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IN rOMMEMOK-VTIGC« OT THK VISIT OF
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ON BEUALf OF BIS M^ESTTi'
THE GEBMAN EMPEROR
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EDUARD ROSENTHAL,
m n TERWÄLTlSMiiniiÄTIOH BÄIM!!.
I. BAND.
^ GESCHICHTE
DES
GERICHTSWESENS
UND DER
VERWALTUNGSORGANISATION
BAIERNS.
VON
EDUARD ROSENTHAL
A. O. PB0FE8B0B DER RECH^ AF DER ÜITIVERSITIt JENA.
BAND I
YOM ENDE DES 12. BIS ZUM ENDE DES 16. JAHRHUNDERTS.
(1180—1598.)
MIT UNTERSTÜTZUNG DER HISTORISCHEN KOMMISSION BEI
DER KÖNIGLICH BAIRISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
HERAUSGEGEBEN.
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WÜBZBURG
A. STÜBEB'S VEBLAOSBÜCHHANDLUNO
1889.
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VORWORT.
Sochon vor Jahren hat L. v. Ranke den Mangel einer
ausreichenden Darstellung der Geschichte der inneren Institu-
tionen beklagt. Mit Recht erklärt er es für sonderbar, daß,
während sich in unserm Vaterlande die ausgezeichnetsten Ge-
lehrten bemühen, das Innere der ältesten römischen Republik
aufzuschließen, die Staatshaushaltung der Athener bis in das
Kleinste zu erörtern wir über den Fortschritt der eigenen
inneren Gesetzgebung, über die Geschichte der Staatsverwal-
tung noch nicht genügend unterrichtet wären.
Wenn auch seitdem manche rechtshistorische Arbeiten diesen
Mangel zu heben suchten, die fränkische Periode und die des
Sachsenspiegels erfreuen sich doch auch heute noch unbedingter
Bevorzugung seitens der Forscher, und die neuere Rechtsgeschichte
ist noch immer ein relativ wenig bebautes Feld, obwohl doch
gerade diese vorzugsweise die Aufgabe hat, das Seiende als ein
Gewordenes verstehen zu lernen.
Wiederholt ist von hervorragenden Publizisten der Wunsch
nach einer Darstellung der Geschichte der deutschen Behörden-
verfassung geäußert worden. Ich glaube aber, daß es auch hier
noch der Spezialforschung bedarf, bevor eine befriedigende Dar-
stellung der deutschen Entwicklung gegeben werden kann. Da
der deutsche Staat der Gegenwart nicht im Reiche, sondern in
den Territorien zur Ausbildung gelangte, so muß die Forschung
auch hier einsetzen, um zu festen Ergebnissen zu kommen.
Eine Erforschung der inneren Institutionen Baiems dürfte
besonderes Interesse in mehrfacher Hinsicht beanspruchen können.
Nachdem die Geschichte der Gerichtsverfassung des Sachsen-
— VI —
spiegeis und die Preußens, sowie die der Verwaltungsorganisa-
tion dieses Landes mehrfache und zum Teil wertvolle mono-
graphische Bearbeitung gefunden hat, kann durch Erforschung
des Entwicklungsganges dieser Institutionen in .einem süd-
deutschen Territorium die Mannigfaltigkeit der Einzelerschei-
nungen neben den Hauptgrundlinien des Werdegangs erst zur
vollen Klarheit gebracht werden.
Daneben wird dann ein vergleichender Blick auf die Er-
gebnisse der verdienstvollen Arbeit Luschins von Eben-
greuth über das ältere Grerichtswesen in Österreich zeigen,
wie verschieden die gerichtlichen Einrichtungen sich selbst in
den stammverwandten österreichischen und bairischen Territorien
im einzelnen gestalteten, ungeachtet der Gleichheit in den Haupt-
grundzügen der Entwicklung.
Was die Entwicklung in Baiem namentUch zur Darstellung
eignet, ist, abgesehen davon, daß wir hier ein Land vor uns
haben, das mehr denn 7 Jahrhunderte hindurch unter der Herr-
schaft derselben Dynastie stand, der Umstand, daß in keinem
andern deutschen Territorium der Strom der Gesetzgebung so un-
unterbrochen dahinflutet — sehen wir vom alten Volksrechte ab, so
begegnen uns hier im 13. Jahrhundert die Landfrieden, im 14.
die Gesetzgebung K. Ludwigs, im 15. die niederbairische L.0. 1474
neben den zahlreichen ständischen Freibriefen und endlich im
16. Jahrhundert die L.O. 1501 und L. Fr. und die reich aus-
gebildete Wilhelminische Gesetzgebung (L.O. 1516, Ref. Ldr. 1518,
Ger.O. 1520) und endlich die L.O. 1553, der Fülle der einzelnen
Ordnungen und Mandate zu geschweigen. Endlich darf noch
betont werden, daß infolge der Teilungen Baiern zugleich Landes-
teile mit und solche ohne eine Kodifikation aufweist.
Vom Standpunkte der bairischen Staatsrechtsgeschichte aus
braucht wohl vorliegende Arbeit nicht erst ihre Existenzberech-
tigung nachzuweisen. Hat doch schon weiland König Maximilian H.
von Baiem auch zur Bearbeitung dieses Themas den Anstoß ge-
geben, indem er Pözl beauftragte, eine Geschichte der bairischen
Staats venN'altung zu schreiben. Leider starb dieser verdienstvolle
Gelehrte, nachdem er nur die einleitenden Paragraphen fertig
gestellt hatte. Ein Blick, den icfi in diese werfen durfte, zeigte,
daß er die Geschichte des Ämterwesens als einen wesentlichen
Teil seiner Aufgabe auffaßte. Die Geschichte der bairischen
— vn —
Verwaltung, für welche ich natürlich jetzt schon manche Vor-
arbeit machen mußte, hoflfe ich nach Beendigung dieses Werks
in Angriff nehmen und bei dieser die politischen und volks-
wirtschaftlichen Verhältnisse eingehend berücksichtigen zu können.
Daß ich auch die Geschichte des Gerichtswesens in den Kreis
meiner Darstellung zog, wird wohl keinem Widerspruch begegnen.
Während für diese manch tüchtige Vorarbeit vorlag, mußte
für die Geschichte der Verwaltungsorganisation der Rohstoff zu-
meist aus den Archiven erst zu Tage gefördert werden. Es bedurfte
dazu der hingebenden Mitwirkung der Herren Archivbeamten,
die mir in reichstem Maße geworden ist. Eine Arbeit wie die
vorliegende, welche ihr Material erst aus der Durchsicht von
mehreren hundert den verschiedensten Sparten angehörigen
Aktenfaszikeln und Kopialbüchem gewinnen kann, deren
Existenz dem Archivbenutzer nicht einmal bekannt sein kann,
hat eine solche rastlose Mitwirkung zur notwendigen Voraus-
setzung. Daß von der Masse der durchgesehenen Archivalien
viele kein Ergebnis lieferten, viele mehr für die Geschichte der
materiellen Verwaltung und manche erst im 2. Bande verwertet
werden können, will ich nur nebenbei erwähnen. Die Benutzung
des Reichsarchivs und der Kreisarchive wurde mir s. Z. seitens
des Herrn Direktors v. Loh er mit dankenswerter Liberalität
gestattet. Weitaus das meiste Material für diese Arbeit fand
sich im Reichsarchive und Kreisarchive zu München. Nicht
genug rühmen kann ich die Liebenswürdigkeit der Herren Re-
ferenten, der Herren Professor Dr. H e i g e 1 (s. Z. Reichsarchiv-
assessor) und Kreisarchivar Emil Roth zu Amberg (s. Z. Kreis-
archivsekretär), die mich während eines durch 7 Monate fort-
gesetzten fast täglichen Archivbesuches mit unermüdlicher
Bereitwilligkeit und großer Sachkenntnis unterstützten. Auch
Herr R.Archiv- Assessor Neudegger und Kreisarchivar Jung
haben meine letzten Nachforschungen vor der Drucklegung mit
dankenswertem Eifer gefördert.
Herr Geh. Haus- u. Staatsarchivar, Geh. Hofrat Dr. v o n Ro ck-
inger (nun Direktor des Reichsarchivs) — dessen Jugendarbeit
(Einleitung zu v. Lerchenfeld's Ausgabe der ständischen
Freibriefe), noch heute die beste zusammenfassende Darstellung
der bairischen Rechtsgeschichte, mir auch bei dieser Arbeit ein
wertvoller, stets zuverlässiger Führer war — hatte die große
LieWnswflnUgkeit, aus den Akten des Kgl. geh. Hausarcbiva zu
MSucben dus für meine Zwecke clienlicli« Material auszusuchen.
Während meiner Anwesenheit im Kreiaarcliivc zu Luudshut,
wo auch manches mich inleressiereudu Materi&l vorhanden, wurde
ich durch die Freundlichkeit der Herren Kreisarcbivar Dr. JArg
und ReichsarchivasseBSor Kai eher gefordert. Üeu genannten
Herren, sowie Alten, welche mich imtcrslUtzten, mAchle ich
auch an dieser Stolle meinen wärmsten Dank aussprechen.
Die kgl. Hof- und ätaatsbibUutliek ermöglichte mir Dank
der grollen Liberalitat des Herni Direktors Dr. Laubmanu
die Benutzung mancher unentbehrlicher Werke in der Feme.
Der Gute des Herrn Uberbibliothekars Dr, Riezler, welchem
ich die Aushängebogen zur Verfügung stellte, danke ich einig«
Bemerkungen, die ich leider erst als „ßeriditigungen und Er-
gflnzungen" berQckäichligeu konnte.
Schließlich sage ich der hoch verehrlichen Histnrisohen
Kommission bei der Kgl. bayerischen Akademie der Wissen-
schaften zu München zugleich im Namen meines Herrn Ver-
legers tiefgefühlten Dank für die Gcwlihrung eines Druck-
zuschusses, welche diesem die Veröffentlichung dos Ituchs in
ft&Ständigem Gewände ermöglichte.
Der '2. Iland soll in 'A .\bteilungen die Periode des Kur-
fürsten Maximilians I., die Reformen in der 2. Hälfte des I8.
Jahrhunderts und diu am jVufange des 19. Jahrhunderts (unter
Moutgelas) bis /.um Erlasse der Verfassung (1818) zur Dar-
stellung bringen. Den Termin für das ICrscbctnen desselben
vermag ich aus verschiedenen tiründen zur Zeit noch nicht zu
bestimmen.
Jena, Mirz 1889.
INHALT.
Vorwort
AbkflrznngeiL
Einleitung.
^ Erstes Bach.
Gesehiehte des C^riehtswesens.
Erstes Capitel.
Die Oerichtfgewalt des Henogs.
§ 1. Die Entwicklung der herzoglichen Gerichtsherrlich-
keit S. 5.
Das bairische Stammesherzogtum 6, Gerichtsgewalt des EOnigs 7, priv. de
non evocando 9, priv. de non appellando 12.
Exkurs: Die Gerichtsbarkeit über den Herzog. S. 15.
Fürstengericht 16, Gericht des Pfalzgrafen 20, Austräge 21, Zuständigkeit
der Räte 22.
§2. Die Bedeutung der Vemgerichto für Baiern. & 24.
Zuständigkeit über die Herzoge 25, über bairische Unterthanen 28, Ein-
schreiten der Gesetzgebung gegen die Vemgerichte 31.
§3. Die kirchliche Gerichtsbarkeit S. 33.
Privilegium fori des Klerus 35, ausschließliche Anerkennung des forum rei
sitae 36, Nichtachtung der Gerichtsstandsprivilegien des Klerus 37, sach-
liche Zuständigkeit der kirchlichen Gerichte 38.
Die kirchliche Gerichtsbarkelt seit der Reformation 41.
Ausnahmsgerichte im Anfange der Eeformationsbewegung 41, staatliche
Strafgewalt über den Klerus 43, Übergriffe der geistlichen Gerichte 44.
Das Konkordat von 1583 47.
Zweites CapiteL
Die Oeriohtsverfafsong.
§4. Die Landgerichte. S.49.
Auflösung der Gauverfassung 50, Verwandlung der Gerichtslehen in Ämter 51,
Einteilung des Herzogtums 52, die Landgerichte Nachkommen der Graf-
schaftsgerichte, Kompetenz 53, der Landrichter (Pfleger) 54, Qualifika-
tion 55, Unterrichter 56, Opposition des Adels gegen die persönliche
Handhabung der Blutgerichtsbarkeit 56, Ernennung des Landrichters 57,
Erhöhung der Anforderungen fOr das Richteramt 58, Indigenat 60, Richter
soll Gesetzbuch bei sich haben 61, ideale Auffassung des Richterberufs 61,
Gerichtsschreiber, Pflichten desselben 63, fränkische SchOffenverfassung
66, bairische Schöffen 67, Verschwinden des SchOffenstandes 68, Urteils-
— X —
finder in Niederbaieni 69, Vorsprecher des Rechtens 70, Zahl der Ur-
teilsfinder 71, L.O. 1474 72, Urteilsfindung 73, Qutachten von Bechts-
verst&ndigen 74, Entwicklung im Gebiet des oberbair. Ldr. 74, Beisitzer
fanden nor Urteil, wenn dasselbe keine Bestimmung hatte 75, Urteils-
sprecher im 16. Jahrhundert 77, Klagen über deren und der Richter Un-
wissenheit 78. Fr6nbote 79, Wirkungskreis 81, Fronbote als Ankl&ger 82,
Einkünfte 83. Scharfrichter 84. Vorsprecher 85, Pflichten 86, Anstel-
lung — Berufsstand 87, Verbot der Verwendung derselben als Urteils-
finder 89, Klagen Aber die Vorsprecher im 16. Jahrhundert 91. An-
weiser 92. Zeit 92, Ort der Gerichtsverhandlung 93, Einkünfte des
Richterpersonals 94, Beschwerden über mifibräuchliche Forderungen des-
selben 96, Futtersammlung 97, Forderwein, Siegelgeld 98.
§5. Das kaiserliche Landgericht Hirschberg. S. 100.
* Erwerbung durch Baiem 100, Landrichter, Beisitzer 101, Schreiber, Exe-
kutionspersonal 102, Kompetenz 104. Instanzenzug 107. Entwicklung
zum ausschließlichen Territorialgericht 108.
§6. Das Hofgericht S. 108.
Richterliche Th&tigkeit der Herzoge 109, Heinrichs d. Löwen 110, Ottos L 111,
Ausübung derselben auf den Landtagen 113. Aus diesen, nicht aus
Lehensgerichten entwickelt sich das Ho%ericht in Baiem 114, zumeist
auch in andern deutschen Territorien 115. Untergang der alten Land-
tage, persönliche Jurisdiktion der Herzoge, Stellvertreter derselben 118.
Beispiele aus dem 13. Jahrhundert 119. Das Hofgericht forum der
höheren Stände, des Adels 121, der Klöster 122. Entwicklung im 14.
Jahrhundert 123, Dingen gen Hof 124, Schieben des Urteils 125, Hof-
geding, Urteilsschelte, Appellation 127. Vorkommen der Berufung
vor Untergrabung der volkstümlichen Justiz 128. Formalien der
Appellation 128, weitere Romanisierung 129, Calumnieneid 129. Das
Hofgeding im 15. Jahrhundert 130. Stadt- und Marktger.O. Heinrich
d. R 131. Verbot der Umgehung der ersten Instanz 132. L.O. 1474
133, Hofmeister (Marschall) Vorsitzender 134, Beisitzer — R&te 135,
Zeugnisse ftlr die Besetzung des Hofgerichts 136. Verdrängung der Laien
durch Räte 138, Bekämpfung der Ansicht Stölzel's über Volks- und
Beamtengericht und der Verlegung der Rechtsprechung außerhalb der
Gerichte 139, Bildung mehrerer Behörden aus demselben Personal 140.
Der erste juristische Beisitzer (1442) 142. Beschwerden der Landstände
über Besetzung der Hofgerichte (Ausländer, Doctoros) 143, Baiem auf
italienischen Universitäten 146, RKammergericht als Vorbild 148. Anweiser,
Wamer, Redner 148, ständische Beschwerden über diese 149. Quatember-
sessionen des Hofgerichts 150, Geordnete Räte (1489) 151, Hofrichter 152.
§7. Das Stadtgericht S. 153.
Herzoglicher Richter 155, Übertragung der Oivil- und niederen Kriminal-
gerichtsbarkeit auf die Städte 157, Doppelstellung dos Stadtrichters 158,
Ausdehnung der Stadtgerichtsgewalt (Bürger 159, Juden 160, Fremde 161),
Befreiung vom Stadtgerichte (Hofgesinde, Geistliche) 162, Unterrichter 162,
Gorichtsschreiber, Beisitzer 163, Änderang durch K. Ludwigs Stadtrecht
104, Exekutionspersonal 165, Vorsprecher 166.
— XI —
Der Stadtrat 167, der äußere Hat 168, Stadtrichter, BOrgermeister 170,
Wahl des Stadtrats 171, Wirkungskreis desselhen 173, Jorisdiktions- und
Aatonomiegewalt 175, Polizeistrafgewalt, Eriminalgerichtsharkeit 176,
ausschließliche Jurisdiktion des Stadtrats 178, Baustroitigkeiten 180,
Freiwillige Gerichtsharkeit 181.
Zünfte 182, Zonftgericht 183, Jurisdiktionelle Sonderstellung der Müller,
Bierbrauer und Ealtschmiede 184.
Regensburg 185. Burggraf 186, Herzogliches Gericht 187.
§ 8. Die Patrimonialgerichtsbarkeit S. 188.
Immunitätsprivilegien Ausgangspunkt 189, Ottonische Handfeste 189, Zu-
ständigkeit 193, nicht für todeswürdige Verbrechen 194, nicht für Im-
mobiliarstreitigkeiten 195, Hofinarksrichter 197, Schöfifen 198, Bechtszug
199, Streitigkeiten, Eompetenzabgrenzung 201.
Dorfgericht 20^ Entstehung, Zuständigkeit 205.
Ehehafttaiding 206, ungeboten 208, Verbindung mit der Grundherr-
Uchkeit 209, Rügung 210.
§ 9. Lehengerichte. S. 211.
Zuständigkeit 212, Vorsitzender, ürteilsfinder 214, annähernde Verschmel-
zung des Lehen- und Hofgerichts, Verwaltung der herzoglichen Lehen 215.
§10. Die Bergwerksgerichtsbarkeit S. 216.
Schlädminger Bergbrief Vorbild der Privilegien 217, Bergrichter, Zuständig-
keit 220, Einrichtung des • Berggerichts 221, monatliche Sitzungen 222.
§ 11. Die akademische Gerichtsbarkeit S. 224.
Kanzler 225, Gerichtsbarkeit des Herzogs 226, Appellation 228.
§12. Die Gerichtsbarkeit des Hofmarschalls. S. 229.
Albertinischer Rezeß 1561 231, Disziplinargewalt der Hofstabchefs 232, Juris-
diktion des Hofmarschalls 232, Hofoberrichter 235.
Zweites Buch.
Geschichte der Yerwaltungsorganisatiou.
Erstes Capitel.
Die Centralregiernng.
§13. Die Hofbeamten und der Rat S. 236.
Lihaber der Hofämter, zugleich Räte 237. Erzämter 238, Hofmeister 239,
Vorstand der Hofhaushaltung 240, Generalstellvertreter des Herzogs 241,
Landhofmeister 242, Eabinetschef und Minister 243, Disziplinarstrafgewalt
und Jurisdiktion über Hofgesinde 245, Marschall 246, Funktionen 247,
Kanunermeister, Kanzler, andre Hofbeamte 249, andre Räte 250, Organi-
sation des Rats 252, Geschäftskreis 254, Verpflichtung der Ratsbeiziehung
256, geschwomer Rat 257, Heimliche 258, Formation des Rats in B.-
München (1466) 259, Geo]:dncte Räte in B.-Landshut (1489) 261, Orga-
nisation der L.O. 1501 262, Hofräte, Kompetenz 264.
§14. Der Kanzler und die Kanzlei. S. 265.
Schreiber 266, Kanzlei, Protonotar 267, Geschäftskreis 268, Aufgaben des
Protonotars 269, Kanzler, Bestimmungen über Kanzlei 270, Kontrolle der
Kanzleigeschäfte 272.
ZwBitM CkpiteL
Dia MltUlbcliftnlMi.
§ 15. Dip Vitttuinr. S. 276.
EiDtellung in VititQmKmter 27S, Vitituin ReprUaeotuit dH H«nogt T18,
Wirkaopkrou 279, B«cIiU[>licge SW, HuähtboDf; <1m Ltndfrledsai S8S.
FinsnirerwaltuDg 264, Hftaptlente 26T. ,
§ 16, Die Rontmeitter. B. 288.
LandwIiTeibFr 288, lii-otmeirter FinaDxorgkn S8B, Eontrolleatgu d*r Reebto-
pSege nnd Tcrwftltung 291, ICecbniiDgiptOfaiifc 29S, ReatmeMer, li0clMt«r
kaMMibMiiit«r dei Pronni 39fi, VintaÜon aller Amter (rentneUtarlkhet
Umritt) 397. der FiDsiubeunt«D 300, BofroadiKnnK. Vitttamhiodel 808,
Fiiktü, PoliieiTerwaltimg 814. KcIigioDfpulitik . HüiUnrewa 316, Tee-
fahren b«i Cm ritten 81fl.
Dritt« Cftpilfl.
Di« 0nUTb«hirdas.
§17. Die Pfleger (and Kitbter^. ä. 332.
Anbicht über Burir 324, PfleKor Vertreter de» Ludetherm In (einem Bo-
lirke 387. freiwillige Ocrichtabukeit 328. Poliiej 329, SJcherhmtipoUiel
831, WirtKban«i>ol>>'^ 333. KircbeobobeiUrecbte 837. Kiiuuu- 840,
HüitiiTerwtltuDg 341. Pfleger und Gr«f 343, VerpOndnng der Ptlefc«n 344,
TerleibiiQK derselben kiu UoDvt 846, Aafricbt Ober Ocmeindeorguie 847.
i lä Der Kaetner. K 34&
Enutehnng 849. Aoblcbt Ober DomIu«D 3£i<, Crbut|llC«T 361. Kuteft-
gefrenMhreiber 3S.1.
Viertn« CapitttL
Die B«call*BTenraltBag.
g 19. Die Font- und Jagdbeamten. S. 356.
Urganieation, Jlgemteuter SG7, Forfbneiitar 368, Fanktlonen 869, Aofliobt
Aber Korporation! fönten 861, >'{>r*t>tnfgericbt«barkeit 86^ JlgeraNJatar
364. Jagdperaona] 86G.
g 80. Die HanibeanteD. & 36C
l«nd*tAndg^ MOunieittcr StH, itlndiifhei Mfluaintebiii Sä&, Fonnon dot
IbUumeiiterbeflalltuig S»9. Weebietrecbt 370. AntaTerbrechcH 37t Juie-
diktlougowalt de« UOMmnufr« 373, Kontroll ebeainta (TtonelMt; Anf-
ddier) 374. Piftger. Uanikanunerer 87f>, Wardoin 87S, Pnhnm TU,
Rdchikreiae 880. VerwalUnK d« heno^UcbeD llaiiir«KaI*, Haai^
tio«Mii 881.
1». Die Bargbeanteo. 8.384.
AvUcfat Ober Grabenbetrieb 384. Bergriebter, BergKhreiber 386, Bers-
iMlataT 887, Qo^^wortM 8S8.
|2t Dia Zollbeaintati. a 888.
Zöllner 389, ZoU 890, Oegeuehrnber 801, Verpaehtsnc, 8dbitn«le 891
ZongeOlle, Kostnile 893. Z«llordnaa(ni 398. 0«Mt 394.
— XIII —
§23. Die Ungelter. S. 395.
ÜDgeld in den St&dten 395, aUgemeine Einführung des Ungelds, Ungeld-
verwaltong in den Städten 396.
Fünftes Capitel
Die Stenerferwaltang.
§ 24. Die Organe der ständischen Steuerverwaltang. S.398.
Bedeutung des Privilegs von 1356 399, Erhebung, Verwaltung, Verwen-
dung der Steuer durch Ständeausschuß 400, Steurer 401, LOwlerbund 402,
landschaftlicher Vorrat 403, Opposition der Herzoge gegen das ständische
Becht 404, Einrichtung der Steuerverwaltung, Funktionen der ünter-
steurer 405, der Obersteurer 406, Steuerjurisdiktion, Verwaltung des
Aa£Bchlags 407.
Drittes Buch.
Bie Organisation der Central- und MittelbehlJrdeu im 16. Jahrhundert.
Erstes Capitel
Die Kollegialbehörden.
§25. Der Hofrat und die Begierungen. S. 409.
Verwaltungsorganisation, Mittel der Verschmelzung neuerworbener Ge-
biete 410, ständische Mitwirkung bei Anstellung von Bäten unter Wil-
helm IV. 411, Neuorganisation der MittelbchOrden 412, Begierungen
413, Hofrat Centralstelle und MittelbehOrde 414, Beiziehung von Urteils-
findem bei Bechtsstreitigkeiten 417, Unterscheidung der (hof)gericht-
lichen und verwaltenden Thätigkeit 417, Hofgericht 419, gütliches Ver-
fahren und ordentlicher Prozeß 420, Vorteile des Güteverfahrens 421,
das Güteverfahren hat nicht die ihm von Stolzel für die Bezeption
beigelegte Bedeutung 422, Gütevorsuch und Entscheidung vor derselben
Stelle 423, aufierprozessuale Erledigung gewisser gerichtlicher Geschäfte
424, Ziehen der Prozesse an den Hof (auch 416), Verweisung derselben
dahin 425, Kompetenz des Hofgerichts als erste Instanz (bei Klagen
gegen Prälaten, Adlige, Beamte, Lehensprozesse 426, Kriminalgerichts-
barkeit 427, Vitztumwändel, Kompetenzkonflikte 428), als Appellations-
instanz 429, Verbot der Umgehung des Untergerichts 430, Justizverwal-
tung 431, Geleite 432, nur begutachtende Behörde bezüglich einzelner
Geschäfte, Kompetenz auf dem Gebiet der Verwaltung allgemein, soweit
nicht die anderer Behörden gegeben ist, 433, Beispiele 434, Aufsichts-
befugnis 436. Zweite Periode seit 1550 437, Beorganisation Albrechts V.
bezweckt Hebung der Bechtspflege 438, Vorsitzender (Landhofmeister,
Präsident) 440, Kanzler 442, Inhaber der Hofchargon und andre Beamte
zugleich Hofiräte 443, Zahl der Bäte 444, Gelehrte Bank 445; Beferent
446, Teüung des Hofrats in Senate 449, Aufhebung dieser Teilung 450,
Verweisung der Bagatellsachen an einen Nebonrat 451, Vorsprecher 453,
Advokaten 454, HoQ)rokurateren, Supplikationsschreiber 456.
Anhang: Die Anfänge des diplomatischen Dienstes. S.457.
Sollidtator bei der Curie, Agent beim Kaiserhof 458, Aufgaben des diplo-
matischen Vertreters, Agent bei der Bepublik Venedig 459, in Madrid,
Stellung der diplomatischen Agenten 460.
— XIV —
§26. Die Hofkammer. S. 461.
Hofrat besorgt aach Finanzverwaltong 461, Finanzkalamitäten führten zur
GründoDg einer SpezialbehOrde (Hofkammer), Vorbild der Osterreichischen
Hofkanuner 462, Prinzipien dieser Organisation 473, Grflndong 1550 464,
Zusammenhang mit dem Hofirat 466, Beorganisation 1565 467, emente
Errichtung eines EammerkoUegioms 469, Eammerkanzlei 471, kollegiale
VerÜassong 472, Begatachtongs- und Entscheidungsbefugnis der Kammer
474, Hauptaufgabe: Herstellung des Gleichgewichts der Einnahmen und
Ausgaben 475, voUkonmiene Verwaltung des Kammerwesens 476, Leitung
der Finanzpolitik und -gesetzgebung 477, der Yolkswirtschaftspflege 478,
Konzentrierung des Einnahmedienstes : Au&icht über Domftnen 479, Ver-
waltung der Lehen, Verkauf des (Kasten-)Getreides 480, AuÜBicht über
Regalien 481 (Zölle 481, Aufsicht über Wirtschaft der Kloster 483, vacie-
renden Beneficien etc. 485), Verminderung der Schulden 485, Konvertie-
rung von Schuldforderungen 486, Aufsicht über Beamtenanstellungen 486,
über Hofistftbe 489, Zahlmeister 491, Centralisation des Kassenwesens 492,
Konzentrierung der Ausgaben, innere Kammer 493, finanzielles Anweisungs-
recht 494, Sorge für Beschaffung des Geldbedarfs 496, Veranschlag, Ge-
samtrechnung 497. BechnungskontroUe 498, Hofkammer hatte Aufgabe
der Prüfung der Bechnungen des Zahlmeisters, der Hof)toiter und des
Bentamts München 499, oberste Bechnungsrevisionsinstanz 500, Finanz-
rechtsprechung 501, Hofkammer Hülfsorgan des Hofirats fär diese 502,
finanzieller Niedergang unter Wilhelm V. 504.
§27. Der geistliche Bat S. 506.
Kirchenpolitik in der Beformationszeit 507, Visitationskommission 508, In-
struktion der Visitatoren (1514) 510, Religionsrat (1557) 512, Aufhebung
(1559), Errichtung des geistlichen Bats (1570) 514, Aufgaben desselben
515, Neubesetzung des Kollegiums 517, Kompetenzabgrenzung gegenüber
der Hofkammer (kirchliche VermOgensverwdtung) 519, Kompetenz des
geistlichen Bats 521, Projekt der Aufhebung desselben 524, Büge des
geistlichen Rats durch Wilhehn V. 526.
§ 2a Die Anfänge des Kriegsrats. S. 529.
Errichtung nach dem Vorbilde des Osterreichischen (1583) 529, Zusammen-
setzung 530, Gesch&ftskreis 531, Sprinzenstein Land- und Feldzeug-
meister 532, Aufhebung des Kollegiums 535, Obergang der Geschäfte auf
den Hofirat, in welchem ob. Zeugmeister Referent in Kriegssachen 536.
§29. Die Anfänge des geheimen Bats. S. 537.
Entwicklungsprozeß wie in Österreich und in andern Territorien 537, kol-
legiale Organisation (1582) 53^ Erhaltung des Zusammenhangs mit dem
Hofirat, geheime Sachen 539, Kompetenz 540.
§30. Die Kanzleien. S. 541.
Hofkanzlei, Kanzler 541, Vicekanzler 542, innere oder geheime Kanzlei 543,
Kanzleipersonal 544, Begierungskanzleien 545.
Archiv 546, Instruktion (1586) 547, Aufgaben des Archivars 548.
Bibliothek 550.
— XV —
Zweites CapiteL
Staatadienerreeht und Charakter des BeamtentomB.
§31. Das Staatsdienerrecht S. 552.
Quellen 552, Anstellungsvertrag 553, Inländereigenschaft 554, st&ndischer
Kampf gegen das Aosländertum 555, Amtseid 561, Anstellongsdekret 562,
Besoldung 563, Vorrechte: Steuerfreiheit, Exemtion vom Stadtgerichte
564, Pflichten der Beamten 565, Eechtsfolgen der Pflichtverletzung 566,
Zuständigkeit des Hofgerichts fdr Klagen gegen Beamte 568, H&te von
Haus aus 570.
§ 32. Der Charakter des Beamtentums. S. 573.
Kleriker, Doctores 574, schriftstellemde H&te 575 (Plieningen, Fugger, Hund,
Pemeder, HOrwart), Bestechlichkeit 577, Bildungsgrad 578, Landschaft
und K&te 579, Pflichttreue und Freimut des Beamtentums 582, wichtige
Eingabe der Hofkammer und einiger Räte an Albrecht Y. Aber die Re-
form seiner Regierung 583
Schluß a 584.
Einteilnng des Herzogtums 590, Ministerialen 591, Einwirkung des Reichs
59Z, K. Ludwig 593, Heinrich d. Reiche, Qeorg d. R. (Mauerkircher) 593,
Albrecht lY. (Neuhauser) 594^ Wilhelms lY. Gesetzgebung, Albrecht Y. 595,
Wilhelm Y., Dauerhaftigkeit der Qrundzüge der BehOrdenorganisation 596,
Prinzipien 597, Qrflnde derselben 598, Hebung der Rechtspflege durch
die Herzoge 600.
Berichtigungen und Ergänzungen S. 602.
ABKÜRZUNGEN.
B. A. =^ Kgl bajerisches allgemeines Reichsarchiv zu München.
H. A. = Egl bayerisches geheimes Hausarchi? zu München.
Er. A. M. =: EgL oberbayerisches Ereisarchi? zu München.
Er. A. L. = Kgl niederbayerisches Ereisarchiv zu Landshut
Cod. Ba?. = Ck>dex der kgl Hof- and Staatsbibliothek za München (Deutscher
Handschriftenkatalog s. v. Bayern).
R B. >= Begesta Boica, herausgegeben von v. Lang und Yon Freyberg.
M. B. = Monumenta Boica.
Qu. u. Er. <= Quellen und Erörterungen zur bayerischen und deutschen
Oeschichte.
L. Fr. === Erklftrung der Landsfreyhait in obem und nidem Baim, widerumb
vomeut im 1553. Jar [mit steter Rücksichtnahme auf die vorangegangenen]
(V. L e r c h e n f e 1 d , Die altbaierischen landst&ndischen Freibriefe mit
den Landesfreiheitserklänmgen. München 1853. S. 285 K).
Ldr. = K Ludwigs Rechtsbuch 1346 (in v. Freyberg's Sammlung hist
Schriften u. Urkunden. Stuttgart u. Tübingen 1854 Bd. IV, S. 385 £).
Ee£ Ldr. 1518 = Reformadon des bayrisschen Lanndrechts nach Cristi unsers
Haiimachers geburde im 1518. jar aufgericht
Ger.O. 1520 = Gerichtzordnung im fürstenthumb Obem- und NidemBayem
anno 1520 aufgericht
L.O. 1474 = Herzog Ludwigs von Landshut sog. Landes-Ordnung oder eigent-
lich Rechts-, Gerichts- u. Landes-Polizeyordnung (E r e n n e r , Baierische
Landtags-Handlungen Bd. YII, S. 472 ff.).
L.O. 1501 == Herzog Georgs von Landshut sog. Landes-Ordnung oder eigent-
lich Rechts-, Gerichts- und Landes-Polizeyordnung (Erenner a.a.O.
Bd. Xm, S. 261).
L.O. 1516 = Das buech der gemeinen Landpost, Landsordnung, Satzung
unnd Gebreuch des Furstenthumbs in Obem unnd Nideirn Baim im
1516. Jar aufgericht
L.O. 1553 = Bairische Lanndtsordnung 1553.
Einleitung.
Die Darstellung der Geschichte des Gerichtswesens und
der Verwaltungsorganisation Baiems erstreckt sich auf jenes
„politische Gemeinwesen, welches jeweils den Namen Baiem^)
fahrte" *).
Die Periode, welche dieser erste Band behandelt, umfaßt
zwei Hauptzeiträume : den der Ausbildung der landesherrlichen
Gewalt seit dem Regierungsantritte der Witteisbacher und der
Landesteilungen (1180 — 1506), und sodann den von der Wieder-
vereinigung des bairischen Landes unter Albrecht IV. bis zum
Regierungsantritte Maximilians L, des ersten bairischen Kur-
fürsten (1506— J 598).
Das volle Verständnis der folgenden rechtshistorischen Aus-
führungen hat zur Voraussetzung die Kenntnis der politischen
Geschichte ^), welche den Rahmen für unsere Darstellung abgibt.
1) In dieser sachlich gebotenen Begrenzung der Aufgabe sowie in der
Begründung derselben stimme ich überoiu mit B i e z 1 e r, Geschichte Baiems.
Gotha 187a L S. 3 f.
2) Ich behalte mir vor, bei der Fortsetzung des Werks s. Z. durch
kurze orientierende Übersichten ein Bild der Entwicklung der staatlichen
Institutionen der hervorragendsten mit dem bairischen Stammlande ver-
einigten Territorien zu entwerfen.
3) In Bezug auf diese verweise ich namentlich auf das angef&hrte Werk
von Riez 1er, das in mustergültiger Weise mit der Darstellung der politischen
Koseath»!, Qeschichte d. GerichUw. u. d. V«rvr.-Or^. Baieras. I. ^
— 2 —
Um auch den mit der Geschichte Baierns weniger Ver-
trauten das Verständnis der folgenden Ausführungen zu er-
leichtem , sei es gestattet , liier in aller Kürze ein Bild jener
unheilvollen Landesteilun<;cn zu entwerfen unter Anführung aller
Herrscher der einzelnen Linien. Wir brauchen dann im Ver-
laufe der Darstellung auch nur da, wo es durch die Einwirkung
derselben auf die politische Organisation dringend gelK>ten ist,
auf dieselbe Rücksicht zu nehmen, denn die Centralver^valtung
bildete sich an den verschiedenen Höfen der selbständigen
bairischen Territorien in ähnlicher Wiase, und die Lokalven^al-
tung wurde durch die Teilungen kaum berührt, während aller-
dings die Mittelbehörden, wenn auch nicht in Bezug auf Kom-
petenz, so doch jedenfalls in Bezug auf die örtliche Abgrenzung
des Vitztumamtsbezirks und die Errichtung der Bchr»rden von
diesen Teilungen in Mitleidenschaft gezogen wurden.
Die erste TeihmgM 1255 brachte Oberbaiern (München), die
Kheinpfalz nebst einigen Ämtern auf dem Nordgau an Ludwi;^ n.^
Niederbaiem (Landshut) an Heinrich \UL Durch den Vertrag
von Pavia 1321) wunle die Kheinpfalz nebst dem größeren Teil der
Ämter auf dem Nonigau (später Oberpfalz), die an Rudolfs 1.
Söhne und Enkel gelangten, von Baiem getrennt, eine Trennung,
die ül>er vier und einhalb Jahrhunderte dauerte. Oberbaiern mit
einigen nordgauischen Ämteni behielt K. Ludwig (tl.'(47). Seine
6 Sr)hne sehritten nach 2jähriger gemeinschaftlicher Regierung
1349 zu folgender Teilung : (oberbaiern (nebst Tirol und Branden-
aach dio dor Kaltarfir«8chichto verbindet und dabei auch da« (iericht«'- und
Beamtonweien einer sacbkondifiren und luvcrlftsii^on Bcsprocbunf^ unterzieh L
Hoffentlich erfreut uns der Verfauer bald mit dem 3. Bande — der 1 r«*icht
bis 1347.
1) Über den L&nderbeitand der einzelnen durch die Teilun^n f^o-
schaffenen lelbvtändif^n Gebiete vf^L Rockinf^eri Kinleituuf? zu v.
Lerchen fel'l, Die altbaierischen landständitchon Freibriefe mit den
Landenfreiheitserklfirunfcen. Manchen 1K*):1 S. TA) f.; aber dio Teilungen Tfrl
noch Hilutlo im Oberbajeriichen Archiv, herauf ^(^ben von dem Iditor.
Verein von und f&r Oberbajem. Bd. XXVL S. 1 ffl
— 3 -
bürg) erhielten Ludwig V. der Brandenburger, Ludwig VI. der
Bömer und Otto V. ^), während Niederbaiern (nebst den hollän-
dischen Provinzen) in den Besitz Stephans TL, mit der Hafte, Wil-
helms I. und Albrechts I. übergingen. Auch die niederbairischen
Herzoge schritten 1353 zu einer Teilung, welche die Linien
Baiem - Landshut (Stephan H.) und Baiem - Straubing - Holland
begründete (Wilhelm I. und Albrecht I.).
Stephan H. vereinigte 1363 Baiem - Landshut mit Ober-
baiem. Durch die Teilung dieses Länderkomplexes (1392)
seitens seiner Söhne wurden die Linien Baiem - Ingolstadt,
Baiem-Landshut und Baiem-München begründet. B.-Ingolstadt
erlosch schon 1447, der größte Teil dieses Gebiets kam zu
B.-Landshut. -r- Vorher, 1425, war schon die Linie B.-Strau-
bing ausgestorben, dessen Länderbestand an B.-Ingolstadt,
B.-Landshut und B.-München gefallen war*). Als mit dem
Tode Georg des Beichen auch die Linie B.-Landshut 1503 aus-
starb, wurde nach dem bairischen Erbfolgekriege Ober- und Nieder-
baiern wieder vereinigt, 1505 unter Albrecht IV. Seine staats-
männische Weisheit bewahrte Baiem vor wiederholter Zer-
stücklung, indem er 1506 die Unteilbarkeit des Herzogtums und
die Primogeniturordnung festsetzte^).
1) 1351 übernahm Ludwig der Brandenburger allein Oberbaiem mit
nrol und überliefi Brandenburg seinen Brüdern, die es 1373 an K Karl IV
yerkanften. Tirol kam 1369 an Österreich.
2) Holland war an Borgond gekommen.
3) Die Begierongszeit der einzelnen Herrscher nnd die Art der Tei-
lungen yeranschanlicht das Schema auf S. 4.
1
>?•-
— 4 —
Otto L 1180-1183.
Ludwig L t 1231.
Otto n. t 1263.
Oberbalern (PfSdz).
Lndwiff IL -1294.
Badolf— 1^17, seit 1302 K.
Ludwig lY. d. B. Mitregent
(Durch Vertrag von Pavia
scheidet Pfalz [a. Oberpfalz]
aus.)
K Ludwig d. B., seit 1341
AUeiahemeher in Ober- n.
Hiederbaieni, f 1347.
Ludwig y. der Brandenbur-
r>r,tl361inOber-
aiern. (Bis 1351
mit Ludwig VI. und
Otto V. i^mein-
schaftlicb.)
Meinkiard f 1363.
Stephan 111 f 1413.
B.-Ingolstadt
\ ^
N <^
Ludwig d. Bärtige Ernst f 1438, WilhehnllLt 1435.
T ^*^''- Albrecht XXL 1438-1460.
^'^^^^I^^^^^'^ Johann IV.t 1463, Sigmund 1 1467.
Albrecht IV. 1465-1508^
seit 1605 Alleinherrscher im wie-
derrereinigten Ober- und Vieder-
baiem.
Wilhelm IV. 1508- 1550, gemein-
schaftlich mit 8. Bruder Ludwig
(1516-1545).
Albrecht V. —1579.
WiDiclm V. -1598.
Niederbalern.
Heinrich XIU. -1290.
OttoIIL tl312, LudwigllL 1 1296, Stephan L f 1310.
Heinrich XV.f 1333;Heinrich XIV.tl339, Otto lV.tl334
Johann 1340.
Stephan 0. f 1375, Wilhelm L- 1358, Albrecht L f 1404.
erhielt 1353 erhielten 1353 B. -Straubing
B.-Landshut mit Holland.
'^ ^if^o^n*^*^" WUhehnlLt 1417, Johann ULt 1426.
baiern. ' '
^ 9^
Friedrich f 1392. l-g
B.-Landshut ^S
Johann IL f 1397.
B.-Manchen.
^ ^
Heinrich d. Bciche
t 1450.
Ludwig d. Reiche
t 1479.
Georg d. Reiche
t 1503.
> •
Erstes Buch.
Gesehiehte des Gerichtswesens.
ERSTES CAPITEL.
Die Gerichtsgewalt des Herzogs.
§1-
Die Entwicklnng der herzoglichen Oerlchtsherrllchkeit»
Wie in der fränkischen Periode, so ist auch im deutschen
Mittelalter der König Träger der Justizhoheit, die einzige Quelle
aller Gerichtsbarkeit im Reiche. Aus der faktischen Unmög-
lichkeit einer persönlichen Ausübung der ihm zustehenden Ge-
richtsbarkeit im ganzen Gebiete des Deutschen Reichs ergab
sich die Notwendigkeit der Einsetzung von Stellvertretern, von
Organen, welchen die Handhabung der Rechtspflege in seinem
Namen und seinem Auftrage in räumlich abgegrenzten Bezirken
übertragen ward ^). Die Grafen, königliche Beamte, waren des-
halb die ordentlichen Richter der karolingischen Gerichtsver-
fassung geworden. Als mit der Auflösung der Gauverfassung
das Grafenamt sich in ein erbliches Lehen verwandelt hatte,
übten die Grafen die Gerichtsbarkeit in ihren Grafschaften aus
in Folge königlicher Belehnung; aus den Beamten des Königs
waren seine Vasallen geworden. Zwischen den König und die
Grafen war seit dem 10. Jahrhundert eine neuerstandene terri-
toriale Gewalt, das Stammesherzogtum *), eingerückt.
1) Diesen Gedanken brin^ Ssp. (Sachsenspiegel) III, 52 § 1 zum Ausdrack
2) Vgl Ober dasselbe Waitz, Deutsche VerÜEissangsgeschichte. Kiel
187a Vn. a 95 ff., ober Baiem bes. S. 109 £
— 6 —
In Baiern war es des Markgrafen LuitpoUI Si»lin, Arnulf,
welcher (907) bei der drohenden (Jefahr rüuherisrher Einfälle
der Ungarn die herzogliche Oewalt in seinem Stamme wieder
begründete, wahrscheinlich nach vorangegangener' Wahl der
Großen des Landes^).
Da es dem bairischem Stamme gelungen war, unter den
verschiedenen Wechselfällen des geschichtlichen Lebens durch
seine /usammenschließung zu einem einheitlichen politischen
Ganzen verhältnismäßig große Selbständigkeit zu behaupten,
konnte die herzogliche (iewalt sich hier auch in viel kraft-
vollerer Weise entwickeln als bei den übrigen Stämmen*), so
daß <lie bairischen (und alamannischen) Stammesherzoge in
ihren (iebieten das königliche Vorrecht der (irafenemennung
üben-'). Die Eoheitsrechte des bairischen Herzogtums waren
in intensiver Weise ausgebildet und die bairischen (irafen er-
folgreich der Gewalt des liiTzogs unterworfen worden, von dem
sie später auch ihre (irafschaften zu Lehen trugen*). Das
Ilerzogsiimt selbst war Reichslehen, «lem Herzoge wurde eine
vicekrmigliche (lewalt beigemessen, er wurde als Stellvertreter
des Königs, welchem er untergeben war, in dem betreti'enden
Lande betrachtet^). Die Erblichkeit «lieses Lehens hatte sich
im Laufe der Zeit gewohnheitsmäßig hrrausgc^bildet. Aus der
stark gefügten herzoglichen Gewalt sproßte so liei der immer
mehr zunehmenden Unabhängigkeit V(mi Kaiser und Reich die
Landeshoheit der Herzoge hervor*^). In einem durch politische
Verhältnisse begünstigten, sich langsam vollziehenden Entwick-
lungspn>zesse war die Lamlesherrlichkeit tler bairischen Her-
zoge schon gegen Ende des 12. Jahrhunderts zum Abschlüsse
gebracht und die Keichsgesetze Friedrichs H. und seines Sohnes
1) Rio zier, GcBchicht<> Daieriis. L S. 314.
2) H •• i }? 0 1 - K i cz 1 e r , Das Hcrzo^uin Bayern z. Z. Hi'inriohs de»
Löwt>o und Ottos I. Vf>n WittclsUch. Mancht^n 18<!7. S. 3, W\.
3)Sohni, Di«' altdeutsche Reichs- und <ferichtiiverfassunf^ Weimar
1871. S. 24t; f. Waitz, Verf.-<ie8ch. VII, S. IM f.
4) Kiczlor, Die herzog. Gewalt» bei H oiirel- Rio zier S. 190 flL
5) Waitz VII, S. 122. In Froumund Kpist iVz VI. 144 Fcliroibt ein Abt
von To^'omsee an Herzog Hoinricli VI. von Raii*m: qui vice ref^ in hac
patria ro^o potiniinL
ü) V^'L Rieiler, Geschichte Baierus. Gotha ISSo. 11. S. 0 ff.
— 7 —
Heinrich von 1220 und 1232 ^) haben zum größten Teile nur
den bestehenden Rechtszustand gesetzlich sanktioniert, den-
selben aber keineswegs erst begründet.
Die Konsolidierung des bairischen Territorialstaats nahm
unter den ersten Fürsten aus dem Hause Witteisbach einen
glücklichen Fortgang, indem durch das Zusammentreffen ver-
schiedener fördernder Ereignisse, durch Erbgang, Heirat und
Kauf eine Reihe von Besitzungen alter Grafengeschlechter dem
Herzogtum einverleibt werden konnten. Auf diese Weise wurde
dessen Gebietsumfang nicht nur erheblich erweitert, sondern
auch der Gefahr vorgebeugt, daß in diesen Grafschaften selbst
eine landesherrliche Gewalt zur Entstehung gelangte^).
Die Gerichtsgewalt, als der Mittelpunkt aller staatlichen Ge-
walt, bildete das Fundament der landesherrlichen Rechte; die
deutsche Territorialverfassung ist aus der Gerichtsverfassung
hervorgegangen *). So war nun auch nach und nach die Gerichts-
gewalt des Baiemherzogs, welcher schon vorher als Oberrichter
der bairischen Provinz betrachtet wurde, immer mehr erstarkt.
Nach unten war dieselbe ganz abgeschlossen, der Herzog
war der Gerichtsherr des Territoriums geworden, welchem sämt-
liche Richter desselben unterstellt waren. Er war die Quelle
der Gerichtsbarkeit im ganzen Herzogtum und nur von ihm
leiteten die unteren Richter ihre Ämter ab. Kraft der ihm
zustehenden Justizhoheit konnte der Herzog alle Richter des
Landes nach Belieben ein- und absetzen.
Die Bedeutung der königlichen Gerichtsherrlichkeit war in
Süddeutschland schon dadurch etwas beschränkt, daß die Richter
hier nicht, wie im Gebiete des sächsischen Rechts*), den Ge-
richtsbann vom König unmittelbar erholen mußten*). Der
1) RGes. 1218 (M. G. L. II, p. 229), 1220 (ib. 237) ; Statut in favorem
princip. 1^1 Yon Heinrich oriassen, 1232 von Friedrich bestätig (ib. 282,
291). Vgl Aber die beiden erstgenannten Reichsgesetze : Berchtold, Die
Entwickelung der Landeshoheit in Deatschland. München 1863. I. S. 95 £
2) Biezler IL S. 12.
3) Vgl Waitz, Vni, S. 93.
4) Vgl G. Meyer, Die Verleihung des EOnigsbannes und das Dingen
bei markgräflicher Huld. Jena 1881. S. 2 £
5) Vgl über die Unterscheidung der Bannleihe von der Gerichtsleihe
Branner, Das gerichtliche Ezomtionsrecht der Babenberger (Sitz.-Ber. d.
Wien. Ak. PhiL-hist KL Bd. 47. S. 316.
- 8 —
Landesfürst hatte hier mit der Verleihung des höheren Ge-
richts auch die Übertragung des Bannes, der Gerichtsgewalt
zu verbinden. In Süddeutschland ist von einer Verleihung des
Königsbanns bei Übertragung eines Gerichts überhaupt nicht die
Bede, wie denn der Begriff des Eönigsbanns den süddeutschen
Rechtsquellen des 13. Jahrhunderts fremd ist ')> und die Ver-
leihung des Blutbanns durch den König nur für den von einem
geistlichen, nicht aber für den von einem weltlichen Fürsten
bestellten Richter gefordert wird •).
Obwohl nun die Richter in den Territorien ihre Amts-
gewalt nicht mehr unmittelbar vom König ableiten konnten,
machte sich doch die Gerichtsgewalt des Königs als die höchste
des Reiches auch in den Territorien geltend. Denn vom Könige
mußte sich der Herzog mit dem Herzogtum, also auch mit
den die herzogliche Gewalt bildenden Hoheitsrechten be-
lehnen lassen. Die Gerichtshoheit des bairischen Herzogs führt
so zurück auf die des deutschen Königs als auf ihre Quelle.
Indem der König den Herzog zum Gerichtsherm seines Herzog-
tums macht, überträgt er diesem seine Stellvertretung in Aus-
übung der ihm im ganzen Reiche zustehenden Gerichtsbarkeit
für den Umfang des Herzogtums zugleich mit dem Rechte der
Einsetzung der für die Rechtspflege des Territoriums erforder-
lichen richterlichen Organe. Der König behält aber seine dem
Herzoge übergeordnete Stellung natürlich bei, und die höchste
Jurisdiktionsgewalt [über Baiem blieb nach wie vor auch bei
ihm, als dem Oberhaupte des Reichs, dem obersten Lehensherm
der Landesherrn, seiner Vasallen').
Die Auffassung der Gerichtsbarkeit als eines Ausflusses
der königlichen Gewalt tritt noch scharf zu Tag in der von den
Rechtsbüchem des Mittelalters zum Ausdrucke gebrachten
1) G. M e 7 e r, Eönigsbann, S. 17 £, 22, welcher die YcrlcihuDg des Königs-
banns als ein Institut des sAchsischen Rechts nachweist und die Verschieden-
heit, welche in dieser Bedehong der Ssp. and der sog. Schwabenspiogel (Schwsp.)
aofweisen, entgegen der herrschenden Lehre nicht als eine zeitliche, sondern
als eine territoriale Verschiedenheit auffaßt
2) Schwsp. (Gengier) c 95 § 4; c. 75 § 4.
3) Vgl aach Efihns, Geschichte der Gerichtsrerfassang und des Pro-
zesses in der Mark Brandenburg. Berlin 1865. I. S. 76. Luschin von
Ebengreuth, Geschichte des filtern Gerichtswesens in Österreich ob und
unter der Ennt. Weimar 1879. S. 20.
— 9 —
RechtsregeP), daß das persönliche Erscheinen des Königs in
einem Territorium des Reiches alle Gerichtsbarkeit in diesem
suspendiere und diese nunmehr ausschließlich dem Könige, wie
andere Hoheitsrechte, zustehe *). Aber nicht nur durch die per-
sönliche Anwesenheit des Königs in einem Lande wird eine Kon-
kurrenz der Gerichtsbarkeit des Königs mit der in den Territorien
hervorgerufen, sondern das königliche Gericht kann auch jeden
vor einem Territorialgerichte schwebenden oder vor ein solches
gehörenden Rechtsstreit an sich ziehen. Zu einer solchen Evo-
cation bedarf es nicht einmal des Antrages einer Partei ^). That-
sächlich kamen solche Evocationen nicht häufig vor, höchstens
in den Fällen von Justizverweigerung, da das königliche Hof-
gericht seinen Geschäftsumfang doch nicht ohne genügende
Veranlassung in störender Weise vermehren wollte. Die auf
eine Abschließung ihrer landesherrlichen Gewalt bedachten
Fürsten begnügten sich aber nicht mit diesem faktischen Zu-
stande, sondern ihr Streben ging dahin, ihre Gerichtshoheit
gegen immerhin mögliche Eingriffe des Reichshofgerichts zu
sichern, die Zulässigkeit solcher Evocationen ihrer Unterthanen
durch Erwerbung von privilegia de non evocando prinzipiell
auszuschließen *).
Als sämtliche Kurfürsten durch die goldne Bulle dieses
Privileg neben anderen wichtigen ihre territoriale Selbständig-
keit sichernden Vorrechten erlangt hatten, da hielten Baiems
Herzoge ihre und ihres Landes Rechte durch solche Bevorzugung
gefährdet*) und nach langen Kämpfen rangen sie der kaiser-
lichen Majestät eine Bestätigung aller Freiheitsrechte, ins-
besondere aller Regalien, welche ihnen und ihren Vorfahren je
von deutschen Königen erteilt worden waren, ab. Karl IV.
verlieh in demselben Privileg (Nürnberg, 15. Jan. 1362)^) den
1) Berchtold, Die Entwickclung der Landeshoheit S. 150.
2) S«p. ni, 60 § 2; Schwsp. (G.) c. 111 § 1.
3) Franklin, Das Reichshofgericht im Mittelalter. Weimar 1869.
IL 8. 4.
4) Franklin II, S. 5.
5) Olenschlager, Neue Erläuterung der güldenen Bulle. 1766.
S. 404.
6) Böhmer (ed. Huher), Regesta imperil 1877. VIII, p. 309. Diese Da-
tienuig scheint nicht richtig zu sein, da Herzog Meinhard, welcher in dem
— 10 —
bairischcn Herzogen Otto, Stei)haii II. und dessen Söhnen:
Stephan III., Friedrich und Johann^) das Privileg, daU alle
ihre Unterthanen weder an das Uofgericht, noch an ein anderes
Reichs- odei Landgericht gezogen werden dürften und sich nur
vor dem zuständigen bairischen (Jerichte zu verantworten
hätten*). Nur für den Fall einer Rechtsverweigerung^) wird
eine Evocation an das königliche Uofgericht * ) für zulässig er-
klärt ^).
Privileg nicht genannt ist, cret am 13. Januar 1363 starb (Büchner, Qc-
schicbto von Bayern. München 184u. VI, S. 59) und erst nach Feinem Tode
Oberbaiem und Baiern-Landshut unter Stephan II. vercinifirt wurde, welcher
auch mit seinen im Privileg ebenfalls genannten 3 Söhnen Stephan III.,
Friedrich und Johann gemeinschaftlich regierte.
1) „wir haben angeschen den edlen, alten und würdigen Stummen der
Fürsten von Bayern, so ain Königreich gewenen."
2) Das Privileg ist abgedruckt bei Olenschlager Urk. n. XLVI und
Lori, Sammlung des baicr. Bergrechts S. XXII I f.: auch keinen iren Mann,
Grafen, Herrn, Ritter, Knecht, Burger, Gepaur, Diener, Edl oder Unedl, oder ander,
die in ihren Landen, Herrychaflen, Gezirkleu, und I^ndgorirhten, oder andern
Gerichten gesefscn seind, auch die, so darzu, oder in ir Landf>rhraiinen ge-
hören, oder darinne wohnen, und auch derselben und ir jeglichs <jütter, die
in ihren Landen, IlerschalTten, GezirckhIcn und I^ndgerichten oder anderen
Gerichten gesefsen seind, für uns noch für kein unser und des Heichs oder
ander Hufgericht, Landgericht oder Gericht fürbriiigen noch laden FoUe, wan
sie und dieselben nindert anderstwo mehr dan von der genannten unser Hebi*n
Aiden und Oheimen und ihrer Erben, Nachkommen Gerichten sirh um all
Sachen, nichts ausgenommen, vcrantworttcn sollen.
3) es were dan, das anderen Leuthen vor der ehegenanten unser .\iden
und Oheimen Gerichten grwohnlichs Hecht nit widerfahren mechtc und das
man die Lcuthc rechtlofs kundlich liefse; so megen solch Cleger ir Wider-
sachor für uns und unser Hofgericht ordf^ntlich laden, und daselbst soll in
dann nach defs Keirhsgewohnheit Kecht besehehen. — Eine soloho .\usnahme
ist in allen Evocationsprivilegien statuiert. Franklin II, S. 15.
4) Da bis zur Mitte des 14. JahrhundiTts fast all«' geistliolie und welt-
liche Fiirsten die unbeschrfinkte Frei}i«'it von Ladungen an auswärtiire, auch
Reichsgerichte erlangt hatten (Franklin II, S. 9 f.), so dürfte auch für Baieni
dieses Evocationsprivileg 1362 nicht ervt verliehen, sondern nur kontinniert
worden sein.
i)) Zu häufigen B<'schwerdt»n der bairischen Fürst«'n bot«'n besondfrs die
Ansprüche der Buregrafen von Nürnberg Vrranlassung, welche den Gericht*-
spreng«*! ihres Landgi'richts auf tranz Deutschland auszudt*hn«'n trachtet<^n
mit der Begründung, di>r Burggraf habe als kais. Landrichter über all«' rich-
tenden G«'richte zu richten (K 1 u c k h o h n ; Ludwig der Reiche. Nordlingen
1^*»5. S. GU f). Sowohl Herzog Heinrich von Un-lshut als Enist und Wil-
- 11 —
Eine Bestätigung dieses Evocationsprivilegs erfolgte durch
Kaiser Sigmund 1417 ^) (Konstanz, Mittwoch nach Georgi) für
die Herzoge Ernst und Wilhelm von Ober- und Heinrich d. R.
von Niederbaiern, 1443 *) (Mittwoch vor Pauli Bekehrung) und
1465 *) durch Kaiser Friedrich HI., ebenfalls unter Ausnehmung
des Falles protractae vel denegatae justitiae.
Der Lehnsbrief K. Maximilians I. und die Konfirmation
der Regalien für Herzog Georg (d. d. Worms , 7. September
1495) *) enthält dann ebenfalls eine Bestätigung des Evocations-
helm Ton Mflnchen erbaten sich gegen solche Tendenzen EvocationsprlTilegien,
welche ihre ünterthanen von der Ladung des kaiserlichen Hof- und Land-
gerichts befreiten, und auch Ludwig der Bärtige von Ligolstadt protestierte
energisch gegen die Übergriffe des Nürnberger Gerichts. Als wiederholte
Eingriffe desselben die Herzoge Ludwig (Landshut) und Albrecht (München)
bewogen, die Freiheit ihres Landes von auswärtigen Gerichten durch eine
Gesandtschaft an das k. Hoflager zu wahren (B u c h n e r VI, S. 379), blieb auch
dieser Protest erfolglos (vgl. Beschwerde der Straubinger Stände 1458 bei
Krenner, Baierische Landtagshandlungen 1429—1513. München 1803. IL
8. 179), so daß H. Ludwig die Waffen gegen K Friedrich HL und Markgraf
Albr. AchiUes v. Brandenburg ergriff, um die Abhülfe seiner gerechten Be-
schwerden mit Waffengewalt zu erkämpfen (vgl. die eingehende Darstellung
bei Kluckhohn a. a. 0., S. 70 f., 78, 136 ff.). Der glänzende Sieg Lud-
wigs fahrte im Frieden zu Roth 1460 zur Anerkennung des Grundsatzes, daß
kein Baier vor das Nürnberger Landgericht geladen werden dürfe, und auch
der Entscheidungskampf von 1462 katte kein anderes Ergebnis, als daß diese
Bestimmung durch den Prager Frieden nicht berührt wurde, so daß das
Nürnberger Landgericht Baiem gegenüber für ewige Zeiten ohne jede Be-
deutung blieb (Kluckhohn a. a. 0., S. 148 £, 236).
1) Vidimierte Abschrift auf Perg. (durch Johann Probst zu lUmünster
1439) im R A.-Bajr. Landschaft, XXXVIL Fase, fast gleichlautend mit dem
Privileg 1362.
2) Ereittmajr, Anmerkungen über den Codex judiciarius cap. 1, § 12 1 :
„es wäre dann, das anderen Leuten das Recht vor ihrem Gericht nicht widerführe.*'
3) J. J. Moser, EinL in d. churf. bayr. Staats-Recht 1754. S. 220.
4) ..... . Wir haben auch dem obgenanntem vnTerm 1. oheim vnd
fftrften, herzog Gcorgn vnd feinen Erben, dise befonder gnad vnd frejhait
getan vnd gegeben, tun vnd geben ine die auch von Römifchor kunigclicher
macht volkomenheit, wiffentlich in craft difs briefs alfo, das nu hinfiir in
ewig zeit niemand wer der, oder wie die weren, den jetzgemelten vnfem
L oheim vnd furften herzog Georgn noch fein erben noch ir graven, freien
herren, ritter, knecht, rate, hofgeßnd, diener, burger, pawren, noch keinen
feine vnderfaffn, noch zugehörigen, noch alle die ime zu verfprechn fteen,
weder ir leib, leut, hab noch guter an vnferm vnd des reichs hofgericht zu
Rotwü, noch einich ander hofgericht oder lantsgericht noch auch an die
— 12 —
Privilegs unter ausdrücklicher Betonung, daß jede Vorladung des
Herzogs und seiner Unterthanen an das Reichshofgericht zu
Rotweil oder an ein andres Hof- oder Landgericht oder an die
heimlichen Gerichte zu Westfalen oder ein anderes nicht
bairisches Gericht ebenso wie jede von einem solchen unzu-
ständigen Gerichte erlassene Prozeßverfügung und jedes Urteil
kraftlos und rechtsunwirksam sein soll.
Da mit dem Privilegium de non evocando für Baiem nicht
zugleich ein Privilegium de non appellando verbunden war, so
konnten Rechtsstreitigkeiten aus Baiem auch femer im Wege
des Rechtszuges an das königliche Hofgericht gebracht werden,
sofeme nur die Parteien den Instanzenzug aller zuständigen
bairischen Gerichte erschöpft hatten.
Die jurisdiktioneile Selbständigkeit des Herzogtums 0 war
aber erst dann zum vollständigen Abschlüsse gebracht, wenn
die Thätigkeit des königlichen Gerichtes auch in seiner Eigen-
schaft als Appellationsinstanz ausgeschlossen war.
Eine solche Freiheit von Appellationen an das Reichs-
gericht, wie sie in der goldnen Bulle den Kurfürsten einge-
räumt worden war, mußten Baiems Herzoge noch Jahrhunderte
lang entbehren *). Allmählich und auf Umwegen erreichten sie
heimlichen gerichte in Wertvalen, noch ainich ander gerichte wie
die genannt sein, mit fürgeheilchen, laden, noch wider li ir leib , lewt, hab
noch guter richten, orteiln, sprechen noch procedim foU ...(RA — tom.
privü. No. 41 t 36\
1) In einem Reverse der drei kaiserlichen Commissari gegen Wilhelm Y.
vom 15. Okt 1594 (R A ürk., Criminaljostizgegenstände, 5. Fase) erkl&ren
diese, dafi, nachdem ein Mann bei dem für den Türkenkrieg angeworbenen
Regiment standrechtlich zum Tode verurteilt and aufgehängt wurde, weil
dieses Malefiz- und Kriegsrecht samt Execution oberhalb der Stadt Rain im
Fürstentum Baiem vollzogen worden, er Herzog W. die hohe landesfürstliche
auch niedere gerichtsbarliche Jurisdiction undlsputierlich habe (inmaßen auch
durch die damals anwesenden bair. Commissarios, Beamten, Diener zu Rain
Öffentlich bedingt und protestiert worden), dafi dieser Verlauf, sowie dafi
eine zulässige freien Eriegsknechten gemä&e (Execution) Niemanden schäd-
lich, dem Herzog an seinen Regalien, Jurisdiction, Freiheiten, Recht und Go-
rechtigkeiton jetzt und hinfür ungeschwächt, unpräjudicierlich und allerdings
ohne Nachteil fürgangen sein solL
2) Das Bestreben, die Judicatur des höchsten Reichsgerichts anszu-
schliefien , kam schon vor Erlangung der Appellationsprivilegien erfolgreich
in der Weise zur Geltung, dafi das Hofgericht sich von den Parteien den
Verzicht auf weitere Appellation geloben lieft. 1476 heifit es so in einem
— 13 —
erst dieses Ziel. Das bekannte^) Privileg in dieser Richtung
war das den bairischen Herzogen 1480 (10. Juli) *) von Fried-
rich III. erteilte priv. de non appellando ab interlocutorüs
vim definitivae non habentes ^). Ein gutes Stück weiter dem
Ziele entgegen führten die folgenden Privilegien, welche die
Appellation an das Reichsgericht einschränkten auf diejenigen
Prozesse, deren Klagegegenstand einen bestimmten Betrag über-
schritt. Zuerst setzte K. Maximilian I. diese Appellationssumme *)
in einem PrivUeg (3. Aug. 1517) auf 100 fl. fest^), Karl V.
Gerichtsbriefe des Landshuter Hofgerichts: „was durch dj bemelten Rete
oder den niereren Tail aus in zu Recht gesprochen wirdet, dabei sol es an
verer Wajgning, Auszug und Appellirung beleiben (M. B. IV, p. 389). Vgl
noch: Das kgL Hofgericht far das Unterland zu Straubing. 1808. S. 30 t
1) Diese Datierung ist wahrscheinlich unrichtig, denn schon die Landes-
ordnung Yon 1474 enthält einen Hinweis auf ein derartiges kaiserliches Pri*
vileg, in der Bestimmung : „Item der Appellationen und BeyurtheUe halben"
(Krenner VII, S. 511).
2) Die Ansicht Ereittmajrs (Anmerkungen z. cod. jud. c 15 § 4 f),
dafi dieses Privileg keine Vergünstigung enthalte, da nur das, was schon das
gemeine Recht gewähre, eingeräumt würde, ist irrig- Denn wenn auch nach
römischem Rechte die Appellation gegen Interlocuta bei Strafe yerboten war
(Wetz eil, System des ordentlichen Civilprozesses. Leipzig 1878. S. 660),
80 konnte doch nach deutschen Rechtsgrundsätzen jedes Urteil angefochten
werden und ebenso war durch Vorschriften des canonischen Rechts die Ap-
pellation gegen Interlocute ermöglicht (PI anck. Die Lehre von dem Beweis-
urteü 1848. S. 132, 154 £). Erst nach der Reception des rOm. Rechts kam
auch in der deutschen R-Gesetzgebung (Kamm. Ger. 0. 1495, 1521, 1555) die
durch die italienische Doktrin ausgebildete Anschauung, wonach nur in Aus-
nahmsfWen eine Appellation von sententiae interlocutoriae für zulässig ge-
halten wurde, zur Geltung (Planck, Beweisurteil 155).
3) Daß die Interpretation des Münchner Magistrats, welcher 1794 eine
Urkunde des kaiserL Ho&ichters Burghart Burggrafen von Meidburg vom
Jahre 1366 (M. B. XXXV b., p. 119) dahin auffaßte, als ob schon 1366 die
Städte München und Landshut vom kaiserL Hofgerichte befreit gewesen, auf
einem Irrtume beruht, hat schon nachgewiesen Wehner, Die Gerichts-
Terfassung der Stadt München. München 1876. S. 89.
4) Über die Motive, welche zur Erbittung dieses Privilegs führten, spricht
dch die dem Landtage 1514 mitgeteilte Proposition aus (Der Landtag vom Jahre
1514, S. 13).
5) Um eine Minderung der Geschäftslast des R.E.Ger. herbeizuführen,
machte die R-Gesetzgebung allgomein die Zulässigkeit der Appellation an
das RK.G von der Höhe der Klagsumme abhängig (Wetz eil S. 710). Die
RK.Get.0. (1521, Tit XXIV § 1) firierte diese auf 50 fl. 1570 wurde sie auf
150 fl und durch den J.RA. (§ 132) auf 600 fl. erhöht
- 14 —
erhöhte dieselbe (15. Dez. 1521) auf 200 fl. und Ferdinand I.
(4. Juni 1559) auf 500 fl. ^). Interessant ist die Motivierung,
mit welcher dieses Privileg in die Gerichtsordnung von 1520
eingefügt wird, indem nur auf die wirtschaftlich so gefährlichen
Nachteile hingewiesen wird, welche dem Volke aus der Sucht
zu appellieren erwüchsen *). Endlich am 16. Mai 1620 erteilte
K. Ferdinand IL dem Herzog Maximilian I. ein priv. de non
appellando illimitatum, welches, nachdem unterdessen die Kur-
würde auf Maximilian übertragen worden war (1620), auf die
Oberpfalz und alle außerhalb der Landesgrenzen gelegenen
Herrschaften ausgedehnt wurde ^).
Nicht nur nach oben gegen Kaiser und Reich, auch nach
unten gegenüber den eine Ausdehnung ihrer Patrimonialgerichts-
barkeit anstrebenden Landstände suchten die Fürsten jede
Schmälerung ihrer Justizhoheit energisch abzuwehren, leider,
wie sich noch zeigen wird, nicht gerade sehr erfolgreich *).
1) Lflnig, Das teatsche Beichs-Archiy. 1713. P. spec. p. 674: „da der
gemciDo Mann etwas yermOglicher und zu der Haderey und Zanck geneigter
were, die in der Frejheit gesalzte Summa Gelts der 200 G. noch etwas zu
gering, also dafs die yermöglicbe zäncldsche Partejen auch in wissentlichen
und unrechtmftfsigen Sachen von S. Liebden Regimenten und Hof-Gerichten
vielfältig mutwillig appelliren, dadurch die Execution und Justitien ange-
halten, ihr Gegentheil in unwiderbringlichen Schaden und Verderben geführt
werden. ** — In demselben Privileg wurde außerdem noch die Appellation
gegen alle von den bair. Regimenten erlassenen gütlichen Abschiede an das
Reichskammergericht untersagt, da ein solcher Mißbrauch der Gegenpartei
die 1. Instanz entziehe und dem Herkommen widerspreche.
2) c. X. a. 9. Nachdem sich auch in erfSarung offennlich erfindet, das
unserer untterthanen und verwannten unnsers förstenthumbs verderben täg-
lich entsteet, aus muetwilligem und lejchtuertigem appelliren, so mer aus
nejd, hafs, trütz, geuärlichem verzüg, lengerung, und ausflflcht, dann der
notturfb und rechtem grund geschehen, unnd sonnderlich bey dem Armen
gemajnen, aigen willigem , und unuerstendigen, burger unnd paursman, der
dadurch sein haufs, bot guetter, weyb, kinder, und arbayt verlfisst und den
muetwilligen appellationen anhanngen. Und aber
3) Lünig L c. P. gener. Contin. H 1720. p. 1532.
4) So wurde 1516 den Ständen, welche f&r die Hofmarksgerichte event
auch die Zuständigkeit zur Aburteilung geringer Diebstähle beanspmchten,
entgegnet, „daß den Fürsten dadurch ihre landesfürstliche Obrigkeit und
höchst Regal des hoch Malefizgcrichts , das die Fürsten in Sonderheit vom
heil. Reich zu Lehen tragen und deshalben sonder hoch und schwerlich
Pflicht thun müssen, geschmälert und gemindert würde (Landtag 1515/16.
S. 378).
— 15 -
Diese Justizhoheit der Herzoge schloß neben dem Recht
und der Pflicht der Ausübung des obersten Richteramts im
Territorium auch die Organisationsgewalt, also die Einrichtung
von Gerichten, die Besetzung derselben und die Oberaufsicht
über die gesamte Rechtspflege des Landes in sich, also all
diejenigen Funktionen, die wir unter der Bezeichnung der Justiz-
verwaltung zusammenfassen. Daß der Herzog sich zur Durch-
fahrung der Aufgaben der Justizverwaltung seiner Räte als des
Organs bediente, welches ihn in der Erledigung der Regierungs-
geschäfte überhaupt unterstützte, liegt auf der Hand.
Die privatrechtliche Auff'assung der in der Hand der Landes-
herm vereinigten Befugnisse gestattete auch den Baiernherzogen ^ ),
über Regierungsrechte wie über privates Eigentum zu verfügen.
Das wichtigste unter diesen, die Gerichtsbarkeit, die als eine
vorzügliche Einkommensquelle betrachtet wurde, wurde deshalb
bei der Geldnot der Fürsten von diesen Andern gegen Entgelt und
zur Sicherung ihrer Forderung übertragen. Solche Veräußerun-
gen und Verpfändungen von herzoglichen Gerichten kamen
nicht selten vor *). Eine solche Preisgebung von Jurisdiktions-
rechten bewirkte dann jene unheilvolle Vermehrung der Patri-
monialgerichte ^), die noch nach Jahrhunderten die herzogliche
Gerichtsbarkeit lähmen und das ganze staatliche Leben zersetzen
sollte und eine erhebUche Schmälenmg der landesherrlichen
Machtstellung im Gefolge hatte.
Excurs.
Die Gerichtsbarkelt fiber den Herzog.
Wenn es auch den bairischen Herzogen gelungen war die
jorisdiktionelle Unabhängigkeit ihrer Territorien von Kaiser
und Reich immer mehr auszubilden und zu befestigen, so blieb
doch die Person des Herzogs selbst in allen causis maioribus
1) Ober die Yerftnßening der brandenburgischen Gerichte durch die
Markgrafen TgL Kuhns, Geschichte der Gerichtsrerfassnng und des Pro-
X6tse8 in der Mark Brandenburg. Berlin 1865. L S. 284 £
2) Siehe die Beispiele bei Bockinger, Einleitung, S. 165f; ygL noch
Qu. und Er. VI, 60, 66, 72.
3) Über diese ygL § 7.
— 16 — .
dem Gerichtszwange des Königs unterworfen. Diese Gerichts-
barkeit des Königs^) über die Fürsten des Reichs hatte sich
aus der Lehengerichtsbarkeit des Lehensherm über die Vasallen
entwickelt und hatte nicht nur in den Rechtsbüchem *) des
13. Jahrhunderts, sondern auch in R.Gesetzen ^) allgemeine
Anerkennung gefunden. Mit der Abschließung der Reicbsfürsten
zu einem besonderen, von den Freien und Edlen getrennten
Stande^) war nach dem deutschrechtlichen Grundsatze, daß
Jeder nur von seinen Standesgenossen gerichtet werden solle,
die Übung zum Rechtssatze erwachsen, daß über causae
maiores der Fürsten nur Fürsten oder Fürstengenossen als
ürteilfinder fungieren dürfen*). Der Kreis dieser causae
maiores — Leib, Recht, Ehre, Lehen (auch Erbe) — erstreckt
sich gewöhnlich auf alle peinlichen Klagen, welche eine Lebens-,
Leibes- oder Ehrenstrafe im Gefolge haben können, femer auf
die Rechtsstreitigkeiten, welche die Reichslehen, einschließlich
der Regalien, zum Gegenstande haben*). Wie nun auch die
Evocationsprivilegieu von 1417 bezw. 1443^) nicht nur die
Unterthanen der bairischen Herzoge, sondern auch diese selbst
und ihre Güter von der Ladung zum kgl. Hofgerichte befreien.
1) Vgl Aber die Entwicklung des Fürstengerichts die DarsteUung
Franklins, RHofger. H, S. 97 ffi und 134 flf:
2) Ssp. m, 55 § 1; Schwsp. (Gengier) c 105 § 1.
3) z. B. Const Mog. 1235 c 15. Landfrieden 1281 und 1287 (M. 6. L. II,
p. 315, 435, 439, 451, 581).
4) Franklin II, 139, 146, 150; Ficker, Vom Rcichftlrstenstande,
S, 58 fL
5) Ungefähr seit 1274 wird dies als ein unstreitiges Recht der Fürsten
durch den König anerkannt (Franklin II, 151). Als Herzog Ludwig von B.
sich 1448 weigerte vor dem Kanmiergericht zu erscheinen, gab K Friedrich IIL
ihm die Zusicherung, dafi er nur von Fürsten „vor unserer Majestät und
unsere und des Reichs fürsten, die wir zu uns seczen werden**, gerichtet
würde (Tomaschek, Die höchste Gerichtsbarkeit des deutschen Königs, in
Sitz.-Ber. d. Wiea Ak. 1865. Bd. 49. S. 558) ; 1458 wahrten in einem Prozesse gegen
denselben Herzog die Fürsten dieses ihr Rocht in einem Schreiben an den
Kaiser, indem sie ausführton, es sei anerkannten Rechtes, daß das Gericht
„um leib, ere oder regalia** eines Fürsten nur mit Kurfürsten und Fürsten
besetzt werden dürfe (Franklin II, 156).]
6) Franklin II, 104, wo auch die Varianten der einzelnen Rechts-
qucllcn bei Aufzählung der causae maiores angegeben sind.
7) Das von 1362 erwähnt die Herzoge nicht
^
— 17 —
60 kann sich diese Exemtion nur auf solche Klagen beziehen,
welche jenseits des Kreises der causae maiores^) liegen. Und
wirklich sehen wir auch vor wie nach Erlassung dieser Privi-
legien die bairischen Herzoge dem Urteilsspruche des Königs
und der Fürsten unterworfen. So wurden die Ansprüche, welche
Heinrich der Löwe auf Baiem machte, befriedigt *) und diesem
1154 dieses Herzogtum judicio principum ^) auf dem Keichstage
zu Goslar unter K. Friedrich I. zuerkannt.
Wegen Hochverrats wurden folgende Baiemherzoge vom
Königsgerichte ihres Herzogtums entsetzt: 976 der Herzog
Heinrich II.*) unter König Otto H., 1053 Herzog Konrad »)
unter K. Heinrich IE., 1138 Heinrich der Stolze®) unter K.
Konrad IE., endlich 1180 Heinrich der Löwe/) unter K.
Friedrich I. Mit der Übertragung der bairischen Herzogswürde
auf die Witteisbacher waren es sodann die durch die unglück-
seligen Teilungen des Landes hervorgerufenen Zwistigkeiten
unter den einzelnen Mitgliedern dieser Dynastie, welche zu
wiederholten Malen die Jurisdiktionelle Thätigkeit des Kaisers
und der Keichsstände in Bewegung setzten. Solche wichtige
staatsrechtliche Streitigkeiten, in welchen der Kaiser als oberster
Lehensherr zur Entscheidung berufen war, wurden gewöhnlich
erledigt auf den Beichstagen, welche dann als höchstes Beichs-
gericht funktionierten, indem die dort anwesenden Fürsten und
Großen des Beichs in der ihnen zur Entscheidung unterbreiteten
Bechtsfrage das Urteil fanden ®). Bei der eingehenden Dar-
1) Das nur vereinzelt unter diesen aufgefOhrte „Erbe** findet auch hier
1[eine SteUe.
2) Franklin I, 88: Schon Eonrad IIL hatte versprochen, auf dem
Reichstage zu Begensburg 1151 diese Ansprüche secundum principum consilia
tu entscheiden.
3) Franklin I, 89.
4) Franklin I, 24; Riezler I, 363.
5) Franklin I, 30; Riezler I, 46a
6) Franklin II, 143; Riezler I, 629.
7) Franklin I, 90 £; Heigel bei Heigel-Riezler 52 £, wo aus
der Belehnungsurkunde des Erzbischofs Philipp v. EOln mit Westfalen Gründe,
welche Heinrichs Verurteilung herbeigeführt hatten, mitgeteilt werdea Vgl.
aber das in mannigfacher Hinsicht interessante Rechtsverfahren noch
Riezler I, 719 ff. und die daselbst citierte Litteratur.
8) Eine ünttrscheidung der verschiedenen Funktionen der curia impe-
riaüs, je nachdem sie politisch als Reichstag, oder rechtsprechend als Hofgericht
Roieathal, Getehichte d. Oeiichtsw. u. d. Verw.-Orf. Baierns. T. o
— 18 —
Stellung, weiche solche Prozesse gegen bairische Fürsten bereits
gefunden haben ^), kann ich mich hier auf eine kurze Anführung
derselben beschränken.
Vor allem war es der wilde Ludwig der Bärtige von In-
golstadt, gegen welchen auf Klage seines Vetters Heinrich von
Landshut K. Sigismund (1417 zu Konstanz) ein verurteilendes
Erkenntnis erließ, wonach Kläger im Besitze von Land und
Leuten belassen wurde*).
Durch Friedensbrüche und Bedrückungen aller Art gab
Ludwig nicht nur den Landshuter und Münchner Herzogen,
andern weltlichen Fürsten und Städten, sondern auch den be-
nachbarten Bischöfen und vielen Klöstern Grund zu gerechten
Klagen, welche das Vemgericht und das Basler Concil, das den
Kirchenbann über L. verhängte, zu energischem Vorgehen ver-
anlaßten^), so daß K. Sigismund als Vogt des Concils und als
oberster Richter der heimlichen Acht die Absetzung des unbot-
mäßigen Fürsten aussprechen zu wollen erklärte.
Und wirklich sprach der Kaiser gegen ihn des Reiches Acht
und Bann aus, aber erst, nachdem gegen den Angeschuldigten
ein den prozessualen Grundsätzen entsprechendes Verfahren
beim kgl. Hofgerichte*) durchgeführt worden war (1434). Schon
waren die benachbarten Reichsstände zur Exekution gegen L.
bereit, als dieser sich unterwarf und sich durch seinen Reich-
thfttig wurde, war im Mittelalter noch nicht dorchgeföhrt Vgl auch Wacker,
Der Reichstag unter den Hohenstaufen. 1882. S. 8,77; Herrn. Ehrenberg,
Der deutsche Reichstag in den Jahren 1273—1378. 1883. & 4 (Bist Stu-
dien, Heft 6 u. 9>.
1) Für die Prozesse des 15. Jahrhunderts ist namentlich zu verweisen
auf Franklin I, S. 276 ff.; Büchner, Gesch. von Bayern VI, S. 220 ffi
2) Buchner VI, S. 234; v. Frey borg, Gesch. d. bayerischen Land-
stände. Sulzbach 1828. L S. 374.
3) Unter den Beschwerdepunkten des H. Wilhelm von München hebe
ich hervor, die Bäuber fänden in seioem Lande Schutz, er verweigere das
Recht, bedrücke die ünterthanen, verweigere die Erteilung der Lehen u. s. w.
v.Freyberg, LandstI, S.484; Krenner I, 8.78 ff; 89ff:j Kluckhohn,
Herzog Wilhelm III, in Forsch, z. d. deutsch. Gesch. IL S. 585 £
4) Franklin I, S. 286 ff; 288: E. Sigismund erklärte, er habe L. geladen
„für unsem richter, dem wir dann den stab bevelhen, und unser und des
reichs fursten und herm, die wir ihm lufugen werden**.
— 19 —
tum des Kaisers Gunst erkaufte, so daß ihn dieser aus der
Reichsacht löste ^ ).
Gegen Herzog Heinrich von Niederbaiem, der gelegentlich
des Konstanzer Reichstags (1417) gegen seinen Vetter Ludwig
den Bärtigen einen Mordanfall verübt hatte, fällte K. Sigismund
erst 1431 mit den auf dem Nürnberger Reichstage versammelten
Fürsten ein im Verhältnis zur Schwere des Friedensbruchs
mildes Urteil*).
Als mit dem Erlöschen der Straubinger Linie (1425) die
bairischen Herzoge über die Art der Erbteilung sich nicht einigen
konnten, wurde der bekannte Straubinger Erbfolgestreit ^) durch
jenen Spruch des kgl. Hofgerichts zu Preßburg (26. April 1429)
beendigt, welcher eine Teilung des Landes nicht nach Linien,
sondern nach Köpfen festsetzte.
In den durch den Tod Ludwigs von Ingolstadt ( 1447) über
die Succession in dessen Lande zwischen Heinrich (Landshut)
und Albrecht (München) entstandenen Irrungen gelang es der
kaiserlichen Gewalt nicht sich Geltung zu verschaffen. Hein-
rich besetzte trotz der begründeten Teilansprüche Albrechts das
ganze Land, und das kgl. Hofgericht kam gar nicht zur Fällung
eines endgültigen Rechtsspruches, da Heinrich den wiederholten
Ladungen des Königs keine Folge leistete*).
Außer im Fürstengerichte hatte der Kaiser noch Gelegen-
heit die Streitigkeiten bairischer Herzoge zu schlichten, indem
er von den streitenden Teilen als Schiedsrichter gewählt wurde.
Es darf hier nur an den berühmten Kölner Spruch vom 30. Juli
1505 erinnert werden, durch welchen K. Maximilian I. dem
Landshuter Erbfolgekriege ein Ende machte und die wegen der
Verlassenschaft des Herzogs Georg von Niederbaiem entstan-
denen Streitigkeiten beilegte ^). Ein solcher Schiedsspruch
1) Franklin I, S.291.
2) B uc h n e r VI, S. 26a Das Urteil lautet© auf öffentl. Abbitte, Stiftung
Ton 3 Messen, Wallfahrten, Zahlung der ärztlichen Kosten und Stellung eines
größeren Kontingents zum Hussitenzugc.
3) VgL über den Verlauf desselben Rockinger, Einleitung S. 251 ff.;
V. Freyberg, Landst I, S. 409 ff.; Buchner VI, S. 249 ff.
4) Krenner III, S. 240 ff.; IV, S. 127 ff.; v. Freyberg, Landst I,
S.510 ff; Buchner VI, S. 317 f.
5) Krenner XV, S. 111 ff.
2*
— 20 —
wurde aber auch in Gegenwart der Beichsstände auf einem
Reichstage gefällt, so daß faktisch bei der Fassung desselben
die nämlichen Faktoren beteiligt waren, die im Fürstengerichte
ein Urteil fanden, da der Kaiser auch vor Fällung des Schieds-
spruchs die Ansichten der Anwesenden gehört und wohl auch
berücksichtigt haben dürfte. Aber nicht nur der Kaiser, auch
Fürsten und Andere wurden als Schiedsrichter zur Entscheidung
von Streitigkeiten der Baiemherzoge mit Fürsten berufen *).
Diesen Streitigkeiten, welche zumeist politischer Natur waren,
stehen gegenüber die privatrechtlichen Ansprüche gegen den
Herzog. Auch in dieser Beziehung war schon frühe für einen
Rechtsschutz der Unterthanen und anderer Personen gegenüber
dem Herzog Fürsorge getroflFen worden, ohne daß man auch
für solche Fälle den Kaiser bezw. den Reichstag hätte zur Ent-
scheidung berufen müssen.
Wegen aller nicht zu den causae maiores gehörenden Rechts-
streitigkeiten mußten die bairischen Herzoge des 13. Jahrhunderts
als Beklagte Recht nehmen vor dem Pfalzgrafen vom Rotthaie
(dem Ortenburger), welcher diese Gerichtsbarkeit in Regensburg
auszuüben hatte*).
Einer Ladung an ein auswärtiges Gericht braucht der
Herzog nicht Folge zu leisten. Gerade dieses, Aufhebung der
Verbindlichkeit des Herzogs, wegen aller gegen ihn erhobenen
Klagen einen auswärtigen Richter anerkennen zu müssen, scheint
Zweck dieser pfalzgräflichen Jurisdiktion gewesen zu sein •).
Wie lange dieselbe bestand, läßt sich nicht feststellen.
1) Z. B. 1284 der Bischof von Passan bei einem Streite mit dem En-
bischof von Salzbarg (Franklin, Beitrage z. Geschichte d. Rcception dat
Tom. Rechts in Deutschland. Hannover 1863. S. 33) ; 1291 kam K Wenzel IL
von Böhmen bei einem Streite mit H. Heinrich v. Baiem flberein, die Ent-
scheidung Schiedsrichtern zu überlassen (Ott, Beiträge z. Beceptionsgesch.
d. röm.-can. Prozesses. Leipzig 1879. S. 136).
2) M. B. XXXVI a. 350 : „Ez sol auch der pfallentzgraf von dem Bottal
an dez hertzogen stat sitzen in dem Latran, and sol rihten aeber dem
hertzogen. Swer hintz im iht hat ze sprechen und davon mag man dem
hertzogen aoz dem lande niht gebieten dheine reht ze tuen.*' Diese von
1326 datierte Stelle muß nach Ri ezler (Hcigel-Riezler S. 198) schon*in
der 1. Hälfte des 13. Jahrb. redigiert worden sein wegen der Erwähnung des
Pfalzgrafen vom RotthaL
3 ) Vgl W i 1 1 m a n n , Die Pfaligrafen von Bayern. 1877. S. 73.
J
— 21 —
Im 14. Jahrhundert begegnen schon zur Entscheidung der
gegen bairische Herzoge gerichteten Klagen Austräge, Schieds-
gerichte, welche im späteren Mittelalter überhaupt unter den
deutschen Reichsständen als erste Instanz vereinbart wurden.
In einem Bündnisse des Herzogs Stephan H. und dessen
Söhnen mit Herzog Albrecht vom 7. November 1369 ^) wird
ein solches Auatragsgericht eingesetzt, um jeden Akt kriegerischer
Selbsthülfe abzuschneiden, zur Entscheidung von Klagen wegen
Geldschulden auswärtiger Gläubiger gegen einen der Herzoge.
Der Kläger wählt 2 seiner Freunde, der Beklagte Herzog
2 seiner Räte, und den Obmann ernennt der Kläger aus des
Letzteren Rat — und die fftnf sfiUen auch gewaltig sein der
minn oder dez rechten trewleich on gevärde.
In gleicher Weise und zu gleichem Zwecke wird in einem
Vertrage des Herzogs Albrecht von Österreich mit H. Stephan
und dessen Söhnen von Baiem ein nach denselben Grundsätzen
zu konstituierendes Schiedsgericht vereinbart, nur daß der Ob-
man erst dann bestellt wird, wenn unter den 4 keine Überein-
stimmung erzielt wird — der sol denn auch bei seinem aid als
recht darumb sprechen und dabei sol es beleiben ^). Hier wird
also jede Appellation gegen den Spruch ausgeschlossen, während
später eine solche zum höchsten Reichsgericht allgemein zu-
gelassen wurde.
Aus den wiederholten Vereinbarungen der Fürsten, vor
einem (wenigstens teilweise) aus ihren Räten zusammengesetzten
Schiedsgerichte Recht zu nehmen^) entwickelte sich gewohn-
heitsrechtlich der Satz, daß die herzoglichen Räte das ordent-
1) Wer der ist, er sej edlerer oder anedlerer . ., der hintz nns herm
«inen von geltz wegen ze sprechen hat und doch in desselhen herm land
nicht gesefsen ist Qu. n. Er. VI, S. 505.
2) Qu. u. Er. VI, S. 626.
3) In einem Landfrieden von 1437 versprachen die Stranhinger Herzoge
Ernst und Alhrecht, daß sie allen denjenigen, welche redliche Sprüche zu
ihnen hAtten, Rechtes sein und zwar ihre geschworenen Räte entscheiden
lassen wollten. Was zu Recht durch den mehreren Teil der Räte gesprochen
würde, das wollten sie stät halten (Krenner II, S. 56 £). — Ein Rat-
schlag der Münchner Räte und Landschaft 1444 hesagt sodann: Es sollen
auch unsere gn. Herm den ihrigen, wer zu ihnen zu sprechen hat, auch
forderlich Rechtens sein und ergehen lassen vor ihren Räthen (Krenner I,
ß. 175 ; vgL noch das. IV, S. 76).
— 22 —
liehe Forum für die Entscheidung aller gegen den Herzog ge-
richteten Ansprüche bilde.
Daß es als ein Freiheitsrecht der deutschen Fürsten be-
trachtet wurde, in erster Instanz vor ihren Eäten^) belangt
zu werden, geht femer aus einem Schreiben des Herzogs
Georg von Baiem*) (1488) an den schwäbischen Bund hervor').
Durch die KammerGer.Ord. von 1495 bezw. 1500*) wurde so-
dann die Austrägalinstanz zu einer ordentlichen reichsgesetz-
lichen ersten Instanz (als ein eigentliches Reichsuntergericht) *),
indem festgesetzt wurde, daß Kurfürsten oder Fürsten ohne Unter-
schied auf ,den Stand des Klägers vor 9 ihrer Räte Recht zu
nehmen hätten. In dem oben*) mitgeteilten Privileg K. Maxi-
milians I. für Herzog Georg (1495) wird sodann in Bezug auf
den Gerichtsstand desselben bei den gegen ihn erhobenen Klagen
ausgesprochen: „Wer zu dem genanten . . herzog Georgen oder
seinen erben zu sprechen hette oder gewünne umb was sachn
1) So hatte beispielsweise 1422 K Sigismund auf eine Klage des K TOr-
ringer gegen H. Heinrich yerfügt, dieser solle dem T. gerecht werden mn
aUes, was er zu ihm zu sprechen habe, auf seiner Räte 9 oder 7, die Wappen-
genossen sind, und was diese erkennen, dabei soU es bleiben (v. Freyberg;
Landst I, 387 £).
2) Datt, De paee imp. publica. 1698. P. 1 c 27 n. 79 (Landshnt,
Mittwoch nach u. L Frawentag Assumpcioms 1488). So sind wir auch on
das bifshero gepurlichs aufstrags vor der Kaiser! Maj. alfs unserm orden-
liehen Richter oder vor unsem Räten in Krafft imserer FürstL freiheit und
an andern zimlichen enden, njcmand in ewerm Punt yerwant, der defs an
uns gesonnen hett, Yorgestanden.
3) In einem wegen der Pfandschaft zu Schwabeck zwischen den Her-
zogen Ernst und Wilhelm III. entstandenen Rechtsstreit wurde die Entschei-
dung des Münchner Hofgerichts (1432) angerufen« welches gebUdet wurde yon
dem Hofineister des beteiligten Herzogs Wilhelm III- und 13 seiner Räte.
Herzog Ernst war selbst, zugleich als Bevollmächtigter seines Bruders WilL,
bei der Verhandlung zugegen und liefi „fürbringen, wie Recht und Urteil
vormalen . . geben hab, wen daz ist, daz sj mein Herrn (die Herzoge) Tor-
dem, so soUen sj In darumb Rechtens sein vor Im geswom Räten, und toll
da beschehen, was Recht sey.** Die ürteilsfäUung wurde auf eine folgende
Hofgerichtssitzung vertagt, die Sache aber schließlich entschieden dnrch den
Schiedsspmch eines herzog! Rats, des Ritters Heinr. Nothaft (L o r i, Geschichte
des Lechrains. H S. 123, 127)
4) a. 28 u. 30; KG.O. 1500, tat 11; K.G.O. 1566, II tit IL
5) Zöpfl, Deutsche Rechtsgeschichte. Braunschweig 1872. IL S. 406L
6) S. 10.
^
— 23 —
das were, der oder dieselbn sollen das rechte darumb vor uns
oder unser nachkhomen am reiche röm. kaisem und kunigen
oder vor iren reten, wie sich dann nach gelegenheit ainer jeden
Sachen gebüret und nindert anderswo suchen und nemen." —
Für Criminalsachen wird also die Gerichtsbarkeit des Kaisers
festgehalten , für privatrechtliche Ansprüche gegen den Herzog
aber die der herzoglichen Räte anerkannt. Auf dieser Grund-
lage ruht auch L. Fr. I a. 11, welcher vorschreibt , daß alle
Klagen gegen den Baiemherzog bei dessen Räten, also bei
seinem Hofgerichte, anzubringen seien, während die Appellation
gegen diese Erkenntnisse an das Reichskammergericht gehen
müssen ^ ).
Für alle Prozesse, in welchen der Herzog als Kläger auf-
tritt, wurde selbstredend an dem ordentlichen Forum des Be-
klagten festgehalten *).
So sehen wir trotz der sich immer mehr befestigenden
landesherrlichen Gewalt den Herzog in steter Unterordnung
imter die Jurisdiktionsgewalt von Kaiser und Reich in Bezug
auf alle staatsrechtlichen Streitigkeiten sowie in Bezug auf alle
Klagen krimineller Natur. Auf der andern Seite hatte aber die
immer mehr erstarkende Gerichtsherrlichkeit des Herzogs doch
selbst den Unterthanen ihm gegenüber den Rechtsschutz nicht
versagt. Indem der Herzog sich der Gerichtsbarkeit seiner
eignen Beamten unterwarf, erschloß er Jedermann die Möglich-
keit unbeschränkter Rechtsverfolgung selbst gegen den Landes-
herm.
1) Umb des undterthans ansprach zue seinem lands-
f flrsten. Werde jemand zue uns, xmsem erben und nachkhomen zne sprechen
oder zne dagen haben, der sol das thnen vor unsem rftthen. Vor den soUen
wir anch gerecht werden lantt des articls in des heiL reichs ordnnng defs-
halben gesetzt^ mit vorbehalltang uns, auch nnserm widertail die appellation
wie sich gehuert nnd recht ist (v. L e r c h e n f e 1 d S. 221). Vgl den land-
schaftlichen Entwurf von 1507 hei Krenner XYI, S. 136.
2) L. Fr. L a. 10 ibid. : — Yor ains jeden derselben Sachen ordenlichem
gericht nnd richter.
Die Bedentnng der Vemgerlchte flir Batorn.
Die erstarkende Landeshoheit der Fürsten konnte ihren
Sieg erst mit der ADcrkennung ihrer ausschließlichen Ge-
ricbtsherrlichkcil als errangen butraclitcn. Ihr erfolgreiches
Streben suchte ditlier, wie gezeigt, nicht nur Ausschließung
jeder fremden Jurisdiktionellen Gewalt, sondern auch Un-
abhängigkeit von der Oerichtsgewait des Kaisers zu er-
langen. Den ersten Markstein in diesem Prozesse der sieb
abschlieUenden Gerichtsherrlichkeit der boiriscben Herzoge be-
zeichnen die Evocations-, den zweiten die Appellationsprivile-
gien. Nicht berührt durch diese Privilegien wurden al)er, wie
ausdrücklich in denselben herN-orgehoben wurde, die Fälle
der Rcchtsverweigerang tind Rechtsverzögerung. Hier sollte
die Macht des Kfinigs als Hort des Recht« im ganzen Reiche
vollkrftfüg sich entfalten , sein oi>erste3 Richteramt mußte der
Gerechtigkeit in den entferntesten Gauen des zersplitterten
Vaterlandes zum Siege verhelfen. '
In jenen trübsten Tagen der deut»:hen Vergangenheit , in
der Periode des Faustrechts, als ohnmächtige Könige ihrer
schönsten Itcgentfinptlicht , des höchi^ten Richter&mts, nicht zb
«alten vermochten'), als die Territorialgerichte zu schwach
waren, um mächtige Ülwlthäter ihrer Gewalt zu unterwerfen,
traten die Vemgerichte an ihrer statt auf als energische ütlter
des Recht», üie Volksgerichle auf roter Erde boten in jener
trostlosen Zeit allgemeiner Rechtsunsichorheit, in welcher div
gerechte Sache des Schwachen der Herrschaft roher Gewall
prei^egeben war, dem Wehrlosen eine Zuflucht, indem sie selbst
den mächtigsten Übetthater ihrem Richterspnick unterwarfen
und vom Meere bis zu den Alpen die Vollziehung desselben
sicherten.
1) Dach bedient«]) nch iDch wiederum Blntelne Kftüer dei micliüg^ Eio-
fltuMi dor VeiDgerlcbte itu Voraichtong fOntlicbsr FriednowWrvr. bdem de
ftb obente Kicht«r d«fl hdalicben Gericht« Urteile denelbeo nr VolLttroclraiiic
biin^n Helen.
— 25 —
Selbst bairische Herzoge beugten sich der Macht der west-
fälischen Gerichte. Das Recht der Freistühle, ihre Gerichts-
gewalt auch auf Fürsten zu erstrecken, folgte aus der An-
schauung, daß sie in des Königs Namen und an seiner Stelle
richteten^), eine Auffassung, die sie mit Entschiedenheit zur
Anerkennung brachten, wie denn auch die bairischen Herzoge
die Zuständigkeit der Veme über sie nicht anfochten. Die
Freigrafen, im stolzen Gefühle ihrer Macht, baten den König,
als sie ihm die Vervemung Herzog Heinrichs von Baiern mit-
teilten, ausdrücklich, ein Exempel zu statuieren *), „op dat eyn
ander dar an gedenke und deme rechten gehorsam sy, op dat
sey deme hilgen Ryke to smaheit und to hone dey hemelike
achte und dat recht nicht underdrucken, na deme als gy wol
weten, wu juwer koningliker ere dat bevolen is, wante eyn
iderman geseten under dem hilgen Römischen Rike, dey sy
groet eder kleyne, edel, wolgeboren eder unedel, solke grote
sware ordele billike vorchten sal" *).
Die Herzoge Heinrich und Ludwig entgingen übrigens der
Vollstreckung der über sie verhängten Vervemung *).
Als die Ritterschaft Baiem- Landshuts 1416 zum Schutze
ihrer Freiheiten einen Bund geschlossen, dem 1420 Herzog Lud-
wig von Ingolstadt und dessen Stände sich angeschlossen hatten'^),
zog Heinrich wutentbrannt gegen Caspar den Törringer, den
Hauptmann des Bundes, zu Felde und zerstörte dessen Stamm-
burg. Der Törringer klagte wegen dieser Gewaltthat den Herzog
vor dem Freistuhle der Veme an ^). Die Sache wurde vor meh-
reren Freistühlen verhandelt ^) ; der Herzog, welcher sich auf das
Zeugnis mehrerer bairischer Freischöfifen berufen konnte, er-
1) Lindner, Die Veme. Münster und Paderborn 1888. S. 554.
2) Lindner S. 554.
3) Thiersch, Yervemimg des Herzogs Heinrich d. R von Baiern. Essen
1835. S. 86 f.
4) Lindner S. 554.
5) Siehe 26.-29. Freibrief (v. Lerchenfeld, S. 59 ff.).
6) Vorher hatte der Kaiser, an den er sich gewandt hatte, ein Ge-
rieht von 7—9 herzoglichen Bäten angeordnet; doch führte dies nicht zum
Ziele.
7) Eine SchOderong dieser Prozefigeschichte bei v. Freyberg, Landst.
L S. 392 ff
— 26 —
reichte des Törringer VervemuDg, als dieser einmal ausgeblieben
war. Der Törringer focht diese Vervemung als ungerechtfertigt
mit Erfolg an und nach wiederholten Verhandlungen ^ ) wurde
die Vervemimg Heinrichs von dem Limburger Freistuhl erkannt,
doch wurde auch diese*) 1430 als ein „Ungericht'*, das nicht
zu Recht bestehen könne*) (wegen eines Formfehlers: Nicht-
vorladung des Beklagten) aufgehoben *). Ein Nachspiel zu diesem
Prozesse bildet die Klage L. von Santizells gegen Herzog Heinrich
(was dieser an C. und L. dem Törringer gefrevelt habe) vor
dem westfälischen Gericht. Hervorragendes Interesse bietet dieser
Prozess dadurch, daß ein Akt desselben sich auf bairischem
Boden abspielte. Nachdem nämlich H. Heinrich, weil er der
Ladung keine Folge geleistet hatte, vervemt worden war, er-
schien er (1433) auf dem Zollhause zu Landshut vor den bairi-
schen Rittern, die Schöffen waren der heimlichen Acht, und
erklärte, der Santizeller sei früher mit seiner Klage abgewiesen
worden, eine neue Ladung habe er nicht erhalten, er appel-
1) Als auf Yermittlimg H. Ludwigs ein Aastrag zur Erledigung das
Streits in Anssicht genommen war, erklärten die Freigrafen urkundlich, sie
rieten dem Herzog, dafi ein Vergleich erwirkt werde mit dem T., denn ge-
schähe das nicht» so besorgten sie, daß ihm die Sache und das schwere Q^
rieht so nahe konunen werde, als sie bei einem Fürsten uüd guten Manne
nicht gerne sähen, dafi ein so hochgebomer Name so vermindert werde und
in Schwachheit käme (v. Freyberg, I, S. 402).
2) In der Vervemung heifit es: der Freigraf habe Heinrich, der sich
schreibe Herzog in Baicm, von königlicher Gewalt genommen, verfehmet und
vervortet aus dem echten TaU in den unechten, aus dem obem in den
niedem, von aUen Rechten ausgeschieden und gewiesen von den 4 Elementen»
die Gott dem Menschen zum Trost gegeben, dafi sein Leichnam nimmer
dazu vermengt werde und sein Hals und sein Lehen sei dem Reiche
und Könige verfaUen; er sei geweiset echtlos und machtlos, friedelos und
leiblos, dafi man mit ihm verfahren mOge als mit einem verfehmten Manne
und ihn ausrichten nach dem Gesetze des Rechts (ibid. S. 402). Die
Vcrvemungsurkunde ist abgedruckt bei Thiersch, S. 65 £ (Urkunden
No. 1 a).
3) „und dem Herzog unschädlich sei an Würde, Glimpt Leib und Ehre^
da er nicht verboten worden, wie sich gebtlhrt (^ibid. S. 406).
4) Eluckhohn, Wilhelm UL (Forschungen z, deutschen Gesch. IL
S. 530). Als Heinrich sich auf dem Nürnberger Reichstage 1431 wegen dee
MordanfaUs auf Ludwig d. Bärtigen (zu Eonstanz) verantworten sollte, bat
er um Aufischub, weil er, von dem Vemgerichte verklagt, eiligst nach West-
falen reisen mflsse.
— 27 —
liere deshalb gegen die Verurteilung an den Kaiser^). Zum
endgültigen Austrage scheint die Sache nicht gekommen zu sein.
Welch gewaltiges Ansehen sich das Vemgericht selbst bei mäch-
tigen Fürsten zu verschaffen wußte und wie oft in Streitigkeiten
selbst der Fürsten die heilige Veme als letzte Zuflucht betrachtet
wurde, dafür bieten die Beschwerden der Herzoge Wilhelm in.
und Ernst von München gegen Heinrich einen anschaulichen
Beleg. Die Klage vor dem Hofgerichte führte nicht zum Ziele.
Ein vertrauter Rat, den W'ilhelm zum Herzog von Berg ge-
schickt hatte, kam mit der Botschaft wieder, die besten Freunde
meinten, daß man den Landshuter auf keine andere Weise zu
nützlichem Austrage verbringen möchte, denn mit dem heim-
lichen Gerichte *). Und wirklich machte Wilhelm seine Klage
vor dem Freistuhle zu Lüdenscheid anhängig, doch kam es nicht
zu einem Endurteil, da Heinrich die Macht der Veme fürch-
tend nachgab und sich dem Spruche K. Sigismimds (1434) unter-
v?arf *). Diese Nachgiebigkeit Heinrichs mag wohl durch das
Schicksal veranlaßt worden sein, welches die heimliche Acht
einem andern Witteisbacher bereitet hatte. Ludwig der Bärtige
war von mehreren Edlen vor dem westfälischen Gerichte verklagt
xmd verurteilt worden, wie K. Sigismund in einer Urkunde 1433
sagt — mit dem heil, heimlichen gericht redlichen verfürt und
lins und mäniglich sein leib und gut und sunderlich uns als
•einem röm. keiser seine Lehen erlaubt sein *). Auf Grund
-dieser Vervemung betrachtete sich der Kaiser als Herr des
Ingolstädter Landes, dessen Verwaltung Wilhelm von München
fähren solle, bis nach des Kaisers Tod der Ingolstädter mit
4em Münchner Landesteile vereinigt werden könnte. Dass aber
4er Kaiser im Begriffe mit kriegerischem Aufgebot den Urteils-
spruch in Vollzug zu setzen, sich mit Ludwig aussöhnte, wurde
schon erwähnt^).
Nachdem die Landesherren selbst sich der Macht der
Vemgerichte nicht zu entziehen vermocht, kann es nicht
1) V. Freyberg, Landst I, S.522 ff.
2) Klnckhohn, Wilhelm in. S. 582.
3) Franklin, RH.Ger. I, S. 284; v. Freyberg, Landst I, S. 519 iL
4) Franklin I, S. 286 ff.
5) Ebendas.
Wunder Dehmun, daß auch bairische Usterthanen and bairieche
Städte') vor den westfälischen Freistühlen Recht nehmen
niuBten.
Vor dem 15. Jahrhundert scheint die Machtsphftre der sog.
heimlichen Acht sich nicht snweit nach Süden erstreckt zu
bal>en, denn nur aus dieser Periode sind uns urkundliche Be-
richte aus Baiem Qber Vemgerichtsprozi'sse erhalten. Jetzt
aber, nachdem selbst bairische Herzoge (Heinricli d. B., Wil-
helm III. von München) es fdr wünschenswert erachtet hatten,
unter die Glieder des heimlichen Gerichts aufgenommen zu wer-
den*), finileu »ich Freischöffen im Kreise der bairischen Beamten,
ja selbst im hcrzoglieheu RiiIl'. Die Landesherren begünstigten
die Aufnahme ihrer Beamten unter die Wissenden, um eventuell
an ihnen einen wirksamen Schutz und eine Erleichterung bei
Ladungen der Vemgerichte zu gewinnen *).
Voll ergreifender Tragik ist der Kampf, welchen Ulrich
Erhnrl, der sogenannte Bauer von Brück*), um sein Recht
und seine Existenz kämpft "^j. Nachdem dem Bauern su
seinem Itecht gegen das Kloster Fürstenfeld von Westfalen
aus verhelfen worden war, wandte er sich, als ihm zum
zweiten Male sein Eigentum durch eine unglückliche Verket-
tung von Umst&nden in Folge Richterspnichs entzogen wurde,
an einen westfälischen Freistuhl, verklagte wiederholt Richter
und Gemeinde Müring, den Abt von Fürstenfeld und sogar
1} Dal gegen viele bnirinthe Sttdt« und Stadtbflrger und aneb g«(an
bairiacbe Kl0*t«r vuingericbtlicbo ProzeRte uigeMrengt worden, besrngt
Lindner S. 617, 667.
8) Lindner tj. 609 C führt nnt« den dentaehnn Fanten eine grOlan
Zahl fon Freitchoffeo anC
3i Errt «eit dem Ende de« 11. Jahih. wurden die aoAerbalb WMt&l«i*
wohnenden FreiKbsffen in grOtorer Zahl aufgenomninn. Dioaem UmaUailft
verdankt die Veme ihre gefILrehteto HachUtellaiig im IS. Jahrb. BaSriaeh*
Froiachnffon kominen nnt loit 1434 vor. Vgl. Lindner 8. 606 C Viel«
der angeaebenitea M&nner dei Baierlaodei, die I*rejrnngeT, Clonci; Sej-
boltadorfer, Tanfklrcher a. A, eruheineo im 16. Jahriitmdert utar den Prd-
achOfFen (t. Frojbotg L & SOOf ),
4) H. B. IX, 376 ff. »fö C
6) Eine aoafUulicbe Dacttenong dleaea iaterM*anl«i B««htadUlea gibt
Oei*^ BeitTiga inr Qewsh. d. wMtpfU. Oeriebt* b Bajen tOboh. Areh. Xn.
& 188 fl.).
— 29 —
Herzog Albrecht ^), der die Klage des Bauern auf dessen Ver-
langen dann vor seinem Hofgericht zur Entscheidung brachte,
nachdem mancherlei Hindernisse sich einer endgültigen Erledi-
gung hindernd in den Weg gestellt hatten. Daß in Prozessen
bairischer Parteien, die vor einem westfälischen Vemgericht an-
gestrengt wurdep, auch vor dem Freigrafen ein Kompromiß auf
bairische Freischöffen vereinbart ward, bezeugt der unten aus-
zugsweise mitgeteilte Ingolstädter Spruchbrief*).
Schon die Furcht vor den westfälischen Gerichten wirkte heil-
sam und schon allein die Thatsache der Vorladung bahnte dem
Siege des Rechts den Weg, da wo man auf gewöhnlichem Wege eine
Rechtshülfe nicht erwarten konnte, auch wenn die Sache nicht auf
roter Erde urteilsmäßig erledigt wurde *). Als z. B. 2 Münchner
Bürger einen Prozeß, den sie vor dem Wiener Stadtgerichte
anstrengen mußten, nicht zu Ende zu bringen vermochten, ver-
klagten sie den Wiener Magistrat in Westfalen und erklärten auf
Vermittlung Herzog Albrechts (1441) von dieser Vorladung ab-
stehen zu wollen, wenn das Wiener Stadtgericht schleunige
1) Eino Vorstellang von der Angst» die selbst mächtige Herren vor einem
Konflikte mit der Yeme beschlich, gewinnt man, wenn man erwägt, daß der
Herzog selbst bei dem Ritter K von Freyberg, der der westfälischen Sachen
fast knndig nnd wissent» anfirag, wie er sich verhalten nnd ob er die Sache
des Banem, da er es verlange, vor seinem Gerichte annehmen solle
(Geiss S. 191).
2) „Wir (1 ans Ofensteten, 2 ans Abensberg und 2 Ingolstädter Bürger)
Alj die spnichman Bekennen all aindrachtigklichn Als die gewärten nnd ge-
echwom fireyschOpffen nnd wissendt des HeyL Born, reichs haymlicher rechten**
in einer Irning, wegen welcher H. ans Nenenkirchen den Bichter, Stadtkammerer
nnd Bat der Stadt Abensberg „fOr das haymlicb gericht zne den fireyen han
unter den linden geladen, nnd haben die partheycn vor dem freyengrafen zu den
freyen han verwilligt der sache auf 4 wissendt zn verhomng komen nach
lawt einer Compermifsion von dem freien graven danunb ansgangen nnd
haben die partheyen nicht geainigt mügen werden. Und umb der nrsach
willen, anch damit die zwo partheyen mer nnradts mne nnd schaden ver-
tragen beleiben, Na haben wir mit den partheyen sovil geredt . . . das alles
teyen die partheyen auf uns obgemelt spruchman zue ainem stäten gantzen
und unzebrochen hintorgangk eingangen und des bey uns beliben'' . . .
Ingolstadt 1463 (YerhandL d. histor. Vereins i Niederbayem. Landshut 1868
xm. S. 22 £).
3) Vgl den Prozeß eines Münchner Kürschners gegen den Abt von
FOrstenfeld (1465), wo der Kläger in Folge der Anrufung der Veme eine
beträchtliche Entschädigung erwirkte (Geiss, Beitr. S. 199).
— 30 —
Ausrichtung gewähren würde 0- Immer erreichte eine Klage
beim Gerichte auf roter Erde den Zweck — Gewährung von
Rechtshülfe. Als Ludwig der Reiche 1465 zweimal Freigrafen
um Zurücknahme ihrer Ladungen^) ersuchte, konnte er sich
auf das Zeugnis dreier herzoglicher Pfleger berufen, welche alle
drei als rechte und ächte Schöffen sich verbürgten, daß dem
Kläger des Rechtes Tröstung werde.
Ein Mittel gab es für die gen Westfalen geladene Partei,
sich der Folgeleistung zu entziehen, darin bestehend, daß sie
die Sache vor das kgl. Hofgericht brachte, wo dann durch den
Urteilsspruch die Entbindung von der Ladung ausgesprochen
wurde ^). Eine Verweisung eines vor der Veme Beklagten vor
das herzogliche Hofgericht konnte nur vor der Vervemimg ge-
schehen. Als die Räte der Herzoge Ernst und Wilhelm verlangten,
dass ein bereits Vervemter vor sie gewiesen würde, schlug dies
K. Sigismund 1429 ab mit den Worten: „Kein Kurfürst, Fürst,
Herr, noch Niemand anders mag vor solchem Gericht gefreit
sein und das ist auch unmöglich, nur vor offenbaren mögen sie
gefreit sein. Zwar könne sich ein Herr für seine Unterthanen
zu Ehren und Recht erbieten, aber das müsse vor der Ver-
vemung erfolgen; ist diese erfolgt, kann keine Freiheit gegen
das heimliche Gericht helfen" ^).
Natürlich führte dieses Anrufen der Vemgerichte auch zu
großen Mißbräuchen und veranlaßte Beschwerden der Unterthanen,
die durch solche Ladungen zu kostspieligen Reisen gezwungen
wurden. So wohlthätig sich der Schutz der Vemgerichte bei
mangelhafter Rechtspflege erwiesen hatte, so wenig war für ihre
Jurisdiktion ein rechtfertigender Grund vorhanden, sobald
die Landesgerichte ordentlich ihres Amtes walteten und
jedem Rechtsuchenden sich pflichtgemäß behilflich erwiesen.
So kam es, daß eine auf Verbot bezw. Beschränkung der Vem-
gerichte abzielende Agitation aus den Kreisen des Publi-
kums nur bei einer allen Anforderungen entsprechenden Re-
iz Üeiss, Beitr. S. 187.
2) Einnial war die Stadt Ingolstadt» ein anderes Mal ein Bnicker Bflrger
geladen (Geiss, Bcitr. S. 201\
3) Zweimal erreichte dies z. 6. die Stadt Wasserburg (Heiserer, Bei-
trag z. Gesch. d. westfiU. Ger. in Bayern: Ob. Arch. XXI, 150 1).
4) Lindner S. 434.
.^
— 31 —
form des Gerichtswesens einen segensreichen Erfolg haben
konnte.
In dieser Richtung bewegen sich denn auch die Vorschläge
der herzoglichen Räte und der Landstände i) bei Beratung
eines Landgebots (für den Münchner Teil 1444), indem ein Ein-
schreiten nur gegen diejenigen gebilligt wird, welche gen West-
falen ziehen, obwohl sie im Lande Recht bekämen. Zugleich
bitten sie den Herzog, er möchte Jedem, der Rechtens begehre,
ein billiger Richter sein und Recht nicht verziehen. „Deß-
gleichen, daß sein Gnad in allen Gerichten und mit allen Richtern
in Städten und Märkten ordnet, daß einem jeden, armen und
reichen, Gästen und Landleuten Recht nicht verzogen, noch ab-
geschlagen und niemand rechtlos gelassen werde, wann das also
gesetzt imd geordnet ist"*). Werdann darüber gen Westfalen
lädt, der soll mit Strafe nebst Kostenersatzpflicht büßen. Der
praktische Antrag zielt nun nicht etwa auf ein gänzliches
Verbot des Rechtszugs auf die rote Erde, denn für Prozesse
der Freischöffen unter sich soll er zulässig bleiben^), bei an-
deren Personen aber von dem Nachweise abhängig sein, daß
sie von dem Landrichter imd von dem Landesfürsten rechtlos
gelassen wären. Damit war für den Herzog ein Sporn ge-
geben nach besten Kräften für eine gute Rechtspflege zu sorgen,
denn Niemandem dürfte das Dingen gen Westfalen verhaßter
gewesen sein als den bairischen Landesfürsten, die nicht
nur persönlich in höchst peinlicher Weise durch den Macht-
bereich der westfälischen Gerichte zu leiden hatten, sondern
diese auch als einen schweren Eingriff in ihre Gerichts-
herrlichkeit empfanden. Für die Machtstellung der Vem-
gerichte ist es aber bezeichnend, daß sich die Fürsten solange
diese Eingriffe in ihre landesherrliche Gewalt gefallen ließen*).
1) Auch in Brandenburg tritt eine starke Opposition der Bevölkerung,
bes. der St&dte gegen die Vemgerichte hervor. Dieselbe kommt sogar zxmi
Aosdnicke in einem Bündnisse der altmärk. Städte (Eflhns, Gesch. d.
Gericht8ver£ in d. M. Brandenburg. L S. 91).
2) Erennor I, S. 163.
3) Ercnner 1,8. 175 t: Hätte ein wifscnder mit einem andern, der auch
wilsend wäre, etwas zu rechten, das für das wifsende Recht gehört, darum
loD daselbst beschehen, was dann daselbst recht ist
4) Vgl Lindner, S. 525; Eühns I, S. 88 £
— 32 -
Ein energisches Landgebot wegen der Anrufung der west-
fälischen Gerichte * ) erging durch die Herzoge Albrecht und
Sigmund 1468 *). Die Herzoge motivieren die Erlassung des
Verbots damit, daß, obwohl sie ordentlichen Gerichtszwang und
über Leib, Ehre und Gut zu richten hätten und jedem an
iliren Gerichten Recht Suchenden solches gewährten, sie und
ihre Unterthanen doch mit den westfälischen Gerichten be-
schwert und ihre auf Grund der königlichen Reformation ')
und ihrer Privilegien ergangenen Abforderungen nicht beachtet
würden.
Nicht schlechthin untersagt wurde die Ladung gen West-
falen, sondern darauf wurde Gewicht gelegt, daß die nach der
königlichen Reformation dem Herzoge zustehende Abberufung
einer solchen Ladung vom Freistuhle respektiert würde. Im
Falle der Nichtbeachtung sollten die auf roter Erde ergangenen
Urteile in Baiem nicht gebraucht, von einem inländischen Ge-
richt auf sie kein Urteil gegründet, sondern sie für kraftlos
und nichtig gehalten werden. Mit denjenigen, welche trotz der
Abforderung ein Urteil in Westfalen erlangt hatten , sollten die
bairischen Beamten im Betretungsfalle wie mit des Reiches
Achtem und Überächtem verfahren, und ebenso sollte es den
Boten ergehen, die solche Urteile bairischen Unterthanen ver-
künden würden *). Auf dieses Landgebot wurde dann in der L.O.
1) Die Herzoge kamen flberein ein gemeinsames Verbot zu thon von
deren wegen, die gen WestfEden laufen, nnd die ihrigen wider landl&ofige
Bechte mit denselben fremden Gerichten ftimehmen und treiben, zu Mflhe
und Schaden bringen unbilliger Dinge, das zu förkommen, zu wehren und
zu stxaflen (Erenner Y, S. 374).
2) Ein gleiches Verbot Albrechts und Ludwigs aus dem Jahre 1456 er-
wähnt G e i s s , Beitr. S. 199 ; 1461 bitten die Landshuter Stände um Schutz
gegen Appellierung an fremde Gerichte (y. Freyberg, Lands! I, S. 539).
3) Vgl die sog. Reformation K Friedrichs IIL von 1442 § 14 (N. SaramL
d. RAbsch. L S. 173\
4) Erenner V, S. 374 ff. Femer soll kein Beamter Einen, der solches
Fümehmen mit westfälischen Gerichten thut» Sicherheit und Geleit geben,
wie auch der Herzog Ecinem, der seine Unterthanen in dieser Weise be-
lästigt, seine Landeshuld zu geben verspricht Vgl auch M.B. XXV, p. 372, wo
L., weil er 1477 Jemand auf fremde westfälische Gerichte geladen und sich
nicht mit dem einheimischen Gerichte begnügen wollte, was als Treubruch
gegen seinen Herrn, den Abt v. Michelfeld, betrachtet ward, hierwegen ins
Gefängnis wandern und bei seiner Entlassung Urfehde schworen mufito.
^
— 33 —
von 1474 einfach zurückgewiesen und dasselbe den Amtleuten
zur Darnachachtung wiederholt eingeschärft^). Das ist die
letzte Spur einer Reaktion der bairischen Gesetzgebung gegen
mißbräuchliche Ladungen vor die westfiilischen Gerichte. Als
dann Kaiser Maximihan I. 1495 durch die Errichtung des
RKammergerichts eine Instanz geschaffen hatte, welche jedem
Reichsangehörigen in Fällen der Rechtsverweigerung oder -Ver-
zögerung Hülfe gewährte, war der Ausdehnung der Thätigkeit
der Vemgerichte auf ganz Deutschland jede Berechtigung ent-
zogen und sie fristeten ihr Dasein auch fernerhin nur noch als
Territorialgerichte. In Baiern *) war vorher schon das Ein-
schreiten der Gesetzgebung vom Erfolge gekrönt, denn seit dem
7. Dezennium des 15. Jahrhunderts fehlt jede Kunde einer Be-
ziehung bairischer Unterthanen zur Veme.
§3.
Die kirchllclie Gerichtsbarkeit«
Geistliche uud weltUche Jurisdiktion haben so vielfache, oft
zu Konflikten der beiden Gewalten führende Berührungspunkte,
daß einer erschöpfenden Darstellung der Verfassung und des
Wirkungskreises der staatlichen Gerichte auch eine Erörterung
der Kompetenz der geistlichen Gerichte ergänzend zur Seite
treten muß ^). Da für diese der Standpunkt des kanonischen
1) Krennor VII, S. 496. Im Stadium der Yorberatuug der LO. hatten
die Landfltände proponiort, daß eine Kommission von Landlenten und Räten,
die wissend wären, über die Sache sitzen und wegen der Abforderung halben
mit unterschiedlichen Dingen, dadurch ein jeder abgefordert würde, für-
nchmen (ibid. S. 422, vgl. auch S. 307;, doch ist von dem Resultate einer
derartigen Eommissionsberatuug später nicht mehr die Rede.
2; In dem oben S. 12 mitgeteilten Privileg K. Maximilians I. für Herzog
Georg 1495 war diesem und seinen Unterthanen die Befreiung von jedem
fremden Gerichtszwange (noch auch an die heimlichen gorichte in West-
valen) verheißen.
3) Auf die reiches QueUenmateriel für ganz Deutschland bietende Schrift
von Friedberg, Do finium inter ecclesiam et civitatem regundorum ju-
dicio. Lipsiae 1861, sei hier besonders vorwiesen.
Roten thal, Geschichte d. Oerichtsw. u. d. Verw.-Org;. Baijrns. I. 3
— 34 —
Rechts^) iu der Praxis des Staatslebens nicht unbedingte An-
erkennung gefunden hatte, so handelt es sich hier darum, die
Entwicklung der staatlichen Gesetzgebung, soweit sie diese
Materie im Einklänge oiler im Widerstreit mit den kanonischen
Satzungen regelte, zu verfolgen.
In Baiem*) waren für die Abgrenzung der beiden Juris-
diktionsgewalten im allgemeinen jene Grundsätze maßgebend,
welche im Schwaben Spiegel zum Ausdrucke kamen, welche
weniger eine scharfe Grenzabsteckung enthielten, sondern
mehr ein Zusammenwirken der beiden Gerichtsgewalten zu
ihrer gegenseitigen Kräftigung betonten : Wan ein gerihte
sol dem andern gerihtes helfen: so sint si beidiu deste
vester^).
Dieses ideale Zusammenwirken im Dienste der allgemeinen
Rechtssicherheit erkennen schon die älteren Landfrieden*) an,
wenn sie bestimmen, daß nicht nur richterliche Ächtung, son-
dern auch bischöfliche Exkommunikation den des Raubes Be-
schuldigten trefl'en soll, welcher der ersten gerichtlichen Ladung
nicht Folge leistet.
Die Abgrenzung der beiden Jurisdiktionssi)hären ist sowohl
eine sachHche, als eine persöuUche. Einerseits wird sie be-
stimmt durch den geistlichen oder weltlichen Stand der Parteien
oder des Angeschuldigten, anderseits durch den Gegenstand des
Rechtsstreits imd die Natur des Delikts.
Das dem Klerus reichsgcsctzlich ^) bestätigte Privileg, daß
seine Mitglieder nur vor dem geistlichen Gerichte Recht nehmen
i) über dio AasdeliDUDg der kirchlichen Jurisdiktion über die Laienwelt
auf Grund des kanonischen Rechts vgl. Zorn, Lehrb. des Kirchenrechtf.
Stuttgart 18S8. S. 114 f., 479.
2) Auch in Osterreich vgl Luschin, S. 250 f.; Aber den Rcchtszustand
im Norden vgl. Planck, Gerichtsvorfahren, I, S. 1 ff. ; in Brandenburg spe-
ziell Kuhns I, S. 272 ff
3) c. 140 § 3 (Gengier).
4) Landfrieden 1244 a. 13 ; 1255 a. 15 (Qu. und Er. V, S. 80, 143).
0} Auth. Frid. II. Statuimus (L 33 de episc. et der. C. I, 3. bestätigt
nur das schon seit der fränkischen Periode geltende Recht Vgl hierüber
Sohm (Zcitschr. f. Kirchenrecht IX, S. 248 ff.»; Ed. Löning, Geschichte
der deutschen Kirch enrechta. Straßburg 187G. IL S. r>lß ff., 527.
— 35 -
mußten ^), vermochte nicht allgemeine Anerkennung zu erringen.
Zwar hat der älteste bairische Landfrieden (1244) das Privi-
legium fori der Geistlichen unbedingt adoptiert, indem c. 25^)
bestimmt : Item nuUus iudex secularis violenter de clerico [quan-
tum ad personam vel spiritualia] ^) iudicet, nisi prius a suo
episcopo fuerit degradatus. Postea sententia dictante iudex
circa ipsum procedat. Allein schon der Schwabenspiegel, ein
sicher nicht kirchenfeindlichen Tendenzen huldigendes Rechts-
buch, hat das Prinzip, daß der weltliche Richter nicht über einen
Geistlichen zu Gericht sitzen dürfe*), durchbrochen^) und ge-
stattet (c. 77 Gengier) ^) den Geistlichen vor dem weltlichen
Richter umbe gulte zu belangen. Der bairische Landfrieden
von 1300, dessen § 4n) die erwähnte Bestimmung von 1244
wiederholt, macht der geistUchen Gewalt noch mehr Konzes-
sionen als der Schwabenspiegel, indem er nur den Geistlichen,
welcher einen Laien vor dem weltlichen Richter verklagt, ver-
pflichtet, sich auf eine Widerklage vor diesem einzulassen —
aber nur um Schuld. Diese von der staatlichen Gewalt an-
erkannte immunitas personalis des Klerus scheint aber in der
bairischen Gerichtspraxis wenig beachtet worden zu sein.
Gerade in Baiem scheint die Neigung vorgeherrscht zu haben.
1) Gleich den Geistlichen gonosssen dieses Privilegium fori die gc-
weihten Schüler, „so in gefreyten Schulen lernten** (v. Freyherg,
Über das altdeutsche Öffentliche Gerichts - Verfahren. Landshut 1824.
8. 139).
2) Qu. und Er. V, S. 82; wiederholt imLandfr. 1255 (a 30), 1281 (a 47\
1300 (a. 41). - Qu. und Er. V, S. 146, 347; VI, S. lia
3) [ ] Späterer Zusatz zwischen 1244—1256 vgl Bockingor, Zur
iu& Gesch. d. älteren baierischen Landfrieden (Abb. d. Münchner Akad, Hist
KL 1867. Bd. X. S. 449).
4) Friedberg, Do finium p. 140.
5) Daß die bairischen Landfrieden sich enger an die kanonischen An-
Behauungen anschlieüen als der Schwsp., erklärt sich wohl daraus, daü der
L Landfrieden 1244, die Grundlage der folgenden (B o c k i n g er, Landfrieden,
S. 434 £, 448 t\ einer Vereinbarung Herzogs Otto mit dem Erzbischof von
Salzburg und dessen Suffraganen, sowie mit den Bischöfen von Eichstädt
imd Bamberg entsprungen ist ^
6) Ebenso Buprecht von Freysing ed. Maurer, I c. 67.
7) Qu. und Er. VI, S. 118: — ob ein pfaffo einen laien ansprichet vor
werltlichcm geriht» der sol im da daz recht hinwider tun niht wan umb giUt,
ond anders niht
3*
— 36 —
Geistliche vor dem weltlichen Gerichte zu belangen^), da
K. Ludwig in Bestätigung alter, der Geistlichkeit von Kaisern
und Päpsten verliehenen Privilegien in einer Urkunde vom
19. Dezember 1322 sagt: „Es*) sol auch niemant dehainen
pfaffen noch sein gftt bechlagen vor dem richter, dan vor ir
richter, es sei umb gölt oder umb swelher lay sach daz ist
Und swas gewonheit wider diu vorgenanten vreiheit der pfafifen
und wider unser vorgenant bestaetigung in allem unserm lande ze
Bayren aufgestanden sint, diu nemen wir ab und wellen si nicht
clu*aft haben 3).
