Fridericus Grasl III.
n
Johann v. Seligenstadt VIII.
Art.
n
Sixtus Sibenhaar.
n
Leonhard Fruemann IV.
1491 Th.
r»
Nicolaus Kreuzenach X.
Suff. J. Veyhinger IV.
n
Bartholom. Tichtl II.
Jur.
n
Martin Wölfel III.
p
Martin Wölfel IV.
Med.
n
Johann Tichtl V.
»
Andreas Voberg II.
Art
r
Nicolaus V. Rudolfswerth.
n
Georg von Grafenwart.
1492 Th.
V
Petrus Coma, O. Minor. II.
n
Briccius Preprost von Cilly I.
Jur.
v
Job. Kaltenmarkter VIII.
1»
Stephan Gerung V.
Med.
n
Frid. Grasl IV.
ff
Barthol. Steher I.
Art.
rt
Leonhard Müllner III.
1)
Georg Patersdorfer II.
Decane der vier Facultäten.
453
1493 Th.
Ap
Jur.
j»
Med.
n
Art.
n
1494 Th.
n
Jur.
T)
Med.
f)
Art.
»
1495 Th.
n
Jttr.
»
Med.
«
Art.
«
1496 Th.
»
Jur.
»
Med.
«
Art
»
1497 Th.
n
Jur.
V
Med.
•n
Art.
n
1498 Th.
n
Jur.
n
Med.
n
Art.
r>
1499 Th.
rt
Jur.
V
Med.
n
Art.
n
1500 Th.
n
Jur.
yi
Med.
n
Art.
r?
1501 Th.
rt
Jur.
V
Med.
r.
Art.
•n
1502 Th.
»
Jur.
n
Med.
n
Art.
n
Udalric. Zehenter, O. P. II.
Michael Baumgartner.
Johann v. Seligenstadt IX.
Michael Barkoch II.
Briccius Preprost II.
Joh. Kaltenmarkter IX.
Bartholom. Steher II.
Michael Puesch I.
Briccius Preprost III.
Johann Keckmann II.
Bartholom. Steher III.
Georg Lantsch I.
Briccius Preprost IV.
Christian Stangl II.
Johann Tichtl IX.
Oswald Stelzer II. Suflf.
Math. Schweller II.
Briccius Preprost V.
Bartholom. Holkomius.
Michael Eystetter I.
Christoph Külber I.
Eberh. de Clivis, O. Pr. II.
Christian Stangl III.
Johann Tichtl X.
Michael Puech II.
Johann Ricutius (Camers)
Ord. Min. I.
Wenceslaus Mandl
Michael Eystetter II.
Georg Lantsch II.
Oswald V. Weikersdorf I.
Johann Stephan Reuss I.
Bartholom. Steher V.
Caspar Fridburger.
Briccius Preprost v.Cilli V.
Johann Keckmann IV.
Johann Cuspinian I.
Stephan Tanner I.
Johann Ricutius (Camers\
O. M. II.
Joh. Kaltenmarkter XII.
Johann Cuspinian II.
Johann Pengel.
»
n
Oct. Petrus Coraa, O. Min. III.
„ Johann Keckmann I.
„ Johann Tichtl VI.
„ Erhard von Hartberg II.
„ Johann Harrer IX.
Christian Stangl I.
Johann Tichtl VII.
Valentin Kraler.
Petrus Coma, O. Min. IV.
Johann Kaltenmarkter X.
Johann Tichtl VIII.
Mathäus Schweller II.
Leonhard de Novoforo, Suff.
Eberh. de Clivis, O. Praed.
Martin Wölfel V.
Martin Steinbeis I.
Georg Pattersdorfer III.
Petrus Coma, O. M. V.
Johann Keckmann III.
Bartholomäus Steher IV.
Johann Münz.
Johann Trapp I.
Johann Kaltenmarkter XI.
Martin Steinbeis II.
Primus Pernecker.
Mathias Schweller III.
Christian Stangl IV.
Johann Tichtl XI.
Georg Patersdorfer IV.
Johann de Werd, O. Praed. I.
Philipp Flach perger.
Johann Markart I.
Georg Perger.
Johann de Werd, O. Praed.II .
Wolfgang Pacliauer.
Martin* Steinbeis III.
Christoph Külber II.
Johann Trapp II.
Johann Keckmann V.
Johann Markart II.
Georg Lantsch III.
454
Decane der vier Facnltäten.
1503 Th.
Apr
. Briccius Preprost VII.
Oc
Jur.
Tt
Georg Mandl I.
T)
Med.
1»
Wühelm PuUinger I.
n
Art.
n
Theodoricus Rhenanus.
n
1,004 Th.
n
Joh. de Werd,O.Praed.III.
V
Jur.
n
Johann Stephan Reuss II.
n
Med.
n
Johann Neunnann VI.
n
Art.
n
Thom. Resch v. Krembs I.
n
1506 Th.
r
Briccius Preprost VIII.
n
Jur.
r
Georg Mandl II.
n
Med.
n
Bartholomaeus Steher VI.
n
Art.
r
Johann Keckmann I.
rt
1506 Th.
n
Georg de S. Anna I.
1)
Jur.
»
Johann Keckmann VII.
n
Med.
r»
Johann Cuspinian III.
n
Art.
n
Casp. [Erum.] Sonleutnerll.
n
1507 Th.
»
Domin. Mann, 0. Praed. I.
ff
Jur.
n
Thomas Ponzel I.
f»
Med.
n
Martin Steinbeis V.
V
Art.
' T)
Stephan Tanner I.
n
1508 Th.
71
Wolfgang Sack I.
