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Geſchichte
der Y n.
Koͤnige von
5 Don
} der Entſtehung dieſes Reichs —
. bis zu der Regierung ſeines letzten Koͤniges
0 9 Atahualpa. n
N * 5870 Aus den Nachrichten
7 des Ynka Garcillaſſo de la Vega 1
verfaſſet
a von
G. C. Böttger.
. g | bi | ! 5
3 Zweiter Theil. 2
x a! 4
Neue Auflage.
1
Nordhauſen, 1798.
bei Karl Gottfried Groß,
iu 10 I
7 11 11 3 a
55 |
| | . \
Vorbericht t N |
ed zu dem zweiten Theile. | AN h
| za ich in dieſem zweiten Theile der Ge⸗ 0
ſchichte der Ynkas eine Zuſage halten 1 f
muß, die ich am Ende der Vorrede zum er⸗ 0
ſten Theile gethan habe, dabei aber auch gerne u |
aller uͤberfluͤßigen Zunoͤthigungen uͤberhoben N 0
ſeyn möchte; fo ' ſehe ich mich genöthiget hier | |
eine k e Vorerinnerung herzuſetzen. l 0
Ich habe namlich Nea aus | \
den . des Inka,Sarcil laſſo, | il
eine Beſchreibung von den, Einwohnern des 5
191; * 2 Lan⸗ 0
gt * ' | ' 0 | N)
%
Vorbericht...
Landes Peru, ihren Sitten, Gebraͤuchen,
a Gottesdienſte, Kunſtwerken und ſo fort,
r herauszuziehen und dem zweiten Theile der
Geſchichte beizufuͤgen. Ich werde es in
dem ſechſten und lezten Buche dieſes Wer⸗
kscs thun; allein ich muß auch ſagen unter
was fuͤr Einſchraͤnkungen ich mein Verſpre⸗
chen zu halten geſonnen bin.
Ich entſchloß mich, dieſes ſechſte Buch
f hinzu zu fuͤgen, ſowohl weil ich. glaubte,
* daß dieſes Gemaͤlde der Verfaſſung und
*
Anziehendes fuͤr die Leſer habe; als auch,
daß man ohne die Kenntuiß ihrer 1
und Gebräuche, ihre Geſchichte nicht v
kommen verſtehen wuͤrde: : aber eben die⸗
fer Gedanke gab mir auch die Graͤnzen
an, in welche ich mich einſchraͤnken ſollte.
Die Religion der Ynkas und die Lan⸗
desregierung, nebſt allem was zu beiden
gehört , find alfo die zwei Hauptartickel,
—
0
der Sitten im Reiche der Hnkas viel
29 welche ich in dieſem Abtiſſe, ſo deutlich,
gi als s mir moglich iſt, dem Leſer vor Au⸗
Alen gen
*
. | 1 |
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* Vorbericht. |
gen legen werde. Durch Beſchreibungen |
vonderskandesart , den vierfuͤßigen Thie⸗ \
ren, den Voͤgeln, den Fiſchen, den Ge⸗ 9 1
waͤchſen, den Bergwerken, der Himmels» m
gegend, den Bergen, den Seen, den Fluͤ⸗ 3 f
fon ze. kurz von allem was in die Natur⸗ 4
ee Erdbeſchreibung dieſes Lan⸗ 7
des gehoͤrt, habe ich das Buch, welches
nur die Geſchichte der Koͤnige von Peru
verſpricht, nicht vergroͤßern wollen. Man
wird dieſes in hundert andern Büchern fin⸗
den; in meinem aber ſollte nichts ſtehe n
als was man nicht leicht, in ſo deutlichem 4 N
Zuſammenhange anderswo antrifft. Auch 4 1
verbot mir der Tittel meines Buchs eine | |
Nachricht darinne zu geben, wie es ſeit der *
Eroberung der Spanier darinne ausſiehet. 1
Ich werde dieſes bei der Geſchichte de
Unterjochung der ungluͤcklichen Peruaner
und der darauf erfolgten were Krie⸗
ge thun.
ima N Gh t
Noch Eins: Ich haben in der Dor Ä m.
rn zum erſten Theile, meinem Ynka =
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*
1
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Vorbericht. 1
Gareillaſſo einen hohen Rang unter
den Verfaſſern der Geſchichte ſeines Va⸗
terlandes gegeben: Der vortreffliche englis
ſche Geſchichtſchreiber von Amerika hat ihn,
in feiner Würdigung der Schriftſteller dies
ſer Art unter viele andere herabgeſetzt: Ich
weiß dieſes. Es kann ſeyn, daß Herr
Robertſon, außer der Urſache, daß die vor⸗
gezogenen Geſchichtſchreiber, außer Spa⸗
nien nicht leicht zu bekommen ſind, noch
andere gehabt hat, jene Moͤnche uͤber die⸗
ſen Ynka zu ſetzen: allein mir ſind ſie
nicht bekannt; es wird es mir alſo nie⸗
mand verargen, daß auch ich meine Urſa⸗
chen habe, dei meiner Meinung zu bleiben.
Vielleicht ſetzet Herr Robertſon den Inka
herab, wegen ſeinem Mangel der Kunſt,
und ich ſetze ihn hinauf wegen ſeiner Wiſſen⸗
ſchafft und Aufrichtigkeit: ſo waͤren wir am
Ende dennoch einig. 5 |
Die Reihe, in welcher die Materien |
im fechften Buche auf einander folgen, rührt
nicht vom Ynka her, ſondern von mir. Ich
habe
Vorbericht, |
habe fie ſo geordnet, wie die Vorhergehende
der darauf Folgenden, meiner Meinung nach,
Licht gab. Ich ſage: meiner Meinung nach:
Ohne Zweifel haben andere Leute andere
Meinungen; ſie koͤnnen ihnen folgen, wenn
fie Buͤcher ſchreiben. Ich dringe ihnen mei⸗
ne Meinung nicht auf; ich hoffe alſo, m wer⸗
den eben ſo tolerant ſeyn.
Ich bin nicht fo ſehr Schriftſteller,
daß ich die Fruͤchte meines Geiſtes fuͤr
ganz vortreflich und unentbehrlich anſehen
ſollte; ich weiß, man koͤnnte mein Buch
miſſen, ohne es ſehr zu vermiſſen. Daher
habe ich es auch ſo wenig zu vergrößern
geſucht, als es möglich war, ob mir gleich
mein Vorbild noch Materie zu manchem
Kapitel an die Hand gab. Allein ich bin
auch nicht ein ſo unnatuͤrlicher Vater
der Kinder meines Geiſtes, daß ich es
gleichgültig anſehen folte, wenn man fie
unvernünftig mißhandelt. Wer nicht gar
zu gelehrt iſt, (und dieſe Herren noͤthige
. zu u ae im geringſten nicht),
1 der
Vorbericht.
der wird das Buch nicht ohne alles Ver⸗
gnügen leſn; und wer gewohnt iſt über
. wahre Begebenheiten nachzudenken; fuͤr den
hu werden die Betrachtungen uͤber den plotzli⸗
MM chen Untergaug eines ſo feſtgegründeten und
* ſo gut erhaltenen Reichs, und eber die Eitel⸗
5 Teit aller menſchlichen Hoheit and: eee i
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Viertes Buch.
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Zweyter Theil.
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Innhalt
des
Vierten Buchs.
Regierung des Anka pachakutek; ſeine Siege, Erobe⸗
— rungen, Verbeſſerung der Schulen und merkwürdi⸗
N \ e gen Sittenſpruͤche. Regierung des Inka Nupan⸗
qui; ſeine Eroberungen in Peru und Chili und was
er ſonſt bis an ſeinen Tod gethan hat.
—
Erſtes Kapitel. |
Der Ynka Pachakutek, neunter Koͤnig
von Peru, thut eine Reiſe durch ſein N
We ee und ih ſich die
2 * Vnka Pachakutek folgte ſeinem
5 Vater, dem Ynka Virakocha auf
dem mächtigen Throne von Peru. So—
bald er ſeinem Vater ein praͤchtiges Leichen
begaͤngnis gehalten „wendete er die folgen⸗
den drey Jahre dazu an, die Regierung ſei⸗ ö
nes Reichs vollkommen kennen zu lernen und N
auf das Wohl feiner Volker zu denken, ohne \
ſich von Cusko zu entfernen. Nachdem dies \
fe Zeit verfloſſen war , durchreiſete er alle
Bean dieſes groſſen Reichs, Eine nach
Nes, A 2 der
4 Viertes Buch.
der Andern. Denn ob die Ynkas gleich zu
ihren Statthaltern und obrigkeitlichen Perſo⸗
nen mit groſſer Vorſicht die ehrlichſten Leu⸗
te waͤhlten, und auch dieſen, bey Lebensſtra—
fe anbefohlen war, die Gerechtigkeit treu zu
handhaben; ſo hielten ſie dieſes doch nicht
für gnug. Sie durchreiſeten ihr Reich von
Zeit zu Zeit, um zu verhindern, daß ihre
Abweſenheit ihren Dienern nicht Gelegen⸗
heit geben möchte, das Anſehen ihres Amts
zu mißbrauchen und die Unterthanen tyran⸗
niſch zu behandeln. Bey der Anweſenheit
der Ynkas konnte jeder Unterthan feine Kla⸗
ge ſelbſt anbringen, wenn er Urſache dazu
hatte. Die Könige pflegten alsdann, ohne
die geringſte Partheiligkeit, Groſſen und
Kleinen, Armen und Reichen, die ſtrengſte
Gerechtigkeit wiederfahren zu laſſen; daher
wurden fie auch von allen ihren Untertha⸗
nen bis zur Anbetung geliebt. Der Pnka
Pachakutek brachte drey Jahre mit dieſer
Reiſe zu, worauf er ſich wieder nach Cus⸗
ko begab.
Als
# 6 zu einem Kriegszuge; damit ein zu lan⸗
ger Friede ſeine Unterthanen nicht zum muͤs⸗
ſigen Leben gewöhnen, oder verurſachen moͤch⸗
te daß ſi 0 e das Kriegshandwerk gaͤnzlich ver⸗
gaͤſſen. Er zog zu dem Ende ein Heer von
Neben Mann zuſammen, mit wel⸗
chem er nach dem Bezirk Chinkaſuyu mar; .
ſchierte. Sein Bruder, Capak Yupanqui,
ein tapferer Prinz, welcher den Namen, den
man ihm gab, vollkommen verdiente, beglei⸗
tete ihn. Als er zu Villka, einem Graͤnz⸗
orte, angekommen war; verſahe er ſeinen
Bruder mit allem Noͤthigen und ließ ibn,
mit einem Theile der Armee, weiter vorruͤ⸗
cken. Capak Pupanqui ging alſo mit ſei⸗
ner Armee in die Landſchaft, welche die Ein⸗
gebohrnen Sauſa, die Spanier aber Kaura,
nennen. Sie iſt ungemein ſchön und hatte
damals uͤber dreyßigtauſend Einwohner, wel⸗
Er zu dem Volke der Huankas gehör⸗
Dieſes Volk behauptete, es ſtamme
2 einem Manne und einer Frau ab, wel⸗
che aus einer Quelle bervorgekemmen waͤ⸗
87 | A 3 ren.
Viertes Buch. 5
Als er zurückgekommen war, entſchloß er
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6 Viertes Buch.
ren. Dieſe Leute waren ſehr wild und graus
ſam. Sie pflegten ihren Kriegsgefangenen
die Haut abzuziehen, und ſie mit Aſche an⸗
zufüllen, alsdann hiengen fie fie in ihren
Tempeln, als Sieges zeichen, auf: Andere
machten Trommeln daraus und behaupteten;
wenn man dieſe Trommeln rührte, ſo haͤt⸗
ten ſie die Kraft, die Feinde in die Flucht
zu treiben. Ihre Staͤdte waren klein, aber
nach ihrer Art wohl beveſtigt, und man hielt
darinne beſtaͤndig gute Wacht. Denn ob
ſie gleich alle von einem Volke waren, ſo
hatten ſie doch wegen den Graͤnzen ihrer
Aecker beftändig Streit mit einander.
Dieſe alten Heyden ſollen, ehe ſie von
den Ynkas unter das Joch gebracht wurden,
die Figur eines Hundes in ihrem Tempel
gehabt, und fie angebetet haben; wiewohl
dieſes von Andern in Zweifel gezogen wird.
So viel iſt aber gewiß, daß ſie nichts lieber
gegeſſen haben, als Hundefleiſch; dieſes war
auch bey ihren öffentlichen Feſten, ihr vor⸗
nehmſtes Gerichte. Ja, es ward zum allge⸗
meinen Spruͤchworte; wenn man fagen wol
te,
Viertes Buch. 7
te, es ſey Jemand ein aͤchter Huanka, den
Ausdruck zu gebrauchen: Er iſt Huanka wie
ein Hund. Sie verfertigten ſich auch aus
den Hundekoͤpfen blaſende Inſtrumente, de⸗
ren fie ſich ſowohl im Kriege, als auch bey
ihren Taͤnzen bedienten. Im Kriege, ſag⸗
ten fie, ſchreckt dieſer Schall unſere Feinde
und beym Tanze erfreuet er unſer Herz.
Dieſe verſchiedenen Wirkungen ſchrieben ſie
einer beſondern Kraft ihres Gottes zu. Als
ſie unter die Gewalt der Ynkas gekommen
waren, ſchafften dieſe alle ſolche „
und ihre grauſame Lebensart ab.
N Capak Yupangui brachte dies Volk auf
eben die Art, wie die vorhergehenden Yn⸗
kas die meiſten andern Nazionen, mehr durch
Freundlichkeit und Uiberredung, und daß er
ihnen ſeine groſſe Macht zeigte; als durch
den wuͤrklichen Gebrauch der Waffen unter
den Gehorſam: worauf er, um allen ihren
Streitigkeiten ein Ende zu machen, ihr Land
in drey Theile theilte, und dann jedem Staͤdt⸗
chen ein ſolches Gebiete gab, als es noͤthig
zu haben ſchien. Die erſte Provinz behielt
N Ya den
. Den — — —-—
— ä —
8 Viertes Buch.
den Namen Sauſa, die zweyte nennte er
Markavillka und die dritte Llaskapallanka;
und da ſie alle eine gewiſſe Art von Muͤz⸗
zen trugen, fo befahl Capak Hupanqui, daß
ſich dieſe drey Staͤmme durch die Farbe ih⸗
rer Muͤzzen, die aber ihre vorige Geſtalt
behielten, unterſcheiden ſolten.
Dieſes Volk hatte den Namen, Huan⸗
ka, wie ich ſchon geſagt habe und man muß
es wohl unterſcheiden von der Provinz Hu⸗
ankavillka, welche mehr als zweyhundert
Meilen von dieſer, nicht weit von Tumpiz,
am Meere liegt.
Zweytes Kapitel.
Capak Yupangqui erobert noch einige
andere Landſchaften.
Cabak Dupanqui unterwarf auf eben die
Art ſeinem Bruder noch einige andere
Lander, worunter die vornehmſten Tarma
und Pumpu waren, welches die Spanier
Bombon nennen. Anfangs kam es hier zu
einigen leichten Gefechten, endlich aber muß⸗
ten fie der Macht des Ynka weichen und
thaten
Viertes Buch. 9
thaten weniger Widerſtand als Capat a
a vermuthet hatte.
Nachdem er dieſe beyden Laͤnder erobert
bare, ging er weiter und bezwang verſchie⸗
dene Andere, welche dieſen gegen Morgen,
nach den Andes⸗Gebͤͤrgen zu „liegen. Die
Einwohner dieſer Gegenden beteten keinen
Gott an, wohnten in keinen Staͤdten „und
batten weder Ordnung noch Polizey. Sie
lebten in den Wäldern und Thaͤlern, „wie
die wilden Thiere und erſchlugen einander
ohne Urſache bey der geringſten Veranlaſ⸗
ſung. Da ſie keinen Herrn erkannten, ſo
hatten dieſe Landſchaften auch keine Namen.
Dieſer Strich Landes hatte dreyßig Meilen
ſowohl in die Laͤnge als in die Breite. Die⸗
ſe Leute waren leicht zu zwingen 4 daß ſie ſich
unterwerfen mußten; allein „ fie zu einer
menſchlichen Lebensart zu bringen ‚fie zu ge
wohnen nach den Geſezzen der Ynkas zu
leben, und in Staͤdten zu wohnen, erfor⸗
derte weit mehr Zeit und Muͤhe. Dennoch
brachte Capak 1 dieſes alles zu
Stande. 1
e % N | Capak
Pr — m, *
EPF ⅛²] n ęK—ͤUT— — ——
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—
10 Viertes Buch.
Capak Yupanqui drang hindurch bis zu
dem Volke Chukurpu, welches eben ſo wild
und grauſam, aber mehr zum Kriege abge
richtet iſt. Die Gottheit dieſer Leute war
ein Tiger. Der Prinz Capak Pupanqui
war gezwungen ihnen einige Treffen zu lie⸗
fern, in welchen auf beyden Seiten viertau⸗
ſend Mann blieben. Endlich unterwarfen ſich
dieſe Barbaren, nachdem ſie Beweiſe ſowohl
von der Macht als von der Guͤte des Prinz
zen geſehen hatten. Er freuete ſich daruͤber;
denn er hatte ſchon angefangen zu glauben,
dieſes Volk waͤre ſo wild, daß man es bey⸗
nahe ganz ausrotten muͤſſe, wenn man es zu
einer andern und vernuͤnftigen Lebensart brin⸗
gen wolte. Er war auch ſchon im Begrif,
es ſich ſelbſt zu uͤberlaſſen, weil er es nicht
gerne vertilgen, und den Ruhm der Ynkas
dadurch verdunkeln wolte. Allein eben als
er deßwegen mit ſich ſelbſt zu Rathe ging,
unterwarf ſich dieſes Volk dem Ynka Pa⸗
chakutek, nahm ſeine Geſezze an, entſagte
feiner Abgoͤtterey und unvernuͤnftigen Lebens⸗
art, und fing an die Sonne anzubeten. Der
Prinz
Viertes Buch. 11
Prinz Capak Pupanqui ſezte ihnen einen
Statthalter und Obrigkeiten, um ſie zu un⸗
terrichten, und für die Einkuͤnfte der Sonne
und des Pnka zu ſorgen; er legte auch ei⸗
nige veſte Plaͤzze an, und legte Beſazzung
binein, und ſezte hierauf feinen Zug, zur
Rechten des groſſen koͤniglichen Weges, im⸗
mer weiter fort. Er eroberte mit gleichem
Gluͤck und Geſchicklichkeit die zwo groſſen
Landſchaften Ankarg und Huayllas; ſtrafte
diejenigen in dieſer lezten Provinz, welche
ſich des unnatuͤrlichen Laſters ſchuldig gemacht,
auf das nachdruͤcklichſte, und ſezte auch in
ung Ländern ich und u Statthalter
Capak Dayandır hatte nunmehr in ei⸗
ner Zeit von drey Jahren ein Land erobert,
welches ſich von Suͤden gegen Norden auf
ſechzig Meilen erſtreckte, von Weſten gegen
Oſten aber, die ganze Ebene bis an das
Schneegebuͤrge unter ſich begrif. Er glaub⸗
te, die Abſicht des Ynka Pachakutek erfullt
zu haben, und kehrte nunmehr nach Cusko
Pe en wurde er vom Ynka mit groß
ſer
12 Viertes Buch.
ſer Pracht und herrlichen Siegesfeſten empfan⸗
gen, welche einen ganzen Monat dauerten.
Drittes Kapitel.
Gebaͤude, Geſezze und neue Eroberungen
des Ynka Pachakutek.
Der ODnka belohnte alle, die an dieſem
glücklichen Feldzuge Theil gehabt hat⸗
ten, reichlich und unternahm hierauf eine
neue Unterſuchungsreiſe durch ſein ganzes
Reich, weil er wußte, daß er das Wohl
ſeiner Unterthanen auf keine Art beſſer be—
fördern konne. Bey dieſer Gelegenheit ließ
er in den vornehmſten und reichſten Provin⸗
zen Tempel der Sonne und Haͤuſer fuͤr aus⸗
erwaͤhlte Jungfrauen erbauen; welches die
Einwohner fuͤr eine ganz beſondere Gnade
anſahen; weil fie dadurch, nach europaͤiſcher
Art zu reden, naturaliſirt und zu Buͤrgern
von Cusko gemacht wurden. Er ließ auch
auf den Graͤnzen der eroberten Provinzen
viele kleine Veſtungen anlegen, und in den
Thaͤlern, in den angenehmſten Gegenden und
an den Wegen groſſe Pallaͤſte für die Ynkas
erbauen.
erbauen. Er ließ auch in den Städten groſſe
Vorrathshaͤuſer anlegen, um darinne Lebens⸗
mittel und andere Nothwendigkeiten aufzube⸗
wahren; um bey unfruchtbaren Jahren den
Mangel abzuwenden, und die Untertbanen
zu unterſtuͤzzen.
Er gab auch viele heilſame Geſezze, „oh⸗
ne in den Provinzen ſolche alte Gebraͤuche
abzuſchaffen, die ihm nuͤzlich ſchienen. Denn
die Ynkas verwehrten es keinem Volke
auf ſeine Weiſe zu leben; wenn in ſeinen
Sitten nur nichts war, welches der Religion
und dem natürlichen Geſezze zuwider lief.
Dieſes gab ihren neuen Unterthanen zu er⸗
kennen, daß es ihr Wille nicht ſey, tyran⸗
niſch über fie zu herrſchen, ſondern nur ih⸗
nen ein vernuͤnftigeres und Wasa de⸗
. zu verſchaffen.
Nach drey Jahren kam der Ynka in ſei⸗
ne Hauptſtadt zuruck, und wendete einige
Monate auf Feſte und öffentliche Freudens⸗
bezeigungen. Nach dieſer Ruhe berufte er
feine Kriegsraͤthe und überlegte mit ihnen,
p% er ſich hinwenden koͤnnte, um neue Er⸗
ae oberungen
—
14 Viertes Buch.
oberungen zu machen. Es wurde beſchloſſen,
wieder in die Provinzen von Chinkaſuyun
zurück zu kehren, weil es nur noch auf Dies
fer Seite Länder gaͤbe, die dieſer Muße werth
waͤren.
Der König beſchloß, dem Prinzen Ca⸗
pak Nupanqui, welcher fo viele Beweiſe ſei⸗
nes Muthes und ſeiner Erfahrung gegeben,
dieſes Kommando aufzutragen. Man hielt
es auch fuͤr zutraͤglich, den kuͤnftigen Thron⸗
erben, älteften Sohn des Ynka Pachakutek,
welchen man Ynka Yupanqui nennte, die⸗
ſen Feldzug mitmachen zu laſſen; damit er
ſich, unter der Anfuͤhrung ſeines tapfern
Onkels in der Kriegskunſt geſchickt machen
moͤchte. Dieſer junge Prinz, war zu dieſer
Zeit ohngefehr ſechzehn Jahr alt, und war
in demſelbigen Jahre, mit den gewoͤhnli⸗
chen Feyerlichkeiten zum Ritter gemacht
worden. Der Koͤnig zog ein Heer von
funfzigtauſend Mann zuſammen, worauf die
beyden Ynkas, der Onkel und der En⸗
kel mit dieſer Armee zu Felde gingen, und
bis in die Provinz Chukurpu, welches die
Lezte
Viertes Buch. 15
Lezte war, die man im vorigen Seldzuge er⸗
obert batte, vorrückten.
1, Hier lieſſen ſie, nach der Gewohnheit der
VBnkas, die Einwohner der Landſchaft Pinßu,
welche an Chukurpu graͤnzte, auffodern. Da
ſich dieſe zu ſchwach fanden, einer ſo groſſen
Macht zu widerſtehen, und außerdem wuß⸗
ten, daß die Ynkas ihre Unterthanen glück⸗
lich zu machen ſuchten, ſo antworteten fie.
einmuͤthig; daß ſie ſich mit Freuden der
Herrſchaft des Ynka tenen und a
Glenn annaͤhmen.
Ganz anders war die eig 100 Vöͤl⸗ N
En in den Landſchaften Huara, Piskopam⸗
pa und Cuechuku, welche nach dieſen auf;
gefodert wurden. Dieſe, anſtatt dem Bey⸗
ſpiele der Einwohner von Pinßu zu folgen;
ſezten ihre eigenen Streitigkeiten, in welchen
ſie zeither begriffen geweſen waren, bey Sei⸗
te, und vereinigten ſich mit einander den
Ynkas ſich mit geſamter Macht zu wider⸗
ſezzen. Sie antworteten alſo den Botſchaf⸗
tern der Ynkas: Sie wolten eher ſterben,
ae b een Geſezze fahren laſſen, und
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16 Viertes Buch.
neue annehmen; Sie befaͤnden ſich bey den
Goͤttern, welche fie ſeit verſchiedenen Jahr⸗
hunderten von ihren Vorfahren verehrt wuͤß—
ten, ſehr wohl; der Ynka koͤnne mit den
Laͤndern ſo vieler Curakas, welche er, un⸗
ter dem Vorwande der Religion, an ſich ges
bracht, zufrieden ſeyn.
Da ſie gleichwohl ſahen, daß ſie im frey⸗
en Felde gegen die Macht der Ynkas nichts
ausrichten wuͤrden; ſo hielten ſie fuͤr gut,
ſich in ihre veſteſten Oerter zuruck zu ziehen;
die Wege zu verderben; die Paͤſſe zu ver⸗
bauen, und die gefaͤhrlichſten Oerter zu vers
theidigen. Dieſes alles thaten fie mit groß
ſer Geſchwindigkeit und Fertigkeit.
Viertes Kapitel.
Die beyden Ynkas beſiegen die Voͤlker,
welche ſich ihnen widerſezzen.
o uͤbermuͤthig auch die Antwort war,
welche die Feinde dem Feldherrn Ca⸗
pak Yupanqui gaben; fo machte fie ihn doch
nicht beſtuͤrzt. Ein Geiſt, wie der ſeinige
war, bleibt bey guten und bofen Worten,
bey
Viertes Buch. 17
bey guͤnſtigen und widrigen Vorfaͤllen ſich
immer gleich: der Widerſtand vermehret nur
feinen Muth. Er befahl alſo feinen Kriegs⸗
leuten, ſich bereit zu halten; und da er wuß⸗
te, daß ſich die Feinde in ihre veſten Oerter
begeben hatten; ſo theilte er ſein Heer in
vier Haufen, wovon er drey gegen die ve⸗
ſten Plaͤzze in der Gegend umher abſchickte;
feinen Leuten aber verbot; ſich mit den Fein:
den in kein Treffen einzulaſſen, ſondern fie
eingeſchloſſen zu halten, ihnen die Lebensmit⸗
tel abzuſchneiden und ſie auf dieſe Art zur
Uibergabe zu zwingen: Er aber blieb nebſt
dem Prinzen ſeinem Vetter mit ſeiner Ab⸗
heilung im Felde ſtehen, um den Seinigen,
vo es nöͤthig ſeyn würde, zu Huͤlfe zu kom⸗
nen. Damit aber ſeine Soldaten, im Fall
er Krieg von langer Dauer waͤre „ keinen
Mangel leiden möchten; fo ließ er den zu
aͤchſt gelegenen Provinzen des Puka, feines
Bruders, zu wiſſen thun, daß fie die zu lies
enden Lebensmittel verdoppeln ſolten.
Nach dieſer gebrauchten Vorſicht, mach⸗
er ſich auf alle Vorfälle des Kriegs, wel⸗
II. Theil. 8 cher
18 Viertes Buch.
cher ſehr grauſam zu werden anfing, gefaßt.
Die Feinde blieben hartnaͤckig bey dem Vor⸗
ſazze ſich zu vertheidigen; fie hielten alle Zus
gaͤnge beſezt und wichen nicht aus den Oer—
tern, welche durch ihre Lage veſte waren.
Da ſie ſahen, daß es die Ynkas mit Fleiß
vermieden, ſich mit ihnen in ein Treffen eins
zulaſſen; ſo thaten ſie heftige Ausfaͤlle und
griffen die Truppen des Pnka als verzweifel⸗
te Leute an.
Die Pnkas lieſſen es indeſſen dabey bes
wenden, fie zuruck zu treiben und erwarteten
ruhig bis Hunger und Kriegsbeſchwerden
die Feinde zwingen wuͤrden, ſich zu ergeben.
Wenn ſie von ohngefehr auf dem Lande, oder
in den verlaſſenen Staͤdten die Weiber und
Kinder der Feinde fanden; denn ſie hatten
ſie in der Eil nicht alle mitnehmen koͤnnen;
fo redeten fie freundlich mit ihnen, gaben ih—⸗
nen zu eſſen, und ſchickten ſie Haufenweiſe
ihren Vaͤtern und Maͤnnern zu: theils um
ihnen zu zeigen, daß ſie nicht gekommen waͤ⸗
ren, ſie zu Sklaven zu machen, ſondern ſie
zu einer beſſern Lebensart zu gewoͤhnen und
N ihnen
Viertes Buch. 19
ihnen vortrefflichere Geſezze zu geben, als
ſie bisher gehabt haͤtten; theils auch, damit
fe in ihren veſten Oertern mehr Perſonen
zu ernaͤhren haͤtten und alſo den Mangel
deſto ehe empfaͤnden; und endlich damit fie
zicht fo freye Hände hätten. Denn ſie muß⸗
en in ihren Kriegsverrichtungen durch die
inruhen, welche Weiber und Kinder verur⸗
achen, nothwendig ſehr geſtört, und durch
as Geſchrey, „welches Hunger und Elend
iefen Unſchuldigen auspreſſet deſto eher auf
ie e fc zu en ehe wer⸗
N.
di Gberchwehl hielten ſie e desen Krieg t
4 ſechs Monate mit vieler Hartnaͤckigkeit
Als ſie aber endlich vom Hunger zu
* gedrückt wurden, und täglich viele der
hrigen, ſonderlich Weiber und Kinder, da⸗
n ſterben ſahen; faßten fie den Entſchluß,
eſen Uibeln, welche ſchlimmer, als der Tod
[ft waren, ein Ende zu machen. Sie
urden alſo einig, Etliche von ihnen an die
nkas abzuſchicken, die dieſe um Verzeihung
tten, und in ihren Namen verſprechen ſol⸗
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20 Viertes Buch.
ten, daß fie kuͤnftig den Inkas wolten zinß⸗
mit ihrer gewohnlichen Guͤte auf, und fags
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bar ſeyn.
Die Ynkas nahmen dieſe Abgeordnete
ten ihnen in ſehr freundlichen und liebreichen
Ausdrücken: „Ein Jeder ſolle ſich in feine
Stadt und Wohnung begeben und ſich da
als ein guter und getreuer Unterthan auffuͤh⸗
ren, um ſich der Gnade des Pnka wuͤrdig zu
machen; unter dieſer Bedingung ſolte alles
Vergangene vergeſſen ſeyn.“
Höchſt zufrieden, daß ihre Verrichtung 0
gut abgelaufen war, begaben ſich dieſe Abge-
ordnete wieder zuruck und berichteten den Ih—
rigen dieſe gnaͤdigen Geſinnungen der Yn⸗
kas. Um den Befehlen derſelben nachzukom⸗
men, begab ſich Jeder in ſeine Stadt; wo
fie alle mit dem, was fie noͤthig hatten, ver⸗
ſehen wurden: Capak Pupanqui bediente
ſich hierzu der gedoppelten Lieferungen, wel⸗
che er von den Seinigen zu Anfange des
Krieges gefodert hatte. Demohngeachtet em-
pfanden die Einwohner dieſer neubezwunge⸗
nen Provinzen, wegen den groſſen Verwuͤ—
ſtungen,
|
|
Viertes Buch. 21
tungen, welche der Krieg angerichtet, im
rſten Jahre, den Mangel gar ſehr. Die
pnkas ſuchten dieſem Uibel fo viel als moͤg⸗
ich abzuhelfen; fie ſezten auch die noͤthigen
Dbrigfeiten, welche die Ordnung in den
Staͤdten und auf dem Lande erhalten, für
ie Einkuͤnfte der Sonne und des Ynka for:
en, und das Volk in der Religion und ſei⸗
en Pflichten unterrichten mußten. 12 50
ed 1195 Dr 5 5 h
der gute Huamachuku unterwirft ſich
dem Puka freywillig.
Ney dem Fortgange dieſer Eroberungen
—ruͤckte endlich Capak Pupanqui an die 5
raͤnzen eines Landes, welches man Hua⸗
ſachuku nennte; Ein mächtiger Herr „ wel:
er eben den Namen führte, und viel Weiß⸗
it und Verſtand beſaß, herrſchete darinne.
ber ſeine Herrſchaft war ſehr eingeſchraͤnkt,
id das Volk glich ſeinem Haupte nicht im
ringſten. Man kann ſich in der That
ts unvernünftigers und zugleich unmenſch⸗
heres vorſtellen, als den Goͤzzendienſt und
Kin 23 die
22 Viertes Buch.
die Geſezze dieſer Leute. Sie beteten gewiß
ſe vielfarbige Kieſel an, welche ſie an den
Ufern ihrer Fluͤſſe fanden; indem ſie ſich
thoͤrichter Weiſe einbildeten, es muͤſſe irgend
eine groſſe Gottheit in dieſen Jaspisartigen
Steinen verborgen ſeyn, weil ſie ſonſt nicht
fo ſchöne Farben haben würden; und dieſen
unempfindlichen Göttern opferten ſie Blut
und Fleiſch von Menſchen. Sie hatten kei⸗
ne Städte, ſondern lebten in elenden Huͤt—
ten hier und da auf dem Lande zerſtreut, und
waren den wilden Thieren ſehr aͤhnlich. Ob⸗
gleich der gute Curaka Huamachuku an
dieſer Wildheit keinen Wohlgefallen hatte,
und groß Verlangen trug, ſie abzuſchaffen;
ſo getrauete er ſich dennoch nicht, dieſes zu
unternehmen; weil er ſich fuͤrchtete, ſeine
Unterthanen moͤchten einen Aufſtand wider
ihn machen, und ihn unter dem Vorwande,
daß er die Religion und Gebraͤuche ihrer
Vorfahren verachte, toͤdeen. Man kann ſich
alſo die Zufriedenheit vorſtellen, welche die⸗
ſer gute Curaka empfand, als der Prin
Capak Pupanqui die gewöhnliche Auffode⸗
rung
Viertes Buch. 23
tung an ihn ergehen ließ, und ihm Frieden
und Freundſchaft unter der Bedingung an⸗
bot, wenn ſein Volk die Religion und die
Geſezze der Ynkas annaͤhme. Er gab ih⸗
nen zur Antwort: “Er wäre ſehr erfreut,
die ſiegreiche Armee des Ynka an ſeinen Graͤn⸗
zen zu ſehen, welchen er ſchon ſeit langer
Zeit zum Könige zu haben wuͤnſchte; weil er
ſo viel Vortreffliches von ſeiner Religion und
Regierung gehört hätte. Die Urſache, war⸗
um er nicht ſelbſt eher zu ihm gekommen,
ihm zu huldigen, und als den Sohn der
Sonne anzubeten, ſey Dieſe; weil er es
nicht gewagt, ſein Land zu verlaſſen, und
durch Länder zu reifen, die von feinen Fein⸗
den bewohnt wuͤrden. Gegenwaͤrtig aber,
da feine Wünfche erfullt wären, erkenne er
ihn mit Freuden fuͤr ſeinen Koͤnig und baͤte
ihn demuͤthig; feine Dienſte eben fo gnaͤdig
anzunehmen, als ſie ihm willig angeboten
wuͤrden; und ihn und ſeine Unterthanen eben
die Gnade wiederfahren zu laſſen, die er den
andern Einwohnern dieſer Lander zugeſtan⸗
den haͤtte.
5 B 4 Als
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— . ˙ :
Viertes Buch.
Als der Prinz Capak Yupanqui und
fein Neffe der Ynka Pupanqui dieſe Ant⸗
wort des guten Huamachuku vernommen
hatten; rückten ſie in ſein Land ein. Der er⸗
freute Curaka ging ihnen entgegen, empfing
fie mit aller möglichen Hochachtung, und
brachte ihnen von allem, was in ſeinem Lan⸗
de ſelten und vortrefflich war, Geſchenke.
Worauf er ſich vor ihnen niederwarf, und
fie anbetete. Der Feldherr Capak Pupan⸗
qui empfing ihn ſehr freundlich, und dankte
ihm im Namen des Inka feines Bruders
fuͤr die Zuneigung die er gegen ihn zu er⸗
kennen gegeben. Eben dieſes that auch der
junge Prinz, im Namen ſeines Vaters und
zugleich beſchenkte er ihn mit vielen Kleidern,
ſowohl für ihn ſelbſt, als auch für feine Anz
gehoͤrigen und die Vornehmſten des Landes.
Seit dieſer Zeit bezeigte der Ynka Pacha⸗
kutek und ſeine Nachfolger fuͤr dieſen Hua⸗
machuku und ſeine Erben viele Achtung,
und ertheilten auch ſeinem Volke viele Vor⸗
zuge und Freyheiten.
Der
Viertes Buch. a6
Diaer groſſe Curaka Huamachukn bat hier⸗ |
auf den Feldherrn inſtaͤndig in ſeinem Lande | | U.
eine gute Polizey einzuführen, und ſeinen |
Unterthanen einen beſſern Gottesdienſt und
beſſere Geſezze iu n ji e
are . ' mar:
Rust Ne 0 at.
* Der Fuldherr⸗ eee t sn über Ber Wor⸗
te des Curaka. Er befahl, daß alle Ein⸗
wohner ihre Hutten und Wohnungen auf
dem Lande verlaſſen, und an einem Orte,
welchen er fuͤr den bequemſten dazu hielt, \
eine Stadt bauen ſolten. Er befahl ihnen —
ferner durch einen öffentlichen Ausruf; keinen N
andern Gott, als die Sonne, anzubeten; |
die bunten Steine, welche ſie bisher thoͤrich⸗
ter Weiſe verehret, aus ihren Haͤuſern hin⸗
weg zu ſchaffen, und die Befehle und Ge⸗
ſezze des Ynkas auf das genaueſte zu be⸗
obachten. Er ſezte auch gewiſſe obrigkeitliche
Perſonen, welche dafur Sorge tragen muß⸗
ten, daß alle dieſe Verordnungen en das .
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26 Viertes Buch.
2 | Sechſtes Kapitel.
5 Der Feldherr Capak Yupanqui erobert
: N die Landſchaften Caxamalka und Daus
yu, und ziehet mit feinem Neffen tri⸗
umphirend in Cusko ein.
en alle dieſe Einrichtungen, zum Ver⸗
gnuͤgen des guten Huamachuku, ge⸗
macht waren, gingen die beyden Ynkas mit
ihrem Heere weiter, und kamen an die Graͤn⸗
1 ze von Caxamalka. Dieſe Landſchaft, wel⸗
u h che in den folgenden Zeiten durch die Gefan⸗
EB | gennehmung des Atahuallpa fo berühmt ges
I worden ift, war damals ſehr reich, bevoͤlkert,
fruchtbar, und von einem weiten Umfange.
Die beyden Ynkas ſchickten Botſchafter an
die Einwohner, um ſie aufzufodern, ſich
entweder zu ergeben, oder, im Fall der Wi⸗
| derſpenſtigkeit, zum Kriege gefaßt zu machen.
1 | Die Einwohner von Caxamalka, welche
9 ſehr kriegeriſch waren, und wußten, daß die
Vnkas ſich ſchon die benachtbarten Völker
mit den Waffen unterwuͤrfig gemacht hatten;
verſahen ſich mit den noͤthigen Vorraͤthen,
beſezten die Zugänge und haltbaren Plaͤzze,
f und 1
und erwarteten den Prinz Capak Pupanqui
und ſeine Armee veſten Fuſſes. Seinen Abs
geordneten aber gaben fie, wie zu vermu—
| then war, zur Antwort: Daß ſie, ihre Frey⸗
heit bis in den Tod vertheidigen wolten.
Der Feldherr Capak Yupanqui ruͤckte
hierauf mit ſeinem Heere in die Landſchaft
Caxamalka; es kam zu einigen blutigen Ge⸗
fechten, worinne auf beyden Seiten viele blies
ben; dennoch fielen fie gemeiniglich zum Vor⸗
theile der Vnkas aus. Der Feldherr Capak
Yupanqui und der Prinz Puka Yupanqui
lieſſen den Gefangenen ſehr gut begegnen,
und die Verwundeten heilen, worauf ſie fie
wieder mit der größten Freundlichkeit zu den
Ibrigen zurück ſchickten, auch die, welche fie
unbewaffnet auf dem Lande antrafen, wurden
A das Beſte behandelt. Yon
Ein ſolches Betragen waͤhrend dem ganz
95 Kriege , welcher ohngefehr vier Monate
dauerte, nebſt der immer zunehmenden Macht
der Ynkas, welche vom Inka Pachakutek
Verſtaͤrkung erhielten, hatte die gewoͤhnliche
Wg: Der Curaka und die vornehm⸗
11913 ſten
Wies Buch. 1
28 Viertes Buch.
ſten der Völkerſchaft beſchloſſen der Noth⸗
wendigkeit nachzugeben, und Abgeordnete an
den Feldherrn abzuſchicken, welche in ihren
Namen ſagen mußten: „Nachdem ſie ſowohl
die Güte der Ynkas, ihre ſanftmuͤthige Be
gegnung und bewundernswuͤrdige Großmuth,
als auch die unwiderſtehliche Staͤrke ihrer
Waffen erfahren haͤtten; ſo geſtuͤnden ſie frey
heraus, daß ſie wuͤrdig waͤren, Herren der
ganzen Welt zu ſeyn. Da ſie gegen ihre
Feinde ſo ſanftmuͤthig waͤren, ſo zweifelten
fie nicht, daß fie ſich alles Gute von ih:
nen wuͤrden zu verſprechen haben, wenn ſie
das Gluͤck genieſſen wuͤrden, ihre Untertha⸗
nen zu ſeyn. Sie ſchaͤmten ſich alſo ihres
bisherigen Betragens und ihrer Blindheit,
daß ſie das, ihnen angebotene Gute nicht er⸗
kannt und mit Dankbarkeit angenommen hat
ten; und baͤten den Prinz und den Feldherrn
ſeinen Onkel, ihnen ihre Widerſezzung zu
verzeihen, und bey dem Vnka ihre Vorſpre⸗
cher zu ſeyn.
Kaum waren dieſe Abgeordnete im Daß
der Ynkas angelanget, als der Curaka und
die
Viertes Buch. 29
die Vornehmſten des Volks beſchloſſen, ſelbſt
binzugehen zu den Ynkas und ſie um Ver⸗
zeihung zu bitten, damit ſie deſto eher Gna⸗
de erlangen möchten. Sie kamen alſo an,
als jene eben ihren Auftrag geendiget hat⸗
ten. Sie warfen ſich demuͤthig vor den Yn⸗
kas nieder und beteten fie, nach ihrer Lan⸗
desart an, worauf ſie beynahe eben die Wor⸗
te, welche ihre Abgeordneten geſagt hatten,
wiederholten. Der Feldherr Capak Yupanz
qui führte das Wort anſtatt feines Vetters
und ſagte ihnen ſehr liebreich: Er verziehe
ihnen im Namen ſeines Bruders, des Koͤ⸗
niges und des Prinzen ſeines Vetters: Er
naͤhme ſie als deſſelben Unterthanen an, und
wolle alles Vergangene vergeſſen; ſie ſolten
nur künftig ihre Pflicht, als gute und ge
horſame Unterthanen thun und ſich der Gna⸗
de des Ynka würdig machen; fo wurde der
Koͤnig auch ihnen, nach ſeiner Gewohnheit
Gnade erweiſen, und die Abſichten der Son⸗
ne an ihnen erfüllen; Uibrigens ſolle Jeder
in Friede nach Hauſe gehen; ſi fie ſolten aber
vw zerſtreuten Wohnungen und einzelnen
Huͤtten
des Landes, welche die Ynfag in einer neuer⸗
30 Viertes Buch.
Kürten verlaſſen und Städte bauen, und in
Geſellſchaft mit einander leben; alsdann ſol⸗
ten fie den Ynka um jede Gnade bitten,
die ſie nur verlangten.
Auf dieſe Worte warf ſich der Curaka
und die bey ihm waren, zum zweytenmale
vor den Ynkas nieder, und ſagte zu ihnen:
«Man ſaͤhe aus ihren Handlungen wohl,
daß fie Kinder der Sonne waren: Sie ſchaͤz⸗
ten ſich nun für die gluͤcklichſten Menſchen,
daß ſie unter die Herrſchaft eines ſo gnaͤdi—
gen Herrns gerathen waͤren, welchem ſie
auch kuͤnftig als getreue Unterthanen dienen
wolten. Sie nahmen hierauf von den Yn⸗
kas Abſchied, und begaben ſich in ihre Woh⸗
nungen zuruͤck.
Der Feldherr Capak Yupanqui war ſehr
zufrieden, daß er die Landſchaft Caxamalka,
welche auch von Einigen Caſſamarka ge
nennet wird, erobert hatte; denn es war ei⸗
ne der volkreichſten und fruchtbarſten im gan⸗
zen Reiche ſeines Bruders. Er machte hier
eben dieſelben Anordnungen zur Civiliſirung
oberten
oberten Provinz zu treffen pflegten: Er ließ
auch einen Tempel der Sonne bauen und
verſchiedene Waſſerleitungen anlegen, damit
das Land an mehrern Orten ie ge⸗
3 wurde. Kell
Nunmehr beſchloß er 85 Eusto zurück |
zu kehren, auf ſeinem Wege aber eine ge⸗
wiſſe Landſchaft, die er im Rüden liegen laſ⸗
ſen, um nicht aufgehalten zu werden, zu er⸗
obern. Dieſe Landſchaft, welche Yauyu hieß
hatte tapfere Einwohner und war, vermöge
ihrer Lage, gut zu vertheidigen; weil ſie aber
nicht allzugroß war, hoffte der Feldherr,
zwoͤlftauſend Mann wuͤrden hinlaͤnglich ſeyn,
ſie zum Gehorſam zu bringen. Er behielt
alſo nur ſo viel bey ſich, und ließ den Wel
3 ſeines Heeres ziehen. |
Der Feldherr Capak Pupanqui hatte
fh in feiner Hoffnung nicht betrogen. Alle
Einwohner des Landes Yauyu nahmen die
Ynkas einmuͤthig mit groſſen Feyerlichkeiten
und öffentlichen Freudensbezeigungen auf.
Der Feldherr war ſehr vergnuͤgt daruͤber;
er beehrte den Curaka, ſeine Verwandten,
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Viertes Buch. gr
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32 Viertes Buch.
die Hauptleute und die Vornehmſten des
Landes mit verſchiedenen Geſchenken; er ließ
ihnen viele Kleider, von der feinen Wolle,
welche man Compi nennet, geben, den Ge
ringern aber gab er ſolche die aus der Wolle,
Vaska, verfertigt waren. Ein jeder war
nun erfreut, unter die Herrſchaft eines ſo
guten Koͤniges gekommen zu ſeyn.
Die beyden Ynkas machten nun auch in
dieſer Provinz die gewöhnliche Einrichtung
zur Regierung des Landes, zum Unterricht
des Volks, und zu Hebung der Einkünfte
für den König, und die Sonne, und kehr⸗
ten nach Cusko zurück.
Hier wolte fie der Pnka Pachakutek
feyerlich empfangen, deßwegen hatte er alle
Zubereitungen zu einem triumphirenden Eins
zuge machen laſſen, in welchem ſowohl ſein
Bruder, als auch ſein Sohn, von jungen
Leuten aus den eroberten Provinzen ſolten
getragen werden.
Alle Einwohner der Hauptſtadt und die
Curakas, welche ausdrücklich, um dieſes
Feſt zu ehren, dahin gekommen waren, gin—
gen
Viertes Buch. 33
gen in einer gewiſſen Ordnung, bey dem
Schalle mufifalifcher Inſtrumente voran.
Man ſang verſchiedene Lieder „ welche entwe⸗
der zum Lobe des Feldherrn, Capak Yu⸗
panqui, oder des Prinzen, ſeines Vettern
gemacht waren. Nach den Einwohnern von
Cusko und den Hofleuten folgte das Kriegs⸗
her, nach den Voͤlkerſchaften in Kompanien
ingetheilt, mit den Waffen in der Hand.
Dieſe beſungen, wie die Andern die Thaten
hrer Ynkas, und verkuͤndigten ihre hohen
kigenſchaften, ihren groffen Muth, ihre Ta-
ferkeit im Streite, ihre Wachſamkeit und
ute Anfuͤhrung in den kriegeriſchen Unter⸗
ehmungen, ihre Geduld, Sanftmuth und
Sroßmuth in Ertragung des unverſchaͤmten
zetragens der Unwiſſenden und Verwege⸗
en: ihre Gnade und Mitleiden gegen die
iberwundenen; ihre Pracht und bewunderns—
ürdige Freygebigkeit gegen die Hauptleute,
Soldaten und ſogar gegen Fremde; und mit
nem Worte, ihre Weißheit und Klugheit
allen Unternehmungen und Eroberungen.
ach den Kriegsleuten folgten die Ynkas
II. Theil. C | von
—
34 Viertes Buch.“
von koͤniglichem Gebluͤte, welche auch be
waffnet waren, ſowohl die, welche aus der
Stadt, als die, welche aus dem Kriege ka—
men. Beyde gingen vermiſcht, ohne Unterz
ſchied; weil ſie die Gewohnheit hatten, alle
gleichen Antheil an den Thaten, die von ei
nigen Ynkas verrichtet wurden, zu nehmen,
als wenn fie alle dabey zugegen geweſen waͤ—
ren. |
Mitten unter den Ynkas befand ſich der
Feldherr und hatte den Prinz zur Rechten;
hinter ihnen ward der Ynka Pachakutek auf
ſeinem goldenen Stuhle getragen. In dieſer
Ordnung begaben ſie ſich zu dem Hauſe der
Sonne, vor welchem die Pnkas von ihrer
Stühlen herabſtiegen und ihre Sandalen ab
legten, ausgenommen der König. Auf die
fe Art gingen fie bis an die Thür des Tem:
pels, vor welcher auch der Inka die San
dalen ablegte, und hinein ging. Niemant
als wer von koͤniglichem Blute war durft
ihm hier folgen. In dieſem Tempel beteten
die Ynkas die Sonne an und dankten iht
für die Siege, die fie ihnen verliehen hat
te
* Viertes Buch. 35
te. Als dieſes Geber vollbracht war, kehe⸗
ten fie auf den groſſen offentlichen Plaz der
Stadt zuruͤck, wo ein praͤchtiger Schmaus
gegeben wurde. Dieſer ganze Tag ward
mit Eſſen, Trinken, Taͤnzen 5 Geſaͤngen
zugebracht.
Bey dieſer offentlichen Luſtbarkeit ſtund
Ein Volk nach dem Andern, nach dem Ran⸗
ge, dem ihn ſeine Unterwerfung unter die
Herrſchaft der Inkas gab, von feiner Ta⸗
el auf, und ging hin und ſang und tanzte,
or dem Pnka nach ſeiner Landesart, bey
em Schall der Inſtrumente, welche von
en Dienern geſpielt wurden; welche auch
llezeit die Schlußzeilen der Geſaͤnge wieder⸗
olten. Wenn Ein Volk fertig war, ſezte
s fi) wieder zu Tiſche und ein Anderes
und auf. So wurde dieſer ganze Tag voll
racht. Dieſes war jedoch nur der Anfang
es Siegesfeſtes; es waͤhrete einen ganzen
Nonat, in welchen man von nichts, als von
Aumspen und Luſtbarkeiten hoͤrte.
Alles dieſes war ſchon vorher bey jedem
nchen Siegesfeſte geſchehen; wir haben
rn eg es
N
— —— — — —
Be —- nenne — — —— 2
— — — . —
re —
36 Viertes Buch.
es aber nur fuͤr dieſesmal wiederholen wol⸗
len; weil das Feſt des Capak Yupanquf
eines der feyerlichſten war.
Siebentes Kapitel.
Unterwerfung der Thaͤler Hka und Pis—
ko, und Auffoderung der Chinkas.
Noch dieſen Siegesfeſten wendete der Dis
ka drey bis vier Jahre auf die Culti—
virung der eroberten Provinzen und die Ver⸗
ſchoͤnerung derſelben durch herrliche Gebaͤude.
Die Einwohner der Städte feines Reichs
ruheten von den Beſchwerden des Krieges
aus, und genoſſen die Annehmlichkeiten des
Hausſtandes in Frieden; Alle empfanden die
Gluͤckſeeligkeit einer ſo ſanften und gerechten
Regierung, als nie irgend einem enn
zu Theil worden iſt.
Endlich glaubte der Ynka Pachakutek
daß es Zeit ſey, ſeinen Kriegsleuten wieder
einige Beſchaͤftigung zu geben, damit die
allzulange Unthaͤtigkeit fie nicht weichlich
machen, oder ihren Muth einſchlaͤfern moͤch⸗
te. Sie ſelbſt wunſchten es: Denn nichts
wird
a | Viertes Buch. 37
wird den Menſchen, welche einmal die Un⸗
ruhe zu ertragen gelernt haben, laͤſtiger, als
eine zu einfoͤrmige, unbeſchaͤftigte Lebensart,
wenn ſie auch noch ſo gluͤcklich iſt.
Es wurde demnach im Kriegsrathe ber
ſchloſſen, die niedern Landſchaften am Meere,
laͤngſt der Kuͤſte zu erobern. Zu dem Ende
zog der Pnka eine Armee von dreyßigtauſend
Mann zuſammen, und gab Befehl, daß ſich
eine gleiche Anzahl bereit halten ſolle, um je⸗
ne abzuloͤſen: Dieſes ſolte alle zwey Monate
geſchehen, weil dieſe niedern Landſchaften,
wegen der übermäßigen Hizze, für die Ein⸗
wohner der Gebuͤrge hoͤchſt huge und ges
aͤhrlich find.
Nach dieſen . gab der Yn⸗
a Pachakutek Befehl, daß die lezten drey⸗
igtauſend Mann in den Graͤnzſtaͤdten in
Beſazzung bleiben ſolten, bis fie zum Feld⸗
uge aufgefodert wuͤrden; die Erſtern aber
nußten ins Feld ruͤcken. Der VYnka ſelbſt,
ebft feinem Erbprinzen und dem Feldherrn
Lapak Pupanqui führten fie an. Sie gin⸗
n bis in die Provinzen Rukana und Ha⸗
8 8 C 3 f tum⸗
— . — —
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———
38 Viertes Buch.
tumrukana: Hier fand der Ynka Pachaku⸗
tek für gut, für feine Perſon zu bleiben;
weil er von da aus ſowohl der Armee beyſte—
hen, als auch fr das Innere feines König?
reichs Sorge tragen konnte. Die beyden
Tnkas aber, der Onkel und der Vetter ſez—
ten ihren Marſch bis Nanaska fort, von
welchem Orte aus ſie erſtlich die Einwohner
des Thales Yka und dann auch die im Tha⸗
le Pisko auffoderten. Beyde Thaͤler unter⸗
warfen ſich ohne Schwierigkeit und nahmen
die Geſezze und Sitten der Ynkas an; fie
entſagten auch ihren Goͤzzen, und verſpra—
chen kuͤnftig die Sonne anzubeten.
Das Thal Yka liegt Nanaska gegen
Norden, und iſt nun eines der fruchtbarſten;
Die Ynkas haben ſich auch immer beſonders
günſtig gegen daſſelbe bezeigt. Sie lieſſen
von dem Gebuͤrge herab eine ſchoͤne Waſſer⸗
leitung durch dieſes Thal fuͤhren, weil der
Fluß, welcher es durchſtroͤmt, ſehr wenig
Waſſer hat, und es in dieſer Gegend ſelten
regnet. Man erhielt durch dieſes Mitte
noch einmal ſo viel zum Ackerbau taugliches
Land,
Land, und die Einwohner lebten von dieſer
Zeit an im Uiberfluſſe. Alle dieſe Vorthei—
le, welche die Ynkas ihren Unterthanen
verſchafften, machten ihre Herrſchaft unge:
mein beliebt, und zogen auch die Herzen
derer an ſich, welche noch mit ihnen
keiner Verbindung ſtanden.
Wir muͤſſen nicht vergeſſen zu ſagen;
daß die Einwohner dieſer ganzen Kuͤſte, von
Truxillo gegen Norden, bis Tarapaka gegen
Suͤden, welches eine Laͤnge von fuͤnfhundert
Meilen iſt, das Meer, als ihre vornehmſte
Gottheit, anbeteten; Denn außerdem hatte
noch jede Landſchaft ihren beſondern Goͤzzen.
Sie nennten es Mama⸗Cocha, das heißt:
Mutter⸗Meer: weil nicht allein die Fiſche,
welche fie im Meere fingen, ihre vornehm⸗
ſte Nahrung waren; ſondern weil fie auch
ihre Felder mit den kleinen Fiſchen, die
das Meer an das Ufer wirft, worunter vie⸗
le Sardellen ſind, duͤngten. Sie beteten
naͤchſtdem auch insgeſamt den Wallfifch, we⸗
gen ſeiner Groͤße an; jedes Thal aber ver⸗
Pe insbeſondere wieder die Fiſche, welche
Viertes Buch. | 39
C 4 | an
40 Viertes Buch.
an ſeinem Ufer am haͤufigſten gefangen wur⸗
den. So war die Abgoͤtterey in dieſem
Landſtriche beſchaffen, ehe er unter die Bots
maͤßigkeit der Ynkas kam. |
An das Thal Pisko graͤnzt das fehr weit⸗
laͤuftige und volkreiche Thal, welches von
dem maͤchtigen Volke der Chinkas, oder
Punkas bewohnt wurde. Dieſe Chinkas
glauben, daß ihre Vorfahren aus einem ſehr
entfernten Lande, deſſen Namen ſie aber nicht
ſagen koͤnnen, unter der Anfuͤhrung eines
eben fo frommen, als tapfern Heerfuͤhrers
hierher gekommen ſind; und ſich da, nach
Eroberung des ganzen Thales und Vertil—
gung aller ſeiner Einwohner, niedergelaſſen
haben.
Als fie vernahmen, daß die Einwohner ei—
nes benachtbarten groſſen Thales, ihrem Gotte
Pachakamak einen praͤchtigen Tempel gebauet
haͤtten; ſo kam es ihnen ein, dieſen nachzu⸗
ahmen. Da ſie aber hoͤrten, daß Pachaka⸗
mak den bedeutete, welcher die ganze Welt
erhielte, ſo bildeten ſie ſich, nach ihrer ro⸗ a
hen Einfalt ein, wenn Pachakamak ſo viele |
Leute
Viertes Buch. 4¹
Leute zu naͤhren haͤtte; ſo moͤchte er fi vers
geſſen oder verſaͤumen, oder ihnen nicht ſo
vielen Unterhalt verſchaffen können, als ihre
groſſe Anzahl noͤthig haͤtte. Sie hielten als
fo für beſſer, ſich einen eignen Gott zu ma
chen, der ſie unter ſeinen beſondern Schuz
nähme. Sie thaten es und gaben dieſer neuen
Gottheit den Namen Chinka-Camak, das
beißt: Erhalter der Chinkas. Auf dieſen
Gott verlieſſen ſie ſich vornemlich: Sie er⸗
zaͤhlten viel groſſe Siege, welche ſie unter
feinem Beyſtande erhalten haͤtten, die aber
in der That erdichtet waren: Und im Ver⸗
trauen auf dieſem, widerſezten ſie fi ch auch
is, der Macht der Ynkas.
Als der Feldherr Capak Yupanqui die
gewoͤhnliche Auffoderung an ſie hatte ergehen
laſſen; Sich entweder dem Ynka Pachaku⸗
tek zu unterwerfen und die Sonne anzube⸗
ten; oder zu einem Kriege gefaßt zu machen;
ſo gaben fie zur Antwort: „Sie Hätten ei⸗
nen Fuͤrſten, dem fie gern unterthan waͤren,
weil er aus ihrem eignen Volke abſtammte,
fie würden alfo den Ynka nie für ihren Herrn
18259 C 5 erken⸗
42 Viertes Buch.
erkennen; die Unterthanen des Ynka moͤch⸗
ten immer, da fie auf den Gebuͤrgen wohn⸗
ten, die Sonne anbeten; ſie ſelbſt verehrten
das Meer, welches eine viel wohlthaͤtigere
Gottheit waͤre, als die Sonne, die nur ihre
Felder verſengte; und ihren Schuzgott, Chin⸗
Fa⸗Camak, welcher nie zugegeben hätte, daß
ſie von ihren Feinden waͤren uͤberwunden
worden. Die Pnkas wuͤrden alſo gerechter
und kluͤger handeln, wenn ſie zuruͤck auf ihre
Gebuͤrge gingen, und ſie nicht beunruhigten.
Auf dieſe hartnaͤckige Antwort ruͤckten
die Ynkas in das feindliche Land ein. Der
Curaka der Chinkas ging ihnen mit einem
ſtarken Heere entgegen, und es kam zu ver⸗
ſchiedenen Angriffen. Ich will dieſen Feld⸗
zug nicht ausfuͤhrlich beſchreiben, weil er mit
verſchiedenen vorhergehenden zu groſſe Aehn⸗
lichkeit hat. Die Ynkas gingen mit ihrer
gewöhnlichen Behutſamkeit und Schonung
zu Werke: Der Feldherr ließ, zu Verhuͤtung
des Krankwerdens ſeiner Leute, zweymal ein
anderes Heer anruͤcken, und ſchickte das vor⸗
herge⸗
prinz, feinen Neffen zurückkehren; Er bot
den Chinkas, mitten unter den Feindſeelig⸗
keiten, beftändig Friede und Freundſchaft an.
Alles dieſes, nebſt der Noth, worein die Fein⸗
de, durch Mangel geriethen, brachte die ge⸗
woͤhnliche Wirkung hervor; daß die Chinkas
erſtlich Abgeordnete an die Ynkas ſchickten,
welche fie ihrer Bereitwilligkeit, ſich zu unter⸗
werfen verſichern ſolten; und daß hernach der f
Curaka der Nazion ſelbſt in das Lager des
Feldherrn, Capak Yupangui, reiſete, um ihn
zu huldigen, und ſich fuͤr einen Vaſallen des
Koͤniges, ſeines Bruders zu erkennen. |
Capak Pupanqui war über die Ankunft
des Curaka ſehr erfreut; er begegnete ihm
ſehr freundlich und verſicherte ihn der Ver⸗
zeihung des Königs. Er theilte auch Ge
ſchenke unter ihn und ſeine Begleitung im
Namen des Königs aus und ließ fie insge⸗
ſamt vollkommen zufrieden wieder von ſich.
Nachdem die Ynkas dieſes Land in Ber
ſiz genommen und fo, wie ihre andern Pro⸗
vinzen, eingerichtet hatten, fo verherrlichten
ir fie
Viertes Buch, 1
bergehende zurück; Er ließ ſogar den Erb:
44 Viertes Buch.
ſie es auch durch viele praͤchtige Gebaͤude.
Dieſes Thal iſt auch immer in den folgenden
Zeiten Eines der ſchoͤnſten im ganzen Reiche
geweſen, und der ganze nördliche Bezirk des
Reichs der Ynkas hat von dieſem Volke den
Namen Chinkaſuyu bekommen.
Achtes Kapitel.
Chuquimanku, Beherrſcher von vier
Thaͤlern wird beſiegt.
Nochden der Feldherr Capak Pupanqui
den groſſen Curaka der eigentlichen
Chinkas ſich zu unterwerfen gezwungen hat—
te; verlangte er von dem Koͤnige ſeinem
Bruder eine neue Armee um mehrere Thaͤ⸗
ler zu erobern. Der Ynka willigte in feine
Bitte, und ſendete ihm ein gutes Heer, das
mit erfahrnen Hauptleuten verſehen, und
vom Prinz Inka Yupanqui, welcher eine
groſſe Neigung zum Kriege zeigte, ange—
führt ward. Als dieſe Armee beym Feld⸗
herrn angekommen war, verließ er das Thal
der Chinkas, und ruͤckte in das ſchoͤne Thal Ru⸗
nahuanak. Dieſer Name bedeutet, Schre⸗
cken
Viertes Buch. 45
cken der Menſchen: Er iſt zuſammengeſezk
aus den beyden Wörtern: Runa, welches
Leute, und Huanak, der durch Schaden
128 macht, bedeutet.
Das Thal Nunahuanak und drey ande⸗ \
e welche noͤrdlicher liegen, nemlich Hu⸗
arku, Malla und Chillka wurden auch von
Chinkas oder Yunfas bewohnt, und gehörs
ten Einem Beherrſcher „ Namens Chuqui⸗
manku. Dieſer Curaka gab ſich das An
ſehen eines Königes „und verlangte, daß
alle Angraͤnzende ihn fuͤr ihren Herrn erken⸗
nen ſolten. Als er hoͤrte, daß die Ynkas
mit einer Armee wider ihn im Anzuge wär
ren, brachte er ein Heer zuſammen, und
ging ihnen entgegen, um fie zu verhindern,
daß ſie nicht uͤber einen tiefen und gefaͤhrli⸗
chen Fluß, welcher durch das Thal Runa⸗
huanak firome, ſezzen möchten. Es kam
hier zu einem Gefechte, in welchem auf bey⸗
den Seiten viele blieben: Jedoch da Chuqui⸗
manku den Krieg nicht verſtand, ſeine Sol⸗
daten ſich ſchlecht vertheidigten, und die Uns
das mit vielen Floͤſſen verſehen waren; fo
a ſezten
46 Viertes Buch.
ſezten dieſe gluͤcklich uͤber den Fluß; Chuqui⸗
manku beſchloß, ſich in das Thal Huarku
zurück zu ziehen; weil er glaubte, daß er
den Krieg hier mit groͤſſerm Vortheile fuͤh—
ren wuͤrde. Auf dieſe Art bemaͤchtigten ſich
die Ynkas in weniger als einem Monate
des ganzen ſchoͤnen Thales Runahuanak.
Der Feldherr Capak Yupanqui ließ Be⸗
ſazzungen in dieſem Thale, ſowohl um ſich
den Rüden zu decken, als auch, um deſto
ſicherer die Vorraͤthe, welche ihm der Yn⸗
ka zuſchicken würde, zu erhalten, worauf er
in das Thal Huarku vorruͤckte. Hier ward er
gendthigt, einen grauſamen Krieg zu führen.
Chuquimanku hatte hier ſeine ganze Macht
zuſammen gezogen, welche zwanzigtauſend
Mann betrug, und war entſchloſſen, fuͤr ſein
Land und ſeinen Ruhm auf das tapferſte zu
fechten. Er that auch in der That mehr,
als man ſich zu ihm verſehen hatte. Die
Vnkas gebrauchten ihrer Seits auch alle
Kriegskunſt und Tapferkeit gegen dieſen Feind,
doch blieben ſie ihrem Grundſazze getreu,
das Blutvergieſſen ſo viel als moͤglich zu
vermei⸗
Viertes Buch. 47
vermeiden. Dieſes Lezte gelang ihnen nicht
ſo gut, als fie wuͤnſchten; Die Chinkas vers
theidigten ſich mit einer Hartnaͤckigkeit, wel⸗
che den Feldherrn zwang, ſein Herr dren
oder viermal mit neuen Truppen zu erſezzen,
und die, welche in dieſen heiſſen Gegenden
nicht aushalten konnten, nach Hauſe ziehen
zu laſſen. Um aber dem Feinde zu zeigen,
daß er den Krieg nicht aufgeben würde „ bis
er ihn gänzlich überwunden haͤtte; theilte er
ſein Lager eben ſo ein, wie die Abtheilungen
der Stadt Cusko waren, und gab ihm auch
eben den Namen; wobey er die groͤßte Sor⸗
ge trug, ſeinen Soldaten alle Bequemlich⸗
keiten zu verſchaffen, die ſie in ihren eigenen
Wohnungen wuͤrden gehabt haben; und den
Feinden alle Zufuhre abzuſchneiden.
