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Full text of "Geschichte des deutschen Kirchenliedes bis auf Luthers Zeit"

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GESCHICHTE 


DES 


DEUTSCHEN  KIRCHENLIEDES. 


GESCHICHTE 


DES 


DEUTSCHEN  KIRCHENLIEDES 


BIS  AUF  LUTHERS  ZEIT. 


VON 


HOFFMANN  VON  FALLERSLEBEN. 


ZWEITE  AUSaAUK. 


HANNOVER. 
CARL    RUMPLE  R. 

1854. 


Schrift  und  Druck  von  Fr.  Cul«mann. 


77X^/7 


SEINER  KÖNiaLICHEN  HOHEIT 

Carl  Alexander 

GROSSHERZOGE  ZU  SACHSEN 


DEM  HOCHHEBZIOEN  FORDERER 

DEUTSCHER  KUNST  UND  WISSENSCHAFl' 


DANKBAR  GEWIDMET. 


VORREDR 


JL/ie  Geschichte  des  deutschen  Kircheidiedes  ist  in  man- 
cher Beziehung  von  hoher  Bedeutung:  in  liturgischer, 
kirchen-,  litterar -historischer,  sprachlicher  und  musika- 
lischer« 

Sie  lehrt,  wie  auf  dem  G^ebiete  der  Liturgie  die  deut- 
sche Sprache  frühe  schon  sich  gegen  die  lateinische 
Liturgie  *),  den  Ordo  romanus  geltend  zu  machen  suchte 
und  wenn  auch  nie  zur  vollen  Geltung  gelangte,  doch  in 
und  neben  dem  lateinischen  Cultus  geduldet  wurde  **)• 

*)  Die  Alleingültigkeit  der  lateinischen  Sprache  im  litargischen  Qottea- 
dienste  der  abendländischen  Kirche  hat  sich  im  Lanfe  der  Zeit  von  selbst 
gemacht.  Pftpste  nnd  KirchenyerBammlnngen  beziehen  rieh  deshalb  nie  auf 
einen  früheren  Beschluss,  wonach  das  Latein  axr  Kirchensprache  eridXrt  wird, 
sondern  sie  gehen  von  der  Yoraossetzong  ans,  dass  sich  das  Latein  in  kirch- 
lichen Dingen  Ton  selbst  verstände.  So  denkt  denn  heutiges  Tages  die  ganae 
katholische  Qeistlichkeit  wie  Herr  Parasis,  Bischof  Ton  Langres,  der  sich  in 
seiner  Instruction  pastorale  sur  le  ehant  de  T^glise  (Bmxelles 
1846)  also  ausspricht:  La  langue  latine  ^tant  la  seule  quel'^glise  alt  adopttfe 
en  Occident  pour  son  culte  public,  il  n*est  Jamals  permis  d*en  remplacer  les 
paroles  par  des  chants  en  une  autre  langue,  quelque  pieux,  quelque  parfaits 
qu'ils   soient  d^aillenrs. 

**}  Darum  sind  auf  mehreren  Synoden  die  deutschen  Lieder  des 
Volks  erlaubt  worden.  So  bestimmt  s.  B.  die  Augsburger  vom  Jahre  1567 
(Hanheim  Concil.  YII,  164.):  antiquas  yero  et  catholicas  cantilenas  praeser- 
tim  quas  pii  maiores  nostri  germani  maioribus  ecclesiae  festis  adhibuerunt 
▼ulgo  permittimus  et  in  ecclesiis  yel  in  processionibus  retineri  probamus. 
—  Vgl.  die  Beschlüsse  der  Breslauer  Synode  vom  J.  1692,  Haraheim  VUI, 
391.   Gerbert  de  cantu  et  musica  sacra  II,  199. 


Sie  bestätigt  dem  Kirchenhistoriker,  dass  das  deut- 
sche Kirchenhed  von  jeher  der  Träger  und  Verbreiter 
neuer  Lehren  war  und  deshalb  von  der  Kirche  überwacht, 
als  gefährlich  betrachtet  und  oft  als  ketzerisch  verboten 
und  verpönt  war*) 

Sie  beweist  dem  Litterarhistoriker ,  dass  an  den  bei- 
den Hauptrichtungen  der  deutschen  Poesie,  an  der  Kunst - 
und  Volksdichtung,  auch  das  geistliche  Lied  von  den 
fiühesten  Zeiten  her  großen  Antheil  nahm  **),  einen  An- 
theil,  der  noch  über  die  Reformation  hinaus  sich  erhielt. 

Sie  zeigt  dem  Sprachforscher,  wie  eigenthümUch  sich 
früh  schon  die  deutsche  Sprache  zu  kirchlichen  und  reU- 
giösen  Zwecken  entwickelte,  und  leitet  den  Forscher  der 
alten  Musik  zur  Kenntniss  des  Ursprungs  vieler  jener 
schönen  erhabenen  Choralmelodien ,  welche  zunächst  aus 
den  Umdichtungen  weltlicher  Volkslieder  entsprangen. 

Die  Greschichte  des  deutschen  Kirchenliedes  bietet 
somit  eine  große  Mannigfaltigkeit  der  Erscheinungen  dar, 
und  es  kommt  in  ihr  öfter  eine  Frage  zur  Sprache ,  die 
immer  noch  unerledigt  ist  und  wie  früher  so  auch  filr  die 

*)  Damm  sagt  Corner  in  der  Vorrede  zu  seinem  Großen  Cntholischen 
Gesangbnche  1625:  'Und  ist  mir  anch  unverborgen,  dass  noch  auf  heut 
viel  fromme  andächtige  eiferige  Catholischo  vorhanden,  denen  das  deutsche 
Singen  nit  fast  lieb,  oder  auch  (wegen  der  Ketzer  Missbraucb)  wol  verdächtig 
ist,  die  auch  derentwegen  die  Arbeit,  ein  recht  catholisch  Gesangbuch  zu 
fertigen,   nicht  zum  Besten  angewendt  zu  sein  vermeinen.* 

**)  Schon  Hugo  von  Trimberg  sagt  in  seinem  Kenner  11080  ff. 
der  leien  lebe  durch  tiutschiu  lant 
sit.t  einveltic  unde  ba:;^  bckant 
danne  manec  kunst,  üf  die  geleit 
ist  gr6:;iu  kost  und  a>beit. 
Weinhold,   Weihnacht- Spiele   8.  382  fügt  sehr  treffend  hinzu:    „Worte, 
die   zugleich   für   das   deutsche  geistliche  Lied   an   der  Scheide  des  13.  und 
14.  Jahrh.  Zeugniss  geben.     Einfachheit  und  warmes  Gefühl,  inniges  Durch- 
drungensein  von    dem  Glauben  an    die  heilige  Geschichte   und  die  Wahrheit 
des  Evangeliums,    der  frische.  Klang  der  Volksweise  —    das  waren 
und  sind  in  Ewigkeit  die  Mächte    des  geistlichen  Liedes.^ 


Gegenwart  eine  hohe  practische  Bedeutung  hat,  die  Frage : 
soll  und  muss  der  Cultus  der  katholischen  Kirche  Deutsch- 
lands nach  wie  vor  in  einer  fremden  und  todten  Sprache, 
der  lateinischen  gehalten  werden? 


ö'^ 


Alles  das  bewog  mich  im  Sommer  1830,  an  der  Uni- 
versität Breslau  eine  öffentliche  Vorlesung  zu  halten ,  die 
ich  dann  fiir  den  Druck  ausarbeitete  und  im  Frühjahr 
1832  erscheinen  ließ. 

Für  meine  Arbeit  hatte  ich  nichts  vorgefunden ,  was 
ich  hätte  zu  Grunde  legen  können.  Ich  musste  also  ge- 
wissermaßen den  Gegenstand  neu  schaffen  und  den  Stoff, 
der  mir  nur  bruchstücklich  zu  Händen  kam,  zu  einem 
Ganzen  verbinden.  So  lückenhaft  einige  Abschnitte  bei 
der  Ausfiihrung  ausfielen ,  so  war  doch  das  Ganze  beleh- 
rend und  anregend  und  fand  mehr  Anerkennung  und 
Theilnahme  als  ich  erwartet  hatte.  Beinahe  alle  kriti- 
schen Blätter  jener  Zeit,  sowol  die  allgemein  wissenschaft- 
lichen als  die  theologischen ,  sprachen  sich  darüber  bei- 
fällig aus.  Die  Schwierigkeit  meiner  Arbeit  bestand 
hauptsächhch  darin,  dass  der  Stoff  sehr  zerstreut  war  und 
nicht  immer  zu  Tage  lag.  Durch  Aufschieben  hätte  ich 
deshalb  nicht  viel  gewinnen  können,, denn,  wie  ich  damals 
schon  in  der  Vorrede  sagte ,  „ich  überzeugte  mich  end- 
lich nach  mancher  vergeblichen  Mühe,  dass  man  bei  For- 
schungen dieser  Art  nicht  eigentlich  suchen,  sondern 
nur  gelegentlich  finden  kann."  Ich  hatte  deshalb  meine 
gelehrten  Freunde  und  Bekannte  aufgefordert ,  mich  mit 
Beiträgen  zu  unterstützen:  „möge  das  Mangelliafte  von 
Anderen  ergänzt,  das  Irrthümhche  freundlichst  berichti- 
get werden."  Auf  meine  Bitte  erfolgten  nur  hie  und  da 
einzelne  Beiträge.  So  blieb  denn  mein  Buch  in  seiner 
alten  Gestalt,  viel  citiert,  benutzt  und  ausgeschrieben. 
Wie  ich   meine  Arbeit  dem  Publicum  übergeben  hatte. 


VI 


empfing  ich  sie  vor  drittehalb  Jahren  zurück,  als  ich  die 
neue  Auflage  in  Angriff  nahm. 

In  dem  langen  Zeiträume  von  einundzwanzig  Jahren 
(seit  1832)  hatte  Niemand  die  Geschichte  des  deutschen 
KirchenUedes  als  solche  weiter  gefordert,  wenn  auch  Man- 
cher sich  damit  befasst  hatte.  Nur  zwei,  in  mancher  Be- 
ziehung ungleiche  Männer,  Philipp  Wackemagel  und  Lud- 
wig ühland,  griffen  wirklich  fördernd  ein. 

Ph.  Wackernagel  Ueferte  in  seinem  117  Bogen 
starken  Buche:  „Das  Deutsche  Kirchenlied"  (Stuttgart, 
S.  G.  Liesching  1848.  4**.)  eine  Sammlung  urkundlich  ge- 
treuer Texte  nach  Handschriften ,  alten  Drucken  und  den 
ältesten  Gesangbüchern.  Obschon  das  Ganze  wol  nur 
ein  Codex  diplomaticus  flir  das  protestantische  Kir- 
chenlied seit  Luther  bis  N.  Hermann  sein  soll,  so  ist  doch 
darin  die  vorlutherische  Zeit  mitberUcksichtiget  worden: 
es  sind  darin,  freilich  mit  manchem  gar  nicht  Dahinge- 
hörigen, viele  alte  Lieder  mitgetheilt.  Das  Werk  mit  sei- 
nen 5  Anhängen  und  Verbesserungen  ist  ein  bleibendes 
Denkmal  deutschen  Fleißes  und  großer  Liebe  für  den 
Gegenstand,  und  wird,  obschon  wir  nach  den  wenigen 
Jahren,  die  darüber  vergangen  sind.  Manches  besser  wis- 
sen, noch  lange  unübertroflFen  bleiben,  und  wir  wollen 
deshalb  gerne  dem  Sammler  bei  seinem  redlichen  Eifer 
für   eine  edle  Sache  die   hochfahrende*)    absprechende 


•)  Die  Vorrede  begannt  also: 

n Nicht  Leyer!  —  noch  Pinsel!  —  eine  Warfschaufel  für  meine  Mose, 
die  Tenne  heiliger  Litteratur  zu  fegen!  —  —  Heil  dem  Erzengel  über  die 
Reliquien  der  Sprache  Kanaans!  —  auf  schönen  Eselinnen 
(Buch  der  Richter  v,  10.)  siegt  er  im  Wettlauf;  —  aber  der  weise  Idiot 
Griechenlands  borgt  Entyphrons  (Siehe  Piatons  Kratjlus)  stolze  Hengste  zum 
philologischen  Wortwechsel.** 

„Wacht  kein  Engel  über  das  Leben  der  Sprache  Japhets?  Der 
Herr  hört  den  Lobgesang  derer,  die  auf  schönen  Eselinnen  reiten,  wie  derer, 
die  auf  dem  Wege  gehen.     Er  siebet  herab  auf  die  Sprachen  der  Men- 


VII 


Sprache  zu  gate  halten ,  und  seine  peinliche  Sorgfieklt  in 
Wiedergabe  schlechter  Texte,  offenbarer  Druck-  und  Le- 
sefehler, verwilderter  Schreibungen,  seine  Kleinigkeits- 
krämerei in  Beschreibung  alter  Druckwerke  und  seine 
wunderliche  Renonunisterei ,  wie  sie  selbst  Utterarische 
Neulinge  schlecht  kleidet,  in  Hererzählung  und  Auspo- 
saunung seiner  Funde  und  Schätze  gern  mit  in  den  Kauf 
nehmen. 

Uhland  hat  seinen  „Deutschen  Volksliedern"  auch 
das  geistliche  Volkslied  mit  einverleibt.  Die  von  ihm  aus 
Handschriften  und  alten  Drucken  entlehnte  Sammlung 
ist  sehr  schätzenswerth  und  bildet  zu  dem  weltlichen 
Ldede  einen  lehrreichen  Anhang.  Während  Ph.  Wacker- 
nagel seine  Texte  wie  er  sie  vorfand  wiedergiebt  mit  allen 
Schreib-  und  Druckfehlem,  hat  Uhland  bei  den  seinigen 
immer  Kritik  angewendet,  wenn  auch  mitunter  eine  zu 
zarte. 

Beiden  Werken  bin  ich  zu  großem  Danke  verpflichtet 
Ich  habe  nun  noch  von  meinen  Hilfsmitteln  und  den 
mir  zu  Theil  gewordenen  Unterstützungen  zu  berichten. 

Es  standen  mir  dies  Mal  mehr  Hilfsmittel  zu  Gebote 
als  im  J.  1832«  Da  sie  gewöhnlich  nur  abgekürzt  in  mei- 
nem Buche  vorkommen,  so  will  ich  ihre  Titel  hier  etwas 
vollständiger  mittheilen. 

Ein  New  Gesangbüchlin  Geystlicher  Lieder.  Leiptzigk 
durch  Nickel  Wolrab  1537.  8".  —  Neue  von  mir  be- 
sorgte Ausgabe:  Michael  Vehe's  Gesangbüchlin  vom 
J.  1537.  Das  älteste  katholische  Gesangbuch.  Her- 
ausgegeben von  H.  V.  F.  Hannover,  Carl  Rümpler, 
1853.  B\ 


sehen:  da  ist  keine  rein,  anch  nicht  eine.  Aber  er  heiliget  sie 
alle.  Den  Erzengel,  der  vor  dem  Garten  Edens  lagert,  bestechen  die  Re- 
liquien der  Sprache  Kanaans  nicht."  Und  so  geht  das  noch  eine  Weilo 
fort,  bis  der  nunmehrige  Director  der  Gewerbeschule  im  Wnpperthale  mit 
seinem  Phaeton  in  das  gewöhnliche  Fahrgleis  wieder  einlenkt. 


vm 


Psaltes  ecclesiasticuö.  Chorbuch  der  Heiligen  Catholi- 
sehen  Kirchen,  Deudsch,  jtzundt  new  ausgangen. 
Durch  Georgium  Vuicelium  (Witzel).  Cölen,  In  verlag 
Joh.  Quentels.  1550.  4*. 

GeistUche  Lieder  vnd  Psahnen  ff.  Durch  Johann:  Lei- 
sentrit  von  Ohnutz,  Thumdechant  zu  Budissin.  1. 11. 
TheiL  Budissin  durch  Hans  Woh-ab  1567.  8*. 

Obsequiale,  üel  liber  Agendorum  secundum  antiquum 
vsum,  et  ritum  Eccl.  Ratisbonensis.  Ingolstadii  1570. 
4®.  Anhang  mit  deutschen  Liedern.  Spätere  Ausgabe 
unter  dem  Titel :  Pastorale  ad  usum  romanum  acco- 
modatum.  Ligolst.  1629.  4®. 

(Mtinchener  GB.)  Gesang  vnd  Psahnenbuch.  München, 
bey  Adam  Berg.  1586.  8^ 

(Beuttner  GB.)  Catholisch  GesangBuch.  Durch  Nico- 
laum  Beuttner,  von  Geroltzhoven.  Grätz,  In  Ver- 
legung Sebastian  Haupt  1660.  8®.  —  Erste  Ausgabe 
1602,  nach  dem  Frankf.  Messkataloge  von  1604. 
„Gxätz,  Georg  WüUer." 

(Andemacher  GB.)  Catholische  Geistliche  Gesänge  ff. 
Von  der  Fratemitet  S.  Ceciliae  Zu  Andernach  in  La- 
teinisch vnd  Teutsche  verß  Componirt  vnnd  Colle- 
girt.  Gedruckt  zu  Colin,  Durch  Gerhart  Gxeuenbruch. 
1608.  12«. 

(Kölner  GB.)  Alte  Catholische  Kirchengesäng  ff.  Auß 
Beuelch  Des  Hochw.  Fürsten  vnd  Herrn,  Herrn  Eber- 
harten Bischoffen  zu  Speir.  Gedruckt  zu  CöUn,  Durch 
Amoldt  Quentel.  1610.  12^  —  Spätere  Ausg.  mit 
einem  Anhang:  CöUn  1619.  12«.  —  Femer:  CöUn 
1625.  12^ 

(Paderbomer  GB.)  Catholische,  Geistliche  Kirchen 
Gesang  ff.  Paderborn,  durch  Matth.  Pontanum  1616. 
12«. 


IZ 


(Corner  G-B.)   Groß  CathoKsch  Gesangbuch  S.  Durch 
Dauid  Gregorium  Comerum,    Fürth  1625-   8^.   — 
Geistliche  Nachtigal-  Wien  1649.  S\  und  1658.  S\ 
(Neißer  GB.)  Geistlicher  ParadeißVogel.  Neyß  1663.  8«. 

Erste  Ausg.  wahrscheinlich  1625. 

(Mainzer  GB.)  Himmlische  Harmony  ff.  New  Mayntzisch 

Gesangbuch  ff.    Aus  sonderm  Befelch  —  G«orgii 

Friderici,  Ertzbischoffen  zuMayntz.  Meyntz  1628. 12®. 

(Köhler  GB.)  Catholische  KirchenGesäng.  CöUn,  Peter 

von  Brachel  1628.  12«. 
(Heidelberger  GB.)  Catholische  Alt  vnd  newe  Gesang. 
Heydelberg  1629.  12». 

Dies  sind  die  Werke,  woraus  ich  am  meisten  geschöpft 
habe  und  worauf  ich  mich  oft  beziehe,  die  übrigen  sind  in 
meinem  Buche  gehörigen  Orts  näher  angegeben.  Ich  ver- 
danke die  meisten  der  gefälligen  Unterstützimg,  die  mir 
von  Seiten  mehrerer  öffentlichen  Bibliotheken  zu  Theil 
wurde,  und  so  muss  ich  denn  rühmend  gedenken  der 
Königlichen  BibUotheken  zu  Berlin  und  Hannover,  der 
üniversitäts-BibHotheken  zu  Bonn,  Breslau  und  Göttingen 
und  der  Gymnasial-Bibliotheken  zu  Coblenz  und  Köfn. 

Zugleich  fühle  ich  mich  auch  zu  innigem  Danke  ver- 
pflichtet vielen  Freunden  und  Bekannten,  die  mit  der 
größten  Bereitwilligkeit  mein  lange  gehegtes  und  gepfleg- 
tes Unternehmen  förderten  —  ich  nenne  hier  besonders 
die  Herren :  Senator  Friedrich  Culemannin  Hannover, 
Dr.  Heinrich  Düntzer  in  Köln,  Dr.  Adolf  Ellissen  in 
Göttingen,  Ludwig  Erk  in  Berlin,  Prof.  Flock  in  Coblenz, 
Prof.  Dr.  Emanuel  Geibel  in  München,  Consist-Ratli 
Prof.  Dr.  Gieseler  in  Göttingen,  Dr.  Karl  Gödeke  in 
Hannover,  Prof.  Dr.  Hock  in  Göttingen,  Heinrich  Lem- 
pertz  in  Köln,  Prof.  Dr.  Wilhelm  Müller  in  Göttingen, 
Prof.  Dr.  Franz  Pfeiffer  in  Stuttgart,  Dr.  Oscar  S  chade 
in  Bonn,  Dr.  Georg  Seh  er  er  in  München,  Bibliothecar 


:^« 


Dr.  Schweiger  in  Göttingen,  Ludwig  Uhland  in  Tü- 
bingen, Prof.  Dr.  Wilhelm  Waekerna gel  in  Basel,  Prof. 
Dr.  Weigand  in  Gießen,  Prof.  Dr.  Karl  Weinhold  in 
Gräa,  Dr.  Ferdinand  Wolf  m  Wien  und  Dr.  Friedrich 
Z  a  r  n  ck  e  in  Leipzig. 

SchließUch  noch  ein  Wunsch.  Ich  wünsche  von  Her- 
ren ,  dass  mein  Buch  fleißig  gelesen  und  benutzt  werde, 
belehrend  und  anregend  wirke ;  ich  wünsche  aber  nicht, 
dass  es  diejenigen ,  die  sich  mit  demselben  Gegenstände 
ausschließUch  befassen,  vom  Selbstforschen  zurückhalte. 
Es  ist  freiUch  nicht  Jedermanns  Sache,  eigene  Forschun- 
gen anzustellen,  nach  eigenen  Ansichten  und  eigenen  Er- 
gebnissen zu  ringen  und  dieselben  durch  sichere  Zeug- 
nisse zu  bestätigen.  Noch  weniger  wünsche  ich,  dass 
mein  Buch  nur  dazu  dient,  guten  Baustoff  zu  schlechten 
Bauten  zu  hefem ,  oder  gar  unter  Pfuscherhänden  umge- 
staltet als  fremdes  Machwerk  hingestellt  zu  werden.  Frei- 
lich steht  von  unseren  meisten  Litterarhistorikem  Alles 
zu  erwarten.  Sie  sind  Drohnen:  sie  lassen  andere  ar- 
beiten, andere  suchen,  forschen  und  finden,  und  verzeh- 
ren dann  die  Früchte  emsigen  Fleißes  und  mühseligen 
Forschens,  ohne  auch  nur  die  leiseste  Regung  eines  Dank- 
gefUhls  blicken  zu  lassen.  Ja ,  sie  sind  die  Raubbienen, 
denen  Alles  dermaßen  Gemeingut  ist,  dass  sie  die  im  ge- 
meinen Leben  übUchen  Begriffe  von  Mein  und  Dein  ganz 
und  gar  missachten.  So  haben  es  katholische  und  prote- 
stantische Drohnen  und  Raubbienen  zwanzig  Jahre  lang 
mit  der  ersten  Auflage  meines  Buches  gemacht,  ich 
möchte  nicht  gerne,  dass  es  in  dem  Maße  der  zweiten 
Auflage  widerführe.   Quos  ego ! 

Neuwied,  2.  April  1854. 

H.  V.  F. 


INHALT. 


Seite 
§.  1.       Einleitung 3 

§.  2.      Früheste  Zeit  bia  nun   elften  Jahrlinndert  (Nr.  1.  2.) 8 

§.  3.       Zwölftes  Jahrhundert  (Nr.  8—7.) 30 

§.  4.      Dreizehntes  Jahrhundert  (Nr.  8—12.) 48 

§.  6.      Vienehntes  Jahrhundert  (Nr.   13—16.) 78 

§.  6.       Lieder  der  Mystiker  (Nr.  17—56.) 86 

§.  7.       Ueder  der  Geifller  (Nr.  66—62.) 130 

§.  8.      Fünfzehntes  Jahrhundert  bis  mm  J.  1528. 

Fünftehntes  Jahrhundert  (Nr.  63—89.) 160 

Vom  Jahre  1500-1623.  (Nr.  90—116.) 198 

§.  9.      ÜbersetEungen  und  Nachbildungen  lateinischer  Kirchenlieder  im 

XIV.  und  XV.  Jahrhundert  (Nr.  117—218.) 287 

§.  10.    ümdichtungen   (Nr.  219—246.) 371 

§.  11.     1.  Weihnachtslieder  beim  Eindelwiegen  (Nr.  246—256.) 416 

2.  DreikünigsUeder  (Nr.  267—268.) 441 

§.  12.    Meisterlieder  gegen  Ende   des  XV.   und  zu  Anfuige  des  XVI. 

Jahrhunderts  (Nr.   264  —  300.)  .* .  469 

§.  13.    Gedruckte  Sammlungen  bis  cum   Jahre   1524.  (Nr.  301—303.)  480 

§.  14.    Alte  Lieder  aus  späterer  Zeh  (Nr.  304—830.) 486 

Begister 627 


GESCHICHTE  DES  DEUTSCHEN  KIRCHENLIEDES 
BIS  AUF  LÜTHER'S  ZEIT. 


§.  1. 

Einleitung. 

Durch  die  Einführung  des  Chrietenthums  in  Deutschland 
wurde  die  lateinische  Spcache  zur  Kirchensprache  —  ein  Ereig- 
niss,  das  auf  das  geistige  Leben  der  Deutschen  und  die  Ent- 
Wickelung  ihrer  Sprache  und  Literatur  den  nachtheiligsten  Ein- 
fluss  ausübte,  der  nie  ganz  verwunden  ward.  Der  ganze  Gottes- 
dienst war  durch  die  römische  Liturgie,  den  ordo  Ronianus  ') 
geregelt  und  dieser  überall  im  Abendlandc  eingeführt.  *) 

Seit  sich  der  römische  Bischof  zum  Statthalter  Christi  auf 
Erden  gemacht  hatte,  war  die  römische  oder  lateinische  Sprache 
im  ganzen  Abendlande  der  alleinige  Ausdruck  des  christ- 
lichen Glaubens  ^),  die  heilige  Sprache,  die  einzig  würdige, 
worin  der  Mensch  sich  dem  Höchsten  nahen  sollte. 


{.1.  1)  Über  die  abendlündUchen  Liturgien  Tgl.  AuguMii,  Denkwürdigkeiten 
aiu  der  christlichen  Archäologie  4,  256 — 807.  Gieeeler,  Kirchenget eh.  4.  Aafl. 
U,  1,   152  ff. 

2)  WalafridoB  Strabus  (f  849)  de  rebus  ecclesiasticis  cap.  25  (apud  Hit- 
torp  p.  413.  a.)  sagt  schon:  Omittam  igitnr,  qnae  infinita  sunt,  hoc  tantum 
'affirmans,  qnod  plenarins  officiorum  ordo,  qni  nunc  per  Romanum  orbem  ser- 
vator,  post  antiquitatem  mnltis  temporibus  evolutam,  institatus  et  ad  omnem 
eminentiam  sanctae  religionis  est  dilatatns. 

3)  Jede  vemünltige  Stimme  im  SchoQe  der  Kirche  selbst  wurde  entweder 
Überhort  oder  für  ketzerisch  verdammt  Das  Widersinnige  in  dem  Gebrauche 
einer  fremden  Sprache,  was  spKter  aus  Gewohnheit  niemand  mehr  fühlte,  wurde 
früh  genug  schon  erkannt  und  getadelt.  Hilarius  Romanus  Diaconus  (ums 
J.  370)  sagt  in  seinen  Comment.  in  Pauli  epistolas:  Manifestum  est  ignorare 
animum  nostrum,  si  lingua  loquatur  quam  nescit,  sicut  assolent,  non  autem  in 
ecclesia,  latini  homines  graece  cantare,  oblectati  sono  verborum,  nescientes 
tarnen  quid  dicant.    At  quem  potest  habere  frnctum  qui  ignorat  quod  loquatur? 

1* 


Wie  dio  römische  Sprache  schon  unter  den  heidnischen 
Römern  den  absolut  monarchischen^  ausschließenden  Charakter 
gezeigt  hatte  ^),  so  bewahrte  sie  denselben  auch  tmter  den  christ- 
lichen Römern.  Die  römische  Liturgie  gestattete  durchaus  nicht 
den  Gebrauch  einer  anderen  Sprache  als  den  der  lateinischen. 

Das  deutsche  Volk  ließ  sich  dio  fremde  Sprache  beim 
Gottesdienste  ruhig  gefallen^  als  ob  sich  das  alles  so  von  selbst 
verstände.  Weder  unter  den  Karolingern  noch  unter  den  Hohen- 
staufen  wurde  ein  Versuch  gemacht,  die  Mutteilsprache  zum 
christlichen  Cultus  zu  verlangen  oder  einzuführen  '),  ja  bei  allen 
Kämpfen  der  deutschen  weltlichen  Herrschaft  mit  der  römischen 
geistlichen  tauchte  nicht  einmal  der  Gedanke  an  dergleichen 
immer  zeitgemäße  Änderungen  auf. 

Es  wäre  übrigens  auch  wol  vergeblich  gewesen,  wenn  in 
den  ersten  Jahrhunderten  das  deutsche  Volk  seine  Sprache  zur 
Kirchensprache  hätte  erheben  wollen.  Seine  Bemühungen  wären 
eben  so  an  der  Allmacht  des  päpstlichen  Stuhles  gescheitert  wie 
die  der  slavischen  Völker.  Dass  der  päpstliche  Stuhl  bald  sich 
bewusst  wurde,  wie  sehr  eine  allgemeine  Kirchensprache  die 
Einheit  des  Glaubens  imd  der  geistlichen  Oberherrschaft  förderte 
und  aufrecht  hielt,  lehrt  der  früh  schon  beginnende  Kampf  der 
Slaven  zur  Erlangung  eines  slavischen  Ritus.  Da  hieraus  das 
Verhalten  der  Päpste  bei  ähnlichen  Bestrebungen  späterer  Zeit 
von  Seiten  deutscher  imd  romanischer  Gegenden  erklärlich  wird, 
so  mag  hier  eine  kurze  Geschichte  der  slavischen  Liturgie  folgen. 

Methodius,  Erzbischof  der  pannonischen  Kirche,  hatte  in 
slavischer  Sprache  gelehrt  und  gepredigt  und  Messe  gelesen. 
Johann  VHI.  hatte  das  missfällig  vernommen,  und  beschied  ihn 


{.1.  4)  Der  heil.  Aus^tiniu  sagt  deshalb  in  seinem  Gottesstaate :  Opera  data 
est,  nt  imperiosa  civitas  non  solum  ingiim,  yemm  etiam  lingnam  snam  domitis 
gentibus  imponeret.  Vgl.  den  trefflichen  An&ats  von  Friedrich  Gramer:  Über 
das  Studium  fremder  Sprachen  und  den  Einflnss,  welchen  das  Christenthum 
im  Abendlande  aof  dasselbe  gehabt  hat,  in  der  Zeitschrift  fUr  die  histor.  Theo- 
logie 18,  477—498.    (Jahrg.  1848.) 

5)  Einer  der  allemeuesten  Schriftsteller,  Luft  in  seiner  Liturgik  1,  498 
sagt  zwar:  » —  wie  denn  Leo  X.  den  Mainzer  Diaconns  Hnnibert  im  J.  1062 
degradirte,  weil  er  in  der  Kirche  zu  Worms  in  einzelnen  Theilen  der  Messe 
die  deutsche  Sprache  einzuführen  suchte.^  Dies  ist  nur  ein  Irrthum,  der 
sich  schon  lange  in  der  Kirchengeschichte  fortschleppt,  er  beruht  auf  einem 
roinen  Missverständnisse  einer  Stolle  des  Chronicon  Urspcigense  ad  a.  1052. 


in  einem  Briefe  vom  14.  Juni  879  nach  Rom  •).  Methodius  recht- 
fertigte sich  und  der  Papst  erlaubte  ihm  den  Gebrauch  der  sla- 
vischen  Sprache  bei  kirchlichen  Handlungen,  wie  aus  dem  Briefe 
an  Suatofduk  880  deutlich  erhellt »).  Ums  Jahr  920  verbot  Jo- 
hann X«  in  einem  Schreiben  an  den  Erzbischof  Johann  von  Spa- 
latro  die  slavische  Liturgie  *).  Dasselbe  that  er  auch  um  die- 
selbe Zeit  in  einem  Briefe  anTamislaw,  Herzog  der  Croaten»). 
Päpstliche  Legaten  überbrachten  die  Befehle  des  Papstes  nach 
Spalatro  und  hielten  dort  ein  Concil.  Nach  dem  10.  Canon  des- 
selben sollte  Niemand  die  Messe  slavisch  singen.  Johann  bestä- 
tigte die  Beschlüsse  des  Concils  >o).   Im  Jahr  1069  kam  Mainard 


{.  1.  6)  Boczek,  Codex  diplom.  et  epiat.  Moraviae  1,  39.  Farlati  lUyrici  sacri 
3,  88.  Aadivirniu  etiam,  qnod  missas  cantes  in  barbara,  hoc  est  in  sdavina 
lingna,  mide  iam  literis  nostris  per  Paulum  episcopum  Anconitanum  tibi  di- 
rectifl  prohibrnmiis,  no  in  ea  lingna  sacra  missamm  solemnia  celebrares,  sed 
▼el  in  latina,  vel  in  graeca  lingna,  sicnt  eoclesia  Dei  toto  terrarum 
orbe  diffusa  et  in  omnibns  gentibns  dilatata  cantat. 

7)  Boczek  1,  44.  Nee  sanae  fidei  vel  doctrinae  aliquid  obstat  sive  mis- 
sas  in  eadem  slayonica  lingua  canere,  siye  sanctum  evaugelium  vel  lectiones 
divinas  novi  ot  veteris  testamenti  bene  translatas  et  interpretataa  legere  aut 
alia  horamm  officia  omnia  psallere,  quoniam  qui  fecit  tres  lingaas  principales, 
hebraeam  scilicet,  graecam  et  latinam,  ipse  creavit  et  alias  omnes  ad  laudem 
et  gloriam  suam.  Jubemus  tarnen,  ut  in  onmibus  occlesiis  terrae  vestrae 
propter  maiorem  bonorificentiam  erangelium  latine  legatur  et  postmodnm  sla- 
▼onica  lingua  translatum  in  auribus  populi,  latina  verba  non  intelligentis,  an- 
nuncietur,  sicnt  in  qoibusdam  ecclesüs  fieri  videtnr.  Vgl.  Wilh.  Wattenbach, 
Beitrüge  zur  Geschichte  der  christlichen  Kirche  in  Mähren  und  Böhmen. 
Wien  1849. 

8)  Farlati  3,  93.  Ita  ut  secundum  mores  Bomanae  Eccleslae  Sclayinomm 
terra  ministerium  sbcrificii  peragaut,  in  Latina  scilicet  lingua,  non  autem  in 
oxtranea,  qnia  ntülus  filius  aliquid  loqui  debet  vel  sapere  nisi  ut  mater 
(ßod,  pater)  ei  insinuarerit,  et  quia  Bclavi  (,  qui)  speeialissimi  filü  sanotae 
Bomanae  Eccleslae  sunt,  in  dootrina  matris  permanere  debent 

9)  Farlati  3,  95.  Quis  enim  ambigit  SclaTinorum  regna  in  primitüs  Apo- 
stolomm  et  universalis  Ecclesiae  esse  commemorata,  cum  a  cunabulis  escam 
praedicationis  ApostoHcae  Ecclesiae  perceperunt  cum  lacte  camis,  sicut  Ssxo- 
nes  novo  tempore  a  nostro  antecessore  piae  memoriae  Gregorio  Papa  doctri* 
nam  pariter  et  literarum  studia  in  ea  videlicet  lingua,  in  qua  illorum  mater 
Apostolica  Ecclesia  infulata  manebat.  —  Quis  etenim  specialis  filius  sanctae 
Bomanae  Ecclesiae,  sicut  vos  estis,  in  barbara  seu  slaviniea  lingna  Deo  sacri- 
ficium  offerre  delectatur? 

10)  Farlati  3,  97. 


6 

als  päpstlicher  Legat  nach  Dalmatien  and  Croatiem»  -Sin  Concil 
unter  seinem  Vorsitze  erneuerte  das  Verbot  des  slavischen  Ritus, 
und  die  Päpste  Nicolaus  11.  und  Alexander  ü.  bestätigten  das- 
selbe"). Im  Jahre  1080  verweigerte  Papst  Gregorius  VEI.  den 
von  Wratislaw,  Herzog  von  Böhmen,  erbetenen  slavischen  Ritus '  *). 
Im  Jahre  1248  genehmigte  jedoch  Innocentius  IV.  den  niyriem 
den  ritus  slavo  -latinus  in  glagolitischer  Schrift  >*). 

Während  so  die  Slaven  mehrmals  doch  wenigstens  versucht 
hatten,  die  lateinische  Sprache  aus  dem  Gottesdienste  zu  ver- 
drängen und  die  Muttersprache  in  die  ihr  gebührenden  Rechte 
einzusetzen,  war  die  lateinische  Sprache  beim  deutschen  Volke 
in  ilirem  verjährten  Ansehn  und  unangefochtenen  Besitze,  sie 
war  und  blieb  die  alleinige  Kirchensprache  ^*).    Der  Gebrauch 


S.  1.  11)  Farlati  3,  128.  137. 

12)  Boczek  1,  166 — 168.  Quia  vero  nobilitas  toa  postulavit,  qao  secnn* 
dam  sclayonieam  linguam  apad  voi  divinum  celebrari  ammeremoB  of&ciam, 
Bcias  DOS  hoic  potitioni  tae  neqnaquam  posse  favere.  Vgl.  Gieseler  Kirchen- 
geach. 4.  Aufl.  II,  1,  360. 

13)  Kopitar,  Qlagolita  CloziannB  p.  XIII.  XYII.  Eine  korze  Geschichte 
der  Blayischen  Liturgie  auch  in  dem  facsimilierten  slavischen  Codex  Bemen- 
sis:  Evangelia  slavice  qoibns  olim  in  Regam  Franconun  oleo  saero  inungen- 
donim  solehat  ecdesia  Remenris  vnlgo  Texte  du  Saere  ad  exemplaris  simili- 
tadinem  descripsit  et  edidit  J.  B.  Silvestre.  Evangella  latine  rertit  eandem- 
qae  interpr.  lat  e  regione  adiecit  B.  Kopitar.  Paris.  1848.  4to.  (Gott  Biblioth.) 

14)*  Darum  konnte  auch  Martin  Gerbert,  der  fleißige  Abt  von  St  Blasius, 
sagen  in  seiner  Vetos  Litnigia  Alemannica  T.  1.  (1776)  p.  159.  »Quid  vero? 
Nolli  nos  operae  pepercimns,  quo  ex  antiquissimis,  quae  conquirere  multo 
labore  potuimus  documentis,  undique  collectis,  ac  in  Incem  protractis,  litor- 
giam  veterem  Alemannicam  illustraremus,  nee  ullum  vero  alterius  quam 
latinae  linguae  in  sacris  christianis  invenimus  nsum.  Omnia,  quae  edimus, 
a  mille  annis  monnmenta,  quae  quidem  ad  officium,  cerimoniasque  solemnes 
pertinnemnt,  hac  sunt  coneepta  lingua:  quaedam  enim,  et  quidem  recentiora 
paucorum  saecnlomm,  ad  privatam  tantum  commoditatem  devotionemque  aecom- 
modata  fnisse  palam  fecimus.  Alia  antem  veluti  catecheses,  oratio  dominica, 
symbolum  et  bis  simUia  —  etiamnum  usu  vemaculo  teruntur.  Facit  ipsa  linguae 
latinae  dignitas  non  modicum  ad  splendorem  et  maiestatem  litnrgiae,  atque 
illius  conformitatem  rite  ae  congme  senrandam.  Incommodo  autem,  quod  mi- 
nus est,  ut  promiscue  a  plebe  non  intelÜgantnr,  libris  ac  instructione  pastomm 
obviatnr.^  —  Es  ist  ein  alter  Irrthum,  der  sich  auch  jetst  noch  in  kirehen- 
geschichtlichen  und  liturgischen  Werken  findet,  wenn  man  aus  Wala^d  Sira- 
bus  (t  849)  beweisen  will,  dass  schon  im  IX.  Jahrhundert  die  deutsche 
Sprache  bei  der  Liturgie  verwendet  worden  sei.    Walafirid  handelt  in  seinem 


der  Volkßsprache  beschränkte  sich  nur  auf  die  Predigt  und 
Beichtabhörung;  die  Kirchengesänge  waren  lateinische  Hymnen 
und  Psalme  und  sonstige  der  Messe  eingewebte  lateinische  Lie- 
der, und  alle  diese  ließen  keinen  deuts.chen  geistlichen  Gesang 
zu,  sie  waren  einmal  vorgeschrieben  und  mussten  streng  beob- 
achtet werden.  Ein  eigentlich  deutsches  Kirchenlied,  ein  sol- 
ches was  mit  zum  Rituale  gehörte,  läßt  sich  also  weder  nach- 
weisen noch  voraussetzen,  so  lange  nämlich  nichts  als  die 
römische  Liturgie  in  ihrer  alten  ursprünglichen  Form  galt.  Den- 
noch aber  erhob  das  Bedürfniss,  in  der  Muttersprache  Gott  zu 
verehren,  und  in  ihr  die  Gefühle  der  Liebe  und  des  Dankos  an 
den  Tag  zu  legen,  schon  frühe  die  deutsche  Sprache  zu  dem- 
selben Rechte,  dessen  die  lateinische  genoss,  dem  Volke  genügte 
nicht  der  alleinige  Gebrauch  einer  fremden  Sprache  zum  Lobe 
und  Preise  der  heiligsten  und  höchsten  Güter,  die  ihnen  durch 
das  Christenthum  zu  Theil  geworden  waren;  es  gab  zu  viele 
Feierlichkeiten,  die  bald  aUgemeine  große  christliche  Volksfeste 
wurden,  wobei  die  römische  Liturgie  nicht  auszureichen  schien; 
es  entstanden  nach  und  nach  heilige  Gebräuche  im  Volke,  zu 
deren  Zwecke  die  Volkssprache  angemessener  war;  überdem  war 
ja  auch  diese  bei  örtlichen  Festlichkeiten  wie  bei  der  häuslichen 
Andacht  durch  keinen  Beschluss  einer  Synode  noch  durch  päpst- 
liche Bullen  verboten  worden.  Zu  diesen  heiligen  Gebräuchen 
gehören  namentlich  alle  Kirchweihen,  Bittgänge,  Wallfahrten, 
Jahresfeste  der  Schutzheiligen,  Erinnerungsfeiem  bedeutender 
politischer  oder  Naturereignisse  u.  dergl.  Eine  Geschichte  des 
deutschen  Kirchenliedes  bis  auf  Luthers  Zeit  kann  also  nur  eine 
Geschichte  derjenigen  geistlichen  Lieder  enthalten,  welche  bei 
jenen  Gelegenheiten  wirklich  öffentlich  gesungen  worden  sind. 
Sie  wird  leider  sehr  bruchstücklich  erscheinen,  doch  liegt  das 


über  de  rebus  ecclesiaflticin  cap.  VIII  (apud  Hittorpium  p.  305)  quomodo  theo- 
iiaee  domu»  Dti  dicatur  nur  von  einigen  deutschen  Ausdrücken  im  damaU- 
gen  Cultos.  Ebenso  ist  es  dagegen  auch  ein  Irrtham,  wenn  man  aus  den 
Worten  des  Ermoldus  Nigellns  (um  830)  in  seinem  Qedichte  an  Pippin  1, 155 
Bathara  üngua  Mi  $€Tiptur<M  netcia  tacr<ie  beweist,  dass  zu  Walafirids  Zeit 
in  deutscher  Sprache  noch  nichts  von  der  Bibel  vorhanden  gewesen  sei.  Ni- 
gellas  kann  doch  nur  gemeint  haben,  eine  vollständige  Ubenetzung  der 
Bibel  in  deutscher  Sprache  gebe  es  noch  nicht  oder  —  er  wnsste  es  nicht 
besser.  Die  von  mir  und  Endlicher  herausgegebenen  Fragmenta  thcotisca  und 
die  Evangelionharmonio  des  Tatian  sind  älter  als  Nigcllus. 


8 

lediglich  im  Gegenstände  selbst:  man  betrachtete  den  deutschen 
Kirchengesang  meist  immer  als  etwas  Unwesentliches,  lieber- 
flüssiges,  Ungehöriges,  ja  sogar  auch  als  etwas  Verwerfliches; 
die  frühesten  Ueberreste  sind  nur  aus  zufUliger  Aufzeichnimg, 
viele  Bruchstücke  nur  in  gelegentlicher  Anführung  erhalten  wor- 
den; die  Bestrebungen  mehrerer  frommen  Männer  unter  der 
Geistlichkeit  sowol  als  unter  den  Laien  waren  zu  vereinzelt  und 
blieben  in  ihren  Wirkimgen  zu  erfolglos.  Dennoch  gewährt  diese 
bruchstückliche  Geschichte  das  erfreuliche  Ergebxdss,  dass  es 
alle  Jahrhimderte  hindurch  deutschen  Kirchengesang,  wenn  auch 
nur  in  jenem  beschränkten,  zuvor  bemerkten  Sione  gegeben  hat, 
imd  dass  die  Reformatoren  in  dieser  Hinsicht  nicht  etwas  ganz 
Neues  schufen,  sondern,  wie  Luther,  an  das  Altherkömmliche 
anknüpften,  aus  eigener  Begeisterung  geleitet  durch  Dichtung 
religiöser  Gesänge  auch  hier  den  vielfachen  Bedürfiussen  des 
Volks  abhalfen  und  der  Muttersprache  ihr  natürliches  Recht  voll- 
ständig erkämpften. 

§.  2. 

Früheste  Zeit  bis  zum  elften  Jahrhundert- 

Der  religiöse  Volks-  oder  Kirchengesang  der  Deutschen  in 
den  ersten  Jahrhunderten  der  christliehen  Zeit  bis  zum  zehnten 
beschränkte  sich  lediglich  auf  das  Rufen  der  Worte  Kyrie  elei- 
son, Herr  erbarme  dich.  Diesen  uralten,  einfachen,  bedeutungs- 
vollen Ruf  hatten  römische  Mönche  aus  Italien,  woliin  er  durch 
griechische  Christen  verpflanzt  worden  war,  nach  Deutschland 
mitgebracht;  sie  wussten  den  heidnischen  Deutschen  und  den 
unter  ihnen  ansässigen  Slaven  nichts  Beziehungsreicheres,  Be- 
deutungsvolleres fiir  ihre  heidnischen  Lieder  ')  und  bei  dem 
Widerwillen  und  Abscheu  dieser  Völker  gegen  die  lateinische 
Sprache  nichts  Einfacheres  zu  geben.  Die  Geistlichkeit,  die 
sich  bald  aus  den  neuen  deutschen  Christen  bildete,  ließ  es  lange 


g.  2.  1)  Sie  kommen  noch  nnter  vielerlei  Namen  vor :  winileot,  eiswft,  sisesanc, 
lotirsprftclia,  posa,  gipdsi,  scdfleot.  Otfrid  meint  wol  diese  Lieder,  wenn  er 
in  der  Vorrede  an Liutbert  von  einem  laicorum  cantus  obscoenns  spricht. 
Noch  lange  nachher  erhielt  sich  der  heidnische  Klagegesan^^  bei  den  Gräbeni. 
Vgl.  Koberstein  Gnindriss  4.  Aufl.  §.  3t.  37.  W.  Wachemagcl,  Geschichte  der 
deutschen  Litteratur  §.  22. 


9 

Zeit  dabei  bewenden,  sie  hatte  ja  selbst  schon  Mühe  und  Noth, 
sich  an  die  allgemeine  Kirchensprache  zu  gewöhnen;  hiezu  war 
nämlich  die  lateinische  Sprache  durch  päpstliche  BuUen,  durch 
Beschtttsse  der  Kirchenversammlungen  und  kaiserliche  Capitu* 
larien  gleichsam  bestätigt  und  angenommen  worden. 

Das  Volk  war  ausgeschlossen  von  aller  eigentlichen  Bethei- 
ligung  beim  Qottesdienste.  Schweigende  Anwesenheit  ist  die 
einzige  Anforderung  an  dasselbe:  es  sollte,  wie  es  Abt  Pirmi- 
nius  *)  will,  schweigend  beten  imd  nur  im  Herzen  singen;  den 
Geistlichen  allein  kommt  es  zu,  heilige  Gesänge  anzustimmen 
und  so  die  Herzen  des  umherstehenden  Volkes  zu  erheben  '). 

Wol  dachte  man  daran,  das  Volk  zur  Betheiligung  am  Ge- 
sänge heranzuziehen:  so  sollte  es  nach  den  Capitularien  Karls 
des  Großen  vom  Jahre  789  *)  gemeinschaftlich  mit  den  Geist- 
lichen das  Gloria  Patri  und  Sanctus  singen,  imd  nach  den  Ca- 
pitnl.  Ludwigs  H.  vom  Jahre  856  *)  andächtig  und  gleichstim- 
mig mitwirken.   Von  einem  Erfolge  ist  weiter  nichts  bekannt 

Das  Volk  musste  sich  also  Jahrhunderte  lang  mit  diesem 
Kyrie  eleison  begnügen.    Mönche  und  Weltgeistliche  bemühten 


§.2.  2)  PirminiiiB  Abbas  bei  Mabillon,  Yet.  Analecta  (Paru.  1723.  fol.)  p.  72. 

Omnia  phylaeteria  diabolica,  praecantatioiiea,  sortüegos,  karagios nolite 

credere  neo  adorare,  nee  vota  illia  reddere,  nee  nlluni  honorem  impendere, 
aed  ad  sanctam  eeclesiam  conyenite  et  in  ipsa  ecclesia  cum  silentio 
orantes  et  psallentes  in  cordibus  vestris,  rerbum  Dei  et  sacram 
scriptnram  diligenter  attendite.  —  F.  W.  Rettberg  in  seiner  Kirchengeschichte 
Deutschlands  2.  Bd.  9.  779  deutet  eine  andere  BteUe  ebenso,  doch  ist  da  nur 
die  Bede  davon,  dass  man  während  des  Gottesdienstes  nicht  schwatsen  soll. 
Pirminius  ib.  p.  69.  Et  nullus  in  ipsa  ecclesia  vel  ubi  lectio  divlna  recitatnr 
veibosare  praesumat,  sed  lectioues  sacras  Ubenter  audite,  quia  per  Moysen 
dominus  ait:    Audi,  Israel,  et  tacel 

8)  Concilium  Aquisgranense  vom  J.  816  c.  137  (Harzheim  I.  p.  610) 
q[uonim  melodia  animos  popnli  circumstantis  ad  memoriam  amoremque  cae- 
lestium  non  solum  sublimitate  yerborum,  sed  etiam  suavitate  tonomm,  quae 
dicuntur,  erigat. 

4)  Perus  m.  p.  64.  et  nt  Gloria  Patri  cum  omni  honore  apud  omnes 
cantetur;  et  ipse  sacerdos  cum  sanctis  angelis  et  popnlo  Dei  communi  voce 
Sanctus  Sanctus  Sanctus  decantet. 

5)  Pertz  III.  p.  489.  Tertio  intimandum,  ut  ad  salutationes  sacerdo- 
tales  congrue  responsiones  discantur,  ubi  non  solum  clerici  et  Deo  dicatae 
sacerdoti  responsionem  offerant,  sed  omnis  plebs  devota  consona  voco  respon- 
dere  debet. 


10 

sich  zwar  in  solchem  langen  Zeiträume  durch  Predigten')  und 
Beichtabhören  ^)  in  der  Volkssprache  ihren  Wirkungskreis  se- 
gensreich zu  machen,  der  ihnen  durch  die  römische  Liturgie 
beschränkt  und  beeinträchtigt  war;  beides  wurde  sogar  den  Pfar- 


§.2.  6)  Jeder  €tolitliche  sollte  nAch  den  Bestimmai^ren  der  Synode  zu 
Tours  im  Jahre  813  die  Homilien  in  die  romAnische  Bauerasprache  und  ins 
Deutsche  übersetzen,  » damit  alle  um  so  leichter  verstehen  was  gesagt  wird.*^ 
Das  Mainzer  Concil  unter  Hrabanus  Maurus  im  Jahre  847  wiederholte  wört- 
lich diese  Bestimmungen.  Ein  früheres  von  813  hatte  bereits  beschlossen: 
„Wenn  etwa  der  Bischof  nicht  zu  Hause  oder  krank  oder  sonst  verhindert  ist, 
so  soll  doch  niemals  einer  fehlen,  der  das  Wort  Gottes  predige,  so  wie  es 
das  Volk  verstehen  kann.^  Viele  Geistliche  sind  gewiss  diesen  Bestimmungen 
nachgekommen;  doch  wenn  auch  nur  wenige  ihre  Predigten  aofBeichneten,  es 
haben  sich  Denkmiller  genug  erhalten,  woraus  wir  auf  eine  fleißige  Erfül- 
lung jener  Bestimmungen  schließen  können.  Ein  voUst&ndiges  Yerseichniss 
der  homilet.  Denkmäler  bis  zum  Anfange  des  12.  Jahrhunderts  in  B.  von  Bau- 
mor,  Einwirkung  des  Cliristenthums  auf  die  ahd.  Sprache  S.  64—67. 

7)  Es  lag  im  Wesen  der  Beichte,  dass  sie  nur  deutsch  sein  konnte. 
Die  lateinischen  Beichtformulare  mit  den  Fragen  und  Antworten,  Sündenver- 
zeichnissen, Glaubensbekenntnissen  und  Gebeten  wurden  gewiss  schon  in  frü- 
her Zeit  deutsch  übersetzt  und  bearbeitet.  Es  haben  sich  viele  derartige  ahd. 
Denkmäler  erhalten,  s.  das  Yerzeichniss  in  S.  von  Baumer,  Einwirkung  des 
Christenth.  eto.  S.  60  — 64;  vgl.  8.261.  262.  —  Dagegen  kam  das  Deutsehe, 
wo  man  es  noch  mehr  erwarten  sollte,  gar  nicht  in  Betracht,  nämlich  bei  dem 
religiösen  Jugendunterrichte,  wozu  die  Geistlichkeit  verpflichtet  war.  Wir 
dürfen  uns  darunter«  keinen  katechetischen  Unterricht  der  späteren  Zeit  den- 
ken ;  der  Geistliche  ließ  seine  Gemeindekinder  nach  der  Firmung  das  Vater- 
unser und  das  apostolische  Symbolum  lateinisch  auswendig  lernen.  Das 
Mainzer  Concil  von  813,  can.  46  bestimmte  nur  nachträglich :  y,Vnd  wer  nicht 
anders  kann,  lerne  es  wenigstens  in  seiner  Muttersprache.''  (Et  qui  aliter  non 
potuerit,  vel  in  sua  Hngua  hoc  discat.)  Dennoch  finden  sich  einige  ahd. 
Übersetzungen  des  Glaubens  und  Vaterunsers,  sogar  des  letzteren  mit  Erklä- 
rungen, die  uns  berechtigen,  hier  auch  eine  freiere  volksthümlichere  Thätig- 
keit  der  Geistlichen  anzunehmen.  Siehe  das  Verzeichniss  bei  B.  v.  Baumer 
S.  49  — 58.  (Die  meisten  der  hieher  gehörigen  Denkmäler  hat  Massmann  unter 
4em  Titel  herausgegeben: 

Die  deutschen  Abschwörungs-,  Glaubens-,  Beicht-  und  Betformeln  vom 
achten  bis  zum  zwölften  Jahrhundert.  Quedlinburg  u.  Leipz.  1839. 
Schade,  dass  auch  bei  diesem  Buche  Herr  Hans  Ferdinand  Massmaan  sein 
merkwürdiges  Geschick  bewährt  hat,  alles,  Einleitung,  Nachweisung  der  Quel- 
len und  die  Text<^  selbst  mit  Druckfehlem  zu  dnrchspicken.  Eine  bessere  und 
yoUständigere  Sammlung  und  ohne  Massmann^sche  Zuthaten  möge  von  glück- 
licheren Händen  besorgt  werden!) 


11^ 

rern  durch  KirchenverBammlungen  anempfohlen  und  geboten. 
Dennoch  geschah  für  einen  wesentlichen  Theil  der  öffentlichen 
Gottesverehrung,  für  den  Gesang,  gar  nichts  dieser  Art  So 
blieb  denn  natürlich  das  Singen  lateinischer  Hymnen  und  Psalme 
aUein  den  Geistlichen  überlassen,  und  die  Laien  konnten,  wenn 
sie  nicht  wörtlich  alles  auswendig  gelernt  hatten,  niemals  daran 
theilnehmen,  und  auch  dann  verstanden  sie  nichts  davon,  und 
niemand  kümmerte  sich  darum,  ihnen  ein  Verständniss  beizu- 
bringen. 

Damit  aber  diese  Ansicht  von  der  gänzlichen  Untheilnahme 
des  Volks  an  allem  eigentlichen  Kirchengesange  dieser  Zeit 
als  die  einzig  richtige  begründet  wird,  bedarf  es  zunächst  einer 
Erörterung  des  Kyrie  eleison  und  femer  einer  Reihe  von  Zeug- 
nissen in  chronologischer  Folge,  worin  das  Kyrie  eleison  als 
einziger  öffentlicher  religiöser  Volksgesang  angeführt  wird« 

Man  könnte  leicht  glauben,  das  Kyrie  eleison  ist  ja  die 
römische  Litanei,  und  diese  darf  doch  wol  als  eigentlicher  Kir- 
chengesang gelten?  Allerdings;  aber  unter  Kyrie  eleison  in 
dieser  frühen  Zeit  wird  nur  der  Anfang  der  Litanei,  werden 
nur  immer  die  bloßen  Worte:  Kyrie  eleison,  verstanden.  In 
dieser  Bedeutung  kommt  es  bereits  in  der  Ordensregel  des  hei- 
ligen Benedictus  öfter  vor ');  so  auch  im  12.  §.  jener  alten,  auf 
diese  Kegel  bezüglichen  Bestimmungen,  welche  die  Mönche  von 
St.  Gallen  mns  Jahr  817  entwarfen:  sie  sollen  im  Ordenshause 
Kyrie  eleison  mit  Eaiiebettgung  einstimmig  nur  dreimal  nach 
einander  beten,  und  zwar  idso:  Kyrie  eleison,  Christe  eleison, 
Kyrie  eleison;  auf  gleiche  Weise  im  Refectorium,  aber  ohne 
Kniebeugung  *).  Am  deutlichsten  erheUt  die  von  uns  angenom- 
mene Bedeutung  aus  einer  Urkunde  vom  Jahre  910  "<>).    Papst 

§.2.  8)  MabilloD,  Comment.  in  ordinem  Roman,  p.  XZXIX. 

9)  Cspitola  monachorum  Sangallensium  circa  a.  817  in  Baltuü  Capi- 
tal. Regam  Franc.  T.  II.  col.  1383.  §.  12.  Ut  Kyrie  eleison  oratnri  in  capi- 
tulOy  utnunque  genu  flectentea,  consona  voce  tribos  tantum  vicibna  dicant,  id 
est,  Kyrie  eleison,  Christe  eleison,  Kyrie  eleison.  Similiter  in  refectorio,  sed 
sioe  gennflectione. 

10)  Ugbelli  Italia  sacra  T.  I.  (ed.  2.)  col.  91—93.  Die  hieher  gebörige 
Stelle  lautet:  donamns,  largimur,  concedimns  et  stabilimos  perenniter  in  nsu 
et  ntUitate  ipsius  venerabilis  Episcopi  et  Episcopomm,  qoi  pro  tempore  foerint, 
ita  tarnen  ut  qnotidianis  diebus  sacerdotes  et  clerici  ipsius  ecclesiae  pro  reme- 
dio  animao  nostrae  clament  in  eadem  occlcsia  ceutum  Kyrie  eleison  et  ccn- 
tum  Christe  eleison. 


14 

Obschon  das  Kyrie  eleison  nur  zwei  Worte  sind,  so  waren 
sie  doch  dem  Volke  fremd  nnd  unverständlich  und  es  hat  gewiss 
lange  Zeit  schwer  gehalten^  ihm  das  Singen  oder  vielmehr  Rufen 
derselben  beizubringen.  Die  Salzburger  Beschlüsse  vom  J.  799 
verlangen  ausdrücklich,  das  Volk  soUe  Kyrie  eleison  rufen  ler- 
nen und  nicht  mehr  so  ungeschlacht  (dörperlich,  rustice)  schreien 
wie  bisher,  sondern  es  besser  lernen"). 

In  den  Capitularien  Karls  des  Großen  und  Ludwigs  des 
Frommen,  gesammelt  von  Ansegisus  und  Benedictus  Levita,  be- 
stimmt das  205.  Kapitel  des  VI.  Buches:  wie  die  Christen  den 
Sonntag  feiern  sollen;  da  heißt  es  denn  auch:  sie  sollen  nicht 
auf  den  Kreuzwegen  nnd  Gassen  stehen  und  sich  mit  Erzählun- 
gen, Tanzen  und  weltlichem  Singen  die  Zeit  vertreiben,  sondern 
zu  einem  weisen  und  fronunen  Priester  gehen,  der  Predigt  bei- 
wohnen und  allem  was  auf  das  Heil  ihrer  Seele  Bezug  hat;  sie 
sollen  zur  Vesper  und  zu  den  Metten  kommen  und  alle  ihr  Kyrie 
eleison  sowol  beim  Her-  als  Heimgange  singen;  auch  bei  den 
Geschäften  des  Lebens,  beim  Aus-  und  Eintreiben  des  Viehes 
wird  ihnen  das  Kyrie  eleison  empfohlen  zum  Zeichen  eines 
christlichen  Volkes  "). 

Dasselbe  wiederholen  auch,  wiewol  kürzer,  die  Capitularien 
Herards  vom  Jahre  858  im  16.  E^apitel  *<>).    Jene  Capitularien 


nendo  crepitabaat  eleganter  dangentes,  clamabant  multis  Toeiboa,  quasi  uno 
ore  psallentea  glorificabant  Deoin.  Tone  omiiis  plebs  com  magno  honore  sm- 
bnlantea  portabant  S.  Wnnebaldom,  et  posneront  enm  in  monomento  novo,  in 
illo  portico,  de  quo  aupra  dizimoa,  et  statlm  poatea  MiBBam  cantayit  episcopns 
ad  aunm  capnt.  Beiläufig  bemerke  ich,  dasa  die  hier  mitgetheilte  Stelle  nach 
Art  vieler  latein.  Geachichtswerke  gereimt  iat. 

§.  2.  18)  Statuta  Saliabnrg.  §.  3.  Pertz  m.  p.  80.  Ut  omni«  popnloa  hono- 
rifice  cmn  omni«  aupplicationibiiB  devotione,  hnmiliter  et  cnm  reverentia  aba- 
qne  praetiosaram  vestiom  omata  Tel  etiam  inlecebroao  eantico  et  loaa  aaecn- 
lari  com  laetanüs  procedant  Kyrieleyson  clamare,  nt  non  tarn  rnatice  nt  uonc 
nsque,  aed  melina  diBcant. 

19)  Capit  Karoli  Magni  et  Ludoviei  Pii  apnd  Baluzinm  T.  I.  col.  958: 
Et  illo  die  aen  sabbato  ad  veaperaa  et  ad  matntinaa  sive  ad  miaaam  cum 
eorum  oblationiboa,  ai  fieri  poteat,  omnea  canendo  Kjrie  eleison  veniant  et 
enndo  et  redeundo  Kyrie  eleison  decantent.  Similiter  et  pastorea  pecorum 
eundo  et  redeundo  in  campum  et  ad  domum  fticiant,  nt  omnea  eos  veraciter 
Chriatianos  et  devotes  esae  cognoacant. 

20)  Capit.  Herardi  apud  Baluzinm  T.  I.  col.  1288:  Et  Kyrie  eleison 
a  cnnctis  reverenter  canatur. 


15 

Karls  und  Ludwigs  bestimmen  auch  im  197.  Kapitel  des  VI.  Buches, 
dasB  bei  den  Leichenbegängnissen  alle  heidnischen,  höchst  un- 
christlichen Gebräuche  aufhören  sollen;  jeder  solle  hingegen, 
wie  es  sich  für  einen  Christen  zieme,  mit  andächtigem  Sinne 
und  tranrendem  Hersen  für  die  Seele  des  Entschlafenen  die 
Barmherzigkeit  Gottes  anflehen;  werkeine  Psalmen  wisse,  solle 
mit  lauter  Stimme  Kyrie  eleison,  Christe  eleison  anstimmen, 
wobei  die  Ifänner  beginnen  und  die  Weiber  erwiedem  können»). 
Dasselbe  wird  wiederholt  in  Herards  Capitularien  im  58.  Kapitel 
mit  dem  Zusatse:  solches  sollten  die  Freunde  und  Eltern  der 
Verstorbenen  dreißig  Tage  hindurch  thun  ••). 

Burchard  und  Regino  haben  dasselbe,  wiewol  mit  anderen 
Worten,  ebenfalls  in  ihre  Sammlungen  aufgenommen,  sie  schließen 
jedoch  also:  wer  aber  zu  singen  wünscht,  singe  Kyrie  eleison, 
sonst  schweige  er  gänzlich  *<). 

§.2.  21)  Ap.  Baloc.  T.  I.  col.  967:  Admoneantor  fideles,  nt  ad  saoa  mor- 
taoB  non  a^ant  ca,  qaae  de  paganoram  ritn  remansenmt.  8ed  unuaquiaqae 
devota  mente  et  compunctione  cordis  pro  eiun  anima  Dei  misericordiam  im- 
ploret.  Et  qiiando  eos  ad  sepalturam  portaverint,  iUnm  ololatam  excelsum 
non  faciant,  sed,  sicnt  sopra  diximna,  devota  mente  et  companctione  cordis, 
in  qnantnm  aensum  habtierint,  pro  eitur  anima  implonire  Dei  misericordiam 
faeiant.  Et  Uli  qni  psalmos  non  tenent,  excelsa  voee  Kyrie  eleison,  CThriste 
eleison,  viris  inchoantibiis,  mnlieribosqne  respondentibns,  alta  Yoce  eanere  sta- 
deant  pro  eins  anima.  Et  super  eonim  tumnlos  nee  manducare  nee  bibere 
praesamant     Qnodsi  fecerint,  eanonieam  sententiam  accipiant. 

22)  Capit.  Herardi  apnd  Balns.  T.  I.  eol.  1291 :  Ut  exeqnxae  mortuo- 
mm  com  hieta  seereto  et  eordis  gemita  fiant.  Et  psalmos  ignorantes,  Kyrie 
eleison  ibi  canant;  et  ut  triginta  diebos  amici  et  parentes  pro  eis  agaat 

28)  Apud  Hanheim,  Concil.  Oerm.  T.  II.  p.  500:  Laici,  qui  ezenbias 
fimens  observant,  cum  timore  et  tremore  et  reyerentia  haee  faeiant.  Nnllus 
ibi  praesmnat  diabolica  earmina  cantare,  non  ioea  et  saltationes  facere,  qnao 
pagani  diabolo  docente  adinyenerunt.  Quis  enim  nesciat,  diabolicum  esse,  et 
non  solnm  a  religione  christiana  aliennm,  sed  etiam  faumanae  natnrae  esse 
contrarium,  ibi  cantari,  laetari,  inebriari,  et  cachinnis  ora  dissolvi;  et  omni 
pietate  et  affectu  caritatis  postposito,  quasi  de  fratema  morte  exultare,  nbi 
Inctns  et  planctos  flebüibos  Toclbns  debuerat  resonare  pro  amissione  chari 
frstris?  cet.  "Et  ideo  talis  inepta  laetitia  et  pestifera  cantica  ex  auetoritate 
Dei  penitos  interdicenda  sunt.  8i  quis  autem  cantare  desiderat,  Kyrie  eleison 
^fntet     Sin  aliter,  omnino  taceat. 

BegUio  (er  staib  als  Abt  von  Prüm  908)  hat  diesen  Canon  aus  einem 
Coneilium  Arelatense  entlehnt;  aber  ans  welchem?  vielleicht  ans  dem,  wovon 
im  Coneilium  Mognnt.  vom  J.  888  gesagt  wird,  dass  e$  ku  den  Zeiten  Karls 


16 

Am  Charfreitage  pflegte  Ludwig  der  Fronuae  (813  bis  840) 
in  seinem  Palaste  zu  Aachen  seine  ganze  Hofhaltung  mit  neuen 
Kleidern  zu  beschenken,  vom  Vornehmsten  an  bis  auf  den  G-e- 
ringsten,  bis  auf  die  Stallknechte,  Bäcker  und  Köche;  wann 
nun  jeder  hatte  was  er  bedurfte  und  endlich  auch  noch  die 
Armen  gekleidet  waren,  dann  riefen  sie  ihm  durch  die  weiten 
Hallen  zu:  Kyrie  eleison**). 

Als  die  Gebeine  des  heil.  Bonifacius  von  Mainz  nach  Fulda 
übertragen  wurden,  im  J.  819,  sang  das  Volk  Kyrie  eleison  **). 

Auch  bei  der  Uberbringung  der  Überreste  des  heil.  Liborius 
von  Maus  in  Frankreich  nach  Paderborn  im  J.  836  wusste  das 
Volk  ebenfalls  nur  Kyrie  eleison,  während  die  Geistlichkeit 
allerlei  lateinische  Hymnen  zum  Preise  Gottes  und  der  Heiligen 
sang  *•). 

Im  J.  836  waren  die  Gebeine  des  heiligen  Vitus  nach  Covvei 
gebracht  und  feierlich  beigesetzt  worden.  Kurze  Zeit  nachher 
strömten  aus  dem  ganzen  Sachsenlande  Männer  und  Frauen 
herbei,  um  dort  ihre  Andacht  zu  verrichten;  Tag  und^acht 
sangen  sie  chorweise  Kyrie  eleison  *''). 


des  Qrowen  gehalten  sei;  s.  Acta  Concil.  T.  VI.  P.  1.  (Paris.  1714.  fol.)  p.  408. 
In  den  bis  jetit  gedrockten  Kirchenyersammliingen  sn  Arles,  auch  in  denen 
bei  Mansi,  finde  ich  obige  Stelle  nicht  Mansi  schaltet  sie  jedoch  ein  nebst 
andern  in  spfttere  Sammlongen  au%enonimenen  Canones,  die  als  Arelatenses 
beseichnet  werden,  hinter  dem  Concilinm  Arelatense  IV.  vom  J.  524,  wanim? 
ist  mir  unklar.    Man  sehe  fibrigens  Cpncil.  coli.  Mansi  T.  VIII.  col.  629. 

§.  2.  24)  Monachi  Sangall.  gesta  Karoli  in  Ports  Monum.  T.  II.  p.  763 : 
Cumqoe  iam  nullo  indigente,  seoundom  actos  et  dicta  apostolica  esset  in  Om- 
nibus gratia  magna,  quando  et  panperes  pannosi  jocimdissime  dealbati  Kyrie 
eleison  Hludowico  beato  per  latissimam  curtem  et  curticulas  Aquanungranl, 
qnas  Latini  usitatins  porticuum  nomine  vocant,  usque  ad  coelos  voces  effer- 
rent  cet.     Steht  auch  in  Canisii  lect.  ant.  ed.  Basn.  T.  IL  P.  IIL  p.  84. 

25)  Vita  Eigilis  abb.  Fuldensis  auct.  Candido,  Acta  Sanctorum  O.  S. 
Bened.  T.  IV.  P.  1.  (ed.  Paris.)  p.  255.  cf.  p.  23.  Elevat  interea  populari 
voce  repente  Advena  plebs  kjrie  eleison;  fit  damor  ad  astra. 

26).  Acta  Sanct.  Jol.  T.  V.  pl  424 :  Cumque  clems  in  hynmis  et  con- 
fessionibus  Deum  benediceret  et  spiritoaÜum  carminum  melodiam  Sanctorum 
laudi  congmam  (al.  propriam)  concineret,  populus  vero  Kyrie  eleison  ingemi- 
naret,  cum  ineffablli  iubilo  erectis  ad  Deum  mentibus  singolonun,  nihil  eins 
laude  dnlcius  videbatur  (al.  foit).     Cf.  Surii  Acta  Set.  T.  IV.  p.  351. 

27)  Historia  Translationis  S.  .Viti  apud  Porta  11.  p.  584.  Inter  ipsam 
denique  multitudinem  tarn  devote  concurrentium,  nullum  verbum  tnrpo  auditnr. 


17 

Auch  als  Schlachtruf  war  das  Kyrie  eleison  schon  sehr  früh 
üblich. 

König  Ludwig  m.  sang  während  der  Schlacht  bei  Saucourt 
im  J.  881,  worin  er  die  Nonnannen  besiegte,   ein  heiliges  Lied 
und  seine  Krieger  zusammen  sangen  Kyrie  eleison: 
Ther  cuninc  reit  cuono,  sanc  liot  irdno, 
loh  all6  saman  sungun  kyrie  eleison  **). 

In  der  Schlacht  gegen  die  Ungarn  im  J.  934  stimmte  Hein- 
richs Heer  das  heilige  und  wunderbare  Wort  xvQis  an,  während 
sich  im  Heere  der  Feinde  nur  das  hässUche  und  teuflische  hui! 
hui!  häufig  vernehmen  ließ  *»). 

Thietmar  erzählt  von  seinem  Vorgänger  Boso,  der  als  Bischof 
von  Merseburg  im  J.  970  starb,  dass  derselbe  sehr  thätig  ge- 
wesen sei  in  Bekehrung  der  heidnischen  Bewohner  seines  Bis- 
thums;  so  habe  er  ihnen  auch  den  Nutzen  des  Kyrie  eleison 
erklärt  und  sie  gebeten,  sie  möchten  es  doch  singen;  die  ver- 
stockten Slaven  aber  hätten  Ukrivolsa  spöttisch  daraus  gemacht, 
was  '^hietmar  durch  y^eine  Erle  steht  im  Busche"  übersetzt  '<>). 

Der  heilige  Ulrich,  in  den  Jahren  923 — 973  Bischof  von 
Augsburg,  schickte  den  Mönchen  von  St.  Gallen  ein  Fuder  Bo- 
zener Wein.    Der  schwere  Wagen,  von  Ochsen  gezogen,  kam 


mülns  iocuB  ant  seimilitM  inyemtor:  sed  dia  noctaque  Deo  laudes  et  grates 
rependuntnr,  semper  in  ore  ipBomm  Kyrie  eleison  conclamstnr :  choros  seorsim 
Yin,  seonim  feminae  ducentes,  per  totam  noctem  in  circiüta  ecclesiae  sine 
inteimjssione  rigilias  agentes,  semper  Kyrie  eleison  freqnentant. 

§.  2.  28)  46.  und  47.  im  Rithmus  tentonicns  de  piae  memoriae  Hluduico 
rege  filio  Hlndtdci  aeqae  regis,  den  ich  im  J.  1887  in  einer  Hs.  der  Biblio- 
thek SU  Yalendennes  wiederfand.  S.  Elnonensia.  Monuments  de  la  langne 
Komane  et  de  la  langne  Tudesque  du  IXß  siSde,  d^covyerts  par'Hofimann 
de  Fallersleben  et  pnbli^s  par  J.  F.  Willems.     2.  itd.    Gand  1846. 

29)  liidtprandi  de  rebus  imperat.  et  regnm  IIb.  II.  o.  9.  (opp*  Antv. 
1640.  p.  35):  Hand  mora,  bellnm  incipitor,  atqne  ex  Cbristianoram  parte 
sancta  mirabilisque  vox  icvQis,  ex  eomm  tnrpis  et  diaboliea  hol  hui  frequenter 
anditor.  Vgl.  Chronicon  Engelhns.  in  Leibnitii  Scriptt  Rer.  Brunsvic.  T.  II. 
p.   1078. 

30)  Thietmari  Chronicon,  Pertip  Mon.  Y.  Script  IIL  p.  765.  ed.  Wagner 
p.  40 :  Hie  nt  sibi  commissos  eo  facilios  instmeret,  sclayonica  scripserat  verba, 
et  eos  Kyrie  eleison  caatare  rogayit,  exponens  eis  eins  ntUitatem.  Qni  vecor- 
dem  hoc  in  malun  irrisorie  mntabant  Vkrivolsa  (al.  kriolosso),  quod  nostra 
lingna  dlcitor:  Aeleri  stat  in  frntectom  (fratectis),  dicentes:  Sie  locntns  est 
Boso,  cum  ille  aliter  dixerit.  —  Polnisch  olaoy  böhmisch  volsa,  die  Erle. 

2 


18  _ 

aus  dem  Gleise  und  stürzte  dicht  vor  St.  Gallen  die  Brücke 
hinab.  Landleute  halfen  dein  Wagen  wieder  auf  und  sangen 
dabei  Kyrie  eleison  »>). 

Boleslaus  11.^  Herzog  von  Böhmen,  wünschte  im  J.  973  mit 
den  Großen  des  Landes  den  Mönch  Dethmar,  einen  Sachsen  von 
Geburt,  zum  Prager  Bischof.  Er  sendete  ihn  zum  Kaiser  Otto 
und  bat  diesen  schriftlich,  Dethmam  das  Bisthum  zu  verleihen. 
Des  Herzogs  Bitte  ging  in  Erfüllung,  Dethmar  kehrte  als  Bischof 
heim.  Als  nun  seine  feierliche  Einsetzung  erfolgte,  sang  die 
Geistlichkeit  Te  Deum  laudamus,  der  Herzog  aber  mit  den 
Großen  des  Landes: 

Christe  kinMo! 
Kyrie  eleison, 
unde  die  heiligen  all§  helfant  uns! 
Kyrie  eleison, 
die  Einfältigeren  aber  und  Unwissenden  riefen  Kyrie  eleison  '>). 

Auch  bei  einer  ähnlichen  Veranlassung,  wie  die  obige  zu 
Paderborn  war,  als  nämlich  der  Trierer  Bischof  Egbert  im  J.  979 
die  Reliquien  des  heiligen  Celsus  nach  Trier  brachte,  sang  das 
Volk  nur  die  Worte  Kyrie  eleison  und  Gloria  tibi  Domine  «*). 


§.  2.  81)  Ekkehardi  IV.  Casus  S.  Galli  cap.  3.  apud  Pertz  11.  p.  108.  Kyrie 
eleison  vero  cantantes  pancaqae  iumentis  {hier  fehU  vielleicht  imponentes), 
quia  percalsa  erant,  ad  imnenta  nectentes  (leg,  iomenta  adnectentes),  episcopo 
(leg.  abbat!)  bosanarinm  snum  exspectanti  defenmt,  et  integra  omnia  et  sana 
ostendont.  —  Eine  sehr  verdorbene  Stelle  I 

32)  So  en&hlt  Cosmas  Pragensis  (geb.  um  1045.  f  1125),  Perta  Mon. 
XI.  Script.  IX.  p.  50.  beim  J.  967.  Diesen  Irrthüm  und  sonstige  in  der  £r- 
aählung  des  Cosmas  sind  in  den  Anmerkmigen  bei  Pertz  nachgewiesen  und  be- 
richtigt. Die  hieher  gehörige  SteUe,  wozu  sich  übrigens  viele  Varianten  vor- 
finden, lantet:  Tuno  praesul  mitra  redimitos  novus  novam  redit  laetns  totius 
Boemiae  in  parrochiam,  atqne  ut  ventom  est  metropolim  Pragam,  ioxta  altare 
sancti  Viti  intronizatnr  ab  omnibos,  dero  modnlante:  Te  Deum  laudamus. 
Dux  autem  et  primates  resonabant:  Christe  keinado,  kirie  eleison,  und  di 
hallicgen  alle  h^nent  unse,  kyrie  eleison  et  caetera;  simpliciores  autem  et 
idiotae  clamabant  Kyrieleyson :  et  sie  secundum  morem  suum  totam  illam  diem 
hylarem  sumnnt. 

33)  Snrii  Acta  Sanct.  T.  VII.  p.  89:  Toto  interim  coUegio  altissimis 
vocibus  Deum  collaudante  cet  audiebantur  autem  etiam  commixtim  vulgi  voces 
hoc  solum  crebro  iterantis:  Kyrie  eleison,  et  Gloria  tibi  Domine.  Ubi  autem 
ad  monasterium  iUud  ventum  est,  ipse  reverendissimus  praesul  Egbertus  alta 
voce  inchoavit  canticum  Te  Deum  laudamus  caeteris  ad  finem  usque  cum  iUo 


19 

Auch  bei  einer  WundergeBchichte  am  Grabe  des  heiligen 
Ukichy  Ende  des  X.  Jahrb.,  sang  das  Volk  sein  Kyrie  eleison, 
während  die  Geistlichkeit  ihrTe  Deum  laudamus  anstinunte'«). 

Thietmar  erzählt  in  der  Geschichte  der  Begebenheiten  unter 
Otto  m. :  als  der  Kaiser  im  J.  992  das  von  den  Slaven  belagerte 
Brandenburg  entsetzte,  sangen  die  Krieger  fröhlich  über  ihre 
Rettung  Kyrie  eleison,  was  von  den  herbeieilenden  einstimmig 
erwiedert  ward»*). 

Kyrie  eleison  war  auch  das  Feldgeschrei,  als  ein  Theil  des 
Heeres,  womit  Kaiser  Heinrich  ü.  im  J.  1003  Crusni  (Kjreußen 
in  Franken?)  belagerte,  die  Anhänger  seiaes  Feindes,  des  Gra- 
fen Heinrich  überfiel**). 

Als  zu  Anfange  des  XI.  Jahrhunderts,  wahrscheinlich  im 
J.  1007  eine  große  Dürre,  Hungersnoth  und  Pest  auch  das  Bis- 
thum  Köln  heimsuchte,  ließ  der  damalige  Erzbischof,  der  heilige 
Heribert,  feierliche  Bittgänge  anstellen,  bei  denen  Volk  und 
Geistlichkeit  einstimmig  sangen:  Kyrie  eleison'*). 


id  proseqaentibiu.  Cf.  Gretser  de  process.  p.  84.  85.  —  Acta  Sanct.  Febr. 
T.  m.  p.  899.  HistoriA  inventiomB  8.  Cebi  Episc.  Trev.  anctore  Theodoro 
monacho:  Inier  laeta  rero  monachomm  carmina  atqne  resnltaniia  clericomm 
inbila  permtrti  nndique  wlgi  voz  pentrepoit  canora  et  in  tanto  fidelinm  coetu 
niliil  aliud  andiebator  nin  tantum  Kyrie  eleison  et  Gloria  tibi  Domine. 

§.2.  34)  GerharduB  preabjter  in  der  Vita  S.  Uodalrici  episcopi,  verfasst 
983—993.  Pertz  Mon.  VI.  p.  424.  Von  dem  Heiligen  selbst  erzählt  Gerhard 
anter  anderm  (p.  892):  caeteromqne  popolnm  Pater  noster  cum  magna 
hnmilitate  decantare  rogavit.  —  Ich  führe  diese  Stelle  nur  beiläufig  an,  denn 
es  könnte  leicht  jemand  versucht  werden,  darin  auf  ein  deutsches  Lied  zu 
schlieBen.  An  ein  Lied  ist  wol  schwerlich  zu  denken,  wahrscheinlich  nicht 
einmal  an  ein  deutsches  Vaterunser. 

86)  Thietmari  Chronicon,  Pertz  Mon.  V.  p.  774.  ed.  Wagner  p.  78: 
Nostri  autem  in  ereptione  interius  gaudentes  Kyrieleison  canunt  et  adyenientes 
unanimiter  respondent  Vgl.  Annalista  Saxo  in  Eecardi  Corpus  bist,  medii 
aevi  T.  I.  col.  354.  bei  dem  J.  992. 

36)  Thietmari  Chron.,  Pertz  Mon.  V.  p.  800.  ed.  Wagner  p.  128:  Hi 
antem  (milites  regia)  medii  fervore  diel  illo  latentibus  tendentes  insidiis,  ut 
primum  castra  visis  agnoyere  tentoriis,  alta  voce  per  Kyrieleison  socios  con- 
vocantes,  hostes,  relictis  ibidem  omnibns  suis,  capto  solnm  Emasto,  effugamnt. 

37)  Heribert  ward  999  Erzbischof  ron  Köln  und  starb  16.  März  1021. 
Obiges  erzählt  Bnpertos  Tnitiensis,  Acto  Sanct.  Mart.  T.  II.  p.  480 :  Erat  autem 
pnblicus  cleri  et  popuH,  monachomm  quoqne  atqne  sanctimonialium  processus, 
et  ex  omni  genere  (Boll.  ordine)  ntripsqne  sezus,  lingua  quidem  diversa,  sed 

2* 


20 

Aus  der  Diöcese  Köln  noch  ein  anderes  Zeugniss,  das  in 
den  Ausgang  des  XI.  Jahrhunderts  fällt:  eine  Wundergeschiehte, 
die  bald  nach  dem  Tode  des  Erzbischofs  Anno  (f  1075)  vorfiel 
und  unter  den  vielen  Wundem,  die  zu  Siegburg  an  seinem  Grabe 
und  in  der  dortigen  Gregend  geschahen,  mit  verzeichnet  ist  »•). 
Velbert,  ein  frecher  Mensch,  hatte  die  Heiligen  geschmäht  und 
glaubte  nicht  an  ihre  Wunderthaten  und  so  auch  nicht  an  die 
des  heil.  Anno.  Wenn  jener  jemals  einen  Blinden  geheilt  hat, 
sagte  er  unter  anderm,  so  mögen  mir  beide  Augen  ganz  und 
gar  ausfallen!  Sofort  floss  sein  linkes  Auge  aus.  Alle  ermahn- 
ten ihn,  er  möchte  den  Heiligen  anrufen.  Da  meinte  er,  es  sei 
ein  Irrthum,  ihn  einen  Heiligen  zu  nennen;  wenn  der  Heilige 
ihm  auch  das  andere  Auge  raube,  so  wurde  er  an  ihn  glauben. 
Sofort  floss  ihm  auch  das  andere  Auge  aus,  sein  Pferd  wurde 
flüchtig,  warf  ihn  ab  und  schleifte  ihn  eine  Strecke  auf  der  Erde. 
Von  Angst  und  Staunen  ergriffen  flehten  alle  den  heil.  Anno  an, 
fielen  nieder  und  riefen:  Kyrie  eleeson.  Endlich  bekehrte  sich 
Velbert  und  flehte  zum  heil.  Anno.  Der  Richter  Arnold  und 
sein  Gefolge  vereinten  ihre  Bitten  mit  den  seinigen,  hoben  die 
Hände  gen  Himmel  empor  und  riefen  Kyrie  eleeson.  Der  Heilige 
ließ  sich  erweichen  und  Velbert  erhielt  beide  Augen  wieder. 

In  einer  Lebensbeschreibung  der  heil.  Verena  aus  dem  X. 
oder  XI.  Jahrhundert  wird  erzählt:  Als  zu  einer  Zeit  ein  Theil 
der  Kirche  dieser  Heiligen  zu  Zurzach  einfiel,  befahl  der  Propst 
sie  wieder  herzustellen;  da  wollten  die  Bürger  die  ins  Wasser 
gestürzte  Steinmasse  hervorschaffen,  um  sie  von  neuem  zu  be- 
nutzen; und  obschon  sie  es  nicht  vermochten,  so  versuchten  sie 
es  doch  und  unter  dem  Gesänge  von  Kyrie  eleison,  nach  Art 
frommer  Krieger,  wenn  sie  ins  Treffen  eilen,  sprangen  sie  in 
den  Ehein«»). 


Qua  intentione  et  eodem  seium  concrepando  Kyrie  eleiAon  altitado  coeli  pcd- 
sabator. 

§.  2.  88}  Snrios  de  probatis  Sanctomm  bistorüa  T.  VI.  (Colon.  1676)  p.  762. 
Tom  omnes  parore  et  stapore  correpti  appellabant  sanctam  Annonem,  seae  in 
terram  prostementes,  identidem  damabant  Kyrie  eleeson.  —  Haee  cum  ille 
dioeret  et  omnea  miaeratione  affieerentiir,  Araoldus  index  bortabatnr  eos,  ut 
eommmiibiis  votia  et  precibos  homini  miaero  divinam  misericordiam  concilia- 
rent  aablatiaqae  manibiui  Kyrie  eleeaon  ana  Toce  damitarent. 

39)  Acta  Sanct.  Sept.  T.  I.  p.  170:  Statim  ae  congreg^nrunt  ciyea,  ubi 
sciebant  eaae  camnlnm  lapidum  aubmenornm  in  locam,   qiü  dicitnr  Conflnen- 


21 

Im  Jahre  1105  gelobte  Kaiser  Heinrich  V.  zu  Nordhausen 
Tor  der  versammelten  Geistlichkeit^  die  Reichssatzimgen  treu  zu 
halten  und  gehorsam  dem  Papste  zu  sein.  Beifällig  vernahm  es 
das  Volk  und  unter  Thränen  und  Gebeten  rief  es  mit  lauter 
Stimme  Kyrie  eleison^). 

Auch  bei  der  Einsetzung  eines  Abtes  oder  einer  Äbtissin 
war  es  noch  im  XIL  Jahrhundert  herkömmlich,  dass  das  Volk 
sein  Kyrie  eleison  rief;  wie  eine  Stelle  aus  einer  Handschrift 
liturgischen  Inhalts  darthut«'). 

Ein  solcher  religiöser  Volksgesang,  der,  wie  eben  gezeigt 
ist)  nur  aus  dem  bloßen  oft  wiederholten  Rufe  zweier  Wörter 
bestand,  artete  gewiss  bald  aus  in  einen  unverständlichen  Jubel. 
Dies  beweisen  denn  auch  die  früh  bereits  vorkommenden  For- 
men Kyrieles  und  Kyrieleis,  so  wie  spätere  noch  verderbtere  in 
andern  Ländern,  z.  B.  das  böhmische  Elrles  und  das  französische 
Kyrielle  ♦»). 

Wie  aber  schon  Notker  Balbulus  die  sogenannten  Neumen 
oder  Jubili,  diese  textlosen  Jubeltöne,  welche  auf  das  AUeluju 
in  der  Messe  folgten,  mit  beziehimgsreichen  Texten  versah,  so 


da,  abi  Araiis  fluviiui  Rheno  consociatiu  deourril;  et  bonum  consiliam  inierimt, 
aty  quamyls  ereUere  non  poasent, '  tarnen  incipere  staderent:  Kyrie  eleiaon, 
cantanteB  more  fidelium  militam,  properantium  ad  bellum,  saliendo  ingressi 
aaiit  RheniuD. 

§.  2.  40)  Ad  quod  oumis  multitudo  landans,  laciymas  simul  et  preces,  tarn 
pro  patrifl  (Henrici  IV.)  converaione  quam  et  filii  prosperitate,  fandens,  coepit 
exclamare  voce  magna  Kjrio  eleison.  Ein  gleichseitiger  Schriftsteller  bei 
Harzheim,  Concilia  Germ.  in.  p.  249. 

41)  M.  Gerbert  de  cantu  et  mnsica  sacra  T.  I.  p.  650 :  Peracta  bene- 
dictione  seqnitur  Te  Deum  laadamns,  popnlo  acclamante  Kyrie  eleison.  In 
Bezog  anf  die  Äbtissin :  Quodsi  ordinatio  in  domo  sna  facta  fuerit,  imponatur 
Te  Deum  landamns,  popnlo  acclamante  Kyrie  eleison  cet.  Item  si  alibi  con- 
secrata  fherit,  regressae  ad  monasterinm  omnis  ohoras  Tirginnm  honorifice 
procedat  ei  obviam  cum  crudbus  et  aqua  benedicta,  incenso,  et  evangelio,  et 
in  ipso  ecclesiae  introitu  imponant  Te  Deum  laudamus,  torba  acclamante 
Kyrie  eleison. 

42)  Krle*  s.  B.  in  dem  Laede  Hospodyno  pomiluy  ny;  KriUuu  bei 
Coaroas  10d7.  Porta  Mon.  XI.  p.  66.  Auch  Quirielle,  JQsieUe,  Belege  dafür 
aus  der  zweiten  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts  in  Du  Gange  Glossarium  ed. 
Henschel  III,  969.  Die  ältere  Form  Kfriole  in  dos  FlamlünderB  Nivardua 
Beinardns,  2.  Hlllfte  des  12.  Jahrh.  bei  Mone  I,  746.  „Salve  festa  dies''  can- 
tabat  ut  usque  solebat  in  primis  feriis  et  %n  yulgus  ole. 


22 

dachte  man  zu  gleicher  Zeit,  nach  der  Mitte  des  IX.  Jahrhun- 
dertfi  nämlich  daran,  die  zu  einem  bloßen  festlichen  Schrei  und 
Jubel  gewordenen  Töne  des  Kyrie  eleison  ebenfalls  mit  neuen 
geistlichen  deutschen  Worten  zu  bekleiden  und  sie  so  bedeu- 
tungsvoll und  gleichsam  lebendig  zu  machen.  Noch  Jahrhun- 
derte hindurch  scheint  der  Schlussvers  (Refrain)  der  meisten 
geistlichen  Lieder ,  das  Kyrie  und  Christe  eleison  fbr  diesen 
Ursprung  des.  deutschen  Kirchenliedes  zu  bürgen  imd  bestätigt 
die  nach  unserer  Ansicht  fiir  richtig  erachtete  £ntwickelung 
desselben. 

Am  deutlichsten  lehrt  dies  folgender  althochdeutscher  Ge- 
sang auf  den  Apostel  Petrus  «'): 

f    Nr.  1. 

Unsar  trohtin  hUt  farsalt 
sancte  PStre  giwalt, 
da;  er  mac  g^erian 
ze  imo  dingSnten  man. 
Kyrie  eleison ,  christe  eleison! 

Er  hapöt  euch  mit  wortun 
himilrtches  portün, 
dar  in  mac  er  skerian 
den  er  wili  nerian. 
Kyrie  eleison,  christe  eleison! 

Pittdm^s  den  gotes  trüt 
all&  samant  upar  lüt, 
da;  er  uns  firtlbi^n 
jgiwerdö  ginMSn. 
Kyrie  eleifon,  chrifte  eleifon! 
Leider  hat  sich  kein  zweites  Lied  der  Art  erhalten;   seine 
einfache  singbare  Strophenform  aber,  die  Jahrhunderte  lang  volks- 
thümlich  blieb,  berechtigt  zu  der  Annahme,  dass  es  dergleichen 


§.  2,  48)  Docen  entdeckte  Um  in  einer  Freisingrer  HS.  des  IX.  Jahrh.  und 
machte  ihn  bekannt  in  seinen  Miecell.  I.  Bd.  8.  4.  Hienach  ward  er  aber- 
mals g^drackt  in  Hoffmann,  Fnndgroben  I.  Th.  8.  1.  Bocen  bemerkte  bereits 
in  seinen  ZnsKtzen  zu  den  Miseell.  1809,  8.  21,  dass  die  Stelle:  „da:;  er  uns 
firtanen  giwerdo  ginaden«'  bei  OtMd  Toikommt  I,  7,  55.  56.  Ich  möchte 
deshalb  jedoch  noch  nicht  mit  dem  Bec.  meiner  Fondgr.  (Hall.  Litter.  Zeitongr 
1882,  I.  Bd.  Sp.  154)  Otfrid  für  den  Verfasser  des  Liedes  halten. 


23 

Lieder  schon  damalB  noch  manche  gegeben  hat.  DasB  wenig- 
stens zum  Singen  für  das  Volk  gedichtet  wurde,  beweist  ein 
Zeugniss. 

Der  St.  Galler  Mönch  Ratpert  **)  verfasste  ein  deutsches 
Lied  zum  Lobe  Gottes  und  zwar  für  das  Volk.  Leider  findet 
es  sich  nur  noch  in  einer  lateinischen  Übersetzung  EkkehardsIV. 
(f  um  1036).  Es  gehört  schon  mehr  der  erzählenden  Dichtung 
an.  Obschon  es  ebenfalls  auch  aus  Langzeilen  besteht,  die  ganz 
nach  ahd.  Art  gebaut  sind  (jede  reimt  in  sich  uiid  jede  Halb- 
zeile hat  vier  Hebungen),  so  sind  doch  solcher  Langzeilen  immer 
fünf  zu  einer  Strophe  verbunden  und  die  Kehrzeile :  Kyrie  eleV 
8on  fehlt  *»). 

Dass  man  aber  nicht  allein  in  St  Gallen,  sondern  auch  in 
den  benachbarten  Klöstern  der  Schweiz  und  des  südlichen  Deutsch- 
lands ähnliche  Versuche  in  der  Volkssprache  machte,  lässt  sich 
bei  den  wirklich  vaterländischen  Bestrebungen  der  deutschen 
Benedictiner  voraussetzen.  Sie  waren  ja  lange  Zeit  die  ersten 
und  einzigen  Mönche,  die  sich  der  Kultur  des  Bodens  wie  der 
Menschen  mit  reinem,  wahrhaft  christlichem  Eifer  annahmen; 
sie  waren  die  ersten,  die  auf  den  Kirchenversammlungen  der 
deutschen  Sprache  das  Wort  redeten,  die  in  der  friedlichen,  jeder 
edlen  und  würdigen  Beschäftigung  günstigen  Einsamkeit,  zuerst 
deutsch  dichteten  und  ins  Deutsche  übersetzten,  wie  Otfirid**), 
Kero,  Notker  u.  a. 


§.  2.  44)  Batpert  starb  um  900.    Mehr  über  ihn  Ildefons  von  Arz,  Geschich- 
ten von  8t.  Gallen  I,  96—97.  und  Pertz  I.  p.  4.  69.  60. 

46)  Eckehard'8  Übenetxang,  17  Strophen,  steht  gedruckt  in  Heinrich 
Hattemer,  Denkmahle  des  Mittelalters.  St.  Gallens  alttentsche  Sprachschätze 
I.  Bd.  (St.  Gallen  1844.)  S.  840  —  844  nach  den  Hss.  393,  174  und  168. 
Ekkehard  selbst  leitet  das  Gedicht  mit  folgenden  Worten  ein:  Batpertns  mo- 
nachns,  Notkeri  (BalbnU)  qnem  in  Seqnentiis  miramnr  condiscipnlus,  fecit  Car- 
men barbaricnm  populo  in  lande  Sancti  Galli  canendum,  qnod  nos  mnlto  im- 
pares  homini,  ut  tarn  dulcis  melodia  latine  luderet,  quam  proxime  potuimus, 
in  latinnm  transtnlimus.  —  Vorher  ^chon  hatte  es  Jacob  Grimm  in  den  von 
ihm  und  Schmeller  herausgegebenen  i, Lateinischen  Gedichten  des  X.  und 
XI.  Jahrh.<<  (Göttingen  1838)  S.  XXXI  ff.  drucken  lassen  und  mit  lehrreichen 
Bemerkungen  über  ahd.  Yerskunst  begleitet. 

46)  Otfiid  (um  865)  hat  gewiss  sein  ETangelienbuch  (evangeliono  deil) 
sum  Singen,  wenn  auch  außerhalb  der  Kirche,  bestimmt,  dafür  spricht  sunftchst 
die  lateinische  Vorrede  an  den  Ensbischof  Lintbert  von  Mainz:   Dum  reram 


24 

Reginbert  (er  starb  846)  fand  im  Jahre  821  als  Bibliothecar 
der  Abtei  Beichenau  unter  den  Bücliem,  die  er  damals  verzeich- 
nete, einen  ganzen  Band  deutscher  Gedichte  vor,  worunter  doch 


qnondam  soniia  innttlinm  pulsaret  aores  qaonmdam  probätLsBimomm  viromm 
eonimqae  sanctitatem  laicornm  cantus  inquietaret  obtcoenna,  a  qnibna- 
dam  memoriae  dl^is  fratrlbus  rogatoa  mazimeque  ciÜTisdam  renerandae  matronae 
verbia  nimium  flagitanti«  nomine  ludith,  partem  eTangeliomin  eia  theotiace 
conscriberem,  ut  aliquantalum  hnios  cantus  lectionis  Indum  Bocalarinm 
vocum  deleret  et  in  evangeliorom  propria  lingoa  occnpatt  dolcedine  sonnm 
inutilium  rerum  noverint  declinare.  Dann  I,  1,  123 — 126. 
9  Nn  freuuen  üh  es  Alle, 

so  uuer  so  un61a  unulle 

loh  so  nn^r  si  hold  in  müate 

fränkono  thiote, 

Tba:^  uuir  Krfste  sungnn 

in  ünsera  snngnn, 

ioh  uuir  ouh  tha:;  gil^beton, 

in  fr^nkiagon  nan  löboton. 
Ja,  in  einer  Stelle  scheint  ihm   der  Kirchengesang*  vorgeschwebt  zu  haben, 
I,  6,  16—18: 

Nn  singemes  ille 

männolih  bi  bAme: 

nnola  kind  diori, 

förasago  mdbi. 

Uuola  kind  diuri, 

förasago  miri. 

ia  kt&ndt  er  nns  thia  h^ili, 

er  er  gib6ran  nnari. 
Aber  schwerlich  ist  je  etwas  ron  seiner  Dichtung  in  den  Yolksgesang  oder 
gar  in  den  Kirchengesang  der  Li^en  übergegangen,  auch  IXast  sich  durchaus 
nicht  nachweisen,  dass  die  Absicht  Otfrids  auf  diese  VT'eise  den  weltlichen 
Gesang,  den  cantus  obscoenns  laicorum,  diesen  sonus  inutilium 
rerum  zu  yerdrSngen,  irgendwie  erreicht  ist 

Trotzdem  hat  Philipp  Wackemagel  in  seinem  Kirche nliede  unter 
Nr.  78—83.  141  vierzeilige  Strophen,  also  564  Yerszeilen  aua  OtMd  mitge- 
theilt;  er  konnte  mit  demselben  Rechte  den  ganzen  Otfrid  abdrucken  las- 
sen, zumal  er  nach  Von*.  XXVHI  die  eiszelnen  Gedichte  Otfrids  für  Lieder 
hält,  „die  in  den  Klöstern  seines  Ordens  wirklich  gesungen  worden  sind,**  als 
ob  jemals  so  etwas  die  strenge  Ordensregel  geduldet  hStte  1  Bischof  Anaelm 
▼on  Havelberg  (f  1168)  wollte  nicht  einmal,  dass  die  Mönche  deutseh  spra- 
chen (de  ordine  eanonicomm  regfularium:  In  quo  opere  hoc  ad  honestatem 
simul  et  exercitii  rationem  spectare  credimus,  ut  non  vulgari  lingua,  sed 
latina  sermoiies  necessitatis  ofr  utilitatis  conserant).  —    Über  Otfrid  in  poeti- 


25 

wol  auch  geistliche  Lieder  waren  ^*).  Zu  seiner  Zeit,  noch  vor 
dem  J.  842  ward  die  dortige  Büchersammlung  mit  einem  Bande 
vennehrt,  der  zwölf  deutsche  Gedichte  enthielt;  in  einem  andern 
Bande  waren  ebenfalls  verschiedene,  wie  er  hinzufügt,  um  die 
deutsche  Sprache  zu  lehren  ^s). 

Viele  Lieder  lebten  auch  im  Munde  des  Volks,  sie  wurden 
jedoch  nicht  aufgezeichnet  und  waren  mif  der  Zeit  vergessen 
worden.  So  sang  das  Volk  von  den  Wunderthaten  des  heiligen 
Ulrich;  das  wusste  Ekkehard  der  IV.  noch  im  XI.  Jahrhundert, 
aber  er  beklagt  sich:  es  nimmt  besonders  wunder,  dass  seine 
Zeitgenossen  mehrere  Volkslieder  über  ihn  verschwiegen  haben, 
während  sie  doch  Geringfügiges  hoch  anschlagen  **). 

Doch  mag  auch  Manches  aufgezeichnet  sein,  was  aber  jetzt 


fldier  und  eprsclilicher  Besiehung  s.  Wilhelm  Wackeniagel  Litteratorgesch. 
§.  31.  32,  In  theologischer  G.  Y.  Lechler  in  den  Theologischen  Stadien  und 
Kritiken  1849.  1.  Heft  S.  64—90.  2.  Heft  S.  308—332.  Über  sein  Leben 
Lachmann  an  der  Ench-Gmberschen  Encycl.  HI.  Sect.  YH,  278-- 282;  über 
sein  Werk  meine  Fnndgr.  I,  38—47. 

§.  2.  47)  Breyis  librorom,  qui  sunt  in  Coenobio  Sindleozes-Amia,  facta  anno 
Vin.  Hladoyici  Imperatoris,  in  Trad.  Kengart,  Episcopatns  Conatantiensis  T.  I, 
p.  536  sqq.  —  p.  639:  De  carminibns  Theodiscae  vol.  I. 

48)  Indpit  breyis  Ubrorum  qnos  ego  Reginbertos  indignns  monachns 
cet  scripsi  ant  scribere  feci,  Tel  donatione  amicomm  snscepi,  bei  Keugart 
&•  a.  O.  p.  547  sqq.  —  p.  550 :  In  XX.  primo  libello  continentnr  XTT.  car- 
mina  Theodiscae  lingoae  formata.    In  XX.  secnndo  libeUo  habentor  cet.  et 

cannina  diTexsa  ad  doeendnm  Theodiscam  lingnam.  —  Was  das  ftir  oannma  I 

theodisea  warän,  lässt  sieh  schwer  bestimmen.    Ans  dem  Eifer  der  Mönche,  i 

alles  was  nnr  an  das  Heidenthnm  erinnerte  zn  vertilgen,  möchte  ich  eher  anf 
christliche  Gedichte  schlie3en,  als  mit  Jac.  Grimm  (Lat.  Gedichte  des  X.  nnd 
XL  Jahrh.  Vorrede  8.  YII)  heidnische  annehmen. 

49)  Casus  8.  Galli  ap.  Pertz  II,  108.  Neqne  enim  miramnr,  eos  com 
qnibns  in  seenlo  versatos  est,  ea  qnae  com  spiritalibus  gessit,  qnia  minns 
•dverant,  non  scripsisse.  Sed  plnra  eos,  qnae  de  eo  concinnantnr 
▼nlgo  et  cannntnr,  tacnisse,  cum  infima  qoaedam  eins  magna  fecerinti 
etiam  miramnr.  —  Die  Yita  8.  Udalrici  von  Bemo,  Abt  von  Beichenau  nm 
1080,  wei6  nichts  von  diesen  Yolksliedem,  nnd  die  Bearbeitung  derselben  in 
deutschen  Reimen  von  Albertos  kann  nicht  gemeint  sein,  da  sie  ent  gegen 
Ende  des  12.  Jahrhunderts  verfosst  wurde.    Den  Albertus  mit  d^  lat.  Yita 

dem  Texte  hat  Joh.  Andreas  Schmeller  herausgegeben  u.  d.  T. :  ! 

8t.  Ulrichs  Leben,  lateinisch  beschrieben  durch  Bemo  v.  Beichenau,  ! 

und  um  das  Jahr  1200  in  deutsche  Reime  gebracht  von  Albertos,  j 

München  1844. 


26 

unwiederbringlich  verloren  ist,  denn  leider  haben  späterhin  Ver- 
wüstungen von  Feindes  Hand  und  andere  Unglücksfälle  uns  viele 
Schätze  der  Art  zerstört.  Die  übrig  gebliebenen  Interlinear- 
Versionen  lateinischer  Hymnen  können  uns  daför  nicht  schadlos 
halten  w). 

Das  ist  aber  auch  nun  alles ,  was  sich  för  das  Vorhanden- 
sein deutscher  KircKenlieder  im  IX.  und  X.  Jahrhundert  bei- 
bringen lässt.  Das  folgende  Jahrhundert  ist  gewiss  ergiebiger 
gewesen,  wir  können  jedoch  nur  deutsche  Predigten*')  und 
Übersetzungen  aus  dem  Lateinischen  '*)  aufweisen. 
Dass  das  Volk  jedoch  bei  feierlichen  Anlässen  sang  und  zwar 
deutsch,  dafEbr  findet  sich  noch  ein  Zeugniss  in  Wippo's  Leben 
Konrads  des  Saliers  »<).  Nach  vollendeter  Wahl  (im  J.  1024), 
heißt  es  dort,  beeilten  sich  alle  dem  Könige  nach  Mainz  zu  seiner 
feierlichsten  Salbung  zu  folgen.    Fröhlich  zogen  sie  einher,  die 


§.  2.  60)  Eine  prosaische  Interlinear-Yersion  (zwischenzeilige  Woiterverdeat- 
schnng^)  von  26  lateiniscben  Hymnen  des  Ambrosins  und  seiner  Nachfolger. 
Ans  der  Jnnins*schen  Handschrift  zn  Oxford  zum  ersten  Male  vollstllndig  her- 
ansg^egeben  von  Jacob  Grimm:  Ad  anspicia  profossionis  philosophiae  ordlna- 
riae  in  aeademia  Georgia  Aagosta  rite  capienda  invitat  Jacobus  Grimm.  Inest 
hymnomm  yeteris  ecclesiae  XXVI  interpretatio  Theotisca  nunc  primnm  edita. 
Gottingae  1880.  4?  —  Der  Übersetzer,  wahrscheinlich  ein  Landsmann  des 
Kero,  folgt  ebenfalls  wie  dieser  in  seiner  Interlinear-Yersion  der  Regel  des 
heil.  Benedictos  (8.  Jahrb.)  Wort  für  Wort  dem  lat.  Original  und  ist  fast 
eben  so  sklavisch.  Es  mnss  völlig  unbegreiflich  erscheinen,  dass  solch  eine 
Übersetzung,  die  in  ihrer  Prosa  nicht  einmal  immer  richtig  ausfiel,  für  einen 
Beleg  des  deutschen  Kirchenliedes  angesehen  werden  konnte !  Ph.  Wacker- 
nagel hat  daraus  in  sein  Deutsches  Kirchenlied  unter  „die  deutschen  Lieder 
und  Leiche*'  zwölf  Stücke  aufgenommen,  die  er  übrigens  noch  dazu  ffilsch- 
lich  in  die  zweite  ffilfte  des  8.  Jahrhunderts  setzt,  der  Übersetzer  oder  eigent- 
lich Glossator  gehört  der  ersten  H&lfte  des  9.  an.  Kein  Wunder,  dass  alle 
Pfkrrer,  Organisten  und  Schulmeister,  die  einen  absonderlichen  Beruf  in  sich 
verspürten,  auch  über  das  deutsche  Kirchenlied  zu  schreiben,  im  kindlichen 
Vertrauen  auf  ihren  Meister  Phüipp  W.  seitdem  ebenfalls  die  Litteratnr  mit 
deutschen  Kirchenliedern  des  8.  Jahrhunderts  bereichert  haben! 

61)  Meine  Fundgruben  I,  69 — 66. 

62)  Von  Notker  Labeo  (f  1022)  und  Williram  (t  1086).  Vgl.  K.  v. 
Raumer,  Einwirkung  des  Christenthums  S.  88-^41,  68 — 71. 

63)  Wippo  de  vita  Ohunradi  Salici  in  Pistorii  Remm  germ.  scriptt. 
ed.  Stmvii  p.  466.  Peraeta  electione  Regem  sequi  Maguntiam,  ut  ibi  sacra- 
tissimam  unctionem  acciperet,  cum  elaritate  mazima  omnes  properabant.  Ibant 
gaudentcs,  clerici  psallebant,  laici  canebant,  utrique  suo  modo.  —   Psallere 


27 

QeiBtlichen  sangen  lateinisch,  die  Laien  devteeh,  jeder  auf  seine 
Weise.  —  Von  dem  einzigen  ^Bvtschen  geistlichen  Liede,  was  aus 
dem  XI.  Jahrhundert  hieher  gehören  würde,  weil  es  wahrschein- 
lich ein  Volkslied  der  Pilger  nach  Jerusalem  war,  wissen  wir 
nur  die  Veranlassung  und  den  Inhalt. 

Im  Jahre  1065,  zur  Zeit  als  Engilbert  Bischof  von  Passau 
war  und  viele  wegen  des  vermeintlich  damals  bevorstehenden 
Weltendes  nach  Jerusalem  zum  heiligen  Grabe  pilgerten,  fanden 
unter  ihnen  sich  viel  der  Edlen,  welche  Weib  und  Kind  und 
alle  Güter  der  Welt  verließen  und  Christo  nachfolgten.  So  auch 
der  Bischof  Günther  von  Bamberg,  und  mit  ihm  zogen  viele 
Geistliche  und  Laien;  unter  denen  war  denn  auch  der  Scholasti- 
cns  Ezzo,  ein  Mann  mit  aller  Weisheit  und  Beredtsamkeit  be- 
gabt, der  auf  der  Pilgerfahrt .  ein  vortreffliches  Lied  dichtete  von 
den  Wundem  Christi  in  vaterländischer  Sprache  *••). 


und  canere,  beide  AnBdrUcke  sind  hier  sehr  bexeiclmend :  psallere  ist  der 
Oesang  der  GeiBtUchen,  das  Singen  lateinischer  Psalme  nnd  Hymnen,  da- 
gegen canere  der  Gesang  des  Volkes,  das  Singen  deutscher  Leisen. 

§.  2.  54)  Yita  beati  Altmanni,  Episcopi  PatavieDsis,  f  c.  1091,  geschrieben 
1125—1141,  in  Pezii  Scriptt.  Ber.  Anstr.  T.  I.  p.  117:  Inter  qnos  praecipni 
dno  Canonici  extitenmt,  videUcet  Euo  Scholasticas,  vir  omni  sapientia  et 
Bcientia  praeditns,  qni  in  eodem  itinere  eantilenam  de  miracnlis  Christi  patria 
lingna  nobSUter  composnit.  Ygl.  Docen  in  y.  Hormayr*s  Archiv  Xm.  Jahrg. 
(1823)  8.  262.  —  Dieses  Liedes  gedenkt  auch  der  Dichter  der  vier  Evange- 
lien in  der  Yoraner  Handschrift  (Diemer,  Deutsche  Gedichte  des  XI.  und 
XU.  Jahrh.  8.  819—830).  Der  Bischof  Günther  von  Bamberg,  hei^t  es  dort, 
hied  seine  Pfaffen  ein  gutes  Lied  machen,  Es  so  machte  das  Lied  und  Wille 
erfand  die  Weise,  die  Melodie  dasu«  Die  Erwähnung  des  Bischofs  Günther 
und  Ebzos  hat  Hm.  Diemer  verführt,  Eszos  Lied  in  den  vier  Evangelien 
wieder  an  finden  (Diemer,  Kleine  Beitri^pe  L  Th.  8. 10),  nnur  dass  es  von 
Hartmann  etwas  erneuert  wurde,^  und  die  Anfaogsworte  der  vier  Evangelien 
auf  ein  früheres  Gedicht  Euos  (vom  J.  1063)  au  beziehen,  und  swar  die 
Schdpfung  (Diemer,  Gedichte  8.  98 — 103).  Herr  Diemer  hat  sich  um  hun- 
dert Jahre  geirrt:  die  Gedichte  der  Yorauer  Handschrift  gehören  bis  auf 
wonige  dem  Xu.  Jahrb.  an,  einige  mögen  sehr  nahe  der  Zeit  stehen  als  Yorau 
gestiftet  (1163)  und  unter  Leitung  seines  Abts  Leopold  (f  1185)  „waser  Schatz 
altdeutscher  Dichtungen  zusammengetragen*'  wurde  (Diemer,  Ged.  Yorrede 
8.  XI).  Dass  Eszo  nicht  der  Yerfasser  der  Evangelien  sein  kann,  beweist 
zur  Genüge  der  Anfang  derselben: 

Der  gute  biscoph  Guntdre  vone  Babenberch, 
der  hiei;  machen  ein  vü  g8t  werch: 


28 

Es  ließe  sich  am  Ende  noch  ein  Zeugniss  Air  ein  ahd.  Lied 
hier  anreihen^  wenn  es  nämlich  ersichtlich  wäre,  ob  die  mitge- 
theilten  Worte  für  den  Anfang  eines  Liedes  angesehen  werden 
müssten.    Benzo,  Bischof  von  Albi,  beschreibt  ausführlich,  wie 


er  hiei^  di  stne  phaphen 
ein  g&k  liet  machen, 
eines  liedes  si  befanden, 
want  si  di  buch  chonden. 
Ezzo  begnnde  scriben, 
Willo  vant  die  wise. 
d&  er  die  wise  dd  gewan, 
da  ilten  si  sich  alle  mtmechen. 
von  dwen  cfi  den  dwen 
go%  gnkäe  ir  aller  s^e! 
Ich  wü  in  eben  allen 
eine  vil  w&re  rede  vor  tän 
von  dem  minem  sinne 
von  dem  rehten  anegenge, 
von  den  genftden  alsd  manechvalt, 
di  ans  t!^  den  bfichen  sint  geaalt: 
üi^er  genesi  mit  ü;;  libro  regum 
der  werlt  al  ae  genAden. 
die  rede  di  ich  nü  sol  t&n 
dai;  sint  die  vier  ewangelia. 
Von  den  Wandern  Christi  kommen  nar  awei  Strophen  vor,  S.  824  and  325. 
8ä  dfi  nfth  der  toafe 
diu  gotheit  sih  ougta. 
dai;  was  da:;  driste  zeichen  (sin): 
von  dem  wa^er  machdt  er  den  wtn. 
drin  t6ten  gab  er  den  lib. 
von  dem  bifite  nert  er  ein  wlb. 
di  chrnmben  ont  di  halsen 
di  machet  er  alle  ganse. 
den  blinten  er  da:;  lieht  gab. 
neheiner  miete  er  ne  phlach: 
er  Idste  mangen  behauen  man, 
den  tiefel  hie:;  er  dane  varen. 
Mit  finf  pr6ten  satte  er 
vinf  tüsent  ante  m^re, 
da;  si  alle  habeten  gnfic, 
pwelf  chorbo  man  danno  trfic. 
mit  ^^Qn  wut  er  aber  flftt. 
zu  den  winten  chod  er  rfiwet! 


29 

Papst  Clemens  m.  am  Osterfeste  1084  zu  Rom  den  deutschen 
Kaiser  Heinrich  IV.  und  seine  Gemahlin  feierlich  krönt:  da 
heben  die  Geistlichen  an:  lam  hone  pastor,  und  die  Deutschen: 
kyrieleison,  helfe  sancte  Petre!  Die  einzelnen  Völker 
nämlich  brechen  nach  ihres  Landes  Brauch  in  ihre  Rufe  aus  *'). 
Der  hier  erwähnte  Ruf  könnte  aber  doch  ein  Lied  gewesen 
sein  und  zwar  dasselbe,  welches  in  einer  Fabel  des  Xm.  Jahrhun- 
derts der  Wolf  singt: 

der  wolf  sä  von  dam[ien  spranc, 

sin  chirleis  er  vil  lüte  sanc: 

helfe  um  sani  Fiter  heiügof 

darnach  wart  er  schiere  unfrö  *•). 
Schließlich  noch  ein  Weihnachtslied,   das  die  Schöffen  im 
Münster  zu  Aachen  anstimmten. 

f    Nr.  2. 
1.    Nu  sts  uns  willekomen  hdrro  Crist^ 
du  unser  aller  h§rro  bisti 
nu  sis  uns  willekomen  lieber  herro, 
der  du  in  den  kirchen  st&st  scdnol 
Kyrieleison. 


di  gebunden  znngen 

di  löst  er  dem  Btonunen. 

er  ein  wArer  gotea  pnumo, 

dei  hel^i^eu  vieber  lascht  er  dd. 

diu  touben  6ren  er  intsld)^: 

saht  von  imo  fld;;. 

den  siechen  hie;^  er  üf  stftn« 

mit  sinem  bette  dane  gftn. 
§.  2.  55)  Benzonis  Panegyricns  in  Henriciun  lY.  in  Moncken's  Script  rerum 
Germ.  I,  966.  Imperatore  gressnm  movente  tollitar  clamor  omnium  ad  sidera, 
clerici  incipinnt:  lam  bone  pastor,  helf  o  aanete  Petrt^  hehyson!  singulae 
qoidem  nationes  secundum  ritom  patriae  prorumpunt  in  suas  vociferationes. 
Tot  igitor  irnmmerabilinm  vocum  clamoribus  ezterrita  tellus  tremit  cet.  Die 
Hs.,  die  Ludwig  in  seinen  Reliqniae  manuscr.  T.  IX  abdrucken  lie|3)  hat  hier 
folgende  Lesart,  p.  231  xij^te  Bh\aov  Belfo,  Sanete  pater  üdr\(Sov.  Über  Benzo 
vgl.  Stenzel,  Frank.  Kaiser  2,  80—90. 

56)  Grimmas  Reinhart  S.  304  (357  —  360).  Schon  in  den  Göttinger 
gel.  Anzeigen  1832,  S.  1380  bemerkte  Jac.  Grimm:  „Aus  der  im  Reim  be- 
glaubigten alten  Nominativform  heiligo  ISsst  sich  entnehmen,  "wie  die  Formel 
schon  ein  paar  Jahrhunderte  früher  gelautet  hat.*^  Das  heiligo  reicht  wc* 
nigstens  ins  11.  Jahrhundert  zurück. 


30 

2«    Nu  ist  got  gebom  unser  aller  tröst, 

der  die  hellischen  porten  mit  stm  kriuze  üfsld;. 
diu  muter  ist  geheimen  Marj^ 
also  in  allen  kristen  bAchen  st&t 
Kyrieleison. 
Seine  wiederhergestellte  Gestalt  deutet  auf  den  Schluss  des 
XL  Jahrhunderts  »*). 

§.  3. 
Zwölftes  Jahrhundert. 

Mit  dem  Xu.  Jahrhundert  beginnt  eine  neue  Zeit  für  unsere 
Poesie,  besonders  fUr  die  religiöse.  Die  christliche  Lehre  war 
nicht  mehr  ein  so  alleiniges  Eigenthum  der  Geistlichkeit  und 
des  Mönchsstandes;  sie  hatte  inniger  alle  Lebensverhältnisse 
durchdrungen;  sie  erfüllte  mit  dem  Geiste  der  Liebe  und  Demuth 
Eltern  und  Kinder,  Freie  und  Knechte,  Ritter  und  Bauer,  Reich 
und  Arm,  jedes  Alter,  jeden  Stand;  sie  entwöhnte  den  Menschen 
von  dem  alleinigen  Sichgenügen  an  den  irdischen  Gütern  und 


§.  2.  57)  Leider  kann  ich  über  das  Lied  nichts  K&heres  mittheilen  als  was 
Quix  darüber  sagt  Dass  es  sich  in  einer  alten  handschriftlichen  Aofoeichnnng 
vorfand,  scheint  mir  anfier  Zweifel.  Der  fleißige  Quix  ist  todt,  ich  hKtte  mich 
sonst  brieflich  an  ihn  gewendet;  jetzt  müssen  wir  uns  mit  seiner  Mittheilung 
so  lange  begnügen,  bis  Jemand  die  QueUe  wieder  auffindet.  —  Christian  Quix, 
Historische  Beschreibung  der  Münsterkirche  und  der  Heiligthums  •  Fahrt  in 
Aachen  (Aachen  1S25.  8?)  Seite  119:  »In  der  Christnacht  versammelten 
sich  die  Herren  Schöffen  auf  ihrer  Gerichtsstnbe,  giengen  dann  in  die  Mün- 
sterkirche, wo  sie  die  Chorstühle  der  rechten  Seite  einnahmen.  Nach  dem 
Evangelium  stimmte  der  Scheffen-Meister  folgendes  alte  Lied  an,  welches  vom 
Chor  fortgesungen  wurde: 

Nun  siet  uns  willekomen,  hero  kerst, 

Die  ihr  unser  aller  hero  siet. 

Nun  siet  uns  willekomen  Ueber  hero 

Die  ihr  in  den  kirchen  schöne  siet. 
Kyrie  -  leyson. 

Nun  ist  gott  geboren  unser  aller  trost, 
Der  die  hölsche  phorten  mit  seinen  ereuti  anfisthoes. 
Die  mutter  hat  geheischen  maria 
Wi  in  allen  kersten  bucheren  geschriben  steht. 
Kyrie -leyson." 


31 

erschlosB  ihm  die  himmlischen;  sie  machte  den  menschlichen 
Willen  frei,  indem  sie  ihn  dem  Willen  Gottes  unterwarf;  Gott 
zu  folgen y  Gott  ähnlich  zu  werden ,  dahin  sollte  jeder  streben 
und  ringen,  das  sollte  sein  nächstes  Bedürfioiss,  sein  wahres  Leben 
und  letztes  Ziel  sein.  Eben  darum  ward  dann  auch  eine  reli- 
giöse Stimmung  die  vorherrschende  Richtung  in  den  deutschen 
Gemüthem,  und  eben  diese  Stimmung  fand  in  den  großen  welt- 
geschichtliche^ Unternehmungen,  den  Kreuzzügen,  zur  Wieder- 
erobemng  des  heiligen  Grabes,  das  ganze  Jahrhundert  hindurch, 
nach  innen  zu  stUlbeseelende  Nahrung  und  begeisterndes  Feuer, 
nach  auBen  hin  aber  erwarb  sie  sich  durch  Anerkennung  und 
Achtung  liebende  Theilnahme  und  verbreitete  sich  so  über  alle 
Stände  des  deutschen  Volkes  *). 

Aber  auf  gleiche  Weise  war  auch  das  Wissen  und  Können 
nicht  mehr  so  alleiniges  Gut  der  Klöster  und  geistlichen  Amter. 
Blieb  auch  die  lateinische  Sprache  durch  Herkommen  und  Ge- 
wohnheit die  Geschäfts-  imd  Umgangssprache  des  Clerus,  die 
Sprache  aller  Verträge,  aller  öffentlichen  Verhandlungen,  behaup- 
tete sie  auch  noch  immer  ihre  vornehme  Stellung  gegen  die 
Laienwelt,  so  konnte  und  sollte  sie  doch  auch  hier  bei  der  Geist- 
lichkeit nicht  länger  die  einzige  Empfängerin  und  Verkünderin 
der  erhabensten  Gefühle  sein,  die  eine  Menschenbrust  beseelen. 
Religiöse  Begeisterung  und  ein  heiliger  Trieb,  erbauend  zu  wir- 
ken, fühlten,  dass  sie  beide  nie  ein  äußeres  Ziel  erreichten, 
weim  sie  das  natürlichere  Mittel  ihrer  Mittheilung,  die  Muttei*- 
spräche  nämlich,  länger  verschmähten.  Die  deutsche  Sprache 
aber  schien  ihre  neue  Bestimmung  zu  erkennen,  sie  opferte  ihre 
schöne  äußere  Gestalt,  ihren  Reichthum  wohlklingender  Formen, 
gleichsam  die  Poesie  des  Worts  auf,  um  von  innen,  um  durch 


§.  3.  1)  Während  sich  schon  viele  Gegenden  in  Franloreich  zum  Kreozzuge 
gerüstet  hatten  und  mehrere  Schaaren  von  Krenzfahrem  durch  die  Nachbar- 
länder zogen,  blieb  das  innere  und  östliche  Deutschland  ziemlich  unempfäng- 
lich. Vgl.  Annalista  Saxo  beim  J.  1096.  Deutschland  ward  später  entflammt 
als  Frankreich,  nahm  aber  ein  reineres  Interesse  an  diesem  heiligen  Kriege. 
Schon  im  J.  1098  ward  ein  Heer  deutscher  Kreuzfahrer  von  1500  Mann  vor 
Antiochien  von  der  Seuche  vertilgt,  sie  waren  aus  der  Gegend  von  Regens- 
bnig  und  den  Bheinlanden;  s.  Wilken,  Gesch.  der  Kreuzzüge,  I.  Th.  S.  240. 
Die  Ursachen,  welche  in  Frankreich  so  empfänglich  für  den  Kreuzzug  mach- 
ten, waren  andere  als  bei  uns;  jene  hat  Wilken  a.  a.  O.  S.  69—63  vortreff- 
lich entwickelt. 


32 

den  bloßen  Inhalt  ihren  Verlast  reicher  zu  ersetzen.  Das  Ge- 
biet der  Dichtung  gewann  bald  an  Mannigfaltigkeit  des  Stoffs 
und  erwarb  sich  durch  die  Lebensvefhältnisse  der  Dichter  selbst, 
durch  ihre  Beziehungen  zur  Welt,  und  durch  die  Bestrebungen 
aller  Freunde  der  Kunst  vielfache  Theilnahme  im  Volke,  Klo- 
ster- und  Weltgeistliche  und  Laien  jedes  Standes,  die  Beruf  zur 
Kunst  iuhlten,  dichteten  und  sangen,  und  obsehon  sie  zu  ihren 
Poesieen  auch  weltliche  Stoffe  wählten,  fremde  und  einheimische 
Sagen,  bedeutende  weltgeschichtliche  Ereignisse  aus  Büchern 
oder  aus  dem  Munde  des  Volkes  dazu  entlehnten,  so  blieb  doch 
das  Geistliche  ihr  Hauptaugenmerk  *).  Das  alte  und  neue  Testa- 
ment, besonders  das  Leben  und  Leiden  Jesu  und  der  heiligen 
Familie,  das  jüngste  Gericht,'  die  Lebensgeschichte  frommer 
heiliger  Männer  *),  die  Glaubenslehren  des  Christenthums  und 
seine  gottesdienstlichen  Gebräuche,  alles  das  gab  einen  reichen 
Stoff,  die  Neigung  der  Zeitgenossen  zu  großen  wimderbaren 
Begebenheiten  zu  befriedigen  und  ihre  Liebe  für  auferbauende 
Betrachtungen  zu  nähren  und  zu  fesseln.  Bei  solcher  Gesinnung 
der  Dichter  und  solchem  Entgegenkommen  des  Volkes  lässt 
sich  voraussetzen,  dass  neben  der  häuslichen  Andacht  auch  die 
öffentliche  eine  würdige  Berücksichtigung  gefunden  habe;  es 
lässt  sich  aber  sogar  auch  nachweisen,  dass  sie  sie  wirklich  fand. 


§.3.  2)  Man  yei^^leiche  die  kurze  Charakteristik  der  deutschen  poetinchen 
liitteratur  des  XII.  Jahrhunderts  in  meinen  Fundgruben  I.  Th.  S.  206,  und 
dazu  die  litter.  Übersicht  der  poetischen  Erzeugnisse  dieses  ganzen  Zeitraums 
das.  S.  207—268  und  Nachtrüge  S.  342—344. 

3)  Mit  der  größeren  Zahl  der  Heiligen,  ihrer  Reliquien  und  Wunder 
vermehrte  sich  auch  die  Anregung  zum  Dichten  und  Singen.  Das  Volk,  für 
alles  Wunderbare  so  empfänglich,  machte  sich  selbst  seine  Heiligen  und  lieh 
ihnen  übernatürliche  Gaben  und  Kräfte,  und  die  Geistlichkeit  vermochte  nichts 
gegen  diese  christlichen  Mythen.  Guibert,  Abt  zu  Nogent  (f  1124)  lässt  sich 
oft  darüber  aus  in  seinen  Ubri  tre$  de  piffnoribus  $anctorum;  s.  Gieseler  Kir- 
chengesch.  4.  Aufl.  H,  2.  462.  463.  —  quid  de  eis  proferam,  quos  praefiato- 
rum  aemulum  per  villas  ac  oppida  quotidie  vulgns  creat?  Cum  enim  aiii  alios 
summos  copspicerent  habere  patronos,  voluerunt  et  ipsi  quales  potuerunt  et 
facere  suos.  —  Dicant  ergo  mihi,  quomodo  sibi  illum  patrocinari  aestimant, 
de  quo  quicquid  est  sciendum  Ignorant?  Nusquam  de  eo  scriptum  praeter 
nomen  invenies.  Caeterum  tacente  clero  anus  et  mulierculamm  vilium  greges 
talium  patronorum  commentatas  histonas  post  insubulos  ffrz.  ensaupU)  et 
liciatoria  cantitant,  et  si  quis  earum  dicta  refellat,  pro  defiensione  ipsorum  non 
modo  convitiis,  sed  telarum  radiis  instant. 


33_ 

Unter  den  lyrischen  Dichtungen  dieses  Jahrhunderts^  so  wenig 
auch  deren  im  Verhältnisse  zu  denen  des  folgenden  vorhanden 
sindy  haben  sich  doch  einige  geistliche  Lieder  erhalten,  die  aller 
Wahrscheinlichkeit  nach  religiöse  Volksgesänge  oder  Kirchen- 
lieder jener  Zeit  waren.  Sie  konnten  es  aber  auch  leichter 
werden;  sie  sind  ein  unmittelbarer ,  freier  Ergass  des  Geinhls, 
das  noch  nicht  wie  in  dem  folgenden ,  dem  dreizehnten  Jahr- 
hundert,  durch  eine  künstliche  Versform  und  strenge  Beobach- 
tung des  Reims  bedingt  ward,  das  durch  den  großem  Einfiuss 
ausländischer  Poesie  und  das  Eindringen  gelehrter  Kenntnisse 
später  an  Frische  und  Einfachheit  verlieren  musste  und  deshalb 
wiederum  das  Gemüth  des  Volks  und  seine  Fassungsgabe  nur 
weniger  ansprechen  konnte. 

Wir  wollen  jetzt  diese  noch  übrig  gebliebenen  geistlichen 
Lieder  dieses  Zeitraums,  die  wir  fär  Kirchenlieder  in  dem  oben 
angegebenen  Sinne  halten,  folgen  lassen.  Das  erste  und  älteste 
ist  ein  Lobgesang  auf  die  heilige  Jung&au  Maria;  er  stammt 
aus  einer  Handschrift  des  Benedictiner-Klosters  Molk.  Dass  er 
dort  in  der  Gegend  und  noch  wol  anderswo  Und  überhaupt  wirt- 
lich gesungen  worden  ist,  scheint  der  dem  Kyrie  eleison  ähn- 
liche Kehrvers  zu  bestätigen. 

f    Nr..  3. 
Lobgesang 

anf  die  heilige  Jungfrau  Maria  -»), 

1.     Aaron  inin  erde 
leit  eine  gerte, 
diu  gebar  mandalon 
nu^c  also  edile: 
die  sües^e  hast  du  furebrAht 
muotcr  kne  mannes  rät, 
Sancta  Maria! 

f.  8.  4)  Zaenrt  abgedruckt  in  Pezii  Thes.  Anecd.  noviss.  T.  I.  P.  I.  col. 
415,  416;  dann  nach  der  Handschrift  in  meinen  Fundgruben  2,  142 — 144 
und  in  Wackemagers  altd.  Leseb.  2.  Aufl.  Sp.  195—198.  Er  gehört  wahr- 
scheinlich in  die  Zeit  1120—1130.  —  Die  Hs.  1,  1.  Ju  in  erde  —  1,  2.  leit 
aaron  eine  gerta  —  2,  1.  /u  tn  —  8,  2.  lamphel  —  4,  6.  anderen  —  4,  6. 
undem  —  6,  2.  getoage  —  6,  6.  varen  —  12,  1.  zwi^sen, 

3 


34 


2.  luin  deme  gespreidach 
Moyses  ein  fiur  geeacli, 
da^  holz  niene  bran, 
den  loucli  sah  er  obenan, 
der  was  lanc  unde  breit: 

da^  bezeichint  dine  magetlieit, 
Saneta  Maria! 

3.  Gedeon  dux  Israel 

nider  spreit  er  ein  lampvel, 
da;  himeltoii  die  wolle 
betouwete  almitalle: 
also  chom  dir  diu  niagenchraft, 
da;  du  wurde  berehaft, 
äaneta  Maria! 

4.  Mersteme,  morgenröt, 
anger  ungebrächöt, 

dar  ane  stät  ein  bluome, 
diu  liuhtet  also  scone: 
si  ist  under  den  andern 
so  lilium  undem  dornen, 
Saneta  Maria! 

5.  Ein  angelsnuor  geflohtin  ist, 
dannen  du  gebom  bist: 

da;  was  diu  din  ekunneseaft, 
der  angel  was  diu  gotes  ehraft, 
da  der  tot  wart  ane  irworgen, 
der  von  dir  wart  verborgen, 
Saneta  Maria! 

6.  Isaias  der  wissage 

der  habet  din  gewagen, 
der  quot  wie  von  Jesses  stamme 
wuohse  ein  gerten  gimme, 
df\  vone  scol  ein  bluome  vam, 
diu  bezeichint  dich  imde  din  barn, 
Saneta  Maria! 

7.  Do  gehit  ime  so  werde 
der  himel  zuo  der  erde, 
d&  der  esil  unde  da;  rint 
wole  irchanten  da;  vrone  chint: 


35 


.  (lo  was  diu  din  wambo 
ein  chrippe  deme  lambe, 
Sancta  Maria! 
H.     Do  gebaere  du  da^  gotes  chint, 
der  unsih  alle  irlöste  sint 
mit  ßinem  heiligen  bluote 
von  der  ewigen  noete: 
des  scol  er  iemmer  gelobet  sin! 
vile  wole  gnie^e  wir  din, 
Sancta  Maria! 
1>.     Du  bist  ein  beslo^a^eniu  borte, 
ent&niu  deme  gotes  worto, 
du  waba  triefendiu, 
pigmenten  so  voUiu, 
du  bist  äne  gallen 
glich  der  turtiltüben, 
Sancta  Maria! 

10.  Brunne  besigelter, 
garte  beslo^^ener, 

dar  innc  fliujet  balsamum, 
der  wieajit  so  cinnamomum, 
du  bist  sam  der  cederboum, 
den  dil  fliuhet  der  wurm, 
Sancta  Maria! 

11.  Cedrus  in  Libano, 
rosa  in  lericho, 
du  irwelte  mirre, 

du  der  wagtest  also  verre, 
dCl  bist  hSr  über  engil  al, 
du  besuontest  den  Even  val, 
Sancta  Maria! 

12.  Eva  bräht  uns  zwisken  tot, 
der  eine  ienoch  richsenöt. 
du  bist  daj  ander  wib, 
diu  uns  brähte  den  lib. 
der  tiufel  geriet  daj  mort: 
Gabrihel  chunte  dir  da;  gotes  wort^ 

Sancta  Maria! 

13.  Chint  gebsere  d&  magedin 
aller  werlte  edilin. 

3* 


36 

du  bist  glich  deme  sonnen^ 
von  Nazareth  imiimen, 
Hierusalem  gloria, 
Israhel  laetitia, 

Sancta  Maria! 
14.    Chunigixme  des  himeles, 
porte  des  paradtses, 
du  irwelte;  gotes  hüs, 
sacrarium  sancti  spirituS; 
du  wis  uns  allen  wegente 
ze  jnngiste  an  dem  ente, 
Sancta  Maria  I 
Die  beiden  folgenden,   ein  Weihnachts-  und  ein  OsterUedy 
sowie  das  Bruchstück;  sind  zwar  jünger  als  jener  Lobgesang, 
aber  poetischer  und  volksmäßiger.    Sie  sind  uns  in  der  Heidel- 
berger Liederhandschrift  und  in  der  sogenannten  Manessischen 
Sammlung  aufbewahrt  und  werden  dort  dem  Spervogel  zuge- 
schrieben »). 

f  Nr.  4. 

Weihnachtslied  •). 

1.  Er  ist  gewaltic  unde  starc, 
der  ze  wtnnaht  gebom  wart: 
Da^  ist  der  heilige  Erist. 

jk  lobt  in  alle;  da;  dir  ist 
Niewan  der  tievel  eine: 
dur  stnen  großen  ubermuot 
fö  wart  ime  diu  helle  ze  teile. 

2.  In  der  helle  ift  michel  imr&t: 
swer  da  heimuote  hat, 

Diu  sunne  schinet  nie  so  lieht, 
der  mäne  hilfet  in  niht, 


{.  3.   6)  Spervogel,  ein  Zeitgenosse  Friedrichs  Ton  Hasen  (f  1190),  dessen 
Tod  er  beklagt;   s.  Haupt,  Hartmanns  von  Ane  Lieder,  Vorrede  S.  XVII. 

6)  Cod.  palat.  357 :  Die  alte  Heidelberger  Liederhandschrift.  Heraas- 
gegeben  von  Franz  Pfeiffer.  Stuttgart,  literarischer  Verein  1844.  S.  161.  162. 
„DER  IVNGE  •  SPERVOGEL.«  Hs.  2,  5.  fehlt  der  lieJUe  steme  —  2,  7.  ta 
were  da  —  3,  4.  vn  trehim  —  3,  7.  em  ensi  —  4,  2.  fehlt  da  —  6,  1.  ge- 
dienen  —  5,  2.  leider  also  lange  —  5,  7.  vancniseh  erlose.  Vgl.  Samml.  von 
Minnesingern  2,  229*. 


37 


Noh  der  liehte  steme, 

j&  müet  in  alle;  da;  er  eiht, 

j&  wffir  er  d&  ze  himel  als$  gerne. 

3.  In  himelrtch  ein  hfis  stät, 
ein  guldtn  wec  dar  tn  g&t. 
Die  siole  die  sint  mermelhi, 
die  zieret  unser  trehttn 

Mit  edelem  gesteine: 

d&  enknmt  nieman  tn, 

er  ensi  vor  allen  Bünden  also  reine. 

4.  Swer  gerne  zno  der  kilchen  g&t 
und  &ne  ntt  d&  st&t, 

Der  mac  wol  vrölichen  leben, 

dem  wirt  ze  jungest  gegeben 

Der  engel  gemeine. 

wol  im  da;  er  ie  wart: 

ze  himel  ist  da;  leben  als6  reine. 

5.  Ich  h&n  gedienet  lange 
leider  einem  manne 

Der  in  der  helle  umbe  gät, 

der  brüevet  m!ne  misset&t, 

Sin  16n  der  ist  boBse. 

hilf  mich  heiliger  geist, 

da;  ich  mich  von  siner  vancnisse  loese. 

f   Nr.  5. 
O  s  t  e  r  1  i  e  d  '). 

1.  Krist  sich  ze  marterenne  gap, 
er  lie  sich  legen  in  ein  grap, 
Da;  tet  er  dur  die  goteheit, 

d&  mite  löste  er  die  kristenheit 

Von  der  hei;en  helle. 

er  getuot  es  niemer  mdr: 

dar  an  gedenke  swer  sd  der  welle. 

2.  An  dem  österlichem  tage 

dö  stuont  sich  Krist  ü;  dem  grabe, 


§.  3.  7)  Heidelb.  Hb.  bei  Pfeiffer  S.  163.    Hs.  1,  6.  hei»en  Heizen  —  2,  7. 
trösten.    Vgl.  Samml.  von  Miones.  2,  229'*. 


Künec  aller  keiner, 

vater  aller  weiaen, 

Sine  hantgetat  er  loste. 

in  die  helle  ßchein  ein  lieht, 

do  kom  er  siuen  kinden  ze  tröste. 

f    Nr.  G. 
B  r  u  ch  s  t  ü  ck  *). 

Würze  des  waldes 

und  erze  des  goldes 

Und  elUii  apgrimde 

diu  sint  dir,  herre,  künde, 

Diu  ßtent  in  diner  hende. 

alle^  himeleschej  her 

da^  enmolite  dich  niht  vol  loben  an  ein  ende. 
Auch   noch   em  anderes   Oßterlied    gehört    wol   noch    dem 
Xn.  Jahrhundert  an;    seine  alten  Formen  und  einfachen  volks- 
mäßigen Wendungen  deuten  wenigstens   auf  ein  höheres  Alter 
als  wir  der  Hs.  zuschreiben  müssen,  worin  es  sich  erhalten  hat  •): 


§.  3.  8)  Heidelb.  Hs.  bei  Pfeiffer  S.  164.  Ha.  2.  criz  —  5.  ülnt  —  7.  voUe- 
loben.  Vgl.  Samml.  von  Minnes.  2,  230".  Dies  schone  Bnicbstück  ist  eben 
so  schön  ergänzt  von  W.  Wackemagel: 

Die  Blum'  in  Waldesschlüften, 

Das  Gold  in  Erdenklüften, 

Des  Himmels  Dach,  des  Meeres  Grund, 

Das  alles  ist  dir,  Herre,  knnd 

Und  hUten's  deine  Hände, 

Und  alles  himmeHsche  Heer 

Spricht  deine  Iren  und  Güte  nicht  zu  Ende. 

Die  Läuber  an  den  Zweigen, 

Die  Halme,  die  sich  neigen, 

Des  Meeres  Sand,  der  Sterne  Schaar, 

Die  bleiben  unermesson  gar 

Mit  Augen  und  mit  Sinnen: 

So  mag  auch,  Herre,  deinen  Preis 

Nie  Menschen-Mund  vollenden  noch  beginnen. 
9)  Hs.  XrV.  Jahrh.  in  der  Nürnberger  StadtbibUothek  (cent  VI.  82. 
8vo.  Bl.  33l>)  bei  Ph.  Wackemagel  Nr.  108.     Uhland  Volksl.  Nr.  322.  —  Hs. 
2,  2.  Den  da  suchet  da^  vil  8,  w.  —   8,  8.  iren  —    3,  4.  gartner. 


no 

f    Nr.  7. 

O  s  t  e  r  1 1  e  d. 

1.  An  dem  cestorlichen  tage 

Jlaria  Magdalena  gienc  ze  dem  grabe. 
wa5  vant  si  in  dem  grabe  stan? 
einen  engel  wol  getan. 

2.  Der  engel  gru^t  sie  in  der  zit: 
den  du  sucliest  vil  Kaelige^  wtp, 
er  ist  erstanden  von  dem  tot, 
den  du  salben  woltost. 

3.  Maria!   ruft  er  ir  zehant. 
da  kante  si  ir  heilant, 

si  sah  in  in  aller  der  gepa>re 
sam  er  ein  gartenare  wa^re. 

Das  bekannte  uralte:  Christ  ist  erstanden,  gehört  höchst 
wahrscheinlich  schon  eben  dieser  Zeit,  der  Mitte  des  Xu.  Jahr- 
hunderts an,  ich  kann  es  al)er  erst  im  folgenden  nachweisen; 
siehe  §.  4. 

Wollte  Jemand  bei  den  mitgetheilten  Liedeni  zweifeln,  dass 
sie  jemals  öflFontlich  gesungen  wären,  und  hinterdrein  den  deut- 
schen geistlichen  Volksgesang  des  XII.  Jahrhundeiis  überhaupt 
leugnen,  auch  ein  Herüberwirken  der  frühem  Jahrhunderte  auf 
dieses  keineswegs  zugeben,  so  dürften  ihn  doch  folgende  glaub- 
hafte geschichtliche  Zeugnisse  in  seinen  Ansichten  bedenklich 
und  wankend  machen. 

Der  heilige  Bernhard,  Abt  von  Clairvaux,  predigte  zu  Ende 
des  Jahres  1146  auch  an  den  Ufern  des  Rheins  das  Kreuz;  im 
Laufe  des  Januars  1147  kehrte  er  über  Köln,  Aachen,  Maestricht, 
Lüttich  nach  Frankreich  zurück.  Seine  Reisegefährten,  einige 
Mönche  seines  Ordens  und  drei  andere  Geistliche  haben  uns 
einen  ausführlichen  Reisebericht  darüber  hinterlassen ;  sie  geben 
alle  Orte  an,  wo  sie  sich  aufhielten  und  erzählen  alle  Wunder 
des  Heiligen,  deren  Augenzeugen  sie  waren  'o). 

§.  3.  10)  Dieser  Bericht  steht  in  S.  Bemardi  opera  omnia  tertiis  curia 
Domni  Johannis  Mabillon,  Vol.  II.  (Paris.  1719.  fol.)  col.  1180—1211.  Das 
Nachfolgende  col.  1194.  Ad  sing^nla  populus  acdamabat,  et  in  laudes  Dei 
Toces  tonaat  per  nnbila :  „Ohrist  uns  genade!  Kyrie  eleison!  die  heiligen  alle 
helfen  uns.«*  Col.  1197:  reliq^aa  describere  et  Sanctitati  vestrae  dirigere  non 
neglexl.    Multa  quidom  nos  et  ex  prioribus  ignorasse  certissimum  est.   Biazime 


40 

So  wird  von  Köln  erzählt:  Bei  jedem  einzelnen  Wunder 
rief  das  Volk  und  ließ  seine  Stimmen  zum  Lobe  Gottes  durch 
die  Wolken  erschallen: 

Christ  uns  gen&de, 

Kyrie  eleison, 
Die  heiligen  alle  lielfen  uns! 

Etwas  weiter  folgt  ein  langer  Brief  des  Mönchs  Gottfried 
an  den  Bischof  Hermann  von  Gonstanz:  Von  den  Wundem, 
welche  wir  auf  dem  Wege  von  Speier  bis  Löwen  erlebten,  haben 
wir  der  Kölner  Geistlichkeit  eine  Beschreibung  gemacht  Das 
Übrige  zu"  beschreiben  und  Euer  Heiligkeit  zu  senden,  habe  ich 
nicht  versäumt.  Vieles  jedoch  von  dem  Frühem  haben  wir  nicht 
gewusst,  das  ist  ausgemacht.  Niemand  kann  aber  auch  auf  der 
Keise  alles  verfolgen.  Am  meisten  schadete  jedoch,  als  wir  die 
deutschen  Gegenden  verlassen  hatten,  dass  euer  Christ  uns 
genäde,  aufhörte,  und  niemand  da  war,  der  zu  Gott 
gesungen  hätte.  Das  romanische  Volk  nämlich  hat 
keine  eigenen  Lieder  nach  Art  eurer  Landsleute, 
worin  es  für  jedes  einzelne  Wunder  Gott  danksagte.  Vieles 
demnach,  was  mit  Schweigen  übergangen  wurde,  ist  nicht  zu 
unserer  Kunde  gelangt. 

Gleich  darauf  erzählt  Gottfried,  dass  der  heilige  Bernhard 
zu  Lüttich  einen  Knaben,  der  von  Mutterleibe  an  lahm  gewesen 
war,  in  der  Kirche  heilte.  Sogleich  stimmte  die  Geistlichkeit: 
Te  Deum  laudamus  an,  das  Seufzen  aber  und  Schluchzen  über- 
tönte den  Lobesgesang,  für  Gesang  gab  das  Volk,  des  Singens 
unkundig,  Thränen. 

Aus  der  Äußerung  Gottfrieds,  dass  das  romanische  Volk 
nicht  so  wie  das  deutsche  eigene  Lieder  habe,  erhellt,  dass  da- 
mals in  Deutschland  deutsche  geistliche  Lieder  gesungen  wur- 
den. Und  dies  wird  denn  auch  von  anderer  Seite  vollkommen 
bestätigt. 


tarnen  nocuit,  nbi  Teutonicoram  exivirnos  regionem,  qnod  cessaTemt  yestram 
illud:  Christ  uns  genade,  et  non  erat  qui  vociferaretar.  Neque  enim  secon- 
dom  vestrates  propria  habet  cantica  popvliu  romanae  lingnae,  quibiu  ad  sin- 
gula  qaaeqne  miracola  referrent  gratias  Deo.  Malta  proinde  tecta  BÜeotto  ad 
oostram  non  pervenere  notitiam. 

Conclamatnm  est  statim  a  Clero:  Te  Deum  laudamos,  sed  mngitiui  fl6- 
tuum  et  singnltns  vociferationem  laudis  eyicit.  Dabat  pro  canta  lacrymafl 
plebs  ignara  canendi. 


41 

Gerhoh,  seit  1132  Propst  zu  Reichersberg  (f  1169),  bemerkt 
iB  seiner  Erklärung  der  Psalmen  beiläufig  vom  J.  1148:  Und 
im  Munde  der  weltlichen  Gottesstreiter  wird  Gottes  Lob  allge- 
meiner,  denn  da  ist  keiner  im  ganzen  christlichen  Reiche,  der 
die  hässlichen  weltlichen  Lieder  öffentlich  zu  singen  wage,  son- 
dern, wie  gesagt,  die  ganze  Welt  jubelt  Christus  Lob  auch 
in  Liedern  der  Volkssprache,  am  meisten  unter  den 
Deutschen,  deren  Sprache  zu  wohlklingenden  Lie- 
dern geeigneter  ist**). 

Das  deutsche  Volk  sang  also  damals  bei  allerlei  feierlichen 
Gelegenheiten.  Auch  bei  den  Wallfahrten  stimmte  es  seine  Lie- 
der an  zum  Lobe  des  Heiligen,  bei  dessen  Gebeinen  es  seine 
Andacht  verrichten  wollte.  Ein  Trierer  Mönch  **)  erzählt  in  den 
Wundergeschichten  des  heil.  Apostels  Matthias  auch  folgende: 
Während  Einige  auf  den  heiligen  Matthias  Loblieder,  die  das 
Volk  Leisen  nennt,   sangen,   begann  einer  imter  ihnen  aus 


§.3.  11)  Gerhohi  Reicherspergeiuis  commentariuB  aureus  in  Psalmos  ed. 
Bern.  Pez  (Ang.  Tindel.  1728.  fol.)  col.  794.  in  Pb.  XXXIX.  Nam  et  in 
Coenobiia  cantlcam  novnm  celebratur,  com  a  tempore  praedicti  Papae  septimi 
Gregorii  cnrsns  beatae  Mariae  freqnentator,  nt  Dei  servitio  dnplicato  qnad 
daplnm  manna  iam  proximante  sabbatho  magno  et  ultimo  festivitati«  die  fide- 
libnj  abnndet.  Atqne  in  ore  Cbristo  militantinm  Laicomm  lauB  Dei  crebreseit^ 
quia  non  est  in  toto  regno  Christiano  qui  torpes  cantiienaa  cantare  in  publico 
andeat,  sed  nt  diximns,  tota  terra  inbilat  in  Christi  landibns  etiam  per  canti- 
lenas  linguae  yolgaiis,  maxime  in  Tentonicis,  quorom  lingua  magis  apta  est 
concinnis  canticis.  —  Die  Christo  militantes  laici  sind  die  Kreuzfahrer:  im 
J.  1147  unternahm  Kaiser  Conrad  III.  an  der  Spitze  eines  gewaltigen  Heeres 
in  Verbindung  mit  König  Ludwig  YII.  von  Frankreich  einen  Kreuzzug. 

12)  Supplementum  historiae  miraculomm  S.  Mathiae  apostoli,  ex  cod. 
.  MelBcensi,  in  Pezii  Thesaurus  anecdotorum  noyissimus  T.  U.  P.  DI.  col.  8. 
Est  autem  lY.  kalendas  lulii  solemnis  consuetudo  Gallorum,  ut  in  unum  dioe- 
cesi  qualibet  coadunata  cum  reliquüs  et  letaniis  ad  urbem  Trevericam  pro- 
perent,  ut  communi  laetitia  beatorum  Apostolorum  Petri  et  Pauli  natalitia 
eelebrent.  Ab  inventione  (1126.  vgl.  Acta  Sanei.  24.  Fehr,)  Sancti  tarnen 
Mathiae  maxii^e  hie  mos  inolerit,  unde  et  ipse  saepius  in  cantu  vulgari  repli- 
catnr.  Qua  specie  dum  quidam  laudes  S.  Mathiae,  quas  vulgo  Leisos  yocaut, 
canerent,  unus  eorum  levitate  vivendi  actus,  coepit  iocari  temere  et  pro  lande 
simillima  laudi  decantare,  ut  risum  sui  similibus  exeitaret:  quod  dum  tota  via 
faceret,  et  saepius  licet  admonitus  nullo  modo  desisteret,  ultio  divina  subse- 
cnta  est  (Dieselbe  Stelle  aus  einer  Erlanger  Hs.  bei  Pertz,  Mon.  X.  Script. 
Vin.  p.  231  mit  der  besseren  Lesart  iocari  für  vocare.) 


42 

Leichtsinn  verwegen  zu  schreien  und  statt  des  Lobliedes  etwas 
dem  ähnliches  abzusingen,  um  seine  Genossen  ins  Lachen  zu 
bringen  ").  Als  er  damit  nun  auf  dem  ganzen  Wege  fortfuhr 
und  oft  ermahnt  doch  durchaus  nicht  abhissen  wollte,  ereilte  ihn 
die  göttliche  Rache. 

Wie  früher  war  es  auch  jetzt,  imd  wie  es  scheint  wol  noch 
allgemeinerer  Brauch,  während  des  Kampfes  ein  geistliches  Lied 
anzustimmen. 

Morena  erzählt:  In  der  Schlacht  vor  Tusculmn  im  Jalu*c 
1167  entriss  der  Erzbischof  Clu^istian  einem  Bannerträger  das 
Feldzeichen  und  stimmte  laut  den  deutscheu  Gesang  an,  den  die 
Deutschen  im  Ki'icge  zu  singen  pflegen:  Christ  der  du  ge- 
boren bist.  Alle  stürzten  heftig  in  den  Feind,  die  Schlacht 
ward  gewonnen,  2000  Deutsche  siegten  über  30,000  Römer  «*). 

In  der  Schlacht  am  Berge  Turon  (4.  October  1189)  eilten 
die  Deutschen  imd  Franzosen  unter  dem  Gesänge  des  Kyrie 
eleison  und  ihrer  Leisen  in  die  Schlacht  »*). 


§.  8.  13)  Schon  im  12.  und  13.  Jahrhundert  erscheinen  auch  in  Deutsch- 
land die  fahrenden  Cleriker  (Goliardi,  Trutanni).  Vor  ihrem  Scherze  und 
Spotte  war  nichts  sicher,  weder  das  Heilige  noch  die  Heiligen.  Sie  waren 
sogar  so  frech,  das  Sanctns  und  Agnus  Dci  zu  parodieren.  So  verfuhren  sie 
auch  mit  den  Leisen.  Thomas  Cantipratanus  in  seinem  Bonum  universale  de 
apibus  (ed.  Colvener,  Duaci  1627.  p.  456.  457)  gedenkt  eines  ,,cantus  turpis- 
simus  de  beato  Martino  plenus  luxuriosis  plausibus  per  diversas  terras  Galliae 
et  Teutoniae  promulgatus/  wahrscheinlich  halb  lateinisch,  halb  in  der  Vulgar- 
sprache. 

14)  Morena  apud  Muratori,  Rer.  Ital.  Scriptt.  T.  VI.  col.  1147:  ipsemet 
Archiepiscopus  et  Cancellarius  (Christianns)  vexillum  in  manum  accipiens, 
signoque  dato,  roaxlmis  vocibus  cantum  Teutonicum,  quem  in  hello  Teutonici 
dicunt,  videlicet:  Christus  qui  natus  et  cetera,  omnes  laetantes  acriter  super 
Romanos  irruenint.  Vgl.  v.  Bünau,  Leben  und  Thaten  Friedrichs  I.  S.  194. 
196.  F.  Kortiim,  Kaiser  Friedrich  der  Erste  (Aarau  1818.  8?)  S.  131—133. 

15)  Ein  ungenannter  in  Schlesien  lebender  Dichter  (nach  1302)  erz&hlt 
dies  in  seiner  Beschreibung  der  Kreuzfahrt  Ludwig  des  Milden,  Landgrafen 
von  Thiiringen  (1187  —  1190),  gedichtet  auf  Antrieb  des  Herzogs  Bolko  von 
Mänsterberg,  welcher  von  1302—1341  regierte.  Auszüge  daraus  in  Wilken, 
(Geschichte  der  Kreuzz.  IV.  Th.  Anh.  S.  7—69.  Vers  1897  (bei  Wilken  S.  85): 

als  er  den  trost  in  gegap: 
des  helf  uns  da^  heilige  ffrap, 
nAch  dem  Kjrieleis6n 
si  snngen  gotc  den  sUei^en  ddn. 


4i\ 

Als  Friedrich  der  erste  mit  seinem  Heere  zu  Philippopolis 
hielt,  ritten  3000  der  ausgewähltesten  Krieger  mit  Lanzen  und 
Schilden  den  deutschen  Gesandten  entgegen  ^  die  von  Constan- 
tinopel  zurückkehrten.  Es  war  am  Tage  Simon  Juda,  28.  Octo- 
ber  1189.  Als  nachher  die  Gesandten  mit  Frohlocken  zum  Kaiser 
geführt  wurden,  sangen  einige:  Advenistis  dcsiderabiles,  imd 
andere  riefen:  Hiuie  isU  hirre^  din  tac^*). 

Der  Schlachtgesang  war  also  noch  immer  wie  früher  reli- 
giösen Inhalts  und  deutsch.  Das  bekannte  Media  vita  in  morte 
sumus,  kam  erst  später  auf  und  ward  gewiss  meist  nur  von  der 
Geistlichkeit,  welche  sich  im  Gefolge  der  HeerfJilirer  befand, 
angestimmt.  Dass  das  ganze  Heer  beim  Angriffe,  Überfalle- imd 


die  Walhe  oach  mit  dem  künige  fird 

ir  leisen  sungen.    d6 

mit  sie  aUe  zugen  ir  swert 

in  beiden  hem  die  Kristen  wert. 
In  einer  apfitem  Stelle,  Vers  6676  (bei  Wilken  S.  54)  sieht  es  zwar  ans, 
als  ob  unter  Leise  nur   der  Schlachtruf  gemeint  sei;    helf  uns  Gott  und  das 
heilige  Grab  (adiuva  nos  Dens  et  Sanctum  Sepulchrum): 

die  Kristen  in  got  frd 

ir  leisen  si  sungen  dd : 

helf  uns  da^  gotea  grap! 
Beim  Überfalle  des  Lagers  bei  Acre  (so  erzählt  Caesarius  Hcisterb.  de 
mirac.  lib.  X.  cap.  12)  lie^  sich  ein  Kranker  bewaffnen,  auf  sein  Boss  heben 
und  stürzte  fechtend  mit  dem  Rufe  (wie  er  damals  lautete) :  semmir  got  unde 
daT,  heilige  grap!  —  Im  Lager  Richards  wiu-de  jeden  Abend  der  Ruf :  Adiuva 
nos  Deu9  et  sanctum  sepulchrum  I  angestimmt.  Wilken  Kreuzz.  IV.  Beil.  34.  — 
Bei  der  Übergabe  der  Stadt  Berytus  1197  riefen  die  Christensklayen :  Dex 
aide  et  S,  Sepulcrel  Wilken  V,  37. 

§.  3.  16)  Tagenonis  descriptio  expeditionis  asiaticae  in  Freheri  Rerum  ger- 
man.  Scriptt.,  ed.  StruTii  3,  T.  I.  p.  408 :  Quantum  vero  gaudium  ea  die,  qua 
nuncios  nostros  recepimus,  apud  nos  fuerit,  vobis  tul  explicare  possumus.  Plus 
quam  3000  electissimomm  militum  cum  lanceis  et  scutis,  equos  in  gyrum  yer> 
tentes  crebro,  sex  pene  milliaria  nostris  nunciis  oceurrerunt,  ita  ut  Cancella- 
rius  Graecorum  et  alii  Graecorum  optimates  multum  terrerentur,  timebant  in- 
sidias  sibi  paratas  fuisse.  Quod  cum  audisset  Dux  Sueviae  et  alii  proceres, 
statim  depositis  scutis  Graecos  benigne  exceperunt,  dicebant  talem  esse  con- 
suetudinem  Teutonicomm,  et  factum  fuisse  ad  laetitiam  et  honorem  excipien- 
dorum,  et  gloriam  Graecorum.  Deinde  nunciis  Graecorum  in  hospitiis  collo- 
catis  nuncii  nostri  ad  Imperatorem  usqne  magno  tripudio  deducuntur,  quibusdam 
cantantibus:  Advenistis  desiderabiles,  et  etiam  quibusdam  clamantibus:  HiiUe 
»V  hcrre  din  tar.     Vgl.  Wilken,  Gcschiclite  der  Kreuze.  IV.  Th.  S.  Hl. 


44 

Stiirmlaufen  niemals  einstimmig  lateinisch  gesnngen  habe,  ist 
zu  einleuchtend.  Darum  muss  auch  die  Stelle  des  Anonymus 
Canisü  zum  Besten  des  deutschen  religiösen  Volksliedes  gedeu- 
tet werden.  Dieser  berichtet:  Als  Kaiser  Friedrich  am  ersten 
Pfingsttage  (13.  Mai  1190)  einen  Kriegsrath  in  seinem  Zelte  hielt, 
und  der  Bischof  Gottfried  von  Würzburg  das  Heer  der  Kreuz- 
fahrer ermahnte,  das  sich  eben  damals  in  einer  höchst  traurigen 
Lage  befand,  und  der  Kaiser  diese  Ermahnimgen  unterstützte, 
da  erhoben  alle  einstimmig  einen  Kriegsgesang  nach  deutscher 
Sitte  "). 

Eben  deshalb  nehmen  auch  gleichzeitige  Dichter  so  häufig 
Bezug  auf  diese  G-ewohnheit.  Der  Pfaff  Konrad,  der  das  Lied 
von  Roland  zwischen  1173 — 1177  dichtete,  lässt  das  christliche 
Heer  nach  einer  Ermahnungsrede  des  Bischofs  Turpin  Gloria  in 
excelsis  Deo  singen;  ein  Dichter  aus  dem  Laienstande  hätte  wahr- 
scheinlich den  Anfang  eines  deutschen  Liedes  dafür  gewählt  i>). 

§.3.  17)  Anon.  CaniBÜ  p.  521 :  Mox  omnes  simnl  ima  voce  cantnm  belli- 
cnm  eztalemnt  de  more  alemannico.  Vgl.  Wilken*8  Geschichte  der  Krenzzüge 
IV.  Th.  S.  120. 

18)  Bei  Schilter  S.  37,  Vers  3280  ff. 

thd  sprah  ther  biscof  Tnrptn: 

nü  vlehet  alle  mtnen  trehtin, 

wände  er  thnrh  mis  tholete  then  dot, 

tha;;  er  bethenke  unser  aUer  n6t, 

tha;;  wir  reine  vor  ine  cdmen  cet. 

hiute  gesehe  wir  unseren  harren, 

th&  st  wir  iemer  mdr  vrd. 

sie  sungen  Gloria  in  excelsis  Ded. 
Bei  W.  Grimm  204,  24. 

di  helde  üf  sprangen, 

da;;  gotes  lop  si  songen, 

si  slnffen  in  wtges  gewäte, 
294,  24.     Brehmnndan  flrten  si  dan, 

got  si  lop  sungen, 

si  heten  gewdchert  nnt  gewannen 

vil  manige  heilige  sdle. 
28,  14.     ^  der  bnrc  si  drangen, 

ir  wlcliet  si  sangen, 
136,  17.    siben  tüsint  hom  dA  vore  klangen, 

ir  wlcliet  si  sangen. 
208,  16.     ir  wtcliet  si  sangen, 

ir  herhom  klangen. 


46 

Ähnliche  Erwähnungen  des  Schlachtgesanges^  wtcliet,  in  der 
KiUBeTchronik  >*). 

Auch  auf  der  See,  vor,  während  und  nach  der  Fahrt^  war 
es  üblich^  einen  Sang  anzustinunen  *<>)• 

Der  bloße  Ruf  des  Kyrie  eleison  hatte  sich  also  schon  längst 
in  einen  religiösen  Volksgesang  verwandelt,  der  aus  einer  Reihe 
von  Versen  bestand,  welche  unter  sich  wieder  Strophen  bilde- 


§.  3.  19)  Kaiserchronik,  Codex  palat  361 : 
12.  a.    ir  wicliet  sie  simgen, 

sam  dA  ein  burc  ist  gewunnen. 
31.  b.    die  bore  sie  gewiumen, 

ir  wicliet  sie  sungeiu 
42.  b.    ingegen  dem  kunige  sie  drangen, 

ir  wicliet  sie  sungen. 

20)  Ernst  bei  v.  d.  Hagen  und  BUsching : 
3145.     dd  si  die  kiele  errangen, 
gotes  lop  si  sangen. 

2286.    dd  hüben  sie  alle 

gegen  got  mit  schalle: 

nü  helfe  ans  da;^  heilige  grap 

nnd  der  sich  durch  ans  dar  in  gap 

mit  sinen  hdren  wanden, 

da;;  wir  se  Jerasalem  vonden 

werden  vröliche 

and  in  dem  himelriche 

(got  gebe  uns  den  werden  lön!) 

und  singen  kyrieleison. 

damit  giengen  sie  herabe 

von  der  barg  üf  die  habe. 

3164.     dd  man  den  kiel  abstie:^ 

selber  hflp  an  der  jungelinc : 

wir  U^^en  alle  unser  dinc 

an  da:;  heilige  kint, 

des  himel  und  erde  alle  sint, 

den  diu  unrollobte  klAr 

sin  mftter  Maria  gebar. 

nft  helfe  uns  der  heilant, 

da:;  wir  komen  in  sin  lant. 

wir  vam,  Crist,  in  dinem  namen: 

nü  hilf  uns  in  din  rieh !    amen. 


4<i 

ten,  und  dieae  Strophen  pflegten  dann  meist  mit  Kyrie  eleison 
zu  schließen  oder  mit  einem  ähnlichen  Kehrvers  (Refrain)  »«)• 

Daher  kam's  denn,  dass  man  den  Namen  beibehielt ,  wäh- 
rend sich  schon  längst  die  Sache  geändert  hatte ,  während  es 
sogar  Lieder  ohne  einen  Kehrvers  gab;  man  nannte  nämlich 
alle  geistlichen  Lieder ,  die  gesungen  werden  sollten  oder  ge- 
sungen wurden,  Leisen  *>). 

Die  Benennung  leise,  und  noch  mehr  die  daneben  gleich- 

§.3.  21)  Auch  iiaOcr  Deatschland  war  es  damals  üblich,  ein  geistliches 
Lied  mit  der  Kehrzeile:  K^'rie  eleison  zu  versehen.  Der  heil.  Godric  (f  1170) 
horte  den  Geist  seiner  Schwester  singen  und  sah,  wie  zwei  Männer,  mit  Büch- 
lein in  den  Händen,  der  eine  an  der  rechten,  der  andere  an  der  Unken  Seite 
des  Altars  standen  und  mit  jubelnder  Stimme  das  Kyrie  eleison,  Christe  elei- 
son dazu  sangen,  und  als  sie  schwiegen,  begann  der  Schwester  Stimme  wieder 
das  Lied  und  sie  fügten  wieder  das  Kyrie  eleison  und  ChriBte  eleison  hinzu. 
S.  Acta  Sanctorum  Maii  T.  V.  p.  77.  —  Das  Lied  selbst,  eins  der  ältesten 
Denkmäler  der  englischen  Sprache,  hat  Hitson  in  seiner  Bibliographia  poetica 
(London  1802)  p.  4  nach  einer  alten  Hs.  mitgetheilt. 
22)  Reichliche  Belege  gewährt 

Herzog  Ernst  (v.  d.  Hagen  und  Büsching,  Deutsche  Gedichte  des 
Mittelalters  Th.  I.) 

1922.    dd  sie  von  dem  stade  stiegen 
die  edelen  ritter  jungen 
unde  ir  leisen  sungen. 
2157.    dd  sie  in  die  burc  dmngen, 

ir  leiten  sie  snngen. 
3069.    gegen  dem  tor  die  zwene  liefen, 

ir  leise  sie  lüte  riefen. 
3679.    dd  sie  sAi^en  darüf  (auf  dem  Flo^e), 
gSn  gote  was  fli^ec  ir  ruf, 
mit  ir  leisen  sie  gäben  stte:;en  dön 
und  sungen  kyrieleison. 
4536.    Ernst  begunde  loben  got. 
mit  den  sinen  was  er  fird, 
sinen  leisen  hSp  er  dö: 
Crist  hdrre  du  bist  gAt, 
nü  hilf  uns  durch  dtn  reine^  blut, 
durch  dine  heren  wunden, 
daj;  wir  vrdlichen  werden  funden 
d4  süe^e  ist  der  engel  ddn 
in  dime  rtche,  kyrieleison! 
zem  Stade  sie  stiegen. 


47 

zeitig  vorkommende  vollere  Form  kirleise,  kirleis  ")  ist  für  die 
Geschichte  der  Entwickelung  des  Kirchenliedes  von  großer  Be- 
deutmig**):  sie  bestätigt,  dass  der  frühere  religiöse  Volksgesaiig 
der  Deutschen  nur  in  dem  Kehrverse  Kyrie  eleison  bestand  und 
dass  sich  mit  Verwendung  desselben  endlich  die  Dreitheiligkeit 
des  Liedes  gestaltete  **). 

Diese  Benennung  erhielt  sich  noch  im  XVI.  Jahrhundert  *•) 
uiid  ist  auch  nie  ganz  spurlos  versch\\Tmden "'). 


4758.    alle  zugeu  ir  swert. 

der  kriBten  schar  ir  leisen  rangen, 
die  beiden  gegen  in  drangen. 
Ob  diese  Stellen  sieb  bereits  in  dem  älteren  verloren  gegangenen  Ge- 
dichte von  Herzog  Einst  vorfanden,  also  nocb  dem  XII.  Jahrhunderte  ange- 
hören, oder  nur  Zusätze  des  späteren  Bearbeiters  in  der  ersten  Hälfte  des 
Xin.  Jahrhunderts  sind,  lässt  sich  nicht  ermitteln.  Vgl.  Koberstein  Grund- 
riss  4.  Aufl.  S.  194.  Anm.  e.  und  W.  Wackemagel  Litteraturg.  S.  182.  183. 
Das  tbut  aber  auch  zur  Sache  nichts,  das  Wort  leise  ist  aus  dem  Ende  des 
XII.  und  dem  Anfange  des  XIII.  Jahrhunderts  auch  anderswo  unwiderleglich 
nachzuweisen. 

§.  3.  23)  Z.  B.  bei  Bruder  Berthold. 

24)  Auch  W.  Wackernagel,  der  in  den  Altfranz.  Liedern  und  Leichen 
S.  231  noch  zweifelnd  fragte,  bekennt  sich  jetzt  zu  meiner  Ansicht,  Lit- 
teraturg. S.  265. 

26)  W.  Wackemagel,  Altfranz.  Lieder  S.  223  und  S.  208.  „Der 
Refrain  ist  national  und  kirchlich  zugleich.'^ 

26)  Christlike  Kercken  Ordeninge  Hertogen  Ericks  (Hannover  1544) 
Bl.  71.  Praefatio  am  Pfingsttage:  DarUmme  is  de  ganze  werlt  vul  froude 
im  ganzen  ummekreis  der  erden.  DArto  singet  alle  hemmelische  schftr  eine 
leisen  djnem  pryse  &n  ende  seggende.  —  In  Job.  Spangenberg*s  Auslegung 
swolf  christlicher  Lobgesänge  (Wittenb.  1546.  80.)  heißt  das  Lied :  Also  heilig 
ist  der  Tag,  'der  alten  christlichen  Leisen  und  Lobgesänge  einer.*  —  In  den 
Niederlanden  kommt  Leyssen  in  der  Bedeutung:  geistliche  Lieder,  auf  den 
Titeln  vieler  Liederbücher  vor.  Kilianus  DufFI.  kennt  es  noch,  in  seinem 
Wörterbuche  erklärt  er  es  richtig,  übersetzt  es  aber  fälschlich  durch  cantio 
natalitia. 