»
Jur.
rt
Johann Angerer I.
rt
Med.
rt
Udalrich Cervus.
»
Art.
n
Conrad Pschlacher.
n
1509 Th.
«
Georg Lantsch I.
»
Jur.
n
Johann Keckmann VIII.
n
Med.
«
Johann Neumann VII.
V
Art.
»
Johann Hueber I. '
r»
1510 Th.
n
Christoph Khülber I.
»
Jur.
n
Georg Mandl III.
rt
Med.
T>
Johann Neumann VIII.
»
Art.
n
Mathias Quäle.
n
1511 Th.
n
Theodoricus Kauer, 0.
Min. I.
V
Jur.
tt
Udalrich Kauffmann II.
n
Med.
r>
Johann Cuspinian IV.
n
Art.
n
Georg Ratzenberger I.
rt
1512 Th.
n
Johann Trapp III.
n
Jur.
n
Georg Mandl IV.
r>
Med.
n
Wühelm Pullinger III.
n
Art.
n
. Georg Tannstetter (CoUi-
n
Oswald von Weikersdorf II.
Jodocus Welling.
Johann Neumann V.
Caspar Sonleutner I.
Joh. Ricutius (famere) O.M. III.
Johann Keckmann VI.
Martin Steinbeis IV.
Wolfgang Sack.
Joh. Ricutius (Camers) O. M. IV.
Martin Capinius I. -
Johann Markart III.
Achatius Helmprecht.
Leonh. Teysendorfer, O. Pr.
Georg Prenner I.
Wilhelm Pullinger II.
Wolfgang Oechsl I.
Valentin Kraler I.
Thomas Ponzel II.
Johann Markart IV.
Sebastian Tenck I.
Alexander Puzl, O. Praed.
Udalrich Kauffmann I.
Martin Steinbeis VI.
Rupert Arietinus (Hödl) I.
Georg de S. Anna II.
Johann Stephan Reuss III.
Johann Entzianer I.
Thomas Resch II.
Johann Pauer, O. C. Suff.
Georg de S. Anna III.
Martin Capinius II.
Martin Steinbeis VII.
Wolfgang Zoiss.
Martin Hoppauer, O. Pr. I.
Johann Angerer II.
Johann Markart V.
Wolfgang Heidi.
Joh. Ricutius (Camera), O. M. V.
Udalrich Kauffmann III.
Suff. J. Angerer III.
Johann Entzianer II.
Martin Edlinger I.
mitius).
Decane der vier Facultaten.
Jr
455
1513 Th.
Apr,
Jur.
n
Med.
n
Art.
n
1514 Th.
n
Jur.
v
Med.
n
Art.
V
1515 Th.
n
Jur.
n
Med.
n
Art.
«
1616 Th.
n
Jur.
n
Med.
n
Art.
rt
1517 Th.
n
Jur.
*♦
Med.
n
Art.
»
1518 Th.
y»
Jur.
n
Med.
Yl
Art.
»
1519 Th.
r»
Jur.
n
Med.
n
Art.
r
1520 Th.
r>
Jur.
n
Med.
T)
Art.
Valentin Kraler II.
Michael Apfelbeck.
Johann Neuiiiann IX.
Thom. Resch (Vclüciaaus) III.
Georg Lantsch II.
Friedrich Harrer I.
Georg Tannstetter (CoUi-
mitius)
Johann Keckmann II.
Theodoric. Kauer, O. M.II.
Udalrich Gebhard I.
Wilhelm PuUinger IV.
Ambrosius Salzer I.
Johann Tandel, SuflF. Mart.
Hoppauer III.
Georg Mandl V.
Johann Neumann X.
Albin Greffinger.
Johann Ricutius (Camers)
O. M. VI.
Udalrich Kauffmann IV.
Johann Pilhamer.
Martin Edlinger II.
Dominic. Mann, O. Pr. III.
Udalrich Kauffmann V.
Johann Entzianer III.
Stephan Maus.
Christoph Khülber III.
Victor Gamp.
Leopold de Jordanis.
Johann Hueber III.
Mart. Hoppauer, O. Pr. IV.
Udalrich Gebhart II.
Georg Tannstetter (CoUi-
mitius) II.
Achatius Peham.
n
n
r)
Oct. Dominicus Mann, O. Pr. II.
„ Peter Tanhauser.
„ Johann Praun I.
„ Georg Ratzenberger II.
„ Christoph Khülber II.
„ Georg Premier II.
„ Mathias Gasser.
Johann Hueber II.
Martin Hoppauer O. M. II.'
Andreas Harrer I.
Simon Lazius I.
Sebastian Tenck II.
Johann Trapp IV.
Martin Capinius III.
Johann Gastgeb.
Rupert Arietinus Hödl II.
Valentin Kraler III.
Andreas Harr er II.
Johann Wenzelhausen.
Sebastian Wunderl.
Georg Lantsch III.
Udalrich Kauffmann VI.
Wilhelm Pullinger V.
Leonhard Schrazhamer.
Johann Fortis O. C.
Udalrich Kauffmann VII.
Simon Lazius II.
Martin Edlinger III.
Wolfgang Kranecker, O. C.
Udalrich Kauffmann VIII.
Johann Entzianer IV.
Ambrosius Salzer II.
T»
n
ri
n
»
n
r>
n
n
n
v
VI.
Procuratoren der TTniversitäts-ITatioiieii.
Procuratoren der österreichischen Nation.
Die Matrikel fehlen.')
Procuratoren der rheinischen Nation.
1466 Mag. Conr. Mengler, Med. B. Mag.
1467
1468
1469
1470
1471
1472
1473
1474
1475
1476
1477
1478
1479
7)
?»
n
n
Martin Heinzl, Th. B.