Der fuͤrchterlichſte unter allen Angriffen,
der Hunger, nahm hierauf in dem Lager
des Chuquimanku außerordentlich überhand.
Seine Leute ſuchten ihn zu überreden , nicht
das Aeußerſte abzuwarten, ſondern ſich zu
ergeben, und da er ihnen kein Gehör gab,
gingen viele zu den Ynkas über, und berich⸗
teten
48 Viertes Buch.
teten ihnen den traurigen Zuſtand, worinne
ſich ihr Curaka mit ſeiner Armee befaͤnde.
Dieſes thaten ſonderlich die Soldaten, wel⸗
che er aus dem Thale Runahuanak mitge⸗
nommen hatte; dieſe verlieſſen ihn insge⸗
ſamt. Da Chuquimanku befuͤrchtete, daß
die Uibrigen ihrem Beyſpiele folgen moͤchten;
ſo gab er endlich nach, und verlangte hier⸗
inne den Rath der Vornehmſten des Volks
zu wiſſen. Sie waren alle einſtimmig der
Meinung; daß ſie insgeſamt, ohne Ver⸗
zug, in das Lager der Ynkas geher, ſich ih⸗
nen zu Fuͤſſen werfen, und um Verzeihung
bitten muͤßten. |
Die beyden Ynkas nahmen. fie hoͤflich
auf, verziehen ihnen, beſchenkten ſie, und
lieſſen ſie nach Hauſe gehen. |
Die Ynkas hielten es ſich für eine fo
groſſe Ehre, daß fie den groſſen Curaka
Chuquimanku dem Könige Pachakutek zins⸗
bar gemacht hatten, daß ſie beſchloſſen, der
Nachwelt ein Denkmal dieſes Sieges zu hin⸗
terlaſſen. Sie erbaueten zu dem Ende in
dem Thale Huarku, eine zwar kleine, aber
ſehr
Viertes Buch. 49
ſehr ſtarke Veſtung, welche der Zeit würde
getrozt haben, wenn ſie nicht von den Spa⸗
niern ware zerſtort worden. Die Rudera
davon ſahe man noch im Jahr 1560.
Neuntes Kapitel.
Von den Thaͤlern Pach aka mak und 2
| Rimak.
De Ynkas machten nach der ER
des Curaka Chuquimanku in ſeinem
Lande die gewöhnlichen Einrichtungen „ was
den Gottesdienſt, die Geſezze, Gebräuche
und Abgaben anbetrifft, und gingen auf die |
Thaͤler des Curaka Cuysmanku loß. Die 1
ſer Curaka verlangte eben ſowohl, als Chu⸗ |
uimanku, daß man ihn Hatun-Apu, das
ſt den Großherrn nennen ſolte. Dieſer
dittel bedeutete in dieſem Lande fo viel als
donig. Er war Beſtzzer von ſechs Thaͤlern,
inter welchen die vorzuglichften Pachakamak
ind Rimak genennt wurden. Ehe ich in
reiner Erzählung weiter gehe, muß ich von
ieſen en das ehe erwaͤhnen.
i. Zei. 18 5 Die
50 Viertes Buch.
Die Ynkas erkannten, daß es einen ober⸗
ſten Beherrſcher der Welt geben muͤſſe, der
alle Dinge und auch die Sonne geſchaffen
habe: Dieſen Gott nennten fie Pachakamak;
Dieſes bedeutet ſo viel, als derjenige, wel⸗
cher Alles geſchaffen hat und erhaͤlt;
Sie ſagten er ſey unſichtbar; um deßwillen
baueten ſie ihm keinen Tempel, brachten ihm
auch keine Opfer, wie der Sonne; ſondern
fie beteten ihn nur, mit der größten Ehr⸗
furcht, in ihrem Herzen an; welche ſie auch
durch die Bewegung des Hauptes, der Au—
gen, der Arme und des ganzen Leibes be—
zeugten, ſo oft ſie ihn nur nennten. Die
Ynkas breiteten dieſe Lehre in ihrem ganzen
Reiche aus, und die uͤberwundenen Voͤlker
nahmen ſie insgeſamt eherbietig an. Die
Vorfahren des Curaka Cuysmanku allein
nahmen fie an, ehe fie noch von den Ynkas
beſiegt waren; aber freylich nicht in der Rei⸗
nigkeit, wie fie bey dieſen war. Sie baue
ten dem Pachakamak einen Tempel und bes
nennten das ganze Thal nach ſeinem Namen.
Allein ſie ſezten auch ihre Goͤzzen in dieſen
Tem⸗
Viertes Buch. 5
Tempel, welche fie unter der Geſtalt verſchie—
dener Thiere und Fiſche anbeteten. Dieſer
Tempel, welcher ſowohl wegen des herrli⸗
chen Gebäudes, als auch wegen des feyerli⸗
chen Dienſtes, der darinne verrichtet wurde,
einen groſſen Vorzug hatte, war der Einzige
in ganz Peru, wo die Chinkas Thiere, und
an groſſen Feſten ſogar Menſchen, opferten.
Das Thal Rimak iſt vier Meilen von
Pachakamak nach Norden gelegen. Der
Name bedeutet Einen welcher ſpricht. Es
wurde alſo benennt von einem Goͤzzenbilde,
welches hier in der Geſtalt eines Menſchen
verehret ward, und den Fragenden, wie der
Apoll zu Delhi, mit Orakelſpruͤchen antwor⸗
tete. Dieſer Goͤzze ſtand in einem praͤchtigen
Tempel, welcher aber dennoch dem Tempel
des Pachakamak nicht gleich kam. Die Spa⸗
tier nennten in den folgenden Zeiten dieſes
Thal Lima, und erbaueten darinne die Stadt
zos⸗Reyes, oder die Stadt der Könige,
veil ſie am Feſte der heil. drey Koͤnige den
Srund dazu legten. Das Wappen dieſer
Stadt ſind drey Kronen und ein Stern.
. D 2 Doch
— m —
1
_
.
52 Viertes Buch.
Doch ich kehre wieder zu meiner Geſchichte
zuruͤck. |
Die Ynkas lieffen an den Curaka, oder
wie er ſich nennte, Hatun-Apu, Cuys⸗
manku die gewoͤhnliche Auffoderung ergehen;
allein dieſer, welcher waͤhrend dem Kriege
der Unkas mit dem Curaka Chuquimanku
vermuthet hatte, daß die Reihe auch an ihn
kommen würde, hatte ſich ſchon in Bereit
ſchaft geſezt. Er ließ auch alle ſeine Haupt⸗
leute und Soldaten zuſammen kommen, das
mit ſie bey der Anrede der Abgeordneten
der Ynkas gegenwärtig wären. Als dieſe
geſchehen war, gab er zur Antwort; daß ſei⸗
ne Unterthanen keinen andern Koͤnig, als
ihn und keine andern Goͤtter, als die ſie ſchon
laͤngſt verehrt haͤtten, erkennen wolten. Denn
ihr Gott Pachakamak ſey groͤſſer und maͤch⸗
tiger als die Sonne, weil er alle Dinge und
ſelbſt die Sonne geſchaffen habe; und ihr
Gott Rimak verdiene um deßwillen alle Ver⸗
ehrung, weil er ihnen die zukuͤnftigen Din⸗
ge offenbare. N
Die
Viertes Buch. 53
Die Ynkas waren ſehr erfreut, als fie
hoͤrten, daß die Unterthanen des Cuysman⸗
ku, den Pachakamak verehrten, welchen ſie
ſelbſt, als den hoͤchſten Beherrſcher Himmels
und der Erden, innerlich anbeteten. Sobald
ſie alſo mit ihrer Armee in das Thal Par
chakamak eingerückt waren, ſchickte der Feld⸗
herr Capak Nupanqui an den Cuysmanku
Abgeordnete und ließ ihm einen Waffenftil-
leſtand antragen, bis ſie ſich wegen der Ver⸗
ehrung der Goͤtter weitlaͤuftiger mit einander
wuͤrden beſprochen haben. Der Koͤnig Cuys⸗
manku nahm dieſen Vorſchlag an und es
wurde endlich ein Friede geſchloſſen, unter
dieſen Bedingungen: Daß beyde Voͤlker fer⸗
nerhin den Pachakamak verehren, Cuys⸗
manku aber die übrigen Gözzen aus deſſen
Tempel entfernen und die Menſchenopfer ab-
ſchaffen ſolte: Daß die Unterthanen dieſes
Leztern die Sonne, die Unterthanen der Pi
Tas aber den Rimak für einen Gott erken⸗
nen ſolten: Daß Cuysmanku im ruhigen
Beſiz feiner Länder bleiben, aber den Ynka
für ſeinen Oberherrn erkennen; feine Geſezze
f D 3 und
\
54 Viertes Buch.
und Gebraͤuche annehmen und die gewoͤhnli⸗
chen Auflagen fuͤr den Tempel der Sonne
und den Ynka abtragen ſolte: Hingegen
würde auch der Ynka dem Thale Pachaka⸗
mak die Ehre erweiſen, und ein Hauß fuͤr
auserwaͤhlte Jungfrauen darinne erbauen laß
ſen.
Der Feldherr Capak Yupanqui legte ei⸗
ne hinlaͤngliche Beſazzung in das Thal Pa⸗
chakamak und entſchloß ſich nach Eusfo zus
ruͤck zu kehren um feinem Bruder dem Ins
ka einen ausfuͤhrlichen Bericht von Allem,
was bey dieſen Eroberungen vorgefallen war,
abzuſtatten. Er nahm auch den König Euys⸗
manku mit um ihn dem Ynka vorzuſtellen.
Cuysmanku that dieſe Reiſe mit dem groͤß—
ten Vergnügen, weil er ſehon lange hoͤchſt
neugierig geweſen war, die Stadt Cusko,
von welcher man im ganzen ſuͤdlichen Ame⸗
rika ſo viel Wunderbares erzaͤhlte, zu ſehen.
Der Ynka Pachakutek, welcher ſich waͤhrend
dieſem ganzen Feldzuge in Rukana auf⸗
gehalten, hatte dieſes alles kaum erfah⸗
ren, als er nach Cusko zuruͤckkehrte und die
praͤch⸗ a
— — —
Viertes Buch. 55
praͤchtigſten Anſtalten machen ließ, ſeinen zu⸗
ruͤckkommenden Sohn und Bruder wohl zu
empfangen.
Er ging ihnen entgegen und holte fie
mit eben dem triumphirenden Einzuge ein,
wie die vorigen Male. Er bewies ihnen die
‚größten Freundſchaftsbezeigungen und em⸗
pfing auch den Cuysmanku auf das gnaͤdig⸗
ſte; er befahl ſogar, daß er bey dem Einzu⸗
ge feinen Rang zwiſchen den Ynkas von Eis
niglichem Blute haben ſolte. Dieſe Gnade
überhäufte den Cuysmanku mit Freude; fie
zog ihm aber auch den Neid aller andern Cu⸗
rakas zu. Nach Vollendung der Siegesfe⸗
fie ließ der Jnka den Cuysmanku nebſt al⸗
len denen, welche ihn begleitet hatten, mit Eh⸗
renbezeigungen und Geſchenken uͤberhaͤuft und
hoͤchſt vergnügt, wieder in ihr Land ziehen.
In den folgenden Zeiten, nachdem der
Tempel des Pachakamak von den andern
Goͤzzen gereinigt war, ertheilten die Priefter
deſſelben auch Orakelſpruͤche, aber nur in ſol⸗
chen Sachen, welche die Angelegenheiten der
Koͤnige und Vornehmſten des Landes betra⸗
Bi; D 8 fen.
56 Viertes Buch.
fen. Das gemeine Volk bediente ſich der
Ausſpruͤche des Goͤzzen Rimak.
Der Inka Pachakutek wendete nunmehr
einige Jahre bloß auf die Verbeſſerung und
innere gute Einrichtung ſeines groſſen Reichs:
er ließ ſchoͤne Gebäude aufführen, ſchaffte eis
nige Mißbraͤuche ab, welche ſich eingeſchlichen
hatten, machte neue Geſezze und Anordnun⸗
gen und ‚führte gottesdienſtliche Gebräuche
ein, welche ſeine Unterthanen noch mehr in
ihrer Religion beveſtigen folten. Er berei⸗
cherte inſonderheit den Tempel der Sonne
und ließ feine innere Wände mit goldenen
Blech überziehen. Mit einem Worte; er
zeigte ſich als einen vortrefflichen König, ei⸗
nen würdigen Hohenprieſter und groſſen Feld:
herrn.
Zehntes Kapitel. 5
Krieg mit dem groſſen Curaka Chimu
und Beſiegung deſſelben. f
Sechs Jahre hatten die Unterthanen des
Pnka Pachakutek einen ungeſtörten
Frieden genoſſen, und ſich von allen Beſchwer⸗
| den
Viertes Buch. 57
den der lezten Feldzüge erholt; als der Yn⸗
ka für gut hielt, feinem Sohne, dem Prin⸗
zen PUnka Pupangqui das höoͤchſte Kommando
zu geben, und ihn allein einen Verſuch feiz
nes Kriegsgluͤckes machen zu laſſen. Er zog
zu dem Ende ein Heer von dreyßigtauſend
Mann zuſammen, und ſechs der weiſeſten
und erfahrenſten unter den Ynkas wurden
dabey zu Unterfeldherren und Rathgebern
des Prinzen erwaͤhlt. Mit dieſem Heere
ſchickte der Inka Pachakutek feinen. Erb⸗
prinz ab, die Thäler an der Seeküſte zu ers
obern, welche unter dem Striche von Ca⸗
ramalka liegen; denn fo weit erſtreckte fich
dieſſeit dem Gebuͤrge fein Reich. Seinen
Bruder aber, den groſſen Feldherrn Capak
Yupanqui, welchen er ſeinen rechten Arm
u nennen pflegte, behielt er bey ſich, ernenn—
e ihn zum Generalſtatthalter, und theilte
eynahe die koͤnigliche Gewalt mit ihm.
Sobald die Armee in Bereitſchaft war,
ing er auf dem Wege des Gebuͤrges, mit
er erſten Abtheilung davon, voraus bis in die 5
drovin; Haupu, welche unter eben dem Him⸗
0 „ mels⸗
58 Viertes Buch.
melsſtriche, als Los⸗Reyes liegt, wo er der
Heft feines Heeres erwartete. Nachdem die
fer angekommen war, ging er nach Rimak
Die beyden Curakas Cuysmanku und Chu
quimanku kamen ihm mit guten Trupper
entgegen, welche fie ihm, zu feinen Erobe
rungen anboten. Der Prinz bezeigte fid
uber ihre Anerbietung ſehr zufrieden, unk
ertheilte ihnen viele beſondere Vorrechte
Aus dem Thale Rimak ging er zum Tem
pel des Pachakamak, in welchen er fi) oh,
ne ein Opfer zu bringen begab; weil er den
Gott, nach der Gewohnheit der Ynkas, nur
im Herzen anbetete. Aus dieſem ging er in
den Tempel der Sonne, wo er viele Opfer
und Gaben von Gold und Silber darbrach—
te. Endlich befahl er auch, daß man dem
Rimak opfern, und ihn wegen dem Aus—
gange dieſer Unternehmung befragen ſolte.
Rimak gab zur Antwort; daß der Feldzug
gluͤcklich ſeyn würde. Als er endlich in dem
Thale Huaman, dem lezten, das unter Pe—
ruaniſcher Herrſchaft ſtand, angekommen wa ;
ſchickte er Abgeordnete mit den gewöhnlichen
Viertes Buch. | 59
Auffoderungen an einen groſſen Fuͤrſten, wel⸗
chen man Chimu nennte. Alle Thaͤler, von
Huaman bis an den Ort, wo izt die Stadt
Druxillo liegt, gehörten ihm: Die Vornehm⸗
ten davon waren Parmunka, Huallmi,
Santa, Huanapu und Chimu, welches das
heutige Truxillo der Lage nach iſt. Der
naͤchtige Chimu fuͤhrte den Namen von die⸗
em Thale, weil er feinen Siz darinne auf⸗
zeſchlagen hatte. Er lebte hier als ein Koͤ⸗
ig, und war allen feinen Nachbarn fuͤrch⸗
erlich. 5
Der groſſe und mächtige Chimu gab auf
ie Auffoderung des Inka zur Antwort;
Er ſey bereit in der Vertheidigung ſeines
andes, feiner Geſezze und Gebräuche mit
en Waffen in der Hand zu ſterben: Er
erde nie andere Götter, als die Seinigen
erehren, und auch dem Ynuka nie eine ans
ere Antwort geben. Der Prinz Ynka
Jupangui hatte dieſen Entſchluß des groſſen
himu kaum vernommen, als er grade
af das Thal Paramunka zu marſchierte,
o ihn der Feind erwartete. Chimu ließ
8 | a es
60 Viertes Buch.
es alsbald zu einigen leichten Treffen kon
5 men, um die Staͤrke der Truppen des Ynk
u zu erforſchen. Er ſtritt lange Zeit, um il
nen den Eingang in das Thal zu verwel
u ren; aber ohngeachtet aller feiner Bemühur
» 4 | gen, konnte er doch nicht verhindern, da
1 fie an einem vortheilhaften Orte, darinr
ihr Lager aufſchlugen. Der Prinz, welche
den hartnaͤckigen Widerſtand der Feinde fi
he, fuͤrchtete, daß die geringe Anzahl fein
Truppen den Feinden noch mehr Muth me
chen möchte; er ſchickte alſo zu feinem Vate
und bat ſich noch zwanzigtauſend Mann vo
ihm aus, um dem Kriege deſto eher ein Er
de machen zu koͤnnen; Nach Abſendung di
fer Boten ſezte er den Krieg mit dem groͤß
ten Nachdrucke fort. Die beyden Curaka
von Pachakamak und Runahuanak zeigte
ſich hierbey als die größten Feinde des Chi
mu. Unterftüze durch die Macht des Ynk
ſuchten fie ſich wegen des Schadens und de
Beleidigungen an ihm zu raͤchen, welche fi
160 in den vorigen Kriegen, wegen der Graͤnze
1 erlitten hatten. Sie waren in dieſen Krie
| g
Viertes Buch. 61
zen fo gegen einander erbittert geweſen, daß
ie alle Gefangene zu Sklaven gemacht hat⸗
en. Nichts brachte den groſſen Chimu ſo
ihr auf, als die Rache der beyden Cura⸗
as, aber nichts trug auch zu feiner Beſie⸗
ung ſo vieles bey. In kurzer Zeit erober⸗
en fie das ganze Thal Paramunka, ſchlu⸗
en die Einwohner von Huallmi bey ver⸗
hiedenen Gelegenheiten, und zwangen ſie
or Land zu verlaſſen und in das Thal Sans
zu flüchten. |
Die Einwohner von Santa, welche mus
iger und kriegeriſcher, als Jene waren,
ritten tapfer zur Vertheidigung ihres Lan⸗
s; fie griffen die Feinde bey allen Gelegen⸗
iten an und widerſtunden ihnen viele Tage
ng. Ihre Thaten erhoͤheten den Muth
s groſſen Chimu ſehr; Er ſuchte daher die
einigen zu uͤberreden, daß der Prinz Yn⸗
1 Yupanqui von einer ſchwaͤchlichen Ge⸗
ndheit ſey, welche ihm nicht zulaſſen wüͤr⸗
„den Krieg lange fortzuſezzen; Die An⸗
hmlichkeiten des Hofes, würden: ihn auch
ld veranlaſſen, ſich zuruͤck zu begeben, und
2 das
62 Viertes Buch.
das Verlangen feiner Soldaten, ihre Haus
ſer, Weiber und Kinder wieder zu ſehen,
wuͤrde auch zur Endigung des Feldzuges das
ſeinige beytragen; und ſolte dieſes alles die
gehoffte Wirkung nicht hervorbringen, ſo
wuͤrde doch das heiſſe Clima des Landes den
Vnka bald zwingen, ſich mit feiner Armee
zurück zu ziehen, oder fie insgeſamt aufrel-
ben, wenn er thoͤricht genug wäre, auf ſei⸗
nem Vorſazze zu beſtehen. Dieſe eitle Hof
nung machte ihn immer halsſtarriger ſo, daß
er alle Vorſchlaͤge zum Frieden, welche ihm
der Ynka thun ließ, zuruͤck wieß. Er ließ
beſtaͤndig neue Truppen aus den entfernten
Thaͤlern herbeykommen um damit den Ver⸗
luſt, welchen feine Armee liste, zu erſezzen,
ſo daß der Krieg immer blutiger ward und
auf beyden Seiten viele Leute blieben. Den⸗
noch ſahen die Curakas, welche unter dem
groſſen Chimu ſtunden, daß ſie der groſſen
Macht der Ynkas am Ende nicht gewach⸗
fen ſeyn, ſondern über Lang oder Kurz ſich
gezwungen ſehen wuͤrden, die Geſezze des
Siegers anzunehmen; Allein ſie unterſtanden
ſich nicht, ihrem Herrn ihre Meinung zu ers
kennen zu geben, wiewohl ‚fie öfters. ſehen
mußten, daß ihre eigenen ManEoeNbenen zu
Sklaven gemacht wurden. |
Als die Sachen in dieſem Zuſtande wa⸗
en, ſahe der Ynka die zwanzigtauſend Mann
inkommen, welche er von ſeinem Vater ver⸗
ange hatte. So wie die Armee des Ynka
urch dieſe Verſtaͤrkung neuen Muth bekam;
d wurde hingegen die Hoffnung und der
Stolz des groſſen Chimu durch die Nach⸗
icht davon aͤußerſt niedergeſchlagen. Er ſa⸗
e die Macht des Ynka, eben als er fie ih⸗
em Ende nahe zu ſeyn glaubte, verdoppelt;
nd zog in Erwaͤgung, daß dieſe neue Huͤlfe,
elche der Feind bekommen, „den Muth der
einigen, die ohnedem nur noch, um ihm
ı gefallen, geſtritten hatten, gänzlich nie⸗
erſchlagen wuͤrde. In der That ſahe er
uch bald darauf ſeine angeſehenſten Verwand⸗
n zu ſich kommen, welche ihm vorſtellten,
fi fie es fuͤr hoͤchſt gefaͤhelich hielten, dem
nka laͤngern Widerſtand zu thun; ihre
he Feinde bereicherten ſich mit
ben
Viertes Buch. 63
64 Viertes Buch.
ihrem Raube; ſie führten ihre Weiber und
Kinder gefangen hinweg, und wenn er die
Friedensvorſchlaͤge des Ynka noch ferner vor
der Hand wieſe, ſo wuͤrde dieſer Prinz ihnen
vielleicht die Gnade nicht wiederfahren laſſen,
die er andern Voͤlkern erzeigt, ſondern iht
Land mit Feuer und Schwerd verwuͤſten,
und ſie gaͤnzlich aufreiben.
Der ſtolze Chimu erſtaunte über dieſt
Vorſtellungen der Seinigen ſehr; und wei
er in der That keine fernern Huͤlfsmittel fa
he, beſchloß er in ſeinem Herzen, die nad)
ſten Vorſchlaͤge, welche ihm der Prinz wie
der thun wuͤrde anzunehmen. Doch wolte
er ſelbſt ſie nicht thun, noch das Anſehen
haben, als ob er den Frieden wuͤnſche: Ci
antwortete den Seinigen vielmehr; „Es
fehle ihm weder an Hoffnung noch an Huͤlfs;
mitteln, dem Ynka zu widerſtehen, und den
Krieg auf eine ruͤhmliche Weiſe zu endigen,
wenn fie nur wieder ein Herz faſſen wol
ten: Sie wären verbunden für ihr Vater
land und Freyheit zu fechten; ſie ſolten ſich
alſo von der ruͤhmlichſten Tapferkeit ihre
| Vor⸗
Viertes Buch. 65
Vorfahren nicht entfernen: Das Kriegsgluͤck
ſey unbeſtaͤndig und heute dieſem „ morgen
enem guͤnſtig: Wenn der Feind ihre Wei⸗
der und Kinder gefangen hinweg fuͤhrete, fo
olten fie bedenken, daß ſie auch Gefangene 1
enug gemacht hätten; er würde auch wiffen, N
je wieder in Freyheit zu ſezzen: Uibrigens
önnten fie ſich auf ſeine Worte verlaſſen,
hre allgemeine Erhaltung ſey ihm lieber,
ie ſelbſ t Nee
Mit dieſem Troſte und ſchwachen Hoff⸗
ungen ließ der groſſe Chimu fein i Leute
ieder von ſich „war aber ſehr beftürge, ſie a
niedergeſchlagen zu ſehen. Er fejteden 10
rieg dennoch, ſo gut, als es ihm möglich N
ar fort, bis ihm der Prinz von neuem Ab⸗ 5 1
ordnete ſchickte, um ihm noch einmal Ver⸗
ſſenheit des Vergangenen und ſeine Freund⸗
aft anzubieten, wenn er ſich ergeben wol⸗
Ob dieſes gleich eben das war, was
himu wuͤnſchte, ſo ließ er ſich doch von
nem geheimen Vorſazze nichts merken. Er
twortete den Abgeordneten; Ob er fuͤr ſei⸗ | 10
Perſon gleich der Mann nicht ſey, der c u
II. Theil. E auf 0
66 Viertes Buch.
auf einen Vergleich daͤchte, ſo wolle er doch
izt die Neigung ſeiner Unterthanen zu Ras
the ziehen, und ſich darnach richten. Ei
ließ um deßwillen ſeine vornehmſten Haupt
leute und Verwandten zuſammen kommen,
und trug ihnen das Erbieten des Pnka vor
Er ſagte ihnen; fie ſolten reiflich überlegen
was izt das Vortheilhafteſte zu thun feat
und verſicherte ſie, wenn ſie es fuͤr gut hiel
ten, ſich dem Puka zu unterwerfen, f
wurde“ er ihre Zufriedenheit feinem: eng
Wille vorziehen. 0 \
DIE Hauptleute und Wear er
freut ihrem Herrn ſo reden zu hoͤren, ſtimm
ten ſalle einmüthig dahin, daß er das Erbie
ten das Yuka unverzüglich annehmen, un
ſich ſeiner Gnade zu verſichern ſuchen ſolle
Um ichen zu zeigen, daß er entſchloſſen fen
ihren Willen zu thun, ſchickte er Abgeord
nete an den Prinz Inka Pupanqui, ur
ihn in ſeinem Namen zu bitten, daß er ihn
und ſeinen Unterthanen eben die Gnade wie
derfahren laſſen möchte, welche die Ynka
andern uͤberwundenen Voͤlkern erzeigt haͤtken
e
0
Viertes Buch. 67
Er bekenne, daß er der einzige Schuldige
ſey; weil feine Unterthanen ſich nur aus Ges
horſam gegen ihn, ihrem Uiberwinder wider⸗
ſezt hätten, Er verſpraͤche aber durch ſein
uͤnftiges gutes Verhalten, ſeinen begangenen
Fehler wieder gut zu machen. 1950 Ti
Dieſe Geſandſchaft war dem Prinz deſto
ingenehmer, weil er befürchtet hatte, daß
Thimu es auf das Aeußerſte würde ankom⸗
nen laſſen. Er empfing alſo die Abgeſand⸗
en ſehr gnaͤdig, und ſagte ihnen; ſie ſolten
u ihrem Curaka zurückkehren und ihn zu
om bringen, damit fie zugleich nebſt ihm ih⸗
e Verzeihung aus dem Munde des Vnka
oͤren, und von ſeinen eigenen Haͤnden die
Vohlthaten empfangen moͤchten, die er ih⸗
en zugedacht haͤtte. Chimu war über dies
gnaͤdige Erklärung ſehr erfreut: Er begab
ch alsbald zum Prinzen, unterwarf ſich in
en demüthigſten Ausdrücken und fiel ſogar
or ihm nieder, indem er die Bitte wieder⸗
olte, welche ſeine Geſandten in ſeinem Na⸗
en hatten thun muͤſſen. Der Prinz ſuch⸗
ihm den Kummer zu benehmen, worinne
* en er
7 LM MÄDNM MEE
68 Viertes Buch.
er ihn ſahe; er redete ihn daher ſehr gnaͤdie
an und befahl zween von ſeinen Hauptleuter
ihn aufzuheben und nachdem er ſich lange
Zeit mit ihm unterhalten, verſicherte er ihn,
daß er alles Vergangene verziehe. Uibrigent
ſey er nicht gekommen, ihn ſeines Landes zi
berauben, ſondern nur, eine beſſere Religior
und beffere Geſezze darinne einzuführen. E
ſezze ihn daher in den vollkommenſten Beſi
ſeiner Staaten wieder ein; mit der Bedin
gung, daß er alle Goͤzzen abſchaffen, die zeit
her unter der Geſtalt der Fiſche und andere
Thiere darinne waͤren angebetet worden; daf
er, nebſt ſeinen Unterthanen die Sonne an
bete, und feinem Vater diene. Chimu war
ſich vor dem Prinzen zum zweyten Male nie
der und antwortete: Daß er ſich gluͤcklich
ſchaͤzze, einem fo gütigen und großmürbiger
Könige zu gehorchen, und daß er alles, wat
ihm der Prinz in Anſehung der Religion,
der Geſezze und der Gebraͤuche befoͤhle, au
das genaueſte beobachten wuͤrde.
Der Friede ward auf dieſe Bedingungen
geſchloſſen und der Ynka gab dem Chimu
und
Viertes Buch. 69
und ſeinen Edeln koſtbare Kleider. Hierauf
beſahe er die Thaͤler ſeines Landes; ließ
Vorrathshaͤuſer fuͤr die Einkuͤnfte der Son⸗
te und des Ynka anlegen; gab einige Waſ—
erleitungen an, wodurch die fruchtbaren Laͤn⸗
jereyen ſehr vermehret wurden und ließ end:
ich in der Provinz Paramunka ein veſtes
Schloß von bewundernswuͤrdiger Bauart an⸗
egen. Es wurde nach der Landesart mit
len möglichen Zierrathen ausgeſchmuͤckt und
te ſowohl zu einem Denkmale der daſelbſt
rhaltenen Siege, als auch zu einem Auf—
nthalte, der eines Koͤniges würdig waͤre,
ienen. Der Prinz beſtimmte hierauf gewiſ-
Perſonen, welche die Gerechtigkeit und die
infünfte der Sonne und des Koͤniges ver⸗
alten ſolten, legte Beſazzungen in die dazu
quemen Oerter und kehrte zu feinem Va⸗
r zuruͤck, von welchem er mit eben den Fey⸗
lichkeiten, wovon wir ſchon mehrmals gere⸗
t haben, empfangen wurde. Der Chimu
er beherrſchte fein Land unter dem Schuz
s Ynka mit der größten Zufriedenheit.
N 28 ar
— ML MÄNN ME n
—
70 Viertes Buch.
Eilftes Kapitel. 0
N Thaten des Vnka Pachakute
bis an ſeinen Tod.
Der Ynka Pachakutek hatte zu ſeinen
Reiche ein Land von hundert und dreyßi,
Meilen in die Länge und ſechzig Meilen i
die Breite hinzugefuͤgt. Er war mit dieſe
Eroberungen zufrieden und wendete den Uiber
reſt ſeiner Jahre auf die Verbeſſerung un
Verſchoͤnerung feines Reichs. Er erbauet
viele Städte, wo ſonſt keine geſtanden hat
ten, und machte durch Kanäle und Waſſer
leitungen duͤrre Wuͤſteneyen fruchtbar. G
ließ an den groſſen Landſtraſſen noch mehrer
Vorrathshaͤuſer und Zeughaͤuſer fuͤr die, ü
den Krieg ziehende Truppen anlegen ut
auch koͤnigliche Pallaͤſte zum Aufenthalte de
Vnkas dabey erbauen. Er befahl auch i
allen Staͤdten ohne Unterſchied Vorraths
haͤuſer anzulegen, und fie von den Einkünf
ten der Sonne und des Ynka anzufüllen
um daraus den Unterthanen, im Falle de
Noth beyzuſtehen. Er vergröfferte die Stad
Cusko und zog viele Einwohner dahin un
ließ ſich, nahe bey der Schule, welche Yn—
ka Roka geſtiftet hatte, einen fchönen Pal⸗
laſt bauen und machte es zum Geſezze, daß
Jedermann die Hofſprache, oder die Sprache
von Cusko lernen ſolte. Zu dem Ende ver⸗
mehrte er nicht nur die Lehrer in obener⸗
waͤhnter Schule, ſondern er ſtiftete auch ſol⸗
che Schulen in den vornehmſten Städten als
ler Provinzen und befezte fie mit Leuten, wels
che in den Geſezzen und Gebraͤuchen der
Ynkas vollkommen erfahren waren. Es konn⸗
fe auch niemand zu einem öffentlichen Amte
gelangen, welcher dieſe Sete a voll⸗
kommen redete. 8
Der Nnka Pachakutek 1 0 doch 15
je Zeit in ungeftörter Ruhe: in allem aber
äber funfzig Jahr. Er ward von allen ſei⸗
zen Unterthanen aufrichtig geliebt und ſtarb
n einem hohen Alter eben fo herzlich von
Allen betrauert. Sein Leib ward balſamirt,
as Leichbegaͤngniß mit feinen Ceremonien
ind die Trauer um ihn, waͤhrete nach der
hergebrachten Gewohnheit, ein ganzes Jahr.
Sein Nachfolger auf dem Throne war ſein
ihn. € 4 aͤlte⸗
Viertes Buch. un
| b 9 0 72 Viertes Buch.
aͤlteſter Sohn der Ynka Yupanqui, welcher
er mit feiner Gemalin und Schweſter Coyc
Anahuarque erzeugt hatte. Man ſagt, daf
BEE er außer dieſem noch vierhundert Kinder ge:
7 1 habt habe.
0 Zwölftes Kapitel.
I ) Einige Geſezze und merkwürdige Spruͤche
1 des Pnka Pachakutek.
Och muß noch Einiges von dieſem Ynka
* anführen, welches ich in den Schriften
eines ſpaniſchen Schriftſtellers gefunden ha;
be, und das mir merkwuͤrdig geſchienen hat.
Es iſt der ehrwuͤrdige Pater Blas Valera,
deſſen Schriften ich ſchon zu mehrern Ma—
len genuzt habe, welcher von dieſem, bey
den Peruanern fo hochgeachteten Ynka, außer
dem ſchon erwehnten, folgendes erzähle:
Der Pnka Pachakutek verordnete, daß
außer den Prinzen vom Gebluͤte und ihren
Soͤhnen, kuͤnftig niemand Gold, Silber, Edel—
ſteine, bunte Federn oder Kleider von der Wol—
le der Vikunhas, oder wilden Ziegen, tragen
ſolte: daß ſich Jedermann an den Tagen des
Neu⸗
Viertes Buch. 73
Neuen⸗ oder Vollenmondes und den übrigen
Feſttagen vorzüglich gut kleiden ſolle: daß
ſeine Unterthanen im Eſſen maͤßig ſeyn ſol⸗
ten; in Anſehung des Trinkens aber ſchrieb
er ihnen nichts vor: Er verordnete beſonde⸗
re Richter gegen die Landſtreicher und Faul—
lenzer; ſogar den Blinden, Samen und Stum⸗
men wurde ſolche Arbeit angewieſen „ die fie
verrichten konnten: Alte Leute, die zu keiner
Arbeit mehr geſchickt waren, und auf oͤffent⸗
iche Unkoſten gekleidet und ernaͤhret wurden,
nußten wenigſtens die Vögel von dem Ge
rade verſcheuchen: Alle Monate waren drey
Feſttage verordnet, welche unter öffentlichen
uſtbarkeiten zugebracht wurden. Er befahl
erner, daß die Landleute alle neun Tage in
ie Staͤdte kommen ſolten, um zu hören und
u ſehen, was der Pnka und fein Staats—
ath für Einrichtungen gemacht haͤtte: den
ewoͤhnlichen oͤffentlichen Markt, welchen man
zatu nennte, ließ er täglich, die groſ⸗
n Maͤrkte aber an den Feſttagen halten:
lußerdem gab er einen offentlichen Befehl
raus, daß jede Provinz ihre beſtimmten
ni Es Graͤn⸗
74 Viertes Buch.
Graͤnzen, und jede Stadt ihr bezeichnetes
Gebiete haben ſolte, in welchem die Berge,
Felder, Viehweiden, Gehoͤlze, Fluͤſſe und
Seen, die ihr zugehörten begriffen, und ih:
rer Gerichtsbarkeit unterworfen waͤren: Die
Felder mußten nach dieſer Verordnung gleich
getheilt werden, und die Bearbeitung derſel,
0 ben, mußte auch nach einer gewiſſen Orb:
Ki nung geſchehen. Dieſes waren die wichtig:
ſten Einrichtungen, welche dieſer Ynka machte,
Eben dieſer ſpaniſche Schriftſteller, hat
einige merkwuͤrdige Sprüche des Ynfa Pas
14 N chakutek aufgezeichnet, wovon keiner zur
ul | Probe dienen ſollen: 4
3 \ Ein Reich genieſſet innerlich die balken
N. menſte Ruhe, wenn Unterthanen, Hauptleu⸗
9 te und Curakas ihrem Koͤnige gern und von
| Herzen gehorchen.
| I Der Neid iſt ein Wurm, welcher 0
N Eingeweide der Neidiſchen verzehrt.
| } Es iſt beffer, daß Du von Andern bene
Im det wirft, weil Du ein ehrlicher Mann biſt
als wenn Du aus Bosheit Andere beneid
teſt. 8 n een ee
Viertes Buch. 75
Einen Andern beneiden, 0 ſich Top
Schaden thun.
Wer einen Neid es einen ebeti chen
Mann hegt, findet bey ihm ſein eigenes
Verderben; Gleichwie die Spinne Gift aus
den ſchoͤnſten Gewaͤchſen ziehet.
Die Trunkenheit, der Zorn und die 11 5
heit gehen beynahe einen Weg; nur daß die
beyden Erſten eine kurze 15 die Lezte aber
1 dauert.
Derjenige verdammt ſ m ſabſt zum To⸗
5 1 welcher einen Andern Ba Urſache und
Befehl tödrer.
In einem wohlengeriheren . muß
man nie die Riedertraͤchtigen dulden, welche
ihren Unterhalt ehrlich erwerben koͤnnten,
und doch aus Liebe zum Muͤßiggange ſteh⸗
len. Es iſt alſo vernünftig, Bube mit a
Zode zu beftrafen.
Die Ehebrecher, welche dos e und
die Ehre Anderer beflecken, und alſo die
Ruhe und den Frieden in den Familien ſtö⸗
ren, muͤſſen für Räuber gehalten, und ohne
n mit dem Tode beſtraft werden.
®
92 Ein
|
76 Viertes Buch.
Ein edles und großmuͤthiges Herz erken⸗
net man an Geduld und Standhaftigkeit im
Ungluͤck.
Die Ungeduld iſt das Zeichen eines nie⸗
drigen Herzens, welches ſchlecht unterrichtet
iſt, und boͤſe Gewohnheiten angenommen hat.
Die Könige und Statthalter muͤſſen ger
gen gehorſame Unterthanen gnaͤdig ſeyn, die
Ungehorſamen aber ohne Nachſicht ſtrafen.
Boͤſe Richter, welche Geſchenke nehmen,
muß man als Raͤuber anſehen, und mit dem
Tode beſtrafen.
Die Statthalter in den Provinzen, müf
ſen vornemlich auf zwey Dinge ſehen. Erſt⸗
lich, daß ſie ſelbſt die Geſezze und Befehle
ihres Oberherrns genau beobachten, und ſie
auch von Andern beobachten laſſen. Zwey⸗
tens, allezeit gute Raͤthe zu haben, welche
mit Sorgfalt und Wachſamkeit auf das Be⸗
ſte des Landes und ſeiner Einwohner insbe⸗
ſondere ſehen.
Ein Menſch, welcher nicht Verſtand ge⸗
nug hat, ſein eigenes Hausweſen gut einzurich⸗
ten, wird die Angelegenheiten des Staats
noch
Viertes Buch. 77
noch weniger verwalten konnen. Man muß
en alfo nicht über, Andere ſezzen:
Ein Arzt, welcher die Eigenſchaften der
Pflanzen nicht kennet, oder wenn er ſie von
Einigen kennet, nicht ſucht die Uibrigen auch
kennen zu lernen, taugt zu nichts. Will er
alſo den Tittel verdienen, welchen er fl ch
giebt, fo muß ſich feine Kenntniß auf alle
Pflanzen, ſowohl ſchaͤdliche als n er⸗
ſtrecken. 8 0
Derjenige . hab man ibn aus-
ache, welcher nach den Knoten der u
os nicht zählen kann, und doch die Sterne
im e zaͤhlen will. a
5 Dreyzehntes Kapitel.
der data Yupanqui, zehnter König
von Peru, unternimmt neue Erobe⸗ 5
Agen. „ una ,
Ne der Prinz Ynka 1 das
Leichenbegaͤngniß ſeines Vaters gehalten,
nd durch Umlegung der Binde von rothen
Schnuren feyerlich vom Reiche Beſt iz genom⸗
nen, ſo beſuchte er alle ſeine Laͤnder, wo⸗
der j mit
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78 Viertes Buch.
mit er drey Jahre zubrachte. Einige Zeit
nach feiner Zuruͤckkunft überlegte er mit ſei⸗
nen Raͤthen, ob er das Land der Antis, wel⸗
ches Cusko gegen Morgen liegt, zu ober
ſuchen ſolte. Das groſſe Gebürge, welches
von dieſer Seite das Reich der Ynkas be
gräͤnzt, iſt zu allen Jahreszeiten ſo mit
Schnee bedeckt, daß es unmöglich iſt, hin⸗
über zu kommen. Der Pnka ließ alſo einen
Fluß aufſuchen, welcher ſein Heer von We⸗
fen nach Oſten führen koͤnnte.
Der Pnka hatte gehört, daß das weit⸗
läuftige Land, welches jenſeit dem Schneeges
buͤrge liegt, nicht allenthalben gleich bewohnt
ſey, und daß es da viel Berge, Seen und
Moraͤſte gabe, welche einen Theil davon un⸗
zugänglich machten. Zugleich hoͤrte er, daß
die beſte Gegend dieſes Landes von den Mus
zus bewohnt würde, welche die Spanier ige
10s Moxos nennen; und daß man auf einem
groſſen Fluſſe, welcher von Cusko nach
Oſten zu gehet, dahin gelangen könnte. Es
find fünf ziemlich groſſe Flüſſe, welche ſich
vereinigen, und alsdann den Namen Ama⸗
rumayn
Viertes Bu 79
rüumayu annehmen. Seine Tiefe und die
Schnelligkeit ſeines Stroms zeigten an, daß
fein Lauf ſich . ſehr weit erſtrecken muͤſſe, ob
fin Ausfluß ins Meer gleich damals unbe⸗
zannt war. Die Spanier haben ihn in der
ſolgenden Zeit Rio de la Plata genennt, wel⸗
hes ſo viel bedeutet, als der Silberfluß.
Man ſagt er habe feinen Namen von fols
zender Begebenheit bekommen: Als die Spa⸗
tier zuerſt auf dieſem Fluſſe ankamen, frage
en ſie die Eingebohrnen, ob es hier Silber
1 Dieſe antworteten; ſie wuͤrden in der
egend, wo dieſer Fluß entſpraͤnge, viel
'on dieſem Metalle finden; ob es gleich in
er That keines da giebt. Nach dem Fluſſe
Drellana muß man ihn fuͤr den groͤßten hal⸗
en, die in dem ganzen ſuͤdlichen Amerika
kannt find. Die Einwohner nennen ihn
Parahuay. Iſt dieſes ein peruaniſches Wort,
o heißt es: fo viel als: Laſſet mich regnen;
sit es aber aus einer andern Sprache, fo:
ſt mir ſeine Bedeutung unbekannt. Den
Namen Amarumayu hat man ihn wegen *
einer Groͤſſe gegeben: Denn Mapu bedeu⸗⸗ A
8 f tet,
80 Viertes Buch.
tet, Fluß, und Amaru nennet man die
größte Art der Schlangen, welche auf Die
ſem Gebuͤrge angetroffen werden.
Der PYnka glaubte, daß fein Heer auf
dieſem Fluſſe in das Land der Muzus ein:
dringen koͤnne; denn zu Lande hielt er es
für unmoglich. Er ließ alſo eine unglaubli
che Menge von ſolchen Baͤumen faͤllen, wel:
che die Europaͤer Feigenbaͤume nennen, wei
ihr Holz eben ſo weich und geſchmeidig iſt,
als das Holz der Feigenbaͤume „ wiewohl ſie
gar keine Frucht tragen. Zwey Jahre wur⸗
den damit zugebracht, ſolche Baͤume niederzu⸗
hauen, und Kaͤhne und Floͤſſen daraus zu ınaz
chen. Hierauf ſchiffeten ſich zehntauſend Mann
mit allein noͤthigen Mund⸗ und Kriegsvor⸗
rathe darauf ein. In der Mitte jedes Fahr⸗
zeuges war eine Elenhohe Erhoͤhung, auf
welche man dasjenige brachte, was von
dem Waſſer verdorben werden konnte. Der
Ynka hatte den Feldherrn, den Unterfeld⸗
herrn und alle Hauptleute aus den Ynkas
von koͤniglichem Gebluͤte erwaͤhlt. Dieſe gin⸗
gen nun mit ihren auf den Fahrzeugen ein⸗
geſchiff⸗
Viertes Buch. 81
Er erſtlich zu den Chunkus, welche bey⸗
e Ufer des Fluſſes bewohnten, mit welchem
3 Gefechte hatten. Dieſe Barbaren
hoſſen eine groſſe Menge langer Pfeile auf
e ab, wenn ſie an das Land treten wolten.
die waren im Geſichte, an den Armen, Bei⸗
en und dem ganzen Leibe mit Flecken von
ancherley Farben gezeichnet, vermuthlich,
eil ſie wegen der Sonnenhizze nackend gin⸗
n. Auf den Koͤpfen trugen ſie Sederbitz
je von Papageyen und andern Voͤgelfedern.
A vielen Eleinen Treffen und Unterhand⸗
agen verſprachen fie endlich „ ſich dem Yn⸗
Dupanqui zu unterwerfen, und ſchickten
n, als einen Tribut, verſchiedene Arten
ı Affen » Papageyen, Honig, Wachs und
e Menge andere Dinge, welche ihr Land
vor bringet. Sie fuhren damit fort, bis
den Tod des Tupak Amaru, den lez⸗
‚Inka dieſer Gegend, welchem Dom Fran⸗
o de Toledo den Kopf abſchlagen ließ.
ige Chunkus gingen mit den Abgeſand⸗
nach Cusko und baten den Ynka Pu⸗
. Theil. F panqui,
chifften Heere den Fluß hinab „und ge⸗
92 Viertes Buch.
panqui, daß er ihnen erlauben moͤchte, ein
Stadt, nicht weit von Tono, und ſechs uni
zwanzig Meilen von Cusko, zu bevoͤlkern
Dieſe Bitte ward ihnen zugeſtanden, und ih
re Rachkommen bewohnen fie noch beftändig
Nachdem die Ynkas dieſes Volk zur
Gehorſam gebracht, fo gingen fie weiter, un
bezwangen noch verſchiedene andere Volker
bis ſie in das Land der Muzus kamen, we
ches zweyhundert Meilen von Cusko gege
Oſten iſt: Die Einwohner deſſelben find ſel
kriegeriſch.
Es wird von den Ynkas a e g
glaubt, daß ihre Truppen in geringer a
zahl in dieſem Lande angekommen ſind; de
fie ſich bemuͤhet haben, die Muzus zu uͤbe
zeugen; Ihr eigener Vortheil erfodere e
dem Ynka zu gehorchen; daß fie ihnen ve
geſtellt haben: Er ſey der Sohn der Sonn
ſein Vater habe ihn auf die Erde geſand
die Menſchen zu lehren, wie man vernünft
leben muͤſſe. Ihre Vorſtellungen haͤtten au
einen folchen Eindruck auf die Muzus gemad
daß ſie ihnen eine weitlaͤuftige Erfläru
v
Viertes Buch. g 83
50 ihren Geſezzen und Gebraͤuchen gegeben
und ihnen die Geſchichte ihrer Beherrſcher,
nd wie ſich die meiſten Völker ihnen frey⸗
willig unterworfen, ausfuͤhrlich erzähle haͤt⸗
ten. Die Muzus haͤtten ſich hierauf ent⸗
ſchloſſen, mit den Ynkas in Buͤndniß und
Freundſchaft zu treten; ihnen alle Dienſtge⸗
fälligfeiten, die fie nur konnten, zu leiſten,
ihre Geſezze, Gebräuche und Religion anzu⸗
nehmen; aber fie haͤtten ſich nicht als Un⸗
kerthanen dem Ynka unterwerfen wollen,
weil ſie nicht durch die Waffen waren über⸗
vunden worden. Man waͤre auf dieſe Be⸗
dingungen uͤbereingekommen und die Mu⸗
us haͤtten den, von jener Armee noch übri—
zen tauſend Mann, erlaubt, ſich unter ih⸗
ten niederzulaſſen, und ſich unter ihren Toͤch⸗
ern Weiber zu nehmen. Nach dieſer Ver⸗
indung ſchickten fie Abgeſandte nach Cusko,
im den Pnka, als den Sohn der Sonne,
nzubeten und das Freundſchaftsbuͤndniß,
pelches fie mit feinen Unterthanen gemacht,
eſtaͤtigen zu laſſen. Der YVnka nahm fie
ihr wohl auf und befahl, daß man ihnen
ne F 2 5 eine
e —————ä K —
84 Viertes Buch.
eine. hinlaͤngliche Kenntniß von ſeinem Hofe,
ſeinen Geſezzen, ſeiner Religion und ſeiner
Lebensart ertheilen ſolle. In allen dieſen
Sachen wohl unterrichtet, kehrten die Mus
zus ſehr zufrieden wieder zuruck. Dieſes
Bündniß dauerte bis zu der Ankunft der
Spanier in Peru und die Muzus haben
noch izt eine groſſe Ehrerbietung gegen die
Nachkommen der Pnkas, welche ſich damals
bey ihnen niedergelaſſen haben.
Vierzehntes Kapitel.
| FVergeblicher Verſuch des Ynka upan—
qui die Chirihuanas zu einer vers
nuͤnftigen Lebensart zu
bringen.
Vier Jahre nach dieſem Feldzuge gegen die
Muzus beſchloß der Vnka Yupanqui eis
nen Verſuch gegen die Chirihuanas zu ma—
chen; ein Volk, welches eine groſſe Landſchaft
in dem Gebürge Andes, der Landſchaft Char⸗
kas gegen Oſten, bewohnt. Weil man aber
noch wenig Kenntniß von dieſem Lande hatte,
ſo ſchickte der Ynka Kundſchafter dahin, um
ſowohl
Viertes Buch. 95
En die Lage des Landes, als auch die
Sitten der Einwohner zu erfahren, damit er
deſto beſſer wiſſen möchte, was er fuͤr Vor⸗
bereitungen und Zuruͤſtungen zu einem fol
chen Feldzuge machen müſſe ? d am
Bey ihrer Rückkunft berichteten dieſe
Kundſchafter; daß das Land ſchlecht, voller
Berge, Abgründe und Moraͤſte ſey; daß der
Boden an den mehreſten Orten ſo unfrucht⸗
ar ſey, daß man ihn gar nicht zum Acker⸗
au gebrauchen könne; und daß die Einwoh⸗
er nackend, ohne Staͤdte und Doͤrfer gleich
en wilden Thieren lebten, keine Gottheit
nbeteten, keine Regierungsart haͤtten, Men⸗
henfleiſch aͤßen und weder Geſezze noch Ehe⸗ |
and kenneten. Kurz, fie wären die wilde:
en unter allen Menſche. 0
Nachdem der gute Ynka Pupanqui die
n Bericht der Kundſchafter angehoͤrt hatte,
endete er ſich zu ſeinen Onkeln, Bruͤdern
id andern Anverwandten, und ſagte: & Es
gewiß, daß unſere Verbindlichkeit ein
olk zu Annehmung unſerer Sitten zu brin⸗
n niemals fo ſtark geweſen ift, als izt, bey
W 5 3 den
—
F — —„—
— —
86 Viertes Buch.
den Chirihuanas. Dieſes Volk muͤſſen wir
von feiner äußerftsthierifchen Lebensart abbrin⸗
gen, und ihm menſchliche Sitten geben:
denn hierzu hat uns mein Vater, die Son⸗
ne auf die Erde geſandt. Hierauf befahl
er daß ſich zehntauſend Mann zu dieſem
Feldzuge bereit halten ſolten und gab ihnen
die geſchickteſten und erfahrenſten Anfuͤhrer
und Hauptleute, welche insgeſamt aus dem
koͤniglichen Geſchlechte der Ynkas waren. Als
dieſe im Lande der Chirihuanas angekommen
waren und die Unfruchtbarkeit deſſelben ſahen,
gaben ſie dem Koͤnige Nachricht davon, und
baten, daß man ihnen Lebensmittel zuführen
möchte, weil in dieſem Lande in der Tha
weniger zu finden waͤre, als man vermuthe
haͤtte. Der Ynka verſorgte fie uͤberfluͤßit
und die Hauptleute ſowohl, als die Solda
ten wendeten alle ihre Klugheit und Kräft
an, um dieſem Unternehmen einen glückliche
Ausgang zu verſchaffen. Allein zwey Jahre
welche ſie mit dieſem Bemuͤhen zubrachten
ohne das geringſte ausrichten zu koͤnnen, über
zeugten ſie hinlaͤnglich; daß die mehreſtet
| Gegen
Viertes Buch. 87
Gegenden dieſes Landes eben ſo unzugaͤnglich,
als feine Einwohner unfähig wären, irgend
eine Verbeſſerung der Sitten anzunehmen.
Sie gaben dem Puka von dieſen Umſtaͤnden
Nachricht, und er ſahe ſich genoͤthiget feine
Truppen, ohne ſeinen Hauptendzweck erreicht
zu haben, zurück zu rufen. Dennoch behau—
pten die Ynkas, daß die Chirihuanas, durch
den Aufenthalt ihrer Armee in dieſem Lande,
einen Theil ihrer Wildheit abgelegt und ger
lernt haͤtten, Huͤtten und Haͤuſer zu bauen
und beyſammen zu wohnen; da ſie vorher,
gleich den wilden Thieren zerſtreut auf den
Gebuͤrgen in Hoͤhlen und Kluͤften ſich aufge⸗
halten. Sie bauen lange, offene Hallen, die
in viele kleine Huͤtten abgetheilt ſind; in die⸗
ſen wohnen ſie beyſammen und jede dieſer
Hallen ſtellet ein Dorf vor.
Dieſes Volk lebt noch in ſeiner Wildheit
und Ungezaͤhmtheit. Der ſpaniſche Vizekd⸗
nig Dom Franzisko de Toledo hat mit grof
fen Zurüftungen und einer ziemlich betraͤcht⸗
lichen Armee einen Verſuch gemacht, ſie zu
uasochenz allein er ward gezwungen, ſich
- 3 35 4 mit
88 Viertes Buch.
mit groſſem Verluſte zurück zu ziehen und
entging mit Noth dieſem wilden Volke.
Funfzehntes Kapitel.
Zuruͤſtungen des Dnfa Hupanqui das
Land Chili zu erobern.
Obgleich die Unternehmung des Ynka Yu⸗
panqui auf das Land der Chirihuanas
keinen gluͤcklichen Erfolg hatte, ſo dachte er
dennoch auf mehrere Eroberungen. Das
Staatsſyſtem der Ynkas war auf die Maris
me gebaut, immer mehrere Voͤlker zu be
zwingen, und fie in ihrer Religion und Sitz
ten zu unterrichten, und die Groͤſſe ſelbſt,
wozu ihr Reich und ihre Macht gelanget
war, machte dieſes nothwendig. Sie muß⸗
ten ihre Unterthanen, welche alle nach der
Reihe Kriegs dienſte zu thun pflegten, be
ſchaͤftigen; und ihre groſſen Einfünfte, wel:
che in Mund» und Kriegsvorrath, Waffen,
Kleidern und dergleichen beſtanden, anwen⸗
den; welches ſie beynahe auf keine andere
Art, als bey neuen Eroberungen thun konn⸗
ten. Alle Länder und Königreiche, die ihnen
unter⸗
Viertes Buch. 89
unterworfen waren, mußten jährlich einen
gewiſſen Tribut von allen dieſen Dingen ge⸗
ben: Gold und Silber aber gaben fie nicht,
außer wenn es ausdrücklich, zur Verſchöne⸗
rung der Tempel und königlichen Pallaͤſte
verlanget ward. Da ſich nun der Ynka
Dupanqui von allen feinen Unterthanen ge⸗
liebt ſahe, und an allem was zu einem
Kriegszuge gehoͤrt, einen groſſen Uiber fluß
hatte, beſchloß er das weitlaͤuftige Land Chili
u erobern. Er trug dieſes Vorhaben ſei⸗
nem Staatsrathe vor, und machte alle ndͤ⸗
thige Vorbereitungen dazu. Er beſtellte hier⸗
auf die noͤthigen Miniſter zur Negierung des
Staats und Handhabung der Gerechtigkeit
in Cusko, und begab ſich nach Atakama,
welches, nach Chili zu, die aͤußerſte Provinz
fe, die von den Ynkas war beſezt und be⸗
vͤlkert worden. Weiter gegen Mittag zu
ft eine groſſe Wüfte, welche man nothwen⸗
dig zurück legen muß, ehe man nach Chili
zmmt. Zu Akakama fertigte er viel Kund⸗
chafter ab, welche den bequemſten Weg ſu⸗
er und alle Schwierigkeiten bemerken ſol⸗
eee F 5 ten,
— # GEGEN — —
„ —AB——BBB —
welche ihnen folgten, wiſſen möchten, wo
90 Viertes Buch.
ten, damit man in Zeiten ſich auf Gegen⸗
mittel gefaßt machen und fie heben, oder er-
leichtern koͤnne. Diejenigen, welche dieſes
verrichteten, waren ſelbſt von dem Geſchlech⸗
te der Ynkas, weil der König fi) auf kei—
ne Andere, wegen einer ſo wichtigen Sache,
verlaſſen wolte. Um dieſes Geſchaͤfte deſto
beſſer und leichter zu verrichten, befahl er,
daß einige Einwohner aus den Ländern Atas
kama und Tukuman die Kundſchafter bes
gleiten, und ihnen zu Fuͤhrern dienen muß⸗
ten. Er trug ihnen hierbey vornemlich auf;
ſo wie fie fortruͤckten, ihm jeden Tag von
ihren Entdeckungen Nachricht zu ertheilen;
damit er, nach Beſchaffenheit der Sache, die
noͤthigen Einrichtungen machen koͤnne. Die⸗
fe ausgeſchickten Leute befolgten feine Befeh—⸗
le auf das genaueſte; ſie litten viel in dieſen
Einoͤden, worinne ſie aber allezeit von Wei⸗
te zu Weite Zeichen machten, damit ſie ſich
auf dem Ruͤckwege nicht verirren, und die,
ſie ihren Marſch hingenommen haͤtten. Auf
dieſe Art legten ſie von Atakama bis Co⸗
payapu
Viertes Buch. 91
bayapu achtzig Meilen in der Wüſte zurück.
Copayapu iſt eine kleine bewohnte Landſchaft,
welche rund herum mit groſſen Wuͤſteneyen
umgeben iſt. Denn von da bis Cuquimpu
iſt noch eine andere achtzig Meilen breite
Wuͤſte. Als die Kundſchafter zu Copayapu
angekommen waren, ſo kehrten ſie mit der
größten Eilfertigkeit zuruck, um dem Ynka
ſelbſt von dem, was ſie in der Wuͤſte ent⸗
deckt hatten, Rechenſchaft zu geben. Dieſem
Berichte zufolge, beſtimmte der Ynka zehn⸗
tauſend Mann, und ſchickte ſie unter der
Anführung des Feldherrn Chinchiruka und
zweener Unterfeldherren aus dem Geſchlechte
der Pnkas ab. Er befahl auch, daß man
ihnen eine Menge Lebensmittel und Vorrath
von aller Art, auf Laſtthieren zuführen fols
te, welche groſſen Schaafen ähnlich find, und
im Fall der Noth zur Speiſe dienen konn⸗
ten „ weil ihr Fleiſch ſehr gut iſt.
Sobald der Ynka Hupanqui die erſten
zehntauſend Mann hatte marſchieren laſſen;
ſezte er andere zehntauſend Mann in den
Stand, ihnen nachzufolgen. Dieſe verſahe
* | er
93 Viertes Buch.
er auch mit allem Nothwendigen ſehr reich⸗
lich, und ließ ſie kurze Zeit darauf ihren
Marſch antreten; ſowohl jenen zu Hülfe zu
kommen, als auch die Feinde in Furcht zu
ſezzen. Als das erſte Heer in der Nachbar⸗
ſchaft von Copayapu angekommen war,
ſchickte der Feldherr, nach der Gewohnheit
der Ynkas, Botſchafter an die Einwohner
ab, welche ſie auffodern mußten, ſich dem
Sohne der Sonne zu unterwerfen, und feis
ne Religion und Geſezze anzunehmen. Sie
mußten hinzuſezzen, daß dieſe Unterwer⸗
fung alsbald und freywillig geſchehen muͤſſe;
da ſie doch zulezt, entweder im Guten oder
mit Gewalt dem Ynka gehorchen muͤßten,
welcher der Herr der vier Theile der Welt
ſey. Dieſe Auffoderung erbitterte die Ein⸗
wohner von Copayapu, und ſie griffen zum
Waffen, um den Ynkas den Eingang in ihr
Land zu verwehren. Dennoch fielen zwiſchen
beyden Partheyen nur einige leichte Gefechte
vor, bey welchen die Feinde mehr die Tas
pferkeit der Inkas kennen lernten, als große |
fen Schaden von ihnen litten. Dieſes mach:
12 5 te
Viertes Buch. 93
te fie unentſchloſſen; weil fie ſowohl ihre Frey⸗
beit ſehr liebten, als auch voller Furcht war
ren, ſich gänzlich. ins Verderben zu ſtürzen,
wenn ſie ſich den 505 en wider⸗
. |
"erjehnte Kapitel.
. von Chili und einige Vorfaͤlle
1 mit andern Voͤlkern.
Weben der Zeit daß die Unentſchloſſen⸗
heit der Feinde noch dauerte, kam die
wote Armee an, welche der Ynka der Erſten
zuf dem Fuſſe hatte nachfolgen laffen. -Dies
e ſezte die Feinde in ein ſolches Schrecken,
aß fie ſich ohne Verzug zum Ziele legten,
veil ſie gar wohl urtheilten, daß ſie einer
o groſſen Macht nicht würden widerſtehen
oͤnnen. Als der Puka dieſes erfuhr, war
r ſehr vergnuͤgt daruͤber, daß ihm auf dieſe
Art der Weg zu der Eroberung von Chili
jeöffnet war. Denn er hatte beſorgt, daß,
s ihm ſchwer werden würde, dieſes Land,
velches durch fo groſſe Wuͤſten von dem ſei⸗
igen eee und ſo weit entfernt war,
„
1 zu
94 Viertes Buch.
zu erobern. Um ſich den erhaltenen Vor⸗
theil zu nuzze zu machen, brachte er, nachdem
er genauere Kundſchaft von jenem Lande ein⸗
gezogen, noch zehntauſend Mann zuſammen,
welche er den vorhergehenden Armeen zu Huͤl⸗
fe ſchickte. Auch dieſe verſahe er mit allem
Uiberfluſſe und ließ dem Feldherrn zu wiſſen
thun, feine Eroberung fortzuſezzen, und al
les, was er fuͤr noͤthig hielte, von ihm zu
fodern. Nach Erhaltung dieſes Beyſtandes
und dieſes Befehls, ruͤckten die Feldherren noch
achtzig Meilen, mit Uiberſteigung ungemei⸗
ner Schwierigkeiten fort, und kamen in ein
Thal, Namens Cuquimpu, welches ſich ih⸗
nen alsbald unterwarf. Hier lieſſen ſie ihre
Truppen ein wenig ausruhen, worauf fie ih—
ren Zug weiter fortſezten, und alle Voͤlker,
bis an das Thal Chili, von welchem das
ganze Land den Namen hat, bezwangen. Die
Meiſten erzaͤhlen, daß die Ynkas ſechs Jahr
mit der Eroberung dieſes Landes zugebracht.
Waͤhrend dieſer ganzen Zeit trug der Koͤnig
Sorge, daß es feiner Armee an nichts fehl—⸗
te und daß ſie von Zeit zu Zeit mit neuen
Voͤl⸗
Viertes Buch. 95
Völkern verſtärkt wurde; wodurch fie endlich
zu einer Anzahl von funfzigtauſend Mann
anwuchs, welche auf ihrem Feldzuge beſtaͤn⸗
dig eben ſo gut verſehen waren, als ob ſie
in Cusko waͤren.
Als der Feldherr das Thal Chili dem
Onka auch unterworfen hatte, gab er ihm
von dieſer Vollſtreckung ſeines Befehls Nach⸗
richt und ruͤckte, nachdem er die gehörigen
Anſtalten zu Behauptung des eroberten Sans
des gemacht, immer weiter gegen Suͤden.
Alle Volker mußten dieſem reiſſenden Stro⸗
me nachgeben, bis an den Fluß Mauli,
welcher ohngefehr funfzig Meilen vom Tha⸗
le Chili iſt. Die Laͤnge dieſes eroberten Lan⸗
des von Atakama bis an den Fluß Mauli
betraͤgt zweyhundert und ſechzig Meilen.