Aber noch im Laufe des 14. Jahrhunderts macht sich
gegen diese schrankenlose Ausdehnung des Privilegium fori eine
Reaktion geltend. K. Ludwig selbst hat durch sein oberbairi-
sches Stadtrecht*) eine Bresche in dasselbe gelegt durch die
Statuierung des forum rei sitae als des ausschließlichen Gerichts-
stindcs für alle innerhalb des Burgfriedens gelegenen Grund-
stücke ^). Mit welcher Energie die Landesherren jeder Umgehung
dieser Kompetenzbestimmung entgegentraten, dafür legt das
Schreiben der Herzoge Stephan, Friedrich und Johann Zeugnis
ab, in welchem sie mit scharfen Worten dem Unterfangen eines
Augustiners begegneten, welcher 1372 den Propst von Pollingen
wegen eines Streits um ein Münchner Haus nach Avignon ge-
laden hatte und alle Beamten aufforderten dem Propst behülf-
licli zu sein und ihn zu beschirmen®). Das deutschrechtliche
1) Friodberg, De fin. p. 146.
2) Qa. und Er. VI, S. 277; Bestätigung dieses Privüegs 1334 and 1806
(L 0 r i , Gesch. d. Lechrains, II, S. 52, 67 ; M. B. II, S. 144).
3) Hiermit stimmt auch überoin E. Ludwigs Ordnung für das Landgericht
Hirschberg 1320, welche geistliche Leute dem Gerichtszwango desselben
nicht unterwirft Daß bei Immobiliarklagen die Zuständigkeit des Land-
gerichts anerkannt wurde, ist aus den Protokollen zu beweisen.
4) MQnchner Stadtr. a. 271 (Auer); vgl noch Rain bei Lori, Lechrtin,
S. 51. Auch in Niedcrbaiem beherrschte dieses Prinzip die Stadtrechte, s. R
Landshut (Rosenthal, Beiträge z. d. Stadtrechtsgesch., S. 84\ Dingolfing
(G e n g 1 e r , Codex juris municip. Germ. Erlangen 1865. L S. 776).
5) VoAer war schon durch den oben erwähnten Zusatz dos Landfriedens
(vor 1256) „quantum ad personam vel spiritualia" eine Ausdohnong der
weltlichen Gerichtsbarkeit zu Gunsten der Streitigkeiten um Erb and Eigen
zugestanden worden.
6) M. B. XXXV, 2, p. 12^
i^tdäiU^M
— 37 —
Prinzip von der Ausschließlichkeit des forum rei sitae hatte also
gegen Ende des 14. Jahrhunderts die unbedingte Herrschaft in
Baiem derart gewonnen, daß auch bei Imniobiliarstreitigkeiten ^),
in welchen beide Parteien Geistliche waren, von demselben nicht
abgewichen wurde, während im allgemeinen solche Streitigkeiten
dem weltlichen Richter entzogen waren ^). Den besten Beweis
für den Sieg des Dinglichkeitsprinzips bezüglich des Forums
bietet ein Weistum des Landgerichts Nabburg, welches (1359)
auf die Frage eines Kirchherrn, wo er Recht nehmen soll um
Seelgerät, da man Vigil und Jahrtäg, Seelmesse und Gedächtnis
mitgemacht habe, erkannte: Waz auf erb und aygen geschaft
ist, daz schul er anvertigen auf dem Lantgericht; waz aber
sust geschaft wirt oder Gatergelt haist, do mag er umb wol an-
vertigen in seiner Chirchen oder auf geistleichen Rechten ^). Also
trotz der hier gegebenen innigen Beziehung zu kirchlichen Ver-
richtungen wird das forum rei sitae für zuständig erklärt. Einzelnen
Klerikern in hervorragender Stellung wurde eine Bevorzugung
in der Richtung zu Teil, daß ihnen durch landesherrliche Privi-
legien ein eximierter Gerichtsstand vor dem Fürsten rcsp. dem
Hofgerichte eingeräumt wurde. Selbstverständlich wurde aber
auch da, wo geistliche Personen oder Vertreter geistlicher In-
stitute als Partei vor einem weltlichen Gericht erschienen,
hierauf weder bei der Besetzung des Gerichts noch im Ver-
lahren irgend eine Rücksicht genommen^).
Daß überhaupt im 15. Jahrhundert die Gerichtsstands-
privilegien des Klerus vielfach nicht beachtet wurden, beweist
jene Urkunde K. Sigismunds (1418) für Salzburg, in welcher
betont wird, „daz die Bischofif, Prelaten und ander geystlich
Personen für gevordert und furgewendet werden sich vor welt-
lichen gerichten in den Landtschrannen ze verantwurtten, daz
sy auch willig wären und gern täten. In denselben weltlichen
schrannen sy auch mit irs selbs leib müssen ze recht steen".
1) Für Lehensstreitigkeiten wurde von der Kirche selbst die Zoständig-
keit des weltlichen Lehensherm fOr Geistliche anerkannt (Friedberg, De
fin. p. 142).
2) Vgl. Luschin S. 261.
3) Ried, Codex chron.-dipl. episcopatus Batisbonensis U, S. 890.
4) Vgl. die Beispiele bei Franklin, Beitr. S. 31 £
— 38 —
Trotz aller Beschwerden des Bischofs erhielt sich dieser Zu-
stand * ).
Aber auch andenvärts macht die weltliche Gewalt Versuche
die Kleriker ihrem Gerichtszwange zu unterwerfen, wenigstens
für bestimmte Kategorien von DeUkten. So, wenn das Stadt-
recht Ruprechts von Freising ^) dem weltlichen Richter gestattet,
auf Anklage eines Geistlichen gegen einen andern einzuschreiten
bei vorliegender Genehmigung der geistlichen Oberen, oder wenn
die Anklage auf Hochverrat oder Friedbruch lautet. Die Ten-
denz der Rechtsentwicklung geht also auf Ausdehnung der welt-
lichen Gerichtsbarkeit über geistliche Personen und Güter.
Wichtiger als diese immunitas personalis w^ar für den Staat
die Trennung der kirchlichen und weltlichen Gerichtsbarkeit
ratione causarum^), denn hier war es der ersteren möglich,
unter dem Gesichtspunkte der kirchlichen Natur einer Rechts-
sache eine sich weit erstreckende Gewalt über Laien für sich
in Anspruch zu nehmen. Konflikte zwischen den beiden Ge-
walten konnten hier beim Fehlen einer scharfen Grenzabsteckung
nicht ausbleiben.
Zu keiner Zeit bestritten wm^de die kirchliche Jurisdiktion
bezüglich der causae mere spirituales, zu welchen seit Ausbil-
dung der Sacramcntsnatur der Ehe namentlich alle Ehesachen
gerechnet wurden.
Alle mit diesen rein kirchlichen Sachen irgendwie in Ver-
bindung stehenden Rechtsverhältnisse wurden gleichfalls als
causae spiritualibus connexae dem kirchlichen Forum unter-
stellt. Zu dieser Kategorie gehören auch die Sponsalien, mit
welchen sich die bairische Gesetzgebung 1501 bescliäftigte, in-
dem Herzog Georg in der Landesordnung auf Gnmd land-
ständischer Beschwerden festsetzte, daß (clandestina) sponsalia
1) Friedborg, Die GränzoD zwischen Staat and Kirche. Tübingen
1872. 1, S. 111.
2) 1328 verfaßt (Stobb e, Gesch. d. d. RechtsqueUen. I, S. 436\ II c. 107
Do zwee brieefster kommennt für welüichs gerichtt es sein owangclier oder
letzner den sol der richter nicht richttnn es sj im dann bovolhnn von jr
niaisterschafft oder das er wider den lanndtsherm ist oder solich ding das
tzu dem frid gehörtt Unter diesem Friedbrucli ist nur grober Unfug» „Ru-
mor", zu verstehen (vgl. E. M ay e r, Die Kirchenhoheitsrechte des Königs von
Bajern. München 1884. S. 121
3) Vgl. für das Folgende F r i e d b e r g , De fin. p. 87 flu
— 39 —
und Versprechungen der Ehe in geistlichen Gerichten berechtet
werden dürften ^). Nichtsdestoweniger soll später nach den vor
dem geistlichen Richter gepflogenen Verhandlungen gegen die
Schuldigen wegen Übertretung eines Landgebots Strafe verhängt
werden. Zu dieser Gattung rechnete das bairische Recht wegen
des vorherrschenden kirchlichen Interesses auch die Kirchen-
gtiter, so daß alle diese berührenden Prozesse der Zuständigkeit
des bischöflichen Gerichts unterworfen wurden, wie schon der
Landfriede 1281 besagt: Ez ensol nieman rihten über dhein
widern*) denne der bischof^).
Nicht in gleichem Maße anerkannt blieb die kirchliche
Kompetenz in Zehntstreitigkeiten, denn während diese im
13. Jahrhundert*) noch fortdauert, läßt das 14. Jahrhundert
solche Prozesse vor dem weltlichen Forum entscheiden ^).
Patronatsstreitigkeiten werden auch der Kognition beider Ge-
richte unterstellt ^). Zu dieser Kategorie zählen auch die-
jenigen Rechtssachen, welche mit einer rehgiösen Handlung,
wie Eid oder Gelübde, in Verbindung gesetzt werden. Deshalb
nahm das Münchner Stadtrecht (a. 371) auch eine Konkurrenz
des geistlichen und weltlichen Richters an in Streitigkeiten,
welche aus den durch Gelübde bekräftigten Kaufverträgen ent-
standen waren, machte aber das Anrufen des kirchlichen
Richters von einer vorherigen Genehmigung des Stadtrats ab-
hängig.
Eine Ausdehnung der kirchlichen Strafgewalt über- Laien
wurde hervorgerufen durch die Ausbildung des Begrifl's der
delicta mixti fori'). Vergehungen, welche wegen ihrer Be-
ziehung zur kirchlichen Lehre das Einschreiten der geistlichen
Gewalt zulässig erscheinen ließen. Die kirchlichen Ansprüche
1) „ob sie der Ehe halben binden oder nicht** (E r e n n e r XIII, S. 306, 185).
2) Widern, die zu einer Pfarrkirche gestifteten nutzbaren Gründe
<Schmeller-Frommann U, S. 859), dos ecclesiae.
3) Landfrieden 1281 § 2; 1293 § 1; 1300 § 2 (Qu. und Er. V, S. 339;
VI, S. 23, 111).
4) z.B. 1216, 1266 bei Ried 1,8.315,487; Meichelbock, Eist Fri-
nng. p. 108.
5) 1351, 1361 bei Ried II, S. 875, 891.
6) 1210 R. B. II, p. 44; 1243 Ried I, S. 401.
7) Vgl über diese Richter-Dove, Lehrbuch des kath. und evangel.
Kirchenrechts. Leipzig 1874. 7. Aufl. S. 676 f.
— 40 —
fanden aber in dieser Richtung vielfach keine Anerkennung, so
daß sich die weltliche Macht die Aburteilung einiger rait der
sittlichen Aufgabe der Kirche enge zusammenhängenden De-
likte, wie Blasphemie*), Sacrileg*) und Übertretung der zur
Heilighaltung der Feiertage erlassenen Vorschriften *) vorbehielt
und auch den Wucherer zur Verantwortung zog*).
Bei Vergehen gegen die eheliche Treue war nach dem Schwa-
benspiegel (c. 173 § 13 Gengier) das weltliche Gericht kompetent,
sobald auf Todesstrafe erkannt wurde. Die Zuständigkeit des
geistlichen Richters war gegeben da, wo eine mildere Strafe an-
gedroht war*^). Das bairischc Recht unterstellte aber die Be-
strafung des Ehebruchs dem herzoglichen Richter®).
Um Übergriffe der geistlichen Gewalt in die weltliche Juris-
diktionssphärc zu vermeiden, ließ man sogar päpstlicherseits
den Grundsatz bestätigen, daß man keinen Bürger um weltliche
Sachen vor das geistliche Gericht ziehen soll. Als aber Papst
Nicolaus dies in einer Urkunde 1276 ') aussprach, fügte er bei
super Ulis quaestionibus civilibus, quas decanus Monacensis de-
cernit esse civiles. Hier war also noch der Geistlichkeit die
Befugnis eingeräumt, über die streitige Kompetenz selbst zu
entscheiden; doch scheint dieselbe praktisch nicht bedeutsam
geworden zu sein. Daß aber Übergritfc bei den schwankenden
Grenzbestimmungen immer noch vorkamen, geht daraus hervor,
daß 1497 bei den Anfangsvcrhandlungen über die L.O. von 1501
seitens der herzoglichen Räte der Standpunkt betont wird®),
daß dem Herzog sein Gerichtszwang gehandhabt und den Geist-
lichen nicht gestattet werden soD, die armen Leute wegen welt-
licher Sprüche für geistliche Gerichte fürzunehmen.
1) L.O. 1601 (Krenner XIII, S. 264).
2) Landrecht a. 177.
3) Münchner Stadtrecht a. 231 (Auer S. 90).
4) Ruprecht von Freising. II c. 74 (,M a u r o r S. 322).
5) Vgl Rosenthal, Die Rechtsfolgen des Ehehruchs. Wflnbnrg 1880.
S. 36 f.
6) Der Ehebruch sollte nicht als Vitztumhandel, das von Alters nicht
also Herkommen sei, bestraft werden, sondern durch Pfleger, Landschreiber
oder jemand andern, den Strafe zu thun gebührt und zusteht So L.0. 1501
CK r e n n e r XIII, S. 309).
7) M. B. XXXV, 2 p. 9.
8) Krenner XUI, S. 49 f.
— 41 —
Die kirchliche Gerichtsbarkeit seit der Reformation.
Als die Baiemherzoge einer Ausbreitung der Lehre Luthers,
welche Eingang in die Gemüter vieler ihrer Unterthanen ge-
funden hatte, mit Gewalt entgegenzutreten entschlossen waren,
glaubten sie sich im Interesse der Erhaltung des alten Glaubens
EingriflFe in die kirchliche Jurisdiktionsgewalt gestatten zu können.
Die erschütterte Glaubenseinheit konnte nur durch Gewährung
eines erweiterten Einflusses auf die Kirche an die am Katholi-
zismus festhaltenden Fürsten bewahrt werden. „Hatten schon
früher die Fürsten", wie Hinschius *) bemerkt, mehrfach ihrer-
seits mit ihrer reformierenden Thätigkeit in die kirchlichen
Verhältnisse eingegriffen, so wurde eine solche jetzt durch die
sich immer weiter verbreitende Auflösung der kirchlichen Diszi-
plin und die Verwilderung des Klerus geradezu herausgefordert".
Bei der Lauheit, mit welcher die Bischöfe dem Eindringen des
Protestantismus selbst unter dem Klerus zusahen 2), erschienen
außergewöhnliche Maßnahmen angezeigt. Auf Grund der Regens-
burger Reformation wurde eine herzogliche Kommission zur Ab-
urteilung häretischer Laien und Geistlichen bestellt •'*). Obwohl
die Häresie stets zu den kirchlichen Verbrechen gezählt wurde,
hat man sich hier, der Not der Zeit gehorchend, dazu ver-
standen, dieses Verbrechen durch staatliche Kommissäre (Laien)
aburteilen zu lassen, und hat selbst Kleriker der Gewalt dieser
Kommission unterworfen^). Durch päpstliches Indult wurde
1526 sogar gestattet, daß diese von den Herzogen eingesetzte
Kommission ohne Rücksicht auf die Ordinarien funktionieren
dürfe. Allerdings war diese Kommission aus Äbten gebildet^),
aber das Privilegium fori der Kleriker war schon durch das
Religionsmandat von 1522^) durchbrochen, welches den herzog-
lichen Beamten befahl, alle Übertreter desselben, Geistliche wie
1) Staat and Kirche, in Marquardsen, Handb. d. Off. Rechts. 1883.
I. S. 204.
2) Wie de mann, Dr. Jobann Eck. Begensburg 1865. S. 85.
3) Siehe Aber diese unten („Geistlicber Kat'').
4) Beispiele bei Winter, Geschichte der Schicksale der evangelischen
Lehre in und durch Baiem. Landshut 1809. I, S. 200 £
5) Siehe unten („Geistlicher Fat").
6) Winter a. a. 0., I, S. 310 ffi
- 42 —
Laien gefangen zu nehmen und dem Herzoge behufs weiteren
Einschreitens Meldung zu erstatten. Solche Maßnahmen stellten
sich allerdings als außerordentliche, gleichsam im Kriegszustände
notwendige dar, da die Herzoge als Vorkämpfer „des wahren
christlichen und ihrer Voreltern Glaubens" entschlossen waren,
die Lutherischen Meinungen, „damit die Einigkeit der christ-
lichen Kirche getrennt würde, auszurotten und in ihrem Fürsten-
tum nicht einwurzeln zu lassen". Das kirchliche Polizeiregiment ^)
gestaltete sich im 16. und in der ersten Hälfte des 17. Jahr-
hunderts zu einer dauernden, in vielfachen Gesetzgebuugs- und
Verwaltungsakten hervortretenden Einrichtung*). Die Staats-
gewalt, das eine Ziel, Aufrechthaltung des alten Glaubens, rück-
sichtslos verfolgend, griflf in das innere kirchliche Leben regle-
mentierend ein, indem sie die Beobachtung gewisser Glaubens-
satzungen bei Strafe gebot, alle den neuen Lehrmeinungen
huldigenden Unterthanen durch die herzoglichen Beamten be-
strafen resp. aus dem Lande jagen ließ ^). Mandate, welche ein
Verbot des Genusses des heiligen Abendmahls sub utraque sta-
tierten^), berühren, wenn auch im Interesse der Erhaltung des
Katholizismus erlassen, das Gebiet der Spiritualia, enthalten
also immerliin einen Eingriflf in die kirchliche Sphäre*).
1^ Vgl besonders Stieve, Das kirchliche Polizeiregiment in Baiem
unter Wilhelm V. und Max L 1596-1G51. München 1876.
2) „Selbst die religiösen Übungen der Unterthanen, der Empfang der
Sacramento zur österlichen Zeit» die Einhaltung des Fastengebotes, die Ver-
richtung des Türkengebetes, die Teilnahme am Gottesdienste und an Pro-
cessionen, insbesondere von Seite der landesherrlichen Beamten und der
Stadträte, wurden von Polizei wegen geregelt und überwacht (v. Sicherer,
Staat und Kirche in Bayern 179f»— 1821. München 1874. S. 3\
3^ So wurde z. B- 1569 unter der Leitung des Landhofmeisters Grafen
von Schwarzenberg von Albrecht V. eine Inquisition des Glaubenszostandes
im Herzogtum anberaumt Die Instruktion für die Rate und BevollmAch-
tigten (Sugenheim, Baiems Kirchen- und Volkszustände. 1849. I, S. 80)
verlangt eine genaue Untersuchung des religiösen Verhaltens der Beamten
und Unterthanen (Besuch des Gottesdienstes, Kommunion, Lesen sektischer
Bücher u. s. w.^ und fordert die Bäte auf, dahin zu arbeiten, daft die ein-
gesäten verführerischen Meinungen aus dem Herzen der Unsrigen weg«-
genommen und sie zum heilsamen Gehorsam der christlichen Kirche ange-
wiesen würden.
4) Sugenheim S. 86.
5) So behielt sich der Herzog auch eine Aufsichtsbefugnis über die Seel-
sorge vor, ordnete Verhaftung wegen verführerischer Predigt an, drohte Amts-
— 43 —
Gegenüber dem Klerus machte sich die staatliche Straf-
gewalt energisch geltend. Amtsentsetzung, Landesverweisung
und Gefängnis werden von weltlichen Behörden erkannt, die
Auch gegen die Ordensgeistlichen wegen Verfehlungen gegen
die Klosterzucht strafend einschritten ^). Auch da, wo die geist-
liche Obrigkeit die Strafgewalt über ihre Untergebenen aus-
übte, glaubte der Staat noch ein Kontrollerecht in Anspruch
nehmen zu sollen *).
Den klerikalen Beschwerden gegenüber berief man sich auf
die Sorglosigkeit und Nachlässigkeit der Bischöfe^) und auf
das Wesen der landesherrlichen Gewalt*). Als EingriflFe in die
kirchliche Jurisdiktion wurden besonders heftig beklagt die Aus-
übung einer staatlichen Strafgewalt über die Polizeivergehen der
Ceistlichen ^ ), sog. Rumorsachen. Man hielt aber an diesem
^,unvordenklichen Gebrauche bei den weltlichen Gerichten", ru-
morende Priester mit Geldbussen, WaflFenkonfiskation zu ahn-
den ^), fest.
Großen Anstoß erregte sodann bei den Bischöfen die Art
der Verhaftung GeistUcher und deren Einlief erung an den Or-
dinarius. Nicht das Recht der vorläufigen Festnahme, welches
dem Staate schon in der fränkischen Zeit eingeräumt war, wurde
bestritten, sondern die Art des Vollzugs, z. B. Ül)erschickung
auf einem Karren, sowie die Gewaltthätigkeit der Vollzugs-
beamten wurde als eine die Würde des Klerus verletzende
Entsetzung wegen Unfleifies beim Gottesdienste an. Beispiele bei F r i e d b e r g,
Gr&nzen. I, S. 195 1 Bericht der Regierung zu Burghausen „von der Priestere
Fleiß und Andacht in Verrichtung des Gottesdienstes" (1583) Sugenheim
S. 553.
1) YgL die vielen ausLoris' Sammlung mitgeteilten Beispiele aus der
2. HlUfte des 16. Jahrhunderts bei Friedberg, Gränzen, I, S. 191 ff. In
der 1. Hälfte des 16. Jahrhandcrts begnügen sich die herzoglichen Behörden
mit Verweisung der schuldigen Kleriker an ihre geistlichen Oberen.
2) Friedberg I, S. 194.
3) So ruft ein Bericht der Kcgicrung zu Burghausen aus: und wem ist
die crgerliche conniventia der Offizialen unverborgen V (Friedberg I,
S. 199); vgl Sugenheim S. 555 t
4) V. Sicherer a. a. 0. S. 5.
5) Über die Gerichtsbarkeit über Kleriker überhaupt vgl E. Mayer,
Kirchenhoheitsrechte, S. 36 ff.
6} Vgl. Bericht der Regierung Burghausen 1583.
— 44 —
gerügt^). Aus der Untersuchungshaft war eine Strafhaft ge-
worden *).
Umgekehrt hatten sich aber die Herzoge schon 1523 bei
der Kurie darüber beschwert, daß die Geistlichen in ihre, der
Fürsten Jurisdiktion gewältiglich eingriflfen, indem sie Laien um
persönliche Sprüche und Geldschulden und andere geringe Sachen
vor das geistliche Gericht citierten ^ ). Die Civilgerichtsbarkeit über
Geistliche stand aber nach wie vor dem staatlichen Kichter zu *).
So herrschte in beiden Lagern Unzufriedenheit. Die glaubens-
eifrigen Herzoge führten mit Strammheit und Energie die Züg:el
des Kirchenregimeuts, und da sie in der Verfolgung des ein-
zigen ihnen vorschwebenden Zieles allerdings die gesetzten
Schranken nicht immer innehielten, hallte das 16. Jahrhundert
wieder von Beschwerden der einzelnen Bischöfe über staatliche
Eingriffe in ihre Jurisdiktion. Als nun in Folge einer in Salz-
burg 1576 abgehaltenen Provinzialsynode der Erzbischof von
Salzburg in einem Schreiben an den Papst die Behauptimg auf-
stellte, daß er und seine Suflfragane nur durch die ungebühr-
liche Einmischung der weltlichen Macht an der Erfüllung ihrer
Amtsol)liegenheiten, an der Ausführung der zur Reform des
Klerus beschlossenen Maßnahmen verhindert würden*), wurde
der Nuntius Fei. Ninguarda von Gregor XIII. beauftragt, Albrecht V.
eine Schrift, die 28 gravamina der Ordinarien enthaltend, zu
überreichen (1578)*').
Damit nahmen die Konkordatsverhandlungen ihren Anfang,
die endlich nach 5 Jahren zu einem gedeihUchen Abschlüsse
führten'). Über die verschiedenen Stadien der Unterhand-
1) Gravamina J583 c. III a. 4 (Friedberg II, S. 202).
2) Vgl. R Mayor S. 37, wo auch aas Lori's Sammlung ein Beleg
dafür mitgeteilt wird, daß die Straubinger Regierung einen onprieeterlicheD
Religiösen dem Bischof auf einem Karren zur Strafe zuführen mofite. Mit
der Zuführung an den Bischof war auch oft Landesrerweisang und Ent-
setzung von der Pfründe verknüpft.
3) Vgl Instruction für Eck bei Friedberg I, S. 186 (Wiedemann
S. 085).
4) Arg. wenigstens für Prälaten L. Fr. I a. 7.
5) Sugonheim S. 232.
6) R Mayer, Kirchenhoheitsrechte, S. 42 ff.
7) Über den Gang der Verhandlung berichtet unter Mitteilung des In-
halts einiger buchst interessanter Aktenstücke Friedberg J^ S. 200 ff YgL
— 45 —
lungen, die bereits mehrfach dargestellt wurden, kann hier unter
Verweisung auf diese hinweggegangen und zu einer Erörterung
des durch das Konkordat geschaflfenen Rechtszustands geschritten
werden.
Das Konkordat 1683 ^).
In einem wichtigen Punkte bekundet das Konkordat von 1583 *)
eine weitgehende Konzession an die Kirche, wenigstens in Hin-
blick auf die Entwicklung des 16. Jahrhunderts, indem die
Staatsgewalt die unbedingte Unterstellung geitstlicher Verbrecher
unter das geistliche Gericht anerkannte*) (c. III quod de-
rlei delinquentes ad ordinarium — remittantur). Bei der
Verhaftung, zu welcher die staatlichen Beamten bei schweren
Verbrechen befugt waren, und bei Überschickung des DeUn-
quenten sollte mit der dem priesterlichen Stande gebührenden
Rücksicht verfahren werden — ordinis irreverentia vitabitur.
In der Praxis gestaltete sich die Sachlage so, daß die Staats-
gewalt sich zu einem Kontrollorgan^) der geistlichen Oberen aus-
bildete, jede Nachlässigkeit derselben in Bestrafung der Unter-
gebenen rügte. Abhülfe verlangte und außerdem für den Fall
des Ungehorsams auch ein Einschreiten ihrerseits androhte und
unter Umständen einen schuldigen Geistlichen mit Landesver-
weisung*) bestrafte^).
Es wäre Unrecht, die Rückkehr zu den Grundsätzen des
kanonischen Rechts in diesem Punkte einzig der Frömmigkeit
Wilhelms V. beizumessen. Schon Albrecht V. hat in einem De-
aa6er E. Major, Eirchenhoheitsrechte, S. 42 E, B e i n h a r d , Dio Eirchen-
hoheitsrechte des Königs von Baiorn. Münchon 1884. S. 21 ff.
1) Abgedruckt bei v. Frey borg, Pragmat Gesch. d. bayer. Gresetz-
gebung und Staatsverwaltnng seit den Zeiten Maximilians I. Leipzig 1858.
III, 8. 676 ff:
2) Bei Verhängung von Geldstrafen war den Gerichtsschroibem nnd
-dienern ihr Ansprach auf eine entsprochende Quote gewahrt
3) Den Herzogen wurde am 20. April 1583 vom Nuntius die Befugnis
eingerftumty bei Nachlässigkeit der Bischöfe konkubinarischo Geistliche selbst
mit Freiheitsstrafe zu bestrafen (E. Mayer S. 55).
4) Beispiele bei F r i e d b e r g I, S. 221 ff, 228 ff
5) Der Nuntius hatte, wie R Mayer a. a.0. S. 55 berichtet, dem Her-
zog 1683 das Recht eingeräumt, GeistÜcho wegen Konkubinats mit Freiheits-
strafe zu belogen.
— 46 —
kret an den Vitztum zu Straubing 1572 den Standpunkt ver-
treten, daß der Klerus mit Fürforderung und Strafen von den
Beamten nicht wie die gemeinen Laien und Landesleute be-
handelt werden dürften, und betont, er wolle den Ordinarien
hierin nicht entgegen sein und sähe es viel lieber, daß diese
ihre geistliche Gewalt und Jurisdiktion ungeschmälert in Händen
hätten, dadurch auch der Klerus etwas besser bei priesterlicher
Zucht könnte gehalten werden 0.
Wilhelm V. verbeschied dann eine Beschwerde des Ritter-
standes (1583), daß die rumorenden Geistlichen nur ihren Ordi-
narien unterworfen sein wollten, unter Verweisung auf das Kon-
kordat dahin: Ist auch allen Rechten und Vernunft zuwider,
daß die Geistlichen den Paurn gleich gehalten werden sollen ■).
BezügUch der Civilgerichtsbarkeit über Kleriker war eine
Einigung nicht zu erzielen, weshalb eine dahin gerichtete Be-
stimmung keine Aufnahme im Konkordate fand. Man setzte
protokollarisch fest, daß in dieser Beziehung der Status quo
aufrecht erhalten werden soll, da der Herzog auf die Civil-
jurisdiktion über Prälaten überhaupt nicht, auf die über die
andern Geistlichen erst nach Aufstellung von Dekanen ver-
zichten wolle ^).
Dieses Zugeständnis stimmt allerdings wenig zu dem Be-
richte der Regierung Burghausen, welche den Beschwerden der
Ordinarien gegenüber ausführte^): „Und weil die Schuldsachen
sowohl ratione hypothecae als cxecutionis für realisch zu halten,
ist nit allein dies Rentamts, sondern im ganzen Land von ur-
fürdenklichen Zeiten Herkommen, daß von Schulden wegen zu
den Priestern ihren Gütern und Einkommen bey weltlicher
Obrigkeit geklagt . . . darwider vor alten Zeiten die Ordinarii
den Gerichten einigen Eintrag nie gethau." Wie dieser Be-
richt, weist auch eine Beschwerde der Ritterschaft (1583)*) auf
den Übelstandjiin, daß ein Unterthan einen Geistlichen wiegen
geringer Schulden bei einem Ordinarius außer Landes verklagen,
daselbst Citation erhingen, wiedemm dorthin ziehen und lang-
samer Expedition gewarten müsse, wobei er mehr verzehre als
i) IL A. Dccr. Albrechts V. Bd. II (1572, Febr. 6.).
2) Kr. A. M. Beschreibung des Landtags 1583.
3) Vgl E. Mayer S. 51 f.
4) Friedberg I, S. 210.
— 47 —
seine Schuld sei. Dies gereiche auch der Geistlichkeit zum
Nachteil, da bald Niemand mehr aus Furcht vor späteren Un-
kosten mit ihnen handeln und ihnen in der Not zu Hülfe
kommen wolle. Auf des Herzogs Antw ort, die Ordinarien hätten
sich erboten, an mehreren Orten des Landes archidiaconos zu
ordnen, damit die Unterthanen nicht mehr dem Beklagten mit
schweren Unkosten außer Landes nachreisen müßten, repUcierten
die Ritter : Wenn von dem archidiaconus Abschied geweigert,
müsse man doch dem ordinario nachziehen und Unkosten auf-
wenden, und wenn es bei dem Abschied besteht, wird die Exe-
kution noch beschwerlicher. Auch auf diesen Punkt bezog sich
der oben erwähnte ablehnende herzogUche Bescheid.
In Ansehung des Nachlasses von GeistUchen ermächtigte
das Konkordat*), falls kein Testament vorhanden, die geistliche
oder weltliche Behörde nach dem Präventionsprinzip zur ein-
seitigen Vornahme der Obsignation, verlangte aber gemeinschaft-
liches Handeln bei der Inventarerrichlung und Regulierung der
Nachlaßschulden.
Den gerechten Beschwerden der Ordinarien darüber, daß welt-
Uche Gerichte Ehestreitigkeiten vor ihr Forum ziehen ^), schaffte
das Konkordat (c. 7) Abhülfe durch die AufsteDung des Satzes :
Causae matrimoniales aeque ac aUae Hquido consistoriales foro
Ecclesiastico libere committuntur. Für Prozesse um Zehnten
erklärte das Konkordat (c. 5) im allgemeinen das geistliche
Gericht für zuständig, erkannte aber daneben für gewisse Fälle
die Kompetenz des weltlichen Richters an, z. B. bei Rechts-
streitigkeiten um den Laienzehnten, um einzelne Leistungen
und bei possessorischen Prozessen.
So hatte also das Konkordat bezüglich der Jurisdiktion in
einigen Punkten eine Einengung der staatUchen Macht durch
Rückkehr zum kanonischen Standpunkte fixiert, andere streitige
Fragen unentschieden und damit einer ferneren gewohnheits-
rechtlichen Entwicklung freie Bahn gelassen.
1) c. 6 (v. Freyborg a. a. 0. III, S. 382) wiederholt die Bestimmung
eines 1539 mit dem Bischof von Kegeusburg abgeschlossenen Rezessen,
welche eine Reihe streitiger Fragen unentschieden läßt
2) Schon die Salzburger Synode beschwerte sich 1537 über diesen Ein-
giiffl tJbrigens wurden im Erzstifte Salzburg selbst bis 1527 sogar Ehe-
icheidungen vom weltlichen Richter ausgesprochen (Sugenheim S. 258 f ).
— 48 -
Das Konkordat veimochte aber nicht eine Beseitigung des
landesherrlichen Kircheureginients herbeizuführen. Es war unter
Max I. ein Staatskirchentum zur Ausbildung gelangt, welches
sich nicht nur in einer intensiven gesetzgeberischen Regelung
aller Verhältnisse des kirchlichen Lebens, sondern auch in einer
Überwachung der GeistUchen und ihrer Amtsführung, sowie der
gesamten kirchlichen Vermögensverwaltung geltend machte.
Das Konkordat hatte also keineswegs das Ziel erreicht, eine
vollständige Grenzabsteckung zwischen der Machtsphäre der
Kirche und des Staats herbeizufühien.
ZWEITES CAPITEL.
Die Gerichtsverfassung.
§*•
Die Landgerichte.
Die Landgerichte Baieras unter den Witteisbachern ' ) führen
ihren Ursprung zurück auf die Grafschaftsgerichte der karolingi-
schen Verfassung *). Wie diese war auch das Landgericht jetzt
schlechtweg das Gericht der öffentlichen Gerichtsverfassung*),
das Volksgericht.
An die Stelle der alten Gaue waren die Grafechaften *)
getreten, deren Feudalisierung auch in Baiern seit dem 11. Jahr-
hundert vollendet war. Die Inhaber des Grafenamts befanden
sich also auch im erblichen Besitze der gräflichen Gerichtsbar-
keit, die sie persönlich oder durch Stellvertreter an den alten
Dingstätten zur Ausübung brachten.
Die Ausbildung der Landeshoheit wurde in Baiem wesent-
lich befördert durch den glücklichen Erwerb der Besitzungen ^)
1) Über das Qerichtswesen Baieras bis 1180 vgl Biezler I, S. 127,
266 «L, 748 £
2) Ebenso wie die anderer Territorien, z. B. in Österreich (Lnschin
GescL d. Gerichtswesens in Österreich, S. 112), im Gebiete des Sachson-
ipiegels (B. Schröder, Die Gerichtsverfassnng des Ssp., in Zeitschr.^dor
Sarigny-Stiftiing. German. Abt V, S. 2 ff).
3) Sohm S. 150 ff.
4) Diese nenen Yerwaltongs- und Jarisdiktionsbezirke worden gewOhn-
Heh nach dem Grafen oder aber auch nach einer seiner Bargen genannt (vgl.
Riexler I, 8. 750).
5) Bockinger, Einleitung, S. 46 ff.; Biozier II, S. 12 £
Rofeathal, Oetchichte d. Oerichttw. a. d. Yerir.-Org. BMernt. I. 4
L
- 50 —
alter Grafengeschlechter seitens der ersten Herzoge*) aus dem
Hause Witteisbach. Durch diese Ausdehnung des Territoriums
wurde die landesherrliche Gewalt auch intensiv gesteigert und
die Herzoge in den Stand gesetzt, den alten Gn^schafts-
gerichten Richter eigner Wahl vorzusetzen. An Stelle der
alten vom König belehnten Grafen und ihrer richterlichen Organe
leiteten jetzt die vom Landesherrn ernannten Richter die Ver-
handlungen im Landgerichte, welchen Namen nun die alten
Grafschaftsgerichte *) angenommen *) hatten.
Die Auflösung der alten Gauverfassung*), welche in Baiem
schon seit dem 10. Jahrhunderte eintrat, bestand zumeist in einer
Teilung der alten Gaue. Für die so verkleinerten Amtsbezirke
wird teilweise die alte Bezeichnung Gau beibehalten, teilweise
kommt schon die später ausschließlich herrschende: Grafschaft
(comitatus) vor^).
Die historische Anknüpfung zeigt sich darin, daß noch bis
ins 15. Jahrhundert hinein die Ausdrücke Graf und Richter^),
Grafschaft und Landgericht ^) als identische gebraucht wurd^.
1) Alle GrafiBchaften waren in Lehonsabhängigkoit vom Henoge geraten
(Heigel-Riezler 8. 153).
2) Für Grafengericht kommen z. B. im Codex Falkenstein (ed. Pett)
gegen 1180 folgende Bezeichnungen vor: generale condlinm, der grascephti
lantogedingi, pablicom placitom , offin lantagiding , apertom pladtom et jn-
diciom, genende placitnm vel conciliom. Vgl Drei bayerische Tradition»-
bficher, herausgegeben von Petz, Grauert, Mayerhofer. 1880. p.XIL
3) Über die Idcntdt&t von Grafschaft und Landgericht auch in anderen
Territorien vgl Thudichum, Die Gau- und markrerfassung in Deutschland.
Gießen 1860. S. 12.
4) Über die Gaue Baiems vgl Biezler I, S. 841 ff.
5) Biezler I, S. 848 hebt henror, daß in Schwaben noch im 13. Jahr-
hundert die meisten Grafschaften einem alten Gau entsprechen, wfihrend fUr
Baiem schon im vorausgehenden Jahrhundort das Gegenteil gelte.
6) So heißt es im Landfrieden 1244 a. 29 iudex vel comes, in cuius sunt
comitia; a.49 comes vel iudex in suo iudicio; Landfrieden 1256 a. 42, 70 hi
swelher grafschaft gebrest ist der schöpfen , da sol der graf oder rihter (Qo.
und Er. V, S. 82, 85, 147, 151).
7) Z. B. Privileg für München 1294 § 15 — umb aigen oder um Lehen,
daz in der Grafscheft uzzerhalb der Stat lit (G e n g 1 e r^ Deutsche Stadt-
rechte, S. 295), iudicio comitie 1197, als des Landes und der Grafrchaft
Recht ist 1350, 1355, 1357, 1383, 1415; als der Schrannen und der QnS-
— 51 -
Das lose Aggregat von Besitzungen, welche unter den ver-
schiedensten Rechtstiteln neben den Stammlanden in der Hand
der Witteisbacher vereinigt war, zu innerer Einheit zu ver-
schmelzen, darauf mußte staatsmännisches Streben gerichtet
sein. Diesem Ziele, der Begründung einer wahren Staatsgewalt,
steuerte Ottos I. Sohn, Ludwig I., der Kelheimer, zu, indem er eine
planvolle Organisation des Territoriums unter Berücksichtigung
der historischen Elemente vornahm. Baiern war so dasjenige
deutsche Land, in welchem dieser wichtigste Schritt zur Be-
gründung eines modernen Staatswesens wohl am frühesten ge-
than wurde ^), indem an die Spitze eines jeden dieser neu-
geschaflFenen Gerichte oder Ämter ein vom Herzog ein- und
absetzbarer besoldeter Beamter gestellt wurde.
Nachdem die Feudalisierung der Ämter als ein für die
Ausbildung der Landeshoheit wertvoller Faktor sich bewährt
hatte, schritt nun der Fürst innerhalb des Territoriums zu einer
Durchbrechung des Lehenswesens, indem er die Gerichtslehen
wieder in wirkliche Ämter verwandelte*) unter Hinwegsetzung
über jenen Grundsatz des Lehensrechts, welcher den Lihaber
eines Gerichtslehens zur Weiterverleihüng der in demselben ent-
haltenen Untergerichte als Afterlehen verpflichtete'). Für die
weitere Umbildung der Landeshoheit in eine wirkliche Staats-
gewalt bildete die Verwandlung des Richter-Vasallen in einen
Richter-Beamten einen wesentlichen Faktor. Der Kreislauf der
Geschichte hatte so jenes Prinzip des karolingischen Verfassungs-
rechts wieder zur Anerkennung gebracht, welches in dem Richter
(Grafen) lediglich einen Beamten und nicht einen Vasallen er-
blickte, nur daß er jetzt nicht mehr königlicher, sondern
landesfürstlicher Beamter war.
Schaft Recht ist 1400, 1466. (M. B. IX, p. 475; ü, p. 5, 9; VI, p. 429;
XVI. p. 468; II, p. 41, 83; IX, p. 291; vgl noch XIH, p. 438, 449).
Auch Ldr. a. 189 besagt: Ez sol auch nioman sein aigen noch sein lehon
Terantworten, dann in der grafschaft, da ez inne gelegen ist
1) YgL H. Schnlze, Lehrbuch des deutschen Staatsrechts. Leipzig
188L I, a 286.
2)BriinDer iny. HoltzondorfTs Encjklopfidie der Rechtswissenschaft.
L Aufl. I, 8. 235.
3) Ibid
4*
— 52 —
Nach dem ältesten wittelsbachischen Salbuche^), zwischen
1221 und 1228, war so das Herzogtum in 34 Ämter eingeteilt,
deren größte wieder in Scbergenämter zei'fielen. Diese (Organi-
sation wurde noch im Laufe des 13. Jahrhunderts den terri-
torialen Veränderungen entsprechend weitergebildet, wie ein
jüngeres Urbar (circa 1280) bezeugt, das schon die Einteilung
in 4 Vitztumämter *) kennt. Im 16. Jahrhundert *) finden wir
unter den Landgerichten*) nur wenige von diesen Ämtern
wieder.
Als Gerichte oder Landgerichte werden diese Verwaltungs-
sprengel bezeichnet, eine Bezeichnung, welche sich in diesem
Sinne in Baiem bis in die neueste Zeit erhalten hat!^). Seit
dem 14. Jahrhundeii; kommt dann auch der Ausdruck Pflege
für einen solchen Bezirk vor*).
Die bairischen Landgerichte hatten einen ziemlich großen
räumlichen Umfang im Gegensatze zum benachbarten Österreich,
wo eine starke Zersplitterung der Landgerichtsbarkeit die Land-
gerichtssprengel wesentlich verkleinert hat ^). Doch kommt auch
in Baiem die Umwandlung vormaliger Grafschaftsgerichte in
Hofmarksgerichte®) und so eine Verminderung der] Landgerichts-
bezirke vor.
1) M. B. XXXVI, 1, p. 1 ff.; ib. p. 135 ff (Urbar 1280); Eieiler H
S. 178 t zfihlt die einzelnen Ämter anfl
2) Bockinger, Einleitung S. 53 ff verzeichnet die Einteilung nach
dem jungem Urbar. Eine genaue Au&eichnung des Ämterbestanda der ein-
zelnen Teile Baiems 1347—1506 findet man in den statLstischen Übersichtea
bei Buchner VI, S. 4 ff, 150 ff, 321 ff.
3) Etwa 17 von diesen 34 Ämtern kommen noch in Apians Topographie
von Baiem, vonendet 1589, vor. Vgl die Edition v. Oefele's im Ober-
bayerischen Archiv, herausgegeben vom historischen Verein fCLr Oberbayen^
XXXIX. 1880. Die Inhaltsflbersicht, p. XV £, cnth< eine genane Auf-
zählung 8&mtlichcr Gerichte eines jeden der 4 Rentämter.
4) „Landgericht oder Gericht" in L.O. 1474 (Krenner VH a 484).
5) Nachdem 1862 durch Schaffung besonderer Verwaltungsbehörden (Be-
zirlcsfimter) die Landgerichte auf die gerichtliche Th&tigkeit beschränkt wur-
den, führen diese erstinstanziellcn Gerichte seit 1879 den Titel: Amtsgerichte
(R.Ger.Verf:Ges. 3. Titel).
G) Vgl unten.
7) Luschin, S. 114.
8) So verkaufen z. B. die Herzoge Otto, Ludwig und Stephan 1205 an
den Bischof von Regensburg judicia sive jurisdictiones ad comeciaa speetantea,
— 53 —
Die Einteilung des Herzogtums in Landgerichte blieb stets
die Grundlage der territorialen Organisation, auch nachdem die
stadtischen Gemeinwesen von der Jurisdiktion des Landgerichts
eximiert und mit eigner Gerichtsbarkeit (Stadtgericht) begnadet
worden waren. Zwar waren die Landgerichtssprengel durch die
zahlreichen Verleihungen der Hofmarksgerichtsbarkeit an die
Stände durch eine Menge von Patrimonialgerichten durchbrochen,
doch waren diese nur mit der Handhabung der niedem Gerichts-
barkeit betraut, während für die Aburteilung aller causae maiores
auch aus den Hofmarken die Zuständigkeit der Landgerichte ge-
geben war. Diese bildete überhaupt die Regel und erstreckte sich
im Zweifel auf Klagen aller Art Oi da das Landgericht eben das
Gericht ist. Alle Personen und Sachen desselben unterliegen
prinzipiell der Gerichtsgewalt desselben ^), soferne nicht durch
Gesetz und Herkommen die Kompetenz eines anderen Gerichts
festgesetzt ist, wie dies z. B. bezüglich der Hofmarks- und
Dorfgerichte, oder bezüglich der Ritterbürtigen, die vor dem
Hofgerichte ihren Gerichtsstand haben, der Fall ist
So zeigt sich auch darin das Landgericht des spätem
Mittelalters als ein rechter Sprößling des fränkischen Grafen-
gerichts, des echten Dings, daß seine Kompetenz sich haupt-
sachlich erstreckt auf Prozesse um peinliche Sachen, Freiheit
und Grundbesitz*).
Insbesondere blieb das Land- (und ihm entsprechend das
Stadt-)Gericht *) ausschließlich zuständig für die Handhabung
der Kriminalgerichtsbarkeit, an welcher die Hofgerichte bis
zum Beginne des 16. Jahrhunderts keinerlei Anteil hatten.
Auf die Erhaltung der Landgerichte und der ihnen koordi-
nierten Stadtgerichte legte die Landschaft solches Gewicht, daß
sie von den Fürsten eine dahinzielende Verheißung verlangten.
qne wlgariter grafschaft geriht yocantnr in hofinarchiis (Qu. n. Er. VI,
p. 7% 89).
1) Vgl Planck, Das doutscho Gerichtsverfahren im Mittelalter. Braun-
schweig 187a I, S. 5.
2) Anch hente bildet die Gerichtsgewalt der Landgerichte die Regel.
Vgl Planck, Lehrbuch des deutschen Civilproceßrechts. NOrdlingen 1887.
3) Sohm S. 419 fL
4) Nor wenige Fatiimönialgerichte waren als Halsgerichte privilegieri
— 54 -
So imißteii die Herzoge Steplian, Friedrich, Johann 1392 aus-
drücklich garantieren, „das alle unsere landgericht und andere
unsere gericht in steten und mergkten zu obern und nidem
Bairn bei irer wirdigkait und rechten bleiben, als das von alter
und bey unsem vordem herkomen ist und sonderlich als in
dem land zu obern Bairn unser rechtpuech sagt"^).
Als Vorstand eines Landgerichts fungierte ein Pfleger ■), als
landesherrlicher Beamter mit Wahrnehmung der Geschäfte der
Justiz und Verwaltung im Bezirke betraut. Bei dem großen
ünjfange dieser Funktionen konnte er nicht persönlich allen
Anforderungen des Dienstes gerecht werden, weshalb ihm ge-
wöhnlich ein Landrichter, auch nur Richter genannt, beigegeben
ward, welcher als sein Stellvertreter^) die Verhandlungen
des Landgerichts leitete*), während er sich gewöhnlich auf
die Ver\valtungsgeschäfte seines Amtes beschränkte. Wenn der
Pfleger selbst den Vorsitz im Gerichte führte, wird er häufig
in den Gerichtsbriefen als Pfleger und Landrichter*) be-
zeichnet^')«
Dieser Richter (Landrichter) ist wie früher Stellvertreter
des Grafen, nun der des Pflegers, also der Abkömmling des
fränkischen Centenars. Er kommt nach Einführung des
1) 13. Freibrief (v. Lerchenfeld, Die altbayerischen landständischen
Freibriefe. S. 31.
2) Pfleger kommen in Baiem seit Beginn des 14. Jahrhonderts hfinfiger
vor. Vgl Qeiss, Die Heihenfolge der Gericbts- und Yerwaltongsbeamtcn
Altbajcms, im Oberbayerischen Archiv XXVL und XXYIII.
3) In den Gerichtsbriefen geschieht gewöhnlich dieses Stellvertretangs-
vcrhältnisses nicht Erwähnung, nur ausnahmsweise mit der Formel: Ich
Landrichter zu X., da ich an offner Schranne an dem Landrechten (von Ge-
richts) anstatt und von wegen meines Herrn des Pflegers zu X. saß, z. R
M. B. XXVI, p. 340, 377 (1417), M. B. XU, p. 217, 228 (1416, 1422); IX,
p. 268 (1446); I, p. 245 (1452).
4) In den meisten Landgerichten gab es aufier dem Pfleger noch Land-
richter oder Richter. YgL die Zusammenstellung bei Geiss a. a. 0.
5) z. B. M. B. XXIV, p. 181 (1411); XV, p. 348 (1456); II, p. 96 (1475);
XXI, p. 459; VI, p. 294 (1416, 1441: Pfleger und Richter).
r>) Urteile des Hofgerichts werden auch adressiert an den Pfleger nnd an
den Landrichter des Gerichts, welches das angefochtene Urteil gefUlt hatte,
z. B. M. B. IV, p. 384 (1474).
— 55 -
karolingischen Gerichtsverfassung in bairischen Urkunden * )
als Schultheiß oder Vicar*) vor. Seit dem 12. Jahrhundert
tritt an Stelle dieser Amtsbezeichnungen die des judex oder
Richters '). Dieser besorgt der Regel nach die Rechtspflege
des Landgerichtsbezirks im Namen des Pflegers, und es gehört
zu den Ausnahmen, wenn der Pfleger selbst die Leitung einer
Gerichtsverhandlung übernimmt *).
Der Richter wurde zumeist vom Pfleger selbst bestellt,
mußte aber die erforderUche Qualifikation zum Richteramte
haben *). Dessenungeachtet verstummen die Klagen der Land-
stande nicht, daß manche Pfleger, die das Gericht ganz gut
selbst verwalten könnten^), schlechte Knechte, die je kleiner
Vernunft und nicht Wappengenossen seien, als Unterrichter
annehmen '), welche den armen Leuten unnötige Kosten und
Beschwerden verursachten. Die Landesordnung 1501 be-
strebt die persönliche Jurisdiktion des Pflegers zu befördern
1) Auf deutschem Boden kommt zuerst in Baiem Schultheiß seit dem
8. Jahrhundert als Amtstitel des Centenars vor. Vgl Sohm S. 262.
2) Nach den Banshofener Gesetzen zwischen 985 und 995 (M. G. L. III,
p 484), welche dem Centurio Verlust des Lehens als Strafe androhen, scheint
das Schultheifienamt damals als Lehen hohandelt worden zu sein, während
im 12 Jahrhundert wieder der Amtscharakter desselben zum Durchbruch
gekommen war. Viel früher war bereits die Foudalisierung der Grafschaft
Tollzogen. Auf diese interessante, aber noch eingehender Untersuchung bo-
dftrftige Entwicklung des Schultheifientums im Gegensatze zur Grafschaft
weist hin Riezler I, S. 752.
3) Belege bei Bie zier, Ober die Bedeutung des Wortes Judex in Baicm,
(Forschungen zur deutschen Geschichte XVm, S. 528): — 1130 Arbo judex
comitiB Ekkeberti ; vor 1180 F. de Pruroe, judex ducis in B. (M. B. VI, p. 521 ;
in, p. 499); 1131 kommt aber noch vor: coram comite vel eo presente qui
ricem eins teneret scultheizen nomine M. (M. B. XXII, p. 61).
4) Vereinzelt wurde es nämlich dem Pfleger bei seiner Ernennung zur
Pflicht gemacht, dal er das Landgericht selbst besetzen soll, z. B. 1452 dem
Pfleger zu Rotenburg (B. A. Bestandbuch des Rentamts Landshut I452\
ebenso dem Pfleger zu Ried.
5) LO. 1474 (Krenner VE, S. 290): ehelich geboren, edel und
Wappengenosse.
6) Die Schrift „Ain laysche Anzaigung^ sagt: Erstlich ist wol nit all weg
ain klaine purd neben den pflogen auch gerichtlich Verwaltung zehabon.
Darumb wo die pflegen on die gericht erlangt werden, darbey mögen die
wol in mehr rhue und in mjndor arbait leben etc.
7) Erenner XIII, S. 184.
- 56 —
schärfte deshal]) demjenigeu, der einen Unterrichter haben
wolle, ein, daß er nur einen tauglichen und verst&ndigeD,
doch allein auf seine Kosten und andern Leuten unbeschwer-
lich und ohne Schaden halten dürfe. Nur einer qualificiertcn
Person werde der Herzog künftig den Bann leihen oder leihen
lassen^).
Eine eigentümliche Opposition gegen die Mandate, welche
einschärften, daß Pfleger und Kichter alle Amtsobliegenheiten,
also auch das Malefizrecht in eigner Person zu versehen hätten,
erhob sich seitens der Ritterschaft auf dem Landtage 1583.
Diese Opposition setzt die Auffassung der Zeit über die Kri-
niinalgerichtsbarkeit in scharfe Beleuchtung. Es gilt in den
Kreisen des Adels ^) nicht für anständig, ja geradezu für ent-
würdigend, das Malefizrecht selbst zu besitzen^). Nament-
lich in andern Ländern würde den bairischen Adligen dies zum
Schimpfe gereichen und ihnen sogar bei Heiraten hinderlich sein.
Die Ritterschaft beantragte deshalb, daß jedem adligen Pfleger,
der das Malefiz zu verwalten habe, ein ordentliches Deputat
(Geldentschädigung) nach Gelegenheit des Gerichts auferlegt
werde, damit in jedem Rentamt eine im Rechten und sonder-
1) Krenner XTIT, S. 305.
2) Beschwerden der Kitterschaft auf dem Landtage 1583 (Manuskript —
Kr. A M.) : Nnn betreffen aber solche Befehle (eigner Person auch die Kri-
minalgerichtsbarkeit zu handhaben) nicht aUein die jetzigen Pfleger, sondern
den ganzen Stand des Adels, weil Jeder Aber kurz oder lang durch E. t GhL
zu solcher Verwaltung oder Pflege kommen mag und sind deshalb Allen
vom Adel beschwerlich, denn wenn dieses auch nicht zu des Standes und der
Nachkonmien Verkleinerung, sondern allein zur Beförderung der Justitien ge-
meint, so muß man besorgen, ... es werde Solches denen Tom Adel und
ihren Kindern besonders in andern Ländern, da solche Besitzung der Malefis
nicht allein in keinem Gebrauch, sondern auch sehr verhaAt ist^ in Heiraten
und in anderm Wege schimpflich sein, so haben sie bisher nicht erfahren,
daß in andern Fürstentflmem des deutschen Beichs den Landsassen Tom
Adel die Malefiz aufgedrungen worden und obwohl nicht ohne sein mochte,
daß vielleicht an einigen Orten durch Aufhehmung der Blutrichter nicht jeder
Zeit auf die Qualität der Person der Notdurft nach Acht genommen, so sind
doch Mittel vorhanden, dadurch dies fürkommen und recht qualifidoite
Richter Aber das Blut geordnet werden.
3) Jede Beschäftigung mit der Kriminalgerichtsbarkeit erschien etwas
anrüchig. Deshalb untersagte auch die Landesordnung 1474 den Yortprechem,
welche über das Blut redeten, vor einem Hofgericht als Vortprecher anf-
sutreton.
— 57 —
lieh in peinlichen Sachen erfahrene und wohl qualificierte Person
zu einem Bann- oder Blutrichter aufgenommen und aus solchem
Deputat unterhalten werde.
Dieser Vorschlag, welcher nicht neu, sondern im Erzstift
Salzburg und im Erzherzogtum Österreich in steter Übung
sei, liege auch im Interesse der Kriminalrechtspflege selbst > ).
Der Herzog erklärte zwar, daß die Verpflichtung zur persön-
lichen Verwaltung der Blutgerichtsbarkeit auch bei seinen Vor-
fahren bestanden habe und daß es seltsam wäre, daß die ge-
ringen Sachen, Geld und Gut betreffend, ansehnlichen, ge-
schickten und ehrsamen Adelspersonen befohlen, aber des
Menschen Leben und Blut, so das Höchste auf dieser Welt,
Leuten schlechten, oft unbekannten Herkommens anvertraut
werden soll. Nichtsdestoweniger genehmigte er aber den ritter-
schaftlichen Antrag, allerdings nur auf Widerruf.
Die Erteilung des Blutbanns erfolgte durch den Herzogt)
oder in seinem Namen durch die Regierung^), nachdem der
Empfänger den Eid geleistet hatte. Über die Erteilung des
Blutbanns wird ein Bannbrief ausgefertigt.
Der Richter ist, wie erwähnt, landesherrlicher Beamter und
nicht Vasall des Landesherrn *). Seine Ernennung erfolgt durch den
Herzog. Dem Richter wurde wie den übrigen Beamten ein mit her-
zoglichem Secrete versehenes Anstellungsdecret*^) ausgefertigt^),
1) Die vom Adel tragen Fürsorge, so heifit es weiter, dafi, wenn dies
nicht angenommen würde, nicht Jeder, dem solch Malefizrecht befohlen,
hierzn tanglich und qnaUficiert sein werde, besonders bei den ungeübten,
nnerfahrenen Urteilsprechem , Beisitzern und Procuratoren , welche sich auf
peinliche Sachen und derselben Proceß gar nicht oder doch wenig verstehen,
die Sachen confundieren und einen Pfleger oder Landrichter darin verwirren.
2) YgL Bockinger, Emleitung S. 314.
3) Deijenige, welchem der Blutbann erteilt wird, mußte nach Ableistung
des Eides niederknieen. Darauf gab ihm der Yitztum (oder Präsident) das
Schwert in die blofie Hand ungefähr mit den Worten: „Hierauf soll von . .
unsers Fürsten wegen Euch der Bann über das Menschenblut zu richten ge-
geben sein** (Eidbuch des Rentamts Landshut — Er. A. L. Civilakten Fase.
419, xvn).
4) Der sächsische Landrichter ist noch Vasall des Fürsten, von dem er
das Gericht zu Lehen empfangt Vgl. R. Schröder, Die Gerichtsverfassung
des Sachsenspiegels, in Zeitschr. d. Savigny-Stifkung f. R. G. Germ. Abi 1884.
V, S. 47, 49 £
5) Auch der Hofinarksrichter mußte eine Anstellungsurkunde erhalten.
6) L. Fr. IV a. 2t
- 58 —
welches zu seiner Legitimation in der ersten, nach seinem Amts-
antritte von ihm geleiteten Gerichtsverhandlung öffentlich ver-
lesen wurde. Das Decret erhält er nach Ableistung des Amts-
oides. Dieses Erfordernis für die Ausübung des Richteramts
wird nicht nur durch das Landrecht ^), sondern auch durch
Freibriefe aufgestellt.
Ableistung des Richtereids *) und Mitbringung der Be-
stallungsurkunde') in die erste Gerichtssitzung sind Bedingungen
rechtswirksamer Ausübung von Richterfunktionen, wovon unten
bei Darstellung des Staatsdienerrechts zu handeln sein wird.
Unter den Erfordernissen, welche für die Fähigkeit zur
Bekleidung eines Richteramts aufgestellt werden, findet sich
schon bald die Inländerqualität, welche sowolil allgemein für
alle Beamten *), als auch speziell für die Besetzung der Gerichte
hervorgehoben und in den ständischen Freiheitsbriefen stets aufe
neue als eine von dem Landesherm der Landschaft gewähr-
leistete Verpflichtung wiederholt wird.
Unregelmäßigkeiten in der Handhabung der Rechtspflege
gaben aber den Landständen Anlaß, durch ihre Beschwerden
erfolgreich auf eine Erhöhung der Anforderungen für die Quali-
fikation zum Richteramt hinzuwirken. Namentlich in Oberbaiem,
wo die Rechtsprechung nach dem Laudrechte ein intelligenteres
Richtertum erheischte, erscheint die Bitte der zur Vereinbarung
einer Polizei- und Gerichtsordnung vereinigten herzoglichen Räte
und Landschaft (1444) ^) begreiflich, der Herzog möchte künftig
Richter einsetzen, die das Recht verstehen ®), und sich dessen be-
1) Vorrede: Davor gepieten wir . . aHen nnscm richtem und ampt-
lacutcn . . , daz si die selben recht also behalten pey irom ayde, den si ans
oder unserm vicztamb dammb swem müzzcn und daz si darnach von wort
ze wort von stak ze stuk armen und reichen ongevaerlich richten snllen.
2) Dies allein fordert L. Fr IV a. 20.
3) Diese Bedingung setzt erst die Gerichtsordnung 1520. I a. 3: „Wo
aber ain Bichter . . nit schwören, noch des glaubwirdig urkhundt unnd schrej-
ben für gericht, wie in disem Gesatz verordent ist, bringen würde, alsdan
soll nyemanndt schuldig sein, auf desselben erforderung in der gaetigkait
oder rechtlich vor jme zuerscheinen, noch zehanndlen.** — YgL auch noch
Cod. judic. 1753 c 2 § 4.
4) Vgl unten den Abschnitt über das Staatsdienerrecht
5) Krenner I, S. 164.
6) Schon im 11. Jahrhundert ertönen Klagen über die Yomachltaigiuig
der Kechteausbildung seitens des Adels. Chron. Ebensperg. (Oefele, B^
— 59 —
fleißigten, nach Inhalt des Buches, auf welches sie vereidigt
würden.
Die Justiz lag aber im 15. Jahrhundert derart im Argen,
daß in den verschiedenen Teilen Baiems das Verlangen nach
einer solchen Besetzung der Richterposten laut wurde, die eine
unparteiische Rechtspflege garantierte. Man strebte eine Er-
höhung der Qualifikation zum Richteramt an, indem man ^tüch-
tige sittliche und geistige Eigenschaften forderte. Die An-
erkennung der hierauf gerichteten ständischen Anträge erfolgte
in den verschiedenen selbständigen Gebieten Baiems mit den
Worten: Wir wollen auch unsere gerichte mit erbem geleumb-
tcn leuten, besetzen*) — die wappengenoss sein, setzten die
Herzoge Johann II. und Sigmund im 44. Freibrief (1463) *)
hinzu * ) und führten damit das Erfordernis der Siegelmäßigkeit
für die Richter ein.
Diese Bestrebungen, eine Garantie für die Ernennung nur
geeigneter Richter dauernd festzustellen, führte bei den Ver-
handlungen*) über die L. Fr. 1508 zur Aufnahme folgenden
nun Boicarom Scriptores. Aug. Yind. 1763. II, p. 10 anno 1013) si qnis po-
tens ac nobiÜB legere ignoraret ignominioBos videbator, sicat in me coaevisque
meis apparet, qni jura didicimos. Modern! vero filios suos negligont jora docere.
1) Mit den Klagen über die Richter gingen die über die Urteiler Hand
in Hand. Wiederholt beantragten so die Landstände des Stranbinger Landan-
teils eine bessere Besetzung der Gerichte 1437, 1438 (dals die Pfleggericbte
and alle Aemter mit redlichen ehrbaren Landsleuten nach Inhaltong der
Frcjheiten besetzt und gehalten werden) and 1458 (dals unser gnädiger Herr
seine Gerichte aUenthalben im Niederlande mit ehrbaren, leumdigen Leuten,
die Wappengenofs sind, besetze . . . damit das Recht aufirichtiglich gefördert
werde) bei Krenner II. S. 75, 89, 17a
2) Albrecht IQ. München 145a 42. Freibrief (v. Lerchenfeld
a 105).
3) Mit diesem den Ständen des Straubmger Teils ausgesteUten 44. Frei-
briefe (y. Lerchenfeld S. 111) stimmt überein die ebenfaUs 1463 den
Ständen des Münchner Teils erteilte Freiheitsbestätigung bei Kronner V,
&96.
4) Entsprechend den Wünschen der Straubinger Stände vom 30. Januar
1463 (Krenner VI, S. 54).
5) Vgl über diese Franklin, Beiträge zur Geschichte der Reception
des romischen Rechts in Deutschland. Hannover 1863. S. 26. Der 1. land-
schaftliche Entwurf verlangte nur, daß die Gerichte mit ehrbaren Landleuten,
die angebome Siegel haben, versehen würden (Krenner XVI, S. 11; vgl.
noch daselbst S. 21 und 32 £).
— 60 —
Artikels'): Es solP) auch der lanndtssfürst hinfüran seine
gericht allenthalben jn seinen landen mit richtern besetzen, die
edel oder erber, redllich, eelicher geburd unnd verstänndig sind
und angebome sigel haben ').
An dem Erfordernisse des Indigenats hielt die L. Fr. nur
für die höheren Beamten und die Inhaber namhafter Pflegen etc.
fest, verzichtete aber auf die ausdrückliche Festsetzung des-
selben für die Richter (Kastner und Mautner), wohl weil diese
Ämter ohnehin mit Inländern besetzt zu werden pflegten und
weil die Ritterschaft nur ein Interesse daran hatte, die höheren
Stellen mit Personen aus ihrem Kreise zu besetzen.
Der Richter, und zwar nicht nur der Land-, sondern auch
der Stadt- und Hofmarksrichter führten als Zeichen ihrer
richterlichen Würde einen Stab. Mit dem Stab in der Hand
saßen sie zu Gericht, wie in unzähligen Gerichtsbriefen der
M. B. *) ausdrücklich hervorgehoben wird.
1) y. Lerchenfeld S. 218 (die Fassmig des Artikels in der L. Fr.
1514 stimmt wörtlich mit der von 1508 übercin).
2) Diese Reglung entspricht ungefähr den Wünschen der Landshnt'Iii-
golstadtor Stände (vgl Franklin, Beiträge S. 22), z.B. 1471: „Item gem.
Landscbaffl ruft Ew. Gnad an die Pflegen und Gerichte mit yemünftigen red*
liehen Pflegern and Richtern die Wappengenofs und Landleute sejen zn be-
setzen, die dann wifsen zn richten, Ew. Gnaden und das Land bej ihren Frey*
heiten und Gewohnheiten wifsen zu halten (Erenner YII, S. 269). Vgl
noch die Petitionen 1460, 1461, sowie die Batschläge der Bäte 1471
(Krenner YII, S. 66, 104, 290). In die L.O. von 1474 war aber eine
dieser Bitte entsprechende Vorschrift nicht angenommen worden, dagegen
bestimmte die L.O. 1501, nachdem die Stande sich beklagt hatten, dal
einige Pfleger ungeschickte, schlechte und unverständige Richter aufnähmen,
daü künftig nur taugliche und verständige bestellt werden dflrfen, und Ter-
hicß nur solchen den Bann zu leihen oder leihen zu lassen, die ehrlich, erbar
und Wappengenossen seien (Krenner XIII, S. 184, 305).
3) Dieselben Erfordernisse für das Richteramt stellt auf die bairische
Gerichtsordnung 1520 (Tii I a. 1, auch ftlr die Ernennung der Patrimonial-
richter) und auch der Codex juris Bavarici judidarii 1753 ninunt (Cap. 2 § 1)
auf die L. Fr. Bezug.
4) L. Fr. I a. 1, 2.
5) z. B. 1441 : K., Pfleger und Richter zu R., da ich safs zu Reichenbin
an offner Schrann mit dem Stab als ein gewaltiger Richter; 1436: Y., Richtor
zu Rosenheim, da ich in dem Markt daselben an dem Landrechten safa und
den Stab in der Hand hett (M. B. U^ p. 574; II, p. 77).
— 61 —
Gerechte, unparteiische Amtsausübung war den Richtern
streng zur Pflicht gemacht^). Ohne Ansehen der Person, unzu-
gänglich jeder Art von Bestechung *), sollten sie nach bestem
Wissen und Gewissen richten, keiner Rechtsverzögerung sich
schuldig machen und allein Gott und die Gerechtigkeit vor
Augen haben').
Damit der Richter ein gerechtes, den gesetzlichen Bestim-
mungen nicht widersprechendes Urteil fälle, sollte er stets das
Gesetzbuch bei sich haben. Rechtsaufzeichnungen erfreuten
sich im bairischen Stanune stets eines besonders hohen An-
sehens*), und so wird diese Vorschrift, die zuerst im alten
Volksrecht ^) auftritt, wiederholt bezüglich der Landfriedens-
urkunden*), des Landrechts K. Ludwigs^) und der ständischen
Freibriefe ®). Die L. Fr. gebietet endlich (IVa. 18) die Nieder-
legung einer Kopie derselben in jedem Landgerichte zur Dar-
nachachtung für alle Beamte.
Die ideale Auffassung, welche K. Ludwig vom Berufe des
Richters hatte, tritt nicht nur in der erwähnten Instruktion für
Niederbaiem von 1340, sondern auch in seinem Landrecht her-
vor. Der Richter sollte in seinem Sprengel die Rechtsordnung
zu verwirklichen helfen und jede Ungerechtigkeit mit aller Kraft
1) In einer Instruktion K Ludwigs als Vormund seines Sohnes Herzogs
JohAnn 1340 (Qu. und Er. VI, p. 360 a. 10) wird als des Kaisers Wine erklärt,
daz unser richter fürbaz richten und handeln, daz si ze recht richten suHen
von onsers . . suns wegen and jedem mann seiner recht gunnen, dl er zo
recht haben soL
2) Ldr. a. 30, 46.
3) Gerichtsordnung 1620 t I a. 20.
4) Franklin, Beiträge S. 4.
5) L. Bajuvariorum t U, c 14 (M. G. L. III, p. 288) Comis vero secum
habeat . . librum legis, ut semper rectum iudicium iudicent.
6) Landfrieden 1244-1300 (Qu. und Er. V, p. 83, 146, 347; VI, p. 124,
[l B. 1255 c. 32 : Ez sol chain richter an dem gerihte sitzen, er habe den
frid teusche bi ime gescriben, oder er muz dem herzog fünf phuut geben]).
7) a. 3 und 6.
8) z. B. 1347: Es sol auch yeder richter in seinem gericht der greisen
hantrest da unsere recht ansteend ain notl bey im haben under unser herschaft
insigl, das er uns wilse unsere recht zu halten, und land und Icuten auch
ire recht, als an derselben hantvest ist yerschriben. Vgl auch 1322
(t. Lerchenfeld S. 11, 17).
— 62 —
unterdrücken. Schon der erste Artikel des Landrechts*) bringt
diese Tendenz zum Ausdruck. Dieser verbietet jeglichem Richter
und Amtmann irgend Jemand zu einer Klage zu nötigen. Wenn
aber Jemand gegen den Angehörigen eines höheren Standes
(Übergenossen) etwas zu klagen hätte und aus Furcht nicht
wagte, Klage zu erheben, soll ihn der Richter hierzu auffor-
dern und dem armen Manne des Rechtes helfen, wenn er klagen
will und ihn darum bittet.
Stets bewährte sich der Landesherr als ein Hort des Rechts
und alle Klagen der ünterthanen über Rechtsverweigerung der
Richter fanden hier ein offnes Ohr und einen zur Abhülfe be-
reiten Willen. So sah sich auf Grund solcher Beschwerden
H. Sigmund (München) 1464*) veranlaßt, ernstlich mit den
Richtern zu schaffen, daß sie die Klagen der Ünterthanen, da-
mit diese nicht gezwungen würden, stets gen Hof zu laufen,
immer hören und von des Herzogs wegen darin zu handeln,
damit einem jeglichen widerfahre, was gleich und billig seL
Der Richter solle jedermann , wer vor ihm zu rechten habe,
gleiche, forderliche Recht ergehen und widerfahren lassen')
„nach des Landes Recht und des Buches Sage, als Recht ist,
damit unsre Landgerichte gefördert werden".
Alle seine Verpflichtungen faßt zusammen der Eid, welchen
er bei seinem Amtsantritt zu leisten hat*).
1) Gleichlautend: Ret Landrecht t VU a. 9.
2) Kronner V, S. 103.
3) Nachhaltige Wirkimg hatte diese Verordnimg nicht, denn was ne
dorn Richter einschärfte, figuriert in einer Petition der Landschaft von 1468
noch als frommer Wunsch. Albrecht lY. vermochte daher nur das Gebot
seines Vorgängers zu wiederholen (Erenner Y, S. 326, 336).
4) „Der Pfleger Eid, so Gerichtsverwaltung haben, dergleichen Land-
richter Eid" (R. A- Pflichtbuch 1512-1G78) — „einem Jeden des Rechten
und der Billigkeit zu verhelfen und zu gestatten, gleiche forderliche Recht
zu halten dem Armen als dem Reichen . ., forstliche Obrigkeit und Gerech-
tigkeit treu zu handhaben, zu schützen und zu schirmen, davon Nichts ent-
ziehen zu lassen, sondern f. Gn. Rechten, dergleichen den Ünterthanen Eures
Amts zu ihren Rechten und Gerechtigkeiten [der Polizei- und Landgerichts
und andern publiciertcn Ordnungen gcmäü zu procediercn — späterer Zu-
satz] zu richten und darwider nicht zu handeln und nicht zu thun, item die
Vitztumwändel s. Gn. Rentmeister zu verthädingen, anzubringen und die Ver-
brecher dcrhalbcn im Umreiten für ihn zu weisen, aber die andern gemeinen
Gerichtswändel im Beiwesen des Gorichtsschroibors und der Amtleut abxn-
— 63 —
Gerichtliche Urkunden wurden während der fränkischen
Periode von den für den einzelnen Fall zugezogenen Notaren
abgefaßt, denn ständige Gerichtsschreiber gab es auch in Baiem ^ )
zu jener Zeit nicht *). Der geschworne Gerichtsschreiber wurde
hier, früher^) als in andern deutschen Territorien ^ ), erst durch
K. Ludwigs Landrecht ^) als ein notwendiges Glied der Gerichts-
besetzung anerkannt.
In Niederbaiem wurde die Anstellung eines Gerichts-
schreibers durch die Instruktion K. Ludwigs von 1340®) und
dann durch die Landesordnung 1474 vorgeschrieben, bis endlich
das ref. Landrecht 1. 1 a. 2 und die Gerichtsordnung 1520 (t. I a. 6)
sodann das Institut des Gerichtsschreibers dauernd in die
Gerichtsverfassung des vereinigten Baiems einfügten.
Unabhängig von den fremden Rechten hatte man schon
früh die Nachteile des rein mündlichen Verfahrens ') eingesehen.
Die Einreihung des Gerichtsschreibers in die Gerichtsbesetzung
legt dafür ein gewichtiges Zeugnis ab. Während man lange
Zeit nur das Resultat der gerichtlichen Verhandlungen, das
thädingen und keinen Wandel gevärlich zu verhalten, sondern bei klein und
gro£ dem Hofkamm erpräddenten und Bäten in Euren Amtsrechnungen an-
zuzeigen und zu verrechnen".
1) Brunner, Zur Bechtsgeschichte der römischen und germanischen
Urkunde. Berlin 1880. I, S. 252.
2) Das Amt des Gerichtsschreibers, welches sich im 8. und Anfang des
9. Jahrhunderts in Franken und Alamannien schon auf einer höheren Stufe
der Entwicklung befand, hat in Baiem keine Bedeutung erlangt (vgl. Posse,
Die Lehre von den Privaturkunden. Leipzig 1887. S. 167).
3) Über die Entwicklung des Gerichtsschreibers vgl. Maurer, Geschichte
des altgermanischen und namentlich altbairischen öffentlich-mündlichen Ge-
richtsverfahrens. Heidelberg 1824. S. 142 ff.
4) Nach Sachsenspiegel III, 61 § 1 gehörte der Gerichtsschreiber noch
nicht zur Gerichtsbesetzung. Beim Beichshofgericht war ein Hofgerichts-
schreiber seit 1235 besteUt (Franklin, Beichshofgericht II, S. 120).
5) a. 3. Ez sol auch ain ighch richter, swenn er ze gericht siezt, der
nach dem puoch richtet, nicht richten, er hab dann ainen geswom Schreiber
pey dem puoch. Ez sol auch der richter den Schreiber besorgen mit chost
nnd mit andern Sachen, daz er die recht gesuochen mflg.
6) a. 5 (Qu. und Er. VI, p. 359) : ycder richter (soll verrechnen) nach
eines gesworen Schreibers wizzen und sol auch der Schreiber an merkchen
and schreiben den schuld von yedem mann, dar umb er zo wondel und ze
pefsemng chumt
7) YgL Maurer a. a. 0. S. 295 «.
— 64 —
Endurteil, durch Ausstellung eines Gerichtsbriefs schriftlich
fixiert hatte, ging man dazu über, auch andere rechtlich mchtige
Thatsachen aufzuzeichnen, z. B. die Auflassung von <3rund-
stücken. Die Eintragung solcher Veräußerung oder Verpfän-
dung von Immobilien in die Stadt- oder Gerichtsbücher bildete
in den Städten eine der Hauptaufgaben des Gerichtsschreibers*)
neben der Abfassung von Gerichtsbriefen *), welche ') die Einzel-
heiten des gerichtlichen Verfahrens fixierten und deren Erteilung
häufig von den Parteien beansprucht wurde*).
Die Verlesung von Stellen des Landrechts, die oft von den
Fürsprechern beantragt wurde^ gehörte gleichfalls zu den Funk-
tionen des Schreibers*). — Das Bedürfnis, die Mängel des rein
mündlichen Verfahrens durch ergiebigere Anwendung des Unter-
stützungsmittels der Schrift auszugleichen, führte Ende des
1 5. Jahrhunderts in Niederbaiern auf Anregung der Landstände
zu verschiedenen Prozeßreformen ^). Die Landesordnung 1474 ')
1) z. B. Manchner Stadtrecht a. 31, 3% 270 (der Gerichtsschreiber hatte
auch durch EiDsichtnahroo des Buches festzustellen, ob das aufzolassende
Grundstück schon verpfändet war).
2} Vgl die vielen Gerichtsbricfo in M. B.
3) Eine ordentliche und förmliche AuÜBchrcibung des Urteils sowie des
Urteils Vorschlags der Minderheit, sowie eine Verlesung vor den Urtoils-
sprcchem behufs Kontrolle ihrer Richtigkeit (,, damit sie mit ihrem Wissen
und nicht anders, dann wie sie geurteilt haben, auf Rede und Widerrede und
bcydcr Theile Fürbringen, ordentlich ausgehen") vor der Publikation ordnet
an ein Landgebot H. Georgs 1491 (E r e n n e r XII, S. 339).
4) Der Richter licfi, wenn der dem Urteil zu Grunde liegende Artikel
die Erteilung eines Gerichtsbriefs nicht vorschrieb, durch die Beisitzer die
Frage der Ausstellung eines solchen entscheiden (Also firagt ich Richter an
der Schranne 5 [8] auf ihren Eid, ob man defi ihm Brief von Gerichte wegen
schuldig sei), z. B. 1378, 1430, 1484 (M. B. XVII, p. 139; IX, p. 261; XVEO,
p. 578, 593). Vgl noch v. d. Pfordten, Studien zu K. Ludwig! ober-
bayerischem Stadt- und Landrechte. München 1875. S. 309, 31L
5) Mit der Formel: „Da sagt meines Herrn Buch" werden die be-
trctrendeu Gcsetzess teilen wörtlich in den Urteilsbrief aufgenommen.
G) Vgl. Maurer a. a. 0. S. 335.
7) Erenncr VII, S. 484 ff. Aus der Eidesformel ergeben sich noch
als Funktionen des Gerichtsschreibers : Aufbewahrung der zu Gerichtshanden
übergcbcnon Urkunden, getreuliche Aufschreibung der Urteile und (lerichts-
bricfc, die vor ihrer Aushändigung an die Parteien vom Richter, den Für-
sprechern beider Parteien und den von der Schranne dazu gegebenen Ober-
hurem vorhurt, also auf ihre Übereinstimmung mit dem gefäUten Urteile
— 65 —
machte es daher dem Gerichtsschreiber zur Pflicht, „wie die
Partheyen die Sachen in das Recht fürbringen oder fiirbringen
lassen nach seiner besten Verständniß und Vernunft eigentlich
zu verschreiben". Auch die Aufzeichnung der Zeugenaussagen
wird in derselben erwähnt. Auf Grund der wahrgenommenen Mängel,
welche dem Hofgerichte die Entscheidung in Berufungssachen er-
schwerten, erließ Albrecht IV. von München 1489^) eine detaillierte
Vorschrift über die Art der Zeugenvernehmung *). Gleichzeitig
erging auch ein Landgebot, welches den Mißbrauch der Schreib-
tage ^) beseitigte und anordnete, daß für die Zukunft der Richter
nebst dem Gerichtsschreiber Klage, Antwort, Rede und Wider-
rede, so ihm von beiden Parteien überantwortet würden, ersehen
sollten, was darin zu viel, das im Recht nicht gebraucht, ge-
schrieben abzuthun und mit dem ergangenen Urteil besiegelt
an den Hof zu fertigen^). Ein Schritt in der Richtung der
Schriftlichkeit des Verfahrens war hier wenigstens für die
Appellationsinstanz gethan, indem die Parteien selbst ihre in
1. Instanz mündlich abgegebenen Anträge und Erklärungen
schriftlich einreichten. Wie sehr aber dessenungeachtet das
Mündlichkeitsprinzip den Prozeß beherrschte, bezeugt jene Vor-
schrift der Landesordnung 1501 ^), welche bei Klagen gegen
Beamte nur Personen, welche aus Armut oder aus andern Ur-
sachen einen Redner nicht bekamen, gestattete, Klage und Gegen-
rede vor dem Hofgericht in Schrift einzulegen. Damit ward
eine Ausnahme statuiert lediglich zu dem Zwecke, daß Niemand
[^rflft worden mufiten. — Nach der L.O. 1491 hat der Gerichtsschreiber
die Urteile vor der Pablikation den ürteüsprechern vorzulesen, „damit de mit
ihrem Wissen und nicht anders dann wie sie genrteilt haben . . ordentlich
ausgehen"; er hat sie auch Öffentlich vor Gericht zu verlesen, „damit sie
dnrch mündliches Aussprechen nnverkehrt bleiben" (E r e n n e r XU, S. 339 f.).
1) Krenner IX, S. 5 t
2) Schon viel firüher findet sich die Au&eichnimg von ZeugenverhOren,
lB. 1367, 1449, 1467 (Lo ri, Geschichte des Lechrains II, S. 69, 160, 170 £).
3) Es war das ein neuer Kosten verursachender Termin, in welchem die
Parteivortrftge der Verhandlung schriftlich festgesetzt wurden. Oft stritten
sich die Fürsprecher erst um das, was sie vormalen im Rechten geredet
haben (vgl Krenner XVI, S. 380).
4) K r e n n e r IX, S. 4. Es wurde in dem nur an 7 Gerichte ergangenen
Landgebot darauf hingewiesen , dal es so schon in den Landgerichten vor
dem Gebirge gehalten würde.
5} Kreon er Xm, S. 275.
Roteatb»!» Geschichte «L Oerichtiw. u. d. Venr.^r^. Balenu . I. e
— 66 —
in Vorbringung seiner Sache Mangel habe, denn an Stelle dßt
schriftlichen Klage konnte in solchem Falle auch Zuordnung
eines Redners ex officio durch das Hofgericht erfolgen^).
Die Gerichtsbücher, in welchen Auflassungen von Grund-
eigentum u. dgl. eingetragen wurden, waren in Oberbaiem schon
durch die Ludwigsche Gesetzgebung eingeführt und auch in
Niederbaiem sind Gerichtsbücher, in welchen alle Gerichts-
verhandlungen, Parteivorträge und Urteile verzeichnet wurden,
im 15. Jahrhundert verbreitet, so daß die Gerichtsordnung
1520 (t. I a. 3.)^) diese Gerichtsbücher, in welche auch Klagen
eingetragen wurden, als allgemeines Institut voraussetzen konnte.
Sowohl das ref. Landrecht 1518, als die Gerichtsordnung
1520*) hielten im allgemeinen an dem Prinzip der Mündlich-
keit fest, wenn sie auch vielfach die Schriftlichkeit wenigstens
fakultativ einfllhrten ^). Sogar für das Appellationsverüahren
ging man nicht vollständig zur Schriftlichkeit über^), sondern
die Gerichtsordnung überließ, wiewohl die kayserl. geschrieben
Recht schriftliche Appellation gegen Beiurteile forderten, in
Kraft des alten Gebrauchs und Herkommens dem Appellanten
seine Appellation gen Hof schriftlich oder mündlich zu thun ').
Die fränkische Schöffenverfassung "*) gelangte auch in Baiem
zur Einführung^) und verdrängte hier das alte Stammesinstitut
1) Bei den Beratongen über die L. Fr. 1506 wurde gtiLndischerBeiti unter
Hinweis auf die päpstliche Kurie und das k. Kammergericht schriftUfilieB
Verfahren empfohlen fftr diejenigen Prozesse, welche ans den Yititomiinteni
zum Hofirate gezogen wurden (E r e n n e r XYI, S.37). Der Vorschlag fiuid aber
keine Annahme. Vgl unten „Hofirat*'.
2) t I a. 9 bestimmte, dafi der Kichter, wenn er zu Gericht sitae, stets
die Gerichtsordnung und das Gerichtsbuch, aber auch einen Gerichtstchreiber
und Fronboten bei sich haben soUe.
3) Vgl Maurer S. 341 l
4) So konnte die Ladung sowohl schriftlich als mflndlich ergehen, die
Klage schriftlich oder mündlich erhoben werden, in welch letxterem Falle
allerdings eine Protokollierung derselben stattfand u. s. w.
5) Die entgegengesetzte Behauptung Maurer's S. 338 steht in ^der-
spruch mit tit X a. 6 Abs. 2 der Gerichtsordnung.
6) Dafi übrigens der GeschAftskreis des Gerichtsschreibers kein kleiner
war, ersieht man aus der Gebührenordnung für Gerichtsschreiber in Landea-
ordnung 1516 S. 21.
7) Vgl über diese Sohm S. 372 £
8} B eseler, Der Judex im bairischen Volksrcchte (Zeitschrift ftr
Rechtsgeschichte IX), S. 255 t hebt dies mit Becht gegen Merkel, Der
— 67 —
der ,^chter". Diese werden nun zu Schöffen ernannt und
iudex und Schöffe sind in der Karolingerzeit für Baiem iden-
tisch^), wie auch in Frankreich der alte Namen „Rachim-
burgen" auf die Scabinen*) übergegangen ist. Als ein Nach-
klang dieser Entwicklung ist es zu betrachten, wenn noch im
14. Jahrhundert vereinzelt „Richter" für Schöffen gebraucht
wird').
Seit dem 10. Jahrhundert kommen in bairischen Gerichts-
briefen für Schöffen die Bezeichnungen scabinus, scabineus, sca-
binio, Scheffe, arbiter, causidicus vor*). Gegen Ende dieses
Jahrhunderts scheint das Schöffeninstitut bei den Baiem, wenn
auch nicht allgemein durchgedrungen^), in Aufnahme gekommen
zu sein, denn in den Gesetzen des Ranshofener Landtags ^) ge-
schieht in den Strafbestimmungen gegen Gerichtsbeamte auch
der scabini Erwähnung^).
Judex im bairischen Yolksrechte (ibid. I, S. 144 f.) hervor. Die von Letzterem
lelbft angeföhrte ürkmide von 825: dijadicayerant populi et Scabini con-
Btituti (Meichelbeck, Hist Frising. I n. 487) bezeagt schon diese
Einföhrong.
1) Biezler, Über die Bedeutong des Wortes judex in Baiem (For-
ichongen zur deutschen Geschichte AVUl, S. 526 1) weist auf das Vorkom-
men einer Mehrzahl von judices in einer Gerichtssitzung hin, z. B. 7 (829
bei Hundt, Urkunden des Bistums Freising n. 14)
2) Sohm S. 383 weist darauf hin, dafi in Südfirankreich judices die
flehende Bezeichnung für Scabinen ist
3) I. B. 1333 — do firagt ich die richter, die ertailten auf ir ajde
(IL B. XVn, p. 309, 312).
4) Bie zier a. a. 0. -(auch Merkel S. 145) mit vielen Belegen, z. B.
om 1180 sententia scabinorum in placito legitime in Beichenhall (Qu. u. Er.
I, S. 320) ; gegen 1180 nobiles viri, shefen seilicet et dinclute audientibus
liii^ qui dicuntur skeffen et alÜB iudidalibus et questoribus et censoribus
Tills (Drei bayerische Traditionsbücher S. 3, 25); 1131 judices illius comitatus,
qid Tulgo scepphhen vocantur (M. B. "XTTT, p. 61).
5)KSehr0der, Lehrbuch der deutschen Bechtsgeschichte. Leipzig 1887.
S. 168 £; ebenso Brunn er. Die Herkunft der Schöffen (Mitteilungen des
losütuts für österreichische Geschichtsforschung 1887. Bd. VUI, S. 185, 187),
welcher glaubt, dafi das SchOffeninstitut wahrscheinlich nur im Bereiche der
minatischen Gerichtsgowalt zur Herrschaft gelangt sei
6) Wahrscheinlich unter Herzog Heinrich IL zwischen 985 — 995
(Riezler, (beschichte Baiems, I, S. 374).
7) c Si scabinus fecerit; c 6. quando vero dux comites aut scabinos
ia^etieiit (M. G. L. XU, p. 484 £).
6»
— 68 —
Erscheint nach diesen Zeugnissen auch die Ansicht Oi daB
das Schöffeninstitut in Baiem gar nicht Wurzel gefaßt habe,
nicht haltbar, so ist doch zuzugeben, daß dasselbe schon im
Laufe des 13. Jahrhunderts wieder im Absterben begriffen war ').
Zwar möchte ich hierfür nicht den Gegensatz anführen zwischen
dem Schwabenspiegel ^), der sein beschränkendes „swa schephen
sind^' setzt, da wo das sächsische Rechtsbuch, sein Vorbild, unbe-
dingt von Schöffen spricht^), vielmehr möchte ich in den Be-
stimmungen der bairischen Landfrieden von 1244 und 1255 ein
Spiegelbild dieses Auflösungsprozesses erblicken. In dem „De
schepfen" überschriebenen Art. 70^) des letzteren heißt es:
In swelher graÜBchaft gebrest ist der schepfen, da sol der graf
oder ribter vier der eltisten und der beschaidensten nemen und
suln di erziugen umb eigen und umb ander dinch an der
schepfen stat, an daz dem man an den lip get, daz sullen die
Schergen sagen. Die vier suln auch warten, daz der rihter an
dem gerihte iht sitze an den fridbrif, und swen der graf oder
rihter dazu erweit, wil er sin niht tuon, so sol er dem herzogen
20 pfunt geben.
Allmählich war der Schöffenstand ^) auf bairischem Boden
ganz verschwunden, denn die späteren Landfrieden haben diesen
Artikel nicht übernommen, von Schöffen ist in bairischen Rechts-
denkmälem seit Mitte des 13. Jahrhunderts nicht mehr die Rede.
Seit der PubUkation der Gesetzgebung K. Ludwigs ist deren
Geltungsgebiet scharf von Niederbaiem und der Oberpfalz zu
1) Merkel S. 146.
2) Brunner, Schöffen, S. 185 £
3) Darauf legt Gewicht Lnschin a 136.
4) Schwahenapiegel (Gengier) c 162 ; 124 ; 237 § 2. Saehsenfpiegel II,
22§2;III,69§ 1,2. Dieser einschränkende Zusatz des Schwabeiupiegels
steht im Einklang mit den thatsächlichen Zustanden.
5) Qu. n. Er. Y, S. 151. — Die Vorlage (Landfrieden 1244 a. 91 ib. & 91)
lautet: In qnalihet cometia, uhi deffectus fuerit liherorum, qni dicuntor
schepfen, eligantor quatuor meliores et discretiores a indice Tel comite, qni
loco schepfen . .
6) Die homines judiciariae dignitatis, welche Merkel S. 144 und Ba-
seler S. 256 aus Amoldus de S. Emmerammo in einem Bechtntrdte det
11. Jahrhunderts anfahren, lassen auf die Aushildung eines SchöffenstandM
schließen. Oh derselbe erblich, oh er sich mit dem Stammgate Tererbtei,
lä&t sich beim Mangel aller quellenmäßigen Anhaltspunkte nicht entteheidflB.
— 69 —
scheiden. Hier blieb nach wie vor jener Dualismus der alt-
deutschen Gerichtsverfassung in Kraft, wonach dem Richter
Vorsitz und Leitung der Verhandlung gebührte, die ürteils-
f&llung aber der Gerichtsgemeinde 0 resp. einem Ausschusse
derselben, den Schöffen zustand. Der Richter war nur ein
„Frager des Rechts" *). „Da fragt ich Richter was nun Recht
war*', ist die in Gerichtbriefen nicht nur in Bezug auf das End-
urteil, sondern auch bei andern Parteianträgen wiederkehrende
Formel, welcher noch folgende sich oft wiederholende Wendungen
entsprechen: „Da gab Folge, Frage und das Recht"*), „da
sagt Frag mit Urteil"*), da sagt ihm Frag, Urteil und Recht '^),
„da gab das Recht an offner Schranne mit voller Urteil" ^), „an der
Schrannen und an den Rechten sind gesessen . . ., die darüber
verfolgt und erteilt haben '')", „da erteilten die Vorsprechen und
die Biederleute, die des Tags an der Schrannen saßen bei ihrem
starken Eide"**), „da ward mit dem Rechten erteilt®), daran
sind gesessen und haben auf ihren Eid Recht gesprochen und
verfolgt"*«).
In noch mannigfacher Variation erscheinen in den Gerichts-
briefen die Wendungen, welche die Antwort der Urteilsfinder
auf die Frage des Richters um das Recht in concreto einleiten.
1) Siehe S. 67 A. 4 shefen et dinclute; skeffen et aliis iadicialibus.
2) M. B. n, p. 240.
3) 1378 (It B. V, p. 266), 1414 (M. B. H p. 67), 1412 (M. B. XXI, p. 455);
1404—87 (Oberbayer. Arcbir des histor. Vereins XXIV, S. 157, 175, 186, 196,
199; XXV, 8. 142), als rolg und frag seit 1331. M. XXII. p 274 da erteüt
Folg, Frag, Urteü und das Recht 1417. M. XXVI, p. 340.
4) 1293, 1307, 1343, 1360, 1388, 1397 (M. B. m, p. 196, 353; XXVI,
p. 129, 169, 229, 251. Mit volg und mit urteü und mit dem rechten 1312 (XVII,
p. 312), darnach fragt ich an die schrannen was recht war, da ward ertailt
und gab auch yolg, frag, urtaü und recht M. B. XXVI, p. 377 (1424), da
fragt ich an daz geding, was recht war, da gab frag, yolg und das recht M.
R XXI, p. 461 (1416).
5) z. B. M. B. Xn, p. 204 (1383).
6) M. B. XXI, p. 118 (1442).
7) ». B. M B. XXI, p. 455 (1412).
8) M. B. XI, p. 407 (1377).
9) M. B. Vn, p. 405 (1329).
10) M. 6. XXI, p. 546 (1467); daz ez volg und vrag sagt an di eltisten
ond an di pesten, daz di darumb sagen solton und di sagten auf irem ait
M. B. XXVI, p. 156 (1355).
— 70 —
Nuu erhebt sich noch die Frage: Welche Gerichtsinsassen
waren eigentlich berechtigt und verpflichtet, an der Urteils-
findung teilzunehmen? Nach dem Inhalte der Gerichtsbriefe*)
ist eine Dingpflicht aller Gerichtsinsassen ') nicht anzunehmen.
Alle zufällig erschienenen Mitglieder der Gerichtsgemeinde be-
teiligten sich aber an der Fällung des Urteils, regelmäßig be-
schränkte sich diese Teilnahme wohl auf die Zustimmung zum
Urteilsvorschlage der Vorsprecher, welche für jede Verhandlung
aus dem Kreise der Urteiler vom Richter besonders ernannt
wurden *).
Diese Vorsprecher des Hechtens dürfen nicht mit den
eigentlichen Versprechern, den Anwälten verwechselt werden,
sie sind nur Urteilsvorschlager. „Des Rechtens sind Vorsprecher
gewesen" ist die stereotyp wiederkehrende Wendung, welche
ihren Namen in den Gerichtsbriefen vorgesetzt ist*). Die Zahl
der in einer Gerichtsverhandlung anwesenden Urteilsfinder*)
war keine bestimmte , sondern sehr schwankend •). Nur die
Namen der angesehensten Urteilsfinder werden in den Gerichts-
briefen aufgeführt und dann hinzugefügt „und andere ehrbare
Leute genug" oder „ein michel Teil ehrbarer Leute genug",
1) Vgl y. dPfordten, Stadien zu E. Ladwigs oberbayerischem Stadt-
und Landrechte. Manchen 1875. S. 303 £
2) Aach die LO. 1474 spricht von den Landsassen, so nngeffthr-
lich zu der Schrannen kommen (Erenner YU, S. 480).
3) „Da fragt ich den Ä., was ihm recht d&ncht, der erteilt auf seinen
Eid. Der wird verfolgt anf der Schranne, M. XI, p. 411 (1382).
4) 1—5 Vorsprecher kommen vor: 1 (1382 M. fi. XI, p. 411; 1420-63
Oberbayerisches Archiv XXIV, S. 186 ff); 2 (1414, 1442 M. B. II, p. 67; XXI,
p. 118); 3 (1436 M. fi. VI, p. 451); 4 (1435 Oberbayerisches Archiv XXIV,
S. 244); 5 (1467 M. B. XXI, p. 546).
5) Sie werden anch urteiler genannt, z. B. 1377 (M. B. XI, p. 407). Des
Rechtens sind Vorsprecher mid Urteiler gewesen 5, 9, 10, 14^ 17, 18, 20, 25
and andere ehrbare Leute genug.
6) E. B. des Rechtens Vorsprechor 2, bei der Schrannen sind gesetsen 9
(Namen) and andere ehrbare Leute genug, 3 Vorsprecher, 9 an der Schnume,
8 and ein michel Teil ehrbarer Leute genug ; bei dem Rechten und an der Schraaoe
sind gesessen 7 und sonst Biederleuto genug, M. B. II, p. 67 (1414), VI,
p. 451 (1436), XI, p. 411 (1382); 21, XXI, p. 474 (1425); 17 und andere ehr^
bare Leute genug X, p. 305 (1455) ; 7 und andere ehrbare Lente genug XXI,
p. 118 (1442). Da firagt ich an die Vorsprecher und an das erbar Gedinge
was darüber recht wftre; die ertailtcn cinträchtiglich auf ihren Eid. 1416^
1467 (M. B. XXI, p. 459, 546).
— 71 —
u. dgl.*), die es außer Zweifel stellen, daß alle Gerichtsanwesende
als Urteiler fungierten. Dies ging um so leichter, als es
selten vorgekommen sein dürfte, daß dem Urteilsvorschlage der
Vorsprecher die Zustinmiung der Menge versagt worden wäre.
An der Nennung einzelner Urteilsfinder*) hielt man aber
fest wegen des Gerichtszeugnisses, „denn ursprünglich war die
Wirkung des Gerichtsbriefs nur die eines Unterstützungsmittels
für das künftig etwa begehrte persönlich-mündliche Zeugnis der
Gerichtspersonen" »).
Daß eine Vereidigung der Urteilsfinder stattfand, ergiebt
sich aus der häufig wiederkehrenden Wendung, daß diese auf
ihren Eid erteilten.
An der Begrenzung der Zahl der Urteiler und an ihrer
Ernennung durch den Bichter^) setzte die Beform an, welche
den Beschwerden der niederbairischen Landstände ^) über die
mangelhafte Besetzung der Landschrannen Abhülfe schafifen
soDte. Der herzogliche Vorschlag der Erwählung von 24 Ur-
teilem, die allein Becht sprechen sollten, also das karolingische
Schöfifengericht in vergrößertem Maßstab wieder aufleben zu
lassen, fand nicht den Beifall der ständischen Verordneten,
welche beantragten, die Maximalzahl der Bechtsprecher auf
41 Gerichtsinsassen zu bemessen, die aus den ungefähr zu den
1) Siehe S. 70 Anmerkung 6.
2) Diese Sitte knüpft auch an an die Übung, Zeugen im Gerichtsbriefe
ZQ nennen, z. B. und dafs der Red also seit^ des sind Zeug 2 und ander
erbarig Zeug genug, M. III, p. 196 (1307); defisen sind Zeugen 20 und
mehr Biederleut, die des Tags an dem Rechten gesessen sind und darum
erteüt und yerfolgt haben, M. n, p. 245 (1438).
3) Planck, Deutsches Gerichtsyer&hren im M. A. n, S. 198.
4) 1437 hatte bereits die Straubinger Landschaft Klage geftlhrt über die
Gebrechen der Gerichte und über die grofie Schädigung, welche die üntor-
thanen dadurch erführen, da6 die Gerichte mit Urteilem, Vorsprechem und
aoderm Personal nicht ordentlich besetzt seien, um dem abzuhelfen, bean-
tragten sie, damit jeder Mann zu seinen Rechten gleich konmien möchte, dafi
die herzoglichen Rftte Gericht und Schrannen mit ehrbaren Urteilem besetzen
loUten, „die dazu gut und tauglich wären und allwegen zu der Schrannen
kirnen und deren warteten, und das wären solche Leute, die zu derselben
Schrannen gehörten, und welche man also dazu fordert» dafi sie dessen willig
wiren**. Sie sollten Entschädigung für die Zehrung erhalten (Erenner II,
a 75 £, 89).
5) Krenner VE, &, 27L
— 72 —
Schraimen kommenden Gerichtsangehörigen vom Richter erwählt
würden. Nur diese, so also niedergesetzt, nicht aber die so
auswendig an den Schrannen oder dem Ring stünden, dürften
zu Recht gefragt werden*); auch sollten die Richter durch
ihren Amtseid verpflichtet werden, nur die Treflflichsten und
Vernünftigsten unter den Anwesenden zu ernennen, bei der
Auswahl also nicht dolos zu verfahren*).
Diese Vorschläge fanden gesetzliche Anerkennung in der
Landesordnung 1474. Diese setzte nur noch die Minimalgrenze
auf 15 fest : auch sollte der Richter 1 — 3 Edelleute oder Bürger,
die zufiällig an der Schranne anwesend wären, in den Kreis der
Rechtsprecher aufnehmen, falls diese nicht parteiisch oder von
einer Partei geworben wären'). Diese Modifikation, welche
wohl nebenbei bezweckte, das inteihgente Element auf der
Gerichtsbank zu verstärken, sobald sich hierzu Gelegenheit
bieten würde, war doch wieder durch den Sondergeist der
Stände hervorgerufen, welche nicht wollten, daß ein einfacher
Richter ihre zufällig anwesenden Genossen von der Urteils-
findung ausschlösse. Allerdings ihr Streben *), ihren Genossen
die Möglichkeit zu bieten, unabhängig vom richterlichen Befehl,
wenn es ihnen gefiele, sich an der Urteilsfindung beteiligen zu
können, fand nicht die Billigung des Herzogs. Dieser hielt in
der Landesordnung daran fest, daß ein Urteil nur von den vom
Richter ernannten Urteilsfindem und sonst von Niemand gefällt
1) Erenner YII, S. 808, 422 £
2) Des Henogs Vorschlag ging dahin, 24 Rechtsprecher zu erwihlen.
Eine solche Ernennung bestimmter SchOifen fand aber nicht den Beifidl der
Landschaft, welcher es besser dflnkte, wenn von den ungefähr zur Schranne
Kommenden jedes Mal durch den Richter '41 oder weniger für die betreffende
Gerichtssitzung als Urteiler besteUt würden (ibid. S. 308\
3) „Zu erst so wollen wir, dafs ein jeder unser Pfleger oder Richter die
ehrbaresten Landsefsen und Landsiedler, so ungefährlich zu der Schrannen
kommen, auf das meiste 41 Personen, in das Landgericht gehörend zu Ür-
thcilem und Rechtsprechem niedersetze und keine Qef&hrlichkeit darinn halte.
Und ob nicht so viel Landsefsen und Landsiedler zu der Schrannen kommen,
so sollen doch derselben zum mindesten 15 und nicht minder seyn. Die-
selben, soviel ihrer sind, sollen, sobald sie also niedergesetzt werden, um das
für sie in Recht gebracht wird, Recht sprechen** (Krenner VII, S. 480).
4) Ihr Antrag ging nämlich dahin: „die (Edelleute oder Bfirger) bitten
noch Macht außerhalb des Landrichters Goschäfft und Heiffen niedenoritieii
und Urtheil zu sprechen** (Krenner VII, S. 423).
— 73 —
werden dürfe. Mit solcher Entschiedenheit verfolgte man diese
Tendenz, einen vom Richter nicht Ernannten von der Urteils-
findung auszuschließen, daß man sogar den Schiedsspruch für
unzulässig erklärte : „Und ... so wollen wir . . . , daß das Über-
leuten so etwa lange Zeit beschehen ist ganz ab seyn, und
füran nicht mehr gebraucht, noch zu gebrauchen gestattet werde.
Es soll auch niemand anders Macht haben an einem jeden
Landgericht oder Gericht Ürtheil und Recht zu sprechen,
dann die, so wie vorsteht, Recht zu sprechen niedergesetzt
werden" * ).
Über den Hergang bei der Urteilsfindung gibt ein Land-
gebot H. Georgs von 1491 *) Auskunft. Nach demselben kann
der um das Urteil vom Richter gefragte ürteilsfinder, sobald er
mit seiner Meinung über den Rechtsfall nicht fertig ist, sich
mit seinen Kollegen*) unterreden, „damit die ürteilsprecher
einander frei erinnern mögen, wie ein jeglicher der Parteien
Fürbringen gemerkt habe, und darauf ein göttlich gerecht und
förmlich Urteil, Rede und Widerrede gemäß zu schöpfen und
zu geben wisse". War der Rechtsfall derart gelagert, daß eine
längere Bedenkfrist geboten erschien, so durfte die Urteils-
fallung bis zum nächsten Gerichtstermin vertagt werden *), da-
mit in der Zwischenzeit ein Gutachten Rechtsverständiger er-
holt werden konnte — „in Meinung dazwischen in derselben
Sache des Urteiles von den Verständigen der Rechten und löb-
lichen hergebrachten Gebrauches und Gewohnheit Rates zu
pflegen. Denn viel besser ist eine ziemliche Zeit des Urteiles
halben Geduld zu haben, denn ungöttlich, unrechtlich, falsch
und unförmlich Urteil zu sprechen, dardurch die Partheycn
wider Gott und Recht beschwert werden, und die Urteiler ihr
1) Krenner YII, S. 481. Sollte doch in VergeBsenheit oder in anderm
Wege ein Schiedsspruch geföUt worden sein, so entbehrt derselbe jeder
rechtlichen Wirkung.
2) Krenner XII, S. 339.
3) Nur Richter und Gerichtsschreiber, nicht aber Fürsprecher der Partei
duften bei dieser Beratung zugegen sein.
4) „Und ob zu Zeiten an den Sachen der Rechtfertigung so merkliches
gelegen, daß Nothdorft wäre einen l&ngem Bedacht der Urtheile zn haben,
dag soll ihnen anch bis zum nächsten Gericht angef&hrlich zugelassen
werden** . .
— 74 —
Gewissen durch ihr ünwissen vermailigen ^); daraus ihnen dann
von Gott dem Allmächtigen Plage und Verdammniß ihrer Seele
folgen möchte".
Hier wird also zum ersten Male eine gesetzliche Ermädi-
tigiing für ein Volksgericht ausgesprochen, sich für die von ihm
zu fällenden Urteile des Gutachtens der Rechtsverständigen zu
bedienen. Hierbei hatte man wohl hauptsächlich die Lehrer
, des Hechts ') an der jungen Ingolstadter Landesuniversit&t im
; Auge. Damit war ein Zugang eröfihet, auf welchem die fremden
Rechte in die bairische Rechtssprechung eindringen konnten.
Die Gerichtsordnung 1520 (t VHI a. 5) gestattete dann
den Parteien nach Beschließung der Sache, insbesondere aber
vor den Hofgerichten schriftliche Ratschläge von bewährten
Doctoren oder andern Schriften, darin die Recht angezeigt
werden, den Richtern zu einer Unterricht (damit sie desto ge-
wisser und rechtmäßiger Urtel schöpfen und Recht sprechen
mögen) zu überantworten. Daß auch auf solchem Umwege
dem fremden Rechte, für welches die Gesetzgebung Baiems
im 16. Jahrhundert die Bahn erschlossen hatte, ein immer
weiteres Gebiet der Anwendung eröfihet wurde, liegt auf der
Hand.
Ganz anders dagegen vollzog sich die Entwicklung in
(Ibcrbaiem. In Folge der Publikation des Landrechts •) wurde
das Recht jetzt nicht melu* gefunden durch die an der Schranne
Anwesenden; ^icht an sie wandte sich künftig der Richter mit
der Frage, was Recht wäre, sondern aus dem Gesetze suchte
or den Inhalt des Urteils zu gewinnen, das er selbst fällte nach
des Buchs Sage ^). Fortan bestand also ein Gegensatz zwischen
1) beschädigen, bemakehi (Schmoller - Frommann, Bayeriichei
Wörterbuch, 2. Anfl., I, S. 1586).
2) Unter diesen be&nden sich gleich bei der Grflndong neben Canonisten
auch liomanisten (Prantl, Geschichte der Ludwig- Maximilian -üniyerntit
in Ingolstadt, Landshut, Manchen. 1872. I, S. 33 £).
3) Das alte Landrecht wurde wahrscheinlich 1336, das nene (yerbeiserte)
1346, das Stadtrecht 1334 pablidert nach den Untersnchongen y. d. Pf o r d te n's
S. 0, 282 ff
4) Li der Vorrede zum Landrechte wurde den Richtern und Amtleateii
geboten, daz si die selben recht also behalten pey irem ajde . . . und dai
si darnach von wort ze wort, von stak lo stak armen and reicheii vng^
vaerlich richten sullen.
— 75 —
„dem Richten nach Urteil*' ^) und „dem Richten nach Inhaltung
des Buchs" *). Doch saß auch in Oberbaiern der Richter nicht
etwa allein mit dem Gerichtsschreiber an der Schranne ^), son-
dern auch jetzt hatte er noch Gerichtsinsassen als Beisitzer bei
sich. Diese fungierten in den Fällen, wo der Richter nach dem
Buche entscheiden konnte und bei Auflassungen von Grund-
stücken nur als Zeugen des Rechtes^) und werden als solche
in den Gerichtsbriefen aufgeführt. Diese (gewöhnlich 5) Bei-
sitzer fungieren auch da, wo der Richter in der Hauptsache
allein entscheidet, über eine Frage, nämlich über die, ob dem
Parteiantrag auf Erteilung des Gerichtsbriefs stattzugeben sei *).
Ganz wie vor der Publikation des Landrechts fanden aber
die Beisitzer und nicht der Richter das Urteil in denjenigen
Fällen, in welchen das Buch keine Bestimmung darbot, welche
der Entscheidung zu Grunde gelegt werden konnte.
Allerdings war dies nicht ausdrücklich im Gesetz ausge-
sprochen und der Vorschlag, wie er in dem Entwurf zum revi-
dierten Landrecht zum Ausdruck kam, dies zu statuieren ^), fand
1) So in dem Batschlag der Bäte und der Landschaft 1444 (Erenner
I, S. 165).
2) 1393 gehietet Herzog Johann dem Abt zu Scheiem, betonend, dafi in
seinem Kloster „das Becht bisher mit der Frag beschehen und nicht nach
insenn Bechtpach^, künftig „nach unsers Fachs Sag** den Elosterlenten das
Becht zn thmi (M. B. X, p. 525).
3) über die bei diesem Verfahren in Betracht kommenden Detail£ragen
Tenreise ich auf die lichtrollen Untersuchungen v. d. Pfordten's S. 307 ff.
4) „Des Bechtens Gezeugt (M. B. IX, p. 184; X, p. 153). v. d. Pfor dten
iteüt S. 310 £ die Gerichtsbriefe zusammen, in welchen der Bichter aUein
handelt^ aber die Beisitzer erwfthnt („Bei den Bechten waren . . . und ander
erber Leut genug**). Daselbst S. 309 Zusammenstellung der Gerichtsbriefe,
a welchen nur des Bichters, nicht aber der Beisitzer Erwähnung geschieht
5) Dies war erforderlich dann, wenn der der Entscheidung zu Grunde
liegende Landrechtsartikel keine Bestimmung über die Erteilung des Go-
richtsbriefs enthielt Vgl v. d. Pfordton S. 309, daselbst S. 311 t sind
die einschlägigen Gerichtsbriefe aufgezählt
6) Die Efferdinger Handschrift des Landrechts, welche v. d. Pfordten
8. 206 ff. aus gewichtigen Gründen nur für einen Entwurf des Landrochts
Tön 1346 hält hat folgenden a. 197: „ümb die fünf! Waz für reht kumpt
diz das puech niht hat» da sol der rihter an der schrannen fünf nemen die
Pesten die da sein dez tagez und die sullen also stiUe sitzen und sullen sich
dar um niht besprechen und sol si der rihter fragen auf ir ajd waz si reht
daran dnnch nach enz anchig und enz wider antwort Und werdent die fünf
— 76 —
nicht des Kcaiscrs Billigung und fehlt so im Landrechte von
1346^). Doch läßt sich eine konstante Praxis in dieser Rich-
tung nachweisen. Dieselbe wurde zuerst von den Münchner
Herzogen Ernst und Wilhelm 1409 *) und später durch Ludwig
den Bärtigen von Ingolstadt in einer Verordnung ausdrücklich
anerkannt. Wir wellen, sagt K. Ludwig *), daz chain unser richter
wo der zu recht sitzet nicht urtailen süU, er sol ain verhörer
sein des rechtens und waz daz puoch nicht enhat oder zwen
artickel mit ainander chriegen darumb sol der richter fünf ge-
sworen und geleumter man an der schrannen dargeben die
mit den Sachen unverwout sein, die daz auf ir aide ent-
scheiden.
Die Frage, ob das Gesetz eine für den Rechtsstreit ge-
eignete Bestimmung enthielte, oder ob durch die Beisitzer das
Urteil zu finden sei, war durch den Richter zu entscheiden«
Waren die Beisitzer mit dieser Entscheidung nicht einverstan-
den, so war diese Streitfrage nur durch Erkenntnis des Hof-
gerichts zu schlichten*).
en ayn mit ir nrtailn da mit hat der bohabt dem daz rcht geveUet so sol
der rihter haben ein laorz pucch und sol an daz selbe bnech haizzen schreiben
die ansprach und die antwort und waz dar aber ertailt sei** (Bockinge r,
Ober die Handschrift von K. Ludwigs altem oberbaier. Landr. zu Efferding^ in
Sitzongsber. d. bist KL d. bair.Ak. 1873. S. 426; vgL noch v. dPfordten
S. 322 f., dafi dieser Artikel [als Anhangsartikel 451] mit Unrecht von A n e r
als dem MOnchner Stadtrecht angehorig bezeichnet wurde).
1) V. d. Pfordten S. 208 vermutet, daß der Vorschlag abgelehnt
, worden, weil er das Rechtfinden an der Schranne wenigstens furmeU mit dem
landesherrlichen Gesetze gleichgesteUt und so gleichsam den Richtern und
i (leschworenen gesetzgebende (jewalt einzuräumen scheine.
! 2) In einer Entscheidung einer Streitigkeit des Abts zu Ettal heifit es»
i daG der Richter des Klosters „wes aber das Buch nicht biet*' an der Land-
I schrannen 5 oder 7 der Besten niedersetzen und auf ihren Eiden fragen loD.
Was die oder die Mehrheit derselben erkennen würde, dabei sollte es bleiboi
(M. B. VII, p. 269).
3) V. d.Pfordten S. 324, der auf Variationen dieses Textes in sp&tereo
Handschriften hinweist
4) Ein interessantes Beispiel eines solchen negativen KompetenikonfliktMi
zwischen Richter und Beisitzer teilt aus einem Codex des MOnchner Stadt-
archivs mit V. d. Pfordten S. 326. Des Kämmerers Ansicht, „das ich der
urtail nit schuldig pin ze geben wan ir seytt ain richter und habt gesworn
zu dem puech und ir solt richten nach des pucchs sag und nicht nach andern
Worten** fand die Billigong der übrigen StadtgerichtsbeintKer. Das Hofgeikht
— 77 —
Auch nach der Vereinigung Baierns blieb der Dualismus
der richterlichen Entscheidung nach des Buchs Sage und der
Findung des Urteils durch die anwesenden Gerichtsinsassen in
Kraft. Die Gerichtsordnung 1520 (t. I a. 2) formulierte den
Amtseid anders für den Richter, „der nit Beysitzer, Recht-
sprecher oder urtayller bey im hat und allain urtü spricht, wie
dann in Obern Baymlannd an vil ortten der brauch ist", und
wieder anders für den Richter, welcher allein der Urteil an-
fragt, aber Beisitzer, Rechtsprecher und Urteiler bei sich hat.
Für das Rechtsgebiet, in welchem die Institution der Urteiler
weiter bestand (wie dann der ennden allda das Lanndtpuech
nit liegt der geprauch ist), wurde deren Zahl auf 13 in maximo
beschränkt. Der Richter wählte sie aus*) den Gerichtsein-
gesessenen, und zwar hatte er die besten, rechtlichsten und ver-
standigsten, welche an dem Orte zu haben waren, hierzu zu
ernennen '). Dem Mißbrauche, der an manchen Orten eingerissen
war, daß die Schergen nach ihrem Gefallen und ihrer Gunst
die Urteilssprecher auswählten, trat die Landesordnung von 1553
(B. n a. 2) entgegen, indem sie in Hinweis auf die Gerichts-
ordnung 1520 die Auswahl derselben durch die Pfleger und
Richter „auf gute Erfahining ihrer Geschicklichkeit" einschärfte
und die Zahl derselben auf 7 — 9 ermäßigte, da wo mehr ge-
schickte Urteilsprecher nicht aufzutreiben wären ^).
Nachdem die Maximilianeische Gerichtsordnung von 1614
(t I a. 4, 5) die Grundsätze der von 1520 wiederholt hatte,
blieb es dem Codex judic. 1753 (c. 2 § 4) vorbehalten, die Beisitzer
ihrer Funktionen als Mitrichter und Urteilsprecher zu cntklei-
entschied — die Schuld war zweifeUos — daß der Richter und nicht die
Bdsitser entscheiden müsse, oh der Schuldige den Tod verdient hahe.
1) Gerichtsordnung 1520 t I a. 4.
2) Der zum urteiler Ernannte hatte in öffentlicher Gerichtssitzung die
getreue Erfüllung der Rechtsprecherfunktionen eidlich zu golohen, daher „die
geschwomen ürteilsprecher*' (vgl. Eidesformel in Gerichtsordnung 1520
t I a. 5).
3) ^Aoff das auch diesolhen nit f^r und fElr mit solcher purden heladen
und an jrer narung verhindert oder gesaumht werden**, soUte eine AhlOsung
im SchOffendienste in der Weise stattfinden, daß jährlich die Hälfte der Bei-
sitzer ihrer Funktionen enthohen und durch andre ersetzt würden, doch war
der Ohrigkeit anheim gegehen, diese AhlOsung im BedarfsfaUe zu sistieren
oder einzuschränken (LO. 1553 t, n a. 2).
den und ZD cuifftclien ticzougßu der (JerichUTerhondluiig zu de-
gradieren; sie mußte aber wenigstens in Stiidtvn und Miirktan
und da, wo es bisher (ibiicb gewesen, den Beisitzern die Füllang
des Urteils gemeinBchaftlich mit dem Kichter belassen ' ).
Schon im 16. Jahrhundert *) zeigt »cb aber in den Kruiäou
dur berufBrnaßigfin Ricfater eine starke OitpuBition gegen die
Bet«iliguiig des Loienelements un der Rt«ht8Sprecbuug,
In den Klagen über die Uuwiseeuheit der ßicbtJir und
Huchtsprocher, die sie der Rabulisterei der halligelehrten Sach-
walter prcisgal} nnd als Bcliwen^s Gebrechen der rteclitsplli^ü
empfunden ward, stininituu die Einstchlig^ten diT Nation tther-
ein *). Die Praxis strebt dahin, die ganz Ungelebrten vom
Richter- und Scbüffcuaiui auszuschließen. Damit verbindet sich
eine Strumung, welche ikiferh&upt den nicdcrn ßUrgerataud iiiig
den Gerichten venlr&ngeu wilM). In der zur Unt«rweisung der
Pfleger verfaßten „Layscben Anzaigung" *) (1532) tritt diese Ten-
denz hiidist cbarakteristiäch hervor in folgenden Warten: „So
bedeucht mich nit p<iß, man ließe den Armen Pawrsman im
Niderlutind buy seiner voldarbait, darzu er on zweifel nutzer
und geschickter wäre diinn zum urtelnsprechen, sonnderlich in
peinlichen Sachen, da es leib und lebeu antritTt und daß der
KichUT allain urtln".
Übrigens bringt die Gesetzgebung selbst das Mißtrauen,
vrelches man der Qualifikation der Urteiler entgt^onbnicbte, un-
1) NbcIi c S 8 4 Mllbm Baintier, wsnigftent 2 dort, wo tia bubnr
Oblieb, bMonden sbet, weiui Biehtet koineo OeriehUtdirfibor bei ilrh litt,
b«ig««ogeti wordoD. WolHiJ«doch ditMlben nicbt &]i MJtrfchtcr nod Ortrit-
■preehirr, Miii]«ni nnr aU Qtaeagen d«M«i, wm hay Gericht rorg*bt, a
bnachan und dab«r tsob Um StimmeD nnd Uefiiiuipii kb(Qg«b«ii ««dw
Mhuldig noch belogt Mfiid.
8) Unlor den Gericbtigob rechen gmehieht noch d«t
nnDg; 6tA «Ich oft begibt, itaf Rifhtei nnd Gericbtwwhniib« |
und tllorant auf die Rovhttproclier h&non inlliitoo, bu iHntrlhM 9
r rom Pflog, drr Kiidre *
n Mail I Haben), der dritte tob •
wetk und derKleieben Tiels atidro Nachtcili! mehr, donu* doD P>rtd«i<1
nnd Schidn errtebea tEtenncr XVI. & 381).
3) StJDtiiDg, Gwdiicbts der popallren Utcratv de» rflralifh kliit 1
iibchMi BMlit« >D DealaeUaad. Uifäg 1807. & XXXIV C
4) a. •. a 8. XXXVl
D) V^ Ober diflM Schrift Stobbe, OweUdit« <
— 79 —
verhüllt zum Ausdruck. Die Gerichtsordnung 1520 (t. X a. 6)
dehnt es sogar auf die Richter aus, indem sie die Zulässigkeit
der Appellabilität von Beiurteilen (entgegen dem gemeinen
kaiserlichen Recht) damit begründet — „dieweil die Richter
und Rechtsprecher auf dem Land, auch in Städten und
Märkten nit allzeit genugsam Erfahrung und Schicklichkeit
mögen haben zu erkennen, was Recht ist und insbes. ihr
Entschied und Beiurteil nit allweg stattlich und wol erwegen
mögen". —
Nicht zur ordnungsmäßigen Besetzung des Landgerichts
wie in Sachsen *) gehörte in Baiem der Fronbote, der aber auch
hier bei keinem Land- und Stadtgerichte als Vollzugsorgan des
Richters fehlte.
Praeco *), Scherge ^), Fronbote *), Amtmann ^), auch Unter-
amtmann ^), Büttel '^) sind die verschiedenen für dieses Amt des
Gerichtsdieners gebräuchlichen Titel ^). Daß diese Schergen mit
der niedem Gerichtsbarkeit betraut waren ^), kann ich nicht
1) R Schröder, Die Gerichtsverfassimg des Sachsenspiegels, a. a. 0.
V, S. 61.
2) Um 1160 (M. B. I, p. 30). Schon vor 1174 Cod. Falkenst precones,
qui in eadem comitia positi snnt (Drei bayerische Traditionsbücher S. 24.)
3) Vor 1183 Udalrich scherige (ib. S. 59); Landfrieden 1244 a. 78:
preco «3 Landfrieden 1281 a.59: scherig (Qu. n. Er. Y, S.90, 348); seheriones
IL B. V, p. 135 l
4) Seit dem 13. Jahrhundert z. B. Landfrieden 1244 a.9 and K Landscherge
1332 (M. B. XI, p. 392, nnd L. Pr. m a. 8); geschwomer Fron- oder Ge-
richtiboto (Gerichtsordnung 1520, tit 11 a. 1).
5) z. E 1340 Scherge und amtmann (Qn. n. Er. VI, S. 360).
6) L.O. 1553 S.38; Gerichtsamtmann (Be£ Landrecht» t 11 a. 5).
7) L. F. I a. 4.
8) L. F. I a. 4 spricht von fronpotn, pütÜn, schergen oder ambtknochtn.
Wo in L. Fr. 1553 (m a. 8) fironpoten, stand in L. Fr. 1508 und 1514
Scheinen.
9)SoRiezlerII, S. 177. Der Satz des Schwabenspiegels (c 84 G.):
fin Richter soll ein Richter sein nnd nicht ein Fronbote, ist nicht mit
Biezler auf eine Anmaßung höherer Gerichtsbarkeit durch den Schergen zu
deuten. Der Zusammenhang mit dem vorhergehenden Satze: Dehein rihter
mac nieman f&r gebieten, ez ist niht sines amptes, ergibt den Sinn, daß der
Richter nur Funktionen des Richters, nicht solche des Fronboten, wie das
Fflrbieten, versehen, also nicht in den Gesch&ftskreis des Schergen über-
greifen soll, nicht aber umgekehrt
— 80 -
finden. Der Scherge war ein verfassungsmäßiges niederes, za
dauerndem Dienste beim Gericht angestelltes und vereidigtes^)
Organ, nicht ein privater Diener des Richters, konnte^also auch
nicht von diesem, sondern nur von dem Vitztum*), später von
der Regierung ^), nicht aber vom Rentmeister allein *) ange-
stellt werden.
Schon K. Ludwig war bestrebt, Garantieen für eine ordent-
liche Amtsverrichtung der Schergen zu schaffen, und schärfte
den Vitztumen angemessene Ahndung jeder Ordnungswidrig-
keit ein*).
Die Klagen, daß oft seltsame, übelbeleumundete Personen
zu Schergen ernannt würden, verstummten nicht ; sie riefen b^ei
der Möglichkeit, in solch amtlicher Stellung die Unterthanen in
vielfacher Weise zu drücken, die Anordnung hervor, daß nur ehr-
bare und taugliche Leute ^), und zwar nicht von Zustands und
Gelds wegen, sondern nur von Frömmigkeit und guten Wandels
wegen "^ ) zu diesem Amte bestellt werden dürfen ^ ).
1) L.O. 1474 (Krenner Vn, S. 482); Gerichteordnimg 1520, I a. 7.
2) Landfrieden 1281 a. 3 (^Qil u. Er. V, S. 340); Instruktion K Lndwigi
für Vitetum etc. in Nicderbaiem 1340 a. 8 (ibid. VI, S. 360).
3) L Fr. I a. 5.
4) Rentmeister-Instmktion 1574.
5) Instroktion 1340 a. 8 (Qu. n. Er. VI, S. 360) — daz die vitztnm in allen
gerichten schergen und amptlaont setzen, di in darza geyallen und sollen
in di ampt lazzen und enpfelhen an aUe pfenning und aach in dar xu ir
natz umb ir arbait beschaiden, daz si ez erleiden mögen, ond das n ein
wohrhait ond ein rechtichait treiben ond bandebi an allen Sachen.
6) LO. 1501 (Krenner XHI, S. 166, 281).
7) L Fr. I a. 5.
8) Ein Vorschlag der Münchner Stände 1468, fromme geleomde Schergen
nach Bat der ältesten ond besten der Gerichtsleote desselben Gerichte in
setzen (KrennerV, S. 327), fand keine Beachtong. Aoch bei den Yor-
beratongen zor niederbairischen LO. von 1474 stellten die Stände dem Her-
zoge vor, er möge von den Schergen keine Zostände mehr nehmen, wonm
Landen ond Leoten merklicher Schaden entstünde, sondern ehrbare nnd Ter-
inOgendc Landsassen zo solchen Ämtern befördern, wodorch viele Beschwerden
behoben würden. Dorch die Reglong der Fottcrsammlong würden die
Schergen keine Zostundo mehr geben, meinte der Herzog (Krenner VII,
S. 315, 541). — Diesem Gesichtsponkte war schon die Instroktion K Lodwigi
von 1340 a. 8 gefolgt
— 81 —
Wie die Schergen wurden auch ihre Knechte vom Vitztum
bestellt. Die Zahl dieser einmal ernannten Knechte durfte nicht
überschritten werden*). Im Gegensatz zu diesen, zur Unter-
stützung in seinen amtlichen Verrichtungen bestellten ünter-
knechten hieß der Scherge dann der oberste Scherge *).
Die Wirksamkeit des Fronboten hat die Ausführung der
vom Richter befohlenen prozessualen und exekutorischen Akte
zum Gegenstand. Nur auf Grund eines richterlichen Gebots
oder eines Urteils^), nicht aber nur auf Antrag einer Partei
tritt er in Thätigkeit.
Ladung der Beklagten *) und Zeugen ^) hatte der Fronbote
zu bethätigen. In den Gerichtsverhandlungen besorgte er den
Aufruf der Parteien und Zeugen und alle erforderlichen Aus-
rufungen**). Bei Auflassungen von Liegenschaften hatte der
Fronbote die Überantwortung ^) an den Erwerber an Ort
und Stelle zu vollziehen ^) , während der Richter in der
Schranne mit dem Stabe die symbolische Besitzeinweisung vor-
nahm.
Unter den dem Fronboten zugewiesenen Vollstreckungs-
handlungen tauchte schon früh die Mobiliarpfändung auf, indem
1) K. Ludwigs Instruktion 1340 a. 9.
2) L.O. 1474 (Krenner VII, S. 406); L. Fr. m a. 8.
3) Ldr. a. 258. Ez sei fronbot nieman nichtz verbieten, noch dhain pfiEUit
antwurten von nieman, ez ge dann von der schrannen her und daz ez mit
dem rechten gevaUen sey nach des puochs sag . . . YgL auch a. 5 und
Eidesformel der Ger.O. 1520 t I a. 7.
4} Ldr. a. 8; Ger.O. 1520 t 11 a. 1. Daß die geschwomen Amticute
selbst und nicht ihre Knechte die Ladungen besorgten, wurde 1444 bean-
tragt (Krenner I, S. 166).
5) Ldr. a. 319, 330. Der Scherge selbst war im allgemeinen unfähig
2^eage zu sein wegen seines Anteils an der Buße (a. 265).
6) Ldr. a. 10, a. 30.
7) Ldr. a. 257; z. B. 1382 da soUte der Bichter in die Gewero setzen
mit dem Stab und Amtleute mit dem Wasen; 1412 man soUte wältigen in
der Schranne mit dem Stab und mit dem Amtmann auf dem Grund und
Boden; 1436 man soUte ihm einantworten hier mit dem Stab und der Amt-
mann dort zu Haus und Hof mit dem ThOrnagel (M. B. XI, p. 411; XXI,
p. 456; II, p. 77).
8) Landfr. 1244 a. 9 und die folgenden Landfrieden (vgl Kockinger,
Zur äufiem Geschichte der ftlteren baierischon Landfrieden, Abb. d. bajer.
Akad., bist KL X, 1867, S. 461).
Roseathal, Gachichte d. OerichUw. o. d. Verw.-Org. Baiems. I. ß
— 82 —
die Landfrieden ^) jede ohne Fronboten yorgenommene Pfändung
als Friedbruch ahndeten. Ebenso war auch die Beschlagnahme
von Fahrnis und Liegenschaften, das Verbieten * ) und das Für-
bann thun ^) seines Amtes. Seine Amtshandlungen bezeugt er
bei seinem Diensteide*).
Auch als öflfentlicher Ankläger kann der Fronbote fun-
gieren, und zwar als Vertreter des Landesherm *), welcher da,
wo kein Kläger vorhanden '), die Rechtfertigung thun lassen
sollte ').
Mit dieser Funktion als Ankläger, die nicht zu den Amts-
pflichten des Fronboteu gehörte, sondern ihm nur kraft spezieller
Vollmacht übertragen**) wurde, darf nicht verwechselt werden
die ihm obliegende Verpflichtung, alle zu seiner Kenntnis ge-
1) Landfr. 1300 a. 76 (Qa. u. Er. VI, S. 122) Swer den andern pfendet
an Tionboton, der ist fridbraech. In der spätem Praxis konnte diese Vor-
schrift nicht durchdringen. Vgl v. Amira, Die Form der Verhaftung in
den oberbayer. Rechtsquellen des 14. Jahrhunderts (Oberbayer. Arch. XXXH,
S. 213).
2) Ldr. a. 258, 282.