27)  So  gebraucht  Zuccalmaglio  in  dem  von  ihm  herausg.  11.  Theile 
^er  Kretzscbmer'scben  Deutschen  Volkslieder  (Berlin  1840)  für  eine  besondere 
Abtheüung  Lieder  den  Ausdruck  OavUeusehen^  den  er  wol  aus  der  bergischen 
Volkssprache  entlehnte.  —  Die  Herausgeber  des  Bremisch-nieders.  Wörterb. 
V,  419  erklären  „leusken,  laut  singen,  sich  das  Singen  angelegen  sein  lassen. 
De  Junge  kann  verwegen  leusken,  der  Knabe  läßt  eine  starke  und  helle 
Stimme  im  Singen  h5ren.     Man  sagt  es  in  unserer  Nachbarschaft.^ 


48 

Hier  ein  Zeugnis»  fiir  Leise  aus  den  Jahren  1217  bis  1220, 
das  ich  in  das  XTT.  Jahrhundert  noch  herüberziehe;  es  steht  in 
Heinrich  Wolter's  bremischer  Chronik**):  Ln  Bremischen  lebte 
ein  Bauer,  Namens  Otbert,  der  gab  vor,  er  könne,  kraft  seiner 
Tugend,  Wunder  thun.  Das  Volk  hielt  ihn  für  einen  Heiligen, 
und  mit  seiner  teuflischen  Tugend  betrog  er  viele;  er  heilte  die 
Kranken  durch  Beschwörungs-  und  Segensformeln**).  Viele 
kamen  zu  ihm,  und  sein  Ruhm  scholl  durch  das  ganze  Land. 
Loblieder,  das  Volk  nennt  sie  Leisen,  wurden  auf  ihn  gedich- 
tet und  an  den  Wegen  gesungen,  um  Gaben  für  ihn  zu  heischen. 
Der  Vogt  des  Herzogs  von  Braunschweig  zog  den  meisten  Ge- 
winn davon,  drum  naimi  er  auch  die  Betrügerei  in  Schutz. 

Dreizehntes  Jahrhundert. 

Hatte  jene  vorherrschende  religiöse  Stimmung  der  deutschen 
Gemüther  bisher  das  geistliche  Lied  begünstigt  und  hin  und 
wieder  in  den  Kreis  der  öffentlichen  Gottes  Verehrung  gezogen, 
hatten  Geistliche  und  Laien  aus  frommer  Begeisterung  bisher 
durch  Dichtung  neuer  Lieder  dem  allzeit  gleich  fühlbaren  Be- 


§.  3.  28)  Henrici  Wolteri  Chronica  BremenBÜ  apud  Meib.  T.  I.  p.  57 : 
Infra  idem  tempuB  lucrati  sunt  mixusteriales  bremenses  castmm  Yorde  a  dace 
BmiiBTiceiwi  et  taliter.  Fnit  qaidam  villicus  in  dioecesi  cum  Boa  domo  intra 
Stadinm,  cui  nomen  Otbertos,  qni  virtnte  Bua  dixit  se  facere  mirabilia,  et 
Yiü^iia  credidit  enm  sanctnm,  et  decepit  mnltos  virtute  diabolioa,  et  curavit 
per  incantationes  et  verba  deceptoria  sanctificaTit  aegrotos,  et  mnlti  veniebant 
ad  eom,  et  fama  ejus  in  omni  terrftpersonuit,  carmina  elogica  yolgo  loisen 
fiienmt  de  eo  facta  et  cantata  in  viU  pro  eo  qoaerendo  offerenda  dedacta  non 
modica.  Et  inde  lucrom  maximnm  haboit  adyocatiu  Henrici  Dada  Bninflvi- 
censis,  cujua  nomen  Henricus  de  Ostmckbosen ,  et  Ule  defendebat  istam  de- 
ceptionem. 

29)  Über  Sprüche  und  Segen  s.  Qrimm  Mythol.  2.  Auag.  8.  1173  ff. 
W.  Müller,  Geschichte  und  System  der  altd.  Religion  S.  21  ff.  Zwei  deutsche 
Zaubersprüche )  wol  erst  im  X.  Jahrhundert  aufgezeichnet,  aber  viel  früherer 
Zeit  angehörend,  als  das  Heidenthum  noch  unberührt  oder  die  Bekehrung  cum 
Chriatenthum  eben  eingetreten  war,  sind  erst  vor  einigen  Jahren  bekannt  ge- 
worden :  Jac.  Qrimm,  Über  zwei  entdeckte  Gedichte  aus  der  Zeit  des  Heiden- 
thums.  Berlin  1842.  4?  Grimm  Myth.  1180.  —  W.  Waokemagel  Altd.  Lese- 
buch, N.  A.  der  2.  Aufl.     Vorrede  S.  IX.  und  X.     Abdruck  und  Erklärung. 


49 

dürfnisse  eines  deutschen  öffentlichen  religiösen  Gesanges  ab- 
zuhelfen gesucht,  so  traten  jetzt  mit  dem  XIII.  Jahrhundert 
andere  Neigungen,  Bestrebungen  und  Interessen  ein,  die  gera- 
dezu, wenn  auch  meist  absichtslos,  in  Bezug  auf  Entwickelung 
des  religiösen  Volksgesanges  das  Gegentheil  bewirkten. 

Der  Eifer  für  Kunst  und  Wissenschaft  war  in  den  Klöstern 
erkaltet»«);  von  den  früher  so  wohlthätig  wirkenden  Kloster- 
schulen bestanden  nur  noch  wenige  in  ihrer  alten  Wirksamkeit. 
Die  Geistlichkeit  im  sicheren  Besitze  ihrer  Zehnten  imd  Pfrün- 
den begnügte  sich  mit  dem  bloßen  Ablesen  lateinischer  Mess- 
bücher und  Breviere;  sie  sah,  dass  sie  mit  ihrem  armseligen 
Wissen  überall  ausreichte,  und  dass  ein  gottesfurchtiger  Wandel 
nicht  eben  nothwendig  zum  Priesterthumc  gehöre.  Dennoch 
hatte  sie  bei  großer  Scheu  vor  eigenem  frommen  Denken  und 
Handeln  eine  noch  größere  vor  allen  Regungen  edler  geistiger 
Selbstthätigkeit  und  gewissenhaften  Wandels;  überall  witterte 
sie  Ketzer,  überall  glaubte  sie  durch  Besserwissen,  ja  sogar 
durch  Anderswissen  sich  gefährdet.  Ums  Jähr  1170  entstand 
im  südlichen  Frankreich  die  Partei  der  Waldenser,  welche  ohne 
alle  speculative  Schwärmerei  nur  dahin  strebte,  das  apostolische 
Christenthum  in  seiner  Einfalt  und  Innigkeit  zu  verwirklichen, 
oder  wie  es  eins  ihrer  ältesten  Denkmäler  ausspricht:  Ein  an- 
deres Gesetz  sollen  wir  fortan  nicht  haben,  als  Jesu  Christo 
nachzufolgen,  zu  thun  was  ihm  gefUIlt  und  fest  an  dem  zu  halten 
was  er  befohlen  hat  *").  Waldus  »»)  aus  Lyon,  ihr  Stifter,  be- 
gann um  diese  Zeit,  auf  apostolische  Weise  in  der  Landessprache 


§.  4.  80)  So  war  %,  B.  das  einst  so  berühmte  St.  Gallen  allmälig  so  nnwis- 
send  geworden,  dass  im  Jahr  1291  das  ganze  Kapitel  mit  seinem  Abte  nicht 
schreiben  konnte.  Ildefons  Ton  An,  Gesch.  von  St.  Gallen  I.  Bd.  S.  470  und 
471.  Anm.  a. 

31)  Nobla  Leycson  454—456. 
Antra  ley  d*  ayci  enant 

non  deven  plus  aver, 
Sinon  ensegre  Yeshn  Xrist, 

e  far  lo  seo  bon  placer, 
E  garder  fermament 

cso  qn'el  ha  comanda. 
82)  Romanisch  wahrscheinlich  Valdes  oderValdez;  der  Vorname  Petras 
findet  rieh  erst  im  Jahr  1404  dazu;    s.  Herzog,  Die  romanischen  Waldenser 
S.   112.  118. 

4 


50 

das  Evangelium  zu  yerkünden.  Mit  ihm  verbanden  sich  bald 
mehrere  Gleichgesinnte  (Pauperes  de  LugdxmO;  Leonistae^  Sa- 
batati).  Sie  hatten  anfangs  so  wenig  die  Absicht,  sich  von  der 
Kirche  zu  trennen,  dass  sie,  als  ihnen  der  Erzbischof  von  Lyon 
das  Predigen  verbot,  bei  dem  Papst  Alexander  HE.  (1179)  um 
Erlaubniss  nachsuchten  >').  Als  aber  Lucius  DI.  (1184)  den  Bann 
über  sie  aussprach,  da  glaubten  sie  Gott  mehr  gehorchen  zu 
müssen  als  den  Menschen,  und  schieden  von  einer  Elirche  aus, 
welche  das,  was  ihnen  heiliger  Beruf  schien,  verfluchte  '^).  Sie 
hatten  sich,  gleich  anfangs  angelegen  sein  lassen,  viele  biblische 
Bücher  ins  Romanische  zu  übersetzen  '^)  und  allerlei  Erbauungs- 
schriften in  der  Landessprache  zu  verfassen  '^).    Wie  unschul- 


§.  4.  33)  Gnalteros  Mapes  ex  Hb.  apud  Usaerium  de  chriart.  Eccleaiae  snc- 
cessione  et  statu  ed.  II.  (Lond.  1682.  fol.)  p.  112:  Vidimus  in  condUo  Bo- 
mano  snb  Alexandre  HE.  celebrato  ValdesioSi  homines  idiotas  illiteratoB,  a 
primate  ipsorum  Valde  dictos,  qoi  faerat  civis  Lugdoni  super  Rhodanum,  qui 
librum  domino  Papae  praesentaverunt  lingua  conscriptum  gallica,  in 
quo  textns  et  glossa  Psalterii  plurimorumque  legis  utriusque  librorum  conti- 
nebatur.  Hi  multa  petebant  instantia,  praedicationis  auctoritatem  sibi  confir- 
mari.     Gieseler  Kirchengeseh.  4.  Aufl.  n,  2,  570. 

84)  Gieseler  Kirchengeseh.  4.  Aufl.  n,  2,  664  ff. 

85)  Stephanus  de  Borbone  (Dpminicaner  in  Lyon  um  1225)  bei  d*Ar- 
gentr^  I,  87  und  Gieseler  Kirchengeseh.  4.  Aufl.  II,  2,  568.  Incepit  autem 
illa  secta  per  hunc  modum,  secundum  quod  ego  a  pluribus,  qui  priores  eonun 
viderunt,  audivi,  et  a  sacerdote  iUo,  —  qui  dictus  fuit  Bemardus  Ydros,  qui, 
cum  esset  iuyenis  et  scriptor,  scripsit  dicto  Waldensi  priores  libros  pro  pecu- 
nia  in  Bomano,  quos  ipsi  habuerunt,  transferente  et  dictante  ei  quodam  Gram- 
matico,  dicto  Stephane  de  Ansa,  quem  ego  saepe  Tidi.  Quidam  dives  rebus 
in  dicta  urbe,  dictus  Waldensis,  audiens  EvangeUa,  cum  non  esset  multom 
Uteratus,  curiosus  intelligere  quid  dicerent,  fecit  pactum  cum  dictis  sacerdoti- 
bus,  altero  sie  ut  transferret  ei  in  Tulgari,  altero  ut  scriberet  qoae  iUe  dicta- 
ret:  quod  fecerunt,  similiter  multos  libros  Bibliae  et  auctoritates  Sanctorom 
mnltas  per  titulos  congregatas,  quas  sententias  appellabant.  Quae  cum  dictus 
ciyis  saepe  legeret  et  corde  tenus  firmaret,  proposuit  serrare  perfectionem 
evangelicam,  ut  Apostoli  servaverant.  Qui  rebus  suis  omnibns  venditis  in  con- 
temptum  mundi  per  lutum  pauperibus  peeuniam  suam  pioüciebat  et  officium 
Apostolorum  usurpavit  et  praesumpsit  cet« 

36)  Es  haben  sich  viele  höchst  merkwürdige  Denkmale,  darunter  auch 
Dichtungen  erhalten,  letzteren  ist  ein  viel  zu  hohes  Alter  zugeschrieben  wor- 
den, die  Xltesten  gehören  wol  erst  dem  zweiten  Viertel  des  XIII«  Jahrb.  an. 
Dem  widerspricht  auch  wenigstens  nicht  Diez,  Grammatik  der  roman.  Sprachen 
I,  77.    Die  beste  Übersicht  giebt  Herzog,  Die  roman.  Waldenser,  S.  25 — 108. 


51 

dig  waren  gewiss  die  vermeintlichen  Verbrechen  vieler  Ketzer, 
wenn  schon  das  Lesen  religiöser  Bücher  in  der  Landessprache, 
oder  der  heiligen  Schrift  in  den  Verdacht  und  die  Strafirürdig- 
keit  der  Ketzerei  bringen  konnte !  Im  Jahr  1199  schreibt  Papst 
Lmocentias  m.  an  die  Einwohner  der  Stadt  Metz  und  des  dazu 
gehörigen  Kirchsprengeis  »'),  er  habe  von  ihrem  Bischof  erfah- 
ren, dass  unter  ihnen  viele  Laien  und  Weiber,  aus  starker  Be- 
gierde nach  der  heiligen  Schrift,  sich  die  Evangelien,  die  Briefe 
Pauli,  die  Psalmen,  die  Sittenlehren  Hiobs  (Gregors  des  Großen 
sogenannten  Commentar  über  dieses  Buch)  und  mehrere  andere 
Bücher  ins  Französische  hätten  übersetzen  lassen,  und  nach  die- 
sen Übersetzungen  in  ihren  geheimen  Versammlungen  zu  lehren 
sich  unterstünden;  auch,  wenn  ihre  Pfarrer  ihnen  solches  ver- 
weisen wollten,  sich  widersetzten,  und  aus  der  Schrift  Gründe 
beizubringen  suchten,  nach  welchen  ihnen  dieses  nicht  verboten 
werden  dürfte.  Der  Papst  sucht  sie  dann  in  demselben  Schrei- 
ben eines  Besseren  zu  belehren,  ermahnt  sie  schließlich  und 
befiehlt  ihnen  zur  Vergebung  ihrer  Sünden  ihr  Betragen  zu 
ändern  imd  dem  katholischen  Glauben  getreu  zu  bleiben,  indem 
er  sie  sonst  .zum  Gehorsam  zwingen  werde.  Zugleich  aber 
schreibt  er  an  den  Bischof  von  Metz,  er  möchte,  damit  weder 
die  Ketzer  kühner,  noch  die  Einfältigen  verworren  und  endlich 
ganz  in  Ketzer  verwandelt  würden,  jene  Leute  auf  den  rechten 
Weg  zurückführen,  den  Urheber  der  gedachten  Übersetzung 
und  seine  Absicht  ausforschen,  auch  sich  erkundigen,  ob  die- 
jenigen, welche  sich  ihrer  bedienten,  der  apostolischen  und  ka- 
tholischen Kirche  ergeben  wären  «•).    Dass  es  hier  weniger  auf 


§•  4.  37)  Epütola  141  (Eputolamm  Innocentü  III.,  ed.  Steph.  BalnuuB, 
Pmris.  1C82.  T.  X.  p.  432):  Umyenifl  Christi  tarn  in  nrbe  Metensi  quam  eins 
dlocen  constitis.  —  Sane  sigiiificaYit  nobis  venerabilis  firater  noster  Metenas 
EpiseopuB  per  litteras  suae,  quod  tarn  in  diocesi  quam  urbe  Hetensi  laicornm 
et  mulieram  multitado  non  modlca  tracta  qnodammodo  deoiderio  scripturarum, 
evangelia,  epistolas  Pauli,  psalterium,  moraUa  lob  et  plures  alioB  libroB  sibi 
fedt  in  gallico  sermone  transferri,  tnuislationi  huiaamodi  adeo  libenter,  nünam 
autem  et  prndenter,  intendens,  ut  secretis  conventionibufl  talia  inter  se  laici 
et  mnliereB  eructare  praesumant,  et  sibi  iavicem  praedieare  cet.  Vgl.  Tobiaa 
Gottfried  Hegelmaier,  OeBchlcbte  des  BibelverbotB  (Ulm  1783.  8?)  S.  100— 
134  und  Schröckh,  KirchengeBch.  XXYIII.  Th.  S.  9—11. 

38)  EpiBtola  142    (Epistel.   Innocentü  III.  T.  I.   p.  436):     Inquiratis 
etiam  soUicite  veritatem,  quis   fuerit  auctor  translationis  iUius,  quae  intentio 

4* 


die  Ketzer  als  auf  die  Bibel  abgesehen  war,  lehrt  der  Erfolg. 
Im  J.  1200  schickte  derselbe  Papst  einige  Abte  nach  Metz,  auf 
deren  Befehl  nicht  die  Bibelleser,  sondern  die  Bibelübersetzun- 
gen verbrannt  wurden  *•). 

Nicht  etwa  bloß  der  französischen  Sprache  widerfuhr  dies 
traurige  Geschick,  sondern  überhaupt  jeder  nicht-lateinischen. 

Der  päpstliche  Gesandte,  Bischof  Guido  von  Präneste,  erließ 
1202  bei  einer  Visitation  der  Hauptkirche  zum  heil.  Lambert  in 
Löwen  mehrere  Bestimmungen,  worunter  denn  auch  folgende: 
Alle  Bücher  in  romanischer  und  deutscher  Sprache,  welche  die 
heil.  Schrift  betreffen,  sollen  dem  Bischof  eingehändigt  werden, 
und  nur  er  mag  nach  seinem  Gutdünken  zurückgeben,  was  er 
will  «). 

Im  Jahre  1210,  nachdem  das  Concil  zu  Paris  die  Lehren 
des  Amalrich  von  Bena  (f  1205)  verdanmit  hatte,  erließ  der 
Erzbischof  von  Sens,  Petrus  de  Corbolio  *"),  ein  Beeret,  worin 
befohlen  wurde,  alle  theologischen  Schriften  in  romanischer 
Sprache,  nur  mit  Ausnahme  der  Heiligenlegenden,  den  Diöce- 
sanbischöfen  einzuliefern. 

traDsferentiB,  quae  fides  utentium,  qnae  causa  docendi,  si  sedem  apostolicam 
et  catholicam  ecciesiam  venerentar,  ut  super  his  et  aliis  quae  necessaiia  sunt 
ad  indagandam  plenius  veritatem  per  litteras  vestras  sufficienter  instructi,  quid 
statui  debeat  melius  intelligere  debeamus. 

§.  4.  39)  Alberici  Monachi  Trium  Fontium  Chronicon  (ed.  a  G.  G.  Leibni- 
tio,  Hanov.  1698.  4?  und  in  dessen  Accessiones  Eist  T.  II.)  p.  420.  421  ad 
a.  1200:  Item  in  nrbe  Metensi  puUulante  secta  qnae  dicitur  Waldensinm  di- 
recti  sunt  quidam  Abbates  ad  praedicandum,  qui  quosdam  libros  de  Latino  in 
Bomanum  versos  combusserunt  et  praedictam  sectam  ezstiipaverunt.  Aucb  in 
Bouquet,  Recueil  XVIII,  763.  Schröckh,  Kirchengescb.  XXYIII.  Tb.  S.  11 
belegt  dies  Ereigniss  nur  durch  Jac.  Usserii  Historia  dogmatica  controversiae 
inter  Orthodoxos  et  Pontificios  de  Scripturis  et  Sacris  vemaculis  (Lond.  1690. 4?) 
p.  161. 

40)  Guido  Praenestinus  Episcopus  et  Sedis  Apostolicae  Legatus  visitat 
et  reformat  Cathedralem  Ecciesiam  8.  Lamberti  Leodii  anno  1202.  Miraei 
opera  diplomatica  et  historica,  ed.  II.  T.  I.  p.  565 :  Omnes  libri  Romane  vel 
Teuthonice  scripti  de  divinis  scripturis  in  manus  tradantur  Episcopi  et  xpse 
quos  reddendos  Tiderit  reddat. 

41)  Martene,  Thesaurus  novus  anecdotorum  IV,  165.  De  libris  theo- 
logicis  scriptis  in  Romano  praecipimus,  quod  episcopis  dioecesanis  tradantur, 
et  Credo  in  Deum  et  Pater  noster  in  Romano  praeter  vitas  sanctorum.  Et 
hoc  infra  Purificationem,  quia  apud  quem  inveniuntur  pro  haeretico  habebitur. 
Vgl.  Ch.  U.  Hahn,  Geschichte  der  Ketzer  im  Mittelalter  III,  176.  351. 


63 

Und  dennoch  konnte  unter  dem  Vorsitze  desselben  Lmocen- 
tins  m.  in  der  vierten  Kirchenversammlnng  im  Lateran  im  J.  1215 
ein  Beschluss  gefasst  werden,  als  ob  der  Gebrauch  der  Mutter- 
sprache bei  den  kirchlichen  Handlungen  so  etwas  ganz  natür- 
liches wäre,  was  sich  so  eigentlich  von  selbst  verstünde:  Weil 
in  mehreren  Bezirken  innerhalb  einer  Stadt  oder  eines  Kirch- 
sprengelsy  heißt  es  im  9.  Canon ,  gemischte  Einwohner  leben, 
welche  bei  der  Verschiedenheit  der  Sprache  einerlei  fieligion, 
aber  verschiedene  Gebräuche  imd  Sitten  haben,  so  befehlen  wir, 
dass  die  geistlichen  Vorsteher  solcher  Städte  und  Elirchsprengel 
für  geschickte  Leute  sorgen,  die  nach  der  Verschiedenheit  der 
Gebräuche  und  Sprachen  das  heilige  Amt  verrichten  und  die 
Sacramente  versehen,  und  so  durch  Wort  und  Beispiel  zugleich 
unterrichten  **). 

Durch  die  päpstlichen  Verbote  waren  jedoch  die  religiösen 
Bestrebungen  der  Waldenser  nicht  erstickt  worden;  sie  fanden 
nur  noch  mehr  Anhänger,  welche  sich  nun  innner  weiter  von 
den  Satzimgen  imd  Bräuchen  der  herrschenden  Kirche  entfern- 
ten. So  entstand  denn  im  Süden  Frankreichs  jene  Secte  der 
Catharer  oder,  wie  sie  jetzt  noch  häufiger  heißen,  Albigenser. 
Im  Jahre  1208  ließ  Innocentius  IH.  gegen  sie  durch  Arnold  von 
Citeaux  einen  Kreuzzug  predigen,  und  es  begann  schon  im  fol- 
genden Jahre  der  grausame  blutige  Albigenserkrieg.  Der  päpst- 
liche Stuhl,  immer  erfindungsreich,  wo  es  sich  um  Erhaltung 
seines  Ansehns  und  Ausbreitung  seiner  Macht  und  Bechte  han- 
delte, hatte  eine  Anstalt  ins  Leben  gerufen,  welche  alle  Ketze- 
reien ausrotten  sollte,  und  bald  auch  mit  den  scheußlichsten 
Mitteln,  mit  Feuer  und  Schwert  dazu  bereit  war:  die  Inquisition. 
Aus  den  Schriften  der  Inquisitionen  erfahren  wir  alles  Verdam- 
menswerthe  der  ketzerischen  Lehren.  Auch  hier  begegnen  wir 
wieder  jener  Angst  vor  dem  Gebrauche  der  Landessprache  zu 


§.  4.  42)  Concilium  Latenmease  IV.  ab  a.  1215.  (Concil.  Maui  T.  XXII. 
p.  998)  can.  9  de  diverais  ritibiu  in  eadem  fide:  Qaoniaiu  in  plerisqne  par- 
taboB  intra  eamdem  ciTitatem  atqne  dioecesim  pennixti  sunt  popnfi  direnanim 
lingnaram»  habentos  snb  nna  fide  yario«  ritiu  et  mores:  disüicte  praeoipiinng, 
ut  ponÜficea  hmnamodi  civitatam  siye  dioecesom  prorideant  vires  idoneos,  qai 
secnndom  diversitates  ritanm  et  Ungnamm  divina  officia  Ulis  celebreat,  et 
ecclesiaBtica  sacrame&ta  ministrent,  instniendo  eos  verbo  paiiter  et  exemplo. 
Prohibemus  antem  omnino,  ne  nna  eademqne  civitas  sive  dioecesis  diverses 
pontifices  habeat,  tanqnam  onnm  corpus  diversa  capita,  quasi  monstrum. 


64 

kirchlichen  und  religiösen  Zwecken:  es  ward  für  ketzerisch  und 
somit  strafwürdig  gehalten,  in  nicht-lateinischer  Sprache  zu  pre- 
digen,  kirchliche  Handlungen  zu  verrichten,  nicht-lateinische 
religiöse  Bücher  zu  lesen,  ja  sogar  nur  zu  besitzen.  Der  Pseudo- 
Reinerius  ^')  berichtet  von  den  Ketzern:  Femer,  dass  ein  latei- 
nisches Gebet  nichts  nütze.  Femer  was  irgend  gepredigt  wird, 
und  sich  durch  die  Bibel  nicht  beweisen  lasse,  halten  sie  f&r 
Märchen.  Femer  sagen  sie,  die  heilige  Schrift  habe  dieselbe 
Wirkung  in  der  Landessprache  als  im  Lateinischen.  Weshalb 
sie  auch  die  Landessprache  zu  kirchlichen  Handlungen  gebrau- 
chen. Femer  wissen  sie  den  Text  des  neuen  Testamentes  und 
einen  großen  Theil  des  alten  in  der  Landessprache  auswendig. 

Aber  so  wenig  die  Beschlüsse  von  Tours  und  Mainz  ^)  und 
andere  des  IX.  Jahrhunderts  in  Betreff  der  Muttersprache  später 
befolgt  wurden,  so  brauchten  ja  auch  die  Beschlüsse  des  Late- 
ranconcils  vom  Jahre  1215  nicht  ausgeföhrt  zu  werden,  wenn 
sie  nun  einmal  sich  nicht  practisch  für  die  Absichten  des  päpst- 
lichen Stuhles  bewährten. 

Die  Bibel  war  und  blieb  verboten ;  die  lateinische  Sprache 
war  und  blieb  im  vollen  Besitze  ihrer  verjährten  Rechte,  und 
der  Clerus  stand  sich  bei  beiden  Dingen  gut.  Was  helfen  über- 
haupt Befehle,  wo  man  von  einer  andern  Gesinnung  des  Befehl-, 
gebers  sich  überzeugt  halten  darf?  Bald  nach  dem  Tode  jenes 
Papstes,  zur  Zeit  seines  zweiten  Nachfolgers,  Gregorius  des  IX. 
im  Jahre  1229  beschloss  die  Synode  zu  Toulouse,  Laien  sollten 
weder  das  alte  noch  das  neue  Testament  haben,  es  sei  denn, 
dass  sie  aus  Andacht  das  Psalmenbuch,  oder  einen  Auszug  der 
öffentlichen  Liturgie,  oder  die  Gesänge  und  Gebete  an  die  hei- 
lige Jungfrau   besitzen   wollten;    aber    sie   untersagte   auf  das 


§.4.  43)  Die  vielfttch  erweiterte  Samma  Reinerii  de  Oatharis  et  Leonistis 
sea  Paaperibxu  de  Lugduno  in  Maxima  Bibl.  Patram  XXV,  262  sqq.  Vgl. 
Oieselor  KirchengeBch.  4.  Aufl.  II,  2,  613.  Item,  quod  latina  oratio  laicis  non 
prosit.  —  Item  quidqoid  praedicatur,  quod  per  textam  Bibtiae  non  probatnr, 
pro  fabali«  habont«  Item  dicuut,  quod  sacra  scriptura  eondem  effectam  habeat 
in  vulgari  quem  in  latino.  Unde  etiam  conficiunt  In  vnlgari  et  dant  eacra- 
menta.  Item  Testamenti  novi  teztum  et  magnam  partem  veteris  vnlgariter 
sciunt  corde. 

44)  Z.  B.  Concil.  Mog.  813.  can.  26.  46.  ap.  Mansi  T.  XIV.  col.  72. 
74.  —  Conc.  Tnron.  813.  can.  17.  ap.  Maosi  ib.  col.  86,  wiederholt  Conc. 
Mog.  847.   can.  2.  ib.  903. 


55 

Strengste  y  dasa  selbst  diese  Bücher  jemandem  in  die  Landes- 
sprache übersetzt  verstattet  werden  sollten«^). 

Die  Synode  von  Beziers  1246  nahm  diesen  Canon  in  ihre 
Beschlüsse  mit  auf««);  die  aber  von  Tarragona  im  Jahr  1234 
wiederholte  ihn  mit  dem  Zusätze:  wenn  Jemand  diese  Bücher, 
Übersetzungen  des  alten  und  neuen  Testaments  hat,  so  soll  er 
sie  binnen  8  Tagen,  von  der  Zeit  der  Bekanntmachung  dieses 
Beschlusses  an,  dem  Bischof  des  Ortes  ausliefern  zum  Verbren- 
nen; thut  er  das  nicht,  sei  er  Geistlicher  oder  Laie,  so  soll  er 
für  verdächtig  der  Ketzerei,  bis  er  sich  reinigt,  betrachtet  wer- 
den «').  Zu  derselben  Zeit  des  Papstes  Gregorius  IX.  im  Jahr 
1231  hielt  Theodorich  11.,  Erzbischof  von  Trier,  eine  Diöcesan- 
Synode  gegen  vermeintliche  Ketzer;  gleich  zu  Anfange  des 
Actenstückes  heißt  es:  Und  mehrere  gehörten  jener  Secte  an 
und  viele  unter  ihnen  waren  unterrichtet  aus  der  heiligen  Schrift, 
die  sie  ins  Deutsche  übersetzt  besaßen  ^>). 

§.  4.  45)  Conciliom  ToloBanmii  1229.  (Concil.  Manfii  T.  XXIII.  col.  197) 
can.  14:  Ne  laici  habeant  libros  scripturae,  praeter  psalteriom,  et  divinum 
officium,  at  eos  libros  ne  habeant  in  vulg^ari  lingna.  Prohibemus  etiam,  ne 
libros  yeteris  testamenti  aut  novi,  laici  permittantur  habere,  nisi  forte  psalte- 
rium  Tel  breviarium  pro  divinis  officiis  aut  horas  beatae  Mariae  aliquis  ex 
devotione  habere  velit.  Sed  ne  praemissos  libros  habeant  in  rul^ari  transla- 
tos,  arctissime  inhibemus.  —  Schröckh,  Kirchengesch.  XXVIII.  Th.  S.  9  führt 
ein  falsches  Jahr  an,  n&mlich  1129  statt  1229.  Hegelmaier,  Gesch.  des  Bibel- 
▼erbots  S.  136  lässt  irrig  diesen  Canon  auf  der  Kirchenversammlung  2U  Beziers 
im  Jahre  1233  wiederholen  und  bestätigen;  andere  Canones  von  Toulouse 
kommen  freilich  abermals  vor,  nur  nicht  dieser. 

46)  Concilium  Biterrense  1246  (Concil.  Mansi  T.  XXIII.  ool.  724): 
—  et  de  libris  theologicis  non  tenendis  etiam  a  laids  in  Latino,  et  neque  ab 
ipsis  neque  a  clericis  in  vulgari,  et  de  poenis  contra  praedictos  cet. 

47)  Conventus  Tarraconensis  1234.  (Concil.  Mansi  T.  XXIII.  col.  329) 
can.  2 :  Item,  statuitnr,  ne  aliquis  libros  veteres  vel  novi  testamenti  in  Roma- 
nico  habeat  Et  si  aliquis  habeat,  infra  octo  dies  post  publicationem  huius- 
modi  constitutionis  a  tempore  sententiae,  tradat  eos  loci  episeopo  comburen- 
dos;  quod  nisi  fecerit,  sive  dericus  fuerit  sive  laicus,  tamquam  suspectus  de 
baeresi,  quousque  se  purgaverit,  habeatur. 

48)  Synodus  Dioecesana  Trevirensis  1231  (Harsheim,  Conc«  Oerm. 
T.  III.  p.  639) :  Adversus  enascentes  undique  haereses.  Anno  Domini  MCCXXXI 
in  ipsa  dvitate  Treviri  tres  esse  scholas  haereticorum  deprehensum.  Et  plu- 
res  erant  eomm  sectae,  et  multi  eorum  instructi  erant  scripturis  sanctiis,  quas 
habebant  in  Theutonicum  translatas.  Cf.  Hontheim,  Prodr.  T.  II.  p.  796.  Oesta 
TreTiForom,  ed.  Wyttenbach  et  Miiller  I.  (1836.)  p.  319.    Auf  diese  deutschen 


5(3 

Was  yermochten  dagegen  einzelne  Stimmen  frommer  erleucii- 
teter  Männer?  Gewiss  Mancher  war  von  dem  hohen  Werthe 
der  Bibel  imd  ihrem  segensreichen  Wirken  auf  das  Leben  über- 
zeugt^ wenn  er  auch  nicht  so  rein  und  imbefangen  darüber 
dachte  y  wie  der  Abt  Ruprecht  von  Deuz  (f  1135).  Ruprecht 
sagt:  Mit  der  heiligen  Schrift  unbekannt  sein^  heißt  eben  so 
viel  als  Christum  nicht  kennen  ^  ohne  sie  hat  die  menschliche 
Seele  keinen  festen  Stand,  und  wird  von  jedem  Winde  der  Lehre 
herumgetrieben  *•)•  Und  an  einer  andern  Stelle  nennt  er  sie 
eine  Volksschrift,  weil  sie  nicht  wie  die  Werke  des  Plato  hoch- 
trabend an  Worten,  aber  arm  an  Verstände,  weniger  verständ- 
lich ist,  oder  in  Winkeln  leise  spricht,  sondern  allen  Völkern 
vorgelegt  ward  und  zu  der  ganzen  Welt  laut  von  dem  Heile 
aller  Völker  redet*«). 

Was  half's,  dass  einige  Ordens-  und  Weltgeistliche  durch 
ihr  eigenes  Beispiel  die  hohe  Bedeutung  der  Muttersprache  ihren 
Zeitgenossen  darthaten?    indem   sie,   wie  Bruder  Berthold  *>), 


Kotier  scheint  der  Pseado-BeineriuB  (Mazima  Bibl.  Patnun  XXV,  262  ff.)  hin- 
zudeaten,  wenn  er  p.  264  sagt:  qnia  novam  et  vettis  testamentom  transtale- 
runt,  et  sie  docent  et  discnnt.  Audivi  et  vidi  quendam  msticnm  idiotam, 
qui  lob  recitavit  de  verbo  ad  verbiini,  et  plures  qni  totam  novnm  testamen- 
tarn  perfecte  scivemnt.  Femer  (p.  273)  ISsst  er  sie  selbst  reden:  Bei  uns 
lehren  Männer  und  Weiber,  und  wer  nur  sieben  Tage  ScbtUer  ist,  lehrt  schon 
den  Andern;  bei  den  Katholischen  ist  selten  ein  Lehrer,  der  drei  Kapitel  der 
Bibel  bnchstäblich  aaswendig  weiB-  Bei  uns  aber  ist  selten  ein  Mann  oder 
eine  Frau,  welche  das  neue  Testament  nicht  in  der  Landessprache  herzusagen 
vreiQ  (qui  teztum  non  sciat  vulgariter  recitaro). 

§.  4.  49)  Bupertus  Tuitiensis  in  Joann.  Üb.  Y.  cap.  6.  (opp.  Col.  1602.  T.  ü. 
p.  276):  Proinde  recte  dicimus,  ignorationem  Christi  esse,  quia  videlicet  abs- 
que  Scripturis,  novi  pariter  ac  veteris  Testament!,  impossibile  est,  hominis 
aniinam  stare,  ut  nullo  circumferatnr  vento  doctrinae. 

50)  Bupertus  Tuit.  de  operibus  spiiitos  sancti  IIb.  I.  cap.  9  (opp.  T.  I. 
p.  684):  Dicuntur  autem  in  illo  psalmo  scriptnrae  populomm,  quia  non  nt 
Piatonis  literae  verbis  grandisonae,  sensibus  pauperculae,  paucis  intelligibiles 
sunt,  vel  in  angulis  susurrant,  sed  cunctis  populis  propositae  sunt,  et  palam 
omni  mundo  loquuntur  de  salute  omnium  gentium,  quae  in  una  gente  condi- 
tae  sunt,  in  qua  et  prius  absconditae  fuerunt. 

61)  Bruder  Berthold,  der  berühmteste  Prediger  seiner  Zeit,  wird  seit 
1260  oft  von  den  damaligen  Geschichtschreibem  erwähnt;  er  starb  zu  Regens- 
buig  im  Jahre  1272.  Mehr  über  ihn  die  vortreffliche  Rec.  der  Kling'schen 
Ausg.  seiner  Predigten  von  Jac.  Grimm,  Wiener  Jahrb.  XXXII.  Bd.  (1825.) 


57 

durch  ihre  Predigten  '*)  unter  freiem  Himmel,  auf  Bergen  und 
aufwiesen,  aller  Orten  das  Volk  begeisterten  und  erbauten; 
sie  fanden  keine  Nachahmer  unter  ihren  Amtsbrüdem,  und  Bert- 
holds  Wunsch,  den  eindringlichen  ketzerischen  Liedern  recht- 
gläubige in  der  Landessprache  entgegen  zu  dichten,  blieb  ohne 
Eh*fuUung.  Es  war  ein  schändlicher  Ketzer,  sagt  Berthold  in 
einer  Predigt,  der  machte  Lieder  von  Ketzerei  und  lehrte  sie 
die  Kinder  an  der  Straße,  damit  desto  mehr  Leute  in  Ketzerei 
verfielen.  Ich  wollte  halt  gerne,  dass  man  Lieder  davon  (von 
den  Irrthiimem  der  Ketzerei)  sänge.  Sind  gute  Meister  hier, 
die  einen  neuen  Sang  davon  singen  wollen,  die  mögen  sich  diese 
sieben  Worte  (die  von  ihm  angegebenen  Kennzeichen  der  Ketze- 
rei) gar  wol  merken;  imd  machet  sie  kurz  und  leicht  verständ- 
lich,  dass  sie  jedes  Kind  wol  lernen  könne  ^).    Was  halfen 


S.  194^257.    Oieseler  Kirchengeecli.  4.  Aufl.  II,  2,  48Ö.    Koberstein  Gnind- 
rios  4.  Aafl.  S.  286.  287.    W.  Wackerna^l  Littentorg^esch.  S.  824.  325. 

§.  4.   52)   S.  die  NachweisoDg^en  in  Kobentein  Grundriss   4.  Aufl.  .8.  285. 
W.  Wackemagel  Litteratnrgescfa.  S.  323.  Anm.  7. 

53)  Berthold,  des  Franciskaners  deutsche  Predigten,  herausg'egeben 
Ton  Christian  Friedrich  Kling  (Berlin  1824.  8?)  S.  308:  Ich  wolte  halt  gerne, 
da:;  man  lieder  dftvon  sünge.  Ist  iht  gnoter  melster  hie,  da:;  sie  niuwen  sanc 
dAron  singen,  die  merken  mir  disin  siben  wort  gar  eben  nnde  machen  lieder 
dAvon;  dft  tnot  ir  an,  nnde  machet  sie  korze  nnde  ringe,  dai;  sie  kinderlieb 
(jedes  Kind)  wol  gelemen  mäge.  wan  86  gelement  sie  die  litite  algemeine 
din  selben  dinc  nnde  verge:;;;ent  ir  dester  minner.  K;  was  ein  yerworhter 
ketzer,  der  mähte  lieder  von  ketzerte  nnde  lörte  sie  din  kint  an  der  strA:;e, 
da:;  der  Hute  dester  m^r  in  ketzerie  vielen.  Unde  darumbe  saehe  ich  gerne, 
da:;  man  diu  lieder  von  in  sünge.  —  Berthold  hatte  hier  wol  den  Tractatos 
de  haeresi  panpemm  de  Lugduno  im  Sinne.  Dieser  Tractat  ist  nach  Franz 
Pfeiffer  (Haupt  Zeitschr.  IX,  55  ff.)  wahrscheinlich  von  seinem  Geführten, 
Bmder  David  (f  zu  Angsbnrg  1271).  Da  hei8t  es  bei  Bfartene  (Thesanros 
novQs  anecd.  T.  Y.)  col.  1781.  Dociles  inter  aliquos  complices  et  focnndos 
docent  verba  evangelii  et  dieta  apostolomm  et  sanctonim  aliomm  in  rulgari 
lingna  eorde  firmare,  nt  seiant  et  alios  informare  cet.  Col.  1782.  Omne 
Stadium  adhibent,  ut  multos  seeum  in  errorem  dedacaat.  Puellas  parvnlas 
docent  evangelia  et  epistolas,  ut  a  pueritia  consuescant  errorem  amplectL  — 
Bmder  Berthold  eiferte  sehr  gegen  die  Ketzer.  Zu  den  Sünden  des  Mundes 
(da:;  sint  die  sunde  von  dem  munde,  Klostemenburger  Hs.,  Altd.  Bl&tter  n, 
120)  rechnet  er  auch  singen  werltlichiu  lieder,  lesen  tiutsche  b&oh  din 
valsch  sint  unde  unnüz,  die  stimm«  trillieren  sd  man  singen  sol  gotes 
lop.  Trotcdem  aber  erkannte  er  die  Gebrechen  der  Kirche  und  seines  Stan- 
des, er  woUte  im  Volke  allgemeineren  und  bessern  Unterricht  in  der  christ- 


58 

femer  die  manchertei  Bemühungen  einzelner  E^öster^  besonders 
vom  Orden  des  heiligen  Benedictus,  durch  den  mündlichen  und 
schriftlichen  Gebrauch  der  deutschen  Sprache  nach  wie  vor  zu 
belehren  und  zu  erbauen?  Die  Muttersprache  ei*warb  sich  auch 
durch  diese  einzelne  Pflege  keinen  näheren  Antheil  an  den  got- 
tesdienstlichen Handlungen,  uiid  blieb  sogar  da  ausgeschlossen, 
wo  weder  Priester  noch  Laie  em  lateinisches  Wort  verstanden. 
Während  nun  so  die  Geistlichkeit  durch  eigene  unverant- 
wortliche Schuld  sich  alles  Einflusses  auf  die  Bildung  des  Vol- 
kes beraubte,  selbst  zu  sittenlos  und  geistig  verwahrlost  war, 
als  dass  sie  noch  femer  der  Erziehung  für  die  Kirche  und  den 
Staat  hätte  vorstehen  können,  während  sie  aller  Weltlust  nach- 
hing, [^ch  nichts  versagen  zu  dürfen  glaubte,  was  den  Laien 
erlaubt  war  oder  nachgesehen  ward,  während  sie  selbst  uner- 
leuchtet nur  Nacht  und  Finstemiss  verbreiten  konnte  und  wollte, 
sich  für  nichts  thätig  und  regsam  zeigte  als  für  ihr  ruchloses 
Wohlleben,  ihre  verwünschte  Ruhe  und  Bequemlichkeit,  —  da 
setzte  sich  der  lang  bevormundete,  verachtete,  unterdrückte 
Laienstand  in  vollen  Besitz  aller  Cultur  und  Bildung,  imd  eine 
allgemeine  weltliche  Stimmung  ward  die  vorherrschende  Rich- 
tung aller  Gemüther.  Die  vielen  Kämpfe  der  weltlichen  Macht 
unter  den  beiden  Heinrichen,  dem  IV.  imd  V.,  gegen  die  geist- 
liche hatten  das  Ansehen  der  Geistlichkeit  geschwächt  und  die 
Selbstständigkeit  des  deutschen  Reichs  und  seiner  Herrscher 
aus  schnöder  Unterdrückung  gerettet;  diese  Kämpfe  erneuten 
sich  unter  den  Hohenstaufen  und  reizten  mehr  zur  Partei  gegen 
als  für  den  Papst  und  die  Klerisei.   Wie  auf  solche  Weise  das 


lichien  Religion.  In  einer  seiner  Predigten  (Cod.  pal.  24.  Musmann,  AbschwÖ- 
mngsformeln  S.  10.  11)  sagt  er  deshalb:  Dft  soltü  von  kintlicher  jogent  den 
glonben  cristenliclies  lebens  gar  nnde  gar  wol  bevesten  onde  besteten  in  di- 
nem  berzen.  Du  solt  in  üzen  lernen  se  tintscbe;  die  nngelSrten  linte  die 
solnt  den  glouben  in  tiutsche  lernen  nnde  die  geldrten  in  bdchischem.  E;^ 
selten  des  kindes  toten  da:^  kint  den  glouben  unde  da:;  pater  noster  Idren,  s6 
c^  siben  jfir  alt  würde,  wan  sie  sints  im  schnldic,  wan  sie  sin  geistliche  vater 
unde  m&ter.  Sie  sulnt  sprechen  ze  stnem  vater  oder  muter :  Gerater,  ir  sult 
mir  minen  toten  da:;  pater  noster  unde  den  glouben  Idren,  oder  ir  l&t  in  s& 
mir  gdn,  sd  löre  ich  e:;.  Kunnent  sie  da^  Ave  Maria  darzft,  da:;  ist  tu  won- 
dergflt.  Ist  aber  da:;  da:;  kint  sin  tote  niht  Idret,  sd  soltft  e:;  selber  Idren, 
wan  welih  mensche  viersehen  jftr  alt  wirt  unde  kan  e:;  des  pater  noster  niht, 
man  so!  e^  an  ein  velt  legen.' 


59 

politische  Interesse  erwachte  und  genährt  ward,  so  verbreitete 
sich  durch  die  lebhaftere  Theilnidime  der  Deutschen  an  den 
Kreuzzügen  ein  kriegerischer,  ritterlicher  Sinn  unter  allen  Stän- 
den; die  Lust  an  Abenteuern  und  das  Schicksal  manches  glück- 
lich heimkehrenden  Kreuzfahrers  lockte  Ritter  und  Knechte  in 
das  wunderbare  Morgenland  hinaus,  und  yermochte  jetzt  mehr, 
als  früher  die  päpstliche  Verheißung  von  Vergebung  der  Sün- 
den. Die  mehrmaligen  Römerzüge  der  Hohenstaufcn,  das  Glück 
und  Unglück  der  deutschen  Heere  in  einem  fremden  fernen 
Lande,  ihr  Leben  unter  einem  milderen  Himmel,  in  einer  Natur 
voll  anderer  Erscheinungen  und  Genüsse,  alles  das  that  auch 
das  Seinige,  die  Lust  an  weltlichen  Dingen  zu  befriedigen  und 
zu  nähren.  Noch  mehr  aber  wirkte  daftir  das  Aufblühen  des 
deutschen  Handels  und  Städtewesens.  Die  Höfe  der  Fürsten 
und  die  Burgen  der  Ritter  waren  jetzt  nicht  mehr  die  einzigen 
Sammelplätze  aller  Freuden  und  Genüsse,  woran  edle  Geburt 
und  höhere  Stellung  in  der  Gesellschaft  ein  Vorrecht  zu  haben 
glaubte;  in  den  Ringmauern  der  Städte  bildete  sich  bald  ein 
Stajad,  der  kräftig  genug  war,  sich  gegen  Fürsten  und  Herren 
zu  behaupten,  aber  auch  so  empfanglich  wie  jene,  für  die  Fülle 
der  mannigfaltigsten  irdischen  Güter. 

Diese  allgemeine  Genusslust  konnte  der  Kunst  nicht  ent- 
behren. Die  Poesie  sollte  das  Leben  verherrlichen,  seine  Freuden 
erhöhen  und  die  freundliche  Begleiterin  der  Geselligkeit  sein  und 
des  öffentlichen  Verkehrs.  Dichten  und  singen  ward  bald  die 
edelste  und  würdigste  Kunstübung  des  Laienstandes;  ihr  unter- 
zogen sich  Fürsten  und  Ritter,  wie  die  Bürger  in  den  Städten 
und  die  überall  Gabe  begehrenden  fahrenden  Leute  mit  gleicher 
Begeisterung,  und  obschon  emige  Dichter,  die  abhängiger  von 
der  Gunst  und  dem  Beifalle  ihrer  Zeitgenossen  sein  oder  anderen 
Beruf  und  andere  Neigungen  in  sich  fühlen  mochten,  poetische 
Erzählungen  verfassten,  Lehrgedichte  schrieben  und  Reimüber- 
setzimgen  des  alten  und  neuen  Testaments  und  lateinischer  Ge^ 
Schichtswerke,  so  fand  doch  die  Lyrik  größere  Pflege  und  Theil- 
nahme;  das  weltliche  Lied  erfreute  sich  bald  einer  Höhe  der 
Vollendung,  die  für  immer  bewundert  und  nachempfunden  wird. 
Aber  wie  die  meisten  Dichter  mit  Vorliebe  das  eigentliche  Lied 
anbauten,  so  beseelte  auch  die  meisten  wiederum  nur  Eine  Idee 
über  Alles,  die  weltliche  Liebe,  diese  zarteste  Blüthe  des  Bitter- 
wesens und  des  ritterlichen  Bürgerthums.    Das  geistliche  Lied 


60  _ 

wäre  vielleicht  ganz  leer  ausgegangen^  hätte  sich  nicht  in  dem 
damaligen  Christenglauben  gleichzeitig  eine  religiöse  Idee,  ganz 
parallel  jener  weltlichen,  entwickelt:  es  war  die  alles  auf  Erden 
und  im  Himmel  ausschließende,  zur  schwärmerischen  Liebe  ge- 
steigerte Verehrung  der  heil.  Jungfrau  Maria  ^^).  Die  Phantasie, 
die  in  weltlicher  Eichtung  unerschöpflich  war  im  Loben  und 
Preisen  des  geliebten  Gegenstandes,  wusste  sich  in  religiöser 
Richtung  gar  nicht  zu  erschöpfen'^);  sie  schuf  aus  dem  kirch- 
lichen Begriffe  von  der  ewigen  Jungfräulichkeit  und  von  einer 
stets  erfolgreichen  Fürsprache  bei  Gott  und  Christo  <•),  ein  Ideal 


§.4.  54)  Wie  Frauenlob  (▼.  d.  Hagen  Bfiiines.  lU,  158)  singt:  dd  gotes 
m2ter  unde  magt,  din  lop  wirt  nimmer  mdr  yoI  simgen  noch  toI  sagt  — 
Eine  Oeacbickte  dea  Hariendienates,  der  Yerehmng  der  heiligen  Jongfraii  ist 
nocli  nicht  vorhanden.  Mancherlei  Beiträge  und  Nachweisongen  dazu  finden 
sich  bereits  in  Schröckh  Kirchengeschichte  XXIII,  152  ff.  XXYIH,  235—268. 
Gieseler  Kircheng.  4.  Aufl.  11,  2,  467—478.  »  Sehr  beachtenswerth  ist  auch 
Bibliotheca  Mariana  ordine  digesta,  QoA  Auetores,  qui  de  Maria  Deiparente 
Yirg^ne  scripsere,  Cum  recensione  Operum,  continentur.  Auetore  P.  Hippoljto 
Marraceio  Lucensi.  P.  1. 11.  Romae  1648.  8?  {Göttinger  Bibl.)  —  Die  Bilder 
und  Gleichnisse  der  deutschen  Dichter  des  Mittelalters  in  Besug  auf  Maria 
hat  am  besten  susammengestellt  Wilh.  Grimm  in  seiner  Ausgabe  von  Konrads 
goldener  Schmiede  Vorr.  S.  XXII— LIII. 

55)  So  singt  Meister  Baumeland  (bei  ▼.  d.  Hagen  Minnes.  II,  868): 
Got,  der  aller  wunder  wunder  wundert,  der  hAt  sunderiich  beeunder  wunder 
üii^gesundert,  da;^  vor  allem  wunder  michel  vnmder  ist.  Sunder  sünden  schimele, 
wundenere,  got  ob  aller  himel  himele,  du  bist  wunderbare,  mitten,  oben  und 
under,  umbe  unt  durch  dinen  list,  mit  listen  aller  liste  list  verüste,  dft  nch 
got  reine  in  menschen  yleisch  vleischete,  dA  er  mit  listen  sich  vierzec  wochen 
rriste:  s6  größer  wunderliste  ich  nie  gevreischete,  da:;  ein  meit  gebaere  sünden 
Tiie  em  kintj  dcc^  ir  vater  wccre:  sue;^u  meit  Marie,  gotes  flammen  zunder 
du  mit  wunder  bist! 

56)  Darum  singt  Walther  (Lachm.  Ausg.  S.  78,  82)  von  ihr: 

Nu  loben  wir  die  stielten  maget, 

der  ir  sun  niemer  niht  versaget. 

si  ist  des  muoter,  der  von  helle  uns  Idste; 

dai^  ist  uns  ein  tr6st  vor  allem  tröste, 

dai;  man  dft  ae  himel  ir  willen  tuet, 
und  (daselbst  S.  6,  8): 

wan  Ane  si  kan  niemen 

hie  noch  dort  genesen. 
Wi4^  Walther  dachte  und  sang,  so  in  dieser  Zeit  auch  andere ;  vgl.  Uhland 
Waliher  von  der  Vogelweide   (Stuttg.  a.  Ttib.   1822.  8?)   S.   147—149  und 


61 

aller  weiblichen ,  menschlichen  und  englischen  Tugenden  und 
Vollkommenheiten  >*)y  ein  göttliches ,  ja  übergöttUches  Wesen, 
ja  den  Inbegriff  der  heil.  Dreifaltigkeit 

Die  Liebe  der  heil.  Jungfrau  zu  allen  denen,  die  eine  reine 
himmlische  Liebe  gegen  sie  hegen,  die  sich  inbrünstig  bittend 
und  flehend  zu  ihr  wenden,  Maria's  Hülfe  in  Leiden  und  Ge- 
fahren, ihre  Erlösung  der  reuigen  Sünder  aus  den  Klauen  des 
Teufels  xmd  den  Martern  des  Fegefeuers,  das  ganze  Leben  der 
heil.  Mutter  imd  ihre  Wunder  waren  der  Gegenstand  poetischer 
Andacht  und  Darstellung;  die  Mariendichtungen  wurden  bald 
ein  großes  Feld  der  schönen  Litteratur*«). 

Diese  Übereinstimmung  geistlicher  Poesie  mit  der  welt- 
lichen, so  einladend  sie  für  die  Geistlichkeit  auch  war,  konnte 
jedoch  die  poetische  Thätigkeit  des  Laien-  und  geistlichen  Stan- 
des nicht  ausgleichen,  es  nahmen  nur  wenige  Geistliche  an  dem 


Peecheck   in   St&ndlia   und   Tzschlmer,   Archiv  für  alte  und   neue  Kirchen- 
geschichte  IV.  Bd.  S.  512—519. 

§.4.  57)  Z.  B.  Waliher  (das.  S.  36,  23): 

du  fiüetic  flnot  barmunge,  tagende  und  aller  güete. 

Und  80  auch  vielfältig  in  Prt>8a.  Der  Zeitgenosse  Berthold's  in  Hoff- 
mann, Fundgruben  I.  Th.  S.  83,  21  ISsst  sich  also  vernehmen : 

8i  ist  diu,  der  wir  alle  unser  ndt  klagen  sculen,  wan  von  ir  ist  uns  aUei; 
unser  heil  komen,  von  ir  bir  wir  alle  geaalt  under  diu  gotes  kint;  mit  ir 
helfe  seul  wir  alle  Tmser  n6t  überwinden,  mit  ir  helfe  müe^e  wir  alle  komen 
se  der  gnist  des  dwigen  llbes.  Swelech  mennische  ir  in  dirre  werlde  dienet 
mit  fli^e,  dem  ne  mac  niemer  missegdn,  wan  des  vorspreche  ist  si  tegelich 
vor  ir  trfttsun,  unserm  harren  dem  almeehtigen  got. 

58)  Die  bedeutendsten  Mariendichtungen  des  Xm.  Jahrhunderts  sind: 

Gottfrieds  von  Strasburg  (Anfang  des  Xm.  Jahrhunderts)  Lobgesang,  nur 
unvollständig  erhalten :  wie  ihn  die  Weingartener  Hs.  v.  d.  Hagen  lüünnes.  lU, 
454-.459  enthält  nur  theilweise  in  der  Pariser  daselbst  H,  266—276;  der 
Vollständigkeit  näher  gebracht  tmd  neu  geordnet  durch  Haupt  (94  Strophen!) 
in  dessen  Zeitschrift  lY,  514 — 548.  —  K9nr€ids  von  Würzburg  (Basler  von 
Geburt,  f  1287,  s.  W.  Wackemagel  Litteratorgesch.  S.  110)  Goldene  Schmiede 
(von  Wilh.  Grimm.  Berlin,  Kiemann  1840).  —  Eberhard  von  Saz,  Dominicaner 
(Ende  des  XTTT.  Jahrhunderts),  20  zwölfzeilige  Strophen  bei  v.  d.  Hagen 
Ifinnes.  I,  68—71.  —  Ein  Ave  Maria  (fälschlich  dem  Konrad  v.  W.  zuge- 
schrieben, s.  Koberstein  Grondriss  4.  Aufl.  S.  265),  40  Strophen  bei  v.  d.  Hagen 
lünnes.  HI,  337—344.  —  Vgl.  über  die  Mariendichttmgen  des  XU.  und  Xm. 
Jahrhunderts  W.  Wackemagel,  Ldtteratiirg.  S.  161.  162  und  Gödeke  Mittel- 
alter S.  112—156. 


62 

neuen  Aufschwünge  der  lyrischen  Poesie  Theil^  und  da  auch 
diese  wenigen,  wie  Bruder  Werner,  Br,  Philipp,  Br.  Eberhard 
von  Sax,  Br.  Johann  Cruciger,  und  andere  die  Bedürfiiisse  eines 
deutschen  religiösen  Volksgesanges  nicht  fiihlen  mochten  oder 
durften^'),  so  gingen  weder  ihre  Lieder  noch  jene  der  weltlichen 
Dichter  in  die  öffentliche  und  häusliche  Gottesverehrung  über. 
Alle  ihre  Lieder,  so  vollendet  Form  und  Darstellung  darin  ist, 
so  genau  sie  den  damaligen  kirchlichen  Begriffen  entsprechen, 
sind  zu  wenig  volksmäßig,  beinahe  alle  zu  lang  und  weitschwei- 
fig, zur  erzählenden  Gattung  sich  hinneigend^  meist  wenig  zum 
musikalischen  Vortrage  geeignet  und  oft  zu  sehr  Ergüsse  sub- 
jectiver  frommer  Stimmung  und  individueller  Ansichten,  dass  sie 
abo  schon  deshalb  zu  keinem  allgemeinen  kirchlichen  Zwecke 
benutzt  werden  keimten,  wenn  auch  die  Vorsteher  der  deutschen 
Kirche  darauf  hätten  Rücksicht  nehmen  wollen.  Ein  neuer  Kir- 
chengesang konnte  sich  also  nicht  gestalten,  und  das,  was  dafür 
zu  betrachten  ist,  stammte  gewiss  aus  einer  frühem  Zeit  her, 
obschon  es  sich  erst  jetzt  nachweisen  lässt. 

Als  Ausnahme  erscheint   mir   ein   Marienlied,   das  wiewol 
künstlich  gebaut,  doch  sehr  volksthümlich  ist  und  deshalb  früher 


59)  Überdem  hatten  sich  unter  diesen  wenigen  Dichtem  der  Klerisei 
viele  den  weltlichen  angeschlossen.  Bost,  Eirchherr  (d.  h.  Pfarrer)  an  Barnen 
sang  Minnelieder  (Minnesinger  ▼.  d.  Hagen  II,  131).  In  St.  GaUen  sang  der 
Abt  selbst  TagUeder  und  seine  Umgebong  war  gewiss  eben  so  weltlich  siog- 
lustig  wie  er.    Hugo  von  Trimberg  im  Renner  68*  (gedichtet  1300): 

wem  solte  da:;  niht  wol  gevallen, 

d&;  ein  apte  von  Sant  GaUen 

tacUet  machte  sd  rechte  schoene, 

da;;  Sant  GaUe  sd  hoch  gedoene 

durch  werlüich  Sre.  nie  gesanc? 

des  hab  sin  apt  iemer  danc, 

da:;  man  d4bi  gedenke  sin. 
Abt  Berthold  von  Falkenstein  wird  hier  gewöhnlich  gemeint;  er  kam 
nach  dem  Schweiz.  Goschichtforscher  V.  Bd.  (1825)  S.  48  im  J.  1246  zur 
Begierung  imd  starb  1271.  W.  Wackemagel  Litteraturg.  S.  240  nennt  ihn 
Wilhelm,  Graf  von  Montfort.  Docen  erklärt  in  seinen  Zusätzen  zu  den  MisceU. 
S.  22  die  obigen  letzten  Worte  also:  d.  h.  dass  man  dabei  an  den  heil. 
Gallus  sich  erinnert,  dessen  Weise  von  der  des  Minnelieder  dichtenden  Prä- 
laten so  gar  verschieden  war.  —  Warum  aber  nicht  ganz  ernst  zu  nehmen? 
St.  Gallen,  das  Kloster,  hat  nie  solchen  welüicheu  Gesang  gesungen;  dem 
Abte  gebührt  der  Dank,  und  seiner  wollen  wir  uns  dabei  erinnern. 


63 

wol  verbreiteter  war  und  auch  gesungen  wurde.  Es  ist  zwar 
nur  in  einer  spätem  Aufzeichnung  vorhanden^  stammt  aber  ge- 
wiss aus  diesem  Zeiträume  ^<^). 

f    Nr.  8. 
Ave  Maria. 

1.  Ave  Maria,  ein  rose  äne  dorn! 
mit  misset&t  hau  ich  verlorn 
din  kint  daa^  von  dir  ist  gebom: 
Maria,  versüen  mich  vor  sinem  zom! 

2.  Ave  Maria!  durch  dines  kindes  tot, 
da;  vor  dir  hienc  von  blflte  rdt: 
hilf  daa;  ich  der  engel  bröt 

mit  riuwen  empfäch  in  tödes  ndt! 

3.  Ave  Maria!  durch  dines  kindes  blut, 
des  smerze  dir  durch  din  s^Ie  w&t 
als  ein  tiefe  wäges  vl&t: 

hilf  da;  mir  min  ende  werde  g&t! 

4.  Ave  Maria,  vrowe  unwandelbar! 
sende  mir  den  engel  dar, 
swenn  ich  von  der  weite  var, 

Maria,  vor  den  boBsen  vienden  mich  bewar ! 

Doch  es  ist  schon  erfreulich  genug,  dass  in  diesem  sinnlich 
gestimmten  Jahrhundert  der  deutsche  religiöse  Volksgesang  nie 
aufgehört  hat,  und  bei  vielen  kirchlichen  Festen  und  gewissen 
äußern  wichtigen  Veranlassungen  zmr  Volkssitte  geworden  zu 
sein  scheint;  so  finden  sich  denn  in  diesem  Zeiträume  Oster- 
lieder,  Pfingstlieder,  Wallfahrts-,  Schlacht-  und  SchiflFerlieder. 

Das  Osterlied:  Christ  ist  erstanden,  was  noch  heutiges  Tages 
in  unsem  Kirchen  gesungen  wird,  war  schon  damab  im  XIII. 
Jahrhundert  ein  wohlbekanntes  Elirchenlied;  gewiss  ward  es 
schon  damals  hin  und  wieder  der  Liturgie  einzelner  EJrchen 
einverleibt:  so  wird  es  ganz  ausdrücklich  erwähnt  in  einer  gleich- 
zeitigen Erläuterung  der  OsterfeierUchkeiten,  handschriftlich  zu 


60)  PgHs.   1476.  kl.  4?    Stuttgarter  Bibliothek»  sign.   Brev.   Nr.  12. 
(Bl.  UK)     Bei  Ph.  Wckn.  Nr.  121.     Uhland  Nr.  315. 


64 

Wien  •').  Es  scheint  auch  in  den  Osterspielen  ein  üblicher 
Gesang  gewesen  zu  sein,  wie  es  eine  ebenfalls  gleichzeitige 
Handschrift,  ein  Ludus  paschalis,  zu  Kloster  Neuburg  darthut**). 
Dies  uralte y  weit  verbreitete:  Christ  ist  erstanden ,  blieb 
nicht  ohne  Nachbildungen;  eine  der  Art,  die  ebenfalls  durch 
Einfachheit  der  Darstellung  und  durch  minder  streng  beobachtete 
Form  dem  Volksliede  nahe  steht,  hat  sich,  wiewol  in  verderb- 
tem Texte,  erhalten.  Reime,  Wörter  imd  Wendungen  lehren, 
dass  auch  dies  Lied  noch  dem  XTTT.  Jahrhundert  angehört;  ja, 
man  sollte  fast  glauben,  es  stamme  aus  noch  früherer  Zeit  «>). 

f   Nr.  9. 

Osterlied. 
1.     Christ  ist  erstanden 

gewffirliche  von  dem  tot, 

von  allen  sinen  banden 

ist  er  erledigöt 

Maria  MagdalSnen 

erschein  er  waarliche  d6, 

des  geloupt  siu  du  allea^  warnen 

unde  was  der  maere  frö. 


§.  4.  61)  Im  Wiener  Codex  Bec.  2287,  fl.  Denis,  Codd.  MSS.  Theo!.  Vol.  II. 
P.  m.   col.  2102. 

62)  Der  Schlnss  dieser  HS.  lautet:  Et  popolus  nniversos  iam  certifi- 
catos  de  Domino,  cantor  sie  imponit:  Christ  der  ist  erstanden.  Pez,  Thes. 
Anecd.  noviss.  Diss.  isag.  in  Tom.  IE.  p.  LIII.  In  einer  spätem  HS.  über  die 
Osterfeierlichkeiten  sn  Kloster  Nenborg,  abgednxckt  in  Franz  Kurz,  Österreich 
unter  Albrecht  IV.  (II.  Th.  S.  425^-427)  sind  diese  deutschen  Worte  wegge- 
lassen, woraus  jedoch  nicht  folgt,  dass  sie  nicht  gesungen  worden  sind,  weil 
diese  handschr.  Bestimmungen  sich  nur  auf  die  Klostergeistlichen  beziehen. 

68)  Es  steht  als  ein  „Altes  Osterlied^  hinter  der  Ers&hlung  vom  ver- 
liebten Pfaffen  S.  23.  24,  aus  einer  Handschr.  des  XY.  Jahrhunderts;  die  sehr 
schlechte  Schreibung  ginge  noch  an,  wenn  nur  nicht  der  Text  so  sehr  ver- 
derbt  wäre.  Ich  habe  mit  gro6er  Vorsicht  die  ersten  zehn  Strophe;i  herzu- 
stellen gesucht,  ohne  nur  irgend  jemandem  damit  Torzugreifen, 
der  es  besser  machen  kann.  Der  ▼erliebte  Pfaff  bildet  einen  Anhang 
SU  der  seltenen  Sdirift:  Der  Undeutsche  Catholik  oder  Historischer  Bericht 
▼on  der  allzu  großen  Nachlässigkeit  der  Römisch  -  Catholischen,  insonderheit 
unter  der  Clerisey  der  Jesuiten,  in  Verbesserung  der  deutschen  Sprache  und 
Poesie  von  Megalissus  (Georg  Litzel,  geb.  1694,  f  1761).  Jena  1781.  8«. 
Die  meisten  der  nachfolgenden  Strophen  sind  minder  poetisch,  einige  zu  sehr 
▼erderbt,  und  die  beiden  letzten,  die  18.  und  19.,  offenbar  aus  späterer  Zeit. 


2.  Fruo  an  idmem  morgen 
an  dem  dstertac 

sin  wolte  niemanne  bergen 
der  gewonheit  der  man  pflac: 
Maria  reine  unde  guote 
llet  zuo  üf  die  vart, 
ir  herze  unde  ir  gemuote 
was  n&ch  dem  harren  zart. 

3.  Von  aromatön  ein  salbe 
bereitte  siu  ze  hant, 
sie  wolten  allenthalben 
salben  den  heilant, 

als  man  dö  dete 

in  der  alten  3, 

sie  suochten  in  genöte, 

nach  im  was  in  gar  w@. 

4.  Dö  sie  nü  ftf  der  vart  wÄren, 
dö  sprächen  sie  also: 

wie  Süllen  wir  gebären? 
sie  sprächen  aber  dö: 
wer  sol  uns  danne  legen 
den  stein  von  deme  grap? 
wir  mtigen  in  niht  erwogen. 
grÖ5  was  ir  migemach. 

5.  Dö  sie  begunden  nähen 
ze  dem  grabe  hin  dan, 
mit  ir  ougen  sie  sähen 
einen  jungen  man, 

in  wtjen  kleidem  ein  bilde 
stolz  unde  minneklich, 
diu  varwe  dAhte  sie  wilde, 
sie  träten  hinder  sich. 

6.  Von  schricke  unde  von  verebten 
den  frouwen  da;  geschach, 

mit  senften  süe^en  werten 
der  engel  zuo  zin  sprach: 
lät  iuwer  vorcht  under  wegen, 
ir  lieben  frouwen  zart, 
Jesus  der  küene  degen 
der  ist  erstanden  zart. 

5 


66 

7.  Nu  gßt  her  zuo,  ir  frouwen, 
gar  äne  alle  schäm, 

ich  wil  iuch  l&^en  schouwen 
da;  tuoch  d&  sin  lichnam 
zärtliche  in  wart  gewunden 
und  in  da;  grap  geleit. 
zuo  den  selben  stunden 
huop  er  üf  da;  kleit. 

8.  Sehet,  ir  lieben  frouwen, 
diu  kleider  hie  unde  dft, 
er  wil  sich  lä;en  schouwen 
ze  Galileä. 

des  sült  ir  niht  gedagen, 
sprach  der  engel  do, 
sin  urstende  froeliche  sagen 
den  jungem  unde  Petrd. 

9.  Von  inbrünstiger  minnen 
ir  herze  dd  enbran, 
ü;an  unde  innen 
weinen  siu  began 

n&ch  Jeßus  ir  drüte, 

der  ir  enzücket  was, 

dicke  stille  und  überl&te, 

ir  ougen  wurden  na;. 
10.    Recht  als  ein  garten«re 

begegenet  ir  ein  man, 

siu  frftget  in  der  msere : 

war  h&st&  in  get&n? 

da;  soM  mir  nü  sagen, 

yil  lieber  hdrre  min, 

war  hästA  in  getragen? 

da;  dd  sselic  müe;est  sin. 
Des  alten  Pfingstliedes :  Nun  bitten  wir  den  heiligen  Geist, 
das  auch  noch  bis   auf  den  heutigen  Tag  gesungen  wird,  ge- 
denkt schon  Bruder  Berthold  in  einer  seiner  Predigten")  als 


§.4.  64)  Berthold  von  Kling  8.  229:  Waent  ir  htochaft,  da^  der  kyrlewe 
doroh  gestüppe  erd&ht  al,  der  dA  spricbet? 

f  Ar.  10.     Nü  bUen  toir  den  heiligen  geist 

umbe  den  rehten  glottben  aüermeitt, 


67 

eines  damals^  in  der  Mitte  des  XUI.  Jalirhunderts  gangbaren 
geistlichen  Liedes:  Glaubt,  ihr  Vornehmen,  dass  dies  Kirchen- 
lied so  um  Nichts  willen  erdacht  sei,  das  da  sprichet: 

f  Nr.  10. 

Nun  bitten  wir  den  heiligen  Geist 
um  den  rechten  Glauben  allermeist, 
dass  er  uns  behüte  an  unserm  Ende, 
wenn  wir  heim  sollen  fahren  aus  diesem  Elende. 
Kyrieleis  •*). 
Es  ist  sehr  ein  nützlicher  Sang;  ihr  sollt  ihn  je  länger  je  lieber 
singen  und  sollt  ihn  alle  mit  ganzer  Andacht  und  mit  innigem 
Herzen  zu  Gott  empor  singen  und  rufen.    Es  war  sehr  ein  guter 
Fund  und  ein  nützlicher  Fund,   und  es  war  ein  weiser  Mann, 
der  das  Lied  gedichtet  hat. 

Außer  diesen  Oster-  und  Pfingstliedeni  und  anderen,  die 
regelmäßig  an  bestimmten  hohen  Festtagen  gesungen  wurden, 
wusste  das  Volk  gewiss  noch  manche,  die  es  auf  Bittgängen  ••) 
und  Wallfahrten  zu  singen  pflegte.  Die  Lieder  der  Kreuzfah- 
rer ins  gelobte  Land  (gewöhnlich  kriuzeliet  genannt)  gehören 
wol  nicht  hieher;  sie  sind  mehr  Herzenserguss  einzelner  pil- 
genxder  Dichter«').    Die  Lieder  der  Wallfahrer  nach  Rom  schei- 

dtti^  er  uns  behüete  an  wuerm  ende, 
86  wir  heim  eubi  vom  ü^  disem  eilende. 
Kyrieleis. 
E;^  ut  gar  ein  nüx  satio,  ir  snlt  e:^  iemer  dester  gemer  singfen  imde  snlt 
e;;  aUe  mit  g^anser  andAht  iinde  mit  innigem  herzen  hin  ze  gote  singen  nnde 
Wlfen.    E2^  was  gar  ein  gftt  fünt  nnde  ein  näzer  fnnt,  nnde  er  was  ein  wiser 
man  der  da:;  selbe  liet  von  drste  vant 

§.  4.  65)  Es  kommt  aoch  als  selbständiger  Ausruf  vor.  In  der  Erzählung 
von  eime  trunken  bfiben  (Altdeutsche  Dichtungen  von  Meyer  und  Moojer  S.  78) 
heißt  es : 

s6  klagt  er  ie  sin  ungemach, 

er  sprach:  kyrieleis,  chxiste  leise I 

ach  ich  anner  weise! 

66)  Ob  schon  im  XIII.  Jahrhundert  ruof  in  der  Bedeutung  Bittlied  zu 
den  Heiligen  vorkommt?  Die  Commemoratio  vivonim  schließt  mit  den  Wor- 
ten: unde  hebet  iuwem  ruof:  H.  ih  hAn  alle  mine  ndt,  und  die  Commem. 
deAmctorum  mit  den  Worten:  unde  hebet  iowem  ruof:  Nu  empfelhen  wir 
die  s.;   s.  Fundgr.  I.  Th.  8.  113.  114. 

67)  Wie  diese  darüber  dachten  und  was  sie  dabei  empfanden,  sucht 
Pescheck  durch  Auszüge  aus  derMane88.SammL  zu  zeigen  in  Stäudlinu.  Tzschir* 

5* 


68 

nen  dagegen  wirkliche  Volkslieder  gewesen  zu  sein.  Diese 
Wallfahrten  wiederholten  sich  jährlich  und  waren  besonders  im 
Xm.  Jahrhundert  in  Deutschland  sehr  beliebt.  Als  der  heil. 
Franciscus  im  Jahr  1221  zur  Ausbreitung  seines  Ordens  den 
zweiten  Versuch  einer  Mission  nach  Deutschland  machte ,  ließ 
er  durch  den  Bruder  Elias  auf  dem  Ordenscapitel  die  versam- 
melten Mönche  also  anreden:  Meine  Brüder,  es  giebt  eine  ge- 
wisse Gegend,  Deutschland  genannt,  worin  Christen  wohnen, 
und  recht  fromme,  welche,  wie  ihr  wisst,  oft  in  unser  Land  mit 
langen  Stäben  und  großen  Stiefeln  bei  der  heftigsten  Sonnenhitze 
im  Schweiße  badend  pilgern  und  die  Schwellen  der  Heiligen 
besuchen  und  Loblieder  Gott  und  seinen  Heiligen  singen  *^). 

Die  Sitte  vor,  während  und  nach  der  Schlacht  geistliche 
Lieder  zu  singen,  erhielt  sich  noch  dies  ganze  Jahrhundert  hin- 
durch. In  der  Schlacht  auf  dem  Marsfelde  zwischen  Ottocar 
und  Rudolf,  den  26.  August  1278,  sang,  wie  Ottocar  erzählt, 
das  deutsche  Heer: 

f    Nr.  11. 

SarU  Mari,  muoter  unde  meit, 

al  umriu  not  si  dir  gekleit. 


ner,  Archiv  für  Kirchengesch.  V.  Bd.  S.  386—399.  So  ist  s.  B.  Walthen  Lied : 
Vil  sUezjB  wäre  mttine,  (Lacliinaim  76,  22)  fttr  Kreuzfahrer,  die  eben  auf- 
brechen,  gewiss  bestimmt  gewesen,  wol  aber  schwerlich  von  ihnen  gesangen 
worden.  Bei  77,  22  manc  lop  dem  krinze  erschillet:  erloesen  wir  da;  grapi 
sollte  man  fast  den  Anfang  eines  wirklichen  Krenzfahrerliedes  Yermnihen. 
Einen  solchen  hat  ans  Hugo  von  Trimbeig  in  seinem  Renner,  Ansg.  des 
Bamberger  Vereins  10208  aufbewahrt.  Hngo  erzählt:  Baiem  hatten  stark 
gezecht  nnd  waren  dann  eingeschlafen: 

Ein  ander^  hftn  ich  euch  vemomen, 

da:;  beir  in  ein  stat  w&ren  komen 

und  lAgen  in  grdJ^er  koste 

bi  einem  starken  süei^en  moste. 

dd  die  eins  nahtes  swinde  sliefen, 

in  dem  tronme  ir  zwdne  riefen: 

wol  dan  helde  aber  mer! 

der  küne  kamt  onch  mit  sinem  her. 
§.4.  68)  L.  Wadding,  Annales  Minorum  T.  II.  (Romae  1732.  fol.)  p.  8: 
Fratres,  est  quaedam  regio  Teatonia,  in  qua  sunt  homines  Christiani  et  devoti, 
qai,  at  scitis,  saepe  terram  nostram  cnm  longis  bacalis  et  largis  ocreis  sab 
rapidissimo  sole  sadoribas  aestoantes  pertranseont  ac  limina  Sanctoram  visi- 
tant,  laades  Deo  et  Sanctis  eias  decantando. 


69 

und  das  böhmische  Heer: 

Hospodync  pomiluy  ny*«). 


§.4.  0)9)  Ottocar  (Pez,  Scriptt.  T.  III.  col.   149): 

mit  einer  stiinmo  großen 

der  biflchof  von  Basel  begau 

disen  rfif  heben  an: 

8ant  Mari  müter  unde  nieit^ 

al  unsriu  not  si  dir  gekUit. 

die  beheim  onch  riefen  so: 

gospodina  pomiloido. 

dA  mite  die  pfaffen  fdrder  riten, 

rufes  wart  dA  niht  vermiten : 

heim  üf!  heim  üf! 

dft  mite  k6men  sie  se  hüf. 
Anders  berichtet  Albertos  Argentin.  in  seinem  Chronicon  (in  Urstisii 
Script.  IX,  102) :  Appropinquantibus  autem  timorose  et  paulatim  exercitibns  ad 
conflictum,  Rudolfos  de  Rheno  miles  Basiliensis  sonora  voce  cantavit  quod 
per  ambos  exercitus  audiebator:  domina  sancta  Maria,  domina  aaneta,  quod 
tempore  litaniae  mstici  cantant.  —  Es  ist  aber  doch  nur  dasselbe  Lied  ge- 
meint, ein  deutsches,  das  die  Landlente  ssur  Zeit  der  Bittfahrten  in  der 
Krenzwoche  sangen. 

Noch  Jahrhunderte  später  war  dies  Lied  in  Deutschland  bekannt.  Fürst 
Georg  zu  Anhalt  erwähnt  es  in  seinen  Predigten  (Wittenberg  1555.  fol.) 
Bl.  291  b.  unter  den  ganz  abgöttischen  Liedern;  vgl.  Rambach,  Anthol.  I.  Bd. 
S.  411.  Das  böhmische  Lied  stammt  schon  aus  dem  X.  Jahrhundert  und  wird 
gewöhnlich  dem  heil.  Adalbert,  zweiten  Bischof  von  Prag,  zugeschrieben; 
8.  Rosa  boemica  sive  vita  S.  Woytiechi  agnomine  Adalberti  labore  Matth. 
Boleluczky.  Pragae  1668.  8"^  Nach  einer  Handschrift  vom  Jahre  1397 
lautet  es  vollständig  also: 

Hospodyne  pomiluy  ny 

Ihn  Xpe  pomyluy  ny. 

Ty  spase  wsseho  mira 

Spasyz  ny  y  uslyss 

Hospodyne  hlassy  nassye. 

Day  nam  wssyem  hospodyne 

Zzizn  a  mir  wzemi. 
Krles  Krles  Krles. 

Domine,  miserere  nostri, 
Jesu  Christe,  miserere  no.slri. 
Tu  Salvator  totius  mundi 
Salva  nos,  et  exaudi, 
Dom  ine,  voces  nostrns. 


70 

Dasselbe  Lied  wurde  nach  Ottoear  von  den  deutschen  Kreuz- 
fahrern vor  der  Schlacht  bei  Acca  1291  gesungen  '®)  und  bei 
der  Schlacht  am  Hasenbühel  2.  Juli  1298  angestimmt '»).   Nach 
einem  anderen  Dichter  sang  man  bei  der  letzten  Schlacht: 
In  gotet  namen  varen  wir  '*). 


Da  nobifl  Omnibus,  Domine, 
Saturitatem  et  pacem  in  terra. 
Kyrie  clciflon  cet. 
So  in  J.  Dobrowsky,  Gesch.  der  Böhmischen  Sprache  2.  Ausg.  (Prag 
1818.  8?)  S.  77.  Vgl.  Bakowiecki  prawda  mska  II,  211.  212.  —  Dies  Lied 
wurde  SU  aUen  Zeiten  häufig  gesungen  vom  böhmischen  Volke.  Daneben  gab 
es  noch  andere  Lieder,  die  bald  eben  so  gut  ein  kirchliches  Ansehen  erlangten, 
z.  B.  seit  dem  XIV.  Jahrhundert  das  Lied  auf  den  heil.  Wenzel.  Vgl.  Hanka, 
Starobyla  skladanie,  djl  opozdeny  p.  238.  Möchte  doch  ein  böhmischer  Ge- 
lehrte den  vielfach  zerstreuten  Stoff  zu  einer  Geschichte  des  böhmischen 
Kirchenliedes  sammeln  und  ausarbeiten!  Adauct  Voigt  (Abhdl.  einer  Privat- 
gesellschaft in  Böhmen  I.  Bd.  1775.  S.  200—221)  behandelt  mehr  den  Ge- 
sang überhaupt,  als  das  böhm.  Lied.  Ich  mache  bei  dieser  Gelegenheit  auf- 
merksam auf  die  von  mir  herausgeg.  4  böhm.  Kirchenlieder  aus  dem  Anfange 
des  Xy.  Jahrhunderts  in  meiner  Monatschrift  von  und  für  Schlesien  1829. 
S.  742—749. 

§  4.  70)  Ottoear  435 1". 

die  porten  man  entslö:;, 
ein  stimme  lüte  erd6^. 
mit  andAht  sungen  sie  do 
ein  liet,  da:;  sprichet  als6: 
9€mt  Mari  m&^er  tmde  meity 
unser  n&t  H  dir  gekleii, 

71)  dd  hup  der  gotes  capeUn 
ein  r&f  mit  lüter  stimme  an: 
tant  Mari  müterl 

diser  rAf  gftter 

wirt  selten  geswigen  von  den  heren, 

swenne  sie  zesamene  k^ren 

mit  heim  verbunden. 

72)  S.  die  Bruchstücke  in  HaupVs  Zeitschrift  III,  7—27.  Vers  176  ff. 

die  schar  unt  die  banieren 
begunden  sich  rottieren, 
tambüren  slach,  basünen  schal, 
da:;  her  sich  wegede  über  al 
des  il^zogens  &ne  wanc. 
den  leisen  man  zS  velde  sanc: 
in  gotes  namen  varen  mr. 


71 

Einen  Eriegflleis  anzustunmen^  war  also  im  XIII.  Jahrhmi' 
dert  wol  allgemein.  Ottocar  erwähnt  dieser  Sitte  noch  zweimal  *^), 
jedesmal  aber  gebraucht  er  för  das  sonst  übliche  wicliot  ruf. 

Minder  klar  ist,  bei  welchem  Anlasse  das  Lied:  tool  üfir 
töten  alle!  gesungen  wurde.  Es  findet  sich  sein  Anfang  zuerst 
im  jungem  Titurel  '*)  und  dann  in  der  zweiten  Hälfte  des  XIV. 
Jahrhunderts  in  Suchenwirt's  Gedichte  vom  jüngsten  Tage  "). 

So  scheint  es  auch  um  diese  Z§it  Sitte  geworden  zu  sein, 
zu  Schiffe  das  Lied: 

Li  gotes  namen  raren  wir  ^^) 
zu  singen,  was  später  besonders  bei  Pilgerfahrten  und  Bittgän- 
gen ebenfalls  häufig  angewendet  wurde;  es  ließ  sich  früher  nur 


§.4.  73)   537*>*.    ein  sendleicli  (nc,  ob  sonelich?)  gesanc 

hfibeiu  mit  dem  kirieleis.   cet. 

d  sie  den  r&f  volle  sangen, 

dö  k6men  sie  gednmgen 

seinander  mit  einem  std:;. 
495^.     die  schätzen  man  für  scbfif, 

ir  ietweder  den  ruf 

hüben  an  xmd  sangen. 
Das  Wort  leite  war  übrigens  doch  wol  fortwährend  noch  im  Gebrauch,  z.  B. 
Berthold  von  Kling  S.  229.  Reinhart  von  Grimm  S.  304.  Daneben  kommen 
auch  folgende  Znsammensetzangen  vor:  ir  kiinic  den  jdmerleU  rief,  LivlEndische 
Chronik  von  Franz  Pfeiffer  (Stuttg.  1844.)  Vers  1603.  —  er  singet  dir  ein 
heierlea  (  :  des),  Laßberg  Liedersaal  III,  643.  —  die  (meit)  sach  ich  den  hei- 
gerleU  schdne  springen,  Minnesinger  von  v.  d.  Hagen  III,  189^. 

74)  434,  alter  Drack  1477.  Bl.  22«.  Sp.  1. 

Vier  engel  üf  den  esten 

il^en  an  dem  ende 

dft  standen  &n  gebresten. 

von  golt  ein  hom  iegelicher  in  einer  hende 

beten  unde  bliesen  dA  mit  schalle 

nnde  winkten  mit  der  andern  hant 

recht  in  der  wise :    wol  üf  ir  t&ten  alle ! 

75)  Primisser's  Ansg.  XLII,  96. 

plftsent  auf  die  hom: 

wol  auf  ir  tSten^  des  ist  zeit! 

76)  Tristan  von  Gottfried  von  Straßbarg  1 1536  (v.  d.  Hagen  I.  Th.  S.  1 59) : 

mit  höher  stimme  haobens  an 
ande  sangen  eine^  nnt  zwir: 
in  gotes  namen  varen  leir. 


72 

dieser  Anfimg  nachweisen.  Das  im  XV.  Jahrhundert  viel  gesun- 
gene Lied  gleiches  Anfanges  hat  mit  diesem  wol  weiter  nichts 
als  den  Anfang  gemein.  In  der  Wiener  Meerfahrt  singen  die 
trunkenen  Bürger  auf  ihrer  Laube^  die  sie  für  ein  Seeschiff  an- 
sehen, plötzlich  ihren  Schifferleis: 

In  gotes  namen  vare  wir"). 
Dieser  alte  Leis,  oder  richtiger:  Leich,  ist  uns  in  einer  alten 
Handschrift  noch  erhalten  worden. 

f  Nr.  12. 

In  gotes  namen  vare  wii*, 
siner  gnaden  gere  wir. 
nü  helfe  uns  diu  gotes  kraft 
und  da;  heilige  grap, 
dk  got  selber  inne  lac. 
Kyrieleis. 

Sanctus  Petrus  der  ist  gAt, 

der  uns  vil  siner  gn&den  tat: 

da;  gebiutet  im  diu  gotes  stimme. 

froelichen  vare  wir: 

nü  hilf  uns  edle  Marjä  zä  dir.    Etc. 

froelichen  unverzeit, 

nü  hilf  uns  Marjä  reine  meit 

Sanctus  PStrus  won  uns  bi 
swenne  wir  sullen  sterben, 
mache  uns  aller  Sünden  frt 
und  lä;e  uns  niht  verderben. 


§.  4.  77)  Wiener  mervart  273  ff.   (Colocz.  Codex  S.  62) : 
von  des  wines  süei^ekeit 
worden  sie  sd  gar  gemeit, 
ande  des  mnotes  alsd  yrd, 
daij;  sie  w&nden  alle  dd, 
sie  waeren  iezno  an  dem  mer. 
sie  liei^en  allen  herzen  sSr, 
nnde  sungen  vil  schöne 
in  einem  lüten  done 
üf  der  lonben  offenbar 
ir  leisen  da;  ist  w&r: 
in  gotes  namen  vare  tcir. 


73 

vor  dem  tiavel  uns  bewar, 
reiniu  meit  Marj^ 
und  Tüer  uns  an  der  engel  schar  I 
so  singe  wir  alleluia. 

Alleluia  singe  wir 

dem  werden  got  von  himelrieh, 

da;  er  uns  mit  sinen  engein  kroene. 

Kyrieleis  christeleis. 
so  helfe  uns  der  heilige  geist 
und  der  heilige  Crist, 
der  aller  werlte  ein  vater  ist.  Etc. 

Münchener  Cod.  germ.  Nr.  44i.  Pp.  4?  vom  Jahre  1422.  (Mittheil,  von 
Dr.  Georg  Bcherer  und  Dr.  F.  Zamcke). 

§.  5. 
Vierzehntes  Jahrhundert. 

Die  fröhliche  sangreiche  Zeit  verlor  sich  allmählig  in  Deutsch- 
land. Schon  das  lange  Zwischenreich  und  die  vielen  Kämpfe 
Rudolfs  mit  seinen  Gegnern  hatten  das  ruhige  genussvolle  Leben 
erschüttert.  Die  darauf  folgenden  Ereignisse,  die  Uneinigkeit 
im  deutschen  Reiche  und  in  der  Kirche,  die  wiederholten  päpst- 
lichen BannbuUen  gegen  Ludwig  den  Baiem  brachten  noch  mehr 
Ernst  imd  Trauer  in  alle  Lebensverhältnisse.  Deutschland  stand 
unter  dem  Literdict,  die  Geistlichkeit  stritt  theils  für  den  Kai- 
ser, theils  für  den  Papst:  in  Rohheit  und  Sittenlosigkeit  schien 
ein  Stand  den  andern  übertreflFen  zu  wollen.  Im  Süden  bildeten 
sich  Bündnisse  unter  dem  Adel  gegen  die  wachsende  Macht  der 
Städte,  und  diese  vereinten  sich  wiederum  gegen  die  Bedrückung 
imd  Anmaßung  des  Adels.  Die  Poesie,  die  sich  vorher  einer 
so  allgemeinen  Pflege  und  Theilnahme  zu  erfreuen  hatte,  ward 
nur  meist  noch  zunftartig  geübt,  von  Handwerkern  in  den  Städ- 
ten und  dem  armen  fahrenden  Volke  *) ;  der  Adel  und  die  Für- 
sten bedurften  ihrer  nur  höchstens  zum  Lobe  und  zur  Verherr- 
lichimg ihrer  Thaten  und  ihres  Namens*);  Turniere  und  Jagden, 


§.  6.   1)  Vgl.  W.  Wackemagel  Litteratorgesch.  §.  74. 

2)  Docen  in  y.  Hormayr^s  Archiv  1821.  8.  214:  In  einer  Reihe  alfe- 
deutscher  Predigten  ans  dem  XIY.  Jahrhundert  kommt  bei  der  Analegimg  dea 
Baoma  in  dem  Traume  Daniela  f.  78  unter  andern  vor:  welche^  iat  dia  fracht 


74 

Fehden  und  Wegelagem  waren  ihnen  viel  edlere  Beschäftigim' 
gen.  Im  Norden  Deutschlands  aber,  wo  die  Hansa  alle  übrigen 
Interessen  verschlang,  zeigen  sich  nicht  einmal  Spuren  von 
Meistersängerschulen  oder  sonst  gemeinschaftlicher  Übung  der 
Poesie  •). 

Trauriger  aber  und  wirklich  schrecklich  wurde  der  Zustand 
Deutschlands  um  die  ]tfjtte  des  XIV.  Jahrhunderts.  Die  viel- 
fachen Regengüsse  und  Überschwemmungen  seit  1345  hatten  an 
vielen  Orten  Misswachs  herbeigeführt,  es  folgte  Theurung  und 
Hungersnoth  und  im  Jahre  1348  gesellte  sich  zu  diesen  Leiden 
die  morgenländische  Pest,  welche  sich  vom  Süden  Deutschlands 
bis  in  den  Norden  erstreckte  und  die  volkreichsten  Städte  und 
Gegenden  menschenleer  machte.  Um  dieselbe  Zeit  zogen  Schaa- 
ren  von  Laien  umher  als  Büßende,  geißelten  sich,  sangen  geist- 
liche Lieder,  hörten  unter  sich  Beichte  ab  und  absolvierten  sich 
wechselseitig.  Überall  fanden  diese  Büßenden,  die  unter  dem 
Namen  der  Oeißler  oder  Flagellanten  in  der  Kirchengeschichte 
als  eine  besondere  Secte  aufgeführt  werden,  freimdliche  Auf- 
nahme, wo  sie  sich  keine  Ausschweifungen  zu  Schulden  kom- 
men ließen;  die  allgemeine  ernste,  oft  fromme  Stimmung  der 
Gemüther  begünstigte  ihre  Verbreitung,  und  der  Gebrauch  deut- 
scher religiöser  Lieder  erwarb  ihnen  Anhänger  und  Freunde 
unter  dem  Volke.  Ob  das  letztere  nun  auch  die  Geistlichkeit 
bewog,  Lieder  in  der  Landessprache  zu  religiösem  Gebrauche 
für  das  Volk  zu  dichten?  Durchaus  nicht.  Kein  Geistlicher 
dachte  daran,  den  Ketzern  entgegen  rechtgläubige  Lieder,  wie 
es  einst  Berthold  wünschte,  zu  verfassen.  Übrigens  hörten  die 
Verketzerungs-Umtriebe  der  Geistlichen  auch  bald  von  selbst  auf. 
Wie  viel  hätte  jetzt  bei  der  wach  gewordenen  religiösen  Stim- 
mung des  Volks  die  Geistlichkeit  leisten  können,  wenn  sie  sich 
eines  so  sehr  vernachlässigten  Theiles  des  Gottesdienstes,  des 
Kirchengesanges  angenommen  hätte  !  Was  würden  sie  nicht  für 
den  deutschen  Elirchengesang  vermocht  haben,  die  durch  ihre 
deutschen  Predigten  und  Erbautmgsschriften  so  imgemein  viel 
wirkten!  Männer  wie  Meister  Eckard,  Johannes  Tauler,  Hein- 
rich Suso,  Nicolaus  von  Straßburg,   Nicolaus  von  Basel,  Rudolf 


auf  dem  pamn?    Sich,  da:;  ist  der  sünder,  der  den  spiUeuten  gibt  e;;:;en  und 

trinchen  durch  vreltleichen  ruom,  und  da:;  sie  in  dar  umb  lobent  vor  der  weit. 

§.  6.  .H)  Vgl.  Jac.  Grimm,  Über  den  altdeutschen  Meistergesang  S.  129.  130. 


75 

Meerschwein  u.  a.  Aber  die  hellste  Einsicht  von  den  M&ngehi 
und  Gebrechen  der  Kirche  schien  auch  hier  an  dem  Herkömm- 
lichen zu  scheitern;  man  predigte  deutsch,  man  sang  aber  fort- 
während lateinisch,  und  die  Vulgata  und  die  römische  Liturgie 
blieben  in  ihren  verjährten  von  der  Kirche  geheiligten  Vorrech- 
ten trotz  allem  Nachtheile,  den  die  religiöse  Belehrung  und  Er- 
ziehung des  Volks  dabei  nehmen  musste.  Obschon  in  Baiem 
u'gendwo  laut  einer  Urkunde  vom  Jahre  1323  beim  Gottesdienste 
deutsch  (?)  gesungen  wurde  *),  blieb  doch  ein  so  einzelnes  Bei- 
spiel ohne  Nachahmung.  Auch  stand  von  der  Geistlichkeit  im 
Allgemeinen  nicht  zu  viel  zu  erwarten,  da  sie  bei  dem  großen 
Elende  und  Jammer  doch  sich  zu  sichern  und  ihren  weltlichen 
Sinn  zu  befiiedigen  wusste.  Wie  im  XTTT.  Jahrhundert  so  san- 
gen auch  noch  jetzt  im  XTV.  Geistliche  oft  lieber  weltliche  Lie- 
der als  die  Tagzeiten;  sehr  charakteristisch  ist  die  Stelle,  welche 
Docen  aus  dem  Buch  der  Natur  1349  mittheilt :  Sie  singen  ihre 
Tagzeiten  nicht;  wollte  Gott,  dass  sie  sie  sprächen  mit  Andacht 
und  nicht  weltliche  Lieder  sängen!  So  aber  singt  der  eine  den 
Frauenlob,  der  andere  den  Mamer,  der  dritte  den  starken  Poppe. 
Der  Poppen  ist  soviel  worden,  dass  sie  der  Gotteshäuser  Gut 
und  Ehre  verpoppeln  *). 


§.5.  4)  Ich  habe  diese  Urkunde  zwar  nirgend  finden  können;  Bambach 
(Anthol.  I.  Bd.  S.  381)  führt  sie  nur  an  ans  der  Vorrede  eines  eu  München 
1782  erschienenen  Buches:  Betrachtung  bei  der  Messe.  —  Das  Buch  selbst 
findet  sich,  wie  mir  Herr  Dr.  Klose  meldet,  nicht  in  dem  Rambach*schen 
Kachlasse  zu  Hamburg  und  ist  auch  nach  einer  brieflichen  Mittheilung  des 
Herrn  Dr.  Scherer  nicht  in  der  Münchener  Bibliothek  vorhanden.  Die  Sache 
wird  mir  nach  gerade  sehr  verdächtig. 

6)  Im  Buch  der  Natur,  handschriftlich  zu  München,  Bl.  78.  b.  (Capitel 
von  dem  Kapaun) :  Die  cappan  sint  ze  nichtü  nüz  dann  in  die  chuchein . . . 
Dftvon  sprach  meister  JordAn  prediger  ordens,  sd  got  sein  ie  gedenk,  in  einer 
pfaffenpredig,  d&  er  rett  ze  den  chdrhdrren  und  ze  andern  pfaffen :  Sohne  der 
Schreiber  wirt  übergevnort  als  ein  cappan,  eift  wühin?  Triun  an  chein  ander 
stat  danne  in  des  tiufels  chuchein.  eik  warumb  ?  triun  dk  singt  er  nicht  und 
ist  unperhaft  und  ist  unwercleich.  Poi  dem  Schreiber  verstd  wir  unser  prae- 
Uten  und  ander  pfafiien,  die  sint  unperhaft  in  geistleichen  werchen,  wan  sie 
machent  nicht  geistleichen  chint  (wolt  got  da:;  sie  der  leipleichen  auch  nicht 
machten!);  sie  singent  ir  tagzeit  nicht;  wolt  got  da;;  sie  sie  spraechen  mit 
andAcht  und  süngen  nicht  werltleicher  lieder!  So  singt  der  ein  den  Frauen- 
lop,  der  ein  den  Mamer,  der  ein  den  starken  Po]5pen.  Der  Poppen  ist  sd  vil 
worden,  da;  sie  der  gotsheuser  guot  und  er  verpoppelnt.    Docen  in  v.  Hör- 


76 

Zunächst  begegnen  wir  wieder  dem  alten  Piingstliede :  Nun 
bitten  wir  den  heiligen  Geist.    In  dem  Spiele  von  der  heiligen 
Dorothea  •),  geschrieben  1340,  kommt  es  gleich  zu  Anfange  vor: 
Nu  singe  wir  alle  disen  leis: 
Nu  bite  wir  den  heiligen  geist  etc. 
et  cantat  omnis  populus. 

So  auch  in  dem  Spiel  von  der  Himmelfahrt  Maria '),  ebenfalls 
aus  der  Mitte  des  XIV.  Jahrhunderts,  geschrieben  1391. 
unde  singet:   nü  bit  wir  den  heiligen  geisl 
umbe  den  rechten  glauben  aller  meist. 
Deinde  pagani  recedunt  cantantes: 
nü  bit  wir  den  heiligen  geist, 
ut  supra. 
In  demselben  Stücke  singen  die  Heiden  noch  zwei  andere 
Lieder,  die  wahrscheinlich  ursprünglich  deutsche  sind,  denn  die 
Heiden  werden  von  Laien  dargestellt  und  diese  singen  immer 
nur  deutsche  Lieder. 

766.    unde  singet  iuwer  leise  [also]. 

Deinde  pagani  recedunt  cantantes: 
nu  ist  diu  werlt  zu  gote  vil  trö. 


mayr's  Archiv  1821.  S.  214.  Eiu  anderer  Text  in  Mone  Anzeiger  VIIT,  613. 
lindert  Poppen  in  hüben  und  verpoppehii  in  verbtiben.  Vgl.  W.  Wackernagol 
in  Haupfs  Zeitachrift  VIII,  347.  348.  —  Dies  Buch  der  Natur  Oiber  rerum) 
ward  aus  dem  Lateinischen  des  Thomas  Cantipratensis  im  Jahre  1349  von 
Konrad  von  Megenberg  übersetzt,  s.  Hoffmann,  Horae  belg.  P.  I.  p.  37  und 
W.  Wackemagel  Litteraturgesch.  S.  341.  Anm.  86  —  90.  und  im  XV.  Jahrh. 
mehrmals  gedruckt,  s.  Hain,  Bepert.  Nr.  4040  —  4046.  Konrad  (geb.  1309) 
war  Domherr  zu  Regensburg  und  schrieb  zwischen  1337  bis  1372  auch  meh- 
rere lateinische  Werke;  vgl.  Fabricii  Bibl.  latina  med.  aet.  Vol.  I.  p.  1172 
— 1174,  und  Kobolt,  Ergänz,  und  Bericht,  zum  Baier.  Gel.-Lex.  S.  56—59. — 
Aus  einer  Ausgabe  seines  Buchs  der  Natur  von  1499  auf  der  Breslauer  Bibl. 
fuge  ich  noch  folgende  hieher  gehörige  Stelle  hinzu: 

Ich  sprich  ouch,  da;;  der  esel  yomen  d&  er  kranc  ist  ein  kriuze  treit  üf 
dem  rücken j  unde  binden  dft  er  die  nieren  treit,  dk  ist  er  starc;  also  tuon 
wir  üppigen  pfaffen:  dft  wir  da;;  kriuze  süllen  tragen  mit  rasten  unde  mit 
beten  unde  anderen  götlichen  dingen,  dÄ  sin  wir  leider  kranc;  aber  dft  wir 
unkiusche  und  alle  unvuor  tragen  dA  sin  wir  starc. 
§.  5.  6)  Oedmckt  in  meinen  Fundgruben  2,  284  ff. 

7)  Mone,  Altteütsche  Schauspiele,  Quedlinb.  1841.  S.  32.  Vers  381  ff. 


77 

500.    singet  alle  unde  weset  wol  gemät: 

Crist  du  bist  milde  unde  gut '). 

Et  sie  pagani  recedunt  cantantes: 

Crisl  du  bist  etc. 
In  einem  Spiele  von  der  Auferstehung  Christi  bei  Mone  •),  ge- 
sehrieben 1391,  kommt  am  Schlüsse  also  vor: 

unde  singet  alle  geliche: 

Crisl  ist  enstanden  von  himelriche  etc. 
Dennoch   erhielten  sich  unter  dem  Volke  durch  Überlieferung 
gewiss  manche  geistliche  Lieder,   die  bei  der  häuslichen  und 
kirchlichen  Andacht  gesungen  wurden.    In  Jeroschin's  Chronik 
des  deutschen  Ordens  heißt  es: 

die  leigin  ir  leise 
sungen  die  wegereise  '®) ; 
und  Hermann  von  Fritzlar  in  dem  Leben  der  Heiligen,   1343 — 
49,  erzählt:   Von  des  heiligen  Nicolaus  Zeichen  will  ich  nicht 
mehr  sagen,  denn  es  sind  die  Wände  damit  vollgemalt,  und  die 
Blinden  singen  davon  auf  der  Straße  "). 

Selbst  das  Wort  Leise,  was  um  diese  Zeit  sogar  in  den 
nördlichsten  Gegenden  Deutschlands  heimisch  erscheint,  spricht 
für  allgemeine  Kenntniss  und  Verbreitung  des  deutschen  geist- 
lichen Volksgesanges.  In  den  Gesetzen  der  Friesen,  wahrschein- 
lich erst  um  die  Mitte  des  XTV.  Jahrhundert  niedergeschrieben, 
heißt  es :  Sobald  ihm  der  Brief  in  die  Hand  kam,  da  hub  Mag- 
nus einen  Leisen  an  und  sang:  Christus  ons  nade,  Kyrioleys  ^^). 


§.  5.   8)  Mone  hält  dies  Lied  für  Bearbeitung  des  Chrlste,  qui  lux  es  et  dies. 
9)  Altteütsche  Schauspiele  S.  144.  Vers  1187. 

10)  Nicolaus  von  Jereschin,  Kapellan  des  Hochmeisters  Dieterich  von 
Aldenburg,  1335—1341,  schrieb  eine  Reimchronik  des  deutschen  Ordens  in 
Preußen  nach  dem  Peter  von  Dusburg;  sie  ward  begonnen  1335  und  ist  über 
26,000  Verse  stark;  s.  Georg  Christoph  Pisanski,  Entwurf  der  Preußischen 
LitterSrgesch.  S.  76-80. 

Die  obige  Stelle  steht  in  Frisch,  Wörterb.  I.  Th.  S.  224.  c. 

11)  Cod.  pal.  113.  fol.  17.  b.:  Von  stnen  (Sancti  Nicolai)  zeichen  wil 
ich  nicht  md  sagen,  wan  i;  sin  die  wende  vol  gem&lt  und  die  blinden  Bin- 
gens tf  der  strA2;en.     Vgl.  W.  Qrimm,  Heldensage  S.  173. 

12)  Oude  friesche  wetten  1.  stuk  (Te  Campen  en  Leeuwarden  1782.  4?) 
bl.  120 :  Aller  aerst  dae  him  dat  breef  in  da  band  coem,  dae  hoef  op  Magnus 
een  leysa  ende  sangh :    CTurütus  onse  nadey  Kyrioleya, 


78 

Noch  immer  ward  auch  gesungen:  Christ  ist  erstanden;  in 
Konrads  Osterliede  enthält  die  fünfte  Strophe  den  Anfang  also: 
nü  singet:   Christus  ist  erstanden 
wol  Mute  von  des  tödes  banden. 

Von  neuen  geistlichen  Liedern,  woran  das  XIV.  Jahrhundert 
vielleicht  reicher  war,  als  die  beiden  vorhergehenden,  sind  nur 
einige  in  den  Mund  des  Volkes  übergegangen,  und  nur  eins  und 
das  andere  hat  sich  als  Kirchenlied  die  spätere  Zeit  hindurch 
erhalten.  Das  merkwürdigste  derselben  ist  das  bekannte,  du 
Lenze  gut  etc.,  was  ich  liier  vollständig  nach  dem  besten 
Texte  und  in  hergestellter  alter  Schreibung  folgen  lasse. 

f   Nr.  13. 
0  s  t  e  r  1  i  e  d  "). 

1.    Du  lenze  guot,  des  järes  tiurste  quarte, 
zwar  du  bist  manger  lüste  vol; 
swa;  creatär  den  winter  fröuden  sparte, 
des  h&st  du  sie  ergezzet  wol. 
wan  du  bist  linde  und  niht  zA  küele, 
als  ich  wol  an  den  winden  vüele, 
die  jftrlanc  also  süe^ich  wSn. 
Swa;  kelte  hielt  in  ir  getwanges  zügele, 
da^  ist  nü  ledig  unde  fri. 
e;  klimm,  e;  swimm,  e;  gS  od  habe  flügele, 
üa;  swelher  schepftmg  da;  e;  si, 
im  luft,  im  wäg  od  euch  üf  erden, 
da;  selb  bewiset  mit  geberden, 
wie  im  so  liebe  si  gesehen. 
Diu  sunne  spilt  in  liechtem  schin. 
nü  singet  lieben  vogellin, 
ir  sult  dem  schepfer  lobes  jSn. 


§.5.  13)  Hier  nach  HandBchriften  mit  Benatznng  von  Comer*8  Text.  Eine 
Leipziger  Hs.  (Uniyersitäts-Bibl.  1305.  4^  Pp.)  ans  der  ersten  Hälfte  des  XV. 
Jahrhnnderts  gewährt  folgende  Lesarten  (nach  Zamcke^s  Mitth.):  l,  2.  aller 
UUte  —  2,  14.  er  n.  in  —   2,  17.  der  osHrliche  tac  —   3,  4.  osterlampUn  o. 

—  8,  6.  kan  sterben  —  6,  2,  vnd  singet  manehir  kelen  clang  —  5,  10.  den 
tooren  got  —  6,  13.  frouden  yar  —  6,  14.  der  JmeeTU  sal  vorhiu  fryheit  han 

—  5,  16.  ricJies  lehen.  —  Bemerkenswerth  noch  anderswo:  5,  4.  zem  wider- 
geU  —  5,  9.  und  nemi  gtn  heilig  fleisch  tvnd  blut,  —  Ein  schlechter  Text  nach 
einem  hdschr.  Blatte  in  Idonna  und  Hermode  1813.   S.  77.  78. 


79 

Vil  h&t  der  lenze  lost,  swann  wir;  betrachten; 

darzuo  hat  er  euch  einen  tac^ 

wir  alle  mugen  niht  ȟx  lop  volachten, 

der  kristentuom  sich  fröuwen  mac; 

des  Unterwelten  tages  wirde 

suUe  wir  mit  lobes  girde 

hoch  heben  tinde  froelich  stn. 

Da;  ist  der  tac,  den  uns  got  hat  geschaffen, 

an  im  sd  sul  wir  fröude  hto. 

die  leien  sulen  lernen  von  den  pfaffen, 

wie  er  sich  wolte  nennen  län: 

der  krieche  paschä  in  beschrtbet, 

der  Jude  bi  dem  phäse  blibet, 

er  nennt  sich  transitus  latin; 

Sd  ist  er  in  dem  tiutschen  lant 

der  heilig  östertac  genant, 

an  im  so  wante  Adams  pin« 

Bis  hochgelebter  fröudentac  gegrüejet, 

gelobet  st  der  iemermSr, 

der  dich  mit  siner  dferstantniss  süe;et: 

Krist,  österlemblin,  opfer  hSr, 

sin  tdt  den  unsem  tdt  tet  sterben, 

dann  uns  kumt,  da;  wir  mugen  erben 

mit  dir  in  dtnes  yater  rieh. 

Walt,  loup,  sät,  klS,  gras  unde  bluomen 

die  wellent  lieben  sich  zuo  dir, 

in  fröuden  siht  man  sie  sich  hiute  ruomen, 

Krist,  üf  din  lop  stSt  al  ir  gir. 

ich  W£ßne  ob  sie  künden  sprechen, 

an  in  en  würd  es  niht  gebrechen, 

sie  lobten  dich,  herre,  alle  gltch. 

Du  h&st  gesiget  in  dem  strtt, 

der  tödes  vtlrst  damider  Itt, 

stn  grö;  gewalt  muo;  geben  wich. 

Der  an  dem  holz  den  menschen  überliste, 
am  holz  er  überwunden  wart, 
des  suln  wir  alle  froeltch  loben  Kriste, 
da;  er  uns  buo;te  valles  schart. 


80 

dö  S&thanas,  schiu^licher  scherge, 

Christus  gezemet  hat  dtn  erge, 

dö  dir  diu  nacht  roup  großen  nam. 

Diu  nacht  erschein  an  künig  Pharaonen, 

dö  in  verslant  da^  röte  mer, 

der  Israölen  er  niht  wolte  schönen. 

Krist  löste  da;  gefangen  her: 

dö  er  der  helle  begunde  nähen, 

froelichen  die  altveter  sahen, 

daa^  er  also  gewaltic  kam; 

Des  sie  begerten,  da;  geschach: 

der  helle  rigel  er  zerbrach, 

und  löste  mangen  mit  Adam. 

5.    In  fröuden  grö;  lät  ir  iuch  hiute  hoeren, 
lät  hellen  mangen  süe;en  klanc, 
ir  lein  in  kirchen,  ir  pfaffen  in  den  koeren, 
en  widerstrit  si  iur  gesanc. 
nü  singet:  Christus  ist  erstanden 
wol  hiute  von  des  tödes  banden, 
darnach  sult  ir  mit  fli;e  gän, 
Ir  sult  iuch  mit  dem  österlemblin  sptsen 
und  trenket  iuch  mit  s!me  bluot, 
den  w&ren  Krist  sult  ir  mit  lobe  prisen, 
da;  er  iu  solhe  güete  tuot. 
nü  lobt  den  heilant,  der  iuch  friet, 
da;  jubelj4r  gar  wit  beschrtet, 
wir  suln  vort  möre  frlheit  hän. 
Du  lenze  hast  ein  tiure;  lön, 
dich  tiuret  Elristes  üferstön^ 
der  uns  entslfig  den  swaeren  ban. 

David  Gregorius  Corner,  Abt  des  Benedictmerstifts  Göttweig,  theilte  Text 
nnd  Melodie  mit  in  seinem  Gesangbuche  von  1631,  und  fügte  die  Nachricht 
hinzu,  dass  Eourad  von  Queinfixrt,  Pfarrer  zu  Steinkirch  am  Qneü3,  diesen  alten 
Ostergesang  yerfasst  habe  und  1382  zu  Löwenberg  gestorben  und  daselbst  in 
der  Kapelle  des  Franciscanerklosters  begraben  sei  i^).    Schon  lange  vor  D.  G. 


§.  6.  14)  Groß  Catolisch  Gesangbuch  —  Nürmberg  1631.  S".  (S.  darüber 
meine  Nachrede  zu  Mich.  Vehe's  Gesangbüchlin  S.  126)  V.  Th.  Nr.  152. 
S.  264:  i,Ein  altes  Ostergesang,  der  Lentz  oder  Frühling  genannt,  welchen 
Herr  Conrad  von  Queinfurt,  Pfarrer  zn  Stein-Kirchen  am  Queiß  gemacht, 


81 

Corner,  der  übrigexu  ein  gebomer  Schlesier  war  >&),  wurde  es  hier  anter  dem 
Volke  gesnngen  >*);  Valentin  Triller  nahm   es  schon   1559  in  sein  christlich 


so  yerschieden  zn  Löwenberg  in  Schlesien  anno  1382  liegt  daselbst  in  der 
Capeli  des  Klosters  8.  Francisci  begraben,  nnd  hat  ihme  selbst  dieses  Epita- 
phium gemacht: 

Christe,  tnum  mimum  salvum  facias  et  opimuni, 
Condidit  hie  odas  has  voce  lyraqao  melodas.*' 
(Flögel,  Geschichte  der  Hofharren   S.  55  beweist  mit  aus  dieser  Stelle,  dass 
sich  manche  Leute  eine  Ehre  und  ein  Verdienst  daraus  gemacht  haben,  sich 
Gottes  und  Christi  Narren  zu  nennen.)     In  der  dritten  Ausgabe,   deren  Titel 
also  lautet: 

Geistliche  Nachtigal,  Der  Catholischen  Teutschen.    Das  ist  Auserlesene 
CathoUsche  Gesänge  etc.     Jetzo   zum  drittenmale  Corrigiert,  und  ver- 
bessert  Durch  David  Gregorium  Corner  um.    Wien  1649.   8? 
findet  sich  unter  Nr.  CXXV.  dasselbe  Lied  wieder  S.  212,  aber  nur  mit  die- 
ser Nachricht: 

„Ein  bekandtes  Ostergesang  der  Lentz  oder  Früling  genandt,  welches 
Herr  Conrad  von  Queinfurt  Pfanrherr  zu  Steiukirchen  in  Schlesien  Anno 
1283  gemacht, '^  wo  die  Jahreszahl  doch  nur  ein  Druckfehler  ist. 
Ich  habe  mich  bemüht,  von  Löwenberg  aus  über  Conrad's  Leichenstein 
Kunde  zu  erhalten.  Ein  achtbarer  Gelehrter,  der  friiher  lange  dort  lebte, 
schreibt  mir  aber:  „Es  giebt  in  Löwenberg  nur  eine  geschriebene  Chronik 
von  Pätzold,  die  in  der  evangel.  Schulbibliothek  bewahrt  wird;  diese  erwähnt 
nichts  vom  Tode  und  Begräbniss  des  C.  v.  Q.,  als  ehemaligen  Pfarrers  zu 
Steinkirchen,  in  der  St.  Francisci  Kapelle  des  dasigen  Klosters.  Die  Kirche 
selbst  nebst  ihren  beiden  Kapellen  sind  dem  dritten  Bataillon  des  6ten  Land- 
wehr-Begiments  zum  Arsenal  eingeräumt;  daher  wurde  der  feuchte  Fußboden 
ausgeschüttet  und  mit  Quadern  belegt,  drei  Denkmäler  wurden  abgebrochen 
und  an  der  Kirchhofmauer  und  an  der  dasigen  Kirchenmauer  von  außen  auf- 
gestellt und  befestiget;  die  Kirche  selbst  mit  Kalk  übertüncht,  und  alles  Klö- 
sterliche verwischt  und  vertilgt,  so  dass  nichts  Lesbares  mehr  aufzufinden  ist** 
Schon  zur  Zeit  des  30jährigen  Krieges  hatte  die  Kirche  viel  gelitten,  wie  B. 
G.  Sutorius,  Die  Gesch.  von  Löwenberg  II.  Th.  S.  310.  311,  erzählt.  Wir 
müssen  uns  also  wol  für  immer  mit  Comer^s  Nachricht  begnügen« 

§.5.   15)  S.  meine  Nachrede   zu  Vehe's  Gesangbüchlin   (Hannover,  Carl 
Bümpler  1853.)  S.  126. 

16)  Es  findet  sich,  wenig  verschieden  von  dem  mitgetheilten  Texte, 
in  zwei  Handschriften  der  Kön.  und  Univers.-Bibliothek  zu  Breslau:  I.  8?  32. 
Bl.  96<^  —  98l>.  und  I.  8?  113.  Bl.  74«  —  76K  Die  letztere  enthält  noch 
mehrere  lateinische  und  deutsche  Lieder  mit  Musik,  die  Mher  im  Jungfrauen- 
Stifte  zu  Liegnitz  gesungen  und  gegen  Ende  des  XV.  Jahrhunderts  gesammelt 
wurden.  Die  andere  Hs.  ist  gröBtentheils  1478  geschrieben  und  unser  Lied 
dürfte  wol  nicht  später  aufgezeichnet  sein. 

6 


82 

Bingebnch  aof,  jedoch  hat  er  den  Text  gänzlich  uingeftrbeitet  nnd  vielleicht 
nnr  die  Melodie  treu  beibehalten  i^). 

Wie  sich  der  Meistergesang  mit  seiner  breiten  künstliehen 
Form  in  dem  Liede:  Du  Lenze  gut,  zeigt ,  so  machte  er  sich 
auch  seit  der  Mitte  des  XIV.  Jahrhunderts  in  der  geistlichen 
Dichtung  bald  überall  geltend.  Mit  der  neuen  Art  zu  dichten^ 
mit  diesem  zünftigen,  bürgerlichen  Meistergesänge  erfolgte  auch 
ein  Umschwung  in  der  Tonkunst  ").  Die  künstlichen  Formen 
des  Liedes,  wie  sie  in  den  Meistersingerschulen  erfunden  und 
angewendet  wurden,  brauchten  jedoch  lange  Zeit,  bis  sie  eine 
gewisse  Volksthündichkeit  erlangten.  Erst  im  XV.  Jahrhundert 
waren  sie  ins  Volk  gedrungen  und  bestanden  nun  neben  den  ein- 
fachen kurzstrophigen  Leisen,  die  sich  aus  alter  Zeit  erhalten 
hatten. 

§.5.  17)  Valentin  TriUer,  geb.  zu  Gnrao,  war  von  1659  bis  1578  Pfarrer 
SU  Panthenan,  nnd  ward  wahrscheinlich  im  Jahre  1573  nebst  andern  Anhän- 
gern der  Schwenckfeldschen  Lehren  ans  Schlesien  vertrieben;  vgl.  EhrhardVs 
Presbyterologie  II.  Th.  Brieg  S.  414.  Sein  Gesangbuch  ist  das  sweite»  was 
in  Schlesien  erschien;   es  fahrt  den  Titel: 

„Ein  Christlieh  Singebach,  fnr  Layen  vnd  Gelerten,  Kinder  vnd  alten, 
daheim  vnd  in  Kirchen  zu  singen,  Mit  einer,  zweien  ynd  dreien  stim- 
men, von  den  fämomsten  Festen  des  gantzen  jares,   anff  viel  alte  ge- 
wonliche  Melodien,  so  den  alten  bekant,  vnd  doch  von  wegen  etlicher 
Abgöttischen  Texten  sind  abgethan,  Znm  teil  auch  ans  reinem  Latini- 
schen Coral,   newlich   zngericht,    Darch  Valentinam  Triller  von  Gora, 
Pfarherm  zn  Pantenaw,  im  Kimpschisehen  Weichbilde.     Psalm.  GL. 
Alles  was  ödem  hat  lobe   den  Herrn.     Gedrnckt  zn  Breßlaw,   durch 
Chrispinnm  Scharffenberg.  1559.'<   kl.  qn.  4?    150  B1.  mit  eingedrnck- 
ten  Mnsiknoten. 
Erschien  orsprOnglich  anter  dem  Titel:  „Ein  Schlesich  singebüchlein  —  1555,'' 
Spftter  wurde  der  Titel  wie  oben  angegeben  geKndert,  und  nur  die  ersten  Bo- 
gen wurden  umgedmckt    Ein  Exemplar  in  der  Bibliothek  des  akademischen 
Instituts  für  Kirchenmusik  zu  Breslau. 

Nach  Triller's  Umarbeitung  lautet  der  Anfang:  ^ 

Der  lents  ist  vns  des  jares  erste  quartir 
Er  ist  auch  mancher  lusten  vol 
auff  jhn  wartet  £sst  aller  weit  Creator, 
Die  sich  in  jhm  vemewren  sol, 
Do  tfaut  sich  aUes  frölich  zeigen  etc. 
18)  Petras  Herp  in    Chron«  dominie.    Fraacof.  ad  a.  ISOO.    Hnaiea 
ampliata  est,  nam  novi  eaatores  suirexere,  et  componistae  et  figorivtae  ince- 
pemnt  alios  modos  assnere. 


83 

Schwerlich  hat  ein  einziges  Lied  von  so  künstlichem  Baue 
und  so  langer  Ausdehnung^  wie  das  Osterlied:  Du  Lenze  gut, 
so  allgemeine  Verbreitung  gefunden. 

In  diese  Zeit  gehört  auch  eine  Tageweise.  So  beliebt  die 
Tageweisen  ")  waren,  so  ist  doch  diese  geistliche,  obschon  gleich- 
zeitig mit  jenem  Liede  Konrads,  gewiss  schwerlich  volksthüm- 
lieh  geworden.  In  36  Strophen  wird  die  Geschichte  der  heiligen 
Familie  besungen,  von  der  Geburt  Christi  bis  zur  Flucht  nach 
Egypten  «®). 

f   Nr.  14. 

Marien  wart  ein  bot  gesant 

von  himelrich  in  kurzer  stunt. 
.  her  Gabriel  was  er  genant, 

er  grfi^te  sie  Ü5  reinem  munt: 

ave  Maria  künegin, 

von  got  soltü  gegrtie^et  sin! 

daj  was  ein  saeliclicher  vunt. 
Auch  eine  andere  Tageweise  hat  sich  wol  keiner  langen 
Lebensdauer  zu  erfreuen  gehabt,  obschon  die  Limburger  Chro- 
nik ihrer  ausdrücklich  gedenkt  ^>).  Sie  ist  noch  viel  künstlicher 
gebaut  als  die  vorige  und  als  Volkslied  viel  äu  lang-»«).  Eine 
einzige  Strophe  mag  genügen,  es  sind  solcher  fünf. 

f  Nr.  15. 
O  starker  got,  al  unser  not 
bevilhe  ich,  hörre,  in  din  gebot: 
Ifij  ims  den  tac  mit  gnaden  überschtnen! 
din  namen  dr!  die  sin  uns  bi, 
hörre,  in  allen  nceten  w6  wir  st, 
des  kriuzes  krei^  ste  uns  vor  allen  ptnen. 
Da^  swert,  dÄ  her  Symeon  von  sprach, 


§.  5.  19)  W.  Wackemagel  Litteraturgesch.  S.  234. 

20)  Heidelberger  Hs.  372  vom  Jahre  1382,  gedmekt  in  v.  d.  Hagon 
Minnesinger  III,  468.  cc.  ff. 

21)  Erste  Ausgabe  bei  Yögelin  1617.  8?  S.  31.  „In  dieser  Zeit  sang 
man  dies  Tagelied  von  der  heiligen  Passion  und  war  neu,  nnd  machte  es  ein 
Ritter:    O  starker  got  u.  s.  w.** 

22)  Zuerst  in  Aufsess  Anzeiger  I,  25—27,  dann  in  Ph.  Wackemagel 
Kirchenlied  Kr.  118  mit  Berichtigungen  das.  S.  864.  Es  steht  in  der  StrajJ- 
burger  Hs.   Joh.  Bibl.  A.  82.  fol.   Blatt  42*. 

6* 


84 

da^  Marien  durch  ir  rein;  herze  stach, 

dd  sin  ansach 

da;  Christus  stfint  versSret, 

da;  std  noch  hiute  in  minre  hant 

zfi  schirm  für  houpthaftiger  sundcn  baut. 

gar  ungeschant 

m!n  l!p  sie,  war  ich  kere. 

Maria,  wünschelgerte 

des  Stammes  von  Jesse, 

Theophilum  emerte 

din  juncfrowelich  6re : 

trit  har  für  unser  schulde, 

hilf  uns  in  gotes  hulde, 

o  mater  gratie! 
So  scheint  auch  ein  anderes  Volkslied  eben  dieser  Zeit  an- 
zugehören ;   die  dreizehnte  Strophe  wurde  noch  im  XVT.  Jahrh. 
als  ein  gemeiner  Laiengesang  am  Himmelfahrtstage  gesungen. 

f  Nr.  16. 
Osterlied. 

1.  E;  giengen  dri  früulin  also  fruo, 

sie  giengen  dem  heiligen  grabe  zuo, 
sie  weiten  den  herren  gesalbet  hän, 
als  Maria  Magdalena  hat  getan. 
Alleluju! 

2.  Die  fröulin  redten  all  gemein: 

wer  welzt  uns  ab  dem  grab  den  stein? 
da;  wir  den  herren  salben, 
an  lib  und  allenthalben. 
Alleluja! 

3.  D6  sie  k&men  ze  dem  grab, 

TOn  salben  brächten  sie  köstlich  gab: 
da;  grap  vunden  sie  offen  stän, 
zwSn  engel  die  wäsen  wol  getan. 
Alleluja! 

4.  Ir  fröulin  ir  solt  erschrecken  nit! 
den  ir  suochet  den  vindet  ir  nit. 
Bchowent  an  da;  wi;e  kleit, 

da;  dem  herren  wart  zuobereit. 
Alleluja! 


85 


5.  Ir  fröulin  solt  nit  abelän, 
ir  solt  gSn  Galilea  gän! 
gdn  Galilea  solt  ir  gän, 

da  wil  er  sich  (ich  schowen  län. 
Alleluja! 

6.  Maria  Magdalena  weit  nit  abelän, 
sie  wolt  den  Herren  suochen  gän, 
wa;  begegnet  ir  in  kurzer  frist? 
was  unser  herre  Jesus  Crist. 

Alleluja ! 

7.  In  aller  wis  un^  aller  baere, 
als  ob  er  ein  gertner  w«ere; 

er  truoc  ein  graben  in  siner  hant, 
als  ob  er  well  büwen  ein  ganze;  lant. 
Alleluja! 

8.  Sage  du  mir  gertner  fin, 

wä  hästü  geladen  den  herren  min? 
sage  mir,  war  hästü  in  getan? 
da;  mir  mtn  herz  an  kummer  müg  stan. 
Alleluja! 

9.  Bald  er  da;  wort  wol  ü^sprach, 
da;  e;  Jesus  waer  den  sie  ersach; 
sie  kniet  nidcr  üf  einen  stein, 

sie  het  got  den  herren  runden  allein. 
Alleluja! 

10.  Maria  Magdalena,  berüer  mich  nit! 
wan  e;  ist  an  der  zit  noch  nit. 
berüer  mich  nit  mit  diner  hant, 

bi;  da;  ich  kom  in  mins  vater  lant. 
Alleluja ! 

11.  Behüete  uns  da;  heilige  crüzc, 
und  aUe  kristenltite! 

bekere  die  valschen  Juden  mit, 
sie  glouben  an  imscm  glouben  nit. 
Alleluja! 

12.  Und  heten  sie  unsem  glouben, 
sie  gloubten  an  imser  frowen 
und  an  unsem  herren  Jesu  Crist, 
der  von  den  Juden  gecrüzet  ist. 

Alleluja! 


86 

13.     Crist  vuor  gen  himel. 
wa;  sant  er  uns  wider? 
dannc  sant  er  uns  den  heiligen  geist. 
got  troest  uns  arme  kristenheit. 
Alleluja! 
Görres,  Altieatsche  Volks*  und  Meisterlieder  aus  den  Handschriften  der 
Heidelberger  Bibliothek  S.  817 — 319.    Aus  welcher  Nummer,  giebt  Mone  An- 
zeiger YII,  886  nicht  an.     Ein  davon  abweichender  Text  (oder  sollte  er  am 
Ende  gar  derselbe  sein!)   bei  Uhland,  Volksl.  Nr.  323   aus  der  Heidelb.  Hs. 
Nr.  109.  Bl.  112.    Bei  Uhland  1,  1.  trew  frewlach  —  1,  3.  herrun  salbun  — 
2,  1.  frewlach  —  3,  2.  ko9tperlieh  gah  —  4,  3.  ward  heraitt  —  5,  4.  will  sieh 
Jesus  seh.   —   6,  2.  suchen  tan   —   6,  4.  wen  unser   —    7,  1.  und  härde  — 
7,  2.  als  ob  er  war   ein  gertner   —   8,  3.  in  gelon   —    9,  1.  ußer  sprach  — 
9,  2.  si  sach  das  es  Jesus  was  —    11 — 13.  fehlen. 

Solehe  volksthümliche  geistliche  Lieder  wurden  wol  selten 
aufgezeichnet^  sie  lebten  im  Munde  des  Volkes  fort  und  wurden 
bei  allerlei  Anlässen,  an  hohen  Festen ,  zur  Fastenzeit  und  an 
beliebten  Heiligentagen  gesungen.  Im  XIV.  Jahrhundert  moch- 
ten sie  auch  dann  wol  mit  weltlichen  Liedern  vermischt  oder 
gar  von  ihnen  verdrängt  worden  sein.  So  nur  erklärt  sich  ein 
polizeiliches  Verbot  des  Singens  aus  dieser  Zeit.  „Freitags  vor 
Invocavit  1389  ward  den  Brauern,  Ackerknechten  und  Dienst- 
mägden das  zu  Weihnachten  und  Fastnachten  gewöhnliche  Sin- 
gen in  den  Häusern  verboten."  «») 

Das  XrV.  Jahrhundert  war  bei  allen  traurigen  Erscheinun- 
gen ini  kirchlichen  und  politischen  Leben  fiir  die  Entwickelung 
des  deutschen  Kirchenliedes  bedeutend  genug.  Zu  dem  in  die- 
sem Jahrhundert  ermittelten  Liederbestande  gehören  nämlich 
noch  die  vielen  Übersetzungen  lateinischer  Hymnen  und  die 
Lieder  der  Mystiker  und  Geißler  j  die  in  den  folgenden  Ab- 
schnitten mitgetheilt  und  besprochen  werden. 

§.  6. 
Lieder  der  Mystiker. 

Während  die  Kirche  jedes  freie  Forschen  in  der  Bibel  ver- 
dammte, jeden  Versuch,  durch  Ubersetzimg  die  Bibel  dem  Volke 
zugänglich  zu  machen  und  die  Landessprache  auch  zum  Qottes- 


§.5.  23)  Aufi  dem  ültcsten  Oschatzcr  Stadtbnche  in  Carl  Samuel  Hoffmann, 
nistorische  Beschreibung-  dnr  Stadt  Oschatz  I,  380. 


87 

dicnste  zu  verwenden  unterdrückte,  während  sie  sich  durch  In- 
quisition und  Ketzergerichte  um  ihr  Ansehn,  durch  Interdiete 
um  ihre  Wirksamkeit  brachte,  entstand  in  ihrem  Schöße  eine 
Richtung,  welche  für  £ntwickelung  des  religiösen  Lebens  und 
der  deutschen  Sprache  und  Litteratur  von  den  größten  Folgen  war. 

Zu  Ausgang  des  XTTT.  Jahrhunderts  ging  in  Deutschland 
aus  Überlieferung  waldensischer  Lehren  eine  neue  Secte  hervor. 
Ihre  Anhänger  nannten  sich  Begharden,  Brüder  des  freien  Gei- 
stes >).  Sie  begnügten  sich  nicht  mit  den  Lehren  der  Kirche 
und  der  von  ihr  vorgeschriebenen  Deutung  und  Anwendung,  sie 
wagten  es,  frei  von  aller  Überlieferung  zu  forschen  und  die  so 
gewonnenen  Ergebnisse  durch  Lehre  und  Leben  kundzuthun  und 
alle  Welt  dafür  zu  gewinnen.  Ihre  Richtungen  und  Bestrebun- 
gen fanden  Anhänger  bei  Laien  und  Pfaffen,  zumal  sie  selbst 
sich  nicht  von  der  Kirche  getrennt  hatten.  Die  Kirche  aber 
verdammte  ihre  Lehren  als  ketzerisch  ').  So  waren  denn  die 
Brüder  des  freien  Geistes  unterdrückt,  die  Nachwirkung  ihrer 
Richtung  lebte  fort. 

In  Beziehung  zu  ihnen  stand  Meister  Eckard  aus  dem  Orden 
der  Dominicaner.  Er  lebte  meist  in  Straßburg  und  zuletzt  in 
Köln.  Im  Jahre  1324  wurde  er,  damals  Prior  in  Frankfurt  a.M., 
auf  Befehl  des  Dominicanergenerals  zur  Untersuchung  gezogen, 
dann  1327  in  Köln  von  dem  dortigen  Erzbischof.  Er  appellierte 
an  den  Papst.  Im  Jahre  1329  erschien  jedoch,  als  er  schon 
todt  war,  die  Verdammungsbulle  Johannes  XXII.  *) 

Trotz  der  päpstlichen  Verdammung  lebte  Eckard  in  seinen 
Schülern  und  Anhängern  fort  *),  und  so  wurde  er  denn  der 
Vater  der  deutschen  Mystik  •),  der  Schöpfer  des  deutschen  phi- 
losophischen Ausdrucks  und  einer  der  bedeutendsten  Vorläufer 
der  Reformation. 


§.6.  1)  Sie  heißen  auch  die  freien  Geister,  die  hohen  Geister,  die  neuen 
Geister,  Brüder  des  hohen  Geistes,  Brüder  des  nenen  Geistes.  Carl  Schmidt, 
Joh.  Tanler  S.  140.  —  2)  Ch.  U.  Hahn,  Geschichte  der  Ketzer  im  Mittelalter 
II,  472  ff.  ^  8)  Gieseler,  Kirehengesch.  4.  Anfl.  II,  3,  247.  —  4)  Viele 
Namen  mit  Nachweis  ihrer  Schriften  bei  W.  Wackemagel  Litteratnrgesch. 
8.  833.  Anm.  22.  —  6)  Carl  Schmidt  in  den  Theol.  Stadien  nnd  Kritiken  1839. 
668  ff.  H.  Martensen,  Meister  Eckart.  Hamb.  1842.  —  tTUmann,  Das  Wesen 
des  Christenthoms  nnd  die  Mystik,  in  den  Theologischen  Studien  und  Kritiken, 
Jahrg.  1852.  S.  635— 612  fasst  den  Begriff  der  Mystik  also  (S.  569):  „Mystik 
gans  allgemein  ist  die  Richtung  im  christlichen  Leben  nnd  in  der  Theo- 


88_ 

Bald  nachher  bildete  sich  der  Bund  der  Gottesfireunde  •). 
An  Beiner  Spitze  stand  lange  Zeit  Nieolaus  von  Basels);  mit 
ihm  wirkte  Rudolf  Meerschwein  »).  Ihnen  schlössen  sich  an 
die  Dominicaner  Johannes  Taulcr  »)  von  Straßburg,  Heinrich 
der  Seuse  (mit  seinem  Geheimnamen  Amandus)  i<>),  Nicolaus 
von  Straßburg"),  femer  noch  andere  Geistliche:  der  Verfasser 
der  deutschen  Theologie  >»),  Otto  von  Passau"),  zu  denen  auch 
Heinrich  Ruysbroek'*)  gehört.  Allen  diesen  Männern  genügte 
die  Kirche  in  ihrer  damaligen  Beschaffenheit  als  Heils-  und  Lehr- 
anstalt durchaus  nicht.  Im  Schöße  der  Kirche  selbst  wollten 
sie  für  die  Kirche,  im  Volke  für  das  Volk  wirken;  statt  der 
Kirchensprache  bedienten  sie  sich  der  Volkssprache:  ihre  Pre- 
digten, Gebete,  geistlichen  Übungen  waren  deutsch,  deutsch 
waren  ihre  erbaulichen  und  mystischen  Schriften  '*). 

Vor  allen  wirkte  im  Sinne  der  Gottesfreunde  Johannes  Tau- 
ler.   Die  Lehren  des  Meisters  Eckard  '•),  denen  er  seine  reli- 

logie,  welche  dem  falschen  Objectivismus  gegenüber  die  gesunde  Sabjectivität, 
dem  Intellectunlismas  und  Nomismns,  dem  Satzungs-  und  Buchstabenwesen 
gegenüber  die  Bedürfnisse  des  Gemüthes,  die  Kothwendigkeit  der  Erfahrung  und 
des  Selbsterlebens  vertritt,  überhaupt  aber  diejenigen  tieferen  Bestandtheile  des 
Christenthums  anerkennend  pflegt,  die  nicht  vollkommen  in  den  Begriff  aufgehen 
und  für  alle  Stufen  der  Erkenntniss  einen  Zug  des  GeheimuissvoUen  behalten.^ 
§.  5.  6)  Carl  Schmidt  Tauler  S.  163  ff.  —  7)  W.  Wackeruagel,  Die  Gottes- 
freunde in  Basel:  Beiträge  zur  vaterl.  Geschichte  von  der  histor.  Gesellschaft 
zu  Basel  II,  111  ff.  Carl  Schmidt  Tanler  S.  191  ff.  —  8)  Bälman  Merswin, 
geb.  zu  Straßburg  1308,  f  daselbst  1382.  Carl  Schmidt  in  Illgen's  Zeitschrift 
IX,  2,  61—66.  —  9)  geb.  zu  Straßburg  1290,  f  daselbst  1361.  Carl  Schmidt, 
Johannes  Tauler.  Hamb.  1841.  —  10)  Heinrich  Susos  Leben  und  Schriften  von 
Diepenbrock.  Regensburg  1829.  Weyermann,  Nachrichten  von  Gelehrten  aus 
Ulm  S.  499—508.  Suso  war  geb.  1295  und  storb  zu  Ulm  1365.  —  11)  Seine 
Predigt^en  in  Franz  Pfeiffer,    Die   deutschen  Mystiker  I.  Bd.  Leipz.  1845.  — 

12)  Erste  Aasgabe  von  Luther  1516,  letzte  von  Franz  Pfeiffer:  Theologia 
deutsch.   Stuttgart  1851.   nach  der  einzigen  noch  vorhandenen  Handschrift. — 

13)  Vf.  der  24  Alten  v.  J.  1886,  —  14)  f  1381.  Obschon  ein  NiederlÄnder, 
so  st^md  er  doch  mit  Deutschland  in  Beziehung!  seine  Schriften  wurden  dorcb 
ihn  selbst  im  Oberlande  bekannt,  s.  Engelhardt,  Richard  von  St.  Victor  und 
Johannes  Ruysbroek  (Erlangen  1838)  S.  345.  —  15)  Vgl.  was  Nicolaus  von 
Basel  1856  an  Job.  Tauler  schreibt,  C.  Schmidt  S.  281,  dieselbe  Stelle  bei 
Gieseler  Kirchengesch.  4.  Aufl.  II,  3,  251.  W.  Wackemagel  Litteratorgesch. 
S.  334.  Anm.  27.  —  16)  Eckards  Lehren  nach  Gieseler  Kircheng.  4.  Aufl. 
II,  3,  245 :    „Gott  ist  ihm  das  einzige  Wesen,  das  ewige  GebÜren  des  Sohnes 


80 

giöse  Richtung  verdankte,  hatten  ihn  nicht  dem  Leben  entfrem- 
det; seine  Mystik  war  eine  practische,  er  lehrte  sie  als  Prediger 
und  übte  sie  im  Leben.  Der  Inbegriff  aller  Tugenden  ist  bei 
ihm  die  Liebe  *').  «Diese  bezieht  sich  zunächst  auf  Gott.  Da 
Gott  die  Liebe  ist,  so  ist  die  Liebe  das  Höchste,  und  in  der 
Vereinung  mit  Gott  wird  der  Mensch  eine  Liebe  mit  ihm,  in 
welcher  er  dann  alle  Dinge  und  alle  Menschen  gleich  liebt.  Li 
der  Liebe  geht  alles  andere  auf;  bei  dem  Menschen  ist  sie  nichts 
anders  als  völliges  Verläugnen  seiner  Selbst,  um  sich  nur  dem 
Geliebten  hinzugeben,  so  dass  sie  einem  Feuer  gleicht,  welches 
alles  Eigne,  Persönliche,  Unvollkommene  an  dem  Menschen  ver- 
zehrt. Sie  ist  daher  sowol  ein  Mittel  um  zur  Vereinung  mit 
Gott  zu  gelangen,  als  auch  das  sicherste  Zeichen,  dass  man 
dieselbe  erreicht  hat.  Sie  ist  höher  und  edler  als  alle  Erkennt- 
niss ;  sie  bedarf  keiner  subtilen  Unterschiede,  sondern  nur  eines 
einfachen,  lautem  Glaubens,  und  während  die  Vemimft  die  Tie- 
fen der  göttlichen  Natur  vergebens  zu  begreifen  strebt,  so  ver- 
süenkt  sich  die  Liebe  unmittelbar  in  dieselben.«  ") 

Diese  Lehre  von  der  Liebe  war  es  hauptsächlich,  die  überall 
großen  Anklang  fand,  besonders  in  der  Nonnenwelt.  Die  welt- 
liche Liebe  verwandelte  sich  in  eine  geistliche.  Abgeschieden 
von  der  Welt  und  erstorben  ihren  Freuden  suchte  das  sehnsüch- 
tige Gemüth  der  Nonnen  in  der  stillen  Zelle  des  einsamen  Klo- 


ist  die  Hervorbringong  der  wesenhaften  Ideen :  diese  sind  das  Göttliche,  was 
in  allen  Creatoren  ist,  alles  Endliche  ist  nnr  Schein.  Das  Göttliche  in  der 
Seele  soll  sich  nach  Christi  Vorbilde  von  dem  Endlichen  scheiden,  um  durch 
Anschauung  Gottes  Sohn  Gottes  zn  werden  wie  Christus.'*  Vgl.  damit  die 
Darstellung  der  Eckardschen  Lehren  bei  Gervinus,  Geschichte  der  deutschen 
Dichtung  4.  Ausg.  II,  117—120.  in  Auszügen  aus  zwei  Handschriften. 
§.  6.  17)  C.  Schmidt  Tauler  S.  143. 

18)  Tauler  in  einer  Predigt  auf  den  22.  Sonntag  nach  Trinit.  (bei 
Schmidt  S.  146) :  Da;;  edelste  und  da^  wunnenclicbeste,  dft  man  abc  gespre- 
chen  mac,  da^  ist  minne;  man  enmac  niut  nüzers  gel6ren.  Got  enheischct 
niht  gro:;e  yemunft  noch  tiefe  sinne  noch  grö^e  ücbunge,  allcine  man  gute 
iiebungcn  niemer  ensülle  verU^^en,  doch  allen  üebungen  git  minne  ir  würdikeit. 
Got  heischet  alleine  minne,  wanne  sie  ist  ein  bant  aller  vollckomenheit,  n&ch 
sant  Paulus  Idre.  Gro^e  vemimft  und  behendekeit,  diz  ist  gemeine  den  hol- 
den, den  Juden;  grö^^e  werc  sint  gemeine  dem  gerechten  und  dem  ungerech- 
ten; die  minne  ist  alleine  teilende  den  valschen  tou  dem  guten,  wanne  got 
ist  die  minne,  und  die  in  der  minne  wonent,  die  wonent  in  gote  und  got 
wonet  in  in.     Und  dAron,  vor  allen  künsten  Idrent  die  wÄre  minne! 


90 

Biers  Ersatz  und  fand  ihn  in  der  höheren  Liebe.  Ihr  Bräutigam 
wurde  Christus,  das  Ziel  der  minnenden  Seele  war  Christus, 
der  schon  hienieden  seiner  Braut  die  Wonne  des  himmlischen 
Jerusalems  >•)  erschloss,  die  allen  gläubigen  reinen  Seelen  erst 
dort  zu  Theil  wird. 

Diese  Liebe,  genährt  durch  das  Lesen  mystischer  Schriften 
und  den  Verkehr  mit  Mystikern  ■•),  ergoss  sich  dann  in  Lieder. 

Solcher  Lieder  wurden  gewiss  viele  von  Nonnen  gedichtet 
und  gesungen.  Sie  wurden  in  den  Frauenklöstem  durch  Auf- 
zeichnungen erhalten  und  fanden  von  dort  aus  wieder  ihre  Ver- 
breitung. An  einigen  noch  vorhandenen  Liedern  ist  es  ersicht- 
lich, dass  sie  von  Frauen  gedichtet  sind;  zu  einigen  wurden 
weltliche  Weisen  benutzt,  andere  sind  nur  Umdichtungen  welt- 
licher Texte  (s.  §.  10). 

Den  Nonnen,  welche  täglich  lateinisch  beten  und  singen 
mussten,  ohne  nur  etwas  zu  verstehen,  war  es  ein  Bedürfoiss, 
sich  durch  deutsche  Bücher  und  Lieder  zu  erbauen  und  zu  be- 
lehren. Darum  dichteten  denn  auch  wol  Mönche  und  Weltgeist- 
liche für  die  frommen  Frauengemüther:  von  Bruder  Heinrich, 
dem  Prior  des  Predigerordens  zu  Basel,  wird  dies  ausdrücklich 
bemerkt  ")  und  von  dem  späteren  Heinrich  von  Laufenberg 
(1415 — 1458)  ist  es  allem  Anscheine  nach  auch  geschehen. 

Die  mystische  Liederpoesie  währte  bis  in  die  Mitte  des 
XV.  Jahrhunderts  und  wol  noch  darüber  hinaus.  Auffallend, 
dass  sie  auf  das  Kirchenlied  weniger  einwirkte  als  sich  erwar- 
ten ließ:  es  erhielt  sich  wol  mancher  Nachklang,  in  den  Ge- 
sangbüchern jedoch  nur  ein  einziges  Lied:  Wer  sich  des  Malens 
wolle. 


§.  G.  19)  Spieg^el  der  Seele,  PgHs.  des  13.  Jahrh.  aus  St.  Georgen  in  Karls- 
ruhe (Mone  Anzeiger  1835.  Sp.  366):  Wir  mngin  uns  vröwen  üf  die  hein- 
▼art,  wan  wir  varin  il;  dem  eilende  dirre  zerganclichun  weite  in  die  vater- 
heimi.  E:^  sprichit  ein  wissage:  ir  sunt  yarin  als  ein  brüt  ze  heinleiti:  so 
man  eine  brüt  hoinleitet,  sd  sieht  man  den  sumber  vor  ir  unde  gtgot  unde 
sweglot  unde  vidlot  engegin  ir  unde  mit  mangirhande  seitspil  enphfthet  man 
sie.     also  sun  'wir  enphangin  werdin  zer  himilischun  lerusalem! 

20)  W.  Wackeraagel  Litteratui^esch.  S.  333.  Anm.  23. 

21)  In  den  Anhängen  des  Chronicon  Colmariense  1218 — 1303.  (Böh- 
mer Fontes  II.  Bd.  S.  XII.):  Frater  Hoinricus  prior  Basiliensis  ordinis  fra- 
tram  Prcdicatorum  fecit  rithmos  Thentonicos  bonis  mulierculis  ac  derotis. 


91 

f  Nr.  17. 

1.  Jesu  dulcis  memoria, 
dans  Vera  eordis  gaudia. 

dulcis  JesUy  pie  Jesu,  bone  Jesu. 

2.  Her  Jesu  g&t  in  paradis, 

er  gtt  den  kiuschen  liuten  pris. 
Büejer  Jesu,  mUter  Jesu,  gfiter  Jesu. 

3.  Her  Jesu  in  der  kripfen  lit, 
nü  wfieres  jubeliemde  zit. 

8üea;er  Jesu,  milter  Jesu,  gfiter  Jesu. 

4.  Hern  Jesu  ist  n&ch  minnen  w6, 
er  gert  der  kiuscKen  briute  m6. 
süe^er  Jesu,  milter  Jesu,  gfiter  Jesu. 

5.  H^  Jesu  klopfet  amme  tor, 

er  gert  der  kiuschen  briute  kor. 
süejer  Jesu,  milter  Jesu,  guter  Jesu, 

6.  Her  Jesus  machet  fröuden  vil, 
er  ist  der  s61n  ein  seitenspil. 
sües^er  Jesu,  milter  Jesu,  gfiter  Jesu. 

PgHs.  der  Basler  Unir.-Bibl.  B.  XI.  8.  aus  dem  XIV.  Jahrb.,  urkundlich 
Altd.  Blätter  2,  124.  126.  —  Hs.  8,  2.  werea. 

f  Nr.  18. 

Crist,  dtnes  geistes  süe;ekeit 

gip  mir  gereit 

durch  willen  diner  mfiter, 

dtn  gewalt  ist  hie  üf  erden  breit: 

des  si  geseit 

dir  lop,  vil  h§rre  gfiter. 

hilf  mir  durch  diner  namen  dri, 

da;  ich  hie  niht  vervalle, 
der  kranken  weite  unstseticheit 
diu  bringet  leit 
alsam  ein  biter  galle. 

Nu  sule  wir  alle 

gar  mit  schalle 

loben  den  vil  suchen  Crist, 


92 

da:^  der  gfite 

mit  Binem  bl&to 

uns  ze  helfe  komen  ist. 

PgHs.  der  Basler  Uniy.-Bibl.  B.  XI.  8.  aus  dem  XIV.  Jahrh.,  urkundlich 
in  Wackemagels  Leseb.  I.  Th.   2.  A.  Sp.  895.  •—   Hs.  11.  als  amme, 

f  Nr.  19. 

1.  Crist,  dines  geistcs  süea^ekeit 
machet  die  s^le  vil  gemeit, 
ir  wirt  alliu  fröude  breit, 
der  weite  leit 

hat  bi  ir  keine  quäle  niht, 
swa^  ieman  seit. 

2.  Jesus  minne  die  sint  gut, 

si  gent  der  sele  hohen  nifit,  ^ 
und  dar  zu  sin  reines^  blut 
daj  durch  in  wut. 
des  si  lop  der  minnen  kraft, 
diu  e;  alle;  t&t. 
Ebendaher  v.  d.  Hag-en'»  Minnes.  3,  468  «c. 

f   Nr.  20. 

1.  An  Jesum  gedenken  ist  süo^okoit, 
diu  sele  da  von  wirt  gcmeit, 

so  an  ir  der  blic 
nint  gar  den  sie 
von  der  minnen  stric. 

2.  Der  lip  der  wirt  betoeret  gar, 
swenne  diu  s61e  reichet  dar 
da  der  heiligen  schar 

ist  in  vi'öuden  gar 
mit  maniger  par. 
PgHs.  der  Basler  Univ.-Bibl.  B.  XL  8.  aus  dem  XIV.  Jahrb.,  urkundlich 
Altd.  Blätter  2,  125. 

f   Nr.   21. 

1.    Wer  hilft  mir,  da;  ich  den  begrife, 
nach  dem  min  herze  sich  versent, 
da;  er  mir  nimmer  me  entwiche? 


ich  h4n  sin  leider  nit  gewent, 
da;  ich  in  nit  behalten  hän. 
wie  dik  er  sich  mim  herzen  erbintet, 
iedoch  trlb  ich  in  als  hin  dan.- 

Wer  die  wärheit  welle  minnen, 

der  volge  Jesu  Christi  löre, 

so  wirt  er  des  vrides  innen. 

2.  Jesus,  din  vil  süe^iu  minne 

diu  hat  verwunt  da;  herze  min. 
nach  dir  florierent  all  min  sinne, 
da;  herze  min  nim  z&  dir  hin, 
und  ziuh  mich  ü;  min  selbes  grünt! 
wenn  sich  da  geist  mit  geist  vereinet, 
allSrst  ist  mir  diu  friuntschafl  kunt. 

Wer  die  wärheit  welle  minnen, 

der  volge  Jesu  Christi  lere, 

so  wirt  er  des  vrides  ionen. 

3.  Jesus,  ist  din  minne  iht  süe;e, 
die  1&;  du,  herre,  wi;;en  mich, 
da;  ich  ir  noch  enpfinden  müe;e, 
sd  kan  ich,  schepfer,  loben  dich, 
du  bist  ein  gnidenriche;  va;: 

wem  du  dich,  herre,  selber  schenkest, 
wie  künd  dem  immer  werden  ba;? 

Wer  die  wärheit  welle  minnen, 

der  volge  Jesu  Christi  16re, 

sd  wirt  er  des  vrides  innen. 

4.  y^Dü  sümest  dich  ein  teil  ze  lange, 
des  wirst  du  selber  wol  gewar, 
nü  kum  her  zu  der  engel  gesange 
und  zA  der  reinen  meide  schar! 
wenn  mich  diu  s81e  d&  ersiht, 

wie  klär  ich  bin  in  drfveltigem  (?)  schine, 
sd  sümet  si  sich  lenger  niht« 

Wer  die  wärheit  welle  minnen, 
der  volge  Jesu  Christi  löre, 
sd  wirt  er  des  vrides  innen. 
Mfincliener  PpHs.  Cod.  germ.  717.  vom  Jalure  1347.  bei  Wckn.  Nr.  116. 
Hfl.   2,  6.   selber»   —   2,  7.   aUerent  —   4,    1.   »ämest  —  4,  3.  dv  kum  — 
4,  4.  mctede  schar  —  4,  7.  sdmet. 


94 

f  Nro.  22. 

1.  Weine  herze,  weinent  ougen, 
weinest  bifites  trehene  röt, 
weinent  offenbar  und  tougen, 
weinent  vil,  es  tSt  iu  not. 
wände  ich  h&n  min  liep  verlorn 
da;  mir  was  vor  alme  liebe 

har  an  dise  weit  erkom. 

2.  Ich  gän  umbe  alsam  ein  weise 
und  s&che  mines  herzen  trdst, 
der  mich  von  der  helle  freise 
an  dem  kriuze  hat  erlöst. 

nu  en  wei;  ich  war  ich  kören  sol 
dA  ich  vinde  den  herzelieben, 
nach  deme  ich  bin  leides  vol. 

3.  Ich  was  liebes  wol  geweide 
dd  ich  stner  minnen  pflac. 
nü  gftn  ich  in  herzeleide, 
Sit  da^  ich  mich  sin  verwac. 
owÄ  reine  süe^ekeit! 

Jesu  Kep,  1&  mich  dich  vinden, 
so  wirt  noch  min  fröude  breit. 
PgHB.  der  Basler  TJniv.-Biblioihek  B.  XI.  8.  aas  dem  XIV.  Jahrhundert, 
urkundlich  in  W.  Wackemagers  Leseb.  1.  Th.  2.  A.  Sp.  894.  —  1,  1.  wene 
(n.  so  immer  für  et)  —  1,  4.  vch  no<  —  1,  7.  A«r  an  an  —  2,  1,  alae  am 
ein  —  2,  2.  svoze  —  2,  4.  crvce  —  8,  8.  inherzeme  lei  —  8,  7.  freide. 

f  Nr.  23. 

1.    Freu  dich,  tochter  von  Syon! 
schoene  botschaft  chumet  dir: 
du  solt  singen  suchen  dön 
wol  n&ch  dines  herzen  gir; 
du  bist  worden  gotes  schrin, 
davon  soM  frcelich  sin 
imd  solt  nicht  liden  herzenpin. 

Ina  ju  ju  ju  jubilieren, 

meditieren; 

ju  ju  ju  ju  jubilieren, 

contempUeren ; 


ju  ju  ju  jubilieren, 

ju  ju  ju  jubilieren, 

speculieren ; 

ju  ju  ju  jubilieren, 

concordieren. 

2.    Meditieren  da;  ist  gut, 

swer  an  got  gedenehen  wil. 
jubilieren  wunder  tat 
und  ist  der  sei  ein  seitenspil,   . 
speculieren  da;  ist  glänz, 
contemplieren  git  den  chranz, 
concordieren  leit  den  tanz. 
Ima  ju  ju  jubilieren, 
concordiem  ist  jubiliem 
von  dem  süe;en  contempliem. 
PgBlatt  in  Eloster-Nenbnrg,  nach  meiner  Bfittheünng  zuerst  in  W.  Wacker- 
nagers  Leaebuch  1.  Th.  2.  A.  Sp.  896. 

f  Nr.  24. 

1.  Ich  wil  järlanc  nimme  sunden, 
sprach  ein  frouwelin  gemeit. 
ich  habe  einen  harren  funden, 
von  des  Idne  ist  mir  geseit. 
juncfroulin,  mit  die  sundo  gerne! 

der  von  riehen  landen  gibt: 

swer  die  sunde  niht  wil  mlden, 

der  kome  in  sin  rtche  niht. 

2.  Ist  e;  der  von  riehen  landen 
der  die  sunde  vergeben  mac, 
alsd  tfit  er  mir  noch  hiure^ 
er  nint  mir  al  min  ungemach. 
8W&  die  wtsen  engele  fliegent 

nnde  werbent  lunbe  mich, 
und  d&  man  reine  megede  kroßnet, 
sehent!  dft  wil  er  trotten  mich. 

3.  War  ftür  hAnt  ir  die  gewiime 
d&  man  got  ze  Idne  gtt? 

dar  nAch  stAnden  mir  ie  die  sinne, 
dft  man  solicher  loBne  pfltt. 


_  96 

ich  trftwe  wol  da^  mich  min  herre 

niemer  mö  verderben  lät.  — 
alsus  f&r  diu  magct  ze  kloster 
froelich  äne  ir  m&ter  rät. 
PgHs.   der  Basler   Univ.-Bibl.   XI.   8.  aus    dem  XIY.  Jahrhundert,   ur- 
kundUch  Altd.   Blätter  2,  126.   und  W.  Wackemagers  Leseb.    1.  Th.  2.  A. 
Sp.   894.   (auch    bei   Uhland   Volkslieder  Nr.    326.)    1,1.  iorlvnc   nvme   — 
2,  4.  alle:^  —  2,  6.  so  die  —  (v.  d.  Hagren  liest  hier:  So  die  toisen  enge  vlie- 
gent  — ?)    2,  7.  crünet   —   2,  8.  trüsten   —  3,  4.  phliget  —  3,  7.  assus  — 
mage  —  3,  8.  freUch.    Kach  W.  Wckn.  Umdichtung  eines  weltlichen  Liedes. 

f  Nr.  25- 

Got  der  ist  so  wimneclich: 

80  wer  in  liebt  der  ist  freudenrich, 

der  fint  in  zallen  stunden. 

1.  Ö  edel  sele,  halt  dich  fri, 
bezwinc  din  üjer  sinne^ 

und  nim  din  selbs  mit  Qj^e  war, 
wa^  dir  allermeist  si  inne 
da;  tribe  ü;  mit  aller  macht, 
als  liep  als  dir  din  got  ie  wart, 
ob  du  in  begerst  befinden. 

Got  der  ist  so  wunneclich; 

so  wer  in  liebt  der  ist  freudenrich, 

der  fint  in  zallen  stunden. 

2.  O  edel  sSle,  won  in  dir 
und  halt  dich  &t  mit  fli^e, 

wan  friheit  ist  so  tiur  ein  schaz, 
sie  macht  den  geist  s6  riebe, 
sd  wer  den  schaz  nü  sol  erheben, 
mfi;  fremder  minnen  urloup  geben, 
so  mac  im  wol  gelingen. 

Got  der  ist  so  wimneclich: 

so  wer  in  liebt  der  ist  freudenrich, 

der  fint  in  zallen  stimden. 

3.  Gotes  minne  die  ist  so  zart, 
sie  l&t  sich  den  niht  finden, 
den  fremde  minne  bese^^jen  h&t, 
der  gewint  ir  nimmer  künde. 


97- 

got  wil  die  sSl  alleine  hän, 

der  wil  er  euch  sich  selber  g^n, 

da;  sie  in  sol  befinden. 

Got  der  ist  so  wunneelich: 

s6  wer  in  liebt  der  ist  freudenricli, 

der  fint  in  zallen  stunden. 

4.  Eia,  kört  iuch  in  den  spigel  klär 
und  seht  wie  er  iuch  meinet ! 

da  solt  ir  finden  offenbar, 

wie  ir  im  sit  vereinet. 

ach  senkt  iuch  in  den  tiefen  grünt 

des  tages  mS  dan  tüsent  stunt, 

sd  wirt  iu  siner  künde. 

Got  der  ist  so  wunneelich : 

sd  wer  in  liebt  der  ist  freudenricli, 

der  fint  in  zallen  stunden. 

5.  So  wer  den  spigel  die  ansiht, 
der  fint  da  herzen  wünne 

und  wirt  euch  menger  sorgen  quit, 

da  gebirt  sich  wäre  minne. 

die  wunneelich  drifelticheit 

die  liuhtet  in  der  inw^endikeit 

und  senkt  sich  in  z&  gründe. 
Got  der  ist  so  wunneelich: 
so  wer  in  liebt  der  ist  freudenrich, 
der  fint  in  zallen  stunden. 

6.  Der  grünt  der  da  ist  namelös 
und  ist  euch  blö;  von  bilden. 
d&  wirt  der  geist  ouch  formelos, 
ob  in  der  gotheit  wilde. 

och  der  minnecliche  blic, 
da  wirt  der  geist  sd  inne  gestict, 
da;  er  sin  selb  gSt  imden. 
Got  der  ist  sd  wunneelich: 
so  wer  in  liebt  der  ist  freudenrich, 
der  fint  in  zallen  stunden.    Amen. 
Tanlers  Werke,  Kola  1543.  fol.   Blatt  CCCXXXI.   mit  der  Überschrift: 
üyn  eantilene  der  seien,  die  von  lieben  gemmi  tat.     Schwerlich  von  Tanler, 
aber  gewiss  aus  seiner  Zeit.    Der  Text  ist  sehr  yerdorben;  ich  habe  versncht, 
ihn  lesbar  in  machen;  am  aber  Jedem  das  Vergnügen  zu  lassen,  sich  selbst  ^ 

7 


98 

einen  besseren  Text  hersnstellen,  fiige  ich  die  Lesarten  des  Kölner  Druckes 
bei :  2,  3.  thewr  Bchwiz  —  2,  6.  9chaiz  toi  befinden  —  2,  7.  eo  mag  er$  wol 
erlifngen  —  8,  2.  dem  —  3,  3.  dem  —  6»  4.  mir  onTerständlich,  ob  vielleicht: 
oh  ein  die  gotheit  melde,  wenn  die  Qottheit  für  ihn  wttre? 

Die  Texte  der  vier  anderen  Lieder,  die  auch  dem  Tauler  zugeschrieben 
werden,  wol  nur  weil  sie  Taulera  Werken  beigedruckt  sind,  sind  noch  ver- 
dorbener; es  genügt,  dass  sie  bei  Wckn.  Nr.  72t.  725.  726.  728  abgedruckt 
sind. 

f  Nr.  26. 

1.  Es  stot  ein  lind  in  liimelrich, 
do  blüejent  alle  cste, 

ganc  Jesu  nach! 
do  schrient  alle  engel  glich, 
daß  Jesus  si  der  beste. 

2.  Es  kam  ein  bot  von  himel  fin 
har  uf  dise  erden, 

denk  Jesu  nach! 
er  gienc  z&  bsehlossen  türen  in 
und  graste  die  vil  werden. 

3.  Grüeßet  siest,  Maria, 

ein  krön  ob  allen  wiben! 

denk  Jesu  nach! 
du  solt  ein  kint  geboren  ja 
und  solt  doch  magt  beliben. 

4.  Wie  kan  ich  gbem  ein  kindelin 
und  sin  ein  magct  lise? 

denk  Jesu  nach! 
nie  maus  begert  das  herze  min  — 
des  soltu  mich  bewisen! 

5.  Des  wil  ich  dich  bewisen  wol, 
du  edle  küniginne! 

denk  Jesu  nach! 
der  heilig  geiste  kernen  sol, 
der  mag  das  wol  volbringen. 

G.     Gabriel,  ker  wider  hin 
z&  der  himelporten, 

denk  Jesu  nach! 
ich  bin  ein  diem  des  herren  min, 
mir  gscheh  nach  dinen  werten! 


99 

7.  Gabriel  kam  wider  in, 
er  seit  gar  gftte  märe, 

denk  Jesu  nach! 
daß  Maria,  maget  fin, 
gotes  mftter  wäre. 

8.  Qabriel  kam  wider  ab 

und  bhfits  vor  allem  schmerzen, 

denk  Jesu  nach! 
Maria,  die  vil  reine  magt, 
trag  got  in  ihrem  herzen. 

Unter  den  Liedern  Heinrichs  von  Laufenberg  in  der  Straßb.  Hb.  B.  121, 
XV.  Jahrh.  Wackemagel  Nr.  771.  Uhland  Volksl.  Nr.  336.  Hs.  4,  4.  nie 
anders, 

f  Nr.  27. 

1.  Jesus,  du  süeßer  name, 
götlicher  minne  flamme, 
du  gnadenricher  stamme, 
du  ganzer  himelhort, 

du  honig  übr  alle  süeßc, 
von  herzen  ich  dich  grüeße, 
min  sei  dich  minnen  müeße, 
du  veterliches  wort! 

2.  Jesus,  mins  herzen  wunnc, 
du  säldenriohe  sunne, 
mins  herzen  küeler  brunne, 
du  edel  gilge  wiß, 

des  lustes  meiengarte, 
des  Tcldes  blume  zarte, 
din  smac  mich  wol  emarto, 
der  fr6iden  paradis! 

3.  Jesus,  der  engel  froide, 
der  himel  ougenweide, 
der  megde  tugentkleide, 
der  reinen  herzen  Ion, 
der  seien  ganzes  leben, 
ein  trüb  der  ciperreben, 
min  herz  sei  an  dir  kleben, 
du  bist  der  eren  krön! 

7* 


100 

4.  Jesus,  du  edler  frie, 
min  wundenarzenie, 

ein  harpf  der  hierarchie, 
der  engel  lopgesanc, 
du  aller  stemen  glaste, 
du  reiner  seien  raste, 
du  aller  richeit  käste, 
du  ewigs  Hechtes  tranc! 

5.  Jesus,  der  seien  bfile, 

der  müeden  rfiw  und  stfile, 
der  waren  wißheit  schäle, 
der  künsten  meister  rieh, 
du  höchstes  jubilieren, 
fr6id  über  alles  hofieren, 
den  weg  rfich  uns  zu  füeren, 
daß  wir  ouch  finden  dich! 

6.  Jesus,  ein  kintli  kleine, 
der  maget  xnfiter  reine, 
des  vaters  wort  alleine 
zft  Bethlehem  bekant! 
füer  uns  hin  über  mere 
mit  diner  waren  lere 
durch  diner  mfiter  ere 
hoch  in  der  engel  laut! 

Pftdlinger  Hs.  zu  Stattgart,  XY.  Jahrh.  (bei  Wckn.  Nr.  737)  mit  der 
Übenchrifk:  Mn  Ued  von  dem  Nüven  Jor  vnd  namen  JheauB,  Hs.  2,  7. 
gumach  —  8,  7.  dm  weng, 

f  Nr.  28. 

1.  Wol  ufy  gon  Bethlehem  behend 
mit  herze,  mflt  und  sinnen! 

da  finden  wir  alles  dajs  wir  went: 
wol  uf,  wol  uf  von  hinnen! 
das  weizenkom  ist  kusch  gebom. 
Jesus  den  sönt  ir  minnen! 

2.  Wilkomen,  edler  gilge  wiß, 
von  rosen  one  dorne! 

du  kunst  US  hohem  paradis 
von  einer  magt  gebome. 


101 

din  smac  ist  sueß,  daß  ich  dich  grueß^ 
von  ewikeit  erkorne! 

3.    Woffa^  min  sei,  bis  fröidenrich! 
got  ist  geborn  ein  kinde! 
sing  lop  und  er  nu  ewiclich! 
din  br&der  und  din  fründe, 
der  het  in  sich  gekleidet  dich 
für  alle  unser  sünde. 

Pftillinger  Hs.  zu  Stattgart,  XV.  Jahrb.    (bei  Wckn.  Nr.  733)   mit  der 
Überschrift:  Em  mnaelU  Lied. 

f  Nr.  29. 

1.  Aus  gotes  herzen  ein  wort  entsprang, 
es  was  und  ist  on  anefang, 

was  uns  fremd  und  unbekant, 
bis  in  sein  liebi  zu  uns  zwang. 

2.  Sein  leip  ist  worden  ein  gesegnet  brot, 
der  Weisheit  schrein,  des  vaters  hört, 
der  engel  brot  in  hungers  not, 

das  ewig  leben  trat  in  den  tot. 

3.  Da  kam  er  in  der  engel  schar, 
durch  uns  wart  er  vernichtet  gar, 
er  was  der  weit  gar  unerkant 
und  ist  ein  fürst  über  alle  lant. 

4.  Tochter  von  Syon  trit  herjFür, 

dein  herr  klopft  an,  schleuß  uf  die  tür, 
daß  er  nit  gang  hin  für  baß, 
er  ist  von  roten  rosen  naß. 

5.  Jesus  du  bisi  ein  ziperwein 
und  ich  dein  irdisch  häfelein. 

die  weil  du  schenkst,  so  muß  ich  leben, 
wol  uf,  herzl  wann  du  mußt  streben! 

6.  Balsamwein,  gemischter  wein, 
musgat  sol  dein  bettlin  sein, 
mein  inner  sein  bereit  ich  dir: 
kum  herzeliep  und  nie  bei  mir! 


102 

7.    Jesus  du  bist  ein  edler  künig, 

zu  wem  du  kumst^  du  kumst  nit  einig: 
mit  dir  so  bringst  du  gnaden  vil, 
wer  sich  mit  dir  vereinigen  wil. 
Am  Scblutfse  einer  Ha.  yom  J.  1474  in  der  ehemaligen  Brentanoschen 
Bibliothek«     7,  4.  besser  wol:  vereinen, 

f  Nr.  30. 

1.  Ein  bliim  stet  auf  der  beiden, 
CS  mag  wol  Jesus  sin, 
darumb  trag  ich  groß  leiden, 
daß  ich  nit  bei  im  bin; 
darumb  da  wil  ich  meiden 
alle  dise  weit, 

mein  eigen  wil  ich  laßen, 
wol  durch  die  enge  Straßen, 
wol  auf  die  beiden  groß. 

2.  Die  beiden  die  ich  doch  meine 
die  ist  keiner  andern  gleich, 
sie  ist  nit  hie  auf  erden, 

sie  ist  im  himelreieh: 
darin  da  blüet  ein  blüemleiu, 
das  gibt  ein  liechten  schein, 
ach  got!  möcht  es  mir  werden, 
darumb  da  wolt  ich  geben 
das  junge  leben  mein. 

3.  Gab  ich  mein  junges  leben 
umb  got,  den  schepfer  mein, 
sein  reich  wolt  er  mir  geben, 
wie  möcht  mir  baß  gesein! 
er  hat  umb  ims  erlitten 

ein  scharpfen  bittem  tot, 
imd  ritterlich  gestritten, 
sein  reich  hat  er  vermitten, 
daß  er  uns  brächt  aus  not. 

4.  Sol  ich  die  weit  verlaßon, 
das  acht  ich  sicher  kloin, 
ich  wil  mich  fürbaß  keren 
zu  Jesu  Crist  allein: 


103 

er  kan  die  sei  erfreuen 
und  ist  ir  höchster  trost 
tmd  wil  ir  wenden  kummer 
und  grüenet  winter  und  summer, 
das  sust  kein  blum  nit  t&t. 
5.    Darumb,  ir  junge  herzen, 
halt  euch  in  großer  hüt! 
daß  ir  nit  leicht  verscherzen 
das  edel  blüemlein  gut; 
wan  er  doch  nichts  begeret 
wan  unser  sei  allein: 
daran  solt  ir  gedenken 
und  unser  jugent  schenken 
dem  edlen  blüemelein! 

PpHs.  der  Siadibibl.  m  Eegensbnrg.  Anf.  des  XVI.  Jahrb.  Bei  Ubland 
Nr.  334.  A.  Hs.  6,  9  blüemlein  gut.  Die  Hs.  enthält  noch  Ewei  Strophen 
mehr.  Ein  späterer  Text  nach  einem  Fl.  Bl.  Bern  „by  Vincentz  im  Hof^  um 
1590,  bei  Uhland  Nr.  334.  B.,  lautet: 

f  Nr.  31. 

1.  Ein  bl&men  uf  der  beide, 
es  mag  wol  Jesus  sin, 
darumb  trag  ich  groß  leide, 
daß  ich  nit  bi  im  bin; 

ach  got!  möcht  er  mir  werden, 
wölt  alle  weit  lan  stan, 
min  eigen  willen  laßen, 
wölt  uf  die  enge  straßen 
und  uf  die  beide  gan. 

2.  Die  heid  und  die  ich  meinen 
der  ist  doch  keine  glich, 

sie  ist  nit  hie  uf  erden, 
sie  ist  im  himelrich: 
daruf  entspringt  ein  bl&men, 
gibt  uns  ein  heitern  schin, 
darumb  so  wolt  ich  geben, 
wagen  min  junges  leben 
für  got  den  herren  min.  — 

3.  Wilt  du  din  leben  laßen 
für  got  den  herren  din: 


^  104 

sin  rieh  wil  er  uns  sclienken, 
wie  mag  uns  baß  gesin? 
darumb  Boltu  in  loben, 
het  uns  erlöst  us  pin, 
sin  rieh  wil  er  uns  schenken^ 
der  Sünden  ninuner  denken, 
sag  lop  dem  herren  din! 

4.  Er  ist  von  himel  gangen 
US  siner  majestat, 

groß  liden  het  er  empfangoii 

wol  drü  und  drißig  jar, 

darnach  het  er  erlitten 

für  uns  den  bittem  tot, 

gar  ritterlich  gestritten, 

kein  schmerzen  het  er  vermitten, 

daß  er  uns  hulf  us  not. 

5.  Sin  liden  tet  sich  enden 
an  einem  crüz  so  hoch, 
zum  vater  tet  er  lenden, 
gen  himel  was  im  gach: 
da  het  er  wonung  fundeu 
vor  got  dem  herren  mm 
den  userweiten  kinden, 
da  werden  wir  in  finden 
imd  ewig  bi  im  sin. 

f  Nr.  32. 

1.    Ich  han  mir  ußerkoren 
ein  minnecliche  meit: 
die  ist  gar  hoch  geboren, 
mins  herzen  ougenweid, 
jo  vor  vil  tusent  joren 
ist  vil  von  ir  geseit. 