Mit dieſer betraͤchtlichen Erweiterung der
Graͤnzen des Reichs nicht zufrieden „ wolten
die Ynkas ihre Herrſchaft noch weiter aus⸗
breiten und gingen mit zwanzigtauſend Mann
über den Fluß Mauli. Sobald ſie an dem
jenſeitigen Ufer ſtanden, ſchickten fie Bot⸗
Pr an Dun Volk der Purumaukas und
lieſſen
E ̃ — — -
*
96 Viertes Buch.
lieſſen ſie auffodern, ſich ihrem groſſen Köoͤ⸗
nige zu unterwerfen, oder ſich zum Kriege
gefaßt zu machen. Die Purumaukas hatten
ſchon von den Ynkas gehoͤrt und waren
nebſt ihren Nachbarn, den Antullis, Pinkus
und Cauquis, die ſich mit ihnen vereinigt
hatten, entſchloſſen, ſich tapfer zu vertheidi—
gen, und lieber zu ſterben, als ihre Freyheit
zu verlieren. Sie gaben alſo einſtimmig zur
Antwort: Die Sieger wuͤrden Herren der
Uiberwundenen ſeyn. |
Drey oder vier Tage darnach wiederhol⸗
ten die Inkas die Auffoderung; allein die
Feinde, deren Anzahl ſich ohngefehr auf
zwanzigtauſend Mann belaufen mochte, tha⸗
ten hierauf nichts, als daß. fie ſich im Anger
ſicht der Ynkas lagerten. Als dieſe ihre
Auffoderung zum dritten Male wiederholten
und bey Sonne und Mond ſchwuren, daß
fie nicht kaͤnen, die Purumaukas ihres Lan⸗
des und ihrer Güter zu berauben; ſondern
ſie eine beſſere Religion und beſſere Sitten
zu lehren, wenn fie den Ynka für ihren Koͤ⸗
nig wuͤrden erkannt haben; ſo gaben die Pu⸗
rumaukas
Viertes Buch. 97
rumaukas unerſchrocken zur Antwort: Sie
haͤtten ſich hier nicht mit andern tapfern Voͤl⸗
kern vereinigt, um die Zeit mit vergeblichen
Geſpraͤchen zuzubringen, ſondern um zu ſchla⸗
gen; die Ynkas möchten alſo keine Botſchaf⸗
ter ferner an ſie ſchicken, welchen ſie auch
hnedem kein Gehör geben wuͤrden; ſondern
ich auf den folgenden Tag zu einem Treffen
jereit machen. | |
us. ig I». 8 Fi
Siebenzehntes Kapitel. |
Blutiges Treffen zwiſchen den Ynkas und
den Voͤlkern jenſeit dem Fluſſe
196 r Mauli. 8 N 5
Die beyden Armeen ruͤckten am folgenden
Tage aus ihren Lagern, und Buben ei—
e Schlacht an, bey welcher ſich wenigſtens
en fo viel Hartnaͤckigkeit als Tapferkeit
igte. Sie dauerte den ganzen Tag; auf
yden Seiten wurden viele getöͤdtet und vers
undet, ohne daß Jemand nur Einen Fuß
ruͤck wich. Die folgende Nacht brachte
des Heer in feinem Lager zu „ aber den
ig darnach, ſtritten ſie wieder mit eben fo
II. Theil. Sr. vieler
98 Viertes Buch.
vieler Hartnaͤckigkeit, als den Erſten. Das
Treffen wurde den dritten Tag ſogar erneuert;
man focht wieder bis in die Nacht; die
Haͤlfte beyder Armeen blieb; die Uibriger
waren verwundet, aber kein Theil konnte fid
eines Vortheils ruhmen. Den vierten Tay
brachten ſie damit zu, daß ſie ihre Lage
beſſer verwahrten, worauf ſie ſich noch zweein
Tage darinne ftille hielten. Endlich gerie
then die Purumaukas nebſt ihren Verbun
denen in Furcht, ihre Feinde moͤchten neu
Hülfsvoͤlker bekommen: Zufrieden den Wal
fen der Ynkas, die man bisher fir unuͤben
windlich gehalten, widerſtanden zu haben
zogen fie ſich zurück in ihr Land, und ſchrie
ben ſich, weil ſie nicht waren uͤberwunde
worden, einen völligen Sieg zu.
Der Feldherr und die andern Puka
welche die Armee anführten, hielten hieran
einen Kriegsrath und uͤberlegten, ob fie fi
ſche Voͤlker vom Könige verlangen und de
Krieg fortſezzen ſolten, bis die Feinde en
weder bezwungen, oder gaͤnzlich vertilgt w
ren? Die Meinungen waren verſchiedes
| 556 endli
nblich aber entſchied die angefuͤhrte Maxime
er alten Ynkas; Daß man die Bezwingung
ines Volks, welches man nicht anders, als
urch feine gaͤnzliche Ausrottung beſiegen koͤnn⸗
„aufgeben muͤſſe. Es wurde alſo beſchloſ⸗
n: Es dabey bewenden zu laſſen, daß der
luß Mauli die ſüdliche Graͤnze des Reichs
r Pnkas wäre, bis man deßwegen vom
nka Yupanqui, welchem man von allem
achricht geben wolle, neue Befehle erhielte.
ieſe erfolgten und lauteten fo, daß; man
r izt nicht ſowohl neue Laͤnder zu erobern,
vielmehr die bezwungenen, nach den Geſez⸗
und Gewohnheiten der Ynkas einzurich⸗
ſuchen muͤſſe. Der Ynka empfahl ihnen
vorzuͤglich, den Wohlſtand der neuen Un⸗
thanen zu befördern; damit die angraͤn⸗
den wilden Voͤlker, wenn fie das gluͤckli⸗
re Leben ihrer Nachbarn ſaͤhen, bewogen
rden, ſich auch der wohlthaͤtigen Aalen
ig der Ynkas zu unterwerfen.
Auf dieſe Art ſezten die Ynkas, on
bey der Armee in Chili befanden, ihren
aberungen Graͤnzen. Sie beſtellten die
0 RN EN Regie⸗
beträgt. Dieſer groſſe König beſchaͤftigte fi
100 Viertes Buch.
Regierung des Landes und die Verwaltung
der Gerechtigkeit; ſorgten fuͤr die Einkuͤnft
der Sonne und des Königs, und lieſſen di
Voͤlker in der Religion und Sittenlehre un
terrichten, welche fie mit vieler Begierd
annahmen.
Achtzehntes Kapitel.
Die lezten Lebensjahre des Bnka Yı
pan qui, bis an feinen Tod.
Des Drka Yupanqui Reich erſtreckte fü
— nunmehr an der Seekuͤſte hin auf tan
ſend Meilen. Er glaubte in der Cultiv
rung der neuerworbenen Provinzen Befchäft
gung gnug zu finden, um an keine ferner
Eroberungen zu denken. Denn von Atakam
bis an den Fluß Mauli, welches die Grän
der neuen Beſizzungen in Süden iſt, rechn
man tiber drittehalbhundert Meilen, und
den noͤrdlichen Gegenden des Reichs hatte
die Heere der Ynkas die Thaͤler an der Ki
ſte von Chenku bis Chimu bezwungen; we
ches auch über hundert und funfzig Meilt
vo
on nun an gänzlich damit, fein Reich blu⸗
end und gluͤcklich und ſeinen Namen un⸗
erblich zu machen. Er ließ zu dem Ende
erſchiedene Veſtungen, Sonnentempel, Haͤu⸗
r für auserwaͤhlte Jungfrauen und oͤffent⸗
che Vorrathshaͤuſer bauen: Er ließ viele
zegenden zum Ackerbau geſchickt machen, und
Baffer in Kanaͤlen auf allzutrockene Sand:
riche leiten; und obgleich der Sonnentem⸗
zu Cusko gar keiner Verſchoͤnerungen
ehr bedurfte; ſo machte er ihn doch durch
is daran verſchwendete Gold und andere
oſtbarkeiten noch glaͤnzender. Sein wich⸗
zſtes Werk aber war das Schloß, oder
e beſondere Veſtung, welche er zu Cusko
uen ließ: Sein Vater hatte dieſen Vor⸗
ſchon gehabt, und deßwegen eine Menge
geheuer groſſer Steine zuſammen bringen
ſſen unter dieſer Regierung aber ward die⸗
Vorhaben ausgefuͤhrt. Allein ich behalte
ir vor an einem andern Orte ausfuͤhrlich
n dieſem bewundernswuͤrdigen Gebaͤude zu
den. Alle dieſe Beſchaͤftigungen hielten den
ka EN ab, für das Beſte feiner Völker
RER: G 3 eeine
Viertes Buch. 101
102 Viertes Buch.
eine fo beſondere Sorge zu tragen, daß man
ihm den Zunamen, der Wohlthaͤtige
gab. Er durchreiſete alle ſeine Laͤnder vo
ſeinem Tode noch einmal; er ſorgte fuͤr di
Armen, und nahm ſich der Unglüdlichen an
und erwarb ſich die Liebe und Ehrfurcht a
ler ſeiner Unterthanen. In ſeiner lezte
Krankheit empfahl er nochmals feinen Kir
dern die Eintracht; und ſeinem Erbprinze
die Wohlfarth feiner Unterthanen, die Ef
haltung der Religion, und die Handhabun
der Gerechtigkeit. So ſtarb dieſer gute Fuͤrſ
mit Ruhm und Ehre überhaͤuft, und vo
jedermann aufrichtig betrauert. Zum Erbe
ſeines Thrones hinterließ er ſeinen aͤlteſte
Sohn Tupak Ynka Pupanqui, welchen
mit ſeiner Gemalin und Schweſter Coy
Chimpu Oello gezeugt hatte. Er war übe
haupt Vater von zweyhundert und funfz
Kindern, woruͤber man ſich nicht wunder
wird, wenn man die Menge der Weiber betrat
tet, welche die Ynkas in allen Provinzen hatte
Ende des Vierten Buchs. |
| Geſchich
K on ige von Peru.
* n ae e g Yes
Theil.
Zweyter
Fünftes Buch.
ur.
Srrbelt
des
ziuſten dude
1
Rags des Nnka Tupak Yupangui, „des Inka
Zuayma Capak, des Anka Suaskar und donn
ney des Anka Atahuallpa.
Sünftes Buch. 105
e ure ee
1 | Erſtes Kapitel. 0
En echt, eilfter ra aus i 1
„ . Geſchlechte der Ynkas erobert deu
An er Be Duatradutu 8
| an
Ce Antrit der Regierung een gel
K. Tupak Yupanqui geſchahe mit den
eee Gebraͤuchen: Er nahm nach
dem Tode ſeines Vaters, durch Umlegung der
rothen Kopfbinde, als des gewoͤhnlichen Dia⸗
dems der Ynkas, feyerlich Beſiz von der
Regierung, hielt dem verſtorbenen Koͤnige
ein praͤchtiges Leichenbegaͤngnis, „ und brachte
vier Jahre damit zu, ſein Reich zu durch⸗
eifen, „ und ſich die Herzen aller ſeiner Un⸗
terthanen geneigt zu machen. Nach ſeiner
Zuruͤckkunft in Cusko gab er Befehl, daß
ich. vierzigtauſend Mann auf das folgende
Jahr bereit halten ſolten mit ihm zu Felde
u gehen, weil er geſonnen fen nach dem
Benfpiele feiner Vorfahren, mehrere von den
eo Voͤlkern mit ſeinem Reiche zu
NR G 5 verei⸗
LL — —
408 Fünftes Buch.
vereinigen, und zu einer vernünftigen Lebens
art zu noͤthigen.
Als dieſes Heer in Bereitſchaft ſtund,
ernennte der Koͤnig einen Statthalter, weh
cher in ‚feiner Abweſenheit die Regierung zu
Cusko verſehen ſolte, und trat ſeinen Marſch
nach Caxamalka an: feine Abſicht ging auf
die beyden groſſen Landſchaften Chachapuya
und Huakrachuku, welche Oſtwarts von
Caramalka liegen. Chachapuya iſt ein grof⸗
ſes Land; es hat funfzig Meilen in die Länge
und mehr als zwanzig in die Breite, das
Land Muyupampa ungerechnet, welches auch
dazu gehort, und beynahe dreyßig Meilen
lang iſt. Man glaubt, daß in Chachapu⸗
ya die fehönften Weiber von ganz Peru fi nd,
und die Männer werden für ſehr tapfer ge—
halten. Sie banden anſtatt des Kopfpuzzes
eine Schleuder um den Kopf: dieſe war nach
Beſchaffenheit des Standes auch von ver⸗
ſchiedener Geſtalt; es war dasjenige Gewehr,
deſſen ſie ſich im Kriege am beſten zu bedie⸗
nen wußten. Die Einwohner dieſes Landes
verehrten den Vogel Cuntut als ihre vor⸗
nehmſte
Fuͤnftes Buch. 107
nehmſte Gottheit, naͤchſt dieſem auch die
groſſen Schlangen des-Gebuͤrges. Die Land⸗
ſchaft Huakrachuku iſt Caxamalka näher,
als die vorhin erwähnte. Ihre Lage ift ſehr
veſt, ſie iſt groß, und ihre Einwohner waren
kriegeriſch. Sie trugen ehmals anſtatt eines
Ehrenzeichens, eine ſchwarze weißgefleckte
Schnur um den Kopf, und anſtatt der Fe⸗
dern, ſteckten fie die Spizze eines Horns von
einem Rehbocke, einem Hirſche, oder einem
Gems hinein; auch ſoll das Wort Huakra⸗
chuku einen ſolchen Kopfpuz bedeuten. Ehe
dieſes Volk dem Pnkas zinßbar wurde, ‚be
tete es die groſſen Schlangen ia 7 man
im Lande findet.
Der Inka Tupak Papa ruͤckte ger
gen dieſe leztere Landſchaft mit ſeinem Heere
an, weil er ſie nothwendig erobern mußte,
wenn er zu dem Lande der Chachapuyas ge⸗
langen wolte. Sobald die Huakrachukus
hiervon Nachricht bekommen, ruͤſteten ſie ſich
und waren entſchloſſen, ſich tapfer zu verthei⸗
digen; weil ſie glaubten, daß ihr Land, we⸗
gen fler veſten Lage nicht zu erobern ſey.
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108 Fuͤnftes Buch.
In dieſer Zuverſicht beſezten ſie die vornehm⸗
ſten Paͤſſe, durch welche man in ihr Land
gelangen konnte, wo ſie ſich in der That ſo
tapfer wehrten, daß in verſchiedenen Gefech⸗
ten auf beyden Seiten viele blieben. Der
Ynka verſammelte hierauf feinen Kriegsrath,
um zu überlegen, was zu thun ſey; Hier
wurde beſchloſſen, nochmals gelinde Mittel
bey den Huakrachukus zu verſuchen und ih⸗
nen vorzuſtellen, daß der Ynka nicht geſon⸗
nen ſey, ihre Curakas zu vertreiben „oder
ihnen ihr Land zu nehmen; ſondern ſie nur
zu einer beſſern Religion und beſſern Sitten
zu bewegen, und uͤbrigens ihnen, wie allen
Voͤlkern, welche unter ſeiner Herrſchaft ſtuͤn⸗
den, viel Gutes zu erweiſen. Als dieſe Bor
ſchaft an die Huakrachukus gelangete, und
in Uiberlegung genommen wurde, waren die
Alten der Meinung, man muͤſſe ſich dem
Ynka unterwerfen; die Jungen aber, deren
Anzahl weit ſtaͤrker war, ſezten es durch, daß
man ſich dem Eindringen der Feinde ferner
widerſezzen muͤſſe. Da ſie mit fo vieler Hef⸗
tigkeit auf dieſen Entſchluß gedrungen, ſo
glaub⸗
Fuͤnftes Buch. 109
glaubten fie auch, daß fie nunmehr ſiegen
oder ſterben muͤßten und fochten mit aller
Entſchloſſenheit, die man von tapfern Leuten
erwarten kann. Der Ynka, welcher glaub:
te, daß es nunmehr Zeit ſey ſeinen Ernſt und
ſeine Macht zu zeigen, verſtaͤrkte ſeine Armee
und ließ die Feinde an verſchiedenen Orten
angreifen; es erfolgte ein Haupttreffen in wel⸗
chem die Feinde fo geſchwaͤcht wurden, daß
es den Ynkas nicht ſchwer ward, einige der
veſteſten Plaͤzze in ihre walk zu bekom⸗
men. Die Huakrachukus ſahen ſich hierdurch
fo ſehr in die Enge getrieben, daß fie beſchloſ⸗
fen ſich dem Ynka zu unterwerfen und um
Vergebung zu bitten. Der Pnka ertheilte
ihnen dieſe, nach dem Beyſpiele ſeiner Vor⸗
fahren, alsbald und befahl den Seinigen,
den Huakrachukus als Brüdern zu begegnen.
Er beſchenkte die Curakas mit einer Menge
Kleidern von feiner Wolle, unter das Volk
aber ließ er Kleider von grsbertr Wolle aus⸗
theilen; und da der Krieg die ganze Sands
ſchaft erſchoͤpft hatte, verſorgte er fie mit Le⸗
bensmitteln im Uiberfluß. Dieſe gute Be⸗
ee
per . gegnung
110 Fuͤnftes Buch.
gegnung verſezte die neuen Unterthanen in
groſſe Freude, und machte, daß ſie alle Furcht
vor der Strafe ihrer Hartnaͤckigkeit verloren.
Der Ynka beſchloß dieſes Jahr nicht
weiter zu gehen: er verlegte ſeine Armee an
den Graͤnzen dieſes Landes an verſchiedenen
Orten in die Quartiere und gab Befehl, daß
ſich noch zwanzigtauſend Mann, auf den
kuͤnftigen Feldzug bereit halten und zu ihm
ſtoſſen ſolten. Nach dieſer Einrichtung bes
ſchaͤftigte ſich dieſer Prinz damit, die Hua⸗
krachukus in ſeiner Religion und in ſeinen
Sitten unterrichten zu laſſen: Er ließ ihnen
Anweiſung geben, Waſſerleitungen zu machen,
ungleiche Gegenden zu ebenen und neue Ae⸗
cker anzulegen. Alle dieſe nuͤzlichen Anſtal⸗
ten gaben dem Volke zu erkennen, wie groß
der Vortheil ſey unter der Herrſchaft eines
mächtigen und weiſen Koͤniges zu leben.
Fünftes Buch. a8
rn Bmweyted Kapitel.
Eroberung. der Landſchaften C 0 u. puya
und Huanka⸗ Pampa.
Sead im folgenden Jahre die zwanzig⸗
tauſend Mann, welche der groſſe Tu⸗
bak Pupanqui verlangt hatte, zuſammen ge⸗
kommen waren, ging dieſer Fuͤrſt mit ſei⸗
nem Heere zu Felde, und ließ es, bis an
die Landſchaft Chachapuya vorruͤcken. Die⸗
es Volk antwortete ihm auf ſeine Auffode⸗
ung, daß es ſich auf das Aeußerſte verthei⸗
igen wuͤrde, ehe es ſich ihm unterwuͤrfe.
In dem Kriege, welcher dieſer Erklaͤrung
olgte, blieben auf beyden Seiten viele Leute.
Die Chachas, ſo nennte man die Einwoh⸗
zer dieſer Landſchaft, hatten ſich ſchon lan⸗
ze, als ſie gemerkt, daß ſich das Reich
der Ynkas bald bis zu ihnen erſtrecken wuͤr⸗
de, auf dieſen Krieg gefaßt gemacht: Sie
hatten verſchiedene Schloͤſſer, an ſolchen Oer⸗
tern erbauet, die von Natur ſehr unzugaͤng⸗
ich find; fie hatten auch verſchiedene Paͤſſe,
durch welche man in ihr Land dringen konn⸗
te, beveſtigt, und ſich mit Waffen und an⸗
Nellie dern
112 Fuͤnftes Buch.
dern Nothwendigkeiten im Uiberfluß verſe⸗
hen. Alles dieſes zeigte gnugſam, wie hart⸗
naͤckig ſie ſich zu vertheidigen willens waͤren.
Der Ynka mußte ſich nothwendig entſchlieſ⸗
ſen, einige dieſer beveſtigten Zugaͤnge zu er⸗
obern. Es gelang ihm in der That mit
Einigen, aber nicht ohne groſſen Verluſt
am Volke. Die Erſten von dieſen Plaͤzzen
lagen auf einem Gebuͤrge, wo man ohnge
fehr drittehalb Meilen aufwaͤrts ſteigt. Man
nennt es die Seite der Pias, weil man ein
Volk dieſes Namens antrifft, wenn man über
dieſes Gebuͤrge hinuͤber iſt. Dieſe Landſchaft,
welche auf dieſer Seite achtzehn Meilen in
die Laͤnge hat, iſt eine der vornehmſten.
Der Ynka machte ſich mit vieler Schwierige
keit Meiſter davon, und fand, daß die Ein⸗
wohner die Hauptſtadt verlaſſen hatten, um
ſich in veſtere Oerter zuruͤck zu ziehen; es
waren nichts, als alte Greiſe und Kinder
darinne geblieben, die man nicht hatte mit⸗
nehmen können. Der groſſe Ynka Tupak
Yupanqui befahl, daß man ihnen alle gute
Begegnung ſolte angedeihen laſſen. Er
verließ
Fuͤnftes Buch. 113
erließ hierauf die Stadt der Pias und
te mit ſeinem Heere weiter: Er ſchickte
zer Mann, lauter auserlefene Leute
b, um das Land weiter zu entdecken; alen a
um Unglück kamen fie in einem engen Paſſe
8 Schneegebuͤrges, welchen man Chirmak⸗
aka, oder das unglückliche Thor nennet,
sgeſamt im Schnee um. Dieſer Unfall
ar Schuld, daß der Ynka einige Tage an⸗
und, durch dieſen Paß zu dringen. Die
hakas, welche ſich einbildeten, daß ihn
Furcht abhielte, ſtreueten das Gerüuͤcht
s; er habe ſich ſchimpflicher Weiſe zuruͤck
zogen, und die Flucht genommen. Allein
der Schnee aufgehoͤrt hatte, auf dieſem
ebürge fo häufig zu fallen, ſezte der Ynka
ten Marſch fort, und eroberte nach und
h alles Land bis an Cuntur-Marka,
ches auch eine ihrer vornehmſten Staͤdte
Aber dieſe Eroberung geſchahe nur mit
ler Mühe, weil die Einwohner die, ohne⸗
ſehr beſchwerlichen Zugaͤnge, mit vieler
nft beveſtiget hatten. Die Einwohner der
adt Cuntur⸗Marka, welche ſehr zahlreich
I. Theil. | H wa⸗
en Fünftes Buch.
waren, thaten einige Tage lang tapfern Wi
derſtand: Der Ynka aber ließ ſo viel Mann
ſchaft gegen fie anruͤcken, daß fie endlic
zum Weichen gezwungen wurden. Sie en
gaben ſich alſo dem Puka, der fie mit ſe
ner gewöhnlichen Güte aufnahm. Er erwie
ihnen viele Wohlthaten, um ihre Gemuͤthe
völlig zu beſaͤnftigen, und ihre Nachbarn z
reizen, ihnen nachzuahmen. Nach gemach
ten noͤthigen Einrichtungen ging er weiten
und bemaͤchtigte ſich aller Staͤdte und veſte
Plaͤzze, die er antraf, ohne viel Blut f
vergieſſen; weil ſie die Begegnung, welch
den Einwohnern von Cuntur-Marka wi
derfahren war, geneigter gegen den Yul
gemacht hatte. Der König gelangete endli
nach Caſſamarquilla, eine anſehnliche Sta
die acht Meilen von Cuntur-Marka in
nem ſehr gebürgichtem Lande, liegt. D
Einwohner von Caſſamarquilla, welche zal
reich und ſehr kriegeriſch waren, widerſezt
ſich anfangs, und ſtritten ſehr tapfer. En
lich aber, da ſie in einigen Gefechten ſe
eingebüßt, und die Tapferkeit der Soldat
d
Fünftes Buch, 135
5 Vnka empfunden hatten, nahmen ſte
moch zu ſeiner Gnade Zuflucht, und wur⸗
ihm zinebar.
Der Pnka Tupok Yupanqui bemaͤchtig⸗
ſich auf dieſem Feldzuge ferner der Staͤd⸗
und Provinz Papamarka und Raymi⸗
ampa. Welcher lezten er dieſen Namen
ib, weil er an dieſem Orte das Sonnen—
ſt, Raymi, beging. Wir werden von
eſem Feſte in der Folge ausfuͤhrlicher re⸗
n. Von Raymipampa ging der Ds
nach Suta und von da nach Llavan⸗
„welches die lezte und vornehmſte Stadt
der Landſchaft Chachapuyas iſt. Alle
fe Hauptſtaͤdte und eine groffe Anzahl klei⸗
re unterwarfen ſich ihm ohne Widerſtand.
ie Landſchaft Caskayunka und viele Ans
re unter dieſem Himmelsſtriche hielten ſich
weniger für vermoͤgend den Ynka Wi⸗
rſtand thun zu Finnen, als die Chakas
d verſprachen ihm Gehorſam. Hier ſezte
r Ynka I Tupak Yupanqui für dieſes Jahr
nen Eroberungen Graͤnzen, verlegte ſeine
mee in verſchiedenen Gegenden in die
. SAGEN 339 3 „Tuc
116 Fuͤnftes Buch.
Quartiere, und ließ aus den benachtbarte
Provinzen ſeines Reichs Vorrath und L
bensmittel ſowohl fuͤr ſeine Soldaten, al
auch für feine neuen Unterthanen herbe
bringen.
Im folgenden Jahre ging der Ynka m
einem Heere von vierzigtauſend Mann z
Felde, und drung in die Landſchaft Huanke
Pampa ein. Sie iſt groß, und war de
mals von vielen Voͤlkern, verſchiedener He
kunft und Sprache bewohnt. Dieſe Volk
hatten weder Krieg noch Frieden mit einaı
der. Jedes Volk lebte für ſich, ohne beſtaͤl
dige Obrigkeit. Wenn fie Krieg führten, |
thaten fie es nicht, um Eroberungen zu me
chen, oder einander zu unterjochen, denn f
wußten nichts von Oberherrſchaft und Re
che; auch nicht, um einander ihre Guͤter z
rauben, denn ſie hatten keine und ginge
ganz nackend: Ihre Beute waren die We
ber und Maͤdchen der Uiberwundenen, vo
welchen ſie keine entkommen lieſſen. Wo
die Männer betrifft, die wurden von dieſe
Wilden gefreſſen. Ihre Religion war di
gewoͤhr
Fuͤnſtes Buch. 117
wöhnliche diefer alten Völker; jede Fami⸗
> hatte ihren eigenen Goͤzzen. Oefters
beten fie hartnaͤckige Kriege mit einander
n ihrer Goͤzzen willen. |
Es koſtete keine groſſe Muͤhe, ein Land,
ffen Einwohner in folcher Verwirrung leb⸗
1, zu erobern. Aller Widerſtand, welchen
thaten beſtand darinne, daß fie, wie wil⸗
Thiere, auf hohe Berge flohen, oder ſich
nahgelegenen Thaͤlern und Felſenhoͤhlen
eſteckten. Der Hunger zog die mehreſten
vor, und brachte ſie zu den Fuͤſſen des
a: Viele aber verhungerten auch in ih⸗
Zufluchtsörtern, wo ihre Körper zuwei⸗
gefunden wurden. Der König Tupak
wanqui trug Sorge, alle dieſe Volker zu
ameln; fie zu lehren, Städte anzulegen,
Acker zu bauen, und ſich Kleider von
olle zu machen. Dieſe Provinz iſt in der
[ge eine der fruchtbarſten im ganzen Rei⸗
geworden. Man wird leicht vermuthen;
der Pnka den Gözzendienſt und die wil⸗
Sitten abgeſchafft und dafür die Vereh⸗
g der Sonne und die menſchliche Lebens
1 H 3 art
118 Fuͤnftes Buch.
f art der Ynkas eingeführt habe. In dieſeſ
Allen bewieſen ſich die armen Wilden ſeh
| gelehrig; weßwegen der Ynka auch einen de
ſchoͤnſten Sonnentempel und ein Hauß fü
auserwaͤhlte oder geheiligte Jungfrauen hie
erbauen ließ, welches als eine befondere Ge
wogenheit angeſehen wurde.
in Drittes Kapitel.
Noel 0 Eroberung dreyer andern Laͤnder.
40 N | Nach Bezwingung der Provinz Huanke
1 pampa wendete ſich der Ynka Tupa
Vupanqui gegen die drey Sander Caſſt
Ayahuaka und Callua. Es wohnten verſchi
N. ö dene Voͤlker darinne, die alle gut polizie
0 waren. Sie hatten Städte, veſte Schlö
Ui ſer und Oerter, wo ſie zu gewiſſen Zeite
1 zuſammen kamen, um ſich über ihr gemein
1 175 | * ſchaftliches Beſte mit einander zu berathſchl⸗
I N gen. Sie erkannten weder einen König
N | noch einen andern unumſchraͤnkten Beben
1 ſcher; ſondern fie erwaͤhlten einhellig obri
keitliche Perſonen, zu Beſorgung der bürge
lichen Sachen, und Hauptleute zur Anfül
| run
Fiuͤnftes Buch. 119
ung ihrer Heere. Sie verehrten beyde ſehr
nd gehorchten ihnen auf das genaueſte 0 ſo
inge fie ihre Aemter verwalteten.
Der HYnka ließ dieſe Volker auf die ge⸗
öhnliche Weiſe auffodern und verſprach ih⸗
en, wenn fie ihn für ihren Beherrſcher ers
enten, alle Vortheile und Gunſtbezeigun⸗
en, die er andern habe angedeihen laſſen.
hre Antwort war; Sie hätten niemals eis
en Herrn über ſich erkannt, fie würden al
auch izt lieber ihr Leben laſſen, als ſich
Fr Freyheit begeben, vielweniger wuͤrden
e ſich einem Manne unterwerfen, „der ſie
An machen wolle; ſie verlangten auch kei⸗
e andere Gunſtbezeigung von ihm, als dies
daß er mit feinem Heere zurück kehrte,
nd nicht weiter daran daͤchte, ſie zu ine
merehanen zu machen. Er
Der Krieg, welchen dieſe Erklaͤrung nach
ich zog, war heftig. In der erſten Schlacht
lieben von Seiten der Ynkas achttauſend
Mann. Um ſich zu rächen, und die Fein⸗
e in Furcht zu jagen, verheerten fie alles
nit Feuer und Schwerd. Allein die tapfern
N) 3 H 4 Ein⸗
120 | Fünftes Buch.
Einwohner dieſer Länder erſchracken daruber
gar nicht, ſondern duldeten alles Ungluͤck
des Kriegs mit einer unüberwindlichen Stand⸗
haftigkeit; fo ſehr wuͤnſchten fie ihre Frey:
heit zu erhalten. Sobald die Ynkas irgend
einen veſten Ort erobert hatten, ſo verlieſſen
die Entflohenen ihre Wohnungen, und ver:
ſchanzten ſich an einem andern bequemen
Orte, ohne ſich um ihre Weiber und Kin—
der zu bekuͤmmern; wo ſie ſich von neuem
verzweifelt wehrten.
Nach und nach eroberten dennoch die
Ynkas beynahe das ganze Land, und es
blieb den Feinden nur noch ein kleiner Win—
kel uͤbrig. Hier verſchanzten fie ſich, und
beſchloſſen, es auf das Aeußerſte ankommen
zu laſſen. Sie erduldeten auch in der That
alles nur erdenkliche Uibel, um dem Ynkg
nicht zinsbar zu werden. Endlich ſahen ih—
re Hauptleute deutlich ein, daß es ohnmoͤg⸗
lich ſey, den Ynkas zu widerſtehen; ſie be⸗
griffen, daß ſie insgeſamt ihr Leben ohne
Nuzzen aufopfern würden, und beſchloſſen;
die Waffen niederzulegen, den Pnka für ih j
ren
N
Sünftes Buch, 4385
ren Herrn zu erkennen, und ihm alle, welche
unter ihrem Befehle ſtanden, zu uͤberant⸗
worten. Sie konnten ihr Vorhaben nicht
ausführen, ohne daß unter ihren Soldaten
Unruhen entſtanden; zulezt aber gaben auch
dieſe ſtuͤrmiſchen Gemüͤther nach. Der Ynka
empfieng ſie ſehr gnaͤdig und befahl, daß
man ihnen, wie ſeinen eigenen Kindern be⸗
gegnen ſolte. Er ließ auch Leute aus den
benachtbarten Landern kommen, um dieſe,
durch den Krieg fo ſehr verheerten Provin⸗
zen wieder zu bevoͤlkern. Nachdem er die
gehörigen und gewöhnlichen Anordnungen
auch in dieſen Laͤndern gemacht, kehrte er
. Cusko zurück,
Die groſſe Hartnaͤckigkeit dart zulezt be⸗
wungenen Völker, und der Verluſt vieler
alten, getreuen Unterthanen brachte dem Yn⸗
ka einen Widerwillen gegen den Krieg bey.
Er gab auch zu erkennen, daß er dieſe Voͤl⸗
ker ihrem eigenen Schickſale wurde uͤberlaſſen
haben, wenn er nicht haͤtte befürchten müß
fen; andere Volker würden ihrem Beyſpiele
folgen, und ſich eben ſo halsſtarrig gegen ihn
r H 5 bezei⸗
— EEE x
122 Fünftes Buch. *
|
bezeigen. Dieſes war Urſache, daß der Yn⸗
ka verſchiedene Jahre lang auf keinen neuen
Feldzug dachte, ſondern ſich gänzlich mit dem
Innern feines Reichs beſchaͤftigte, und infons
derheit das bewundernswuͤrdige Schloß zu
Cusko, welches fein Vater Ynka NYupanqui
zu bauen angefangen hatte, vollendete.
Nachdem endlich die Wunden des vorigen
Krieges gleichſam verharrſcht waren, beſchloß
er dennoch mit einem ſtarken Heere noch eis
nen Verſuch zu machen, ob er die noͤrdlichen
Laͤnder vollends unter ſeine Botmaͤßigkeit brin⸗
gen könne. Er machte bey der Landſchaft
Huanuku den Anfang. Sie war von vers
ſchiedenen wilden, mit einander im beſtaͤndi⸗
gen Streit lebenden, Voͤlkern bewohnt. Je⸗
de dieſer Voͤlkerſchaften hatte in den Gebuͤr⸗
gen einige Schloͤſſer, wohin die Uiberwunde⸗ j
nen, in ihren beſtaͤndigen Kriegen flohen.
Dem Ynka koſtete es nicht viele Mühe, die⸗
fe uneinigen Völker zu bezwingen. Es iſt
wahr, ſie wehrten ſich im Anfange mit einer
außerordentlichen Entſchloſſenheit und Wild⸗
heit. Die Peruaniſchen Befehlshaber ver-
fuh⸗
Fünſtes Buch, 97
fuhren hierauf ſehr ſtrenge mit ihnen, allein
der Pnka befahl ihnen, ſich zu maͤßigen und
die Vorſchriften des Stifters ihres Reichs,
des Manko Capak nicht zu vergeſſen, wel:
cher gewolt, daß man die Volker mehr durch
Gute und Uiberredung, als durch die Gewalt
der Waffen unter die Herrſchaft der Ynkas N
zu bringen ſuchen ſolle. Die Furcht, welche | Mn
jene Härte den Huanakus beygebracht und / 1
das guͤtige Bezeigen, welches ihnen izt vom I
Onka wiederfuhr, machte daß ſie ſich ihrem
Uiberwinder unterwarfen, Staͤdte baueten,
ſeine Religion annahmen und ruhig unter
ſeiner Regierung lebten. Dieſe Provinz, wel⸗
che wegen der Fruchtbarkeit ihres Bodens
und der Güte der Luft viel Vorzug hatte,
kam gar bald in einen bluͤhenden Zuſtand.
Auch hier ward ein praͤchtiger Sonnentempel
und ein Hauß fuͤr geheiligte Jungfrauen er⸗
baut und zwanzigtauſend Einwohner des Sans
des mußten vierteljaͤhrig kommen und die
Dienſte dabey verrichten. Der Koͤnig ließ
bey dieſem Tempel auch für ſich einen Pal⸗ Ian
laſt erbauen, welcher nach der Landesart ſehr e
. praͤch⸗ I.
124 Fuͤnftes Buch.
prächtig und wegen der Gröffe der Steine,
daraus er aufgeführt war, Bewunderung er⸗
wecken mußte. Es kam ihm auch keiner in
allen den Provinzen, welche an die eee
gebürge graͤnzen, gleich. 5
Viertes Kapitel.
Eroberung der Landſchaft der Canarinen,
und Beſchreibung des Reichthums ih⸗
res Tempels. |
Der Inka Tupak Yupanqui machte im
folgenden Jahre groͤſſere Zuruͤſtungen,
als vorher, und nachdem er eine maͤchtige
Armee auf die Beine gebracht, zog er von
Cusko aus, um ſeinen Vorſaz, die Land⸗
ſchaft der Canarinen zu erobern, auszuführen.
Dieſes Land war groß, und die Einwohner
tapfer. Die Völker, von welchen es bewohnt
war, trugen ſehr lange Haare, welche ſie
auf dem Wirbel zuſammen banden, und ei⸗
nen Schopf daraus machten. Die Edeln,
und wer ſonſt auf den Puz hielt, trugen
anſtatt der Münze, ein rundes, Siebförmiges
Nez, das ohngefehr drey Finger breit war;
in
| Fünftes Buch. | 125
in der Mitke deſſelben hatten fi ſie, um galant
zu ſeyn, eine Menge mancherley Flechten
und Locken. Das gemeine Volk aber Bes .
deckte ſich den Kopf mit runden halben Kuͤr⸗
biſſen und glaubten „daß ihnen dieſes recht
wohl ſtüͤnde. Um deßwillen nennten die an⸗
dern Voͤlker dieſer Gegend, die Canarinen
gewohnlich Mathiuma, das iſt Kürbisköpfe.
Es gab bey den Völkern, die unter dem all⸗
gemeinen Namen Canarinen begriffen wa⸗
ren, eine groſſe Anzahl Herren: Sie waren
nicht alle gleich maͤchtig, daher verbanden ſich
die Schwaͤchern mit einander um ſich gegen
die Maͤchtigern, welche Andere öfters unter⸗
ac zu vertheidigen.
Dieſes Land war der Gegenſtand der
mene des Ynka Tupak Dupanqui.
Er bezwang auf dem Wege dahin die Land⸗
ſchaft Palta, aus welcher die vortreffliche
und ſchmackhafte Frucht, welche eben den
Namen fuͤhret, nach Cusko gebracht ward.
Die Einwohner dieſes Landes unterſchieden
ſich von andern Voͤlkern dadurch, daß fie
ſehr ungeſtaltete Koͤpfe hatten. Dieſe Haͤß⸗
un} f lichkeit
—
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126 Fuͤnftes Buch.
lichkeit gefiel ihnen; fie hielten fie ſogar für
eine groſſe Schoͤnheit. Sobald ein Kind
auf die Welt gekommen war, legten ſie ihm
zwey kleine viereckigte Breter, Eins vor die
Stirn, und das Andere an das Hintertheil
des Kopfes. Dieſe kleinen Breter zogen ſie
alsdann durch Baͤnder veſt zuſammen, und
nahmen ſie dem Kinde nicht eher ab, bis
es drey Jahre alt war. Durch dieſes Mit⸗
tel bekamen ſie insgeſamt ſo mißgeſtaltete
Koͤpfe, daß ſie bey den benachtbarten Voͤl⸗
kern zum Spruͤchworte wurden. Wenn man
bey dieſen Jemanden vorwerfen wolte, daß
er eine ungeſtaltete Stirn, oder platten Kopf
habe; nennte man ihn Paltahuma, das iſt
einen Paltakopf. Der Koͤnig machte in die⸗
ſer Provinz die gewoͤhnlichen Einrichtungen,
und ruͤckte nun an die Graͤnzen des Landes
der Canarinen. |
Als dieſe Völker von dem Ynka was
ren aufgefodert worden „ überlegten fie,
daß es ihnen, bey ihrer allgemeinen Uneinige
keit unmoͤglich ſeyn wuͤrde, ſeiner Macht au
widerſtehen. Sie erboten ſich alſo einhellig,
ihm
*
Fuͤnftes Buch. 1327
ihm zu gehorchen, und fuͤr ihren Koͤnig
zu erkennen. Sie gingen ihm mit groſſen
Freudensbezeigungen entgegen, um ihn ein⸗
zuholen, und ihre Curakas begleiteten fie.
Der Ynka empfing fie mit den geößten Lob⸗
ſpruͤchen, erwieß ihnen viele Gnade, und
ließ Kleider unter ſie austheilen; worauf er
auch bald die noͤthigen Anſtalten zu ihrem
Unterricht in der Religion und zu der Lan⸗
desregierung machte. Ehe die Canarinen un⸗
ter die Herrſchaft der Inkas kamen, ver⸗
ehrten ſie den Mond, als ihre vornehmſte
Gottheit; naͤchſt dieſem, die groſſen Baͤume
und dann auch außerordentliche Steine, vor⸗
zuͤglich die Jaspisartigen. Durch den Une
terricht aber, welchen ihnen die Ynkas ger
ben lieſſen, lernten ſie die Sonne anbeten.
Die Ynkas erbaueten in dieſer Provinz
der Sonne einen ſehr praͤchtigen Tempel, wel⸗
cher ganz mit Platten von Gold oder Sil⸗
ber bedeckt war. Sie baueten auch ein Hauß
fuͤr geheiligte Jungfrauen, und verſchiedene
koͤnigliche Pallaͤſte, wo man in den Zimmern,
anſtatt der Tapeten, Pflanzen, Blumen
0 8 und
Sa Zei
128 Fuͤnftes Buch.
und Thiere, von Golde oder von Silber
in ihrer naturlichen Geſtalt und Groͤſſe nach⸗
geahmt, und vorgeſtellt ſahe. Auch die Thir
ren waren mit Gold uͤberzogen, und mit Edel⸗
A gefteinen, inſonderheit Tuͤrkiſſen und Schma⸗
5 ragden beſaͤet. Denn dieſe Volker liebten
N h | die Ynkas ſo ſehr, daß fie ihre Haͤuſer und
N Tempel mit allen Schaͤzzen und Koſtbarkei⸗
Al. | ten, die fie nur finden konnten, ausſchmuͤckten.
A 1 Unter den Völkern, welche ſich der Yn⸗
5 ka in dieſer Gegend unterwuͤrfig machte, wa⸗
ren auch die Quillakus, welche man fuͤr die
niedertraͤchtigſten und kleinmuͤthigſten unter
allen Menſchen hielt: ſie waren ſo furchtſam
und geizig, daß ſie beſorgten, ſelbſt an Luft
17 und Waſſer Mangel zu leiden. Dieſe wa⸗
N ren es, denen die Ynkas den ſeltſamen Tri⸗
but an Laͤuſen und Floͤhen auflegten. Ihr
Name ward ein Spruͤchwort; wenn man eis
nen recht niedertraͤchtigen Menſchen nennen
wolte; ſo ſagte man; Es iſt ein wahrer
Quillaku. | ie
}
Fünf⸗
Fuͤnftes Buch. 129
Fauͤnftes Kapitel.
Der Ynka erobert verſchiedene andere
Laͤnder, bis an die Graͤnzen von
Quito.
nka Tupak Pupanqui wendete, nach der
) Gewohnheit dieſer Könige, verſchiedene
jahre auf die Civiliſirung der zulezt be-
vungenen Volker und die innern Angele⸗
enheiten ſeines Reichs, ehe er wieder auf
ue Eroberungen dachte. Als er es aber
eit zu ſeyn glaubte, verſammelte er ein an⸗
hnliches Heer, und ging damit bis an die
raͤnzen von Tumipampa. Da ſich die
inwohner dieſes reichen Landes ſeiner Herr⸗
aft freywillig unterwarfen, fo ertheilte er
nen alle Gunſtbezeigungen, welche die Yn⸗
8 den Voͤlkern, welche fie vorzüglich ehren
en, nur zuzugeſtehen pflegen. Er ließ
ieſer Provinz nicht nur einen Sonnen:
npel und ein Hauß für geheiligte Jung⸗
en bauen, welches an ſich ſelbſt ſchon
Einwohnern das Bürgerrecht von Cusko
pr ſondern er erlaubte ihnen ſogar, die
teine dazu, aus dem Gebiete von Cusko
U. Theil. 3 zu
11 —————————K———K——— — —
130 Fuͤnftes Buch.
zu holen. Da Cusko vierhundert Meile
von Tumipampa, und der Weg unglaublic
beſchwerlich iſt; ſo kann man ſich vorſtellen
wie hoch die Einwohner von Zumipamp
dieſe Gunſt muͤſſen geſchaͤzt haben, da f
alles dieſes gleichwohl mit Freuden gerhai
Dieſer Tempel ward eben ſo praͤchtig, w
der bey den Canarinen mit Gold und Gilb:
ausgeſchmuͤckt. Außerdem befand ſich darii
ne, nach der Erzählung des Pedro de Cieke
eines ſpaniſchen Geſchichtſchreibers ein ung
mein groſſer Schaz, welcher aus Vaſel
Töpfen und anderm Geraͤthe von Gold un
Silber, wie auch aus koſtbaren Kleider
die mit ganz kleinen Goldkoͤrnern beſezt w
ren, beſtund. Die Peruaner allein konnt
dieſe ungemein kleinen Koͤrner verfertige
und nennten fie Chaquira; die Spanier abe
denen es nicht moͤglich war, ſie nachzum
chen, nennten ſie Goldarbeit. So klein
waren; fo hatten fie doch insgeſamt Loch
wodurch ſie konnten angereihet werden.
Der Ynka ſezte feine Eroberungen fot
und machte ſich einen Strich Landes r
Fuͤnftes Buch. 131
at, welcher ſich ohngefehr auf funfzig Mei⸗
en in die Breite erſtreckte, und bis an die
Franzen von Quito reichte. Die bekannte⸗
'en unter dieſen Provinzen ſind Chanchan,
Noka, Quesna und Pumalakta, oder Lö⸗
jenland. Der Name dieſer lezten Provinz
ihre daher, weil es in dieſer Landſchaft
iehr Löwen, als in andern Gegenden giebt,
nd weil dieſe Thiere von den Einwohnern
gebetet werden. Die minder beträchtlichen
rovinzen in dieſem Landſtriche find, Tixam⸗
„ Dinkaſſa, Cayampi, Urkollaſſu, Ti⸗
ouraku und Andere. Dieſe waren größten
eils ſehr unfruchtbar und ſchlecht bewohnt,
id ihre Einwohner entweder die duͤmm⸗
n Goͤzzendiener, oder fo wild, daß fie
ir nicht wußten, was Verehrung oder An⸗
tung ſey. Uibrigens lebten ſie ohne Ge⸗
ze und Obrigkeit in dem Lande zerſtreut.
s gehörte alſo wenig dazu, fie unter das
och zu bringen; deſtomehr aber, ſie zu un⸗
richten und zu einer bürgerlichen Ordnung
gewöhnen. Die Ynkas thaten alles, was
oglich war zu dieſem Zweck zu gelangen;
* . es
— — — —— öWV⁴́— . — —
132 Fuͤnftes Buch.
es wurden auch koͤnigliche Pallaͤſte und Vor
rathshaͤuſer, aber keine Sonnentempel noch
| Haͤuſer für geheiligte Jungfrauen, in *
\
Lande gebaut.
Indem der Inka Tupak Pupanqui da
mit beſchaͤftiget war, dieſe Länder zu erobert
und ihre Einwohner unterrichten zu laffen,
ſchickten andere Voͤlker, welche dieſen geger
Weſten, nemlich an den Graͤnzen der vor
den Spaniern hernach Puerto Vieyo ge
nannten Provinz wohnten, Abgeſandte an ihn,
welche ihm Geſchenke brachten, und ihn bit
ten mußten, Er moͤchte ſie zu ſeinen Unter
thanen aufnehmen und ihnen Hauptleute unk
andere Perſonen ſchicken, welche faͤhig waͤrer
ſie zu unterrichten, wie ſie Staͤdte bauen und
den Ackerbau treiben mußten; damit ſie auc
ſo vernuͤnftig und gluͤcklich, wie ſeine andert
Unterthanen leben mochten. Sie verſpra
chen ihm, ſich gegen ihn als gute und ge
treue Unterthanen aufzuführen. 90
Der Ynka nahm dieſe Geſandten fef
wohl auf, und befahl, ihnen nichts, was
foderten, zu verſagen. Sie nahmen
Fuͤnftes Buch. 133
Derfonen mit, welche fie in der Religion und
uten Sitten unterrichten konnten. Der Yn⸗
a gab ihnen auch Leute mit, welche ihnen
Vaſſerleitungen anlegen und fie den Acker⸗
au lehren mußten. Aber nachdem ſie alle
ieſe Wohlthaten empfangen hatten, waren
e ſo undankbar, und vergaſſen ihre Zuſage
leichtſinnig, daß fie alle dieſe Befehlshaber
nd Lehrer, welche ihnen der Puka geſchickt
atte, umbrachten. Dieſe Geſchichte wird von
m ſpaniſchen Geſchichtſchreiber Pedro de Cie;
de Leon eben ſo erzähle. Aber ſchon ehe fie
h zutrug, kehrte der Ynka, nach vollendeter
roberung dieſer Lander, nach Cusko zuruck
| Seccſtes Kapitel.
roberung des Reichs Quito, bey wel—
cher ſich auch der Prinz Huaͤyna
Capak befand.
Nachdem der Ynka Capak Pupanqui das
Vergnuͤgen des Friedens einige Jahre
ig genoſſen hatte, beſchloß er das beruͤhm—
Koͤnigreich Quito zu erobern. Die Grdf
deſſelben war anſehnlich; denn es hatte
| J 3 ſieben⸗
— 7 —————————— —N!JN ' oem x
134 Fünftes Buch.
ſiebenzig Meilen in die Länge und dreyßig in
die Breite; und war eben ſo volkreich, ale
fruchtbar. Er zog alſo ein Heer von vier:
zigtauſend Mann zuſammen und nahm mi
ſelbigem den Weg nach Tumipampa, wel
ches an den Graͤnzen dieſes Reichs liegt
Von hieraus foderte er den König von Qui
to auf, ſich ihm zu unterwerfen, und fein
Religion und Geſezze anzunehmen. Dieſe
Fuͤrſt, welcher ſtolz und maͤchtig war, ant
wortete ſo, wie man es vermuthen konnte
Er ſagte zu den Abgeordneten: „Er fe
ſelbſt ein unumſchraͤnkter Beherrſcher eine
Königreichs, fo gut, als der Inka: Er be
foͤhle ſeinen Unterthanen was ihm gut duͤnk
te; er ſelbſt aber nahme von Niemanden Be
fehle oder Geſezze an, und befaͤnde ſich übri
gens bey den Göttern feiner Vorfahren fi
wohl, daß er nie Andere zu verehren gefon
nen ſey. Der Ynka verſchob den Ausbrud
des Krieges noch eine Zeitlang, um zu ſehen
was er durch Guͤte auszurichten vermögen!
ſey; allein die Unterthanen des Koͤniges
Quito wurden deſto uͤbermuͤthiger, je 1
el
Fuͤnftes Buch. 135
er den feindlichen Angrif auf dieſelben ver⸗
zögerte. Es kam alſo zu verſchiedenen Ge⸗ |
fechten und Treffen, in welchen von beyden N
Seiten viel Volk blieb. Auf dieſe Art dau⸗ I
rte der Krieg verſchiedene Jahre; woben
doch der Ynka immer weiter in das feindli⸗
he Land eindrung. Da er indeſſen ſahe, daß
ich die gaͤnzliche Eroberung dieſes Königs
eichs in die Laͤnge ziehen würde, fo ließ er
einen Erbprinzen Huaͤyna Capak, welcher .
damals ſein zwanzigſtes Jahr zuruͤckgelegt | . .
hatte, mit einer Verſtaͤrkung von zwoͤlftau⸗ N
end Mann kommen, damit derſelbe, bey dieſer
Gelegenheit, die Kriegskunſt lernen moͤchte.
Der Name Huaͤyna Capak, welcher ei⸗
nen Mann anzeigt, der ſchon von feiner Ju—
gend an reich an guten Eigenſchaften gewe⸗
en iſt, ward dieſem Prinzen gegeben, weil
er ſich von Jugend auf außerordentlich gnaͤ⸗
dig gegen die Unterthanen ſeines Vaters be⸗
zeigt und Jedermann, auch dem a
Be Gehör gegeben hatte. 25
Sobald dieſer Prinz in Quito ingetomd |
en wee uͤbertrug ihm der Pnka Tupak N |
ie 34 Yupanz ie
—— —̃ —̃——ͤ—ͤ — =
%
136. Sünftes Buch. |
Yupanqui die Anführung der Armee. Der
junge Prinz bemaͤchtigte ſich nach und nach
des groͤßten Theils dieſes Koͤnigreichs, indem
er zugleich dem Koͤnige deſſelben, und dem
Volke von Zeit zu Zeit Frieden und Freund⸗
ſchaft anbot. Als der Ynka ſahe, daß die
ſer Krieg von ſeinem Sohne ſo gluͤcklich ge—
führe wurde; ging er nach Cusko zuruck,
beſchaͤftigte ſich bloß mit der Regierung ſei—
ner Laͤnder und überließ dem Huaͤyna Ca⸗
pak vollkommene Gewalt, dasjenige zu en⸗
den, was er ſo gluͤcklich angefangen hatte.
Als er die Anfuͤhrung der Armee drey Jah⸗
re gehabt; und den Koͤnig von Quito im⸗
mer mehr in die Enge getrieben hatte, ſtarb
dieſer endlich vor Verdruß, da er ſahe, daß
er ſein Reich gegen die Macht der Ynkas
nicht behaupten konnte. Das ganze Land uns
terwarf ſich nunmehr dem Huaͤyna Capak,
und dieſer empfing die Curakas, welche ſich
an ihn ergaben, auf das freundlichſte, und
beſchenkte ſie mit ſchoͤnen Kleidern und an⸗
dern koſtbaren Sachen; eben ſo gnaͤdig b
zeigte e er ſich auch gegen die Geringern | |
Fuͤnftes Buch. 137
Volks. Um einen noch ſtaͤrkern Beweis zu
geben „wie ſehr er dieſes Land, welches ſei⸗
ne erſte Eroberung war, liebte; ließ er hier
inen Sonnentempel, und ein Hauß für ge
veyhete Jungfrauen erbauen, und ſchmuͤckte
te mit eben den Koſtbarkeiten aus, welche
nan an andern Gebäuden dieſer Art ſahe.
Er ließ auch Waſſerleitungen anlegen, und
eranftaltete alles, wodurch der Reichthum
ind die Fruchtbarkeit dieſes Landes vermehret
berden konnte. Endlich ward die Zuneigung
es Huaͤyna Capak zu dieſem Lande fo groß,
aß fie ihn verleitete, zu deſſelben Vortheile
Dinge zu thun, welche die Ynkas niemals
ethan hatten, und welche Urſache an dem
Zerfalle feines Reichs, und dem Untergan⸗
e des königlichen Stammes waren. Dieſes
erden wir an feinem Orte erzählen, izt
ollen wir ihm, bey feinen ir Erobe⸗
ge , re
it Aus Quito rückte cp Cavak in
ne Landſchaft, welche man Qulllazenka,
it Naſe von Erz, nannte; weil fich die
ER J Ein⸗
138 Fuͤnftes Buch.
Einwohner derſelben den Knorpel, welche
zwiſchen den beyden Naſenloͤchern iſt, zu
durchbohren, und ein Stuͤckchen von irgend
einem Metall, Gold, oder Silber, oder
Kupfer hinein zu haͤngen pflegten. Dieſe
Leute lebten in dem elendeſten Zuſtande; 10
ne Religion, ohne Sitten und ohne Klei⸗
der. Sie waren ſo begierig Fleiſch zu eſſen,
daß ſie ſogar kein todtes Aas liegen lieſſen;
hierbey hielten fie fo wenig auf Reinlichkeit,
daß fie hinwiederum vom Ungeziefer beynah
aufgefreſſen wurden. Der Prinz unterwa
ſich dieſe Leute ohne Schwierigkeit, und gin
aus dieſer Provinz weiter in die —
Paſto, welche von eben ſolchen Elenden ber
wohnt war; nur daß dieſe Jenen in der Art
ihrer Nahrung gar nicht glichen: Denn ſo
wie Jene beynahe nichts als Fleiſch affen, fe
genoſſen dieſe hingegen gar keines; und wenn
fie von andern dazu genöthiget wurden, ſo
ſagten ſie; Sie waͤren keine wilden Thiere.
Beyden Voͤlkern gab der Prinz Leute, e
fie unterrichten ſolten; anſtatt aller Abgaben
aber, mußten ſie einen Tribut von dem
Fünftes Buch. 139
Ungeziefer, welches fie von ihrem Körper
ablaſen, bringen. Die Provinz Otavallu,
deren Einwohner mehr poliziert und kriege⸗
riſch waren, that zwar einigen Widerſtand,
allein ſie mußte ſich ihm dennoch bald un⸗
terwerfen; eben fo ging es mit der Landſchaft
eee ſehr wilde Einwohner hat⸗
Sie beteten Löwen, Tiger und groſſe
Sagen an, und opferten dieſen Goͤzzen
das Herz und das Blut ihrer Feinde „ das
Fleiſch derſelben aber aſſen ſie ſelbſt. Huaͤy⸗
na Capak ſorgte für ihren Unterricht, und
verbot ihnen Menſchen zu opfern, und ihr
Fleiſch zu eſſen. Dieſes waren die lezten
Eroberungen, welche die Ynkas an den Graͤn⸗
zen von Quito, auf dieſer Seite machten.
Siebentes Kapitel.
Die drey Vermaͤlungen des Huaͤyna Ca⸗
pak; Tod des Koͤniges ſeines Va⸗
lers, nebſt einigen denkwuͤrdigen
Spruͤchen deſſelben.
5 DYnka Tupak Pupanqui uberließ, wie All
wir geſagt haben, die Fuͤhrung der | U
Kriege | .
Kriege gänzlich feinem Sohne, und beſchaͤf⸗
tigte ſich bloß mit den innern Angelegenhei⸗
ten ſeines Reichs, welches er aus Liebe zu
ſeinen Unterthanen zu verſchiedenen Malen
durchreiſete. Er ſezte auch den Bau des
Schloſſes zu Cusko, welchen fein Vater an-
gefangen hatte, fort. Dieſes war ein ſo
ungeheuer groſſer Bau, daß er ohne Unter⸗
laß zwanzigtauſend Mann beſchaͤftigte. Je⸗
des Volk und jede Landſchaft mußte nach
der Reihe Arbeiter dazu hergeben. Tupak
Nupanqui ſchickte auch alle drey Jahre neue
Statthalter in das Reich Chili, welche alle—
zeit für die, ſich daſelbſt aufhaltenden, Inkas
und für die Curakas des Landes eine Men⸗
ge Kleider mitnahmen, wogegen dieſe dem
Vnka Gold, fchöne Federn und andere Sel⸗
tenheiten ihres Landes zurück ſchickten.
Der Prinz Huaͤyna Capak kehrte nach
der Eroberung des Königreichs Quito und
der Landſchaften Quillaneika, Paſto, Ota⸗
vallu und Caranque nach Cusko zuruͤck, wo
er mit groſſen Lobeserhebungen empfangen
wurde. Er vermaͤlte ſich einige Zeit a
nach
Fuͤnftes Buch. | 141
tach zum zweytenmale mit feiner zweyten
Schweſter, Rava Oello, weil er mit ſeiner
ilteſten Schweſter Pileu Huako keine Kin⸗
der zeugen konnte. Seine dritte rechtsvolle
Vermaͤlung geſchahe mit Mama Runtu,
her Tochter feines Onkels Auqui Amaru
Tupak Pnka. Dieſe drey Weiber von dem
Bebluͤte der Ynkas nahm er, weil er recht—
naͤßige Prinzen, welche einſt Erben des
throns ſeyn koͤnnten, zu erzeugen wuͤnſchte.
Ich habe ſchon erwaͤhnt, daß der Tittel Au⸗
ui, welchen fein Onkel führte, bey den
ynkas fo viel bedeute, als bey den Spani⸗
en Infant; Amaru aber nennet man in
Peru die größte Art der Schlangen, im Lan⸗
e der Antis. Die Pnkas nahmen derglei⸗
hen Namen von Thieren und Pflanzen an,
im dadurch zu verſtehen zu geben; Daß fie
ich einen eben ſo groſſen Vorzug unter den
Nenſchen zu erwerben ſuchten, wie dieſe Din⸗
e alle Andere in ihrer Art uͤbertraͤfen.
Der König Tupak Ynka Pupanqui und
ein ganzer Rath gaben den Befehl, daß die
enden lezten Gemalinnen des Huaͤyna Ca⸗
. pat
142 Fuͤnftes Buch.
pak fuͤr eben ſo rechtmaͤßig als die Erſte,
und auch mit dem Tittel Coya, oder Koͤni⸗
gin, beehret werden, die Soͤhne aber, welche
mit ihnen wuͤrden erzeugt werden, des a
nes faͤhig ſeyn ſolten.
Huaͤyna Capak zeugte mit feiner en
Gemalin, Rava Oello, den Ynka Inti
Cuſi Huallpa mit dem Zunamen Huaskar,
mit ſeiner dritten Gemalin aber den Man⸗
ko Puka. b f N
Tupak Ynka Yupanqui merkte nunmehr
daß ſein Ende heran nahe; Er ließ alſo nebſt
ſeinem Erbprinzen, alle ſeine Kinder, deren
er zweyhundert hatte, zu ſich kommen; und
nachdem er ſie ermahnt, fuͤr das Beſte des
Volks zu ſorgen, und ſich als wahre Kin⸗
der der Sonne zu zeigen, befahl er ſeine
aͤlteſten Sohne, Huaͤyna Capak ausdruͤck—
lich; die wilden Voͤlker zu dem Reiche der
YVnkas zu bringen, und fie zu Anbetern de
Sonne und zu geſitteten Menſchen zu m
chen. Vornemlich aber trug er ihm auf, di
Verraͤtherey der Huanka-Villas und ihr
Nachbarn zu beſtrafen; welche die Hau
Fuͤnftes Buch. 143
eure und königlichen Diener, welche er ih⸗
ten, auf ihr Bitten zugeſchickt, auf eine fo
zrauſame Art ermordet haͤtten. Er ſezte
hinzu; wenn eine fo ſchwarze Undankbarkeit
ingeftraft bliebe; fo konnte dieſes feine eige⸗
ien Unterthanen verleiten, einem ſo ſchaͤdli⸗
hen Beyſpiele zu folgen. Tupak Yupanqui
chloß ſeine lezte Rede mit einer Ermahnung
in feine Kinder, in Friede und Freundſchaft
nit einander zu leben; worauf er nach weni⸗
zer Zeit verſchied. So ſtarb dieſer groffe Koͤ⸗
lig und hinterließ in den Herzen feiner Unter-
hanen, ein immerwaͤhrendes Gedaͤchtnis ſei⸗
ier Gnade, Güte und der groſſen Vorthei⸗
e, welche er ſeinem Reiche verſchafft hatte.
Sie gaben ihm daher nicht nur die Ehren⸗
ollen Tittel, welche feine Vorfahren von ih⸗
gen erhalten hatten; ſondern fie nennten ihn
auch vorzüglich Tupak Haya; welches fo
viel heiſſet, als der glaͤnzende Vater. Er
hatte mit ſeiner Gemalin und Schweſter
Mama Oello, außer ſeinem Erbprinzen, noch
fünf Kinder maͤnnlichen Geſchlechts. Der
Erſte von dieſen hieß Auqui Amaru Tupak
„ Ynka;
144 Fünftes Buch.
YInka; der Zweyte Quehuar Tupak; det
Dritte Huallpa Tupak Ynka Pupanqui;
dieſer war der Urgroßvater des Verfaſſers
| dieſer Geſchichte, von der muͤtterlichen Seite.
Der Fuͤnfte wurde Auqui Mayta genennt.
Ich muß noch einige merkwuͤrdige Ne:
den anführen, welche der ehrwuͤrdige Pater
Blas Valera von dem groſſen Tupak Ynka
Hupanqui in feiner Geſchichte von Peru,
welche in lateiniſcher Sprache geſchrieben war,
aufgezeichnet hat; aus welchen man die daͤm⸗
mernde Erkenntniß dieſes Ynka ſiehet.
Tupak Pupanqui pflegte zu ſagen: Man
glaubt daß die Sonne lebendig und der Schoͤ⸗
pfer alles desjenigen ſey, was in der Welt
hervorgebracht wird; allein mir duͤnkt, daß
der, welcher Etwas macht, dabey gegenwaͤr⸗
tig ſeyn muß. Aber es entſtehen doch vie
le Dinge, zu der Zeit, wenn die Sonne abs,
weſend iſt; Sie macht alſo nicht alles. Man
kann auch ſchlieſſen, daß ſie kein Leben hat,
weil ſie niemals aufhoͤrt, ihren Lauf durch
den Himmel fortzuſezzen, ohne jemals muͤde
werden; da fie hingegen eben fo wie wir
ermü⸗
Fuͤnftes Buch. 145
emuͤden würde, wenn fie ein Leben haͤtte.
geſaͤſſe fie ferner eine vollkommene Freyheit,
wuͤrde fie auch die Gegenden des Him—
els beſuchen, wo ſie niemals hinkoͤmmt.
Nan kann ſie alſo einem Thiere vergleichen,
elches angebunden iſt, welches beſtaͤndig in
en demſelben Kreiſe herum laͤuft; oder mit
nem Pfeile, welches nur den Strich durch—
egt, in welchem es abgeſchoſſen wird; ohne
ß es ihm möglich iſt, aus eigenem Vers
oͤgen dahin zu gehen.“ Eben derſelbe
chriftſteller berichtet, daß er dieſe Worte
s Puka Roka oft habe pflegen zu wieder⸗
len, weil fie ihm für das Beſte des ge⸗
einen Weſens ſehr wichtig geſchienen haͤt—
1: “Man muß die gemeinen Leute nicht
den Dingen unterrichten, welche nur die
deln lernen ſolten; ſolche hohe Wiſſenſchaf⸗
ı möchten ſonſt verurſachen, daß fie ſich
bſt verkenneten, und Ungluͤck im Staate
fingen: Solche Leute muͤſſen ſich darauf
ſchraͤnken, die Kunſt ihrer Vaͤter zu ler⸗
n; denn es koͤmmt ihnen nicht zu, Andern
befehlen; und ihnen die Regierung des
u, Theil. K Staats
835 Fünftes Buch.
IH ' Staats anvertrauen, heißt dem gemeinen
“ill Beſten ſchaden. Auch folgende Lebensre⸗
geln des Tupak Yupanqui hat uns der Par
ter Blas Valera aufbehalten: „Geiz und
Ehrgeiz koͤnnen fi fo wenig als andere Lei—
3% denſchaften maͤßigen: der Geiz wendet das
N | Herz des Menſchen vom gemeinen Beſten
i ab und es ift die vornehmſte Eigenſchaft des
Ehrgeizes, daß er den Verſtand des Stol—
zen hindert, den guten Rath weiſer und tu—
gendhafter Leute anzunehmen. 5
Win Achtes Kapitel, '
A Huaͤyna Capak, zwölfter König aus
dem Geſchlechte der Inkas laͤßt eine
groſſe goldene Kette machen.
Als Huaͤyna Capak Beherrſcher we
weitläuftigen Reichs geworden war; wen
dete er das erſte Jahr ſeiner Regierung auf
die Trauer um ſeinen Vater und die Balfas
mirung des Leichnams deſſelben. Er durch
reiſete hierauf ſein ganzes Reich und ward
allenthalben mit groſſen Freuden aufgenoms
men. Wo er nur durchzog, kamen ihm di
Cura⸗
Fuͤnftes Buch. 147
urakas mit ihren Unterthanen entgegen,
eſtreueten den Weg mit Blumen und rich⸗
ten ihm Triumphbogen auf: an allen En⸗
n erſchallte der Name Huaͤyna Capak.
r hatte ſich auf dieſer Reiſe noch nicht weit
'n Cusko entfernt, als er die Nachricht bez
im, daß ihm ſeine zweyte Gemalin einen
rbprinzen gebohren habe, welchen man in
r Folge Huaskar Ynka nennte. Er hatte
eſes ſo ſehr gewuͤnſcht, daß er alsbald wie⸗
r umkehrete, um bey dem Feſte zu ſeyn,
elches bey ſolcher Gelegenheit gefeyert ward.
ieſe Feyer dauerte zwanzig Tage: Der Koͤ⸗
g wendete hierauf alle feine Gedanken dar⸗
f, Etwas außerordentliches zur Ehre des⸗
nigen Tages zu erfinden, an welchem man
nen Prinzen gewoͤhnen, ihm die erſten Haa⸗
abſchneiden und ihm einen Namen geben
wde Um der Fenyerlichkeit dieſes Tages
zen beſondern Glanz zu geben, ließ Huaͤy⸗
| Capak eine goldene Kette machen, wel⸗
fo ſtark, als die Fauſt eines Mannes,
d dreyhundert und funfzig Schritte, oder
benhundert Fuß lang war. Der Gebrauch,
1 8 2 zu
148 Fuͤnftes Buch.
zu welchem dieſe Kette gemacht war, wan
folgender: Eine jede Provinz in Peru hatte
ihren beſondern Tanz, ſo wie ſich auch din
Einwohner derſelben durch die Verſchieden
heit ihrer Muͤzzen, oder Huͤte unterſchieden
Nie ward in dieſen Taͤnzen die Muſik ver
ändert, noch auch die Schritte, oder der Takt
wie ſie es von ihren Vaͤtern gelernt hatten
Von dieſen allen war der Tanz der Ynkat
unterſchieden: dieſer war voller Ernſt unt
Anſtand; Die Tänzer machten dabey weder
Spruͤnge noch Kapriolen: Es waren auch
keine Frauenzimmer dabey, ſondern es wur
den nur Mannsperſonen dabey zugelaſſen
ſie gaben dabey einander die Haͤnde und ſchie
nen eine Kette zu machen. Zuweilen belie
ſich die Anzahl der Tanzenden auf dreyhun
dert Perſonen; nachdem nemlich das Feſt ſeh
groß und feyerlich war. Aus Ehrerbietung
gegen ihren Fuͤrſten, tanzten fie in eine
ziemlichen Entfernung von ihm. Der Erſtz
oder der Vortaͤnzer, welcher den Reihen führ
te, ging nach dem Takte und nach mi
folgten ihm auch die Andern; fo tanzten fi
immer
Fuͤnſtes Buch. 149
mmer fort, bis fie mitten auf den Plaz ka⸗
nen, wo ſich der Ynka befand. Hierauf
ang Einer nach dem Andern, und ihre Ge
inge, welche mit dem Takte des Tanzes
berein kamen, hatten den Ruhm des Ynka,
der ſeiner Vorgaͤnger, oder auch anderer
dringen aus dieſem Geſchlechte, und ihre
roſſen Thaten zum Innhalte. An den vor⸗
ehmſten Feſten tanzte zuweilen der Koͤnig
lbſt mit, um fie deſto feyerlicher zu machen.