3) FOrbann bezeichnet nach Brunner (Deutsche Rechtsgeschichte.
Leipzig 1887. I, S. 147) den Frieden, der einem Grundstücke gewirkt wird,
um das Jemand vergeblich angesprochen worden ist ; Ldr. a. 30, 197, 262.
4) Ldr. a. 8, 242, 2^2.
5) Ldr. a. 256. Ez sol dhain scherg nieman sein chlag fUren, dmno
seinem rechten lantzherm oder dez lantzherren vitztuom. Ke£ Ldr. t V a. 8
G) Vgl Vorberatung zur L.O. 1474 (Krenner VlI, S. 314).
7) z. B. 1455 Amtmann in Ingolstadt (Oberb. Arch. IV, S. 144); 1513
wird der Amtmann zu Perlach als Ankläger vom Herzog bevollmächtigt
(Lipowsky, Geschichte des baicrischcn Kriminalrechts. MOnchen 18(KI.
S. 173) ; 1500 erschien vor dem Richter des Herrn von Gumpenberg des
Horzogs Wolfgang und seines Vormunds Herzog Wilhelm Anwalt und Qe*
walttruger M., Amtmann zu Rain, und ließ durch seinen zu Recht erlaubten
Fürsprechen in angedingteu Rechten als strengen Gerichts Recht anbringien,
ich Richter hätte 2 (0. und Seh.) in Fronvest, die des Herzog« Land und
Leuten schädlich gewesen, und bat ...(RA., Urk., Crim.).
8; Formulare für solche Vollmachten enthalten mehrfach Formolarbücher
aus dem IG. Jahrhundert, z. B. Gewalt über schädliche Leute (Cod. Bay.
2520) Von Gottes Gn. Wir Wilhelm [V.] bekennen mit diesem offenen
Briefe, als N. von schädlicher Sachen und Ubelthat wegen zu N. in Fron-
vest kommen ist, und wenn wir aber das Recht zu fürdem und das Unrecht
zu strafen schuldig und geneigt sind, so haben wir unserm Amtmann N. ra
N. unsere ganz vollkommen Gewalt gegeben und geben ihm den in Kraft
dieses Briefs gegen N. um seine Übelthaten und Verhandlung in Recht Bockt
— 83 —
laDgenden Malefiz-, Vitztum- und Gerichtsfälle dem Pfleger oder
Richter oder andern obristen Amtleuten treulich anzusagen
und nichts zu verschweigen.
Häufig wurde der Fronbote in den Gerichtsverhandlungen
gefragt um das Herkommen ^), dessen Kenntnis man namentlich
bei ihm voraussetzen konnte; öfters noch mußte er die Vor-
nahme der Ladung und das Nichterscheinen einer Partei im
Termin konstatieren ^), damit man zu deren Kontmnazierung
schreiten konnte.
Die Einkünfte der Schergen setzten sich zusammen aus
Gebühren für einzelne Akte *), Anteil an Bußen *) (Nachrecht)
und Erträgen gewisser Güter ^) und Reichnissen einiger Gerichts-
unterthanen, sog. Brodbauern®). Die L.Fr., welche die Nach-
rechte für die Richter abschaffte, Heß sie in der Höhe von 10 ^/^
ZQ stehen, laut seiner Urgicht zu klagen und des Rechtens zu begehren, dem
nachzufolgen und Alles das zu thun und zu handeln, das sich nach Ordnung
Malefizrechtens gebühren und not sein würde und was er also darin handlet,
thuet und läßt, ist unser guter Will und wir sollen das stet halten zu Ge-
winn, Verlust und allem Bechten treulich ohne Gefährde.
1) So erteilten 1377 die Altesten und Besten an der Schranne zu Loch,
man sollte dem Amtmann auf seinen Eid darum zusprechen (M. B. XI, p. 407).
2) z. B. 1412 da gab das Recht, ich (Richter) sollte den Amtleuten zu-
iprechen, ob sie des Rechtens wohl gewartet hätten etc. (M. B. XXI, p. 455,
TgL ibid. X, p. 536).
3) Stadtr. a. 168 ; L.0. 1474: Fürbot 2 X (= Pfennig) LandsL und pro Meile
6wt(Krenner VII, S. 482) ; Landpot 1516, S. 22 (Der fronpoten und schergon
Ion) enthält Tarif: für Fürbot 4, Pfändung 12, über Land dazu per Meile 8,
Gefangennahme und Entlassung aus dem Gefängnisse je 12, Verpflegung eines
Gefangenen 13 \ oberläud. Währung; einen Gebührentarif enthält auch*
Befl Ldr. t IV.
4) Nach Ldr. a. 264. Von einer Bu£e von 72 X erhielt Richter 60,
Scherge 12 \; vgl. noch Ldr. a. 260.
5) Die in den frühsten Salbüchern angeführten Schergenämter (siehe S. 52)
nnd DOrferkomploxe, deren Erträgnisse den Schergen zugewiesen wurden.
6) Die Leistungen dieser Brodbaucm waren jährliche Geld- (z. B. 2 fl.)
und Getreidereichnisse; sie bestanden auch in der unentgeltlichen Ver-
pflegung der Schergen bei ihrem Amtsreisen. Viele Klagen über diese Ein-
nchtong (z. B. Erenner IX, S. 227), deren Ausdehnung besonders durch
l^ermehrung der Uuterknechte versucht ward, führten zu einer Einschränkung
in der L. Fr. (lU a. 8) auf diejenigen Orte , wo Brodbauern bisher üblich
Wen, xmd auf die vom Rentmeister bestimmte Zahl (nicht über 8). Erneute
Klagen führten 1573 zu dem Vorschlage der vollständigen Abschafi'ung der
Brodbauem, doch verblieb es bei der Bestimmung der L. Fr.
6*
— 84 -
des Wandels den Fronboten, da wo sie dieselben aus altem Ge-
brauche hatten*).
Die Klagen über die bösen unfrommen Schergen, welche
durch Überforderungen der verschiedensten Art, durch unwahre
Anzeigen, durch parteiische, eigennützige Bevorzugung der reichen,
sie beschenkenden vor den ärmeren Unterthanen diese härtig-
lieh bedrückten, kehrten immer aufs neue wieder. Deshalb schärft
der Verfasser der „Laijschen Anzaigung" dem Pfleger (Richter)
strenge Beaufsichtigung der Fronboten ein, denn es sei nötig,
ihnen ins Spiel zu sehen und auch nicht zu gestatten, daß die
ihm zur Mithandlung Amtshalben Unterworfenen den Leuten
Unrecht thun.
Zu dem gerichtlichen Hülfspersonal gehörte auch noch der
Freimann ^), (Henker^), Züchtiger*), Scharfrichter), welcher die
über die Verbrecher verhängten Leibes- und Lebensstrafen za
vollziehen hatte. Diese hatten in Städten ihren Amtssitz und
begaben sich zur Vornahme ihrer dienstlichen Verrichtungen
an diejenigen Orte, wo man ihrer gerade bedurfte. Als eine
Eigentümlichkeit des bairischeu Rechts erscheint es, daß hier
d(^r Freimann gefragt wurde, welche Art der Todesstrafe der
Verbrecher*) verdient') hätte**), worauf dieser in Form eines
1) Damit uns sOlich wänndl, verprechen qdcI straffen, so ans oder nnsem
anibtleuteo zuesteen, anbracht und nit verhaUten werden (L Fr. I a. 4^ 17).
2) Krcnner VII, S. 493; ßef: Ldr. t 19 a. 6 (dem freyen man das iit
dem Züchtiger). — Die Bezeichnung Nachrichter finde ich in Baiem nicht
für Scharfrichter. Den 1265 erwähnton Nachrichtor (M. B. YIII, p. 508)
halte ich eher fOr einen Unterrichter.
3) Landshut 1345, ßosenthal, Beiträge zur deutschen Stadtrecht»»
geychichte. Würzhurg 1883. S. 9a
4 1 München ( W c s t e n r i e d e r, Beiträge VI, S. 184), Straubing, Bösen-
t h a 1 , Beiträge S. 273.
5) Auch in Osterreich kommen zuerst in den Städton bleibend angestellte
Scharfrichter vor ^Luschin S. 132).
6) 80 sol der richter ainem frcycn man zuo sprechen, welchen tot er
verdient hab. Ldr. a. 35, 3G, 37, 39, 48; Lipowsky S. 152.
7) Diese Erklärung des Freimanns war nur eine Fomuditftt, denn
dieser kannte die für jedes Verbrechen übliche Todesart Vgl Osen-
brüggen. Das Strafrecht in K. Ludwigs Landrechtsbuch von 1346 (Stadien
zur deutschen und schweizerischen ßechtsgeschichte. Schaffhausen 1868w S. 199).
8i Vgl über diese Übung noch Siegel, Deutsche Rechtigeschichte.
Berlin 1880. S. 4U5.
— 85 —
Urteils antwortete. Die Ger.O. 1520 (t. 19 a. 6) beseitigte diese
Übung ; jetzt wurde dem Scharfrichter nur befohlen, des Richters
Urteil zu vollziehen nach der durch Recht und Gebrauch dieses Lan-
des für bestimmte Verbrechen angedrohten bestimmten Todesstrafe.
Bei dem Formalismus des mittelalterlichen Gerichtsverfah-
rens ^ drohte den desselben nicht ganz kundigen Parteien vielfacher
Nachteil. Um diesem zu entgehen, wurde es üblich, daß die
Parteien durch Vorsprecher*), welche statt ihrer vor Gericht
ihr Wort sprachen, ihren Rechtsstreit führen ließen *). Bestand
auch kein Fürsprecherzwang, und konnte Jeder, wenn er wollte,
sein Wort vor Gericht selbst reden, so verlangte doch das eigene
Interesse der Partei diese Verbeiständung durch eine rechts-
erüahrene Person so gebieterisch, daß die Übung, sich vor Ge-
richt der Unterstützung eines Vorsprechers *) zu bedienen, eine
allgemeine ward, wie die Gerichtsbriefe ergeben, welche regel-
mäßig den Vorsprecher als neben der Partei erschienen aufführen * ).
Mit Vorsprecher gleichbedeutend werden gebraucht die Be-
zeichnungen Fürsprecher "^ ), Fürleger®), Redner®). Seit dem
16. Jahrhundert kommen dann noch vor Anwälte* ®), Advocaten* *)
und Procuratoren**).
1) Siegel a. a. 0. S. 435 £
2) YgL über diese besonders Maurer, Geschichte des Gerichtsver-
fklireiis. S. 123 £; Planck, Lehrbuch der Civilprozesse. I, S. 147 i
3) Siehe Ssp. I, 60 § 1 ; Schwsp. (G.) c 76.
4) Ldr. a. 15; LO. 1491 (Erenner Xu, S. 341); vgl Bosenthal,
Ueiw. o. «^.
5) Als den ältesten bairischen Versprecher weist BiezlerU, S. 546
nach den 1196 in Österreich yorkonmienden Ortwinus prolocntor, vorsprech
(H B. Xn, p. 362, 364).
6) Dieser vertrat die im Gerichte mit anwesende, nicht die abwesende
Partei Beispiele bei Maar er S. 129.
7) Vgl Beispiele bei Nietzsche S. 10. Fürsprecher oder Bedner
(L.0. 1491 bei E r e nn e r Xn, S. 338); Versprecher und Bedner (Ger.O. 1520
la. 4).
8) 1332, 1382, 1433, 1474 M. B. XVII, p. 372; IX, p. 286; X, p. 160; VIII.
p. 570. Über die begri£f1iche Scheidung von Fürleger, Vorsprecher und
Badner in Landshut vgl Bosenthal, Beiträge S. 100.
9) z. R 1444, 1464 klagt mit angedingtem Bedner 1476 M. B. XII,
p. 449; m, p. 578; IV, p. 386; L.O. 1501 (Kr enner Xm, S. 160, 273).
10) Anwälte oder Bedner (Ger.O. 1520 L a. 11).
11) Die bestellten Advocaten und Bedner (L.O. 1516 S. 27).
12) Bedner und Procuratoren (L.O. 1516 S. 27).
Einor Partei vor Gericht das Wort r.u rinden galt als Ding'
pflicht; Klftgur and Beklagter konnten nanientlirh jeden Gerichte-
anwesenden ') zum FürüjuticUer wdhlen und vom Richter dessen
Kmeumiug erbitten. Der Richter durfte diese Ernennung nicht
vcrweigeni, ahor erst durcli sie wurde die Fürsiirecheniflicht")
fllr dcu Erwjitdteu existent, wenn ihm nicht gesetzliche Ent-
schuIiiigungHgrnnde') zur Seit« traten. Lehnte er ohne solche
ab, so verfiel er in eine Geldbuße, nach Münchner Stadirecht*)
wurde ihm sogar noch der KpchUschutz entzogen.
Nicht nur in Civilrechtsstreitigkeiten, sondern auch \)ä
peinlichen Klagen traten Vor&precher mit. den Ankläii^m und
Angeklagten auf*).
Der Vorsprecher hatte die Partei zu beraten Über die beste
Art der Fuhrung des Rechtsstreits, hatte die gericlitlirhen AntrÄg«
zu stellen, besonders alle Vorträge für eie zu hidten und den
Eid ihr vorzusagen *). Fehler des Vorsprechers prAJudizieren
fteineiD Mandanten nicht und schAdlgen denselben nicht, wenn
aio von ihm gerügt werden' ')•
l) Du ßpcbt, Vonprochfr ni leio, geht im weMntlicheii pftnUri mit
dum fWht«, Urt^tlor nnd Zvugn m «ein, m k&nn kbo Jader tli Vorepreehw
bont^llt wordnii. dni in der bptrcffcndpn tiMichtnnrMuiunlanf; TolllHirDchtiift
Aoftatrct«!! bcfuift iit Vgl Planck, Du deuUcho Ooricbt>Ter£ I, B. 197;
Maurers. 127.
5) Ldr. a. IS. Ex lol aacb ahi IgUcli chlag^r, wann m la gtriebt dnml
und aincn uiiprochen wil, ron orat tinm ronprotlmn Dtraira und rod«i m
den lichter, welchen er «3 oder wni nr begert, oder «elher od dam ring
oder an der ichraniion it^t oder »Icit oder da faloder aho dai man Im
Mmipffrn maii: nnd den lol tm der richt«r f^ben nnd dnnwiben ^«biaton pef
B Pfd. A. dai w e» tue. {S«p I, 00 g 2; Bchwirp. 0. 7ß g 8.1
8) Beredet dann denelb niil Keinem ajdo. du er oi emaln mit f[elert«m
ayde Teriworo hab oder dai et ei nie gulan hab (a. 18) . . . QerO. 1530 I a. 4
■pricht Ton .irma^fanieD Dnachen', den Fall herrorfacbnid, dal dar Vw-
■peerbor ichon ron dar Oegenpart''t initnicrt worden war.
4) a. iTt und diu xeit er du wurt nicht ipricht. loot man Im chali
rMht. Da nach Anh. TU a. 56 lAucr. Du Stadtroeht Ton HOnchen. I8U.
8. S81) doniJentK^n. «elchom dtr rJehtor nicht ricbtnte, Niemand «in BacU
n thnn braarhto and er auch dM BarKcrrvchla verlnatitc vurd«, aebn «fr
ancb hier dicio zeitweilisa BechÜMigkeit alt pijchlKbei Zwangainittal «likaa
(rgl T. Amlta, I>io Farm der Vatfeatnng a. a. O. S. 37il.
6) LO. 1414 (Kroanvr TU. S. 4&3)i Lipowakf & US.
IT) Ldr. a. Sl, 19.
7) Ldr. B. 14.
— 87 —
Der Vorsprecher war verpflichtet, den übernommenen Prozeß
zu Ende zu führen ^) und für den durch sein unentschuldbares
Ausbleiben vor Gericht der Partei, deren Vertretung er über-
nommen hatte, zugefügten Schaden aufzukommen •). Das Ver-
bot der Prävarication findet sich nur vereinzelt*).
Die Anstellung von Vorsprechem bei den einzelnen Ge-
richten durch die Obrigkeit kommt zuerst in Niederbaiern vor.
Hier betrachtete die Instruktion K. Ludwigs 1340 diese Be-
stellung als eine Aufgabe der Gerichtsverwaltung, a. 11 *): Wir
wellen und schaflen auch mit gantzem ernst, daz unser vitztum
deu gericht besetzen und besorgen von ir trewen, als si aller
pest mugen mit vorsprechen, da mit arm und reych besorgt
sein, daz ye dem mann recht und redleichen recht wideiTaren,
und daz auch di vorsprechen umb ir mu und arbeit von den
laeuten nemen, daz beschaiden und leidleich ist.
Hier erscheint also schon der Berufsstand der Fürsprecher
zur Ausbildung gelangt '^), was 1300^) noch nicht der Fall
war. Zum ersten Male wird hier wohl in Deutschland das
Institut der Fürsprecher in der Weise in die Gerichtsverfassung
eingefügt, daß die Staatsgewalt im Interesse der Förderung der
Rechtspflege geradezu die Anstellung von Fürsprechern bei jedem
Gerichte anordnet. Für die Anstellung war der Lokalisierungs-
zwang maßgebend^); sie erfolgte nur für ein bestimmtes Ge-
richt, bis die L.O. 1474 die Verwendung vereidigter Fürsprecher
vor jedem Gerichte des Landes, auch wenn sie nicht gerade
1) L.O. 1474 (Krenner VII, S. 483).
2) Ldr. a. 13. Ref. Ldr. t VI a. 6.
3) MflDchner Stadtrecht a. 63 ; Schwsp. G. c. 72 § 5, daim Erdinger Bef.
det Ldr. (Erenner XII, S. 181). Vgl dagegen Bosenthal, Beiträge
S. 102.
4) Qu. u. Ehr. VI, S. 360.
5) Also nicht erst mit Eindringen der fremden Bechte. So Wetzeil,
Sjsi d. Civilprozesses. S. 59. Vgl auch Stintzing, Geschichte der po-
pulAren Literatur des rOm.-kan. Bechts. XXXIL
6) Nach dem Landfrieden 1300 a. 96 (Qu. n. Er. VI. S. 125) scheint die
Fttrtprecherthfttigkeit damals noch nicht bemfsmäfiig geübt worden zu sein,
demi dem Fürsprecher ward die Annahme einer verabredeten Belohnung —
gedingten pfenning — bei Strafe untersagt
7) Vgl Both, Zur Geschichte des bayerischen Volksrechts. 1869.
& 19.
— 88 —
demselben verpflichtet wären ' ), gestattete *). Nach dieser L.O.,
welche die Bestellung von 2 Vorsprechern bei jeder Schranne
durch den Pfleger (Richter) und die Urteiler verfügte, war die
Vereidigung zur Vorbedingung der Berufsausübung gemacht
Auf dieser Grundlage regelte auch die Ger.O. 1520, nachdem
ein Landgebot 1480^) auch in Oberbaiem die Bestellung von
2 Vorsprechem bei jeder Schranne verfügt hatte, die Rechts-
stellung der Vorsprecher*).
Ein Fürsprecherzwang existierte nicht, es konnte auch Jeder
selbst das Wort im Recht thun, wie das schon erwähnte nieder-
bairische Landgebot 1491 besagte *). Ebenso war auch die Partei
nicht auf die Personen der angestellten Fürsprecher beschränkt,
sondern konnte auch einen Andern aus dem Ring des Gerichts
nehmen, der ihr reden wollte.
1) Erenner YII, S. 484, entsprechend dem Katschlage (ibid. S. SOS):
und ob einer einen andern Yorsprecher zn der Schrannen brächte, dann den,
der zu der Landschrannen gedingt wäre, derselbe Fürsprecher mag ihm das
Wort thnn zum Rechten. — Auch die Ger.O. 1520 (I a. 12) gestattete die
Zulassung fremder Anwälte und Redner, die zu dieser Gerichtzordnnng oder
dem Gericht nit geschworen sind. Vgl auch die niederb. Stadtger.O. bei
Rosenthal, Beiträge S. 103 (Schwsp. G. c. 76 § 6).
2) Indirekt übte das Landgebot 1480, wenn es auch grundsätzlich au*
wendige Vorsprecher zuliefi, einen Zwang zur Verwendung der bei jedem
Gerichte bestellten aus, indem diesen der gesetzte Yorsprecherlohn auch
dann bezahlt werden mufite, wenn man sich eines fremden bediente (Eren-
n 0 r Vm, S. 347).
3) Erenner VIII, S. 347. — Schon 1444 hatten Räte und Landscbtft
hier vorgeschlagen, daß ein jedes Landgericht besetzt würde mit zwei oder
mehr Vorsprechem, die das Recht verstünden und das Buch wüäten, und
dali auch die Herrschaft ihnen darum eine Besserung thäte, damit sie den
I>andgerichten und den Rechten abwarten machten und zu einen jeden Rechten
kommen und dem also warten müsten und ihrer keiner ohne Urlaub einee
Richters nicht ausbleiben (Krenner I, S. 165 f.). So weit, daä man die
Fürsprecher zu wirklichen Beamten gemacht hätte, ging man allerdingi
1480 nicht
4) Ger.O. 1520 (I a. 10) Es sollen bey ainem jeden Grericht ain anzal
und zum wcnigistcn zwcn gcschwom Vorsprechen verordennt sein und Erber
ver^tondig person dartzu auffgenomcn werden . . . Diese Fassang ttimnit
im wesentlichen überein mit dem Erdinger Protokoll über die Revision dee
Landrechts von 1487 (K r e n n e r XII, S. 89). - Vgl auch Ret Ldr. 1618
t VI a. 1.
5) Krenner XII, S. 34L Ret Ldr. t VI a. L
— 89 —
Hatte die Instruktion K. Ludwigs von 1340 sich noch da-
mit begnügt, den Vorsprechern nur die Forderung eines be-
scheidenen und leidlichen Lohns unter Androhung schwerer
Strafe bei Zuwiderhandlung einzuschärfen, so führten doch
öl^hlimme Erfahrungen^) seit dem Ende des 15. Jahrhunderts
zur Aufstellung eines gesetzlichen Gebührentarifs * ) , dessen
Übertretung mit strenger Strafe, sogar mit der Untersagung
fernerer Ausübung des Fürsprecherberufs bedroht war^). Die
L.0. 1516*) legte sodann, damit Niemand Armut halber rechtlos
gelassen würde, dem Redner oder Advocaten, welchem von der
Obrigkeit die Verbeiständung einer armen Partei übertragen
wurde, die Verpflichtung auf, dieselbe pey der peene entsetzung
Seins ambts unentgeltlich durchzuführen.
Aus der Übung der Parteien, sich aus dem Kreise der
gerade an der Schranne zur Urteilfindung Anwesenden den Für-
sprecher zu wählen, hatte sich der Mißbrauch entwickelt, daß
dieser, obwohl im Dienste einer Partei, also befangen, doch an
der Urteilfindung teilnahm *). Diese Einrichtung kennt schon
die altfränkische Gerichtspraxis ^ ), sie ist durchaus keine spe-
zifisch bairische^), und es ist deshalb irrig, wenn Merkel®)
1) Beschwerden: 1437, 1468, 1468, 1471. 1499 (Krenner II, S. 76, 178;
V, S. 334; Vn, S. 272; Xm, S. 9); vgl auch 1463 (Rockinger, EinL S.283).
2) Oberb. Landgebot 1480 : Von der 1. Klage 20, von der andern Kl&ge
40 und von jedem Rechten 40 \; L.O. 1474: von jedem Rechten 32 \
Landsh., dem fremden Versprecher außerdem pro Heue 16 X Vergütung
(Krenner Vm, S. 347; VH, S. 483).
3) Die Vorsprecher durften in keiner Weise an dem Rechtsstreite
^knni&r beteiligt werden, also keine Quote der Prozeßsumme beziehen.
Überhaupt war ihnen die vertragsmäßige Vereinbarung von Deserviten unter-
tagt (Ger.O. 1620 I a. 4).
4) S. 31 sind die Voraussetzungen der Zulassung einer Partei zum
.Annenrecht geregelt VgL auch Krenner XVI, S. 376 t
5) Die Ausdrücke „des behabten rechts yorsprecher ist gewesen", welche
Merkel, Judex a. a. 0., unter den Beispielen anführt, gehören nicht
hierher. Des Rechtens Vorsprecher bedeutet nicht den berufsmäßigen Ver-
sprecher, sondern denjenigen, welcher zuerst vom Richter des Urteils gefragt
wird, also den oder die Urteilsvorschlager.
6) Sohm S. 447.
7) VgL Nietzsche, Comm. de prolocutoribus. Lipsiae 1831. p. 72 ff.
8) Judex I, S. 149 ff. Merkel stimmt zu R o t h , VoUtsrecht, S. 20 f. —
Gegen MerkeTs Ansicht polemisiert mit Recht B eseler. Judex, IX,
S. 265 ff; T. d. Pfordten S. 318 ff und Brunner, Schöffen, S. 186.
— 90 —
in dem Fürsprecher, der die Funktionen des Anwalts und Recht-
finders verbindet, eine Fortsetzung des judex des bairischen
Volksrechts erblickt.
Daß der Richter die Vorsprecher um das Urteil frage, war
ihm durch das Stadtrecht sogar geboten ^ ), wie auch der 9. Frei-
brief (1358) dieses Verfahren als üblich voraussetzte*). Wenn
die Vorsprecher beider Parteien ^ ) vom Richter um das Urteil
gefragt wurden, so war dies unbedenklich, die Antworten waren
nichts anderes als die Parteianträge, wie sie im heutigen Pro-
zesse von den Anwälten formuliert werden. Hier lagen die beider-
seitigen Urteilsvorschläge zur Auswahl vor. Gefährlicher da-
gegen war es, wenn nur der Fürsprecher der einen Partei das
Urteil mitfand ^). Daß dieser, nachdem er eben das einseitige
Interesse seines Klienten vor dem Gerichte vertreten, plötzlich
bei der Urteilsfindung auf den idealen Standpunkt objektiver
Gerechtigkeit sich aufschwingen würde, ließ sich nicht an-
nehmen. Die Gefahr lag nahe, daß die Gewandtheit des Für-
sprechers seinen Kollegen, den übrigen Urteilem die Fällung
eines parteiischen, seinem Klienten günstigen Urteils abringen
würde, wenn diese natürlich auch nicht gezwungen waren, seinen
Urteilsvorschlag zu acceptieren.
Es dauerte lange, bis die Gesetzgebung diesem anstoß-
erregenden Zustande*) ein Ende bereitete. Erst 1491 schloß
1) Anh. Vn a. 34 (A Q e r S. 277) und swenne die Toreprechen paidentp
halben die sache fQrgelegent, so sol der rihter der ortail des ersten Tragen
zwen, die in witzich tunchent und darnach die vorsprechen.
2> y. Lerchenfeld S. 21. Und wer, das ain vorsprech oder yemaot
an ainer schrann wer der wer darwidcr icht tet, und ertailet anders dann
der brief saget . . . Ebenso auch die citicrte Instruktion 1340 a. 11.
3) z. B. M. B. XII, p. 228 (1422): Also fragt ich des hem vorsprecheni
von Altach (Beklagten) , der ertailt auf seinen ayd . . . also fragt ich dei
Ch. (Elfigers) vorsprechem, der ertailt . . . Der ortail ward verfolgt det
Herrn Vorsprechen von Altach . . .
4) z. B. M. B. XII, p. 207.
5) 1471 hatten die Landshuter Stände erklärt : Wer im selbst in seinen
eigenen Sachen im Hechten redet, der soll darum kein Urtheil sprechen;
wer aber einem andern im Kcchtcn redet, der mag in derselben Sache wohl
Recht sprechen (Er cnner VIT, S. 309).— Ahnlich unterscheidet die nicder-
bairischo Stadtger.O. zwischen dem berufsmäßigen FQrsprecher und dem Stadt-
gerichtsbeisitzer, der einmal für eine Partei auftritt Während Letiterer an
- 91 —
ein Landgebot Herzog Georgs * ) die Fürsprecher von der Ur-
teilsfindung aus, indem es festsetzte: „Und so einiger Rechts-
satz, es sey zu endlicher oder unterredlicher Urtheil geschieht,
so sollen nicht die Fürsprecher oder Redner, von den Partheyen
geworben oder besoldet, als bisher geschehen ist, angesehen daß
sie ungerechte und falsche Urtheil und ihrer jeder gemeiniglich
nicht anders bisher gesprochen haben, dann was seiner Parthey
gedient hat, sondern der vernünftigsten und ehrbarsten Urtheiler
einer, so ungefährlich an dasselbe Gericht gesetzt ist, durch den
Richter der Urtheil angefragt werden".
Für ganz Baiem wurde sodann dieser Mißbrauch aufge-
hoben durch die Ger.O. 1520*).
Die rechtliche Stellung des Vorsprechers «) läßt sich schon
in dieser Periode charakterisieren wie die des heutigen Rechts-
anwalts, Er ist keine Gerichtsperson, kein Staatsdiener, aber
ein öffentlicher Diener der seine Hülfe Begehrenden * ).
Die Fürsprecher am Ende des 15. und im 16. Jahrhundert
gehörten der Klasse der Halbgebildeten an, welche nach
Stintzing*) in der Schreiberstube herangebildet oder mit
einer flüchtigen Universitätsbildung übertüncht waren, da
den Doctoribus ehrenvollere und einträglichere Stellen offen
standen. Ihre Rabuhsterei und Geldgier, welche ihre Klienten zu
ruinieren drohte, machte sie zum Gegenstande eines allgemeinen
und erbitterten Hasses, der sich in höchst drastischen Äuße-
rungen angesehener Zeitgenossen Luft machte *).
der ürteflsfindung sich beteiligen darf, wird dies Ersterem untersagt Vgl
Bosenthal, Beiträge S. 104, 203.
1) Erenner XII, S. 338. — Gang analog bestimmte die L.O. 1501 auf
eine Beschwerde der Stände, daß kein Redner in einer Sache, darin er redet,
bei den Räten im Rate sitzen soU (Erenner Xm, S. 160. 273\
2) I a. 4: Auch (sollen) fQran die Yorsprecher und Redner der ortail
nit mer angefragt werden, sonnder die anfrag allein an die geschwomen
ürtailsprecher beschehen Übereinstimmend Ger.O. 1616 (I a. 4).
3) Von dem BOdnngszustande der Yorsprecher erhält man eine Yor-
stellimg, wenn man in einer Aufzeichnung aus dem Ende des 15. Jahrhunderts
liest: Gar wenige Redner werden der Enden auf dem Lande gefunden, die
schreiben und lesen können (Erenner XYI, S. 380).
4) Planck, «vilprozeßrecht I, S. 150.
5) Geschichte der populären Literatur, S. XXXII.
6) Siehe die Citate bei Stintzing a. a. 0. Melanchthön (Oratio
de legibus ed. Muther, p. 21) schildert die Sachwalter als die fadesten Rabulisten,
— 92 —
Von den Vorsprechen! zu unterscheiden sind die Anweiser ^\
welche Witwen, Unmündigen und kirchlichen Personen auf ihr
Verlangen vom Richter gegeben werden. Sie sind also gesetz-
liche Vertreter namentlich solcher Kategorien von Personen, bei
welchen ein Mangel an Rechtserfahrenheit anzunehmen ist —
den sol der richter anweiser geben, das sie zuo im rechten
dester paz chömen *). Diese An weiser, den sächsischen Gerichts-
vormündem ') vergleichbar, berechtigten und verpflichteten durch
ihre Reden und Handlungen die von ihnen vertretene mitan-
wesende Partei unmittelbar und bedienten sich gewöhnlich noch
der Unterstützung eines Vorsprechers*).
Nach dieser Darstellung der Zusammensetzung des Land-
gerichts ist jetzt noch kurz von den Einrichtungen und der
Thätigkeit desselben zu handeln.
Die fränkische Einrichtung des echten und gebotnen Dinges,
also die Trennung des gräflichen Landgerichts von dem Nieder-
gericht des Centenars, war bei den Baicm nicht zur Einführung
gelangt*). Nach der L. Baiuvar. II c. 14 gab es nur eine
Gerichtsversammlung (placitum), die monatlich oder alle 15 Tage
abgehalten \Mirde. Auch im späteren Mittelalter kannte die
bairische Gerichtsorganisation nur eine landgerichtliche Ver-
handlung, die wahrscheinlich regelmäßig alle 14 Tage statt-
fand ^). Es fand also eine besondere Ankündigung des Sitzungs-
tags nicht statt.
die aas einem Prozesse den andern herleiten, ihre Klienten schinden, die
Stfidte plündern and die anwissenden Richter mit immer neaen Kniffen mm
Spott machten, und Z a s i a s sa^ von diesen Leaten, daß sie die (Berichte
vergiften, der Richter spotten, die Rahe stOren, den Staat za verwirren suchen
and Göttern and Menschen verhaßt seien.
1) Landr. a. 9, 150.
2^ Münchner Stadtr. a. 120.
3) Cher diese vgl Planck I, S. 177 ff
4) 1422 Abt von Oberaltach mit Vorsprechen and Anweisem. 1488 da
kam mit Anwciscr der Chorherr von Baambarg and brachte vor darch FQr-
sprechcn ; 1441 da verantwortet Anna B. mit Vorsprechen and AnweiMr
(M B. XII, p. 228; II, p. 245; XXVI, p. 417).
5) R, Schröder, R.G. S. 109.
6 Die Vertagungsfristen in den Gorichtsbriefen weisen daraaf hin,
z. B. 1441 also wart das Recht aufgeschlagen aaf 14 Tag, M. B. VI, p. 295.
Vgl Maar er, Gerichtsverfahren, S. 158.
— 93 —
Wilhelm V. verordnete erst^), daß Pfleger und Landrichter
zu bestimmter Zeit alle 8, 14 Tage und 3 Wochen nach Größe
und Gelegenheit des Gerichts Verhör halten*) sollten, außer
wenn unaufschiebbare Sachen vorfielen, die sofortige Verhand-
lung erheischten.
Die Gerichtsverhandlungen fanden nicht nur am Sitze *)
des Landgerichts (Pflege), sondern auch an andern innerhalb
dieses Landgerichtssprengeis gelegenen Schrannen*) statt; es
waren das wohl die alten Hundertschaftsmalstätten, so daß in
dieser Richtung die Hundertschaft noch im späten Mittelalter
für die Gerichtsverfassung bedeutsam blieb. Der Landrichter
mit dem Gerichtsschreiber reiste herum, um an den einzelnen
Schrannen Gericht zu halten ^), ganz wie der fränkische Graf ver-
pflichtet war, circumire pagum. Die verschiedenen Schrannen
desselben Landgerichtsbezirks gelten deshalb wie die fränkischen
1) Undatiertes Konzept — Kr. A. M. — Bechnongswesen.
2) Diese Verordnung war bervorgerofen durch die Wahrnehmung, daß
einige Pfleger und Landrichter sich unterstehen, keine Ordnung mit den Yer-
hOrstagen zu halten, sondern täglich, was vorkonmit, auszurichten, was den
Gerichtsschreibem , Amtleuten und Procuratoren , besonders den nicht am
Amtssitze wohnhaften, beschwerlich, da sie von eines jeden Handels wegen
zu dem Pfleger reisen sollen, darauf auch den Parteien viel Unkosten und
Ttehiung laufen thut Dagegen unterfingen sich auch einige Pfleger, die Er-
ledigung ihrer Händel gar zu lange anzustellen.
3) Ständige Gerichtsstätten in Baiem erst spät nachweisbar, Kiez 1er
I, S. 269 fahrt erst einen Beleg von 1003 an. Vgl L u s c h i n S. 50.
4) z. B. 1376 Bichter zu Pfaffenhofen, da ich safi an offnem Rechten zu
Hohenwart; 1406 Kichter zu Inchofen, dafi fOr mich kam auf das Kecht zu
Nandelstadt; 1377 da ich saß an offner Schranne zu Loch von wegen meines
Herrn . . Pflegers zu Naternberg; 1384 Schranne Ergolding (Landgericht
Rotenburg); 1425 WeUhard (Mauerkirchen); 1351 Weilheim (Päl); 1465
Wolfrathausen (Perlach), M. B. XVII, p. 139; X, p. 536; XI, p. 407; XV,
p. 321 ; X, p. 103 ; VIII, p. 570. Das Landgericht Hirschberg hatte Schrannen
in Forchheim, Dietfurt, Schafshüll, DolUngen; Schrannen des Land- und
Stadtgerichts Straubing: Salching, Teuting; des Landgerichts Sulzbach zu
Kofilautem, Schnatterbruck, Laufen (Buchner, Das o£ Gerichtsverfahren,
8. 137).
5) Die Ortschaften, welche herkOnmilich Schrannen hatten, hielten darauf
daft das Gericht bei ihnen gehalten würde. So beschwerte sich 1453 der
Markt Grafing (Gericht Schwaben), daß es Herkommen, daß das 3. Landrecht
zu Grafing gewesen und daß sie jetzt gen Schwaben zur Verhandlung geboten
würden (Krenner I, S. 228).
— 94 -
HuDdertschaftsgerichte als identische Gerichte ^). Für denselben
Rechtsstreit kamen die au den verschiedenen Schrannen abge-
haltenen Verhandlungen als Verhandlungen desselben Gerichts
in Betracht*).
Das Gericht wurde ursprünglich unter freiem Himmel ge-
halten. Dann scheint man in den fehdereichen Zeiten zur
großem Sicherheit das Gericht in die geweihten Bäume der
Kirche verlegt zu haben. Nachdem kirchlicherseits das Verbot,
Kirchen und Kirchhöfe als weltliche Gerichtsplätze zu benützen,
erneuert worden war^), schafften auch die Landfrieden*) die
„Kirchgerichte" ab und verfügten, daß man wieder auf den
alten Schrannen und Dingstätteu richten solle. Fanden nun die
Gerichtsverhandlungen vielfach wieder im Freien*^) statt, so
ziehen sie sich doch seit dem 15. Jahrhundert schon in ge-
schlossene Räume ^).
Der eigentliche Gerichtsplatz war durch ein Geländer, eine
Schranke (daher Schranne) abgeschlossen. Außerhalb derselben
war der Ring, der Umstand'), da in unsrer Periode noch die
unbeschränkte Öffentlichkeit des Verfahrens durchgeführt war.
Innerhalb der Schranken saß der Richter „mit gewaltigem Stab" *),
wie es in den Gerichtsbricfeu heißt, dem Zeichen seiner Würde,
neben ihm einige ürteilstinder ^). Parteien und Zeugen standen
1) Sohm S. 330.
2) Vgl Maurer S. 166. Dies bezieht sich auch auf die 3 Vorladmigen
vor Erlafi eines Kontumazialurteils, z. 6. 1416 also klagt er nach einander yon
Schranen zu Schranen bis auf die Schranen ze Steinga (M. B. II, p. 72).
3; 1274 ConciL Lugdun. (c. 2 de immun, eccles. in yi<>): omnis in eil
(ccclesiis earumque coemeterüs) saecularium iudiciorum strepitus conqniescAi
4) li:93 a. 16 und 1300 a. 18 ^Qu. u. Er. VI, S. 29, 114).
5) z. 6. 1324 an der Thorsäulen, an der eichenen Staude bei Amberg^
M. B. XVI, p. 345, auf der Wiese bei Burghausen (Huber, Geschichte der
Stadt Burghausen, S. 48).
6) Vgl V. Freyberg, Über das altdeutsche OffentL GerichtsyeiiihraL
S. 149.
1) Bei Vorberatung der L.O. 1474, welche die Zahl der ürteilsfinder ein-
schränkte, wurde vorgeschlagen, dafi höchstens 41 von den gerade An-
wesenden zu Hecht niedergesetzt und daß allein dieselben so also
niedergesetzt und nicht die, so auswendig an den Schrannen oder
dem Ring stehen, zu Recht gefragt werden sollten (K r o n n er VII, 8.308).
8) Vgl S. 60.
9) Deshalb schlielten die Gcrichtsbriefe : „An dem Bcchten sind gesessoi" etc.
— 95 —
aufierhalb und begaben sich erst nach Aufrufung durch den Fron-
boten in den eingeschränkten Raum.
Ein höherer Friede umschwebte das Gericht. Alles, was
einer Verletzung desselben vorbeugen konnte, wurde vorgesehen.
So wurde in den Landfrieden * ) die alte karolingische Satzung
wiederholt eingeschärft, daß Niemand bewaffnet vor Gericht er-
scheinen soll*). Das Ldr. a. 174*) begnügt sich, Schwert- oder
Messerzücken, überhaupt jedes Delict, das vor Gericht begangen
wurde, mit der doppelten Buße zu bedrohen.
Über die Einkünfte des Gerichts hatte der Richter dem
Rentmeister Rechnung zu stellen und ihm den nach Abzug der
Besoldungen des Gerichtspersonals und der Anteile an den
Bußen verbleibenden Restbetrag abzuliefern.
Der Gehalt des Gerichtspersonals war wie der der Beamten
überhaupt aus Geld und Naturalien zusammengesetzt. Dazu
kommen aber noch Tantiemen , Anteil an den Bußen für den
Richter und Schergen, sowie feste Sportein, welche die Par-
teien für bestimmte Amtshandlungen dem Gerichtsschreiber und
dem Fronboten schuldeten.
Schon die Landfrieden suchten, um das Publikum vor der
Willkür der Richter zu sichern, die Höhe der dem Gerichte zu-
fallenden Bußen zu fixieren. Die große Gerichtsbuße*) von
5 Pfd. 60 -X,, wird durch den Landfrieden ^) auf wenige Fälle be-
schränkt, dagegen blieb eine Buße von 5 Pfd. ^X ; mehrfach kommt
dann eine solche von 1 Pfd., von 72, auch von 12 .X vor.
Das Ldr. K. Ludwigs regelt sehr genau die dem Gericht
und die der verletzten Partei zufallenden Bußen und verbietet
diesem, andere und höhere als die im Ldr. normierten Bußen
zu beanspruchen*). Die Höhe der Buße schwankt zwischen
1) 1244 a. 47; 1255 a. 11; 1281 a. 63; 1300 a. 97 (Qu. u. Er. V, S. 85,
147, 347; VI, S. 126).
2) Cap. Aquis. 806 c. 1 (M. G. L I, p. 146 ed. Pertz): ygL auch KGes.
de pace ten. 1156 § 16 (M. G. L. IV, p. 102),
3) Eef Ldr. t XVI a. 6.
4) Vgl üeenbrüggen a. a. 0. S. 184 £ (1 Pfd. = 240 X).
5) Landfrieden 1281 § 3; 1293 § 11; 1300 § 11 (Qu. u. Er. V, a 339;
H S. 28, 112).
6) a. 6. Nur wenn fremdes Recht an die Schrannen käme, über welches
das Buch nichts habe , soll man es an den Herrn bringen. Man darf in
~ 96 -
10 Pfd. X, 5 Pfd. 60 ^, 3 Pfd. 60 ^^), 1 Pfd. X, 72 und
36 -V- *). Der a. 264 stellt das Prinzip auf, daß, wo der Richter
72 X Buße bekomme, dem Schergen 12 ^ hiervon zu verab-
folgen seien ^).
Je nach dem abzuschätzenden Wert des gestohlenen Ob-
jekts hatte der Eigentümer, welchem es durch den Richter wie-
der zugestellt wurde, diesem eine bestimmte Quote als „Für-
fang" *) zu geben.
Bei Einziehung des Vermögens eines zum Tode Ver-
urteilten war der Anspruch des Richters auf die üährende
Habe beschränkt, da der Immobiliarnachlaß der Familie
verbleiben sollte — Eigen und Lehen ist der nächsten Er-
ben *).
Mannigfach waren die Beschwerden der Gerichtsunterthanen
gegen ungerechtfertigte Forderungen des Richterpersonals. Der
Kampf gegen die eigennützige Ausbeutung des Publikums durch-
zieht die laudständische Geschichte und trotz des energischen
Willens der Fürsten, solch grelle Mißstände zu beseitigen, ge-
wannen die darauf gerichteten gesetzlichen Bestrebungen nur
lanjjjsam Erfolg. Am frühesten begegnen die Landfrieden den
durch ungerechtfertigte Ausnutzung der Naturalleistungspflicht
der ünterthanen hervorgerufenen Bedrückungen. Der Land-
frieden von 1244*^) befahl deshalb, daß kein Graf oder
Richter in seinem Gerichtssprcngel öfter als dreimal im Jahre
dieser Satzung wohl mit Osonbrüggon S. 184 einen Nachklang des
Prinzips der persönlichen Rechte erblicken.
1) Diese mittlere Buße von 3 Pfd. 60 ^ scheint im filteren Landrechte
häutiger vorgekommen zu sein (Bockinger, Zur äofi. Geschichte von K.
Ludwigs Land- und Stadtrecht, S. 22).
2) z. B. Ldr a. 47, 165, 35, 103, 63, 23, 6ü, 137, 66, 67, 86-89, 71, 02^
68. Vgl. noch: Ref. Ldr. besonders t XIX, XXIL
3) Der Richter hatte die Buße ex ofßcio zu beanspruchen, er brauchte
nicht als Kläger diese prozessualisch geltend zu machen (Ldr. a. 261, vgL aach
SUdtrecht a. 282 bei Aue r S. 109).
4) Ldr. a. 37.
5) Ldr. a.50 (44). Vgl. Osenbrüggcn S. 186; L.O. 1474 (Erenner
VU, ö. 495). Ref. Ldr. t XX, t VII a. 7.
6) a. 49, Landfr. 1255 a. 42; 1281 a. 31; 1300 ta. 64 (Qn. o. Er. Y,
S. 85, 147, 343; VI, S. 121).
— 97 -
gegen den Willen der Gerichtseingesessenen ^) übernachten*)
dürfe »).
Eine zu vielen Klagen Anlaß gebende — vielleicht aus der
Vogtei über einzebie Güter herrührende, dann durch Mißbrauch
auf alle Güter des Gerichtsbezirks verallgemeinerte — Abgabe
war die von Futter, welche sowohl Richter und Schergen, als
Kastner und Gerichtsschreiber forderten (sog. Futtersammlung).
K. Ludwig brach allen Beschwerden die Spitze ab, indem er
in seinem Ldr. (a. 267) allen Beamten unterschiedslos die
Futtersammlung bei Strafe verbot Das Verbot reichte nicht
aus, um solchem eingewurzeltem Mißbrauche ein Ende zu machen ;
die Beschwerden *) und die Einschärfung des Verbots *) wieder-
holten sich, bis endlich die L.Fr. (III a. 7) *) nach dem Vorbilde
der L.O. 1474'') für das Geltungsgebiet des Landrechts das un-
bedingte Verbot des Futtersammeins bestätigte, für das übrige
Baiem dasselbe nur in denjenigen Sprengein gestattete, in welchen
solche Futtersammlung schon mindestens seit über 30 Jahren ®)
in Übung war; aber auch hier stand dieses Recht des Futter-
sammeins, welches auf eine einmalige jährliche Sammlung von
Hafer beschränkt war, nur denjenigen Pflegern zu, welche zu-
1) Eine solches unentgeltliches Beherbergnngsrecht, sog. Nachtzil, hat
nch nur fftr Jäger und Falkner mit Bossen und Hunden (fOr 3—4 Tage aU-
jfthrlich) erhalten. Sie konnten es nur von solchen ElOstem, welche im Laufe
der letzten 10 Jahre (vor 1508) in dieser Weise heimgesucht wurden, be-
inipmchen (LJV. in a. 6). Andern Beamten war dies Becht ausdrücklich
entzogen (Ret Ldr. t I a. 7).
2) Über die Herbergepflicht und ihre teilweise Verwandlung in eine
Herbergsteuer vgL Baase h, Die Steuer im Herzogtum Baiem bis zum
L landständischen Freibriefe 1311. Diss. Marburg 188a S. 49.
3) Derselben Tendenz entsprangen auch die Verbote, daß kein Siebter
bei Strafe mehr als 6 bezw. 8 Pferde und kein Scherge mehr als 1 Pferd
haben dürfe (Landfr. 1293 a. 12, 1300 a. 12 — Qu. u. Er. VI, S. 28, 113).
4) Besehwerden der oberb. Landschaft 1468, der niederb. 1460, der
ober-niederb. 1501 (Krenner V, S. 327; VII, S. 60; XIII, S. 172).
5) 42. Freibrief Albrechts IIL 1458; 44. Freibrief Johanns und Sigmunds
1463 (y. Lerchenfeld S. 105, 112); Verordnung Albrechts IV. 1468
(Kren n er V, 8. 337; TgL auch I, S. 164 1 — 1444).
6) Ebenso auch Be£ Ldr. t I a. 7.
7) Kronner VII, S. 489 i
8) also mindestens yor 1478. — Die L.O. 1474 hatte statt 30 nur
10 Jahre.
Rottnthai, Geschieht« d. Oerichtiw. a. d. Verw.-Orf. Baierns. I. *j
— 98 —
gleich Gerichtsverwaltung hatten, sowie den Landrichtern und
dem obersten Fronboten.
In die Kategorie dieser den Gerichtsunterthanen höchst^)
beschwerlichen richterlichen Accidentalien gehörte auch die Un-
sitte des sog. Forderweins. An vielen Orten mußten beide Par-
teien bei jeder gerichtlichen Vorladung dem Richter Geld für
ein Viertel Wein zahlen. Natürlich hatte diese Unsitte eine
Häufung ganz überflüssiger Ladungen zur Folge, lediglich um
dieses lieichnis des öfteren fordern zu können. Auf die auf
den Landtagen hiergegen geäußerten Beschwerden*) erfolgte
ein mehrfach wiederholtes strenges Verbot*) dieser Unsitte*).
Damit im Zusammenhang steht auch jene landschaftliche Be-
schwerde, daß die Pfleger, welche herzogliche Tafemen haben,
den Wein teurer als in andern Wirtshäusern verschenken und
die armen Leute zwingen, nur bei ihnen zu kneipen, widrigen-
falls man ihnen dieses in andern Handlungen entgelten lasse ^).
Die L.O. 1501 verbot dies nicht nur den fürstlichen Pflegern
bei schwerer Ahndung, sondern dehnte das Verbot auch auf die
Tafemen der Stände aus*).
Pfleger und Richter maßten sich auch das ausschließliche
Beeilt der Sieglung von Urkunden an, während dieses Recht
dem Herkommen gemäß allen siegelmäßigen Personen zustand.
Dabei verlangten sie solch hohes Siegelgeld (7 fl. für einen
Spruchbrief), daß die Unterthanen durch solche exorbitante For-
1) Strenge war Richtern und Amtleuten auch ontersagt, die Unterthanen
zu irgend welchen landwirtschaftlichen oder Bonstigen Arbeiten f&r neh n
zwingen (Ldr. a. 268. Ret Ldr. I a. 8).
2) z. B. 1460, ISOMKrenner Vn, S. 62; XUI, S. 187).
3) I.O. 1474, 1501, Landgebot Albrechts IV. 1493 (Krenner YII,
S. 491; XIII, S. 308 t; IX. S. 241); limitatio 1510 (y. Lerchenfeld
S. 227); besonders L.O. 1516 S. 20 £; Be£ Ldr. t I a. 6; L.O. 1568 R II,
t 2 a. I.
4) Da die Beamten wegen Mangels eines geeigneten Ijokali genötigt
waren, Verhöre und andre Amtshandlungen in den Wirtshäusern vomnehmen»
entwickelte sich der Unfug, bei den Verhandlungen Zechgelage m Ten»*
stalten. Die LO. 1553 B. II, t 2 a. 5 stellte solches Zechen ab, das ^ra
vcrklainerung der Obrigkait, auch Verhinderung der Sachen and gebOriichen
auGrichtung mit der Partheien nachtail, manicherlay Unordnung und nn-
geschickligkait enolf:^".
5) E r e n n e r XIII, S. 12, 165, 203 (ygl auch I, S. 235 [1453]).
6) Das. S. 280.
— 99 —
denmgen vom Verkaufe ihrer Güter abgehalten wurden ^). Die
Landesordnungen*) mußten deshalb wiederholt durch Tarifie-
rung des Siegel-, Abschied- und Beschaugelds der Pfleger und
Richter, sowie der Sportein der Gerichtsschreiber und Fron-
boten die Interessen der Rechtsuchenden wahren. Die L.O. 1553
brachte durchweg eine Erhöhung der 1516 festgesetzten Taxen.
In den Vorverhandlungen *) wurde das Für und Wider einer
solchen Erhöhung in einer Weise erörtert, die sich so ziem-
lich mit dem in den parlamentarischen Verhandlungen unsrer
Tage bei Beratung der Anträge auf Herabsetzung der Gerichts-
kosten geltend gemachten Argumente deckt.
1) Erenner Vn, S. 429; Xm, S. 13, 203.
2) L.O. 1474, 1601 (Krenner VII, S. 508; XIH, S. 281); L.O. 1616
S. 20 1 ; L.O. 1663 B. II, t 2 a. 1; t 3 a. 1, 2; t 4 a. 1 ff.
3) Seitens der herzoglichen Bäte wurde bemerkt: . . . „ist bedacht, wie
jetzt £&8t alles das, so man zur notdürftigen Unterhaltung haben mag, mehr
dann nm noch soviel teurer ist, dann es zu der Zeit dieser aufgerichten L.O.
(1616) gewest und dafi die Amtleut solcher Zustände bei weitem soviel nit
genießen mOgen als zur bemelten Zeit geschehen. Darzu so wtlrden gar viel
onrohig Personen, die zu täglichem Hader und Kriegen geneigt sind, wo
eine so gering Tax von ihnen genommen werden mufite, noch mehr die
ftrstlichen Regierungen, auch ünterobrigkeiten mit ihren mutwilligen An-
sprachen täglich anzulaufen und ihre Gegenteil ganz unbilliger Weise in
Mfihe und Kosten zu bringen verursacht, wie denn zu diesen Zeiten lauter
gespürt würde, dafi von Tag zu Tag je länger je mehr das mutwillige Klagen,
•nch Zank und Hader vor den Obrigkeiten zunimmt und sich der weniger
Teil billiger, rechtmäßiger Entschieden wiU begnügen lassen. Demnach und
damit anch die Amter mit geschickten, tauglichen Personen besetzt werden
mOgen und aus andern beweglichen Ursachen ist rätlich und eine billige
Notdurft angesehen nach Gestalt der jetzigen Läufe diese Tax also zu
mehren." Die Verordneten der Landschaft entgegneten hierauf, sie trügen
Bedenken, es werde den Pflegern und andern Amtleuten damit nicht ge-
holfen, dagegen der arme Mann sehr beschwert und „Manchem etwa dahin
reichen, daß er eine gerechte gute Sachen und deren er zum besten befugt
von Abschechung wegen des übermäßigen Unkostens gar fallen lassen müßte,
bevoran dieweil sonst allerlei Beschwerung auf dem armen Mann liegen.
Sie besorgen auch daneben, daß Einer, so sonst zu Hader und Krieg geneigt,
werde sich durch diese Hoherung des Unkostens nit lassen abschrecken. Aus
diesen und andern beweglichen Ursachen sieht sie für gut an, daß hierin
des gemeinen Mannes soviel immer möglich vorschont und die fürstlichen
Pfleger und Amtleut in anderm Wege mit Gnaden bedacht würden*' (RA. —
Bajer. Ldr. 21). — Die Erhöhung der Taxen fand aber doch Aufnahme in
die L.O. 1663 B. II, t. 4 a. 1 u. 2.
Das kaiserliche Landgericht Hirschberg.
Auf bniriachem Bocleu befand sich aiicli eines jener kaiset^
liehen Landgerichte, welche noch nach der Entwicklung der
Landeshoheit ihre Üuniittelliarkeit unter Kaiser und Reich l>e-
wahrt hatt^in und dalicr ihre (tericht*gewalt älMjr die Grunzen ilea
Territoriums, in dem ihr Sitz war, ausdehnten, teilweise auch
ihre Jurisdiktion auf das ganze Reichsgebiet erstreckten ' ).
Wenn auch das kaiserliche Landgericht Uirschbcrg') im
Laufe der Zeit den Charakter eines Territorialgerichta ai
nomiDei) hat. verdient seine eigenartige OrgantsatioD doch eine
spezielle Darstellung.
Nach dem Tode des Grafen Gebharii von Hirsrhherg (1306),
eines Verwandten der Witteisbacher ' ), entstand zwischen ■
Bistum Eichstädt und den boirisebeu Herzogen Über die Ver-
lasscnschafi Streit, welcher durch einen schiedsrichterlichen
Spruch * ) zu UngiiDsten der letzteren entschieden ward, indem
ihnen nur die Hirschbei^ischen Grafschaftsrechte zuerkannt
wurden, wahrend Eichstadt 12:; Ortschaften erhielt. Auf dies«
Weise kam das Landgericht Uirschl>erg an Itaiern, nachdem Graf
Gebhard kurz vor seinem Ableben ( 1304) zur Abwehr der Eingrifle
)>ena<-Jibarter Hof- und Landgerichte in seine (ieriobtfigewalt
von K. Albrecht I. ein Privilegium de nnn evociuidu urhalten hatte,
demzufolge die liewohner der Grafuchaflen UirscUberg und Gr&is-
bacb, den Fall der Rechtsverweigerung ausgenommen, vor keinem
1) Vgl Wetiell, Sfitem d«« oti. OirilproieMoi. 8. SRO.
S) OelogMiUieh de« Streitea Hier <lie furtdRUemdB Aiudotmiuig de« G*-
ricbttnrug« d«i lAnd^richti Hint-fabers ati«i du iimi Biitom EloltfUdt
gehOriga Oebiot cnchjcn nioe StiimitiiTiK iUet «ichtiifcD, ftof dl» Jad^
dlktloanerliUtiiitM doi Lind^erirbts bMagUcbon Urkunden: [i- leUut^
OMChiebt- und AkteoniUii^er l'aterrirht lon dem IjudKoricht nndOnt
•diain flincbborg. 1151. Auf die*« mit «iD«r gut oii<'ntiar«ndaB
leitaag isneheaan UtlnudauaunmluDg rtOUt seh die folgtad« Dir>
•talloBg.
8) Bi«ii*r n. a»7<:
4) ISOE^ i». Oktober in OnimmlMiiE. Qo. n. Bi. VI, & IM E
— 101 —
anderen Gerichte') zu Recht zu stehen brauchten*). Dieses Privi-
leg bildet den Grundstein des kaiserlichen gefreiten Landgerichts 3).
Da ein Teil nicht zu Baiem gehöriger Gebiete dem Gerichts-
zwange des Landgerichts Hirschberg unterworfen blieben, ohne
dadurch zu den bairischen Herzogen in ein ünterthanenverhältnis
zu treten, so waren diese nur Gerichtsherren, keineswegs aber
Landesherren über den Sprengel des Landgerichtsbezirks ^).
An der Spitze des Landgerichts stand nach der fOr Orga-
nisation und Wirkungskreis desselben grundlegenden Bestätigungs-
arkunde K. Ludwigs (1320)*) ein vom Herzoge von Baiern zu
bestellender Landrichter, welcher jeden volljährigen Freiherm
mit seiner Vertretung betrauen konnte. Nur Achtserklärungen
und Aufhebung der Acht mußte ausschließlich durch den Land-
richter erfolgen.
Mindestens 7 Beisitzer vom Ritter- oder dem höheren Bürger-
stande waren als Rechtsprecher ^) für die ürteilsfindung') erforder-
lich. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts finden sich schon Geist-
liche, Doctores juris als assessores, welche die bürgerlichen Bei-
sitzer zurückdrängen^) ; auch den benachbarten Pflegern wurde im
1) Unterricht S. 4; Beilage S. 1. Dieses Evocationsprivileg wurde
den bairischen Fflrsten von 1362 an 5 Jahrhunderte hindurch von sfimtlichen
deutschen Kaisern bestätigt Vgl die Unterricht S. 17 fL mitgeteilten
Auszflge.
2) Ein Urteilsbrief des Landrichters von 1418 enthält ein in Folge der
Ladungen Hirschbergischer Unterthanen an das kaiserliche Landgericht Nflm-
berg gefälltes Urteil dahingehend („de sagt Folg, Frag und ward ertailt mit
dem Bechten) — dieselbig Clag, Becht und Fürladung sol den oder dem-
selben an iren Leib, Eren und Gütern gar und genzlichen unschädlich sejn"
(Unterrieht Beilagen S. 96 £).
3) Über die Grenzen des kaiserlichen Landgerichtssprengeis vgl die alte
ürkonde, das Bereitungsprotokoll 1551 und das Verzeichnis der Yesten und
Edelmannssitze in demselben. Unterricht S. 23, Beilagen S. 71 £
4) T. d. Pfordten S. 270. Sie konnten daher nur Gerichtsordnungen,
aber kein Landrecht für diesen Sprengel erteilen und so erklärt sich die
NiehteinfÜhmng des oberbairischen Landrechts in diesem Gebiete.
5) Unterricht Beilagen S. 12.
€) Es soll auch nyemands Urtaü sprechen auf der Land-Schrannen dann
Bitter und des Reichs Erb-Burger, die mit der EUn und mit der Waag nit
ferkauffen.
7) Es wurden 20—30 Urteiler ernannt, um die erforderliche Besetzung
stets zu ermöglichen (Unterricht S. 27).
8) Unterricht S. 27.
— 102 —
16. Jahrhundert, als das Landgericht in Abnehmen geraten war, die
Pflicht, als Beisitzer dem kaiserlichen Landgerichte beizuwohnen,
bei ihrer Bestallung auferlegt, bis endlich wie bei allen höheren
Gerichten die 2 Bänke für Laien und Rechtsgelehrte auch hier
auftauchen*).
Natürlich fehlte bei der Besetzung des Gerichts auch der
(Land-)Schreiber nicht, welcher am Tage nach der Sitzung des
Landgerichts, dem sog. Beschreibtage, den Parteien die Gerichts-
briefe auszufertigen, außerdem aber noch das Landgerichtssiegel
sorgfältig aufzubewahren und nur vorschriftsmäßig zu gebrauchen
hatte. Bei besonders verwickelten Prozessen können dem Schreiber
auf seinen Antrag vom Landrichter 2—3 ürteiler beigegeben
werden, welche ihn bei der Abfassung der ürteilsbriefe unter-
stützen *).
Zur Erledigung der gewöhnlichen Schreibegesch&fte, ins-
besondere zur Reinschrift der vom Landschreiber konzipierten
Urteile, war ein Unterschreiber bestellt '). Den Schreibern war
die Übernahme von Parteivertretungen untersagt, nur ausnahms-
weise mit Genehmigung des Landrichters durfte der Unter-
schreiber „raten oder Beistand tun".
Der Grundsatz, daß Jeder in eigner Person sich zu ver-
antworten habe, bildete die Regel, so daß Parteivertreter nur
ausnahmsweise zugelassen wurden, so für Gemeinden, für Fürsten,
Grafen, Prälaten und Ritter, die im Landgerichtssprengel nicht
angesessen waren. Die Vertreter mußten aber Edle oder Ritter-
mäßige des Bezirks sein. Dagegen war für die hier Ansässigen
der letzten Kategorieen eine Parteivertretung ausgeschlossen, da-
mit durch ihr persönliches Erscheinen stets für die ordnungs-
mäßige Besetzung des Landgerichts gesorgt war*).
Zum Exekutionspersonal gehörten Anlaiter*), der nur auf
schriftlichen Befehl des Laudschreibers die Immission in die
1) In den Protokollen von 1607-1609 werden Pr&laten, Ritter und
Doctores, anter letzteren mehrere In^olstadter Professoren angefthrt (Befl.
S. 79 £). Bei der Beorganisation von 1749 wird die Bank der Prälaten and
Adligen nnd die der gelehrten Assessores geschaffen (BeiL S. 79).
2) Von den Pflichten des Oberschreibers handelt eingehend die Ejde-
formul BeiL S. 75 f. ; vgl. auch Verordnung von 1518, BeiL S. lOÖ.
3) Seinen Eid siehe BeiL S. 80.
4) L.Ger.0. 1518 a. IV (BeiL S. 109).
5) Seinen Eid siehe BeiL S. 77.
— 103 —
Güter des Verurteilten zu bethätigen hatte, und Amtsknechte,
welche vom Landrichter bestellt werden konnten, während für
alle übrigen Organe landesherrliche Ernennung vorgeschrieben
war*). Femer darf man dem Exekutionspersonal noch bei-
zählen die sog. Galgenhübler ; früher gab es deren 17—18, im
16. Jahrhundert nur noch 4. Die Galgenhuben sind dem Land-
richter lehen- und zinsbar, die Besitzer derselben entrichten den
Handlohn und 1 Pfd. ^ jährlicher Stift *). Die mit denselben Be-
lehnten haben die Verpflichtung, den in ihrer Nähe gefangenen
Delinquenten in Verwahrung zu nehmen, „demselben bis zu
seiner Erledigung, er werde gericht oder ausgelassen, auf sein
aigeu Costung in der Gefenckhnuß zu verwachen", wie ein Be-
richt des Landrichters 1560 besagt, der ausdrücklich dies nicht
als eine Neuerung, sondern als ein Herkommen vor vil uralten
Jahren bezeichnet^). Die Galgenhuben sind dann zugleich
die alten Malstätten, an welchen das Landgericht abgehalten
wurde.
Feste Gerichtsorte und -tage gab es nicht ; der Landrichter
konnte Ort und Zeit anberaumen, mußte dies nur im ganzen
Bezirk durch den Anlaiter ausrufen lassen^). Damit in der
Erledigung aller zur Kompetenz des Landgerichts gehörigen
Prozesse keine Verzögerung der Rechtsprechung eintrete, sollte
1) Über die Besoldungen des Personals vgl den Bericht des Landrichters
R. T. Hasslang 1574: Landrichter bezieht jährlich 100 fl. and von 3 Galgen-
huben je 1 PfiX; der Oberlandschreiber ein Fixum von 42 fl. und die
Hüfte der Schreibgebflhren, die andre H&lfte föllt dem Unterschreiber nebst
20 fl. Besoldung zu (BeiL S. 80 iL). Die Beisitzer erhalten keine Remu-
neration, müssen auf eigne Kosten ihrer Gerichtspflicht entsprechen (vgL
Verordnung 1508, BeiL S. 83); erst seit Maximilian L werden ihnen Di&ten
bewilligt (Un.terricht S. 29).
2) Unterricht S. 31, BeiL S. 87 ff:
3) BeiL S. 88. Früher war auf jeder Hube auch ein Galgen errichtet
(Das Land-Gericht H. hat auf dem Land 17 Stuel und Stet . . und zu jeg^
lichem Stuell gehört ein Galgen und ein Galgen -Hub [BeiL S. 87]). Der
Galgen als Zeichen der hohen Gerichtsbarkeit spielt eine große Rolle, wie
denn auch in der citierten Urkunde K Ludwigs 1320 dem Landrichter die
Befugnis eingeräumt wird, „daß er Holz nehmen soll, aus welchem Holz er
wül, zu dem Galgen und zu der Schrannen*'.
4) Unterricht S. 33; seit dem 17. Jahrhundert durch gedruckte Pa-
tente publidert (BeiL S. 93 £).
das Landgericht allmonatlich in der vorgeschriebenen Besetzung
abgehalten werden')-
Schon 1434 war durch ein Privileß K. Sigtsmunds die Ver-
läugeruiig einer Laudgerichtssitzung auf 2 Tage genehmigt, da-
mit nicht iü Folge einer Menge vuriiegender Kechtsstreitigkeiteo
eine Vertagung der an einetii Tage uicht zu bewältigenden Pro-
zesse bis zur nfichBten Sitzung notwendig würde, „daraus den
lenton . . . grolicr Schad verziehen . . . und sunderlich den, die
zu solicJiem Gericht gehftren, große mfie, kost und arbeit ent-
stet" *). Das Landgericht wurde an 17 verschiedenen Mal-
st&tten, vorzugsweise aber an einigen dersellien abgehalten ^).
Erst bei der Reorganisation 1749 wnnle dio /ahl der
ordentlichen Gerichtssitzungen auf 2 beschrankt (Anfang Mai
und Oktober), jedoch wunlen hier nur noch die Endurteile auf
Relation und Umfrage abgefaßt und publiziert, als nur eine
dem endlichen Rechtslage aii»loge Komödie aufgeführt, während
alle laufenden Prozeßhandlungen, die volIstAudige Instruktion
des HauptproKcsses in der wöchentlich zu Ingolstadt abge-
haltenen Schranne vorgenommen wurden*).
Die Kompetenz des Landgerichts war prinzipiell eine ziem-
lich unbeschränkte. Das Privileg von 132Ü stellt den Grund-
satz auf, daß der Landrichter alle Sachen richten mag, die fOr
Ihn auf die Landschrannon mit Klagen kommen, nur Geistliche
durften ihrer SpezialJurisdiktion nicht entzogen werden '^), doch
bezog sieb diese Exemtion nicht auf dingliche Klagen"). Die
Zustindigkeit des Landgerichts in der von diesem Privileg be-
tonten Ausdehnung wurde aber durch das Ilerkoinmen auf die
causae maiores ') eingeschränkt. Vor allem war es die Kriminal-
gerichtsbarkeit, welche schon obiges Privileg dem Landgerichte
1) Noch in inoem P>l«Dt 1006 wiAdetholl (Befl. S. 911
5) Bea 8. 17.
Sl Fr«]nt»tt, HilpoltsteiD, RictanbarK, Diotfnrt, llNlD)rriM nnd Okfmen-
beito (Dntorriebt S, 32).
4) Bea S. 9S.
6) 00 kDoin Guatliehci I.«iit«, iisl1«tt dj* dwnmb vor dem I^Bdgwicbt
recht tbim, dM aitg^n tj «eil tlrno, «allea «y kbnt de« nit tliao. i
lua »j Kr jren Biebtar Mhick«! (BoiL S. U).
t) Vgl DDteTrieht S. 37.
7)Vg*8.6a.
— 105 —
zuspricht, indem es hervorhebt die Jurisdiktion über Notnunfter,
Mörder, Todschläger, Mordbrenner, Diebe, Räuber ' ) ; ein Land-
gerichtsbrief von 1416 fügt noch hinzu : Ketzerei, Haimsuchen
und alle unrechte Gewalt *). Die Landger.O. von 1518 bestätigt
den Kreis dieser Malefizfalle und gibt nur eine Interpretation
des Begriffes unrechter Gewalt^), da dieser mißverstanden wor-
den und unter dem Scheine einer ungerechten Gewalt noch viele
andere als die oben aufgezählten Delikte für Landgerichts-
händel angezogen worden seien. Femer *) sollten alle „Inzicht" ^)
vor dem Landgericht gerechtfertigt und der halben mit Purgacion
und anderm, wie Recht ist, procediert werden^).
Auch in Civilstreitigkeiten wird die landgerichtliche Kom-
petenz beschränkt auf Grundeigentumsprozesse (Klagen um Erb
und Eigen) '), doch konnten die Parteien auch bei einem Rechts-
streite, zu dessen Aburteilung das Landgericht nicht kompetent
war, sich diesem als forum prorogatum unterwerfen. Andern-
falls mußte das Landgericht selbst die Parteien an das zu-
ständige Gericht verweisen, konnte aber, wenn dieses eine Ent-
scheidung ablehnte, also im Falle einer Rechtsverweigerung, nach
wiederholtem Antrag des Klägers doch in der Sache erkennen.
1) Bea S. 13.
2) BeiL S. 95.
3) unrechter Gewalt soUe dermafs verstanden werden: Wo ainer mit
der That and Gwalt seiner Güter entsetzt, entwert, beranbt, oder darinnen
tnrbiert» oder betmebt, oder ob ainer, zn was Sachen das wäre, durch Ge-
walt gedrongen oder benOthigt wnrde, und in Gemain, wo sich ainer thfit-
Uch nnterstflnde, durch sich selbs zu erhalten, oder innzehaben oder andern
xnzef&gen, oder abzewenden, dafs sich on Erlaubnu/s der Obrigkait nit zethun
gepürt (Beü. S. 110).
4) Daselbst a. V (BeE S. 110).
5) Vgl R LOning (Der Beinigungseid im deutschen Mittelalter. 1880.
S. 187), welcher hervorhebt, dafi im bairischen Bechte die auf bloßen Ver-
dacht und nicht auf bestimmtes Wissen des Klägers erhobenen Klagen als
einseht** bezeichnet wurden.
6) Vgl über Beweis bei Inzicht Bef. Ldr. 1518 t 18 a. 2.
7) Landgerichtsbrief 1416 (BeiL S. 95). Vgl. L.Ger.O. 1518 a. V : Und
wiewol K Ludwigs Satzung . . . anzaigt, dafs der Landrichter all Sachen
richten mag, die für ine auf die Land-Schrannen kommen . . ., so ist doch
mit loblichem Gebrauch und alter Gewohnheit bishero gehalten worden, dafs
an persOndlich Spruch, auch ander Sachen aulserhalb oberzeUter Artigkl von
dem Landgericht für der beclagten ordenlich Bichter gewisen worden seia
— 106 —
Abhülfe gegen Rechtsverweigerung bildet stets einen Grund für
die Ausdehnung der Jurisdiktion des Landgerichts über die
Grenzen seiner Kompetenz ^), wie ja auch die den Landesherren
vom Kaiser erteilten Justizprivilegien Justizverweigerung aus-
nahmen. Es zeigt sich eben hier der Ursprung des Land-
gerichts als eines kaiserlichen, das für ungehemmte Rechtspflege
zu sorgen berufen war.
In persönlicher Beziehung unterstanden dem landgericbt-
lichen Gerichtszwange alle im Gebiete desselben DomizQierten
ohne Unterschied des Standes („die in dem Landgericht ge-
sessen sein und die aygen Rauch in dem Land-Gericht haben,
wie die genannt seyn").
Nicht nur richterliche, sondern auch polizeiliche Befugnisse
hatte der Landrichter auszuüben, da wie bei den übrigen Land-
gerichten eine Trennung der Justiz von der Verwaltung nicht
durchgeführt war. So war die Errichtung von Brücken, Mühlen
und Tafemen im Landgerichtssprengel von seiner Genehmi-
gung abhängig gemacht^). Ebenso war der Landrichter be-
fugt, die Ausfuhr von Getreide, Fischen und anderen Gegen-
ständen zu untersagen^). Als ein Ausfluß der Polizeigewalt
\siivde auch die Fürsorge für die Sicherheit der Strassen des
Landgerichtssprengeis betrachtet. In Verbindung damit stand
die ausschließliche Befugnis des Landrichters, Schinnbriefe und
sicheres Geleit durch den ganzen Bezirk, insbesondere vom
und zum Landgerichte zu erteilen^).
Das kaiserliche Landgericht war, wie sich aus der bis-
herigen Darstellung ergibt, nicht nur erstinstanzielles Gericht,
sondern hatte bezüglich all derjenigen Rechtsachen, welche zur
Kompetenz der niederen, im Landgerichtsbezirke gelegenen Ge-
richte gehörten, den Charakter eines übergeordneten zweite
instanziellen Gerichtshofs, an welchen die Prozesse im Appel-
lationswege gebracht wenden mußten *).
1) Nach dem Privileg von 1320 sind St&dte nnd Märkte der Jnritdiktioii
des Landgerichts entzogen mit Ausnahme des Falles der Bechtsverweigenuig.
2) Privileg 1320 (BeiL S. 14)
3) Undgerichtsbrief 1377 (BeiL S. 127).
4) Unterricht S. 41; BeiL S. 120 ff.; von 1370-1637 war das Ge-
leitsrecht an die von Absberg zu Rumburg vorpfändet
5) K. Sigmund weist 1437 eine an das kaiserliche Hofifi^richt gagingene
Appellation an das Landgericht Hirschberg zurflck, „da das Gericht ra Sohl-
— 107 —
Gegen erstinstanzielle urteile des Landgerichts scheint
früher der Rechtszug direkt an das k. Hofgericht gegangen zu
sein. K. Friedrich III. ordnete deshalb in einem Privileg 1447
an^), daß jeder, der sich künftighin durch ein Urteil des Land-
gerichts Hirschberg beschwert erachte und appellieren wolle,
ohne Mittel an das Hofgericht des bairischen Herzogs Albrecht
und seiner Nachkommen wenden solle. Damit aber den Parteien
das Recht der 3 Instanzen nicht geschmälert werde, sollte gegen
die Urteile des herzoglichen Hofgerichts noch der Rechtszug
zum kgl. Hofgericht oflFen stehen *). Die Herzoge wachten eifer-
süchtig auf die Einhaltung dieses durch erwähntes Privileg fest-
gesetzten Appellationszuges und suchten sich gegen jeden Ein-
griff in dieselbe durch energische Reklamationen zu schützen ^).
Die Bedeutung des kaiserlichen Landgerichts Hirschberg
bestand darin, daß es seine Gerichtsgewalt über eine Reihe von
Reichsgebieten erstreckte, was die bairischen Herzoge noch 1523
betonen, indem sie ausführen, daß das Landgericht „in etlicher
vil Churfftrsten, Fftrsten und ander Stennde Lender und Geböet
zu richten und sollchs mit langem beruhigem Gebrauch biß an-
bfirg (düs in 1. Instanz in der Sache erkannt hatte) in dem Erayfs des Landt-
Gerichts zn H. Hge nnd darunter on Mitl gehOr, . . . nach kays. Rechten aUe
Beroffong an den negsten Obern beschehen solin . . .*^ (BeiL S. 133).
1) Bea S. 21 f; bestätigt durch Karl V. 1550 (BeiL S. 30).
9) W&r aber, dals der, der also appellirt hette oder der Widertail sich
vor nnserm Oheim (Herzog Albrecht) oder seinen Erben bedeucht beschwärt ze
•ein, derselb mag denn . . sich an Uns oder unser Nachkommen Römischer
Kajser oder Könige auch berueffen, und seiner Appellacion nachkommen nach
Ordnung des Rechtens.
3) So sagen die Herzoge Wilhelm und Ludwig in einer solchen 1523
durch 2 Räte an K Ferdinand L flberschickten Beschwerde: „Was in dem
. . Lannt-Gericht zu Recht und Urtl erkennt, und von demselben appelliert
werde, mflsse erstlich f&r unser Hof-Gericht gen München, und nachmahls
und von dannen aUererst an das K. Chammer-Gericht gedingt und gezogen,
wie dann Unsere Vorfordere und Wir on Mennigklichs widersprechen und on
das, dafs sich yemands anderer GestaUte ze appellieren nit unterstanden hat,
in offen wahren Gebrauch sey.*' Die Herzoge schließen ihre Beschwerde mit
dem Hinweis, daß, wenn Appellant sich beschwert erachtet hätte durch das
Urteil des Landgerichts, „wollten wir jnen förderliche und rechtliche Hilff
nit verzigen oder vorsagt haben, dann on Rum ze melden, achten Wir von
aUen Liebhabennden dergestalten in dem Heiligen Reich berechtiget ze seyn,
dafs lieh in Unserm Fürstenthumb Unrechtens und Gewalts nit zu besorgen,
noch gestatt oder zugesehen wirdet (Beil. S. 136).
- 108 —
her gebracht^^ ^). Im 17. Jahrhundert sank das Landgericht zu
einem gewöhnlichen Territorialgericht herab*), während andere
kaiserliche Landgerichte bis zum Untergange des Reichs ihren
Charakter als Reichsuntergerichte bewahrt hatten ^).
Bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts war die Jurisdiktion
des Landgerichts über Eichstädtisches Gebiet unbedingt an-
erkannt^). Die Eichstädtischen Unterthanen suchten sich dann
diesem Gerichtszwange überhaupt zu entziehen; 1654 kam es
hierüber zum Prozesse beim Reichskammergericht. Baiem
suchte 1749, nachdem in Folge der kriegerischen Ereignisse das
Landgericht außer Thätigkeit getreten war, diesen Gerichtszwang
aufs neue geltend zu machen, leistete aber 1767 durch Ver-
gleich, welcher später vom Kaiser bestätigt wurde, bedingungs-
weise Verzicht auf die Jurisdiktionsausübung über EichstAdtische
Unterthanen.
Damit war auch der letzte Rest eines über die territorialen
Grenzen hinausreichenden Gerichtszwangs beseitigt.
§ 6.
Das Hofgericht.
Das bedeutendste Element der herzoglichen Gewalt bildet
neben dem Heerführeramt die Gerichtshoheit Der Herzog war,
wie gezeigt >vurde, der oberste Gerichtsherr in seinem Herzog-
tum geworden und sein Gericht hatte sich als Mittelglied ein-
gefügt in den Organismus der Gerichtsverfassung zwischen das
Gericht des deutschen Königs und die Land- und Stadtgerichte
seines Territoriums. Je weniger die persönliche Gerichtsbar-
keit des Königs, der mit seinem Hofe auf ruhelosem Wander-
zu^e durch die fernsten Gaue dahineilte, im Stande war,
1) BeiL S. 135.
2) Roth, Bayrisches Civilrecht. Tübingen 1871. I, S. 64 £
3) ZOpfl, Deutsche Rechtsgeschichte. II, 8.4071
4) Jeiler neagcwählte Bischof von Eichstädt mußte penOolich auf der
Schranne des T^ndgerichts erscheinen, um die Bestätigung seiner Prinlegian
zu erlangen. Zum letzten Male geschah dies 1643 (vgl v. Ereittmajr,
Grundrift des . . bajr. Staatsrechts 8. 290 flf., und über den Streit mit Efeh"
stfidt die ausführliche Darstellung iaünterricht 8. 48—148; Moior,
Von der teutschen Justiz - Verfassung. 1774. II, 8. 1011 £
— 109 —
die Bechtsschutzbedürfnisse der Deutschen zu befriedigen, um
so dringender trat die Notwendigkeit nach einer Ausfüllung
der Lücke durch Ausgestaltung des Gerichts des Landesherrn
hervor.
Wie der König im ganzen Reiche, so darf der Herzog als
höchster Richter des Landes — als princeps et judex provinciae ^)
wird Heinrich der Löwe bezeichnet — neben und über den
ordentlichen Richtern desselben Recht sprechen. Denn in der
deutschen Gerichtsverfassung herrschte der Grundsatz, daß der
höhere Richter stets die Funktionen des niederen übernehmen,
also konkurrierend mit ihm die Gerichtsbarkeit ausüben dürfe.
Welche große Bedeutung einer strengen unparteiischen
Handhabung des Rechts beigemessen wurde, ersieht man daraus,
daß unter den Anklagepunkten, welche die Absetzung des Baiem-
herzogs Konrad herbeiführten, hauptsächlich die von ihm an
den Tag gelegte Ungerechtigkeit in der Rechtspflege ins Ge-
wicht fiel*). Als die vorzüglichste Aufgabe des herzoglichen
Richteramtes wurde die Beschützung der Wittwen und Waisen,
sowie der Kirchen und kirchlichen Institute betrachtet. Zur
Handhabung dieser Schutzgewalt sei dem Richter das Schwert
überantwortet, sagt Herzog Ludwig L in einer für das Kloster
Schönau ausgestellten Urkunde^).
Die Herzoge ziehen im ganzen Lande mit ihrem Gefolge
umher, um ihres Richteramtes zu walten. Heinrich der Löwe
schlichtete so als Richter viele ihm zur Entscheidung vorgelegte
Rechtsstreitigkeiten. Namentlich aber Otto von Witteisbach hatte,
nachdem er die Huldigung des Volkes entgegengenommen ^), mit
unermüdlichem Eifer sich der Handhabung der Rechtspflege hin-
gegeben, hierin die vorzüglichste Aufgabe seines Herrscher-
berufes erkennend. Auch sein Sohn Ludwig I. wandelte in den-
1) M. B. m. p. 462 (a. 1177).
2) InJQsta judicia, quae pridem in popalo fecerat: Waitz Vn, S. 125
(Amial. Altah. 1053 : Mon. Genn. Scr. XVII, p. 806).
3) Qn. XL Er. V, S. 19 (1214): Cum non sine causa index gladiom portet,
idre not convenit, qni gladio cingimur, qaod iUnm ad militandnm summo
regi in defensione Yidnamm et pnpiUorum et precipne in protectione sancte
dei ecelesie et religiosanun domorom accepimns.
4) Gengier, Ein Blick auf das Bechtsleben Bajerns unter Herzog
Otto L 1880. S. 1.
— 110 —
selben BahDen. Allen Ständen seines Volkes bewährte er sich
als energischer Wahrer des Rechts^) und viele urkundliche
Nachrichten bezeugen, daß er an den verschiedensten Orten des
Landes zu Gericht gesessen ^) und Rechtsstreitigkeiten mannig-
facher Art entschieden habe^).
Auch über die Gebiete der Bischöfe, welche zum Besuche
der herzoglichen Landtage verpflichtet sind, erstreckt sich die
Gerichtsgewalt des Herzogs, .welcher sogar innerhalb dieser
Sprengel selbst zu Gericht sitzt*), wie auch der Herzog die
Rechtsstreitigkeiten der Bischöfe (von Bamberg, Salzburg, Frei-
sing, Eichstädt, Augsburg, Regensburg, Passau, Brixen), welche
auf seinen Landtagen erscheinen müssen, zu Regensburg ent-
scheidet^). Aus dem Gesagten erhellt, dass die Parteien ihre
Rechtsstreitigkeiten sofort dem Herzoge zur Entscheidung vor-
legten, da sie ihn als den höheren Richter unmittelbar angehen
konnten und nicht vorher erst ein Urteil des Landgerichts er-
wirken mußten. Von der richterUchen Thätigkeit Heinrichs
des Löwen können folgende Beispiele angeführt werden'):
1162 schUchtete er auf dem Landtage zu Karpfenheim den
wegen des Gutes Münster zwischen dem Grafen von Bogen und
1) Turmairs gen. Avontin, Annales Ducom Boiariae ed. Rieiler
Bd. II, S. 243 (L VII c. 1). München 1884. Jus saopios in asylo porticibuiqne
temploram, in freqnenti popoli Corona civibns, agricolis, sacerdotibaB et nobi-
litati dixit
2) Vgl Riezler bei Heigel-Riczler S. 163 und die daaelbit an-
geftlhrten Belegstellen.
3) Heinrich X. hatte zwar schon 1126 einen ständigen Hofirichter n
Regensburg eingesetzt: Praetorem qui praesidendo juridicondo intentoB Tioe
sua fungeretur, Reginsburgio imponit (Hochwarti episc Ratisb. cat II, 23
apud Oefele I, p. 188), doch scheint die Thätigkeit dieses Hofrichteri nur
eine vorübergehende gewesen zu sein, wenn die Nachricht überhaupt verlAsng iit
4) Riezler I, S. 734: Der Konvent von S.Peter in Salzburg wird 1174
vor das Gericht Heinrichs des LOwen als seines weltlichen Richten geladeo.
Vgl. auch Pcz, Thesaurus anccd. tl, F. III, p. 181, über eine GerichtsYerhand-
lung vor Otto L zu Eichstädt
5) Den (diesen Bischöfen) sol der herzog da richten, swaz si le chlagoi
habent Er sol auch hinz in richten allcu den recht dl der chong Yon Bom
gewalt hat ze richten hinz andern bischolfcn, heifit es in einer die Baehto
der baierischcn Herzoge in Kcgensburg festsetzenden Urkunde von 1278
(Westenriede r, Glossarium gerroanico-latinum vocum . . inprimit BaTari-
carum. Monachii 1816. p. XIII).
6) Riezler (Heigel-Riezler) S. 155. *
- 111 —
dem Abte von Reichersberg schwebenden Streit*), 1171 auf
dem Landtage zu Moosburg einen Rechtsstreit des Grafen von
Abensberg mit dem Kloster Admont*), 1174 (in Gegenwart
des Kaisers) zu Seon einen Streit des Abt S. von Seon^) mit
dem Kloster S. Zeno*).
Unter den von Herzog Otto von Witteisbach entschiedenen
Streitigkeiten ^) sind folgende hervorzuheben: 1180 trifft er auf
dem Landtage zu Regensburg eine Entscheidimg in einem Streite
zwischen dem Kloster S. Emmleran und Werner von der Laber ^ ) ;
ungefähr 1181 judiziert er auf dem Tage zu Pleinting auf eine
Klage, welche Graf Sigboto von Falkenstein, dessen Frau und
Söhne wegen einiger Güter erhoben hatten '). Auf 3 Tagen zu
Breiten wiesen (L.G. Dachau), Pfatter (L.G. Regensburg) und
Regensburg verhörte und entschied er sodann eine Klage des
Klosters Weihenstephan gegen Konrad von Lugburg®). Vor
Herzog Otto erhebt femer Klage Richardis von Nußdorf wegen
eines Grundstücks^).
Ungefähr 1182 hält Herzog Otto einen Landtag zu Amberg
ab, auf welchem ihm Frau Juta die Güter Herrenstein und
1) M. B. m, p. 457 (hier irrtümlich in das Jahr 1177 gesetzt): Du
Bawarie Heinricas, convocatis Bawarie principibns, haboit cnriam tridnanam
in loco qni didtur Chorpheim. Ibi . . . prepositas G. in andientia pnblico
interpellavit Auf dem Tage zn Ens (1176) entschied Heinrich der Lowe
diesen Prozeß endgültig in Gegenwart des Herzogs Heinrich von Österreich.
Vgl Y. Frejberg, Geschichte der Landstfinde I, S. 104.
2) Pez, Thesaor. anecd. i HI, P. 3, p. 780: cnriam apnd M. indicens pln-
nrnos principmn Bayaricoram et nobilinm convocaYit
3) R. B. I, p. 284.
4) Über die Yerhandlnng zn Ens (1177) vgl M. B. IE, p. 463 v. (in
andientia dncis . . . prindpnm liberomm, ministerialinm).
5) Vgl Riezler (Heigel-Riezler) S. 153.
6) Pez,Thesanr iI,P.III, p.l81 (vgl Heigel bei Heigel-Riezler
a 132).
7) M. B. Vn, p. 487 : quod comes S. . . querimoniam feceront in curia
domini dncis Ottonis Pittingen snper . . . (Hei gel a. a. 0. S. 133). Vgl
noch die Verhandlung in curia apud Eringen in praesentia ducis (Qu. u. Er.
I, S. 336).
8) M. B. IX, p. 468 £: fratres querimoniam de predio et de puero mo-
▼entes coram domino duce Ottone in tribus curiis suis puerum cum predio
productis testibus retinuerunt Testes omnes qui audierunt hoc in tribus
ipns curÜB que fuerunt Pratenwise, Pheteres, Ratispone . . .
9) M. B. VI, p. 133 : adiit cnriam duds Ottonis ferens coram eo querimoniam.
— 112 —
Falkenstein übergibt ^). In TeuDgen (L.G. Eelheim) wird hierauf
dieser Vertrag wieder aufgehoben •).
In Gegenwart des unmündigen Herzogs Ludwig I. und seiner
Großen erfolgte sodann in Wemhersmut (am Mangfall) die Tra-
dition eines Grundstücks, welches der Abt des Klosters Eberch
berg von dem Grafen R. von Vallei gekauft hatte').
1207 übertrug Graf Albert von Bogen dem Kloster Nieder-
altaich als Ersatz für den diesem zugefügten Schaden 3 Höfe,
und zwar auf einem zu Straubing unter Vorsitz des Herzogs*)
Ludwig abgehaltenen Landtage. 1209 entschied Herzog Ludwig
auf einem Landtage zu ßegensburg (bezw. Peitlingen) die Klagen
des Klosters Niederaltaich *) gegen die Grafen von Bogen*).
Die generelle Zuständigkeit der herzoglichen Jurisdiktion,
von der hier einige Proben gegeben wurden, erlitt allerdings
eine Einschränkung, und zwar in Hinsicht auf alle Immo-
biliarstreitigkciten ^), die ebenso, wie die Auflassungen von
Grundstücken, nur vor dem Gerichte der Graüschaft, in welchem
dieselben gelegen waren, rechtsgültig vorgenommen werden
1) M. B. VII, p. 485: delega?it tale ins quod habere potoit in urbibni.
V. et H. in manos domini dacis Ottonis . . . Post hanc delegationem Otto
duz BcdeiiB in iudido in Orro suo Ammenperch . . . conceBsit
2) Ib. p. 486: Ch. rogavit com (ducem, nt legationem hanc daret in
manus domini . . . qaod ipse concessit in Cimiterio Tigingen sedena pro
tribonalL
3) Cod. trad. Ebersp. (Oefcle II, p. 43). traditio . . et confirmatio con-
sumata fuit et confirmata in vico W. in praesentia dacis Lndovid eo exi-
stente adhuc parvulo et coram principibas et comitibnt et mi-
nisterialibns, qui pro diversis causis illic convenerant
4i M. B. XI, p. 177: presentibus mediantibnsqne terre Bsronibnt
ante placitom, quod habiturus erat duz L. in Str. — presentibiu terre
primoribus manu . . . altari . . . delegari
5) M. B. XI, p. 182: dum duz in civitate ratispon. celebrem ageiet
c u r i a m , causa nostra coram principibus et primatibus terre nostre . . .
innotuit ot diu ventilatam quid per scntcntiam de nobis commistum haberet
divulgavit
6) Herzog Ludwig; tritt femer noch als Richter auf 1202 zu Dlmflniter
(IL B. X, p. 47: ad prescntiam . . . ducis ... presentibus mnltit
viris nobilibus), 1224 (Qu. u. Er. Y, S. 35: me presidonte iadicio in
Perchaim . . .)• Vgl noch M. B. X, p. 430 (circa 1220).
7) lUezler bei Heigel-Riezler S. 153, z. B. IL E VIII, p. 108;
IX, p. 474.
— 113 —
konnten M. Das forum des belegenen Grundstücks, welches
den zweiten allgemeinen Gerichtsstand •) des fränkischen Rechts
(neben dem forum domicilii) begründete, hatte seit dem
12. Jahrhundert*) den Charakter der Ausschließlichkeit für
alle auf Grundstücke bezügliche Rechtsangel^enheiten an-
genommen.
Diese persönliche richterliche Thätigkeit des Herzogs wurde,
wie die angeführten Beispiele darthun, ausgeübt auf den Land-
tagen, auf welchen die geistlichen und weltlichen Großen des
Landes über alle wichtigen Regierungsangelegenheiten mit dem
Herzoge berieten und die vorliegenden Rechtsstreitigkeiten,
namentlich wenn solche zwischen den Angehörigen der höheren
Stande ausgebrochen waren, schlichteten, denn „die Stellung als
Gericht war und blieb der Kern jeder germanischen Verfassungs-
bildung ; gerichtliche Verhandlungen bildeten die laufenden Ge-
schäfte jeder Landesversammlung" *). Deshalb sehen wir, daß
Prozesse, in welchen Äbte, Klöster und Grafen als Parteien
auftraten, mit Vorliebe auf solchen Landtagen *) unter Vorsitz
des Herzogs geschlichtet werden.
1) Ebenso durfte der EOnig bei Klagen nm Eigen nur in dem Lande,
in welchem es gelegen, richten: Franklin, Beichshofgericht II, S. 67
(Ssp. m, 33 § 4).
2) So hm. Die altdeutsche Reichs- und Gerichtsverfassung, S. 308.
3) M. B. XXII, p. 60. Eine vor Heinrich dem LOwen in Baiem voll-
xogene Vergabung eines Grundstücks wurde vor dem Gerichte des Grafen
Ton Andechs wiederholt, quia hoc idem predium in comitatu B. de Anodehsen
ntom est Nach So hm, S. 304, ist diese bairische Urkunde das älteste,
die beginnende Ausschließlichkeit der Kompetenz der belegenen Sache für
Grundstücke andeutende Zeugnis.
4) Gneist, Englische Yerfassungsgcschichte. Berlin 1882. S. 209.
5) Es genügt, einen Blick auf die bei einem solchen Tage Anwesenden
zu werfen, um sich davon zu überzeugen, daß diese Rechtssachen auf Land-
tagen verhandelt wurden. Auf einem Landtage zu Regensburg, wo der Ver-
zicht auf ein streitiges Grundstück vollzogen wurde (1161), werden so als
anwesend aufgeführt (in generali curia ducis Heinrici Ratisbone, presentibus
bis principibus) : der Bischof von Eichstfidt, Markgraf von Vohburg, Graf von
Hall und Sohn, die Grafen von Liebenau, MOglingen, Valley und Schaucn-
burg. (De ministerialibus :) R und U. von Kelheim et aliis quam pluribus
(M. B. ni, p. 109). Auf dem Landtage in Breitenwiesen waren anwesend (in
curia quam dominus dui habuit in Pr.): die Pfalzgrafcn Friedrich und Otto,
Graf von Dachau, Graf von Neunburg, B. von Stein, H. von Altdorf, A. von
Rosenthal, Geschichte d. Oerichtsw. o. d. Vcrw.-Org. Baieras. J. g
Die älteren LandtAge ' ), Dicht die Lehensgeriehte und nicht
das all den Hof des Herzogs gezogene (grfiflicbc) Ijiadgericbt
bilden den Ausgangspunkt der Entwicklung des bairischen Hof-
gericbta.
Hier sind die Keime des Instituts zu suchen, welches erst
im Verlaufe der Jahrhundertc immer festere Gestalt annahm
und sieb soduun im 15. bozw. 16. Jahrhundert zur ständigen
höchsten Gerieb Isbchördc des Landes herausgebildet hatte.
Der EutwicklutigspruzeS läßt sieb im Einzelnen bis i» dt« karo-
lingiscbe Periode zurllchverfolgcn. In dieser hatten die missi dnmi-
nid in der missatiscben IVovinK einen Landtag, eine Versammlung
der geistlichen und weltlichen Beamten und der kJiniglichen Vu-
sallen') iibituhalten. Wenn diese LimdUige auch ihrer Natur nach
Versammlungen sinti, welche zur Erfüllung von Regicrungszwccken
eingesetzt sind, so kommen doch auch Rechtssachen auf denselbea
zur Entscheidung'). Gerade auch ans Baiern sind urkundliche
Zeugnisse aus dieser Zeit erhalten, welche belegen * ), daß solrhA
Landtagsversammlungcn unter dem Vorsitze kaiserlicher missl,
obwohl nicht zu Gerieb tszweckeu berufen, doch die Entscheidung
von Rechtsstreitigkeiten erledigt haben *). Mit dem Untergänge
dea Instituts der missi ging nun ein groUer Teil ihrer Befug-
niHse auf ilio Herzoge Über ''). Und so ist es erklärlich, doS
auf den Landtagen, zu welchen die bairischeu Herzoge die
Großen des Territoriums beriefen, welche In gewissem Sinne
eine Fortsetzung der missatischen Ijuidlage bilden, nicht nar
Attenibn« d. A. (M. ß. VII. p. 470]. V/ogtn Jer Priieoiliil«!) uf «ndm
LftniltiKcn ut fu *cn(l»icbcn M. B. VI, p. 135; t. frujborjt, Gtach, iltf
I^tbUado 1. i^L 10] IT.: Cud. tn<]. Ebonp«TK. (Oufele II, S. 43. Tart«.
qol judicaToniDt »t «a41venint . . .\.
1) DkM vpni'fawanileii ii-it Mitte des 13. Jthtbiindrrt«, and ucb taitHr
UnUtbrwLant* im Be){lnn iIm 14. Jahthundort« Irat einn neu« landittndin-ht
V«Tfu«aiiiC in ibro Stelle. V|rl. RiotUr II. S. II, M7; K. Mkur«r, Uod-
■Undp, in Ilinnticlili und Bratur, UeaUche« SbubwArtctbnrh. t^tatt-
girt und Uipiig 1861. VI. 8. 863.
S) R- SchrtdAi. Rech ti^wb ich to 8. 134.
5) Sobm, S. 48a
4) 803 «tu-Un uif riMDi L«DdUgo in Brgenibarit, 906 tttl eloem MdclMa
in öitingra ProtMM ntn GnndttOek» initKbi«d«i (Hoiebolbtck
p. 90. »3. n. 118. mi
6) K. Maurer, Unditinda a. ■. 0. & Uli
— 115 —
aDgemeine Landesangelegenbeiten beraten, Gesetze gemacht,
Privil^en erteilt werden, über Krieg und Frieden Beschluß
gefaßt, über die Aufrechthaltug des Landfriedens gewacht wird,
sondern auch Streitigkeiten geschlichtet und Vergabungen von
Grundstücken bestätigt werden^).
Auf diesen Versammlungen, welche der Herzog mit den
Großen der Provinz sowohl in der Hauptstadt ßegensburg als
an anderen Orten abhielt*), war es also, wo der Herzog die ihm
zustehende höchste Gerichtsgewalt über das Herzogtum ausübte.
Man dürfte auch nicht fehlgehen, wenn man die bestrittene
Frage nach dem Ursprünge der Hofgerichte in den deutschen
Territorien im aUgemeinen in dem hier für Baiern gegebenen
Sinne zu lösen versucht. Wenn auch zugegeben ist, daß
die Entwicklung sich nicht in allen Territorien auf gleiche
Weise vollzogen hat 3), so dürfte doch die Annahme gerech t-
1) YgL K Sanftl, Von den Land- und Hoftagen in Baiem (Nene hist
AbL d. chnrf baier. Ak. d. Wiss. IV, S. 439-461).
2) Waitz Vn, S. 127.
3) Wenn ich daher auf Grand der obigen Ausführungen der Meinung
G. Hey er 's (Lehrbuch des deutschen Staatsrechts. Leipzig 1885. S. 285 f.),
welcher in den Hofgerichten an den Hof des Landesherrn gezogene
Landgerichte erblickt, in dieser Allgemeinheit nicht beipflichten kann,
•0 mu6 ich doch die Annahme eines solchen Entwicklungsgangs in ein-
lelnen L&ndera als begründet zugeben. Dagegen stimme ich vollstfindig
ndt G. Meyer überein in seiner Bekämpfung der sehr yerbreiteten
Ansicht, welche die Hofgerichte aus den Lehensgerichten hervorgehen
li&t Diese haben sich, was G. Meyer mit Recht hervorhebt, als Spe-
dalgerichtshofe neben den Hofgerichten bis in das vorige Jahrhundert
erhalten, und wo später Hofkanzleien neben den Hofgerichten als Ober-
instanzen fungierten, wurden erstere mit der Entscheidung der Lehens-
itrettigkeiten betraut (W e t z e 1 1 S. 459, u. a. Struben, Bechtl. Bedenken
1788, III, S. 94). Auch der Ausdrack curia darf nicht im Sinne von Lehen-
hof verstanden werden, da curia ganz allgemein den Hof, die Umgebung
des Landesherm bezeichnet und mit Vorliebe für die Hof- und Landtage
^braucht wird. Die Gerichtsbarkeit des Landesherm erstreckte sich da-
gegen, wie auch die Darstellung im Texte beweist, auf alle Bechtsstreitig-
keiten, und wenn auch besonders die Großen des Territoriums vor dem
Landesherrn Becht nahmen, so war diese Jurisdiktion keineswegs auf Lehens-
itreitigkeiten beschränkt, ja diese waren nicht einmal in großer Zahl ver-
treten. Man hat daher den alten Landesversammlungen mit Becht die
Stellung des höchsten Gerichts zuerkannt Vgl Gierke, Das deutsche Ge-
Dossenschaftsrecht I, S. 566.
8*
fertigt ersclieineii, daß die persönliche Jurisdiktion des Laudes-
herm in der Regel ausgeflbt wurde mit den Grollen dci
Landes auf den Landtagen , und daß die Geschichte der Hnf-
gericliU; so xunieist von den Landtagen ihren Ausgangspunkt
nimmt.
Viic der Kaiser als höchster Gericht^herr des Reiches mit
den Fürsten des ReicJies (besonders in Rechtssachen derselben)
auf den Reichstagen zu Geriebt saß'), so kam auch die
Jurisdiktionsgowatt des Landesberm ursprünglich in derselben
Form auf d<;n Landtagen') zur Erscheinung, bis dann Überall
1 1 Schon in karoUofpidier Zeit werdeo auf doo Bdchstagen RMhtMMhn
cntachiedeD |W a i 1 1 IV. S. 42ä), and anch im tpitcren MitteUlUr ■«h» «tr
des König leinep hnrhrten BicbtoranitM im Beicho wnlMn aaf don Boich»*
Ugen, «0 die vereamninlton Groten de« It«i<;lis ihm all tTrtoililiDd« na
Seit« ftobea. VgLFrankliD. Reichihorgoricht 11, ,S. 88: Onba, D«c
detitMfao tlnichita^ in don Jahren »11-1136 S. 87i Wacktr, Der IMcbc
Ug unter dm UohenEUnfen S. TT f.: IL Ebrttnbarg, Der RoicIuUg in
dem Jahnn 18T8 - 13T8 S. 83 i Hi«lori«f he Stn-Üen. heran*gegeb«D tod Arndt
Q. A, HAft 12, fi nnd a l.«i|)dg 1»S4, 18ft2, 1883).
i) DiaM landetborrlicbe Juriadiktion nof den Landtagen tritt niu ia
d«D T«ncUedeii>t«n deutttbeo I.ftndeni pnt£C((en. In Uitonpirb «ind m in
IS. and 13. Jahrbnndert die I.andlBidingo , „Katabelaifruniinlungra. in
«eichen alle Oftentlkben Angolesenbeiton de« Landei lur Sprache kamen*,
anf v«lch«n der Benog die oberat« Qerichttbafkeit atitabt (Lnaehla
S. 48), Far BffhroeD beitiaunt« «in kSnigUchM PritrUoK (I323\ da Äbta
and FrtUten vor dem Könige auf den Ludtagnn ihre ÜM^htutreitigkDiua
um Anttng« brin)i^ •ollton {Ott, Bellri^ nr Itoe^ptionageachicbta de*
rOm.-euon. ProteMet S. 1681 Dal aocb du Tribanal mnina coimtntoi
Hawine, dai boehate Üericbt de* lAudgrafen run Hoxaen. ton diwan anf
dan Landtagen abgehalten wurde, dorfto nach den Berichten ven Kopf
(Nachricht t. d. neirtliehnn and Civil gnrichten in den HMaen-CaMaHtefaH
Luden. Caeiel ITtHI. ü. tfiS. 231 () ki-inem Zwoifol nntorliegon. la Biuw>
w-hweig - LQnobnrg (Oropon, DLsceptalione« foienaM. Qoettinga« 17Ml
p. 560, ST2| bat sich die Jnriadiktinn dnr t^odrtlndo bin ina IS. J«h^
hundert eihalt«n, nnd da* Catonbergiicbe Uofgcricht war nach I6fi5
DcpatJertcn der gtinda beaelit Von den bei tJngar (OMcUekl« d«
deuUchen Ijudxtlodft. Hannorcr 1844. I. K. 239; II. S. IflT ff) aagvfUirt«
B«iat>iFlen der Aiuabang einer b0cb*ton Joiiidiktion darch die Venammtuf
der I^ndjlAnde fallen haaptatchllcb Köln, Bremen, Itadeln nnd Scbleewlf»
IIolitniD IM Gewicht Weoa Ungnr indann (II, 8- ISO) nniat,
L^nibtAnde bitten mnbr im nördlichen ata im tUdlLeben Dentoclilud
die Fvnkdoo «ine« obertten Landgericht* aoageDbl. m dSrfU dh Al^
aiefat nach den obigen Belegen nobalthat oncbotnon. Wa« nna die Haik
— 117 —
in Folge der sich mehrenden Geschäftslast des obersten Gerichts-
heiTD des Landes sich allmählich aus der in seiner Person kon-
zentrierten Jurisdiktion eine ständige kollegiale Gerichtsbehörde
entwickelte.
In Baiem waren die beiden ersten Witteisbacher die letzten
LandesfQrsten, welche in umfassender Weise sich noch in eigener
Brandenbarg anlangt, so fehlen nns über die Art der Handhabung der
Jurisdiktion dnrch den Markgrafen, vor welchem alle Ritterbürtigen ihr
Forum hatten (Kuhns I, S. 201 £), urkundliche Nachrichten. Es ist auch
hier der Vermutung Raum geboten, daß der Markgraf auf den Landtagen
mit den Landstfinden dieser Gerichtspflicht entsprochen habe. Diese Ver-
mutung wird dadurch bestärkt^ da£ auch in Brandenburg der Kreis der von
den Landtagen zu bew<igenden Aufgaben kein fest begrenzter war, und
durch das seit dem 15. Jahrhundert urkundlich nachweisbare Vorkommen
amer Jurisdiktion der Landstftnde neben der der Hofgerichte, an deren
Spitze Hofrichter als Stellvertreter des Markgrafen standen (Kuhns U,
S. 834 £). Li Schleswig -Holstein bildete der Landtag noch lange das
hOchstinstanzielle Gericht fOx alle EHassen der Unterthanen, an welche der
Bechtszug von den Oberamtsgerichten ausging. 1524 wird der Gebrauch
gesetzlich sanktioniert, da6 regelmäßig Landtage nur zur Ausübung der
höchsten Gerichtsbarkeit abgehalten werden. Li Schleswig wurde erst 1564
ein aus Räten bestehendes höchstes Landgericht eingesetzt (Falck, Hand-
buch des schleswig-holsteinischen Privatrechts. Altena 1835. m, S. 226 ff.\
Auch in der Markgrafschaft Meißen dürfte das Landding, eine Versammlung
der freien Herren, SchOffenbarfreien und Ministerialen, unter dem Vorsitze
des Markgrafen zu Colm abgehalten, den Landtagen anderer Territorien ent-
sprochen haben. Auf diesen Landtagen macht sich nämlich eine tiefe Anteil-
Oihme der Erschienenen an aUen das Land betreffenden Regierungsangelegen-
beiten, z. B. Wahl des Landesherm, geltend, wenn es auch Torzugsweise als
bOebstes Landgericht in Betracht kam (y. Posern Klett, Zur Geschichte
der Verfassung der Markgrafschaft Meißen. Leipzig 1863. S. 30 ff, 39). Als
dann hier die Landdinge (analog den alten Landtagen anderer Territorien)
Terschwanden , trat die persönliche Jurisdiktion des Markgrafen mit seinen
IGnisterialen hervor, bis seit dem Beginn des 15. Jahrhunderts ein judex
eoriae den Markgrafen im Vorsitze des Ho^erichts vertrat (y. Posern
Klett S. 54, 58 f). — Für die Ton uns yertretene Auffassung über den
Ursprung der Hofgerichte spricht auch die Darstellung Hausmann 's (Bei-
träge zur Kenntniß der chursächsischen Landesversammlungea Leipzig 1798.
I, S. 7, 17), wenn er sagt, daß das placitum provinciale, das Landding oft
idebts mehr als ein Gerichtstag gewesen, auf welchem aber auch über andere
ab PriTatangelegenheiten Einzelner beratschlagt worden sei, und fortfährt^
in den Ländern Dietrichs des Bedrängten seien jährlich wenigstens 2 pladta
profincialia gehalten worden, beide seien fOi die Provinzen, was der Reichs-
tag ftr Deutschland gewesen, beide pladta provindalia seien aber auch die
eberrten Gerichte des Landes gewesen.
Person der Pflege des Rechts an verschiedenen Orten doa Laoilea
unterzogen. Unter den folgenden Herzogen') gehört« es zu
den Seltenheiten, wean ein Gericht unter dem Vorsitze des
Landesherm abgehalten wurde'). Nachdem nun die alten
I^ndtage Beit Mitte des 13. Jahrhunderts verschwunden waren,
wandten sich die Parteien vielfach an den Herzog [wrsönlich
mit ihreu Prozessen, um von diesem eine Entscbeiiiuug zu er-
langen, und /war vornehmlich dif^enigeu St&nde, welche auch
bishug vor dem Herzog (auf den Landtagen) Recht zu nehmen
Als mit rler Ausdehnung des I.^ndes sich eine Anhäufung
von Uegieruugsgeschiiften für den Herzog ergab, mulile dieser
zur Bewältigung derselben Gehülfen herbeiziehen. I>ie^ hatten
seine Stellvertretung xa Übernehmen sowohl in der Verwaltung
als in der Rccrhtsprechung. Diese zur Vertretung des Herzogs
berufenen Beamten waren in Baiem die Vitzlurac. Zur Recht-
sprechung an des Herzogs statt bedurften sie aber eine« au»-
drticklichen Befehls. Derselbe wird gewöhnlich in den einzelnen
fJerichtabriefen als für den konkreten Fall erteilt benondcn
hervorgehoben.
Der Charakter der Institution als der einer persönlichen Jurie-
diktion des Herzogs tritt auch dariu hervor, daß die Parteien sich
stets an die Person des Herzogs behufs Enlsi;heidung dieser ihrer
Rechtsstreitigkeiten wenden und dieser aber immer nur ad hoc
einen Stellvertreter ernennt. Als daher Baiem durch die Landes-
teilimg in mehrere selbständige Territorien geschieden war,
wurde selbstverständlich die höchste landesherrliclie Jurisdiktion
in jedem Territorium durch dessen llemsciier rusp. seinen Stell-
vertreter geQbt
Daß der Herzog persönlich noch den Vorsitx im Hofgericht -
ffibrt, kommt seit der Mitte des 13. Jahrhunderts kaum noch
1) Ottc n. Imttfl luvor Dieb die Abaicbt gehabt, ui varachisdaneB Ortaa
dM Lande« Qcrichl lu balUD l„ko belieb«ii aUUn wir in g«riefatM wA
werden lein", (Ja. u. Er. T, B. Gl), »cht^int >bor dinta Absicht tncfat darcb*
geftthrt IQ babi-n. 1354 (vIuhd die HnnOgn Ludwig und Hpimidi ftoTaiMa
Landtage ein Weiatoin (judido in opjiido Nopptirg cddi romitibu et Ubecit
•t miniitwialibui imporü ot dacstiu Biv>riac )>ra«indpnl«i . . . odinwL IL
a UL p. 60).
ti Bloitcr a a 17&
— 119 —
vor^). So bildete sich, ohne daß es eines ausdrücklichen Ver-
bots der sogenannten Kabinetsjustiz bedurft hätte, gewohnheits-
rechtlich die Anschauung aus, daß der Herzog sich nicht per-
sönlich an der Ausübung der Rechtspflege beteilige, sondern
auf diese nur durch die Zusammensetzung des Gerichts ad hoc
einen Einfluß gewinne.
Diese gerichtlichen Verhandlungen fanden, solange die
Landesherren noch keine festen Residenzen hatten*), nicht an
dem jeweiligen Aufenthalte des Herzogs statt, sondern während
des 13. Jahrhunderts sehen wir den Stellvertreter des Herzogs
im Gericht in Thätigkeit an verschiedenen Schrannen des
Landes, wo er umgeben von einer Reihe angesehener Per-
sonen (Geistliche, Ritter, Richter), welche das Urteil fanden, zu
Gericht saß.
Aus dem 13. Jahrhundert^) seien folgende Beispiele hier
angeführt :
1253 entscheidet Herzog Otto selbst in Landshut einen Streit
des Klosters Buren gegen O. von Homstein zu Gunsten der
Klägerin, nachdem der Herzog zur Augenscheineinnahme und
1) 1319 fahrt noch K Ludwig den Vorsitz, als er „von unserm Rat und
Tor Bitem und Chnechten in unserm Hof einer Urteil fragten (M. B. IX,
p. 142).
2) Die niederbairischen Herzoge hatten schon seit 1255 dauernde Residenzen.
Vgl den Eingang zum Landshnter Stadtrecht 1279 (Gen gier, Deutsche
Stadtrechte S. 233) : Cum ex jure scripto ac consuetudine approbata domicilia
prindpum emunitatibus et libertatibus majoribus et pluribus, quam communia
oppida, gaudere sit consentaneum, ut propter ezcellentiam manentis mansio
debeat honestari; hinc est, quod cum progenitores nostri, pater et avus, suum
praecipuum in Landshuet habuerint domicilium, et nos ibidem enutriti simus,
ac . . inibi requiescere cogitemus . . In der Hofordnung der niederbairischen
Horzoge Otto, Ludwig und Stephan von 1293 (Qu. u. Er. VI, S. 13) wird
gesagt: Ez sol auch besonderlich daz Lantshut, daz Straubing, und das
Porchawsen , da der herzog aller meist wonen sol mit dem hof — diese
3 Stfidte also als Residenzen bestimmt München wurde etwas später Re-
ddenz der oberbairischen Herzoge und 1504 Hauptstadt des ganzen Landes
(Riezler II, S. 204). Auch nachdem es feste Residenzen gab, zogen die
Herzoge natflrlich noch im Lande vielfach umher und hielten an yerschie-
denen Orten Hoflager, wo sie auch Regierungsgesch&fte erledigten.
3) Die folgenden Gerichtsbriefe setzen ungefähr um die Zeit des Ab-
fterbens der alten Landtage ein.
ZeugonTernehmung seinen NuUu au Ort und Stctlu delegiert
hatte'}.
1276 erhielt der Abt von Olwraltaich vor Otto von Strau-
bing (Heinrici ducis procurator — coram nie ex iussu ducis
Davarie tunc prettidente iudiciu) ein obsiegendes Urteil wegen
eines seluem Kloster zustebcuden Fißcliercireclites*).
1280 saß W. von Crcsburg, ViUtuin Hcraog Ludwigs, zu
Gericht in einem Streite des Abt£ von Roth und der Herrvn
von Halicbau pro qnibusdam alpibns. I>. diix Bavarie — m«
iudicem et decisorem huiustnodi litis — stituit et prefecit. Ha-
bito igitur iudicio apud \\'alsepacli utramque partem stare fcd
iudiciu t'l utrobique de iustitia reepondurc. Der Streit wurde
dann durch Schicdarichter entachiedeu ^).
1286 entschied All>ert von Straubing, ducis vicedominus,
einen Streit des Klosters Oberaltaich mit den Fischern za K.
als Schiedsrichter, — accepto mandato domini ducis, ut dictam
questionem aut per forniam iuris sive per arbitrii et couipoel'
tionis amicabilitvr tcrminanni *).
Konut« früher bei einfachen Verhältnissen Jedcrmanu aus
dem Volke seinen Rechtsstreit vor dem Herzog zum Austrag
bringen, so schien dies bei einer durch die steigende Ktiltur
bedingten Mehrung der Prozesse nicht mehr mßglicb und bei
der fortschreitenden Ausgestaltung der Guricbtsverfafiäung nicht
mehr nötig. Vorschriften über die Abgrenzung der Kompetenz
in Rücksicht auf den Stand der Parteien sind zwar vor dem
14. Jahrhundert nicht gegeben, aber die f>rganisatinn durch die
Gesetzgebung war überhaupt im Mittelalter nicht allzu sehr tfe-
Uebt, wu die meisten Institutionen sich allm&hlich auf dem Wega
des HcrkomiuL'Us »usbildeten.
So läßt sich 'auch hier verfolgen, wie die Hufgerichte, also
die Gerichte des Genchtsherm, sich entwickelten einerseits la
einem forum der höheren Stände und anderaeits zu dner
obem Instanz über dem Landgerichte, da iler Rechtszug nach
ll 1. Frajberg, Über da« ftltdentMbe Offeatlicfaft Otukhtm^erfihrea
S. US (Ueiehelbeck. WmL Fni, P. 1, p. 76. d. 91).
!) H. R XU. p. 140.
8) M. & 1. p. 40S.
4) M. B. XU. ^ 14&
— 121 —
deatschem Landrecht von dem Gericht an den Gerichtsherm
ging').
Der altdeutsche Grundsatz des Judicium parium forderte
für die Angehörigen der höheren Stände ein besonderes Gericht^
in welchem nur ihre Standesgenossen das Urteil fanden. Eine
Umbildung der Standesverhältnisse hatte sich aber vornehmlich
seit dem 13. Jahrhundert vollzogen *), die schroffe Gliederung
der Geburtsstände war durch Berücksichtigung des Berufs, durch
das Emporkommen des Ritterstandes gelockert worden. Der
Glanz des Wafifenhandwerks hatte den sich aus Ministerialen
und Vasallen zusammensetzenden Ritterbürtigen ebenso wie den
unfreien Rittern und Knechten ^) ein Ansehen verliehen, welches
sie weit über ihren Geburtsstand emporhob, die Ritterbürtigen
schlechthin als Genossen des Adels erscheinen Heß, also den
Geburtsunterschied zwischen dem freien und ehemals unfreien
Adel vollständig ausgeglichen hatte. Da nun nach germanischer
Anschauung die Wertschätzung des Standes in einem bevor^-
zugten Gerichtsstande zum Ausdruck kam, hatten alle An-
geseheneren (Grafen, Freie, Dienstmannen, Ritter, Knechte*)
und Prälaten) ihr privilegiertes Forum vor dem Landesherrn
selbst *) oder vor dem Hofgerichte, dem an seiner statt und in
seinem Auftrage ein Vitztum oder ein Hofbeamter präsidierte.
Das Herkommen, welches für Adlige das Hofgericht ak
erste Instanz ausbildete, findet jetzt auch gesetzlichen Aus-
druck. So in der Ottonischen Handfeste 1311, welche alle
von Grafen, Freien, Dienstmannen, Rittern oder edlen Knechten
begangenen Totschläge (ebenso Notzucht und Straßenraub) dem
Herzoge zur Aburteilung zuweist in allem dem recht als es her
von alten rechten ist gestanden. Ebenso wird auch für alle
Rechtsstreitigkeiten dieser Adligen unter sich die Kompetenz.
l)Sohm in GrüDbat's Zeitschrift fOx das Privat- und öffentliche-
Recht Wien 1880. VII, S. 421.
2) Über die Standesyerh&Itnisse in Baiem vgl y. Zallinger, Ministe-
niles und Milites. Innsbrack 187a S. 21 ff
3) Als niedem Ritterstand bezeichnet ibn y. Zailinger a.a.O. S. 29.
4) YgL die Aufzftblimg der einzelnen Klassen des Adels in bairischen.
Urkunden des 14. Jahrhunderts bei y. Zailinger S. 30.
5) Dieselbe Entwicklang l&fit sich in Brandenbarg (Kuhns I, S. 200 ty
und Österreich (Laschin S. 63) nachweisen.
— 122 —
des Herzogs oder des von ihm zu delegierenden Vitztums an-
erkannt *). Außerdem wird das Hofgericht (Gericht des Vitz-
tums) für zuständig erklärt zur Aburteilung aller Klagen gegen
Richter imd Amtleute — Klagen gegen den Yitztum sind vor
dem Herzog unmittelbar anzubringen — wegen Übertretung
der Handfeste *).
Den Klöstern war jedoch dieser privilegierte Gerichtsstand
nicht generell zugestanden, sondern einzelnen Klöstern wurde
das Recht des Gerichtsstands vor dem Landesherm durch Privi-
legien speziell verliehen *). Solche Gerichtsstandsprivilegien er-
teilte z. B. 1313 K. Ludwig dem Kloster S. Veit — wer hintz
in oder iren Leuten oder Gütern ichts zu sprechen hat, das
wellen wir selbe hören und richten*); 1315 Herzog Rudolf dem
Kloster Scheiem — das er (Abt) das recht vor nieman tun sei,
umb swelcher layc Sache er angesprochen wurt, von dez vor-
genanten Gotshaus wegen von Leuten und Guot, danne vor uns
oder vor unsem ^) Obristen Schreiber^). Wenn hier auch ein
Stellvertreter des Herzogs ausdrücklich genannt ist, so ist doch
bei allen derartigen Privilegien, auch wo ein solcher nicht er-
wähnt ist, nicht an eine persönliche Jurisdiktion des Landes-
herm im wörtlichen Sinne zu denken, denn es soll stets nur
das Hofgericht als ordentliches forum gesetzt werden.
Obwohl der persönliche Vorsitz des Herzogs überhaupt nur
selten noch vorkommt ' ), wird doch die Fiktion von der Regel-
1) y. Lerche nf cid S. 2: Wir behalten auch nns selben xe richten,
was unser graTcn, freien, dinstman. ritter oder knecht mit einander ze kriegen
liabent, wellen wir das unser yitzdomb das richten oder wen wir dam
Echufrcn yedem herm.
2) V. Lerchenfeld S. G.
3> Solche pririlegia fori erhielten auch z. B. 1271 das Kloster Farstenfeld
(M. B. IX, p. 99), das Kloster Fürstenzell — causas contingentes dictam ec-
clesiam personaliter terminare (M. B. V, p. 20).
4) M. B. V, p. 251.
6) M. B. X, p. 48G.
Gl 1341 erhält auch das Kloster Seligenthai bei Landshat ein eolcliee
Pririleg durch K. Ludwig. — Kein andrer Richter soll über des Klostext
Leute, Gut und Urbar richten, „wan wir die klag selb verhOm und richten
wellen" (Kalcher, Die Witteisbacher Fflrstenurkunden des StadtarebiTt
Landshut, in Verb. d. Hist. Ver. f. Niederbayem. Landshut 1880. XX, a 48).
7i Vgl S. 118.
— 123 —
m&ßigkeit ' ) des persönlichen Vorsitzes des Landesherrn auf-
recht erhalten, und in der Instruktion, welche K.Ludwig 1340
für seinen Mündel Johann in Niederbaiem erläßt, wird nur als
Wille des Kaisers angegeben: swenn wir selb bei dem land
nicht sein, daz di selb unser vitztfim alle urtail verhören, ye der
vitzt&m fiberal in seinem vitztumampt und auch mit dem ernst
und vleizz verhören, daz alle laeut damit besorgt sein*). Zu-
gleich wird dem Vitztum zur Pflicht gemacht, Urteilsfinder, die
einem Urteil gefolgt, den in nicht rechtleich deucht, samt dem
Urteile dem Könige anzuzeigen.
Im allgemeinen bewegt sich die Entwicklung des Hof-
gerichts im 14. Jahrhundert in derselben Richtung wie im 13.
Die Hofgerichtsbriefe aus dieser Periode bekunden weder in der
Verfassung, noch in der Kompetenz einen Fortschritt gegenüber
den oben angeführten ^).
Das Institut des Bingens gen Hof zum Zwecke der Ab-
änderung des erstinstanziellen Urteils wird in dem 1. nieder-
bairischen Freibriefe 1311 schon als ein in allgemeiner Übung
stehendes vorausgesetzt und anerkannt.
Nachdem man sich gewöhnt hatte, den Herzog als den
Schirmer des Rechts im Territorium zu betrachten *), ergab es
sich von selbst, daß man sich, wie fniher an den Kaiser, nun
sich beschwerend an ihn wandte, wenn man sich in seinem Rechte
durch ein ungerechtes Urteil verletzt erachtete, um durch ihn
eine Aufhebung der vermeintlichen oder wirklichen Rechts-
kränkung, also ein besseres Urteil zu erlangen.
Was die Kompetenz anlangt, so bleibt das Hofgericht erst-
instanzielles Gericht für alle privilegierten Personen und wird
Berufungsgericht für alle Parteien, ohne Rücksicht auf den
Stand, welche durch das Urteil eines niederen Gerichts (Land-,
Stadt-, Hofmarksgericht) sich beschwert fühlen.
1) Vgl. Münchner Stadtrecbt a. 310 (Au er S. 119).
2) Qu. u. Er. VI, S. 358 a. 3.
3) s. B. Ho^erichtsbriefe von 1334, 1344, 1348, 1366, 1386, 1394; M. B.
IX. p. 170, 181, 184; XII, p. 201; R B. X, p. 172; M. B. XVII, p. 159.
4) Vgl Lamprecht, Deutsches Wirtschaftsleben im M. A. Leipzig
1886. I, 2, S. 1326: „Jetzt gewöhnen sich die niederen Territorialeingesessenen
duan, gegen Termeintliche Rechtsvergewaltigungen Ton irgendwelcher Seite,
nicht bloß von Seiten der gegnerischen Partei, sondern auch von selten des
Bichters Hilfe beim Landesherm zu suchen.**
— 124 —
K. Ludwigs Landrecht trifft zwar über das Hofgericht als
erste Instanz keine Bestimmung, erwähnt aber das „Dingen gen
Hof". Das Hofgericht wird also schon als Gericht höherer Ord-
nung anerkannt, an das man sich wenden konnte, falls mair
sich durch das von dem Stadt- oder Landgericht gefällte Urteil
beschwert erachtete. Auch in Niederbaiem erkennt der erste
Freibrief 1311 das Institut des Dingens als ein althergebrachte»
an: Was urtail auch ze krieg wirt, wellen wir, das man der
dinge in allem dem rechten als vor*).
Wenn auch das Institut der Appellation noch nicht in der
durch die fremden Rechte ausgebildeten Gestalt im 14. Jahr-
hundert in Baiem bekannt war, so liegen doch schon seit dem
Ende des 13. Jahrhunderts Zeugnisse darüber vor, daß in Folge
der Unterordnung der Stadt- und Landgerichte unter das Hof*
gericht dieses als höchste Instanz des Landes berufen war, einen
vor einem der ersterwähnten Gerichte abgeurteilten Rechtsstreit
auf Verlangen einer Partei einer wiederholten Prüfung und Ent-
scheidung zu unterwerfen, welche nur noch durch ein Urteil
des königlichen Hofgerichts abgeändert werden konnte.
1293 entschied so Fr. der Siegenhaimer, Vitztum bei der
Rot, einen Streit eines Bürgers von Braunau mit einem Burg-
hauser, in welchem bereits auf der Schranne von Puchkirch ein
Urteil gefällt worden war: Da sait N. vor meinem Herren
Herzogen Otten, im wer nich wol gesehen an sholichen Sachhen.
Da gepot mir mein Herr der Herzog O . . , daz ich in einen
anderen gemessen Tag gaeb hintz Purchhausen und die Sach
ze ent ausrichtet . . . und wart A. mit Frag und mit Urtail
desselben Guetes gesaetzet in nutz und in gwer*).
An den Herzog als den höchsten Richter des Landes wendet
sich die Partei auch hier, aber der Herzog verweist die Sache
an den Vitztum, der an des Herzogs Stelle eine Entscheidung
treffen soll. Ebenso erkennt auch das Münchner Stadtr. (a. 310)
1) y. Lerchenfeld S. 3. — Der 3. Freiartikel bemerkt daia: Item
wann ain ortel zu krieg kombt sol man die dingen wie Tor auch gMcheben
ist Das ist also zn yersteen, wo es an mittel an des ftrsten bof geteheben,
dabey sol es besteen. Wo aber ander gcwonhaitn, nemblicb fBr minder
oberhcrm zu dingen verbanden, dasolbstbin sol es allermas geschehen (also
z. 6. vom Hofinarksrichter zum Hofmarksherm).
2) M. R III, p. 153.
— 125 —
den Herzog prinzipiell als diejenige Instanz, an welche das Ge-
ding zu richten ist, indem die Frist zur Erholung des Gedings
(14 Tage) von der Anwesenheit des Herzogs im Lande an be-
messen wird bezw. von seiner Bückkehr ins Land zu laufen
beginnt Gleichwohl wird aber eine Stellvertretung des Herzogs
als zulässig vorausgesetzt in der Bestimmung, daß das Urteil
ergehen soll unter des Herzogs Siegel oder dem Siegel des-
jenigen, ;,dem der herzog gewalt geit, der den urtail höret an
seiner stat^.
Aber nicht nur behufs Beformierung eines schon gefällten
Urteils konnte die Partei gen Hof dingen, sondern, wie der
Richter selbst ein Urteil an einen höheren Bichter schieben
konnte, wenn er sich die Entscheidung wegen der Schwierigkeit
des vorliegenden Bechtsstreits nicht zutraute, so konnte auch
eine Partei vor der Fällung eines Urteils, um diese zu ver-
hüten *), sich an das Hofgericht wenden. Aber nur die erste
Art des Gedings entspricht der Appellation und sie allein
kommt nach Einführung des Landrechts hauptsächlich noch in
Betracht. Das Dingen vor Fällung des Urteils verschwindet
und das Schieben des Urteils durch den Bichter wird auf Aus-
nahmefälle beschränkt ^), da das Schieben des Urteils seitens
des Bichters seine Begründung nur fand in dem Bedürfnis nach
einer Bechtsbelehrung, also nach der Weisung eines Bechts-
satzes, unter welchen das concreto Bechtsverhältnis zu sub-
sumieren sei. Die Notwendigkeit des Schiebens war hinweg-
gefallen mit der Schaffung des Gesetzbuchs, welches dem Bichter
als Entscheidungsnorm dienen sollte. Es war daher folgerichtig,
wenn Stadtrecht 3) und Landrecht*) ein Verbot des Schiebens
von Urteilen statuierten, die sich auf einen in dem Gesetzbuch
enthaltenen Bechtssatz bezogen.
1) V. d. Pfordten S. 316 (M. B. XXIV, p. 380).
2) In den Landesteilen, in welchen die Ludwigsche Gesetzgebung nicht
eingeftüirt ward, findet sich noch im 15. Jahrhundert ein Ziehen des Urteils,
seitens des Gerichts an einen Stadtrat, z. B. für den Rat in HOchstädt 1403;
in Neomarkt 1480 (t. d. Pfordten S. 315). In Niederbaiem kennt noch
die LO. 1474 ein Schieben des Urteils gen Hof neben dem Ziehen mit
Appellationen (E renn er VH, S. 501).
3) a. 237 (Aner S. 92).
4) y. d. Pfordten S. 315: Swaz das puech hat, das sol niemant dingen.