2L    Sie  ist  von  hoher  arte, 
von  edlem  stammen  har, 
sie  ist  der  fröiden  garte 
vol  bltiemli  wimnenbar, 
min  truren  sie  emarte 
würd  ich  ir  schier  gewar. 


105 

3.  Sie  kau  von  herzen  grüeßen 
US  röselechtem  mnnd, 

bi  ir  ist  kein  verdrießen, 
des  tages  tusent  stund 
lot  sie  ir  öugli  schießen 
tief  in  des  herzen  grünt. 

4.  Sie  hat  des  falken  blicke, 
sie  hat  des  adlers  fluc, 

in  süeßer  minne  stricke 
tat  sie  der  herzen  zuc, 
ach    .     «     sie  nu  dicke 
mit  diser  minne  tue! 

5.  Sie  ist  der  frowen  kröne, 
sie  ist  der  megde  kränz, 
sie  ist  der  engel  lone, 
sie  ist  der  himel  glänz, 
weder  sunne  noch  der  monc 
mag  ir  geliehen  ganz. 

C.    Ir  vater  ist  ir  kinde, 
ir  mftter  ist  ir  amm, 
den  einhüm  und  die  binde 
hat  sie  gemachet  zam, 
wer  es  nu  raten  künde 
der  sag,  was  ist  ir  nam? 

Pfulliiiger  Hb.  bu  Stattgart^  XY.  Jahrb.;  danach  bei  Ubland  Nr.  320  und 
Pb.  Wckn.  Nr.  741. 

f  Nr.  33. 

1.  Ich  var  zä  dir,  Maria  rein, 

und  bit  dich  umb  din  kintli  klein. 
z&  dir  ker  ich  min  hoffen  ein, 
du  bist  der  sünder  trost  alleiii. 
ich  var  z&  dir,  Maria  rein. 

2.  Sit  ich  von  diner  erbermd  h8r  sagen, 
so  wil  ich  Sünder  nit  verzagen. 

ich  wil  dir,  frau,  min  sünde  klagen, 
die  hilf  mir  für  din  kintli  tragen, 
ich  var  zfi  dir,  Maria  rein. 


106 

3.  Ich  bit  dich,  edle  maget  rein, 
gip  mir  Jesum^  din  kintli  klein! 
was  ich  dich  bit,  da  sprich  nit  nein, 
hilf  mir  daß  ich  min  sünd  bewein ! 

ich  var  zfi  dir,  Maria  rein. 

4.  Ich  klag  dir,  magt,  mins  herzen  we 
und  man  dich  an  das  süeß  ave, 

do  du  gebom  hast  one  we, 
du  edler  gilg,  du  meien  kle! 
ich  var  z&  dir,  Maria  rein. 

5.  Ich  var  gon  Bethlehem  da  hin 
in  der  begird  des  herzen  min. 
ich  s&ch  Jesus  das  kindelin 
und  euch  die  liebe  muter  sin. 

ich  var  gon  Bethlehem  da  hin. 

6.  Sit  ich  mich  des  verwegen  han, 
das  edle  kintlin  ruf  ich  an 

US  mim  gemüet  als  verr  ich  kan, 
daß  es  min  geferte  wolle  sin. 
ich  var  gon  Bethlehem  da  hin. 

7.  Ich  bit  dich,  edle  mfiter  gut, 
so  hab  mich  euch  in  diner  hfit 
durch  dines  kindes  fleisch  und  blut, 
daß  ich  vinde  sines  stemens  schin. 

ich  var  gon  Bethlehem  da  hin. 

8.  Ich  klag  dir,  Joseph,  alls  min  we, 
hilf  mir  gon  Bethlehem  dest  e, 
daß  ich  das  laut  lob  iemer  me. 
ich  mag  nit  me  on  es  gesin! 

ich  var  gon  Bethlehem  da  hin. 

9.  Nu  halt  mir  treu,  herr  Jesu  Crist, 
sit  du  durch  mich  besnitten  bist! 
in  diner  gnade  uns  nu  frist, 

gip  uns  dis  jar  den  sogen  din! 
ich  var  gon  Bethlehem  da  hin. 

PfuUingror  Hs.  zu  Stuttgart,  XV.  Jahrh.  (bei  Wckn.  Nr.  732),  mit  der 
Überschrift:  Vom  Nitcen  Jar,  Ich  var  do  hin,  wennd  es  muß  sin.  Contra- 
factum,   —   Hs.    3,  3.   ttprithi   —   5,  9.  fehlt  liehe  —  7,   2.   in  din  hut   — 


107 

7,  3.  dtiM  kinda  —  7,  4.  vind  iim  —  9,  8«  ^tUNi  ww  —  Mit  der  vierten 
Strophe  war  wahrBcheinlich  das  erste  Lied  la  Ende,  das  Folgende  scheint 
Znsats  zn  sein. 

f  Nr.  34. 

1.  Es  kumt  ein  schif  geladen 
recht  uf  sin  h&chstes  bort, 

es  bringt  uns  den  stin  des  vaters, 
bringt  uns  das  ewig  wort. 

2.  Uf  einem  stillen  wage 
kumt  uns  das  schiffelin, 
es  bringt  uns  riebe  gäbe, 
die  beren  künegin. 

3.  Maria  du  edler  rose, 
aller  Bälden  ein  zwi, 
du  schöner  zitelose, 
mach  uns  von  Sünden  fri. 

4.  Das  schiflin  das  gat  stille 
und  biingt  uns  riehen  last, 
der  segel  ist  die  minne, 
der  heilig  geist  der  mast. 

Hs.  des  Jnngfranenklosters  zu  Inzkofen  um  1470—1480.  1,  4.  fehlt  in 
der  Hs.  bringt  um  —  4,  4.  sehatz. 

Wahrscheinlich  liegt  diesem  Liede  ein  älteres  von  Johannes  Tanler  zu 
Grunde,  schwerlich  aber  dürfte  es  das  sein,  welches  unter  dessen  Namen 
Daniel  Sudermann  zu  Anfange  des  Xvll.  Jahrhunderts  in  seiner  Sammlung 
ff  hoher  geistlicher  GesiLnge''  mittheilt: 

Ein  altes  Gesang,  so  unter  des  Herrn  Tauleri  Schriften  fiinden, 
etwas  yerständlicher  gemacht,  im  Ton:  Es  woUt  ein  Jäger  jagen  wol 
in  des  Himmels  Thron.    Rambach  Anthol.  1,  405. 

f  Nr.  35. 

1.  Es  kommt  oin  Schiff  geladen 
bis  an  sein  höchsten  Bord. 

es  trägt  Gotts  Sohn  vollr  Gnaden, 
des  Vaters  owigs  Wort. 

2.  Das  Schiff  geht  still  im  Triebe, 
CS  trägt  ein  theure  Last. 

der  Segel  ist  die  Liebe, 
der  heiVge  Geist  der  Mast. 


110 

2.  Der  herbst  und  oach  der  meie 
hant  hie  kraft  mangerleie 

U8  gotes  gnadenrich. 
wer  sieh  purgiert  mit  rüwen 
und  hat  in  got  getruwen, 
wil  er  sin  leben  rüwen, 
der  lebet  ewiclich. 

3.  Min  sei,  du  solt  dich  hüeten 
und  dich  in  togent  güeten 
und  bade  nit  ze  heiß. 

das  Wasser  discr  lüsten 
mag  dich  gar  bald  entrüsten; 
trag  zwischen  dinen  brüsten 
götlicher  minne  sweiß. 

4.  Gar  edel  si  din  spise, 
subtil  und  dar  zu  lise, 
wilt  du  ein  bader  sin. 
das  grobe  diner  Sünden 
sol  tugent  überwinden, 
wer  wil  gesuntheit  vinden, 
der  volg  der  lere  min. 

5.  Lüstlich  solt  du  spazieren 
mit  fröid  und  jubilieren 
in  grüener  himels  ow; 

in  gilgen  und  in  rosen 
solt  du  mit  gote  kosen^ 
on  aller  sünde  mosen, 
daß  er  dich  Gründlich  schow. 

6.  Qar  warm  seit  du  dich  halten 
und  dich  nit  Ion  erkalten 
nach  diser  minne  bad. 

din  badeb&le  sie 
die  allerschönst  Marie, 
ein  got  und  namen  drie 
mit  andacht  z&  dir  lad. 

7.  Ir  Mwlin  all  gemeine, 
dis  badelietli  reine 
wünsch  ich  uch  alle  stund, 


111 

daß  uch  goto  gnad  erwärme^ 
geb  JesuB  an  den  arme, 
daß  er  sich  Bchier  erbarme 
und  mach  die  bcI  gesunt. 
Pfiülinger  Hs.  zu  Stxittgart,  XY.  Jahrh.  (bei  Wackernagel  Nr.  742)  mit 
der  XJberschrifk :    Bin  ander  Baden  lief. 

f  Nr.  39. 

1.  Woi  uf  im  geist  gon  baden, 
ir  zarten  frSwelin, 

da  hin  hat  uns  geladen 
Jesus  der  herre  min. 

2.  B[ie  quilt  der  gnaden  brunne, 
der  fr&iden  morgcnrot, 

da  glenzt  der  ewige  simimer, 
da  alles  leit  zergot. 

3.  Da  h5rt  man  süeß  erklingen 
der  vögeli  getdn, 

imd  euch  die  engel  singen 
ir  melodie  gar  schön. 

4.  Da  fiie^  Jesus  den  tanze 
mit  aller  megde  schar, 
da  ist  die  liebi  ganze 

on  alles  ende  gar. 

5.  Da  ist  ein  lieplich  smieren 
und  lachen  iemer  me, 

da  kan  die  sei  hofieren 
mit  frSiden  on  alles  we. 

6.  Hie  wurkt  das  wasser  sere, 
das  rüwig  oug  vergüßt, 
das  grundelose  mere, 

das  von  den  wunden  flüßt. 

7.  Wer  da  wöU  jubilieren 
nach  diser  winterzit, 

der  sol  sich  vor  purgieren 
von  aller  Sünden  nit. 

8.  Er  sol  zfi  adren  laßen 
der  creaturen  lust 

und  Überfluß  sich  maßen 
bis  an  der  megde  brüst. 


114 

13.    Des  si  gelopt  der  herre  min, 
den  ich  also  erbarmen, 
daß  ich  von  im  erlöset  bin 
von  großer  pin 
am  kruz  mit  sinen  armen. 
Unter  den  Liedern  Heinrichs  yon  Lanfenberg  in  der  StraCb.  Hs.  B.  121. 
XV.  Jahrh.   Wckn.  Nr.  781.    Hb.  9,  5.  fehlt  dir  — 

f    Nr.  41. 

1.  Kmn,  heiiger  geist,  erfüll  min  herz, 
entzünd  in  mir  din  minne! 

din  süeßikeit  vertrib  mir  smerz, 
erlücht  minr  seien  sinne! 

2.  Ach  edler  baisam,  gotes  geist, 
salb  mir  min  sei  von  innen! 
sit  du  minr  sele  wmiden  weist, 
so  hilf  mir  rftw  gewinnen! 

3.  In  dir  allein  ist  frid  und  sän, 
in  dir  r&wt  das  gemüete. 

in  mir  so  wellest  fride  tun 
durch  din  götliche  güete. 

4.  Ach  süeßes  geistes  symphoni, 
du  vater  aller  armen, 

du  bant  der  heiigen  drivalti, 
laß  dich  min  sei  erbannen. 

5.  Ach  reiner  herzen  liechter  schin, 
glenz  in  miner  vinstren  kluse! 
ach  edler  trost,  güß  dich  dar  in! 
min  sei  werd  hüt  din  huse. 

6.  Ach  edler  geist  mit  siben  geben, 
nun  bis  noch  hüt  min  gaste, 

daß  ich  dir  leb  und  dich  mög  loben, 
nim  bi  mir  ruw  und  raste! 

7.  Kum,  min  heil,  min  sälikeit, 
durch  dinen  heiigen  namen 

von  mir  dich  niemer  me  gescheit 
hie  und  dort  iemer,  amen! 
StTttßb.  Hb.  B.  121.   4V    XV.  Jahrh.,   bei  Wckn.  Nr.  782. 


115 

f  Nr,  42. 

1.  Ich  solt  mich  leren  laßen, 
es  wäre  an  der  zit. 

got  fürkomt  mir  all  straßen, 
daß  ich  bin  trostes  fri. 
ich  Bolt  mich  leren  liden 
und  haben  für  das  best, 
zitlichen  trost  vermiden, 
got  het  michs  schier  ergezt. 

2.  Laß  alle  ding  gewerden 
und  loufen  zfi  irem  zil 
imd  1er  dir  selbs  absterben 
und  wollest  was  got  wil. 
wo  ich  min  herz  hin  kere 
und  alle  sinne  min, 

so  find  ich  als  die  lere, 
daß  ich  solt  ledig  sin. 

3.  Das  kan  ich  nit  bekomen, 
ich  fall  als  wider  in. 

war  ich  mir  selbs  benomen, 
so  möcht  ich  ledig  sin. 
wie  solt  ich  mich  nu  laßen? 
ich  bin  doch  selber  ich, 
in  strafen  und  in  hassen 
so  find  ich  selber  mich. 

4.  Das  dunkt  mich  alles  rechte, 
das  ich  mir  selber  gib. 

min  sach  wirt  niender  siechte, 
bis  ich  mich  des  verwig, 
dos  ich  nu  iemer  meine 
mit  fürsatz  werden  gut, 
so  trüg  ich  mich  alleine 
und  krenke  mir  den  mut. 

5.  Ein  grundelos  vernichten, 
das  sont  wir  an  uns  han 
und  sont  nieman  berichten 
und  one  mmmel  stan. 


8* 


116 

ach  kinder,  lerent  sterben 
und  eignen  willen  Ion, 
80  mögen  ir  erwerben 
Christum,  der  heiigen  krön. 
Pfallingcr  Hs.  zu  Stattgart,  XV.  Jahrh.    (bei  Wckn.  Nr.  738),   mit  der 
Überschrift:   Van  Oeloßenheit  vnd  ledikeit,  Hs.  3,  1.  bekennen  —  5,  1.  vemüten. 

f  Nr,  43. 

1.  Blinder,  lement  sterben 
und  üwem  eigen  willen  Ion, 
so  mugent  ir  erwerben, 

daß  Jesus  in  üch  mag  rfiwe  han. 

verlierent  üwem  willen, 

dar  an  liget  eigenschaft, 

so  kumt  got  und  gewinnet 

in  üch  aber  rast. 

R.   Nun  laßent  üch  im  gerne, 
dem  ußerwelten  lutem  gut: 
Jesus  ist  die  wäre  minne 
und  tut  üch  kinder  wol  behfit. 

2.  Ein  grundeloses  vernichten 
sont  ir  sterclichen  an  üch  han. 
ir  süllent  nieman  berichten 
imd  genzlich  ^n  murmlen  stan. 
laßent  üch  got  ze  gnmde 

in  warer  lutren  armfit. 
wen  Christus  dar  in  vindet, 
dem  koment  alle  ding  zfi  gät. 
R.   Nun  laßent  cet. 

3.  Qot  ist  in  allen  herzen 
minnenclich  ein  süeßer  pfingstag. 
sie  nüßent  tugentlichen 

alles  das  sin  ding  geleisten  mag. 
sie  Icbent  in  der  minne, 
ir  seien  die  sint  gnaden  vol. 
sie  sint  sin  worden  innen 
von  got,  der  gans  in  selber  wol. 
R.    Nun  laßent  cet. 
Cod.  theol.  8?  Nr.  10.  Bl.  163.ii.b.  Pp.   XV.  Jahrb.,  auf  der  k.  öffentl. 
Bibl.  zu  Statigart     (Mittheil.  Franz  Pfciffcr^s.) 


117 


f  Nr.  44. 

1.  Wer  liden  kan  und  dultig  sin 
und  tugentlich  geboren^ 

der  kumt  nit  in  der  helle  pin: 
durch  sünd  ist  vil  verloren, 
liden  ist  ein  hoher  hort^ 
den  mag  got  wol  vergelten, 
gar  große  sünde  bringent  wort, 
durch  ungedult  wirt  gäts  zerstört, 
BUS  lobt  man  got  gar  selten. 

Lid,  trat  gesell,  und  acht  sin  nut 
und  hab  z&  got  din  gemuete, 
behabs  durch  got,  lidest  du  üt, 
gar  lützel  hoff  hie  uf  die  liit, 
vor  Sünden  dich  ser  huete. 

2.  Mit  liden  überkumt  man  vil, 
seit  uns  herr  Jesus  bilde, 
gar  untruw  ist  der  weite  spil, 
der  menschen  sünd  ist  wilde, 
verbirg  Jesum  tief  in  din  herz, 
ob  dich  sin  minne  frSwe, 

hab  mit  im  selber  schimpf  und  scherz, 
sag  im  die  sünd  und  hab  ir  smerz, 
mit  ruw  dem  tnfel  trSwe. 
Lid,  trut  gesell,  etc. 

3.  Wer  welle  mit  got  haben  müt, 
der  sol  gedultlich  liden, 

es  wirt  im  lieb,  wer  also  t&t, 
er  kumt  in  ewig  fnden. 
wenn  es  het  zit  und  stat  und  stund, 
so  h6rt  got  dine  werte, 
bis  dultig,  dast  der  sei  gesunt, 
getruw  euch  nit  dem  heischen  hund, 
seit  uns  der  weite  horte. 
Lid,  trut  gesell,   etc. 
Straßb.  Hs.  B.  121.    Wckn.  Nr.  775.  —  Hb.  1,  9.  lob  — 

f   Nr.  45. 
1.    Wer  da  wöU  warlich  geisten, 
der  sol  vor  an  volleisten 
die  geburt  des  herren  min; 


118 

der  laße  sich  nit  duren 
sterbzit  und  creaturen, 
und  t6t  nature  sin. 
Kcr  sin  gemüet  z&  himel, 
lob  got  uß  herzen  zimbel. 
vor  allem  Bünden  sehimel 
bewar  die  sele  din! 

2.  Acht  nit,  ob  man  dich  schelte, 
huet  dich  vor  minn  der  weite 
und  ler  got  heimlich  sin, 
fluch  trost  der  creaturen 

imd  klfigheit  der  naturen 
und  allen  falschen  schin. 
Gedultig  bis  in  liden, 
hab  alzit  herzenfridcn, 
rum  und  er  solt  du  midcn 
uß  ganzer  dem&t  din. 

3.  Die  notturft  solt  du  suchen 
und  fürbaß  nit  geruchen 
durch  alles  leben  din. 

das  leben  Jesu  Christe, 
sin  tot  dich  ouch  gefriste 
und  sol  din  bildner  sin. 
Hab  ein  gemeine  miime, 
hüet  diner  wort  und  shuic, 
brich  willen  ouch  dar  inne: 
dis  ist  die  lere  min. 

Pfullinger  Hs.  zu  Stuttgart,  ZV.  Jahrh.  (bei  Wckn.  Nr.  739)  mit  der 
Überschrift t  Von  fftcorem  geUten.  Wckn.  macht  dazu  die  Bemerkung:  Dieß 
Lied  und  das  rarige  *J  vielleicht  von  Joh.  Tauler  1  —  Hs.  1,  4.  den  —  1,  9. 
vor  allen  —    3,  6.  friste  — 

f  Nr,  46. 

1.     Ein  nüw  gehurt  wünsch  ich  zwar 
in  sei  des  inren  menschen  rein: 
das  kintli  imd  vil  guter  jar, 
dis  wcrd  (ich  alle  samen  war, 
das  gware  liecht  sich  üch  erschein. 


*)    Ich  9oU  mich  leren  laßen.     Wckn.  Nr.  738. 


119 

2.  Wol  uf  gon  Bethlehem  za  haut 
in  üwers  herzen  reini  klus. 

da  tAt  sich  Jesus  üch  bekant, 
da  ist  des  geistes  vateriant 
und  wonet  er  in  sinem  hns. 

3.  In  der  vemunft  da  brent  der  stem, 
der  üch  ftiert  zfi  dem  kindelin. 

die  m&ter  gots  ist  die  Incem, 
sie  ist  die  schal,  Jesus  der  kern: 
wol  uf,  min  sei,  und  far  da  hin! 
PfaUxiiger  Hs.  m  Stattgart,   XY.  Jahrh.  (bei  Wckn.  Nr.  734),  mit  der 

UbefBchrift:   Bin  ander  wintieht  Lied.    Wackemagel  sagt  zu  Nr.  784.    »Str. 

1,  2.  moB  es  heiBen  ein  sel^   und  in  den  Verbeasemngen   „Nr.  734.  1,  2. 

lies  in  sel.^     Schon  ans  dem  Mangel  der  Interpnnction  sieht  man,  dass  er 

das  Ganze  nicht  verstanden  hat.    Hs.  1,  3,  gut  jar. 

f  Nr.  47. 

1.  Gen  diser  yasnacht  wönt  wir  sin 
vol  andacht  und  vol  minne. 

nu  treten  har,  gespilen  min, 
und  hüeten  üwer  sinne! 

he!  daß  nieman  sich  versünde, 
ir  lieben  gotcs  fründe! 
nu  laiit  der  weit  ir  üppikeit 
und  sient  ir  Jesus  Idnde! 

2.  Jesus  ist  der  jungeling, 
der  uns  git  hohen  mfite, 
der  fröwet  ims  für  alle  ding, 
er  ist  daa  luter  gute, 

he!  der  uns  git  fröid  in  herzen 
und  wendet  allen  smerzen: 
ach  herzelieber  Jesus  min, 
nu  laß  uns  mit  dir  scherzen! 

3.  Jesus  ist  unser  vasenacht, 
ist  unser  tanz  und  springen, 
do  imser  herz  an  in  gedacht, 
do  viengon  wir  an  singen. 

he!  nu  laße  nieman  abc, 
wer  minne  im  herzen  habe, 
wenn  Jesus  ist  der  sponse  min, 
der  allerschönste  knabe. 


120 

4.  Jesus  der  sol  den  vortanz  han 
und  die  jungfrou  Marie, 
darnach  treten  all  heran 

wer  gotes  kint  sie! 

he !  und  sunder  ir  jungfrowen, 
die  got  woUent  schowen, 
der  sei  und  libe  luter  sint, 
die  sont  sich  billich  frowen! 

5.  Da  git  Jesus  vil  süeßer  blick 
allen  sinen  fründen. 

ach  jo,  wie  küsst  er  sie  so  dick 
an  ire  rote  münde! 

he!  so  wirt  die  sei  verzucket 
und  ganz  in  got  gedrucket; 
hie  ist  die  crcatur  in  got 
und  geist  in  geist  gesmucket. 

6.  Von  diser  fröide  nieman  kan 
gesagen  noch  gesingen, 
nieman  mag  die  sinne  han 
noch  ze  werten  bringen. 

he!  wol  uf  mins  herzen  fröide, 
von  aller  zit  dich  scheide, 
und  laß  der  creaturen  lust 
urab  diso  ougenweide! 

7.  Hie  tönet  süeße  simphoni 
von  allen  hierarchien; 

hie  ist  der  geist  in  gote  fri 
durch  engelsch  melodien. 

he!  die  fröid  ist  ungemessen, 
die  sie  da  hant  besessen: 
die  ußerwelten  goteskint 
hant  alles  leits  vergessen. 
Pfullinger  Hs,  zu   8taf%art,   XV.  Jahrh.  (bei  Wckn.  Nr.  731)   mit  der 
l'berschrift:    Mn  ander  Vastnaekt  lied.     He.  3,  2.  rnser  trang.    Ut  fehlt.  — 
4,  7.  toennd.   üt  fehlt. 

f   Nr.  48. 
1.     Wir  wönt  gegen  diser  vaficnacht 
frisch  und  fro  beliben. 
ich  han  an  gotes  sun  gedacht, 
der  wil  alle  sünd  vertriben. 


121 

liel  in  diser  heiigen  yasten 
80  wil  er  bi  uns  raaten. 
ach  lieben  zarten  kint, 
nun  empfSaJbien  disen  gaste! 

2.  Lant  alle  fröid  der  weite  sin; 
wand  Jesus  ist  alle  fröide. 
wol  zfiy  ir  lieben  kinde  min, 
lerent  den  unterscheide. 

he!   was  fröid  er  wil  geben 
und  dar  zft  ewig  leben! 
ach  lieben  ußerwelten  kint^ 
dem  sont  ir  üch  ganz  geben. 

3.  Wol  har,  wer  frSlich  wolle  sin 
in  got  mit  ganzer  minne, 

der  kere  sich  z&  himel  hin 
und  mfit  und  alle  sinne! 
he!  da  fuert  Jesus  den  reien 
in  minnedichem  meien^ 
da  ist  es  alzit  vasenacht 
mit  fröiden  manigerleie. 

4.  Wie  möchten  wir  nu  trurig  sin, 
so  wir  der  fröiden  warten? 
Jesus  muß  unsere  fix)ide  sin, 
dem  wir  nu  alle  zarten. 

he!  in  unsers  herzen  springen 
so  wollen  wir  im  singen, 
daß  er  durch  sine  muter  rein 
uns  allen  gnad  wöll  bringen. 

5.  Jesus  ist  alles  seitenspil 
und  aller  orgel  t6ne; 

Jesus  der  git  uns  kurzwil  vil, 

er  ist  der  wunderschöne, 

he!  der  alzit  lieplich  lachet, 

der  alle  fröide  machet, 

sin  ougenblic  der  ist  so  sücß, 

das  herz  in  fröiden  krachet. 
Pfiillingor  Hs.  bu  Stattgart,   XV.  Jahrh.   (bei  Wckn.  Nr.  730),   mit  der 
ilberschrift:  Bin  vastnaehi  lied,   4,  4.  rarten,  —  Wol  nur  ein  Lcsofeliler  Phil. 
WackcmagcrB!     5,  1.  vielleicht  aller  — 


122 

f  Nr.  49. 

1.  Der  nun  meigen  welle 
der  neme  Cristus  war! 
dem  zeig  ich  einen  meigen 
den  die  minne  gebar. 

2.  Den  meigen  den  ich  meine 
das  ist  der  süeße  got, 

do  er  gieng  uf  ertriche 
do  leit  er  mengen  spot. 

3.  Nun  gan  wir  zu  dem  crüze 
und  nemen  des  meigen  war! 
er  stat  in  minnender  blüete 
den  uns  die  maget  gebar. 

4.  Nun  sehen  wir  in  an  dem  crüze 
Btan  nackend  unde  bloß, 

mit  blite  wol  berunnen 
das  er  durch  uns  vergoß! 

5.  Nun  sehen  wir  im  an  die  hendc! 
die  sint  mit  nageln  durchbort: 
darus  ist  uns  gefloßen 

der  himelische  hört. 

6.  Nun  sehen  wir  im  an  die  füeße! 

da  wart  ein  nagel  durchgeschlagen: 
wir  Süllen  gotes  liden 
in  unsem  herzen  tragen. 

7.  Nun  sehen  wir  im  an  die  füeße! 
die  sint  von  wimden  ser: 

wir  süUen  gotes  minne 
vergeßen  nimmermer. 

S.    Nun  sehen  wir  im  an  die  arme! 
die  hat  er  wit  zertan: 
er  wil  den  armen  sünder 
zft  sinen  gnaden  lan. 

1).     Nun  sehen  wir  im  an  sin  haupt! 
das  ist  von  dornen  wunt; 
es  beleip  an  sinem  reinen  üb 
niene  nüts  gesunt. 


123 

10.  Nun  sehen  wir  an  die  sitenf 
sin  herz  ist  im  nfgetan: 

da  sont  die  edlen  seien 
des  morgens  meigen  gan. 

11.  Wer  durch  gotes  willen 
des  morgens  ze  meigen  gat, 
des  sele  wirt  gespiset 

nach  des  heiligen  geistes  rat. 

12.  Nun  sehen  wir  den  meigen 
allenthalben  an! 

so  sehen  wir  nüts  das  ganz  si 
als  ieman  kan  verstan. 

13.  Nun  sehen  wir  sinen  edlen  lip! 
der  ist  allenthalben  wunt, 

von  haupt  unz  uf  die  solen 
ist  nicne  nüts  gesunt. 

14.  An  des  crüzes  esten 
da  blüet  roter  win, 

den  git  man  lieben  gesten, 
die  müeßent  luter  sin. 

15.  Als  in  dem  himelriche 

da  schenkt  man  Ciperwin, 
da  sont  die  edlen  seien 
von  rainne  trunken  sin. 

16.  Da  schowet  man  den  vater, 
den  sun  und  heiligen  geist, 
in  götlicher  niinne 

mit  fröiden  allermeist. 

17.  Die  megde  da  ze  tische  gant, 
die  engcl  da  schone  singent, 
der  heilig  geist  ist  schenker, 
Maria  kellerin. 

18.  Wir  Süllen  Cristes  mai*ter 
mit  sünfzen  rüefen  an, 

so  werden  wir  gefüeret 
mit  der  engel  schar 

19.  Als  in  das  himelriche, 
da  ist  vil  gAte  sin, 


124 

da  müeß  uns  in  auch  helfen 
Maria  künegin. 
PpHs.  XV.  Jalurh.  der  Stattg.  Bibl.    Theol.  Nr.  19.  12?  Pp.     Bei  Uliland 
Nr.  341.  A.    Überschrift:    Von  dem  gastlichen  maygen,  —    Hs.  1,  4.  nwime 
zwang  —  9,  4.  niena  —    10,  4.  began  —   18,  4.  nienan  —    14,  1.  eete  — 

16,  2.  und  och  den  vü  h.  g.  —  17,  1.  die  m.  die  —  17,  2.  singent  echone  — 

17,  4.  da  ist  M. 

f  Nr.  50. 

1.  Wer  nu  wolle  meien  gen 
in  diser  lieben  zeit, 

dem  zeig  ich  einen  meien 
der  uns  freuden  geit. 

2.  Den  meien  den  ich  meine 
das  ist  der  zarte  got^ 

do  er  gieng  auf  erden 
do  leit  er  manchen  spot 

3.  Menschliches  wesen 
in  doch  nie  verdroß, 

die  marter  was  nit  süeße, 
die  minne  im  das  gebot. 

4.  Ge  wir  zu  dem  kreuze 
und  nemen  des  meien  wai*! 
er  stet  in  roter  blüete 

den  uns  die  meit  gebar. 

5.  Seh  wir  an  sein  haupte! 
das  ist  von  dornen  wimt: 
wer  daran  dick  gedenket, 
des  sele  wirt  gesunt. 

6.  Sehe  wir  an  sein  hende! 

die  sint  mit  nageln  durchslagen: 
wir  sullen  das  sein  leiden 
in  unserm  herzen  tragen. 

7.  Sehe  wir  au  sein  selten! 
die  ist  (weit)  aufgetan: 
da  sullen  die  Ueben  sele 
des  morgens  meien  gan. 

8.  Sehe  wir  an  sein  fueßo! 

die  sint  mit  nageln  durchbort: 
daraus  ist  uns  gefioßen 
des  himelreiches  hört. 


126 

9.    An  des  kreuzes  esten 
da  blüet  roter  wein, 
den  schenket  man  lieben  gesten, 
die  müeßen  lauter  sein. 
10.    In  den  ewigen  frenden 

da  schenket  man  kipperwein, 
da  müeßen  die  lieben  sele 
von  minnen  trunken  sein. 

PpHs.   XV.  Jfthrh.  in  der  Nümb.   Stadtbibl.  Cent  VI.   82.   8?    Dl.  32. 
Uhland  Nr.  341.  B.     Ph,  Wckn.  Nr.  109. 

f  Nr,  51. 

1.  Ich  weiß  mir  einen  meien 
in  diser  heiigen  zit, 

den  meien  den  ich  meine 
der  ewige  fröide  git; 
den  meien  den  ich  meine 
das  ist  der  süeße  got, 
der  hie  nf  diser  erden 
leit  vil  menigen  spot. 

2.  Do  gangen  wir  zu  dem  crüzo 
und  nement  des  meien  war! 
der  hat  gar  rote  blüeste, 

den  uns  die  magt  gebar; 
sehen  im  an  sin  houbet! 
das  ist  von  dornen  wunt: 
wer  Jesum  Cristum  liep  hat, 
fiirwar  der  wirt  gesimt. 

3.  Nu  sehen  im  an  sin  hende! 

die  sint  mit  naglen  durchslagen: 

wir  sollen  sin  würdiges  liden 

in  unsrem  herzen  tragen; 

sehen  im  an  sin  sitel 

sin  herz  ist  ufgetan: 

da  sollen  die  reinen  herzen 

des  morgens  in  meien  gan. 

4.  Nu  sehen  im  an  sin  fließe  I 
die  sint  mit  naglen  durchbort: 
dadurch  ist  uns  gefioßen 

des  himels  höchster  hört; 


126 

unter  des  crüzes  aste 
da  schenkt  man  cipperwin, 
des  sollen  die  lieben  seien 
von  minne  trunken  sin. 

PMIinger  PpUs.  XV.  Jahrh.  in  der  Stattgarter  Bibliothek,  Theol.  et 
PhiloB.  Nr.  190.  4P  Alte  Überschrift:  Tanua  et  Carmen.  Verwircht  on  allen 
Wandel  hat  sieh  etc.  Ein  Meyg.  Von  späterer  Hand :  Im  thon  —  Wer  in 
den  mayen  wiüe  zu  dieser  h.  zeydt.  Bei  Uhland  Nr.  341.  C.  —  Zwischen 
4,  6.  und  4,  7.  hat  die  Hs.  noch  diese  ZeUen:  Maria  ist  die  kellerin,  die 
enge!  schenken  in. 

Unmittelbar  dahinter  in  der  Hs.  das  folgende  Lied,  bei  Wckn.  Nr.  736 
mit  dem  vorigen  als  ein  Lied  abgedruckt,  bei  Uhland  davon  getrennt  unter 
Nr.  342,  wovon  auch  noch  U.  einen  besonderen  Abdruck  „Fl.  Bl.  Inspr.  bei 
Joh.  GKchen^  vor  sich  hatte. 

f  Nr.  52. 

1.  Ich  weiß  mir  einen  garten, 
dar  in  da  ist  gflt  wesen, 
dar  in  wachst  win  so  zarte, 
den  wollen  wir  ablesen, 
und  wollen  balde  ilen 

und  kumen  bi  der  zit, 
daß  wir  uns  nit  versumen 
die  wil  man  winber  git. 

2.  Wart  uns  der  edel  winstok 
von  bimel  gesant  herab, 
den  minnesamen  herzen 

zu  einem  süeßen  lab; 
der  winstok  wart  gezogen 
vier  und  drißig  jar 
bis  an  den  carfritag, 
do  wart  er  zitig  gar. 

3.  Die  Juden  komen  zusamen, 
der  was  ein  michel  schar, 

sie  weiten  abbrechen  die  edel 
winber  also  gar; 
do  wart  ein  trotbaum  bereit, 
als  wir  noch  hören  sagen, 
den  wolt  der  edel  winstok 
uf  sim  rücken  selber  tragen. 


127 

4.    Er  trftg  in  also  verre 
an  ein  versmächtes  feit, 
daran  da  sch&f  der  herre 
vil  gfiter  nützer  werk, 
des  si  er  ewiklieh  gelobet, 
daß  er  es  ie  het  gedacht, 
daß  er  mit  sinem  liden 
unser  sünd  hat  widerbracht. 

In  der  Hs.  von  späterer  Hand  neben  3,  5.  pres$bauin.    Hs.  1,  2.  fehlt  da 
2,  2.  herab  ffesarU. 

f  Nr.  53. 

1.  Wer  sich  des  Malens  wolle 
Zu  dieser  heiigen  Zeit, 
Der  geh  sn  Jesu  Christo, 
Da  der  Maien  leit, 

So  findt  er  wahre  Freud. 

2.  Den  Maien  den  ich  meine, 
Das  ist  der  liebe  Gott, 

Er  hat  um  unsertwillen 
Gelitten  Schimpf  und  Spott, 
Darzu  den  bittem  Tod. 

3.  So  gehn  wir  zu  dem  Kreuze 
Und^  sehn  den  Maien  an : 
Er  steht  in  voller  Blüthe, 
Den  uns  Maria  gebar 

Ohn  allen  Wandel  zwar. 

4.  So  gehn  wir  zu  den  Füßen, 
Die  Nägl  sein  drein  geschlagn: 
Wir  solln  das  Leiden  Christi 
In  unsem  Herzen  tragn. 

Wie  uns  die  Priester  sagn. 

5.  So  gehn  wir  zu  der  Seiten, 
Die  ist  weit  aufgethan: 
Des  sollen  die  lieben  Seelen 
Des  Morgens  beten  gähn, 
Den  heiligen  Geist  empfahn. 

6.  So  gehn  wir  zu  den  Händen, 
Die  seind  gar  sehr  verwundt: 
Wir  sollen  das  Leiden  Christi 
Schlie|}eu  ins  Herzen  Grund, 
So  wird  die  Seel  gesund. 


128 

7.  So  gehii  wir  zu  dem  Uaupte, 
Die  Krön  gedruckt  darein: 

Wir  sollen  dem  lieben  Gott  danken 
Vor  seine  Marter  und  Pein 
Und  griUJen  die  Mutter  sein. 

8.  Maria  ging  in  den  Garten, 
Sie  sucht  ihm  lieben  Sohn, 
Sie  fand  ihn  unter  den  Juden, 
Wol  unter  den  Juden  stahn, 
Hoch  an  das  Kreus  geschlahn. 

9.  Das  Kreuz  das  war  sehr  lange, 
Das  KreuB  das  war  sehr  breit. 
Da  Christ  der  edle  Herre 
Seine  Marter  drane  leit 

Für  alle  Christenheit. 

10.  Sie  nahmen  ihn  von  dem  Krcnzo, 
Legtn  ihn  auf  Marie  Schoß, 

Da  lag  der  edle  Herre 
Gar  naeket  und  gar  bloB, 
Der  Jammer  der  war  groß. 

11.  Wol  an  dem  dritten  Tage, 
Da  Christas  auferstund, 
Erlöst  er  die  lieben  Seelen, 
Aus  der  Vorhöllen  Grund 
Und  macht  sie  all  gesund. 

12.  Wir  soUn  dem  lieben  Gott  danken 
Seiner  Marter  mit  Innigkeit, 

Ihm  dienen  ohn  allen  Wanken, 

So  erlangen  wir  Barmherzigkeit,  keit, 

Seind  uns  die  Sünde  leid. 

13.  Mit  diesem  Lobgesange 
Soll  Gott  gelobet  sein, 
Maria  Gottes  Mutter 
Die  Himmelkönigin,  gin, 
Die  liebste  Mutter  sein. 

14.  All  die  dies  Irobgesange 
Mit  Freuden  gesungen  han. 
Den  will  Gott  selber  lohnen 
Zur  letzten  Himmelfahrt, 
Der  alle  Ding  vermag. 

Corners  GB.  1626.   Nr.  191   mit  der  Überschrift:    „Das  alte   Lied,   der 
geistliche  Maien  genannt.*'     Es  wurde  damab  noch   gesungen,   Corner  giebt 


J29_ 

die  Melodie.  Das  Würzburger  OB.  1627  (bei  Aurbacher  Anthologie  1831. 
Nr.  92)  hat  denselben  Text,  nur  fehlt  Str.  12,  dafür  aber  finden  sich  zwei 
Strophen  mehr,  nach  7. 

Wir  sollen  dem  Herren  danken 

Seiner  Marter  mit  Innigkeit, 

Er  will  uns  gern  mittheileu 

Seine  Barmherzigkeit, 

Wenn  uns  die  Sund  ist  leid, 
und  nach  10. 

Sic  nahmen  ihn  von  Marien  Schoß 

Und  legten  ihn  in  ein  Ghrab. 

Da  lag  der  edle  Herre 

Bis  an  den  dritten  Tag, 

Der  alle  Ding  vermag. 
Aurbacher  macht  S.  238   hiezu   die  Bemerkung:    „Ohne   Zweifel   wurde 
dieses  Volkslied  gesungen,  wann  nach  alter  Sitte  der  Maienbaum  aufgerichtet 
wurde.     Noch   heutzutage  sind   in   mancher  süddeutschen   Dorfgemeinde   die 
MaionbSume  mit  den  Leidens- Werkzeugen  geschmückt." 

f  Nr.  54. 

1.  Ich  wölt  daß  ich  da  heime  war 
und  aller  weite  trost  enbär. 

2.  Ich  mein  da  heim  in  himelrich, 
da  ich  got  schauet  ewenclich. 

3.  Wol  uf,  min  sei,  und  rieht  dich  dar! 
da  wartet  din  der  engel  schar. 

4.  Wan  alle  weit  ist  dir  ze  klein, 
du  kumest  denn  e  wider  hein. 

5.  Da  heim  ist  leben  one  tot, 
und  ganzi  freud  on  alle  not. 

6.  Da  ist  gesuntheit  one  we 
und  wer  et  hüt  und  iemer  me. 

7.  Da  sint  doch  tusent  jar  als  hüt 
und  ist  auch  kein  verdrießen  nüt. 

8.  Wol  uf,  min  herz  und  al  min  mut 
und  such  das  gut  ob  allem  gut! 

9.  Was  das  nüt  ist,  das  sehetz  gar  klein 
und  jamer  alzit  wider  hein  1 

10.    Du  hast  doch  hie  kein  bliben  nüt, 
es  si  mom  oder  es  si  hüt. 

9 


130 

11.  Sit  es  denn  anders  nüt  mag  sin, 
so  fluch  der  weite  valschen  schin! 

12.  Und  rüw  din  sünd  und  besser  dich, 
als  wellest  mom  gen  himelrich! 

13.  Aide,  weit,  got  gesegen  dich! 
ich  yar  da  hin  gen  himelrich. 

Unter  den  Liedern  Heinrichs  von  Laufenberg  in  der  Straßbnrger  Hand- 
schrift B.  121,  gegen  Mitte  des  XV.  Jahrh.  —  Wackemagel  Nr.  758.  Uhland 
Volksl.  Nr.  335. 

f  Nr.  55. 

1.  Got  wölt  daß  ich  da  heirae  war 
und  al  der  weite  trost  enbär. 

2.  Ich  mein  da  heim  im  himelrich, 

da  ich  got  säch  immer  und  eweclich. 

3.  Da  ist  gesuntheit  ane  we 
und  weret  hüt  und  immer  me. 

4.  Da  ist  tuscnt  jar  als  hüt, 

da  ist  auch  kein  verdrießen  nit. 

5.  Da  ist  das  leben  ane  tot, 

da  ist  groß  freud  an  alle  not. 

6.  Got  gesegen  dich  weit,  ich  ftir  dahin, 
ich  far  dahin  gen  himelrich. 

7.  Got  gesegen  dich,  sunn!  got  gesegen  dich,  mtUi! 
ich  wil  zfl  got  mim  schopfer  gän. 

8.  Wol  uf  min  sei  und  bereit  dich  dar! 
da  wartet  din  der  engel  schar. 

9.  Wol  uf  min  herz  und  al  min  mut 
und  s&ch  das  gfit  ob  allem  gut! 

Ans  einer  Handschrift  des  Jungfrauenklosters  Angnstiner  Ordens  bu  Inz- 
kofen  bei  Sigmaringen,  am  1470 — 1480.  —  Hs.  5,  1.  dn  den  tot, 

§.7. 
Lieder  der  Geißler. 

Am  Ende  des  J.  1260  und  zu  Anfange  des  folgenden  Jahres 
verbreitete  sich  die  Büß-  und  Geißelschwärmerei  zuerst  in  Deutsch- 
land. Sie  kam  aus  dem  benachbarten  Italien,  wo  sie  viele  Freunde 
und  Anhänger  gefunden  hatte,  zumal  in  den  Städten  und  Gegen- 
den der  weifischen  Partei,  welche   sich  diese  {ronmie  Volks- 


131 

bewegong  aus  politischen  Zwecken  zu  Nutze  zu  maeKen  schien. 
Diesseit  der  Alpen  fand  sie  aber  nur  geringe  und  kurze  Theil- 
nahme,  besonders  weil  sie  vom  päpstlichen  Stuhle  nicht  geneh- 
migt war,  sie  ging  über  das  süd-östliche  Deutschland  nicht  weit 
hinaus  und  dauerte  nach  Ottocar  von  Homeck  auch  nur  acht 
Wochen.  Nach  den  kurzen  Berichten  der  Zeitgenossen  haben 
diese  Geißler  große  Ähnlichkeit  mit  den  späteren  des  J.  1349. 
Heinrich  Stero,  Mönch  von  Altaich,  welcher  gegen  Ende  des 
Xm.  Jahrh.  lebte,  schildert  sie  also  ^) :  Ihre  Bußübung  war  hart 
zu  erleiden,  schrecklich  und  erbärmlich  anzusehen,  denn  sie 
entblößten  ihren  Leib  vom  Nabel  an  aufwärts  und  hatten  ein 
gewisses  Kleid  an,  womit  sie  den  untern  Theil  des  Körpers  bis 
auf  die  Füße  bedeckten,  und  damit  niemand  von  ihnen  erkannt 
würde,  gingen  sie  mit  verhülltem  Kopfe  und  Gesichte  einher. 
Sie  zogen  je  zwei  und  zwei  oder  je  drei  imd  drei,  wie  die  Geist- 
lichen, hinter  einer  Fahne  oder  einem  Kreuze,  und  schlugen 
sich  selbst  mit  Geißeln  drei  und  dreißig  Tage  hindurch  und  einen 
halben,  zum  Andenken  an  die  Zeit  der  Menschheit  unsers  Herrn 
Jesu  Christi  auf  Erden,  zweimal  täglich  so  lange,  bis  sie  gewisse 


§.7.  1)  Annales  Heinrici  Steronis,  Monachi  AJtahae  inferioris,  ibiqne  Capel- 
lani  (1152—1300).  Ad  a.  1260.  Canisii  Lectiones,  ed.  Basnagii  s.  t.  The- 
gaunu  Monument  ecd.  et  hüt.  T.  IV.  p.  195.  In  Böhmer  Fontes  rerum 
germ.  II,  516  als  Annalen  Hermanns  Abts  zu  Nieder- Altaich  (f  1275):  Erat 
enim  modus  ipsius  poenitentiae  ad  patiendum  dnms,  horribilis  et  miserabilis 
ad  Yidendum ;  nam  ab  umbilico  sursnm  corpora  denudantes,  quandam  vestem, 
partem  corporis  inferiorem  usque  ad  talos  tegentem,  habebant,  et  ne  quis 
eorum  agnosceretur,  eooperto  capite  et  facie  incedebant.  Procodebant  etiam 
bini,  temi,  tanquam  derici,  vexillo  praevio  vel  cruce,  flagellis  semetipsos  bis 
in  die  per  XXXIH.  dies  et  dimidium  in  memoriam  temporis  humanitatis  Do- 
mini nostri  Jesu  Christi  super  terram  apparentis,  tamdiu  cruciantes,  quousque 
ad  quasdam  cantilenas,  quas  de  passione  ac  morte  Domini 
dictaverant,  duobus  yel  tribus  praecinentibus  circa  Ecclesiam 
yel  in  Ecciesia  compleverunt,  nunc  in  terram  cormentes,  nunc  ad 
coelum  nuda  brachia  erigentesi  non  obstante  luto  vel  nive,  frigore  vel  calore. 
Miserabiles  itaque  gestus  ipsorum  et  dira  verbera  multos  ad  lacrimas  et  ad 
suscipiendam  eandem  poenitentiam  provocabant.  Sed  quia  origo  ejnsdem 
poenitentiae  nee  a  sede  Romana,  nee  ab  aliqua  persona  anctorabili  fulcieba- 
tur,  a  quibusdam  Episcopis  et  Domino  Heinrico  Duce  Bavariae  coepit  haberi 
contemptui,  unde  tepescere  in  brevi  coepit,  sicut  res  immoderate  concepta. 
Im  Chronicon  Anonymi  Mellicensis  (Pes,  Scriptt.  T.  I.  col.  241):  et  cantus 
ad  suum  libitum  pro  numero  plagamm  compositos  decantantes. 

9* 


132 

Gesänge,  Jlie  sie  vom  Leiden  und  Tode  des  Herrn  gedichtet, 
um  die  Kirche  herum  oder  in  der  Kirche  vollendet  hatten,  indem 
zwei  oder  drei  die  Vorsänger  machten;  dabei  stürzten  sie  bald 
zur  Erde  nieder,  bald  streckten  sie  die  nackten  Arme  gen  Himmel 
empor,  trotz  Schmutz  oder  Schnee,  Kälte  oder  Hitze.  Dies  ilir 
erbärmliches  Gebärden  und  die  harten  Geißelungen  bewogen 
nun  viele  zu  Thränen  und  zur  Annahme  derselben  Buße.  Weil 
aber  diese  Bußübung  weder  vom  römischen  Stuhle  noch  von 
irgend  einer  Person  von  Ansehn  ausging,  so  gerieth  sie  bald 
bei  einigen  Bischöfen  und  dem  Herrn  Herzog  Heinrich  von 
Baiem  in  Verachtung,  und  ließ  in  kurzem  nach,  so  wie  jede 
Sache,  die  Anfangs  zu  sehr  übertrieben  wird.  —  Ottocar  von 
Homeck*)  imd  ein  Ungenannter  aus  dem  Anfange  des  XIV. 
Jahrh. ')  stimmen  damit  überein ;  auch  sie  sagen,  dass  die  Geißler 
Lieder  sangen. 

Ottocar:  L*  puozliet  sie  sungen,  und 

Anon.:  et  cantabant  devotos  cantus. 
Diese  Lieder  waren  in  der  Landessprache  abgefasst ;  wenn  Pul- 
kawa,  der  seine  Chronik  auf  Befehl  Karls  IV.  aus  alten  Nachrichten 
zusammenschrieb,  von  verschiedenen  Sprachen  spricht*),  so 


§.  7.  2)  Ottocar  v.  H.  bei  Fez,  Scr.  T.  III.  col.  92.  93,  danach  bei  Mass- 
xnann,  Erlänter.  zum  Wessobronner  Gebet  S.  94 — 96  und  Förstemann ,  Die 
Christi.  Geißlergesellschaften  S.  39—41. 

3)  Anonymi  Chron.  Austr.  (Rauch,  Rerum  Austr.  Scriptt  T.  II.  p.  251) : 
M.  cc.  Ixj.  Hoc  anno  orta  est  publica  poenitentia  per  multas  provincias, 
quae  pro  magno  oraculo  habebatur.  Multi  homines,  pauperea  et  divites,  mi- 
nisteriales,  milites,  rustici,  senes  et  juvenes  ibant  nudi  a  cingulo  et  supra,  et 
Caput  contezerant  cum  lineo  panno,  portantes  socum  vexilla  et  ardentes  can* 
delas,  et  flagella  in  manibus,  quibos  se  quidam  percutiebant  usquc  ad  effusio- 
nem  sanguinis,  et  cantabant  devotos  cantus,  et  ibant  de  provincia  in  proyin- 
ciam,  de  civitate  in  civitatem  et  de  ecclesia  ad  ecclesiam,  quod  videntes 
multi  conpuncti  sunt  et  flebant.  Ponebaut  etiam  se  prostrati  toto  corpore  ad 
terram  nudi,  vel  in  nivem  vel  in  lutum.  In  hac  poenitentia  comparuit  quis* 
que  xxxiij.  diebus  bis  in  die  mane  et  vespere.  —  Anon.  Leobiensia  stimmt 
damit  übercin  bis  auf  den  Anfang,  der  bei  ihm  also  lautet  (Pez,  Scriptt  T.  I. 
col.  829):  Hoc  anno  (er  liest  fälschlich  1267)  fuit  publica  poenitentia,  quao 
orta  est  in  Sicüia,  et  transiit  Longobardiam ,  Karinthiam,  Camiolam,  Stiriam, 
Anstriam,  Bohemiam,  Moraviam,  cum  flagellationibus  et  canticis  poenitentia- 
libus,  quae  pro  magno  miraculo  habebatur. 

4)  Chronicon  Pulkavao  (Dobner,  Monum.  bist.  Boem.  T.  UI.  p.  232) : 
Kodcm  anno  flagellatorum  qnaedam  secta  suboritur,  qui  velantcs  capita  more 


133_ 

meint  er  die  deutsche  und  slavische ,  denn  die  Lieder  der  Geißler 
gingen  in  alle  Sprachen  der  Länder  über,  wo  sie  sich  selbst 
zeigten.  Ob  nun  diese  Lieder,  die  damals  1260  erst  gedichtet 
wurden,  verwandt  sind  mit  denen  der  spiiteren  Flagellanten, 
müsste  gänzlich  unerörtert  bleiben,  hätte  sich  nicht  ein  Bruch- 
stück von  jenem  Jahre  erhalten,  was  in  einer  österr.  Chronik 
von  1025  —  1282,  also  gleichzeitig,  vorkommt*): 

Ir  slaht  lieh  s6re 

in  cristes  Are : 

durch  got  so  lät  die  sünde  möre! 
Dies  sind  aber  eben  dieselben  Zeilen,  welche  auch  von 
den  späteren  Geißlem  gesungen  wurden;  es  müssen  also  thcils 
durch  Überlieferungen,  theils  durch  Bußübimgen  in  einzelnen 
Gegenden  sich  manche  Anklänge,  auch  wol  ganze  Lieder  der 
früheren  Geißler  bis  1349  erhalten  haben. 

Noch  während  der  Verheerungen  jener  furchtbaren  Pest«), 
welche  seit  1348  auch  Deutschland  heimsuchte  und  Millionen 


clanstralium  ad  cingulum  denudati  flagellis  in  extremitatibas  nodos  habentibus, 
fortissime  se  caedebant,  quornm  etiam  quidam  processiones ,  stationeSi  venias 
et  gennflexiones  fecenint  znirabiles,  secundum  distinctiones  linguarum 
cantantes. 

§.  7.  5)  Oesterr.  Chronik  1025—1282.  S.  darüber  v.  Hormayr's  Archiv 
1821.  S.  467,  später  daselbst  1827.  ß.  430  ff.  von  Docen  herausgegeben, 
unter  dem  Titel:  Die  goldene  Chronik  der  Miinchener  Hofbibliothek.  Archiv 
1827.  8.  440:  MCCLX.  Ordo  flagellantium  oritur,  quac  dicebatur  penitentia 
layconim,  cuins  exordinm  soli  deo  et  suae  matri  ascribitur.  Quam  et  divites 
nobiles,  hnmiles  pauperes,  senes,  adolescentes  et  pneri  manifeste  circnmeundo 
ecclosias  nudi  psaUendo,  passionem  Christi  pronuntiando,  se  unnsqnisquo  flagel- 
lando.  Mnlieres  qnoque  in  domibns  simili  modo  faciendo,  et  illum  cantum 
psallebant:  Ir  slacht  evch  sere  in  Christes  ere,  durch  got  so  lat  die  svndc 
mere.  Docen  bemerkt  in  der  Einleitung:  versus  teutonici|  quos  ex  Flagel- 
lantium neniis  auctor  ad  an.  1260  servavit,  aperte  eidem  huic  anno  iutegram 
illam  cantilenam,  rhjthmi  legibus  adstrictam,  vindicant,  quam, 
aliquot  abhinc  annis  in  dioecesi  Osnabruggensi  repertam,  cditor  ad  annum 
demum  1349  referendam  esse  censuit.  Loguntur  ibi,  dialecto  solummodo  im- 
mutata,  a  vers.  88—40. 

6)  Über  die  Pest  der  J.  1348—1350  s.  Kurt  Sprengel,  Beiträge  zur 
Geschichte  der  Medicin  I.  Bdes  1.  Stück  (Haft  1794.  8.*»)  S.  36—116).  B.  de 
Zach,  Corrospondance  astronomique ,  g^ogr.,  hydrogr.  et  statistique  Vol.  XII. 
(1825)  Nr.  1.  p.  90—120.  —  Der  schwarze  Tod  im  vierzehnten  Jahrhundert. 
Nach  den  Quellen  von  J.  F.  C.  Hecker.     Berlin  1832. 


134 

Menschen  wegraffte,  bildeten  sich  eigene  Gesellschaften  von 
öffentlich  Büßenden,  die  bald  unter  dem  Namen  der  Geißler, 
Kreuzbrüder,  Flagellanten  u.  s.  w.  Deutschland  von  einem  Ende 
bis  zum  andern  durchzogen.  Ihr  erstes  Auftreten  fällt  in  den 
Frühling  des  Jahres  1349,  ihr  allmäliges  Kachlassen  in  den 
Herbst  desselben  Jahres  und  ihr  gänzliches  Aufhören  in  das 
J.  1350.  Da  sie,  wie  die  früheren  Geißler,  meist  nur  deutsche 
geistliche  Lieder  sangen,  so  mag  hier  zunächst  der  Bericht  eines 
Zeitgenossen,  des  Friedrich  Closener  zu  Straßburg  folgen;  er 
enthält  diese  Lieder  am  vollständigsten  f). 

Die  große  Geißelfahrt. 
Da  man  zählte  1349,  vierzehn  Tage  nach  St.  Johannstag, 
da  kamen  gen  Straßburg  wol  200  Geißler,  die  hatten  Leben 
und  Weise  an  sich,  als  ich  hier  ein  Theil  beschreibe.  Zum 
ersten,  sie  hatten  die  kostbarsten  Fahnen  von  Sammcttüchem, 
rauh  und  glatt,  und  von  Baldachin,  die  besten  die  man  haben 
mochte;  derer  hatten  sie  vielleicht  zehn  oder  acht  oder  sechs 
und  vielleicht  eben  so  manche  gewundene  Kerzen,  die  trug  man 
ihnen  vor,  wo  sie  in  die  Städte  oder  Dörfer  gingen,  und  stürmte 
mit  allen  Glocken  ihnen  entgegen,  und  gingen  den  Fahnen  nach 
je  zween  und  zween  mit  einander  und  hatten  alle  Mäntel  an 
und  Hüdein  auf  mit  rothen  Kreuzen,  und  sangen  zween  oder 
vier  einen  Leis  vor  und  sangen  ihn  die  anderen  nach.  Der 
Leis  war  also : 


7)  Fritsche  (Friedrich)  CloBener  endi^  seine  StraBb.  Chronik  mit 
dem  8.  Jnli  1862.  Er  starb  za  StraObnrg  gegen  Ende  des  XTV,  Jahrh.  als 
Vicarios  an  dem  ^o^en  Chor  der  Domkirche.  Closener's  Chronik  wurde  mit 
A.  W.  StrobeVs  Vorrede  von  Albert  Schott  heraosgegeben  in  der  |,Bibliothek 
des  literarischen  Vereins  in  Stattgart  I.  (1842)*',  dann  auf  Kosten  der  Stadt 
Straßbnrg,  prachtvoll  aasgestattet,  von  Strobel  und  Ludwig  Schneegans  im 
Code  historiqne  et  diplomatique  de  la  ville  de  Strasbourg.  T.  I.  (Strasb. 
1843.  4^)  1.  F.  p.  1  —  158.  Früher  kannte  man  nur  diesen  Bericht  über 
die  große  Geißelfahrt  sehr  unvollständig  aus  Closener^s  Fortsetzer,  Jacob 
Twinger  von  Königshofen  (geb.  zu  Straßburg  1346.  f^  27.  Dec.  1420  als 
Canonicus  an  der  St.  Thomas-Kirche  daselbst) ;  vgl.  Code  bist.  T.  1.  —  Ich 
theile  Closener*s  Bericht  jetzt  treu  übersetzt  mit,  da  er  urkundlich  bereits 
anderswo  gedruckt  ist,  z.  B.  von  Schmidt  in  den  Theologischen  Studien  und 
Kritiken  1837.  S.  889  ff.,  danach  bei  Ph.  Wackemagel  Kirchenl.  S.  605-608. 
Die  Lieder  stehen  auch  in:  Die  Geißler,  namentlich  die  große  Geißelfahrt 
nach  Straßburg  im  J.  1349.  Frei  nach  dem  Franz.  des  L.  Schneogans  von 
Const.  Tischendorf.     Lpz.  1840.     S.  20—27. 


135 


f   Nr.  56. 

Kü  ist  die  betevart  s6  her. 

Crist  reit  selber  gSn  Jerusalem, 

er  vüert  ein  crüze  an  stner  hant. 

nü  helfe  uns  der  heilant. 

NA  ist  die  betevart  so  guot. 

hilf  uns  hdrre  durch  din  heilige^  bluot, 

daa^  dil  am  crüze  vergoren  h&st^ 

und  uns  in  dem  eilende  gel&^en  hast. 

Kü  ist  die  strafe  also  breit, 

die  uns  zft  unser  frowen  treit, 

in  unser  lieben  frowen  lant. 

nü  helfe  uns  der  heilant! 

Wir  sullent  die  buo^e  an  uns  nemen, 

daa^  wir  gote  deste  ba;  gezemen 

al  dort  in  sines  vater  rieh, 

des  biten  wir  sünder  alle  glich. 

So  biten  wir  den  heiligen  Crist, 

der  aller  weite  gewaltic  ist  •). 
Wenn   sie   so  in  die  Kirche  kamen,  so  knieten  sie  nieder  und 
sangen : 

Jesus  wart  gelabet  mit  gallen, 

des  suUen  wir  an  ein  crüze  Valien. 
Bei  dem  Worte  fielen  sie  alle  kreuzweis  auf  die  Erde,  dass  es 
klapperte.   Wenn  sie  eine  Weile  also  lagen,  so  hub  ihr  Vorsän- 
ger an  und  sang: 

Nd  hebent  &f  die  üwem  hende, 

daa^  got  diz  grds^e  sterben  wende  1 

(nü  hebent  üf  üwere  arme, 

daj  sich  got  über  uns  erbarme!)  •) 
Dann  standen  sie  auf.    Das  thaten  sie  dreimal.   Wenn  sie  zum 
dritten  Male  aufstanden,  so  luden  die  Leute  die  Brüder,  eins  lud 
zwanzig,  eins  zwölf  oder  zehen,  jegliches  nach  seinen  Verhält- 


§.7.   8)  In  den  drei  letzten  Zeilen  hat  die  Hs. 

dick  Sünder  —  den  vü  heiligen  —  der  cMe  der. 
In  der  Klage  1881.  (3.  Ansg.  von  Lachmann  8.  361) 
si  sprach:    nü  16ne  in  Krist, 
der  aller  dinge  gewaltic  ist. 
9)  Zusatz  bei  Königshofen  (         ). 


136 

nissen,  imd  führten  sie  heim  und  boten   es  ihnen  wolil  (bewir- 
theten  sie  gut). 

Nun  war  die»  ihre  Regel: 
Wer  in  die  Brüderschaft  wollte  und  an  die  Buße  treten,  der 
musste  34  Tage  drinnen  sein  und  bleiben  und  darum  so  musste  er 
haben  also  viel  Pfennige,  dass  ihm  alle  Tage  4  Pfennige  zukamen, 
so  lange  er  in  der  Buße  war,  das  waren  11  Schillinge  und  4  Pfen- 
nige, darum  dui*ften  sie  niemand  ansprechen,  noch  fordern,  noch 
in  ein  Haus  kommen,  wenn  sie  zum  ersten  Male  in  eine  Stadt 
oder  ein  Dorf  kamen,  man  lüde  sie  dann  und  föhrte  sie  ohne 
ihre  Ansprache  drein,  danach  mochten  sie  wol  in  die  Häuser 
gehen,  während  sie  in  der  Stadt  waren.  Sie  durften  auch  mit 
keiner  Frau  reden.  Wer  aber  das  brach,  dass  er  mit  einer  Frau 
redete,  der  kniete  vor  ihren  Meister  und  beichtete  es  ihm,  so 
setzte  ihm  der  Meister  eine  Buße  und  schlug  ihn  mit  der  Geißel 
auf  den  Rücken  und  sprach: 

Stant  üf  durch  der  reinen  martel  ^re 
und  hüete  dich  vor  den  sündcn  möre! 

Sie  hatten  auch  ein  Gesetze,  dass  sie  Pfaffen  mochten 
unter  sich  haben,  aber  keiner  von  ihnen  sollte  Meister  unter 
ihnen  sein  noch  an  ihren  heimlichen  Rath  gehu.  Wenn  sie  nun 
wollten  büßen,  also  nannten  sie  das  Geißeln,  das  war  mindestens 
zweimal  des  Tages,  früh  und  spat,  so  zogen  sie  ins  Feld  hin- 
aus, und  läutete  man  die  Glocken  und  sammelten  sich  imd  gin- 
gen je  zween  und  zween,  iliren  Leich  singend,  also  vorher 
gesagt  ist,  und  wenn  sie  kamen  an  die  Geißelstatt,  so  zogen 
sie  sich  aus  barfuß  bis  auf  die  Beinkleider,  und  thaten  Kittel 
oder  andere  weiße  Tücher  um  sich,  die  reichten  von  dem  Gür- 
tel bis  auf  die  Füße,  und  wenn  sie  wollten  anfangen  zu  büßen, 
so  legten  sie  sich  nieder  in  einen  weiten  Kreis,  und  wie  jeg- 
licher gesündigt  hatte,  darnach  legte  er  sich:  war  er  ein  mein- 
eidiger Bösewicht,  so  legte  er  sich  auf  eine  Seite  und  reckte 
seine  drei  Finger  über  das  Haupt  hervor;  war  er  ein  Ehebre- 
cher, so  legte  er  sich  auf  den  Bauch.  So  legten  sie  sich  in 
mancherlei  Weise  nach  mancherlei  Sünde,  die  sie  gethan  hatten ; 
dabei  erkannte  man  wol,  was  Sünde  jeglicher  von  ihnen  began- 
gen hatte.  Wenn  sie  sich  so  hatten  gelegt,  so  fing  ihr  Meister 
an,  wo  er  wollte  und  schritt  über  einen  und  berülirte  den  mit 
seiner  Geißel  auf  den  Leib  und  sprach: 


_I37  _ 

Staut  üf  durch  der  reinen  martel  6re 
und  hücte  dich  vor  den  sünden  mdre! 
So  schritt  er  über  sie  alle,  und  über  welchen  er  schritt,  der 
stand  auf  und  schritt  dem  Meister  nach  über  die  vor  ihm  lagen. 
Wenn  ihrer  zwei  über  den  dritten  schritten,  der  stand  dann  auf 
und  schritt  mit  ihnen  über  den  vierten,  und  der  vierte  über  den 
fünften  vor  ihm.  So  thaten  sie's  dem  Meister  nach  mit  der 
Geißel  imd  mit  den  Worten  bis  dass  alle  aufstanden  und  über 
einander  schritten.  Wenn  sie  auf  diese  Weise  waren  aufgestan- 
den zu  einem  Kreise,  so  stellten  sich  ihrer  etwelche  hin,  die 
die  besten  Sänger  waren  und  fingen  einen  Leis  an  zu  singen. 
Den  sangen  die  Brüder  nach,  so  wie  man  zum  Tanze  noch  sin- 
get '®).  Unterdessen  gingen  die  Brüder  um  den  Kreis  je  zween 
und  zween  und  geißelten  sich  mit  Geißeln  und  Riemen,  die 
hatten  Knöpfe  vornen,  darein  waren  Nadeln  gesteckt,  und  schlu- 
gen sich  über  ihre  Rücken,  dass  mancher  sehr  blutete.  Nun 
ist  der  Leis  oder  Leich,   den  sie  sangen: 

f  Nr.  57. 

Nu  tretent  her  zu  die  bücken  wellen! 
fliehen  wir  die  heilen  hellen: 
Lucifcr  ist  ein  boese  geselle, 
sin  mit  ist  wie  er  uns  vervell" 
wände  er  hette  da^  bech  zei     ., 
des  Süllen  wir  von  den  Sünden  gän. 

Der  unsere  bfije  welle  pflegen, 
der  sol  bihten  und  wider  wegen, 
der  bihte  rchte,  lä  sünde  vam, 
so  wil  sich  got  über  in  erbam. 
der  bihte  rehtc,  1&  sünde  rüwen, 
so  wil  sich  got  selber  im  emüwen. 

Jesus  Crist  der  wart  gevangen, 
an  ein  crüze  wart  er  erhangen, 
daj  crüze  wart  von  bl&te  rot: 
wir  klagen  gots  martel  und  sinen  tot. 

§.  7.  10)  Vgl.  den  Aufsatz :  Was  Schaden  Tanzon  bringet,  aus  einer  IIs.  de« 
XV.  Jahrh.  in  den  Altd.  Blftttem  I,  52,  wo  9.  ö3.  55.  gegen  die  beim  Tanzo 
gesungenen  Schamperlieder  und  gegen  die,  welche  sie  dichten  und  vorsin- 
gen, besonders  geeifert  wird. 


138 

durch  got  vergießen  wir  unser  bl&t, 
da$  81  uns  für  die  sünde  g&t 
des  hilf  uns,  lieber  herre  got! 
des  biten  wir  dich  durch  dtnen  tot. 

Sünder,  w6  mit  wilt  du  mir  lönen? 
dri  nagel  und  ein  dümin  krönen, 
daj  crüze  firdn,  eins  speres  stich: 
Sünder,  daj  leit  ich  alle?  durch  dich, 
waj  wilt  du  liden  nü  durch  mich?  ") 

S6  rÄfen  wir  Ü5  lütem  döne: 

unsem  dienest  gdn  wir  dir  zA  löne, 

durch  dich  vergiejen  wir  unser  blAt, 

da;  st  uns  fiir  die  sünde  gftt. 

des  hilf  uns,  lieber  herre  got, 

des  biten  wir  dich  durch  dlnen  t6t. 

Ir  lügener,  ir  meinswersere, 
dem  höhesten  got  sint  ir  unmsBre! 
ir  bihtent  keine  sünde  gar, 
des  müe^ent  ir  in  die  helle  dar. 
dft  vor  behüet  uns  herre  gotl 
des  biten  wir  dich  durch  dinen  tdt. 
Nun  knieten  sie  alle  nieder  und  spannten  ihre  Arme  kreuzweis 
und  sangen: 

Jesus  der  wart  gelabet  mit  gallen, 
des  suUen  wir  an  ein  crüze  Valien. 
I^un  fielen  sie  alle  kreuzweis  auf  die  Erde  nieder  und  lagen 
eine  Weile  da,  bis  dass  die  Sänger  abermals  anhüben  zu  singen, 
dann  knieten  sie  auf  die  Kniee  und  hüben  ihre  Hände  auf  und 
sangen  den  Sängen  nach  knieend  also: 

Nü  hebent  üf  die  üwem  hende, 
'da;  got  diz  grö;e  sterben  wende! 
nü  hebent  üf  die  üwem  arme, 
da;  sich  got  über  uns  erbarme! 

Jesus  durch  dine  namen  dri 
du  mach  uns  herre  vor  sünden  fri! 
Jesus  durch  dine  wunden  rot, 
behüet  xms  vor  dem  g»hen  tot! 


§.7.  11)  Schmidt  liest:   mi  durch  mich. 


139 

Nun  standen  sie  alle  auf  und  gingen  um  den  Kreis  und  geißel- 
ten Bichy  wie  sie  zuvor  hatten  gethan  und  sangen  also: 

f  Nr.  58. 

Maria  st&nt  in  grölen  n<Bten, 

dd  sie  ir  liebes^  kiut  sach  toBten, 

ein  swert  ir  durch  die  sele  sneit: 

da;  14  dir  sünder  wesen  leit. 
Des  hilf  uns  lieber  herre  got, 
des  biten  wir  dich  durch  dinen  tdt. 

Jesus  rief  in  himelHche 

sinen  engein  alle  geliche, 

er  sprach  zA  in  vil  senedeclichen : 

die  cristenheit  wil  mir  entwichen, 

des  wil  ich  l&n  die  weit  zerg&n, 

des  wi^ent  sicher  &ne  wän! 
D&  vor  behüet  uns  herre  got, 
des  biten  wir  dich  durch  dinen  tot. 

Maria  bat  im  sun  den  süejen: 
liebe;  kint^  14  sie  dir  blieben, 
sd  wil  ich  schicken  da;  sie  müe;en 
bek6ren  sich,    des  bit  ich  dich, 
vil  liebe;  kint,  des  gewer  du  mich. 

•  •  ") 

des  biten  wir  sünder  euch  alle  glich. 

Welich  frow  oder  man  ir  3  nü  brechen, 

da;  wil  got  selber  an  sie  rechen. 

SWebel,  bech  unde  ouch  die  gallen 

gie;et  der  tiefel  in  sie  alle: 

förw&r  sie  sint  des  tiefeis  bot. 
D&  vor  behüet  uns  herre  got, 
des  biten  wir  dich  durch  dinen  tot. 

Ir  mordsere,  ir  str&;roubaBre, 
üch  ist  die  rede  enteil  zA  sweere. 
ir  wellent  üch  über  nieman  erbam, 
des  müe;ent  ir  in  die  heUe  vam. 
D&  vor  behüet 


§.  7.  12)  Vielleicht  fehlt  hier:    Des  hilf  nns  in  din  himelrichl 


140 

Nim  knieten  sie  und  iiclen  dann  nieder  und  sangen,  imd  stan- 
den dann  wieder  auf  und  benahmen  sich  wie  vorher  von  dem 
Sänge  an:  Jesus  der  wart  gelabet  mit  gallen,  bis  an  den 
Sang:  Maria  stAnt  in  grölen  noeten.  So  sümden  sie  dann 
abermals  auf  und  sangen  diesen  Leich  sich  geißelnd: 

f   Nr.  59. 
O  we  ir  armen  -vvdcheraere, 
dem  lieben  got  sint  ir  unma^re. 
da  lihest  ein  marc  al  umbe  ein  pfuiit, 
daj  ziehet  dich  in  der  helle  giimt; 
des  bistd  iemer  me  verlorn, 
dar  z&  so  bringet  dich  gotes  zoni. 
Da  vor  behüet  .... 

Die  erde  bidemet,  euch  kliebent  die  steine:  "^j 
ir  horten  herzen  ir  sullent  weinen, 
weinent  tougen  mit  den  ougen, 
slahent  üch  sere  durch  Cristes  ere! 
durch  in  vergie;en  wir  unser  blüt, 
da^  si  uns  für  die  sünde  gftt. 

Des  hilf  uns  lieber  herre  got, 
des  biten  .... 
Der  den  fritag  nüt  envastet 
imde  den  suntag  nüt  enrastet, 
zwar  der  mücje  in  der  helle  piu 
eweclich  verloren  sin. 

Dft  vor  behttet  .... 
Die  6  die  ist  ein  reine^  leben, 
die  hat  got  selber  uns  gegeben, 
ich  rät  frowen  und  ir  maimen, 
da;  ir  die  hochfart  M-^et  dannen; 
durch  got  so  Idnt  die  hochfart  varn, 
s9  wil  sich  got  über  uns  erbam. 
Des  liilf  uns  lieber  herre  got, 
des  biten  wir  dich  durch  dinen  tot. 
Nun  knieten   sie   abermals  und  fielen  nieder  und  sange'/i,  und 
standen  dann  wieder  auf  und  benahmen   sich  wie  vorher  von 
dem  Sango  an:   Jesus  der  wart  gelabet  mit  gallen,  bis 


§.7.  13)  Hs.  die  erhidemet  erklunget  die  steine. 


141 

an  den  Sang:  Maria  stAnt  in  grölen  noeten.  Auf  diese 
Weise  war  das  Geißeln  vorbei.  So  legten  sie  sich  dann  nieder, 
wie  sie  hatten  gethan  als  sie  anfingen,  und  schritten  über  ein- 
ander und  hießen  einander  aufstehen  wie  zuvor,  und  gingen 
dann  an  den  Kreis  und  thaten  sich  wieder  an.  Während  sie 
sich  aus-  und  anthaten,  so  gingen  brave  Männer  umher  und  be- 
gehrten an  dem  Kreise  von  den  Leuten,  dass  sie  den  Brüdern 
beisteuerten  zu  Kerzen  und  Fahnen :  auf  die  Weise  ward  ihnen 
viel  Geld.  Wenn  sie  dies  alles  gethan  hatten  und  wieder  an- 
gekleidet waren,  so  trat  einer  von  ihnen,  der  ein  Laie  war  und 
lesen  konnte,  auf  einen  Berchfiied  (Warte)  und  las  diesen  nach- 
stehenden Brief.  ") 

Hie  hatte  der  Brief  ein  Ende.  Wenn  der  gelesen  war,  so 
zogen  sie  wieder  in  die  Stadt  zween  und  zween  ihren  Fahnen 
und  ihren  Kerzen  nach  imd  sangen  den  ersten  Leich:  Nu  ist 
die  betevart  sd  hSre  und  läutete  man  die  großen  Glocken 
ihnen  entgegen,  und  wenn  sie  in  den  Münster  kamen,  so  fielen 
sie  kreuzweis  nieder  dreimal,  wie  vorher  geschrieben  ist.  Wenn 
sie  aufstanden,  so  gingen  sie  in  ihre  Herbergen  oder  wohin  sie 
wollten.  Man  will  wissen,  dass  die  erste  Bruderschaft,  die  nach 
Straßburg  kam,  die  kamen  eines  Morgens  auf  Metzgeraue  und 
geißelten  sich  da,  danach  gingen  sie  erst  in  die  Stadt.  Aber 
die  Bruderschaft,  die  danach  herkamen,  die  gingen  gemeinig- 
lich alle  zuvor  in  die  Stadt  ehe  sie  sich  geißelten  und  hielten 
auch  alle  die  Weise,  die  da  vorher  geschrieben  steht,  doch 
hatten  etliche  mancherlei  andere  Leise  während  sie  einherzogen 
(doch  betten  etliche  maniger  hande  andere  leiee  die 
wil  sie  zogeten),  aber  zu  der  Buße  hielten  sie  alle  densel- 
ben Leis  (%inen  leis).  — 

Eben  so  wichtig  sind  die  Nachrichten  aus  einer  andern 
Gegend  Deutschlands,  aus  dem  Nassauischen;  der  Stadtschrei- 
ber Johann  zu  Limburg,   der  im  Jahre  1336  seine  Chronik  ") 


§.  7.  14)  Diesen  Brief  der  geucheler  bredie  giebt  dann  Closener  noch  und 
erzälüt  den  ganzen  Verlauf  der  Gei^elfahrt,  Code  dipl.  p.  140 — 148. 

15)  Die  erste  Ansgabe  der  Limburger  Chronik  erschien  unter  dem 
Titel:  Fasti  Limpurgenses  cet.  bei  Gotthard  Vögelin  1617.  8?  G.  Vögelin 
war  Bnchdrucker  zu  Worms;  es  ist  derselbe,  welcher  aus  Freher's  Nachlass 
den  Williram  und  die  Anmerkungen  zum  Otfrid  herausgab;  s.  Hoff  mann, 
Pnndgr.  I.  Th.  S.  41.  Mehr  über  die  Chronik  Eschenburg  in  GrSter's  Bragur 
VI.  Bd.  I.  Abthei].  S.  82— lOS  und  Ebert,  Bibliogr.  Lexicon  Nr.  7368. 


142 

begann  und  1402,  85  Jahre  alt  war,  muss  1349  alles  selbst  ge- 
sehen oder  doch  von  Augenzeugen  gehört  haben.  Hier  sein 
Bericht  nach  der  Ausgabe  von  1617  durch  Joh.  Fr.  Faust  von 
Aschaffenburg  (8.  9—15) :  Anno  1349  da  kam  ein  großes  Ster- 
ben in  Deutschland,  das  ist  genannt  das  große  Sterben  und  das 
erste,  und  stürben  an  der  Drüsen,  und  wen  das  anging,  der 
starb  an  dem  dritten  Tag,  imd  in  der  Maßen  stürben  die  Leut 
in  den  großen  Städten,  zu  Köln,  zu  Mainz  etc.  und  also  meist- 
lich  alle  Tage  mehr  denn  100  Menschen  oder  in  der  Maßen, 
in  den  kleinen  Städten  stürben  täglich  20,  24  oder  30,  also  in 
der  Weise.  Das  währte  in  jeglicher  Stadt  und  Land  mehr  denn 
ein  Viertel  Jahrs,  und  stürben  zu  Limburg  mehr  denn  2400  Men- 
schen, ausgenommen  die  Kind. 

Da  das  Volk  den  großen  Jammer  sähe  vom  Sterben,  das 
auf  Erdreich  was,  da  fielen  die  Leute  gemeinlich  in  eine  große 
Reue  ihrer  Sünden  und  suchten  Pönitentien,  und  thäten  das  mit 
eigenem  Willen,  und  nahmen  den  Papst  und  die  H.  Kirche  nicht 
zu  Hülf  und  zu  Rath,  das  große  Thorheit  was  und  große  Un- 
vorsichtigkeit und  Versäumniss  und  Verstopfung  ihrer  Seelen. 
Und  verhaften  (verbanden)  sich  die  Mannen  in  den  Städten  und 
im  Land  und  gingen  mit  den  Geißeln,  hundert,  zwei  oder  drei 
hundert,  oder  in  der  Maßen.  Und  was  ihr  Leben  also,  dass 
etlich  Partei  gingen  30  Tag  mit  den  Geißeln  von  einer  Stadt 
zu  der  andern,  und  fährten  Kreuz  imd  Fahnen,  also  in  den 
Kirchen,  und  mit  Kerzen  und  mit  der  Procession;  und  wo  sie 
kamen  vor  eine  Stadt,  da  gingen  sie  mit  einer  Procession  zwei 
bei  einander  bis  in  die  Kirchen,  und  hatten  Hüte  auf,  daran 
stund  vomen  ein  roth  Kreuz,  und  jeglicher  trug  seine  Geißel 
vor  ihm,  und  sangen  ihren  Leisen  also:  ^ 

Ist  diso  betevart  so  hdre. 

Krist  vuor  selb  ze  JerusalSme, 

mid  vüert  ein  crüze  in  siner  hant. 

nü  helf  uns  der  heilant! 
Der  Leise  war  da  gemacht,  imd  singet  man  den  noch, 
wann  man  Heilige  trägt.  Und  hatten  sie  ihre  Vorsänger  zween 
oder  drei,  und  sangen  sie  ihnen  nach.  Und  wann  sie  in  die 
Kirch  kamen,  thäten  sie  die  Thür  zu,  und  thäten  all  ihre  Klei- 
der aus  bis  auf  ihre  Niederkleider  und  hatten  von  ihren  Enkeln 
bis  auf  ihre  Lenden  EJeider  von  Leinentuch,  und  gingen  um 
den  Kirchhof  zween  und  zween  bei  einander  in  einer  Proces- 


143 

siony  als  man  pflegt  um  die  Kirche  zu  gehen  und  zu  singen; 
und  ihr  jeglicher  sehlug  sich  selber  mit  seiner  Geißel  zu  beiden 
Seiten  über  die  Achsel^  dass  ihnen  das  Blut  über  die  Enkel 
floss,  und  trugen  Kreuz^  Kerzen  und  Fahnen  vor;  imd  ihr  Ge- 
sang war  also,  wann  sie  umgingen: 

Tretent  herzfi  swer  büejen  welle! 

s6  vliehen  wir  die  heije  helle. 

Lucifer  ist  ein  boeser  geselle. 

swen  er  habet, 

mit  bech  er  in  labet. 
Des  war  noch  mehr  ").    Und  in  der  Final  des  Gesangs 
oder  Lieds  sangen  sie : 

Jesus  wart  gelabet  mit  gallen, 

des  süln  wir  an  ein  crüze  vallenl 
So  knieten  sie  alle  nieder  und  schlugen  alle  kreuzweis  mit 
aufgereckten  Armen  und  Händen  auf  die  Erden  imd  lagen  allda. 
Und  hatten  unter  sich  gemacht  eine  große  verderbliche  Thor- 
heit,  imd  wähneten,  das  wäre  gut,  mit  Namen  (vomämlich)  wann 
sie  gefallen  waren,  wer  da  unter  ihnen  was,  der  seine  Ehe  ge- 
brochen hatte,  der  legte  sich  auf  seine  Seiten,  dass  man  sollte 
sehen,  dass  er  ein  Ehebrecher  wäre;  und  wer  einen  Mord  ge- 
than  hatte,  er  wäre  heimlich  oder  offenbar,  der  wandte  sich  um 
und  wandte  sich  auf  den  Rücken;  sodann  der  meineidig  war, 
der  reckete  zween  Finger  neben  dem  Daumen  aus  in  die  Höhe, 
dass  man  sähe,  dass  er  ein  meineidiger  Schalk  war,  und  also. 
Wiewol  dass  Bitter  und  Knechte,  Bürger  und  Gebauren  alle  in 
einem  einfältigen  Sinne  gingen  mit  der  Geißel,  verloren  sie  alle- 
sammen  ihren  geistlichen  Sinn,  um  dass  sie  ohne  Laub  (Urlaub) 
der  H.  Kirchen  selbsten  Buße  setzeten,  und  machten  sich  sel- 
ber zu  Schälken  imd  Böswichten.  Denn  wen  man  hatte  gehal- 
ten in  Contract  und  Kundschaft  vor  einen  ehrbaren  Mann,  der 
machte  sich  selber  zu  einem  Schalk,  also  dass  er  nimmer  taugte 
auf  Erdreich  an  Ehren  und  an  Seligkeit.  Und  ward  deren 
mancher  verderbt  und  gehangen  in  Westphalen  und  anderswo, 
und  wurden  verweiset  von  dem  Rathe,  da  sie  in  gesessen  hat- 
ten, nachdem  als  (wie)  das  vorging  in  Westphalen  und  anderswo. 
Auch  wann  die  vorgenannten  Geißelbrüder  aus  den  Städten 


§.  7.  16)  Dieser  Gesang  hat  sich  vollständig  auf  einigen  einzelnen  in  West- 
phalen entdeckten  Pergamentblftttern  yorgefanden.     8.  nachher. 


144 

gingen  und  hatten  ihre  Buße  gethan,  so  gingen  sie  aus  mit 
Ereuzfahnen  und  Kerzen  mit  ihren  Processen^  und  leiseten  ihnen 
ihre  Vorsänger  ihre  Leisen.     Der  Gesang  war  also: 

f  Nr.  60. 
O  h^n'  vater  Jesu  Crist, 
wan  du  allein  ein  h^rre  bist, 
du  hast  uns  die  sünde  macht  ze  vergeben, 
nü  gefrist  ims  hie  unser  leben; 
da;  wir  beweinen  dinen  tot, 
wir  klagen  dir  herre  al  unser  not. 
Des  war  noch  mehr.     Auch   singen  sie  einen  andern  Lei- 
sen, der  was  also: 

f    Nr.  6L 
Ej  gicnc  sich  unser  frowe,  Kyrieleison! 
des  morgens  in  dem  towe,  Halleluja! 
da  begegnet  ir  ejjn  junge,  Kyrieleison! 
sin  hart  was  im  entsprungen.    Halleluja! 
Gelobet  sistil  Maria! 
Du  sollt  wissen,  dass  diese  vorgenannten  Leisen  alle  wurden 
gemacht  imd  gedichtet  in  der  Geißelfahrt  und  war  der  Weisen 
keine  mehr  zuvor  gehört  worden  ").    Auch  hatten  die  Geißler 
den  Sitten,  dass  sie  keinen  Weibern  zusprachen  in  der  Geißel- 
fahrt.   Also  gingen  sie  um  mit  Thorheit  und  wussten  nicht  das 
Ende,  das  davon  kommen  sollte  oder  möchte,  als  da  spricht  der 
weise  Meister  also: 

Quiequid  agis,  prudenter  agas  et  respice  finem. 
Fortan  wann  die  Geißler  also  gefallen  hatten,  als  vor  ge- 
schrieben steht,  so  lagen  sie  auf  der  Erden  also  lange,  dass 
man  fünf  pater  noster  mochte  gesprochen  haben;  dann  kommen 
zween,  die  sie  zu  Meistern  haben  gekoren,  und  geben  jeglichem 
einen  Streich  mit  der  Geißel  und  sprechen  also :  Stand  auf,  dass 
dir  Gott  alle  Sünde  vergebe !  So  stunden  sie  auf  ihre  Knie ;  die 
Meister  und  die  Sänger  sungen  vor: 

Nu  reckent  üf  üwere  hendo, 
da^  got  da;  grö;e  sterben  wende! 
nft  reckent  itf  üwere  arme, 
da;  sich  got  über  uns  erbarme! 


§.  7.  17)  Vorgl.  jedoch  vorher  Anm.  5. 


145 

^nd  da  reckten  sie  alle  ihre  Arme  auf  kreuzweis  und  jeder 
sehlug  sieh  an  die  Brust  drei  Schläge  oder  viere ,  und  hüben 
alle  an  zu  singen: 

Nu  slagt  üch  sdre 
durch  Christus  drei 
durch  got  sd  Uit  die  hövart  varen! 
sd  wil  sich  got  über  uns  erbamißn« 
So  stunden  sie  auf  und  gingen  wiederum  und  schlugen  sich 
mit  den  Geißeln^  dass  man  Jammer  an  ihnen  sähe. 

Da  das  geschehen  was,  da  gingen  die  ehrbaren  Leute  dar 
und  luden  die  Geißler  heim,  einer  vier,  sechs  oder  sieben,  und 
thaten  ihnen  gütlich  über  Nacht.  Auf  den  Morgen  so  gingen 
sie  wieder  hinweg  in  einer  Procession  und  Ejeuzen  in  eine 
andere  Stadt  oder  Land. 


Von  diesen  Liedern,  welche  Closener  und  der  Stadtschrei- 
ber Johann  zu  Limburg  ihren  Berichten  eiHTcrleibten,  hat  sich 
nur  ein  einziges  vollständiges  erhalten  »): 

f  Nr.  62. 
Swer  siner  sele  welle  pflegen, 
der  sol  gelten  und  widergeben, 

S.  7.  18)  „Dorow  entdeckte  es  im  OsDAbi^ckBchen,  es  steht  auf  den  Deckeln 
einer  PgHs.  medidnlschen  Inhalts  ans  dem  XFV.  Jahrh.  in  4? ,  die  jetzt  der 
Herr  y.  Mensebach  besitit.  Massmann  gah  es  mit  einer  Übersetzung  heraus 
in  seinen  Erläntemngen  zum  Wessobr.  Gebet  S.  44 — 62.  Das  Lied,  wie  es 
dort  erscheint,  ist  mittelniederländisch  und  zwar  in  der  Mundart  der  östlichen 
Gegenden  Hollands  nach  Westphalen  zu;  diese  Ansicht  habe  ich  in  der  Re- 
cension  des  Massm.  Buches  (Seebode,  Krit.  Bibl.  1825.  I.  Bd.  Heft  6.  8.  549 
— 551)  zu  begründen  gesucht.  Förstemann  hat  in  seinen  Christlichen  Geiß- 
lergesellschalten  S.  270 — 277  Massmann's  Text  und  Übersetzung,  doch  beides 
etwas  berichtigt,  wiederholt.  Da  es  jetzt  nicht  mehr  darauf  ankommt,  einen 
wörtliohen  Abdruck  zu  haben,  das  Lied  aber  viele  jener  obenerwähnten  Bruch- 
stücke der  Flagellanten-Gesänge  enthält,  so  will  ich  einen  hergestellten  hoch- 
deutschen Text,  wie  er  doch  nach  den  Mittheilungen  bei  Königshofen  u.a. 
angenommen  werden  muss,  folgen  lassen.  **  So  schrieb  ich  im  Jahre  183^. 
Seitdem  wurden  die  Lieder  der  Flagellanten  aus  dem  Closener  bekannt.  Da- 
durch wird  nun  mein  hochdeutscher  Text  bestätigt,  und  Herr  Philipp 
Wackemagel  hätte  also,  wenn  er  den  Closener  verglichen,  gar  nicht  nöthig 
gehabt,  nachträglich  noch  den  schlecht  vemiederdentschten  Text  (Kirchenlied 
Nr.  728)  zu  dem  von  mir  entlehnten  (Kirchenl.  Nr.  117)  wieder  abdrucken 
zu  lassen. 

10 


146 

sd  wirt  Biner  sfile  r&t: 

des  hilf  ans  lieber  lierre  got<*)! 
5.        Nd  tretent  her  swer  büejen  welle! 

vlühe  wir  jft  die  heije  heUe: 

Lueifer  ist  ein  boeser  geselle; 

swen  er  habet^ 

mit  bech  er  in  labet. 
10.    da;  ylühe  wir  ob  wir  haben  sinne : 

des  hilf  uns  Maria  küniginne, 

da^  wir  dtnes  kindes  hulde  gewinnen. 
Jesus  Crist  der  wart  gevangen^ 

an  ein  crüze  wart  er  gehangen^ 
16.    daj  crüze  wart  des  bluotes  r6t. 

wir  klagen  sin  marter  und  stnen  tot. 

Sünder^  war  mite  wiltü  mich  lönen? 

drt  nagel  und  eine  dümln  kröne, 

da;  crüze  vrdn,  ein  sper,  ein  stich: 
20.    Sünder,  da;  leit  ich  durch  dich, 

wa;  wiltü  nö  Itden  durch  mich? 
So  rüefe  wir  herre  mit  lütem  tone: 

unsem  dienst  den  nim  ze  löne! 

behüete  uns  vor  der  helle  not! 
26.    des  bite  wir  dich  durch  dinen  tdt. 

durch  got  vergieße  wir  unser  blÄt, 

da;  ist  uns  zA  den  Sünden  gAt. 
Maria  mftter  küniginne, 

durch  dines  lieben  kindes  minne 


§.7.  19)  Die  Schweizer  haben  diese  ersten  Zeilen  parodiert.  Conrad 
Jnstingers  Bemer  Chronik  von  Anfang  der  Stadt  Bern  bis  1421,  heransg. 
von  Stierlin  (Bern  1819.  8?)  S.  142:  Damach  an  Sant  Ste&ns  Tag  (1350) 
engen  die  Ton  Bern  ns  nnd  singen  sich  für  Lonbeck  nnd  f&r  Mannenberg, 
nnd  waren  bi  inen  die  von  Fmtigen  nnd  von  Thnn,  nnd  wan  es  glich  nach 
dem  großen  tode  war,  die  dan  davon  kommen,  die  waren  firolich  nnd  sungen 
nnd  tanzten.  Also  waren  meh  dan  tnsent  gewapneter  mannen  an  einem  tanz. 
Die  snngen  also  nnd  spotteten  der  geißler,  die  vor  nnlangem  after  lant  gan- 
gen waren. 

Der  unser  baß  well  pflegen, 

der  sol  ross  nnd  rinder  nemcn, 

gens  nnd  feiste  swin! 

damit  so  gelten  wir  den  win. 
Vgl.  Joh.  Müller,  Gesch.  der  Eidgen.   2.  Aufl.    II.  Th.  S.  20.8. 


147 


30.    al  unser  not  si  dir  geklagct, 

des  hilf  uns  m&ter  reine  maget «»). 

die  erde  bibent,  euch  kliebent  die  stoino: 

liebe;  herze,  dft  solt  weinen! 

wir  weinen  trehene  mit  den  ougen 
35.     und  haben  des  so  gfiten  glouben 

mit  unscm  sinnen  und  mit  herzen: 

durch  ims  leit  Crist  vil  manigen  smerzo». 
Nu  slahet  üeh  sdre 

durch  Oristes  ere! 
40.     durch  got  nft  14t  die  sünde  more, 

durch  got  nü  IM  die  sünde  varen, 

so  wil  sich  got  über  uns  erbarmen. 
Maria  stunt  in  grölen  noeten, 

d6  sie  ir  liebe;  kint  sach  tceten. 
45.    ein  swert  durch  ir  sele  sneit: 

Sünder,  da;  1&  dir  wesen  leit. 

in  kurzer  vrist 

got,  zomic  ist. 
Jesus  wart  gelabet  mit  gallen, 
50.    des  suln  wir  an  ein  crüze  vallen. 

crhebent  üch  mit  üwem  armen, 

da;  sich  got  über  uns  erbarme, 

da;  er  sende  sinen  geist 

und  uns  da;  kurzlichen  leist. 
55.    Jesus  durch  dine  namen  dri 

nft  mache  uns  hie  von  Sünden  fri! 

Jesus  durch  dine  wunden  rot 

behüete  uns  vor  dem  gsehen  tot! 
.  Die  frowen  und  man  ir  6  zebrechen, 
60.    da;  wil  got  selbe  an  in  rechen. 

swebel,  bech  und  euch  die  gallo, 

da;  giezet  der  tievel  in  sie  alle. 

vürwär  sint  sie  des  tievels  spot: 

dÄ  vor  behüete  uns  herre  got. 
65.    die  6  die  ist  ein  reine;  leben, 

die  hat  ims  got  selbe  geben. 

ich  rate  üch  frowen  unde  mannen, 


,  7.  20)  Erinnert  an  den  Anfangs  einen  älteren  Liedep,  siehe  §.  4, 

10* 


148 

durch  got  ir  sullet  hohvart  anden! 

des  bitet  üch'  die  arme  sdle, 
70.    durch  got  nA  lft;et  hdhvart  mdre, 

durch  got  nü  lä;et  höhvart  varen^ 

so  wil  sich  got  über  üch  erbarmen. 
Christus  rief  in  himehriche 

stnen  engehi  al  geliche: 
76.    die  kristenheit  wil  mir  entwichen, 

des  wil  ich  Iftn  ouch  sie  vergän. 
Maria  bat  ir  kint  sd  s^re: 

liebe;  kint,  1&  sie  dir  büe^en, 

da;  wil  ich  schaffen,  da;  sie  mtte;en 
80.    bekören  sich, 

des  bite  ich  dich. 
Ir  lügensere, 

ir  meinen  eitswersere, 

ir  bichtet  reine  und  lAt  die  Bünde  üch  rüwen, 
86.    s6  wil  sich  got  in  üch  vemüwen. 

ö  wd  du  arme  wAchersere, 

du  bringest  ein  löt  üf  ein  pfunt, 

da;  senket  dich  an  der  helle  gnmt. 

ir  morder  und  ir  strft;enroub86re, 
90.    ir  sint  dem  lieben  got  unmaere; 

ir  ne  weit  üch  über  niemen  erbarmen, 

des  stt  ir  ^weclfchen  verloren. 
Wsere  dise  buo;e  niht  geworden, 

die  kristenheit  wsere  gar  verswunden. 
96.    der  leide  tüvel  hatte  sie  gebunden, 

Maria  hat  geloeset  unser  bant. 
Sünder,  ich  sage  dir  liebe  maere: 

sant  Peter  ist  portenaere; 

wende  dich  an  in,  er  14t  dich  in, 
100.    er  bringet  dich  für  die  künigtn. 

Ha.  93—96  Tielleicbt: 

wäre  dise  huozfi  niht  geworden, 

die  kristenheit  w(er  gar  vertüorden. 

der  leide  tievel  sie  gehcmt, 

MoTJd  ISste  unser  bant, 
69,  64.  folgren  in  der  Hs.  erst  nach  68. 


149 

Lieber  herre  sant  Michaile, 
du  bist  ein  pfleger  aller  s61e, 
behüete  una  vor  der  helle  n6t! 
da;  t&  durch  dines  schepfseres  tot! 


Schließlich  noch  ein  Bericht  aus  dem  XYI.  Jahrhundert^  der 
für  das  Wort  Leise  sehr  wichtig  ist. 

Thomas  Kantzow  (f  1542)  erzählt  beim  Jahre  1349."):  Um 
dieselbe  Zeit  war  auch  fast  allenthalben  ein  groß  Sterben,  wel- 
ches lange  Jahre  währete  und  seind  damals  die  Loitzkenbrü- 
der  gewest  So  stunden  nämlich  etliche  simpele  Leute  auf 
und  sammelten  sich  in  Städten  und  Dörfern  und  sungen  yiel 
Loitzken,  und  macheten  darnach  eine  sonderliche  Heiligkeit 
und  Gottesdienst  daraus,  damit  sie  unserm  Hermgotte  solche 
Strafe  wollten  abbitten.  Und  gingen  bei  großen  Haufen  von 
einer  Kirchen  zur  andern  und  ein  jeglicher  hätte  eine  Fahne  in 
der  Hand  und  gingen  stets  zween  bei  einander  und  hätten  sich 
bei  den  Händen;  und  wann  sie  in  Kirchen  und  Kirchhöfe  oder 
in  andere  räume  Plätze  kämen,  so  zogen  sie  ihre  Kleider  aus 
und  thäten  ein  Tuch  vor  um  die  Lenden  und  geißelten  sich. 
So  sang  denn  hier  in  Pommern  ihr  Meister: 

Hoch  holdet  up  jue  hende, 

dat  god  dit  sterven  wende! 

strecket  üt  jue  arme, 

dat  sik  god  jue  erbarme ! 
Und  an  anderen  £nden  sungen  sie  vielleicht  auf  dieselbe  Mei- 
nung. Und  wurden  dieselben  von  vielen  Loitzken,  die  sie 
sungen,  die  Loitzkenbrüder  genennet.—  Kantzow  hat  dies 
Wort  nicht  aus  der  Luft  gegriffen,  sondern  in  älteren  Chroniken 
vorgefunden,  und  wirklich  findet  es  sich  denn  auch  in  Auszügen 
aus  älteren  Stralsundischen  Chroniken  in  der  Ausgabe  von  Joh. 
Berckmann's  Chronik  (S.  161),  da  heißt  es: 

Anno  1349  do  gingen  de  Loißkenbröder  van  einer  stat 
to  der  anderen  mit  einer  procession.  Dat  deden  se  umme  de 
leve  unses  heren  Jesu  Christi.  >>) 

§.  7.  21)  Pomerauia,  herausgegeben  von  H.  Q.  L.  Kosegarten  I.  Bd.  (Greifs- 
wald 1816)   S.  870.  371. 

22)  Mohnike,  der  zuerst  auf  jene  Stellen  aufmerksam  machte  in  Illgen*8 
Zeitschrift  III.  Bd.  2.  St.  (1833),  bemerkt  S.  264,  dass  man  noch  jetzt  in 
Pommern  Löschen,  Lösiken,  Löiscben  für  Märchen  (?)  sagt. 


irx) 

§.  8. 
Fünfzehntes  Jahrhundert  bis  zimi  Jahre  1523. 

Fünfzehntes  Jahrhundert. 

Bei  weitem  günstiger  als  das  XIV.  Jahrhundert  für  die  Ent- 
wiekelung  und  Aufnahme  des  deutschen  Kirchenliedes  zeigt  sich 
das    XV.  Jahrhundert.     Die    religiöse  Richtung  der  Gemüther 
war  jetzt  nicht  mehr  so  lediglich  hervorgerufen  und  bedingt 
durch  die  schrecklichen  Ereignisse  der  Zeit,  Hunger  und  Pest, 
sondern  fand  einen  tieferen  Halt  in  den  religiösen  Streitigkeiten 
und  den  geistigen  Regungen  der  gebildeten  Stände,  sie  dauerte 
auch  länger  und  konnte  sich  demnach  allgemeiner  verbreiten. 
Es  war  ganz  natürlich,  dass  ein  Jahrhundert,  dessen  eine  Hälfte 
beinahe  ganz  die  beiden  Kirchenversammlungen  zu  Kostnitz  und 
Basel  ausfüllten,  vielfachen  Stoff  zimi  Nachdenken  über  religiöse 
und  kirchliche  Q-egenstände  gewährte;  die  Kirchenversammlung 
zu  Kostnitz  begann  1414  und   endigte  erst  1418,  während  die 
zu  Basel  von  1431   erst  im  Jahre   1443  mit  ihrer  45.  Sitzung 
schloss  und  eigentlich  noch  später  im  StiUen  fortwirkte.    Die 
Lehren  und  Meinungen  der  Hussiten  erhielten  sich  eigentlich 
das  ganze  Jahrhundert  hindurch  und  fanden  vielfache  Anhänger 
und  Vertheidiger.     Seit  J.  Hubs  zu  Anfange  des  Jahrhimderts 
Wicliffe's  Lehren  und  Grundsätze    empfohlen  und  vertheidigt, 
wider  den  Ablass  und  das  Schisma  der  Päpste,   wider  die  Sit- 
tenlosigkeit  des  Clerus  und  manchen  kirchlichen  UnAig  gepre- 
digt hatte,  standen  auch  andere  erleuchtete  und  fromme  Männer 
auf,  die  gleiche  und  ähnliche  Gesinnungen  theilten,  und  von  der 
Nothwendigkeit  einer  Verbesserung  des  geistlichen  Standes  und 
des  Kirchenthums  durchdrungen  und  beseelt  waren.    Die  alten 
Versuche,  die  heilige  Schrift  in  der  Landessprache  dem  Volke 
zugänglich  zu  machen,  wurden  von  neuem  wieder  aufgenommen 
und  eifriger  als  früher  ausgeführt    Es  gab  aber  auch  jetzt  der 
alten  Schwierigkeiten   bei  Übersetzung  der  biblischen  Bücher 
bei  weitem  weniger  als  früher,  seitdem  das  Studium  der  alten 
Sprachen,  was  auf  den  neubegründeten  Universitäten  mit  Liebe 
betrieben  wurde,  ein  leichteres  und  richtigeres  Verständniss  der 
Bibel  veranlasst  hatte.    Aber  auch  die  größten  Schwierigkeiten, 
womit   die  Verbreitung  der  Bibelübersetzungen   unabänderlich 
begleitet  zu  sein  schien,  weil  alle  Exemplare  nur  handschriftlich 


161 

waren  y  nur  in  geringer  Anzahl  gefertigt  werden  konnten  und 
überdem  sehr  kostspielig  sein  mussten,  diese  Schwierigkeiten 
schwanden  sogleich  mit  der  Erfindung  der  Buchdrackerkunst; 
noch  im  XV.  Jahrhundert  wurden  14  ')  deutsche  Bibeln  gedruckt 
und  eine  Menge  deutscher  Erbauungsbüchen  Diese  deutschen 
Schriften  wirkten  wohlthätiger  auf  das  deutsche  Leben  als  alle 
die  vielen  Beschlüsse  der  Kirchenversammlungen,  worin  sich 
die  ehrwürdigen  Väter  mit  einzelnen  Qlaubenslehren  und  mit 
Bestimmungen  der  Verhältnisse  des  Papstes  zur  übrigen  Geist- 
lichkeity  und  der  Geistlichen  zu  einander  Jahrelang  nutzlos  be- 
schäftigen konnten,  während  sie  die  Unwissenheit  der  Welt-  und 
Elostergeistlichen  nicht  zu  beseitigen  wussten  >),  und  ihre  Aus- 
schweifungen wol  zu  beschränken,  keinesweges  aber  ihnen  Ein- 
halt zu  thun  vermochten.  Wie  traurig  es  fortwährend  um  die 
Klöster  stand  '),  lehrt  die  Geschichte  der  Bursfelder  Reformation 
der  Beuedictiner-Klöster,  die  schon  1429  begann  und  die  Refor- 
mation anderer,  besonders  niederländischer  und  norddeutscher 
um  die  Mitte  dieses  Jahrhunderts  herbeiführte.  Weder  von  allen 


§.  8.  1)  Hain,  Repertorium  bibliogr.  Vol.  I.  P.  I.  p.  416—422  kennt  noch 
eine  mehr,  16.  Ebert  Bibliogr.  Lexicon  Nr.  2162  ff.  Ygl.  Gieeeler  Kirchen- 
geech.  n,  4,  349. 

2)  In  der  Schrifl  De  mina  Ecclesiae,  geschrieben  1401,  in  von  der 
Hardt  Conciliam  CoDstantiense  (vgl.  Gieeeler  Kirchengesch.  2.  Anfl.  U,  8, 
108)  heiOt  es  cap.  7.  Non  tantum  a  studiis  ant  schola,  sed  ab  aratro  etiam 
et  servilibuA  artibus  ad  porochiaa  regendas  ceteraqae  beneficia  passim  profi- 
ciscebantiir,  qni  paulo  plus  latinae  ling^ae  quam  arabicae  intelligerent,  imo 
qni  et  nihil  legere,  et  quod  referre  pudor,  alpha  vix  nossent  a  betha  discer- 
nere.  c.  24.  De  literis  vero  et  doctrina  qnid  loqni  attinet?  Cum  omnes 
fere  Fresbyteroe,  sine  aliquo  capta  ant  renim  ant  yooabaloram,  morose  sylia- 
batimqne  vis  legere  videamus. 

3)  Der  letzte  Abt  vor  der  Bnrsfelder  Reformation  im  Kloster  St.  Gott- 
hard  in  Hildesheim  konnte  kein  Wort  Latein.  Die  Klosterohromk  in  Leibnitii 
Scriptt.  II,  412  berichtet  von  ihm:  homo  msticior  ac  sine  literis,  pronum 
ignams  latini  sermonis,  non  yalens  proferre  orationem  ne  unam  qnidem  latine. 
—  Hundert  Jahre  früher  wird  dasselbe  sogar  yon  einem  Enbischofe  en&hlt. 
Graf  Heinrich  von  Anhalt  konnte  ebenfalls  kein  Wort  Latein.  Als  er  sum 
Erzbisehof  gewählt  war,  wollte  der  Papst  ihn  nicht  bestätigen.  Heinrich  reiste 
nach  Rom  und  erlangte  dort  doch  noch  seinen  Zweck:  er  wnrde  Erzbischof« 
Botho  (Leibnitii  Soriptt.  III,  372)  erzählt  beim  J.  1304:  wann  6n  de  Pawes 
vragede  np  latyn,  dftr  konde  he  nicht  np  antwdrden.  Vgl.  Bertrams  Gesch. 
des  Hauses  Anhalt  (Halle  1780)   I.  Th.  S.  646. 


152 

diesen  allgemeinen  Concilien,  noch  vom  päpstlichen  Stahle,  um 
dessen  dreifache  Krone  zuweilen  drei  Päpste  auf  Einmal  stritten, 
noch  von  sonst  einer  geistlichen  Macht  geschah  etwas  für  den 
Cultus  in  der  Landessprache.  Die  Geistlichkeit  hatte  kein  Ver- 
langen, von  dem  einmal  Herkömmlichen  abzuweichen;  es  war 
ihr  zu  bequem  geworden,  die  vorgeschriebenen  überlieferten 
Satzimgen  der  Kirche  in  lateinischer  Sprache  zu  halten,  unbe- 
kümmert ob  das  Volk  dabei  christlich  erbaut  und  belehrt  wer- 
den könne.  Nur  in  einzelnen  Gregenden  zeigen  sich  Anflüige, 
dem  Bedürfhisse  des  Volkes  den  Gottesdienst  zu  nähern.  Im 
J.  1410  beschloss  eine  schlesischc  Synode  imter  Bischof  Wenzel 
von  Breslau:  Can.  17.  Femer  wollen  wir  und  bestimmen,  dass 
in  den  einzelnen  Predigten  an  das  Volk  die  Prediger  des  Wor- 
tes Gottes  das  Vater  unser  und  den  Glauben  auslegen  und 
ihnen  in  der  Laudessprache  hergesagt  werden,  samt  dem 
englischen  Gruße,  zu  gelegener  Zeit  und  wie  folgt  ^). 

Man  war  also  in  dieser  Beziehung  nicht  weiter  vorgeschrit- 
ten als  vor  fast  600  Jahren.  Seitdem  hatte  sich  aber  zu  allen 
Zeiten  das  Bedürfhiss  des  Gottesdienstes  in  der  Muttersprache 
lebendig  im  Volke  erhalten  und  überall  kund  gethan.  Auch  zu 
Ende  des  XTV.  Jahrhunderts  und  zu  Anfange  des  XV.  zeigte 
sich  dies  ebenso  sehr  wie  im  XHI.  bei  Bruder  Bertholds  Auf- 
treten. Als  Gerhard  Groot  in  der  Muttersprache  (sermone  teu- 
tonico  d.  L  niederländisch)  zu  predigen  begann,  war  die  Theil- 
nahme  des  Volkes  unbeschreiblich  groß.  Thomas  von  Kempen 
erzählt  in  dem  Leben  Groots  *):  So  groß  war  im  Volke  die 
Begierde  Gottes  Wort  zu  hören,  dass   die  Kirche  die  herbei- 


§.  8.  4)  Statata  Synodalia  a  Weneeslao  Episc.  Wratul.  a.  1410  pnblicata. 
Edita  a  J.  Chr.  Friedrich.  Hannoverae  1827.  Can.  17.  Item  Tolnmas  et 
statnimoB,  qaod  in  singulis  praedicationibus  ad  popnlam  per  praedicatores 
rerbi  Dei  Oratio  dominica  cnm  Sjmbolo  ezponaatur  et  verbis  yalgaribus  eia 
prononoientar,  com  Salutattone  angelioa,  tempore  oportuno  et  patent  in  forma 
seqnentl  (deutsch  und  polnisch).  —  Aach  in  den  spKteren  Synodalstataten  Ton 
1446  — 1471,  gedmckt  zu  Breslau  dnrch  den  Snceentor  Eljaa  1475  kommen 
dieselben  Stucke  deutsch  und  polnisch  vor.  8.  mehr  über  diesen  ersten 
Breslauer  Druck  meine  „BeitrVge  zur  Breslauer  Buchdrucker- Geschichte*'  in 
der  Sohlesischen  Zeitm«  1840.  Nr.  146  ff. 

5)  Thomas  a  Kempis  in  vita  Qerardi  Magni  c.  15.  —  Praedicavit  autem 
in  principalibus  civitatibuB  dioecesis  Trajectensis  —  primum  sermonem  teu- 
th<ftiicum. 


163 

strömende  Menge  kaum  zu  fassen  vermochte.  Denn  viele  ließen 
ihr  Essen  im  Stich,  schoben  nothwendige  Geschäfte  auf  und 
eilten  nur  von  frommem  Drange  getrieben  zu  seiner  Predigt 
Oft  hielt  er  an  einem  Tage  zwei  Predigten ,  und  zuweilen  von 
Feuereifer  hingerissen  setzte  er  drei  Stunden  lang  und  darüber 
seine  Predigt  fort.  Er  predigte  aber  in  den  vornehmsten  Städ- 
ten der  Dioeoese  Utrecht  zuerst  deutsch. 

Leider  findet  sich  aber  auch  ein  Zeugniss,  dass  das  Volk 
dermaßen  verwöhnt  war,  dass  es  sich  durch  den  lateinischen 
Gottesdienst  völlig  befriedigt  fühlte.  Bruder  Nicolaus  de  Fara 
erzählt  im  Leben  Capstranos,  wie  derselbe  1454  zu  Breslau 
lateinisch  predigte:  Ȇberall  wo  Capistran  predigte,  kamen  die 
Zuhörer  von  allen  Enden  herzu  und  wenn  auch  die  Witterung 
noch  so  imgestüm  war^  es  mochte  regnen,  schneien  und  noch 
so  kalt  sein,  so  hörten  sie  ihm  doch  andächtig  bis  drei  Stunden 
und  länger  zu,  ob  sie  gleich  von  seiner  lateinischen  Predigt 
kein  Wort  verstanden.  Sobald  aber  der  Dolmetscher  die 
nämliche  Predigt  anfing  zu  wiederholen,  so  ging  das  Volk 
haufenweise  nach  Hause.^  *) 

Das  Widernatürliche  in  dem  deutschen  Gottesdienste,  dieses 
Messelesen,  Beten  und  Singen  in  einer  fremden  Sprache, 
wurde  jedoch  immer  mehr  erkannt  imd  sogar  zu  beseitigen  ge- 
strebt 7).  Was  früher  als  ketzerisch  verdammt  war  und  für  straf- 
bar galt,  wurde  von  der  Kirche  jetzt  wenigstens  geduldet  Der 
Gebrauch  der  Muttersprache  beim  Gottesdienste  fand  jetzt  in 
einem  geistlichen  Vereine,  also  gewissermaßen  im  Schöße  der 
Kirche  selbst  Vertheidiger  und  Beförderer.  Die  von  Gerhard 
Groot  *)  gestiftete  freie  Genossenschaft:  Brüder  des  gemeinsamen 


§.  8.  6)  So  Klose  in  der  Dokument.  Geschichte  von  Breslau  II,  2,  43.  nach 
Fr.  Nieol.  de  Fara  Tita  Capistr.  p.  103. 

7)  Freilich  lassen  sich  auch  noch  in  dieser  Zeit  Gegner  vernehmen. 
Will  doch  seihst  ein  Gerson,  Lectio  altera  contra  vanam  curiositatem  Con* 
sider.  IX.  (Opp.  ed.  Du  Pin  T.  I.  P.  1.  pag.  105) :  prohibendam  esse  vulgarem 
translationem  lihrorum  sacrorum  nostrae  Bibliae.  .  Claras  rationes  ad  hoc  plu- 
rimas  invenire  fädle  est  Vgl.  noch  besonders  T.  IV.  P.  n.  pag.  623.  Gon- 
ader. y.  Dazu  passt  denn  vortrefflich  das  erste  deutsche  Censuredict  vom 
Enbischof  Berthold  von  Mainz  vom  J.  1486  und  Leo  X.  Bulle  vom  4.  Mai 
1616!     8.  §.  13. 

8)  Gerhard  Groot  (Geiardus  Magnus)  war  geb.  zu  Deventer  1340  und 
starb  daselbst  1384.    Schriften  über  ihn  und  seine  Stiftungen  verzeichnet  UIU 


154 

Lebens  *),  betrachtete  als  ein  Hauptmittel  zur  Erreichung  ihrer 
edelen  Zwecke  den  religiösen  Gebrauch  der  Landessprache  und 
die  Verbreitung  der  heil.  Schrift  in  derselben;  die  einzelnen 
Mitglieder  suchten  das  Volk  durch  Predigten  und  Privatvorträge 
in  der  Muttersprache  religiös  zu  belehren  und  zu  beleben. 

Dies  Bestreben,  dem  Volke  eine  bewusste  Theilnahme  am 
Gottesdienste  zu  verschaffen  und  seinen  religiösen  BedürfiuBsen 
mehr  zu  genügen,  ist  für  alle  Theile  des  Cultus  von  der  größ- 
ten Bedeutung,  und  so  auch  für  das  Kirchenlied.  So  lange  die 
Landessprache  vom  Gt)ttesdienste  ausgeschlossen  war,  konnte 
auch  das  deutsche  Elirchenlied  nicht  zur  vollen  Geltung  gelan- 
gen. Darum  muss  denn  auch  hier  wieder  der  Bestrebungen  ge- 
dacht werden,  welche  die  Einfuhrung  der  deutschen  Sprache 
als  Eirchensprache  bezweckten. 

Gerhard  Z erholt  (geb.  zu  Zutphen  ums  J.  1367,  weshalb 
er  auch  Gerhard  von  Zutphen  heißt,  f  1398),  einer  der  tüchtig- 
sten Nachfolger  Gerhard  Groofs,  verfasste  ein  Buch:  de  Ubris 
teutonicalibus,  worin  er  auch  den  Nutzen  des  Bibellesens  in  der 
Landessprache  bespricht  »<>). 

T^Der  Tractat  des  Gerhard  Zerbolt  über  den  Nutzen  des 
Bibellesens  in  der  Landessprache,  welcher,  weil  für  Ge- 
lehrte bestimmt,  lateinisch,  aber  in  einem  recht  guten  Latein, 
abgefasst  ist,  dringt  mit  einem  von  aller  Schwärmerei  freien, 
reinen  und  practischen  Sinn  ebenso  kräftig  darauf,  dass  alle 
Laien  sich  selbst  aus  der  heiligen  Schrift  belehren  und  erbauen 
sollen,  als  er  auf  der  andern  Seite  mit  Ernst  vor  der  religiösen 

mann,  Reformat.  ff.  2,  64.  65.  —  In  Gerhards  Sinne  wirkten  Florentius  Kade- 
wins  (t  1400),  Gerhard  Zerbolt,  Thomas  von  Kempen  (f  1471). 

§.  8.  9)  Sie  nannten  sich  anch  broeders  van  goeden  wil,  CoUaetsiebroeders, 
Fraterheren.  —  Die  Brüderschaft  des  gemeinsamen  Lebens.  Von  G.  H.  M. 
Delprat.  Deutsch  bearbeitet  von  Gottlieb  Mohnike.  Leipsig  1840.  8?  Die 
meisten  BraderhUaser  wurden  g-estiftet  zwischen  1426  und  1461,  sie  dehnten 
ihre  Wirksamkeit  anch  über  einen  großen  Theil  Deutschlands  aus,  nördlich 
bis  Kulm,  Im  mittleren  Deutschland  bis  nach  Merseburg  und  den  Rhein  hin- 
auf bis  nach  Schwaben. 

10)  Dieser  Abschnitt  de  utilitate  lectionis  sncrarum  literamm  in  lingoa 
vulgari,  ist  gedruckt  in  der  Davcntria  illustrata  pag.  41 — 46.  Einen  Aussog 
daraus  giebt  Ullmann,  Reformatoren  vor  der  Reformation  2,  118 — 122,  den 
ich  liier  wiedergebe.  Ullmann  hat  die  16  Gründe  Zerbolt's  nicht  alle,  auch 
nicht  in  der  Reihenfolge,  sondern  nur  die  wichtigsten  in  einer  zweckdienlich 
scheinenden  Ordnung  zusammengestellt. 


155 

Grübelei  und  vor  jener  krankhaften  Neigung  wamt^  sich  am 
liehstcn  mit  den  Theilen  der  Schrift  zu  beschäftigen,  die  etwas  . 
Dunkles  imd  Geheimnissvolles  haben.  Es  ist,  sagt  er,  in  der 
Schrift  eine  schlichte,  einfache  und  jedem  zugängliche  Lehre, 
zu  deren  Verständniss  kein  tiefes  Forschen  oder  Disputieren 
nothwendig,  die  vielmehr  ohne  große  Mühe  und  gelehrten  Streit 
einem  jeden,  der  sie  liest,  durch  sich  selbst  klar  ist;  dagegen 
findet  sich  auch  eine  andere  Lehre:  erhaben,  tief  und  dunkel, 
zu  deren  Verständniss  ein  fleißiges  Forschen  und  tieferes  Ein- 
dringen erforderlich  ist;  die  Lehre  der  ersten  Art  kann  Milch, 
Trank  oder  Wasser,  die  der  zweiten  Art  feste  Speise  oder  Brot 
genamit  werden.  Den  einfachen  ungelehrten  Leuten  oder  Laien, 
die  gleichsam  Kinder  in  der  Erkenntniss  sind,  ist  es  nun  nützlich 
und  auf  keine  Weise  verboten  oder  unerlaubt,  sondern  von  hei- 
ligen Männern  empfohlen,  dass  sie  in  der  ihnen  bekannten 
Sprache  diejenigen  Bücher  der  Schrift  lesen  oder  lesen  hören, 
welche  jene  einfache  und  offenkundige  Lehre  enthalten ;  dagegen 
ist  es  ihnen  nicht  heilsam,  sich  mit  jenen  Büchern  der  Schrift 
oder  heiliger  Lehrer  viel  zu  beschäftigen,  welche  die  eben  be- 
zeichnete tiefe,  schwierige  und  dunkle  Lehre  enthalten,  mögen 
dieselben  nun  in  der  Landessprache  oder  irgend  einer  anderen 
herausgegeben  und  übersetzt  sein.  Dass  aber  das  Lesen  der 
Schrift  in  der  Landessprache  den  Laien  durchaus  nicht  unerlaubt, 
sondern  wohlthätig  und  nothwendig  sei,  daftir  spricht  Folgendes: 
,,Die  heUigc  Schrift  bildet  und  belehrt  nicht  bloß  einen  beson- 
deren Stand,  sondern  sie  unterweist  jeden  in  seinem  Stande; 
denn  bisweilen  schreibt  sie  allen  im  Allgemeinen  Lebens-  und 
Glaubensregeln  vor,  an  den  meisten  Orten  aber  wendet  sie  sich 
mit  ihrer  Lehre  an  diesen  oder  jenen  besonderen  Stand.  Bald 
belehrt  sie  die  -Anfänger,  bald  unterrichtet  sie  die  schon  weiter 
Fortgeschrittenen,  bald  bildet  sie  das  Leben  der  Vollkommenen, 
und  so  entspricht  sie  einem  jeden  nach  seinem  sittlichen  Zu- 
stande. Mithin  ist  die  Schrift  allen  Menschen  in  allen  Ständen 
gegeben,  imd  zwar  dazu,  damit  die  welche  gleichsam  aus  sich 
selbst  entflohen  und  ihrem  eigenen  Herzen  entfremdet  waren, 
welche  ihre  Sünden  innerlich  nicht  erkennen  komiten,  dieselben 
wenigstens  von  außen  erkennen  lernten  durch  das  in  der  heili- 
gen Schrift  vorgehaltene  Bild.  Welcher  Vernünftige  möchte 
nun  sagen,  die  Laien  sündigten,  wenn  sie  die  Schrift  dazu  ge* 
brauchen,  wozu  sie  von  Gott  gegeben  ist,  dass  sie  nämlich  ihre 


156 

Sünden  erkennen ,  schmerzlich  bereuen  und  meiden  lernen? 
Warum  sollen  sie  nicht  auch  des  göttlichen  G^esetzes^  wie  ande- 
rer allgemeiner  Wohlthaten  Gottes,  theilhaftig  sein,  da  das  G-e- 
setz  Gottes  und  die  heilige  Schrift  unter  allen  göttlichen  Wohl- 
thaten als  etwas  ganz  Einziges  obenan  stehen?  Es  dürfen  abo 
die  Laien  von  dieser  Wohlthat,  von  diesem  göttlichen  Trost, 
durch  welchen  die  Seele  Leben  imd  Nahrung  hat,  mit  Recht 
nicht  ausgeschlossen  werden.^  Überhaupt  ist  es  der  wesentliche 
Zweck  der  heiligen  Schrift,  die  Wirkungen  des  natürlichen  Ge- 
setzes zu  unterstützen  und  zu  verstärken,  damit  der  Mensch, 
was  er  durch  das  verdunkelte  oder  minder  lichtvolle  Naturgesetz 
innerlich  nicht  sehen  konnte,  durch  die  äußere  Unterstütztmg 
der  Schrift  sehe  und  erkenne;  dies  gilt  von  allen  Menschen, 
von  den  Laien  aber  um  so  mehr,  da  sie  fortwährend  in  welt- 
liche Geschäfte  und  Sorgen  verwickelt  sind,  wodurch  ihr  inne- 
res Auge,  ihre  Unterscheidungsgabe  und  Vernunft  oder  das 
Naturgesetz  in  ihnen  wie  mit  Staub  überzogen  wird;  ihnen  ist 
es>or  AUem  wohlthätig,  zu  gewissen  Zeiten  von  solchen  Ge- 
schäften zu  rasten,  in  sich  selbst  einzukehren  und  sich  im  Spie- 
gel des  göttlichen  Wortes  zu  betrachten.  Die  Laien  sollen  ja 
auch  gesetzlich  zu  gewissen  Zeiten  in  die  Kirche  kommen,  um 
das  Wort  Gottes  zu  hören;  wenn  sie  nun  die  heilige  Schrift 
nicht  wissen  sollen,  warum  wird  sie  ihnen  gepredigt?  Und 
warum  können  sie  dasselbe  oder  Ahnliches  nicht  auch  in  Büchern 
lesen?  Wahrlich  die  Laien  lernen  und  behalten  wenig  von  dem, 
was  sie  in  einer  Viertelstunde  oder  in  noch  kürzerer  Zeit  hören 
und  nicht  einmal  verstehen.  Wenn  die  Laien,  ohne  dass  man 
es  ihnen  verbietet  oder  sie  nur  tadelt,  weltliche  Bücher  und 
Gedichte,  oft  sehr  schlüpfirige  und  verführerische,  lesen,  wenn 
sie  mit  unnützen  Duigen  sich  beschäftigen,  wie  mit  dem  troja- 
nischen Elrieg,  dem  rasenden  Roland,  der  schönen  Diana,  so 
wäre  es  doch  höchst  unvernünftig,  wenn  man  sie  von  der  Schrift 
abhalten  wollte,  wodurch  sie  zur  Liebe  Gottes  und  zur  Sehn- 
sucht nach  dem  himmlischen  Vaterlande  entflammt  werden.  Ha- 
ben doch  auch  die  größten  Barchenlehrer,  ein  Hieronymus, 
Augustinus,  Gregorius,  Chrysostomus  die  Laien  stets  zum  Stu- 
dium der  heiligen  Schriften  ermahnt;  das  würden  sie  aber  nicht 
gethan  haben,  wenn  sie  es  für  schädlich  oder  imerlaubt  gehalten 
hätten.  Dass  aber  die  Laien  die  Schrift  in  der  Landessprache 
lesen,  bringt  die  Natur  der  Sache  mit  sich.    Ursprünglich  ist  ja 


157 

die  ganze  Bibel  in  der  Sprache  geschrieben^  in  welcher  sie  von 
denen;  {är  die  sie  bestimmt  war  und  überhaupt  von  AUen  am 
besten  verstanden  werden  konnte;  das  alte  Testament  für  die 
Juden  hebräisch,  das  neue  Testament  griechisch  mit  Ausnahme 
des  Evangeliums  Matthäi  und  des  Briefs  an  die  Hebräer,  welche 
hebräisch  geschrieben  sind,  nach  Einigen  auch  des  Briefs  an  die 
Kömer,  welcher  lateinisch  abgefasst  sein  soll").  Wenn  es  nun 
nicht  erlaubt  sein  sollte,  die  Bibel  in  der  gangbaren  Sprache  zu 
lesen,  warum  hätten  sie  die  Propheten  und  die  Apostel  in  der- 
selben geschrieben,  und  Paulus  und  Matthäus  sich  nicht  lieber 
bei  den  Juden  der  griechischen  oder  lateinischen  oder  irgend 
einer  bei  ihnen  nicht  gewöhnlichen  Sprache  bedient,  und  bei 
den  Griechen  der  hebräischen?  Auch  wurden  ja  von  der  frü- 
hesten Zeit  an  entweder  von  ausgezeichneten  Kirchenlehrern 
selbst  oder  doch  mit  Billigung  derselben  Übersetzungen  der  Bibel 
in  die  verschiedenen  Landessprachen  gemacht,  besonders  in  die 
über  die  ganze  Welt  verbreitete  lateinische  Sprache.  Die  ägyp- 
tischen Mönche  studierten  nach  Cassian  Tag  und  Nacht  die 
Schrift,  und  verstanden  weder  griechisch  noch  lateinisch;  sie 
lasen  dieselbe  also  in  der  ägyptischen  oder  einer  verwandten 
Sprache.  Die  Juden  haben  die  Bibel  hebräisch,  die  Chaldäer 
chaldäisch,  die  Griechen  griechisch,  die  Araber  arabisch,  die 
Syrer  syrisch,  die  Gothen  gothiscb,  die  Ägypter,  Indier,  Russen, 
Slaven,  Gallier,  alle  Völker  haben  sie  in  ihrer  Sprache;  wenn 
nun  die  Schrift  beinahe  in  allen  Sprachen  gelesen  wird,  die 
unter  dem  Himmel  sind,  warum  sollte  sie  nicht  eben  so  gut  im 
Deutschen  gelesen  werden,  wie  im  Arabischen  und  Slavischen? 
Das  Bibellesen  kann  nie  unerlaubt  sein,  denn  sonst  müsste  es 
entweder  etwas  für  sich  Verwerfliches  oder  etwas  förmlich  Ver- 
botenes sein.  Keines  ist  aber  der  Fall:  das  Lesen  der  Schrift 
kann  nicht  an  sich  schlimm  sein,  denn  es  ist  ein  Hauptmittel, 


§.8.  11)  UUmaiin  bemerkt  dazu:  »Sehr  bemerkenawerth  ist  aber  nocb  daa 
Urtbeil  Zerbolts  über  daa  Verhültiiisfl  der  Vulgata  anm  biblischen  Grand- 
text und  man  sollte  fast  meinen,  er  habe  dabei  in  prophetischem  Geiste  anf 
die  vierte  Session  des  tridentinischen  Concils  Bttcksicht  genommen;  denn  er 
sagt  wörtlich  so:  ,,In  der  hebr&ischen  und  griechischen  Sprache  ist  die  heil. 
Schrift  weit  mehr  anthen tisch  als  in  der  lateinischen.  Denn  die  lateinische 
Übersetsnng  ist  stets  ans  dem  hebritischen  nnd  griechischen  Text  ra  berichti- 
gen nnd  an  verbessern,  wenn  etwa  eine  Zweidevtigkeit  in  der  latein.  Sprache 
vorkommt.«    Daventria  iUostrata  p.  68.^ 


158 

den  Menschen  im  Guten  und  in  der  Überwindung  des  Bösen 
sm  fördern;  es  ist  aber  auch  nicht  untersagt,  denn  weder  in  der 
Theologie  noch  im  Rechte  wird  ein  wirkliches  Verbot  des  Bibel- 
lesens gefunden,  sondern  überall  wird  es  empfohlen.  Statt  also 
die  Laien  am  Lesen  guter  deutscher  Bücher  und  der  deutschen 
Bibel  zu  hindern,  sollte  man  sie  unterstützen,  denn  es  wäre  viel 
wohlihätiger,  wenn  sie  damit  ihre  Zeit  zubrächten,  als  mit  un- 
nützen Fabeln  und  Geschichten  oder  mit  Trinken  in  den  Schenken.^ 
Zerbolt  bespricht  dann  auch  noch  einen  verwandten  Gegen- 
stand: das  Gebet  in  der  Muttersprache  '*).  Er  gelangt  auch 
hier  zu  dem  Ergebnisse,  dass  bei  den  vierfsu^hen  Arten  der 
Aufmerksamkeit  oder  Hinwendung  des  Gemüths  das  Gebet  in 
der  Muttersprache  auf  jeden  Fall  fruchtbarer  sei  als  in  der  la- 
teinischen 1^). 

§.  8.  13)  Ezcerptum    alteram    de   PrecibuB    vemacalis,    Daventria    illustr. 
p.  66—58. 

13)  Mit  Recht  bemerkt  hiesu  Ullmann  S.  123 :  ^Eb  ist  nicht  zu  be- 
zweifebi,  dass  solche  Grundsätze  und  das  Beispiel  der  Brüder  sehr  viel  thatcn, 
um  das  Bibelleson  der  Laien  und  den  Gebrauch  der  Muttersprache  auf  dem 
religiösen  Gebiete  immer  allgemeiner  zu  machen  (vgl.  Delprat  S.  128),  und 
kaum  ist  es  nöthig,  die  Wichtigkeit  hiervon  für  die  Reformation  ins  Licht 
sti  steUen ;  das  Beispiel  Luther*«  steht  als  weltgeschichtlicher  Beweis  da.  Nitr 
ilber  den  Gebrauch  der  Mattersprache  ein  Wort.  Dieser  diente  schon  bei  der 
Predigt  daio,  sie  lebenskräftiger,  bei  dem  Gebete,  es  aufrichtiger  und  inniger, 
bei  der  Frömmigkeit  überhaupt,  sie  gemüthyoller,  tiefer,  wärmer  zu  machen; 
er  wirkte,  wie  die  Mystik,  die  Verinnerlichung  des  Christenthums,  und  aiis 
dieser  wuchs  ja  die  Reformation  heraus.  Aber  auch  objectiv  hatte  die  Sache 
ihre  große  Bedeutung.  Die  Reformation  war  die  Emancipation  der  Na- 
tionalitäten von  der  Alles  umschlingenden  mittelalterlich  -  römischen  Ein- 
heit; sie  hatte  wesentlich  ein  volksthilmliches  Element.  Die  Nationalität  aber 
haftet  an  der  Sprache;  sobald  die  europäischen  Völker  eine  National-Littera> 
tor  bekamen,  reiften  sie  der  Befreiung  yon  dem  lateinischen  nnd  AUea  zu 
latinisieren  strebenden  Rom  entgegen,  vollends  aber,  als  auch  das  Christen- 
thum  und  die  christliche  Frömmigkeit  die  Form  des  Nationalen  annahm. 
Sobald  der  Deutsche  deutsche  Predigten  hielt  und  hörte,  eine  deutsche  Bibel 
las,  eine  deutsche  Theologie  hatte,  deutsch  betete  (nnd  —  füge  ich  hinan  — 
deutsche  Hymnen  sang),  war  er  von  Rom  innerlich  abgelöst  nnd  auf  die  inner« 
Ablösung  mosste  anch  die  äuSere  folgen.  Vollendet  wurde  dieses  nationale 
Selbatindigwerden  durch  Lather,  der  nimmermehr  der  deotsche  und  enropüsche 
Saibrmator  geworden  wäre,  wenn  er  nicht  deutsch  geredet  wnA  gesehrieben, 
deatach  gedicktet  und  gedonnert  hatte.  Aber  wir  sehen  an  dem  TOiiiegen- 
den  Beispiel,  —  wie  die  Sache  der  nationalen  Boiancipatiott  in  der  BeUgton, 


159 

Ob  Zerbolt  auch  in  seinem  Werke  sich  über  die  geistliche 
Dichtnng  und  namentlich  das  Kirchenlied  in  der  Muttersprache 
äuBert^  weiB  ich  nicht^  da  ich  nur  jene  Bruchstücke  seines  grö- 
ßeren Werkes  kenne.  Es  ist  wol  kaum  zweifelhaft,  dass  er 
sich  für  das  deutsche  Kirchenlied  entscheidet. 

Gleichartige  Bestrebungen  wie  die  eben  besprochenen  waren 
gleichzeitig  auch  in  andern  Ländern  vorhanden.  Da  sie  nicht 
ohne  Einfluß  auf  Deutschland  blieben,  so  verdienen  auch  sie 
hier  miterwähnt  zu  werden. 

Im  Jahre  1380  begann  John  Wicliffe  >«)  die  Bibel  ins  Eng- 
lische zu  übersetzen.  Sein  Unternehmen  wurde  bald  als  ketze- 
risch angegriffen  ").  Da  vertheidigte  er  das  allen  Christen  ge- 
meinsame Recht,  die  Bibel  zu  lesen  »•).  Wie  er  über  diese 
Verketzerung  dachte,  erfahren  wir  auch  noch  aus  einer  Stelle 
einer  anderen  seiner  Schriften,  die  Joh.  Huss  anfährt ").  Wicliffe 


ehe  ne  nun  Inther^schen  Durchbräche  kam,  seit  Jahrhunderten  heranwnchn, 
und  wie  namentlich  musem  Brüdern  vom  gemeinsamen  Leben  davon  ein  gater 
Antheil  gebührt.^ 

§.  8.  14)  Gieseler  Kirchengesch.   2.  Anfl.  U,  3,  834  ff. 

15)  Henricns  de  Knyghton,  ein  Zeitgenosse  Wieliffe's,  spricht  sich  über 
die  Bibelübersetznng  seines  Landsmannes  also  ans :  Dieser  Magister  Wicliffe 
hat  das  Eyangeliam,  welches  Christas  den  Clerikem  nnd  Kirchenlehrern  ge> 
geben  hat,  damit  sie  es  den  danach  hnngemden  Laien  and  schwäcbBren  Per- 
sonen, je  nach  dem  Erfordernisse  der  Zeit  and  dem  Bedürfhisse  der  Personen, 
lieblich  mittheilten,  ans  dem  Lateinischen  in  die  englische,  nicht  die  en- 
gelische Sprache  übersetzt.  So  wird  es  non  durch  ihn  gemein  und  von 
Laien  und  des  Lesens  kandigen  Weibern  besser  verstanden  als  selbst  von 
Geistlichen,  die  da  gar  gelehrt  nnd  einsichtsvoll  sind.  So  wird  die  evange- 
lische Perle  weggeworfen  und  von  den  Säuen  zertreten,  und  was  Geistlichen 
nnd  Laien  thener  zn  sein  pflegt,  wird  non  beiden  gleichsam  znm  Gespött, 
nnd  die  Perle  der  Geistlichen  wandelt  sich  am  in  einen  Spott  der  Laien,  ao 
dass  den  Laien  ein  Gemeingnt  wird,  was  bisher  der  Geistlichen  and  Kirchen- 
lehrer hohes  Eigenthum  war.  Und  so  klaget  denn  der  Bräutigam  und  kann 
mit  dem  Propheten  ausrufen:  Die  Ehre  der  Kirche  wird  verlassen  sein,  weil 
er  sich  über  sie  erhoben  hat.  Cf.  Ruever  Groneman  Diatribe  in  Wiclifii  vitam 
P.  I.  p.  162. 

16)  Vgl.  Lewald,  Die  theologische  Doctrin  des  Joh.  Wicliffe  in  der 
Zeitschrift  für  die  bist.  Theologie   16.  Bd.  (1846)  S.  171  ff. 

17)  Jo.  Widefus  in  libello  de  triplici  vinculo  amoris  (dtante  lo.  Hosso 
in  Beplica  contra  lo.  Stokes):  Ex  eodem  (inquit)  patet  eoram  stultitia,  qui 
volunt.  damnare  scripta  tamquam  haeretica,  propter  hoc  quod  scribunt  in  An- 
glieo,  et  acuta  tangunt  peecata,  quae  contarbant  illam  provinciam.    Nam  pos- 


160 

meint,  die  Königm  von  England,  Schwester  des  dentsclien  Kai- 
sers, besitze  ein  Evangelium  in  drei  Sprachen,  böhmisch,  deatsch 
und  lateinisch,  und  sie  deshalb  verketzern,  würde  eine  teuflische 
Tollheit  sein,  und  so  gut  die  Deutschen  in  dieser  Beziehung 
ihre  Sprache  vertheidigen  wollten,  ebenso  müssten  auch  die 
Engländer  die  ihrige  vertheidigen.  Trotzdem  wurde  1407  auf 
dem  Oxforder  Concil  unter  dem  Vorsitze  des  Erzbischofe  Tho- 
mas Arundel  Wicliffe's  und  jede  sonstige  Bibelübersetzung  ver- 
boten "). 

Wicliffe's  reformatorische  Bestrebungen  fanden  Anklang  und 
Nachahmung  in  andern  Ländern,,  namentlich  in  Böhmen.  Von 
Johannes  Huss  ist  es  bekannt,  dass  er  für  den  Gebrauch  der 
Muttersprache  zu  kirchlichen  Zwecken  sehr  thätig  war;  er  dich- 
tete selbst  einige  Lieder  >*)'  zum  Singen  in  der  Kirche,  die 
nachher  in  die  Gesangbücher  der  mährischen  Brüder  übergingen. 
Jacobus  von  Misa  folgte  ihm  in  diesen  Bestrebungen;  seine 
Gegner  gaben  ihm  Schuld,  dass  er  eine  neue  Art  zu  singen 
eingeführt  habe  *•).    Auch  dem  Hieronymus  von  Prag  legte  man 

sibile  est  qnod  nobilU  Regina  Ang^liae,  soror  CaeMiis,  babeat  Eyaogelimn  in 
ling^a  triplici  exaratnm,  sc.  in  lin^pia  bohemica,  tentonica  et  latina,  et  haere- 
ticare  eam  propterea  foret  Luciferina  staltitia.  Et  ncut  Tentonici  volont  iu 
isto  rationabiliter  defendere  lingnam  propriam,  sie  et  AngUci  debent  de  ratione 
defendere  lingnam  snam.  —  So  in  lac.  Usserii  historia  dogm.  eontroTeniao 
de  seriptnris  et  eaciiB  vernacnlis  (Londini  1690)  p.  ,161.  Anna,  Gemahlin 
König  Kchards  II.  seit  1881,  war  die  Schwester  Kaiser  Wenxels. 

§.8.  18)  Pericnlosa  res  est  (testante  b.  Hieronymo)  textnm  sacrae  Scriptu- 
rae  de  nno  in  alind  idioma  transferre,  eo  qnod  in  ipsis  translationibns  non  de 
faeili  idem  sensns  in  omnibus  retinetur,  pront  idem  b.  Hieronjmns,  etsi  in- 
spiratns  fnisset,  se  in  hoc  saepins  fiitetnr  eirasse.  Statnimus  igitor  et  ordina- 
mns,  nt  nemo  deineeps  teztom  aliquem  sacrae  Scriptnrae  auctoritate  saa  in 
lingnam  Anglicanam  yel  aliam  traosferat,  per  viam  Ubri  yel  Ubelll  ant  tracta- 
tns,  neo  legatnr  aliqnis  hnlusmodi  Über,  libeUns  aut  tractatns,  iam  noviter 
tempore  lohannis  Wickliff,  sive  citra,  compositns,  ant  in  posteram  componen- 
dus,  in  parte  vel  in  toto,  publice  vel  occulte,  sub  poena  maioris  excommuni- 
caüonis,  qnonsqne  per  loci  Dioecesanum  seu  (si  res  exegerit)  per  Concilinm 
provinciale,  ipsa  translatio  fnerit  approbata.  Qni  yero  contra  hoc  fecerit,  nt 
fantor  haeresis  et  enoris  similis  pnniatnr.  Cf.  lac.  Usserii  historia .  controv. 
de  scriptnris  et  sacris  vemacnlis  (Londini  1690)  p.  168.  Vgl.  Qieseler  Kir- 
ehengesch.  2.  Anfl.  n,  8,  868. 

19)  Jos.  Jung^ann  Historie  literatory  cesk^.   N.  A.  Prag  1849.  ff. 

20)  Epistola  ad  Jacobum  de  Misa  Bohemnm  Theologum  et  Pastorem 
Pragensem  1415.  (▼.  d.  Hardt  Concilinm  Constant.  T.  III.  p.  887):  Et  sitamen 


161 

auf  dem  Kostnitzer  Concil  zur  Last,  dass  er  aus  den  Worten 
der  Bibel  verschiedene  Lieder  in  böhmischer  Sprache  verfasst 
habe,  wodurch  denn  seine  Anhänger  unter  den  Laien  zu  dem 
Wahne  verleitet  worden  wären,  dass  sie  die  heU.  Schrift  besser 
verständen  als  andere  Christen  >i). 

Im  böhmischen  Volke  war  noch  immer  nicht  die  Erinnerung 
gestorben,  dass  es  vor  Zeiten  eine  slavische  Liturgie  hatte,  wie 
selbige  damals  noch  im  Kloster  Emmaus,  von  Karl  IV.  in  der 
Neustadt  Prag  1346  gestiftet,  bestand.  Es  darf  also  nicht  wun- 
dem, dass  im  Jahre  1438  die  Böhmen  das  Baseler  Concil  um 
Bewilligung  des  slavischen  Cuitus  baten  **). 

Im  Jahre  1493  erschien  ein  zu  Prag  gedruckter  Tractat: 
Mistra  Viclava  cet.,  worin  auch  ein  Abschnitt  über  das  Singen 
und  Lesen  in  böhmischer  Sprache  ^s).  (Aus  dem  Taborer  Klo- 
rter  von  Hanka  erworben  und  dem  bölmiischen  Museum  zu 
Prag  abgetreten.) 

Im  Jahre  1501  besaßen  die  Böhmen  schon  ein  gedrucktes 
Gesangbuch  mit  92  Liedern:  Pijcsnicky  duchovnl.  Prag  1501. 
kl.  89  Bogen  a — p  zu  8  Blatt.  (Das  einzige  noch  vorhandene 
Exemplar  im  böhm.  Museum  zu  Prag.)  **) 

diceres,  quod  laadare  Deoin  bonnm  est,  qnando  qnis  seit,  orando  vel  can- 
tando,  ▼emm  est,  sed  tantam  ab  Ecclesia  confinnatum  et  non  ab  alio  cantam, 
propter  miilta  mala  quae  exinde  proyeniaiit  audientibus ,  sicut  nautis  per  Sy- 
renes  in  mari.  Et  non  canta  exquisito  et  novo  debent  Deum  laadare  pro  suo 
placito  et  lande  hnmana  et  aliis  confdsionem  in  illo  canta  inferendo,  qoia 
tales  omnes  in  oppositam  facientes  Ecclesiae  et  bonae  consuetadini,  incidont 
in  canones  et  ezcommnnicationem  Sanctoram  patram.  —  Über  Jacob  von  Misa 
s.  Flathe  Geschichte  der  Vorläufer  der  Beformation  II,  286  ff. 

§.  8.  21)  Dobrowsky,  Geschichte  der  Böhmischen  Sprache  and  altem  Lite- 
ratur. 2.  Aasg.  (Prag  1818.  8?)   S.  189,  nach  Cochlaeus  Artic.  XII.  p.  124. 

22)  Petitiones  Bohemoram  postremo  propositae  in  sacrosancta  sjnodo 
Basiliensi  a.  1438.  mense  Kovembri.  7.  Item  sapplicamos,  ut  sapra  quatenos 
ex  eisdem  causis  Vestrae  Patemitates  dignentur  permittere  ad  minus  evange- 
lia,  epistolas  et  symbolum  in  vuigari  in  miBsis  et  ecclesüs  ooram  populo  ad 
excitandam  devotionem  libertari,  legi  et  decantari.  Nam  in  nostro  linguagio 
Slavico,  ex  iudulto  ecclesiae  olim  ab  antiquo  in  volgari  suo  exercetor  etiam 
in  nostro  regno.  S.  Orthuini  Gratii  Fasciculos  rerum  expetendarum  et  fngien- 
darom,  edit.  Edw.  Brown  (Londini  1690.  fol.)  T.  I.  p.  820.  Die  heiligen 
Väter  beschlossen  zwar  eine  Antwort,  ertheilten  sie  aber  nicht. 

23)  S.  Hanka,  Bibliographie  böhmischer  Incunabeln,  Facsimile  Tab.  III. 
Nr.  12.  (nach  Hanka's  briefl.  Mitth.) 

24)  Facsimile  in  Hanka's  böhm.  Incunabeln  Tab.  III.  Nr.  10. 

11 


f  Nr.  63. 
Lobge  sang 

aaf  die  heil.  Jangfran  Maria. 

1.  Ave  morgensteme, 
erleuchte  uns  mildiclich! 
wir  dienen  dir  so  gerne, 
erhöre  uns  genädiclich!    Rep. 
Unser  herze  dich  loben  begert, 
du  bist  auch  alles  lobes  wert 

in  himel  und  auch  auf  erd.    Rep. 
Wir  singen  dir  vil  süßen  ton, 
dich  loben  alle  engel  schon 
in  des  himels  tron. 

2.  Muter  und  mait  alleinc 
aus  weiplicher  schar, 
Maria  du  vil  reine, 
golden,  vein  und  dar, 
Salomonis  reicher  sal, 
kom  uns  zu  tröste  uberal 
in  disem  iamertall  Rep. 
Du  bist  aller  juncfrauen  zir, 
hilf  uns  Maria  und  tu  es  schir, 
daß  wir  gehöm  zu  dir! 

3.  Gnadenreiche  sonne, 

vil  schöner  wenn  ie  kein  mfin, 

zwar  aller  gute  brenne, 

sich  uns  lieplich  an! 

Bit  vor  uns  dein  liebes  kint! 

der  dir  dient,  er  genade  vint, 

sorgen  er  uberwint! 

Frid  und  gnade  gip,  reine  mait, 

wenn  dir  dein  kint  auch  nicht  versait, 

treip  weg  alles  lait! 

4.  Durch  alle  deine  gute 
unser  hoffenung  an  dir  leit, 
vor  Sünden  uns  behüte 

an  unser  lezten  zeit! 


163 

Ach  liligen  zweig,  du  rose  rot, 
aus  dir  quam  uns  das  himelbrot: 
Maria  hilf  uns  aus  not! 
Du  brücke  zu  dem  paradeis, 
hilf  daß  wir  mit  allem  vleis 
essen  die  himelspeis! 

5.    Ach  müterliche  treue, 

unser  hoffenung  an  dir  leit, 
hilf  uns  umb  wäre  reue ! 
zu  unser  lezten  zeit 
Jesum  deinen  son  uns  sende! 
kom  Maria  zu  unserm  ende, 
alles  leit  abwende! 
Und  hilf  uns,  daß  wir  ewiclich 
mit  dir  müssen  werden  rieh 
hie  imd  in  himelrich! 
Amen. 
Hs.  5,  3.  fehlt  umb.  —    Ein  jüngerer,  schlechterer  und  an  vollständiger 
Text  in  der  Bresl.  Hb.  U.  4f   32.  Bl.  231>». 

Das  erste  Denkmal  deutschen  Kirchengesanges  aus  diesem  Jahrhundert 
fllllt  in  die  Jahre  1414 — 1423,  es  ist  uns  aufbewahrt  in  einer  PpHs.  der 
KÖnigl.  und  Universitäts-Bibliothek  zu  Breslau,  geschrieben  um  diese  Zeit  von 
Nicolaus  von  Kosel  ^^).  Ob  Nicolaus  der  Verfasser  dieses  Liedes  selbst  ist 
oder  ob  er  es  nur  gelegentlich  aufgezeichnet  hat,  lllsst  sich  schwer  bestimmen. 
Daas  es  ein  wirkliches  Kirchenlied  war,  dafür  spricht  nicht  allein  der  ein- 
fache volksmä^ige  Charakter  des  Liedes  selbst,  sondern  auch  die  Angabe  der 
Wiederholungszeichen,  das  Lied  hat  also  eine  bestimmte  Melodie  gehabt. 

In  derselben  Handschrift  findet  sich  auch  noch  folgendes 

Weihnachtslied. 

f  Nr.  64. 

Der  himelkönig  ist  gebom  von  einer  mait, 

als  uns  der  prophete  warheit  sait: 

bis  gelobet,  werter  Christ, 

daß  du  uns  geboren  bist 

und  du  durch  unser  not 

bist  gestorben  tot. 


§.  8.  25)  Über  Nicolaus  von  Koscl  s.  meine  Monatschrift  von  und  fiir  Schle- 
sien 1829.   S.  738—751. 

11* 


164 

f  Nr.  65. 
Weihnachtslied.  * 

1.  Nu  frön  dichy  christenliche  schar! 
der  himelische  konig  dar 

nam  die  menscheit  oflFenbar, 
den  uns  gebar 

die  reine  malt  Maria. 

2.  Es  siillen  alle  menschen  zwar 
mit  ganzen  fröuden  komcn  dar 
da  man  vint  der  seien  nar, 
die  uns  gebar 

die  reine  mait  Maria. 

3.  Uns  ist  gebom  Emanuel^ 
als  uns  verkündigt  Qabriel^ 
des  ist  gezeug  Ezechiel. 

o  vromes  el! 

dich  hat  gebom  Maria. 

4.  0  ewiges  vaters  ewiges  wort, 

war  got,  war  mensche,  der  tagenden  ort, 
in  himel,  in  erde,  hie  und  dort 
der  Salden  pfort, 

die  uns  gebar  Maria. 

5.  O  süßer  Jesu  ußerkom, 

du  weist  wol  daß  wir  warn  verlorn, 
stille  uns  deines  vaters  zom! 
dich  hat  gebom 

die  reine  mait  Maria. 

6.  O  kleines  kint,  o  großer  got, 
du  leidest  in  der  krippen  not. 
der  sunder  hie  vorhanden  hot 
der  engel  brot, 

das  uns  gebar  Maria. 

PpHs.  der  Leipziger  Universitäts-Bibl.  Nr.  1305.  4?  aus  der  ersten  H&lftc 
des  XY.  Jahrhnnderts.  Mone  Anzeiger  IV,  46.  Hs.  3,  3.  das  ist  —  4,  4.  der 
sulden  ^—  5,  2.  tcir  worlom. 


165 

f  Nr.  66. 
Weihnachtslied. 

1.  Ein  kintlein  ist  geboren 
von  einer  reinen  meit: 
got  hat  ims  auBerkoren 
in  hoher  wirdigkeit. 

ein  8un  wart  uns  gegeben 
zu  troBt  &n  alles  meil, 
das  sult  ir  merken  eben, 
er  bracht  uns  alles  heil. 

2.  Ave  du  gotes  minne, 
wie  wol  ir  mit  im  was! 
heil  werde  trosterinne! 
und  do  sie  sein  genas, 

groß  freud  wart  uns  gekündet 
von  einem  engel  klar, 
wirt  nimmer  mer  durchgrundct, 
sagt  uns  die  schrifb  furwar. 

3.  Freut  euch  der  Salden  märe, 
Messias  der  ist  kumen, 

er  hat  6n  alls  gefäre 

die  menscheit  an  sich  gnumen, 

für  uns  mit  ganzen  treuen 

volbracht  er  alle  ding, 

der  greis  weit  sich  vemeucn, 

er  wart  ein  jungeling. 

4.  Altissimus  wart  kosen 
mit  menschlicher  natur: 
wie  wol  tet  das  der  rosen ! 
sie  sach  in  der  figur 

die  gotheit  unverborgen, 
Joseph  ir  schone  pflag: 
an  einem  weihnachtsmorgen 
Christ  bei  der  keuschen  lag. 
f).    Got  vater  in  dem  trone 
was  mit  der  zarten  weis, 
die  tochter  von  Syone 
hat  wol  den  höchsten  preis. 


166 

drei  edel  kunig  milde 

die  brachten  reichen  Bolt, 

zugen  über  gefilde 

nicht  anders  als  got  wolt. 
G.    Eilend  wart  in  bekande: 

die  Bald  must  ferre  baß^ 

ferr  in  Egypten  lande, 

Herodes  trug  in  haß, 

er  zog  in  nach  mit  listen, 

manch  kint  vergoß  sein  blut, 

got  Avolt>sich  lenger  fristen: 

das  was  uns  allen  gut. 
7.     Wol  dreißig  jar  und  mere 

trug  er  für  uns  die  not, 

wol  umb  sein  rechte  Icro 

leit  er  für  uns  den  tot; 

dank  wir  im  zu  den  stunden^ 

liilf  edler  kmiig  rein! 

sein  heiliglich  fünf  wimden 

soln  uns  genädig  sein, 
liocen,  Miflcellaneen  2,  246.  247.  —  Wckn.  Nr.  126  mit  der  Bemer- 
kung S.  866.  »Daa  Lied  steht  Cod.  Monac.  germ.  851.  PpHs.  XV.  Jahrh. 
4f  Bl.  209.  Ich  habe  die  Handschrift  nicht  selbst  einsehen  können,  doch 
glaube  ich,  dass  der  Text,  wie  ihn  Doeen  mittheilt,  aus  derselben  einige  Be- 
richtigungen erfahren  würde,"  —  Str.  4  ist  in  der  Hs.  die  7.  Str.,  Wckn. 
macht  minder  gut  sie  ztir  2. 

f  Nr.  67. 
Abendmalslied. 

1.  Der  heilig  fronleichnam  der  ist  gut, 
geit  uns  ein  frais  gemüte, 

und  der  ist  aller  gnaden  vol 
wol  durch  sein  werte  gute, 
der  heilig  geist  was  uns  gesant, 
bracht  uns  der  sorgen  ein  ende : 
also  sol  sich  das  herze  mein 
von  got  niemer  wenden. 

2.  Maria^  muter,  reine  mait, 
du  himelische  fraue, 

hilf  ims  zu  dir  ein  dein  reich, 
daß  wir  dich  selber  schauen. 


167 

dich  und  deinen  alierliebBten  son, 
Schaft  unscrs  trauenis  ein  ende : 
also  8ol  sich  das  herze  mein 
von  got  niemer  wenden. 

AU  handschr.  Lied  ans  der  Zeit  vor  der  Reformation  mltgetlieilt  von 
Veesenmeyer  in  seinem  ^Yersach  einer  Geschichte  des  deutscheu  Kirchen- 
gesangs in  der  Ulmischen  Kirche^  (Ulm  1798.  4?  )  S.  3.  Es  sind  3  Stro- 
phen, deren  mittelste  aber  gar  nicht  daza  gehört;  vgl.  Wckn.  zu  seiner 
Nr.  162.  S.  8C9.  Das  Lied  war  allgemein  bekannt,  es  erhielt  sich  lange  Zeit 
in  der  katholischen  Kirche.  Bei  Corner  GB.  1626.  Nr.  215  steht  es  als 
„alles  Lied  vom  zarten  Fronleichnam  des  Herrn",  10  Strophen,  und  in  dessen 
Nachtigall  1649.  S.  297—300,  15  Strophen  lang.  Mele  dieser  Strophen  sind 
gewiss  spftter  hinzugedichtet,  einige  aber  mögen  sehr  alt  sein ,  z.  B. 

Wir  bitten  dich  gar  herziglich, 

da6  wir  dich  mögn  anschauen 

in  deiner  glorie  ewiglich 

mit  Maria  der  Jungfrauen. 

wir  loben  deine  menscheit  fron, 

bitten  du  wolst  uns  geben 

dis  sacrament  der  gnaden  vol, 

ein  speis  zum  ewigen  leben. 

Gesegne  uns  der  fronleichnam  zart, 

das  rosenfarben  blute! 

wann  unser  seel  von  hinneu  fart, 

schick  uns  dein  engel  zu  hüte, 

als  du  selber  gesprochen  hast, 

wir  haben  gnade  funden! 

nu  hilf  uns  aus  dem  jamortal, 

herr,  durch  dein  heilig  fünf  wunden! 

f  Nr.  68. 
Dich  Frau  von   Himmel  ruf  ich  an. 

1.  Dich  frau  von  himel  ruf  ich  an 
in  disen  großen  nöten  mein; 

Gen  got  ich  mich  verschuldet  han; 

bitt  daß  ich  wcrd  ein  diener  dein 

Gen  deinem  kint!        Maria,  lint 

sein  zom  gen  mir! 

mein  Zuflucht  ist  allein  zu  dir. 

hilf  bald,  ich  furcht  der  tot  kum  scliir ! 

2.  Maria  mein  beschirmerin, 

du  mutor  gots  und  Jungfrau  zart ! 


_168_ 

Betrübt  so  Bint  mir  al  mein  sin, 

so  ich  gedenk  an  todes  vart 

Und  stirb  aus  angst,      auch  daß  mir  langst 

het  zugebürt 

zu  bedenken  was  mein  sei  anrürt, 

noch  hat  mich  freier  will  verfürt. 

3.    Darumb  halt  fär,  du  reine  magt! 
ablaß  der  Sünden  mir  erwirb! 
Die  weil  dein  sun  dir  nicht  versagt, 
und  ich  nit  weiß  auch  wann  ich  stirb, 
So  trag  ich  doch        der  reu  ein  joch 
und  bger  auch  gnad, 
aus  rechtem  fürsatz  auf  mich  lad  **), 
hilf  daß  der  leip  der  sei  nit  Siihad! 
Diese  drei  Gesätze  scheinen  die  ursprünglichen  za  sein:   sie   finden  sich 
so   anf  einem   handschriftlichen   Vorsetzblatte   des  XY.  Jahrh.   zum  Parcival 
von  1477  in  Seitenstetten,  und  in  den  ftlteren  Qesangbüchem,  bei  Vehe  1537 
Nr.  23  (Wckn.  Nr.  147),  Leisentrit  GB.  11.  Th.  Bl.  12,  im  Mainzer  GB.  1567 
(Kömer  S.  37.  38).     Den  hdschr.  Text  habe   ich  zu  Grunde  gelegt,  doch 
reichte  er  nicht  überall  aus :  so  fehlte  1,  7,  was  sich  jedoch  aus  einem  andern 
hdschr.  Texte  um  1524  (Liederhs.  der  Bruder  Brentano)  ergänzen  ließ. 

In  späterer  Zeit  erfuhr  auch  dies  Lied,  wie  die  meisten  der  beUebteren 
des  XV.  Jahrb.,  allerlei  Zusätze.  So  findet  es  sich  um  4  Strophen  erweitert 
auf  einem  offenen  Druckblatte  mit  Singnoten  vom  J.  1516  bei  Uhland  Nr.  317. 
Auch  in  dem  Texte  der  Brentanoschen  Hs.  um  1524  kommen  diese  4  Gesfttze 
vor,  und  zwar  in  dieser  Folge  6.  4.  7.  5,  zugleich  aber  in  besserer  Lesart: 
so  lautet  Uhland's  6.  Strophe  hier: 

Maria  ein  ros  von  Jericho, 
ein  Stern  des  mers  und  Jungfrau  klar, 
deins  namens  sein  wir  aUe  fro. 
got  sant  dir  einen  engel  dar 
aus  dem  höchsten  tron,  sant  Gabriel  schon: 
ave  Jungfrau  zart, 
du  hast  geboren  von  hoher  art 
das  von  propheten  verkündet  wart. 
Handschriftlich  auch  noch  zu  Heidelberg  mit  der  Jahrssafal  1516,  7  Stro- 
phen,  s.  Mone  in  Aufsess  Anzeiger  H,  232.     Femer  zu  Würzburg:   Papier- 
folioblatt mit  Choralnoten  für  4  Stimmen,  XVI.  Jahrh.,  ebenfalls  7  Strophen 
Text.     Serapeum  VH,  60. 


§.  8.  26)   Hs.  von  1524.  rechi^  büß  und  fürseUz  auf  mich  lad. 


Schon  lange  Zeit  vor  der  Beformation  wurde  dies  Lied  sehr  viel  gesun- 
gen.  Die  große  Beliebtheit  des  Textes  und  der  Melodie  noch  in  splUerer 
Zeit  mochte  lunXchst  Hans  Sachs  veranlassen,  das  Lied  nnumdichten,  nnd  so 
erscheint  es  denn  schon  im  J.  1526  von  ihm  ^ christlich  verändert  nnd  cor- 
rigiert''  in  den  Nürnberger  Enchiridien  (bei  Wckn.  Nr.  239):  Ckriiiwn  von 
himel  rUf  ich  an,  6  Str.  Luther  scheint  auch  mit  auf  dies  Lied  anzuspielen, 
wenn  er  in  den  Tischreden  (Walch  22,  2253)  sagt:  Die  liebe  Mutter  Gottes, 
Maria,  hat  viel  schönem  Gesang  und  mehr  gehabt  denn  ihr  Kind  Jesus.  — 
Auch  Hermann*^  gedenkt  dieses  Meistergesangs  (denn  das  ist  das  Lied  seiner 
Form  nach)  als  eines  altkatholischen. 

f  Nr.  69. 
Weihnachtslied, 

1.  Ich  habe  vemomen,  daß  Jesus  sei 
ein  yil  süßes  kindelein. 

nemt  sein  war,  so  mag  euch  gelingen. 

Herze,  du  solt  trauren  lau, 

sieh  den  außerweiten  an, 

er  ist  weiß  und  rosenfar, 

du  solt  in  innicliehen  zu  dir  zwingen. 

Er  ist  gebom  aus  liebes  kraft, 

aus  des  geistes  meisterschaft, 

wol  dem  herzen,  das  in  kan  gewinnen! 

2.  Im  gehet  vor  Cherubim 
und  die  bernende  Seraphim, 


§.  8.  27)  Nicolaos  Hermann,  Frennd  des  Joh.  Matthesins,  f  in  hohem  Alter 
1561,   Cantor  im  Joachimsthale ,  in  der  Dedication  seiner  Historien  von  der 
Sindflut  ff.  (Wittenberg  1560.  Leipz.  1569.  8?)  sagt  von  den  alten  Gesungen 
überhaupt:  Dieselbigen  waren  znm  mehren  Theil  dahin  gericht,  dass  man 
darin  die  hochgelobte  Jungfrau  Maria  und  die  verstorbenen  Heiligen  anrief; 
vom  Herrn  Christo  wusste  niemand  zu  singen  oder  zu  sagen ;  er  ward  schlechte 
für  einen  gestrengen  Richter,  bei  dem  man  sich  keiner  Gnade,  sondern  eitel 
Zorn  nnd  Strafe  zu  versehen,  gehalten  und  ausgegeben.    Darum  musste  man 
die  Jungfrau  Maria  und  lieben  Heiligen  zu  Vorbittem  haben.    Es  werden  die 
Alten  noch  eines  Theils  die  Gesänge  kennen: 
Maria  zart  von  edler  Art, 
Item,  Die  Frau  vom  Himmel  ruf  ich  an. 
Item,  Sanct  Christoph,  du  viel  heiiger  Mann, 
Item,  Du  lieber  Herr  Sanct  Nidas,  wohn  uns  bei, 
und  dergleichen  Lieder,  die  dazumal  heftig  im  Schwang  gingen  in  deutscher 
Sprach. 


170 

unsers  heiles  ein  begin, 
er  ist  genant  Emonuel  der  weise. 
Ir  töchter  von  Jerusalem, 
sehet  den  könig  von  Bethlehem, 
wie  er  komt  in  eines  kindeleins  weise! 
Er  leit  in  einem  krippelein, 
er  sol  könig  reicher  sein, 
er  ist  der  engel  und  der  seien  speise. 
Breslauer  Hs.     I.    8"»      113.     Blatt  IK    Aus  dem  XY.  Jahrhundert. 

f  Nr.   70. 

Weihnachtslied. 

1.  £s  ist  ein  kindelln  gebom 

z&  Bethlehem, 
es  hat  versücnt  sins  vaters  zorn, 
Jeinisalem 
In  hoc,  in  hoc  anno. 

2.  In  hat  gebom  ein  juncfrau  schou, 

küng  Sabaoth, 
den  höchsten  Tetragrammaton, 
war  mensch  und  got 
In  hoc,  in  hoc  anno. 

3.  Jesus  sol  sin  des  kinde^  nam, 

sprach  Gabriel, 
sie  hat  in  gebom  one  schaui, 
Emanucl 
In  hoc,  in  hoc  anno. 

4.  Ist  es  denn  nit  ein  wunder  groß? 

got  alt  und  gris 
lit  hie  so  nackent  undc  bloß 
in  kindes  wis 
In  hoc,  in  hoc  anno ! 

5.  Das  kint  das  kumt  von  obcrlaut 

umb  unser  heil, 
got  vater  der  hat  uns  gesaut 
den  höchsten  teil 
In  hoc,  in  hoc  anno. 


171 

6.  Das  wart  ist  worden  mensch  und  got 

vom  groß  ave^ 
als  in  des  priesters  bände  tut 
gebem  on  we 
In  boc,  in  boc  anno. 

7.  Maria  wart  im  herzen  fro, 

sie  nam  das  kint. 
du  edler  ros  von  Jericho, 
kalt  wAgt  der  wint 
In  hoc,  in  boc  anno. 

8.  Sie  leit  in  in  ein  krippelin, 

den  fursten  zart, 
den  alierb6chsten  fiirsten  zart, 
in  fror  so  hart 
In  boc,  in  boc  anno. 

9.  Da  was  ein  esel  und  ein  rint 

in  einem  stal, 
das  was  des  fürsten  hofgesind 

für  Adams  val 

In  boc,  in  boc  anno. 
10.    Er  ist  des  man  gewartet  hat 

fünf  tusent  jar, 
wann  got  den  sincn  nit  verlat, 

ist  offenbar 

In  boc,  in  boc  anno. 
H8.  des  Jungfraaenklosters  su  Inzkofen  bei  Sigmariugen  um  1470-1480. 

f  Nr.  71, 
Osterlied. 

1.  Christus  hat  gesprochen 
in  der  osterwochen : 

kere  dich  sünder  her  zu  mir, 
al  deine  sünde  vergebe  ich  dir. 
Kyrieleison. 

2.  Christ,  beiliges  kreuze, 
hilf  uns  cbristenleuten ! 

hilf  den  falschen  Juden  nicht, 
sie  haben  den  rechten  glauben  nicht. 
Kyrieleison. 


172 

3.  Mai*ia  die  vil  reine^ 

sie  hat  gar  heiß  geweinet 
umb  unsern  herren  Jesum  Christ, 
der  vom  tod  auferstanden  ist. 
Kyrieieison. 

4.  Maria  die  vil  zarte, 
sie  saß  im  rosengarten, 
den  got  selber  gezieret  hat 
init  seiner  götlichen  majestat. 

Kyrieieison. 
Breslauer  Hs.   I.   Bf  118.    Bl.  76  b.    Ans  dem  XY.  Jahrh. 

f  Nr.  72. 
Osterlied. 

1.  Freu  dich  alle  Christenheit, 
got  hat  überwunden; 

die  bitter  marter  die  er  leit, 
davon  ist  er  entbunden. 
Das  jamer  das  was  uns  bereit, 
das  zumal  an  in  geleit^ 
entstanden  ist  uns  die  Seligkeit. 

2.  Entstanden  ist  uns  der  österliche  tag, 
niemant  mag  in  (genug)  vereren; 
got  der  alle  ding  vermag, 

der  kan  sein  lop  wol  meren. 
Nemet  des  tages  heute  war, 
sich  freut  der  heiigen  engel  schar, 
aufgehet  die  spunde  sonne  klar. 

3.  Ei  du  süßer  Jesu  Christ, 
ich  freu  mich  mit  dir  heute 
und  alles  was  da  gleubig  ist 
das  sein  wir  christenleute ; 

Mit  dir  so  wollen  wir  wesen  fro, 
frölich  wollen  wir  singen  also : 
benedicamus  domino. 

Breslauer  Hs.  I.  8<!  32.  Blatt  98  a.  b.  Um  1478.  Dies  ist  wol  der 
älteste  und  vielleicht  auch  ursprüngliche  Text.  So  findet  sich  dies  Lied  auch 
noch  handschriftlich  auf  dem  Deckel  des  Brüdergesangbuchs  von  1566  im 
Besitz  des  Hm.  v.  Winterfeld,  gedr.  bei  Ph.  Wackemagel   Nr.  188   mit  der 


178 

Übenehrift  »Ein  ald  Osterlied.''  Es  verdienen  daraus  einige  Lesarten  bemerkt 
2U  werden: 

1,  1.  2.  Nu  freu  dithy  liebe  C%rigtenhnt,  denn  Chriet  hat  iÜ>erwwiden.  — 

1,  5.  6.  Die  marter  grqfl  tDor  uns   bereit,  die  i$t  nu  eUl  dahin  gekit.   — 

2,  1.  2.  Disen  oeterUehen  tag  kan  niemani  gnug  vereren,  —  3,  1.  2.  Bi  du 
hochgelohter  J,  Ch.,  mit  dir  freuen  wir  uns  heute,  —  3,  7.  gelobet  eeittu  Jeeu 
ChriM, 

f  Nr,  73. 
Osterlied. 

1.  Freuet  euch,  alle  chrißtenlieit! 
got  hat  nu  überwunden, 

die  große  marter  die  er  leit, 
die  hat  uns  nu  entbunden, 
große  Borge  war  uns  bereit, 
welch  ist  nu  alle  gar  hingeleit, 
erstanden  ist  uns  groß  Seligkeit 

2.  Es  ist  ein  österlicher  tag, 
den  mag  kein  man  gnug  eren. 
got  der  alle  ding  vermag, 
sein  lop  sol  man  gemeren. 
Christen  nemen  des  tages  war 

und  gehen  samt  zu  der  engel  schar, 
da  scheinet  die  liebe  sonne  klar. 

3.  Hochgelobter  herre  Christ, 
wir  freuen  uns  allesamt  heute, 
alles  was  lebendig  ist, 

ich  meine  die  christenleute, 
nu  singt,  ir  kinder,  und  werdet  fro! 
es  ist  alles  geschehen  also: 
gelobet  seist  du  auch,  Maria! 

4.  Magdalena  zu  dem  grabe  ging, 
sie  wolt  den  herren  suchen, 

und  fant  den  engel,  treflich  ding! 
sie  grüßt  in  tugentlichen: 
o  engel,  liebster  engel  mein, 
wo  ist  doch  nu  der  meister  mein 
und  wo  sol  ich  in  finden? 

5.  Dein  herr  und  meister  ist  nicht  hie, 
denn  er  ist  auferstanden; 


174 

er  ist  gen  Galilea  früh, 
da  ist  er  hingegangen; 
aufstieß  er  auch  der  hellen  tür 
und  füret  die  seien  all  herfür 
wol  aus  den  schweren  banden. 

6.  Qot  der  uns  geschaffen  hat, 
der  laß  uns  nicht  verderben; 
sein  bluty  das  er  vergossen  hat, 
wolle  uns  gnad  erwerben. 

wir  loben  dich,  o  reine  magt, 
hast  keinem  sein  fiirbitt  versagt, 
wolst  unser  bestes  werben. 