Dieſe Art von Reihentanze, brachte den
nka Huaͤyna Capak auf die Gedanken;
aß es majeſtaͤtiſcher und praͤchtiger anzuſe⸗
en ſeyn würde, wenn die Taͤnzer, anſtatt
nander mit den Haͤnden anzufaſſen, eine
dene Kette hielten; aus dieſer Urſache ließ
bey Gelegenheit des Feſtes, da ſein erſter
oh einen Namen bekam, dieſe berühmte
ette machen. Sie erſtreckte ſich, nach
m Zeugniß des Onkels meiner Mutter,
sjenigen alten Ynka, von welchem ich im
fange dieſer Geſchichte geſprochen habe,
n einem Ende des groſſen Plazzes in Cus⸗
„bis zu dem Andern. Dieſer Plaz, wel—
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150 Fuͤnftes Buch.
cher zu ſolchen feſtlichen Aufzügen beſtimmt
war, und von den Einwohnern Haußaypa⸗
ta genennt wurde, mochte ohngefehr zwey
hundert Schritt, von Süden gegen Norder
lang, und hundert und funfzig, von —
gegen Weſten breit ſeyn.
Sobald die Peruaner erfuhren, daß di
Spanier in das Reich der Pnkas eingedrun
gen waͤren, und ſich feindſeelig darinne be
zeigten, verſteckten ſie dieſe koſtbare Kette
nebſt vielen andern Schaͤzzen, und es iſt dei
Spaniern niemals gelungen, ſie wieder 5
finden.
Der junge Prinz erhielt die Namen In
ti Cuſi Huallpa und den Beynamen Huas
Far. Dnti bedeutet die Sonne; Cuſi abe
heiſſet muntere Zufriedenheit; den Beyname
Huaskar gab man ihm, weil bey Geleger
heit feines Feſtes, jene außerordentliche Ke
te war verfertigt worden. Denn Huask
heiſſet in der Sprache der pen eine Ke
te oder ein Seil. 10
Nachdem der Ynka Huaͤyna Capak de
Befehl gegeben, dieſe Kette zu verfertigen
und
Fuͤnftes Buch. ‚151 4
ind nachdem er alle Ceremonien zu dem Fe⸗ ö
te der Entwehnung und Benennung feines 11
Sohnes angeordnet, trat er ſeine Reiſe, zur |
Beſichtigung feines Reichs wieder an, welche
r in zwey Jahren endigte. Nach ſeiner Zu⸗
uͤckkunft zu Cusko, feyerte man dieſes dest
nit aller Magen DAR,
Neuntes Kapitel. N
Die ne der zehn Thaͤler an der N |
Kuüſte unterwerfen ſich dem Pnka frey⸗ ö 1
willig, wie auch Tumpiz. N
Din Jahr nach dieſer Feyerlichkeit, brachte 5 RL
der Ynka ein Heer von vierzigtauſend If
Mann zuſammen, und ging damit in das
Königreich Quito. Auf dieſer Reife nahm
r die aͤlteſte Tochter des verſtorbenen Koͤni⸗
es von Quito zur Gemalin vom zweyten
Range, und zeugte mit ihr in der Folge den
Atahuallpa nebſt einigen andern Prinzen.
Von Quito ging der Ynka mit feiner Ar
nee hinab in die niedrigen Gegenden an dern 919
Seekuͤſte. Als er im Thale Chimu, wo fein Um |
e der Ynka Yupanqui feinen Er 0
K 4 oberun⸗
152 Fuͤnftes Buch.
oberungen ein Ziel geſezt hatte, angekomme
war; ſo ließ er die Einwohner der Thaͤl
Chakma und Pakasmayu durch ſeine Be
ſchafter auffodern. Dieſe hatten immer vi
len Umgang mit den Unterthanen der Y.
1 4 kas gehabt, und von ihnen erfahren, de
| 3 ihre Regierung ſehr gerecht und gelint
a } | ſey; fie gaben alfo zur Antwort; daß f
ſchon lange gewuͤnſcht haͤtten, dem Ynka zi
zugehoͤren, ſeinen Geſezzen zu gehorcher
und ſeine Religion anzunehmen. Ihre
Beyſpiele folgten die acht andern Thaͤlen
welche zwiſchen Pakasmayn und Tump
liegen: ihre Namen ſind, Ganna, Colqu
Quintu, Tukmi, Sapanka, Mutupi, Pu
chive und Sullana. Man brachte zwey Jahr
damit zu, den Ackerbau in dieſen Provinze
in gehoͤrige Ordnung zu bringen, und Wa
ſerleitungen anzulegen, welche in ganz Pert
ſehr noͤthig find, wenn man das Land fi
gut als moͤglich iſt nuzzen will. Der Ynke
war indeſſen genoͤthiget, feine Armee drey
mal mit friſchen Truppen zu ergaͤnzen; ol
er gleich feine Soldaten an die geſundeſter
Oerter
Fuͤnftes Buch. 153
Oerter verlegt hatte. Day die Luft dieſer
niedrigen Gegenden u den Fremden ſehr
unguͤnſtig.
Sobald der Pnka die Thaͤler an dieſer
Kuͤſte erobert hatte, begab er ſich nach Qui⸗
0 wo er ſich ſehr gnaͤdig gegen alle Ein⸗
wohner des Landes bezeigte, und die Stadt
und das Land mit vielen ſchoͤnen Gebaͤuden
ierte. Zwey Jahre brachte er mit dieſen
Beſchaͤftigungen zu, worauf er funfzigtauſend
Mann zuſammen zog, und mit dieſer Macht
aͤngſt der Kuͤſte, bis in das Thal Sullana
zing. Dieſer Ort iſt nahe bey Tumpiz.
Die Einwohner des Thales Tumpiz, welche
ehr zahlreich und mächtig waren, lebten un:
jemein wolluͤſtig. Ihre Curakas hatten ge
voͤhnlich Poſſenreiſſer, Hofnarren, Taͤnzer
ind Muſikanten um ſich herum, und auch
ie Gemeinen dachten auf nichts, als ſich
uſtig zu machen. Sie trugen eine Art eckig⸗
er Muͤzzen auf dem Kopfe, welche ſie Pil⸗
E nennten, beteten Tiger und Löwen an,
opferten ihnen Menſchen. Die Cura⸗
E wurden eben fo ſehr von ihren Unter⸗
* 8 15 5 thanen
154 Fuͤnftes Buch.
thanen geehrt, als von ihren Nachbarn ger
fuͤrchtet; demungeachtet hatten ſie nicht Muth
genug, als fie vom Puka aufgefodert wur
den, ihm zu widerſtehen; weil ſie ſich vor
ſeiner groſſen Macht allzuſehr fuͤrchteten. Sie
4 | | antworteten ihm alſo, daß fie keinen andern
Willen hätten, als den, ihm zu gehorchen,
5 ) und ihn für ihren Herrn zu erkennen. Die
Einwohner der andern Thaler an der Küfte,
wie auch die Chuvana Ciniu, die Callonche
und die Jaqual, gaben dem Ynka eben die
ſe Antwort.
Zehntes Kapitel.
Beſtrafung derer, welche uͤberzeugt wurden,
daß fie die Diener des Inka Tu⸗
pak hupanqui ermordet hatten.
Der YVnka Hudyna Capak verſchoͤnerte bie
Provinz Tumpiz durch viele ſchoͤne Ge
10 bäude, unter welchen ein veſtes Schloß,
. ein Tempel der Sonne, und ein Hauß fin
1 geweyhete Jungfrauen die vornehmſten wa
ren. Nunmehr ruͤckte er mit ſeinem Hee
in diejenigen Laͤnder ein, deren Einwohn r
1
*
„
P -
Fuͤnftes Buch. 155
ie Treuloſigkeit an den Hauptleuten, Leh⸗
ern und Dienern, welche ihnen der Ynka
Tupak Pupanqui, zugeſchickt, begangen und
ie ermordet hatten. Dieſe Ungluͤcklichen ge⸗
iethen in das groͤßte Schrecken, als ſie die
Ankunft des Ynka vernahmen, und aufge
odert wurden vor ihm zu erſcheinen, um von
hrer boͤſen That Rechenſchaft zu geben. In
ich ſelbſt von ihrer Undankbarkeit und Un⸗
reue uͤberzeugt und ſich bewußt, daß fie viel
u ſchwach waͤren, dem Ynka zu widerſte⸗
)en, nahmen fie zu den demuͤthigſten Bit⸗
en und der ee des Ynka ihre
ee
4. Hieruuf ließ der Ynka alle e Curakas,
ie Haͤupter ihres Raths, alle ihre Haupt⸗
eute, und diejenigen, welche die Geſandſchaft
in feinen Vater verrichtet hatten, zuſam⸗
nen fodern. Alsdann hielt Einer ſeiner Un⸗
. auf ſeinen Befehl, eine Rede
m fie, und ſagte ihnen; daß fie die undank⸗
jarften und treuloſeſten Leute von der Welt
vaͤren; man koͤnne ſich in der That keine
röſſere Untreue vorſtellen, als die, welche
Ne ſie
156 Fuͤnftes Buch.
fie begangen hätten; denn anſtatt den Ynke
und feine Diener, die er zu ihrem Beſten zi
Ihnen geſchickt, anzubeten, haͤtten fie die
Grauſamkeit begangen, ſie zu ermorden, wo
durch fie zugleich gegen den Ynka die groß:
te Verachtung bezeigt haͤtten: Dieſes ſey eit
fo ſchwarzes Verbrechen, daß es nach dei
Strenge nicht anders, als durch die Ausrot
tung des ganzen Volks, bey welchem et
waͤre begangen worden, gebuͤſſet werden könn
te. Allein die Gnade des Inka Huaäyne
Capak, welcher ſich einen Ruhm daraus
machte, den Tittel, eines Freundes der Ar
men mit Recht zu führen, braͤchte ihn da
hin, ihnen allen in ſo ferne zu verzeihen, daß
er nur den Zehnten Mann, welcher durch
das Looß dazu wuͤrde beſtimmt werden, am
Leben ſtrafen ließ. Der Ynka verfuhr alſe
gegen ſie, damit man ihm nicht nachſagen
möchte, er habe nur die, welche er gehaſſet,
ſeiner Rache aufgeopfert. Auf der andern
Se ite gab er den Befehl, daß in der Pro;
vinz Huankavillka, wo man zuerſt die Ge
ſandſchaft an den Pnka und auch die 5
dung
Fünftes Buch. 157
ung ſeiner Diener auf die Bahn gebracht,
en Curakas und den Edelſten des Volks,
ie vier vorderſten Zaͤhne ausgeriſſen werden
aten: dieſes ſolte auch allen ihren Nach⸗
omen, zum immerwaͤhrenden Zeichen ihrer
reuloſigkeit wiederfahren; deren fie ſich ges
en den Pnka Tupak Yupanqui ſchuldig
emacht.
Die Einwöhner dieſer Laͤnder, welchen
ekannt war, daß die Untreue der Unter⸗
Janen gegen ihren Koͤnig dasjenige Ver⸗
rechen fen, welches die Ynkas unter allen
m haͤrteſten zu beſtrafen pflegten, und ge⸗
irchtet hatten, daß ſie insgeſamt wuͤrden
erben muͤſſen; achteten ſich höchſt glücklich,
aß es ihnen nicht ſchlimmer ergangen war.
deine aber erduldeten ihre Strafe mit einer
illigern Unterwerfung, als die Einwohner
on Huankavillka. Als ſie ſahen, daß nur
er zehnte Mann zum Tode verdammt war,
nd daß nur die Curakas und Edeln die
er vorderſten Zähne verlieren ſolten, hielten
e dieſes fuͤr eine ſo groſſe Gnade, daß ſie
0 insgeſamt, Maͤnner, Weiber und Kin⸗
\ der,
158 Fuͤnftes Buch.
der, freywillig derſelbigen Strafe unterwar⸗
fen; und ſeit der Zeit haben ſie auch allezeit
dieſes Zeichen an ſich getragen: Außerdem
durchſtachen fie ſich auch den Knorpel zwi—
ſchen den beyden Naſenloͤchern, um ein klein
Kleinod darinne zu tragen.
Eilftes Kapitel.
Der Ynka thut eine Reiſe durch fein Reich;
befragt die Orakel und erobert die
Inſel Puna.
Der Ynka Huaͤyna Capak legte in Se
Provinzen die noͤthigen Beſazzunger
und begab ſich hierauf in das Reich N
wozu er immer eine vorzuͤgliche Neigung
hatte. Er wendete ſich hierauf gegen Mit⸗
tag, und beſuchte alle Provinzen feines weiß
laͤuftigen Reichs: Er ſezte ſeine Reiſe fort,
bis in die Landſchaft Charkas, welche ſieben—
hundert Meilen von Cusko entfernet iſt
Er ſchickte auch Abgeordnete in das Rei
Chili, aus welchem ſein Vater und Er vie
les Gold erhalten hatten, und ließ unterſt
chen, ob daſelbſt alles in gehoͤriger Ordnun
ſe
8
Fünftes Buch, 159
h. Er endigte dieſe Reiſe durch feine Säne
er in vier Jahren, worauf er die folgenden
wey in Cusko zubrachte. Nach Verlauf
ieſer Zeit zog er in den Provinzen von
hinkaſuyu funfzigtauſend Mann zuſammen,
elchen er an den Graͤnzen von Tumpiz ih⸗
n Sammelplaz anwies. Er ſelbſt durchs
iſete indeſſen die niedrigen Gegenden an der
üfte, wo er alle Sonnentempel, welche in
en vorzuͤglichſten Städten erbauet waren,
fuchte. Er begab ſich auch in den reichen
empel des Pachakamak, welchen die Pe⸗
janer unter dem Namen des unbekannten
zottes verehrten. Hier ließ er das Ora⸗
U wegen dem Erfolge feines Feldzuges bes
agen. Die Priefter brachten ihm die Ant⸗
ort zuruck; Er möge ſich mit feinen Waf⸗
n wenden, in welches Land er wolle; es
uͤrde fie allezeit ein gluͤcklicher Erfolg be⸗
leiten, und er ſey beſtimmt, Herr von den
er Theilen der Welt zu werden. Nach eis
em ſo guͤnſtigen Ausſpruche, ging er in
as Thal Rimak, wo ſich der berühmte Goͤz⸗
befand, welchen man die redende Bildſaͤu⸗
le
160 Fuͤnftes Buch.
le nennte. Von dieſem erhielt er einen eben
fo vortheilhaften Ausſpruch, voller ſchmei—
chelhafter Verſicherungen; worauf er ſeine
Reiſe durch die Thaͤler an der Seekuͤſte fort—
ſezte und in Tumpiz ankam. Von hieraus
ſchickte er Abgeordnete in die Inſel Puna,
um ſelbige aufzufodern, ſeine Herrſchaft zu
erkennen.
Dieſe Inſel liegt nicht weit vom veſten
Lande, und iſt ſehr fruchtbar. Sie hat ohn,
gefehr zwoͤlf Meilen im Umfange, und der
ſtolze Curaka Tumpalla herrſchete darinne
unumſchraͤnkt. Seine Vorfahren hatten nie
einen Oberherrn erkannt, und er war ſo weil
davon entfernt dieſes zu thun, daß er viel—
mehr verlangte, die benachtbarten Völker
auf dem veſten Lande ſolten ihm gehorchen.
Die Götter dieſes Landes waren das Meer,
die groſſen Fiſche darinne, und die wilde—
ſten Thiere dieſer Gegend: die Opfer, welche
man ihnen brachte, waren das Herz, und
das Blut der Gefangenen, welche ſie i
Kriege machten. Die ungemeine Fruchtbar
keit des Landes machte, daß ſich der Euraf
un
Fuͤnftes Buch. 161
ind ſeine Unterthanen der rt und allen |
aftern uͤberlieſſen. | | (|
Taumpalla erſchrack von ganzem En ; |
ber die Botſchaft „ welche man ihm im Nas
ten des Ynka brachte. Er ließ die Vor⸗
ehmſten ſeiner Inſel zuſammen berufen, und
elt, wie man mir erzähle hat, eine Rede
gendes Innhalts an fie:
„Meine Freunde, Ihr ſehet nunmehr
e Tyranney der Fremden vor unſerer Thuͤr;
drohen uns, unſere Güter und unſer Le⸗
n zu nehmen, wenn wir uns weigern, ihr
och zu tragen. Nehmen wir aber dieſe
gerechten Beherrſcher zu unſern Herren an,
muͤſſen wir unſerer alten Freyheit entſa⸗
n, und die Herrſchaft aufgeben, welche
fere Voreltern fo lange behauplet haben.
tellet Euch, ich bitte Euch, unſern Zu⸗
nd vor, in welchem wir uns befinden wer⸗
n; wenn veſte Schlöffer und Thuͤrme, in
lchen man, auf unſere Unkoſten, Beſaz⸗
ngen haͤlt, uns die Ketten der Knechtſchaft
legen werden; wenn unſere Treue beſtaͤn⸗
verdaͤchtig ſeyn, und es uns doch unmoͤg⸗
II. Theil. N. lich
lich werden wird, uns in Freyheit zu ſezzen.
Unſere Feinde werden es in ihrer Gewalt
haben, uns den beſten Theil unſerer Guͤter,
ja ſogar unfere Weiber und Töchter zu neh—
men; ihre Schönheit wird ihr Verderben be;
fordern. Was uns aber am empfindlichſten
ſeyn muß, das wird dieſes ſeyn: Man wirt
uns zwingen, unfere Gebräuche und Gewohn
heiten fahren zu laſſen, und wird uns neu
Geſezze vorſchreiben; wir werden nicht ein
mal unſere Goͤtter behalten, ſondern fremde
Goͤtter anbeten muͤſſen; mit einem Worte,
wir werden in eine ewige Knechtſchaft fal
len; ein Leben, welches ich fuͤr hundertma
ſchlimmer als den Tod halte. Dieſer wie
derfaͤhrt dem Menſchen nur einmal; von Je
nem aber ſiehet man das Ende nicht ab
Stellet Euch dieſes alles vor Augen, und er
waͤget ſorgfaͤltig, was zu thun ſey; und dam
ſagt mir frey Eure Meinung, was Ihr fi
das Beſte haltet. 9
Dieſe Inſulaner, voller Verzweiflung
daß ſie es mit ihrem maͤchtigen Feinde nich
aufnehmen konnten, vergoſſen Thraͤnen bey die
Fünftes Buch. 163
er Vorſtellung. Da ſie ſich nun außer Stand
ahen, fü ch ſelbſt zu vertheidigen, und von
ußen keinen Beyſtand zu gewarten hatten;
5 bielten ſie es fuͤr das Beſte, ſich der Liſt
u bedienen, und unter zwey Uibeln das
hlimmſte zu vermeiden. Es ward alſo bes
hloſſen; dem Pnka einen verſtellten Ge
orſam zu leiſten, und alsdann eine guͤnſti⸗
e Gelegenheit zur Abſchuͤttelung des Jochs
I erwarten. Der Curaka Tumpalla ließ
erauf die Abgeordneten des Ynka wieder
'r ſich kommen, und ertheilte ihnen nicht
ir eine Antwort, in welcher er viel Hochs
htung und Unterwerfung zeigte; ſondern
ſchickte auch ſelbſt Abgeſandte, mit vie⸗
n Geſchenken, an den Ynka, und befahl
nen ausdruͤcklich ihm alle Ehrenbezeigungen
erweiſen, die er nur verlangen wuͤrde,
id ihn unterthaͤnig zu bitten, feine neuen
nterthanen mit feiner koͤniglichen Gegen⸗
rt zu beehren; dieſes wuͤrde die groͤßte
nade ſeyn, die ſie ſich jemals Machen
irden.
3 ‘a Der
164 Fuͤnftes Buch.
Der Ynka, ſehr zufrieden mit dieſem
Betragen des Curaka Tumpalla, ſchickte
Leute ab, um von dieſer Inſel Beſtz zu neb:
men, und richtete alles ſo gut, als möglich
dazu ein, daß feine Armee auf felbiger ein,
rücken koͤnne; wiewohl dieſes nicht mit dei
Pracht geſchahe, wie Tumpalla und die Sei
nigen es wuͤnſchten. Der Ynka begab fid
hierauf ebenfalls dahin, und ward mit groſſet
Feyerlichkeiten, welche von Taͤnzen und Ge
fängen begleitet wurden, empfangen. Di
Lezten waren ausdrücklich zum Lobe des grof
fen Huaͤyna Capak verfertigt. Sie gabe
ihm einen Pallaſt zur Wohnung ein, wel
cher ſeit kurzem erſt erbaut war; wenigften
waren die, für ſeine Perſon beſtimmten Zim
mer ganz neue; weil fie glaubten, daß e
wider den Wohlſtand ſey, wenn ein Koͤni
in einem Hauſe wohnte, welches ein Andere
ſchon beſeſſen haͤtte. Huaͤyna Capak lie
es ſeine erſte Sorge ſeyn, die Landesre
rung nach feinen eigenen Geſezzen einzuri
ten. Er befahl ferner dieſen Inſulanern
ihren falſchen Goͤzzen nicht mehr zu 7
kei
ö
,
El
Fuͤnſtes Buch. 165
Peine Menſchen mehr zu opfern, noch ſich
mit ihrem Fleiſche zu naͤhren, die Sonne
anzubeten, und als vernuͤnftige Menſchen
tach den Regeln der Billigkeit zu leben.
Der Schluß von dieſem allen war, daß er
hnen, als Sohn der Sonne und Geſezge—
er des größten Reichs, alles dieſes bey Tv
esſtrafe, im Falle des Ungehorſams, gebot.
Tumpalla und ſeine Unterthanen unterwar⸗
en ſich dieſen Befehlen, und verſprachen
en genaueſten Gehorſam gegen den Willen
es Ynka. 55
Einige Zeit darnach fanden die Vorneh⸗
nen dieſer Inſel, daß dieſe Geſezze ſehr
trenge, und den alten Gewohnheiten ihres
Bolks, gänzlich zuwider wären; nach wel
hen ſie ſich alle Vergnuͤgungen des Lebens
rlaubten. Die neue Regierung, die ihnen
en Genuß derſelben verbot, konnte ihnen
lſo nicht anders, als unertraͤglich ſeyn.
Sie beſchloſſen demnach, ſobald ſich ihnen eis
e Gelegenheit zeigen wuͤrde, den Ynka mit
inem ganzen Gefolge zu toͤdten. Ehe fie
ber zu dieſer boshaften That ſchritten, hiel⸗
Nane L 3 ten
166 Fuͤnftes Buch.
ten fie es für noͤthig, ihre Götter zu fragen,
um zu erfahren, ob der Erfolg mit ihrer
Erwartung uͤbereinkommen wuͤrde; und weil
ſie ſie zeither verlaſſen hatten; ſo thaten ſie
alles, um bey ihnen wieder in Gnade zu
kommen. Sie ſezten ihre Bildſaͤulen an die
ehrenvolleſten Oerter, brachten ihnen viele
Opfer und uͤberhaͤuften ſie mit den ſchoͤnſten
Verſprechen; wiewohl alles insgeheim. End⸗
lich erhielten ſie die Antwort; ſie ſolten nur
bey ihrem Vorhaben verharren; ſie wuͤrden
es zu Stande bringen, und die Goͤtter ih—
res Landes würden ihnen guͤnſtig ſeyn. Die
fe Antwort feuerte den Muth dieſer Barba—
ren ſo an, daß ſie entſchloſſen waren, ihre
Unternehmung alsbald auszufuͤhren; und
man weiß nicht, ob es ihnen nicht gelungen
waͤre, wenn ſie von ihren Zauberern und
Wahrſagern nicht unter dem Vorwande waͤ—
ren abgehalten worden; daß man eine beſſe .
re Gelegenheit abwarten muͤſſe, bey welcher
weniger Gefahr zu beſorgen ſtuͤnde; Dieſes
ſey der Rath, W ihnen ihre Goͤtter 30 f
ben. ur
Zwölf
Fünftes Buch. 167
0 qoͤlftes Kapitel.
Die Einwohner der Inſel Puna bringen
5 die Hauptleute des Hnka ums
Leben.
er Ynka Huaͤyng Capak war während
dieſer Zeit damit beſchaͤftiget, dieſes
Volk zu einer ordentlichen Lebensart und zu
juten Sitten zu gewöhnen. Er beſchloß
uch einige Hauptleute aus dem Geſchlechte
er Inkas nach demjenigen Theile des ve
ten Landes zu ſchicken, welcher dem Beherr⸗
cher dieſer Inſel unterworfen war; um auch
ieſes Volk in der Religion der Ynkas und
hren Geſezzen und Gebraͤuchen zu unfers
ichten. Er befahl dieſen Offizieren, Trup⸗
en mit ſich zu nehmen, fie in Beſazzungen
u legen, und ſich ihrer im Fall der Noth
u bedienen. Die Einwohner der Inſel ver⸗
drachen, Fahrzeuge herbey zu ſchaffen, und
iefe Truppen, bis an die Mündung eines
ewiſſen Fluſſes zu bringen, wo fie anlaͤnden
olten. Nachdem der Pnka dieſe Befehle ge
jeben hatte, ging er wieder nach Tumpiz zus
üͤck, um daſelbſt einige wichtige Sachen in
2 4. Ord⸗
168 Fuͤnftes Buch.
Ordnung zu bringen, welche die Regierung
dieſes Volks betrafen. Man muß in
That geſtehen, daß ſich dieſe Fuͤrſten via
Wohlfahrt ihrer Unterthanen ſo angelegen
ſeyn lieſſen, daß dieſe ihnen mit Recht den
Tittel Freunde und Wohlthaͤter der Armer
gaben; Der ehrwürdige Pater Blas Valera
nennet fie gute Hausvaͤter und Vormuͤndei
der Mündel. | | i
Sobald der König die Inſel verlaſſer
hatte, machten ſeine Hauptleute Anſtalten,
ſich an den Ort zu begeben, wohin ſie zu ge⸗
hen Befehl hatten. Sie lieſſen demnach
Fahrzeuge herbeykommen, um uͤber den Arm
der See hinuͤber zu gehen, welcher das vefte
Land von der Inſel trennte. Dieſe Gelegen⸗
heit ſchien den Curakas zu gut, als daß fie
dieſelbe ungenuzt ſolten vorbey gehen laſſa
Um ihren Zweck deſto beffer zu erreichen, bez
ſchloſſen ſie nur ſo viele Fahrzeuge herzuge—
ben, als zur Uiberſchiffung der Haͤlfte der
Truppen zureichend waren. Man ſchiffte alſo
nur einen Theil der Soldaten und Haupt—
leute ein, aber es waren lauter auserleſene
Fünftes Buch. 169
und im Kriegsweſen ſehr erfahrne Leute. Sie
waren auch als Pnkas ungemein koſtbar ges
kleidet und bewaffnet. Sobald man das
Ufer aus dem Geſichte verloren hatte, uͤber⸗
fielen die Barbaren die Pnkas auf einmal
und warfen ſie in das Meer; es war Jenen
leicht das zu thun, weil ſich dieſe gar nichts
Böſes vermutheten. Die Ynukas ſuchten ihr |
Leben durch das Schwimmen zu retten, al⸗
lein die grauſamen Inſulaner lieſſen fie nicht
dazu kommen, ſondern toͤdteten fie entweder
mit ihren eigenen Waffen, oder ſchlugen ſie
mit den Rudern todt; ſo daß kein einziger
von ihnen dieſem Mordſpiele entging. Als
fie dieſen Sieg erhalten und ſi ich mit der
Beute der Erſchlagenen bereichert hatten, er:
hoben ſie ein groſſes Freudengeſchrey, und
chmeichelten ſich mit der Hoffnung, fi ſie wuͤr⸗
den das Joch des Huaͤyna Capak abwerfen
oͤnnen: Sie kehrten nach der Inſel zuruͤck
um die andern Hauptleute und Soldaten ein⸗
zunehmen; dieſe, welche von dem Schickſale
hrer Mitbruͤder nichts argwohnten, ſtiegen
Pr Furcht in die Fahrzeuge und erlitten
85 gar
170 Fuͤnftes Buch.
gar bald eben dieſelbe Begegnung. Auf die⸗
ſen gluͤcklichen Erfolg trugen dieſe Barbaren
kein Bedenken mehr, alle Statthalter, Rich⸗
ter und Einnehmer der Einkünfte des Koͤni⸗
ges und des Sonnentempels, welche der Is
ka geſezt hatte niederzumachen. Auch hier⸗
bey ließ es ihre Wuth nicht bewenden: Sie
hieben dieſen Schlachtopfern die Koͤpfe ab,
ſteckten ſie auf Pfaͤhlen vor ihre Tempel,
und opferten ihre Herzen und ihr Blut den
Goͤzzen; um das Verſprechen zu erfüllen,
welches ſie ihnen gleich zu einfanen des .
ruhrs Be hatten. I
Dreyzehntes Kapitel. ö
Beſtrafung der Aufruͤhrer.
Der Ynka Huaͤyna Capak hatte kaum
erfahren, was vorgegangen war, als
er einen toͤdtlichen Verdruß Darüber empfand.
Der Verluſt ſo vieler Perſonen, die zum
Theil mit ihm verwandt, insgeſamt aber im
Kriegsweſen, und in der Staatskunſt ſehr
erfahren waren, mußte ihm nothwendig ſehr
nahe gehen. Er legte Trauerkleider an, wel⸗
che
Fuͤnftes Buch. 171
che nach der Gewohnheit der alten Könige
ſeiner Vorfahren eine Mauſefahle Farbe ha⸗
ben; er brachte eine ziemliche Zeit mit Kla⸗
gen und Seufzen zu, und beſchloß endlich
an dieſen meineidigen Aufruͤhrern eine grau⸗
ſame Rache auszuuͤben. Er zog zu dem
Ende eine groſſe Armee zuſammen, und über:
fiel die Provinzen auf dem veſten Lande plöͤz⸗
lich. Dieſe hatten weder die Klugheit ge—
habt, ſich in Bereitſchaft zu ſezzen, noch
auch izt Macht und Muth genug, ſich zu
wehren; ſie wurden t in kurzer Zeit 1
waͤltigt. 0
Er ging hierauf unter Seegel, um die
Inſulaner anzugreifen; ihr Widerſtand war
ſo ſchwach, daß fie ſich gar bald genoͤthigt
ſahen, die Waffen niederzulegen. Der Pnka
ließ alsbald die vornehmſten Urheber des
Aufſtandes, die Hauptleute „ und die verwe⸗
genſten Soldaten, welche ſich bey der Er:
mordung ſeiner Leute befunden hatten, ge⸗
fangen nehmen. Hierauf mußte Einer von
feinen Unterfeldherren eine Rede an fie hal⸗
ten, und ihnen ihre Verraͤtherey und Grau⸗
ein}: ſamkeit
172 Fuͤnftes Buch.
ſamkeit gegen die, welche ſie unterrichten, und
ihnen Gutes hätten thun ſollen, vorſtellen.
Er ſezte hinzu, daß die Gröffe ihres Ver
brechens, und die Gerechtigkeit es nicht zus
lieſſe, ihnen Gnade wiederfahren zu laſſen;
Der Puka ſey alſo gezwungen, fie insge⸗
ſamt zum Tode zu verdammen. Der Ur
theilsſpruch wurde augenblicklich vollzogen,
und die Verbrecher mußten eben die Arten
des Todes ausſtehen, welche ſie den Dienern
des Huaͤyng Capak angethan hatten. Ei⸗
nige wurden gehangen; Einige mit ihren ei
genen Waffen getoͤdtet; Einige geviertheilt
und Einigen wurden die Koͤpfe abgeſchlagen:
Viele wurden auch in das Meer geworfen,
und verſchiedene wurden geſpießt; weil ſie
die Köpfe der Ynkas auf Pfaͤhle geſteckt
hatten. Der ſpaniſche Geſchichtſchreiber Pe
dro de Cieka de Leon redet im fünf und drey⸗
ßigſten Kapitel ſeines Buchs, von dieſer groß
fen und öffentlichen Beſtrafung des Volke
auf der Inſel Puna faſt eben fo, und feg
hinzu; daß Huaͤynga Capak, um dieſe Stra
fen den Voͤlkern deſto ſchrecklicher zu machen,
g befoh⸗
\
Fünftes Buch. 173
zefohlen habe; daß feine Unterthanen dieſe
Begebenheit mit in die offentlichen Trauerge⸗
aͤnge ſezzen ſolten, welche man bey allge
neinen Ungluͤcksfaͤllen abzuſingen pflegte: Er
bezeugt auch daß man dieſe Lieder noch zu
einer Zeit geſungen habe. an
f Vierzehntes Kapitel. |
Aufruhr der Chachapuyas und Groß⸗
muth des Huaͤyng Capaks.
Als der Ynka Huaͤyna Capak nach Cusko
zuruͤckkehrte, fanden ſich viele Curakas,
don Landſchaften auf dieſer Kuͤſte, die erſt
dor kurzem waren bezwungen worden, wel⸗
che ihm entgegen kamen, und ihm Geſchen⸗
de an ſolchen Dingen, die in ihrem Lande
am beſten und ſeltenſten waren, darbrachten.
Unter Andern brachten fie ihm einen dowen
und einen Tiger, welche dem Ynka ſo ſchoͤn
vorkamen, daß er ihnen befahl, fie mie groß
ſer Sorgfalt aufzubehalten. Huaͤyna Ca⸗
pak verließ Tumpiz, nachdem er alle noͤthi⸗
gen Anordnungen gemacht hatte, und ging
bis in die Landſchaft der Chichas; von hier⸗
. aus
174 Fuͤnftes Buch.
aus ſendete er Bevollmaͤchtigte in die Königrei⸗
che Tukma und Chili, um zu erfahren, o
auch hier alles ruhig und gluͤcklich fey. Er ga ö
ihnen eine groſſe Menge der beſten Kleider
mit, wie er ſelbſt zu tragen pflegte, um da⸗
mit den Statthaltern, den Hauptleuten, =
Curakas und andern hohen koͤniglichen Bez
dienten Geſchenke zu machen, damit I deſto
willkommener waͤren. N
Als er nach Cusko zurückgekehrt war,
beſahe er das veſte Schloß daſelbſt, welches
beynahe fertig war: Er legte ſelbſt bey ge⸗
wiſſen Dingen Hand an das Werk, um die
Arbeiter deſtomehr aufzumuntern. Vier Jah⸗
re hatte er mit dieſen friedlichen Geſchaͤften
zugebracht, als er eine friſche Armee zuſam⸗
men zog, um damit die Landſchaften, welch
uber Tumpiz gegen Norden hinauf liegen,
zu erobern. Allein kaum war er in das
Land der Canarinen gekommen, als er die
Nachricht bekam, daß die Einwohner der
groſſen Landſchaft Chachapuya einen Auf
ſtand gemacht hätten. Ihr kriegeriſcher Geiſt,
die vortheilhafte Sage ihres Landes und der
Felb⸗
Fuͤnftes Buch. 175
Feldzug, womit fie den PYnka beſchaͤftiget
ſahen, hatte ihnen dieſe Kuͤhnheit eingege⸗
ben. Sie hatten die Statthalter, die Haupt⸗
leute und die Solbaten des Ynka groͤßten⸗
theils getoͤdtet, die Andern aber zu Gefange⸗
nen gemacht, und molten fie zu Sklaven
behalten. Der Ynka ward uͤber dieſe Nach⸗
richt ſehr betruͤbt, und ſchickte an alle Orten
Befehle, daß ſeine Soldaten nicht nach den
beſtimmten Sammelplazze ſondern nach den
Graͤnzen der Chachapuyas marſchieren ſol⸗
en. Waͤhrend der Zeit, daß dieſe zuſam⸗
men kamen, ſchickte er Abgeordnete an die
Chachapuyas, und ließ ihnen Verzeihung
anbieten, wenn fie alsbald zu ihrer Pflicht
zurückkehren würden. Allein anſtatt dieſe
Gnade zu erkennen, begegneten fie diefen Ab⸗
geſchickten vielmehr uͤbermuͤthig und drohe⸗
ten, ihnen das Leben zu nehmen. Der auf⸗
gebrachte König verſammelte feine Truppen
auf das Geſchwindeſte, und ruͤckte bis an
einen groſſen Fluß, wo man auf ſeinen Be⸗
fehl eine groſſe Menge Barken zuſammen
gebracht hatte. Von dieſen ließ er in Einem
R | Tage
176 Fuͤnftes Buch.
Tage eine Brucke über den Fluß ſchlagen,
ging mit feiner ganzen Armee hinüber unk
ruͤckte vor, bis Caſſamarquilla, welches ein
Stadt in dieſer Provinz iſt; mit dem Vor
ſazze, alles mit Feuer und Schwerd zu ver
wüſten. Eine von den Staatsregeln dieſes
Koͤniges, welche er allezeit beobachtet hatte
war dieſe: die Widerſpenſtigen auf das ſtreng
fie zu ſtrafen, und hingegen, in Anfehung
derer, welche ihre Fehler erkennten, ſehr ge
linde und gnaͤdig zu ſeyn.
Die Aufruͤhrer bekamen indeſſen Nach—
richt, daß der Ynka eine mächtige Armee zu:
ſammen gezogen habe, und ſich hoͤchſt zornig
ihren Graͤnzen naͤhere. Nun fingen ſie an
vor dem Ungewitter zu erſchrecken, das ihnen
drohete, und glaubten es wuͤrde unmoͤglich
ſeyn, Gnade zu erlangen. In dieſer Vers
zweifelung, da ſie nicht wußten, wohin ſie
ſich wenden ſolten, faßten ſie den Entſchluß,
ihre Wohnungen zu verlaſſen, und ſich auf
das Gebirge zu begeben. Nur alte unver⸗
mögende Leute und Kinder blieben in der
Städten und Dörfern. Allein eben dieſt
Fünftes Buch, 177
llten, welche mehr Erfahrung Hatten und
ußerdem wußten, daß Huaͤyna Capak ſehr
naͤdig waͤre, und nicht leicht Jemanden, be⸗
onders dem Frauenzimmer, „Etwas abſchluͤ⸗
e; kamen auf den Einfall, zu einer Dame
us Caſſamarquilla, welche von dem Tu⸗
ak Inka Pupanqui war geliebt worden,
re Zuflucht zu nehmen. Sie begaben ſich
ſo mit Augen voller Thraͤnen zu dieſer
ame und ſagten zu ihr; daß fie mit ihren
zoͤhnen und Toͤchtern und ihrem ganzen Ge;
echte verloren wären; daß ihre Staͤdte
d Länder zerſtoͤrt und verwuͤſtet werden
irden, wenn fie nicht die Guͤte haͤtte, eine
irbitte für fie einzulegen.
Dieſe Dame, welche ohnedem 1
ß ſie ſelbſt und ihre Anverwandten , mit
das allgemeine Verderben verwickelt wer
n koͤnnten, wurde durch dieſe Rede ſehr be⸗
gt. Sie ging alſo aus der Stadt in Be⸗
itung vieler andern Frauen, hinaus, ohne
end eine Mannsperſon bey ſich zu haben.
it dieſer traurigen Geſellſchaft ging ſie dem
nige bis zwo Meilen von Vaſſamarquil
II. Theil. M la
178 Fuͤnftes Buch.
la entgegen. Sobald ſie ihn anſichtig ward,
warf ſie ſich ihm zum Fuͤſſen und redete ihn
ſo an: „Einiger Beherrſcher! wenn Du noch
wahrhaftig der Freund und Beſchuͤzzer der
Armen biſt, welchen Tittel Du ſtets für den
rühmlichſten gehalten haſt; fo habe Mitl |
den mit den unglücklichen Einwohnern dieſes
Landes, die fo arm am Verſtande find. Er⸗
innere Dich, daß dein groſſer Vater dief
Provinz eingenommen, und fie feiner Gna⸗
de gewürdiget hat. Verdienen die Einwoh⸗
ner derſelben nicht, daß Du ihnen verzeiheſt
ſo wird das Lob deiner Barmherzigkeit de 0
geöffer ſeyn, wenn Du es dennoch *
Thue alfo deinem zu Gnade und Wohlthus
geneigtem Herzen keine Gewalt an, ſonder
folge ihm, es wird Dich zu dem ſchoͤnſt
Ruhme führen. Du haſt das Gluͤck, ein
Sohn der Sonne zu ſeyn; Du darfſt alf
den Glanz deiner ſchoͤnen Thaten nicht n
dem Blute dieſer Elenden beflecken, we c
die Waffen ſchon niedergelegt haben. D
fe Heldenguͤte, auf welche deine Vorfah
ren allezeit ſo viel gehalten haben, wel h
Fünftes Buch. 179
nen in der ganzen Welt einen ſo groſſen
damen verſchafft hat, wird alle deine an⸗
ern Tugenden kroͤnen. Ich bitte Dich alſo
aßfaͤllig, bey dem Throne, auf welchen Dich
e Sonne, dein Vater erhoben hat, dieſen
glücklichen Gnade wiederfahren zu laſſen;
ft Du aber veſt entſchloſſen, mir dieſe Bit⸗
nicht zu gewaͤhren; ſo laß wenigſtens dei⸗
Rache zuerſt auf mich fallen, damit ich
n Schmerz nicht empfinde, die Verwuͤſtung
d Zerſtörung meines Vaterlandes zu erle⸗
n. Sobald fie aufgehoͤrt hatte zu reden,
arfen fi ch alle Frauen, die ihr gefolgt wa⸗
n mie Thraͤnenvollen Augen vor dem Köͤ⸗
ge nieder und ſchrien: „Einziger Beherr⸗
er! Liebhaber der Armen! Groſſer Huaͤy⸗
Capak! Habe Mitleiden mit uns, mit
fern Vaͤtern, mit unfern Brüdern und mit
ſern Kindern!“ ö
Der Pnka antwortete nicht gleich; aber
hrt durch die Vorſtellungen der Mama
ma und durch die Thraͤnen ihrer Begleite⸗
nen, naͤherte er fi) ihr, hob fie auf und
efe fie endlich alſo an: „Du verdienſt mit
6 5 M 2 Recht
E.... ͤ—1—1 111 111]1]101¾¹¹sꝛůů —öv—ô—U——8— U — — 5
mehr auf mein Wort verlaſſen, fo gebe i |
180 Fuͤnftes Buch.
Recht die allgemeine Mutter (Mamachiku!
oder vielmehr Meine Mutter genennt 51
werden; weil Du ſo viel Sorge fuͤr mein
und meines Vaters Ehre traͤgſt. Ich dank
Dir dafür von Herzen. Du erfuͤllſt di
Pflicht einer Mutter in Anſehung deiner Lan
desleute; deine Klugheit iſt es, die ihnen ih
Leben und ihre Guter erhalten hat. Ich ge
waͤhre Dir deine Bitte, und ſogar noch mehr
als was Du gebeten haft, wenn Du e
wuͤnſcheſt. Gehe alſo hin zu deinen Landes
leuten; kuͤndige ihnen in meinem Nar e
Verzeihung an; verſprich ihnen noch daz
eine jede andere Gnade, nur daß fie fie z
erkennen wiſſen. Damit ſie ſich aber deſte
Dir vier andere Ynkas, welche meine Bruͤder
und deine Kinder ſind, mit. Mein Will
iſt daß ſie Dich ohne Truppen begleiten, un
nur diejenigen Diener mit ſich nehmen, wel
che noͤthig ſind um in dieſen Provinzen d
Frieden und die gute Den wieder h
zuſtellen.“
atte, kehrte er mit ſeiner ganzen Armee
ieder zuruͤck zu der Eroberung der Laͤnder,
elche er im Sinne hatte. Die Chachapuy⸗
s, welche die Groͤſſe ihres begangenen Ver⸗
chens einſahen, waren durch die Gnade
3 Pnka fo geruͤhrt, daß fie niemals wieder
e Treue, welche ſie ihm gelobet hatten, bra⸗
en. Ja, um das Andenken einer fo groß-
üthigen That zu verewigen, umgaben fie
n Ort, wo Huaͤyna Capak mit ſeiner
tiefmutter geredet hatte, mit einer dreyfa⸗
en Mauer; damit dieſer Ort heilig gehal—
t würde, und niemand ihn betraͤte. Die
ſte Mauer beſtand aus ſchoͤnen gehauenen
teinen und hatte oben rundherum einen
ims: Die zweyte war von ſchlechtern Stei—
n, und die dritte von gebackenen Steinen.
h habe noch einige Uiberbleibſel dieſes Denk⸗
ils geſehen, welches der m der Frem⸗
1 er hat.
Fuͤnftes Buch. 181
Als der Ynka dieſe Anſtalten gemacht
182 Fuͤnftes Buch.
Funfzehntes Kapitel.
Vom Goöͤzzendienſte und der Lebensart de
Mantas; Der Pnka vereinigt die⸗
ſes Volk mit ſeinem Reiche. |
1 Capak ruͤckte gegen die Kuͤſte fort
bis an die Graͤnzen der Landſchaft Man
ta; wo die Spanier izt den berühmten 5
fen Puerto Viejo beſizzen. .
Die Einwohner auf dieſer Kuͤſte bis we
gegen Norden beten das Meer und die F
ſche an, ob ſie ſich gleich davon naͤhrten
Sie erwieſen eben dieſen Dienſt den wilde
Thieren, den groſſen Schlangen; ja ſoge
einigen Inſekten: Allein in Manta, welche
die Hauptſtadt dieſes ganzen Striches war
beteten fie einen Schmaragd an, welcher a
Groͤſſe beynahe einem Strauſſeneye glei
kam. An ihren groſſen Feſttagen ſtellten fi
ihn vor den Augen des ganzen Volks a
und die Amerikaner kamen aus weit entfer
ten Gegenden, um ihn anzubeten, und Op
MN zu bringen. Vornemlich brachten fie i
A 0 andere kleine Schmaragde zum Geſchen
64 weil die Curakas und Prieſter den Leute
Fuͤnftes Buch. 183
u verſtehen gaben, daß der Gott Schma⸗
agd feine Söhne mit Vergnügen annaͤhme.
Allein dieſe Lehre gruͤndete ſich auf den Geiz,
denn fie behielten fie ſelbſt. Dieſe Schma⸗
agden fielen endlich in groſſer Anzahl in die
Haͤnde des Dom Pedro de Alvarado, und
neines Vaters des Garzillaſſo de la Vega.
Allein ungluͤcklicher Weiſe hatten fie die Mei⸗
tung, daß ein guter Schmaragd durch kei⸗
ze Schläge eines Hammers muͤſſe koͤnnen
erbrochen werden. Sie machten dieſe Pro
be an den in Manta gefundenen Schmarag⸗
den, und zerſchlugen ſie beynahe insgeſamt
zuf einem Amboße. Was den groſſen Schma⸗
agb betrifft; der verſchwand, ſobald die
Spanier in das Land kamen. Die Einwoh⸗
ier verſteckten ihn ſo liſtig, daß ihn die Spa⸗
ner niemals haben finden, auch weder durch
Drohungen, noch durch Verſprechungen has
en heraus bringen koͤnnen wo er .
en ſey. |
Die Sitten der Mantas und Sie Rach⸗
jarın waren übrigens ſehr verdorben; Sie
baren dem widernatuͤrlichen Laſter mehr, als
f M 4 irgend
1 | 184 | Fuͤnftes Buch.
irgend ein anderes Volk ergeben: Bey einen
Heyrath mußte der Bräutigam feinen gutei
Freunden, und Verwandten ſeine Brau
eher uͤberlaſſen, als er fie ſelbſt umarmen
durfte. Den Kriegsgefangenen zogen ſie di
Haut ab, fuͤllten ſie mit Aſche, und binger
fie hernach als Siegeszeichen, vor den Thuͤ
ren ihrer Tempel, oder an öffentlichen Pr
zen auf.
Sobald der pnka an die Graͤnzen die
ſes Landes gekommen war, ließ er die Man:
tas auffodern, fih ihm zu unterwerfen.
gerne ſie ſich mit ihren Nachbarn verbu r
den, und dem Ynka widerſezt haͤtten; fü
ſahen fie doch, daß fie viel zu ſchwach war
40 ren, ſie nahmen alſo das Joch an, und ih
ö Beyſpiel bewog viele andere Voͤlker, ein Gl ir
ches zu thun. 1
Von hier wendete ſich der Ynfa m
feinem Heere gegen die Carankas. Die
fuͤhreten ein ganz thieriſches Leben; deſtowe
niger waren ſie vermoͤgend dem Pnka z
widerſtehen. Er gab ihnen alſo Statthal
und Maͤnner, die ſie unterrichten konnte
wo
Fuͤnftes Buch. 185
worauf er mit ſeinem Heere immer weiter
orruͤckte. Er kam endlich in ſolchen Laͤndern
in, deren Einwohner an Wildheit alle vor⸗
ergebende uͤbertrafen. Männer und Wei⸗
er ſchnitten ſich mit ſpizzigen Kieſeln aller,
and Linien in das Geſichte, und verunſtal⸗
eten ſich den Kopf mit zwey kleinen Bre⸗
ern eben ſo, wie die Paltas, welche der
Inka. Tupak Yupanqui bezwungen hatte.
die Haare ſchnitten fie ſich auf dem Wirbel
b, und fieffen fie nur ‚auf den Seiten wach⸗
en, kaͤmmten ſie aber niemals. Sie lebten
on Wurzeln, Kräutern, wilden Früchten,
ind vorzuͤglich von Fiſchen, in deren Fange
ie ſehr geſchickt waren. Die Namen dieſer
Voͤlker waren Apichiqui, Pichunſi, Sava,
Vekllamfimiqui, Pampahuaqui u. ſ. w. Nach⸗
em Huaͤyna Capak auch zum Unterrichte
ieſer Volker Anſtalten gemacht hatte, ſezte
r ſeinen Marſch weiter bis Saramiſſu und
Paſſau fort; beydes Länder, welche unter
er Aequinokziallinie liegen. Dieſe Volker
atten weder einen Gott, noch Geſezze, noch
Städte, Sie wußten nichts von Heyrathen,
} M 5 nichts
186 Fuͤnftes Buch.
nichts von Kleidern, oder Bedeckung einiger
Theile des Leibes, noch vom Ackerbau. Sie
malten ſich die Geſi chter mit mancherley For⸗
ben, durchſtachen ſi ſi ch die Lippen, „ weil fie
glaubten, daß es ſchoͤn tiefe, 4 trugen langes
Haar, und bedeckten es mit Gras oder
Staub. Als der Puka Huaͤyna Capak die
ſchlechte Beſchaffenheit der Luft und des Wet⸗
ters in dieſem Landſtriche „ und die außerſt 3
Wildheit der Einwohner, „ welche fie beynahe
dem Vie he gleich machte, bemerkte; ſo ur⸗
theilte er, daß er an den Einwohnern ver
gebens arbeiten wuͤrde, wenn er ſie ele
machen wolte; und daß das Land nicht werth
fen, es zu beſizzen. Er fol alſo zu ſeinen
Offizieren geſagt haben: „ gaſſet uns zurück
gehen; dieſe Leute ſind ſo wild und rohe, daß
fie nicht verdienen uns zu Regenten zu ha⸗
ben. Er verließ ſie auch in der That, als
ganz unvermoͤgend gebeſſert zu werden 2 und
ging mit ſeinem Heere weiter.
Ich ſelbſt war Augenzeuge der Weiher
dieſer Voͤlker; Als ich im Jahre 1560 nach
Spanien abreiſete, berührte unſer Schiff die
Fünftes Buch. 197
fe Küfte, um Holz und Waſſer einzunehmen.
Waͤhrend den drey Tagen, die wir hier vor
Anker lagen, kamen viele dieſer Barbaren
in Barken von Weiden, an das Schiff um
uns Fiſche zu verkaufen, welche ſie in unſe⸗
rer Gegenwart mit Spieſſen mit Widerhacken
toͤdteten. Sie waren hierinne ſo geſchickt,
daß ſie ihren Fiſch niemals verfehlten. Die
Spanier gaben ihnen Bisquit und Fleiſch
dafuͤr, denn Geld wolten ſie nicht anneh⸗
men. Wenn ſie zu den Spaniern gehen
wolten, bedeckten fie ihre Bloͤſſe, außerdem
aber gingen ſie ganz nackend. Sie waren
übrigens noch die roheſten und wildeſten Leu⸗
5 die ich geſehen habe. 0
| Sechzehntes Kapitel.
. Erzaͤhlung von den Rieſen, wel⸗
he ehedem in dieſes Land e
waren.
he wir dieſe Gegend verlaſſen, muß 10
einer uͤberlieferten Erzaͤhlung erwaͤhnen,
welche zwar hoͤchſt fabelhaft klingt, aber den⸗
noch in Peru vielen Glauben gefunden hat.
nn | Es
188 Fuͤnftes Buch.
Es iſt eine Sage, von welcher die Einwoh⸗
ner behaupten, daß ſie immer vom Vater
auf den Sohn ſey fortgepflanzt worden, und
die ernſthafteſten ſpaniſchen Geſchichtſchreiber;
der ehrwuͤrdige Pater Joſeph Akoſta, der Ge⸗
neralintendant Auguſtin de Carate, und Pe⸗
dro de Cieka de Leon ſcheinen ſie geglaubt
zu haben. Da dieſer Leztere am ausfuͤhrlich⸗
ſten davon ſpricht, ſo will ich ſeine Worte
aus dem zwey und funfzigſten Kapitel feiner
Geſchichte anführen. *
»Man behauptet in ganz Peru,” ſchreibt
er, „daß einige hundert Jahr vor der Anz
kunft der Spanier in dieſem Reiche eine An⸗
zahl groſſer Rieſen, beym Vorgebuͤrge St.
Helena, welches nicht weit von Puerto Vie
jo liegt, angelandet waͤren. Sie kamen, ſagt
man, auf gewiſſen Fahrzeugen von dicken
Binſen, in Geſtalt groſſer Barken gemacht,
über das Meer; ohne daß man weiß, aus
welchem Lande, oder welchen Weg? Ihre
Groͤſſe war ſo ungeheuer, daß ein gewoͤhnli⸗
cher Menſch ihnen nur bis an das Knie
reichte: Sie hatten lange Haare, welche i
Fuͤnftes Buch. 1489
nen zerſtreut uͤber die Schultern hingen;
aber keinen Bart: Ihre Augen waren ſo
zroß, als Teller, und die andern Glieder
nach Verhaͤltnis: Einige von ihnen gingen
nackend, andere bedeckten ihre Blöffe mit den
Haͤuten wilder Thiere: Weiber batten ſie
nicht mitgebracht“ :
Nachdem diefe Rieſen auf dere
em Vorgebuͤrge ans Land geftiegen waren,
ieſſen ſie ſich in einer gewiſſen Gegend nie⸗
der, welche die Einwohner des Landes noch
eigen; wo fie, um gutes Waſſer zu bekom⸗
nen, tiefe und weite Brunnen in die Tele
en gruben. Sie lebten vom Raube, und
yerheerten die ganze Gegend Ein Einziger
von ihnen verzehrte auf eine Malzeit mehr
Fleiſch, als funfzig andere Menſchen: Sie
ingen auch viele Fiſche in groſſen Nezzen.
„Dieſe Ungeheuer toͤdteten die Manns⸗
derſonen in der Nachbarſchaft, brachten die
Weiber um, indem fie fie mißbrauchen wol
en, und richteten alles Ungluͤck an, welches ö
hnen nur einfiel: die armen Einwohner des
andes, hatten weder Muth noch Kräfte,
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ur 190 Fuͤnftes Buch.
. ſich dieſe Unmenſchen vom Halſe zu ſchaffen;
IN A fie durften fih nicht einmal einfallen laſſen,
1 a Ä fie anzugreifen. Auf dieſe Art blieben dieſe
| Tyrannen lange Zeit, ohne das Geringſte
zu fuͤrchten zu haben, in dem Beſizze dieſer
Küſte. Endlich,“ ſezzen die Peruaner hin⸗
zu, “fielen dieſe Abſcheulichen, weil fie keine
Weibesperſonen hatten, in die entſezliche
Suͤnde der widernatuͤrlichen Wolluſt; der
Himmel konnte ihre Verbrechen nicht laͤnger
mehr anſehen; er ließ mit groſſem Krachen
Feuer auf ſie herabfallen und Einer der Gei⸗
ſter deſſelben toͤdtete dieſe Ungeheuer insge⸗
ſamt mit einem flammenden Schwerdte. ö
1 „Man erzaͤhlt, daß dieſes himmliſche Feu⸗
4 0 erer ihre Gebeine nicht verzehrt habe, damit
“ von dieſem verbrecheriſchen Geſchlechte ein
1 Denkmal übrig bliebe. Man hat in der
AT | That in dieſer Gegend Knochen von wun⸗
| derbarer Groͤſſe gefunden und ich habe von
einigen Spaniern gehoͤrt, daß ſie Stücke
1 von Zaͤhnen geſehen haͤtten, aus welchen ſi
1 1 ſchlieſſen lieſſe, daß ein ganzer Zahn ein hal 1
Sieh bes Pfund muͤſſe gewogen haben. ME
c. In |
Fuͤnftes Buch. 191
In dieſem 15 Soſten Jahre hat man mir
u Lima erzählt: daß, da Dom Antonio de
Mendoza Vizekönig in Mexiko geweſen iſt,
nan daſelbſt noch viel groͤſſere Knochen, als
ie, wovon ich geredet, ausgegraben habe.
Ja, in der Hauptſtadt ſelbſt, habe man Ei⸗
ige in alten Gräbern gefunden.” So weit
EN de Cieka de Leon. er
N Kapitel.
boden, Capak gehet nach Cusko zu⸗
ruck; ſeine Meinung von der Sonne.
Jer Inka befahl alſo feiner Armee, „ ſich
> zuruck zu ziehen, und die Landſchaft Paſ⸗
au zu verlaſſen. Er durchreiſete hierauf in
Einem Jahre fein ganzes weitlaͤuftiges Reich,
ind begab ſich alsdann nach Cusko, um
as groſſe Feſt der Sonne, Raͤymi genannt
u feyern, welches jederzeit neun Tage dauerte.
Bey Gelegenheit dieſes Feſtes erzaͤhlen
ie Peruaner folgendes Geſpraͤch des Huaͤy⸗
ja Capak mit dem Großprieſter der Son⸗
te: An Einem dieſer feyerlichen Tage, nahm
ich der Vnka, waͤhrend der Ceremonie, die
kt - Frey⸗
wuͤrdig find: Wenn Du es aber heute thuſt
192 Fuͤnſtes Buch.
Freyheit die Sonne anzuſehen, welches ſo
wohl ihm, als jedem Andern, als eine Han
lung, welche wider die Hochachtung, die 4
dieſer vermeinten Gottheit ſchuldig zu ſeyn
glaubten, verboten war. Da er ſeine Au⸗
gen eine Zeitlang nach dem Orte des Him—
mels, wo dieſes Geſtirne ſtand, richtete;
ſagte der Großprieſter, ſein Onkel, zu ihm:
„Was denkſt Du, Pnka? weiſt Du nicht,
daß Du eine Sache thuſt, die verboten in?”
Der König fehlug hierauf die Augen niede
aber bald darauf wendete er ſie, mit 9
der Freyheit gegen den Himmel. Der Groß
prieſter gab ihm von neuem einen De
mit dieſen Worten: “Einiger Beherrſcher!
gib wohl acht, was Du thuſt! denn eı
kömmt hier auf eine Sache von der groͤßten
Wichtigkeit an. Du weiſt, daß es uns ins
geſamt verboten iſt, die Kuͤhnheit zu h
ben, und die Sonne, unſern Vater anzuſe
hen, weil wir dieſes hohen Anblicks ni
ſo giebſt Du deinem ganzen Hofe, und
len vornehmen Herren deines groſſen Reichs,
Fünſtes Buch. 193
n boͤſes Beyſpiel; da fie hier verſammelt
id, um deinem Vater die Verehrung zu
weiſen, die ſie ihm, als ihrem Beherrſcher
id einzigen Herrn, ſchuldig find.” Der
oͤnig wendete ſich, ohne aufgebracht zu
erden, gegen den Großprieſter und ſagte:
Ich will Dich nur zwey Dinge fragen, wel—
e Dir anſtatt der Antwort dienen koͤnnen;
icht wahr, Ihr erkennet mich alle fuͤr eu⸗
1 König? dieſes vorausgeſezt, iſt wohl Je⸗
ind unter Euch vermögend, zu machen, daß
von meinem Throne aufſtuͤnde und eine
ige Reiſe unternaͤhme, wobey ich, ohne
te zu halten, beſtaͤndig laufen müßte?”
Wahrhaftig; antwortete ihm der Groß
eſter, derjenige, welcher fo Etwas behau⸗
n wolte, wuͤrde fuͤr einen Unſinnigen ge⸗
(ten werden.“ Der Ynka fuhr fort: „Ich
Dich noch Eins fragen: Iſt wohl Je⸗
ind unter meinen Vaſallen, er ſey auch
h fo reich und mächtig, welcher kuͤhn gnug
re, mir nicht zu gehorchen, wenn ich ihm
öhle, in größter Eil nach Chili zu gehen?“
s iſt kein Zweifel, erwiderte der Groß⸗
II. Theil. N prieſter,
zaͤhlt haben, ſehr uͤbereinſtimmen.
194 Fuͤnftes Buch.
prieſter, “ daß Dir deine Unterthanen bis in
den Tod gehorchen werden, wie es ihre Schul
digkeit erfodert. Wenn dieſes iſt, ſchlof
der König, “fo iſt auch kein Zweifel, daf
die Sonne, unſer Vater, noch unter einen
andern Herrn ſtehet, der maͤchtiger iſt; au
deſſen Befehl ſie die Bahn zurück legt, wel
che wir fie täglich durchlaufen ſehen. Dent
wäre die Sonne, unſer Vater, der böchfkı
Herr von allen Dingen hiernieden, fo iſt er
wahrſcheinlich, daß ſie zuweilen ausruhen,
oder ſich zum Vergnuͤgen aufhalten a
weil fie alsdann keine Nothwendigkeit zwaͤn
ge, immer zu laufen. 4
Man ſiehet leicht, daß dieſe Geſinnun
gen des Huaͤyna Capaks mit dem, was
wir von feinem Vater Tupak Pupanqui er
Aberglaube der Prieſter und anderer Perf
nen, welche bey dieſer Unterredung zugeg
waren, hielt es für ein ſehr boͤſes Zeiche
daß der Koͤnig ſich unterſtanden hatte, d
Sonne anzuſehen und ihre thoͤrichte Furcht
ward durch das, was bald darauf nach ſei
Fünftes Buch. 195
em Tode geſchahe, gerechtfertiget. So ber
uͤnſtiget oft der Zufall den Aberglauben und
erwirret den Verſtand der Klugen.
Aahktzehntes Kapitel.
Aufſtand der Carankas und ihre
Beſtrafung.
Jer YPnka war eben auf feiner lezten Rei⸗
ſe, die er zu Beſichtigung ſeines Reichs
at, als er die Nachricht bekam, daß die
arankas in einem allgemeinen Aufſtande
griffen waͤren. Dieſe ehemals ſo grauſa⸗
en und wilden Voͤlker, waren das Joch des
nka, welches fie im Zaume hielt, uͤberdruͤ⸗
g und wolten wieder zu ihrer vorigen Le⸗
nsart zurück kehren. Verſchiedene benacht⸗
rte Voͤlker, welche ſich vor der Macht und
engen Zucht der Pnkas fuͤrchteten, hatten
h mit ihnen vereiniget und brachten heim⸗
h eine groſſe Anzahl Truppen zuſammen.
m ihr boͤſes Vorhaben deſto beſſer zu ver⸗
rgen, ſtellten ſie ſich, als ob ſie die Befeh⸗
des Ynka und ſeiner Staatsdiener mit
oͤſſerer Bereitwilligkeit, als jemals annaͤh⸗
. | N 2 men,
u
196 Fuͤnftes Buch.
men, und bezeigten ſich ſehr eifrig, ſie zi
vollziehen. Allein ſobald der Tag der Aus
führung ihrer Abſichten angebrochen war
erwuͤrgten fie alle Vnkas und Diener dei
Koͤniges, ſowohl als die Soldaten, welch
die Beſazzungen dieſes Landes ausmachten
Sie opferten ihre Koͤpfe, ihre Herzen un
ihr Blut ihren falſchen Goͤzzen zur Dank
barkeit, daß ſie ſie von der Herrſchaft de
Ynkas befreyet und ihnen Gelegenheit ver
ſchafft haͤtten, zu ihren alten Gebraͤuchen un
Sitten zuruck zu kehren. Um ſich an den
Ynka dafür zu rächen, daß er ihnen unter
ſagt hatte Menſchenfleiſch zu eſſen, fraſſe
ſie das Fleiſch ſeiner Verwandten und Die
ner begierig auf. Kurz fie übten an dieſe
Unglüclichen alle die Grauſamkeiten aus
welche ihnen die Rache eingab. Der Koͤnig
durch dieſe blutduͤrſtige Beleidigung hoch:
aufgebracht, zog eine groſſe Armee zuſammen
und ruͤckte damit aus, um die Aufrührer z
beſtrafen. Sobald er an der Graͤnze ihre
Landes angekommen war, blieb er dennot
den Staatsregeln ſeiner Vorfahren, welch
allezei
Fuͤnftes Buch. 197
allezeit die Gelindigkeit anriethen, ſo getreu,
daß er Abgeordnete an die Rebellen ſchickte,
welche ihnen Verzeihung anbieten mußten,
wenn ſie um Vergebung bitten, und ſeine
Gnade ſuchen wolten. Allein ſie antworte⸗
ten dieſen Abgeordneten mit dem groͤßten
Stolze, behandelten ſie uͤbel und haͤtten ſie
bdeynahe umgebracht. Auf dieſe Nachricht
ließ Huaͤyng Capak feine Armee wider fie
anruͤcken und gab feinen Hauptleuten aus |
ruͤcklich Befehl, nichts zu verſchonen, und
les mit Feuer und Schwerd zu verheeren.