Georg Schöblin, Med. B. I.
Job. Point Veyhinger, Th. B.
Bemh. Schleicher, Med. B.
Joh. Schöma, Th. B.
Laur. Wisenhofer, Med. Prof.
Leonh. Hayder, Th. B.
Joh. Kröll, Med. Dr.
Laur. Müllner, Th. B.
Georg Taler, Med. B.
Georg Botschgay, Th. B.
Bernh. Schleicher, Med. B. II.
Joh. Hufnagel, Th. B.
»
n
n
r>
Joh. de Müldorf. Art. M.
Paul Schweicker, Jur. Lic.
Leonh. Egerer III.
Conr. Keller, Jur. B.
Georg Zingl, Th. B.
Mich. Lochmayr, Th. B. und
Jur. Lic.
Leonh. Frumann, Th. B.
Mich. Lochmayr, Th. B. und
J. Lic.
Conr. CentgraflF, Can. Vienn.
Joh. Pauch, Jur. B.
Leonh. Frumann, Th. B. II.
Joh. Kaltenmarkter, Th. Jur.
Georg Pattersdorfer I.
Erhard de Horchen, Jur. B.
1) Locher im Specnltiin nniy. Yindob. p. 175 begiant die Reihenfolge der Pro-
enratoren der österreichisclien Nation mit dem J. 1561 and der sächsischen Nation mit
dem J. 1502. Die Matrikel lagen ihm damals schon also nicht mehr vollständig vor. In
der Broschüre „Personalstand der vier akadem. Nationen der Wiener Universität, Wien
1858,*' wird S. 87 bemerkt über die alten Matrikelbücher der österreichischen Nation:
„Die dritte Matrikel der Reihenfolge nach beginnt 1561 und schliesst mit 1653. Diese
erwähnt zweier älterer Matrikeln, deren eine, die zweite in der Reihenfolge, damals noch
vorhanden war, die erste aber schon seit 1459 fehlte. Von diesen beiden ältesten
Matrikeln ist gegenwärtig nicht bekannt, ob sie noch vorhanden seien nnd in wessen
Händen sie sich befinden*'.
Procnnitoren der Nationen.
457
1480 Mag.
1481 ,
1482
1483
1484
1485
1486
1487
1488
1489
1490
1491
1492
1493
1494
1495
1496
1497
1498
1499
1500
1501
1502
1503
1504
1505
1506
1507
1508
1509
1510
1511
1512
1513
1514
1515
1516
1517
1518
1519
1520
n
n
n
«
n
n
n
«
ff
»
V
n
n
n
v
r
r»
n
r>
J»
n
n
n
»
n
Jt
n
n
n
Paul Urssenbeck, Med. Dr. Mag.
Conr. Vassler, Th. B. „
Paul Urssenbeck, Med. Dr. II.
Udalr. Wall, Th. B.
Frid. Gräsl, Med. Dr. I.
Andreas Pirkner, Th. B.
Georg Schöblin, Med. Dr. II.
Conrad Plier, Th. B.
Mich. Eiseier, Med. Dr. I.
Johann Münz, Th. Dr. I.
Mich. Eiseier, Med. B. II.
Johann Münz, Th. B. II.
Bernhard Schlick, Med. B.
Georg Pattersdorfer, Th. B. IV.
Frid. Gräsl, Med. Dr. II.
Johann Münz, Th. B. II.
Johann Rinkly, Med. Dr.
Johann Pengel, Th. B.
Michael Eiseier, Med. Dr. III.
Bruno Wintersink, Th. B.
Wilh. Polymnius, Med. Dr.
Joh. Keckmann, Th. B.
Georg Lantsch, Th. B. II.
Johann Markart, Med. Dr.
Johann Keckmann, Th. B. II.
Conrad Falck, Med. Dr.
Johann Keckmann, Th. B. III.
Wilh. Puellinger (Polymn.),
Med. Dr. II.
Georg Razenberger I.
Georg Tannstetter, Med. Dr.
Marcus Rustinicus.
Johann Enzianer, Med. Dr. I.
Johann Fabri III.
Simon Lazius, Med. Dr. I.
Leonh. Schrazhamer, Th. B. I.
Johann Puechhamer, Jur. Dr.
Lucas Capher, Th. B.
Simon Lazius, Med. Dr. II.
Georg Razenberger II.
Johann Kulmayr, Med. Dr.
Georg Razenberger III.
n
n
n
»
n
n
»
1»
w
?!
n
n
n
T?
»1
r
»
n
n
n
«
r»
V
t)
n
t»
y»
V
n
Joh. Diepolt, Th. B.
Joh. Kaltenmarkter, Th. B.
und Jur. Dr.
Mich. Roys, Th. B.
Andr. Gebolf, Jur. Dr. I.
Georg Pattersdorfer, Th. B.
Sixtus Heim, Jur. Dr.
Leonh.Frumann,Th. Lic. III.
Andr. Gebolf, Jur. Dr. II.
Sixtus Sibenhar.
Conrad Pfreindt, Jur. Dr.
G. Pattersdorfer, Th. B. III.
Andreas Gebolf, Jur. Dr. III.
Georg Lantsch, Th. B. I.
Urban ex Sundeck.
Wolfg. Löbl, Jur. Dr. Suff. G.
Pattersdorfer.
Bernhard Hohenleutner.
Gabriel ex Laufen, Jur. Lic.
Theodoric. Rhenanus, Jur. Dr.
Georg Prenkor, Jur. Dr.
Johann Fabri I.
Stephan Lohr, Jur. Dr.