Dag(-^en sollte, wenn dos Buch keine Beslimiiiung enthielt,
der Richter 5 der Besten von der Schranne nehmen und die
auf ihren Eid fragen , was sie darum dUnIte. Konnton die 5
sich nicht vereinigen — daz aioz oder zwnir urtuil bosunder
stuenden — m konnte Einer die Minderheit gen Hof vor den
Vitztum dingen'), also vom Hofgericht eine RechLibelehning
erbitten, lu dieser Art des Gedings gen Hof hat man daher
kein litichtsniittol zu erblicken. Die Funktion des nofgericbts
war in diesem Falle nur eine der Thfttigkeit der Oberhöfe')
analoge; Ausfüllung der LQckcn der Gesetzgebung war ihre
Aufgabe. Weil man nun die Urteilsfinder im Hofgericht flir
besonders rechtskundig hielt, wandte man sich bei schwierigen
Fragen an sie, tlamit sie ihrer über/eugiiug geniäü das B«cht
ßinden, also das geschriebne Redit durch Weistum ergäuzten.
In Baiern, wo Oberhöfe nicht existierten, ttbemahm also
das Hofgericht (in hfichster Instanz) schon frilhjeneFunktioncn*),
welche in andern Ländern erst seit dem Verschwinden der Ober-
hOfe im 1(>. Jahrhundert auf ilie neu organidicrten Uofgeridite *)
und JurisltiufakuMteu tlburgingeu.
Ganz anders verhielt es sich dagegen mit dem Geding geo
Hof, welches in dem Antrag einer Partei Wstand, das Hof-
gericht möge das beschwerliche untergerichtliche Grteil ab-
ftndem. Diese Art des Gedings war schon, wie erwähnt, im
a. 310 des Münchner Stadtrechts geregelt und fand, wie die
groSe Anzahl der aberlieferten HofgerichtsurteJle beweist, immer
größere Verbreitung. Sie hat zwar manche Ähnlichkeit mit der
1) Wa«r tbtt du die fonf nch iribt reninton, du «iot oin nnlr v
tau bcsnndef itnenden, »o nwg ener der mtniiar nrtMl vot rkhi liof diafM
flir d«D rititnam und da lol i&ui Im duin ucU«; utwurt und nitaD f«*
•chribAü gohna aod (ol du dor rihtor an iMii bwcli aiht bainra «hnJb«»
TkL BockiDKci, SiUongtber. d. hirt. KL d. bui. Ak. 1873; S.4S8. D«
Artikel i(t vplU>rHr Zuuti, findet licb rnif tu «eiUKea HaodtdiilftvD (*. L
Ffordteo S. 332),
S) Über dieM Tgl A. 6. Sebaitte, PriTktTwbt nod PnaA J,
B. 133 C
3) Dm Hof^cbt b»t bi«r dl« ^Idcb* ßtttUnDg via die
Obtrhsb, di« Oericfatabaiküt b^bnn. Da* Ilotgericbt gibt niebl
Aukotift, londern ««In Aoiiprach l*t rln mit iem B«elttabtIiU
Drt«tL A. S. Schnitt n S. 129 £
4) gtobba, QMcbicbl« d« B««btoqQBll«n U, & H.
— 127 —
ürteilsscbelte des Sachsenspiegels (II, 12 § 4 flf.) und dem Wider-
werfen des Urteils des Schwabenspiegels (G e n g 1 e r , c. 95 § 1, 2),
unterscheidet sich aber doch wieder scharf von diesen Rechtsmitteln.
Alle diese Rechtsmittel haben die gleiche Wirkung, Er-
möglichung der Abänderung des erstrichterlichen, also Erzielung
eines besseren Urteils. Der das Urteil Scheltende greift dasselbe
nicht nur objektiv an, sondern erhebt zugleich gegen Finder
und Folger desselben den Vorwurf, daß sie ein ungerechtes
Urteil gefunden, also den einer Verletzung ihrer Amtspflicht.
In den Prozeß zwischen die ursprünglichen Parteien schiebt
sich ein neuer zwischen dem Schelter und den Urteilsfindem ^)
und das übergeordnete Gericht hat die Frage zu entscheiden,
ob das Urteil des Urteilsfinders oder der Urteilsvorschlag des
Scheltenden als das bessere Rechtskraft gewinnen sollte * ).
Pas bairische Geding gen Hof stellt sich dagegen dar als
ein wahres Rechtsmittel, welches mit der Appellation nahezu
identisch ist.
Das Hofgericht ist als das Gericht des Gerichtsherm das
höhere, welches dem Gerichte des vom Herzog in seiner Eigen-
schaft als Gerichtsherrn eingesetzten niederen Richters (Land-
richters etc.) übergeordnet ist. Der Rechtsstreit wird zwischen
den ursprünglichen Parteien vor dem höhern Richter (Hof-
gericht) fortgesetzt. Auch darin unterscheidet sich das Hof-
geding von der Urteilsschelte, daß es nicht wie diese sich un-
mittelbar an die Urteilsverkündigung anreiht, sondern erst inner-
halb 14 Tagen an den Hof gebracht werden mußte. Die Ähn-
lichkeit mit der lOtägigen Appellationsfrist liegt auf der Hand
und doch geht aus der Fassung des a. 310 Stadtr. die Unab-
hängigkeit von der römischen Interpositionsfrist hervor. Es
besteht also gegenüber der gemeinrechtlichen Appellation kein
so überaus wesentlicher Unterschied, da ja auch der Zweck,
Erlangung eines bessern Urteils, der gleiche ist.
Und doch ist die Gesetzgebung K. Ludwigs von echt ger-
manischem Geiste durchweht, eine Beeinflussung durch die
1) Planck, Gerichtsverf L M.A I, S. 268, 281, 296.
2) Planck, Beweisurteil S. 22, weist daraufhin, daß in Süddeutschland
schon frflher eine Art Instanzenzug bestanden habe (Schwsp. 95 § 2, 3
Gengier). Über den 5fachen Rechtszug in der Mark vgl. Homeyer,
Der Richtsteig des Landrechts. 1857. S. 510 flf.; Kuhns II, S. 533 flt
fruniduD livchte in diesem Punktu erscheint fast ausgesclüoaaui;
zudoui war das HofgciUng iii ßtücm schou Endo des ]3. Jahr-
hunderts bcknnrit.
Ich kuiuuie daher zu einem ganz andern Ergebnis^« als
Stft^lzeP), weicher allgemein den Anfang einer Appellation
Ton den niedem Oericliteii an die (lerichtshemi erst in das
Iß. Jahrhundert setzt, indem er sich der von Maurer (Gesch.
dcrMarkenvcrfassung S, 364) Aufgestellten liehanpUing, dieselbe
generalisierend, anschließt, „dali erst seitdem die volkstümliche
Justiz mehr und mehr untergraben wurde, Streitigkeiten im
Wege lier Appellation an den Laudusbcrrn gebracht wurden
liurften". Schon im 14. Jahrhundert sehen wir in Baiern die Appel-
lation in vollster Blüte, wAhrend von einem Niedergange der
volkstümlichen Rechtssprechung noch Jahrhunderte lang nicht
die Rede ist. Es kann Ans nicht allzu Auffhllig erscheinen,
nachdem schon das fränkische Reichsrecht in der ruclamAlio
ad rcgis de&nitivum sententiam') ein der römischen Appellation
analoges Rechtsmittel ausgebildet hatte. Die diesem fränkischen
Prozeßinstilute zu Grunde liegende Idee trat nach Jahrhunderten
in anderer Gestalt hervor. Die DedUrfnisse des Verkehrs einer
spjlleren Zeil entwickelten so ein im einbeimischen Rechlsbi)dwa
wurzelndes iriehkräftiges Institut fort, ohne gezwungen zu Bein,
sich eine Befriedigung dieses IlechtsbedOrfnisses erst darcfa du
fremde Recht zu verB<;haiTen ' ).
DieFonnalien der Appellation sickern im I^tufe des 15. Jahr*
hundert« ullmählicb in das bairischu Rechtslelwn ein, und zwar
wahrscheinlich durch Veruiittlung der die Urkunden vldfi^
abfassenden * J Notare*^), Ein Ratschlag der (Utlnchner) R&te
Ichrton RichtFTtnini I. S. 171
UDD«r. BdUtehunif der Schwursoricbt«. Bcrlia
1) Kntirickltuig dM
8) Vgl. Ober diera 1
1872. 8. 73.
3} Solbitvt-nUliidlieh üt duaaf kdn Quwicht ra Ifgon, dkft «choo 1888
in «doem Hofgencbub riefe H, HniDHchi *üd Landihat der Aoadrock App^.
UtioQ rorkommt (S^d fMU «pnd not kppollktiona intanta
potnit obUni^ro: H. B. IV, p, 363), denn diu Urkitnd« bt DffnilMr
dai kinonlichoD R«:bts kuodi^O Kleriker sb^b&t.
4) W*bDor, Di» 0«TJchUTorfu(iiiiK der SUdi HOneboi S. „^^^
51 a B. 144» 11 B. XXXV, S, p. 341. Über da» Aanommao dM Nota^bi
in D«BtMbland rgL Oaaterlej, Dm deutache NoUiUt HknooTor 1841
I,S.40Sr.
— 129 —
und Landschaft spricht 1444 schon aus, daß kein Laie mit einem
Notare oder offnem Schreiber dingen, noch mit Instrumenten
umgehen, sondern Gerichtsbriefe nehmen und auf solchen dem
Geding nachgehen soll, als Appellierens Rechtens seiO-
Einzelne Gesetzgebungsakte *) aus der zweiten Hälfte des
15. Jahrhunderts nehmen dann unter Fortführung des Ausdrucks
„Appellation" auch einige Bestimmungen dieses Instituts, wie
Apostel, lOtägige Fatale u. s. w., an und ebnen so die Bahn
für die Ger.O. 1520, welche die Appellation vollständig (tit. X)
den Anforderungen der fremden Rechte entsprechend regelte,
denn die Terminologie zieht mit den Begriffen allmählich auch
die Einführung der Institute nach sich «). Es zeigt sich also
in diesem Punkte auch in Baiern die Richtigkeit der Ansicht
StölzeTs*), daß der Aufnahme römisch-materieller Rechtssätze ,
überall die Aufnahme des römisch-kanonischen Prozesses vorangeht.
Wie in Baiem scheint nach einer Deutung Lu seh ins
(S. 102) auch in Österreich schon im 14. Jahrhundert das Hof-
gericht als Appellationsinstanz fungiert zuhaben*). Im Norden
Deutschlands hat sich einerseits die altdeutsche Urteilsschelte wohl
auf Grund der Regelung des Sachsenspiegels lange erhalten, ander-
seits kam hier eine große Zahl von Oberhöfen den Bedürfnissen
des rechtsuchenden Publikums bezüglich der Erlangung eines
besseren Urteils entgegen, so daß hier erst in der Receptions-
zeit die römisch-kanonische Appellation eingeführt wurde *).
Doch kehren wir nochmals zu dem mehrerwähnten a. 310
des (Münchner) Stadtrechts zurück, welcher für die Ausbildung
der Appellation in Baiern von grundlegender Bedeutung war.
Die Partei mußte nach dessen Bestimmung, bevor sie dingte,
den Calumnieneid schwören : Swer ain urtail dingt gen hof, der
sei swcm, daz er durch chainer lengrung noch durch chain
1) Krenner I, S. 174.
2) z. B. L.O. 1474, Landgebot 1489 (Krenner VII, S. 511; IX, S. 3);
Münchner BauO. 1489 a. 45 ( A n e r S. 215).
3) YgL Ott, Beiträge znr Beceptions- Geschichte S. 143.
4) Entwicklung des gel Richtertums I, S. 23.
5) Die Casseler Batsordnung hat anch schon 1384 eine Bemfong an den
Landgrafen und seinen Rat angeordnet (StOlzel I, S. 168 begründet diese
Bestimmung mit der Absicht des Landgrafen, die Stadtfreiheit zu brechen).
6) Stölzel I, S. 169 ff.
Rosenthal, Getchichte d. Oerichtsw. u. d. Verw.-Org. Balerns. I. 9
vcrEichcD der urtoil nicht ding, neur daniml), daz er seiDS
rechtes bechöni, als unser herr der herzog gcsetzet h»t').
Die Partei maStc sodann das gedingte Urteil wieder zum
Erstrichter zurückbringen, welcher die Puhlikation de« ver-
schlossen ill)ürbrachten mit dem tiiiegel des Herzogs oder seine»
Vertreters versehenen Hofgcrichtsurteils vorzunehmen hatte, eia
Vcrfidircü, an welchem in der Folgezeit festgetialtun wurde,
lu Nicderbaieru war durch die Ottouische Handfeste 1311
das Prinzip aufgestellt worden : Was urtail auch ze krieg wirt,
wellen wir, das man der dinge in allem dem rechte als vor').
Es sollte bezüglich des Dingens keinerlei Änderung eintreten,
das InstanzuDverhAltnis nicht geiLndert werden, also nach der
authentischen ErklArung des 3. Freiarlikcls sollte, wo man bis-
her unmittelbar an des Fürsten Hof dingte , auch künftig der
Rechtszug direkt xum Hofgericht führen. Wo aber andere Ge-
wohnheiten, nämlich „vor einem mindern Oberhcrm zu dingen",
EoUtfl es auch hierbei sein Bewenden haben, z. B. in StAdten
vom Stadtgericht zum Stiidtnit, in den Hofmarken vom Gerichte
des Hofmarksherrn zum Landgericht und von da erst zum herzog-
lichen Hofgericbt.
Schreiten wir zum 15. Jahrhundert fort, so bezeugt ani dio
Menge der aus diesem erhaltenen Hofgerichtsbriefe^), welch
grolier Beliebtheit sich dos Hofgedinge erfreut hat, und wie
stattlich die Anzald der Recht^uchenden war, welche von diesem
Kechismitlel (lebrauch gemacht haben.
Der Charakter der Btaatsrechtlicheu (^berordnung des Hof-
gerichts gi^enüber den Statlt- und Laudgi:richten tritt nun auch
hl den Urt«ilsbriefen immer stiirker hervor, indem die dingende,
sich über das erstinstanzielle Urleil besciiwereude Partei oft er-
klärt, dali sie sich zu einem „peH»ern und höherem Rediten'
benife oder daQ sie an den Herzog und seine Räte „als für
hOhen^ und besseres Gericht" sich beschwere*),
I) Dm Erfordomi* ile« Cftlamnianeidi itdlt Mhon tat du StadI- nad
tADdrochbbach Raprechta von Fnjtiag ed. Mtarer U, e. lOS, «li
Artikel flborliMtpt den BectimmDiigen dti Sudlrechti n Oraodo U^
S) T. Larcb«iir«ld S.S.
S) Vgl T. d. prordten a 317 L
4) i.a 1137 dM dinget der . . . duch peiiere rvehto wOta (H. B.
Xm. p. UOji lUS beneft lich der . . , »olicboD tlrtail sad BaeUsM
— 131 —
Das Verfahren beim Dingen erfuhr auch keine bemerkens-
werte Änderung, wie man aus der Stadt- und Marktsgerichts-
ordnung Heinrich des Reichen für Niederbaiem ersieht. Diese ver-
langt, falls das erstinstanzielle Urteil nicht einhellig gefunden
wurde, Vorlage des Urteils und des Urteilsvorschlags der Minder-
heit der Urteilsfinder. Aber auch gegen ein einmütig gefundenes
Urteil konnte die unterliegende Partei gen Hof dingen, jedoch
nur unter Angabe der Beschwerdepunkte. Die Parteivorträge,
das Urteil und die Beschwerdepunkte wurden aufgezeichnet und
vom Richter*), der das Urteil gefällt hatte, an das Hofgericht
abgeschickt*). Neu ist das Erfordernis der Angabe der Be-
schwerdepunkte"). Man merkt, wie, gerade durch die Appel- !
lation gefördert, die Schriftlichkeit in das deutsche Gerichts-
verfahren eindringt, unabhängig von den fremden Rechten.
Das Requisit des Galumnieneides des Appellanten, welches
sich in Niederbaiem gewohnheitsrechtlich ausgebildet hatte,
bestätigte H. Heinrich in einem Landgebot von 1440*), nur
beschränkte er das Herkommen in der Richtung, daß der Ap-
pellat nicht mehr befugt sein sollte, dem Appellanten diesen
fiir ain Beswenmg und erdingt das ho eher Gerichte gen Hof (M.B.
IX, p. 311) ; 1455 bemff sich und dinget mein ortail gen hof ... zu einem
passeren und höheren rechten (M. B. XX, p.472); 1481 von merer
ond Pessers rechtens wegen (M. B. XVlll, p. 582); 1485 . . gedingt und
geappellirtfilrH.Albrecht und seine Bftte als zu mererm höherem und
passerem Rechten (M. B. XX, p. 673); 1485 beruefft und gedingt und
appeUirt für HOchers und merers gericht ffirK Albrecht undRftte
(KB. XXI, p. 374); 1496 er hat von merers Kochten s wegen geappel-
liert (M. B. IX, p. 272).
1) Nur ausnahmsweise durfte nach der Ger.O. 1520 (X a. 3) die Ap-
peUation durch einen Notar erfolgen, wenn der judex a quo nicht leicht zu
erreichen war oder wenn „der, so appeUirt, aus forcht vor demselben richter
nit erscheinen dOrfft". — Eine Beiziehung der erstinstanzieUen Gerichts-
beisitzer war für die Einlegung der Berufung nicht geboten.
2) Rosenthal, Beiträge zur deutschen Stadtrechtsgeschichte 8. 121,
204. Das Hofgericht konnte das Urteil bekräftigen oder läutern, mußte stets
lein ürteü dem judex a quo zur Publikation und YoUstreckung zuschicken.
3) In einem Ratschlage der herzoglichen Räte und der Landschaft zu
Mttnchen 1444 findet sich auch die Bestimmung, dafi Jeder, der ein Urteil
dingt, wissentlich machen und benennen soUe, in wem er beschwert sei
(Krenner I, S. 174).
4) Krenner IV, S. 103.
9»
— 132 —
Eid nachzulassen; der Richter hatte darauf zu achten, daß
dieser geleistet würde , als Recht und Urteil gesetzt haben ^).
Einer Beschwerde der Straubinger Stände J437*) über
die großen Kosten des Dingens wurde keine Beachtung ge*
schenkt, obwohl ihre Motivierung darauf hinwies, daß, bevor
Jemand (einen Gerichtsbrief erlangt oder) ein Urteil gen Hof
gedingt habe, das Gut, darum er gerechtet, halbs oder das
mehrere Teil verzehrt hätte, mit Richtern, Vorsprechem und
anderen, darum müsse oft ein armer Mann sein Recht unter
wegen lassen ').
Als sich viele Parteien mit ihren Klagen direkt an das
Hofgericht wandten, ohne zuvor den Prozeß bei dem Gerichte
1. Instanz anhängig zu machen, und so eine übermäßige Be-
lastung des Hofgerichts herbeigeführt wurde, sah sich H. Sig-
mund (Ober- und Xiederbaiem) veranlaßt, 1464 den Pflegern
und Richtern eine gerechte Handhabung der Jurisdiktion ein-
zuschärfen, damit einem Jeden sein Recht widerfahre und nicht
Jeder darum gen Hof laufen müsse. Die Appellationsinstanz
des Hofgerichts sollte durch die Verordnung den Unterthanen
keineswegs entzogen oder geschmälert werden, denn wenn die
angeordnete dreimalige Vorlesung dieser Verordnung auch damit
begründet wird, daß kein armer Mann mehr mit keiner Klag-
zettel für uns gen Hof laufe, so fügt der Herzog gleich ein-
schränkend hinzu, „dann was er Beschwerung von unsem Amt-
leuten hätte ^, wie ja überhaupt die Existenz des Instituts des
Dingens die Voraussetzung dieser Verordnung bildet: „Wo sich
1) Bestätigt in der L.O. 1491 (Krenner XII, S. 341 f.).
2) Krenner II, S. 75, 89: Die Stände fordern Fidening dcrGebflhren
der Gerichtsbeamten bei Hofgedingen resp. Elinschärfiing der firQher in diesem
Betreffe erlassenen Verordnungen.
3) Krenner V, S. 102: „Nachdem Wir . . große Klagen . . gehört
haben von wegen solcher Beschwerung . . . , daß unsre Unterthanen nm ihre
anliegende Gebrechen von unsem Pflegern, Richtern and Amtleuten, lo ne
darum an sie gelangen, nicht gehOrt werden, deshalb Wir und unire Ritha
mit stättem Nachlaufen von ihnen beladen sind.*' Albrecht IIL tritt lodaon
durch ein Landgebot für Oberbaiem 1480 einer Beschwerung der Parteien
durch zu hohe Appellationstaxen entgegen und stellt den Mifibranch der eo*
genannten Schreibtage (Anberaumung von Terminen zur Fertigang aller flir
das Goding erforderlichen Schreibereien, daraus den Parteien Kostongen «nU
standen sind) ab. K r e n n e r IX, S. 3 £
— 133 —
aber einer im Rechten von dir beschwert bedünkt zu seyn und
von dir dinget als Recht ist, dem oder denselben ihr Geding
gebest und gehen lassest, als Recht ist" ^).
Solchen von Fall zu Fall fortschreitenden, durch land-
st&ndische Beschwerden hervorgerufenen Reformen gegenüber
suchte die L.O. von 1474 das Gerichtswesen und speziell das
Hofgedinge einer eingehenden Regelung zu unterwerfen, nach-
dem vorher die Stände mit ihren Wünschen und gutachtlichen
Äußerungen über die Bedürfhisse der Rechtspflege gehört worden
waren. Den Klagen wegen der großen Kosten wurde Rechnung
getragen durch Festsetzung der Gebühren der Gerichtsschreiber
und anderer bei solchen Hofgedingen mitwirkenden Organe
(Überhörer, Redner) *). Dagegen wurde der Vorschlag auf pro-
visorische Einführung einer Succumbenzbuße, welche der eine
Appellation oder Geding Verlierende teils an den Herzog, teils
an den Prozeßgegner zu zahlen gehabt hätte, nicht acceptiert.
Der Herzog glaubte denselben Zweck, „auf daß auch die über-
flüssigen Appellationen, so aus den Gerichten und Landgerichten
gen Hof geschehen, desto mehr vermieden bleiben", durch die
Vorschrift der L.O. zu erreichen, daß der unterliegende Appel-
lant dem Sieger Gerichtskosten und Schäden ersetzen müsse ^).
Ferner wurde, um der Verzögerung der Rechtspflege ent-
gegenzutreten, welche dem Hofgericht zum Vorwurfe gemacht
wurde, die Erledigung aller zu Hof gelangenden Urteile inner-
halb 4 — 6 Wochen und die Aufzeichnung der Namen der bei
der Urteilsfindung beteiligten Räte angeordnet*).
1) Krenner V, S. 103.
2) Erenner YII, S. 488, 511. Die Hohe des einem vor dem Hofgericht
auftretenden Redner gebührenden Lohnes wurde der Yereinbarang mit der
Partei überlassen. Falls eine solche nicht erzielt wurde, sollte eine Eom-
mission, bestehend aus dem Hoftichter und 2 bei der betreffenden Verhand-
lung im Hofgericht anwesenden Beisitzer, den Lohn des Redners festsetzen.
3)KrennerVII, S. 488 (ibid. S. 288 Antrag der Stände). Für das
Geltongsgebiet des Landrechts blieben dessen Bestimmungen in Kraft.
4) Die Stelle der L.O. (Erenner VII, S. 511): „Item die unförmlichen
ürtheile, so gen Hof kommen, berührend, lassen Wir geschehen, dafi keine
andre Ürtheile gemacht, sondern derselben Ürtheile einer gefolgt werde*',
hingt wohl mit einer Bestimmung der Stadt- und Marktgerichtsordnung
Herzog Heinrichs zusammen. Nach dieser sollte bei zwiespältigem Urteile
auch der Urteilsvorschlag der Minderheit nebst dem von der Mehrheit ge-
— 134 —
Eine Erweiterung der Kompetenz des Hofgerichts trat
gegen Ende des 15. Jahrhunderts ein, indem es für zuständig
erklärt wurde zur Entscheidung der von den Unterthanen g^en
die herzoglichen Beamten gerichteten Beschwerden*).
Im 15. Jahrhundert war es gewöhnlich nicht mehr der Vitz-
tum ^), sondern einer der höchsten Hofbeamten, Hofmeister oder
Marschall, welcher auf speziellen Befehl des Herzogs in der
Hauptstadt') des betreflFenden Landesteils den Vorsitz im Hof-
gericht führte *). Die Regel bildete der Vorsitz des Hofmeisters^),
welcher als oberster Hofbeamter auch am ehesten zur Stell-
vertretung des Landesherm berufen wurde. Dieses Hofgerichts-
präsidium gehört wohl zu den ständigen Funktionen des Hof-
meisters^), und nur, wenn dessen Stelle nicht besetzt oder er
anderweitig verhindert war, dürfte der Marschall^) oder ein
anderer hoher Beamter**) an seiner statt präsidiert haben.
Nur am Hofe H. Georgs führte der Marschall gewöhnlich
den Vorsitz im Hofgericht Da er häufig durch andere dienst-
liche Verrichtungen in Anspruch genommen war, so wird die
Quatemberscssion des llofgerichts manchmal ausgefallen sein.
fündenen Urteile, falls eine Partei dingte, an den Hof gelangen. Roian-
thal, Beiträge S. 203. Das Hofgericht mußte in einem solchen Falle kern
neues Urteil concipieren, sondern durfte sich einfach einem der beiden eiii»
geschickten Urteile durch Annahme desselben anschliefien.
1) Hiervon wird bei der Erörterung des Staatsdienerrechta gehandelt
werden.
2) Ober den Yitztum als Vorsitzenden im 13. Jahrhundert vgl S. 122;
124; im 14. Jahrhundert erscheint er z. B. 1334, 1344^ 1366 (IL R IX,
p. 170, 181 ; XII, p. 201). Im 15. Jahrhundert vereinzelt vgl S. 136, 14L
3) Als 1429 das Straubinger Gebiet an die Münchner Herzoge gekommen
war, wurden besondere Hofgerichte in München und in Straubing abgehalten.
Vgl See liger, Das deutsche Hofmeistcramt Innsbruck 1885. S. 51 1
4) Auch in Osterreich war im 15. Jahrhundert gewöhnlich nicht der
Herzog, sondern ein für jeden Fall ernannter Stellvertreter Yorntsender dee
Hofgerichts (Luschin S. 98 f).
5) Vgl. die Beispiele S. 36 i
6) Vgl. Seoliger S. 51 f
7) z. B. 1428, 1433 (li B. XIII, p. 120; M.B. X. p. 159).
8) 1430 hat E. v. Proysing, Hauptmann von Burghausen, „als ein Fnger
des Reclits*" ein Hofrecht bespssen (M. B. II, p. 240) ; 1442 ein Vitxtun i
Niederbaiem. Ganz vereinzelt wird 1315 der „obriste Schreiber" dee
zogs als dessen Stellvertreter im Hofgericht bezeichnet (M. R X, p. 486)u
— 135 —
Deshalb erbaten die ständischen Verordneten*) die Ernennung
eines eigenen Hofrichters. Der Herzog sagt aber in der L.O.
1501 nur die Bestellung eines Hofrichters von Fall zu Fall zu,
nämlich wenn der Marschall gerade beim Hofgerichtstermin
nicht anwesend wäre ^).
Der Kreis der Beisitzer war auch jetzt noch kein fest ab-
geschlossener. Ein beständiger Wechsel der Urteilsfinder läßt
sich aus den Gerichtsbriefen konstatieren. Zumeist waren es
natürlich Leute aus der Umgebung des Herzogs, welche das
„Hofrecht besaßen". Diejenigen, welche in allen wichtigen An-
gelegenheiten ^) den Landesherm berieten, wurden von diesem
auch mit Vorliebe zu den Funktionen eines ürteilsfinders im
Hofgerichte beigezogen.
Die herzoglichen Räte sind es also vorzugsweise*), jedoch
nicht ausschließlich, welche den Herzog oder seinen Stell-
vertreter in Ausübung der höchsten Gerichtsbarkeit unterstützten.
Neben den Räten sind es andere Angehörige der höheren Stände,
„Ritter und Knechte", die namentlich im 13. Jahrhundert als
ürteilfinder aufgeführt werden*), doch kommen auch Bürger
als Beisitzer im Hofgericht vor^), wie ja oft neben den Räten
ganz im allgemeinen „andere Piderleute" in den Hofgerichts-
briefen angeführt werden^). So läßt sich vom herzoglichen
Hofgericht ebenso wie vom königUchen Hofgericht behaupten,
daß das Gericht in jedem einzelnen Falle besetzt wurde, wie
1) „Dieweil auch ein Marschalk seines Amtes und Schickenshalher selten
und nicht allweg vorhanden sejn mag, so ist von aller Stände wegen unser
Bitten, daß ein sonderer Hofrichter allhier E. Gn. Hofgerichts, auch darzu
Bechtsitzer von Landleuten zusamt den Bäthen am Hof zu täglichen Rath
und Hofgericht geordnet und gesetzt . . . (E renn er Xm, S. 159).
2) Siehe unten.
3) YgL den Abschnitt über Hof und Rat
4) Schon 1366 bekennt A. v. T., Yitztum zu Straubing, daß er mitsamt
seines Herrn . . Räten übereingekommen (M. B. IX, p. 202).
5) z. B. 1319 bezeugt K. Ludwig, daß wir vor unserm Rat und vor
Bittem und Knechten in un^rm Hof ein urteil fragten, 1334 H. v. N^ Yitztum
zu München, daß das vor uns erfunden und ertailt ist von Rittern und von
Knechten (M. B. IX, p. 142, 181).
6) So verhört H. von Gumpenberg, Yitztum in Oberbaiern, an des Kaisers
statt mit Bittorn, Knechten und Bürgern eine Streitsache (M. B. IX, p. 170).
7) z. B. M. B. II, p. 240 (1438) ; XYHI, p. 321 (1415).
— 136 —
Zeit und Umstände es gestatteten, und daß Urteiler diejenigen
waren, welche in Folge ausdrücklicher Berufung anwesend waren
oder ihren dauernden Aufenthalt am Hofe hatten *).
Wie im königlichen Ilofgericht bezw. königlichen Kammer-
gericht unter dem Präsidium eines hohen Hofbeamten meist Mit-
glieder des königlichen Rats als Rechtssprecher beigezogen wur-
den^), so war dies auch beim herzoglichen Hofgerichte der Fall
Dort wie hier sind es die Räte ^), welche das Erkenntnis fällen.
1) Franklin, Rcichshofgericht 11, S. 127.
2) Vgl Franklin, Reichshofgericht I, S. 337; 341 £ üher den Za-
sanunenhang des Kammergerichts mit dem königlichen Rat
3) Zur Yeranschaulichnng des im Texte üher die Besetzung des Hof-
gerichts Gesagten mOgen folgende Beispiele aus den Gerichtsbriefen des
15. Jahrhunderts dienen: 1415 snfi J. von Reichen, des Herzogs Wilhelm
Hofmeister^ an ofhem Hofgericht — und an dem Hofrechten sind ge-
sessen und sind auch Rechtsprecher gewesen die weisen und Testen Ritter Herr
Sw. von Gundelfingen, A. Tumdl Hofmeister, J. von Rorbach die Zeit
Richter zu München, P. Aresinger und H. Sludor zu Weilbach und
ander erber läwt genug — M. B. XVm, p. 321. 1416 safi derselbe
Hofmeister (der Herzoge Ernst und Wilhelm) J. v. R. an offnem Hofrechten
za München von beider seiner Herrn, der Herzoge wegen, mit samt ihren
hcmachgeschriebcnen Räten: Sw. v. Gundelfingen, C. d. Moracher Hof-
meister, y. Ahaimer Eammermeister, Gr. der Hausner Richter
zu München, P. d. Aresinger — M B. IX, p. 250. 1430 Er. v. Freysing^
H.Heinrichs Hauptmann zu Burghausen, hat nach seines Herrn
haifsen und geschaffte als ain Fragcr des Rechtens ain
Hofrecht besetzt mit seinen Räten und andern Pider-
louten — J. Ahaimer, C. Waller der Herzogin Hofmeister, E.
Ahaimer, H. Trenbcck Landschreiber, PL und C. Warlich Küchen-
meister, P. Lenperger, 0. Tattenpcck und H. Eemnater — M. B. D,
p. 240. 1432 M. T. Eamer, Herzog Wilhelms Hofmeister, besafi auf Be-
fehl der Herzoge Ernst und Wilhelm Hofrecht mit (13) Räten. Bei den
verschiedenen Urteilen in dieser Verhandlung wurde stets an einen Anderen
das Recht gefragt, der sich mit den andern Räten beriet und auf seinen
Eid zu Recht erteilte .... Interessant ist der bei Vertagung der End-
urteilsfallung beigofü^ Beschluß, dafi derjenige der ]{ätc, welcher an diesem
Termine am Erscheinen verhindert sei, „sein Urteil auf seinen Aid nnter
seinem Insigl in Geschrifft verslofsen übergeben sol und di selben Urtail
sol aufgebrochen werden, als man die ürtail öffnen würdet** — Lori, Ge-
schichte des Lechrains II, S. 123, 126. - 1438 besaß A. Closner, Herzog
Heinrichs Hofmeister, nach Geschafft seines Herrn ein Hofrecht mit den
Räten: E. Preisinger Kammermeister, M.Grans Hofmeister, Os.
Torringer Ritter, Marschall, L. und Fr. v. Wolfstein, C. Ahaimer ond
0. Mautner - M. B. XXXI, 2, p. 334. - 1442 besafi H. Nothaft, Vititam
■ u
— 137 —
Und wie in den offiziellen Aktenstücken stets nur von dem
Rechte, daß vor den Räten 0 ergehen soll, und in ähnlichen
in Niederbaiern, von Befehl wegen Herzog Albrechts Hofrecht mit den
. . B&ten: Graf zu Ortenberg, Conr. v. Eglofstein Eammermeister^
H. H., H. R, J. S^ 0. Pinzenauer Hofmeister, Fr. R., St S., P. R^ S.
Einbeck Rentmeister — RA. Gericht Abach I, S. 2, 47, Bd. IL —
1448 besaß 0. Pinzenauer Hofmeister auf Befehl H. Albrechts mit nach-
benannten Räten Hofrecht: J. y. Gundolfing, Conrad Propst des Stifts
Illmünster, Meister Thom. Pirkheimer, Lehrer beider Rechten,^
P. V. Preyberg, J. v. Waldeck, U. W., W. M., H. P., W. Seh. und P. R. —
M.B. XXXIV, 1, p. 412. — 1456 besaß St v. Smiehen Hofmeister nach
Befehl Herzog Albrechts Hofgericht mit nachgeschriebenen s. Gnaden Räten:
U. A. Domherr zu Freising; Conr. Propst des Stifts 111-
münster, Cr. v. P., J. M. Ritter, C. v. EgL Eammermeister, U. E.,
A, S^ R T., S. P., V. V. K, W. 7. R, H. P., W. Seh., F. A., P. R und H.
Roslcr Kanzler — M.B. IX, p. 285. — 1465 ergeht au U. Spiegel, Land-
richter zu Wolfrathausen , folgender flofgerichtsbrief: Von Gottes Gnaden
Sigmund und Albrecht Gebrüder, Herzoge in Ober- und Niederbaiem. Als
sich S. K einer Urteil als beschwert von Dir und unserm Gericht Wolf-
rathausen wider Kaplan U. d.W. färUns und unsreRäte gedingt
and geappellieret hat, dasselbe Gcding haben unsre Räte auf heute
aufgebrochen und gehört und ist durch sie einhelliglich za Recht auf ihren
Eid erkannt worden, daß Du recht gericht habest Damach ¥ri88e Dich im
Rechten fQran zu richten. Datum München Pfinzt vor s. Lucientag . . 65.
M. B. XX, p. 595. — 1478: Wir Herz. Albr. Als unser Rat V. vom Eglof-
stein nach unserm Befehl heute unser Hofger. mit unsern Räten be-
sessen . . . Deß hat unser Hofrichter gefragt an J. A., der hat sich mit
den andern unsern Räten unterredet und erteilt, auf Rede und Wider-
rede spreche er zu Recht auf seinen Eid . . . Deß . haben ihm die andern
Rite aUe verfolgt auf ihren Eid - M. B. XVUI, p. 571. — 1478, 1481,
1484, 1485, 1487 erließ H. Albrecht Hofgerichtsbriefe in derselben Form
— M. B. XXXV, 2, p. 430; XVHI, p. 583; XXI, p. 355; XXXV, 2, p 417;
XX, p. 673; XXI, p. 374; XXV, p. 459. — 1490 bekennt Herzog Albrecht,
daß, als sein Hofmeister G. v. Ejsenhoven Hofgericht besessen habe, vor
ihm und andern Räten erschienen sei . . . Und als beide Teile ihr Recht-
sati gethan, haben die Räte einhelliglich zu Recht gesprochen — M. B. X,
p. 567. — 1497 heißt es: Von dieser (des Vogts zu Rain) Urteil habe sich
S. berufet und die für . . des Herzogs Georg Hofgericht und Rät im
Oberland von mehrerers Rechtens wegen geappellicrt, das Hofurteil lautet
also: Unsers gn. Herrn Herz. Georigen ... Rat undBejsizer, so auf
hut . . anno . .97, seiner Gn. H of gericht zu Neuburg in s. Gn. Ober-
land besessen, haben des Vogts Urtail ab und zu Recht erkannt, daß ... —
M.B. IX, p. 3n.
1) z. B. 1442 schreibt H. Albrecht IIL an H. Ludwig, er wolle Einem
einen Rechttag für unsern Rat verschaffen; 1444 wird in einem Ratschlage
— 138 -
Kedewendungen gesprochen wird, wo das Hofgericht gemeint
ist, so ist besonders in den Gerichtsbriefen fast mit stereotyper
Kegelmäßigkeit nur die Rede vom Hofmeister und den Bäten,
die das Hofrecht besessen haben, oder in öffentlichen Akten
„von unsrer Räte Erkenntnis*)", es wird also das Hofgericht mit
dem Herzog und seinen Räten identifiziert.
Anfangs kommen neben den Räten wohl noch „andere ehr-
bare Leute" vor, doch werden diese seit dem 3. Dezennium des
15. Jahrhunderts vollständig von der Hofgerichtsbank durch das
Beamtenclemcnt verdrängt. Man kann eben deshalb doch nicht
von einer Vermischung der Justiz und Verwaltung sprechen*),
denn diese liofgerichtliche Thätigkeit der Räte wird als eine
besondere Sphäre behandelt, wird zumeist eignen Normen unter-
worfen und stets von den. eigentlichen Regierungsgeschäften ge-
trennt. So wird auch in dem Vertrage der oberbairischen
Herzoge Sigmund und Albrecht HI. wegen gemeinschaftlicher
Regierung 1466 zwischen den allgemeinen Regierungsgeschäften,
welchen sich die aufgestellten Hofmeister und 6 Räte zu unter-
ziehen hätten, und ihren Funktionen, wenn sie ein Hofgericht
besetzen, unterschieden *).
gefordert, daß dio Herzoge bei Klagen gegen sich vor ihren Rftten Recht
ergehen lassen sollen ; 1467 erklärt H. Sigmund, indem er anf die Rcgienmg
verzichtet, dafi ge¥ri88o Verhandlungen vor H. Albrecht und seine R&te kom*
men und verhört worden sollen. In einer landschaftlichen Petition an Lud-
wig (Landshut) 14G0 wird von Urteilen, die für £. Gn. Räte gedingt werden,
gesprochen. Es sei nach Erkenntnis der Käte gestanden, hoifit et in den
Beschwerdon der Landshut-Ingolstadter Kitterschaft 1499 (Kronner I»
S. 145 f., 175; V. S. 227; VII, S. 62; XIII, S.9).
1. z.B. Undfr. J444 (Krenner II, S. Ulff).
2) Das thut V. Below (Histor. Zeitschr. Bd. 57, 8.2^5), dem aber beira-
stiminen ist, wenn er sich gegen Adler, Organisation der CentralyerwaltoDg
unter K. Maximilian I. Leipzig 1886. S. 169, wendet, der hier von der Be-
stellung eines besonderen ßcamtengerichts neben dem Rate spricht
3) Nachdem ausges])rochon war, daD die das gemeine Regiment bctref-
fonden Angclogenhoiton mit dem Hofmeister und den 6 RAten geratschlagt
und gehandelt werden und diese auch Macht haben sollton, an der Hcnoge
statt zu handeln /wipchon den Parteien von Sachen wegen, die nur diese bo-
rüliren, wird noch besonders hervorgehoben, dafi der Hofmeister und die
6 Käte in der gewöhnlichen Katstube Hofgericht besitzen BoUcn . . .
(Kreuner V, S. 180 f).
— 139 —
Auf Grund der bisherigen Darlegungen vermag ich mich
nicht der Anschauung StöIzeTsO anzuschließen, welcher den
Gegensatz der Volks- und Beamtengerichte übertreibend er-
klärt: „Was sie (die Beamten, die Räte) entscheiden, entscheiden
ßie von „Amtswegen", was die Gerichte entscheiden, entscheiden
ßie von „Rechtswegen". Die angeführten Quellenstellen zeigen,
daß seitdem landesherrliche Räte im Hofgericht thätig sind, sie
auch das Urteilfiuden ganz ebenso besorgen, wie das in früherer
Zeit die nichtbeamteten Beisitzer des Hofgerichts thaten, und wie
es auch jetzt und künftig die Schöffen in den erstinstanziellen
Oerichten thun. Also auch die Räte entscheiden „von Rechts
w^en"*), sobald sie das Hofgericht besitzen. Ein Unterschied
in der gerichtlichen Thätigkeit zwischen der Periode, in welcher
Nichtbeamte, und jener, in welcher vorzugsweise oder ausschließ-
Uch beamtete Räte als Hofgerichtsbeisitzer funktionierten, ist
nicht nachweisbar.
Wenn StölzeP) ferner aus dem Überwiegen der Kanzlei
(bezw. des Hofrats) über das Hofgericht folgert, daß die Juris-
diktion Verwaltungssache geworden, und daß die Gerichte selbst
der obem Instanzen sich zur Aufnahme des gelehrten Elements
wenig tauglich erwiesen hätten, und deshalb die Rechtsprechung
außerhalb der Gerichte hätte verlegt werden müssen, so stimmt
auch diese Behauptung nicht mit dem Ergebnisse unsrer Unter-
suchungen überein, denn schon seit dem Beginne des 15. Jahr-
hunderts sind es die Räte, also die Beamten, welche in ihrer
Zusammenfassung im 16. Jahrhundert den Hofrat ausmachen,
die zugleich das Hofgericht bilden.
Die Gelehrten fanden, wie wir gesehen haben, leicht Ein-
gang in das Hofgericht und selbst seitens der ständischen Oppo-
sition war man mit der Zulassung einiger Doctoren in das Hof-
gericht einverstanden. Daß die Jurisdiktion von den Verwaltungs-
1) 'BraDdeDbarg-Preafiens Rechtsverwaltong I, S. 31.
2) Diese Auffassung StGlzeTs hängt zusammen mit der großen Be-
dei^tong, welche dieser verdienstvolle Forscher dem Kompromisse, dem Schieds-
sprüche für die Reception des römischen Rechts beimißt Ich vermag dieser
Lehre StOlzeTs, welche heute communis opinio ist, nicht beizupflichten und
hoffe bald an andrer Stelle diesen meinen Widerspruch eingehender begründen zu
können (vgL auch unten den Abschnitt über den Hofrat und die Regierungen.
3) Entwicklung des gelehrten Richtertums I, S. 247.
— 140 —
Sachen getrennt blieb, ergibt sich aus dem, was über die
Selbständigkeit der Hofgerichtssachen im 16. Jahrhundert dar-
gelegt werden wird.
Wir haben es hier nur mit einer Erscheinung zu thun, die
sich im Werdegang des Behördenwesens in den verschiedenen
Staaten * ) wiederholt, dem Prinzip der Bildung einer Mehrheit
von Behörden aus demselben Personal. Dieses Prinzip fand
eben auf die Institution des Hofgerichts analoge *) Anwendung,
indem die Räte am Hofe des Herzogs auch als Hofgericht, wie
wiederholt betont ward, formiert wurden.
Nach meiner Überzeugung ist der hier geschilderte Ent-
wicklungsgang der typische. Es bildet die Regel und nicht, wie
Stölzel ^) behauptet, die Ausnahme, daß der Gelehrtenstand im
Schöße des Gerichts Wurzel faßt und nicht neben dem Gerichte.
Ich glaube, man kann von den deutschen Gerichten im allge-
meinen und nicht, wie Stölzel meint, nur von einigen Ausnahmen
sagen, daß sie allmählich zu gelehrten Gerichten umgewandelt
wurden. —
Die Zahl der Beisitzer schwankt auch zwischen 4 und 16
(7 und 8 sind oft anwesend), der Zufall mag hier stark mitge-
spielt haben, da eben oft nur die in der Residenz oder in deren
Nähe gegenwärtigen, von andern Geschäften freien Beamten zu-
gezogen AMirden. Daß, wenn auch die Inhaber der Hofchargen,
die ja zu den Räten gehörten, am häufigsten unter den Urteilem
vorkommen, auch andere Beamte, z. B. Kanzler, Rentmeister,
Land- und Stadtriditer, unter diesen nicht fehlen, sehen wir aus
den Gerichtsbriefen.
Der Kreis der ürteilsfinder scheint sich im Laufe des 15. Jahr-
hunderts immer fester abgeschlossen zuhaben. Seit dem 4 Dezen-
nium desselben fehlt der Gerichtsumstand, die andern Bieder-
leute verschwinden. In der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts tritt
die Tendenz einer strafferen Organisation immer deutlicher her-
1) Dieses Verhältnis besteht auch heute noch teilweisA in der Behörden-
Organisation Englands fort Vgl. Oneist, Engl Yerfassungsgeecbichte
S. 229. Ebenso zeigt es sich in der BehGrdengeschichto Frankreidu. Vgl
Aubert, Le parlement de Paris. Paris 1887. p. X, XIII.
2) Das Hofgericht war nicht eine besondere Behörde, sondern, lolange
die Ständigkeit noch nicht durchgedrungen war, eine flOssige Eomnusdon.
3) Entwicklung des gelehrten Richtertums I, S. 242.
— 141 —
vor. Das alte Herkommen, die Namen der Urteilsfinder im
Urteilsbriefe zu erwähnen, schwindet. Die Kanzlei Albrechts IV.
bildet stehende Formeln für die Hofgerichtsbriefe aus, in denen
nur vom Dingen an den „Herzog und seine Räte" die Rede ist.
Vermutlich ist ein weiterer Schritt zur Ständigkeit erfolgt, in-
dem sich regelmäßig dieselben Räte an der Urteilsfindung be-
teiligten, ohne daß der Kreis dieser Räte ein absolut fest begrenzter
war. Übrigens wird das Weglassen der Namen der Beisitzer in
den Urteilsbriefen von den Landständen als ein die Justiz
schädigender Mißbrauch gerügt, wahrscheinlich weil man glaubte,
daß durch die Anonymität der Urteilsfinder deren Verantwort-
lichkeit gegenüber den Parteien schwinde und so eine Garantie
für sorgfältige und unparteiische Handhabung der Rechtspflege
in Wegfall geraten würde*).
Man muß dies W^lassen der Namen der Hofgerichts-
beisitzer gerade in dieser Periode um so mehr bedauern, als
1) In Niederbaiern, wo die Landstftnde diesen Mißbrauch rügten, werden
aach wirklich die Beisitzer des Hofgerichts wieder aufgeführt So werden
in einem Hofgerichtsbriefe, d. d. Landshut 1468, genannt: Ich G. von TOrring
zum Stam Herzog Ludwigs Marschall, dafi ich nach Befehl und Heissen meines
Herrn ein Hofrecht besessen habe mit s. Gn. hemachgeschriebenen B&ten
Herr M. Biedrer, Dompropst zu Begensburg, Kanzler Conrad Herr zu
Haideck, Dr. Martin Mair, G. Ahamer, H. Seiboltstorffer, W. Truchtlinger,
H. Layminger, P. und L. den Aichbergem, W. Weichs, S. Lajminger, P. Haun-
berger, H. Ebron, Cr. Domer Kanzler, L. Hohenecker Bentmeister
und K. Kargl Lands ehr ei.b er (Oster maier, Sammelblatt des bist
VereinB für Ingolstadt, Heft V, S. 141). Femer kommen in einem Lands-
huter Ho^gerichtsbriefe 1492 vor die herzoglichen Bäte: S. v. Frauenberg,
Marschalk, Th. Frauenhofer Bitter, S. v. Layminger, G. Polner und P.
Ettmiller Doctoren, H. Fabri Licentiat, L. Hohenecker, W. Magers-
leater Landschreiber, J. K&rgel ^d J. Benetzhauser Kastner zu
Landshut In demselben Jahre fand zu Straubing eine Hofgerichtssitzung
ftatt unter dem Vorsitze von B. T. L. v. Steinach, Vitztum von Nieder-
baiern, mit den Bäten J. v. Tatzisau, Propst zu S. Peter, Dom-
herr zu Augsburg und 1. Pfarrer zu Straubing, H. Pfeffenhauser
Bitter, Pfleger zu Pfaffenhofen, W. v. Maxirein Hofmeister, J. Sandi-
MÜer zu S., H. V. Paulstorf Oberrichter zu Straubing, H. v. Fuchstein
xa O, H. Westendorfor zu S., Mautner zu Straubing, M. Han Kanzler
(Oberb. Arch. XXXVII, S. 121 1), — In dem landschaftlichen Gedächtniszettel
über einige Gegenstände der Landespolizeiordnung (etwa 1510) hei&t es u. A. :
Es sollen auch unsre Bäthe die bej Erledigung der Gedinge sind, mit Namen
suigeschrieben . . werden (K r e n n e r XVl, S. 378).
uns durch die Formel Hofmeister „uiiil aodere unsere Rite",
die z. B. 1478, 1490 in Urteilahriefen vorkommt, die M^^di-
keit liennmmeD ist, genau das Jahr des Eindringens der Doctoren
in den Rat und in das Hufgericiit zu bestimmen.
Der erste mir bekannte juristische Büisitzcr des Hofguricfats
ist der unter Albrecht III. 1448 in einem Gerichtsbriefe vor-
kommende Meister Thom. ') Pirckh eimer, Lehrer
beider Rechten, Vor Gründnng der Universität Ingolstadt
erscheinen gelehrte Juristen nur vereinzelt, während Geistliche
Stet« unttir den Raten zu finden waren.
Die Beschwerden der Laiidstiinde') beztlglich der BcseUtung
der Ämter überhaupt richteten sich zuerst nur gegen die An*
Stellung der Ausländer. Sie führten zu dem Versiirechen der
Herzoge Johann und Sigismuud 1463*): „Wir gehaiüen auch,
das wir sy mit vilzdomb, retu und ambtleuten besetzen
wollen die landleut in nidcm Bairu sein, domit die hofgericht
und hofgeding fÜrgang gewynneu, als von alter herkommen
ist" *).
Sodann beschwert sich 14il7 die Ritterschaft in einer Ein-
gabe an H. Georg über die Besetzung des Uofgerichts mit
JurisU^'n: „Item'^) zum andern, so haben Wir merkliche Be-
schwerung an ungern gemeinen Landsrechten, daß die Hof-
gerichte und Rechte nach Ordnung, wie von Alter, nicht besetzt
sind, sondern viel der gelehrten, und gering Landleut vom Adel,
sonderlich im Oberland je zu Zeiten kaum ein Landmano oder
zwen [vorhanden sind, und der ende das buch ligtj *) womach
1) Vennntlieli iit Jofauiti P. gemeint, welcher ali Rat beim Biachof na
EÜduUdt, dann b«i H. Albrccht von Baiern nod endUch bei H. SignoBd toB
Oit«rraeh Yorkommt Johann itt der Tatet dm bertUuntcnn WiEbiU
(StiDtting, Geicb. d. drmURhon KecfaUwiis. 8. «U
2) Vgl Franklin. Beiträge 8. S3 ff.
3) II- Froibri«! Iv. LereheDfeld 8. Uli
4] Pini! daakontwnrW ZuammoniteUang der diown Oegenttutd W>
treffimdnn SUllnn dar bairitcben Landtag» erhandliiDKen und Oweta» pbt
Franklin, Beitilge & 20-a7i vgl ancb Stobbe, OMcb. d. dwiacfcM
BKbtaqnellen ü. 8. 95 £
B) Kronner XIII. 8. 8.
6) Die dnreb [] elagMeUoiMDni Worte liBd ueh RoekiigarX B>-
Mbi^ & SM, Toigug nr Ergtamng da* nwngtlluflm Taxtee §m im
0iiebiaaiuaiaa Bwcfawerde von IUI U«r efagvrtdt.
— 143 —
gerichtet soll werden, dessen die Ausländer nicht Wissen haben,
noch davor halten wollen ; daraus neue Rechte erstehen, die bey
unsem Vorvordem nicht gehört, und gemeinen unsem Lands-
rechten und Gebrauch widerwärtig sind".
Statthalter und Bäte *) ließen sich über diese Petition also
aus: „Zuerst •) der Hofgericht halben, sonders im Oberlande,
daß die wohl und ehrbarlich besetzt werden, sonders mit den
Landleuten des mehreren Theiles, dazu man zween oder drey
Doctores und andere auch ordnen mag, doch daß der Land-
leute der mehrere Theil seyn sollen. Ist dabei gerathen,
daß die, so also beschieden werden, und nicht Räthe sind,
zum Hofgericht Rathspflicht thun sollen". Nach diesem Vor-
schlag kam also der Sieg des Beamtenelements im Hofgericht
auch formell zum Ausdruck. Die zu Beisitzern Berufenen
sollen als Räte vereidigt werden und so den Beamtencharakter
erwerben.
Eine Entfernung der Juristen aus dem Hofgericht ver-
mochten die Landstände also nicht mehr zu erreichen. Ihr Aus-
schuß war auch mit diesem Zugeständnisse der Regierung, nur
2 — 3 Gelehrte aufzunehmen, zufrieden. Auf eine Wiederholung
obiger Beschwerdevon 1497 im Jahre 1501 schlugen die Räte dem
Herzoge vor, zu antworten, „daß E. Gn. es der Landleute und
Doctoren halben ungefährlich bisher gehalten habe ; will es ftlran
auch thun. Daß aber der Doctoren an den Hofgerichten so viel,
ist die Ursache, nachdem sie der Rechten mehr, dann die Layen,
verständig sind, daß desto formlicher und rechtmäßiger Urtheil
gesprochen, und die Leute mit ungebührlichen Urtheilen, und
wann die an das Kammergericht wuchsen, nicht beschwert, zu
Schaden gebracht werden" ^). Der Ausschuß wiederholte hierauf
nochmals seine Bitte*), „daß die Hofgerichte treflFentlich von
Landleuten zusamt den Doctoren und Räthen im Hofe besetzt
werden. Denn daß E. f. Gn. Doctores haben, haben Wir nicht
sondere Beschwerung, achten es auch gar löblich"; er legte
1) Franklin, Beiträge S 23, betont mit Recht, dafi unter diesen
Mhon 3 Doctoren und 1 Licentiat genannt waren.
2) Erenner XIII, S. 38.
3) Krenner XIII, S. 191.
4) Ibid. S. 197.
— 144 —
das Hauptgewicht darauf, daß der Landschaft ihr altes Her-
kommen, gemeines Landrecht und Gebräuche bewahrt werden
müßten. Beide Parteien hatten das punctum saliens richtig er-
faßt. Die Landstände hatten die Gefahr der EinschmuggluDg
des fremden Rechts als eine Konsequenz der Ernennung der
Doctorcn geahnt und bald erkannt, daß der Schutz des vater-
ländischen Rechts ein Zurückdrängen des gelehrten Elements
aus dem Hofgerichte erheische. Auf der andern Seite war aber
das Argument, welches die Räte für die Notwendigkeit der
Doctoren hervorhoben, sehr beachtenswert, denn solange der
Instanzengang von dem bairischen Hofgericht zum mit Doctoren
besetzten Reichskammergericht ging, war die Befürchtung nur
zu begründet, daß die ohne Hülfe der Juristen und ohne Be-
achtung des fremden Rechts abgefaßten Urteile regelmäßig von
der höchsten Instanz abgeändert würden. Daß aber gerade
dieses Moment zu einer Judicatur nach fremden Rechten
und zu einer Verdrängung des Landesrechts führen müsse,
das sahen die Landstände ebensowenig voraus, wie das
Übergewicht, welches die paar Juristen vermöge ihrer fach-
wisseuschaftlichen Vorbildung und Geschäftsgewandtheit bald
über die Mehrheit der Laienmitglieder des Hofgerichts erlangen
würden.
Die Landschaft, welche wohl auch von der Wahrheit des
Ausspruches Melch. v. Ossa's ^) überzeugt sein mochte, „daB
Rechts-, Gerichts- und Justitien-Sachen ohne gelehrte, geübte
Leute, notdürftiglich und nützlich nicht können bestellt werden",
stand von weiterem Widerspruche ab, und die Entwicklung führte
mit Notwendigkeit zur Reformation des bairischen Landrechts
(1518)*), von welcher schon 1531 behauptet wurde, daß sieden
mehreren Teil nach den kaiserlichen geschriebnen Rechten ge-
setzt sei^).
Die bisher geschilderten Verhandlungen aber fanden ihren
1) Stobbc, Gesch. d. deutschen RechtsqoeUen II, S. 91 £
2) Franklin, Beiträge S. 27, weist mit Recht darauf hin, daft in Baiem
fast unmittelbar nach der Aufnahme gelehrter Juristen in den Rat der Her*
zöge und in die Hofgerichto eine Keformation des bairischen Landrechti in
Geiste des römischen Rechts erfolgte.
3) Lajsche anzaigung S. 3.
— 145 —
Abschluß in der L.O. von 1501 , welche bestimmte ^), „daß es
mit Besetzung unserer Hofgerichte unserer Landleute vom Adel,
auch der Doctoren halber ungefährlich gehalten werden soll,
daß allweg mehr Landleute dann Doctores, wie sich dann
je zu Zeiten nach Gelegenheit oder Nothdurft der Sachen,
die im Hofgerichte sollen gehandelt werden, gebühren will,
zu solchen Hofgerichten von Unsem wegen geordnet werden
sollen".
Als nach Vereinigung des Landes unter Albrecht IV. die
Erklärung der Freiheiten des Landes geplant wurde, proponierten
die Stände*) nur die Aufnahme der Bestimmung, daß die Ge-
richte mit Inländern besetzt werden sollten. Der Kampf ist
also wieder auf die Ausländer beschränkt, von den Doctoren ist
gar nicht die Rede.
In der L.Fr. 1508 (I a. 1) verspricht dann der Herzog nicht
nur die Besetzung seiner Hofämter mit Inländern, sondern auch
bei Bildung seines Rats ^allweg mehr geschickte Landleute, so
Layen sind, dann Gelehrte" aufzunehmen *).
Nur die Mehrheit des Rats mußte also aus Laien bestehen,
dagegen wurde die Existenz einer Minderheit juristischer Rats-
mitglieder als berechtigt anerkannt. Daß man damit die stän-
disch erseits verfolgte Tendenz, Schutz des einheimischen Rechts
gegenüber dem andringenden fremden, nicht erreichen konnte,
liegt auf der Hand, denn diese Minderheit mußte vermöge ihrer
überlegenen Bildung, die auch eine erhöhte Gewandtheit in der
formellen Behandlung der Geschäfte gewährte, bald die ausschlag-
gebende Position innerhalb des Ratskollegiums erlangen. Wenn
jetzt die ständische Opposition sich nicht mehr gegen die Aus-
länder, sondern gegen die Juristen als solche wendete, so lag
der Grund hierfür wohl darin, daß jetzt, bald nach Gründung
der Universität Ingolstadt nun das Studium der Jurisprudenz
unter den Inländern so zugenommen hatte, daß auch aus dem
Kreise der Landesangehörigen eine stattliche Zahl von Doctores
zur Anstellung verfügbar war.
1) Krenner XIII, S. 269.
t) Vgl über die Verhandlangen Franklin, Beiträge S. 27.
I) Krenner XVI, S. 296.
Ro»enthal. Geschichte d. Oerichttw. a. d. Yenr -Org. Uaienu. I. |Q
— 146 —
Es kauu hitT noch darauf lungewiesen werdea, daß unter
den Deutschen '), welche im Laufe des 14. und 15. und auch
noch während dos 10. Jahrhunderts an italienischen üniversi-
tfiten, namentlich io Bologna, Padua, Pavis '), Perugia '), Sieiia
dem Studium des Hiuiseheu und kauouischen Rechts oblagen,
sich viele hairische Laudcskindcr befunden balien ').
Das alte Genossuiischaftsprinzip der duutschen Gcrichts-
verfafiBUng wird durch iliu Zulassung der Gelehrten »um Uof-
gericht durchbrochen *), in ihr kommt eine wesentliche Abwei-
chung von diesem Prinzip mittelalterlicher Gerichtsbildung, das
Standesgenossen als Urteiler forderte, zur Erscheinung. Dait nun
1) Ich Tenaehe hier einige Daten Sber die an itslteniteheD UDimitUaii
BechUwisieuicbftTt itudieroDdon Baieni laiamineiunuUtlen. Dal «ehon im
13. JahrhuDdert Baiern in Bolo^a, Padaa, Orlcaiu und Hontpellior nebni
kaDoniacbcni Recht rOmUcheB OiTilreeht atadiertco, beieagt Rieiler II,
S. 170. In Bologna wcrdnn nach den Acta nationi« Gormanicaa
anireraitatiü Bononieniis cd. FriedlAnder et Ualaicoli,
Beroliai )RS7 Folgende de Bavana enifthnt: 1809 OotAidtu, 1310 Haf
mannoa, 1321 Kicolau« prep, Honattcriona.. 1332 Conmdn«, canonicoa FriciiiK,
1833 Ortllnua ot Ulricua de Haasonhiuen, 1336 Honricoa de Bgra. Ratiipon.
djOMtia, 1341 Otto et Kildoiir. fratroa, 1343 Ladoirittit. rortof cieddī ia
Verdeni (Verden). 1466 tat immatrikuliert Wolfgang, f£aligra£ Henog
in Ober- und Niederbaiern, mit Gefolge: nagitteT Catpar Sniidhaiuai; a-
Doninna Frinog, deerotorain doctot, pedagogua sniui mtf^ü^t Lc«b Nw-
&reT, Paul Talhajmur, Criitofoi Cottenawcr, Oanered PDtnddi, !<«jboItidorffeT,
principia familiaiei ; 1476 Joh. Panlatoffec, 1486 Ulriciu, 1497 Leon de Egtk,
lector Bc consiliariua docia Wllholmi do B. Ferner «ind tiriachpo 1640 nad
leci ungefähr 18 Baiem in die Matrikel eingi^tnucD wordan, darnntar:
Caap. Ejaenreich, Erasm. und Joh. Criatopli a Lajmiiiit'eE], Wilh. a l''Te]rb«cg,
Criat. a ßorbach. — In der roatricata doctonun flndcl lich u. A, : I4fil Ptid.
Hawrkirchor de Bnwna Fat djoceaia, cononiciu katbodralii occleai« Friainf ^
inria canonici licentjatsi ac hpaa docter (cpUcopui Palarienaii, Lndowld
dnda Bawarie cancellariua). Bologna hatl« im 16. Jahrhundert ein» h
Nation nobon einer aicbEiadi-RcttwlbUcheD und frluluacbon. Ein« fl
Bcholaron Verbindung luufatle aber aach die aua beiiachbart«n Q^
kommenden Stadieronden.
S> Der Zag d»r bairiacben, schwibiicfacD, ftdtikiacban nnf b
Jniiatmi geht vio Aeneaa 8jitriiu fOr die Hittc de* 15. Jabrtiandeita h
saeb Padna oad Paria. Vgl iStoliol, Entwicklung dei gvlohrtan 1
tmna L S. 49.
3) In Perugia worden twladieo 1611 umI 1660 tnuBatdknIiett : 8
Kdncheo. Je 1 aoi I^andabol und Scherding [StSlt ol ft. •. 0. 8. SS).
4] Vgl tDr OaUnnich Lnai^bin S. W.
— 147 —
neben den adligen Räten Gelehrte bürgerlicher Abkunft im Hof-
gericht sitzen konnten, wurde ermöglicht durch die seit Mitte
des 14. Jahrhunderts auftauchende Anschauung, welche die
Doctores als' milites legalis militiae dem niedem Adel gleich-
steUte 0.
Nicht gegen die Ausländer als solche, sondern gegen die
Doctores als Hofgerichtsbeisitzer wendete sich zum ersten
Male 1493 der oberländische Landtag^), indem er in einer
Beschwerde über die Gebrechen der Rechtspflege an den
Herzog die Bitte richtete, die Räte, so Hofgericht gehalten
werde , mit Landleuten oder Laien zu besetzen , soviel mög-
lich sei.
Derselbe Entwicklungsgang, der in Baiern durch Besetzung
des Hofgerichts mit Gelehrten einer Reception des römischen
Rechts die Wege geebnet hatte, zeigt sich auch in der Or-
ganisation der Hofgerichte anderer Territorien, und kann hier
auf die Darstellungen von Stobbe^) und Stölzel*) ver-
wiesen werden. Für diese Organisation mag das königliche
Kammergericht, welches zuerst neben, seit 1442 an Stelle des
königlichen Hofgerichts *) auftritt, vorbildlich gewirkt haben, da
in diesem neben den königlichen Räten auch Gelehrte zur Ur-
teilsfindung beigezogen wurden, welche dann ihre Urteile viel-
fach auf die fremden Rechte *) stützten ').
Noch nachhaltiger wirkte natürlich, wie schon erwähnt
wurde, auf die Gestaltung der territorialen Hofgerichte, die Grün-
1) StOlzel I, S. 139, 250; Stintzing, Gesch. d. deutschen Rechts-
wissenschaft I, S. 61.
2) Krenner JX, S. 227.
3) Geschichte der deutschen Rechtsquellen n, S. 97 ff.
4) Entwicklang des gelehrten Richtertums I, S. 256 ff. Vgl. auch E a r-
lowa, Über die Reception des römischen Rechts in Deutschland mit be-
sonderer Rücksicht auf Churpfalz. Heidelberg 1878. S. 37 f.
5) Franklin, Das königliche Eammergericht vor dem Jahre 1495.
Berlin 187L 8. 1.
6) S t o b b e, Geschichte der deutschen Rechtsquellen II, S. 87 (I, S. 623 f.\
weist darauf hin, dafi K Albrecht IL schon im Landfrieden 1438 angeordnet
hatte, dafi in den Reichsgerichten nach gemeinen Rechten und guter Ge-
wohnheit judiciert werden sollte.
7) Franklin, Kammergericht S. 3; Franklin, Reichshofgericht I,
S. 33a
10*
L
düng des Reichskammergerichts 141)5, dessen erste Ordnung
nicht nur die Bildung dieses Gorictitshofs zur Hälfte aus Gelehrtes
vofBchriel), sondern auch die gemeinen Rechte als Entscheidungs-
norm anerkannt« '). —
Neben den Vorsprechem fungierten als deren Gehülfea
noch andere Parteivertreter im Hofgericht, die «ogenannten
Warner und Anweiser'). Es war ein Hecht der Fürsten und
ffirstenmiißigoa Personen *), wenn auch kein ihnen ausschlieB-
Itches, sich dieser zur Vertretung ihrer Rechtssache zu l>edieDea.
So erschien 1432 *) im Münchner Hofgericht Herzog Ernst al»
Partei und begehrte eines Fürlcgers mit Namen P. R., der
ihm erlaubt ward und zugedinget, was Fürsten Rticht ist, zo
An weiser Johann, Propst zu lUmünsWr, und zu Warner
C. Egloffstaincr. n^lso'', schreibt der präsidierende Hofmeisteti
„han ich Im vergunt alls das Hofgerichts Recht ist". la
- einer Klagsache gegen den Abt von Fürstenfeld (1456)*)
begehrten auch dessen Bevollmächtigte von dem Vorsttzendeo
einen Fürleger und zugedinglen Anweiser, Wamcr und alles,
das eines gefUrsteten Prälaten und geistlicher Leute und Hof-
gerichts Recht ist Es wird also ausdrücklich konstatiert, daS
die Zugesellnng von Anweisern und Wanieni zum Fürsprecher*)
als ein Staudesprivileg /u betruciitcn sei, das auch nur vor dem
forum privilegiatuni in Anspruch genommen werde.
/u den Punkten, welche nach den Klagen der StAnde «icb
eine gesetzgeWrische Regelung erheischten, gehrtrten die Redner
(Vorsprecher) an den Hofgerichten. Es h<inne niemand vor dem
Hofgericht die Redner erschwingen, da sie ühorschweuglicheu Lohn
von den Leuten nähmen '), so ertönt der Klageruf, den die L.O.
1) Stobbe. Ootchicht« der deaUehon R(>cht«iiDellcD U, 8.86.
t) Vgl Maurer, Ga»ehi«hto de« Cioricbtarrrbhfoo« S. 1S5 £j
• ehe, Comm. de ptolocntoribus p. 63 £, und tiehtOdei
der Savignj-Stiftuog. Oemun. Abt VIl, ä 119.
3) lüae entsprechend« BogrOndong dieeo« Bechta d«r Pti
Frioklln, Reichihofgerieht 11. S. 185.
4) loti. Oeirhicble det Locbniiu II, S. 1E3.
6) H. a IX, p. 286.
5) Vgl noch Beispiele mii dom 16. Jfthrbniiden bei Utorer
Bf. B. XU, p. 2S6; Xlll. p. HS; XXXl. 2, p. 334; rat Vüii^get and
M. B. a p. ȟ 1 IX. p. 4Ii XII, p. W&.
T) Kroonor Tll, ä 372 (S13, 4SI B.).
Mtata-
l-O.!,
— 149 —
1474 zum Schweigen zu bringen sucht durch die Vorschrift, daß
die Höhe des Lohns von einer gütlichen Vereinbarung zwischen
Partei und Redner, eventuell von der Entscheidung einer Kom-
mission (Hofrichter und 2 Räte) abhängig zu machen sei. Des
Weiteren bestimmte die Landesordnung ^ ) : Die Fähigkeit, als
Redner im Hofgericht aufzutreten, steht jedem freien Manne
zu, ausgenommen sind nur die in den untern Listanzen als
Verteidiger von Verbrechern fungierenden Fürsprecher — „kein
gemeiner Vorsprecher, der über das Blut redet". Von den-
jenigen, welche auö besonderer Rücksicht, aus Gefälligkeit für
eine Partei deren Sache vertraten, wurden diejenigen unter-
schieden, welche das Fürsprechen berufsmäßig — dieselben so
ran Geld reden, auch andere des Hofgerichts gemeine Redner —
unterschieden. Nur diese Kategorie hat eine Beobachtung ihrer
gesetzlichen Pflichten zu beschwören. Sie sind verpflichtet zur
treuen Beratung und Durchführung der Sache der Partei bis
zu Ende, sowie zur Geheimhaltung der ihnen von derselben ge-
machten Mitteilungen. Ihre Dienste haben sie derjenigen Partei
zu widmen, welche sie zuerst darum angeht, eine Ablehnungs-
befugnis steht ihnen nur mit herzoglicher Genehmigung zu. Sie
können nur als Spezial- und nicht als Generalvertreter einer
Partei bestellt werden — nicht in der Gemein in aller derselben
Partheyen Sachen — , müssen mit dem vereinbarten oder fest-
gesetzten Lohn zufrieden sein und dürfen auf keinen Fall in
der Sache mit den Parteien Teil haben*).
Kaum waren 2 Dezennien verflossen, als dieselben Klagen,
welche zu der eben geschilderten Ordnung den Anstoß gegeben
hatten, aufs neue erschollen. Aus einer Petition der Ritter-
schaft an H. Georg 1499 geht hervor, daß die Vorschriften der
Landesordnung bald wieder außer Acht gelassen worden waren,
denn sie hoben hervor, daß sie und der gemeine Mann durch
die Procuratores oder Redner bei Hof hoch beschwert, daß
großes Geld von dem Redner genommen würde, dessen zu Zeiten
die Hauptsache nicht wert und vor Alters nach Erkenntnis der
Bäte gestanden wäre. Als neues Moment tritt in der Beschwerde
hervor die Meinung der Petenten, daß die Procuratores und
1) Krenner VII, S. 509 ff.
2) Krenner VII, S. 510.
— 150 —
darum die Gelehrten nicht in den Räten sitzen sollen^). \Yäh-
rend die Klage, daß Fürsprecher nicht zugleich Urteilsfinder sein
sollen, uns schon begegnete, erscheint doch der Hinweis auf die
juristische Bildung der Fürsprecher als Novum *).
Die Landesordnung von 1501 bestimmte, daß kein Redner
in der Sache, in welcher er redet oder reden wolle, bei den
Räten im Rate sitzen dürfe.
Die Rechtsprechung des Hofgerichts, welche sich anfangs nur
von Fall zu Fall, also je nach vorhandenem Bedürfhisse fort-
bewegte, genügte bei Mehrung der Rechtsstreitigkeiten nicht
mehr, und es bezeichnet einen großen Fortschritt in dem Ent-
wicklungsgange des Hofgerichts, daß man bestimmt« Termine
ein für allemal festsetzte, an welchen das Hofgericht für die
Bedürfnisse der Rechtsuchenden zur Verfügung stand. Es wurde
deshalb in Baiern wie in andern deutschen Ländern in der ersten
Hälfte des 15. Jahrhunderts mit der Einrichtung von Quartal-
sessionen begonnen, zuerst in Oberbaiem') und dann im
Straubinger Teil*). Erst bei den Vorl>eratungen für die
L.O. 1474 wurde auch für Niederbaiem - Landshut eine der-
artige Einrichtung, Abhaltung der Hofgerichte zu 4 Zeiten im
Jahre, seitens der Stände vorgeschlagen ^). Es lag ja im all-
seitigen Interesse, daß man feste Termine für diese Gerichts-
sitzungen bestimmte, damit die Parteien im voraus wußten, wann
sie sich bei Hof einzufinden hatten behufs Erledigung ihrer
Rechtsaugelegenheiteu. Der Herzog entsprach dieser Bitte,
und so enthielt die L.O. 1474 folgende Ordnung der Hof-
gerich te^) : „Zu erst wollen Wir unser Hofgericht nun fürbas halten
hissen zu 4 Zeiten im Jahre, an den Enden, da Wir dann zu
1) Krcnner XIII, S. 9, 160.
2) V<^]. über das Aufkommen rechtskundiger Procuratoren Stintiing;
Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft I, S. 68.
3) Schon 1432 besa^rt ein Hofif^^erichtsbrief, Herzog Ernst habe ihn heilen
fordern zu dem Quatomber-Recht (Oberb. Archiv XXIV, 8.232).
4) Albrecht III. von München schreibt an die Landshnter Landicluft
1433, er kOnne an dem Tage der Werbung nicht in München seio, »wann
Wir im Niederlande (Straubing) auch angefangen haben alle Qnatember der
gemeinen Landschafft Hofrecht zu halten" (K r o n n e r IV, S. 15).
5) Krenner VII, iS. 310 - auf da& sich ein jeder darnach
richten.
6) Krcnner VII, S. 509 (vgl ib. S. 431).
— 151 —
einer jeden Zeit seyn werden. Das 1. auf den nächstfolgenden
Gerichtstag nach s. Antonientag (17. Januar). Das andere nach
dem Sonntag Misericordia Domini (2. Sonntag nach Ostern).
Das 3. nach s. Lorenzentag (10. August). Das 4. nach s. Martins-
tag (11. November)". Der Herzog behielt sich aber das Recht
einer Verlegung des Termins vor für den Fall, daß er durch
anderweitige Geschäfte verhindert wäre. Sind nun auch in
diesen periodischen Gerichten die Anfänge zu einer Ständigkeit
des Hofgerichts gegeben, so ist diese Ordnung von einer Stabi-
Msierung des Gerichts doch weit entfernt. Nicht nur fehlt ein
fester Sitz für das Gericht, welches dem Hofe des Landesherm
folgt ^ ), sondern der fluktuierende Charakter des Gerichts zeigt
sich auch darin, daß je nach dem Vorhandensein anderer Ge-
schäfte eine Verlegung des Termins angeordnet werden kann.
Ohne nachhaltigen Einfluß auf die Gescldchte des Hof-
gerichts ist die Verordnung H. Georgs 1489, welche das Institut
der geordneten Räte ^) ins Leben rief. Diesen geordneten Räten,
welche hauptsächlich die laufenden Regierungs- bezw. Verwaltungs-
geschäfte zu erledigen hatten, wird nämlich die Macht einge-
räumt, „gütliche und Rechttage, doch auf gebührliche Zeit und
um Sachen willen, die sich in unserm Hofe zu handeln und aus-
zutragen gebühren zu setzen". Diese Ratskommission ist also
ermächtigt, als pars pro toto sich als Hofgericht zu konsti-
tuieren, sofern für den betreffenden Gegenstand sachlich die
Zuständigkeit des Hofgerichts gegeben ist. Es war mithin Ge-
legenheit geboten, auch außerhalb der regelmäßigen Quartal-
Hofgerichtssitzungen eine Sache zur Hofgerichtsverhandlung zu
bringen, sobald den geordneten Räten ein Bedürfnis hierfür in
concreto vorzuliegen schien. Von dieser Möglichkeit scheint
übrigens seitens der Räte nicht allzu reichlich Gebrauch ge-
macht worden zu sein, denn schon nach 2 Jahren bringen die
Stände die Bitte um Anstellung eines Hofrichters und Recht-
1) Dieso Eeglong bekundet sogar einen Bückschritt gegenüber einer
allerdings durch die gemeinschaftliche Regierung Sigmunds und Albrechts
horvorgerufonen Anordnung (für München-Straubing 1466), daß gewöhnlich
ein Hofmeister und 6 Räte im alten Schlosse in der gewöhnlichen Ratstuben
des Schlosses Hofgericht besetzen sollen (E renn er V, S. 181). Siehe „Hof
und Raf* S. 65 b.
2) Vgl den Abschnitt über Hof und Rat S. 66 fL
— 152 —
sitzern von LaDdleuten nebst Räten am Hof vor, damit die
Hofgerichte alle Quatember fürgenommen und gehalten und
ohne merkliche Ursache nicht verzogen würden, damit die
darin hangen oder zu thun haben gefordert und Unkosten zu
vermeiden nicht lauge aufgehalten würden^). Den Wünschen
der Stände wurde wenigstens teilweise Erfüllung in der L.O.
1501, welche folgende Bestimmung erteilt:
„Hofrichters halben.
Item wenn auch je zu Zeiten unser Marschalk nicht bey
den Hofgerichten hier seyn mag, wollen Wir, oder in unserm
Abwesen imsere Anwälde hier allweg einen andern treflichen
unsem Landmann zu Hofrichter au des Marschalks Statt ord-
nen, und es aber der Landleute halben zu täglichem Rathe und
den Hofgerichten zu gebrauchen ungefährlich halten, versehen
Uns allweg mehr Landleute als Ausländer dabey zu seyn. —
Dazu auch die Hofgerichte hier zu Landshut zu 4 Zeiten im
Innhalt berührter Landesordnung*) halten, so ferne solches
andere unsere Geschäfte je zu Zeiten erleiden mögen ; oder die
Sachen, die am Hofgericlite gehandelt werden sollten, darnach
gestaltet sind, auch noch ainen Redner zum Hofgerichte be-
stellen, und, durch unsem Kanzler berichtet, Gerichtschreiber
zum Hofgericht ordnen lassen, so ferne man sie anders gehaben
mag, ungefährlich" ^).
Auf die Klagen, daß die aus den Gerichten für die Räte
am Hofe einlaufenden Gedinge so langsam erledigt würden, folgte
die Anordnung, daß dieselben in den durch die L.O. 1474 be-
stimmten Zwischenräumen, also quartaliter zur Entscheidung
gebracht werden müßten.
Der wesentliche Fortschritt, welchen diese L.-O. 1501*)
für die Ausbildung des Hofgerichts darstellt, besteht darin,
daß nun i)rinzipiell das Präsidium des Hofgerichts dem Mar-
1) Krenncr XIII, S. 159 (S. 197).
2) Siehe S. 161.
3) Krenner XIII, S. 272 f.
4) Eine nicht nur fdr das Hofgerichf, sondern auch für wichtige Bati-
heschlüBse eingeführte Ncuerang bildet die Vorschrift, dafi Geiichtrarfeefl»
Abschied u. dg), des Hofgerichts erst hinausgehen sollten, nachdem de we*
nigstens durch die Majoritfit der in der Sache beschäftigten BIte TeilUJrt
waren ^E renn er XII^ S. 274; vgl. noch XII, S. 339).
- 153 —
schall zuerkannt wird. Wenn auch schon seit Jahrhunderten
gewöhnlich der Hofmeister den Vorsitz führte, so ist doch nun
erst verfassungsmäßig das Präsidium eines Andern als des
Herzogs anerkannt. Damit ist das Hofgericht von der Person
des Monarchen losgelöst, jede Einwirkung desselben auf die
gerichtliche Thätigkeit des Hofgerichts erscheint ausgeschlossen ;
nur soweit sie organisatorischer Natur ist, also auf dem Gebiet
der Justizverwaltung bleibt sie in Kraft.
Das Hofgericht folgt nun nicht mehr, wie dies nach der
L.O. 1474 der Fall war, dem jeweiligen Aufenthalt des Herzogs^
sondern hat nun, wie schon früher das oberbairische zu München,
seinen festen gesetzlichen Sitz zu Landshut erhalten. Damit war
em wichtiger Schritt in der Richtung der Stabilisierung des Hof-
gerichts ^) gethan*).
§7.
Das Stadtgericht.
Die Existenz einer Stadt im Rechtssinne hatte zur Voraus-
setzung die Exemtion des Stadtbezirks, des sogenannten Burg-
friedens, von der Jurisdiktion des Landgerichts, in dessen Sprengel
der Ort gegründet bezw. gelegen war, und die Konstituierung
der Stadt zu einem besondern Stadtgerichtsbezirk. Erst ihre
Exemtion vom Gau machte die Städte zu selbständigen Gliedern
des Staatsorganismus*). Die Stadt bildete notwendig ihren
eigenen Gerichtsbezirk*).
1) Die letzte Bestimmang über Hofgerichte aus der Periode bis zur
Wiedervereinigung des Landes ist die Stelle ans dem berflhmten Vertrage
Aber den angefiiUenen Landshuter Teil und die Primogenitur von 1506.
H. Albrecht verspricht den AppeHationen und Hofgedingen, die an H. Wolf-
gangB Hofgericht kommen, keinen Eintrag zu thun, doch soll dieser sein
Ho^richt ordentlich mit Hofmeister, Kanzler und Räten besetzen, wie sich,
seinen Unterthanen dem Rechte zu gut und Forderung zu thun gebührt
(Roc kinger, Einleitung S. 314).
2) Die weitere Entwicklung des Hofgerichts im 16. Jahrhundert wird
uns unten im 3. Buch (Hofrat und Regierungen) beschäftigen.
3) R. Schröder, Rechtsgeschichte S. 126.
4) V. Belo w. Zur Entstehung der deutschen Stadtverfassung ^v. Sybel»
Histor. Zeitschrift 1888, Bd. 59, S. 201).
— 154 —
Unter den im bairischen Territorium gelegenen Städten
sind, abgesehen von den Bischofsstädten, nahezu alle — nur
Regensburg ist Reichsstadt — herzogliche Städte ^). Von diesen
haben die Witteisbacher einzig München von den Weifen über-
kommen, alle^) übrigen danken einem Schöpfungsakte von
Herrschern dieser Dynastie ihr Dasein. Dieser stellte sie so-
gleich auf eine bestimmte Höhe der Entwicklung, welche ältere
Städte erst in laugen Kämpfen hatten erringen müssen').
Im Laufe des 13. Jahrhunderts wurde so ein Kranz bairi-
scher Landstädte*) gegründet^) und mit Privilegien reichlich
ausgestattet, welche einer blühenden Entwicklung dieser städti-
schen Gemeinwesen die Bahn ebneten.
Die Verfassung und die Gerichtsorganisation der Städte
und der diesen gleichgestellten*') (gefreiten oder gebannten)
Märkte war nicht durch eine einheitliche Gesetzgebung geregelt,
sondern für dieselbe war der Lihalt der einer jeden Stadt- oder
Marktgemeinde verliehenen landesherrlichen Privilegien') maß-
gebend, doch waren die Grundzüge derselben, namentlich in der
Klasse der Hauptstädte^), im wesentlichen übereinstimmend,
trotz vieler Verschiedenheiten im Einzelnen.
1) Über die venvickelton Verhältnisse Straubings dessen Neustadt^ in die
hofrechtlicbe Gemeinde Altstraubings angegliedert, auf dem Grandherm (Dom-
kapitel Augsburg) Altstraubings gehörigen Boden errichtet wurde, und über
die grundherrlichen Kechte des Domkapitels vgl Kose nthal, Beiträge m
deutschen Stadtrechtsgeschichte. Heft I und II: Zur Rechtsgeschichte der
Städte Landshut und Straubing. Würzburg 1883. S. 213 fL
2) Vgl. Kiczler II, S. 197 ff.
3 ) Vgl. G i e r k c , Das deutsche Gonossenschaftsrocht I, S. 282.
4i Landshut 1204, Neustadt-Straubing 1218, Landau 1224, Dingolfing
1251, Friedberg 1204, Kain 1257, Neustadt a. D. 1273, Privileg Ar Mflnchen
1204, für Amborg 1294, Nabburg 1290. Im 14. Jahrhundert erhielten Pri-
vilegien Landsberg 1315, Ingolstadt 1312, Rain 1323, Schongaa 1331, Öttmg
1340, Aichach 1347. Vgl Riezler II, S. 197; Rockingor, Einleitoag
S. 119. 168. Die Städte und M&rkte, in welchen das Stadtrechtsbaeh K Lad-
wiirs eingeführt war, zählt auf v. d. Pfordton S. 236 ff,
5) l'ber die die Fürsten bei solchen Städtegründungen leitenden TendemeB
vgl. H e u s 1 e r, Ursprung der deutschen Stadtverfassung. Weimar 1878. S. t^L
0) Vgl Seydel, Bayerisches Staatsrecht München 1884. I, S. 82.
7.1 Vgl. .\nmorkung 4.
8) München, Landshut, Straubing, Burghausen und Ingolstadt
— 155 —
Die Organisation der städtischen Gerichtsbarkeit stand mit
der Kommunalverfassung in engem Zusammenhange. Erst nach
Ausbildung der Ratsverfassung ^) erhielt die Gemeinde einen
Einfluß auf die Besetzung des Stadtrichteramts, welchen sie
durch ihr Organ, den Rat, ausübte.
Ursprünglich war in jeder Stadt vom Herzog ein Richter
bestellt, der sich aber in nichts von den Landrichtern unter-
schied. Von jener eigentümlichen Stellung des Gerichts in der
Stadt, von einem Stadtgerichte konnte erst die Rede sein seit
Erteilung jener Privilegien, welche den Bürgern auch eine juris-
diktioneile Selbständigkeit verlieh.
Einen herzogUchen judex finden wir in den Städten lange
vor Begründung der städtischen Verfassung^). Die Entwick-
lung vollzieht sich dann in allen Städten Baiems in der Weise,
daß in der einen früher, in der andern später die Selbständig-
keit des Stadtrichteramts darin zum Ausdrucke kommt, daß der
Stadt nicht nur die Ernennung eines eignen Stadtrichters ^)
verheißen, sonden ihr auch ein Vorschlagsrecht eingeräumt
wird — ez habent ouch die Burgaer und die stat diu Genad
von uns, daz wir in dehainen Stat Rihter wan nach ir Rat und
ir bet setzzen und geben suelen, sagt das Rudolfinische Privileg
(§ 2) für München ^). War es auch nur ein Präsentationsrecht,
1) Über den Fortschritt» welchen die Entstehung des Rats als eines filr
die Stadtfireiheit charakteristischen Instituts bedeutet, vgl Gierke I,
S. 276 £
2) In MQnchen seit 1170, also mehr als ein Jahrhundert vor dem Bu-
dolfinnm 1294 (W ebner, Die Gerichtsverfassung der Stadt München. 1876.
a 5 f), in Landshut 1256, also vor dem Stadtrecht von 1279, in Straubing 1242
(Rosenthal, Beiträge S. 76, 259), in Ingolstadt seit 1275 (Ostermaier:
Sammelblatt des Histor. Vereins fdr Ingolstadt HI, S. 146).
3) Der Stadtrichter gehörte gewöhnlich dem niedem Adel an (Rosen-
thal S. 77; Instruktion für den Stadtoberrichter von Ingolstadt 1582 Cod. Bav.
2614: Es ist von Alter Herkommen, da£ der Rat einen redlichen, tapferen
nnd verständigen vom Adel aufgenommen). — Den Münchnern war durch
K Ludwig das Privileg erteilt, daß keiner ihrer Bürger Vitztum oder Richter
werden müsse. Stadtrecht a. 481 bedrohte deshalb die Beworbung eines
Bürgers um den Richterposten mit Strafe.
4) Vgl noch Dingolfing 1274a, Deggendorf 1438 (Gen gier, Codex
juris municipalis I, S. 775. 732), Rain 1392 (R. B. X, p. 307), Ingolstadt 1312
(Qu, u. Er. VI, S. 205) und 1507 (Ostermaier III, S. 110). Nach einem
Privüeg K Ludwigs für Cham 1341 § 13 (Gen gl er ib. S.484) hat die (Je-
— 156 —
ivelches die Städte ^ ) erlangt hatten, so kam dieses doch in Wirk-
lichkeit einem Emennungsrecht durch die Stadt gleich, da der
Herzog regelmäßig den Präsentierten die Bestallung nicht ver-
sagt haben wird. Jedenfalls lassen die dieses Recht be-
stätigenden Privilegien eine Einschränkung des landesherrlichen
Emeunungsrechts insofern erkennen, als der Herzog sich so
weit bindet, daß er nur eine der Stadt genehme Persönlich-
keit^) zu ernennen verheißt^). Man darf hier wohl an ein
süddeutsches, vom Schwabenspiegel ^) zum Ausdruck gebrachtes
Gewohnheitsrecht erinnern, welches den Gerichtsherm ver-
pflichtet, bei der Einsetzung eines Richters den Willen der
Gerichtsuuterthanen zu berücksichtigen, ein Gewohnheitsrecht,
welches als eine Institution des Stadtrechts zu neuer Geltung
en\eckt ward*).
Die staatsrechtliche Stellung des Stadtrichters tritt erst
deutlich hervor auf dem Hintergrunde der städtischen Gerichts-
privilegien. Der Stadtherr überträgt überall Teile seiner gerichts-
meindo dem Fürsten oder seinem Vitztom 3 Männer für das Amt Tom-
schlagen. — Ein solches Vorschlagsrecbt stand anch den Oiterreieldscheii
Städten zu (Läse hin S. 203).
1) Der Rat übte dieses Präsontationsrecht ans, nnr Torübergehend wurde
in München neben den beiden Räten auch der Gemeinde Anteil am Prfr
sentationsrechte eingeräumt (Wehner S. 9), anch in Straubing ist die B^
teiligung der Gemeinde nur eine formelle (Rosenthal S. 260).
2) 1307 verspricht so Herzog Stephan den Straubingem, ihnen einen
Richter zu geben nach ir pet, der uns und in fueg. 1341 bestätigt K Lud-
wig den Landshutem dieses Privileg mit den Worten : einen Richter . ., der
in fügt und darumb si uns ze biten habent — Gleichzeitig behält sich aber
der Herzog das Recht vor, einen untauglichen Richter abznsotKen, i. K 1417
Privileg für Wasserburg: der Herzog wolle den Stadtrichter verkehren mit
einem andern, wenn er nicht rechtlich handle nach des Buchs Sage (t. d.
Pfordten S. 238); Ingolstadt 1312, aber hier nach der Bürger Bitte
(Ostermaier HI, S. 6G); ebenso Rain 1392 (R B. X, p. 308); Kelheim
1335 (Träger, Geschichte der Stadt Kelheim. Passau 1823. 8. 159).
3) Vgl. LuBchin S. 203 und v. Below a. a. 0. S. 223 £
4) c II § 1 (G engl er): Jegelich werltlich gerichte hat begin Ton kor.
Daz ist also gesprochen, daz dehein herre den leuten keinen rihter geben
sol, wan den si welcnt (vgl. aber Ssp. I, 55 § 1).
5) Thudichum i^Die Gau- und Markenverfassnng in DentschUnd.
GioGcn 1860) S. 50 f. weist an der Hand süddeutscher WeistOmer den ForU
bestand eines Wahl- und Vorsclüagsrechts des Volks bis hu 16. imd
16. Jahrhundert auch in andern Rechtskreisen nach.
— 157 —
herrlichen Gewalt auf die Gemeinde; damit erscheint die Selb-
ständigkeit des Stadtgerichts angebahnt. Denn vorerst ist es
nur die Civilgerichts- und die niedere Kriminalgerichtsbarkeit,
zu deren Aburteilung die herzoglichen Privilegien das Stadt-
gericht für zuständig erklären. Dagegen behält sich der Landes-
fürst die höhere Kriminalgerichtsbarkeit vor: Swenn och wir
hingelazzen unser geriht, so haben wir selb über nicht ze
rihten, wann über den totslack^), verheißt H. Rudolf 1294
(§ 9)*) den Münchnern, nachdem Heinrich I. im Landshuter
Privileg 1279 (§ 7)») die Kompetenz des Stadtrichters da-
hin begrenzt hatte: Judex civitatis praefata omnia, scilicet
contractus et maleficia judicabit extra ea, quae inferunt causam
mortis. Der Landesherr reservierte sich also nur die Be-
strafung der todeswürdigen Verbrechen, denn auch die alleinige
Hervorhebung des Totschlags im Rudolfinum *) ist so extendie-
rend zu interpretieren, wie auch die in den spätem Gerichts-
privilegien regelmäßig der landesherrlichen Jurisdiktionsgewalt
vorbehaltenen drei Sachen, die zu dem Tode ziehen, das ist Dieb-
stahl, Notnunft und Totschlag ^). Nicht nur in den den Städten
und Märkten®) verliehenen, sondern auch in andern Gerichts-
privilegien erscheint diese Dreizahl so regelmäßig, daß sie einen
ganz formelhaften Charakter annimmt ^). Auch diese drei Ver-
brechen werden nur als Repräsentanten der Kapitalverbrechen
1) Das logolst&dter Stadtrecbt 1312 a. 6 hat statt „totslack*' — (an
aber den) tot Qu. o. Er. VI, S. 205.
2) Gengler, Deutsche Stadtrechte des Mittelalters. Nürnberg 1866.
S. 296.
3) Ibid. S. 234; vgl. Konfirmation 1364 (Rosenthal S.82).
4) Totschlag ist wohl hier im Sinne des § 29 des Budolfinom als „ein
groKzez dinck, daz nf den tot geziuht** zu verstehen. 1347 bestätigt K Lud-
wig es als eine alte Gewohnheit, dafi weder der herzoghche Vitztum noch
ein andrer Beamter mit den Münchner Bürgern nichts zu thun haben soUen
dum um die drei Sachen, die an den Tod gehen und rühren (M. B. XXXY, 2,
p. 89).
6) Vgl § 8.
6) Bain 1322 (Gengler, Stadtrecht S. 366), KuÜBtein 1339 (y. d.
Pfordten S.239); 1321 Markt Aibling, 1374 Moosburg (B. B. VI, p.31;
IX, p. 117).
7) YgL Osenbrüggen, Das Strafrecht in K Ludwigs Landrecht 1346
(Studien zur deutschen und schweizerischen Bechtsgeschichte. Scha£Phausen
186a S. 191).
— 158 —
betrachtet, wie denn geradezu die Auffassung, daß unter diesen
die Vitztumhändel ^ überhaupt zu begreifen seien, Bestätigung
findet«).
Der Stadtrichter ^) hat gewöhnlich eine Doppelstellung ^).
Einerseits ist er richterliches Organ der Stadtgemeinde, soweit
die Gerichtsherrlichkeit vom Landesherm auf die Stadt über-
tragen \sird. Er ist dem Stadtrat, welcher Instruktionen für
seine Amtsführung erläßt, untergeben, wie ja auch eine Berufung
gegen die Urteile des Stadtgerichts zum Stadtrat mehrfach an-
erkannt ist. Auf der andern Seite war der Stadtrichter Organ
des Herzogs, von dem er bestellt und mit dem Blutbann be-
lehnt worden, zur Ausübung der ihm reservierten Blutgerichts-
barkeit ^). Eine Änderung erfuhr diese doppelseitige Natur des
Stadtrichteramts erst, als auch die Kriminalgerichtsbarkeit auf-
hörte, herzogliches Reservatrecht zu sein, und auf die Stadt
übertragen wurde. Während für München schon der Alberti-
nische Rezeß 1561 die peinUche Gerichtsbarkeit bestätigte*),
wurde andern Städten erst am Ende des 16. und am Anfange
des 17. Jahrhunderts von Maximilian I. die Krimina^urisdiktion
gegen ein Äquivalent") von 50— öOOfl. jährlich eingeräumt*).
1) Vgl über diese den Abschnitt Aber den Rentmeister.
2) Vgl für Landshut (1408) und Straubing (1497) RoBenthalS.82£,
262, für München W e h n e r S. 18.
3) Eine Eumalicrong des Postens eines Stadtrichters mit dem ehm
Landrichters (für den umliegenden Bezirk) findet sich aach vereinzelt Der
Richter bezeichnet sich dann als Stadt- and Landrichter, doch wird dann m
den Gerichtsbriefen Stadt- oder Landgerichtsverhandlnng genau nntersehieden
(z. B. M. B. VII, p. 201 ; XX, p. 249).
4) Diese Doppolstellung kommt znm Ansdracke im Eide, indem der
Stadtrichter dem Landesfürsten zu seinen Freiheiten and Rechten, detgleieheB
gemeiner Stadt . . . auch zu ihren Rechten and Freiheiten getrea m sein
schwort
6) So in München und landshut (Weh n er S. 17, 22, Boaenthai
S. 78), während in andern Städten, z. B. in Straubing (ibid. &. 262)» das ftr
die Kriminaljurisdiktion zuständige Organ die herzogliche Regienmg war,
doch war der Stadtrichtcr auch in München gehalten, «von jedem peinUclMn
Falle an den Hofrat Bericht zu erstatten.
6^ Wehner S. 22.
7) Burghausen 1581 (Hub er, Geschichte der Stadt Borghanaen. 1862.
S. 20($), Landshut 1601, Straubing 1602 (Rosenthal S. 79, 265).
8) Über die Einnahmen und Ausgaben des Oberrichteramts gehen die
Bestallungsbriefe Aufschlufi. Der Oberrichter Ton Ingoldatadt i. B. ezbilt
— 159 —
Die räumliche Ausdehnung der Jurisdiktion des Stadtgerichts
fiel im allgemeinen zusammen mit den Grenzen des städtischen
Weichbilds, des Burgfriedens. Ausnahmsweise wurden die Grenzen
der Gerichtsgewalt erweitert, indem der aus dem Marktfrieden ^)
hervorgegangene Stadtfrieden im Interesse einer förderlichen
Entwicklung des Verkehrs auf die nächste Umgebung der Stadt-
markung ausgedehnt wurde').
Der Gerichtsbarkeit des Stadtgerichts waren innerhalb des
Burgfriedens alle Bürger der Stadt unterworfen ^). Wohnsitz
und daneben Grundbesitz bildeten den allgemeinen persönlichen
Kompetenzgrund auch in den Städten^). Die Befreiung der
Bürger von auswärtigem Gerichtszwange war der Eckstein
städtischer Freiheitsrechte. In allen Stadtrechten wird es wieder-
holt, daß kein Bürger, ausgenommen bei Klagen um Eigen und
Lehen*), an ein auswärtiges Stadt- oder Landgericht geladen
(1560) jährlich : ftlr Hanszins 15, für Salzzoll 8 fl. Femer folgende Sporteln :
Ton jedem Vertragsbriofe 24 \t Sioglong V« PW. -3v, Pf&ndung 16 \, von
jedem Wirt zu den 3 Quatembem 40 ^ von jedem Bäcker 16 \, Ton den
Schuhmachern 2 Pfd. \, von jedem Metzger 15 ^ vom Eörmnesser 5 '/a Viertel
Haber, yon allen Fischern 12 sh. X + 60 X (oder ein Essenfisch), von den
Brauern von jedem Snd von Bartholomä bis Pfingsten 25 X , von da bis
Bartholomä die Hälfte and Strafe für einen verhaltenen Snd 5 Pfd. 60 A.»
Ton jedem Zeugen bei Gericht 72 \, von Jedem, der Hecht erlangt, 72 \f
vom Stadthirten 2 Pfd. X. Die Strafen werden während der Dulten ver-
doppelt. Diesen Einnahmen stehen folgende Ausgaben gegenüber: dem
Landesherm jährlich 59 Pfd. \j dem Bischof zu Freising 40 Pfd, dem ünter-
richter Kostgeld 12 Pfd., Weihnachten dem Stadtknecht 1 Zopf und 1 Käse
oder 20 Kreuzer daftlr; jedem der 8 Knechte 15 Kreuzer. Der Richter muß
2 gertLstete Pferde halten, dazu 1 Knecht und 1 Buben. Er soll einen eignen
Schreiber halten. Jedem der 4 Richtersknechte wöchentlich 20 Kreuzer für
die Kost» dem Blutschergen die 3 Quatember Iß \ (Gerstner, Geschichte
der Stadt Ingolstadt München 1853. S 211).
1) V. Maurer, Geschichte der Stadtverfassung in Deutschland. Erlangen
1870. m, S. 339.
2) So bestimmte z. B. § 3 des Landshuter Stadtrechts 1279, daß jede
Verletzung an Handelsleuten im Umkreise von 2 Meilen durch den Stadt-
richter geahndet werden soll
3) Über den besondem Gerichtsstand der Juden und der Hofdiener vgL
S. 160 t
4) VgL W ach, Handbuch des deutschen Civilproze&rechts. Leipzig 1885.
I, S. 399, 435. •
5) Münchner Stadtrecht 1294 § 15: £z habent och unser Burgaer die
genad und daz reht, daz dchain Auzman dchainen Burgaer uz der Stat uf
— 160 —
werdeu dürfe. Nur wenn ein Bürger in einem andern Gerichts-
sprengel ein Verbrechen begeht und auf handhafter That er-
griffen wird, darf er vom Privilegium de non evocando cive
keinen Gebrauch machen ; er verliert den Gerichtsstand an seinem
Domizil und das forum delicti commissi, zusammenfallend mit
dem forum deprehensionis, tritt an seine Stelle. Dieses Prinzip
des deutschen Rechts ^ ) findet wie die übrigen über Gerichts-
stand auch im bairischeu Stadtrecht Anerkennung').
Dem Stadtgericlite waren in allen Prozessen mit Christen
und in Malefizsachen *) auch die Juden unterworfen*). In Baiem-
Landshut machte sich das Judenschutzrecht^) der Herzoge in
einer Privilegierung der Juden in Bezug auf den Gerichtsstand
geltend. Unter Verleihung einiger prozessualer Vorrechte ge-
stattete Herzog Friedrich 13. Dezember 1380 den Juden nur
vor seinem Hofmeister, oder wohin er das Recht schaffe, Recht
dchain Lantgcriht umb dchainer hand sache geladen oder gedingen mack, a
8i dann umb aigcn oder umb Lehen, daz in der Qrafscheft onerhalb der
Stat lit; ez si dann daz man dem auzman in der Stat geriht verziehe und
daz bringen mag (Gen gl er, Stadtrechte S.295\ vgl noch Münchner Stadt-
recht a. 402 (Au er S. 154). Dies Privileg wurde noch eingerftamt 1274
Dingolfing (6 e n gl e r, Codex I, p. 77B t), Landshutl 279, 1841 (R o 8 o nth al
S. 85\ Deggendorf 1316, Amberg 1325, Cham 134J (Qengler, Codex I,
p. 729, 35, 483), Öttingen 1340 iReg. Bav. VII, p. 289).
1) iStobbe, Grundsätze der deutschen Rechtsquellen Aber donGerichti-
stand, in Jahrb. d. gem. deutschen Rechts I, S. 450.
2) Die L. Fr. II a. 18, 19 ^27) ordnet an, dafi eine auswärts dclinqmerende
bekannte und wohlan«^'csc88ene Person am Thatort nur abgeurteilt werden
darfe, nachdem der Richter des Domizils um Auslieferung angegangen worden
ist Behauptet der Delinquent seine Unschuld, so hat er sie binnen Jahreafrist
darzuthun, nachdem er das Recht verbargt Für Stftdte und M&rkte foDten
diese Vorschriften nur insoweit Geltung haben, als bei ihnen nicht ein andrea
Herkommen bestände. Vgl. Rosenthal S. 86.
3^ Gotthclf, Histor.dogmat Darstellung der rechtlichen Stellang der
Juden in Baiem. München 1851. S. 38.
4^ Es ist auch unser statrccht^ swaz ein jud mit einem Christen in der
stat zo schaffen hat, darum sol er recht nemen vor unserm richter an der
schrann und nindert anderswo — das bezeichnet ein Eintrag im Landshnter
Stadtbuch aus dem 14. Jahrhundert als altes städtisches Herkommen. YgL
Kosenthai S. 87, 198.
5) Ende des 12. Jahrhunderts besauen die bairischen Herxuge schon daa
Judenschutirecht Vgl. < ; o 1 1 h e 1 f S. 23.
— 161 —
zu nehmen^). So stand es also im Belieben der jüdischen
Prozeßparteif das Stadtgericht abzulehnen und sich der Ab-
urteilung durch das herzogliche Hofgericht . oder desjenigen
Gerichts, an welches der Herzog den Rechtsstreit zur Ent-
schedung verweisen würde, zu unterwerfen. Für Rechtsstreitig-
keiten der Juden unter sich war, was für Oberbaiem durch
eine Urkunde K. Ludwigs 1315 •), welche den Juden in
seinen Landen die Rechte der Juden von Augsburg ^ ) einräiunte,
bezeugt wird, der Judenmeister *) der zuständige Richter. Dieses
Rechtes schiedsrichterlicher*) Entscheidung erfreuten sich die
Juden schon im fränkischen Reiche^).
Der Jurisdiktion des Stadtgerichts waren auch unterstellt
die innerhalb des Burgfriedens sich aufhaltenden Fremden,
und zwar sowohl als Kläger wie als Beklagte^), besonders
wenn ein Bürger dem Gast gerichtlich Arrest anlegen läßt.
Dem Fremden wurde beschleunigte Rechtshülfe®), namentlich
in Abkürzung der Termine bestehend, gewährt im Interesse
eines ungehinderten Fremdenverkehrs, damit der Gast am
nächsten Tag seiner Tagwaid (= Tagreise) nicht versäumt sei.
In München wurde sogar dem Stellvertreter des Oberrichters,
1) B. B. IX, p. 64. Dieses Privileg wurde bestätigt durch Herzog Hein-
rich am a Januar 1417 (ibid. XII, p. S43).
2) M. B. XXXY, % p 46. 1316 erteilt E. Ludwig den Ingolstadter Juden
die Bechte der Juden von Augsburg. Vgl Ostermaier I, S. 6.
3) Vgl Stobbe, Die Juden in Deutschland während des Mittelalters.
Braunschweig 1866. S. 144 t Das gemischte, aus Christen und Juden be-
stehende Gericht fOr Streitigkeiten zwischen Juden und Christen wurde 1436
anigehoben.
4) Chr. Meyer, Stadtbuch von Augsburg S. 53, 56 a. 19 § 1, 3, 7.
5) B runner, Bechtsgeschichte I, S. 275, weist darauf hin, dafi sich die
rechtliche Behandlung der Juden in der fränkischen Monarchie an die Zu-
stände des römischen Beichs angeschlossen habe.
6) Ober Begensburg YgL S. 187 £
7) Der Gast konnte Ortsfremder (Inländer) oder Ausländer sein. Auch
Klagen eines (Bastes gegen den andern konnten vor dem Gastrichter geltend
gemacht werden. Vgl Stoizner, Das Gastrecht der Hauptstadt München.
1784. S. 26 l Nach Buprecht v. Freysing n c 69 (Maurer & 309 f£), der
sehr ausfOhrlich hier vom Gastrechte handelt, war dies nur zulässig, wenn
dem einen Gaste daheim das Becht verweigert ward.
8) Mtlnchner Stadtr. (Auer) a. 15, 60, 260 (294) und 395; Ldr. a. 297;
Landshut (Bosenthal S. 188, AnL VII n. 1), Deggendorf 1316 a. 35
(Oengler, Cod. I, S. 730).
Rofenthal, Geschichte d. Oerlchtiw. a. d. Venr.*Orc. Balernt. I. ^\
- 1C2 -
dem Uiiterrichter das Gastrici] t«raiiit besonders üluTtragen,
welcher allwöchentlicli am Mittwoch Gastgcriclitsüitzung abluUten
QiuQte ')' Dm Berufung gegen das Urteil des Gastrichters ging
ZDtD Hofrat *). Wie in München hielt auch in Ingolstadt
der Unterrichter jeden Mittwoch Gastrecht'), In Rain*)
war die Beschleunigung der Rechtshfllfe fllr Gäste durch die
Anordnung gesichert , daß , falls der Vogt nicht zu !iabi>D
sei, der Battcl statt seiner den Gast richten solle, als Gastet
Recht sei.
Von den Einwohnern der Städte waren von der stAdtischen
GerichtBgewalt eximiert*) das herzogliche Hofgesinde, die Hwf-
schutzvcrwandten ' ) und die hüheren Beamten (lUte, Secretäre etc.
nebst Ehefrauen und Witwen], während die fürstlichen Kanzlisien,
Advokaten, Prokuratoren, Stuhlscbreiber etc. nur in Bezug auf
ihre Amtsdienste exiniicrl waren, rerner erstreckte sich die
Exemtion auch auf die Geistlichen, aber nur soweit diese der
kirchlichen Jurisdiktion unterstellt waren ' ).
Kehren wir nun zur Besetzung des Stadtgerichts zurflck,
so interessiert uns vor allem der Unterrichter, welcher uns in
MflDCbon und Ingolstadt bereits in seiner Fnoktiou als Gast-
richler begegnet ist. Der Uuterrichtcr*) erscheint als Stell-
vertreter des Sladtrichters, der nicht melir im Stande war,
mannigfaltigen richterlichen Geschäfte persönlich zu besorgen,
1} Wehtier S. 61
3) Stoiiner a 17.
3) Oeiitner 8. 311.
4) 1332 § 6 (Lori, Lechnin H, S. SU
5) Fehlt ea >acb tii di« frnbere Zeit an ntkandlich^n Beleg<w fllr i
EiemtiDii, lo kuui doch an deren Bditeoi nicht getwoifolt wardea,
Joriidiktioii de* Hafmeüten and Hoftnanch&Ui ab«r du Uofgwiiida ■
eine lehr alt« uL Zu einer Auäeiebnnng kam ei ent, als lUa
Kompetenikonfläta sine feste QmndUge all wanichnnawert onchelnaB U
So (andeD in Manchen die Streitigkeiten dnrch dun vogettanntaa l
lebeD R«wB 1G61 ihren AbicUul (Wehner S. tiT t). In ■
L R Landikut and Stnabing, worden bei du Obortragoiig (
JnnedOrtionagmralt anf die Btftdt 1001 nnd tOOS ancb die m
MDBokategorien nrkindlich Odart (Boientbkl a79,3aG).
6) Amn. ad cod. dr. pari V c. 37 g 23.
7) Vgl ». « t
8) In MfluheD wabncbelntiah au dem Ante dai Oeriebta
benorgegangeu. Vgl Wehnai S. 16.
- 163 —
seit dem Anfange des 15. Jahrhunderts * ). Bald nach dem
Auftreten dieses Stellvertreters und wohl infolge desselben
nimmt der Stadtrichter den Titel eines Stadtoberrichters*) an.
Erwählt wird der ünterrichter durch den Oberrichter und den
Stadtrat gemeinschaftlich ^) ; er wird auf die Wahrung der
Rechte des Landesfürsten und der Stadt, sowie auf Gehorsam
g^en den Stadtoberrichter vereidigt. Seine Hauptfunktion
bildet der Vorsitz im Stadtgericht *) an Stelle des Oberrichters
und die regelmäßige Abhaltung der Gastgerichtssitzungen.
Der Gerichtsschreiber im Stadtgericht ist in Oberbaiem
seit K- Ludwigs Gesetzgebung ein unentbehrliches Glied der
Gerichtsbesetzung. In Niederbaiern dagegen begegnet er erst
seit der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts. Seine Funktionen ent-
sprechen denen des Landgerichtsschreibers ^). Häufig versieht der
Stadtschreiber zugleich die Geschäfte des Stadtgerichtsschreibers.
Das Urteil wurde am Stadtgerichte wie im Landgerichte
gefunden®) von den anwesenden Mitgliedern der Gerichtsgemeinde.
Es war diese Funktion keineswegs auf die Mitglieder des Stadt-
rats beschränkt. Diese bildeten nicht ein abgeschlossenes
Schöffenkollegium. Zwar werden unter den Urteilfindem die
Mitglieder des Rats^) in den Gerichtsbriefen stets an erster
1) In Mfinchen gegen 1410, in Landshut 1422» in Straubing gegen 1390,
in Ingolstadt gegen 1505. Vgl. Geiss (Oberbayr. Archiv XXI, S. 47;
XXVm, S. 51, 91; XXVI, S. 73).
2) In Landshnt seit 1458, in Mfinchen and Ingolstadt erst seit dem An-
fange des 16. Jahrhonderts.
3) Vgl Rosenthal S. 313.
4) Der Unterrichter von Landshnt wurde auch von der Regierung mit
dem Blutbann in benachbarten niederbairischen Landgerichten belieben. So
X. B. 1584 dem von Plapphart der Blutbann in 11 Landgerichten. Vgl
Eosentbai S. 7a
5) Vgl Mfincbner Stadtr. a. 259, 270 (Au e r S. 100, 104); Rosenthal
& 94f; 269 £
6) Vgl Rosen thal S. 62 £, 92 £, 257, 268.
7) Beispiele: 1362 Eelbeim: Die Geschwomen von der Stadt K und
andere ehrbare Leute ein michel Teil; 1398 Abensberg: An dem Rechten
sind gewesen die geschwomen Bflrger zu A. und andere ehrbare Leute ein
michel Teil ; 1425, 1430 Landsberg : Bei dem Rechten sind gewesen 8 Bflrger
and andere ehrbare Leute genug; 1441 Reichenhall: Die Weisen des Rats 5
nnd von der Gemeinde 1 (M. B. XIII, p. 398, 416; VII, p. 201; XX, p. 249;
in, p. 674).
11*
Stelle') genannt, ulicr es wird regelmäßig binzugosetzt nUiid
andere ehrbare Leute genug".
Mit der Einführung des Ludwigschen Stadtrticlits wird auch
die Aufgabe des Stadtrichters in dessen Geltungsgebiet eine
andere. Wie der Landrichter ist jetzt der Stadtrichter nur
ein Frager des Rechts, deun er und nicht die Gerieb tebeisitzer
entficbeideo den Rechtsstreit nach Maligabe des Inhalts des
Stadtrechts. War dieser dunkel oder bot das Stadtrecht kein«
EntscheiduDgsnorm dar, so hatte entweder der Richter die
Meinung des Stadtrats zu erholen, der in diesem Falle die Eul-
Bcheidung fällte *), oder der Richter hatte die 5 Besten au der
Scbranue zu fragen ') auf ihren Eid, was sie recht daruai dünke • ).
Nur wenn diese 5 sich nicht einigeu konnten, erwuchs der Rechts-
streit zur Entscheidung an das Hofgericht
Da, wo das Ludwigsche Stadtrecht nicht Geltung erlangte *\
blieb die Thätigkeit der Beisitzer im Stadtgericht unvcrAndert
die alte. Der Richter, welcher einen der Beisitzer um du
Drtcil fragte, sollte sich mit der Urteilsfrage nicht nur au den
Kämmerer, Bürgermeister oder Redner wenden, sondern nach
seinem GutdQnkcu auch unter den Übrigen Beisitzeni zuerst
Umfrage halten. Der um das Urteil Befragte bespricht »cb
mit den andern Beisitzern. Wurde keine Übereinstimnmng
erzielt, so ward das Urteil der Mehrheit und der UrteOs-
Torschlag der Minderheit aufgezeichnet, damit bei einer Be-
rufung beide Anschauungen dem Üofgoricht vot^egt wenleo
konnten*).
1} Id der SUdb- tmd MarktgerichbordDang UDiaricba d. B. hetftt m: So
■lüleQ iJle biuget io rtcten und rairktaD, wuui recht ««in u>l\, AudciUchca
IB dem T»cht«D gen und tuoder der nl« iRotcDthal S. SM n. 101.
3) So inMOncbeit. Vgl WefaDDraSS (Sudtnebt •. 308; A b a r 8. llfl).
8) So in lugolitudt und Nenitadt; wenigitow finden lish in 4a anf
diM« 8udtc Uat«nden lUodichiiften die ton Anar (•. 419. tSlt inUmBA
d«m HOncluier Stadtrecht mgawiMeam Bwtlinniiuigtai. Vgl r. dPfoidloa
8.818.
4) Siel» 8. 76 £
^ In Ftiodberg twtten bei den BecbtMtcbes, di« u Ltib bdJ Bm
0 uiweeenden Biad«rlenl«, tonit ov 6 oder ^
nH^iedn. du Urteil in Uoden (Prir. 1388 g 6 bei *. d. I'foidton S.H4)w
6) SUdt- and MuktgericliUordniuig ilonog Hcinrichi (Baeaatbal
S. «n, UX u. 2, i 8).
— 165 —
Für Ladungen und Exekutionshandlungen waren auch dem
Stadtgerichte ein oder mehrere Fronboten ^) beigegeben, deren
Wirkungskreis ') sich im allgemeinen mit dem des landgericht-
lichen Schergen^) deckt*). Richtersknechte waren zu ihrer
Unterstützung bestellt, während Gerichtsboten dem Publikum
zur Verschickung nach auswärts in allen Kechtsangelegcnheiten
zur Verfügung standen. Der Fronbote verpflichtete sich beim
Dienstantritte eidlich sowohl dem Stadtrate, als dem Stadt-
richter zum Gehorsam.
Ein besonderes städtisches Vollstreckungsorgan war der
P&nder. Die Städte hatten das Privileg erlangt, unter gewissen
Voraussetzungen'^) wegen Forderungen der Stadtgemeinde oder der
Bürger deren auswärtige Schuldner^) zuerst nur in einzelnen Ge-
richten, dann im ganzen Gebiet des Herzogtums mit alleiniger
Ausnahme der Städte und Märkte pfänden zu lassen^). Diese
1) Anch Scherge, Büttel, apparitor, preco, Amtmann genannt
2) YgL Stadtrecbt (Auer) a. 4^ 14, 174^ 88, 89, 267; Rosonthal
S. 95 ff, 270 £
3) Vgl S. 79 ff. Nur wurde der Fronbote in den Städten yielfach als
polizeiliches YoUzngsorgan verwendet YgL z. B. die Dienstesinstraktion ftlr
den Stadtamtmann von Bnrghaosen 1577 (Haber S. 203 £), der neben den
Bichtersknechten den Markt zn beanfsicbtigen, die Beobachtung der Yor-
schriften seitens der Metzger, Fragner zu überwachen, die an Fasttagen
Fleisch Essenden, die während des sonntäglichen Gottesdienstes Speisen and
Getränke Yerabreichenden and die Flachenden and Scheltenden anzuzeigen
hatte. YgL aach Traansteiner StadtO. 1375 (Westenriedor, Glossarium
Gennanico-Latin. Monachii 1816. p. XXYI, XXIX).
4) Daä der Fronbote an SteUe des Richters richterliche Funktionen
ausübt, wie der Büttel in Rain bei Yerhinderung des Unterrichters Gastrecfat
besitzt, gebort zu den Ausnahmen. In Landshut konnte der Scherge den
abwesenden Richter bei Yomahme von Immobiliairerpf&ndungen vertreten
(Bosenthal S. 70).
5) Yorhergängige Mahnung des Gläubigers unter Androhung der Pfän-
dung nach 14 Tagen.
6) Landshut 1279 § 2, München 1294 § 19, Rain 1363 das Privfleg
einen PfiUider zu haben in aller Maß und Weiz als die von München (Lori,
Lechrain S. 66), ebenso Eufistein 1339 (v. dPfordten & 239), Straubing
1307 als altes Herkommen bestätigt, Ingolstadt 1471 bestätigt Noch andre
Städte führt an v. d. Pfordten S. 174.
7) Für München 1345 auf das Yitztumamt München ausgedehnt, nach
einer Ratsordnung von 1540 auf Ober- und Niederbaiem erstreckt (W ebner
8. 81). Landshut erteilte K Ludwig die Freiheit daz si mit irem fironboten
nmb ir gelt und schulde pfenden sülln und mügen als veno und als weit
rfimduiiguD hattäD diu Pfänder auf Ersuchen der Parteien gc^seo ]
L'iiUprochendc Gebülircn vontunehiutiD , ttiußtun aber die Gc- [
nuhniignug des Bürgcrnieislers zur Vornalimc dieser Amts- j
handlung eiuholeu ').
Den Reigen des gericbtliclieD UUlfepcTSonals schlieüt der 1
Züchtiger oder Nachrichter, der, wiu unten gezeigt wunic*), ]
von der Stadt aus •) zur Vollziehung von Todes- und Leil)C3- 1
strafcii ' ) in die benachbarten Landgerichtsbezirke requiriert j
wurde. FQr Amtshandltmgcn in der Stadt bezog er aus der 1
Stadtkasse die festgesetzte Gebühr.
Die Vorsprecher, deren Wirkungskreis vrir schon hei Er-
örterung dieses Instituts ') kennen lernten, standen im stftdti-
Bchen Dienste "), d. h. sie wurden vuiu Stadtrate üraannt') und
bezogen neben dem von der vcrboistandcten Partei bexogei
Honorar eine fixe Besoldung aus der Stadtkasse. Sie uutur- 1
Stauden der Disziplin des Stadtrats und Uire Stellung wurde]
durch autonome Satzungen geregelt, die sich namentlich aucltl
auf Festsetzung des Honorars für die einzelnen Dienstleistungen »jT
erstreckte. Wenn auch die Versprecher für die Vertretung der!
uuer henctaan le üaym ist (Kosenthil S. 128). In Ludihnt |ib m
■Im keinen bMoadem PKnder.
1) So Stnabing (rgl. aber SUdtrecbt [Aaer] ft. 301), wo uich tia tTBl«k..J
b&afel tiFitellt vu im Hitwirknng lei Vergutnog ton Inunobilicn nnd Frt |
bietong roa Hobilürpflndem.
2) Undger. & 84.
8) Nscb der nioderbtdriicben LO. 1474 Nieo Xtchiicbtn fn I
IitfColttAdt and Bargbttnsen, Die OcbSbren, wolcbe or fDr Volliiefaanc •
lUnriditiing, OhreaabBchoeideii, AngeiuiiebrecheD, Biennen dnrrb die S
ond Backen, lovie Rtr Antitreicben n beMupracbeo haU«, «rbOht« Mw^
«enn er aaleilitlb des AmtMttiei thfitig wurde; »nterdem bei^ «r Ana
nocb ZehranK (Krenner VII, S. 493 t).
4) Aneh die VoUziebiiiig dei Scbaldbaft lag Um ob (Stadtnekt l 10,
Aner). Dann war flun aach die Ao&icbt Aber da* Pnnoabua ftb«Ttn(iB
X. B. in Landtbnt
6) S. 84.
6} Ober die ünt«ncbeidtuig von PanprAclMni, Rodnera, Foriegvm nd
Beratern, eowje über die saufDbrlicho Ileglsng der l
Vonprecher in Landihat igL Buientbal S. 09 IE
7j Ancb vom Iticbter, aber nur mit OeDehmigaDg dea Bat*. ^
fDr Ingobtadt 1313 beiütlrrmaiorni. &66.
5) Btadtnebt (An et) a. 414-417, welche die 6llher I
•atgaltUtUMlt (4. 273) ufbeben.
"f^l
— 167 -
Parteien vor dem Stadtgerichte resp. vor dem Stadtrate bestellt
waren, so war es ihnen doch gestattet, auch auswärts Partei-
verbeistandungen zu übernehmen. Den Interessen der Bürger
zu dienen war ihre vornehmste Aufgabe, und darum war es
ihnen auch untersagt, vor einem auswärtigen Gerichte die Ver-
tretung eines Fremden gegen einen Bürger ihrer Stadt zu über-
nehmen *). Auch die Beiziehung eines auswärtigen Vorsprechers
war zulässig, aber nicht in Prozessen, in welchen beide Parteien
Bürger waren*).
•
Der Stadtrat.
Neben und über dem Stadtgerichte war auch der Stadtrat
als gerichtliches Organ thätig. Der Darstellung dieser Funktion
des Stadtrats sei eine kurze Skizze der Ratsverfassung bairi-
scher Städte vorausgeschickt.
Die Thatsache der fürstlichen Gründung der bairischen
Städte enthebt uns einer Untersuchung über die Entwicklung
des Rats in denselben. Wie andere Institute wurde auch das
des Stadtrats, welcher sich in andern freien und bischöflichen
Städten erst in langsamer Entwicklung, oft im Kampfe mit
widerstreitenden historischen Mächten hatte herausbilden müssen,
alsb^d als ein fertiges Gebilde in das Rechtsfundament der neu-
gegründeten Stadt eingefügt'). Nach dem Vorbilde älterer
Städte schufen die bairischen Herzoge bald nach der Gründung
der Städte den Rat, als ein zur Selbstverwaltung der Stadt aus
Bürgern gebildetes Organ, das Hauptinstitut der städtischen
Verfassung.
Der Zeitpunkt der Einsetzung des Rats läßt sich nicht
genau bestimmen, da er gewöhnlich schon lange existierte, ehe
1) So z. B. in Straubiog.
2) Niederbairiscbe Stadt- und Marktgerichtsordnimg (BoaenthalS. 202,
Anh. XIX n. 1).
3) YgL Rosentbal S. 12.
4) In kleioeren Städten kommt der Rat unter der Bezeichnung die Ge-
■cbworenen („die gescbworenen Borger*'» die „Geschworenen der Stadt**, die
„Geschworenen des Rats**) vor, z.B. M.B. Xm, p. 416, 398, 43a Die^e
Bezeicbnong findet sich vorzugsweise im bairiscb- Österreichischen nnd im
schwäbischen Gebiete. YgL v. Below, Die Entstehung der deutschen
Stadtgemeinde. Püsseldorf 1889. S. 94.
— 168 —
seines Daseins in den Stadtrechtsprivilegien urkundUch Er-
Nvähnung geschieht. Die Zahl der Mitglieder des Stadtrats ist
in den einzelnen Städten eine verschiedene ; gewöhnlich sind es
12^9 doch kommen auch Stadtratskollegien von 10'), 8') und
6*) Mitgliedern vor, während in Märkten die Mitgliedschaft auf 4
beschränkt ist^).
Im Laufe des 14. bezw. am Anfange des 15. Jahrhunderts
tritt zum Rate, der fortan der innere Rat genannt wird, ein
2. Kollegium, der äußere Rat, hinzu®). Seine Errichtung geht
aus dem Bedürfnisse nach einem Vertretungsorgane der Ge-
meinde hervor, damit in solchen Fragen, wo bisher der schwer-
fällige Apparat der Gemeindeversammlung in Bewegung gesetzt
werden mußt«, künftig in vielen Angelegenheiten nur ein Gemeinde-
ausschuß vom Rate beigezogen werden konnte ^). Im allgemeinen
dürfte analog dem heutigen Dualismus imsrer städtischen Kol-
legien (Magistrat und Kollegium der Gemeindebevollmächtigten)
der äußere Rat mehr als beratendes imd kontrollierendes, als
das die Gesamtgemeinde vertretende Organ fungiert, der innere
Rat dagegen als die mit obrigkeitlichem Charakter bekleidete
Gemeindebehörde die eigentliche Stadtverwaltung, das ganze
Stadtregiment geführt haben ^), wenn auch die Kompetenz^
1) 12 (provisores) rectores civitatis kommen vor in Landshnt ^(1256^
1279), München (Priv. 1294 § 1, 3, 5, 6, 7, Gengier, Stadtrechte &294X
Borghausen (1307 § 4^ Qengler, Codex S. 450).
2) 10 oder 12 in Ingolstadt (Rockinger in d. Bavaria. München 1800.
I, S. 796).
3) 8—10 in Amberg (1294 § 22, Qengler, Codex I, S. 34), 8 in Strau-
bing, Wasserburg.
4) 6 in Traunstein (1510, Wagner, Qetchicbte der Stadt Tnumitdn,
im Oborbayr. Archiv XIX, S. 193) ; femer in Abensberg, Nonstadt^ Friedberg;
Kain, Eelbeim.
5) z. B. Markt Eotzing 1344 (M. B. I. p. 447).
6) In München seit 1318, und zwar aus 24^ in Landshnt^ StnobioA
Ingolstadt, Eelbeim, Wasserburg aus 12 Mitgliedern, in Rain ras 8 beftehend.
7) So besagt das Straubinger Stadtbucb: die vom innem rat (•ollen)
12 aus der gcmain zu ainen aufiem rat . . wclen . ., die von einer ganaiB
wegen bei in sitzen umb des willen, das man nit albeg ein gemain beddif
vordem (K o s e n t b a I S. 228)
8) S oydol a. a. 0. III, S. 158, IGl, unterscheidet für das hentig« Redrt
Gemeindebehörden (Bürgermeister und Magistrat) als die für die GemeiDde
mit Uecbtswirkung nach aufion thätig werdenden Organe nnd Geiiieiiidi»>
— 169 —
abgrenzung sich nicht scharf auf dieser Linie fortbewegte, in-
dem es dem äußern Bat allmählich gelang, auch auf die Ver-
waltungsgeschäfte aktiven Einfluß zu gewinnen. Auch nach der
Errichtung des äußern Rats blieb eine beschränkte Teilnahme
der Gemeinde, besonders bei Erlassung autonomischer Satzungen
und bei Wahlen zu städtischen Ämtern erhalten. Nicht das
Plenum der Bürger, sondern nur ein großer Teil derselben,
80— 300, bildeten die Gemein, in welcher namentlich die Zunft-
genossen ^) ihren Einfluß bethätigten.
In kleineren Städten, wo das Bedürfnis nach einem 2. Bats-
kollegium nicht vorlag, blieb es bei dem Erfordernis der Ein-
berufung der ganzen Gemeinde bei allen wichtigen Angelegen-
heiten. Da aber die Häufigkeit solcher Gemeindeversammlungen
der Eintracht in der Gemeinde nicht förderlich war, ließ man auch
hier 8 Verordnete aus der Gemeinde durch den Bat wählen, welche
die Funktion der bisherigen Gemeindeversammlung übernahm.
Die Stellung und der Wirkungskreis dieser Verordneten ent-
spricht dem des äußern Bat s, wenn auch dessen Name fehlt').
▼ertretong (Gemeindebevollmächtigten), das Organ, welches, ohne nach aofion
för die Gemeinde zn handeln, den Gemeindebehörden beschränkend hin-
zütntL
1) In Mflnehen bestand ein „großer Bat*' ans 300 Bürgern. Durch den
die inneren Kämpfe abschließenden sogenannten Wahlbrief von 1403 wurden
die Angelegenheiten fixiert, zu deren Beratung eine Gemeindeversammlong
einberofen werden maßte. Vgl Bockinger in d. Bavaria I, S. 660 f.,
761, 763. In Landshut werden vorübergehend die Zflnfte als besonderes
Organ angeführt, z.B. 1403 waren meine herren inner und außer rat, die
xünft, darzn die wägsten und die pesten 200 man pey einander; zur gemain
worden 2—300, seit 1410 nur 100 Bürger berufen (Bosenthal S. 55 f).
In Ingolstadt wurde die Zahl der Geschworenen 1403 auf 80 festgesetzt^ „die
dem Bath hilflich und gerathen seyn sollen in allen Sachen, wo dem Bath
Koth geschieht und auch den äußern Bath zu wählen hatten*'. Niemand
durfte zu diesen 80 gewählt werden, der nicht mindestens ^/^ Pfd. A, von
seinem Erb und Eigen Steuer entrichtete (Gerstner, Geschichte der Stadt
Ingolstadt S. 70).
2) In einer Verordnung Wilhelms lY. für Abensberg und Neustadt 1513
(Kr. A. M. Cassawesen F ^/,g der Städte und Märkte): und nachdem . . .
unser stat A. und N. an in selbs nit gros sind und aine klaine burgerschaft
da ist, deshalb bei ine kain außer rat bisher gewest^ sonder anstat des äußern
rats ist durch si albeg ain gemain erfordert worden, und wann aber in den
steten und markten vil gemain zehalten und die oft zu beruefen aus yil Ur-
sachen Bchedlich und swer ist^ auf das vil zwitracht^ aufiruer und unainigkait
Au der Spitze des stildtischen GemeinweseDS stand
lieh der Stadtrichter, welcher mit Vcrwaltungsbefugnisseo
t;estiittet war. lUchler, Rat und Gcmeimle werden in den Vr^
künden häufig a]s handelnde Sulijekto aufgeführt, doch war der
Richter keineswegs Mitglied des Stadtrats '). Einen Fortjichrttt
in der Entwicklung der BtJUltischea Verfassung bekundete die
Ausbildung uiues Stadtvurstandes , der, aus dem Rate heraus
gewachsen, an dessen Spitze trat. Ursprünglich war ilies der
Kämmerer und 8i>ftter der Bflrgermeister. Damit hatte die
Stadtgemeinde aus ihrer Mitte ein Uaupt ihrer Genossenachaft
geschaffen. Erst mit der Zurückdrängung des Richters aua dem
Stadtrogiment, erst wenn or auf die gcricbtlicbe Thätigkeit be-
schränkt wird und der üürgcnueister nh Vorstand des StadtraU
auftritt, crschciut die Stadt als ein vollständig abgeschiosseoer
bürgerlicher Verband*).