7.  f^e  sei  dem  vater  imd  dem  son, 
darzu  dem  heiligen  geiste! 

o  herr  got,  unserer  sünde  verschon 
zu  diser  zeit  am  meiste! 
gip  deinen  frid  und  einigkeit, 
von  nu  an  bis  in  ewigkeit, 
so  singen  wir  alleluia! 
Wicelii    Psaltes    ecdesiasticiu    1550.  61.   100  b.   mit  der  Bemerkong: 
Item  uiBere  lieben  Vorfahren  haben  auch  anf  Ostern  deutsch  also  gesnngen. 
—  Einige  bessere  Lesarten  habe  ich  meist  jüngeren  Gesangbüchern  entlehnt 
Witiel  hat  2,  2.  gnug  lohen  —  8,  S.  alle*  was  das  leben  hat  —  4,  1.  Maria 
Magd>   —   4,  6.  meuter  hin  —   5,  1.  I>er  herr  —   5,  3.  et*  iei  $o  früe  gen 
Galüe  —  5,  5.   aufstieß  er  die  helle  tür,    V^itsels  Text  auch  bei  Leisentrit 
OB.  1567.   I.  Th.  Bl.  192  mit  der  Bemerkung:  Ein  andftchtig  Lied,  welchs 
unser  liebe  Vorfahren,  wann  und  so  oft  sie  um  diese  Zeit  von  einer  Kirchen 
cur  andern  gangen,  aus  brünstiger  Liebe  und  Andacht  Gott  zu  Lobe  mit 
Freuden  gesungen. 

Nach  Str.  5,  6.  hat  das  Tegemseer  GB.  1577  tmd  danach  das  Münchener 
GB.  1586  tmd  fürt  die  altveter  hetfür,  und  dann  noch  folgende  4  Strophen: 
Darin  lagens  vil  tausent  jar 
gar  ellendlich  gefangen, 
und  habens  herren  urstend  gwart, 
darnach  stunt  ir  verlangen, 
verkert  hat  sich  ir  pein  und  schult, 
erlangt  habens  die  ewig  hult, 
des  dankens  got  von  herzen. 
Er  nam  sie  bei  der  rechten  hant 
und  fürt  sie  also  weite, 
er  nams  dem  teufel  aus  seim  gwalt, 
furts  mit  ins  paradeise, 


175 

er  fürt  sio  wunnig^licben  schon 
gen  himmel  in  den  hohen  tron, 
da  Sinkens  alleluia. 
Da  unser  herr  gen  himmel  fiir 
so  gar  mit  großem  schalle, 
was  Heß  er  uns  zur  letze  hie? 
seine  zwelf boten  alle; 
auch  sandte  er  den  heiigen  geist 
zu  trost  der  armen  Christenheit, 
des  danken  wir  got  allezeit. 
SüBer  yater,  herr  Jesu  Christ, 
wir  loben  dich  mit  schallen, 
wer  deines  reichs  begerer  ist, 
das  seint  wir  Christen  alle, 
wir  singen  alle  und  seint  so  fro, 
wir  singen  wunniglich  also: 
gelobt  seist  mit  Maria! 
Von  diesen  Zusatcstrophen  fehlt  in  Corners  GB*  1626  die  dritte. 

Himmelfahrtslieder. 

f  Nr.  74. 

Christ  für  gen  himel, 
da  sant  er  uns  hemider 
den  tröster  den  heiligen  geist 
zu  trost  der  armen  Christenheit. 
ETTioleis. 

Babst  GB.  1546.     1.  Th.  Nr.  62  unier  den  «alten  Liedern. << 

f  Nr.  75. 

Christ  färe  zu  himel. 
was  sendet  er  uns  herwider? 
er  sendet  uns  den  heiUgen  geist, 
darmit  erleucht  der  herr  die  Christenheit. 
Kyrie  eleison. 
Wicelii  Psaltes  eed.  1660.    Bl.  108  a.   » Gemeiner  LSygesang  auff  dis 
here  Fest.«* 

f  Nr.  76. 
1.     Christ  für  gen  himel. 
was  sant  er  uns  wider? 
er  sendet  uns  den  heilign  geist 
zu  trost  der  armen  Christenheit. 
Kyrie  eleison. 


176 

2.  Christ  für  mit  schalle 
von  seinen  jüngm  alle, 

macht  ein  kreuz  mit  seiner  hant 
und  tet  den  segn  übr  all  lant. 
Kyrie  eleison. 

3.  Älleluiay  alleluia, 

alleluia.       * 
des  soUen  wir  alle  fro  sein, 
Christ  sei  unser  trost  sein. 
Kyrie  eleison. 
Leiaentrit  GB.  1567.     I.  Th,     Bl.  168  b. 

f  Nr.   77. 
Im  Ton:   ChriBt  ist  erstanden. 

1.  Christ  fuhr  gen  Himmel. 
Was  sandt  er  uns  herwieder? 

Er  sendet  uns  den  heiligen  Geist 
Zu  Trost  der  ganzen  Christenheit. 
Kyrie  eleison. 

2.  Christ  fuhr  mit  Schallen 
Von  seinen  Jüngern  allen, 
Gesegnet  sie  mit  seiner  Hand 
Und  benedeiet  alle  Land. 

Kyrie  eleison. 

3.  Er  befahl  ihnen  gar  eben, 
Sagt  ihnen  yöm  ewigen  Leben, 
Und:  taufet  alle  Völker  gmein, 
Auch  Evangeli  lehret  rein! 

Kyrie  eleison. 

4.  Hilf  uns  lieber  Herre 
Durch  deiner  Auflfahrt  Ehre, 
Und  fuhr  uns  in  das  Himmelreich 
Dich  zu  loben  ewigleich? 

Kyrie  eleison. 

5.  Alleluia,  alleluia, 

Alleluia! 
Des  sollen  wir  alle  froh  sein, 
Christ  will  unser  Trost  sein. 
Kyrie  eleison. 


111 

Kölner  GB.  1610.  Bl.  115  b.  —  Ebenso  Conieri  GB.  1625  Nr.  .155, 
nur  Str.  2,  3  und  4:  £r  macht  ein  Kreuz  mit  seiner  Hand  Und  ff  ab  den 
Hegen  über  alle  Land. 

Noch  zu  Anfange  des  XYIII.  Jahrh.  pflegte  man  am  Himmelfahrtstage 
in  den  Stiftskirchen,  aucli  wol  in  andern,  um  die  Auffahrt  Christi  dem  Volke 
desto  anschaulicher  zu  machen,  eine  Bildsäule  des  Heilands  in  die  Höhe  zu 
ziehen  und  dabei  zu  singen:  Christ  fuhr  gen  Himmel. 

Manuale  ecclesiast.  Pro  Archidioeccsi  Moguntina  jus.su  et  auctor.  Lotharii 
Francisci  Archi-Episcopi  (Mogunt.  1701.  4?  )  p.  138. 
Post  cantatam  Nonara  proccditur  cum  vcxillis  et  Scholari  luventnte  ad 
locum,  ubi  in  mensa  deccnter  coopertft  posita  est  Statna  Christi,  quae  paula- 
tim  dum  trahitur  in  altum,  cantatur  a  duobus  tertio,  scmper  uno  Tone  ele- 
vando : 

Scando  ad  Patrem  meum,   et  Patrem  vestrum,   Dcum  meum  et  Deum 
vestmm,  alleluia. 
His  peractis  reditur  ad  Chorum  cantondo  : 

1.     Christ  fahr  gen  Himmel,     etc. 
(Ganz  wie  der  yorhergehende  Text,  nur  3,  4.  5.     Gelit,  laufet  alles  ingemein, 
Halt  ihn  vor  meine  Lehre  rein!  —  Und  ohne  Str.  5.) 
Laudabilis  est  haec  consuetudo,  si  absque  tumultu  et  discursu  juventutis  fiat. 
Ein  anderer  katholischer  Text  mit  alten  Bestand theilen.    Str.  2  findet  sich 
auch  in  protest.    Gesangbüchern,   z.  B.   Wckn.   Nr.  541.     Nümb.  GB.    1599 
S.  330.     Crügers  Praxis  piet.  melica  5.  Aufl.  1680,  Nr.  270. 

f  Nr.  78. 

Im  Ton  :  Cliristas  ist  erstanden. 

1.  Christ  der  fuhr  gen  Himmel. 
Da  sendt  er  uns  hernieder 
Den  Tröster  den  heiligen  Geist 
Zu  Trost  der  ganzen  Christenheit. 

Alleluia. 

2.  Und  war'  er  nicht  hingangen, 
So  war  der  Tröster  nit  kommen. 
Nun  seit  daß  er  hingangen  ist. 

So  loben  wir  den  Herren  Jesum  Christ. 

3.  Christ  fuhr  auf  mit  Schalle 
Vor  seinen  Jüngern  alle. 

Er  führt  ein  Kreuz  in  seiner  Hand, 
Kr  gab  den  Segen  über  alle  Land. 

4.  Christ  fuhr  auf  durch  die  Wolken 
Mit  himmelischem  Volke. 

Er  gab  den  Segn  über  Wein  nnd  Traid, 
Er  segnet  die  ganze  Christenheit. 

12 


178 

5.    AUeluia,  A.,  A. 

D«s  sollen  wir  lille  froh  sein, 
Christ  will  QDSor  Trost  sein. 
Nie.  Benttner  GB.  1602.     I.  Th.  Nr.  30. 
Noch  ein  anderer: 

f   Nr.  79. 

Im  Ton:  Josufl  ist  ein  ntlfEer  Naro. 

1.  Christus  fuhr  mit  Schallen 
Mit  seinen  Engeln  allen. 

Was  ließ  er  uns  zu  Letze  hie? 
Die  heiligen  zwölf  Jünger  alle. 
Kyrie  eleison. 

2.  Christas  ftihr  durch  die  Wolken 
Mit  engelischem  Volke. 

Er  führt  ein  Kreuz  in  seiner  Hand, 
Er  gab  den  Segen  über  alle  Land. 

3.  Christus  fuhr  gen  Himmel. 
Was  ließ  er  uns  hernieder? 

Da  sandt  er  uns  den  heil.  Geist, 
Wol  mit  dem  Himmelbrot  uns  speist. 

4.  AUeluia,  alleluia, 

alleluia  1 
Des  soUen  wir  alle  froh  sein, 
Christ  soll  unser  Trost  sein. 
Pastorale.     Ingolstadii  1629.    4?     p.  631. 

Es  mögen  nun  noch  die  Zeugnisse  einiger  Zeitgenossen 
folgen^  welche  die  Allgemeinheit  deutscher  Lieder  bei  kirch- 
lichen Feierlichkeiten  und  sonstigen  zur  Andacht  stinmienden 
Veranlassungen  bestätigen. 

Einen  nicht  unwichtigen  Beitrag  zur  Geschichte  dieses 
Zweiges  des  öffentlichen  Gottesdienstes  liefert  zunächst  Johan- 
nes Busch.  Er  war  1400  geboren,  seit  1419  Augustiner-Mönch 
und  schrieb,  nachdem  er  sich  schon  viele  Jahre  mit  der  Refor- 
mation der  Klöster  nach  der  Regel  des  heiligen  Augustinus  in 
Norddeutschland  beschäftigt  hatte,  als  Prior  zu  Sulta  bei  Hil- 
desheim im  J.  1473  die  Denkwürdigkeiten  seines  Lebens  unter 
dem  Titel:  liber  reformationis  monasteriorum  Saxoniae*^). 


§.8.  28)  Gedruckt  in  Loibnitii   Scriptt.  Rer.  Bmnsr.   T.  II.   p.  476—606; 
806—972. 


179 

Markgraf  Friedrich  von  Brandenburg  hatte  den  Johann 
BuBchy  der  damals  im  Kloster  Neuwerk  bei  Halle  lebte  ^  zur 
Osterfeier  nach  Giebichenstein  eingeladen:  Als  wir  nun  ins 
SchlosB  zum  Hofe  gelangt  waren  j  erzählt  Busch ,  rief  mir  der 
Markgraf  von  Brandenburg  zu  und  sprach:  Herr  Propst^  seid 
willkommen!  kommt  zum  Wasser  und  lasst  euch  waschen  auf 
das  Mittagsmahl.  Als  wir  alle  gewaschen  waren,  sangen  sie 
sftmmtlich  im  ganzen  Hofe  das  deutsche  Osterlied  mit  lauter 

Stimme : 

Christu$  ist  uferstanden 

von  des  todes  banden; 

des  sollen  wir  aUe  fro  sein, 

got  wil  unser  trost  sein. 
Kyrieleison. 
Nachdem  man  das  dreimal  gesungen  hatte ,  schickte  man 
sich  an  zu  Tische  zu  gehen**). 

Schon  fiiiher  im  17.  Kapitel  des  HI.  Buches  beschreibt  er 
eine  Bittfahrt,  wie  sie  jährlich  in  derselben  Gegend  gehalten 
wurde,  wobei  das  Volk  deutsche  Lieder  sang:  Das  Kloster 
der  seligen  Maria  und  des  heiligen  Alexander  in  Neuwerk  bei 
Halle  ist  berühmt  genug,  es  hat  ein  Archidiaconat  von  beinahe 
11  Meilen  im  Umfange,  8  Städte,  mehrere  Dörfer,  bis  auf 
20,000  Seelen.  Daselbst  pflegt  der  Propst  mit  dem  Convente 
und  den  Brüdern  feierliche  Kirchfahrten  und  Bittgänge  anzu- 
stellen. Am  Psalmsonntage  geht  er  selbst  mit  seinem  Convente 
außerhalb  des  Kirchhofs  ins  Feld  zwischen  der  Stadt  und  dem 
Erlöster;  dann  kommt  ihm  das  Volk  aus  drei  Pfarrkirchen, 
Männer  und  Weiber,  entgegen,  und  er  darf  ihnen  nur  an  diesem 
Orte  die  Palmen  weihen  und  die  Kirchfahrt  halten.    Der  Erz- 


§.8.  29)  Crnnque  in  ciwtram  ftd  aolwn  penreniMemiu,  enfthlt  Bosch  (de 
refonn.  monast.  lib.  III.  cap.  41  apnd  Leibait.  1.  c.  p.  941),  clamavit  ad 
me  Marchio  Brandenbnrgensis ,  dlceiui:  Domiiie  •  Praeposite ,  beneyeniatis ; 
▼enite  ad  aquas  et  layamini  ad  coenandom.  Cum  omnea  loti  fdisseaius,  can- 
tayennit  omnea  totA  cnrift  Carmen  paschale  in  Teutonieo  alta  voce: 
ChiiBtus  ist  iiferetanden 
^  von  des  todes  banden; 

des  soUen  wir  alle  fro  sein, 
g^t  wil  unser  trost  sein. 
Kyrieleison. 
Postqnam  trina  vice  id  decAntassent ,   ad  mcnsa-s   ascendero  se  parabant. 

12* 


180 

bischof  von  Magdeburg  wohnte  einmal  zu  meiner  Zeit  dieser 
KirchfjEdirt  mit  bei  und  ich,  der  damals  Propst  daselbst  war, 
geißelte  den  kreuztragenden  Pfarrer  und  hielt  daselbst  das  Amt. 
Femer  an  unsers  Herrn  Himmelfahrt,  dann  geht  der  Propst  mit 
dem  Convente  in  dasselbe  Feld  hinaus,  alle  in  seidene  Kutten 
gehüllt  und  den  Leib  in  Gold-  und  Silberwerk;  vor  sich  her 
lässt  er  einen  seidenen  Sessel  tragen  mit  seidenem  Teppich  und 
seidenem  Küssen  gedeckt,  den  die  Träger  während  des  Tragens 
hoch  empor  über  ihr  Haupt  halten.  Wenn  sie  nun  an  den  be- 
stimmten Ort  gelangt  sind,  so  setzt  er  selbst,  der  Propst,  sich 
darauf,  und  alle  Brüder  stehen  zu  den  Seiten  vor  ihm  mit 
Kreuzen  und  Fahnen,  während  die  Ministri  das  Plenarium  und 
die  Reliquien  vor  sich  hertragen.  Dann  kommt  ihm  in  jenes 
Feld  die  ganze  Stadt  entgegen,  und  die  Bruder  und  Geistlichen 
singen:  Salve  festa  dies,  Victimae  paschali,  und  ähnliches, 
worauf  das  Volk  immer  nach  jeder  einzelnen  Strophe  durch 
Absingung  passender  Gesänge  und  deui$cher  Ueder  antwortet. 
Dann  erhebt  sich  der  Propst  und  folgt  der  Procession  und  hinter 
ihm  alles  Volk  bis  in  die  Kirche '<>). 

§.  8.  80)  Joh,  Bosch  de  reform,  monastcriorum  lib.  L  cap.  14  (ap.  Leibn. 
II,  500):  Monasterium  B.  Mariae  et  S.  Alexandri  in  Novo  opere  prope  Hallis, 
dioccesis  Magdeborgcnsifl ,  solempne  satis  est,  h&bens  Archidiaconatam  per 
XI.  peno  milliaria,  civitates  octo,  villas  plurimas,  XX.  pene  milliam  animamm, 
in  qno  Praepoaitos  com  eonventa  et  fratribos  solempnes  aolet  certis  tempori- 
bos  facere  processionea  sen  stationes.  In  die  Palmanim  ezit  ipse  com  con- 
ventu  sno  extra  coemiterinm  in  campum  intra  oivitatem  et  monaateriom ,  nbi 
obviant  tone  sibi  trium  parochialiom  Ecclesiarom  popnli  ntrinsque  sexna: 
quibns  tone  palmas  benedicere  processionesque  facere  non  licet  nisi  ibi. 
Archicpiscopns  Magdeburgensis  aliqnando  tempore  meo  huic  processioni  inter- 
foit,  et  ego  tone  ibi  Praepositoa  pastorem  cmcifixum  percnasi,  et  feci  ibidem 
agenda.  Itenim  in  die  Ascensionis  Domini;  tnnc  ctun  eonventa  in  enndem 
campnm  exiens  Praepomtos,  omnea  cappia  sericis,  corpus  anreia  et  argenteis 
indati.  Sedem  ferream  ante  se  fiacit  deferri,  sorico  tapeto,  cnssino  serico 
coopertam,  super  capnt  deferentiam  elevatam:  comqae  ad  locnm  perrenerint 
destinatom,  ipse  solns  sedet  snper  eam,  cunctis  fratribos  coUateratiter  coram 
se  stantibus  cum  crucibus  et  yexillis;  ministris  plenarium  et  reliquias  coram 
se  deferentibus.  übi  tunc  tota  civitas  in  campum  iUnm  sibi  occurrit,  fratribua 
et  clericis  salve  festa  dies,  victimae  paschali,  et  simillbns  concinentibua; 
populusque  omnis  utriusque  sexus  cantÜenas  (et  cantica  tentonicalia  BIS.  Kilon.), 
tali  cantico  convenientes ,  ad  singnlos  versus  cantando  respondent;  donec 
Praepositus  surgens  seqnitnr  processiouem ,  et  omnis  populus  eum  sequitnr 
usque  in  Eccledam. 


181 

In  der  blutigen  Schlacht  bei  Tannenberg  in  Preußen,  14.  Juli 
1410y  sang  das  deutsche  Ordensheer,  nachdem  es  lange  gekämpft 
hatte  und  der  König  von  Polen  mit  seinen  Heiden  wich: 
Christ  ist  entstanden  s«). 
In  den  Osterspielen,  die  häufiger  in  diesem  Jahrhunderte 
als  in  früheren  waren,  wurde  gewiss  das  Christ  ist  erstanden, 
vom  ganzen  Volke  gesungen.  In  der  Klage  der  Maria  (Hs.  aus 
dem  XV.  Jahrhundert  zu  Trier)  ist  es  also  eingewebt:  Die  bei- 
den Marien  singen: 

Wir  waren  gegangen  zA  dem  grabe, 
da  was  der  stein  gehaben  herabe. 
do  sprachen  zwene  engel  klar 
genzlichen  vorwar: 
Jesus  ist  erstanden 
von  des  iodes  banden! 
und  sprachen:  saget  Petro  imd  den  jungem  sin, 

daß  er  von  dem  tode  erstanden  si  >*). 
Die  alte  Hs.,  welche  eine  Ordnung  des  Passionsspiels  **) 
der  St  Bartholomäistiftsschule  zu  Frankfurt  am  Main  enthält, 
scldießt  mit  den  Worten:  Hie.  Augustinus  incipiat  populo  et 
liortetur  homines  cantare:  Christ  ist  erstanden  (die  letzten  Worte 
in  der  Hs.  verwischt).    Sic  ludo  fiat  finis. 

Auch  das  Friedbcrger  Passionsspiel  hat  in  seiner  processio 
ludi  (s.  Haupt's  Zeitschr.  7,  546)  Bl.  8"» :  Duo  Angeli  canentes 
ante  resurrectionem 

Crist  ist  enstauden; 
dann  in  der  Wiederholung  dieser  processio  mit  Beifügung  der 
Namen  der  Spielenden  steht  Bl.  12  ^  eben  dasselbe   (Mittheil. 
Weigand's). 

So  schließt  auch  das  niederdeutsche  Spiel  von  der  Aufer- 
stehung Christi  '^),  geschrieben  1464  zu  Redentin  bei  Wismar: 


§.  8.  81)  S.  Jahrbücher  JohanncB  Lindcnblatts  von  Voigt  und  Schubert  S.  217 : 
onde  wart  ein  groCcr  stidt,  undo   der  Meister  mit  den  sinen  slugen 
sich  dri  stunt   durch  mit  macht,    unde   der  koning  was  gewichen, 
abio  do^  dcse  sangen:     Christ  ist  entstanden. 
32}  Fundgruben  2,  275. 

33)  y.  Fichard,  Frankfurtisches  Archiv  III.  Th.  8.  131—158. 

34)  Gedruckt  in  Monc,  Schauspiele  des  Mittelalters,  I.  Bd.  (1846) 
S.  33 — 106  und  von  Ettmüller  herausg.  in  der  Bibl.  der  gesammten  deutschen 
National-Literatnr  31.  Bd. 


182 

des  wille  wy  uns  vrouwen  in  allen  landen 
unde  singen:  Chri$Uu  i$  upgesianden. 
und  das  üsterspiel  der  Wiener  Hs.  3007  «»),  geschrieben  1472: 
mit  gesange  lobeleich 
singe  wir  alle  gleich: 
Christ  ist  erstanden. 
Etwas  jünger  ist  ein  niederdeutsches  Bruchstück  in  dem  Spegel 
der  samitticheit  1507.  Bl.  128  ") : 

des  schale  wy  also  vro  syn, 
god  wil  unse  tröst  syn. 
wilkame  systu  vrolike  osterdach! 
wilkame  systu  uterw^lde  sondach! 
du  bist  aller  dage  ere 
und  alle  des  järs  ein  weldich  lierc. 
Wol  in  allen  Osterspielen  des  XV.  Jahrh.  wurde  dies  Lied 
gesungen.    So  schließt  jede  Hälfte  des  in  Tyrol  aufgefundenen 
Osterspiels  •'),  geschrieben  1Ö20,  damit^  die  zweite  Hälfte  also : 
Nun  singt  den  bösen  Juden  zu  schänden : 
Christ  ist  erstanden. 
Noch  ein  Zeugniss  ftlr  die  allgemeine  Verbreitung  des  alten 
Leisen:   Christ  ist  erstanden. 

Als  im  April  1474  der  Erzherzog  Sigmund  von  Österreich 
mit  den  Eidgenossen  die  ewige  Richtung  beschworen,  kam  er 
wgen  Einsheim  (Ensisheim),  Breisach  imd  Freiburg,  und  freute 
sich  alle  Welt  seiner  Zukunft.  Die  Kinder  auf  der  Gassen  fin- 
gen an  zu  singen: 

Christ  ist  erstanden, 
der  lantvogt  ist  gefangen; 
des  sollen  wir  alle  fro  sein, 
Sigmunt  sol  imser  trost  sein. 

Kyrie  eleison! 
War  er  nicht  gefangen, 
so  war  es  übel  gangen. 
Gleit  daß  er  nun  gefangen  ist, 
so  hilft  in  nichts  sein  böser  list.^ 


§.8.  86)  Gedruckt  in  meinen  Fandgraben  I,  296  ff.    Die  SteUe  steht  336,  .7. 

36)  Mone,  Schauspiele  des  Mittelalters  I,  117. 

37)  Hs.  des  Insbracker  Museums,  s.  Adolph  Pichler  Über  das  Drama 
des  Mittelalters  in  Tirol   S.  48.  49. 


183 

So  berichtet  Sebastian  Münster  in  seiner  Cosmographey  S.  624. 
Nach  Adam  Walther  Strobel  »•)  geschah  dies,  als  der  Erzherzog 
am  20.  April  seinen  Einzug  in  Basel  hielt  Zum  Verständniss 
gehört  noch:  der  Landvogt  Joh.  Wemher  von  Pforr  wurde  unter 
Absingung  des  Liedes:  Christ  ist  erstanden,  in  Haft  gebracht 
Es  war  nämlich  am  Ostermontag  11.  April  1474. 

Es  wäre  der  Geistlichkeit  leicht  gewesen,  um  diese  Zeit, 
wo  das  Volk  im  Besitze  alter  ihm  lieb  und  werth  gewordener 
geistlicher  Gesänge  war,  für  Einführung  des  deutschen  Kirchen- 
gesanges  thätig  zu  wirken.  Aber  sie  war  viel  zu  bequem  dazu, 
auch  wol  zu  ungeschickt,  und  fand  am  Ende  wie  immer  eine 
solche  wohlthätige  Neuerung  zu  wenig  in  ihrem  Interesse.  Darum 
herrschen  denn  auch  noch  zu  dieser  Zeit,  selbst  bei  helldenken- 
den Geistlichen,  höchst  wunderliche  Ansichten  über  deutsche 
Bücher.  Joh.  Busch,  der  so  viel  Merkwürdiges  zur  Cultur- 
und  Sittengeschichte  erzählt,  hat  uns  ein  Gespräch  aufbewahrt, 
das  in  dieser  Beziehung  ganz  gekannt  zu  werden  verdient 

Ein  Lector  des  Prediger- Ordens  zu  Zutphen  hatte  gepre- 
digt, die  Laien  dürfen  keine  deutschen  Bücher  haben.  Bru- 
der Johannes  Busch,  der  in  Angelegenheiten  seines  Ordens  zu 
Zutphen  war,  erfuhr  dies  und  widersprach  dem  standhaft;  er 
wusste  nämlich  sehr  wol,  dass  allein  im  Utrechtschen  mehr  als 
hundert  Nonnen-  und  Beginen-CongregatioBen  deutsche  Bücher  , 
hatten  und  täglich  darin  lasen.  Er  wendete  sich  daher  an  den 
Prior  jenes  Klosters,  um  den  Lector  zum  Widerruf  zu  zwingen: 
Er  muss  das  widerrufen!  Denn  die  Vornehmen  des  Landes,  das 
gemeine  Volk,  Männer  und  Frauen,  haben  hier  in  unserer  gan- 
zen Gegend  Bücher  in  deutscher  Sprache,  worin  sie  lesen  und 
studieren.  Ihr  und  eure  Brüder  predigt  ja  oft  dem  Volke  in 
der  Muttersprache,  ihr  wollt  doch  auch,  dass  sie  eure  Predigten 
im  Gedächtnisse  behalten?  Jener  antwortete:  allerdings.  Dann 
sprach  ich:  wenn  sie  die  Predigten  nun  in  einem  Buche  hätten, 
dann  würden  sie  sie  doch  besser  behalten,  warum  dürfen  sie 
also  keine  deutschen  Bücher  haben?  Er  antwortete:  gewisse 
Leute  besitzen  tiefsinnige  Bücher  in  deutscher  Sprache,  als  näm- 
lich die  Sententiae  und  den  Canon,  darum  taugt  nichts,  dass  die 
Laien  Bücher  in  deutscher  Sprache  lesen.  Ich  erwiederte  ihm: 
das  billige  ich  zwar  nicht,  dass  einfältige  Laien ^   Männer  und 


§.8.  88)  Vatermnd.  Geschichte  des  Klsasses   III.  Th.  8.  312. 


184 

Frauen  so  tiefsinnige  und  göttliche  Bücher  iin  Deutschen  haben, 
ja  ich  habe  sogar  den  Canon,  wo  ich  ihn  bei  den  Nonnen  ver- 
deutscht fand,  verbrannt;  aber  es  ist  doch  sehr  nützlich  allen 
Gelehrten  und  Ungelehrten,  dass  sie  besitzen  und  täglich  lesen 
deutsche  Erbauungsbücher  über  Laster  iind  Tugenden,  über  die 
Menschwerdung,  das  Leben  und  Leiden  Christi,  über  das  Leben 
und  den  heiligen  Wandel  und  die  Martern  der  heiligen  Apostel, 
Märtyrer,  Beichtiger  und  Jungfrauen,  auch  Predigten  und  Ser- 
monen der  Heiligen,  die  zur  Besserung  des  Lebens,  zur  Sitten- 
zucht, zur  Furcht  vor  der  Hölle  und  zur  Liebe  des  himmlischen 
Vaterlandes  anreizen.  —  Als  Bruder  Johannes  später  von  De- 
venter  zu  Schiffe  nach  Zutphen  zurückkehrte,  erfuhr  er  von 
seinen  Schiffsgenossen,  dass  jener  Lector  widerrufen  habe,  doch: 
Ich  habe  gesagt  u.  s.  w.,  damit  habe  ich  das  gemeint:  einige 
Weiber,  wol  auch  Männer,  legen  zuweilen  unter  eine  Decke 
des  Altars  Schriften,  damit  darüber  Messe  gelesen  werde.  Wenn 
die  Messe  dann  beendigt  ist,  nehmen  sie  solche  Schriften  wieder 
weg,  und  treiben  mit  ihnen  verschiedene  Weißagujigen,  Zaube- 
reien und  Wahrsagereien.  Jene  Schriften  •  habe  ich  euch  ver- 
boten zu  besitzen  und  zu  lesen,  oder  auch  bei  euch  aufzube- 
wahren. Aber  deutsche  Bücher,  die  gut  und  erbauimgsreicU 
sind,  dürft  ihr  wol  haben  und  lesen  '®). 


§.  8.  89)  Joh.  Bosch  de  reform.  monast.  IIb.  III.  cap.  17.  (apud  Leibn.  II, 
926) :  Oportet  qiiod  iUud  revocet.  Principes  cnini  terrae,  communis  populus, 
viri  et  foeminae,  per  totnm  mundam  nostrum  libros  multos  habent  in  Tcuto- 
nlco  eonscriptoB,  legentes  in  eis  et  studentes.  Vos  et  Fratres  vestri  sacpe 
populo  in  vulgari  paodicatis;  velletis  etiami  ut  scrmones  vestros  memontcr 
retinerent?  Bespondit:  etiam.  Tunc  dm:  si  in  scriptis  eam  habcrent,  tunc 
utique  cum  melius  retinerent;  quare  ergo  habere  non  debent  libros  Teutoni- 
cales?  Kespondit:  laici  quidara  altos  habent  in  Teutonico  libros,  videlicet 
Sententianim  et  similes,  quos  quidam  ordinis  nostri  transtulit  in  Teutonicum 
ex  Latino,  valens  doctor ;  alii  Missale  etiam  cum  Canone  habent  in  Teutonico ; 
ergo  non  valet,  quod  laici  libros  legant  in  Teutonico.  Cai  dixi:  hoc  non 
approbo,  quod  simplices  laici,  viri  vcl  foemiuae,  tarn  altos  et  divinos  libros 
habent  Teutonicalos ;  imo  et  Canonem,  in  Teutonico  apud  Moniales  inrentmn, 
ego  combussi.  Veruntamen  libros  morales  de  vitiis  et  virtutibus,  de  incar- 
uatione,  vita  et  passione  Christi,  de  vita  et  sancta  conversatione  et  martjrio 
sanctorum  Apostolornm,  Martyrum,  Confcssorum  et  Virginum;  homilias  quoquc 
et  scrmones  Sanctorum,  ad  emcndationem  vitac,  momm  disciplinara,  iufcrni 
timorem  patriaeque  coelcstis  amorem  provocantcs,  habere  et  quotidio  legere 
cunctis   doctis    et   indoctis   utilissimum   est   etc.     Als  Frater  Johannes  spftter 


Bei  den  Bittfahrten  im  J.  1457  und  1475^  woran  sich  viele 
Gegenden  Deutschlands  betheiligten,  wurden  nach  den  Zeug- 
nissen der  Zeitgenossen  deutsche  Leisen  gesungen. 

Der  Franciscaner  Lesemeister  Detmar  *®)  erzählt  beim  J. 
1457:  Item  in  diesem  Jahre  in  dem  Sommer  zu  der  Tanne  bei 
St  Enwolde  versanmielten  sich  viele  Kinder  von  zehn  Jahren 
und  darüber  bis  zu  achtzehn  Jahren ,  und  ließen  machen  ein 
Banner  und  ließen  darin  malen  auf  einer  Seite  unsere  liebe  Frau 
und  auf  der  andern  Seite  St  Michael,  der  hatte  eine  Wage  in 
der  Hand.  Diese  Kinder  wurden  des  eins,  dass  sie  mit  dem 
Banner  zuhauf  wollten  wandern  in  Frankreich  zu  dem  Nonnen- 
kloster, das  da  ist  geheißen  St  Michaelisberg  auf  jenscit  Paris, 
da  St.  Michael  gnädig  ist;  und  machten  alle  weiße  Kreuze  hin- 
ten und  vom  auf  ihre  Kleider,  und  eins  trug  das  Banner  und 
ging  voran,  und  da  folgten  die  anderen  nach  und  sangen  die 
Leise:  In  GoUe$  Namen  fahren  wir  ff.,  und  unterwegs  baten  sie 
imi  Brot  und  Speise  und  auch  um  Herberge  zur  Ehre  Gottes 
und  St.  Michaels.  — 

Von  dieser  großen  Kinderwallfahrt  meldet  auch  der  Bericht 
über  die  Botschaft  von  König  Lasla  aus  Böhmen  gesandt  um 
ein  Gemahel  zu  dem  König  von  Frankreich  nach  Paris  im  Jalire 
1457  **)•  Darin  heißt  es:  Item  darnach  zogen  die  Herren  durch 
das  Land  Champagne,  darinnen  man  mit  Kreide  mauret.  Item 
daselbst  kamen  auch  gegen  uns  gegangen  die  Kindlein  oder 
Knaben,  die  gen  St  Michael  laufen  hinter  Paris  von  Vater  und 
]^[utter  und  sagen  niemand  davon,  und  kommen  aus  deutschen 
Landen,  von  Schwaben  und  vom  Rhein  je  ein  großer  Haufen 


von  Deventer  zu  Schiffe  nach  Zutplien  zurückkehrte,  erfuhr  er  von  seinen 
ächiffsgenossen,  dass  jener  Lector  widerrufen  habe,  doch:  Dixi  cet.  hoc  ita 
uotavi.  Focminae  quaedam  vel  etiam  viri  scripta  interdum  aliqua  sub  mappa 
ponunt  altarium,  ut  super  ea  missa  leg^atur.  Missa  finita  recipiunt  ea,  et  tunc 
cum  iliis  divinationes  plurcs  facinnt  et  incantationes  et  augnria.  lila  scripta 
vos  habere  et  legere  prohibui,  scu  etiam  npud  vos  reponere.  Libros  vero 
Teutonicales  bonos  et  morales  beno  habere  et  legere  potestis. 

§.8.  40)  Chronik  des  Franc.  Leseroeisters  Detmar,  herausg.  von  F.  II. 
Grautoff,  II.  Th.  (Hamburg  1830)  S.  205.  Diese  niederdeutsche  Chronik  be- 
ginnt 1401  und  geht  bis  z.  J.  1482. —  unde  sungcn  de  loysche:  an  godes 
namen  vare  toy  etc. 

41)  PpHs.  vom  J.  1462  in  Ilerzogenburg :    und  wo  sie  an  den  heuscrn 
»ingent,  da  singent  sie  nur:   KrUl  ist  erstanden  imd  kein  ander  gesang. 


186 

bei  ein-  und  zweihundert  mit  einander  und  haben  auch  ihre 
eigenen  Banner  und  man  gibt  ihnen  gar  gern  um  Gottes  willen, 
und  wo  sie  an  den  Häusern  singen ,  da  singen  sie  nur:  ChrUt 
ist  erstanden,  und  kein  ander  Gesang. 

Auch  Eikhart  von  Weißenburg  berichtet  in  seiner  Zeitge- 
schichte beim  J.  1457  *')  von  diesen  Kinderwallfahrten  und  er- 
wähnt ausdrücklich,  dass  die  Laien  Leisen  gesungen  haben: 
und  darnach  aber  und  aber  mit  hunderten  und  dreihunderten 
von  den  Städten,  und  hat  jeglich  Partei  ein  Banner,  da  der  Stadt 
Wappen  an  gemalet  war,  da  sie  dann  her  waren,  und  sant  Michel 
zu  der  andern  Seiten.  Und  sungen  die  Laienknaben,  das 
nit  Schüler  waren,  ihre  Leisen,  und  giengen  je  zwen  mit 
einander.  Und  wo  Schüler  under  waren,  die  sungen  ihr  Salve 
regina,  das  Schülern  zugehöret. 

Ln  Jahre  1475  wiederholte  sich  dieselbe  Erscheinung,  das 
Wallfahren  artete  aber  in  eine  wahre  Wuth  aus,  so  dass  ein 
Zeitgenosse,  der  Vicarius  Konrad  Stolle  zu  Erfurt*»),  der  es 
miterlebte,  nicht  genug  davon  zu  erzählen  weiß;  ein  ganzer 
Abschnitt  seines  Gedenkbuches  handelt  davon.  Auch  damals 
wurden  deutsche  Leisen  gesungen.  Als  man  schrieb  nach  Chri- 
stus Geburt,  beginnt  Stolle,  da  hub  sich  eine  wunderliche  Ge- 
schichte in  der  Woche  nach  St.  Johanns  Tage  Baptistae  im 
Lande  zu  Thüringen,  Franken,  Hessen,  Meißen  und  andern 
Landen,  dass  die  jungen  Leute,  Knaben  und  Jungfrauen  zwi- 
schen zwanzig  und  acht  Jahren,  zumal  kleine  Kinder  zu  dem 
heiligen  Blute  (nach  Wilsnack  **)  liefen,  ohne  Geld,  ohne  Wis- 
sen der  Eltern,  die  sonst  nicht  aus  dem  Hause  hätten  gegangen 


§.  8.  42)  Mone,  Badisches  Arcliiv   2.  Bd.  S.  243.  244. 

48)  Konrad  Stolle,  geb.  1430,  Vicarius  zu  St.  Severns  in  Erfurt, 
schrieb  eine  Erfurter  Chronik,  die  er  1493  geschlossen  zu  haben  scheint. 
Nähere  Nachrichten  über  ihn  und  sein  Werk  ertheilt  L.  F.  Hesse  in  Haupt's 
Zeitschrift  8.  Bd.  S.  302—347;  daselbst  S.  808  ff.  vollstlLndig  der  erwähnte 
Abschnitt:  »Wie  das  junge  volk  lieff  zu  deme  heiligen  bluete  zu  der  Welss- 
nacht da  gensit  Meideburgk.  —  vnnd  sungen  lejssen,  vnnd  hatten  banir.^ 
44)  Vgl.  Van  der  Vyndinge  vnnde  Wnnderwercken  des  hilligen  Sacra- 
mentes  to  der  Wilsnagk.  (Holzschnitt  mit  der  Jahrsz.  1521.)  Am  Ende: 
Gedruckot  tho  Rostock  dorch  Ludouicum  Dietz.  —  Dies  Büchlein  ist  yoll- 
•tändig  abgedruckt  in :  Historia  Von  der  erfindung,  Wnnderwercken  vnd  zer- 
atörung  des  yermeinten  heiligen  Blutes  zur  Wilssnagk  cet.  znsamen  getragen, 
Durch  Matheum  Ludecum.     Wittenberg  1586.   4^    Eiij  —  Giiij. 


187 

ohne  Geheiß  der  £ltem,  frommer  Leute  Kinder  und  wohlgezo- 
gen, Dienstboten;  Mägde  und  Knechte,  ließen  ihre  Kleider  und 
was  sie  hatten  unbewahrt  und  konnten  des  nicht  zuhaufe  brin- 
gen und  ließen  stehn  und  liegen  was  da  war  und  Uefen  ihre 
Straße,  also  dass  ihrer  dick  (oft)  und  viel  zwei-  oder  dreihundert 
an  einem  Haufen  giengen  und  sangen  Leisen  und  hatten 
Banner. 

Noch  ein  anderes  gleichzeitiges  Zeugniss  fiir  das  Singen 
der  Leisen  findet  sich  bei  demselben  Konrad  Stolle.  Er  erzählt 
beim  J.  1476  **)  von  einem  großartigen  Betrüge,  den  sich  drei 
Edelleute  und  ein  Pfarrer  zu  Schulden  kommen  ließen.  Um 
Geld  zu  gewinnen  hatten  sie  einen  einfältigen  Mann,  Hans  Bo- 
heme, verleitet,  er  möchte  öffentlich  auftreten  imd  predigen,  die 
Mutter  Gottes  sei  ihm  persönlich  erschienen  imd  wolle,  dass 
alles  Volk  in  ihre  Kapelle  nach  Nickelshausen  im  Tauberthal 
bei  Werthheim  pilgrimsweise  komme,  da  würde  sie  allen  gnädig 
sein.  Das  geschah  imd  unendlich  viel  Volks  (eines  Samstags 
an  die  70000)  strömte  nach  Nickelshausen,  die  Jungfrauen  liefen 
mit  fliegenden  Haaren,  die  Sechswochenfrauen,  junge  Knaben, 
junge  und  alte  Männer  schrieen  und  sangen  Leisen  durch 
Städte  und  Dörfer. 

Das  schon  seit  Jahrhunderten  vom  Volke  gesungene:  Christ 
ist  erstanden,  erhielt  sich  also  das  ganze  XV.  Jahrhundert  hin- 
durch. Ursprünglich  bestand  es  nur  aus  einer  oder  wenigen 
Strophen.    Eine  Münchener  Handschrift  hat  folgenden  Text: 

f   Nr.  80. 
Christ  ist  erstanden 
von  der  marter  aller, 
des  soll  wir  alle  fro  sein, 
Christ  sol  unser  trost  sein. 

Kyrioleis. 
Alleluia  alleluia  alleluia. 
des  soll  wir  alle  fro  sein, 
Christ  sol  unser  trost  sein. 
Kyrioleis. 

§.8.  45)  Der  ganze  Hergang  acu  der  Hs.  mitgetheilt  bei  Haupt  8.  Bd. 
8.  812 — 816.  i^die  juncfrowen  lieffen  mit  siulagenden  hären,  die  sechs  wochen 
frowen,  junge  knaben,  jung  vnnd  aide  menre,  schrogen  vnnd  anngen  leysCon 
durch  Btete  ynnd  dorSere.'' 


190 

er  nam  sie  im  gar  rechtlich 
nnd  fürt  sie  in  aeins  vaterB  reich. 

Kyrioleifl. 
Allelaia,  allelnia,  alleluial 
des  sollen  wir  alle  fro  sein, 
Christ  sol  unser  trost  sein. 

Kyrioleis. 

4.  Christ,  g^ot  des  vaters  son, 
hat  vor  uns  genug  geton, 
unsere  sund  beealt  allein, 

des  sollen  wir  im  dankbar  sein. 

Kyrioleis. 
Alleluia,   alleluia,   allelnia! 
des  sollen  wir  alle  fro  sein, 
Christ  sol  unser  trost  sein. 

Kyrioleis. 

5.  Christ  hat  erlöset  uns 

und  widerbracht  ins  yaters  gunst, 
durch  sein  sartes  blut  so  rot 
gefreiet  von  dem  ewigen  tod. 

Kyrioleis. 
Alleluia,  allelnia,  alleluia! 
des  sollen  wir  alle  fro  sein, 
Christ  sol  unser  trost  sein. 

Kyrioleis. 
Vehe  GB.  1587.  Nr.  20. 

f  Nr.   85. 

1.  Christ  ist  erstanden 
von  der  marter  allen. 

des  sölln  wir  alle  fro  sein, 

Christ  wil  unser  trost  sein. 

Kyrieleison. 

2.  WSr  er  nicht  erstanden, 

so  war  die  weit  vergangen; 
sint  daß  er  erstanden  ist, 
so  lohn  wir  den  herren  Jesum  Christ. 
Kyrieleison. 

3.  Es  giengn  drei  heiige  frauen 
zu  moiigens  in  dem  taue, 

sie  suchten  den  herren  Jesum  Christ, 
der  von  dem  tod  erstanden  ist. 
Kyrieleison. 


_191_ 

4.  Maria  da  reine, 

du  haat  gar  heiB  geweinot 
nmb  aiisem  herren  Jesom  Christ, 
der  von  dem  tod  auferstanden  ist. 
KjrieleiBon. 

5.  Maria  du  zarte, 

dn  bist  ein  rosengarte, 
den  got  selber  gezieret  hat 
mit  seiner  götlichen  majestat. 
Kyrieleison. 

G.     Christus  lag  im  grabe 
bis  an  den  dritten  tage, 
verwandt  an  hend  und  fU6en: 
o  Sünder,  du  solt  büßen! 
Kyrieleison. 

7.  Christe,  lieber  herre, 
durch  deiner  nuurter  ere 
verleih  uns  ein  gut  ende, 
ein  frölich  auferstende! 

Kyrieleison. 

8.  AUeluia,   aileluia, 

alleluia  I 
des  söUn  wir  alle  fro  sein, 
Christ  wil  unser  trost  sein. 
Kyrieleison. 
Leifientrit  OB.  15C7.  I.  Th.  Bl.  119  ^  mit  der  Überschrift:  Ein  gar  altes 
Lobgesang  auf  Ostern.  —  Corner  OB.  1625.  Nr.  129.  für  Str.  6  und  7  eine 
andere. 

Ein  anderes  Zeugniss  für  den  Gebrauch  deutscher  religiöser 
Volkslieder  finden  wir  in  der  Beise:   Wie  ich,  Jost  Artus  gezo- 
gen bin,  mit  Anderen,  ins  heilige  Land,  und  was  ich  sah  und 
erfuhr  auf  dieser  Pilgerfahrt  *').    Jost  Artus,   der  Bartscherer 
und  Lautenspieler  erzählt  nämlich  auch,  wo  und  was  er  auf  seiner 
Pilgerfahrt,  die  er  1483  nach  Jerusalem  machte,   nebst  seinen 
Gefährten  gesungen  habe.    Wie  sie  sich  der  Stadt  Venedig 
näherten:  Aber  wir  waren  alle  heiter  und  froh,  und  sangen: 
In  gotes  namen  varen  trir 
und  9ind  in  disem  Bchiffe  hier,  u.  s.  w. 
und  später  an  der  Küste  Palästina's: 

Da  segelten  wir  weiter  mit  frohem  Herzen  und  erblickten 


§.  8.  47)  Gedruckt  (Vulpias)  Cnriositäten  2,  405-422. 


192 

endlich  das  heilige  Land.    Da   sangen  wir  mit  frohem  Muthc 
und  heller  Stimme: 

Sei  vns  gegrüßt 
du  heiiges  lant, 
wo  unser  Christ 
sein  leiden  vant. 

Da  wü"  nun  dem  Lande  nahe  waren  und  demsell/bn  zusteuer- 
ten und  fröhlich  sangen: 

in  gotes  namen  varcn  wir 

und  nahen  uns  dem  hafen  u.  s.  w. 

Dennoch  schließt  dies  Jahrhundert  mit  höchst  günstigen 
Erscheinungen.  Die  Provinzialsynoden  hätten  längst  die  Noth- 
wendigkeit  des  deutschen  Cultus  einsehen  sollen,  aber  sie  fühl- 
ten sich  vielleicht  nie  unabhängig  genug  vom  römischen  Ein- 
flüsse, scheuten  sich  auch  wol  gar  den  Bedürfiiissen  der  Seelen, 
die  zunächst  ihrer  Pflege  anvertraut  waren,  abzuhelfen,  sobald 
sie  die  herrschenden  Ansichten  und  Grundsätze  der  Kirche  dabei 
gefährdet  sahen.  Aber  keine  einzige  Provinzialsynode  in  Deutsch- 
land, obschon  deren  bis  zum  Schlüsse  des  XV.  Jahrhunderts 
gegen  80  gehalten  wurden,  hatte  in  dieser  Beziehung  etwas 
gethan.  Endlich  im  letzten  Jahrzehend,  im  J.  1492  beschloss 
die  Synode  zu  Schwerin:  Auch  setzen  wir  fest  und  befehlen, 
dasß  jeder  Priester  unseres  Sprengeis,  wenn  er  mit  der  Gnade 
Gottes  ausgerüstet  das  Amt  der  Messe  gesungen  hat,  Gloria  in 
excelsis,  das  Credo,  das  Offertorium,  die  Praefatio  nebst  dem 
Vater-Unser  nach  den  Beschlüssen  der  heiligen  Canones  singen 
soll,  ohne  etwas  wegzulassen,  zu  mindern  oder  abzuschneiden; 
oder  es  soUen  die  Geistlichen,  die  eben  gegenwärtig  sind,  ein 
anderes  Responsorium  oder  ein  deutsches  Lied  statt  der  oben 
angeführten  auf  der  Orgel  oder  im  Chore  singen  **). 

Wahrscheinlich  hatte  diese  Bestimmung  ihren  Grund  in  einer 
längst  verjährten  Gewohnheit,  dass  nämlich  das  Volk  an  Fest- 
tagen und  sonstigen  Feiern  deutsche  Lieder  anstimmte.  Konnte 


§.8.  48)  Swerinenais  Synodua  1492  (Harzheim  T.  V.  p.  655):  Item  statui- 
miu  et  mandamus,  ut  quilibet  Sacerdos  nostrao  Diocesis,  cum  gratia  Dei 
dispositns,  Missanim  solemnia  decantaverit,  Gloria  in  excelsis,  Credo,  OfFerto- 
rium,  Praefationem  cum  Pater,  juxta  Sacromm  Canonum  sanctiones  a  prinoipio 
nsqne  ad  finem  decaatet,  nnllo  abstracto,  diminnto  vel  resecto:  ant  aliud 
responsorium,  vel  Carmen  vulgare  loco  praemissomm  in  organis  aut  choro  qui 
praesentes  fucrint  Clerici  resonent. 


193 

man  doch  nicht  umhin,  das:  Christ  ist  erstanden,  in  die  Agende 
als  ein  zur  Liturgie  gehöriges  Lied  aufzunehmen.  Wol  in  allen 
in  Deutschland,  wenigstens  in  den  meisten,  gedruckten  lateini- 
schen Agenden  ^*)  von  1480  an  bis  in  die  zwanziger  Jahre  des 
nachfolgenden  Jahrhunderts  ist  der  Anfang  dieses  Liedes  abge- 
druckt. In  der  Würzburger  von  1482  heißt  es:  Wenn  das 
voUendet  ist,  werde  begonnen  Victimae  paschali  laudes  immo- 
lent  christiani,  nebst  dem  deutschen  Liede:  Chriii  ist  erstanden. 
Darauf  werde  die  Prosa  begonnen:  In  die  paschae,  Benedictio 
agni  *ö)^  und  in  der  Breslauer  vom  J,  1496,  gedruckt  1499,  wie- 
derholt 1510,  heißt  es  ebenfalls  am  Schlüsse  der  Osterfeierlich- 
keiten:  Darauf  wird  hinzugefügt  die  Antiphone:  Surrexit  domi- 
nus de  sepultura,  welche  dreimal  gesungen  wird  und  immer 
lauter;  darauf  wird  gesungen  die  Prosa  Victimae  paschali,  ganz 
aus,  und  Christ  ist  erstanden^  nach  jedem  Verse,  wenn's  beliebt, 
Salve  festa  dies;  endlich:  Regina  coeli  u.  s.  w.  '*). 


§.8.  49)  Bamberg  1491  and  1514.  Panzer  IX,  211.  8.  b.,  und  IX,  387. 
4.  b.  —  Breslau  1499  und  1510.  Beide  in  mehreren  Exempl.  auf  der  Königl. 
und  UmyeTB.-BibUoth.  ku  Breslau.  —  Magdeburg  1497.  Panzer  II,  2.  11.  IV, 
852.  12.  Hain  Nr.  868.  —  Mainz  1480.  Hain  Nr.  869.  —  Minden  1522. 
Panzer  VII,  220.  819.  —  Naumburg  1502.  Panzer  YU,  441.  14.  —  Olmütz 
1486.  Hain  Nr.  371.  —  Passau  1490.  Hain  Nr.  372.  1495.  ib.  Nr.  373.  1498. 
ib.  Nr.  374.  1614.  ;Panzer  IX,  394.  121  b.  IX,  19.  105.  —  Salzburg  o.  J. 
Panzer  IV,  78.  2.  Hain  Nr.  875.  —  Schleswig  1512  und  1522.  Panzer  VH, 
660.  518.  Vin,  282.  22.  —  Schwerin  1521.  Panzer  VIII,  441.  14.  —  Würz- 
burg 1482.    Panzer  I,  460.  8.    Hain  Nr.  867. 

50)  Agenda  Ecdesiastica  Episcopatus  Herbipolensis  (cf.  Hain,  Kcpert. 
Kr.  367),  am  Ostertage :  Quibus  finitis  incipiatur  sequentia :  Victimae  paschali 
laudes  Immoleut  Christiani  cum  vulgari  Christ  ist  erstanden.  Postea  incipien- 
dum  est  matutinum  In  die  paschae  Benedictio  agni.  In  der  Bamberger  Agende 
vom  Bischof  Rudolf  (reg.  1466—1495)  dasselbe;  s.  Litt  des  kathol.  Dcutschl. 
I.  Bandes  1.  St  S.  67. 

51)  Liber  agendarum  rubricae  Wratisl.  coUectus  1496,  am  Schlüsse 
der  Osterfeierlichkeiten :  Deinde  subinngitur  antiphona :  Surrexit  dominus 
de  sepulcro  etc.  quae  trina  vice  canitur,  et  semper  altius;  postea  canitur 
prosa:  Victimae  paschali  laudes,  ex  toto  etc.  Christ  ist  erstanden,  post 
quemlibet  Tersum  si  placet  canitur:  Salve  festa  dies  etc.  ultimo  canitur: 
Begina  coeli  cet  So  auch  in  der  Ausgabe  von  1510.  fol.  cxxxiij.  b. 
Christ  ist  erstanden,  erhielt  sich  auch  in  den  Osterprocessionen  des  Breslauer 
Bisthums;  im  Rituale  Vratislaviense  (Nisaae  1682.  4?  und  öfter)  heiBt  es  S.  856 : 
Finaliter   canitur  sequentia   seu  prosa:    Victimae   paschali  laudes  etc.     Post 

13 


194 

Nur  in  einigen  Agenden  dieser  Art  steht  statt  Christ  ist 
erstanden:  Surrexit  Christas  hodie.  Das  ist  der  Anfang  eines 
spätem  lateinischen  Liedes,  das  sich  (kaum  erst)  im  XIV.  Jahr- 
hundert nachweisen  lässt.  Da  der  Anfang  mit  jenem  deutschen 
Liede  stimmt  ^*\  so  mag  es  so  für  das  Deutsche  um  so  leichter 
seine  Stelle  in  der  Agende  gefunden  haben.  Es  scheinen  jedoch 
nur  solche  Bisthümer  das  Lateinische  vorgezogen  zu  haben, 
deren  Einwohner  meist  slavisch  sprachen.  Das  Alles  that  aber 
dem  Fortleben  des  schönen  deutschen  Osterlicdes  keinen  Abbruch ; 
noch  bis  diesen  Augenblick  erhielt  sich  auch  in  der  katholischen 
Kirche  das:  Christ  ist  erstanden.  Das  Lied  ist  wie  wir  gesehen 
haben  zu  alt  und  war  von  jeher  zu  allgemein  verbreitet,  als 
dass  man  es  zu  irgend  einer  Zeit  hätte  verdrängen  können.  Wie 
es  mm  zunächst  am  Ostertage  in  der  Kirche  gesungen  wurde, 
so  ward  es  auch  sonst  bei  festlichen  Anlässen  angestimmt;  in 
Nürnberg  sang  man  es  hundert  Jahre  hinter  einander  bei  der 
im  Jahre  1424  zuerst  stattgeAindenen  und  bis  zum  Jahre  1524 
beibehaltenen  jährlichen  Vorzeigung  der  kaiserlichen  Heilig- 
thümer  *'). 

In  Folge  der  Beschlüsse  der  Schweriner  Synode  vom  Jahre 
1492  wurden  gewiss  in  jenen  Gegenden  von  der  Zeit  an  öfter 
deutsche  Lieder  während  des  öffentlichen  Gottesdienstes  gesun- 
gen. In  dem  Ordinarium  inclitac  ecclesiae  Swerinensis,  was  im 
Jahre  1519  erschien,  heißt  es  bei  dem  Officium  am  Christfeste : 
Populus  vero  Canticum  vulgare:  Gelavet  systu  Jesu  Christ,  tribus 
vicibus  subjunget  **).  Witzel,  Psaltes  eccles.  1550  (Bl.  56-  a.) 
kennt  nur  eine  Strophe,  und  länger  war  auch  gewiss  ursprüng- 
lich das  Lied  nicht: 


qnemlibet  yennin  popaliu  in  vulgari  sao  canit  canticnm  laetitiae  do  resur- 
rectione  Domini:  Christ  Ut  erstanden  etc.  yel  polonice:  Chiystas  zmartwych 
wstal  iest  etc.    Vgl.  das.  p.  355  nnd  365. 

52)  Siirre»t  Christus  hodie 
humano  pro  solamine.    Alleloia. 
Mortem  qoi  passos  corpore 
miserrimo  pro  hotnine.    Alleluia. 

S.  Mone,  Lateinische  Hymnen  I.  Bd.  Nr.  143.     Mehr  darüber  §.  9. 

53)  J.  C.  Wagenseil  de  civit.  Norib.  Comment.  (Altd.  1697.  4?)  p.  233. 

54)  Bambach,  Lnther's  Verdienst  S.  123  beruft  sich  hiebei  anf  G.  J. 
Markos  Erklibmng  des  in  Schwerin  gepflanzten  Gottesdienstes  (Schwerin  1765) 
S.  13. 


195 

f  Nr.  87. 
Weihnachtslied. 

1.  Gelobet  seistu,  Jesu  Christ, 
daß  du  mensch  geboren  bist 
von  einer  jimgfratin,  das  ist  war, 
des  freuet  sich  aller  engel  schar. 

Kyrieleison. 

Zu  Anfange  des  XVI.  JahrhondertB  mögen  die  meinten  in  alten  katholi- 
schen Gesangbüchern  befindlichen  Strophen  hinzugedichtet  worden  sein;  in 
Vehe  OB.  1537.  Nr.  17.  und  daraas  Leisentrit  QB.  1567.  I.  Th.  BI.  18  lauten 
die  übrigen: 

2.  Gelobet  sei  die  jung&au  zart, 
von  der  Christus  geboren  wart 
uns  armen  sündem  all  zu  trost, 
daß  wir  durch  in  würden  erlost. 

Kyrieleison. 

3.  Gelobet  sei  der  engel  schar, 
die  auch  bei  der  geburte  war, 
und  sang  dem  kleinen  kindlein  lop 
auf  erd  und  auch  im  himmel  drob. 

Kyrieleison. 

4.  Des  freu  sich  alle  Christenheit 
in  der  weit  ganz  weit  und  breit 
und  sage  got  dem  herren  dank 
vom  aufgang  bis  zum  nidergang. 

Kyrieleison. 

5.  Dann  so  das  kindlein  nit  gebom, 
wäm  wir  alzymal  verlorn; 
dieweil  es  nu  geboren  ist, 

so  danken  wir  dir  Jesu  Christ. 
Kyrieleison. 

6.  Dich  bitten  wir  auch  herziglich, 
daß  du  uns  weist  genediglich 
itzunt  deine  gnade  geben 

imd  darnach  das  ewig  leben. 
Kyrieleison. 

Spiltere  katholische  Gesangbücher  haben  dafür  Lather*8  Lied  von  1524 
und  fugen  dessen  7  Strophen  noch  zwei  hiniu.  Im  Münchener  GB.  1586 
heißt  das  Lied  also: 

13* 


196 

f  Nr,  88- 
Weihnachtßlied. 

1.  Gelobet  seista  Jesa  Christ, 
daß  du  mensch  geboren  bist 
von  einer  Jungfrau  rein  und  klar, 
des  freuet  sich  der  engcl  schar. 

Kyrie  eleison. 

2.  Des  ewigen  vaters  einzig  kint 
jetzt  man  in  der  krippen  findt. 
in  unser  armes  fleisch  und  bltit 
verkleidet  sich  das  ewig  gut. 

Kyrie  eleison. 

3.  Den  aller  weit  kreis  nie  beschloß, 
der  liegt  Mariae  in  der  schoß. 

er  ist  ein  kindlin  worden  klein, 
der  alle  ding  erhelt  allein. 
Kyrie  eleison. 

4.  Das  ewig  liecht  scheint  da  herein 
und  gibt  der  weit  ein  neuen  schein; 
er  leucht  wol  mitten  in  der  nacht: 
dis  liecht  hat  uns  das  kindlin  bracht. 

Kyrie  eleison. 

5.  Auf  erden  ist  er  kommen  arm, 
damit  er  sich  unser  erbarm, 

und  in  dem  himmel  machet  reich 
und  seinen  lieben  englen  gleich. 
Kyrie  eleison. 

6.  Das  hat  er  alles  uns  getan, 
sein  große  lieb  su  zeigen  an. 
des  freut  sich  alle  Christenheit 
und  dank  im  das  in  ewigkeit. 

Kyrie  eleison. 

7.  Oelobet  sei  die  Jungfrau  zart, 
von  der  Christus  geboren  wart 
uns  armen  sündern  all  zu  trost, 
daß  wir  durch  in  würden  erlost. 

Kyrie  eleison. 

8.  Gelobet  sei  der  engel  schar, 
die  auch  bei  der  geburte  war 

und  sang  dem  kleinen  kindlein  lop 
auf  erd  und  auch  im  himmel  drob. 
KjTie  eleison. 


197 

9.     Nun  bitten  wir  gar  herziglich, 
daO  da  uns  wollest  gnediglich 
an  leib  und  gel  gar  wol  bewarn, 
wann  wir  aus  disem  eilend  fam. 
Kjrie  eleison. 
Ebenso  Kölner  OB.  1610,  nur  sind  Str.  7  und  8  dort  Str.  2  und  3.     Das 
Tegemseer  GB.   schiebt  nach   Str.  5  noch  zwei  neue  Strophen  ein,   ygl.  Ph. 
Wckn.  S.  866  zu  Nr.  132. 

f  Nr.  89. 

Weihnaclitslied. 

Ein  kindelein  so  löbelicli 

ist  uns  geboren  heute 

von  einer  Jungfrau  seuberlicli 

zu  trost  uns  armen  leuten. 

war  uns  das  kintlein  nicht  geborn, 

so  wäm  wir  alzumal  verlorn: 

das  heil  ist  unser  alier. 

eia  süßer  Jesu  Christ, 

der  du  mensch  geboren  bist, 

behüt  ims  für  der  helle. 

So  bis  auf  die  drei  letzten  Zeüen  in  Johannes  Toltz  n^yn  kurtzer  vud 
fast  nutzbarlichor  bescheidener  Sermon  vber  das  Christliche  lobgesang  Ein 
kindelejn  so  lobiglich  ist  vns  geboren  hewte  etc.  1526."  4f  Am  Ende: 
„Gedruckt  zu  Leypßgk  durch  Michel  Blum.*»     (Wolfenbütt.  Bibl.) 

Urban  Rcgius,  „Dialogus  von  der  Herrlichen,  trostreichen  Predigt,  die 
Christus  Luce.  xxiiij.  gethan  hat"  (ed.  Wittemberg  1545.  4^)  Bl.  111:  Denn 
die  Christenheit  von  Alters  her  allezeit  auf  die  Weihennachten  fröhlich  ge- 
sungen hat:  Ein  Kindelein  so  löbelich.  —  Niederdeutsch  die  6  ersten  Zeilen 
in  Erasmus  Alberus  Yam  Wintervagel  Ualcyon  1552. 

Eingeschoben  als  zweite  Strophe  in  das  Lied:  Der  tag  der  ist  so  freu- 
denreich: Wittenb.  GB.  durch  Joseph  Klug  1535  bei  Wckn.  Nr.  793.  Vehe 
GB.  1537  Nr.  16  (daraus  bei  Leisentrit  GB.  1567.  I.  Th.  Bl.  19).  Wicelius 
Psaltes  eed.  1550  Bl.  59  b.  bei  Wckn.  Nr.  134. 

Als  selbständiges  Lied,  aber  mit  3  Strophen  vermelirt:  Straßb.  GB.  bei 
Wolff  Köphl  1539  Wckn.  Nr.  666. 

Lesarten:  1.  Toltz  lobiglich.  Vehe  lohentlieh,  7.  Vehe  und  Witiel  tm^er 
alle.  Kophl  vnaer  aUen,  9.  Vehe  dweyl  du,  Witzel  weil  du.  Eöpbl  da$  du, 
10.  Köphl  von  der  heUen, 

Des  Liedes  wird  oft  gedacht  von  Luther  und  seinen  Zeitgenossen.  Luther 
in  der  3.  Predigt  am  heil.  Christtage  1533  (bei  Walch  XUI»  175):  Man  hat 
diese  Engelpredigt  im  Papstthum  auch  gehabt,  man  hat  auch  jfthrlich  durch- 
aus in  Deutschland  dieses  schöue  christliche  Lied :  Ein  Kindelein  so  löbelich. 


198 

alleDthalben  gesongeu  und  singeta  noch ;  aber  niemand  hats  verstanden : 
UrBach,  es  hat  an  trenen  Predigern  gefehlet.  —  Cyriacns  SpangenbArg,  Cithara 
Lnthen  (Erfurt  1581.  4?)  I.  Th.  Bl.  19:  Dieses  Liedlein  ist  eins  ans  den 
alten  Gesängen  unserer  lieben  alten  Vorfahren,  welches  sie  vielleicht  etlich 
hundert  Jahr  her  gesungen,  auch  ehe  denn  des  Papsts  falsche  Lehre  und 
Abgotterei  so  grob  überhand  genommen,  und  obwol  der  Teufel  durch  seine 
Listigkeit  das  Evangelium  und  die  rechtschaffene  Lehr  im  Papstthum  vom 
Predigstuhl  und  aus  dem  Öffentlichen  Brauch  hinwegbracht  hat,  so  hat  er 
doch  wider  seinen  Dank  leiden  und  zugeben  müssen,  dass  fromme  Henen 
den  Artikel  von  der  Rechtfertigung  rein  bekannt  und  gesungen  haben  in  die- 
sem Liedlein,  da  also  stehet: 

Wtre  uns  das  Kiudlein  nicht  gebom, 

so  wttm  wir  allzumal  verlorn: 

das  Heil  ist  unser  aller.  — 
Vgl.   femer  Simon  Pauli,    Ansleg.   der   deutschen    geistl.  Lieder.     Magdeb. 
1688.     4? 

Vom  Jahre   1500  —  1523. 

Auch  in  Friesland  war  der  Lobgesang :  Christus  ist  erstanden, 
ein  allgemein  bekanntes  Lied.  Als  im  J.  1506  Graf  Edzard  in 
die  Stadt  Groningen  einzog,  ward  er  feierlich  empfangen  mit 
Glockengeläute  und  Geschützesdonner,  und  die  Kinder  auf  der 
Straße  sangen  den  Lobgesang  von  der  Auferstehung  Christi 
also  verändert: 

Christus  is  upgestande, 
her  Vyt  mot  nu  üt  dissem  lande, 
des  willen  wy  alle  vro  syn, 
grave  Edzard  wil  unse  trdst  syn. 
Kyrie  eleison**). 
Wie  allgemein  das:  Christ  ist  erstanden,  verbreitet  war,  er- 
heUt  auch  aus  den  Schwänken  des  Heinrich  Bebel  **).   Er  erzählt : 


§.8.  65)  Cbronyck  oft  Historie  ran  Oost-Frieslant ,  Beschreren  door  Eggeric 
Beningha,  int  licht  gebracht  door  Ant.  Matthaeos  (Leyden  1706.  S?  )  bl.  481. 
Vgl.  Wiarda,  Ostfries.  Geschichte  2.  Bd.  S.  199.  200. 

56)  Facetianim  Heiurici  Bebelii  libri  tres.  Tubingae  1561.  fol.  5  b. 
Facetia  de  dominatione  mnliemm.  In  die  Besnrrectionis  dominicae  concio- 
nator  qnidam  Waiblingensis  (nt  pleromqne  eo  die  aliqnid  loci  et  facetiaram 
inter  coneionandcun  affenri  solet)  carmen  triumphale  Salvatoris  nostri,  ndas 
Christ  ist  erstanden^,  Uli  viro  demandabat  inchoandom,  qoi  domi  snae  impe* 
ritarety  non  nxor.  Sed  cnin  diu  neminem  invenirety  exclamavit:  Prbh  deüm 
atqne  hominum  fidera  I  refrixitne  adeo  animns  yirilis  in  vobis  omnibns,  nt  nemo 


199 

Ein  Waiblinger  Geistlicher  verlangte  einmal  am  Ostertage,  wo 
es  denn  üblich  sei  ein  sogenanntes  Ostennäriein  (Schmeller 
Wb.  2y  606)  in  die  Predigt  einzumischen,  dass  derjenige  Mann, 
der  die  Herrschaft  in  seinem  Hause  führte,  das  Christ  ist  er- 
standen anstimmen  solle.  Alles  schwieg.  Als  nun  aber  der 
Prediger  die  Männer  schmähete,  da  fand  sich  denn  doch  Einer, 
der  solche  Sehmach  nicht  dulden  wollte :  er  hub  den  Lobgesang 
an,  und  alle  Männer  führten  ihn  zum  Gastmale  und  wussten 
nicht,  was  sie  ihm  alles  Liebes  und  Gutes  erweisen  sollten.  Im 
J.  1506,  fügt  Bebel  hinzu,  machte  es  ein  Predigermönch  in 
Marehtell  ebenso.  Da  verlief  sich  aber  die  Sache  anders.  Als 
kein  Mann  anhub  zu  singen,  da  ließen  die  Weiber  nicht  lange 
auf  sich  warten  und  zeigten,  daß  sie  die  Herren  im  Hause 
seien. 

In  der   Zerbster  Procession  vom  J.  1507*')  sprechen   die 
klugen  und  thörichten  Jungfrauen,  hier  nur  zehn  an  der  Zahl: 
Billich  gebürt  uns  in  zu  loben: 
Singet  mit  andechtiger  stimme 

zu  gote  erhoben, 
Incipiatis :  Christ  du  bist  mild  und  gut. 

Zu  den   älteren  deutschen  Earchenliedern  muss  auch   mit 

▼iriliter  imperet?  Tandem  uuus  rei  indi^nitato  motu»  incoeptavit ,  quem  tum 
omncs  commanitcr  viri,  tauqaam  virilii)  honoris  viudicatorem ,  ad  conviviuni 
deduxerunt  et  «umma  liberalitate  ac  reverentia  tractaruut,  quoniam  omuibus 
viris  decori  et  honestati  fuisset.  Uoc  autem  auu<»,  scilicet  1506,  iu  mouaflte- 
rio  Marchtello  in  ripa  Danabii  sito,  hoc  item  fecit  quldam  fniter  ordinis 
Praedicatonun.  Sed  cum  nullus  virornm  incipero  vcllet,  iuaait  incipcre  mu- 
Ueres,  qnae  imperium  domus  agerent,  ibi  protinus  omnes  de  principatu  cou- 
tendentes  incoepernnt.  — 

In  einer  alten  Ausgabe  der  Gott.  Bibl.,  aus 'dem  Auf.  des  XVI.  Jahrb., 
beginnend : 

In  hoc  libru  continentur  Hfec  Bebeliana  opuscula  noua.  O.  O.  u.  J.  4° 
fehlt  jedoch:  das  Christ  ist  erstanden.  Das  beweist  eigentlich  nur  noch  mehr 
für  die  Volksthümlichkeit  des  Liedes :  Bebel  hielt  es  gar  nicht  für  nöthig,  es 
näher  vat  beeeichnen. 

§.  8.  57)  Aus  einer  Hs.  des  geheimen  Archivs  der  Stadt  Zerbst  von  Friedr. 
Bintenis  mitgetheilt  in  Haupt's  Zeitschrift  2.  Bd.  S.  276—297.  Dies  geist- 
liche Straßenschauspiol  wurde  am  Ausgange  des  XV.  und  im  Anfange  des 
XYI.  Jahrb.,  wahrscheinlich  bis  zum  J.  1522,  in  welchem  Jahre  sich  die 
Stadt  Zerbst  für  Luther  erklftrte,  jährlich  aufgeführt.  Die  Worte  und  somit 
auch  der  Anfang  des  Liedes  gehören  also  der  vorreformatorischen  Zeit  an. 


200 

vollem  Rechte  das  Pfingstlied:  Kum  heibger  geitt,  herre  goi,  ge- 
zählt werden*»). 

f  Nr.  90. 
Pfingstlied. 

Chum,  heiliger  geist,  herre  got, 
erfüll  uns  deiner  genaden  bot 
der  deinen  gelaubigen  herz  und  sin, 
dein  brünstige  lieb  erzünd  in  in, 
der  durch  deines  liechtes  glast 
in  einen  gelauben  gesammct  hast 
das  volk  aus  aller  weite  zungen: 
des  sei  dir  lop  und  er  gesungen. 
Alleluia,  alleluia. 
Müncheuer  Hs.,  Cg^m.  716.  BI.  177  b. 

Schon  im  Jahre  1514  ward   es  im  Baseler  Plenarium   ge- 
druckt**); es  steht  auf  dem  achten  Blatte  unter  einem  Scheuffe- 


§.  8.  68)  Bambacli  bezweifelt  dies  zwar.  lu  seiner  Anthologie  I.  Bd.  S.  420 
sagt  er  darüber:  „Kirchengesang  war  es  znm  wenigsten  gewiss  nicht  vor  der 
Reformation,  da  die  Pfingst- Antiphone  Yen!  sancte  Spiritus,  aus  welcher  es 
übersetzt  ist,  nach  dem  Kirchenritaal  nicht  anders  als  lateinisch  gesungen 
werden  durfte.^  —  Schwerlich  wird  sich  dies  beweisen  lassen.  Das  deutsche 
Lied  mnss  wol  vor  und  zu  Luthers  Zeit  oft  genug  gesungen  worden  sein; 
Luther  selbst  nennt  es  unter  den  feinen  schönen  Gesängen  und  sagt  von  ihm 
in  den  Tischreden  (Walch  XXn.  Th.  Sp.  1603),  der  heilige  Geist  habe  ihn 
selber  von  sich  gemacht,  beide  Worte  und  Melodei.  Auch  muss  es  als  ein 
ursprüngliches  deutsches  Lied  betrachtet  worden,  da  es  ja  doch  nur  dem 
Inhalte  nach  mit  der  lateinischen  Antiphone  übereinstimmt: 

Veni  sancte  spiritus, 

Beple  tuorum  corda  fidelium, 

Et  tui  amoris  in  eis  ignem  accendc, 

Qui  per  diversitatem  linguarnm  cnnctarum 

Gentes  in  unitatem  fidei  congregasti. 
Alleluja,   allelnja! 
Auch  hatte  es  von  jeher  seine  ihm  eigenthümliche   Melodie,  und  ward 
danach   nebon  dem   Veni  s.   spir.  in   der  kathol.  Kirche  noch  im  XVI.  und 
XVII.  Jahrh.  gesungen,  z.  B.  in  der  Regensburger,  s.  Obsequiale  Eccl.  Ratis- 
bonensis  (Ingolstadii   1670.    4?). 

69)  Die  Breslauer  Bibliothek  besitzt  eine  spätere,  übrigens  mit  der 
früheren  ganz  übereinstimmende  Ausgabe :  Das  Plenarium  oder  Evangely  bnoefa. 
Basel  1616.  fol.    Vgl.  Panzer^s  Annalen  L  Bd.  S.  386.     Die  von  1614  wird 


201 

linschen  Holzschnitte  ^    die  Auagießung  dee  heil.   Geistes  dar- 
stellend, und  lautet  also: 

f  Nr.  91. 

Kum  heiliger  geist;  herre  got, 

erfüll  uns  mit  deinen  gnaden  gut, 

deiner  glaubigen  herz,  mut  und  sin, 

inbrünstige  lieb  entzünd  in  in, 

der  du  durch  deines  Hechtes  glast 

in  einen  glauben  gesamlet  hast 

das  volk  aus  aller  weit  und  zungen. 

das  sei  dir,  lieber  herr,  zu  lob  und  er  gesungen. 
Alleluia,  alleluia! 
Luther  nahm  es  mit   auf  in  sein  Gesangbuch  1524  nebst 
zwei  anderen  Strophen,  die  er  sehr  wahrscheinlich  hinzugedich- 
tet, oder  im  Fall  er  sie  vorfand,  nur  umgedichtet  (oder,  wie  er 
es  nannte,  verbessert)  hat 

Auch  in  dem  ältesten  katholischen  Gesangbuche,  dem 
Veheschen  1537  Nr.  37  kommen  zwei  Strophen  vor^o),  die  noch 
jünger  als  die  Lutherschen  sind,  ja  mir  durch  diese  hervorge- 
rufen zu  sein  scheinen,  denn  offenbar  wird  darin  durch  „die 
Propheten,  die  Gottes  Wort  unrecht  deuten«,  auf  die  Reforma- 
toren angespielt.  Vgl.  Luthers  geistl.  Lieder  von  Ph.  Wacker- 
nagel (Stuttg.  1848)  S.  144. 

Johann  Herold  erzählt  in  seiner  Chronik  von  Schwäbisch 
Hall  (1541)«')  im  124.  Capitel,  was  sich  vor  und  während  der 
Schlacht  bei  Frankenhausen,  15.  Mai  1525,  zugetragen.  Nach- 
dem Münzer  zu  seinen  Haufen  geredet  hatte  und  nun  eben  die 
Fürsten  anrückten,  heißt  es:  „aber  es  waren  etliche  mutwillige 
buben,  die  Müntzers  geist  hatten,  fielen  dem  Müntzer  zu,  schrien. 


beschrieben  daselbst  S.  361.  362,  in  Banmg^arten's  Nachrichten  von  merk- 
würdigen Büchern  I.  Bd.  (1752)  S.  452—457.  Ph.  Vackemagel  KL.  S.  720. 
Eine  Ausgabe,  Basel  1518.  fol.,  ebenfalls  auf  der  Bresl.  Bibl.,  stimmt  mit 
jenen  überein  bis  Bl.  CCXLVII,  der  Schloss  lautet  anders. 

§.  8.  60)  Bei  Wckn.  Nr.  823.  Sie  finden  sich  auch  in  späteren  GB.  wieder, 
2.  B.  bei  Leisentrit  I.  Th.  Bl.  185;  in  dem  Paderbomer  1616.  S.  127; 
Kölner  1610.  Bl.  120;  Comeri  GB.  1625.  Nr.  163;  Corners  Nachtig.  1649, 
8.  265.  Im  Obseqniale  Eccles.  Batisb.  1670  steht  jedoch  nur  die  erste  ur* 
aprungUche  Strophe. 

61)  Mone,  Anzeiger  8,  144.  145. 


202 

man  seit  sich  zu  der  wer  rüsten  und  stellen,  und  waren  ir  bei 
8000,  meinten  sie  weiten  den  fiirsten  wol  vorstehn,  und  hüben 
an  zu  singen: 

Korn,  heiliger  geist!^ 
Als  die  Bauern  auf  die  Abmahnungen,  der  Fürsten  keine  Ant- 
wort gaben,  schritten  diese  zum  Angriff.  Der  Landgraf  von 
Hessen  ermahnte  die  Reisigen.  ;,Da  nun  der  Graf  ausgeredt, 
ruckt  man  hinzu  an  die  bauren,  ließ  das  geschütz  abgehen.  Die 
armen  leut  stunden  da  imd  sungen: 

Nun  bitten  wir  den  heiligen  geist, 
gleich  als  wan  sie  wansichtig  wären,  schickten  sich  weder  zur 
wer  noch  zur  flucht." 

Bei  der  Ankunft  des  Bischofs  von  Padua  in  den  deutschen 
Gemeinden  bei  Verona  im  J.  1519  sang  das  Volk  den  uralten 
Ostergesang  ••): 

f  Nr.  92. 

1.  Christ  ist  erstanden 

wol  von  der  marter  allen, 
des  sollen  wir  alle  fro  sein, 
und  Christ  sol  unser  trost  sein. 
Kyrie  eleison. 

2.  Und  war  er  nit  erstanden, 
so  war  die  weit  zergangen, 
und  seit  daß  er  erstanden  ist, 

so  loben  wir  den  herm  Jesum  Christ. 
Kyrie  eleison. 

3.  Maria  die  vil  zarte 
sie  ist  ein  rosengarte 

und  den  got  selber  gezierat 
mit  seiner  götlichen  majestat. 
Kyrie  eleison. 

4.  Maria  die  vil  reine 

sie  hett  ein  große  peine 
umb  unsem  herren  Jesum  Christ, 
der  aller  weit  ein  tröster  ist. 
Kyrie  eleisoa. 

§.  8.  62)  Presbyter  FranciscnB  Lnppati  mann  sua  propiia.  Ex  Toluminc 
XXXin.  yisitationain  Ann.  1519.  XI.  Jul.  Ans  des  Grafen  Caspar  von  Stern- 
berg  Reise  durch  llrol  (Begensb.  1806.  8?)  S.  1^1  in  Radlofs  Mastorsaal 
I.  Bd.  S.  23.  24. 


2oa 

5.  Du  heilig««  chreuze^ 
Miüet  uns  Cbristenleute, 

und  daß  die  ungläubigen  werden  bekert, 
BO  wirt  der  christlich  glaub  vil  gemert. 
Kyrie  eleison. 

6.  Es  giengen  drei  heiUge  frauen, 
die  weiten  das  grab  beschauen, 

sie  suchten  den  herren  Jesum  Christ, 
der  aller  weit  ein  helfer  ist 
Kyrie  eleison. 

7.  Alleluja,  alleluja,  alleluja! 
des  sollen  wir  alle  fro  sein 
und  Christ  sol  unser  trost  sein. 

Kyrie  eleison"). 


§.8.  63)  Radlof  das.  S.  26.  26  theilt  denselben  Gesang  mit  (die  Btrophen 
in  etwas  anderer  Folge  nnd  om  eine  Termehrt),  wie  derselbe  in  dem  alten 
OfEciale  der  dreisehn  Gemeinden  abgedruckt  war,  ganz  übereinstinunend  mit 
dem  Texte  in  Leisentrit's  GB.  1567.  I.  Th.  Bl.  119.  120.  —  Wie  sehr  dies 
Lied  ein  wirkliches  Volkslied  war,  lehrt  die  Verschiedenheit  der  Texte;  in 
den  meisten  sind  alte  nnd  neue  Strophen  gemischt,  oft  ist  anch  alles  bis  anf 
die  erste  Strophe  mngedichtet:  das  Mainzer  GB.  1628  liefert  allein  6  yer- 
schiedene  Texte  S.  282—291.  —  Christ  ist  erstanden,  war  ein  wirkliches 
Volkslied,  Jahrhunderte  lang  lebte  es  im  Munde  des  Volkes  nnd  wurde  bei 
allerlei  feierlichen  AnlMssen  gesungen,  oft  gewiss  da  wo  in  früheren  Zeiten 
heidnische  Lieder  üblich  waren.  Vgl.  Grimm  Mjth.  348.  So  erzählt  Faustin 
Ens,  Pas  Oppaland  3.  Bd.  (Wien  1836)  S.  48. 

„Das  Sonnenhuppen  yerdient  bloß  seiner  Eigenthümlichkeit  wegen 
einer  Erwähnung.  In  der  Kacht  vor  Ostern  wandern  Menschen,  verschieden 
an  Geschlecht  und  Alter,  nach  den  Anhöhen  hin,  von  wo  der  Sonne  Aufgang 
zu  sehen  ist.  Hier  zünden  sie  ein  Feuer  an,  lagern  um  dasselbe,  und  unter- 
halten sich  abwechselnd  mit  Essen  und  Trinken,  mit  Gesprilchen  und  Gesang, 
bis  das  Morgenroth  die  Kähe  der  Sonne  yerkündet.  Nun  wenden  sie  sich 
alle  nach  der  Bahn  hin,  auf  der  das  Taggestim  zu  wandeln  pflegt,  und  sehen 
es  in  frommer  Einfalt  vor  Freuden  über  die  Auferstehung  des  Weltheilands 
huppen  d.  i.  hüpfen,  und  singen:  Christus  ist  erstanden,  halleluja.'' 
—  Anch  in  der  Liturgie  des  XVI.  Jahrh.  erhielt  es  sich:  Agenda  ecclesiastica 
durch  Michael  Bhommeysen  in  Rastorf  1579.  Cod.  Dusseld.  C.  61.  Bl.  264. 
Vietimae  paschali  laudes  immolent  Christiani. 

Et  populus  ad  quemlibet  versum  semper  eam  vulgarem  cantilenam  sub- 
iungat  cantando 

Christ  ist  erstanden. 


204 

Auch  Luther  hielt  das  Lied  in  hohen  Ehren;  er  hat  selbst 
zu  den  vielen  zu  seiner  Zeit  bereits  vorhandenen  Umdichtungen 
eine  neue  geliefert:  Christ  lag  in  Todesbanden.  Er  gedenkt 
dieses  Liedes  in  der  flauspostill  (Nürnberg  1554.  fol.)  Sommer- 
theil  Bl.  3  b.  und  Tischreden  (Franckf.  1567.  fol.)  Bl.  549  b.; 
in  der  letzten  Stelle  spricht  er  sich  also  darüber  aus : 

Es  kamen  etwa  zween  Juden  Rabini,  Schamaria  und  Jacob 
zu  mir,  sprach  Doctor  Martinus  Luther,  beredeten  sich  mit  mir 
und  baten,  ich  wollte  ihnen  Gleitsbriefe  geben.  Dieselben  ge- 
fielen ihnen  wohl,  wenn  ich  nur  nicht  den  Tola,  das  ist,  Jesum 
den  gekreuzigten  hätte  hineingesetzt.  Denn  sie  können's  nicht 
lassen,  sie  müssen  den  Namen  Jesus  lästern,  und  dem  Liedlein : 
Christ  ist  erstanden,  sind  sie  überaus  feind.  Aller  Lieder  singt 
man  sich  mit  der  Zeit  müde,  aber  das  Cliristus  ist  erstanden 
muss  man  alle  Jahr  wieder  singen. 

Des  Liedes:  Gott  sei  gelobet  und  gebenedeiet,  gedenkt  Luther 
an  zwei  Stellen: 
TjEin  wejse  Christlich  Mess  zuhalten  vn  zum  tisch  Gottis  zu 
gehen.   Martinus  Luther.    Wyttemberg.  M.D.xxiiii."   4": 

Auch  wollt  ich,  dass  wir  viel  deutscher  Gesang  hätten,  die 
das  Volk  unter  der  Mess  sünge,  entweder  bei  dem  Gradual, 
oder  bei  dem  Sanctus,  oder  Agnus  Dei.  Denn  welcher  will 
daran  zweifeln,  dass  vorzeiten  gewesen  sind  des  ganzen  Volks 
Gesänge,  was  jetzt  allein  der  Chor  der  Pfaffen  und  Schüler 
singt  und  antwort,  wenn  der  Bischof  das  Brot  segnet  oder  Messe 
hält?  Es  möchten  aber  diese  Gesang  also  durch  den  Bischof 
geordnet  werden,  dass  sie  entweder  auf  ein  Zeit  mit  einander 
einswegs  nach  dem  Lateinischen  gesimgen  würden,  oder  aber 
ein  Tag  um  den  andern,  dass  man  heut  lateinisch  sünge,  ein 
andermal  deutsch,  bis  die  ganze  Mess  alle  deutsch  würd.  Wir 
haben  aber  noch  nicht  deutsch  Poeten  oder  Dichter  oder  sie 
sind  uns  noch  nicht  bekannt  worden,  die  ims  andächtige  und 
geistliche  Gesänge,  als  sie  Paulus  nennet,  möchten  setzen  und 
anrichten,  wie  da  würdig  wären,  dass  man  sie  in  der  Kirchen 
in  gemeinem  Gebrauch  haben  sollt.  Doch  in  der  Weil  bis  wir 
sie  überkonmien,  gefällt  uns,  dass  gesungen  werde  nach  der 
Wandlung: 

Got  sei  gelobet  und  gebenedeiet, 
Der  uns  selber  hat  gespeiset. 


2(>5 

Doch  soll  man  darin  ausIasBen  das  ätücklein: 
Und  das  heilig  sacramente 
an  unserm  letsten  ende 
aus  des  geweihten  priesters  hände  •*). 
Denn  das  mag  wol  hinzugesetzt  worden  sein  von  eim,  der 
sonst  Barbara  geehrt  hat,   und  all   sein  Leben  lang  nicht  viel 
geacht  dies  Sacraments,  allein  gehofft,  er  wollt,  so  er  sterben 
sollt,  durch  das  einig  gut  Werk   ohn  Glauben  eingehen  zum 
Leben.    Auch  die  Weis  an  dem  Lied  und  alle  Art  der  Musica 
zeigen  an,  dass  das  ein  übriger  Vers  ist  imd  nicht  da  hergehört. 
Das  Lied  ist  auch  ein  gut  Gesang: 

Nun  bitten  wir  den  heiligen  geist; 
Item:  Ein  kindelein  so  löbelich. 
Sonst  wirst  du  ihr  nicht  bald  viel  mehr  finden ,  die  einen 
Schmack  etwa  nach  einem  tapfem  Geist  hätten  •*).  — 

«Von  der  winckelmesse  vnd  Pfaffen  Weihe.  D.  Mart.  Luther. 
Wittemberg  MDXXXÜI.«  4? : 
Denn  bei  vielen  der  Brauch  ist  blieben,  dass  man  den  Ster- 
benden das  Crucifix  furgehalten  und  sie  erinnert  des  Leidens 
Christi  ff.  Zuletzt  auch  das  Gebet,  als.  Psalter,  Vater  unser, 
der  Glaube  und  zehen  Gebot,  item  viel  guter  Lieder  und  Ge- 
sang, beide  lateinisch  und  deutsch.  Wo  nu  solche  Stücke  noch 
blieben  sind,  da  ist  gewisslich  die  Kirche  und  etliche  Heiligen 
blieben. 

Und  weiterhin:  Denn  es  ist  gleichwol  der  Glaube  fest  und 
rein  blieben  in  der  Kirchen,  dass*  Christus  im  Sacrament  einge- 


§.  8.  64)  Diese  Strophe  finde  ich  nur  noch  in  Comer's  GB.  1625  Kr.  217 
und  NachtigaU  1649.  8.  20: 

Das  sacrament  vor  unserm  letzten  ende 

ans  eins  geweichten  priesters  hKnde 

weil  uns  got  geben,  die  sünd  su  beichten  eben, 

so  kommen  wir  ins  ewige  leben.    Kyrieleison. 

o  heiliger  geist,  da  tröster  won  uns  bei, 

daß  wir  werden  aller  sünden  freil 

Maria  du  reine  mait, 

hilf  uns  zu  der  Seligkeit!    Eyrieleison. 
65)  In  der  Formula  missae  et  communionis  pro  Ecclesia  Vuittember- 
gensi.    Martini  Luther.  YYittembergae.  MDXXIII  (abgedruckt  in  A.  L.  Richter, 
Die  evangelischeu  Kirchenordnungen  des  XVI.  Jahrh.  1,  2 — 7)   wird  nur  die 
erste  Zeile  unsers  Liedes  angeführt. 


206 

setzt  und  befohlen  habe,  seinen  Leib  und  Blut  zu  empfahen 
allen  Christen,  wie  das  alles  viel  Lieder  und  Reimen  überzeu- 
gen, sonderlich  das  gemein  Lied: 

Got  sei  gelobet  und  gebenedeiet, 

der  ims  selber  hat  gespeiset 

mit  seinem  fleische  und  mit  seinem  blute! 

(das  gib  uns,  herr  got,  zu  gute.) 

Und  darnach: 

Herr,  durch  deinen  heiligen  war  leichnam, 

der  von  deiner  muter  Maria  kam, 

und  das  heilige  blut 

hilf  uns,  herr,  aus  aller  not**)  ff. 

Mit  diesem  und  dergleichen  Liede,  so  man  beim  Sacrament, 
ja  in  Procession  und  Kirchen  gesungen,  hat  die  Kirche  öffent- 
lich Zeter  imd  Mördio  über  den  Endchrist  und  räubische  Win- 
kelpfaffen geschrieen.  Und  weiter:  Siehe  aber  das  genannt  Lied 
an,  ob's  nicht  ein  christlich  rein  fein  Bekenntniss  und  von  einem 
rechten  Geist  gemacht  sei.  Es  zeuget,  dass  die  Laien  haben 
zur  selbigen  Zeit,  da  es  gemacht  ist,  beider  Gestalt  empfangen, 
und  spricht:  der  uns  hat  selber  gespeiset  Mit  seinem  Fleisch 
und  mit  seinem  Blute.  Wer  sind  sie,  die  Uns  sagen?  Es  sind 
Laien,  die  es  zu  deutsch  gesungen  haben  und  noch  singen.  — 
Aber  ich  muss  aufhören,  dies  Lied  zu  preisen;  es  sollten  sonst 
die  gräulichen,  verstockten  Gottes  Lästerer,  wo  sie  es  erfiihren, 
wol  hinfort  das  Lied  auch  verbieten,  das  sie  doch  selbst  und 
alle  ihre  Vorfahren  gesungen  haben  und  gewisslich  viel  Jahr 
vor  dem  Luther  gemacht  ist,  wie  sie  sonst  viel  Lieder  verbie- 
ten, da  doch  eitel  Gottes  Wort  und  unser  Glaube  in  gesungen 
wird.  — 


§.  8.  66)  Urgprünglich  mag  dies  Lied  wol  nur  aus  dieser  einen  Strophe 
bestanden  haben;  ich  möchte  jedoch  nicht  für  einen  Zusatz  nach  dem  J.  1623 
die  übrigen  Strophen  erklären,  welche  in  alten  katholischen  Gesangbüchern 
auf  jene  erste  folgen ;  kannte  doch  Luther  selbst  im  J.  1524  die  Schluss- 
strophe (s.  die  vorhergehende  Anmerk.),  die  ihm  so  sehr  anstößig  war.  Ram- 
bach geht  zu  weit,  wenn  er  die  vier  im  Vehe*schen  OB.  1537  Nr.  40  befind- 
lichen Strophen  dieses  Liedes  für  gleichzeitig  hält  mit  Luthers  zwei  hinzu- 
gedichteten; s.  Luther^s  Verdienst  um  den  Kirchengesang  S.  115 — 119. 


207 

f  Nr.  93. 
Frohnleichnamslied. 

1.  Got  sei  gelobet  und  gebenedeict, 
der  uns  selber  hat  gespeiset 

mit  seinem  fleische  imd  mit  seinem  blute, 
das  gip  tms,  herr,  zu  gute! 

Kyrie  eleison. 
Herr,  durch  deinen  heiligen  leichnam, 
der  von  deiner  muter  Maria  kam, 
und  das  beilige  blut 
hilf  uns,  herr,  aus  aller  not! 

Kyrie  eleison. 

2.  Got  sei  gelobet  und  gebenedeiet, 
der  uns  große  gnad  verleihet 

durch  dises  heilig  hochwirdig  sacrament 
in  seinem  neuen  testament, 

Kyrie  eleison, 
Wider  allen  hunger  und  auch  durst, 
wie  du  in  dir  selbs  erfahm  wurst, 
so  du  die  heiige  speis 
gebrauchen  würst  auf  geistlich  weis. 

Kyrie  eleison. 

3.  Got  soln  wir  loben  und  gebenedeien 
und  zu  im  aus  herzen  schreien, 

daß  er  uns  woll  durch  sein  große  gütigkeit 
verleihen  christliche  einigkeit, 

Kyrie  eleison, 
Welche  durch  des  brots  und  weins  gestalt 
bedeut  wirt  uns  Christen  manigfalt, 
und  das  ewig  leben 
uns  durch  die  speis  auch  geben. 

Kyrie  eleison. 

4.  Got  sei  gelobet  und  gebenedeiet, 
der  uns  alle  hat  befreiet 

vons  teufeis  banden  und  der  hellen  glute 
durch  sein  gnad  und  große  gute. 
Kyrie  eleison. 


20S 

Herr,  durch  dein  große  barmherzigkeit 
gip  uns  vor  unser  sünd  reu  und  leit 
und  zu  tun  büß  und  beieht, 
die  zu  deinem  lob  gereicht 
Kyrie  eleison. 


fv 


Got  sei  gelobet  und  gebenedeiet, 
der  uns  nicht  vermaledeiet 
umb  unser  sünde  und  das  böse  leben, 
welches  er  uns  wil  vergeben. 

Kyrie  eleison. 
Herr,  durch  deine  heiige  marter  groß, 
da  du  hingst  am  kreuz  nacket  und  bloß, 
vor  übel  uns  bewar! 
hilf  uns  zu  der  engel  schar! 
Kyrie  eleison. 
Vebe  GB.  1537.  Nr.  40  (danach  bei  LeUentrit  GB.  1667.  I.Th.  Bl.  216l>). 
Ebenso  noch  im  Kölner  GB.  1610.  Bl.  143.  144  mit  Mel.     Bei  Corner  GB. 
1625.  Nr.  216  mit  einer  6.  Str. 

f  Nr.  94. 

Pfingstlied. 

1.  Nu  bitten  wir  den  heiligen  geist 
umb  den  rechten  glauben  allermeist, 
daß  er  uns  behüte  an  unserm  ende, 
wenn  wir  heimfam  aus  disem  eilende. 

Kyrioleis. 

2.  Erleucht  du  uns,  o  ewiges  licht! 
hilf  daß  alles,  so  von  uns  geschieht, 
got  sei  gefellig  durch  Jesum  Christum, 

der  uns  macht  heilig  durch  sein  priestertum. 
Kyrioleis. 

3.  O  heiligste  lieb  und  gütigkeit, 
durch  deine  gnad  unser  herz  bereit, 

daß  wir  unsem  nechstcn  christlich  lieben 
und  ewig  bleiben  in  deinem  friden! 
Kyrioleis. 

4.  O  höchster  tröster  und  warer  got, 
hilf  uns  getreulich  in  aller  not! 


209 

mach  rein  unser  leben,  schenk  uns  dein  gaben, 
laß  uns  nit  weichen  vom  rechten  glauben! 
Kyrioleis. 
Vehe  GB.  1537.  Nr.  86  und  daraus  b«i  Leisentrit  I.  Th.   Bl.  58  und 
Corner  GB.  1625.  Nr.  169  (1,  2.   in  dem  reohten  Glavhm).     Ob   dies   Lied 
vor  der  Reformation  schon  in  dieser  Gestalt  vorhanden  war,  ist  bisher  noch 
nicht  ermittelt;   anf&llend,    dass   Wicelins   in   seinem    Psaltes    ecclesiasticus 
1650.  Bl.  112  nur  die  erste  Strophe  anfährt. 

Das  Lied:  Got  der  vater  won  uns  bei,  gehört  auch  noch  der 
vorlutherischen  Zeit  an;  es  ward  als  Litanei  in  der  Kreuzwoche 
und  zu  den  Bittfahrtzeiten  vor  dem  Himmelfahrtsfeste  oft  ge- 
sungen. Es  kommt  gedruckt  bereits  in  dem  Nürnberger,  Erfurter 
und  Breslauer  GB.  von  1525  vor,  und  hat  dort  wie  in  den  Er- 
fiirter  Enchiridien  von  1526  und  1527  die  Überschrift:  «gebes- 
sert  und  christlich  corrigiert«  •').  In  dem  ältesten  katholischen 
Qesangbuche,  Vehe  1537.  Nr.  32,  lautet  es  also: 

f  Nr.  95. 
Got  der  vater  won  uns  bei 
und  laß  uns  nit  verderben, 
mach  uns  aller  sünden  frei 
und  helf  mis  selig  sterben. 

§.  8.  67)  Der  Znsatz  ist  sehr  erklftriich.  Zu  großen  Anstoß  erregte  die 
Strophe  von  Maria.  Mit  wahrem  Ingrimm  ergießt  sich  darüber  der  Fürst 
Georg  zu  Anhalt,  in  seinen  Predigten  (Wittenb.  1565,  fol.)  Bl.  191  b:  lieber 
die  wenigen  alten  christlichen  Lieder  hat  das  gemeine  Volk  hie  vor  keine 
Ges&nge  gehabt,  damit  es  sieh  hätte  bessern  mögen.  Ich  will  geschweigen 
der  ganz  abgöttischen  Lieder,  als: 

Sanct  Maria  (Sanct  Petre),  won  uns  bei 

und  laB  uns  nicht  vorderben, 

mach  uns  von  allen  sünden  frei, 

und  wenn  wir  sollen  sterben, 

für  dem  teufel  uns  bewar! 

hilf  reine  magt  Maria, 

hilf  uns  zu  der  engel  schar  I 

so  singen  wir  halleli^a! 
Item: 

Maria  muter,  reine  magt, 

all  unsre  not  sei  dir  geklagt, 
und  dergleichen  andre  öffentliche  abgöttische  Gesänge  mehr,  welche   da  sie 
gesungen,  nicht  Wunder  wäre,  dass  Gott  alsobald  solche  Processiones  und 
Singer  mit  Feuer,  Donner  und  Blitz   zwanzig  Ellen  ^ tief  tn  die  Erde,  ja  in 
den  Abgrund  der  Hölle  hineingeschlagen  hätte. 

14 


210 

vor  dem  teufel  uns  behut 
durch  einen  rechten  Rauben, 
bewar  uns  vor  der  hellen  glut 
durch  ein  herzlichs  vertrauen, 
wir  befelhen  uns  dir  gar 
in  aller  unser  note, 
daß  du  uns  behüten  weist 
vor  dem  ewigen  tode. 

Kyrie  eleison,  Christe  eleison! 

gelobet  seist  du  ewiglich. 

2.  Jesus  Christus  won  uns  bei 
und  laß  uns  nit  verderben  etc. 

3.  Heilig  geist  der  won  uns  bei 
und  laß  uns  nit  verderben  etc. 

4.  Maria  gottes  mutter  won  uns  bei 
und  hilf  uns  gnad  erwerben, 
daß  wir  der  Sünden  werden  frei 
und  endlich  selig  sterben, 
deine  vorbitt  ims  mitteil, 

reine  magt  Maria, 
zu  erlangen  ewigs  heil, 
^         so  singen  wir  alleluia. 
allelyia  singen  wir 
got  und  dir  zu  lobe, 
daß  er  uns  erzeigen  woU 
seine  götliche  hulde. 

Kyrie  eleison,  Christe  eleison! 
gelobet  sei  er  ewiglich. 

5.  O  heilige  engel,  wont  uns  bei 
und  helft  uns  gnad  erwerben, 
daß  wir  von  Sünden  werden  frei 
und  endlich  selig  sterben. 

euer  vorbitt  uns  mitteilt, 
wie  auch  tut  Maria, 
zu  erlangen  ewigs  heil, 
so  singen  wir  alleluia. 
alleluia  singen  wir 
got  und  euch^u  lobe. 


211 

daß  er  uns  erzeigen  woU 
seine  götUche  hulde. 

Kyrie  eleison,  Christe  eleison! 

gelobet  sei  er  ewiglich. 

Aiu  Vehe  in  LeiBentrit  GB.  1567;  II.  Th.  BL  56.  Corner  GB.  1626. 
Nr.  256.  Nach  Vehe:  Eine  Litanei  sor  Zeit  der  Bittfahiien  auf  den  Tag 
Marci  und  in  der  Krenswochen.  —  So  konnten  auch  nach  Yehe  noch  andere 
Heiligen  angerofen  werden:  heilige  Patriarchen,  heilige  Propheten,  heilige 
Apostel  cet. 

Einen,  zum  Theil  wenigstens,  noch  älteren  Text,  enthält 
Nie.  Beuttner's  GB.  1602.  L  Th.   Nr.  66. 

f  Nr.  96. 

,yln  seinem  alten  Ton.** 

1.  Gott  der  Vater  wohn  uns  bei 
Und  wann  wir  sollen  sterben, 
Mach  uns  aller  Sünden  frei, 
Dass  wir  nicht  drin  verderben, 
Speis  uns  mit  dem  Himmelbrot, 
Das  Gott  sein  heilig  Jüngern  gab 
Wol  an  der  heilign  AnÜaßnaeht. 
Gelobt  sei  Gott  und  Maria! 

An  dem  heilign  Charfreitag 
Der  Herr  litt  Marter  den  halben  Tag, 
Den  anderthalben  Tag  im  Grab  er  Ii^ 
Bis  auf  den  heiligen  Ostertag, 
Stund  er  selbst  auf  von  dem  Grab : 
So  singen  wir  AUeluia. 

2.  Jesus  Christus  wohn  uns  bei 
Und  laß  uns  nit  verderben, 
Mach  uns  aller  Sorgen  frei, 
Auf  dass  wir  selig  sterben, 
Dass  er  uns  beweis  sein  Genad 
Durch  sein  viel  heilign  Tode, 
Den  er  filr  uns  gelitten  hat 
Am  Stamm  des  heiligen  Kreuze. 
An  dem  Kreuz  da  litt  er  Pein 
Und  Christus  starb  viel  werthe. 
Des  soUn  wir  ihm  alle  dankbar  sein, 
Dieweil  wir  leben  auf  Erden, 

Dass  er  uns  erlöset  hat: 
So  singen  wir  Allelnia. 

14* 


212 

3.    Heiliger  Geist  nun  wohn  miB  bei 

Und  wann  wir  sollen  sterben, 

Wann  nnsers  Lebens  nimmer  sei; 

So  lass  uns  nicht  verderben! 

Vor  dem  Teufel  uns  bewahr, 

O  reine  Magd  Maria 

Und  fuhr  uns  zu  der  Engel  Schaar 

Wol  in  des  Himmels  Throne! 

Da  du  Maria  selber  bist, 

Scheinst  wie  die  klare  Sonne, 

Und  unser  Vater  Jesu  Christ 

Und  all  Heilign  Gottes  schone. 

Kyrieleis,  Christeleis! 

Gott  helf  uns  all  ins  Paradeis ! 
Aus  der  uralten  Sequenz  ^  Nr.  12  ^^In  gotes  namen  vare 
wir^,  scheint  sich  später  ein  Leis  gebildet  zu  haben,  der  noch 
mehrere  Bestandtheile  des  alten  Leiches  enthält.  Dieser  jüngere 
Leis  wurde  dann  später  zu  einem  Rufe,  dessen  einzelne  Strophen 
alle  gleichmäßig  beginnen. 

f   Nr.  97. 

Wallfahrtslied. 

1.  In  gotes  namen  faren  wir, 
seiner  genaden  begeren  wir: 
das  helf  uns  die  gotes  kraft 
und  das  heilige  grap, 

da  got  selber  inne  lag! 
Kyrieleison. 

2.  Kyrieleis,  Christeleis! 

das  helf  uns  der  heilig  geist 
und  die  wäre  gotes  stimm, 
daß  wir  frölich  fam  von  hinn ! 
Kyrieleison ! 
Lieder  Heinr.  Finckens,  Nümb.  1586.  Nr.  2.    Uhland  Yolksl.  Nr.  301.  A. 

f  Nr.  98. 

Bittfahrtslied. 

1.    In  gottes  namen  faren  wir, 
seiner  gnaden  begeren  wir. 


213 

nu  helf  uns  allen  gottes  kraft, 
verleihe  ubb  allzeit  große  macht! 
Kylie  eleison. 

Und  das  heilige  kreuze 
werd  uns  allzeit  nütze; 
das  kreuze  da  got  sein  marter  an  leit^ 
dasselbig  sei  unser  freud. 
Kyrie  eleison. 

Auch  das  heilige  grap, 
da  got  seihest  inne  lag 
mit  seinen  fünf  wunden  also  her: 
frölich  fam  wir  daher. 
Kyrie  eleison. 

Kyrie  eleison,  Christo  eleison! 
nu  helf  uns  der  heilige  geist 
und  die  werte  gottes  stimm, 
daß  wir  frölich  fam  dahin. 
Kyrie  eleison  •») 

f   Nr.  99. 

Bittfahrtslied. 

In  gottes  namen  faren  wir, 
seiner  gnaden  begeren  wir; 
verleih  uns  die  aus  gütigkeit, 
o  heilige  dreifaltigkeit! 
Kyrie  eleison. 


§.  8.  68)  Witsel,  der  im  Psaltes  eccles.  1550.  Bl.  107  a.  diesen  Text  giebt, 
bemerkt  dasn  103  b. :  Es  werden  in  dieser  Krenifahrt  auch  die  schönen 
OstergesSnge ,  lateinisch  nnd  deutsch,  übers  Feld  gesungen.  Zudem  haben 
unsere  Voreltern  mancherlei  besondere  andächtige  Gesänge  zu  singen  gewisset* 
dero  freilich  über  die  50  in  aller  Christen  Landen  und  Städten  zuhauf  zu 
lesen  wären. .  Zwei  oder  drei  will  ich  hernach  zur  kleinen  Litanei  erzählen« 
Leisentrit  GB.  1667.  L  Th.  Bl.  154.  giebt  denselben  Text  —  3,  4.  Bei 
Witzel  noch:  gen  Jerustdem  —  das  erinnert  an  die  alte  Bestimmung  dieses 
Liedes:  es  wurde  hauptsächlich  auf  den  Wallfahrten  zum  heiligen  Grabe  an- 
gestimmt.    Das  Kolner  GB.  1625.  Bl.  195  liest  3,  3.  4.: 

Mit  $em  heiUg  fünf  wunden  rot 

hehütt  nnt  kerre  vorm  schneiten  tot. 


214 

2.  In  gottes  namen  faren  wir, 

zu  got  dem  vater  Bchreien  wir: 
behüt  uns,  herr,  vonn  ewigen  tod 
und  tu  uns  hilf  in  unser  not! 
Kyrie  eleison« 

3.  In  gottes  namen  faren  wir, 
zu  unserm  heiiand  rufen  wir, 
daß  er  uns  durch  die  marter  sein 
machen  woU  von  den  sunden  rein. 

Kyrie  eleison. 

4.  In  gottes  namen  £u*en  wir, 
vom  heiigen  geist  begeren  wir, 
daß  er  woll  erleuchten  uns 
durch  die  rechte  götliche  kunst. 

Kyrie  eleison. 

5.  In  gottes  namen  faren  wir, 
Maria,  zu  dir  kommen  wir, 
dein  vorbitt  weist  mitteilen  uns 
und  erlangen  die  gnad  deins  suns. 

Kyrie  eleison. 

6.  In  gottes  namen  faren  wir, 
alle  heiligen  bitte>n  wir, 

daß  sie  durch  Christum  unsem  herm 
des  yaters  hult  für  uns  begem« 
Kyrie  eleison. 

7.  In  gottes  namen  faren  wir, 

in  dich  allein,  herr,  glauben  wir: 
behüt  uns  vor  des  teufeis  list, 
der  uns  allzeit  nachstellen  ist! 
Kyrie  eleison. 

8«    In  gottes  namen  faren  wir, 

auf  dein  tröstung,  herr,  hoffen  wir: 
gip  uns  friden  in  diser  zeit, 
wend  von  uns  alles  herzenleit! 
Kyrie  eleison. 


215 

i).     In  gottet»  uameu  fareu  wir, 
seiner  verbeißung  warten  wir. 
die  fhicht  der  erden  uns  bewar, 
davon  vrir  leben  das  ganze  jar! 
Kyrie  eleison. 

10.  In  gottes  namen  faren  wii*, 
kein  belfer  on  in  wissen  wir: 
vor  pestilenz  und  hungers  not 
behüt  uns,  lieber  herre  got! 

Kyrie  eleison. 

11.  In  gottes  namen  faren  wir, 
allzeit  dir^  berr,  vertrauen  wir: 
mach  rein  dein  kirch  von  falscher  1er 
und  unser  herz  zur  warheit  kcr! 

Kyrie  eleison. 

12.  In  gottes  namen  faren  wir, 
welchen  allein  anbeten  wir; 
vor  allem  übel  uns  bewar! 

-  herr,  hilf  uns  an  der  engel  schar! 
Kyrie  eleison. 
Vehe   GB.   1587.  Nr.  30.     Doraiu  bei  Leisentrit  GB.  I.  Th.  Bl.  löl. 
9y  3.  von  dem  wir  leben  —  Bei  Yehe  die  Überachrift:  Ein  Bittlied  tu  nn^n 
nir  Zeit  der  Bittfisüirten  im  Anfang  der  Procesaion.  —  Derselbe  Text  mit 
wenigen  Abweichongen  in  späteren  GtosangbUchem :  Comeri  GB.  1625.  Nr.  301, 
und  1658.  Nr.  187:  In  QoUee  Namen  wallen  wir,  und  noch  eine  18. Strophe. 
Im   XVI.  Jahrh.  war   das   Lied   gewiss   noch   allgemein   bekannt.     In 
Valentin  Bolts  von  Boffaeh,  Der  weit  Spiegel  (Basel  1551),  findet  sich  fol- 
gende Parodie: 

Ins  t&fels  namen  faren  wir, 
bym  wyn  da  machen  mir  g&t  gschirr, 
mir  sufen  ganze  becher  u|), 
daß  unser  keinr  kumpt  lär  ins  huß. 
Heienhoschenho. 
Die  Melodie  mag  anch  sehr  beliebt  gewesen  sein  und  veranlnsste  deshalb 
manche   Nachbildungen.     Nicolaus  Hermann    dichtete    darauf   ein   Lied    für 
christliche  Wanderleute  (Wckn.  Nr.  505).     Es  hat  sich  auch  ein  alter  Berg- 
reihen von  Annaberg  erhalten,  Fl.  Bl.  o.  O.  und  J.  (um  1545),  unterzeichnet  W.  R. 
In  gottes  namen  faren  wir  ein, 
sein  hülf  und  trost  wolte  bei  uns  sein, 
daß  wir  wider  kommen  auf  das  ort: 
vor  allem  schaden  behüt  uns  got! 
Kyrioleis. 


216 

f   Nr-  100. 
Das  Jacobslied. 

1.  Welcher  das  eilend  buwen  well, 

der  mach  sich  uf  und  rüst  sich  sclmell 
wol  uf  die  rechten  Straßen! 
dann  wer  das  ewig  leben  wil  han, 
der  miß  die  weit  verlaßen. 

2.  Den  weg  den  er  nim  wandeln  sol, 
der  ist  eilend  und  trübsal  vol: 
das  nement  wol  zÄ.  herzen. 

freud  und  lust  fart  gar  daliin, 
blibt  nüt  dan  liden  und  schmerzen. 

3.  Dem  vater  sig  mm  lop  und  er, 
der  da  was  und  ist  immer  herr 
und  ewig  bhalt  siu  namen. 
Christus  ist  unser  got  und  herr, 
des  wir  ims  gar  nit  schämen, 

nDer  Jacobs  bruder  mit  synem  wyb,  liebend  an  ze  singen  das  Jacobs 
lied''  in  n^<^r  weit  Spiegel  Gespilt  von  einer  Dnrgerschafft  der  wytberSmpten 
fiyhstatt  Basel,  im  Jor  M.  D.  L.  Vnd  wideramb  gebessert  vnd  gemehrt  cet. 
Darch  Valentinnm  Boltz  von  Rnffach.  Gedrackt  zA  Basel,  vff  dem  Nüwen 
platz  hj  Jacob  Kündig,  im  Jor  M.D.LI.«  mitMel.  Ebendaher  in  W.  Waeker- 
nagel  Lesebnch  2,  67.  Wahrscheinlich  der  ursprüngliche  Text  des  Jacobs- 
liedes, der  später  anf  mannigfache  Weise  erweitert  warde ;  s.  die  drei  Jacoba- 
lieder  eines  alten  Züricher  Druckes  y,hj  Angnstin  Faeß''  (nms  J.  1540)  bei 
Wckn.  Nr.  448—450,  in  Nr.  449  ist  unser  Lied  Str.  1.  2.  nnd  19. 

Unter  dem  Namen  Jacobslieder  hat  Uhland  Yolksl.  Nr.  302  und  303 
noch  zwei  Lieder,  ein  hochdeutsches  und  ein  niederländisches;  beide  müssen 
hier  erwähnt  werden :  sie  sind  im  Ton  des  Jacobsliedes  gedichtet  und  beziehen 
sich  beide  auf  die  Pilgerfahrt  nach  St.  Jacob.  Das  erste  zählt  alle  Orte 
auf,  welche  der  Pilger  auf  seiner  Fahrt  berührt;  das  zweite  berichtet  yon 
den  Wundem  des  heil.  Jacob:  ein  Gehängter  wird  lebendig  und  gebratene 
Huhner  fliegen  vom  Spieße  zur  ThUr  hinaus.  Das  deutsche  Lied  ist  aus  dem 
Münchener  Cgm.  809.  8?  und  nach  Uhland  vom  Endo  des  XV.  Jahrh.»  nach 
Wckn.  KL.  S.  846  aus  dem  Anf.  des  XYl.  Nach  beiden  Angaben  dürfen 
wir  also  für  das  geistl.  Jacobslied  die  Zeit  vor  der  Reformation  annehmen. 
Damit  stimmt  denn  auch,  dass  ein  Lied  von  Hnns  Hut,  der  1528  verbrannt 
wurde,  in  der  ITberschrift  unter  den  Melodien,  wonach  es  zu  singen,  schon 
den  Jacobs  Ton  hat,  s.  Wckn.  Nr.  621. 


217 

f  Nr.  101. 
Die   sieben  Worte.. 

Ein  gaiitlick  lied  von  den  $yben  wortten  die  got  der  Herr 
eprack  an  dem  etammen  des  heylige»  creüiz. 

Offene«  Blatt  in  4?  auf  der  K6n.  Bibl.  zu  Berlin.  Anf.  des  XVI.  Jahrb. 
Neben  den  beiden  enten  Strophen  links  ein  Holzschnitt:  Krenzig^g  Christi. 
Wckn.  Nr.  166. 

1.  Do  Jesus  an  dem  kreuze  stunt 
und  im  sein  leichnam  was  verwunt 
so  gar  mit  bitterm  schmerzen, 

die  siben  wort,  die  der  herr  da  sprach, 
die  betracht  in  deinem  herzen. 

2.  Zum  ersten  sprach  er  gar  süßigleich 
zu  seinem  vater  von  himelreich 

mit  kreften  und  mit  sinnen: 
vergip  in,  vater,  sie  wissen  nit, 
was  sie  an  mir  verbringen. 

3.  Zum  andern  gedenk  seinr  barmherzigkeit, 
die  got  an  den  Schacher  hat  geleit, 
sprach  got  gar  gnedigleiche : 

fürwar,  du  wirst  heut  bei  mir  sein 
in  meines  vaters  reiche! 

4r.    Zum  dritten  gedenk  seiner  großen  not, 
laß  dir  die  wort  nit  sein  ein  spot: 
weip,  schau  dein  sim  gar  eben!    . 
Johannes,  nim  deiner  muter  war, 
du  solt  ir  gar  eben  pflegen. 

5.  Nu  merkent,  was  das  viert  wort  was: 
mich  dürst  so  hart  on  unterlaß, 
schrie  got  mit  lauter  stimme. 

das  menschlich  heil  tet  er  begem, 
seiner  nagel  wart  er  empfinden. 

6.  Zum  fünften  gedenk  seinr  barmherzigkclt, 
die  got  am  heiligen  kreuz  ausschrei: 
mein  got,  wie  hastu  mich  verlaßen! 

das  eilend,  das  ich  da  leiden  muß, 
das  ist  ganz  über  die  maßen. 


218 

7.  Das  sechst^  das  was  gar  din  kxeftig  wort, 
das  mancher  Sünder  auch  erhört 

aus  seinem  götlichen  munde: 

es  ist  verbracht  mein  leiden  groß 

wol  hie  zu  diser  stunde. 

8.  Zum  sibenden:  empfilch  ich  mich,  vater,  in  dein  hcnd, 
dein  heiligen  geist  du  zu  mir  send 

an  meinen  lezten  zelten, 

wenn  sich  mein  sei  von  mir  wil  scheiden 

imd  mag  nit  lenger  beiten. 

0.    Wer  gotes  marter  in  eren  hot 
und  oft  gedenkt  der  siben  wort, 
des  wil  got  eben  pflegen 
wol  hie  auf  erd  mit  seiner  gnad 
und  dort  im  ewigen  leben. 

So  oach  in:  nOeistliche  lieder  ynd  Ftolmen,  durch  D.  Hart.  Luth. 
Qednickt  m  Magr^ebnrg,  durch  Michel  Lotiher.  M.  D.  XL.<*  BL  95.  Es  finden 
sich  nur  folgende  kleine  Abweichungen :  X,  4k.  die  Jestu  sprach  —  2,  6.  vol- 
bringen  —  6,  8.  sekrei  —  7,  1.  I>a$  »eeh$t  war  gor  —  6,  4.  volbraeht  — 
8,  1.  b^fUh  ich  mich  — 

£■  ist  noch  ein  anderer.  Druck  ▼.  J.  1616  vorhanden,  worin  das  Lied 
nebst  dem  also  beginnenden;  Wölt  ir  mich  mericen  eben,  dorn  Johann  Böschen- 
stein Bugeschrieben  wird.  8.  die  Untersuchung  darüber  yon  Rambach,  Anthol. 
I.  Bd.  8.  480-— 432.  Job.  Böschenstein,  ein  za  seiner  Zeit  wohlbekannter 
Orientalist,  war  su  EBlingen  1472  geboren  und  starb  nach  dem  J.  1536. 
VgL  über  ihn  Will*s  Nümb.  Gelehrten-Lezicon ,  fortgesetat  von  Nopitsch 
5.  Th.  8.  108  «.«•). 

Den  BSschensteinsehen  Text:  Da  Jesus  an  dem  krense  stunt,  hat  später 
Georg  Wicelins  umgearbeitet,  s.  Yehe  GB.  1587  Nr.  62  nnd  Wicelii  Odae 
christiaaae  1541.  (Wckn.  Nr.  166.)  Beide  Texte,  der  ältere  and  jüngere 
erhielten  sich  lange  in  der  kathol.  Kirche;  beide  bei  Leisentrit  GB.  1567. 
I.  Th.  8.  91 — 94;  in  späteren  kathol.  GB.  ein  aus  beiden  Lesarten  entstan- 
dener Text,  a.  B.  Corner  GB.  1626.  Nr.  107. 


§.8.  69)  Gegen  den  Vorwurf,  dass  er  ein  Jude  sei,   rechtfertigt  er  sich 
selbst  in  einer  kleinen  Schrift: 

„Ain  Diemietige  Uersprechung :  durch  Johann  Böschenstain ,  gebom 
von  Christlichen  öltem,  auO  der  stat  Eßlingen,  wider  etlich  die 
von  jm  sagen,  Er  seye  von  Jüdischem  stammen  etc.**  an  Andreas 
Oslander,  Prediger  an  Nürnberg.    6  Bl.   4^      (Mainaer  Bibl.) 


219 

f  Nr.  102. 
Von  dem  heiligen  Namen  Jesu. 

1.  JeBUB  ist  ein  süßer  nam^ 

den  rofen  wir  armen  sünder  an, 
dardnrch  wir  hold  erlangen 
durch  unser  sünd  vergangen. 

Genady  herr,  genad 
nmb  all  nnser  missetat. 

2.  JesoBy  wer  dich  suchen  wil, 
der  findt  bei  dir  genaden  vil. 
heilig,  selig  ist  der  mensch, 

der  Jesus  tag  und  nacht  bedenkt; 

Der  wirt  getrost, 
von  allen  Sünden  erlöst 
3*    Jesus,  wir  fallen  dir  zu  fußen, 
wir  wollen  dich  so  lang  anrufen 
mit  klagen  und  mit  weinen 
mit  Maria  Magdalenen, 

Bis  wir  finden 
Vergebung  unser  Bünden. 

4.  Jesus,  du  bist  mein  höchster  trost, 
den  mir  got  selb  hat  außerkost; 
in  rechter  lieb  und  ganzer  begier 
hoff  ich  deiner  genaden  schier, 

Hilf,  herre,  mir, 
daß  ich  nimmer  scheid  von  dir. 

5.  Jesus,  mit  deinem  rosenfarben  blut 
hast  uns  erworben  das  ewig  gut, 
daß  du  von  himmel  kommen  bist, 
hast  uns  erlöst  von  des  teufeis  list. 

Lop  und  er 
sei  dir  im  himmel  und  auf  erd. 

6.  Jesus,  lieber  herre, 
durch  deiner  marter  ere 
verleich  uns  hie  ein  seligs  end 
und  dort  ein  frölich  auferstend; 

Das  ist  die  fireud, 
die  got  seinen  dienern  geit. 


220 

7.  Lop  und  er  in  der  ewigkeit^ 

sei  grüßt,  du  heilige  dreifaltigkeit, 

got  rater,  son,  heiliger  geist, 

und  das  sacrament  sei  hoch  gepreist; 

Wer  das  sucht, 
der  findt  das  ewig  liecht. 

8.  Älleluia  singen  wir, 
Jesum  Christum  loben  wir 
in  diser  gnadenreichen  zeit, 

die  uns  vil  freud  und  wunne  geit. 
Alleluia! 

gegrüßt  seist  du  Maria! 
Einzelner  Drack,  wahnclieinlich  ans  dem  Anf.  des  XVI.  Jalurh.  Bei 
Pli.  Wackernagel  Nr.  18S.  —  Ohne  die  8.  Str.  und  mit  kleinen  Abweiclinn- 
g^n  im  Münchener  GB.  1586.  Bl.  8 — 10.  mit  Mel.  1,  4.  um  vnBer  sünd 
begangen  —  4,  8.  den  ich  mir  selffa  hab  außerkost  —  6,  4.  den  heilign  geUt 
aledann.  hersend  —  7,  2.  der  aäerheiligsten  dreifaUigheit.  —  Comeri  GB. 
1625.  riemlich  mit  deoMAben  Abweichungen,  und  nach  Str.  4.  noch  diese: 

Jesu  nnser  aUer  Heil, 

dein  göttliche  Gnade  nns  mittheil  I 

genad  uns,  Herre,  zu  aller  Stand, 

da6  wir  nicht  kommen  zur  Höllen  Grand  I 

behüt  uns,  Herr,  vor  Pein, 

daß  unsere  Seel  nicht  komme  drein! 
In  der  He78e*8chen  Bibl.,  woraus  Wckn.  jenen  Einzeldruck  mittheilt,  ist 
noch  ein  anderer  yorhanden:  „Gedruckt  zu  Niümberg,  durch  Friderich  Gut- 
knecht ^  Daraus  entnehme  ich  die  Lesart  4,  6.  daß  iek  für  daß  sie,  — 
Nach  Mone,  Anzeiger  8,  852.  auch  in  der  Kloster-Neuburger  Hs.  Nr.  1228. 
aus  der  Mitte  des  XVI.  Jahrhunderts. 

f  Nr.  103. 
Marienlied. 

1.  Dich  m&ter  gotes  ruf  wir  an, 

bitt  filr  uns,  Maria! 
t&  uns  in  angsten  nit  verlan, 
Jesum  dein  sun  der  not  erman, 
die  er  umb  menschlich  gschlecht  wolt  han, 

bitt  für  unsy  Maria! 

2.  Daß  wir  volkumen  werden  gar, 

bitt  für  ims,  Maria! 
leip,  er  und  g&t  auf  erd  bewar,  • 


221 

daß  wir  im  zeit  vil  g&ter  jai*, 
dort  leben  mit  der  engel  schar^ 

bitt  f&r  uns,  Maria! 
3.    Du  bist  der  brumi  der  nit  verseicht, 

bitt  für  uns,  Maria! 
daß  uns  der  heilig  geist  erleucht 
2Ä  warer  reu  und  ganzer  beieht! 
Jesus  dein  sun  dir  nicht  verzeicht, 

bitt  für  uns,  Maria! 

Ans  einem  Gesangbache  mit  49  Liedern  für  4  Stimmen  (Tenor,  Discant, 
Basfl  mid  Alt).  Am  Ende  des  Tenors:  jn  Augtpurg,  im  durch  Erhart  dgUn 
getrueht  vnd  volendt,  am  newzeJienden  tag  des  Monats  Jülij  von  der  geburt 
7^  tmnaers  liein  herm,  jn  dem  XV  hunndertesten  vnnd  sswefften  jare.  — 
Körner,  Karianisclier  Liederkranz  8.  256.  Uliland,  Volkslieder  Nr.  316.  — 
Ebenso  noch  in  Comeri  GB.  1626.  Nr.  240,  war  1,  6.  die  er  tmu  meneehen 
wiUen  tet  ausstan^  und  3,  3.  geiMch  du  uns  al&ie  erieucht. 

f  Nr.  104. 
Marienlied. 

1.  O  Maria!  du  bist  von  eim  edlen  stamme: 

du  bist  gebom  von  der  edlen  frauen  sant  Anna, 

Joachim  der  liepste  vater  dein; 

o  Maria^  ein  Jungfrau  fein^ 

nun  bitt  für  uns  dein  liebes  kindelein! 

2.  O  Maria!   du  bist  ein  edler  steme, 

du  leuchtest  in  disem  jamertal  also  ferne, 
du  leuchtest  in  disem  jamertal  so  weit: 
wann  leip  und  sei  sich  scheiden  sol, 
80  mach  uns  aller  sünden  queit! 

3.  O  Maria!  wie  gar  wären  wir  verdorben, 

war  dein  herzeliebes  kint  für  uns  nit  gestorben, 
geschlagen  an  ein  kreuz,  was  breit! 
das  was  Marie  gotes  muter  leit, 
sie  weinet  von  herzensere. 

4.  O  Maria!  wie  we  was  deinem  herzen, 

da  du  dein  herzeliebes  kint  sähest  in  schmerzen 
hangen  in  des  todes  pein! 
ach  wie  was  Marie  da  so  we! 
vor  leid  want  sie  ir  hende. 


222 

5.  O  Maria,  du  himeÜBche  keiserinney 
schleuß  auf  unser  herz  und  unser  sinne ; 
beweis  uns  die  müterliche  treue  dein! 
daß  unser  leben  und  letstes  ende 

mit  deiner  hiUf  müg  gut  gesein. 

6.  0  Maria!  warmit  sollen  wir  dich  loben? 
den  rosenkranz  sprechen  wir  dir  zu  lobe, 
zu  lob  und  zu  einer  Würdigkeit; 

o  Maria,  bis  uns  bereit 

und  bring  uns  zu  der  ewigen  Seligkeit! 

7.  O  Maria,  was  söUen  wir  dir  nun  schenken? 

den  allerbesten  rosenkranz  den  wir  mügen  erdenken: 
gegrüßet  seiestu,  Jungfrau  fein! 
ir  zwei  seit  aller  gnaden  vol, 
Maria  mit  Jesu  deinem  kindelein. 

8.  O  herr  got,  wie  hoch  sollen  wir  dich  loben? 

wir  bekennen  dich,  herr,  mit  dem  allerhöchsten  glauben, 
wir  loben  dich,  herr,  allermeist, 
got  vater,  sun,  heiliger  geist, 
daß  wir  erlöst  seint  worden! 

9.  O  ewiger  got,  wie  hoch  sollen  wir  dir  danken? 
verleich  uns  kraft,  daß  wir  von  dir  nimmer  wanken, 
von  deiner  hohen  gotheit  klar! 

o  Maria,  nim  unser  sei  war 
und  für  sie  an  der  heiligen  engel  schar! 
10.    Nun  bitt  ich  dich,  o  du  heilige  muter  Anna, 
mit  Joachim  deinem  hochgelopten  manne 
und  mit  allem  heiligen  geschlechte  dein: 
wann  ich  von  hinnen  scheiden  sol, 
so  behüt  mich  vor  der  bittem  helle  pein! 

Ans  Yolentin  HoU*s  Liederbuche,  1524—26.  Bl.  166;  bei  Uhland  Yolksl. 
Nr.  818. 

f    Nr.   105. 

Von  den  zehen  Geboten. 

Ain  kübich  lied  von  den  zehen  geboten  Jn  der  tagtceyez, 
E$  wonet  lieb  bey  lieb    das  bringt  grotz  hertzenlayd. 

Offenes  Dmckblatt  in  fol.    Bibl.  Meusebach. 

1.    Wölt  ir  mich  merken  eben 
und  wplt  mich  recht  verstan, 


223 

80  wil  ich  euch  gern  singen 
das  beste  so  ich  kan. 
ich  erkenn,  es  sei  der  wille  got, 
daß  wir  mit  fleiß  solten  halten 
die  heiigen  zehn  gebot 

2.  Das  erst  wil  ich  euch  nennen, 
merk  auf  zu  diser  stunt, 

hab  got  liep  vor  allen  dingen 
aus  deines  herzen  grünt! 
kein  andern  seit  du  beten  an, 
er  ist  nit  in  himel  noch  auf  erden 
der  dir  baß  ghelfen  kan. 

3.  Das  ander  solt  du  auch  merken, 
ist  leip  und  sei  gesunt, 

nit  nim  den  namen  gotes 

eitel  in  deinen  munt! 

wenn  got  hat  groß  missfallen  dran: 

wiltu  dich  des  nit  maßen, 

es  Wirt  dir  nit  wol  ergan. 

4.  Die  feirtag  solt  du  auch  halten 
und  haben  in  großer  acht, 

dan  got  hat  in  sechs  tagen 
liimel  imd  erd  gemacht, 
den  sibenden  hat  er  geheiligct  ser, 
und  wer  die  feiren  brichet, 
bringt  seiner  sei  groß  schwer. 

5.  Das  viert  wil  ich  dich  leren, 
merk  auf  was  ich  dir  sag, 
hab  vater  und  muter  in  eren, 
so  erlengt  dir  got  dein  tag, 
und  habs  alzeit  in  großer  hut! 
ob  du  das  bot  verachtest, 

es  tut  dir  nimmer  gut 

6.  Das  fänft:  du  solt  nicht  töten, 
weder  leip,  er  oder  gut! 
deim  nächsten  hilf  aus  nötcn, 
ob  er  schon  wider  dich  tut. 

du  solt  nit  räch  über  in  begem, 
so  wirt  dir  got  dein  herre 
dein  träum  in  fireud  verkern. 


224 

7.  Dein  e  solt  da  nit  brechen, 
ist  dir  von  got  verkünt^ 
Bolt  deinen  leip  bezwingen 
vor  der  nnkeuschen  sttnd. 

o  armer  mensch,  daran  gedenk, 
daß  got  umb  dise  missetat 
hat  die  fünf  stet  versenkt. 

8.  Das  sibent:  du  solt  nit  stelen 
weder  gut  noch  er, 

und  war  es  nun  ein  halbes  lot, 
es  wirt  eins  Zentners  schwer, 
wami  es  komt  zu  der  letsten  zeit, 
es  stet  in  gotes  willen, 
ob  er  dir  so  lang  beit. 

9.  Kein  falsche  zeugniss  geben 
hüt  dich  bei  ewiger  pein! 
der  warheit  solt  du  leben, 
beut  dir  der  Schöpfer  dein, 
hüt  dich  vor  falscheit  allezeit, 
den  Ion  kan  niemant  vergelten, 
den  dir  got  darumb  geit 

10.  Keins  andern  gmahel  begeren, 
es  sei  man  oder  weip, 

du  würdest  sonst  verseren 

die  sei  in  deinem  leip, 

dise  sünd  bracht  David  in  große  not, 

daß  in  drein  tagen 

sibenzig  tausent  man  lagen  tot. 

11.  Das  zehent  solt  du  auch  merken, 
das  beut  uns  got  gar  schlecht: 
keins  andern  gut  solt  du  begeren, 
es  sei  dan  dein  mit  recht. 

laß  dich  den  geiz  nit  übergon, 
darumb  wirst  du  verdienen 
von  got  ewigen  Ion. 

12.  Das  gedieht  solt  ir  merken, 
es  seint  gotes  geschieht. 

es  tut  den  glauben  Sterken, 
als  uns  die  gschrift  bericht. 


225      , 

got  gabö  Moysi  dort  auf  dem  bergo, 
die  Juden  habens  zerbroehen, 
des  sein  Mrir  worden  erben. 

In  einem  andern  alten  Drucke  von  1615  (erw&hnt  unter  f  Nr.  101)  wird 
das  Lied  dem  Johann  Bösekenstein  su^eBchrieben. 

f   Nr.  106. 
Die  zehen  gebot  unseres  Herren. 

1.  Einen  got  den  sol  wir  eren, 

bei  seinem  namen  nummere  swercn, 
got  haben  liep  von  herzen  grünt, 
sein  namen  nicht  eitel  nemen  in  munt. 
Got  genade  uns. 

2.  Den  heiligen  tag  halten  feier  und  hcrc, 
vater  und  muter  die  sol  wir  eren, 
niemant  morden  ist  gotes  bevclen, 
auch  niemant  das  seine  steten. 

Got  genado  uns. 

3.  In  unkeuscheit  mit  nichte  leben, 
falsch  gezcugniß  auch  nicht  geben, 
eines  anderen  egenoß  in  nicht  begcrcn, 
fremdes  gutes  und  ere  entberen. 

Got  genade  uns. 

4.  Das  sein  al  die  zehen  gebot^ 

daß  wir  sie  halten,  das  helfe  uns  got, 
so  sein  wir  freilich  unvorlorcn. 
halte  wir  sie,  got  Ict  sein  zoren. 
Got  genade  uns. 

5.  Eher  wir  von  hinne  scheiden, 
verleih  uns  allen  reu  und  leide, 

durch  dein  marter  und  sterben  am  kreuze 
gnade  herre  und  derbarm  dich  heute! 
Got  genade  uns. 
Aus  einer  Breslauer  Hs.   Anfang  des  XVI.  Jahrhunderts. 

Die  zehn  Gebote  sind  vor  und  während  der  Bcfomiation  oft  in  poetische 
Form  gefasst  worden.  Sie  wurden  besonders  bei  der  Catechismuslehre  von 
den  Kindern  hergesagt  oder  gesungen.  Auch  Luther  verfasste  swei  Lieder 
SU  diesem  Behufe  1524,  ein  längeres  von  12,  ein  kürzeres  von  5  Strophen. 
Alter  oder  wenigstens  gleichseitig  sind  folgende: 

15 


220 
f   Nr.  107. 

Dio  zelien  gebot  soHu  leren, 
wiltii  die  freud  im  liimel  mcren. 
die  uns  got  selbs  geboten  hat, 
dio  Boltu  halten  als  geschriben  stat. 
11  »Strophen  in  der  Brentano*8chen  Liederhandscbriil  1528. 
Ebendaselbst  mit  der  Jahrszahl  1529: 

f  Nr.  108. 

O  süßer  vater  herro  got, 
verleich  daß  wir  erkennen  die  zohen  gebot, 
daß  wini  mit  Worten  und  mit  werken  * 

alzeit  leisten  in  rechter  lieb  nach  gotes  begir, 
so  werden  wir  selig  nnd  reich. 
5  Strophen.     Hdschriftl.  auch  in  Mfinchen,   Cgm.  716.  BL  178*.     Das 
Ijiüd   erhielt  sich  lange  in  der  katholischen  Kirche:     Obseqniale  secundum 
antlquum  nsum  et  ritum  cccl.  Satisponensis  1570.    Anhang,  Münchener  QB. 
158G.  Bl.  11.     Auch  bei  Corner  GB.  1625.  Nr.  337,  aber  7  Strophen. 

f  Nr.  109. 

Oot  der  herr,  ein  ewiger  ^ot, 
hat  uns  geben  zehen  gebot 
durch  die  band  des  Moysi 
hoch  auf  dem  berge  Sinai. 
Kyrie  eleison. 
PsaltOB  ecdesiasticus   durch   Wicelium    1550.   Bl.  106.    (12.  Str.):     Die 
kleine  Litanei,  genent  die  Crenzwochen.    Unsere  lieben  Vorfahren  sungen  in 
dieser  Bittfahrt  unter  anderen  diese  GesXnge.    Entlich  die  sehen  Gebot  Gottes. 
•—•  Ebenso  bei  Leisentrit  GB.  1667.  I.  Th.  Bl.  149.    Wckn.  Nr.  139. 

In  der  katholischen  Kirche  gab  es  zu  Anfang  des  XVII.  Jahrhunderts 
noch  mehrere  Lieder  über  die  10  Gebote,  die  vielleicht  zum  Theil  in  einer 
viel  früheren  Zeit  entstanden  sind.  Corner  GB.  hat  außer  dem  bereits  er- 
wKhnten:    Süßer  Vater,  Herre  Gott,   noch  folgende  vier: 

1.  Nr.  SS8.   im  Ton:    Ach  Vater  unser  Im  Himmelreich. 

Nun  merket  auf  vor  allen  Dingen : 

Kyrie  eleison 
Die  zehen  Gebot  wollen  wir  singen. 

Alleluia  alleluia 

Gelobt  sei  Gott  und  Maria!  31  Strophen.  — 

2.  Nr.  334.  im  Ton ;    D«  Gott  der  Herr  sur  Marter  trat. 

Das  seind  dio  heiligen  zehn  Gebot: 
Dn  sollt  glauben  an  einen  Gott, 


227 

laicht  eitel  schwören  bei  seinem  Nam, 
Die  Fest  und  Feiertag  halten  schon. 
Kyrie  eleison. 
5  Strophen,   die  drei  ersten  davon  schon  in  Georg  Bhaw  GB.   Wittoub. 
1544,  s.  Lnther's  geistl.  Lieder  von  Ph.  Waekemagel  8.  187.  — 
8.    Nr.  385.  Im  Ton :    So  fallen  wir  nloder  auf  untre  Knie. 
Wir  sagen  Gott  viel  Lob  und  Ehr 
Um  seine  Gebot  und  heilige  Lehr. 

Kyrie  eleison.  21  Strophen.  — 

4.    Nr.  886.    in  gleicher  Melodie. 
Dies  sind  die  heiligen  sehen  Gebot, 
Die  Gott  der  Herr  uns  geben  hat, 
Auf  dass  wir  wissen,  seine  Knecht, 
Wie  wir  vor  ihm  solln  leben  recht. 

Kyrie  eleison.  12  Strophen. 

f   Nr.  110. 
Der  kempfer  geistlich. 

1.  Groß  lieb  tfit  mich  bezwingen^ 
daß  ich  muß  heben  an 

von  einem  kempfer  singen, 

der  was  so  wolgetan, 

von  einem  kempfer  singen  »*>). 

2.  Den  kempfer  wil  ich  nennen, 
daß  ir  künt  merken  wie 
und  eigentlich  erkennen, 

er  ist  gots  sune  ie. 

3.  Der  kempfer  tugentleiche 
nam  im  für  einen  sin, 
aus  seines  vaters  reiche 

schickt  er  sein  boten  hin  * 

4.  Z&  einer  schön  Jungfrauen 
wol  in  dem  niderlant, 

die  wolt  er  geren  schauen, 
der  er  sein  boten  sant. 

5.  Wollen  ir  sie  auch  kennen 
die  jungirau  minnigleich, 
Gabriel  tfit  sie  nennen 
und  spricht  gar  tugentleich. 


§.  8.   70)  So  wird  je  die  dritte  Zeüe  wiederholt 


228 

6.  Do  er  sie  grdst  geschwind  e, 
sprach  ave  Maria! 

mit  Worten  also  linde, 
plcna  gratia! 

7.  Er  pflag  auch  süßer  worte 
bei  der  Jungfrauen  rein, 
daß  im  aufschluß  die  pforte 
mid  ließ  in  z&  ir  ein. 

8.  Die  Jungfrau  grif  an  ir  herze 
und  sprach:  ach  wer  ist  der, 
der  in  frölichem  scherze 
begeret  z4  mir  her? 

9.  Der  bot  der'antwurt  schiere: 
er  ist  so  gwaltigleich, 

er  kuint  herab  zA  dire, 
er  macht  euch  alle  reich. 

10.  Maria  sprach  mit  züchten: 
ich  t&  keins  maus  begem.  — 
solt  mit  megtlichen  fruchten 
ein  kint  on  man  gebem. 

11.  öots  sun  von  ewigkeite, 
der  kumt  herab  zft  dir. 

sie  sprach:  ich  bin  bereite, 
nach  deim  wort  gschehe  mir! 

12.  Die  weit  die  stunt  in  sorgen 
mer  dan  fönftausent  jar 

in  hellegrunt  verborgen, 
bis  kam  der  kempfer  klar. 

13.  Das  wolt  er  widerkeren 
der  edel  kempfer  wert, 

sein  schweiß  umb  uns  verreren 
und  kam  herab  auf  erd. 

14.  Durch  uns  so  wart  er  junge 
wol  bei  der  reinen  meit, 

vom  höchsten  tron  entsprungen 
aus  gotes  ewigkeit. 

15.  Bei  ir  was  er  ein  zeite 
wol  drei  und  dreißig  jar 


229 

e  daß  er  gieng  zft  streite 
der  edel  kempfer  klar. 

16.  Damacli  wart  man  in  spüren 
bei  der  Jungfrauen  klar, 
darumb  tet  sich  aufrüren 

so  gar*  ein  große  schar. 

17.  Sie  teten  in  auch  fahen 
so  gar  mit  scharpfer  wer, 

er  wart  auch  hart  geschlahen 
der  edel  kempfer  her 

18.  Mit  geißeln  imd  mit  r&ten, 
ein  krön  mit  scharpfem  dorn: 
das  leit  er  durch  sein  gAte 
und  sAnt  da  mit  den  zom. 

19.  Ein  urteil  wart  gesprochen 
wol  z&  der  selben  zeit: 

sein  seit  wart  im  durchstochen, 
geschlagn  an  kreuz  so  breit. 

20.  Do  stAnt  Marie  eilende 
und  sach  den  kempfer  an, 
sie  want  ir  schneweiß  hende, 
sprach:  wem  wilt  mich  hie  lan? 

21.  Er  sprach  zu  ir  mit  schmerze: 
sich  weip,  das  ist  dein  sim! 
dar  mit  brach  im  das  herze.  — 
den  kempfer  bit  ich  nun, 

22.  Daß  er  uns  wöll  behüten 
wol  vor  ewiger  pein. 
Maria  durch  dein  gute 
so  t&  uns  hilfe  schein! 

23.  Das  sei  z&  lob  gesungen 
Maria  der  reinen  meit 
von  ir  ist  uns  gelungen, 
des  sei  ir  lop  geseit. 

Liederhs.  der  Brüder  Brentano  Bl.  10.  b.— 12.  a.,  um  1524.  —  Fl.  Blatt 
in  fol.  o.  O.  n.  J.,  in  der  Meoseb.  Bibl.  zu  Berlin.  •  Beide  Texte  sind  aus 
einer  Quelle  geflossen,  so  steht  z.  B.  in  beiden  18,  4.  aent  ($unt  oder  senfij,  — 
ITach  der  Hs.  erfolgte  schon  früher  ein  Abdruck  im  Wnnderhom  1,  277—281. 
Ans  Unkenntniss  der  alten  Sprache  sind   verschiedene   falsche  Lesarten  hin- 


230 

eingerathen,  die  aach  in  der  neuen  AoBgabe  1,  248  —  262  stehen  geblieben: 
2,  4.  Christ,  Gottes  Sohn  aUhie  {C^urist  fjir  Er  ist  steht  freilich  in  der  Hs.)  — 
18,  3.  Sein  BhU  um  uns  verehren.  —  21,  4.  Den  Kämpfer  bei  ich  an.  — 
22,  4.  So  thu  uns  Hü^e- Sehein.     4,  2.  ist  Niederland  in  Morgenland  geändert. 

f  Nr.  111. 
Das  Mühlenlied. 

Ein  möle  ik  buwen  wil, 

ach  gody  wüste  ik  wor  medc! 

haddik  hantgerede 

und  wüste  wor  van, 

to  hant  woldik  hf  ^en  an. 
Offenes  Dmckblatt  in  folio:  »Dat  moelen  leeth.''  Nach  Lisch,  Gesch. 
der  Bachdruckerknnst  in  Mecklenburg  (Schwerin  1839)  S.  161  ein  Druck  von 
Ludw.  Dietz  zu  Rostock  um  1520.  Ursprünglich  niederdeutsch,  24  Strophen, 
bei  Uhland  Yolksl.  Nr.  344.  Dass  dies  Läed  schon  lange  vor  der  Reforma- 
tion yerfasst  und  gesungen  wurde,  beweist  der  Umstand,  dass  es  auch  einen 
niederländischen  Text,  ebenfalls  24  Strophen,  worunter  aber  einige  gans 
andere,  und  einige  abweichende,  davon  giebt:  in  meiner  ehemal.  Liederhs. 
des  XV.  Jahrb.,  jetst  Cod.  Berol.  germ.  185.  S.  257—265.  —  Hochdeutsch 
in  der  Samml.  der  Bergreihen  eu  Weimar,  Mone  Anseiger  8,  359.  vgl.  Wolff, 
Samml.  bist.  Yolksl.  S.  75  —  78.  Die  Allegorie  von  einer  Mühle,  su  deren 
Bau  die  Patriarchen,  Propheten,  Apostel,  Kirchenyilter  thKtig  waren,  damit  sie 
das  Wort  Gottes  rein  male,  ist  gewiss  recht  gut  gemeint,  aber  wenig  poe- 
tisch '*^),  Das  Lied  erhielt  sich  denn  auch  nicht  lange,  und  war  in  der  Mitte 
des  XYI.  Jahrb.  wol  schon  vergessen,  weshalb  denn  auch  im  Jahre  1552  der 
Pfarrer  Job.  Winnigstedte  su  Quedlinburg  einen  Abdruck  davon  veranstaltete 
aus  einer  su  Corvei  vorgefundenen  alten  Abschrift,  s.  Jac.  Grimm  OÖtt  An- 
seigen 1832.   S.  1382. 

f   Nr.  112. 

Das  Judaslied. 
O  du  armer  Judas, 
was  hasta  getan, 
daß  du  deinen  Herren 
also  verraten  hast? 
darumb  so  mustu  leiden 
hellische  pein, 
Lucifers  geselle 
mustu  ewig  sein. 

Kyrie  eleison. 

§.  8.  71)  Schon  Muscatplftt  (Auf.  des  XV.  Jahrh.)  hat  ein  iihnliclics  langc^ 
und  langw^liges  Mühlenlied  gemacht,  s.  Lied  29.  in :  Lieder  Muskatbluts  von 
£.  V.  Groote  S.  82—84. 


231 

Jobann  Ott*8  Liederbueb,  Nörnb.  1544.  Dann  findet  es  sieb  als  letzte 
(7.)  Stropbe  in  dem  Liede : 

Wir  danken  dir,  lieber  berre  — 
bei  Leisentrit  1667.  I.  Tb.  Bl.  96,  und  als  letzte  (3.)  Stropbe  in  dem  Liede : 

Lob  sollen  wir  singen 

dir,  viel  beilger  Cbrist  — 
Kölner  OB.  1608.  S.  203. 

Wackemagel  (S.  868  zu  seiner  Nr.  155)  bemerkt:  „Es  entsteht  dieselbe 
Frage  (wie  oben  bei  ^r.  134.  Der  tag  der  ist  so  frendenreicb),  nSmlich  wel- 
ches Vorkommen,  das  einzelne  oder  das  verbundene,  als  das  orspriingliche 
anzunehmen  sei.^  Nach  meiner  Ansicht  ist  dies  Lied  ein  Überrest  aus  einem 
alten  Osterspiele,  der  sich  im  Munde  des  Volks  erhielt.  Das  Volk  wirkte  bei 
dergleichen  Spielen  mit,  es  musste  als  Chor  Manches  singen.  Sp&ter  wurde 
dann  diese  Strophe  wieder  neueren  Liedern  als  Scbluss  angehilngt. 

Die  Melodie  erhielt  sich  das  ganze  XVI.  Jahrhundert  hindurch.  Sie  war 
sehr  beliebt  und  wurde  zu  geistlichen  und  weltlichen  Liedern  verwendet. 
Hermann  Bonnus  dichtete  ein  nd.  Lied  von  der  SQnde  und  dem  Leiden  Christi : 
Och  wy'  arme  sUnders  up  de  wyse :  Och  du  arme  Judas,  s.  Magdeb.  OB.  1543. 
(bei  Wckn.  Nr.  451).  So  wurde  denn  auch  um  diese  Zeit  das  ursprüngliche 
Lied  umgedichtet.  Ein  solcher  Text  steht  in  den  Lutherischen  Tischreden 
(Walch  22.  Tb.  S.  1653),  der  dann  etwas  verändert  mit  einer  zweiten  Stropbe 
versehen  wieder  vorkommt  in  dem  Wittenb.  OB.  bei  Georg  Rhau  1544: 

Unser  große  sunde 

und  schwere  missetat 

Josum  den  waren  gotes  son 

ans  kreuz  geschlagen  bat. 

drum  wir  dich,  armer  Juda, 

dazu  der  jüden  schar 

nicht  feintlich  dfirfen  schelten, 

die  schult  ist  unser  zwar. 
Kyrieleison. 

Gelobet  seisto  Christe, 

der  du  am  kreuze  hiengst 

und  für  unser  sünde 

Schmach  und  streich  empfiengst. 

jetzt  herschst  mit  deinem  vater 

in  dem  himelreich: 

mach  uns  alle  selig 

auf  disem  ertreich. 
Kyrieleison. 
Rambach  (Luthers  Verdienst  S.  114)  möchte  diese   aweite  Strophe  Luthem 
zuschreiben. 

Luther  kannte  das  Lied  recht  gut.  Er  machte  wie  es  scheint  selbst  eine 
Parodie  darauf.  In  der  Schrift  wider  Hans  Wurst  (den  Herzog  Heinrieh  von 
Braunschweig,  s.  bei  Walch  17.  Tb.  S.  2732)  lautet  der  Anfang: 


232 

Ach  du  arger  Heituei 

was  hast  du  getan, 

daß  da  vU  frommer  menachen 

durchs  feur  hast  morden  lan? 

Solcher  Parodien  gab  es  gewiss  damals  manche.    In  der  Flugschrift :  Defensio 

Christianorum  de  Cmce.  id  est,  Lutheranomm,  Yom  Jahre  1520  ^*),  heißt  es 

Bi.  eij  von  Mumer: 

Ach  du  armer  MUBNarr, 

was  hasta  getan, 

daß  da  also  blint 

in  der  heiigen  schrift  bist  gan? 

des  mosta  in  der  hotten 

liden  pin, 

aller  gelerten  BfURR  NABR 

mosta  sin! 

Ohe  ho  lieber  Momarl 
Aach  die  Gegner  der  Reformation  benotsten  die  sehr  volksthümliehe  Weise. 
Ein  24  Strophen  langes,  mit  sehr  großen^  Bachstaben  gedrucktes  Lied  o.  O. 
u.  J.   4?  ,  in  der  l^ibl.  des  kath.  Gym^as.  so  K5ln  führt  den  Titel: 

„Von  den  Reichstetten  Ein  newes  Lied,  Im  Thon,  Ach  du  armer  Judas.'' «') 
Das  ganse  XVI.  Jahrhundert  hindurch  war  das  Lied  noch  nicht  Yorges- 
sen.  In  der  „Historia  Von  D.  Johan  Fausten <<  Frckf.  1687.  (bei  Scheible 
S.  1061)  heißt  es:  Als  no  der  Geist  Fausto  den  armen  Judas  genugsam 
gesungen,  ist  er  wiederum  verschwunden,  und  den  Faustum  allein  ganz  me- 
lancholisch und  verwirrt  gelassen. 

f  Nr.  113.' 

1.  Wir  danken  dir,  lieber  herre 
der  bitter  marter  dein 

heut  und  immer  mere, 
daß  du  uns  hast  aus  pein 
erlöst  gar  mildiglichen : 
wir'weren  verlorn, 
got  vater  hat  entwichen 
sein  ewigen  zom. 
Kyrie  eleison. 

2.  Christ,  könig,  schöpfer  lobesam, 
der  reinen  Jungfrau  kint, 

wie  bitter  die  jaden  gram 
auf  dich  gefallen  sint, 

§.  8.  72)  Im  Besitze  des  Hrn.  Seminailehrers  Sehneider  zu  Berlin.     Mitth. 
Ludwig  Erk*8. 

73)  Von  Jörg  Lang  von  Stomburg.    Anfang :  We  euch,  ir  armen  reich- 
Htctt,  wie  groß  vermessenheit. 


233 

daß  sie  dich  haben  gefangen 
als  einen  bösen  man 
mit  Schwertern  und  mit  stangen: 
du  woltests  also  han. 
Kyrie  eleison. 

3.  £ia  der  großen  liebe, 
die  dich  gebunden  hot 
gaf  hvt  als  einen  diebe, 
menieh  nnd  warer  gott 

dn  hast  uns,  heir,  gogebei^ 
mit  deinem  blnt  so  rot 
das  himellsehe  leben: 
dank  sei  dir,  warer  got! 
Kyrie  eleison. 

4.  Bon  ggtes  in  der  ewigkeit, 
aller  w^U  ein  trost, 

von  deines  todes  bitteriieit 
du  blnt  geschwiteet  ho4t, 
das  dir  gar  kreltiglicheii 
drang  durch  dein  gewant; 
du  kamst  gar  mildigUchen 
in  deiner  feinde  hant. 
Kyrie  eleison. 

5.  £ia  dar  groBen  antat! 
dein  angsioht,  herre,  aart 
mit  speichlen  und  mit  nnflat 
gar  fast  gounert  wart, 

da  du  für  gerichte 
gebunden  wardest  bracht, 
da  wart  vil  falsch  gediohte 
auf  dich,  herr,  erdacht. 
Kyrie  eleison. 

6.  Der  arge  bischof  Annas 
der  erste  richter  was, 

und  der  schentlich  Caiphas, 
der  auch  eu  richten  sa^, 
von  dem  du,  lieber  herre, 
geschlagen  wardest  ser, 
des  selten  wir  dir  danken 
heut  und  immer  mer. 
Kyrie  eleison. 

7.  O  du  armer  Judas, 
was  hastu  getan, 

daß  dn  unsem  herren 
also  verraten  hast! 


16 


234 

darum  mustu  leiden 

hellische  pein, 

Lucifera  geselle 

musta  ewig  flein! 
Kyrie  eleison. 
Leisentrit  OB.  1567.  I.  Th.  Bl.  96.  —  Ebenso  noch  in  Comeri  OB.  1625. 
Nr.  111,  nur  mit  einigen  abweichenden  Lesarten  und  swei  Strophen  mehr. 
1,  6.  sonst  verlorn,  —  2,  3.  wie  biUerUeh  die  Juden  —  4,  2.  der  ganzen  weU 
etn  troet,  —  4,  6.  durchdrang  dem  hnlige  gewatU^  —  6,  b.  da  du  für  da$ 
geriehte  —  6,  3.  und  der  faUche  Caipha»  —  6,  7.  des  eei  dir  preis  und  ere 
—  7,  6.  6.  des  musiu  in  der  helle  immerzu  leiden  pem.    Nach  Str.  6. 

Pilatus  und  sein  kneehte, 

Judas  der  falsche  man, 

die  haben  gar  unrechte, 

o  herr,  an  dir  getan. 

got  ließ  nicht  nngerochen, 

jeder  sein  straf  empfleng, 

Pilatus  hat  sich  erstochen, 

Judas  sich  auch  erhieog. 
Nach  Str.  7.: 

Gelobet  seist  do,  Christe, 

in  deiner  marter  groß, 

gehangen  an  dem  kreuse 

ganz  nacket  und  anoh  bloß, 

der  du  regierest  herlich 

in  deines  yaters  reich, 

mach  uns  alle  selig 

hie  und  im  himelreichl 
Dies  Lied  stammt  noch  aus   der  yorreformatorischen  Zeit,  s.  §.9;  das 
erhellt  auch  aus  der  Überschrift  bei  Leisentrit :  ein  geistlich  Lied  und  Dank- 
sagung vor  das  Leiden  Christi,  welchs  die  Kirch  in  der  Charwochen  sonst 
pflegt  an  singen. 

f  No.  114. 
Osterlied. 
Also  heilig  ist  der  tag, 
daß  ihn  kein  mensch  mit  lobe  erfüllen  mag: 
denn  der  heilige  gottes  son, 
der  die  hell  überwant 
mid  den  leidigen  teufel  darin  bant, 
damit  erlöst  der  herr  die  Christenheit 
lind  war  Christ  selber. 
Kyrie  eleison. 


235 

Wicelii  Psaltes  ecclesiastieiiB  1650.  Bl.  99*.  mit  der  Übencbrift:  »Gemei- 
nen manB  processgesang.^  Ebenso  bei  Leiaentrit  QB.  L  Th.  Bl.  120.  Im 
Munchener  GB.  1686  fehlen  die  6.  und  7.  Zeile,  00  auch  in  den  späteren 
Gesangbüchern,  die  aber  Boch  swei  Strophen  mehr  haben,  die  wol  späteren 
Ursprungs  sind. 

Das  Lied  stammt  wol  noch  ans  dem  XV.  Jahrb.  In  Joh.  Spangenberg's 
Anslegnng  zwölf  christlicher  Lobgesftnge  (Wittenb.  1646)  heiBt  es :  der  alten 
christlichen  Leisen  und  LobgesSage  einer.  —  Es  erinnert  an  des  Venantios 
Fortnnatos  Salve  festa  die«,  toto  TenentbiBs  aero,  qua  Dens  infemnm  vicit  et 
astra  tenet. 

Comeri  GB^  1625.  Nr.  127  hat  f(rfgeoden  Text: 

f  Nr.  115. 

1.  Also  heilig  ist  der  Tag, 

Daß  ihn  niemand  mit  Loben  erfüllen  mag: 
Denn  der  einige  Gottes  Sohn, 
Der  die  Hölle  Überwand, 
Und  den  leidigen  Teufel  darein  band. 
Kyrie  eleison. 

2.  Solchen  Tag  hat  Gott  gemacht, 

An  dem  er  uns  das  Leben  herwieder  bracht. 
Als  die  Sund  uns  gefangen  führt, 
Und  die  Hölle  uns  gebührt. 
Da  der  leidige  Teufel  uns  yexfiihrt. 
Kyrie  eleison. 

3.  Den  Tag  wir  sollen  fröhlich  sein. 

Weil  uns  Christus  erlöst  von  der  Höllen  Pein. 
Laßt  uns  ihn  essen  mit  Dank  und  Preis, 
Denn  er  ist  unser  Speis, 
Das  rein  OsterlSmmlein  geistlicher  Weis. 
Kyrie  eleison. 
Damit  stimmt  bis  auf  kleine  Abweiehungen  das  Kölner  GB.  1610.  Bl.  78.  b. 
79.  a.  —    Beuttner  GB.   1602.   I.  Th.   Nr.  24.  altes  Ottergesang.     1,  8.  der 
wahre  G.  —  1,  4.  zerbrach  —  3,  1.  soü  man  —  3,  4.  Denn  er  ist  der  Seelen 
Speis  —  3«  6.  Und  d<u  reine  Osterlamm, 

f  Nr.  116. 
Eyn  lydt  von  dem  Heyligen  Benno  Bischoff 
zcu  Meyßen. 
1.    Benno  du  yil  heiliger  man, 

durch  dich  hat  got  vil  wunder  getan 
bei  manchem  menschen  uf  erden, 
denn  da  keinem  erbeten  hast, 
daß  er  nicht  entledigt  ist  von  last, 
von  trübeal  und  geferde. 


236 

2.  Got  seine  heiligen  da  mit  ert, 
dai)  er  sie  gnediglichn  erhört 
was  sie  von  im  begeren, 

das  uns  nur  dient  zur  Seligkeit 
seint  sie  zu  bittcm  ganz  bereit, 
got  wil  sie  das  geweren. 

3.  Denn  sie  an  gotes  angesicht 
erkennen  wol  was  uns  gebriebt 
an  sele  und  auch  am  leibe, 
erwirb  uns,  Benno  heiliger  man, 
daß  uns  der  glaub  auf  reehter  ban 
und  ungefelschet  bleibe. 

4.  Ach  Luther  du  vil  böser  man, 
was  hat  dir  bischof  Benno  getan, 
daß  du  in  so  magst  sehenden? 
du  tust  im  wie  den  aq^^rn  mer, 
wilt  in  berauben  seiner  er: 

du  wirst  es  nicht  vol  enden. 

5.  Er  bleibet  wol  heiling  und  frum, 
solstu  dich  auch  zureißen  drum, 
du  und  all  deine  gesellen. 

du  meinst  villeicht,  es  sei  wol  getan, 
wirst  aber  nemen  deinen  Ion 
vom  teufel  in  der  hellen. 

6.  Wie  gar  hat  dich  der  neit  verblendt, 
daß  auch  im  himel  ungeschendt 
kein  heiige  vor  dir  mag  bleiben  I 
groß  wunder  ist,  daß  got  nicht  riebt, 
deiner  loterei  so  lang  zusieht: 

du  wirsts  nicht  ewig  treiben. 

Hdsehriftl.  in  der  Bresl.  Bibliothek  yom  J.  1624.  Urkandlieh  mit  der 
Uel.  und  einigen  Dmckfeblem  saerst  in  Anfsess  Anzeiger  n,  78.  79.  Hs.  1, 
8.  beyn  —  1,  5.  fehlt  nicht  —  4,  4.  fehlt  im  —  4,  6.  fehlt  vol  —  6,  2. 
dach  ouch. 

Das  Lied  verdankt  seine  Entstehung  der  Heiligsprechung  Bennos,  Bischofs 
SU  Meißen  (f  1107)  und  ihrem  Gegner  M.  Luther,  Noch  ehe  zu  Meißen  die 
Canonisationsfeierlichkeit  am  16.  Juni  1524  begangen  ward,  schrieb  Luther 
sein  bekanntes  Büchlein:  Wider  den  neuen  Abgott  und  alten  Teufel,  der  zu 
MeiBen  soU  erhoben  werden  (Panzers  Annalen  II,  268.  259).  Mehr  über  Benno 
Acta  Bauet  lun.  T.  III.  p.  145—281  und  die  Emsersche  Legende  bei  Uen- 
cken  Scriptt.T.  II.  col.  1823—1986. 


237 


§.    9. 

Übersetzungen    und    Nachbildungen  lateinischer 
Kirchenlieder  im  XIV.  und  XV.  Jahrhundert. 

Über  den  Ursprung  des  lateinischen  Hymnarioms  sind  die 
Meinungen  sehr  getheilt  Soviel  ist  aber  wol  gewiss^  dass  schon 
seit  dem  X.  Jahrhundert  lateinische  Hymnen,  und  die  soge- 
nannten Prosen  oder  Sequenzen  in  verschiedenen  Kirchen 
Deutschlands  üblich  waren.  Erst  nachdem  die  römische  Kirche 
unter  Gregorius  IX.  (1241)  und  Nicolaus  DI.  (1280)  eine  be- 
stimmte Anzahl  lateinischer  Hymnen  in  das  Breviarium  Eoma- 
num  aufgenommen  hatte,  wurde  auch  in  Deutschland  ihr  Ge* 
brauch  allgemeiner;  dennoch  beschränkte  man  sich  niemals  auf 
das  Breviarium,  sondern  viele  Hauptkirchen  und  Kirchsprengel 
zeigten  von  jeher  eine  gewisse  Selbständigkeit  und  Freiheit  in 
Beibehaltung  ihrer  alten  Hymnen  und  in  Aufnahme  neu  sanctio- 
nierter.  Besonders  war  wieder  das  XIV.  Jahrhundert  ein  sehr 
fruchtbares  für  die  heilige  Poesie ;  von  den  in  Deutschland  ent- 
standenen Sequenzen  wurden  immer  mehr  gebräuchlich  und 
manche  neu  gedichtete  erfreuten  sich  der  Au&ahme  in  den 
Kirchengesang. 

Aus  den  beiden  in  Deutschland  am  Ende  des  XV%  Jahr- 
hunderts entstandeneu  und  oft  gedruckten  Büchern:  Expositio 
hymnorum  cum  notabili  commento  imd  Textus  sequentiarum 
cum  optimo  commento,  erfahren  wir  am  besten,  wie  viel  und 
was  fiir  Hymnen  und  Sequenzen  damals  allgemein  üblich  waren; 
der  Hymnen  lagsen  sich  123  zählen.  Zu  Anfange  des  XVL 
Jahrhunderts  mochte  die  Zahl  beider,  der  Hymnen  und  Sequen- 
zen sich  etwa  auf  360—400  belaufen,  doch  waren  nicht  alle  in 
jeder  einzelnen  Provinz  und  Elirche  eingeführt.  Später,  bald 
vor  1629  enthielt  das  Breviarium  Romanum  nur  96  Hymnen 
und  seit  1629  kamen  zu  diesen  noch  20  hinzu,  jedoch  waren 
1568  bereits  die  Sequenzen  auf  4  beschränkt. 

Vielfache  Untersuchungen  sind  hierüber  angestellt  worden, 
deren  vollständige  Ergebnisse  wir  aber  hier  übergehen  müssen, 
weil  das  Obige  zu  unserm  Zwecke  hinlänglich  genügt«  Wir 
wollen  nändich  jetzt  zeigen,  wie  man  mit  demselben  Eifer,  mit 
dem  man  die  Erweiterung,  Vervollständigung  und  Berichtigang 

17 


238 

des  lateinischen  Hymnariiims  betrieb,  sich  auch  im  XTV.  und 
XV.  Jahrhundert  das  Übersetzen  dieser  biteinischen  Hymnen 
angelegen  sein  ließ. 

Aus  dem  XTT.  Jahrhundert  lassen  sich  keine  Übersetzun- 
gen lateinischer  Hymnen  nachweisen.  Deutsche  Interlinearver- 
sionen dürfen  hier  nicht  weiter  in  Betracht  kommen;  sie  soll- 
ten nur  den  jungen  Geistlichen,  die  des  Lateinischen  noch  nicht 
recht  kundig  waren,  das  Verständniss  dessen  was  sie  singen 
xmd  beten  mussten,  erleichtem.  Eine  solche  Interlinearversion 
hat  sich  in  der  Wiener  Hs.  2682  erhalten  i). 

Erst  im  XIH.  Jahrh.  fing  man  an,  Kirchenhymnen  in  deut- 
sche Verse  zu  tibersetzen,  z.  B.  Veni  creator  spiritus  ^  Nr.  208, 
Jesu  dulcis  memoria  ^  Nr.  167,  Hymnum  dicamus  domino 
f  Nr.  166. «) 


§.9.  1)  Jetst  ^druckt  unter  dem  Titel:  „Kirchen-  nnd  religiöse  Lieder 
ans  dem  swölften  bis  fünfzehnten  Jahrhundert.  Theils  Übersetzungen  latei- 
nischer Kirchenhymnen  (mit  dem  lat.  Text),  theils  Originallieder,  aus  Hss. 
der  k.  k.  Hofbibliothek  zu  Wien  zum  ersten  Male  herausgegeben  von  Jos. 
Kehrein.  Paderborn  1853.«  113  Hymnen,  Wort  für  Wort  deutsch  glos- 
siert, also  für  das  deutsche  Kirchenlied  ohne  allen  Werth.  Aber  auch 
der'Werth,  den  Herrn  K.s  Arbeit  für  die  lateinische  Hymnologie  haben 
konnte,  fehlt  ihr.  Der  lat.  Text  ist  aus  Daniel  und  einigen  ftlteren  Samm- 
lungen entlehnt  und  nur  wo  diese  nicht  ausreichten  und  Zweifel  entstanden, 
die  Lesart  der  Hs.  aus  Wien  verschrieben  worden.  Den  deutschsprach- 
lichen Werth  wird  Niemand  in  Abrede  stellen.  Hatte  der  Heransgeber  nur 
diesen  im  Auge,  wozu  jener  verführerische  Titel  ?  Es  sollte  mich  sehr  wun- 
dem, wenn  nicht  nächstens  irgend  ein  hymnologischer  Pastor,  Oberlehrer  oder 
Cantor  schriebe:  „Deutsche  Kirchenlieder  im  XII.  Jahrh.  bereits  in  großer 
Anzahl  vorhanden,  s.  Jos.  Kehrein*s  vortreffliches  Werk:  Kirchen-  und  relig. 
Lieder«  ff. 

2)  Bruder  Dietrich  gehört  nicht  hieher.     Sein  Gedicht 

lesn  nostra  redemptio 

got  yater  herre  Jesu  Christ 
(gedruckt  Hoffionann  Vers,  der  altd.  Hss.  der  Hofbibl.  zu  Wien  S.  164.  165) 
ist  weiter  nichts  als  eine  Art  von  Glosse  über  die  AnfXnge  der  einzelnen 
Strophen  des  lat.  Hymnus,  womit  es  anhebt.     Wie  gelegentlich  das  alles  ist, 
ersieht  man  aus  dem  Schlüsse   der  ersten  Seite  der  Hj.    Auf 

Tu  esto  nostrum  gaudium 
(den  Anfang  der  letzten  Strophe  des  Hymnus)  reimt  er: 

Seorsum  verte  folium 
und  dann  ffthrt  er  auf  der  Rückseite  desselben  Blattes  deutsch  fort. 


239 

Gegen  Ende  des  XIV.  Jahrhunderts  und  zu  Anfange  des 
XV.  sind  Übersetzungen  keine  Seltenheit  mehr.  Der  erste 
namhafte  Übersetzer  ist  der  unter  dem  Namen  des  Mönchs 
von  Salzburg  vorkommende  Mönch  Hermann  oder  (wie  er 
auch  in  zwei  anderen  Hss.')  heißt)  Johann.  Aus  der  Bezie- 
hungy  in  welcher  er  zu  dem  Erzbischof  von  Salzburg,  Pilgrim 
von  Puchain  (f  1396*))  stand,  ergiebt  sich  die  Zeit,  wann  er 
seine  Übersetzungen  verfasste ;  diesem  zu  Ehren  dichtete  er  ein 
24  Strophen  langes  Lied;  die  Anfangsbuchstaben  jeder  Strophe 
büden  den  Namen:  PYLGKEIM  ERCZPISCHOF  LEGAT. 

Handschriften  mit  Liedern  des  Mönchs  von  Salzburg  sind: 

1.  der  Münchener  Cod.  germ.  715.  Pp.  XV.  Jahrh.  182  Blät- 
ter 4».  S.  Franz  Pfeiflfer  in  den  Altd.  Blättern  2,  325. 

2.  Wiener  Hs.  2856,  früher  in  Monsee,  s.  mein  Verzeichniss 
CLXXI. 

3.  Wiener  Hs.  4696,  früher  in  Lambach,  s.  mein  Verzeichniss 
LXXXVI. 

4.  Wiener  Hs.  2975.,  s.  mein  Verzeichniss  LXXXVH. 

5.  Münchener  Cod.  germ.  628.  Pp.  1468.  fol.  Pfeiffer  in  den 
Altd.  Blättern  2,  325. 

6.  Prager  Hs.  der  Clara  Hätzlerin,  Pp.  1471.  353  Bl.  fol^  s. 
darüber  Altd.  Blätter  2,  57.  ff.  *) 

Pfeiffer  hat  in  den  Altdeutschen  Blättern  nach  Hs.  1.,  der 
vollständigsten,  eine  Zusammenstellung  der  Lieder  gemacht  und 
jedesmal  nachgewiesen,  in  welcher  andern  Hs.  und  wo  gedruckt 
das  Lied  sonst  noch  zu  finden.  Hs.  4  kannte  er  nicht  und  aus 
2  hat  seitdem  Jos.  Kehrein  in  seinen  ^Kirchen-  und  religiösen 
Liedern  aus  dem  zwölften  bis  fünfzehnten  Jahrhundert^  (Pader- 
born 1853.)  S.  128-192.  24  mitgetheüt. 