Johann Pengel, Th. B.
Johann Hueber.
Johann Lindner.
Gabriel Piscator, Jur. Lic.
Andreas Misbeck I.
Conrad Krafft, Jur. Dr.
Christ. Stadler s. Orthueber.
Georg Gerber, Jur. Dr.
Johann Fabri II.
Udalric. Kaufmann, Jur. Dr.
Frider. Harrer, Jur. Dr. I.
Conr. Motz.
Peter Tannhäuser, Jur. Dr.
Leonh. Schrazhamer,Th.B.II.
Frid. Harrer, Jur. Dr. II.
Johann Abhauser, Jur. Dr.
Andreas Harrer, Jur. Dr. I.
Sebastian Cunzlin.
458
Procuratoren der NatioDen.
Procuratoren der ungarischen Nation.
1466 Mag. Andr. de S. Giorgio, Jur. B. Mag. Franc. Kerecker.
et Canon.
1467
ff
Paul Kinzel.
V
Johann de Goldberg, Th.
B. III.
1468
n
Mich. Kumer, Jur. Lic.
n
Ant. Pogner, Th. B. I.
1469
T>
Petrus Raszig.
n
Steph. Teuerl.
1470
V
Georg Andr. de Nissa, Jur.
Lic. II.
n
Emerich de Czescheg, Can.
1471
n
Val. de Veresmarton, J. B. II.
T»
Daniel Kostelez I.
1472
r»
Hier, de Corona.
n
Alb. de Alba Regeli, Th. B.
1473
n
Adam Chempnet, Jur. Dr.
T>
Mart. Praner, Th. B.
1474
V
Georg Andr. de Nissa, Jur.
Dr. III.
T»
Mathias de Krumpach.
1475
n
Jacob Schmerz.
n
Johann Perchtner II.
1476
»
Ladislaus Czagiulay.
r»
Ant. Pogner, Th. B. II.
1477
n
Michael de Schesburk.
V
Wenzel ex Budweis.
1478
n
Clemens de Agria, Jur. B.
n
Jodoc. Harler I.
1479
V
Aügustin Haschko.
r>
Daniel de Kostelez II.
1480
ft
Mathias de Krumpach II.
»t
Johann Plankner, Canon.
1481
n
Gregor, de Cibinio.
j»
Casp. Kirchpaum I.
1482
V
Casp. Kirchpaum II.
V
Petrus Zcokel.
1483
V
Jodoc. Welling, Jur. B.
n
Wencesl. Lctoschnik I.
1484
V
Leonh. Chutten.
n
Laurent, ex Braunau I.
1486
n
Laurat. ex Braunau II.
n
Wencesl. Letoschnik II.
1486
n
Val. Pellifex.
n
Simon Kienauer.
1487
n
Georg de S. Anna, Th. B. I.
V
Phil. Zondynus.
1488
n
Mathias Knopfloch.
•n
Mathias de Krumpach III.
1489
J»
Georg de S. Anna, Th. B. II.
n
Johann Angerer, Jur. Dr.
1490
r
Casp. Fridburger I.
n
Wencesl. Letoschnik III.
1491
n
Mich. Altenberge r.
r>
Laur. Muschinger.
1492
n
Val. Kraus.
f
1493
n
Jodoc. Harler.
n
Casp. Fridburger II.
1494
n
Steph. ChetzeV^r.
»
Laur. Clomp.
1495
ti
Sebast. de Zsidazel.
n
Jodocus Harler III.
1496
n
Georg de S. Anna,Th. Lic. III.
1?
Servatius Beer.
1497
n
Nicol. Babor
n
Johann de Mohacz.
1498
»
Georg Mandl, Jur. Dr. I.
n
Michael Vitez, J. Dr.
1499
n
Andr. Unverdorben I.
n
Andr. Meixner, Jur. Lic.
1500
n
Georg Mandl, Jur. Dr. II.
n
Mich, de Premarthon, M. Dr.
1501
r>
Caspar Fridburger III.
n
Andr. Unverdorben II.
Procnratoren der Nationen.
459
1Ö02 Mag.
1503 „
1504 .
1505
1506
1507
1508
1509
1510
1511
1512
1513
1514
1515
1516
1517
1518
1519
1520
7)
n
n
r>
fl
n
v
rt
V
V
n
9
n
Georg de S. Anna, Th. Lic. III.
Martin Capinius, Jur. Dr.
Johann Stnbenrauch.
Jacob Vexillifer I.
Johann Angerer, Jur. Dr. III.
CyriU Pintha.
Martin Piladi, SuflF. Jacob
VexUlifer III.
Dominicas Albinus.
Johann Angerer, Jur. Dr. III.
Melchior Chal.
Jacob Vexillifer III, Suff.
Leonhard Dobrohost III.
Ambros. Salzer, Th. Lic. II.
Johann Angerer, Jur. Dr. IV.
Jacob Vexillifer IV.
Johann Angerer, Jur. Dr. V.
Johann Aurifaber.
Oswald Saumer II.
Johann Angerer, Jur. Dr. VI.
Oswald Saumer III.
Mag.
»
n
rt
n
»
r»
rt
n
n
Andr. Meixner, Jur. Lic. II.
Mich, de Premarthon, Med.
Dr. IL
Andr. Meixner, Jur. Lic. III.
Georg de S. Anna, Th. Dr. V.
Christoph Abortius I.
Ambros. Salzer, Th. B. I.
Johann Croner.
Christoph Abortius IL
Leonh. Dobrohost, Jur. Lic. I.
Isidor de Hostun, Jur. Dr.
Oswald Saumer I.