I>er Bürgermeister ') war, wie früher der mit Erhebung aal
Verrechnung der Einkltufte, überhaupt mit Führung der sUdti-
sehen Wirtschaft betraute Kämmerer, nur ein primus inter pares.
Gewöhnlich dem inneni Kate entnommen, war ihm der Vorsits
und die Leitung der Ratsgeschilftc, sowie die Überwachung der
■wUcbni nt nnd geinaiii daraiu entot«t, Bolhi lafnrkomen und du daaiwd
ftiner genuin Dolhirft *n ainich zuumfordeniDK gauer genwiD tod liatm
nt« gehftndlt betracht werden mOg, »o ordDco a&d Mtiea wtr Uunit iwv
nnd wellen, dai die 6 dee indem nU, lo si beiUt find, Terer E
erbor butga aiu der genuin erluMen nnd welen lallen, dia irw
TentradiKisteti nnd taKÜchiatea MJea — L'od *o aln gemaia kbo
hkt, »l«ii«nii rollen «in genuin den Bellt penonen ko irar etet
nuelit tmd gewkit geben, klao wo uu rat dieeelben 8 *oo '
msin n in« erfordern, du m aUdsnn von gmtei geniain i
jede« danelb jar hiniunb helfen, handln und beBlüSen, du n
dar hemchaft und geraaiocr itat dient, in aller mal wie iu
nraanwlt« gemein am billicheit tbon tollten oder nachten,
wnrde ISID die Gemetndetataainiiilnng abgeachafll und alt BiMle>
achiJ *0D 8 Borgern beetellt (Fi ich er, Topop. QeMhichte im "
im OIwrb. ArohiT XIX, a 68),
11 Xaeh dem Bndolflnnra 13M § 3 durfte der äUdtiJGht«r fei
an den Sitnngen det Stadtrat* nvr («ilnehmen, wenn ar
aufgefordert wurde.
2) Vgl Giarke II. ä. 59it-
S) Gegen Ende des 16. und Anfang de» Vi. Jahrlintiderta
Bfllgomeiiteramt in Daiern anl
— 171 —
Vollziehung derselben übertragen. Die Zahl der Bürgermeister
wechselte. In München z. B. führte jeder der 12 innem Räte
io einem Monat das Bürgermeisteramt, erst seit 1580 wurde
ihre Zahl auf 4 beschränkt * ), jeder blieb ein Quartal im Amte *).
In München und Ingolstadt wurden außerdem noch 2 Stadt-
redner bestellt, welche besonders in den Ratssitzungen die Be-
schwerden der Gemeinde ') vortragen sollten *). Zu Pfändungen
hatte der Stadtredner in München seine Genehmigung zu er-
teilen und die Exekution gerichtlicher Urteile im Namen des
Rats betreiben*) zu lassen •).
Für die Wahl des Stadtrats war das indirekte Wahlsystem
eingeführt ; sie erfolgte überall durch Wahlmänner. In München
wurden 4 Wahlmänner vom innem und äußern Rat und der
Gemeinde ernannt, welche den innem Rat wählten. Dieser
wählte sodann den äußem Rat. Eine Ändemng des Wahlmodus
führte nach den Kämpfen mit den Herzogen ein der Wahlbrief
von 1403. Jetzt wählte der innere Rat ein Mitglied des äußem ^),
dieser einen vom äußem Rat, und diese beiden wieder einen aus
der Gemeinde, und diese 3 Wahlmänner wurden beeidigt und
1) Rockinger in Bavaria I, S. 669. Der znm BOrgermeister Erwählte
war zur Annahmo der Wahl hei Strafe yerpflichtet (Au er a. 464; a. 465
ebenso Stenrer oder Eammerer).
2) In Landshnt wechselten 2 Bürgermeister im halbjährigen, seit Ende
des 16. Jahrhunderts 4 im Quartalstnmas ; in Straubing fungiert nur einer
(Bosenthal S. 17, 229), dagegen fungieren in Burghausen auch 4, und
«war jeder V* Jahr (Huber S. 174).
3) In Ingolstadt durch Priyileg der Herzoge Ernst und Wilhelm 1402
„und der in Notdurft red und Sprech, wann ain Gemein ihr Notdurft durch
sie selbst nicht gereden noch gesprochen mag*' (Gerstner S. 69). Auch in
Beichenhall wurde ein Redner zu diesem Zwecke gewählt
4) In Burghausen steht 1401 an der Spitze des Bats „der ältere Bedner''
(„Anwalt und Bäte**), der ungefähr 1483 dem BOrgermeister weichen mufi
(Huber S. 148).
5) Au er a. 201, 499,* der Stadtredner kann auch bei Feuersbrunst
Häuserteile abbrechen lassen, a. 360, vgl noch a. 273, AnL YH a. 90.
6) In München wurde das Institut der Stadtredner schon 1403 wieder
aufgehoben; der Bürgermeister des äufiem Bats sollte künftig in der Ge-
meindeversammlung den Vorsitz führen (Bockinger in der Bavaria I, S. 764).
7) Derselbe Wahlmodus, wie in München, wurde durch Verordnung 1529
(5. April) auch für Burghausen eingeführt Vom innem Bat wurden 12 aus
der Gemeinde gewählt, die wir wohl als äußern Bat betrachten dürfen. Vgl
Huber S. 173£
— 172 —
wählten dann den Innern Rat, welcher sodann die Wahl des
äußern Rats vornahm^). In Straubing*) ernannte der innere
Rat 7 Wahlmänner (2 aus dem äußern Rat, 2 aus der Gemeinde
und 3 Handwerker), welche die treue Erfüllung ihrer Wähler-
pflichteu eidlich gelobten und dann den innem Rat wählten.
Natürlich mußte dieser Wahlmodus eine Kliquenwirtschaft sonder-
gleichen groß ziehen, denn es lag auf der Hand, daß der innere
Rat nur seine Kreaturen, die seine Wiederwahl verbürgten, zu
Wahlmännem erkieste.
Tiefgreifender als die Kämpfe der Münchner mit ihren
Herzogen waren die Folgen des Landshuter Bürgeraufruhrs
1410^) für die Entwicklung der städtischen Verfassung, die nun
eine Umgestaltung in reaktionärer Richtung erfuhr, indem Herzog
Heinrich der Reiche für sich und seine Nachkommen das Ein-
uud Absetzungsrecht des innem und äußern Rats ^) in Anspruch
nahm^).
Wenig entwickelt war die Kommunalfreiheit in Reichenhall,
wo nach einem Spruchbriefe Heinrichs des Reichen die Sied-
herren erbliche Räte waren, an deren Spitze der herzogliche
DRockingerin der Bavaria I, S. 761, 763 (762 Wahhnodos von 1377).
2) Bosenthal S. 230 £, der weler aid S. 304. YgL daselbst S. 230
die herzogliche Yerordnimg fOr Abensberg und Neustadt (1513), wonach die
6 des Rats and die 8 von der Gemain je einen Wahlmann ans dem andern
Eolleginm, beide Kollegien gemeinschafUich einen 3. Wahlmann ans der Ge-
meinde verordneten, welche 3 Wähler, nachdem sie geschworen, die besten
und nützlichsten zu einem Rat zu erkiesen, diesen erwählten. Der Rat wählte
sodann die 8 verständigsten and tauglichsten Bürger aus der Gemeinde (als
Gemeindeausschuä). Auch in Traunstein wurden seit 1510 so 3 Ratswähler
ernannt (Wagner, Top. Geschichte der Stadt Traunstein, im Oberb. Arch.
XIX, S. 193).
3) Hei gel. Die Witteisbacher S. 22, betrachtet das Verlangen nach
einer fireieren städtischen Verfassung als die tiefere Ursache dieser Aufwände,
die allerdings zunächst durch äufiere Zwistigkeiten veranlaßt wurden.
4) In Wirklichkeit gewann der Rat doch ein Eooptationsrecht, indem
der Bürgermeister mit einigen Räten ein Verzeichnis der ftlr vakante Rats-
stellen tauglichen Bürger jährlich dem Herzoge einreichte, welcher sein Er-
nennungsrecht im Einklang mit dieser Präsentation auszuüben pflegt (vgl
Rosenthal S. 19fil, 23 £, woselbst auch die 1551 von Albrecht V. ver-
suchte, aber nach 2 Jahren wieder angegebene Abänderung des Wahlmodus
erwähnt ist).
5) Ein Bestätigungsrecht der gewählten Räte stand dem Henog auch
in andern Städten zu.
- m —
Pfleger, später der Salzmaier stand. Nachdem 1495 alle Sieden
in die Hände des Herzogs übergegangen waren, ernannte seit 1521
der Pfleger und Salzmaier von landesfürstlicher Obrigkeit wegen
aus den Bürgern, denen also jede Anteilnahme an der Wahl
versagt blieb, 8 zum Rate, nur den Redner, welcher ihre An-
li^en im Rate vortragen sollte, durfte die Gemeinde aus dem
Rate wählen^).
In eigentümlicher Weise war das Wahlrecht der Gemeinde
und das herzogliche Ernennungsrecht kombiniert in Friedberg,
wo die Gemeinde 4 Ratsmitglieder aus ihrer Mitte erwählte,
während die übrigen 2 durch den Herzog oder seinen Pfleger *)
ernannt wurden *).
Nach vollzogner Wahl erfolgte die Vereidigung der neuen
Stadtratsmitglieder*), welche den Eid in die Hände eines Mit-
glieds der Regierung oder des Pflegers*) ablegten, indem sie
gelobten, des Landesherm und der Stadt Rechte zu fördern^),
unter Albrecht V. wird die Wahl durch einen landesherrlichen
Bestätbrief ausdrücklich konfirmiert. Die Bestätigung wurde
namentlich den der neuen Lehre zuneigenden Bürgern ver^
sagt').
Indem wir zu einer Betrachtung des Wirkungskreises des
Stadtrats übergehen, sehen wir ab von der Handhabung der
1) Hermann, Top. Geschichte der Stadt Beichenhall (Oberb. Archiv
XIX, 8. 107).
2) Stadtrecht 1404 (Lori, Lechrain S. 95) § 2. Wan nun ain yeglich
Statt oder Marckht ains geswom Bäte wol bedarf^ der ir Sachen nach dem
Pecten ausrichte, so haben ...
S) Über die Erfordernisse der Wahlfähigkeit vgl Bockinger in Ba-
Taiia I, S.763, Bosenthal S. 24 ff.
4) Eine eidliche Verpflichtung der ganzen Gemeinde zum Gehorsam
gegen den neugowählten Stadtrat fand in mehreren Stftdten statt
5) Cod. Bav. 2520 Kopien der zur Vornahme der Vereidigung ermäch-
tigenden Dekrete.
6) Von dieser Vereidigung (früher auch vereinzelt HandgelObnis) kommt
die Bezeichnung: der geschwome Bat oder die Geschworenen des Bats.
7) Cod. Bav. 2520. An Pfleger zu Schrobenhausen: Sofern nun dieselben
(Erwählten) zum Batsitz tauglich und sonderlichen der Religion halben in
kein Verdacht seind, sollst du den Wählern beiliegenden Bestätbrief zu-
stellen . . . Wieder andern Pflegern und Bichtem wird vor der Confirmierung
um Bericht geschrieben.
- 174 -
ihm übertragenen Polizei- und linanzgewalt Oi ^s deren Organ
der innere Rat erscheint, und wenden uns zu einer Besprechung
der gerichtlichen Thätigkeit dieser Gemeindebehörde.
Lange bevor das Stadtgericht ganz auf die Stadt über-
gegangen war, hatte der Stadtrat*) Elemente der Gerichtsherr-
lichkeit in sich aufgenommen und sich zu einem Aufsichtsorgan
des Stadtrichters aufgeschwungen. Eine Reihe von Amtshand-
lungen konnte der Stadtrichter nicht vornehmen ohne Zustim-
mung des Rats').
In München*) hatte schon das Rudolfinum 1294 (§ 6)*)
dem Stadtrat die Entscheidung über Beschwerden wegen Rechts-
1) Ich darf hier auf die ausführliche DarsteUung der Yerwaltongsthätigkeit
des Rats Yon Landshut und Straubing (RoseDthal S. 26 £, S. 232 fil) yer-
weisen, die im grofien und ganzen auch den Zustand in den übrigen Stftdten
Baiems schildert
2) Unter Stadtrat wird hier fOr die Zeit nach Errichtung des ftufiem
Rats stets der innere Bat verstanden.
3) Geleit und Friede darf der Richter nicht geben ohne Genehmigung
des Rats (oder des betrefifenden Gläubigers). Vgl Münchner Stadtr. a. 309. Nach
der Oberrichterinstruktion von 1582 (Cod. Bav. 2614) soU dieser nicht Macht
haben, einer Person ohne des Rats Yorwissen die Stadt oder das Burggeding
zu versagen oder sie daraus zu verschaflfen. Zustimmung des Stadtrats zur
Verhaftung von Bürgern verlangen Priv. für Cham 1341 (Gengier, Codex I»
S. 483), Genehmigung des Bürgermeisters die Ingolstadter Instruktion 1582L In
Landshut (S&dtr. 1279 § 7) wieder hatte der Stadtrat nur über das Vorhanden-
sein der gesetzlichen Voraussetzungen der Untersuchungshaft zu entscheiden.
4) Besonders charakteristisch für diese Subordination ist die Erlassung von
Stadtrichterinstruktionen durch den Stadtrat^ welcher also dem Richter bin-
dende Vorschriften fOr seine Amtsführung geben konnte. Aus der von 1560
hebe ich nur die SteUe hervor: So auch sonnsten Sachen und handlungen
für Ine khaemen, die nit für den Richter sonnder Burgermaister oder Rhat
gehören, soU Er sich nit understeen das wenigist darinn ze hanndlen oder
zu verbeschiden, Sonnder für seine 0 rdentliche Obrigkhait einen
Ersamen Rhat abweisen (Wehner S. 11, 12 A. 22).
5) Vgl auch Auer Anh. VH a. 41, 77; die Stadtger.o! 1586 bei
Wehner S. 13, nach welcher der Stadtrichter ohne des Rats Vergönnen
nicht über Nacht außer der Stadt sein darf und Parteien wegen ungebühr-
lichen Benehmens vor dem Stadtgericht durch den Bürgermeister zu strafen,
eventueU beim 3. WiederholungsfaUe die contumacia vor den Rat abgewiesen
werden soll — Diese Unterordnung des Stadtrichters unter den Rat ergeben
auch die Bestimmungen der Instruktion für den Stadtoberrichter von Ingol-
stadt 1582 (Cod. Bav. 2614), z. B. : Jeder Oberrichter soU Alles, was der Rat
statuiert^ vollziehen helfen.
<u. _
- 175 -
Verweigerung und Rechtsverzögerung des Stadtrichters über-
tragen. Erscheint der Stadtrichter hier auch nur der Disziplinar-
gewalt des Stadtrats unterworfen, so sehen wir doch auch diesen
wieder als reine gerichtliche Behörde thätig über und neben
dem Stadtgericht. Die Intensität der Gerichtsgewalt des Stadt-
rats tritt in aller Schärfe hervor in seiner Stellung als Berufungs-
instanz ^), indem gegen die vom Stadtgerichte ergangenen Urteile
Berufung zum Stadtrat erhoben werden konnte. Damit war ein
bedeutungsvoller Schritt in der Ausbildung kommunaler Selb-
ständigkeit gethan. Der Stadtrat war, wenigstens in einigen
Städten Baiems, als eine gerichtliche Berufungsinstanz ein-
geschoben zwischen dem herzoglichen Hofgericht und dem Stadt-
gerichte'). Hatte der Stadtrat auch nur in wenigen Städten
den Charakter einer Berufungsinstanz ^) über dem Stadtgerichte*),
so hatte er doch überall neben diesem eine teils ausschließliche,
teils konkurrierende gerichtliche Kompetenz.
Wie in andern deutschen Städten die Gerichtsgewalt des
Rats sich auf all diejenigen Angelegenheiten erstreckte, für
welche ihm eine Gesetzgebungsbefugnis oder Verwaltungskom-
petenz*) zustand*), so geht auch in Baiern vielfach die Juris-
diktion des Rats parallel^) seiner Autonomiegewalt®). Der Rat
1) Ein Emtrag im Landshuter Stadtbuch besagt : 1403 — das die alten
«tat recht wftrn, das ein iegleich man . . wol dingen müg, das wider der stat
recht nicht war und dann dasselb ding fOm für mein herm in iren rat
(Bosenthal a 189 IX; siehe noch das. S. 74 £). Wahrscheinlich bestand
dieses Herkommen anch in andern Städten. Vgl Deggendorf 1316 § 8, Cham
1341 § 10 (Oengler, Codex I, S. 729, 484).
2) YgL Aber die Entwicklung der Stadtgerichte zu städtischen ünter-
gerichten in einigen St&dten Maurer, Gesch. der Stadtverf. m, S. 757 fL
3) Der Bat konnte die vom Stadtrichter erkannte Bofie ermäßigen. So
Stadtr. von Landshnt 1279 §7, 12; Deggendorf 1316 a. 23 (Gen gl er, Co-
dex I, &729; YgL anch Bosenthal S. 74 £); EeUieim 1413 (Träger S. 148).
4) Zumeist ging der Bechtszug Yom Stadtgericht direkt zum herzoglichen
Hofgezicht
5) y^ die Beispiele bei v. Below, Entstehung der deutschen Stadt-
gemeinde 8. 75 fl
6) YgL auch Planck, Gerichtsrerf: I, S. 36.
7) So in Landshut (Bosenthal S. 65 l; vgl noch Privüeg 1423 § 13
bei Gengier, Stadtr. S. 239).
8) Entstanden Zweifel über städtische Satzungen, so hatte der Bichter
äi6 Enttcheidung des Bats aber den Inhalt unbedingt zu befolgen — und
— It6 —
als Ilort der städtLscbeu Vcrfasäuiig w&r eodaiin mit einer Stnf-
guwall gegen alle Ültertreter des Stadtrcdits ausgerüstet '). Die
Polizeigewalt des Rats erheischte zur Sicherung iler Erfüllung
der als ein Auatiuß derselben sich darstellenden Auordnuiigen
eine Stmfgewalt, die auch iu seine Iliinde gelegt war. llei der
nahen Berührung der polizeilichen und kriuiiuelleu Strafgerichtji-
barkeit waren Kompetenzkouiliktc unvcrmeidlicli, deren Schlich-
tung denn auch die Unterächeiduug zwischen den imlizdlicben
und kriminellen Delikten zu Grunde gelegt ward , indem JKUv
der Jurisdiktion des Rats, diese der gerichtlichen KugniliiiD
bezw. der des Vitztums überwiesen wurden*).
Aber nicht nur mit Wahmehniung einer Polizeistrofgcwalt,
sondern uucli mit der einer Kriiuiuatgurichtsbarkeit wAr der
Stjultrat betraut, die ihm sehr weitgehende Befugnisse verlieh
und teilweise wieder mit seiner Aufgabe als Beschützer der Sicher-
heit der Bürger zusunimenbing. Daher genügt« iMiispicUweiso
in Straubing schon der Verdacht der Genieiiigefährlichkeit eines
Individuums, um den Rat zur Strafeinschreitung zu berechtigen '),
«wu der nt darflber tprielit, du recht soj, du m1 mtn ^laabea not itMi
behalten (MOncfaen a. 308, A oerX — Aauubmiwelie wu uch der Bai dMV
Sudt lit Oberhof eine« beiuchbutcD Hukte« uerkumL So koonUn dit
(on BiedenbuTg, welchen die Rechte derer von tngeleUdt rolUhen mn^
Dich eiaem PriTÜeg 1373 lich an den IUI wan IngohUH wu&a. ^oh A
dheioer Mche fithtx in werden du d ietiet nicht betor^ htlxat . ., du
ei in im Rat mit U;ln du li dei lelben im fall aumrieht vatdan nadi
irmr SUt rocht" (i. d. Pferd tco S. 250). -Dom Harkt Kötiing war ISU
du {{«cht erteilt votitn, dafi. wenn Jemand an der Schramia ra Krieg
wflrdc, de du an die SchranDe lu Cham dingen dOcfeD (IL B. L p- H^
1) lU. iD l^dihnt iBoeeathal & 73).
9) Bin solcher Kompetenittreit mirdo durch herao^ehe
1497 für Stranbiog (Lipowikj, aeecUcbte de« btioiMheo
8. lß<t C) enUehiedeD, die du Prlniip der JnriidikUenatailimg
kretcn F&Ueo venuuchaalichL Der Rat wird tut lutindig erklirt
itratunic der Poliielfretel der Hflllor (CbertrebuK der »ttdtiachen
I. K Verkauf ton nnbeadiantcm llehl), der Obortlebtar, al
benoglichen Oorichtigewalt ton unrecht und betrdftlich Hai
UeUrerhaof (nachdem diet ... in Üiebatahl lencbt). Anlw das
blndeln hat Dimljch der Obarricblor die Ualeaihind«!. die
bedrohten, la eatacboiden, im Ge^outxe m den nladom DalOrtA
barxerilcheo lUndoln. Betenthal & 26S.
8) IB ebon bonogUchea PririIeK 1388 (Boientlial a 3U) briM w:
Wir habw ucb vaana gwnion bag«ii von doiaeDwn etat n Ste. im §^
— 177 —
wie ja auch die Verhaftung der sog. schädlichen Leute auf
bloßen Verdacht hin dem Landshuter Eate übertragen war.
Überhaupt hatte der Rat auf dem Gebiete der Voruntersuchung
verschiedene Funktionen wahrzunehmen. Nur der Stadtrat entschei-
det nach dem Landshuter Stadtrecht 1279^) über die Zulässig-
keit der Untersuchungshaft eines angesessenen Bürgers, der
Rat erscheint also hier als Wahrer der städtischen Habeas-
Corpusakte.
Eigenartig ist die Stellung, welche dem inneren Rate in Strau-
bing im Vorverfahren eingeräumt ist, er konstituiert sich nemlich
unter Zuziehung des Oberrichters gewissermaßen als Anklage-
kammer zur Beschlußfassung darüber, ob gegen den wegen eines
Kapitalverbrechens Angeklagten das öffentliche Verfahren durch-
zuführen sei*) — und ertailt vor des in ainem rate als in
ainem haimlichen gericht ') . . . Handelt es sich um nicht todes-
würdige Delikte, so steht die Aburteilung dem ünterrichter und
dem Rate gemeinschaftlich zu.
Als eine durch die Not der Zeit hervorgerufene vorüber-
gehende Maßnahme stellt sich jene Ausdehnung der städtischen
Gerichtsgewalt im 14. Jahrhundert dar, welche die Städte, die
sich überall als mächtige Schützer des Landfriedens bewährten,
in den Dienst des Landes als Organe zur Unterdrückung des sich
in erschreckendem Maße verbreitenden Verbrechertums *) stellte.
walt gegeben, ob ir barger ainer sich gen dem andern vergaß mit ungezogen
Worten oder werchen oder ob ir ainer wider den rat and wider die etat da
sein wollte da sie sich Schadens von versahen, das si den noch Iren trewen
daromb pessem mügen and saUn.
1) § 7 . . Judex . . nuUum . . civem detinebit, qui mansionem propriam
habet, nisi poenam meruerit capitalem, si mansio valeat poenam pro male-
fido debitam et condignam. Quod quando sit vel non . . per rectores civi-
tatis, dYea scilicet, volumus definiri.
2) R. L 0 n i n g (Litteraturbericht, in Zeitschrift £ Strafrechtswissenschaft
1884, S. 215) stellt im Anschlüsse an diese Stelle die Vermutung axd, dafi
das inquisitorische Verfahren in seinem Ursprünge kein Teil des gerichtlichen
Prozesses sei, 'sondern ein der Klage vorangehendes polizeiliches Vorverfahren,
gehandhabt von derjenigen ohrigkeitlichen Behörde, welche den Verdäch-
tigen durch die Verhaftung in ihrer Gewalt habe.
3) Straubinger Stadtbuch (Eosenthai S. 311, XU n. 1).
4) Vgl B. LOning, Der Beinigungseid bei üngerichtsklagen im d.
M.-A. Heidelberg 1880. S. 70 £
Rotenthai, OMchichte d. Oerichtiw. a. d. Y«rw.-OiY. Balerai. I. ^o
~- 178 —
K. Ludwig war es, der zuerst verschiedenen bairischen Städten *)
das Privileg erteilte, schädliche Leute * ) im ganzen Lande zu
fangen und abzuurteilen. Später wurde sogar die Inappella-
bilität solcher stadträtlichen Kriminalurteile anerkannt^).
Nicht richterliche Funktionen, sondern nur die Aufgabe von
ürkundspersonen hatten die 2 RatsmitgUeder zu erfüllen, welche
nach der L.O. 1474 in Städten und Märkten zu den Verhören
von Delinquenten beigezogen werden mußten*).
Bei Statuierung einer speziellen Polizeistrafgewalt des Rats
findet auch noch der Gesichtspunkt Berücksichtigung, daß dieser
vorzugsweise als Hüter der Interessen der Gemeinde berufen sei
und ihm also eine Ahndung der Verletzung derselben zufalle*).
In die Interessensphäre der Stadt fiel auch die Aufrecht-
haltung des Bestandes der mit dem Stadtsiegel versehenen Ur-
kunden. Alle auf die Anfechtung solcher Urkunden gerichteten
Klagen waren deshalb in München einzig und allein der Kogni-
tion des Stadtrats unterstellt*).
Dabei ist allerdings zu bedenken, daß, so oft wir hier den
Stadtrat als einziges Entscheidungsorgan bezeichnen, dies
nur mit einer Einschränkung zu verstehen ist, indem der
Kechtszug zu den Reichsgerichten nicht ausgeschlossen werden
1) Die Münchner Privilegien (das erste von 1315) bei W e h n e r S. 19 £ ;
Landshater Privilegien von 1316 and 1364 bei Kai eher, Die Witteisbacher
Fürstenurkunden, in VerL d. Bist Ver. l Niederb. 1880. XXI, S. 6 u. 71;
Privilegien für Ingolstadt 1368 bei Ostermaier I, S. 31.
2) Schedleich lewt, ez sj rauber, prenner, mordrar oder dewb, sagt der
Landfiriede 1352 {Qn. u. Er. VI, S. 421 a. 1). Ähnlich in einem Privileg für
Landshut 1361 (Ealcher S. 65).
3) Privileg Herzog Stephans für München 1371 (M. B. XXXV, 2, p. 126):
swaz si über den (^schedlichen man) . . . ervindent in irm Hat . . dabej sol
ez beleihen. — Die 1363 dem Rate von München (ibid. p. 112) eingeräumte
Befugnis, mit 7 Rittern alle seit dem Tode H. Meinhards begangenen Ver-
brechen zu untersuchen und die Schuldigen zu bestrafen, ist nur eine außer-
ordentliche Mafiregel, die Einsetzung eines Standgerichts.
4) Krennor VII, Ö. 493.
5) Durch ein Statut 1453 ward so der I^andshuter Rat ermächtigt,
Schuldner, welche, ohne ihre Verbindlichkeiten zu erfüllen, ein verschwen-
derisches Leben führten, nach fruchtloser Verwarnung zu bestrafen, damit
die stat von selber pOser gelter wegen nicht nachred habe (Roscnthal
S. 193, XU n. 5).
6) a. 232 (Auer).
— 179 —
konnte, solange die Landesherren ein Privilegium de non appel-
lando*) vom Kaiser noch nicht erlangt hatten^).
Wie für diese Kategorie von Rechtsstreitigkeiten jede Ap-
pellation gegen das Erkenntnis des Stadtrats ausgeschlossen
war, 80 war der Münchner Stadtrat auch noch für einige andere
Materien alleiniges Entscheidungsorgan. Der Stadt war ein
solches Appellationsprivileg erteilt für alle Ewiggeldprozesse").
Ebenso bestätigte das Albertinische Privileg 1500 die alte Ge-
wohnheit des Erbrechts des überlebenden in den Nachlaß des
kinderlos verstorbenen Gatten*) und übertrug die hieraus sowie die
zwischen Ascendenten und Descendenten entstehenden Streitig-
keiten der alleinigen Entscheidung des Stadtrats^). Handelte
es sich bei der ersten Gattung um solche Gegenstände, welche
vorzugsweise durch städtische Satzungen geregelt wurden, wo
auch in andern Städten parallel der Autonomiebefugnis die stadt-
rätliche Kompetenz gegeben war ^), so sollten bei den Streitig-
keiten der letzten Art die innigen verwandtschaftlichen Be-
ziehungen der Parteien geschont und deshalb der langwierigere
und immerhin gefährlichere Prozeßweg abgeschnitten werden ').
Denn wenn wir auch hier von einer gerichtlichen Thätigkeit
des Rats handeln, so dürfte doch immerhin bei dieser Kom-
petenzabgrenzung auch das Moment mitbestimmend gewirkt
1) Vgl S. 12 ff:
2) Vgl Wehner S. 96.
3) was derselb unser rat zwischen in danimb ervindet and ausspricht^
da sol es denn gentzlich bei beleiben. Obwohl die Privilegien von 1391,
1418 and 1453 nur die Zuständigkeit des Stadtrats in Streitigkeiten über
Ablösung von Ewiggeldem statuierten, wurde doch eine Kompetenz in allen
Ewiggeldsachen seitens des Stadtrats mit Erfolg in Anspruch genommen und
durch kurftlrstliches Reskript 1756 bestätigt (A u e r p. CGI).
4) sofern die Gatten Bürger waren und kein Ehevertrag existierte. A u e r,
Anh. i S. 195.
5) A u e r, Anh. I, S. 196 : ob auch solcher span für unnsem statrichter in recht
wuechse, so solle doch der darinn rechtlich nit erkennen noch hannheln, sonnder
den für ainen rat alspald weysen und schieben. S. 199 : — und wollen, das solch
hievorgemelt föll, hänndel und sache voritzgemeltem rat alhie on all verrer wai-
gerung und appellation ausgetragen und durch ine entlich entschiden werden
sollen.
6) So in Landshut: ob was todgesch&ft, heirat und der stat recht an«
trift oder von toden leuten berget, das gehört für meine herren in iren rat,
die sullen das richten (Rosenthal S. 65).
7) Vgl Wehner S. 92.
12*
- 180 ~
haben, daß an die Stelle des an die strengen prozessualen
FonnYorschriften bei der Rechtsprechung gebundenen Stadt-
gerichts die freiere, nicht durch den Formalismus des Rechts-
gangs eingeengte Jurisdiktion des Stadtrats treten sollte^),
welche gemäß dessen Charakter als Verwaltungsbehörde auch
diese jurisdiktioneile Thätigkeit in ähnlicher Weise wie die
übrigen ihm obliegenden Funktionen versah. Wenn auch diese
Vermutung aus dem mir zugänglichen Quellenmaterial nicht er-
härtet werden kann, so dürfte es doch als sehr wahrscheinlich
erscheinen, daß die dem Stadtrat zur Entscheidung überwiesenen
Streitigkeiten im allgemeinen nicht nach prozeßrechtlichen Formen,
sondern mehr als Verwaltungssachen behandelt wurden.
In gerichtlichen Formen bewegte sich das Verfahren in
Baustreitigkeiten, welche der Rat als Appellationsinstanz *) ohne
Zulassung eines weiteren Rechtsmittels entschied, obwohl diese
Zuständigkeit des Rats sich als Ausfluß seiner Baupolizeigewalt
entwickelte *). Allerdings wurde hier im summarischen Prozesse
verhandelt, der von Alters her für Kundschaftssachen üblich war,
„darinn etliche rechtliche Weitläufigkeiten als unvonnöten ab-
geschnitten seien" *).
Solch summarisches Verfahren bei den durch Neubauten
entstandenen nachbarlichen Irrungen mit Abschneidung der Ap-
pellation war auch in Landshut eingeführt, nur daß hier das
1) Ein Priyfleg, welches Ulrich d Alte von Abensherg und seine Söhne
1366 den Bflrgem von A erteilten, gestattet diesen die Wahl eines Rates
(4—6 Borger), die Gewalt haben soUen, alle Sachen [ausgenommen die 3J
ohne Recht und ohne unsere Richter abzutragen oder zu bessern,
je die Schuld ist (Dollinger und Stark, ürk. B. z. Gesch. d. Stadt Abens-
berg, in VerL d. Eist Ver. v. Niederbayem XII, S. 283). Ebenso Privileg
1484 für Neustadt a. D., dafi Rat die Borger wohl richten möge außerhalb
unsers Richters (Dollinger, ürk. B. z. Gesch. von Neustadt, ib. XIX, S. 879).
2) Im Eundschaftsrecht wegen Baustreitigkeiten entscheidet der Stadt-
richter und einige Baumeister in erster Instanz (Au er a. 151, Anh. I [S. 196],
Anh. n a. 45\ FOr andere Bauprozesse, welche nicht nach dem Eundschafts-
rechte der Bau-0. 1489 zu entscheiden waren (vgl Anm. ad cod. jud. c 1
§ 21 lit f ), war der Rat aUeinige Instanz. — Sp&ter bildeten in Kundschafts-
sachen die Baumeister die 1, das Stadtgericht die 2., der Rat die 3. und
letzte Instanz. Vgl Wehner S. 93.
3) Eine Verordnung E. Ludwigs 1342, welche för die Häuser Ziegel-
bedachung vorschrieb, ermächtigte den Rat zu aUen in dieser Beziehung er-
forderlichen Anordnungen und Entscheidungen (M. B. XXXV, p. 81).
4) Au er, Anh. Ha. 47, S.216.
- 181 —
Stadtgericht zur Entscheidung aller Baustreitigkeit zuständig
war, bis sich auch hier allmählich ein besonderes Beschau-,
Kundschafts- oder Grundrecht 0 entwickelte. Auch in Strau-
bing wurde seit 1494 ») eine vom innem Rat aus 5 Mitgliedern
der beiden Räte und den 2 Stadtbaumeistem gebildete Kom-
mission (die 7 Baumeister) zur inappellabelen Entscheidung
aller Baustreitigkeiten eingesetzt.
Außer dieser Zuständigkeit auf dem Gebiete der streitigen
Gerichtsbarkeit war dem Stadtrate überall in den verschiedenen
Akten der sog. freiwilligen Gerichtsbarkeit, die ja ihrem Wesen
nach durchaus nicht den Gerichten zufällt, ein reiches Feld der
praktischen Thätigkeit erschlossen. Zu den Hauptaufgaben
dieser freiwilligen Gerichtsbarkeit, welche der Herstellung,
Veränderung und Fortentwicklung neuer Rechtsverhältnisse*)
gewidmet ist, gehört die obrigkeitliche Teilnahme am rechts-
geschäftlichen Verkehr, die zuerst in den Städten zur Aus-
bildung gelangt und hier dem Stadtrate übertragen wird. Wäh-
rend die Auflassung und Verpfändung von Grundbesitz nur
vereinzelt vor dem Stadtrate*), zumeist vor dem Stadtgerichte^)
erfolgte, war der Stadtrat mit weitgehenden Befugnissen bei
1) Qebüdet wurde dasselbe aus den yon der Stadt yerordneten Qeschau-
oder Kondschafteherm nebst den geschwomen Stadt- und Werkmeistern. Auf
dem Landtage 1583 beschwerten sich die Vertreter der Stadt darüber, daß
gegen die von diesen erlassenen Beschaubriefe zur Regierung appelliert werde,
nnd bitten, nur einen Bechtszug zum Stadtrat gegen das Erkenntnis der Be-
schauherm zuzulassen unter Verweisung auf die gleiche Einrichtung in
München. Vgl Rosenthal S. 143 £
2) Biese Verordnung Albrechts IV. war hervorgerufen durch die Wahr-
nehmung, dafi aus geringfügigen Ursachen oft langwierige Bauprozesse ent-
stünden und dafi darum in der Stadt um soviel weniger gebaut ¥rürde. Die
7 Baumeister soUten zuerst die Herbeiführung eines Vergleichs zwischen den
Parteien anstreben. VgL Rosenthal S. 244.
3) Vgl. Wach, Handb. d. Civilproze£rechts I, & 53, 61.
4) In Landshut wirkten Richter und Rat bei solchen Auflassungen zu-
sammen. VgL Rosenthal S. 68 fL
5) So in den. oberbairischen Stftdten (Au e r a. 30, 32, 205, 270). In
Hünchen trat später an Stelle der Auflassung die Errichtung der Kauf- und
Ewiggeldbriefe durch Stadtschreiber und ünterrichter (Grundbuchsordnung
1572, A u e r , Anh. IV a. 1). — In Straubing stand der Stadt ein Besieglungs-
recht aller Imroobiliarveräufierungsvertr&ge zu. Dasselbe wurde durch den
Bt&dtischen Kastner, gewöhnlich einem Mitgliede des innem Rats, ausgeübt
(Rosenthal S. 258).
— 182 —
liegluDg des Verlassenschaftswesens ausgestattet, welche ihn sogar
bei Ausübung seines Kontrollerechts der von Bürgern errichteten
Testamente zur Abänderung derselben ermächtigte und die Ver-
teilung des Nachlasses der ohne letztwillige Verfügung und ohne
direkte Leibeserben verstorbenen Personen unter deren Ver-
wandten dem Ermessen des Stadtrats anheimstellte ^). Einzelne
Funktionen des Nachlaßregulierungsgeschäftes wurden durch
2 deputierte Ratsmitglieder besorgt*).
Neben dem Verlassenschaftswesen sind es Akte der Ober-
vormundschaft'), die sich zuerst in den Städten entwickelt,
welche den Stadtrat in Anspruch nehmen, insbesondere fällt
ihm die Bestallung von Vormündern (Pflegern) für Witwen und
unmündige Kinder zu, deren Geschäfts^rung er zu über-
wachen hatte*).
Die Zünfte.
Der Stadtrat als Träger der Polizeigewalt wendete der Reg-
luDg der HandwerkspoUzei seine besondere Fürsorge zu, indem er
außer allgemeinen verkehrspolizeilichen Vorschriften Ordnungen
für einzelne Zünfte erUeß. Der Autonomie dieser gewerblichen
Korporationen war nur ein geringer Spielraum gelassen ^). Auch
1) So in Landshut Vgl Bosenthal S. 67; ygL noch übor die Ge-
nehmigung von Todgesch&ften durch den Bat a. 401 (An er) des MOnchner
Stadtrechts.
2) s. B. InyentarisierQng, Besitzergpreifong nur in Gegenwart zweier Bats-
herren (Landshnt), Yerteilong des Nachlasses etc. (Straubing). YgL Bösen-
thal S. 67, 25a
3) s. B. dorch ein herzogliches Privileg für Ingolstadt wurde 1395 be-
stimmt, dafi ledige Minderjährige ihren Grundbesitz nicht versetzen, verkaufen
noch verschaffen dürfen ohne Zustimmung des Stadtrats und 2—3 ihrer
nächsten Verwandten. YgL Bockinger in Bavaria I, S. 795.
4) Bosenthal S. 67 f., 258.
5) In München waren „alle Einung unter den Handwerkern" verhoten
(Au er a. 366). Der Bat hestellte für die einzelnen Handwerke geschwome
Pfleger, welche periodische Besichtigung der Handwerke vornahmen und
dem Stadtrat und dem Stadtrichter über das hierbei gefundene Strafbare
Meldung machten. (Ähnlich in Österreich. YgL Luschin S. 236.) Diese
Pfleger verwandelten sich in der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts in Zunft-
vorsteher, deren Ernennung sich die Zünfte selbst anmaßten. YgL S u t n e r ,
Ober die Yerfl der altem städtischen Gewerbs-Polizey in München (Histor.
Abb. d. k. bajr. Akad. d. W. II, S. 521).
— 183 —
hier gilt das Prinzip, daß die Jurisdiktion des Rats sich seiner
Autonomiebefugnis entsprechend entfalte, indem ihm die Straf-
gewält auch über die Übertreter seiner Handwerkspolizeisatzungen
zufällt. Delegation s weise übertrug der Rat die Handhabung
der Zunftpolizei und Zunftgerichtsbarkeit auch den Organen der
Zunft*), den Zunftmeistern^), die hier nur als Organe des
Rats fungieren ^). Mitunter scheinen sie hierin mit großer Ri-
gorosität vorgegangen zu sein, denn in Landshut zeitigte die
allgemeine Mißstimmung 1399 ein Gemeindestatut, welches die
Strafbefugnis der Zunftmeister in engere Grenzen bannte unter
Festsetzung des Bußmaximums auf 24 ^, außerdem durften sie
aber noch auf Einstellung des Gewerbebetriebs erkennen. Bei
schwereren Strafhändeln mußte der Rat beigezogen werden, der
dann mit der Zunft gemeinschaftlich ein Urteil fand *).
Die Kompetenz des Zunftgerichts erstreckte sich regel-
mäßig nur auf Zunftangehörige; für Nichtzunftangehörige hatte
das Erkenntnis des Zunftgerichts nicht die Bedeutung eines Ur-
teils, sondern nur die eines Schiedsspruchs ; ihnen stand es frei,
sich an das ordentliche Gericht zu wenden unter Ablehnung
des Zunftgerichts*).
1) Größere Zünfte hatten 4, kleinere nur 2—1 Meister an ihrer Spitze.
\U\. Hnber S. 143, Eosenthai S. 40, 240.
2) In einer herzoglichen Entscheidung dos Eompetenzstreites zwischen
Oberrichter and Rat zu Straubing 1497 heifit es: sol solichs durch ainen
Bat oder wo aus Zuegebung ains Rats, das den Hanntwerche oder anndem
zuestet (Lipowsky, Gesch. des bair. Eriminalrechts S. 158).
3) Die Verfassung der Zflnfte scheint in den bäurischen Stftdten nicht
zu einem hohen Grade freier Selbstfindigkeit gediehen zu sein, denn abge-
sehen von der beschränkten Autonomie hatte die Zunft nicht einmal das «
Recht der Vorsteherwahi, sondern der Rat ernannte, z. B. in Straubing, für
jedes Handwerk 4 oder 2 geschwome Meister, welchen die Prüfung der Ar-
beitserzeugnisse, der periodische Beschau der Werkstätten und die Straf-
gerichtsbarkeit betreffs der gewerbepolizeilichen Übertretungen zufiel, Funk-
tionen, deren treue Erfüllung sie dem Rate eidlich gelobten. Rosenthal
S. 240, 39. Wenn gelegentlich der jährlichen Meistersetzung Verhör über
die Oeschfiftsführung der geschwomen Meister und das Vorhalten der Zunft-
mitglieder Uneinigkeit an den Tag brachte, erklärte der Rat, daß er bei
fortdauernden Zwieträchtigkeiten und Stöfi das Strafrecht selbst ausüben
würde (vgl Kolb, Geschichte des Gewerbewesens und Handels der Stadt
Straubing. Passau 1867. S. 33).
4) Rosenthal S. 40 f.
5) z. B. Rosenthal S. 41.
— 184 —
Eine privil^erte Stellung in jurisdiktioneller Beziehung
hatten die 3 Gewerbe der Müller, Bierbrauer und Kupfer-(Kalt-)
schmiede erlangt 0- Allen Kaltschmieden im Lande sicherte
ein Privileg K. Ludwigs 1331 *) zu, daß die niedere Gerichts-
barkeit über sie ausschließlich dem Münchner Kaltschmied Ul-
rich zustehen sollte. Nach einem (Ingolstadter) herzogUchen
Privileg 1416 war dem Bürger Konrad dem Neyflfer zu Ligol-
stadt die niedere Gerichtsbarkeit über alle Kaltschmiede dieses
Landes eingeräumt, wogegen sie unentgeltlich alle Kessel,
Pfannen und Kühlbecken für die Weine zu Hofe liefern mußten').
Bis 1561 dauerte diese Sondergerichtsbarkeit der Kalt-
schmiede, wie die der Bierbrauer*) in München fort, über
welche bis dahin das herzogliche Brauamt die niedere Gerichts-
barkeit ausgeübt hatte.
Während Bierbrauer und Kaltschmiede fortan wie die
übrigen Bürger den Gerichtsbehörden der Stadt unterstanden,
blieb für die Müller auch nach dem Albertinischen Rezesse 1561
ein eignes Mühlrichteramt in Thätigkeit ^\ welches jetzt nicht
mehr vom Landesherm, sondern vom Stadtrate besetzt wurde ^).
Nicht nur in München, sondern auch in andern Städten war
dem Stadtrat neben Handhabung der Mühlenpolizei auch die
1) Vgl die Ansf&hningen bei Wehner S. 69 K, welcher in dem Um-
stände, daft diese 3 Gewerbe ihre Gerechtigkeiten von der Landesherrschaft
zu Lehen tragen, den Ghrond ihrer Sonderstellong erblickt
2) Ibid. S. 71.
3) Ostermaier IV, S. 148. 1508 beschwert sich die Stadt Lands-
berg über einen Eingriff des S. Richters des Handwerks der Keßler in ihre
Privilegien (R A., Fürstensachen n, G fasc 26).
4) Wehner S. 69 t
5) Von Alters her übte der herzogliche Kästner die niedere Gerichtsbar-
keit über die Münchner Müller. An dessen SteUe trat dann — seit 1456
nachweisbar — ein vom Herzoge ernannter Mühlrichter. — Wasserrechts-
streitigkeiten der Müller soUen durch einen Schiedsspruch von 5 unbeteiligten
M&nnem entschieden werden (Auer a. 186; L.O. 1516 t 54), sp&ter durch
die verordneten Wassergrafen (Mühlbeschauer). Vgl W e h n e r S. 73, 71.
6) (1561) Über Müller ist denen von München alle niedergerichtliche
Obrigkeit sowohl in der Müllerordnung und Beschau als andere bürgerlichen
Sachen, als Frais, Frevel, Inventur, Vormundschaft, Satzung oder in Anderem
zugelassen. Sie sollen jeder Zeit einen eigenen Richter haben, den sie in
dessen Aufiiehmung dem Landesfdrsten um seine Konfirmierung präsentieren
sollen (B. A. München Ger. I, 64. 1).
..kiUtJJ
— 185 —
Jurisdiktion über die Müller wegen Übertretung der gewerbe-
polizeilichen Vorschriften eingeräumt 0.
Begensbuxg.
Im Anschlüsse an diese Darstellung des Stadtgerichts ist
noch kurz der Jurisdiktionsrechte der bairischen Herzoge in
Regensburg Erwähnung zu thun, ohne daß ein Eingehen auf
die verwickelten Verfassungsverhältnisse Kegensburgs*) geboten
erscheint.
In Regensburg, der alten Hauptstadt*) der Baiemherzoge,
waren diese selbst (die Luitpoldinger) Inhaber des Grafenamts.
Nachdem diese es verloren hatten, wurde das Burggrafeuamt
zu einem erblichen Reichslehen. Nach dem Aussterben des
Burggrafengeschlechts der Rietenburger 1185 gingen die burg-
gräflichen Rechte auf den Baiemherzog über*).
Von der Amtsgewalt * des Burggrafen war in der Stadt
eximiert der bischöfliche Grundbesitz. Hier übte der Bischof
durch seine Vögte die Gerichtsbarkeit aus ^).
Nachdem der Herzog in den Besitz der Burggrafenrechte*)
gekommen war, brachen zwischen Herzog Ludwig und dem
Bischöfe Konrad ernste Streitigkeiten über die beiderseitigen
Rechte aus. 1205 machte ein Vergleich'') der heftigen Fehde
ein Ende, der gemeinschaftliche Verwaltung des Gebiets, des
1) Auf dem Landtage 1579 beklagten sich die Vertreter Ingolstadts über
Eingriffe in diese ihre Gerechtsame (Er. A. Landtag 1579).
2) Vgl über diese besonders Arnold, Yerfassangsgoschicbte der deut-
schen Freistftdte. Hamburg und Gotha 1854. I, S. 94 ff., 372 ff, 11, S. 396 ff,
und GfrOrer, Yerfassungsgeschichte von Begensburg bis 1256. Stadt-
amhof 1882.
3)Ri6zlerI, S. 366; daselbst S. 871 ff. Verzeichnis der Burggrafen.
4) Riezler und Heigel S. 216.
5) G fror er S. 21 f. Im Freiheitsbrief 1230 § 10 (Gen gl er, Stadtr.
S. 374) erscheint noch der major advocatus, qui Tumbvogt vulgariter appel-
latnr et potestatem habet judicandi ex parte episcopi, et ex parte ducis burg-
grayius.
6) Die Herzoge bezogen schon vor der Erwerbung der Burggrafschaft
alle königlichen Nutzungen in der Stadt als Zolle und Münze, soweit sie
nicht an den Bischof abgetreten waren. Vgl. L a n g o t h , Skizze einer Ent-
wicklungsgeschichte der froistäd tischen Verfassung Kegcnsburgs (Regensburgor
(ijmnasialprogramm 1866 S. 7).
7) Qu. u. Er. V, S. 4 ff ; modificiert 1213, ibid, S. 14 ff
— 186 —
Besteuerungs- , Münz-, des Marktrechts, des Gerichtsgefälles
u. s. w. festsetzte.
Wie der Stellvertreter des Bischofs in Verwaltung seines
Anteils der Hoheitsrechte der Domvogt war, so hatte auch der
Herzog einen Stellvertreter, den Burggrafen M, später den
Schultheißen. Beide hielten nach altem Herkommen dreimal
jährlich*) das echte Ding (placitum legitimum) ab^). In
beiden Gerichten waren Bürger als Urteilsfinder thätig*).
Durch die Pfand vertrage , welche seit 1279*) die geld-
bedürftigen Herzoge mit der Stadt wiederholt abgeschlossen
1) Vgl Riezler II, S. 30.
2) Siehe S. 185 Anm. 5.
3) Die Ansicht Gfrörer's S. 55 f., daß es nur ein Gericht in Regens-
hnrg gogehen habe und nicht, wie A r n o ] d I, S. 379 meint, drei, niinlich
rin bischöfliches, ein herzogliches und eines der BQrger, das Stadtfriedens-
gericht^ erscheint nicht überzeusrend, wenn wir auch mit Maurer (Gesch.
d. St&dteverfass. I, S. 213) anter letzterem, dem Judicium civitatis, den Stadt-
rat verstehen, da die Funktionen, welche ihm das Privileg 1230 zuweist, solche
sind, die auch in andern Städten dem Kate übertragen waren. Die Kom-
biniening der beiden Gerichte (des Propstes und des Schultheißen), welche
nach einer Gerichtsordnung 1390 bestimmt wurde, indem die aus dem Kate
und den 45 ernannten Urteilfindem schwören mußten, von beiden Rechten
Hausgenossen zu sein, als eine Einrichtung aus dem Anfange des 13. Jahr-
hunderts hinzustellen, dazu fehlt es an einem ausreichenden Grunde. Viel
mehr fQr sich hat doch die Auffassung Gemeiner 's (Reichsstadt Kegens-
burgische Chronik II, S. 282), der die Bestimmungen der Ger.O. 1390 in
Verbindung bringt mit der 1390 erlangten pfandweisen Erwerbung des
bischoflichen Priedgerichts durch die Stadt Die von Gfrörer S. 56 an-
gezogene Urkunde von 1244 (Freyberg, Sammlung histor. Schriften und
Urkunden V, S. 89 ff) erscheint nicht beweiskräftig, da die Roglung der
Abgaben der Handwerker, um die es sich hier handelte, nach dem Vertrage
von 1205 in den gemeinschaftlichen Intercssenkreis des Herzogs und des
Bischofs fiel (vgl Gfrörer S. 59).
4) Gemeiner I, S. 229; II, S. 115, 282. Auch wenn der Herzog von
Baiem Hoftag in K. h< und als Gerichtsherr selbst dem Gerichte prä-
sidiert, finden nur Bürger das Urteil (Privileg 1230 § 9 — nee contra cives
procedct nisi per sententiam suorum concivium).
5) Femer 1359, 1366. 1384 (RiezUr II, S. 108); 1409, 1419 (R B. XII,
p. 33, 328), z. B. 1419 Herzoge Ernst und Wilhelm verpfänden dem Rat und
der Bürgerschaft von R. das Schultheißenamt samt dem Friedensgericht und
dem Kammereramt um 11000 fi. ungar. Die Pfandschaft darf in den näch-
sten 15 Jahren nicht abgelöst werden. Ober diese verpfändeten Rechte vgl
die Deduktionen des Herzogs 1492 bei Krenner X, 8. 529 C
— 187 —
hatten, kam diese in den Besitz der herzoglichen Gerichtsbar-
keit. Mit der Erwerbung des Pfandbesitzes war die Verwaltung
des herzoglichen Gerichts ganz in die Hände der Stadt über-
gegangen *). Denn wenn auch die Gerichtsgefälle samt den
Einkünften aus dem Kammereramt den Gegenstand der Ver-
pfändung bildeten, so überließen die Herzoge doch die Hand-
habung der Rechtspflege wohl dem Belieben der Regensburger*),
zumal auch schon vorher gegen die Urteile des herzoglichen
Gerichts der Rechtszug nicht zum Herzog, sondern nur zum
Stadtrat ging, welcher als Berufungsinstanz fungierte ^), wie ja
auch der Schultheiß selbst und die Beisitzer von Alters her
Regcnsburger Bürger sein mußten. Nur in einer Beziehung
dauert« noch der gerichtsherrliche Einfluß der Baiemherzoge
fort, indem jeder Schultheiß von ihnen mit dem Blutbann be-
liehen werden mußte. Dieses Recht gehörte zu den wenigen *),
welche Albrecht IV. , nachdem sein Versuch, die Landeshoheit
über Regensburg herzustellen*^), gescheitert war, für Baierns
Landesherren gerettet hatte ^).
1) Die bischOfllcbe Gerichtsbarkeit war 1257 durch Kauf von der Stadt
erworben worden (Kiezler II, S. 198).
2) 1362 wurde durch Beschluß des Rats und der Qemeinde bestimmt,
dafi der Verweser des Schultheißenamts stets auf 2 Jahre bestellt werden
sollte, und der Besetzungsmodus unter Zusammenwirken von Rat und Ge-
meinde festgesetzt (Geroeiner FI, S. 127, 187). Der Rat behält sich vor,
einen untauglichen Schultheißen abzusetzen, wie der Schultheiß durchweg
den Befehlen des Stadtrats Gehorsam zu leisten hatte (Gemeiner II,
S. 127. 187, 113).
3) Gemeiner n, S. 160, 114.
4) In einem Formularbuch (Cod. Bav. 2520) findet sich folgender Eintrag
TOD 1581 : Wir Wilhelm bekennen . . , daß wir dem hochgelehrten unscm
J. Holpeckon der Rechten Doctor, den Bann zum Halsgericht und Leibstraf
in der Stadt R. zu richten auf seine Pflicht und geschwomen Eid, so er uns
deshalb anheut dato gethan, verleihen als regierender Landesfdrst in Baiem
in Kraft des Briefs . .
5) 1486— J 492. VgL über die den Baiemherzogen gewahrten Gerecht-
same und die hieraus entstandenen Streitigkeiten Kreittmayr, Bayrisches
Staatsrecht S. 335 ff. Der Spruch K. Maximilians (Augsburg, 25. Mai 1492), durch
welchen die gelegentlich der Unterwerfung Regensburgs über Albrecht und
die Stadt R verhängte Acht aufgehoben und die Streitigkeiten geschlichtet
wurden, bei Krenner X, S. 588 ff.
6) Eigenartig waren die Rechtsverhältnisse der Juden in Regensburg
gelagert Sie brauchten nur vor dem Richter, welchen sie aus ihrer eigenen
— 188 —
§8.
Die Patrimonlalgeiiclitsbarkelt 0*
Neben den öffentlichen, den staatlichen Gerichten stehen
die privaten. Die Gerichtsgewalt Privater erwuchs in einem
langsamen Entwicklungsprozesse') aus der Disziplinargewalt
Mitte w&hlten. Recht zn nehmen und genossen auch Prozeßprivilegien (R R
VI, p. 156 ; Xn, p. 169). K Ludwig hatte den niederbairischen Henogen mit
den Steuern die Jadengerichtsbarkeit, d. h die Erträge aus derselben, ver-
pfändet Die Juden, welchen schon ein Privileg K Heinrichs 1236 eigne
Gerichtsbarkeit yerliehen hatte, besaßen zwei Richter, von welchen einen nun
die Herzoge, den andern die Juden selbst besteUten (Stobbe, Die Juden
S. 811 1459 bestellte Herzog Ludwig einen dritten Judenrichter, welchrai
die Bestrafung der fremden nach Regensburg kommenden Juden zufieL Die
StrafgeflUle, von welchen er den 10. Pfennig bezog, mufite er quartaliter dem
Herzog verrechnen (R. B. XIH, p. 148, 149 — 1429 erneuerte der Herzog
auch den Vertrag des Herzogs Johann von Straubing mit den Bürgern über
die Verpfändung der Juden an diese, kraft dessen die Ertr&ge der Gerichts-
wändel bei Totschl&gen und andern Sachen der Juden zwischen beiden Kon-
trahenten getheüt wurden). Nach einem Aktenstücke von 1476 hatten die
Juden 2 Richter, den einen setzten die Herzoge, den andern die Juden, welche
die niedere Gerichtsbarkeit im Judenschulhof ausübten. Für die peinliche
Gerichtsbarkeit hatten die Herzoge einen besondem Richter ernannt, spftter
aber dieselbe dem Stadtschultheifien übertragen (Stobbe, Die Juden S^ 82).
1488 entzog der Rat den Juden das bislang ausgeübte Recht, ein eignes
Judengericht zu halten (Train, Geschichte der Juden in Regensburg, in
Ilgen's Zeitschrift t bist Theologie 1837. N. F. I, S. 121).
1) Die Geschichte der Hofmarksgerichtsbarkeit in Baiem war so viel&ch
Gegenstand umfassender und gründlicher monographischer Bearbeitung, dafi
die folgende DarsteUung unter Verweisung auf diese Spezialuntersuchungen
diese wichtige Materie ziemlich kurz behandeln konnte. Ich hebe folgende
Erscheinungen hervor : Chlingensperg, Tractatus juridicus de hofmar-
chiali jure. Ingolstadt 1731. (Seyfried) Gesch. der st&ndischen Gerichts-
barkeit in Baiem. Teil I, Pest 1791; TeH H, Leipzig 1793. J. N. v.Kren-
n e r , Über Land-, Hofinarchs- und Dorfgerichte in Baiem. München 1795.
Wirschinger, Darstellung der Entstehung, Ausbildung und des jetzigen
rechtlichen Zustandes der Patrimonialgerichtsbarkeit in Bayern. München
1837. Vgl auch noch Rockinger, Einleitung S. 137 ff., und v. Maurer,
Gesch. der Fronhöfe, der BauemhOfe und der Hofverfassung in Deutsch-
land. Eriangen 1863. III, S. 68 ff.
2) LT)er diesen vgl G. Meyer, Die Gerichtsbarkeit über Freie und
Hintersassen nach ältestem Rechte (Zeitschr. d. Savigny-Stiftung t Rechtsgesch.
Qtnn. Abi XV, a 83 ff; XVI, S. 102 ff).
— 189 —
der Gnindherren ^). Gab es in karolingischer Zeit auch noch
keine grundherrliche Gerichtsbarkeit, so bot doch die Ent-
stehung größerer Grundherrschaften und die Organisation einer
grundherrlichen Verwaltung die Elemente für die Ausbildung
einer solchen*).
In den Immunitätsprivilegien muß der Ausgangspunkt für
die Hofmarksgerichtsbarkeit gesucht werden^). Der Vogt,
welcher nicht nur mit der Vertretung der Hintersassen im Land-
gerichte betraut war, sondern auch in dem Immimitätsbezirk
über diese die niedere Gerichtsbarkeit zu handhaben hatte, ist
der älteste Patrimonialrichter *).
Die königlichen und landesherrlichen Privilegien, welche
seit dem 11. und 12. Jahrhundert häufiger erfließen, enthalten
gewöhnUch nicht erst die Verleihung einer grundherrlichen
Gerichtsbarkeit, sondern nur die rechtliche Anerkennung und
Bestätigung des Zustandest), vde er sich seit Alters^) heraus-
gebildet hatte. Eine solche Anerkennung bezweckte wohl zu-
meist die gegenseitige Abgrenzung der Rechtssphären der Grund-
herrschaft und des Landesherm, indem namentlich erstere gegen
jeden Eingriff der öffentlichen Beamten sichergestellt ^ ), gleich-
zeitig aber auch die hohe Gerichtsbarkeit in der Grundherr-
schaft dem Landesherm gewahrt werden sollte.
Eine wichtige Etappe in der Geschichte der Patrimonial-
gerichtsbarkeit bildete die sog. Ottonische Handfeste 1311, in
welcher der niederbairische Herzog (und König der Ungarn)
Otto UI. den Ständen gegen die Gewährung einer Steuer die
niedere Gerichtsbarkeit auf ihren Gütern einräumte ®).
1) Über die Patrimonialgerichtsbarkeit in Österreich ygl. Luschin
&174 ffi
2) G. Meyer a. a. 0. S.107, 119.
3) Vgl. Wirschinger S. 50 ff., 64 ff; Krenner S. 29 ff.
4) R. Schröder, RGesch. S. 176, 194 („der Vogt war der Patrimonial-
richter der Immunität'').
5) G. Meyer S. 124; v. Maurer, Fronhöfe III, S. 70 f
6) z. B. 1180 die Hofmarchgericht . . , so er von alters hergebracht habe
m der Veste Raittenbuch (SeyfriedI,S. 227).
7) Vgl Maurer, Fronhöfe III, S. 72 f. (1140, 1229, 1263, 1283, 1298:
M. B. Xin. p. 167; Vm, p. 174, 34; V, p. 386; IX, p. 114).
8) das wir . . durch die fOrdrung, die wir ze disen zelten empfahen
ron bischoven, Chorherren, clöstem, allen andern püaffen, graven, freien, dinst-
— 190 —
Vielbestritten ist die Bedeutung dieses als die Handfeste
um den Kauf der Gerichte bezeichneten Privilegiums. Daß wir
es hier wenigstens teilweise mit einer Verleihung neuer und
nicht lediglich mit einer Anerkennung bereits früher erworbener
grundherrlicher Gerichtsbarkeit *) zu thun haben, dürfte mit Fug
nicht mehr bestritten werden. Allerdings in der Hauptsache
sanktioniert auch diese berühmte Handfeste, die man lange irr-
tümlich als die Grundlage der bairischen Hofmarksgerichtsbar-
keit aufgefaßt hat, nur einen bestehenden Rechtszustand. Denn
in BetreflF der Klöster, und von ihnen handeln die in den vor-
hergehenden Jahrhunderten erlassenen Gerichtsprivilegien fast
ausschließlich*), ist wohl zumeist nur eine Anerkennung und Fixie-
rung bereits erworbener Befugnisse durch die Handfeste erfolgt,
obwohl auch in Niederbaiern manches Kloster bislang dieses
Gerichtsprivilegs entbehrt haben wird. Jedenfalls enthält diese
generelle Verleihung eine Erweiterung der Hofmarksgerichtsbar-
keit, indem diese auf alle Güter der Privilegierten erstreckt
ward.
Dagegen war durch diesen 1. Freiheitsbrief der Mehrzahl
der weltlichen Grundherren, der lütter, ebenso aber auch allen
Städten für ihre Güter diese niedere Gerichtsbarkeit erst ver-
liehen worden *). In dieser Handfeste war zwar eine generelle
Basis für die künftige Entwicklung der Patrimonialgerichtsbarkeit
mannen, ritteren, knechten and gemainleich gen allen lenten, an allen den
steten die diser sach trager sind, wir sein über sy vogt oder nicht» et sein
arm oder reich in onserm land wie sy genant sind die uns so getan fürd-
ruDg thont, es sein gaistlich oder weltlich, lande and leaten die genad ge-
tan haben, das wir von aUen den gerichten stecn, and wir and aach anser
erben and alle unser nachkomen in die geben ewigkleich, ir erben and allen
ir nachkomen durch frid, gemach und genad landes und leuten, an die drey
gcrichte die zu dem tode ziehent; teu( todsieg, notnunft» strafiraub (v. Ler-
chenfeld S. 1).
1) Vgl V. Maurer, Fronhöfe lU, S. 74.
2) Das älteste bairische Gerichtsprivileg dürfte das aus Thassilos Zeit
stammende fOr das Kloster Frauenchiemsee (1077 erneuert) sein : -cum judicio
in insula que Nunnenwcrd dicitur, et in omnibus hofinarchiis suis, rite et
legitime habende (M. ß. II, p. 445). Ein Verzeichnis von Jurisdiktionsprivi-
legien (yom 11. bis zum Beginn des 13. Jahrhunderts) für Kloster gibt Ro-
ckingcr, Einleitung S. 132 £
3) Vgl über die Bedeutung und die Folgen der Handfeste besonders
Wirschinger S. 90£
— 191 —
geschaffen, aber Spezialverleihungeu resp. -bestätigimgen kommen
doch auch in der Folgezeit vor. Immer und immer wieder wird
in den Privilegien der Folgezeit auf diese Handfeste um den
Kauf der Gerichte, als das Fundament der Patrimonialgerichts-
barkeit, Bezug genommen. — In Oberbaiem hatte] K. Ludwig
1326 an 18 Abteien und Klöster solche Jurisdiktionsprivilegien
verliehen resp. bestätigt ^).
In welch erstaunlichen Umfange sich die Patrimonial-
jurisdiktionsbezirke vormehrten, ersieht man daraus, daß am
Ende des 15. Jahrhunderts Albrecht IV. allein in Niederbaiern
die Zahl der Hof marken auf 600 schätzte *). In dieser massen-
weisen Vergabung der niederen Gerichtsbarkeit, die dann als
ein Privatrecht, gewissermaßen als ein Zubehör des Grund und
Bodens behandelt, mit demselben verkauft, vertauscht und zu
Lehen gegeben ward*), lag eine wesentliche Schmälerung der
fürstlichen Justizhoheit, denn weite Gebiete (}es Territoriums
waren so, wenigstens teilweise, dem Gerichtszwange des Herzogs
entzogen *).
Diese grundherrliche oder Hof marksgerichtsbarkeit^), welche
1) M. B. VI, p. 248 (I, p. 431).
2) Erenner IX, S. 329.
3) Sie war also ein dingliches Recht, das mit dem Gute auf den neuen
Erwerber überging, was bei den sogenannten einschichtigen Gütern, welche
nur auf den adligen Besitzer übergingen, nicht der FaU war. Vgl v M a a r e r,
Fronhöfe m, S. 77; Wirschinger S. 147.
4) Bezeichnend, wenn auch etwas übertreibend ist die Äußerung Al-
brechts IV., daß, wenn er den Rittem, wie sie wollton, die Hofmarkgerichtc
auf allen Gründen, so in ihre Hofmark geborten, lie&e, er in allem Nieder-
lande an einem Richter genug hätte (Erenner IX, S 329). Vgl. auch die
herzogliche Deduktion gegen die angestrebte Erweiterung der Hofmarks-
gerichtsbarkeit, Landtagshandlung 1515 S. 168 ff., z.B S. 1G9: So ist
.. nicht möglich, daß die 3 Stände der Landschaft sich solcher Freiheit
mochten gebrauchen, wo änderst die Fürsten Fürstenstand wollten halten
ond Fürsten bleiben.
5) Unter Hofmark verstand man einen Inbegriff von Grundstücken und
Qebäuden, die gegen einen dem Eigentümer des Herrenhofs zu leistenden
Zins ausgethan und diesem in Dingen der niedem Gerichtsbarkeit unter-
worfen sind (Vgl Schmoll er-Frommann I, S. lOCO). — Hofmark kommt
schon seit dem 11. Jahrhundert vor, z. B. 1077 in onmibus hofmarchiis, 1143
com plena Holmarchie et venationis jurisdictione (M. B. II, p. 445 ; IX, p. 498) ;
1331 (1180) Hofinarchgericht (Soyfriedl^S. 227). Das Element der nie-
~ 192 —
später einen Bestandteil des Hofmarksrechts 0 bildete, stand
dem Eigentümer der Hofmark über alle zu dieser gehörigen
allodialen und lehnbareu Grundstücke und Gebäude und alle
in derselben wohnhaften Hintersassen, Eigen- und Vogteileute
derselben zu.
Wir wellen auch, sagt die Ottonische Handveste 1311*),
das yeder herre selber über sein leut und seiner leut guet
richte, die er mit thuer und mit thor hat besloßen, sy sitzen
auf pfantschaften, vogteyen ^) oder urbar. Ohne Rücksicht auf
die Qualität des Gutes erstreckte sich diese Gerichtsbarkeit des
Grundherrn auf alle seine Holden und alle in der Hofmark an-
sässigen Personen. Das Streben des Adels nach Ausdehnung
seiner Jurisdiktion über die Grenzen des Hofmarkdistrikts*)
deren Gerichtsbarkeit wurde erst später mit dem Begriff Hofinark in Yer-
bindung gebracht
1) Der Adel genofi auch auf seinen Vogteigütem, wie auf den ihm mit
£igentam oder Stift zugehörigen, Freiheit von den ans der landesherrlichen
Vogtei stammenden Scharwerken (Dien8ten\ aus welcher Freiheit er das Recht
fOr sich in Anspruch nahm, diese selbst von den Gnmdholden und Vogtei-
leuten zu fordern. So begriff das Hofmarksrecht oder die Hofinarksfireiheit
au&cr diesem Scharwerksrecht das Recht der Besteuerung und Musterung.
Die Gerichtsbarkeit, ursprünglich noch nicht damit verbunden, wenn sie nicht
hergebracht war, wurde dann 1557 vom Adel auch bezüglich der außerhalb
der Hofinark gelegenen Güter erlangt Diese Hofinarksgerechtigkeit als ein
personliches Privileg des Adels, das unterging beim Übergang des Edelmann-
gutes in den Besitz eines Prälaten oder Bürgers, bezeichnete man deshalb
als Edelmannsfreiheit Vgl über diese Rockinger, Einleitung S. 382 fL;
Wirsc hinger S. 142 ff,' 157 ff; Nibler, AbL über Edebnannsfreiheit
München 1803.
2) Vgl Wirschinger S. 116 ff
3) Der Vogt der Immunität war Beamter der Immunitätsherrschaft und
verwandelte das Amt in ein erbliches Lehen, bis es ihm endlich gelang, sich
zum Herrn des Klosters aufzuschwingen (Brunn er. Das gerichtliche Ezem-
tionsrccht der Babenberger, in Sitzungsber. d. bist EL d. Wiener Akad.
1864. Bd 47, S. 39 f.). Fürsten und Adlige erlangten die Vogtei über
Stifter und KlOster, die wegen der von diesen zu entrichtenden Abgaben
(Vogteirecht) besonders erstrebt wurden. In diesen Leistungen, welche die
einzelnen zu dem bevogtetcn kirchlichen Institute gehörigen Güter (Yogtei-
güter) schuldeten, erschöpfte sich schließlich der Inhalt dieses Schutxverhält-
nisses — Über die Vogteigüter vgl Wirschinger S. 109 ff; über die VOgte
Waitz VII, S. 320 ff. und Sohm in d. Jenaer Literaturzeitung 1876 S.467 1
4) Die Irrungen des Fürsten mit den Ständen über den Um&ng des
Hofmarksbezirks beseitigte die L. Fr. II a. L Durch die Erklänmg, ^dai
— 193 —
hinaus führte endlich zum Siege, indem der 60. Freibrief 1557 *)
diese allen vom Adel und von der Ritterschaft einräumte auf
allen einzelnen in den Landgerichten zerstreut liegenden einem
Hofinarksbesitzer gehörigen Gütern — die hofmarchsfreyhait
und oberkait auf allen ihren landgerichtischen sitzen, sedlhöfen,
tafernen und allen andern ihren ainschichtigen guetem*).
Was nun die sachliche Zuständigkeit der Hofmarksgerichte
betriflFt, so erstreckte sich diese in Bezug auf die Krimina\juris-
(liktion auf alle Vergehen, im Gegensatze zu den todeswürdigen
Verbrechen und den Vitztumhändeln ^). Regelmäßig wurde diese
in den Privilegien negativ umschrieben in dem Sinne, daß dem
Grundherrn die gesamte Gerichtsbarkeit zustehen soll an die
drey gerichtet) die zu dem tode ziehent: teuf, todsieg, not-
nunft, straßraub ^).
solch hofmarch sein soUen in den etthem (d. i. innerhalb der eingezäunten
Hofflor) und außerhalb auf allen eckhern, veldem, wisen, ängem, egärtn,
holtzem, holtzgründtn, wegen, Stegen, paungärtn, heckhn, trattn (d. i Brach-
feld) und wassern, so in die hofinarch gehörend Vgl noch v. Chi In-
gen sberg (c. 4) S. 15 ff.
1) Y. Lerchenfeld S. 158: das wir ihnen den vom adel und ritter-
schaft die wir für rittermeßig und adelspersonen halten und erkennen, auch
hinfär halten und erkennen — sonderlich denen, die es hievor nicht gehebt
— also einige Adlige hatten schon vor 1557 die Obrigkeit auf ihren außerhalb
der Hofinark gelegenen Gütern erlangt» doch war dies Kecht nur ein persön-
liches, weshalb die Gerichtsbarkeit an den Staat überging bei Veräußerung
des Gutes an einen Nichtadligen.
2) Jetzt ward die Edelmannsfreiheit generell allen Bittem fOx diese so-
genannten einschichtigen Güter zugestanden. Vgl Wirschinger S. 115.
3) L. Fr. I, a. 16.
4) Ober diese Dreizahl als Repräsentanten der Kapitalverbrechen siehe
S. 157 fl
5) So 1. Freibrief 1311. — Diese Dreizahl der dem Landesherm zur Ab-
urteilung vorbehaltenen Verbrechen (hier sogar bei der Aufzählung von
4 Delikten angewandt , während Straßenraub gewOhnUch fehlt) kehrt regel-
milßig wieder in fast allen Jurisdiktionsprivilegien, z. B. Qu. u. Er. V, S. 161,
213; VI. S. 66, 125; M. B. II, p. 143; IV, p. 164; V, p. 16, 42, 242, 470,
478; V, p. 471; VI, p. 243, 416; VII, p. 160. Ursprünglich ward nur Tot-
schlag ausgenommen, z. B. 1140 (M. B. Xm, p. 167) solo ezcepto homicidii
reatu, aber 1298 (M. B. IX, p. 114) ezceptis causis criminalibus, ut de ho-
micidio et similibus, que sine omni ezceptione condempnationem mortis de-
monstrare valeant evidenter. Auch heißt es aUgemein „ohne die Sachen, die
ZQ dem Tod ziehen^, casus sanguinis. Vgl noch die bei Eockinger, Ein-
leitung S. 132 S. n. 338, angeführten Jurisdiktionsprivilegien.
Rosenthal, Geschichte d. Uerichtsw. a. d. Venr.-Orgr. Balerns. I. |3
— 194 -
Die peinliche Strafgerichtsbarkeit, den Blutbann, das wesent-
liche Element der Gerichtsgewalt, reservierte sich der Landes-
herr. Nur ganz vereinzelt wird auch diese an adlige Grund-
herren verliehen. So erteilt Ludwig d. Brandenburger 1348
dem ü. von Abensberg Halsgericht und Blutbann im Markte A.*).
E])euso erhält auch Heinrich von Gumppenberg für das Dorf
Pöttmes*), Konrad von Frey sing für Au^) ein solches Hals-
gericht zu rechtem Erblehen, und selbst Klöster, wie Chiemsee *),
erfreuten sich dieses Privilegs.
Die Zuständigkeit des Hofmarksgerichts erscheint also po-
sitiv gegeben für die Aburteilung aller Vergehen^) im Gegen-
satze zu den todeswürdigen Verbrechen oder, wie L.Fr. (H a. 2)
sagt, nachdem sie Feldfrevel und leichtere Körperverletzungen
aufgezählt hatte *) — und alles annders das nit vitzdomb und
malefitzisch hänndl sind. Was sich auch, fährt a. 3 fort, annder
persöndlich sprüch und frävel die nit vitzdomb oder malefitzisch
hänudi sind in denselben hofmarcheu zwischen jrer inwonenden
Personen und anndem auch auf den gründtu und guetem darzue
1) Auch haben wir dem von A. and sinen erben stocke und galgen and
ein fries balsgericht do selben geben und verleihen in and iren amptlewten,
den si daz gericht enphelhent, den ban mit disem . . brief also, daz sie fQr-
baz ewiklich über alle schedlich lewt . . . rihten salen (Qa. a. Er. V, S. 405).
2) 1310 hatte Heinrich v. G. diese Exemtion von jeglicber landgericht-
lichen Jurisdiktion erlangt Die Exekution von Todesurteilen hatte aber
durch das Landgericht Bain, an welches die Abgeurteilten ausgeliefert wur-
den, zu geschehen. Halsgericht, Stock und Galgen wurde zu rechtem Lehen
empfangen. Der von der Herrschaft bestellte Richter mußte Bann und Acht
vom Herzog empfangen (v. Gumppenberg, Gesch. der Familie von
Gumppenberg. Würzburg 1856. S. 64 f., 140).
3) Lipowsky, Gesch. d. bair. Criminalrechts S. 148.
4) Grimm, WeistOmer. GOttingen 1842. 111, S. 611 £
5) z. B. 1318 Fürstenzell : nur Gült, Baurecht Scheltwort und Schwert-
zflcken und um allen Unfug (M. B. V, p. 42); Hofmark von Rot (15. Jahr-
hundert): sein richter hat zu richten, wändlen und zu straffen einen jeden
frevel, der hie geschieht, es sei rauffen, schlagen, stoßen, Scheltwort oder Un-
zucht, daß alles mag er wandlen und straffen nach gestalt eines jeden handeb
und freveis (Grimm, Weistümer III, S. 669).
6) L. Fr. II a. 2: In und auf den allen (Hofmarken) soll der hofmarch-
herr ze richten und zue straffen haben, alls umb uberetzen, ubermäen, über-
schneiden, uberzeinen, ubcrgraben, ubermaifien (d. L auf einem angrenzenden
Grunde Holz hauen) und uberackhem, auch umb rauffen, schlahen, werffen und
verwunden und allee anders das nit vitzdomb und malefitziBch h&nndl sind.
— 195 —
gehörig begeben soll der bofmarchrichter auch ze richtn und ze
straffen haben.
In Bezug auf die Civiljurisdiktion war auch die Kompetenz
eine allgemeine mit der allerdings einschneidenden Ausnahme,
daß die Rechtsstreitigkeiten um Grund und Boden dem Land-
gerichte vorbehalten bUeben, wie dies in den Privilegien 0 ^^d in
der L.Fr.*) vielfach ausdrücklich hervorgehoben ward. Nur ganz
vereinzelt, wie dies auch in Hinsieht auf die Kriminalgerichts-
barkeit der Fall war, ging die Privilegierung einiger Herrschaften
noch weit weiter, so daß man ihnen auch eine Gerichtsbarkeit über
die in der Hofmark liegenden Immobilien zugestand^). Das
lockte auch die übrigen Hofmarksherren zur Ausübung einer
solchen ausgedehnten Jurisdiktion, die sich Viele anmaßten, so
daß die Streitigkeiten über diese mit dem Landesherm nicht
aufhörten*), bis die L.Fr. einen Vergleich herbeiführte, indem
sie ^) wohl das Prinzip aufstellte, daß Immobiliarprozesse — umb
grundt und poden, auch umb gannt derselben Sachen — der
Kognition des Landgerichts, als dem eigentlichen forum rei
sitae, unterstellt werden, zugleich aber auch festsetzte, daß,
falls die Jurisdiktionsgewalt über das konkrete Grundstück
strittig wäre, die Einleitung des Prozesses dem Hofmarksrichter
überlassen werden solle, der dann die Sache zur Fällung des
Urteils ans Landgericht zu überweisen^) habe.
1) z.B. M. B. U, p. 140; IV, p. 45 ; V, p. 376; XVIII, p. 67. 1331 Wir sollen
auch richten um Eigen und Lehen, was aber am Erbrecht oder am andre
Sachen ist» das soU man aaf den Gütern richten (0 ef el e, Ber. Boic. Scriptöres
II, p. 164).
2) II a. 7. Wer ho&narch hat, der soU wie obsteet in denselben aUe
Sachen so nit Yitzdomb oder maiefitzhänndl sind ze richten haben; hindan
gesetzt and ansgenomen omb gnmd and poden, aach amb gannt derselben
Sachen, die soUcn in unsem fürstlichen landgerichten berecht werden. Vgl.
die Variante in der Fassong der L. Fr. von 1514 bei v. L e r c h e nf e 1 d S. 231.
3) z. B. M. B. VI, p. 146; VII, p. 299; Hofmark von Rot: es hat das
gotshaas in der hofinark zu richten amb grand and poden, erb and eigen,
was darein and darza gehört, so ver and weitt der pflaeg and die sänsen
derselben hofmark gründ und poden raicht, darzu aUen frevel, der auf solchen
gründen beschicht, an des malefiz (Grimm, Weistümer III, S. 670).
4) Wirschinger S. 132 t
6) II a. 7 Abs. 1 u. 2.
6) Die erforderliche Besitzeinweisung erfolgt auf Aufforderang des Land-
richters durch den Hofinarksrichter. Nur wenn dieser innerhalb 14 Tagen
13*
- 196 —
Im allgemeinen sehen wir also für die Kompetenzabgrenzung
zwischen dem Land- und dem Hofmarksgericht das Prinzip der
fränkischen Gerichtsverfassung nachwirken, welches alle causae
maiores, also alle Strafsachen, die an das Leben gingen, alle
Prozesse um Freiheit und Eigen dem ordentlichen Gerichte des
Grafen, alle causae minores aber, Prozesse um Schuld und
Fahrnis dem Gericht des Centenars zur Aburteilung überwiesen
hat *). Das Hofmarksgericht ist also der Nachkomme des alten
Schultheißengerichts im Gegensatz zum Grafen-(Land-)gericht,
welch letzteres eben das Gericht ist. In gewissem Umfange
entwickelte sich aber die Hofmarksgerichtsbarkeit zu einer der
landgerichtlichen adäquaten obrigkeitlichen Gewalt*), indem sie
nicht nur die Ausübung der sog. freiwilligen Gerichtsbarkeit
(Inventarisierung, Nachlaßregulierung, Bestellung und Über-
wachung der Vormundschaft u. dgl.) ^), sondern auch die Hand-
habung der Polizeigewalt*) auf ihren Gütern in sich schloß.
Alle Aufgaben, welche auf dem Gebiete der Verwaltung und
besonders auf dem der Polizei dem Pfleger in den Landgerichten
zufielen*), waren in den Hofmarken von der Hofmarksobrigkeit
(in den Städten vom Stadtrat) zu erledigen. Wo namentlich
die Polizei-Ordnungen des 16. Jahrhunderts von der Obrigkeit
oder Gerichtsobrigkeit sprechen, schließen sie regelmäßig auch
die Hofmarksobrigkeit in sich*).
der Aufforderung nicht entspricht, übernimmt jener die Durchftlhrung der
Exekution. — Aber die gannt umb varcnds guet sollen in den hofinarchen,
die dann umb die schuld zc richten haben bleiben; dann wer umb schuld
ze richten, der hat auch bezallung derselben zu verhelffen, das ist durch
mittl ainer rechtlichen gannt (L. Fr. II a. 7 Abs. 4).
1) Schröder, Rechtsgeschichte S. 164 f. ; S o h m , Frank. Reichs- und
Ger,-Verf 8. 419 ff
2) Für die mifibr&uchliche Ausdehnung der Hofmarksjurisdiktion sind die
Beschwerden R Ludwigs gegen die Landständo (1471) von Interesse (Ercn-
n e r VII, S. 339 ff).
3) z. B. L Fr. n a. 21-23.
4) Vgl. noch Wirschinger S. 135 £
5) Vgl die Darstellung in § 17.
6) z. B. L.O. 151C S. 15 — da& in Städten und Märkten, auch in Land-
gerichten all und jeglich unser Amtlcut und Landsässen, die Gerichtsverwal-
tung haben, verfügen (Anmeldung der unbekannten argwohnigen Leute);
S. 17 Bettler soll Urkunde von seiner Herrschaft haben. Ist er unter uns
von unsem Pflegern, ist er aber unter einem Prälaten, Edelmann, Stadt oder
- 197 —
Die Jurisdiktion in den Hofmarken wurde gewöhnlich nicht
durch die Herren selbst, sondern durch einen von ihnen be-
stellten und besoldeten * ) Richter'') (Hofmarksverwalter, Schaflfner,
Vogt) gehandhabt, der mit dem Stabe in der Hand dem Ge-
richte vorsitzt. Für dessen Ernennung waren dieselben Quali-
fikationsbedingungen wie für die landesherrlichen Richter auf-
gestellt^). Doch ist er mitunter an ein Vorschlagsrecht der
Hofmarksgenossen gebunden (nach der nachpaurn rat der merern
menig)^), ja diesen ist sogar zuweilen selbst das Ernennungs-
recht zugestanden ^). Häufig waren fürstliche Beamte zugleich
als Patrimonialrichter, besonders bei Klöstern bestellt. Wegen
der durch diese Kumulierung der Ämter bedingten ünzuträg-
lichkeiten wurde dieselbe durch ein herzogliches Dekret 1573 ^)
untersagt und den Klöstern aufgegeben, eigne Richter zu be-
stellen.
Markte daß er von denselben auch eine solche Urkunde habe ; S. 23 die Obrig-
keit» dem die Kinder von Gerichts wegen unterworfen sind, soUen Vormund
besteUen ; und an vielen andern Stellen. Ebenso auch L.O. 1553, z. B. B. II
1 1 a. 1. Jeder soU zuerst seine Klage seinem geordneten Pfleger, Hofinark-
oder andern Gerichtsherm und Obrigkeiten vorbringen. Sodann wird manch-
mal noch in besondem Artikeln bestimmt^ daß die Landsassen in ihren Hof-
marken und Gerichten diese (Sportel- etc.) Ordnung auch halten sollen (B. n
t 2 a. 4; t 6 a. 3) u. dgL m.
1) L. Fr. U a. 8; Ger.O. 1520 I a. 13.
2) Bei der Ausdehnung der Hofmarksgerichtsbarkeit über die einschich-
tigen Güter (60. Freibrief bei v. Lerchen feld S. 160) wurde im Inter-
esse der Rechtsuchenden bezügUch des Richters angeordnet» daß derselbe in
3 Meilen Wegs zum weitisten mit seiner häuslichen Wohnung zu finden sein
rnftsse. Geschieht das nicht und ist auch der Hofoiarksherr weiter entfernt^
80 kann die Klage im Landgerichte erhoben werden.
3) Ger.O. 1520 t I a. 1.
4) z. B. Grimm, Weistümer VI, S. 118 § L
5) z. B. Ibid. S. 122 § 1.
6) (Kr. A. M. — Hofkammer Gen. Acta, Kopie). Die Maßregel wurde damit
motiviert, daß dardurch beider Orten die Dienste vielfaltig versäumt würden,
also da man unsre Sachen soU abwarten, so ist man in des Klosters Ge-
schäft oder da des Klosters halben was fOrfäUt, so kann man von unserm
Dienst so bald nit abkommen und es derhalben beider Orten nit thunlich,
sondern uns und den Klöstern in mehr viel nutzbarer, sie haben ihre Richter
bei ihnen. Die Klöster remonstrierten gegen diese Verfägung, indem sie den
Kostenpunkt betonton, denn keiner würde um ein Geringes oder Schlechtes
dienen, meinte Schäftlam, der ein wenig einen Verstand zu Gerichtssachen
hätte.
— 198 —
Die FiDduDg des Urteils lag in den Händen von (12)^)
Schöffen (Rechtsprechern), die aus den tüchtigsten Insassen der
Hofmark vom Hofmarksherm oder Richter * ) bestellt und ver-
eidigt wurden. Fand er solch qualifizierte Leute nicht in ge-
nügender Anzahl in seiner Hofmark, so soll er sich ehrbare
Nachbarn aus dem Landgerichte oder andern Hofmarken als
Gerichtsbeisitzer erbitten') und dieselben vereidigen*). Der
Hofmarksherr kann auch, falls er das Gericht nicht vorschrifts-
gemäß besetzen kann oder will, den Rechtsstreit zur Aburteilung
an das Landgericht, in dessen Sprengel die Hofiuark liegt, oder an
das Hofgericht verweisen. Ist er nach dieser Richtung hin säumig,
so soll seitens des Landrichters oder Hofgerichts den Parteien
Recht ergehen, ohne daß diese Devolution in dem Einzelfalle
der Gerichtsbarkeit des Hofmarksherm präjudiziert^). Das
Prinzip, daß bei vorliegender Rechtsverweigerung in der Hof-
mark die Sache an das zuständige landesherrliche Gericht ge-
bracht werden soll, findet schon sehr bald*) Anwendung^).
Der Hofinarksherr ist verpflichtet, das Gericht auf eigne
Kosten zu unterhalten, und darf nicht für die Bestreitung dieser
Unterhaltungskosten besondere Gebühren von den Parteien be-
anspruchen, „angesehen, daß der, so der Hofraarch mit Wändin
und andern Sachen genießt in dem Fall die Hofmarch- und
Ehaftrecht ohne Kostung der Parteien auch billig entgelten soll" **).
1) X. B. Hofinark Pillenee : Die 12 geschwornen Rechtsprecher, die zn
der ScbranneD geschworen gesetzt sein (M. B. II, p. 102). Hofinark Raiten-
buch (M. B. VIII. p. 113). Vgl auch Krenner XVI, S. 369 t
2) Ger.O. 1620 t I a. 4.
3) L. Fr. U a. 11; Ger.O. 1520 t I a. 14.
4) Die Hofinarksherren waren auch innerhalb des Geltungsgebiets des
Landrechts nicht zu dessen Anwendung verpflichtet In der Einleitung der
Reformation des bairischen Landrecbts 1618 wird aber den Landsassen die
Einführung derselben nahe gelegt (vgl v. d. Pfordten S. 271 ff.).
6) Ger.O. 1520 I a. 14 Abs. 2-4.
6) z. B. 1288 (HB. III, p. 348): Si per prepositum et Conventum in
Ranshoven eisdem colonis sive hominibus justitia negata fiierit, tunc iidem
coram judice competente suas poterint persequi questiones.
7) Auch für die Bestellung des Hfllfspersonals (Fronboten, Amtleute)
durch den Hofinarksherm war Vorsorge getroffen, hie und da auch für Für-
sprecher, doch wurden dieselben zumeist von den Parteien mitgebracht
8) Gez.0. 1520 I a. 13.
— 199 —
Aus der Pflicht des Herzogs für die ordentliche Hand-
habung der Justiz im ganzen Lande zu sorgen, ergab sich die
Notwendigkeit für die herzoglichen Gerichte, da ergänzend ein-
zutreten, wo diejenigen, welchen die Gerichtsbarkeit zur Aus-
übung delegiert war , ihre Pflicht nicht erfüllten , also ' bei
jeder Rechtsverweigerung oder Rechtsverzögerung der Hofmarks-
gerichte *).
Die Berufung gegen ein Urteil des Hofmarksgerichts ging
zum Hofgericht bezw. zur vorgesetzten Regierung*). Daß ins-
besondere gegen die von den Hofmarksgerichten gefällten Straf-
urteile Berufung zu diesen Stellen eingelegt werden könne, wird
von der L.Fr. (H a. 3) ausdrücklich betont. Sie waren auch
zuständig zur Entscheidung der zwischen einer Hofmark und
einem Landgericht entstandenen Kompetenzkonflikte *).
Der Rechtszug vom Hofmarksgericht zum Hofmarksherm
mußte durch Privileg besonders eingeräumt sein*) und scheint
von vielen ohne rechtfertigenden Grund in Anspruch genommen
worden zu sein ^).
Bei den sich vielfach berührenden Kompetenzen des Land-
und des Hofmarksgerichts war eine eingehende Normierung der
1) z. B. L. Fr. n a. 27, 28.
2) Krenner YII, S. 359. Verantwortang der Landschaft auf die kaiser-
liche Instruktion hin (Landtag 1514 S. 342): und wan ürtl Ton dem Dor£f-
oder Hofinarch-Eichter gefahlen, so appellirt der Beschwert für den färstL
Hot — von dannen wirdt an das k. Cammer-Gericht geappelliert, Da mag
niemand sagen, daß kayserl oder FürstL Obrigkhait oder den Regalien etwas
entzogen werd, dan das Obergericht oder Gerechtigkhait der Regalien seint
dem FOrstenthumb auch der kays. Mt unbenomen.
3) L. Fr. U a. 4.
4) z. B. Privileg K. Ludwigs für die Klöster in Oberbaiem : Wir haben
ihn auch die Gnade gethan, das man fürbas dingen soll für dieselbe Pre-
laten und nit für uns noch unser AmpÜeut (M. B. I, p. 297); vgl noch ib.
V, p. 218; n, p. 109.
5) Bei den Vorberatungen über die L.O. 1474 forderte H. Ludwig noch
über einige Punkte Bericht von den Landrichtern, besonders über einzelne
Eingriffe der Landstände in seine Justizhoheit — So u. A. : „So einer darin
beschwert, für wen geappelliret, und ob der Appellationen gestattet werde . .,
dann Wir verstehen, das etliche das appelliren nicht haben und sonders den
ihren in keinen Weg für Uns gestatten wollen." Femer; „daß auch die Ge-
dinge, so von den Urtheilen in den Hofmarchen beschehen, nicht an Uns als
Landesfürsten, sondern an den, dessen die Hofmarch ist, gethan werden"
(Krenner VII, S. 355, 367).
— 200 —
auitlichen Beziehungen geboten. Namentlich hatte die Aus-
lieferung der eines schweren Verbrechens Schuldigen — das
forum delicti commissi resp. deprehensionis war das anerkannte —
an (las zur Aburteilung zuständige Landgericht eine detaillierte
Regelung erfahren stets in dem Sinne, daß der Delinquent, als
er mit gürtP) ist umbfangen *) — so lautet die mit stereo-
typer Regelmäßigkeit wiederkehrende Formel — also so wie er
geht und steht, d. h. bis aufs Hemd entkleidet, innerhalb 3 Tagen
auszuliefern sei. Das gestohlene Gut verblieb also dem Hof-
marksherm '), und nur an der Person wurde seitens des Land-
gerichts die peinliche Strafe vollzogen, wie dies für den Dieb
insbesondere häufig bestimmt ist^).
Die L.Fr. (IV a. 3) ordnete eine Verwahrung der in einer
Hofmark ergriffenen Verbrecher bis zum 3. Tage an, wo dann
die Auslieferung der gebundenen Gefangenen an den Landrichter
erfolgen sollte*).
Bei allen rechtlichen Beziehungen zwischen den im Land-
gerichts- und im Hofinarksbezirk Ansässigen konnte eine Einwir-
1) Eine alte Formel Vgl Aber sie and andere Gebräuche bei der Aus-
lieferung die Beispiele bei Grimm, Deutsche Bechtsaltertflmer I, S. 157;
II, S. 876; Westenried er, Glossarium S. 222 iL Vgl noch 1. Freibrief
1311, Privileg f&r die oberbairischen Kloster 1330 (M. B. I, p. 297); Grimm,
Weistümer m, 8. 637, 670; VI, S. 116, 127, 136, 178, 191.
2) In humoristischer Weise werden oft Direktiven f&r die Auslieferung
gegeben, z. B. in der Hofinark von Rot: in 3 tagen soll er (des Gotteshauses
Kichter) den schedlichen menschen dem landgericht oder seinen amüeuten,
als er mit gürtl umfangen ist» an die außer felterseul mit einem seiden oder
zwirinen faden binden und das gut, das er herein bracht hat, soU hinner
der hofinarch dem gotshaus beleiben ; femer in der Hofinark zu T. a. 6 : Am
3. tag . . aus der hofinarch ins landgericht . . antworten, ihn an eine fäU-
thorsftule mit einem strohband anbinden und der amtmann drei schrei thucn :
wer zu ihm zu sprechen hat, der findet den armen hier angebunden. Vgl
noch Rechte von Chiemsee (Grimm, WeistOmer III, S. 669, 640, 671). Vgl
über diese Scheinerfüllung einer Verbindlichkeit Gierke, Der Humor im
deutschen Recht Berlin 1871. S. 37.
3) L Fr. rV a. 4. Natürlich nur soweit nicht Ansprüche des Eigen-
tümers geltend gemacht wurden.
4) Die Beschwerde des Herzogs Ludwig 1471 (E renn er VII, S. 339),
so Dieb und andere Ubelthftter in die Hofinarken kämen, würde das Gut, so
sie mit ihnen hinein bringen, darin behalten und sie fürder hinweg geschoben,
mag zur Festsetzung obiger Bestimmungen in L. Fr. geführt haben.
5) z. B. Grimm, Weistümer m, 8. 640, a. 6.
— 201 —
kung auf einen solchen nicht direkt *), sondern lediglich durch Re-
quisition seiner Obrigkeit erfolgen *). Auch die Hofmark ward als
besonderer Jurisdiktionsbezirk geachtet, gefreit gegen jedes amt-
liche Eingreifen einer andern als der eigenen Obrigkeit. Nur
falls die Hofmarksobrigkeit der Requisition keine Folge gab,
konnte das Landgericht unmittelbar gegen den Hofmarksmann
eine Amtshandlung vornehmen (L.Fr. II a. 27).
Daß der Hofmarksherr oder sein Verwalter nicht eine Amts-
gewalt über die landgerichtischen oder die eignen im Land-
gerichtssprengel wohnenden Unterthanen auszuüben befugt war,
liegt auf der Hand. Wurde ein Eigen- oder Vogtmann zur Ver-
antwortung vor das landesfürstliche Gericht gezogen, so konnte
der Herr oder sein Beamter als sein Beistand auftreten ®).
Bei der Kompliziertheit der Kompetenzabgrenzung war es
oft beim besten Willen der landesherrUchcn und Hofmarks-
beamten recht schwierig, ein Hinübergreifen in die Amtssphäre
des andern Teils zu vermeiden. Da es aber bei dem eigen-
nützigen Gebahren vieler Beamten auf der einen und dem
rastlosen Streben nach Gewalterweiterung auf der andern Seite
recht häufig an diesem guten Willen fehlte, so kann man sich
nicht wundern, daß die Beschwerden über Kompetenzverletzungen
auf den Landtagen nicht verstummen wollten.
Die gleichen Klagen wie am Ende des 15.^) ertönten auch
noch gegen Ausgang des 16. Jahrhunderts seitens der Land-
stände über die Iniingen und Kränkungen, welche die Pfleger,
1) So hatten Pfleger und Richter die landgerichtischen Unterthanen
denen vom Adel und andern Hofmarksherrn als Vormünder zu YerschafTen
and ebenso diese und ihre Verwalter wieder die Hofoiarksleute in die Land-
gerichte (L. Fr. II a. 24). Die in Landgerichten wohnenden Hintersassen,
Eigen- oder Vogtlente der Landschaft mußten, wenn sie eines bürgerlichen
Verbrechens oder Handels, außer um Malefiz, geziehen wurden, auf schrift-
liche Requisition des Landrichters diesem zum Gerichtstermin verschafift
werden (L. Fr. II a. 25; vgl. auch 11 a. 27).
2) z. B. Hofraark zu T. § 2: erstlich hat kein landamtmann in der hof-
mark T. nicht ze handeln noch zo schafifen; wo er aber von eines gcrichts
wegen in der hoftnarch ze thuen hett, das soll er zuvor anbringen, die werden
ihm alle billigkeit verhelfen und* ihm verschaffen (Grimm, Weistümer III,
S. 640).
3) Ldr. a. 149; L. Fr. II a. 26; Grimm, Weistümer III, S. 642, a. 19.
4) z. B. 1471, 1494, 1497 (Kronner VII, S. 63 f.; IX, S. 318 ff; XIII,
& 16 f ).
— 202 —
Richter und Amtleute ihnen in ihren Hofmarken zufügten und so
ihre Privilegien verletzten. Solchen ständischen Klagen gegenüber
beschwert sich der Herzog dann seinerseits wieder über Beein-
trächtigung seiner Obrigkeit, wirft den Hofmarksherren vor,
daß sie Übelthätem in Malefizsachen das Geleite erteilt hätten
u. dgl. m., und ordnete über die verschiedenartigsten, zu seiner
Kenntnis gebrachten tJl)ergriffe Recherchen an ^). G^enüber
den von der Ritterschaft und den Prälaten auf dem Landtage
1583^) erhobenen allgemeinen Beschwerden im alten Stile ant-
wortet der Herzog nur, daß spezielle Fälle solcher Beamten-
übergriife aufgeführt werden mögen. Denn es war ja, wie bereits
hervorgehoben wurde , im 16. Jahrhundert durch die L. Fr.
eine eingehende Normierung der Kompetenzverhältnisse erfolgt,
so daß es sich lediglich um Nichtachtung bestehende^ Vor-
schriften handeln konnte.
Ragten die Hunderte Von Patrimonialherrschaften schon
als ebensoviele Keile in die fürstliche Machtsphäre hinein, die
1) Krenncr VTI, S. 349 ff
2) Mannskript im Kr. A. M.: Die Ritterschaft beklagte, dafi der Bauer,
wenn er gegen seinen Hofifnarksherm Klage zu haben vermeinte, gleich gegen
Hof liefe und Tagsatzung ausbrächte, welche er mit einem Stück Brot, der
Herr aber mit besonderen Unkosten besuchen müsse. Ergebe sich nun im
Verhöre, dafi der Bauer mutwiUig und ohne Grund klage, so werden doch
dem Herrn einige Unkosten nicht erkannt, noch der Bauer seines Frevels
halber bestraft ; damit werde der Hofmarksherr von einem nach dem andern
tribuliert und zu Unkosten gebracht, und sei der Bauern Gezänk kein Ende.
Der Herzog verhieß Erfüllung der Bitte (Bestrafung und Kostenersatzpflicht
des mutwillig Klagenden und Unterliegenden an den Gegner). Femer beschwerte
sich der Adel darüber, da& die Bauern gar nicht das Urteil des Hof marksgerichts
in den von ihnen angestrengten Prozessen abwarteten, sondern gleich gegen Hof
liefen, Commissionos auf die fürstlichen Pfleger etc. ausbrächten, dadurch würde
die Handlung nicht allein aus den Hofmarken in die Landgerichte gezogen, son-
dern auch die Hofmarksherren verkleinert und hätten bei ihren Unterthanen
solbst keinen Gehorsam, weshalb man ihnen auferladen solle, ihre Sachen
vor ihrem Hofmarkshorm bis zu dem Abschiede auszuwarten Würden sie
durch diesen beschwert, dann erst sollte ihnen das gegen Hof Laufen un-
benommen sein. Der Herzog verlangt hier in specie Anzeige, wem solches
j>assiert wäre. Femer erklärte der Adel, dhß es ihm zu besonderm Eingriff
gereiche, daß die Landgerichte ihre Jurisdiktion geltend machten bezüglich
der auf den durch Hofmarken hindurchgehenden Privatwegen verübten De-
likte, eine gesuchte Neuerang, welche Ij. Fr. II a. 1 widerspreche, so da&
später ihr eigner Grund vielleicht auch wolle streitig gemacht werden.
- 203 —
landesherrliche Gerichtsgewalt verdrängend, so war nun vollends
seit 1557 der Zustand ein unleidlicher, die Interessen des
Herzogs und die der Unterthanen gleich schädigender geworden.
„Dieser Verkauf Albrechts", sagt Rudhart*), „war gleich
schmählich, aber noch nachteiliger, als jener weiland K. Ottos,
denn die Bezirke der Jurisdiktion wurden, da man sogar für
ein einzelnes Haus eine Gerichtsbarkeit haben konnte, äußerst
zerstückelt, durch die Verwirrung der Grenzen derselben un-
zählige Streitigkeiten veranlaßt und die Unterthanen gezwungen,
der richterlichen Hülfe mehrere Meilen nachzulaufen, um, von
dem langen Wege müde, noch müder durch die längere Justiz-
ve^^valtung zu werden."
Welch beklagenswerte Erscheinung, daß gerade in der
Periode, in welcher die Entwicklung der Gesetzgebung, die Re-
formen der Verwaltung und die Organisation des Behörden-
wesens den Bau des modernen Staats immer fester zusammen-
fügten, die durch die ständischen Gerichtsprivilegien in die
fürstliche Souveränität gelegte Bresche noch erweitert wurde!
Es ist wahrhaft .trostlos zu sehen, wie die Herzoge, die traurigen
Folgen einer Nachgiebigkeit gegen die begehrlichen Ansprüche
des ständischen Egoismus klar voraussehend*), doch nicht die
Kraft besaßen, denselben mit zäher Energie Widerstand zu
leisten. Aber nicht nur der Staat wurde durch diese Aus-
dehnung der Patrimonialgerichtsbarkeit geschädigt, die Interessen
der Unterthanen nicht minder.
Das Richterpersonal war in den Hofmarken naturgemäß
ein schlechteres als in den Landgerichten, und die Zerstücklung
der Gerichtsbezirke mußte schon jede Beschleunigung der Prozeß-
erledigung hemmen. Von einer straflfen einheitlichen Vollziehung
der polizeilichen Anordnungen in den Hunderten von Hofmarken
konnte nun vollends nicht die Rede sein, zumal hier oft der
gute Wille der Hofmarkslierren fehlte, unbequeme und lästige
1) Geschichte der LandstfiDde in Bayern. Heidelherg 1816. II, S. 199.
2) Bei den Verhandlungen über die L. Fr. 1515 wurde seitens der herzog-
lichen Vertreter in Bezug auf den Artikel wegen der Hofinarksgerichtsharkeit
erkl&rt: „So ist nach Gelegenheit des Lands nicht möglich, daß die droy
St&nde der Landschaft sich solcher Freiheit mochten gehrauchen, wo änderst
die Fürsten Fürstenstand wollen halten und Fürsten bleiben" (Landtag 1515
S. 169).
— 204 —
Befehle und Gesetze durchzuführen. So war es immerhin noch
ein trostreicher Gedanke, daß wenigstens die höhere Gerichts-
barkeit den Landgerichten nicht entzogen war, und daß den
staatlichen Organen solche Aufsichtsbefugnisse zustanden, die
wenigstens die gröbsten Mißbräuche abzustellen gestatteten und
es ermöglichten, daß diese Privatgerichtsbarkeit als morsche
Trümmer einer längstvergangenen Zeit selbst in den modernen
Verfassungsstaat herüberragte und erst durch die Stürme von
1848 ^) von unserm Rechtsboden weggefegt wurde.
Das Dorfgerioht.
In tiefes Dunkel gehüllt ist der Ursprung der bairischen
Dorfgerichte ^). Man darf wohl vermuten, daß auch hier die
Dorfgemeinden anfänglich genossenschaftliche Dorfgerichte für
ihre Angelegenheiten besessen *), welche sich erst später zum
größten Teile in grundherrlichc verwandelt haben, indem Dörfer
zu Lehen*) ausgethan oder auch veräußert wurden und damit
auch das friiher genossenschaftliche Dorfgericbt feudalisiert*)
ward ^). Doch wurde auch dann der Unterschied zwischen
Dorf- und Hofmarksgericht nicht etwa vollständig verwischt,
denn einige nicht patrimoniale (Gemeinde-) Dorfgerichte exi-
stierten fort'). Durch K. Ludwigs Landrecht wird sodann
die Kompetenzgrenze der Dorfgerichte * ) enger gezogen, so daß
1) Gesetz vom 4. Jani 1848.
2) über die österreichischen und märkischen Dorfgerichte vgl. Luschin
S. 159 ff.; Kuhns I, S. 156 ff.; H S. 145 ff
3) Vgl V. Maurer, Gesch. der Dorfverfaasung. Erlangen 1866. H
S. 122 f. — Die Ableitung der Dorfgerichte von den alten Centgerichten
(K renn er a. a. 0. S. 2 ff.) entbehrt jeder Begründung.
4) Vgl. z. B. die bei Rockin ger, Einleitung S. 112 t n. 295, ange-
führten Lehnsverleihungen von Dorfgerichten.
5) Vgl. R 0 c k i n g e r , Einleitung S. 381.
0) Auch in der Mark Brandenburg waren die Dorfgerichte zumeist pa-
trimoniale, ebenso in Österreich (Kuhns II, S. 145; Luschin S. 161).
7) Spuren einer fortdauernden Dorfmarksgerichtsbarkeit, besonders bei
Streitigkeiten zweier Dörfer um eine gemeine Mark u. dgl Ldr. a. 136 (137,
U0\ 142. Siehe v. Maurer, Dorfvorfassung IT, S. 123.
8» Dorffgericht ist nit so vil alß Hofmarchgericht, welliches die Nidere
Gerichtbarkeit durchaus begreifft» sagt W. Hund 1598 (Bayrisch Stammen
Buch. Ingolstadt II, & 401).
— 205 —
diese sich fortan durch ihre verminderte Zuständigkeit quali-
tativ von den Hofmarksgerichten unterschieden. Weitaus die
meisten Dorfgerichte waren aber zu Hofmarksgerichten erhoben
worden, während wieder andere die Eigenschaft der letzteren
durch Verjährung erworben hatten.
Die Existenz der Dorfgerichte läßt sich vor dem 13. Jahr-
hundert^) nicht nachweisen, doch ist ihre frühere Entstehung
wahrscheinlich. In dem 1. Freibriefe 1311 erklärt Otto III.
ausdrücklich, daß er den Privilegierten dadurch nicht ringern
wolle an ihren Grafschaften, Hofmarken und Dorfgerichten;
diese werden also nicht nur als eine schon allgemein bekannte
Einrichtung vorausgesetzt, sondern auch in ihrer Besonderheit
von den Hofmarken geschieden. Und noch L. Fr. H a. 13
sprach es aus, daß die Dorfgerichte und Ehafte in ihrem Ge-
brauche bleiben sollten gemäß den alten Freiheiten.
Über die Zuständigkeit des Dorfgerichts bestimmt Ldr.
a. 139: Wir wellen und gebieten, daz vestichlichen, daz man in
dhainem dorf gericht hoeher richte weder umb gelt noch umb
dhainerlay sache, dann umb 72 ^, und auch dhain höhere puozz
nem, dann 12 X. Diese Stelle will aber nicht die Grenzen der
Civiljurisdiktion bestimmen in dem Sinne, daß nur Prozesse,
deren Objekt den Betrag von 72 ^ nicht übersteigt , vor das
dorfgerichtliche Forum gehören^), sondern es soll nur die
Kriminalzuständigkeit begrenzt werden so ^), daß das Dorfgericht
1) Wenn auch jetzt erst die Bezeichnung Dorfgericht yorkommt, so tritt
ans doch die Institution als eine seit langem bestehende entgegen: 1269
Wernhardus comcs de Lewoberc Judicium viUao in Marchelchoven (praef.
Vilßbiburg) quod vulgariter Dorfgericht sive Chirchgericht nuncupatur, ro-
signat in manus L. cpiscopi Katispon. (R. B. III, p. 332 \ 1285 verlieh H.
Ludwig dem ü. v. Wellenberch in feudum Judicium villae Vorchaim vulgariter
dorfgoricht appellatum resorvato sibi judicio comitiae (R B. IV, p. 284).
Sodann hcilit es im Landfrieden der Herzoge Ludwig und Otto 1293 (a. 16 —
Qu. XL Er. VI, S. 30; Landfr. 1300 a. 18, ibid. p. 114): den gotshauscn,
graven, freyen und dinstmannen iriu reht beleihen an ir dorfgerihton , und
8wer diu ze reht hat von alter gowonhait Diese Zeugnisse sind etwas älter
als die von Seyfried I, S. 145 als die frühesten Belege für das Vorkommen
der Dorfgerichto angeführten (Privileg für Kloster Diessen 1300 — M. B. IV,
p. 197, und 1. Freibrief von 1311).
2) Der Wortlaut des Artikels scheint allerdings dieser Auslegung nicht
günstig, wenn auch mit derselben allenfalls vereinbar zu sein.
3) Vgl hierüber bes. v. Krenner, Dorfgericht S 12 contra Seyfried,
— 206 -
nur diejenigen Vergehen, welche das Landrecht mit der kleinen
Gerichtsbuße von 72 -X^) bedrohte, aburteilen konnte. Über
die Bedeutung dieses a. 139 des Landrechts gibt den besten Auf-
sclduß Ref. Ldr. 1518 (I a 5) *), welches von dieser Buße von
72 X 60 dem Landrichter und 12 dem Dorfrichter zuerkennt^),
also die Stelle auch nur auf die Strafgerichtsbarkeit bezieht
Für diese Auffassung sprechen auch zwei Kundschaften*) von
1467 und 1486, welche 72 A. als das zulässige Strafinaximum
anerkennen, und eine Stelle der herzoglichen Deduction bei Be-
ratung der L.Fr. 1515 '^).
In Bezug auf Civi^jurisdiktion war der Wirkungskreis des
Dorfgerichts ein viel umfassender. Nur die Immobiliarstreitig-
keiten blieben ihm entzogen^).
Die Dorfgerichte waren wie alle Hofmarksgerichte dem
Landgerichte ihres Bezirks untergeordnet^), und so ging auch
der Rechtszug von ihnen zu diesem^).
Ehafbtaiding.
Mit den Hofmarks- und Dorfgerichten ^) fallen vielfach zu-
sammen, ohne sich mit diesen vollständig zu decken, die Ehaft-
1) Vgl Osenbrfiggen a. a. 0. S. 184.
2) „das man in den Dorffgerichten, umb wOlcherlai sachon das ist, höher
nit gcpicte dann umb 72 ^, darinn sollen unserm landrichtcr 60 X und
dem Dorflfrichter 12 -\ verfolgen. Es sol auch der Dorflfrichter nit hoher
zu pucfien haben, dann umb 12 X.**
3) Nach Ldr. a. 264 empfängt der Scherge stets 12 X da, wo der
Richter eine Bufie von 72 .^ verh&ngt
4) y. E renn er, Dor^richt S. 12, 55 fl
5) Landtag 1515 S. 179 : dann ein Dorfgericht hat über 72 X nicht zu
strafen.
6) So heifit es in der Teilungsurkunde zwischen dem Bischof von Eich-
städt und den Herzogen Rudolf und Ludwig 1305 (Qu. u. Er. VI, S. 138:
In den vorgenanten dOrfem allen hat derselbe bischof behabt leut, gut und
geriht mit allem reht an daz lantgeriht).
7) Ldr. a. 139 Schlu&satz; Re£ Ldr. 1518 I a. 5.
8) Bei patrimonialen Dorfgerichten auch an den Herrn des Dorfs, z. B.
Essenbach (Grimm, Weistümer VI, S. 118, § 6).
9) L. Fr. II a. 8. Es sollen auch die hofmarchhcrm auf jr sclbs cosstnng
und darlegen die eehafift und hofmarchrecht hallten und besetzen. II a. 13 —
sollen die dorfgericht und eehafft in jrem gebrauch beleiben alls in den
allten frejhaitn auch begriffen ist Die Verbindung von Ebaftrecht und
J m I. . a^,
— 207 —
taidinge. Es sind das die alljährlich 2— 3mal wiederkehrenden
Versammlungen der Dorf- bezw. Hofmarksinsassen unter Vor-
sitz des Richters sowohl zur gerichtlichen Aburteilung von Straf-
fällen als auch zur Verlesung ^) der Dorf- und Hofmarksstatuten
mid zur Beratung gemeinsamer Angelegenheiten, insbesondere
polizeilicher und wirtschaftlicher Natur*). In diesen Ehafttai-
dingen haben sich die letzten Reste der karolingischen Gerichts-
verfassung erhalten ^).
Wie die echten Dinge sind auch sie ungeboten, Zahl *) und
Zeit^) der Abhaltung ^') ist gewohnheitsrechtlich fibciert. Femer
erstreckt sich auch hier die Dingi)flicht nicht nur auf wenige,
Dorfgericht wird verschiedentlich betont, z. B. Grimm, Weistümer III,
S. Ü39; Seyfried I, S. 230 (Verzeichnis einer Ehehaft oder eines Dorf-
rechtens); Landtag 1515 S. 179 (dann ein Dorfgericht hat über 72 ^ nicht
za strafen und allein, soviel die Ehehaft-Täding antrifft, zu erkennen).
1) Vgl über die Aufgaben derselben de Chlingensperg p. 9;
V. Vacchiery, Über die Ehehaften und Ehehaftsgerichte in Baiem.
München 1798. S. 17 ff.
2) Ehehafft Recht oder Gericht, sagt W. H u n d 1598 a, a. 0. S. 401, ist
rast deiigleichen (Dorfgericht), Sonderlich aber werden im Ehehafft Recht
Järlich den Underthonen etliche und die fümembsto an jedes Ort taugliche
und nOttigiste Articul auli der Pollicey Ordnung, und was sonst zur Zucht,
Erbarkeit, Frid und Einigkeit, auch zu Befridung der Veldor, Trib, Besuch
etc. dienstlich, mit ernst und bey der Straff fürgehalten und aufferlegt etc.
3) Luschin S. 162.
4) z. B. zwei Mai-, Herbstrecht oder zu Lichtmefi (Mosen), eines bei dem
Gras, das andere bei dem Heu (Vogteireut), ebenso Essenbach, Greilsberg;
drei ehaft taidinch z.B. Harbach, Mosheim, Geroltsbach (Grimm, V/eis-
tümer UI, S. 655, 666; VI, S. 119; Seyfried I, S. 230; Grimm III,
S. 115; VI, S. 657; III, S. 117.
5) Luschin S. 163 betont mit Recht, dali wie die karohngischen echten
Dinge in dem Sinn gebotene Dinge gewesen, daß nur ungefähr die Zeit-
räume für deren Abhaltung angegeben gewesen wären, ebenso auch 8 bis
14 Tage vor Abhaltung der Bautaidinge dies den Gerichtsinsassen kundgegeben
wurde. Dies zeigt sich auch bei den bairischen Ehafttaidingen. Das Nicht-
erscheinen der Pflichtigen war mit Strafe bedroht, z.B. Greilsberg (Sey-
fried I, S. 231).
6) Was den Ort der Abhaltung der Ehafttaidinge anlangt, so waren dies
bis 1583 gewöhnlich PfarrhOfe. In diesem Jahre setzte das Konkordat
fest: cum . . annui celebrantur rusticorum conventus, quos Ehehaft appclla-
mus . . ut tales conventus in parochialibus aedibus non amplius celebrentur
(▼.Freyberg, Pragm. Gesch. d. bayer. Gesetzgebung und Staatsverwaltung.
Leipzig 183a III, S. 381 £).
— 208 —
sondern auf siimtliche Dorfgeuosseu. Namentlich aber, und
dies bildete einen Hauptbestandteil der vorzulesenden Ebaft-
rechte, wurden die von den Einzelnen der Grundherrschaft ge-
schuldeten Reichnisse (Zinse, Dienste etc.), dann überhaupt die
Rechte derselben * ) so dem Gedächtnisse eingeprägt, damit
nicht das Maß und Umfang derselben durch eigennützige
Vögte und Amtleute zu Ungunsten der Holden ausgedehnt,
auf der andern Seite aber auch nicht die rechtmäßigen An-
sprüche der Herrschaft beeinträchtigt würden. In der Grund-
herrlichkeit, in dem Streben der Wahrung der herrschaftlichen
Rechte dürfte man wohl den Haupthebel für die Ausbildung
dieser Einrichtung erblicken. Es wurden die fälligen Zinsen
von den Pflichtigen gleich an diesen Ehaftdingen entrichtet*).
So erklärt es sich, daß die Ehafttaidinge auch häufig zusammen-
fielen mit den sogenannten Baudingen ^), den Versammlungen
der Bauleute, also derjenigen Bauern, welche von einem Guts-
herrn Grundstücke in Pacht oder Stift hatten, bei welchen an
den Beamten des Grundherrn oder diesen selbst die geschul-
deten Reichnisse entrichtet wurden und diesen zugleich über
die Fortsetzung des Pachtverhältnisses sowie über die Ansprüche
der Herrschaft und die Rechte der Bauern *) Mitteilung *) ge-
macht wurde*).
1) Das bezeugt der Inhalt der yerschiedenen Weistümer hei Grimm,
Weist m, S. 625 £; VI, S. 106 £ Als charakteristisch hebe ich herror
folgende Stelle aus dem Ehaftding zu Eösching (das. in, S. 631) . . . wie
des tags recht w&r, das . . abtissin . . ire gulten und schulden het macht
aus zue tragen; auch was ihre guetter und hintersassen für alt herkomen,
bette sy macht auif disem rechttag zu eroffnen. Darauf legt bemelter ao-
waldt ain schultzettl ein, und begcrt diesclb zu verlesen; die auff sein begem
verlesen war, bekhennet ain jedlicher sein schuld laut derselben bekhantnifi . .
2) z.B. Grimm, Weistümer VI, S. 117 § 12.
3) z. B. die ehafft und recht crtaillt man alle jar in der grafischafft lu
Pcytigo in dem pauding aim herm oder vogt; (Mosen) zu liechtmeß im
püugeding ist das drit recht (Grimm, WeistOmer 111, S. 646, 656).
4) Vgl z.B. Rechte von Chiemsee 1393, 1462 (Grimm, WeistOmer m,
S. 673 fil) ; 1314 befehlen, daß die Bürger von Erdingen, qui hortos et agros
inonasterii tenent singulis annis vocati ab abbate et conventu . . monasteiü
ad placitum venianti quod vulgariter dicitur Pautaeding (R B. V, p. 284).
5) Schmeller-Frommann.I,S.186;vgLauchüberStiftda8.II,S.738£
6) Die einzelnen geschichtlichen Entwicklungsstadien der Ehaftgerichte
lassen sich nicht verfolgen, da die meisten erhaltenen Ehafttordnongen dam
— 209 —
Die Verbindung der Ehafttaidinge mit der Grundherrlich-
keit erhellt auch aus der ältesten ihre Existenz bezeugenden
Urkunde des Klosters S. Mang von 1156: praepositus dictae
ecclesiae habiturus et singulis annis in tribus terminis coUoquium
generale, quod vulgariter Ehehafftdeyding dicitur cum omnibus
et singulis, qui in foro residentiam et fundos occupant ad mo-
nasterium pertinentes ^).
Die Ehafttaidinge bewegen sich durchaus in gerichtlichen ^
Formen. Sie werden geleitet von einem herrschaftlichen Richter,
welcher über jeden einzelnen Gegenstand die Urteilsprecher,
einen Ausschuß der Gemeinde, fragte, die dann zu Recht sprachen,
während die übrigen Anwesenden den Umstand bildeten. Femer
finden wir*) bald Fürsprecher der Grundherrschaft*), bald
solche der Bauerschaft oder einzelner Bauern*), welche von
der Gemeinde besoldet waren und ihre Rechte im Dinge vor-
zutragen hatten, d. h. sie setzten jede einzelne Prästation der
Pflichtigen sowie die verschiedensten Rechtsverhältnisse aus-
einander und ließen über jeden einzelnen Punkt die Urteilsprecher
befragen, die dann stets zu Urteil und Recht erkannten, daß
es so gewesen und so bleiben soll. Das ganze Verfahren be-
wegte sich also in formeller Weise im Urteilsfragen und Ant-
worten fort^). Eingeleitet wurde es häufig durch die alten
Hegungsformeln, ob es nu an weil und zeit sei, das man rieht
und hör des gotshaus rechten ®).
15. ond 16. Jahrhundert angehören. Da man aber in dieser Zeit nor zu
einer schriftlichen Redaktion der althergebrachten Gewohnheiten der Ehafb-
gerichte geschritten war, so spiegeln sie den Zustand längstyergangener
Zeiten wieder.
1) Hund, MotropoL SaHsburg. II, t 451. Seyfried I, S. 199 t
2) Wie in Österreich. Vgl Luschin S. 164.
3) z.B. Kösching (Grimm, Weistümer EI, S. 631).
4) z.B. Hofmark T., Werdenfels (Grimm, Weistümer HI, S. 639, 658):
ain redner — der in öflßien sol mit wordtn oder das puech lesen, die altn
recht und gwonhait der herrschaft ... So muß (1542) der Kästner zu
Nattemberg, so das Eehaftrecht zu W. durch das Gericht von N. im Jahre
besessen wird, den Bauern vor Gericht ihre Notdurft reden, darum halten
sie ihn mit der Zehrung frei (K. A. — BestaUungen b. Beamter F. 1).
5) Vgl z. B. Ehehaftding zu Kösching 1527, Aspach, Winhering (Grimm,
Weistümer HI, S. 631 ffl; VI, S. 127 ff; 138).
6) Vgl z, B. Grimm, Weist VI, S. 138 f.: frog ich euch N. als pro-
coratom rechtens, ob es sei an weil, zeit und stund des tags, das ich alf
Roieathal, Geschichte d. Oerichttw. a. d. Yenr.^ff. Baien». I« ^4
— 210 —
Auf solchem Ehaftding wurden sodann alle Civilrechts-
streitigkeiten und Straffälle entschieden, soweit sie zur Kom-
petenz der Hofmarks- bezw. Dorfgerichte gehörten. Namentlich
fand hier auch die sog. Rügung 0 statt*). Dieses Rügever-
fahren, welches auch Ldr. a. 266 vomehmUch mit den Ehaft-
dingen in Verbindung bringt, bestand in der Verpflichtung sämt-
licher erschienenen Gerichtsinsassen, eidlich auszusagen, „was
einer von dem andern gehört und gesehen hätte, das an das
Gericht gehört" ; Jeder sollte also alle von Andern begangenen
Delikte, die zu seiner Kenntnis gekommen waren, rügen. Dieses
Rügeverfahren war die durch die karolingische Gesetzgebung
eingeführte inquisitio '), durch welche der königUche Beamte
aus den Anzeigen der vereidigten Gemeindegenossen die
Kenntnis derjenigen Vergehen zu erlangen suchte, welche
mangels einer erhobenen Privatklage nicht zur richterlichen
Kognition gebracht worden wären. Diese Institution war von
den geistlichen Sendgerichten auf die weltlichen Gerichte (seit
dem 13. Jahrhundert) übergegangen *) und hatte sich auch in
den Gerichten Baierns*^) erhalten. Nachdem der Landfriede
von 1300^) seine Anwendung auf die 3 todeswürdigen Ver-
brechen, Diebstahl, Notzucht und Todschlag, eingeengt hatte,
richter anstat und im namen . . ietzmals den stab in die hend nemen und
die gewendlichen ehaft und landrecht nach altem gebrauch und herkamen
besitzen und halten möge? darauf antwurt procurator . . . weil ir mich
rechtens fragt» so spruch ich zu recht, das es sei an weil, zeit . . . u. s. w.
1) Der Zusammenhang zwischen Rügung und Ehaftding wird yerschie-
dentlich betont, z. 6. Hofinarksrecht von Harbach (Grimm, Weistfimer VI,
S. 115 § 4): die sueln dreu ehaft taidinch suochen . . . und sueln ruegen
dreu dinch di zu dem tod gchoerent . . Abt v. Weltenburg hat in seinem
Dorfe H. ruegung mit sampt ehafter tejding abgenomen. IL B. . . ., XY,
p. 30.
2) Doch kommt die Rügung auch in den Städten yor. Vgl Rosen-
thal, Beiträge S. 267.
3) Brunner, Zeugen- und Inquisitionsbeweis (Sitzungsber. d. Wiener
Akad. LI, S. 216).
4) Vgl Stolz el, Gelehrtes Richtertum S. 369 iL über Rügegerichta
5) Auch in Österreich kannte man diese Institution als Landfrage, Ge-
rannen. Vgl Luschin S. 170.
6) a. 100 (Qu. u. Er. VI, S. 126). Vgl auch Privüeg für Kloster N.-Alt-
aich 1299 — 3 ehaft» Taiding man soll da nicht rügen dann 3 Dinge, die
an den Tod gehen (IL B. XY, p. 30). Siehe auch Anm. 1.
— 211 -
stellte sich bald heraus, daß die Institution auch in dieser Be-
schränkung nicht aufrecht zu erhalten war.
Haß und Feindschaft wurden durch diese Denuntiations-
pflicht, deren Unpopularität dadurch, daß sie gegen Geld ab-
lösbar war, nicht gemindert ward, in solchem Maße unter den
Gemeindegenossen erregt, daß K. Ludwig sich genötigt sah,
auch den letzten Rest dieser Institution in seinem Landrecht ^ )
zu beseitigen, welchem Beispiele Albrecht I. von Straubing 1365 ^)
auch für sein Land folgte. Damit war das Accusationsprinzip
wieder zur unbedingten Anerkennung gebracht^).
§9.
Lehengerichte.
Daß die Lehengerichtsbarkeit nicht als Ausfluß der Staats-
gewalt zu betrachten*), sondern privatrechtlicher Gewalt ent-
stammt und eine aus Privatgewalt entstandene Herrschaft
realisiert*), dürfte heute nicht mehr bestritten werden®).
Schon nach der bekannten Konstitution Konrads U. von 1037
1) a. 266. Ez sint auch etlichew taeding an etlicher stat in dem gericht
▼or dem pnoche gewesen, daz alle laeut, die in dem gericht gesezzen sint,
mit geleiten ayden muozten sagen and swem, waz ainer von dem andern
gehört und gesechen hiet, daz an daz gericht gehört ; die rflgong haben wir
abgenomen, wann da Ton grozzer unwille und hazz under den laeuten ge-
wesen ist, und habent auch grozzen schaden da von genomen, wann si iar-
Uchen mit den richtem ab dingen muozten, daz si si dez swems überhüben;
ez sol auch der richter seinow ehaftew taeding haben, alz er si vor gehabt
hat an die rügung, die ist abgenomon und swer unbetwungenlichen mit vor-
sprechen für recht chämt, dem sol der richter richten alz ohaftz taedings
recht ist — Die Aufhebung ward wiederholt in Ret Ldr. 1518 t VII a. 10.
2) 11. Freibrief (v. Lerchenfeld S. 25).
3) Vgl. V. d.Pfordten, Die BeweisfElhmng nach K Ludwigs Ldr.
(Zeitschr. f. Eechtsgesch. XII, S. 347).
4) Vgl. auch Luschin S. 192.
5) Heusler Institutionen des deutschen Privatrechts. Leipzig 1885.
I. S. 27.
6) Über die Gründe der Ausbildung der Lehnsgerichtsbarkeit vgl Al-
brecht. Die Gewere. Königsberg 182a S. 290 ff.; Eichhorn, Deutsche
Staats- und Bechtsgeschichte. GOttingen 1843. II, & 448 £
14»
- 212 —
erschien die Gerichtsbarkeit des Lehensherm ') in Lehensachen
vollständig ausgebildet. In Baiem bewegt sich die Lehns-
gerichtsbarkeit in denselben Formen und hat dieselbe sachliche
Begrenzung wie anderwärts *). Der Lehensherr selbst oder sein
Stellvertreter führt den Vorsitz, fungiert als Richter, während
die Vasallen das Urteil fallen.
K. Ludwig sanktioniert in dieser Beziehung das geltende
Gewohnheitsrecht in seinem Landrecht.
Nach diesem sind der Gerichtsgewalt des Lehensherm auch
nur seine Vasallen unterworfen. Namentlich die Streitigkeiten
dieser unter sich über das Recht am Lehen wurden vor dem
Lehengerichtshof abgehandelt. Das Lehengericht wurde nicht an
bestimmten Tagen regelmäßig abgehalten, sondern je nach Be-
dürfnis^) wurden von den Mannen, welche beide Parteien zu-
sammenzuberufen hatten, die von ihnen vorgeschlagenen vom
Lehensherm zu Urteilsfindera in der anhängigen Sache l)estellt.
Vor Beendigung *) des Prozesses durfte die Sache weder ge-
dingt, noch geschoben werden. Dem Sieger im Rechtsstreite
erteilte der Lehensherr eine schriftliche, mit seinem Siegel ver-
sehene Urkunde für das Landgericht, welches auf Grund der-
selben einen Urteilsbrief ausstellte und die Vollstreckung des
Urteils vollzog *), also eine Executionsgewalt stand diesen Privat-
gerichten nicht zu ; diese blieb ausschließlich Sache des öffentlichen
Gerichts, des Landgerichts. Die Möglichkeit einer Appellation
1) In fr&nldscher Zeit stand dem Senior noch keine Gerichtsbarkeit fiber seine
VasaUen zu. Vgl R o t h, FendalitSt o. Unterthanenverband. Weimar 1863. & 224.
2) Vgl. Laschin S. 192 £; Planck, Gerichtsverfahren I, S. 15 ff
3) Ldr. a. 209: Spricht ainer den andern an umb lehen, dez si ped Ton
aincro herrcn iehent» die sol man betagen für Iren herren und sei in der tag
geben für sein man alz vil er seiner man gehaben mag und wen n ped dar-
zuo wervcn aoz den aUcn sol er nach ir peder rat zno dem rechten secien
und seiner mann recht geben alz lang uncz sich daz recht yerget
4) Ldr. a. 210: £z sol anch daz recht pey dem lehenherren beleihen,
und von im nicht gedingt noch gezogen werden, biz das recht ain ende
nimt, und wer also behabt daz sol der herr geschribens auf die schrmmien
scnten ander seinem insigel and da sol man in zo förban taon, and des
gerichtz brief daramb geben und dem, an dem rechten pruch geschieht» der
sol ez pezzem and den schaden abtaon alz vorgeschriben stet amb aigen
and lehen. Vgl aach Re£ Ldr. 1518 t 26 a. 6.