Nach  dem  Vorworte  des  Registers  in  der  Münchener  Hs. 
(Cod.  germ.  715.  Altd.  Blätter  2,  326)  sollte  man  annehmen,  dass 
dem  Weltpriester  Martin  an  diesen  Übersetzungen  gleicher 
Antheil  zukäme:    Ein   register  mit   deutschen  Sequenzen    von 


§.  9.  3)  Die  Mtincheoer  Hs.  Cod.  genn.  628.  Bl.  253^.  mayster  hanm  pre- 
digers  ordens;  Wiener  Hs.  4696.  Johannes. 

4)  Chronicon  Salisbnrg.  in  Pez,  Scriptt.     T.  I.  col.  431. 

5)  Gedrnckt  unter  dem  Titel:  Liederbuch  der  Clara  Hätslerin.  Her- 
ausgegeben von  Carl  Haltaus.  Qnedlinb.  u.  Leipz.  1840.  (8.  Bd.  der  Bibl. 
der  Basseschen  gesammten  deutschen  National  -  Literatur.) 

17* 


240 

unser  lieben  vrawen,  auch  Sequenzen  von  etleichen  heiligen  und 
auch  ympnus,  auch  geistliche  und  werltliche  liet,  so  ein  wolge- 
lerter  herr  her  Herman,  ein  münich  Benedictiner  ordens  2U 
Salzburg  zu  den  selben  Zeiten  mit  samt  einem  laypriester  herm 
Martein  gemacht  haben  imd  zu  deutsch  bracht  durch  begrüeBen 
und  an  begeren  des  hochwirdigen  fürsten  und  herm  herm 
Pylgreim  Erzbischof  Legat  ze  Rom,  ze  Salzburg  Erzbischof 
und  es  hat  jeder  puechstab  seins  namens  einen  vers  ....  dar- 
umb  in  der  bemelt  herr  ze  den  selben  Zeiten  ein  ritterpfruent 
geben  hat.  —  Der  Name  Martin  kommt  jedoch  nirgend  als 
Überschrift  vor,  wol  aber  immer  ;,der  münch«<,  und  darum  wol- 
len wir  auch  den  Mönch  von  Salzburg  als  Hauptverfasser  gel- 
ten lassen. 

Vielleicht  gehören  nicht  alle  dem  Johannes  an,  doch  stam- 
men sie  auch  in  dem  Falle  gewiss  aus  dem  Anfange  des  XV. 
Jahrhunderts;  sie  sind  meist  alle  mit  Musiknoten  versehen,  ei- 
nige sogar  ganz  durch  componiert,  und  gewähren  also  auch  in 
dieser  Hinsicht  einen  nicht  unwichtigen  Beitrag  zur  Litteratur- 
und  Kimstgeschichte. 

Der  poetische  Werth  dieser  Dichtimgen  ist  nicht  bedeutend. 
Der  Mönch  giebt  sich  Mühe,  die  künstlichen  Formen  der  alten 
Hymnen  und  Sequenzen  im  Deutschen  darzustellen,  wird  aber 
dadurch  oft  sehr  dunkel;  er  scheint  jedoch  daran  Gefallen  zu 
finden  und  überbietet  die  meistersingerischen  Spielereien  jener 
Zeit,  wenn  er  z.B.  in  Einer  Strophe  jedes  Wort  mit  dem  Buch- 
staben des  Alphabets  in  seiner  Reihenfolge  beginnt: 

Ave,  Balsams  Creatur, 

Du  Englische  Figur, 

Got  Hat  In  Keuschleichem  Lob 

Mariam  Naturen  Ob, 

Prich  Qual,  Ruef  Süntleicher  Toren 

Vnd  Wend  Xristo  Ymmer  Zoren«). 
oder  wenn  er  von  ^unser  vrawen  schiedung«  singt: 

Mueter        gueter        sach  die  best, 

Christen        fristen        solt  du  fest 

vor  des  tiefeis  listen  brait. 


§.9.  6)  Dies  „gnldein  ABC  mit  vil  subtiliteten^  scheint  späterhin  noch 
sehr  beUebt  gewesen  zu  sein,  es  findet  sich  in  mehreren  Hss.,  s.  Altd.  B13lt- 
ter  2,  335.     Gedruckt  Wcfcn.  Nr.  769.  vgl.  Anm.  dozn  8.  878. 


241 

anger        swanger        mit  dem  wort, 

züchtig        firüchtig        edler  hört, 

du  hast  Even  flaech  verjait 
Zuweilen  wird  er  auch  höchst  langweilig:  so  spinnt  er  das 
Veni  sancte  spiritus  in  fünf  26zeilige  Strophen  aus.  Er  hat  alle 
Fehler  mit  den  damaligen  Meistersingern  gemein  und  ist  zu- 
weilen dann  auch  wie  sie  besseren  Vorbildern  früherer  Zeit 
und  der  einfachen  volksthümlichen  Dichtungsweise  gefolgt.  Da- 
hin gehört  z,  B.  folgendes  Lied. 

f   Nr.  117- 

Tagweis  von  den  heiligen  drein  kunigen,  wie 

sie  gein  Jerusalem  kamen* 

1.  Eia  herre  got^  was  mag  das  gesein! 
zu  Jerusalem  ein  wachter  sang: 

ich  sich  so  rechten  klaren  schein, 
aus   feures  röt  ein  anefang, 
K  wie  Bethlehem  entzündet  sei, 
der  frid  der  wont  uns  nahent  bei: 
also  redt  mein  sin  und  mein  gedank. 

2.  Ein  alter  jud  mich  fragen  began 
der  selben  märe  sa  zuhaut: 

sag  mir,  wachter  traut,  selig  man, 
wer  hat  uns  Bethlehem  verbrant? 
Bt  was  singest  du,  was  hast  du  gesehen? 
das  tue  mir  durch  die  warheit  jehen, 
mach  mir  die  rede  baß  bekant! 

3.  Entreuen,  des  en  weiß  ich  nicht, 
redt  der  wachter  tugenüeich, 

mich  hat  betrogen  das  mein  gesicht, 

es  sei  ein  steren  wunnicleich, 

B  der  leucht  so  schon  nach  gotes  er, 

ein  werder  engel  fuert  in  her, 

es  wart  nie  kein  stem  sein  geleich. 

4.  Sag  mir,  wachter,  auf  dein  treu, 
wo  keret  sich  der  steren  hin? 

der  wachter  sprach:   die  fart  ist  mir  neu, 
daran  ich  unbetrogen  bin 


242 

K  auf  der  mauer  zu  Jerusalem^ 
er  kert  sieh  hin  gein  Bethlehem 
zu  Maria  kindelin. 

5.  Auf  diser  fart  so  ist  im  gaeh, 
das  spür  ich  wol  an  seiner  eil. 
im  ziehen  schon  drei  künig  nach 
aus  fremden  landen  gar  manig  meil, 

Bf  mich  bedanket  wol,  sie  suechen  Blrist, 
der  von  der  mait  geboren  ist, 
sie  finden  in  in  kurzer  weil. 

6.  Sag,  Wächter,  auf  dein  treu  zuhant, 
wie  sint  sie  komen  in  die  laut? 
der  Wächter  tugentleichen  sprach: 
ir  namen  sint  mir  wol  bekant. 

K  ja  sach  ich  an  dem  steren  klar 
Caspar,  Melchior,  Balthasar, 
also  sint  sie   all  drei  genant. 

7.  Der  alte  jud  schrei  laut  o  we 

der  meinen  swär  und  großen  klag! 

das  kint  zustoret  unser  e 

und  den  gelauben  alle  tag. 

B(  als  ich  es  nu  han  vemomen, 

es  mag  halt  niemant  underkomen, 

es  get  nach  der  propheten  sag. 
Münchener  Cod.  germ.  716.  Bl.  131«— 132^  gedr.  Altd.  Blätter  2,  342. 
Von  seinen  vielen  Liedern  ist  nur  ein  einziges  in  den  Mund 
des  Volks  übergegangen,  aber -auch  dies  nur  in  einigen  Stro- 
phen, die  einem  andern  Liede  einverleibt  wurden,  vgl.  i[Nr.  113. 
Str.  3.  4.  5.  6.  Darum  mag  hier  der  vollständige  TesÄ,  so  gut 
ich  ihn  zu  geben  vermag,   mitgetheilt  werden. 

f  Nr.  118. 

Zue  dem  Laus  tibi  Christe,   in  der 

vinstermetten. 

1.    Eia  der  großen  liebe, 
die  dich  gebunden  hat 
gar  hart  gleich  einem  diebe, 
warer  mensch  und  warer  got! 
du  hast,  herr,  gegeben 


243 

mit  deinem  bluete  rot 

uns  das  ewig  leben^ 

dank  sei  dir,  milder  got! 

Kyrie  lejson,  Christe  lejson.  (dreimal) 

2.  Sun  vater  in  der  ewikeit, 
aller  weite  trost, 

von  deines  todes  bittrikeit 
du  bluet  geswitzet  host, 
daß  es  gar  krefticleicben 
floB  durch  dein  gewant 
du  kamst  willicleicben 
in  deiner  veinde  haut 
Kyrie  leyson  ff, 

3.  Sie  haben  gar  ungenoßen 
dich  gegriffen  an. 

eia  des  großen  stoßen, 

das  sie  dir  haben  getan  I 

die  hend  und  auch  dein  arme, 

dar  zue  dein  zartes  har 

haben  sie  an  alles  erbarmen 

geunreint  als  enbor. 

Kyrie  leyson  ff. 

4.  Eia  wie  große  xmgenad 
deim  anlitz,  herre  zart, 
mit  speicheln  und  mit  unflat 
dir  angeleget  wart 

do  du  für  gerichte 
gefangen  wurdest  bracht, 
do  wart  falsch  getichte, 
herr,  wider  dich  erdacht 
Kyrie  leyson  ff. 
b,    Eia  der  backen  slage, 
die  sie  dir  sluegen  dol 
vergip,  daß  ich  dich  frage, 
warumb  litest  du  also? 
und  liest  dich  also  handeln, 
warer  mensch  und  got? 
du  woldest  also  wandeln 
unser  sele  tot 
Kyrie  leyson  ff. 


244 

6.  Der  arge  bischof  Asmaa 
dein   erster  richter  was, 
und  der  valsche  Caiphas 
auch  an  dem  rechte  saß, 
vor  dem  du,  lieber  herrc, 
bist  geslagen  ser, 

der  sich  billikleicher 
ließ  slahen  immer  mer. 
Kyrie  leyson  ff. 

7.  Pilatus  het  groß  unrecht, 
herr,  an  dir  getan; 
Herodes  und  auch  sein  knccht 
die  dich  verspottet  han 

mit  einem  weißen  kleide, 
das  dir  wart  angetan, 
eia  des  großen  leide, 
das  sie  dich  legten  an! 
Kyrie  leyson  ff. 

8.  Eia  der  großen  menscheit, 
wie  sie  gegeißelt  ist! 

du  hast  an  der  gotheit 
nicht  gellten,  Krist. 
ein  urteil  wart  gesprochen, 
des  was  den  Juden  goch: 
nu  haben  sie  dich  gestochen 
an  einem  galgen  hoch. 
Kyrie  leyson  /f. 

9.  Des  suUe  wir  alle  danken 
der  bittem  marter  dein, 
den  nageln  und  den  zangen, 
der  krönen  dümein, 

dem  sper  und  auch  der  wimden, 
die  dir  gestochen  wart: 
die  haben  uns  entbunden 
von  der  helle  vart. 
Kyrie  leyson  ff. 
10.    Das  reine  wasser,  das  teuer  bluet 
aus  deinem  leibe  floß, 
und  sich  mit  genaden  guet 
auf  unser  sei  ergoß. 


246 

eia  der  edeln  salben, 

die,  uns  gegeben  ist, 

sie  heilet  allenthalben: 

dank  sei  dir^  milder  Krist! 

Kyrie  leyson  ff. 
Nach  der  Wiener  Hb.  2856  gednickt  in  Kehrein,  Kirchen-  nnd  relig^. 
Lieder  8.  168^156.  nnd  der  Wiener  Hs.  2975.  Bl.  160S  deren  Vergleichnng 
ich  Ferd.  Wolf  verdanke.  —-  Kehrein's  Text:  8,  4.  dich  (d^r)  —  4,  2.  dein 
antUc»  —  4,  5.  auf  (wider)  —  5,  1.  £^a  der  pahehen  »lege  —  5,  2.  dieh 
(dir)  —  5,  5.  aiao  fehlt  —  6,  4.  an  dem  rechten  —  6,  7.  hiUikleich  —  7,  4. 
hohen  —  7,  6.  htnd  (wart)  —  8,  7.  erstochen  —  9,  6.  den  bunden-  —•  9,  6, 
die  dir  gestochen  worden  —  9,  8.  vor  der  h.  v.  Auch  in  der  Münchener 
Hs.  Cod.  germ.  715.  BI.  HO*— 112>.  Nach  Yergleichnng  anch  dieser  Hs., 
die  mir  nicht  sngänglich  war,  iSsst  sich  rielleicht  ein  noch  besserer  Text 
herstellen. 

Verzeichniss 

der  eigenen  Lieder  und  der  Übersetzungen  und  Nachbildungen 

lateinischer  Hymnen  und  Sequenzen,  welche   dem  Mönch  von 

Salzburg  zugeschrieben  werden. 

Aller  werlde  gelegenheit  Altd.  Bl.  2,  338.  Kehrein  173. 
Almechtiger  got,  herr  lesus  Christ  348.  Haltaus  81. 
Ave  balsams  creatur  335.  Wckn.  Nr.  769. 
Ave  gniest  magtleich  forme,  gedr.  332. 
Ave  lebentigs  oblat  349. 
Ave  meres  steme  345. 

Christo,   du  bist  liecht  und  der  tag  339.  Kehrein  151  und  186. 
Christus  erstuent  mit  siges  van  338. 
Das  hell  aufklimmen  339.  Kehrein  183. 
Der  werlte  vemeuung  lauter  klar  345. 
Des  menschen  liephaber  335.  Kehrein  169. 
Die  nacht  wirt  schier  des  himels  gast  349.  Haltaus  302.  Kehr- 
ein 156. 
Do  got  in  dem  trone  saß  345. 
Eia  der  großen  liebe  340.  Kehrein  153. 
Eia  herre  got,  was  mag  das  gesein,  gedr.  342. 
Freu  dich,  Syon,  daß  ausgangen  340. 
Got  grüeß  dich,  mueter  unsers  herren  332. 
Got  in  dreifaltikeit  einfalt  346.  Haltaus  254.  Kehrein  144. 
Grüest  seist  heiliger  tag  344. 
Heiligs  kreuze,  ein  paum  gar  eine  340. 


246 

Herr  herr  got  almechtig  drei  person  347.  Haltaus  256.  Kehrein 
148. 

Ich  grüeß  dich  gerne,  meres  steme  332.  Eehrein  160. 

In  gotes  namen  wil  ich  hie  vahen  an  347.  Eehrein  189. 

Joseph,  lieber  neve  mein,  gedr.  341. 

Kum,  heiliger  geist,  send  aus  den  him.  schein  348. 

Kum,  hochfeierleiche  zeit  338. 

Eum,  schepfer,  heiliger  geist  348. 

Kum,   senfter  trost,  heiliger  geist  346.    Haltaus  253.    Wckn. 
Nr.  768.  Kehrein  140. 

Kunig  Christe,  macher  aller  ding  339.  Kehrein  152. 

Lob  o  Syon  deinen  heiler  339.   Kehrein  179. 

Lobt  all  Zungen  des  erenreichen  339.  Kehrein  176. 

Magt  hochgeboren  von  dem  gesiecht  Yesse  347.   Kehrein  187. 

Maitleich  pluem,  der  jungfraun  krön  334. 

Maria,  bis  gegrüeßet  343.  Kehrein  129. 

Maria,  keusche  mueter  zart  346.  Haltaus  257.  Wckn.   Nr.  776. 

Kehrein  136. 
Maria  stuent  in  swindem  smerzen,  gedr.  336. 
Mein  trost  Maria,  reine  mait  347.  Kehrein  131. 
Mueter  gueter  sach  die  best  335.  Kehrein  128. 
O  du  säiige  dreifaltikeit  349. 
Pluem,   gezartet  ros  on  deren  331. 
Reicher  schaz   der  höchsten  freuden  331. 
Sälig  sei  der  Salden  zeit  344.  Kehrein  175. 
Salve,  grüest  bist  mueter  heiles  331.  Kehrein  164. 
Schepfer  und  weiser  bist  344. 
Sig  und  Said  ist  zu  bedeuten  338. 
Uns  künden  all  zweifboten  gar  340. 
Von  anegeng  der  sunne  klar,  gedr.  340.  Kehrein  185. 
Von  got  80  wart  gesant  345. 
Wir  süUen  loben  all  die  reine  336.  Kehrein  172. 


A  solis  ortus  cardine  340. 

Ave  maris  Stella  345. 

Ave  praeclara  maris  Stella  332. 

Ave  virginalis  forma  332. 

Ave  vivens  hostia  349. 

Christe  qui  lux  es  et  dies  339. 

Crux  fidelis  340. 


247 

Festom  ntmc  celebre  338. 

Gaude  Syon  quod  egressus  340. 

Jnventor  rutili  dux  baue  laminis  344. 

Lauda  Syon  sahvtorem  339. 

Mittit  ad  Tirginem  335.  345. 

Mundi  renovatio  345. 

Mundi  renovatio  nova  338. 

O  lux  beata  trinitas  349. 

Fange  lingua  gloriosi  339. 

Rex  Cbriste  factor  omnium  339. 

Salve  festa  dies  344. 

Salve  mater  332. 

Salve  mater  salvatoris  331. 

Stabat  mater  dolorosa  336. 

Surgit  Christus   cum  tropheo  338. 

Ut  queant  laxis  339. 

Uterus  virgineus  334. 

Veni  Creator  spiritus  348. 

Veni  sancte  spiritus  348. 

Victimae  paschali  338. 

Gewiss  hat  mancher  Mönch  und  Geistlicher  einen  Versuch 
gemacht  im  Übersetzen  alter  Hymnen.  Genaueres  Durchsuchen 
alter  Handschriften  wird  wol  noch  Manches  der  Art  ans  Licht 
bringen.  Von  namhaften  Dichtem  ist  außer  dem  Mönch  von 
Salzburg  nur  noch  Heinrich  von  Laufenberg  bekannt,  der  aber 
wie  im  Dichten  so  auch  im  Übersetzen  seinen  Vorgänger 
übertrifft. 

Heinrich  von  Laufenberg,  wie  er  sich  selbst  nennt, 
war  Priester  zu  Freiburg  im  Breisgau  (1437)  und  später  De- 
chant  daselbst.  Im  Jahre  1445  rging  er  von  der  Welt«^  und 
trat  in  den  St.  Johannis- Orden  zu  Straßburg.  Die  aus  diesem 
Kloster  herrührenden  Handschriften  seiner  Werke  sind  wahr- 
scheinlich von  ihm  selbst  geschrieben. 

Heinrich  war  ein  fleißiger  Dichter.  In  dem  langen  Zeit- 
räume von  1415 — 1458  dichtete  er  viele  geistliche  Lieder,  meist 
zu  Ehren  der  heiligen  Jungfrau').    Er  benutzte  dazu  die  Wei- 


§.  9.  7)  So  ist  das  Lied:  Glich  aia  ein  grücni  wis  ist  gziert  (Wckn.  Nr. 
768),  ein  Marienlob  von  16  Strophen,  worin  lauter  Namen  der  heil.  Jung- 
frau angebracht  sind.    Auch  das  Lied  von  der  Geburt  Christi  (Wckn.  Nr.  757) 


248 

sen  weltlicher  Volkslieder,  dichtete  diese  selbst  auch  wol  um  *)• 
Wenn  auch  nicht  alle  ihm  zugeschriebenen  Lieder  ihm  ange- 
hören, so  muss  man  ihm  doch  nach  den  mit  seinem  Namen  oder 
mit  H  bezeichneten  für  einen  Dichter  halten,  dessen  tiefes  gott- 
ergebenes, nach  dem  Himmel  sich  sehnendes  Gemüth  rein  und 
schön  sich  auszusprechen  wusste. 

Außerdem  verfasste  er  1425  eine  Sammlung  Predigten,  1429 
den  Spiegel  der  Gesundheit,  1437  den  Spiegel  menschlichen 
Heils,  15000  Verse,  und  1441  das  Buch  von  den  Figuren,  zu 
Ehren  der  heiligen  Jungfrau,  25370  Verse  1 

Eine  genauere  Untersuchung  der  Straßburger  Hss.  A.  80 
und  B.  121  und  des  Münchener  Cod.  germ.  377  wäre  sehr 
wünschenswerth. 

Vgl.  Maßmann  in  Aufseß,  Anzeiger  1,  41 — 48.  Banga  da- 
selbst 2,  269—271  und  Engelhardt,  Ritter  von  Stauffenberg 
S.  16  ff. 

Lieder  Heinrichs  von  Laufenb^rg. 
Bei  Ph.  Wackemagel  Kirchenlied  S.  624—663.  —  Nr.  746—767  sind  in 
der  Hfl.  als  Lanfenbergsche  Lieder  bezeichnet  (hier  mit  einem  *  versehen), 
bei  den  übrigen  (Nr.  770—786)  ist  es  nmr  wahrscheinlich,  dass  auch  sie  von 
ihm  rerfasst  sind.    Die  eingeklammerten  schreibt  ihm  Banga  eq. 
Ach  arme  weit,  du  trügest  mich  Wckn.  Nr.  780. 
Ach  lieber  herre  Jesu  Christ  752.* 
Ach  töchterlin,  min  sei  gemeit  761.* 
(Aller  weite  reinigkeit.    Mundi  renovatio) 
(Amen  und  amen,  lop  und  er) 
Ave,  bis  grüest,  du  edler  stam  762.* 
Ave  maris  Stella,  bis  grüest  ff.  767.* 
Bekenn  nu  alle  weite  schon  756.* 
Bis  grüest,  maget  reine •). 
Ein  adler  hoch  han  ich  gehört  766.* 
Ein  kint  ist  gbom  ze  Bethlehem  764.* 


ist  eine  Verherrlichung  der  Jungfrau  Maria,  24  Strophen,  sehr  künstlich,  jede 
hat  nur  einen  und  denselben  Reim,  nur  die  letzte  Zeile  reimt  in  allen  Stro- 
phen auf  -inde  oder  -Unde. 

§.  9.  8)  Viele  Lieder  sind  freilich  in  künstlicher  Meistersingerform :  Wckn. 
Nr.  746.  747.  748.  766.  757.    Zu  seinen  Künsteleien  gehören  auch  noch  die 
halb  lateinisch  halb  deutschen  Lieder:    Wckn.  Nr.  763.  766.  767.  774.  784. 
9)  Gedruckt  in  Ferd.  Wolf  Über  die  Lais  S.  491. 


249 

Ein  lerer  rAft  vil  lut  us  hohen  sinnen  749."^ 

Ein  yerbum  bonum  und  Buaye  784. 

Eilend  der  zit,  nntrüw  der  weit  772. 

Es  saß  ein  edli  maget  schon  750.* 

Es  stot  ein  lind  im  himelrich  771. 

Es  taget  minnencliche  783. 

Glich  als  ein  grüeni  wis  ist  gziert  758.* 

(Got  geb  uns  allen  ein  glükhaft  jar) 

Got  ist  gebom  ze  Bethlehem  748.  * 

(Got  schepfer  aller  creatur) 

(Got  vater  herr  in  himelreich) 

Got  vater  in  der  trinitat  746.* 

Ich  weiß  ein  lieplich  engelspil  781. 

Ich  weiß  ein  stolze  maget  vin  755.* 

Ich  weiß  ein  vesti  groß  und  klein  777. 

Ich  wölt  aller  weit  erwünschet  han  778. 

Ich  wölt  daß  ich  do  heime  war  753.* 

(Jesu,  weg  der  warheit  ein) 

In  einem  kripfli  lag  ein  kint  751.*  743.* 

Kum,  heiiger  geist,  erfüll  min  herz  782. 

Kum  her,  erlöser  Volkes  schar  759.* 

Maria,  höchste  creatur  785. 

Maria,  küschi  m&ter  zart  776. 

(Mich  lust  von  herzen  prisen) 

(Min  richer  got,  min  herre  Christ) 

Mir  ist  in  disen  tagen  779. 

(0  Jesu,  süeßer  brunne) 

Puer  natus  ist  uns  gar  schon  765.* 

Salve,  bis  grüest,  sancta  parens  763.* 

Sich  hat  gebildet  in  min  herz  754.* 

Stant  uf,  du  sunder,  laß  din  klag  747.* 

Staut  uf  und  sih  Jesum  vil  rein  770.* 

Us  dem  veterlichen  herzen  773. 

Us  hohem  rat,  us  vaters  schoß  757.* 

Verr  von  der  sunne  ufegang  760.* 

Wer  liden  kan  und  dultig  sin  775. 

Heinrichs  von  Laufenberg  Übersetzungen  sind  zu  Ende  die- 
ses Abschnitts  in  der  alphabetischen  Beihenfolge  mitgetheilt. 
Von  seinen  übrigen  Liedern  gehören  zwar  mehrere  den  frühe- 


250 

ren  Abschnitten  §,  6  und  8  an,  ich  habe  es  aber  vorgezogen, 
sie  beisammen  zu  lassen,  weil  so  seine  religiöse  Richtung  und 
das  Wesen  seiner  Poesie  besser  erkannt  werden  kann. 

f    Nr.  119. 

1430. 

1.  Es  saß  ein  edli  maget  schon 
in  hoher  contemplation, 

in  tiefer  andacht  sie  betracht, 

wie  got  der  menschen  heil  volbracht. 

ein  edli  kunigin 

die  was  das  megedin. 

2.  Do  sant  ir  got  dar  sinen  grftß,   * 
durch  den  uns  wart  der  sünde  büß. 
ein  engel  sprach  zi  ir  ave! 

bis  grüest,    ein  maget  one  we! 
ein  edli  kunigin 
die  was  das  megedin. 

3.  Du  bist  aUer  genaden  vol, 
bi  dir  got  iemer  wonen  sol; 
gesegnet  bist  über  alle  wip, 
gesegnet  ist   din  küscher  lip! 

ein  edli  kunigin 

die  was  das  megedin. 

4.  Betrüebet  wart  die  maget  vin, 

sie  gdacht:   was  grjißes  mag  das  sin, 
den  dir  verkünt  des  engeis  munt? 
kein  semlich  grAß  wart  dir  nie  kunt. 

ein  edli  kunigin 

die  was  das  megedin. 

5.  Der  engel  sprach:   Maria  gfit, 
nit  bis  betrüebt  in  dinem  m&t! 
du  best  genade  fänden  vil 
vor  got  als  ich  dir  sagen  wil. 

ein  edli  kunigin 

die  was  das  megedin. 

6.  Nim  war:  du  solt  empfahen  schier 
und  auch  gebem  in  küscher  zier 
ein  kint,  sol  Jesus  sin  genant, 

des  Vaters  sun^  von  engellant. 


261 

ein  edli  kunigin 

die  was  das  megedin. 

7.  Her  Davids  stSl  ist  im  bereit, 
sin  rieh  weret  in  ewikeit, 

in  Jacobs  hus  da  wont  sin  rieh, 
sinr  größi  mag  nit  sin  gelich. 
ein  edli  kunigin 
die  was  das  megedin. 

8.  Die  magt  sprach  zA  dem  engel  hie: 
ach  edeler,  nmi  sag  mir^  wie 

mag  es  gesin?  ich  hau  doch  nie 
keins  mans  begeret  ie  und  ie. 
ein  edli  kunigin 
die  was  das  megedin. 

9.  Der  engel  sprach:  nun  wunder  nicht! 
Tom  heiigen  geiste  das  beschicht; 
von  kraft  gotes  almechtikeit 

so  wirt  das  heilig  kint  bereit, 
ein  edli  kunigin 
die  was  das  megedin. 

10.  Elisabeth  die  mAme  din 
empfangen  het  ein  kindelin 

im  sechsten  manot,  wis  ich  dich: 
vor  got  ist  nüt  immügelich. 
ein  edli  kunigin 
die  was  das  megedin. 

11.  Maria  sprach:   ach  böte  her, 
got  si  gesaget  lop  und  er! 
ich  bin  des  herren  dienerin, 

mir  gscheh  recht  nach  den  werten  din! 
ein  edli  kunigin 
die  was  das  megedin. 

12.  Ze  stunt  als  sie  dis  wort  gesprach, 
in  einem  augenbUk  geschach: 

das  götlich  wort  des  vaters  gAt 
was  in  ir  worden  fleisch  und  blAt. 
ein  edli  kunigin 
die  was  das  megedin. 
Wckn.  Nr.  750. 


262 

f  Nr.  120. 

1.  In  einem  kripfli  lit  ein  kint, 
da  stot  ein  esel  und  ein  rint, 
da  bi  ist  auch  die  maget  klar 
Maria  die  das  kint  gebar. 

Jesus  der  herre  min 
der  was  das  kindelin. 

2.  Da  singen  im  der  engel  kor 

mit  süeßer  stim  gar  hoch  empor: 
gloria,  lop  und  wirdikeit 
si  got  im  himebich  geseit! 
Jesus  der  herre  min 
der  was  das  kindelin. 

3.  Dis  wart  den  hirten  schier  verkunt, 
darumb  so  liefen  sie  zestunt 

gen  Bethlehem  und  funden  do 
das  edel  kint  und  wurden  fro. 
Jesus  der  herre  min 
der  was  das  kindelin. 

4.  Zestunt   entbran    eins  stemen  schin, 
daß  es  wart  kunt  den  klingen  drin 
in  verrem  land  ze  Orient, 

die  komen  mit  ir  gob  gerent. 
Jesus  der  herre  min 
der  was  das  kindelin. 

5.  Sie  fielen  nider  uf  die  erd, 
sie  gebeten  dem  kinde  wert 
gar  edel  mirren,  wirauch,  golt: 
dem  kindli  wurden  sie  gar  holt. 

Jesus  der  herre  min 
der  was  das  kindelin. 

6.  Do  dis  vemam  Herodes  mAt, 

er  dochty  wie  er  vergüß  sin  blfit: 
vil  tusent  kint  tot  er  zehant, 
Jesus  floch  in  Egiptenlant. 
Jesus  der  herre  min 
der  was  das  kindelin. 

7.  Hienach'  wol  über  drißig  jar 
do  wart  dis  kindelia  iurwar 


253 

durch  unser  ewig  sälikeit 
ertöt  und  in  ein  grap  geleit. 
Jesus  der  herre  min 
der  was  das  kindelin.  l   - '» 

8.   Damach  zehant  am  dritten  tag 
erstfint  es  nach  der  lerer  sag 
und  f%r  uf  in  sins  vater  lant, 
da  sizt  es  zA  der  rechten  hant. 
Jesus  der  herre  min 
der  was  das  kindelin. 
8tra6burger  H».  Bl.  121.  4«.  Bl.  51.  b.  mit  der  Überschrift:   Aliud  eiaa- 
«rni  (1480).  Wckn.  Nr.  761.  Pfollinger  Hb.  zu  Stuttgart,  Wckn.  Nr.  743. 

f  Nr.  121. 

1.  Ich  weiß  ein  stolze  maget  vin, 
ein  edli  künigin. 

ich  weiß  in  himels  landen 
kein  höher  keiserin. 
sölt  ich  ir  lop  nun  sagen 
und  all  geschrift  erfragen, 
das  war  der  wille  min. 

2.  Got  grües  üch,  edli  keiserin! 
got  het  üch  ußerwelt 

ein  mAter,   maget  reine, 
ir  zucht  im  wol  gevelt, 
ir  edler  magetftme, 
ein  wißer  gilgenblÄmc, 
zA  dem  sich  got  geselt. 

3.  Das  wort  des  vaters  eine 
vom  himel  uße  trang 

in  dich,  du  maget  reine, 
din  kusch  in  dar  z&  zwang, 
daß  er  us  vaters  schoße 
wolt  werden  min  genoße, 
ich  hats  begeret  lang. 

4.  Got  nam  sie  gar  behende 
bi  siner  gnaden  hant, 

er  fftrt  sie  an  ein  ende, 
da  sie  all  tugent  vant. 

18 


254 

herr  Gabriel  sie  priaet, 

der  heilig  geiat  sie  wiset 

mit  siner  miime  bant 
5.  Das  edel  weiBenkome 

het  sie  gemalen  woL 

die  maget  hoch  gebome 

ist  aller  gnaden  vol: 

sie  kajd  den  stein  wol  billen 

nach  irem  liepsten  willeUi 

der  uns  behalten  sol. 
6»   Sie  kaa  die  müli  richteni 

da  got  sin  gnade  malt^ 

nnd  unser  sünd  vernichten, 

wan  sie  het  sfai  gewalt. 

ach  edli  maget  gAte, 

güß  über  uns  sin  blAte, 

wesch  was  im  nuasevaltl 

7.  Laß  ab  das  wasser  fließen 
der  edlen  gnaden  din, 

zA  Jesum  dem  vil  stießen^ 
wan  ich  ein  sünder  bin. 
ach  keiserin  gar  stolze, 
der  für  mich  hieng  am  holzci 
den  bitt  mir  gnädig  sin. 

8.  Das  kömli  wart  gemalen 
ze  reinem  simelmel 

al  in  der  menscheit  schalen, 
da  es  wart  bleich  und  gel. 
uf  mittentag  ze  none 
das  weißenkömli  frone 
gap  für  ims  hut  imd  vel. 

9.  Dar  us  so  wart  gebachen 
das  edel  himelbrot. 

min  sei,   des  soltu  lachen, 
wan  es  was  dir  gar  not. 
das  sol  dir  spise  geben 
bis  in  das  ewig  leben, 
da  al  din  leit  zcrgot. 

Wckn.   Nr.  756.     Auch  in   der  Karlsruher  Hi.  Nr.  74.  kl.  40.   Bl.  13«. 
(Mittheilong  Uhland*«)     Der  Text  iat  im  Ganzen  sehr  schlecht,   doch  folge 


256 

ich  ihm  7,  1—3.  wo  der  Btrmftb.  bei  Wckn.  hat: 
Loß  ot»  4m  w^uer  ßiuten 
der  edien  gnadeu  din 
Jkeium  den  vü  9ܧ9en  — 
Andere  LeMurten  der  KarUr.  Hb.  1,  4.  kein  »toUer  —  8,  6.  <2m  genesen 
—  6,  4.  lugend  vcl  —   5,  6.  nach  «wMm  l,  w.  —   6,  3.  tUnde  $ehUckten  — 
6,  7.  wa$ek  vnäer  mUsetäit  —  7,  7.  der  wü  vn4  gnedig  Bvn  —  9,  6.  Atnci  in  d. 
Ein  alter  weltlicher  Text,  wom  diese  Umdichtnng  gehört,  ist  bia  jetzt 
noch  nicht  an^efonden  worden.    Die  Überscfarill  in  der  Karlar.  Hb.:  In  der 
wiae  der  atolsen  mülledn,  macht  ea  aiemlich  gewiaa,  daaa  damit  daa   yon 
ÜBchart  in  der  eeaehichtekUtlemif  enHAnte: 

Ich  weift  mir  ein  atolse  miUlnin 
und  Bolt  ich  bei  ir  malen 
gemeint  ist,  nnaer  jetxigefl: 

Eb  war  einmal  eine  Müllerin  ff. 
B.  Erk  VolkaUeder  8.  Bd.  1.  Heft  Kr.  6«. 

f  Nr.  122. 

1.  Ein  adler  hoch  han  ieh  gehört, 

der  Bpricht:  im  anvang  was  das  wort 
und  das  wort  was  vor  got  behAt 
nnd  got  der  was  das  worte  g&t 

2.  Im  anvang  was  das  wort  vor  got, 
durch  es  got  als  geschaffen  hot, 
nnd  on  es  ist  geschaffen  niht 

das  ie  wart  und  auch  noch  beschiht 

3.  Was  worden  ist,   des  leben  was 

in  im,  der  menschen  liecht  ist  das; 
das  liecht  lücht  in  der  vinstemis 
imd  mögent  nit  ergrifen  dis. 

4.  Ein  mensch  was  us  von  got  gesant^ 
des  nam  der  was  Johans  genant, 
der   kam  ze  einem  zügen  har, 

daß   er  vom  liecht  gab  ziiguis  gar, 

5.  Daß  durch  in  glaubten  alle  iüt, 
doch  was  Johans  das  liechte  nät, 
er  solt  doch  sin  gezüge  sin, 

daß  es  wärs  liecht  und  warer  schin. 

6.  Dis  was  das  luter  liecht  ftlrwar, 
das  hat  erlücht  der  menschen  schar^ 
die  in  dis  weit  ie  komen  sint, 

die  ußerwelten  gotes  kint. 

18* 


256 


7.  Dis  wort  was  in  der  weite  hie 
und  was  durch  es  geschaffen  ie, 
und  hat  die  weit  sin  nit  bekant, 
do  er  was  in  sim  eigen  lant. 

8.  Sin  eigen  volk  in  nit  empfieng, 
doch  wer  im  glauben  in  umbviengy 
den  gap  er  gwalt  in  gnaden  schin, 
daß  sie  gots  kinde  selten  sin. 

9.  Die  selben  kint  sint  nit  gebom 

US  blAt  noch  fleisch  noch  man  erkom; 

US  got  sint  sie  geboren  har, 

US  gnad  und  geist  ganz  luter  gar. 

10.  Das  wort  ist  fleisch  nun  worden  hie 
und  het  in  uns  gewonet  ie, 

und  hant  gesehen  all  sin  er, 
vom  vater  eingiebomer  her. 

11.  Das  wort  was  vol  der  gnaden  gut 
imd  aller  warheit  wol  behAt: 

dis  seit  Johannes  uns  also 
in  sinem  evangelio. 
Wckn.  Nr.  766. 

f  Nr.  123. 

1.  Sich  hat  gebildet  in  mim  herz 
ein  lieplich  nam  in  hoher  kur. 
ach  daß  er  mir  geh  üt  im  scherz 
und  tot  min  fleisch  und  min  natur! 

2.  Ich  slaf,  ich  wach  in  traumes  zil: 
ach  edler  nam,  so  kum  mir  für! 
Sit  doch  min  herz  nit  anders  wil, 
slüß  uf,  Jesus,  dinr  gnaden  tür! 

3.  So  freu  ich  mich  der  meigen  zit, 
die  got  den  ußerwelten  git, 

sit  al  min  hofhung  dar  an  lit, 
des  winters  sünd  hat  mich  vcrsnit 

4.  Ich  wüst  nie  recht,  wie  süeß  er  was 
und  was  Jesus  gAts  bringen  mag: 
min  höchster  Jesus,  du  bist  das, 
der  nam  den  ich  im  herzen  trag. 


267 

5.  Gedenken  ist  min  ufenthalt 
on  ewig  fireuden  underscheit. 
ach  Jesus ;  hab  min  ganz  gewalt 
nach  dinem  lob  in  lieb  und  leit! 

6.  Es  mftß  natürlich  güeti  sin, 
die  mir  von  im  in  herzen  lit. 
war  ich  der  sin  und  er  der  min, 
so  glebt  nun  herz  nie  lieber  zit! 

7.  On  sinen  trost  mag  ich  nit  leben, 
wan  er  durch  mich  ist  mensch  gebom; 
ich  han  im  lip  und  sele  geben, 

ze  himel  het  er  mich  erkom. 
Wckn.  Kr.  764.     H«.  1,  3.  nüt. 

f   Nr.   124. 

1.  Ach  töchterlin,  min  sei  gemeit, 
wiltu  der  hell  entrinnen 

und  schauen  got  in  ewikeit, 
so  ker  din  uAt  von  hinnen. 

2.  Nein,  fründ,  vater  und  mfiter  din, 
gewalt  der  zit  und  eren, 

das  mAstu  alles  laßen  sin, 
wiltu  ze  got  dich  keren. 

3.  Die  weit  gat  in  der  sänden  nacht 
und  irret  in  den  sinnen: 

ach  edle  sele,  das  betracht 
und  ker  din  herz  von  hinnen! 

4.  Halt  uf  mit  rüwens  bitterkeit, 
din  herz  soltu  verbinden, 
und  war  es  aller  weite  leit, 
so  hüet  dich  vor  den  sünden. 

5.  Got  fiiert  dich  z&  der  rechten  hant 
US  diser  weit  eilende 

imd  setzt  dich  in  das  vaterlant, 
da  freud  het  niemer  ende. 

6.  Da  blibst  du  tag  und  auch  die  nacht 
mit  gotes  minn  umbvangen. 

was  herzen  freuden  ie  erdacht, 
die  hest  on  als  belangen. 


258 

7.  Stant  uf ,  stant  af  dn  sele  min, 
ker  dich  se  gotes  mftter 

und  bitt  die   edle  künigin, 
daß  sie  dich  hab  in  hAtel 

8.  Sprich  wilkom,  edli  künigin, 
die  gnad  vor  got  het  fanden, 
empfah  mich  in  die  gnade  din 
an  mines  todes  Bttmdenl 

9.  Es  ist  mir  dik  und  vil  geseit, 
ich  wolt  es  nie  gelauben, 

der  valschen  weite  tragenheit: 
nun  sich  ichs  mit  den  äugen. 
10.   Slah  mirs  nit  unter  dangen  min, 
laß  mich  dich,  herr,  erbarmen I 
ach  durch  die  edle  mAter  din 
empfah  mich  in  din  armen! 

Wckn.  Nr.  761.   6,  3.   steht  in  der  Zeile:  der  m^fnne  handf   u.  dninter 
geichiieben :  d;  vaiter  fand  — 

f  Nr.  125. 

1.  Ach  lieber  herre  Jesu  Christ, 
sit  du  ein  kint  gewesen  bist, 
so  gip  auch  disem  kindelin 

din  gnad  und  auch  den  segen  din! 
Ach  Jesus,  herre  min, 
behüet  dis  kindelin! 

2.  Maria,  m&ter  Jesu  Christ, 

sit  du  dins  *kints  gewaltig  bist^ 
so  t&  din  hilf  und  stür  dazA, 
behüet  dis  kintli  spat  und  fru! 

Ach  Jesus,  herre  min, 

behüet  dis  kindelin! 

3.  Dinr  engel  schar  die  won  im  bi, 
es  slaf,  es  wach  und  wo  es  si, 
das  heilig  krüz  behüet  es  schon, 
daß  es  besitz  der  heiigen  krön. 

Ach  Jesus,  herre  min, 
behüet  dis  kindelin! 

4.  Nun  slaf,  nun  slaf,  min  kindelin, 
Jesus  der  sol  din  bAli  sin. 


259 

der  well  daß  dir  g^traome  wo! 
und  werdest  aller  tagent  vol! 

JesuBy  der  herre  min^ 

behüet  dis  kindelin! 

5.   Ein  gftte  nacht  und  guten  tag 
geh  dir  der  alle  ding  vermag, 
bie  mit  Boltu  gesegnet  sin, 
min  herzeliebes  kindelin! 

Jesus,  der  herre  min, 
behüet  dis  kindelin  I 
Wckn.  Nr.  752.  mit  der  Übenehrift:  B^iMdieiio  pfuerily onfu». 

In  den  Anfang  des  XV.  Jahrhunderts  gehOrt  noch  eine 
Nachbildung  des  Credo  in  deum  patrem  omnipotentem  von  Nico- 
laus von  Kosel: 

f  Nr.  126. 

Wir  glauben  in  einen  got, 

fchepfer  himels  und  der  erden, 

mit  Worten  er  ließ  werden 

alle  ding  gar  in  feinem  gebot 

von  der  zarten  wart  er  gebom 

Marian  der  reinen  außerkom 

uns  zu  troft  und  aller  chriftenheit; 

vor  uns  er  wolte  leiden 

fwere  pein,  den  tot  der  ewigkeit 

ob  wir  möchten  meiden. 

Die  hinragefügte  Melodie  Btimmt  überein  mit  der  noch  jetst  fiblichen  Yon : 
Wir  glauben  all  an  Einen  Gott. 
Bredauer  Hb.  I.  4».  466.  Bl.  27«.    Vom  Jahre   1417.    Über  Nicolaus  von 
Kosel  8.  meine  Monatschrift  von  nnd  für  Schlesien  1829.   8.  788.  ff. 

Dom  büchUn  halt  Jn  von  erst  | 
Die  siben  zyt  von  vnser  liebB  \  frowen.  \ 
Ain  loblich  ampt  der  messz  vö  \  vnser  frowen.  \ 
Die  siben  zyt  von  vnsers  her-  \  ren  leiden.  \ 
Die  sibd  zyt  von  dem  heiligen  \  geist.  | 
Die  siben  büß  psalmen  vnd  le  \  tanij.  \ 
Der  todten  vesper.  \  Die  tigibj  der  todfen.  |. 
^  Alles  geiützet  durch  ainen  \  hochgelerten  doctor  nach  ord"  \ 


260 

fiSig  Uli  tnainUji  der  kristelicl^  \  kirchen  vnd  wie  ty  gesprochen  \  nut 
gebettet  werden  Jn  allen  \  geistlichen  statten, 

Drack   aus   dem  Ende  des  XV.  Jahrfa.,    192  aabez.  Bltttter  8*.    MeoM- 
bachsche  Bibl. 

f  Nr.  127. 

Bl.  37*  in   dem  Abschnitte  Hie  hebt  tich  an  das  lobUch  ampt  der 
von  vnser  lieben  frotoen. 

Das  ist. das  Gloria  in  excelsis*^). 

Got  loben  wir  in  aller  wirdekeit 

lop  sei  dir  in  der  höhe  geseit, 

und  fride  nf  disem  ertreich 

den  lüten  g&tes  willens  geleich.  . 

wir  loben  dich  von  herzen  gar, 

Maria  und  die  himelische  schar. 

wir  sprechen  wol  dem  namen  din, 

das  lop  sol  dir  von  uns  stäte  sin. 

wir  beten  dich  an  einiger  got, 

damit  erfüllen  wir  din  gebot. 

wir  eren  dich  mit  gesanges  lob, 

dinen  eren  ist  niemant  ob, 

und  dine  große  ere  do. 

du  bist  genant  alpha  et  o, 

got  herre  künig  himelscher, 

got  vater  almechtiger, 

du  einiges  kint  diner  mftter, 

Jesu  herre,  herre  g&ter, 

du  machest  di6  werlt  Sünden  bar. 

mit  diner  bermde  nim  unser  war 

durch  ere  der  lieben  muter  din, 

Marien  der  heren  künigin. 

du  sitzest  zu  der  rechten  haut  dem  vater  bi, 

mache  uns  herre  von  Sünden  fri, 

wanne  du  heilig  bist  allein. 

du  bist  der  hast  on  alle  pfat 

der  Mariam  geboren  hat. 

O  Jesu  Christ  aller  meist 


§.  9.  10)  Daniel  TLes.  2,  267. 


261 

mit  samt  dem  heiligen  geist 
in  den  eren  des  vaters  rieb 
hüt  und  immer  ewiklich. 

Amen. 
Got  unser  herre  mit  üch  si 
und  sin  gnad  si  uns  bil 

f  Nr,  128, 

Bl.  40«.— 42«. 

Das  ist  der  sequenz^^). 
Ich  grüß  gern  meres  stem,  lucem 
aller  kristenheit,  zu  geleit 
uns  Maria. 

Freu  dich  gotes  pforte 
dines  vaters  werte 
die  offen  und  beslossen  sein 
bracht  der  wäre  gotes  schein 
der  hat  einen  kuschen  schreiu 
so  lieplich  beslossen. 
Maria  din  ere 
zieret  den  himel  sere. 
erweite  schöne  und  klar 
die  dich  lieben  die  bewar. 
diner  gnaden  güune 

stimmt  merkwürdiger  Weise  im  Wesentlichsten  überein  mit  dem  Texte  des 
Mönchs  von  Salsbarg^  (bei  Kehrein  S.  160-— 164.).  Beide  Texte  sind  aber 
dormaOen  yerdorben,  das«  eine  Wiederherstellung,  anoh  wenn  man  ans  bei- 
den Einen  Text  machen  wollte,  vergebliche  Mühe  sein  würde. 

f  Nr.  129. 

In  dem  Abschnitte  die  $iben  zyt  von  dem  heihgen  geist 
Bl.  107«.  Der  ymmts'*). 

Qui  paracliUiS  diceris  donum  dei  aiiiisimi 
Seit  du  ain  tröster  bist  genant, 
des  obersten  goites  erkant 


§.9.11)  Ave  praeclara   maris   Stella,    von   Hermannns   Contractus,  Daniel 
Thes.  2,  82. 

12)  Ans   dem   Hynmns:     Yeni   creator   spiritos  —    eine   merkwürdige 
Übereinstimmang  mit  einer  andern  alten  Übersetanng  t 


Bl.  109*.    Der  ymm. 

Tu  iepHformi$  muntre  dsxtre 

DV  iihemuilHge  gaie, 

du  finger  der  gereckten  gotei  hande 

BL    1111».      J)^  y„,^^^ 

Accende  lumen  setmkn  infunde  amo 
Entzünde  erleudUe  vneer  itfnne, 
vnße  hertzen  hegeuß  mit  diner  mynne 

Bl.  115*».    Der  ymnm. 

Da  gaudiarum  premia  da  gradarwm 

Gib  vn$  der  fr&dem  hn, 

gib  vns  der  gnade  gäbe  echon 

BL  118>».    Der  ymnue. 

Per  te  eciamue  da  pairem  naeeamue 
DA»  wir  in  den  drijen  genennen, 
den  vatier  vnd  den  eun  erkennen. 


Uierume  stand  eitUck  tewteck  gwmi  oder  lebgesange  mit  versen. 
stüdcen  vnd  geeatzen  von  ettUchen  dingen  die  do  zu  bereUung  vnd  be^ 
trachtung  der  beickt  ainem  yeden.  not  eynd  DamaA  eäUcke  kwrtz  vnd 
va$t  nütze  vermanungen.  (fol.  17».)  Getruckt  von  Heinrgco.  knöblötzer 
zu  Haidelberg  Anno  xcinj.  4P.  Hain,  Repert.  bibl.  Nr.  9069. 
(22  Blätter) 

Joh.  Bartholomäus  Biederer,  der  dies  Buch  selbst  besaß, 
liefert  eine  Beschreibimg  davon  in  der  Vorrede  zu  seiner  ^Ab- 
handlung  von  Einführung  des  teutschen  Gesangs.^  Kachwei* 
sungen  früherer  Beschreibungen  giebt  Panzer,  Zusäüse  xu  den 
Annalen  der  altem  deutschen  Litteratur  S.  76.  Der  unbekannte 
Herausgeber  hat  mehrere  lateinische  Hymnen  übersetzt  und  zwar 
der  Melodie  und  des  Sinnes  wegen  in  Prosa,  aber  immer  mit 
80  viel  Silben  als  das  Original  enthält,  und  er  entschuldigt  sich 
also  darüber:  *Item  oft  wird  der  recht  Sinn  der  Wort  zerstört, 
wann  man  es  allenthalben  untersteht  zu  reimen,  und  darum  das 
zu  vermeiden,  sind  diese  Gesänge  nicht  allenthalb  mit  Reimen 
gesetzt'.  Die  übersetzten  lateinischen  Gesänge  giebt  er  selbst 
an:  das  Veni  sancte,  Regina  coeli,  Recordare,  Salve,  Magnificat 
und  einige  andere,  im  Ganzen  zwölf. 

Bei  solcher  Art  zu  übersetzen,  wo  man  nur  darauf  bedacht 
ist,  der  Melodie  und  dem  Sinuc  zu  Liebe  in  jedem  Verse  die 
Silbenzahl  des  Originals,  wenn  auch  ohne  Reim,  darzustellen, 


lasflen  sieh  keine  Lieder  hervorbringen,  die  neben  ihrem  Inhalte 
sach  sonst  noch  ansprechen  und  xu  derselben  Bedeutung  ge- 
langen könnten,  wie  die  alten  wohlklingenden  lateinischen 
Hymnen.  Und  doch  konnte  sich  der  Verf.  yon  seinen  stümper- 
haften Übersetzungen  noch  große  Erwartungen  machen;  gleich 
zu  Anfange  seiner  Vorrede  empfiehlt  ex  sie  also  >*) :  'Nuts  wire 
es  und  dienet  fast  (sehr)  zu  Gottes  Lobe,  da«  die  reichen 
Leute,  die  da  Almosen  geben,  die  Schüler  danm  hielten,  dass 
sie  söliche  Hynmos  uad  Gbaange  tint  ihren  Häusern  tibeten 
und  Bungen  in  einem  BCIchlin,  Brief  oder  auswendig,  auf  dass 
diese  nütz  Materie  auch  in  Gewohnheit  der  liaien  käme,  damit 
sie  also  von  Jungen  geübet  und  darnach  fiir  andere  schampere 
oder  weltliche  Lieder  gesungen  würden.  —  Item  ob  man  diese 
Materie  nit  wollte  lassen  öffentlich  singen  auf  der  Gassen  oder 
sunst,  so  magst  du  dock  dein  Gesinde  das  da  heimen  lehren 
und  sonderlich  die  Elosterfirauen  und  ander  geistlich  Schwe- 
stern'. —  Aufter  den  Übersetzungen  aus  dem  Latein  enthält 
die  Sammlung  noch  vierzehen  vom  Herausgeber,  wie  es  scheint, 
neu  verfertigte  Lieder.  Riederer  theilt  eins  davon,  ein  acht 
Strophen  langes  volbtändi^  mit: 

f  Nr.  130. 
Der  vierd  hymnus  ze   singen  als  der  hymnus  zu  weihenacht, 
nemlich : 

A  solis  ortus  cardine. 

1.  Das  pater  noster  also  merk: 

0  got  yater,  son,  heiiger  geist, 
ein  yater  Schöpfung  halb  aller^ 
doch  unser  kristen  durch  gut  mer, 

2.  Die  er  hat  durch  den  tauf  wider 
geboren  zugewünst  kinder. 

er  ist  weslich  allenthalben, 
sein  groß  werk  in  liimeln  me  schein. 
3.   Verleih  uns  gnad,  daß  derselb  nam 
deiner  gnadreichen  Vaterschaft 
in  uns  haft  als  heiigen  kindcn: 
das  ist  die  erst  bet  der  siben. 


§.  9. 13)  Er  hat  aber  doch  selbst  g^eftihlt,  dass  sie  wol  wemg  sin^bar  sein 
möchten,  denn  in  seiner  Vonede  mnss  er  es  doch  endlich  salbst  gesieban: 
'Ob  sich  auch   diese  Materi  (als  vielleicht  nicht  allenthalb   recht  geniatti) 


264 

4.  Die  ander:  auf  daß  wir  entlich 

zu  der  kintschaft  dort  kommen  gleich, 
gib  gnad  herab,  des  beharren 
solch  reich  hie  vor  zu  verdienen, 

5.  Und  auf  daß  wir  also  harren, 
verleih  gnad  auf  erd  volbringen 
deinen  vorgendigen  willen, 

als  tunt  im  himel  die  heiigen. 

6.  Und  solches  hie  zu  volstrecken 
reich  teglich  narung  ze  leben, 
bereit  uns  gnad  zu  empfahen 
mit  Vergebung  der  misstaten, 

7.  Durch  die  wir  heten  verschult  pein, 
als  wir  vergeben  unsem  feind. 

ach  wie  schwer  wir  das  tunt  schetzen, 
so  doch  von  Christo  gehalten. 

8.  Die  sechst  bet:  wan  uns  sünd  anficht, 
laß  ims  dar  in  gehellen  nicht. 

erlös  uns  vom  übel  der  pein, 
auf  daß  wir  entlich  werden  dein.  Amen. 
Da  kann  man  leicht  in  Riederer's  Urtheil  einstimmen:  ^Sie 
sind  zum  Theil  ziemlich  lang,  und  darf  man  nichts  poetisches 
darinnen  suchen.  Ja,  es  fallt  einem  schwer,  nur  ein  einziges 
durchzulesen,  ohne  durch  die  rauhe  und  harte  Beschaffenheit 
verdrüßlich  gemacht  zu  werden."  Der  gute  Wille,  dem  deutschen 
Kirchengesange  aufzuhelfen,  ist  am  Ende  das  einzig  Lobenswerthe 
an  dieser  Arbeit.  Das  Buch  war  auch  bald  verschollen  und 
der  Literator  muss  es  nur  anfuhren  als  ein  günstiges  Zeichen 
der  Zeit.  Noch  in  demselben  Jahre  erschien  bei  demselben 
Drucker  mit  darin  übersetzten  lateinischen  Hymnen: 

Ein  vast  notdurffiige  malert ^  einem  yeden  menschen,  der  $ich 
gern  durch  ein  wäre  grüntlich  bycht.  flyssiglich  zu  dem  hochwirdigen 
iacrameni  deß  fronlychnams  vnsers  herren,  ze  ichicken  hegeret,  (64 
Blätter  4».) 

Ich  weiß  weiter  nichts  darüber  zu  sagen,  als  was  Riederer 
in  seiner  oben  erwähnten  Vorrede  sagt  —  er  besaß  auch  die- 
ses Buch:  —    „Ich   führe  es   darum  sonderlich  an,   weil  unter 


übel  schicket  se  sing^en,  so  ist  sie  doch  nütz  als  für  eiu  Pros  and  schlechte 
lesende  Materi  se  lesen'. 


266 

andern  auch  wieder  eine  Übersetzung  lateinischer  Kirchen- 
gesänge,    die  oben  schon  namhaft  gemacht  worden,  und  eine 
weitere  Erklärung  derselben,  darinnen  befindlich  ist^ 
9  Der  Curß  vom  sacramenl, 
ff  Vßlegung  des  Gloria  patri. 
C  Sant  BemartM  Rosenkranlz. 
(Basel  1497.)  42  unbes.  Blfttter  in  8«.  Meoseb.  Bibl.  sn  Berlin. 
Der  erste  Abschnitt  ist  eine  Übersetzung  der  bei  der  Messe 
gewöhnlichen  Psalme,  Hymnen  und  Gebete: 
BI.  4^.    Der  ymps.     Verhum  supemum, 

dAs  öbriit  wort  ist  gangen  vß, 
BL  13^    Der  ymps. 

aVe  heiUgs  kgmel  brat, 
BL  15*.    Der  ymps. 

aVe  aller  fröiden  vol. 
Bl.  17*.    hie  ist  in  der  warheit  gantz. 
Bl.  2P.    Der  ymps. 

mltt  sölicher  liebe  fhür. 
Bl.  23»>.    Der  ymps. 
iEsu  süßer  herre  myn. 
und  außerdem  noch  drei  Hymnen,   die  hier  vollständig  mitge- 
theilt  werden.    Wie  stümperhaft  die  Übersetzung  ist  und  gleich- 
zeitigen und  älteren  nachsteht,   davon  kann  sich  Jeder  durch 
Vergleichung  überzeugen.    Der  XJbersetzer  ist  wol  ziemlich  ge- 
wiss Ludwig  Moser,  Karthäuser  des  Convents  St.  Margarethen- 
thal  zu  mindern  Basel,    denn   dies    Büchlein  bildet  nur  einen 
Anhang   zu:  Der  guldin   Spiegel  des  Sunders  (Basel  1497),   der 
von  demselben  aus  lateinischen  Büchlein  etlicher  Brüder  seines 
Ordens    zusammengestellt  und   übersetzt   wurde.     S.   Panzer's 
Annalen  der  altem  deutschen  Literatur  I,  224. 

f  Nr  131. 
Der  ymps.     Bl.  ii^  -^  £2^. 

i.    AVe  lebende  hosHa^% 
die  warheit  und  das  leben, 
in  der  alle  opffer  da, 
vollendt  sind  hyn  gegeben, 


§.9.14)  Der   ganze    Hjraniu,   der  bei  Daniel  fehlt,   in    Comer  GB.  1625 
Nr. 205  mit  der  Bemerkung:  Hjmjma  siTe  canticam  de  ren.  EucharifltiA,  ple- 


! 
266  1 

I 

darck  diA  den  tatter  wirt  ge$eit, 

loh  9nd  ere  on  ende^  I 

dmrdi  dick  9iäi  die  ditUtenkeit, 

bewart  m  dem  eilende. 

2.  Aue  vai  der  mütikeitj 
ichryn  der  eüßen  gnaden^ 
in  dir  $ind  die  lueüikeit, 
h/mehiker  süßen  woben, 

da  ist  gantz  warlich  gotts  substantz, 
tmsers  seligmackers, 
sacrament  der  gnaden  ganU, 
bebe  spis  des  behalters. 

3.  Gloria  sy  dir  herre  g&t, 
der  vns  spisest  teglich^ 

mit  dym  Igb  cnd  heiligen  blut, 
milter  küng  mach  lebhch, 
mit  dem  vatter  tnd  dem  geist, 
richsnest  vnüberwintlicK 
mach  vns  lobeti  aller  meist, 
dich  nu  tnd  ewiglich^ 
Amen. 


iiBqae  ia  ecolesiu  parochialibiu  cantari  aolitam  post  elevationem,  praeaertim 
tempore  paachali,  com  est  mnltitado  commiiiucaiitimiii.  —  Unter  den  18  Stro- 
phen finden  sich  nur  die  1  u.  8.  anserm  deutschen  Liede  entsprechend: 

1.  Aye  yi^ens  hostia, 
▼eritas  et  vita, 
per  te  saerifida 
cuncta  svnt  finita, 
per  te  patri  i^loria 
dator  inaodita, 

per  te  nobis  mnnera 
dantor  infinita. 

2.  Ave  vas  clementiae, 
scrinium  dnlcoris, 

in  quo  sunt  deliciae 
coelici  saporisi 
reritas  substantlae 
tota  salvatoris, 
sacramentom  gratiaei 
pabnlom  amoris. 


267        ^ 

f  Nr,  132- 

Der  ymp$  Fange  limgua^^)^   $o  man  zur  vesper  zitt  iingi 

vom  heiligen  eacrament  glich  mit  icorten  vnd  mit  der 

melodig,  Bl.  ^k_26«. 

NVn  iing  zung  dee  hechwirdigen, 

gotie  fronlichnams  heymlikeit, 

vnd  sine  blute  köstlichen, 

der  weit  hezalung  boßheit, 

die  fntcht  des  iungfrowlichen  lihsj 

der  weit  küng  hat  üßgespreit 

Vns  gegeben  wu  geboren] 

von  der  vnber&rten  magf, 

in  der  weit  ist  vßerkoren, 

hat  das  gottUch  wort  gesagt, 

die  mitblgbung  syner  wonung, 

wunderlichen  schick  bedagt 

An  dem  tisch  des  testen  nachtmals, 

da  er  by  den  brudem  saß, 

die  gesetzt  er  begieng  des  grals, 

des  lambs  als  gebafteti  was, 

den  zwölff'  iüngern  mit  syn  henden, 

sich  sMs  gab  er  in  tu  mos. 

Das  wort  gotts  fleisch  das  warlich  brot, 

machet  da  fleisch  mit  dem  wort, 

vnd  vß  wyn  mrt  blkt  so  sdi&n  rot, 

ob  empfytuhmg  nit  behort, 

das  hiter  hertz  zu  vester  not, 

aUeyn  der  ghub  gn^  embort. 

Berumb  diß  heäig  sacrament, 

erend  ser  dem&tigliok, 

der  alten  ewys  enberend, 

halttend  diß  mnv  andechtUch, 

der  vest  gloub  sy  vns  bewerend, 

den  synen  er  gnad  verlieh. 

Dem  geberer  rnd  dem  gebornen, 

syg  lob  vnd  sueß  iuflikeity 

heil,  er,  tagend  vßerkomen, 


§.9.  15)  Vgl.  K  Nr.  183—186. 


268 

vnd  ge$egnung  Mckon  bereit, 
ir  heider  geist  nach  als  vamen, 
egg  Miit  glich  wirdikeU, 
Amen. 

f  Nr.  133. 

Der  gmps.     Veni  creator  ipiritus^*)  BL  26^  —  27^, 

Vom  heiligen  geist. 

KVm  ichöpffer  goU  heiliger  geist, 
gem&t  der  dynen  heynäfeleist, 
mit  gnad  vom  hymel  überlast^ 
die  brüst  so  du  geschaffen  hast. 
Du  der  eyn  tröster  bist  genant, 
die  gab  vom  höchsten  gott  gesant^ 
der  lebend  brunn  liebe  das  fhür, 
die  geistlich  salbung  ser  gehür. 
Du  bist  die  sibenformig  gnad, 
der  rechten  hand  gotz  fynger  trad, 
des  vatters  glüpt  ton  hymelrich, 
die  Helen  machest  reden  rieh. 
Zünd  vns  das  liecht  der  sgnnen  an, 
ingüß  liebe  den  hert&en  wan^ 
vnsers  libs  sweren  bloidikeit, 
mit  lügenden  sterck  zu  ewikeit. 
Den  fyndt  vertrib  von  vns  ferr, 
vnd  gib  vns  dynen  fryden  herr, 
das  wir  durch  Vorbereitung  din, 
alle  Schadens  mögend  einig  syn. 
Durch  dich  gib  vns  dem  vatter  kunt, 
den  sun  bekennen  alle  stund, 
vnd  dich  ir  beider  waren  geist, 
dz  wir  dir  gloubend  allermeyst. 
Lob  sy  dem  vatter  mit  dem  sun, 
dem  heiligen  tröster  im  cammun, 
dz  vns  der  sun  gotz  schick  die  gab, 
des  keiligen  geists  von  hymel  ab, 
Amen. 


.9.  t6)  Vgl.  H  Nr.  208. 


269 

Um  diese  Zeit  nahm  man  in  die  verdeutschten  Andachts- 
mid  Erbauungsbücher   bereits   vorhandene  Reimübersetzungen 
auf,  oder  versnehte  neue  dem  Original   entsprechende.    Dies 
geschah  besonders   bei  dem  deutschen  Hortulus  animae: 
Ortulu$  Amme 
Djftet  büchUn  ein  wurtz  gart  iit 

Der  iel,  die  sich  dar  in  erfriet 
In  einem  echowenden  leben 

Dar  durch  ir  äwigs  würt  gebe 
Am  Ende  (BL  264): 
Getruckt  rfi  eeUcUch  tolendt  durch  Hans  grüningem  vff  tneer  Ueb^ 
frawen  abeni  <f  verhündxxg  in  de  iar  ale  ma  zalt  fiinffzehenhundert 
vü  ein  iar.    Straßburg  8».  (12  BL  Verst.,  264  bez.  Bl) 

In  dieser  bisher  noch  völlig  unbekannten  üebersetzungi?) 
des  lateinischen  Hortulus  Animae ,  der  erst  1500  erschien  i*), 
stehen  mehrere  Übersetzungen  alter  Hymnen,  z.  B. : 

f  Nr,  134. 

Bl.  10.  Quem  terra,  pontus,  aethera  cet 
Den  erde,  mer  und  himmel  all 
eren,  anbeten,  verkünden, 
der  die  dri  beu  regiert  mit  schall, 
ließ  sich  in  der  arch  finden.  U.  s.  w. 

f  Nr.  135. 
Bl.  33.  Ave  maris  Stella  cet**) 

Gegrüßt  syst  mores  stem, 
gottes  muter  mit  hört, 
auch  alweg  Jungfrau  gern, 
selige  himmelport.  U.  s.  w. 

f  Nr.  136. 
Bl.  45.  Stabat  mater  dolorosa  *^). 

Fac  me  plagis  vulnerari  cet. 

§.9.  17)  PaiiKer  (Annalen  der  lÜtern  dentschen  Litt.)  kennt  nnr:  ßtrassb. 
bei  Griininger  1508.  I.  Bd.  S.  452.  —  Strassb.  bei  Knoblonch  1507.  8.  277. 
—  Strawb.  1508.  8.  289.—  8tnuwb.  1509.  ZnsXtte  8.  111.  —  Strassb.  1518. 
I.  Bd.  8.  852.  —  NOmb.  1516.  8.  887.  —  Paris  1518.  8.  412.  —  Nürnb. 
1518.  S.  412.  -   Basel  1528.  H.  Bd.  8.  187. 

18)  8.  darilber  Panier,  Annalen  I.  Bd.  8.  277.  278. 

19)  Daniel  Thes.  I,  204. 

20)  Leider  ist  in   diesem   Exemplare   ans   der  Bibliotbek  des  Herrn 

19 


270 

Mach  mich  mit  streichen  verwundt^ 
in  dem  kreuz  selig  von  stund 
von  deines  suns  lieb  und  pflicht. 
daß  ich  nit  von  flammen  werd  brent, 
o  jungfraU;  deinen  schirm  färwend 
an  dem  tag  des  jüngsten  gericht. 

f  Nr.  137. 

Bl.  263.  Christe  qui  lux  es  et  dies  cet. 

Christe,  der  bist  das  liecht  und  tag, 
der  nacht  vinsterin  endecken  mag, 
des  Hechts  liecht  wirst  glöblich  geacht, 
verkundst  das  selig  liecht  mit  macht. 
Im  Jahre  1507  erschien  eine  andere  Übersetzung  des  Hor- 
tuluS;  als  deren  Verfasser  sich  erst  bei  der  2.  Auflage  von  1508,  '*) 
Sebastian  Brandt  auf  dem  Titel  nannte. 

Li  welchem  Verhältnisse  diese  Ubersetzimg  Brandt's  **)  zu 
der  Nürnberger  von  1503  (Riederer,  Nachrichten  11.  Bd.  159— 
168)  steht,  kann  ich  nicht  ermitteln ;  nur  so  viel  weiß  ich,  dass 
die  XJbersetzungen   einiger  Hymnen  des  Nürnberger  Druckes 
mit  denen  in   einem  mangelhaften  Exemplar   eines  muthmaßli- 
chen  Hortulus  Animae   auf  der  Breslauer  Bibliothek  überein- 
stimmen, so  wie  auch  mit  denen  in  dem  niederdeutschen  *«). 
Hortu  I  lus  anime  zu  \  Teutsch  mit  \  auszlegung  \ 
der  heiligen  \  Mesz.  \  In  der  lobli-  \  chen  stat 
Basel.  \  Am  Ende :  Gedruckt  z&  Basel  durch 
Thomam  \  Wolff  im  iar  nach  der  gehurt 
chrisH  I  M  .  ccccc  .  xx  .  au  ff  den  .  xxviij  .  |  tag 
des  Uomungs:  selig  \  klichen  vollendet. 


von  Meusebach  gerade  Bl.  46,  worauf  der  Anfang  steht,  ansgeriBsen.  Übri- 
gens mag  ein  Vers  daraus  geniigen  zu  zeigen,  wie  ganz  anders  und  viel 
schlechter  diese  Übersetzung  ist  als  die  nachher  mitgetheilte. 

§•9.  21)  Siehe  Weislinger,  Armamentarium  catholicum  p.  768.  764. 

28)  In  den  Nachrichten  über  ihn  und  seine  Schriften  in  Adam  Wal- 
ther Strobers  Beitrügen  zur  deutscheu  Litteratnr  (Paris  1827.  8^.)  S.  1—35 
sucht  man  vergebens  danach;  8.  25  wird  nur  der  Titel  dieser  Übersetsnng 
aus  Panzer  angeführt 

2S)  Ortului  anime  to  dude  li  Gkeprmtet  tho  Lyptieh  1618.  8^.  Schel- 
ler, Bücherkunde  der  Sassisch-  Niederd.  Sprache  S.  141  kennt  nur  die  Aus- 
gabe vom  J.  1616. 


In  der  Bibliothek  des  protestantiBchen  Seminars  zu  Straß- 
burg. Enthält  nach  Wckn.  KL*  S.  722  Nr.  XX.  die  von  Bie- 
derer aus  dem  Salus  animc  von  1503  mitgetheilten  Lieder 
(Wckn.  Nr.  12L  158.  159.),  femer  die  Lieder  Wckn.  Nr.  786— 
789.  Dadurch  bestätigt  sich  abermals,  dass  Riederer's  Salus 
anime  nur  der  Hortulus  anime  ist;  vgl.  die  Bemerkung  zu 
f  Nr.  199. 

Hymnarius:  durch  \  dm  ganntz  Jar  ver  \  teutscht, 

nach  ge^  |  wbdlicker  weyß  \  vnnd  Art  zw  \ 

synngen,  io  \  yedlicher  |  llymmis,  \  Gemacht  ist,  \ 

.  Got  zu  loh,  eer,  \  vnd  preyß,     Vnnd  j 

vT\8  Crista  zu  trost.  \ 

Der  Titel  in  einer  arabeskenartigen  Einfassung.  (Voran 
sechs  Blätter:  Register.  Das  Register,  des  Hymnuspüehls  zaigt  erst-' 
lieh  an  dye  Zeyt,  vnnd  tag,  deß  Jars  u.  s.  w.)  Dann  folgen  268 
gezählte  Seiten  mit  den  deutschen  Übersetzungen  in  Versen. 
Über  jeder  die  Anfangsworte  des  lat.  Hymnus  und  vier  Linien 
zu  Noten,  die  nachher  eingeschrieben  werden  sollten,  was  in 
diesem  Exemplare  aber  nicht  geschehen  ist.  S.  267  steht  Druck- 
ort und  Jahreszahl: 

Gedruckht  zw  Sygmundslust ,  durch  \  Josephn 
Piemsyeder:  in  Verlegung  \  des  Edln,  vnnd 
Vestn,  Görgen  \  Stökhls  An  Sannd  Andreas  \ 
abent  nach  d'  geburt  Christi  \  vnsers  Sälyg^ 
machers.  I  ym:  d524  Jar,  \  sahjgkhlichen,  \ 
volendt.  \  ") 
Nach  einem   weißen   Blatte  in    einer  Arabeskenverzierung 
wieder  ein  Titel: 

NachuolgetU  etlich  \  schöne  gepet  |  vnnd  \  Lobgsanng  \ 
zw  Got  vnd  Maria 
deutsch  und  lateinisch. 

Dieser  Anhang  enthält  26  Blätter.  Auf  der  Vorderseite 
des  22.  steht: 

%  Jmpssum  Äpricis  Sigismundi  .  Anno  jc  24. 
In  diesem  Anhange  Bl.  9'^. 


%,  9.  24)  Das  Schlosci  SigmoncUlust  besteht  noch :  es  liegt  im  Kreise  Unter- 
innthal im  Bezirk  Schwaz,  s.  Staffler's  Tirol  und  Vorarlbei^  (Innsbr.  1842) 
1.  Bd.  Heft  2.  S.  669. 

19* 


272 

f  Nr,  138, 
Ain  lobgsanng  zun  Ostern, 
i.    Christus  ist  erstanden 
Von  des  todes  fanden 
Ein  enndt  hat  nun  sein  leiden, 
Des  sol  wir  leben  in  freyden.    Allehäa. 

2.  Wer  er  nit  erstanden, 

So  wer  mer  pliben  in  fanden: 
Des  Te&fls  vnd  des  ewigen  todt, 
Nit  kumen  auß  der  selben  not.    AUe. 

3.  Wir  sollen  alle  frölich  sein, 
Das  er  nUt  leyden  vnd  mit  peyn : 
Mit  tod  und  seiner  matter  groß, 

Hai  gmadii  vns  aUer  s&nden  loß.    Alle. 

4.  So  wier  mit  im  erstanden  sind, 
Vnd  worden  seines  vaters  khind: 
WöU  wir  seiner  vrstendt  gniessen, 

Seins  diensts  sol  vüs  nit  verdriessü.    Alle. 

5.  Last  vfks  die  sind  vermeiden^ 
So  m&eg  wier  leben  mit  freyden: 
Der  sich  wider  der  sändt  verpflicht, 
Dem  ist  sein  vrstent  gar  ßr  nicht.    Alle. 

6.  Seid  er  frölich  erstanden  ist, 
Soll  in  ain  yeder  frommer  Christ: 
Mit  barmhertzikhayt  salben. 

In  den  armen  allenthalben.    AUeluia. 

7.  Dan  er  selber  gesprochen  hat, 
Ein  gede  barmhertzige  that! 

So  yer  mein  wenigistn  leget  an, 

Dl  habt  ir  mir  selber  gethan.    Allebna. 

8.  Wier  sagen  dir  lob  herr  Jesu  Christ, 
Der  da  vom  tod  erstanden  pist: 

Vnd  onns  mit  deiner  marter  erlöst, 
Vnnd  mit  deiner  vrstend  hast  getrost.    Alleluia. 
Wie   groß   der   Abstand   ist   zwischen   Luther  und  seinen 
dichtenden  Widersachern,  lernen  wir  immer  mehr  kennen,  seit 
uns  ihre  Schriften  zugänglicher  werden.    Nur  in  dieser  Bezie- 
hung hat  dieser  Hymnarius  *^)  einige  Bedeutung.    In  dem  vor- 


§.  9.  25)  Ph.  Wackemagel  hat  ihn  nicht  gekannt.    Ich  habe  seiner  bereits 


273 

stehenden  Liede  hat  der  Verfasser  eine  selbständige  Bearbei- 
tung  des  bekannten  Christ  ist  erstanden  geliefert^  die  noch 
leidlich  ist,  nur  darf  man  sie  mit  der  Lutherschen  (bei  Ph.  Wckn. 
Nr.  197)  von  demselben  Jahre  nicht  vergleichen.  Gehen  wir 
nun  aber  zu  seinen  Übersetzungen  über,  so  hört  eigentlich  jede 
Vergleichung  auf,  und  doch  sind  die  beiden  Lutherschen  schon 
in  demselben  Jahre  erschienen  (bei  Ph.  Wckn.  Nr.  198  u.  201)! 

f  Nr.  139. 
Veni  Creator  Spiritus,  S.  86  —  88. 
f.    Khum  schöpffer,  0  keyliger  Geyst; 

Dye  gm&et  deiner,  haymsuechen  seyst, 

ErftUl,  mit  hohen  gnaden  fast: 

dye  hertz,  dye  dw  heschafjen  hast, 
2>   Der  du  ein  trbster  gnennet  pist: 

Ein  gab  des^  der,  der  höchste  ist, 

Ain  gbtUch  feur,  lieb,  leben,  prunn: 

Ein  wäre,  geystliche,  Salbung. 

3.  Dw  sibenfomäg  gnad  genand: 

Finger  der  grechten  gottes  handt, 
durchs  Vaters  terhayß,  machst  warleich: 
der  glaubing  khelen,  reden  reich. 

4.  Entzundt  das  liecht,  der  synnen  schier: 

Ge&ß  dye  lieb,  in  der  hertzen  gier. 
Dye  swacheit  tmsers  leibs,  berait: 
Sterckh,  durch  dein  krafft,  in  ewigkail, 

5.  Den  veindt  verre,  von  vns  abwendt: 

den  waren  frid,  vns  gib  behendt 
So  dw  vns  vor  beraitten  pist: 
das  wir  meiden,  was  schhdlich  ist, 

6.  Durch  dich  wissen^  den  vater  schier: 

das  auch  den  sun,  erkhennen  wier, 
Vnd  dichy  den  geisl  der  baider  zwar: 
Stkt,  altzeit,  glauben  on  gefar, 

gedacht  in  meiner  Qeschichte  des  deutschen  Kirchenliedes  Anm.  184.  Ich 
kannte  ihn  übrigens  nur  aus  einer  Schrift  des  Peter  Busch:  Theologische 
Betrachtung  der  Evangelischen  Wahrheit,  von  der  Communion  unter  beider- 
lej  Gestalt,  in  einigen  vor  der  Reformat.  Lutheri  schon  bekandten  Liedern 
(Hannover  1782.  8«.)  S.  88—85.  Außer  dem  von  mir  benutzten  Exemplare 
der  Göttinger  Universitätsbibliothek   kenne   ich  kcins. 


274 

7.   Lob  $ey  dem  herren  vater  hhlar: 

detn  8on,  der  von  der  todten  schar 
Aufferstuend^  vnd  dir  trosler  reich' 
Von  weit  zw  weit,  vnd  ewigkUeich. 

f  Nr.  140. 
A  solin  Ortus  cardine.    S.  13—15. 
i.    VOm  auf  vnd  nid'gaüg  der  Suü: 

Biß  zw  dem  endt  der  Erdt,  mit  wun. 
Sing  wir  ßrstlich  cristum,  ain  hart: 
Der  von  Maria,  gepom  wardt. 

2.  Der  heylig  merer  diser  weit: 

In  schwiirem  Corper,  sich  selbs  helt. 
Das  er  dmenschhait  leiplichen  frosi: 
Vnd  nit  verdarb,  das  er  erlbst. 

3.  Der  mueter  leib,  plib  vnuerruckht: 

Vnd  die  ghtlich  gnad,  in  sich  truckt. 
Tregt  der  zartten  Junckfrawen  schoß: 
Haymligkait,  des  nit  westy  so  groß. 

4.  Alis  zartem  gschiimign,  leibes  hawß: 

Wirt  zhandt,  ain  templ  gottes  auß. 
Die  vnuerruckt,  kain  man  Erkhent: 
Emphieng  ain  Sun,  war  Got  genet. 

5.  Die  heylig  Mueter,  gporevi  hat: 

den  Gabriel  verkhunJen  that. 
Vnd  noch,  in  ierem  leibe  trueg: 
^  das  Johannes,   empfant  der  klueg. 

6.  Im  hey  zu  Ugen,  Er  do  lidt: 

das  kripplein  dar  zue^  nit  vermidt. 
Er  war  ernert,  mit  wenig  speyß: 
der  aUe  Thier,   ersatt  mit  vleyß. 

7.  Uymlisches  hbr,   erfreidt  sich  paldt: 

die  Engin  singen,  Got  mit  gwalt. 
Den  hertlern,  war  auch  offenwar: 
der  hertter,  pschaffer,  aller  zwar. 

8.  Dem  höchsten  Vätern  gloria: 

seinem  Sun,  sinng  wir  groß  lob  da. 
Darlzue  des  Trhsters  m^chtigkait: 
sey  eer,  vnnd  danckh  in,  ewigkait. 


276 

Merkwürdig,  dass  sich  der  alte  Hymnussänger  so  wenig 
um  ältere  deutsche  Nachbildungen  der  lateinischen  Hymnen, 
die  doch  damals  schon  vorhanden  waren,  gekümmert  hat,  und 
doch  scheinen  sie  ihm  nicht  fremd  gewesen  zu  sein;  er  hat  es 
aber  vorgezogen,  seinen  eigenen  Weg  zu  wandeln.  Man  vgl. 
seine  Übersetzung  mit  der  älteren  bei  Biederer  (Nachrichten 
zur  Elirchen-,  Gelehrten-  und  Bücher-Geschichte  11.  Bd.  S.  160), 
aus  dem  Hortulus  animae  von  1503.'^) 

f   Nr.  141. 
Chrisle  gui  lux  es  et  dies.    S.  42—44. 
i.    Der  du  d^  liecht  pist,  vnd  der  tag 
Christe  die  cinster  nacht  veryag 
tcir  glawhen  dich,  des  Uechtes  schein: 
das  dw  dich  verkh&ndt  hast  zw  sein. 

2.  Wir  bitten  dich  heyüger  herr: 

Behiiet  vfis  all,  die  nacht  vinster. 
Sey  vnnser  rwe,  in  deiner  macht. 
Verleich  rü«»  ain  rwesdme  nacht: 

3.  Das  vns  der  schlaff  nit  über  fall: 

Noch  der  veindt,  haymliche  erkralL 
Vnd  vnser  fleisch,  dem  selbm  verhenng: 
Vns  mach  gegn  dir,  mit  schuld  so  enng, 

4.  Vnser  awgen,  der  schlaff  begreiff: 

das  hertz  wacht  zu  dir^  alltzeit  steyff, 
dein  g rechte,  bscUrm  all  diener  dein: 
So  dich  lieben,  auß  hertzen  schreyn. 

5.  Herr  vnnser  bschirmer  sey,  vnnd  pleyb: 

All  tvidersaclier,  von  vnns  treib. 
Laytt  vnns  diener,  vnnd  deine  khind: 
So  mit  deim  pluet  erhhavffet  sind, 

6.  Gedenckh  vnnser,  0  herre  got: 

In  schwerem  cbiyper,  vnnd  in  not. 
Der  du,  der  seien  helffer  pyst: 
Stee  vnns  alln  bey,  0  Jesu  Christ. 

7.  Groß  glori  sey  dem  vater  nun: 

Dartzue  seitn  aingebornen  sun. 
Mit  sambt  des  trosters  mtxcktigkait: 
Yetz  vnnd  ewig  mit  frblickait. 

§.  9.  26)  S.  H  Nr.  155. 


276 

Zum  Schlüsse   noch  eine  Probe,   woraus  man  sehen  kann, 
wie  die  kurzzeiligen  Hymnen  übersetzt  sind. 

f   Nr.  142. 
Aue  Catarina.    S.  152.  153. 
i.    Grhe$t  seyst  Catarina, 

Martrerin  kh&nigm: 

Ein  Junckhfraw  gott  wy erdig: 

Mitsamb ,  tnnd  gar  gnetig. 

2.  Kk&nigs  Co$H  tochter: 

Vnd  Christo,  gar  woU  nAr: 
Ware  sponß  des  Herren : 
Dye  zw  im  thet  kheren, 

3.  Dye  dich  hast  verhayssen 

Ein  sponß  gots  zw  werden: 
Mach  tns,  dem  herren  werd: 
Vnd  angn&mh,  hye  auff  erd. 

4.  Sy gerin  der  gierten: 

da  du  leydst,  dye  penen: 
Fleusset  von  dier,  mihch: 
Lygst  zw  Syna,  leipUch. 

5.  Erwirb,  vmb  den  herren: 

daß  wier,  den  anschawen: 
Dartzue,  mit  dier  eingeen 
dhyml,  zw  den  engten. 

6.  Dem  höchsten  vaitem  lob: 

Sun,  tmnd  heyling  Geyst,  drob 
In  den  hymeln,  sey  khundt: 
Ewig,  zw  aller  stundt.    Amen. 


Verzeichniss 
der  im  Hymnarius   (Sigmundslust  1524)  übersetzten  Hymnen. 

A  patre  unigenitus  Seite  27. 
A  solis  ortus  cardine  13. 
Ad  cenam  agni  73. 
Agnoscat  omne  seculum  9. 
Ales  diei  nuncius  238. 
Assunt  festa  iubilea  104 


277 

Audi  benigne  conditor  44. 

Aurea  luce   et  decore  roseo  102. 

Aurora  iam  spargit  polum  260. 

Ave  Catarina  152. 

Ave  maris  Stella  34. 

Ave  vite  vitis  174. 

Beata  nobis  gaudia  88. 

Cedat  trifititia  167. 

Celi  decus  sanctissime  245. 

Chorus  nove  lerusalem  75. 

Christe  qui  lux  es  et  dies  42. 

Christe  redemtor  omnium  11. 

Christe  Sanctorum  137. 

Clara  diei  gaudia  112. 

Ciarum  decus  ieiunii  46. 

Conditor  ahne  syderum  1. 

Conscendat  usque  sidera  125. 

Consors  patemi  luminis  237. 

Corde  natus  16. 

De  patre  verbum  prodiens  20. 

Dens  Creator  omnium  219. 

DeuB  tuorum  militum  191. 

Dies  absoluti  pretereunt  38. 

Ecce  iam  noctis  211. 

£n  miranda  prodigia  108. 

Etema  celi  gloria  255. 

Etema  Christi  munera  182.  188.»') 

Eteme  rerum  conditor  226. 

Etemi  patris  ordine  150. 

Ex  more  docti  mistico  40. 

Exorta  a  Bethsayda  155. 

Exultet  celimi  laudibus  180. 

Eya  carissimi  laudes  158. 

Eya  fraterculi  154. 

Eya  nos  socii  fide  159. 

Festum  nunc  celebre  82. 

Fit  porta  Christi  36. 

G-aude  civitas  Augusta  122. 


§.  9.  27)  beide  verschieden ,  nur  die  letzte  Strophe  in  beiden  gleich. 


278 

Gaude  virgo  gloriosa  Seite  161. 

Oaude  yisceribus  134. 

Gloria  laus  et  honor  55. 

Gratuletur  omni«  caro  28. 

Hie  est  verus  Christicola  196. 

Hostls  Herodes  impie  25. 

lam  lucis  orto  sydere  213. 

lesu  Cfariste  auetor  vite  118. 

lesu  Corona  virginum  199. 

lesu  tiostra  redemptio  84. 

lesu  quadragenarie  47. 

lesu  redemptor  omnium  198. 

lesu  redemptor  seculi  114.  221.  *•) 

lesu  salvator  seculi  142. 

In  Maria  vite  via  172. 

Lunense  coli  conditor  235. 

tiventor  rutili  62. 

Iste  confessor  domini  195. 

Lucis  Creator  optime  228. 

Lucis  huius  festa  110. 

Lux  ecce  surgit  aurea  249. 

Lux  maris  gaude  33. 

Magno  deus  potentie  251. 

Magno  pater  Augustine  132. 

Martine  confessor  dei  144. 

Martyr  Dei  qui  uni  193. 

Martyr  egregie  77. 

Martiris  Christi  colimus  127. 

Martiris  sanctum  celebrandum  265. 

Kocte  surgentes  210. 

Nox  atra  rerum  contegit  247. 

Nox  et  tenebre  et  nubila  244. 

Nunc  sancte  nobis  Spiritus  215. 

O  Christi  mater  fulgida  107. 

O  dei  sapientia  146. 

O  lux  beata  trinitas  207. 

O  nata  lux  de  lumine  120. 

§.9.  28)  Seite   114  4  Strophen,  Seite  221  5  Strophen,  uichts  Übereinstim- 
mendes. ' 


279     , 

O  Thoma  Christi  periustra  Seite  163. 
Onmes  fideles  plaudite  148. 
Omnes  supemi  ordines  140. 
Ortu  Phebi  iam  proximo  184. 
Pangat  turba  clericoruin  116. 
Fange  lingua  gloriosi  corpo.  90. 
Fange  lingua  gloriosi 

prelium  certaminis  (11  Str.)  57. 
Plasmator  hominis  257. 
Flaudat  letitia  lux  hodiema  178. 
Primo  dierum  omnium  223. 
Quem  terra  ponthus  129. 
Quod  chorus  vatum  31. 
Kector  potens  verax  deus  216. 
Rerum  creator  optime  242. 
Rerum  deus  tenax  217. 
Rex  Christo  faetor  omnium  53. 
Rex  gloriose  martyr  190. 
Rex  sanctorum  angelorum  66. 
Sacris  solennibus  93. 
Salutis  reddunt  gaudia  169. 
Salve  crux  sancta,   salve  mimdi  gloria  79. 
Salve  festa  dies  69. 
Salvete  flores  Martyrum  165. 
Sancte  Dei  pretiose  18. 
Sanctorum  meritis  186. 
Sepe  fidem  quatiens  176. 
Somno  refectis  artubus  230. 
Solennis   dies  advenit  23. 
Splendor  pateme  glorie  232. 
Summe  deus  elementie  258. 
Summi  largitor  premii  49. 
Te  lueis  ante  terminum  208. 
Telluris  ingens  conditor  240. 
Tibi  Christo  splendor  patris  139. 
Tu  trinitatis  unitas  253. 
Urbs  beata  Hyerusalem  204. 
Ut  queant  laxis  resonare  98. 
Vana  iudicasti  gaudia  202. 
Veni  creator  spiritus  86. 


280 

Vcni  redemptor  gentium  Seite  3. 

Verbum  supernum  prodiens  5.  96.  *•) 

Vexilla  regis  51. 

Virgini»  proles  opifexque  201. 

Vita  sanctorum  71. 

Vita  sanctorum   via  spes  262. 

Votiva  cunctis  orbita  117. 

Vox  clara  ecce  7. 

f  Nr.  143. 
A  solis  ortus  cardine^^). 

1.  Von  anegeng  der  sunne  klar 
bis  an  ein  ende  der  werlde  gar 
wir  loben  den  fürsten  Jesum  Crist, 
der  von  der  meit  geboren  ist. 

2.  Ein  merer  aller  werlde  breit 

der  legt  an  sich  des  knechtes  kleit. 
er  nam  an  sich  menschleiche  wat, 
daß  icht  verdurb  sein  hantgetat. 

3.  Ein  Bloßy  der  keusche  herzen  schrein, 
dar  kam  des  heiligen  geistes  schein, 
daß  sie  empfieng  ein  kindelein, 

das  trfig  verholn  die  maget  rein. 

4.  Ein  haus  der  schäm  irs  leibes  fein, 
das  must  ein  tempel  gotes  sein, 
das  nie  umbrüert  keins  mannes  art, 
von  einem  wort  sie  swanger  wart. 

5.  Dar  nach  gebar  sie  in  vil  schir, 
sant  Gabriel  das  kündet  ir, 
imd  Johannes  das  kindelein 
erkant  in  in  der  muter  sein. 

6.  Do  auf  ein  heu  wart  er  geleit 
in  ein  kripp  die  was  nicht  breit: 
das  scheuet  nicht  das  kindelein. 

mit  kleiner  milch  speist  in  die  mäter  sein. 


§.  9.  29)  Seite  5  5  Strophen  ganz  anders  als  Seite  96  mit  6  Strophen. 

§.9.  30)  Von  Coelius  Sedalius.  Daniel  Thes.  I,  143.  Brev.  Roman.  3,  1. 
Coitae  parenHs  vUcera  für  Clausa  parentis  viscera;  5,  3.  4.  quem  venire  ma- 
trii  geetiens  BapHeta  clatuum  senserat. 


281 

7.  Sich  freunt  die  kor  von  himelreicli 
und  singent  die  engel  all  geleich, 
den  hirten  es  gekündet  wart, 

der  hirten  schepfer  von  hoher  art. 

8.  Dem  höchsten  got  sei  lop  geseit, 
dem  kind  und  auch  der  meit 
und  des  heiligen  geistes  nar 
von  werlt  zu  werlt  an  ende  gar. 

Vom  MSnch  von  Salsbnrg.  Münchener  Hs.  Cod.  germ.  716.  BI.  127*^ — 
131>,  gedr.  Altd.  BlStter  2,  340.  Wiener  Hb.  2856,  gedr.  Kehrein,  Kirchen - 
und  relig.  Lieder  ff.  S.  185.    Steht  aach  in  den  Wiener  Hss.  4494  und  2975. 

—  In  der  Wiener  2856  fehlt  Str.  6.  —  Die  MGnchener  Hb.  hat  5,  4.  erhmU 
an  in  '-'  Die  Wiener  Hs.  4494.  Bl.  62,  woTon  ich  eine  Abschrift  dem  Dr. 
AngOBtin  Theiner  sn  Born  yerdanke,  gew&brt  einige  besBere  Lesarten  ala  die 
fibrigen  Hbb.,  die  ich  denn  aach  anfgenommen  habe:  1,  8.  försten  fOr  9üeßen 

—  2,  1.  merer  für  füwer  —  4,  1.  ein  haus  der  eeham  für  ereeham. 

f  Nr.  144. 
A  Boliß  ortuB  cardine. 

1.  Verr  von  der  sunne  ufegang 

nnz  zA  der  erden  umbevang 
Christum  den  fdrsten  dankent  ser, 
den  gboren  hat  Maria  her. 

2.  Der  Schöpfer  diser  weite  breit 
knechtlichen  lip  hat  an  sich  gleit, 
daß  er  mit  lib  den  lip  erret 

und  nüt  verlür  das  er  gschaffen  het 

3.  Der  mfiter  ader  beslossen  sint, 

die  himelsch  gnad  doch  inhin  tringt 
der  lip  der  megde  treit  da  har 
heimlichen  schaz  verborgen  gar. 

4.  Das  hus  des  kuschen  herzen  rein 
ein  tempel  wirt  schier  gots  allein; 
gar  unberürt  weiß  sie  kein  man: 
mit  einem  wort  ein  kint  sie  nan. 

5.  Geboren  hat  die  schöne  meit 
den  Gabriel  hat  vor  geseit 
den  mAter  lip  treit  als  ein  kint 
bsloBsen,  Johannes  wol  empfint. 


282 

6.  In  höwe  lit  das  kintlm  hüt, 

ein  kripfiin  klein  versmaht  es  nüt. 
mit  wening  milch  es  gspiset  ist, 
durch  das  der  mfiter  nüt  ge  brist. 

7.  Sich  fröwet  alles  himelsch  her, 
die  engel  singent  got  nun  er, 
den  hirten  wirt  hüt  offenbar 

ein  hirt  und  Schöpfer  aller  zwar. 

8.  Dem  obem  vater  si  nun  er, 

dem  sun  si  gseit  ouch  lop  vil  mer, 
dar  zu  dem  heiigen  geiste  rein 
nun  und  durch  alle  weit  gemein. 

Von  Heinrieli  Ton  Laofenberg.  StraObnrg.  Hb.  B.  121,  Wckn.  Nr.  760. 
Hj.  2,  3.  errat:  hat  — 

Lnther^s  Übenetznng  yom  Jahre  1524.  Wckn.  Nr.  201.,  eine  spätere: 
Lasst  uns  von  henen  singen  all,  in:  Form  vnd  ordnnng  Gajstlicher  Gesang 
Tnd  Psalmen,  Angsb.  1633,  bei  Wckn.  Nr.  661. 

f  Nr.  145. 
Ad  cenam  agni  providi^O- 

1.  Zu  essen  das  osterlemmelin 
suUen  wir  wiß  gekleidet  sin. 
nach  des  roten  meres  gang 
singen  wir  Christo  den  lobesang. 

2.  Sin  heiliger  lip  am  cruze  stunt 
dürr  imd  in  den  tot  verwunt. 

sin  fleisch,  sin  blut  ist  unser  trost: 
des  loben  wir  got  nach  herzenlost. 

3.  Der  engel  der  Egypten  slug 
der  hat  uns  geschonet  genug: 
wir  sin  Pharaon  entgangen, 
der  uns  hielt  vil  hart  geyangen. 

4.  Crist  ist  unser  oster  worden: 
wie  ein  lam  ließ  er  sich  morden. 

er  ist  uns  fleisch  und  ein  süßes  brot 
wider  ewigen  hunger  in  aller  not. 

5.  Wirdiger  hostien  nie  man  gesach 
wan  dise  die  die  helle  zubrach: 


§.9.  31)  Daniel  Thes.  hymnol.  T.  I.  p.  88  ohne  unsere  letzte  Strophe. 


283 

sie  hat  erlöst  der  werlden  gerangen  I 

und  ist  mder  zu  himel  gegangen. 

6.  Crist  ist  us  dem  grabe  erstanden, 
fii  worden  von  des  todes  banden. 

den  vient  in  der  hellen  hat  er  gebunden, 
das  paradis  ist  uns  wider  fanden. 

7.  Herre,  mach  uns  von  sunden  quit 
in  diser  österlichen  zit! 
beschirme  uns  armen  kristeniute 
und  laß  uns  freuen  mit  dir  hüte! 

8.  Lop  si  dir,  herre  Jesu  Crist, 

der  von  dem  tode  erstanden  bist! 
dem  yater,  dem'  heiligen  geiste  imd  dir 
danken  wir  nu  und  immermer. 

Pp.  Hs.  1460  fol.  Nr.  47.  Bl.  90   in   der  Bibl.  des  kathol.  GymnuAituns 
sn  Köln.  —  Hb.  2,  S.  iß  —  4,  1 .  im«  otter  —  7,  4.  fratten. 

f  Nr.  146. 
Agnoscat  omne  seculum^^). 

1.  Bekenn  nun  alle  weite  schon, 
daß  komen  ist  des  lebens  Ion. 
nach  scharpfes  vients  grimikeit 
ist  uns  erlösung  nun  bereit. 

2.  Isaias  het  vor  gedacht 

das  in  der  maget  ist  volbracht, 
und  was  der  engel  het  verkunt 
das  würkt  der  heilig  geist  zestunt. 
8.   Marien  lip  empfangt  vil  zart 
ein  wort  von  hohes  samen  art 
den  alle  weit  nit  tragen  mocht, 
den  het  der  megde  Üp  gebrocht. 

4.  Die  würz  von  Josse  het  geblügt 
und  uf  der  rAten  fruchte  trügt, 
gar  finchtbar  gbirt  die  maget  ein 
und  blibt  doch  magt  und  mfiter  rein. 

5.  In  einer  kripfen  lit  er  hie 

der  tag  und  nacht  het  gschaffen  ie. 


§.9.  82)  Daniel  Thes.  I,   159.  Für   die   Schlnssstrophe  im  Dentachen  fehlt 
die  entsprechende  lateiniflchp.     Vf.  Venantlaa  Fortnnatnii. 


284 

mit  yaterB  kraft  er  dhimel  macht, 
den  dmfiter  hie  in  tfich  verdacht. 

6.  Von  dem  die  weit  gesatze  nint, 
des  auch  die  zehen  gebot  sint, 
ein  demüetiger  mensch  der  wart 
imter  gesatzes  banden  hart. 

7.  Adam  der  alt  was  der  versert, 
Adam  der  nüw  das  widerkert; 
was  der  mit  hoffart  het  yemicht, 
das  het  diss  dem&t  ufgericht. 

8.  Nun  ist  gebom  liecht  und  auch  heil, 
vertriben  nacht  und  todes  teil: 
kument,  ir  beiden,  glaubent  gar, 
got  het  Maria  gboren  zwar! 

9.  Lop  si  dir,  lieber  herre  Crist, 
der  von  der  magt  geboren  bist, 
mit  vater  und  dem  geiste  rein 
nun  und  durch  alle  weit  gemein! 

Heinrich  von  Laafenberg,  8tra6b.  Hs.  Bl.  121  mit  der  Jahrssuhl  1418. 
Wckn.  Nr.  766. 

f   Nr.   147. 
Ave  maris  stella^^). 

1.  Got  grüße  dich,  lichter  meres  stem, 
alleine  wirdig  got  zu  gebem ! 
ewige  jimgfraue  tugentrich, 

selige  porta  des  himehich! 

2.  Der  engel  hat  dich  Ave  genant, 
den  namen  Eva  umbgewant. 
mit  gotlichem  fride  vor  uns  steh, 
daß  uns  kein  übel  anegeh! 

3.  Die  bände  der  sunden  frau  entbint! 
erluchte  uns  annen,  wir  sin  blint! 
von  allem  arge  mache  uns  fril 
alleine  gutes  mit  uns  si! 

4.  Erzeige  daß  du  unser  muter  bist 
imd  bitte  den  herren  Jesum  Crist, 
der  von  dir  geboren  ist, 

daß  er  uns   verlihe  gnaden  frist! 

§.  9.  38)  Daniel  Thes.  hymnol.  T.  I.  p.  204. 


285  _ 

ö.   Einige  Jungfrau  der  niemant  glich, 
über  alle  sanftmütig,  tugentrich, 
mache  uns  sanftmutig,  kusch  und  rein, 
lose  uns  von  sunden  alle  gemein! 

6.  Maria,  verlihe  uns  luter  leben! 
sichern  weg  bereite  uns  eben! 

so  daß  wir  Jesum  mit  dir  scbauwen 
und  uns  ewig  mit  dir  frauwen. 

7.  Lop  si  dem  yater  und  dem  sone 
Christo  hohe  zicrde  schone, 
dem  heiligen  geiste  dank  und  ere 
vor  und  nu  und  immermere! 

PpHs.  1460  fol.  Nr.  47.  Bl.  66^'  and  90>»  in  der  Bibl.  des  kathol. 
Gymnasioms  su  Köln. 

Hs.  A.  3,  2.  alle  (armen)  —  5,  2.  hoben  allen  eachimudige  —  5,  3. 
tachimutig  —  6,  3.  Christum  (mit  dir)  —  6,  4.  uch  (dir)  —  7,  2.  Jesu 
Christo  Zierde  schone, 

Hs.  B.  5,  2.   hohen  allen  sachmudig. 

f  Nr.  148. 
Ave  praeclara  maris  Stella. 

Ich  grüeß  dich  gerne,  mores  steme, 

luceme 
aller  kristenheite,  zu  got  uns  beleite.  ff. 

Vom  Mönch  von  Salzburg.  Ans  der  Wiener  Hs.  2866  in  Kehrein,  Kir- 
chen- and  rel.  Lieder  8.  160  (nebst  lat  Texte). 

Im  Serapenm  XI,  107.  ist  eine  Kloster  -  Nenbnrger  Hs.  yerzeichnet: 
y^Hymnns:  Landa  Sjon  nnd  Ave  praeclara.  Deutsch.  1418.  Cod.  533  *<, 
enthSlt  wol  dieselbe  Übersetzung. 

f   Nr.  149. 
Ave  praeclara  maris  stella^^). 

Ave  durchleuchte 
stem  des  mores,   on  feuchte 
entpfangen,  ufgangen 
den  beiden  zu  freuden.  ff. 

1.  Fl.  Bl.  in  folio  Aue  preclara  getutet  durch  Sebastianum  Brant.  Am 
Ende:  Gedruckt  zu  Tübingen,  Mit  Choralnoten  wie  auch  im  Kölner  GB. 
1619.  Bl.  16ll>  (Mensebachsche   Bibl.  Mittheilnng  Lud^¥.  Erk*s). 


§.9.  34)  Von  Herniannus  Contrnotos,  s.  Daniel  Thes.  2,  82. 

20 


_286_ 

2.  In  Vehe's  OB.  1537.  Nr.  47  (bei  Wckn.  Nr.  181).  Nach  obigem 
alten  Drucke  habe  ich  den  Vehe'schen  Text  in  meiner  Ausgabe  des  Vehe 
berichtigt  und  dazu  Seite  129  einige  der  wichtigeren  Lesarten  mitgetheilt. 
Die  Bearbeitung  des  Sebastian  Brant  ist  ein  Machwerk,  das  sich  ilngstlich 
an  das  Lateinische  hSIt  und  nicht  allein  für  eine  schlechte  Übersetsung,  son- 
dern auch  für  ein  schlechtes  Gedicht  betrachtet  werden  muss;  sie  ist  wenig- 
stens nicht  geeignet,  daraus  den  poetischen  Beruf  des  vielgepriesenen  Man- 
nes abzuleiten.  Brant*s  Deutschung  muss  übrigens  sehr  verbreitet  und  be- 
liebt, gesungen,  geschrieben  und  gedruckt  worden  sein,  sonst  würde  wol 
schwerlich  Yehe  sie  aufgenommen  haben *^).  Übrigens  ging  sie  weder  in 
Leisentrit  noch  Corner  über. 

f  Nr.  150. 
Ave  vivens   hostia^^). 

1.  Ave  lebendigs  oblat^ 
warheit  und  das  leben^ 
in  dir  allen  opfern  hat 
got  ein  end  gegeben, 
durch  dich  wirt  der  majestat 
lop  und  preis  gegeben, 

durch  dich  auch  die  kirchen  stat 
schön  bewart  und  eben. 

2.  Ave  vas  der  senftikeit, 
Schrein  durchsüßer  sinnen, 

§.9.  36)  So  meine  Bemerkung  zu  Vehe  S.  128. 
36)  Ave  yivens  hostia 

Teritas  et  vita, 
in  qua  sacrificia 
cuncta  sunt  finita, 
per  te  patri  gloria 
datur  iniinita, 
per  te  stat  ecclesia 
iugiter  unita. 
Ave  vas  clemencie, 
scrinium  dulcoris, 
in  quo  sunt  delicie 
eoelici  saporis, 
veritas  snbstancia 
tota  salvatoris, 
sacramentum  gracie, 
pabulum  amoris. 
Hs.  2,  3.  4.  in  qua  s.  d.  celicis  saporis. 


287 

dar  innen  wünn  und  luBtes  weid 

himels  smack  beginnen, 

wärlikeit  der  «enlikeit 

heilandes  außen  und  innen, 

sacrament  genaden  breit 

mit  götlicher  minnen. 
Münchener  Cod.  germ.  444.  Bl.  14*,  vom  Jahre  1422  zagleich  mit  dem 
lat  Texte.     (Mittfaeil.  Dr.  G.  Scherer's).  —  Hs.  1,  3.  oppher  ~  1,  5.  dich  tod 
anderer  Hand  —  2,  8.  mynne, 

f  Nr.  151. 
Ave  vivens  hostia. 

1.  Ich  grüß  dich,  lemtigs  hostia, 
du  warheit  und  das  leben! 

in  dir  sint  alle   opfer  verbracht 

und  all^  sund  vergeben. 

große  glori  wirt  dem  vater  durch  dicA 

auf  ertreich  hie  gegeben, 

und  die  salig  Christenheit 

ist  sicher  des  ewigen  leben. 

2.  Ich  grüß  dich,   vas  der  senftikeit, 
der  mildikeit  ein  schreine! 

in  dir  ist  alle  woUustikeit 

der  Atmelischen  freuden. 

ich  lob  dein  wäre  menschlicA^'t 

hie  mit  meinem  singen^ 

du  sacrament  der  barmA^zikeit, 

du  speis  der  gotlichen  minne! 

3.  Ich  grüß  dich,   lemtigs  himelbrot, 
du  wäre  ^eis  der  sele! 

ein  sicher  gevert  bis  uns  in  tod, 

so  wir  müßen  sterben! 

ein  wäre  erznat  du  uns  bist 

für  all  totleich  sunde, 

wer  im  Christen  gelauben  ist 

imd  darin  wirt .  erfitmien. 

4.  Ich  grüß  dich  aller  freuden  vol, 
der  saligen  em  leben, 

und  armen  sundem  ze  hilf  und  ze  trost 
h(wf  dich  selber  gegeben. 

20* 


288 

ein  große  freiheit  hat  der  man 
hie  auf  diser  erden, 
daß  er  dich  selber  nießen  kan 
sein  got  und  seinen  herren. 

5.  /eh  grüß  dich,  war  fronleichnam  zart, 
du  ro^envarbes  bluetel 

wen  mein  sei  muß  an  die  fart, 
schick  mir  dein  werde  mueter, 
als  du  um  gesprochen  hast, 
du  hast  genaden  Amden. 
iehüt  mich  vor  des  teufeis  has 
durch  dein  heäig  fünf  wunden! 

6.  Ich  schrei  zu  dir   in  großem  schal, 
Maria,  du  liebe  mueter! 

behüt  mich  vor  dem  jamer  al 

der  hellischen  gluete! 

ich  trau  dir  wol,  daß  du  last  mich  nicht 

zu  gewalt  den  helliscA^  hunden: 

du  bist  mein  höchste  zuversichf, 

nim  mein  sei  aus  meinem  munde! 

MOnchener  Cod.  lat.  6034  (Ebenb.  234.).  Bl.  83•~84^  XV.  Jahrh. 
(Mitth.  Dr.  G.  Scherer^s.)  —  Die  Hb.  ist  sehr  beschnitten,  die  fehlenden  Bach- 
Stäben  sind  hier  ergänzt  und  durch  Cursivschrift  angedeutet.  —  Hs.  4,  3. 
9und*  —  4,  6.  erde  —  6,  7.  von  (vor)  —    6,  6.  nit  (nicht), 

f  Nr.  152. 
Ave  vivens  hostia. 

In  späteren  OB.  18  Strophen:  Kölner  GB.  1619.  BI.  1341».  Corner  GB. 
1625.  Nr.  205.  lat.  und  deutsch;  im  Heidelb.  GB.  1629.  S.  226  nur  deutsch, 
mit  der  Überschrift:  „Ein  altes  Gesang  bej  der  H.  Me3  zu  singen.** 

Gegrüßt  seist  du,  heiligs  Opfer  rein, 
Du  Wahrheit  und  das  Leben! 
Durch  dich  ist  alln  Opfern  ingemein 
Ihr  billig  Endschaft  geben. 
Dui'ch  dich  dem  Vater  in  Ewigkeit 
Wird  Lob  und  Preis  verjehen, 
Durch  dich  wird  gemeine  Christenheit 
Bewahrt  und  wohl  versehen. 

Kyrie  eleison,  Christe  eleison, 

Gelobet  seist  du  ewiglich! 


289 

Spftter   sehr  ab^ekttnt:    das  NeiBer   GB.    1663.   Nr.  129.   hat  nur  yom 
alten  Texte  Strophe  1.  8.  4.  5.  7.  8.  13.  14. 

f  Nr.  153. 
Christe,   qui  lux  es  et  dies^''). 

1.  Christa,  du  bist  Hecht  und  der  tag, 
du  deckest  ab  die  vinstem  nacht, 
des  Hechtes  liecht  ie  in  dir  lag, 
der  Bälden  Hecht  hat  aus  dir  bracht. 

2.  Wir  biten   dich,  heiHger  herr, 
bewar  uns  heint  in  diser  nacht! 
gip  nie  in  dir  daß  uns   icht  ferr 
ein  ruesam  nacht  in  unser  acht! 

3.  Uns  won  kein  sweres  slafen  zue 
noch  daß  der  veint  uns  icht  bekor, 
das  fleisch  im  kein  yerhengen  tue, 
davon  wir  dir  sten  schuldig  vor. 

4.  Die  äugen  slafens  sein  begreif, 
das  herz  dir  wach  zu  aller  stunt, 
dein  zesem  ze  schernien  icht  entsleif 
die  dich  Hep  haben  in  herzen  grünt. 

5.  AnbHck  uns,  unsers  heiles  kempf, 
und  wider  wirp  der  sunder  gluet! 
hilf  uns  daß  er  die  icht  vertempf 
die  da  erlöset  hat  dein  pluet! 

6.  Gedachtig  bis,  o  herre  milt, 
an  uns  in  disem  sweren  leib! 
du  bist  aUein  der  sele  schilt: 

nu  won  uns  bei,  von  dir  nicht  treib! 

7.  Got  vater  immer  glori  sei 
imd  auch  seim  eingeboren  sun, 

dar  zue  dem  geist,  des  trost  ims  bei 
sei  ewigleichen  in  aUem  tun. 
Vom  Mönch   von    Salzburg.     Gedruckt  nach  der  Wiener  Hs.  2866.  Bl. 
228«*^.  und  Bl.  242«* >>  (hier  nur  die  4  ersten  Strophen)  in  Kehrein,  Kirchen- 


§.  9.  36)  Wol  nicht  älter  als  das  VII.  Jahrh.  Die  Texte  weichen  nur  wenig 
Ton  einander  »b:  Mone  Hymnen  I,  92.  Nr.  70.  Daniel  The».  1,  33.  Wckn. 
Nr.  21. 


_  290 

und  relig.  Lieder  ff.  S.  161  und  186  and  danach  hier.  Steht  auch  in  der 
Wiener  Hb.  2976.  und  dem  Münchener  Cod.  germ.  715.  Öl.  106«— 108*») 
Eine  andere  Übersetznng,  ebenfalU  ans  dem  XV.  Jahrh.,  in  Cod.  theol. 
80.  Nr.  19.  auf  der  öffentl.  Bibl.  su  Stuttgart.  (Mittheil.  Fr.  Pfeiffer'».)  Die 
erste  Strophe  mag  genügen: 

%  Nr.  153.  A. 

Christe,  der  du  bist  liecht  und  tag, 

der  nacht  finstrin  bedecken  mag, 

des  liechtes  liecht  geloben  wir  dich, 

das  selb  liecht  kündet  offenlich. 

f    Nr.  154. 
Christe,    qui  lux  es  et  dies. 

Christe,  der  bist  das  liecht  und  tag, 
der  nacht  vinsterin   endecken  mag, 
des  liechts  liecht  wirst  glöbüch  geacht, 
verkündet  das  selig  liecht  mit  macht,  ff. 

BI.  263.  im  uOrtulus  Anime  —  Getmckt  —  durch  Hans  grüningem'^ 
Strasburg  1501.  8».  (Meusebachsche  Bibl.) 

Eine  andere  Übersetasung  in  einer  andern  Ausgabe  des  Hortulus  Animae 
nNüremberg  durch  Hieronymum  Höltzel^  1603.  *•) 

f  Nr.  155. 
Christe,   qui  lux  es  et  dies. 

1.  Christ,  der  du  bist  das  liecht  und  tag, 
die  vinstemuß  der  nacht  verjag. 

wir  glauben  dich  des  liechtes  schein, 
das  du  dich  verkündet  hast  zu  sein. 

2.  Wir  bitten,  herre,  dein  heilige  gut, 
daß  sie  uns  dise  nacht  behüt. 

sei  uns  ru  in  deiner  macht, 
verleih  uns  ein  r&ige  nacht. 

§.  9.  87)  Im  Register  hei8t  es  von  diesem  Hymnus  also :  den  ympnum 
singt  und  list  man  ze  den  completen.  wer  den  mit  andacht  bei  der  nacht 
spricht,  den  mag  der  tiefel  nicht  angeweigen  noch  kein  swerer  träum  zuge- 
fallen.    Altd.  Blätter  2,  828. 

88)  Das  scheint  mir  nämlich  das  von  Riederer  unter  dem  Titel:  Sa- 
lus anime,  beschriebene  Erbauungsbuch  zu  sein,  auch  wenn  der  von  ihm 
aus  Bl.  1  seines  unvoUstfindigen  Ezemplares  gefolgerte  Titel  richtig  ist;  s. 
J.  B.  Biederers  Nachrichten  zur  Kirchen-,  Qel  ehrten  -  und  Bücher-Geschichte 
II.  Th.  S.  169  ff. 


201 

3.  Daß  nit  ein  schwerer  träum  zAfal, 
noch   lins  begreif  des  veindes  schal, 
daß  nit  das  fleisch  verwillig  im 

und  uns  schuldigen  schaff  dein  grim. 

4.  Unser  äugen  der  schlaf  begreif, 
das  herz  wach  zu  dir  allezeit  steif; 
dein  recht  hant  wöU  beschirmen,    herr, 
dein  diener,   die  dich  lieben  ser. 

5.  Herr,  unser  schirmer  sei  und  bleib, 
all  Widersacher  von  uns  treib; 
dein  diener,  herr,  regier  und  tröst, 
die  du  hast  mit  deim  blAt  erlöst. 

6.  Gedenk  an  ims,  o  got  und  herr, 
in  disem  leib,  der  uns  ist  schwer; 
du  der  der  seien  schirmer  bist, 

o  herr  uns  beiwon  Jesu  Christ. 

7.  Wir  schreien  zft  dir,  rAfen  an, 
nit  wollest  uns  in  nöten  lan. 

eil  bald  und  nit  zu  lang  verzeih, 
dein  hilf  die  wone  uns  armen  bei ! 

8.  Got  vater,  dir  sei  lop  und  er, 
Ohrist  eingebomer  son  und  herr,. 
und  dem  tröster  geist  damit 

nun  und  zu  ewiger  zit! 

Dieser  Text  erhielt  sich  sehr  lange  in  der  kathol.  Kirche.  Leisentrit 
OB.  1567.  1.  Th.  Bl.  346  hat  ihn  mit  wenigen  Abweichungen;  die  bedeatend- 
Sien  sind  etwa:  1,  4.  dich  hott  verkündt  —  2,  2.  unser  für  uns  —  8,  4.  und 
erweck  vrider  uns  dein  grim  —  6,  4.  o  steh  uns  hei,  herr  Jesu  Christ.  Str.  7 
fehlt  und  Str.  8  lautet  also: 

Got  dem  vater  im  höchsten  tron 

sei  lop  und  ehr  samt  seinem  son, 

desselben  gleich  dem  heiigen  geist 

von  nu  au  bis  in  ewigkeit. 
Spatere    OB.  haben   den   Leisentr.  Text,   z.  B.  die   Kölner   1610   und  1619 
Bl.  57.     Conier  GB.  1625.  Nr.  26. 

Eine  vemiederdeutschte  Übersetzung  hie  von  steht  Bl.  Ixx  im  Ortulus 
anime  to  dude.    Lypsick  1513.  8<*. 


292_ 

f  Nr.  156. 
Christe,  qui  lux  es  et  dies. 

1.  Christe,  der  du  bist  tag  und  licht, 
vor  dir  ist  verborgen  nicht. 

du  veterliches  lichtes  glänz, 

ler  uns  den  weg  der  warheit  ganz! 

2.  Wir  bitten  dein  götliche  kraft: 
uns  behüt,  herr,  m  diser  nacht, 
bewar  uns,  herr,  vor  allem  leit, 
got  vater  der  barmherzigkeit! 

3.  Vertreip  des  schweren  Schlafens  frist, 
daß  uns  nit  schad  des  feindes  list, 
das  fleisch  in  züchten  reine  sei, 

so  sein  wir  mancher  sorgen  frei, 
4«    So  unser  äugen  schlafen  schir, 
laß  unser  herze  wachen  dir, 
beschirm  uns  gotes  rechte  hant 
und  lös  uns  von  der  sünden  bant! 

5.  Beschirmer,  herr,  der  Christenheit! 
dein  hilfe  stark  sei  ims  bereit, 
hilf  ims,  herr  got,  aus  aller  not 
durch  dein  heilige  fiinf  wimden  rot! 

6.  Gedenk,  herre,  der  schweren  zeit, 
damit  der  leip  gefangen  leit! 

die  sele  die  du  hast  erlost, 

der  gip,  herr  Jesu,  deinen  trost! 

7.  Got  vater  sei  lop,  er  und  preis, 
darzfi  seinem  sune  weis, 

des  heiigen  geistes  gütigkeit 
von  nun  an  bis  in  ewigkeit! 
Aus   dem    Enchiridion   von   1527,    bei  Wckn.   Nr.   270.     Erst  im  Joh. 
Zwickschen  GB.  von   1640  unter    des   Dichters  Kamen:   Wolfgang  Menßlin. 
Spätere  GB;  haben  kleine  Abweichongen ;   vgl.  Wckn.   zu  Nr.  270. 

In  einem  Lutherschen  GB.  1524  steht  eine  andere  ITbersetsong ;  die  erste 
Strophe  lautet: 

Christ  der  da  bist  das  licht  und  tag 
das  die  vinstemiß   der  nacht  verjagt, 
des  lichtes  glänz  dich  gleubet  man, 
das  heilig  licht  hast  kunt  getan. 


293 

f  Nr.  157. 
Conditor  alme  siderum^*). 

1.  O  heiliger  schepfer  aller  steme, 

o  ewiges  licht,  dir  glauben  wir  gerne; 
Crist,   erloser  unser  allen, 
laß  dir  unser  gebete  gevallen! 

2.  Von  miteliden  du  wol  wüst 
der  werlden  totliche  verlust: 
dar  umb  hast  du  sie  getrost 
und  von  sunden  nu  erlost. 

3.  Do  uf  den  abent  die  werlde  gienc, 
ein  reine  Jungfrau  dich  entpfienc, 
durch  die  du  quamest  in  disen  tal, 
wie  ein  breutegam  us  sinem  sal. 

4.  Dir  werden  gebeuget  alle  knie 
in  himel  und  uf  erden  hie« 
wir  sin  zu  dienen  alle  gereit 
diner  starken  almechtigkeit. 

5.  Wir  biten  dich,    herre  Jesu  Crist, 
der  ein  zukunftiger  richter  ist, 
behüte  uns  in  diser  kurzen  frist 
vor  al  unser  viende  argelist! 

6.  Lop  und  kraft  in  ewiger  eren 
si  dir  gote  unserm  heren, 

dem  wir  dienen  als  du  wol  weist, 
0  vater,  son  und  heiliger  geist! 

PpHB.  1460.  fol.  Nr.  47.  Bl.  91«  in  der  Bibl.  des  kath.  Gymnasiums 
flsn  Köln.  —  Hs.  1,  2.  dir  sehen  wir  —  1,  4.  vf\ße  geberde  —  2,  1.  too9t  — 
4,  1.  geboget  alle  hney  —  6,  2.  dor  C^^)' 


§.  9.  39)  Daniel  Thes.  hymnol.  T.  I.  p.  74. 


294 

f  Nr.  158. 
Conditor    alme   siderum^®). 

Got,  heiiger  Schöpfer  aller  stem, 
erleueht  una  die  wir  sein  so  fern, 
daß  wir  erkennen  Jesum  Christ, 
der  für  uns  mensch  geworden  ist. 

Leisentrit  GB.  1567.  I.  Th.  Bl.  1.  3^  6  Strophen.  Die  Übersetzung  ist 
viel  ülter,  sie  gehört  wol  noch  in  die  zwanziger  Jahre  des  XVI.  Jahrh.  Sie 
ist  bereits  niederdeutsch  vorhanden  in:  „Geystlike  leder  vnd  Psalmen  ff. 
Gedruckt  tho  Magdeborch  dorch  Hans  Walther.  154d.<<  Wckn.  Nr.  807. 
Diesem  niederd.  Texte  liegt  aber  ein  hochdeutscher  su  Grande,  wie  die  Reime 
deutlich  darthun,  z.  B.  kemmerlyn:  rem,  knee:  hyr^  u:  frUt. 

f  Nr.  .159. 
Corde  natus  ex  parentis*^). 

1.  Us  dem  väterlichen  herzen 
ist  er  geboren  ewenclich, 
anfange  end  heist  er  on  scherzen 
und  ein  brunn  der  gnaden  rieh, 
aller  ding  die  ie  sint  worden 
und  auch  werdent  künfteclich 
nun  und  iemer  ewenclich. 

2.  O  geburt  in  lob  erkoren, 
0  magt  und  gebärerin! 
unser  heil  hat  sie  geboren 
von  dem  heiigen  geiste  fin, 
und  das  kint,  der  weit  erlöser 
ist  gar  selig  kernen  her 

nun  und  iemer  ewenclich. 

3.  Himels  hohi  sol  nun  singen 
und  auch  alle  engel  sin, 
alle  kraft  sol  hoch  erklingen 
got  ze  lob  dem  kindelin, 

und  kein  zung  sol  nit  geswigcn, 
alle  stimm  sol  tönen  sich 
nun  und  iemer  ewenclich. 


§.  9.  40)  Mone  Hymnen  1.  Th.  S.  47,  damit  stimmen  alle  deutschen  Stro- 
phen;  nur  für  die    5.  deutsche  findet  sich  keine  lat. 
41)  Von  PrudentiuÄ,  Daniel  Thes.  1,  122. 


295  _ 

4.  Den  die   wisen  hant  verjehen 
aller  weit  von  alter  har, 

den  Propheten  hant  gesehen 
in  aller  geschrift  fürwar, 
der  gat  us  in  heiigem  schin, 
alle  ding  sont  loben  in 
nun  und  iemer  ewenclich. 

5.  Alt  und  junge  sagt  im  ere 
und  der  kleinen  kindli  schar! 
all  mfitren  und  megde  here, 
reinen  döchtem,  kument  har! 
singent  im  mit  küscher  stimme, 
mit  getöne  süßeclich 

nun  und  iemer  ewenclich! 

6.  Jesu  Ciifit  und  vater  riche 
und  dir,  heiiger  geiste  fin, 
sig  lop  und  6r  ewencliche 
und  dank  aller  gnaden  din! 
kraft  und  macht  und  überwinden 
sing  ich  dir  in  dinem  rieh 

nun  und  iemer  ewenclich. 
Straßb.  Hs.  B.  121.  4«.  XV.  Jahrh.  Wckn.  Nr.  778.  —  Hs.  4,  5.  in 
sinem  h.  Diese  Übersetzung  blieb  unbekannt.  Im  XYI.  Jahrh.  sang  man 
andere,  bei  den  Reformierten  die  von  Job.  Zwick  1640  (Wckn.  Nr.  562.), 
bei  den  Katholiken  die  von  Georg  Wicelius  1541  (Wckn.  Nr.  837.) ,  bekann 
ter  geworden  durch  Leisentrit  GB.  1567  I.  Th.  Bl.  2ß^. 

f  Nr.  160. 
Dies   est  laetitiae*^). 
1.    Der  tag  der  ist  so  freudenreich 
aller  creature, 

wan  gotes  sun  von  himelreich 
über  die  nature 

§.  9.  42)  Bei  Mone  Lat  Hymnen  1,  62.  Nr.  47.  9  Strophen  nach  Ab- 
drücken und  einer  Hs.  des  XY.  Jahrhunderts.  Sehr  richtig  bemerkt  Mone: 
„Das  Lied  ist  überarbeitet  und  erweitert  worden,  es  sind  aber  mehr  Hss. 
nöthig,  tun  die  ursprüngliche  Gestalt  wieder  zu  erkennen,  denn  bei  den  Ab- 
drücken weiB  man  das  Alter  und  die  Beschaffenheit  ihrer  Quellen  nicht.'*  -«- 
Daniel  Thes.  1,  330.  hat  nur  4  Strophen,  die  gewöhnliehen:  Dies  —  Orto 
—  Ut  vitrum  —  Angelus. 


J 


2or> 

von  einer  mait  wart  er  geboren. 
Maria  du  bist  außerkoren 
aus  der  engel  schare, 
wer  gesach  so  wunder  gleich? 
wan  gotes  sun  von  himelreich 
der  ist  mensch  geboren. 

2.  Ein  kindelein  so  löbiglich 
ist  uns  geboren  heute 

von  einer  jung&aun  inniglich 

zu  trost  uns  armen  leute. 

war  uns  das  kintlein  nicht  geboren, 

80  war  wir  all  zu  mal  verloren, 

das  heil  ist  unser  aller. 

o  du  süßer  Jesu  Christ, 

seit  du  mensch  geboren  bist, 

behüt  uns  vor  der  helle  1 

3.  Als  die  sunn  durchscheint  das  glas 
mit  irem  klaren  scheine 

und  dennoch  nicht  verseret  das, 

das  merket  all  gemeine  I 

zu  gleicher  weis  wart  er  geboren 

von  einer  jungfraun  außerkoren 

gotes   sun  der  werde, 

in  ein  kripp  wart  er  geleit, 

große  marter  er  für  uns  leit 

hie  auf  diser  erde. 

4.  Drei  kunig  fein  und  löbelich 
die  zugen  nach  dem  steme: 

es  war  ein  junger  kunig  gebom, 

sie  weiten  in  sehen  gerne. 

sie  namen  mit  in  wol  reichen  solt: 

weirauch,  mirren  und  das  golt, 

sie  zugen  all  gemeine. 

sie  vielen  nider  auf  ire  knie, 

das  kint  empfieng  das  opfer  schier 

und  die  muter  seine. 

5.  Do  das  opfer  wart  volbracht 
wol  von  den  kunigen   dreien, 
sie  namen  wider  urlaup  drat 
und  zugen  all  gemeine. 


297 

der  steren  fiirts  in  Bolcher  frist, 

daß  sie  zu  Heroden  kamen  nicht. 

er  begnnt  ze  fragen 

auf  dem  velde  nach  der  zal, 

nach  dem  kintlein  überaU, 

die  kintlein  ließ  er  töten. 

6.  Die  herter  auf  dem  velde  waren, 
sie  sagten  die  neuen  märe^ 

es  war  ein  junger  kunig  geboren, 

den  würd  man  sehen  gerne, 

ein  kunig  über  alle  kunig  so  groß: 

das  Herodem  ser  verdroß, 

er  ließ  es  suchen  mit  Beiße 

auf  dem  veld  wol  nach  der  zal 

umb  das  kintlein  überall, 

die  kintlein  ließ  er  töten. 

7.  Joseph  nam  das  kindelein 
gar  lieplich  in  sein  hande: 
Maria,  liepste  fraue  mein, 
nun  ziech  wir  aus  dem  lande. 

ich  furcht,  wir  sein  in  großer  not 
durch  deines  lieben  kintleins  tot, 
da  mit  umbfach  das  selber, 
ziech  wir  in  Egyptenlant, 
das  ist  Herodi  unerkant, 
tmd  volg  nach  meiner  lere ! 

Am  Endo  einer  Ha.  der  Gräzer  Univ.-Bibl.,  Mg.  ||  fol.  XV.  Jahrhundert 
(Mittheil.  Prof.  Weinhold's.)  Das  Lateinische  wechselt  mit  dem  Deutschen, 
stimmt  aber  nicht  immer  znm  letzten.  Die  lat.  Strophen  folgen  nach  Mone's 
Text  also  1.  3.  6.  2.  6.  4,  bei  der  letzten  deutschen  Strophe  fehlt  die  latei- 
msche.  Den  deutschen  Strophen  4.  6.  7.  findet  sich  überhaupt  kein  ent- 
sprechender lat.  Text.  In  Comer's  GB.  1626.  Nr.  56.  kommt  filr  unsere  4. 
und  7.  Strophe  eine  tthnliche  vor,  und  für  5.  folgende  (dort  die  7.): 

Und  da  das  Opfer  war  vollnbracht 

Dem  Kind  als  Gott  dem  Herren, 

Da  nahmens  Urlaub  mit  Andacht 

Und  zogen  wieder  ferre. 

Der  Stern  weist  sie  in  solcher  Gschicht, 

Dass  sie  zu  Herodes  kommen  nicht. 


298  _ 

Da  sandt  er  seine  Boten 
In  die  Häuser  ohne  Zahl 
Nach  dem  Kindiein  überall: 
Herodes  ward  betrogen. 

Merkwürdiger  Weise  findet  sich  der  Qi^zer  Text  in  dem  Müncheuer 
Cod.  germ.  444.  Bl.  20«  -  2lh  vom  J.  1422.  (Mittheil.  Dr.  G.  Scherer^s) 
ebenso,  nur  sum  Theil  minder  gut,  lateinisch  und  deutsch,  das  Lateinische 
in  dieser  Folge:  Dies  —  Orto  —  Mater  —  Angelas  —  In  obscnro  —  Ut 
Yitrum  und  entspricht  eben  so  wenig  dem  folgenden  deutschen  Texte  wie  in 
der  Qräzer  Hs.  Die  Hauptabweichungen  des  Münchener  Textes:  1,  3.  wann 
auch  got  v(M  Ä.  —  1,  6.  Ut  (wart)  —  1,  7.  throne  (ichare)  —  1,  8.  wun- 
derleich  —  2,  3.  aewberleich  (inniglich)  —  2,  9.  wann  (seit)  —  3,  1.  Recht 
als  die  eünn  durch  get  das  glaß  —  8,  3.  vnd  sie  sieht  (sie)  nicht  verseret 
hat  —  3,  6.  Gleicher  weiß  gepom  wart  —    3,  6.    Von  eyner  iunekfrawn  2art 

—  3f  9.  Oroß  not  er  durch  vns  leyt  —  4,  1.  Drey  edel  hünig  hochg^om  — 
4,  2.  erkanten  in  an  dem  atem  —  4,  3.  es  wer  ein  künig  hochgepom  —  4,  4. 
aehawen  (aehen)  —  4,  5.  großen  (reichen)  —  4,  6.  vnd  auch  daa  goU  —  4, 
7.  eiUen  (zugen)  —  4,  8.  8y  knyten  (vielen)  —  4,  9.  Daa  opfer  enpfing  der 
künig  achir  —   4,  10,  reyne  (aevne)  —  6,  1.  Becht  ala  daa  oppffer  wart  getan 

—  6,  2.  reynen  (dreien)  —  6,  3.  von  dann  (drat)  —  5,  5.  2to  adlcher  ge- 
eicht (in  aolcher  friat)  —  6,  7.  Sy  begunden  aer  zw  fragen  —  6,  8.  In  dem 
lande  ane  tzal  —  5,  9.  nach  den  künigkleichen  Über  al  —  5,  10.  8y  Tiaben 
m  betrogen  —  Str.  6  besser: 

Die  hirten  auf  dem  felde  warn,  (Hs.  hüten) 

erforen  neue  märe 

Ton  der  engelischen  schäm, 

wie  Crist  geboren  wäre, 

künig  über  alle  künig  groß. 

der  rede  Herode  ser  verdroß, 

er  sant  aus  seinen  boten. 

eia  wol  ein  bösen  list  (Hs.  böser) 

gedacht  er  über  Jesum  Crist! 

er  lieB  die  kintlein  toten. 

7,  2.  gar  tzart  auff  aeinen  arm  —  7,  3.  Mtaria  müter  reyne  meyd  —  7,  4. 
fehlt  —  7,  5.  Wir  kümen  in  große  not  —  7,  6.  fehlt  —  7,  9.  Do  iat  rna 
große  frewd  erkant. 

Ein  dritter  alter  Text  im  Münchener  Cod.  Iat.  2992.  (Amb.  Franc.  12.) 
Bl.  240>  —  2421*,  aus  ^em  XV.  Jahrh. ,  enthält  nur  5  Strophen  und  zwar  in 
dieser  Folge:  1.  2.  6.  3.  4,  stimmt  mit  dem  Münchener  Cod.  germ.  444, 
namentlich  Strophe  6. 

In  der  Rloster-Neuburger  Hs.  1228.  ein  Text  von  4  Strophen,  s.  Mone 
Anzeiger  8,  352. 


299_ 

f  Nr.  161. 
Dies  est  laetitiae. 

1.  Der  tag  der  ist  so  freudenreich 
aller  ereature, 

denn  gottes  son  von  himelreich 

über  die  nature 

von  einer  Jungfrau  ist  geboni. 

Maria,   du  bist  außerkom, 

daß  du  muter  wärest. 

was  geschach  so  wunderleich? 

gotes  son  von  himelreich 

der  ist  mensch  geboren. 

2.  Ein  kindelein  so  löbelich 
ist  uns  geboren  heute 

von  einer  Jungfrau  seuberlich 
zu  trost  uns  armen  leuten. 
war  uns  das  kintlein  nicht  gebom, 
so  war  wir  all  zumal  verlorn, 
das  heil  ist  unser  alle, 
ei  du  süßer  Jesu  Christ, 
daß  du  mensch  geboren  bist, 
behüt  uns  für  der  helle! 

3.  Als  die  sonn  durchscheint  das  glas 
mit  irem  klaren  scheine, 

und  doch  nicht  verseret  das, 
so  merket  all  gemeine: 
gleicher  weis  geboren  wart 
von  einer  Jungfrau  rein  und  zart 
gotes  son  der  werde, 
in  ein  kripp  wart  er  geleit, 
große  marter  für  uns  leit 
hie  auf  diser  erde. 

4.  Die  hirten  auf  dem  felde  warn, 
erfuren  neue  märe 

von  den  engelischen  schäm, 
wie  Christ  geboren  wäre, 
ein  köng  über  alle  könig  groß. 
Herod  die  red  gar  ser  verdroß: 


300 

aufi  sant  er  seine  boten, 
ei  wie  ein  gar  falsche  list 
erdacht  er  wider  Jesum  Christ! 
die  kinüein  ließ  er  töten. 
Wittonb.   GB.  1686.  (Wckn.  Nr.  793.)  —   Witsel«  Psaltes  eccles.  1660. 
Bl.  69«  (Wckn.  Kr.  134.)   etwas  abweichend:  1,  7.  8.  au$  der  enget  tronen. 
wer  $ahe  je  eolcha  wunderleichf  —   2,  8.  9.  eia  $.  J,  Chr,,  weil  du  —   4,  4. 
wie  das  geh.  —  Dagegen  stimmt  Vehe's  GB.  1587.  Nr.  16.  mit  dem  Wittenb. 
Texte  gans  überein,  nur  hat  es  eine  Strophe  mehr,  eine  6: 
Die  edle  könig  hocbgebom 
erkanten  an  dem  steme, 
wie  das  ein  kintlein  war  gebonii 
das  wolten  sie  schauen  gerne, 
sie  namen  mit  sich  reichen  solt, 
Weihrauch,  myrr  und  auch  das  golt, 
sie  eilten  all  gemeine, 
sie  fielen  nieder  auf  ire  knie, 
das  Opfer  empfieng  der  herr  von  in 
mit  seiner  muter  reine. 
Auch  bei  Leisentrit  GB.   1667.   I.  Th.   Bl.  19   und   im  Münchener  GB. 
1686.  BL  4l>  diese  Strophe.     8p&tere  kath.  GB.  folgen  dem  Wittenb.  Texte. 
Das  Kölner  GB.  1628  hat  für   die  3.  Strophe  diese : 
In  dem  Stall  ward  heut  gebom 
Die  Klarheit  der  Sonnen. 
In  ein  Kripp  ward  heut  gelegt 
Unsers  Herzen  Wonne. 
Sie  binden  ihm  die  Ärmelein, 
Der  erschaffen  Sternen  fein 
In  dem  Himmel  droben. 
Selig  seind  die  Brüste  fein, 
So  dies  kleines  Kindelein 
Lieblich  hat  gesogen! 
Wie   der   deutsche   Text   erfuhr  auch   der   lateinische  in  späterer  Zeit 
manche  Erweiterung:    in  dem  Münchener  GB.  1686.  Bl.  8.  4.  ist   er  zu  9 
Strophen  ausgesponnen,  darin  auch  die  der  eben  angeführten  deutschen  ent- 
sprechende lateinische: 

In  obscuris  nascitur 
Illustrator  solis, 
stabulo  reponitur 
princeps  terrae  molis  cet. 
Das  Kölner  GB.   1608   hat   unsere   Strophen   in    dieser  Reihe:    1.  3.  2, 
und  vor  2  noch  eine  eigene  (s.  Wckn.  Seite  867). 
O  Maria,  Rosenblttth. 


sm  _ 

In  Comer*8  OB.  1625  Nr.  55.  9  lat.  und  Nr.  56.  9  deutache  Strophen; 
die  lat.  dieselben  wie  bei  Mone  Hymnen  1,  62.  und  im  Münchener  GB.  1586, 
nur  in  anderer  Folge. 

Das  Lied:  Ein  Kindelein  so  löbelich,  kommt  zwar  als  sweite 
Strophe  unseres  Liedes  vor,  es  scheint  mir  aber  außer  allem  Zweifel,  dass 
es  ursprünglich  ein  selbständiges  Lied  war,  weshalb  ich  es  denn  auch  als 
solches  unter  Nr.  89.  aufgeführt  habe.  Luther  und  seine  Zeitgenossen  er- 
wähnen nur  immer:  Ein  Kindelein  so  löbelich,  nie  aber:  Der  Tag  der  ist  so 
freudenreich.  Keine  einzige  lateinische  Strophe  findet  sich  vor,  welche  ihm 
entspräche.     Die  zweite  lat.  Strophe,  wonach  es  übersetzt  sein  sollte,  lautet: 

Orto  dei  filio 

virgine  de  pnrn, 

ut  rosa  de  lilio, 

stupeseit  natura, 

quem  parit  luveneulH^ 

iiatum  ante  secula 

creatorem  rerum, 

quod  über  munditiae 

dat  lac  pudicitiae 

nntiquo  dierum. 
Die  Aufzeichner  der  beiden  ältesten  lat.  -  deutschen  Texte  des  Dies  est 
lactitiae,  mögen  deshalb  auch  nicht  recht  gewusst  haben,  welche  deutsche 
Strophe  sie  jedesmal  der  lateinischen  folgen  lassen  sollten.  Meine  Ansicht 
von  der  Selbständigkeit  findet  noch  Bestätigung  durch  eine  Breslauer  Hs.  des 
XV.  Jahrhunderts,  darin  sind  Dies  est  laetitiae  und  Ein  Kindelein 
mit  einander  verbunden,  aber  passen  den  Worten  nach  und  auch  metrisch 
gar  nicht  zusammen. 

f  Nr.  162. 

Dies  oc^est  cclrbrls 

decoris  et  leticie 

in  ortu  rogali, 

nam  regum   rex  otunium 

nitre  processit  hodiu 

de  ventre   virginali, 

puer  admirabilis, 

dei  pcUria  qui  creatit  omnia  Jil'uui 

unigenitusj 

totus  delectabilis 

in  humanitate, 

qui  inestimabilis 

est  Qt  ineffabilid 

in  divinitate. 

Ein  kindelein  der  ewigkeit 

Jesus  Christus  gar  löbelich, 

21 


daa  ist  geboren  heute 
Ton  einer  Jungfrau  tngentlich 
Maria  sart  nnd  seaberlich 
an  tQoete  uns  armen  lenten. 
wXr  uoB  das  kinüein  nicht  gebom, 
Jesus  Christns  der  uns  hat  erlost  aus  not 
mit  seinem  bittem  tot, 
ja  Yorwar  so  war  wir  alcumal  Terlom, 
das  heil  ist  unser  alle, 
eia  du  sUfier  Jesu  Christ, 
wenn  du  mensch  geboren  bist, 
behüte  uns  vor  der  helle! 
Breslaner  Hs.  I.  8o.  113.  BL  6>>.  7«. 

f   Nr.    163. 
En  trinitatis   speculum. 

Der  spigel  der  dreifaltigkcit 
erleuchtet  der  weit  finsterkeit. 
Eia,  liebe  Christenheit! 
mit  lopgesang  bistu  bereit 
mit  innigkeit,  mit  £r61ichkeit 
dem  kintlein  in  der  ewigkeit. 
snssa  liebe  nenna! 
sussa  liebe  nenna! 
Nur    diese   eine   Strophe   in  Witzeis  Psaltes  ecclesiasticus  1550  Bl.  61>» 
mit  dem  Zusatse:   „Itzt  so  vil.**     Es  waren  also  damals  noch  mehrere  Stro- 
phen vorhanden.      Spätere    Gesangbücher   haben    die  übrigen:    Corner  GB. 
1625  Nr.  71. 

2.  Gottes  Mutter  sonder  Pein 
Hat  gebom  ein  Kindelein. 

Eia^  liebe  Christenheit, 
Mit  Lob  und  Gsang  sei  bereit 
Mit  Fröhlichkeit,  mit  Innigkeit 
Dem  Kindelein  in  Ewigkeit, 
Lasst  uns  dem  Kindlein  singen, 
Lasst  uns  dem  Kindlein  singen! 

3.  Hie  liegt  es  in  dem  Elrippelein 
Das  wunderschöne  Kindelein.  ff, 

4.  Die  Engel  singen  Ehr  und  Preis 
Dem  Kindelein  vom  Himmelreich,  ff. 

Wenig  abweichend  Kölner  GB.  1610,  1619;  minder  gut  Kölner  GB.  1608 
(bei  Wckn.  Nr.  841.). 


303 

f  Nr.  164. 

Homo   tristis   esto*^). 

Sich  mensch  und  leit  smerzen 
und  beweine  in  deime  herzen 
mit  reuerlicher  gere 
die  bitter  marter  swere, 
die  dein  got        gelitten  bot 
von  unschult  gedultiglichen 
und  williglichen 
von  den  snoden 
ungetanen  falschen  Juden. 
Sich  mensch!  der  dich  erloste 
von  der  bittem  helle  roste, 
der  leit  swerlich  gebunden, 
mit  stricken  wol  bewunden, 
vor  liebe        gleich  eime  diebe; 
danach  mit  scharfen  raten 
sie  sein  fleisch  durchwuten 
und  gar  durchforen 
seines  selbes  creaturen. 


§.  9.  48)  1.    Homo  tristis  esto 

deplorans  corde  mesto 

grandes  afflictiones 

et  magnas  passiones, 

qoas  dens        nxunqaam  rens 

snstintlit  pacienter 

atque  gratanter 

ab  iniqnis 

in  hac  nocte  heu  Judeis. 

2.  Ecce  qni  redemit 
hominem  et  exemit, 
hie  modo  captivatnr 
et  Ame  vincnlatnr, 
tractatnr        heu  quasi  für, 
hie  tandem  virnine  conlesus 
et  virgia  cesns 

a  propriis 

sine  culpa  creaturis. 

3.  Creatori  mnndi 
precaeiones  inmundi, 

21* 


304 

Aller  werlde  schepfer 

haben  die  snoden  bösen  sunder 

verspeiet  sein  antlitze 

in  solcher  tummer  witze 

vil  drate        mit  unflate, 

an  seinen  hals   sie  in  slugen 

mit  gar  unfngen. 

sie  schrien  gemeine: 

er  sol  sterben  der  unreine! 

Nu  zu  disen  stunden 

ist  got  der  starke  überwunden; 

der  tot  ist  im  geteilet 

der  uns  allen  hat  geheilet 

die  swere        unser  sele 

mit  seinem  fronen  blute  teure, 

uns  me  zu  steure 

macht  er  heile 

alle  kranken  werlt  gemeine. 


heu  flegma  proiecerunt, 

et  omnes  conspuerant 

in  vultum       .  eius  multum, 

ad  Collum  percutientes 

atque  dicentes : 

hie  est  reuB, 

nam  vult  esse   noster  deus! 

4.  Fortis  invictos 

deus  est  nunc  devictus, 
ad  mortem  iudicatus 
est  et  sentenciatOB, 
qui  lavit         et  creavit 
sni  sacri  cordis  rore 
atque  cruore 
hunc  languidum 
abiecto  dolore  mundum. 

5.  Heu  innocens  perit 
et  iustns  reus  erit, 
reus  mortificatur, 
et  iniquus  salvatur: 

mors  probo,         sors  improbo. 
cednnt  inequali  mensura 
heu  contra  iura. 


305 

5.  Nu  tötet  man  den  gerechten 
und  fiistet  den  ungerechten; 
der  schuldige  in  bosheit  wirbet^ 
der  unschuldige  verdirbet 

sust  leider        wirt  ir  Ion  beider 

ungetreulich  gewegen: 

dem  bösen  wirt  der  segen 

und  nicht  dem  reinen: 

das  solle  wir  alle  heute  beweinen. 

6.  Gotes  son  der  weise, 
der  mit  des  todes  reise 
den  tot  gerucht  zu  toten 
und  uns  hat  bracht  aus  noten, 
den  lobe  wir        mit  ganzer  gir, 
daß  er  uns  mit  seinem  sterben 
heil  wolte  erwerben. 

freut  euch  der  stunden, 

ir  seit  von  dem  ewigen  tod  entbunden! 

7.  Nu  ist  gar  zubrechen 

und  sein  herze  gar  zustechen 


ergo  flendam, 

in  hac  nocte   est  dotondtun. 

6.  Prolem  patris  almam, 

qnae  nunc  per  mortu  palmam 

tristem  necem  necavit 

et  hostem  Buperayit, 

laademus         et  adoremus, 

quod  ita  no8  moriendo 

et  patiendo 

liberavit 

et   a   morte  snscitavit. 

7.  Nunc  est  transfixus, 

per  quem  munduB  stat,  infixos 
perit  sui  cordis, 
hoc  purgat  labern  sordis. 
pro  eo         ipsi  deo 
cojnpati   digne  debemus, 
quantam  valemus, 
piagas    duras 
recolendoque  fixuras. 
Hs.  3,  1.  en  feiorem  mundi.  — 


306 

an  dem  die  w«rlt  gemeine 

ist  gestiftet  alleine. 

seine  list        der  Bünden  mist, 

der  an  uns  ewiglich  was  bekliben, 

er  hat  vertriben. 

das  sint  stiche  swere, 

seiner  wunden  klagere. 

Aas  einem  PBalterium  per  hebdomadem ,  FgHs.  der  Breslaner  Univers. - 
BibUothek  (I.  40.  233.)  Bl.  174«' >>,  früher  in  der  Bibl.  des  ClarenstifU  zn 
Breslan.     Ebendalier  der  lat.  Text.    Mit  Mnsiknoten. 

f  Nr.  165. 
Hostis  Herodes  impie^). 

1.  Herodes  du  gotloser  veint, 

was  fiirchtstu  Christum  scheint? 
zergenglich  gut  er  sich  nit  acht, 
der  gotes  reich  hat  in  seinr  macht 

2.  Die  weisen  volgten  nach  dem  stem 
den  sie  vorgehn  besahen  gern, 

mit  liecht  das  liecht  sie  suechtn  ebn, 
got  mit  irm  opfer,  tetens  redn. 

3.  Die  brünn  so  rein  der  wasser  al 
das  lemlin  rüert  durch  allen  schwal, 
die  sünd  die  Christus  nit  her  tregt, 
so  ims  abwescht,  al  niderlegt. 

4.  Ein  neuer  sit  der  mechtigkeit: 
das  wasser  roter  wein  wirt  breit, 
wann  das  wasser  in  krüegen  zwar 
verkert  sich  so  eingössen  war. 

5.  Dem  h&chsten  vatem  gloria, 
seinem  sun  sing  wir  groß  lop  da, 
darzue  des  trSsters  mechtigkeit 
sei  eer  und  dank  in  ewigkeit. 

Hymnarins,    Sigmundslnst   1624,   8.   26.   26.   —    Luther's    Übersetzung 
Wckn.  Luthers  Lieder   Nr.  33.   und  Job.  Spangenberg^s  Wckn.  Nr.  424: 
Herodes,  höchster  Gottesfeind, 
Was  förchst  das  neugeboren  Kind? 
Er  sucht  nicht  hie  ein  jttdisch  Reich, 
Der  im  Himmel  herrscht  ewiglich. 


§.9.  44)  Daniel  Thes.  1,  147. 


307 

f  Nr.  166. 
Hymnum  dicamus  domino^*). 

1.  Qote  sage  wir  gnftde  unde  ören  danc, 
den  harren  höhe  wir  mit  lobesanc, 
der  uns  mit  sin  selbes  blAte 

hat  wider  bräht  ze  gotes  gAte. 

2.  Wir  biten  die  gen&de  dhi 
und  euch  der  barmunge  schin, 
da^  wir  immer  öwiclich 

d!n  lop  singen  wirdicileh. 

3.  Des  verlihe  uns  yater  mit  dem  sun, 
mit  dem  heiligen  geist  dar  zA 

und  mit  der  barmunge  raÄter, 
erhör  uns,  der  ören  kunic  gÄter.   amen. 
PgHB.  Xm.  Jahrh.  Nr.  878.  der  Gießener  Üniversitfttfl-Bibliothek.     Mit- 
theiliiDg  des  Hm.  Prof.  Weigand.  —  Hb.  1,  4.  ze  gotes  gute  hat  wider  braht.-— 

f  Nr.  167. 
Jesu  dulcis  memoria*®). 
CarUicum  sancH  Bernhardt, 
1.   Nie  wart  gesungen  süe^er  gesanc, 
nie  wart  süe^er  Seiten  klanc, 
nie  wart  süe^er  herzen  gedanc 
denn  nach  dem  ie  min  herze  ranc. 


§.9.  46)  Zn   dieser   Überschrift  findet   sich   ein  Hymnns  von  8   Strophen 
(Mone  Lat.  Hymnen   1.  Bd.   S.  99.  Nr.  78.  Daniel  Thes.  1,  81.)»  aber  nur 
die  erste  Strophe  stimmt  zu  unserm  Liede: 
Hymnum  dicamns  domino, 
laudes  deo   cum  cantico, 
qui  nos  crucis  patibulo 
suo  redemit  sanguine. 
§.9.  46)  Die  elf  Stropheti,    die  dem  deutschen  Liede  entsprechen,  finden 
sich  bis  auf  eine  unter   den  48  des  Textes,    wie  ihn  Daniel  Thes.  1,  227— 
230   mittheilt;   die    dort  fehlende  6.  giebt  Mone  aus  einer  Mainzer  Hs.     In 
Mone's  Text  (Lat.  Hymnen  1,  329.)  sind  nur  Str.  1.  3.  4.  5.  7.  und  10  ent- 
halten. 

1.    Nil   canitur  suavius, 
anditur  nil  iocundius, 
nil  cogitatur  dnlcius 
quam  Jesus  dei  filius. 


308_ 

2.  Herr,  geruch  bl  uns  beliben, 

des  herzen  tunkel  von  uns  triben, 
da^  din  lieht  bi  uns  belibe 
und  din  süeje  an  s^l  und  libe. 

3.  Swer  dich  ii^ct  den  hungert  noch, 
Bwer  dich  trinket  den   dürstet  noch, 
der  tÄt  swa^  dir  gevcllet  wol 

und  midet  swaj  er  miden  sol. 

4.  Ich  beger  din,  herre,  tdsentstunt: 
Jesus,  wenn  wirst  du  mir  kunt? 
kum  und  gefröu  mins  herzen  grünt! 
din  anüüz  machet  mich  gesunt. 

5.  Mir  ist  g&t  da;  ich  minne  dich, 
durch  dich  wil  ich  verkiesen  mich 
und  wil  mich  selben  gar  üf  geben 
und  gar  n&ch  dinem  willen  leben. 

6.  Min  fleisch  het  mir  gesiget  an, 
da;  man  e;  niht  geschriben  kan. 
gön  dir,  Jesus,  gebiistet  mir 

der  kraft,  so  sih  ich  doch  z4  dir. 

7.  Wan  swft  ich  immer  kume  hin, 
8Ö  strebet  nach  dir  gar  min  sin: 
wie  fro  ich  bin  und  vind  ich  in! 
begrif  ich  in,  wie  swlig  ich  bin! 

2.  Mane  nobiscum,   domine, 
et  nos  illnstra  Inmine^ 
pulsa  mentis  caligine 
mnndam  replens  dnlcedinc. 

3.  Qui  te  gustant  esariunt, 
qui  bibunt  adhuc  sitiunt, 
desiderare  nesciant 

nUi  Jesuin  quem  diliguiit. 

4.  Deüdero  te  millies: 

Uli  Jesu,  quando  venies, 
me  laetum  quando  facies, 
me  de  te  quando  saties? 

5.  Bonnm  mihi  diligere 
Jesuin,   nil  ultra  qnaerero, 
mihi  prorsus  deficere, 

ut  illi  queam  vivere. 


i 


309 

8.  Swä  du  g^st,    so  volg  ich  dir. 
niemen  kan  dich  verstecken  mir, 
swemi  du  mir  minnest  da;  herze  min, 
Jesu,  mins  künncs  lop  und  schrin. 

9.  Ir  himel  burger,   gilnt  her  für, 
tÄnt  froelich  üf  die  himeltür! 
sprechent  al  zii  dem  signunfter: 
wis  willekomen,  Jesu,  her! 

10.  Jesus  z&  sinem  vater  quam, 
da;  himehrlch  er  wider  nam. 
min  herze  f&r  von  mir  zehant 
n&ch  im  da  hin  da  e;  in  vant. 

11.  Mit  gebet,  mit  lob  süln  wir  nü  gAn, 
Jesu,   bi;  wir  da  bestän, 

d&  lip  unde  söle  immer  wert: 
gip,  herr,  daj  wir  des  werden  gewert! 
Münchener  PpHs.   Cod.  germ.  717,  4o.   vom  J.  1347.  Wckn.    Nr.  114. 
Us.  9,  4.  kum  her  —   11,  1.  mtn  gebet  y   min  lob  süln   wir  nv  gdn  (Unainn!) 
—  Bei  Wckn.  7,  4.  begreif  —  9,  3.  eignufter  — 

I  6.   Tniun  dnlcorem  sitio, 

quo  solo  me  reficio; 
I  in  me  qnia  deflcio, 

l  ad  te  Jesu  respicio. 

7.  Quoeunque  loco  fuero, 
mecum  Jesum  desidero, 
quam  laetus  quum  invenero! 
quam  felix  quum  tenuero! 

8.  Seqnar  te  qnoqne  ieris, 
mihi  toUi  non  poteris, 
quum  meum  cor  abstnleriSf 
Jesu,  lana  nostri  generis! 

9.  Coeli  cives  occurrite! 
portas  vestras  attoUite! 

^  triomphatori  dicite: 

ave  Jean  rex  incljte! 

10.  JesuB  ad  patrem  rediit, 
coeleste  reg^num   subiit, 

^  cor  meum  a  me  transiit, 

post  Jesum  simul  abiit. 

11.  Jesum  sequamur  laudibus, 
votis,   hymnis    et  precibns, 
ut  nos  donet  coelestibus 
secum  perfrni  sedibas. 


310 

f   Nr.  168. 
Jeflu  dulcis  memoria ^^). 

1.  Jesu,  wan  ich  gedenke  an  dich, 

alle  min  herze  erfreuwet  sich. 

waa  wirt  mir  heiles  denne  geschelien, 

so  ich  dich  gewertig  sehen? 

wer  gehört  ie  süßem  sang? 

frolicher  stimme  nie  erklang, 

so  süßes  wort  man  niergen  fint 

als   Jesus  Christus  gotes  kint! 

2.  Jesu  Christ,    der  büßer  trost, 
wer  dich  suchet  der  wirt  erlost, 
wer  dich  bit  der  wirt  gewert, 

der  anders  nicht  wan  dich  begert. 
o  Jesu,  süßer  herzen  bronn, 
din  schin  ist  klarer  wan  die  sonn, 
din  gute  vertribt  alles  leit 
und  aller  werlde  gerlicheit. 

3.  Kein  zunge  sagen  kan, 
kein  schrift  es   nie  durchsan, 

es  weiß  allein  ein  versuchter  man, 
was  da  ist  Jesum  liep  zu  han. 
Jesum  in  minem  bettelin 
suche  ich,  in  mins  herzen  schrin 
heimlich  beide  und  oiSenbar: 
das  komt  von  steter  minne  dar. 

4.  Mit  Mariam  morgens  fru 
lauf  ich  zu  dem  grabe  zu 
mer  mit  herzens  innekeit 
wan  mit  ußer  lieplichkeit. 

in  dem  grabe  ich  rufe  und  schrie: 
finde  ich  Jesum  iem  dar  bi, 
ich  halte  und  küsse  als  lange  sin  fuße, 
bis  ich  min  leit  vil  wol  gebüße. 

5.  O  Jesu,  konig  lobelich, 
nicmant  überwindet  dich, 

§.9.  47)  Daniel   Thes.   hymnol.   T.  I.  p.  227  —  230.     Mone   Lat.  Hymnen 
1.  Bd.  Nr.  258. 


311 

dich   durchgrundet  Dununer  list, 
wie  edel,  gut,  wie  süft  du  bist 
herre  Jesu,  mit  uns  blip, 
unser  finstemiss  vertrip, 
kom  mit  einem  nuwen  schin, 
geuß  uns  diner  süßkeit  in! 

6.  Jesu  minn  ist  allersüsty 

die  iederman  sin  leit  wol  bttst, 
vil  genemer  tusent  stunt 
wan  volsagen  mag  kein  munt. 
al  die  ir  sin  liebe  versucht^ 
den  milden  Jesum  alzit  sucht! 
sucht  und  nummer  müßig  sitzt, 
bis  ir  in  siner  minne  erhitzt! 

7.  Jesu  alle  gute  mert, 
freuden  vil  und  trost  gebert^ 
gnadenrich  ein  süß  gespring, 
von  im  flüßt  manch  lustig  ding. 
Jesu,  din  liebe  mich  zwinget, 
herzenfreude  mich  dar  zu  dringet, 
daß  ich  muß  von  dir  kallen, 

wie  wol  dir  es  wenig  mag  gefallen. 

8.  Din  minne  mich  hat  bestricket, 
min  sele  sie  erquicket. 

o  unverdroßne  himelsspise, 
wer  din  nicht  gert  der  ist  nit  wise. 
wer  dich  isst  den  hungert  ser, 
wer  dich  trinkt  den  durstet  mer. 
kein  ander  ding  begeren  kan 
der  Jesum  rechtlich  liep  wil  han. 

9.  Was  Jesus  ist  allein  voldenkt 
der  der  sich  in  im  ertrenkt. 
ei  wie  selig  und  wie  sat 

ist  der  Jesum  gessen  hat! 
Jesu,  din  engel  kanstu  zieren, 
süß  den  oren  discantieren, 
nummer  honig  so  süß  gesmeckt, 
du  bist  ein  himels  confect. 
10.   Ich  gere  din  mer  dan  tusent  mol: 
Jesu,  kom,  du  tust  so  wol! 


_312_ 

wan  wiltu  mich  geistlich  lachen, 
sat  und  frolich  von  dir  machen? 
o  Jesu,  diner  minne  gezwang 
macht  mich  dicke  von  herzen  krank  : 
80  stürbe  ich  gerne  in  dich  vergebens, 
du  süße  frucht  des  ewigen  lebens! 

11.  Jesu,  hoheste  senftekeit, 

mins  herzen  wunder  froUchkeit! 
diner  gute  ich  nie  kein  ende  fant,  . 
din  minn  ist  mir  ein  strenges  baut, 
dich  Uep  zu  haben  ist  mir  gut, 
zu  Jesum  treit  mich  al  min  mut. 
herre,  ich  wil  verderben  eben, 
oder  muß  nach  dinem  willen  leben. 

12.  Jesu,  min  vil  süßter  got, 

min  sele  ganz  zu  dir  hoffen  hot. 
es  zeigen  wol  mm  milden  trene, 
wie  innig  ich  mich  nach  dir  sene. 
wo  ich  bin  oder  was  ich  tu, 
vor  Jesu  han  ich  keine  ru. 
wan  ich  in  finde  so  bin  ich  fro: 
selig  wan  ich  in  entpfol 

13.  Sin  küssen  und  sin  umbefang 
süßer  ist  wan  honigtrank, 
wer  Jesum  hat  der  selig  ist, 
doch  weret  die  einung  kurze  frist. 
nu  sehe  ich  in  und  bin  gewert: 
Jesum  den  min  sele  begert, 

in  siner  liebe  bin  ich  entfenget  enzunf, 
min  herze  ist  ganz  in  im  verwunt. 

14.  Dise  heiße  minne  hat  süßen  smack, 
des  iederman  sich  wimdem  mag: 
sie  smecket  lustlich  und  vil  wol 
dem  der  selig  werden  sol. 

dise  liebe  komt  von  liimelrich 
und  durchget  mich  innerlich, 
mich  entfenget  enzunt  also  Jesus, 
daß  sich  min  geist  erfreuwcn  muß. 

15.  O  vil  heiliges  feuer  heiß, 

o  begermss  der  dich  weiß! 


313 

nicht  süßer  kurzwilen  kan 

der  gotes  kint  mag  liep  gehan. 

wen  Jesus  mit  siner  müme  erfrischet, 

die  minne  des  menschen  nicht  erlischet, 

sie   stirbet  nicht  und  hat  kein  ru, 

sie  brent  wie  feuer  und  nimt  als  zu. 

16.  Jesu,  jungfrauwen  blümelin, 
süße  liebe  der  muter  din! 
dir  ist  lop  und  ere  bereit 

im  riche  der  ewigen  Seligkeit. 
Jesu,  klarer  sonnenschin, 
baisam  mag  din  glich  nicht  sin; 
mich  dunket  zucker  und  zinemin 
gein  dir  niergent  süß  sin. 

17.  Mich  hat  din  lieplich  smack  bestrickt, 
din  edeler  ruch  hat  mich  erquickt; 
min  herze  in  dir  mit  al  verswint, 
Caritas  mich  zu  dir  bint. 

mins  herzen  lust  gar  unverdrossen, 
in  dir  ist  alle  liebe  beslossen, 
du  bist  min  gloria,  min  teil, 
Jesu  Christ,   der  werlde  heil! 

18.  Ich  volge  dir  nach  in  allen  Straßen, 
von  dir  wil  ich  nummer  laßen: 
min  sele  ist  mit  dir  wol  bewart, 
du  bist  min  ere,  lop  und  art. 

min  lieber  herre,  vare  in  din  laut, 
mechtig  ist  din  veterlich  haut! 
du  hast  den  fient  verwunden  glich, 
nu  hersche  in  dins  vater  rieh! 

19.  Ir  himelburger  lauft  hervor, 
sließet  uf  der  himel  tor! 
Jesum  der  üch  komt  entpfat, 
der  alles  überwunden  hat! 
er  ist  ein  konig  tugentsam, 

sin  glich  ein  konig  üch  nie  kam. 
Jesus  ist  ein  milder  herre, 
al  die  himele  haut  sin  ere. 

20.  Jesu,   licht  der  ewigkeit, 

ein  voller  bom  bannherzigkeit, 


314 

gip  uns  vor  diss  lidens  kleit 
ein  licht  der  ewigen  Seligkeit! 
der  himel  köre  dich  künden  gar, 
dich  loben  al  der  engel  schar, 
dins  Vaters  gunst  hatten  wir  verlora, 
du  hast  uns  versünet  den  zom. 

21.  Din  gotlich  fiide  mit  uns  si, 
da  kein  fient  mag  komen  bi 
der  diser  werlde  nicht  in  ist: 
den  gip  uns,  herre  Jesu  Christ! 
nu  verestu  in  din  lant 

und  sitzst  zu  dines  vaters  haut 

min  herze  sich  scheidet  auch  von  mir, 

es  wil  alleine  sin  bi  dir. 

22.  Nu  sollen  wir  Jesum  schon  beleiten, 
sin  lop,   sin  ere  aizit  breiten, 

daß  wir  der  freude  sicher  beiten, 

die  er  uns  vor  us  wil  bereiten, 

daß  wir  mit  der  muter  rein, 

mit  sin  heiligen  allen  gemein 

loben  und  eren  als  wir  hie  lesen 

dri  Personen  in  einem  wesen. 
PpHs.  1460  fbl.  Nr.  47.  BI.  92.  98.  in  der  BibUothek  de»  katholischen 
Gymnasiams  su  Köln.  Hat  die  Überschrift:  SancH  hemhardi  loheBongk,  — 
Hs.  1,  8.  wart  (wirtj  —  8,  6.  dem  hungert  eyvr  —  8,6.  mir  fwerj  —  11, 1. 
hogieU  —  11,  8.  12,  6.  oder  —  14,  2.  mmder  —  16,  l./iier  —  16,  7. 
zoeker  zynomi  —  17,  6.  al  Hebe  —  18,  2.  ich  fehlt  —  18,  8.  iet  fehlt  — 
18,  6.  ist  din  fehlt  —  21,  3.  diß  —  22,  4.  breyden  (bereiten), 

f    Nr.   169. 

In  hoc  anni  circulo^). 

1.    In  des  jares   zirclikeit 

wirt  leben  gebom  der  werlte  breit, 
das  geit  uns  alle  Seligkeit 
imd  auch  die  meit        Maria. 

Gotes  sun  der  mensche  wart 
von  der  jungfrawen  zart        Maria. 


§.9.  48)   Leisentrit  GB.  1667.  I.  Th.  BI.  49,    danaoh  bei  Wckn.  Nr.  64. 
und  Daniel  Thes.  1,  331.  332. 


815 

2.  Der  braun  von  seinen  Aussen  rein, 
er  ist  gebom  dem  volke  sein, 

der  hat  .gebrochen  des  todes  pein, 
und  auch  die  meit        Maria« 
Gotes  sun  ff. 

3.  Was  alte  sünd  hat  underdrückt, 
das  ist  zum  leben  wider  erkückt, 
daß  wir  in  gnad  sein  wider  gerückt: 
das  macht  die  meit        Maria. 

Gotes  sun  ff. 

4.  Ein  Stern  hat  uns  die  snnne  bracht, 
die  sunn  hat  unser  heil  gedacht, 
das  doch  die  reinigkeit  nicht  swacht 
der  reinen  meit        Maria. 

Gotes  sun  ff. 

5.  On  kantnus  menlicher  art 

bracht  uns  die  rut  ein  blümlein  zaii;, 
das  do  wart  des  bimels  gart 
mit  der  meit        Maria. 
Gotes  sun  ff. 

6.  O  frawe  der  Salden  tat, 

dein  leip  die  firucht  gewagen  hat, 
die  abwusch  der  werlt  missetat 
mit  der  meit        Maria. 
Gotes  sun  ff. 

7.  Do  Jesus  lag  im  krippelein, 

in  kant  das  rint  und  das  eselein: 
mit  irem  Schleier  dekt  in  fein 
die  reine  meit        Maria. 
Gotes  sun  ff. 

8.  Joseph  des  erfireuwet  wart: 

mit  ir  milch  speist  in  die  jimgfraw  zart, 
der  gotheit  sie  do  innen  wart 
die  reine  meit        Maria. 
Gotes  sun  ff. 

9.  Sein  lop  das  sang  der  engel  schar, 
ör  und  frid  weiset  er  ftlrwar, 

des  kamen  auch  die  hirten  dar 
zu  der  reinen  meit        Maria. 
Gotes  sun  ff. 


_316 

10.  Ir  hirten  lauft,   nicht  lenger  beit 
und  schaut  die  große  wirdigkeit, 
als  euch  die  enge!  han  vorgeeeit, 
mit  der  meit        Maria. 

Gotes  sun  ff, 

11.  Das  kintlein  wolt  auch  versniten  wern, 
sein  erstes  blut  fiir  uns  verreni, 

got  wolt  es  ftlr  Herodes  emem 
.    und  auch  die  meit        Maria. 
Gotes  sun  ff. 

12.  Drei  kunig  kamen  dar  mit  raten 
und  gaben  auch  die  sie  wol  heten, 
kniend  sie  das  kint  anbeten 

und  auch  die  meit        Maria. 
Gotes  sun  ff. 

13.  Das  golt  bedeutet  kunglich  macht, 
weirauch  die  priesterlich  andacht, 
myrren  sterben  das  uns  Seligkeit  bracht 
und  auch  die  meit        Maria. 

Gotes  sun  ff. 

14.  O  du  süßer  Jesu  Christ, 

der  sei  ein  lebendig  speise  bist, 
gip  uns  ru  nach  diser  frist 
durch  die  meit        Maria! 
Gotes  sun  ff. 

15.  Er,  lop  sag  wir  und  wirdigkeit 
der  gnade   gots  mit  dankbarkeit, 
der  hochgelobten  dreivaltigkeit, 
und  auch  der  meit        Maria. 

Gotes  sun  der  mensche  wai*t 

von  der  jungfrawen  zart        Mai^ia. 

Aus  einer  Münchener  Hs.  vom  J.  1421  in  Docen's  Miacellaneen  1,  286 
— 288.  —  Docen:  2^  \,  e9  ist  —  7,  3.  4.  mit  jrem  Schleyer  deckt  ßi  die  niaid 
die  muUer  rein  —  10,  3.  ?iaben  —  11,  3.  Herodes  blut  emeren  —  13,  2. 
priesterliehen  —  14,  2.   der  seel  du  ein  lebendige   speis. 

Auch  von  diesem  lateinischen  Texte  müssen  verschiedene  Lesarten  vor- 
handen gewesen  sein.  Im  deutschen  finden  sich  nicht  die  lat.  Str.  3.  4.  5. 
10,  dorn  lateinischen  fehlen  dagegen  die  deutschen  Strophen  2.  10.  12.  13. 
14.  Das  Vcrhältniss  des  deutschen  Textes  zum  lat.  ist  folgendes:  1  entspricht 
1,^=2,  4  =  6,  5  =  7,  6  =  9,  7  =  11,  8  =  13,  9  =  12,   11  =  8,  15  =  14. 


317 

q  Nr.  170. 
In  hoc  anni  circulo. 

1.  Zu  diBem  neuen  jare  zart 
ein  kindelein  geboren  wart 
uns  zu  trost,  zu  Seligkeit 

der  Jungfrau  son, 
uns  zu  troßt,   zu  Seligkeit 
der  Jungfrau   son  Mariae. 

2.  Adam  von  dem  apfel  aß, 

das  im  ein  großer  schaden  was, 
den  uns  abgenomen  hat 

der  Jungfrau  son, 
den  uns  abgenomen  hat 
der  Jungfrau  son  Mariae. 

3.  Nu  bitten  wir  das  kindelein 
und  die  liebe  muter  sein, 
daß  er  uns  genädig  sei 

der  Jungfrau  son, 
daß  er  uns  genädig  sei 
der  Jungfrau  son  Mariae. 
Breslauer   Hs.  I.  8».  113.  Bl.  3»  — 4*.      Aus  dem  XY.  Jahrh.     Der  lat. 
Text  mit  dabei,  von  dem  die  bei  Leisentrit  gedruckten  Strophen  1.  3  und  14, 
8.  Wekn.  Nr.  54. 

f  Nr.  171. 
In  natali  domini^^). 

1.    Nu  zu  diser  feier  klar 
freuen  sich  die  engel  gar 
und  singen  mit  frölichkeit: 
lop  und  ere  sei  gote  bereit  1 

Maria  muter,  Jungfrau  schon, 

du  gebirest  uns  gotes  son, 

und  bist  Jungfrau  ewiglich. 