Andr. Meixner, Jur. Dr. IV.
Pet. Sempronius (Sandberg).
Wolfg. Heiligmayr I.
Johann Muncko.
Wolfg. Heiligmayr II.
Joh. Saginus.
Christian Borbadin Kyzer.
Leonhard Dobrohost , Jur.
Lic. III.
Procuratoren der sächsischen Nation.
1502 Mag.
1503 „
1504 „
1505 „
1506 „
1507
1508
1509
1510
1511
1512
1513
»
n
Johann Praun, Med. Dr. I. Mag.
Johann Libalt. „
Sebastian Tenck. „
Christian Stadler. „
Th eodoric. Rhenanus, Jur. Dr. „
Georg Reichart, Jur. Lic. „
WoKgang Oechsl II. „
Georg Reichart, Jur. Lic. IL „
Gandulf Grussenius I, Suff. „
G. Reichart IIL
Georg Reichart, Jur. Lic. IV. „
Georg Reichart, Jur. Lic. V. „
Johann Fabri.
Wolfg. Mosnauer, Jur. Lic.
Johann Praun, Med. Dr. II.
Johann Praun, Med. Dr. III.
Wolfgang Oechsl I.
Stephan Tanner.
Johann Hueber, Th. B.
Johann Aicher.
Ambros. Salzer, Th. Lic. II.
Mathias de Dlow.
Johann Praun, Med. Dr. IV.
Gandulf Grussenius , succ.
M. Joh. Salzmann, Med. Dr.
460 Procura toren der Nationen.
1514 Mag. Johann Praun, Med. Dr. V. Mag. Melchior Koldiz, succ. M. G.
Reichart VI.
1515 „ Johann Praun, Med. Dr. VI.
1616 „ Georg Reichart, Jur.Lic. VII. „ Fridericua.
1517 „ Jacoh Widmann. „ Bernhard Otto, Th. B.
1618 „ Henricüs Grammateus, succ. „ Johanh Praun, Med. Dr. VII.
G. Reichart VIII.
1519 „ Hippolyt Ilasenjäger.
1620 y, Sebastian Einspach.
EEGISTEE.
Agricola, Rudolf, Humanist, 68,
136, 141—145.
Akademie, s. Donaugesellschaft.
Akademische Bürger, s. Suppo-
sita.
Alantsee, Leonhard und Lucas,
Buchhändler, 127 fl.
Alexander VI., Papst, 28, 54.
Amaltheus, Paulus, Hum., 49.
Amtstracht der Professoren, 134.
Anatomie, 91 fl.
Anemorinus, Wolfgang, Med., 89,
415.
Angelus, Joh., Mathematiker, 282,
342 fl.
Angerer, Joh., Jurist, 105.
Anhalt, Prinz Georg von, Procu-
rator 33.
Apotheken, 94, 98 fl.
Appellationen, 24, 116.
Archimusicus, 81.
Aristotelische Philosophie, 61
86.
Artistische Bihliothek, s. Biblio-
thek.
Artistische Facultat, s. Facultät.
Astrologie, 273, 373, 340.
Astronomie, 86, 275, 341, 372.
Augustinus, Olomucensis, 248,
261, 422.
Ausgaben römischer Autoren, s.
Römische Autoren.
ijakats, Franciscus, Bischof, 108.
Baibus, Hieronymus, Jur. u. Hum.,
52, 54, 57, 76, 104, 146—169,
427.
Berufungen von Professoren, 48,
51 fll.
Besoldungen der Professoren, s.
Stipendia.
Bibliotheka artistica und B. Uni-
versitatis, 37 fl., 99, 128, 225, 297,
412, 443.
Bischöfe von Wien, 26 fll., 108.
Bonomus, Franciscus, 54, 55, 432.
„ Petrus, 432.
Brückenbursa, s. Bursa Pontis.
Buchdrucker und Buchhänd-
ler, 38, 126 fll.
Bücher-Censur, 111, 116 fll.
Burger, Johann, Hum., 55, 75, 89,
170 fl., 433 fl.
Bursa Agni, 129 fll.
„ Liliorum, 129, 443.
„ Pauli, 129.
„ Pontis, 34, 129.
„ Rosae, 129.
„ Silesiorura 129.
Busch, Joh., Kanzler, 111.
462
Register.
VI am er s, Joh., Hum. u. TheoL, 54,
87, 115, 118 fl., 172—188, 289,
300 fl., 370.
Canonisation des Markgrafen Leo-
pold, 29.
Canonist, s. Decretist
C anter, Jac, Hum., 437.
Cantzler, Virgil, Kanzler, 111.
Capinius, Martin, Jnr. und Hum.,
185—188.
Gelte s, Conrad, Hum., 49, 55, 57,
78 fll., 189-270, 439 fl., 442 fll.
Censur, geistliche, 23, 107, 111.
Check mann, Joh., Jur. u. Theol.,
118, 123.
Chelidonius, Benedict, Abt, 82,
250, 369.
Chrysippns, s. Slatkonia.
Cilly, Thomas, Vice-Kanzler, 28.
Clericaler Charakter der Univ.,
13, 21 fl.
Coderia Goldberg, 129 fll.
CoUegiengeld, 50 fll!, 86 fl., 97.
Collegium poetarum, 65 fll.,
207, 248, 434.
Collimitiana Sodalitas, 273.
Collimitius, Geotg, Hum., 77^
88, 97, 107, 270—276, 296, 342,
437.
Componist, 81.
Concilium generale, 106.
Confirmation der Privileg., 44, 64.
Conservator der Univ., 321.
Contubernium Sodalitatis 75,
433 fll.