Es kam alſo zu einem Treffen, in welchem
zuf beyden Seiten viel Blut vergoſſen wur⸗
de. Die Furcht vor der Strafe, welche die
Carankas belebte, und die Begierde, die Bes
eidigung, welche man ihrem Koͤnige ange⸗
han hatte, wovon die Truppen des Ynka
jefeelt wurden, machte, daß man mit einer
unglaublichen Hartnaͤckigkeit fochte. Endlich
nußten dennoch die Feinde weichen. Uiber⸗
eugt daß fie den Angrif des Heeres des Yin
a im Felde nicht aushalten koͤnnten, nah⸗
nen ſie ihre Zuflucht zu Kriegsliſten und
\ ü N 3 klei⸗
198 Fünftes Buch.
kleinen Uiberfaͤllen: Sie dachten auf nichts,
als wie ſie die Zugaͤnge, die engen Paͤſſe
und andere, von der Natur beveſtigte Oerter
vertheidigen wolten. Alles dieſes aber half ih:
nen zu nichts, ſie verloren Einen Poſten nach
dem Andern und mußten ſich endlich insge⸗
ſamt zu Gefangenen ergeben. Der vornehm;
ſten Urheber des Aufruhrs waren ohngefehr
zweytauſend, theils Carankas, theils von
den mit ihnen verbundenen Völkern, wel
von den Ynkas noch nicht waren bezwungen
worden. Um einmal ein Beyſpiel der Stren⸗
ge zu geben, welches nie vergeſſen würde,
befahl der König, daß dieſe Haͤupter der Ver⸗
ſchwoͤrung insgeſamt am Leben ſolten geſtraft
werden. Ihre Leiber ließ er in einen groß
ſen See, welcher auf der Graͤnze beyder Voͤ
ker liegt, werfen, welcher um deßwillen, zun
ewigen Andenken, Pahuarkocha, das il
Blut⸗ Meer, genennet ward. Pedro d
Cieka, welcher dieſer Begebenheit in ſein
Geſchichte auch erwaͤhnt, ſagt zwar da
zwanzigtauſend Mann waͤren getoͤdtet wo
den; allein das iſt von allen denen zu vor
fee
Fuͤnftes Buch. 199
ehen, welche im ganzen Kriege angetan
1 ſind.
Der data Huaͤyna Capak kehrte nn.
ir Beſtrafung der Schuldigen nach Qul⸗
zuruck; ſehr betruͤbt, daß während feiner
eren ſo abſcheuliche Verbrechen waren
gangen worden, welche ihm zu einer fol
en Strenge, die feinen natuͤrlichen Geſin⸗
ungen ſo entgegen war, gezwungen hatten.
r beklagte ſich, daß es ihm nicht erlaubt
weſen waͤre, die Guͤte und Gelindigkeit ſei⸗
er Vorfahren nachzuahmen, und daß er
einer Zeit gelebt, die fo reich an Aufruhr
nd Empoͤrungen geweſen; da man doch vor⸗
er nur von dem einzigen Aufſtande der
hankas unter der Regierung des Ynka Dir
Pr im Wage der Pakas gehört De
Neunzehntes Kapitel. 3 {
Juäyna Capak macht ſeinen Se
FERN zum Könige: on
Quito. 80
Der Ynka Huaͤyna Capak hatte, wie wir
geſagt haben, mit der Tochter des lez⸗
N 4 ten
Sohn, daß nach der alten Gewohnheit
200 Fuͤnftes Buch.
ten Koͤniges von Quito einen Sohn gezeug
welcher den Namen Atahuallpa führte. Di
fer Prinz war ſchön von Geſicht, wohl ge
wachſen, geſchickt, tapfer, klug und hatt
vielen Scharfſinn. Dieſe Eigenſchaften mach
ten ihn zum größten Vergnügen ſeines Ve
ters; er fuͤhrete ihn allenthalben mit ſich hei
um, und haͤtte ihn gern zum einzigen Ei
ben ſeines ganzen Reichs gemacht. Da e
aber nicht in ſeinem Vermögen ſtund, fei
nem aͤlteſten Sohne, Huaskar Ynka, die
ſes Recht zu rauben, ſo beſchloß er, wi
der die Gewohnheit und Anordnung ſeine
weiſen Vorfahren, ihm wenigſtens das Reid
Quito zu entziehen, und es, unter einen
ſcheinbar gerechten Vorwande, ſeinem Lieb
linge zu geben. Er ließ zu dem Ende ki
nen Erbprinz Huaskar von Cusko holen,
und redete ihn alsdann in Gegenwart ſeiner
andern Söhne, feiner Hauptleute und Eu
rakas alſo an: „Ich weiß gar wohl, mein
welche der Ynka Manko Capak unſe
Stammvater, eingeführt hat, dieſes Reich
| Quito
Fuͤnftes Buch. 201 e
Quito einſt mit unter deine Herrſchaft kom⸗
nen ſolte. Es iſt gewiß „daß bis bierher, | |
lle Provinzen und Reiche, die wir erobert ni:
haben, mit dem, was wir vorher beſaſſen, CH
ind vereiniget, und der Gerichtsbarkeit, und |
er Herrſchaft unſerer Hauptſtadt Cusko un⸗ ö
erworfen worden. Aber es wuͤrde mich ver; N 11
ruͤſſen; wenn ich ſehen ſolte, daß dein Bru⸗ N \
er Atahualpa nicht fo verſorgt würde, wie
r es verdient. Ich wuͤnſchte alſo, daß, von
en vielen Laͤndern, welche ich dieſer Krone %
nterworfen habe „das Reich Quito, wel⸗ 79
hes den Vorfahren ſeiner noch lebenden |
Mutter gehört hat, ihm auf beſtaͤndig zu e
Theil werden möge; und daß Du dieſe Vers l
henkung billigeſt. Du darfſt übrigens nicht .
üͤrchten, daß ein fo guter Bruder, wie er, N
mals feine Gewalt mißbrauchen, oder Dir
n dieſem Zuſtande nicht beſſer und getreuer
ienen werde, als wenn er nicht ſo reichlich
erſorgt waͤre. Ich habe für izt nichts wei⸗
er von Dir zu fodern, und Du wirſt fin⸗
en, daß das, was ich für deinen Bruder
erlangt habe, nicht ſehr betraͤchtlich if, g
* N 5 wenn
202 Fünftes Buch,
wenn Du die Provinzen und groffen Reiche,
welche Du behaͤltſt, in Betrachtung zieheſt;
ich will die nicht einmal erwaͤhnen, welche
Du noch mit Huͤlfe deines guten Bruders
erobern kannſt; der Dir als Feldherr, und als
Soldat, wenn es die Noth erfodert, nuͤzli⸗
che Dienſte leiſten wird. Wenn Du ihm
dieſe Verſorgung zugeſteheſt, ſo ſind meine
Wünſche erfüllt, „ und ich werde mit Ver⸗
gnuͤgen aus dieſer Welt in eine Andere ge⸗
hen, um bey meinem Vater, der Sonne,
die mir beſtimmte Ruhe zu genieſſenn
Der Prinz Huaskar Pnka antwortet
mit der größten Folgſamkeit: „Nichts liege
ihm ſo ſehr am Herzen, als dem "Könige
feinem Vater, ſowohl in dieſem Stuͤcke, als
in allem Andern zu gehorchen, was er ihm
nur befehlen wuͤrde. Er ſey ſogar bereit,
ſeinem Bruder Atahuallpa noch jede andere
Provinz abzutreten, um ſeinem Vater ein
Vergnuͤgen zu machen, die er fuͤr ihn ver⸗
langen wuͤrde. Ä vg
Huaͤyna Capak war mit dieſer Wien
ſehr zufrieden, und fand für gut, daß Hu⸗
askar
Fuͤͤnftes Buch. 203 1
ear nach Cusko zurück kehrete, während
aß er den Atahuallpa im Beſtz des Koͤnig⸗
eichs Quito ſezte. Er vereinigte verſchiede⸗ 5
e andere Provinzen damit, die ihm bequem 1
agen, und gab ihm einen guten Theil ſeiner |
lemee nebſt ſehr erfahrnen und tapfern |
daupeleuten. Kurz er verſchaffte ihm alle \
Bortheile, die er nur konnte, wovon Eini⸗ 1
e dem rechtmäßigen Erben feiner Krone
achtheilig ſeyn mußten. Dieſes war noch IN
icht alles; aus allzugroſſer Zaͤrtlichkeit ge⸗ | 1 >
en dieſen jungen Prinzen, beſchloß er ſogar,
ine übrige Lebenszeit bey ihm in Quito zuzu⸗
ringen. Vielleicht that er es, um ihn auf ſei⸗ 5 b
em Throne zu beveſtigen, und die am Meere TA
elegenen Provinzen, welche er bezwungen | 68
atte, durch die Furcht vor ihm im Zaume
u halten. Den Einwohnern derſelben, fehl⸗
des weder an Muth, noch an böfen Wil
en, die Herrſchaft der Ynkas von ſich ab⸗
uwaͤlzen. Um allen übeln Folgen vorzubeu⸗
en, ließ ſie der Koͤnig in andere entfernte
Jeopinzen verſezzen, und an ihre Stelle
rachte man friedlichere Völker. Dieſes Mit⸗
oe tels
204 Fuͤnftes Buch.
tels bedienten ſich die Koͤnige von Peru ge
woͤhnlich i in dergleichen Faͤllen, und befand
ſich wohl dabey. “
Zwanzigſtes Kapitel. |
Von zwo groſſen Landſtraſſen, welche dure
das Reich der Ynkas gingen. 3
us der Regierung des Ynka Huaͤyne
Capak legten ſeine Unterthanen, ihn
zu Liebe, zwo breite Landſtraſſen an, wel
von Cusko aus gegen Norden, bis 2
Quito gingen. Eine davon lief längft d
Seekuͤſte, auf dem platten Lande hin; Di
Andere aber war weiter gegen Morgen üb:
die Gebürge geführt: Von Beyden bebauı
pten die Geſchichtſchreiber, daß ſie fünfhunden
Meilen lang, und an einigen Orten funfzehm
an Andern aber fuͤnf und zwanzig Schritte
breit geweſen ſind. N
Der Weg über die Gebuͤrge war der 0
jenige, welchen man am meiſten bewunder
muß. Um ihn gleich zu machen, waren A
vielen Orten hohe Felſen hinweg geſchafft
und an noch mehrere Thaler, zwanzig Klaf⸗
i tern
Fünftes Buch. 205
en tief, ausgefüllt: Dennoch war er ſo eben,
iß man mit einem europaͤiſchen Wagen dar
if hätte fahren können. An einigen Orten
ng er über ſolche Höhen, daß man eine
usſicht von hundert Meilen um ſich herum
itte. An ſolchen Stellen waren auf bey⸗
n Seiten des Weges platte Erhoͤhungen
n gehauenen Steinen, mit Treppen er⸗
net, damit die, welche den König auf ſei⸗
m Armſtuhle trugen, bequem hinauf ſtei⸗
n, und ausruhen koͤnnten, indeß der Koͤ⸗
9 das Vergnügen der ſchoͤnen Ausſicht ges
fie, welche ihm oft auf Einer Seite die
ſchneyeten Spizzen der Berge, und auf
r Andern, die ſchoͤn grünenden Thaͤler vor⸗
llete.
Der andere Weg an der Seekuͤſte hin,
ng groͤßtentheils durch ſandichte Ebenen,
ifchen welchen doch auch verſchiedene Ber⸗
und Thaͤler waren. Dieſe Thaͤler, von
elchen ich ſchon mehr geredet habe, waren
woͤhnlich eine Meile, oder etwas daruͤber
eit, und durch kleine Gehölze und Fluͤſſe
* erfriſcht. Durch dieſe Thaͤler fuͤhr⸗
ten
206 Fuͤnftes Buch.
ten die Peruaner Daͤmme, oder erbten
gen, und durch die ſandichten Ebenen pflanz
ten fie. auf beyden Seiten groſſe hoͤlzern
Pfaͤhle, und machten Schranken, daß mar
den Weg nicht verlieren konnte. fi
Laͤngſt dieſen Wegen, waren auf beyder
Seiten, wo Etwas wuchs, Baͤume gepflanzt
auch waren in gewiſſen Weiten, Haͤuſer zun
Aufnahme der Reiſenden, und Magazin
fuͤr die Armeen erbaut, wo ſich beſtaͤndig eir
Vorrath an Lebensmitteln, Waffen, Kriegs
vorrath und Kleidern befand. Beyde Wege
wurden mit der größten Sorgfalt unterhal⸗
ten, bis die Spanier das Land eroberten,
In den buͤrgerlichen Kriegen, welche darauf
erfolgten, wurden ſie von den feindlichen
Partheyen, welche einander das Been
men erſchweren wolten, mit Fleiß verdorbe 1,
und an fo vielen Orten unterbrochen, daß
man izt nur noch einige Uiberreſte davon
wahrnimmt. 4
Wie ich hier dieſe e koͤniglichen
Straſſen beſchrieben habe, ſo bilden fr, ie aue
die beſten ſpaniſchen Schriftſteler, welche
Fuͤnftes Buch. 207
on Peru ſchreiben, ab. Auguſtin de Ca⸗
ata redet davon in den praͤchtigſten Aus⸗
rücken in feinem Buche von dem Urſprun⸗
e der Dnkas. Eben dieſes thut Pedro de
ieka de Leon, und Juan Batero Benes, de⸗
en Worte ich anführen koͤnnte, wenn mein
eugnis verdächtig wäre
80 Ein und zwanzi gſtes Kapitel:
Bere hiedene ſeltſame 2 Begebenheiten, ſezzen
ie abergläubifchen Vnkas in groſſe Furcht:
c Erſcheinung der Spanier, an
der Peruaniſchen Kuͤſte. win
ein Capak hatte ſein Reich ohngefehr
Ein und dreyßig Jahre beherrſchet, als
0 zu Cusko ein verdrießlicher Vorfall zu⸗
ug, welcher den Vnka und ſeine Untertha⸗
en ſehr in Furcht ſezte. An Einem von
n Tagen, an welchen man das groſſe Feſt
er Sonne feyerte, ſahe man in der Luft
nen groſſen Adler, von derjenigen Art, wel⸗
je Anka genennt werden „ der von ſechs
Vaſſervögeln „und eben ſo viel kleinen Fal⸗
en, welche die Peruaner Huaman nennen,
i ver⸗
1 0 208 Fuͤnftes Buch.
N verfolgt ward. Dieſe Voͤgel ſtieſſen wech
1 ſelsweiſe, mit ſolcher Geſchwindigkeit auf
50 den Adler, daß fie ihn verhinderten fort zu
| fliegen, und an vielen Orten mit ihrer
Schnaͤbeln verwundeten. Als der Adler nich!
mehr im Stande war, ſich zu vertheidigen,
fiel er auf dem groſſen Plazze in Cusko
mitten zwiſchen den Ynkas zur Erde, als of
er fie um Beyſtand anflehen wolte. Sie er:
griffen ihn gleich, und glaubten Anfangs,
er ſey krank; denn er war unrein, ſein gan—
zer Koͤrper war mit Blattern oder Schwaͤ⸗
ren bedeckt, und ihm alle Federn, außer an
den Fluͤgeln, ausgerupft. Sie warfen ihm
zu freſſen hin, und thaten ihr möglichſtes,
| um ihn zurechte zu bringen; aber aller ihrer
N Sorgfalt ohngeachtet, ftarb er in wenig Ta:
| gen. Die, wegen dieſes Vorfalles zu Na
| the gezogenen Wahrſager verficherten insge⸗
| ſamt, daß dieſes eine offenbare Worbedeus
J | tung des gaͤnzlichen Umſturzes des Staats,
' und der Vertilgung des Gottesdienſtes fe
Bald nach dieſer Begebenheit ereignete
ſich einige Erdbeben, die ſo heftig waren,
| daß
aß die Einwohner des Landes, obgleich Per
1 diefem Uibel ſehr unterworfen iſt, ſich
ch nicht erinnern konnten, jemals derglei⸗
en erlebt zu haben; denn es wurden ſogar
nige der hoͤchſten Berge zerſpaltet, daß ih⸗
Gipfel herab fielen. Dieſer Vorfall, der
ſich ſelbſt ſchon ein groſſes Uibel war,
urde dennoch nur fuͤr den Vorboten eines
l groͤſſern gehalten. Dazu kam noch, daß
Einwohner an der Seekuͤſte meldeten,
ß das Meer bey der Ebbe und Fluth ſei⸗
gewoͤhnlichen Graͤnzen uͤberſchritten, und
ige Gegenden uͤberſchwemmet, wohin es
cher niemals gekommen wäre. Da fie nicht
ißten, daß dieſes eine gewoͤhnliche Wirz
ig des Erdbebens ſey; ſo nahmen ſie es
ch fuͤr eine ſehr ſchlimme Vorbedeutung an.
lein kaum hatten die armen Ynkas Zeit
habt, hieruͤber zu erſchrecken, als fie ein
eteorum, oder Luftzeichen ſahen, das ſie
viel groͤſſere Unruhe ſezte. Sie wurden
nlich in einer ſehr hellen und heitern Nacht,
y groſſe Ringe um den Mond gewahr;
Erſte davon war Blutroth; der Zweyte
II. Theil. O ſchwarz⸗
Fuͤnftes Buch. 209
210 Fuͤnftes Buch.
ſchwarzgruͤnlich; der Dritte ſahe einem Rau
che aͤhnlich. Ein Wahrſager oder Zauberer
welche Leute man in Peru Llayka zu ner
nen pflegt, ſahe dieſe Ringe mit der groͤßte
Aufmerkſamkeit an, worauf er mit meine
den Augen zum Hudyna Capak ging, un
ihn mit ſchwacher und trauriger Stimme a
fo anredete: “Einziger Beherrſcher (Cape
Vnka) Du ſolſt wiſſen, daß der Mond, de
ne Mutter, welche Dich ſehr liebt, D
durch meinen Mund zu wiſſen thut, daß Pe
chakamak, deſſen Vorſehung alles regier
was er gemacht hat, dein Hauß, dei
Reich, und deine Unterthanen mit viele
groſſen Unfaͤllen bedrohet, die er uͤber f
wird ergehen laſſen. Denn jener erſte Rin
von Blut, welcher den Mond umgiebt, b
deutet, daß, nachdem Du dieſe Erde wir
verlaſſen haben, deine Nachkommen eine
grauſamen Krieg mit einander fuͤhren we
den, worinne man fo viel koͤnigliches Bl
vergieſſen wird, daß ſeine Quelle bis auf d
lezten Tropfen vertrocknen wird. Der z ei
te Kreis zeigt an, daß nach den Ba
de
Fuͤnftes Buch. 211
er Vertilgung deiner Nachkommenſchaft un⸗
re Religion wird abgeſchafft werden und
ann wird dieſes Reich wie ein Rauch ver—
ehen, wie der dritte Ring zeiget, welcher
us Rauch zu beſtehen ſcheinet. Es geſchie⸗
et mit der größten Bekuͤmmerniß, daß ich
zr dieſe Unglüͤcksfaͤlle verkuͤndige.“
Ob der Pnka gleich durch die Worte die⸗
s Wahrſagers ſehr geruͤhrt ward, ſo ließ
es ſich doch nicht merken, damit es nicht
biene, als ob es ihm an Herzhaftigkeit man⸗
le. „Gehe und entferne Dich,“ ſagte er
m Wahrſager, ich ſehe wohl, daß Du
le dieſe Thorheiten in dieſer Nacht getraͤu⸗
et haſt, und nun nenneſt Du ſie Offenba⸗
ngen meiner Mutter.“ Ich wuͤrde zu ta⸗
ln ſeyn, antwortete der Wahrſager, wenn
das, was ich ſage, nicht beweiſen koͤnnte.
imm Dir die Muͤhe, und komm mit mir
raus, ſo wirſt Du die traurigen Zeichen
iner Mutter mit deinen eigenen Augen ſehenz
sdann kannſt Du, wenn Du es gut findeſt,
e andere Wahrfäger laſſen zuſammen kom⸗
en und ſie fragen, was dieſes bedeute.
Be: O 2 Dieſe
212 Fuͤnftes Buch.
Dieſe lezten Worte erſchreckten den Ynk
noch mehr, und bewogen ihn, aus dem Har
fe zu gehen um ſich von dem, was er gehoͤl
hatte, zu uͤberzeugen. Als er es wahr fand
ließ er alle Zeichendeuter ſeines Hofes zuſan
men kommen. Der Geſchickteſte unter aller
welcher aus dem Volke der Yaviner war
und die drey Ringe um den Mond ſchon be
trachtet hatte, behauptete eben das, was de
Erſte Wahrſager verſichert hatte. Allein ol
gleich Huaͤyna Capak von dem, was er ge
hoͤrt hatte, überzeugt war, fo ſtellte er fic
doch, als ob er es nicht glaubte, um feiner
Volke den Muth nicht zu nehmen, und ſag
te zu den Zeichendeutern indem er fie vo
ſich ließ: »Ich werde euern Worten niemal
Glauben beymeſſen, wenn mich der grof
Pachakamak nicht ſelbſt von der Wahrhei
derſelben verſichert. Denn ich kann mir nich
einbilden, daß die Sonne, mein Vater, fei
eigenes Geſchlecht ſo ſehr haſſe, daß er de
gaͤnzlichen Untergang feiner Kinder geſtatte
folte” Er brachte hierauf der Sonne viel
groſſe Opfer, und befahl, das Orakel de
Pacha,
Fuͤnftes Buch. 213
hachakamak und des Rimak um die Be⸗
ufung dieſer Wunderzeichen zu befragen.
llein die Antworten, die er an dieſen bey⸗
in Orten empfing, waren zweydeutig und
rworren, und die Zeichendeuter behaupteten
immerfort ihre vorige Meinung. Um dieſe
igedroheten Uibel, wenn es möglich waͤre,
zuwenden, brachte der Ynka eine gute
rmee von lauter alten wohlgeuͤbten Solda
u zuſammen, und verlegte fie an den Or:
, wo es ihm am nuͤzlichſten ſchien, in
eſazzung.
Ich habe uͤbrigens von dieſen Wunder⸗
chen, zu welchen noch einige ſchreckliche
ymeten kamen, nichts geſagt, was nicht im
nzen Reiche waͤre bekannt geweſen. Mir
es von zween Hauptleuten der Leibwache
Huaͤyna Capak erzähle worden, welche
de in einem Alter von achtzig Jahren das
uͤck hatten, getauft zu werden; der aͤlte⸗
hieß Dom Juan Pachuta, der Andere,
ſen Taufnamen ich vergeſſen babe, nennte
Be:
. Ei O 3 Ohn⸗
214 Fuͤnftes Buch.
Ohngefehr drey Jahr, nach dieſen, fi
die Ynkas fo fürchterlihen Begebenheiten
als ſich Huaͤyng Capak in feinem Pallaſt
zu Pumipampa, einem der praͤchtigſten i
Peru, befand, bekam er Nachricht, da
man gewiſſe außerordentliche Menſchen, de
gleichen man in dieſer Weltgegend noch nich
geſehen, wahrgenommen, welche in eine
ungewöhnlichen Fahrzeuge an der Kuͤſte he
um fuͤhren. Es war dieſes das Schiff de
Vasko Nugnez de Valboa, welcher da
Suͤdmeer zuerſt entdeckte; und feine Leu
waren es, die, wie ich im Anfange mein
Geſchichte geſagt habe, dieſem Lande zuer
den Namen Peru beylegten. Dieſe Beg
benheit trug ſich im Jahre 1515, acht Jah
vor dem Tode des Ynka Huaͤyna Capo
zu. Dieſer Fuͤrſt wendete alle Mittel ar
um zu erfahren, was dieſes fuͤr Leute we
ren, und wo ſie wohl herkaͤmen; ohne da
er eine befriedigende Nachricht erhalten ko
te. Er wendete die acht übrigen Jahre, m
che er noch lebte, nachdem man dieſe Fre
den geſehen hatte, an ſein Reich weißlich
a 9 8 regie
Fuͤnftes Buch, 215
egieren, und den Frieden zu erhalten. Die
euen Ankoͤmmlinge machten ihm zu ſorgſa⸗
ne Gedanken, als daß er auf neue Erobe⸗
ungen haͤtte ſollen Anſchlaͤge machen. Außer⸗
em beunruhigte ihn das, was man ihm von
hrem Schiffe geſagt, deſtomehr, weil ihm
ie alte Weiſſagung, welche ſich bey den Pe⸗
uaniſchen Koͤnigen vom Vater auf den
Sohn fortgepflanzt, unvergeſſen war; „daß
ach einer gewiſſen Anzahl von Königen von
beru, fremde Menſchen, dergleichen man
och nie geſehen „ an ihren Kuͤſten ausſtei⸗
en, ſie ihres Reichs entſezzen, und ihrer
Religion ein Ende machen wuͤrden.
Zwey und zwanzigſtes Kapitel.
Teſtament des Huaͤyna Capak; feine
Vorherſagung der Ankunft der Spa⸗
nier, und ſein Tod.
uaͤyna Capak befand ſich im Koͤnigreiche
Quito bey ſeinem liebſten Sohne Ata⸗
uallpa, als er eines Tages Luſt bekam, ſich,
um Vergnuͤgen, in einem See zu baden.
ber kaum war er wieder aus dem Waſſer,
* 5 O 4 als
che nicht allein den Tod des Hudyna Ca⸗
216 Fuͤnftes Buch.
als ihn ein Froſt, und dann eine far
Hizze uͤberfiel; kurz der Koͤnig bekam ei
heftiges Fieber. Es blieb in den folgende
Tagen nicht außen, ſondern wurde vielmel
mit jedem Anfalle heftiger; hieraus urtheili
er, daß feine Krankheit toͤdtlich ſey. Er wu:
de in dieſer Meinung durch Weiſſagungen
die feine Perſon betrafen, welche die Ynka
von der Sonne ſelbſt zu haben glaubten
durch zauberiſche Wahrſagungen, und dure
die Auslegungen, welche man über einig
wunderbare Begebenheiten machte, geftärfi
Es lieſſen ſich nemlich gegen das Ende de
Regierung dieſes Fuͤrſten, wie ich ſchon er
waͤhnt habe, einige Kometen ſehen; unte
Andern Einer, deſſen Licht gruͤn ſpielte, wel
cher die Weiſen unter den Peruanern unge
mein in Furcht ſezte. Uiberdieſes hatte auch
der Bliz in das Haus der nkas eingefchla
gen; welches die Amautas, die Wahrfager,
und die Prieſter ſehr betruͤbte, weil ie
dieſes alles für Wunderzeichen hielten, wel⸗
pak, fondern auch den Untergang feines Hau⸗
ſes,
Fuͤnftes Buch. 217
es, und den Verluſt feines Königreichs vers
pas.
Als Huaͤyna Capak keine Hoffnung zur
n mehr vor ſich ſahe, ſo ließ er
eine Kinder und andern Anverwandten, nebſt
den Statthaltern und Hauptleuten der naͤch—
ſten Provinzen zu ſich rufen; worauf er ſie
mit folgenden Worten anredete: „Meine
Freunde, ich gehe hin im Himmel, die mir
beſtimmte Ruhe zu genieſſen; denn die Sons
ne hat mir ſeit einiger Zeit offenbaret, daß
ie mich aus einem See zu ſich rufen wuͤr⸗
he. Da ich nun mit dieſer Krankheit aus
dem Waſſer gekommen bin, ſo iſt es ein
icheres Zeichen, daß mich mein Vater zu
ich ruft. Ich empfehle Euch alſo, daß Ihr
dach meinem Tode, mein Herz und Einge—
veide nach Quito bringet; als einen Be⸗
weiß der groſſen Liebe, welche ich allezeit ge⸗
gen dieſes Land gehegt habe. Meinen Koͤr⸗
der bringet nach Cusko, wo die Leichname
neiner Vorfahren ruhen. Vornemlich aber
raget Sorge fuͤr meinen Sohn Atahuallpa;
Er iſt dasjenige, was ich auf der Welt am
4 25 meiſten
218 Fuͤnftes Buch.
meiſten liebe. Ich hinterlaſſe ihn an meine
Statt als Ynka in dieſem Koͤnigreiche Qui
to, und ich befehle Euch allen, ihm mit al
ler Treue und aller Zuneigung, die ihr eue
rem Koͤnige ſchuldig ſeyd, zu dienen, und it
allem zu gehorchen; denn er wird Euch nichtt
befehlen, was ich ihm nicht, nach dem Willer
der Sonne, meines Vaters offenbare. Libri:
gens empfehle ich Euch die Gerechtigkeit und
Gelindigkeit gegen die Unterthanen. Damit
ihr Euch den ruͤhmlichen Namen, der Freun⸗
de der Armen, erhaltet. Mit Einem Wor⸗
te betraget Euch in allen Dingen, als wah—
re Ynkas, oder Kinder der Sonne.“
Nachdem Huaͤyna Capak dieſes zu ſei⸗
nen Söhnen und Verwandten geſagt hatte,
redete er auch mit den Curakas und Haupt⸗
leuten, die nicht von koͤniglichem Gebluͤte wa
ren, und empfahl ihnen, ihrem Koͤnige gut
zu dienen, und ihm getreu zu ſeyn.
Zulezt ſchuͤttete er noch fein ganzes Her
aus, und ſagte: “Es find ſchon viel Jahr
daß wir es, vermoͤge einer Offenbarung un⸗
m Vaters der Sonne, für gewiß baren g
Fuͤnftes Buch. 2119
daß, nachdem zwoͤlf Ynkas, von feinem Ge
. haben, eine Art, uns
ganz neuer und unbekannter Menſchen in
dieſes Land kommen und ſowohl unſer Reich,
als verſchiedene andere Laͤnder unter ihre
Gewalt bringen wuͤrde. Ich ſtelle mir vor,
daß ſie von dem Geſchlechte derer ſeyn wer—
den, die an unſern Kuͤſten herum fahren.
Sie werden uns an Tapferkeit und jeder
Kunſt übertreffen. Außerdem wiſſen wir,
daß ich der zwoͤlfte König von dem Geſchlech—
te der Ynkas bin. Glaubet alſo gewiß, daß
dieſe Fremden nach einigen Jahren in dieſes
Land kommen, die Worte meines Vaters in
Erfüllung bringen und ſich dieſes Reichs ber
maͤchtigen werden. Ich befehle Euch ihnen
zu dienen und zu gehorchen, als Leuten, wel—
che Euch in allem uͤbertreffen und maͤchtigere
Waffen haben werden, als die unſrigen ſind.
Widerſezzet Euch ihnen nicht, es wuͤrde verge⸗
bens ſeyn. Lebet mit einander in Frieden;
denn ich gehe nun zu meinem Vater, der
Sonne, welcher mich zu ſich ruft
v * 1
rt y - 12 Je g r .
* un wodes * 1 W
Wo Dieſe
220 Fuͤnftes Buch.
Dieſe Weiſſagung erzählt auch Pedre
de Cieka de Leon, und Francisko Lopez de
Gomera hat uns ein Geſpraͤch aufbehalten,
welches Ferdinand von Soto und Pedro
von Barko, auf ihrer Reiſe nach Cusko,
einige Tagereiſen von Caxamalka, mit dem
dnfa Huaskar, welcher von den Truppen
des Atahuallpa war gefangengenommen wor
den, gehabt hatten. „Huaskar erklaͤrte ges
gen dieſe beyden tapfern Spanier, daß alle
dieſe Koͤnigreiche von Rechtswegen ihm zuge⸗
hörten, und daß Atahuallpa nur ein unbe⸗
fugter Beſizzer davon ſey. Er wolle ſich a
den Anfuͤhrer der Chriſten wenden, welcher
ihm ohne Zweifel Gerechtigkeit wiederfahren
laſſen; und ihn in Freyheit und in dem Be
ſiz feiner Koͤnigreiche ſezjen werde. Uibri—
gens habe ihm Huaͤyna Capak, fein Vate
vor feinem Ende ausdruͤcklich befohlen, |
die fremden, baͤrtigen Leute zu Freunden zu
machen; weil fi ie die Welt zu erobern b
ſtimmt waͤren.“ 5
Um zu dieſen Zeugniſſen noch Eines Bü
zu zu thun, das vielleicht mehr Gewi
ö hat,
=
Fuͤnftes Buch. 22
at, als jene alle, muß ich noch erzaͤhlen,
as mir der alte Ynka ſagte, welchen ich
n Anfange meiner Geſchichte habe auftre⸗
n laſſen. Einſt als er der Eroberung der
Spanier von Peru erwähnte, fragte ich ihn:
Wie war es moͤglich Vnka, daß da der
ingang in dieſes Land ſo ſchwer iſt, und
ihr Ynkas ſo geuͤbte, und zu Eroberun⸗
n von Königreichen und Provinzen fo ge—
öͤhnte Soldaten waret; Ihr dennoch euer
eich in fo kurzer Zeit verloren „und Euch
ner ſo kleinen Anzahl Spanier ergeben
bt?“ der Ynka antwortete: Ihr König
männa Capak habe ihnen befohlen, den
paniern zu gehorchen, und ihnen zu dienen,
s Leuten, die beſſer wären, als fie. Dies
Worte unſers PYnka' ſezte er hinzu, „die
zten in ſeinem Leben, waren maͤchtiger
is zur Unterwerfung zu bringen, als ale
Waffen, womit dein Vater und ſeine
jefährten in dieſes Land gekommen find.”
ch habe die Zeugniſſe für dieſe Vorherſa⸗
ing um deßwillen angefuͤhrt, weil es vie
n unglaublich vorkommen möchte, daß
ſich
222 Fuͤnftes Buch.
N ſich Huaͤyna Capak dieſes ſo gewiß vorge
1 1 ' ſtellt, oder daß er feinen Unterthanen befoh
| len haben folte, den Fremden zu gehorchen
Huaͤyng Capak ſtarb als er zwey uni
vierzig Jahr regieret, und beynahe dreyhun
‘ dert Kinder gezeugt hatte, von denen noch
zweyhundert am Leben waren.
Drey und zwanzigſtes Kapitel.
Huaskar Ynka verlangt von feinen
Bruder, daß er ihn huldigen, und
fuͤr ſeinen Herrn erkennen ſoll. a
9 ls der Ynka Huaͤyng Capak geſtorber
war, lebten ſeine beyden Soͤhne in den
erſten vier bis fünf Jahren, in einem ziem—
lich guten Verſtaͤndniſſe, und jeder begnuͤgte
ſich mit ſeinen Laͤndern, ohne an neue 9
oberungen zu denken. Da es unmoͤglich war,
die Graͤnzen des Reiches der Ynkas gegen
Morgen, wo es von den hohen Schne .
gebuͤrgen Antis, oder gegen Abend, wo e
vom Suͤdmeere eingeſchloſſen war, zu e
weitern: Da die Ynkas ihre Herrſchaft g
gen Mittag bis an den u Mauly ausge
breitet
/ —
Fuͤnftes Buch. 223
reitet hatten, jenſeit welchem armſeelige
Bölferfchaften wohnten, die fo wild waren,
aß der Puka welcher Chili erobert, ſchon
amals beſchloſſen, nicht weiter zu gehen;
ind da Atahuallpa Quito beſaß, welches
peru gegen Norden lag; ſo konnte Huas⸗
ar PYnka auf keine neuen Eroberungen aus⸗
iehen, ohne ſeinen Weg durch das Gebiete
ines Bruders zu nehmen; denn weiter ger
en Mitternacht vermuthete man noch "Kos
igreiche und Voͤlker, die ſich der Koͤnig
aͤtte unterwerfen koͤnnen. Der Ynka Ata⸗
Uallpa, welcher nicht wußte, ob es ſein
Bruder gelaſſen anſehen wuͤrde, wenn er
eue Eroberungen machte, ſchien auch mit
en Provinzen und Vaſallen, die ihm ſein
Safer, wider Hoffen, gelaſſen hatte, zu⸗
rieden zu ſeyn.
Allein, entweder iſt es nur zu ie
aß der königliche Thron keinen Mitgenoſſen
raͤgt, und Huaskar Ynka fuͤrchtete ſich
nit der Zeit an feinem Bruder Einen zu
kommen: oder der Gedanke, daß er, ohne
leichſam die Erlaubnis ſeines Bruders zu
5 | haben,
224 Fuͤnftes Buch.
haben, keine Eroberungen, wie alle ſein
7 Vorfahren, machen koͤnne, wurde in ihn
% zu lebhaft; mit einem Worte Huaskar fing
40 an, es als eine groſſe Thorheit anzuſehen
daß er den Willen ſeines Vaters genehmiget,
und zugegeben haͤtte, daß ein fo wichtiger
Königreich wie Quito von feinem Reich,
ſolte getrennt werden. Er fuͤrchtete; ſeit
Bruder werde ſich der Gelegenheit, neue Laͤn
der zu erobern, die ihm abgeſchnitten waͤte,
zu Nuzze machen und vielleicht einmal da:
durch fo mächtig werden, daß er ihn ſelbſt
vom Throne ſtieſſe: Und endlich glaubte er,
es fen eine Schande, den Tittel Capak Yn—
N ka, (das iſt Einziger Beherrſcher,) zu
10 führen und feine Herrſchaft dennoch mit N
1 nem Andern theilen zu muͤſſen.
1 Alle dieſe Betrachtungen beunruhigten d
161 | Herz des Huaskar Inka fo ſehr, daß er, un
157 ſich zu beruhigen, Einen ſeiner Anverwan
ten an ſeinen Bruder Atahuallpa abſchickte
welcher zu ihm ſagen mußte: „Es ſey ihr
bekannt, daß, nach der alten Verordnu
des erſten Inka, Manko Capak, welche vo
u
Fünftes Buch. 225
fen feinen Nachfolgern waͤre beobachtet
orden, das Koͤnigreich Quito, und alle
rovinzen, die er beſaͤſſe, der Krone und
m Reiche von Cusko zugehoͤrten; Die Ab:
tung dieſer Sander, auf das Verlangen
nes verſtorbenen Vaters, ſey vielmehr ein
wungener Gehorſam, als eine gerechte
indlung: Da fie zum Nachtheil des Reichs,
d feiner kuͤnftigen Beſizzer geſchehen ſey,
hätte weder fein Vater fie begehren, noch
fie thun ſollen: Jedoch da es einmal ges
ehen, fo willige er darein, daß es fo blies
wenn ſich Atahuallpa zwo Bedingun⸗
gefallen lieſſe; Erſtlich, daß er mit kei⸗
n Fußbreit Landes fein Reich erweitere;
l alle noch zu erobernden Sander, zum
iche von Cusko gehoͤrten: Zweytens, daß
ihn fuͤr ſeinen Herrn erkenne, aa ihm
dige.“
t, ſich noch zur Zeit in einen öffentlichen
eg mit feinem Bruder einzulaſſen, be
ite ſich der Verſtellung. Er empfing die⸗
Beſandſchaft mit allem Anſcheine der Ehr⸗
I, Theil. P erbie⸗
Atahualpa, der es nicht fuͤr rathſam
226 Fünftes Buch.
erbietung und Unterthaͤnigkeit; und nachden
5 er drey Tage lang wohl uͤberlegt hatte, was e
thun muͤſſe, ließ er den Geſandten vor fic
fodern, und ſagte mit dem groͤßten Sche
ne der Aufrichtigkeit zu ihm: “Daß er de
Capak Ynka allezeit für feinen Herrn geha
ten, und ihn noch in feinem Herzen dafür en
kenne; Er ſey ſo weit von dem Gedanken en
fernt, fein Königreich zu vergroͤſſern, daß
vielmehr bereit ſey, es dem Könige, feine
Bruder wieder zu geben, ſobald er es vel
lange: ihm endlich allen Verdacht zu b
nehmen; erbiete er ſich, zu ihm an ſeine
Hof zu kommen, und als eine Privatpe
ſon, wie ſeine andern Anverwandten, be
ihm zu leben; auch werde er ihm, bey alle
vorfallenden Gelegenheiten, als ſeinen Fu
ſten und rechtmaͤßigen Herrn, Dienſte le
ſten.“ Der Abgeſandte that dieſe Antw }
dem Huaskar Ynuka, durch einen geſchwin
Boten zu wiſſen, er ſelbſt aber blieb an d
Hofe des Ynka Atahuallpa, ihm den E
ſchluß, welchen Huaskar Ynka auf d
Antwort faſſen wuͤrde, zu wiſſen zu thun.
907
0
Fuͤnftes Buch. 227
zar war mit dieſer Erklärung feines Bru—
s hoͤchſt zufrieden, und ließ ihm ſagen:
er ſey es zufrieden, daß ſein Bruder
Reich beſaͤſſe, welches ihm ſein Vater
aſſen haͤtte, und er beſtaͤtige ihm hiermit
es Geſchenke, mit der Bedingung, daß
in einer gewiſſen Zeit nach Cusko kaͤme,
ihn zu huldigen, und den Eyd der Treue
leiſten. Atahuallpa gab zur Antwort:
18 er ſich ſehr glücklich ſchaͤzze, den Wil⸗
feines Bruders zu wiſſen, ihm in als
Stuͤcken Folge zu leiſten; er werde nicht
angeln, ſich zu der beſtimmten Zeit auf
Weg zu machen, ihm den Gehor⸗
zu leiſten, den er ihm ſchuldig ſey; und
ait dieſe Huldigung deſto feyerlicher ſey,
> er den König, daß ihn die Vornehm⸗
ſeiner Provinzen begleiten duͤrften; ſo
le um das Trauergepraͤnge feines Vaters
äyna Capak, nach der alten Gewohn⸗
des Reiches Quito und der benachtbar⸗
Länder nebſt ihm zu begehen; als auch,
h Endigung dieſer Ceremonie, ihm als
pat Pnka den End der Treue zu lei⸗
Ä P2 fin.”
228 Fünftes Buch.
ſten.“ Huaskar willigte in alles, was fei
Bruder begehrte, und ließ ihm ſagen; 0
möchte alles, was er zu dem Trauerg
praͤnge, welches er feinem Vater halten we
le, alles fo, wie es ihm beliebte veranſte
ten, und er koͤnne zu dem Ende, wenn
Zeit ſey, nach Cusko kommen. Dieſe Vi.
abredung war beyden Brüdern angenehr
denn Huaskar ſahe alle Schritte, die ſe
Bruder that für Beweiſe an, daß er v
ihm nichts zu fürchten habe; und da At
huallpa bemerkte, daß ſein Bruder nich
von den Fallſtricken argwohnte, welche
ihm ſtellte, ihm des Reichs zu beraube
ſo zweifelte er nicht, daß er ihn unverm
thet überfallen, und feine Abſichten ef
ren würde. x
A
4
*
Vier und zwanzigſtes Kapitel.
Kunſtgriffe des Atahuallpa, durch
che er ſeinen Bruder hintergehet.
Atahualpa ließ nun in ſeinem ganzen
nigreiche, und in allen, damit ver
denen Provinzen bekannt machen; Es fl
fü
Fuͤnftes Buch. 229
h alle im Dienſte ſtehende Mannſchaft fer⸗
halten, auf einen gewiſſen Tag nach Cus—
abzugeben, um, nach der alten Gewohn⸗
it eines jeden Volkes, das Trauergepraͤnge
nem Vater Huaͤyna Capak zu halten, und
dann den groſſen Monarchen Huaskar
nka zu huldigen, und ihm den Eyd der
eue zu leiſten. Er gab auch Befehl, daß
h ein Jeder prächtig kleiden ſolle, damit
r Aufzug deſto feyerlicher würde. Insge—
im aber befahl er den Hauptleuten, in ih—
n Diſtrikte die beſten Soldaten auszuſu⸗
n und fie insgeheim zu bewaffnen; denn
habe fie vielmehr zum Streite, als zu eis
m Leichengepraͤnge, noͤthig. Er machte fer⸗
r die Anordnung, daß ſie in Haufen zu
f bis ſechshundert Mann marſchieren, und
ſo kleiden ſolten, daß ſie eher fuͤr Buͤr⸗
, als für Soldaten angeſehen würden und
ß Ein Haufen ſich immer drey Meilen von
m Andern entfernt halten ſolte. Endlich
ten die Erſten Hauptleute, wenn ſie noch
'n bis zwölf Tagereiſen von Cusko ent⸗
nt waͤren, Halte machen, damit ſie die
P 3 Nach⸗
230 Fuͤnftes Buch.
Nachfolgenden deſto beſſer einholen koͤnnten
die Hinterſten aber ſolten, wenn fie an ö ö
wiſſe beſtimmte Oerter kaͤmen, ihre Tagere
ſen verdoppeln, um ſich mit den Vorde te
deſto geſchwinder vereinigen zu konnen. A
dieſe Art ſezte Atahuallpa liſtiger Weiſe mel
als dreyßigtauſend Mann in Bewegung, vi
denen die Meiſten auserleſene, alte Sold
ten, unter der Anführung der erfahrenfk
Hauptleute des Landes waren, welche i
fein Vater noch übergeben, und die ihn ze
her nie verlaſſen hatten. Alle dieſe Truppe
wurden von zween Feldherren ac
von welchen der Eine ſich Challkuchima, d
Andere aber Quiezquiez nennte, denen d
YVnka zu erkennen gab, und es auch oͤff
lich bekannt machte, daß er mit dem Lez
ſich auf den Weg machen wuͤrde.
Indeſſen dachte Huaskar Ynka gar ni
daran, auf ſeiner Hut zu ſeyn. Denn
trauete den Worten feines Bruders vollk
men; nochmehr aber verließ er ſich auf
lange Erfahrung ſeiner Vorfahren, w
ſie von der Treue ihrer Unterthanen h
verme
ermoͤge welcher, wie der Pater Akoſta in
iner Geſchichte ſagt, die Peruaner ihre
doͤnige fo ſehr liebten, daß man ihnen
in einziges Beyſpiel der Verraͤtherey
orwerfen koͤnne. Huaskar befahl alſo,
aß man reichlich für die Leute ſeines Bru⸗
ers ſorgen, und ihnen alles geben ſolte, was
e noͤthig haͤtten. Er wolte, ſagte er, daß
zan fie allenthalben als feine eigenen Brir
er aufnehmen folte, welche kaͤmen, feinem
zater ein Trauergepraͤnge zu halten, und
im den Eyd der Treue abzulegen.
h
Fuͤnf und zwanzigſtes Kapitel.
duaskar bekommt einige Nachrichten,
welche ihn bewegen, ein Mißtrauen in
ſeinen Bruder zu ſezzen und ſich
zu ruͤſten.
Die e des Atahuallpa legten von Qui⸗
to aus beynahe vierhundert Meilen in
er vorbeſchriebenen Ordnung zuruͤck, bis ſie
och ohngefehr achtzig Meilen von Cusko
ntfernt waren. Einige alte Ynkas, welche
Statthalter in den noͤrdlichen Provinzen, und
P 4 ſowohl
Fuͤnftes Buch. 231
232 Fuͤnftes Buch.
ſowohl in den Kuͤnſten des Krieges als der
Friedens wohl erfahren und geuͤbt waren
ſahen mit Verwunderung ſo viele Leute durch
ihre Statthalterſchaften gehen, und bekamer
davon uͤbele Meinung. Sie urtheilten mi
Recht, daß fünf bis ſechs⸗, auf das höoͤchſt
zehntauſend Mann gnug ſeyn muͤßten, un
das Trauergepraͤnge wegen dem Tode det
Huaͤynga Capak aufzuführen; und was den
Eyd der Treue betraͤfe, ſo ſey es nicht nd
thig, daß ihn andere Perſonen leiſteten „ als
Atahuallpa, die Curakas, die Statthalter
und die Hauptleute. Uiberdieſes wurde auch
Atahuallpa nicht allein fuͤr einen tapfern,
ſondern auch fuͤr einen unruhigen und ehr⸗
geizigen Herrn gehalten. Dieſe Ynkas ga
ben alſo dem Huaskar Ynka insgeheim Nach
richt, daß er auf ſeiner Hut ſeyn möchte.
Dieſe Nachricht weckte den Ynka Huas⸗
kar aus ſeinem Schlafe, in welchen ihn fein
allzugroſſes Zutrauen eingewiegt hatte. E
ſchickte in Eil Boten in die Bezirke von Al |
tiſuyu, Collaſuyu und Cuntiſuyu an all
Statthalter, daß ſie mit ſo vielen Kriegsleu⸗
Fuͤnftes Buch. 233
n, als fie nur zuſammen bringen könnten,
er Hauptſtadt zueilen ſolten: Allein in dem
Zezirk von Chinkaſuyu, welcher der größte
nd volkreichſte iſt, ließ er dieſen Befehl
icht ergehen, weil er glaubte, daß die Pro:
inzen, welche dazu gehoͤren, ihre Leute ſelbſt
othig haben würden, um den Feinden, wel- 111
e ihren Zug hierdurch nehmen mußten, zu 1
iderſtehen. Die Einwohner von Collaſu⸗ e *
1 konnten nicht zeitig gnug kommen, weil IN
efer Theil des Reichs zu weitlaͤuftig , | 1 0
ad ſich über zweyhundert Meilen gegen Suͤ⸗
n erſtreckt: Antiſuyu, welches voller Ber⸗
und alſo nicht ſehr bewohnt iſt, ſchickte
enig Mannſchaft: aus Cuntiſuyu, welches | 19
cht fo gar groß und ſtark bewohnt iſt, eil⸗ 6
n alle Curakas, mit ohngefehr dreyßigtau⸗ m
ad Mann herbey; allein die Einwohner die— EB
s Landes find von Natur nicht fehr herz |
ft; und da fie einen langen Frieden genoſ⸗
n, waren fie auch nicht ſehr geübt in den
affen. |
Huaskars und feiner Leute Nachlaͤßigkeit
rmehrte den Muth von Atahuallpas Trup⸗
3 P 5 pen:
auch weil er wußte, daß die Feinde gar nich
234 Fünftes Buch.
pen: In kurzer Zeit ſtanden zwanzigtauſend
Mann von ihnen am Fluſſe Apurimak. Se
bald fie hinüber gegangen waren, gaben
ihre Geſinnung öffentlih zu erkennen, u |
rückten, gewaffnet, mit groͤſſerer Gefchroim
digkeit der Hauptſtadt naͤher. Das Vorder
treffen marſchierte auf dieſe Art, wie it
Schlachtordnung fort, bis der Nachzug, wel
cher noch aus zehntauſend Mann beſtan ö
dazu geſtoſſen war; worauf ſich das ganz
Heer auf dem Hügel Villakunha, ſechs Mei
len von der Stadt lagerte. Atahuallpa, |
es nicht wagte, fo nahe zu kommen, bliel
an der Graͤnze feines Koͤnigreichs, und wol
te den Erfolg des erſten Treſſens erwart n
worauf er ſeine ganze Hoffnung geſezt hatt
Theils weil er ſich von der Erfahrenheit ei
ner alten Hauptleute und der Tapferkeit ſt
ner verſuchten Soldaten alles verſprach; Theils
zu einem Kriege gefaßt waren. Huask
Ynka mit allen feinen Verwandten und d
Truppen, die er zuſammengerafft hatte, ur
die ſich ohngefehr auf zehntauſend Mann be
liefen, vereinigte ſich mit dem Heere, wel:
ches Cusko gegen Weſten ſtand, um daſelbſt
die, welche noch aus den entferntern Pro—
vinzen kommen wuͤrden, an ſich zu ziehen.
Sechs und zwanzigſtes Kapitel.
Treffen zwiſchen den Heeren der beyden
Ynkas: Atahuallpa ſiegt.
Die Pflicht eines Geſchichtſchreibers, der
ich mich unterzogen habe, zwinget mich
hier am Ende der Regierung der Ynkas eis
ne Erzaͤhlung zu unternehmen, welche die
Menſchlichkeit empoͤrt. So, wie man nie
wird geleſen haben, daß ein Reich nach men⸗
ſchenfreundlicheren Grundſaͤzzen errichtet, von
guͤtigern Eroberern vergroͤſſert, und nach ge-
rechtern und liebenswuͤrdigern Geſezzen regie⸗
ret worden iſt, als das Reich der Ynkas;
fo wird man auch ſchwerlich in den Geſchich⸗
ten der Welt ein Beyſpiel von einem ploͤzli⸗
chern Umſturze einer ſo groſſen Macht, von
naͤher auf einander folgenden Ungluͤcksfaͤllen,
und von einer unmenſchlichern Grauſamkeit
finden, als die, wodurch das weitlaͤuftige Ge⸗
br ſchlecht
fl
Fünftes Buch, 235
236 Fuͤnftes Buch.
ſchlecht der Ynkas, der guͤtigſten Könige auf
Erden, ausgerottet worden iſt. So fonders
bar, das Reich der Ynkas in feinem Urſprun⸗
ge; ſo einzig die Art und der Geiſt ſeiner
Eroberer iſt; ſo ungewoͤhnlich iſt auch ſein
Ende. Es ſolte mit Blut und nicht mit
Tinte beſchrieben werden; allein ich fange
meine traurige Arbeit an.
Die Feldherren des Atahuallpa, wel—
ches alte erfahrne Krieger waren, beſchloſſen
den Huaskar Ynka ohne Verzug aufzuſu—
chen, und alsbald, ehe er Zeit haͤtte, eine
groͤſſere Macht zuſammen zu ziehen, ein Tref⸗
fen mit ihm zu wagen. Sie fanden ihn,
drittehalb Meilen, von der Stadt gegen
Weſten, auf der weiten Ebene ſtehen, wels
che ſonſt Quepaypa, ſeit der blutigen Nies
derlage der Chankas aber, Vahuar-Pampa
genennt ward. Hier griffen fie, ohne Kriegsz
erklaͤrung, das Heer des Huaskar Ynka
mit der groͤßten Wuth an, welches ihnen ei⸗
ne gleiche Hartnaͤckigkeit entgegen ſezte. Da
Treffen dauerte den ganzen Tag, und es
wurden auf beyden Seiten Ströme von Blut
ver⸗
Fuͤnftes Buch. 237
vergoſſen. Die Armee des Atahuallpa muß⸗
fe entweder fiegen, oder unter dem ſchimpfli⸗
hen Namen der Auqui, das iſt der Verraͤ⸗
her des Vaterlandes, und der Aufruͤhrer
vider den groſſen Ynka Capak der haͤrte⸗
ten Todesſtrafen gewaͤrtig ſeyn; das Heer |
es Huaskar Ynka hingegen ward durch
die Gegenwart feines Beherrſchers belebt,
ind wolte lieber umkommen, als die gehei—
igte Perſon feines Pnka beſchaͤdigen, oder
n die Gewalt der Feinde kommen laſſen.
Da aber die Leute des Huaskar weniger
Muth und Geſchick im Kriege hatten; die
Soldaten des Atahuallpa hingegen ſo tapfer
varen, daß tauſend von ihnen, zehntauſend
us den ſuͤdlichen Provinzen geſchlagen hät
en, und da ihre Feldherren an Erfahrung
ind Geſchick zum Kriege nicht ihres gleichen
hatten; fo ward Huaskar überwunden. Die
er Fürft flohe mit ohngefehr tauſend der
Seinigen, welche ihn der Wuth der Schlacht
ntriſſen hatten; allein die Sieger, welche
jlaubten, fie hätten nichts gewonnen „wenn
r n Haͤnden entginge, verfolgten ihn
fo
238 Fuͤnftes Buch.
ſo hizzig, daß ſie ihm zum Gefangenen
machten. Alle, die ihn begleiteten, ſturben
in ſeiner Gegenwart, entweder durch das
Schwerd der Feinde, oder durch ihr eige⸗
nes, weil ſie die Freyheit ihres Koͤniges
nicht uͤberleben wolten. In den folgenden
Tagen, ergaben ſich eine groſſe Anzahl Cu⸗
rakas, Hauptleute und andere vornehme Per⸗
ſonen, als arme Schaafe, welche nicht wife
ſen, wo ſie eine Zuflucht ſuchen ſollen. Ver⸗
ſchiedene Hätten entfliehen koͤnnen; allein fie
wolten lieber mit ihrem Koͤnige Gefangene
ſeyn, ihm ihre Treue bis in den Tod zu bes
zeigen, als ohne ihn die Freyheit genieſſen.
Die Feldherren des Akahuallpa, welche
die Perſon des Huaskar als die reichſte
Beute betrachteten, lieſſen ihn beſtaͤndig durch
vier Hauptleute und etliche der getreueſten
Soldaten bewachen, welche einander von Zeit
zu Zeit ablöſeten. Hierauf lieſſen ſie oͤffent
lich bekannt machen, daß der König Huas—
kar ihr Kriegsgefangener ſey; in der Abſicht
daß die, welche etwa Willens waͤren, i
zu Huͤlfe zu kommen, ihren Vorſaz, auf
dieſe
ieſe Nachricht fahren lieſſen. Vornemlich
ber lieſſen ſie dieſe groſſe Neuigkeit alsbald
em Atahuallpa zu wiſſen thun. Nunmehr
rungen fie in Cusko ein, wo fie Alle, die
ynen aufſtieſſen, niedermachten.
Dieſes war der entſcheidende Zeitpunkt
es Krieges; denn einige Gefechte, welche
uf den Graͤnzen zwiſchen den Beſazzungen
es Huaskar und einigen Hauptleuten des
ltahuallpa vorfielen, waren ſehr unbetraͤcht⸗
ch. Die Geſchichtſchreiber, welche behau⸗
ten, Atahuallpa ſey auch in die Gefangen-
haft der Truppen feines Bruders gerathen,
eren ſich. Die Veranlaſſung dazu mag Dies
> geiwefen ſeyn, daß Atahuallpa, um ſei⸗
en Bruder deſto ſicherer zu machen, aus⸗
prengen ließ; er ſey gefangen; und um her⸗
ach das Volk glaubend zu machen, daß
hn die Götter eines beſondern Schuzzes
vuͤrdigten, ließ er die Fabel ausbreiten; die
Sonne habe ihn in eine groſſe Schlange ver⸗
vandelt, damit er ſich durch ein Loch aus
hem Gefaͤngniſſe retten konne. Dieſes Volk
dr
dieſe
ſo unwiſſend und leichtglaͤubig, daß es
240 Fuͤnftes Buch.
1 dieſe Erdichtung, fo handgreiflich fie aue
| N war, für eine Wahrheit annahmen.
MR Sieben und zwanzigſtes Kapitel.
1 Unmenſchliche Grauſamkeit des Vn ka
Atahuallpa.
Als der Ynka Atahuallpa ſahe, daß e
Herr des Reichs ſey, faßte er den ur
menſchlichſten Entſchluß, der nur je einen
Tyrannen in den Sinn gekommen iſt. Un
ter dem ſcheinbaren Vorwande, er wolle fei
nen Bruder wieder auf den Thron ſezzen
ließ er allenthalben bekannt machen, daß fid
| alle Ynkas, alle Statthalter, Hauptleute
4 Curakas, und alle Staatsdiener, oder we
| nur ſonſt ein öffentliches Amt hätte, in eine
Na) gewiſſen Zeit nach Cusko begeben ſolten; w
il er eine Verſammlung der Landſtaͤnde halten
| | und mit feinem Bruder wegen gewiſſer Ar
NEN) tickel uͤberein kommen wolte, durch derer
Beobachtung ſie forthin in dem beſten Ver
ſtaͤndniſſe mit einander leben wuͤrden. Di
HDnukas vom königlichen Geblüte eilten zuerft
dieſem Rufe zu folgen; nur wenige, die du
Fuͤnftes Buch. 241
lter oder Krankheit abgehalten wurden,
ͤlten; dennoch blieben auch einige um deß—
illen zurück, weil fie den Worten eines fies
nden Tyrannen nicht trauen wolten. Die
nigen aber, welche ſich einfanden ) wurden
„ wie fie kamen, nach dem, vom Atahu—
lpa gegebenen Befehle, hingerichtet.
Allein ehe ich in der traurigen Erzaͤhlung
r Grauſamkeiten des Atahuallpa fortfahre,
uß ich die Bewegungsgruͤnde, welche fein
erz vermuthlich getrieben haben, anführen;
il dieſer Theil meiner Geſchichte, ſo wahr
iſt, ſonſt ohnmoͤglich Glauben finden wuͤr—
denn ohne allem Nuzzen wuͤrde auch der
ste Unmenſch ſolche Abſcheulichkeiten nicht
sgeuͤbet haben: Es war ein Grundgeſez
dieſem groſſen Reiche, welches ſeit dem
en Ynka Manko Capak unverbrüchlich
r gehalten worden, daß kein Sohn ſeinem
ater auf dem Throne folgen konnte, wenn
nicht mit der rechtmaͤßigen Gemalin des
ka, das iſt, mit ſeiner Schweſter, war
zuge worden. Hätte der Capak Ynka kei⸗
Sohn mit der Koͤnigin, ſeiner Gemalin
I. Theil. Q erzeugt
242 Fuͤnftes Buch.
erzeugt gehabt, fo hätte der Sohn des naͤch
ſten Anverwandten, der rechtmaͤßig von ei
nem Ynka und einer Palla, in deren Ab
kunft kein fremdes Blut waͤre gemiſcht ge
weſen, abſtammte, die Krone nach dem Te
de des Koͤniges bekommen. Haͤtte auch die
fer keinen rechtmäßigen Sohn gehabt, fo hä
te der Naͤchſtfolgende, welcher von der, i
den Geſezzen beſtimmten Abkunft geweſe
waͤre, den Thron beſtiegen, und ſo for
Dieſe Beſchaffenheit fehlte der Geburt de
Atahuallpa; ſeine Mutter war eine Fremd
eine Tochter des ehemaligen Koͤniges ve
Quito; alſo konnte er den Thron der .
kas nicht beſteigen: Da ferner ein andere
Geſez des Manko Capak befahl, alle e
oberten Laͤnder mit der Krone zu vereinige
und nichts davon abzuſondern; fo konnte Al
huallpa nicht einmal mit Recht das Koni
reich Quito beſizzen. Vor dieſen Geſezz
welche ſeit einigen Jahrhunderten unter z
Koͤnigen unverbrüchlich waren beobachtet wi
den, die alſo den Unterthanen der Yn
als Vorſchriften der Natur ſelbſt vorkon
Fuͤnftes Buch. 243
zen mußten, fürchtete ſich Atahuallpa. Er
rgwohnte, die Peruaner, welche ihre alten
Heſezze und Gebräuche ohnedem übermäßig
ieben, möchten alsdann, wenn alles wieder
ubig wäre, und er fein Heer haͤtte ausein⸗
nder gehen laſſen, einhellig einen Ynka,
eſſen Geburt die gehoͤrige Rechtmaͤßigkeit
aͤtte, verlangen, oder ſich ſelbſt einen er⸗
yählen.
Diefe en machten, y daß er
eſchloß für das Erſte die Kinder des Hu⸗
skar, und dann auch alle ſeine Bruͤder,
onkel, Vettern und alle Anverwandten von
em Geſchlechte der Ynkas töͤdten zu laſſen.
Seine Grauſamkeit erſtreckte ſich ſogar auf
ie, welche, wie er, natürliche Söhne, und
nit Fremden erzeugt waren; weil er ſich
urchtete, fie möchten fein eigenes Beyſpiel
zachahmen, und ſich einſt, bey einer guten
Selegenheis, mit Gewalt auf den Thron
chwingen. Alle dieſe Ungluͤcklichen wurden
ehenft, oder mit groſſen Steinen am Halſe
n Slüffe und Seesen geworfen. Die unbarm⸗
erzigen Diener der Grauſamkeit dieſes Ty⸗
Q 2 rannen
N | 244 Fuͤnftes Buch,
rannen mußten feine abfcheulichen Befeh
1 mit der groͤßten Eilfertigkeit vollbringen, we
| I er ſich nicht fuͤr ſicher hielt, fo lange noı
N) | Ä Jemand von der Familie der Ynkas am L
Am ben war. Er ſelbſt blieb, obgleich feir
Feldherren einen ſo vollkommenen Sieg ei
| halten hatten, zu Sauſſa, welches noch ach
\ zig Meilen von Cusko entferne ift, und ge
trauete ſich noch nicht, der Hauptſtadt ne
her zu kommen. |
Die Wuth, oder vielmehr die Furcht de
ſchaͤndlichen Atahuallpa war durch ſo vie
vergoſſenes Blut noch nicht befriediget: e
beſchloß ſogar auch die kleinſten Kinder un!
die Frauenzimmer vom koͤniglichen Geſchlech
te von der Welt zu ſchaffen, denn auch die
f fe machten ihm Sorgen. Er befahl alfı
| den gewöhnlichen Dienern feiner Gewaltthaͤ
9 tigkeiten, alle Kinder und Frauenzimmer vom
1057 En der Ynkas, die geweyheten Jungfrau:
1 | en zu Cusko ausgenommen, aufzuſucher
und nachdem fie fie aus der Stadt hinaus
wuͤrden geführt haben, nach und nach umzi
bringen. Dieſe Henker vollzogen feine bl i
e Ä eigen
Fuͤnftes Buch. 245
gen Befehle auf das genaueſte, und ſuch—
n dieſe ungluͤcklichen Geſchoͤpfe im ganzen
zoͤnigreiche mit der größten Sorgfalt auf.
die Zahl der rechtmaͤßigen ſowohl, als der
nrechtmaͤßigen Kinder der Ynkas, war aus
rordentlich groß. Denn da jeder Ynka
e Freyheit hatte, fo viele Weiber zu neh⸗
en, als es ihm beliebte, und da, durch die
eiſen Geſezze dieſes Reichs, Niemand we⸗
en feinem oder der Seinigen Unterhalte in
sorge ſeyn durfte; fo war wohl nie ein zahl—
icheres Geſchlechte auf Erden geweſen. Nach⸗
m ſie ſich dieſer Unſchuldigen bemaͤchtiget N
uten, brachten fie fie auf die weite Ebene,
ren ich ſchon oft unter dem Namen Hahu—
pampa, oder das Blutfeld, erwähnt ha
„ zuſammen. Hier wurde dieſer unglückfees
ze Haufen nicht nur von einigen tauſend
kann beſtaͤndig bewacht, ſondern es waren
ich in gewiſſen Entfernungen Schildwachten
die Zugaͤnge zu dieſem traurigen Orte,
ſtellt, welche niemanden weder heraus, noch
nein gehen lieſſen. Bey jedem Mondes⸗
pi ward nunmehr ein Theil dieſer bekla⸗
Q. 3 gens⸗
246 Fünftes Buch.
genswuͤrdigen Schlachtopfer, von den Hen—
kersknechten des verfluchten Atahuallpa, der
es fo befohlen hatte, auf die ſchmaͤligſte Wei⸗
ſe hingerichtet; da indeß die Andern, bis
die Stunde ihres Todes kam, mit nichts,
als Maiz und gruͤnen Kraͤutern, wie man
bey den ſtrengſten Faſten zu eſſen co
genähret wurden. Auf dieſe Art rotteten
dieſe unmenſchlichen Werkzeuge der Grau—
ſamkeit des Atahuallpa beynahe das ganze
koͤnigliche Geſchlechte der Ynkas innerhalb
drittehalb Jahren aus, bis auf Wenige, des
ren wir im folgenden Kapitel gedenken wol
len. |
Acht und zwanzigſtes Kapitel.