§.  9.  49)  Von  dem  lat.  Texte  sind  verschiedene  Lesarten  vorhanden ,  die 
Ulteste  mir  vorgekommene  ist  die  im  Ms.  germ.  8<^.  Nr.  190  zu  Berlin  aus 
der  Mitte  des  XV.  Jahrh.,  6  Strophen;  die  bekanntere  ist  die  bei  Leisentrit 
GB.  1567.  1.  Th.  Bl.  47»»  (wiederholt  bei  Wckn.  Nr.  50.  „XIV.  Jahrh.?« 
und  Daniel  Tlics.  1,  829);  eine  dritte  in  Corner  GB.  1625.  Nr.  68,  9  Strophen.- 

22 


318 

2.  Die  hirten  brachten  neue  mär, 
wie  got  mensch  geboren  war. 
des  sollen  wir  alle  frölich  sein, 
er  wirt  mis  freien  von  aller  pein. 

Maria  muter,  Jungfrau  schon, 
du  gebirest  uns  gotes  son, 
und  bist  Jungfrau  ewiglich. 

3.  Die  heiligen  drei  könig  kamen  dar 
und  brachten  ir  opfer  klar: 

golt,  mirram,  Weihrauch,  solch  opfer  fein, 
das  solte  got  genäme  sein. 

Maria  muter,  Jungfrau  schon, 
du  gebirest  uns  gotes  son, 
und  bist  Jungfrau  ewiglich. 
BreBlaner  Hs.  I.  8«.   118.  Bl.  bK  6".    Ende  des  XY.  Jahrhimderts.  — 
Diese  drei  Strophen,   die  zogleiclL  mit  den  lateinischen  sich  vorfinden,   ent- 
sprechen den  Ut  1.  2  und  6.   bei  Leisentrit  GB.  1567.  1.  Th.  Bl.  47l>. 
Wol  noch  ans  Klterer  Zeit  stammen  anch  folgende  ÜbersetKongen : 

f  Nr.  172. 

Im  Ton:   Slag«ii  wir  ans  Henens  Orand. 

1.  Dem  nengebomen  Kindelein 
Bingen  alle  Engelein, 
Plreisen  es  mit  heUer  Stimm: 
Lob  nnd  Ehr  allein  sei  ihm. 

Christ  der  Herr  euch  ist  gebom, 

Von  Maria  anserkom, 

Ihr  Jnngfirausohaft  nicht  hat  verlorn. 

2.  Sie  seigten  solchs  den  Hirten  an, 
Die  bei  ihrer  Heerde  warn: 
Lobet  Gott  und  seid  all  froh! 
Geht  hint  ihr  werdts  finden  sot 

Christ  der  Herr  ench  ist  gebom, 

Von  Maria  auserkom, 

Bringt  wieder  was  da.  war  verlorn. 

3.  Die  Weisen  fem  im  Morgenland 
Des  Kinds  Stern  haben  erkannt 

Gold,  Weihranch,  Myrrhen  ihm  zu  £hm 

Brachten  sie  Christo  dem  Herrn. 
Christ  der  Herr  ist  uns  gebom, 
Von  Maria  auserkom, 
Ihr  Jnngfrauschaft  nicht  hat  verlorn. 


819 

4.    Dem  nengebomen  Kindeleiii 
Sei  Lob,  Preu  und  Ehr  allein! 
Des  neageborneu  Königs  Beich 
Wachs  und  stttrk  «ich  gewaltigleichl 
Christ  der  Herr  uns  ist  gebom. 
Von  Maria  aoserkom, 
Bringt  wieder  was  da  war  verlorn. 
Leipziger  OB.  1686   3.  Th.  Nr.  159.  —   Nürnberger  OB.  1599   S.  288. 
239.  Im  Register  bez.  mit  C.  K.  (Christliche  Kirche.) 

In   katholischen   Gesangbüchern  dagegen  wieder  eine    andere,  jüngere 
Übersetzung,  von  5  Strophen;  die  erste  lautet: 
Als  Gott  Mensch  geboren  war, 
Da  freuet  sich  der  Engel  Schaar, 
Singet  laut  mit  Fröhlichkeit: 
Ehr  sei  Gott  in  Ewigkeit! 

Gott  gebar  ein  Jungfrau  schon, 
Gott  gebar  ein  Jungfrau  rein, 
Ein  Jungfrau  mit  Seel  und  Leib. 
Kölner  GB.  1619  Anh.  Bl.  14.     Corner  GB.  1625  Nr.  69. 

Eine   dem  Joh.   Hom    zugescluiebene  steht    im   Brüdergesangbnch   von 
1544.  bei  Wckn.  Nr.  395. 

f   Nr.   173. 

Mel. :   Singon  wir  ans   Horsensgrand. 

1.  Da  Christus   geboren  war, 
Freuten  sich  der  Engel  Schaar 
Und  sungen  mit  Haufen  schon: 
Ehr  sei  Gott  im  höchsten  Thron! 
Gottes  Sohn  ist  Mensch  gebom, 
Hat  versöhnt  seins  Vaters  Zorn. 
Freu  sich,   dem  sein  Sund  ist  leid! 

2.  Die  Hirten  erschraken  ganz 
Für  der  Engel  hellem  Glanz, 
Hörten  fröhlich  neue  Mähr, 
Daß  Christus  geboren  wSr. 
Gottes  Sohn  ist  Mensch  gebom, 
Hat  versöhnt  seins  Vaters  Zorn. 
Freu  sich,  dem  sein  Sund  ist  leid! 

3.  Sie  suchten  das  Kindelein, 
Eingewicklt  in  Windelein, 
Wie  der  Engel  hatt  vermeldt. 
Welches  trügt  die  ganze  Welt 
Gottes  Sohn  ist  Mensch  gebom, 
Hat  versöhnt  seins  Vaters  Zorn. 
Freu  sich,   dem  sein  Sund  ist  leid! 

22* 


320 

4.  Sie  funden    das  Kindlein  MUt 
Liegen  in  der  Krippen  hart 
Bei  dem  Vieh  im   finstem  Stall, 
Welch«  die  Stein  erschaffen  all. 
Gottes  Sohn  ist  Mensch  gebora. 
Hat  yersöhnt  seins  Vaters  Zorn. 
Fron  sich,  dem  sein  Sund  ist  leidt 

5.  Ans  der  Mntter  Bmst  so  rein 
N&hret  sich  das  Kindelein, 
Welches  durch   göttliche  Kraft 
Allem  Vieh  sein  Fntter  schafft. 
Gottes  Sohn  ist  Mensch  gebom, 
Hat  yersöhnt  seins  Vaters  Zorn. 
Freu  sich,   dem  sein  Stind  ist  leid! 

6.  Solche  groß  Barmherzigkeit 
Laßt  uns  preisen  allezeit  I 

In  Gottsfurcht  und  Glauben  rein 
Mit  Geduld  gehorsam  sein! 
Gottes  Sohn   ist  Mensch  gebom, 
Hat  versöhnt  seins  Vaters  Zorn. 
Freu  sich,  dem  sein  Sund  ist  leid! 
Nr.  152.  in  Johann  Crügers  Praxis  pietatis  melica,  vermehrt  von  Peter 
Sohren  (5.  Aufl.)  IfVankfürt  a.  M.  1680.  — 

f    Nr.  174. 
Lauda  mater  ecclesia*^). 
1.   Lob  du  mfiter  der  cristenheit, 
lob   du  die  Christi  güetigkeity 
der  die  siben  laster  hat  begraben 
durch  seine  sibnerlei  gaben. 


§.  9.  50)  Das  lat.  Lied  hat  hier  10  Strophen,  während  es  sonst  nur  aus  7 
besteht;  s.  Liber  ecclesiast  carminum  (Basil.  1538  8^.)  und  Bambach  Authol. 
1,  217  —  219,  auch  Daniel  Thes.  1,  221.  Die  dort  fehlenden  Strophen 
(Str.  5.  Contriti  cordis  punctio,  fehlt  hier)  sind: 

Etemi  patris  unice 

nos  pro  vnltu  reipice, 

qui  Magdalenam  hodie 

vocas  ad  thronum  glorie! 

In  thesauro  reposita 

regia  est  dragma  perdita 

gemmaqne  lucet  indita 

de  luto  Inci  reddita. 


321 

2.  Maria  die  swester  Lazari^ 
die  80  vil  Übels  het  gedieht, 

aus  dem  gumen  der  helliBehen  ii»t 
kert  sie  sieh  zu  des  lebens  frist. 

3.  Bis  naeh  des  unreinen  fleisches  schand 
aus  dem  tigl  in  ein  gülden  faß  gewant, 
in  das  faß  der  eren  wol  genoß 

wirt  sie  verkert  nach  der  smaeheit  groß. 

4.  Eia  die  krank  lauft  zu  dem  arzt, 
ein  buchs  trfig  sie  mit  edlem  harz, 
und  von  mancherlei  krankheit  hart 
wirt  sie  gesunt  durch  des  arztes  wort. 

5.  So  er  aufstet  mit  sig  und  sterk 

Jesum  siht  sie  von  der  hellischen  schreck, 
d^e  erst  empfeht  sie  der  freuden  Ion, 
die  vor  den  andern  in  liebe  bran. 

6.  Unserm  got  sei  gesprochen  dank 
für  seiner  siben  genaden  schank, 

der  die  schult  vergibt  und  auch  die  pein 
und  teilt  uns  mit  seins  liechtes  schein. 

7.  Ewiges  vaters  eingebom, 
beguad  uns  in  den  sunden  verlorn, 
der  Magdalenam  heut  erhebst 

in  des  himelischen  trones  rest. 

8.  Li  des  kunigs  schaz  hochgebom 

legt  man  den  pfennig,  der  do  was  verlorn, 
do  leucht  der  edelstein  gar  schon 
recht  als  smaragt  und  topazion. 

9.  Jesu  Zuflucht  der  fliehenden, 
einige  hofhung  der  büeßenden, 
durch  der  sunderin  verdienen 

los  auf  von  uns  die  baut  der  sunden ! 


Jesu  dnlce  reiiigiam, 
spes  vaxsL  penitentiain, 
per  peccatricis  meritum 
peccati  solve  debitum! 
Pia  mater  et  humilis, 
natore  memor  fragiUs, 
in  hoius  vite  iluctibiis 
no8  rege  tuU   precibus! 


322 

10.    Bistu  auch  güetig  und  diemüetig, 
0  mfiter^  sei  uns  indechtig, 
und  in  des  lebens  tünnen  swer 
uns  mit  deinem  färsprechen  gewer! 

AuB  einer  Hs.  des  XV.  Jahrh.  in  der  MensebacliBehen  Bibl.  zu  Berlin. 
—  10,  S.  Hinnen  f  vielleicht  ra  lesen  dUmjffenj  dumpf  ein  f  —  Im  deutschen 
Texte  ist  jede,  im  lat.  nnr  die  erste  Strophe  mit  Mosik  yersehen.  In  den 
Noten  bereits  Tactstriche.   —  Auf  die  Strophe  10  folgt  noch:   Uni  deo  sit 

gloria (£)inem  got das  ist  der  Anfang  der  letzten  Strophe 

des  gewöhnlichen  Textes. 

f  Nr,  175. 

Laus  tibi  Christe  qui  pateria"). 

Lop  und  ere  sei  dir  gesaget^ 
du  himelischer  got, 
daß  du  vor  uns  gelitten  host 
den  schemelichen  tot. 
bewar  uns,  lieber  herre, 
vor  der  hellen  not 
und  teil  uns  heute  mite 
das  himelische  brot! 

Kyrie  eleison,  Christe  eleison. 
In  einem  gedmckten  Psalteriom  des  XY.  Jahrhunderts  in  der  Breslauer 
Bibliothek  hinten  von  gleichzeitiger  Hand  aufgezeichnet,  nebst  der  lat.  Strophe. 

f  Nr.  176. 
Laus  tibi  Christe  qui  pateris. 

1.   Lob  sollen  wir  singen 
Dem  viel  werthen  Christ, 


§.  9.  51)  In  Corner  OB.  1626  Nr.  108. 

Lans  tibi  Christe,  qni  pateris 
in  cmce  pendens  pro  nobis  miseris, 
com  patre  regnas  in  coelis, 
nos  reos  salya  in  terris. 

Kyrie  eleison. 
O  Maria  dei  genitrix, 
pium  fer  auxilinm  pro  nobis  miseris, 
ne    nos  damnemur  onm  impiis, 
sed  nt  salvemnr  cum  beatis. 
Kyrie  eleison. 


_m 

Der  um  unser  Sünde 
Am  Kreuz  gestorben  ist. 
Über  uns  viel  armen, 
Barmherziger  Gott, 
Wollest  dich  erbarmen 
Durch  deinen  bittem  Tod! 
Kyrie  eleison. 

2.  O  Herr  Gott,  großen  Schmerzen 
So  sehr  und  auch  so  fast, 

So  williglich  von  Herzen 
Für  uns  gelitten  hast; 
Ließt  dich  fttr  uns  gar  tödten 
Als  einen  schnöden  Mann, 
Wie  solches  die  Propheten 
Zuvor  gezeiget  an. 
Kyrie  eleison. 

3.  Nun  danken  wir  von  Herzen 
Dem  gütigen  milden  Gott, 
Welcher  der  Hellen  Schmerzen 
Von  uns  genommen  hat, 

Für  uns  am  Kreuz  gelitten 
Den  Tod  so  jämmerlich: 
Der  schafft  ims  Heil  und  Frieden 
Im  Himmel  ewiglich. 
Kyrie  eleison. 

4.  O  heilige  Maria, 
Gottes  Gebärerin, 

Sei  uns  armen  Sündern 
Ein  treue  Fürsprecherin, 
Auf  dass  wir  nicht  verderben 
In  der  Hellen  Pein, 
Sondern  selig  werden 
Durch  die  Fürbitt  dein! 
Kyrie  eleison. 

Kölner  OB.  1610  Bl.  70.  1, 8.  fehlt  hittem  —  Corner  GB.  1626.  Nr.  109. 
2,  5.  U{ßt  —  8,  7.  ichaf  ^  A,  6.  in  der  hdlUßchen  Pein. 


324        . 

f  Nr.  177. 
Media  vita  in  morte  sumus^^). 

Enmitten  in  des   lebens  zeit 

sei  wir  mit  tod.umbfangeii. 

wen  suech  wir,   der  ims  hilfe  geit, 

von  dem  wir  huld  erlangen? 

dan   dich,  herr,   aleine, 

der  du  umb  unser  missetat 

rechtlichen  zürnen  tuest. 

heiliger  herre  got, 

heiliger  starker  got, 

heiliger  barmherziger  heiler, 
ewiger  got, 

laß  uns  nit  gewalden  des  bittem  todes  bot! 
Münchener  Cod.  lat.  6034  (Ebersberg.  234.),  zweimal:  Bl.  89l>  und  90>, 
aus  dem  XV.  Jalirh.,  mit  Singnoten.  (Mittheil.  Dr.   G.  Scherer's.) 

Der  Text  in  dieser  Gestalt  erhielt  sieh  lange,  auch  noch  in  der  eyan- 
gelischen  Kirche,  welche  doch  Lnther's  Umarbeitung:  Mitten  wir  im  Leben 
sind,  schon  seit  1524  besaß.  In  der  Kirchenordnung  der  Marggrafen  von 
Brandenburg  und  der  Stadt  Nürnberg  1533  heißt  es  S.  1179  bei  der  Ord- 
nung der  Begräbnisse  'Damach  eine  Antiphonam,  als:  Media  vita  in  morte 
sumus  cet.  Oder  Ego  snm  resurrectio  et  vita.  Oder  ein  teutsch  Gksang, 
als:  Mitten  unsers  Lebens  Zeit  sein  wir  mit  Tod  umfangen  ff« 
nachdem  es  an  einem  jeden  Orte  im  Gebrauch  ist  oder  angerichtet  werden 
mag.'     A.  L.  Richter  evangel.  Kirchenordnungen  1.  Bd.  S.  210. 

f  Nr.  178. 
Media  vita  in  morte   sumus. 

In  mittel  unsers  lebens  zeit 

im  tod  seint  wir  umbfangen. 

wen  sftchen  wir  der  uns  hilfe  geit, 

von  dem  wir  huld  erlangen? 

dan  dich  herr  alleine 

der  du  umb  unser  missetat 


§.9.  52)  Für  den  Verfasser  gilt  Notker  Balbulus,  Mönch  zu  6t.  Gallen 
(t  910),  s.  ndefons  von  Arx,  Geschichten  von  St.  Gallen  1.  Bd.  S.  94.  Das 
Lied  wurde  das  ganze  Mittelalter  hindurch  viel  gesungen  bei  allerlei  Anliis- 
sen,  auch  als  Schlacht-,  Fluch-  und  Zaubergesang.  Der  Text  hat  sich  in 
vielen  Hss.,  auch  in  alten  Drucken  erhalten;  s.  Mone  Hymnen  1,397.  Daniel 
Thes.  2,  329.   Wckn.  Nr.  37. 


325 

rechtlichen  zürnen  t&st. 

heiliger  herre  got, 

heiliger  starker  got, 

heiliger  und  barmherziger  heiler, 
ewiger  got, 

laß  uns  nit  gewalt  t&n  des  bitteren  todes  not! 
Plcuarimn  (Basel  1514.  fol.),   auf  der   Bückaeite  .dea  Titelblattes  unter 
einem  Scheuffelinschen  Holzschniite,  duiatna  am  Kreoae  darstellend. 

In  der  ersten  Ausgabe  meines  Buchs  S.  186  hatte  ich,  freilich  ohne  es 
weiter  zu  bemerken,  die  Lesart  des  Plenaiiums  yon  1616:  barmherziger  heil- 
maeher  got  für  b.  heüer^  ewiger  got,  mitgethellt.  Ph.  Wckn.  S.  869  giebt 
mir  deshalb  »einige  unerklärliche  Veränderungen*'  schuld,  die  jeder  beiVer- 
gleichung  der  beiden  Exemplare  von  1514  n.  1516  auf  der  Qöttinger  Biblio- 
thek sehr  erklftrlich  finden  wird.  Etwas  abweichend  davon  ist  eine 
andere  Übersetzung  im  Gilgengart  (Augsp.  1520.  8?)  Bl.  cij,  gedruckt  in  J. 
B.  Biederer,  Nachrichten  zur  Kirchen-,  Gelehrten-  und  Bücher- Geschichte 
n.  Bd.  8.  419. 

f  Nr.  179. 
Media  vita  in  morte  sumus. 

1.  Mitten  wir  im  leben  sint 
mit  dem  tod  umbfangen: 
wen  suchen  wir  der  hilfe  tu, 
daß  wir  gnad  erlangen? 

das  bist  du,  herr,  alleine, 
uns  reuet  unser  missetat, 
die  dich,  herr,  erzürnet  hat. 
heiliger  herre  got, 
heiliger  starker  got, 
heiliger  barmherziger  heilant, 
du  ewiger  got, 
laß  uns  nit  versinken 
in  des  bittem  todes  not! 
Kyrie  eleison. 

2.  Mitten  in  dem  bittem  tod 
schrecket  uns  dein  urteil: 
wer  wil  uns  aus  solcher  not 
helfen  zu  der  seien  heil? 

o  herr,  du  bists  alleine, 
der  aus  großer  gütigkeit 
uns  beistant  tut  alle  zeit. 


heiliger  herre  got, 
heiliger  starker  got, 
heiliger  barmherziger  heilant, 
du  ewiger  got, 
laß  uns  nit  verzagen, 
80  uns  die  sünd  tut  nagen! 
Kyrie  eleison. 
3.   Mitten  in  der  feinde  hant 
tut  die  furcht  uns  treiben: 
wer  hilft  uns  dan  der  heilant, 
daß  wir  ganz  sicher  bleiben? 
Christo,   du  bists  alleine, 
denn  du  der  gut  hirte  bist, 
der  uns  wol  bewaren  ist. 
heiliger  herre  got, 
heiliger  starker  got, 
heiliger  barmherziger  heilant, 
du  ewiger  got, 
laß  uns  fridlich  sterben, 
mach  uns  deines  reiches  erben! 
Kyrie  eleison. 

Yehe  GB.  1537.   Nr.  42,   daraiu   Leisentrit  GB.  1667.    1.  Th.  Bl.  826. 
So  auch  in  späteren  GB.  z.  B.  dem  Kölner  1610.  Bl.  60.  Corner  GB.  1626.  Nr.  399. 
Das  Münchener  GB.   1586  Bl.  11.   hat  eine   dem   uvprüngiichen  Texte 
näher  stehende  Lesart,  Strophe  1. 

In  mitten  unsers  lebens  seit 

seint  wir  mit  tod  umfangen: 

wen  Sachen  wir  der  hilfe  geit, 

dardarch  wir  hilf  erlangen, 

als  dich  heir  alleine? 

der  um  nnser  missetat 

rechtlich  geziimet  hat. 

heiliger  herre  got, 

heiliger  starker  got, 

heiliger  bannherBiger  heilant, 

ewiger  gotl 

hilf  daß  wir  nicht  verderben 

des  bitterlichen  tot, 

laß  ans  dein  hold  erwerben, 

hilf  ans  aas  aller  not! 
Kyrie  eleison. 
Lather's  Übersetsong  vom  Jahre  1524.  s.  Wckn.  Luther^s  Lieder  Nr.  24. 


327 


f  Nr.  180. 

Omnis  mundus  iucundetur*^). 

Alle  werfet  freuet  sich 

gein  disem  neuen  jare. 

der  da  himel  und  erde  geschuf, 

darzu  die  engel  klare, 

der  ist  nu  mensch  gebom; 

er  hat  im  außerkom 

Marien  die  zarte  und  die  vil  reine; 

reine,  reine  Jungfrau  und  muter  ist  sie  bliben  alleine. 

BreslauerHs.  1.8».  118.  Bl.  6«-^    Aus  dem  Ende  des  XV.  Jfthrbmiderts. 
Eine  neuere  Überaetziuig : 

Alle  Welt  springe    und  lobsinge 

Christ  dem  neugeboren. 

Der  um  unsertwillen  stieg  vom  Himmel 

Zu  versöhnen  Gottes  Zoren  ß. 
Paderborner  GB.  1616.  8.  17.  18.     Corner  GB.  1625.  Nr.  73. 

f   Nr,   181. 
Omnis  mundus  iucundetur. 

Seit  frölich  und  jubilieret 

Jesu  dem  Messiael 

der  die  ganze  weit  regieret, 

ist  ein  son  Mariae, 

und  leit  in  dem  krippelein 

beim  ochsen  und  eselein. 


§.9.  53)  In  derselben  Bresl.  Hs.  I.  8o.  118. 
Omnis  mundus  iocundetur 
nato  salvatore, 
casta  mater  quem  concepit 
Gabrielis  ore. 
sonoris  vocibus, 
sinceris  mentibus 
gaudeamus  et  letemur: 
hodie  hodie  hodie 
Christus  natus  est  a  Maria  virgine, 
Tirgine,  vir-  vir-  vir-  vir-  vir-  vir-  vir-  vir-  virgine. 
gaudete,  gaudete!   gaudeamus  et  letemur, 
itaque,  itaque,  ita,  ita,  ita,  ita,  itaque. 
Au8   dem  Mainzer  GB.  1631.   bei  Wokn.  Nr.  49.  (Daniel  Thcs.  1,  329.) 


328 

sause ,  sause!  sause,  sause,  kiadelein! 
du  bist  mein,  ich  bin  dein, 
jauchst  und  springet, 
klingt  und  singet: 
hodie,  hodie,  hodie 
ist  gebom  Christ  das  sönlein 
Mariae,  Mariae 

und  hat  yon  uns  weggenommen 
alles  we,   alles  we,  alles  we. 
hilf  daß  wir  balde  ku  dir  kommen, 
o  Christo! 
Kicolaus    Hermann,  Euangelia  auf  alle  Son-   vnd  Fest -Tage  (Wittenb. 
1660).     Bei  Wckn.  Nr.  487.  —  Im  Höfer  GB.  1614  vgl.  Schöber  H,  103. 

f  Nr.   182. 
Omnis  mundus  iuc     idetur. 

1.  Seid  fröhlich  und  jubilieret 
Jesu  dem  Messiae! 

Der  die  ganse  Welt  regieret 

Ist  ein  Sohn  Mariae, 

Lieget  in  dem  Krippelein 

Beim  Ochsen  und  Eseleia. 

O  du  liebes  hoch  und  zartes  Kindeleiii, 

Du  bist  mein ,   ich   bin  dein  ! 

Jauchzet,  springet, 

Klinget,  singet! 

Hodie,  hodie,  hodie 

Ist  geboren  Christ  das  Kindelein 

Mariae,  Mariae,  Mariae, 

Und  hat  von  uns  weggenommen 

Alles  Weh,  alles  Weh,  alles  Weh. 

Hilf,  daß  wir  bald  zu  dir  kommen, 

O  Christel 

2.  Alle  Welt  die  freuet  sich 
Zu  diesem  neuen  Jahre. 

Der  Alles  schafft  mächtiglich, 

Darzu  die  Engel  klare, 

Der  ist  heut  wahrer  Mensch  gebom, 

Hat  ein  Mutter  auserkom. 

Maria  die  reine  keusche  Jungfrau  zart 

Gottes  Sohn  geboren  hat, 

Der  des  Teufeis  Reich  zerstört 

Durch  sein  Gewalt,  sein  Gewalt,  sein  Gewalt, 

Ist  bei  uns  allzeit  hinfort 


329 

Ganz  mannigfaU,   mannigfalt^  manuigfalt. 
Er  wird  bleiben 
Und  von  una  treiben 

Bund  und  Tod,  Bund  and  Tod,  Sund  und  Tod. 
Hilf  Herr  Christe,  Davids  8ohn, 
Ana  aller  Noth! 
3.    Lob  sei  dir,  Herr  Jean  Christ, 
Du  Sohn  Gk>tte8  alleine, 
Der  da  unser  Siegfürat  bist, 
Machat  uns  von  Sünden  reine. 
Du  bist  Qottes  Klarheit  schon 
Leuchtend  ans   des  Himmels  Thron, 
Bist  herkommen   uns  zu  Frommen 
In  die  Welt,  in  die  Welt, 
In  die  Welt,  dir  gefällt 
Aufisuladen  unseren  Schaden 
Mannigfelt,  mannigfelt.     Treuer  Held, 
Bist  von  Gott  in  aller  Noth 
Zum  Heil  bestellt,   Heil  bestellt  alldr  Welt 
Laß  uns  dir  befohlen  sein, 
Die  Kinder  dein,  Kinder  dein,  Kinder  dein, 
Dad  wir  hie  und  dort  bei  dir 
Ewiglich  sein. 
Kölner  GB.  1610.  Bl.  42»»  —  43»».     Corner  GB.  1626.  Nr.  74.     Heidelb. 
GB.  1629.   S.  69.  70. 

f  Nr.  183. 
Fange   lingua  gloriosi**). 

Lobt  all  Zungen  des  erenreichen 

gotes  leichnams  wirdikeit 

und  sein  bl&t  gar  kostperleichen, 

das  zu  trank  uns  ist  bereit, 

frncht  des  leibes  adelleichen, 

schenkt  der  kunig  der  werlde  breit. 
Vom  Mönch  von  Salzburg.  6  Strophen.  Gedruckt  nach  einer  Hs.  in 
St.  Florian  im  Anseige-Blatt  mm  XL.  Bande  der  Wiener  Jahrbücher  (1827) 
S.  17,  und  nach  der  Wiener  Hs.  2856.  in  Kehrein,  Kirchen-  und  relig.  Lie- 
der S.  176—178.  Beide  Texte  sind  schlecht  und  es  müssen  deshalb  noch 
zu  Rathe  gesogen  werden  die  Münchener  Hs.  Cod.  germ.  716,  und  die  Wie- 
ner Hss.  4696  und  2975. 


§.  9.  54)  Von  Thomaa  Aquinas  zu  dem  vom  Papst  Urban  lY.    im  J.  1264 
angeordneten  Frohnleichnamsfeste  gedichtet.  Daniel  Thea.  1, 251.  Wckn.  Nr.  42. 


_330_ 

%   Nr.  184. 
Fange  lingua  gloriosi. 

1.  Lobe,  zunge,  Christi  leichnam 
und  sein  kosperliches   blut, 

das  die  werlt  z&  letze  von  im  nain. 
got  und  mensch  das  ewig  g&t 
des  keuschen  leibes  frucht  so  lobesam 
der  künig  geit  uns  so  gem&t. 

2.  Uns  geboren,  uns  gegeben 
aus  der  unvermeiligten  meit 

und  hat  gar  wunderlich  sein  leben 
umb  uns  gegeben ,   die  süßen  weid 
besloßen  schön  und  so  eben 
vertilgt  das  ewig  leben. 

3.  An  dem  letzten  abentessen 
mit  den  zwelfen  er  do  r&t, 
und  erfült  gar  wol  vom  essen 
das  alt  gesetz  Jesus  der  gftt, 
seinen  brüdem  das  zu  essen 

er  gap  sein  fleisch  und  auch  sein  blAt. 

4.  Menschlich  sinne  die  müßen  weichen, 
do  sich  wandelt  brot  und  wein 

in  fleisch  und  in  blAt  von  got  dem  reichen 
und  dem  ewigen  woxt  so  vein: 
das  müg  ein  reines  herz  begreifen, 
lert  uns  den  rechten  glauben  allein. 

5.  Dar  umb  wir  billeich  neigen  schüllen 
dem  vil  großen  sacrament, 

das  er  wöl  an  uns  erfüllen 

mit  gnaden  in  disem  eilend. 

das  alt  gesetz  dem  neuen  muß  weichen, 

der  recht  gelaub  die  sinne  wend. 

6.  Lop  und  ere  sei  gesungen 
got  dem  vater  ewiclich, 

heil  und  freude  sei  erklungen 
seinem  sime  wunniclich, 
jubilieren  alle  zungen 
dem  heiligen  geist  von  himclrich! 
Münchener  Cod.  genn,  444.  Bl.  22^  vom  Jahre  1422.     Übersehrift:  Das 


331 

thewtz  pange  lmgu>a  (BCittheil.  Dr.  F.  Zarneke's  und  Dr.  G.  Scherer's).  — 
Hb.  1,  3.  am  letzte  —  1,  4.  tm«  (wnd)  —  2,  1.  gepom  —  2,  6.  fehlt  das 
Reimwort  —  4,  4.  etoig  —  4,  6.  fehlt  aüein  —  5,  3.  fehlt  an  —  6, 1.  Lohe 
—  6,  2.  ewickUchen  —  6,  3.  frewd  —  6,  6.  himelreich. 

%  Nr,  185. 
Fange  lingua  gloriosi. 

1.  Min  zung  erkling        und  frölich  sing 
von  dem  zarten  lichnam  fron, 

von  dem  bl&t  und  kostlichen  ding, 
das  gössen  hat  der  weit  zu  Ion 
frucht  des  libes        reinen  wibes, 
der  künig  aller  volker  schon. 

2.  Uns  geboren        ußerkoren 
von  der  reinen  Jungfrau  fin, 
bi  uns  dri  und  drißig  joren 
gebreitet  us  den  samen  sin, 
do  beslossen        unverdrossen 
sin  zit  in  Wunderwerk  und  pin. 

3.  Uf  des  ietsten        nachtmals  essen, 
als  er  bi  den  brudem  saß, 

des  gesatz  wart  nicht  vergessen, 
ak  er  das  osterlemlin  aß, 
wolt  er  senden        mit  sinen  henden 
den  jungem  sich  zfi  einem  maß. 

4.  Fleisch  us  werten        und  wares  brot 
wart  US  wort  z&  fleisch  gemacht, 
win  verwandelt  sich  in  blut, 

wie  wol  Vernunft  das  nit  verstat. 
uns  z&  Sterken  ist  zu  merken: 
allein  ein  guter  glaube  ist  not. 

5.  Darumb  lont  uns  flißlich  eren 
ein  so  großes  sacrament, 

das  nüw  ist  unde  macht  ufhören 
das  gesatz  des  alten  testament. 
der  glaube  mag  leren        imde  meren 
was  unser  sin  nit  hat  erkent. 

6.  Lop  und  freud  si  got  dem  vater, 
got  dem  sun  si  heil  und  pris, 
kraft  zier  ewig  sogen  hat  er; 


332 

dem  geist  der  von  in  beide  entsprießt, 

lop  des  glichen        ewiglichen, 

von  im  alle  gnade  und  tugent  fließt. 

Ms.  germ.  4o.  636.  der  königl.  Bibl.  zu  Berlin,  von  gleicher  Hand  mit 
einem  Marienspicle,  das  mit  den  Worten  schlieOt:  anno  dni.  1491.  per  mu 
menBchin.  (Mittheil.  Ludw.  Erk's.)  3,  6.  in  der  Hs.  hinter  maß  noch  spei» 
—  4,  4.  wie  tool  da$  v,  dm  — 

Für  den  ältesten  Text  galt  bisher  der  El.  xliiij.  vorkommende  in 
Vslegunffe  der  hymba  nach  der  zitt  des  ganczen  iares,  mit  ieren  herclerungen, 

vnd  exponienmffen,   vaat  nützliche  von  latin   zutütsch  4».  (78   Bl.)     Am 

Ende    des    Registers:    Finis    tabule   huius.      Et   exoraii  sunt  hi  hymni. 

Anno    domini,   M  ccec   Lxxxxiiij.    Kalendas  denique  februaHj  doudenas. 

Menseb.  Bibl.  Nr.  9001.  . 
der  zugleich  der  einzige  gereimte  dieses  Buches  ist*^).  Dieser  gedruckte 
Text  stimmt  mit  dem  mitgetheilten  handschriftlichen  überein.  Der  hand- 
schriftliche scheint  also  sehr  verbreitet  gewesen  zu  sein,  nur  so  IKsst  sich 
erklären,  dass  er  in  das  Nürnberger  Enchiridion  1525.  Bl.  23  überging,  bei 
Wckn.  Nr.  157.  Die  Abweichungen  sind  au6er  der  jungem  Schreibung  nur 
2,  4.  ausgeaprengt  den  samen  «ein,  und  5,  5.  der  glaub  leren  macht  uns 
meren  — 

Die  katholische  Kirche  behielt  diesen  Text  bis  auf  Kleinigkeiten  bei: 
Vehe  GB.  1537.  Nr.  38.  (und  daraus  Leisentrlt  1567.  1.  Th.  Bl.  212.)  Str. 
4,  1.  2.  Dm  wort  wart  fleisch  und  hat  das  brot  mit  seim  wort  zu  fleisch 
gemilcht  —  5,  5.  6.  unser  glauben^  den  wir  haben,  sol  erstatten  unsem  ver- 
itant.  Das  Kölner  GB.  1610.  Bl.  127,  so  wie  Corner  GB.  1625.  Nr.  202. 
haben  nur  die  4.  Strophe  geändert  und  das  ihnen  unverständliche  maß  3,  6. 
in  Speis*  verwandelt.  —  Die  3.  und  4.  Strophe  scheint  bei  den  Evangeli- 
schen bald  Ansto6  gefunden  zuhaben:  das  Erfurter  GB.  1527  hat  dafür 
eine  andere  Strophe  eingeschoben,  s.  Schöbers  Zweiter  Beytrag  S.  134. 
Doch  finde  ich  noch  den  Text  des  Nürnberger  Enchiridion  im  Lutherschen 
GB.  „Gedruckt  zu  Magdeburg,  durch  Michel  Lotther  .  M.D.XL.<<  Bl.  100l>. 
d.  i.  108»».  (Gott.  Bibl.) 

§.9.  55)  Vergl.   darüber  Biederer,   Nüzliche   und  angeneme  Abhandlungen 
(Altdorf  1768.  8o.)    S.  159—162. 


338 

f  Nr.  186. 
Fange  lingua  gloriosi. 

An  GotMleichnamiag. 

1.  Mein  zung  erkling  und  frölich  sing 
von  dem  zarten  leichnam  fron, 

von  dem  bluet  und  köstlichem  ding, 
vergossen  der  weit  zu  Ion 
die  frucht  des  leibs  eins  reinen  weibs, 
der  künig  der  Völker  schon. 

2.  Uns  geboren  außerkoren 
von  der  reinen  Jungfrau  fein, 
bei  ims  dreiunddreißig  jai*en 
gsträt  durch  wort  den  samen  sein, 
do  beschlossen  unverdrossen 

in  Wunderwerk  zeit  und  pein. 

3.  Auf  des  lotsten  nachtmals  essen, 
als  er  bei  sein  jungem  saß, 

des  gesetz  wart  nit  vergessen, 
do  er  das  osterlam  aß, 
wolt  er  senden  mit  sein  henden 
sein  jungem  sich  zu  eim  maß. 

4.  Das  wort  und  fleisch  und  wares  brot 
mit  wort  brot  zu  fleisch  gemacht, 
wein  in  das  bluet  verwandlt  got, 

die  schwach  Vernunft  nit  betracht. 
uns  zu  Sterken  ist  zu  merken: 
der  guet  glaub  ist  gnueg  geacht. 

5.  Darumb  lasst  ims  fleißig  eren 
ein  so  hohes  sacrament, 

das  nun  ist  und  macht  aufhören 
das  gsatz  des  altn  testament. 
glaub  tuet  meren  uns  zu  leren 
was  die  sinn  nit  habn  erkent. 

ß.  Dem  gebärer  und  gebomen 
den  sei  lop  und  frölichkeit, 
heil,  zier,  kraft  in  außerkoren 

23 


884 

und  der  segen  in  bereit; 
dem  geist  auch  gleich  gar  tugentleich 
von  weit  zu  weit  in  ewigkeit. 
Hymnariiu,  Sigmnndslnst  1524,  S.  91—98.     Der  ÜbeneUer  scheint  den 
Iftngfflt  im  Volke  yerbreiteten  Text  gekannt  und  benatst  sn  haben. 

f  Nr.  187. 
Patris   sapientia,   veritas  divina. 

1.  Do  Christus  mit  den  jungem  sin 
was  in  den  garten  gegangen, 

do  betete  er  sinen  vater  an 
und  wart  dar  nach  gevangen. 
die  Juden  in  viengen  zu  mettenzit, 
bunden,  treckten  und  stießen, 
die  jungem  vlohen  al  von  im 
und  alle  die  sinen  in  ließen. 

2.  Jesus  wart  zu  primenzit 
vor  Pilato  verklaget 

von  valschen  gezugen  wurden  vil 
lugen  von  im  gesaget, 
die  buben,  die  in  bunden  hart, 
hielten  in  gevangen 


3.  Zu  der  tertien  wart  Jesus 
hart  an  eine  sule  gebunden, 
dar  an  er  ser  gegeißelt  wart 
und  entpiieng  vil  wunden. 

ein  dornen  kröne  wart  in  sin  haupt 
von  bösen  luten  geslagen. 
vor  urteil  zu  schemelichem  tod 
muste  er  sin  cruze  tragen. 

4.  Jesus  zu  der  sexten  zit 
wart  an  das  cruze  gehenket, 
mit  gallen  gespiset  bitterlich 
und  mit  essig  getrenket. 

mit  zweien  schechem  wart  er  glich 
hose  und  arg  geachtet 
selig  dem  zu  herzen  get 
sin  liden  und  das  betrachtet! 


385 

5.   Zu  der  nonen  ist  Jesus 
bittem  todes  gestorben 
und  hat  uns  ewige  Seligkeit 
mit  sinem  tode  erworben, 
sine    Site  ließ  er  tot 
mit  einem   spere  verwimden, 
dar  US  wasser  floß  und  blut 
in  Vergebung  unser  sundcn. 

G.    Nicodemus  und  Joseph 
zu  vesperzit  dar  quamcn, 
unsem  herren  Jesum  Crist 
sie  von  dem  cruze  namen. 
siner  muter,  als  man  glaubet, 
wart  er  tot  gegeben, 
die  lieber  auch  gestorben  war 
wan  daß  sie  solte  leben. 

7.   Jesus  lip  gesalbet  wart, 

begraben  zu  completen, 

als  die  schrift  bedutet  hat 

der  heiligen  propheten. 

sin  liden  und  sin  bittem  tot 

und  al  siner  wunden  smerzen 

wil  ich  tragen  stetiglich 

in  gründe  mines  herzen. 
PpHs.  1460.  fol.  Nr.  47.  Bl.  89l».   in  der  Bibl.   des  kathol.  Gymnasiiuns 
zu  Köln.     Hat  die  Überschrift:   Dy  vij  geczyien  von  dem  Uden  w^ers  her- 
ren Jeau  xi  patrU  sapientia.  —  Ha.  2,  6.  dy  bufen  —  3, 6.  vnd  finj  —  4,  8. 
vnd  V  dae  —  6,  2.  büter, 

f  Nr.  188. 

Patris  sapieutia,   veritas  divina**). 

1.    O  Weisheit,    gotes  vaters  zart, 
Christus  gotes  sone, 
zu  mettenzeit  gefangen  wart 
die  götlich  warheit  frone; 


§.  9.  55)  Hone  Lat.  Hymnen  1,  106.  Nr.  82.  „Horae  canonicae  salvatoriB'' 
Etwas  verschieden  in  Daniel  Thes.  1,  337.  und  noch  verschiedener  in  Corner 
GB.  1625.  Nr.  105. 

23  ♦ 


336 

er  war  wol  von  den  jungem  gar 
ellendiglich  verlaßen, 
verkaufet  von  der  Juden  sehar^ 
geschlagen  und  gestoßen. 

2.  Zu  preimzeit  wart  er  angeklagt, 
vor  Pilato  gebunden, 

vil  falscher  lug  auf  in  gesagt, 
wie   sie   es   erdenken  künden, 
sie  spien  im  unter  die  äugen  sein 
nach  der  propheten  sage, 
sie  bunden  in  hart  wol  an  ein  seil 
und  gaben  im  manigen  schlage. 

3.  Sie  schriren  zu  der  dritten  stunt: 
kreuzige  in,  Pilate! 

sie  legten  im  an  ein  spötlich  gewant, 

ein  alte  purpurwate; 

ein  dömene  krön  mit  großer  not 

die  teten  sie  im  aufdrucken, 

das  kreuz  umb  unser  missetat 

trug   er  auf  seinem  rucken. 

4.  Zu  sextzeit  wart  er  nacket  und  bloß 
an  das  kreuz  gespannet. 

man  hieng  zu  im  in  smacheit  groß 
gar  zwen  schedlich  manne. 
♦  von  bitter  marter  dürst  in  hart, 
das  lamp  &n  alle  schulde 
mit  essig  und  gallen  getrenket  wart, 
das  leit  er  mit  gedulde. 

5.  Mein  got,  mein  got!  ruft  er  laut 
wol  zu  der  neunten  stunde, 

er  befalch  sein  geist  in  seins  vaters  hant, 

erblichen  wart  im  sein  munde. 

darumb  verlor  die  sunn  im  schein, 

das  ertrich  bidmet  sere. 

sie  stachen  im  zu  der  Seiten  ein 

mit  einem  scharfen  spere. 

6.  Zu  vesperzeit  mit  großer  klag 
wart  er  vom  kreuz  genomen, 
die  krön  der  eren  niderlag, 
ist  uns  zu  freuden  komen. 


337 

erlitten  hat  an  der  menscheit  er 
der  Schöpfer  aller  gute, 
doch  beleip  die  gotheit  unversert 
in  menschlichem  gemüte. 

7.  Zu  completzeit  begraben  wart, 
sagt  ims  die  geschrift  gar  eben, 
der  edel  leichnam  Christi  zart, 
ein  trost  des  künftigen  leben; 

mit  kostlicher  salben  man  in  begoß, 
da  wart  die  geschrift  volbrachte, 
die  tagzeit  deines  leidens  groß 
sei  dir  zu  lob  gedachte. 

8.  Wir  bitten  dich,  herr,  durch  dein  not 
die  du  umb  uns  hast  erlitten, 

durch  deinen  schmechen  bittem  tot, 
den  du  umb  uns  hast  erstritten: 
verleich  uns  dein  barmherzigkeit 
durch  deinen  heiligen  namen! 
verlaß  uns  nit  an  unserm  end! 
so  sing  wir  frölich  amen. 
Aus   der  Münchener  Hs.   Cod.    germ.    808,  um    1505  geschrieben,   bei 
Ph.  Wckn.  Nr.  153. 

f  Nr.  189. 
Patris  sapientia,   veritas  divina. 

1.  Zur  mettenzeit  gefangen  wart 
des  vaters  Weisheit  feine, 

das  ist  der  gotlich  wäre  Christ 
in  seiner  menscheit  reine; 
verraten,  verkauft  er  do  wart 
den  Juden,  die  mit  schalle 
schlugen  seinen  leichnam  zart, 
sein  jünger  flohen  alle. 

2.  Zur  primzeit  gefüret  wart 
Jesus  vor  Pilaten, 

die  große  falscheit  wart  fiirgekart, 
sie  war  auf  in  geraten ; 


338 

sie  schlugen  im  halsschlege  hart, 
sein  äugen  sie  im  verbunden, 
sie  spien  an  sein  antlitz  zart, 
sie  schlugen  im  vil  wunden. 

3.  Zur  terciezeit  spotlich  gekleidt 
in  purpur  und  in  seiden, 

do  rief  zumal  die  judischeit: 

am  kreuze  sol  er  leiden! 

ein  domekron  sein  heubt  durehgrub, 

gesehach  [von  unser  schulde, 

den  tramen  auf  seiner  achseln  trug, 

den  tot  den  must  er  dulden]. 

4.  Zur  sechsten  zeit  genagelt  wart 
an  das  kreuze  mit  schalle; 

so  in  von  herzen  dursten  wart, 
trenchten  sie  in  mit  galle. 
zwen  Schacher  hingen  sie  neben  in, 
den  wart  er  gleich  geachtet^ 
das  gap  der  muter  traurigen  sin, 
versemert  und  verschmachtet 

5.  Zur  none  rief  der  süße  Christ: 
helil  mit  eilende, 

vater  nim  in  diser  frist 
mein  geist  in  deine  hende! 
ein  ritter  in  sein  selten  stach 
mit  einem  scharfen  spere; 
darnach  groB  ertbeben  gesehach, 
die  sonn  wart  Scheines  lere. 

6.  Jesus  vom  kreuz  genomen  wart 
zur  vesperzeit  in  leide, 
klegelich  tet  seine  muter  zart, 
sie  tet  sam  sie  wolt  verscheiden, 
ein  sulchen  tot  gelitten  hat 
unsers  lobens  erzteie, 

der  eren  krön  er  niderlag 
von  Sünden  also  freie. 

7.  Zur  completzeit  begraben  wart 
in  trüber  handelunge 

der  heilige  leichnam  gotes  zart, 
des  lebens  hoffenonge, 


339 

mit  salben  gut  bewart  man  in, 
die  Schrift  die  wart  verendet, 
den  tot  nim  mensche  in  deinen  sin, 
so  wirt  dein  leit  verwendet. 

Alter  Druck,  3  Blfttter  4».,  Anfang  des  XVI.  Jahrh.  in  der  Breslnner 
Universitftts  -  Bibliothek.  Das  Eingeklammerte  iBt  hinzugeschrieben.  —  Hand- 
schrift dahinter  abermals  die  Biebenstandengeseit  in  Bezug  auf  Maria,  8 
Strophen  im  selben  Versmasse.  —  Derselbe  Druck  beginnt  mit  einem  Liede 
an  Maria,  das  wahrscheinlich  ein  Wallfahrtslied  war: 
Maria  muter  au^erkom, 

Alleluia, 
Keine  nie  gewest  in  gotes  eom, 
gracia,   ave  gracia, 
nu  hilf  uns  Jungfrau  Maria. 
Andere  Übersetaungen ,    1.  die  bekannteste: 

Gott   des  Vaters  Weisheit   schon, 
Wahrheit,  Weg  und  Leben, 
Christns  sein  geliebter  Sohn 
In  Tod  fUr  uns  gegeben, 
Zur  Mettenceit  gefangen  ward, 
Verkauft,   in  Tod  yerrathen. 
An  ihm  kein  Schuld  befunden  ward: 
Da  wichen  die  Zwölfboten.  8  Str. 

Tegemseer   GB.    1577.  Bl.   40.      Münchener  GB.    1586.   Bl.    14.   u.    a. 
Corner  GB.  1625.  Nr.  105. 

2.    Christus  der  uns  selig  macht. 
Kein  Bös  hat  begangen  u.  s.  w. 
von  Michael  Weiße,  Wckn.  Nr.  342.     Steht  auch  in  katholischen  GB.:   Cor- 
ner 1625.  Nr.  842.     Nie.  Beuttner  GB.  1602.  1.  Th.  Nr.  20. 

AuSerdem  ist  noch  eine  wiewol  alte,  aber  stümperhafte  Übersetrang  vor- 
handen in  der.  Wiener  Hs.  8027  (s.  Hoffmann  Verzeichniss  S.  188) ,  gedruckt 
in  Jos.  Kehrein,  Kirchen-  und  religiöse  Lieder  S.  200.  201: 
Die  wtyihayt  vnd  gotlich  warhayt 
goez  «aiers  von  himel  reiche 
ehrietUB  mefueh  gefangen  wardi 
zw  der  metten  zeyte  ff. 


340 

f   Nr.  190. 
Puer  natns  in  Bethlehem**). 

Ein  kint  ist  gbom  ze  Bethlehem 

ze  disem  nüwen  jar, 

des  freuet  sieh  Jerusalem. 

Ze  disem  nüwen  sint  gemeit, 

lobent  der  maget  würdikeit 

imd  sint  in  herzen  fro! 

dem  kindeli  si  lop  geseit 

hie  in  gesang  also. 
Dm*eh  Gabriel  den  boten  iin 
ze  disem  nüwen  jar 
empfieng  die  magt  das  kindeiin. 

Ze  disem  nüwen  ff. 
In  blät  und  fleisch  ist  es  bekleit 
ze  disem  nüwen  jar, 
des  vaters  wort  in  ewikeit. 

Ze  disem  nüwen  ff, 
Bekant  hat  esel  und  das  rint 
ze  disem  nüwen  jar, 
daß  got  der  herre  was  das  kint. 

Ze  disem  nüwen  ff. 
Hier  lit  es  in  dem  kripfelin 
ze  disem  nüwen  jar, 
des  rieh  sol  iemer  ewig  sin. 

Ze  disem  nüwen  ff. 


%.  9.  66)  Schon  im  XY.  Jahrh.  md^n  verschiedene  Texte  Torhanden  ge- 
wesen sein;  ein  nnserm  deutschen  entsprechender  findet  sich  i|icht,  wol  aber 
kommen  einsefaiei  in  dem  anter  ^  Nr.  192.  nachgewiesenen  nicht  befind- 
liche Strophen  anderswo  vor.  Der  Text  in  Corner  GB.  1626.  Nr.  62.  enthält 
die  onsem  dentsehen  Strophen  2.  3.  and  9.  entsprechenden  lateinischen: 
Str.  8.  Per  Oabrielem  noncinm 

yirgo  concepit  filinm. 
Str.  2.  Assxmipsit  camem  filios, 

▼erbnm  patris  altissimi. 
Str.  6.  üni  trino  sempitemo 

benedicamos  domino. 
und  Nr.  47.  daselbst  die  der  deutschen  Strophe  7  entsprechende: 
Intrantes  domum  inyicem 
noTom  salntant  piincipem. 


S41 

6.  Die  liüng  von  Saba  komen  har 
ze  disem  nüwen  jar, 

golty  myrren,  wirauch  brachtens  dar. 
Ze  disem  nüwen  ff. 

7.  Sie  giengen  in  das  hüsli  fri 
ze  disem  nüwen  jar, 

den  nüwen  menschen  grfisten  sie. 
Ze  disem  nüwen  ff 

8.  Mit  stimm  des  herzen  wolgemfit 
ze  disem  nüwen  jar 

betent  sie  an  den  künig  gAt. 
Ze  disem  nüwen  ff. 

9.  £im  got  und  auch  personen  dri 
ze  disem  nüwen  jar 

nun  dank  und  dr  gesungen  si! 

Ze  disem  nüwen  ff. 
10.    Gelopt  si  got,  die  drivaltikeit 
ze  disem  nüwen  jar, 
und  si  im  iemer  lop  geseit! 

Ze  disem  nüwen  sint  gemeiti 

ze  lob  der  maget  sint  bereit 

in  herzen  jubilo 

und  dankent  got  in  ewikeit 

sftß  mit  gesange  fro! 

Unter  den  Liedern  HeinrichB  yon  Laufenberg  mit  der  Jahrszahl  1439, 
der  Strafib.  Hb.  B.  121.   bei  Wckn.  Nr.  764. 

f  Nr.  191. 
Puer  natus  in  Bethlehem. 

1.  Ein  kint  gebom  zu  Bethlehem, 

frolich  mit  den  freuden  fro  — 
des  freuet  sich  Jerusalem 
in  cordis  iubilo. 

2.  Hie  leit  es  in  dem  krippelein: 
&n  ende  wert  die  herschaft  sein. 

3.  Der  esel  und  das  öchselein, 

sie  erkanten  got  den  herren  sein. 

4.  Die  könig  von  iSaba  komen  dar, 

golt  weirach  mirrach  brachten  sie  dar. 


342 

5.    Sie  giengen  in  das  haus  hin  ein, 
sie  suchten  den  himelfiirsten  sein. 
Hünchener  Cod.   lat  2992.   (Amb.  Franc.  12.)  Bl.  236>»,    aus   dem  XV. 
Jahrhundert,  lat.  nnd  deutsch.    (Mittheil.  Dr.  G.  Scherer's.) 

f  Nr.  192. 
Puer  uatus  in  Bethlehem^^). 

1.  Ein  kint  geborn  zu  Bethlehem, 
des  freuet  sieh  Jerusalem. 

2.  Hie  leit  es  in  dem  krippelein, 
on  ende  ist  die  herschaft  sein. 

3.  Das  öchslein  und  das  eselein 
erkanten  got  den  herren  sein. 

4.  Die  könig  aus  Saba  kamen  dar, 

golt,  weirauch,  myrrhen  brachten  sie  dar. 

5.  Sein  muter  ist  die  reine  magt, 
die  on  ein  man  geboren  hat 

6.  Die  schlang  in  nicht  vergiften  kunt, 
ist  worden  unser  blut  on  sund. 

7.  Er  ist  uns  gar  gleich  nach  dem  fleisch, 
der  Sunden  nach  uns  gar  nicht  gleich, 

8.  Damit  er  im  uns  machet  gleich 
und  widerbrecht  zu  gotes  reich. 

9.  Für  solche  gnadenreiche  zeit 
sei  got  gelopt  in  ewigkeit! 

10.   Gelopt  sei  die  heilig  dreifaltigkeit 
von  nun  an  bis  in  ewigkeit! 

Val.  Babst  GB.  1645.  —   Str.  2.   ebendaher  aus  dem  Drucke  von  1542 
entlehnt,  Str.  9.  aas  Corner  GB.  1626.  Nr.  47,  worin  auch  nach  Str.  4. 
Sic  giengen  in  das  haus  hinein, 
sie  grüßten  got  den  herren  fein, 
und  nach  Str.  9. 

Gelobt  seist  du,   herr  Jesu  Christ, 
daß  du  uns  mensch  geboren  bist. 
In  Str.  7,   bei   Babst   er  ist  gar  uns  gleich  —    7,  2.  rf.  «.  tiocÄ  ist  uns 
nicht  gleich. 


§.9.  57)  Der  lat.  Text,  wie  er  ganz  mit  dem  deutschen  stimmt,  bei  Lei- 
sentrit  GB.  1567.  1.  Th.  Bl.  44l».  Vgl.  Daniel  Thes.  1,  334.  —  Der  Text 
des  Babstschen  GB.   bei  Wokn.  Nr.  62. 


343_ 

f  Nr.  193. 
Quem  pastores  laudavere^®). 

1.  Den  die  hirten  lobeten  ser, 
erboten  die  engel  lop  und  er. 

2.  Fürchtet  euch  nimmer  forthin  mer: 
gebom  ist  uns  der  könig  und  herr. 

3.  Zu  dem  die  könige  kamen  dar, 

golty  myrren,  weirauch  brachtens  zwar. 

4.  Sie  fielen  nider  auf  ire  knie : 
gelobet  seiestu  herr  alhie! 

5.  Freuet  euch  heut  mit  Maria! 

sie  ist  die  himelische  hierarchia. 

6.  Hat  uns  heut  gebom  auf  erden, 
dem  sol  lop  und  er  werden, 

7.  Jesu  Christ  von  himelreich, 
niergent  findet  man  seines  gleich. 


§.  9.  68)  1.    Quem  pMtorea  laudavere, 

quibus  angeli  dixere: 
absit  Yobis  iam  timere! 
natus  est  rex  gloriae. 

2.  Ad  quem  reges  ambulabaht, 
aunim,  thus,  myrrham  portabant, 
haec  flincere  immolabant 

leoni  victoriae. 

3.  £xttltemufl  cum  Maria 
et  coelesti  Hierarchia 
iubilando  voce  pia 
dulciqne  cum  symplioiiia: 

4.  Christo  regi  humanato, 
per  Mariam  nobis  dato, 
merito  resonet  vere 
laus,  honor  et  gloria. 

Corner  GB.  1C26.  Nr.  81.  Verschieden  von  Leisentrit  GB.  1567.  1.  Th. 
Bl.  48,  c.  B.  4,  1—4.  Decet  laadem  exhibere,  quam  supemi  cantiivere,  ex 
quo  Cliristus  matrem  vere  cemitnr  introire.  —  und  von  Rambadt  Anthol. 
1,  355.  (Wckn.  Nr.  51.  Daniel  Thes.  1,  330.) 


344 

8.   Dem  gebt  heut  und  alzeit  mer 
lobgesaiig  und  alle  er! 
Wicelii  Psaltes  ecclesiasticiis  1650.  Hl.  581».     Wahrscheinlich  ein  alter 
Text,  und  ein  ebenso  selbständiger   als  der  lateinische,   zu  dessen  Versmaße 
er  schlecht  passt;  deshalb  hat  auch  Corner  unter  den  lateinischen  Text  einen 
jungem  deutschen  aufgenommen,  OB.  1625.  Nr.  81. 

1.  Oebom  ist  uns  ein  König  der  Ehren, 
Den  die  Hirten  lebeten  sehre, 

Als  sie  hörten  diese  Mähre 
Von  der  lieben  Engel  Schaar. 

2.  Die  heiigen  drei  König  kamen  von  ferne, 
Als  sie  sahen  seinen  Sterne, 

Opferten  ihm  von  Herzen  gerne 
Weihrauch,   Myrrhen  und  rothes  Qold. 

3.  Freuet  euch  all  mit  Maria 

Und  der  himmlischen  Hierarchia, 
Singet  alle  fröhlich  Eia 
Jesu  in  dem  Krippelein! 

4.  Der  ohn  Schmerzen  ist  geboren, 
Von  Maria  auserkoren, 

Und  versöhnt  seins  Vaters  Zoren, 
Dem  sei  Preis  in  Ewigkeit  I 

f   Nr.  194. 
Regina  coeli  laetare^^). 

Königin  der  himel, 

freu  dich  Maria! 
den  du  hast  empfangen, 
der  ist  vom  tod  auferstanden, 
bitt  got  für  uns! 
alleluia. 
Vehe  GB.  1537.    Seite  88  nach  meiner  Ausgabe.  —  Witsel  Psaltes  ecd. 
1660.  Bl.  lOOl'.     n^^<^  ^'o^^  ^^*    Vnter  diesem  vntaddelichem   gesange, 
pflegt  der  L&y  deudsch  su  antworten:" 

Ein   königin  in  dem  himel, 
des  freue  dich  Maria! 
den  du  hast  empfangen, 
der  ist  von  dem  tod  auferstanden, 
bitt  got  für  uns! 
alleluia. 
Dies  sind  die  ältesten  mir  vorgekommenen  Übersetzungen. 


§.9.  69)  Daniel  Thes.  II,  319. 


346 

Das  Obseqniale   RatisbonenBe   1670   Im    Anhang   bemerkt   dasn:    Nota. 
Nach  der  Himmelfahrt  ChriBti  biB  anf  Pfingsten  mag  man  anstatt 
den  du  hast  empfangen, 
der  ist  vom  Tod  auferstanden 
singen : 

den  dn  hast  getragen, 
der  ist  gen  Himmel  anfgefahretu 
In  Corner  GB.  1625.  Nr.  148.  noch  zwei  Strophen  (so  anch  Nie.  Bentt- 
ner  OB.  1602.  1.  Th.  Nr.  28.): 

2.    Königin  der  Gnaden, 
Freu  dich  Maria! 
Den  da  hast  getragen, 
Der  woU  uns  kein  Bitt  Tersagen. 
Bitt  Gott  für  nnst 
AUelnia. 
8.    Königin  der  Barmherzigkeit, 
Fren  dich  Maria! 
Zar  Stand  ansers  Sterben 
WoUst  ans  Gtonad  erwerben^). 
Bitt  Gott  für  ans! 
AUelaia. 
Zu  der  ersten  orsprünglichen  noch  5  andere  Strophen  Corner  GB.  Nr.  149. 
und  Mainzer  GB.  1628.  S.  295. 

f  Nr.  195. 
Resonet  in  laudibus^^). 

1.   Es  muss  erklingen  überall 

Mit  Lob  und  auch  mit  reichem  Schall 
Syon  mit  der  Treuen  Zahl: 
Er  ist  erschienen  den  uns  gebom  Maria; 
Es  ist  erfüllt  das  uns  verkündt  hat  Gabriel 

Eia^  eia! 
Die  Jungfrau  Gott  geboren  hat, 
Als  die  göttliche  Weisheit  sich  verwilligt  hat, 
Es  ist  gebom  auf  diesen  Tag,  diesen  Tag 

in  Israel, 
Den  verkündigt  hat 

der  Engel  Gabriel. 
7  lat.  und  7  dentsche  Strophen,  denen  noch  angehängt  Bind  swei  deatsehe: 


§.  9.  60}  Bei  Beattner: 

Znr  Stand  wann  wir  müssen  sterben, 
wöllst  ans  bei  deim  Sohn  Gnad  erwerben. 
61)  Vgl.  Wckn.  Nr.  47.  and  danach  Daniel  Thes.  hynmol.  1,827. 


346  _ 

Singen  wir  mit  Fröhlichkeit,  und:  Joseph,  lieber  Joseph  mein,  in  Corner 
OB.  1625.  Mr.  68.  ~  Im  Kölner  GB.  1610.  sind  diese  beiden  letzten  8tm. 
phen  als  Ewei  besondere  Lieder  angeführt. 

f  Nr.  196. 
Rex  Christe   factor  omnium**). 

König  Christe  macher  aller  ding, 
du  hast  erledigt  mit  guetem  geling 
den  mensehen  aus  der  helle  quäl, 
den  Adam  bracht  mit  seinem  val. 
Mönch  von  Salzburg'.  8  Strophen.   Nach  der  Wiener  Hs.  2856.  gedruckt 
in  Kehrein,  Kirchen-  nnd   relig.  Lieder  S.  152.     Steht   anch  im  Miinchener 
Cod.  genn.  715,  und  der  Wiener  Hb.  2975. 

Das  Gänse  nnr  Nachbüdnng  des  lat.  Hjmnos,  wie  sich  anch  schon  ann 
der  ersten  Strophe   ergiebt.     Eine  Ubersetsnng: 

Schöpfer  aller  Ding,  König  Christi 
im  Kölner  GB.  1610.  Bl.  65.     Corner  GB.  1625.  Nr.  116. 

f  Nr.  197. 
Salve  regina,   mater  misericordiae**). 
Frau,   von  herzen  wir  dich  grüeßen, 
kunigin  der  barmherzikeit ! 
unser  leben  ^  unser  süeße^ 
unser  trost!  der  grueß  ist  dir  bereit, 
zu  dir  wir  schreien  eilende 
kinder  frauen  Eve  in  jamers  quäl, 
zu  dir  wir  seuften  klagende 
und  weinend  in  disem  zähertal. 
eia  darumb  seit  du  bist 
unser  vorsprechlich  Zuflucht^ 
dein  barmherzig  äugen  zu  uns  wende, 
und  den  heiler  Jesum   Christ, 
deines  leibs  gesegnete  frucht, 
uns  erzeig  zu  trost  nach  dem  eilende! 
O  du  senfte,   o  du  güetige, 
o  du  süeße  Maria! 

Münchener  Cod.  lat.  6034.  (Ebersberg.  234.)  Bl.  88,  ans  dem  XV.  Jahr- 
hundert, mit  Singnoten.  (Mittheil.  Dr.  G.  Scherer's.)  ->   Hs.  6.  fehlt  in, 

§.  9.  61)  Daniel  Thes.  1,  180. 
62)  Daniel  Thes.  2,  821. 


847 

f  Nr.  198. 
Stabat   mater  dolorosa*^).  * 

1.  Maria  stuent  in  swindem  smerzen 
bei  dem  kreuz  und  weint  von  herzen, 
da  ir  werder  sun  an  hieng. 

ir  geadelte  zarte  sele 

ser  betruebt  in  jamers  quele 

scharf  ein  sneident  swert  durehgieng. 

2.  O  wie  ser  mit  leid  bestricket 
was  die  mueter  gebenedictet, 
mueter  des  eingebom! 

wie  sie  leit  In  jamer  jaget, 
wie  sie  weinet,  wie  sie  klaget 
pein  irs  snnes  außerkomi 

3.  Welich  mensch  weinen  versmähe, 
das  die  mueter  gotes  sähe 

in  so  swindem  jamer  stan? 
wer  möcht  leides  ane  wesen, 
der  die  mueter  außerkesen 
sah  den  sun  mit  leiden  an? 

4.  Für  der  sünder  sünd  und  schulde 
sach  sie  Jesum  mit  gedulde 

ser  gegeißelt  nemen  ab. 
sie  sach  iren  süeßen  tröste, 
alles  trostes  selb  erloste, 
do  er  seinen  geist  aufgab. 

5.  Sie  sach  an  der  selben  state 
den  trone  der  trinitate, 

das  ist  Kriste  brüst  und  herz 
ein  jud  mit  eim  scharfen  spere 
swind  durchstach,  o  we  der  sere 
und  des  bittern  großen  smerz! 

6.  Wie  daß  smerz  in  smerzen  drungen, 
und  biet  ich  hundert  tausent  zungen 


§.9.  63)  Jacopone  dft  Todi  (Jac.  de'  Benedetti  da  Todi,  Jaeobus  do  Bc- 
nedictia  f  1306).  Rambach  Antbol.  1,  348  ff.  Mohnike,  Stnaien  iiud  Mit- 
th6iliiil|roi>  1*  Bd*  3-  ^0'^  ff*  Fiiedr,  Gostav  Lisco,  8t»bat.  Mater.  Zweitor 
Beitra^r  zur  Hymnologie.    Berlin,  Müller  1843.4».    Daqiel  Thes.  2,131*154. 


und  redt  ich  aller  engel  sprach, 
80  kunt  ich  doch  nicht  vol  sagen 
soleich  weinen,   soleich  klagen, 
do  geschach  ach  in  ach. 

7.  O  Ursprung  reiner  minne, 
bring  mich  deines  smerzen  inne, 
hilf  daß  ich  dein  leit  bewein, 
daß  mein  herze  werd  enzundet 
und  in  Christi  minn  verwundet, 
daß  ich  im  gefall  allein! 

8.  Hilf  daß  ich  mit  dir  beweine 
den  gekreuzten,   nicht  klag  seine 
all  die  weil  ich  leb  auf  erd! 

bei  dem  kreuz  mit  dir  beleiben 
hilf  mir,  krön  ob  allen  weiben, 
bis  dein  leit  mein  herz  versert! 

9.  O  magt  aller  magetkünne, 

hilf  daß  ich  deins  smerzen  werd  inne, 
daß  ich  immer  mit  dir  klag! 
daß  ich  deines  sunes  tode 
marter,  wimden,  bluet  so  rote 
hoch  betracht  und  seine  plag! 
10.   Daß  sein  wunden  mich  verwunden, 
und  sein  kreuz  mich  heil  von  gründen 
und  sein  rosenfarbes  bluet 


11.    Starker  got,  als  ich  verscheide, 

teil  mit  mir  durch  die  werden  meide 
die  palme  der  signunft  dein, 
wann  der  leip  alhie  ersterbe, 
daß  die  sele  dort  erwerbe 
des  paradises  klaren  schein! 
Mönch  TonSalsbarg.  Mttnchener  Cod.  germ,  716.  (aiu  Tegfemsee)  Bl.  70* 
— 75^  gednickt  Altdeutsche  BlHtter  2,  336—888.  —  Hb.  1,  6.  meydtmi»  — 
8,2.  uhen  —  4,  1.  $ckuld  —  4,  2.  geduld  —  9,  1.  mti^gunne  —  9,  6.  sein 
plage  —  10,2.  vielleicht  von  stunden, 

Die  deutsche  Übersetrang  entspricht  also  dem  kirchlichen  Texte  (im  Ifis- 
sale  Bommmun  b.  Daniel  2, 188.):  Str.  l— 4  ==  1^4,  Str.  5  und  6  fehlen  im 
la*.,  Str.  7  =  6,  8  =  7,  9=8,  10=9,  11  =  10. 


349 

f  Nr.  199. 
Stabat  mater  dolorosa. 

1.  Die  mAter  stftnt  vol  leid  und  schmerzen 
bei  dem  kreuz  mit  schwerem  herzen, 
da  ir  liebes  kint  ane  hieng, 

deren  seufzende  traurige  sele 

ganz  vol  kummers  und  großer  quele 

des  mitleidens  schwert  durchgieng.   * 

2.  O  wie  traurig,  wie  verseret 
was  die  mftter  hochgeeret, 
gotes  eingebomer  sun, 

do  sie  sach  den  zarten  herren 
sein  so  heilig  blftt  verreren 
imd  im  soliche  pein  ant&n. 

3.  Welcher  mensch  wolt  doch  nit  weinen, 
wann  er  säch  die  m  fiter  reine 

in  so  großer  quel  und  pein? 
wer  möcht  doch  nit  mit  ir  trauren, 
der  Mariam  ftn  alles  dauren 
sach  in  solichem  jamer  sein? 

4.  Sie  sach  in  martern  und  peinen, 
Jesum  für  die  sünd  der  seinen 
leiden  so  gedultiglieh, 

sie  sach  Jesum  gar  verlaßen, 
sterben  mit  den  ungenoßen, 
sein  sei  laßen  bitterlich. 

5.  Eia  mfiter,  brunn  des  herzen, 

mach  empfinden  mich  dein  schmerzen, 
mach  daß  ich  auch  traur  mit  dir; 
mach  mein  herz  also  entbrennen, 
Christ  liep  haben  und  erkennen, 
daß  er  hab  gefall  in  mir. 

6.  Heilige  m&ter,  deins  suns  schmerzen 
wollest  eindrucken  meinem  herzen, 
daß  ich  stets  gedenk  daran; 

mach  mich  solich  streich  und  wunden, 
die  Christ  ftir  mich  hat  empfunden, 
all  zeit  in  meim  herzen  han. 

24 


360 

7.  Mach  mich  warlich  mit  dir  weinen, 
dem  kreuz  ChriBti  mich  vereinen 
als  lang  als  mein  leben  wer, 

daB  ich  bei  dem  kreuz  werd  fhnden, 
mit  dir  wein  zfl  allen  standen 
herziglich  ist  mein  beger. 

8.  Jungfrau  aller  jungfiraun  kröne, 
wollest  meiner  Sünden  schonen 
und  mich  mit  dir  weinen  lan, 
daß  ich  änderst  nüt  tfi  achten 
dan  das  leiden  Christi  betrachten, 
das  selb  in  meim  herzen  han. 

9.  Mach  mich  durch  den  tot  deins  kindes 
sicher  vor  der  hant  des  veindes, 

vor  seim  grimmen  zom  und  neit, 
daß  ich  in  der  lieb  gefirmet 
durch  dichy  Jungfrau,  werd  beschirmet 
auf  den  tag  der  letsten  zeit. 

10.   Mach  daß  mich  des  kreuzes  gute 
und  der  tot  Christi  behüte 
in  genaden  ewiglich; 
wan  der  leip  nit  mer  sol  leben, 
daß  meinr  armen  sei  werd  geben 
bei  dir  freud  in  seinem  rieh. 
Hortolof  «mme  (iiAch  Biederer  Salus  anime)  Kfirabeig  1603.  16^  BL  121. 
Biederer  Nachrichten  ff.  8.  Bd.  S.  166,  daaach  bei  Wckn.  Nr.  169.  und  Kör- 
ner Marian.   Liederkranz    8.  177.   —    Niederdeutsch   in:    Ortalns   anime   to 
dnde  Ä  Gheprentet  tho   Ljpsick.    Am  Ende :  —    dorch    Conradt  Kachelofen 
cet  1618.  8<>.  (Ein  Exemplar  in  der  Breslaner  Bibliothek.)    Aach  in  der  Aus- 
gabe 1616.  Bl.  IzxWÜ. 

Obigen  hochdeutschen  Text  finde  ich  nur  mit  einigen  Verschiedenheiten 
und  dreiaeilig  genommen  wieder  im  KSfaier  GB.  1608.  unter  Nr.  49. 
Christi  Mutter  stund  mit  Schmersen. 
Trotsdem  seheint  diese  Übersetsung,  wie  sie  das  alte  BHbauungsbuch  von 
1608  entfaXlt,  das  ganse  XYI.  Jahrh.  und  linger  bekannt  gewesen  sn  sein. 
Nicht  ohne  Benutsung  des  alten  Textes  ist  s.  B.  der  in  Cemer*s  GB.  1626. 
Nr.  120.  befindliehe: 

Christi  Mutter  stund  Tor  Schmersen 
Bei  dem  Krens  mit  schwerem  Hersen, 
Da  ihr  lieber  Sohn  dran  hieng, 


351 

Deren  traarig  seufsende  Seele 

Kummers  voU  und  groQet  Quele 

Des  Mitleidens  Schwert  durchgieo^. 
Dieser   Comcrache    modernisierte   Text   wurde    entweder    nicht   hakannt 
oder  mochte  nicht  genügen :  es  wurden  kurz  nachher  neue  Versuche  gemacht, 
das   schöne  Lied    zu  übersetzen.      Das    Mainzer  GB.  1628.   hat  bereits  zwei 
Übersetzungen,  8.  239. 

Beim  Kreuz  mit  Lieb  und  Leid  verwundt 

Maria  ToUer  Sehmerzen  stund, 

Weil  Jesus  hat  gelitten. 

Ein  seharpfes  Sohwerft  ihr  Seel  darehdnmg, 

Viel  Stich,  rial  Streich  ihr  Hern  gewami, 

Da  er  am  Kreuz  gestritten, 
und  S.  242. 

Die  Mutter  stund  herzlich  verwundt 

Nah  bei  dem  Kreuz  und  weint  von  Grund, 

Da  sie  ihm  Sohn  sah  hangen 
(Letzteres    aus    dem    Gcistl.    Himmel  -  Glöcklein ,    München   1685.    in  Kömer 
Marian.  Liederkranz  8.  185.) 

Außer  diesen  für  den  kirchlichen  Gebrauch  bestimmten  Übersetzungen 
zu  Anfang  des  XYII.  Jahrb.  sind  noch  andere  vorhanden,  die  nicht  in  die 
Gesangbücher  übergingen,  a.  B.  die  dreiseilig  sich  reimende  in  Kömer's 
Marian.  Liederkranz  S.  179  aus:  Kosenkrantz,  Oder  Mariae  Psalter,  vorteut- 
schet   Durch  Yalentinum  Leuchtium.     Ingolstatt  M.  DC.  XII. 

Ganz  sehr  betrübt  die  Mutter  stund 

Neben  dem  Kreuz,  ihr  Herz  verwundt. 

Als  daran  hieng  ihr  Sohn  jetzund. 
Zum  Schlüsse  noch  eine  nieder  rheinische  Übersetzung,  die  ichbuch- 
stftblich  mittheile,    denn  die  zwischen  Kiederdentsch ,  oft  sogar  NiederlSn- 
disch,  und  Hochdeutsoh  schwankende  Sprache  und  die  ungleiche  Schreibung 
sind  Eigenthümlichkeiten  des  Niederrheinischen. 

f  Nr.  200. 

IT    Eyn  tinnyge  beclagung  der  moder  goedes  ak  $y  stände  an  dem 
craytz  tto  latine  geheUechen  Stabai  maier  dolorosa. 
i.  Eyn  moder  etoend  dr6uen&chen 
am  crvytz  jnd  weynde  jemerUcken, 
als  yr  son  dmr  an  hangen  was. 
Der  moder  seel  toi  truricUieit, ' 
üol  smertzens  vnd  dagUcheit 
eyn  swert  seer  sdiarp  dorchsneden  hat  f. 
2.   Owe  wie  droeuich  vnd  verslagen 
die  moeder  was,  die  had  gedragen 

24* 


362 

dai  ejfnige  geboren  kpU. 
Sg  tr&grde  seer  nuft  graUiem  wei/nen, 
8jf  wtgrdide  dat  yr  kynt  aUeyne 
myt  pijnen  seer  vmbuangen  was. 

3.  Wer  y$  der  mymchf  der  tiiet  $old  trüren, 
wanneir  he  $ege  die  moder  düren 

so  lang  jn  groisser  droeuickeU? 
Wer  modU  dair  niet  bedroeuei  syn^ 
der  myrckde,  dai  die  moder  syn 
soe  Irürick  wkyt  dem  kynde  weert 

4.  Der  mynscken  wunden  handt  bedreuen, 
Maria  dat  sy  sack  myt  betten 

Jesum  in  swarer  pijnen  stain, 
Sy  sach,  dat  Jesus  starff  verlaissen 
yn  druck  vnd  pijnen  bouen  maisseny 
als  Hey  den  geyst  vp  geuen  was. 

5.  Och  alre  Uefden  eyn  fonleyne, 

vp  dai  idi  myt  dyr  herczUch  weyne, 
lais  voelen  mich  die  groisse  pyn. 
Hylff  dai  myn  herfz  enifenget  werde 
yn  duristus  Uefden  vp  der  erde, 
vp  dat  ich  jm  behagen  mach, 

6.  Och  hylff  maria,  dat  der  smertzen 
dyns  kynds  sy  vast  yn  mynem  hertzen, 
der  vur  midi  gern  gecrudget  ys» 
Druck  jn  myn  hertz  die  Uefde  grhß 
dyns  soens^  der  hau  gehangen  bloiß 
am  cruytz  vmb  vnsen  wyl, 

7.  Och  hi^  myr  myt  dyr  weynen  werUch 
jnd  myt  dym  kynde  lijden  swerlich, 
soe  lang  als  ich  ym  leuen  byn. 

Ich  myt  dyr  an  dem  cruyce  blijue 
jnd  nummer  scheyden  van  dym  lijue, 
beger  yn  sukher  droeuicheii. 

8.  0  jonffrau  bouen  al  jonffiratmen, 

nu  häjf  myr  doch  vyß  gansem  truwen^ 
dat  idi  myt  dyr  bedroeuei  sy. 
Och  hylff  myr  jn  mym  hertzen  dragen 
den  doet  dyns  kyndes  vnd  beclagen 
syn  lijden  vnd  smertzen  groiß. 


363 

9.   Bfßlff  dat  ick  mach  $]fH  wanden  voelen 

vnd  ntjfi  $jfm  crw/U  wtgn  hmiz  erkaelen 

vmb  Uefden,  die  du  tzo  ym  hak. 

Och  nieder  yn  dem  le$ien  ordel 

enoerff  myr  dock  ahukken  vordel, 

dai  ick  durah  dkk  bachyrmet  $y. 
10.  Hylff  dat  $yn  cmyize  mick  beware 

tmd  ouch  $yn  doU  van  boesen  $ckare 

vnd  $yn  genade  myt  myr  «y. 

Hylff  wan  ich  icheyd  van  diesem  leuen, 

dat  mynre  $den  werd  yeyeuen 

die  vreude  groiß  ym  hemelrijdL    Amen. 
OffeoM  Blatt  in  kl.  folio,  Kölner  Druck  atu  dem  Anfimga  des  16.  Jahr- 
hnnderts,  im  Wallrafianom.     Oben  in  der  Mitte  ein  Holzschnitt:  Chriatiu  am 
Krenze. 

f  Nr.  201. 
Surrexit  CIiriBtus  hodie**). 

1.  Entstanden  ist  der  heiige  Christ  ^  alleluia. 
der  aller  werlde  troster  ist  alleluia 

2.  Der  nu  den  tot  erlitten  hat 
umb  aller  menschen  missetat 

3.  Die  frauen  kamen  zu  dem  grabe, 
sie  brachten  salbe  und  ire  habe. 


§.9.  66)  Lat.  Text  der  Bresl.  Hm.  I.  8«.  82  und  I.  8«.  118. 

1.  Surrexit  Chrietus  hodie,  alleluia 
humano  pro  solamine.  alleloia. 

2.  Mortem  qui  passoA  pridie 
miserrimo  pro  homine. 

3.  Mulieres  ad  tumnlum 
dona  femnt  aromatum. 

4.  Album  cementes  angelum 
annuneiantem  gaudium. 

5.  Mnlieree  o  tremule 
in  Oalileam  perlte  1 

6.  Piseipulis  hoc  dicite, 
quod  surrexit  rex  glorie! 

7.  In  hoc  paschali  gaudio 
benedicamus  domino! 

8.  Laudetur  sancta  trinitas, 
Deo  dicamuB  gracias! 


4.  Der  engel  in  dem  weißen  kleit 
verkundte  in  die  freud  An  alles  leit 

5.  Nu  gehet  frauen  wolbekant 
gein  Galileam  in  das  lant! 

6.  Den  jungem  saget  zu  diser  frist, 
daß  Jesus  Christus  erstanden  ist! 

7.  Zu  diser  österlichen  zeit 

80  sei  der  herre  gebenedeit! 

8.  Der  heiigen  dreifaltigkeit  anefang 
sei  nu  und  ewigliehen  dank! 

Breslauer  Hs.  I.  8o.   32.  Bl.  98^.  99*,  geschrieben  um  1478  und  I.  8o. 
ua.  Bl.  7d>.  74«. 

f   Nr.  202. 
Surrexit  Ghrißtus  hodie. 

1.  Erstanden  ist  der  heilige  Ohrist, 

Alleluia. 
Der  aller  weit  ein  tröster  ist 
Alleluia. 

2.  Den  tot  er  nu  erlitten  hat 
umb  aller  menschen  missetat. 

3.  Drei  frauen  namen  specerei 

und  giengen  hin  zum  grab  ohn  scheu. 

4.  Sie  suchten  den  herren  Jesum  Christ, 
der  aller  weit  ein  tröster  ist. 

5.  Ein  engel  sahens  weiß  gekleidt, 
der  in  vei'kündigt  große  freud. 


Ist  jedenfalls  jünger  als  das  deatsche  Lied :  Christ  ist  erstanden.  Die  älteste 
Hs.,  die  Mono  (Hymnen  1.  Th.  8.195.  Nr.  143.)  benutzte,  ist  aus  dem  XIV. 
Jahrhundert.  Sie  stimmt  mit  nnserm  Texte  gans  überein,  nur  Str.  6.  fehlt 
dort.  Bei  Leisentrit  GB.  1567.  1.  Th.  Bl.  145  fehlen  Str.  3  und  4,  so  auch 
im  Münchener  GB.  1586;  das  Mainzer  GB.  1631  (Wckn.  Nr.  56.)  hat  dage- 
gen 11  Strophen,  und  Corner  GB.  1625  Nr.  128  15. 

Wahrscheinlich  gehörte  das  lateinische  Lied  m  einem  Osterspiele  und 
mag  mit  dem  deutschen  gleichzeitig  sein,  vgl.  das  Osterspiel  Fundgruben 
2,  274.  275. 

Trotsdem  dass  es  in  die  lat.  Agenden  an  die  Stelle  des:  Christ  ist  er- 
Ktanden,  überging,  also  als  kirchlich  anerkannt  wurde,  so  hat  es  doch  weder 
jenes  verdrüiigt  noch  das  daneben  bestehende  Lied  gleiches  Inhalts. 


356_ 

6.  Entsetzet  euch,  ir  firauen,  iiit! 
denn  Christaa  heut  erstanden  ist 

7.  Das  solt  ir  sagen  Petro  bald 

und  andern  jungem  gleicher  gstalt. 

8.  Denn  in  Galilea  zumal 
werden  sie  Christum  sehen  all. 

9.  O  Jesu,  lieber  herre  got, 
behüt  uns  für  der  sünden  not! 

10.  Gip  daß  wir  vom  tode  entstehen 
und  mit  dir  ewiglich  leben! 

11.  Zu  diser  österlichen  zeit 

sei  got  dem  herren  lop  geseit 

Leisentrit  OB.  1567.  1.  Th.  Bl.  18ll».  Münchener  GB.  1586.  Bl.  23. 
9 Ein  schön  mite«  Gesang.'  — -  Etwas  Terschieden  und  um  4  Strophen  erwei- 
tert in  Corner  GB.  1685.  Nr.  188. 

f    Nr.  203. 
Surrexit  Christus  hodie. 

1.  Erstanden  ist  der  herre  Christ, 

Alleluia 
der  aller  weit  ein  tröster  ist 
AUeluia. 

2.  Der  nn  den  tot  erlitten  hat 
vor  aller  menschen  missetat 

3.  Er  nam  auf  sich  der  sünden  solt 
und  hat  bezalt  all  unser  schult 

4.  Die  weiber  suchten  in  im  grab, 
der  engel  in  die  botschaft  gap. 

5.  Ir  weiber,  solt  eur  weinen  lan, 
in  Galileam  solt  ir  gan. 

6.  Sagt  Petro  und  den  jungem  sein, 
daß  er  vom  tod  erstanden  sei. 

7.  Der  herr  kam  in  entgegen  dar 

und  sprach  mit  solchen  wnrten  klar; 

8.  G-et  hin  und  sagt  den  brüdem  OMin, 
in  G-alilea  werd  ich  sein. 

9.  Da  werden  sie  mich  finden  BWar, 
wie  ich  in  hab  gesagt  zuvor. 

10.  Und  seit  getrost,  ir  Christen  all 
und  singet  mit  frölichem  schal. 


366 

11.  Zu  diser  österlichen  zeit 
da  sei  der  herr  gebenedeit. 

12.  Die  heilige  dreifaltigkeit 
die  sei  gelobt  in  ewigkeit! 

Leisentrit  GB.  1567.  1.  Th.  Bl.  132>>. 

f  Nr.  204. 
Surrexit  Christus  hodie. 

1.  Erstanden  ist  der  heiige  Christ, 
der  aller  weit  ein  tröster  ist. 

2.  Und  war  er  nicht  erstanden, 
so  war  die  weit  vergangen. 

3.  Und  seit  daß  er  erstanden  ist, 
loben  wir  den  herren  Jesu  Christ. 

4.  Es  giengen  drei  heilige  frauen 
des  morgeuB  frü  im  tauen. 

5.  Sie  suchten  den  herren  Jesu  Christ, 
der  von  dem  tod  erstanden  ist. 

6.  Sie  funden  da  zwen  engel  schon, 
die  trösten  die  frauen  lobesan. 

7.  Engel.  Erschrecket  nicht  und  seit  all  fro, 
denn  den  ir  sucht,  der  ist  nicht  do. 

8.  Maria.  Engel,  lieber  engel  fein, 

wo  find  ich  denn  den  herren  mein? 

9.  E.  Er  ist  erstanden  aus  dem  grab 
heut  an  dem  heiligen  ostertag, 

10.  Jf.  Zeig  uns  den  herren  Jesu  Christ, 
der  von  dem  tod  erstanden  ist! 

11.  E.   So  trett  herzu  und  seht  die  stat, 
da  man  in  hin  geleget  hat! 

12.  Jf.  Der  herr  ist  hin,  er  ist  nicht  do: 
wenn  ich  in  hätt,  so  war  ich  fro! 

13.  E.  Seht  an  das  tuch,  dar  in  er  lag 
gewickelt  bis  an  den  dritten  tag. 

14.  M.  Wir  Sehens  wol:  zu  diser  frist 
weis  uns  den  herren  Jesu  Christ! 

16.   E.  Get  in  das  galileisch  lant, 
da  findt  ir  in,  sagt  er  zuhant 


367 

16.  M,  Habt  dank,  ir  lieben  engel  fein! 
nu  wollen  wir  aUe  frölich  sein. 

17.  E.  G-et  hin,  sagt  das  S.  Petro  an 
und  seinen  jungem  lobesan! 

Maria  zum  volk. 

18.  Nun  singet  all  zu  diser  frist: 
erstanden  ist  der  heilig  Christi 

CrMRtftfl. 

19.  Des  sollen  wir  alle  frölich  sein 
und  Christ  sol  unser  tröster  sein. 

Oeistliche  Lieder  vnd  Psalmen,  Nürnb.  durch  Nie.  Enorm  1566.  Wckn. 
Nr.  687.  In  dieser  Gestalt  ein  Überrest  aus  einem  Osterspiel  (ygl.  Nr.  16.), 
deshalb  fehlt  denn  aach  das  Dialogische  (Str.  8. 10. 12.  14. 16.)  im  Obseqoiale 
Ratisbon.  1670  im  Anh.,  nnd  in  „  Ertliche  tentsche  Oster  geseng ....  Qednickt 
zft  Nürnberg  durch  EÜnegÜnd  Wachterin.^  Dagegen  stimmt  bis  auf  swei 
Strophen  mit  unserm  Texte  Nie.  Beuttner  OB.  1602.  1.  Th.  Nr.  27. 

f  Nr.  205. 

Te  deum  laudamus^^). 

Der  deutsche  Ambrosianische  Lobgesang  kommt  früh  vor  *^). 
In  der  Stadt  Braunschweig  sang  man,  wie  Rehtmeyer  berich- 
tet**), seit  1490  das  deutsche  Te  Deum  laudamus  und  zwar  24. 
November  y  wegen  der  damals  geschehenen  göttlichen  Beschir- 
mung und  Beschützung  der  Stadt. 

Vor  Luther*s  Übersetzung  in  Versen,  um  1529  sind  nur  prosaische  Be- 
arbeitungen bekannt.  Lnther*s  Herr  Gott,  dich  loben  wir,  ist  von  der  katho- 
lischen Kirche  nicht  aufgenommen  worden.  Der  Text  im  Ältesten  kathol.  QB. 
(Vehe  1537.  Nr.  7.)  ist  in  Prosa.  Leiaentrit  OB.  1667.  i.  Th.  Bl.  269. 
(Wckn.  Nr.  844.)  hat  eine  Bearbeitung  in  Liedesform,  wobei  Luther's  Text 
benutst  ist: 

Dich  Gott  wir  loben  und  ehren, 

Bekennen  dich  einen  Herren. 

Dich  Gott  Vater  in  Ewigkeit 

Ehrt  die  ganse  Welt  weit  und  breit. 


§.  9.  66)  Daniel  The«.  8,  276. 

67)  Eine  pros.  Übersetnmg  vom  J.  1889  aus  Cod.  pal.  488.  in  Görres 
Altt  Volks-  und  Meisterliedem  8.  829. 

68)  Behtmeyer,  Braunschw.  Chronica  S.  822.  —  ▼.  Soltau  theilt  eine 
prosaische  niederdeutsche  Übersetsung  mit  aus  einer  Hs.  des  XV.  Jahrh. 
und  meint,  diese  kdnne  die  bei  Behtmeyer  erwähnte  sein,  Mone*s  Anaeiger 
1886.  8p.  829.  880. 


368 

Dieselbe  in  sweiieiligen  Strophen  mit  Kehrvenen  im  TegWiBWt  GB.  1677. 
Münchener  6B.  1686.  Bl.  82h.  Kölner  GB.  1619.  Bl.  196*.  Corner  GB. 
1626.  Nr.  176. 

Eine  andere,  vielleicht  schon  alte  Bearbeitang  enthält  Comen  GB.  1626. 
Nr.    174. 

Dich   OoU  wir  loben  and  ehnf, 

Bekennen  dich  ein  Herrn. 

Dich  ewigen  Vater  gut 

Die  ganze  Welt  ehren  thnt. 

Die  heiligen  Engel  mannigfialt, 

Die  Himmel  und  all  himmlisch  Gewalt, 

Auch  Chembim  und  Seraphim 

Schreien  mit  onanfhörllchr  Stimm: 

Heilig,  heilig  ist  nnser  Gott, 

Der  Herr  Sabaoth! 

Der  Himmel  nnd  die  Erde  weit 

Seind  voll  deiner  Ehr  und  Herrlichkeit. 

f  Nr.  206. 

Terit  mola  farinola**). 

Die  mül  die  melt  das  mel  so  klar: 

ein  rein  Jungfrau  ein  kint  gebar, 

es  was  der  schepfer  himels  und  der  erden, 

er  wolte  von  einer  Jungfrauen  geboren  werden. 

machet  eure  herzen  rein,  machet  eure  herzen  rein, 

empfatdas  himelische  kint  darein! 

Breslaner  Hs.  I.  8o.  118.  Bl.  2«.  Ans  dem  Ende  des  XV.  Jahrhunderts. 
Eben  daher  auch  der  lat  Text. 

f  Nr:  207. 
Ut  queant  laxis  resonare  fibris^^). 

Das  hell  auf  klimmen 
deiner  diener  stimmen 


§.  9.  69)  Terit  mola  faxinola, 

dam  virgo  parit  tenera, 
fiiilanim  crihratnm  partiUB  parit, 
creatora  creatorem  parit. 
tftratantariaatp  ^  taratantariaatei 
corda  yestra  deo  pcaeparatel 
70)  Von  Paulas  Diaconas,  in  der  ersten  Strophe  die  bekawite  8pie< 
lerei:  ut  re  fa  mi  sol.    Daniel  Thes.  1,  209. 


369 

ie  klenken  sunder 

deine  werk  und  wunder. 

vermeilet  lebsen 

salb  aiiB  genaden  kebsen^ 

heiliger  Johannes! 
Mouch    von    Salsbnrg.     18   Strophen.      Am   der   Wiener   Hs.    2856.   io 
Kehrein,  Kirchen-  und  rel.  Lieder  S.  183.    Auch  im  Münchener  Cod.  germ, 
715.  und  der  Wiener  Hs.  2975. 

Der  Mönch  ist  sehr  frei  m  Werke  gegangen,  er  mag  die  grollen  Schwie- 
rigkeiten in  Wiedergabe  seines  Vorbildes  erkannt  haben  tmd  hat  deshalb  wol 
selbst  die  Überschrift  gemacht,  wie  sie  in  der  Münchener  Hs.  steht:  'Von 
sant  Johannes,  ein  s  wer  er  dentscher  jrmpnns*. 

%  Nr.  208. 
Veni  Creator  spiritus'^*). 

1.  Kum,  schepfser,  heiliger  geist, 
heimsAch  der  dtnen  m&t  als  du  weist! 
erfülle  mit  der  obristen  gnftden  glast 
diu  herze  diu  dfi  geschepfet  h&stt 

2.  Sit  du  ein  trÖBtier  bist  genant, 
des  obristen  gotes  gäbe  erkant, 

ein  lebendiger  bmnne,  ein  fiurtn  röst, 
diu  wäre  minne,  der  s61e  trdst. 

3.  Dö  sibenfaltige  g&be, 

du  vinger  der  gotes  zesewe,  her  abe 

du  riebest  der  dinen  mimt 

unde  machest  in  wort  unt  spräche  kunt. 

§.9.  71)  Mone  Hymnen  1,  241.  »Vor  allem,  bemerkt  Mone  S.  242,  muss 
ich  einen  Irrthum  über  den  Verfasser  dieses  Liedes  berichtigen.  —  Bei  To« 
masi  p.  375  wird  bemerkt,  dass  im  Leben  des  heil.  Notker  (Acta  SS.  Bol- 
land.  April.  1,  687.)  Karl  der  Große  als  Verfiisser  dieses  Hymnus  angegeben 
ist,  nnd  auch  Daniel  1,218.  folgt  unbedenklich  dieser  Versicherung,  obgleich 
die  Hss.  dieses  Hymnus  zum  Theil  iUter  sind  als  Karl  d.  Qr.,  welcher  kei- 
neswegs die  lateinische  Sprache  so  gut  verstaiid,  dasa  er  einen  solchen 
Hymnus  h&tte  machen  können.  —  Obiger  Hymnus  stimmt  am  meisten  mit 
den  Liedern  Gregors  des  Chr.  oberein  und  ich  halte  ihn  für  den  Verfiuser. 
Die  klassische  Metrik  mit  theilweiser  Zulassung  des  Reims  sind  den  Liedern 
Gregors  eigen.'  —  Die  6  eraten  deutschen  Strophen  entsprechen  den  5  ersten 
bei  Moqe,  Str.  6  (Da  gaudiorum  praemia)  giebt  Mone  als  Bruchstiick  eines 
besondem  Liedes  unter  Nr.  186;  die  7.  deutsche  Strophe  stimmt  wieder  su 
Mone's  Strophe  6  in  Nr.  184:  Per  te  sciamus,  da,  patrem  ff. 


360 

4.  Enzüude,  erliuhte  unBer  sinne; 
unser  herze  begiu;  mit  dtner  minne, 
unsers  libes  krankheit 

Sterke  mit  dtner  tugent  breit  I 

5.  Vertrip  den  vlent  von  mis, 
gip  uns  den  vride  gotes  suns, 
daa^  wir  von  dines  geleites  wtsheit 
miden  alle  bdsheit! 

6.  Gip  uns  der  vreuden  lön, 

gip  uns  der  gnaden  gäbe  schon, 
entsliu;  uns  des   strites  baut, 
bestätige  uns  des  vrides  laut! 

7.  Da^  wir  in  den  drin  genennen 
den  vater  imd  den  sim  erkennen 
imd  dich,  heiliger  geist, 

in  ir  bdder  volleist 
gelouben  und  loben  sihticlich 
immer  ftn  ende  Swiclich. 
Aus  der  Wiener  Hs.  8745.  Xm.  Jahrh.  in  den  Altdeutschen  Blftttem 
1,  879.  und  ans  einer   Stuttgarter  Hs.  (Öffentliche  BibL  Brey.  Nr.  26.)  bei 
Wckn.  Nr.  108.  —    Ist  auch  in  der  Oiefiener  Hs.  Nr.  878.  Bl.  124*— 125». 
—  Wiener  Hs.   5,  8.   dines  gewaltes  w.  —   7,  1.  genenden  —   7,  5.  insich- 
ticlich  —  Stattg.  Hs.  bei  Wckn.:  8,  2.  seswe  her  habe,  —  7,  5.  geloben. 

Die  ObersetEong  eines  unbekannten   in  „Form  ynd  Ordnung  Gaystlicher 
Gesang  ynd  Psalmen«*  (Augsb.  1583)  bei  Wckn.  Nr.  660. 
Kum,  heiliger  geist,  got  schSpfer, 
sftch  heim  die  gmüt  deiner  diener, 
erfüll  mit  deiner  gnaden  glast 
die  hersen,   die  geschaffen  hast! 
Luther*s  Übersetaung:  Kom,  heiliger  geist,  got  schSpfer,  vom  J.  1524,  steht 
auch  in  Leisentrit  OB.  1567.   1.  Th.   Bl.  175».     In  spStem  kathol.  OB.  an- 
dere ÜbersetEungen:  Corner  OB.  1625.  Nr.  164.  Kölner  OB.  1610.  Bl.  118«. 

%   Nr.  209. 

1.  Komm,  heiliger  Geist,  wahrer  Trost I 
Die  Henen,  die  du  gesohaffSsn  hast. 
Besuch  in  aller  Angst  und  Noth, 
Und  erfiUl  sie  mit  deiner  Onad! 

2.  Der  du  der  Tr6eter  wirst  genannt. 
Ein  Gab  Gottes  herabgesandt, 
Ein  lebendiger  Brunn  und  Licht, 
Ein  Lieb  die  nun  aufhöret  nicht 


361 

3.  Mit  sieben  Oftben  bist  bekannt, 
Ein  Finger  Gottes  rechter  Hand, 
Dn  hast  die  Apostel  g^elehrt 

Und  sie  des  ewigen  Trosts  gewXhrt. 

4.  Entzünd  das  Licht  in  nnsenn  SinnI 
Den  Herzen  geoß  der  Lieb  Fenr  in! 
Stärk  unser  schwache  Blödigkeit 
Blit  deiner  Gnad  in  Ewigkeit! 

5.  Den  bösen  Feind  treib  von  uns  fem! 
Des  Friedens  thn  uns  allzeit  gwKhm! 
Damit  wir  Ton  dir  nnterricht 
Meiden  das  dir  thnt  gfallen  nicht. 

6.  Gib  dass  wir  all  erkennen  schon 
Gutt  den  Vater  und  seinen  Sohn 
Und  dich  der  du  bist  beider  Geist, 
Ein  Gott  gelobt  in  Ewigkeit. 

7.  Gott  dem  Vater  sei  Lob  und  Preis, 
Seinem  Sohn  Jesu  gleicher  Weis, 
Der  wöU  uns  senden  allermeist 
Den  Tröster,  den  heiligen  Geist! 

Noch  eine  andere  im  Kölner  GB.  1628.   S.  305. 

Komm,  heiliger  Geist,  Schöpfer  mein, 
Besuch  das  Herz  der  Kinder  deinl 
Mach  alle  Herzen  gnadenvoU, 
Die  deine  Hand  erschaffen  wol! 

f  Nr.  210. 

Veni  redemptor  gentium*^*). 

Knm  her,  erlöser  volkes  schar, 
erzöig  din  gburt  der  megde  klar; 
das  wundert  alle  weit  gemein, 
wan  solich  gbnrt  zimt  got  allein. 

Heinrich  yon  Laufenberg,  8  Strophen  in   der  Straßb.  Hs.  B.  121,  voU- 
stSndig  bei  Wckn.  Nr.  759. 

Lnther's  Übersetzung  vom  J.  1524.    Nun  kom  der  beiden  heilant. 
In  der  kath.  Kirche  war  eine  Bearbeitung  des  Lntherschen  Textes  üblich : 
Leisentrit  1567.  1.  Th.  Bl.  ^. 

Kom  der  beiden  treuer  heilant, 
der  Jungfrau  geburt  mach  bekant, 
dass  sich  yerwunder  alle  weit: 
got  solch  geburt  im  hat  besteh. 


§.  9.  72)  Von  Ambrosius.     Daniel  Thes.  1,  12. 


362 

Diese  wurde  bald  durch  eine  andere  flellwtäiidige  Übersetxnng  verdrfingt : 

Der  beiden  beilaat  kom  her, 

der  jongfrau  gebnrt  ans  1er, 

daas  all  weit  siob  wundem  tat: 

solch  gebart  allein  simt  got. 
bei  Leisentrit  daselbst  Bl.  6*,  die  sich  nachher  mit   einselncn  AbUndeningen 
in  den  spätem  GB.  erhielt:    Corner  GB.  1625.  Nr.  31. 

f  Nr.  211. 
Veni  redemptor  gentium. 

1.  Kom  erloser  aller  leute, 

geburt  der  Jungfrauen  uns  bedeute ! 
alle  werft  verwundert  sich, 
daß  eine  mait  geberet  dich. 

2.  Nicht  von  einigem  mannes  somen, 
sunder  von  gote  ist  es  komen: 
das  fleisch  ist  worden  gotes  wort 
in  der  reinen  mait  gebort. 

3.  Marien  reiner  lip  der  wuchs 
nach  des  heiligen  engeis  gniß. 
unversert  wart  er  gemert, 

mit  kraft,  mit  heile,  mit  tugent  gcert. 

4.  Durch  ein  zuchtig  slossgemach 
got  und  mensch  ein  kint  usbrach, 
wie  ein  helt  stark  und  frisch, 

zu  laufen  verren  weg  ser  risch. 

5.  Von  dem  vater  ist  Crist  gegangen 
in  dise  werft,  und  vil  gevangen 
hat  er  us  der  hellen  genomen 
und  ist  zu  himel  widerkomen. 

6.  Dem  vater  glich  in  ewigkeit 
gürte  dich  mit  unser  menschlicheit! 
sint  du  war  mensche  worden  bist, 
so  starke  uns  kranken,  Jesu  Crist! 

7.  Din  krippe  schinbar  ist  gemacht 
in  der  heiligen  klaren  nacht, 

in  der  die  engel  frolich  sungen, 
die  hirten  dich  suchten  und  funden. 


8.   Lop  si  dir,  herre  Jesu  ürist, 
der  von  Marien  geboren  bist! 
dem  vater,  dem  heiligen  geiste  und  dir 
si  nu  nnd  immer  lop  xmd  6r. 
PpHs.  1460.  fol.  Nr.  47.   Bl.  91.  in  der  Bibl.  des  kath.  Qymiiasiams  zu 
Köln.  —  Hb.  1,  1.  «fler  lüde  —  1,  3.  aUer  werid  —  8,  4.  ire  (Sri 

f  Nr.  212. 
Veni  sancte  spiritua. 

1.  Kom,  o  heiliger  geist,  her  in 
mit  dinem  himelischen  schin! 
kom^  o  vater  der  armen, 

laß  dich  diner  kinder  erbarmen! 

2.  Geber  der  geben,  gip  uns  geben, 
erluchte  unser  herze  dich  zu  loben! 
aller  bester  troster,   heiliger  geist, 
ein  süßer  gast  der  seien  du  heist 

3.  Heiße  herzen  du  erfrischt, 
der  trost  und  allein  du  bist, 
in  der  arbeit  gibest  du  ru, 
lust  in  hitze  bläst  du  zu« 

4.  Li  betrübnisse  gibest  du  trost, 
daß  wir  von  arge  werden  erlost, 
ane  dine  Vorsichtigkeit 

han  wir  nicht  dan  we  und  leit. 

5.  War  du  nicht  bist,  dar  müßen  wir  Uden 
und  kunnen  sunden  nicht  vermiden. 
wasche  uns  von  unserm  stank, 

wand  wir  sin  sundig,   dürr  und  krank! 

6.  Mache  uns  rein,  frisch  und  grün, 
daß  wir  vermögen  gutes  zu  tun! 
beuge  uns  daß  wir  nicht  sin  stief, 
in  eigenem  willen  nicht  fallen  tief! 

7.  Werme  uns,  wir  sin  arm  und  kalt, 
wand  du  hast  unser  ganz  gewalt! 
uns  irrende  menschen  unterwis, 
daß  wir  dir  dienen  ndt  ganzem  fliß! 


364 

8.  O  seliges  lieht,  o  gotlicher  schin, 
erfülle  die  glaubigen  herzen  din! 
gip  uns  dine  geistliche  siben  geben, 
daß  wir  dich  nu  und  immer  loben! 

9.  Wolle  uns  an  unserem  ende  bewaren, 
so  daß  wir  sicher  von  hinne  faren! 

Nu  biten  wir  den  heiligen  geist 
umb  den  rechten  glauben  aller  meist, 
daß  er  uns  behüte  an  unserm  ende, 
so  wir  heim  faren  us  disem  eilende. 

Kyrieleyson       | 
Got  8i  gelobet^  ^°^®'^" 
Explicit  sequentia  Veni   sancte  Spiritus. 
PpHs.  1460.  fol.    Nr.  47.  BI.  91l»   in  der  Bibl.    des  kathol.  Gymnasiums 
zu  Köln. 

Hs.  1,  1.  kyr  yn  —  2,  1.  ^  wm  g<^  —   5,  3.  vnsen  —  6,  3. 
7,  4.  ffonzem  fehlt  —  9,  1.  welle. 

f  Nr.  213. 
Veni  sancte  spiritus^^). 

1.  Kum  du  tröster,  heiiger  geist, 
aus  deins  liechtes  brunn  tms  leist 
einen  durchleuchtigen  stral! 
kum  ein  vater  der  weisen, 
hilf  uns  auf  diser  reisen 
hie  aus  disem  jamertal! 

2.  O  du  allerhöchster  trost, 
der  seien  ein  süßer  gast, 
eine  süße  erzenei! 
in  der  arbeit  unser  ruh, 
im  Sturmwetter  guter  fiig, 
im  eilend  dich  zu  uns  neig! 

3.  O  allerseligstes  licht, 
der  menschen  herzen  aufriebt, 
die  im  rechten  glauben  sein! 


§.  9.  73)  Von  König  Robert  von  Frankreich,  f  1031.    Rambach  Anthol.  1, 
226.    Mone  Hymnen  1,  244.  Nr.  186.     Daniel  Thes.  2,  85.     Wckn.  Nr.  33. 


365 

on  dein  hülf  und  hulde  zwar 
ist  im  menschen  ganz  und  gar 
anders  nicht  dan  schult  und  pein. 

4.  Wasche  das  da  unrein  ist, 
küle  das  da  erhitzt  ist, 
heile  das  da  verwundt  ist, 

beug  zurecht  was  streit  und  strebt, 
bedeck  das  von  kelte  webt, 
bring  zum  weg  was  verirrt  ist! 

5.  Gip  den  außerweiten  dein 
sibenmal  gewertig  sein 
deiner  gaben  miltigleich! 
gip  der  tugent  iren  Ion, 

der  du  selber  bist  gar  schon, 
mach  aus  uns  dein  himelreich! 

Bl.  37.^  in  TctUseh  \  Kirehenampt.  \  So  man  jtzt  (Oot  «u  loh)  \  ynn  der 
Kirehen  sin-  \  gei,  \  Zum  andemmcU  vhersehen,  \  gebessert,  vnnd  mit  vleps 
cor-  I  rigiert,  |  ff.  1526.  —  Näher  beschrieben  Ton  Mendorf  im  Serapeom  10, 
204—208. 

Dieser  deatsche  Text  scheint  in  der  evangelischen  Kirche  einiger  Gegen- 
den sehr  heimisch  gewesen  zn  sein,  da  er  sich  vemiederdeutscht  sogar  in 
einer  Kirchenordnnng  findet. 

f  Nr.  214. 

Veni  sanete  spiritus''*). 

(am  pingestdage) 

1.  Kum  du  tröster,  billige  geist, 
üt  dyns  lichtes  bom  uns  leist 
einen  dorchlüchtigen  sträl! 

2.  Kum  ein  vader  der  weisen, 
help  uns  up  düsser  reise 
hier  üt  düssem  janunerdäl! 

3.  O  du  alderhögeste  trost, 
der  seien  ein  söte  gast, 
eine  söte  arstedyel 

4.  In  der  arbeit  unse  row, 
im  stormw^der  guden  föch, 
im  flende  dik  to  uns  wende! 


§.  9.  74)  Eine  andere  niederdeutsche  Übersetzung  in:  Enchiridion  Geistliker 
Gesenge  vnde  Leder,  Lübeck  1556.     bei  Wckn.  Nr.  672. 

25 


366 

5.  O  alder  saligeste  licht, 

der  minschen  herte  upricht, 
de  im  rechten  geloven  sint! 

6.  An  dyn  hülp  und  hülde  twär 
is  im  minschen  ganz  und  gär 
anders  nicht  denn  schult  und  pyn. 

7.  Wasche  dat  dar  unreine  is, 
köle  dat  dar  erhitt  is, 
hele  dat  dar  yorwimt  is! 

8.  Böge  to  recht  wat  »tryt  und  straft, 
bedeck  dat  van  kelde  w^ft, 
bring  tom  wech  wat  vorerret  is! 

9.  Gif  den  uterw^lden  dyn 
Böven  mal  gewerdich  syn 
dyner  gaven  mildichlik! 

10.   Gif  der  döget  ören  Ion, 

de  du  sülvest  bist  g&r  schön! 
mftk  üt  uns  dyn  hemelryk! 
ChriBtlike  Eercken    Ordeninge,    Ceremonien    vnde   Gesenge,    Vor   arme 
vngeschickede  Parheren  yn  dem  16fflikeii  F6rstendome  Hertogen  Ericks  (Han- 
noner  1544.)     Bl.  67—69. 

In  der  katholiüchen  Kirche   findet   sich   erst  in  späterer  Zeit  eine  Über- 
setzung: 

f  Nr.  215. 

1.  Heilger  Qeist,  o  Herre  mein, 
Send  ans  vom  Himmel  fein 
Deines  Liechies  klaren  Schein! 

Alleluia,  allelnia. 

2.  Komm  Vater  der  Armen  fron, 
Komm  Gabe  der  Genaden  schon, 
Komm,  sei  unserer  Herzen  Sonn! 

3.  Du  TVöster  des  Herzen  mein. 
Kehr  in  unser  Seelen  ein, 
Dass  du  sie  erquickest  fein! 

4.  In  Arbeit  sei  ouBer  Buh, 
In  Hitz  uns  erfrischen  thul 
Wenn  wir  weinen,  so  sprich  zuJ 

5.  O  du  allerseligstes  Licht, 
EifcUl  die  Herzen  innerlich 
Derer  die  da  glauben  an  dich! 


8(^7 

6.  Ohn  dein  ^öttlielt  On^d  allein 
Ist  all  tuuer  Thnn  unrein, 

Kann  gar  nicht  verdienstlich  sein. 

7.  Wasch  was  in  uns  ist  unrein! 
Befeuchte  das  was  dürr  will  sein! 
Was  wund  ist,  das  heile  fein! 

8.  Beug  das  was  erstarret  isti 
Was  erkaltet  das  erhitz! 
Führ  wieder  das  verirret  ist! 

9.  Denen  die  bekennen  dich 
Und  dir  trauen  herziglicfa, 
Gieb  dein  Gnad  siebenfältig! 

10.    Den  Lohn  für  gute  Werk  bereit 
Gieb  uns,  der  ist  die  Seligkeit 
Nach  unserm  End  in  Ewigkeit! 
Corner  GB.  1626.     Nr.  166. 

f    Nr.  216. 
Verbum  bonum  et  suave'^*). 

1.  Das  wort  ave  lont  uns  singen, 
das  g&t  ist  und  sAß  t&t  klingen, 
welches  der  engel  gotes  tet  bringen 
von  höhe  der  magt  küniglich. 
durch  welches  ave  gr&ß  eingangen 
hat  die  Jungfrau  rein  empfangen, 
von  dem  stam  David  anfgangen, 
lilg  in  dornen  minniglich. 

2.  Ave  des  waren  Salomon 
m&ter  und  das  fei  Gedeon, 

der  drei  künig  mit  gaben  schon 
geburt  lobent  erenrich. 

§.  9.  75}  Daniel  Thes.  2,  93.  ans  einer  Münchener  Hs.  des  XIII.  Jalurhnnderts. 
Wurde  schon  im  XIY.  Jahrh.  parodiert,  4  Strophen,  die  erste: 
Yinum  bonum  et  suave, 
bonis  bonum,  pravis  prave, 
cunctis  dulcis  sapor,  ave, 
mundana  laetitia! 
aye  felix  creatnra, 
quam  produzit  vitis  pura, 
omnis  mensa  fit  secura 
in  tua  praesentia. 
Mone  in  AuisesB  Anzeiger  1888.  8p.  189.  190. 


368 

ave,  die  sonn  außerkoren 
hast  getragen,  frucht  geboren 
der  weit,  die  do  was  verloren, 
geben  leben  ewiglich. 
3.   Ave  gespons  des  höchsten  worte, 
busches  zeichen,  meres  porte, 
alles  süßen  geschmackes  ein  horte, 
alle  engel  lobent  dich! 
unser  bitten  wölst  erhören, 
uns  von  allen  Sünden  keren, 
zA  gefallen  got  dem  herren, 
daß  er  uns  gebe  freud  in  seinem  rieh. 

„Hortalos  anime  zu  Teutsch.  Basel  durch  Thomam  Wolff«  4620.  Bl.  CLiz. 
Bei  Wckn.  Nr.  787.  Da«  Dentsche  wird  oft  nur  klar  mit  Hinznzielraiig  des 
lat.  Originala,  s.  B.  2,  8.  4«  cnina  magi  tribiiB  doniB  laudant  pneiperinm.  — 
In  der  Stra6b.  Hs.  B.  121.  ana  dem  15.  Jhrh.  dasselbe  Lied,  Wckn.  Nr.  784. 
halb  deutsch  ond  halb  lateinisch,  die  sweite  Hftlfte  jeder  Zeile  enthttlt  immer 
den  lat.  Reim,  eine  Spielerei,  der  Daniel  1.  c.  94.  m  viel  Ehre  anthnt,  wenn 
er  sie  nmlro  consnta  et  consarcinata^  nennt. 

f  Nr.  217. 
Vexilla  regia  prodeunt^^). 
1.    Des  koniges  vanen  gan  her  vor, 
heil  des  cruzes  lucht  offenbar, 
der  blut  und  fleisch  geschaffen  hot, 
der  henget  an  dem  galgen  in  libes  not. 

2.  Sine  innen  adem  sint  usgetreckt, 
hende  und  föße  von  im  gestreckt; 
er  hat  sich  in  den  tot  gegeben, 
daß  er  uns  alle  mache  leben. 

3.  Mit  einem  spere  ist  er  verwunt, 
daß  wir  von  sunden  wurden  gesunt. 
US  siner  siten  floß  wasser  und  blut, 
dar  von  uns  bekomt  ewigs  gut. 

4.  War  ist  worden  das  David  sprach 
do  er  in  dem  geiste  sach 
Christum  an  einem  holze  sigen, 
herschen  und  nicht  Unterligen. 


§,  9.  7ß)  Wie  in  Daniel  Thes.  hymnol.  T.  I.  p.  160.  —  In  der  Hs.  gehen 
die  Anfangszeilen  der  lat.  Strophen  jeder  dentsehen  Str.  vorher. 


369 

ö.    O  schöner  bäum  licht  und  klar, 
gezieret  mit  koniges  purpur  gar, 
ußerwelter  werdiger  stam, 
anzurüren  das  gotislam! 

6.  An  dir  henget  der  werlde  solt, 
selig  und  teuer  über  alles  golt, 
des  libes  wage-  unser  seien  trost, 
die  US  der  hellen  du  hast  erlost. 

7.  O  heiliges  cruze,  dich  grüßen  wir, 
wir  loben  und  eren  und  danken  dir! 
mere  den  milden  ire  gerechtigkeit! 
den  sundem  tu  barmherzigkeit! 

8.  O  hohe  drivaltigkeit,  einiger  got! 
das  cruze  Christi,  sin  bitter  tot 
hat  tms  erlost,  des  danken  wir  dir 
und  loben  dich  nu  und  immer  raer. 

PpHs.  1460.  fol.  Nr.  47.  Bl.  90«.  in  der  Bibl.  des  kaihol.  aymnasiums 
zu  Köln. 

Hfl.  2,  4.  dor  her  —  4,  3.  »egen  —  4,  4.  vnder  legen  —  6,  4.  godi$ 
godU  lam  —  6,  2.  iuwer  hohen  (teuer  üherj  —  7,  2.  8,  8.  danckten. 

f  Nr.  218. 

Vexilla  regis  prodeunt^. 

Des  künges  fanen  züch  her  für, 
des  crüzes  zeichen  schinet  nun, 
dar  an  ein  mensch  erhangen  ist, 
der  aller  weit  ein  schÖpfer  ist. 

7  Strophen  in  Cod.  theol.  8».  Nr.  19.  Bl.  164.  Pp.  XV.  Jahrh.  auf  der 
öffentl.  Bibl.  zu  Stattgart  (Mitih.  F.  Pfeiffer's). 

Eine  andere  Übersetzung  im  Erfurter  Enchiridion  1628.    (niederd,  1548. 
Wckn.  Nr.  806.)  findet  sich  in  den  späteren  kath.  Gesangbüchern:  Kölner 
OB.  1610.  Bl.  62.    Corner  GB.  1625.  Nr.  114,  7  Strophen: 
Des  Königs  Fähnlein  gehn  hervor, 
Die  Fracht  des  Kreuzes  schwebt  empor, 
An  dem  der  Schöpfer  alles  Fleisch 
Gehangen  ist  in  schnöder  Weis. 


§.  9.  77)    Daniel  Thes.  1,  160.     Str.  1.  3—8. 


370 

Viele  der  unter  Nr.  126—218  mitgetheilten  Lieder  sind  wol 
hie  und  da  lange  Zeit  hindurch  vom  Volke  in  den  Kirchen  und 
bei  religiösen  Anlässen  gesungen  worden.  Schwerlich  hätten 
sonst  die  heiligen  Väter  auf  dem  Baseler  Concil  in  der  21.  Sitzung 
am  9.  Juni  1435  daran  gedacht^  die  cantilenae  seculares 
d.  i.  vulgares  während  des  Hochamts  als  Missbrauch  einiger 
Kirchen  zu  verbieten.''*)  Trotzdem  erhielt  sich  hie  und  da  der 
Gebrauch,  während  des  Hochamts  zu  den  lateinischen  Hymnen 
und  Sequenzen  deutsche  Lieder  ab  Responsorien  zu  singen. 
So  sang  z.  B.  das  Volk  zu  den  Zeiten  des  Johann  Busch  (f  1479) 
zu  Neuwerk  abwechselnd  mit  der  Geistlichkeit  und  zwar  jedes- 
mal die  der  lateinischen  Strophe  entsprechende  deutsche.''*) 
Darum  finden  sich  auch  in  alten  Handschriften  die  deutschen 
Texte  mit  den  lateinischen  gepaart:  jeder  lateinischen  Strophe 
folgt  die  entsprechende  deutsche ,  wie  es  erst  wieder  in  den 
katholischen  Gesangbtichem  des  XVI.  Jahrhunderts  geschieht, 
z.  B.  in  den  Köbem  1610.  1619.  1628.,  in  Comer's  1625.  ff. 


§.  9.  7H)  Der  Canon  heißt  aUo:  vel  in  ecdesÜB  cantilenae  seculares  voce  ad- 
mlscentor.  Dass  anter  diesen  cantilenae  seculares  nur  vulgares,  also  in  der 
Landessprache  verfasste,  verstanden  sind,  erhellt  aus  Augnstini  Patricii  Summa 
Conciliorum  Basil.,  Flor.  cet.  vom  J.  1480,  da  heißt  es  (s.  Harzheim  Concil. 
Germ.  Y.  p.  808.):  Vetuitque  inter  Missarum  solemnia  cantilenas  vulgari 
sermone  conditas  cantari.  Der  geistliche  Yolksgesang  hatte  sich  allmftlich  in 
die  Kirche  gedrSngt,  darum  verbietet  auch  die  Baseler  Synode  v.  J.  1603 
sogar  die  Melodie  während  des  Hochamtes  ansnstimmen,  wie  sie  bei  den 
Jacobsbrüdem  in  Gebrauch  war  (Hansheim  Conc.  Germ.  VI.  p.  2.)  omissa 
prorsus  illa  melodia,  quae  more  agrestis  et  secularis  cantilenae  psallitnr,  qua 
uti  solent  peregrini  et  trutanui  ad  sanctum  Jacobum  ambulantes.  Vgl.  Nr.  100. 
79)  Populusque  omnis  utriusque  sexus  cantilenas  tali  cautico  conve- 
nientes  ad  siiigulos  versus  cantando  respondent.     S.  §.  8,  30. 


371 

§.  10. 
Umdichtungen. 

Die  fahrenden  OeisÜichen  (Goliardi,  Trutanni'))  zeigen  sich 
seit  dem  Xu.  Jahrhundert  auch  in  Deutschland.  Wohin  sie 
kamen  ^  wollten  sie  nur  belustigen  und  sich  gute  Tage  ver- 
schaffen. Sie  fanden  an  den  Höfen  der  Großen  freundliche 
Aufiiahme  und  selbst  die  Geistlichkeit  verschmähte  es  nicht, 
sie  zu  bewirthen  oder  gar  sie  zu  beherbergen.  Sie  führten  ein 
echtes  Bummlerleben  mit  unversiegbarem  Humor  und  gehöriger 
Frechheit,  und  um  selbst  Spaß  in  der  Welt  zu  haben,  machten 
sie  der  Welt  ihre  Spaße  vor  und  zogen  Alles  in  den  Kreis  ihres 
Scherzes  und  Spottes.  Sie  verfassten  aus  den  kirchlichen  Hym- 
nen und  Sequenzen  lächerliche  Parodien,  z.  B.  aus  dem  Verbum 
bonum  et  suave:  Vinum  bonum  et  suave  (s.  §.  9,  75.),  und 
drangen  sogar  in  die  Kirchen,  um  beim  Gottesdienste  dergleichen 
freche  Scherze  abzusingen.  Es  muss  allerdings  mitunter  arg 
gewesen  sein,  besonders  in  den  westlichen  Gegenden  Deutsch- 
latids,  welche  an  Frankreich  gränzen.  Die  Trierer  Synode  vom 
J.  1277  nahm  deshalb  einen  eigenen  Canon  auf,  der  also  lautet: 
Femer  befehlen  wir,  dass  die  Priester  nicht  zugeben,  dass  die 
Trutannen  und  andere  fahrende  Schüler  oder  Goliarden  Verse 
singen  über  das  Sanctus  und  Agnus  Dei  oder  sonst  bei  der 
Messe  oder  gottesdienstlichen  Handlungen,  weil  dadurch  der 
Priester  meist  immer  im  Canon  gestört  wird  und  die  Zuhörer 
ein  Argemiss  daran  nehmen.*) 

Dies  leichtfertige  Parodieren  geistlicher  Lieder  mag  zunächst 
Veranlassung  gegeben  haben,    weltliche  Lieder  ernst  zu  paro- 


§.  10.  1)  Die  Vaganten  oder  Goliarden  und  ihre  Lieder.  Von  W.  Giesebrecht, 
in  der  Allgem.  Monatsschrift  für  Wissenschaft  n.  Literatur  (Braunschw.)  1863. 
S.  10—43.  344—381. 

2)  Item  praecipimus,  ut  omnes  Sacerdotes  non  permittant  Trutannos 
et  alios  vag-os  scholares  aut  goliardos  cantare  rersus  super  Sanctus  et  Agnus 
Dei,  aut  alias  in  niissis  vel  in  diyinis  officiis:  quia  ex  hoc  6 acerdos  in  canone 
quam  plurimum  impeditnr,  et  scandalizantnr  hominis  audientes. 

Statuta  Synodalia  cet  Archidioec.  Trevirensis  coli.  1. 1.  Blattau  T.  I.  p.  25. 
Das  J.  1227  ist  falsch. 


372 

dicrcn.    Das  älteste  Beispiel  einer  geistlichen  Umdichtung  eines 
weltlichen  Liedes  findet  sich  im  XIV.  Jahrhundert.«) 


§.  10.  8)  Das  weltliche  Lied  ist  von  SieinmAr,  gegen  Ende  des  Xin.  Jahrh. ; 
der  Vergleichnng  wegen  folgt  es  hier  vollstSndig,  s.  Maness.  Samml.  2,  107. 
▼.  d.  Hagen  Bfinnes.  2,  166. 

1.  Sumerzit,  ich  firüuwe  mich  din, 
da;^  ich  mac  beschouwen 

eine  süei^e  seldertn, 

mtnes  herzen  frouwen: 

eine  dime  diu  nAch  krüte 

gAt,  die  hAn  ich  seinem  trftte 

mir  erkom: 

ich  bin  ir  ze  dienst  erbom. 

warte  iinibe  dich! 

swer  verholne  miime,  der  hücte  sich. 

2.  Si  was  mir  den  winter  lanc 
vor  versperret  leider; 

nü  nimt  sie  üf  die  beide  ir  ganc 

in  des  meien  kleider, 

dA  si  blfimen  zeinem  kränze 

brichet,  den  sie  zft  dem  tanze 

tragen  wil: 

dA  gekdse  ich  mit  ir  vil. 

warte  umbe  dichl 

swer  yerholne  minne,  der  hüete  sich. 

3.  Ich  frönwe  mich  der  Heben  stnnt, 
so  si  gAt  zem  garten 

und  ir  rdseröter  mnnt 
mich  ir  heilet  warten: 
s5  wirt  höhe  mir  ze  m&te, 
wan  si  ist  üi;  ir  mftter  hfite 
danne  wol, 
vor  der  ich  mich  htieten  sol. 

warte  ombe  dich! 

swer  yerholne  minne,  der  hüete  sich. 

4.  Sit  dai;  ich  mich  hüeten  sol 
vor  ir  m&ter  lAge, 
heraeliep,  dA  tft  s6  wol, 
balde  e:;  mit  mir  wAge: 

brich  den  truz  und  al  die  hüte, 
wan  mir  ist  des  wol  ze  mute, 


373 

f  Nr.  219. 

Himelriche,  ich  firöuwe  mich  din, 
da^  ich  da  mac  schouwen 
got  und  die  liebe  m&ter  sin, 
unser  schcene  frouwen 
und  die  engele  mit  der  kröne, 
die  da  singent  also  schöne, 
des  fröuwent  sie  eich: 
got  der  ist  s6  minnenclich. 

wart  umbe  dich! 

hüetent  iuch  vor  sunden,  dat^t  tugcutiich. 
Lützel  reden  da;  ist  g&t 
unt  ze  mft^e  lachen, 
twinc  diu  ougen  und  den  rniit, 
man  sol  lange  wachen, 
bete  gerne  und  wis  alleine, 
fliuch  die  weit,  siu  ist  gar  unreine, 
ir  yalsche;  leben: 
got  der  wil  sich  selbe  uns  geben. 

wart  umbe  dich! 

hüetent  iuch  vor  sunden,  dast  tugentlich. 
Sit  ich  mich  nü  hüeten  sol 
vor  des  tiuvels  l&ge, 
herre  got,  nd  tft  sd  wol, 
verlieh  mir  dine  gn&de. 


und  sol  ich  leben, 

dir  ist  lip  und  gftt  gegeben. 

warte  umbe  dich! 

swer  verholne  minne,  der  hüete  sich. 
Steimar,  hoshe  dinen  mftt! 
Wirt  dir  diu  vil  hdre, 
si  ist  hübescb  und  b6  g&t, 
dft  hAst  ir  iemer  dre. 
du  bist  an  dem  besten  teile: 
der  ser  werlte  frönde  heile 
hosren  sol, 
des  wirstü  gewert  dft  wol. 

warte  umbe  dich! 

Hwer  verholne  minne,  der  hüeto  sich. 


374 

ich  bit  dich  hörre  durch  dine  güete, 
da;  der  lip  iht  an  mir  wüete 
und  diu  weit, 

wände  siu  gilt  so  boese  gelt, 
wart  umbe  dich! 

hüetent  iuch  vor  sünden,  dast  tugentUch. 
Peiigramenthfl.  der  Basier  Unir.-Bibl.     B.  XL  8.  aus   dem  XIV.  Jahrb., 
urkundlich  Altd.  Bl&tter  2,  125   und  W.  Wackemagel,  Leseb.  1.  Th.   2.  A. 
Sp.  893.  1,  6.  mit  den  eranen  —  2,  3.  qume,  — 

In  der  zweiten  Hälfte  des  XV.  Jahrhunderts,  als  der  Gesang 
weltlicher  Lieder  so  recht  im  Schwange  war  in  allen  Ständen 
bei  Jung  und  Alt,  blieben  auch  die  Geistlichen  nicht  tmberührt 
von  dieser  allgemeinen  Sangeslust;  die  schönen  Singweisen 
drangen  sogar  in  die  stillen  Zellen  der  Klöster.  Die  Oeistlich- 
keit  fing  nun  auch  an  theilzunehmen,  aber  auf  ihre  Weise: 
Weltgeistliche,  Mönche  und  sogar  Nonnen  bemühten  sich,  die 
weltlichen  Texte  umzudichten,  oder  nachzuahmen,  oder  nur  ihre 
Singweisen  zu  benutzen.  Es  scheint  ursprünglich  nur  darauf 
abgesehen  gewesen  zu  sein,  sich  auf  diese  Weise  selbst  zu  er- 
freuen und  zu  erbauen,  obwol  auch  hin  und  wieder  mancher 
Dichter  die  Absicht  hegen  mochte,  dadurch  dem  Ueberhand- 
nehmen  der  sogenannten  Schamperlieder  zu  steuern  und  den 
zu  weltlichen  Sinn  des  Volks  in  eine  ernstere  Richtung  zu  lenken, 
und  es  an  das  Sittliche  und  Religiöse  mehr  zu  gewöhnen. 

Diese  Bestrebungen  sind  für  die  Entwickelung  des  deutschen 
Kirchenliedes  zu  bedeutend,  ab  dass  sie  nur  flüchtig  berührt 
werden  dürften;  ihnen  verdankt  namentlich  die  evangelische 
Kirche  *)  viele  ihrer  schönsten  Choralmelodien  und  gewiss  man- 


§.  10.  4)  Die  Katholiken  haben,  seitdem  sie  anfingfen  ihre  Lieder  zn  sammeln, 
die  auch  bei  ihnen  heimischen  und  beliebten  Volkslieder  so  wie  die  Melodien 
derselben  nicht  in  dem  Maße  benutset  wie  die  Plrotestanten.  In  den  umfang- 
reichsten Sammlungen,  wie  Comer's  GB.  1626.  und  Kölner  GB.  1628.,  ist 
wenigstens  keinem  einzigen  Liede  die  Anfangszeile  eines  weltlichen  als 
Melodie  hinzugefügt.  Bei  den  evangelischen  Geistlichen  dagegen  war  diese 
Art,  den  kirchUchen  Liederbestand  zu  vermehren,  lange  Zeit  hindurch  sehr 
gewöhnlich,  so  dass  Fischart  in  der  Vorrede  zur  Geschichtklitterung  1582. 
Bl.  iij.l'  sagen  konnte: 

'Solt  ich  nit  ein  geistlichen  Text  nnder  ein  weltliche  weise  singen  können? 
oder  ein  weltlichen  danz  aus  der  psalmenweis:  der  torecht  spricht,  geigen 
können?    Dichten  doch  unsere  prcdicaiiten  geistliche  lieder  von  einer 


375 

dies   treffliche  Lied,    das   durch   ein    weltliches   hervorgerufen 
wurde. 

Zunächst  mögen  also  die  eigentlichen  Umdichtungen  folgen. 
8ie  haben  sich  in  Handschriften  erhalten^  die  aus  Klöstern 
stammen,  und  sind  gewiss  auch  dort  entstanden. 

f  Nr,220. 
(Wie  laut  so  sang  der  wechter  auf  der  zinnen!) 

1.  Ein  lerer  rfift  vil  lut  us  hohen  sinnen: 
wer  sich  zfi  got  nun  keren  well, 

der  sol  das  schier  beginnen! 
daß  er  in  zite  das  bestell, 
e  im  der  tot  den  weg  vervell: 
das  rat  ich  im  us  minnen. 

2.  Die  zit  ist  kurz,  die  weit  git  bösen  lono, 
die  hell  ist  grim,  der  tot  behend, 

süeß  ist  der  himel  kröne, 
sin  sach  ist  g&t  der  das  bekent 
und  sich  in  zit  von  Sünden  went 
dis  ist  min  lere  schone. 

3.  Dis  hört  ein  stolzer  jtingeling  gar  here, 
er  sprach:  sag,  edler  lerer  gfit, 

wie  ist  so  hert  diu  lere! 
ich  hau  noch  kraft  und  junges  blAt, 
wenn  ich  wird  alt,  so  han  ich  mut, 
daß  ich  ze  got  mich  kere. 

4.  Der  lerer  sprach:  din  wort  sint  gar  vermessen! 
wo  sint  din  vordem?  frag  ich  dich. 

sag,  ist  dir  das  vergessen? 

sie  waren  all  an  gfite  rieh 

und  lebten  ftisch  und  wunnenclich: 

nun  haut  sie  die  würme  gössen. 

n.   Der  Jüngling  sprach:  mir  mag  noch  wol  gelingen: 
ich  wil  vertriben  die  tage  min 
mit  tanzen  und  mit  springen! 


wilden   «an,    das   geistlich   wacker  braun   ineidlin,    den  peist- 
M  eh  Oll  felhinger  fF/ 


378 

niederl.  Liederhaadachriften  (jetst  cu  Berlin  Cod.  germ.  8o.  190  luid  185)  vor: 
Hoe  lüde  so  8ano  die  leraer  al  opter  tumeu.  Beiden  Texten  liegt  ein  hoch- 
dentscbes  Ori^al  zu  Gnmde,  s.  Horae  belgicae  P.  X.  Nr.  122.  123. 

f  Nr.  221. 
(Aus  hertem  we  klagt  sich  ein  helt.)^) 

1.  Aus  hertem  we  klagt  mensehliehs  geschleelit, 
es  stiint  in  großen  sorgen: 

wann  komt  der  uns  erlösen  möcht? 

wie  lang  ligt  er  verborgen? 

0  herre  got,  sich  an  die  not, 

zerreiß  des  himels  ringe! 

laß  dich  wecken  dein  einigs  volk 

und  laß  in  abher  dringen, 

den  trost  ob  allen  dingen! 

2.  Der  vater  hört  die  große  klag, 
tet  sich  nit  lang  besinnen: 

des  heiligen  geistes  rat  er  pflag: 

wie  tet  wir  disen  dingen? 

und  solt  das  volk  verloren  sein, 

leiden  so  groß  eilende? 

e  wölt  ich  senden  den  sone  mein, 

der  kan  in  kummer  wenden.  — 

ein  boten  tet  er  senden. 

3.  Sant  Gabriel  ein  engel  fein 
der  stunt  bei  got  dem  vater, 

er  sprach:  du  solt  der  böte  sein! 

tu  dich  nit  weiter  beraten 

und  far  mir  zA  der  reinen  mait, 

die  mir  tut  wolgefallen; 

sie  ist  mit  tugent  wol  bekleidt 

und  liebt  mir  ob  in  allen: 

grüß  mirs  mit  reichem  schallen! 

4.  Alsbald  der  engel  die  red  vemami 
er  neigt  der  Trinitate: 
Schöpfer,  was  deiner  gotheit  zam, 
darzä  bin  ich  bereite! 

was  sol  ich  sagen  der  jungfirau  rein? 


§.10.  5)  Ein  Wttchterlied,  volbtSndig  bei  Wckn.  S.  840.  841.  ans  Georg 
ForBter's  Liedlein  1649. 


379 

im  antwurt  got  der  vater: 
sie  sol  empfahen  den  sone  mein, 
der  geist  wirt  sie  umbschatten, 
grüß  mirs  mit  disen  werten! 

5.  Durch  welken  trang  der  engel  ze  hant 
in  schnelliglicher  eile; 

da  er  Marien  die  Jungfrau  fant 

in  einer  kurzen  weile, 

er  sprach:  ave,  genaden  vol! 

du  seit  gar  nit  erschricken; 

der  menschlichs  gschlecht  erlösen  sei, 

wil  sich  z&  dir  verstricken 

in  einem  augenblicke. 

6.  Maria  sach  den  engel  an, 
gar  lieplich  tet  sie  jehen: 

ich  hab  erkant  nie  keinen  man, 
wie  sol  es  dann  beschehen? 
der  engel  sprach:  gelaup  du  mir! 
der  geist  wirt  dich  umbschatten. 
Maria  sprach  aus  herzen  gir: 
mir  gschech  nach  deinen  werten! 
die  gotheit  das  erhörte. 

7.  Alsbald  sie  iren  willen  gap, 
der  vater  das  erhörte: 

got  ließ  sich  bald  in  menschheit  herab, 

in  kindes  weis  er  worchte. 

der  heilig  geist  sie  auch  umbgap, 

da  wart  die  Jungfrau  schwanger: 

es  hat  gewert  fünftausent  jar, 

die  (die)  vorhell  het  umbfangen, 

nach  im  stunt  ir  verlangen. 

8.  Also  hat  sie  den  gotes  son 
in  keuschen  leip  emp&ngen, 
hat  in  getragen  keusch  und  rein 
on  ein  vierzig  wochen  lange, 
hat  in  gebom  von  hoher  art 

zu  Bethlehem  in  der  scheure. 
der  ewig  got  verjimget  wart 
als  Fenix  in  dem  feure, 
ist  uns  ein  große  steure. 


380 

U.   Daniinb  fting  ich  das  loj^esang 
der  mfiter  Jesu  CbiiMÜ, 
daß  sie  uns  wdll  behüten  lang 
und  nnser  leben  friste; 
«ie  wdll  bei  onsenn  ende  sein, 
wenn  wir  müßen  leiplich  sterben, 
wöU  uns  behüten  vor  hellepein, 
irs  kindes  huld  erwerben, 
nns  nit  laßen  verderben!    1528. 

In  der  Liederlif.  der  Brfider  Brentano.  —  Tegremseer  OB.  1577.  Bl.  1- 
(Wckn.  Nr.  ISl  m.)  wenig  abweichend:  1,  7.  erntet  wart.  —  A^  S.  die  guad 
wird  $ie  u.  (00  auch  6,  6.)  —  S,  4.  neun  monat  also  lange.  Tier  Tegenis. 
Text  wiederholt  im  Mfinchener  OB.  1586.  Bl.  1.  2;  darin  folgende  Abweichnn- 
gen  bemerkenawerth :  1,  7.  ewig$  toort  —  2,  S.  der  kan  den  Jammer  wemden. 
Str.  4.  fehlt. 

Anch  in  Val.  HolVs  Liederbach  1524—26.  Bl.  131  nach  dem'Begiater, 
woYon  mir  Uhland  eine  Copia  copiae  mittheilte. 

Hieran  reihe  ich  noch  einige  geittliche  Tage-  oder  WSchteriieder,  sanXchst 
zwei  welche  wol  mehr  Nachahmungen  als  Umdichtnngen  sind ;  doch  ist  anch 
möglich,  dasf  sie  einen  bestimmten  weltlichen  Text  parodieren. 

f  Nr.  222. 

1.  Stant  uf  und  sih  Jesuin  vil  rein 
mit  siner  gnad  uftringen! 

er  wekt  uns  alle  sant  gemein 
in  sincs  vater  rieh  allein: 
mit  fröid  uns  da  gelinge. 

2.  Schlafest  ald  hastu  in  gehört?  ^ 
das  soltu  im  verkünden. 

er  wil  dir  helfen  hie  und  dort, 

wenn  er  ist  der  die  sünd  zerstört 

mit  mangen  argen  fünden.  — 
8.   Ach  Wächter  got,  wie  bist  so  munder  I 

sit  es  nun  ist  der  gnaden  tag, 

so  wirk  an  mir  diu  wunder, 

ker  mich  zA  dir  besuuder! 

nit  lenger  ichs  erbeiten  mag. 
4.   Die  sei  lieplich  erlaehet:    ' 

ach  zarter  got,  min  trüwer  gesell, 

warumb  han  ich  nit  gewachet, 


381 

daß  ich  mich  selb  besachet, 

wie  mich  din  gnad  empfahen  well? 

5.  Blas  ufy  blas  uf,  Jesu  vil  schon! 
erzöig  der  gnaden  morgen! 

ach  edle  frucht,  der  heiigen  krön, 
gip  uns  der  ußerwelten  Ion, 
t&  uns  behut  vor  sorgen! 

6.  Daß  uns  der  tüfel  nit  erför 
mit  sinem  valsehen  brüwen; 
ob  uns  sin  konmg  üt  beswär, 
hilf  daß  wir  sien  sünde  lär 
und  uns  din  gnad  ernüwe! 

7.  Das  wünsch  ich,  got  behalter  here! 
vertrip  uns  alle  arge  läge! 

durch  frou  Marien  ere 
Z&  dir  uns  all  bckere, 
ob  unser  herz  üt  arges  trage! 

8.  Ich  wil  gegen  Jesum  zwar 
min  herz  in  rüw  erschellen, 
ze  dienst  im  allein  sunderbai:. 
und  auch  sinr  lieben  muter  zwar, 
wölt  es  in  wol  gevellen. 

9.  So  bit  ich  in  der  sele  heil, 
als  verr  ich  kan  erdenken^ 

daß  er  mir  geb  der  heiigen  teil, 
verstrikt  in  siner  mimie  seil 
gar  iemer  one  wenken. 

Straßb.  Hb.  B.  121  mit  der  Jahns.  1422.  Wackemagel  Nr.  770.  Hb.  bei 
Wckn.  2,  6.  Sünde  —  4,  3.  won  vmb  —    7,  2.  v»  aUe  arge  log  —  7,  6.  iht 

(vgl.  6,  3)  - 

f  Nr.  223. 

Ich  Wächter  solt  erwecken 
den  Sünder  der  reuset  ser, 
ob  er  sich  ließ  erschrecken 
und  von  den  sünden  ker. 
es  nachent  gen  dem  morgen 
als  got,  der  herre  mein, 
gieng  schwitzen  in  den  sorgen 
uf  seines  todes  pein. 

2G 


382 

ach  Sünder,  daß  du  nit  en  macht 
ein  weil  mit  im  gewachen, 
der  durch  dich  ein  lange  nacht 
in  angsten  dik  erkrachet, 
do  in  seins  Sterbens  nit  verdroß, 
do  er  dich  macht  des  todes  los, 
den  Eva  het  gemachet 

Prag^er  Hs.  der  Clara  Hätslerin  v.  Jahre  1471.,  bei  Haltans  8.  81,  3  Strophen. 
—  In  einem  schlechten  Texte  in  einer  QriUer  Hs.  Hs.  |^  fol.  Pp.  XV.  Jahrh. 
(Mittheil.  K.  Weiuhold's). 

f  Nr.  224. 
(Ich  stunt  an  einem  morgen.) 

Ein  geistliches  liet  von  der  sei  und  dem  leip. 

1.  Ich  st&nt  an  einem  morgen 
heimlich  auf  einem  ort, 

da  het  ich  mich  verborgen, 
ich  hört  klegHche  wort, 
wan  sei  und  leip  in  großer  pein; 
die  sei  sprach  zA  dem  leibe: 
es  miß  gescheiden  sein. 

2.  Des  hab  ich  wol  vemomen. 
der  leip  der  antwurt  schier: 
wan  wiltu  wider  komen? 
das  soltu  sagen  mir. 

die  sei  die  antwurt  aus  großer  klag: 
auf  mich  soltu  nit  warten 
bis  an  den  jüngsten  tag. 

3.  Der  leip  der  sprach  aus  leide, 
mit  traurigUchem  m&t: 

mÄß  ich  mich  von  dir  scheiden, 
wa  kumt  mein  großes  gfit? 
sol  ichs  ansehen  nimmerme 
und  hie  auf  erden  laßen? 
tfit  meinem  herzen  we. 

4.  Hoffart  hast  du  getriben 
und  große  geizigkeit, 
darumb  gots  hult  ist  geschiden 
von  dir,  es  wirt  dir  leit. 


3a3_ 

darüber  gehört  ein  große  b&ß, 
daß  eich  die  arme  sele 
dort  durch  dich  leiden  mi^ß. 

5.  Der  leip  kunt  wider  jechen  : 
ich  bin  gedenken  der  weit, 
was  Sünden  sien  geschechen, 
das  machet  gut  und  gelt. 

darnach  stfint  mir  mein  mAt  mid  sin. 
ich  bit  auf  langes  leben, 
daß  ich  nit  sicher  bin. 

6.  Die  listiglichen  Sünden, 
die  ich  begangen  hab, 

sie  teten  mich  überwinden, 

ich  kunt  nit  laßen  ab. 

also  geschieht  uns  leider  oft  und  dick, 

daß  wir  den  sünden  folgen, 

es  ist  nit  unser  gelück. 

7.  Nun  solt  ir  merken  eben: 
das  freuUn  ist  die  sei, 
die  uns  got  hat  gegeben, 
die  bringt  der  leip  in  quel, 

wan  er  die  bfilschaft  unrecht  helt, 
dardurch  die  arme  sele 
in  großen  kummer  feit. 

8.  Götliche   furcht  und  liebe, 
das  war  die  bilschaft  gar, 
darin  selten  wir  uns  üeben, 
so  kämen  wir  frölichen  dar 
wol  in  das  heilig  himelreich, 
t5t  uns  der  priester  leren 

und  manet  uns  alle  geleich.     1528. 

Liederha.  der  Brüder  Brentano  Bl.  27K  28«.  —  •)  Dm  weltliche  Lied 
hiersn  (bei  Uhlaad  VolkBl.  Nr*  70.  nnd  oft  andensTro)  war  sehr  verbreitet 
und  beliebt,  0.  Uhland  8.  1005. 

Das  Zwieg^esprÜch  in   den  Tage-  oder  Wächterliedem ,   dieser  beliebten 

§.  10.  6)  In  derselben  Hs.  noch   swei  geistUche  Tageweisen : 
Bl.  7*.  Wach  anf,  mein  hört  so  schöne, 

du  allerliebste  mein  ff.  (1624)  and 
Bl.  7«.  Was  die  weit  ie  versAchet 

in  woUust  nnd  in  freud  ff. 

26* 


384 

Form  der  älteren  KaiiBtlyrik,  kam  den  geistlichen  Liederdichtem  sehr  zu  statten, 
sie  konnten  gesprächsweise  ihren  Stoff  leichter  handhaben,  nnd  so  giebt  es 
denn  »christlich  ▼eränderte''  'Ich  stftnt  an  einem  morgen*,  noch  mehrere  ans 
dem  XYI.  Jahrhundert:  Gespräch  zwischen  Gott  und  dem  Menschen  Wckn. 
Nr.  676,  zwischen  Adam  nnd  £ya,  niederdeutsch,  Wckn.  Nr.  677  und  zwi- 
schen Tod  und  jungem  Mann,  Wckn.  Nr.  675,  auch  in  der  Kloster -Neubur- 
ger Hs.  Nr.  1228,  s.  Mone  Anzeiger  8,  349. 

f  Nr.  225.  A. 

Es  hat  ein  man  sin  wip  verlorn, 
contrafact  uf  einen  geistlichen  sin. 

1.  Es  hat  ein  mensch  gots  huld  verlorn, 
das  BchAf  sin  große  sünde. 

er  gieng  zft  eim  priester  ußerkom, 

er  tets  doch  im  verkünden. 

der  priester  sprach:  nu  volg  du  mir 

imd  laß  die  sünd,  das  rat  ich  dir! 

trip  US,  trip  usl 

Jesus  besizt  din  hus. 

2.  Die  Sünde  wolt  ich  gerne  lan, 
dem  lib  ist  es  ze  swäre. 

in  gotes  dienst  solt  ich  bestan, 

so  bin  ich  gnaden  läre. 

ich  han  keinen  rüwen,  das  ist  nit  gAt, 

betrüebt  sint  mir  min  sinn  und  mfit: 

ich  kan,  ich  kan 

got  ninune  r&fen  an. 

3.  Der  priester  sprach:  so  soltu  dir 
einen  gAten  willen  fürsetzen. 
verlaß  die  weit  und  ir  gezir! 
got  mag  dichs  wol  ergötzen, 
veracht  dich  selber  gar  z4  grünt, 
rfif  an  got  zA  aller  stunt! 

laß  nit  ab,  nit  ab, 

bis  gnad  komt  oben  herab! 
und  noch  7  Strophen  in  der  PfuUinger  Hs.  au  Stuttgart.    Wckn.  Nr.  745. 

Das  weltliche  Lied,  welches  hier  »contrafact,^  umgedichtet  ist,  mag  wol 
dasselbe  sein  wie  es  sich  in  ältester  Gestalt  in  einer  Hs.  des  XV.  Jahrh.  in 
Fichard's  Frankf.  Archiv  8,  279.  vorfindet.  In  einer  Lesart  des  XVI.  Jahrh. 
giebt  es  Uhland  in  seinen  Volksliedern  Nr.  282.     Die  erste   Strophe  lautet: 


385 

Es  het  ein  bidennan  ein  weip, 

ir  duck  wolt  sie  nit  lan. 

das  schaffet  nun  ir  stolzer  leip, 

ir  man  solt  farn  ins  hea: 

mein  man,  far  hin  ^en  heul 
ins  heu,  in  das  heul 

nach  gromat  in  das  geu! 
£s  hat  sich  in  verschiedenen  neueren  Bearbeitungen  erhalten :  Feyner  kleyner 
Almanach  1777.   108—111.     Bragur  2,  212--216.     Wunderhom  1,  345.  846. 
Kretsschmer  Volkslieder  2.  Kr.  82. 

Ein  Ähnliches  Lied  nach  einem  ähnlichen  weltlichen  Liede:  Es  het  ein 
meitlin  ein  schftch  verlorn ,  in  Valentin  Holl*s  Liederbnche  Bl.  165^  (naeh 
Uhland^s  Abschrift),  9  Strophen,  die  erste: 


f  Nr.  225.  B. 

Gotes  huld  ich  verloren  han, 

wie  sol  ichs  widerfinden? 

hilf,  Jungfrau,  daß  ichs  müg  bestan 

gegen  Jesu  deinem  kinde. 

dein  gnad  sich  vor  niemonts  verseucht, 

und  wer  in  nöten  zS  dir  weicht: 

o  Jungfrau,   hilf  mir  daß  ich  beicht! 

o  we  o  we!   hilf  mir,  du  reines  Ave! 

Ir  jungen  gesellen  und  ir  meit, 

ir  man  und  auch  ir  weibe, 

jetBunt  80  last  euch  werden  leit, 

was  ir  z&  zeiten  treiben! 

ir  secht  wies  jez  in  der  werlte  stot, 

ich  bsorg  es  komm   der  bitter  tot, 

darumb  es  uns  ist  allen  not, 

ist  not,  ist  not:    Jörg  Graff  gesungen  hot. 

f  Nr.  226. 

Graman,  du  vil  dürrer  gaul. 

Geistlich. 

Ich  alter  mensch  bin  trag  und  faul 
mein  fireud  ist  mir  ergangen, 
gleich  wie  eim  alten  dürren  gaul, 
ich  bin  verharret  lange 


Letzte  Strophe: 


in  meinen  Sünden  manigfalt, 

die  sint  mir  alsam  leide, 

vor  got  bin  ich  ganz  nngestalt, 

von  der  weit  maß  ich  mich  scheiden. 

5  Strophen  im  Münchener  Cod.  germ.   808.  4o.   um    1505  geschrieben, 
Yonstilndig  bei  Wckn.  Nr.  150.     Das  weltliche  Lied  ist  anbekannt. 

f  Nr.  227. 

Den  liepsten  bulen  den  ich  han, 

cofUrirfactum, 

1.  Den  liepsten  herren  den  ich  hon 
der  ist  mit  lieb  gebunden, 

er  lüchtet  in  dem  herzen  min 
und  freut  mich  zailen  stunden, 
sin  lieb  ist  sterker  wenn  der  tot, 
sin  frOntschaft  er  mir  bot^ 
durch  in  kum  ich  us  not. 

2.  Do  ich  der  sünd  gefangen  lag 
und  hat  die  gnad  verloren, 
und  in  des  todes  schatten  saß, 
do  wart  er  mir  geboren, 

daß  er  mich  brecht  in  sines  vater  lant, 
daß  ich  da  wurt  erkant, 
früntlich  bot  er  mir  sin  hant. 

3.  Das  erste  faß,  das  ich  da  weiß, 
das  ist  ims  lang  verkündet, 
wer  mit  fröiden  daran  gedenkt, 
dem  wirt  sin  herz  entzündet. 

ein  güldin  faß,  geziert  mit  edlem  gcstein, 
stark  als  das  helfenbein, 
was  ein  jungfrowe  rein. 

4.  Das  ander  faß,   das  man  da  schenkt, 
das  ist  Jesus  der  milde. 

dsStvLß  schenkt  man  uns  allermeist 
den  edlen  win  von  Cipren. 
ein  volles  faß  das  ist  gezepfet  an, 
heb  wir  die  maß  dar  an, 
wie  wol  man  uns  das  gan! 


3H7 

5.  Das  dritte  faß  ist  wines  vol, 
dar  an  sol  man  gedenken. 

do  wirt  den  reinen  herzen  wol 

den  man  frölieh  wil  schenken. 

der  engel  win  wie  frölieh  er  in  springt, 

die  des  vaters  willen  sint^ 

der  herz  and  mAt  durchdringt 

6.  Wenn  dan  die  Wirtschaft  trunken  wirt, 
das  darf  man  ir  nit  verwißen, 

wenn  es  ist  nümen  des  wirts  begird, 
daß  er  die  gest  wil  spisen. 
frölieh  ist  er  und  alles  husgesind, 
so  man  im  gest  her  bringt, 
an  den  im  wol  gelingt. 

7.  Des  Wirtes  sun  treit  essen  dar 
und  kan  den  tisch  wol  richten. 

des  nimt  der  gest  ein  jungfrou  war, 

die  kan  die  sach  wol  suchten. 

der  heiige  geist  wie  frölieh  er  entzünt 

die  des  vaters  willen  sint, 

sin  gnad  ist  uns  verkünt. 

Pfullinger  Hs.  zu  Stattgart,  XV.  Jahrh.  (bei  Wckn.  Nr.  735.)  Hs.  3,  6. 
heb  mir  —  4,  3.  wirt  der  r,  h.  —  5,  5.  er  entsprinffi  —  6,  3.  nümen  (ni- 
wan,  numme,  nur)  —  7,  8.  nimi  sich  der  — 

Von  dem  weltlichen  Liede:  Der  Uebste  Buhle,  den  ich  wei3»  müssen 
andere  Texte  vorhanden  gewesen  sein  als  die  nns  aus  dem  Ende  des  16. 
Jahrhunderts  erhalten  sind  (s.  Uhland  VolksUeder  Nr.  214.  A  u.  B,  und  meine 
Gesellschafkslieder  des  XYI.  und  XVII.  Jahrh.  Nr.  96.).  Die  geistlichen 
Umdichtungen,  die  doch  viel  älter  sind  als  die  nachgewiesenen  weltlichen 
Texte,  wollen  mit  diesen  in  den  Abgesängen  nicht  stimmen. 

f  Nr.  228. 

Die  wisung. 

Den  liepsten  bülen  den  ich  hau,  der  ist  mit 

reifen  banden. 

1.    Den  liepsten  herren  den  ich  han, 
der  wart  an  die  sul  gebunden. 
Judas  gap  in  in  den  tot 
mit  siner  falscher  zungen. 


388 

K  Wir  sint  erlöst: 

der  herr  ist  für  uns  tot, 
des  hant  wir  einen  g&ten  trost. 
2.  Der  herr  wart  gefueret  für  gericht, 
er  wart  gar  ser  geschlagen 
von  mengem  falschen  bösen  wicht, 
das  schwer  krüz  mfist  er  tragen. 
K  Wir  sint  erlost  /f. 
*     3.    Das  krüz  wart  uf  gericht  in  die  hifit 
gar  mit  großem  schalle, 
sie  stakten  in  in  ein  steinen  kluft, 
der  herr  leit  für  uns  alle. 
K  Wir  sint  erlost  ff. 

4.  Der  herr  so  durstiglichen  wwt 
nach  den  sündem  allen; 

er  wart  so  bitterlichen  getrankt 
mit  essig  und  mit  gallen. 
K  Wir  sint  erlost  ff. 

5.  Do  der  herr  versÄcht  das  trank, 
er  mocht  sin  nit  getrinken: 

der  tot  mit  kreften  umb  in  rang, 
sin  houpt  das  begund  im  sinken. 
Bf  Wir  sint  erlost  ff. 
Cod.  theol.  80.  Nr.  19.  BI.  1681»  Pp.  Hs.  XV.  Jahrh.,  in  der  kön.  öffentl. 
Bibl.  zu  Stattgart  (Mittheil.  Franz  Pfeiffer^s).     Ob  mit  Str.  6  der  Scblnss,  ist 
nicht  ersichtlich,  da  das  folg.  Blatt  in  der  Hb.  fehlt ').    Hs.  1,6.  Wir  Hgend 
und  so  immer  —  8,  8.  «y  $tackten8  jn  ain  $tamg  elufft  —    4,  1.  durstenkU- 
chen  —   4,  8.  getrenekt  (vielleicht  reimen  4,  1.  dursHfflich:  4,  8.   hüterUek) 
—  6,  1.  d€u  tranck  versucht  — 

§.10.  7)  Es  folgen  nun  noch  6  Strophen  mit  einer  unvollständigen: 

üch, 

ir  söUent  üch  mit  mir  fröwen. 

K  DaO  ich  erstanden  bin  wärlich  von  dem  tod, 

des  sont  ir  haben  einen  trost. 
Do  sprach  sich  der  herre  gfit 
efi  den  selben  ziten: 
Thoman,  gip  mir  den  vinger  din, 
leg  mir  in  in  die  siten. 

K  Daß  ich  erstanden    bin  wärlich  von  dem  tod, 
des  machstu  wol  haben  einen  trost. 
Vielleicht  gehören  diese  Strophen  noch  zn  obigem  Liede,   vielleicht  zu 
einem  andern »    was  mir  wahrscheinlicher  ist 


389 

f  Nr.  229. 

Den  liepsten  buelen  den  ich  han. 
Geistlich, 
Den  liepsten  buelen  den  ich  han, 
der  ist  in  des  himels  trone, 
Maria  heißet  sie  gar  schon: 

allerliepste  mein, 
erwirp  uns  fiid  und  sone. 

Mänchener   Cod.   ^erm.  808.   PpHs.  vom  Jahre    1506.  Wckn.    Nr.  152. 
11  Strophen,   die  letzte: 

Dies  lietlein  sei  ku  dienst  gemacht 

Maria  und  irem  kinde: 

o  snnder,   du  dein  end  betracht, 

ker  dich  zu  got, 
da  tuest  du  gnade  finden. 
Nach   einem  andern  Texte  als   die   bisher  bekannten  beiden  des  weltli- 
chen Liedes  gleiches  Anfanges,  oder  ~~  nach  einem  ganz  andern  weltlichen, 
das  verloren  gegangen  ist. 

f  Nr.  230. 
(Es  taget  in  dem  osten.) 

1.  Es  taget  minnencliche 
die  sünn  der  gnaden  vol: 
Jesus  von  himelriche 
miß  uns  behüeten  woL 

2.  War  wiltu  mich  nun  wisen, 
Jesus,  min  liep  gemeit? 
daß  ich  din  lop  mög  prisen 
mit  ganzer  stätikeit. 

3.  Nim  mich  an  dine  arme 
in  rüwes  bitterkeit 

und  laß  dich  min  erbarmen, 
min  sünd  sint  mir  gar  leit. 

4.  Das  jar  hab  niemer  ende, 
bis  ich  din  gnad  erwerb. 
Jesus,  von  mir  nit  wende, 
daß  ich  niemer  verderb! 

5.  Jesu,  min  trut  geselle, 
nun  send  din  gnad  zu  mir! 


S90 

hüet  min  Tor  grimmer  helle! 
min  Bund  die  klag  ich  dir. 

6.  Hastu  dich  selb  gegeben 
für  mich  in  lidens  not, 
so  gip  mir  dinen  segen 
durch  dinen  heiigen  tot. 

7.  Ach  Jesu,  herre  gute, 
sich  mich  in  gnaden  an! 
daß  ich  in  herz  und  mftte 
dich  alzit  möge  han. 

8.  Nach  diner  süeßen  güeti 
hilf  mir,  herr,  werden  gach! 
daß  ich  in  herz  gemüeti 

dir  alzit  frage  nach. 

9.  Ker  min  herz  umb  und  umme 
recht  nach  dem  willen  din! 
daß  ich,  herr,  dahin  kumme, 
da  ich  bi  dir  sol  sin; 

10.   Daß  ich  dich  minnencliche 
küss,  herr,  an  dinen  munt. 
ach  Jesu  gnadenriche, 
ich  lob  dich  tusentstunt. 

Straßbnrger  Hs.  B.  121  aus  der  ersten  Hälfte  des  XY.  Jahrb.,  Wckn. 
Nr.  783.  —  Hb.  Str.  8. . .  dich  an  minem  arme  in  riitoea  bitierkeii  vnd  la$$  mich 
dich  erbarmen  etc.  —  Eine  Umdichtong  des  Liedes:  Es  taget  in  dem  Osten, 
hchd.  Mone  Anzeiger  4,  465.  niederd.  Uhland  Nr.  96.  A.  niederl.  Horae  belg. 
2,  101.  Uhland  Nr.  95.  B.    Willems  oude  ylaemsche  llederen  Nr.  48. 

f  Nr.  231. 
Ich  han  den  mantel  min  versezt. 

1.  Ich  han  die  sele  min  versezt  zA  einem  pfant. 
daß  ich  die  liebi  gotes  nit  han,  das  t&t  mir  ant. 
das  schafit  daß  ich  in  sünden  stan 

und  dar  von  nit  lan, 
dar  umb  hin  ich  verloren. 

2.  Hett  ich  die  sele  min  erlöst ,   das  ducht  mich  git. 
Maria  gotes  mAter  ist  ein  reines  bl&t. 

das  schribent  die  evangelisten  (in, 
der  herre  min 
si  von  ir  geboren. 


391 

3.  Du  solt  an  dem  morgen  zfi  dem  priester  M^ 
die  wil  du  nit  gebicktet  hast^  so  hast  kein  ruw, 
und  solt  im  klagen  die  sünde  din 

recht  also  fin 

mit  trähem  übergössen. 

4.  Von  dem  liden  Christi  wirt  dir  gnad  gegeben: 
sünd  du  nümme^  so  finstu  gnad  in  ewigem  leben, 
der  priester  spricht:  gang  hin  zim  tisch, 

z&m  bereiten  tisch, 

da  finstu  gnad  inn  beschlossen. 

5.  Zft  dem  selben  tisch  kam  ich  gar  unbekant, 
da  ich  der  gnad  also  vil  beschlossen  fant 
do  bat  ich  den  allerliepsten  herren  min, 
daß  er  mir  sin 

barmherzikeit  wölt  erzeigen. 

6.  Wölt  ndch  min  allerliepster  herr  also  erhdm, 
so  wölt  ich  vBne  gAten  werk  also  mem 

und  wölt  sie  machen  also  groß 

recht  &n  underlaß 

got  z6  einem  wolgefallen. 

7.  So  bit  ich  dich  Maria  du  hochgelopte  küngin, 
daß  du  bittest  Jesum  den  liepsten  sune  din, 
daß  er  mir  wöU  gnädig  sin 

an  dem  ende  min, 

wann  min  sele  von  mir  scheide. 
Cod.   Theol.  8».   Nr.  19.   Pp.    XV.  Jahrh.,   auf  der  königl.  öflfentl.  Bibl. 
EU  Stuttg^art  (Mittheil.   Franz  Pfeiffer*«).     Hb.  4,  1.  nymmy  —   4,  4.  tut  — 
—  5,  5.  erzfigen.     Das  weltliche  Lied  dazu  ist  mir  unbekannt. 

f  Nr.  232. 

Ich  weiß  ein  feines  bauren  magetlein. 
Gmäick. 

1.  Ein  Jungfrau  schön  und  außerweit, 
von  ktinges  stamm  geboren, 

die  mir  allzeit  so  wol  gefeit,  gefeit, 
ich  hab  mirs  außerkoren. 

2.  Das  ist  Maria,  die  keiserein, 
die  mir  t&t  wol  gefallen, 
bracht  uns  drei  rosen  also  fein 
so  gar  mit  reichem  schalle. 


392 

3.  G^ot  vater  in  dem  höchsten  tron 
Bein  boten  tet  er  senden 

z&  Maria  der  maget  fron, 
sanct  Gabriel  behende. 

4.  Er  grüest  Maria,  tet  ir  bekant, 
wie  daß  sie  solt  entpfachen 
ein  sun,  Emanuel  genant, 

den  Bolt  ir  leip  nmbfaehen. 

5.  Als  Isaias  hat  gesagt 
und  t&t  uns  das  bewären: 
entpfachen  wirt  ein  reine  magt, 
ein  sun  wirt  sie  gebären. 

6.  Das  ist  Maria,  die  Jungfrau  zart, 
ein  sun  hat  sie  geboren: 

den  edel  ros  von  hocher  art 
hat  sie  uns  außerkoren. 

7.  Der  ander  ros  gebrochen  ist, 
der  mir  tAt  wol  gefallen, 

am  grüenen  donrstag  z&  der  frist 
so  gar  mit  reichem  schalle. 

8.  Ob  dem  nachtmal  aufgesetzet  wart 
von  Christo  unserm  herren 

das  sacrament  von  hocher  art, 
das  uns  t&t  gnaden  meren. 

9.  Als  Salomon  gesprochen  hat: 
o  herr!  du  hast  uns  geben 

das  brot  der  süeßigkeit  mit  rat, 
dar  in  ist  ewigs  leben. 

10.  Christus  das  brot  sein  jungem  bot: 
nemt  hin  zft  einer  speise! 

das  ist  mein  fleisch  und  bl&t  so  rot 
in  sacramentes  weise. 

11.  Maria,  edle  Jungfrau  zart! 
zwen  rosen  hast  gebrochen, 
der  dritte  ros  gesechen  wart: 
am  kreuz  wart  er  durchstochen. 

12.  Als  David  auch  gesprochen  hat: 
sie  habent  mir  durchgraben 

mein  hend  und  füeß  in  großer  not, 
als  ich  gelesen  haben. 


393 

13.   Christus  der  herr  am  kreuze  hieng, 
sein  geist  tet  er  aufgeben: 
dar  mit  der  dritte  ros  aufgieng^ 
schloß  auf  das  ewig  leben. 
Münchener  Cod.  germ.  808.   40.  Bl.  10,  geachrieben  am  1506,  Wckn. 
Nr.  161,  ühland  Volksl.  Nr.  821.  —  Ha.  6,  1.  die  edel  j.  z.  —  7,  2.  M  — 
Ebenso   in   der  Liederhs.   der  Bruder   Brentano   Bl.  86^.  86*  mit  der  Jahrs- 
zahl 1528. 

Drei  Rosen  kommen  auch  in  einem  andern  Liede  von  Maria  vor:  Ein 
8ch6n  News  geystlich  Lied,  von  der  holtseligen  Juugkfrawen  Maria,  Im  Thon, 
wie  man  singt  Ton  dem  wacker  Mäjdelein.  Fl.  Bl.  o.  O.  und  J.  (Würzbur- 
ger Biblioth.,  Büttheü.  Uhland^s)  Wahrscheinlich  gedruckt  zu  Augsburg  bei 
Michael  Manger. 
Anfang:  Ich  sah  einmal  ein  wunderschöne  magt, 

die  st&nt  vorm  hexren  unverzagt  ff. 
19  Strophen.     Str.  9.  und  10. 

Von  dreien  rosen  ein  krSnzelein 

trug  das  wunderschöne  mädelein 

besser  dan  rotes  golt. 

wer  wolt  eim  solchen  mädelein 

von  herzen  nicht  sein  holt? 

Die  erste  rose  war  genant 

der  glaub   im  mädlein  wol  bekant, 

demfit  die  ander  heist, 

die   dritte  war  chrisüiehe  liebe, 

die  ser  das  mädlein  preist. 

f  Nr.  233. 
(Es  flog  ein  kleins  waltvögelein.) 

1.  Es  flog  ein  kleins  waltvögelein 
aus  himelstrone, 

es  flog  zu  einer  Jungfrau  ein, 

ein  maget  frone; 

es  ist  mit  im  geflogen 

ein  schöner  jüngeling, 

er  sprach:  seit  unbetrogen^ 

zart  Jungfrau,  merkent  diso  dingl 

2.  Er  tet  die  Jungfrau  grüße 
mit  schönen  werten, 

er  sprach:  ave,  du  süße, 
des  himels  porten! 


394 

du  wirst  aufgeschlossen, 
des  freut  sich  ann  und  reich, 
die  weit  hat  lang  verdrossen: 
man  möcht  nit  finden  dein  geleicli. 
3.   Ave  gracia  plene^ 

du  voller  gnadenschrein ! 

du  wirst  den  zom  versöne, 

gebem  ein  kindelein. 

sei  ich  dan  werden  ein  weibe? 

die  edel  Jungfrau  sprach. 

nein,  du  seit  Jungfrau  bleibe, 

wan  du  geberest,  vor  und  nach. 

4.  Dominus,  got  der  herre 
wil  bei  dir  wonen  sein, 

die  weit  freut  sich  dein  sere, 

du  gotsgebärerein ! 

du  bist  .gebenedeiet  schone 

hoch  über  alle  weip, 

bitt  uns  dein  lieben  sone, 

daß  sein  genad  bei  uns  beleih. 

5.  Do  sprach  die  Jungfrau  reine 
aus  ires  herzen  gir: 
gehorsam  wil  ich  seine, 

sein  will  geschech  an  mir! 

was  er  von  mir  begerte 

got  der  Schöpfer  mein 

des  sol  er  sein  gewerte, 

sein  dienerin  wil  ich  allweg  sein! 

6.  So  wil  ich  über  die  straßen, 
sprach  sich  der  jüngling  fein, 
den  geist  wil  ich  hie  laßen 
bei  dir,  du  Jungfrau  rein! 

si  sazt  sich  zu  im  nider 
und  schloß  in  in  ir  schoß, 
beschneit  im  sein  gefider: 
ir  beider  freud  ja  die  was  groß. 

7.  Er  sprach:  an  diser  line 
do  wil  ich  singen, 

mir  liebt  die  keiserine 
in  allen  dingen. 


S95 

er  sang  mit  siben  zangen 

gar  lieplich  concordanz, 

das  merkent  alt  und  junge : 

wer  das  hie  lemt^  sein  fireud  wirt  ganz. 

8.  Do  klang  aus  seinem  munde 
götlich  diemütigkeit, 

das  tet  der  engel  künde 
Marie  der  reinen  meit; 
götlich  Vernunft  klang  leise, 
der  künn  wir  nit  entbem, 
fürsiehtigkeit  so  weise 
sollen  wir  alle  cristen  lern. 

9.  Gots  Weisheit  tet  erklingen, 
das  was  die  vierte  stimm, 
was  tet  die  fünft  her  bringen? 
göüiche  kunst  vemim! 
götlicher  rat  erhale 

do  bei  der  reinen  meit: 
sie  erlöst  uns  sünder  alle, 
sie  ist  ein  trost  der  cristenheit. 

10.  Die  sibent  concordanze 
das  ist  die  götlich  forcht, 
die  do  tet  der  geist  pflanzen, 
Maria  eben  horcht, 

sie  lernt  mit  hohem  rate 

das  lobelich  gesang: 

wer  diser  gab  nit  hate, 

der  tfit  gar  manchen  narrengang. 

11.  Was  wir  hie  sünd  beginnen, 
die  soll  wir  beichten  schon, 
wir  müßen  all  von  hiimen, 
da  ist  kein  zweifei  an. 
darumb  so  beicht  von  herzen, 
halt  fleißiglich  dein  b5ß! 

es  ist  ein  herter  schmerzen, 

der  sich  von  got  dort  scheiden  mAß. 

12.  Maria,  edle  Jungfrau  schon! 
schenk  dir  das  liedelein, 

bit  dich,  du  wollest  nit  verlon 
uns   Sünder  und  sünderein! 


396 

wölst  umb  dein  kint  erwerben 
behüt  uns  vor  der  pein, 
daß  wir  nit  ewig  sterben 
und  bei  dir  in  dem  himel  sein! 

Aus  Tal.  Hoirs  Liederbuche,  g^eschrieben  1624 — 1526,  Bl.  159  mit  der 
Überschrift:  Ein  ander  gfut  alt  liet,  bei  UUand  Nr.  387.  —  Damit  stimmt 
bis  auf  Kleinigkeiten  der  Münchener  Cod.  g^erm.  808.  Pap.  4<>.,  um  1505  ge- 
schrieben, bei  Wckn.  Nr.  149.  7, 1.  er  ttpraeh:  an  diur  zmnen,  —  Auch  in 
der  Kloster-Neuburger  Hs.  Nr.  1228,  s.  Mone  Anzeiger  8, 350.  Offenbar  liegt 
ein  weltliches  Lied  eu  Grunde,  ich  kann  es  aber  nicht  nachweisen. 

Ähnliche  Lieder  \  Nr.  245   und  314. 

f  Nr.  234 
Der  Jäger  geistlich. 

1.  Es  weit  gut  jeger  jagen^ 
er  jagt  vom  himelstron. 

was  begegnet  im  auf  der  beiden? 
.  Maria  die  Jungfrau  schon. 