5) Ldr. a. 211, 213, 214: BeC Ldr. 1518 t 26. YgL ferner PUoek,
GerichtsyerC I, S. 15 £
— 213 —
gegen das Urteil des Leheügerichts geht aus diesem Art. ^) hervor,
ohne daß über die höhere Instanz, an welche ein solcher Lehens-
prozeß in appellatorio zu richten, etwas gesagt wäre. Der Instanzen-
zug dürfte gegen Urteile eines privaten Lehensherm an den Herzog
und gegen das Erkenntnis eines herzoglichen Lehengerichts an
den König als den obersten Lehensherm gegangen sein ^).
Nur Streitigkeiten zwischen den Mannen desselben Herrn
unterstehen der Kompetenz des Lehengerichts, andere, auch
wenn sie sich auf Lehengut beziehen, gehören vor das forum
ordinarium, das Landgericht.
Ein Unterschied in Bezug auf Zusammensetzung, Verfahren
und Kompetenz bestand zwischen dem herzogUchen und einem
privaten Lehengerichte nicht ^). An des Herzogs Stelle prä-
sidierte der Marschall oder Hofmeister, der mit den Lehenmannen,
auch mit Lehenmannen und Räten Lehenrecht besaß *). Ebenso
Heß auch z. B. der Abt von Tegernsee durch seinen Marschall
„ein Mannenrecht mit des Gotteshauses Mannen besitzen" ^).
Was das herzogliche Lehengericht anlangt, so dürfte dessen
Einrichtung ' von der eines gewöhnUchen Hofgerichts nur da-
durch sich unterschieden haben, daß die Urteilsfinder aus dem
Kreise der herzoglichen Vasallen genommen wurden. Da aber
neben diesen auch herzogliche Räte im Lehengerichte er-
scheinen^), hatte man wahrscheinUch im Laufe der Zeit Lehens-
prozesse überhaupt vor das Hofgericht, das ja auch stets aufs
neue zusammengesetzt wurde, gezogen.
1) Deutlicher noch aus dem korrespondierenden a. 6 (i 26) des Bef. Ldr.
1518 („wo allfidann davon nit geappellirt wirdet^).
2) Vgl Planck, GerichtsverC I, S. 17.
3) VgL auch Luschin S. 195.
4) z. B. 1433 J. V. Gundelfingen, Hofineister des Herzogs Emst^ bekenne,
als ich mit den Lehenmannen . . . Lehenrecht besessen hab (M. B. XIX,
p. 338).
6) M. B. VI. p. 298 (1448).
6) So erklärt 1433 C. Torer, MarschaUc der Herzoge Ernst und Wil-
helm : Als ich auf heut — von Befehlnus wegen meines gn. Herrn H. Ernst
Hofrecht besessen habe mit den nachgeschriebenen Rftten und Lehen-
mannen . . . begehrt Fürleger, der ihm erlaubt ward und zudinget als
liehensrecht ist Obwohl es sich also um einen Lehensprozefi handelt, ob-
wohl Lehenmannen ausdrücklich als Urteilfinder bezeichnet werden, wird nur
von Hofgericht ("= Hofrecht) und nicht von einem Lehengericht gesprochen
(H B. X, p. 159).
— 214 —
Auf eine landschaftliche Petition hin verordnete deshalb
Herzog Georg 1489: „Der Lehenrecht halben wollen Wir be-
stellen, daß die mit Lehenmannen besetzt werden sollen^ ^).
1501 trug dann der Landshut-Ingolstädter landschaftUcbe
Ausschuß dem Herzog wiederholt die Bitte vor: „Wo aber je
(in Lehenssachen) eine Rechtfertigung geschehen wollte oder
sollte, daß dann solches vor den Lehenmannen tapferlich und
nicht in andern Gerichten geschehe*)". DieL.0. 1501 willfahrte
diesem Wunsche und bestimmte, daß „solche Rechtfertigungen
vor unsern Lehenmannen dem Lehen gemäß und nicht anderswo
beschehen" ').
Das Ref. Ldr. 1518 (t. 26 a. 5) bestätigte im wesentlichen
nur a. 209 von K. Ludwigs Ldr. und bestimmte nur, daß das
Gericht vom Lehensherm mit seinen Mannen nach ziemlicher
Anzahl l)esetzt werden soll.
Nach der Organisation des Hofrats und der 3 Regierungen
wurden die Lehengerichte von diesen abgehalten, aber auch
kaum unterscheidbar von den Hofgerichten. Die ritterlichen
Räte, die zugleich Lehenleute waren, mußten zugezogen werden *),
und der Herzog bestimmte, nachdem ihm über das Ergebnis
der Verhandlung Bericht erstattet war, wie zu Beschluß und
( )fihung solcher Urteile das Lehengericht jeder Zeit ordentlich
besetzt werden soll.
Das kam im ganzen einer Verschmelzung des Lehengerichts
mit dem Hofgericht ziemlich nahe in Fortbildung der Praxis,
wie sie schon im 15. Jahrhundert angebahnt war. Von der
1) Krenner Xu, S. 277.
2) Erenner XIII, S. 201.
3) Das. S. 277.
4) Bescheid der Hofiräte auf eine Anfrage von Vitztum and Itftten za
Ijandshut 1545 (Kr. A. M. — Gen. Reg. Oberster Lehenhof] : 1) Es soll ein
jedes Lehen vor dem Regiment des Rentamts, darin sich die Rechtfertigung
begibt oder fürftllt, gerechtfertigt werden. 2) Zu I^Andshnt soll Herr Yltstom
Lehenrichter sein and samt den Räten daselbst, daranter etliche vom Adel,
so anch Lehenlcat seien, sollen die Schriften von den Parteien .... an-
nehmen und 60 ein Bei- oder Endurteil beschlossen, dasselbe samt der
vom Adol Tauf- und Zunamen, bo unter ihnen Lehenleute sind and das Lehon-
reclit mitbesessen haben, un&erm pi. Herrn ^^en Münclien berichten. Alsdann
tollen H. f. Gu. Befehl geben, wie zu Beschluß und UfTnung solcher Urteilo
jeder Zeit das Lehengoricht ordentlich besetzt werden soll
— 215 —
Bildung eines speziellen Leliengerichts war jetzt so wenig mehr
die Rede, daß die zur Lehenberatschlagung erforderten Räte ^)
die Ansicht vertraten, man achte auf Grund der Erfahrung in
Betreff der Neuburgischen Lehengerichte, ^solche Anstellung eines
Lehengerichts in diesem Fürstentum für eine Unnotturft, zudem
in seiner f. Gn. Land dergleichen Lehengerichte anzustellen un-
breuchig, auch s. f. Gn. ein merkUch Unkosten daraufgehen würde".
In Wirklichkeit werden jetzt auch die Lehensprozesse einfach .vor
dem Hofgericht angestrengt, und sofern es sich um herzogliche
Lehen handelte, hatte der Kammerprokurator^^Nameus des Fis-
kus die lüage zu erheben und den Prozeß zu führen *).
Im Anschlüsse an die Lehengerichtsbarkeit mag hier noch
kurz von der Verwaltung der herzoglichen Lehen gehandelt
werden, die ja ohnehin auch als ein Zweig der freiwilligen
Gerichtsbarkeit angesehen werden darf. Die Leitung der Ver-
waltung der Lehen war für jedes Rentamt dem Kanzler als
Lehenpropst übertragen ^). Derselbe hatte die Führung der
Lehenbücher*), Verzeichnisse aller Beutel-, Ritter- und geist-
lichen Lehen seines Bezirks und die Evidenthaltung derselben
durch einen Sekretär zu überwachen *). Die Oberaufsicht über
das Lehen wesen stand der Hofkammer ^) (neben dem Lehen-
1) Etwa in don siebziger Jahren des 16. Jahrhunderts (Er. A. M. —
a. a. 0.).
2) Ein solcher Lehenprozefi wnrde z. B. 1578 gegen Anna von Preysing
geführt Sie wurde als Besitzerin dos losgestorbonen Lehens vor das Hof-
gericht mit ordentlichen Rechten zu klagen citiert In der Yollmacht erklärt
Alhrecht V., daß Wir unsonn Kammerprocurator Dr. J. Pfrondtner Gewalt
gegeben haben, vor nnscm Hofrichtem und Bäten jedes uns yerwirkte Lehen
fürzu wenden (R, A. — Ldr. n, 93).
3) Lchenordnung vom 15. Nov. 1550 (Kr. A. M. — Gen. Reg. Lehen-
wesen. Kopie). Nach dieser war für das Rentamt München ein besonderer
Lehenpropst verordnet
4) Ein Hauptbuch, in welchem alle Lehen des Herzogtums und jede Ver-
änderung derselben verzeichnet wurden, war bei der Hofkammer zu führen.
5) Die Gebühren für Lehenbriefe (Reverse) u. dgL waren genau fixiert
Man unterschied die Taxe, das Siegel- und Schreibgeld.
(]) Dieweiln . . unser lehenschaft nicht weniger unter unserm aigenthumb
und für unsere camergueter zuversteen, so solle unser camer neben und
saml)l unserm . . . verordneten lehenbrobst ganzer unser lehenschaft bei
dein und groß guete acht geben — sagt die Hofkammerordnung 1591
(S t i e V 0 in Sitzungsber. d. Münchner Akad., histor. KL, 1881, S. 44).
— 216 —
l)roi)St) zu. Die Verleihung der Ritter- und Prälatenlehen er-
fol*;te bei der Hofkammer zu München ^ ), nach Vereinbarang
mit den eigens hierzu deputierten Höfräten*).
In jedem Landgerichtssprengel wurde ein Lehenknecht*)
(Unterlehenpropst) mit der Aufsicht über die in demselben be-
legenen Lehengüter betraut, nur wenn in einem Gerichte sehr
wenig Lehen vorhanden waren, hatte der Lehenknecht des an-
grenzenden Gerichts die Beauüsichtigung jener noch mit zu
übernehmen.
Diese Lehenunterpröpste hatten bei Irrungen auf Lehen-
güteni wegen Übermarchen, Überzeinen u. dgl. Beschau zu
halten und andere gerichtliche Handlungen vorzunehmen. Wo
aber andere als Lehengüter mit in Frage kamen, mußte auch
der Pfleger oder Landrichter zugezogen werden. Da durch diese
gesteigerten Kosten die Lehenleute beschwert, auch die Lehen-
verwalter mehr als nötig belästigt wurden, übertrug man den
Pflegern oder Landrichtern*) die ausschließliche Vornahme
solcher Amtshandlungen auch auf den in ihren Bezirken ge-
legenen Lehengütem.
§10.
Die Ber^erksgerichtsbarkelt.
Wenn auch die innerhalb des bairischen Herzogtums be-
triebenen Bergwerke zu den ältesten gehören, welche sich auf
deutschem Boden fanden^), so fehlen uns doch urkundliche
1) Zar VerleihuDg der Bentellehen konnte sie einen ihrer Bäte delegieren
(Lehen-0. 1650).
2) Hofkammer-0. 1565.
3) Sie traten 1550 an die SteUe der an einigen Orten bestellton ünter-
lehenbereiter.
4) Da de „uns als ihrem Herrn und Landesfürsten nicht minder als
uDsre LehenprOpste yerpflichtet*' sind.
5) Lori, Sammlung des baierischen Bergrechts. München 1764. Efai-
leitaDg S. IIL L o r i hat dieser vordienstvollen Sammlung aller auf daa
bairiBche Bergrecht bezOglichon Urkunden eine dankenswerte Einleitong
vorausgoschickt, die wir leider liei seiner Sammlung dos Münirechts
vermiRsen. — Nach Lori waren die Eisen- und Stahlwerke von Steycr schon
712 bekannt Dem Salzwerk zu Beichenhall widmete schon Herzog Theodo
(t 717) seine Aofinerksamkeit
— 217 —
Nachrichten über die Bergwerksverfassung bis zum 14. Jahr-
hundert.
Salz- und Bergwerke gehörten zu den königlichen Rega-
lien *), wie die zahlreichen bairischen Klöstern verliehenen, das
Recht der Gewinnung von Salz und Metallen auf ihrem Grund-
besitz gewährenden königlichen Privilegien bezeugen *).
Erst K. Friedrich IL übertrug dem Herzog Ludwig I. für
sich und seine Nachfolger das Bergregal in seinem Lande (1219),
das fortan einen Bestandteil der herzoglichen Gewalt bildete ^).
In Baiem waren die Landesherren bestrebt, durch zweck-
mäßige Ordnungen und Freiheiten den Bergbau zu fördern. Ihre
Tendenz war daher wie die andrer Fürsten darauf gerichtet,
die bergrechtlichen Gewohnheiten, welche sich an den ältesten
Sitzen des Bergbaues erprobt hatten, an andere Orte zu ver-
pflanzen, um neuen Bergwerken auf diese Weise zur Blüte zu
verhelfen. Der Schlädminger Bergbrief (1308), die älteste Auf-
zeichnung steirischer Berggebräuche, enthält so die Grundlage^ )
der späteren bairischen, tirolischen und österreichischen *) Berg-
ordnungen. Namentlich durch Vermittlung der auf ihm fußen-
den Bergordnung ^) für Battenberg^) (1463) beherrschte die
Schlädminger Ordnung das bairische Bergrecht®). In hervor-
1) Über die Entwicklung des Bergregals ygL G. Meyer, Lehrbuch des
deutschen Verwaltongsrechts I, S. 343, und die daselbst Citierten.
2) Diese führt an Riezler bei Heigel-Biezler S. 164 £
3) Qu. u. Er. V, S. 23.
4) Der in späteren Privilegien häufig wiederkehrende Ausdruck „als
Bergwerks Recht ist** enthält nur einen Hinweis auf diesen Bergbrief (ygL
Lori, Einleitung S. 27).
5) L 0 r i , Einleitung S. 18.
6) Wenn der Schlädminger Bergbrief keine Entscheidungsnorm fär den
konkreten Fall darbot, berief man sich in den bairischen Bergwerken auf
die Bestimmungen der alten Enappschaftssynodon der Werke zu Trient Vgl
Peetz, Volkswissenschafdiche Studien. Mflnchen 1880. S. 13.
7) Über die korrespondierenden Artikel dieser beiden Bergordnungen
YgL Peetz S. 25.
8) So verlieh Albrecht lY. 1469 für alle Bergwerke in seinem Lande
einem Rcgensburgor Bürger nebst seiner Gesellschaft „alle die Freyhait und
liccht, als Perkwcrchs Recht ist" auf H. Ludwigs Borgwerk bei Rattenberg ;
1470 erteilt derselbe Fürst auf 10 Jahre das Privileg, dafi Jedermann in den
Gerichten Landsberg, Päl und Schosgau Bergwerk und Erz mit aUen Frei-
heiten und Gnaden suchen und arbeiten soll als das Erz zu Rattenberg ge«
— 218 —
ragendem Maße nimmt diese Rattenberger Ordnung unser Inter-
esse in Anspruch durch ihre eingehende Reglung der Juris-
<liktionsverhältnisse.
Eines der wichtigsten und ältesten ^) Privilegien der Berg-
leute bildete ihre Exemtion von der ordentlichen Gerichtsbar-
keit und ihre Unterstellung*) unter einen besondem^) Berg-
richter*).
Das Streben nach korporativer Abschließung mit eigner
Jurisdiktion war der mittelalterlichen Gesellschaft eigen. Sie
kommt überhaupt bei den durch die Gleichheit des Berufs Ver-
l)undenen zur Erscheinung, namentlich aber dann, wenn die
Eigenartigkeit des Berufs zu einer innigeren Zusammenschließung
unter den Berufgenossen hindrängte. Diese Eigenartigkeit des
Berufs forderte auch einen Berufskundigen als Richter für
alle in demselben erwachsenen Streitigkeiten. Daneben ist es
dann die Rücksicht auf die Bergleute, welche diese Spezial-
Jurisdiktion *) henorrief, indem durch diese eine Aburteilung
freit ist (L o r i S. 97, 99 ; vgl auch Einleitoog S. 47). Die Herzoge Johum
und Sieground hatten schon 1463 die Rattenberger Freiheiten ftlr das Berg-
werk zu Lam verliehen (Lori S. 04).
1) Der Verfasser des Schlädminger Bergbriefs ist ein Bergrichter. Dil
ßergrichtcramt tritt also hier schon als eine ausgebildete Einrichtung mit
festen Kompetenzen hervor (Lori S. 4 if., § 1, 8, 10).
2) Besondere Berggerichte (Bergmcistor und Berggeschworene) gab es
aUer Orten. Vgl Biener, De jurisd. metallicis. (Opuscula acad.) lipnae
1830. I. p. 381 ff:
3^ Mit dieser war häufig verbunden die Einräumung eines freien Ge-
leites, welches Alle genießen sollten — die das Perkwerch und Aerzt in . .
unsem Herschafften und Landtgcrichten suechen und arbaiten werden — fiir
all, so sy auficrhalb unscrs Landes begangen haben (Lori S. 53 § 3).
4) UhcT andere den Bergleuten einzelner Bergwerke verliehenen Frei-
heiten, wie freie Beholzung, Steuer-, Gült-, Scharwerksfreiheit vgl Lori
S. 185, Einleitung S. 4^5 (Bergfreiheit zu Bodenmais und vor dem BAbmor>
wald 1522, 1524).
5) Karsten (Grundriß der deutschen Bergrechtslehre. 1828. S. 11)
führt das Institut der Berggerichtsbarkeit zurück auf einen Vertrag der
Bnrgbautreibenden, sich in allen Bergstreitigkeiten dem Urteile eines Scfaieds-
richtors zu unterwerfen. Diese Vollmacht des Schiedsrichters sei durch deo
Schutz des Landeshorm bestätigt und bekrilftigt worden, und so sei auB
(liosoin ursprünglich gewählten Sthicdsrichter nach und nach ein vom Fürsten
omanntor geworden. Zrugnissc für diese Vermutung bringt K. nicht bei. Die-
selbe erscheint auch unhaltbar, denn seitdem Bergrichter anftreteii, encheiimi
— 219 —
an Ort und Stelle ermöglicht wurde und so die Bergleute Zeit
und Geld sparten ').
sie nicht nur zur Schlicfatong Ton Streitigkeiten bemfen, sondern sie haben
als Verwalter des Regals im weitesten Umfange für die yorschriftsgeroäfie
DnrchfÜhning aller den Bergbau berflhrenden Anordnungen, besonders be-
züglich der Verleihung und technischen Ausbeute, sowie der Wahrung der
finanziellen Interessen der landesherrlichen Kammer zu sorgen.
1) In einem Berichte des Zollners und der Berggeschworenen an die
Regierung zu Landshut (1498) werden als Gründe der Exemtion aus der
Schwatzer Ordnung mit dem Bemerken, „daß sie auch dem Bergwerk hier
noch mehr als ihnen dürftig", folgende hervorgehoben: a) So die Pfleger
und Landrichter über die Berggesellen, bes. die Landleute, so sich in
das Bergwerk begeben, was ihre Lehen und das sie unter Landgericht haben,
berührt, zu bieten hätten, so mochten sie ihrer Arbeit und den Schichten am
Berg nicht gewarten als andere zulaufende Berggesellen und wäre den 6e-
werken unleidenlich , denn solche Berggesellen müssen täglich der Land-
schrannen, auch der Pfleger und Landrichter Forderung nach Ordnung und
Gewohnheit der Landgerichte warten zu Zeiten von Eundschaftgebung wegen,
dann um Schulden und andere mancherlei Sachen halben, die sich unter
den Gerichtsleutcn stets begeben, das aber in den Berggerichten nicht also
gehalten würde wegen des Bergwerks Förderung, damit man es also ftlr-
sehen und freien muß. b) Welche Berggesellen oder Jemand hinz ihnen zu
sprechen habe, um was Sachen das sei, so werde ihr keiner von der Arbeit
vom Berge gefordert, sondern sie müssen einander an den Feiertagen oder,
wo es so not thut, so sie des Nachts vom Berg oder morgens in der Frühe,
ehe sie wieder hinangehen, fürwenden, darauf dann ein Bergrichter sein be-
sonderes Wort in dem verordneten Gerichtshause haben muß. c) Wenn
die Gesellen um tägliche Händel der Schrannen Ordnung warten und der
Pfleger Forderung nachkommen sollten, so würden den Gewerken ihre
Schichten nicht gearbeitet und das Bergwerk mit langer Weile gebaut, wes-
halb den Pflegern und Landrichtern ihres Fümehmens in der Sache (d. h.
Eingriffe in die Bergwerkjurisdiktion) nicht zu gestatten, d) Daraus ist noch
zu ermessen, daß solche Mittel der Strafen den Pflegern nicht zu Wider-
wärtigkeit noch auch den Bergrichtem zu gut, sondern allein dem Bergwerke
zur Förderung und um Verhütung willen solchen Verlustes, den die Gewerken
der Pfleger Straf und Handlung halben also nehmen möchten, gehalten würde.
e> Zu dem allem würden die Berggesellen, bes. die zuziehenden, selbst
nicht zu gut nehmen, daß die Pfleger und Landrichter mit ihnen dermaßen
handeln sollen, denn sie achten sich in dem Gebrauch und Herkommen, daß
ihr keiner vor den Landgerichten fürgenommen werden soll, es seien denn
Sachen die Artikel in diesen Freibrief aufgenommen oder gelegen Stücke,
Erb und Eigen berührend, und wollen ihnen auch sonst in nichts unterworfen
sein denn ihren geordneten Bergrichtem (R. A. Finanz-Gegenstände No. 21Vji
Rattenberg und Kitzbühl Bergwerkssacben).
— 220 —
Man war bestrebt, durch Gewährung dieses, ihre Berufe-
stelhmg auszeichnenden Privilegs Bergleute aus allen Ländern
herbeizuziehen, um auch hiedurch das Gedeihen des einheimi-
schen Bergbaues zu befördern. — In dem Amt des Bergrichters
hatte sich aber nicht ein Organ der Selbstvenvaltung der Kor-
poration entwickelt, sondern es war nur ein herrschaftliches
Element mit der Regalität des Bergbaues zur Entstehung ge-
langt, da der Bergrichter ja stets vom Landesherm bestellt
ward. Nur in den Geschworenen des Berggerichts hatte der
die Berufsgleichen zusammenschließende Trieb des Mittelalters
sich fortwirkend bethätigt.
Einen Hauptfaktor der raschen und gedeihlichen Entwick-
lung des Bergbaues bildete die planmäßige Thätigkeit des Berg-
richters und der aus dem Kreise der Genossen hervorgegangenen
Geschworenen, die stolz auf ihre Privilegien darüber wachten,
„daß nicht unehrlich Arljeiterpack sich eindränge" *).
Ursprünglich ward für jedes Bergwerk ein besonderer Berg-
richter bestellt, welcher auch mit die Verwaltung des Berg-
regals zu besorgen hatte.
Nur die niedere Gerichtsbarkeit über die Bergleute *) stand
dem Bergrichter zu, die höhere, besonders die Krimina^uris-
diktion, blieb dem Landgerichte gewahrt. „Was sich hierunter
geben wurden unter den Gesellen kunfifticlich darumb, so sei
sy ain yeder Richter, den wir dann zu Zeiten geben werden,
zu richten haben gutlich oder rechtUch nach Rechten und Ge-
wohnhaiten Perkwerks und Aerzt ungeverlichen ausgenomen
Dieb, Mörder, Notzug, Velscherey oder Verräter, und was Leyb
und lieben antrifft, das suUen unser Pfleger und Lanndrichter
stratfen ').
1) Peetz S. 12.
2) Nach der Borgfreiheit Albrechts III. für die Gewerkschaft za Fisch-
bachaQ (§8, L o r i S. 32) hatte Ycrgehen und Itcchtsstreitigkeiten anter den
Knappen der Bergmeister selbst zn richten. i,Wa8 sich aber soleichcr Saeb
begaben zwischen der Perkknaben und ander Lawt and was auch Sach Wim,
die das Leben antraffen, darumb haben wir und unser Kichter und die ontem
ze straffen und zo püßcn."
3) Bergfreiheiten für Küzbühol, Rattenberg und Kufstein 1459 § 4; vgl
auch Borgfreiheit fOr liam 1463 § 3; filr die Gericht« Ijandsborg, PSl- und
Scliongau 1470; Bergfreiheiten in Nicderbaiem zwischen den bOhmisdien
Grenzen und der Donau 1485 § 5, 6; für das Gericht Praitenftein (Gericht
- 221 —
Die Greozen der Kompetenz des Land- und des Berg-
geridbts wurden genau durch landesherrliche Verordnung ge-
regelt ^). Nach der Schwazer Ordnung sollte z. B. jeder Bauer,
der das Berg^verk mit der Hand arbeitete, dem Berggerichte
mit allen Sachen gerichtbar sein. Allein was die Artikel in
dem Freibrief begreift und sein Lehen, Erb und Eigen be-
rührt, damit ist er seinem Pfleger oder Landrichter unter-
worfen*). Es ward also durchweg an dem alten Prinzipe fest-
gehalten, daß über Leben, Freiheit und Grundeigentum des
freien Mannes nur in dem Gerichte, d. h. im Landgerichte^)
geurteilt werden darf. Die Strafmittel, welche der Bergrichter
verhängen konnte, waren: Geldbußen, eventuell Körperstrafe*).
Später kam noch die Gefängnisstrafe hinzu ^).
Für die Einrichtung des Berggerichts waren die allgemeinen
Grundsätze der deutschen Gerichtsverfassung maßgebend. Auch
der Bergrichter war nur der Leiter der Gerichtsverhandlung,
das Urteil wurde gefunden von den Berggeschworenen®). Im
Geltungsbereiche des Landrechts K. Ludwigs fiel das Befragen der
Geschworenen auch im Berggerichte hinweg, nachdem hier jetzt nur
der Richter nach des Buches Sag zu urteilen hatte. Die Ge-
schworenen hatten mit dem Richter aber nicht nur Rechtsent-
scheidungen zu fällen, sondern auch Schiedsprüche konnten v(m
ihnen gemeinschaftlich erlassen werden. Sie mußten, wenn dies
zur Entscheidung des vorliegenden Streites notwendig erschien,
mit dem Richter in die Grube zur Augenscheinnahme ein-
Kelheim) § 4 (Lori S. 53, 64, 100, 122, 129); Oberpfölz. 0. 1540 § 183 ff
(L 0 r i S. 266 f.).
1) § 61 der Perckrichter sol umb die Henndl zu rechten haben Innhalt
der OrdnuDg zwischen dem Lanndtrichter and seiud dieselb insonderhait be-
griffen (L 0 r i S. 63).
2) Vgl. S. 219 Anm. 1.
3) VgL S. 219 Anm. 1.
4) z. B. BergordDung za Ammergau 1464 § 17 (Lori S. 92).
5) Vgl. unten S. 224.
6) Berggeschworene werden schon 1354 erwähnt in einem Verpachtbrief
Ludwigs des Brandenburgers (Lori S. 15 § 6) ; der Richter soll strafen nach
Erkenntnis der Geschworenen (Ordnung zu Ammergau § 14, Lori S. 92);
Bergrichter und Schöpfen gehören zum Berggerichte nach der oberpfälz.
Bergordnung 1548 (§ 183, Lori S. 266).
— 222 —
fahren*). Auch zu Verwaltungsfuuktionen wurden die Ge-
schworenen vom Richter beigezogen, wie z. B. die Eichung der
für die Teilung des Erzes vorgeschriebenen Maße (durch Auf-
brennen eines Zeichens) in Gegenwart von 4 Geschwomen des
Bergwerks und des Berggerichtsschreibers geschehen mußte*).
Die Geschwomen waren dem Bergrichter oder Bergmeister
unterstellt mit der Verpflichtung, sich zu allen Bergsachen
williglich brauchen zu lassen ^).
Die Sitzungen des Berggerichts wurden allmonatlich oder
quartaliter *) abgehalten unter Vermeidung einer Konkurrenz
mit dem Landgerichte — der Perckrichter sol auch all 4 Wochen
auf einen genannten Tag, daran des gemein Landsrecht nit ist,
das Perckgericht mit den Geswomen besitzen *). Den Parteien,
welche diesen ordentlichen Gerichtstermin nicht abwarten wollten,
war aber die Möglichkeit geboten, in raschester Weise die ge-
richtliche Erledigung ihrer Rechtsangclegenheiten zu erreichen,
indem auf Verlangen der Partei schon 3 Tage nach Erhebung
der Klage die Sache zur Verhandlung gebracht werden mußte •).
Richter und Geschworene konnten dann von der den außer-
ordentlichen Gerichtstermin beantragenden Partei eine Extra-
vergütung beanspruchen'). Solche außerordentliche Gerichts-
1) Rattenberger 0. § 30. Die Größe der Entschädigung, welche ein Orond-
eigentumer f&r den ihm durch die mit dem Bergbau zusammenhängenden Schaden
beanspruchen kann, wird durch den Rat des Richters und der Geschworenen
bestimmt (§ 35).
2) § 51.
3) Über ihre Funktionen verbreitet sich die oberpfölzische Bergordnung
1548 §59ff. (Lori S. 252 f.).
4) Vgl den S.219 Anm. 1 angeführten Bericht über die Schwatzer Ordnung :
Es werden auch um solches, daß die Gesellen den Schichten also warten mOgen
und das Bergwerk gefördert werde in dem Jahre 4 gemeine Bergrecht gehalten,
„auf te^e, daran das landrecht nicht besessen wird" und daselbst die Unzucht,
Kumor und andre Händel, so sich unter den Berggesellen begeben und die
das Bergwerk nicht berühren, gerichtet und entschieden.
5) §60 (Lori S. 62).
6) § 61 wer aber besonder gefrumbts Recht haben, und des Perckgorichts-
tag . . zu 4 Wochen obgemellter Maß nit erwartten wolt; dem oder den-
selben sol der Perckrichter mit den Geswom nach seinen oder irm Begem
am 3. Tag nechst darnach volgendt eins Rechtens behelffen.
7) doch so soll derselb, der also daz Recht fnunbt, dem Richter, auch
den Geswomen, darumb thun nach Perckwerchsrecht^ als Ton alter Herkunea
ist (Lori iS. 63).
- 223 —
Sitzungen werden nach der Schwatzer Ordnung für alle das
Bergwerk berührenden Streitigkeiten gehalten, welche an einem
der 4 ordentlichen Berggerichtstage nicht entschieden werden
konnten — dardurch die gesellen der arbeit nicht gehindert
sind^). Für das Verfahren im Berggerichte sind die allge-
meinen prozessualen Vorschriften*) maßgebend*). Gegen das
Urteil des Berggerichts konnte ebenso wie gegen das des Land-
gerichts Berufung zum Hofgericht erhoben werden *).
Von der Übung, für jedes Bergwerk einen besonderen Berg-
richter ^) aufzustellen, ging zuerst Albrecht IV. ab, indem er
1478 einen Richter für alle Bergwerke des Fürstentums vor
dem Gebirge aufstellte ^). Nach der Vereinigung der einzelnen
Teile Baicrns wurde 1511 für ganz Ober- und Niederbaicrn
ein gemeinsamer Bergrichter ernannt). Diesem war die Auf-
sicht über sämtliche Bergwerke übertragen, seine Machtbefugnis
so weit ausgedehnt, daß er die Bediensteten eines jeden Berg-
werks nach Gutdünken ein- und absetzen konnte^). Nach
dieser Erweiterung des Jurisdiktionssprengeis ^) war eine erfolg-
1) Vgl. den Bericht S. 219 Anm. 1.
2) Genaue Vorschriften üher den Prozeß im Berggerichte enthält die
Oberpßlz. Bergordnung §§ 187 ff. (Lori S. 267).
3) Aus einem Gorichtsbriefe des Bergrichters zu Rattenberg (R. A.) sieht
man, daß die Formalitäten des Berggerichtsverfahrens von dem des Land-
gerichts nicht abweichen.
4) L. c. Herzog Ludwig sendet 1465 „die appellation so die gowerken
der s. Gilgcrgrubon gegen die zu unser fraucn gruben getan in unser camer**
an den Bergrichtcr zu Rattenberg, von dem das erstinstanzicilo Urteil gefallt
worden war, zurück : „und ist in unserm camergcricht die urteil würdig und
kräftig und die appellation unwürdig und unkräftig gesprochen*'.
5; Das Bcrgrichtcramt konnte als Nebenamt einem andern Beamten
übertragen werden. 1477 wurde so ein Rentmeister zum Richter für ein
Bergwerk bei Regensburg ernannt (Lori S. 113). ,
6) Lori S. 117.
7) In Mittenwald wurde, so oft ein Bergrichter vor dem Gebirg nicht
bestellt war, ein besonderer Bergrichter für die Grafschaft Werdenfels er-
nannt (Lori, Einleitung S. 31).
8) Bostallungsbrief 1511 und 1525 (Lori S 142, 187): — ime bovolcheo
haben auf die Pcrkwerch mit allem Vleifi zusehen und alles und jedes zum
pesten und trcuisten zuhandlen . ., das sich nach Perkwerchsordnung und
Freyhait zu tun gebürt
9) Albrecht V. verordnete 1551 einen Tölzer Bürger anstatt eines Berg-
richters, „also, welche in unserm Fuerstenthomb zu pauen Vorhabens, Auf-
— 224 —
reiche Erfüllung der bergricliterliclien Obliegenheiten nur durch
Unterstützung aller Richter und Beamten des Landes möglich.
Diesen und auch den Inhabern der Hofmarksgerichtsbarkeit
wurde diese Unterstützung und besonders die Verpflichtung,
erforderlichen Falls ihre Gefängnisse dem Bergrichter zu über-
lassen, eingeschärft^).
Von der Specialgerichtsbarkeit des Forst- und Münzmeisters
wird erst unten im Zusammenhang gehandelt werden, da nur
wenige Bemerkungen über diese zu machen sind.
Die akademische Oeriehtsbarkelt ^).
Als Ludwig der Reiche 1472 die Universität Ingolstadt
gründete, da mag neben dem im Zeitalter des Humanismus
begreiflichen allgemeinen ruhmverheißenden Streben, der Pflege
der Wissenschaft eine Heimstätte in seinem Lande zu schaffen,
wohl hauptsächlich der Mangel an einheimischen juristisch ge-
bildeten Personen für die Bedürfhisse des Staatsdienstes maß-
gebend gewesen sein. Nur so ließ sich der Abneigung der
Stände gegen die „Gäste" im fürstlichen Ratsdienste Rechnung
tragen, wenn man den Inländern selbst die Möglichkeit bot,
sich in der Heimat jene gelehrte Bildung zu erwerben •), welche
der werdende moderne Staat von seinen höheren Beamten zu
fordern gezwungen war.
Als Papst Pius IL (1459) auf Antrag des Baiemherzogs
die Stiftung eines Studium generale zu Ingolstadt anordnete,
gewährte er gleichzeitig allen an demselben Lehrenden und
Li^nenden die an der Wiener Universität geltenden Privilegien
und Ehren *). Mittelbar war damit wie für die übrigen deutschen
Universitäten nicht die Verfassung der Bologneser, sondern die
8chleg and Grueben empfahen wocUcn; da6 eye demselben . . tod onsern
wegen ersuechen und die Graeben wie sich gebachrt empfahen.
1) Bergfreiheit 1510, BestaUangsbrief des Bergrichters 1526 (Lori
S. 143. 187).
2) Über diese vgl Wetzell S. 443 ff.
3) Vgl KUckhohn, Ludwig der Reiche. NOrdlingen 1865. a 337.
4) YgL P r a n 1 1 , Geschichte der Ludwigs - Mazimilians-UmTenitit in
Ingolstadt^ Landahut» Manchen. Manchen 1872. I, S. 13*
— 225 —
der Pariser * ) Universität als Vorbild aufgestellt, wo der Korpo-
ration der Lehrer das Recht der Rektorswahl zustand, doch ge-
staltete der herzogliche Stifter seine Schöpfung über das Vor-
bDd hinaus und lenkte sie in die Bahn einer reinen universitär
doctorum^), indem der Rektor hier aus der Wahl der Lehrer,
ohne Beteiligung der Studierenden hervorging.
Da Ingolstadt wie alle übrigen älteren Universitäten Deutsch-
lands aus kirchlichen Mitteln dotiert ward^), so kam hier eben-
falls der kirchliche Charakter der Hochschule zur Geltung, in-
dem auch hier ein geistUcher Würdenträger, der Bischof von
Eichstädt, zum Kanzler*) derselben bestellt ward. Dieser hatte
nicht nur die Promotionen zu überwachen^), sondern auch
Jurisdiktionelle Befugnisse auszuüben. Seine Gerichtsgewalt wurde
sogar viel weiter erstreckt als die der Kanzler der übrigen
Hochschulen, indem im Stiftungsbriefe ^) ihm ausschließlich die
Kriminalgerichtsbarkeit über die Studenten eingeräumt ward.
Diese Preisgebung der herzoghchen Justizhoheit bekundet einen
1) Über diese vgl v. Savigny, Geschichte des römischen Kechts im
Mittelalter. Heidelberg 1822. III, S. 314 ff.; über die Stellung des Rektors
noch Denifle, Die Universitäten des Mittelalters bis 1400. Berlin 1885.
S. 106 ff
2) Während Bologna mehr eine miiversitas scholarinm war. Vgl über
die verschiedenen Redaktionen des Stiftungsbriefs Prantll, S. 25f.; das.
S. 36 über die Wahl des Rektors durch das consilium der Lehrer, aber nach
dem Modus , dai die Mitglieder jeder der 4 Fakultäten zusammen je Eine
Stimme hatten. Bei Stimmengleichheit entschied der Herzog die Wahl unter
den Candidaten.
3) Vgl. Muther, Zur Geschichte der Rechtswissenschaften und der
Universitäten. Jena 1876. S. 255 i
4) Ein vom Herzog präsentierter Theologe wurde vom Bischof zum Vice-
kanzler ernannt, welches Amt mit der Eichstädter Dompräbende in Verbin-
dung stand (P r a n 1 1 I, S. 287, 294 £). — Seit 1560 erscheint auch ein Super-
intendent zur Überwachung und Aufrechthaltung der Ordnung der Universität
1570 wird der Vicekanzler Eisengrein mit dieser „Inspection** betraut Er soll
die Person des Herzogs bei der Universität vertreten, „weil unsere räthe^
denen die schuelhandlung bevolchen, anderer unser geschefft halben wenig
khinden bei euch sein", er hat also im wesentlichen die Funktionen der heu-
tigen Universitätskuratoren wahrzunehmen (Prantl 11, S. 302, Urk. n. 98).
5) Prantl I, S. 27.
6) Berürten dan die sach des Studenten leyb und leben, so sollt derselb
Student von des rectors und der universitet wegen dem bischove zw Eystet
. . zurechtfertigen überautwurt werden (Prantl II, S. 28, Urk. n. 8).
Rosenthal, (icschichte d. üerichtsw. u. d. Verw.-Org. Baierns. I. \^
— 226 —
entschiedenen Rückschritt hinter die älteren Redaktionen^) des
Stiftungsbriefs, welche die Kompetenz nur für geistliche Ver-
brecher anerkannte, während weltliche dem Pfleger zu Ingolstadt
überantwortet werden sollten*), welcher — nach notdurfit ver-
horn und furtter in den Sachen nach landssrecht und puchsag
urtailn und sprechen sollte ^). Aus welchen Gründen der Herzog
hier zurückwich, ist unerfindlich, zumal nicht nur in Wien^),
dessen Privilegien für Ingolstadt vorbildlich sein sollten, sondern
auch an andern Hochschulen Deutschlands der Universität selbst
die Kriminalgerichtsbarkeit eingeräumt war. In Ingolstadt aber
stand der Universität nur eine Strafgewalt zu, sofern es sich
nicht um peinliche*) Sachen handelte*^).
Jedenfalls^) war der Rektor*^) auch zur Entscheidung der
gegen Studenten angestrengten Civilprozesse berufen, was in
1) Wer er dann, so heißt es hier, ein geistlich geweichte person, nach
dem dan der rector innhallt geschriber rechten über sach, die den leyb und
er bcrürend nnd criminales haifien, tenninaliter nicht zerichten hat^ so sollt
derselb rector solch gefanngen dem bischove zn K alls ainem ordenlichn
geistlichem richter der genennten nniversiiet zorechtfeitigen überantwnrten,
und darinn sollt im unnser pfleger zu J. hüllf nnd beistand ton.
2) Der Oberantwortnng ging, sei es dafi der Angeschuldigte ge&ngen
war oder nicht, ein Vorbereitongsverfahren voraus, in welchem Rektor (und
Senat] die präjudicielle Frage, ob ein peinliches Delikt vorliege, entschieden
— rector mitsambt dem gantzen rat der nniversitet macht haben and auch
in recht erkennen, ob die sach solicher fennkhnnß criminalis wäre nnd cri-
minaliter fOrgenomen würde . . (Prantl II, S.29; vgL auch das. S. 30).
3) aber sonnst sol der pfleger, die von Ingolstat, noch jmand annden
von weltlichs gerichts wegen kainerlay obrigkeit, gerichtzwanng noch macht
über di studentn haben noch üben in dhainer weg (a. a. 0. S. 30).
4) Luschin S. 256.
5) bcrürt aber die sach desselb Studenten leyb nnd leben nichts so sollt
der rector und rat der nniversitet gen denselben Studenten vor in selbs recht
ergecn lafsen und nit schuldig sein, den Studenten alsdann wejter leant»
wurten (ibid. S. 29).
6) So verhängt z. B. 1528 der Rector über einen Professor und mehrere
adlige Studenten Geld- nnd Gefängnisstrafen wegen Obertretnng des Faaten-
gebots (Prantl I, S. 161).
7) In den erneuerten Statuten von 1522 wird der Rektor als das Ober-
haupt in der Jurisdiktion bezeichnet — apud quem summa rerum exittat»
quae iurisdictionem et meliorem ordinem universitatis respiciunt
8) Man hielt an dem Herkonmien fest, dafi nur ein Kleriker das Rektorat
bekleiden künne^ da er eine Jurisdiktion über Kleriker auszuüben habe. Der
Herzog strebte 1568 eine Änderung an wegen der geringen Anzahl der snm
— 227 —
der StiftuDgsurkunde nicht ausdrücklich hervorgehoben, aber
doch vorausgesetzt wird bei Aufstellung des Prinzips, daß bei
Klagen von Bürgern gegen Studenten und umgekehrt „der
Kläger dem Antworter nachfahren soll in das Gericht, darein
die Sache gehöre".
Endlich hatte der Rektor noch Akte der freiwilligen Ge-
richtsbarkeit vorzunehmen, indem ihm die Regulierung des
Nachlasses eines verstorbenen Studenten (Inventarerrichtung,
Benachrichtigung der Intestaterben, Verteilung der Verlassen-
schaft und Vollstreckung letztwilliger Verfügungen) übertragen ^)
war*). Streitigkeiten, welche hierbei entstanden, hatte der
Rektor wohl unter Zuziehung einiger Professoren zu entscheiden^).
Der Pfleger und die städtische Obrigkeit waren verpflichtet,
auf Requisition des Rektors diesem sowohl in gerichtlichen als
in andern amtlichen Angelegenheiten mit ihren Untergebenen
die erforderliche Beihülfe zu leisten*).
Bei der 1522 vorgenommenen Revision der Universitäts-
statuten*) erfuhr die Civilrechtspflege des Rektors eine ein-
gehende Reglung. In Bagatellsachen (bis zum Betrag von
20 Gulden) wurde summarisch mündlich prozediert *) , wäh-
rend in bedeutenderen Civil- und Strafprozessen schriftliches
Verfahren platz greifen sollte^). Die prozessierenden Studenten
durften sich, wenn sie ihre Rechtssache nicht persönlich ver-
treten wollten, eines Prokurators bedienen. Für studentische
Prozeßparteien wurden ausschließlich Prokuratoren aus der Zahl
Rektorate Befähigen. Papst Sixtus Y. wies aber den Antrag ab, obwohl in
Freibnrg und Wien schon lange auch Nichtkleriker das Bektorat bekleideten«
Vgl. Prantl I, S. 277 flf.
1) Prantl n, S. 35, ürk. n. 3.
2) Über die Behandlung des Nachlasses von Geistlichen vgl. das Kon-
kordat 1584 ibid. S. 318, ürk. n. 107.
3) Über die einen erhöhten Rechtsschatz der üniversitätsangehörigen
bezweckenden Bestimmungen des Statuts vgl. Prantl U, S. 27 ffl; I, S. 30 £
4) Vgl. Prantl I, S. 170; die folgenden Citate sind den Statuten von
1556 (P r a n 1 1 II, S. 226 £, ürk. n. 72) entnommen.
5) Permittimus etiam, ut studiosus quilibet negotium suum et causam
per se proponat seque de simplici et piano, ut loquuntur, defendat . .
6) Sin causa, quae Tertitur, 20 aureorum valorem superet aut statum
hominis sive iniuriam aliquam attingat, libellus scriptus offeratur, quem ta-
bellio ad acta refcrat, et sie in causa solenmiter procedatur, tamen semper
firivolae et impertinentes dilationes amputentur.
15*
— 228 —
erfahrener Rechtskandidaten bestellt^) und vereidigt, andere
nicht zur Vertretung zugelassen.
Das Universitätsgericht war (seit 1556) gebildet aus dem
Kektor und den 4 Dekanen, während die Disziplinarstrafgewalt
vom Rektor allein gehandhabt wurde. Jetzt ward auch die
Justizgewalt des Herzogs wieder hergestellt, indem er sich selbst,
d. h. wohl seinem Hofrate die Aburteilung schwerer Kriminal-
falle der Studenten vorbehielt'). Damit war die Kriminal-
gerichtsbarkeit dem Eichstädter Bischof entwunden.
Eine Reaktion gegen diese unbedingte Anerkennung der
Justizhoheit des Landesherm zeigt sich in dem die Jurisdiktions-
streitigkeiten des Bischofs von Eichstädt und der Universität ab-
schließenden Konkordat von 1584 '), das aber nicht zur Durch-
führung gelangte *). Nach diesem wurde unter Hinweis auf den
Stiftungsbrief festgesetzt, daß tiber Laien und die einer fremden
Diöcese angehörigen Kleriker der Universität die Jurisdiktion
wegen Vergehen, wegen schwerer Verbrechen hingegen die des
Bischofs platz greifen solle, welchem natürlich auch die Diöcesan-
geistlichen in jurisdiktioneller Beziehung unterstanden *).
1522 ward sodann neu eingeführt das Rechtsmittel der
Appellation gegen Anordnungen und Strafen des Rektors. Der
Rechtszug ging zunächst an den Senat (consilium) ^). Eine
Succumbenzbuße im Falle des Unterliegens in appellatorio sollte
1) Diesen waren aUe prozeßTerschleppenden Manipulationen untersagt —
at rector et assessores litigüs nimium protrahendis defatigentor et partes
dintios vexentur.
2) in Omnibus delictis actionibns negotüs contractibos rectorem com-
petentem iadicem esse decernimos, ezceptis enormibos et atrodoribns erimi«
nibos, qnae omnia ad iUostrissimiim principem nostnun referri debent desnper
pro qoalitate maleficii ac personaram statacndi, nt in ezemplum aliomm
eiosmodi onormia delicta debito modo puniantar (Prantl U, S. 229).
3) Pranti II, S. 318, Urk. n. 106.
4) Vgl Prantl I, S. 297.
5) Ein Begnadigongs- bezw. Strafumwandlongsrecht steht dem Bischof
zu. Verwandelt er eine Todesstrafe in eine Geldbuße, so soll deren Betrag
abzflglich der Kosten nach YerfAgong des Bischofs za üniForsitfttszwecken
Terwendet werden.
6) Dieser war zusammengesetzt aus dem Rektor, allen ordentlichen
Lehrern der drei höheren Fakultäten, dem Dekane und drei hervorragenderen
Mitgliedern der Artisten -Fakultät, welche von dieser gewählt werden
(Prantl I, S. 166).
. X.i
— 229 —
vor unl)egrüiideter Einlegung des Rechtsmittels abschrecken ^ ).
Gegen das Appellationsurteil des Senats war noch eine weitere
Berufung wohl zum Herzog bezw. Hofrat möglich, doch sollte
bei Konstatienmg einer Frivolität in Weiterführung der Be-
rufung Almdung erfolgen*).
Wie jede Korporation wachte auch die Universität eifer-
süchtig über die Wahrung ihrer Privilegien. In den Statuten
ließ sie sich darum die Befugnis zusichern , daß sie jeden
Studenten, der seinen Prozeß gegen einen Kommilitonen nicht
vor dem Rektor, sondern vor einem andern Richter anstrengte,
mit Strafe belegen dürfe.
Die steigende Einflußnahme der Jesuiten auf die üniversitäts-
verhältnisse ^) ließ sie den Versuch wagen,' die Befreiung ihrer
Ordensangehörigen vom Gerichtszwange der Universität anzu-
streben. 1571 formulierten sie ihre Forderungen nach dieser
Richtung, indem sie beantragten*), die Strafjurisdiktion über
Ordensmitglieder den Ordcnsobem zu überlassen und ihnen eine
Coercitiv-Jurisdiktion zu übertragen, dann würden sie bei geringen
Fällen den Rektor nicht belästigen. Trotz heftiger Opposition
seitens der Universität gewährte der Herzog die von den Jesuiten
verlangten Kcmzessionen (1572)*'^).
§13.
Die Gerichtsbarkeit des Hoftnarschalls.
Diejenigen, welche durch den Dienst in der Umgebung des
Fürsten in eine höhere soziale Sphäre gerückt waren, bildeten
eine durcli diesen gemeinsamen Mittelpunkt zusammengehaltene
Genossenschaft, welclie sich durch mannigfache Privilegien von
den übri^'on Klassen der Bevölkerung auszeichnete. Zu diesen
zählt aucli ein privilegierter Gerichtsstand, welchen diese vor
1) Bei Erhebung der Appellation ist 1 fl. zu deponieren, der nur zurück-
erstattet wird, falls der -Appellant obsiegt (Statut 1556).
2) cum quis a sententia tarn interlocutoria quam dcfinitiva in consilio
prolata a]>pellat, cuius appellantis protervia et temeritas si fuerit probata,
gravius ab eodem consilio puniatur.
3) Vgl. Prantl I, S. 219 ff.
4) über die Autrüge und Verhandlungen vgl P r a n t II, S. 238 ff. (ad 6—8).
5) Prantl 11, S. 27S, Urk. n. 92 (n. 6-8).
— 230 —
ihrem Herrn oder seinem Stellvertreter hatten. Als solchen
deutet schon die Hofordnung 1293 den Marschall^) an.
Es ist die Disziplinargewalt des Herrschers, als des
Hausherrn, über die für den unmittelbaren Dienst seiner
Person bestimmten Leute, über die ihm untergebenen Haus-
genossen, welche den Ausgangspunkt dieser Spezialgerichts-
barkeit bildete. Als ein privates herrschaftliches Gericht*)
möchte ich das Gericht des Hofmarschalls nicht bezeichnen,
denn es ist doch immer der Herzog als der Träger der öffent-
lichen Gewalt, welcher den Hofmarschall, der nicht ausschließ-
lich mit Hofdiensten, sondern auch mit staatlichen Funktionen
betraut ist, also einen Hofbeamten, der mitunter auch in
seinem Auftrage den Vorsitz im Hofgericht führt, als seinen
Stellvertreter mit der Handhabung dieser Hofgerichtsbarkeit
bestellt.
Geben auch erst die Instruktionen des 16. Jahrhunderts
näheren Aufschluß über diese Jurisdiktion des Marschalls, so
unterliegt es doch keinem Zweifel, daß diese Spezialgerichts-
barkcit sich im Verlaufe der 3 Jahrhunderte stetig auf der
gleichen Grundlage fortentwickelt hat.
Daß die Landesfürsten bei Erteilung ihrer Gerichtsprivi-
legien an die Städte nicht ihre Beamten und Hofbeamten der
1) Ist hier auch (Geschaech aber, daz ieman dhein onzuht in dem bof
taet . . .) direkt nur die Rede vun Yerbrecben, die am Hofe begangen werden,
also von der Verletzung des Friedens des Hofes, nnd ist der Marschall als
Schützer dieses Friedens zur Ahndang besonders berufen, so sind doch wohl
auch Delikte der Hofleute ins Auge gefaßt — Chöment aber si geflohen In
eines rat kebn bauz, so sol man si umb einen todslah, umb ein lern . . . her
uz antwurten dem herzogen oder sinem marschalch und sol man hints
in richten als reht ist (Qu. u. Er. VI, S. 14). — Der Hof genoß einen be-
sondcm Frieden, so daß jedes am Herzogshofe begangene Verbrechen be-
sonders scharf geahndet wurde (Landfriede 1293 a. 4, 1300 a. 5; Qu. u. Er.
VI, S. 24, 111). — Als Wilhelm IV. den Bergleuten zu Bodenmais 1524 ni
ihrer Sicherheit den erhöhten Schutz des herzoglichen Hofs verlieh, drückte
er dies also aus : so haben wir, damit dieselben Gewercken . . . deß sicherer
auch unbeleidigt sein mOgen, . . . geordnet, daß . . fürstliche Freiheit seyn
und gehalten werden soll der Gestalt und Mas, wie dafi bey unsem fUrstL
Hofhaltungen und Wohnungen, darinn wir pcrsondlich sind, bisher ge-
braucht und herkommen ist Und wer solcher maßen ainiges Ver-
brechens halben . . . (Lori, Bergrecht, Einleitung S. 46).
2) So So hm bei Grünhut, Zeitschr. VII, S. 421.
— 231 —
eigenen Jurisdiktion entziehen und dem Bürgergerichte unter-
werfen wollten, liegt auf der Hand. Die Kompetenzkonflikte, die
mangels einer gesetzlichen Reglung dieser Frage entstehen mußten,
schlichtete für München der sog. Albertinische Rezeß 1561 ^),
welcher bestimmte, daß „alles Hofgesinde, edel oder unedel, so lange
es im fürstlichen Dienste steht, samt dessen Hausfrauen, Kin-
dern und Dienern und Hausgesinde auch in Zukunft wie bisher
von der bürgerlichen Obrigkeit exemt und frei sein und bleiben"
sollen 2). Dieses Privileg stellt also negativ fest die Exemtion
der Räte und des Hofgesindes von den städtischen Lasten
(Steuern) und dem Gerichtszwange des Stadtgerichts, enthält
sich aber der Ausfüllung der Lücke in positiver Richtung. Vor-
her hatte nämlich schon (1508) die L.Fr. bezüglich der Juris-
diktion über Hofdiener die Regel aufgestellt*), daß Klagen
gegen Hofdiener vor dem Herzog, Hofmeister, Marschall und
Räten anzubringen seien. Das Hofgericht wird also hier als
gefreites Standesgericht bestimmt, nur daß nicht wie gewöhn-
lich der Hofmeister ausschließlich, sondern neben demselben
auch der Marschall als Vorsitzender dieses aus Räten ge-
bildeten Gerichts bezeichnet wird. Die Frage, wem die Juris-
diktion über Ilofdiener in Kriminalsachen zusteht, ist in der
L. Fr. noch nicht geregelt.
Erst die Instruktionen für die Inhaber der obersten Hof-
chargen aus der Zeit Wilhelms V. verbreiten sich eingehender
über diese Jurisdiktionsverhältnisse. Der oberste Hofmarschall
erscheint in denselben als Richter über das Hofgesinde *). Nur
über die höchsten Hof- und Staatsbeamten ist dem obersten
1) Vgl. Wehner S. 67.
2) Über detaillierte Anwendungsbestiininiingen dieses Prinzips vgl. Weh-
ner S. 67.
3) L. Fr. I a. 13: Wo aber die oder derselben unser ambtleut oder diener
ainer in khaincm vitzdombambt gesessen, sonder dem regiment onsers gemainen
hofhalltcus nndterworfifen war, so mag er aUßdann denselben onsem ambtman
oder diener od mittl vor uns, unserm hofmaister oder marschalckh und räthn
daselbs fürnemcn, bcclagen und rechtvertigen.
4) Über die Gerichtsbarkeit des Hofmarschalls im Allgemeinen vgL C.
F. V. Moser, Teutsches Hof-Recht. 1755 II, S. 809 ff.
5) Auch in andern Ländern war dem Marschall die Gerichtsbarkeit über
die Hofbeamten übertragen. Vgl. v. Maurer, Fronhöfe II, S. 288; Lu-
schin S. 251 ff. (§ 24 Das Hofmarschall-Gericht). Vgl noch Kopp, Von
den Gerichten in den Hessen-Cassel-Landen S. 266 ff
— 232 —
Hofmeister als dem Chef des ganzen Hofs eine JurisdiktionEF-
gewalt eingeräumt Ihm steht die Befugnis zu, Klagen und
Beschwerden^) dieser hohen und vornehmen Offiziere*), sein
unsem Hofstaat einverleibt sind, unter sich sowohl als Klagen
Fremder gegen solche zu verbescheiden. Gelingt es ihm nicht,
eine gütliche Vereinbarung unter den streitenden Parteien zu
erzielen, oder hat er Bedenken, wegen der Schwierigkeit oder
Wichtigeit der Sache selbst die Entscheidung zu fällen, so re-
feriert er die Sache dem Herzog, eröflhet dessen Resolution den
Parteien und bethätigt die Exekution derselben^).
Neben einer Disziplinargewalt üben die Chefs der einzelnen
Hofstäbe, insbesondere der ob. Stallmeister, der Küchen- und
Jägermeister*) eine wirkliche Jurisdiktion sowohl wegen gering-
fügiger Delikte, als auch wegen Forderungen über die ihnen
untergebenen Hofbediensteten aus.
Die Jurisdiktionsgewalt des Hofmarschalls ist dagegen be-
gründet über das gesamte Hofgesinde, soweit nicht die Zu-
ständigkeit des ob. Hofmeisters oder des Chefs eines Hofstabs
gegeben isf^), in allen minder bedeutenden Civil- und Straf-
1) Undatierter Entwurf einer Instruktion f&r den obigen Hofineistor ans
der Zeit Wilhelms V. (H. A. — D n. 4).
2) Diese Kategorie ist keine starr abgegrenzte. Es gehören dazu ¥01*
nehmlich die Chefs von Hofstfibon (Geh. Rfite) u. s. w.
3) Der o. Hofmeister hat auch yon denjenigen adligen Personen (Grafei^
Herren und yom Adel), die dem Hofstaate nicht einverleibt sind, das Gelübde
ritterlichen Gefängnisses oder Nichtentweichens anzunehmen.
4) Der Entwurf einer Hofmarschallinstruktion von 1580 (H. A. — E hsc %
S. 567 fL), auf welcher die folgende Darstellung basiert, besagt : 4a in nach-
folgenden ... als Stall-, Kuchen-, Jägermeister und ihr jeder derselben zu-
gehörigen Personen einer oder mehr ihrer dienstlichen Verrichtungen halben
Verbrechen oder um Schulden und dergleichen gemeine, doch außerhalb Bu-
mor-Sachcn halben beklagt werden, daß dann eines jeden Amtes vorgesetzte
Obrigkeit die Billigkeit vornehme und handle — ohne Irrung unsors Mar-
schaUs. — Auch dem ob. Kammerer ist die Jurisdiktion über Kämmerer,
Kammerdiener und andere Kammerpersonen ausdrücklich eingeräumt durch
die Instruktion fQr d. ob. Kämmerer 1589 (H. A. — E fasc 2, S. 353). Ein
Disziplinarstrafmittel war die Radierung eines Tag-, Wochen- oder Monatssolda.
5) Alles Hofgesinde, so nicht sonderbare Instruktion oder unter andre
Amter gehörig, ist ihm (Hofmarschall) zu guter Zucht und Gehorsam, auch
im FaUe des Verbrechens zur Strafe untergeben (HofinarschallinstruktioD
1583 — H. A. — E fiasc. 2, S. 386).
— 233 —
fällen. Ausschließlich ohne Exemtion irgend einer Kategorie
des Hofgesindes ist aber seine Zuständigkeit begründet zur Ab-
urteilung aller schwereren Delikte^).
Die Verhängung der Untersuchungshaft soll im allgemeinen
nur auf Befehl des Hofmarschalls durch den Profosen erfolgen.
Nur bei Begehung schwerer Verbrechen, wo Gefahr auf Ver-
zug, kann dieser selbst oder auf Antrag eines Andern zur
Haftnahme schreiten.
Der Hofmarschall muß auch der Examinierung oder Frage
solcher Untersuchungsgefangenen anwohnen und den Prozeß
unter seinem Titel aufrichten lassen. Wo Untersuchungshaft
nicht angezeigt ist*), hat er von einem Mitgliede des Hof-
gesindes, das strafmäßig befunden würde, das Gelübde ritter-
lichen Gefängnisses oder Nichtentweichens, also das Versprechen,
sich auf Aufforderung zur Strafprozedur zu stellen, abzunehmen.
Sowohl bezüglich des Disziplinarverfahrens als auch der
eigentlichen Jurisdiktion des Marschalls fehlt es an festen Normen
für die Ausübung derselben. Die Handhabung der Justiz in
Bezug auf die Hofdiener entbehrt der verfassungsmäßigen
Grundlagen, deren sich sonst die Rechtspflege dieser Periode
zu erfreuen hat. Vieles ist dem Ermessen des Marschalls an-
heimgegeben. Denn wenn er bei bedeutenden Streitigkeiten
einige Räte beiziehen sollte, so hatte doch nur er zu bestim-
men, wann ein Handel als ein ansehnlicher zu betrachten, und
schließlicli hatten auch diese Räte nur eine begutachtende Stimme.
Die Entscheidung stand dem Marschall zu ^). Die Räte hatten
1) „Die Knmorshandlungcn sollen insgemein nichts ausgenommen sowohl
als die malefizischon Verbrechen für den Marschall gehören (1580).
2) Diese Vorschriften stimmen nahezu wörtlich mit der Instruktion
für die Osterreichischen Hofamter vom 1. Januar 1537 überein (Archiv dos
k. k. Ministeriums des Innern zu Wien).
3) „Der Hofmarschall soll auch, wer zu unserm Hofgcsind zu klagen
hat, Verhör, Entschied, Recht und Straf ergehen lassen. So mag er nach
Gelegenheit der Händel, wo sie ansehnlich sein würden, etliche unsere (ge-
heime und fürnohme) Räte erfordern, die ihm in dem rätlich und beistehen
sollen. Nach solcher Beratschlagung weiß er dann unter den erforderten
Personen „die Ocbühr vorzunehmen". Auch diese Bestimmung lehnt sich
an an die citiertc österreichische Hofömterinstruktion von 1537: dazu,
so mag er (Hofmarschall) nach Gelegenheit der Händel, wo sie ihm so be-
schwerlich oder ansehnlich sein würden, etliche der Räte erfordern . , .
— 234 —
also hier nicht die Stellung von Gerichtsbeisitzern, ein Anteil
an der Festsetzung des Urteils stand ihnen nur insoweit zu,
als der Marschall ihre Meinung^) zu berücksichtigen für gut fand.
Nicht anders verhielt es sich in den Fällen, wo sich ein
einem andern Hofstabe (z. B. ob. Stallmeisteramt) untergebener
Hofbediensteter eines zur Kognition des Hofmarschalls gehörigen
Deliktes schuldig machte. Hier mußte dieser dem betreffenden
Chef nicht nur von der Verhängung der Untersuchungshaft in
Kenntnis setzen, sondern er war auch verpflichtet, die Sache
im Beisein und mit Wissen des Oberoffiziers zu verhören und
abzuhandeln ^). Eine Einwirkung auf die Strafausmessung stand
aber den Hofstabschefs nicht zu*). Diese hatten aber über
ihre Untergebenen eine Disziplinarstrafgewalt auszuüben. Schwere
Delikte waren aber stets zur Aburteilung an den HofmarschaO
zu überweisen*).
Daneben hatte der Marschall noch eine ausgedehnte Polizei-
gewalt, da ihm die Aufrechthaltung von Zucht und Ordnung
1) Ein Gutachten der Räte erwähnt die Instroktion 1580 noch an fol-
gender SteUe : „Wenn sich zwischen Grafen, Herren vom Adel und Anderen,
auch ihren Knechten, Buben und Gesind und andern Hofpersonen und ins-
gemein von aUen Dienern, die Futter und Mahl von unserm Hofe haben,
Irrungen, Widerwillen, Scheltworte oder Rumoren zutragen, so dafi gütliche
Handlung, Unterweisung oder Strafe nötig, soll er es thun und wo nOtig an
uns (Herzog), in unsrer Abwesenheit an unsre R&te um ihr Gutachten ge-
langen lassen. **
2) Instruktion 1580.
3) Die Hofinarschall - Instruktion 1589 (H. A. — £ fasc. 2 nach a 597
— S. 19) hebt noch hervor, „daß, wenn zwischen denjenigen, so unter einer
andern Jurisdiktion sind, und denen, so unter sein Hofmarschallamt gehörige
Rumoren oder dergleichen sich zutragen, soll er solche Hfindel neben und
im Beisein der andern Obrigkeit abhandeln**, also auch hier wird nur An-
wesenheit des Chefs bei der Verhandlung, keineswegs aber eine positive mit-
entscheidende Anteilnahme gefordert
4) z. B. Instruktion für den Küchenmeister 1589 (Oberb. Archiv IX,
S. 131): Da sich zwischen des Küchenmeisters Personen von Kuchen, Keller
oder andern Irrungen zutragen, daß darin Unterweisung und Straf nOtig, darin
soll er jeder Zeit die Billigkeit handeln. Wenn ihm dann hierin etwas in
beschwerlich oder sich solche rumorische sträfliche und dergleichen mat^
willige, bevorab aber malefizische Sachen oder gefährliche Veruntreuung und
Verbrechen unter seinen zugehörigen und untergebenen Gesind zutrügen . .,
die soll er um mehreren Bescheid jeder Zeit an unsem Hofinarschall, auch
im Fall der Not an uns selbst gelangen lassen.
— 235 —
am Hofe zufiel und ihn verpflichtete, wegen Übertretung der
Verbote der Gotteslästerung, Völlerei und Spiel strafend ein-
zuschreiten und Kundschaft darüber zu haben, daß Keiner sich
der Sectirerei durch Disputieren, Lesen fremder Bücher u. s. w.
verdcächtig mache.
Wurde auch die Kompetenz des Marschalls bei allen Klagen
wegen Forderungen gegen Mitglieder des Hofgesindes schon
hervorgehoben^), so ist hier zu erwähnen, daß er bei solchen
auf Ansuchen der Gläubiger auch die Beschlagnahme der Be-
soldung M beim Hofzahlmeister („inhibirt und verpeutt") an-
zuordnen hatte ^).
Seit 1589 l)egegnet ein Hofoberrichter, welchem namentlich
die Aufsicht über den Falkenthurm (Münchner Gefängnis) über-
tragen war. Er hatte vermutlich die Jurisdiktion über das Hof-
gesinde stets dann auszuüben, wenn der Hofmarschall oder der
Chef eines Hofstabs an der Ausübung verhindert war, daneben
aber auch für die Exekution der von diesen gefällten Urteile
zu sorgen ^).
1) Die Hofmarschallinstruktion von 1583 (H. A. — E fasc 2, S. 386):
Wer auch zu derselben (Hofgesinde) einem Schuldfordemng, persönlichen
Sprüchen oder sonst zu klagen, das soll vor ihm geschehen. Er soll Jeder-
mann gleiches Recht erteilen.
2) Der Passus stimmt fast wörtlich mit einem der Osterreich. Hof&mter^
Instruktion von 1537 überein.
3^ Über die Jurisdiktion des Hofmeisters siehe S. 239.
Zweites Buch.
Geschichte der Verwaltungs-
Organisation.
ERSTES CAPITEL.
Die Centralregierung.
§13.
Die Hofbeamten und der Sat.
In der Person des Fürsten konzentrierten sich alle Befug-
nisse der sich immer mehr befestigenden landesherrlichen Ge-
walt Nachdem zur Gerichts- und Kriegshoheit, die den Kern
der Gewalt der alten Stammesherzoge gebildet hatten, neue
Machtelemente dem aufstrel)enden Territorialfürstentum zu-
gewachsen waren, namentlich die Finanz- und Verwaltungs-
hoheit, und nachdem die Tendenz der Abrundung und Ver-
größerung des Landes bedeutsame Aufgaben auf dem Gebiete
der auswärtigen Politik gestellt hatte, ergab sich bei der Fülle
der auftauchenden wichtigen Fragen für die Landesherm die
Notwendigkeit, solche mit Männern ihres Vertrauens zu beraten.
Außerdem war auch durch die quantitative Zunahme der Be-
gierungsgeschäfte, welche die Erledigung durch den Fürsten
allein ausschloß, für diesen das Bedürfnis gegeben, sich immer
mehr Gehülfen beizugesellen, welche ihn bei Bewältigung der-
selben unterstützten oder ihm diese ganz abnahmen.
Ganz nach Belieben wählte sich der Fürst diese seine Berater
und Gehülfen vornehmlich aus dem Kreise seiner Ministerialen je
— 237 —
nach Bcdürfiiis, ohne daß bei der relativen Einfachheit staatlicher
Verhältnisse im Mittelalter von Anbeginn an hierbei eine ge-
wisse Ordnung und Regelmäßigkeit beobachtet worden wäre.
Entschied auch lediglich der Wille des Herrschers, wen er von
Fall zu Fall zur Beratung herbeiziehen wollte, so mußte doch
wenigstens stets eine Anzahl qualifizierter Personen in seiner
Nähe vorhanden sein, die zu solchen Funktionen verwendet werden
konnten. Wie in andern Territorien finden wir deshalb auch in
Baiern Räte (consiliarii) am herzoglichen Hofe stets bereit, auf einen
Wink des Herni sich zu allen Geschäften verwenden zu lassen.
Bei dem rein persönlichen Charakter des landesherrlichen
Regiments machte es sich von selbst, daß die mit dem Dienste
bei der Person des Fürsten Betrauten, also die Inhaber der
Hofilmter, gerade wegen ihrer steten persönlichen Beziehungen
zum Herrscher auch sein besonderes Vertrauen genossen und des-
halb vorzugsweise zur Erledigung staatlicher Geschäfte benutzt
wurden und unter den Räten die erste Stelle einnahmen. Wenn es
auch außerhalb des Bereichs unsrer Aufgabe liegt, eine Dar-
stellung der einzelnen Hofämter zu entwerfen, so wollen \vir
doch einige der angesehensten Hofämter, deren Inhaber regel-
mäßig durch die Jahrhunderte hindurch zugleich staatliche
Funktionen zu versehen hatten, kurz betrachten.
Wir lernen so das Personal kennen, aus welchem die
Centralverwaltung, besonders der Rat, vorzugsweise gebildet war.
Es wiederholt sich hier eine Erscheinung, die seit der Mero-
vingerzeit*) in allen Staatswesen hervortritt, die häufige Ver-
wendung von Hofljeamten zu einzelnen staatlichen Funktionen
und die dauernde Verbindung der angesehensten Hofchargen
mit dem staatlichen Verwaltungsorganismus. Der Charakter
des Hofamts überwiegt derart, daß noch der Hofstaat (Ver-
zeichnis aller Hofl)eamten) Ende des 16. Jahrhunderts neben
den reinen Hofchargen die Mitglieder der Cent ralbehörden neben-
einander aufführt. Alle Mitglieder der Centralstellen wurden
also im weiteren Sinne zum Hofe gerechnet, indem sie als un-
1) Vgl. Schröder, Rechtsgeschichto S. 136 £ Schon bei den Mero-
vingcrn gab es 4 llofamter — Seneschalk, Marschall, Schatzmeister, Schenk —
dio danu am deutschen Kaiserhofe und an den Hofen der geistlichen und
weltlichen Fürsten wiederkehrten (Schwsp. G. c. 57 § 4; Rupr. v. Freising
[Maurer] 1 c. 48\
— 238 —
mittelbare Gehülfen des Fürsten in der Regierung des ganzen
Landes betrachtet wurden. Wie man aber in diesen Hofstaats-
verzeichnissen die Mitglieder der Centralstellen in besondem
Rubriken, also geschieden von den eigentlichen Hofleuten vor-
trug, so hatte man sich in der L. Fr. schon zu der prinzipiellen
Scheidung zwischen dem Hofbeamtentum („die dem r^iment
unsers gmainen hofhallten undterworflFen") ^ ) und dem Staats-
beamtentum („ambtleut, die mit verwalltung des lands regiment
umbgeen") *) durchgerungen.
Im engeren Sinne unterschied man aber stets das Hof-
gesinde von den übrigen Beamten. Dies erhellt z. B. deutlich
aus dem 42. Freibrief 1458 *), in welchem Albrecht HI. von
München verspricht, „mit keinem Gast unsem Rat, Pflege noch
Amt^ zu besetzen, ausdrücklich aber hinzufügt: „Aber zu Hof-
gesind mögen wir Gäste wohl aufnehmen*) und haben" '^).
Wie sich schon die bairischen Stammesherzoge nach dem
Vorbilde der KaroUnger mit einem Hofstaate umgeben hatten, so
fehlten diese 4 obersten Hof-(Erz-)Ämter auch am Hofe der Witteis-
bacher nicht, zu welchen noch zahlreiche andere Hofbeamte zur
Erhöhung des Glanzes der herzoglichen Hofhaltung hinzutraten.
Die 4 Erzämter waren seit Otto I. im erblichen Lehns-
besitze des Pfalzgrafen (Truchseß), des Grafen von Wasserburg
(Kämmerer), des von Hirschberg (Schenk) und des von Orten-
burg (MarscbaU)^). Diese hochangesehenen, mit dem Herzogs-
hause verwandten und verschwägerten Grafen ' ) verrichten aber
1) L Fr. I a. 13.
2) L. Fr. IV a. 20.
3) y. Lorchenfeld S. 105. Der Herzog lehnte also das Begehren der
St&nde ab, der Herrschafft gefdrstete Amt als Hofmeisteramt» Kammermeister,
Marschalk and Jägenneisteramt f&rbas nicht besetzen mit G&sten, sondern
mit gebomen Landleuten als von Alters herkommen ist (K renn er I, S. 279).
4) Der niederbairische Herzog Stephan IL hatte dagegen schon 1856
(7. Freibrief bei v. Lerchenfeld S. 18) für sich und seine Erben yer-
sprochen, er wolle ,,nnsem hof nnd alle unser ambt besetzen mit den nnsem,
die zu dem land gehOmt» und mit kainem gaste".
5) Die L Fr. (I a. 1) spricht» die Inländerqualit&t für die Ämterbesetznng
fordernd, ganz allgemein von „unsere ambt, nemlich vitzdomb, hofinaistex;
marschalckh, camermaister, khuchen-, j&germeisterambt» auch die pfleg".
6) Riezler I, S. 732.
7) Riezler II, S. 171; vgl auch den Auszug aus einem Salbuehe 1878
bei We stenried er, Qlossarium p. XV.
— 239 —
nur bei feierlichen Gelegenheiten gewisse Ceremonieen, sie sind
Erzbeanite des Herzogtums ^) im Gegensatze zu den gewöhnlich
dem Kreise der herzoglichen Ministerialen *) entnommenen mit
der Leitung des täglichen Hofdienstes l)etrauten obersten Hof-
beamten ^), die uns hier ausschließUch interessieren.
Ursprünglich bildete wohl die Ministerialität die Basis des
Hofdieijstes so, daß zumeist Mitglieder herzoglicher Ministerialen-
familien als Hofl)eamte bestellt wurden, aber 'bald sehen wir
doch einige Hofämter in den erblichen Lehnsbesitz gräflicher
und Ministerialengeschlechter übergehen. Für die meisten Hof-
ämter dagegen war der reine Amtscharakter jedenfalls schon
im 14. Jahrhundert zur Geltung gekommen, indem die Inhaber
derselben vom Herzoge nach Belieben ein- und abgesetzt werden.
Seit Mitte des 13. Jahrhunderts begegpet ein neues Hof-
amt, das des Hofmeisters*), des angesehensten und auch
für die Landesregierung bedeutsamsten Hofbeamten. Die Lei-
tung des ganzen Hofwesens '^), die Aufsicht über alle Hof-
bediensteten war ihm übertragen. In der niederbairischen Hof-
ordnung von 1293 und 1294 erscheint diese seine hervorragende
Stellung schon ganz deutlich, wenn auch hier dem obersten
Schreiber noch ein höherer Hang zuerkannt worden zu sein
scheint^). Er war neben anderen an der wöchentlichen Rech-
nungsrevision beteiligt^). Femer stand ihm und dem Hof-
marschall eine Jurisdiktionsgewalt über das Hofgesinde zu ®).
1) Es sind die Erbhofamtcr, zu welchen später noch das Erblandjäger-
meistcramt hinzukommt (Ereittmayr, Staatsrecht S. 210) and die heute
als Kronämter und zwar als „oberste Würden des (bairischen) Beichs'' fort-
leben. Vgl. S e y d e 1 I, S. 362.
2) Auch der Besitz dieser Erzämter geht auf Ministerialenfamilien über.
Vgl Riezler II, S. 530.
3) Über die brandenburgischen Hofbeamten vgl Isaacsobn I, S. 4 fil
4) Eine Monographie über das Hofmeistoramt verdanken wirSeeliger,
Das deutsche Hofmeisteramt im späteren Mittelalter, Innsbruck 1885, auf
dessen ausfülirliche Darstellung auch des bairischen Hofmeisteramts wir bezüg-
lich aller Details verweisen. In Baiem kommen Hofmeister seit 1249 bezw.
1273 vor (Seeliger S. 12).
5) Der fürstliche Hofmeister ist nach Seeliger S. 11 der Nachkomme
des klösterlichen, des Aufsehers über das Wirtschaftspersonal des Klosters.
G) Der Hofmeister sollte 5 Pferde, der oberste Schreiber 6, der gerade
am Hofe anwesende Vitztum sogar 12 Pferde haben (Qu. u. Er. VI, S. 53).
7) Hofordnung 1293 (Qu. u. Er. VI, S. 14).
8) Ibid. S. 57. Ebenso auch in Tirol; vgl Adler, Centralverwaltung S.321.
— 240 —
Da der Hofmeister als Vorstand der HofhaushaltuDg
fungierte, so gab es bei gemeinschaftlicher Regierung mehrerer
Herzoge, die einen gemeinschaftlichen Haushalt führten, nur
einen fürstlichen Hofmeister O9 während fQr den Haushalt der
Gemahlin des Herzogs*) und auch für die Erziehung der Prinzen
ein besonderer Hofmeister') bestellt zu werden pflegte*).
Eine Teilung des Hofmeisteramts in ein inneres und in
ein äußeres war in Niederbaiem im Beginne des 14. Jahr-
hunderts erfolgt. Diese Trennung tritt uns urkundhch ent-
gegen J 329, wo die 3 Herzoge denen von Degenberg das äußere
Hofmeisteramt zu rechtem Lehen verleihen mit der Bestimmung,
daß jeweils der Älteste der Familie das Amt bekleiden soll ^).
Wahrscheinlich hatte der äußere (Erb-)Hofmeister seine Thätig-
keit den Aufgaben der Landesregierung zu widmen, während
der innere als Haushofmeister in unserm Sinne funktionierte ^).
In Folge der Teilungen bildete sich auch an den andern
bairischen Höfen das Hofmeisteramt aus^), während das Erb-
hofmeisteramt der Degenberge natürlich hierdurch wesentliche
Kompetenz Veränderung erfuhr ®).
Wenn ich oben den Hofmeister als den für die Landes-
regierung wichtigsten Hofbeamten bezeichnet habe, so erklärt
1) Vgl Seeliger S. 13.
2) z. £. 1271 magister carie domine dacisse (Qu. tl Er. Y, S. 244\ 1401
Hofmeister der Qemahlin des Herzogs Emsl^ 1410 der des Herzogs Stephai^
1429 der Herzogin Elisabeth in Baiem. R £. XI, p. 234; XU, p. 69; Xm,
p. 146. Aach Hofmeisterinnen als Aufseherinnen des Fraaenzimmers, der
Hofjangfrauen kommen vor. YgL z.B. Klackhohn, Ludwig der Reiche.
S. 314 £
3) Seeliger S. 39 l
4) Aach solche Frauenhofmeister warden zugleich fftr Regienmgszwecke
Terwendet So bestimmt eine Instruktion 1552, daß, nachdem der Holkneisier
auf unser Gemahl und derselben Frauenzimmer zu warten und in solchem
Allem gute Ordnung und Zucht halten, er nichtsdestoweniger, wenn er dieses
Dienstes halber Gelegenheit habe, unsem Hofrat fleißig besuchen und neben
andern unsem Räten die fürfallenden Händel ausrichten helfen solL (Sjr. A.
M., Hofmeisterstab F l'/i«)
5) M. B. VI. p. 246 i
6) Seeliger S. 19, 35 fE
7) Sowohl in Ober- als in Niederbaiem finden wir nun Hofmeister.
8) Ober die Modifikationen in Folge der Landesteilungen vgl. Seeliger
& 35 1
— 241 —
ßich dies daraus, daß dieser Inhaber der höchsten Hofcharge
als der Nächste nach dem Herzog, als dessen Generalstell-
vertreter ^) betrachtet wurde. Überall, wo der Herrscher be-
rufen war, handelnd einzugreifen in die Geschicke des Landes,
konnte statt seiner der Hofmeister in Thätigkeit treten. Bei
den verschiedenartigsten Regierungsgeschäften sehen wir ihn be-
teiligt^). Am häufigsten vertritt er aber in Baiem seit dem
15. Jahrhundert seinen Herzog im Vorsitze des Hofgerichts ^).
Dieses Hofgerichtspräsidium zählt zu seinen ordentlichen Auf-
gaben *), wie die regelmäßig wiederkehrende Formel der Hof-
gerichtsbriefe, daß Hofmeister und Räte das Hofgericht besessen*),
bezeugt. Selbstverständlich spielte der Hofmeister auch unter
den Räten des Herzogs als der Erste derselben vor und nach
Konsolidierung des Ratskollegiums eine hervorragende Rolle.
Er wirkte also bei Erledigung der Regierungsgeschäfte mit,
welche dem Rate zufielen, wenn er sich nicht als Hofgericht
konstituiert hatte ^), und zwar auch als Vorsitzender des-
selben.
Die Thatsache, daß im Hofmeisteramt, dessen Ausgangs-
punkt der Dienst bei der Person des Herrschers gewesen, all-
mählich die rein staatlichen Funktionen das Übergewicht er-
langten gegenüber dem eigentlichen Hofdienste, fand ihren
1) Ebenso in der Obcrpfalz. Vgl Neudegger, Beiträge zur Geschichte
der Behörden-Organisation, des Raths- und Beamtenwesens. München 1888.
I (Kanzlei-, Kaths- und Gerichtsordnang des Karftlrsten Friedrich IL . . als
Regierender zu Amberg 1525), S. 17 t (Art. J).
2) Vgl. Seeliger S. 43 f.; Heigel, Landshuter Rathschronik (Chro-
niken der deutschen Städte XV) S. 515 Anm.
3) Vgl. S. 134.
4) Auch in andern Ländern, z. B. Württemberg, Böhmen, Oberpfalz
(Seeliger S. 50, 55; Neudogger I, S. 33).
5} Vgl S. 136 Anm. 3.
6} Über die analoge Wirksamkeit des Hofmeisters am königlichen Hofe
vgl. S e cl i g e r S. 85 ff. Die siegreiche ständische Reformbewegong im
Reich hatte auch die Ernennung Herzogs Georg von Baiem zum Hofmeister
des Königs und des Reichs (1497) bewirkt Ihm war seit 1502 Eitelfr. v.
Zollem in dieser Würde gefolgt (vgl. ülmann, K. Maximilian L Stuttgart
18S4. I, S. 807, 825). Nach diesem ward die Hofmeistorstelle wieder mit
einem königlichen Beamten besetzt (Seoligor S. 75). Über die ähnliche
»Stellung des Hofmeisters in Tirol vgl. Adler S. 319.
Uobonthal, (».'schichte d, (ierichtsw.Iu. d. Verw.-Orj. Baiernt. I. |ß
— 242 —
Ausdruck in dem Titel Landhofmeister ^ ), der in Baiem seit
dem 16. Jahrhundert*) vorkommt '*).
Die Stellung des Landhofmeisters im 16. Jahrhundert ist
im wesentlichen die gleiche, wie die der älteren Hofmeister^),
nur daß jetzt in der Periode allgemeiner Amtsorganisation, wo
jedes Amt den flüssigen Charakter vergangener Zeiten abstreifte,
auch das Hofmeisteramt fest umgrenzte Formen annimmt. Die
Formierung des Hof rats und später des Geheimratskollegiums mußte
auch ihn in ihre Kreise ziehen. In dem Pflichtbuch ^) figuriert
deshalb an erster Stelle „des Landhofmeisters oder Hofrats-
präsidenten Eid^ und die Hofratsordnung von 1551 bezeichnet
ihn als das Haupt in unserm Hofrate. Bald hatte es sich
aber gezeigt, daß er bei der Fülle der ihm obliegenden 6e-
1) In andern Territorien, z. £. WOrttemberg und Baden, konunt Land-
hofmeister schon in der 2. Hfilfte des 15. Jahrhunderts vor (Seeliger S. 49),
in Österreich seit 1500 (A d 1 e r S. 499).
2) Als erster dieses Titels kommt Wolf von Ahaim za Wildcnaa 1614
im 50. Freibrief (v. Lerchenfeld S. 136) vor.
3) Ein Haushofineister kommt vereinzelt vor z. B. in Baiem - Ingolstadt
1418 (R. B. XII, p. 276v 367) ; anter Albrecht Y. öfters ein Hanshofineister
in der neaen Yeste, dem namentlich die An&icht über Küche and Keller
übertragen war. Dieselben Fanktionen hatte der Haashofmeister aach in
der Oberpfalz za versehen (Neadegger I, S. 22).
4) über die Stellang des Hofineistcrs vgl die interessanten Mitteilangen
über den gegen H. von Staaf, Hofineister Wilhelms lY. von Baiem, ein-
geleiteten Hochverratsprozefi, welcher mit der Hinrichtang des Angeklagten
seinen Abschlafi fand (1516 S. 330 ff).
5) (R A. Altes Hofkammer-Pflichtbach 1512—1678). Freiherr Chiiftoph
za Schwarzenberg, der Begründer der bairischen Linie der Schwarzenberg,
ältester Sohn des Freihenm Johann ü., des Yerfassers der Bambergensis, erscheint
1521 als Landhofmeister (von 1512—1517 war er Pfleger za Wasserboig,
1519 begegnet er als Hofrichter). £r bekleidete dieses Amt bis za seinem
am 9. Janaar 1538 erfolgten Tode. — In dem Pflichtbach ist als erster
Landhofmeister (1549) verzeichnet Christophs älterer Sohn Wolf Wilhelm la
Schwarzenberg, f ^^^^ Nachdem H. von Trenbach das Landhofineisteramt
bekleidet hatte , folgte 1562 der jüngere Brader Wolf Wilhelms — Otto
Heinrich. 1576 trat er in kaiserliche Dienste, warde aber 1581 dorch Wil-
helm Y. wieder in bairische Dienste berafen and zam geh. Rat, Land- and
Gro&hofmcister and obersten Kämmerer ernannt, welche Würden er bis la
seinem Tode (1590, 11. Aagast) bekleidete. (Freandliche Mitteilang des Herrn
Schwarzenbergischen Archivars MOrath in Wien.) Sein Gehalt betrag 1000 fl.
1593 warde Radolf Graf za Helfenstein geh. Rat and Landhofkneister (Ge-
halt einschließlich Nebenbezüge 2200 fl.).
— 243 —
Schäfte unmöglich regelmäßig diese Präsidialfiiüktionen zu ver-
sehen im Stande war, und deshalb wird seit 1573 ein eigner
Hofratspräsident bestellt
Der Landhofmeister führte jetzt, wohl in Anlehnung an den
nach burgundischem Muster eingerichteten österreichischen Hof,
zugleich den Titel eines obersten Hofmeisters, wie überhaupt unter
Wilhelm V. alle Chefs der Hofämter (Hofmarschall u. s. w. ; siehe
S. 245, Anm. 1) vor diesem ihrem Titel das Prädikat „oberster"
zu führen begannen. Unter Wilhelm V. präsidiert er im geheimen
Rat, wenn der Herzog oder sein Sohn Maximilian am Vorsitz ver-
hindert ist, stets aber führt er die Direktion in dieser höchsten
Centralstelle^), denn er ist der Erste nach dem Landesherm. Alle
Einlaufe an diesen gehen durch seine Hand *), und je nach dem In-
halte übermittelt er dieselben dem Kanzler, einer der Kollegial-
behörden oder einem Hofbeamten zur Begutachtung oder er über-
nimmt auch selbst das Referat beim Herzog, entscheidet minder
wichtige Angelegenheiten auch aus eigner Machtvollkommenheit
In dieser seiner Stellung als Kabinetschef und Minister^)
yuoLx i^oxr^v erschöpft sich aber die Bedeutung seines Amts
keineswegs. Den Ehrendienst bei der Person des Herzogs hat
er bei feierlichen Gelegenheiten immer noch selbst zu ver-
richten*).
1) Konzept einer Hofmeister-InstroktioD. (H. A. — D. n. 4).
2) Ein anschauliches Bild von der allumfassenden Thätigkeit des obr.
Hofineisters geben die Protokolle, das obr. Hofmeisteramt betreffend (ad
1582, Kr. A. M. , Verz. 19 , F. 10 ad 618). Dieselben sind halbbrüchig ge-
schnoben, auf der einen Hälfte steht der Inhalt der Eingabe, auf der andern
bei jedem Gegenstande der Bescheid, z. B. referieren, ist abgewiesen worden,
fiat, ist Herrn Kanzler zugestellt, Herr obr. Stallmeister, soll Gutachten der
Kammer erholt werden, in Hofrat, in den geistl. Rat u. s. w.
3) Insbesondere sind ihm Fui^tionen unsres heutigen Ministers der aus-
wärtigen Angelegenheiten übertragen. Wenn der Herzog eine Person des
Hofs LegatioDs-, Botschaftsweise oder sonst in fdmehmen Sachen aufier Lands
vorscliickt, soll ihr, so oft dies nOtig erscheint, durch den ob. Hofmeister die
Instruktion behundigt und sonst Bescheid gegeben werden (Konzept einer
Hofmeister-Instruktion (H. A. — D. n. 4).
4) Zu allen Solenni täten, wo wir eigner Person gegenwärtig, es sei lu
Kirchen, Einreitungen, Ladschafben, Banquetten oder andern dergleichen off-
nen Akten soll er o. Hofoieistrr seinem Amte bei uns persönlich, ansehnlich und
stattlich Torstehcn , auf all unser Hofgesind sein fleißig Acht haben , allem
Hofgesind wie auch dem Hofrat- und Kammerpräsidenten für ihre unter-
16*
— 244 —
Er fungiert als Ceremonienmeister für die fremden Bot*
schafter und Gesandten, welche sich bei ihm anzumelden haben
und durch ihn beim Herzog Audienz erlangen, die in seiner
Gegenwart stattfindet. Ihm fällt dann auch die Sorge für ihre
Verpflegung während ihres Aufenthalts am Hoflager und ihre
Expedierung zu.
Ihm war die Obhut über den ganzen Hofhalt übertragen,
für dessen sparsame Führung er zu sorgen hatte. Bei der Errich-
tung des geheimen Rats war er neben dem Landesherm bezw.
dem Erbprinzen zu einer leitenden Stellung in dieser höchsten
Behörde berufen ' ).
Dabei dauerte seine Stellung als Chef aller Hofbeamten
fort'). Nicht nur hatte er die Verhandlungen über ihre An-
stellung zu führen '), sondern er mußte auch den angenommenen
gebenen Bäten za jeder solcher Solennitfit ansagen lassen and darüber
wachen, daft dieselben erscheinen und ihren Dienst verrichten.
1) In einem Gutachten der geheimen Bäte wegen Anstellung eines nenen
Hofstaats 1594 wird von dem o. Hofoieister gesagt, dafi dieser eine solche
qaalificierte Person sein soll, der, so der Herzog dem geheimen Rat bei-
wohne, bei demselben das Directorium halte, anch des Haashaltens verständig
and auf dasselbe stets gute Achtang geben könnte, mit der Kammer gute
Korrespondenz, auch auf alle Offiziere sein Aufmerken hätte, wie daselbst
gehaust» daä nichts verschwendet werde. Diesem sollen alle Offiziere Rech-
nung stellen und da kein o. Hofineister, daß dann ein Andrer bei der Stelle
sei, so gleicher Gestalt Solches administrieren und verwalten sollte und
könnte (RA — Fürstensachen).
2) Daher der ganze Staat unsres Hofs auf ihn als obr. Hofineister sein
Aufsehen und er dagegen über alle Offizier der Obrist und bei denselben
darob sein soll, damit ihre officia bei guten Würden bleiben und durch jeden
solchen Offizier verriebt werden, was ihm doch seines Dienstes halben billig
angelegen und darzu ihn insonderheit seine Instruction weist (Konz.).
3) Ober die Besoldungsfrage wurde die Hofkammer gutachtlich gehört
und dieser von der erfolgten Anstellung Kenntnis durch den Ordonanzzettel
(Anweisung auf Besoldung) gegeben. Oberhaupt sollte der 6. Hofmeister
und die Hofkammer gegenseitig vertraulich gute Korrespondenz pflegen und
darüber wachen, dafi aller Orten im Hofwesen zum besten gehaust werde
und jeder Hofbedienstete treulich seines Amtes warte, sowie gemeinschaft-
lich Verbesserungen ins Werk setzen. — Wöchentlich oder wenigstens monat-
lich sollte der o. Hofmeister mit andern dazu verordneten (Kammer-) Bäten
der Revision der Hofrechnungen (über Küche, Keller und Stall) beiwohnen
und die bei dieser Gelegenheit gefundenen Mißstände, eventuell mit dem
dazu deputierten Kammermitglied, abzustellen suchen.
— 245 —
Diener „im Beisein dessen, so hernach über ihn und seine Ver-
richtungen zu gebieten hat und derer, so sonst zu seiner Ver-
richtung nebeu ihm gehörig sein und sonderlich aber die Räte
in jedes Rats gewöhnlichen Ratsstuben, daß alle demselben Rat
zugethane Personen gegenwärtig sein, mit gewöhnlichen Pflichten
beladen" ^). In Abwesenheit des ob. Hofmeisters darf der Prä-
sident des betreffenden Kollegiums von dem neuen Rat die
Ratspflicht aufnehmen*).
Erst 1592 wurden die neu aufgenommenen Hofdiener zur
Leistung des Diensteides an den Hofmarschall gewiesen ^).
Außer einer ausgedehnten Disziplinarstrafgewalt steht dem
ob. Hofmeister auch eine wirkliche Gerichtsbarkeit über alle
zum Hofstaat gehörigen Personen zu. Von dieser wird unten
im Zusammenhange die Rede sein.
Die Bedeutung des Amtes wird am besten charakterisiert
durch den Vortrag bei Vorstellung des Otto Heinrich Grafen zu
Schwarzenberg *): „So wollen ihre fürstl. Gnaden ihn hiermit
Euch Allen vorgestellt als nach derselben für die erste Person
1) Wie die Anstollong, so geschah auch die Entlassung durch den o. Hof-
meister niit Genehmigung des Herzogs. Dem oh. Hofmeisteramt waren unter-
stellt: die geh. Käte, Hofratspräsident und Rftto, Hofmarschall, Hofineister
der Herzogin und Prinzen, oh. Stall-, oh. Jfiger-, Küchenmeister, Kammer-
meister und Eäte. Femer Schloß- und Guardihauptmann, oh. Zeugmeister,
Mundschenken, Yorschneider, Truchsessen (diese 3 auch unter Marschallamt),
Silherkammcrer, Hofdiener, Hofkapläne, Kantorei, Bihliothekarius, Antiquarius
U.A. Ebenso waren dem Hofmeister der Herzogin (Hofmeisterin,
Kammerfrau, Kammerdiener, Kindsfrauen etc.") ; oh. Stallmeister (Futter-,
Hamischmeister, Roßbereiter, Edolknahen, Instrumentisten etc.) ; o h. J ä g e r-
m e i 8 1 e r ( Jaidsküchenschreihcr, Jäger, Jägerhuhen, Netzknecht, Vogler etc.) ;
ob. Küchenmeister (Küchenschreiher, KOche und Jungen, Kellermeister
etc.) eine Anzahl von Hofbediensteten unterstellt. Über die Vorteilung
der Hofbediensteten unter die einzelnen Hofstähe im 17. und 18. Jahrhundert
vgl Anm. z. Cod. Bav. judic. c. 1 § 11 d.
2) Wenn dem ob. Hofimeister auch die Anstellung und die Oheraufsicht
über den ganzen Hof zustand, so hatte er sich doch einer jeden Einmischung
in die Verrichtung des speziellen Dienstes zu enthalten. Für diese bildete
die Instruktion, sofern eine solche erlassen war, bindende Norm und daneben
galt der Grundsatz, „daß Jeder bei währendem Dienst unter dem Amt, da-
hin er mit seiner Dienstverrichtung gehört, und unter die zu demselhen Amt
verordnete Obrigkeit verbleiben soll".
3) R. A. — Dekrete Wilhelms V.
4) H. A. (E fasc. 2).
- 246 —
und ileru andre Uaod publtciert und danebeu uiäuiglich be-
fohlen haben ihn dafür zu erkcnuen und zu respektieren*' ').
Der zweite wichtigste Ilofbeainte ist der Marschall»), lu
Folge der Teüungun erscheint an Jedem Hofe auch ein Inhaber
ditxer Hufchai^e ' ) , bei gemeinschaftlicher Regierung komiuen
auch mehrere MarschÄlIe vor, von [lenon einer als oberster
Marschall bezeichnet wird *). Wie das llofmeistcmnit ward
auch das Marschallamt ') Erblehtm einer Familie, so daß dem
Erbhofineister ein Erbmarschall *) gegen übereiand. Als zweit-
1) Fflr die «ngebonde Be^lung de« ob. HofineütcraniU, wie «io in Bftlem
gegva Ende det 16. Jabrbonderta orfalst war. daifte aacb die Hofbatet-
oiguuMtioD Fordinandi L tod Öst«iTeich »U Vorbild benntxt worden loiii,
wie auE folgender Stelle .der rOm. k. mt ordnuiig and inetnictioa doriMlben
hoben und nideiu bofembter 1. Janoar 1637 (Arcbir det L k. HmiitoriDins
def Inneni Id Wien) erhellt: Der Boftneiiter w>ll da ente Penon bei ima
(Hebtet werden . . . nnd am er«t«D eoll ein Hufmcicter am Bofe la Ab-
■en Diuiei PertOD in Riten, bei aiidpm Forsten, lu Eirrhen, Land, Lud-
I aehanirenainmlDn^Il . . ordinarin repreBcatloren and vertreten .... Er
Hohoeister soll auch ta allen Solennitlten , da Diure eij^o Fenoa gegOD-
wirtig, mit eigner Penton nnd dem Bo(mei«teistab «ein Amt verMhen. D«r
Stut dei KUiten Hofoi kuiorhalb uniter Kunmer Procedierang, der KuiM
and Hofkntnmnrordnung lollen ihr Oeborum ond Aofvohen aar ihn babm,
darob er haltvn lell, damit in allen Ämtern die Horerdnnng ordenüteh g^
hudidt weide.
3) Seit 1234, vo Ulricoi m&ncaJcua de ScrOTenhn»en b dner Drktuid«
Henog Lndwigi als Zenge Yorkonitnt (Qn. u. Er. V, S. 3!), ist diosn Hof-
beamte bSntlg oaehweUbM (vgl Qo. o. Et V, & 494; VI. a il& t B«gi>ler):
fnner 1280 Pridericni marecaleni dacis de Ch«menai«n (& E tt, p^ 300).
S) So konuncD HancbUls in Über- nnd Niednrbaiem vor. i. R 1394
Hrinr. der PanUtorfer, UsmbaU in Oberbaiom |R Ü. VI. p. 137), 1343 Ai^
Dold TOD UaMeahwuen, Uanchall in Niederbajpm IR B. VII. p. SSOi, I37B
WUbetro der Haasvobansor, Harichall in Oberbaiem iQn. o. Kr. VI. 8. GUL
4) 1. B. 1310 ff Albroeht der Judmana ,ubri«t«r Hanchall in Baien"
irtbrerid der gemeinschafUIcfaen Ifegierung Badolfi ond Lndwfgi, dann mU
det Teilung 1310 iQn. n. Er. VI. a 159, II», 238).
S| In den Sohaeiertng K. Lndwigi nnd BodoU* ISIB wird tngMkbatt:
& m1 aticli OBaer entweder! A. den Jndeman antom obri«ten mareebalcb
Ib Bajam an aiaam marKbalchampt nicht trrcn mit dabainorUi laehen. in
Mch a«n srbeii, ond «aleo in du lanen mit allen den t-rvo. rechten, gv
wonhnt lud nflttea. ala er ea oDtiher tun« g«habet hat fQu. u. Er. VI. &. S38V
V) Auch nach dar VereiniguiK Baiemi gib •■ l U. 1614 einen Erb-
marMhall In Überbaieni (CrliL *. Onmppnnberg der Ältere) oad iwal in
Kiederbaiem (Degwihart POlBager n Salbeneck [Landafant] nsd WOk TM
— 247 —
oberster Hofbeamter zählt er zu den vornehmsten Räten des
Herzogs, ist Mitglied des Rats und später des Hofrats, dessen
Sitzungen er regelmäßig beizuwohnen verpflichtet ist, soweit er
durch die Funktionen des Marschallamts nicht in Anspruch ge-
nommen ist, und führt wohl in Abwesenheit des Hofmeisters')
den Vorsitz in diesem Kollegium*). Nach Gründung des geh.
Rats gehört er auch diesem Kollegium vermöge seiner Stellung an.
Die Thätigkeit^) des Marschalls hat ihren Ausgaugspunkt
in der Aufsicht über den Marstall, die berittenen Knechte und
das Gefolge des Fürsten. Daraus entwickelt sich eine Ober-
aufsicht über die alle dem Herzoge zum Reiterdienste Ver-
pflichteten. „Er soll ob allem Hofgesind, Räten, Grafen, Herren
vom Adel und andern Dienern sein, so Rüstung und Pferde zu
halten schuldig sind, damit Jeder nach seiner Gebühr seine
Rüstung an guten Knechten, Pferden, Harnisch, Wehren, Hof-
kleidungen und andern Zugehörungen jeder Zeit wohl versehen
und in guten Bereitschaft sei" *) und sich quartaJiter durch
eine Musterung*) überzeugen, ob Jeder die erforderliche An-
zahl von Pferden halte, und wegen konstatierter Abgänge Strafe
verhängen.
Die gesamte Kriegsmannschaft war seinem Oberbefehl unter-
stellt. Nicht nur für die Einexerzierung ^) der Mannschaften
Küsberg [Straubing]). Vgl. Rock in ger, Einleitang S. 331, 333, 335; auch
50. Freibrief (v. Lerche nfold S. 136 [Anm.], 137).
1) Vgl. S. 134 l
2) ,, Weil der Landhofmeister zur Zeit nicht beim Dienste, wäre dem Herrn
Marschall die Prcsidenz im Hofrat zu befehlen" (Gutachten 1573 —RA.
Fürstensachen).
3) Vgl. V. Maurer, Fronhöfe IT, S. 269 ff.; Isaacsohn I, S. 13 t;
Luschin S. 82; Lamprecht, Deutsches Wirtschaftsleben im Mittelalter.
Leipzig 1886. I, 2, S. 1440.
4) Entwurf einer Hofmarschall - Instruktion 1580. (H. A. — E fasc. 2
S. 567 ff.).
5) Aber gar zu keiner gewissen Zeit, sondern unfürsehens, befiehlt eine
Instruktion von 1589 (H. A. — E fasc. 2, S. 29). Mit 2 andern Kriegsräten
soll der Hofmarschall Musterung Yomehmen , die sich auf alle mit herzog-
lichen Pferden Versehenen erstreckte, ohne unterschied, ob sie seiner Juris-
diktion unterstanden oder nicht Ein Verzeichnis der Pferde, Reisigen and
Knechte , welche der Herzog ordinarie hatte, und wie viele jeder vom Hof-
gesinde zu halten schuldig, bildete die Grundlage der Musterung.
6) Instruktion 1589: Und weil bes. in jetziger Zeit die in Kriegsläufen er-
fahrenen Knechte wenig zu bekommen, wollen wir, dafi Hofinarschall f&r die
- 248 —
hatte er zu sorgen, auch die Aufsicht über das von einem Zeug-*
meister verwaltete Zeughaus war ihm übertragen. Seines Amtes
war CS sodann, in den Feldzügen bei Ein- und Auszügen im Felde
die hierfür erforderlichen Anordnungen zu erlassen ^ ), daß des
Herzogs Person gut verwahrt werde.
Auch bei allen Reisen ^) des Herzogs hatte er alles Not-
wendige ins Werk zu richten bezügüch der Quartiere, der
Pferde, Wagen') und des Trains. Alle Beschwerden des Hof-
gesindes über Herbergen waren an ihn zu richten.
Bei allen Solennitäten verrichtet er vde der Hofmeister,
als dessen Stellvertreter er betrachtet wird, persönlich den
Ehrendienst beim Herrscher *). Das Hofgesinde ist auch ihm
unterstellt, er hat darauf zu achten, daß Jeder seinen Dienst
pünktlich versieht*^). Bei allen Ämtern, hohen und niedem
Offizieren soll er zusehen, damit recht und ordentlich gehaust
werde, und Mängel abstellen lassen. Also auch der Hofmarschall
ist neben dem Hofmeister mit der Aufsicht über den Hofstaat
betraut ®).
Aus diesem Aufsichtsrechte entsteht nicht nur das Recht,
sondern auch die Pflicht, über die treue Erfüllung der Amts-
pflichten der Untergebenen zu wachen und jede Verletzung der-
selben zu bestrafen. Von dieser ausgedehnten Jurisdiktions-
gewalt des Hofmarschalls über das Hofgesinde wurde bereits ')
im Zusammenhange gehandelt.
reisigen Knechte und der Keiterei zugethanen Personen eine solche Ohnng
anstelle nnd continaiere, dadurch sie doch soviel abgerichtet werden, damit
sie im Fall der Not diejenige Rüstung, so wir einem Jeden zu haben aof-
erladcn werden, desto firachtbarlicher brauchen und wir uns dann etwas mehr
darauf verlassen mOgen. — Nach der Musterung soll er Jeden in den Exer-
citien probieren, eventuell besser unterweisen lassen und beim Verharren in
der Ungeschicklichkeit strafen und sogar entlassen.
1) Instr. 1580-1583. {K A-E fasc. 2 S. 507 ff; S. 386).
2) Diese Obliegenheiten eines Reisemarschalls begegnen häufig. VgL
V. Maurer, FronhOfe II, S. 274.
3) Im Einvernehmen mit dem ob. Stallmeister.
4) Da wir es befohlen, soll er mit dem Stab selbst dienen (Instr. 1583]L
Über die Bedeutung des Marschallstabes vgl. v. M a u r e r, FronhOfe II, S. 287.
5) Die Prüfung der Wochenrechnungen far Küche und Keller nimmt er
mit einem Kammerrat und dem Kuchenmeister vor (Instr. 1580).
6) H. A. - E fasc. 2 S. 723.
7) VgL S. 229 ff. § 12.
— 249 —
Als drittes wichtiges Hofamt begegnet uns das des Kammer-
meisters. Diesem war ursprünglich die Obsorge für die persön-
lichen Bedürfnisse des Fürsten, die Aufsicht über Garderobe, Aus-
rüstungsgegenstände und über den Schatz übertragen. Er war der
Verwalter aller landesherrlichen Einkünfte, die, in seiner Hand
vereinigt, von ihm zur Bestreitung des für den Herzog, seinen Hof
und die Regierung erforderlichen Aufwandes verwendet wurden.
Während er die übrigen hofdienstlichen Funktionen an
andere, ihm untei*stellte Hofbeamte, die Kämmerer, abgab, be-
schränkte er sich auf die finanziellen, und schon seit dem Ende
des 13. Jahrhunderts konzentriert sich hierin seine Amtswirk-
samkeit, für welche ihm ein Kammerschreiber beigegeben war * ).
Er wird am Hofe des Landesherrn das Centralorgan des ge-
samten Finanzwesens des Territoriums und so der Ausgangspunkt
einer hochbedeutsamen Amtsorganisation, die uns unten bei Be-
sprechung der Centralfinanzverwaltung näher beschäftigen wird.
Eine sehr einflußreiche Persönlichkeit in der Umgebung
des Herzogs war sodann der Kauz 1er, dem vermöge seiner
Bildung — zuerst wurde er dem Stande der Kleriker, dann
dem gelehrten Juristenstande entnommen — die formelle Er-
ledigung aller wichtigsten Regieiiingsgeschäfte zufiel, so daß er
nebst dem Hofmeister *) auch materiell auf die Leitung des
Staatswesens den tiefgreifendsten Einfluß im Rate und außer-
halb desselben ausül)te. Auch von ihm ist unten noch ein-
gehend zu handeln.
UnterdcmübrigcnHofpersonaP), das sich stetig vergrößerte*),
ragen durch Ansehen hervor der Kuchenmeister, der Jägermeister*)
1) Nach der Hof-0. 1294 hatten die 3 Herzoge einen gemeinschaftlichen
Kammermeister (Tauschnicht) und einen Kammerschreiher (Qu. u. Er. VI,
S. 53 \
2) Hofmeister und Kanzler erscheinen auch anderwärts, so z. B. in der
Oberpfalz als die goschäftslcitenden Beamten (Neudeggor I, S. 32 a. 20).
3) Vgl. über das Hofpersonal des 13. und 14 Jahrhunderts Qu. u. Er. V,
S. 403 f.; VI, S. 215 f.
4) Verschiedene Hofstaatsverzeichnisse des 16. Jahrhunderts sind abge-
druckt bes. nach den Publikationen Westonrioders) bei Vohso, Gesch.
d. deutschen Höfe Bd 23 (Abt 4, Teil I). Hamburg 1863. S. 75 flf.; das von
1588 bei v. Freyborg, Gesch d. Landständo II, S. 451 ff.
5) Diese beiden Ämter werden neben denen des Hofmeisters, Marschalls
und Kammermeisters aufgeführt in L. Fr. I a. 1.
— 250 —
und der Hofkaplan ^), die neben ihrem Hofdienste auch als
Räte des Herzogs Verwendung fanden.
Daneben gab es stets eine große Anzahl von Personen (Räte),
welche sich am Hofe ohne bestimmte Funktionen aufhielten*).
Diese(Räte) hatten die Verpflichtung, dem Herzoge, so oft er es
wünschte, Rat zu erteilen und diejenigen Aufgaben, die ihnen
derselbe zur Besorgung auftrug, zu erledigen. Insbesondere die
laufenden Regierungsgeschäfte wurden durch solche Räte besorgt.
Der Zudrang war aus den verschiedenen Ständen ein so
starker, daß die Hofordnung 1293^) wegen der großen Kosten,
welche die Verpfl^ung solcher durch den Glanz des Hoflebens
angelockten Personen erheischte, ausdrücklich anordnete, daß
solche unaufgefordert Erscheinenden nicht zum Hofgesinde ge-
hörten und auf eignQ Kosten sich unterhalten müßten*).
In dieser niederbairischen Hofordnung von 1293 tritt uns
der Rat ebenso wie in der Taidigung der 2 Herzoge schon als
eine fertige Institution entgegen, und auch in Oberbaiem er-
scheint sie als solche ^), denn diese selbst wird als „mit ir
(der Herzoge) besundem rates rat" gesetzt eingeführt ^). Räte
(consules) des Herzogs kommen in Niederbaiem schon 1258 vor').
1) Vgl über dio angesehene Stellung der bairischen Hofkapl&ne ▼. Mau-
rer, Fronhofe II, S. 312 f. Der oberste Hofkaplan ist zugleich Groft-
almosenier, z. 6. 1231, der jeweilige Propst des Stifts Osterhofen soll der
erste Hofkaplan sein (Qu. u. Er. V, S. 50).
2) Solche Räte ohne bestimmte Amtsfunktionen lebten an fast allen Hofen.
3) Diese fixierte die Zahl der Hofbeamten und ihrer Pferde.
4^ daz graven, frejn und dinstman sich selben und allez lantrolch yon
dem hof geschaiden habnt, also, daz si niht hofgesinde mer heizzent (Qu. xl
Er. VI, S. 13 .
5) In dieser Taidigung wird bestimmt, dafi die eidliche Verpflichtung
der Marchlcute auf diese Taidigung event zu München vor Herzog Ludwig
(und sol dabi sin einer aus des hertzog Otten rat^ und zu Landshut vor
Herzog Otto (und sol einer aus hertzoge Ludwiges rat auch dabi sin) erfolgen
soll (Qu. u. Er. VI, S. 27).
6) Aus demselben Jahre stammt auch ein Verbot des Bierbrauena, wel-
ches Otto HL und Ludwig IlL mit unsers rates rat erlassen« haben (Qu. o.
Er. VI, S. 22 .
7) Heinrich XIIL Ton Niederbaiem befreit 1258 auf Bitte aller seiner
Räte (consulum^ Leute und Güter des Klosters Nieder- Altaich auf 1 Jahr
von Vogteiabgaben (Böhmer, Wittelsbachische Regesten. Stuttgart 1854
S. 77).
— 251 —
Auch 1281 *) werden sodann Batgeber des Herzogs erwähnt, wie
auch schon 1287 Heinrich XHI. einen Vertrag mit der Stadt
Regensburg über die Münze ^) als iuxta consiliariorum nostro-
rum consilium vereinbart bezeichnet.
Besonders charakteristisch für das Institut des Rats ist
aber die erwähnte Hofordnung 1293, weil in derselben deutlich
jene zwei Elemente zur Erscheinung kommen ^), welche überall
in den Anfängen fürstlicher Ratsbildung als zusammenwirkende
Kräfte auftauchen *), das ständische und das Beamtenelement,
bis die gefestigte landesherrliche Gewalt das erste vollständig
aus dem Rate beseitigt hat und gerade durch das Beamtentum
die Macht der Stände überwindet.
Nach den Hofordnungen von 1293 und 1294 waren eine
Anzahl von Landherren '^) bestimmt, welche abwechselnd
den Ratsdienst (im 14tägigen Turnus) bei Hofe zu leisten
hatten.
Der Landesherr benutzt in diesen Anfangsstadien der sich
entwickelnden Territorialgewalt den Rat all' derjenigen Personen,
welche ihm hierfür zur Verfügung stehen, erwähnt in den Ur-
1) Urkundcnbuch des Landes ob der Enns III, S. 532.
2) Qu. u. Er. V, S. 408.
3) Hof-0. 1293: Ez soln euch zwen ratkebn staetichlich 14 tag daz hof
sin; auch diejenigen, welche der Herzog bei seinen Reisen durch das Land
aus seinem Rate zu sich fordert (swenn er dann uz sinem rat zu im vodert
durch die chonschaft an der gegent . .), dürften der Kategorie der Land-
herren zuzurechnen sein. 1294: Swelher under den lantheren ttz den rat-
geben daz hof ist, der allezit einer dabi suln sin. (Auch 2 Dienstmannen
sollten stets am Hofe sein ; femer 2 Hofritter, „die wir dazu benennen nach
unsers Rates Rat".)
4) In einer Urkunde über den Verkauf von Hofmarken erklären die Her-
zoge Otto, Ludwig und Stephan 1295: maturo consilio et provida delibera-
tione prehabita cum baronibus sive comitibus, fidelibus et consulibus terre
nostre , . (Qu. u. Er. VI, S. 72). — Als die Herzoge Stephan II. und Stephan HI.,
Friedrich und Hans 1358 zur Erhebung und Verwendung einer von den
Ständen bewilligten Steuer einsetzen, heifit es: dar über wir 15 genomen
haben nach rat land laewt . . . Bey dem ersten us unserm rat (folgen
4 Namen), von rittcrn und chnechten (folgen 11). — 1384 — nach rat unsers
rates und unser lanntherren (Qu. u. Er. VI, S. 462, 534).
5) Landberren : Grafen, Freie, Dienstmannen (Qu. u. Er. VI, S. 13). So
interpungiert richtig Riezler II, S. 513.
— 252 —
künden ausdrücklich dieser Ratserholung unter Scheidung der
beamteten Ratgeber von den ständischen.
Haben wir nun auch den Rat in den beiden bairischen Herzog-
tümern am Ende des 13. Jahrhunderts als eine vollständig aus-
gebildete Institution kennen gelernt, so sind wir doch nicht durch
die Quellen genauer über Gestalt und Einrichtung dieser neuen
Schöi)fung unterrichtet. Es liegt jedoch kein Grund zur Annahme
vor, daß diese Organisation der Centralregierung in Baiem eine
andere als in den übrigen Territorien gewesen sei. Der Fort-
schritt der Organisation bestand darin, daß die disjecta membra,
die einzelnen Räte, mit denen der Fürst Regierungsangelegen-
heiten wahlweise zu beraten pflegte, zusammengefaßt wurden
zu einer Einheit, daß also eine Mehrheit von Räten einen ge-
meinsamen Beratungskörper bildeten, dessen Zusammensetzung
keine feste und dauernde war. Von einer kollegialen Gestal-
tung dieses Rats kann keine Rede sein, denn es fehlte vor allem
die Ständigkeit der Behörde. Es war aber einmal das Prinzip
der Beratung durch eine Mehrheit von Räten anerkannt und im
großen und ganzen doch der Kreis von Personen bestimmt,
welche in ihrer totalen oder partiellen Zusammenfassung den
„Rat" zu l)ilden pflegten, wenn auch die Zusammensetzung der
Behörde von Fall zu Fall dem Ermessen des Herrschers an-
heimgegeben war, indem er einzelne der Räte zuziehen, andere
wieder von der konkreten Beratung ausschließen konnte. Da-
bei wurden nach wie vor während unsrer ganzen Periode ein-
zelne Räte vom Herzog je nach Bedürfnis und Laune zu den
verschiedenartigsten staatlichen Funktionen verwendet. So sehr
auch allmählich Behörden mit abgegrenzten Ressorts die Auf-
gaben der Centralregierung in festeren Formen zu erledigen
suditen, das Bedürfnis nach Verwendung eines oder mehrerer
Räte für bestimmte Funktionen war stets vorhanden.
\Vohin sich unser Blick auch wenden mag, überall begegnet
er der gleichen Erscheinung eines sich aus losen Anfangen zu
immer festeren Formen entwickelnden landesherrlichen Rats.
Überall zeigte sich von Anbeginn an wohl das Bedürfnis einer
steten Beratung des Herrschers, und je mehr die Aufgaben eines
Territoriums intensiv und extensiv wuchsen, um so rascher trat
auch die Notwendigkeit einer formellen Organisation der zur
Verfügung stehenden Beratungskräfte hervor.
— 253 —
So hatte sich in England ^ und Frankreich*) schon früh
aus der feudalen curia regis ein consilium regis, ein conseil du
roi herausgebildet, und auch am Hofe des deutschen Königs
existierte schon bald ein solcher Rat '). Ungefähr um dieselbe
Zeit wie in Baiern wurde in Österreich ein Rat eingerichtet,
indem der Herzog einer Anzahl von Landherren die Aufgabe
zuwies, ihm den erforderlichen Rat zu erteilen*).
Ein solcher formloser und vielfachem Wechsel unterworfener
Rat, der vornehmlich die ersten Hofbeamten in sich schloß,
findet sich in nahezu allen größeren und kleineren Territorien
Deutschlands seit dem 13. bezw. 14. Jahrhundert*).
Das 14. und die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts weisen
keine wesentlichen Veränderungen in der Formierung des Rats
in Ober- und in Niederbaiem auf. Nur fällt in diese Periode
die Ausbildung der landständischen Verfassung, die korpora-
tive Zusammenschließung der Stände in den einzelnen bairischen
Herzogtümern. Damit tritt auch der Gegensatz^) des Rats,
also des vom Fürsten abhängigen Beamtentums und der im Bewußt-
1) Gneist, Englische Verfassangsgeschichte S. 215.
2) Der französische conseil du roi ist schon im 13. Jahrhundert toU-
standig organisiert Vgl Pardessus, Essai historique sur rorganisation
judiciairo. Paris 1851. p. 143; R LOning, Die französische Yerwaltungs-
gerichtsbarkeit (H artmann *s Zeitschr. t Ges. u. Praxis Y, S. 343 £).
3) Tomaschek, Höchste Gerichtsbarkeit des deutschen Königs (Sitz.-
Ber. d. Wiener Akad. phil-hist KL, Bd. 49, S.A. S. 21 f ).
4) Siegel, Die rechtliche Stellung der Dienstmannen in Österreich
(Sitz.-Ber. d. Wiener Akademie, phil.-hist Kl., Bd. 52, S. 21 £). Die Existenz
eines Rats wird vermutlich schon 1251, sicher 1281 erwähnt Über den
Osterreichischen Rat im 15. Jahrhundert Tgl. Adler S. 165 ff.
5) z.B. £ö\n (Walter, Erzstift Cobi S. 76 f.), Mainz (v. Maur'ef,
Fronhofe II, S.237), Trier (Lamprecht I, 2, S. 1427 £), Kursachsen (Posse,
Lehre v. d. Privaturkunden S. 169 f.) , Brandenburg (K ü h n s I , S. 230 £),
Pfalz (V.Maurer, Fronhöfe II, S. 240), Württemberg (Fr ick er und
V. G essler, Gesch. d. Verfassung Württembergs S. 98 £), Landgrafschaft
Hessen (Kopp I, S. 288), in den Grafschaften Jülich und Berg (v. Below,
Die landständische Verfassung in Jülich und Berg. Düsseldorf 1885. I,
S. 81 i).
6) Beispiele: 1369 (Verordnung der 4 Herzoge in München): Nach Rat
unsres Rates und nach unsrer Land und Leute Rat (Qu. u. Er. VI, S. 497);
1374 (12. Freibrief — Landshut): Nach Rat unsres Rats, nach Rat unser
Grafen, Freien, Dienstleut, Rittor und Knechten, Städten und Märkten ; 1392
(13. Freibrief — München): Nach unserer Räte und Landherren Rat; 1402
Bein einer selbstftndigen Machtstellung dem Landesherrn gegen-
Qbertretenden und vun diesem aiierkuanten Landstände immer
deutlicher in die Erscheinung. Dos scliließt aber kcincswc^ aus,
daß einzeine Mitglieder des landstiUidischcu Körpers fUr ihre
Person höhere Amtsstellungen bekleiden, also sich in direkte Ab-
Iiäugigkeit vom Fürsten hegeben.
Die /u/iehung des Rats zu den verschiedenartigsten Staats-
geächüfUüi wird in ziibllusen Urkunden hervorgehoben durch die
Formel ^iiach unisurs Hates [tut" oder „nach uuscrs ganzen
Rates Rat" n. dgl. So finden wir, um nur einiges herauszu-
greifen, z. Ü. eine Mitwirkung des Rates erwähnt bei ErteiluDg
und ResläliRung von Privilegien für Stiidte ' ) and KKlster*),
bei Ausgleichung der unter einzelnen Uerzogen schwellenden
Zerwürfnisse*) auch in der Weise, daß einer bestimmten An-
zahl von Ratsuiitgliedcrn die Entscheidung aller künftigen
Streitigkeiten abertragen wird').
Vorzugsweise wurde die Thätigkcit der Räic aber in An-
sprach genommen, seitdem sie ausschließlich'') im Ilofgericht
(23. FT«Jbri«f): Nkdi niMem Ut and Ltndichift BtA (f. LeTeb«nfeld
a 36, 31, SU Weit«» fi«Upi«l« «n* dem 15. JfthihoDdart bd KraDaar I,
8. 159. 449: IV, a öa, 103, ]29j T, & 17. 81, 108, 336.
1) BMtttiguiig ftlter und Erteüang; neuer Prirflef^ea fBr Luidahat ISSS,
18«!; 1392, 1405 (EtlcheraSS. fn» 9^ 111); 13St Privüeg Ai B«ieb«B-
lull iLori, Bergrecht a ie>.
2) c B. 1318 BetUtipmg de« JotiidiliUoiiiprJnleKB für da« KlOfter
BaitealuiUch i 1320 BevUUignng aller fttlheraD PriTile(nei> de« Elottan
a NieolMi 1320 daaielbe wud ron da Baap&icbt ig Vilibofen fa«&eiti 1S3>
BefUtiguoK der PriiHegtoD fBr K1o*l«r Ranibofen tH B. VT, p. 376) IV.
p. SSe C; III, p. 306: V, p. 268, 534, S04); 13S3 puticUo ZollEreibclt fBr
IQoit^r Alden>biiRhi 1865 BMUtj)pinK der Ptirile^on ilM*elbeni 1404 B*-
freitmg d^e Kloaten Aib&cb von Outnog,
3j I. B. 1S84 werfen die Ilerroge SUipbui und Frledricb ibre Lud« »^
ummeD and M>ia narh nriMn raU rat untiJKhtichlcidi aberala wor
dem Vortrage ward« aach »miremacht, dal ile beidenelt« liabsn aolll
gomaimm rat (yo. u. Er. VI. &. 530 t).
4) L B. 1324 VerUidignnK dnr f>trDitigkeitca iwbehen den 1
Batulcli, Ott und Heinrich a 2. irn nnitor um eUfcer i*t, der toi in 14 tafiB
all DBMTii lat bceenden und lol aui denn nenwn IE unten amitiii] rat und
•allen dj nuMT red irrin oinandor TerbOm nod «er dann »choldiK baldb^
der mI naeb ir rat di ucb abteinin nad pcMen. V^ auch 1829. 1369^
1384 - Qu. o. Er. VI. ä. 282. S97, 606, 682, 634.
6i UnUir den Hofgerjcbtalwlfltura bab&du rieh natarfieh ■!*<* e
BAta neben Andern.
— 255 —
Verwendung gefunden hatten *). Doch wurde schon hervor-
gehoben, daß diese Thätigkeit von Hofmeister und Räten stets
von den übrigen Funktionen geschieden war^).
Daß auch in Fragen der auswärtigen Politik^), bei Er-
ledigung der laufenden Geschäfte der Centralregicrung auf dem
Gebiete der innern, besonders aber der Regalien Verwaltung*),
keine herzogHche Anordnung ohne „des Rates Rat" erlassen
wurde ^), würde auch ohne die zahllosen dies bekundenden
Zeugnisse einem Zweifel nicht unterzogen werden können.
Es gibt kein Gebiet staatlicher Thätigkeit, welches dem
Wirkungskreise des herzoglichen Rats entrückt geblieben wäre.
Bei den Verhandlungen mit den Landständen •) insbesondere
sehen wir die herzoglichen Räte ganz in der gleichen Weise
funktionieren wie die Regierungsvertreter im modernen Landtag,
stets bestrebt, die fürstliche Autorität zu wahren und durch
Zusammenarbeiten mit den ständischen Vertretern die Inter-
essen des Landes zu fördern. Namentlich bei den großen legis-
latorischen Aufgaben , die am Ende des 15. und am Anfange
des 16. Jahrhunderts ihrer Lösung harrten, sehen wir durch
dieses mehrjährige Zusammenwirken der Räte und der von der
Landschaft Verordneten das große Werk der niederbairischen
1) Siehe S. 136 ff.
2) Auch Schiedssprüche fällte der Herzog unter Zuziehung seiner R&te,
z.B. 1371 (Kalcher S.81); 1437 (M. B. VI, p. 285).
3) z. B. 1319 geloben die 3 niederbairischen Herzoge, dem K. Ludwig
zu dienen haben auch im . . . nach unsers rates rat gesworen ze dinen
. . . mit aller unser macht ze rozzen und ze füzzen . . (Qu. u. Er. VI, S. 269).
4) Vgl besonders die vielen Zeugnisse bei Lori, Münzrecht» und Lori,
Bergrecht.
5) Als charakteristisch fQhre ich folgende Stelle aus einem Schreiben
Albrechts 111. von München an Heinrich d. R von Landshut 1442 an: Euer
Schreiben der Münz und des Wechsels wegen haben wir wohl vernommen,
wir sind aber seitdem nicht nach München noch bei unsem RAten gewesen.
Sobald wir zu ihnen kommen, wollen wir ihres Rats in den Sachen pflegen
und Euch dann unsre Antwort wissen lassen (Er. A. M. — G. R Münz-
wesen F. 14).
6) In der Verbescheidung landstfindischer Beschwerden durch den Her-
zog weist dieser auf die vorhergegangene Beratung mit den Bäten ausdrück-
lich hin, 7. B. H. Georg 1489 : etliche Artikel für Beschwerung durch unsre
Landlcute schriftlich übergeben . ., die Wir dann in onserm Rate gewogen
und gemäßiget (K r e n n e r XII, S. 274).
— 256 -
Landesordnung von 1474 und die von 1501 ^) einem gedeihlichen
Abschlüsse entgegengeführt, wie auch die folgenden Gesetze des
16. Jahrhunderts solchen gemeinschaftlichen Beratungen ihre Ent-
stehung verdankten.
Manchmal übertrug der Herzog auch seine Regierungs-
gcwalt zur Ausübung auf die Räte , die dann nicht neben ihm,
sondern statt seiner thätig werden, kraft des ihnen von ihm er-
teilten Auftrags handeln unter Ausübung der ihm zustehenden
Zwangsgewalt *). Auch zur Vornahme einzelner Regierungsakte
werden die Räte vom Herzog delegiert^).
Grundsätzlich war es dem Ermessen des Herzogs anheim-
gestellt, ob er in concreto eine Angelegenheit der Beratschlagung
seiner Räte unterwerfen wollte oder nicht. In den politischen
Wirren, deren Schauplatz im späten Mittelalter die bairischen
Lande waren, bei den sich stets wiederholenden blutigen Zwistig-
keiten der einzelnen Glieder der Herrscherfamilie, wurde der
Rat in Folge des hiedurch sich steigernden ständischen Ein-
flusses öfters, wenn auch nur vorübergehend, zu einer ver-
fassungsmäßigen*) Behörde erhoben, an deren Zustimmung der
Herzog bei verschiedenen Regierungshandlungen gebunden war^).
V Ein Blick in Erennor VII, S. 264 ff.; XIU, S. 156 ff bietet ein
anschauliches Bild der einzelnen Stadien (Replik, Dnplik etc.) dieses Gesetx-
gebungsprozesses, der in seinen einzelnen Formen (Antrag der Stände, Ab-
ändcrungsYorschl&ge der Rute, gemeinschaftliche Beratung dieser und det
Ständeausschusses u. s. w.) der Gesch&ftsbehandlung in modernen Parlamenten
auffallend ähnelt
2) So bestimmt Heinrich d. R. 1335 bei Bestätigung der Privilegien der
Stadt Landshut: swaz wir dann mit In ze tajdingon oder zo reden haben
dar umb süllen wir unsem Rat zu In senden und süllen si dem an unser stat
volgen und gehorsam sein in allem dem rechten als uns selben (Kai eher S.31).
3) Die Herzoge Johann und Sigmund geben z. B. 1461 ihren Räten Gewalt-
briefe zur Einnahme der Erbhuldigung im Nordgau (K r e n n e r Y, S. 81).
4) d. h. der Herzog ward zur Einsetzung eines Rats verpflichtet, z. B.
Stephan IL verspricht im 10. Freibrief 1363: Wir süllen auch ainen rat
haben und nemen von dem obern land die darin gesessen sind und die daran
gehOrent, und den süllen wir nemen nach rat land und leut, stet und mergkt
ze obem Baim. Vgl. noch 16. Freibrief 1393 iv. Lerchen feld S. 24, 37).
5) z. B. 1324 bei der Vertaidigung der 3 H. Heinrich, Ott und Heinrich
versprachen diese kein Bündnis zu schließen an unscrs gantzen rates rat; dem
Rat ward auch die Befugnis eingeräumt, die den Vertragsbestimmungen zu-
widerhandelnden Herzoge zur Rede zu stellen. Ohne des Rates Zustimmung
sollte auch kein neues Ratsmitglied und kein Vitztum ernannt werden (Qu.
— 257 —
Zumeist ging eine solche verfassungsmäßige Beschränkung der
Fürsten, wenigstens formell, aus ihrem eignen Willensentschlusse
liervor, indem sie in einer Taidigungsurkunde, welche die unter
sich oder mit den Landständen schwebenden Irrungen zum Ab-
schlüsse brachte, vereinbart wurde. Diese Selbstbeschränkung
des Herzogs geht zuweilen so weit, daß er selbst im voraus ver-
spricht, den Mehrheitsbeschlüssen des Rats sich zu unterwerfen *).
Eine solche Beschränkung der fürstlichen Machtvollkommen-
heit bedeutete einen Sieg des ständischen über das monarchische
Prinzip. Der Einfluß der Stände gedieh sogar zu solcher Höhe,
daß diesen selbst ein Mitwirkungsrecht bei der Zusammensetzung
des Kats, zu dessen Bildung sich der Herzog verpflichtete, ein-
geräumt ward ^).
Die in den landesherrlichen Rat Aufgenommenen leisteten
beim Dienstantritte einen Amtseid, weshalb der Rat auch als
„geschwomer Rat" ^) bezeichnet wird. Stellten auch die Hof-
u. Er. VI, S. 283 ff. a. 3, 4, 12). — Auffiallend und nicht verständlich nach
den Motiven des Herzogs ist der Vertrag H. Rudolfis mit seinem Schwieger-
vater K Adolf 1294 (über den Inhalt siehe R i e z 1 e r U, S. 264), in welchem
jener sich verpflichtete, nichts Wichtiges ohne Zostimmimg des von E. Adolf
bestellten Rates vorzunehmen. Diesem sollten auch die Vitztume gehorchen
(Qu. u. Er. VI, S 36 f.).