Einige Ynkas von koͤniglichem Blute enk
gehen der Verfolgung des
Atahuallpa. #
Ber der groſſen Menge der Perſonen vom
koͤniglichen Geſchlechte konnte es nich
fehlen, daß nicht einige derſelben, auch de
genaueſten Nachſuchen der blutigen Dien
des Tyrannen von Quito haͤtten entgehen
Fuͤnftes Buch. 247
ollen: eben fo waren unter der groſſen Anz
ahl dieſer Barbaren verſchiedene, welche die
Nenſchlichkeit nicht ſo ganz verlaͤugnen konn⸗ |
en , daß ſie nicht einiges Mitleid mit dem a | \
\edaurenswürdigen Geſchlechte der Dnkas, 2 Mi
velches fie für goͤttlich hielten, ſolten gehabt a 1
haben. Muͤde dieſe Unſchuldigen zu verfol— | |
zen und zu quälen, und des Mordens über: |
ruͤßig, erlaubten fie verſchiedenen fich heim: N
ich zu retten, die gemeiniglich von einem 0
Alter von zehn, bis zwölf Jahren und dar⸗ } N
inter waren. Ehe fie aber zugaben, daß fie
die Ebene Yahuarpampa verlieſſen, nahmen N
ie ihnen ihre Ehrenzeichen und koͤniglichem 775
Schmuck ab, zogen ihnen die Kleider aus, |
welche den koͤniglichen Stand verrathen konn ?. 0
ten, und gaben ihnen Kleider, wie Leute von
gemeinem Stande trugen; damit ſie nicht | Dun
verrathen würden und ſelbſt in die Gefahr N | !
kaͤmen, aus welcher fie. andere ziehen wolten. 94 il
Unter der Anzahl dieſer geretteten Per *
ſonen war auch meine Mutter, die eine i h
Nichte des groſſen Huaͤyna Capak, ſowohl |
von der muͤtterlichen, als von der väterlichen N
= Seite, | 90
nach fpanifcher Art zu reden „ Infanten,
248 Fuͤnftes Buch.
Seite, und Tochter des Huallpa Tupak
Inka Pupanqui, eines rechtmäßigen Bru—
ders dieſes Koͤniges war. Mit ihr ward
auch ihr Bruder, Dom Franzisko Huallpg
Tupak Ynka Hupanqui, gerettet. Mit die
ſem habe ich viele Jahre den genaueften Um
gang gehabt, und er iſt es, aus deſſen Er ö
zaͤhlungen ich das Meiſte, was ich gefchries
ben, gefchöpft habe. Die Vornehmſten u
ter denen, welche der Grauſamkeit des Atahu⸗
allpa entgingen, waren zween Auquis, oder
Söhne des Huaͤyng Capak. Einer hieß
Paulu, er war ſchon, zu der Zeit diefer trans
rigen Vorfaͤlle, ein erwachſener Mann „ wi
man aus der Geſchichte der ſpaniſchen Er—
oberung ſiehet, wo oft von ihm geredet wird
der Andere, Prinz Titu, war nur noch eir
Knabe. Des Prinzen Paulu Sohn, Don
Carlos YVnka, war mein Schulkamerad. Er
ward mit einer vornehmen Spanierin verhey⸗
rathet, und zeugte mit ihr den Dom Mel
chior Carlos Inka. Er kam im Jah
1602 nach Spanien, und befindet ſi ſich, in⸗
dem
Fuͤnftes Buch. 249
dem ich dieſes ſchreibe, am Hofe zu Valla⸗
lid, Prinz Ditu hatte zwo Töchter; weil
e von Föniglichem Gebluͤte waren, führten
ie den Tittel Nuſtas, das ift fo viel als
Infantinnen: fie wurden auch mit vorneh—
nen Spaniern verheyrathet. Außerdem ha—
e ich noch zweyhundert YVnkas und Pallas
n Peru gekannt; wie auch einen Sohn und
wo Töchter des Tyrannen Akahuallpa. Der
Sohn dieſes Moͤrders feiner Familie hieß
Dom Franzisko; ob er gleich ſchoͤn und
ohlgebildet war, wurde er doch von Allen,
die das Andenken feines Vaters verabſcheu⸗
5 zu feinem Gluͤcke ſtarb er ſehr jung: von
en beyden Töchtern, ließ ſich die aͤlteſte,
Donna Angelina, mit dem Dom Franzis⸗
d Pjzzarro ein, welcher mit ihr einige Kin⸗
er zeugte, die aber auch bald ſtarben; die
indere, deren Namen Beatrix oder Eliſabet
ar, iſt auch mit einem Spanier verheyra⸗
et worden. Außerdem erzog der Marquis
dom Franzisko Pizarro auch eine Tochter
s Ynka Huaͤyna Capak, Namens Don⸗
N Pr Huaͤylla Nuſta. Huaͤyna Capak,
55 hinter⸗
den. Da ſich fein Haß auf alle erſtreckte,
fangenſchaft gerathen waren, wurden mi
250 Fuͤnftes Buch.
1
hinterließ auch noch einen andern Sohn,
Manko Ynka, welcher der Erbe des Reichs
war: dieſen habe ich nie geſehen. 4
1
Neun und zwanzigſtes Kapitel.
Fernere Grauſamkeiten, welche Ata hu—
allpa bis zu der Zeit ſeiner Gefan⸗
genſchaft ausübte, |
Och komme von meiner Ausſchweifung zus
ruͤck, um das ſchaudervolle Gemälde der
Unmenſchlichkeit des Atahuallpa zu vollen⸗
die ſeinem Bruder gedient und ihn gelie t
hatten; weil er glaubte, er haͤtte Urſache,
ſich vor dieſen allen zu fuͤrchten, ſo ließ er
es nicht dabey bewenden, daß er alle Ynkas
von koͤniglichem Gebluͤte, deren er habhaft
werden konnte, umbringen ließ, ſondern e
beſtimmte auch allen Curakas, Statthaltern,
Hauptleuten und. Offizieren der koͤniglichen
Armee, gleiches Schickſal. Dieſe Ungluͤck
ſeeligen, welche, wie ich oben erwaͤhnt habe
theils willig, theils durch Betrug in die Ge
gebun⸗
| Fuͤnftes Buch. 251
gebundenen Haͤnden, auf eine weite Ebene
im Thale Saxahuanam gefuhrt, und hier in
zwo Reihen geſtellt. Hierauf ward der wink,
lich beklagenswerthe Huaskar Ynka; wel:
chen der liſtige Tyranne zum lezten Opfer
ſeiner Wuth aufſparte, weil er, im Falle
eines Aufſtandes, durch das Verſprechen ſei—
ner Freyheit, den wildeſten Aufruhr ſtillen
zu konnen glaubte; Der ungluͤckliche Huas⸗
kar, ſage ich, der wahre Erbe des Throns
der YUnkas, wurde mit einem Stricke um
den Hals, mit auf den Ruͤcken gebundenen
Haͤnden beſchimpft, und mit Koth bedeckt,
mitten durch die Reihen ſeiner ehemaligen
Vaſallen hingefuͤhrt. Als dieſe armen Ge⸗
fangenen, ihren rechtmäßigen Fuͤrſten, in
einem ſo traurigen Zuſtande, vor ihren Au⸗
gen vorbey fuͤhren ſahen, ſtieſſen ſie ein trau⸗
riges Klagegeſchrey aus, und warfen ſich
alle vor ihm nieder, wie fie in feinem gluͤck⸗
ſeeligſten Zuſtande zu thun gewohnt waren,
wenn ſie ihm, als dem Sohne der Sonne,
ihre Ehrerbietung bezeigten. Allein in dem⸗
ſelben Augenblick wurden ſie von den Leuten
5 t des
252 Fuͤnftes Buch.
des Atahuallpa, auf ein gegebenes Zeichen,
mit Aexten und Kaͤulen, welche die Perug:
ner Champi nennen, auf das grauſamſte er
ſchlagen. Huaskar aber ward wieder hinweg
gefuͤhrt, um vor feinem Tode, noch mehrer:
77 Beyſpiele von der Grauſamkeit ſeines Bru⸗
* ii g ders zu hoͤren.
A: Nach dieſem ſchrecklichen Bepfpiele ı der
| U \ Unmenſchlichkeit, wodurch Atahuallpa allen
A Vornehmen des Reichs, eine Furcht einzuja⸗
‚N gen ſuchte; ließ er auch alle Diener des Fi
Der Tittel Inka, welchen ihnen Manko Ca⸗
pak gegeben hatte; und die Ehre, ihren Kis
nig bedient zu haben, waren gnug, fie dem
| niglihen Hauſes um das Leben bringen:
1 14
f
19 Zerſtoͤrer des Reichs verhaßt zu machen. Je
N; näher ihr Amt fie der Perſon des Koͤnigs
N ehemals gebracht hatte, deſto grauſamer wur—
144 den fie behandelt. Die, welche den König
UN bey der Tafel bedient hatten, die Thuͤrhuͤter,
J die Schazmeiſter, die Mundſchenken und die
gleiches Anſehens waren, mußten dieſe Ehre
7 mit dem Leben Webb Ihre Anverwand—
1 1 ten wurden eben fo wenig, als fie ſelbſt ver⸗
ſchont; |
Sünftes Buch. 253
hont; ja ſogar die Städte, aus welchen
waren, wurden mit den, fich daſelbſt be⸗
idlichen koͤniglichen ei ‚in die Aſche
legt.
Die geringern Hoſpedienten wurden zwar
der That nicht ſo ſchlimm behandelt, als
ne, dennoch aber wurden ſie nicht ganz
rſchont. Denn die grauſamen Soldaten
> Atahuallpa tödteten in einigen der Staͤd⸗
die ihnen zur Wohnung angewieſen wa—
„ den zehnten, in Andern den fünften, und
der in Andern den dritten Theil der Ein;
hner. Auf dieſe Art war keine Stadt in
n Umkreiſe von ſechs bis ſteben Meilen
t Cusko, welche nicht ihren Antheil an
Grauſamkeit des Tyrannen empfand.
in dem ganzen Reiche, wo nur dieſe
elloſen Uiberwinder, welchen ihr abſcheu—
er Herr alles erlaubte, hinkamen, ſahe
n nichts, als Rauben, Brennen und
utvergieſſen. Am ungluͤcklichſten war un⸗
den entfernten Ländern die Provinz der
narinen, weil ſie ſich dem unrechtmaͤßigen
nige widerſezt hatte. Als Atahuallpa,
ſchreibt
12
—
254 Fünftes Buch.
ſchreibt Pedro de Cieka, den Feldherrn An:
toko, welcher eine Armee ſeines Bruders an
führte, bey der Stadt Ambato geſchlager
batte, ließ er ihn auf eine grauſame Wei
umbringen; und als ihm die Einwohner
Maͤnner und Kinder, mit Palmenzweigen
in den Händen, entgegen kamen, um fein
Barmherzigkeit anzuflehen, befahl er feine
Hauptleuten, ſie insgeſamt niederzumachen
Daher die Spanier in dieſer Provinz zehn
mal mehr Weiber als Maͤnner fanden. Di
Stadt Tumipampa ließ er verbrennen um
gänzlich zerfiören. So fuhr der na
Atahualipa fort, wo er nur hinkam, Str
me von Blut zu vergieſſen; bis er endlich
da er ſchon in den raͤchenden Haͤnden de
Spanier war, das größte Verbrechen beging
und ſeinen unſchuldigen Bruder Huaska
auf eine unmenſchliche Weiſe hinrichten ließ
Aber Atahuallpa, dieſer blutduͤrſtige Tyran
ne, der jedoch in Anſehung der Spanier ebe
ſo unſchuldig, und eben ſowohl ein ung
haͤngiger König war, als fein Bruder,
dem Verhaͤltnis gegen ihn, wurde ſelbſt we
nig Tage darnach auf Befehl des fpanifihen
Anführers, Dom Franzisko Pizarro, zum
Tode verurtheilt und als ein Miſſethaͤter bins
gerichtet, und das Reich, deſſen Beſiz er
durch ſo viele unnatuͤrliche Grauſamkeiten ge⸗
ſucht, ward von den Spaniern erobert.
Dreyßigſtes Kapitel.
Von den, aus dem koͤniglichen Geſchlechte
hoch uͤbriggebliebenen Familien,
Nech muß ich eine kurze Nachricht von
dem elenden Uiberreſte des zahlreichen,
und ehemals fo glücklichen Geſchlechts der 1
Ynkas geben; um meine Erzählung fo voll
taͤndig zu machen, als mir es möglich iſt.
Es haben ſich von den wenigen Ynkas, wel⸗
he der Grauſamkeit des Atahuallpa und der
temden Tyrannen entkommen find, mehrere
Nachkommen gefunden, als man ſich vor⸗
zeſtellt hatte. Alle dieſe Ungluͤcklichen ſchrie⸗
den im Jahre 1603 an den Dom Melchior
Carlos Inka, an Dom Alonſo de Meza
ind an mich, und baten uns, bey Ihro Ka⸗
holiſchen Majeſtaͤt die Gnade für fie auszu⸗
’ wirken,
*
Fünftes Buch. 255
256 Fuͤnftes Buch.
wirken, daß fie von der Abtragung dei
Steuern und Gaben freygeſprochen wuͤrden,
welche man von ihnen, wie von andern Pe
ruanern foderte. Sie ſchickten uns zugleich
eine Vollmacht zu, an dem Hofe alles das
zu thun und zu verſprechen, was wir für gu
befinden würden. Sie fügten zu dem Ende au
thentiſche Beweiſe ihres Geſchlechtregiſters unk
von welchen Koͤnigen ſie abſtammten, bey. Un
die Wahrheit deſſelben in ein deſto helleres
Licht zu ſezzen, hatten fie auf anderthalb EI:
len weiſſen chineſiſchen Taffet, den koͤniglichen
Stammbaum vom Manko Capak bis auf Hu—
aͤyna Capak und feinen Sohn Paulu, malen
laſſen. Auf dieſem, nach der alten Art verfer
tigten Gemälde, find die Ynkas bis an den
halben Leib, mit der Binde um den Kopf, mit
den groſſen Ohrgehenken in den Ohren und ei—
ner Hellebarde, anſtatt des Zepters, in der
Hand, abgebildet. Man ſiehet neben der Fi—
gur eines jeden Koͤniges ſeinen Stammbaum.
Der Tittel iſt: Capak Ayllu, das iſt koͤnigli
ches Geſchlechtsregiſter. Nebſt dieſer allgemei
nen Uiberſchrift findet man allezeit noch ein
beſon⸗
Fuͤnftes Buch. 257
ſondere, von einem jeden Koͤnige, mit einem
3 Namen, welcher anzeigt; daß dieſes
die Nachkommen dieſes oder jenes Koͤniges ſind.
Die Nachkommenſchaft des Manko Capak
nennen fie Chima Panaka; fie beſtehet aus
0 Ynkas: Die, vom Chinchi Roka, Raura
Panaka; zu dieſer gehören 64 Ynkas: Die
Tachkommenſchaft des Lloqui Pupanqui be:
and aus 63 Haͤuptern und war Huaynana
lyllu benennt: Capak Yupanqui hinterließ
6 Ynukas, dieſer Stamm war Aumata be⸗
ennt. Uska Maͤyta hieß die Nachkommen⸗
haft des Maͤyta Capak und beſtand aus 35
nkas: Des Ynka Roka ſeine beſtand aus
> und hieß Vipaquiraus: Die, des Ynka
ahuarhuakak beſtand aus 51, und war Ayl—
Panaka benennt: Coczo Panaka war der
ame der Nachkommenſchaft des Ynka Dir
kocha, welche aus 69 Ynkas beſtand: Yn⸗
Panaka war die Nachkommenſchaft des
nka Pachakutek und des Ynka Yupanqui
nennt, welche beyde in ein Stammregiſter
bracht waren; man fand darinne 69 Ynkas:
as Stammregiſter des Tupak Ynka Yu
II. Theil. R panqui
258 Fünftes Buch.
2
panqui war Capak Ayllu benennt und hatt.
nur 18 Ynkas: Der Stammbaum des Hu:
aͤyna Capak führte den Tittel Tumi-Pam.
pa, die Anzahl der Ynkas welche dazu ge
hoͤrten war 22. Vor dem grauſamen Blut
bade, in welchem Atahuallpa die dem Thro
ne am nächften ſtehenden Inkas auszurotten
ſuchte; waren die Abkömmlinge von den ber
den lezten Königen, Huaͤyng Capak un
Tupak Ynka Pupanqui, 567 an der Zah)
Sie ſtammten alle in maͤnnlicher Linie vol
beſagten Koͤnigen ab; denn die Unkas rech
neten die von der weiblichen Seite nicht, wen
ſich die Pallas nicht mit Ynkas, oder m
ſpaniſchen Eroberern, welche ſie auch Juka
nennten, verbunden hatten. Denn von de
Spaniern glaubten fie eben ſowohl, daß fi
von der Sonne abſtammten, als die Inka
von des Manko Capak Blute.
Der Brief, welchen uns dieſe Unterdruͤc
ten, mit dieſem Stammbaume zuſchickten, we
von Einem unter ihnen aufgeſezt, und
eilf Ynkas, nach der Zahl der Stammbäu:
unterſchrieben. Ein Amt welches ich begleite
Fuͤnftes Buch. 259
wodurch ich zu meinem groſſen Kummer abge:
halten werde, die Sache meiner bedauernsmürs
digen Blutsverwandten zu betreiben, noͤthigte
nich, dieſes Geſchaͤfte dem Dom Melchior
Carlos Pnka, welcher ſich am Hofe zu Valla⸗
zolid befand, zu uͤberlaſſen. Dieſer wuͤrdige
Enkel des Ynka Paulu hielt um die Beloh—
tung der Dienſte an, welche fein Großvater
der Krone Spanien bey der Eroberung von
Peru und in den darauf folgenden buͤrgerlichen
Kriegen, geleiſtet hatte. Der König ertheilte
hm eine Anweiſung, vermoͤge welcher er jaͤhr⸗
ich 7500 Dukaten, als eine Penſton aus der
ffentlichen Kaſſe zu Lima zu heben hatte. Er
ieß ihm auch die noͤthigen Koſten auszahlen,
im ſeine Gemalin und ganzes Gefolge aus
Amerika nach Spanien kommen zu laſſen: Er
nachte ihn ferner zum Ritter von San Jago,
ind gab ihm Hoffnung, eine von den hohen
Bedienungen des koͤniglichen Hauſes zu bekom⸗
nen: doch alles dieſes mit der Bedingung,
aß er allen Erbſchaften und Rechten, wel⸗
he ihm ſein Vater und Großvater in Cus⸗
o hinterlaſſen hätten, entſagte; daß dieſe
| | 2, mit
260 Fuͤnftes Buch. |
mit der Krone von Spanien verbunden win
den, und daß er nie wieder nach Amerika
1
So gänzlich ward der groſſe königliche
Baum, unter welchem fo viele Völker wohl
thaͤtigen Schatten und Schuz gefunden hat⸗
ten, mit der Wurzel ausgeriſſen, ſeine Krone
abgehauen, und ſeine Zweige in den Staub
gelegt; daß es unmöglich ſcheint, daß fie jez
mals wieder gruͤnen und Fruͤchte tragen
werden. 4
Ende des Fuͤnften Buchs.
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5
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Innhalt
des
Sechſten Buchs.
Ven der Religion, den Tempeln, den Gebraͤuchen
den Feſten, der Pracht, der Regierungsart, den Ge
ſezzen, der Polizey und der Lebensart der Nuka
und der Glückſeeligkeit ihrer Unterthanen.
Sechſtes Buch. 263
e -SO el M Re
. |
Erſtes Kapitel.
Von der Religion der Peruaner
überhaupt,
©: ift nothwendig, ehe ich von der Re⸗
ligion der Einwohner desjenigen Lan—
desſtriches rede, welchem die Spanier den
Namen Peru beygelegt haben, vorher zu
erinnern, daß man zwey Zeiträume wohl zu
unterſcheiden hat. Denn ganz anders war
der Goͤzzendienſt dieſer Voͤlker beſchaffen, ehe
ie von den Ynkas unterrichtet wurden; und
anders war ihre Religion, nachdem dieſes
Geſchlecht ſich zum Herrn dieſes Erdſtrichs
gemacht hatte.
Ehe Manko Capak in der Gegend des
Sees Titikaka erſchien, war dieſe ganze Ge
gend von unzaͤhlichen kleinen Voͤlkern bewohnt,
und dieſe Voͤlker waren insgeſamt die ab⸗
ſcheulichſten Goͤzzendiener, fo wie fie auch
die ungeſchlachteſten Sitten hatten. Sie ver⸗
* Todtengerippe von geſchlachteten Fein⸗
R 4 den,
—
269 Sechſtes Buch.
den, das Meer, die Fluͤſſe, groſſe Berge
groſſe Schlangen, groſſe Voͤgel, Fiſche, wil
de Thiere, ſchaͤdliches Gewuͤrme und nuͤzlich
Fruͤchte der Erde: mit einem Worte, alles
wovon fie ſich naͤhrten, und wofür fie fid
fuͤrchteten. Da ich aber hiervon im erfter
Theile dieſer Geſchichte hinlaͤngliche Nach
richt gegeben zu haben glaube; ſo will ich
von dieſen Abſcheulichkeiten nichts weiter ſchrei
ben, um mich nicht zu widerholen, oder ber
unangenehmen Dingen zu lange aufzuhalten.
Manko Capak, oder der Erſte Ynka
trat auf und machte die zweyte Epoche in
der Religion dieſer Völker. Er unterrichtete
ſie in einer Lebensart, durch welche ſie ſo
offenbar gluͤcklicher wurden, als ſie vorher
geweſen waren; daß er ſie geneigt machte
alles, was er ihnen ſagen wolte, zu glauben.
Durch dieſe Wohlthat und dann auch durch
eine einnehmende Beredſamkeit, vielleicht au
durch den Beyſtand ſeiner Gemalin Mam
Oello, brachte er es dahin, daß er den dum⸗
men Göͤzzendienſt eben ſowohl, als die thi
riſchen Sitten, bey dieſen Menſchen gaͤnzlic
Sechſtes Buch. 265
ſchaffte „und ſie eine Religion lehrte, die
zwar mit Abgötterey vermiſcht, aber doch
viel menſchlicher und von einem Begriffe des |
wahren Gottes nicht ganz leer war. 4
Alle Geſezze, alle Glaubenslehren, alle
Opfer, Einrichtungen, Anordnungen und
Rechte, ſowohl in geiſtlichen, als in weltli—
chen Dingen, in Religions- und in Regierungs⸗ N
ſachen, ſchrieben die Ynkas und ihre Unter 1
hanen, in den folgenden Zeiten, dem erſten ö
Ynka Manko Capak zu. Auch wenn fie 1
zor gut hielten, neue Geſezze oder Gebraͤu⸗ )
he einzuführen; fo gaben fie vor, Manko \ un
Capak habe fie ſchon feinen Kindern gefagt, |
ind fie wären durch mündliche Uiberlieferung⸗ | |
ortgepflanzt, aber bisher nicht in Ausübung — \ x
jebrac)e worden, bis die Vergroͤſſerung des ei 0
Reichs es nunmehr noͤthig machte. Da die 9
es Volk die Schreibekunſt nicht kannte, und
fo kein ſicheres Mittel hatte, eine genaue N h
Nachricht von den einzelnen Vorfaͤllen auf Ya
ie Nachkommenſchaft fortzupflanzen; fo war I
s auch unmöglich in den fpätern Zeiten aus⸗
indig zu machen, von welchem ihrer Könige i
ft R 5 jedes 83
266 Sechſtes Buch.
jedes Geſez, oder Anordnung berrühre. Das
ſicherſte Mittel alſo war; ſie insgeſamt dem
Erſten Stifter zuzuſchreiben; ſo wie etwa
die Römer beynahe alle ihre gottes dienſtli⸗
chen Gebraͤuche vom Numa herleiteten. Ge⸗
wiß iſt es daß Manko Capak dieſem Volke
die erſte Idee zur Religion der Pnkas ans
gegeben hat. 5
;
Zweytes Kapitel. 4
Die Ynkas hatten einen Begrif, von
dem einigen wahren Gotte. 1
Die Betrachtung der Natur, durch die er⸗
heiterte Vernunft geleitet, war allem
Vermuthen nach die Quelle, aus welcher die
Ynkas und ihre Amautas, ihre Weltweifen,
den Begrif von der höchften Gottheit ſchöoͤpf—
ten. Sie erkannten nemlich einen Gott,
welcher auch ſelbſt die Sonne, und alles,
was da iſt, geſchaffen habe, und dieſen Gott
nennten ſie Pachakamak. Dieſer Name
iſt zuſammengeſezt aus Paſcha, welches Wort
die Welt bedeutet und Kamak, welches das
Mittelwort der gegenwaͤrtigen Zeit (Partici-
pium
Sechſtes Buch. 267
pium praeſentis temporis) iſt, vom Zeit⸗
worte (Verbo) Kamar, beleben. Kamar
aber iſt abgeleitet von Kama, die Seele.
Man fi iehet alfo leicht, daß der Name Pas |
chakamak denjenigen bezeichnet, der die 0
Welt belebet; oder welcher alles traͤgt mit
ſeiner Kraft; oder wie es Einige auslegen,
der fuͤr die Welt das iſt, was die Seele
für den Körper iſt. Sie hatten von dieſer .
Gottheit den hoͤchſten Begrif; Wir Chriſten
ſelbſten haben keinen vollkommenern vom wah 1
ren Gotte. Wenn man die Ynkas fragte, 8 ö
wer Pachakamak ſey? ſo antworteten ſie: l
Es iſt derjenige, welcher allein der ganzen
Welt das Leben giebt, und ſie erhaͤlt. Wir 14
haben ihn nicht geſehen, um deßwillen bau⸗ | vd
en wir ihm keine Tempel, aber wir beten |
ihn im Grunde des Herzens an, und nennen
ihn in unſern Gedanken: den unbegreiflichen '
Gott. Der ſpaniſche Geſchichtſchreiber, Au⸗ | 4
guſtin von Carate erzaͤhlt in feiner Gefchichs 160
te von Peru: Als der Pater Vincent von 10 0
Valverde zu dem Koͤnige Atahuallpa geſagt u 1
Er “Ynfer Herr Jeſus Chriſtus habe die 4
268 Sechſtes Buch.
Welt geſchaffen;' fo habe der Ynka gean
wortet: Ich weiß davon nichts; ich glaul
auch nicht, daß irgend ein Weſen, außer di
Sonne, Etwas ſchaffen kann: Dieſe halt
ich für einen Gott, und die Erde für ein
Mutter. Uibrigens hat Pachakamak di
Welt aus dem Nichts gezogen ꝛc. ꝛc. Hier
aus ſiehet man, daß dieſes Volk den Pa
chakamak für den hoͤchſten Gott und der
Schöpfer alles deſſen, was vorhanden ift
anſahen.
Die Pnkas hielten dieſen Namen für fü
heilig, daß fie es nicht leicht wagten, ihn
auszuſprechen; und wenn es ja die Nothwen—
digkeit erfoderte, fo ſprachen fie ihn mit al
len Zeichen der groͤßten Demuth und Ehrer—
bietung aus: Sie zogen alsdann die Schul—
tern zuſammen, buͤckten ſich mit dem Kopfe
und dem ganzen Leibe, hoben die Augen auf
zum Himmel, ſchlugen ſie alsdann auf ein⸗
mal wieder nieder zur Erde, legten die flas
che linke Hand auf die rechte Schulter, und
kuͤßten die Luft. Alle dieſe Ceremonien waren
bey den Pnkas und ihren Vaſallen, Zeichen
| der
Sechſtes Buch. 269
e hoͤchſten Anbetung und einer außerordent—
chen Ehrfurcht; ſie bedienten ſich derſelben,
enn fie den Namen Pachakamak ausfpra:
en, wenn fie die Sonne anbeteten, und
venn ſie ihren Koͤnigen ihre Ehrerbietung
ezeigten. Allein fie thaten diefes, fo zu ſagen
Stufenweiſe; fie verrichteten mehr, oder we⸗
iger dieſer Ceremonien, nach dem Range
er Perſonen. Einige davon gebrauchten fie
uch gegen die Prinzen vom koͤniglichen Ge
luͤte; die wenigſten aber gegen die Cura—
as. Man ſahe auch daraus deutlich, daß
e den Gott, welchen ſie Pachakamak nenn⸗
en, viel höher verehrten, als die Sonne;
deil fie jenen Namen nicht eher über ihre
ippen gehen lieſſen, als bey der höchften
ſtothwendigkeit, da ſie hingegen die Sonne
ey jeder Gelegenheit nennten. Dieſen Pa⸗
hakamak baueten ſie alſo keine Tempel,
rachten ihm keine Opfer und ſagten auch
icht, daß fie ihn jemals geſehen haͤtten.
Allein, als die Ynkas das Thal Pacha⸗
amak, welches nach dem Meere zu, neben
en Thaͤlern der Chinkas liegt, eroberten;
17 a ſo
— a ie
270 Sechſtes Buch.
ſo fanden ſie da einen Goͤzzentempel, welch
dem Pachakamaͤk geweyht war; wo man
ſowohl, als im Tempel des Goͤzzen Ruraf
das Drafel fragte. Diefes war aber nicht! der
Pachakamak der Ynkas; ob ihn diek
gleich unbeſchaͤdigt ſtehen lieſſen, und viel
von ihren Unterthanen dieſen Aberglauben,
das Orakel zu fragen, auch annahmen.
Viraͤkocha endlich war eigentlich kein
Gott, ſondern eine Art von Geſpenſt, wel
ches dem Ynka Virakocha, da er noch
Prinz war, ſolte erſchienen ſeyn. Nunmehr
wende ich mich zu der ſichtbaren Gottheit der
YVnkas, der Sonne. 4
Drittes Kapitel. F
Die Untertanen der Ynkas thun
Sonne allein goͤttliche Ehre an und
bauen ihr Tempel. |
Als Manko Capak die erſten Einwohne
des Landes, welches wir izt Peru nen—
nen, von ihrer verabſcheuungswuͤrdigen A
goͤtterey abbringen, und ſie zur Anbetun
der Sonne überreden wolte, ſoll er ihne
ohnge⸗
Sechſtes Buch. 271
ohngefehr folgende Vorſtellungen gethan ha⸗
ben:
Pachakamak hat jene hellleuchtende Son-
ne gemacht, welche taͤglich über die Mitte
des Himmels wandelt und die ganze Welt
erleuchtet, erwaͤrmt und durchſchauet, damit |
Ihr fie für euern Gott erkennen und ſie an⸗
beten ſollet. Sie ſelbſt uͤberhaͤuft Euch täge
lich mit ihren Wohlthaten und hat Euch eben
zt die groͤßte erwieſen, indem ſie Euch ihre
Kinder zugeſandt hat, um Euch von euerer
hieriſchen Lebensart zu entwoͤhnen und Euch
zu lehren, als Menſchen zu leben. Verge—
bens hoffet Ihr von lebloſen Dingen, von
unvernuͤnftigen Thieren, oder von kriechenden
Gewürmen Hülfe: alle dieſe eure ehemaligen
Götter find ſelbſt Geſchoͤpfe jenes hellglaͤnzen⸗
den Sterns, welcher den ganzen Tag uͤber
allein den Himmel beherrſchet und auf die
Erde herabſiehet; Er hat fie geſchaffen, daß
ſie den Menſchen zur Nahrung und en
lichkeit gereichen ſollen.“
Durch dieſe und aͤhnliche Vorſtellungen
5 Manko Capak ſeine Unterthanen zu
uͤber⸗
272 Sechſtes Buch. |
überreden, die Sonne fur ihren Gott zu er
kennen und ſie anzubeten. Uiberzeugt durch
ſeine Gruͤnde, oder vielmehr geruͤhrt durck
die Klugheit und den Unterricht, welchen ih
nen ihr neuer Lehrer in allen Dingen gab,
die zu einem bequemern und menſchlicherr
Leben nuͤzlich find; entſchloſſen fie ſich di
Sonne allein anzubeten, ohne ihr einen Va—
ter, oder einen Bruder an die Seite zu ſez—
zen. Vermoͤge eben dieſer Beweiſe glaubten
fie, daß ihr König und ihre Königin Kinder
der Sonne waͤren und daß dieſe beyden Men—
ſchen, welche ihnen ſo vielen Nuzzen geſchafft,
eben um deßwillen vom Himmel geſandt waͤs—
ren. In dieſem Glauben erwieſen ſie ihnen
goͤttliche Ehre: welchen Vorzug auch nach
der Zeit alle ihre Nachkommen genoſſen.
Auch nennen ſie noch, ſeit ihrer Bekehrung
zum Chriſtenthum, nie den Namen Eines,
ihrer ehemaligen Ynkas, ohne ſich durch groſſe
Zeichen der Verehrung dazu vorzubereiten.
Sie ſagen; fie wären dieſes ihrem Gedaͤcht—
niſſe, wegen der vielen und groſſen Wohlthate
ſchuldig, die ſie von ihnen empfangen haͤrten
Obgleich
Sechſtes Buch. 99
Obgleich dieſes Volk mancherley Aber⸗
auben unterhielt und Wahrſager, Traum⸗
d Zeichendeuter hatte, ſo verehrte es doch
ur allein die Sonne als ſeinen Gott, baue⸗
e ihr in der Folge der Zeit Tempel und N 1
lltaͤre und brachte ihr Opfer. Dieſe . | |
iederfuhr weder dem Monde „ob es ihn 1 Wr
leich die Schweſter der Sonne und die 5 11
Nutter der Ynkas nennte; noch den Geſtir⸗ - 4
n, welche es für die Diener der Beyden 10 |
rigen hielte; noch auch dem Donner, Bliz 1
d Hagel, die es für die Ausrichter der | '
erechtigkeit der Sonne anſahe. Dieſe Ge⸗ | *
ne und Meteoren hatten zwar im Hofe
Sonnentempels zu Cusko ihre Wohnun⸗
1, wie wir in der Folge ſehen werden, aber . 1
wurden nicht angerufen und es wurden 0 il
en auch Feine Opfer ante) ett
Die Spanier, ſonderlich ihre Geiſtlichen,
b 1
en den Peruanern Schuld, daß fie noch 1
groſſe Anzahl andere Götter, außer der | | u
nne verehrten. Dieſes ruͤhrte theils von | 1
Begierde her, dieſes Volk in der Mei⸗ an
g anderer Europaͤer herunter zu ſezzen, 9
. Theil. S und l
5 Sechſtes Buch.
und die Grauſamkeiten, welche ſie an ihnen,
unter dem Vorwande, ſie zu bekehren, aus⸗
übten, deſto nothwendiger und erlaubter vor—
zuſtellen: theils, weil ſie die Unterthanen der
Inkas nicht allezeit von den noch wilden
Völkerſchaften unterſchieden: zum Theil abel
auch, weil ſie ihre Sprache nicht recht ver
ſtanden. 2 493 money Sl e
Viertes Kapitel.
Von der Unſterblichkeit der Seele, der a
gemeinen Auferſtehung und andern
Glaubensmeinungen der Pe⸗
. ruaner. |
Die Inkas Amautas, oder die Welt
fen unter den Pnkas, glaubten daß
Menſch aus Leib und Seele beſtehe: deß
gen nennten ſie ihn Alpakamaska, das hei
Beſeelte Erde. Einen Menſchen nennten
auch Runa, das iſt Ein mit Verſtand be |
tes Geſchoͤpfe; ein Thier aber Llama, oder
Vieh ohne Verſtand. Sie glaubten fer
um der Belohnung und Beſtrafung w
daß nach dieſem Leben ein anderes Leben,
n welchem es den Guten beſſer „ als in die⸗
m erſten Leben; den Böſen aber ſchlech ter
ehen wuͤrde: dennoch hielten ſie dafür „daß
nes andere Leben auch ein koͤrperliches, und
on dieſem hier nicht ſehr unterſchieden
yn würde. Man ſiehet wohl, daß ſie die⸗
n Verſtorbenen, Guten und Boͤſen, auch
Vohnungen ſchaffen mußten: fie theilten
ſo das ganze Univerſum in drey Welten
1: Hanan⸗ Paſcha, oder die Oberwelt
ar das, was wir den Himmel nennen; die
zohnung der Seeligen: Hurin⸗Paſcha, die
iederwelt, nennten fie den Ort dieſes Le⸗
18, wo alle lebende Gefchöpfe gebohren
rden, und ſterben: Veu⸗Paſcha, die Un⸗
welt, war in ihren Gedanken der Ort,
die Böfen in jenem Leben wohnen ſolten.
e nennten dieſe lezte auch Cupaypa⸗Hua⸗
„oder das Hauß des Teufels. Denn die
kas hatten, gleich vielen andern Voͤlkern,
h die Idee von einem Weſen „das Got⸗
und der Menſchen Feind ſey. Sie ga⸗
ihm den Namen Cupay, aber fie ſpra⸗
3. dieſen Namen niemals aus, ohne auf
Gr die
Sechſtes Buch. 275
2
276 Sechſtes Buch.
die Erde zu ſpucken, und ihren Abſcheu da:
gegen zu bezeigen. Ihre Seeligkeit ſezten fi
darinne; daß man in dem Himmel ein ruhi
ges und von allen Beſchwerden vollkommen
freyes Leben führe; doch zaͤhlten ſie zu dei
Vergnügen jenes Lebens, weder die Eörperli
chen Wolluͤſte, noch die 1 andere
Laſter. |
Die Ynkas bitch zwar e fte, y daß si
Seelen für ſich, ohne Körper, empfinden
und denken koͤnnten; daher behaupteten fi
auch; wenn der Menſch ſchliefe, ſo verlieſſ
die Seele, welche keines Schlafes fähig wo
re, den Koͤrper, und wanderte in der Wel
herum; da ſaͤhe ſie denn die Dinge, die de
Menſch zu traͤumen glaubte: Dennoch abe
war die allgemeine Auferſtehung der Todtet
auch Einer von ihren Glaubensartikeln. 2
dieſer Auferſtehung, verſicherten ſie, bekaͤ
die Seele den ganzen Koͤrper wieder, den
im vorigen Leben gehabt haͤtte. Daher
ben ſie auch alles, was ſie von ihren K
pern abſchnitten, zum Beyſpiel Haare
Nägel, an verborgenen Oertern, forgf
2
RA.
auf; und als die Spanier, aus Geiz, die
Graͤber der Pnkas öffneten, ausplünderten,
und die Todtenknochen unachtſam hinweg
warfen; fo wurden fie von den gegenwaͤrti⸗
zen Peruanern auf das angelegentlichſte ge⸗
deten, dieſes nicht zu thun, damit die Seelen
der Pnkas fie bey einander fänden, wenn fie
vieder aufleben ſolten. Dieſes Wort ge⸗
rauchten fie, weil fie kein gleichbedeutendes,
nit auferſtehen, hatten. Dieſes Lezte wird
elbſt von den ſpaniſchen Schriftſtellern beſtaͤ⸗
iget; Zum Beyſpiel „ von Franzisko Lopez
e Gomara, von ee on und von
zn de Mr |
—
u Fuünſtes Kapitel.
Von den Opfern die man der e
brachte, und ihren Prieſtern.
Das vornehmſte Opfer, welches man der
Sonne brachte, war wohl dieſes, daß man
r, bey jeder Eroberung, den dritten Theil
es eroberten Landes, mit allen Fruͤchten und
erden widmete, welche darauf waren. Dies
Grundstücke wurden hernach beftändig von
S 3 daruͤber⸗
Sechſtes Buch. 277
278 Sechſtes Buch.
daruͤbergeſezten Leuten verwaltet, und *
Ertrag davon den Vorſtehern der Tempel
der Sonne, und der Haͤuſer, wo die aus⸗
erwaͤhlten Jungfrauen der Sonne wohnten,
uͤberliefert. 1
Was aber die eigentlichen Opfer betriff
ſo glaubte man, daß die Sonne veel
Lammer, Schaafe, und Widder liebte. Man
opferte ihr auch zahme Kaninchen, und alle
Arten von eßbaren Voͤgeln. Außerdem wur⸗
den ihr Aehren, Huͤlſenfruͤchte, Schwe
und Buͤſchel von dem Kraute Kuka darge⸗
bracht. Der Sonne zu Ehren verbrannte
man auch ſonſt allerhand Dinge, und dank⸗
te ihr dabey, daß ſie ſie zum Nuzzen der
Menſchen hervorgebracht habe. Die Perua⸗
ner brachten ihr auch Trankopfer von einem
Getränke, welches aus Waſſer und May;
gemacht war. Bey einem Trinkgelag tunk—
ten ſie, wenn ſie ſich vorher ſatt gegeffer
hatten, die Spizze des Vorderfingers in das
Gefäß, worinne dieſer Trank war, wendete
die Augen gegen den Himmel, ſchüttelten
den Tropfen e welcher ſich an den
| Sechſtes Buch. 279
Finger gehangen hatte, davon ab, warfen
drey Kuͤſſe in die Luft, und alstann han
4 an mit einander zu trinken.
Ihre Opfer wurden von ie vers
ne Der Oberprieſter in Cusko war al
ezeit ein Onkel, oder ein Bruber des Koͤ⸗
nigs. Er wurde Villak-Umu genennt, die⸗
es heißt: der Prophet, welcher redet. Die⸗
er Name gab zu verſtehen, daß er es ſey/
velcher dem Volke den Willen der Sonne,
hres Gottes ankuͤndige. Die andern Prie—
ter im Sonnentempel der Hauptſtadt muß⸗
en insgeſamt Ynkas vom Stamme des
Manko Capak ſeyn. Die Diener dieſes
Tempels aber durften auch aus den gemach⸗
en Ynkas genommen werden. In den Pro
inzen wurden die Prieſter von den Ver⸗
vandten des Curaka, oder Herrn der Pro⸗
yinz genommen; der Superior, oder Ober-
zufſeher aber mußte ein gebohrner Ynka ſeyn.
In der Kleidung unterſchieden ſich die Prie⸗
ter nicht von den andern Einwohnern des
andes. Die für die Sonne auserwaͤhlten
Sungfeauen wohnten in beſondern Haͤuſern,
S 4 welche
230 Sechſtes Buch.
welche nicht weit von den Tempeln der Sor
ne erbauet waren. Sie waren von zweyerle
Art: Einige dieſer heiligen Jungfrauen wid
meten ſich einer ewigen Keuſchheit und muß
ten, wenn ſie ihr Geluͤbde brachen, mi
dem Tode buͤſſen; Andere aber kamen unte
die Kebsweiber des Koͤniges.
Sechſtes Kapitel.
Von dem Tempel der Sonne
ane ge Cn ene 1
De 55 in der Hauptſtadt Ri
Reichs, war ein bewundernswuͤrdiges
Gebäude, wenn man einerſeits den Reich—
thum und die Pracht deſſelben, und ande—
rerſeits den Mangel der alten Peruaner,
den fie an Eiſen⸗ Baus und Zimmerwerkzeu⸗
gen litten, in Erwaͤgung ziehet. Er war
viereckigt; feine Mauern waren von gebacke⸗
nen Steinen, aus einer ungemein ſchoͤnen
Erde oder Thon aufgefuͤhret, und fein Dach
von einem koſtbaren Holze gemacht. Er hatz
te verſchiedene Thuͤren, der eee,
aber befand ſich auf der Nordſeite; gege
Mor⸗
Sechſtes Buch. 281 iu
Morgen zu ſtand der groſſe Altar, und auf ö
dieſem zeigte ſich in ungemeiner Pracht, das N
Bild der Sonne vom reinſten Golde auf eis
ner ſehr ſtarken goldenen Platte. Dieſes
Bild der Sonne ſtellte ein Mannsgeſichte,
mit Flammen und Strahlen umgeben, vor.
Es war ſo groß, daß es von einer Seiten⸗
vand des Tempels bis zur Andern reichte.
Die vier Waͤnde dieſes Tempels waren von
ben bis unten mit Goldblechen uͤberzogen. ö
In den Wänden herum ſtunden auf golde⸗ 7
en Platten goldne Throne, auf welchen die
alſamirten Koͤrper der verſtorbenen Könige
fen," als wenn fie noch lebten. Die Ge
hter dieſer Könige waren gegen den untern (|
heil des Tempels gekehrt; nur Hudyna | |
apak, der liebſte unter den Kindern der
Sonne, hatte den Vorzug, daß fein Köͤr—
er dem Sonnenbilde gerade gegenüber ſtand.
die Thuͤren des Tempels waren auch mit Bin
zolde überzogen, und um die Mauern deſ⸗ A
Iben, lief auswendig eine goldene Platte, | . |
ner Elle breit, gleich einem Blumengehaͤnge. a | | ö
* 3 x 0 u 0 f ö N | }
10 8 Sie⸗ | 1
282 Sechſtes Buch.
Siebentes Kapitel.
Von dem Hofe des Tempels und den klei
nern Gebaͤuden, welche dem Monde, der
Sternen, dem Donner und dem Re⸗
| genbogen gewidmet waren.
2 S herrliche Tempel ſtand mitten au
einem weitlaͤuftigen Plazze, der vo
einer Mauer eingeſchloſſen war, und ei
Viereck vorſtellte. Um den oberſten The
dieſer Mauer ging ein goldner Kranz eine
Elle breit. Innerhalb dieſes Einſchluſſes un
den Sonnentempel herum ſtunden fünf grofl
Pavillons die viereckigt waren, deren Daͤche
N aber in Pyramidengeſtalt ſpiz zu liefen. De
| Erſte war beſtimmt, dem Monde zur Woh
nung zu dienen. Die Thuͤren und Waͤnd
. davon waren mit Silberblech überzogen
U um durch die Farbe anzuzeigen, daß €
Al | für den Mond beſtimmt ſey. Die Figur da
5 von ſtand auf einem Altar in dieſer Kapelle
' fie war von einer filbernen Platte gemacht
und ſtellte ein Frauenzimmergeſicht v r
0 Denn dieſes Volk glaubte, daß der Mo
0 | die Schwefter und Gemalin der Sonne unk
Sechſtes Buch. 283
die Mutter der Ynkas ſey: um deßwillen f
nennten fie ihn Mama Quilla, oder Mur: N
termond; fie beteten ihn hier an, aber fie |
brachten ihm keine Opfer, wie der Sonne. 10 1
Auf beyden Seiten neben dieſem Altare ſahe Ih
nan die Leiber der verſtorbenen Königinnen, ö f
nach ihrem Alter geordnet. Mama Oello,
die Mutter des Huaͤyna Capak, ſtund dem
ilbernen Bilde des Mondes gerade gegen
iber, weil ſie dieſen vortrefflichen en sur 1 5
Pal gebracht hatte. A
Scwohl die Körper der Könige im Sum
3 als auch die, der Königinnen, in
der Kapelle des Mondes, fi nd von den Pe⸗
uanern, ſobald fie von dem Einfalle der
Spanier hoͤrten, nebſt den goldenen und ſil⸗ | | 7
ernen Thronen hinweg gebracht und ver | eh
orgen worden; und es iſt nicht moͤglich ge⸗ 0
beſen mehr, als drey Körper von Koͤnigen N N
nd zwey von Koͤniginnen eher 1 entde⸗ e
en. N
Nicht weit von dem Pavillon des Mon⸗ WM \
es, ſtand die Wohnung des Morgenſterns, 1 [ N
es Siebengeſtirns und aller Sterne über: |
995 haupt. | hf
284 - Sechſtes Buch.
haupt. Sie nennten den Morgenſtern Ei
ka, weil fie ſich vorſtellten, daß feine Straß:
len langen und krauſen Haaren aͤhnlich waͤ⸗
ren; außerdem hielten ſie ihn in gar groſſen
Ehren, und nennten ihn den Pagen der Son—
ne; weil er bald vor dieſer hergehet und bald
ihr folget: das heißt nach unſerer Art zu re
den, weil er bald der Morgen- und bald 4
Abendſiern iſt. Die übrigen Sterne nennte
man die Dienerinnen des Mondes und nie
der Sonne, weil ſie nur des Nachts zu .
hen ſind. Dieſe Wohnung der Sterne ſo—
wohl, als ihr groſſes Portal waren mit Sil—
berplatten bedeckt. Das Dach ſtellte den
Himmel vor, weil es ganz mit Sternen von
verſchiedener Groͤſſe beſaͤet war. 4
Der dritte Pavillon war dem Bliz unk
dem Donner geheiliget, beydes begrif mat
unter dem Worte Yllapa. Man erwies bie
ſem Phänomen: keine görtliche Ehre, abe
man ſahe es fuͤr den Diener der Sonne un
Ausrichter ihrer ſtrafenden Gerechtigkeit ar
Man verabſcheuete die Oerter, wo der Bli
eingeſchlagen hatte und wenn es Haͤuſer,
oder
Sechſtes Buch. 285
der Gemaͤcher waren, fo bewohnte man fie .
ie wieder. Auch die Wohnung des 9 5
ar mit Gold uͤberzogen.
Dem Regenbogen weyheten ſie den vier⸗
n Pavillon, weil er von der Sonne her⸗
orgebracht wird. Das ganze Innere deſſel-
n war mit Gold überzogen und an Einer,
r vier Wände, war der Regenbogen mit
len feinen Farben vorgeſtellt; fein Bild |
ar fo groß, daß es ſich von Einer Seiten⸗
and bis zu der Andern ausbreitete. Sie ne
ennten dieſe Lufterſcheinung Cuychu und
fen eine groſſe Ehrfurcht dafuͤn. Wenn
einen Regenbogen erblickten, ſchloſſen fie |
in Mund zu und hielten eine Hand davor; N
eil fie glaubten, wenn fie ihn öffneten, fo |
uͤrden ig Säge verderben und Fe | 99 5
erden. ) |
Der fünfte: Pavillon war für die Prie⸗ e
er beſtimmt, welche dem Gottesdienſte im h
empel beywohnten, und insgeſamt von dem / N
sefchlechte des Manko Capak ſeyn mußten. 1
ieſes Hauß war, wie die Andern, von |
nten bis oben mit Golde uͤberzogen; Die I
. 5 Prie⸗ |
286 Sechſtes Buch.
| Prieſter ſchliefen und aſſen aber nicht darin
I" ne, fondern der Oberprieſter verſammelte dar
inne die andern Prieſter, um ſich mit ihner
uͤber alles, was den Dienſt im Tempel be
traf, zu berathſchlagen. j 1%
1 An den auswendigen Seiten der Mau:
ern dieſer Pavillons, waren an jeden vier
groſſe Blenden, wie Tabernakel, ebenfalls,
wie das ganze Gebäude, von gebackenen Stei—
nen aufgefuͤhrt. Dieſe Tabernakel waren
ö inwendig ganz mit Goldblechen bedeckt, um
ſie herum aber, waren auswendig vertiefte
Linien zur Verzierung angebracht, welche in
den Ecken, oder Winkeln mit Türkiſſen und
Schmaragden auf kleine Goldplatten beveſti—
get, geſchmuͤckt waren; auch die Ecken der
Pavillons waren mit Goldplatten bekleidet,
auf denen Edelſteine beveſtiget waren. |
An den hohen Feſten pflegte fich der Ynka
bald in dieſes, bald in jenes Tabernakel zu ſez—
zen, nachdem es die Feyerlichkeit erfoderte.
Die Mauern, welche den Hof des Som
nentempels einſchloſſen, hatten zwoͤlf Thore,
auch Sie, waren mit Goldblech überzogen,
Außer
Sechſtes Buch. 287
Ki) Außer dieſen fünf Pavillons, welche um
den Sonnentempel herum ſtunden, befan⸗
den ſich in dem Hofe des Tempels noch ver⸗
ſchiedene Wohnungen, ſowohl für die Pries
ſter ſelbſt, als auch fuͤr ihre Diener, welche
allezeit von der Zahl der gemachten Ynkas
waren. Kein Peruaner, er mochte auch ein
noch ſo groſſer Herr ſeyn, durfte in den
Tempel kommen, wenn er nicht Ynka war.
Auch die Damen, die Gemalin und die
Töchter des Koͤniges waren davon ausge⸗
ſchloſſen. Die Prieſter verrichteten den Dienſt
Wochenweiſe in dem Tempel; die Wochen
aber rechneten fie nach den Mondsvierteln;
waͤhrend der Zeit blieben ſie in den Woh⸗
nungen im Tempelhofe, und gingen nicht
nach Hauſe, hielten ſich auch nicht au 008
Weibern. b
Die Peruaner, welche als Knechte am
Tempel dienten; zum Beyſpiel, die Pfoͤrtner,
Kehrer, Köche, Kellner, Holz- und Waſſer⸗
traͤger und ſo fort, waren von eben den
Zoͤlkern, und aus eben den Staͤdten, als
Bi, welche alle diefe Dienſte auch bey dem
Koͤni⸗
288 Sechſtes Buch.
Könige verrichteten. Denn verſchiedene Staͤd
te waren verbunden, Bediente fuͤr das Hauf
der Sonne und des Königes zu ſtellen. Ir
beyden war kein anderer Unterſchied, als die
fer; daß im Sonnentempel keine Weibsbil
der Dienſte verrichteten, im Pallaſt des
Vnka aber keine Opfer gebracht an . 9
Achtes Kapitel. EWR
Von den Oertern, wo man die Opfer
verrichtete, und den Brunnen welche
daſelbſt waren. Y e
Die Oerter, wo man die Opfer brachte,
waren der Feyerlichkeit jedes Feſtes ge⸗
maͤß. Einige verrichtete man auf gewiſſen
Plaͤzzen in der Stadt; andere an mem
ſchiedenen Oertern im Hauſe der Sonne,
welche fuͤr die beſondern Feſte beſtimmt was
ren. Die allgemeinen Opfer an dem vors
nehmſten Feſte der Sonne, welches Raymi
genennt wurde, verrichtete man auf dem
groſſen Plazze der Stadt; die andern aber
welche nicht ſo feyerlich waren, in den Vor⸗
hoͤfen des Tempels, wo die Einwohner ale
Secchſtes Buch. 289
Provinzen und Leute von allerley Völkern zu
anzen und ſich zu beluſtigen pflegten. Die,
> Derter durfte man nicht anders, als mit
loſſen Fuͤſſen betreten: denn es waren ge⸗
viſſe Graͤnzen um den Tempel herum be;
timmt, wo man die Schuhe ausziehen muß⸗
e, ehe man naͤher hinzu trat. Ich will
nich deutlicher erklären,
| Von dem groſſen Plazze in Cusko gin⸗
en drey Straſſen ſuͤdwaͤrts nach dem Haufe
er Sonne zu, von welchen die mittelſte die
ornehmſte war. Die Peruaner pflegten
urch dieſe nach dem Tempel zu gehen, wenn
> dort opfern, beten, oder der Sonne Ge⸗
henke bringen wolten. Queer durch dieſe
straffen lief von Morgen gegen Abend eine
dere Straſſe in einer Entfernung vom
auſe der Sonne, die mehr als zweyhun—
rt Schritte betrug. Hier war es, wo alle
e, welche zum Tempel gehen wolten, ihre
ſchuhe ausziehen mußten. Eben ſolche
raͤnzen waren auch auf den andern drey
eiten des Tempels beſtimmt.
II. Theil. 5 In
290 Sechſtes Buch.
In dem Hauſe der Sonne, worunter ie
allezeit den ganzen Bezirk, um den Sonnen
tempel herum, verſtehe, waren fünf Brun
nen an verſchiedenen Oertern; ihre Röhre
waren aus Golde verfertiget, die Becke
waren entweder von Steinen, oder von Go
de, oder von Silber. In dieſen Brunne
wuſchen ſie die Opfer; von dem Einen leite
ten ſie auch das Waſſer in den Garten de
Sonne. | .
Neuntes Kapitel.
Von dem Garten bey dem Tempel un
den Reichthuͤmern deſſelben. Von den
Schaͤzzen der Tempel in den ver⸗
ſchiedenen Provinzen. 1
Der Garten des Sonnentempels war fi
wohl, als die Gärten, welche man b
den Pallaͤſten des Koͤniges ſahe, ganz ve
Gold und Silber. Man fand darinne ei
Menge Kräuter, Blumen, Pflanzen, Ba
me verſchiedener Sorten, groſſe und klein
wilde und zahme Thiere, Schlangen, C
deren, Schnecken, Gewuͤrme, Schmetterli
nd Voͤgel, welche alle aus Golde, nach der
katur nachgeahmt und an den, ihnen zukom⸗
enden Plaͤzzen, angebracht waren. Außer⸗
em befand ſich auch da ein groſſes Stück
eld, auf welchem tuͤrkiſcher Weizen, Qui⸗
la und andere Huͤlſenfruͤchte zu wachſen
hienen; es war aber alles aus Gold verfers
jet,
In dem Pallaſte des Koͤniges ſowohl,
s im Haufe der Sonne, waren ſogar groß
Gold- und Silberbarren, wie Scheitholz
er einander gelegt, auch groſſe goldene Fi⸗
ren von Männern, Weibern und Kindern;
dlich fanden ſich in beyden auch verſchiede⸗
Schuͤttboͤden, wo allerhand Koͤrner von
old aufgeſchuͤttet lagen, als ob fie von den
dern, bey den goldenen Gärten, wären
irndtet worden. Denn an allen den groſ⸗
» Feſten, welche das Jahr hindurch gefey⸗
wurden, brachte man der Sonne und
n Pnka eine groſſe Menge Gold und Sil⸗
zum Geſchenke, welches zur Verfchönes
ag des Pallaſtes des Inka und des Haus.
wu Sonne angewendet wurde. Zu dies
14 T 2 ſem
Sechſtes Buch. 291
155 ; 292 Sechſtes Buch.
. ſem Ende erfand man täglich neue Arten vor
nl Pracht. Alle Goldſchmiede, welche den
vol ' Dienfte der Sonne gewidmet waren, arbei,
3 teten hieran ohne Unterlaß und beeiferter
ſich um die Wette alles, was man nur mi
Augen ſahe, auf das natuͤrlichſte nachzuah
men. Sie verfertigten auch eine unbeſchreib
liche Menge Gefaͤſſe, Hausrath und Werk
zeuge: denn im Hauſe der Sonne und in
Pallaſte des Königes war alles uͤberein und
auch das ſchlechteſte Geraͤthe, als Hacken
und Schaufeln, von Golde, oder Silber
Aus dieſer Urſache pflegte man auch dae
Hauß der Sonne Carikancha, das Vorraths
hauß des Goldes zu nennen. 4
Alle andere Tempel, welche ſich in der
verſchiedenen Provinzen des Königreichs bi
fanden, hatten dieſen Tempel gleichſam zu
Muſter. Jeder Curaka gab ſich Muͤhe de
Tempel der Sonne in ſeiner Provinz ſo ſeh
zu ſchmuͤcken, als er konnte; die Curake
hatten darinne nicht nur zur Abſicht ih e
Gott zu ehren, ſondern ſie glaubten au
e
Sechſtes Buch. 293
urch dieſes Mittel ihren Koͤnigen zu ſchmei⸗
eln „ welche ſich Kinder der Sonne nenn—
n.
Nach dem Tempel zu Cusko war derje⸗
ige der beruͤhmteſte und reichſte, welcher auf
er Inſel Titikaka ſtund, welches Wort ſo
el als Bleyberg bedeutet. Der See, wor⸗
nen dieſe Inſel liegt hat von ihr eben den⸗
lben Namen angenommen. Die Inſel
gt ohngefehr drey- bis vierhundert Schrit—
vom veſten Lande und hat ſechstauſend
chritte im Umfange; der See aber hat
ohl achtzig Meilen im Umkreiſe und iſt an
nigen Orten acht und vierzig Klaftern tief.
ie Spanier ſchreiben ihm die beſondere Ei⸗
nſchaft zu, daß man mit keinem hoͤlzernen
ihrzeuge darauf fahren koͤnne.
Man glaubte von dieſem See und dieſer
iſel, daß die Sonne, nach der allgemeinen
berſchwemmung, ihre Strahlen zuerſt auf
ſen Ort geworfen und alsdann auch ihre
nder Manko Capak und Mama Oello
ako vom Himmel hier nieder gelaſſen,
ſie von da ausgehen und alle Einwohner
* T 3 des
294 Sechſtes Buch.
des ganzen Landes im Guten unterrich en
und zu einer menſchlichen Lebensart gewoͤh⸗
nen ſolten.
Aus dieſem Grunde gaben die Pnkas
dieſe Inſel für heilig aus und baueten darauf
einen Tempel, oder ein Haus der Sonne,
welches mit Golde überzogen, und mit um
fehägbaren Reichthümern angefuͤllt war.
Einwohner aller Länder, welche den YVnke
unterworfen waren, reiſeten jährlich hierhet
und brachten reiche Geſchenke, an Golde, Sil
ber und Edelſteinen. Man ſaͤete in den Gaͤr⸗
ten des Tempels auf dieſer Inſel allerhand
Hulſenfruͤchte und ſendete von den Fruͤchte
die man hier aͤrndete an den Koͤnig unde
alle Vornehme des Reichs. Der König ſchickf
te einen Theil davon in den Tempel der Som
ne und an die, der Sonne geheiligten, Jung
frauen, mit dem Befehle ſie wieder allen
Sonnentempeln und Haͤuſern der heiligen
Jungfrauen mitzutheilen. Ein jeder Perug⸗
ner, der fo glücklich war, ein einziges ſolches
Koͤrnchen zu befizzen, glaubte gewiß vor ab
lem Mangel, fo lange er lebte, ſicher zu ſeyn,
Sechſtes Buch. 295
Der Pater Blas Valera erzaͤhlt, daß
ie Prieſter dieſes Tempels nebſt den Be⸗
bohnern der Ufer dieſes Seees, ſobald fie
on dem Einfalle der Spanier in dieſes Reich
ind von ihrer Raubbegierde gehört, alle Dies
e Reichthuͤmer in den See Titifafa gewor⸗
en haͤtten. Eben ſo ſollen die Einwohner
on Cusko einen groſſen Theil der Schaͤzze
m Tempel der Sonne, und im Pallaſte
es Koͤniges, in einen kleinen, aber ſehr fies
en See im Thale Orko ſechs Meilen von
er Hauptſtadt verſenkt haben. Unter dieſen
eztern war auch die groſſe goldene Kette, wel⸗
he Huaͤyna Capak bey der Geburt feines
Sohnes Huaskar verfertigen ließ. Ich ha⸗
e fie n im fünften Buche e 5
Zehntes Kapitel.
Von den der Sonne geweyhten Jungfrauen,
ihrer Wohnung und ihren Arbeiten.
m Lande der Ynkas befanden ſich Haͤuſer
für Jungfrauen, welche den europaͤiſchen
Nonnenkloͤſtern ſehr ähnlich waren. Die pe⸗
ane Nonnen waren Frauenzimmer, die
T 4 der
\
4 IE 296 Sechſtes Buch.
| der Sonne und ihrem Dienſte geheiliget wa
3 ren, und wurden die auserwaͤhlten Jungfrau
en genennet, weil man fie nach ihrer Schön:
beit und nach ihrem Stande waͤhlte. Ehe
ich aber von ihnen ſelbſt rede, muß ich ihre
Wohnungen vorher beſchreiben; ich waͤhle
dazu die, welche ſie in der Hauptſtadt bat;
ten; denn die andern Haͤuſer der geweyhe—
ten Jungfrauen in den verſchiedenen Pro⸗
vinzen, waren nach dieſem Muſter gebauet.
Bey der kurzen Beſchreibung des Hauſes
der Sonne habe ich dreyer Straſſen erwaͤhnt,
welche von dieſem heiligen Hauſe nach dem
groſſen Plazze in Cusko von Mittag gegen
Mitternacht zu liefen. Dieſe drey Straſſen
wurden von einer Andern durchſchnitten, wel⸗
che von Morgen gegen Abend zu ging, und
ohngefehr zweyhundert Schritte vom Tem⸗
pel entfernt war. Unter den erſtbemeldeten
drey Straſſen ſchnitten zwey, die zur lin⸗
ken Hand nemlich, und die Mittelſte nebft
der queer durch fie laufenden, zwey Quarz
tiere ab. Dasjenige Quartier, welches zwi
ſchen dem groſſen Plazze, und der von Mor:
ge
Sechſes Buh. 29
gen gegen Abend laufenden Straſſe lag, wur—
de ganz von dem Hauſe der geweyheten Jung⸗
frauen eingenommen. Man ſiehet, daß es
alſo ungemein groß muͤſſe geweſen ſeyn. Wei⸗
zer gegen Mittag war alſo die Queerſtraſſe,
alsdann ein groß Quartier von andern Haͤu—
ern, und endlich wieder ein geraͤumiger
Plaz, welcher dem Hauſe der En gleich
am zum Vorhofe diente. |
Dieſes Hauß, oder Biere dieſer Pal:
af „wurde von den Ynkas Acllahua, oder
as Hauß der Sterne genennet: feine Vor⸗
erſeite war gegen den groſſen Plaz gerich—
et, die andern drey Seiten wurden von
en drey Straſſen umgeben. Mitten durch
ieſes Gebäude, lief eine kleine Gaſſe, gleich
iner Gallerie , fo breit daß zwey Perſonen
eben einander gehen konnten. An der Vor⸗
erſeite, nach dem groſſen Plazze zu, war
ie vornehmſte Thuͤr, deren Portal und Fluͤ⸗
el auch mit Gold uͤberzogen waren; aber
tan öffnete dieſe Thuͤr niemals, als wenn
ie Koͤnigin ſich zu den geweyheten Jung⸗
rauen ee oder dieſes heilige Hauß ei⸗
T 5 ne
298 Sechſtes Buch.
ne neue Veſtalin aufnehmen wolte. Geg
Eine von den Straſſen zu, „war das Die
thor, wodurch man in das sbentefcicbene
enge Gaͤßchen kam. Wenn man durch d
erſte Haͤlfte deſſelben gegangen war, kam
man an ein zweytes Thor, durch welches
aber nie eine Mannsperſon, oder eine ver⸗
heyrathete Frau, kurz niemand als die zum
Dienſte der auserwaͤhlten Jungfrauen be
ſtimmten Maͤdchen, weiter in das Gebaͤude
hinein gehen durfte. 72
An dem aͤußern Thore nach der Straſſe
zu, befanden ſich allezeit zwanzig Pfoͤrtner,
welche die Dinge, die in das Haus, ode
heraus ſolten gebracht werden, hin und her
trugen; fie durften aber bey Lebensſtrafe, ni
weiter, als in der kleinen Gaſſe, bis an dat
zweyte Thor gehen. Wenn man durch di
erſte Haͤlfte dieſer Gallerie ging, ſahe ma
auf beyden Seiten verſchiedene Wohnungen
in welchen die zum Dienſte der auserwaͤhl
ten Jungfrauen beſtimmten Mädchen lebte
und arbeiteten; jedes, dieſer kleinern Haͤuſer,
hatte feine Pfortnerin, welche ihres Amtes
| Sechſtes Buch. 299
genau wahrnahm. Am Ende der Gallerie,
ſing ſich die Wohnung der auserwaͤhlten
Jungfrauen, oder der en der Son⸗
ne an.
Alles Gerathe in dieſem uss , (age
der geringſte Keſſel oder Topf, war eben
ſowohl, als im Hauſe der Sonne, von Gold
oder Silber. Auch hatten dieſe Damen eis
nen Garten, deſſen Baͤume, Pflanzen, Kraͤu⸗
ter, Blumen, Früchte, Vögel und andere
Thiere aus Gold oder Silber waer
waren.
In dieſer groſſen Eon * ink 1 05
der innerſten Abtheilung, befanden ſich ge⸗
wöhnlich funfzehnhundert auserwaͤhlte Jung⸗
frauen, doch war dieſe Zahl nicht eben ber
ſtimmt. Dieſe mußten alle Toͤchter von wah⸗
ren Ynkas, rechtmaͤßig erzeugt ſeyn, und
ſowohl von vaͤterlicher, als muͤtterlicher Sei⸗
te vom Manko Capak und Coya Mama
Oello herſtammen. Die, welche zu einem
gewiſſen Alter gelanget waren, nennte man
Mama ⸗Cuna, welches fo viel, als eine Ma⸗
trone, oder eine Frau bedeutet, welche die
Pflich⸗
1
— —
— x — ——
300 Sechſtes Buch.
Pflichten einer Mutter verrichtet. Sie ver⸗
walteten das Amt der Aebtißinnen, der Auf—
ſeherinnen und Lehrerinnen; denn ſie muß⸗
ten die Novizen in ihren Pflichten unterwei—
ſen, auf die Eingaͤnge und Thuͤren acht has
ben, und Befehle wegen Verſorgung des
Hauſes geben. Fr j
Alle diefe Damen lebten beftändig einge,
ſchloſſen, in einer ewigen Jungfrauſchaft.