Conventor, 130.
Conventus, 130.
Cospus, Angelus, Hum., 64, 87,
280—283, 288, 302.
Coturnicus, Leonhard, 136.
Crassus, Christoph, Hum., 135 fl.
Creuzenach, Nicolaus v., Theol.,
10, 18, 37.
Creuzer, Pancrat., Med., 31.
Cuspidius, Heinrich, Hum., 431.
Cuspinianische Inschrift, 433 fll.
Cuspinian, Joh., Hum. und Med.,
50, 51, 59, 70, 75, 97, 179, 284
bis 309, 318 fl., 323, 425.
Secane, 32 fl. 450—455.
Decretisten, 103.
Diamond, Jac, Componist, 81.
Dichter-Colleg, s.CoUeg. poetar.
Dichterkrönungen, 66, 71, 194,
285, 328, 330 fl., 365, 383, 394,
411, 440, 443.
Disciplinargesetze, 129.
Disputatio Quodlibetica, 85.
„ Theologica, 117 fll.
Doczy, Urban, Bischof, 27.
Donaugesellschaft, 73 fll., 197,
217, 288, 421 fll.
Dotation der Univ., 14, 19, 87.
Dramatische Kunst, 63, 78.
Eck, Johann, 117 fll.
Einkünfte derUniv., 13fl., 19fl.86.
Elbing, Augustinus, Jur., 33.
Eleutherius, s. Longinus.
Epidemien in Wien, 101.
Episodia Sodalium, 421 flF.
Eubolius, Gabriel, Hum. u. Jur.,
75, 89, 290, 310 fl.
Eutyches oder Euticus, Heinrich,
Hum., 76, 434—436.
Excommunication, 116 fl.
Exemption, 108.
Eycken, Simon, Componist, 81.
JCabri, Udalrich, Hum. und Med.,
88, 97, 312—315.
Facultät, artistische, 84 fll.
„ medicin., 89 fll., 90, 95,
100.
^ jurid., 102 fll.
Register.
463
Facultät, theolog., 23, 107 fll., 116,
121.
Facultäts-Decane, 450 fll.
Ferialtag, 30.
Foeniseca, Joh.,Hiim., 48, 63, 437.
Frequenz der Univ., 33, 86, 125 fl.
Freuender, Petrus, 136.
Friedrich III., Kaiser, 4 fl., 11 fll.,
15, 20 fl.
Fuch'smagen, Joh., 47, 55, 73,
437.
Fürsten - Congress in Wien,
135 fll. 290, 304.
Hebräische Sprache, 117.
Heiligmair, Wolfgang, 136.
Heinzel, Martin, Theol., 32.
Hellndorfer, Leopold, 136.
Uofbibliothek, 182, 273, 296,
321.
Hospital der Univ., 100, 128 fl.
Huldigung der Univ., 44.
Humanismus, 41 fll., 45, 51, 59,
61 fll., 64, 218, 288, 397.
Huper, Martin, Theol., 118.
Hütten, Ulrich, 336.
Hutter, Georg, 186.
6"amp, Victor, Jur., 105, 117, 292,
Geradwol, s. Eutyches.
Geographie, 62, 84, 277, 347,
371, 377 fl., 379, 406.
Gerbe 1, Nicolaus, Hum., 89, 282,
284 fll., 302, 316 fll.
Geschichte, 63, 84, 218 fl., 303 fll.,
367 fll., 390, 407 fl.
Gienger, Georg, Jur., 105.
Goldberger, Joh., Artist, 39.
Graccus Pierius, s. Krachen-
berger.
Grammatica, 86.
Greffinger, Wolfg., Musiker, 80.
Gremper, Joh., Hum., 290.
Greul, Joh., 284.
Griechische Sprache, 63, 86, 117,
261, 279, 313, 347.
Grünbeck, Joseph, 88, 437.
Gundelius,. Philipp, Hum. u. Jur.,
89, 105, 290, 300, 319 fll., 342.
Gutachten, theologische, 113 fll.,
121, 371.
Gutrather, s. Eubolius.
Uadelius, Janus, Hum., 68, 89,
327 fll.
Hayden, Wolfgang, Art., 39.
Hausmann, Jac, Jur., 32.
Immatriculation, 125.
Innocenz VIII., Papst, 15, 22,
27, 29.
Intitulation, 125.
Jordanus, Leopold, Med., 98.
Jurisdiction, geistl., 23, 108 fll.,
111 fll.
• „ städtische, 35.
„ akadem., 35, 134.
Juristische Facultät s. Facultät.
Juristenschule, 102.
Jus Canonicum s. Pontificium, 102 fl.
„ Romanum s. Caesareum, 102 fl.
Ji.alten markt er, Joh., Theol.,
24 fll., -29, 32, 37.
Kanzler der Univ., 28, 45, 109,
288, 294.
Kasmann, Just., Kanzler, 111.
Kaufmann, Udalrich, Jur., 104.
Keckmann, Jur. und Theol., 104,
105, 118 fl., 123.
Kirchenkalender, 107, 375.
Kirchenrecht, s. Jus canonicum.
Kneysel, Benedict, Art., 39.
Kornhub er, Georg, Art., 136.
Koster, Cyprian, Art., 136.
Krachenberger, Joh., Hum,, 47,
65 fl., 73, 76, 289, 421 fl.
464
Register.
102.
Krankenhaus der Studenten, 100,
128 fl.
Kresling, Joh., Art., 136.
Kälber, Christoph, TheoL, 118 fl.,
123.
Kupferberg, Job., 342 fl.
Kurpfuscher, 94.
liadendorf, Georg, Med., 98.