2.  Der  jeger  den  ich  meine 
der  ist  uns  wol  bekant, 
er  jagt  mit  einem  engel, 
Gabriel  ist  ers  genant. 

3.  Der  engel  blies  ein  hömlein, 
das  lautet  also  wol: 
gegrüßet  seist  du,  Maria, 

du  bist  aller  gnaden  voi! 

4.  Gegrüßet  seist  du,  Maria, 
du  edle  Jungfrau  fein! 
dein  leip  der  sol  geboren 
ein  kleines  kindelein. 

5.  Dein  leip  der  sol  geboren 
ein  kintlein  on  alle  man, 
der  himel  und  auch  erden 
eins  mals  bezwingen  kan. 

6.  Maria  die  vil  reine 
fiel  nider  auf  ire  knie, 
dann  sie  bat  got  von  himel, 
sein  will  geschehen  sei*). 


§.  10.  8)  6,  4.    dein  vnU  gescheh  aUhie  —    Corner  GB.  1626   und  Paderb. 
GB.  1665. 


397 

7.  Dein  will  der  sol  geschehen 
on  alle  pein  und  schmerz! 

do  empfieng  sie  Jesum  Christum 
in  ir  jungfreulich  herz. 

8.  Der  uns  das  lieüein  neu  gcsang 
alhie  zu  diser  stunt: 

Jesus  gotes  sone 
mach  uns  an  der  sei  gesiuit! 
Verschiedene  alte  Drucke  von  fl.  BL:  Regeuspm^  durch  Hannsen  Khol 
(danach  bei  Körner,  Marian.  Liederkranx  S.  63.  64.),  Ausgpurg  durch  Michael 
Manger  (danach  bei  Wckn.  Nr.  183.),  Basel  bei  8am.  Apiario  1569;  noch 
im  17.  Jahrb.:  Innsbruck  bei  Job.  Gächen.  —  Bei  Uhland  Yolksl.  Nr.  338. 
nach  einem  offenen  Dmckbl.  in  fol.,  Botenbncher's  Bergkreyen,  Nürnberg 
1551  u.  a. 

In  Corner  GB.  1625  Nr.  42.  für  Str.  8  diese  beiden: 

O  heilig  Jungfrau   Maria, 

Nun  bitt  für  uns  dein  Kind, 

Da6  Er  uns  w6ll   genftdig  sein, 

Verzeihen  unsere  Sund. 

Drum  singen  wir  das  Lobgesang 

Jetzund  und  su  dieser  Stund. 

Herr  Jesu  Christo,  Gottes  Sohn, 

Mach  unser  Seel  gesund! 
Bei  Corner  die  Überschrift :  j^Ein  anders  altes  Advent  -  Gesang,  der  geist- 
lich Jäger  genannt''. 

Eine   andere   Lesart,   14  Strophen,   aus   Beuttner's  GB.    (Graz  1718)   in 
Kömer's  Marian.  Liederkranz  S.  84 — 87.  Str.  2  —  6: 

Den  Jäger  den  ich  meine. 

Der  ist  uns  wohl  bekannt. 

Er  jagt  ein  edles  Einhorn, 

St.  Gabriel  ist  er*s  genannt. 

Er  führt  in  seinen  Händen 

Vier  Windspiel   schnell  und  leis; 

Das  erst  grau,   das  ander  leibfarb. 

Das  dritt  war  falb,  das  viert  schneeweiß* 

Das  bedeut  Gerechtigkeit,  Wahrheit, 

Barmherzigkeit  und  Fried; 

Das  Einhorn  ist  Herr  Jesu  Christ, 

Der  unser  Heiland  ist. 

Er  jagt  das  edle  Einhorn 

Mit  seinem  Windspiel  groß» 

Er  jagt*s  gar  säuberlichen 

Maria  der  Jungfrau  in  dSchoß. 

27 


Sp&ter  hat  Henrich  Knaost  in  »einen  GaMenhanern  den  geiitlichen  Jftger 
auch  n christlich  verändert.^  Statt  der  heil.  Jnn^au  sind  ea  drei  Schwettem: 
Frftolein  Glaube,  Liebe,  Hoffiiung;  s.  Wckn.  Nr.  718. 

Der  fromme  Smn  begnügte  sich  nicht,  die  alten  schönen 
einfachen  und  harmlosesten  weltlichen  Volkslieder  umzudichten, 
er  wagte  sich  auch  an  die  künstlichsten  und  schlüpfrigsten. 
So  finden  sich  Umdichtungen  von  den  künstlichen  Meisterlie- 
dem:  Zart  schöne  Frau,  Von  edler  Art,  Ich  reu  und  klag  u.s.w., 
was  aber  noch  viel  merkwürdiger  ist,  das  sehr  anstößige  Lied 
von  der  Fischerin,  das  hoch-  und  niederdeutsch  vorhanden  ist*), 
erfuhr  sogar  zu  Anfange  des  XVI.  Jahrhunderts  eine  geistliche 
ümdichtung:  Wckn.  Nr.  177.  >•) 

Dergleichen  Künsteleien,  Unziemlichkeiten  und  Verirrun- 
gen  muss  man  der  redlichen  Absicht,  religiös  zu  belehren  und 
zu  erbauen,  zu  gute  halten.  Die  Begriffe  von  Schönheit  und 
Würde  waren  eben  oft  andere  als  unsere  heutigen.  Darum 
darf  es  auch  nicht  wimdem,  dass  der  Zwiespalt  in  der  Kirche 
auch  im  Kirchengesange  zum  Vorschein  kam.  Das  Stärkste 
der  Art  ist  wol,  wenn  Hermann  Vulpius,  ein  lutherischer  Pre- 
diger, das  weltliche  Lied:  Der  Kuckuck  hat  sich  todt 
gefallen"),  zu  einem  geistlichen  liede  wider  den  Papst 
umdichtet. 

f  Nr.  235. 

De   kuckuck  heft  sik   döt  gevallen  ff. 

Geistlik. 
Van  dem  dötliken  valle  des  allerhillichsten  yaders, 
des  Römischen  Pawestes. 

1.  De  Pawest  heft  sik  to  dode  gevallen 
van  synem  bogen  stole 

unde  mot  nu  mit  dem  düvel  wallen 
wol  in  dem  vürigen  pole. 

2.  Wat  krenket  doch  den  Antichrist, 
dat  he  des  dodes  stervet? 


§.  10.  9)  Wckn.  S.  888.  Felilt  bei  Uhland,  weil  ea  ihm  m.  meistersizigeriBch 
and  mxL  anstößig  war. 

10)  Maria  iai  die  FiBcherin,  die  Fische  sind  die  Sünder: 

sie  facht  sie  all  gemeine, 
jnng,  alt,  grofi  und  die  kleine. 

11)  UhUnd  Volkslieder  Nr.  158.    Wckn.  8.  858. 


Bjn  hoTirt  des  dn  dnake  is, 
d&r  in  he  gans  vördervet. 
8.   Dat  he  bj  h6r  unde  god  der  weit, 
let  sik  de   pawest  ütschryyen, 
▼ör  d^n  Bik  6k  de  Satan  helt 
nnd  denkt  it  6k  to  blyven. 

4.  De  Satan  im  regemente  Bit, 
let  sik  de  kröne  nicht  nemen^ 

den  Pawest  vam  stole  hfrunder  rit, 
des  sik  de  pfwstler  Bchfmen. 

5.  Sanct  Peters  navolger  n6met  he  sik, 
de  Pawest  des  düvels  egen, 

dar  mede  den  minschen  lecht  ein  strik, 
dat  se  sik  to  6m  negen. 

6.  Doch  weidet  he  de  schapeken  nicht, 
alse  wy  dat  wol  bevinden, 

denn  syn  doent  is  d&rhen  gericht, 
dat  he  se  d5de  und  schinde. 

7.  Wol  weidet  denn  de  sch&pken  w6rt, 
de  Petro  sint  vortruwet? 

dat  deit  Christus  de  rechte  hdrt, 
wol  d^m  de  up  6m  buweti 

8.  De  heische  wulf,  de  drake  r6t 
is  mit  gewalt  gebunden, 

her  Jesu  Christ,   dörch  dynen  döt, 
dörch  dyne  blodigen  wimden. 

9.  D&rvör  wille  wy  den  waren  god 
ewich  prysen  und  layen, 

de  uns  erlAst  üt  aller  not, 
6m  sy  dank  vor  syne  gaven! 
Hermann  Vespaaiiu,    Nje    ChristUke    G«8enge   1571.      Nr.  20.   Wckn. 
Nr.  704, 


Hatte  man  sich  vor  der  Reformation  nur  auf  Umdichten 
weltlicher  Lieder  beschränkt,  so  ging  man  beim  Beginn  der- 
selben noch  weiter:  was  man  bisher  an  weltlichen  Liedern  aus- 
geführt hatte,  versuchte  man  nun  sogar  an  geistlichen,  deren 
Inhalt   zu  der  neuen  evangelischen  Lehre  nicht  stimmte. 

Im  Jahre  1524  richtete  Luther  das  Lied  Gott  der  Vater 
wohn  uns  bei  fiir  den  kirchlichen  Gebrauch  ein:  er  änderte 

27* 


400 

die  erste  Strophe,  die  in  dieser  Gestalt  denn  auch  für  Christus 
und  den  heil.  Geist  (Str.  2  und  3)  >>)  blieb;  alle  übrigen  Stro- 
phen, die  über  die  Dreifaltigkeit  hinausgingen,  ließ  er  weg. 
Die  Gesangbüchlein  von  Nürnberg,  Erfurt  und  Breslau  des  fol- 
genden Jahrs,  so  wie  die  £rforter  Enchiridien  von  1526  und 
1627  versahen  deshalb  das  Lied  mit  dem  Zusätze:  »gebessert 
und  christlich  corrigiert«  *'). 

Nach  diesem  Vorgange  Luthers  unternahm  es  nun  der  für 
die  Reformation  sehr  beseelte  und  eifrig  thätige  Hans  Sachs, 
auch  andere  ältere  geistliche  Lieder  umzuarbeiten  oder,  wie  er 
es  nennt,  »zu  verändern  und  christlich  zu  corrigieren«: 

Edkhe  gey$t-  \  Uche,  in  der  Bchriffi  \  gegrünie,  Ueder  \  für  die 
lagen  \  zu  singen.  \  Hans  Sache.  |  1525. 

8  Bl.  in  4<*,  ohne  Angabe  des  Drackera,  mit  8  Liedern.  In  der  Bibl. 
des  Hrn.  Ton  Schenrl  cn  Nümberg.  Wckn.  S.  727.  —  15S6  erschien  eine 
neue  Ausgabe,  6  Bl.  4<>,  ebenfaUs  ohne  Angabe  des  Druckers.  In  der  Stadt- 
bibliothek BU  Ulm.     Wckn.  S.  738. 

Von  den  8  Liedern  dieses  Büchleins,  säinmtlich  gedruckt 
bei  Wckn.  Nr.  238—245,  gehören  hieher: 

Maria  zart  von  edler  Art, 

Die  Frau  vom  Himmel  ruf  ich  an, 

Sanct  Christoph,  du  heiliger  Mann, 

Anna,   du  anfänglichen  bist. 
Die   drei   ersten   Lieder   sind   uns  in  ihrer  ursprünglichen 
Gestalt  erhalten,   es  mag  daher  genügen,  von  jedem  nur  die 
erste  Strophe  mitzuthcflen. 

f  Nr.  236. 

O  Jesu  zart,        götlicher  art, 

ein  ros  on  alle  doren, 

du  hast  aus  macht        herwider  bracht 

das  vor  lang  was  verloren 

durch  Adams  fal.        dir  wart  die  wal 


§.10.  12)  Für  diese  beiden  Strophen  machte  später  Erasmus  Albems  neue, 
und  so  erscheint  denn  das  von  Luther  schon  gebesserte  Lied  abermals  y,mit 
sweyen  Gesetsen  gebessert**  im  StraSb.  GB.  1568,  Wckn.  Nr.  808. 

18)  Vgl.  Lnther*s  geistliche  Lieder  von   Ph.  Wackemagel  (8tuttg. 
1848.)  8.  147  —  149. 


401 

von  got  vater  versprochen. 

auf  daß  nicht  wurt  gerochen 

mein  sünd  und  schult,        erwarbstu  hult; 

wann  kein  trost  ist,        wa  du  nit  bist 

barmherzigkeit  erwerben: 

wer  dich  nit  hat        und  dein  genad, 

der  muß  ewiglich  sterben. 


f    Nr.  237. 

Christum  von  himel  ruf  ich  an 

in  disen  großen  nöten  mein. 

im  gsetz  ich  mich  verschuldet  hau, 

zu  leiden  ewig  hellepein, 

gen  deim  vater:  o  Christe  ker 

sein  zom  von  mir, 

mein  Zuflucht  ist  allein  zu  dir, 

hilf,  e  daß  ich  verzweifel  schir! 


f  Nr.  238. 

Christe,  warer  sun  gotes  fron! 

dein  lop  wir  ewig  preisen. 

wer  deinen  namen  rufet  an, 

dem  tustu  hilf  beweisen, 

wann  du  bist  der        einig  mitler 

gen  got  dem  vater  here; 

dein  bitter  tot        half  uns  aus  not, 

dir  sei  ewig  lop,  erel'*) 
Von  dem  vierten  Liede  scheint  das  Original  verloren  ge- 
gangen zu  sein.    Aus   der  Umdichtung  Hans  Sachsens  können 
wir  einigermaßen  schließen,  wie  es  beschaffen  war. 


§.  10.  14)  Auch   in  einem  besondem  Drucke  vorhanden  „durch  Hans  Gol- 
denmnndt",  in  der  Weimarer  Bibliothek,   s.  Mone    Anzeiger  8,  377. 


402 


f  Nr.  239. 

Das  liet:    Anna  du  anfenglichen  bist,  verendert  und 

cliristlich   corrigiert. 

1.  Chriflte,  du  anfenglichen  bist, 
ein  ¥nirzel  imser  Seligkeit! 
aus  deinem  tod  gewachsen  ist 
ein  ewig  werend  Sicherheit 

zu  dem  vater,  gen  dem  wir  ser 
uns  versünden  teglichen: 
o  sun  David,  du  für  uns  trit, 
yersün  uns  mildiglichen! 

2.  Christe,  du  einiger  tröster 
aller  betrübten  herzen, 

zu  dir  all  Christen  rufen  ser, 
daß  du  uns  helfst  aus  schmerzen! 
der  feinde  streit  gen  uns  aus  neid 
all  tag  gar  listiglichen : 
o  sun  David,  du  für  uns  trit, 
hilf  kempfen  ritterlichen! 

3.  Christe,  du  von  götlichem  stam, 
von  got  vater  geboren, 

der  zu  uns  her  auf  erden  kam, 
auf  daß  nicht  wurd  verloren 
wer  in  dich  glaubt,  des  bist  ein  haubt 
aller  christgelaubichen : 
o  sun  David,  du  ftir  uns  trit! 
dir  sei  lop  ewiglichen! 
Tgl.  5  Nr.  290. 

Als  man  einmal  angefangen  hatte,  weltliche  Lieder  umzu- 
dichten,  und  eines  guten  Erfolges,  wie  es  scheint,  sich  erfreute, 
hielt  man  das  volksthümliche  Element  fest  Die  Nachbildung 
weltlicher  Volkslieder  wurde  ebenfalls  versucht,  und  so  ent- 
standen geistliche,  die  denn  sehr  beliebt  und  viel  gesungen 
wurden. 


403 

f  Nr.  240. 
Der  meie,   der  meie  bringt  uns  der  blttmlein  vil. 

1.  Der  meie,  der  meie 
bringt  uns  der  bümlein  yiL 
ich  trag  ein  frei  gemüte; 

got  weiß  wol  wem  ichs  wil. :,: 

2.  Ich  wils  Christo  dem  herren, 
der  unser  heilant  ist; 

er  tregt  das  kreuz  für  unser  sünd, 
ja  wie  man  von  im  list. 

3.  Wir  waren  all  gefangen, 
im  tod  warn  wir  verlorn, 

die  sünd  die  quelt'  uns  tag  und  nacht, 
darin  wir  warn  geborn, 

4.  Und  niemant  kan  uns  helfen, 
dann  diser  herr  allein, 

ist  uns  zA  gfit  geboren 
von  einer  Jungfrau  rein, 

5.  Und  ist  för  uns  gestorben, 
auferstanden  vom  tod, 

hat  uns  das  heil  erworben, 
geholfen  aus  der  not 

6.  Er  hat  das  gsetz  erfüllet, 
das  ims  so  hart  verklagt, 
und  hat  das  funklein  gstillet, 
das  unser  gwissen  nagt. 

7.  Er  ist  der  weg,  das  Hecht,  die  pfort, 
die  warheit  und  das  leben, 

er  ist  des  vaters  ewigs  wort, 
das  er  uns  hat  gegeben. 

8.  Hat  den  tot  überwunden, 
die  hell  gerissen  ein, 

die  sünd  hat  er  verschlungen, 
geholfen  aus  der  pein. 
0.   Er  wil  die  nicht  verlaßen, 
die  an  in  glauben  seint: 
das  hat  er  uns  versprochen, 
denn  wir  sein  kinder  seint. 


404 

10.   Drumb  wer  im  kan  vertrauen, 
verlest  er  nimmer  mer. 
dem  selben  unserm  herben 
dem  sei  preis,  lop  und  ehr 
in  ewigkeit  bisher! 

nVier  geistliche  Rejenlieder".  Am  Ende:  »Gedruckt  sfi  Nürnberg  durch 
Knnegand  Hergotin^  dmckte  1628  —  1538.  (In  der  Menseb.  Bibl.,  Afittheil. 
Ludw.  £rk*s)  Darunter  der  Name  des  Dichters:  Jacob  Klieber.  —  Dr.  7,  4. 
den  fdaaj  —  9,  4.  denn  (spätere  Lesart:  wenn).  Auch  in:  nFtalmen  ynnd 
Gejstliche  Lieder^  ff.  Nürmberg  1557.  Nr.  85.  Gödeke  bemerkt:  ^Wackemagel 
(Nr.  518.),  der  das  Gedicht  aus  einem  späteren  Lutherschen  GB.  (Leips. 
Berwald  1560)  entnimmt,  schreibt  es,  durch  das  irrige  Register  des 
Nümb.  GB.  von  1607  verleitet,  dem  Johann  Halbmeyr  zu;  im  GB.  selbst 
hat  es  keinen  Verfasser -Namen,  aber  gleich  das  dort  folgende,  ebenso  an- 
fangende Lied  S.  908  hat  die  Überschrift :  Joh.  Halbmeyr;  im  Register  fehlt 
das  Gedicht«   — 

Das  weltliche  Lied,  wie  es  in  einem  Fastnachtspiele  von  Hans  Sachs 
1562  vorkommt,  ist  nur  3  Strophen  lang,  es  kann  abo  von  einer  ümdich- 
tung  nicht  die  Rede  sein.  Gedruckt  Wckn.  S.  848.  Uhland  Volksl.  Nr.  19, 
vgl.  S.  999.     Erk  VolksUeder  2.  Bd.  Vs-  Heft  Nr.  77. 

f  Nr,  241. 

1.  Ich  hab  mir  außerwelet 
Jesum  das  blümelein. 
darzu  hat  sich  gesellet 
das  junge   herze  mein. 

2.  Es  grünt  in  meinem  herzen, 
sein  bltien  ist  manigvalt, 

es  kan  mir  wenden  kummer 
und  wendt  mir  all  mein  leit. 

3.  Seit  ich  das  blümlein  meiden, 
Jesus  das  blümelein, 

brecht  meinem  herzen  groß  leiden 
und  meiner  sei  ein  pein. 

4.  Er  hat  bei  uns  gewonet 
auf  disem  jamertal, 

er  ist  von  uns  gescheiden 
in  großer  bitterkeit. 

5.  Er  ist  von  uns  gescheiden 

in  großer  wunsamkeit 


406 

zu  seinem  himliBchen  vater, 
da  wont  er  ewigleich. 


6.  Ich  kam  auf  einen  anger, 
auf  einen  weiten  plan^ 

ich  sach  einen  schönen  engel 
in  hochen  eren  stan. 

7.  Sag  mir,  lieber  engel, 

wol  durch  den  reichen  got! 
hastu  mein  liep  nit  gesechen 
zu  himel  an  dem  hof  ? 

8.  Ja  ich ,  mein  schöne  jungfraue, 
ich  sach  ir  beder  lieb 

in  seines  vatem  herzen 
recht  brinnen  als  ein  Hecht. 

9.  Das  liecht  was  uns  verborgen, 
verborgen  fünf  tausent  jar. 
nun  ist  got  mensch  geboren 
und  ist  uns  offenbar. 

10.   Sag  mir  meinem  liebe, 
ich  sei  im  herzen  wunt, 
daß  er  mir  kam  zu  hilfe, 
mach  mir  mein  herz  gesunt. 


11.  Ich  wil  mir  ein  schiflein  bauen, 
ein  schiflein  der  säligkeit, 
darein  ein  rüder  machen 

mit  ganzer  stätigkeit. 

12.  Nun  wer  sol  es  sein  der  schifman? 
Jesus  der  breutigam  mein; 

er  sol  es  wol  bewaren 
recht  nach  dem  willen  sein. 

13.  Maria  sol  es  leiten, 
Maria  die  künigin, 

sie  fiirt  ir  hoches  preise, 
ir  wertes  lop  darin. 

14.  Wer  sol  das  schiflein  fureu? 
der  liepste  engel  mein; 

er  sol  es  wol  bewaren 
bis  an  das  ende  mein. 


406 

15.   Maria  sol  es  leiten 

bis  an  der  engel  schar, 
da  die  heilig  dreivaltigkeit 
ir  ewigs  wesen  hat. 
Kloster -Nenburgfer  Hs.  Nr.  12S8.   ans  der  Mitte  des  16.  Jafarh.    Mone, 
Anzeigers,  838.  384,  danach  Uhland,  Yolksl.  Nr.  832.  —  Ha.  2, 1.  sein  plitem- 
lein  —    8,  2.  tn  peder  Heb  —   9,  3.  fehlt  nun  Ut.  —    Die   fehlenden  Reime 
ließen  sich  leicht  herstellen:   2,  2.   es  blüet  <Ule  zeü  —   4,  4.  «n  großer  not 
und  quäl. 

f  Nr.  242. 

1.  Ich  weiß  mir  ein  Blümlein  hübsch  und  fein, 
Es  thut  mir  wohl  gefallen; 

Es  geliebt  mir  in  dem  Herzen  mein 
Für  die  andern  Röslein  allen. 

2.  Das  Röslein  ist  das  göttlich  Wort, 
Das  ims  Gott  hat  gegeben; 

Es  leucht  uns  durch  die  enge  Pfort 
Wol  in  das  ewige  Leben. 

3.  Er  ist  der  Weg,  das  Licht,  die  Pfort, 
Die  Wahrheit  und  das  Leben. 

Wer  Reu  für  seine  Sünde  trägt, 
Dem  sind  sie  im  Glauben  vergeben. 

4.  Er  spricht:  tret  alle  her  zu  mir, 
All  die  ihr  seid  beladen! 

Ich  will  euch  nach  eures  Herzen  Begier, 
Ich  will  heilen  eueren  Schaden. 

5.  Nehmt  hin!  esset!  das  ist  mein  Leib, 
Den  ich  euch  jetzt  thu  schenken. 

Ich  verschreib  euch  all  mein  Gut  dabei. 
Daß  ihr  mein  sollt  gedenken. 

6.  Nehmt  hin!  trinket!  das  ist  mein  Blut, 
Das  ich  hab  för  euch  vergossen. 
Nehmt  hin!  solchs  thut,  so  oft  ihr's  thut, 
Wie  ich's  euch  hab  gelassen. 

7.  Wir  bitten  dich,  Herr  Jesu  Christ, 
Wol  durch  das  bitter  Leiden, 
Daß  du  für  uns  gestorben  bist, 
Du  wellst  nicht  von  uns  scheiden. 


407 

8.   Nimm  uns  für  deine  Eünder  an, 
Daß  wir  dich  allzeit  loben  t 
Dein  Wort  bekenne  ein  jeder  Mann 
Durch  Jesum  Christum!  Amen. 

Fl.  Bl.   nZu  Eiflleben   drackts  Andreas  Petri.«     Heyse's  Bibl.  (mttheil. 
Karl  Gödeke'8.) 

f  Nr.  243. 

1.  Ich  weiß  mir  ein  Blümlein  ist  hübsch  und  fein, 
Das  thut  mir  Wohlgefallen; 

Es  geliebt  mir  in  dem  Herzelein 

das  Blümelein 
Für  andern  Blümlein  allen. 

2.  Das  Blümlein  ist  das  göttliche  Wort, 
Das  uns  Gott  hat  gegeben; 

Es  leucht  ims  durch  die  enge  Pfort^ 

das  götlich  Wort, 
Wol  in  das  ewig  Leben. 

3.  Er  ist  der  Weg,  das  Licht,  die  Pfort, 
Die  Wahrheit  und  das  Leben. 

Wer  Reu  für  seine  Sünde  trägt, 

sein  Sünde  trägt, 
Dem  sind  sie  im  Glauben  vergeben. 

4.  Er  spricht:   kommt  alle  her  zu  mir, 
All  die  ihr  seid  beladen! 

Ich  will  nach  eures  Herzen  Begier, 

das  glaubet  mir, 
Will  heilen  euem  Schaden. 

5.  Nehmt  hin  und  esstl  das  ist  mein  Leib, 
Den  ich  euch  jetzt  thu  schenken. 

Ich  verschreib  euch  all  mein  Gut  dabei, 

das  glaubet  frei, 
Daß  ihr  mein  sollt  gedenken« 

6.  Nehmt  hin!  trinket!  das  ist  mein  Blut, 
Das  hab  ich  für  euch  vergossen, 
Welchs  gnug  für  euer  Sünde  thut, 

so  oft  ihr's  thut, 
Wie  ich's  euch  hab  gelassen. 


408 

7.  Wir  bitten  dich,  Herr  Jesu  Christ, 
Wol  durch  dein  bitter  Leiden, 
Weil  du  fELr  uns  gestorben  bist, 

Herr  Jesu  Christ, 
Du  wollst  nicht  von  uns  weichen. 

8.  Nimm  uns  für  deine  Kinder  an. 
Daß  wir  dich  alle  loben! 

Dein  Wort  bekenn  ein  jedermann 

auf  rechter  Bahn 
Durch  Jesum  Christum!   Amen. 
Leipziger  GB.  1686.  8.  Th.  Nr.  107.  —  Nümb.  GB.  1691.  S.  422. 

f  Nr.  244, 

1.  Ach  Oott,  wem  soll  ichs  klagen, 
Das  groß  Elende  mein? 

Mein  Herz  will  mir  verzagen, 

Weil  ich  leid  schwere  Pein. 

Von  Freunden  gar  verlassen, 

Der  Feind  der  sind  so  viel: 

So  schwing  ich  mich  über  die  Straßen, 

Christum  ich  suchen  will. 

2.  Wo  soll  ich  ihn  denn  finden. 
Den  Herzallerliebsten  mein? 
Im  Wald  sind  viel  der  Blumen, 
So  gar  viel  mancherlei, 

Daß  ich  ihr  nicht  all  kenne 
Wol  in  dem  tiefen  Thal. 
Ein  Blum  will  ich  dir  nennen. 
Der  Lügen  gleicht  sie  zwar. 

3.  Ihr  G-eruch  der  geht  so  weite 
Über  Berg  und  tiefe  Thal, 
Der  Südwind  ihn  fast  treibet, 
Wird  gleich  dem  Segelbaum. 
Unter  allen  hohen  Bäumen 
Hat  er  allein  den  Preis, 

Kein  Wind  kann  ihn  nicht  fällen: 
Zu  dem  tret  ich  mit  Fleiß. 

4.  Er  ist  der  Morgensterne, 
Den  man  erkennen  soll; 


409 

Sein  GlanB  der  leuchtet  ferne 
Wol  in  dem  Jammerthal. 
Kern  FinBterkeit  mag  bleiben 
Vor  seinem  Schein  so  klar; 
Die  Nacht  mag  er  vertreiben, 
Er  leuchtet  ganz  und  gar« 

5.  Gar  süß  war  ich  entschlafen 
Vor  der  Hirten  Hüttlein  fein. 

Mein  schöns  Lieb  hub  an  zu  klopfen. 

Ich  sollt  ihn  lassen  ein, 

Die  Thür  sollt  ich  aufschließen: 

Sprang  aus  dem  Bette  mein. 

Er  war  mir  schon  entwichen, 

Das  bracht  mir  schwere  Pein. 

6.  Des  Nachts  bin  ich  aufgestanden, 
Gesucht  mit  aller  Weis, 

Ob  irgend  war  vorhanden 
Meins  Herzen  Exon  und  Preis. 
Ich  thät  ihn  freundlich  rufen. 
Kein  Antwort  er  mir  gab. 
Der  Wächter  an  der  Zinne 
Zog  mir  mein  Mantel  ab. 

7.  Als  ich  mich  zu  ihm  wendet 
Wol  in  derselbigen  Stund, 
Mein  schöns  Lieb  zu  mir  lendet 
Und  bot  mir  seinen  Mund. 
Den  Finger  hat  er  gestoßen 
Wol  zu  dem  Fenster  ein. 

Den  Riegel  aufgeschlossen 
Und  trat  zu  mir  hinein. 

8.  Er  redt  mir  zu  mit  IVenden: 
Weil  du  geirret  hast, 

Gar  schön  will  ich  dich  kleiden. 
Komm  her  in  meine  Schoß! 
Der  Winter  ist  vergangen, 
Die  Blumen  wachsen  schon. 
Die  Turteltaub  vorhanden. 
Die  Reben  blühen  voll. 

9.  O  daß  er  bei  mir  bliebe. 
Der  Allerliebste  mein! 


410 

Die  Wolken  von  mir  triebe^ 
Bis  daß  der  Tag  herschein! 
Darin  ioh  stets  mag  wandeki. 
Weil  ich  das  Leben  hab, 
Mein  Kurzweil  möcht  vertreiben, 
Zu  halten  sein  Gebot 
10.   Kein  schöner  nicht  auf  Erden 
Denn  dieser  Absalon 
In  Gang  und  auch  Geberden! 
Er  trägt  Davidis  Krön. 
Mit  Wahrheit  ist  umgeben, 
Gerechtigkeit  sein  Thron, 
Er  gibt  das  ewige  Leben, 
Darzu  den  IVeudenlohn. 
Fl.  Bl.  Ende  des  XVI.  Jahrh.  Prof.  Heyse'e  Bibl.  (Mittiieil.  Karl  Gödeke^s). 

f  Nr.  245. 

Im  Ton:    Es  fleugt  ein  Vögelein  leise. 

1.  Es  fleugt  ein  Vögeleln  leise 
Zu  einer  Jungfrau  fein, 

Li  eines  Engels  Weise 

Wol  in  ein  Kläuselein: 

Grüß  dich  Gott,  du  mein  auserwählte  Maid! 

Dein  Seel  ist  w<^  gezieret. 

Gesegnet  ist  dein  Leib. 

2.  Gott  hat  dich  wohl  begnadet. 
Der  Herr  der  ist  mit  dir; 
Gottes  Kraft  wird  dich  umfahen, 
Du  sollt  gelauben  mir! 

Schleuß  mir  auf  deins  Herzen  ein  Fensterlein! 
Jesus  wird  zu  dir  kommen. 
Mit  ihm  wirst  schwanger  sein. 

3.  Der  heilig  Geist  wird  kommen. 
Wird  wirken  durch  sein  Kraft, 
Denn  er  wird  an  sich  nehmen 
Fleisch  und  Blut  so  gar. 
Warum?  darum  thut  er  aber  das, 
Daß  er  wollt  wiederbringen 
Adam  und  Eva  Fall. 

4.  Maria  die  sprach  mit  Züchten: 
Was  deutet  dieser  Gruß? 


411 

Mein  Reinigkeit  hau  ich  yersprochen, 
Wiewol  ich  gebären  muß. 
Was  deutet  das?  mein  himmlischer  Bot! 
Mein  Reinigkeit  hab  ich  versprochen 
Dem  aUmächtigen  Gott. 

5.  Nimm  wahr,  ich  bin  ein  Dienerin 
Des  höchsten  Herren  mein; 

Mir  geschech  nach  deinen  Worten, 

Du  seliger  £ngel  rein! 

Bald  Maria  ihren  Willen  verhängen  kunnt: 

Jesus  ward  eingelassen 

Wol  zu  derselbigen  Stund. 

6.  Sie  wohnten  bei  einander, 
Jesus  und  auch  die  Maid, 
Bis  an  den  Weihnachtmorgen, 
Sie  gebar  ihn  ohn  alles  Leid, 

Wahrer  Gott  und  Mensch,  Herr  Jesus  Christi 
Deim  sie  ist  Jungfrau  blieben, 
Bleibt  immer  und  ewiglich. 

7.  Dem  Herren  Gott  von  Himmelreich 
Lob,  Ehr  und  Preis  ich  leiste, 
Gott  Vater,  Gott  dem  Sohn  zugleich 
Und  Gott  dem  heiligen  Geiste. 
Sein  Herrlichkeit,  Barmherzigkeit, 
Großmächtigkeit  und  Heiligkeit 
Seind  ewig  und  ohn  Ende. 

Fl.  Blatt  „Nürnberg,   durch  Valentin  Newber<<.     Prof.  Heyse's  Biblloth. 

(Mittheil.  Gödeke's)  Vgl.  Wckn.  S.  868.  zu  Nr.  149.  —  Fl.  Bl.  (mit  Nr.  276. 

bei  Wckn.)  „Gedruckt  zä  Angspnrg,  durch  Bfichael  Manger **  (Mittheil.  Uhland's). 

Jüngere  Texte,  zum  Theil  sehr  abweichend:  And&chtige  Vbung,  Wfirts- 

borg  1647.  s.  B. 

Ea  flog  em  EmgA  in  JBüe 
Wol  von  des  Hmmeh  Tkron^ 
Von  Oott  geaandt  viel  Meile 
Zu  einer  Jungfrau  schon  ff. 
2,  6.  7.  Zu  dw  will  er  sich  neigen  Wol  unier  das  Herze  dem  —  8,  4.  Fleieeh 
und  Blut  so  zart,  —  Himmelglöcklein,   Dillingen  1667  bei  Kömer,  Marian. 
läederkranz  8.  ISO.  z.  B.  3,  3.  4.  Dardurch  Oott  angenommen  Fleieeh^  Blut 
durch  sein  Allmacht. 

Das  weltliche  Lied  hiezu  iflt  wahrscheinlich:  Es  fleugt  eiji  klein«  Wald- 
Yögeleiiif  bei  Uhland  Volkslieder  Nr.  83. 


412 

Wio  oft  aber  auch  die  weltlichen  Volkslieder  beides,  Weise 
und  Inhalt  zur  Umdichtung  und  Nachbildung  lieferten,  öfter 
noch  wurden  ihre  Weisen  allein  benutzt.  Da  solche  in  Aller 
Munde  lebten  und  sehr  singbar  waren,  so  kam  dieser  Umstand 
der  Verbreitung  neuer  geistlicher  Lieder  sehr  zu  statten.  Wie 
man  in  den  Niederlanden  in  der  Mitte  des  XVI.  Jahrhunderts 
die  Psalmen  meist  nach  Melodien  weltlicher  Lieder  gedichtet 
hatte  >^),  so  fing  man  bald  nachher  auch  in  Deutschland  an,  die 
beliebtesten  weltlichen  Singweisen  zu  demselben  Zwecke  zu 
verwenden.  Gewöhnlich  heißt  es  dann  in  der  Überschrift:  im 
Ton,  oder  in  der  Weise;  zuweilen  auch:  Wie  man  singt  von 
unsers  Herren  rock;  Wie  man  singt  die  schlackt  vor  Pavia;  Im  ton 
me  man  die  tagreis  (tagweis)  singt;  Im  Ton  toie  könig  Laslas  lief; 
Im  Hildebrants  ton;  In  bruder  Veiten  ton;  Vom  Danheuser;  Vom 
Grafen  von  Rom;  Vom  Benzenauer;  Von  einem  ritter  aus  Steiermark; 
Von  dem  könig  aus  Ungern;  Vom  huxbaum  und  vom  felbinger;  Das 
Tolner  liet,  oder  In  Tolner  melodei  S. 

In  einigen  späteren  evangelischen  Gesangbüchern  sind 
manche  Lieder  enthalten,  deren  Melodie  auf  diese  Weise  ange- 
geben wird.  Besonders  reich  an  dergleichen  Liedern  mit  welt- 
lichen Liederanfängen  ist  ein  GB.,  das  unter  dem  Titel  erschien: 

Ein  schon  gesangbüchlein  Geistlicher  Üeder  z&samen  getragen^ 
Äuß  dem  Alten  vnd  Newen  Testament^  Durch  frome  Christen  vnd  lieh- 
haber  Gottes,  welcher  hie  für  etliche  getruckt  seindt  gewesen,  aber  noch 
vU  darz&  gethan,  welche  nie  im  truck  außgangen  seindt  ff  8®.  O.  O. 
und  J.  (Ein  Exemplar  in  der  Stadtbibl.  zu  Trier,  Mittheil. 
P.  Gh.  Stemberg's). 
und  in  einer  neuen  Auflage: 


§.  10.  15)  Der  Titel  dieses  merkwürdigen,  jetzt  sehr  seltenen  Baches  Untet: 

8<nUer  I4edekeiM  Ohemaeet  ter  eeren  Oods,  op  alle  die  Psalmen  vä  David : 

tot  BtichHnghe,   m  een  gheeitelifcke  vermakin^he  van  allen  Chriatä  meneehe. 

Okeprent  Thantwerpen  By  my  Symon  Cook,   Anno.  M.  COCCC.  ende  A7.  den 

.0^'.  in  Junio. 

190  Blfttter  in  8o.  (Mein  ehemaliges  EzempUr  in  der  kön.  Bibl.  zu  Berlin, 
ein  anderes  in  Göttingren).     Vgl.  Horae  belg.  1,  114.  115. 

Anfftnge  älterer  niederländischer  weltlicher  Lieder,  ebenfEtUs  zu  geistlichen 
Liedern  benntst  (Mitte  des  XY.  Jahrh.)  aus  meinen  ehemaligen  Liederiiss. 
(Bibllotheca  Hoffmanni  Fallerslebensis,  Lips.  1846.  p.  7  — 14.)  stehen  alpha- 
betisch verzeichnet  in  meinen  Horae  belg.  2,  82—86.  vgl.  1,  110-— 114. 


_413 

Ein  schon  gesangbücUein,  darum  begriffen  werden  vielevhandt 
schöner  GeistUcher  Lieder  auß  dem  Alten  vnd  Newen  Testament,  ff. 
Jetzo  von  newem  widerumb  vbersehen,  ff.  (Ein  Exemplar  früher  in 
W.  V.  Haxthausen  Besitz). 

Da  diese  Anfange  zugleich  wichtig  sind  ftir  die-  Geschichte 
des  weltlichen  Volksliedes,  so  will  ich  sie  hier  zusammenstellen 
und  diejenigen  hinzufügen,  wozu  bei  Wackemagel  (hier  mit  W. 
bezeichnet)  die  geistlichen  Lieder  abgedruckt  sind.") 

Ach  megdelein,  was  hat  dir  der  rocken  misstan? 

Auf  diser  erd  mein  herz  begert  W. 

Aus  fremden  landen  kom  ich  her  W. 

Aus  hertem  we  klagt  sich  ein  helt  W. 

Der  kuckuck  hat  sich  tot  gefallen 

Der  mon  der  scheint  so  helle 

Der  morgenstem  hat  sich  aufgeschwungen  \V. 

Der  spiLnan  aus  der  Wirtenberg 

Der  unfal  reit  mich  ganz  und  gar  W. 

Der  wechter  der  blies  an  den  tag 

Der  winter  ist  uns  vergangen 

Die  brünlen  die  tun  fließen  W. 

Die  not  hat  mich  getrungen 

Die  weit  die  hat  ein  dumimen  mut  W. 

Dort  hoch  auf  einem  berge  W. 

Ein  blümlein  stet  auf  der  beide  W. 

Ein  megtlein  sprach  nair  freuntlich  zu  W. 

Entlaubet  ist  der  walde 

Es  get  ein  frischer  sommer  daher  —  u.  W. 

Es  gieng  ein  freulein  mit  dem  krug  W. 

Es  giengen  drei  Jungfrauen 

durch  einen  grünen  walt 
Es  reit  ein  reuter  durch  den  walt 
Es  solt  ein  megtlein  frü  aufstan 

drei  uren  vor  dem  tage 


§.  10.  16)  Wckn.  hat  S.  893.  im  „Yerzeiclmiss  der  weltlichen  Lieder**  alpha- 
betisch zusammengestellt  diejenigen  AnfSng'e  weltlicher  Lieder,  deren  Melodien 
nicht  allein  zu  geistlichen  Liedern  benutzt  sind,  sondern  deren  Inhalt  anch 
nmgedichtet  worden  ist.  Dies  iSsst  sich  nur  insofern  billigen,  als  wirklich 
bei  einiind denselben  weltlichen  Liedern  diese  doppelte  Benutzung  statt  findet 
z.  B.  Wckn,  Nr.  676—677  nnd  650. 

28 


414 

Eb  wonet  lieb  bei  liebe  —  u.  W. 

Euer  herz  dunkt  mich  ein  taubhaus  »ein 

Freud  über  freud  W. 

Frölich  bin  ich  aus  herzengrund  W. 

Herzlich  tut  mich  erfreuen  W. 

Hilf  goty  daß  mir  gelinge 

Ich  arm  schäflein  an  grüner  beiden, 

wo  sol  ich  hinne  gan? 
Ich  armer  boß  W. 
Ich  habe  den  mei  mit  blämen 
Ich  habs  gesteh  so  weit  ins  feit 
Ich  habs  gewagt  ganz  unverzagt 
Ich  hatt  ein  stetigen  bälen 
Ich  hatt  mich  unterwunden 
Ich  hört  ein  megdelein  klagen 
Ich  reu  und  klag  W. 

Ich  sach  den  herren  von  Falkenstein  —  u.  W. 
Ich  sag  ade,  wir  zwei  wir  mtißen  scheiden 
Ich  schweig  und  mag  gedenken 
Ich  stAnt  an  einem  morgen  W. 
Ich  wil  ein  neues  singen  W. 
Insbruck,  ich  muß  dich  laßen  W. 
Kuntschaft  mit  dir  W. 
Last  uns  frölich  singen 

wol  heute  zu  diser  frist 
Mag  ich  Unglück  nit  widerstan  W. 
Mein  sinn  seint  mir  durchzogen 
Nach  grüner  färb  mein  herz  verlangt 
Nach  willen  dein  mich  dir  allein  W. 
Nu  hört  mit  fleiß  und  merket  auf 
O  winter  kalt,  wie  manigfalt 
Rosina,  wo  was  dein  gestalt  W. 
Sie  sagt,  ich  solt  sie  trauen 
So  weiß  ich  eins,  das  mich  erfreut, 

das  blümlein  auf  breiter  beiden  W. 
Von  deinetwegen  bin  ich  hie 
Von  erst  so  wöU  wir  singen  W. 
Von  üppiglichen  dingen  W. 
Vor  jenem  walde  da  hört  ich 
Wach  auf,  meins  herzen  schöne 


415__ 

War  ich  ein  wilder  falke 

Wo  ßol  ich  hin,  wo  sol  ich  her, 

wo  sol  ich  mich  hin  keren 
Wol  auf,  gut  gesell,  von  hinnen  W. 
Wolt  ilir  hören  ein  neues  liet, 

was  zu  Münster  ist  geschiet 
Zu  Costenz  was  ein  kaufinan 
Zu  mei  als  uns  die  vögel  singen 

Die  Geschichte  der  Umdichtungen  weiter  zu  verfolgen,  geht 
über  den  Bereich  meines  Buchs.  So  will  ich  denn  in  der  Kürze 
nur  noch  diejenigen  Sammlungen  anfuhren,  die  hier  hauptsäch- 
lich in  Betracht  kommen. 

1.  Gassenhawer,  Reuter  vnd  Bergliedlin,  Christlich,  mora- 
liter,  vnnd  sittlich  verendert,  da  mit  die  bßse  ergerliche  weiß, 
vnnütze  vnd  schampare  Liedlin,  auff  den  Gassen,  Felde,  Häusern, 
vnnd  anderßwo,  zusingen,  mit  der  zeit  abgehen  möchte,  wann 
mann  Christliche,  gfite  nütze  Texte  vnd  wort  darunder  haben 
kondte.  Durch  Herrn  Henrich  Knausten  der  Rechten  Doctor, 
vnd  Keyserlichen  gekrönten  Poeten,  jc.  Cum  Priuilegio  Imperiali. 
Zu  Franckfort  am  Meyn,  1571.  Am  Ende:  Getruckt  zu  Franckfoii; 
am  Meyn,  Bey  Christian  Egenolffs  Erben,  im  Jar  M.  D.  LXXI. 

6  Bl.  Verst.,  64  bez.  SS.  8^  (Ein  Exemplar  im  Besitze 
der  PVau  Bettina  von  Arnim,  eins  in  Breslau,  eins  in  Kassel.) 

Näher  beschrieben  von  Wckn.  Karchenlied  S.  786.,  woselbst 
auch  S.  833  die  Vorrede  und  unter  Nr.  708  -719  zwölf  Lieder 
abgedruckt  sind. 

2.  Nye  Christlike  Gesenge  vnde  Lede,  vp  allerley  ardt 
Melodien,  der  besten,  olden,  Dudeschen  Leder.  Allen  framen 
Christen  tho  nutte,  Nu  erstlick  gemaket,  vnde  in  den  Druck 
gegeuen  Dörch  Hermannum  Vespasium,  Predyger  tho  Stade 
P.  K.  1571.  Am  Ende:  Gedrücket  tho  Lübeck,  dörch  Assuerum 
KrÖger.  M.  D.  LXXI.  (Ein  Exemplar  im  Besitze  des  Prof. 
von  der  Hagen  und  eins  zu  Kassel.)  21»/,  Bogen  in  8®.  ohne 
Blattzahlen.  Beschrieben  Wckn.  S.  787,  und  daselbst  S.  835. 
die  Vorrede  und  unter  Nr.  693  —  707.  fänfzelm  Lieder.  Vgl. 
Kinderling  in  Bragur  5.  Bd.  1.  Abth.  S.  20-27. 

3.  Christliche  Reuter  Lieder.  Gestellet  durch  Herrn  Phi- 
lipsen  den  Jüngern  Freiherm  zu  Winnenberg  vnd  Beihelstein, 
jetz    zum    andern   mahl   mit  viel  Newen   Gesängen    vermehrt. 

28* 


416 

Nicht  spott  mit  Gott,  mein  reime  ist.  Wollt  Gott  solchs  thet  ein 
jeder  Christ. 

Der  reVter  Weis  VnD  gVt  gesang 
Haben  vor  Gott  ein  anDem  Klang, 
(ein  Ritter  in  Harnisch  mit  einer  Fahne.) 
Zu  Straßburg,  bei  B.  Jobin.  1586. 

12«.  3  Bl.  Verst.,  105  bez.  SS.,  dann  noch  17  Bl.  am  Schlüsse. 
(In  Göttingen  ein  Exemplar  mit  der  eigenhändigen  Namensschrift 
des  Freiherm  zu  Winnenberg.) 

4.  Hundert  Christliche  Haußgesenge.  Nürnberg  durch 
J.  Köler  o.  J.  8».    S.  Koch  Compendium  2,  47.  87.  88. 

5.  Geistliche  Lieder  und  Gesänge,  aufgesetzt  von  Franz 
Siegfried  Gottlieb  Fischer,  Fast.  Jun.  zu  Osselse  und  Ingenheim. 
Hildesheim  1757.  8®.  S.  darüber  Neue  Berlin.  Monatsschrift 
X.  Bd.  S.  18—41. 


§.  11. 
1.     Weihnachtslieder  beim  Kindelwiegen. 

Schon  im  IV.  Jahrhimdert  wurde  von  der  abendländischen 
Kirche  das  Weihnachtsfest  eingeführt.  In  Deutschland  fand  es 
erst  später  Eingang,  da  erst  im  IX.  Jahrhundert  das  Kirchen- 
jahr mit  Weihnachten  beginnt.') 

Bildliche  Darstellungen  der  Geburt  Christi  waren  schon 
frühzeitig  in  den  Kirchen  Frankreichs  üblich.  Zu  ßouen  wurde 
nach  dem  Te  deum  am  heiligen  Weihnachttage  die  Anbetung 
der  Hirten  also  gefeiert.  Hinter  dem  Altare  ist  eine  Krippe 
erbaut,  darauf  das  Bildniss  der  heil.  Jungfrau.  Vor  dem  Chor 
auf  einer  Erhöhung  steht  ein  Knabe,  welcher  den  Engel  dar- 
stellt, und  verkündet  die  Geburt  Christi.  Durch  die  große 
Thür  des  Chors  treten  die  Hirten  ein  und  gehen  auf  die  Krippe 
zu,  unter  dem  Gesänge:  Fax  in  terris  ff.;  sie.  begrüßen  die 
Jungfrau  und  beten  das  Kind  an.    Vor  dem  Altare  wird  eine 


§.11.  1)  Retibergr  Kirclienge8ehichte  DentschlAnds  2,  790. 


417 

Messe  gelesen;  nachdem  sie  der  Priester  geendet,  wendet  er 
sich  zu  den  Hirten  und  fragt:  Quem  vidistis  pastores?  Die 
Hirten  antworten:  Natum  yidimus.*) 

Diese  kirchlichen  Weflmachtsgebräuche  haben  sich  nicht 
auf  die  gallicanische  Kirche  beschränkt,  sie  finden  sich  auch 
frühzeitig  schon  in  Deutschland. 

In  einer  aus  Tegemsee  stammenden  Münchener  Handschrift 
(Cgm.  715.)  mit  den  Liedern  des  Mönchs  von  Salzburg  heißt 
es  Bl.  4*:  Zu  den  Weihnachten  der  fröhliche  Hymnus  A  solis 
ortus  cardine,  und  so  man  das  Kindel  wiegt  über  das  Besonet 
in  laudibus,  hebt  unsere  Frau  an  zu  singen  in  einer  Person: 

Joseph,  lieber  NeflFe  mein! 
so  antwortet  in  der  andern  Person  Joseph: 
Gerne,  liebe  Muhme  mein! 
Danach  singet  der  Chor  die  andern  Verse  in  einer  Dienerweise, 
danach  den  Chor.  — 

In  der  Kirche  also  war  eine  Wiege  aufgestellt,  an  der 
Maria  saß.  Sie  fordert  Joseph  auf  das  Kind  zu  wiegen.  Dieser 
erklärt  sich  dazu  bereit.  Der  Chor  stimmt  ein  frommes  Weih- 
nachtslied an. 

f   Nr.  246, 

1.  Joseph,  lieber  neve  mein, 
hilf  mir  wigen  mein  kindelein, 
daß  got  müeß  dein  loner  sein 
in  himelreich, 

die  reine  mait  Maria. 

2.  Gerne,  liebe  mueme  mein! 

ich  hilf  dir  wigen  dein  kindelein, 
daß  got  müeß  mein  loner  sein 
in  himelreich, 
du  reine  mait  Maria. 

3.  Es  selten  alle  menschen  zwar 
mit  ganzen  freuden  komen  dar, 
da  man  fint  der  seien  nar, 

die  uns  gebar 

die  reine  mait  Maria. 


§.  11.  2)  Edni.  Martene  de  antiquis  ecclesiae  ritlbus  lib.  IV.  cap.  12.  §.  ItL 
Ygl.  Weinhold  Weihnacht-Spiele  und  Lieder  S.  47. 


418 

4.  Uns  ist  geborn  Emanuel, 
als  vor  gekünt  hat  G-abriel, 
des  ist  gezeug  Ezechiel, 

0  frones  el, 

dich  hat  geborn  Maria. 

5.  Ewiger  vater,  ewigs  wort, 

got  vater  mensch,  der  tugendo  hört 
in  himel,  in  erde,  hie  und  dort, 
der  Salden  port, 
den  uns  gebar  Maria. 

6.  O  süeßer  Jesus  außerkom, 

du  weißt  wol  daß  wir  wani  verlorn, 

süen  uns  deines  vater  zom, 

dich  hat  geborn 

die  reine  mait  Maria. 

7.  Ü  kleines  kint,  o  großer  got, 
du  leidest  in  der  krippen  not, 
der  sunder  hie  verhandelt  hot 
der  himel  brot, 

das  uns  gebar  Maria. 

Unter  den  Liedern  des  Mönchs  von  Salsbarg  im  Cod.  germ.  Monac.  715, 
Altd.  Blätter  2,  341.  Im  Register  dieser  Hs.  steht  folgende  Bemerkung, 
woraus  hervorgeht,  dass  das  Ganze  ein  Zwiegesang  mit  Chor  war: 

'Za  den  Weihnachten  der  fröleich  hymnus:  A  solis  ortus  cardine,  und 
80  man  das  kindel  wigt  tiber  das  Resonet  in  landibns  hebt  unser  frau  an  ze 
singen  in  einer  person:  Joseph,  lieber  neve  mein.  So  antwort  in  der  andern 
person  Joseph :  Geren,  liebe  mueme  mein.  Damach  singet  der  kor  die  andern 
vers  in  einer  diener  weis,  darnach  den  kor.* 

Hs.  3,  3.  der  aklden  nar  —  3,  4.  den  tm«. 

Ziemlich  allgemein  muss  zu  Ende  des  XIV.  Jahrhunderts 
das  Kindelwiegen  in  den  Kirchen  Deutschlands  üblich  gewesen 
sein.  Der  obige  Text  findet  sich  etwas  abweichend  noch  in 
einer  andern  Handschrift  mit  einigen  Bemerkungen,  wie  der 
Wechselgesang  gehalten  werden  soll.«) 


§•11.  3)  Nach  einer  Mittheilung  des  Herrn  Dr.  F.  Zamcke.     Lejser  hatte 
in   seiner  Mittheilung    desselben   Liedes   (Mone   Anzeiger  4,   44.)   Str.  1.  2. 
weggehissco,  so  wie  die  lateinischen  Sätze,  und  beginnt  das  Lied: 
Nu  freu  dich,  cristenliche  schar. 


419 

f  Nr.  247. 

1.  Joseph,  lieber  neve  min, 
hilf  mir  wigen  das  kindelin, 
daß  got  müeße  din  loner  sin 
in  himelrichy 

der  meide  kint  Maria. 

2.  Qeme,  liebe  mueme  min, 

ich  hilfe  dir  wigen  din  kindelin 
daß  got  müeße  min  loner  sin 
in  himelrichy 
der  meide  kint  Maria. 

3.  Nu  freu  dich,  cristenliche  schar! 
der  himelische  kunig  klar 

^  nam  die  menschheit  offenbar, 
den  uns  gebar 
die  reine  mait  Maria. 

Tcme  chorns:  Sunt  impleta.  Tone  iteram:  Nobis  rez  apparmt,  per  ordi- 
nem  cum  iBto  versu:  Quia  viderant.  Post  boc:  Magnum  nomen.  Tunc 
nlterius:  Christus  natus  hodie.  Tone  Maria:  Joseph)  lieber  nere  min. 
Joseph  respondit:  Gerne,  liebe  mneme  min.     Servus  Joseph: 

Daum  folgt  8tr.  3. 

Tone  choms:  Sont  impleta.  Tone  cantiones:  Nobis  rex  appanüt.  Tanc: 
Qnod  pasti.  £t  itemm:  Magnnm  nomen.  Tunc  soquitor:  Natas  est 
Emanuel.  Maria:  Joseph,  lieber  neve  min.  Joseph:  Gerne,  liebe  mueme 
min.    Senms  Joseph: 

Dcmn  folgt  die  4.  Sir.  8o  geht  es  fort.  Der  Wechsel  der  Gesänge  bleibt 
derselbe,  nur  statt  der  gesperrten  werden  andere  gewähU  und  der  Servus  singt 
immer  eine  neue  Strophe. 

So  in  derHs.  1305  der  Leipziger  Univ. -Bibliothek.  Die  übrigen  Strophen 
(mit  Str.  8  dieser  Nr.  beginnend)  sind  bereits  f  Nr.  66.  S.  164  als  besonderes 
Weümachtslied  mltgetheilt,  was  es  auch  wol  gewesen  sein  mag,  obschon 
ich  durch  Lejver  sn  dieser  Annahme  früher  verführt  worden  bin. 

Das  Bandelwiegen  in  der  Eorche  war  ein  willkommener 
Anlass  zum  Dichten  und  Singen.  Eb  sind  gewiss  im  Anfange 
des  XV.  Jahrhunderts  viele  Lieder  der  Art  entstanden,  die  in 
den  Mimd  des  Volks  übergingen,  später  nicht  weiter  aufge- 
zeichnet wurden  und  sich  dann  verloren.  Manche  waren  oder 
wurden  Bestandtheile  der  Weihnachtspiele  und  erhielten  sich 
länger.  Dazu  scheint  mir  der  folgende  Wechselgesang  zu  ge- 
hören: Str.  2.  4.  6.  8.  12.  wurde  vom  Chor  gesungen. 


420 

f  Nr.  248. 

Do  Gabriel  der  engel  klar 
von  himelreich  gesendet  wart, 
do  er  die  mait  alleine  vant, 
got  sei  mit  dir!  sprach  er  ze  hant, 
Maria. 

Sausa  minne,^)        gotes  minne! 

nu  Bweig  und  ru! 

wenn  du  wilt,  so  wellen  wir  deinen  willen  tftn. 

hochgelobter  edler  ftirst,  nu  sweig  und  wein  auch  nicht. 

tuste  das,  so  wiss  wir  daß  uns  wol  geschieht 


§.11.  4)  Die  Hymnologen  haben  sich  von  jeher  viel  mit  diesem  Snaoninne 
zu  schaffen  gemacht,  und  bald  Lnthem  zu  entschuldigen,  bald  eine  Erklärung 
zu  geben  versucht.  D.  Q.  Schöber  sagt  in  seinem  Beytrag  zur  Lieder-Historie 
1759.  S.  122.  „ —  maßen  sausen  so  viel  als  schlafen,  schlummern,  und 
Ninna,  Kindlein  bedeute.  Es  heißet  also  so  viel  als  Schlaf  Eindlein; 
dahero  auch  beym  Einwiegen  der  Kinder  und  bey  gemeinen  Leuten  an 
einigen  Orten :  Schlaf  Kindlein  schlaf,  oder:  Sause  liebe  Ninne  was  ff.  gesun- 
gen wird.  Die  Spanier  haben  auch  noch  das  Wort:  Niäo,  Ninos,  Kind,  Kinder 
in  ihrer  Sprache."  Ph.  Wackeraagel  folgt  dieser  Erklärung  (Luthers  Geist- 
liche Lieder  S.  162.)  und  führt  zur  Bestätigung  (Kirchenlied  S.  871.)  das 
niederdeutsche  Wiegenlied  an:  Suse,  lewe  Ninne,  wat  raschelt  im  Stro. 

Die  Lesart:  sausa  minne  in  unserm  alten  Liede  von  1422  führt  zu 
der  einzig  richtigen  Erklärung.  Minne  ist  in  der  Anrede  mhd.  und  nml. 
Liebchen,  s.  meine  Anmerk.  zu  Floris  ende  Blancefloer  299.  (Hör.  belg. 
III,  116.)  In  der  tändelnden  Sprache  der  Ammen,  Kindermädchen  und 
Mütter  wurde  dies  minne  zu  ninne.  Sause  ist  Interjectiou,  holländisch 
noch  jetzt  «im,  atts  sus,  niederd.  ttbs  tu»,  dän.  tys^  beim  Einwiegen  der  Kinder 
unser  jetziges  susu;  daher  denn  das  Verbum  emgaußen  ein  Kind,  infantem 
dormire  facere  sibilando,  canendo  Frisch  Wb.  2,  1531^.,  holl.  9Usaen,  Beim 
Teuthonista  1475 — 77.  jfßuysen.  toeghen,  Omiare,  Susttrrctre,  ModiUari. 
Orepimdiare.^^  Ninne  finde  ich  nur  noch  in  der  Aachener  Kindersprache, 
da  heißt  Nina  die  Wiege,  und  ninanen  schlafen.  Das  Suse  hat  sich 
lange  erhalten:  Witzel  Psaltes  ecclesiast.  1550.  Bl.  62*.  Sussa  liebe  Nenna. 
Kölner  GB.  1619.  Anhang  Bl.  11  und  1628.  S.  55:  Nun  seuß,  nun  seuß, 
mein  liebes  Kind!  Corner  GB.  1625.  Nr.  88.  hat  dafür:  Nu  sauß,  nu  sauß, 
mein  liebes  Kind !  Es  war  weiter  nichts  als  ein  Laut  zum  Schweigenmachen 
und  Einlullen  des  Kindes:  stille  stille!  In  meiner  niederL  Liederhs.,  jetzt 
Cod.  Berol.  Ms.  germ.  8».  190: 

£n  trinitatis  speculum  etc. 

zuy  wel  lieue  nynne. 


421 

Do  sie  die  botschaft  gar  vemam, 
des  engels  red  sie  ser  erkam, 
sie  sprach:  die  red  ist  mir  unkunt. 
got  sei  mit  dir  an  diser  stunt, 
Maria. 

Uns  ist  gebom        und  außerkom 

ein  werdes  kint 

loben  es  alle  menschen  die  hie  gesament  sint! 

er  ist  gebom  in  Bethlehem  und  ligt  alhie. 

loben  in  alle  menschen  und  vallen  auf  ire  knie! 

Der  engel  sprach:  ich  bins  sein  bot 
von  himelreich  an  allen  spot: 
ich  sag  dir  daß  du  swanger  wirst 
eins  kindes  des  die  werlt  ist, 
Maria. 

Jung  und  alt        und  wolgestalt 

ist  das  kint, 

elter  denn  sein  muter  und  alle  menschen  sint. 

er  ist  gewesen  ie  und  ie  und  immer  ist, 

er  ist  geheißen  Jesus  der  vil  heilig  Crist. 

Do  sie  erhört  die  solchen  mär, 
daß  ir  do  got  so  genädig  war, 


In  einem  Liedc  des  Andemachor  6B.  (Köln  1608.)  Nr.  26. 
Quem  nunc  virgo  peperit  cet. 
Verlazuzu  verlazuze  njnno 
und  im  Deutschen: 

Se  8e  Soes  Soes  Soes 
Schlaf,  mein  liebes  Kindelein! 
Ein  früheres  süsft  muss  vorhanden  gewesen  sein.  Das  süsft  des  ^r. 
Wemher  M8.  2,  164^.  v.  d.  Hagen  2,  233l>.  (süsft,  wie  wnnnecliche  der  von 
.CBsterriche  vert!)  scheint  aber  eher  hei&,  unser  jetziges  sassa  zu  bedeuten. 
Die  jüngsten  Spuren  sind  in  unsem  Volksliedern  enthalten.  Lausitzisch  Pripe 
ninne  sause  Erk  Volksl.  2.  Bd.  3.  Heft  Nr.  4.,  hessendarmst.  Sause,  Eingehe, 
sause  das.  3.  Bd.  1.  Heft  Nr.  7.,  märkisch  Suse,  lewe  suse  das.  1.  Bd.  2.  Heft 
Nr.  60.  und  Suse,  Jusken,  suse  das.  1.  Bd.  5.  Heft  Nr.  61.,  und  westphftlisch 
Suse,  Kindken,  suse  2.  Bd.  3.  I^eft  Nr.  8. 

Ein  Wiegenlied  hieß  deshalb  früher  Sausaninna.  Ein  Breslauer  Voca- 
bularius  ▼.  J.  1422  hat  ^^Festoninca  eyn  tDygenlü  sc.  zatosanifna.*^  Für 
fesUminca  hat  ein  anderer  fe$eennia. 


422 

sie  sprach:  ich  bins  gots  dimleiii, 
an  mir  geschehe  der  wille  dein. 
Maria. 

8.  Von  Maria  kam        der  hoche  nam 
Emanuel, 

als  uns  hat  verkünt  der  engel  Gabriel. 

er  ist  uns  erschinen  heut  in  Israel: 

wisst  daß  wir  nit  großers  küngs  kunten  erweln. 

9.  Und  do  das  kintlein  wart  gebom^ 
das  im  got  hat  selber  außerkom, 
do  kamen  dar  der  engel  spil 
und  heten  freud  und  kurzweil  vil. 

Maria. 

10.  Jung  und  alt        und  wolgestalt 
ist  das  kint, 

elter  denn  sein  muter  und  alle  menschen  sint. 
er  ist  gewesen  ie  und  ie  und  immer  ist, 
er  ist  geheißen  Jesus  der  vil  heilig  Crist. 

11.  Das  kintlein  in  der  krippen  lag 
die  langen  nacht  unz  den  tag. 

wer  was  die  frau  die  da  pflag  sein? 
das  was  die  here  künigein 
Maria. 

12.  Sausa  minne,  gotes  minne  etc. 

sicut  prius. 

Explicit 
Cod.   germ.   Monac.   444.   vom   J.  1422.     »Das   ist   das   tewtz   magniim 
nomen*<.^)     (Mittheil,  der  DD.  F.  Zarncke  and  Q.  Scherer.) 


§.11.  6)  Das  lateinische,  welches  ebendaselbst  rorhergeht,  lautet  also: 

1.  Magnum  nomen  domini 
Emanuel, 

quod  annunciatum  est 

per  Gabriel. 

hodie  apparuit,  apparuit 

in  Israel. 

per  Mariam  yirginem 

6st  natos  rez.  etc. 

2.  Sunt  impleta 

quae  praedixit  Gabriel, 
eia  eia! 


423 

Der  Gebrauch,  auf  Bolche  Weise  das  Weihuachtsfest  in 
den  Kirchen  zu  feiern,  war  zu  Anfange  des  XVI.  Jahrhunderts 
in  Deutschland  wol  ganz  allgemein.  Von  den  Franken  erzählt 
Johann  Boemus  im  Jahre  1520:  Wie  freudig  nicht  nur  die  Geist- 
lichkeit, sondern  auch  das  ganze  Volk  den  Geburtstag  Jesu 
Christi  begeht,  lässt  sich  daraus  abnehmen,  dass  vor  einer  auf 

vir^o  'de um  genuit, 
ut  divina  volait 
clemencia.  etc. 
-    3.    ReBonet  in  laadibus 

cum  iocondis  plauaibus 
Syon  com  fidelibus. 
apparoit  qaem  genuit 
Maria,  etc. 

4.  Paeri  concinite, 
nato  regi  psallite, 
▼oce  pia  dicite! 
apparoit  quem  gennit 
Maria. 

5.  NatoB  est  Emanuel, 
quem  praedixit  Gabriel, 
testis  est  Esechiel. 
appantit  qaem  genuit 
Maria,  etc. 

6.  Inda  cum  cantoribus 
trade  te  de  foribos, 
nuncia  pastoribos: 
apparuit  quem  genuit 
Maria. 

7.  Genitori  gloria, 

lauB  patri  in  yictoria 
perpeti  memoria! 
apparuit  quem  genuit 
Maria. 

8.  £t  TOS  onanimiter 
praeclamamuB  dulciter: 
ipse  piuB  arbiter 
apparuit  quem  genuit 
Maria. 

Hs.  1,  8.  magmu  (fUr  n(xtUH)  —  3,  2.  plaudibus  ~  4,  2.  spaUüe  — 
—  6,  !J.     tracCe  de  f.  (Mittheil.  Dr.  G.  Scherer's.) 


424 

dem  Altare  aufgestellten  Puppe,  welche  den  Neugebomen  vor- 
stellen soll,  Jünglinge  und  Mägdlein  Reigentänze  springen, 
während  ältere  Leute  singen,  aber  freilich  nicht  viel  anders  als 
wie  einst  die  Corybanten  in  der  Höhle  des  Berges  Ida  um  den 
schreienden  Jupiter  nach  der  Mythe  getobt  haben  sollen«). 

Mit  diesem  Zeugnisse  des  Boemus  stimmt  auch  was  Witzel 
in  seinem  Psaltes  ecclesiasticus  (Köln  1550)  Bl.  163*  von  den 
Weihnachtsspielen  berichtet.  Unter  exhibieren  versteht  er 
bildliche  Darstellung  mit  Gesang  und  so  wurde  die  Geburt 
Christi  exhibiert. 

'Erstlich  wird  am  heiligen  Christtage  an  etlichen  Örtem 
exhibiert,  beide  in  der  heiligen  Nacht  und  des  Abends  zum 

In  Corner  GB.  1625.  Nr.  59,  nnr: 

Mftgnum  nomdn  domini 

Emanael, 

quod  annnntiatam  est 

per  Gabriel. 

hodie  apparoit,  apparoit 

in  Israel 

per  Mariam  virginem 

in  Bethlehem. 

eia  eial 

vii^o  denm  genuit 

sicnt  diyina  Toluit 

dementia. 

gaudete,  gaudetol 

Christas  natus  hodie, 

gaudete,  gandete! 

ex  Maria  virgine. 
Vgl.  bei  Wckn.  Nr.  47  den  späteren  Text. 
§.  11.  6)  loannes  Boemus   de   omniam   gentium  ritibus   (Aug.  Vind.   1520. 
fol.)  Bl.  LVnib. 

In  triam  quintarum  feriarum  noctibus,  quae  proxime  domini  nostri  nata- 
lem  praecedimt,  utriusqne  sexus  pueri  domesticatim  eunt  iannas  pulsitantes 
cantantesque  futurum  salvatoris  exortum  annunciant  et  salnbrem  annum,  unde 
ab  bis  qui  in  aedibus  sunt  pyra  poma  nuces  et  nummos  etiam  percipiunt. 
Quo  Christi  Jesu  natalem  gaudio  in  templls  non  clems  solum  sed  omnis  po- 
pulus  excipiat,  ex  hoc  attendi  potest,  quod  pnerili  statuncula  in  altare  collo- 
cata,  quae  nuper  aeditum  repraesentet,  iuvenes  cum  puellis  per  circuitum 
tripudiantes  choreas  agant,  seniores  cantent  more  haud  multum  ab  eo  quidem 
diverse,  quo  Coiybantes  olim  in  Ideae  montis  antro  circa  lovem  vagientem 
exultasse  fabnlantur.     (Exemplar  der  Göttinger  Bibl.) 


_425__ 

Vesperlobe;  dardurch  angezeigt  wird  die  selige  Geburt  unsere 
Seligmachers  Christi,  als  mit  der  Repräsentation  des  Städtlins 
Bethlehem y  der  Engel,  der  Hirten,  der  drei  Königen  etc.  da 
auch  die  Knäblin  im  Gesänge  Resonet  in  öffentlicher  Sammlung 
auf  und  nieder  springen  und  mit  den  Händen  zusammen  schla- 
gen, die  große  Freude  anzuzeigen,  welche  alles  Volk  von  die- 
ser Geburt  hat  und  haben  soll.' 

Auch  Sandys')  £uhrt  eine  Stelle  an,  wonach  es  im  XVI. 
Jahrhundert  auf  dem  Festlande  allgemeiner  Gebrauch  war,  dass 
am  Christtage  eine  Puppe  auf  den  Altar  gestellt  wurde,  vor 
welcher  die  Kinder  Weihnachtlieder  sangen. 

Die  Kindelwiegen- Lieder  waren  sehr  volksthümlich  und 
allgemein  bekannt«  So  erklärt  es  sich  denn  auch,  dass  sie  zu 
Umdichtungen  benutzt  wurden.  Ums  Jahr  1523  erschien  im 
Elsass:  ^Das  Kindel  Wiegen,  oder  Wyhenachten  Lied,  den  ver- 
meynten  Geystlichen  zu  Lob  zugericht.  Zu  einem  guten  Jor.<< 
(3  Bl.  12«.)  •) 

Zu  Luthers  Zeit  muss  das  Kindelwiegen  in  den  Kirchen 
noch  ziemlich  allgemein  gewesen  sein.  In  seinem  Liede:  Vom 
Himmel  hoch  da  komm  ich  her,  vom  Jahre  1535,  welches  er 
tiberschrieben  hat:  Ein  Kinderlied  auf  die  Weihenachten  vom 
Kindelein  Jesu,  deutet  die  JL4.  Strophe  hin  auf  den  alten  Kir- 
chenbrauch: 

Davon  ich  allzeit  fröhlich  sei. 

Zu  springen,  singen  immer  frei 

Das  rechte  Susaninne  schon. 

Mit  Herzenlust  den  süßen  Ton. 
Die  beiden  eifrigen  Anbänger  Luther's,  der  Pfarrer  Johann 
Mathesius  in  Joachimsthal  und  sein  Cantor  Nicolaus  Hermann 
suchten  das  ELindelwiegen  aus  der  Eorche  zu  entfernen  und  den 
kindlichen  Gemüthem  durch  passende  Lieder  die  hohe  Bedeu- 
tung  des  festlichen  Tages,  der  Geburt  Christi  begreiflich  und 
heilsamer  zu  machen. 

Johann  Mathesius  verfasste  eine  Umdichtung  des  alten: 
Joseph,    lieber   Joseph    mein,    und    gibt    in    der    Überschrift 


§.11.  7)  In  seinen  Christmaa  Carola  p.  CXX.  nach  Weinhold,  Weihnacht 
Spiele  S.  49. 

8)  A.  Jnng,  Beiträge  sn  der  Geschichte  der  Reformation  (Straißbiu^ 
1830)  8.  78. 


426 

gleich  den  Zweck  an,  den  er  dabei  beabsichtigt:  Ein  Kinder 
Joseph,  nicht  in  der  Kirchen,  sondern  im  Hause  zu  singen, 
die  Christenkinder  mit  zu  schweigen  oder  einzuwiegen,  im  Ton : 
Resonet  in  laudibus«). 

f  Nr.  249. 

1.  O  Jesu,  liebes  herrlein  mein, 
hilf  mir  wigen  mein  kindelein! 
es  sol  zu  Ion  dein  diener  sein 
im  himelreich 

und  in  der  lieben  Christenheit. 

Eia,  eia! 

schlaf  du  liebes  kindelein! 

der  heilig  Christ  wil  bei  dir  sein 

mit  seinen  lieben  engelein 

in  ewigkeit. 

o  mein  liebes  Jesulein, 

du  tröster  mein, 

erfreu  mich  fein 

und  mach  uns  arme  würmelein- 

zu  dienern  dein! 

2.  O  Jesu,  gotes  sönelein 
imd  Marien  kindelein, 

laß  dir  mein  kint  befolhen  sein 

im  himelreich 

imd  in  seim  kleinen  wigelein! 

Eia,  eia! 

schlaf  mein  herzes  kindelein ! 

dein  Christ  bringt  dir  gut  äpfelein, 

baut  dir  ein  schönes  heuselein 

im  himelreich. 

o  du  trautes  Jesulein, 

gots  Icmmclein. 

erbarm  dich  mein 

und  faß  mich  auf  dein  rückelein        ' 

und  trag  mich  fein! 


§.11.  9)  Nach  einem  Fr.  Qntkncchtschen  Drucke  bei  Wckn.  Nr.  478.  In 
demselben  Einzeldmcke  noch  ein  anderes  Wiegenlied  für  ^ttseligre  Kinder- 
meidlein,  Wckn.  Nr.  477. 


427 

3.  0  Jesu,  liebes  brüderlein, 
du  wolst  Emanuelchen  sein 
und  unser  ewigs  priesterlein 
im  himelreich 

und  in  der  lieben  Christenheit! 

Eia,  eia! 

schweig,  du  trautes  kindelein, 

es  beißt  dich  sonst  das  eselein 

xmd  stößt  dich  Josephs  öchselein 

zu  Bethlehem. 

o  du  süßes  Jesulein, 

erhalt  uns  rein 

im  glauben  dein, 

bitt  für  uns  arme  sünderlein 

den  vater  dein! 

4.  Jesus,  das  zarte  kiudelein, 
lag  in  eim  harten  krippelein, 
gewindelt  in  die  tüchelein 
zu  Bethlehem 

im  finstem  stal  beim  öchselein. 

Eia,  eial 

Joseph  kocht  ein  müselein, 

Maria  streichts  irem  sönlein  ein, 

das  küsslein  wermet  ein  engelein 

und  singet  fein. 

o  du  liebes  Jesulein, 

die  unschult  dein 

laß  unser  sein 

und  mach  uns  arme  leutelein 

heilig  imd  rein! 

Dr.  3,  9.  hiiß.  Früher  schon  eu  einem  andern  Zweck  mitgetheilt  Yon 
Christiftn  QotÜieb  G5b  in  seinem  Beitrag  zur  Geschichte  der  Kirchenlieder 
(Stattg.  1784)  8.  61  ff.  ans  dem  Frankf.  GB.  1658.  „Darin  finde  ich,  nebst 
den  schönsten  Kirchenliedern,  yiele  unschickliche  und  elende  Reimen.  Z.  £. 
gleich  nach  der  Litaney  kommt  ein  Wiegenlied,  das  der  Verfasser,  den  ich 
hier  mit  Bedacht  verschweige,  bloß  für  seine  Kindswttrterin ,  aber  gewiss 
nicht  für  ein  Kirchen -Gesangbuch  bestimmt  haben  mag.^ 


428 

Nicolaus  Hermann  dichtete  drei  geistliche  Weihnachts- 
lieder für  die  Kinder  im  Joachimsthal  ><^),  und  übersetzte  Nunc 
angelorum  gloria'>)  und  Omnis  mundus  iucundetur  >*). 

Nicht  überall  mag  jedoch  das  Kindelwiegen  aus  der  evan 
gelischen  Kirche  verschwimden  gewesen  sein,  wenigstens  hat 
noch  Joh,  Walthers  Gesangbuch  (Wittenb.  1544.  Nr.  40.)  das 
alte:  Joseph,  lieber  Joseph  mein"),  mit  lateinischer  Fortsetzung, 
freilich  nicht  mehr  für  Kinder,  denn  es  ist  mehrstimmig  ge> 
setzt.    Es  lautet: 

f   Nr.  250. 

Joseph,  lieber  Joseph  mein, 

hilf  mir  wigen  mein  kindelein ! 

got  der  wirt  dein  loner  sein, 

im  himelreich  der  Jungfrau  kint  Maria. 

Eia,  virgo  Deum  genuit, 

quem  divina  voluit 
dementia. 

nato  regi  psallite, 

voce  pia  dicite! 

sit  gloria  Christo 

nostro  infantulo. 

hodie  apparuit, 

apparuit  in  Israel, 

quem  praedixit  Gabriel, 

est  natus  rex. 
Schober  Zweyter  Beytrag  cur  Lieder  -  Historie  S.  108. 
Während  sich  das  Kindelwiegen  im  XVII.  Jahrhundert  in 
der  katholischen  Kirche  behauptete,  verlor  es  sich  aus  der 
evangelischen  immer  mehr.  Die  dabei  üblichen  Lieder  erhiel- 
ten sich  wol  noch:  so  sang  man  in  Hamburg  noch  das  Joseph, 
lieber  Joseph  mein,  bis  in  den  Anfang  des  XIX.  Jahrhunderts  >*) 
ganz  wie  es  im  Waltherschen  Gesangbuche  steht  (s.  %  Nr.  250.). 


10)  Wckn.  Nr.  483  —  485. 

11)  Wckn.  Nr.  486. 

12)  Wckn.  Nr.  487. 

13)  Aach  in  der  pommerschen  Kirchenordnung  von  1663  steht  es 
noch  unter  den  Weihnachtsliedem,  in  späteren  ist  es  weggelassen,  s.  Mohnike, 
Hymnolog.  Forschungen  I.  S.  XCV. 

14)  Rambach  über  Luthers  Verdienst  um  den  Kirchengesang  S.  146. 


429 

Die  Wiege  mit  dem  Chrietuakinde  war  ans  der  Kirche  ver- 
bamtit;  evangeliscbe  Geistliche  eiferten,  dasa  in  der  katholischen 
Kirche  noch  der  alte  Brauch  der  Ausstellung  des  Christkind- 
leins  in  der  Wiege  bestände. 

Johann  Martin  Hommer  8agt>'):  ^ImPapstthum  memet  man, 
man  habe  dem  Christkindlein  wohl  hofiert,  und  seine  Fröhlich- 
keit zur  Gnüge  sehen  lassen,  wenn  man  eine  Wiege  mit  einem 
hölzern  geschnitzten  Kind  auf  einen  Altar  setzet,  und  hernach 
jung  und  alt,  als  lebendige  Götzen  sich  herum  setzen,  das  Christ- 
kindlein wiegen  und  den  Götzen  ansingen.  Hiermit,  meinen 
sie,  haben  sie  es  wohl  getroffen,  und  mit  ihrem  kindischen 
Susaninne  den  rechten  süßen  Ton  gesungen,  aber  es  ist  Tocken- 
werk  und  Elinderspiel,  ja  im  rechten  Grund  Götzen-  imd  Nar- 
renwerk.' 

Trotzdem  erhielten  sich  in  vielen  evangelischen  Gegenden 
Deutschlands  noch  allerlei  Überreste  der  früheren  Weihnachts- 
feierlichkeiten. Noch  im  Jahre  1739  erschien  deshalb  folgendes 
kön.  preuß.  Rundschreiben  an  die  Kircheninspectoren'«): 

wVon  Gottes  Gnaden  Friedrich  Wilhelm  König  in  Preußen, 
Markgraf  zu  Brandenburg  u.  s.  w. 

Wir  vernehmen  missfäUig,  wie  bisher  noch  der  Gebrauch 
gewesen,  dass  am  Christabend  vor  Weihnachten  Kirche  gehal- 
ten, das  Quem  pastores  gesungen  worden,  und  die  Leute  mit 
Kronen,  oder  auch  Masken  von  Engel  Gabriel,  Knecht  Kupprecht, 
u.  s.  w.  gegangen,  auch  dergleichen  Ahlfanzereien  mehr  getrie- 
ben werden.  Wenn  Wir  aber  solches  Unwesen  nicht  mehr  ge- 
statten wissen  wollen;  so  befehlen  Wir  auch  hiermit  allergnä- 
digst:  den  Tag  vor  Weihnachten  die  sämmtlichen  Kirchen  des 
Nachmittags  schließen  zu  laßen  und  überall  in  Eurer  Inspection 
scharf  zu  verbieten,  dass  so  wenig  die  sogenannten  Christ- 
abend- oder  Christnachtspredigten  weiter  gehalten  noch  das 
Quem  pastores  weiter  gesungen,  oder  dergleichen  bisher  üblich 
gewesene  Ahlfanzereien  mehr  getrieben  werden.  Als  wofür, 
und  dass  solches  nicht  weiter  in  den  Elirchen  geschehe,  Ihr 
responsabel  seyn  sollet.    Sind  Euch  mit  Gnaden  gewogen. 

Gegeben  Berlin,  den  23.  Dec.  1739.« 

§.11.  15)  In  dem  erklärten  Weihnachtgesang   D.  M.  Luthers:    Vom  Him- 
mel hoch  ff.   (Leipzig  1608.  4<>.)  nach  Schobers  Beytrag  I,  125. 

16)  Gedruckt   in    den  Sthlesischen  Provinzial  -  Blättern  1796.  2.  Bd. 
S.  563. 

29 


430 

Die  letzte  Spur  vom  Kindelwiegen  in  der  evaagelischen 
Kirche  y  die  mir  yorgekommen,  ist  der  Tübinger  Brauch ,  der 
noch  vor  zwanzig  Jahren  bestand.  In  der  Christnacht  am  zwölf 
wurde  nämlich  auf  dem  Thurme  der  Tübinger.  Hauptkirche  in 
einer  kleinen  mit  Lichtem  umstellten  Wiege  das  Bild  des  Jesus- 
kindes gewiegt,  während  die  Musik  den  Choral:  Ehre  sei  Gott 
in  der  Höhe,  blies.  Das  unten  versammelte  Volk  sang  darauf 
ein  weltliches  Wiegenlied"). 

In  der  katholischen  Kirche  dagegen  erhielt  sich  das  Kin- 
delwiegen. Joseph y  lieber  Joseph  mein!  wurde  einzeln  imd  in 
Verbindung  mit  andern  Liedern  gesungen;  auch  bei  den  neue- 
ren Weihnachtspielen  ist  es  mit  eingewebt  ■"). 

Daneben  entstanden  im  XVI.  und  XVII.  Jahrhundert  neue 
Wiegenlieder,  die  in  verschiedene  Gesangbücher  tibergingen. 
Dahin  gehören  z.  B. 

f  Nr.  251.  A. 
Psallite  unigenito, 
Christo  dei  filio. 
psallite  redemptori 
domino  puerulo 
iaccnti  in  pracsepio. 
Singt  imd  klingt 
Jesu  Gottes  Kind 
Und  Marien  Söhnelein, 
Unserm  lieben  Jesulcin 
Im  Krippelein 

Beim  Öchslein  und  beim  Eselein! 
Ein  kleines  Kindelein 
Liegt  in  dem  Krippelein. 
Alle  liebe  Engelein 


§.11.  17)  £.  Meier  Sagen  aus  Schwaben  8.  464.  —  Bei  dieser  (belegen- 
heit  muss  ich  noch  eines  alten  Brauches  gedenken,  wie  das  Christfest  in  dem 
eTAngel.  Crimmitschau  gefeiert  wurde.  Daniel  Thes.  hymnol.  1, 146.  Anmerk. 
erzahlt  Folgendes:  Crimmitschaviae,  oppidulo  ad  Pleissam  sito,  mos  fuit  ut 
unus  ex  pueris,  habitum  cultumque  imgclorum  rcferens,  coronatoque  capite 
fiine  demitteretur  de  tecto  ecclesiae,  cantans  illud  Lutheri  carmen:  Vom 
Himmel  hoch  da  komm  ich  her.  Neqne  prius  ab  ea  consuetudine  recessum 
est,  quam  aliqüando  accideret,  ut  fünis  rumperettv. 

18)  Weinhold  Weihnacht  -  Spiele  S.  106.  113. 


431 

Dienen  dem  Kindelein. 

Singt  und  klingt 

Jesu  Gottes  Kind 

Und  Marien  Söhnelein! 

Singt  und  klingt 

Unserm  lieben  Jesulein 

Im  Elrippelein 

Beim  Oehslein  und  beim  Eselein! 
Corner  GB.  1625.   Nr.  80.    mit   der  Übersehrüt:    ^Eiii   anders   gar  altes 
Weyhnachtlied".   —    Schon   Kölner  GB.  1610.  Bl.  47.  48.    Sirifft  dem  neuen 
Kindelein  für  Unserm  lieben  Jestdein. 

%  Nr.  251.  B. 

1.  Kommt  her,  ihr  Kinder,  singet  fein! 

Nun  wiegen,  wiegen  wir! 
Dem  allerliebsten  Jesulein. 
Nun  singet  all  mit  Schall 
Dem  Kindelein, 
Dem  lieben  Jesulein, 
Dem  heiligen  Christ, 
Mariae,  Mariae  Sohn. 

2.  Das  neugebome  Kindelein, 

Nun  wiegen,  wiegen  wir! 
Das  liegt  in  einem  Krippelein. 
Nun  singet  all  mit  Schall  etc. 

3.  Bis  uns  wiUkomm,  du  Kindelein  zart! 

Nim  wiegen^  wiegen  wir! 
Wie  liegst  du  hie  so  elend  und  hart! 
Nxm  singet  all  mit  Schall  etc. 

4.  O  liebes  Kindelein  bloß  und  arm. 

Nun  wiegen,  wiegen  wir! 
Dich  unser  aller  heut  erbarm! 
Nun  singet  all  mit  Schall  etc. 

5.  Wir  wollen  dir  auch  hulden  gern. 

Nun  wiegen,  wiegen  wir! 
Als  unserm  lieben  Christ  und  Herrn. 
Nun  singet  all  mit  Schall  etc. 
G.   Mach  mir  dem  Kind  ein  Wiegelein, 
Nun  wiegen,  wiegen  wir! 

29' 


432 

In  unser  Herz  und  Glauben  rein! 
Nun  singet  all  mit  Schall  etc. 

7.  In  aller  Welt  kein  Heiland  ist, 

Nun  wiegen,  wiegen  wir! 
Ohn  dich,  du  Elindlein  Jesu  Christ. 
Nun  singet  all  mit  Schall  etc. 

8.  Hilf  uns,  du  werthes  Kindelein, 

Nun  wiegen,  wiegen  wir! 
Dass  wir  dein  Schwester  und  Brüder  sein! 
Nun  singet  all  mit  Schall  etc. 

9.  Lob,  Ehr  und  Preis,  auch  Herrlichkeit 

Nun  wiegen,  wiegen  wir! 
Sei  der  heirgen  Dreifaltigkeit! 
Nun  singet  all  mit  Schall  etc. 

Andemacher  GB.  1608.  Nr.  8.     Paderborner  GB.  1616.  S.  45->47.  Cor- 
ner GB.  1625.  Nr.  103.     Kölner  GB.  1628.  S.  72—74. 

f   Nr.  252. 

1.  Lobet  und  danket!  dem  Kindelein 
Wollen  wir  singen  und  fröhlich  sein, 
Wiegen  und  tragen  im  Herzen  fein, 
Selig, 

Gnadenreiche  Maria. 

2.  Uns  ist  geboren  ein  Kindelein, 
Ein  Eündelein  mit  klarem  Schein, 
Das  Israel  erlösen  soll 

Von  helscher  Pein, 
Gnadenreiche  Maria. 

3.  Ihr  jungen  Kinder,  singet  her. 
Dem  neuen  König  bringet  die  Ehr, 
Mit  Andacht  lobet  und  preiset  Gott 
In  Ewigkeit, 

Gnadenreiche  Maria. 

4.  Singet  und  lobet  den  Herren  schnell, 
Der  uns  fähret  aus  der  Höll  . 

Und  theil  uns  mit  sein  Himmelreich 

Barmherziglich, 

Gnadenreiche  Maria. 


433 

5.  Joseph  y  lieber  Joseph  mein. 
Hilf  mir  wiegen  mein  Kindelein, 
Gott  soll  dein  Belohner  sein 
Im  Himmelreich: 

Das  bitten  wir  dich  Maria. 
Kölner  GB.  1619  im  Anbaii«r.    Kölner  GB.  1628. 

f  Nr.  253. 
Ein  neues  andächtiges  Kindelwiegen. 

1.  Ein  Kindlein  in  der  Wiegen, 

Ein  kleines  Kindelein, 

Das  gleißet  wie  ein  Spiegel 

Nach  adelichem  Schein^ 

Das  kleine  Eindelein. 
2.    Das  Kindlein  das  wir  meinen. 

Das  heißt  Herr  Jesu  Christ; 

Das  verleih  uns  Fried  und  Einigkeit 

Wol  hie  zu  dieser  Frist^ 

Das  geb  uns  Jesus  Christ. 
3«    Und  wer  das  Kindlein  will  küssen 

An  seinen  rothen  Mxmd, 

Der  muss  zuvor  beichten  und  büßen 

Aus  seines  Herzens  Grund 

Wol  hie  zu  dieser  Stund. 
4.    Und  wer  das  Kindlein  will  speisen, 

Das  kleine  Kindelein, 

Muss  ihm  alls  Guts  beweisen. 

Er  muss  barmherzig  sein 

Mit  Maria  der  Jungfrau  rein. 

6.  Und  wer  das  Kindlein  will  tränken, 
Das  kleine  Kindelein, 

Muss  ihm  seinen  Willen  schenken. 
Er  muss  geduldig  sein 
Mit  Maria  der  Mutter  rein. 
6.   Und  wer  das  Kindlein  will  baden. 
Das  kleine  Kindelein, 
Der  muss  ein  keusches  Herz  haben, 
Muss  leben  keusch  und  rein 
Mit  Maria  der  Jungfrau  rein. 


434 

7.  Und  wer  das  Kindlein  will  wiegen. 
Das  kleine  Kindelein, 

Der  mnss  das  nicht  betrüben^ 

Er  muss  demüthig  sein 

Mit  Maria  der  Jungfrau  rein. 

8.  O  Jesu  liebstes  Kindelein, 
Du  kleines  Ejndelein! 

Wie  groß  ist  es  die  Liebe  dein! 
Sclüieß  in  das  Herze  mein 
Die  große  Liebe  dein! 

9.  O  Maria,  wir  wollen  dich  bitten 
Mit  deinem  lieben  Kind, 

Du  wollest  uns  nicht  verlassen, 
Wollest  allzeit  bei  uns  sein 
Mit  deinem  Eandelein! 

Corneri  GeiBtl.  Nachtigal  (Wieo  1658)    Nr.  79. 

Viele  pflanzten  sich  mündlich  fort,  z.  B. 

f   Nr.  254. 

1.  Laßt  uns  das  Kindlein  wiegen, 
Das  Herz  zum  Kripplein  biegen. 
Laßt  uns  im  Geist  erfreuen, 
Das  Kindlein  benedeien! 

O  Jesulein  süß,  o  Jesulein  süß! 

2.  Laßt  uns  dem  Kindlein  singen, 
Ihm  unser  Opfer  bringen. 
Laßt  uns  ihm  Ehr  beweisen. 
Es  loben  imd  hoch  preisen!  . 

O  Jesulein  ff. 

3.  Laßt  uns  dem  Kindlein  neigen, 
Ihm  Lieb  und  Dienst  erzeigen, 
Laßt  uns  sein  Bettlein  zieren, 
Also  will  sich's  gebüren. 

O  Jesulein  ff. 

4.  Laßt  uns  ein  Feurlein  stechen, 
Dem  Kindlein  Breilein  kochen, 
Des  Zuckers  nicht  vergessen. 
Es  wird  mit  Lüsten  essen. 

0  Jesulein  ff. 


435 

5.  Laßt  UDS  das  Kindlein  speisen. 
Es  wird  uns.  Gnad  beweisen 
Und  zum  Wolleben  füliren. 
Das  Frommen  thut  gebären. 

O  Jesulein  ff. 

6.  Laßt  uns  das  Kindlein  tränken, 
Ihm  Zuckermilch  cinschcDken, 
Es  wird  uns  wol  bedenken, 

In  seine  Freud  versenken! 
O  Jesulein  ff, 

7.  Laßt  uns  das  Kindlein  grüßen 
Und  fallen  ihm  zun  Füßen, 
Laßt's  uns  demüthig  ehren 
Als  unsem  Gott  und  Herren! 

0  Jesulein  ff. 

8.  Laßt  uns  sein  Mündlein  küssen, 
Die  Händlein  mit  den  Füßen! 
Seht  wie  sein  Auglein  fließen 
Und  Pfeil  der  Lieb  ausschießen! 

O  Jesulein  ff. 

9.  Laßt  uns  zum  Kindlein  bücken. 
Sein  nasse  Auglein  trucken, 
Laßt  uns  bei  ihm  erscheinen, 
So  wird  es  nit  mehr  weinen! 

O  Jesulein  ff. 
JO.    Laßt  ims  das  Kind  umfangen! 
Nach  ihm  steht  all  Verlangen. 
Sein  Auglein  laßt  anschauen 
Im  Schoß  der  edln  Jungfrauen! 

O  Jesulein  ff. 

11.  Laßt  uns  »ein  Diener  werden. 
So  lang  wir  seind  auf  Erden! 
Es  wird  uns  wol  belohnen 
Mit  der  himmlischen  Cronen. 

O  Jesulein  ff. 

12.  Laßt  unser  Stimm  erschallen! 
Es  wird  dem  Kindlein  gfallen. 
Laßt  ihm  ein  Freudlein  machen! 
Das  Kindlein  wird  eins  lachen. 

O  Jesulein  ff. 


436 

13.   Laßt  uns   doch  thun  zu  £hi*en 
Was  wir  können  dem  Herren! 
Im  Himmel  wirds  erschallen^ 
Vergelten  wirds  es  allen. 
O  Jesulein  ff, 

Heidelbergrer  GB.  1629.  8.  25-87.  —  Aus  dem  Monde  des  Volks  in 
der  Qra£Bchaft  Glatz  in  onsem  Schlesischen  Volksliedern  Nr.  279.  Ebendaher 
nnd  übereinstimmend  in  Weinhold,  Weihnacht  -  Spiele  und  Lieder  S.  114.  — 
Ebenfalls  mit  letzterem  übereinstimmend  aus  »Neu  auserlesene  Liedlein  (Mün- 
chen 1604)  und  MAinzisch  GB.  von  1628<<  in  (A.  v.  Hoxtbansen)  Geistliche 
Volkslieder  (Paderborn  1860)  Nr.  60.  —  Anderer  Text  (9  Strophen)  in  den 
Geistl.  VolksUedem  Nr.  57. 

f  Nr.  255. 
Dormi  Fili. 

1.  Schlaf,  mein  Kindlein!  schlaf,  mein  äöhnlein! 
Singt  die  Mutter  Jungfrau  rein. 

Schlaf,  mein  Herzlein!  schweig,  mein  Schätzlein! 
Singt  der  Vater  eben  fein. 

Singet  und  klinget,  ihr  Kindelein  klein, 

Dem  süßen,  süßen  Jesulein  I 

Singet  und  klinget,  ihr  Engelein  rein, 

Mit  tausend,  tausend  Herzelein I 

2.  Komm,  mein  Kindlein I  schau  dein  Bettlein, 
Das  für   dich  bereitet  ist! 

Komm  mein  Söhnlein,  in  dies  Elripplein, 
Das  mit  Heu  gestreuet  ist! 
Singet  und  klinget  ff. 

3.  Schließ  dein  Auglein!  deck  dein  Händlein! 
Denn  es  saust  ein  scharpfer  Wind. 
Schlaf,  mein  Kindlein!  dich  dies  Eslein 
Wird  erwärmen  mit  dem  Rind. 

Singet  und  klinget  ff. 

4.  Schlaf,  mein  Ziere,  mein  Begiere! 
Schweig,  daß  sich  dein  Leid  nit  mehr. 
Schlaf,  mein  Sohne!  von  seim  Throne 
Schick  dein  Vater  Engel  her. 

Singet  und  klinget  ff. 
b.    Schlaf,  mein  Leben!  will  dir  geben 
Tausend  keusche  Backenküss 


437 

O  mein  Lüste,  saug  mein  Brüste! 
Saug,  sie  sein  ganz  zuckersüß! 
Singet  und  klinget  ff. 
6.    Schlaf,  mein  Hofinungl  schlaf,  mein  Tröstung! 
Schlaf,   o  Freud  des  Herzen  mein! 
Schlaf,  mein  Wonne!  schlaf,  mein  Krone! 
Schlaf  und  schließ  dein  Augelein! 
Singet  und  klinget  ff. 
Psalterlein  PP.  Soc.  lesu.     Ed.  14.  1659.  S.  74.  76. 
Außerdem  wurden  später  beim  Kindelwiegen  noch  gesun- 
gen zum  Theil   aus  älterer  Zeit   stammende  Übersetzungen   la- 
teinischer Lieder:  En  trinitatis  speculum  (ff  Nr.  163.),   Omnis 
mundus  iucimdetur  (ff  Nr.  180 — 182.)  und  Resonet  in  laudibus 
(f  Nr.  195.). 

Schließlich  noch  ein  Wechselgesang,  der  ursprünglich  zu 
einetai  Weihnachtspiele  gehört.  Ich  bin  im  Stande  ihn  vollstän- 
diger mitzutheilen  als  Weinhold  (Weihnacht-Spiele  S.  114 — 116). 

f  Nr.  256. 

Wechselgesang  Marias  und  Josephs   bei  der 

Geburt  Jesu. 

1. 
Jf.  Joseph,  0  lieber  Joseph  mein! 

Nun  soll  ich  gebären  das  Kindelein. 
J.   Was  isfs,  0  Jungfrau  rein! 

So  muß  im  Stall  sein  Herberg  sein. 
Jf.  Nun  so  sei's,  nun  so  sei's,  Joseph  mein! 

So  müssen  wir  in  Stall  hinein. 
J.   Nun  so  sei's,  nun  so  sei's,  Jimgfrau  rein! 

So  müssen  wir  in  Stall  hinein. 
2. 
Jf.  Joseph,  o  lieber  Joseph  mein! 

Nun  hab'  ich  geboren  mein  liebes  Eündelein. 
J.   Was  isfs,  o  Jungfrau  rein! 

Das  wird  der  Menschen  Heiland  sein. 
Jf.  Nun  so  sei's,  nun  so  sei's,  Joseph  mein! 

So  wird  dies  unser  Heiland  sein. 
J.    Nun  so  sei's,  nun  so  sei's,  Jimgfrau  rein! 

So  wird  dies  unser  Heiland  sein. 


438 

3. 
M.  Joseph,   0  lieber  Joseph  mein! 

Verschaffe  deim  Kindlein  ein  kleines  Wiegelein ! 
J.   Was  ist's,  o  Jungfrau  rein! 

Dort  steht  im  Stall  ein  Krippelein. 
M.  Nun  so  sers,  nun  so  sei's,  Joseph  mein! 

So  legen  wir  das  Kind  darein. 
J.   Nun  so  sei's,  nun  so  sei's,  Jungfrau  rein! 

So  legen  wir  das  Kind  darein. 

4. 
M.  Joseph,  o  lieber  Joseph  mein! 

Erbettle  deim  Kind  zwei  zarte  Windelein! 
J.    Was  ist's,  o  Jungfrau  rein! 

Nimm  hin  ein  schlechtes  Hemdelein! 
M,  Nun  so  sei's,  nun  so  sei's,  Joseph  mein ! 

So  wickeln  wir  das  Kind  dai*ein. 
J.   Nun  so  sei's,  nun  so  sei's,  Jungfrau  rein! 

So  wickeln  wir  das  Kind  darein. 

5. 
M,  Joseph,  0  lieber  Joseph  mein! 

Bereite  deim  Kindlein  ein  weiches  Bettelein! 
J.    Was  ist's,  o  Jungfrau  rein! 

Das  Unterbette  das  Stroh  wird  sein. 
M,  Nun  so  sei's,  nun  so  sei's,  Joseph  mein! 

So  sei  das  Stroh  sein  Bettelein. 
J.   Nun  so  sei's,  nun  so  sei's,  Jungfrau  rein! 

So  sei  das  Stroh  sein  Bettelein. 

6. 
Jlf.  Joseph,  o  lieber  Joseph  mein! 

Erfinde  deim  EJndlein  zum  Haupt  ein  Küsselein! 
J.   Was  ist's,  o  Jungfrau  rein! 

Das  muß  mit  Heu  gefuttert  sein. 
Jlf.  Nun  so  sei's^  nun  so  sei's,  Joseph  mein! 

So  sei  das  Heu  sein  Küsselein. 
J.   Nun  so  sei's,  mm  so  sei's,  Jimgfrau  rein! 

So  sei  das  Heu  sein  Küsselein. 
7. 
Jf.  Joseph,  o  lieber  Joseph  mein! 

Es  frieii;  das  Kindlein  an  Hand'  imd  PüßeJcin. 


439 

J.    Was  isfB,  o  Jungfrau  rein! 

Da  nimm  das  alte  Deckelein! 
M.  Nun  so  sei's y  nun  so  sers,  Joseph  mein! 

So  hüllen  wir  das  Elind  darein. 
J.   Nun  so  sei^Sy  nun  so  sei's,  Jungfrau  rein! 

So  hüllen  wir  das  Kind  darein. 
8. 
Jf.  Joseph,  o  lieber  Joseph  mein! 

Das  Kindlein  zu  tränken  darf  ich  ein  Stühlelcin. 
J.   Was  ist's,  o  Jungfrau  rein! 

Da  liegt  ein  grobes  Ellötzelein. 
Jf.  Nun  so  sei's,  nun  so  sei's,  Joseph  mein! 

So  sitzen  wir  aufs  Ellötzelein. 
J.   Nun  so  sei's,  nun  so  sei's,  Jungfrau  rein! 

So  sitzen  wir  aufs  Klötzelein. 
9. 
Jf.  Joseph,   o  lieber  Joseph  mein! 

Das  Eondlein  zu  speisen  wollt'  ich  ein  Breielein. 
J.   Was  ist's,  o  Jungfrau  rein! 

Da  wird  ein  Mehl  und  Wasser  sein. 
Jf.  Nun  so  sei's,  nun  so  sei's,  Joseph  mein! 

So  sei's  ein  Wasserbreielein. 
J.   Nim  so  sei's,  nun  so  sei's,  Jungfrau  rein! 

So  sei's  ein  Wasserbreielein, 
10. 
Jf.  Joseph,   o  lieber  Joseph  mein! 

Das  Breilein  zu  machen  brauch'  ich  ein  Tiegelein. 
J.   Was  ist's,  o  Jungfrau  rein! 

Da  liegt  ein  altes  Scherbelein. 
Jf.  Nun  so  sei's,  nun  so  sei's,  Joseph  mein! 

So  rühren  wir  den  Brei  darein. 
J.   Nun  so  sei's,  nun  so  sei's,  Jungfrau  rein! 

So  rühren  wir  den  Brei  darein. 
11. 
Jf.  Joseph,  0  lieber  Joseph  mein! 

Das  Breilein  zu  kochen  soll  sein  ein  Feuerlein. 
J.    Was  ist's,  o  Jungfrau  rein! 

Da  liegt  der  Stahl  und  Feuerstein. 
Jf.  Nun  so  sei's,  nun  so  sei's,  Joseph  mein! 

So  machen  wir  ein  Feuerlcin. 


440 

J.   Nun  BO  sei'B,  nun  so  sei's,  Jungfrau  rein! 
So  machen  wir  ein  Feuerlein. 

12. 
M.  Joseph,  0  lieber  Joseph  mein! 

Was  dienet  deim  Kindlein  das  grobe  Ochselein? 
J.   Was  ist's,  o  Jungfrau  rein! 

Es  kennt  im  Kind  sein  Schöpferlein. 
M.  Nun  so  sers,  nun  so  sei's,  Joseph  mein! 

Es  soll  der  Welt  ein  Spiegel  sein. 
J.   Nun  so  sei's,  nun  so  sei's,  Jungfrau  rein! 

Es  soll  der  Welt  ein  Spiegel  sein. 

13. 
if.  Joseph,  0  lieber  Joseph  mein! 

Was  machet  beim  Klippel  das  tummo  Eselein? 
J.   Was  ist's,  0  Jungfrau  rein! 

Es  kennt  des  Herren  Krippelein. 
M.  Nun  so  sei's,  mm  so  sei's,  Joseph  mein! 

Dies  soll  der  Menschen  Lehrer  sein. 
«/.   Nun  so  sei's,  nun  so  sei's,  Jungfrau  rein! 

Dies  soll  der  Menschen  Lehrer  sein. 

14. 
M,  Joseph,  o  lieber  Joseph  mein! 

Der  Stall  ist  ganz  offen,  es  soll  ein  Vorhang  sein. 
J.   Was  ist's,  0  Jungfrau  rein! 

Das  Heil  ist  aller  Welt  gemein. 
M.  Nun  so  sei's,  nun  so  sei's,  Joseph  mein! 

So  schau  die  ganze  Welt  herein. 
J.   Nun  so  sei's,  nun  so  sei's,  Jungfrau  rein! 
So  schau  die  ganze  Welt  hinein. 
Handschriftliche  Aufzeichnung  au«  der  Mitte  des  18.  Jahrhunderts,  wahr- 
scheinlich aus  der  Lausitz,  in  K.  T.  Heinzens  handschr.  Nachlass  der  Bonner 
Univ.-BibUothek. 


441 


2.  Dreikönigslieder. 

An  die  Kindelwiegen- Lieder  Bchließen  sieh  die  des  Drei- 
königsumgangs.  Ursprünglich  waren  auch  diese  wol  nur  Be- 
standtheile  der  Weihnachtspiele  >*),  wie  sie  es  noch  sind  indem 
Dreikönigsspiele  aus  schles.  Reichenbach  (bei  Weinhold  S.  122 
— 124.)  nnd  einem  anderen  ans  Kämthen  (ebendaselbst  S.  129 
— 131).  Was  anfangs  nur  auf  einen  bestimmten  Ort  und  klei- 
nen Kreis  von  Zuschauem  und  Zuhörern  beschränkt  war,  wurde 
bald  von  frommen  Leuten,  welche  das  Dreikönigsfest  bildlich 
darstellten  und  dazu  sangen ,  weiter  verbreitet.  Der  fromme 
Zweck  verlor  sich  mit  der  Zeit  und  der  Dreikönigsumgang 
diente  endlich  nur  noch  zur  Quelle  des  Erwerbs,  und  so  wur- 
den denn  die  singenden  Dreikönigsleute  herumstreichende,  oft 
sehr  lästige  Bettler  und  Stromer. 

Zu  Anfange  dieses  Jahrhunderts  zogen  noch  die  Stemsän- 
ger  oder  Stemdreher,  wie  man  sie  nannte,  im  Lande  umher; 
doch  nicht  mehr  zu  so  allgemeiner  Belustigung  der  Alten  und 
Jungen,  wie  früher.  Ihre  Scherze  und  Lieder  waren  plumper 
und  gemeiner*")  geworden,  die  Welt  aber  feiner  imd  anständi- 
ger; man  ward  also  der  Stemdreher  allgemach  überdrüssig, 
imd  da  sie  überhaupt  nichts  brachten,  wie  es  die  biblischen 
heiligen  drei  Könige  doch  thaten,  sondern  nur  Geschenke  hol- 
ten oder  auch  wol  dies  und  das  heimlich  mitgehen  hießen,  so 
hielt  man  ihre  Umzüge  fiir  unnütz  und  gefährlich.  Die  Klagen 
darüber  wurden  immer  lauter,  und  die  Behörden  sahen  sich 
endlich  veranlasst,  alle  Stemdreherei  streng  zu  verbieten >i). 

In  Norddeutschland  hat  sich  nichts  mehr  davon  erhalten 
als  die  Jugenderinnerung  einiger  alten  Leute  und  etwa  ein 
Bruchstück  jenes  Liedes,   welches   die  Stemdreher  zu  singen 


§.11.  19)  BrachstUcke  finden  uch  sncli  in  Liedern,  z.  B.  in  einem  Wech- 
selgesange  des  Christkindes  nnd  des  Engels,  mündlich  ans  Schlesien  in  Erk, 
VolksUeder  2.  Bd.  2.  Heft  Nr.  40. 

20)  Bo  heü^t  es  in  einetn  Liede  im  Wunderhom  3,  31. 

Ei  möagst  er  kiii  Käs,  so  frässet  e  Dreck, 
Und  sch&rt  i  ins  Teufels  paar  Daza  a  weg! 
Und  do  mer  sin  komme  ühers  StädÜe  hinaus, 
Denke  mer,  blos  es  der  Herodes  da  Hobel  fein  aus. 

21)  Denkwürdigkeiten  der  Mark  Brandenburg  VI.  Bd.  1798.  8.  1368 
—1873. 


442 

pflegten.  In  Süddeutschland  hat  der  alte  Brauch  noch  nicht 
ganz  aufgehört. 

In  Schwaben  sind  die  drei  Könige  drei  angeputzte  Knaben, 
der  Mohrenkönig  mit  geschwärztem  Gesicht,  einer  trägt  den 
Stern,  welcher  durch  eine  Haspel  gedreht  werden  kann**).  In 
Tirol  gehen  drei  Knaben  umher  in  weißen  Hemden  und  Gold- 
papierkronen, der  Mohrenkönig  trägt  den  Stern»»).  In  Baiem 
zeigen  sich  auf  dem  Lande  in  den  zwölf  sogenannten  Gebnäch- 
ten je  drei  Könige,  ^die  aber  nicht  geben,  sondern  empfangen 
wollen^',  imd  singen  unter  Vortragung  eines  goldpapiemen  Ster- 
nes vor  den  Thüren»*).  Auch  in  Oberkämthen  ziehen  noch 
die  Stemsinger,  welches  die  Kirchensänger  sind,  herum  und 
daneben  noch  weltliche  Sänger,   die  Tölggersinger»*). 

Zur  Erläuterung  diene  noch  die  Beschreibung,  wie  es  die 
Stemdreher  in  Thüringen  machten:  ^Drei  junge  Bursche,  welche 
sich  auf  gemeinschaftliches  Verdienst  vereinigt  haben,  sind  mit 
langen  weißen  Hemden  bekleidet,  die  ein  mit  Goldpapier  über- 
zogener Gürtel  zusammenhält;  gleichfalls  mit  Goldpapier  über- 
zogene breite  Wehrgehänge  hangen  über  den  Schultern  und 
tragen  entweder  hölzerne  oder  vom  Militär  geborgte  Säbel. 
Ihrer  zwei  fuhren  vergoldete  Spieße  in  den  Händen,  und  der 
dritte  trägt  den  sogenannten  Stern*").  Einer,  welcher  den 
Mohrenkönig  vorstellt,  ist  an  Händen  und  im  Gesicht  geschwärzt, 
hat  einen  auf  allerlei  Art  gezierten  Turban  auf,  und  über  die- 
sem, um  die  königliche  Würde  besser  zu  behaupten,  gewöhnlich 
einen  langen  steifen  Zopf  (die  beiden  andern  gleichfalls) 
und  zackigte  ELronen  von  vergoldetem  Papier. 

Der  sogenannte  Stern  besteht  aus  einer  Stange  und  einem 
darauf  befestigten  Brett.  Auf  dem  Brett  steht  im  Hintergrund 
eine  Art  von  Schloss,  das  mit  Gold  und  Buchsbaum  reichlich 
verziert  ist;  auf  der  einen  Seite  ist  eine  buchsbaumene  Laube, 
in  welcher  die  kleinen  drei  Könige  so  lange  verborgen  stehen, 


§.11.  22)  E.  Meier  in  seinen  Sagen,  Sitten  und  Gebräuchen  aus  Schwaben 
S.  469—471. 

23)  Adolph  Pichler  Über  das  Drama  des  Mittelalters  in  Tirol  S.  8. 9. 

24)  Schmeller  Wörterbuch  3,  658. 

26)  Weinhold  Weihnacht -Spiele  S.  128. 

26)  Journal  von  und  für  Deutschland  VI.  Jahrg.  1789.  1—6.  Stück 
8.  156  — 158  und  danuch  durch  Vulpius  in  den  CuriositHten  VII.  Bd. 
S.  132—137. 


448 

bis  das  Lied  ihre  Erseheinimg  verlangt;  an  der  andern  Seite 
ist  der  Stall  mit  Joseph^  Maria  und  dem  Kindlein  in  der  Krippe 
in  Gesellschaft  eines  Ochs-  und  Eseleins.  Im  Schloss  selbst 
ist  in  der  Mitte  ein  großes  Fenster,  hinter  welchem  Herodes, 
gewöhnlich  mit  einem  braunrothen  fürchterlichen  Gesicht,  das 
eine  große  schwarze  Perücke  ziert,  steht.  Alle  Figuren  sind 
durch  Schnüre  etwas  beweglich,  und  werden  von  denen  auf 
beiden  Seiten  postierten  Königen  zu  seiner  Zeit  in  Bewegung 
gesetzt. 

An  der  Stange  ist  ein  großer  vergoldeter  mit  Erbsen  ge- 
füllter Stern  von  Pappendeckel  befestigt,  den  der  Stemhalter 
herumdreht,  und  das  Ganze  wird  durch  drei  vier  Lichterchen 
erleuchtet. 

Das  Lied  lautet  folgendermaßen  : 

f  Nr.  257. 

Alle. 
Wir  kommen  daher. aus  fremdem  Land.  « 
Einen  guten  Abend  den  geb  euch  Gott! 
Einen  guten  Abend,  eine  fröhliche  Zeit, 
Die  uns  der  Herr  Christus  mit  Freuden  bereit 

Der  Mohr  allein. 
Ich  bin  der  König  aus  Mohrenland, 
Jetzt  komm  ich  aus  Egyptenland. 

AOe. 

Caspar,  Balzer,  Melchor  dar, 

Wir  treten  zusammen  auf  einen  Saal. 
Jetst  kommen   die  kleinen  drei  Könige   nus  ihrer  Hütte  bis  unter  Hero- 
des  Fenster  spaziert. 

Wir  treten  zusammen  vor  Herodes  Haus, 

Herodes  schaut  zum  Fenster  heraus. 
Jetst  streckt  Herodes  den  Kopf  heraus  und  nickt  zuweilen. 

Herodes  sprach:    wo  wollt  ihr  hin?  — 

Nach  Bethlehem  steht  unser  Sinn, 

Nach  Bethlehem  in  Davids  Stadt, 

Wo  das  Kind  Jesus  geboren  wai'd. 

Der  Mohr  allein. 
Herodes  sprach:  kommt  rein  zu  mir! 
Ich  will  euch  geben  Wein  und  Bier, 


444 

Ich  will  euch  geben  Heu  und  Streu, 
Ich  will  euch  geben  die  Zehrung  frei. 

Aüe. 

Ach  nein!  ach  nein!  wir  müssen  fort, 
Wir  haben  ein  kleines  Kindlein  dort: 
Ein  kleines  Kind,   ein  großer  Gott, 
Der  Himmel  und  Erde  erschaffen  hat. 

Der  Mohr  allein. 

Herodes  sprach  mit  trotzigem  Sinn: 
Wollt  ihr  nicht  bleiben,   geht  immer  hin! 
Jetzt  schüttelt  Herodes  den  Kopf  und  zieht  ihn  wieder  znriick. 

Alle, 
Wir  gingen  zu  einem  Berg  hinan, 
Jetzt  rücken  die  drei  kleinen  Könige  bis  an  den  Stall. 
Da  musste  der  Stern  wol  stille  stahn; 
Nnn  wird  der  Stern  nicht  weiter  gedreht. 

Der  Stern  stand  stille,  wir  gingen  hinein, 
•Und  fanden  die  Marie  mit  dem  Christkindlein; 
Wir  knieten  nieder  und  beteten's  an. 
Jetzt  bücken  sich  die  drei  Beguti  dreimal. 

Und  schenkten  ihm  Gold,  Weihrauch  u.  Myrrhen." 
Nachdem   dieser  Gesang,    das   eigentliche   Dreikönigslied, 
vollendet  war,  stimmten  die  Stemsänger  ein  anderes  an,  worin 
sie  für  die  Gaben,  welche  sie  erhalten  hatten  oder  zu  erhalten 
wünschten,  alle  Mitglieder  des  Hauses  ansangen. 

Es  mögen  mm  die  Lieder  selbst  folgen  nach  dem  Alter 
der  Quelle,  worin  sie  uns  überliefert  sind. 

Aus  einer  Vergleichung  aller  ergibt  sich,  dass  allen  ein 
gemeinsames  Lied  zu  Grunde  liegt,  ^^das  als  Dreikönigslied 
wahrscheinlich  von  dem  Volke  in  der  Kirche  gesungen  wurde 
und  von  der  Kirche  sanctioniert  war«  *'). 

f   Nr.  258. 

1.  Süm  got  so  wellen  wir  loben  imd  cm 
die  heiligen  drei  künig  mit  irem  stem, 

2.  Der  sie  do  fiiert  so  sicherlich, 
gen  Jerusalem  so  wunderlich! 


§.11.  27)  Weinhold  Weihnacht  -  Spiele  S.  132. 


445 

3.  Sie  kamen  daher  mit  großer  macht, 

sie  kamen  zu  Herodes  bei  finster  nacht 

4.  Herodes  fragt  die  künig  so  frei: 
sint  euer  nit  zween  oder  drei?  — 

5.  Herr  Caspar  im  ein  antwuii;  gap: 

wir  ziechen  dort  über  den  berg  herab.  — 

6.  Herodes  sprach  aus  einem  tratz: 

wie  ist  es  nur  der  hinder  so  swarz?  — 

7.  Er  ist  uns  halt  gar  wol  bekant, 
er  ist  wol  aus  dem  Moreniant.  — 

8.  Herodes  sprach:  wo  weit  ir  hin, 
oder  wo  stet  hin  doch  euer  sin?   — 

9.  Wir  suechen  herren  Jesu  Christ, 
der  an  den  enden  geboren  ist.  — 

10.  Und  do  sprach  es  Herodes  zu  in: 
kemts  her  wider  und  zeucht  nit  für!  — 

11.  Do  zugen  die  herm  gen  Wethlahem  ein, 
sie  funden  das  kintlein  im  krippelein. 

12.  Sie  funden  ein  esel  und  ein  rint, 
sie  funden  Maria  und  ir  kint. 

13.  Sie  brachten  dem  herm  gar  reichen  solt, 
gut  Weihrauch,  mirren  und  rotes  golt. 

14.  Herr  Joseph  sprach  aus  großer  eil: 

Kloster-Nenburger  Hs.  Nr.  1228  bei  Mone  Anz.  8,  353.  —  Über  die  Hs. 
sagt  Weinhold  Weihnacbt-Spiele  S.  384.  »sie  ist  zwar  erst  im  XYI.  Jahrb. 
geschrieben,  allein  ihr  Inhalt  gehört  anscheinend  in  das  XV.  hinauf.^  Letz- 
teres möchte  wol  sehr  theilweise  der  Fall  sein  nach  dem  zu  urtheilen  was 
Mone  darüber  und  daraus  mittheilt,  Anzeiger  8,347 — 354.70—77.331 — 334. 

f  Nr.  259. 

1.  Got  so  wollen  wir  loben  und  ernl 

die  heiligen  drei  könig  mit  irem  stem, 

2.  Sie  reiten  daher  in  aller  eil 

in  dreißig  tagen  vierhundert  meil. 

3.  Sie  kamen  in  Herodis  haus, 
Herodes  sähe  zum  fenster  raus: 

30 


446_ 

4.  Ir  meine  liebe  heim,  wo  wolt  ihi*  hin?  — 
nach  Bethlehem  stet^  unser  sin. 

5.  Da  ist  geboren  on  alles  leit 

ein  kintlein  von  einer  reinen  meit.  — 

6.  Herodes  sprach  aus  großem  tratz: 

ei  warumb  ist  der  hinder  *•)  so  schwarz?  — 

7.  O  lieber  herr,  er  ist  uns  wol  bckant: 
er  ist  ein  könig  im  morenlant. 

8.  Und  wöUent  ir  uns  recht  erkennen, 
wir  dürfent  uns  gar  wol  nennen. 

9.  Wir  seint  die  könig  vom  finstem  stem 
und  brächten  dem  kintlein  ein  opfer  gern: 

10.  Mirren,  weirauch  und  rotes  golt: 

wir  seint  dem  kintlein  ins  herz  nein  holt.  — 

11.  Herodes  sprach  aus  Übermut: 
bleibent  bei  mir  und  nemt  für  gut! 

12.  Ich  wil  euch  geben  heu  und  streu, 
ich  wil  euch  halten  zerung  frei.  — 

13.  Die  heiligen  drei  könig  teten  sich  besinnen: 
£urwar  wir  wollen  jez  von  hinnen.  — 

14  Herodes  sprach  aus  trutzigem  sin: 

wolt  ir  nicht  bleiben,  so  farent  hin!  — 

15.  Sie  zugen  tlber  den  berg  hinaus, 

sie  iunden  den  stern  wol  ob  dem  haus. 

16.  Sie  traten  in  das  haus  hinein, 
sie  funden  Jesum  im  krippelein* 

17.  Sie  gaben  im  ein  reichen  solt: 
mirren,  weirauch  und  rotes  golt 

18.  Joseph  bei  dem  kripplein  saß, 
bis  daß  er  schier  erfroren  was. 

19.  Joseph  nam  ein  pfönnelein 

und  macht  dem  kind  ein  müselein. 

20.  Joseph  der  zog  sein  höslein  aus 

und  macht  dem  kintlein  zwei  windelein  draus. 

21.  Joseph,  lieber  Joseph  mein, 

hilf  mir  wigen  mein  kindelein!  — 


§.11.  28)  V.  Erlach,    Volkslibder  3,  18.   schaltet   dahinter  die   webe  Er- 
klSrang  ein:  „der  Hintere,  der  zuletzt  gehende.** 


447 

22.  Es  waren  da  zwei  unvemünfkige  tier, 
sie  fielen  nider  auf  ire  knie. 

23.  Das  öchslein  und  das  eselein 
die  kanten  got  den  herren  rein. 

Nach  einem  Fr.  Gutknechtschen  Dracke  m  Docen  Miscellancen  I.  Bd. 
S.  276—278.  darsuB  wiederholt  im  Ai^n^  aom  Wonderhom  S.  32.  33.  und 
in  V.  Erlach  Volkßl.  3,  18.  19.  —  Dr.  16,  2  fehlt  wol. 

Mit  dem  deutschen  Lied  stimmt  in  einaelnen  Versen  überein  ein  hol- 
ländisches, Horae  belg.  2,  69. 

Wij  komen  getreden  met  onze  starrCi 

Lauwerier  de  Cransio, 
Wij  zoeken  heer  Jesus,  wij  hadden  hem  gaame. 
Lauwerier  de  knier 
zijn  Kareb  konings  kinderrn, 
Pater  bonne  Franselijn, 
Jeremie. 
Vgl.  auch  das  dUnische   in  Nyerup  Udvalg  L  D.  S.  278—282.    und  das 
englische  in  William  Sandys  Christmastide  (London  1862.)  p.  172, 

f  Nr.  260. 

Ein  ander  Stemlied  von  den  heil,  drei  Königen, 

1.  Die  heiligen  drei  König  mit  ihrem  Stern, 
Die  kamen  her  aus  Morgenland  fem, 

2.  Dieweil  sie  dar  gehöret  zwar, 

Daß  Jesus  zu  Bethlehm  geboren  war, 

3.  Zu  Bethlehem  im  jüdischen  Land, 
Zur  Zeit  Herodes  wol  bekannt. 

4.  Sie  zogen  gen  Jerusalem  fort 
Und  kamen  an  Herodis  Ort. 

5.  Sie  fragten  Herodem  mit  großen  Freuden: 
Wo  ist  der  geboren  König  der  Juden? 

6.  Wir  haben  gesehen  seinen  Stern 

Im  Morgenland  mit  großem  Begehm, 

7.  Und  kommen  ihn  anzubeten  an: 
Herr  König,  thut  uns  recht  v erstahn! 

8.  Da  das  der  König  Herodes  hörte, 
Sein  Leib  erschrecket  ganz  empörte, 

9.  Darzu  das  ganze  Jerusalem. 
Darum  er  ließ  versammelen 

10.    All  Hohepriester  und  Schriftgelehrten, 
Fragend  wo  Jesus  soll  geboren  werden. 

30* 


44« 

11.  Sie  aber  ihm  sagten  allzuhand: 
Zu  Bethlehem  im  jüdischen  Land, 

12.  Wie  solches  all  geschrieben  steht 
Durch  den  Propheten  gar  bereit. 

13.  Da  berufet  Herodes  die  Weisen  sein 
Oar  heimlich  und  eriemet  von  ihn, 

14.  Zu  welcher  Zeit  die  Sterne  zwar 
Erschienen  war  gar  hell  und  klar, 

15.  Und  ließ  sie  gehn  gen  Bethlehem 
Und  sprach:  nun  ziehet  samt  dahin 

16.  Und  forscht  mit  Fleiß  nach  dem  Kindelein, 
Das  da  soll  all  geboren  sein. 

17.  Und  wann  ihr's  findet,  sagt  mir's  dann, 
Daß  ich  auch  komm  und  bete  es  an. 

18.  Wie  sie  nun  solches  hatten  gehört 
Vom  König  Herode,  zogen  sie  fort, 

19.  Verließen  Jerusalem  den  Plan 
Und  sahen  den  Stern  vorhergahn, 

20.  Den  sie  bevor  im  Morgenland 
Gesehen  hatten  und  erkannt, 

21.  Gieng  fiir  ihn  hin  bis  an  den  Ort, 
Da  das  Kindlein  geboren  ward. 

22.  Wie  er  nun  kam  da  auf  den  Plan, 
Zu  Bethlehem  bleib  er  stille  stahn. 

23.  Da  sie  mm  thäten  sehen  den  Stern 
Von  ihnen  stehen  gar  nicht  fem, 

24.  Thäten  sie  sich  sehr  alle  zwar 
Und  hoch  im  Herzen  erfreuen  dar 

25.  Und  gingen  in  das  Häuselein, 
Funden  das  zart  schöne  Kindelein 

26.  Mit  Maria  seiner  Mutter  rein. 

Mit  schlechten  Tüchlein  wickelt  fein. 

27.  Sie  fielen  nieder,  beteten  es  an, 
Thäten  ihr  Schätze  dar  auf  dem  Plan, 

28.  Legten  ihm  Gold,  Weihrauch,  Myrrhen  dar. 
Und  wurden  im  Traum  gewamet  zwar, 

29.  Daß  sie  nicht  wieder  zu  Herode  kehrten 
Und  setzten  ihr  Leben  in  Gefilrden. 

30.  Wie  sie  vom  Engel  solchs  hatten  verstanden, 
Lenketen  sie  wieder  zu  ihren  Landen, 


449 

31.  Und  zogen  einen  andern  Weg  heraus, 
Vermeideten  also  Herodis  Haas, 

32.  Denn  Herodes  gesinnet  ganz  und  gar 
Das  Kindelein  umzubringen  dar. 

33.  Das  Kindelein  y  das  Jesulein 

Woll  allzeit  in  unserm  Herzen  sein, 

34.  Dasselb  bewahr  uns  allezeit 

Vor  Bünden,  Schanden  und  auch  Leid! 

35.  Ehr  sei,  Preis  und  Herrlichkeit 

Dem  Kindlcin  der  heiigen  Dreifaltigkeit! 


3t5.    Weil  ihr  uns  eine  Gab  gegeben, 

iSo  lass  euch  das  Kindlein  lange  leben 

37.  In  Frieden,  Freuden  immerdar! 

Das  wünschen  wir  euch  zum  neuen  Jahr. 

38.  Wir  schreiben  euch  auf  ein  Lilienzweig: 
Der  liebe  Gott  geh  euch  das  Himmelreich! 

39.  Wir  haben  gesungen  in  eurem  Haus: 
All  Ungelücke  fahr  daraus! 

40.  Wir  schreiben  euch  auf  ein  Lilienblatt: 
Gott  geh  euch  all  eine  gute  Nacht! 

Paderboraer  GB.  1616.     S.   93—96.  34,  1.   Dasselb   bewahren   alle- 

Eeit.  —  Hier  liegt  gewiss  ein  einfaches  Volkslied  zu  Grande,  wie  es  von 
armen  Kindern  vor  den  Häusern  um  Neujahr  gesungen  wurde.  Der  Heraus- 
geber des  Paderbomer  GB.,  Matthäus  Pontanus  scheint  den  kurzen  Text  so 
in  die  Breite  gezogen  zu  haben. 

f  Nr.  261. 

1.  Wir  treten  daher  ohn  allen  Spott: 
Ein  guten  Tag  den  geh  euch  Gott, 
Ein  guten  Tag,  eine  fröhliche  Zeit, 
Die  uns  der  Herr  allen  hat  bereit! 

2.  Wir  Caspar,  Melcher,  Balthasar 

Sind  kommen  hieher  durch  manche  Gefahr. 
Wir  zogen  übers  Gebirg  herauf, 
Ein  Stern  wol  führte  unsem  Lauf. 

3.  Wir  kamen  vor  Herodes  Haus, 
Herodes  guckte  zum  Fenster  heraus; 


450 

Herodes  sprach  in  falschem  Sinn: 

Wo  seid  ihr  gewesen,  wo  wollt  ihr  hin?   — 

4.  Nach  Betlilehem  in  Davids  Stadt, 
Die  uns  ein  Stern  gezeiget  hat; 
Denn  Jesus  dort  geboren  wai-d 

Von  einer  Jungfrau  rein  und  zart.  — 

5.  Herodes  sprach:  bleibt  heute  bei  mir! 
Ich  will  euch  geben  gut  Quartier, 
Ich  will  euch  geben  Heu  und  Streu^ 

Ihr  sollt  auch  haben  die  Zehrung  frei.  — 

6.  Ach  nein!  ach  nein!  wir  müssen  fort, 
Um  anzubeten  das  Kindlcin  dort, 
Das  Kindelein  so  zart  und  fein 

Muss  unsere  Freud  und  Wonne  sein.  — 

7.  Wenn  ihr  das  Kindlein  sehen  thut, 
So  sagt  mir's  wieder  wohlgemuth, 
Dass  ich  auch  reisen  kann  dazu 

Und  dort  das  Kindlein  anbeten  thu.   — 

8.  Als  wir  gegangen  zur  Thür  hinaus, 
Stand  schon  der  Stern  dort  überm  Haus; 
Wo  Joseph  an  der  Krippe  saß. 

Da  sangen  wir  das  Gratias. 

Mündlich,    ohne  Angabe  woher,  in  Gräter  Idnnna  nnd   Hermode  1816. 
Nr.  46.     S.  184.  —  Znm  Schluss  wird  noch  gesangen: 
Ihr  habt  mir  eine  Verehrung  gegeben: 
Qott  lasse  euch  noch  lange  leben! 
Wir  können  hier  nicht  lang  verweilen, 
Wir  haben  noch  zu  reisen  hondert  Meilen. 

f  Nr.  262. 

1.  Wir  kommen  hieher,  von  Gott  gesandt 
Mit  diesem  Stern  aas  Morgenland. 

2.  Mit  diesem  Stern  in  aller  Eil, 
Kaum  dreißig  Tag  vierhundert  Meil. 

3.  Kaum  dreißig  Tag  für  Herodes  sein  Haus^ 
Herodes  schaut'  oben  zum  Fenster  heraus. 

4.  Herodes  sprach  aus  falschem  Sinn: 

Dir  lieben  drei  Weisen,  wo  wollt  ilir  hin? 

5.  Ihr  lieben  drei  Weisen,  bleibt  heute  bei  mir, 
Ich  will  euch  geben  Wein. und  Bier, 


451 

6.  Ich  will  euch  geben  Stroh  und  Heu, 
Und  will  euch  halten  sicher  und  frei.  — 

7.  Ach  lieber  Herodes,  das  kann  nicht  geschehn, 
Wir  müssen  den  Tag  noch  weiter  gehn.  — 

8.  Wir  zogen  mit  einander  den  Berg  hinaus, 
Wir  sahen,  der  Stern  stand  über  dorn  Haus. 

9.  Wir  zogen  mit  einander  das  Thal  hinein, 
Und  fanden  das  Kind  im  Elrippelein. 

10.  Wir  fanden  das  Kind,  war  nackend  und  bloß, 
Maria  nahm's  auf  ihren  Schoß. 

11.  St.  Joseph,  der  sich  seiner  erbiirmt, 
Er  nahm  das  Kind  auf  seinen  Aim. 

12.  St  Joseph  zog  sein  Ilemdlcin  aus, 
Gab's  Maria,  die  machte  Windeln  draus. 

MöndUch  ana  Oberliessen,  Erk  Volkslieder  2.  Bd.  1.  Heft  Nr.  1. 

f  Nr.  263. 

1.  Die  heiligen  drei  Könige  mit  ihrem  Stern 
Sie  suchten  den  Herrn,  sie  hätten  ihn  gem. 
Sie  kamen  vor  Herodes  Haus, 

Herodes  sprach  zum  Fenster  heraus: 

2.  Ihr  lieben  drei  Weisen,  kommt  rein  zu  mir, 
Ich  will  euch  geben  Wein  und  Bier, 

Ich  will  euch  geben  Heu  und  Streu, 
Auch  sollt  ihr- haben  die  Zehrung  frei.  — 

3.  Ach  nein!  ach  nein!  wir  müssen  fort, 
Wir  haben  ein  kleines  Kindlein  dort, 
Ein  kleines  Kind,  ein  großen  Gott, 
Der  alle  Ding  erschaffen  hat. 

So  in  Sömmerda  (drittehalb  Meilen  von  Weimar)  nach  Weinhold  Weih- 
nacht-Spiele S.  132.  —  Die«  Lied  nnd  Frankfurter  Ju^enderinnerungen 
mögen  wol  Gothen  um  1781  den  nftchaten  AnlajBs  zu  seinem  «Epiphanias- 
fest^  gegeben  haben. 


452 


§.  12. 
Meisterlieder 

gegen  Ende  des  fünfzehnten  und  zu  Anfange  des  sechs- 
zehnten Jahrhunderts. 

Die  höfische  Singekunst  war  in  dem  Munde  der  Ritter 
verBtummt;  Geistliche  und  Laien  bürgerlichen  Standes  im  XIV. 
und  XV.  Jahrhundert  fingen  nun  an,^  den  Meistersang  zu  pflegen.  ») 
Die  künstlichen  Töne,  worin  Heinrich  von  Meißen  (Fraüenlob) 
und  sein  Gegner,  Regenbogen  der  Schmied  gesungen  hatten, 
fanden  bald  Liebhaber  und  Nachahmer.  Man  beschränkte  sich 
aber  nicht  auf  die  Form,  auch  dieselben  Stoffe  zog  man  in  den 
Kreis  der  Dichtung  und  verfolgte  dieselben  Zwecke:  man 
wollte  erbauen  und  in  religiösen  Dingen  belehren.  So  entstan- 
den denn  jene  vielen  geistlichen  Lieder,  besonders  zu  Ehren 
der  heiligen  Jungfrau,  wie  sie  der  Mönch  von  Salzburg,  Nico- 
laus von  Kosel,  Heinrich  von  Laufenberg,  Muscatblut  u.  a. 
dichteten. 

Bis  gegen  Ende  des  XV.  Jahrhunderts  wurde  von  Geist- 
lichen und  Laien  die  Singekunst  weder  zunft-  noch  schulmäßig 
getrieben.  Bald  aber  traten  die  Geistlichen  und  Gelehrten, 
zurück  und  die  Handwerker  in  den  Städten  verbanden  sich  zur 
ausschließlichen  zünftigen  Gesangübung.  Unter  dem  Namen 
Meistersinger  bildeten  sie  an  verschiedenen  Orten  einen 
von  der  Obrigkeit  anerkannten  imd  geschützten  Verein,  der 
seine  Vorsteher,  seine  Kasse,  seine  Singeschxde  und  seine  Ge- 
setze hatte  und  den  löblichen  Zweck  verfolgte,  sich  selbst  und 
den  lieben  Nächsten  durch  Gesang  zu  erfreuen,  zu  trösten  und 
zu  erbauen.  Eine  der  frühesten  Urkunden  von  amtlicher  Be- 
stätigung eines  solchen  Vereins  hat  Freiburg  im  Breisgau  auf- 
zuweisen. Im  Jahre  1513  kamen  einige  Bürger  daselbst,  voran 
der  Schuhmachermeister  Michael  Punt,  vor  den  Rath  und  ließen 
ihre  Singerbrüderschaft  und  ihre  Gesetze  bestätigen,  was  denn 
auch  geschah ,  zumal  sie  den  guten  Grimd  beibrachten :  ^dass 
Gott  der  allmächtige   dadurch  gelobt,   die  Seele  getröstet,  und 


§.12.  1)  Vgl.  W.  Waikcrnagel  Litteraturgeschichte  §.  74. 


453 

die  Menschen  au  Zeiten,  so  sie  dem  Gesang  zuhörten,  von  Got- 
teslästerung, auch  vom  Spiel  und  anderer  weltlicher  Üppigkeit 
gezogen  würden'*). 

Das  Streben  war  löblich  und  der  Zweck  edel  und  gut,  und 
andere  Männer,  mit  mehr  geistigen  Fähigkeiten  und  höherer 
Bildung  ausgerüstet,  hätten  für  die  Kirche  und  das  religiöse 
Leben  im  Volke  viel  wirken  können.  In  der  zunfhnäßigen 
Übung  der  Poesie  und  bei  der  spießbürgerlichen  Einseitigkeit 
brachten  diese  mit  sich  und  ihren  Leistungen  zufriedenen  Hand- 
werker zwar  Lieder  genug  hervor,  aber  keine  welche  dem  Sinne 
des  Volkes  gemäß  dieses  nachhaltig  zu  erfreuen  und  zu  er- 
quicken vermochten:  es  sind  fast  lauter  lange  und  langweilige 
Reimereien,  worin  selbst  gute  Gedanken  und  wahrhaft  poetische 
Züge  vor  aller  Reimkünstelei  und  sprachlichen  Verwilderung 
kaum  zum  Vorschein  kommen  können. 

Die  Singekunst  war  keine  selbständige  Kunst  mehr,  sie 
wurde  nur  neben  dem  bürgerlichen  Gewerbe,  also  nebenbei 
getrieben  und  durch  die  Tabulatur  und  das  Herkommen  auf  die 
Singschule  beschränkt.  Die  Erzeugnisse  der  Meistersinger  wur- 
den in  Bücher  eingetragen  und  so  gesammelt  und  blieben 
Eigenthum  der  Schule').  Nur  was  später  als  fliegendes  Blatt 
gedruckt  wurde,  gelangte  in  weitere  Kreise,  die  Meistersingerei 
konnte  schon  deshalb  nie  recht  volksthümlich  werden*).  Nur 
der  einzige  Hans  Sachs,  der  durch  reiche  Phantasie,  unerschöpf- 
liche Gedankenfülle  und  lebendige  Schöpferkraft  alle  seine  Ge- 
nossen weit  überragte,    bequemte   sich,  öfter   den  Schulzwang 

§.12.  2)  Mone  Badisches  Archiv  IL  Bd.   S.  195-202. 

3)  So  wollte  Hans  Sachs,  als  er  am  1.  Jannar  1567  die  Samma 
seiner  Gedichte  zog:  in  52  Jahren  6048  Stück,  darunter  4275  Meisterge- 
sänge —  die  Meisterlieder  nicht  gedruckt  sehen,  sondern  zurückbehalten 
wissen,  'die  Singschul  damit  zu  sieren  und  zu  erhalten.*  Vgl.  K. 
Gödeke  Elf  Bücher  deutscher  Dichtung  1,  78. 

4)  Die  Meistersinger  schieden  sich  von  allen,  die  sonst  sich  mit  Dich- 
ten und  Singen  befassten,  und  weil  sie  eben  nur  auf  ihre  Schulen  und  ihre 
frommen  und  religiösen  Zwecke  sich  beschränkten  und  außerhalb  des  Volkes 
standen,  so  galten  sie  für  ungefährlich.  In  der  Polizeiordnnng  Karls  V. 
(Augsburg  1548,  wiederholt  von  Rudolf  II.  1577)  Blatt  25.  'gegen  man- 
cherlei leichtfertig  Volk,  so  sich  auf  Singen  und  Sprüche  geben*,  werden  'die- 
jenigen, so  Meistergesang  singen*  ausdrücklich  als  solche  bezeichnet,  welche 
von  der  Obrigkeit  nicht  zu  verfolgen  und  zu  bestrafen  seien. 


^  454 

abzustreifen  and  in  einfachen  Tönen  sich  dem  geistlichen  Volks- 
liede  zu  nähern«  Aber  nur  ihn  vermochte  eine  so  große  be- 
geisternde Idee  wie  die  Reformation  zu  begeistern  und  er  trug 
als  eifriger  Anhänger  der  neuen  Lehre  zu  deren  Verbreitung 
und  Geltung  sein  Scherflein  mit  bei '). 

Die  Zahl  der  Meisterlieder  in  den  letzten  vierzig  Jahren 
vor  1524  ist  nicht  gering.  Es  kann  sich  aber  hier  nur  um 
solche  handeln,  die  oft  gedruckt  und  abgeschrieben  wurden, 
also  bestimmt  waren,  beim  Gottesdienste  oder  bei  der  häus- 
lichen Andacht  gesungen  oder  gelesen  zu  werden.  Obschon 
ich  mich  fleißig  bemüht  habe,  eine  Übersicht  der  gangbarsten 
Meisterlieder  zu  liefern,  so  werde  ich  doch  dem  Vorwurfe  der 
UnVollständigkeit  nicht  entgehen.  Dieser  Vorwurf  ist  mir  aber 
doch  noch  lieber  als  wenn  ich  gezwungen  wäre,  mich  mit  einem 
Theile  der  deutschen  Litteratur  gründlich  zu  befassen,  der  des 
Unerquicklichen   so  viel,  des  Erfrexdichen  so  wenig  verspricht. 

f  Nr.  264. 

Maria  zart        von  edler  art, 
ein  ros  on  alle  deren, 
Du  hast  mit  macht        herwider  bracht 
das  vor  lang  was  verloren 
Durch  Adams  fal,        dir  hat  die  wal 
sent  Gabriel  versprochen, 
hilf  daß  nit  werd  gerochen 
Mein  sünd  und  schult,        erwirb  mir  hult! 
dann  kein  trost  ist,        wo  du  nicht  bist 
barmherzikeit  erwerben. 
Am  letzten  end        ich  bit,  nit  wend 
von  mir  in  meinem  sterben. 
Vielleicht  unter   allen   MeistergesHngen    der  einzige,    der  eine  gewime 
Volksthümlichkeit  erlangte.    Er  mag  gegen  Ende  des  XV.  Jahrh.  entstanden 


§.  13.  5)  Koeh  im  XVn.  Jabrh.  hatte  er  deshalb  seine  Gegner.  David 
Gregoiios  Corner,  der  gelehrte  Abt  von  Göttweig,  konnte  es  nicht  nnterlas- 
sen,  des  evangelischen  poetischen  Handwerkers  also  zn  gedenken:  'da  doch 
sonsten  dieselbigen  (die  Ketzerischen)  so  gar  kützlich  sein,  dass  sie  nicht 
leichtlich  ein  Gesang  in  ihre  Büchlein  inserieren,  deme  sie  nicht  ihren  Na- 
men ankleckcn,  nnd  sollte  es  gar  der  Hans  Sachs  selber  sein,  welcher  ein 
Schuster  sn  Nürnberg  gewesen  ist  und  seiner  groben  Comödiant- Zoten  und 
Possen  ziemlich  verschrieen  ist\ 


455 

sein,  wurde  bald  nmfhher  adten  viel  gemageu^  und  eu  Anfange  des  XVl. 
Jahrhunderts  einsein  gedruckt  und  erhielt  sich  in  den  katholischen  Gesang- 
büchern das  ganze  XVII.  Jahrh.  hindurch,  bald  abgekürzt,  wie  bei  Leisen- 
trit  OB.  1567.  IL  Th.  Bl.  15.  nur  5  Strophen,  bald  mit  Tielen  hinzugedich- 
teten: so  im  Tegemseer  GB.  1577.  Bl.  203  ff.  23  Strophen,  in  Comer's  Nach- 
tigall 1649.  S.  318  —  324  27  Strophen,  und  in  einem  besonderen  Abdrucke, 
2  Bogen  in  4»  aus  der  ersten  Hftlfte  des  XYII.  Jahrh.  (nach  Kömer  S.  255) 
sogar  83  Strophen. 

Neuere  Abdrücke 

1.  nach  einer  Münchener  Hs.  (Cod.  germ.  808.)  11  Strophen  bei  Ph. 
Wackemagel  Nr.  148. 

2.  nach  einem  Drucke  in  fol.  um  1505.  in  Idunna  und  Uermode  1816. 
S.  81.  82.  ebenfalls  11  Strophen. 

3.  nach  einem  Drucke  (4  Bl.  8<^.)  von  Wolfgang  Huber  in  Nürnberg  bei 
Körner,  Marianischer  Liederkranz  S.  250  —  255. 

Einzeldrücke  waren  gewiss  in  alter  Zeit  sehr  viele  vorhanden.  So  fand 
ich  zu  Kremsmünster  ein  offenes  Druckblatt  in  fol.  ans  dem  Anfange  des 
XVL  Jahrhunderts,  10  GesStze,  mit  der  Überschrift: 

nZu  disem  lied  wer  es  singt  oder  list  mit  andacht  hat  geben  der  Bischoff 
von  Zeytz  .  xl.  tag  ablas.'' 

In  dem  alten  Drucke  bei  Kömer  S.  250  ist  ebenfalls  die  Verheißung 
eines  40täg]gen  Ablasses,  aber  „von  dem  bisehoff  zu  der  Newburgk.*' 

Deswegen  war  das  Lied  sehr  gesucht,  musste  oft  gedmckt  werden 
und  fand  weite  Verbreitung. 

Die  handschriftlichen  Aufzeichnungen  des  Liedes  scheinen  nicht  viel 
älter  zu  sein  als  die  Dracke.  In  einer  Heidelberger  Hs.  (s.  Mone  in  Aufsess  ' 
Anzeiger  2,  232.)  ist  es  mit  der  Jahrszahl  1513  versehen,  in  der  Liederhs. 
der  Brüder  Brentano,  mit  1526.  So  verbreitet  und  beliebt  dieser  Meisterge- 
sang seiner  Zeit  auch  war,  wozu  wol  die  Melodie  viel  mit  beitrug,  so  zeich- 
net er  sich  doch  vor  den  übrigen  keinesweges  dermaßen  aus,  dass  sich  ein 
vollständiger  Abdrack  hier  rechtfertigen  ließe.  Selbst  den  frömmsten  Ge- 
müihem  scheint  er  schon  im  XVIL  Jahrhundert  zu  lang  gewesen  zu  sein 
und  man  begnügte  sich  mit  drei  Strophen :  die  erste  ist  jedoch  ganz  umge- 
arbeitet |  die  2.  entspricht  der  8.,  die  3.  der  9.  des  alten  Textes  bei  Wckn. 
Nr.  148. 

f  Nr.  265. 
1.   Maria  zart        von  edler  Art, 
Du  bist  ein  Eron  der  Ehren. 
Ini  Himmelreich        ist  nit  deins  gleich 
Nach  Gott  dem  höchsten  Herren. 
O  edle  Ros,        o  Tugend  groß 
Im  Himmel  und  auf  Erden 
Deins  gleich  mag  nimmer  werden.* 


4o<^ 

Der  Sonnen  Glanz        umgiebt  dich  ganz. 
Durch  deine  That        erwirb   mir  Onad, 
Rechtmäßig  dich  zu  ehren 
Mein  Leben  lang        mit  gut  Gesang: 
Dein  Lob  muß  immer  währen. 

2.    Maria  fein,        dein  klarer  Schein 
Erleucht  am  höchsten  Throne, 
Da  dir  mit  Ehm        von  zwölf  Stern 
Wird  aufgesetzt  ein  Krone. 
Dreifältigkeit        hat  dich  bekleidt, 
Mit  Gnaden  schon  umgeben. 
Erwirb  du  mir  das  Leben 
So  lang  und  viel        bis  auf  das  Ziel! 
O  Jungfrau  süß,        hilf  daß  ich  büß 
Mein  Sund  vor  meinem  Ende! 
Wann  mir  zerbricht        mein  Herz  und  Geist, 
Beut  meiner  Seel  dein  Hände! 

ii.   Maria  Jungfrau,        hilf  daß  ich  schau 
Dein  Kind  an  meinem  Ende! 
Schick  meiner  Seel        sanct  Michael, 
Daß  er  sie  fähr  behende 
Ins  Hinmielreich,        da  alle  gleich 
Die  Engel  fröhlich  singen, 
Ihr  Stimm  thut  hell  erklingen: 
Heilig,  heilig,        heilig  du  bist!  ' 
O  starker  Gott,        Herr  Sabaoth 
Regierst  gewaltiglichen. 
So  hat  ein  End        all  mein  Elend, 
Ich  freu  mich  inniglichen. 

Andemachcr  OB.  (Köln  1608.)  Nr.  132.  Aach  das  Heidelberger  GB. 
1629.  S.  255—267  hat  nur  diese  3  Strophen. 

Maria  zart  hat  noch  dadurch  eine  gro^e  hymnologische  Bedeutung, 
dass  es  oft  nachgebildet  und  unigedichtet  und  seine  Melodie  zu  vielen 
Liedern  in  der  katholischen  und  evangelischen  Kirche   verwendet  wurde. 

Eine  Nachbildung,  8  Gesätze,  ist  enthalten  in  der  Kloster -Neuburger  Hs. 
1228,  s.  Moue  Anzeiger  8,  350.    Sie  beginnt: 

f  Nr.  266. 

Maria  zart        geheiligt  wart 
in  mueter  leib  der  jugent. 


4o7 

zu  nutz  der  weit        und  widergelt 
entsprang  aus  irer  tugent 
ein  edler  brunn        schön  als  die  sunn, 
geziert  mit  hochen  würden, 
hinnemung  großer  bürden, 
des  ersten  val        der  kam  zumal 
von  Adam  her,         davon  groß  bschwer 
auf  menschleichs  gschlecht  ist  gfallen 
vil  jar  und  tag        mit  we  und  klag : 
bhüet  mich  vor  sölichem  allen! 
Den  Anb&ngern  der  neuen  Lehre  war  nichts  so  anstöBig  aU  der  Marien- 
dienst  (vgl.  §.  8,  67.) :  alle  darauf  bezüglichen  Gebete,  Lieder  und  Gebräuche 
suchten  sie  eifrigst  eu  beseitigen.    Ein  so  allgemein  beliebtes  viel  gesungenes 
Marienlied  durfte  nicht  mehr  die  fSr  die  neue  Lehre   erst  kaum  gewonnenen 
Gemüther  irre   machen  oder  gar  von    dem  biblischbegründeten  Gottesdienste 
abziehen. 

So  unternahm  denn  Hans  Sachs  schon  im  Jahre  1525  eine  Unidich- 
tung  oder,  wie  er  es  selbst  nennt:  Das  liet  Maria  zart  verendert  und 
christlich  corrigiert*): 

f  Nr.  267.  (s.  vorher  f  Nr.  236.) 

O  Jesu  zart,        götlicher  art, 
ein  ros  on  alle  deren  ff» 
Gedruckt  Wckn.  Nr.  238.  7  GesKtze. 

Später  versuchte  ein  unbekannter  Dichter  eine  ähnliche  Umdichtnng  von 
10  Gesätzen,  Anfang: 

f  Nr.  268. 

O  Jesu  zart,        götliche  art, 
geheiligt  werd  dein  name  ff. 

„Gedruckt  zu  Nürnberg  durch  Valentin  Newber.*  In  Prof.  Heyse's 
Sammlung  zu  Berlin,  s.  Wckn.  S.  872  zu  Nr.  238. 

Eine  Umdichtnng  auf  Gott  lag  eben  so  nahe:  eine  solche  verfasste 
Johann  BÖschenstein: 

f  Nr.  269. 

Dies  liet  ist  nach  kunst  und  art 

in  dem  ton:         Maria  zart. 

Got  ewig  ist  on  endes  frist  ff. 


$.  12.  6)  In  den  Nürnberger  Enchiridien  von  1526  und  den  übrigen  GB. 
dieses  Jahrs.  —  1526  gab  er  es  mit  mehreren  Umdichtungen  geistlicher  und 
weltlicher  Lieder  besonders  heraus,  s.  Wckn.  Nr.  238^245  u.  S.  733. 


468 

Das  4.  Oesfttx: 

Got  ist  nit  blau^        nit  grün  noch  grau, 

Unglück  in  nit  betrübet, 

nit  laut  noch  stil,         wenig  noch  vil, 

on  müde  er  sich  übet. 

wie  zeig  ich  in        menschlichem  sin? 

auf  erd  mocht  nie  verstane, 

sein  wissen  hat  kein  wane, 

auf  erd  nieman        in  kennen  kan, 

wie  nach  er  ist,        noch  mag  sein  iist 

grüntlich  nieman  erkennen. 

er  ist  dabei        der  namen  frei 

und  last  sich  dennoch  nennen. 
Dm  6.  Gesätz: 

got  ist  nit  ausgeflossen, 

also  daß  er        vom  Ursprung  fer 

sei  außerhalb        gleich  wie  ein  salb, 

die  man  nimt  aus  der  bixe, 

und  was  got  ist        das  weist  kein  christ: 

er  ist  etwas  und  nixe. 

Liederhfl.  der  Brüder  Brentano  Bl.  81*— 33>,  um  1528. 
Ein  offenes  Blatt  in  folio,  in  der  kön.  Bibliothek  zu  Berlin,  bei  Wckn. 
Nr.  796,  entbftlt  ein  Lied  mit  der  Überschrift:  „Ain  new  gedieht,  dnrch  Jo- 
hann BÖschenstain  Kay.  May.  loblicher  gedechtnuO  gefreyter  hebräischer 
Eungen  lerer  aoßgangen,  Im  thon  Maria  sart^.  Das  Lied  ist  8  Qesätse  lang 
und  so  abweichend  von  dem  hdschr.  Texte,  dass  sich  schwer  bestimmen  Iftsst, 
welcher  Text  der  ursprüngliche  ist  und  ob  einer  oder  beide  von  Böschen- 
stein yerfasst  sind.     Erste   Strophe: 

Got  ewig  ist,         on  endes  frist, 

sein  wesen  on  zerissen, 

und  doch  dabei        was  got  selb  sei, 

das  mag  kein  mensche  wissen.  • 

got  darf  kein  zeit         als  ander  leut, 

kein  stat  noch  auch  kein  stunde, 

z&  seiner  stim  kein  munde. 

z&  seinem  gan,         auch  zu  seim  stan 

darf  er  kein  f&B,         als  ich  han  mfii). 

er  ist  auch  gar  langsame 

und  doch  nit  treg,         dabei  alweg 

süchtig,  keusch,  on  all  schäme. 
Die  4.  Strophe  lautet  hier  so: 

Got  ist  nit  blau,        nit  grün  noch  grau. 


469 

Unglück  in  nit  betrübet, 

nit  laat  noeh  stil,         wenig  noch  vil, 

on  made  er  aicb  übet 

wie  seig  ich  in         menschlicheui  sin? 

niemant  mag  in  erkennen, 

sein.namen  auch  nit  nennen, 

und  auch  dabei         allr  teilnng  frei, 

nit  zwen  noch  drei,         noch  was  er  sei, 

das  mag  kein  zung  aussprechen. 

wer  bricht  sein  gbot,         sag  ich  on  spot, 

an  dem  wirt  sich  got  rechen! 
Die  6.  Strophe  der  Hs.  fehlt  im  Drucke. 

Eine  vielleicht  gleichzeitige  Umdichtung  auf  Gott  ist  in  der  Kloster - 
Neuburger  Hs.  1228.  s.  Mone  Anzeiger  8,  351.,  14  GesStze  mit  der  Über- 
schrift: Ein  rosenkranz  in  Maria  zart  weis: 

f  Nr.  270. 

Got  vater  klar,  du  bist  fiirwar 

ein  Schöpfer  aller  dinge: 

in  deinem  gwalt  wirt  als  behalt  ff. 

In  der  evangelischen  Kirche  waren  die  Marienlieder  verschwunden,  die 
Melodie  des  Maria  zart  war  aber  unvergessen,  sie  muss  sehr  beliebt  gewesen 
sein,  mehrere  namhafte  Dichter  verfassten  Lieder  dazu:  Adam  Beniner, 
Erasmus  Alberus,  Johann  Spangenberg,  Jacob  Dachser  (s.  Wckn.  Nr.  28^. 
301.  428.  603.)  und  im  Wittenberger  GB..1Ö61.  Kr.  68.  noch  ein  Kinderlied 
im  Ton  Maria  zart: 

O  Jesu  der  du  selig  machst 

die  bußfertigen  Sünder  ff. 
Sogar  bei  den  mährischen  Brüdern  war  die  Melodie  bekannt,  in  ihrem  Ge- 
sangbuche von  1544  findet  sich  ein  Lied  danach   von  Michael  Weiße: 

O  Jesu  zart,  in  neuer  art  — 
s.  Wckn.  Nr.  357. 

In  den  katholischen  Gesangbiichem  verschwindet  daa  Lied  erst  gegen 
Ende  des  XYIL  Jahrb.,  in  Martin  von  Cochem  GB.  1682  findet  es  sich 
nicht  mehr.  Damals  scheint  auch  die  Melodie  eine  andere  geworden  cu  sein, 
die  künstliche  Meisterliedsform  ist  bereits  sehr  vereinfacht.  Ein  Marienlied 
im  Neißer  GB.  1663.  Nr.  147.  hat  swar  in  der  Überschrift:  Im  Ton  Maria 
lart  von  edler  Art,    dieser  Ton  lautet  aber  in  der  ersten  Strophe: 

Maria  rein,  dein  Klag  allein  • 

Ist  über  alles  Klagen, 

Denn  diese  Klag,  von  der  ich  sag,^) 


§.  12.  7)  Str.  45.     Die  Sonn,  ich  sag,  gieng  in  der  Klag 
In  einem  schwarzen  Rocke. 


4ßO 

Hast  du  nllein  getragen. 
O  Salomon,  o  Simeon, 
Euch  soll  man   beide  boren: 
Was  ihr  geredt  und  gscbrieben  stebt, 
Zwei  Stück  thut  ibr  uns  Icbrei., 
Die  diese  Sacb  erkliiren. 
und  gebt  so  nocb   51   durcb. 

f  Nr.  271. 

Maria,  höchste  creatitr, 

(lu  edle  küngin  der  natur^ 

aller  wirdikeit  figur, 

götlicher  hantgetat  ein  kur, 

von  dir  beger  ich  dichten. 

Maria  gotes  himel  rein, 

den  er  geschaffen  het  allein 

am  ersten  tag  in  zirzels  zein, 

do  gotes  majestat  erschein, 

sin  wort  us  einem  nichte. 
Stra^burger  Hs.  4o.   B.  121,  mit  der  Jahrszabl  1443.  29  Gesätze,  worin 
die  sieben  Schöpfungstage  *  in  Beziehung  gebracht  sind  auf  die  Jungfrau  Maria. 
29  zehnzeüige  Strophen  sind  auch  Herrn  Phil.  Wckn.  zuviel  gewesen,  er  hat 
Nr.  785.  nur  30  Halb  Strophen  davon  mitgetheilt. 

f  Nr.  272. 

Maija,  verleich  mir  sin  und  kraft, 

daß  ich  zA  lob  der  reinen  meit 

dein  großes  herzenleide  hie  versinge! 

darzA  hab  ich  nit  meisterschaft 

und  bin  an  künsten  unbereit: 

0  reine  meit,  nu  hilf  daß  mir  gelinge! 

Maria,  künsche  maget  rein, 

ich  mane  dich  an  das  erst  herzenleide, 

da  du  Jesus,  dein  kintlin  klein 

in  tempel  trfigst,  die  fart  wolst  du  nit  meiden, 

da  in  empfieng  herr  Simeon 

und  zu  dir  sprach:  drut  maget  fron, 

ein  scharpfes  sohwert  wirt  noch  dein  sei  durchschneiden. 

Alter  Druck,  8  Blätter  in  kl.  Format  aus  dem  Anf.  des  XVI.  Jahrb. 
7  Gesätze,  vollständig  gedruckt  bei  Wckn.  Nr.  180.  „Di  siben  hertz  lajd 
von  vnser  Lieben  frawen  in  dem  guldin  regenbogen  don**.  Im  Druck  3  her- 
tzen  layd  —  6.  fehlt  nu.  Wie  wenig  Meisterschaft  der  Dichter  hatte, 
zeigt  er  schon  am  ersten  Gesätze  hinlänglich. 


461 

f  Nr.  273. 

Ir  Bolt  loben  die  reine  meit 

die  got  im  fiirsehn  hat^ 

e  er  beschuf  in  ewigkeit 

und  alle  menschen  drat, 

do  was  sie  vor  der  gotheit  klar, 

als  uns  Johannes  hat  beklert 

im  buch  der  taugenei: 

do  sach  er  in  dem  geist  auf  erd 

auf  Christus  brüst  so  frei 

wol  in  den  neunden  tron  furwar. 

kein  höcher  creatur  nie  wart 

von  got  beschaffen  her, 

dan  Maria  die  Jungfrau  zart 

so  gar  in  gotes  er^ 

als   sie  entpfangen  was  die  rein 

in  muterleib  so  gut, 

on  all  erbsund,   da  merk  allein, 

von  got  wart  sie  behut 

on  alle  befleckunge  gar. 

nEin  new  lied  von  der  entpfencknufi  Marie.  In  des  Nachügals  senfften 
thon.**  Offenes  Blatt  in  kl.  folio,  in  der  königl.  Bibliothek  sn  Berlin.  6 
Gestttse,  vollst,  gedmckt  bei  Wckn.  Nr.  178;  ich  bin  wohlwollender  and 
theile  nur  das  erste  Gesätz  mit,  hoffentlich  verlangt  niemand  mehr  von  des 
Nachtigals  senftem  Ton.  Der  Dichter  nennt  sich  Martin  Weiß,  von  ihm  giebt 
es  auch  ein  22strophiges  Lied  auf  Karl  Y.  Er  ist  wol  mit  Martin  von  Reat- 
lingen  ein  und  dieselbe  Person.  Von  letzterem  theilt  Wckn.  Nr.  179.  eine 
geistliche  Tagweise  von  imser  Franen  mit  Dieser  Martin  ▼.  B.  hat  mehrere 
Marienlieder  veiiSust,  er  sagt  am  Schlosse  seiner  Tagweise: 
der  wil  jongfran  dein  lop  nnd  preis 
die  weil  er  lebt  volbringen. 

f  Nr.  274. 

O  virgo  vite  via, 
tu  mundi  spes  Maria, 
und  in  dem  tron 
gewaltig  aller  mechte, 
der  als  himels  geschlechte 
ist  underton  ff, 

»Das   ist  ein  hüpsch   lied   ynd   lobgesang  von  Maria   der  wirdigen  vnd 
hymmelischen  keyserin.     Vnd  ist  in  dem  Vnerkanten  thon'<   4   Blätter  8o. 

31 


402 

o.  O.  a.  J.      Anfang   des   XVI.   Jahrhunderte.  —    7    Gesätze)  jedes   von   30 
Zeilen!  gedruckt  in  Körner^s  MarianiscUem  Liederkranz  S.  264 — 270. 

f  Nr.  275. 

Es  flog  ein  kleins  waltvögelein  ff, 
12  Szeilige  Strophen,  s.  vorher  \  Nr.  233.  A. 

f  Nr.  276. 
Maria  schon,   du  himelsch  krön, 
tÄ  mir  dein   hilf  beweisen, 
daß  ich  mög  dein  entpfahung  rein 
mit  warheit  hie  volpreisen  ff, 

Eyn  schon  lied  von  der  vnbefleehten  entpfencknüß  Marie  j  in  dem  (hon 
Maria  sart.     10  Gesätze. 

In:  »Die  war  Histoiy  von  den  vier  kotier  prediger  Ordens,  zd  Bern  in 
der  Eydgnosschafit  verbrant.^    (Wolfenb.  Bibliothek.) 

Ein  anderer  Druck,  dessen  Rambach  Anthologie  1,  427.  gedenkt,  ist 
jetzt  mit  seiner  Sammlung   in  die  Hamburger   Stadtbibliotliek  übergegangen. 

f  Nr.  277. 

1.  Jesu  muter  des  mer  ein  stem, 
erwelteu  sunn,  man  imd  lucem, 
bis  grüest  der  gotheit  cell  mit  ern, 

Ezechielis  porten. 
Alle  die  aus  dem  mere  schrein 
der  werlt  hinz   dir  in  angstes  pein, 
tue  in  hilf  deiner  gnaden  schein 

des  himels  gstat  ze  Worten. 

2.  Chum  mit  ze  hilf  den  gevangen  smt 
in  Sunden,  leucht  die  äugen  blint, 
daß  sie  des  gelauben  werden  kint 

und  sein  dar(in)  an  ende. 
O  jimcfrau  rein  zeig  ganzleich 
vor  got  dem  vater  tugentleich, 
daß  du  seist  muter  arm  und  reich, 

des  tüfels  liste  wende. 

3.  Werde  magt,  ein  keusches  leben 
uns  erwirp  von  got  ze  geben 
imd  mit  hoff  in  gnaden  leben 

nach  seiner  schult  so  werde. 


463 

Uns  weis  den  weg  der  selichkeit, 
den  Christus  in  des  kreuzes  leit 
mit  bitter  .stim  und  gschrei  bereit 
den  seinen  hie  auf  erde. 

4.    Sich  uns  arme  sünder  an 

und  louch  uns  unter  deinen  van, 
daß  luis  der  helle  pein  und  ban 

icht  leidig  ewigleiche. 
Amen  sprechen  all,  do  got 
erledigt  mit  der  marter  hot 
die  tauf  geflewt  aus  sünden  not 

mit  schein  des  sterrcn  reiche. 

PpHs.  XV.  Jahrh.  4«.  gez.  D.  15.  Blatt  282.  a.b.  in    der  Benedictiner- 
Abtei  Melk.     Vgl.  den  lat.  Hymnus:   Ave  maris  Stella. 

f  Nr.  278. 

Ein  bittendes  reis,         der  sälde  hört, 
geziert  mit  fleiß        auf  alle  ort, 
dein  lop  ich  preis,         du  süßes  wort, 

Maria  kunigin! 
gar  schon  gesneit        nach  der  genucht, 
loplich  gecleit        mit  zarter  frucht, 
mit  wirdikeit,         mit  rechter  zucht, 
ein  gotes  gebärerin. 

O  Maria,  ros  on  alle  doni, 
ob  allen  frawen  hoch  geborn, 
got  selber  hat  dich  außerkorn. 
behüt  uns  vor  deines  kindes  zom, 
daß  sein  marter  icht  an  uns  werd  verlorn. 
Wiener  Hs.  2880.  Bl.  148«— 149«,   aus  dem  XV.  Jahrb.,  s.  mein  Ver- 
zeichniss  S.  161.  7  Steopben,   gedruckt  in  Jos.  Kehrein,    Kirchen-  und  reli- 
giöse Lieder  ff.  (Paderborn  1853.)    S.  205.  206.  in   aller  schlechten   Schrei- 
bung der  Hs. 

f   Nr.  279. 

1.   Hilf  frau  von  Ach!      wie  schwach 
on  maß  ich  armer  sünder  bin, 
und  bald  ist  hin      mein  sin       on  gwin 
zu  verfuren,       spüren 
mag  ich       grüntlich, 

31* 


464  ^ 

daß  got  misfelt       der  weit 

Undankbarkeit.       o   reine  raeit, 

Maria  zart,       wie  hart 

mir  das  zft  herzen 

wil  dringen  zwar!       gnad  mir  nit  spar 

lind  nim  mein  war, 

fraii ,  diu'ch  dein  siben  sehmerzen. 

2.  O  jungfi-au  rein,       on  nein 
alzcit  der  sünder  trösterin, 

was  ich  begin,       denk,  sin,       von  liin 

muß  ich  mich  wenden,       enden 

sol  sich       umb  mich 

der  weite  lust,       umsust 

ist  aller  jrAi      und  hilft  kein  gfit, 

ich  muß  daran      und  kan 

den  tot  nit  ilieehen, 

dan  daß  ich  bit,      versag  mir  nit 

und  teil  mir  mit 

dein  gnad  on  als  verziechenl 

3.  Der  weite  heil       on  meil 
bistu  Maria  ewiglich, 

und  freu  auch  mich,       der  dich       täglich 
mit  fleiß  tut  eren.       geren 
erzeigst  und  neigst 
dich,   gotes  arch       und  sarch 
dem  Sünder  zft.       o  frau,  das  tä 
iez  in  der  not,      zum  tot 
vil  krankheit  schweben, 
erwirb  mir  hult,       daß  ich  mein  schult 
mit  reu  und  dult 
müg  büßen  hie  in  leben. 
Ans   dem   Liederbache  Erhart  Öglin'8,  Angsbnrg  1512.     Kömer,  Maria- 
niBcher  Liederkranz  S.  257  —  259. 

f  Nr.  280. 

Mer   ein  hüpsch  geistliches   liet  von  der  muter  gotes  nnd  von  irem  ge- 
schlecht. 

Ich  sing  euch  hie  ans  freiem  mfit 
ein  neues  lietlin  fein, 
ein  weiplichs  bild  mich  freuen  t&t, 
ir  diener  wil  ich  sein. 


465 

sie  ist  mein  trost  hie  und  dort: 
o  weiplichs  bild,  bis  mein  gefört! 
weip,  ich  dich  bit,        verlaß  uns  nit, 
tu  uns  beistan  an  unser  letzten  hinnefarte ! 
Liederhandachrift  der  Brüder  Brentano,  mit  der  Jahrszahl  1528.  14  Ge- 
sUtze  EU  Lob  und  Preise   der  heil.  Jungfrau.     Bei  jedem  Gesätz   wiederholt 
sich  die  obige  Schlusszeile. 

Nach  einem  offenen  Blatt  in  fol.  aus  dem  Anfange  des  XVI.  Jubdi.  ge- 
druckt in  Kömer*s  Marianischem  Liederkranz  S.  269 — 263. 

f  Nr.  281. 

Die  geschrift  geit  uns  weis  und  Icr 

wie  daß  Maria  psalter  wer«), 

darvon  wil  ich  euch  singen. 

götliche  Weisheit  ruf  ich  an : 

Maria  wöll  mir  beiestan, 

so  mag  mir  nit  mislingen. 

Mana  hat  ir  außerweit 

die  iren  psalter  beten, 

hats  in  ir  bruderschaft  gezelt 

und  wils  gegn  got  vertreten: 

es  sein  recht  frauen  oder  man, 

wer  sie  darmit  tut  rufen  an, 

dem  wil  sie  treulich  beiestan. 
Ein  Bosenkranise  j  vö  vnser  \  lieben  frawen.  \    In  Hertzog  Ernst  melodey. 
Am  Knde:    Wo^gang  Euber,     (Holzschnitt:  Maria  Verkündigung.) 

8  Bl.  in  klein  8o.  Nürnberger  Drack  auB  dem  Anf.   des   16.  Jahrb.    21 
Gesätze.     Gedruckt  in  Kömer's  Marian.  Liederkranz  241 — 250.®) 

Marift  Psalter   besteht  aus    drei  Rosenkiilnzen :    der   erste  ist  weiß,   der 
zweite  roth,  der  dritte  golden.    Der  weiße  bedeutet  die  Reinheit  und  Keusch- 
heit der  heil.   Jungfrau,    der  rothe  ihren  Schmerz  über   das  Leiden    Christi, 
der  goldene  ihre  Freude  über  ihres  Sohnes  Auferstehung  und  Himmelfahrt. 
Zu  jedem  dieser  drei  Rosenkränze    gehören    5  Paternoster  und  50  Ave 


§.  12)  8)  Deshalb  auch  in  anderen  Drucken:  Unser  lieben  Frauen  Psalter. 
9)  Es  sind  noch  mehrere  Einzeldrucke  vorhanden,  z.  B.  Augspurg 
durch  Mattheum  Francken  (s.  Riederer,  Nachrichten  zur  Kirchen-,  Gelehr- 
ten- und  Bücher  -  Geschichte  8.  Bd.  S.  313),  Straubing  bei  Andre  Summer 
(s.  Kömer  8.  250).  —  Koch,  Compendium  II.  Bd.  S.  11  führt  eine  Ausgabe: 
Erfurt  von  Hans  Sporer  1498.  4®.  (auf  der  Leipz.  Univ.-Bibl.)  an  und  nennt 
das  Jahr  der  Abfassung  1420  ! 


4GG 

Maria.     Wer    alle  diese  jede  Woche  betet,   der  gehört  zur  Bruderschaft  und 
empfängt  einst  den  allerbesten  Lohn. 

Am  SchlnsHO  nennt  sich  der  Dichter  selbst: 

Nach  Christi  gbnrt,  merkent  furwar, 

do  man  ssalt  funfzehenhundert  jar 

Sixt  Buchsbaum  hat  gesungen 

in  Herzog  Ernsten  melodei: 

Maria  wo»  dem  bruder  bei, 

so  war  im    wol  gelungen, 

kumt   mit  den  liebsten  brüdera  sein 

ja  vur  der  himel  tore, 

Hcin  kleit  wirt  weiß,  rot  und  guidein, 

man  Sprech:   wer  ist  da  vore? 