Sie hatten keine Sprachzimmer wie die eu⸗
ropaͤiſchen Nonnen, und ſelbſt der Koͤnig
kam nicht zu ihnen; niemand als die Koͤ⸗
niginnen nebſt ihren Prinzeßinnen, durfte
ſie beſuchen. 4 1
Die vornehmſte Arbeit dieſer Gemalin⸗
nen der Sonne, naͤchſt ihren gottesdienſtli⸗
chen Verrichtungen, die nicht eigentlich außer
ihrer Wohnung bekannt wurden, war ſpin⸗
nen, weben und die Kleider, welche der
Ynka und die Coya trug, verfertigen.
Auch machten ſie ſehr feine Kleider „welche
ſie der Sonne als Opfer brachten. 4
Der Inka trug auf dem Kopfe das Llau⸗
ta, oder die heilige Binde, welche ihm an⸗
| ſtatt
Sechſtes Buch. 8
ſtatt der Krone diente, und von mir oben
beſchrieben worden. Seine Kleidung war
ein Kamiſol, welches ihm bis an die Kniee | j
ging; man nennte es Unku. Diefes Unter: | (N
kleid guͤrtete er auf der Mitte des Leibes mit V
einer schön gearbeiteten, zwey Finger breiten 0
Schnur, woran ein viereckigter Beutel hing,
welchen man Chuspa nennte, worinne er
ein gewiſſes Kraut Cuka, bey ſich trug.
Dieſes Kraut kauet man, wie in Oſtindi⸗
en das Betel. Aber nur der Ynka und e e
wem er ein Geſchenk damit machte, durfte
damals dieſes Kraut kauen. Uiber die We—
fte trug der Ynka, anſtatt des Mantels, ei⸗
nen weiten Oberrock, der Vakolſ me
er
Sie verfertigten auch eine andere Art von
8 „Paycha genennt. Dieſe aber
trug nicht der Ynka, fondern 1 5 e |
Anverwandten. N
Alle dieſe Kleidungsſtuͤcke, a die, wel⸗
che fie für die Sonne verfertigten, mache
ten fie in groſſer Menge, und uͤberſchickten
je dem Pnka, welcher fie mit der größten
302 Sechſtes Buch.
Ehrerbietung annahm. Der Ynka, durfte
kein Stück davon an jemanden verſchenken,
welcher nicht ein wahrer Puka, oder von
koͤniglichem Gebluͤte war. ng
Außer dieſen helligen Kleidern mußten
die auserwaͤhlten Jungfrauen auch zu be—
ſtimmter Zeit das Brodt, welches man Can—
ku nennte, backen. Es wurde bey den Opfern
gebraucht, welche man der Sonne an ihren
beyden groſſen Feſttagen, Raymi und Citua,
brachte. Endlich machten ſie auch ein ge—
wiſſes Getraͤnke, welches der Ynka nebſt feis
nen Anverwandten an dieſen Feſten trank.
Der Name deſſelben war Aka.
Die Ynkas hatten ein Geſez gemach
welches die Strafe uͤber diejenigen beſtimmte,
welche das Geluͤbde der Keuſchheit in dieſem
Hauſe verlezten. Dieſes Geſez war ſehr hart
zum Gluͤck ift es nie noͤthig geweſen, es i
Vollziehung zu bringen. Es befahl, daß die
jenige der Sonne geweyhte Jungfrau, we
che das Geluͤbde der Keuſchheit braͤche, leben
dig ſolte begraben, ihr Liebhaber hingege
gehangen werden. Allein nicht nur die bey
f de
ben Schuldigen ſolten ſterben, ſondern die
ganze Familie des Verbrechers und alle Ein⸗
wohner der Stadt, worinnen er gebohren
wäre, folten hingerichtet, die Stadt zerſtört
und für unbewohnbar erklärt werden. Nies
mals, wie ich geſagt habe, iſt es nöthig ge;
weſen, dieſe Strafe zu vollziehen: entweder
weil die Peruaner zu tugendhaft, oder das
Geſez zu ſchrecklich, oder die Anſtalten zur
Erhaltung der Tugend zu vortrefflich waren.
Zum Dienſte dieſer auserwaͤhlten Jung⸗
frauen befanden ſich im Hauſe der Sterne
fuͤnfhundert junge Mädchen, welche insge⸗
ſamt Jungfrauen und Tochter, nicht der ei⸗
gentlichen Ynkas, ſondern derjenigen Ynkas
ſeyn mußten, welche Manko Capak mit die⸗
ſem Tittel, aus Gnaden, beehrt hatte. Sie
wohnten in den kleinen Haͤuſern, welche man
auf beyden Seiten der, durch das Gebaͤude
laufenden, Gallerie erblickte. Sie hatten
auch ihre Mamacunas, oder Aufſeherinnen,
wie die auserwaͤhlten Jungfrauen und wur⸗
den von ihnen unterrichtet. Dieſes waren
die rien „ Geſezze, Einrichtungen,
Sechſtes Buch. 303 |
Vor⸗
*
304 Sechſtes Buch.
Vorzuͤge und die Wohnungen der, 0
Sonne geheiligten Jungfrauen in der Hau
ſtadt. Dieſes geheiligte Hauß, oder Kloſter
hatte den Vorzug vor allen in den Pros
vinzen. „e
7 4 ö N 1
Eilftes Kapitel. Vie
Von den auserwaͤhlten Jungfrauen in den
Provinzen. 3
Nach dem Muſter des Hauſes der Ster⸗
ne, oder des Jungfrauen Klofters in
Cusko baueten die Yukas eben ſolche Haͤu⸗
fee in allen Provinzen ihres weitläuftigen
Reichs. In dieſe Haͤuſer nahm man Maͤd⸗
chen von allerley Stand und Geburt auf, von
den Töchtern der Ynkas an, bis zu den gez
ringſten Buͤrgermaͤdchen, wenn fie nur Jungs
frauen und ſchoͤn waren. Dieſe Nonnen wurs
7 den aber nicht Gemalinnen, ſondern Töchter
der Sonne genennt, und waren eigentlich
nichts anders, als Kebsweiber des Koͤnigs.
Sobald er ſie foderte, wurden ſie zu ihm
gebracht, und wenn ſie ihm gefielen, behielt
er ſie bey ſich. Die, welche er einmal ſei—
ner
Sechſtes Buch. 305
er Liebe gewuͤrdiget hatte, mußten im Pal⸗
te, im Dienſte der Königin bleiben „ bis |
tan ihnen erlaubte in ihre Vaterſtadt zurück 6
kehren; auch hier wurden fie mit Guͤtern | | |
berhaͤuft, und mit der größten Ehrfurcht bez 1
ent, weil es alle Peruaner für eine groſſe Eh: | 1
‚hielten, eine geweſene Gemalin des Capak
Inka, oder Königs in ihrer Stadt zu haben. ih
die andern Nonnen, welche der Koͤnig nicht
ürdigte, ſie zu dem Range ſeiner Geliebten
erheben, blieben in dem Kloſter, bis ſie ge⸗
ſſe Jahre erreicht hatten; alsdann war es
nen erlaubt, ſich entweder zu entſchlieſſen, ſo
nge fie lebten, da zu bleiben; oder auch in ih⸗
Vaterſtadt zurück zu kehren, wo fie fo, wie
r geſagt haben, bedient wurden.
Die ganze Lebensart dieſer Nebengema⸗ N
nen des Ynka war der, welche die Ge 0
alinnen der Sonne in Cusko fuͤhrten, voll⸗
nmen aͤhnlich. Auch fie hatten ihre Ma⸗
zcunas, ihre Dienerinnen, eben fo koſtba⸗
Hausgeraͤthe, verfertigten eben ſolche
beit, womit aber der Koͤnig Geſchenke an
Curakas, und an wem es ihm beliebte,
II. Theil. u machen
——
4. *
306 Sechſtes Buch.
machen konnte, und wurden auch nach eben
ſo ſtrengen Geſezzen bewacht. Gleichwie aber
die auserwaͤhlten Jungfrauen in der Haupt—
ſtadt auf Unkoſten des Sonnenhauſes ernaͤhrt,
möbliert und bedient wurden, weil ſie Ge—
malinnen der Sonne waren; ſo machte bey
denen in der Provinz der König den Auf—
wand, denn dieſe waren Gemalinnen dee
Sohnes der Sonne. 4
Ein jedes dieſer Haͤuſer hatte ferner ſeinen
Statthalter, welcher ein Inka ſeyn mußte,
ſeinen Haushofmeiſter, ſeinen Intendanter
und alle Hausbedienten, die zur Verpflegung
und Bequemlichkeit der Gemalinnen des .
nigs noͤthig waren.
Wenn der regierende Koͤnig ſtarb, ſo be
ehrte ſein Nachfolger dieſe Nebengemalinne
ſeines Vorgaͤngers mit dem Tittel Mama
cuna; fie wurden die Gouvernannten feine
eigenen Nebengemalinnen und unterrichtete
fie in allem, was fie ihrem Stande nac
wiſſen mußten. Aber keine von Allen w
je an Einem andern verheyrathet, weil ih
Perſonen Für heilig geachtet wurden:
Doch
Sechſtes Buch. 307
Töchter aber, welche er mit dieſen Nebenge⸗
malinnen zeugte, pflegte er zuweilen an Cu—
Es, oder andere vornehme Herren, die ihm
zroſſe Dienſte geleiſtet hatten zu vermaͤlen.
Zwoͤlftes Kapitel.
Von den Sonnenfeſten.
as vornehmſte Feſt, welches die Vnkas
und ihre Unterthanen der Sonne zu
ehren anſtellten, wurde von ihnen Yntip⸗
Raymi, oder das feyerliche Sonnenfeſt ges
ennt. Denn Pntip iſt das Wort, womit
e die Sonne bezeichnen, und Raymi heiſſet
in feyerliches, oder groſſes Feſt. Es wurde
iefes Feſt, welches neun Tage lang dauer⸗
>, gleich nach der Sonnenwende, welche in
en Monat Junius faͤllt, mit außerordentli⸗
her Pracht und Sorgfalt begangen. Nicht
ur der Koͤnig nebſt dem groͤßten Theile der
nfas vom Gebluͤte, ſondern auch die Cu⸗
akas, oder ihre Söhne, mit einer groſſen
Nenge Diener und viele andere Leute, wel⸗
je um dieſe Zeit nach Cusko kamen, wohn⸗
m ihm bey. Zu dieſem groſſen Feſte mac):
u 2 fen
308 Sechſtes Buch.
ten ſie auch ungemein groſſe Vorbereitun⸗
gen. | |
Durch ein dreytaͤgiges Faſten, während
welchem ſie nichts, als einige rohe Koͤrner
weiſſen Mayz, nebſt einigen Blaͤttern vom
Kraute Chukam aſſen und Waſſer tranken,
ſich ihrer Weiber enthielten, und in der gan—
zen Stadt kein Feuer anzuͤndeten, weyheten
ſie ſich gleichſam dazu ein. In der Nacht
vor dem erſten Feſttage beſchaͤſſtigten ſich die
dazu befiellfen Prieſter damit, Schoͤpſe und
Laͤmmer, welche geopfert werden ſolten, aus—
zuſuchen und den Trank zuzubereiten, welcher
der Sonne dargebracht und den Ynkas bey
der Ceremonie gegeben wurde. Die Jung—
frauen der Sonne aber machten indeſſen den
Teig Canku, und aus demſelben eine Men—
ge runder Brodte, von der Groͤſſe eines
Apfels. Nur am Pntip-Raymi und an ei
nem andern groſſen Feſte, Citua genannt
bucken und aſſen die Peruaner Brodt; wäh:
rend der uͤbrigen Zeit genoſſen ſie an deſſen
Statt Zara, eine gewiſſe Art Mayz, feiner
als die gewoͤhnliche, welche fie entweder kocht
ten,
Sechſtes Buch. 309
ten, oder röſteten; wie auch andere Hilfen:
fruͤchte. Niemand, als die Jungfrauen der
Sonne durfte dieſes Brodt und alles Fleiſch,
welches der Capak Ynka und die andern
Ynkas an dieſem Feſte genoſſen, zubereiten.
Die Curakas und andere Fremde (denn alle
mußten während dieſen neun Tagen beföftis
get werden,) wurden von einer Menge an—
derer Frauen auf das reinlichſte und köſt-
lichſte bewirthet.
Wenn in der Nacht, ehe die Sonne zu
dieſem feyerlichen Tage aufging, alle dieſe
Zubereitungen gemacht waren, begab ſich der
Koͤnig, nebſt allen gegenwärtigen Ynkas,
velche ihm in der Ordnung nach Alter und
Stande folgten, auf den groſſen Plaz Hauß⸗
zypata, wo ihm ſchon die Curakas und ei-
ze groſſe Menge anderer Andaͤchtigen er
varteten. Dieſe Curakas, nebſt ihren Leu⸗
en, waren, ihrer Meinung wenigſtens nach,
lle auf das praͤchtigſte gepuzt; in der That
dar ihr Aufzug ungemein ſeltſam. Einige
atten ihre Kleider mit Gold- und Silber
laͤttchen beſezt und Kraͤnze von eben der
| W Mate⸗
310 Sechſtes Buch.
Materie auf den Köpfen. Andere waren mit
Lowen⸗ oder Tigerhaͤuten bekleidet: wieder
Andere trugen Flügel von dem groſſen Bor
gel Cuntur auf dem Ruͤcken. Man wird
ſich noch aus dem erſten Theile dieſer Ge—
ſchichte erinnern, daß die verſchiedenen Plei-
nen Volker, welche dieſen Landſtrich, vor
der Ankunft des Manko Capak, bewohnten,
vorgaben, daß ſie von verſchiedenen Thieren
abſtammten; alle dieſe Voͤlker hatten allezeit
in ihrem Aufzuge ein Merkmal, oder Aehn—
lichkeit von dem Thiere, oder der Sache, von
welcher ſie ihren Urſprung herleiteten. Hier—
bey trug zugleich eine jede Voͤlkerſchaft die
Waffen, deren ſie ſich im Kriege bediente.
Jedem Curaka und ſeinen Dienern folgte
eine anſehnliche Zahl Leute mit Trompeten,
kleinen Paucken und andern Juſtrumenten
womit ſie ſich hoͤren lieſſen. ö
Auf dieſem groſſen Plazze der Haupt
ſtadt, wartete nun der Capak Ynka, und
ſein Gefolge in groſſer Stille, mit bloſſen
Fuͤſſen und gegen Morgen gerichtetem Ge—
ſichte, bis die Sonne aufging; ſobald ſie den
Bliz
Sechſtes Buch. 311
Bliz ihres Aufgangs erblickten, fielen ſie auf
hre Kniee, um fie anzubeten. Sie breiteten
alsdann ihre Arme aus, hielten ihre Haͤnde
gerade gegen das Geſicht und warfen Kuͤſſe in
die Luft; wobey fie dieſen herrlichen Lichtkoͤr⸗
per fuͤr ihren Vater und Gott erkennten. Da
aber die Curakas nicht von koͤniglichem Ge⸗
bluͤte waren, fo begaben fie ſich, gleich nach
der Erſcheinung des Koͤniges, auf einen ſehr
nahen Plaz, der Cußypata genennt ward,
und erwieſen der aufgehenden Sonne eben
die Ehre, wie der Ynka. Nach dieſer Ber
willkommung der Sonne ſtand der Koͤnig
auf, alle andern aber blieben auf den Knie⸗
en, und nahm zwey groſſe goldene, mit ger
woͤhnlichem Getraͤnke angefüllte, Trinkgefaͤſſe
(Aquilla) in die Haͤnde, machte, als der
Erſtgebohrne unter den Kindern der Sonne,
ſeinem Anherrn die Ehrenbezeigung in ſeinem
Namen und reichte ihm das Gefaͤſſe, welches
er in der rechten Hand hatte, gleichſam zum
Teinken dar. Die Peruaner glaubten daß
die Sonne dieſe Einladung annaͤhme und
n Capak Pnka, nebſt allen andern Ynkas
1 4 auffo⸗
de
x
312 Sechſtes Buch.
auffodere, ihr Beſcheid zu thun. Denn un
ter dieſem Volke war das größte Zeichen dei
Ehre und Freundſchaft, welches man jeman
den erweiſen konnte, dieſes, daß man ihm
zutrank. 4
Nachdem der Ynka die Sonne alſo ein:
geladen hatte, goß er das Getraͤnke, welches
in dem Gefaͤſſe, das er in ſeiner rechter
Hand hatte, enthalten war, in eine Kumme,
aus welcher es in eine duͤnne goldene Roͤhre
floß, welche bis an das Haus der Sonne
reichte. Hierauf trank der Ynka ein went
ges aus dem Gefaͤſſe in ſeiner linken Hand
und vertheilte alsdann das Uibrige in die
kleinen goldenen oder ſilbernen Taſſen, wel⸗
che die um ihn herumknieenden Pnkas in
den Händen hatten. Die Pnukas tranken
dieſen durch die Opferung geheiligten 20
aus, die Curakas bekamen anderes Getraͤn⸗
ke, das aber doch von den Jungfrauen der
Sonne verfertiget war.
Nach Vollendung dieſer Sete ging
der König, auf welchem die Pnkas, unk
nach dieſen die Curakas in gehoͤriger Or
nung
Sechſtes Buch. 313
nung folgten, nach dem Tempel der Sonne.
Zweyhundert Schritt davon zogen ſie insge—
ſamt außer dem Koͤnige, die Schuhe aus;
der König und die Ynkas gingen in den
Tempel, und warfen ſich vor dem Bilde der
Sonne nieder. Der Erſte opferte die Scha—
len, woraus er der Sonne das Trankopfer
gebracht hatte ſelbſt; die Ynkas aber uͤber⸗
gaben die ihrigen den Prieſtern, ON fie
der Sonne darbrachten.
Nunmehr gingen ſie insgeſamt vor das
Thor des Hauſes der Sonne, wo die Cura⸗
kas während dieſer Ceremonie geblieben wa-
ren, um von dieſen die Geſchenke, welche ſie
der Sonne brachten, anzunehmen. Sie be
ſtanden, außer den Trinkgefaͤſſen, in aller
hand goldenen Bildern, welche im Kleinen
Thiere aller Art, auch Gewaͤchſe und Blu—
men vorſtellten, und dann kehrten ſie in eben
der Ordnung, wie ſie gekommen waren, auf
die Plaͤzze zuruͤck.
Dieſes war die Zeit, da die Prieſtr⸗
Ynkas zu dem vornehmſten Opfer des Ta⸗
ges ſchritten. Sie hatten eine groſſe Menge
4
1
1 5 Laͤm⸗
314 Sechſtes Buch.
Lämmer, Schöpfe und Schaafe, die nicht
gebahren, beyſammen. Aus der ganzen Heer⸗
de, welche der Sonne gehoͤrte, nahmen ſie
ein ſchwarzes Lamm heraus, welches nicht
den geringſten, weiſſen Flecken hatte, (denn
die Ynkas liebten die ſchwarze Farbe vorzüge
lich.) Sie banden es nicht, ſondern vier
Opferprieſter hielten es bey den Füffen, und
dreheten ihm den Kopf gegen Morgen, der
fünfte aber öffnete ihm die Seite, und zog
Herz, Leber und Lunge nebſt dem Schlunde
heraus. Dieſes Opfer enthielt, als das
Hauptopfer, die guten Vorbedeutungen in
ſich. Wenn das Lamm, während der Def
nung der Seite ſeine Fuͤſſe nicht aus den
veſthaltenden Haͤnden zog: Wenn der Schlund
nicht von dem Gehaͤnge abriß, ſondern alles
an einander haͤngend herausgeriſſen ward:
Wenn die Theile des Gehaͤnges ganz unbe—
ſchaͤdiget und geſund waren, und andere aͤhn
liche Bemerkungen; ſo war es ein gutes Zei
chen fuͤr das Feſt und das Volk. Waren
die Zeichen bey der Opferung des Lamme
nicht gut, ſo opferten ſie einen Schoͤps: zeigte
Sechſtes Buch. 315
hen auch dieſer nichts gluͤckliches an, fo bes
ienten fie ſich eines unfruchtbaren Schaafes.
donnten fie auch dadurch keine erwuͤnſchten
Borbedeutungen erlangen, fo feyerten fie den—
och das Feſt, aber mit einer allgemeinen 5
Niedergeſchlagenheit. Nach der Opferung 1
es Lammes, opferten fie noch eine groſſe An⸗ |
ahl Schöpfe und Schaafe, die nicht mehr e
ebähren konnten, aber fie oͤffneten ihnen die ö
Seite nicht, und beobachteten auch die an⸗
ern Gebräuche nicht dabey; ſondern fie nah⸗
nen nur das Herz nebſt dem Blute, und
raͤſentirten es der Sonne im Tempel, nebſt
dem Eingeweide des erſten Lammes, als ein
Ipfer, worauf fie alles dieſes verbrannten.
Das Feuer, wodurch die Oyferſtuͤcke ver⸗
brannt wurden, mußte ihnen von der Son⸗
ie ſelbſt gegeben worden ſeyn; dieſes ging
alſo zu. Die Ynkas trugen auf dem Ge
lenke der Hand eine Art von goldenen Me⸗ '
dallion mit einem Armbande beveſtiget. Das | I
Medallion des Oberprieſters übertraf an Gröſ⸗ N
ſe die Andern; ſie nennten es Chipana, es r
war ſo groß, als die Haͤlfte einer Citrone, | |
1 inwen⸗
316 Sechſtes Buch.
inwendig hol und ſehr poliert. Dieſes Biel
er gleich einem Brennſpiegel gegen die Son
ne, fing ihre Strahlen auf, und zuͤndete da
mit einen Zunder von geſchabeten baumwol
lenen Zeuge an. Vermittelſt dieſes Feuer:
zuͤndete man das Holz zu den Opfern an
und auch dasjenige, woran man alles Fleiſch
der Thiere briet, die an dieſem Tage gegef
ſen wurden. Von eben dieſer Flamme zuͤn
dete man auch ein Feuer im Tempel det
Sonne und im Hauſe der auserwaͤhlter
Jungfrauen an, welches das ganze Jahr un—
terhalten werden mußte, und man hielt es
fur ein ſehr ungluͤckliches Zeichen, wenn es
an einem von dieſen beyden Oertern verloͤſch—
te. Eben fo traurig wurden die Ynkas,
wenn an dem Tage vor dem Sonnenfeſte,
an welchem dieſes Feuer angezuͤndet werden
mußte, keine Sonne ſchien, und ſie ſich ge—
zwungen ſahen, es ſich durch das Aneinan—
derreiben zweyer Staͤbe von dem Holze Vya⸗
ka, welches dem Zimmetholze wan 10
verſchaffen. 4
Wenn das Fleiſch von den geopferten
hieren auf den beyden Plaͤzzen Haußay⸗
ata und Cußypata, wohin ſich die Pros
Kion vom Tempel der Sonne zuruͤck bege⸗
en hatte, gebraten war, ſo wurde es, nach
em Range unter die Ynkas, Curakas und
as uͤbrige Volk ausgetheilt, wozu ſie oben
waͤhntes Brodt, Canku genannt, bekamen.
dieſes war das erſte Gerichte bey der Ga—
erey, welche auf das Opfer erfolgte. So
inge fie aſſen, wurde nicht getrunken: denn
ie Peruaner tranken niemals während dem
ſſen. Wenn ſie ſich aber geſaͤttigt hatten,
hard getrunken, und zwar im größten Uiber⸗
as. Das Getraͤnke, deſſen fie ſich bedien⸗
n, war eine Art von Bier, welches aus
Nayz, oder m... Weizen ee
ard.
Waͤhrend dem Trinken ran Truppen
on Saͤngern und maskierten Taͤnzern, wel⸗
hen die vornehmen Trinker zuſahen. |
Dieſes Feſt dauerte, wie ich geſagt has
e, neun Tage. Nur den erſten Tag ward
Pee, die übrigen Tage aber wurden mit
Sechſtes Buch. 317
Schmau⸗
318 Sechſtes Buch.
Schmauſereyen zugebracht. Waͤhrend —
Zeit ſaß der König auf feinem maßiv-golde
nen Stuhle und ließ die anweſenden Herren
durch feine Verwandten zum Trinken auffo—
dern. Wenn das Feſt geendiget war, ſo zog
Jedermann, nachdem der Koͤnig die Erlaub—
nis gegeben, mit groſſen Freuden nach Hau—
ſe. Das zweyte Sonnenfeſt, zur Zeit der
Sonnenwende, im December, war nicht ganz
ſo feyerlich. Die Curakas und andere Frem—
den fanden ſich nicht ſo haͤufig ein; man
zog nicht ſolche Folgerungen aus den Vor—
bedeutungen, und es wurden auch der Son—
ne keine goldenen Schalen geopfert; eng
aber war es dieſem aͤhnlich.
Dreyzehntes Kapitel.
Von dem dritten und vierten Feſte
der Vnkas.
a dritte Feſt nennten die Peruaner Cus⸗
kuy⸗Raymi, man hielt es, wenn die
Saͤezeit vorbey war und der Mayz anfing
aus der Erde hervor zu keimen. Der Mayz
war ihre vornehmſte Speiſe und man darf
ſich
Sechſtes Buch. 319
ſich nicht wundern, wenn die Peruaner an
dieſem Tage viel Laͤmmer, Schoͤpſe und
Schaafe ſchlachteten und die Sonne baten,
ihre Saat vor Reif, Froſt und Hagel zu
bewahren. Auch auf dieſem Feſte, tanzten,
ſangen und tranken fie. Nur das erſte Lamm,
nebſt dem Eingeweide und dem Blute der
übrigen geopferten Thiere, ward an dieſem
wie am Yntip⸗Raymi der Sonne dargebracht
und verbrannt. |
Das vierte Hauptfeſt, welches die Ynkas
in Cusko feyerten, ward Citua genennt, und
hatte eine groſſe Aehnlichkeit mit den Reini⸗
gungs- und Verſoͤhnungsfeſten der Alten.
Am Tage des Neumondes nach der Tags
und Nachtgleiche im September, fingen die
Einwohner von Cusko das ſtrenge Faſten
an, welches Hatunkaci genennt, und von
uns ſchon beym vorigen Feſte iſt beſchrieben
worden. Alle, welche ſich auf dieſe Art vor⸗
bereitet hatten, kamen in dem Hauſe des
Aelteſten jeder Familie zuſammen; ſelbſt der
‚König begab ſich in das Hauß feines aͤlteſten.
Onkels. In der Nacht, welche auf dieſen
4 N Tag
320 Sechſtes Buch.
Tag folgte, wuſchen ſie ſich und bereiteter
das Brodt Canku, aber auf zweyerley Art;
Die erſte Art wurde zubereitet, wie das Can⸗
ku am Yntip-Naymi; unter die zweyte Art
aber knetete man ein wenig Blut, von fünf:
bis ſechsjaͤhrigen Knaben, welchen man eine
Ader zwiſchen den Augenbraunen, oder Na—
ſenlöchern oͤffnete. Dieſe lezte Art Brodt
ward nicht gegeſſen; ſondern, nachdem ſie
ſich gewaſchen hatten, nahm jeder ein kleines
Stück von dieſem, mit Blut vermiſchten
Brodte und rieb ſich damit alle Glieder des
Leibes, um ſie vor allen Arten von Krank—
heiten zu verwahren: Der Haußherr nahm
ein groͤſſeres Stuck und rieb damit die Haus⸗
thüͤr, welche nach der Straſſe zu ging, wor—
auf er es an dieſe Thür heftete, zum Zei⸗
chen der geſchehenen Reinigung. Der Ho—
heprieſter verrichtete eben dieſe Ceremonie in
den Palläften der Ynkas und im Haufe der
Sonne, worauf er andere Prieſter abſchickte,
welche ſie am Hauſe der erwaͤhlten Jung:
frauen beobachten mußten. h
So⸗
Sechſtes Buch. 321
Scobald die Sonne aufging, beteten ſie
fie an und fleheten fie, alle Uibel von ihnen
zu entfernen; worauf ſie ihr Faſten durch
den Genuß des Brodtes Canku, welches
nicht mit Blut vermiſcht war, brachen. Dies
es Gebet wurde zu einer beſtimmten Stun:
e verrichtet, worauf aus der Citadelle,
ie gegen Nordoſten, auf der Anhoͤhe
Sakſahuanam lag, und die Wohnung der
Sonne genannt ward, ein Pnka von koͤnig⸗
chem Blute, in praͤchtiger Kleidung, als
lbgeſandter der Sonne, gelaufen kam. Die
ipfel feines Kleides waren zuruͤckgeſchla⸗
en, und in der Hand hielt er eine Lanze,
belche von dem Handgriffe bis an die Spiz⸗
mit bunten Federn und vielen goldenen
ingen geſchmuͤckt war. Er ſchuͤttelte feine
anze, und lief bis auf den groſſen Plaz
daußaypata. Hier traf er vier andere
nkas mit ähnlichen Lanzen an. Er be
ihrte alsdann mit der ſeinigen die Lanzen
r vier andern Pnkas, und ſagte zu ihnen:
ie Sonne beföhle ihnen, als ihren Boten
nd Ausrichtern, alle Krankheiten und an⸗
II. Theil. * dere
322 Sechſtes Buch.
dere Uibel aus der Stadt und der umliegen⸗
den Gegend zu vertreiben. Nunmehr fingen
dieſe vier Ynkas an, durch die vier groſſen
Straſſen der Stadt, welche nach den vier
Gegenden der Welt gingen, zu laufen. All
Einwohner, Maͤnner und Weiber, Junge
und Alte, welche dieſe Boten der Sonne
wahrnahmen, traten vor ihre Thüren, ruf
ten ihnen Beyfall zu, ſchüttelten ihre Klei
der aus, als ob ſie den Staub abſchuͤttelt
wolten, und berührten Kopf, Geſichte, Ar
me und Beine mit ihren Händen, als ol
fie das Boͤſe davon abwaſchen wolten. St
glaubten fie alle Uibel aus ihren Haͤuſer z
treiben, damit fie von den Lanzentraͤgern au
der Stadt möchten gejagt werden. Die
liefen durch die obbemeldeten vier Hauptſtra
ſen bis auf eine viertel Meile vor der Stadt
wo fie vier andere Pnkas, aber nicht vo
königlichem Gebfüte, antrafen; dieſe nahme
ihnen die Lanzen ab, und liefen weiter, bi
auf eine gewiſſe Entfernung, wo ſie ihne
wieder von Andern abgenommen wurde
So ward dieſer Lauf abwechſelnd, fortgeſez
16 1 bi
\
Sechſtes Buch. 323
bis ſechs Meilen von Cusko, wo ſie ihre
Lanzen in die Erde pflanzten, um gleichſam
die Graͤnzen anzuzeigen, außerhalb welchen
die Uibel bleiben ſolten.
In der folgenden Nacht gingen die Ein
wohner mit Fackeln, die fie Pankunku nenn⸗
ten, aus ihren Haͤuſern. Dieſe Fackeln wa⸗
ren von ineinander geflochtenen Stroh ge⸗
macht, mit Faden umbunden, und brannten
ziemlich lange. Sie zuͤndeten ſie an und lie⸗
fen damit durch die ganze Stadt. Endlich
liefen ſie damit zu den Thoren hinaus und
warfen ſie brennend in den Fluß, in welchem
ſie ſich den Tag zuvor gebadet hatten. So
glaubten fie auch die Unfälle der Nacht aus
ihrer Stadt verjagt zu haben. 155
Nach dieſer Verrichtung opferten ſie ber
Sonne am folgenden Tage eine Menge
Schoͤpſe, Schaafe und Laͤmmer; verbrannten
die Eingeweide nebſt dem Blute; brieten das
Fleiſch, ſchmauſten, tranken und überlieffen
ſich, bis zum naͤchſten Viertel des 3
* erdenklichen ele
* 2 Außer
320 Sechſtes Buch.
Außer dieſen Hauptfeſten begingen, for
wohl die Prieſter im Hauſe der Sonne, als
auch die Koͤnige, noch manche andere Feſte,
die ſich aber durch nichts e merkwuͤr⸗
diges auszeichneten.
Vierzehntes Kapitel.
Auf welche Art die Ynkas die Tag⸗ und
Machtelerhen und die Sonnenwende⸗ h
tage kannten.
Dome f ſich der Leſer nicht ungläubig wun⸗
dere, wie Voͤlker, die fo wenig unter
richtet waren, ihre Feſttage zur Zeit der Son⸗
nenwende oder der Tag- und Nachtgleichen
haben feyern koͤnnen; ſo will ich hier mit
wenigem die Art beſchreiben, wie f ie dieſe
Zeiten erkannten.
Die Pnkas rechneten ihre Jahre na
dem Laufe des Mondes und zwoͤlf Monat
waren bey ihnen ein Jahr: fie kannten alfe
das Sonnenjahr nicht. Um aber zu *
wenn ſie Tag und Nacht gleich haͤtten,
ren zu Cusko ſechzehn Thuͤrme an ai
te gegen Morgen und achte gegen Aben
| ö
zu. Viere und viere ſtunden allemal bey
einander, die beyden mittelſten waren die
kleinſten und ohngefehr nur drey Stockwerke
hoch; fie dienten eigentlich zu Wachtthuͤrmen.
Gegen die Zeit, wenn Tag und Nacht gleich
ſeyn ſolte, begab ſich der Pnka an einen bes
quemen Ort, wo er zwiſchen dieſen Thuͤrmen
hindurch ſehen konnte. Wenn er nun ſahe,
daß die Sonne bey ihrem Aufgehen und bey
ihrem Untergehen gerade zwiſchen den kleinen
Thuͤrmen hindurch ſchien, ſo ward dieſer Tag
5 das Aequinoctium gehalten.
Den laͤngſten Tag beſtimmten ſie 190
dane Mitten auf dem Plazze vor
jedem Sonnentempel ſtund eine koͤſtliche, ſchoͤn
gearbeitete Saͤule. Um ſie herum war ein
Cirkel, davon ſie der Mittelpunkt war. Aus
dieſem Mittelpunkte zogen fie eine gerade Li⸗
nie gegen Morgen und eine Andere, der vo:
rigen gerade gegen uͤber, nach Abend zu. Ei⸗
ne lange Beobachtung und Erfahrung hatte
ſie von der richtigen Lage dieſer Linie belehrt.
Sobald ſich die Zeit des laͤngſten Tages naͤ⸗
herte; verſammelten ſich die Prieſter alle Ta⸗
a ge
928 Sechſtes Buch.
ge an dieſem Orte und gaben genau auf den
Schatten dieſer Saͤule acht. Wenn vom
Aufgange der Sonne bis zu ihrem Nieder-
gange der Schatten um die Saͤule herum
fiel, am Mittage aber die Saͤule gar —
Schatten machte; ſo war Min: der geſuch⸗
te Tag. =
In allen Provinzen, Narr von den Ps
kas erobert wurden, errichtete man ſolche
Saͤulen und ihre Amautas, oder Weiſen,
zogen die Linien. Am hoͤchſten wurde die
Saͤule vor dem Sonnentempel zu Quito
geſchaͤht, weil hier zweymal im Jahre der
Schatten die Linie niemals verließ und im
Mittage die Saͤule von der Sams re
berum befchienen wurde. |
Sobald der erwartete Tag ſich zu faken
nen gegeben hatte, wurden dieſe Saͤulen mit
Kraͤnzen von Blumen und wohlriechenden
Kraͤutern geſchmuͤckt und der goldene Thron
der Sonne darauf geſezt, damit ſie ſich, mit
ihrem ganzen Glanze darauf niederlaſſen
koͤnne.
An
Sechſtes Buch. 327
An dem Tage der Tags und Nachtglei⸗
he in unſerm Fruͤhjahre fingen die Einwoh—⸗
zer von Cusko mit groſſen Freudensbezeigun⸗
zen an, ihren Mayz einzuaͤrndten: Aber an
der Tags und Nachtgleiche in unſerm Herbſt
feyerten ſie das Feſt Citua.
Uiſbrigens bielten fie die Serpenſaſter⸗
nie für ein Zeichen ihres Zorns und wenn
der Mond verfinſtert ward, ſo glaubten ſie, er
ſey krank. Sie erregten alsdann ein groſſes
Geſchrey und Laͤrmen, um ihn zu ermuntern,
Fiaunfzehntes Kapitel.
Von den koͤniglichen Gebaͤuden in
Cusko.
N anf Capak, der Urheber des Geſchlech⸗
tes der Ynkas, war auch der Stifter
der unvergleichlichen Stadt Cusko. Dieſe
Stadt lag am Fuſſe eines Huͤgels, in einem
weiten, ungemein fruchtbarem Thale, das
allenthalben von hohen Bergen umgeben war,
welche beſtaͤndig eine reine und fühle Luft in
dieſem heiſſen Erdſtriche gewaͤhrten. Der er⸗
fie Ynka bauete fi ich, mit ſeinen neuen Un⸗
X 4 tertha⸗
*
328 Sechſtes Buch.
terthanen am Abhange des Huͤgels Sakſa⸗
huanam an, welcher der Stadt gegen Nord:
oſt lag: ſeine Nachfolger erweiterten ſie nach
und nach auf allen Seiten nach der Ebene
zu. Wenn ſie eine neue Provinz eroberten,
ſo zog gemeiniglich eine ziemliche Menge
Volks aus derſelben nach Cusko, und das
Oberhaupt des eroberten Landes, oder der
Curaka bauete ſich in dieſer Reſidenz des
Capak Pnka, oder regierenden Königes eis
nen Pallaſt. Da nun die Ynkas vom Ans
fange an die Hauptſtadt und ihr Reich in
vier Gegenden eingetheilt hatten, welche ſie,
wie ich ſchon erwaͤhnt habe, zuſammen Tas
huantinſuyu, das iſt, die vier Gegenden der
Welt; einzeln aber, Antifuyu, Collaſuyu,
Chinkaſuyu und Cuntiſuyu nennten; ſo mach⸗
ten fie auch alsbald die Einrichtung, daß al
le, die ſich in Cusko anbaueten, ihre Woh⸗
nungen nach der Himmelsgegend anlegen
mußten, in welcher ihre Voͤlkerſchaft wohn
te: die von Antifuyu her kamen, mußten ihre
Haͤuſer nach der Morgenſeite zu, und die
von Collaſuyu gegen Mittag bauen. Auf
f dieſe
Sechſtes Buch. 329
dieſe Art, rühmten ſich die Ynkas, war ihre
Hauptſtadt eine Vorſtellung ihres ganzen
. im Kleinen.
Mitten durch die Stadt feömee von Mor:
* gegen Abend ein ziemlicher Fluß; die
Hauptſtraſſe, welche laͤngſt dieſem Fluſſe hin
ief, theilte die Stadt ſelbſt in Hanan-Cus⸗
o und Hurin⸗Cusko, oder in die Ober
ind Unterſtadt. Die ganze Stadt war nach
yeruanifcher Art beveſtiget, und mit einer
Nauer umgeben. Gegen Nordoſt lag der
benerwaͤhnte Hügel Sakſahuanam, auf
velchem einige nachfolgende Ynkas die ſtaͤrk⸗
te, aller peruaniſchen Veſtungen anlegten.
Sie baueten nemlich um dieſen Hügel ber:
m drey Mauern in Geſtalt eines halben
Mondes, Eine am Hügel weiter gegen die
Spisze zu als die Andere „ ſo daß von Eis
er zu der Andern ein Raum von ohnge⸗
ehr dreyßig Schritten blieb. Dieſe Mau⸗
en liefen um den Hügel herum, fo daß fie
nit beyden Enden an die Stadtmauer ſtieſ⸗
n. Sie waren von fo ungeheuer groſſen
Beinen; daß die Spanier, als fie fie ſahen
X 5 nicht
“
—
— ——— ¶ ͤ—-nm— —
330 Sechſtes Buch.
nicht glauben wolten, daß ſie bloß mit Dtene
ſchenhaͤnden, ohne Maſchienen und ohne Hül⸗
fe des Teufels hätten Fonnen an den Ort
gebracht werden. Inwendig war der Raum,
zwiſchen dem Abhange des Hügels und jeder
Mauer mit Erde ausgefuͤttert; jo daß nur
oben eine Bruſtwehr übrig blieb. Durch je—
de Mauer gelangte man vermittelſt eines
Thores, und wenn man durch das dritte
den Hügel erſtiegen hatte; befand man ſich
auf einer langen, aber nicht gar breiten
Ebene, auf welcher, in Geſtalt eines Drey—
ecks, drey ſtarke Thuͤrme ſtanden, davon der
Eine rund, die beyden Andern aber vier—
eckigt waren. In dem runden, Thurme, wel
cher, wie andere koͤnigliche Wohnungen auf
das praͤchtigſte moͤblirt war, hielten ſich die
Könige auf, wenn fie in dieſe Veſtung ka⸗
men; in den beyden Andern aber wohnte die
Beſazzung, welche allezeit aus Ynkas, meh
chen Manko Capak dieſen Ehrentitel ge
geben, beſtehen mußte. Es war aber alle
zeit ein Ynka von koͤniglichem Gebluͤte Statt
halter in dieſer Veſtung. Unter den Thun
me
Sechſtes Buch. 331
nen waren eine Menge Wohnungen, und
interirrdiſche Gänge, wodurch man aus eis |
lem Thurme in den Andern kommen konn⸗
e. Allein dieſe liefen ſo verſchlungen durch |
inander, daß niemand, als der das Gebaͤu—
e recht genau kannte, ſich hinein wagte.
Außerdem waren auch Vorraͤthe von aller; f
and Lebensmitteln, Waffen und Kriegsnoth— vn
dendigkeiten, nebſt einer vortrefflichen Quel⸗
e in dieſem Bezirk. Man nennte dieſe Ve⸗
tung die Wohnung der Sonne: denn gleich-
die ihre Kinder, die Ynkas im Tempel opfer⸗ |
en und beteten; ſo berathſchlagten fie fich 5
n dieſer Wohnung is Feldzuͤge, Krieg f I. U
nd Frieden. 19
Auf der Ebene, vor dem Hügel Sak⸗ N
en lag ein groſſes Felſenſtuͤcke, an 1
velchem zwanzigtauſend Peruaner gearbeitet 60
hatten, um es von Muyna, fünf Meilen j |
von Cusko, auf dieſe Stelle zu bringen; wo
s ohne Zweifel zur Grundlage eines koͤnig—
ichen Gebaͤudes waͤre gebraucht worden, wenn |
as Reich länger beftanden haͤtte. Dieſen 1
Stein nennten die Einwohner Saykuska, | |
8 den
— —— ¶ w Äô — =
332 Sechſtes Buch.
den ermuͤdeten Stein; weil er auf wir
Wege bis hierher geſeufzt und geſchwizt ha
ben ſoll. TA Mr |
Von dem Hügel Sakſahuanam kan
auf der weſtlichen Seite ein Bach herab,
welcher von Norden gegen Süden durch di
Stadt floß. Von dieſem Bache gegen Mor
gen war ein groſſes Viertel der Stadt, wor
inne alle Prinzen vom Gebluͤte ihre Pallaͤſt
hatten. Dieſes Viertel hatte den Namen
Collkampata und reichte bis an die Straſſe
wo Manko Capak ſein Haus erbauet hatte
Gegen Weſten ſonderte oben erwaͤhnter Bach
die Stadt von den Vorſtaͤdten ab, welch
ſich in einer Entfernung von tauſend Schrit
ten anfingen. An das Viertel Colfampa
ta ſtieß gegen Suͤdweſt die groſſe Straff
Huakapunku, oder das Thor des Hei
ligthums, weil man durch dieſe 1
ſe nach dem Tempel ging. Weiter geger
Mittag lag ein groſſer Plaz von welchem
nach Suͤden zu, ein anderes Viertel e
fing. In dieſem waren die groſſen Haͤuſer des
Unterrichts, oder die Schulen, welche die
Ynkas
Sechſtes Buch. 333
)nkas Roka und Pachakutek erbauet hats
n. Gegen Mittag von dieſen Schulen
auete der Ynka Roka den Pallaſt Kokako⸗
u und der Ynka Pachakutek den Pallaſt
afana. Beyde waren ungemein groß, und
ſchoͤn gemauert, daß die Wände von eis
em Stuͤck zu ſeyn ſchienen. Sie hatten im
endig groſſe Säle, und auf zwey Seiten
einere Gemaͤcher. Alle Wände waren ans
att der Vertaͤfelung mit goldenen Platten
elegt, und mit goldnen Figuren von Men⸗
hen, Thieren, Voͤgeln, Schlangen, krie⸗
henden Ungeziefer und Inſekten geziert. Im
Bezirk dieſer koͤniglichen Haͤuſer, waren nicht
llein Blumen- und Baumgaͤrten voll der
hoͤnſten, natürlichen Gewaͤchſe; ſondern
uch goldene Gaͤrten und Felder, wie ich ſie
ben beſchrieben habe. Vor den Haͤuſern
baren weite bedeckte Gänge, wo ſich das
Bolk, im Angeſicht des Ynka mit Tanzen
nd andern Luſtbarkeiten, an ihren Feſtta⸗
en ergoͤzte, wenn ſchlechtes Wetter war.
Vor dieſen koͤniglichen Haͤuſern lagen die
roſſen Plaͤzze Hauſſaypata und Cußypata,
m dem
334 Sechſtes Buch.
dem Vorigen gegen Abend, von welchem
ich ſchon geredet habe, und auf der Mit
tagsſeite des Plazzes Hauſſaypata lag da
Haus der auserwaͤhlten Jungfrauen. Gegen
dem Pallaſte Caſana uͤber, am Fluſſe, lag
der Pallaſt Amarukancha, welchen Huaͤyng
Capak erbauete. Außer dieſen gab es noch
verfchiedene königliche Pallaͤſte, ſowohl in
Cusko, als auch in den verſchiedenen P
vinzen. Sie waren zwar nicht alle von gl
cher Groͤſſe, aber alle von gleicher Pracht,
und alle voll Haußgeraͤthe von Gold oder
Silber; fo daß man nie aus einem koͤnigli⸗
chen Hauſe das geringſte Gefaͤſſe, in das
Andere zu bringen noͤthig hatte. Damit man
es aber nicht fuͤr ganz unbegreiflich halte,
wie in den Haͤuſern der Sonne, der auser
wählten Jungfrauen und der Könige fo. vie
Gold und Silber habe koͤnnen zuſammen ges
bracht werden, ſo muß man wiſſen: daß in
dieſem Koͤnigreiche, welches einen ſolchen
Uiberfluß an den edlern Metallen hatte, daß
die Spanier anfangs glaubten, der ganze
Boden ſey unter der Erde Gold oder Sil
ber
Sechſtes Buch. 935
ber, dennoch niemanden erlaubt war, ſich die⸗
ſer Metalle zu ſeinem Gebrauche zu bedienen,
es ſey denn, daß ihm der Koͤnig Geſchenke |
davon machte; außer daß ein jeder der Cu⸗ |
rakas einen goldenen Becher von einer ges |
wiſſen Groͤſſe haben durfte: das andere kam N |
nach und nach alles in das Hauß der Son⸗ | |
ne, oder des Ynka. Ich unterlaſſe es die ee N 5
uͤbrigen Theile von Cusko zu beſchreiben.
Dieſe Stadt war ſehr groß, regelmaͤßig und
ar 1 \ | 1
va
Ich bene bier auch die chiglchen | I.
Borrarhehäufe in den Provinzen; die bey⸗ N
den groſſen Landſtraſſen, welche von Suͤden 2
gegen Norden bis an das Ende des Reichs 1
gingen; die Haͤuſer zur Aufnahme der Rei⸗
ſenden; die groſſen Waſſerleitungen und an⸗ N}
dere prächtige Werke, welche die mächtigen ;
Ynkas in ihrem Reiche angelegt hatten, weil
ich ihrer im 5 1 erwaͤhnt
Er a, | |
Seh
— || ———+˖—ö — —
336 Sechſtes Buch.
Sechzehntes Kapitel.
Von dem Geiſte ihrer Geſezze und der Ein:
richtung ihrer Regierung.
Der Anfang der Regierung der Drag
Rund wie fie es eingeleitet haben den,
ihnen unterworfenen, Völkern Geſezze zu ges
ben, iſt aus dem erſten Theile dieſer Ge
ſchichte bekannt. Unſere Leſer werden dadurch
an aͤhnlichen Beyſpielen auf unſerer Halbku—
gel erinnert worden ſeyn: Allein Manko Ca⸗
pak zeigte ſich kluͤger, als Numa oder Mu⸗
hammed. Da er Voͤlker vor ſich fand, die
ſich alles überreden lieſſen, fo bediente er fich
ganz dieſes Vortheils. Er nahm gleichſam
ihre Vernunft dadurch gefangen, daß er es
ihnen zum erſten Glaubensartikel machte,
die Sonne fuͤr ihre einzige Gottheit, die
Ynkas aber für die Kinder derſelben anzu⸗
nehmen: Dadurch verſicherte er ſich eines
göttlichen Anſehens. Nunmehr gab er ſei⸗
nen Völkern Geſezze, welche die Sicherheit,
die Keuſchheit, das Vermoͤgen, den guten
Namen und die guten Sitten feiner Unter
thanen ſchuzten und zugleich den Gehorſam
gegen
Sechſtes Buch. 337
gegen Obrigkeit und Eltern veſt ſtellten: und
nun wurden alle Verbrechen nicht nur als
Uibertretungen der Geſezze, ſondern auch als
Verſuͤndigungen an der Gottheit, geahndet.
Auch waren ihre Strafen ſehr hart. Kein
Verbrecher wurde an feinem Vermoͤgen bes
ſtraft; ſondern die geringſten mußten durch
charfe Geiſſelungen und alle die von einiger
Erheblichkeit waren, mit dem Tode gebüffee
verden; wobey an keine Erlaſſung zu denken
ar. |
Jedoch der Geiſt der Geſezgebung der
Infas war mehr die Vergehungen ihrer
interthanen zu verhuͤten, als fie zu beftras
en. Bey andern Voͤlkern ſchlafen die Ge;
zze, bis ein Verbrechen begangen iſt; bey
leſem wachten fie, damit ſich dieſer Fall
icht ereignen möchte. Die Strafen waren
art: aber fo ſehr die Unterthanen ſich fuͤrch
ten darein zu verfallen; ſo ſehr ſchienen die
zeherrſcher ſich zu ſcheuen, fie ausüben zu |
uͤſſen. | Nine:
In dieſem Geiſte machte ſchon Manko
apak folgende weiſe Einrichtung: Er theil⸗
II. Theil. 9 te
338 Sechſtes Buch.
te fein Volk in Chunkas ein. Eine Chun⸗
ka bedeutet fo viel, als eine Zahl von zehen.
Jede Chunka hatte ihren Chunka⸗Camayu,
oder Zehnmann. Uiber zehn Chunkas war
ein Vorſteher von hundert Mann geſezt
Uiber fünfhundert Burger hatte wieder eit
neues Haupt die Aufſicht; und tauſend Manr
zuſammen hatten noch ein höheres Oberhaupt
dieſe ſtunden unter der hoͤchſten Obrigkeit je
der Provinz. A
Obgleich das Reich in den folgenden Zei
ten zu einer ungeheuern Gröſſe wuchs, f
wurde dieſe Ordnung dennoch beftändig be
obachtet. Alle Unterthanen in Dörfern, Ele
nen und groſſen Städten wurden aufgeſchrie
ben und in Chunkas eingetheilt. Der Chun
ka⸗Camayu mußte für die neun ihm U
tergebenen ſtehen. Das heißt: Er mußte
Vermehrung und Verminderung ihrer d
milien aufzeichnen, ſich nach ihrem haͤuß
chen Zuſtande erkundigen, ihnen in iht
Unfaͤllen beyſtehen, bey irgend einem Mar
gel an Kleidung oder Unterhalt hoͤhern Ort
für fie bitten, und wenn fie in Streitigke
Sechſtes Buch. 339
en verwickelt wurden, ſie vertheidigen. Hin⸗
gegen war er auch verbunden, jede Verge⸗
jung zu bemerken und den Verbrecher bey
einem Vorſteher anzuzeigen, wenn er nicht
elbſt eben fü hart wolte beſtraft ſeyn. Der
Borſteher über hundert Mann mußte auf
ben die Art über die zehn Vorſteher von
en Chunkas wachen; die uͤber fünfhundert
eſezt waren hatten ihre Augen uͤber die Hun⸗
ertmaͤnner offen; und die Oberhaͤupter von
aufenden mußten ſich wieder um jene bekuͤm⸗
zern. Die Vorſteher von Hunderten konn⸗
n nur geringe Vergehungen beſtrafen und
ber die gemeinſten Leute Urtheil ſprechen;
wichtiger aber das Verbrechen, und je vor⸗
hmer der Verbrecher war, von einem deſto
bern Vorſteher mußte die Gerechtigkeit
rwaltet werden. Fuͤr Civilſachen aber war
jeder Stadt ein Richter geſezt, vor wel⸗
em die Vorſteher den Prozeß bringen und
itſcheiden laſſen mußten. Junge Leute wur⸗
n eben ſo genau beobachtet und beſtraft,
s Alte; nur mit dem Unterſchied, daß Kin⸗
r nie die Miſſethat ihrer Eltern tragen
9 2 durf⸗
—
Ess sn —
340 Gehftes Buch.
durften; wenn aber ein junger Menſch ein
Verbrechen beging, ſo ward zwar bey der
Strafe auf die Jugend mit geſehen; der
Vater aber ward auch mit vor den Richter
gefodert, und wegen der Vergehung ſeines
Sohnes deſto haͤrter angeſehen.
Am Ende eines jeden Monates, mußte
jeder Vorſteher und jeder Richter bey ſeinem
Vorgeſezten, Rechenſchaft von ſeinen Unter⸗
gebenen, und auch von ſeinen Urtheilsſprü⸗
chen ablegen; und der, welcher nachlaͤßig,
oder untreu befunden ward, wurde auf das
haͤrteſte beſtraft. In der Hauptſtadt einer
jeden Provinz, war ein Landrichter in peinli
chen Sachen, welcher die groͤßten Verbre
chen, ohne Appellation beſtrafte, und ein
Anderer, welcher in wichtigen Civilſachen den
Ausſpruch that; und da das ganze Reich in
vier Hauptabtheilungen getheilt war, ſo be
fand ſich wieder in jeder dieſer vier Hauptz
abtheilungen ein Vizekönig von koͤniglichem
Gebluͤte und drey Dikaſterien, Eins beſorgte
die Kriegsfachen, das zweyte ſahe auf die
Verwaltung der Gerechtigkeit, und das drit
te
Sechſtes Buch. 341
te entſchied alle Graͤnzſtreitigkeiten. Die Vi⸗
ſekoͤnige hatten den Worfiz in dieſen Gerich—
en, waren unumſchraͤnkt, legten nur beym
Könige alle Vierteljahre Rechenſchaft ab,
ind empfingen von ihm die noͤthigen Befeh—
e, welche ſie den unter ihnen ſtehenden
brigkeiten, Vorſtehern und Offizieren mit⸗
heilten. |
Uiberdieſes hatte der König eine Art
on Aufſehern, welche Cukuy-Rikok genennt
urden. Der Name bedeutet Einen, der
e Augen allenthalben hat: denn dieſe wur;
n insgeheim in alle Provinzen abgeſchickt,
n zu ſehen, ob die königlichen Befehle ge:
u befolgt, und die Gerechtigkeit gehoͤrig
rwaltet wuͤrde. 8
N Durch alle dieſe Einrichtungen wußte der
onig am Ende jedes Jahres genau, wie
Unterthanen er im ganzen Reiche hatte;
e ihre Vorraͤthe an allem, was zum Le⸗
isunterhalt gehöre, beſchaffen waren; wo
d wem er zu Hülfe kommen mußte; wie
dazu erfodert würde; wie viel er Sol—
en zum Kriege, oder Arbeiter zu öffentli⸗
N 3 chen
342 Sechſtes Buch.
chen Werken, aus jeder Provinz beben
konnte, und ſo fort.
Uibrigens durfte keine Obrigkeit von dei
Strafe, welche in den Geſezzen vorgeſchrie
ben war, das Geringſte nachlaſſen, oder aͤn
dern; kein Vorgeſezter durfte ſeinen Unter
gebenen das Geringſte nachſehen; kein Sol
dat durfte auf einem Marſche aus dem We
ge weichen, und irgend Etwas befchädiger
oder nehmen; Keine Armee durfte eine er
oberte Stadt plündern, oder in einem be
zwungenen Lande Etwas mit Gewalt neh
men. Alles dieſes ward mit dem Tode be
ſtraft. Daher hatte auch die Gerechtigke
der Ynkas in ihrem Welttheile einen gro
fern und gegründetern Ruhm, als fi ch irgen
ein Volk in der Welt erworben hat.
Siebenzehntes Kapitel.
Von der Vorbereitung der jungen Inka
zu hohen Ehrenftellen, oder von den i
Rittern. |
re dieſem, von den polizierten *
nen der ſogenannten alten Welt ſo
ib
Sechſtes Buch. 343
ernten, Volke war dennoch eine Art von
Ritterſchaft, oder Einweyhung gewoͤhnlich.
Alle Jahr, oder alle zwey Jahr, wenn
ine gewiſſe Anzahl von ſechzehnjaͤhrigen
Juͤnglingen, aus dem Geſchlechte der Ynkas
denn Andere wurden nicht zugelaffen,) vor⸗
anden war; wurde zur groſſen Freude des
anzen Volkes, auf einen Neumond, ein Feſt
ingeſezt. Ein jeder Ynka, welcher einen
Sohn von gehoͤrigem Alter und gebildeten
Fraͤften hatte, brachte ihn in ein groſſes
auß zu Cusko, welches in dem Viertel
Lollkampata ausdruͤcklich zu dieſem Endzwecke
rbauet war.
Hier fanden dieſe jungen Leute etliche al⸗
e Yukas, welche wegen ihrer Erfahrenheit
den Kuͤnſten des Krieges und des Frie—
ens, zu Aufſehern der Prüfungen geſezt was
en. Wenn der zu dieſen Proben veſtgeſezte
dag erſchien; fo fing man damit an, daß
tan die jungen Ritter ein ſtrenges, ſechstaͤ⸗
iges Faſten beobachten ließ. Jeder bekam
uf einen Tag nicht mehr, als eine Hands
oll Mayzkoͤrner, und ein Glaß Waſſer.
Y 4 Wel⸗
344 Sechſtes Buch.
Welcher ſich darüber beklagte und mehr zu
eſſen foderte, der wurde alsbald wieder nach
Hauſe geſchickt. Nach überftandenen Faſten
bekamen fie wiederum ihre gewöhnliche Spei
ſe, um ſich zu den abzulegenden Proben zi
ſtaͤrken.
Nunmehr machten die Eltern und An
verwandten der jungen Ynkas zwey Reiher
von dem Hügel Huanankary bis zu der Be
ſtung Sakſahuanam, welches ohngefehr an
derthalb kleine Meilen betrug. Am Ende die
fer Laufbahn wurde ein breites Band mit Fran.
gen an einem Spieſſe aufgehangen. Nach
dieſem mußten die Neulinge, ohne inne zi
halten, laufen, wobey ihre Anverwandten auf
beyden Seiten fie auf das nachdruͤcklichſt
zum Aushalten ermahnten. Die dritte Pro
be beſtand darinne, daß fie in zwey kleine
Heere getheilt wurden, und mit ſtumpfer
Waffen gegen einander fechten mußten. Hier,
auf folgte das Springen; dann das Werfen
mit der Schleuder; der Gebrauch des Wurf
ſpieſſes, und das Schieſſen mit Bogen und
Pfeilen. Nach dieſen Uibungen mußten ſie
| sehn
Sechſtes Buch. 345
zehn Naͤchte nach einander Schildwach ſte—
hen. Welcher ſich ſchlafend antreffen ließ,
wurde mit einer Gerte gepeitſcht, und wenn
er das kleinſte Zeichen des Schmerzes blicken |
ließ, abgewieſen. Endlich ſtellten die alten |
Lehrer dieſe jungen Lehrlinge auf den oͤffent⸗ |
lichen Plaz vor dem Haufe, und ein Fecht—
meiſter mußte kommen und ſich ſtellen, als
ob er bald dem Einen mit einem Spieſſe in
die Augen rennen, bald einem Andern mit
einer groſſen Streitaxt ein Glied vom Leibe
herunterhauen wolte. Die angehenden Kits
ter wußten, daß er keines von beyden thun
würde, wenn fie aber dennoch fo ungluͤcklich
waren, entweder mit den Augen zu zwinkern, 0
oder ſonſt eine Bewegung zu machen, welche 3
Furcht verrieth; ſo war das hinlaͤnglich, ſie N N
fuͤr dieſes Jahr um die Ehre der Ritterſchaft
zu bringen. Uiber dieſes alles mußten ſie
auch ihre Waffen, diejenigen nemlich, die
aus Holz gemacht wurden, und ihre Schu—
he, die aus einer Sole von Leder und Rie⸗
men von Hanf oder Wolle beſtunden, ſelbſt
zu verfertigen wiſſen.
ö N 5 Waͤh⸗
—
346 Sechſtes Buch.
Waͤhrend der Zeit dieſer Pruͤfungen,
mußten fie barfuß gehen, und auf der biof
fen Erde ſchlafen; die alten Inkas, ihre
Lehrmeiſter aber gaben ihnen taͤglich in ihrer
Moral, in den Pflichten eines Jnka, eines
Kriegers, und eines redlichen Staatsman⸗
nes und eines Beſchuͤzzers der Unschuldigen
und der Armen, Unterricht. N
Selbſt der vermuthliche Erbe des Reichs,
war von allen dieſen harten Pruͤfungen nicht
ausgenommen; ſie waͤhreten einen Monat,
und dieſe ganze Zeit über mußte er alte, zer⸗
riſſene Kleider tragen, damit er lernte, die
Armuth nie zu verachten. Der einzige Vor⸗
zug den er genoß, war dieſer: Wenn ein
Anderer, als er, im Wettlauf das Band
mit Frangen davon trug, ſo mußte er es
ihm überreichen.
Wenn alle dieſe Proben geendiget waren,
wurde dem Koͤnige davon Nachricht gege⸗
ben, welchen man bald darauf von den al
teſten unter ſeinen Anverwandten begleitet,
ankommen ſahe. Sobald der Koͤnig erſchien,
warfen ſich die Canditaten des Ritterſtandes
vor {
Sechſtes Buch. 347
vor ihm auf die Erde. Er ermahnte ſie in
einer kurzen Rede; Ihren Vorfahren in als
len ritterlichen Tugenden aͤhnlich zu werden,
und zu erkennen zu geben, daß ſie wahre
Kinder der Sonne waͤren. Dieſer ruͤhmliche
Tittel muͤſſe fie aufmuntern, ſezte er hinzu,
ſich eben ſo wohlthaͤtig als dieſe zu zeigen,
und ihre Handlungen eben ſo glaͤnzend zu
machen, als die Strahlen dieſes ihres Anz
herrns. Wenn der König feine Rede geens
digt hatte, nahete ſich Einer nach dem An⸗
dern dem Throne, worauf der Koͤnig ſaß,
und fiel vor ihm auf die Kniee, um das Er⸗
ſte und groͤßte Ehrenzeichen von ſeiner Hand
zu empfangen. Dieſes beſtand darinne, daß
der Koͤnig dem neuen Ritter durch jedes
Ohrlaͤppchen, an dem Orte, wo man die Oh⸗
rengehaͤnge traͤgt, eine ſtarke goldene Nadel
ſtach, welche in dem Loche ſtecken blieb.
Dieſes war eine Bekraͤftigung, daß er ſie fuͤr
Vnkas und Prinzen vom Gebluͤte erklaͤrte.
Der neue Ritter kuͤßte dem Capak Ynka
die Hand, und knieete vor einem andern
Nnka der an Range der Zweyte im Könige
reiche
348 Sechſtes Buch.
reiche war, nieder. Dieſer Ynka band ihn
Schuhe mit Schnüren von Wolle an di
Fuͤſſe, kuͤſſete ihn auf die Schulter, und ſag
fe: Der Sohn der Sonne hat ſolche Be
weiſe feiner Tugend abgelegt, daß er ver
dient angebetet zu werden. Nunmehr trat
der junge Puka in ein praͤchtiges Zimmer,
wo die aͤlteſten Inkas ihm die männliche
Scherpe umbanden. Dieſes war eine drey⸗
eckigte Schuͤrze, welche an einer Fingersdicken
Schnur beveſtiget war. Die Schnur ward
ihm um den Leib gebunden, der herabhangen⸗
de dritte Zipfel zwiſchen den Beinen hindurch
gezogen, und hinten beveſtiget. Dieſe Scherz
pe war das Zeichen der Mannheit, und gab
zu erkennen, daß dieſer junge Herr nun faͤ⸗
hig ſey, alle Ehrenſtellen im Kriege und im
Frieden zu verwalten. Sie ſezten ferner
dem neuen Ritter einen Kranz von Immer—
gruͤn auf, und beſteckten ihm den Kopf mit
den Blumen Cautut und Chihuayhua, wel—
che niemand anders, als die Ynkas, tragen
durfte. Hierbey ſagten ſie ihnen: „Gleichwie
die Sonne dieſe Blumen auf den Wieſen
zum
Sechſtes Buch. 349
um Vergnuͤgen der Menſchen hervorbraͤchte,
d muͤſſe auch ein Ynka die Tugenden zum
Nuzzen des menſchlichen Geſchlechts naͤhren;
damit ſein Ruhm, gleich dieſem Kranze, be⸗
tändig gruͤnte.
War der Erbprinz mit unter den neuen
Rittern, ſo wurde ihm an dieſem Feſte zu⸗
rſt die rothe Binde, das Vorzugszeichen
es Kronerbens, um den Kopf gebunden;
lsdann überreichte man ihm einen Wurf⸗
pieß und eine Streitart mit dem Worte
Aukukanapak! das heißt: es die Gott⸗
*
Nachdem dieſe guten Greiſe, alles Dee
u dem Kronprinzen in Gegenwart des Koͤ⸗
tiges, feines Vaters, geſagt hatten; fo far
nen feine Vettern, Brüder, und alle ande⸗
e vom koͤniglichen Geſchlechte, und fielen
zor ihm nieder auf die Kniee; wodurch er
öffentlich fuͤr den ungezweifelten Kronerben
erkannt wurde.
Dieſe Ritterproben, nebſt allen Ceremo⸗
nien die dabey vorgingen, wurden unter dem
Nr Huaraka begriffen, welches ohnge⸗
fehr
350 Sechſtes Buch.
fehr fo viel bey ihnen bedeutete, als bey ung,
Jemanden zum Ritter ſchlagen. Das gan
ze Feſt endigte ſich mit einem groffen Schmau
ſe, der neun Tage waͤhrete. y
Achtzehntes Kapitel.
Eintheilung der Laͤndereyen, und Behand—
lung der eroberten Laͤnder. ;
Da die Ynkas alle Laͤnder ihres groſſen
Reichs nach und nach erobert hatten;
ſo wird man ſich eine richtige Vorſtellung
von der Art, ihre Unterthanen zu behandeln,
machen koͤnnen, wenn ich, mit wenigen Wor—
ten ſage, wie fie mit einem neu- eroberten
Lande verführen, 0
Wenn der Koͤnig, oder Einer von ſeinen
Feldherren dem Reiche eine neue Provinz
unterwuͤrfig gemacht hatte; ließ er alsbald
das Volk, wovon ſie bewohnt war, nach
den Familien, Haußhaltungen, Maͤnnern,
Weibern und Kindern zaͤhlen, und dann auch
ein genaues Verzeichniß von den Bergen, Wie⸗
ſen, fruchtbaren und unfruchtbaren Feldern
und dem Viehe verfertigen. Wo es noͤthig
und
Sechſtes Buch. 351
und möglich war, wurden Wege, Brücken und
inſonderheit Waſſerleitungen angelegt, um ſo
viel Ackerfeld zu erhalten, als man nur konn⸗
te. Die Felder wurden eingetheilt in ſolche,
welche man waͤſſern und folglich mit Mayz,
welcher ihnen unter den Feldfruͤchten das
liebſte war, bepflanzen konnte; und in ſolche,
die ſich allein auf den Regen, der ſelten hier
iſt, und auf den Thau des Himmels verlaſ⸗
ſen mußten; wo man nur Quinua, eine Art
von Hirſen, und andere e ſaͤen
konnte.