1) So verspricht H. Stephan 1358, die zur Hülfe bewilligte Steuer nicht
zu andern Zwecken zu verwenden — wie uns dar nach da mit aber unser
Rat der mer tayl hin für besorgt, daz sullen wir In getrewlichen stät haben
und mit dhainen Sachen niht widersprechen (Kai eh er S. 64).
2) Stephan d. Ä. 1363 (10. Freibrief — v. Lerchen fei d S. 24): Wir
sullen auch ainen rat haben und nemen von dem obem land die darin ge-
sessen sind und die darzu gehOrent, und den sullen wir nemen nach rat land
und leut, stet und mergkt ze obem Baim. — Ebenso H. Johann and Ernst
— München 1393 (16. Freibrief — v. Lerchenfeld S. 37): Wir sullen
auch ainen rat alzeit setzen und nemen nach rat ritter und knecht und unser
stet Im 42. Freibrief 14*58 behält sich Albrecht HL - München (v. Lor-
chenfeld S 105), nachdem er das Erfordernis der Inländerqualität auch
für die Ratsanstellung grundsätzlich anerkannt hatte, vor: Würden wir aber
zwaier oder dreier (Ausländer) notturftig zu unserm rate, die muegen wir
bestellen und aufnemen nach unser landherm und rate rat, doch das land
und leut mit inen und durch sy nicht geregirt werden. — Eine Ernennung
von Hofmeister und 6 Räten für die Herzoge Albrecht IV. und Sigmund er-
folgt durch H. Ludwig und die Stände, als Eompromissare 1466 (Erennor
V, S. 179).
3) Beispiele: In einer Taidigung der Herzoge Ludwig und Otto 1293
wird der „geschworen Rat" Beider erwähnt» so dafi dieser um diese Zeit so*
K 0 « ü a t h a 1 , Geschichte d. Gerichtiw. a. d. Yenr.-Orf . Balemt. h 17
- 258 —
beaiiitcn, wie erwähnt, ein großes Kontingent zu den Ratsmit-
gliedern, so finden wir doch auch Geistliche und andere Beamte 0»
z. B. Vitztunie, Landschreiber, Stadtrichtcr, Pfleger, Mautner,
die zugleich als Räte fungieren*), während der größte Teil
der Mitglieder ausschließlich Ratsdienst versahen, ohne noch
ein anderes Amt gleichzeitig zu bekleiden. Als ein engerer
Kreis hebt sich von dem Gros der Räte ab die Kategorie der
„Heimlichen'' ^), jener des besondem Vertrauens des Herrschers
gewürdigten Räte, welche vorzugsweise zur Beratung der in-
timsten Fragen herangezogen wurden. Diese Kategorie der
wohl in Ober- als in Nicderbaiern existierte (Qu. n. Er. VI, S. 23, 26 f.). Nach
einem Privileg der Herzoge Heinrich, Ott und Heinrich 1322 soll jeder Vitz-
tum, Richter oder Scherge, welcher die Bestimmungen des 1. Freibricjfe 1311
übertritt, sich vor dem Rate darob verantworten : Swelicher . . dez über wärt
Wirt von unserm Rat, der je ze dem Ministen 3 suln sein, und süln auch di
unser Geswom Rat sein . . . (Ealcher S. 19); vgl. noch 1324 (Qu. u. Er.
VI, S. 285); 2. Freibrief 1392 (v. Ler chenfeld S. 12); Freibrief der Her-
zoge Stephan und Ludwig 1404 iRockingor, Einleitung S. 243).
1) Beispiele: 1329 werden als Räte der niederbairischen Herzoge auf-
geführt: 1 Hofmeister, 2 Vitztume und der Mautner von Burghansen (Qu.
u. Er. VI, S. 297i; 1405 Nach unsers (iL Heinrichs) Vitztum, Hofmeisters,
Knmmcrmeisters und andrer unsrer Räte Rat vKalcher S. 111 h; 1411 K
Preysinger, Pfleger zu I., Rat H. Heinrichs iR. B. XII, p.96j; 1417 N., Viti-
tuin in Xiedorbaiem; N., Abt zu Windberg: E., Landschreiber, Räte; 1429
H. Heinrich ordnet zur Teilung der Niederlande seine Räte: B, Lehrer der
geistlichen Rechte und Pfarrer zu S. Martin in L., und andere, darunter
R»*ntmeister und Dechant zu Moosburg (R, B. XII, p. 96, 248; XUI, p. 1471
2} Sielio die S. 136 f. angeführten Räte. Vgl. auch z. B. die Uberein-
kunfi der Adligen und Städte Niederbaierns 1347 (Rockinger, Einleitung
8. ini , wo unter den Adligen figurieren: A. v. Massenhausen, Marschall in
B. ; U. V. Leubolfiug, Truchscß in B.; P. Ecker, Vitztum zu Straubing, Albr.
V. Stauduch, Vitztum bei der Rot, und die statistischen Übersichten in
B u c h n e r, Geschichte VI, z. B. S. 165 f.).
'S) Ich glaube, da£ man sich unter Heimlichen doch wohl einen engem
Kreis von Räten vorzustellen hat, denn bei der Seltenheit dieser Bezeichnung
ist OS nicht wahrscheinlich, daü man Heimlicher einfach mit Rat identifizieren
darf, wie dies R i e z 1 e r II, S. 530 zu thun geneigt ist^ wo er die Heimlichen
K. Ludwigs anführt Als Heimliche werden genannt z. B. 1331 (unter K.
Ludwig) B. Graf zu Graisbach und Marstetten, genannt v. Nyfien (R. B. VI,
p. 35ü); 1333 Nikolaus, Propst zu llhiiünstcr (unter H. Heinrich), Oefele U,
S. 173; 1384 Job. v. Abensberg (unter H. Stei»han und Friedrich von Nieder-
baiem, Qu. u. Er. VI, S. 533); 1394 Johann Landgraf zum Leuchtenberg
(unter Albrecht von Straubing, 18. Freibrief bei v. Lorchenfeld S.41).
— 259 —
Heimlichen erscheint erst seit den Tagen K. Ludwigs, so daß
an eine Herübernahnie dieser höheren Rangstufe der Räte aus
der Beanitenhierarchie des Reichs*), wo wir diese Kategorie
schon frühe finden, zu denken ist^).
In allen durch die verschiedenen Teilungen geschaffenen
selbständigen bairischen Territorien gab es einen Rat. Wo ein
Herzog die Zügel der Regierung lenkte, bedurfte er auch der
thätigcn Beihülfe persönlicher Ratgeber, die von Fall zu Fall
auf Befehl des Herrschers zu gemeinschaftlicher Thätigkeit zu-
sammentraten. Das ist ja das dem älteren Rat im Gegensatz
zum Hofrat der Neuzeit eigentümliche Moment, daß jener so-
wohl in Bezug auf seine Zusammensetzung wie Thätigkeit im
einzelnen Falle vom herzogUchen Befehle abhängig war, dieser
hingegen auf einer festen Grundlage als organische Institution
eine dauernde Wirksamkeit entfaltete, indem seine Verfassung
und Zuständigkeit ein für alle Mal durch Verordnung festgesetzt
war. Die Zahl der Ratgeber, die jeweils an einem Hofe zur
Verfügung standen, war eine höchst verschiedene^), sie schwankte* )
zwischen 7 und 50. Auch über die Anzahl der Räte, die zu
einer Einzelberatung zuzuziehen sind, entscheidet lediglich des
Herrschers Ermessen. Nur ausnahmsweise wird bei gemein-
scliaftlicher Regierung mehrerer Fürsten diese Zahl verfassungs-
mäßig festgelegt, z. B. 1466 auf 7 (Hofmeister und 6 Räte) für
die Regierung H. Sigmunds und Albrechts IV. (München) •'').
In den Bestimmungen dieses Vertrags von 1466 tritt uns
überhaui)t zum ersten Mal eine festere Formation des Rats ent-
1) VVaitz, Verfassungsgeschichte VI, S. 292 t
2) Heimliche, sccretarii kommen auch in andern Territorien Tor. Vgl
V. Maurer, Fronhöfe II, S. 237; Kopp, Hess. I, S. 288; Lamprecht
I, 2, S. 1429; V. Below, Die landstäncL Vorf v. Jülich I, S. 82, welche
obeufalls „Heimliche" und „Räte" far synonyme Begriffe halten. Die Frage
bedarf noch einer eingehenderen Untersuchung.
3) Ludwig der Reiche von Landshut hatte bei seinem Regierungsantritte,
sowohl um den Glanz des Hofes zu erhohen als um für die Bewältigung der
Kc^aerungsgeschäfte genügendes Personal zu haben, 38 neue Räte zu den
von seinem Vater überkommenen hinzugefügt (Eluckhohn, Ludwig d. R.
S. 34 f.).
4) Vgl. die Aufzählung der Hofräte der einzelnen Teile in den statistischen
Übersichten bei Buchner, Geschichte VII (?or jedem der 3 Abschnitte).
5) Krenner V, S. 180.
17»
— 260 -
gegen. Sie sind von grundl^ender Bedeutung für dessen kol-
legiale Organisation, wie denn überhaupt solche unter ständischer
Mitwirkung vereinbarten Festsetzungen über gemeinschaftliche
Regierung am meisten zur Ausbildung der Kollegialverfassung
des Rats beigetragen haben.
Auch hier bildete die Einsetzung des Rats eine vereinbarte
Schranke für die Regierungsgewalt, denn diese oder der eine
in München anwesende Herrscher waren verpflichtet, in den das
gemeine Regiment der Herrn, Land und Leute berührenden
Sachen mit dem Hofmeister und den 6 Räten zu beratschlagen
und zu handeln — „was sie dann alle oder der mehrere Teil
beschließen, dem soll nachgegangen werden"^). Hier wird
also (las für die Kollegialverfassung zumeist maßgebende Ma-
juritätsprinzip anerkannt. Den Herzogen war die Befugnis ein-
geräumt, ihre andern Räte — außer dem Hofmeister und den 6
zu sich zu fordern, so oft es ihnen notwendig erschien —
diese sollten dann im Rate ihre Stimme auch haben, als sie
dann bisher gehabt haben *). Der Kreis der Kollegialmitglieder
war also kein fest abgeschlossener.
In dem Vertrage werden sodann die Kompetenzverhältnisse
der Behörde durch die Abgrenzung der einzelnen zu ihnen
ressortierenden Materien in bestimmten Gruppen eingehend ge-
regelt.
Neben den erwähnten, die gemeinschaftliche Regierung be-
treflfenden Gegenständen, bei deren Beratung die Herzoge per-
sönlich teilnelunen müssen, steht dann die Gruppe von An-
gelegenheiten (Regalia, Veräußerung von Schlössern, Städten,
Märkten, Dörfeni, Gerechtigkeit, Gilt, Rent, Zins oder Nutzung
berührend), über welche der Rat beschließen kann, welche Be-
schlüsse aber der herzoglichen Genehmigung bedürfen. Ganz
selbständige Entscheidungsgewalt hatte ^) der Rat in Abwesen-
heit der Herzoge in Sachen, die nicht die Herren, sondern die
Parteien allein gegeneinander berührten. Während bisher der
Rat nur konsultatives Organ war, die Entscheidung aber stets
dem Landesherrn zustand, überträgt dieser jetzt seine Ent-
1) Kren n er V, S. 180.
2) Ib. S. 181.
3) Hofineiflter und 6 Räte sollten an der Herren Statt Macht haben za
handeln zwischen den Parteien von Sachen wegen . . . (ibid.).
— 261 —
Scheidungsbefugnis im voraus für eine bestimmte Kategorie von
Sachen an den Bat. Zu dieser Kategorie zählen hier wohl
hauptsächlich Verwaltungsbeschwerden und alle Entscheidungen,
die nicht auf Grund eines gerichtUchen Verfahrens erfolgten.
Denn in Bezug auf die Hofgerichtssachen selbst findet sich die
Anordnung, daß Hofmeister und 6 Räte im alten Schlosse Hof-
gericht und Verhörung halten sollten 0- Während es also bis-
lang eines besondern herzoglichen Auftrags, gewöhnlich an den
Hofmeister gerichtet, bedurfte, wurde hier diese Einrichtung
zu einer organischen gemacht im Gegensatze zu der Anord-
nung von Fall zu Fall.
Daß aber nicht jetzt erst etwa gemeinschaftliche Sitzungen
der Räte eingeführt wurden, beweist die Erwähnung der ge-
wöhnlichen Ratstubc im alten Schlosse^). Nur bei einer ge-
wissen regelmäßigen Wiederkehr der Sitzungen empfindet man
das Bedürfnis nach einem Sitzungslokal, welches am besten das
Element der Ständigkeit des Kollegiums veranschaulicht.
Ein wichtiges Stadium im Entwicklungsprozeß des Hofrats
als Kollegialbehörde bildet das Institut der „geordneten Räte",
welches H. Georg 1489, Beschwerden der Landstände Abhülfe
gewährend , ins Leben rief für die Bewältigung der laufenden
Geschäfte. Er verordnete^): „Der täglichen Händel und Aus-
richtung halben, wollen Wir etliche Räthe ordnen, die alle Werk-
tage auf eine bestimmte Stunde, nämlich um 7 Vorm. zusammen
auf die Kanzley kommen, und daselbst in Beywesen unsers
Kanzlers, und ob er andrer unsrer Geschäfte halben zu Zeiten
nicht dabey sein möchte, eines oder zweyer Kanzelschreiber
einen jeden der alsdann in unserm Hofe zu thun hat, und was
sonst gemeiner Sachen sind, verhören und darinn forderliche
und ziemliche Ausrichtung zu thun Macht haben sollen, wie
sich dann nach Gestalt einer jeden Sache gebührt, ungefährlich.
Doch was unser Wandel und Straffen berührt, und dazu sondere
1 ) Wenn H. Sigmund in München ist, sonst soll H. Albrecbt sie in seinen
Hof oder Herberg fordern und daselbst Ausricbtong thun in aller Ma£ in
der Ratstuben im alten Schlosse bescbehen mOchte (ibid.).
2) Es ist das die schon seit 1396 als „alte Yeste" bezeichnete alte Re-
sidenz, welche später der Sitz aller Centralstellen war (Haeutle, Gesch.
der Residenz in München. Leipzig 1883. S. 2, 3 £).
3) Krennor XU, S. 275 i
— 262 —
SacheD vorhanden seyn werden, daran merkliches gelegen ist,
und die an Uns zu bringen Nothdurft seyn will, darinn mögen
sie ihr Gutbedünken und Rath auch zu erkennen geben. Die-
selben sondere Sachen sollen alsdann ' mit samt unsrer Räthe
Gutbedünken an Uns gebracht und nach Gelegenheit der Sachen
auf unsrer Räte Gutbedünken durch unser Geschäft ziemlich
und förderlich abgefertigt werden."
Diese geordneten Räte waren auch berechtigt, gütliche und
Rechttage anzuberaumen ^). In wichtigen Fragen wurden sie
I)ersöulich vom Herzog zur Berichterstattung und Besprechung
empfangen.
Es wird also eine Hofratskommission zur Erledigung der
laufenden Geschäfte bestellt. Sie wird teils mit definitiver Ent-
scheidungsgewalt ausgestattet, zum Teil ist sie nur begutachtende
Behörde. Auch diese teilweise Loslösung von der Person des
Herrschers, diese unbedingte Selbständigkeit der Amtsführung,
zu welcher diese geordneten Räte ermächtigt werden, bilden,
wie gezeigt wurde, kein Novum mehr. Was aber dieser In-
stitution ihre große Bedeutung für die Geschichte des Behörden-
wesens verleiht, das ist die Permanenz. Wir haben hier zum
ersten Mal eine Behörde im modernen Sinne, eine Behörde,
welche täglich zur bestimmten Zeit im bestimmten Lokal
ihre Sitzungen abhält und die ihr übertragenen Aufgaben er-
ledigt.
Den Abschluß der Entwicklung dieser Periode stellt wie
für das Hofgericht auch für den Rat die L.O. 1501 dar. Den
Impuls zu dieser Organisation gab offenbar die Einrichtung des
Hofrats *), welchen K. Maximilian I. 1497 bezw. 1498 als höchste
Gerichts- und Regierungsbehörde für das Reich und die Erl>-
lande ins Leben gerufen hatte. Über die Vorgänge am Kaiscr-
hofe, die man in den Herrscherhäuseni der deutschen Territo-
rien mit Eifer verfolgte, wurden die Fürsten durch ihre Agenten,
welche sie dort zeitweise unterhielten, auf dem Laufenden erhalten.
Ein solch eingehender Bericht ül>er die Behördenorganisation
1) Übor die hofgerichtliche Th&tigkeit dieser „geordneten Räte** ygL
S. 151.
2) Über diesen vgl. Adler S. 43 ff; Rosenthal, Die Behörden-
Organisation K Ferdinands L (S.A. aus Arch für Osterr. Gesch. Bd. LXIX).
Wien 1887. a 6 £
■j^i^
— 263 —
K. Maximilians I. von 1498, welcher für den oberbairischen
Herzog Albrecht IV. verfaßt war, ist erhalten * ).
Einen ganz genauen Einblick in das Räderwerk des von
Max geschaffenen Apparats der Centralstellcn mußte aber Herzog
Georg (Landshut) *^) gewinnen, welcher berufen war, dabei eine
aktive Rolle zu übernehmen, indem er zum Hofmeister des
k. Ilofrats ernannt wurde. Die reichsständische Reformbewegung
im Beginne der Maximihaneischen Regierungsepoche hatte die
Würde eines Reichshofmeistei'S wieder zu neuem Leben erweckt,
aber nur für wenige Jahre. Denn bald wurde diese Charge wieder
zu der eines königlichen Regierungsbeamten herabgedrückt =*).
Georg nun führte nach der Rückkehr in sein Erbherzogtum
in diesem eine Organisation des Hofrats durch, bei welcher
allerdings nicht an eine getreue Nachbildung des österreichischen
und Reichshofrats zu denken ist, sondern für welche die Er-
fahrungen am Hofe des Reichsoberhaupts nur die allgemeine An-
rcigung gegeben und nur im großen und ganzen richtunggebend
gewesen sein dürfte, denn die Initiative ging von den Ständen^)
aus, aber auch in diesen Kreisen mögen die Maximihaneischen
Reformen den Anstoß zu solchem Verlangen gegeben haben,
1) An herrn Albrechten . . pfaltzgrafen bei Bbein, herzog in Ob. und
Nidorn Baiern (sein fürstl. gnaden zu oygen banden). — DurchL bocbgebomer
fürst . . . aus inligender schrift wirdet eur f. gnaden ettlich artickl der neuen
ordnun.i^'cn halben, die itz eröflfendt sind, bericht, was gstalt furohin gohandlt
werden sollt und wer dieselben sein und so dieselb Ordnung gar eröffnet^
Jas wil ich cum f. gn. von stund an verkünden. (Folgt ein Bericht über
ein Turnier) . . von herrn und botschaftern sind hie . . herzog Friedrich und
Johann von Sachsen, herzog Georg von Baiem . . sonst weiß ich eur f. gn. dies
zeit nichts neues zu künden. Innsbruck freitag vor Invocavit . . 98. Mathes
Schmidl. In der Anlage werden alle Mitglieder des Hofrats (an 1. Stelle
der Kurfürst Friedrich v. Sachsen, an 2. Herzog Georg v. Baiem als Hof-
nii'istfr . .1, der Hofkainmcr und der Innsbrucker Schatzkammer aufgeführt
und oini.::«^ mehr Nebensächliches beliandolndo Stellen aus der Hofordnung
niitgoteilt (]\Iünchner Staats-Archiv — Reichstagshandlungen de anno 1405
bis ir,04 S. 100 f.).
2 ! U 1 m a n n , K. Maximilian I. I. S. 825.
'i) Ilor/og Georg führt den Titel: der Rö. Kö. Majestät und des Reichs
Hofiiif'istor. Schon 1502 ist Eitelfriedrich von ZoUom sein Nachfolger, f 1512.
Dann crfoli^'t erst die Umwandlung des Charakters dieser Würde. Vgl. S e e-
ligor S. 74.
4) Krenuer XÜI, S. 161.
— 264 —
indem sie nach dem Vorbilde des deutschen Königs auch von
ihrem Landesherm eine geordnete, auf fester Grundlage ruhende
und wenigstens in engen Grenzen in ihrer Wirksamkeit von
seiner Person losgelöste Regierungsbehörde erstrebten.
Daß in dieser Landesordnung zum ersten Male der Titel
„Hof rate" gebraucht wird, schon diese Äußerlichkeit weist auf
das österreichische Vorbild hin ^). „Durch den Kanzler und die
anwesenden Hofräte", sagt die Landesordnung, „sollten die in
der Kanzlei einlaufenden Supplikationen und Anbringen, wie
bisher ungefährlich beschehen, mit Geschäften förderlich ab-
gefertigt werden" *). Auf die Anknüpfung dieses „täglichen
Rats" an die „geordneten Räte" von 1489 ist hier direkt Bezug
genommen. Beide Institute sind ihrer Bildung und ihrem
Wirkungskreise nach im wesentlichen identisch; die Mitglieder
des Rats, der höchsten Regierungs- und Verwaltungsbehörde,
sind zugleich Beisitzer des Hofgerichts.
Der tägliche Rat ist wie sein Vorgänger teils mit selb-
ständiger Entscheidungsgewalt ausgerüstet, teils ist er nur be-
gutachtende Behörde, so daß seine Beschlüsse auf diesem Ge-
biete zu ihrer Wirksamkeit der Genehmigung des Herrschers
bedurften.
Da der Geschäftskreis des Hofrats ein sehr ausgedehnter
war und sich prinzipiell auf alles erstreckte, was ihm nicht
ausdrücklich entzogen war, so blieb der Kreis der Aufgaben,
welche ihm zur selbständigen Erledigung zugewiesen waren, ein
sehr weiter. Jene zweite Kategorie von Geschäften, welche der
Herzog dem Hofrat nur zur Begutachtung überUeß, wurde nun
vom Herzog Georg viel schärfer umschrieben, als dies 1489 der
Fall**) war und als dies K. Maximilian in Österreich gethan hatte*),
denn die L.O. 1501 sagt ausdrücklich: „Doch ausgenommen,
was unser Gut, oder merkliche unsere Obrigkeit antrift, oder
1) In Brandenburg begegnet der Titel Hofirat auch ungefähr um diese
Zeit (1515) zum ersten Male. Vgl StOlzel, Brandenburg^Preußcns Rechts-
verwaltung und BecbtsverfiEissung I, S. 129.
2) Krenner XIU, S. 274.
3) Vgl S. 57.
4) Hofordnung 1497: doch was gros und swcr hendel sein, sollen si zu-
vor uns anbringen, unsem beslus und willen darauf zu empfahen (K. K. Haus-,
Hof- und Staatsarchiv zu Wien).
— 265 —
darinn Wir vorhin selbst geschafft hätten ; In denselben Sachen
sollen die Käthe außer unsers Willens und Wissens nicht end-
lich schaffen ; aber sie mögen uns allweg Ihren Rath oder Gut-
bedünken darinn anzeigen, so wollen Wir alsdann darauf ziem-
liche Geschäfte thun, und ausgehen lassen, und Uns darinn
gnädiglich und gebührlich halten"^).
Die weitere Ausbildung des Hofrats auf dieser Grundlage
wird uns unten im 3. Buche beschäftigen.
§14.
Der Kanzler und die Kanzlei.
Nach dem Vorbilde 0 am Kaiserhofe ^) bedienten sich auch
die Fürsten, als mit Ausbildung der Landeshoheit das Schreibe-
werk iiu den Höfen zunahm, eines besonderen Beamten, welchem
die Ausfertigung aller fürstlichen Urkunden zufiel.
Mit dem 14. Jahrhundert wird das Schreibewerk immer
mehr in die Verwaltung eingeführt*) und nimmt im 15. Jahr-
hundert immer größere Dimensionen an. In diesem Schrifttum
war das wesentlichste Werkzeug des modernen Beamtenstandes
gcschaflfen, und auf ihm beruht zum großen Teile die moderne
Verwaltung^). Dieses Überhandnehmen des Schreibewerks in
der Verwaltung hatte natürlich eine steigende Bedeutung des
Kanzleramts zur Folge.
Da die Kunst des Lesens und Schreibens nur von Klerikern
betrieben wurde, so konnte das Schreiberamt an den fürst-
lichen Höfen auch nur einem Geistlichen übertragen werden*).
Zudem wurden die Urkunden in lateinischer Sprache abgefaßt ^ ),
1) Krennor XHI. S. 274 f.
2) An den Eaisorhof war der Kanzler von Italien ans eingednmgen. Vgl
Stölzel, Gel. Richtertum I, S. 253.
3) Über den „Reichskanzler und die Reichskanzlei in Deutschland*' siehe
0. L 0 r 0 n z, Drei Bücher Geschichte und Politik S. 52 ff., über das Kanzleramt
in Frankreich das. S. 75 f und in England S. 77 £
4) Vgl Lamprecht II, S. 667.
5) Schmoller, Straßburg z. Z. der Zunftkämpfe. Strafiburg 1875. S. 72.
6) Vgl Stölzol, Brandenb. Rechtsverw. S. 33 i
7) Seit Mitte des 13. Jahrhunderts bediente sich die bairische Kanzlei
der deutschen Sprache bei AbÜAssung von Urkunden. Während der Land-
— 266 —
so daß für den Schreiberdienst die Kenntnis des Lateinischen
unumgänglich notwendig war, und nur die Kleriker waren des-
selben mächtig.
Seit dem Beginne des 13. Jahrhunderts, also unter der
Herrschaft des zweiten Witteisbachers (Lud\sigs I.), finden wir
am bairischen Herzogshofe Schreiber * ) angestellt, wie auch im
Laufe des 13. Jahrhunderts in andern deutschen Territorien
fürstliche Schreiber auftreten *). Selbstverständlich wurden
frieden von 1244 (Qu. u. Er. V, S. 77 ff.) noch lateinisch abgefaßt ist, erscheint
der ihm nachgebildete von 1255 schon in deutscher Sprache (ibid. S. 140 ff).
1) Als solche erscheinen im 13. Jahrhundert (das Verzeichnis will kein
erschöpfendes sein) und zwar als protonotarii des Herzogs Ludwig L (1220)
Ulrich Losenaph; Ottos II. (1247) Henricus, prepositus monasteriensis; Lnd-
wigs U. (1259, 1262) Aerbo, archidiaconus eistetensis und (12^:6) Albertus,
prepositus de Illenrounster ; Heinrichs XÜL (1284) roagister Fridericus, nostre
curie prothonotarius ; der Herzoge Otto, Ludwig und Stephan (1294) meister
Gund. der oberist Schreiber, (1295) Wember der oberst Schreiber, und aus
dem Anfange des 14. Jahrhunderts H. Rudolf und Ludwig (1309) familiaris
et prothonotarius, Chunradus decanus ratisponensis ecclede (Qu u. Er. V,
S. 45, 97, 166 [186], 214; M. B. IX, p. 93; Qu. u. Er. VI, S. 53, 157; R B.
IV, p. 618). — Als Schreiber kommen im 13. Jahrhundort vor: Ludwigs L
(1204)Berhtoldus scriptor et notarius, (1213) Geroldus, notarius ducis; Ottos L
(1231) CTiunrat unser notari von Haidelberckh, (1230, 1237) Heinricus scriba
ducis, (1240, 41) ülricus notarius, canonicus s. Andree de Frisinga, (1244)
Hainricus et Snikerus, notarii ducis [qui hanc notulam scripserunt], (1251)
Erbo, notarius ducis et Njcolaus notarius domine ducisse; Ludwigs 11.^1266)
Bertholdus, (1272) Hartradus, Fridericus et Perhtoldus, notarii domini nosiri
ducis, (1272) Eberhardus et Heinricus notarii curie domini ducis, (1284) ma-
gister Chunradus, notarius ducis, canonicus s. Andreae Frising., (1286' Fridericus
de Staufe, notarius domini mei ducis, (1288, 1292) Chunrad d. erzbriester ze
Eistet unsem schriber, (1204) Heinricus notarius noster, canonicus veteris ea*
peUe ratisponensis, der Herzoge Otto, Ludwig und Stephan (1295) [Magister
Llr. Charglo] Sifridus et Ditericus clerici et notarii curie supradictorum do-
minorum nostrorum ducum (Qu. u. Er. V, S. 4, 18, 52 ; M. B. XII , p. 387,
380; Qu. u. Er. V, S. 65, 72 [73]; M. B. XIV, p. 51; XVI, p. 124; Qu. u. Er.
V, S. 112 [110]; M. B. III, p. 168; Qu. u. Er. V, S. 214, 2U [254], 258, 400.
467; R. B. IV, p. 2U; M. B. XVIII, p. 6; Qu. u. Er. VI, S. 35, 82; R. B. IV,
p. 582 . Über die Kanzler der folgenden Jahrhunderte vgl noch Bi e 1 1 e r II,
S. 174, 532 £; Bu ebner, Gesch. VI, S. 150, 156, 164, 335, 348; Neudegger,
Gesch. d. bayer. Archive (S.A. aus v Löher's Arch. Zeitschr. VII) S. 69 f
2) So in Hessen (Stolze 1, Gel. Richtertum I, S. 401). In Trier
tritt der Kanzler erst in den Quellen des 14. Jahrhunderts mehr hervor
(L a in ]) r e c h t I, 2, S. 1433), ebenso in Brandenburg (S 1 0 1 1 el , Brandenb.
S. XXXIII). Sdion froher sind nachweisbar Notare der KarkgxAfen Ton
— 267 —
auch schon früher Urkunden von Fürsten ausgestellt, aber man
hatte für die Ausfertigung derselben noch nicht besondere Beamte
aufgestellt, sondern wohl zumeist Geistliche aus benachbarten
Kl()steni und Stiftern von Fall zu Fall mit der Konzipier ung
und Ausfertigung solcher beauftragt.
Noch unter Ludwig I. ist wohl die Organisation der Kanzlei
erfolgt, denn unter ihm erscheint zum ersten Male 1228 Ulrich
Loseuaph als sein protonotarius ^ ). Mit der Erweiterung des
Kreises der Regierungsgeschäfte genügte nicht mehr eine Person
zur Erledigung der schriftlichen Ausfertigungen, die vom Hofe
auszugehen hatten, es mußten jetzt mehrere Schreiber ^) (nota-
rius ist die gewöhnliche Bezeichnung, daneben kommen noch
vor scriptor und scriba) herangezogen werden, von welchen
einer, der protonotarius, den übrigen übergeordnet wird. Dieser
protonotarius („oberster Schreiber") gewinnt den größten Ein-
fluß auf die Regierungsangelegenheiten; seine gelehrte Bildung,
seine Kenntnis des kanonischen Rechts hebt ihn ja auf diesen
Posten und macht ihn zum einflußreichsten Ratgeber des Fürsten,
dessen Besclilüssen er erst die formelle Gestaltung gibt resp.
geben läßt.
Der Protonotar leitete als Vorstand alle Geschäfte der
Kanzlei, die Notare hatten seine Befehle zu vollziehen. Ob
neben den Notaren noch untergeordnete Schreiber, welche etwa
(las Mundieren der vom Protonotar bezw. den Notaren ge-
fertigten Konzepte zu besorgen hatten, angestellt waren, ent-
zieht sicli unsrer Kenntnis, wie die Einrichtung der Kanzlei
überhaupt ^).
Auch für die bairische Hofkanzlei dürfte die Schilderung
zutrett'en, welche Posse*) von den Funktionen der Hofnotare
Meißen (circa 1156) und der Landgrafen von Thttringen seit 1076 (Posse
S. 177, 183).
1) Qu. u. Er. V, S. 45. In derselben Urkunde Ottos IL, des Sohnes Lud-
wi^'s 1., welcher mit der Pfalzgrafschaft belehnt worden war, kommt neben
dem protonotarius des Vaters auch sein eigner vor — Datum Heidelberc per
manus Cunradi prothonotarii nostri
2) Herzog und Herzogin haben auch ihren besondem Schreiber, z. B. 1251
Erbo uotarius ducis (Ottos IL) et Njcolaus notarius domine ducisso (Qu. u. Er.
V, S. 112). Vgl. noch K. B. IV, p. 492 (1291), und Riezler II, S. 174.
3) Über Notariat und Kanzlei YgL Posse S. 166 £
4) S. 171.
— 268 —
bezw. Protonotare auf Grund meissenscher und thüringischer
Kauzleistudien entwirft. „Zunächst", sagt Posse, „war es ihre
Hauptaufgabe, den Fürsten vor den Folgen der Fälschung zu
schützen und das Gewicht älterer Rechtstitel zu prüfen, sowie
darüber zu wachen, daß durch die Urkunde nicht mehr oder
weniger, als was der Fürst gewollt, bewilligt wurde. Faßte der
Fürst keinen Beschluß ohne ihren Rat, so war es ihre Aufgabe,
diesen schriftlich so zu fixieren, daß er später nicht angefoch-
ten werden konnte. Gerade in älterer Zeit war das von ganz
besonderer Wichtigkeit. Wissen wir, daß man eine feste Kanzlei-
ordnung erst spät einführte, daß vor dieser Zeit die Urkunden
zumeist vom Empfänger hergestellt wurden, so galt es vor
Vollziehung derselben den Inhalt zu prüfen, damit nicht der
Empfänger nachträglich für sich Rechte vindizierte, die ihm in
der Vorverhandlung nicht zugebilligt waren oder die nach be-
reits verbrieften Rechtstiteln von ihm nicht beansprucht werden
konnten. Für den Inhalt der Urkunde trat er aber auch dadurch
ein, daß er als Zeuge dieser garantirt ^)". Das ist auch in vielen
bairischen Urkunden der Fall.
Das Siegel des Herzogs war dem obersten Schreiber an-
vertraut'). Für gewissenhafte Verwahrung und Benutzung
desselben hatte er Sorge zu tragen. Durch Aufdrückung des
herzoglichen Siegels *) vollzog er jede der Kanzlei entstammende
Urkunde und übte, da ohne Siegel der Urkunde die Glaub-
würdigkeit fehlte, so auch die Kontrolle über die Richtigkeit
und die dem herzogUchen Befehle entsprechende Abfassung
derselben.
Nur der Chef der Kanzlei, der Protonotar und später der
Kanzler, übt dadurch, daß alle wichtigen Regierungs- und Ver-
waltungsgeschäfte, nachdem er vorher dem Herzog Vortrag ge-
halten und dessen Genehmigung erholt hatte ^), nach seinem
1) Posse S. 172.
2) YgL Vertaidlgang der 3 Herzoge 1324: Wir weUen anch, das Frid-
rcich der Schreiber di tzeit und dj pQend wereo, unser insigel nicht mer
pflege, noch inn haben und sol auch an unsem rat nicht gen (Qu. u. Er. VI,
S. 286 a. 12).
3) Posse S. 175.
4) Selbständig, ohne Vorwissen des Fürsten konnte er nur die aUer-
einfachsten Sachen erledigen (Posse S. 175; Rockinger, Drie&teller des
11. und 14. Jahrhonderta, in Qu. o. Er. IX, S. 475).
— 269 —
Befehle urkuüdlich fixiert werden, auch auf den materiellen In-
halt der Urkunden Einfluß und wird so neben dem Hofmeister
der hervorragendste Beamte am fürstlichen Hofe.
So sagt der päpstliche Legat Albert von Behaim in einem
Schreiben 124G^), welches Herzog Otto H. Vorschläge in Be-
treflf des Anschlusses an den Papst unterbreitet — vos exoro*),
ut hec secreta nullus legat, nisi dominus Henricus, prepositus
monasteriensis, protonotarius vester, also nur dieser darf außer
dem Herzog von diesem hochwichtigen Aktenstücke Kenntnis
erlangen.
Der obriste Schreiber soll auch mit dem Hofmeister und
2 Räten nach der niederbairischen Hofordnung von 1293 ^) all-
wöchentlich die Rechnungen (der Vitztume) prüfen, wahrend
nach der Hofordnung von 1294 diese Beiden ohne die Räte
die Prüfung dieser Rechnungen des Vitztums jährlich vornehmen
können *). Im fürstlichen Rate übte der Protouotar als das
einzig gelehrte Mitglied desselben tiefgreifenden Einfluß auf die
Entsclieidungen aus. Mit ihm konnte sich nur noch der Hof-
meister an Einfluß messen ^), doch blieb er diesem überlegen
durch seine gelehrte Bildung — zuerst wurde das Kanzleramt
mit Klerikern und später mit Rechtsgelehrten besetzt — und
seine reichen Kenntnisse, die ihn ausschließlich zur Abwicklung
gewisser, eine technische Schulung erfordernder Geschäfte be-
fähigten. Wenn der Hofmeister, welcher dem Kreise der Adligen
entnommen ward, auch größeres Ansehen genoß und als Präsi-
dent des Rats und des Hofgerichts auch einen höheren Rang
als der Kanzler in der Amtshierarchie bekleidete, so waren diese
Vorzüge doch mehr repräsentativer Natur. Die formelle Lei-
tung der Regierungsgeschäfte durch den Hofmeister konnte es
doch nicht verhindern, daß der kenntnisreichere Kanzler auf
die materielle Entscheidung derselben einen tieferen, bestim-
menden Einfluß auszuü])en vermochte. Erst als die Landhof-
meister des 16. Jahrhunderts mit dem Adel ihrer Geburt juri-
1) Vgl. Kiezler II, S. 82.
2) Qu. IL Er. V, S. 97.
3) Qu. XL Er. VI, S. 14.
4) Ibid. S. 57.
5) Über die Rivalität von Hofineister und Kanzler im Reiche vgl See-
ligor S. 1081
— 270 -
stische Gelehrsaniküit verbaudca, war das Übergewicht der
Autorität auf ihrer Seite. Dabei darf aber nicht außer Acht gelassen
werden, daß für die Größe des Einflusses bei dieser RivaUtät zu
allen Zeiten die Bedeutung der Persönlichkeit maßgebend war.
So blieb z. B. in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts der
Kanzler Dr. Leonhard v. Eck die Seele der bairischen PoUtik*),
während wieder unter Albrecht V. und Wilhelm V. der Land-
hofmeister Ottheinrich von Schwarzenberg als die allmächtige
leitende Persönlichkeit des bairischen Staatswesens erscheint.
In der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts*) kommt für den
obersten Schreiber auch in Baiern der Amtstitel Kanzler ') auf,
ohne daß damit an seiner Stellung als Vorstand der Kanzlei
irgend etwas geändert wurde.
Bestimmungen, welche einen Einblick in den Geschäfts-
kreis der Kanzlei gewähren, begegnen erst 1464 in dem die
Differenzen der gemeinschaftlichen Regierung zwischen den
Herzogen Signmnd und Albrecht beilegenden Schiedsspruch.
Der Kanzler hat nach diesem zu geloben *), die Entschließungen
der Herzoge und des Hofrats (Hofmeisters und 6 Räte) zu voll-
ziehen, also was ihm zu schreiben oder zu fertigen befohlen
wird, dem nachzukommen, wie es einem Kanzler gebührt. Nur
darf er Befehlen des einen Herrschers, die ohne Vensilligung
des andern erteilt werden, nicht entsprechen, sondern hat sich
nach den Bestimmungen der Ordnung, des Vergleichs zu richten.
Femer fungiert der Kanzler zugleich als Archivar und ist ver-
pflichtet, den Herzogen auf Verlangen „Briefe, Register oder
Geschriften von Sachen wegen beider Herren oder das gemeine
Regiment, ihre Land und Leute antreffend*', zur Einsicht vor-
zulegen oder vorzulesen und sie dann wieder in die Kanzlei
(Registratur) oder in das Gewölbe (Archiv) abzuliefern, falls
1) W. Vogt, Die bairische Politik im Bauernkrieg and der Kanzler Dr.
L. V. Eck. Nördlingen 1883. S. 12.
2^ Der älteste mir bekannte Kanzler (Herzog Stephans d. Ä.) ist Erhart
der Möringcr 1367 (R. B. IX, p. 186>.
3) über die Bedeutung desselben (Kanzel-er oder Kanxel-Herr) Tgl.
Stölzel, Brandenb. I, S. 35.
4) Krenner V, S. 184; gleichlautend der Schiedsspruch, welcher die
Streitigkeiten der Hersoge Albrecht IV. und Christoph beilegte ]468(Kr6nDer
V, a 295).
— 271 —
sie, weil nicht mehr für die laufenden Geschäfte erforder-
lich, daselbst reponiert sind. Jeder der beiden Herzoge hatte
sein eignes Secret^), welches er dem Kanzler anvertraute, der
mit demselben die aus der Kanzlei ausgehenden Urkunden zu
vollziehen hatte und durch diese Versecretierung die Verant-
wortung für den der Vereinbarung gemäßen Inhalt derselben
übernahm. Dem Kanzler waren die Kanzleischreiber zu Ge-
horsam verpflichtet.
Daß man in den Kreisen der Landstände wußte, welchen
Wert eine ordentliche Kanzlei für die Regierung des Landes
habe, bezeugen die Beschwerden, welche sie dem Herzog Georg
1501 vortrugen. Sie baten vor allem um xFestsetzung be-
stimmter Kanzleitaxen für Gerichtsbriefe, Urteil, Posseß, Prä-
sentation, Geschäft, Spruch, Entscheid und andern Briefen, so
(laß keine Partei ferner beschwert würde ^). In Folge einer
energischen Opposition des Kanzlers ^) erließ die L.O. 1501 *)
keine Taxordnung, da man die nicht machen könne, angesehen
daß eine Sache der andern nicht gleiche, bestimmte aber, daß
künftig Beschwerden wegen der Kanzleitaxen durch das Hof-
gericht entschieden werden sollten.
Eine andere landständische Bitte fimd Erfüllung durch die
L (). 1501 und ward so wichtig für die Fortbildung des Kauzlei-
reclits. Sie bezweckte eine Kontrolle aller in der Kanzlei aus-
gefertigten Beschlüsse, und die L.O. 1501 erklärte wenigstens
1) Das kleine Secret, welches gewöhnlich aufgedrückt ward im Gegen-
sätze zu dem großen anhängenden Insiegel (vgl. Rockinger, Einleitung
bezw. Kegister S. 380; v. Lere hcnfeld S. 50). Jeder der Herzoge be-
wahrte das Insiegel selbst
2) Krenner XID, S. 159.
3) Der Kanzler erklärte, der Rat der Räte möge sein, wie er wolle, „ist
mir doch nicht gerne jnt mir und der Eanzlej wider mein Vermögen und
Versclircibung mehr Beschwerung dann ich vor habe, aufladen zu lassen,
doron meino Vorfahren, die viel minder in E. Gn. Sachen Fleiß und Arbeit,
als ich selbst gesehen, dann ich bisher, auch E. Gn. und des Landes Sachen
nicht als viel Wissens als ich gehabt haben, vertragen gewesen". Da sich
die Laiidscbaftsverordneten beruhigten, ließ es der Herzog beim Herkommen
bewenden und erklärte in der L.O., daß sich der Kanzler dahin verantwortet
habe, daß er nicht Wissen trage, daß Jemand, so lange er die Kanzlei ver-
waltet, sich beschwert habe (Krenner XUI, S. 192 £).
4) Krenner XUI, S. 27L
— 272 —
für die treflFlichen und nicrkliclien Geschäfte eine Revision durch
Kanzler und Hofräte, die zu dem betreflFenden Beschlüsse mit-
gewirkt^) hätten. Wenn sie auf Grund der Prüfung für richtig
befunden ausgehen durften, sollten sie registriert und Abschriften
in der Kanzlei zurückbehalten werden. Dies schien angezeigt,
damit nicht einander widersprechende Entscheidungen ergingen
und damit man durch Einsichtnahme der Abschriften stets von
den früher in derselben Sache erlassenen Verfügungen Kenntnis
nehmen könnte.
Die Kanzlei war die Schreibstube des Herzogs, des Rats
und des Hofgerichts und hatte überhaupt alle Schreibegeschäfte
der Centralregierung zu verrichten. Sie hatte durchaus nicht
die Bedeutung einer selbständigen Regierungsbehörde und war
nichts anderes als das technische Hülfsorgan der Centralstellen.
Die Verbindung mit diesen wurde nur durch das Medium ihres
Vorstands, des Kanzlers, hergestellt.
Das Arohiv.
Im Anschlüsse an die Kanzlei haben wir hier der Entwick-
lung des Archivs zu gedenken, denn dieses war ursprünglich
nur ein Annex der Kanzlei, wie auch später noch räumlich
diese Verbindung von Kanzlei und Archiv hervortrat*).
Reichtum und Bedeutung der heutigen bairischen Archive
stützen sich auf eine vielhundertjährige eifrige Pflege des Archiv-
wesens durch Landesfürsten, welche schon frühe den Wert der
Urkunden für das Staats- und Rechtsleben ihres Landes und
Volkes zu würdigen verstanden.
Bis ins 14. Jahrhundert können wir die Entwicklung des
bairischen Archivwesens zurückverfolgen. Bei den Teilungen
des Landes wurde nämUch gewöhnlich eine Scheidung der auf
die nunmehr getrennten Gebietsteile bezüglichen Urkunden vor-
genommen oder wenigstens eine Vereinbarung wegen der Auf-
1) Erenner Xm, S. 161, 274.
2) Im Erdgeschosse der alten Veste in München befand sich die Hof-
kanzlei, ans welcher man durch eine eiserne ThOre in die hinter einander
liegenden Briefge wölbe trat (vgL Nendegger, Geschichte der bajerischen
Archive neuerer Zeit, SJL aus v. LOher's Archivalischer Zeitschrift VI^
S. 3 u. 8).
— 273 -
bewahruDg der gemeinschaftlichen au Einem Orte getroffen.
Bei der am 1. Oktober 1310 von H. Ludwig und Rudolf durch-
geführten Teilung wurde so ausgemacht *), daß beiden Herzogen
die je ihr Gebiet berührenden Urkunden übergeben und die das
gemeinschaftliche Gut betreffenden nach Vereinbarung an einer
gemeinsamen Stätte aufbewahrt werden sollten.
Bei den folgenden Teilungen tritt uns sodann ein er-
freuliches Zeichen der Würdigung der Urkunden entgegen, in-
dem man strittige Ansprüche nicht mehr durch die Schärfe des
Schwerts, sondern durch den Inhalt der Urkunden zur Ent-
scheidung bringen wollte, also die Archive als ein Fundament
für die geltend zu machenden Rechtsansprüche anerkannte. Als
daher die niederbairischen Herzoge Heinrich d. Ä., Heinrich d. J.
und Otto sich über ihre gemeinschaftliche Regierung verstän-
digten ^), vereinbarten sie auch, ihre Handfesten und Urbar-
büclier an einem Ort zusammenzubringen, „das man uns allen
geleich davon wart, das einen als recht geschech sam dem an-
dern" ^). Als bei der Teilung von 1392 die neuen Gebiete
München, Landshut und Ingolstadt gebildet wurden, bot auch
das Archiv einen Gegenstand des Streits*), der durch Schieds-
spruch dahin erledigt wurde '^), daß dem Herzog Stephan die
seinen Anteil allein berührenden Urkunden ausgehändigt, die
den Fürsten gemeinschaftlichen oder das ganze Land betreflfendeu
ihm geliehen werden sollten. Ähnlich entschied auch Kaiser
Sigismund am 1. Januar 1434 die Klagen der Herzoge Ernst
und Wilhelm gegen Ludwig von Ingolstadt und Heinrich von
Landshut *').
1) Vgl. überhaupt Muffat, Grandzüge zur älteren Qeschiehte der
bayerischen LaudesarchlTe (Gelehrte Anzeigen der bayerischen Akademie der
Wissenschaften 1855, Bd. 40, S. 84 ft; 86) ; v. L ö h e r , Das bayerische Archiv-
wesen, in seiner „Archivalischen Zeitschrift" 1876, Bd. I, S. 77.
2) Muffat S.86.
3) Oefele, Script, II, p. 145 sq.; vgl auch ibid. ü, p. 160.
4) Muffat S. 88.
5j K. B. XI, p 13. ümb die Zwayung von der brief wogen in dem Geweih.
G Krenner I, S. 100: Item was jeder Herr Briefe innen hat, die dem
andern allein zustünden . . , die soll er ihm übergeben, ohne Verziehen ; was
sie aber Briefe, die ihnen zu beyderseits zustünden, derselben Briefe soll ein
Theil dem andern Vidimus geben. Würde aber ein fierr solcher Briefe zu
seiner Nothdurft bedürfen, die soll man ihm leihen, doch daft er Gewißheit
Kuüenthal, üeschichte d. Üerichttw. a. d. Verw.-Orf. Baienu. I. ' ig
- 274 —
Die Aufsiebt Qbcr dir Urkuudcii war wie ilits Schrcibweseo
Oberhaupt dem Kanzler Jinrcrtmut. Wo die ucueii Urkundun
ausgeat«Ut '), da sollten auch die alten aufbewahrt werden, und
so war also eine Verbindung von KanrJei und llriefgewiilbc,
wie das Archiv in frflherer Zeit genannt wurde, die Regel. Audi
räumlich stand Kanzlei und Gewölbt^ wie ijuruits hcrvurgeboben
wurde, im engsten Zusammeuhaug '). Diu Urkunden waren
schon im 15, Jahrhundert') in Kästen und Schubladen systema-
tisch eingeteilt. Auf der Aulieuseite einer jeden Urkunde war
ihr Inhalt summarisch verzeichnet, so dali die Auftiiiduni^ eint»
gesuchten Stttckes auch ohne Hntfaltung des Pct>.'aments mög-
Itcti war*).
und Vcnorgnifi tbae, Bolcho Briefe wiedor an die Stitto id legen trnd in
antworten, da aiv ihm sind geautitrurti'l wurdon, uhne Gpfihrde.
1) Di« VerbindDDg vod Arcbii imd Kaniloi zeigt lich auch in dem
Schiodafiirueho zur Beilegung der Diffcronieti ivriicben UenoK JUbivcht IV.
nnd Ctimtopb von Hflncbcn b«i KreDoer V. S. £96 t: .Ob uch iln r»-
glweiid«ii FOnteD einer oder mehr Briefe Regütnr oder .^chrifft la »eben
oder in bOren u ihm begehren würde, <ron Sachen wegen ihr gemaiiiM Re-
giment I^nd und I^Qt« antreffend, dieaelben loU ihm dar Eaniler lobriagM,
ihm und lie di? boren toben nnd leaen laasen, lo oft der und die di«* b*-
gehren. Und ao dat beaehrhen iit, «oll der Kanilvr auldie Briefe Begiater
oder ächriSteD wiadarum iu die Kaulej oder in da« OewOlbe an die Btttte
antworten, da dann et geoammeo iat
8) Vgl a tJi Anm. 1
S) Krenner V, S.46 (14A0): Vermorckt wu Ich a BoUer . . atia d»f
fllnft«n Lade, darinn Tudong und Tbellnag doa abera Landet liegt, gie-
noDunea baba
4) über die weitere Entwicklung dei Archirt wird im 8. Bntb Im An*
•cUnaae an die Darrtullnng der Kanilüen dei 10. Jabrhnnderta g«liM)iUlt
ZWEITES CAPITEL.
Die Mittelbehörden.
§16.
Die Yltztume.
In Folge der territorialen Vergrößerungen Baiems unter
den ersten Witteisbachern ergab sich die Unmöglichkeit, daß
der Landesherr ferner wie in den früheren einfachen Verhält-
nissen mit einigen Räten den Regierungsaufgaben in dem ganzen
außerordentlich erweiterten Territorium genügen könne. Die Er-
kenntnis der Notwendigkeit, für eine regelmäßige Stellvertretung
des Herzogs zu sorgen, führte zu einer Einteilung des Herzogtums
in einzelne Verwaltungsbezirke. In jedem derselben ward vom
Herzog ein Beamter bestellt, ein vicedominus^) (auch procu-
rator)*), Vitztum, der, wie der Name besagt, als ständiger
Stellvertreter seines Herrn zur Ausübung aller Hoheitsrechte
berufen war, und zwar, da eine Teilung in räumUch abgegrenzte
Sprengel erst der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts angehört, ur-
sprünglich im ganzen Gebiete des Herzogtums.
Wie das Apit des vicedominus in kirchlichen Verhältnissen
in fränkischer Zeit zuerst ausgebildet ward, so erscheint es auch
1) Der vicedoininas spielt in der kirchlichen VerfiiSBang frflhe eine große
Kollo. Bischöfe und Stifte haben einen solchen Beamten zur Besorgung der
weltlichen Geschäfte (Da Gange, Gloss. mediae et infimao latinitatis, ed.
Henschel. Paris 1848. VI, S. 811 ff.). In karolingischer Zeit ist yicedominos
allgemein für Stel]?ertreter gebräuchlich (Sohm S.5141) und wird vielfach
mit vicecomes identifiziert (Waitz m, S. 397).
2) z. B. 1271 Otto de Strubing Henrici ducis procurator (R. B. IQ,
p. 364, 446).
18»
- 276 —
im späteren Mittelalter vomehmlich in geistlichen Territorien *)
entwickelt.
1204 begegnet in Baiem zum ersten Male ein solcher
vicedominus ducis Bavariae (Ulrich von S. Cassian) *). Zumeist
gehören diese Vitztume dem Kreise der Ministerialen bezw. dem
Stande der Ritterbürtigen an , nur ein einziges Mal erscheint
ein Graf^) in dieser Stellung. —
Erst nach der ersten Teilung (1255)*) scheint eine förm-
liche Einteilung des Landes in solche Verwaltungssprengel statt-
gefunden zu haben.
Anfanglich wurden die Vitztumamtssprengel nicht nach
ihrer geographischen Lage, sondern nach dem Namen des je-
weiligen Vitztums bezeichnet, wohl in Erinnerung an die Be-
nennung der feudalisierten Grafschaften nach dem Grafen-
geschlechte, wenn auch der Amtscharakter des Vitztums nie in
Frage stand. Wenigstens ist dies der Fall in der mir bekannten
ältesten Urkunde (Waffenstillstand der H. Heinrich und Ludwig
1280) 'Ol in welcher von Vitztumen die Rede ist
Nach einem Salbuche aus dem Ende des 13. Jahrhunderts
(1280)^) war nämlich Oberbaiem schon geteilt in das obere
1) z. B. seit 10., 11. und 12. Jahrhundert in K($hi, Mainz (Ho gel, Ve»-
fassongsgeschichte von Köln S. XXITT, von Mainz S. 31X Trier (Lamprecht
I, 2, S. 824), Strasburg, Salzbarg, Regensbnrg (v. Maar er, FronhOfe II,
S. 231 ; M. B. XIII, 4, p. 1490) ; im 14. Jahrhundert in Bamberg, Eichstädt,
Augsburg (R B. V, p. 193, 290; VII, p. 382). — Über das rein finanzieUe
Amt des Vitztums in Nieder-Österreich unter Ferdinand L YgL Rosen thal,
BehOrdenorganisation S. 132.
2) M.B. I,p.275; XII, p. 62.
3) Otto IL sagt 1240 (Qu. u. Er. V, S. 73) : eo tempore, quo avunculus
noster iUustris Chunr. comes de Wazzerburch terre nostre vicedominatus
curam tenuit a nobis. Vgl über ihn B i e z 1 e r II, S. 88, 173.
4) Noch 1264 wird von H. Ludwig vel vicedominus suus generalis ge-
sprochen (R B. m, p. 236).
5) Qu. u. Er. V, S. 321 £: Im Lande H. Heinrichs (N.-B.) in vicedomi-
natu Ottonis de Strubinga vel cius, qui pro tempore successerit; in vice-
dominatu Alberonis (d. L an der Kott). Im Lande H. Ludwigs (O.-B.): in
districtu Dietrici de Wildcnstain vicodomini vel qui pro tempore vicedominus
lueiit (d. L Lengenfeld); in vicedominatu Wichnaudi (d. L Wign. de Irings-
burg, München); vel qui pro tempore vicedominus fuerit
6) M. B. XXXVI, 1, p. 135 £ Vgl oben S. 52. Eine genaue Inhaltsangabe,
welche die Bestandteile der einzelnen Vitztumämtor ersichtlich macht» bei
Bockinger, Einleitung S. 53 £
— 277 —
Vitztumamt (München) — inter alvum Danubii et montana, und
in das untere, auf dem Nordgau (Lengenfeld) ^) — ex altera
parte Danubii (nördlich der Donau). Niederbaiem zerfiel in
das untere Vitztumamt, an der Donau (Straubing), und in das
obere, das Vitztumamt an der Rott (Pfarrkirchen) *). Die Rhein-
pfolz bildete ein besonderes Vitztumamt^).
Durch den Vertrag von Pavia 1329*) kam der größere
Teil des Nordgaus (die spätere obere Pfalz) mit der Rheinpfalz
(der sog. unteren Pfalz) an die Rudolfinische Linie*), während
K. Ludwig den kleineren Teil (Burglengenfeld, Kaimünz, die
Vorstadt zu Regensburg u. s. w.)^) mit Oberbaiem vereinigte.
Die Pfalzgrafen bei Rhein ließen das ihnen angefallene Gebiet
auf dem Nordgau, die neuentstandene Oberpfalz, durch einen
Vitztum regieren, der zu Amberg ^). seinen Sitz hatte.
Bei der Teilung von 1353 kam der größte Teil des Strau-
binger Vitztumamts an die Straubinger-Holländer Linie, während
1) Vgl über dieses Fessmaier, Diplomatische Skizze von dem alten
Vitztumamte Lengenfeld, 1800. Der erste Tltztom von Lengenfeld kommt
1272 vor (ibid. S. 7).
2) In der Taidigung zwischen H. Ludwig und H. Heinrich 1287 (Qo. iL
Er. V, S. 414) werden angefahrt: Von H. Ludwigs wegen Ulr. v. Borenmoa»
unser vitztum in dem obem vitztumampt und in dem nidem 0. der Chran-
dorfcr, unser vitztum. Von H. Heinrichs wegen in dem obem vitztumampt
Alber von Pfarrechirchen, unser vitztum und in dem nidem vitztumampt Al-
brecht von Straubingen.
3) in swelhem vitztumampt das geschiht» ez sei ze Mflnchen, ze Lengen-
veit oder an dem Rine (1315); 1313 wird angef&hrt G. der Paeuler, unser
vitztum zo Bayern und an dem Rein. — Nach dem Vertrag von Pavia kommt
Kitter E. v. Hirschhorn als oberster Amtmann und Vitztum bei der Pfalz
1342 vor (Qu. u. Er. VI, S. 236, 219, 378).
4) Qu. u. Er. VI, S. 298 £
5) Amberg, Auerburg, Nabburg, Sulzbach, Weiden u. s. w.
D) Ein Teil des heutigen Regierungsbezirks Oberpfjalz blieb also bei
Oberbaiem — dieser bildete vorüborgohond das Vitztumamt Jenseit der
Donau" mit dem Sitz in Lengenfeld (M. B. XXIV, p. 83; vgl Riezlor II,
S. 520) ein zweiter bei Niederbaiem, während der dritte und grOfite an
die ])falzischc Linie kam. Über die einzelnen Bestandteile und die Qebiets-
voränderun^cn vgl. Muffat in der Bavaria II, S. 430 £
7) Vorüberziehend (1353—1410) war ein Vitztumamt Nabburg gebildet
wordon. Nabburg war übrigens schon früher vorübergehend Sitz eines Vitz-
tuniö (z. B. 1300 - Qu. u. Er. VI, S. 126). Vgl v. Fink, Versuch einer Ge-
schichto des Vicedomamtes Nabburg. München 1819. S« 7«
— 278 —
ein kleinerer Teil, mit dem Landshuter Gebiet vereinigt, ein
Vitztumamt bildete. Auch nachdem das Straubinger Gebiet
1429 unter die 3 Linien Baiem-Ingolstadt, Baiem-München
und Baiem-Landshut geteilt worden war, blieb in Straubing,
das nie aufgehört hatte, Sitz eines Vitztums zu sein^« das
zweite niederbairische •) Vitztumamt^).
In der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts tritt die Bezeichnung
Rentmeisterämter an die Stelle der Vitztumämter, ohne daß der
Vitztum aufgehört hätte, Haupt dieses Verwaltungsbezirks zu sein.
Im Herzogtum Landshut - Ingolstadt können wir folgende
5 Rentmeisterämter unterscheiden: Landshut*), Burghausen,
Wasserburg, Ingolstadt (im Oberland) und Weiden (am Nord-
gau) ^). Neben Landshut spielte namentlich Burghausen auch
fernerhin eine Rolle als Sitz einer der 4 Regierungen des
Landes. Ein Vitztum ist in Burghausen etwa seit 1392 •) nach-
weisbar. Wahrscheinlich ist unter Herzog Friedrich der Sitz
des Vitztumamts an der Rott von Pfarrkirchen nach Burghausen
verlegt worden '). Der Vorstand dieses Vitztumamts führte etwa
seit 1425 den Titel Hauptmann ®). In München- Straubing blieben
München sowohl als Straubing Hauptstädte der Rentmeisterämter.
Die Stellung des Vitztums als eines unmittelbaren Reprä-
sentanten des Herzogs tritt in vielen Bestimmungen hervor, die
1) Siehe das VerzeichmM der Straabinger Yltitome bei Qeiss (Oberb.
Archiv XXVm, S. 87 £).
2) Sowohl die Stranbinger als die Landshnter Vitztome werden als Vitztamo
io Niederbaiem, die Mflnchner dagegen als solche von Oberbaiem bezeichnet
3) Die Ansbildong des Vitztomamts zn einer selbständigen Behörde zeigt
sich anch darin, da6 der Vitztum (oder Landschreiber) bei der Sieglang von
Urkonden nicht sein eignes, sondern des Vitztomamts Insiegel anhing, z. B.
(1394, 1434, 1488 Vitztum in Niederbaiem) IL B. XV, p. 489; U, p. 242;
IV, p. 201.
4) Ein Vitztum begegnet in Landshut erst 1506, seitdem Landshut auf-
gehört hat Sitz der herzoglichen Regierung zu sein.
5) Siehe die Steuerrechnung 1464 bei Erenner VII, S. 116 fil, die ein-
zelnen Hauptbestandteile auch bei Eluckhohn, Ludwig d. R. S. 13.
6) In diesem Jahre wird Conrad der Preisinger von Wollentsach als
Vitztum von Burghausen aufgeführt (R. B. X, p. 314). Der letzte mir be-
kannte Vitztum an der Rott kommt 1362 vor (R. B. IX, p. 60).
7) Hub er, Gesch. d. Stadt Burghausen S. 137.
8) Erst seit 1641 wird er wieder als Vitztum bezeichnet (Geiss, Oberb.
Archiv XXVI, a 39 £).
— 279 —
Beide in gleicher Weise zur Vornahme gewisser Funktionen be-
rechtigt erscheinen lassen*). Man geht darin so weit, daß selbst
Herzoge einen andern Herzog oder dessen Vitztum als Schieds-
richter^) anerkennen. — Wie der Herzog erteilt auch der Vitz-
tum statt seiner Privilegien*) und hat die landesherrlichen
Schutzpflichten über die Klöster wahrzunehmen, indem er diese
vor Bedrückungen jeglicher Art beschirmt*). Ihm als dem
Vorstande des Vitztumamts waren dann alle Beamten desselben
(Pfleger, Richter, Schergen, Kastner) unterschiedslos unter-
geordnet; alle schuldeten seinen Anordnungen Gehorsam.
Wenden wir uns zum Wirkungskreise des Vitztums im
einzelnen, so tritt uns an erster Stelle seine Thätigkeit in der
Justiz *) entgegen. Als Stellvertreter des Herzogs vertritt er
diesen, wie an anderer Stelle gezeigt ward, bis zum 15. Jahr-
hundert im Präsidium des Hofgerichts •), wo dieses auf den
Hofmeister übergeht. Ausdrücklich wird darauf hingewiesen,
daß Jeder in erster Instanz vor dem Gerichte, darin er Haus
und Hof hat und selbst sitzet. Recht zu nehmen habe. Erst
wenn das zuständige Gericht ihm das Recht verzögert, darf er
sich an den Vitztum wenden ').
1) z. B. 1290 Taidigung zwischen H. Lndwig und Otto : Wenn H. Ludwig
mahnt oder sein Vitztum; 1330 'erklärt K Ludwig, da& nur ihm oder seinem
Yitztume' zustehe, Über das Kloster Fürstenfeld zu richten (R B. VI, p. 341).
In der Vorrede zum Ldr. wird so gesprochen von dem Eide, den sie (Richter
etc.) uns oder unscrm Vitztum darum schworen müssen. Nach Ldr. a. 139
darf der Herr oder sein Vitztum den Landrichter bessern. Vgl. noch 1. Frei-
brief 1311 (y. Lerchenfeld S. 4): sullen wir oder unser vitztum ainen
tag geben.
2) z. B. als die oberpfälzischen und bairischen Fürsten 1444 einen Land-
friedensbund errichten, unterwerfen sie sich vorkonunenden Falls dem Schieds-
ppruch des dritten Fürsten (unter den Kontrahenten) oder seines Vitztums
(Krenner II, S. 115).
3) z, B. M. B. DC. p. 195 (1367).
4) z. B. M. B. Vn, p. 162 (1829); XIII, p. 260 (1358); IV, p. 494 (1406).
5) Als Schiedsrichter werden die Vitztume auch häufig bestellt, z. B.
1400 ein Schiedsgericht, bestehend aus dem Herzog und 6 Mitgliedern, dar-
unter 3 Vitztumo (Kalcher S. 101).
C>) Siehe S. 134 (im 15. Jahrhundert nur vereinzelt; vgl S. 136, 141).
7) Oberbair. und niederbair. Landfrieden 1300 a. 25 (Qu. u. Er. VI,
S. 115): Wacr aber, daz man in des gerihtes vendg, so sol er anderswa
nindcr daz rebt suchen, dann vor dem vitztum an den steten, da si gemain
taeg hin nement
— 280 —
Der erste Freibrief 1311 setzt dann den Vitztum als den
regelmäßigen Stellvertreter des Herzogs im Hofgerichte ein ^ )
und in einigen Handschriften des oberbairischen Landrechts
wird ganz allgemein von einem ;,gaen hof dingen für den vitz-
tuem" *) gesprochen.
Die Instruktion, welche K. Ludwig als Pfleger Johanns I.
von Niederbaiem 1340 *) für Vitztume und Richter erlassen hat,
stellt ausführliche Vorschriften über den Pflichtenkreis dieser
Beamten auf imd gewährt ein erfreuliches Bild von der edlen
Fürsorge des Kaisers für eine gedeihliche Handhabung der
Rechtspflege. Sie schreibt vor, daß bei Abwesenheit des Kaisers
jeder Vitztum in seinem Sprengel die Urteile verhören soll*),
und zwar mit dem Ernst und Fleiße ^), daß alle Leute damit
versorgt seien. Den Richtern ward eingeschärft, alle Hand-
lungen an den Vitztum zu bringen, „die er zu Recht handeln
soll", imd außerdem alles, was ihm zu schwer wäre. Konstatiert
er hierbei eine Ungerechtigkeit in der Amtsführung des Richters,
so hat er ihn und eventuell auch den Gerichtsschreiber an Leib
und Gut zu strafen (a. 6). Diese Aufsichtsbefugnis, verbunden
mit einer Strafgewalt über die ihm untergebenen Beamten, steht
dem Vitztum auch in Oberbaiern zu*).
Jede Verletzung der den Ständen durch den 1. Freibrief.
1311 gewährleisteten Privilegien seitens eines Beamten unter-
steht auch der Kognition des Vitztums, der im Wege des ge-
richtlichen Verfahrens die Sache zu untersuchen hat und event,
1) Wir behalten auch uns selben ze richten, was unser graven, freien,
dinstman, ritter oder knecht mit einander ze kriegen habent» wellen wir das
unser vitxdoub das richten oder wen wir darzu schaffen (v. Lerchenfeld
S. 2).
2) y. d. Pfordten a 322; Mflnchner Stadtrecht a. 451 (Au er S. 172).
3) a. 1. Des ersten wellen wir und setzen, daz unser . . vitztum all ir
handelung, di si ze handeln habent in ir ampten von unsem wegen recht
und redleich handeln gein allen laeuten, daz si weder durch lieb noch durch
laid, noch durch dhainerlaye sach willen, icht handeln, wan des si sich von
ir trewen versten, daz recht und redleich sei (Qu. u. Er. VI, S. 358 ff.).
4) Siehe S. 12a
5) a. 3. Der Vitztum darf nur das von den Urteüsfindem gef&llte Urteil
verkünden - vrir wellen, swann sich der vitztum verstflnd, daz einer urtail
gevolgt waer, den in nicht rechtleich deucht, daz er uns den selben urtail
und auch die volger an merkch untz an uns.
6) Vgl Ldr. A. 267.
— 281 —
Abhülfe eintreten läßt. Hier tritt aber der Herzog scharf als
eine Instanz über dem Vitztum hervor, indem er selbst ent-
scheidet, falls der Vitztum selbst sich einer solchen Verletzung
schuldig gemacht oder auf erhobene Beschwerde nicht pflicht-
mäßig vorgegangen ist^).
Auch Geschäfte der Justizverwaltung, insbesondere die Auf-
sicht über die Gerichte, waren ihm zugewiesen, für deren Aus-
übung einige Direktiven an die Hand gegeben wurden. Die
Ernennung 2) und Absetzung der Richter stand in seiner Macht,
nur sollte das Richteramt nicht verpachtet werden gegen eine
bestimmte Summe und auch nur solchen Personen verliehen
werden , die es persönlich verwalteten ^). Ferner sollte der
Vitztum auch darauf seine Aufmerksamkeit richten, daß die
Gerichte mit Vorsprechem wohl versehen seien (da mit arm und
revch besorgt sein, daz yedem mann recht und redleichen recht
wi(lervaren), ihre Geschäftsgebahrung beaufsichtigen und sie wegen
llonorarüberforderungen zur Verantwortung ziehen (a. 11). Ebenso
hat er auch bei jedem Gerichte Schergen und Amtsknechte zu er-
nennen *), die seiner Disziplinargewalt unterworfen sind (a. 8).
Noch ist jener Thätigkeit des Vitztums auf dem Gebiete
tler Kriminaljurisdiktion Erwähnung zu thun, welche ihm er-
wuchs aus der ihm erteilten Eimächtigung, bei Begnadigung
v(m abgeurteilten Delinquenten die Lösungssumme zu bestim-
men, welche der Begnadigte als Äquivalent für die erlassene
Todes-, Leibes- oder Freiheitsstrafe entrichten mußte ^).
1) Tet CS uDser vitztum nicht» oder ob er die sach selb hiot getan oder
uberfarcD, so sol er (der Verletzte) für uns komen, und sollen wir im ze
J4 tagen einen tag geben (v. Lerchenfeld S. 6).
2) In dem Vergleiche H. Rudolfs und K Ludwigs a. 14 (Qu. u. Er. VI,
8. 250) heiüt es: Wir suln auch alle baenno lihen den, den unser brüder der
chunich den ampt lat, oder sin vitztuem . . . K Ludwig sagt dann in einer
Instruktion für die beiden niederbairischen Vitztume von 1347 (ibid. S. 388):
Wcär auch daz in ein richter, ir einer oder mer nicht govielen und die ver-
cheren wolten, es sei in steten oder auf dem lande, so süllen und mügcn
si ander richter setzzen, di in darzu gevallent und uns, und auch in nützz
und gut sein. — Richter, die dem Kaiser nicht gefielen, hatten sie auf seinen
Befehl aus ihren Amtern zu entfernen und durch andre zu ersetzen.
3) Instruktion 1340 a. 5.
4) Nach dem Landfrieden 1281 a. 3 (Qu. u. Er. V, S. 340) darf der
Richter nur mit dos Vitztums Rat einen Schergen setzen.
5) L.O. 1474 (Krenner VII, S. 479),
- 282 —
Man faßte deshalb eine ganze Kategorie von Delikten als
Yitztumhändel zusammen, eine Bezeichnung, welche sich, wie
unten gezeigt werden wird, erhielt, auch nachdem diese Be-
fugnis vom Vitztum auf den Rentmeister übergegangen war^).
Eine wichtige Aufgabe hatte die unheilvolle Periode einer
trostlosen Rechtsverwirrung vornehmlich im 14. Jahrhundert*)
den Vitztumen übertragen, indem sie als Schirmer des Land-
friedens ^) bestellt \Mirden. Dieses Wächteramt ergab sich aus
dem allgemeinen Berufe der Vitztume „unsrer Landes Notdurft
auszurichten, als sich dann gebührt". Die Gerichtsherrlichkeit
der Landesherren umschloß auch Recht und Pflicht der Friedens-
bewahrung und diese Funktionen hatte der Vitztum als ihr
Stellvertreter zu übernehmen. Die Instruktion 1340 bringt dies
sehr deutlich zum Ausdrucke in den Worten (a. 2): Dar zft
wellen wir und gebieten imsem vitztftmen vestichleichen, daz
si alle laeut fiberal in unsem vitztumampten, edel und unedel,
arm und reych, gaistleich und werltleich schermen vor gewalt
und vor imrechter haudelung, und auch in rechtes geholffen
sein ye ainem von dem andern, als recht sei, von ir trewen,
als si aller pest chfinnen und mfigen^).
Im Gegensatze zu andern Territorien, wo eigne Kommis-
sionen für die Wahrung und Durchführung der Landfrieden ge-
wöhnlich gebildet werden, ist dies in Baiem nur ausnahmsweise
derFalP). Die vortreflTliche Ämterorganisation des Landes bot die
für die Exekutive des Landfriedens geeigneten Organe dar, welche
die Herzoge in ihrem forstlichen Berufe als Schirmer des Land-
friedens unterstützen und jeden Bruch desselben ahnden*) konnten.
1) Über die Vitztomhändel vgl S. 303 £
2) Selbst noch im 15. Jahrhundert, z. 6. 1444 im Straabinger Tefl
(Kreon er II, S. 91 £).
3) In dem von K. Ladwig in Schwaben and Oberbaiem errichteten
I.*andfir. 1330 wird der Yitztom Heinrieb von Gnmppenberg ermAchtigt, diejenigen
bairischen Dienstmannen und Städte, deren Dienste er für die Beschirmang
des Friedens nützlich h<, auf denselben <a vereidigen (Qu. o. Er. VI, S. 317).
4) Qu. 0. Er. VX S. 35a
5) z. B. im Landfrieden 1362 werden dem Yitztam 12 beigesellt, nm
quartaliter die Klagen des Landes zu hOren; 1365 werden 13 Mann als Schirmor
dos Friedens genannt, ohne daß Genaueres über ihre Zuständigkeit erhellt
(E Fischer, Die Landfriedensverfassung anter Karl lY. Gottingen 1883. S. 40).
6) z. B. 1352 a. 7, 9, 11 (Qa. a. Er. YI, S. 423 t); 1365 (B. E IX, p. 182),
— 283 —
Den Landfrieden 1300 beschwören so die 2 oberbairischen
und die 2 niederbairischcn Vitztume, die sich gegenseitig zur
Bekämpfung jeder Verletzung des Landfriedens unterstützen
sollten*). Diese gegenseitige Unterstützungspflicht 2) mit der Be-
fugnis, Räuber, Brandstifter, Diebe oder Mörder von einem
Vitztumamte in das andere zu verfolgen, statuierte für Vitz-
tume und Richter der Landfriede 1352 (a. 4) ^). Diese Ge-
stattung der wechselseitigen Rechtshülfe ist bei den sich viel-
fach berührenden, die Flucht der Verfolgten begünstigenden
Grenzen der benachbarten Territorien ein wirksames Mittel für
die Unterdrückung des Verbrechertums.
Auch auf militärischem Gebiete ist der Vitztum Vertreter
des Herzogs und als solcher oberster Befehlshaber über die
Kriegsmacht^). Ihm wird auch die P'ürsorge für die Anstalten
zur Verteidigung des Landes übertragen^).
Eine die Erhaltung der Ordnung und die Beruhigung des
Landes bezweckende Thätigkeit hatten die Vitztume auch zu
entfalten, nachdem einer der blutigen Kriegszüge, mit denen
die einzelnen Glieder der Dynastie sich heimsuchten und ihre
Länder verheerten, beendigt war. In den verschiedensten
Formen hatten sie hier in Thätigkeit zu treten. Sie mahnen
die Bürger zum Einlager, lassen einen des Bruchs des Waffen-
stillstands Verdächtigen vor sich reinigen, dämmen die Privat-
1) Qu. n. Er. VI, S. 126. Dio Yitztame durften auch die Grafen, Freien,
Dienstmanncn und joden Andorn zar Hülfe auffordern. Der Aufgeforderte
war dann zur HOlfeloistung verpflichtet — Die Herzoge selbst verpflichteten
sich (a. 14), mit ihren Yitztumen und Rftten dem Aufenthalte schädlicher
Leute nachzuspüren. Vgl. Wyneken, Die Landfrieden in Deutschland von
Rudolf von Habsburg bis Heinrich VIL Hannover 1887. S. 60 t
2) Eine solche ist auch in der Taidigung Rudolfs und Ludwigs 1311
ausgesprochen (Qu. u. Er. VI, S. 196).
3) der Herzoge Stephan, Albrecht und Wilhehn (Qu. u. Er. VI, S. 422).
4) Würdinger, Kriegsgeschichte von Bayern . . . von 1347—1506.
München 1868. II, S. 330. — In der Bestallung des Vitztums Joh. v. Haidock
zu Ingolstadt (1418) wird diesem zur Pflicht gemacht, darauf zu halten, dafi
Pfleger, Richter, Amtleute gehörig bewaffnet und zum Dienste bereit seien.
Er soHto auch den Landfrieden aufrecht erhalten und zu diesem Zwecke die
notwendige Hülfe und das Aufgebot veranlassen.
5) So lag ihm die Überwachung des Vollzugs der fär die Neubefestigung
Ingolstadts erlassenen herzoglichen Anordnungen ob (1362, 1375). Vgl Klee-
mann, Geschichte der Festung Ingolstadt Manchen 1883. S. 1, 9,
— 284 —
fchdcn ein, berechnen mit den übrigen Kollegen den Schadens-
betrag und gleichen ihn aus u. dgl. mehr ^ ). Dabei werden die
Yitztume gerade in ihrer amtlichen Eigenschaft neben Andern
als Bürgen bestellt*).
Die Trennung der verschiedenen Zweige der Regierung
nach bestimmten Ressorts gehört erst einer vorgeschritteneren
Stufe staatlicher Kultur an. Es begreift sich daher leicht, daß
wir etwa bis gegen Ende des 14. Jahrhunderts in dem Vitz-
tum, (lern höchsten Beamten der Provinz, auch das Organ der
gesamten Finanzverwaltung derselben zu erblicken haben. In
seiner Hand fließen alle landesherrlichen Einnahmen eines Spren-
geis, auf welchem Titel immer sie beruhen mögen, zusammen.
Man war seit der Stauferzeit von der Natural- zur Geldwirtschaft
übergegangen. Diese wirtschaftliche Revolution machte eine relativ
befriedigende staatliche Finanzverwaltung möglich, wenn auch
nach wie vor einige Abgaben stets in Naturalien geleistet und
auch staatliche Prästationen an Beamte fortdauernd noch in
Naturalien geliefert wurden.
Über die Finanzgebahrung des Vitztums klärt uns auf ein
erhaltenes Rechnungsbuch ^) eines oberbairischen Vitztums über
die Rechnungsperiode von 1291—94, das uns wertvolle Auf-
schlüsse über die staatlichen Finanzzustände dieses Zeitalters
gewährt. In 3- und 2jährigen Perioden pflegten die Vitztume
über die Einnahmen und Ausgaben ihres Sprengeis Rechnung
zu legen, auf Grund deren sodann der Saldo zu Gunsten des
Rechnungslegers oder des Landesherm fixiert wurde, indem dieser
seinem Beamten Decharge erteilte und über den empfangenen
Rest quittierte oder ein Schuldbekenntnis für den Saldoposten,
falls derselbe dem Vitztum geschuldet ward, ausstellte*).
1) z. B. Waffenstillstand H. Heinrichs und Ludwigs 1280, Vergleich der
Beiden 1284, Taidigung der Beiden 1291 (Qu. u. Er. V, S. 322 ff, 372 ff,
453 ff).
2) z. B. 1291 : Ward aber der schade niht abgetan, so suln dammb laisten
von h. Ludwiges wegen auz dem obem viiztumambt . . H. von W. der vitz-
tum oder swcr vitztum ist; 1309 Rudolf und Ludwig für eine Schuld u. A.
et vicedominum nostrum, qui nunc est, vel pro tempore fuerit, quos ei fide-
iussores . . (Qu. u. Er. VI, S. 168).
3) ediert und erläutert von v. 0 efele (Oberb. Arch. XXVI, S. 272 ff).
4) z. B. 1334 raitet H. Heinrich mit C. dem 11., seinem Vitztum zu Strau-
bing, über Alles , was dieser im Vitztumamt eiDgenommeni gehandelt, ge-
— 285 —
An erster Stelle werden in der Rechnung 1294 vorgetragen
Conquisiciones, also ständige und unständige Einnahmen ^), wie
Gefälle von Richtern und Schergen, Vogtei- und grundherrUche
Aßgaben, Zehnten, Zoll-, Münz- und Kastenamtserträgnisse, sodann
werden Amtspachtgelder und Geschenke für den Vitztum erwähnt.
Es folgen*) die Mai-^) und Herbststeuem*), welche von
Städten und Märkten, sowie von den Ortschaften der einzelnen
Gerichte und von Klöstern, nicht regelmäßig von allen Pflichtigen
und auch nicht stets in gleicher Höhe, sondern manchmal zur
Hälfte^) entrichtet wurden. Eine herzogliche Einnahmequelle
bildete auch die Steuer, welche die Juden für die Gewährung
des landesherrlichen Schutzes entrichteten. — Der Vitztum selbst
war dann auch zu bestimmten Leistungen an den Herzog ver-
pflichtet <^).
wunnen, auch verdient hat von dem nächsten Mathiastag an bis aof den
heutigen, und bleibt ihm darnach 70 Pfd. 84 X schuldig (R B. YU, p. 88).
Vgl. noch die Abrechnungen 1325 und 1423 bei Oefole, Scriptores I,
p. 750; II, p. 178.
1) 1376 bekennen die 4 Herzoge, dal J. von Abensberg, Vitztum in Ober-
baiern, von diesem Vitztumamt verrechnet von 74 — 76 alles, was er von Vitztum-
amts wegen eingenonunen hat» es sei von Bußen, Ehrung, Schankung, gewöhn-
licher Gült und von allem andern Einnehmen und quittieren . . . (R. A.
Urk. Abensberg Fase. 13).
2) Über die Entwicklung des Steuerwesens in Deutschland vgL G. Me y e r,
Verwaltungsrecht II , S. 195 £; Vocke, Die Abgaben, Auflagen und die
Steuer. Stuttgart 1887. S. 167 fL
3} Über diese Steuern vgl v. Oefele a. a. 0. S. 273 fL
4) A. Wagne r, Finanzwissenschaft HI, S. 68, nimmt mit Recht die An-
sicht Eichhorn's an, sie modifizierend, indem er als häufigsten Ent-
stoliungfignind der Beden die Übernahme des Reichsdienstes von den Schultern
der Unterthanen durch den Landesherm und seine Mannen ansieht Als
Äquivalent für diese übernommene Landesverteidigung erhob der Landesherr
kraft Landeshoheit eine Abgabe.
5) stiura media. VgL Riezler II, S. 180.
6) Nach der niederbairischen Hof-0. 1294 (Qu. u. Er. VI, S. 57) war der
Vitztum, in dessen Sprengel einer der Herzoge kam, schuldig, demselben
Opfer- und Badpfennige zu entrichten, d. s. Ehrungen (über Opfergeld im
Sinne von Geschenken für Diener and Badgeld als Geschenke f^ Gesellen
vgl. Westenrie der, Glossarium S. 400; Schmeller-Frommann I,
S. 208). Unter den Ausgaben, welche der Landschreiber 1392 verrechnet, gibt
es auch eine Kategorie: Opfergeld, spilgeld und Padgelt und was ich sust
meinem Herrn zu Ainitzen gegeben han (v. Freyberg, Sammlung bist
Schriften und Urkunden V, 8. 36).
— 286 -
In dieser Reclmung wird gleich bei jedem Einnahmeposten
die si)ezielle Verwendung desselben beigefügt. Innerhalb der
einzelnen Rubriken ist auch nicht nur dahin Gehöriges vor-
getragen. — Ein Jahrhimdert später hatte man in der formalen
Anordnung des Rechnungswesens schon große Fortschritte ge-
macht, denn die erwähnte Rechnung des niederbairischen Land-
schreibers von 1392 nähert sich schon etwas unserer heutigen
Rechnungstechnik. Zuerst werden die Einnahmen in der Reihen-
folge der einzelnen Gerichte aufgeführt und summiert und dann
die Ausgaben nach bestimmten Kategorien und für jede die
Summe gezogen ^).
Zur Prüfung der Vitztumamtsrechnungen wurde gewöhnlich
vom Herzog eine besondere Kommission aus herzoglichen Räten
und Anderen gebildet *). — Die von den Vitztumen geschuldeten
Reste waren an den Kamniermeister abzuliefern. Der Vitztum
bezog von gewissen Gefällen einen bestimmten prozentual ab-
gestuften Betragt). Diese Tantieme bildete einen Bestandteil
seiner Besoldung.
Dem Vitztum, als dem höchsten Beamten des Sprengeis,
war, wie die Aufsicht über alle richterlichen, ursprünglich
auch die über die mit der Perzipierung von Gefällen betrauten
Beamten, wie Kästner^) und Zollner*), übertragen, welche seine
Befehle zu vollziehen hatten. Nach Einführung des Rentmeister-
anits ging die Kontrolle dieser Beamten auf den Rentmeister über.
Bei der hervorragenden Bedeutung des Vitztumamts für
das Staatswesen wird bei gemeinsamer Regierung gewöhnlich
den Mitherrschem das gemeinschaftliche Emennungsrecht vor-
1) Vgl V. Frey berg a. a. 0. S. 86 ff
2) z. B. 1363 bestellte Stephan L 3 Mflnchner Stadtrftte and 2 fOratliche
Bäte (T. Maffat in den Chroniken deutscher Städte XY, S.436); 1324 bei
der Vertaidigung der Streitigkeiten der 3 niederbairischen Herzoge ward die
Taidignngskommission (12) anter Hinzutritt von 4 herzoglichen Bäten aaeh
zur Bevision der Becbnang des Vitztams and andrer Beamter (a. 14^ Qa. o.
Er. VI, S. 286).
3) z. B. M. B. XI, p. 286 (1341).
4) z. B. 1344 K Ludwig befiehlt seinem Vitztum bei der Bott A. t. N.
an seiner SteUe und von seinetwegen mit aUen Kästnern in den Vitztam-
umtom za raiten und diese nach seinem Willen und des Kaisers Frommen
zu be- und zu entsetzen (B. B. VIII, p. 7).
6) M. B. IX, p. 185 (1348).
- 287 —
behalten ^). Der Eniaunte hatte dann sämmtlichen Mitherrschern
den Amtseid zu leisten.
Nicht in den Rahmen des ordentlichen Beamtenorganismus
fallen die Ilauptleute oder Verweser der Herzogtümer, welche
bei l)esondem politischen Anlässen bestellt wurden, namentlicb
dann, wenn die Herrscher genötigt waren, längere Zeit außer-
halb der Grenzen des Landes zu weilen. Natürlich mußten
hier, wo der Hauptmann nicht nur zur Unterstützung des an-
wesenden, sondern zumeist zur vollständigen Ersetzung des ab-
wesenden Fürsten bestellt ward, die Grenzen seiner Vollmacht
viel weiter gesteckt werden.
K. Ludwig, welchen die Aufgaben seines kaiserlichen
Berufes viel häufiger aus seinem Stammlande entfernt hielten,
ernannte so 1331 *) den Grafen Berthold von Graisbach und
Marstetten gen. von Neifen zum Hauptmann in Oberbaiem mit
der Befugnis, an seiner statt Anordnungen zu treffen, und dem
Rechte der Beamtenernennung und -entlassung. Nach ihm er-
scheint der Marschall Arnold der Mässenhauser ^) * 1343 als
Pfleger in Baiern *).
Auch für die Herzoge der Linie Straubing-HoUand trat das
Bedürfnis hervor, während ihres Aufenthalts in den fernen
Niederlanden für solch umfassende Stellvertretung Sorge zu
tragen. So erscheint unter Albrecht L (1380) als Pfleger seines
Landes zu Baiem der Landgraf Joh. zu Leuchtenberg *).
1) Konnten sich die Mitherrscher nicht einigen über die Person des Yitz-
tunis, 80 de?olvierte das Emennongrecht auf die Schiedsleute oder auch auf
Hofmeister und Rfite, z. B. 1315 Sühnevertrag Rudolfs und Ludwigs (Qu. u.
Er. VI, S. 237) und 1468 schiedsrichterlicher Ausspruch zwischen H. Albrecht lY.
und Christoph von München (Krenner Y, S. 289 — nachdem das Yizedom-
amt Straubing hoher denn eüe Pflege zu achten und der Yitztum daselbst
als ein Statthalter des Fürsten gehalten ist» so sollen . . .)•
2) R. B. YI, p. 390; v. Oefele I, 8. 765. Schon 1319 begegnet er in
dieser Stellung (R B. Y, p. 409).
3) M. B. Xn, p. 177; XY, p. 286. Im Gebiete H. Rudolfs hatte schon 1313
Graf Alram von Hals eine ähnliche Stellung eingenommen (B i e z 1 e r II, S. 528)
4) Unter Ludwig dem Brandenburger begegnet als Hauptmann in Ober-
baiem Hiltpolt von Stein 1355 (R B. YIII, p. 323) ; 1415 kommt dann noch
ein Hauptmann in Oberbaiem vor (LGraf zu öttingen), R B. XII, p. 183.
5) z. B. 1380 (R B. X, p. 52); 1358 (M. B. XIY, p. 321) und 1370-85. —
Auch Yvan v. Kortenbach fungierte in diesem Landesteile als Statthalter
H. Johanns 1424 (Buchner, Gesch. YI,a 7, 172; Boekinger, EinLS.251).
— 288 -
§16.
Die fientmeister.
Eine Decentralisation der gesamten Regierungsthätigkeit
war durch die Schaffung der Vitztumämter durchgeführt worden.
Den Vitztumen, welche, wie wir gesehen haben, als Stellvertreter
des Landesherrn zur Überwachung und Besorgung aller Justiz-
und Verwaltungsgeschäfte eingesetzt waren, war anfangs auch die
Vereinnahmung und Verrechnung aller in die landesherrliche
Kasse fließenden Einkünfte übertragen.
Die Steigerung der Staatsbedürfnisse führte zu einer Reg-
lung aller das Finanzwesen berührenden Einrichtungen, und so
zweigte sich zuerst in allen Territorien die Finanzverwaltung
ab von der allgemeinen Staatsverwaltung*). Die Ernennung
eigner Finanzbeamter stellt so überall das erste Stadium einer
Gliederung der Verwaltung in sachlicher Beziehung dar.
In Baiem ist es seit dem 14. Jahrhundert der Land-
schreiber*), welcher dem Vitztum zur Seite tritt und ihm die
fiuanzieUen Geschäfte abnimmt *). Zu diesen gehörte die Ver-
einnahmung von Renten, Gülten, Natural- und Geldnutzungen
und die Verausgabung dieser vereinnahmten Gefälle. Über die
gesamte Geschäftsführung stellte der Landschreiber, wahrschein-
lich in 3jährigen Perioden, dem Herzoge Rechnung und erhielt
von diesem das Absolutorium ^). Bis dahin haftete der Land-
schreiber mit seinem Vermögen für jedes Defizit*).
1) Vgl A. Wagner, FioanzwiraeDBchaft I, S. 197.
2) Zum ersten Male kommt ein solcher Landschreiber im Vitztomamt
Straubing 1330 ?or (R. B. VI, p. 348).
3) Eine Rechnung, welche der Landschreiber W. dem Herzog Albrecht L
(Straubing) für die Periode 1389—92 stellt, ist abgedruckt bei ▼. Frey-
berg, Sammlung histor. Schriften und Urkunden II, S. 85 £
4) z. B. „tJher alles Einnehmen und Ausgeben, das sie in unsem Landen
gethan haben, haben sie Rechnung gestellt und sagen wir sie dessen los^.
5) Nach dem Tode Herzog Johanns von Straubing suchten die land-
ständischen Verweser des Landes den bisherigen Inhaber des Landschreiber-
amts K. zur WeiterfÜhrung desselben zu bewegen. Sie versprachen, für seine
Geschäftsführung besonders gegen unsem Herrn von Baiern seine Fürständ
sein zu wollen, so lang bis das im daz mit rechnung volkumenlichen ge-
rechent^ abgezogen und gänzlichen darumb qnittirt und ledig gesagt ist und
— 289 —
Als sich im Anfang des 15. Jahrhunderts^) das Prinzip
Bahn gebrochen hatte , allen zur Percipierung von Einkünften
bestellten Beamten ein Kontrolleorgan zur Seite zu stellen, er-
folgte eine Umgestaltung des Landschreiberamts in der Weise,
daß nun ein Rentmeister zur Wahrnehmung der bisher vom
Landschreiber versehenen Geschäfte eingesetzt, dieser aber zu-
meist auf die Thätigkeit der Rechnungsführung, der Erledigung
der Finanzschreibgeschäfte beschränkt wurde, so daß der Rent-
meister mehr als der vollziehende, die Gefälleeinziehung und
Verrechnung bethätigende, der Landschreiber hingegen als der
dem Rentmeister untergeordnete, mehr zur Kontrolle aller
Finanzmanipulationen berufene Beamte erscheint. Jener begegnet
auch unter der Bezeichnung Rentschreiber.
Die Rentmeister entstammten gewöhnlich dem Bürger-
stande, denn zur Lösung ihrer Amtsaufgaben, welche Gewandt-
heit im Schreiben und Geschicklichkeit im Rechnen erforderten,
war der ohnehin Schreibgeschäften nicht zugethane Adel we-
niger geeignet*).
ob das wer, das er icht auf eich genomen, anspracht und dargelegt hiet» mer
dann sein oinncmcn wer, das er des an verzog widerumb ausgcricht und
bezalt soll werden ...(RA. — Bair. Landschaft» Urk. Fase. XXXTX, Urk.
y. Donnerstag nach Ostern 1425).
1) In einem Gutachten 1497 wird darauf hingewiesen, daß zuerst Heinrich
der Reiche (1393—1450), dann Ludwig der Bciche das Rentmeistor- und Land-
Schreiberamt mit besondem Beamten besetzt habe (Kronner XIII, S. 41).
Nach Geis 8 (a. a. 0. Bd. 28, S. 49, 90; Bd. 26, S. 39, 45) kommen Rent-
meister zum ersten Male vor 1424 in Landshut, 1431 in Straubing, 1425 in
Burghausen und 1442 in München.
In dem mchrorwähnten Schiedsspruch (1466) wurde bestimmt, daß die
beiden Herzoge 2 Rontmeister zu München und 2 zu Straubing, also jeder
einen besondem, ihm allein verpflichteten haben sollte. Keiner durfte ohne
seinen Kollegen etwas vereinnahmen und jeder vereinnahmte für seinen
Herrn die Hälfte des eingegangenen Betrags. Auf dem Nordgau und
za Lcngenfeld sollten beide Herren wegen der geringfügigen Erträgnisse
nur einen gemeinschaftlichen Rentmeister haben (Krenner Y, S. 171 iL).
In dem Schiedssprüche in den Differenzen zwischen H. Albrecht lY. und
Christoph von München (1468) wurde bestimmt, daß diese und Herzog
Sigmund Einen Rentmeister zu München haben sollten zur Yereinnahmung
aller Nutzungen und Yerrechnung unter den 3 Herzogen (Krenner Y,
S. 286).
2) Vgl Stölzel, Gel. Richtertum I, S. 155.
K o s i> n t h % 1 , Geschichte d. Gerichttw. u. d. Verw.«Org. Baterns. I. | Q
Dieser Dualismus in der Organisation der ProvInzia]&nanz-
verwaltung wurde aber nicht in voller Scharfe durchgeführt,
denn hftufig wenlt-u auch die beiden Stellen in einer Person
vereinigt. Gegen solclic Kunmlierung richten sich aber die Be-
schwerden der Ritterschaft. Namens der Armen, besonders
der Urbarsleute, beklagen sie sirfa darflber, daß diese jetzt in
Händeln, darin sie billig ein Hentnioister beschützen sollte, zu
diesem nicht mehr ihre Zuflucht nehmen könnten, dieweil jetzt
die Rentmeister auch Landschreiber seien und sie deshalb ihren
Nutzen in den den armen Mann hoch beschwerenden Wftndeln
hiltten ' ). Statthalter und Räte erklärten sich darauf gutacht-
lich gegen eine derartige Verbintlung als gegen das Interesse
des Herzogs und des Dienstes vorstoQond. Durch die Abstellung
des Mißstandes gewinne der Herzog einige Riile mehr, die er
im Hufgerichte, im Rat und zu andern Verrichtungen verwenden
könne. Außerdem könne aber der Landschreiber nicht so frei
in /ehniiigen, Wandeln und Rechnungen handeln, wenn er nicht
selbst Rentmeister warn, sondern einen Itentmeister über sich
hfittc, „dazu dann die armen Leute Zuflucht haben möchten,
so die Landschreiber anders handelten, dann billig wäre^ *).
Sodann erscheine es nicht thunlicb, daß eine Person sich mit
den Verrichtungen zweier so großer und schwerer .\mler be-
lade, das übersteige die Leistungsfähigkeit Eines Mannes, da
jedes derselben die Arbeitskraft Einer Person ganz ausfülle,
wenn er allen Anforderungen des Dienstes vollauf gerecht wer-
den wolle ^).
Dieser begründeten Beschwerde wnnie auch Abhülfe, denn
die Einrichtung des Ijind- oder Rentschreiberpostens ver-
folgte doch neben Gew&hning einer Hülfskraft für die buch-
hAlteriscIieu Verrichtungen, wie schon hervorgehoben wurde, den
Zweck, dem Reutmeister, diesem Hauptvurwall«r des staatlichen
Vermögens, ein Kontrolleorgan zur Seite zu stellen. So wird
denn auch ausdrücklich «las Prinzip aufgestellt, daß der Rcnt-
meister ohne Zuziehung des Rentschreibers kejne Amtshand-
1) BittorUg de« Laoddmt • lugolstldtar IjmänUAU n Undihot 1497
(Kranner XUI. & m
3) KrftDnar Xni.S.4t
8) Ibid.
— 291 —
luDg, insbesondere keine solche auf dem Gebiet der Strafrecbts-
#
pflege vornehmen dürfe*).
AUmählich rückte der Rentmeister in den Mittelpunkt der
gesamten Verwaltung. Die Finanzen, der Hauptnerv des Staats-
wesens, verliehen ihm eine Bedeutung, welche die Grenzen der
ihm ursprünghch übertragenen Funktionen weit überstieg. Da
jeder Zweig staatlicher Verwaltung in einer Verbindung mit
dem Finanzwesen steht, so gab dies den Anlaß zu jener her-
vorragenden Stellung des Rentmeisters im bairischen Verwaltungs-
organismus, die er vom Ende des 15. bis zum Beginne des 19.
Jahrhunderts sich erhalten hat. Das wachsende Ansehen dieses
Amtes tritt schon darin zu Tage, daß jetzt die Provinzen nicht
mehr wie früher Vitztumämter, sondern Rentmeisterämter *) und
zuletzt Rentämter genannt werden.
Der Rentmeister war zu einem Kontrolleorgan aller Ge-
biete der Rechtspflege und Verw^altung geworden. Jährliche
Visitationsreisen, die sog. rentmeisterlichen umritte waren das
Mittel, durch welches er die Kontrolle über die gesamte Staats-
verwaltung und die Aufsicht über alle Staats- und Kommunal-
beamten ausübte. Den Ausgangspunkt für diese Umritte bildete
die Rechnungsrevision*), welche der Rentmeister alljährlich mit
den Beamten der Provinz unter Zuziehung einiger hierzu er-
nannter Bürger vorzunehmen hatte*). Es erscheint hier zum
ersten Male (1470) das Element der Selbstverwaltung auf dem
Gebiete des Finanzwesens, eine Erscheinung, die einige Dezennien
später in der Finanzkontrolle Österreichs wieder begegnet *).
1) So z.B. Hofkammer-Ordnong 1572 (Er. A. M.): Es solle auch unsem
rcntmaistcm bovolchen und auferlegt werden, dieweU si rentschreiber haben,
welche inen alle sachen aufzeschreiben und zu verrichten in unserm namen
aus beweglichen Ursachen zuegeomdt werden, das si one dieselben in ambts-
sachen, es scie mit strafen oder in ander weg nichts sonderbars handien.
2) Vgl S. 278.
3) Kechnungsrevisionen der Rentmeister kommen schon frühe vor, z. B.
1457 (Krenner U, S. 171).
4) Nach der Instruktion Herzog Ludwigs für die Kechnungsaufnahme
(1470) werden dem Rentmeister 3 Wasserburger Bürger beigegeben (Kren n e r
VII, S. 245); „Beisitzer zu der Amtleute Rechnung verordnet^ heifit es in
der Instruktion 1512 (Krenner XVIU, 8. 316).
5) In der Schatzkammer-Ordnung Maximilians L 1498 und dann in der
FiDanzverwaltuDg unter Ferdinand L Vgl. Adler S. 520; Rosenthal,
Bchördenorganisation S. 151.
19*
Die älteste uns erhaltene lustruktiou für Rechi)uni;s])rQfuiig
ist die von H. Ludwig von Laiidslmt-Iugolstadl 1470') für das
Reutnieisturamt Wasserburg erteilte. Diese KechDungsrcvisiooen
bezweckten am letzten Ende eine Erhöhung der Einnahmen. Es
sollte durch diese Kontrolle der Finanzgebahruug seiteng der
Rentmeister die böchstuiöglicbe Anspannung aller Finauzkrilftc
des Landes gewährleistet und alle bei dun Fiuauzhcauiteu vor-
koiuniendeu Gebrechen beseitigt werden. Als deshalb Wilhelm TV.
bei Übernahme der Kegierung (1511) durch Vormünder und
Regenten über den Stand des Staatshaushalts*) unterrichtet
ward, veranlaßte ihn das große Defizit zur Anordnung der so-
fortigen Ausarbeitung einer Reutmeisterinstniküon*), deren Erlafi
eine seiner ersten Regierungshandlungen bildcteilölS, 16, Fcbr.>*).
Nach der angeführten Instruktion von 1470 waren alle
Beamten des Be^rks, welche irgendwelche landesherrliche Ein-
künfte zu vereinnahmen hatten (ftieger, Richter, Kästner, Mautner,
Zöllner, GegonKChreiber), veriiflichtet, persünhch vor dem Rent-
meister und der Kommission zur Rechnun^legung zu erscheinen.
I-^ galt also schon im 15. Jahrhundert jener Grundsatz des
heutigen Finanzverwaitungsrechts*). daß jede Behörde, welche
Staatsvermögen verwalte, schuldig sei. Ober ihre Gescb&rufQbrung
Rechnung zu legen.
1) B. B. 0. Fwt glcicblaut^n«! Ut di« Inttniktioa fOi die Rechoongv
anbukhrae der Amtleut«, welche H. Qeotg 1482 ftkr Mlft^lbeek Rentnwiit«!;
Ü. A. Kcntacbrciber im Oborkad, St R. EMtoer, P. H. GorichtMcbrdb«r ud
K. Bürgtet tu Neoburg «rUwea hktto (Kopia im Kr. A. IL, I>uidii*-Adiniiil«ti:<
SMbea Fmo In.]). Bbeiuo d*«kt lich der Inhklt der tob B. Qeorx llflG
für di« Bechnangwuifiuüune iin Obfrlande arUHnno lutrakljoD (Kreanar
Xn. 6. 63 IL) DBbao roUitindig mit dem d«r IiwtrnktioQ von 1670.
2) Srenaer XVni. & 30» S WUhelm IV.. «!&{« >tif Hobans der
Ffauuuen b«d»elit, lieft lich Ober die SteaorTerhftltniMe in Bodvm Undem
(PfkU, WOrtteniberK, WUicbland und NOniberg) infonninrva. Dw BtrielU-
ontBUcr, Dr. DLeliläi BejiBcber (Wonne. 1E13) empfiehlt pole Tonicht
bd der Terluiidliuic mit der lAndieheft Aber rine nene Steoer snd eehUelt
•eiaeo Bericht mit folgenden clunktnittiecben Worten ; «K. TÜMtitu pflog
m ngm, roBB m11 die Scbiflein, d. L die üntertluuien, tu gebOhreiider Zeit
mimtm, aber nicht Uatm" (Erenner XVTII. S. 47C C).
S) lU Bnchner VEI, ä &
4) Krenner XVUi. 8.316 0.
5) POil, Lehrbneh dee bBTibclioii VerwBltuagirechU. HOodieo I87D.
- 293 —
Die Grundlage für die Prüfung der Amtsrechnungen bildeten
die Bestandzettel, welche jedem Beamten bei seinem Amts-
antritte übergeben wurden. In diesen waren nämlich alle
dem Amtsinbaber zustehenden Geld- und Naturalbezüge, Ge-
halt, Sportein, Dienste u. s. w. verzeichnet. Der nach Ab-
zug dieser Beträge verbleibende Rest der Einnahmen des
Amtes war dem Rentmeister auszuzahlen. Erst nach dieser
Abrechnung und Zahlung ^) durfte der Rentmeister Quittung
oder Rechenbrief ausstellen. Kein Ausgabeposten, kein Bau *),
keine Zehrung sollte in der Rechnung anerkannt werden, wenn
er nicht durch den Bestandzettel oder durch besondem herzog-
lichen Befehl seine Rechtfertigung fände^). Eine solche Rechnungs-
revision hatte überhaupt eine, wenn auch nur rohe, Buchführung
zur Voraussetzung*).
Eine wesentliche Änderung in dieser Funktion der Rechnungs-
prüfung der Beamten trat für den Rentmeister auch mit der
Gründung der Hofkammer 1550 nicht ein, höchstens für das
Rentamt München. Für die demselben angehörigen Beamten
übernahm nun die Hofkammer die Rechnungsprüfung, während
sie in den 3 übrigen Rentämtern nach wie vor durch die Rent-
meister bethätigt wurde. Wenn nun auch die Hofkammerordnung
1558 bestimmte^), daß dem Rentmeister für das Rechnungs-
1) Item wollet keinen nnsem Pfleger noch Amtmann, wer die sejen
niemand aasgenommen aus der Rechnnng lassen, Bechenbriefe noch Quittung
geben, er thue dann ganze Yollkomnme Bechnung und Zahlung von seinem
Amt (Krenner VII, S. 246; auch XVIII, S. 836).
2) 1512 wurde darauf hingewiesen, daß Pfleger oft unnötige (Lust-) Ge-
bäude errichteten. Dem sollte entgegengewirkt werden. Dagegen waren
notwendige Reparaturen, die aber wenigstens die Genehmigung des Bent-
mcisters haben mußten, als zulässig anerkannt (K r e n n e r XVIII, S. 337).
3) Krenner VH, S. 246 f.: er habe dann unser besonderes Geschafft
darum, unter unserm Sekret, das er euch in Bechnung fdrbringe.
4) Daß ein jeder aUer seiner Handlungen, es seyen Händel, Beichniß
und Wandel oder anders in der Bechnung zwey Bflcher übergebe, wie und
warum das gehandelt sey (Krenner VII, S. 251).
5) — auch in den andern unsem dreien rentambten allwegen ainer aus
inen unsem chamer rätn neben dem rentmaister, vitzdomb oder haubtman
und etlicher anderer beisitzer, die ¥mr jeder zeit in benennen vorbehalten,
von den ambten gleicher weis rechnung aufhemen. — Hofkammer -Ordnung
1565: Dann der ambtsrechnungen in unsem andern rentambten gedenken
wir hinfuran unsem rentmeistem jedes orts zu bevelhen und inen järlich
— 294 —
revisionswerk eiu Rat der Hofkammer beigegcWn wcrdeu soUie
UDi), daß dussclbe in Gegeuwart des Vilztums vder Haupt-
manos uud anderer etwa dazu verordiietur Beisitzer zu er-
folgen habe, so kann man auch hierin keine hemmende Ver-
vielf&Uigimg des KontroUeapparates erblicken. Denn in ^Virk-
Ijchkcit ward eine mchrgliedrige Revisionskommission vom Herzog
zu allen Zeiten bestellt. Neu ist nur die regelmäßige Zuordnung
eiucB Hofkanimerrats , die außerordentlich zweckentsiirechend
war, indem durch diese unmittelbare Berührung desselben mit
den äußern Finanzbeaint«n der Centralfinanzstelle (ielegcnheit
geboten war, die Verbältnisse der äußern Ämter noch unmittel-
barer und eindringlicher kennen zu lernen, als dies aus den
Berichten des Rentmeisters hätte geschehen können. Der zur
Rechnungsabnabme abgeordnete Kammerrat konnte dann über
seine unmitlell>aren Eindrücke über die Verhältnisse der ein-
zelnen Xmter dem Kollegium die wünschenswerten Aufklärungen
geben, was für die Beurteilung rielur Fragen der laufenden
Verwaltungsgeschäfte von nicht imerheblichem Nutzen war.
Die rechnunglegcndcn Beamten hatten persönlich vor der
Rechnungsrevisionskommission zu erscheinen. Diese befragte
die Erschienenen über alle für die Kenntnis des /ustandes dea
Amts in Betracht kommenden Momente, um Unregelmäßigkeiten
in Erfahrung zu bringen und das Geeignete für die Abstellung
von Ordnungswidrigkeiten anzuordnen ').
Bei der Rechnungsabnahine wurde vom Itentschrcibor ein
Protokoll geführt, in welchem alle in deu Rechnungen befun-
von ble au nnd ani noHim regiaisDt dM«lbit etliche rät« imeordnoD, u
l mldw dun die beTdcfa «Im aleen ■oUan, dunit li gleichfalli ilea ucbna
[ iUUg uchgMO ood niu wu n wmdM oad la beMarn not iit, under-
ttwilgllch b«riebt«ii, wie nuui inra dun di>«h«Jb«n tuch ein initrnctiDU »ob
künftig inetehiclion und mittler leit darauf gedacht «ein kIIi) und iweifela
oDo biovor breuchi; gewoieD i«L Abnlicb aocb Uonnmmer-O. IGT2.
1) loitraktion (Qr Rochnnttte 1661 {Kr A. M.): die reehniiAgen tonoa
ueli la beilein der pBef^er, riefater, maotner, lolIneT, geiicIitMhreiber und
~ r ambtlent wie ee die gele^enbait jedei orta gibt nad die aoVmtt n-
l TOrderV ufgmoDunea. anob inen in gmaln nnd beaouder wie ea Ton nOtan
mgeaprochen werden, aof daa man, to ei mit rocht ineging, dea betrag a^
&m nnd darauf die bUligkait und nntlarft baodln mdcht, la dem werdet h
eneb aeadsn iwelfta all die oDderthi-nStren nnd KOtream dieaer, denen m
verinnt und betolben, wol raebalten wiwen.
— 295 —
denen Mängel, die in der Amtsverwaltung konstatierten Ge-
brechen, die von den einzelnen Beamten gegen diese Anstände
vorgebrachten Erinnerungen, sowie der hierauf ergangene Be-
scheid der Rechnungsrevisionskommission verzeichnet wurden * ).
Nur über minder wichtige Bedenken entschied die Kommission
in kollegialer Beratung, während sie namhafte Fragen der Ent-
scheidung der Hofkammer überließ. Das Protokoll wurde nach
Beendigung der Abhör einer Amtsrechnung verlesen.
Der Rentmeister war der höchste Kassenbeamte der Pro-
vinz ^) und fungierte zugleich als Mitglied der Provinzialbehörde
der Regierung 3). Alle Geldüberschüsse, welche sich aus den
Amtsrechnungen ergaben, wurden von den Beamten quartaliter
an ihn abgeliefert; in seinen Händen konzentrierten sich also die
Überschüsse aus den landesherrlichen Einkünften des Rentamts
und wurden von ihm an die Hofkammer eingeschickt, während
im Rentamt München die Erträge direkt an die Hofkammer
resp. an das bei dieser errichtete Zahlamt abgeführt wurden.
Die Hofkammerordnungen (1565 und 1572) drangen darauf^
daß das quartaliter geschehe, und wiesen, um die Kon-
trahierung neuer Schulden zu vermeiden, alle Mautner, Un-
gelter und Kastner an, die von ihnen zu percipierenden Gefälle
1) Instraktion fOr Kechenräte 1577 und die der folgenden Jahre (Er. A. M.) •—
Erstlich soUen si die rechenret aller und jeder unserer amhtsdiener raitungen
vleißig ahhOm, legen und ezaminim, danehen auch ein ordenlich protocol
halten, was dann für mangl oder heschwerden in raitungen findig oder sonsten
eines jeden Verwaltungen verhanden seien, desgleichen was die amhtsdiener
hcrgegen schriftlich oder mflndlich ftlr- und anzehringen hahen, was inen
auch darauf für bschaid von den rechenreten erfolgt, das alles soll durch den
rentschrciber Ordenlich in hemelt protocol gebracht und nach ainer jeden
beschlossenen ambtsraitung wider verlesen werden, was dann fär gmaine
Sachen fürkommen, die sollen si unsere rechenret mit einander beratschlagen,
auch dieselben verabschieden und entledigen, doch nichts weniger dasselb
alles in das protocol unsers Wissens und konftiger nachrichtung halber ein-
komen lassen.
2) Daß der Rentmeister mit dem Landschreiber mit der Verteilung (An-
lage) and Percipierung der Steuern betraut ward, wie dies im Oberlande
1450 der Fall war, gehört zu den Ausnahmen (R renn er III, S. 330 S.),
3) Er soll unsom Rat neben andern unsem Räten fleißig besuchen, wenn
er zu L ist, heißt es in der Instruktion 1574. Er soll seine Amtssachen
Nachmittag verrichten, um Vormittag den Rat besuchen zu können, besagt
eine Bestallung von 1555.
— 296 —
stets förderlichst von den Pflichtigen einzuziehen, keinen Aas-
stand zu gewähren, aber auch die Einkünfte nicht zu eignem
Nutzen zu verwenden. Alle Reste an Geld oder Getreide mußte
der Rentmeister von den sie schuldenden Beamten ohne Ver-
ziehen eintreiben.
Wir sehen in diesen Kassenfunktionen der Rentmeister eine
systematische Gliederung des Kassenwesens in einer dem mo-
dernen System sehr nahekommenden Gestalt. Ohne Rücksicht
auf den geschichtlichen Ursprung und die Wesensverschieden-
heit sammeln sich alle rechnungsmäßigen Überschüsse der
äußern Ämter ^) des Rentamts beim Rentmeister, welche durch
ihn dann wieder an das Hofzahlamt abgeführt werden. Wirkungs-
kreis und Stellung*) der Rentmeister entspricht der unsrer
heutigen Kreiskassen, die ja auch die Dotation der Staatskasse
vermitteln, nachdem sie die Kassenüberschüsse der äußern Ämter
gesammelt haben').
Die Rentmeister hatten über ihre Kassengeschäfte, die sich
auf Yereinnahmungen beschränkten, alljährlich Rechnung zu
stellen, ursprünglich dem Herzoge*) und der von ihm mit der
Rechnungsprüfung betrauten Kommission von Hofbeamten und
Räten, später der Hofkammer. Diese hatte zuerst alljährlich
die Prüfung der Rechnungen der Hofämter und aller äußern
Amter des Rentamts München direkt, ohne Vermittlung des
Rentmeisters, in Angriff zu nehmen imd bestimmte sodann den
3 Rentmeistem Termin für die Revision ihrer Gesamtabrech-
nung, mit welchem die zum persönlichen Erscheinen und gleich-
zeitiger Einlieferüng der Überschüsse verpflichteten Rentmeister
auf Erfordern der Hofkammer eine Berichterstattung über ihre
Geschäftsführung verbinden mußten *). Waren bei dieser Ge-
legenheit geheime Mitteilungen zu machen, welche die Rent-
1) Vgl i. Wagner, Finanzwissonschaft I, S. 272.
2) Hier, wie dort zeigt sich eine Verbindung der Kasse mit der Regienuig.
Während der Rentmeister als Mitglied der Regierung füngierte, ist die Ereiskasse
heute der Kreisregierung (Kammer der Finanzen) unmittelbar untergeordnet
3) P 0 z I , Verwaltungsrecht S. 65.
4) Die Rentmeister - Instruktion 1470 und 1512 spornt den Rentmeister
zur schleunigem Fertigstellung seiner Jahresrechnung an, damit er, wenn er
nach Ostern vom Herzoge zur Rechnungsabnahme berufen wflrde, hierzu be-
reit sei (Krenner VII, S. 256; XVIII, S. 344).
5) Hofkammer-0. 1558» 1572.
— 297 —
meister dem Kammerkollegium vorzutragen Anstand nahmen,
so konnten sie diese in einer Audienz oder durch Spezialbericht
zur Kenntnis des Herzogs bringen.
Für die Ausbildung des Rentmeisteramts gab auch die
L. Fr. Maß und Richtung.
Während bisher eine Visitation der Ämter durch den Rent-
meister gelegentlich der jährlichen Revision der Amtsrechnungen
erfolgte, wurde nun die allgemeine Amtskontrolle in den Mittel-
punkt der Funktionen des Rentmeisters gerückt.
Bei den Beratungen über die L.Fr. 1514*) beantragten
die Stände Abschaffung des rentmeisterlichen Umritts. Daß
eine solche scharfe Beaufsichtigung namentlich den Hofmarks-
herren ungelegen gewesen sein wird, kann man begreifen. Der
Herzog gab aber diesem Verlangen nicht nach*), sondern ließ
durch seine Räte die Ansicht vertreten, daß das Umreiten, wenn
es nur so, wie unter Albrecht IV. betrieben, fortgesetzt würde,
„keine Beschwarung, sondern mehr Nutzen auf ihme tragen"
könne, und so enthält die L.Fr. 1516 zuerst^) Vorschriften*)
über diese allgemeine Verwaltungskontrolle seitens des Rent-
meisters ^). Der rentmeisterliche Umritt wurde nun eine ver-
1) Landtag 1514 S. 123.
2) Die herzoglichcD Bäte betonten (Landtag 1515 S. 195 f.) : „In diesem
Kapitel ist ein neuer Artikel gesetzt» da6 der Rentmeister Umreiten gar ab-
nimmt, darinn doch ein Landschaft dem Ftlrsten kein Ma& hat zu setzen,
sonder des Fürsten Nothdurft erfordert, da& Er seinen Fiscal, das ist seinen
Kentmoistcr, in die Amt laß reiten, die die Malefiz erfahren und Vitzdom-
händel abtädingen und sich daneben erfahren, wie sich die Pfleger, Richter,
Amtleat, Schergen und Büttel halten, ob sie die Leut nicht beschweren oder
wider die Landsordnung, Landboth und Lands&ejheit handeln. Item zu be-
sehen, daß den Fürsten ihr Obrigkeit nicht werd entzogen, und ob mit Un-
ficiß, nachlässiglich, oder cigennutziglich in den Amten werd gehandelt Item
die Schloß- und Kastenhäuser, auch das liegend Treid, und die ürbarsgflter
zu besichten."
3) Die von 1508 und 1514 hatten noch keinen entsprechenden Artikel.
4) I a. 2 (v. Lerchenfeld S. 217) bestimmte, daß nur taugliche In-
länder zum Rentmeister ernannt werden sollen.
5) L. Fr. I a. 3: Wo unser renntmaister und landschrciber füran umb-
reiten, sollen sy das mit unserm yorwissen thuen, sich frembder henndl und
Sachen on unser und unser hofrftthe, auch unser ?itzdomb und rftthe haissen
und jnen zue sonnderm nutz nit beladen, sonnder allain zue unser notdurfft
sehen, wie es in yedem ambt umb unser pfleg, gericht» zol meut, casstn und
ifiige organische Eiurichtung. Dic!sc ]>uriudiscb wieder-
kclirenden Aüitsvisitationen , eine Eigcntündiclikeit der bairi-
scbuu Verwiiltung, ermöglichten eine stete Aufsicht Qbcr den
gesamten Zustand des I.andes ■ ), Ober die Administration und
die Handhabung der Rechtspflege und namentlich über die
Qualifikation, Amtsführung uud Charakter der Beamten. Kein
Zweig der Regierungsthätigkeit blieb dem prüfenden Auge dieses
Gcaeralkontrolleurs») entrückt, wie dies aus den umfangreichen
Instruktionen fUr den rentmeislerlichen Umritt seit dem Ende
des 15. Jahrhunderts erhellt.
Nur in allgemeinen Umrissen entwirft die L. Fr. (1 a. 3)')
ein Bild von der neitumfassenden Revisionethätigkeit, welche
der Rentmeister bei seinem Umritte in allen Städten und Ge-
richten, \>ei den verschiedensten Ämtern der Provinz zu ent-
falten halte unter besonderer Rücksichtnahme auf den Stand
der landcsfUrstlichen Einnahmequellen, die Beobachtung*) der
TonUmbt, ADch echlob, itet, mArckht ond uioder muer hen*er, anch tmier
getnüd, nibar und &Ue aoDdere ligcnde nod tucuU guoter, rennt, gtUlt, Oll,
. ■mbtnatiung, Mbarworeb, geriebt und obrigkut ge*tallt hab, auch «Ee üeh
P^lfn jeder unbtmui meren und minden «tanodi in Minem ambt hillt, ob
r obrigkait, berrligkait and getechtigkait, die er in Mtinar
■mbtsTcmraltang hab mit vlei« »ehe, di«e eidtning and onudra ontBr land-
pot und landsordnuDg ballt, dto amca leot nit beichvlre, und EDfo ambt
gMchickhl ic;, odor nacbUisigklich oder aigenoQtilicb banndl oder nit, d*-
mit wir and »j oni in den ambtroduiaDgcn nnd allen aundoni nnanti
DotdnrffteD ollenthalb darnach verrer wiuen te ricbttui.
]) Ein« ihnlicbe l^ricbtang bildete tieh in Franlnoich Mit Ana
m. Jabrbandort ant. Die maitree dei reqnSt«, die Beamten det Staatarati^
welchen die Bericbterrtattang Qbec die in den fiitiungen in beratenden
BMboo mfld, batten bier die einiolnen ProTinion, spSt«r nur die tu Zwecken
dm Flnaurerwaitiuig abgegteniten g^ndralit^ to bercispD und aber die Zu-
■tlnde in dleeen lu berichtcD (E. Loning, Die franiOiiKbe Verwoltanga-
gerichtiborkcit, in HartmaDD'i Zoltacbr. V. S. S4S).
ii nWai die tiritatom in ■])iritualibiii et «cdcaiaaticii sind, daa nnd
unsere Ren tmeiiter in teinponüibu*", tagt Ktcittmajr, OrandriA de« bafr.
Stutmcbti 8. 313.
3) 7gL & 297 AniD. &.
4) .Und damit man nach babetem argwöhn nach grUndlicb auf den
podan kern«, wie bei alnem und andeni grichl gebaurt und b wm OUn
etwo die ODdertbooea durch dln Ibnbtler wider die gebui betrangt werdn.
were ich gedacht bei allen grichlcn an« jeder obmaiutehalt aloin obman
«unM alnen) leinein racfatpem (Br mich n etfordera und die ad parMn na-
— 299 —
Gesetze und das Verhalten der Beamten. Die Beschützung der
armen Unterthanen gegen ÜbergriflFe pflichtwidriger Beamten
bildete eine Hauptaufgabe rentmeisterlicher Kontrollethätigkeit.
Diese bewegte sich in doppeltem Geleise fort. Einmal wurde
sie bei der Rechnungsabnahme am Amtssitze des Rentmeisters
vorgenommen, welchem ja hierbei überhaupt die Hauptthätigkeit
zufiel. Noch eingehender auf die Details der Administration ge-
richtet war jene Form der Verwaltungskontrolle, welche an Ort
und Stelle, am Amtssitze der einzelnen Beamten, in den Städten
und Märkten selbst vom Rentmeister bethätigt wurde, also beim
sog. rentmeisterlichen Umritte. Die allgemeinen Direktiven,
welche die Instruktionen aufstellen, weichen für beide Formen
der Kontrolle nicht wesentlich von einander ab *).
Wenn nun die ausführliche Rentmeisterinstruktion von 1512
auch für eine Rechnungsaufhahme erlassen wurde, so bilden
doch allgemeine Grundsätze für die Ämtervisitation den Kern-
punkt derselben. Erst aus dem Jahre 1574*) ist uns wieder eine
Rentmeisterinstruktion erhalten, die, in Hauptgrundzügen mit
der von 1512 übereinstimmend, doch auch wesentliche Modifi-
kationen enthält^). Der Anfang der Instruktion von 1512*)
yermorkt der grichtspersonen fleißig auf alle notwendige pnncten zu befragen
zweifele one wo das wenigist unrecht in grichten färgangen, es sol durch an-
godeutcn weeg in kundschaft gebracht . . werden**, so schlägt ein Rentmeister
1581 dem Herzoge vor, welcher den Modus der Visitation in das Ermessen
des Rentmeisters stellte (Kr. AM. — Rentamt Landshut, Fase 99).
1) In der Hofkammer-0. 1565 wird deshalb, nachdem zuerst die Punkte
aufgezählt werden, auf welche bei den umritten die Aufinerksamkeit hin-
gelenkt werden soll (soll unsem rentmeistem bevolhen werden, das si in
irem umbreiten vlei&ige inquisition halten . . .), fortgefahren : solche Inquisition
und nachforsch solle auch in den ambtsrechnnngen beschehen, wie wir achten,
solches hicvor auch also gebreuchig gewesen sei und wer guet, das auf der
chamor deshalben sondere fragstuk gemacht, damit sich die rentmeister in
amtsrechnongen darnach zerichten betten.
2) Für den Rentmeister zu Landshut H. Ainkhüm (Er. A. L. — Civilakten
Faso. 419, XVII); gleichlautend ist die Instruktion für den Rentmeister zu
Straubing L. Nußler (Kr. A. M. — Regierung Straubing, 1. Fase).
3) In gleicher Weise fu6t die Instruktion von 1512 auf dem Inhalte
ihrer Vorgängerin, der erwähnten Instruktion von 1470, mit der sie in ihrer
Hauptanlage übereinstimmt
4) Wo nichts anderes bemerkt ist, stQtzt sich die Darstellung im Texte
auf den Inhalt der Instruktion von 1512.
— 300 —
zeigt den finanziellen Ausgangspunkt derselben. Des Herzogs
merkliche Notdurft erheische es, so wird hier betont, Gebrechen
und Mängel, so in der Amtleute Rechnungen in den Rentmeister-
ämtem erscheinen, fleißig zu erforschen und Abstellung der Miß-
stände zu erzielen. Zu diesem Zwecke sei die Instruktion den
Rentmeistem erteilt als eine Richtschnur ihres Handelns.
Bei der schon hervorgehobenen Bedeutung der Bestand-
zettel der Beamten als der wichtigsten urkundlichen Belege der
Rechnungsrevision begreift sich die Anordnung einer Abfassung
derselben für solche Beamte, welche dieselben bislang noch ent-
behrten. Auf Grund der gelegentlich der Umritte gepflogenen
Erkundigungen über Größe und Art der Amtsnutzungen, und auf
Grund der von den Beamten bei ihrer Amtspflicht gemachten
Angaben sollten erforderlichen Falls solche Bestandzettel auf-
gerichtet werden. Auch eine Evidenthaltung der vorhandenen
Bestandzettel sollte durchgeführt werden, da ein großer Teil
der Amtleute nicht verzeichnete Nutzungen glaubhaften Be-
richten nach einnähmen. Mit ernstem Nachdruck sollte also
durch diese rentmeisterliche Kontrolle auf Ordnung im Finanz-
gebahren hingewirkt werden.
Große Sorgsamkeit sollte bei den Umritten auf eine ge-
regelte Buchfiihrung der Finanzbeamten gerichtet werden, denn
in dieser erblickte man mit Recht das Fundament einer ge-
ordneten Staatswirtschaft. Wo sich Unregelmäßigkeiten zeigten,
war eine gute Ordnung zu machen.
Eindringlich Aufmerksamkeit hatte der kontrollierende Rent-
meister der Amtsführung der Finanzbeamten zuzuwenden. Diese
— Kastner, Mautner, Zollner, Ungelter — hatten die von ihnen
vereinnahmten Renten, Gülten und Zölle quartaliter an den Rent-
meister abzuliefern, welcher keine Verzögerung in dieser Ein-
lieferung gestatten durfte.
Den Kästnern war unter wiederholter Einschärfung alter
Verordnungen die Pflicht der Rechnungsstellung in 3 — 4jähriger
Periode auferlegt, wobei eine genaue Beschreibung der Natural-
und Geldgülten der Urbarsieute mit Angabe der Fälligkdts-
termine, sowie imter Aufzählung aller übrigen vereinnahmten
Gefälle und Renten verlangt wurde. Einmal jährlich hatte der
Rentmeister die Kasten zu revidieren und falls er bei oberfläch-
licher Durchsicht über die Übereinstimmung des „Ist^-Standes
— 301 —
mit dem „Soll"-Staiide Zweifel hegte, ordnete er einen Umschlag
des Getreides an, um sich über Dasein und Höhe eines Fehl-
betrags zu vergewissem ^).
Anlangend die Einkünfte aus Zoll und Ungeld, so sollten
diese in einem ordentlichen Register verzeichnet werden, um
da, wo hierin bislang keine Ordnung gewesen war, solche zu
schaffen. Auch die herkömmliche Wiedererstattung oder Nach-
lässe von Zoll und Ungeld waren in Rechnung zu setzen und
dann erst vom Ertrag abzuziehen, damit vollständige Klarheit
über die Nachlässe gegeben und Begünstigungen Einzelner vor
Andern vorgebeugt würde *). Auf die Instandhaltung der Brücken,
Wege und Stege durch die Zollbeamten sollte bei der Revision
geachtet und die hierfür verrechneten Beträge anerkannt
werden ^).
In den für einen Kammerrat und mehrere Beisitzer er-
lassenen Instruktionen 1577 *) wird auch eine Durchsicht der
Urbar-, Zoll- und Mautbücher ^) angeordnet. Erwiesen sich
dieselben als veraltet oder als nicht in ordentlichem Zustande
befindlich, so hatten die Kastner, Zollner und Mautner nebst
ihren Gegenschreibem dieselben neu zu konzipieren. Diese
Entwürfe waren mit den alten Registern und Ordnungen und
einem Berichte an den Rentmeister einzusenden, welcher sie
sorgfältig prüfen und mit seinem Gutachten versehen an die
Hofkammer einschicken mußte ®). — Die Instruktion 1581 spornte
1) Krenner XVIII, S. 329.
2) Krenner XY III, S. 332. Bei den Kasten- , Mant- nnd Zollämtern
sollten richtige Salbücher gemacht nnd erneuert werdea
3) Die hierin nachlässigen Zollbeamten konnten event zn Reparaturen
auf eigne Kosten angehalten und dazu noch gestraft werden.
4) Kr. A, M. (Hofkammerordnungen etc. 1551—1821) Instructionen filr
die Aufnehmung der Raitungen 1577—1592.
5) Eine Instruktion von 1592 befahl den Mautnern und Zöllnern, Vor-
schläge über Hebung der Zolleinnahmen, besonders Aber ZoUtarifierung der
bisher zollfreien Waren an den Rentmeister zu erstatten, der dieselben mit
seinem Gutachten an die Hofkammer einzusenden hatte.
6) Eine Instruktion von 1582 wies darauf hin, dafi noch einige unver-
fertigte Salbücher und Scharwerksregister ausständig seien, und mahnte den
Kentmeister, dieselben unverzüglich mit den jetzigen Amtsrechnungen an die
Hofkammer abzuliefern. — Die erneuten Salbücher wurden den ürbarsunter-
thanen um mehrerer Gewißheit und Sicherheit willen vorgelesea
zur vollsläniligcn Durchführung der augeordneten Erneuerung
der OrliarbUdier an und betonte den an den Uentmeieter er-
gangenen Befeh] , etwaige Irrtümer und Onlnungswidrigkeiton
in denselben zu bereinigen, dem dieser, soneit dies noch nicht
geschehen, endlich entsprechen sollte').
Einen betr&clitlichen Bestandteil des Knnimerguts büdoten
die Forinten. Die Verwaltung derselben vax daher von nicht
geringer änauzicllcr Trag^^eite und deshalb der eindringlichen
Aufsicht des Rciitmeisters empfohlen. Bei seinen Umritten
sollte er daher auf die Bcobaditung der in seiner Instruktion
aufgeführten, vom Geiste einer bewundernswert rationellen Forst-
politik*) getragenen, die Erhaltung des Waldbestandes be-
zweckenden VorBchriften') seitens des Furstpersonaln sein
Augenmerk richten, zur Befolgung derselben ermalinun und die
Zuwiderhandelnden zur Anzeige bringen. Sache des Ront-
tneislers war es auch bis zur Errichtung der Hofkaiumcr, seine
ZustimmiiDg zu Holzverkäufen zu erteilen, wie auch an ihn alle
aus den Forsten ertlossenen Einkünfte (Strafgelder, Forstzinson
n. dgl.) durch die Forstbeuinten abgeliefert wenlen mußten,
weli'bo über ihre EinusbmeD und Ausgaheu al|}ahrlich dem
Rentmeifiter Rechnung stellten*). Die Kintrftge iti den Forst-
bflcbcm dienten dieser zur Basis *). Man war nämlich durch-
weg bestrebt, für die Abrechnungen feste urkundliche Grund-
Ingen zu beschaffen. Darum sollten überhaupt bei jedem
Amtsweclisel alle zum Amte gehörigen Gegenstäude laut einem
Invenlarium dem Amtsnachfolger übergeben, eine Abschrift des-
selben aber vom Itentnieister behalten werden '').