Maria  Sprech  mit  liechtem  schein 

aus  irem  rosenfarben  munt: 

laßt  mir  den  liebsten  gast  herein! 
Sixt  Buchsbaum  war  wie  es  scheint  ein  MeistersHnger ,  der  der  Geist- 
lichkeit angehörte  und  sich  auf  theologische  Dinge  besser  verstand  als  auf 
poetische:  er  weiß,  dass  die  Knechte  Jesu,  als  sie  ihn  geißelten,  6666  Wun- 
den schlugen  und  das«  462  seiner  Glieder  (Beine)  jedes  sein  besonderes  Lei- 
den empfing,  femer  weiß  er  die  .Zahl  der  Schritte,  die  Jesus,  als  er  sein 
Kreuz  trug,  wandeln  musste.  Solchen  Besonderheiten  verdankt  wol  dieser 
langweilige  Meistergesang  seine  größere  Verbreitung.  Er  erhielt  sich  über 
anderthalb  hundert  Jahre:  er  steht  im  Tegeniseer  GB.  1577.  Bl.  218 ff.  (da- 
nach bei  Wckn.  Nr.  795.)  und  später  noch  in  Comeri  Geistlicher  Nachtigall 
1649.  S.  335  —  889,  aber  hier  schon  22  Strophen  lang  und  „in  etwas  ver- 
bessert.'* 

f  Nr.  282. 

Marei,  mein  hört, 

vemim  mein  wort, 

merk  auf  was  ich  dir  sage ! 

zu  dir  ich  schrei, 

Jungfrau  Marei: 

hilf  daß  ich  nit  verzage ! 

Seit  ich  dein  kint 

erzürnet  vind 

ja  durch  mein  sünd, 

darumb  ich  mich  ser  klage. 
Mn  ffeisUich  tagweiß  \  von  \  fmser  frawen,  \    Im   thon  |  wach   avff  mein 
hört,  jo.    Am  Ende:   Oedritckt  zu  Regenapwg  durch  Hannsen  Khol,     4  Bl. 
in  kl..  80.     Aus  der  ersten  Hftlfte  des  16.  Jahrh.  9  Gesfttse. 

Abgedruckt   in    Körner's    Marinnischem   Lioderkranz  8.  271  —  274.     Ein 


467 

Zwiegespräch  M«riM  mit  dem  Bünder ,  bei  aller  kflnstlichen  Form  recht  les- 
und  singbar. 

Auch  in  der  Kloster  -  Neuburger  Hq.  1228.  s.  Mone  Anzeiger  8,  362. 

f  Nr.  283. 

Mai'ia  guet,         won  bei  mir  hüt 

und  tan  mir  hilf  beweise, 

daß  ich  kan  dein         entpfaung  rein 

gesing  und  lop  gepreise. 

aiQ  ist  fein  klar,         niemant  das  dar 

in  warheit  widersprechen, 

von  anbegin         in  gotlich  sehin 

gesehn  und  ordinieret, 

im  willen  sein  formieret. 

Von  der  |  vherwirdigUten  muter  gotes  \  vnd  reinen  |  iunckfratpen  Maria  \ 
schöner  entpfahv/ng  \  Hieronymi  Seheneh  von  Sumave  |  deutsches  Carmen  \ 
mit  I  hetcerung  der  heiligen  geschr^,  jc. 

Am  Ende :  Impssum  in  nobili  Vrhe  herhipolmi .  per  me  Ma^inü  Schubart 
Anno  Dni  1503  Die  16  Septemhris  M»  S,  PaHens  terit  oma  virttis  . 

6  B1.  40.  Ein  Exemplar  in  der  Baraberger  Bibliothek:  Q.  X.  41,  dem 
aber  das  Titelblatt  fehlte«). 

,   Ein  Meistergesang  von  25  GesHtzen,   vollständig  abgedruckt  in  Komer's 
Marianischem  Liederkranz  S.  3 — 11. 

Hieronymua  Schenck^i)  war  gewiss  ein  sehr  gelehrter  Mann:  er  hat 
in  diesem  Liede  Alles  ausgekramt,  was  die  Kirchenväter  Feines  und  Schönes 
von  der  heil.  Jungfrau  gesagt  haben  und  was  sich  im  alten  Testamente  auf 
sie  beziehen  lässt.  Als  Dichter  aber  ist  er  ein  trauriger  Beweis,  wie  tief 
die  Poesie  zu  jener  Zeit  gesunken  war.  Wenn  er  auch  seine  Verse  mehr 
misst  als  zählt  und  so  gewissermaßen  eine  Ahnung  von  dem  hat  was  ein 
Jahrhundert  später  erst  metrisches  Gesetz  wurde,  so  sucht  er  doch  diesen 
Vorzug  vor  seinen  Zeitgenossen  durch  seine  wirklich  schauderhaften  Reime, 
die  oft  nicht  einmal  für  schlechte  Assonanzen  gelten  können,  wieder  aufzu- 
heben: in  dem  künstlichen  meistersängerischen  Versbau  mit  den  kurzen 
Beinizeilen  machen  die  vielen  falschen  Reime  einen  gar  schlechten  Eindruck. 
Es  lässt  sich  kaum  denken,  dass  die  Laien  diese  gelehrte  Reimerei  je  ge- 
sungen haben. 

Im  folgenden   Jahre   gab  derselbe    8chenck  noch   einige   deutsche  Car- 


§.  12.  10)  Den  Titel  entnehme  ich  aus  Kömer  S.  3,  den  Bchluss  aus  dem 
Serapeum  6,  313. 

11)  In  einer  Vorrede  zu  des  Burckhard  Homeck  Compendium  theo- 
logiae  nennt  er  sich  Hieronymus  Schcnc-k  de  Sunmaue  1515. 


468 


mina  heraiu,  ich  kann  aber  nichts  davon  weiter  mittheilen  als  den  Titel  des 
Bamberger  Exemplars  nach  dem  Serapeum  6,  314: 

Ein  Salve  regina  von  Hieronymo  |  Bchenck  von  Snmawe  jn  ein  |  Carmen 
gemacht  vnd  |  mit  bewerten  schrif-  |  ten  gezirt  Tnd  |  erlencht. 

Am  Ende:  Impressom  in  Dncali  Episcopaliq;  Cinitate  Herbipolen.  per 
Martina  Schnbart  Anno  1504.  Die  tertio  Angost  M.  S.  Patiens  terit  omnia 
virtus.  1504.    12  Bl.  in  4o. 


%   Nr.  284. 

Ein  nea  geistlich  liet  von  der  jangfrau  Maria  in  dem  ton:  Es  wonet 
lieb  bei  liebe  (von  anderer  Hand:  mit  Inst  so  wil  ich  singen  ein  schöne 
tag!  weis). 


Erstes  Ges&ts: 


Mit  lust  SO  wil  ich  singen^ 

hört  was  ich  singen  wil, 

von  einer  keiserinne, 

die  ich  euch  nennen  wil. 

ir  nam  der  ist  von  hoher  art, 

darvon  ist  sie  geboren 

die  edel  Jungfrau  zart. 


Letztes : 


Jesus,  laß  dich  erbarmen 
durch  deinen  bittem  tot. 
halt  den  in   deiner  hüte, 
der  das  gedichtet")  hot, 
er  sangs  in  seiner  großen  not, 
und  laß  in  nit  ersterben 
an  einem  gäben  tot. 

Liederhs.  der  Brüder  Brentano,  nm  1524,  12  Gesätze. 
Ein   Geystlich  Lied  \  von  der  \  Junekfrau   Maria,  \  In  dem  t/ion.  Es  wanet 
4ieb  beff  liebe.  (Holzschnitt:  Maria  Verkündigung.) 
4  Bl.  in  kl.  8o.   ans  der  ersten  Hftlfte   des  16.  Jahrh.   12  Gesfttze.    Danach 
bei  Körner^  Marian.  Liederkranz  8.  65^67. 

Nach  einem  anderen  alten  Dmcke  ans  derselben  Zeit  (offenes  Blatt  in 
fol.  in  der  königl.  Bibliothek  zu  Berlin)  bei  Wackemagel  Nr.  797. 
Anch  in  der  Kloster -Neuborger  Hs.  1228,  16.  Jahrh. 


§.  12.  12)  Über  dem  gedichtet  steht  mit  kleinerer  Schrift :  gesungen. 


469 

f  Nr.  285. 
Uns  sagt  die  gschrift  gar  offenbare, 
wie  lang  Maria  gotes  muter  und  auch  meit 
auf  diser  erd  gewonet  hat, 
nachdem  ir  kint  am  kreuze  was  gehangen. 
Man  schreibt  furwar  vierzehen  jare 
was  Maria  in  Hierusalem  in  großem  leit; 
sie  gieng  auch  altag  an  die  stat, 
da  Jesxus  Christ  sein  leiden  het  empfangen. 
Und  do  die  zeit  vergangen  was 
daß  got  ir  großes  ellent  gunt  erbarmen, 
auf  einen  tag  sie  einig  saß, 
sie  gedacht,  wie  lang  sol  ich  vil  arme, 
8ol  in  betrübtem  leben  sein,  wenn  wil  es  mich  Verlan  ? 
sie  sprach:  mein  kint,  laß  es  ein  ende  han, 
und  sei  das  bet  nit  wider  dich, 
so  laß  mich,   herr,   sehen  dein  angesicht, 
darnach  so  ser  verlanget  mich, 
änderst  han  ich  kein  trost  auf  erden  nicht 
wan  dich,  mein  herzenliebes  kint. 
dein  leiden  betracht  ich  also  schon: 
wie  lang  sol,  herr,  die  marter  dein 
mit  schmerzen  vest  in  meinem  herzen  ston? 

Die  iehiedüg  \  wuer  \  Heben  Frawen,  \  In  de$  Begenhogen  langen  t?ion.  \ 
(Holuchnitt:   Maria  anf  dem  Sterbebette,  amgeben  von  den  Aposteln.) 
Am  Ende:    Wolf  gang  Huher.  8  Bl.  in  kl.  8o.   Wolfgang  Hnber  druckte 
an  Anfang  des  16.  Jahrb.  eu  Nürnberg. 

Ein  Meister gesan gl  der  aber  eigentlich  weiter  nichts  ist  als  eine  lang 
ansgesponnene  Erzählung  von  den  vielerlei  Wundem**}  bei  der  Himmel- 
fahrt Maria.  Merkt  man  im  Lesen  kaum  die  Reime  der  langen  Zeilen  mehr, 
80  ist  das  gewiss  beim  Singen  noch  mehr  der  Fall  gewesen.  Es  ist  wirk- 
lich ein  langer  Ton,  wobei  heutiges  Tages  nur  die  frömmste  Langmuth 
aushairen  dürfte,  und  so  fragt  denn  Kömer  mit  Becht:  »Ob  wol  dieser  Mei- 


§,12.  13)  Die  mitunter  ganx  ergötzlich  sind.    So  sagt  der  Engel  zu  Maria: 
Johannes  der  wirt  zu  dir  kummen, 
der  stet  in  Kriechenlant  auf  der  canzel. 
er  wirt  von  wölken  aufgenummen 
und  wirt  für   dich  gfUrt  also  schnei 
in  aller  seiner  priesterwat 
und  vor  der  bar  tregt  er  den  palm  fein. 


470 

»torgesang  nicht  VonmlaMung  gab  ssii  Job.  von  Schoreer«  beriihinteui  Ge- 
mSlde?«  Die  16  Gesätze  sind  vollständig  abgedruckt  in  Könior's  Mariani- 
schem  Liederkranz  S.  218—223.     Das  erste  mag  hier  vollkommen  genügen. 

f  Nr.  286. 

O  Jesu  Christ  sfi  tentsch. 

O  Jesu  Christ,         dein  nam  der  ist 

80  gwaltiglich,        darvor  auch  sich 

ein  iczlich  knie  tut  neigen. 

al  creatur,        himlisch  figur, 

irdisch  ding,         hellisch  gesind 

tot  al  dir  eer  erzeigen. 

dem  namen  dein        und  auch  tots  pein, 

die  man  dir  an  was  legen, 

gehorsamlich         erzeigstu  dich 

am  kreuz  von  unsemt  wegen. 
Licderlis.  der  Brüder  Brentano ,  1528.  9  Gesätze. 

f  Nr.  287. 

Die  sieben  Tagzeiteu. 

1.    O  Jesu  Christ,         dein  leiden  ist 
gar  groß  und  schwer        mit  aller  ser 
umb  menschlich  gschlecht  ergangen, 
zu  mettinzeit        gap  sich  der  streit: 
du  wartst  verkauft        der  judenschaft, 
gepeinigt  imd  gefangen, 
mit  großem  haß        haut  sie  on  maß 
dich  hin  und  hergezogen, 
in  solcher  not        dein  jimger  trot 
seint  von  dir  all  geflohen. 

Aus  Ai-nt  von  Aich's  Liederbache  um  1519.  Nr.  21.  Es  folgen  noch  6 
Strophen,  die  weiter  kein  Verdienst  haben,  als  dass  sie,  wie  es  scheint,  kei- 
nem lateinischen    Originale   nachgedichtet  sind. 

f   Nr.  288. 

1.    Mit  got  so  wöln  wirs  hohen  an 
zu  allen  guten  dingen, 
daß  er  uns  alzeit  w()ll  bei s tan, 
so  mag  uns  nit  mißlingen. 


471 

weis  uns  den  weg,        den  rechten  steg 

auf  in  des  himels  trone! 

o  hilf  Maria  frone ! 

teil  uns  auch  mit        gen  got  dein  bitt. 

80  mug  wir  nit  irr  werden! 

Maria  milt,        dein  bet  das  gilt 

vor  got  auch  unserm  heiTen. 

2.  Wiss  mensch,  wiltu  von  sünden  stan, 
wil  ich  got  fiir  dich  bitten. 

sein  angst  laß  dir  zu  herzen  gan, 

die  er  für  dich  hat  glitten, 

mit  marter  groß        sein  blut  vergoß 

für  als  menschlichs  geschleehte. 

o  herr,  wers  recht  gedechte 

des  leiden  dein        imd  große  pein, 

dem  wil  ich  gnad  erwerben, 

vor  helle  glut        wöll  sein  behut 

und  nimmermer  verderben. 

3.  Hilf,  himelkungin,  reine  meit! 
wir  wöln  von  sunden  keron. 

teil  uns  doch  mit  barmherzigkeit, 

du  muter  gotes  herren! 

der  für  uns  hot        den  bittem  tot 

am  heiigen  kreuz  gelitten, 

filr  al  creatur  gstritten. 

das  söln  wir  lan        zu  herzen  gan, 

wöln  wir  sein  hult  erwerben. 

mit  seufzen  tuf,        o  herr,  ich  ruf 

zu  dir  in  meinem  sterben. 

Ana  Amt  von  Aichas  Liederbüchlein   am  1519.   Nr.  1.     Mensebachschc 
Bibl.  Nr.  7329.  za  Berlin. 

nin    dissem  bnechlyn    fyntma  .   Lzxv.   hübscher  |  lieder    myt  Discant  . 
Alt .  Bas  .  vii  Tenor  .   Instick  zft  syngen.     Aach   etlich  zfi  fleiten,   schwege- 
len,   vnd  an-  |  deren  Mosicalisch    Instnunenten  artliehen  zu  ge-  |  branchen.'' 
quer  8<^.     Am   Ende:    „Gedruckt  yn  der  löblicher,    Kcyserlicher,  vnd  des  | 
heyligen  rijchs  frey  Stat  Cöln,  durch  Amt  von  Aich." 


472 


f  Nr.  289. 

Ein  8ch6n  geistlich  liet  in  dem  ton:  Ich  het  mir  fUrgenomen  zft  die- 
nen stetigUch. 

Wo  sol  ich  mich  hin  keren, 

seit  ich  auf  erd  nicht  hanZ 

weß  sol  ich  mich  erfreuen? 

groß  not  ich  vor  mir  han. 

der  tot  hat  mich  umbfangen, 

ich  mag  im  nit  entgan, 

die  krotten  und  die  schlangen, 

meinen  leip  den  wellen  sie  hau. 
Scbliua: 

Der  uns  das  liet  gesungen, 

Hans  Brobst  von  Schwatz  genant, 

also  hat  ers  besunnen, 

er  ist  gar  weit  erkant. 

das  lant  hat  er  gehauen, 

got  haben  in  seiner  hAt, 

nit  lenger  wil  er  trauren 

wol  umb  das  zeitlich  gut. 
Liederhs.  der  Brüder  Brentano,  nm  1524|  10  Qesätze. 

f  Nr.  290. 
Sanct  Anna. 

Anna  du  anfenglichen  bist  — 

mehr  als  dieser  Anfang  ist  nicht  vorhanden.  Das  Lied  mnss  seiner  Zeit  viel 
gesungen  sein,  Hans  Sachs  hat  es  nmgedichtet  auf  Christus  oder,  wie  er  es 
nennt,  veri&ndert  und  chiistUch  conigiert.  Der  Anfang  dieser  Umdichtung 
lautet: 

Christo,  du  anfenglichen  bist, 
ein  Wurzel  unser  Seligkeit. 

Etliche  geystUche  lieder,  für  die  Layen  kuo  singen .  Hans  Sachs.  M.  D. 
XXYI.  3  Qes&tse,  gedr.  Wckn.  Nr.  243.  und  danach  bei  mir  ^  Nr.  239. 

Hans  Sachsen's  Lied  findet  sich  noch  im  Nürnberger  OB.  1591.  S.  474 
und  abermals  S.  494.  Die  Melodie  scheint  damals  schon  völlig  unbekannt 
gewesen  zu  sein,  denn  in  der  Überschrift  heiQt  es:  im  Ton  Rosina,  wo  war 
dein  Gestolt  (Wckn.  S.  842.) 


473 

f  Nr.  291. 
Sanct  Anna. 

Ein  schön  Het  von  Sant  Anna  in  dem  ton:    Maria  zart. 

Sant  Anna  preis      merk  hie  mit  fleiß 
der  künigin  und  ere, 
die  got  alzeit      von  ewigkeit 
erweit  hat,  wil  ich  leren, 
got  teil  mir  mit,      darumb  ich  bit, 
der  Weisheit  gnadn  und  sinne, 
dardurch  ich  müg  gewinnen 
das  heil  der  sei,      die  sunst  on  quel 
nit  leben  mag,      in  mancher  plag 
darmit  wir  seint  umbgeben 
durch  großer  schult,       auf  daß  sie  hult 
erwerbe  hie  im  leben. 
Liederhs.  der  Brüder  Brentano,  um  1524,  7  .Gesütze. 

f  Nr.  292. 

St.  Catharina. 

Em  hübsch  üed  von  Mani  kaiarmen  leben.    In  dem  muecai  blüyten 
den.    Gedruckt  z&  Mhraßburg  durch  MarUn  Flach,   Al$  tnan 
zali  tu$eni  fünff  hundert  acht  jar. 
Kön.  Bibl.  zu  München  nach  Wckn.  Kirchenlied  S.  719.  Nr.  yi\j. 

f  Nr.  293. 
St.  Christoph. 

1.  Sant  Christof,  du  vil  heiliger  man, 
dein  lop  stet  hoch  zu  preisen: 
wer  dein  bild  frä  tut  schauen  an, 
des  tags  ist  er  beweisen 

das  herze  sein      frölich  on  pein, 
züchtig  in  allen  eren. 
dein  bet  gen  got      hilft  hie  und  dort 
umb  deiner  marter  ere. 

2.  Du  hast  auch  macht  von  got  gewert 
den  gächen  tot  vertreiben, 

des  doners  kraft  wirt  ganz  yerhert 
an  keinem  ort  zu  bleiben. 


474 

darumb  aus  bitt      versag  uns  nit 
dein  hilf  als  wir  begeren ! 
dein  bet  gen  got      hilft  hie  und  dort 
umb  deiner  marter  ere, 

i\.    Du  hast  noch  mer  der  tugent  groß, 
als  uns  die  schrift  erzelet: 
got  liebt  dich  ser  on  aUe  moß 
und  hat  dich  außerwelet 
zu  seinem  knecht,       du  trugst  in  recht 
über  waßer  so  geren. 
dein  bet  gen  got      hilft  hie  und  dort 
umb  deiner  marter  ere. 

Aas  Valentin  HolVs  Liederbnch,  Hs.  aus  den  Jahren  1524—26,  in  der 
Morkelschon  Familienbibliotfaek  zu  Nürnberg,  B1.  164^.  Bei  Ubland  Nr.  306. 
—  In  einer  Hb.  aas  derselben  Zeit,  früher  im  Besitz  der  Brüder  Brentano, 
lautet  der  Text  ebenso:  nur  Str.  2.  ist  dort  Str.  3,  und  2,  1.  Er  hat  noch 
mer  von  got  begert  —  3,  6-  so  ferren  über  mere. 

f  Nr.  294. 
Sanct   Sebastian. 

'£in  hüpsch  neu  Uet,  seit  drat  von  Saat  Sebastians  leben  und  tod, 
im  ton:  Es  wonet  lieb  bei  liebe,  oder  im  ton:  O  da6  ich  künt  von 
herzen  siligen  ein  tageweis.* 

O  du  götliche  liebe, 

dein  feuer  erzünd  in  mir, 

dein  geuad  die  mich  tiebe 

und  daß  ich  müg  mit  gir 

hie  singen  vor  der  weit  behend 

von  Sant  Sebastiani  in  kürze  sein  legend. 

Der  Dichter  hat  sich  wirklich  sehr  kurz  g^fasst :  es  sind  nur  31  solcher 
Strophen ! 

In  der ' Liederhs.  der  Brüder  Brentano,  mit  der  Jahrszahl  1527. 

f  Nr.  295. 
St.   Ursula. 

Ein  zit  hört  ich  vil  g&ter  mär 
von  einem  schiflin  sagen, 
wie  das  mit  tugenden  also  war 
so  kostliehen  geladen. 


475 

zu  dem  schif  kreich  ich  ein  herz : 

ich  vant  dar  inne  vil  g&t  gemerz 

in  maniger  hande  gaden. 
„Das  liede  vber  sant  Vrsulen  schyffliii  gedichtet  vö  meister  iohiinos 
gosseler  pfarher  vn  doctor  zu  sant  iost  zn  Saffenspurg"  12  Strophen,  die 
erste  mit  Melodie  in  Holzschnitt,  in  ,,lJon  sant  Unnlen  schifflin^  4?  Am 
Ende:  „Getruckt  zft  stral^burg  yff  gruneck  von  meister  bartholomens  kUstler. 
Jn  dem  iar.  M.CCCC.xcvij.''  Meuseb.  Blbl. ;  besaQ  anch  Veosenmeyer,  Anfsess 
Anzeiger  1,  68.     2,  55. 

Nach  zwei  Kölner  Drucken  (1505.  u.  o.  J.),  7  Strophen  und  ohne  Namen 
des  Dichters  gedruckt  in  O.  Schade,  Geist!.  Gedichte  dos  XIV.  u.  XV.  Jahrh. 
vom  Nidcrrhein  8.   169—171. 

^  Nr.  296. 
Sanct  Veronica. 

ü  süßer  got,  nach  dein  gnaden  stet  mein  begir, 

send  einen  engel  aus  dem  himel  her  zu  mir, 

daß  ich  ein  buch  mit  innikeit  gemache  dir, 

daß  ich  von  deinem  angesicht 

mug  sprechen  unde  singen, 

wie  daß  von  Jerusalem  hin  gen  Rome  kam 

und  auch  dem  kranken  keiser  schwere  seuchen  nam 

Fronica^  also  kund  ich  euch  des  buches  stam. 

an  gotes  hilf  vermag  ich  nicht 

das  wirdig  buch  volbringen. 

JEin  lied  von  der  Fronica   \    wie  sie  von  Jerusalem  gen  Born 
ist  kümen   \  Jn  dem  brieff  don  des  Begenbogens, 
Alter  Druck,  Anf.  des  XVI.  Jahrh.  o.  O.  u.  J.     8?     24  BlÄtter.     Mone's 
Anzeiger  1835.     Sp.  46. 

f  Nr.  297. 
Sanct  Wolfgang. 

1.     Wer  vil  wunder  wil  schauen, 
sol  gen  sant  Wolfgang  gan: 
da  im  erschin  unser  fraue 
auf  dem  berg,  fach  er  an! 
got  wolt  gnad  mit  im  ieben, 
die  berg  tet  er  zerkliebcn 
und  von  einander  schieben, 
schlug  mit  seim  häcklin  dar, 
macht  ein  brunnen,  ist  war. 


476 

2.  Heiliger  sant  Wolfgange! 
du  bist  ein  heiliger  man^ 
das  ließ  dich  got  genießen, 
sant  dir  her  aus  dem  tron 
sein  liepste  muter  schone, 
sie  sprach:  du  solt  aufstone, 
ein  gotshaus  bauen  lone! 
das  tetstu  williklich, 

ließ  got  genießen  dich. 

3.  Da  fieng  er  an  zu  werfen 
der  edel  bischof  rein 

sein  häcklin  über  borg  und  tal, 
da  er  das  käppellein 
wolt  heben  an  zu  bauen 
in  der  eer  unser  frauen. 
got  helfy  daß  wir  es  schauen, 
tu  uns  bhüten  vor  schand 
auf  wasser  und  auf  land ! 
4«    Sol  ich  ein  gotshaus  bauen, 
die  stein  seint  mir  zu  schwer, 
so  kan  ich  ir  nit  hauen, 
der  teufel  der  kam  her: 
ich  hilf  dir  bauen  schone, 
den  ersten  pilger  wil  ich  hone, 
ein  wolf  der  wart  sein  lone, 
der  kam  gewallet  dar, 
trug  ein  walsack,  ist  war. 

5.  Nun  last  uns  alsamt  schauen 
die  zeichen  in  gemein, 

ir  man  und  auch  ir  frauen! 

bei  seinem  käppellein 

vindt  ir  hend,  fiiß,  bein  hangen 

und  yil  stuck  von  gefangen, 

da  er  im  stein  ist  gangen.    * 

get  ir  in  segerär, 

da  zeigt  man  euch  ir  mer. 

6.  Ein  man  der  ist  gelegen 
drei  stund  auf  einer  bar, 
daß  man  sich  het  verwegen 
ein  jeder  man  sein  gar ; 


477 

vil  andrer  großer  wunder 
list  man  ench  da  besnndery 
wann  vil  brüder  seint  dar 
auf  der  canzel,  ist  war. 
7.    Heiliger  sant  Wolfgange! 
du  bist  ein  heiliger  man^ 
du  tröstest  die  gefangen, 
wer  dieb  tut  rufen  an, 
krank,  lam  und  schwanger  frauen 
und  wer  den  seinen  trauen 
setzt  genzliehen  in  dich, 
sant  Wolfgang,  bitt  fiir  mich! 
Ans  Yal.  HoU*8  Liederbaehe,  1524'-26,  BL  131 ,  bei  Ubland  Nr.  807. 

f  Nr.  298. 
Ruf  gegen  Ungewitter. 

1.  O  süßer  got,  herr  Jesu  Christi 
seint  daß  du  unser  sele 

an  unsrem  ende  speisen  bist 
dort  ßlr  der  hello  quele 
mit  deinem  waren  sacrament, 
das  unser  dort  tut  warten 
und  unser  sele  frölich  sendt 
in  paradeises  garten: 

2.  So  bitt  wir  dich  umb  leiplich  nar 
hie  aller  frücht  auf  erden, 

daß  den  kein  schaden  widerfar 

und  ganz  behütet  werden 

von  dir  zu  felde  überal 

vor  allem  ungewitter, 

daß  hagel,  schaur  und  feures  stral 

die  frucht  nit  machen  schitter. 

3.  Das  wiltfeur  fer  hin  von  uns  jag 
in  wilds  gerör  und  hage, 

darin  es  niemant  schaden  mag 
beir  nacht  und  auch  beim  tage! 
0  reicher  got,  laß  mildiglich 
all  frucht  kecklich  entsprießen, 
daß  arm  eilende  hie  rätlich 
durch  gab  sein  wol  genießen! 

32 


478 

4.    Den  armen  Belen  in  fegfeurs  peiu 
ta  bitters  leiden  smeien 
und  sie  durch  das  almusen  rein 
den  seligen  zuzelen! 
got  vater,  sun,  heiliger  geist, 
ein  gotheit  und  drei  namen, 
ganz  unser  bet  also  voUeist! 
so  singen  wir  firölich:  amen! 

AuB  einer  P^Hs.  der   StadtbibK  sn  Segensborg,  Auf.  des  XVI.  Jahrli., 
bei  Uhland  Nr.  308. 

f  Nr.  299. 

Ein  neu  geistiicb  Het,  gemacht  in  dem  ton: 
Wer  essen  wil  der  gee  snm  tisch. 

Ich  saneta  Maria  und  sant  Brigitta 
wollen  euch  laden  schon, 
mein  alle  die  getaufet  sein 
und  Christenglauben  hon. 
dient  ir  got  und  der  muter  sein, 
gnad  wöU  wir  euch  erwerben, 
daß  es  euch  hie  zeitlich  wol  got 
und  dort  nit  sterbet  ewig  tot 
mensch,  du  must  f&r  gericlity 
darair  hilft  alles  nicht. 
7  Gesfttie.    Über  Brigitta  klein  geschrieben  BarbaM.    In  der  Liederhs. 
der  Brfider  Brentano,  nm  lfr84. 

f  Nr.  300. 

1.  Frid  gip  mir,  herr,  auf  erden 
durch  deinen  bittem  tot! 

laß  mich  nit  siglos,  werden 
in  meiner  letzten  not, 
daß  mir  der  feint  kein  schmähe 
beweis  durch  seinen  list 
und  ich  zu  dir  mich  nahe, 
den  Ion  und  &eud  empfahe 
als  mir  versprochen  ist. 

2.  Rieh  herr  mich  nit  zu  schulden, 
ob  ich  durch  todes  schmerz 
verfiel  in  imgedulden, 

so  gat  es  nit  von  herz. 


479 

in  festem  glauben  sterben 
sol  sein  mein  jungster  will, 
herr,  laß  mich  nit  verderben, 
die  sacrament  erwerben, 
dein  gnad  an  mir  erfüll! 

3.  Herr,  von  zoren  nit  feile 
dein  urteil  über  mich! 
sanctus  Andreas  welle 
mir  gnad  erbitten  dich, 
der  auch  am  kreuz  erlitten 
hat  umb  den  namen  dein, 
all  zeitlich  eer  vermitten, 
die  ewig  freud  erstritten, 
zwölfbot  und  f&rsprech  mein. 

4.  Bischof  sant  Ulrich  wende 
dein  lieb  von  mir  nit  ab! 
wami  ich  mein  leben  ende 
imd  kein  verstant  mer  hab, 
auch  daß  nit  kan  mein  munde 
umb  hilf  rufen  zu  dir, 

so  bitt  ich  dich  jetzunde 
aus  meines  herzen  gründe, 
kum  dan  zu  tröste  mir! 

5.  Zu  Äug  spur  g  da  begraben 
die  heilig  Afra  leit, 

der  ich  mich  auch  wil  haben 

befolhen  hie  in  zeit, 

und  ir  gselschaft  mit  eine, 

all  mein  patronen  hie, 

voran  Maria  reine, 

daß  sie  uns  ingemeine 

genad  erwerben  tti. 
Ans  Amt  von  Aich  Liederb.   nm    1519.  Nr.  77.^^)     Ebenso  in  der  Hs. 
der  Brüder  Brentano,  mit  der  Unterschrift  „Anno  domini  1528.  9.  die  Mensis 
Decembris.''   nnd  der  Überschrift  von  anderer  Hand:     Im  ton  wie  der  graf 
von  Serin. 

Friedrich   Graf  von    Zollern,   fir&her   Domdechant   zn    Strasburg, 
Freund  Geileres  von  Keisersberg,  war  seit  1486  Bischof  zu  Augsborg  nnd  starb  1606. 

§.  12.  14)  Auf  dem  Titel  nur  75  Lieder,  es  sind  aber  zwei  mehr. 

32* 


_480_ 

§.  13. 
Gedruckte  Sammlungen 

bis  zum  Jahre  1524. 

Die  Buchdruckerkunst  hatte  sich  in  den  ersten  Jahren  ihres 
Bestehens  meist  nur  auf  die  kirchliche  und  zunftartig  wissen- 
schaftliche Thätigkeit  der  Geistlichen  beschränkt.  Bald  aber 
bemächtigte  sie  sich  aller  Richtungen  und  Bestrebungen  des 
menschlichen  Geistes  und  wirkte  wohlthätig  belebend  und  an- 
regend. So  bekam  endlich  auch  das  Volk  seinen  Antheil  an 
dieser  segensreichen  Erfindung,  und  keine  Macht  der  Welt  ver- 
mochte es  je  dieses  Antheils  wieder  zu  berauben.  Freilich 
musste  das  Volk  früh  schon  erleben,  dass  ihm  diese  Wohlthat 
nur  unter  Beschränkungen  zu  gut  kommen  sollte.  Die  Ver- 
mittelung  des  Wissens  und  der  Bildung  durch  die  Mutter- 
sprachen, auf  diesem  natürlicheren  Wege,  war  von  jeher  den 
lateinischen  Geistlichen  ein  Gegenstand,  der  ihnen  Furcht  und 
Gefahr  einflößte  für  ihr  Ansehn,  ihr  Leben  und  Wirken.  Wie 
von  jeher  das  Volk  Verlangen  trug  nach  deutschen  Büchern, 
woraus  es  Erbauung,  Trost  und  Belehrung  schöpfen  könnte,  so 
hegte  es  dies  Verlangen  auch  noch  jetzt  zu  Ausgange  des  XV* 
Jahrhunderts.  Wie  aber  die  Geistlichkeit,  Papst  imd  Kirchen- 
ver^ammlungen  das  Lesen,  ja  sogar  den  Besitz  deutscher  Bücher 
von  jeher  verboten  hatten,  so  hätten  sie  es  auch  jetzt  noch 
gerne  gethan,  wenn  sie  es  bei  der  neuen  Art  der  VervielfUlti- 
gung  der  Bücher  noch  vermocht  hätten.  Die  Geistlichkeit  ist 
aber. zu  allen  Zeiten  erfindungsreich  gewesen:  konnten  sie  die 
Wirkungen  der  Buchdruckerkunst  nicht  unterdrücken,  so  woll- 
ten sie  dieselben  doch  wenigstens  überwachen  und  beschrän- 
ken, so  weit  es  ihren  Zwecken  eben  angemessen  schien. 

So  entstand  die  Büchercensur.  Schon  im  Jahre  1486  be- 
fahl Erzbischof  Berthold  von  Mainz,  dass  ohne  Genehmigung 
seiner  Bevollmächtigten  nichts  ins  Deutsche  übersetzt,  nichts 
gedruckt  noch  verkauft  werden  dürfe'). 

§.18.  1)  Gnden,  Codex  diplom.  Mog.  IV,  471.  —  mandamas,  ne  aUqna 
op«ra  cQiotcimqiie  sdentie,  aiüs  vel  notitie  e  graco,  latiDo  Tel  aUo  sermone 
In  Yiilgare  g^rmanienm  tradncant  ant  tradncta,  qnoTia  commatationis  genere 
▼el  titalo    distrahant  vel  comparenti  publice  yel  occultef  directe  vel  indirecte 


481 

Was  hier  för  eine  einzige  Di(>ce8ey  freilich  aber  in  der 
Nähe  des  bedeutendsten  Stapelplatzes  des  deutsehen  Buchhan- 
dels geschah ,  erfolgte  fiinfiindzwanzig  Jahre  später  för  die 
ganze  katholische  Christenheit  Der  päpstliche  Stuhl  schien  zu 
ahnen  die  gewaltigen  Wirkungen  der  entfesselten  Mutter- 
sprache, die  sich  als  Verkünderin  der  christlichen  Wahrheit, 
als  Spenderin  des  Trostes,  als  Pflegerin  und  Vermittlerin  aller 
Bildung  dem  deutschen  Volke  erwies.  Am  4.  Mai  1515  erließ 
Papst  Leo  X.  eine  Bulle,  worin  er  jeden  mit  Bann  und  hoher 
Geldstrafe  bedrohte,  der  irgend  ein  Buch  ohne  Prüfimg  und 
Genehmigung  von  Seiten  der  geistlichen  Behörden  druckte  oder 
drucken  ließ*). 

Wie  erfolglos  dergleichen  Verordnungen  waren,  zeigte  sich 
bald:  es  erschienen  sehr  viele  deutsche  Bücher,  wovon  gewiss 
nur  wenige  einem  Censor  zu  Gesicht  kamen.  Die  Geistlichkeit 
war  außer  Stande,  alle  Erzeugnisse  der  Presse  zu  tiberwachen. 
Bis  zur  Reformation  hatte  sie  es  auf  unserm  Gebiete,  wo  sich 
noch  keine  neue  volksthümliehe  Thätigkeit  offenbarte,  auch 
eben  wenig  nöthig.  Die  bis  dahin  erschienenen  Sammlungen 
übersetzter  Lieder  sind  sehr  unschuldiger  Art,  es  müsste  denn 
sein,  dass  ein  übersetztes  Lied  für  imliturgisch  und  deshalb 
verpönt  angesehen  wurde. 


nisi  ante  impressiouem ,  et  impressa  ante  distraotionem  per  ...  ad  hoc  Ae- 
pQtatofl  ad  imprimendam  vel  distrahendum  admissa,  yel  si  iu  oppido  Frank- 
fordie  libri  yenalea  expositi,  per  ....  visi  et  approbati  fuerint. 

§.  13.  2)  Cocqaelines,  Bullaram  amplissima  colleciio  T.  III.  P.  III.  p.  409. 
410.  —  Qnia  tarnen  multornm  querela  nostrnm  et  Sedis  Apostolicae  pnlsa- 
vit  aaditom,  qnod  nonnalli  hniiiB  artis  imprimendi  ma^stri)  in  diversis  mnndi 
partibns,  libros  tarn  Graeeae,  Hebraicae,  Arabicae  et  Chaldeae  linguamm  in 
Latinnm  tranalatos  quam  alios  Latino  acynlgari  sermone  editos,  errores 
eüam  in  flde  ac  perniciosa  dog^ata,  etiam  religioni  christianae  contraria  aut 
contra  famam  personamm  etiam  dignitate  fnlgentinm  continentes  imprimere 
ac  publice  vendere  praesnmnnt,  ex  quorom  lectora  uon  solnm  legentcs  non 
aedificantor,  sed  in  maximos  potins  tarn  in  fide  quam  in  vita  et  moribns  pro- 
labuntur  errores,  rnide  varia  saepe  scandala  (prout  experientia  remm  magistra 
doeuit)  exorta  fuenmt  et  niniora  in  dies  exoriri  fonnidantur.  —  Statuimus  et 
ordinamns,  quod  de  cactero  porpetuis  futuris  temporibus  nullus  libnini  ali- 
quem  sen  aliam  quamcunque  scripturam  tarn  in  nrbe  nostra  quam  aliis  qui- 
btwvis  ciritatibas  vel  dioecesibus  imprimere  seu  imprimi  facere  praesiimat, 
nisi  cet. 


482 

Das  bückUn  halt  JA  van  erst  ff. 

192  Bl.  8^  Ende  des  XV.  Jahrh.  S.  vorher  §.  9.  S.  259. 
Hierinne  stönd  ettUck  tewfstk  ymm  ff.   Haidelberg  1494.  4^ 

S.  vorher  §,  9.  S.  262. 
Der  Curß  vom  eacrament  ff.  Basel  1497.  S^. 

S.  vorher  §.  9.  S.  265. 

1517. 

Faseio  Christi  Von  Marti  \  no  MyUio  in  Wengen  z&  Vlm  gaisdichen  \ 
Chorherren  y  gebracht  vnnd  gemadU  |  nach  der  gerümpten  Mu~ 
sica,  I  als  man  die  Hymnus  gewont  \  zebrauchs,    Vn  hie  hey  an  \ 
gezaigt  vor  yedem  ge  \  dicht,  vnder  waß  \  Melodey  z&sin  |  gen 
werd,  I    (Viereckiger  Holzschnitt:   Christus  am  Kreuz,   zu 
seinen  Seiten  Maria  und  Johannes.) 
Der  verwundl  Jesus,  schreit  zu  dem  Sünder  \  0  mensch  sich  an  mich 
deinen  gott  \  Hart/ich  gemartert  vnd  verspolt  \  Mein  wunden  tieff, 
vnd  rotes  blut     An  meinem  sterben  hab  fürgit  \   Kmew  mir  nit 
den  bitlem  schmertz  \  Durch  sind,  mach  rein  dein  malget  hertz,  | 
Cum  gratia  ^  priuilegio.  \ 
Am  Ende: 

Getruckt  vnd  vollend,  in  kosten  des  erbern  \  Joannis  Haselbergs 
auß  der  reichen  \  ow  Costentzer  bistumbs.  Anno  J  M.  D.  XVij. 
Kaien,  April 
4  Bogen  und  1  Bl.  in  4^,  Auf  der  Rückseite  des  Titelblatts 
steht  ein  kais.  Privilegium  gegen  den  Nachdruck  auf  10  Jahre 
bei  10  Mark  Goldes  Strafe.  Ein  Exemplar  in  der  Stadtbibl. 
zu  Ulm;  ein  anderes  war  in  Zwickau,  s.  Schöber,  Zweyter  Bey- 
trag  S.  93;  ein  drittes  in  der  Bibliothek  der  Brüder  Brentano; 
ein  viertes  ist  in  der  Meuseb.  Bibl.  Nr.  9002.  26  Lieder. 
Ph.  Wackemagel  hat  davon  10  vollständig  mitgetheilt:  Nr.  167 
— 176.  und  von  den  übrigen  die  Anfange  S.  722.  Das  genügt 
vollkommen,  um  ein  Urtheil  darüber  zu  erlangen.  Die  Lieder 
sind  theils  Übersetzungen  alter  lateinischer  Hymnen,  theils  im 
Versmaße  solcher  gedichtet.  Sie  betreffen  nicht  alle  die  Lei- 
densgeschichte und  der  Titel:  Passio,  ist  nicht  recht  passend. 
Der  poetische  Gehalt  ist  sehr  gering.  Der  Dichter,  der  gewiss 
schon  ohnedies  keine  große  Sprachgewandtheit  besaß,  hat  sich 
nun  noch  durch  Nachahmung  der  alten  künstlichen  Versmaße 
große  Fesseln  angelegt.  Sein  Bestreben  ist  ganz  erfolglos  ge- 
blieben: nicht  ein  einziges  seiner  Lieder  taucht  in  den  vielen 


483 

Liederbüchern  oder  sonstwo  wieder  auf.  Heutiges  Tages  mag 
es  för  uns  höchstens  nur  von  litterarhistorischem  Interesse 
sein,  in  diesen  Versuchen  das  älteste  Beispiel  der  sapphischen 
Ode  und  die  ersten  Alexandriner  zu  finden,  worauf  Ph.  Wekn. 
iS.  870  mit  Recht  aufmerksam  macht. 

f   Nr.  301. 

Die  christenlich  verkündung  von  Gabriele  Erzengel,   au  singen 
unter  dem  ton:    Ut  queant  laxis. 

1.  Nachdem  den  menschen  Cherubin  mit  schaden 
ausjagt  von  fröd  des  paradis,  beladen 

mit  schwerer  sünd,  das  er  do  solt  beklagen 
und  sünd  beweinen, 

2.  Do  wurd  gemeinlich  gut  und  bös  verloren, 
es  kern  dann  got,  von  reiner  magt  geboren, 
die  er  von  ewigkeit  hat  auBerkoren, 

möcht  uns  vereinen. 

3.  Nun  bsaß  die  höchst  dreieinigkcit,  mit  namen 
vater,  —  sein  Weisheit,  lieb  bindt  sie  zesamen,  — 
ein  rat  und  bschloß,  daß  solt  menschlichen  samen 

got  selb  erlösen. 

4.  Bhend  zu  Mariam  Gabriel  wart  gsendet, 

der  auch  solch  bschlussred  gotes  recht  vollendet, 
sprach:  grüß  dich,  vol  gnad,  got  hat  dich  gesegnet, 
solt  in  genesen. 

5.  Maria  sagt:  genzlich  in  meinem  herzen 
bin  ich  so  unwert,  daß  ich  got  on  scherzen 
sol  darzu  Jungfrau  bleibend  on  al  schmerzen 

von  mir  geboren. 

6.  Ich  bin  des  herren  dienerin  und  maget, 
mein  will  in  got  ist  und  mein  gmüet  behaget 
in  seiner  lieb:  bschäch  mir  in  "kurzen  tagen 

nach  deim  begeren. 

7.  In  disem  punkt  das  ewig  wort  vereinet 

wart  mit  der  menschheit,   drumb  daß  er  bereinet 
sunderlich  makel,  als  es  dann  bescheinet 
nach  seinem  sterben. 


484 

f  Nr,  302. 

Jesus  gat  an  ölberg,   su  singen  unter  melodei  des  hymni: 

Sanctomm  meritis  inolyta. 

1.  O  Sünder,  tracht  mit  fleiß,  wie  dein  erlösung  sei 
angfangen  nach  der  speis  und  hymnus  melodei, 

do  Christus  wolt  den  preis  selb  bhalten,  machen  frei 
den  menschen  von  Sathanas  gwalt 

2.  Er  sprach:  mein  seei  betrübt  das  bitter  sterben  mein, 
das  dann  von  euer  lieb  nahet  und  kumt  darein, 
sitzt  hie  bei  disem  biet  Gethsemani  gemein! 

ich  gang  zu  beten  alsobald. 

3.  Mit  im  nam  er  drei  sün:  Petrum,  Jacob,  Joan, 

den  er  auch  vor  erschien  am  berg  Thabor  mit  wan, 
stig  an  ölberg  mit  in,  sprach:  sitzt,  wacht,  bett  voran, 
daß  euch  der  veint  nit  ganz  verfiir. 

4.  Er  sich  mit  gspannen  arm  warf  uf  den  feisen  hart, 
schry:  got  vater,  erbarm  dich  meines  trures  gfert, 
sich  an  mein  schweiß  so  warm  in  blutig  färb  bekert: 

nem  disen  kelch  wiltu  von  mir. 

5.  Diß  bet  er  drei  mai  tet  mit  bittrem  herz  und  gmüet. 
bald  kam  der  engel,  seti  und  sprach:  got  aller  güet, 
bis  für  den  menschen  stet  und  in  durch  leit  behüet, 

als  du  fUrsachst  in  ewigkeit. 
6p   Darumb,  Jesu,  erman  ich  dich  mit  trtibter  seel, 

des  blutfam  schweiß  der  ran  von  dir  umb  menschlich  heil 
am  ölberg:  laß  mich  han  deins  bets  ein  michel  teil 

und  nach  meim  tod  die  Seligkeit. 

f  Nr.  303. 

Jesus  hangt  am  kreuz, 

9U  singen  unterm  hyms:  Vexilla  regis  prodeunt, 

der  auch  geteutscht. 

1.  Die  künglich  paner  gent  herfiir, 
des  kreuz  opfer  scheint  nach  gepür, 
darmit  des  fleisches  Schöpfer  ist 

mit  fleisch  ans  kreuz  gehenkt,  Jesus  Christ. 

2.  Sein  hend  und  faß  mit  negeln  gheft, 
sein  glider  al  gespant  mit  kreft, 
daß  er  erlöst  menschliche  not, 

hat  sich  geopfert  durch  den  tot. 


3.  Darzu  ist  im  sein  herz  als  ser 

darchBtochen  mit  eim  Bcliarpfen  sper, 

von  dem  das  blat  mit  wasser  rint^ 

daß  er  uns  wusch  von  aller  sünd. 
4«  Die  glaubwürdige  Davids  sag 

ist  nun  erfölt  und  ligt  am  tag, 

so  er  zu  allen  Völkern  spricht: 

got  hat  am  holz  die  weit  gericht. 
5.    O  kreuzy  ein  bäum  gleißent  mit  zierd, 

mit  künglich  wat  wirst  du  berüert, 

du  bist  ein  außerweiter  ast, 

der  götlich  glider  anetast 
6*  Du  seiger  baum^  an  armen  schon 

tregst  du  der  weit  zalung  und  Ion, 

imd  bist  des  leibs  ein  wag  gemacht, 

der  den  nom  aus  der  helle  bracht '). 
7.   O  kreuz,  mein  ho£aung  dise  stunt, 

grüß  ich  dich  aus  meins  herzen  grünt; 

mer  in  den  grechten  götlich  hult 

und  lösch  aus  aller  sünder  schult. 
Von  dem  Verfasser  wissen  wir  zufällig  mehr  als  von  andern 
Liederdichtem  jener  Zeit.  Er  that  Profess  im  Wengenkloster  zu 
Ulm,  reiste  1511  nach  Wien,  wurde  1515  durch  seinen  Prälaten 
nach  Hause  zurück  berufen,  kam  aber  nicht,  soll  nachher  Prä- 
positus  im  österreichischen  Kloster  Schratenthal,  aber  nur  zwei 
Jahr,  gewesen  sein  und  starb  1521.  Er  hieß  mit  seinem  eigent- 
lichen Namen  Martin  Miller.  S.  Bernhardts  Vorr.  XTiTT.  ff.  zu 
Göz,  Beitrag  zur  Geschichte  derEjurchenlieder;  Albrecht  Weyer- 
mann.  Neue  historisch -biographisch -artistische  Nachrichten  von 
Gelehrten  und  KünsÜem  aus  Ulm  Fortsetz.  (Uhn  1829)  S.  334. 

Der  ewigen  wißheit  betbuchlin.    Basel  1518.  12®. 

Bl.  93  —102.  6  Lieder,  verzeichnet  nach  den  Anfangen  von 

Mone  in  Aufsess  Anzeiger  3,  373. 
Hymnarhis:  ff.  Sjgmundslust  1524.  8\ 

S.  vorher  §.  9.  S.  271. 


§.  13.  8)  Diese  beiden  letzten  Zeilen  im  Lateinischen: 
staterA  facta  est  corporis 
praedam  tolitqae  tartari. 


486 


§.  14. 
Alte  Lieder 

aus  späterer  Zeit. 

Im  J.  1524  erschienen  die  ersten  Lutherschen  Gesangbücher. 
Sie  wurden  in  demselben  und  in  dem  folgenden  Jahre  mehrmals 
nachgedruckt  und  vermehrt  Luther  hatte  gleich  anfangs  einige 
von  den  alten  Liedern  nach  seiner  Umarbeitung  mitaufgenom- 
men und  fügte  später  noch  andere  dazu  und  zwar  ganz  in  der 
Gestalt,  wie  sie  im  Munde  des  Volkes  lebten.  Der  Liedervor- 
rath  der  neuen  evangelischen  Kirche  vermehrte  sich  von  Jahr 
zu  Jahr.  Die  Einführung  des  deutschen  Gesanges  wirkte  sehr 
ersprießlich  für  Abstellung  vieler  kirchlichen  IvGssbräuche ,  för 
Belebung  des  öffentlichen  Gottesdienstes  imd  Beförderung  der 
häuslichen  Andacht,  und  verbreitete  die  neue  evangelische  Lehre 
mehr  als  alles  Predigen,  Schreiben  und  Lesen. 

'  Die  Anhänger  der  alten  Kirche  sahen  darum  in  dem  deut- 
schen Gesänge  ihren  allergefährlichsten  Feind.  Viele  Jahre 
ließen  sie  aber  doch  vergehen,  ehe  sie  sich  entschlossen,  eben- 
falls dem  deutschen  Gesänge  eine  größere  Berücksichtigung  zu 
schenken.  Freilich  konnten  sie  nie  dasselbe  leisten,  was  ihren 
Gegnern  bereits  so  glänzend  gelungen  war:  die  lateinische  Li- 
turgie blieb  in  ihrer  ausschließenden  Geltung  und  der  deutsche 
Gesang  hatte  mit  ihr  keine  Gleichberechtigung,  er  wurde  in 
der  Ejrche  nur  hie  imd  da  geduldet,  und  war  dem  Volke  ver- 
gönnt bei  seinen  Wallfahrten  und  Bittgängen  und  zur  häusli- 
chen Andacht.  Trotzdem  muss  es  als  ein  löbliches  Unternehmen 
betrachtet  werden,  dass  endlich  katholische  Geistliche  die  alten 
deutschen  geistlichen  Lieder  aus  der  Volksüberlieferung  sam- 
melten und  XJbersetzungen  und  Nachbildungen  lateinischer 
Hymnen  imd  neue,  dem  Bedürfhisse  des  Volks  entsprechende 
Lieder  dazu  fugten. 

Die  erste  Sammlung  veranstaltete  Michael  Vehe,  Predigeir- 
mönch,  Doctor  der  Theologie  und  Propst  an  der  Stiftskirche 
zu  Halle  an  der  Saale : 


487 

„Ein  New  Gesangbüchlin  Geystlicher  Lieder  ^  tot  alle 

gutthe  Christen  nach  ordenung  Christlicher  kirchen.  ff. 

Gedruckt  zu  Leiptzigk  durch  Nickel  Wolrab.   löST.**  8«. 

45  Lieder.  ^) 

Das  schone  Unternehmen  blieb  vorläufig  vereinzelt.    Erst 

im  J.  1560  lenkte  wieder  Georg  Witzel  in  seinem  i,Chorbuch 

der  Heiligen  Caiholischen  Ejrchen^  die  Aufinerksamkeit  auf  den 

deutschen  Gesang  und  fügte  zu  seinen  übersetzten  Stücken  der 

lateinischen  Liturgie ,  den  Gebeten  und  Gesängen  auch  einige 

nLäyische  deudsche  Cantilen«  hinzu.   Doch  kann  das  Chorbuch 

nicht   als    ein    eigentliches    deutsches    Gesangbuch   betrachtet 

werden.  *) 

Dreißig  Jahre  mussten  erst  wieder  vergehen,  ehe  Yehe's 
Büchlein  zur  vollen  Geltung  gelangte. 

Im  J.  1567   veranstaltete  der  Domdechant  Johannes  Lei- 
sentrit  von  Olmütz  ein  großes  Gesangbuch  unter  dem  Titel: 
^Geistliche  Lieder  vnd  Psalmen,  der  alten  Apostolischer 
recht  vnd  warglaubiger   Christlicher  ^Kirchen  ff.<<     (Bn- 
dissin,  durch  Hans  Wolrab.  M.  D.  Lxvij.) 
mit  199  deutschen  und  22  lateinischen  Liedern.    In  demselben 
Jahre  ließ  er  einen  zweiten  Theil ')  nachfolgen  mit  23  Liedern 
zu  Ehren  der  heil.  Jungfrau ,  der  Apostel ,  Märtyrer  und  Hei- 
ligen.  Leisentrit  benutzte  fleißig  das  Vehesche  Gesangbüchlein, 
ohne  jedoch  des  Sammlers  weiter  zu  gedenken.    Er  nahm  fast 
alle  Lieder  in  sein  Buch  auf.    Die  alten  Lieder  im  Vehe  fan- 
den durch  Leisentrit  weitere  Verbreitung^  sie  gingen  in  die  zu 
Ende  des  XVL  und  zu  Anfange  des  XVH.  Jahrhunderts  von 


§.  14.  1)  Ein  getreuer  Abdnick  dieses  sehr  selteuen  Boches  erschien  nnter 
dem  Titel: 

Michael  Vehe*s  Gesangbüchlin  yom  Jahre  1637.  Das  älteste  katholische 
Gesangbach,  s  Nach  dem  Exemplar  der  Königlichen  Bibliothek  zu  Hannover 
heraosgegeben  (mit  einer  Nachrede)  Yon  Hoffmann  ron  Fallersleben.  Hannover. 
Carl  Kümpler.  1853.  8^. 

§.  14.  2)  „PSALTES  ECCLESIASTICVS.  Chorbach  der  Heiligen  Catho- 
lischen  Kirchen,  Deadsch,  jtEundt  new  aasgangen.  Darch  Georg^am  Vaiee- 
linm.  In  verlag  Johan.  Qaentels,  Bürger  vnd  Bachdrücker  sa  C6len.  Ge- 
drackt  dorch  Frants  Behem,  sa  S.  Victor  bey  Menti.  Im  Jar  M.  D.  L.**  40. 
(Bonner  o.  Bresl.  Bibliothek.) 

§.  14.  9J  Vgl.  meine  Aasgabe  des  Veheschen  GB.  8.  128.  Amn.  8. 


488 

einzelnen  Bischöfen*)  veranlassten  und  einzelnen  Buchdruckern  *) 
veranstalteten  Gesangbücher  über  und  wurden  hie  und  da  durch 
andere  alte  vermehrt 

Die  größte  Sammlung  veranstaltete  endlich  David  (Jrego- 
rius  Corner,  Abt  zu  Göttweig.  Sie  erschien  zu  Fürth  bei 
Georg  Endter  im  J.  1626  unter  dem  Titel:  ;,Groß  Catholisch 
Gesangbuch«  •)  und  verdient  diesen  Namen  mit  vollem  Rechte, 
denn  sie  enthält  422  numerierte  Lieder.  Der  gelehrte  und  flei- 
ßige Abt  hatte  dabei  die  alten  Lieder  mit  berücksichtigt,  also 
auch  diejenigen  Lieder,  die  aus  älterer  Zeit  stammen  und  Ge- 
meingut der  ganzen  deutschen  christlichen  Kirche  sind,  mitauf- 
genommen. Er  spricht  sich  darüber  in  seiner  Vorrede  also  aus : 
' —  Aus  dieser  Ursach  bin  ich  anfangs  der  Meinung  gewesen, 
gar  kein  einigs  Gesang,  so  in  ketzerischen  Gesangbüchlein  zu 
finden,  in  dies  katholische  mit  einzubringen.  Aber  diese  Mei- 
nung hat  mir  gar  ein  gottseliger  Pater  der  Societät  Jesu  ge- 
wendet, und  mir  zu  Gemüth  geführt,  dass  die  Unkatholischen 
ihre  Gesangbüchlein  mit  nicht  wenigen  unsem  uralten  andäch- 
tigen Gesängen  gespickt,  ja  so  gar  vermessen  gewesen,  dass 
sie  auch  deren  etliche  mit  des  Luthers  Namen  verunreiniget, 
ab  da  sein: 

Der  Tag  der  ist  so  freudenreich, 

Gelobet  seist  du  Jesu  Christ, 

Christ  ist  erstanden, 

Nu  bitten  wir  den  heiligen  Geist, 

Wir  glauben  all  an  Einen  Gott, 

Jesus  ist  ein  süßer  Nam  ff. 


§.  14.  4)  Abt  Qairin  za  Tegernsee  vor  1577  besorgte  das  Tegernseer  GR., 
Bischof  Veit  von  Bamberg  machte  1576  einen  Auszug  aus  Leisentrit  für 
seine  Diöcese;  auf  Befehl  des  Bischofs  Eberhard  zu  Speier  erschien  ein  GB., 
welches  oft  aufgelegt  wurde,  z.  B.  ,» Colin,  Durch  Arnold  Qnentel.  M.  DO.  X.** 
und  mit  einem  Anhange  1619,  so  v/ie  „aus  sonderm  Befelch^  des  Erzbischofs 
Georg  Friedrich  von  Mainz  1628  das  Mainzische  GB.  unter  dem  Titel: 
„Himmlische  Harmony  Von  vielerley  lieblich  zusammenstimmenden  Frewd- 
Leid-  Ttost-  vnd  Klagevögelein. " 

§.14.  5)  Adam  Berg  in  München  1586,  Johann  Bauer  in  Insbruck  1587, 
Joh.  Meyer  in  Dillingen  1689,  Peter  vonBrachel  in  Köln  1628,  David  Fuchs 
in  Heidelberg  1629,  Matthäus  Pontanus  in  Paderborn  1616  u.  a.  Vgl.  meine 
Ausgabe  von  Yehe's  GB.  8.  125.  Anm.  8. 

§.  14.  6)  Den  vollstKndigeu  Titel  dieser  und  der  folgenden  Ausgaben  s.  in 
meiner  Ausgabe  dos  Veheschen  GB.  S.  126.  Anmerk.  10. 


489 

und  dergleichen  mehr,  von  welchen  doch  die  ganze  deutsche 
Christenheit  weiß,  dass  sie  älter  sein  als  Luther  und  sein  neues 
Evangelium.  Nu  wolle  sich  keineswegs  gebühren,  solche  gute  alte 
Andachten,  deren  auch  das  gemeine  Volk  so  lang  gewohnt, 
nur  darum  auszulassen,  dass  sie  auch  von  Feinden  des  wahren 
Glaubens  gebraucht  und  ihnen  ftischlich  zugeschrieben  wer- 
den/ —  ») 


§.  14.  7)  Allerdings  hiatte  man  Luthern  schon  zu  seinen  Lebzeiten  manches 
Lied  zugeschrieben,  welches  älter  als  er  oder  auch  von  anderen  verfasst  war. 
Lnther  hatte  wie  gegen  so  manches  Andere  auch  dagegen  protestiert. 
Wenn  es  späterhin  dennoch  yorkam,  geschah  es  ans  Unwissenheit:  die  neue 
eyangelisohe  Kirche  hatte  wirklich  nicht  nöthig,  sich  fremdes  Liedergat  an- 
zueignen. Die  Herausgeber  katholischer  Gesangbücher  aber  kannten  die 
Lieder  der  Ketzer,  kannten  zum  Theil  die  Verfasser  dieser  Lieder  nnd 
machten  sie  absichtlich  zn  Liedern  der  yorprotestantischen  Zeit.  Corner  war 
noch  anständig:  er  hatte  wenigstens  »incerti  auctoris^  über  einige  Lieder  ge- 
setzt, yon  denen  er  die  ketzerische  Herkunft  wissen  mochte,  ließ  jedoch 
den  Qesangbestrebungen  in  der  eyangelischen  Kirche  alle  Gerechtigkeit  wi- 
derfahren. Andere  Sammler  waren  nicht  so  gewissenhaft.  Anf  eine  wirklich 
über  alle  Begriffe  schamlose  Weise  yerf&hrt  der  Herausgeber  eines  Wiener 
Gesangbuches : 

»Dayidische   HARMONIA.    Das  ist,   Christlich  CathoUsche  Gesänge, 

mit  yorgesetzten  Melodeyen  ff.    Zusammen  getragen  Aufl  ynterschid- 

Uchen  GesangBüchem  ynd  jetzo  zum  erstenmal  in  dise  Form  gebracht 

Permissu  eorum,  ad  quos  pertinet.    Gedruckt  zu   Wienn,  bey  Johann 

Jacob  Kürner,  im  Jahr  1659.^  12o.  (Göttinger  Bibl.) 

Viele  unzweifelhaft  von  Luther,   Joh.  Mathesius,  Nicolaus  Hermann  u.  a. 

yerfasste  Lieder  sind  hier  als  altkatholische  eingeschwärzt.     Die  Vorrede  8. 

4 — 6  spricht  sich  also  darüber  aus: 

'Darbei  gleich wol  der  andächtige  Singer  zu  beobachten  hat,  dass  die 
neuglaubig  Uncatholische  die  meiste  Gesang,  so  bei  ihnen  im  Ge- 
brauch seind,  yon  der  BÖm.  Catholischen  Kirchen,  ungeacht  sie 
in  ihren  Gesangbüchern  ihre  eigene  Namen  darüber  geschrieben,  entlehnet 
haben,  —  gleichergestalt  als  wie  nach  Luthers  Selbstbekanntnuss  die  heil. 
Schrift,  Abendmal,  Absolution,  die  Glaubensbekanntnuss,  Vater  unser,  Zehen 
Gebot  ff.  an  ihne  und  die  seinigen  yon  der  Rom.  Catholischen  Kirchen  ge- 
kommen. Gleichwie  aber  Luther  und  sein  Anhang  mit  denen  obgemeldten 
Stücken  umgangen,  dass  sie  nämlich  deren  etliche  unyerändert  gelassen;  et- 
Uche  aber  gestümmelt  und  mit  ihrem  Gift  beschmiert,  also  haben  sie  auch 
mit  denen  alten  Gesängem  der  Catholischen  Kirchen  gehandelt,  deren  et- 
liche unyerändert  yon  ihnen  gelassen,  welche  der  Censur  dessenthalben  be- 
freit sind,  andere  aber  haben  sie  mit  ihren  Irrthumen  yemnreiniget,  welche 


490 

Corner  kommt  dami  auf  seine  Sammlung  selbst  zu  spre- 
chen. Nachdem  er  die  Stelle  aus  den  Confessionen  des  heil. 
Augustinus  angeftihrt  hat:  Tarnen  cum  mihi  accidit,  ut  me 
amplius  cantus,  quam  res  quae  canitur,  moveat,  poenaliter  me 
peccare  confiteor,  et  tune  mallem  non  audire  cantantem  — 
fÜat  er  also  fort.  ^So  viel  Augustinus.  Ja  ich  halte  auch  dar- 
für,  dies  sei  die  einzige  Ursach,  dass  so  wenig  katholische 
Doctores  ihre  Bemühung  dahin  anwenden  wollen,  ein  recht 
wohlgeordnetes  und  corrigiertes  deutsch  Gesangbuch  zu  ver- 
fassen, da  hingegen  die  Unkatholischen  mit  ihren  deutschen 
Gesängen  sowol  in  der  Meng  ab  in  der  Ordnung  den  unsem 
tiberlegen  zu  sein  sich  äußerst  befleißen.  Ich  hab  unter  etlichen 
und  dreißigen  katholischen  Gesangbüchlein  gar  wenig  gerechte 
gefunden.  Des  Herrn  Dr.  Ulenbergers  Psalter,  Herrn  Dr. 
Leisentritts  Gesangbuch,  und  sonderlich  dasjenig,  welchs  auf 
I.  Fürstl.  Gn.  Herrn  Eberhards  Bischofs  zu  Speier  gnädigen 
Befelch  zu  Köln  mehrmaln  gedruckt  worden,  seind  die  besten, 
so  mir  fürkommen,  aber  gleichwol  gehet  ihnen  in  der  Meng 
und  Vollkommenheit  aller  der  Materien  und  sonderlich  in 
andächtigen,  von  den  alten  deutschen  Christen  so 
lang  gebrauchten  Rufen  viel  ab,  die  übrigen  seind  meh- 
rertheils  sehr  schlecht,  etwa  von  ungelehrten  Schulmeistern  oder 
Buchdruckern,  gemeiniglich  ohne  Namen  des  Authoris,  nit  ohne 
sondern  Nachtheil  und  Schaden  der  heiligen  Religion  in  Druck 
gegeben  worden.  Und  ist  mir  auch  unverborgen,  dass  noch 
auf  heut  viel  fromme  andächtige  eiferige  Katholische  vorhanden, 
denen  das  deutsche  Singen  nit  {aat  lieb  oder  auch  (wegen  der 
Ketzer  Missbrauch)  wol  verdächtig  ist,  die  auch  derentwegen 
die  Arbeit,  ein  recht  katholisch  Gesangbuch  zu  fertigen,  nicht 
zum  Besten  angewendt  zu  sein  vermeinen.' 

Er  kannte  also  gewiss  die  meisten  damals  vorhandenen 
katholischen  Gesangbücher  und  benutzte  sie  zu  seinem  Unter- 


man  jetzo  darron  gesKnbert  und  der  Catholischen  Lehre  gleichförmig  gemacht 
hat.  SchlieBliehen  iat  diese  Arbeit  ssn  dem  Ziel  und  End  gerichtet,  damit 
samt  denen  Alt-Catholischen  die  nunmehr  dnrch  Gottes  Barmherzigkeit 
zum  rechten  Schafstall  bekehrte  Herzen  darch  die  bewegliche  Singe- 
knnst  €K>tt  im  Geist  und  in  der  Wahrheit  andftchtig  und  eiferig  loben, 
preisen  u.  s.  w.' 


491 

nehmen,  *)  doch  schöpfte  er  auch  «m  HandBchriften  imd  yiel 
aus  n^dlicher  UberUefenmg.  So  sammelte  er  viele  alte  Rufe, 
wie  sie  das  gemeine  Volk  in  Osterreich  zu  seiner  Zeit  noch  zu 
singen  pflegte.  Wenn  auch  nicht  Alles ,  was  er  als  alt  be- 
zeichnet, durchweg  alt  ist,  so  sind  doch  in  den  meisten  dieser 
Rufe  alte  und  volksthümliche  Bestandtbeile.  Fast  alle  sind 
süddeutscher  Herkimft  und  wie  die  Schnitterhüpfel  *)  achttactig, 
zuweilen  auch  zwölftactig  und  voll  volksthümKcher  Züge  und 
Redeweisen.  »•)  Sie  wurden  natürlich  nicht  wie  jene  als  Tanzlie- 
der, sondern  feierlich,  in  langsamem  Tempo  gesimgen.  Sie 
riad  mitunter  von  unendlicher  Länge.  Das  erklärt  sich  aus  der 
zu  keiner  Zeit  erloschenen  Neigung  des  Volkes  zu  dichten  und 
zu  singen.  Das  Volk,  dem  die  überlieferten  einfachen  Weisen 
geläufig  waren,  wusste  leicht  Worte  dazu  zu  finden,  mochte 


§.  14.  8)  Auffallend,  daa»  in  der  Bibliothek  des  Benedictiner-Stiftes  Gött- 
weig  nichts  der  Art  mehr  yorhanden  ist  Ich  fimd  nnr  yenchiedene  Ausga- 
ben des  GB.  der  mXhrischen  Brfider,  dagegen  keine  einzige  Ton  Comer's 
GB.,  die  Ton  1681  sah  ich  nur  in  der  Bibl.  der  Angostiner  Chorherren  an 
Klostemenbinrg. 

$.  14.  9)  Schmeller  Bayerisches  Wörterboch  m.  Hu  8.  499. 
§.  14.  10)  B.  B.  Corner  GB.  1626.  Nr.  190. 

Was  setxtens  auf  sein  Hanpte? 
Von  Dom  ein  scharfe  Cron. 
Was  legtens  anf  sein  Backen  ? 
Ein  Krens  war  lang  and  breit. 
Was  schlngens  durch  sein  HSnde? 
Zwen  eiserne  Nttgel  gro6.  ff. 
Corner  GB.  1626.     Nr.  188.     Btr.  23. 

Was  fand  er  an  dem  Wege  stahn? 
Bein  liebste  Mutter,  die  schaut  er  an. 
liainser  GB.  1628.     8.  208. 

Es  weineten  die  Engel  einmüthiglich, 
Die  Himmel  traureten  bitterlich, 
8ie  weinten,  sie  traureten  also  sehr, 
Das  nie  geh5ret  noch  gesehn. 
Corner  GB.  1626.    Nr.  278.    Str.  6  und  6. 
Maria  übers  Gebirge  gieng, 
Elisabeth  sie  gar  schön  empfieng. 
Johannes  kniet  nieder  in  Matterleib, 
Er  erkennet  Gott  den  Herren  sein. 


492 

auch  hie  und  da  an  vorhandene  Lieder  neue  Gesätase  anhängen 
und  aus  verschiedenen  alten  Liedern  ein  neues  machen.  >*) 

Diese  Rufe  im  Versmaße  und  nach  der  Weise  der  Schnit- 
terhüpfel  sind  eine  Eigenthümlichkeit  des  älteren  katholischen 
Kirchenliedes  und  zum  Theil  uralt  wie  die  achttactigen  Lieder: 
Erstanden  ist  der  heilige  Christ,  o.  a.  Ihre  nächste  Bestim- 
mung war,  bei  Wallfahrten  und  Bittgängen,  besonders  zum 
Lobe  und  Preise  der  heiligen  Jungfrau  imd  aller  Heiligen  ge- 
sungen zu  werden. 

Einige  derselben  wiU  ich  mit  ihren  Anfangsstrophen  hier 
folgen  lassen  und  die  als  alt  bezeichneten  mit  Wem  f  versehen^ 
Da  der  Herr  Christus  leiden  sollt, 

Herr  Jesu  Christ! 
Ein  Abendmal  er  stiften  wollt 

Nun  liilf  uns,  lieber  Herr  Jesu  Christ! 
Corner  GB.     1625.    Nr.  126.     160  Strophen. 

Da  Jesu  zu  Bethania  was, 

Herr  Jesu  Christ! 
In  Simeons  Haus  da  fägt  sich  das. 
Jesum  den  soUen  wir  rufen  an! 
Obseqniale  fleonndmn  ritom  eccl.  Ratisb.  1570.  im  Anhange  151  Strophen. 

t  Den  lieben  St.  Johannes  loben  wir, 
Und  seiner  Gnaden  begehren  wir. 
Kyrie  eleison. 
Corner  GB.  1625.    Nr.  278.    40  Strophen. 

Der  Fried  unsers  Herren  Jesu  Christ 
Behüt  uns  all  zu  dieser  Frist!  :,: 
Corner  GB.  1625.     Nr,  812.     82  Strophen. 


Der  heilig  Herr  St.  Wolfgang, 
Der  ist  ein  heiliger  Mann. 
Er  hub  sich  auf  zu  Regensburg, 
Zog  in  das  Baierland. 
Nie.  Beuttner  GB.  1602.    2.  Th.  Nr.  81.    15  Strophen. 


§.14.  11)  So  sind  in  Comer's  Nachtigal  1658  unter  Nr.  121.  *Drei  ge- 
meine Osterges&ng,  nämlich:  AU  Welt  soll  billig  fröhlich  sein;  Am  Sonntag 
frühe  Biariä  drei,  nnd  Erstanden  ist  der  H.  Christ  —  zusammen  gesogen, 
weil  sie  gleiches  Inhalts,  können  anch  alle  drei  in  gleicher  Melodei  gesun- 
gen werden' 


t  £8  freuet  sich  billig  Jung  und  Alt: 
Zerschlagen  ist  jetzt  des  Teufels  Gewalt. 
Alleluia. 
Corner  GB.  1625.     Nr.  142.     14  Strophen.    —   Kölner  GB.      1610.  Bl. 
82«.     13  Str.  —  Münchener  GB.  1586.    Bl.  107.  ff.  24.  Str. 


Es  ist  ein  kindelein  gebom, 
es  hat  versünet  gotes  zom, 
gutes  zom  von  himelreich: 
nie  gebom  wart  desselben  gleich. 
Klostemeubnrger  Hs.  1228.     Mone  Anzeiger    8,  852.     Weinhold  Weih- 
nacht-Spiele S.  385.     26  Strophen  (nach  Mone  27.) 

Es  kam  ein  Engel  schone 
Vom  Himmel  hoch  herab 
Zur  Jungfrau  Maria  frone, 
Er  grüßt  sie  tugendsam. 

O  Maria! 
Dein  Freud  die  hub  sich  an. 
Corner  GB.  1625.    Nr.  190.     Nachtigal  1658.    Nr.   189.     24  Strophen. 

f  Es  sungen  drei  Engel  ein  süßen  Gesang, 
Dass  in  dem  hohen  Himmel  erklang. 
Corner  GB.  1625.    Nr.  187.     15  Str.  S.  %  Nr.  318. 

Es  war  einmal  ein  reicher  Mann 
Mit  Sammet  und  Seiden  angethan» 
Corner  GB.  1625.    Nr.  370.    45  Strophen. 

Es  wohnt  ein  wilder  Drach  im  Land, 

Hilf,  hilf,  Maria! 
Verzehrt  die  Menschen,  wie  bekannt. 
Hilf^  Maria! 

Bitt  Gott  für  uns,  Maria! 
J.  M.  SehameUoB,  Besehreih,  von  dem  Benedictiner-Kloster  ra  St.  Geor- 
gen Yor  Nanmhurg  1728.     S.  26.       7  Strophen. 

Freu  dich,  du  Himmelkönigin! 

Freu  dich,  Maria! 
Freu  dich,  Gottes  Gebärerin! 
Alleluia! 

Bitt  Gott  für  uns,  o  Maria! 
Corner  GB.  1625.    Nr.  234.       92  Strophen.    Ein  anderer  Ruf  gleiches 
Anfangs  f  Nr.  319. 

33 


494 

t  Uotte  ztt  Lobe  so  wollen  wir  singen 
Von  einer  Rosen  grün. 
Ein  edles  Zweig  hat  uns  getragen 
Ein  Jnngfrau  wunderschön. 
Corner  QB.  16S5.    Nr.  200.      27  Strophen. 

t  Jesus  der  gieng  ein  harten  Gang, 
O  reicher  Gott! 
Zu  seiner  Marter,  die  währt  lang. 
Ü  reicher  Gott, 
Hilf  uns  aus  Nothl 
Corner  GB.  1625.   Nr.  188.      84  Strophen.  —  Nie.  Benttner  GB.  1602. 
?.  Th.  Nr.  15.       82  Strophen. 

Ihr  lieben  Christen,  singet  her  — 

Freu  dich  St.  Benno! 
Zu  Gottes  und  St.  Benno  Ehr! 
Älleluia! 

Bitt  Gott  für  uns, 
O  St.  Benno! 
Corner  GB.  1625.    Nr.  286.       102  Strophen. 


t  In  Gottes  Kamen  heben  wir  an, 
Kyrie  eleison! 
Und  rufen  all  Gottes  Engel  an. 
Älleluia! 

Gelobt  sei  Gott  und  Maria! 
Corner  GB.  1625.     Nr.  259.    Nachtigal  1668.   Nr.  201.      86  Strophen. 
Münchener  GB.  1586.    Bl.  50.  ff.      49  Strophen. 

t  Maria  Gottes  Mutter, 
Nun  steh  uns  hilflich  bei! 
Wol  an  dem  heiligen  Weihnachttag 
Hätt  Maria  groß  Wonn  und  Freud. 
Corner  GB.  1625.    Nr.  197.      24  Strophen. 


t  Mariam  die  Jungfrau  werthe, 
Maria! 
Wollt  Gott  nehmen  von  der  Erden. 
Hilf  uns,  o  heilig  Jungfrau  Maria! 
Corner  GB.  1625.     Nr.  251.      28  Strophen. 


496 

t  Nun  bitten  wir  Gott  den  Vater, 
Der  aller  Lieb  voll  ist, 
Wol  durcb  den  süßen  Namen 
Seins  Sohnes  Jesu  Christ. 
Corner  OB.  1625.    Nr.  408.    Nachtigal  1658.    Nr.  298.      16  Strophen. 

Nun  merket  auf,  ihr  lieben  Kind! 

Kyrie  eleison! 
Die  zehen  Gebot  die  wollen  wir  singen« 
Alleluia ! 

Gelobet  sei  Gott  und  Maria! 
Obseqniale  Batisbon.  1570.    Anhang,       32  Strophen. 

Nun  singet  all  mit  reichem  Schall 
Ein  schönes  Gesang,  das  Gott  gefall! 
Ostermf.     Corner  QB.  1625.    Nr.  143.      88  Strophen. 


f  O  Herre  Gott,  erbarme  dich 
Über  ims  Sünder  gnädiglich! 
Erbarm  dich  ü^er  deine  Eind, 
Die  wir  so  ferr  im  Elend  sind. 
Kyrie  eleison. 
Corner  GB.  1625.    Nr.  340.       12  Strophen. 


t  Sanct  N.,  lieber  Herre  mein, 
Alleluia! 
Du  wöllst  unser  treuer  Vorbitter  sein! 
Alleluia! 
Apostelmf.     Corner  GB.    1625.     Nr.   266.     Nachtigal   1658.    Nr.  208. 
17  Strophen. 


t  Singet  zu  Gott  mit  Lobesschall, 
Alleluia  I 
Dass  es  der  Dreifaltigkeit  gefall! 
Gelobt  sei  Gott  und  Maria! 
Corner  GB.  1625.    Nr.  178.    Nachtigal  1658.     Nr.  164.      43  Strophen 
—  Mit  anderem  Anfang:  Wol  anf  sn  Gott  mit  Lobesschall  im  Monchener 
GB.  1586.    Bl.  29.  ff. 


So  fallen  wir  nieder  auf  unsere  Knie, 
Den  wahren  Sohn  Gottes  bitten  wir  hie. 
Kyrie  eleison. 
Corner  GB.     1625.    Nr.  316.       24  Strophen. 

33^ 


49(5 

t  So  hebn  wir  auch  zu  loben  an 
Kyrieleison 
Den  Ritter  St.  Görgen,  den  heiligen  Mann. 
AUeluia. 
„Ex  traditione  yaldi  IncertA.«'     Corner  GB.  1625.     Nr.   281.       61  Stro- 
phen. —  Nachtigal    1668.     Nr.  213.       140   Stropben   mit  der  Bemerkung^: 
i^Ex  traditione  partim  scripta  et  certa,  partim  dubia. <* 


Und  unser  lieben  Frauen 
Der  träumet  ihi'  ein  Traum, 
Wie  unter  ihrem  Herzen 
Gewachsen  war  ein  Baum. 
Kyrie  eleison. 
Nico!.   Beuttner   GB.     Gr&tz    1718.      Danach   in  (Körner)  Mariaiiischem 
Liederkranz  S.  382—385.     16  Strophen,   und  mit  Hlnweglaaaung  von  2  Str. 
bei  Uhland  Volks!.  Nr.  319.     Die    7  letaten  Strophen  sind   das  Lied   f  Nr. 
830.  Zu  Ehren  unser  Frauen. 


t  Wir  sagen  Gott  viel  Lob  und  Ehr 
Um  seine  Gebot  imd  heilige  Lehr. 
Kyrie  eleison. 
Corner  GB.  1625.    Nr.  335.       21  Strophen. 


Wir  fallen  nieder  auf  unsre  Knie, 
Mariam  anzurufen  hie. 
Älleluia. 
Münehener  GB.  1586.    Bl.  45.  ff.       19  Strophen. 


t  Wir  loben  die  heilig  und  die  rein, 
Die  heilig  Jungfrau  Catharein. 
Corner  GB.  1625.    Nr.  289.      48  Strophen.    Vgl.  f  Nr.  829. 


t  Zu  Ehren  unser  Frauen 
Gehen  wir  in  ihr  Bethaus. 
Wen  seine  Sund  gereuen 
Der  geht  ledig  heraus. 
Kyrieleison. 
Corner  GB.  1625.    Nr.  306.     S.   ^  Nr.  330. 


497 

Zu  Maria  der  Juugfraa  zart  — 

Kyrieleifion ! 
Gottes  Engel  gesendet  ward. 

Alleluia  alleluia! 

Qelobt  sei  Gott  und  Maria! 
Coruer  GB.  1625.     Nr.  201.       98  Strophen. 


Neben  den  Rufen  hatten  sich  auch  viele  andere  Lieder 
mündlich  fortgepflanzt,  welche  während  der  Messe  und  an  Fest- 
tagen, bei  Eirchfahrten  und  Bittgängen  gesungen  zu  werden 
pflegten.  Zu  Anfange  des  XVII.  Jahrhunderts  galten  manche 
der  Art  für  alt  und  sie  können  es  auch  sein:  die  Einfachheit 
ihres  Versbaues  und  ihrer  Melodie,  so  wie  ihre  zum  Theil  volks- 
thümliche  Sprache  weisen  auf  eine  frühere  Zeit  zurück. 

Die  Zahl  solcher  Lieder  ist  größer  als  die  hier  unter 
%  Nr.  305—330  mitgetheilten  26.  Spätere  Untersuchungen  wer- 
den ergeben,  welche  Lieder  noch  zu  dieser  Abtheilung  gehö- 
ren, und  das  frühere  Alter  der  bereits  als  alt  aufgeführten  be- 
stätigen. 

f  Nr.  304. 
Oster  lied. 

1.  All  Welt  soll  billig  fröhlich  sein 
Zu  dieser  österlichen  Zeit. 

Gott  hat  zerstört  die  VorhöUpein, 
Da  manche  Seein  gefangen  sein. 

2.  Erstanden  ist  er  von  dem  Tod 
Und  hilft  der  Welt  aus  aller  Noth. 
Daran  man  recht  erkennen  kann, 
Was  er  war  für  ein  göttlich  Mann. 

3.  Er  ist  wahrhaftig  Mensch  und  Gott 
Der  uns  am  Kreuz  erlöset  hat. 

O  Mensch  sei  dankbar  jederzeit 
Der  großen  Gottes  Gütigkeit! 
Andemacher   GB.  (Köln  1608.)   Nr.  56.  —   SSmmtlichc  Strophen  finden 
sich  unter  den  27  des  Liedes  gleiches  Anfanges  Nr.  79.  im  NeiOerGB.  1663. 
—  Die  erste  Strophe   anch    in  Corner  GB.  1626.    Nr.   137,   aber   untor   den 
übrigen  29  Strophen  fohlen  unsere  2.  u.  3. 


498_ 

f  Nr.  305. 
Adventlied. 

1.  Ave  Maria,  gratia  plena! 

So  grüßen  die  Engel  die  Jungfrau  Maria 
In  ihrem  Gebet  und  da  sie  saß. 

2.  I^Iaria,  du  sollt  ein  Sohn  empfangen, 
Damach  steht  Himmel  und  Erd  verlangen, 
Dass  du  ein  Mutter  des  Herren  sollt  sein. 

3.  O  Engel,  wie  sollte  das  geschehen? 
Mein  Herz  kann  keinen  Mann  erkennen 
In  dieser  weiten  Weite  breit.' 

4.  Der  heilig  Geist  soll  über  dich  kommen 
Gleich  wie  der  Thau  kommt  über  die  Blumen: 
Also  muss  Gott  geboren  sein. 

5.  Maria  sie  hört  all  solches  gerne, 

Sie  sprach:  ich  bin  ein  Magd  des  Herren, 
Nach  deinem  Wort  geschehe  mir! 

C.   Die  Engel  fieln  all  auf  ihre  Knie, 
Sie  sungen  laut:  -Sancte   Sancte! 
Den  Lobgesang  mit  Maria. 

7.  Die  Engel  flogen  alls  hocher  und  hocher: 
Seid  Willkomm,  ihr  himmlischen  Boten, 
Dass  euch  Maria  hat  wol  empfangen! 

8.  Maria  hat  uns  gar  wol  empfangen, 
Damach  steht  Himmel  und  Erd  verlangen, 
Sie  ist  ein  auserkome  Braut. 

9.  Maria,  du  magst  fröhlich  genesen, 
Dass  du  allein  bist  auserlesen 

Ein  Mutter  des  Allerhöchsten  zu  sein. 

10.  Maria,  du  wellst  Gott  für  uns  bitten. 

Auf  dass  wir  kommen  zur  himmlischen  Stätten, 
Dass  wir  mit  dir  erfreut  mögen  sein. 

11.  Der  Herr  wird  solches  nit  versagen, 

Er  wird  anhören  unsr  Weinen  und  Klagen 
Und  föhren  uns  ins  Himmelreich. 


499 

12.   Nun  woUen  wir  preisen^  danken  und  loben 
Den  Herrn  im  Hinunel  hoch  dort  oben, 
Dass  uns  der  Herr  erlöset  hat. 

Coraeii  GB.  1625.  Nr.  44.  mit  der  Überschrift:  »Ein  schöner  alter  QnM) 
an  unser  lieben  Frauen,  im  Advent  zu  singen. **  11,  2.  das  Wörtlein  un§er 
eingeschoben.  —  Derselbe  Text  Mainzer  GB.  1631  (Kömer*s  Marianischer 
Liederkrans  S.  76—78)  mit  kleinen  Abweichungen:  4,  2.  reUl  über  —  9,  1. 
wol  frohUch  wesefi  —  11,  2.  uns  weinen  und  klagen**), 

f  Nr.  306. 
Osterlied. 

1.  Christus  ist  erstanden, 

Kyrie  eleison 
Von  des  Todes  Banden. 

Alleluia, 
Gelobt  sei  Gott  und  Maria. 

2.  Des  sollen  wir  alle  froh  sein, 
Christ  will  unser  Trost  sein. 

3.  War  er  nicht  erstanden, 

So  war  die  Welt  vergangen. 

4.  Dieweil  er  nun  erstanden  ist. 

So  loben  wir  den  Herren  Jesum  Christ. 

5.  Christ  lag  in  dem  Grabe 
Bis  an  dem  dritten  Tage, 

6.  Verwundt  an  Händen  und  Füßen, 
Unsere  Sund  zu  büßen. 

7.  Christ  zerbrach  die  Hölle, 
Erlöst  gar  manche  Seele. 

8.  Da  Jesus  kam  gegangen, 

Da  freuten  sich  alle  Gefangnen. 

9.  Die  seinen  Willen  hätten  gethan, 
Die  thäten  fröhlich  vor  ihm  stahn. 

10.   Er  nahm  sie  bei  den  Händen  weiß, 
Er  fuhrt  sie  in  das  Paradeis. 


§.  14.  12)  Auch  im  Heidelberger  GB.  1629  und  im  Kölner  1619.  Anhang 
Bl.  41b  ff,  Lesarten:  1,  2.  grüßte  der  Engel  —  2,  2.  (htU  (ntelU)  —  3,  2. 
mag  (kann)  •—  4,  2.  fälU  —  rciai  (kommt)  —  4,  3.  will  (musa)  —  8,  2.  tfm 
(%ieht)  —   10,  2.  zun  h,  HiiUen. 


500 

11.  Was  durch  Evam  verloren  war. 
Hat  Christas  wieder  gestellet  dar. 

12.  Christe,  lieber  Herre, 
Durch  deiner  Marter  Ehre 

13.  Verleih  uns  ein  gut  Ende, 
Eine  fröhliche  Auferstände. 

14.  Das  heilige  frone  Kreuze 
Behüt  uns  Christenleute. 

16.   Wir  danken  dir,  Heri'  Jesu  Christ, 
Dass  du  unser  Erlöser  bist. 

Mainzer  GB.  1628.  S.  289—291.  —   Metrisch   zugestatst  im  Psalterlein 
PP.  Soc.  Jes.  Ed.  14.  1659.  S.  136  und  mit  folgendem  Schlnsse: 
Vor  ihm  standen  alle, 
Lobten  ihn  mit  Schalle. 
Nahm  sie  bei  die  Hände, 
Deren  Lieb  er  kennte. 
Führt  sie  mit  sich  droben. 
Da  sie  ihne  loben. 
Gib  uns  auch  am  Ende, 
Jesu,  deine  Hände! 

f  Nr.  307. 
Osterlied. 

1.  Und  Christ  der  ist  erstanden 
Von  seiner  Marter  aller. 
Des  solln  wir  alle  froh  sein 
Und  Christ  soll  unser  Trost  sein. 

Kyrie  eleison. 

2.  Und  war  er  nit  erstanden^ 
So  war  die  Welt  zergangen. 
Nun  seit  dass  er  erstanden  ist, 

So  lohn  wir  den  Herrn  Jesum  Christ. 
K.  e. 

3.  Und  Christ  der  hat  gesprochen 
Wol  in  der  AnÜaßwochen : 

O  Sünder,  kehr  dich  her  zu  mir, 
All  deine  Sund  vergib  ich  dir. 
K.  e. 

4.  O  du  heiliges  Kreuze, 
Behüt  uns  Christenleute! 


501 

Den  Ungläubigen  hilf  allen, 
O  Herr^  nach  deinem  Gefallen! 
IL  e. 

5.  Und  Christ  der  lag  im  Grabe 
Bis  auf  den  dritten  Tage^ 
Verwundt  an  Hand  und  Füßen: 
Wir  Sünder  sollen  büßen. 

K.  e. 

6.  Alleluia  singen  wir, 
Jesum  Christum  loben  wh-. 
Zu  dieser  österlichen  Zeit 
Sei  Gott  gelobt  in  Ewigkeit! 

K.  e. 
Nie.  Benttner,   GB.  1602.   1.  Th.  Nr.  26.  —   Str.   1.  2.  in  Corner  OB. 
1626.  Nr.  180.  Str.  1.  2.  —   Str.  4.  cUselbst  in  Nr.  129.  Str.  6.  —    Str.  6. 
daaelbst  in  Nr.  180.  Str.  8. 

f  Nr.  308. 
Fastenlied. 

1.  Da  Jesus  in  den  Garten  gieng    . 
Und  sich  sein  bitteres  Leiden  anfieng, 
Da  trauret  Alles  was  da  was, 

Es  trauret  alles  Laub  und  Gras. 

2.  Da  kamen  die  falschen  Juden  gegangen, 
Sie  nahmen  Jesum  im  Garten  gefangen, 
Sie  thäten  ihn  geißeln  und  verhöhnen, 
Sein  heiliges  Haupt  mit  Domen  krönen. 

3.  Sie  führten  ihn  in  des  Richters  Haus, 
Mit  scharfen  Streichen  wieder  heraus; 
Sie  schlugen  ihn  an  ein  hohes  Kreuz: 
Maria  war  voll  Herzeleids. 

4.  Maria  unterm  Kreuze  stund, 

Sie  war  betrübt  von  Herzensgrund, 
Von  Herzen  war  sie  sehr  betrübt 
Um  Jesum,  den  sie  herzlich  liebt. 

5.  Johannes,  liebster  Jünger  mein, 
Laß  dir  meine  Mutter  befohlen  sein! 
Nimm  sie  und  föhr  sie  weit  hindan, 
Dass  sie  nicht  schau  meine  Marter  an! 


502 

G.   Ach  Herr,  das  will  ich  gerne  thun^ 
Ich  wUl  sie  fahren  weit  davon; 
Ich  will  sie  trösten  also  wol, 
Wie  ein  Kind  seine  Mutter  soll.  — 

7.  Da  kam  ein  blinder  Jud  gerannt, 
Trug  einen  Speer  in  seiner  Hand, 
Kam  mit  demselben  in  vollem  Lauf, 
Stach  Jesu  seine  Seite  auf. 

8.  Nun  bieg  dich,  Baum!  nun  bieg  dich,  Ast! 
Mein  Kind  hat  weder  Ruh  noch  Rast 
Nun  bieg  dich,  Lhub  und  grünes  Gras! 
Laßt  euch  zu  Herzen  gehen  das!  — 

9.  Die  hohen  Bäume  die  bogen  sich, 
Die  harten  Felsen  zerkloben  sich. 
Die  Sonne  verlor  ihren  klaren  Schein, 
Die  Vöglein  ließen  ihr  Singen  sein. 

16.   Nun  merket  auf,  ihr  Frau'n  und  Mann, 
Und  wer  das  Liedlein  singen  kann. 
Der  sing's  nur  alle  die  Tag'  einmal, 
Sein'  Seel'  wird  kommen  in's  Himmels  Saal. 

Im  XVI.  Jahrhunderte  nachweislich,  es  mag  aber  viel  älter  sein.  Es 
wird  noch  jetst  in  vielen  Gegenden  gesungen  nnd  auch  als  Flieg.  Blatt  ge- 
druckt«   Verschiedene  Fassungen  sind  davon  bekannt. 

Mündlich:  Meine  Schles.  Volkslieder  Nr.  283.  Meinert,  Volkslieder  in 
der  Mundart  des  KuhlSndchens  S.  266  —  268.  £rk,  deutsche  Volkslieder  2. 
Bd.  6.  Heft  Nr.  49.    Mfinsterische  Geschichten  S.  228  —  225. 

Fliegende  BUtter:  Wunderhom  1.  Bd.  S.  142—144.  (Aurbacher's) 
Anthologie  deutscher  kathol.  Gesänge.    Landshut  1831.  S.  37—39. 

Alter  Druck:  Ansing  Lieder  etc.  Straubingen  bey  Andre  Sommer  1690. 
Daraus  in  (Ph.  M.  K8mer*s)  Passionsblumen  1844.  S.  118;  vgl.  ebd.  S.  137. 
Danach  bei  TJhland  Nr.  343. 

Handschriftlich  aus  dem  Anfange  des  XVU.  Jahrh.  Weyden,  Cöln*s 
Vorzeit  S.  269.  270.  Findet  sich  in  den  alten  Gesangbüchern  in  dieser 
Gestalt: 

f  Nr,  309. 

Fastenlied. 

1.   Da  Jesus  in  den  Garten  gieng 
Und  sich  sein  bitter  Leid  anfieng. 
Da  traoret  Alles  was  da  was, 
Da  traiiret  Laub  und  grünes  Qrai^. 


503 

2.  £r  hat  also  gestritten  hart^ 

Dass  sein  SchweiB  wie  Blnttropfen  ward, 
Vom  Leib  bis  auf  die  Erden  rann : 
O  Mensch y  gedenk  allzeit  daran! 

3.  Damach  er  viel  gelitten  hat 

Mit  Streichen  y  Geißlen  und  mit  Spott, 
Bis  er  ans  Kreuz  geschlagen  starb, 
Den  Himmel  uns  dadurch  erwarb.- 

4.  Wer  dies  nit  oftermal  betracht 
Und  Christi  Leiden  so  veracht, 
Der  wird  zwar  selig  nimmermehr: 
Undankbarkeit  hasst  Gott  der  Herr. 

5.  Derhalben  sagn  wir  ewig  Dank, 
O  Gott,    dir  unser  Leben  lang. 
O  lass  dein  bitter  Leidenspein 
An  uns  doch  nit  verloren  sein! 

AndeniAcher  OB.  1608.  Kr.  58.  Corner  OB.  1626.  Kr.  113.  1,  2.  und 
ihm  «em  Leiden  anefieng,  Corner  Nachtigall  1668.  Nr.  89.  „Ein  sehr  altes 
Gesang.  <*  1,  2.  «ewi  Ae»%«  Leiden  eieh  anfing  —  6,  3«  o  lai$  dtu  bitter  Lei- 
den dein» 

f  Nr.  310. 
Fronleiclinamslied. 

Der  wäre  Fronleichnam  etc.   In  der  Melodei  Ave  yivens  hostia  s&  singen. 

1.  Der  zart  fronleichnam  der  ist  g&t, 
bringt  uns  ein  freis  gomüte, 

er  macht  uns  aller  gnaden  vol 
wol  durch  sein  werte  gute, 
der  heilig  geist  wirt  uns  gesant, 
so  hat  unser  trauren  ein  ende: 
also  sol  sich  das  herze  mein 
von  got  meim  herren  nit  wenden. 

2.  O  du  barmherziger  got, 
erbarme  dich  über  die  Christenheit 
und  tlber  alle  glaubige  seien 

und  ringer  in  herr  ir  schwere  pein! 
des  bitten  wir  dich  gar  imiiglich 
von  grund  aus  unserm  herzen. 


504 

verleihe  uns,  herr^  dein  himelreich 
an  unBerm  letzten  endel 

3.  Maria  gotes  m&ter,  reine  mait, 
du  himelische  firaue^ 

nun  hilf  uns  zfi  dir  in  dein  reich, 
daß  wir  dich  selber  anschauen, 
dich  und  deinen  allerliepsten  sun, 
so  hat  unser  trauren  ein  ende: 
also  sol  sich  das  herze  mein 
von  got  meinem  herren  nit  wenden. 

4.  Wir  grüßen  dich,  dn  lebendige  hostia, 
die  warheit  und  das  leben, 

durch  dich  seint  alle  opfer  verbracht, 

hast  uns  die  sünd  z&  vergeben, 

wan  deinem  vater  wirt  große  6r 

hie  auf  erd  gegeben, 

und  die  heilig  Christenheit 

ist  sicher  des  ewigen  lebens. 

5.  Wir  bitten  dich  vater  gar  inniglich, 
daß  wir  dich  selber  anschauen, 
dan  du  bist  aller  nutzbarkeit  vol,' 
der  himelischen  freuden; 

wir  loben  dein  werte  menschheit  groß 
hie  mit  unserm  singen, 
ein  sacrament  der  barmherzigkeit, 
ein  speis  z&  dem  ewigen  leben. 

6.  Gesegne  uns  heut  sein  fronleichnam  zart, 
sein  rosenfarbes  bläte! 

wan  unser  sei  sol  an  die  fart, 
schick  uns  dein  werte  m&terl 
als  du  selber  gesprochen  hast: 
wir  haben  .gnad  gefunden, 
nun  hilf  uns  aus  dem  jamertal 
durch  dein  heilig  fünf  wunden! 

7.  Wir  schreien  zft  dir  mit  reichem  geschal: 
hilf  Maria,  du  werte  mftter, 

behüt  uns  vor  der  teuflischen  schar 
imd  vor  der  hellischen  glute! 


506 

wir  vertrauen  dir  wol,  du  verlest  una  nit, 
behüt  uns  vor  den  teuflischen  hunden! 
sei  unsers  herzen  ein  z&versicht^ 
so  die  sei  gat  aus  unserm  munde! 
ObseqnUle  BiitiBboxi.  1670.  Anhang. 

f  Nr.  311- 
Fronleichnamslied. 

1.  Der  zart  Fronleichnam  der  ist  gut. 
Bringt  uns  ein  sanfts  Oemüthe, 
Und  der  uns  all  begnaden  thut^ 
Das  macht  sein  werthe  Güte. 
Der  heilig  Oelst  ward  ausgesandt, 
Schaffk  uns  der  Sorg  ein  Ende. 
Darum  soll  sich  das  Herze  mein 

Von  Gott  meinem  Herren  nicht  abwenden. 

2.  Gegrüßet  seist  du,  Himmelbrot, 
Die  Wahrheit  und  das  Leben! 

Ein  himmlisch  Gab  und  ein  StLßigkeit^ 

Das  ist  der  Menschen  Leben« 

Gott  hat  sich  vereinigt  mit  der  Menschheit, 

Aus  Maria  ward  er  geboren. 

Gott  helf  uns  zu  der  ewig  Seligkeit, 

Dass  wir  nicht  werden  verloren  1 

3.  Jesus  Fleisch  und  auch  sein  Blut, 
Nun  Speis  der  Christenseelen. 
Gott  bhüt  uns  vor  der  Höllen  Glut 
Wol  durch  dein  große  Ehre! 

Du  hast  dich  selbst  zu  einer  Speis  gegeben 
An  deinem  letzten  Ende. 
Gedenk  an  deinen  bittem  Tod! 
Darum  sei  uns  nit  strenge! 

4.  Maria,  Gottes  Mutter,  reine  Maid, 
Du  himmelische  Fraue, 

Nun  hilf  uns  zu  der  Himmelfreud, 

Dass  wir  dich  selber  anschauen, 

Ja  dich  und  deinen  allerliebsten  Sohn! 

Schaff  unser  Sorg  ein  Ende, 

Komm  uns  zu  Hilf  mit  deiner  Gütigkeit 

An  unserm  letzten  Ende! 


606 

ö.   So  loben  wir  das  Sacrament^ 

Ein  Speis  des  ewigen  Leben. 

Das  bescher  uns  Gott  an  nnserm  letzten  End, 

Der  Priester  soll  uns  geben. 

Der  heilig  Geist  der  wohn  uns  bei, 

Der  soll  uns  all  behüten, 

Er  mach  uns  aller  Sünden  frei 

Wol  durch  sein  werthe  Güte! 
6.   O  du  barmherziger  Gott, 

Erbarm  dich  über  die  Christenheit 

Und  über  alle  glaubige  Seein, 

Zu  ringern  ihre  schwere  Pein. 

Drum  loben  wir  dich  stätiglich 

Wol  hie  und  dort  in  Ewigkeit. 

Gott  helf  uns  all  ins  ewig  Himmelreich ! 
Nie.  Beuttner,  GB.  1602.  1.  Th.  Nr.  40.  —    Von  diesem  und  dem  vori- 
gen  Texte  abweichend,  10  Strophen  lang  und  sehr  verdorben,  wahrscheinlich 
ans  mündlicher  Überlieferung  in  Corner  GB.   1625.  Nr.  215. 

f  Nr.  312. 
Weihnachtslied. 

1.  Ein  Kindelein  ist  uns  geboren 

zu  Bethlehem^ 
Das  bracht  dem  Herodes  Zoren 

und  großen  Grimm. 
Drei  König  aus  Morgenlande 
Kamen  gen  Jerusalem, 
Sie  fragten:  wo  ist  geboren 
Der  König  der  Juden? 
Wir  sahen  in  Orienten 

den  Sternen  sein 
Und  kommen  anzubeten 

das  süße  Kindelein. 

2.  Ein  Kindelein  ist  uns  geboren 

zu  Bethlehem, 
Das  bracht  dem  Herodes  Zoren 

und  großen  Grimm. 
Als  nun  Herodes  höret 
Die  wundemeue  Mähr, 
Erschrak  er  über  die  Maßen 
Mit  seinem  ganzen  Heer, 


607 

Vermeint  y  er  würd  verlieren 

das  Reiche  sein, 
Drum  tracht  er  zu  tödten 

das  neue  Kindelein. 

3.  EIp  Kindelein  ist  uns  geboren 

zu  Bethlehem, 
Das  bracht  dem  Herodes  Zoren 

imd  großen  Grimm. 
Er  fragt  mit  Argenlisten, 
Wo  das  Kind  geboren  war, 
Das  da  sollt  sein  ein  König 
Und  aller  Welt  ein  Herr. 
Da  sprachen  aus  den  Propheten 

die  Gelehrten  sein: 
Zu  Bethlehem  in  Judäa, 

dem  Städtlein  klein. 

4.  Ein  Kindelein  ist  uns  geboren 

zu  Bethlehem, 
Das  bracht  dem  Herodes  Zoren 

und  großen  Grimm. 
Herodes  sagt  zun  Weisen: 
Geht  hin  und  sucht  das  Ejnd, 
Und  wenn  ihrs  werdet  finden, 
So  thut  mirs  kund  geschwind, 
Auf  dass  ich  auch  erscheine 

mit  den  Schätzen  mein. 
Und  bete  an  von  Herzen 

das  kleine  Eündelein. 

5.  Ein  Kindelein  ist  uns  geboren 

zu  Bethlehem, 
Das  bracht  dem  Herodes  Zoren 

und  großen  Grimm. 
Jerusalem  verlassen 
Die  edle  Weisen  gut; 
Der  Stern  sie  hingeleiten 
Wol  zu  der  Krippen  thut. 
Allda  sie  lieblich  finden 

das  Kindelein  fein 
In  Tüchlein  eingebunden 

bei  der  Mutter  sein. 


506 

6.   Ein  Kindelein  ist  uhb  geboren 
zu  Bethlehem, 
Das  bracht  dem  Herodes  Zoren 

und  großen  Grimm. 
Ihr  Schätz  sie  all  aufschließen, 
Schenken  dem  Kindlein  Sold: 
Köstlich  Weihrauch  und  Myrrhen, 
Darzu  auch  rothes  Gold. 
Die  Gaben  thät  empfangen 

die  Jungfrau  rein, 
Mit  Andacht  sie  anbeten 
das  Wunderkindelein. 
Kolner  GB.  1619.     Anhang  Bl.  27.  ff.  —  1628.     8.  62—65.  —   1,  11. 
kamen.     ~  6,  6.  €hld.  —    6,  11.  anboten.    Ebenso  Coraer  GB.  1626.     Nr. 
84.  nnr  6,12.  d€U  kleine  JSndelemt  nnd  sn  Anfange  noch  folgende  2  Strophen : 
Ein  Kindlein  ist  ans  geboren 

zu  Bethlehem, 
Des  freuet  sich  auf  Erden 

Jerusalem. 
Die  Engelein  die  bringen  den  Hirten 
Die  Botschaft  auf  dem  Feld, 
Wie  dass  dies  Kindelein  kleine 
Sei  das  Heil  der  ganaen  Welt. 
Damm  die  Hirten  eilten 
gen  Bethlehem. 

Da  fnnden  sie  mit  Freuden 

das  Kindelein 
In  Tüchlein  eingewickelt 

im  Krippelein. 
Das  Öchslein  erkannt  seinen  Herren 
Und  auch  das  Eselein. 
Da  dankten  sie  yon  Hensen 
Und  lobten  Gott  allein, 
Dieweil  sie  gegrnßet  hätten 

das  Jesulein. 

f  Nr-  313. 
Weihnachtslied. 

1.   Ein  Kind  ist  uns  geboren  zu  Bethlehem, 
Ein  König  auserkoren  der  Himmelen. 
Die  Jungfrau  nahm  groß  Wunder, 
wie  dass  sie  schwanger  sei, 


609 

Wie  das  Wort  Fleisch  sei  worden, 
Gott  und  auch  Mensch  darbe!. 
Gewicklet  in  gar  schlechte  klein  Tüchelein, 
Gelegt  aufs  Heu  in  Krippe  bei's  Eselein. 

2.  Ein  Kind  ist  uns  geboren  zu  Bethlehem, 
Ein  König  auserkoren  der  Himmelen. 
Den  Hirten  bei  den  Schafen, 

des  Nachts  bei  ihrer  Wacht, 
Aus  der  engelischen  Schaaren 

einer  zu  ihnen  sagt: 
Euer  Schöpfer  und  Erlöser  geboren  ist. 
Den  thut  mit  Freud  anbeten  zu  dieser  Frist. 

3.  Ein  Kind  ist  uns  geboren  zu  Bethlehem, 
Ein  König  ayserkoren  der  Himmelen. 
Ein  Ochs  und  ein  Esel  kannten 

diesen  Erschöpfer  sein, 
Erwärmten  mit  dem  Athem 

das  liebe  Jesulein. 
Der  Jungfrau  seiner  Mutter  Brust  sauget  er, 
Mit  welchem  Gott  der  Vater  schuf  aller  Heer. 
AnderaAcher  OB.  (Köln  1608.)     Nr.  11. 

f  Nr.  314. 
Adventlied. 

Es  flog  ein  Täublein  weiße 
Vom  Himmel  herab 
Im  engelischen  Kleide 
Zu  einer  Jungfrau  zart: 
Gegrüßet  seist  du,  wunderschöne  Maid, 
Dein  Seel  ist  hochgezieret, 
Gesegnet  ist  dein  Leib! 
Kyrieleison. 
9  Strophen,  mit  der  Überschrift:  *£in  ander  alteB Adventlied  vom  engli- 
schen GnU3  und  Menschwerdung  Christi,  genennt  Tänblein  weiO*    —   in  Cor- 
ner GB.  1626.     Nr.  41. 

Steht  auch  in  der  Klostemenburger  Hs.  1228.  (8  Str.),  s.  Mone  Anzeiger 
8,  350.  Femer  in  Beuttner  GB.  1602.  2.  Tb.  Nr.  14.  (daraus  nach  der 
sputen  Ausgabe  von  1718  in  Kömer's  Marianischcm  Liederkranz.  S.  134 — 
136.)  Eine  ganz  andere  Lesart  ist  die  bei  den  Umdichtungen  unter  ^  Nr. 
246.  mitgetheilte.  Beide  Texte  haben  nur  wenige  Zeilen  mit  einander  ge- 
mein: 1,  6.  7.     2,  2.  4.     6,  1.  3. 

34 


510 

f  Nr.  315. 
Weihnachtslied. 

1.  Es  ist  ein  kinüein  uns  geboni^ 
vor  andern  außerkom^ 

das  stUlet  gotes  zoru.  :,: 

2.  Solch  kint  ist  uns  gegeben  heut, 
wie  uns  die  schrift  bedeut, 

des  freuen  sich  die  leut. 

3.  Sein  edler  nam  gar  herlich  groß, 
heilig  über  die  maß, 

uns  macht. von  sünden  los. 

4.  Sein  reich  voller  gerechtigkeit, 
mit  frid  und  Sicherheit 

wäret  in  ewigkeit 

5.  Sein  herschaft  und  sein  frömmigkeit 
dienet  zur  Seligkeit 

der  ganzen  Christenheit. 

6.  Der  schlangen  köpf  zutreten  hat, 
die  uns  durch  list  und  rat 
bracht  zum  ewigen  tod. 

7.  Darumb  lobet  zu  aller  frist 
den  herren  Jesum  Christ, 
daß  er  mensch  worden  ist. 

8.  Daß  er  also  fireuntlicher  weis 
uns  half  mit  allem  fleiß: 
dem  sei  lop,  eer  und  preis! 

Leiaentrit  1667.  1.  Th.  Bl.  34«.     Corner  GB.  1626.  Nr.  76.  —  Heidel- 
berger GB.  1629.  8.  62.  63.  ohne  die  8.  Str. 

Das  Kölner  GB.  1610  und  1619  hat  zugleich  folgenden  lateinischen  Text: 

1.  Natus  est  nobis  hodie 
de  pura  virgine 
Christus  rex  gloriae.  :,: 

2.  Coi  8ol,  luna  et  terra, 
cunctaque  sidera 
parent  per  secola. 

3.  Ideo  nos  terrigenae 
landemos  hodie 
regem  potentiae, 


511 

4.  GratiAS  agentes  ei, 
qnod  DOS  emeiit 
de  fauce  tartari, 

5.  Ut  dentur  nobis  praemia 
magnaque  gaudia 

iD  coeli  curia. 

6.  Salus  illi  et  gloria 
atqtie  victoria 

per  cnncta  secala. 
Auch    bei   Leisentrit,    Strophe  4    fehlt.    —    Im   Paderbonier  GB.  1616. 
SStrophen. 

f  Nr.  316. 
Weihnachtslied. 

1.  Es  ist  ein  Ros  entsprungen 
Aus  einer  Wurzel  zart, 
Als  uns  die  Alten  sungen, 
Von  Jesse  kam  die  Art, 
Und  hat  ein  Blümlein  bracht 
Mitten  im  kalten  Winter 
Wol  zu  der  halben  Nacht. 

2.  Das  Röslein  das  ich  meine, 
Darvon  Esaias  sagt, 

Hat  uns  gebracht  alleine 
Marie  die  reine  Magd; 
Aus  Gottes  ewgem  Rath 
Hat  sie  ein  Kind  geboren 
Wol  zu  der  halben  Nacht. 

So  bei  Michael  Prätorius  (Musae  Sion.  VI.  1609.  Cantus  Nr.  63.,  8. 
Wckn.  Nr.  160.)  Es  lässt  sich  noch  nicht  ermitteln,  wie  alt  dies  Lied  sein 
kann  und  ob  es  ursprünglich  nur  aus  diesen  2  Strophen  bestand.  In  dem 
Andernach.  GB.  1608  (also  ein  Jahr  früher)  hat  es  bereits  6  Strophen  und  in 
den  spätern  kathol.  Gesangbüchern,  z.  B.  Kölner  1610.  1619.  1628,  bei 
Corner  1625  Nr.  86  und  1658  Nr.  74  ist  es  bereits  sn  28  Strophen  ansge« 
spönnen  worden.     Bei  Corner  1625  lautet  die  2.  Strophe: 

Das  Röslein  das  ich  meine. 

So  uns  dies  Blümlein  bracht, 

Ist  Maria  die  reine. 

Davon  Esaias  sagt. 

Ans  Gottes  ewigem  .Rath 

Hat  sie  ein  Kindlein  geboren 

Bleibend  ein  reine  Magd. 

34* 


512 

and  1668  beginnt  es  in  Übereinstimmung  mit  Jesaias  11,  1.  2. 
Es  ist  ein  Reis  entsprungen. 

Dass  sich  dies  Lied  in  evangelischen  Gesangbüchern  nicht  Yorfindet^ 
darf  nicht  weiter  yerwundem:  die  Marienlieder  wurden  beseitigt  oder  umge- 
dichtet, wol  aber  ist  es  auffallend,  dass  es  in  keinem  kath.  OB.  des  XVI. 
Jahrh.  steht.  Die  wundervolle  Melodie  ^*}  lieB  jedoch  das  Lied  nicht  un- 
tergehn. 

Die  ftlteste  Lesart,  die  bis  jetzt  bekannt  geworden,  ist  die  des  Ander- 
nacher OB.  (Köln  1608)  Nr.  20.  >«)  bei  Wckn.  Nr.  849. 

f  Nr.  317. 

1.  Es  ist  ein  Kos  entsprungen 
Aus  einer  Wurzlen  zart, 
Als  uns  die  Alten  sungen, 
Aus  Josse  kam  die  Art 
Und  hat  ein  Blümlein  bracht 
Wol  mitten  in  dem  Winter, 
Wol  zu  der  halber  Nacht. 

2.  Den  Hirten  bei  den  Schafen 
Erschien  ein  Engel  klar: 
Ihr  sollt  jetzund  nit  schlafen, 
Das  sag  ich  euch  fürwahr 
Von  einem  Kindelein, 
Jetzund  wird  es  geboren 
Von  einer  Jung&au  rein. 

3.  Die  Wahrheit  ich  verkünden, 
Zu  Bethlem  ziehet  ein, 

Ein  Kindlein  werdt  ihr  finden 
Gelegt  in  Tüchelein, 
Wol  in  ein  Kripp  gelagt. 
Die  Nacht  die  war  so  klare, 
Als  wärs  der  helle  Tag. 

4.  Lob,  Ehr  sei  Gott  dem  Vater, 
Dem  Sohn  und  heiigen  Geist! 
Maria,  Gottes  Mutter, 

Dein  Hülf  an  uns  beweis 

§.14.  13)  Bei  Tncher  1.  Th.  Nr.  66  aus  Prätorius,  der  im  Register  die 
Melodie  „Catholisch**  bezeichnet. 

§.  15.  14)  Die  Iftt.  ÜbersetsEong  ist  gewiss  erst  von  dem  Herausgeber,  Bal- 
thssAf  Bolen  verfssst  worden. 


513 

Und  bitt  dein  liebes  Kind^ 
Dass  er  uns  wöll  behüten, 
Verzeihen  unser  Sund. 

5,  Wir  bitten  dich  von  Herzen, 
Du  edle  Königin, 

Durch  deines  Sohnes  Schmerzen, 
Wann  wir  fahren  dahin 
Aus  diesem  Jammerthal, 
Du  wollest  uns  begleiten 
Bis  in  der  Engel  Saal. 

6.  So  singen  wir  all  Amen, 

Das  heißt:  nun  werd  es  wahr. 
Das  wir  begehm  allsamen  1 
O  Jesu ,  hilf  uns  dar 
In  deines  Vaters  Reich, 
Drin  wollen  wir  dich  loben: 
O  Gott,  uns  das  verleih! 

f  Nr.  318. 
Fastenlied. 

1.  Es  sungen  drei  Engel  ein  süßen  Oesang,  ^ 
Dass  in  dem  hohen  Himmel  erklang. 

2.  Sie  sungen,  sie  sungen  alles  so  wol: 
Den  lieben  Gott  wir  loben  solln. 

3.  Wir  heben  an,  wir  loben  Gott, 
Wir  rufen  ihn  an,  es  |hut  uns  noth. 

4.  Er  speis  uns  mit  dem  Himmelbrot, 
Das  Gott  seinen  zwölf  Jüngern  bot, 

5.  Wol  über  dem  Tisch  da  Jesus  saß. 
Da  er  mit  ihnen  das  Abendmal  aß. 

6.  Judas  der  stund  gar  nah  dabei, 

Er  wollt  des  Herren  Verräther  sein. 

7.  Er  verrieth  den  Herrn  bis  in  den  Tod, 
Dadurch  der  Herr  das  Leben  verlor, 

8.  Wol  an  dem  Kreuze  da  er  stund. 
Da  er  vergoss  sein  rosenfarbcs  Blut. 

9.  Herr  Jesu  Christ,  wir  suchen  dich, 
Am  heiligen  Kreuz  da  finden  wir  dich. 

10.   Da  stund  der  Herr  ganz  nacket  und  bloß, 
Dass  ihms  Blut  an  seiner  Seitn  abfloss. 


*      514 

11.   Die  Seiten  ward  vom  Blut  so  rotli: 

Marien  Kind  leit  große  Noth. 
12*   Maria  Gotts  Mutter,  reine  Magd, 

All  unser  Noth  sei  dir  geklagt. 

13.  AU  unser  Noth  und  unser  Pein 
Wend  uns  Marias  Kindelein. 

14.  Dein  Fürbitt  wend  deins  Kindes  Zorn, 
Dass  unsere  Seein  nicht  werdn  verlorn. 

15.  Gott  behüt  uns  für  der  Höllen  Pein, 
Dass  wir  arme  Sünder  nicht  kommen  drein! 

Corner  GB.  1625.  Nr.  187.  Überachrifk:  „Ein  ander  vralter  Enff  von 
Christo.«  —  Auch  im  Neißer  GB.  1663.  Nr.  141.  —  Im  Paderbomer  1619 
nur  wenig  abweichend. 

Str.  1.  ö.  und  6.  finden  sich  in  Volksliedern  wieder,  Erlach  4,  166. 
Wunderhom  3,  79. 

Str.  12.  stammt  aus  sehr  alter  Zeit,  s.  Nr.  11   §.4,  69  u.  70. 

f  Nr.  319. 
Osterlied. 

1.  Freu  dich,  du  Himmelkönigin, 

Freu  dich,  Maria! 
Freu  dich!  das  Leid  ist  alles  hin. 
Alleluia ! 
Bitt  Gott  für  uns  Maria, 

2.  Den  du  zu  tragen  würdig  gewest, 
Der  hat  uns  allesan^t  erlöst. 

3.  Er  ist  erstanden  von  dem  Tod, 
Wie  er  gesagt,  der  wahre  Gott. 

4.  Bitt  Gott  für  uns,  o  Jungfi'au  schon, 
Dass  wir  mit  ihm  mögn  auferstohn. 

5.  Des  Morgens  früh  Marien  drei 

Nahmen  mit  köstlich  Specerei,  j 

6.  Giengen  zu  salben  Jesum  Christ,  1 
Der  unser  aller  Erlöser  ist.  ' 

7.  Das  Grab  sie  funden  offen  zwar, 

Ein  weißer  Engel  der  war  dar.  ' 

8.  Der  sprach:  forcht  euch  nicht,  fromme  Leut,  ! 
Christus  ist  auferstanden  heut. 

9.  Geht  hin  und  sagts  den  Jüngern  sein,  j 
Dass  er  mm  lebt  ohn  alle  Pein.  ' 


515 

10.  Petro  zu  sagen  es  nicht  vergesst, 
Jesus  der  lebt^  und  glaubt  es  fest! 

11.  In  Oalileam  ziehet  hin, 

Da  werdt  ihr  lebend  finden  ihn. 

12.  Mariae  Magdalene  zwar 
Macht  er  sich  erstlich  offenbar; 

13.  Damach  den  Jüngern  allzumal, 
Als  sie  beisanunen  waren  all. 

•14.   Wir  freuen  uns  der  Auferstend: 

Christ  sei  uns  gnädig  an  unserm  £nd! 

Corner  GB.  1625.  Nr.  150  und  1658  Nr.  126.  „Ein  gemeiner  Osterruf 
an  unser  liebe  Frau.*'  Ein  Wallfahrtslled,  das  wahrscheinlich  einer  früheren 
Zeit  angehört,  wenigstens  enthält  es  alte  Bestand theile,  z.  B.  Str.  6  und  6. 
—  Kölner  6B.  1619.  Anhang  Bl.  84.     Mainzer  GB.  1628.     8,  2.  vor  (er). 

Vgl.  Nie.  Hermann^s  Lied:  Am  Sabbath  früe  Marien  drei,  Wckn.  Nr. 
489.  So  beginnt  auch  obiger  Text  im  Neider  GB.  1668.  Nr.  98.  Des  Mor- 
gens früh  Marien  drei. 

f  Nr.  320. 
Fronleichnamslied. 

1.  Freut  euch,  ihr  lieben  Seelen, 
Euch  ist  ein  Freud  geschelin: 
Wir  habn  ohn  alles  Fehlen 
Den  lieben  Gott  gesehn, 

In  einer  Hostie  kleine 
Sein  wahres  Fleisch  und  Blut. 
Glaubt  es  im  Herzen  reine, 
So  ists  der  Seelen  gut. 
Kyrie  eleison. 

2.  Denn  wir  gesehn  mit  Augen 
Jesum  der  uns  erlöst. 

Dies  fassen  wir  im  Glauben 
Und  seind  gar  wol  getrost. 
Wenn  wir  von  hinnen  scheiden, 
Empfahn  dies  Sacrament,. 
Errett  vom  ewigen  Leiden, 
Kommen  in  Gottes  Hand. 
Kyrie  nleison. 


516 

3.  Es  ist  der  Seelen  Speise, 
Dardurch  sie  ward  ernährt 
Unergründlicher  Weise 
Und  bleibt  doch  unverzehrt. 
Den  Leib  thut  es  auch  laben: 
Ob  er  gleich  muss  vergehn, 
Wird  wiederum  erhaben, 
Und  zur  Freud  auferstehn. 

Kyrie  eleison. 

4.  Jesu  du  lieber  Herre, 
Du  allerhöchstes  Gut, 

Dir  sei  Lob,  Preis  und  Ehre, 
Dass  du  dein  Fleisch  und  Blut 
Zu  einer  Speis  hast  geben. 
Das  Brot  vom  Himmelreich, 
Dasselb  giebt  uns  das  Leben, 
Wahrer  Gott,  Mensch  zugleich. 

5.  O  Herr,  mach  uns  verlangen 
Nach  diesem  Sacrament 

Und  wenn  wir  das  empfangen 
Aus  eines  Priesters  Hand, 
Lass  uns  im  Frieden  fahren, 
Jesu  im  Namen  dein 
Wol  zu  der  Engel  Schaaren 
Und  ewig  bei  dir  sein! 

Anderaacher  GB.  (Köln  1608.)  Nr.  102.  —  Auch  Corner  GB.  1625.  Nr. 
208.  Mainzer  1628.  S.  369—371.  Neil^erGB.  1663.  Nr.  132  mit  der  Über- 
ichrift:  »Ein  anders  altes  gar  andächtiges  Gsang  bey  der  H.  Meß  nach  der 
Elevation  zn  singen.**  In  diesen  letzten  8  GB.  folgende  Lesarten:  1,  2. 
Vha  (Euch)  —  1,  3.  Wir  hc^en  mü  untern  Äugen  —  1,  7.  Wer  das  von 
Herzen  glaubet  —  2,  4.  fahren  Ocheiden)  —  2,  7.  '•  Bett  uns  —  Löet  uns 
—  3,  2,  wird  C^ard)  —  4,  8.  Ist  Gott  und  Mensch  zugleich  —  6,  3.  er- 
langen (empfangen)  ~    6,  4.  Hand. 

f  Nr.  321. 
Eastenlied. 
1.   Got  wart  an  ein  kreuz  geschlan, 
er  hatt  noch  nie  kein  Übels  tan; 
er  leits  uns  gleubigen  zu  trost, 
darmit  hat  er  uns  erlost. 
Kyrie  eleison. 


517 

2.  Herr,  durch  deinen  bittem  tot 
hilf  uns  armen  aus  der  not, 
laß  uns  nicht  zuletzt  ersterben, 

dein  heiliger  leichnam  muß  uns  werden. 
Kyrie  eleison. 

3.  Herr,  durch  deine  namen  drei 
mach  uns  aller  Sünden  frei, 
bescher  uns  auch  ein  gutes  end 
und  ein  frölich  auferstend! 

Kyrie  eleison. 

Nor  bei  Witzel,  Psaltes  eccles.  1650.  Bl.  106l>,  sonst  finde  ich  es  nir- 
g>end.  Bei  Witzel  2,  3.  ersterb  —  2,  4.  müsse  uns  werd  —  Aach  Wacker- 
nagel setzt  es  unter  die  alten  Lieder  Nr.  140.  Die  große  Einfachheit  in 
Form  und  Darstellnng  berechtiget  wol  ca  der  Annahme  eines  höheren  Alters, 
schwerlich  aber  die  Bemerkimg  Witzeis,  die  Wckn.  anfuhrt:  „Nu  ins  new 
Testament  ward  gesungen.^ 

f  Nr.  322. 
Fastenlied. 

1.  Hättn  wir  so  wahr  Gotts  Hulde, 
Als  uns  Christus  vermeint, 

Da  er  mit  großer  Gedulde 
Unsr  Sund  hat  abgeleint. 

2.  Gar  sehr  hat  er  gestritten, 
Damit  er  uns  versöhnt. 
Groß  Marter  hat  er  gelitten 
Dass  er  uns  Genade  verdient. 

3.  Schmerzlich  ward  er  gegeißelt. 
Der  Herre  auserkom, 

Ein  Krön  ward  ihm  bereitet 
Von  Nägel  und  auch  von  Dom. 

4.  Sie  setzten  ihms  auf  sein  Haupte, 
Wol  auf  sein  Haupt  hinan, 

Dass  ihm  sein  heiligs  Blute 
Über  beide  Augen  abrann. 

5.  Sie  schlugen  den  Herrn  ans  Kreuze 
Zwischen  zweien  Schachern  an; 
Der  zu  der  rechten  Seiten 

Ruft  Gott  den  Herren  an. 


518 

U.   Der  zu  der  rechten  Seiten 
Bat  Oott  gar  festiglich: 
Gedenk  mein,  du  lieber  Herre, 
Wenn  d'  kommst  in  deins  Vaters  Reich. 

7.  Der  Herr  der  redet  gar  schone 
Und  redet  also  mit  Fleiß: 
Heut  wirst  du  bei  mir  wohnen 
Im  lustigen  Paradeis.  — 

8.  Der  zu  der  linken  Seiten 
Trieb  aus  dem  Herrn  sein  Spott: 
Mach  mich  und  dich  heilwärtig, 

So  glaub  ich,  dass  du  seist  Oottl  — 

9.  Der  zu  der  linken  Seiten 
Wol  zu  dem  Herren  sprach: 
Bist  du  des  wahren  Gotts  Sohne, 
So  steig  vom  Kreuz  herab  I 

10.  Der  Herr  der  redet  mit  Liebe 
Wol  von  dem  Kreuz  herab: 
Alls  was  von  mir  ist  geschrieben, 
Muss  völlig  werdn  verbracht 

11.  Den  Herrn  den  dürstet  sehre 
Wol  nach  der  Menschheit  bloß, 
Wol  nach  den  armen  Seelen, 
Die  in  der  Vorhöll  warn. 

12.  Da  reicht  man  ihm  zu  trinken 
So  gar  ein  bitters  Trank 
Von  Essig  und  von  Gallen, 
Sein  Herz  das  war  ihm  krank. 

13.  Drauf  neiget  er  sein  Haupte 
Wol  an  des  Kreuzes  Stamm, 
Sein  Geist  hat  er  aufgeben 
In  seines  Vaters  Hand. 

14.  Da  kam  einr  ausn  Soldaten, 
Den  Herrn  todt  er  ansacb. 
Mit  seinem  scharfen  Speere 
Christo  sein  Seiten  durchstach. 

15.  Sie  nahmen  den  Herrn  vom  Kreuze, 
Wol  von  dem  Kreuz  herab, 

Sie  legten  der  Jungfrau  Maria 
Gar  traurig  auf  ihr  Schoß. 


•      519 

lü.    Sie  nahmen  ihn  von  Maria, 

Legten  ihn  in  ein  weißes  Tuch, 
Darinnen  man  Gott  den  Herren 
Wol  zu  dem  Grabe  trug. 

17.  Man  trug  ihn  in  ein  Garten, 
Legt  ihn  in  ein  neues  Grab, 
Darin  ist  er  gelegen 

Bis  an  den  dritten  Tag. 

18.  Damach  ist  er  erstanden 
Wol  an  dem  dritten  Tag 

All  diesen  Juden  zu  Schanden, 
Ist  ihnen  ein  große  Schmach. 

19.  Dank  sei  dir,  lieber  Herre, 
Wol  für  dein  Marter  und  Tod! 
Hilf,  dass  wir  uns  bekehren, 
So  genießen  wirs  hie  und  dort. 

Corner  GB.  1625.  Nr.  117.  mit  der  Überschrift:    »Ein  alter  andftchtiger 
Raff,  von  der  Krönangf,  Creiitzigong  vnd  BegrXbmiO  Christi. *< 

f  Nr.  323. 
Adventlied. 
Ich  sähe  mir  den  meien  mit  roten  röslein  umbher  stan 
darzA  mit  manchen  blümelein,  die  sint  klar, 
wie  daß  die  roten  röslein  selten  stan, 
die  kleinen  waltfögelein  haben  sich  aufgetan. 
Bergkreyen  Nr.  20.  9  Strophen,  bei  Uhland  Volksl.  Nr.  339.  nur  6  Str. 
Offenbar  in  sehr  verdorbener  Lesart,   dennoch  vielleicht  sehr  alt. 

f  Nr.  324. 
Fastenlied. 

1.  Jesu,   du  bist  mild  und  gut: 

Wir  bittn  dich  Herr  durch  dein  rosnfarbes  Blut, 

Wol  durch  deine  heiigen  fünf  Wunden, 

Auf  dass  wir  Christen  allzugleich 

In  eim  rechten  Glauben  werdn  erfunden. 

2.  Jesus  der  litt  große  Noth^ 

Wol  an  dem  Kreuz  den  bittem  Tod 
So  gar  ohn  alle  Schulden. 
Alle  Gottes  Heiligen  rufen  wir  an, 
Dass  wir  erwerbn  sein  Hulde. 


520      . 

3.  Was  Betztens  ihm  auf  das  Haupte  sein? 
Ein  Eron  die  war  scharpf  von  Dornen. 
Oegeißelt  und  geschlagen, 

Ein  schweres  Kreuz  bereitet  war, 
Das  musst  er  selber  tragen. 

4.  Sie  setzten  das  Ejreuz  in  einen  Stein 

Mit  Christo  dem  Herrn,  dem  Schöpfer  rein. 
Ein  blinder  Jud  der  stach  ihn  also  sehr 
Wol  an  dem  Kreuz  mit  seinem  schai'pfen  Speer, 
Maria  weinet  also  sehr. 

5.  Hilf  Maria,  Gottes  Mutter,  reine  Maid, 
Erbarm  dich  über  die  Christenheit, 
Versöhn  uns  deines  Kindlein  Zorenl 
An  unserm  Ende  wohn  uns  bei, 

Dass  wir  nicht  werden  verloren! 

6.  Und  fuhr  uns  in  das  Himmelreich, 
Darin  seind  wir  immer  und  ewigleich 

Bei  Gott  Vater,   Sohn  und  heiligem  Geist, 
Wol  bei  der  höchsten  Dreifaltigkeit 
Seind  wir  immer  und  ewig  schön  behalten. 

Nie.  Beuttner  GB.  1602.  1.  Th.  Nr.  15.  —  Dies  ist  wol  dasselbe  Lied, 
dessen  Anfang  (Christ,  da  bist  milde  und  gdt)  in  dem  Spiele  ron  Maria  Him- 
melfabit  im  XIV.  Jahrb.  und  in  der  Zerbster  P^cession  vom  J.  1607  vor- 
kommt.    S.  vorher  S.  77.  and  199. 

f  Nr.  325. 
Kirchfahrtlied. 

Im  Ton:   Singet   za  Gott  mit  Lobesschall. 

1.  In  Gottes  Namen  heben  wir  an, 

O  Maria! 
Und  wollen  mit  dem  Kreuze  gähn, 

Unser  liebe  Frau  die  rufen  wir  an. 

2.  Maria  sei  heut  unser  Bot 

Wol  zu  dem  allmächtigen  Gott, 

3.  Zu  unserm  Vater  im  Himmelreich, 
Dass  er  ims  Fried  und  Gesund  verleih. 

4.  Sein  Fried,  Gnad  und  ewigs  Leben, 
Das  woll  ims  Gott  allsammen  geben. 

5.  So  heben  wir  die  Kreuzfahrt  an 
Durch  Jesum  Christ  den  heiligen  Mann. 


521 

6.  Der  an  dem  Kreuz  gestorben  ist, 
,      Am  dritten  Tag  erstanden  ist. 

7.  Er  führt  ein  Kreuz  in  seiner  Hand, 
Er  giebt  den  Segen  über  alle  Land; 

8.  Wol  über  den  Wein  und  über  das  Traid, 
Wol  über  die  ganze  Christenheit. 

9.  Also  hat  dieser  Ruf  ein  End. 
Gott  sei  bei  unserm  letzten  End! 

Corner  GB.  1626.  Nr.  298.  —  1668.  Nr.  134.  mit  der  Übergchrift :  „Der 
Krenzruf,  mit  welchem  das  gpemeine  Volk  die  Procession  -  GesSnger  pflegt 
anzufangen.  ** 

f  Nr.  326. 
Bittfahrtlied. 

1.  O  ewiger  vater,  bis  gnedig  uns, 

beweis  uns  dein  barmherzigkeit  allzeit  und  gnaden  gunst! 
mach  uns  armen  sunder  Christo  gleich, 
darzu  auch  sein  miterben  deines  reichst 

heUiger  gotl 
durch  die  marter,  angst  und  not, 
die  er  am  kreuz  gelitten  hat, 
da  er  starp  eins  bittem  tods. 

Kyrie  eleison,  Christo  eleison. 

2.  O  Christe,  heiiger  heilant,  hilf  in  der  not! 
zu  dir  stet  unser  hofhung  und  trost. 

o  warer  got,  des  vaters  zom  tu  stillen  ewiglich, 

bis  aller  sunder  mitler  genediglich! 
war  mensch  und" gotl 

durch  die  marter,  angst  und  spot, 

die  du  am  kreuz  gelitten  hast, 

da  du  starbst  eins  bittem  tods. 
Kyrie  eleison,  Christe  eleison, 
und  noch  drei  Strophen  anf  den  heil.  Geist,  Maria  und  die  Engel.  Die  3. 
nnd  6.  Strophe  haben  in  ihrer  zweiten  Hälfte  nnr  je  zwei  Reimzeilen.  Vehe 
GB.  1637.  Nr.  33,  danach  bei  Leisentrit  1667.  2.  Th.  Bl.  67.  Corner  GB. 
1626.  Nr.  366.  Nachtigal  1668.  Nr.  132.  nnd  hier  mit  der  Überschrift: 
„Ein  andere  Vhralte,  dem  gemeinen  Volck  ynd  frommen  Banren  in  Österreich 
wolbekandte  Litaney.** 


52a 

f  Nr.  327. 

P  fi  n  g  s  tu  e  d. 

0  heiliger  Geist,  der  du  mit  großem  Gwalt, 
Und  mit  kräftiger  Würkung  ins  Feuers  Gestalt 
Vom  Himmel  nach  der  Verheißung  Jesu  Christ 
Auf  die  heilgn  Apostel  herabkommen  bist. 
Corner  GB.    1626.  Nr.   170.     „Ein  anders  idtes    Gesang  zu   Gott  dem 
HeiUgen  Geist.«  8  Strophen.     Finde  ich  sonst  nirgend. 

f  Nr,  328. 

Das  Vater  unser   bei  Kirchfahrten,   auch  in  der  Kirchen  su  singen. 

1.  Vater  imser  der  du  bist 

Kyrieleison 
Im  Himmel,  da  ewig  Freude  ist, 

O  Vater  mein, 
Erbarm  dich  unser  auf  Erden, 
Auf  dass  wir  deine  lieben  Kinder  werden ! 

2.  Geheiliget  werd  der  Namen  dein, 
Du  wollest  uns  Sündern  gnädig  sein. 

3.  Verleih  uns  Herr  das  Himmelreich, 
Dass  wir  dich  loben  ewigleich. 

4.  Dein  Will  geschech  desselben  gleich 
Auf  Erden  wie  im  Himmelreich. 

5.  Gieb  uns,  o  Herr,  das  täglich  Brot, 
Behüt  uns  vor  dem  ewigen  Tod. 

6.  Vergieb  uns  Herr  all  unser  Schuld, 
Erhalt  uns  auch  in  deiner  Huld. 

7.  Und  führ  uns  in  Versuchung  nicht. 
Hilf  wann  uns  der  böse  Geist  anficht. 

8.  Von  allem  Übel  ims  erlös. 

Hilf  dass  wir  ewig  werden  getrost. 

9.  O  Gott,  du  edler  Schöpfer  mein, 
Wir  bitten  dich  als  die  Kinder  dein. 

10.  Behüt  uns  vor  dem  gäben  Tod, 
Und  stehe  ims  bei  in  aller  Noth. 

11.  0  Herr,  wann  wir  dein  Hilf  nit  han, 
So  seind  wir  hie  und  dort  verlan. 

12.  Darum  nimm  unser  eben  wahr 
Und  fuhr  uns  zu  der  Engel' Schaar. 


523 

13.  Daselbst  Beind  aller  Freuden  vil, 
Die  Gott  den  Frommen  geben  will, 

14.  Die  glauben  in  deinen  Namen 
Durch  Jesum  Christum ,  amen. 

Mtinchener  GB.  1686.  Bl.  blK  Kölner  GB.  1610.  Bl.  197«.  Corner 
GB.  1626.  Nr.  321.     Nachtigol  1668.  Nr.  1. 

Dem  ursprünglichen  Texte  wol  näher  ist  der  von  10  Strophen  in  Nie. 
Benttner  GB.  1602.  l.Th.  Nr.  3.  mit  folgenden  Abweichungen:  3,1.  zuhomm 
WM  Herr  doi  £Kmmelreieh  —  6, 1.  Oib  uns  o  Herr  das  täglich  Brotj  —  5,  2. 
Beküt  UM  vor  dem  ewigen  Tod  —  Nach  6.  folgt: 

Äh  wir  v/a$em  Nächsten  vergehen 
Seine  Schuld  in  diesem  Leben  — 
Nach  9.  folgt  die  Schlussatrophe : 

Zu  Ehren  deinem  Namen 
Dwreh  Jesum  Christum y  amen! 
Das  schöne  neue  Vater  unser  in  Gesangweise,   9  Strophen,   im  Babstschen 
GB.  1646.  n.  Nr.  40,  Wckn.  Nr.  647,  ist  nur  eine  neuere  Bearbeitung  jenes 
altkatholischen  Vaterunsers.     Die  Kehrverse  sind  beibehalten  worden: 
Vater  unser,   der  du  bist, 

Kyrieleison 
gip  uns  zurkennen  Jesum  Christi 
Vater  mein, 

erbarm  dich  unser  auf  erden, 
daß  wir  deine  liebe  kinder  werden! 
Steht  schon  in   ,,Vier   geistliche  Bejenlieder  —   Nürnberg  durch  Kunegund 
Hergotin«  (1628—1638.)    Vgl.  Biederers  Abhandl.  von  Einführung  des  teut- 
schen  Gesangs  S.  269. 

f   Nr.  329. 
St.  Catharina. 

1.  Wir  lohn  die  heilig  und  die  rein, 
Die  heilig  Jungfrau  Catharein. 
Sanet  Cathrein  war  ein  reine  Magd, 
Das  war  dem  Heiden  bald  gesagt. 

2.  Der  Heid  schickt  aus  in  alle  Land, 
Wo  jemand  St.  Catharina  fand. 
Der  Heid  sprach  St.  Catharina  zu: 
Nun,  willt  du  meinen  Willen  thun? 

3.  Ich  gib  dir  Berg  und  alle  Land, 
Mach  dich  zu  einer  Kaiserin  zuhand. 
St.  Catharina  sprach:  das  thu  ich  nicht, 
Kein  heidnischen  Mann  den  mag  ich  nicht  — 


524 

4.  Er  ließ  sie  legn  in  ein  tiefen  Thum, 
Darin  lag  mancher  giftiger  Wurinj 
Sie  lag  bis  auf  den  eilften  Tag, 

Dass  sie  weder  Speis  noch  Trank  empfang. 

5.  Wol  auf  den  zwölften  Morgen  früh, 
Da  trat  der  Heid  zum  Thum  hinzu, 
Er  stieß  die  Thür  auf  mit  Gewalt 
Und  ruft  Sanct  Catharina  bald. 

6.  Catharina,  wer  hat  dich  ernährt, 

Dass  dich  die  Wurm  nicht  haben  verzehrt?  — 
Das  hat  gethan  ein  heiliger  Mann, 
Jesus  Christus  mein  Bräutigam.  — 

7.  Er  ließ  zurichten  ein  scharfes  Rad, 
Das  war  mit  Eisen  wol  verwahrt. 
Er  ließ  das  Rädlein  umhertreiben, 

Dass  es  St.  Catharina  sollt  zerschneiden. 

8.  Er  ließ  ein  scharfes  Schwert  hertragen, 
Dass  man  ihr  soUte  das  Haupt  abschlagen. 
Und  wo  ihr  heiliges  Haupt  hinsprang, 

Da  saß  ein  Engel  unde  sang. 

9.  Und  wo  ihr  heiliges  Blut  hinrann. 
Da  stund  ein  helles  Licht  und  glamm. 
Wegen  der  Jungfrau  Heiligkeit 

Gott  sei  gelobt  in  Ewigkeit! 

Nei^r  OB.  166S.  Nr.  200.  1,  1.  Die  Jieüige  rein  und  auch  die  fein  — 
1,  2.  Die  heiUge  Jungfrau  Catharina  rein  —  2,  4.  Sie  aoUt  nach  seinem  Wil- 
len thvn  —  8,  2.   Daas  man  St.  Catharina  sollt  ihr  Haupt   abtchlagen, 

Eio  ganz  anderer  nnd  neaer  Text  im  Andemacher  GB.  (Köln  1608.) 
Nr.  145,  16  Strophen. 

Ein  geistliches  Volkslied,  das  gewiss  schon  lange  im  Monde  des  Tolkes 
lebte,  ehe  es  aufgezeichnet  wurde.  Der  Text  des  Neij)er  GB.  ist  sehr  bruch- 
stücklich, er  enthält  aber  doch  einige  Hauptzüge  aus  der  Legende  der  heil. 
Katharina  und  hat  eine  volksthümliche  Färbung.  Er  steht  jedenfalls  d^r  ur- 
sprünglichen Abfiassung  näher  als  der  zu  48  zweizeiligen  Strophen  ausge- 
sponnene in  Corner  GB.  1625.  Nr.  289.  Er  heißt  bei  Corner  schon  „ein 
alter  Ruf."  Aus  dem  Comerschen  Texte  sind  die  Lesarten  1,  1.  2.  und  2,  4. 
entlehnt. 

Neuere  Volkslieder  von  der  beil.  Catharina  aus  verschiedenen  Gegenden, 
ans  Schlesien:   Schlesische   Volkslieder   Nr.  291,    andere  Lesart  Erk  Volksl. 


.      525 

2.  Bd.  Heft  */s  Nr.  1.  —   aits  Westphalen:  Geistliche  Volkslieder  (von  A.  ▼. 
Haxthansen)  Nr.  123.  —  vom    Niederrhein:    Simrock  Volkslieder  Nr.    75.  — 
aiis  dem  Odenwald:    Erk  Liederhort  Nr.  47. 
Das  schwedische  Lied  von  klein  Käthchen: 

Och  Uten  Karin  tjente 

P(  unga  kangens  g&rd, 

Hon  lyste  som  en  stjema 

Bland  alla  tämor  8m& 
(Svenska  Folkvisor  1»  IL,  bei  Mohnike,    Volkslieder  der  Schweden  Nr.  22.) 
scheint   mir  weiter   nichts   zn   sein   als    die   verweltlichte  Leg'ende    der   heil. 
Katharina. 

f  Nr.  330. 
Wallfahrtlied. 

1.  Zu  Ehren  unser  Frauen 
Gehn  wir  in  ihr  Bethaus. 
Wen  seine  Sund  gereuen, 
Der  geht  ledig  heraus. 

Kyrie  eleison. 

2.  Wen  seine   Sund  gereuen 
Und  will  der  kommen  ab, 
Geh  oft  zu  unser  Frauen 
Und  bitt  Gott  um  Genad. 

3.  Und  kommt  er  denn  gen  Kirchen, 
Zu  unser  Frauen  Haus, 

Beicht  er  sein  Sund,   hab  Reue, 
So  geht  er  ledig  heraus. 

4.  Unser  liebe  Fraue, 

Die  hat  der  Kirchen  vil, 
Darein  geht  mancher  Sünder, 
Den  sie  begnaden  will. 

5.  Für  d'  Sünder  will  sie  bitten. 
Für  Frauen  und  für  Mann; 
Genad  erlangen  alln  Pilgram, 
Die  sie  recht  rufen  an. 

6.  Und  unser  liebe  Fraue 
Woll  uns  nicht  verlaßen, 
Uns  arme  Pilgr  anschauen 
Auf  Wegen  und  auf  Straßen. 

35 


52« 

7.   Zu  Ehren  unser  Frauen 
Singen  wir  dies  Lobgesang. 
Von  nun  an  bis  in  Ewigkeit 
Sei  Gott  im  Himmel  Dank! 
Corner  GB.  1626.   Nr.    306.   mit  der  Übergchrift:   'Ein   alter  Ruf,  wann 
man  zu  Unser  Lieben  Frauen  kirchfahrten  thnt.'  —  1668.  Nr.  141.  6,  4.  auf 
dieser  FUgentr^ßen,  —  Bind  die  sieben  letzten  Strophen  in  dem  Liede :  Und 
unser  lieben  Fraaen,  der  träumet  ihr  ein  Traum.    8.  vorher  unter  den  Rufen. 


LIEDERANTÄNGE. 


Die  tingeklammerUn  Zdhlm  vrweistn  au/  dU  Seiten,  die  Itbrigen  a\»S  die  Nummern. 


A. 

Auron  in  die  Erde 3« 

Ach  Gott^  wem  soll  ich*8  klagen 244. 

Ach  lieber  Herre  Jesu  Christ 126. 

Ach  Töchterlein,  mein  Seel  gemeit 124. 

All  Welt  soll  billig  fröhlich  sein 304. 

Alle  Welt  freuet  sich 180. 

Alle  Welt  springe  und  lobsinge [327.] 

Als  Gott  Mensch  geboren  war [319.] 

Also  heilig  ist  der  Tag 114.  116. 

An  dem  österlichen  Tage 7. 

An  Jesum  gedenken  ist  Süßigkeit 20. 

Anna,  du  anfänglichen  bist 290. 

Aus  dem  väterlichen  Herzen 159. 

Aus  Gottes  Herzen  ein  Wort  entspraug 29. 

Aus  hartem  Weh  klag{  menschlich  Gscblecht 221. 

Ave,  Balsams  Creatur [240.] 

Ave  durchleuchte  Stern  des  Meeres 149. 

Ave  lebende  Hostia 131. 

Ave  lebendigs  Oblat 150. 

Ave  Maria,  ein  Rose  ohne  Dom 8. 

Ave  Maria  gratia  plena 305. 

Ave  Morgensterne 63. 

B. 

Bekenn  nun  alle  Weite  schon 146 

Benno  du  viel  heiliger  Mann 116 

c. 

Christ,  deines  Geistes  SüBigkeit 18.  19. 

Christ,  der  du  bist  das  Licht  und  Tag 155. 

Christ,  der  du  geboren  bist [42.] 

Christ,  du  bist  milde  und  gut [77.  199.] 

Christ  fuhr  gen  Himmel 74—78. 

Christ  ist  erstanden 9.  80-85.  92.  [77.  181.  182.  185.  193.  198.] 

Christ  sich  zu  marteren  gab 5. 


530 

Christ  uns  genade ! [77.] 

Christe,  der  bist  das  Licht  und  Tag 137.  164. 

Chiiste,  der  du  bist  Liecht  und  Tag 163.  A. 

Christe,  der  du  bist  Tag  und  Licht 166. 

Christe,  du  anfänglichen  bist 239.  290. 

Christe,  du  bist  Licht  und  der  Tag 168. 

Christe,  wahrer  Sohn  Gottes  fron 238. 

Christum  von  Himmel  ruf  ich  an 237. 

Christus  fuhr  mit  Schallen 79. 

Christus  hat  gesprochen 71. 

Christus  ist  auferstanden [179.] 

Christus  ist  erstanden 138.  306. 

D. 

Da  Christus  geboren  war 173. 

Da  Christus  mit  den  Jüngern  sein 187. 

Da  der  Herr  Christus  leiden  sollt [492.] 

Da  Gabriel  der  Engel  klar 248. 

Da  Jesus  an  dem  Kreuze  stund 101. 

Da  Jesus  in  den  Garten  ging 308.-  309. 

Da  Jesus  zu  Bethania  was [492.] 

Das  hell  Aufklimmen  deiner  Diener  Stimmen 207. 

Das  Pater  noster  also  merk 130. 

Das  sind  die  heiligen  zehn  Gebot [226.  227.] 

Das  Wort  Ave  lasst  uns  singen • 216. 

De  Pawest  heft  sik  to  dode  gevallen 236. 

Dem  neugebomen  Kindelein 172. 

Den  die  Hirten  lebeten  sehr 193. 

Den  Erde,  Meer  und  Himmel  all 134. 

Den  lieben  St.  Johannes  loben  wir [492.] 

Den  liebsten  Buhlen  den  ich  han 229. 

Den  liebsten  Herren  den  ich  han 227.  228. 

Der  du  das  Licht  bist  und  der  Tag 141. 

Der  Fried  unsers  Herren  Jesu  Christ [492.] 

Der  Heiden  Heiland  komm  her [362.] 

Der  heilig  Fronleichnam  der  ist  gut  67. 

Der  heilig  Herr  St.  Wolfgang [492.] 

Der  Himmelkönig  ist  gebom  von  einer  Maid 64. 

Der  Lenz  ist  uns  des  Jahres  erste  Quarte [82.] 

Der  Maie,  der  Maie  bringt  uns  der  Blümlein  viel 240. 

Der  nun  maien  wolle 49, 

Der  Spiegel  der  Dreifaltigkeit 168. 

Der  Tag  der  ist  so  freudenreich 160.  161. 

Der  zart  Fronleichnam  der  ist  gut 310.  311. 

Des  helf  uns  das  heilige  Grab [42.) 


531 

Des  Königes  Fahnen  gehn  henror 217. 

Des  Königes  Fahnen  zeuch  herfär 218. 

Dich  Fran  von  Himmel  rof  ich  an 68. 

Dich  Gott  wir  loben  und  ehren [857.  358.] 

Dich  Mutter  Gottes  ruf  wir  an 103. 

Die  Geschrift  giebt  uns  Weis  und  Lehr 281. 

Die  heiligen  drei  König  mit  ihrem  Stern 260.  263. 

Die  königlich  Banner  gehn  herfür    303. 

Die  Mühl  die  malt  das  Mehl  so  rein 206. 

Die  Mntter  stund  voll  Leid  und  Schmerzen 199. 

Die  zehn  Gebot  sollt  du  lehren 107. 

Du  Lenze  gut,  des  Jahres  theuerste  Quarte 13. 

•     E. 

Eia  der  großen  Liebe 118.  [233.] 

£ia,  Herre  Gott,  was  mag  das  gesein 117. 

Ein  Adler  hoch  han  ich  gehört 122. 

Ein  blähendes  Reis,  der  Saide  Hort 278. 

Ein  Blum  steht  auf  der  Heiden 30. 

Ein  Blumen  auf  der  Heide 31. 

Ein  Jungfrau  schön  und  auserwählt 232. 

Ein  Kind  geboren  zu  Bethlehem 191.  192. 

Ein  Kind  ist  geboren  zu  Bethlehem 190. 

Ein  Kind  ist  uns  geboren  zu  Bethlehem 313. 

Ein  Kindelein  der  Ewigkeit 162. 

Ein  Kindelein  in  der  Wiegen 253. 

Ein  Kindelein  ist  geboren 66. 

Ein  Kindelein  ist  uns  geboren. zu  Bethl 312. 

Ein  Kindelein  so  löbelich 89.  [205.  301.) 

Ein  Mole  ik  buwen  wil 111. 

Ein  Lehrer  ruft  viel  laut  aus  hohen  Sinnen 220. 

Ein  Mutter  stund  trauriglichen 200. 

Ein  neu  Geburt  wünsch  ich  zwar 46. 

Ein  Zeit  hört  ich  viel  guter  Mähr 295. 

Einen  Gott  den  soll  wir  ehren 106. 

Entstanden  ist  der  heiige  Christ 201. 

Er  ist  gewaltig  und  stark 4. 

Erstanden  ist  der  heilige  Christ 202.  204. 

Erstanden  ist  der  Herre  Christ 203. 

Es  fleugt  ein  Vögelein  leise 245. 

Es  flog  ein  Engel  in  Eile [411.] 

Es  flog  ein  kleine  Waldvögelein r 233. 

Es  flog  ein  Täublein  weiße 314. 

Es  freuet  sich  billig  Jung  und  Alt [493.) 

Es  gieng  sich  unser  Fraue 61 . 


532 

Es  giengen  drei  FrÜuleüi  also  froh 16. 

£fl  hat  ein  Mensch  Gotts  Hold  verlorn 225.  A. 

Es  ist  ein  Kindelein  gebom  cn  Bethlehem 70. 

Es  ist  ein  Kindelein  gebom,  es  hat [493.] 

Es  ist  ein  Kindlein  uns  gebom 316, 

Es  ist  ein  Bos  entsprungen 316.  317. 

Es  kam  ein  Engel  schone '. .     [493.] 

Es  kommt  ein  Schiff  geladen 84.  36. 

Es  muss  erklingen  überall 196. 

Es  saO  ein  edle  Maget  schon 119. 

Es  steht  ein  Lind  im  Himmelreich 26. 

Es  sungen  drei  Engel  ein  süßen  Gesang 318.  [493.] 

Es  taget  minnigliche 230. 

\  Es  war  einmal  ein  reicher  Mann [493.] 

Es  wohnt  ein  wilder  Drach  im  Land [493.] 

Es  wollt  ein  Jäger  jagen 234. 

F. 

Fern  von  der  Sonne  Aufegang 144. 

Frau,  von  Herzen  wir  dich  grüßen   197. 

Freu  dich  alle  Christenheit 72. 

Freu  dich,  du  Himmelkönigin 319.  [493.] 

Freu  dich,  Tochter  von  Syon 23. 

Freuet  euch,  alle  Christenheit 73. 

Freut  euch,  ihr  lieben  Seelen 320. 

Fried  gieb  mir,  Herr,  auf  Erden ' 300. 

G. 

Geboren  ist  uns  ein  König  der  Ehren [344.] 

Gegrüßt  seist  du,  heiligs  Opfer  rein 152. 

Gegrüßt  seist,  Meeresstern 135. 

Gelobet  seist  du,  Jesu  Christ 87.  88. 

Gen  dieser  Fastnacht  wölln  wir  sein 47. 

Gott  der  Herr,  ein  ewiger  Gott 109. 

Gott  der  ist  so  wonniglich 25. 

Gott  der  Vater  wohn  uns  bei 95.  96. 

Gott  ewig  ist,  ohn  Endes  Frist 269. 

Gott  grüße  dich,  lichter  Meeresstera 147. 

Gott,  heiiger  Schöpfer  aller  Stem 158. 

Gott  loben  wir  in  aller  Würdigkeit 127. 

Gott  sei  gelobet  und  gebenedeiet 93.  [204.  206.] 

Gott  so  wollen  wir  loben  und  ehren 259. 

Gott  Vater  klar,  du  bist  fürwahr 270. 

Gott  ward  an  ein  Kreuz  geschlan 321. 

Gott  wollt,  dass  ich  daheime  w&r 55. 

Gotte  sagen  wir  Gnade  und  Ehren  Dank 166. 


683 

Gotte  zu  Lobe  so  wollen  wir  singen [494.] 

Gottes  Huld  ich  verloren  han 225.  B. 

Groß  Lieb  thut  mich  bezwingen 110. 

Grüßt  seist,  Catharina 142. 

H. 

Hätten  wir  so  wahr  Gotts  Hnlde 822. 

Heilger  Geist,  o  Herre  mein 216. 

Helf  nns  das  Gottes  Grab [43.J 

Herodes,  du  gottloser  Feind 166. 

Heute  ist,  Herre,  dein  Tag [43.J 

Herr  Jesus  geht  in  Paradies 17. 

Hilf  Frau  Yon  Ach  I  wie  schwach 279. 

Himmelreich,  ich  freue  mich  dein 219.  ' 

L 

Ich  alter  Mensch  bin  trilg  und  faul 226. 

Ich  fahr  zu  dir,  Maria  rein 33. 

Ich  grüß  dich  gerne,  Meeressteme 148. 

Ich  grüß  dich,  lebntigs  Hostia 151. 

Ich  grüß  gern,  Meeresstem 128. 

Ich  hab  mir  auserwShlet 241. 

Ich  habe  vemommen,  dass  Jesus  sei 69. 

Ich  han  die  Seele  mein  versetzt 231. 

Ich  han  mir  auserkoren 32. 

Ich  muss  die  Creaturen  fliehen 37. 

Ich  sähe  mir  den  Maien  mit  rothen  Böslein 323. 

Ich  sancta  Maria  und  sanct  Brigitta 299. 

Ich  sing  euch  hie  aus  freiem  Muth 280. 

Ich  sollt  mich  lehren  lassen 42. 

Ich  stund  an  einem  Morgen 224. 

Ich  Wächter  sollt  erwecken 223. 

Ich  weiß   ein  lieblich  Engelspiel 40. 

Ich  weiß  ein  stolze  Maget  fein 121. 

Ich  weiß  mir  ein  Blümlein  hübsch  und  fein 242. 

Ich  weiß  mir  ein  Blümlein  ist  hübsch 243. 

Ich  weiß  mir  einen  Garten 52. 

Ich  weiß  mir  einen  Maien 61« 

loh  will  jahrlang  nicht  mehr  sünden 24. 

Ich  wöUt,  dass  ich  daheime  war 54. 

Ihr  lieben  Christen,  singet  her f494.J 

Ihr  sollt  loben  die  reine  Maid 273. 

In  einem  Kripplein  liegt  ein  Kind 120. 

In  Gottes  Namen  fahren  wir 12.  97—99.  [70.  71.  72.  186.  191.  192.| 

In  Gottes  Namen  heben  wir  an 325.  [494.J 


534 

In  Mitten  in  des  Lebens  Zeit 177. 

In  Mittel  unsers  Lebens  Zeit 178. 

J. 

Jesu,  du  bist  mild  und  gut 324. 

Jesu  Mutter  des  Meer  ein  fcJteni *. 277. 

Jesu,  wann  ich  gedenke  an  dich 168. 

Jesus  der  gieng  ein  harten  Qang [^9^-] 

Jesus,  du  süi^er  Name 27. 

Jesus  ist  ein  BÜQer  Nam   102. 

Joseph,  lieber  Joseph  mein 260.  252.  256.  196. 

Joseph,  lieber  Neffe  mein 246.  247. 

K. 

Kiader,  lernet  sterben 43. 

König  Christo,  Macher  aller  Ding 196. 

Königin  der  Himmel 194. 

Komm  der  Heiden  treuer  Heiland [361  .J 

Komm,  du  Tröster,  heiiger  Geist 213. 

Komm,  Erlöser  aller  Leute 211. 

Komm,  heiiger  Geist,  erfüll  mein  Herz 41. 

Komm,  heiliger  Geist,  Gott  Schöpfer [860.J 

Komm,  heiliger  Geist,  Herre  Gott 90.  91.  [202.] 

Komm,  heiliger  Geist,  Schöpfer  mein [361.] 

Komm,  heiliger  Geist,  wahrer  Trost 209. 

Komm  her,  Erlöser  Volkes  Schaar 210. 

Komm,  o  heiliger  Geist,  herein 212. 

Komm,  Schöpfer  Gott,  heiliger  Geist 133 

Komm,  Schöpfer,  heiliger  Geist 208. 

Komm,  Schöpfer,  o  heiliger  Geist 139. 

Kommt  her,  ihr  Kinder,  singet  fein 251 .  B. 

Kum,  du  Tröster,  hillige  Geist 214. 

L. 

Lasst  uns  das  Kindlein  wiegen 264. 

Lob  du  Mutter  der  Christenheit 174. 

Lob  sollen  wir  singen 176. 

Lob  und  Ehre  sei  dir  gesaget 175. 

Lobe,  Zunge,  Christi  Leichnam 184. 

Lobet  und  danket!  dem  Kindelein 252. 

Lobt  all  Zungen  des  ehrenreichen 183. 

M. 

Marei  mein  Hort,  vernimm  mein  Wort 282. 

Maria,  Gottes  Mutter [494.] 


536 

Maria  gat,  wohn  bei  mir  heut 288. 

Maria,  höchste  Creator .' tll* 

Maria,  Mutter  auserkom [339.] 

Maria  schon,  du  himmlisch  Krön 276. 

Maria  stund  in  .großen  Nöthen '. 58.  [147.] 

Maria  stund  in  schwindem  Schmerzen 198. 

Maria,  verleih  mir  Sinn  und  Kraft 272. 

Maria  aart  geheiligt  ward 266. 

Maria  zart  von  edler  Art 264.  265. 

Mariam  die  Jungfrau  wertfae [494.] 

Marien  ward  ein  Bot  gesandt 14. 

Mein  Zung  erkling  und  fröhlich  sing 185.  186. 

Mit  Qott  so  wöUn  wir  heben  an 288. 

Mit  Lust  so  will  ich  singen 284. 

Mitten  wir  im  Leben  sind 179. 

N. 

Nachdem  den  Menschen  Cherubin  mit  Schaden 301. 

Nie  ward  gesungen  süßer  Gesang 167. 

Nun  bitten  wir  den  heiligen  Geist 10.  94.  [76.  202.  205.] 

Nun  bitten  wir  Gott  den  Vater [495.] 

Nun  freu  dich,  christenliche  Schaar 65.  247. 

Nun  ist  die  Betefahrt  so  hehr 56. 

Nun  ist  die  Welt  zu  Gott  viel  froh [76.J 

Nun  lasst  uns  all  Gott  rufen  au 291. 

Nun  merket  auf,  ihr  lieben  Kind [495.] 

Nun  merket  auf  vor  allen  Dingen 226. 

Nun  sei  uns  willekommen,  Herre  Christ 2. 

Nun  sing,  Zung,  des  hochwürdigen 132. 

Nun  singet  all  mit  reichem  Schall [495.] 

Nun  tretet  herzu  die  büßen  wollen 57. 

Nun  zu  dieser  Feier  klar 171. 

0. 

O  du  armer  Judas 112. 

O  du  göttliche  Liebe 294. 

O  ewiger  Vater,  bis  gnädig  uns 326. 

O  heiliger  Geist,  der  du  mit  großem  Gwalt 327. 

O   heiliger  Schöpfer  aller  Sterne • 157. 

O  Herr  Vater,  Jesu  Christ 60. 

O  Herre  Gott,  erbarme  dich [495.] 

O  Jesu  Christ,  dein  Leiden  ist 287. 

O  Jesu  Christ,  dein  Nam  der  ist 286. 

O  Jesu,  liebes  Herrlein  mein 249. 

O  Jesu  zart,  göttlicher  Art 236.  267.  268. 


536 

O  Maria,  du  bist  von  eim  edlen  Stamme 104. 

O  starker  Gk>tt,  all  nnser  Noth 15. 

O  Sünder,  tracht  mit  FleUJ 302. 

O  süßer  Gott,  Herr  Jesu  Christ 298. 

O  süßer  Gott,  nach  dein  Gnaden 296. 

O  süßer  Vater,  Herre  Gott 108. 

O  virgo  vite  via 274. 

O  weh  ihr  armen  Wucherer 69. 

O  Weisheit,  Gottes  Vaters  zart 188. 

S. 

Sanct  Anna  Preis  merk  hie  mit  Fleiß 291. 

Sanct  Christoph,  du  viel  heiliger  Manu 293. 

Sanct  Marie,  Mutter  und  Maid [69.] 

Sanct  N.,  lieber  Herre  mein [496.] 

Schlaf,  mein  Kindlein  I  schlaf,  mein  Söhnlein 265. 

Sei  uns  gegprüßt,  du  heiliges  Land 86. 

Seid  fröhlich  und  jubilieret ' 181.  182. 

Sich  hat  gebildet  in  meim  Herz 123. 

Sich,  Mensch,  und  leid  Schmerzen 164. 

Singen  wir  mit  Fröhlichkeit 196. 

Singet  zu  Gott  nüt  Lobesschall [495.] 

Singt  und  klingt  Jesu  Gottes  Kind 251 .  A. 

So  fallen  wir  nieder  auf  unsere  Knie [495.] 

So  heben  wir  auch  zu  loben  an  (St.  Görgen) [496.] 

Stand  auf  und  sieh  Jesum  viel  rein 222. 

Summ  Gott  so  wollen  wir  loben  und  ehm 258. 

u. 

Und  Christ  der  ist  erstanden 307. 

Und  unser  lieben  Frauen [496.] 

Uns  kommt  ein  Schiff  gefahren 36. 

Uns  sagt  die  Geschriffc  gar  offenbar 285. 

Unser  Trochtin  (Herre)  hat  versallt 1 . 

V. 

Vater  unser  der  du  bist 328. 

Vom  Auf-  und  Niedergang  der  Sonn 140. 

Von  Anegeng  der  Sonne  klar 143. 

w. 

Wach  auf,  mein  Hort  so  schöne [«^83.] 

Was  die  Welt  je  versuchet [383.] 

Weine,  Herze,  weinet  Augen 22. 

Welcher  das  Elend  bauen  wöU 100. 


537 

Wer.  da  wöll  wahrlich  geisten 45, 

Wer  hilft  mir,  dass  ich  den  begreife 21. 

Wer  leiden  kann  und  dnldig  sein 44. 

Wer  nun  wolle  maien  gehn 60. 

Wer  seiner  Seele  wolle  pflegen 62. 

Wer  sich  des  Maien  wolle 63. 

Wer  viel  Wunder  will  schauen 297. 

Wir  danken  dir,  lieber  Herre 113. 

Wir  fallen  nieder  auf  unsere  Knie [496.] 

Wir  glauben  in  einen  Gott 126. 

Wir  kommen  daher  aus  fremdem  Land 267. 

Wir  kommen  hieher,  von  Gott  gesandt 262. 

Wir  loben  die  heilig  und  die  rein 329.  [496.J 

Wir  sagen  Gott  viel  Lob  und  Ehr - [227.  496.] 

Wir  treten  daher  ohn  allen  Spott 261. 

Wir  wollen  gegen  dieser  Fasenacht 48. 

Wo  soll  ich  mich  hinkehren 289. 

Wollt  ihr  mich  merken  eben 106. 

Wol  auf,  gen  Bethlehem  behend 28. 

Wol  auf,  ihr  Todten  alle [71. J 

Wol  auf  im  Geist  gen  Baden 38.  39. 

Würze  des  Waldes 6. 

z. 

Zu  diesem  neuen  Jahre  zart 170. 

Zu  Ehren  unser  Frauen 880.  [496.] 

Zu  essen  das  Osteriftmmelein 146. 

Zu  Maria  der  Jungfrau  zart [^^7.] 

Zur  Mettenzeit  gefangen  ward 189. 


Mittelhochdeutsche  Lieder. 

Aaron  inin  erde 3. 

An  dem  oesterlichen  tage 7. 

An  Jesum  gedenken  ist  süei^ekeit 20. 

Ave  Maria,  ein  rdse  ftne  dorn 8. 

Crist,  dines  geiste»  süei^ekeit 18.  19. 

Crist,  dö  bist  milde  unde  gfit [77.] 

Crist  ist  entstanden [77.] 

Crist  ist  erstanden 9. 

Crist  sich  ze  marterenne  gap 6. 

Des  helf  uns  da;^  heilige  grap |42.J 

Du  lenze  gfit,  des  jftres  tinrste  quarte 13. 


588 

Er  ist  gewaltic  nnde  starc 4. 

E;;  gienc  »ich  unser  frowe 61 . 

E5  giengen  dri  fröulin  als6  fru 16. 

Freu  dich,  tochter  von  Syon 28. 

€k>t  der  ist  sd  wnnneclich 25. 

Oote  sage  wir  gnAde  nnde  dren  danc 166. 

Helf  nns  da;;  gotes  grap [43.] 

[Helfe  nns  sant  Pdter  heilige [29,] 

Her  Jesu  gAt  in  paradis 17. 

Himehriche,  ich  frönwe  mich  dm 219. 

Hiute  ist,  hdrre,  din  tac [43.J 

Ich  m&;  die  crdatüren  fliehen 87. 

Ich  wil  jArlanc  nimme  sunden 24. 

In  gotes  namen  vare  wir 12.  [70—72.] 

Knm,  schepfnr,  heiliger  geist  208. 

Maria  stänt  in  grfti^en  nceten 58.  [147.J 

Marien  wart  ein  bot  gesant 14. 

Nie  wart  gesungen  süe:^er  gesanc 167. 

Nu  biten  wir  den  heiligen  geist   10.  [76.J 

Nft  ist  die  betevart  sd  hfir 56. 

Nu  ist  diu  werlt  zft  gote  vil  vrö [76.] 

[Nu  sts  uns  willekomen  hdrro  Crist 2. 

Nu  tretent  her  z&  die  büe;en  wellen 57. 

O  hdnr  vater  Jesu  Crist 60. 

O  starker  got,  al  unser  ndt 15. 

O  wd  ir  armen  wftcheraere 59, 

Sant  Mari  m&ter  unde  meit [69.  70.1 

8wer  siner  sdle  welle  pflegen 62. 

[Unsar  trohtin  hftt  farsalt 1. 

Weine  herze,  weinent  ougen 22. 

Wer  hilft  mir,  da:;  ich  den  begrife 21. 

Wol  dan  helde  über  mer [68.] 

Wol  üf  ir  töten  alle [71.] 

Würze  des  waldes 6. 


Lateinische  Hjrmnen. 

A  solis  ortus  cardine 140.  143.  144. 

Ad  cenam  agni  proyidi 145. 

Agnoscat  omne  seculum 146, 

Ave  Catharina 142. 

Are  maris  Stella I35.  147. 

Ave  praeclara  maris  Stella 128.  148.  149. 

Ave  vivens  hostia 131.  160—152.  [266.] 


639 

Cbriste  qui  lux  os  et  dies 1H7.  141.  153—166. 

Conditor  alme  sideram 157.  158. 

Corde  natos  ex  parentis 159, 

Dies  adest  celebris 162. 

Dies  eet  laetitiae 160.  161. 

So  trinitatis  specolmn 163. 

Homo  tristis  esto 164. 

Hostis  Herodes  impie 166. 

Hyrnnum  dicamns  domino 166. 

Jesa  dnlcis  memoria 167.  168. 

In  hoc  anni  circnlo 169.  170. 

In  natali  domini 171^ 

Landa  mater  ecclesia 174. 

Laus  tibi  Cbriste  qui  pateris 175.  176. 

Magnum  nomen  domini 248. 

Media  vita  in  morte  sumus 177—179. 

Natns  est  nobis  hodie 315. 

Nil  canitur  suavius 167. 

Omnis  mnndus  iucundettir 180 — 182. 

Fange  lingna  gloriosi 132.  183—186. 

Patris  sapientia,  veritas  divina 187 — 189. 

Psallite  unigenito 251.  A. 

Puer  natns  in  Bethlehem 190—192. 

Quem  pastores  laudavere 193. 

Quem  terra,  pontus,  aethera 134. 

Regina  coeli  laetare 194. 

Resonet  in  landibus 195. 

Rex  Christo  factor  omnium 196. 

Salve  regina,  mater  miseric 197. 

Btabat  mater  dolorosa 136.  198—200. 

Snrrexit  Christus  hodie 201—204. 

Te  deum  laudamus 206. 

Terit  mola  farinola 206. 

Ut  queant  laxis  resonare  fibris 207. 

Veni  Creator  Spiritus 129.  133.  139.  208.  209. 

Yeni  redemptor  gentium 210.  211. 

Veni  sancte  spiritus 212 — 216. 

Verbum  bonum  et  suave 216. 

Vexilla  regis  prodeunt 217.  218. 


WeltKche  Lieder. 

Aus  hartem  Weh  klagt  sich  ein  Held  .  .^ 221. 

De  Kuckuck  heft  sik  ddt  gefallen 235. 


540 

lYen  liebsten  Bohlen  den  ich  han 227.  228. 

Der  Maie,  der  Maie  bringt  nn« 240. 

Es  üog  ein  kleins  Waldvögelein 233. 

Es  hat  ein  Biedermann  ein  Weib   [385.] 

Es  hat  ein  Mädlein  sein  Schach  verlorn 225.  B. 

Es  hat  ein  Mann  sein  Weib  verlorn 225.  A. 

Es  taget  in  dem  Osten 230. 

Es  wollt  ein  Jäger  jagen 234. 

Oramann,  dn  viel  dürrer  Gaul 226. 

Ich  han  den  Mantel  mein  versetzt 231. 

Ich  stund  an  einem  Morgen 224. 

Ich  weiB  ein  feines  Baurenmägetlein 232. 

Sommerzeit,  ich  freue  mich  dein [372.  | 

Wie  laut  so  sang  der  Wächter  auf  der  Zinne 220. 


HOFIMANN  VON  FALUBRSLEBBN. 
Geschichte  des  deutschen 
kirchenliedes. 


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