7
—
Alsdann wurde der Curaka, oder vorige
Regent, des Landes beſtaͤtigt, jedoch ſo, daß
er den Capak Ynka für feinen Oberherrn
erkannte und es wurde ihm Einer von den
Inkas, als Statthalter zugegeben. Auch
die vorigen Geſezze des Landes, welche den
Geſezzen der Ynkas nicht widerſprachen, wur⸗
den bekraͤftiget, und dieſe leztere eingefuhrt.
Die Aufſeher über zehn, über hundert, über
fuͤnfhundert „ uͤber tauſend, die Richter und
* fort, wurden angeſtellt und überhaupt die
Ord⸗
352 Sechſtes Buch.
Ordnung der Landesregierung, wie in den an
dern Provinzen des Reichs, eingerichtet.
Wenn dem Capak Ynka von allen die
ſem Bericht abgeſtattet, oder er ſelbſt zuge
gen war; ſo gab er den Bergen, Thaͤlern,
Gegenden, Quellen und Fluͤſſen beſtimmte
Namen und theilte das Ackerland, die Wie—
ſen, die Felder wo Baumwollenſtauden wuch—
ſen und die Weiden an den Bergen, nach
einem gewiſſen Ackergeſezze, unter die Ein⸗
wohner aus. Das Salz, welches man aus
den Salzquellen, oder dem Meerwaſſer mach⸗
te; die Früchte, welche auf den Bäumen in
den Wäldern und auf den Bergen wuchſen;
die Fiſche in den Fluͤſſen und Seeen waren
allen gemein; ein jeder konnte davon neh⸗
men, fo viel er brauchte, nur nicht um Han⸗
del damit zu treiben. Die Gold: Silber⸗
und Kupferminen blieben dem Curaka: Dies
ſer nahm nebſt ſeinen Anverwandten daraus
fo viel Metall er wolte, theils zu Gefaͤſſer
fuͤr ſich; aber von dieſen war die Anzahl be
ſtimmt; theils um die Tempel der Sonne
damit zu ſchmuͤcken und dem Ynka Geſchen⸗
ke
Sechſtes Buch. 353
ke davon zu machen. Das Ackerland ward
folgendermaaſſen vertheilt.
1 Der Pnka machte aus allem Lande, wel⸗
ches bearbeitet werden mußte, drey Theile.
Der Erſte war fuͤr die Einwohner; wenn
dieſe gehoͤrig verſorgt waren, ſo wurde das
Uibrige noch in zwey Theile getheilt; der
Erſte war für den Sonnentempel, feine Prie⸗
ſter und ſeine Diener; der zweyte fuͤr den
Pnka, fein Geſchlecht und alle, die im Dien⸗
fie des Koͤniges ſtunden, oder ein öffentli-
hes Amt verwalteten. Was von den Feld:
fruchten dieſer beyden lezten Theile übrig
lieb, ward in die öffentlichen Magazine ge⸗
vracht, wovon ich bald reden werde.
Derjenige Theil, welcher fuͤr die Ein⸗
vohner des Landes beſtimmt war, wurde
olgendermaaſſen angewendet: Eine jede er⸗
vachſene Mannsperſon bekam zu ſeinem An⸗
heile, ſowohl an gewaͤſſerten, oder Mayz⸗
ande, als an ungewaͤſſerten, worauf man
Huͤlſenfruͤchte ſaͤete, und an Wieſen, einen
Tupu Land; welches die Benennung eines
Maaſſes war, wovon ein Mann mit ſeiner
II. Theil. 188808 Frau
354 Sechſtes Buch.
Frau leben konnte. Bekam er einen Sohn,
ſo theilte man ihm noch einen Tupu zu,
wenn ihm aber eine Tochter gebohren war,
jederzeit einen halben Tupu. Starb ein
Kind, fo gab der Vater den Antheil deſſel⸗
ben zurück: Heyrathete der Sohn, fo behielt
er ſeinen Tupu: Heyrathete aber die Toch⸗
ter, fo bekam fie kein Land mit. Vermehrten
ſich die Einwohner ſo, daß der Antheil des
Volks nicht mehr zureichte, ſo nahm man,
fo viel nͤthig war, vom Lande des Königs,
Der Curaka erhielt fo viel, als er zu ſei—
ner Haushaltung, fuͤr ſeine Weiber, Kin⸗
der und Dienerſchaft noͤthig hatte. Die Pn⸗
kas aber, die ſich in dem Lande niederlieſſen,
bekamen noch einen groͤſſern Antheil, und
zwar von dem beſten Lande. So war das
Geſez von Vertheilung der Aecker. |
Während daß dieſe Staatseinrichtungen
gemacht wurden, gab der Ynka dem bezwun⸗
genen Volke Lehrer, welche es unterrichteten,
ihm die Nichtigkeit feiner Göͤzzen zeigten, und
es lehrten, die Sonne anzubeten, und die
Pnkas, als ihre Kinder, zu verehren. Denn
Sechſtes Buch. 355
kein Menſch ward ununterrichtet, und mit
Gewalt zu ihrer Religion gezwungen. Als⸗
dann ward ein Tempel der Sonne, und N:
venn der König den neuen Unterthanen ſehr ud
znaͤdig war, ein Hauß für geweyhete Jung⸗
rauen erbauet. Die Curakas und andere
Bornehmen des Landes begleiteten den Vnka
ach Cusko: man zeigte ihnen alle Pracht N
iefer Hauptſtadt; man unterhielt ſie mit Fe⸗ 0
en und Taͤnzen; man that ihnen groſſe Eh⸗
man, und endlich ließ man fie wohl ber
henkt wieder in ihr Land ziehen, doch fo, a |
aß fie alle Jahre, bey dem groſſen Son⸗ |
nfofte Yntip⸗Raymi, wieder nach Cusko
mmen mußten. Ihre Söhne wurden meh⸗
ntheils am Hofe des groſſen Koͤniges erzo⸗
n. So wußten dieſe Eroberer die Herzen
r bezwungenen Völker an ſich zu ziehen.
— — ͤ Ä—
—— 8
3
— —
2 Neunzehntes Kapitel. 5
eſezze, die den Ackerbau in dem Reiche / \ 4
der Pnkas betrafen. | N
\ as erſte Ackergeſez, betraf die Einthei⸗ |
lung der Laͤndereyen; das zweyte ihre
. 3 2 Bear⸗
* —ů — Ben. in 2 8 —
= — — —
—
356 Sechſtes Buch.
Bearbeitung. Dieſes Geſez befahl, daß zu⸗
erſt die Aecker der Armen mußten gepflugt
und beſaͤet werden; alsdann die Laͤndereyen
der Curakas und übrigen Einwohner der
Städte, oder Provinzen, und zulezt die }
weiche der Sonne und dem Könige gehörten.
Bey der Aerndte ward es eben fo gehalten, |
Unter die Armen wurden gerechnet die
Witben, die Wayſen, die Kranken, die Al⸗
ten und die Weiber, deren Männer bey der
Armee waren, kurz alle die, welche ihr Land
nicht ſelbſt bauen konnten. In jeber Stadt
waren gewiſſe Kommiſſarien, Laktakamayn
genannt, darüber zu Aufſehern beſtellt. Den
Tag vorher, wenn man dieſe Arbeit vorneh⸗
men wolte, ſtieg ein ſolcher Kommiſſar na |
Einbruch der Nacht, auf einen hierzu erbau
ten Thurm, ſtieß in eine Poſaune, um Je
dermann aufmerkſam zu machen, und ruft
alsdann aus: Morgen gebet die Arbeit ar
den Aeckern der Unvermoͤgenden an; ein ©
der, dem dieſes angehet, finde ſich an d
gehörigen Orte ein!” Jeder, welcher in fd
ner Verwandſchaft eine ſolche Perſon hatte
Sechſtes Buch. 357
oder nach der Muſterrolle wußte, daß er zu⸗
gegen ſeyn muͤſſe, fand ſich willig ein, und
brachte auch ſeinen Mundvorrath mit, ſo,
daß dem Armen, die Bearbeitung ſeines
Ackers nichts koſten durfte.
Nach Vollbringung dieſer heiligen Pflicht,
wurde das Land der Curakas und andern
Einwohner beſorgt. Auch dieſe Ordnung
ward ſo unverbruͤchlich gehalten, daß Huaͤy⸗
na Capak Einen der Aufſeher, in Chacha⸗
puya, welcher die Aecker des Curaka, der
fein Anverwandter war, eher, als die Laͤn—
dereyen der Unvermoͤgenden hatte bauen laf
ſen, auf eben dieſem Lande aufzuhenken be⸗
fahl. N 15
Zulezt wurden die Aecker der Sonne
ind des Koͤniges auch beſorgt. Alle Ein⸗
vohner jeder Stadt oder Provinz, welche
nicht zu anderer Arbeit beſtimmt waren, gin⸗
zen zu dieſer Arbeit, als zu einem Feſte,
zeſchmuͤckt und mit der größten Freudigkeit.
Waͤhrend derſelben aber ſangen ſie gewiſſe
ieder zu Ehren der Sonne und des Puka.
33 Bey
Bey dem Adern bedienten fie ſich einer
Art Pfluges, woran der Pflugſchaar von
hartem Holze, breit und abgeſchaͤrft war.
Gemeiniglich ward dieſe Maſchiene von vier
Perſonen gezogen, und von zweyen in die
Erde gedruͤckt und gelenkt. Auch die ef
ber halfen hier.
In den vornehmſten Viertel zu Cusko,
Collkampata, lag am Fuſſe des Hügelt
Sakſahuanam ein ſchoͤnes, groſſes Stück
Land, welches unter allem der Sonne zuerſt
war geweyhet worden; dieſes durfte von nies
manden, als den Ynkas und Pallas bear⸗
beitet werden; welches dieſe auch jaͤhrlich i
ihrem ſchoͤnſten Schmucke, und mit der groͤf
ten Feyerlichkeit verrichteten.
Während die Aecker des Ynka und der
Sonne vergattet wurden, bekamen die Arbei—
ter ihren Unterhalt aus den koͤniglichen Vor⸗
rathshaͤuſern, aus welchen auch die Saa⸗
menforner genommen wurden. |
Nach der Aerndte brachte man die Fruͤch—
te von den Aeckern der Sonne und des Ki
nigs in groſſe Kornhaͤuſer. Sie hatten in |
wendig
*
sfr
Sechſtes Buch. 359
wendig einen Unterſchied; auf der einen Sei—
te wurden die Fruͤchte des Koͤnigs, auf der
Andern, die Einkünfte der Sonne verwahrt.
Es waren eigentlich dreyerley Arten ſol⸗
cher Vorrathshaͤuſer: in jeder Stadt waren
deren zwey; in dem erſten befand fi ich das
Getraide des Königs und der Sonne, wie
ich ſchon geſagt habe; im zweyten ein groſſer
Vorrath, wenn etwa eine Hungersnoth oder
ein Mangel bey den Unterthanen, welchen
man alsbald abhalf, eintreten ſolte; und die
dritte Art war auf den groſſen Landſtraſſen,
wo man alle drey Meilen ein ſolches Hauß
fand. Dieſe wurden von den Aeckern des
Koͤnigs und der Sonne angefuͤllt.
Alle Fruͤchte, welche funfzig Meilen um
Cusko herum jedes Jahr übrig blieben, nach⸗
dem alle obrigkeitliche Perſonen und Diener
des Koͤniges ihren beſcheidenen Theil erhal⸗
ten hatten, wurden nach dieſer Hauptſtadt
gebracht; in groͤſſerer Entfernung wurden fie
in die groſſen Vorrathshaͤuſer det ade
geliefert.
k Bi
34 | Alle
Kupfer in Menge, welches hoͤher geſchaͤzt
360 Sechſtes Buch.
Alle Armeen, alle Richter, alle Dien
und alle, die fuͤr den Koͤnig arbeiteten, wur
den auf Unkoſten des Koͤnigs, und alle Pri
ſter, ſo oft ſie im Dienſte waren, nebſt den
geweyheten Jungfrauen von den ee
der Sonne unterhalten.
u
5
MN‘
75
Zwanzigſtes Kapitel.
Von der Verfertigung der Kleider, ef,
fen und anderer Arten von
Arbeiten. e
Se Provinzen eines ſo groſſen Reichs, als
das, wovon wir reden, mußten noth⸗
wendig von ſehr verſchiedener Beſchaffenheil
ſeyn. Die Thaͤler am Meere, ſonderlich in
Cuntiſuyu brachten viel Mayz hervor, 5
hingegen der ganze Strich von Collaſuyu
dieſe Frucht gar nicht trug. In einigen Ge⸗
genden wuchſen viel Hülfenfrüchte, in ans
dern viel Baumwolle; wieder Andere waren
zur Weide geſchickt; in verſchiedenen wuchs
Holz das ſich vorzuͤglich zu allerhand Geraͤ⸗
the oder Waffen ſchickte und viele 4
wurde,
Sechſtes Buch. 361
wurde, als Gold, weil man ſich deſſelben in
allen den Faͤllen bediente, wo wir das Eiſen
gebrauchen.
In den Provinzen wo die Baumwolle
vorzuͤglich waͤchſt, ließ der Inka für die Son⸗
ne und für ſich eine groſſe Menge ſammeln
um Kleider daraus verfertigen zu laſſen. | | '
Den Sonnentempeln und dem Ynka ge⸗ [ 15
hoͤrten auch die groͤßten Heerden vom zah⸗
men, Wolletragendem Viehe; auch die Wolle
ward ſorgfaͤltig zu vorbenanntem Endzwecke
e |
Die Peruaner pflegten alle ihr daher
Wie Llamma zu nennen. Es gab nur zwey 1
Arten deſſelben. Die groͤſſere, welcher ohn⸗ 1
gefehr unſere Hirſche gleichen wuͤrden, wenn . 7
fie keine Hörner und ſtaͤrkere Schenkel His 8
ten, wurde von ihnen Huanaku genennt und NE
hatte gröbere Wolle von allerley Farbe; die Fi
wilden Huanaku ſahen allezeit grau aus.
Die kleinere Art, welche ſie Paco nennten,
hat viel feinere und laͤngere Wolle, aber viel
ſchlechter Fleiſch, als die groͤſſere. Auch be m
diente man ſich der Huanakus zum Laſttra⸗ 4
3 5 gen. R
———————— —
362 Sechſtes Buch.
gen. Die feinſte Wolle traͤgt das Vikun⸗
na, eine Art wilder Ziegen, welche den zah—
men Pacos übrigens ſehr gleichen, aber aͤu—
ßerſt ſchwer zu fangen find. Man ſonderte
von beyden Arten von Thieren die Heerder
nach den Farben ab, und vermiſchte nie
ſchwarze, weiſſe und braune Wolle mit ein,
ander. Die Wolle von jeder Farbe wart
wiederum in grobe, feine und die feinſte ab-
getheilt. Die erſte Art trugen die gemein
ſten Leute: die zweyte, welche man auch zr
färben pflegte, war für die Curakas, Offizie
re und Unterobrigkeiten: die feinſte für die
Ynkas. In den warmen Gegenden und ir
der heiſſern Jahreszeit trug man Baumwol⸗
lene Kleider. Bey Beſchreibung der Opfen
habe ich der Schaafe, Schoͤpſe und Laͤmmen
erwaͤhnt: dieſes waren, wie man ſich leicht
vorſtellen wird, keine europaͤiſchen, fondern
Pacos, oder Huanakus.
Der Koͤnig ließ die Wolle und Baum⸗
wolle, in groſſer Menge, in den Provinzen
ſpinnen und weben, wo wenig Ackerbau, und
die Leute zu der Wollenarbeit vorzüglich ge:
ſchickt
Sechſtes Buch. 363
ſchickt waren. Alsdann ließ er Kleider und
Decken daraus verfertigen.
An andern Oertern mußten die Einwoh⸗
ner Schuhe aus Huanaku⸗Leder und Hanf,
welchen man von dem Baſte des Baumes
Maguey erhielt, oder, fuͤr die Vornehmen,
aus Baumwollenen Schnüren machen. 5
Die Waffen verfertigte man in den Pro 5 (>.
vinzen, wo fih die beſten Materialien dazu
fanden: gewiſſe Gegenden lieferten alſo Bo⸗
gen und Pfeile; Andere Lanzen und Wurf⸗
ſpieſſe, die vorn zugeſpizt und gebrannt wa⸗
ren, wie auch Keulen von ſchweren Holze;
wieder andere Streitaͤrte von Kupfer, und
noch andere lederne Schilde und Schleudern. f
Dieſes waren alle in Peru gewoͤhnliche Waffen. N W 7
Ein jeder Unterthan des Dnfa war ein 0
Ackermann; doch gab es viele, die auch zim⸗ | NE
mern, mauern, ſchmieden, oder andere kuͤnſt⸗ Bi
liche Arbeit verfertigen konnten. Wenn ein
Curaka in feinem Lande ſolche Kuͤnſtler hat⸗
te, fo ward es von ihm dem Ynka gemel⸗
det; und dieſer bediente ſich ihrer, wenn er m
fie nörhig hatte. | 4
. i
364 Sechſtes Buch.
Aus dem Vorigen iſt bekannt, daß vor
Cusko aus, nach den vier Abtheilungen de
14 Reichs, vier Hauptſtraſſen gingen; von Cus
Ä N ko gegen Norden aber waren dieſe Straffer
7 gedoppelt: Eine über die Gebuͤrge, und bi
A Andere durch das ebene Land am Meere.
714 \ Auf allen diefen Straſſen hatten die Vn
g kas in abgemeſſenen Weiten, gemeinigfid
von Einer Tagereiſe zu der Andern, Pallaͤ
fie mit Vorrathshaͤuſern erbauen laſſen. Je—
der dieſer Pallaͤſte war ſo groß, daß der
Inka mit feiner Hofſtatt und einem ganzer
Heere feinen Aufenthalt darinne nehmen konn—
| te; (denn nie wurden die Soldaten bey den
2 Bürgern einquartiert,) und mit Lebensmit—
40 teln, Kleidern und Waffen ſo reichlich verſe—
Hi hen, daß ein Heer von dreyßigtauſend Mann
\ | davon konnte ausgeruͤſtet und verſorgt werz
| „ den. Doch befanden ſich nicht fo viele ſol⸗
1 che groſſe Herbergen auf dem Wege durch
| die Ebenen, als auf dem über die Gebuͤrge.
Ein
Sechſtes Buch. 365
Ein und zwanzigſtes Kapitel.
befke von den Abgaben der Unterthanen
| der Ynkas.
Nove „ was ich im vorigen Kapitel ge⸗
ſagt habe, kann ich nunmehro einen
Begrif von den Abgaben machen, welche die
ynkas von ihren Unterthanen foderten.
Das Wort Abgabe, oder Tribut, oder
Contribution kann man hier nur im unei⸗
gentlichen Verſtande gebrauchen: Alles was
die Unterthanen der Ynkas ihren Koͤnigen
leiſten mußten, war, von jedem Manne zwey
Monat Arbeit im Jahre. Dieſes war ſo
zu ſagen, eine Art allgemeiner Abgabe, wel⸗
che in Europa ſo viel Schwierigkeiten fin⸗
det. Vom fuͤnf und zwanzigſten bis zum
funfzigſten Jahre mußten ſich Alle, die nicht
in öffentlichen Aemtern oder Dienſten ſtun⸗
den, fie mochten Arm oder Reich ſeyn, Dier
ſem Geſezze unterwerfen. Reich waren hier
diejenigen, welche viele Kinder, oder min⸗
derjaͤhrige Geſchwiſter hatten, die ihnen bey
ihrer Arbeit helfen konnten. Denn jeder
Haus⸗
— —
——
————
366 Sechſtes Buch.
Hausvater verrichtete, entweder allein, oder
mit Huͤlfe feiner Hausgenoſſen, fein aufgeges
benes Stuck Arbeit, und man machte als⸗
dann keine fernern Auffoderungen in demſel⸗
ben Jahre an ihn.
Von dieſer Abgabe, wenn man es ſo
nennen darf, waren frey: Alle von dem Ge⸗
ſchlechte des Manko Capak, alle Prieſter
und Diener der Tempel, alle Offiziere, alle
im Felde ſtehende Soldaten, alle Richter,
obrigkeitliche Perſonen und Aufſeher bis auf
die, welche uͤber hundert Mann geſezt waren;
endlich alle Weibesleute und die Mannsper⸗
ſonen, uͤber funfzig oder unter ns *
zwanzig Jahren. |
Die Arbeit welche fie für den Pnka,
oder eigentlich fuͤr den Staat verrichten muß⸗
ten, beſtand ohngefehr im folgenden. Jeder
von den Tributmaͤßigen Unterthanen mußte,
ſo wie er Befehl empfing, mit zu Felde zu
gehen; an den Wegen und Waſſerleitungen,
am Baue der Tempel, Magazine, koͤnigli⸗
chen Gebäude, Brücken und dergleichen zu
e die Laͤndereyhen der Sonne und des
g Koͤni⸗
Sechſtes Buch. 367
Koͤniges zu ackern, und die Früchte einzu⸗
ärndten; die Heerden der Sonne und des Ks
niges zu hüten, zu ſcheeren, und die Wolle in
die Magazine zu liefern, das Amt eines Bo⸗
en, welchen man Chaqui nennte, auszurich⸗
en; Kleider, Schuhe, Waffen und Kunſtſachen
on Gold und Silber für die Tempel der
Sonne, und die Pallaͤſte des Ynka zu verfer⸗
355 ; bereit ſeyn, feinen Theil zu übernehmen.
Hierbey muß ich aber nicht unterlaſſen,
ochmals zu erinnern; daß ein jeder Haus⸗
jafer nur zwey Monate im Jahre arbeitete,
ntweder nach einander, oder zu verſchiede⸗
ten Zeiten, nach feinem Gefallen; daß von g
em, welcher die eine Art von Arbeit vers _
ichtete, die Andere nicht gefodert ward; daß
in Jeder zu den Dingen, die er verfertigte,
ie Materialien aus den Magazinen bekam,
iemlich zu den Kleidern bekamen ſie die
Wolle, zu den Schuhen das Leder und den
hanf, zu den Dingen, womit man die
tempel und Palläfte auszierte, das Gold
ind das Silber, zu den Waffen mußten
Andere das Holz und das Kupfer herbey⸗
ſchaffen,
— ——— — —
368 Sechſtes Buch.
ſchaffen, und fo fort; fo daß er nichts a
die Arbeit darzu that.
Ein jeder der fir den Koͤnig oder fur
den Staat arbeitete, ward ſo lange als bier
ſes waͤhrete, aus den Magazinen unterhal;
ten, wie auch die Soldaten, Aufſeher, Obrig⸗
keiten und Richter, daher ſie auch von den
Unterthanen nichts nehmen durften. 1
Auf dieſe Art gaben die Unterthanen der
Ynkas ihren Königen gar keinen. eigentlichen
Tribut von ihrem Vermoͤgen.
Gold, Silber, Edelgeſteine, ſchoͤne de
dern nebſt andern Seltenheiten foderte der
König nie als einen Tribut; fo oft aber di
Curakas vor ihm erſchienen, entweder wenn
fie in die Hauptſtadt kamen, oder wenn ei
die Provinzen feines Reichs durchreiſete; uber:
reichten fie ihm alles, was fie an ſolchen
Koſtbarkeiten das Jahr über geſammelt h
ten, als ein Geſchenke, denn man e
ganz Amerika vor der Ankunft der Spanier
von keinem Gelde. Der König nahm als,
dann davon, was ihm gut duͤnkte, das Libri,
ge gab er ihnen zurück, oder beſchenkte die
Offt⸗
Sechſtes Buch. 369
Offiziere und Diener, denen er wohl wolte
zamit; und alsdann war es ihnen erlaubt,
s zum Schmuck ihrer Perſon oder ihres Hau—
es anzuwenden. Doch ſezten fie keinen groſ—
en Werth darauf. Ihr groͤßter Ehrgeiz ging
Jabin, ihre Sonnentempel und Haͤuſer für die
ſeheiligten Jungfrauen damit zu ſchmuͤcken.
Zbwey und zwanzigſtes Kapitel.
Beſezze wie die öffentlichen Dienſte und
Einkuͤnfte ſolten verwaltet werden und
bon den Quippus.
Die Ynkas hatten ein Geſez gemacht, wor⸗
inne die Arbeiten und Verrichtungen ih⸗
er Unterthanen, die man anſtatt der Abga⸗
en, ſowohl fuͤr den Koͤnig, als fuͤr das gemei⸗
e Beſte foderte, veſtgeſezt waren: Wir haben
e ſchon im vorigen Kapitel angegeben; ein
nderes Geſez beſtimmte die Einrichtung Dies
r öffentlichen Dienſte. Wir wollen hier
inen Sinn darſtellen.
Zu einer gewiſſen Zeit im Jahre kamen
ie Richter, Einnehmer und Rechnungsführer
der Provinz in der Hauptſtadt derſelben zu⸗
II. Theil. A a ſam⸗
— | ̃¶ —ͤͤ8ĩrnn. —
dieſer Rechnungen ward hernach jedes dab
370 Sechſtes Buch.
ſammen, und legten ihre Rechnungen vor dem
Ynka, welcher Statthalter war, in Gegen⸗
wart des Curaka, ab. Da ſie von der Kunſl
zu ſchreiben keine Kenntniß hatten, ſo bedien⸗
ten ſie ſich anſtatt der Rechnungen und He:
gifter der Quippus, einer Art von Schnüren,
in welche man Knoten kruͤpfte „ und rechne:
ten damit eben fo richtig und ficher, als wit
mit geſchriebenen Zahlen. Ich werde von die:
fen Quippus, damit man mich hier deſto leich
ter verſteht, alsbald Nachricht geben. Ver
mittelſt dieſer arithmetiſchen Zeichen legten die
fe Rechnungsfuͤhrer dem Statthalter und Cu
raka auf das deutlichſte vor Augen, ne
Dienfte jeder Unterthan dem Könige ode
dem Staate gethan, wie viel an Kleidung,
Waffen, Geraͤthe, Gold, Silber, Kupfer
Wolle, Feldfruͤchten und dergleichen, in di
öffentlichen Magazine gekommen, wie viel mat
daraus zum Gebrauch angewendet, und 5
viel noch vorraͤthig ſeyx. Der Hauptinnhal
von den Statthaltern wieder dem König
1 *
Na 0
}
Sechſtes Buch. 371
Nach Abnahme dieſer Rechnung legte der
Statthalter den Richtern und Einnehmern
wiederum die Befehle des Königs vor, in wels
chen angezeigt war, was fuͤr Dienſte er von
ſelbiger Provinz verlange: dieſe wurden auf
das gerechteſte und billigſte auf die Untertha⸗
nen vertheilt und die erwaͤhnten Unterbefehls⸗ a
haber zeigten den Auffehern über tauſend, e
über hundert und über zehn Mann an, wass 74
dieſes Jahr geſchehen muͤſſe. Die Untertha⸗
nen, welche nach obenbeſchriebener Art nie a
übernommen wurden, erfüllten die Befehle
der Ynkas mit Freuden und behielten Zeit
gnug übrig, nicht nur ihre eigenen Angeles | 4
genheiten zu beſorgen, ſondern auch einen 1 109
groſſen Theil des Jahres über, im Schooſſe 6 | 2
ihrer Familien, der Ruhe zu genieſſen. Außer⸗ N
dem waren fie gewiß verſichert, daß die Arbeit, 10 0 |
die fie, wegen ferner Feldzuͤgen, nicht ſelbſt 5 |
thun konnten, Andere für fie verrichten mußten.
Endlich war noch ein Geſez, welches be⸗
fahl, daß alles, was nach den beſtrittenen
Ausgaben des Koͤnigs, an Kleidern, Feld⸗ 1
früchten und andern nuͤzlichen Dingen, in den Wr 1
| A a Bora \
| ̃¶— l! — -
37 Sechſtes Buch.
Vorrathshaͤuſern des Koͤniges und der Son
ne, welche in den Städten waren, noch übrig‘
blieb, in die groſſen Magazine gebracht und
zur Unterſtuͤzzung der Unterthanen angewen⸗
det werden ſolte. 3
Um das, was ich von dieſen Rechnungen
ſage, ein wenig deutlicher zu machen, will ich
hier, ſo gut es moͤglich iſt, die Quippus be⸗
ſchreiben. I
Quippus find Bündel von woͤllnen Faden,
die folgendergeſtalt verfertigt ſind: An einem
ſtarken Faden von beliebiger Lange und bes
ſtimmter Farbe, find eine Anzahl anderer Fa⸗
den von mancherley Farben angereihet, die
ohngefehr die Staͤrke eines mittelmaͤßigen
Bindfadens haben. Jeder von dieſen Fade
iſt gemeiniglich aus drey duͤnnen Faden .
ſammengedrehet, die entweder alle drey vo
Einer, oder von verſchiedenen Farben fi nd;
ihre Länge beträgt gewoͤhnlich drey viertel El⸗
len. Duippu heiſſet rechnen, oder auch eine
Rechnung; man konnte auch durch dieſe
Buͤndel Faden nichts anders, als Zahlen un
Rechnungen ausdrucken. 6 4
. Die
Sechſtes Buch. 373
Die Farbe des ſtarken Bindfadens, wor⸗
an die andern angereihet waren, druͤckte gleich⸗
ſam die Uiberſchrift der Rechnung aus; ob
es nemlich die Rechnung der Einwohner einer
Stadt, oder die Muſterrolle der Soldaten
einer Provinz, oder der verrichteten Arbeit,
oder der Vorraͤthe in einem Magazine u. ſ. f.
war. Die Farbe der herabhangenden Faͤden,
ſie mochte nun einfach, oder zwey- oder drey⸗
färbig ſeyn gab wieder beſondere Bedeutungen.
In dieſe Faͤden wurden beym Gebrauch Kno—
ten geknuͤpft, welche die Zahlen, die man an⸗
deuten wolte, ausdruͤckten. An die herabhan⸗
genden Faden knuͤpfte man zuweilen, wenn
es nöthig war, kleinere in die Queere, welche
den Mangel oder die Ausnahmen anzeigten.
Die hoͤchſte Reihe Knoten, nahe am ſtarken
Faden, bedeutete die groͤßten Zahlen, zum
Beyſpiel 10,000. Die folgende herunterwaͤrts
5000, weiter 1000, 500, 100, 50, 40, 30,
20, 10 und dann die einzelnen Zahlen. In
einem Regiſter, welches die Einwohner einer
Stadt, oder Provinz enthielt, zeigte der vor⸗
derſte Faden die Greiſe an, welche keine Dien⸗
1 A a 3 ſte
den Quippus machen konnte, überfehen, un |
374 Sechſtes Buch.
ſte mehr thaten, der zweyte, die Dienſtfaͤhige
Maͤnner, der dritte die Weiber, der vierte die
Jünglinge, der fünfte die Mädchen, der ſech⸗
ſte die Kinder des Einen und der ſiebente di
Kinder des andern Geſchlechts und ſo for
Aber ich hoffe, daß der Leſer nun mit einem |
Blicke den ganzen Gebrauch, welchen man vo
ſich leicht vorſtellen wird, daß man durch ſelbi⸗
ge weder artikulierte Worte, noch die Empfin⸗ N
dungen feines Herzens, wie in Briefen, aus
zudrücken vermögend war. Dennoch dienten
ſie zwiſchen den Ynkas und ihren Feldherren,
oder Statthaltern, als Chiffern; und die, wel⸗
che beſtellt waren, die Geſchichte des Reichs
zu wiſſen und wenn es erfodert wurde, zue 2
zählen, erſahen aus felbigen die Zahlen der
Jahre, der Heereszuͤge, der Truppen, der
Feinde, der Gebliebenen und ſo fort. Das
Uibrige, was in der Geſchichte merkwürdig N
war, mußten die Amautas in kurze Erzaͤhlun⸗
gen oder die Aravek, oder Dichter in Geſaͤn⸗
ge bringen, damit man es deſto leichter behal⸗
” koͤnnte und die, welche über das Archiv,
| or
|
Sechſtes Buch. f 375
der die königlichen Quippus in Cusko ge
ezt waren, mußten die Erzählungen, oder
Befänge auswendig lernen; fo wurden die
bornehmſten Begebenheiten vom Vater auf
en Sohn fortgepflanzt. }
Alle Aufſeher über die Quippus wurden
nit einem allgemeinen Namen Rechnungsfuͤh⸗
er oder Quippukamayun genennt. Wer dieſes
Amt verwaltete, lebte auf königliche Unkoſten,
und war frey von allen andern Verrichtun⸗
zen. In jeder kleinen Stadt waren wenig⸗
ſtens viere, in groͤſſern mehrere, und in Cus⸗
ko ſehr viele. Sie wurden unter den be⸗
Be ausgeſucht und ſehr hoch geſchaͤt.
Drey und zwanzigſtes Kapitel.
Getz von den wilden Thieren, und von
den koͤniglichen Jagden.
m Reiche der Ynkas wurde kein Muͤßig⸗
* gaͤnger geduldet; allein dieſe Könige hiel⸗ |
ten nicht nur in fo ferne über dieſes Geſez,
daß fie die Muͤßiggaͤnger ſtraften, ſondern fie
hatten auch Geſezze, welche ſolche Beſchaͤfti—
gungen verboten, die Gelegenheit zum Muͤßig⸗
Aa 4 gange
376 Sechſtes Buch.
gange geben. Zum Beyſpiel: Niemand durf⸗
te bloß zum Vergnuͤgen in den Provinzen de
Reichs herum reiſen: Niemand durfte jager
Es war im ganzen Reiche ausdruͤcklich
verboten, irgend ein Wildpret, es mochter
Voͤgel oder vierfuͤßige Thiere ſeyn, zu toͤd
ten, außer Rebhuͤner und Tauben fir die
Tafel der Statthalter und Curakas. Den
noch durften nur wenige dieſer Thiere getöde
tet werden, und man mußte Befehl von der
Obrigkeit dazu haben. Niemand toͤdtete alſo
ein Wild in dieſem Reiche, weil jedermann |
wußte, daß die Geſezze der Ynkas nie un⸗
geſtraft verlezzet wuͤrden. =
Nur der König und die Generafftasgal |
ter ſtellten alle Jahre eine groſſe Jagd an,
welche Chaku genennt wurde. Dieſe gefcha: |
he folgendermaaſſen: Zu einer gewiſſen Jah⸗
reszeit ließ der Koͤnig bekannt machen, daß
er an einem beſtimmten Tage, in einer ange-
zeigten Provinz, eine allgemeine Jagd halten
wurde. Alsdann gab er zwanzig bis drey⸗
ßigtauſend Mann Befehl, an einem gewiſſen
Orte, im freyen Felde zu erſcheinen. Hierauf
beſtimm⸗
Sechſtes Buch. 377
beſtimmte der Ynka Berge und Fluͤſſe, die
Jedermann bekannt waren, zu Graͤnzen
der Jagd, und die verſammelte Mannſchaft
fing an, ſich auf beyde Seiten auszubreiten,
ſo daß der Kreis der Jaͤger einen Raum
von ohngefehr funfzehn, bis zwanzig Meilen
einſchloß. Wenn die beyden aͤußerſten Enden
dieſes Kreiſes, an dem, ihnen angezeigten
Orte zuſammen geſtoſſen waren, ſo ſing der
Kreis an ſich zu verengen, und die wilden
Thiere wurden nach und nach in eine von
Wäldern und Gebüfchen freye, Gegend ge
trieben. Die reiſſenden Thiere, Löwen, Bis
ren, Füuͤchſe, Luchſe, welche man Ozkollo
nennte, wurden fo, wie man fie antraf, todt⸗
geſchlagen; andere wilde Thiere, als Rehe,
Damhirſche, Gemſe, Huanakus, Vikunnas
und ſo fort, fingen ſie lebendig, und ihre
Anzahl belief ſich zuweilen auf vierzigtauſend
Stuͤck. Von den beyden leztern Arten tödte—
ten ſie nur die Aelteſten, welche zur Zucht
nichts mehr taugten, den Uibrigen ſchoren
ſie die Wolle ab, und lieſſen ſie alsdann wie⸗
der laufen. Die Weibchen von den Neben
Nan A und
| | ̃— ⅛U—— —
378 Sechſtes Buch.
und Damhirſchen, nebſt den Maͤnnchen, d
noch zur Zucht ſehr gut ſchienen, erhielten
auch ihre Freyheit wieder.
Wenn die Jagd geendiget war, ſo nahm
man vermittelſt den Quippus ein genaues
Verzeichnis von allem Wildpret, welches war
gefällt worden, und der König ließ das Fleiſch,
welches in Peru ſehr ſelten war, mit der
größten Billigkeit unter alle, welche bey de j |
Jagd geweſen waren, austheilen; auch die
Wolle der Huanakus ward unter das Volk
ausgetheilt, aber die Wolle von den Vikun⸗
nas behielt der König, und theilte davon den
Prinzen vom Gebluͤte und den Curakas mit;
denn es durfte niemand, als ſolche vorneh⸗
me Perſonen Kleider von dieſer außerordent-⸗
lich feinen Wolle tragen. |
Die Provinzen um Cusko herum waren
in vier Quartiere eingetheilt, und in jedem
ward alle vier Jahr einmal koͤnigliche Jagd
gehalten. Die wilden Thiere hatten alſo FR |
gnug, ſich zu vermehren. I
In den vier groffen Abtheilungen des
Reichs, welche man Tahuantinſuyu zu nen⸗ |
nen
Sechſtes Buch. 379
nen pflegte, hielt es jeder Vizekoͤnig und
Ynka Statthalter eben fo. Auf dieſe Art
wurde das Volk mit Wolle, zum täglichen
Gebrauch verſehen; bekam wenigſtens einmal
im Jahre einen Uiberfluß an gutem Fleiſche,
welches ſie theils gleich mit den Ihrigen ver⸗
zehrten, theils doͤrreten und aufbewahrten;
und die reiſſenden Thiere wurden verhindert
im Lande ſich zu ſehr zu vermehren. Bey der
königlichen Jagd um Cusko war allezeit der
Konig, und bey der in den Provinzen der
Vizekoͤnig, oder Ynka Statthalter zugegen.
g Vier und zwanzigſtes Kapitel. |
Von einigen merkwürdigen Thieren in die
ſem Reihe Ä
E. it meine. e Abſt cht nicht, von allen Thie⸗
ren, die vor der Ankunft der Spanier
im Reiche der Ynkas gefunden wurden, zu
handeln; dieſes wuͤrde meine Geſchichte ohne
Nothwendigkeit vergröffern: ich will nur eine
kurze Uiberſicht davon geben, und einige merk⸗
würdige darunter, die nähere Beziehung auf
meinen Gegenſtand haben, beſchreiben. 5
380 Sechſtes Buch.
Ich habe ſchon geſagt, daß die Einwoh⸗
ner dieſes Reichs kein anderes zahmes Vieh
hatten, als die Huanakus, Pacos und eine
Art von Kaninchen, welche ſie Coy nennten.
Von den wilden Thieren habe ich bey der
Beſchreibung der allgemeinen Jagd auch ver⸗
ſchiedene genennt. Es giebt wen in dieſem
Lande, aber ſie ſind weder ſo groß noch ſo
grimmig, als die in Afrika. Es finden ſich
auch Baͤren hier, aber in geringer Anzahl
und nur auf den kalten Gebuͤrgen gegen Mit⸗
tag zu. Die Tiger, welche das Gebuͤrge An⸗
tis unſicher machen, ſind von der grauſamſten
und boshafteſten Natur, wie in andern Lan⸗
dern. Luchſe finden ſich auch in ziemlicher
Anzahl, ſo wie verſchiedene andere Arten von
Fleiſchfreſſenden Thieren. Affen und Meer⸗
kazzen aber giebt es, ſonderlich in den Laͤndern
nach der Linie zu, in unbeſchreiblicher Menge.
Von Schlangen werden verſchiedene Arten
gefunden: Auf dem Gebürge Antis laͤſſet ſich
eine Gattung von Schlangen ſehn, welche
die Ynkas Amaru nennten, deren Länge 30
bis 32 Schuh beträgt.
| on
a
Sechſtes Buch. 381 0
Die Einwohner dieſes Landes hatten kein | |
zahmes Fluͤgelwerk, außer gewiſſen kleinen
Gaͤnſen. Die mancherley wilden Vögel find |
unmöglich alle in einem fo kurzen Raume, ’
als ich mir vorgezeichnet habe, zu beſchreiben. N
Es giebt allerley Arten von Adlern und Fal- |
ken hier; auch findet man hier eine Gattung |
von Raubvoͤgeln, welche fonft an keinem Orte
in der Welt angetroffen wird. Die Einge⸗
bohrnen nennen einen ſolchen Vogel Cuntur,
die Spanier aber Condor. Er iſt ſo groß,
daß die, welche, um ihn genauer zu beſchrei⸗
ben, Einen davon gemeſſen, gefunden haben,
daß von der Spizze Eines Fluͤgels bis zu
der Spizze des Andern, wenn er ausgebreis
tet auf der Erde liegt, eine Weite von ſech⸗
zehn Schuhen iſt. Was den Cuntur von
allen andern Naubvögeln unterſcheidet, iſt Dies
ſes, daß er keine Faͤnge oder Krallen an den
Fuͤſſen hat, wie die Adler, oder Falken, ıc.
ſondern feine Füffe find den Huͤnerfüſſen gleich;
er wuͤrde ſonſt ohne Zweifel mehr Schaden
thun. Sein Schnabel hingegen iſt ſo hart
und ſtark, daß er eine Ochſenhaut damit
N durch⸗ -
382 Sechſtes Buch.
durchſtoſſen kann. Zwey Cunturs ſind ver—
mögend einen Stier, oder eine Kuh umzubrin
gen. Sie pflegen ſich alsdann darauf zu ſez⸗
zen und das Thier, gleich hungrigen Woͤlfen,
zu verzehren. Man hat Beyſpiele, daß fie
Kinder von zehn bis zwoͤlf Jahren getödtet und
zur Beute gemacht haben. Sie ſind ſchwarz
und weiß geflecket, wie die Elſtern und 7
auf dem Kopfe einen Kamm, wie ein Hahn,
nur daß er nicht gezacket iſt. Sie machen
im Fliegen ein ſolches Geraͤuſche, daß die,
welche aͤn dem Orte ſtehen, wo ſie nieder⸗
ſchieſſen, ganz davon betaͤubet werden. Dieſe
Voͤgel laſſen ſich in geringer Anzahl ſehen,
wie alle Gattungen groſſer Raubvoͤgel. Eine
groſſe Anzahl ſolcher Voͤgel, wuͤrde auch i |
der That ein Land gar bald von kleinen Thie⸗
ren entbloͤſſen. b
So wie man in dieſem Lande die groͤßte
Art von Voͤgeln findet, ſo hegt es auch die
|
kleinſte Gattung. Die Eingebohrnen nenne j
fie Quenti, die Spanier Tomineios; bey uns
aber ſind ſie unter dem Namen des Colibri
bekannt. Ich ſage nichts weiter von dieſem
|
klei⸗
Secchſtes Buch. 383
kleinen Geſchoͤpfe, weil man feine Beſchrei⸗
bung ſchon in vielen Büchern findet; es iſt
der kleinſte ſowohl als der ſchoͤnſte Vogel uns
ter allen gefiederten Thieren, die man kennet.
Derjenige Vogel aber, welcher vorzuͤglich
eine Stelle hier verdient, iſt der Coraquenque.
Ich habe in der Abſchilderung des Anzuges
des Capak Ynka geſagt, daß er allezeit zwey
Federn von dieſem Vogel auf beyden Seiten
der Stirne, Eine von der Andern ein wenig
entfernt in ſein Llauta ſteckte; ich muß alſo
noch kuͤrzlich erwaͤhnen, was dieſes fuͤr eine
Art von Vögeln iſt, und wo der Inka die⸗
ſe Federn herbekoͤmmt.
Ohngefehr dreyßig Meilen von Cus ko
gegen Morgen, am Fuſſe des groſſen Schnee⸗
gebuͤrges iſt eine wilde Einoͤde, welche man
Villkanuta nennet. In dieſer wuͤſten und
einſamen Gegend iſt ein Moraſt, bey wel⸗
chem ſich die Coraquenque aufhalten. Man
verſichert insgemein, daß man nie mehr
als zwey von dieſen Vögeln zugleich zu ſe⸗
hen bekommt; nemlich einen Hahn und eine
Sie. Man weiß nicht wo ſie herkommen,
noch
384 Sechſtes Buch.
noch wovon ſie ſich naͤhren, und die Aehnlich 1
keit der Geſtalt und Farbe hat vermuthlich |
gemacht, daß man geglaubet hat; es waͤren
beftändig eben dieſelben. Eine Fabel, die
der vom Phoͤnix ähnlich, nur ein wenig ver-
nünftiger iſt. Der Coraquenque hat er
fehr die gröffe eines Falken, aber hohe Bei⸗
ne und ſeine Federn ſind ſchwarz und weiß
geſprengt 8
Die Ynkas, welche zu glauben —
daß dieſe beyden Voͤgel die einzigen ihrer
Art in der Welt waͤren; hielten ſie fuͤr ein
Sinnbild des Manko Capak und der Ma⸗ |
ma Oello und beſtimmten ihre Federn zu
dem heiligem Gebrauche, daß fie ein koͤnig⸗
licher Schmuck im Diadem des Capak Yn⸗
ka ſeyn ſolten, den er allein tragen durfte.
So oft ein neuer Capak Pnka den
Thron beſteigen wolte, wurden Jaͤger in die
Wuͤſte Villkanuta geſchickt. Dieſe ſchlichen
den heiligen Voͤgeln, ſo geſchickt und leiſe
als fie konnten, fo lange nach, bis fie einen
davon fingen. Sie nahmen ihm die erſten
Federn in beyden Fluͤgeln, und gaben ihm
als⸗
Sechfes Buch. 385
alsdann ſeine Freyheit gewiſſenhaft wieder.
Mit den beyden Federn, welche der vorher⸗
gehende Capak Pnka getragen hatte, wurde
auch allemal ſein balſamirter Koͤrper ge⸗
ſchmuͤckt, ehe man ihn in den Sonnentem⸗
pel ſezte; ſein Nachfolger mußte ſich alſo
nothwendig mit andern verſehen.
Fuͤnf und zwanzigſtes Kapitel.
Von den Verheyrathungen der Ynkas
und ihrer Unterthanen. Wie ſie ihren
Kindern Namen gegeben.
De Geſchlecht der Ynkas war ungemein
zahlreich, und konnte ſich in den lezten
Jahren vielleicht auf zwanzigtauſend Seger
belaufen.
Alle Jahr pflegte der Koͤnig, zu einer ge⸗
wiſſen Jahreszeit alle unverheyrathete Juͤng⸗
linge und Maͤdchen von dem Geſchlechte der
YVnkas, welche verheyrathet werden ſolten,
in Cusko zuſammen kommen zu laſſen. Die
ungen Mannsperſonen mußten fünf und
zwanzig, und die Mädchen ſechzehn. Jahre
ut ſeyn.
II. Theil. Bb Wenn
386 Seechſtes Buch.
Wenn die Ceremonie vor ſich gehen ſol⸗
te, ſo wurden alle Candidaten des Eheſtan
des von ihren Anverwandten auf einen groſ⸗
fon Plaz vor dem königlichen Pallaſte ges
führt. Die jungen Leute ſtellten ſich in einen
Kreiß, und der König trat in die Mitte def
ſelben. Die zu Verheyrathenden ſtunden ſo,
wie fie einander gefallen hatten, ſchon Paar-
weiſe beyſammen, und der Koͤnig rufte Ei |
Paar nach dem Andern zu ſich. Er ergrif
ihre Hände, legte fie in einander, ließ fi e
das eheliche Verſprechen thun, und führte ſie
ihren Eltern, oder Anverwandten wieder zu.
Hierauf verfuhr er mit dem folgenden Paare
eben ſo, dann mit dem Dritten und ſo fort,
bis ſie alle vereiniget waren.
Ein jedes Brautpaar begab ſich nach
vollbrachter Ceremonie in das Haus des Va⸗
ters vom Braͤutigam und die Hochzeit ward
drey bis vier Tage lang gefeyert, 1 8 ſon⸗
derlich viel getrunken ward.
Nachdem der Capak Ynka die Perſonen
von feiner Verwandſchaft auf dieſe Art vers
heyrathet hatte, verrichteten gewiſſe, dazu ab
-
Sechſtes Buch. 387
geordnete Miniſter eben dieſes in den verſchie⸗
denen Vierteln der Stadt Cusko; die ges
ſezten Obrigkeiten in den andern Staͤdten; die
Statthalter in den Hauptſtaͤdten der Provin⸗
zen und die Curakas in ihren Landſchaften.
Dabey durfte aber niemand aus feinem Vier-
tel der Stadt in ein Anderes, noch aus Ei—
ner Stadt in die Andere heyrathen: Mit ei⸗
nem Worte, das Brautpaar mußte aus Eis
ner Familie ſeyn; faſt ſo wie in den alten
Zeiten die Israeliten nicht aus ihren Staͤm⸗
men heyrathen durften.
Jedes neuverheyrathete Paar, bekam ei⸗
ne neue Wohnung. War es aus der Fa⸗
milie der Ynkas, fo mußte ſie ihm durch die
Einwohner derjenigen Provinz, der es zuge—
theilt war, erbauet werden, welche um ſo
viel Tage, als es dauerte, mit anderer Ar⸗
beit verſchont wurden. Fuͤr die andern neu⸗
en Ehepaare mußten die Gemeinheiten der
Staͤdte die Haͤuſer beſorgen: die Kleider gab
ihnen der König, und den andern Hausrath
die Eltern und naͤheſten Anverwandten: Das
Stück Feld aber, worauf ſie ihren Unterhalt
Bb 2 bau
388 Sechſtes Buch. |
bauen konnten, erhielten fie, wie ich 0
geſagt habe, von dem allgemeinen Antheile,
oder wenn dieſes nicht hinreichte von dem
Antheile des Königes, durch die Statthalter;
ſie konnten es aber nie verkaufen, oder ur
veräußern. Im ganzen Reiche der Ynkas
gab es alſo keine eigentliche Armen. f
Wenn der Erſtgebohrne Sohn in einer
Familie gewohnt wurde, geſchahe es allezeit
mit groſſen Ceremonien, und einem darauf
folgenden Schmauſe.
Sobald das Kind zwey Jahre alt war,
mußte es gewöhnt werden, wobey ſich die
ganze Verwandſchaft verſammelte. Die Mut⸗
ter hielt den Knaben auf dem Schooſſe, und
derjenige unter den Anverwandten, welcher,
nach unſerer Art zu reden, zum Pathen er⸗
waͤhlt war, ſchnitt ihm mit einem ungemein
ſcharfen Feuerſteine eine Locke von den Haas
ren ab, welche er mit auf die Welt gebracht
hatte; denn vor dieſer Zeit durfte ihm kein
Haar abgeſchnitten werden. Auf den Pathen,
oder zweyten Vater, folgten die andern Ver-
wandten, nach dem Alter, in der Reihe.
War
U
|
|
Sechſtes Buch. 389
War der ganze Kopf des Kindes, nach ih-
rer Mode beſchoren, ſo legten ſie ihm, mit
gemeinſchaftlicher Bewilligung einen Namen
bey, denn eher hatte es keinen Namen, und
beſchenkte es mit allerhand Dingen, die ihm
einmal nuͤzlich ſeyn konnten; worauf ſich das
Feſtin anfing. Sie tranken übermäßig, fie
tanzten und ſangen die ganze Nacht hindurch,
und ſezten dieſe Luſtbarkeiten verſchiedene Ta⸗
ge lang fort.
Ben dieſer Gelegenheit will ich doch eine
kleine Probe von dem Genie der allgemeinen
Sprache von Peru geben, denn die Ynkas
hatten ihre beſondere Sprache. Das Wort
Sohn war. in dieſer Sprache durch zwey
Wörter ausgedruͤckt: Churi und Uaug. Der
Vater ſagte allezeit Churi, wenn er ſagen
wolte: Sohn, und die Mutter Uaua. Wenn
ein Bruder ſagen wolte: Bruder, ſo bediente
er ſich des Wortes Uauque; eine Schweſter
aber nennte ihn Tora. Wolte Eine Schweſter
die Andere nennen, fo gebrauchte fie den Aus—
druck: Nanna; ein Bruder aber mußte ſagen:
91 Wer dieſes nicht beobachtete, verwech⸗
Bb 3 ſelte
390 Sechſtes Buch.
ſelte die Geſchlechter und redete unverſtaͤndlich. |
In andern Dingen verhielt es ſich ebenfalls
alſo. Die peruaniſche Sprache war ungemein
ſchwer, und wenig Spanier haben ſie recht
verſtanden. 5
Sechs und zwanzigſtes Kapitel.
Von den Familieneinrichtungen, und dem
Hofſtaate der Ynkas.
Wir haben in einem der vorhergehenden
Kapitel, von den praͤchtigen Pallaͤſten,
und Gaͤrten der Könige von Peru eine ger
ringe Beſchreibung gemacht; wir haben ihre
Hoheit, ihre Geſezze, ihre Einkünfte, ihre
Reichthümer, ihre Macht im Kriege und im \
Frieden, und ihre ganze Regierungsart be⸗
ſchrieben; es bleibt alſo noch übrig, daß wir
Etwas von ihren Familieneinrichtungen und
von ihrem Hofſtaate melden. |
Manko Capak machte die Einwohner von
Peru glauben, er und feine Gemalin Coya
Mama Oello wären Kinder der Sonne und
des Mondes. Sonne und Mond waͤren Ge⸗
ſchwiſter, und haͤtten einander geheyrathet;
und
=
#1 I
Sechſtes Buch. 391
und mit ihm und ſeiner Gemalin habe es eben
die Beſchaffenheit: daraus floß nun das Geſez,
welches er gab; daß der Erbe des Reichs
allemal ſeine aͤlteſte Schweſter zur Gemalin
nehmen mußte; bekam er mit dieſer keine
männlichen Erben, fo heyrathete er die Zwey⸗
te; war keine vorhanden, ſo vermaͤlte er ſich
mit der naͤchſten Prinzeßin vom Gebluͤte, wel⸗
che ſowohl von vaͤterlicher, als von muͤtterli—
cher Seite vom Manko Capak abſtammte.
Solche Gemalinnen bekamen allein den Tit⸗
tel Coya, oder regierende Koͤniginnen. Außer
dieſer hatte der Capak Pnka noch unzaͤhli⸗
che andere Gemalinnen: Kinder, die er mit
einer Tochter eines Ynka erzeugt hatte, wur⸗
den für rechtmäßig gehalten, und waren,
wenn die Kinder der Coya vor der Zeit ges
ſtorben waͤren, Regierungsfaͤhig. Die Soͤh⸗
ne aber, welche ihm eine Fremde gebohren
hatte, waren unaͤcht, und konnten in keinem
Falle den Thron beſteigen, ſo lange noch ein
aͤchtgebohrner Ynka lebte. So hatte, zum
Beyſpiel die Prinzeßin von Quito dem Hu⸗
W Capak den Atahuallpa gebohren, wel⸗
Bb 4 cher,
392 Sechſtes Buch.
cher, nach den im Reiche der Ynkas ge
wohnlichen, Geſezzen den Thron von Cusko
nie haͤtte beſizzen koͤnnen, weil viel tauſend
Ynkas lebten, die ein näheres Recht dazu
hatten, als er. Sobald dieſer Tyranne alſo |
die Gewalt befam, ließ er nicht nur feinen
Bruder Huaskar, den rechtmäßigen König,
fondern auch alle Ynkas von koͤniglichem Ge⸗
blüte toͤdten, damit ihm niemand den Zepter
moͤchte ſuchen zu entreiſſen. 1
Die Geburt eines Kronerben ward alle
zeit mit groſſen Feyerlichkeiten begangen, noch
groͤſſere aber ſage man, wenn er gewohnt
ward, und einen Namen bekam. Der Groß⸗
priefter vertrat allezeit Pathenſtelle, und ſchnitt
ihm die erſte Locke ab; alle Prinzen und Cu⸗
rakas beſchenkten ihn mit Koſtbarkeiten von
Gold, Silber und Edelgeſteinen; und das
Feſt, welches gegeben wurde, waͤhrete zwan⸗
zig Tage. Taͤnze, Geſaͤnge und andere Luſt⸗
barkeiten wechſelten dabey Tag und Nacht
mit einander ab. Huaͤyna Capak ließ bey
der Gelegenheit der Gewoͤhnung ſeines aͤlte—
ſten Prinzen Huaskar, die beruͤhmte goldene
Kette
I.
1
9
Sechſtes Buch. 393
Kette machen, um dieſes Feſt beſonders aus⸗
zuzeichnen, und der Name, welchen die An⸗
verwandten dieſem Prinzen gaben, hatte eine
ee auf dieſe Kette.
Im ſechzehnten Jahre ward ein Fr
a zum Ritter gemacht, und für den Kron⸗
prinzen erklaͤrt; aber die Feierlichkeiten dieſes
großen Feſtes, nebſt allen Ceremonien, welche
dabei beobachtet wurden, habe ich ſchon be=
ſchrieben. Nunmehr ſieng er an, ein Kom⸗
mando im Kriege zu fuͤhren, und im Frieden
die Provinzen des Reichs zu durchreiſen, da⸗
mit er ſeine kuͤnftigen Unterthanen, und fi ie.
ihn möchten kennen und lieben lernen.
Inm fuͤnf und zwanzig ſten Jahre ward er
mit feiner) erſten Gemalin und rechtmaͤßigen
Koͤnigin verbunden; bei welcher Gelegenheit
wieder allen Ynkas, Curakas und den Eins.
wohnern von Cusko ein zwanzigtaͤgiges Fest '
gegeben ward.
Sobald ſein Vater aufhörte zu leben,
— Llauta, oder die königliche
Stirnbinde nach unſerer Art zu reden, das,
Diadem, an zuaſteckte zun beiden Seiten der
Nouad Bb 5 Stir⸗
*
*
394 Sechſtes Buch.
Stirne die zwei erſten Federn aus bei N
Fluͤgel des feltenen Vogels Coraquenque,
und zeigte ſich alsdann ſeinen Unterthanen
als König. Er ließ den Leib feines Vaters,
nach der Kunſt einbalſamiren, und ihn, mit
den fchonften Kleidern angethan, und mit
dem Llauta und den Federn des Coraquen⸗
que gefhmüct, auf einem goldenen Throne,
in den Tempel der Sonne ſetzen. Einen gan⸗
zen Monat hindurch ward der verſtorbene Ca⸗
pak Ynka beweint; es wurden ihm zu Ehren
in allen Vierteln der Stadt Cusko große Auf⸗
huge angeſtellt, und feine Thaten und große
Eigenſchaften, wurden in Lobliedern beſungen.
Allein hierdurch war die Trauer noch nicht ges
endiget; ein ganzes Jahr hindurch wurden
dieſe Ceremonien, in jedem Monate, acht Ta⸗ \
ge lang wiederholt. Ja viele von feinen liebs
ſten Dienern toͤdteten ſich ſelbſt um nr nicht
zu überleben, |
Der neue Capak Pnka bezog nie das
Zimmer, in welchem ſein Vater gewohnt hat⸗
te; er bediente ſich auch keines von allen den
Geraͤthen, die jener gebraucht hatte. Oft
bauete
LEBER
—
4
Sechſtes Buch. 395
bauete er ſich fogar einen neuen Pallaſt, wel⸗
cher aber gemeiniglich praͤchtiger war, als der,
ſeines Vorfahren. |
In dieſem Pallaſte wurde er fo herrlich
bedient, als irgend einem Könige in der als
ten Welt wiederfahren iſt Von ſeinen Mi⸗
niſtern, Feldherren, Statthaltern, welche
allemal Ynkas von Geburt waren, und an⸗
dern Staatsdienern habe ich ſchon im Vor⸗
hergehenden geredet; die Diener ſeines Hau⸗
ſes aber waren ins geſammt aus denen zunaͤchſt
um Cusko herum gelegenen Staͤdten, welche
don dem Ynka Manko Capak zuerſt ange⸗
legt, und mit dem Namen Pnkas waren ber
gnadiget worden. Sie wechſelten mit jedem
Mondesviertel mit einander ab, und hielten
es ſich fuͤr die groͤßte Ehre, den Capak Inka
zu bedienen, ſie mochten zu den hoͤchſten oder
zu den niedrigſten Dienften bei der Hofſtatt
des Koͤnigs gebraucht werden. Von dieſen
Staͤdten wurden weiter keine Weh oder
Dienſte gefod ert.
Nie ließ ſich der Kdo zſſentlich fehen, dat
* ic auf nem ganz güldmen, Stuhle,
W weh
— —
396 Sechſtes Buch.
welcher auf einer guͤldenen Platte ſtand, ge⸗
tragen wurde. Die Traͤger waren allezeit aus a
den beiden Landſchaften Rukana und Hatun⸗ |
Rukana, in welchen, wie man glaubte, die
ſtaͤrkſten Männer geboren wurden. Dieſe deu⸗
te wurden von Jugend auf in der Geſchicklich!
keit geübt eine Laſt, ohne zu ſtraucheln, oder
zu fallen, auf ihren Gchultern zu tragen, und
—
der Großtraͤger mußte für ihre Treue und Fer⸗
tigkeit ſtehen. Sie thaten von ihrem fuͤnf und
zwanzigſten abis zu ihrem vierzigſten Jahre
wechſelsweiſe! Dienſt e.
Bei der Hofhaltung des Koͤnigs gieng jaͤhr⸗
lich eine un gemeine Menge Getraͤnke auſz weil
er die unumgäslichſte Ehrenbepetgung Jade
man Jemanden anthun konnte, war, daß man
ihm zutraul/ und weil uberhaupt die Peruaner
den Trunk liebten Vom Fleiſche ward auch ſehr
viel im Pallaſte verzehrt, und vertheilt weil
alle Ynkas vom Geblüte zu Cusko ihr Fleiſch
vom Könige bekamen; das Getraide aber baues⸗
ten fie ſich ſelbſt. Daß der Koͤnig auch das
Jahr hindurch eine Menge; Kleider hat haben
muͤſſen, kann man daraus ſehen / daß er kein
an Kleid
Sechſtes Buch. 397
Kleid zweimal anzog; ſondern das, vom vori⸗
gen Tage, allezeit verſchenkte. b A 796
Alle zwei Jahr wurde jedem Unterthanen
des Reichs ſo viel Wolle gegeben, als er für
ſich und ſeine Familie brauchte, die andere wur:
de wieder in den Magazinen aufgehoben
Allen Vorſtehern des Volks im ganzen
Reiche war geboten darauf zu ſehen, daß nicht
nur von ihren Untergebenen keiner ein Müßig⸗
gäanger oder Verſchwender war, ſoͤndern daß
auch keiner an Getraide, Kleidern, oder irgend
Etwas Mangel litte. Sobald fie dieſes wahr⸗
nahmen, mußten ſie es, bel Strafe anzeigen,
und dem Durftigen wurde augenblicklich ge⸗
elend e ee eee Zu elch
Niemand gab eine Steuer von feinem Vet; _
mogen: Jedermann mußte nur dem Staate,
oder dem Könige eine gewiſſe Anzahl Tage
„Dienſte thun, und waͤhrend der Zeit wurde er
Lach aue dat Uffeadlinhen Okrorghafckmun⸗
erhalten. e n is: ent nendided
Kein Einwohner des Reichs burfietgenb
einen Verluſt, einen Aufwand, oder eine Laſt
befürchten / wenn ein Kriegsherr des Roͤniges
nen durch
|
|
1 Sechſtes Buch.
durch 905 Land zog; kein Soldat durfte a
dem Wege weichen, und die ganze Armee ward
beftändig aus den königlichen Vorrathshaͤuſern |
die an den Landſtraſen lagen, verſorgt. 4
* Aller dieſer Vortheile wegen, welche die
Unterthanen der Pnkas genoſſen, fuhrten dieſe
Könige den Tittel Vater der Voͤlker, und
Freunde der Armen: ihre Fußtapfen, die
Oerter wo ſie ſich aufgehalten, oder nur auf
ihren Reiſen verweilt hatten, wurden heilig
gehalten; und fie wurden von ihren Untertha⸗
nen angebetet. Nicht nur weil ſie von ihnen
fuͤr Kinder der Sonne, ihrer Gottheit, gehal⸗
ten wurden, ſondern weil ſie auch alle ſchmei⸗
chelhaften und ehrerbietigen Namen
die man Koͤnigen nur geben kann. **
Allein, warum habe ich mich doch bei bie
fe ganzen reizenden Beſchreibung, welche nur
durch die Schwäche meines Ausdrucks minder |
einnehmend iſt, beſtaͤndig des Wortes, war,
bedienen muͤſſen. Leider! iſt alle dieſe Herrliche
keit ſchon vor verſchiedenen Jahrhunderten ver⸗
ſchwunden. Das wohlthaͤtige Geſchlecht der
Sntas ward, bis auf wenige, von dem Tyran⸗
N nen
1.
A
75
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Scechſtes Buch. 399
nen Atahualpa ausgerottet, und er ſelbſt ver⸗
lor bald darauf das Leben. Der fchöne; Tempel
der Sonne iſt zerftöre; der nach Gold ſuchende
Geiz der Spanier hat keinen Stein auf dem
andern gelaſſen; die Pallaͤſte der Könige ſind
entſtellt, oder niedergeriſſen; die großen Vor⸗
rathshaͤuſer find ausgeleert und verfallen; die
mit ſo vieler Muͤhe angelegten Wege und
Waſſerleitungen, ſind von den Spaniern in
den, auf die Eroberung gefolgten, buͤrgerli⸗
chen Kriegen, mit Fleiß verderbt worden; die
meiſten Einwohner ſind durch das Schwerd
oder die harte Dienſtbarkeit der Europaͤer um⸗
gekommen, und der elende Ueberreſt ſchmach⸗
tet in einer ewigen Knechtſchafft.
So gieng innerhalb drei Jahren ein Reich
zu Grunde, deſſen Errichtung mehr als vier-
hundert Jahr erfodert hatte; deſſen Thron auf
die feſteſten Stutzen, die Gerechtigkeit , die
Liebe der Unterthanen und die zahlreichſte kö⸗
nigliche Fawilie gegruͤndet war: Wo das
Mein und Dein niemals die Eintracht der
Bürger ſtoͤrte; wo Reichthum und Armuth
niemanden erhob, oder herabſetzte, wo man
| feine
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Sechſtes Buch.
keine erdichteten Bedürfniſſe kannte; wo nie⸗
mand elend war, als wem die Natur dazu. ge⸗
macht hatte; und wo alle Unterthanen gewiſ⸗
ſermaſen eben ſo glücklich waren, als ihre Bes’
e Dieſes Reich, vielleicht das einzi⸗
ge, wo auf Erden Gluͤckſeeligkeit wohnen konn⸗
te, das ſeine Macht auf eine ſo wohlthaͤtige
Art, indem es wilde Barbaren zu Menſchen
umſchuf, uͤber ſiebenhundert Meilen von Suͤ.
den gegen Norden, und hundert und funfzig
Meilen von Oſten gegen Weſten ausgebreitet
hatte, ward auf Einmal, ſogar bis auf ſeinen
Namen, von der Oberflaͤche der Erde vertil⸗
get; und wo ehemals das große und glüctliheng
Reich der Ynkas war, iſt izt die, von einzel-
nen unterdruͤckten Eingebohrnen r
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