Lateinischer Krieg, 132.
Lateinische Sprache, 86.
Launtsch, Job., Tbeol., 118 fl.
Lazius, Simon, Med., 98.
Lectiones pnblicae, 97.
Lectores Principis, 97.
„ Stipendiati, 44.
Lectura codicis,
„ institutionum,
„ juris civilis,
„ pandectarum,
Legisten, 103.
Leo X., Papst, 106, 375. ^
Leopold der Heilige, 29.
Leubmann, Thomas, TheoL, 31.
Lilienbursa, 129, 443.
Licentiatus med., 90.
Locher, Jacob, Hum., 67.
Lochmayr, Mich., Jur., 32, 37.
Logus, Georg, Hum., 68 fl., 330 fll.
Longinus, Vincentius, Hum., 67,
69, 436.
Lorbeerkranz, s. Dichte rkrönung.
Luther, Martin, s. Reformation.
Mader, Job., s. Foenisecä.
Magister philosophi, 299.
„ sanitatis, 94.
Magnificus, 124, 287.
Mai er, s. Marius.
Malerei, 79.
Marius, Johann, Hum., 89, 301,
334 fl.
Mathematik, 84, 86, 372fl. 364,374.
Mathematici, 342 fl., 439.
Matrikelbuch, 125.
Matthias Corvinus, König, 6 fll., 16.
Maximilian L, Kaiser, 12, 18,
137 fl., 280, 368—371, 402.
Medicin. Doctores, 90, 95.
„ Facultät, 8. Facultät
„ Studien, 90, 93.
Metzker, Job., Buchhändler, 128.
M i 1 i u s , Julius, Hum., 424.
Misbeckius, Andr., Hum., 89, 135,
337 fl.
Muntz, Job., Mathem., 70, 343.
Musik, 79.
Nationen der Uniy., 30, 35, 123,
126, 456 fl.
Naturwissenschaften, 89.
Neudecker, Georg, Hum., 70, 429.
Uberstein, Paul, Kanzler, 111.
Oechsle, Jacob, Hum., 342.
Olomncensis, s. Augustinus.
Ordinarius, 25 fl., 107 fll.
xachaimer, Wolfgang, Jur., 105.
Panaetianus, Job., Hum., 68.
Pankota-Burse, 129.
Parnagel, Erasmus, Art, 39.
Passau, Bischof von, 25, 27.
Patronus der Univ., 321.
Pattersdorfer, Georg, Art, 39.
Paul IL, Papst, 26, 29.
Pauls-Burse, 129.
P erger, Bernhard, Superintendent,
20, 38, 45, 56, €?9, 208.
Perlach, Andreas, Hum., 88, 97,
325, 339—343.
Peutinger, Conrad, Hum., 223, 267,
269, 290, 303, 428.
Peutingeriana Tabula, 269,444.
Pforzheim, Job., 342 fl.
Eegistdr.
465
Physica, 86.
Physicus, 313.
Pilhaimer, Job., Med., 98.
Pirkhaimer, Willib., Hum., 280,
290, 438.
Pius IL, Papst, 23.
Platonische Philosophie, 61.
Poetae im Collegium, 428.
Poetik, 56, 63, 138, 216 fll., 320,
394.
Polen-Bursa, 129.
Polhaim, Bernhard, Bischof, 108.
Polymnius, Wilhelm, Hum. und
Med., 86, 88, 97, 344 fl.
Pottenbrunn, Andreas, Vice-
Eanzler, 42, 44.
Predigten, 111 fl.
Premarthon, Mich., Med., 98.
Preprost, Briccius, Hum., 39, 48.
Privilegia, 35, 42, 134.
Procuratores der Nationen, 30,
104 fl., 123, 125, 456.
Propaedeutik, medicinische, 91.
Professores Theol., 117.
„ Med. der Theorie u.
Praxis, 91.
Pnllinger, s. Polymnius.
ijuodlibetistische Reden,
Disputatio quodlibetica.
s.
Kangordnung der Facnltäten, 33.
„ der Nationen, 33.
„ des Kanzlers, Rec-
tors u. Superinten-
denten, 111.
Rangstreitigkeiten, 32.
Rauch, Joh., Art., 139.
Realien, 56.
Realisten, 58.
Rector der Univ., 30 fll., 111, 121,
123 fl., 132, 447 fll.
Y. Aschbach, Oeschichte der Wiener
Reformation, kirchliche, 119 fll.,
294, 298, 317, 406 fl.
Reformen, akademische, 46 fll.
Regente 8, 43, 54.
Resch, s. Velocianus.
Restio, Ludwig, Art., 136 fl.
Reuchlin, Job., 114, 290, 349,
413.
Reuss, Stephani, Jur., 104.
Rhenahus, Theodorich, Theol., 119.
Rhetorica, 56, 63,84,138, 216 fll.,
320, 394.
Rithaimer, Georg, Hum., 89, 136,
346 fl.
Rohr, Bernhard, Bischof, 27.
Römische Autoren, Ausgaben:
Apulejus 236, Ausonius 239, Avie-
nus 300, 403, Boethius 315, Cas-
siodor 305, 318, Cicero 178, 316,
325, 336 f., Claudian. 177, 321,
Eutrop. 179, Fenestella 178,
Florus 179, 301, Horatius 279,
417, Hieronym. 337, Justin. 179,
314, Nemesian. 332, Ovid. 137,
299, 323, 332, 403, Plinius 180,
300, 403, Pompon. Mela, 180, 403,
405, Priscianus 300, Prudentius
143, 299, Rufus 179, 301. 305,
Salluöt. 403, Sedul. 403, Seneca
231, Solinus 180, Tacitus 239, 405,
TertuUian. 325, Valer. Maxim. 302.
Römisches Recht, s. Jus Cano-
nicum.
Rosenbursa, 129.
Rosinus, Joh., 350.
Rosinus, Stephan, Hum., 70, 75, 88,
114, 348 fll.
Rotuli, 15, 22.
Rynner, Job., Wiener Bürger-
meister, 132 fl.
Sack, Wolfgang, Theol., 112.
Salius, Job., Med., 98.
ünivers. II. 30
466
Register.
Salzer, Ambrosias, Harn. u. Theol.,
89, 314, 361 fll.
Schärding, Sigmund, Art., 39.
Schauen barg, Albr., Kanzler, 28.
Schayt, Matthäus, Bischof, 28.
Schlechta, Job., Hum., 428.
Schola8ticismus,36,39,58fll.,64,
86, 89, 106.
Scipio, Barthol., Hum., öö, 75, 95,
97, 197, 354 fll., 428.
Scipio, Conrad, Art., 136.
Senfthamer, Christoph, Math.,
342 fl.
Sforza, Franciscus, Herzog, 81,
124.
Siebenburger, s. Capinius.
Silvius Siculus, Job., Jur., 57,
104.
Singriener, Job., Buchdrucker,
127.
Sixtus IV., Papst, 26.
Slatkonia, Georg, Bischof, 31,
108 fl,, 121 fl.
Sodalitas Danubiana, s. Donau-
geselLschaft.
„ Rhenana, 199, 211.
„ Ungarorum, 197.
Spauer, Leo, Bischof, 27.
Spiegelius, Jacob, Hum. u. Jur.,
80, 105, 357 fll., 362.
Spiesshaimer, Job., s. Cuspi-
nianus.
Spitalbau, 99.
Spitalarzt, 94.
Sprugel, Stephan, 136.
Stabius, Job., Hum. und Math.,
56^. 68, 70, 75 fl., 88, 289, 342 fl.,
364—372, 426.
Starle oder Starlin, s. Sturlinus.
Stainpeiss, Martin, Med., 90, 95, 97.
Steber, s. Scipio.
Stiborius, Andreas, Hum. u. Math.,
56, 75, 88, 107, 289, 373—375,
425,
Stipendia und Stipendiati lectores,
44, 86.
Stockerau, Paul, Art., 39.
Stöberl, s. Stiborius.
Stromer, Heinrich, Math., 89.
Strub, Arbogast, 335, 417.
Sturlinus, Jodocus, Hum., 426.
Suntheimer, Ladislaus, Hum. und
TheoL, 77, 367, f. 377—381.
Superintendent, 42 fl., 46, 111,
287, 429.
Supposita, 126.
labula Peutingeriana, 269.
Tann hauser, Peter, Jur., 105.
Tannstetter, Georg, s. CoUimitius.
Taxen der Aerzte, 96.
Te sehen, Herzog Friedrich von,
124.
Testament des Celtes, 442 fll.
Theologische Facultät, s. Fa-
cultät.
Tichtel, Johann, Med., 55, 75, 96,
197, 436.
Tolophus, Jan., Hum., 429.
Tracht der Studenten, 131.
Trapp, Job., Theol., 115, 118 fl.,
123, 174, 370.
Tritonius, Petras, Musiker, 80,
251, 437.
Uebersetzungen, latein., von
griechischen Autoren: Aristoteles
177, 323, Cebes 144, 176, 315,
Diodor. 280, Dionys. 180, 300, 403,
Isocrates 144, 359, Palaephat.
279, Plato 314, Pythagoras 347,
Zonaras 280.
Ulsenius, Theodorich, Hum. und
Med., 76, 430.
Universitäts-Reformen, 10, 12,
16 fll., 44.
Urschenbeck, Paul, Med., 37«
Begaster.
467
Ursinus Velins, Caspar, Hum., 89,
290, 382—390.
Vadianus, Joachim, Hum. u. Med.,
68, 87, 97, 135, 179, 181, 288, 300,
335, 392—409.
Velius, s. Ursinus.
Velocianus, Thomas, Hum., 68,
88, 114, 116, 118,409—414,437.
Vice-Kanzler, HO.
Vietor, Hieron., Buchdrucker, 127.
Vitez, Joh., Bischof, 28, 74, 108,433.
Vo egelin, Johann, Mathematiker,
340 fl., 342 fl.
Vorlesungen, 51, ff. 58, 64, 86,
97, 102, 149, 173,
285.
„ überröm.Classiker,
38 f., 49.
Waldkirch, Bernhard, Hum., 438.
Watt, s. Vadian.
Weitmyl, Christoph, Hum., 426.
Werner, Joh., Hum., 63.
Wiener Belagerung, 7 fll.
„ Bisthum, 25 fll.
„ Bürgerschaft, 8 fll., 12, 17.
„ Magistrat, 9 fll., 290, 304.
Stadtpräfect, 289.
Windperger, s. Anemorinus.
Winterburger, Joh., Buchdrucker,
126 fl.
Wisinger, Joh., Med., 97.
Wladislaus IL, König von Ungarn
und Böhmen, 5, 17, 135.
Wolfhardus, Adrian, Hum., 415
—418.
Wunderl, Sebastian, Hum., 135 fl.,
314.
Waffen tragen der Studenten, —
131 fll, Zwingli, Ulrich, 335, 393, 396.
Druck von Adolf ttolzhansen in Wien
k. k. Üniversititts-Burhdrurkerei.
cScujAT'Ogl^
,W(AEN^
fOff'
v^^srs-/
^C 4358/-