Von htirvomigender Wichtigkeit war die Stellung des Rent-
mciäters auf dem Gebiete der Rechtspflege. Namentlich die
Strafgerichtsbarkeit bot dem.selben ein weites Feld eingreifender
ThAtigkeit, indem ein Zusammenhang der Finanzvcrwaltung mit
diesem Zweige der Jurisdiktion hergestellt war durch jenes
Institut des deutschen Strafrechls im Mittelalter, welches dem
1) Siebe Anni. 5 nf S. 801.
8) Tgl S 19.
8) VeLKrennet Vas.S49L; XTin.&S94£
4)KTenneTXnn.&a85.
— 303 —
Schuldigen eine Ledigung der Leibesstrafe mit Geld ermög-
lichte *)i wenn der Richter mit Zustimmung des Klägers Gnade
erteilte. Denn „das deutsche Begnadigungsrecht ist", wie R.
Löning*) ausführt, „seinem Ursprünge naq^ nichts anderes
als das Recht des zur Strafe oder zur Rache Berechtigten, über
seine Straf- oder Rachebefiignis zu disponieren, darauf zu ver-
zichten oder sie durch Vertrag gegen eine andere Leistung ab-
zulösen und hierdurch dann den durch das Verbrechen gestörten
oder aufgehobenen Friedenszustand mit dem Verbrecher wieder
herzustellen". Mit der schärferen Betonung der öflFentlichen
Natur der Strafe fiel das Erfordernis der Einwilligung des
Klägers zur Ledigung der Strafe hinweg, sie wurde nur durch
den Richter ausgesprochen und stellte sich dar als Milderung
der peinlichen Strafe ^). Diese Auffassung des Rechts der Be-
gnadigung als eines mit dem Blutbann verknüpften*) Attributs
der Gerichtsbarkeit verschwand mit der Erstarkung der Landes-
hoheit. Zu den dem Landesfürsten vorbehaltenen Hoheits-
rechten gehörte nun auch das Begnadigungsrecht^).
Im bairischen Rechte wurde, wie erwähnt, eine Gruppe von
Delikten als Vitztumhändel zusammengefaßt^). Man verstand hier-
unter diejenigen todeswürdigen Verbrechen, bei welchen eine Le-
digung der angedrohten Todesstrafe erfolgte. Diese Strafumwand-
lung wurde ursprünglich durch den Vitztum ') vorgenommen —
daher die Bezeichnung Vitztumhändel®) — seit dem Ende des
15. Jahrhunderts durch den Rentmeister ^) , welcher die Höhe
1) Ssp. I, 38 § 1; I, 65 § 2. Schwsp. (Gengier) c. 268 § 9.
2) in y. L i 8 z t and v. Lilienthal, Zeitschr. t d. ge& Strafrechtswissen-
schaft (1885) V, S. 228.
3) Hälschner, Qesch. des hrandenhorgisch - preußischen Strafrechts.
Bonn 1855. S. 51.
4) Wahlberg, Zar Geschichte des Begnadigungsrechts in Österreich
(Ges. kleine Schriften. Wien 1877. U, S. 123).
5) R. Löning a.a.O. S. 232.
6) Vgl. S. 282 — Vitztam- und malefitzhandel sind identische Begriffe
(L.Fr. I,16Z. 16; II, 2,3,14).
7) Vgl. Krenner VU, S. 479.
8) Die für die Vitztumhändel bestinunten Strafen wurden Vitztumwftndel
genannt
9) Die L.O. 1474 hält noch prinzipiell an dem älteren Zustande fest» in-
dem sie in erster Linie den Vitztum als das zur Strafumwandlong zuständige
Organ betrachtet („Wo aber einer von obgeschriebenen Artikel [Vitztum-
— 304 —
der Geldbuße je nach der Schwere des Verbrechens verschieden
festzusetzen hatte. Interessant ist die Erscheinung, daß ein
Organ der fürstlichen Finanz Verwaltung, der Rentmeister, mit der
Ausübung des landesherrlichen Begnadigungsrechts delegations-
weise betraut wurde. Darin zeigt sich aufs schlagendste der
finanzielle Schwerpunkt des Begnadigungsrechts. Daß aber der
Fortschritt einer Trennung der Gerichtsbarkeit und des Be-
gnadigungsrechts vollzogen war ' ) , tritt hier schon verhältnis-
mäßig frühe in der Übertragung des Begnadigungsrechts zur
Ausübung an ein besonderes nichtrichterliches Organ hervor.
Man war sich auch dieses Gegensatzes des richterlichen Straf-
aktes und des rentmeisterlichen Begnadigungsaktes bewußt, wie
aus der er>vähnten Verordnung H. Ludwigs (1474) *) an die Rent-
meister der Oberlande hervorgeht: „Wer aber einer der obge-
schriebenen Händel (d. s. Vitztumhändel) halber, einem oder mehr
mit Recht nicht gestraft, sondern begnadet würde, die
wollet also als um Vizedomhändel von Unsern wegen nach Ge-
stalt eines jeden Handels straffen, oder wandeln" ^). Der Be-
händcl] . . . mit R«cht nicht gestraft, sondern begnadet würde , das wollen
Wir alsdann durch Uns selbst, oder onsem Vizedom, oder wem Wir das be-
fohlen zu thun, strafen lassen"). Da& aber die angedeutete Stellvertretung
dos Vitztums hier regelmäßig dem Rentmeister übertragen war, besagt deut-
lich ein herzogliches Ausschreiben an die Rentmeister im Oberland vom
17. Juni 1474 („Wer aber . . . mit Recht nicht gestraft, sondern begnadet
würde, die wollet also als um Vizedomhändel von Unsern wegen nach Qe-
stalt eines jeden Handels straffen oder wandeln"). K r e n n e r VII, S. 477,
449. — Viel früher scheint diese Strafumwandlung in Oberbaiem zur Kom-
petenz des Rentmeisters und Landschreibers gehört zu haben, wie die Be-
stallung eines Pflegers zu Ingolstadt 1457 ergibt (was aber Yitzthumbhandel
gefallen ; die soll unser Rentmeister und Landschreiber im Oberland handeln
und abtejdingen und Uns die verrechnen als von Alters herkhommen ist
(E leemann, Gesch. der Festung Ingolstadt S. 14).
1) Vgl über diese Entwicklung Köhler, Shakespeare vor dem Forum
der Jurisprudenz. Würzburg 1884. S. 116.
2) Krenner VII, S. 449.
3) Auch die folgende Stelle der LO. 1474 (KrennerVII. S. 479), welche
noch den ursprünglichen Zustand der Abwandlung durch den Vitztum vor
Augen hat, bezeugt dies: So aber einer zu Gefängnifi kommt, so soll der
Richter über ihn sitzen und richten, es sej zum Schwert» Strang, oder andrer
Straffe am Leib. Würde er aber von uns begnadet» so soll aber unser Vize-
dom solchen Handel zu strafen und um das Wandel zu thaidingen und nicht
der Richter zu wandeln haben.
— 305 —
gnadigungsakt erfolgte nicht nach Fällung eines richterlichen
Urteils, sondern er trat au die Stelle desselben. Es mußte also
ein, wenn auch nur summarisches, Verfahren in all den Fällen,
wo die Thätigkeit des Gerichts durch die des Rentmeisters er-
setzt ward, Platz greifen, da die Begnadigung sich als eine die
konkreten Thatumstände berücksichtigende Strafumwandlung
darstellte. Man könnte vielleicht von einem freien Verwaltungs-
verfahren im heutigen Sinne sprechen im Gegensatze zum
strengen Formalismus des gerichtlichen Prozesses. Natürlich
führte das zu Mißbräuchen, und so ertönten Beschwerden seitens
der Landstände ^) darüber, daß viele Unschuldige in solchen
Vitztumhändeln gebüßt würden. Um diesem Übel zu steuern,
ward verfügt, daß die rentmeisterUche Begnadigungsinstanz zur
Wirksamkeit nur zu kommen habe bei vorliegendem Geständ-
nisse und Notorietät — wo gichtiger Mund und wahre That
vorhanden sind, daß ihr dann die Wandel außerhalb Rechten
nehmet und thuet *). Fehlte eine dieser beiden Voraussetzungen,
so mußte die Sache auf den Rechtsweg geleitet und zu urteils-
mäßiger Erledigung vor dem zuständigen Gerichte gebracht
werden.
In diesem Sinne sagt auch L. Fr. I. a. 16 nach Aufzählung
der einzelnen Vitztumhändel , daß sie nicht gestraft werden
sollen, „es hab sich dann zue den beschuldigten erstlich war-
lichen und gleublichen erfunden". Der Schlußsatz, daß es in
den obgemeldeten Fällen nach Buchs Sage gehalten werden
soll, wo das Landbuch liegt, ist von einschneidender Bedeutung,
indem das Geltungsgebiet des Landrechts, also hauptsächlich
Oberbaiem •^), von dieser Strafumwandlungsthätigkeit des Rent-
meisters eximiert war. Da die L. Fr. für die als Vitztumhändel
(lualifizierten Delikte eine Strafe nicht fixierte, sondern das Aus-
maß der Buße dem zur Begnadung kompetenten Rentmeister
iinhcimstellte, waren durch die Verweisung auf das Landbuch in
1) Krenner VII, S. 402.
2) Wo aber gichtiger Mund und wahre That nicht vorhanden w&re, so
wollet dieselben Händel mit Becht einbringen; Nftmlich, wann die Sache
einen Edelmann berührt, vor Uns und nnsem R&then; Wann sie aber einen
Burger oder Bauern antrifit, vor dem Landgericht and Qericht» darein er ge-
hört (Krenner Vn, S. 450; vgl auch L.O. 1474 - ibid. S. 477).
3) Vgl hierüber v. d. Pfordten S. 222 £
KoseDthal. (ieschichte d. Gerichtsw. n, d. Verw.-Org- Baiernt. I. 20
dem Geltungsbereiche desselben die von demsdbcii für die
gleichen Verbrechen ange<irohten Strafen zu erkennen. Obwohl
nun hier fflr einige der als Vitztumhändel (in der L. Fr.) (|iia]i<
fizierten Delikt« bestimmte Strafen angedroht waren, könnt«
doch auch von ihrer Vollziehung Umgang genommen werden
und auf dem Gnadenwege eine Umwandhmg derselben in Geld-
bußen erfolgen.
Die Selbstäiidigki^t des Reutnicisters wird im 16. Jahr-
hundert in engere Grenzen gebannt, die scharfe Trennung der
Begnadigungs- und Gerichtsinstanz beseitigt und eine Verbin-
dung beiilcr Organe angebahnt. Die L. Fr. 1608') erschließt
zuerst ilen durch den Reutmeist«r um Vitztumhandel Abge-
wandelten den Beschwerdeweg zum Hofrat bczw. zur R^iurung,
welche liehfirdeu aber nur unter Beiziebung des betreffenden
Rentnieisters die Beschwerdesache erledigen kHnnen, und wo
vitzdomb und r&te darjnn mäßigung fUmemcn, darein iler rännt-
maister von des landesfUrsten wegen nit gehen wolt, so sol als-
dann derselh ränntmeister das au den lanndßfQrsten bringeu.
Gleichfalls sollte aber auch das Kollegium eich mit einem Gut-
achten (Iher den Fall an den Herzog wenden, um seine Ent-
schließung zu erholen.
Auch hier tritt aUo der Kcntmeistur als das zur AusQbung
des landesherrlichen Begnadigungsrechts berufene Organ besou-
• 1) T. Lerehenfeld S. 2!3 (Anm. »It. U). Dar Artikel, d« «eit
1614 fehlt, lsTit«t: Keglbe nth ibsr, diA un«t datch diu rlnntinniit^r omt»
ftinen Titidonbhuindel gestrafft uaud dent^lb dinmib Itoc cUg für dio hof-
cito und TiUdomb komm wurde , boy t>olbrr icrbdr not der riiiuitncbur
dettolbeo orta uch «itxmi nond luchnuüi iBinüntlkb in dnr och hinmlnlii, nod
wo ritulomb nnd rdto dujno tnäftS^ngfUmemru, duein der rlnnUnoitter von de«
UndiOlntaii wcgeo nit gohelea wolt, to aol Alfidtun denelb riDnünoUter du an
den lumdUBntan brinifr'n. Dergloicli ■allen hofmiiiter und boMte ond
in den ritsdombiunbl«!) die ritfdomb und rite lOlich« auch an den Unod«*
flbtten gelanngen lauen, jme jre ga«i bcdancken jm banodel etUBtua tmd
daranf TeTTertein getehftfft nnnd majniinftTenioincQ.'— Bei den TerhuidlnngtB
(UndUR 1516 8. 197) inetnien dl« Bit«, dioMr Artikel loUe bi% g '
bleiben, der licntmmter «olle, wo «T bM«hwert n aeln nnnaiB«, <"
den I^andufOntpH bringen, dieweil n Br. Onodra KamiDerfiit und (
anlrilft Der Auiichtil hielt diea aber Ar eine VetUdnemnff von 1
und FEitm, niinal, anch wenn der Artikel antgelauan wOrda, m doch d
inri«t«ni unbenommen bleibe, Jen Handel an den Ftlnton n bititpv, I
halb entjchied fleh der Qenog auch Kt lUo Weglaafang.
— 307 —
ders hervor. Sein Dissens gegenüber der Meinung der Majorität
des Kollegiums, dessen Mitglied er ist, benimmt dieser die Rechts-
kraft und genügt, um die Entscheidung in die Hände des In-
habers des Hoheitsrechts, des Herzogs, zurückzubringen. — In
dieser Richtung bewegte sich der Inhalt der Instruktion 1512,
welche den Rentmeister verpflichtete, künftig in allen peinlichen
Sachen^) nur mit Genehmigung des Herzogs oder der Re-
gierung zu handeln, deren Majoritätsbeschlüsse er zu vollziehen
hatte*).
Noch 1514 betonten die Landstände diesen Punkt, indem
sie beantragten, daß der Rentmeister die Vitztumhändel nur
vor und mit dem Regiment bestrafen solle, auf daß mit guter
Gerechtigkeit umgegangen. Niemand nach seinem Vermögen,
sondern Jeder nach seiner Verschuldung bestraft werde ^). Durch
die L. Fr. 1516 wurde dann das Prinzip zur verfassungsmäßigen
Anerkennung gebracht, daß Rentmeister und Landschreiber die
Vitztumwändel nur nach Beschluß des Hofrats resp. der Re-
gierung abwandehi dürfen*). Gelegentlich des Umritts hatten
die beiden Beamten zwar die vorgekommenen Vitztumhändel in
1) Auch bei Erteilung des Geleits oder der Landeshold.
2) Krenner XVIII, S. 341 f. Wiewol in etlichen unsem Vizedomfimtem
der Gebraach bisher gewesen ist, daß ihr, Bentmeister, in peinlichen Sachen
und mit Gebang der Geleite und Landeshuld ohne unserm und unsrer Vize-
dom und Käthe Ha! und Wissen bisher gehandelt habt, werden Wir doch
aus billigen und rechtmäßigen Ursachen bewegt, solchen Gebrauch aufzuheben
und ist darauf unser ernstlicher Befehl und Meynung, dafi ihr nun fkan
keinen Gefangenen zu gichtigen und mit der Strenge zu fragen oder mit
peinlichen Rechten zu rechtfertigen verschaffet, noch ledig lasset ; dazu keinen
Übelthätcr oder jemand andern in malefizischen Sachen zu Becht oder freyes
Geleit gebet, ihr habet dann vor Gestalt und Herkommen des Handels Uns
oder unserm Vizodom und Bäthen eigentlich berichtet, und unsers oder ihres
Rathcs darauf gepflogen, und was darnach durch Uns oder die mehrere Folge
von unserm Vizedom und Käthen samt euch im Bath beschlossen wird, dem-
selben sollet ihr darnach Folge thun, und fQr euch selbst kQnftiglich aus
eigenem Gewalt ohne Bat in vorberührten Sachen allein nicht handeln.
3) Landtag 1514 S. 123.
4) L.Fr. I a. 15: Es sollen auch unser renntmaister und landsschreiber
die vitzdombwändl, was sy der in jrem umbreiten oder sonst erfam, nun
füran mit unserm und unserer hofräthe und in unsem vitzdombambten mit
unserer vitzdomb und räthe wiUen und wissen und nach derselben mä&igung
abtüdingcn, und die noch annder wänndl zue vertädingen on sonnder bevelh
auf jr umbreiten nit mer aufschieben.
20*
Erfahrung zu bringen, die selbstilndige AbwaniDuug dcrsell>en
war ihnen aber entzogen.
Dieses Prinzip wurde aber nach Errichtung der Uofkaninier
wieder aufgegeben. Diu Rentmeisterinstruktiun 1Ö74 bestimmt
nämlich, daß der Rentmeister die Strafe-, welche er in Anwesen*
heit des Rentschreibers nach Gelegenheit der Person und des
Verbrechens erkannt habe, nicht willkQrlich wieder abändern
dQrfe '). Die wegen Vitztumh&ndel abgewandelten Personen
brauchten sich aber l>ei <lem Ausspruche des Rentineisters nicht
zu beruhigen, sondern sie konnten sich mit einer Beschwerde
an die Hofkammer wenden, welche eine Ermiißigung der ver-
hängten Buße erkennen durfte.
Alle wichtigen VitztumhÄndel sollten durch Vermittlung
der Hofkammer an den Herzog berichtet und die Strafe nur
mit dessen Genehmigung fixiert werden.
Wenn jetzt auch der Ausdruck Begnadigung in den Quellen
nicht mehr vorkommt, sondern stets nur von einer Bestrafung
der Vitztnmhändel die Rede ist*), so hat sich doch die Naiur
dieser rentnietsterlicben Funktion nicht geändert, sie steht auch
jetzt noch in direktem Gegensätze zu lier Thätigkcit der richter-
lichen OrgADe *). Auch zeigt diu fUiglung des InstanKcnziigs
und der Vorbehalt der wichtigsten Fälle für den Herzog selbst,
daß es sich bei dieser Slrafumwandluiig um ein von den Ge-
richten losgelöstes Begnadigungsrecht handelt, dessen AnsQbung
dem Reutmeister delegationsweise überlragnn war. Die Ein-
I> Er (der rentniaittur) «ull auch hinfuron für lieh iclba ^nirb» rtnf
nlt todoni, mildoiD, mindam oder mohrpii. »oDdcr m bni der rtnt, w er
ateh glegenbut der pertonoD ood vcrbrecbeni io b«*oui oiwer« rentechniben
ftunimbt, bleibeo lauen und da sich jemaDi] derhalben inbedegeB, loUn
■DMTO camerrit duin n modorim baboa. Aber die wichtigen wcbon toOeB
li nit on nneer TorwiaaeD fllmeinon. eoadeni all* anf tuuer caaer dieedbos
nni m belichten tchreibca und dMt;'<^iclieD nlchta oue noaer Torwiaaen »b-
atrafen.
21 t. B. L. Fr. I a. 16 fäagme: Ea mOgen die nacbrolgenden ftU und
milbandluug fOran alla malefltciach und Titidonibhenndl ^eetraüt «rerdra.
Kbonao un Si^bliuM dieaea ArtJkela and InatroktioD 1574.
3) Dieter Qogenaata hat eich aneb fcmerliin erfaaltea. So befleUt «JM
Inatruktion Hai L DDge&hr ieS9 (R. A. — ObeqifUi. Ordnnngea) dem JtttaU
n«al«r, im Bat* Acbtnng dannf m haben, d^l in den Strafen gute I>iaei«tio&
getutlleo, dni alcbt, waa rentmeUtvriacb nerichtlieli uder coa-
tra abgaatnA weide
— 309 —
Setzung der Hofkammer als RevisionsbQgnadiguBgsinstanz weist
darauf hin, daß das finanzielle Moment, die Preisgabe des Straf-
rechts gegen Geldleistung '), als das ausschlaggebende betrachtet
wurde.
Als mit dem Beginne des 17. Jahrhunderts Maximilian I.
den Städten das Oberrichteramt mit allen Rechten, also auch
die Kriminalgerichtsbarkeit zur unbeschränkten Ausübung über-
trug, behielt er sich das Begnadigungsrecht ausdrücklich vor
und schärfte der Stadt ein, jeden Verbrecher nach den Bestim-
mungen der peinlichen Halsgerichtsordnung und dem gemeinen
geschriebnen Malefizrecht zu bestrafen und nicht gnadenweise
eine Strafmilderung eintreten zu lassen *).
Ursprünglich war der Kreis der Vitztumhändel, von denen
nun noch kurz zu handeln ist, ein sehr reger, er erstreckte sich
auf die todeswürdigen Verbrechen. Als Repräsentanten dieser
Kategorie wurden im bairischen Rechte*), wie oben*) hervor-
gehoben wurde, stets die 3 Hauptverbrechen (diuf, notnumft
und todsieg) aufgezählt. Im Laufe der Zeit wurde die Zahl
dieser Vitztumhändel vermehrt und hiedurch vielfach Irrungen
hervorgerufen. Deshalb ging die Bitte der Landstände*) auf
Abstellung dieser Neuerung. Sie verlangten, daß es damit ge-
halten werde nach Inhalt der Freiheit, deren doch nur 3 sind*).
Die aus herzoglichen Räten und Verordneten der Landschaft
zur Beratung der landständischen Beschwerden gebildete Kom-
mission '') einigte sich über eine Aufzählung der einzelnen als
Vitztumhändel*) zu qualifizierenden Verbrechen, welche alle unter
1) Diese Preisgabe ward den Gerichten ohne landesherrliche Genehmigung
untersagt durch Bamberger Halsgerichtsordnung a. 272 und P.G.O. Karls V.
a. 158 . . . (vgl R. Löning a. a. 0. S. 233).
2) Rosenthal, Beiträge S. 265 f. (vgl auch S. 79) : Die von Straubing
sollen sich . . ainicher begnadung, welche wflr uns per ezpressum vorbehalten,
nit understeen.
3) Ebenso im Osterreichischen Rechte. YgL Osenbrfiggen a.a. 0.
S. 190.
4) S. 157 und 193.
5) 1460 und 1471 (Krenner VII, S. 60, 265).
6) Man dachte hierbei an den ersten Freibrief 1311 an die drej gerichte
die zu dem tode ziehent.
7) Krenner VII, S. 279 iL
8) Als Kriterium wurde gelegentlich der Laudtagsverhandlungen 1515
(Rockinger, Einleitung S. 355) die Todeswflrdigkeit des Verbrechens her*
- 810 —
diese 3 Kapitalverbrechen subsumiert werden koontcu, und führte
noch eine Anzahl von Delikteu auf, welche bisher mit Unrecht
als Vitztumbändfl betrachtet wurden, was kOoftig abgeBt«llt
werden sollte '). Als Ergebnis weiterer Verhandlungen') wurden
die vorgeschlagenen Artikel ') als Vitztumhändcl in H. Ludwigs
L.O. 1474 aufgenommen. Diese gesetzliche Fiiieruug der
VitztURihflndel bililete die Grundlage aller weilereu, wie sie uns
in den I..andesfreiheit8erkl&rungen entgegentreten, wenn auch
der Katalog in Folge weiterer Verhandlungen mit den Ständen*)
mancherlei Änderungen erfahren halt«''). Die L.Fr. 1553 hatte
so nicht nur die Zahl der Vitztumhündel stark vermehrt *), son-
dern wie schon die von 1508 viel ausführlicher als die L.O, 1474
die Thatbestandsmerkmale der einzelnen Delikte beschrieben,
w&brenil man sich früher mit einer einfachen Aufz&hlung der
Verbrochen begnügt hatte.
Durch die AufsteUung des Katalogs der Vit/tumhändel er*
reichte man aber nicht den erstrebten Zweck, denn nach wie
vor^) ertnnten unablässig auf den Landtagen die Klagen, daA
die Rentmeister oft gewöhnliche Vergehen, die sog. Gcricht»-
vargehobtn: — iiucb jr der TiQdombbeimill nit mer sein noch tnion in dm
<mg gelltn «StlsD, dum lo der thAtter dftrumb mit geKr'li)*)'^ Uuttann
rocbtoo Tom leben mm tod gnricht mag werden.
1} und nachdem dioaelbon Artikel die drej Sachen nicht berthrm, »ach
nicht dann ban^n, (o «ollon lio hinfllr nicht in die Vii«domIiindel geiogen
wyn tltockinger, MnL B. 281 ffi,
X) Kronn«r HL äSiriSl. 373 0; 400 E
S> Polgonde VitstumbSndel tOhrt die I.O. auf: Tataag iea üem. dw
Otttea, der Eltom, Selbitmord, Vcnrirkonfc dm G«leiU, Aiutrat«n und B^
fchdnng. tro*«nllicher Frialbmch. Verrat, Toticbla^, Drlnmdm- and Hfln^
OUichuni;, Notiucht, Meineid, Vcillagnan); de« Herrn, FuDd- oud Schatz
iii<ibitahl din bnjdnn Torlotiton Verbrochen fehlten im I. Vonchla^).
4} LandUge 1&1&-16, S. 1S3 S, 368 fT., 373, 377.
6t V^'l. Ober die Faiiuoi^ideningun Urne» Aitikeli ta den roracUedoMa
lAndvffreiheitMTkUnin^en v. Lercheofeld 8. 306 o. 5.
6) iW Hlndrl icgav IS tU7(j. Nea anfgenonunan wnrdn: Zanbard^
fTOler Diebstahl. Haab. Kirchenraab, Enirohrnng «on Fnn ood Verwaodt«^
AnflaDoni and Schaden h/oKIkui)); bei Nacht, Verrflcknng dtr Qr«ix«t«ln& !)■>
gDgim fehlen am dem VDrceJchniiie 1474: VotUaganng d«a Hom und ^diW
und !khaUdieb(UhL
7) Sehen 1497 nod ISOl warde betonden gerOgt, dal die
ueh don Kh«bnich alt Vitctumbandel botraftcn (Krenner Xlll, S. 80t
188.3661.
— 311 —
händel, als Vitztumhändel bestraften *). Die herzogliche Ant-
wort versprach dann stets Abhülfe dieser Beschwerden und wies
die Rentmeister zur genauen Beobachtung der Vorschriften der
Landesfreiheiten an. In diesen war immerhin eine Basis ge-
schaffen, von welcher aus stets aufs neue der Kampf gegen der-
artige Pflichtverletzungen erfolgreich geführt werden konnte.
Über den Kreis der Vitztumhändel hinaus erstreckte sich
aber auch die Thätigkeit des Rentmeisters in Begnadigungssachen,
sofern die Delinquenten „reiche oder hohe Personen" waren.
Die Strafumwandlung fiel hier jedoch dem Herzog oder der Hof-
kammer zu, die aber nur nach gutachtlicher Äußerung des
Rentmeisters entschieden *).
Den Rentmeistem ward sorgsame Erforschung der Vitztum-
händel zur Pflicht gemacht, ihnen dabei aber eingeschärft, un-
parteiisch ihres Amtes zu walten '), niemanden aus Freundschaft
oder Bestechung halber zu schonen, ebensowenig aber einen
Unschuldigen aus Haß oder andern Beweggründen zu denun-
zieren. Sie sollten bei Meidung ernstlicher Strafe und Amts-
entsetzung dafür sorgen, daß dem Fiskus nichts eigennütziger
Weise entzogen, daß aber auch anderseits niemand unbillig be-
schwert würde. Sie sollten sich nicht unterstehen, die einmal
1) z. B. 1489, 1601, 1514, 1626, 1543, 1593 (Krenner XII, S. 279; XÜI,
S. 187, 308; Landtag 1614 S. 213; ibid. 1543 S. 38).
2) Instruktion 1574: Do er auch in erfaning bringen wurde, das sich
reiche oder hoche personen mit dem eebmch, mit nnbillicher beschwenmg
der armen oder mit maetwillen, romom, vcrbotnen conträcten oder andern
mißhandlongcn vergiengen, dieselben strafen soll er rentmaister für sich selbs
nit taxircn, sondern uns oder unser camer zuvor undertheniglich mit allen
umbstandcn gründlich berichten und dabei sein underthenig guetachten, wie
er vermaint, da£ die strafen zume&igen sein auch vermelden und also darauf
unser oder unserer camem resolution erwarten.
3) Hofkammcr-0. 1572 :. — das si auch auf die vitzdomb und andere
händl, so iro ämbter und bevelch anlangen, ain flei&igs aufmerken und nach-
frag haben, niemands von freundschaft^ verwandtnus, schankung, neid oder
ha£ übertragen, nachzucsctzen oder ichts dissimuliem, es treffe wen es wöUe,
sonder die Sachen dahin richten, das uns dis orts ires aigncn genies halber
nichts entzogen noch jemand unbillicher weis beschwerd werde bei verlierung
des ambts und ernstlicher straff, wie sich auch kain rentmaister hinftlran
untcrstecn sollt ainiche straff zu endem, miltem, mindern oder meren, son-
dern es bei der straff, so er nach gelegenhait der person und Versprechens
in beisein unsers rentschreibers fQmimbt, beleiben lassen.
verhüngtv Strafe zu Andeni , ieun lUeses Recht staDd ttat ei
htibne Beschwerde hin nur der Hofltamnier, oventuell dem Hol
rat zu.
Ciroße Mißlträudie ließen sich die Richter und Pfleger bain
Uandhabun;; der Strafreclitspflcge zu schulden kommen. Auf
ihre Alstelluiig halte der Rentmeistcr energisch zu dringen
und deu Beamten grr>Ucni Fleiß bei Erfüllung dieser wichtigen
Amtspflichten einzuschärfen, „als sie dann das gegen Gott am
jüngsten Tage verantworten wollen".
So warcu die Gefangenen sehr uuchliissig gefragt und Ihnrii
die Uoistiudc, wo, wie und wann die That beschehen, uiclit
vorgebalten worden, wodurch ihr Ui^icht verdunkelt und oft
mit andern als des Angeklagten Worten in das gen Hof ge-
schickte Protokull aufgenommen ' ). Auch würde die Unter-
suchung Über die Tbatumstiinde sehr nachlässig geführt und
dies im VoUcsuiund auf Bestechung zurückgeführt. Deshalb
sollte den Gerichtsverwaltem auf das nachdrücklichste eing&-
schitrft werden, sich sofort nach Einbringung eines Delinquenteo
zu erkundigen „der Inzicht oder 'l'haten halben, so auf ihn
geht, ob die also wissenthch und kundlich wahr seien", und
darüber au deu Hofrnt oder die Regierung zu berichtuu. Wurde
auf deren Befehl zur strengen Frage geschritlen, so hatten sie
unverzüglich Nachforschungen anzustellen in Betreif der Richtig-
keit der einzelnen Angaben der Urgiclit „und also in den pein-
lieben Sachen mehreren Fleiß, dann bisher geschehen ist, fDi^
zukehren" ').
Gegen Ende des 16. Jahrhunderts ■) ward den Rentnieistem
aufgetragen, bei ihrem Umritte sich durch tieißige Nachfrage
zu vergewissern, ob die Beamten geeignete Präventivmaßnahmen
gegen Verbrechen durchführten und die begangenen Verbrechen
gehörig erkundschafteten und l^estraften und die nuchlässtgea
Beamten zur Abxtrafung solcher negligentia anzeigten.
Als einer der vurzUglichsten /wecke der segensreichen lu-
stjtuliun der Umritte ward die Erreichung einer geregelten^
1) F*m«r wnrd« geklagt, dit dJ« um Mslfdi oinKebncbIro Dnlinqueotes J
obnr Gsnchniitpiiig dn Honogt odw d«r Rcgivrang freig«U»Mn wQnlaa
ü) KreDüot XVnt. ä. 321 l
8) EDlvurT cioer IIorr«l*-(Krimii»l-)Ordiiui)g. wtklinclwinlich s"«"* I^^Kt j
(tt A. - En. I S. Kttl
I
)
I
1
J
:|
— 313 —
pflichtgemäßen Geschäftsführung der Beamten ins Auge gefaßt,
insbesondere sollte durch sie ein Schutz der aimen Unterthanen
gegen Bedrückungen durch pflichtvergessene Beamten gewährt
werden. Nirgends aber ertönten Klagen der armen Leute
gegen Beamte greller als im Gerichtswesen, wo die Korrup-
tion üppig ins Kraut schoß. Wiederholt ward deshalb den
Rentmeistern eingeschärft, solchen Mißständen mit Strenge
entgegenzutreten^) und die Gerichtseingesessenen gegen solche
Ausbeutungen durch die Hüter der Rechtsordnung wirksam zu
schützen.
Die einzelnen immer wiederkehrenden Beschwerdepunkte
werfen dunkle Schatten auf das Gebahren der damaligen Justiz-
organe. Unter den Amtsdelikten, deren Aufspürung und Be-
strafung von den Rentmeistem erwartet wurde, werden folgende
hervorgehoben : die Beschwerung der Gerichtseingesessenen mit
unbilligen Wändein, Verlangen von Forderkandeln Weins, die
gemeinsam in Tafernen verzecht wurden ^). Dreimal und öfters
wurden arme Parteien in ein und derselben Sache vorgeladen,
auch Verhöre und Verhandlungen auf Tage hinaus hingeschleppt,
um für jede Tagfahrt ein Viertel Wein zu beanspruchen. Schwere
Strafe und Ungnade wurde denen angedroht, welche trotz wieder- -
holter Mahnung von solchem eigennützigen Vornehmen nicht
abließen. In ähnlicher Weise wurden die Unterthanen auch mit
dem Siegelgeld in eigennütziger Weise übernommen, und ganz
frivol stachelte das Gerichtspersonal um seines Eigennutzes
willen arme Leute geringfügiger Sachen halber zu kostspieligen
Prozessen an, zogen dieselben in die Länge und saugten sie durch
Gebühren und sonst aus ^), Dies abzustellen und geringe leicht-
fertige Händel kurz außer Rechtens zu entscheiden, sollte der
Rentmeister den Richtern nachdrücklich zur Pflicht machen und
die genaue Erfüllung derselben überwachen.
1) Wir Tcrnehmon, das viel und groftes Geschrej in nnserm Lande ist
von den armen Leuten, wie die fast beschwert und flbemommen werden
von allen Amtleuten ...(KrennerVII,S.260; XVIII, g.320); ?gL noch
S. 96 fif.
2) Krenner VIT, S. 250. Trotz wiederholter Verbote wurde ron jeder
Partei ein Viertel Wein beansprucht, da Verhandlungen in den WirtshAusem
abgehalten wurden (ibid. XVUI. S. 320),
3) Krenner XVIII, S. 324.
— 314 —
Der Rentmeister war Fiskal ^) des Herzogs und hatte als
solcher die Verpflichtung, jede Schmälerung der Einkünfte, welche
die Justiz als Finanzquelle abwerfen sollte, hintanzuhalten und
über die pünktliche Einbringung aller Geldbußen durch die mit
der Gerichtsverwaltung betrauten Beamten zu wachen.
Der finanzielle Gesichtspunkt wird auch betont, wenn der
Rentmeister angewiesen wird, den Unfug abzustellen, daß die
Verbrecher fortan nicht mehr aus Nachlässigkeit der Beamten
zu lange im Gefängnisse behalten , sondern fürderlich proce-
diert würden, wodurch unnötige Unkosten und andre Incon-
venientia verhütet würden *). Als sich im Herzogtum die mut-
willigen Totschläge^) in bedrohlicher Weise mehrten, da war
es wieder der Rentmeister, welcher Mittelspersonen zu bestellen
hatte, die insgeheim die Thäter auskundschaften^) und ihre
Ergreifung bewirken mußten*).
Auch auf dem Gebiete des Polizeiwesens war der Rent-
meister zu umfassender Thätigkeit berufen, die allerdings mehr
anspornender und kontrollierender als ausführender Natur war.
So sollte er auf dem Umritte die Amtsverweser ermahnen, be-
sonders an den Grenzen auf fremde verdächtige Personen zu
1) und weil er rontmaistor nnser fiscal ist, so soll er anf das fiscalisch
gelt gaete achtang geben, wie auch auf die wuecherischen contrftct, inner
und außer lands, daß auch die strafpam händl von den pflegem nnd richtem
nicht fiir sich selbs in Iren pentel gestraft und rerrer yerdnickt und rer-
toscht werden, sonder do er dergleichen erfam, solches nnsem camerräten
anzaigen, welche dieselben erfordern, inen das rerweisen nnd baide tail nach
glegenhait ernstlich danunben strafen, wie anch er rentroaister nit gestatten
solle, das die ambtleut nnd schergen umb geschenk nnd gaben die strafen
verschweigen , sonder davon sein, auf das dieselben yleifiig eingebracht nnd
verrait werden (Instruktion 1574).
2) Instruktion 1574.
3) Instruktion 1512 gebot, diejenigen, welche den Totschl&gem Beihfllfe
gewährten, dem Rentmeister (oder Herzog) zur Bestrafung anzuzeigen (Kren-
ner XXUI, S. 327).
4) Der Rentroeister hatte wegen der für diese Kundschafter au&uwen-
denden Unkosten das Erforderliche anzuordnen (VerfOgung an die Regierang
zu Landshut 1550 — Kr. A. M.).
5) Wenn ein Totschläger aus dem Lande geflohen, dann aber vom Herzog
freie Sicherheit und Landeshuld erhalten hatte, ward ihm die Verpflichtung
auferlegt, sich dem Rentmeister bei seinem nächsten Umreiten zu stellen nnd
um sein Verbrechen an unser statt mit ihm abzukommen (Formnlarbneh
1565, Cod. Bav. 2520).
— 315 *—
fahnden, den Wirten zu befehlen, auf argwöhnige Gäste ein
Auge zu haben. Die Unterhaltung der Landstrassen durch die
hierzu Verpflichteten, die Befolgung der Landgebote wegen Hoch-
zeiten etc. den Beamten einzuschärfen *), ward dem Rentmeister
besonders zur Aufgabe gemacht.
Die Politik der Gegenreformation bediente sich wie der
übrigen Beamten auch des Rentmeisters als eines geeigneten
Organs, das in seinem Umritte Nachfrage nach der Befolgung
der Religionsmandate halten, jede Nachlässigkeit strafen und
über den Vollzug der Mandate seitens des Adels und der
Hofmarksherm mehrmals im Jahre an den Herzog berichten
mußte. Auch den Prälaten und Administratoren der Klöster
sollte er zusprechen, die diesbezüglichen Befehle zu vollziehen*).
Alles Unziemliche und Leichtfertige hat der Rentmeister an
den Herzog zu berichten, damit jedes Ärgernis abgestellt und
das, was zur Ehre Gottes und zur Erhaltung der katholischen
Religion dienlich, fürgenommen werden kann. Deshalb sollten
die Beamten auf die Unterthanen an sektischen Orten fleißig
sehen und alle heimlichen Versammlungen derselben melden.
Auf dem Gebiete der Militärven\'altung hatte der Rent-
meister beim Umritte sich zu überzeugen, ob seinen Mahnungen
an die Beamten entsprochen würde, Pferde und Knechte stets
gemäß der Bestallung in guter Rüstung zu halten, damit im
Falle eines plötzlichen Aufgebots alles in Ordnung befunden
würde*), wie es um die Heer- und Raiswagen stehe, ob die
in gehöriger Anzahl in den einzelnen Obmannschaften vorhanden
seien * ).
So sehen wir, wie die Beaufsichtigungsfunktionen des Rent-
meisters sich auf alle Gebiete staatlicher Thätigkeit erstrecken.
Die angeführten Detailvorschriften wollten seine Amtswirksam-
keit keineswegs erschöpfen , denn L. Fr. I a. 3 zieht in einer
Generalklausel die Grenzen derselben sehr weit, indem der
Rentraeister zur Prüfung der Amtsführung eines jeden Beamten
1) Den AmtsYcrwaltorn sollte der Rentineister befohlen, dafi de fremde
and geringhaltige verbotne Münzsorten in ihre Verwaltungen nicht eindringen
lassen, auch die Unterthanen Tor der Annahme verwarnten.
2) Instruktion 1574.
3) Instruktion 1512 (Krenner XVm, S. 341) und 1574.
4) Instruktion 1581
— ai6 —
und zwar nacU jeglicher Richtung hin verpflichtet wird. Uurcb
das Medium der BeftniteninquisiUon sollte dftnn auch der Zu-
stand des Bezirks, der L'nlerthanen in RUcksicIit auf die Be-
obaclitung der gesetziichen AuürduuDgeu uod sUuitlicbcii PäichtCD
einer Prüfung unterzogen weniou. Insbesondere war zu unter-
suchen, ob den forstlichen Hoheitsrechten ' ) in keiner Beziehung
Abbruch geschehe , ob nicht Unberechtigte die Laiidesfreiheit
gebrauchten (also sich Patrimonialgerichlsbarkeit anmaßten) oder
Berechtigte diesellie mißbrauchte».
Mit Wülch [leinlicher Sorgsamkeit bei diesem GeschAfte des
Umritts vorgegangen wurde, diirflber geben außer den luetruk-
tionen die sehr detaillierten Protokolle und llelationeo *} der
Rentnieister über den vollzogenen Umritt Aufschluß.
Die Instruktion faßte die F'rage)>unkte in mehrere Gruppen
zusammen. Pfleger, Richter und Gerichtsschreiber betreffend,
was den Kästnern zu vermelden, der bürgerlichen Obrigkeit
einzubinden, in geistlichen Sachen zu erkundigen und insgemein
zu erfahren, so lauten die Titel der 5 Haup^uppen '). Die
Fragestucke der beiden ersten Kategorien bewegten sich in der
Bahn der obun berUlirteu Fragen des Gerichtswesens und der
ailgeiuciucD und s]>eziell der Finanzverwallung. Diu BUi^er-
meister und Räte der ätadte und Märkte sollten Auskunft geben
über die strenge Handhabung der Polizeiordnuiig und Mandate,
1) HoflunnBieT-O. 1565: — «oll antcni 4 rentffiaUI«ni bovolhen woHm
du li in ircm nmbreiten ioModerbeit ileiiif^ inquitiüon hHlt«ii noil Jel-
hklben dU Ul«itl die pll^fr*' ood Undrichtoi, toairi grrithUchrelber, luul-
■mbtleat, «cherfteD nod gerichtedieDer fragen, all Domlirh, ob an« aoMr
jumdictioD, bochbeit ood obrigkeit, vo^i, scbarberch, riii^ herwkgen tlcilijr
gehandhabt werde, ob Dch nit ctlich nndereteen dl^r landifreibelt luge-
braacbon, deneo e< nicfat gebort, ob «icb auch diejenigno. die« b«boD, der-
■elben nit mübraacbcn. ob ti« nit aach aaf die guctrr rirhcn, die inen mit
dem r(>eht«D aigeolhamb nit gehoritr leind, ■!■ lehengart«r, oder dsrsilf d
•Hein erb oder leibroeht oder pfiiDdachaft htben , und wo* d klio erIWniih
Mllen «i am mOndlich oder Khriltlich lairiuon lucben, duntt wir b« ukXaa
einiehantt than mOgen So auch Hofkammer-t). litt, lutrnktion 1574.
3] Die einxclueu Puokti' der InHlruktioo, wejthe den Beamten Torg«lM«Q
worden, bildeten die (Irandlago der Innpoktioo. Sit itebeD deahalb am Ss-
gango der BelatioD, worauf dann ent der f^ieiialbMiclit flbor dra Betaad
•bm Jeden Owiehu folgL
8) BabttioD ab«r rvrriehtotM DurvitMi de« ]
(Kl. A. L Bq>. XXVI, Veit. U K 1).
— 317 —
der Handwerkspolizei, wobei auf die Einhaltung der Tarifsätze
gebührend Rücksicht zu nehmen war. Femer sollte die ge-
treuliche Führung des Gemeindehaushalts und desjenigen der
Stiftungen empfohlen und die Rechnungen deshalb zur Durch-
sicht vorgelegt werden ^). Der über das Geistliche mußte etwa
seit 1584 von der übrigen Relation getrennt in einem besondem
Libell vorgetragen werden *). Die Erkundigung erstreckte sich
hier darauf, wie der Gottesdienst bestellt und ob bei den geist-
lichen Verrichtungen desselben nichts mangle, ob der Gottes-
dienst von der Obrigkeit und der Gemeinde emsig besucht und
die befohlenen Opfer samt dem Pfinztagsumgange verrichtet
werden. Die Beamten selbst hatten über solche das kirchliche
Gebiet berührenden Vorgänge Rede zu stehen, da ihnen die
Vollziehung der kirchenpolizeilichen Vorschriften übertragen
war ^). Bis in die Details des kirchlichen Lebens erstreckte
sich die Inquisition der Geistlichen. Nichts beleuchtet das
stramme kirchliche Polizeiregiment, welches die landesfürstliche
Gewalt in Baiem seit Wilhelm V. erfolgreich ausübte , besser
als ein Blick in ein solches rentmeisterliches Visitationsproto-
koll in geistlichen Sachen*). Der Rentmeister also, ein welt-
1) Mit gemeinem Säckel, auch der Spitfiler und armen Leute Häuser
und Einkommen sollen sie gewahrsam, getreulich und solcher gestalt um-
gehen und hausen, da& der gemeine und nicht eigne Nutzen erhaut und den
Armen die gebührliche Notdurft widerfahre, — In einer Relation 1582 be-
stätigt so z. 6. der R^ntmeister die Durchsicht der Eammerrechnung des
Markts Rosenheim mit dem Bemerken, daß er in demselben keine größere
unnötige Ausgabe gefunden habe.
2) Dieses wurde wohl gleich an den geistlichen Rat zur weiteren Amts-
handlung überantwortet
8) Fragen, wie die, ob sektische Personen im Gerichtsbezirk, ob das
Verbot des Fleischcssens an ycrbotenen Tagen gehalten würde, waren zu
beantworten.
4) Ein Protokoll über den rentmeisterlichen Umritt des Rentamts München
1584, geistliche Sachen betreffend (Kr. A. L. Rep. XXX, V. X Fase. 2), yer-
breitet sich z 6. unter Rain über folgende Punkte: Herr Pfarrer zu Rain
und 4 Priester antworten auf die Artikel: Pfarrer ist 9 Jahre hier, derzeit
kein Bcncficiat, der Ort U. wird Ton hier aus rersehen, der Gottesdient fleiiig
vorrichtet; die Kirche sei so enge, daß man am Pfinztage keinen Himmel
tragen kann, Pfleger führe den Priester, habe einen bes. Prediger; Weibs-
personen gehen viel zum Opfer, ist allein eine superstitio, Kreuzgnng und
Prozessionen worden fleißig verrichtet, sub utraque specie werde Niemand
kommuniziert. Niemand Sektischer ist in der Stadt oder Landgericht, man
— 'Sfff —
lieber Beamter, ist das Organ des Landoshorni, durch weicht
dieser sein Aulaichtarecht über die Verwaltung der KircheB-
ämter nach duo verschie^etislen Richtungen hin zur Auaühuog
bringt. Allerdings ist der Rentmeister nur zur Kenntnisnahme
der Amtsführung der Gcistlichcu eriuÄchligt, während das Recht,
Anordnungen zur Abstellung vorgefundener Mißbrauche zu trctfoüfl
dem geistlichen Rate zusteht.
Die Inspektion ' ) si>ieUe sich in der Weise ab , daß der
Rentmeister in jedem Gerichte allen Beamten, in Städten und
Märkten Bflrgennci:;ter und Rat die einzelnen Punkte seiner
Instniktion vorlas, ihnen dieselben zur Beobachtung dnschÄrfl«
und nach den Mängeln befragte, welche eich in Beziehung auf,
dieselben in ihren Bezirken zeigten. Sodann wurde jeder ein-
Keine Beamte ad partem ini)uiriert *), hiertx^i alter die Aulori'
iit hier mit «nem floifiiK«n Bcbulmoister lenehrn, Kinder wecdcia
titche Orte nicht T?ncbickt, abor u solcfao tetheiratet; auf die Ptnoaea,
M die Kinder IiiDsiu Terheiiaton, tei gute Acbtang la geben, «ektüclw
BOoher lane maa oicbt feil haben, eine Heft i«t iwiscben der Kran Abtinhi
ond denen von Bain rtrittig und bereits anhfingig. — J. K. deeaaDi in
Pdtmei: Da ein Priester einen Eicef begebe, werde er dem ordinario ühu-
schidit, Pfarrer babe eine Hcfae i. WoUgangi in der Fait«n werde wflchonl-
lich Smal gepredigt, haben keine concabinu, sbd nun eiranplariicbun Leben
emtahnt, GottetUtterer tcin aof der Kaniel mit Worten in «trafen . . , nntar
dem Gotteidienit werde an Feiertagen Niemanden in Wirtabionera in enen
nod tu thnken gegeben. — In dioMin Bahnen halten ach auch dis A«»-
■agen der Kleriker in den übrigen QerirhtabenrkeD , aach Qber auMAIlg»
Lebenihaltnng de« einen oder andern Amtabnideri wird geaprocben und To^
•cblAge ge&DÜert Ober wQnacbenswerto Matnahmen, s. H. in Aichach: Di«
BnchfOhrer würden an den Jahrm£rkton riaitiert, «t wir« gut, anch In dm
H&oieni der Uflclinr halber in Tiaitiwen.
1) Ein Plan &b«r die Anateilnng ilei Umreiten« iit erballen, welcbni
ein B«nlmeialer 1680 an den Heriog elntchickt nntor Beielchnnng der
Viiitationatemine der eiunlnoo Gerichte. Von den t^tAdtcn nod Hlrktm
«nrdsB die kleineren nicht anfgeeucbt, »endtTn ihre Organe tntn nleh«t«a
Oeildilaait» beadueden ebeoao wie die Pfarri^r.
S| Se bdlt et t. a in dem Protokolle ober drn Umritt im Rentamt
HOnehen lB8t (Kr. A. L. a. a. 0.) onter der Rubrik „Gericht Aibling" : Kaitim
ad partem weil bei Gericht keinen CnBmfl oder dergleichen, davon Scbadi
«blga; Qtrichtuebrriber ad tnUg, Richter noch nicht lange hier, nor
Stablaehrnber «ei etwa* nnfleüig, lonit aber wahrhaft Der OerlchliaJ
tcbteibet ad puteni etkUrt todam, der PfleKet beaehwere niemandi
Scharwerk. VennnadaciiaA werde bei Otridil ord«itlich gehalten, da«
haiu bedOrfe der AubeMerang, in den Hefknarken werden immer nuch
I
uer
auffl
4
aea,^
— 319 —
der Vorgesetzten den Subaltembeamten gegenüber erschüttert,
indem beispielsweise Gerichtsschreiber und Schergen veranlaßt
wurden, sich über die Mängel der Geschäftsführung des Pflegers
oder Richters zu äußern oder das Nichtvorhandensein solcher
ausdrücklich zu konstatieren. Auch die Prokuratoren wur-
den zu dieser Untersuchung der Gerichtsverhältnisse heran-
gezogen, da sie über die Amtsführung des Gerichtspersonals,
über die Zahl der abgehaltenen Verhöre am besten Aus-
kunft erteilen konnten. Sie wurden dann auch ihres officii
ermahnt * ).
Durch diese separate wechselseitige Befragung der einzelnen
Beamten konnte der Rentmeister sich Gewißheit über die Punkte
verschaffen, welche er „insgemein zu erfahren" verpflichtet war,
nämlich wie sich die Beamten in ihren Verrichtungen halten,
ob sie die ünterthanen nicht beschwerten, besonders durch
Siegel-, Schreib-, Beschau-, Inventur-, Vormundschaft- und
Abschiedgelder, ob sie zur rechten Zeit Verhör hielten, die
ünterthanen dabei wider die Gebühr nicht aufzögen und zu un-
billigen Unkosten brächten*). Dem Rentmeister blieb es unbe-
nommen, sich über diesen wichtigsten Teil seiner Inspektions-
thätigkeit auch auf anderm Wege Kenntnis zu verschaffen, sei
es im außeramtlichen Verkehr mit den Gerichtseingesessenen,
Hochzeiten gehalten ; Amtmann P. sei fleißig, aber dem Tnmke ergeben, mit
den Prokuratoren sei man ziemlich wohl rersehen. Der Richter ad par-
tem (der Pfleger war in Amtsgeschftfben verreist} will keinen Mangel wissen,
Pfleger könne wegen Podagra oft dem Verhöre nicht beiwohnen; Kästner
sei bescheiden, flci&ig; Amtmann fleißig, aber dem Tränke ergeben. Bflrger-
meistor und Räte wurden hierauf erfordert» ihnen die Artikel yorgelesen,
daß sie mit Eifer darüber halten sollen, die Verbrecher zu strafen, dafi es
an Rüstung mangle. Besonders ward ihnen der Artikel, der Bftcker, Wein-
und Bierwirte halber, eingebunden, bei Entsetzung ihrer Freiheit hierauf mit
mehr Ernst zu achten, damit dem gemeinen Mann sein Pfennig yergolten
und er nicht also betrogen werde. Endlich wurde Amtmann N. an seine
Pflicht erinnert, weiß nicht, dafi Pfleger Schenkung nehme ; von 14 zu 14 Tagen
werde gewöhnlich Verhör gehalten, Richter und Gerichtsschreiber wohnen
demselben bei, alles werde, wie er sehe, aufgeschrieben, Pfleger beschwere
niemanden wider die Polizeiordnung. Die übrigen Amtleute wurden dann
ähnlich befragt
1) Sie sollen den Parteien ihre Notdurft ordentlich vorbringen, hitziger
Worte und aller Eigennützigkeit sich enthalten.
2) Relation . . 1586.
— 320 —
sei es durch amtliche Vernehmung einzelner zu solcher Ver-
nehmung vorgeladener ünterthanen.
Die Rentmeister hatten, wie erwähnt, von dem Ergebnisse
ihrer Revision dem Herzog schriftlich oder mündlich Bericht
zu erstatten, was bei ihrem Aufenthalt in der Residenz ge-
legentlich der Rechnungsablage vor der Hofkammer geschehen
konnte. Hatte ein Rentmeister irgend etwas, dessen Vortrag
auf der Kammer ihm Bedenken erregen wollte, zu berichten,
so wurde das in einer vom Herzog erteilten Audienz vor^
getragen, oder, wenn eine solche nicht erteilt werden konnte,
so wurden einige oder alle Räte vom Herzoge ermächtigt,
diesen Vortrag statt seiner entgegenzunehmen *), doch konnten
sie dem Herzoge auch schriftlichen Bericht zu eigenen Händen
über Derartiges erstatten.
Diese organische Einrichtung der rentmeisterlichen Umritte
erhielt sich Jahrhunderte hindurch, und noch 1774 wurde eine
neue Instruktion für die Rentmeister erlassen^). Sie erinnert
an das Institut der königlichen Gewaltboten'), wie es Karl
der Große in der fränkischen Verfassung ausgestaltet hatte.
^Vie diese stellten die Rentmeister ein Mittelglied zwischen der
Central- und Lokalregierung dar, sie haben gleich den karo-
lingischen missi dominici ihre Sprengel „zu bereisen und sich
überall von den Zuständen des Landes und seiner Bewohner
zu unterrichten und sich möglichst mit allen vorhandenen
Mängeln in Rechtspflege und Venvaltung bekannt zu machen" *).
Selbst die Mittel, welcher sich die Rentmeister zur Erreichung
dieses ihres Ziels zu bedienen haben, Befragung der Beamten*)
1) Hofkammer-O. 1565, 1572.
2) Über den Inhalt der InstmktioDeD von 1669 nnd 1774 vgl Sejdel
I, S. 65 t
3) Über diese TgL So hm S.480C
4) B. Schröder, Rechtsgesch. S. 133, 135.
5) Wenn so So hm, S. 487, Ton den behnfs Eontrolle der AmtsfÜhnmg
seitens des missas angewandten Mitteln handelnd, sagt: „Die s&mtlichen
Beamten sind förmlich filier einander zn befragen, nm za konstatieren, in wel-
chem Maße Jeder seiner Amtspflicht nachkommt, und die Beichsregierong hat
sich zn dem Mittel genötigt gesehen, von Amtswegen Amtsnnterthanen zum
Landtag zu entbieten . . als Bfigezengen, um sie . . fiber die AmtsfÜhnmg
der Beamten zn inqnirieren ,'' so pafit diese Schilderung, wie sich aas der
— 321 —
und Inquisition der Amtseingesessenen, weichen von denen,
welche in fränkischer Zeit zur Anwendung gebracht wurden,
nicht ab.
So haben Baiems Herzoge am Ende des Mittelalters im
Verwaltungsorganismus ihres Landes aus eigener Initiative eine
Einrichtung zum Segen ihrer Unterthanen ins Leben gerufen,
welche schon Karls organisatorisches Genie als ein erfolgreiches
Mittel für die Festigung und Förderung der inneren Zustände
seines Reiches erkannt hatte.
obigen Darstellung ergibt, teils wörtlich, teils modifiziort auch auf die In-
spektionsthätigkeit der bairischen Rentmeister. Auch daran kann erinnert
werden, dafi diese, wie die missi dominici, fär ihre Inspektionsreisen spezielle
Instruktionen erhielten, welchen die Berichte Aber die Ergebnisse der letzten
Inspektion zu Grunde gelegt wurden.
llosonthal, Geschichte d. (ierichtsw. •... d. Verw. Org. liaiern«. I OJ
DRITTES CAPITEL.
Die Unterbehörden.
§ n.
Die Pfleger (und Richter).
Durch die in der ersten tlälfte des 13. Jahrhunderts darclwl
geführte planvolle Einteilung des Ilerzogtums in Vemaltung»*!
bezirke (Amter) ') war ein wirksames Mittel der Verschmelzui^l
der alten und neucrworljtinuu tiebtetstcilu des Landes
einem einheitlichen Ganzen geschaffen, ein festes Fundament '
fOr den Bau des modernen Staates gelegt. Die Erstarkung
der landesherrlichen Gewalt, welche immer mehr Rechte iti sidi
aufnahm, zu deren Wahrung sie eines krJLftigcn, ausreichenden
Beamtentums bedurfte, hatte ebenso wie die wirUchaftliclie R^ ■
Yolution im 13. Jahrhundert zu einer Umgestaltung der Ver> |
waltungsorganisation geführt *).
Diese VerwaltungsorgunisaÜon hat in ihren GrundzOgen die
Probe auf ihre Zweckmäßigkeit durch eine mehr als 600jihrigc
Dauer geliefert Mit ihr beginnt eine neue Epoche staatlicher
Entwicklung. Der Herzog delegiert dem Vorstand des neu-
geschaffenen Verwaltungsbezirks, dem Landrichter, später dem
Pfleger, alle öfTenthchen Funktionen in dem r¨ich abge-
grenzten Sprengel und begründet so die Einheit der Verwaltung,
indem er durch dieses sein Organ die In ihm als dem Trftger
1) Vgl & n.
t) VftL ueli 8««liK«TaL
— 323 —
der Staatsgewalt vereinigten Hoheitsrechte in allen Teilen des
Herzogtums in gleichmäßiger Weise zur Ausübung bringen läßt.
Wir haben diesen Beamten bereits oben, als wir die Ver-
hältnisse des Landgerichts erörterten, kennen gelernt, und es
darf hier vor allem zurückverwiesen werden auf das an jener
Stelle über die richterlichen Funktionen des Landrichters Ge-
sagte*). Daß erst an dieser Stelle von dem übrigen, nicht-
richterlichen Wirkungskreise desselben gehandelt wird, erscheint
nur darum geboten, weil oben der Zusammenhang der Dar-
stellung der gesamten Gerichtsverfassung nicht unterbrochen
werden sollte. Man muß sich vergegenwärtigen, daß der Schwer-
punkt staatlicher Thätigkeit schon seit der germanischen und
fränkischen Periode auf dem Richteramt lag, daß aber alle
Zweige der Staatsgewalt, der finanzielle, administrative und
militärische, ungeschieden in seiner Hand vereinigt waren, daß
also der Richter der Beamte schlechthin war, der mit der Wahr-
nehmung aller staatlichen Hoheitsrechte in seinem lokalen Be-
zirke betraut war.
Das Vorbild dieses mittelalterlichen Beamten ist der Graf
der fränkischen Zeit*), welcher auch die Gauverwaltung in allen
ihren Beziehungen zu leiten hatte. Alle diese Funktionen des
Grafen waren nach Auflösung der Gauverfassung auch in Baiem
auf den Landrichter übergegangen '). Neben diesen trat seit
dem Ende des 13. Jahrhunderts, als der wachsende Umfang
der Geschäfte die Arbeitskraft eines einzigen Beamten über-
stieg, der Pfleger *). Dieser errang bald den Vorrang vor dem
Landrichter. Zwar waren beide berechtigt, die Funktionen des
Amtes in gleicher Weise wahrzunehmen, aber es setzte sich
(loch das Herkommen fest, daß der Landrichter im allgemeinen
auf den gerichtlichen Teil der Amtsgeschäfte beschränkt blieb,
während der Pfleger zumeist die übrigen, also hauptsächlich
die Venvaltungsthätigkeit übernahm.
Seltener war es, daß ein Bezirk nur einen Beamten, den
Pfleger oder den Richter, hatte, welcher dann alle verschiedenen
1) S. 54 ffi
2) YgL über diesen K. SchrCdeir, Beehtsgeschichte S. 128 £
3) In Brandenburg auf den Vogt YgL Isaacsohn I, S. 36 £; Born-
h a k , Gescb. des pren&ischen Yerwaltnngsrechts. Berlin 1884. I, S. 25 £
4) Siehe S. 54»
21*
— 324 —
Funktionen des Amtes besorgte. Das Amt des Pflegers kommt
in den verschiedensten Kombinationen vor. Die Regel bildete
es zwar, daß der Pfleger die Gerichtsverwaltung dem Richter
überließ, aber man unterschied doch „Pfleger, so Gerichts-
verwaltung haben", und „Pfleger, so keine Gerichtsverwaltung,
sondern allein Schloß und bloße Pflegamt haben" *).
Am frühesten wurden auch auf der untersten Stufe der
Verwaltung die finanziellen von den übrigen Funktionen ab-
gezweigt und besondem Beamten (Kästnern) *) übertragen. Nur
ausnahmsweise behielt der Pfleger auch di^se Funktionen bei,
wenn die Anstellung eines eignen Finanzbeamten wegen Klein-
heit des Bezirks oder aus andern Gründen nicht zweckmäßig
erschien. Deshalb wird noch eine besondere Eidesformel er-
wähnt für „Pfleger, so neben ihren Gerichtsverwaltungen, Kasten
oder Ungeltamt haben".
Den Ausgangspunkt für die Entwicklung des Amts eines
Pflegers dürfte die Aufsicht, der Oberbefehl über eine Burg
abgegeben haben ^), denn die Hut und Fürsehung eines Schlosses
erscheint stets als eine der vorzüglichsten Amtspflichten in den
Pflcgerbestallungen.
In die Periode von der Mitte des 12. bis zur Mitte des
14. Jahrhunderts, filllt ein großer Aufschwung des Burgenbaues *)
und so liegt die Annahme nahe, daß die Landesherren den-
jenigen, welchen sie ein Schloß zur Bewachung und Ver-
teidigung anvertrauten, den Pflegern, zugleich die gesamte
Jurisdiktion und Verwaltung des umliegenden Landgericht-
sprengeis übertrugen. Seit dem 15. Jahrhunderte werden
diese Bezirke regelmäßig als Pflegen, nur ausnahmsweise
fernerhin als Landgerichte bezeichnet Diese Pfleger absorbieren
da, wo landesherrliche Vogtei bestand, die Funktionen der
1) Diese schworen, Schloß, Haus and Pflegeamt . . zu warten, das Schloft
bei Tag und Nacht in guter Hat and Fürsehung zu haben, keinen. Krieg
daraus noch darein zu treiben, noch Jemanden darin zu halten wider t. Gn.
Willen und Wissen ...(RA. — Pflichtbuch).
2) Siehe § la
3) Noch in L. Fr. I a. 1 verspricht der Herzog, „die pfleg unser ort und
namha£fter stet und schlöfi mit tapfem, edeln und geschickten Landleuten zu
besotzen".
4) Vgl Lamprecht I, S. 1306.
— 325 —
Vögte, deren Amtstitel seit dem 13. Jahrhundert verschwunden
sind^).
Während der Regierung K. Ludwigs scheint dieser Prozeß
zum Abschluß gekommen zu sein, denn seine Söhne Ludwig
der Brandenburger, Stephan und Ludwig der Römer verheißen
im 6. Freibriefe*) 1347, das Land nur mit Räten und Pflegern,
die niederbairische Landleute seien, zu besetzen, und auch der
11. Freibrief Albrechts I. von 1365^) gebietet den Amtleuten:
Vitztumen, Pflegern, Richtern, Schergen u. andern. Hier ist
also den Pflegern jene Rangstufe in der Hierarchie des Beamten-
tums zuerkannt, welche dieselben für die Folgezeit stets innehatten.
Die Bewachung der Burg, des Schlosses stand im Vorder-
grunde der Pflichten des Pflegers, welcher gewöhnlich dem Ritter-
stande angehörte. Um dieselbe in verteidigungsfähigem Zu-
stande zu erhalten, bedurfte es einer ständigen Besatzung, deren
Werbung und Unterhaltung aus den Amtseinkünften er über-
nehmen mußte. Dieselbe war zumeist eine sehr kleine und be-
schränkte sich auf einige Thorwärter.
Jeder Pfleger übernahm aber auch die Verpflichtung, als Äqui-
valent für seine Bezüge dem Herzoge zu dienen mit einigen (2—20)
wohlgerüsteten Pferden ^) und Knechten (Stuhlknappen). Diese
Mannschaft wurde nicht nur für die Verteidigung der Burgen
1) Der Ansicht Biezler's (11, S. 529), dai die> Pfleger nichts anderes
als die alten VOgte seien, schließe ich mich nur mit der im Texte gegebenen
Modifikation an, denn Pfleger wurden auch da bestellt, wo vorher keine YOgto
existierten. Biezler weist zur Begründung seiner Ansicht auf die Formeln
in Urkunden K Ludwigs hin — Amtleute: Vitztume, Richter, Vögte, Schergen
und Amtleute: Vitztume, Richter, Pfleger, Schergen (HB. II, p. 145;
III, p. 370; IV, p. 366; X, p. 337). Ich möchte noch hinzufügen, dafi unter
den Einkünften der Pfleger einige nur in der Vogtei ihren Ursprung haben
(z. B. Verpflichtung von Klöstern zur jährlichen Lieferung von Wächterpelzen)
und da& vereinzelt in den Bestandbüchem unter den Einkünften der Pfleger
auch der Posten „aus der Vogtei" vorkommt
2) V. Lcrchenfeld S. 17; vgl auch die gleichzeitige Übereinkunft
der Städte und des Adels Niederbaiems bei Rockinger, Einleitung S. 193.
3) V. Lerchenfeld S. 26 (vgl auch 36. Freibrief— 1393, das. S. 37).
4) z. B. Bestallung 1538 : „und von solchem Amte und ihm zustehenden
Nutzungen und Einkommen soll er uns mit 2 reisigen Pferden und Knechten
wohlgerüstet gehorsam sein und so er in unsem Dienst erfordert wird, sollen
wir es mit Kost und Futter und redlichem Schaden, ob er einigen darin em-
pfange, mit ihm halten wie mit andern unsem Pflegern und AmÜeuten."
verwendet *), sondern auch außerhalb in dca Feldzdj^cu, denn
aus solchen kleinen Kontingenten, welche von Pfiegem und
andcni Beamten und Rittern vertragsmäßig gestellt wurden,
eetzto sich dag Heer des Herzogs zusammen *).
Dieses Schloß bildete als Sitz des leitenden Beamten den
Mittelpunkt der ganzen Verwaltung des Bezirks. In den Be-
stallungen für die Päcger wird so gesagt, daß ihm Obertragen
werde „Schloß, Herrschaft und Gericht" oder „Schloß, Herr-
schaft und I*fleg X. mitsamt dem Gericht, so dazu gehOrt", oder
„Scbloß und Landgericht". Nur vereinzelt ist lediglich von
„Pfleg und Gericht" die Rede, Mit der weiteren Ausbildung
der Verwaltuiigsbezirksetnteilung werden eben auch solche Plätze
zu Hauptorten des Bezirks, welche keine Burg besitzen. In
den Amterverzeichnissen werden denn auch, wie erwähnt,
einzelne Bezirke nicht als Pflegen, sondern nur als Landgericht«
oder Gericht« bezeichnet^).
Aus der Thatsache, daß in den Bestandbriefeu von einer
Übertragung von „Pflege und Gericht" u. dgl. gesprochen wird,
sehen wir schon, daß das Gericht stets als ein selbständiges
und wichtiges Element der Amtaverwaltung des Pflegers be-
trachtet wurde. Für die gerichtlichen Funktionen des Amtes,
welche der Pfleger gewöhnlich nicht selbst wahrnahm *
stellte *) er einen Richter als Stellvertreter, welcher i
1> Ffli ^SM mnftto der Pflei^ gtoM aeiiifr Boatalhuig I
Wicht«? nnd Thorwirter nnterbalton.
i) Siehe du Vencichnü der Ton den Beamten dw LuMhaUa ttOta
tD itellendeti Pferde (U46) bei BachnoT VI, S. 166 t
3) So werdan in emom Bettuidboch de« Rentunts Luidibnt 145S mit
all Ooritht» ftufgrfabrt: Ifarrkircheti , Eggenfelden , ViUbibqrg. Dach *tr>
wurbt rieh lelbit diele nar formelle OoWicbeidang ToIltUndi);, ood In ciiMm
ofBiiFllcn Alitenit&cko tod 1600 werden t. B. Otterhofcn und Nattemberg;
die 1462 all Pflei;eQ aufKefUbrt wurden. Gericht« geoaiint und Aplap fpttcht
in winBr TopDf^raiihin (vf;l. oben S- 6S A 3} niiUrvrhiodilDi nnr von pn»-
fsctmae,
4) E« ward Ihm auch vereluialt eing«biuid«D, da« I^ndferieht .mIIM
%o befttiini mit idn »elbi Ldb nnd keinen andern Richtar n babia'', m
wire denn In leiust Abweeenbelt, datia mag ar to dfeaer Z«it elsaa Andna
an Minor lUtt «nticn. So t. B. in d«r B««ta]lnn^ da* Pflagm n BM
Olren 1440 {R A.). "^^
5) Anmahmiwoiie bslilelt rieh der Heno)f dai Uaeht der lUebtai
tor, L lt. 1453 Pflege Ardiog: Eioan Ricbtar haben Wir Mtbet t
— 327 —
geschriebene Qualifikation besitzen mußte ^). Er hatte *) diesen
auf seine Kosten zu unterhalten*). Wiederholt wird ein-
geschärft, daß weder der Pfleger noch sein Richter von Gerichts-
händeln außer des Gerichtsschreibers nichts handle noch teidinge,
auf daß dieser alles aufschreibe und alles dem Herzog in Rech-
nung fürgebracht werde.
In den Bestallungsbriefen wird dem Pfleger ans Herz ge-
legt, daß er die armen Leut und ünterthanen seiner Amtsver-
waltung wider Recht und Billigkeit nicht beschwere, noch zu
beschweren gestatte, sondern denen treulich seines besten Ver-
ständnisses und Vermögens vor sein soll*). Er soll auch
sonderlich, heißt es weiter, auf unsre landesfürstliche Hoch- und
Obrigkeit mit der Musterung, Hamasch, Beschau, Scharwerk,
Rais (= Heerfahrt), Steuer und allem Andern seiner Amtsver-
waltung fleißig Aufsehen haben und thim lassen, uns dieselbe
unsre Obrigkeit und getreulich stracks handhaben, nichts davon
entziehen noch Andere thun lassen, alle Verordnungen und Be-
fehle volWehen '^) und sich im Zweifel stets an die nächstvor-
gesetzte Behörde, die Regierung wenden, um deren Entschließung
einzuholen.
In dieser dem 16. Jahrhundert angehörigen Bestallungs-
formel tritt uns der Pfleger als der Stellvertreter des Landes-
herm in seinem Bezirke entgegen, berufen zur Ausübimg aller
diesem zustehenden Hoheitsrechte. Fassen wir seine Thätigkeit
in den verschiedenen Zweigen staatlicher Verwaltung näher ins
Auge, nachdem die gerichtliche Thätigkeit, die früher eingehend
erörtert ward^), hier nur gestreift werden konnte.
1) Vgl. S. 54.
2) In denjenigen Bezirken, in welchen kein Pfleger, sondern nur ein
Kichter bestellt war, wurden diesem „die Nachrechte von den Oerichts- und
Yitztumwändeln wie andern Pflegern and Bichtem" zogesichert
3) Auch die Verpflichtung des Pflegers, dem Gerichtsschreiber den Tisch
zu geben, wird erwähnt
4) R A. — BestaUungen b. Beamter F. 1 (1538).
5) „allen Landpoten, Satzungen, Ordnungen, Erkl&nmgen, die von uns
oder uuserm Bruder H. Wilhelm ergangen sind und ausgehen werden, des-
gleichen alle andern Hofgeschäfte und Mandate und Befehle, die ihm von
uns oder unserm Regiment zu L. und obersten Amtleuten daselbst zukonunen,
Vollziehung zu thun'
6) Vgl. S. 54 ff".
.u
— 328 —
An dieser Stelle möchte ich vor allem nur jener Verwaltungs-
thätigkeit gedenken, welche wir heute als einen Zweig der frei-
willigen Gerichtsbarkeit betrachten, nämlich die Führung der
Obervormundschaft, welche, nachdem sie zuerst in den Städten^)
ausgebildet worden, auch unter die Pflichten der landesherrlichen
Obrigkeit aufgenommen wurde. Nachdem die L.O. 1501 *) das
Prinzip ausgesprochen, daß der Herzog „als Landesfürst und
oberster Gerhab" den Waisen taugliche Vormünder bestellen soll,
sofern deren Verwandte dies nicht gethan hätten, präzisierte
die L.O. 1516 (S. 23) dies dahin , daß die Obrigkeit, der die
Kinder von Gerichtswegen imtenvorfen, also Pfleger oder Richter,
einen Vormund aus dem Kreise der hierzu tauglichen Verwandten
zu ernennen habe. Zugleich führte die L.O. die Pflicht des Vor-
munds zur jährlichen Rechnungsablage, wenigstens fakultativ,
ein^). Ausführlicher regelte dann die L.O. 1553*) nach dem
Vorgange der Reichspolizeiordnung von 1548 (t. XXXI)*) die
Aufgaben der Pfleger als Ober^^ormundschaftsorgaDe. Nach dieser
braucht der Vormund einen besondem Befehl der Obrigkeit zur
Übernahme der Vormundschaft und mußte sofort ein Inventar
über das Mündelvermögen errichten. Ferner hatte er eidlich
treue Erfüllung seiner Pflichten zu geloben und zu versprechen,
daß er keine Immobilien ohne Vorwissen und Erkenntnis der
Obrigkeit veräußere oder verpfände^). Eine weitere Kontrolle
der obervormimdschaftlichen Geschäftsführung der Pfleger, die
für jeden durch ihre Schuld dem Mündelvermögen zugefügten
Schaden aufzukommen liatten^), lag merkwürdiger Weise der
1) Z.B. im 14. Jahrhundert in Landshut Vgl Roscnthal, Beiträge
S.67 t
2) Krennor XIII, S. 279.
3) Es sollen aach die gerhaben und Vormünder, so es die obrigkait
oder die freunde für nutz und not ansieht, alle jar jres einnemens und aofi*
gebcns der obrigkait desselben orts oder allain den nächsten fründen mit
wissenn der obrigkait wie sich gepurt rcchnung thun. Gleichlautend L.0. 155S
B. U t 1 a, 2.
4) B. III t 1.
5) Über diese vgl St ebbe, Handbuch des deutschen Privatrechti.
Berlin 1884. IV. S. 446 f.
G) Die Pflicht der jährlichen Rechnungsablagc blieb unter den früheren
Voraussetzungen bestehen.
7) Hofkammer- Ordnung 1591 (Stieve, Sitz.-Ber. der Münchner Akad.
d. Wiss. 1881, S. 45): im fal durch iren (pflegem und gerichten) als der
— 329 —
Hofkammer ob, welcher die Pfleger und Gerichte über die bei
ihuen geführten Vormundschaften, die Art der Führung der-
selben, Vermögensstand und Kapitalanlage unter Hervorhebung
der von ihnen hierbei wahrgenommenen Mängel Bericht er-
statten mußten.
Wenden wir uns zu der polizeilichen Sphäre der Pfleger,
so stoßen wir zuerst auf die Landfriedensordnungen des 13. und
14. Jahrhunderts. Diese bezweckten der allgemeinen Rechts-
unsicherheit zu steuern und suchten einen gesicherten Zustand
auf den Landstrassen durch Abwehr und Gefangennahme ^) des
verbrecherischen Gesindels, das auf denselben sein unsauberes
Handwerk trieb, durch die Richter der einzelnen Bezirke her-
zustellen. Diesen wurde die Verpflichtung auferlegt, allen schäd-
lichen Leuten ^) (Räubern, Brennern, Mordbrennern oder Dieben)
nachzueilen und dieselben der gerichtlichen Bestrafung zu über-
liefern 3). Es galt als allgemeine Unterthanenpflicht für Jeden,
der das Geschrei hörte *), sich an der Verfolgung zu beteiligen.
Keine kleinlichen Kompetenzstreitigkeiten sollten die Erreichimg
des Zwecks verhindern. Aus einem Gerichte in das andre und
aus einem Vitztumamte in das andre sollte die Verfolgung un-
unterbrochen fortgesetzt werden, und alle Beamten der einzelnen
Bezirke waren zur gegenseitigen Unterstützung verpflichtet^),
obri^keit unfleiß und übel zuseben an die vormondschaft schaden geschehen
solte, das si solchen werden erstatten muessen.
1) Benaebbarte Fürsten scblossen Vorträge, welche eine Sicherung der
Straßen, besonders dureb die Beamten, bezwecken. So die Herzoge von
Baiern mit denen von Österreich 1375 (Qu. u. Er. VI, S. 523): Davon ge-
pieten und enpbelicbon wir ernstlich allen unsern herren, rittem und knechten,
dartzu allen unsern amptlauten, vitztumen, pflegem, ricbtem und allen an-
dom, di wir in unsern landen ye ze der zeit haben, vesticblich bei unsern
gnaden und bulden, daz si di strazzen uberal also beschirmen und sichern
wider aller raenichlicb niemont auz genomen und nimer gestatten und under-
varen, daz di chauf laut oder arbaitter, wer oder von wan di seinn, jnndert
gewalt oder unreclit goschecb.— Vgl noch Verordnung 1369 (Qu. u. Er. VI, S. 498).
2) Über die durcb die Landfrieden den Städten eingeräumte Mitwirkung
bei der Unterdrückung des Verbrechertums, der schädlichen Leute vgl Ro-
se n t b a 1 , Beiträge S. 89 f.
3) Landfrieden 1281 a. 4; 1300 a, €5; 1352 a. 3; BQndnis 1369 a. 7
(Qu. u. Er. V, S. 340; VI, S. 121, 422, 507).
4) Vgl. Brandbrief der bair. Herzoge 1374 a. 6 (das, VI. S. 519).
5) Landfrieden 1352 a. 4 (Qu. u. Er. VI, S. 422), 1361 (Kaie h er S. 65).
eine Verpflichtung, die sich auch auf die verschiedenen büiri-
schen Uerzogtflmer erstreckte, indem die Herzoge sich gegen-
seitige Hülfe durch ihre Ileamten zusicherten'). Solche Maß-
nahmen zur Unterdrückung der Straßenräuberei erwiesen sich
auch uoch im 15. und 16.') Jahrhundert als notwendig.
Noch 1498, also 3 Jaiiru nfti^h Errichtung des ewigen Land-
friedens, führten Statthalter und Räte Herzog Georgs in ^ineip
Namen Klage über die Häufigkeit der Verbrechen und die ün-
Bicherheit der Landstrassen, daß die Uuterthanen in Abuebniun
und Verderben gebracht und die Straßen durch die Kuu6eute
gemieden würden, wodurch nidit nur des Herzogs Zölle, sondern
auch der gemeine Nutzen merklich gemindert und verhindert würda
Deshalb wunlen in einem Landgebote') an Pfleger und Ijind-
richter die alten Anordnungen wegen der Streifen zur Üamacb-
achtung in Erinnerung gebracht, die Abhaltung von mindestens
2 Streifen in der Woche im Bezirke, eventuell in Verbindung
mit benachbarten Pflegeni eingeschärft. Dieses Laudgebot ent-
hftlt auch nach dem Vorgange einer Verordnung H. Ludwigs
von 14til *) Auffinge einer Fremdenpolizei, indem es den Pflegern
aufgibt, darüber zu wachen, daß niemand Verdächtlicher oder
Unerkannter in der Pflege beherbergt werde, man wisse dU)D
von ihnen zu antworten und daß sie I>andcn uud Leuten un*
schädlich seien '*).
Außer der allgemeinen Verfolgung, an der sich auch die
Untertbanen zu beteiligen hatten, wurde durch das Landgebot
von 1512 die Aufstellung einer Anzahl gerüsteten Volks zu lUA
1) Brandbrief dor 6 buriteheo Qer»^ 1374 a. 7, B (Qu. n. Bi; 71,
8. 680); vgl ucb LO. 1GI6 8. 18 BOndnU. „duntt di«««t OrdDnng dMtO
•tatUicber Volliiohung beMhehen möge", mit den terwindUo HomelMn
dpr Pfali (Oberpfalt) and Nenbni];.
i) Vgl i B. Entirnif eioei Ltodg^boU wegta dM Landbiedona 14U
(Kieanet II, 8. 96]i Landgebot AlbrMhU III. toh UQncbeii 1470 (Kr«D-
n«r Vm, S. 4). 8ebr em^honde Vnncbrift«ii Obat die UrgaotulioB d«r
StrafMi tor Verfolpuft dw Veibrocher, Ober die Päicbt lar Naebeil« bilni
Liatea der Stnnnglocke jtibt du IjaDde«bi>t Jn Betreff der HOrder otc; 1519
(Ktenner XVUI, B. 388 £, 404^ und Lü. 16S3 II. VI t ».
3) Krenaat Zni 8. ßfi ff.
4) KrvDDvr VTI, a 106 f
Dl Krenoar XUI, 8. 68; LO. 16ß3 Bd. VI L 3 a. S TnUagt »ofortic«
Maldttng dar B^nbOTgong aion Vcrdtcklis«a M dw ObrifkelL
- 331 —
und Fuß in Städten, Gerichten und Schlössern angeordnet. Diese
sollten zu jeder Zeit zur Niederkämpfung eines jeden Aufruhrs
und jeder Beschädigung im Lande bereit sein ^). Zugleich er-
ging Befehl an die Pfleger, die waffenfähigen Personen ihres
Bezirks auszuwählen , und die so Ausgemusterten mit Waffen zu
versehen. Ein Register der Ausgemusterten *) wurde angelegt
und mußte unter Aufzeichnung jeder Veränderung evident er-
halten werden.
Sehr ausführlich regeln die L.O. 1516») und 1553*) Streifen
gegen die Straßenräuber, Landfriedensbrecher und andere Übel-
thäter, indem sie neben den Vitztumen, Pflegern und Richtern
auch die andern Beamten, wie Zollner und Kastner, namentlich
zur Unterstützung der in erster Linie für die Verfolgung orga-
nisierten streifenden Rotten und der Beamten aus andern Be-
zirken verpflichten.
Da die öff'entliche Sicherheit durch die dienstlos herum-
ziehenden Landsknechte aufs höchste gefährdet war, wurden im
Laufe des 16. Jahrhunderts unzähUge Mandate ^) gegen sie er-
lassen und die Beamten auf das nachdrücklichste zur Gefangen-
nahme derselben, der sog. gartenden Knechte aufgefordert. Aber
obwohl die Beamten mit ihren Pferden und Amtsknechten in
ihren Landgerichten beständig hin und wieder reiten mußten, um
die Verdächtigen zu ergreifen, gelang es doch nicht, dieser für
den Wohlstand der Bevölkerung höchst verderblichen Landplage
Herr zu werden. Der Herzog sah sich deshalb veranlaßt, den
Beamten, welche in Bezug auf ihre Streifverpflichtungen sich einer
Nachlässigkeit schuldig machten, eine Geldstrafe bis 500 fl. anzu-
drohen, sondern erklärte sie auch für schadensersatzpflichtig ®).
Die Landplage des in großer Menge sich herumtreibenden
Gesindels war es auch, die im 16. Jahrhundert ^) die Maßregeln
1) Krennor XVIII, S. 407.
2) Das. S. 409, 431 (Musterang durch Verordnete des Herzogs), 449 L
3) S. 9 ff. Dieselbe wird begründet mit den in neuerer Zeit an den
Grenzplätzen sowohl wie an andern Orten vorgekommenen B&ubereien.
4) B. VI t 9.
5) Rcichspolizei-Ordnung 1548 8. 14 (vorgedruckt der bair. LO. 1553), dann
letztere S. 169 K, femer Mandate von 1519, 1554, 1585, 1589.
6) Mandat vom 10. Juni 1589.
7) Gegen Bettler überhaupt wenden sich Ende des 15. Jahrhunderts
schon einige Landgebote. So befahl Albrecht IV. 1483 den Pflegern und
— 332 — '
gegen Bettler hervorrief * ). Nachdem die L.O. 1501 *) allgemeiii
ein Verbot des Betteins aufgestellt und nur die Gebrechlichen
davon ausgenommen hatte, verlangte ein Zusatz zu dieser (..0.')
auch für die Ausnahmen eine besondere Konzession. Jeder
Bettler hatte eine Urkunde vom Pfleger oder Richter zu zeigen,
daß ihm zu betteln Not und er dazu zugelassen sei. Die Exi-
stenz dieser Voraussetzung ernstlich zu prüfen, war dann Sache
des zuständigen Beamten. Diese Urkunde berechtigte ihn aber
nur zum Betteln innerhalb des Landgerichts oder Stadtbezirks
seiner Heimat*).
Neben den Maßnahmen der Sicherheitspolizei waren es so-
dann die wirtschaftlichen Interessen des Landes, welche die
Thätigkeit der äußern Beamten vielfach in Anspruch nahmen.
Sehr häufig begegnen die Verbote des Fürkaufs. Um eine Ver-
teuerung der Lebensmittel für die Konsumenten hintanzuhalten,
sollten dieselben dem allgemeinen Verkaufe auf den Märkten
unterstellt werden*), damit durch reichliches, der Nachfirage
entsprechendes Angebot eine Regulierung der Preise eintrete.
Deshalb^) mußte dafür gesorgt werden, daß dem Markte nicht
Material durch vorherige Käufe (Vor-, Fürkäufe) im Hause des
Richtern GeCangcnnehmung der arbeitsfähigen Bettler, verordnete aber xogleich,
die mit Alter oder sichtiger Krankheit dos Leibes Beladenen, dadurch m
zur Arbeit nicht geschickt» sondern des Ahnosens notdürftig wären, an ihrer
Besuchong des Almosens angeirrt zu belassen. Dieses Landgebot wurde
1489 wieder eingeschärft (Krenner VIII, S. 392 £; IX, S. 7 £).
1) Vgl G. Meyer, Yerwaltungsrecht I, S. 149.
2) Krenner XIII, S. 266.
3) wahrscheinUch 1507 (Krenner XVI, S. 383).
4) So L.O. 1516 S. 17; L.O. 1553 B. VI t 5 a. 3, 6. Diese L.O. legten
der Obrigkeit auch die Verpflichtung auf, die erwerbsfähigen BetÜerldnder
ihren Eltern zu entziehen und sie zur Arbeit erziehen zu lassen, damit sie
nicht auch dem Laster des Bettels zum Opfer tiolen.
5) Die Haupttendenz dieser Wirtschaftspolitik ging dahin, den Handels-
verkehr auf die offenen Wochen- und Jahrmärkte zu beschränken. Nor der
Einkauf für den Hausbedarf sollte sich außerhalb derselben abspielen dflrfen.
6) z. B. Befehl AlbrechU IIL 1442 an das Landgericht Pfaffenhofen: Wir
schaffen ernstlich mit euch . ., daü ihr darob seyet und verbietet, da6 man
in dem obgenannten unserm Landgericht keinerley Vieh, noch Käfi, Eyer,
Schmalz, dazu Garn und Flachs und all andre Sach . . auf dem Lande nie-
mand nichts verkaufe, sondern Wir wollen, daß solches alles zu allen nnsem
offnen gewohnlichen Märkten gebracht werden sollen (Krenner I, S. 143).
A
— 333 —
Produzenten zum Zwecke der nicht marktmäßigen Weiterver-
äußerung entzogen würde. Namentlich ging die Tendenz dieser
Wirtschaftspolitik dahin, eine Schädigung der inländischen Kon-
sumtion infolge der Ausfuhr der Landeserzeugnisse zu ver-
hindern. Die Erfahrung, daß das Fleisch aufgekauft und aus
dem Lande getrieben, dadurch das Fleisch hoch verteuert würde,
so daß im Inlande großer Mangel und kein gutes Fleisch zu
habendi wurde wiederholt gemacht. Sie drängte ebenso wie
die Beschwerden der Stände und die Beobachtung, daß auch
Viktualien und Getreide aus dem Lande verführt oder zu
Spekulationswegen aufgehäuft würden („und ob ihrer etliche
solchen Getreid gleichwohl nicht aus dem Land verführen, so
schütten und verhalten sie den doch auf ihren Kästen zu künf-
tiger und großer Teuerung") *) zu stets erneuter Einschärfung
der gegen den Fürkauf erlassenen Landgebote, da die Nach-
lässigkeit und Pflichtvergessenheit einzelner Pfleger und Richter
die von einer gesunden wirtschaftspolitischen Anschauung zeu-
genden „von eines gemeinen Nutzens wegen ergrifl'enen" Maß-
nahmen vereitelte*).
Man war bestrebt, diese mit der Vollziehung der Verord-
nung betrauten Beamten zu erhöhter Aufmerksamkeit anzu-
spornen, dadurch daß man ihnen einen Anteil (Hälfte) der der
Konfiskation ^) unterworfenen aufgekauften Vorräte zusicherte.
1) z.B. 1467 (Krenner V, S. 213).
2) z. B. 1501 (H. Georg). Krenner Xm, S. 333.
3) Landgebote von 1442, 14C0, 1461, 1466, 1470, 1474, 1476, 1478, 1501
(Krenner I, S. 143; VII, S. 104; V, S. 71, 198; VH, S. 392, 408; Vm,
S. 151, 235, 281; XIII, S. 151, 332). Die Wiederholung war anch im Laufe
dos 16. Jahrhunderts notwendig, z. B. Landgebote von 1534, 1544, 1580, nach-
dem die L.O. 1516 S. 46 ff. und die L.0. 1553 B. UI t 5-14 durch sehr de-
taillierte Verbotsvorschriften den Fürkauf geregelt hatten.
4) 1544 vnirde darüber geklagt, daß heimliche Praktiken und Fürgeding
des Viehkaufs so überhand genommen haben sollen, dai ohne Vorwissen der
Obrigkeit und Amtleute dies nicht geschehen kOnno und also hübschlich
zu;2:esehen und je zu Zeiten Pafiporten gegeben würden. Deshalb sollten
die Kontmoister bei ihren Umritten derohalb sondere geheime Erfahrung
fümchmen, auf daü solche eigennützige Obrigkeit und Amtleute Anderen zu
Ebenbild nach Ungnade gestraft würden (RA. — Polizeisachen 1544).
5) Die L.O. 1516 S. 47 und 1553 B. IH t. 6 a. 14 droht nicht Kon-
fiskation , sondern nur eine Strafe von 1 Pfd. -X für jedes Stück Vieh an,
sichert dem Beamten auch hiervon die Hftlfte zu.
Wie wenig diese in Aussicht gestellten Belohnangen uod die
angedrohten Strafen die Beamten zu einer energischen Unter-
drückung des Fürkaufs zu bringen vermochten , l)czeugen die
Landesordnungen von 1516 ■ ) und 1553 , welche den Btuimten
ausdrücklich untersagen, niemandem dun FUrkauf zu gestatten,
wie dies bisher an etUchen Orten dem gemeinen Nutzen zu
merklichem Nachteil und Schaden geschehen sei*). Den Be-
amten und Amtsknechten, welche selbst Fürkauf treiben oder
die Fürkäufer „schieben und nit niederwerfen", sollte dies un-
nachsichtlich mit Leibesstrafe geahndet werden ').
Sollten diese zum Wohle der Bevölkerung eingeführten Vor-
schriften nicht gegenteilig wirken, so mußte bei den von Natur-
ereignissen (Ausfall der Ernte u. dgl.) und den sich ändernden
Maßnahmen in den Nachbarl&udem abhängigen wechselnden Kon-
junkturen, welche die Grenzbezirke stark berührten, eine ge-
wisse Beweglichkeit der wirtschaft^politischeu Anordnungen er-
möglicht werden ' ), um den neu auftretenden Bedürfnissen leicht
Rechnung tragen zu können. Deshalb wurde dem Herzog die
Befugnis eingeräumt, auch ohne Genehmigung der Landschaft
mit seinen Räten jeder Zeit eine Aufhebung und Änderung der
in Bezug auf den FQrkauf ergangenen Bestimmungen, wenn dies
nOtig erscheint, zu beschlieÜcn.
Der staatliche Einfluß auf das wirtschaftliche I^hen machte
sich zu allen Zeiten geltend in der Überwachung des Gewerbe-
Wesens, die allerdings mehr die Handwerkervcrbältnisse in den
Städten als auf dem flachen Lande betraf.
Von Interesse dürfte die M'ahmehmung sein, daß die Strikes
nicht etwa ein Produkt der industriellen Entwicklung des 19.
Jahrhunderts sind, sondern daß schon 151G ^) die bairische
1) a 61.
2| LO. I&63 E m t 14 •. 4 tieseitigui uch den Kit» Uitbiuc^ aia-
teloen FOrklnflern den FOikanf gegen Etlegnng eJDcr beatinuntoa GoblAr
(Saafg«ld) Rn den Beunton d«t B«iirkt la graUtten.
3) LO. 1663 a ra t 14 fc. 5.
4^ LO, 161G S. 62 — >o msrckhlich befchwlrung fOrfielen. daful g»-
mijnem nati nnhUfl tuind KbAd, du offeonlieh wiif^ errolgt, wi« dun fio
Mit nnnd JBTE«DOg, ucb dio gtgtat nond Bifitn tob wegon dm uatsttnada
Uimdt mglaieh ilnd, duJD& ... Vgl »arh LO. 1563 B. lU L 14 a. 6.
S) a 68 E (abww LO. 166S a V L 1 ». 4). Uli «ieli di« Hundt*
«enhlkneebt In onnMin Stottoi und UlrekhtcD loiejtcn tuodentMn nu
— 335 —
L.O. Veranlassung hatte, Bürgermeistern und Stadträten, aber
auch den herzoglichen Beamten zu befehlen, solche gemein-
samen Arbeitseinstellungen zu unterdrücken, die Bädeisführer
zu bestrafen und die andern zur Wiederaufnahme der Arbeit
zu veranlassen.
Mit der Abstellung der Mißbräuche und Unordnungen
in den Handwerkszünfteu befaßt sich die L.O. 1553 (B. V t. 1
a. 1), indem sie die Schattenseiten des Zunftwesens scharf
geißelt und die Obrigkeiten auffordert, namentlich dem
Mißbrauch entgegenzutreten, Handwerksgenossen in chicanöser
Weise die Aufoahme in die Zunft unmöglich zu machen 0? ibi-
dem die Zünfte sich unterstehen, sie „mit übermäßiger Schätzung
und Zehrung und auch mit Auflag und Anmutung ungewöhn-
licher, vergebner und unnutzer Meisterstücke also zu beschweren
und zu beladen, daß dieselben, ob sie ihrer Geschicklichkeit
halber der Meisterschaft gleich würdig, dennoch derselben allein
darum, daß sie solche überflüssige, ungebührliche Zehrung zu
erschwingen nit vermögen oder gedachter unnützer Meisterstück
unkundig seind, mangeln, auch etwa mit sonderm Spott und
Nachteil davon ausgeschlossen sein müssen".
Es sollte nun, nachdem das alte löbliche Herkommen allent-
halben im Lande bei den Handwerkern gräßlich mißbraucht
wirdet (L.O. 1553), eine Ordnung und Satzung vorgenommen
werden, die gemeinem Nutzen förderlich, guter Polizei dienst-
lich und dem armen Handwerksmann erträglich und leidlich sein
möge. Schon im Landfrieden 1255 *) war dem Richter die Auf-
gabe gestellt worden, mit 8 der Besten Arbeitslöhne und Preise
der Erzeugnisse verschiedener Handwerker festzusetzen'). Später
beschränkte sich dann die Aufgabe des Pflegers auf die Be-
aignen fOrnemen und muetwillen gemainklich all in ainem handtwereh aof-
znsteen in majimiig jren Majstern wejtter nit zearbaiten. Es werd dann in
dem das sy fOrnemen davor nach jrem begem gehandelt nnd vermainen also
OD der obrigkait erlauben in den sachen jr selbs Richter lesein defthalben
zu dickennals in den hanndtwerchen zwischen jnen yü irnmg nnd venanm-
nnü der handtwerchsarbait ersteen . . .
1) Als Mißbrauch war auch erwähnt» daft die Zflnfte unziemliche» unge-
bührliche Strafen ohne Vorwissen der Obrigkeit vomehmen.
2) a. 75; Ldfr. 1281 a, 66; 1300 a.84 (Qu. u. Er. V, S. 151, 349; VI, 8. 123).
3) Einzelne Landgebote des 15. und die L.O. des 16. Jahrhunderts lassen
dann eine gesetzliche Tarifierung eintreten.
— 336 —
Stellung von Beschauern^) für seinen Verwaltungssprengel, welche
namentlich die vorschriftsmäßige Qualität der Nahrungsmittel
zu prüfen hatten. Insbesondere wurden Bier- und Fleisch-
beschauer ernannt. Die Thätigkeit der letzteren fiel zugleich
in das Gebiet der Gesundheitspolizei, denn sie hatten zu ver-
hüten, daß ungesundes Fleisch in den Verkehr kam.
Eine Revision und Eichung von Gewicht, Ellen und MaS
hatte der Richter jährlich einmal mit 2 — 3 Bürgern vorzu-
nehmen *). Diese für die Verkehrspolizei wichtige Revision war
schon durch K. Ludwigs Landrecht vorgesehen*).
Einen wichtigen Zweig der Wirtschaftspolizei bildete das
Münzwesen. Auch hier bediente man sich der Pfleger als der
allgemeinen Polizeiorgane zur Durchführung der ergangenen
Münzmandate (Verbot des Umlaufs geringhaltiger Münzen,
Verbot, Münzen zu einem hohem als dem bestimmten Kurse
anzunehmen)^). Bei der großen Wichtigkeit der Sache für die
Volkswohlfahrt und der Schwierigkeit der Verwirklichung des
gesetzlichen Zustandes sicherte man den Beamten, um ihren
Eifer und ihre Wachsamkeit zu schärfen, einen Teil der zu
konfiszierenden Münzen zu und befahl ihnen auch die Auf-
stellung besonderer Aufseher zur Aufspürung der Übertreter
dieser Mandate.
Daß die Erfüllung der Pflichten des Gesindes gegen seine
Herrschaft vielfach als eine Angelegenheit von öffentlichem
Interesse angesehen wird*), ist eine nicht erst in der Gesetz-
gebung unsrer Zeit hervortretende Auffassung. Eingehend regeln
die bairischen Landesordnungen des 16. Jahrhunderts das Ver-
hältnis von Herrschaft und Gesinde*), indem sie auch bestim-
men, inwiefern die Obrigkeit zur Erzwingung der vertragsmäßig
1) z.ß. in Niederbaiern 1437 (Krenner IV, S. 94); L.O. 1553 B. K
t 2 a, 10; B. V t 6 a, 1.
2) L.O. 1516 S.56; L.O. 1553 B.V t 8 a. 16.
3) Nach Münchner Stadtrecht a. 329 (An er S. 218) fand diese Beschau
Tiertelj&hrlich statt
4) z. B. 1469 (L 0 r i , Sammlung; des baier. Manzrechts I , S. 86), 1497
(Krenner XIII, S. 57 ff.). 1510, 1511 (Lori II, S. 130, 147), 1567, 1668
(gedr. Mandate).
5) Vgl. G. Meyer, Verwaltnngsrecht I, S. 429.
6) Ober die Eigenart des Gesindeverhfiltnisses vgl R. LOning, Der
Vertragsbruch und seine Rechtsfolgen. Strafiburg 1S76. S. 460 £
— 337 —
übernommenen Verpflichtungen ihren Arm zu leihen habe. Bei
Nichtantritt oder Nichtaushalten des Dienstes ohne hinreichende
Gründe, über deren Vorhandensein der Pfleger zu erkennen
hatte, sollte dieser den Vertragsbrüchigen zur Erfüllung seiner
Verpflichtung^) anhalten*). Den heimlich entlaufenen Dienst-
boten hatte er auf Ersuchen der Herrschaft zwangsweise in den
Dienst zurückzuschafl'en. Strenge Strafe, sogar dreijährige
Landesverweisung traf den unbotmäßigen Dienstboten ^).
Bedeutungsvolle Aufgaben hatten die Pfleger in Wahr-
nehmung der- landesherrlichen Kirchenhoheitsrechte zu erfüllen.
Als Vollzugsorgane der Regierungen waren auch sie berufen,
an dem Werke der Gegenreformation mitzuwirken *) und die das
kirchliche Leben der Laien '') und die Verwaltung der Kirchen-
ämter ^) und die Lebensführung der Geistlichen^) regulieren-
den, häufig wiederholten herzoglichen Religionsmandate, welche
der Abwehr des Protestantismus^) und der Abstellung der
diesem förderlichen Mißbräuche galten, zur Ausführung zu
1) Evcntncll zum Schadensersatz oder zum Stellen eines andern Dienstboten.
2) L.O. 1501 (Krenner XIII, S. 302 f.); L.O. 1516 8.5711; 1553 RV
t. 12 a. 1, 2.
3) L.O. 1553 B. V t 12 a. 8 verbot bei schwerer Strafe den Pflegern
und Richtern, die ihrer Gerichtsobrigkeit unterworfenen Knechte und Dirnen
zu zwingen, bei den herzoglichen Schlossern und Hofgebftudon um geringen
Lohn zu dienen.
4) Schon eine Verordnung Herzogs Otto IL circa 1233 befahl den herzog-
lichen Beamten (judices nee non offlciales), die Minoriten in Ausrottung
der Ketzerei zu unterstützen (Qu. u. Er. V, S. 55).
5) Die Pfloger soUt^^n keine Neuerung in Glaubenssachen, keine Ver-
änderung in Ceremonien und Sakramenten, keine Winkolschulon, auch nicht
das heimliche Lesen und Predigen in Häusern noch sonst, auch nicht den
Auslauf zu den sectischen PrÄdicanten dulden.
G) Sie hatten Erkundigung zu thun, wie es die Pfarrer oder ihre Gesell-
priester mit Predigen und andern alten, wohlhergebrachten Ceremonien
halten, ob sie nicht Neuerung einfahren.
7) Über die wiederholten Mandate wegen der Concnbinen der Geist-
lichen und einzelne hierwegen an die Pfleger ergangene Befehle vgl. Fried-
berg, Die Grenzen zwischen Staat und Kirche. Tübingen 1872. I, S. 1901
S> So hatte z. B. nach einem Mandat von 1569 der Pfleger wegen des
Schadens, den das Lesen der sektischen Bücher bei den Bewohnern des Be-
zirks verursachte, dergleichen Bücher sich aushändigen zu lassen, um sie an
die Kanzlei seines Rentamts einzuhändigen. Er sollte dann mit dem Pfarrer
bei den ansässigen und den auf Jahrmärkten herumziehenden BnchfÜhrem
Roeenthal, (ieschichte d. Oerichttw, n. d. Verw.-Orf. Balerot. I. 22
bring^uu (lurcli strenge Überwachung dor VenlÄchtigcii und durch
Bestrafung disr Scliuldigcu, Mouathcli huttcn die Pfleger an ihre
vurgcsetzte Regierung einen Keligiousbericht zu erstatten*) unter
Beilegung der von den Pfarrern des Bezirks Dber den /iistand
ilirer Pfarrkinder eingelaufenen Schreiben.
Das UeHultät einer allgemeinen, durch einige Jesuiten ab-
gehaltenen Ueligionsvisitation wur ein derartiges, daß dor Herzog
den Pflegern von Eggenfelden, Griusbacb, Haidau, Biburg und
dem Richter zu üorfen wegen ihres l^ntieißcs in RcUgionssachen
(1605) den Dienst kündigte und nur auf eindringliche Bitten
und Entschuldigung ') sie weiter im Amte beließ *).
Durch den Pfleger erfulgt auch die Installation eines
Pfarrers in seine neue Pfründe, sog. PossuBgebung*). Da
TiaiUtioD abhalten nnd nach aolchen Bflehcm fithailcn. Tgl. Klnckhohn.
B«itr. z. Gesell, ie» ScbnlwcteD in B. (Abh. d. HOnchnet Akad, pbiL^iiit.
Abt, Bd. XII, 8. »61 t).
1) Anfierdem «nrden noch hie und da VcrieichnUte der UndgeriehtitdtOD
Uotortbanen. die im TerfloiBeDen Jahro dor It^Ugion halber gMtraft wurdm,
uigel«gt DDd dor H«gieniDg eingetcbicIcL
S) So bracht« c B. dor PQeger in Haidaa H. tot, er habe in Mdiwr
Pflepretwaltnng 54 Ho&nark<^n. am denen der meiste Unrat in Iteligion»-
»achoD hergeflouen. indsm aei eein ganz« Amt mit «pctischer NubbartclHtft
boBcbloiien, 90 da& «■ trotz grober Streifen nicht tnOgUch, den Hofiaarka-
ontcrthanen den Antlsuf in Temebren, „dieweii der nit durch ordentlicba
gemräo and oSbe .Straten, londem meistentoiU durch Abwege nnd Seblnpf-
Winkel, auch unter dem Schein der genachbartcn freien Wochen- nnd Jahr-
Dirkt«n betchicbt nnd ßmemlich, so int je in fo wichtigen Sachen bol dt*
gemeinen Banertmannet arglutig«m Weaen mit S Pferden, danuf ot b^
•teilt, wenig Bnanrichten". - Der AbuntiaDgibefehl wird torUckgenouiMii
nnd ihm doa IIalt<>n Ton nuch 2 Pferden aufgetragen.
3) In dem Dekret vom 9, August 1506 venprach der Henog. ana ßnaden
nnd anf frravrei Vnmcbon dor Bitte n nntuprochen mit dem Befehl, d*t
dn aowahl in Keligion al* in andern Sachen allen Hhuldisen Qohoiaaiii
leiateat, die Kirchen und den Oott(-*dienst aamt denen, to dir tugebflrlg; mit
allem FIHA jeder Zelt bfinchent und also atuem Dnterthaiicii in tiUnbcn^
nnd andern Sachen ein gut cbriitlich Kiempel rortrigat, gvgen den Od*
gehortamen mit nnabUaaiger Strafe rerbbr««!, auch dMbalb gute Knndadiaft
be«t«]lMt, tooderlich aber lolbt du gut Anftnerkon haben, da rieh dU von)
Adel oder Andere in Keligionaiocbpn .^ndorungen rornnvlimen unteratehaa
odsT die PrieRteracbaft ilck in der Lebr oder im Leben Obel nnd nngeblllir*
Uek haltvB »flrd>v dai dn ant doneD jeder Zeit bericbtett . . . (Kr, 1.H —
0«L Rag. fUp. I Beamte).
4) Vgl. aber djCM B. Uajer, Kirchenkobeitarecbte dna KiiOt» *m
— 339 —
diese auch eine Einwilligung des Landesherrn zu der konkreten
Besetzung des Kirehenamts enthielt^), auch an gewisse Be-
dingungen geknüpft werden konnte, so durfte sie der Pfleger
nur auf Grund eines Beschlusses des geistlichen Rats vor-
nehmen.
Eine staatliche Oberaufsicht über das Kirchengut wurde
zuerst durch ein Landgebot im Münchner Anteil 1488*) ein-
geführt und entwickelte sich dann auf dieser Grundlage im
16. Jahrhundert weiter. Die Zechleute der Pfarr- und anderen
Kirchen^) sollten jährlich ihres Einnehmens, Ausgebens und
Handlung halber von dem ihnen zur Verwaltung anvertrauten
Kirchengut (nicht nur Fabrikgut)*) dem Pfarrer in Gegenwart
des Pflegers und einiger der treff'lichsten Pfarrleute Rechnung
thun, die schuldigen Restbeträge bezahlen oder verbürgen. Für
die Verwaltung des Kirchenguts wurden genaue Vorschriften
gegeben ^).
1) Vgl A. Mayer a. a. 0. S. 33 f. und die Anhang S. 279 aus Lori
mitgeteilten Beschlüsse des geistlichen Rats, z. B. 1556, daß ungeachtet der
erzhischöflichen Investitur einem im Examen nicht hestandenen Priester die
Possession der Pfarr nicht gegohen werden soll ; 1574 an Pfleger zu M., einem
Pfarrer die Possession zu gehen ]nit Bedrohung der Entsetzung, falls er den
Gottesdienst nicht fleißig verrichten werde.
2) Kronnor VIII, S. 529. Auch in Niederhaiem war die Aufsicht üher
das Kechnungswesen geregelt, wie die Beschwerden der Ritterschaft 1497
darthun (Krenner XUI, S. 56); L.O. 1516 S. 37 flf.; L.O. 1553 B. II 1 10.
3) Eine Beaufsichtigung der Spitäler und Ahnahme der von deren Ver-
waltern alljährlich zu stellenden Rechnungen verlangte L.O. 1553 (B. VI
t 5 a. 7), während die L.O. 1578 S. 30 letzteres auch auf die Rechnungen
der Seuchen-, Bruder- und Blattemhäuser ausdehnt
4) So E. Mayer S. 21.
5) Der Gotteshäuser Geld, Kleinode und Urkunden sollten in einer Truhe
mit 3 Schlössern verwahrt werden. Einen Schlüssel sollte die Ohrigkeit» den
2. der Pfarrer, den 3. die Zechleute oder Kirchpröbste haben (L.0. 1516; 1553
B. II t. 10 a. 3). Die Beamten hatten die Urkunden, Fahrnis und alle Ein-
künfte inventarisieren zu lassen, ein Register hei sich, das zweite bei der
Kirchenverwaltung aufzubewahren (1553 a. 1). Die Kirchpröbste hatten alle
Außenstände der Kirchen einzubringen mit Hülfe der Beamten (a. 12). Über
alle Einnahmen, Ausgaben und Bauf&lle sollten Pfleger, Pfarrer und Zechleute
gemeinschaftlich beschließen; bei Auslagen von 10 oder 20 fl. war sogar die
Genehmigung der Regierung erforderlich. Für jede Kapitalanlage, ebenso
für Veräußerung, Verpfändung, Verleihung und Verstiftung der Kirchengüter,
Verkauf des Zehnten war Zustimmung der Pfleger «u erholen (1553 a, 14—17).
22 ♦
— 340 -
Unaufhörlich ertönten Klagen über die großen Zehrungen
der Beamten bei Aufnahme der Kirchenrechnungen, welche den
Kirchensäckel stark belasteten. Durch stets erneute Verbote
trat man dem Mißbrauche entgegen und be^enzte den für
Zehrungen zulässigen Aufwand^).
Gelegentlich der Aufnahme der Kirchenrechnungen war
auch seitens der Beamten eine Besichtigung der Pfarrhöfe und
Widemgüter vorzunehmen. Diese hatten bei der Wahrnehmung
von Baufällen die Pfarrer oder Vikare zur Wendung derselben
aufzufordern, eventuell die Säumigen der Regierung anzuzeigen*).
Eine tiefgreifende Veränderung in der Revision der Kirchen-
rechnungen trat nach Errichtung des geistlichen Rats ein, in-
dem diese seit 1573 einer aus Mitgliedern dieses Kollegiums
und der Hofkammer zusammengesetzten Kommission übertragen
\\iirde.
Wenn auch die Finanzverwaltung schon früh besondem Be-
amten (Kästnern) übertragen worden war, so sehen wir doch die
Pfleger andauernd als Organe der Steuerverwaltung beschäftigt
Seitdem eine herzogliche Steuer in Baiem erhoben wird, sind es
hauptsächlich die Richter mit ihren Schergen, vereinzelt auch die
Kastner, welche mit der Einbringung derselben befaßt werden,
wie dies viele Zeugnisse aus dem 13. Jahrhundert^) darthun*).
In den folgenden Jahrhunderten wurden den Pflegern imd Rich-
tern^) diese Funktionen als „Steucrcr und Einbringer" nicht ent-
Vgl. noch KMajer S. 40fl — Klagen, dafi selbst Beamte von den Kirchen
Geld auf Nimmerwiedergeben entlehnen , was ihnen die KirchprObste nicht
versagen dürfen, wurde Abhülfe darch die L.0. 1578 S. 3, welche verbot; Be-
amten, Pfarrherren und KirchprObsten irgend ein zinsloses nnd verzinsliches
Darlehen aus dem Kirchengat za gewähren.
1) L.O. 1516 S.39; L.O. 1553 B. H 1 10 a. 6, 7, 10 (die Rechnungen
der armen Gotteshäuser eines Bezirks sollten zusammengelegt werden behufii
einer Verminderung der Kosten).
2) L.O. 1553 (a. 8).
3) Baasch, Die Steuer im Herzogtum Baiem bis zum ersten land-
ständischen Freiheitsbrief (1311), Diss. Marburg 1888, S. 32 £, gibt eine
dankenswerte Zusammenstellung derselben.
4) Die Yitztumo leiten dann das Steuergeschäft im Rentamt
5) Siehe z. B. 1429, 1448 (Ingolstadter Teil). H(jS, 147a 1480, 1485, 1493
(Münchner Teü). Krenner III, S.30f, 30311; V, 8. 349 ff.; VIII, 8.214«.
321 fi; 435 ff.; IX, S. 255 £
— 341 -
zogen ^ ). Diese hatten die landgerichtischen Unterthanen selbst an-
zulegen, und nach Ausbildung der landständischen Steuerverwal-
tung*) werden die herzoglichen Beamten stets zur Unterstützung
der ständischen Steuerorgane herangezogen und ausdrücklich
vom Herzog aufgefordert, zur Einbringung der Steuer Schirm
und Schutz zu thun *). Sie hatten das Vermögen der Unter-
thanen den ständigen Steuerem behufs Veranlagen anzugeben,
und später wurde der Kostenersparnis halber ihnen sogar die
Einbringung der von diesen veranlagten Steuerbeträge übertragen.
Außerordentlich eingreifend war die Rolle, welche der
Pfleger als Organ der Militärhoheit zii spielen berufen war. Da
das herzogliche Heer sich zu einem Teil, wie bereits betont
wurde, zusammensetzte aus den von den herzoglichen Beamten
auf Grund des Dienstvertrags zu stellenden Mannschaften, so
waren auch die Pfleger auf Grund ihrer Bestallung entweder
zur Verteidigung einer Burg oder zur Stellung einer Anzahl
von Kriegern (mit Pferden) für den Landkrieg verpflichtet. Um
sich von dem kriegstüchtigen Zustande der dienstpflichtigen
Unterthanen des Gerichtsbezirks, insbesondere von dem Vor-
handensein der erforderlichen Waffen (Harnische und Wehre)
zu überzeugen, hielt der Pfleger jährUch im Frühjahr eine
Musterung*), die sog. Hamischbeschau *), ab^).
1) Die Pfleger standen gewöhnlich an der Spitze der Steuerkommission
des Landgerichts und leiteten das Steuergesch&ft in demsolhen. Nehen ihnen
fungierten als Steuerer sowohl Bauern als andere herzogliche Beamte (Kästner,
Ungeltcr). Der Gerichtsschreiher war zugleich als Steuerschreiher thfttig.
2) Vgl § 24.
3) Steuerinstruktion 1493 hei Sejfried, Zur Geschichte hairischor
Landschaft und Steuern. München 1800. S. 33a
4) Kronner V, S. 196.
5) Eine Inspektion der Pfleger yerhand Wilhelm V. 1580 mit der Fron-
Icichnamsprozession: ^So wäre es gleich L fl dt ftlr eine jährliche Musterung,
dadurch dieselbe sehen möchte, wie die Reiterei in dero Landen auf den
Notfall beschaffen und von den Beamten ihrer Pflicht gemäfi gehalten werde,
dann einmal gewiß, daß fast die Pfleger, Landrichter u. dgL gewöhnlich ohne-
dieß den Umgang besichtigen, auf ihre eignen Kosten hierherkotnmen, defi-
halb ihnen anders nichts als allein, dafi sie ihre Rflstungen mit hierher
bringen wollten, zugeschrieben werde. Welches dann die Pfleger und Richter
einer Sorge erhalten wird, auf daß sie jederzeit mit ihren Dienern und
Pferden wohl gestafirt erscheinen mochten (Heilmann, Eriegsgesch. von
Bayern . . von 1506—1651. München 1868. I, S. 261).
6) Die Register der Wehrpflichtigen, Musterhfleher entsprachen unsem
— 342 —
Bei drohender Kriegsgefahr erging an jeden Pfleger eine
Bereitschaftsordre, welche ihn aufforderte, sich zum Kri^^szug
wohlgcrüstet bereit zu halten, um auf erneuten Einbenifungg-
befehl hin sich mit seiner Mannschaft an dem Sammelplatz ein-
zufinden ^). Er hatte dann seinerseits die Unterthanen des
Gerichts aufzubieten.
Eine Mobilisierungsordre befahl dem Pfleger^), wie viele
Bcwaflnete •^) und wie viele Arbeiter (für Befestigungsarbeiten)
er in seinem Bezirke auszuheben und wieviele Heerwagen zur
Wagenburg oder für das Mitführen von Proviant u. dgl. er zu
schicken habe. Diese Ordre wurde auf Grund eines nach den
Musterrcgistem oder speziellen Berichten aufgestellten Anschlags
der in jedem Gericht zur Verfügung stehenden Mannschaft,
Bewaffnung und Wagenparks erlassen^). Die aufgebotene Mann-
schaft sammelte sich an dem vom Pfleger bestimmten Platz
und wurde dann von diesem an den Hauptsammeiort geführt
und unter das Kommando des Vitztums oder Hauptmanns ge-
stellt'^).
Ich habe im Vorhergehenden versucht, einen kurzen Über-
blick zu geben über die geradezu staunenswerte Mannigfaltig-
keit der Aufgaben, welche von den Pflegeni und Richtern zu
bewältigen waren. Daß im allgemeinen die gleiche Zuständig-
keit auf dem Gebiete der Verwaltung in den Städten Bürger-
meister und Rat und in den Hofmarken der Hofmarksrichter
hatte, daß also die angeführten Funktionen der Pfleger und
Richter auch die der erwähnten ständischen Organe waren, soll
hier nochmals besonders hervorgehoben werden.
Stammrollen und mußten durch den Gerichtsschreiber, der sie zu fthren
hatte, evident erbalten werden (Krcnner XVI 11, S. 449 f.).
1) z. B 1467, 1471 (Straubinger Teil), J472, 1485, 1488, 1491 (München),
1494, 1500, 1501, 1502 (Ober-Niedcrland). Krenner VI, S. 112; X, S. 15;
VIII, S. 42, 406 U 535; IX, S. 122, 301; XIII, S. 139, 154, 348 £
2) Krenner VII, S. 238 (14G8); VIII, S 4G5 (1485).
3) Über die Art der BcwaiTnung, sowie Ober den Proviant (s. B. flr
14 Tage), den jeder mitzuführen hatte, wurde gleichfalls Bestimmung ge-
troffen (Kren n er VII, S. 238). Öfters wurde der 8. Mann eines jeden
Bezirks aufgeboten, z.B. 1491 (Krenner X, S. 487).
4^ z.B. 1468 (Landshut - Ingolstadt) , 1479 (München); Krcnner YII,
S. 227; VIII, S. 306.
5) Würdinger a. a. 0. II, S. 206; über die Befehlshaber das. S. 330 £
— 343 —
Das Bild, welches ich von der Thätigkeit der Lokalbeamten
zu entwerfen versuchte, darf, obwohl keineswegs eine erschöpfende
Darstellung aller Funktionen beabsichtigt war, sondern mehr
exemplifikativ die Thätigkeit der Beamten der Lokalverwaltung
in den verschiedenen Zweigen der Verwaltung zur Anschauung
gebracht werden sollte, wohl als ein höchst buntscheckiges be-
zeichnet werden, zumal wenn wir erwägen, daß doch auch die
gerichtliche Thätigkeit neben der übrigen von einem einzigen
Beamten versehen wurde, wenn gewöhnlich auch Pfleger und
Richter sich in die beiden Sphären ihres Amtskreises teilten
— dieser als Unterbeamte des Pflegers.
Der Inhalt der Amtsgewalt dieser bairischen Pfleger des Mittel-
alters und der Neuzeit deckt sich im großen und ganzen mit der
des karolingischen Grafen. Wie dieser ist er der Beamte xar
i^oyj]v. Und so mächtig ofl*enbart sich die Kontinuität der ge-
schichtlichen Entwicklung, daß die Amtsgewalt dieses Beamten im
Laufe der Jahrhunderte ihren Inhalt wohl extensiv erweitert,
stets aber unverändert ihre Grundlagen und die Hauptgrenzen
ihrer Sphäre behauptet. Wie uns als Vorfahr des bairischen
Pflegers oder Landrichters des Mittelalters der fränkische Graf
entgegengetreten ist, so ist nicht nur der Pfleger oder der
Pflegeverwalter des 17. und 18., sondern auch der Landrichter
des 19. Jahrhunderts der unmittelbare Sprößling desselben.
Wenn auch die fortschreitende Ausbildung des Staatswesens zum
Kulturstaate der Staatsgewalt und also auch den äußeren Voll-
zugsorganen immer zahlreichere und bedeutendere Aufgaben
stellte, so wechselt der Kern der dienstlichen Sphäre der
Landgerichte nicht merklich zwischen dem 16. und 19. Jahr-
hundert; die alten Landgerichte 0, wie sie bis zu der 1862 durch-
geführten Trennung der Justiz von der Verwaltung auf der alten
Grundlage weiter funktionierten, boten das gleiche abwechslungs-
reiche Bild einer die heterogensten Gegenstände umfassenden Amts-
1) Man vergleiche nur die Aufzählung der zum Geschäftskreise der Land-
gerichte als Administrativhehörden gehörigen Gegenstände bei W.H. Puchta,
Die Landgerichte in Bayern und ihre Reform, Erlangen 1834, S. 25ffl, be-
sonders aber das. S. 27 IT. die Aufzählung des Sachkenners in der Kammer
der Reichsräte 1831. Das. S. 31 wird die Schrift eines ehemaligen Land-
richters erwähnt, die im Anfange unsres Jahrhunderts die Arbeiten eines
Landgerichts unter nicht weniger als 200 Rubriken gebracht hat
— 344 —
thätigkeit. Nachdem dann 1862 in den Bezirksämtern eigne
Behörden der innern Verwaltung geschaffen worden waren, sehen
wir auch in ihrer vielgestaltigen Thätigkeit im wesentlichen
doch nur die alten Pflegeämter fortleben, nur daß die gericht-
liche Kompetenz nunmehr ganz bei den Landgerichten, den
heutigen Amtsgerichten, ruhte.
Hatte in der karolingischen Zeit schon die Ämterorgani-
sation (Grafschaftsverfassung) nicht wenig zur Festigung der
Monarchie Karls des Großen beigetragen, indem sie es ermög-
lichte, daß an jedem Punkte der Peripherie des großen Reichs
der Wille des Kaisers zur Geltung gebracht wurde, also die
Regierung des ganzen Staats nach einheitlichen Grundsätzen
herbeigeführt, so war auch die Amtsorganisation des bairischen
Territoriums im 13. Jahrhundert ein Hauptfaktor für die Aus-
bildung und für die Befestigung der landesherrlichen Gewalt
Sie legte in Baiem schon zu einer Zeit die Grundlagen des
modernen Staatswesens, wo andere Territorien noch tief in den
Fesseln des den Staatsausbau hemmenden Feudalismus steckten
und die privatrechtlichen Momente auch im Ämterwesen die
öflfeutlichrechtlichen überwucherten.
Um so bedauerlicher ist die Wahrnehmung, daß im Laufe
des 16. Jahrhunderts infolge der aufs höchste gestiegenen Finanz-
kalamität auch hier ein Rückschlag nach der privatrechtlichen
Seite hin erfolgte. Man betrachtete wieder die Einkünfte, nament-
lich die gerichtlichen Sportein u. dgl., aus dem Amte als die
Hauptsache und übergab ein solches einem Gläubiger des
Herzogs, damit sich derselbe aus den Erträgnissen desselben
für seine Schuldfor.lerungen l)ezahlt mache. Eine solche pflegweise
Ül)erlassung eines Landgerichts *) fand statt entweder auf eine
1) Die näheren Modalitäten einer solchen Amtsübortragung erhellen am
besten aas folgenden Beispielen der „Registratur aller Amts-, Leibgedings-,
Diensts-, Kaufsbriefe des Rentamts Landshut" (R. A.): — 1539 hat Henog
Ludwig dem Joh. Freiherm zu Dcgenber^ das Landgericht Regen mit seiner
ZugehOrung zu verwalten verlassen. D. soll das Landgericht aufs kfinitige
Jahr und so oft es die Notdurft erfordert, mit Richter, Gerichtsschreiber
und Amtleuten zu besetzen und zu entsetzen gute Fug und Macht haben,
doch dafi dieselben redliche, Iromrae und verständige Personen seien, die
dem Gericht wohl vorstehen können und unsre Gerichtslcute wider das Her-
kommen mit nichten beschwerten, auch uns von demselben Gericht nichta
schmälern, entziehen noch Andern zu thun gestatten. Dieselben Amtleata
- 345 —
bestimmte Anzahl von Jahren oder bis nach Bezahlung der
Schuldsumme statt, auch unter Stipulierung des Übergangs des
BoUen auch, sobald sie von D. aufgenommen, bevor sie in die Amtshandlung
greifen, nämlich Richter ihm, dem v. D. selbst als sein Diener und die An-
dern, GerichtsBchreiber und Amtleute sich zu dem jetzigen und jedem nach-
kommenden unserm Rat und Reutmeister zu Straubing begeben und ihm
daselbst von unsertwegen wie andere unsre Amtleute gebührliche Amtspflicht
thun soll. Nachdem uns D. 1000 fl. aus diesem Gericht geliehen, haben wir
ihm dagegen bewilligt, für die Abnutzung der 1000 fl. auch um das er
Richter, Gerichtschreiber und Amtleute uns ohne allen Entgelt besolden
soll, die Gerichtswändel und andere richterliche Amtsnutzung folgen und zu-
stehen zu lassen. Doch dafi derselbe Richter samt dem Gerichtschreiber
und Amtmunn auf eines jeden unsres Rentmeisters zu Straubing Begehren
jährlich in unserm Reothause daselbst erscheinen und ihm Rentmeister in
Gegenwart der verordneten Beisitzer von aller Einnahme der Gerichtswändel
eine aufrichtige Rechnung thun . . Der Vitztumhändel halber, dafi dieselben
soviel der im Gericht anfallen und begeben jähr^ch für unsem Rentmeister
auf sein Ersuchen verschafil, durch ihn gestraft, eingebracht und uns wie
von andern Gerichten verrechnet und bezahlt werden. Entgegen wollen wir
auch, was übers Malefiz gehen würde, dem v. D. ohne- Entgelt abrichten und
wann dieselben Personen, so malefizisch verbrochen, einkommen, so soll der-
selben Mißhandlung jeder Zeit unserm Vitztum und Räten zu Straubing zu-
geschrieben und derselben Befehl nach mit ihm gehandelt werden. Wir be-
halten uns vor alle Hoheit, Scharwerk, Rais, Steuer, den Schmalzkauf und
alles Andere, wie wir das altem Herkommen nach in diesem Gerichte inne
haben, vor. Wenn D. gestorben ist, haben wir und unsre Nachkommen
unser Gericht wieder ledig zu machen Fug und Macht — (S. 55) Herzog
Ludwig für Wilhelm hat dem G. Schad zu M. und seinen Erben wegen seiner
Dienste unser Pfleggericht und Kastenamt Wolnzach 5 Jahre lang pflegweise
inne zu haben verlassen. Er und seine Erben soll desselben nicht entsetzt
werden, im Schlosse wohnen, dasselbe gut bewachen, Niemand mit anbilliger
Steuerung, Scharwerk etc. beschweren. Er solle alle Vitztum- und Gerichts-
wändel, auch alle Nachrecht einem jeden Rentmeister ansagen, keinen Ge-
richtswandel ohne den Gerichtsschreiber und Amtmann strafen. Sie sind
nicht schuldig in diesen 5 Jahren Rechnung abzulegen, doch sollen sie jähr-
lich 100 Ü. bezahlen, mit 4 Pferden dienen etc. Er soll auch diese Pflege
mit einem geschickten oder tauglichen Richter oder Verwalter versehen
lassen. Und nachdem sein Bruder Ph. Schad 5000 fl. in Gold und 6000 fl.
in Münz auf Verzinsung und Wiederlosung bei uns liegen hat, können wir,
wenn wir diese bezahlen, die Pflege wieder aufschreiben, aber erst nach den
5 Jahren ; aber auch nach diesen können wir sie erst aufschreiben, wenn wir
die Summe bezahlt haben. — 1543 Herzog Ludwig (und für Wilhelm) geben
unserm Küchenmeister und Rat Aurberger wegen seiner treuen Dienste von
Jugend auf ao unserm Hofe bewiesen, unsre Pflege samt dem Landgericht
Rottenburg. Er soll uns mit 4 Pferden und Knechten dienen, von diesem
— 346 —
Amtes nach dessen Ableben auf die Erben. Eine solche rein
privatrechtlichc Übertragung eines Amtes an den Gläubiger unter-
schied sich immerhin wesentlich von der früheren Feudalisiemng
der Ämter, denn der Landesherr konnte in jedem Augenblick
oder wenigstens nach kurzer Zeit das Amt durch Tilgung seiner
Schuld wieder an sich bringen, während der Lehensherr genötigt
war, das Amtslehen an die Erben des Vasallen stets weiter zu
verleihen. Außerdem forderte in einer wichtigen Beziehung der
erstarkte Staatsgedanke doch sein Recht. Man vermochte die
Erfüllung der Aufgaben des Amtes, die Pflichten des Beamten
doch nicht ganz in den Hintergrund drängen zu lassen, und des-
halb wurde bei Überlassung des Amtes dem Gläubiger auferlegt,
dasselbe stets ;,mit Richtern, Gerichtsschreibern und Amtleuten
zu besetzen, doch daß dieselben redliche, fromme und verständige
Personen seien, die dem Gerichte wohl vorstehen können und
unsre Gerichtsleute wider das Herkommen nicht beschwerten".
Seit dem Ende des 16. Jahrhunderts riß auch die alte^)
Unsitte immer mehr ein, daß die Herzoge verdienten Hof-
beamten und Räten, überhaupt solchen Personen, welchen sie
eine Gunst erweisen wollten , eine Pflege verliehen, d. h. diese
bezogen die Einkünfte des Amtes und hatten nur den Pfleg-
verwalter zu bestellen und zu besolden, ohne daß ihnen die
Innehabung einer solchen Sinecure weitere Unbequemlichkeiten
verui*sachte. Die Hofkammer warnt in einem Berichte 1588*)
Amt jährlich nns oder nnsrer Kammer und Rentmeister Vcrantwortang thaiL
Wenn A. solches mit eingenommen, soll er nicht weniger für nnscm Bat
gleich wie jetzt gehalten, erkannt und versprochen werden, und nachdem er
4000 fl. Hauptgut bei uns liegen hat, haben wir ihm verwilligt, dafi bei
seinem Tod seine Erben Pflog und Gericht nicht abtreten mflsscn, wenn
ihnen nicht die 4000 fl mit Zinsen bezahlt sind.
1) Im 15. Jahrhundert wird so schon verschiedentlich eine Pflegerin an*
geführt, z. B. 1423 Anno die Mächsolrainerin, Pflegerin zu Tolz (R B. AJLlI,
p. 24) ; 1448 Amalie v. d. Laitem, Pflegerin zu Kelheim (Verh. d. bist Vcr.
l Niederb. VI, S. 18) ; 1464 die Sattlbogerin, Pflegerin zu Ofl^enberg (Krenner
VI. S. 68).
2) Die Verleihung einer Pflege wurde auch als Modus der Gehalte*
aufbcsserung för verdiente Beamte gewählt Die Hofkammer schlägt aber
vor, dem Straubinger Kanzler Lutz eine Gehaltserhöhung von 100 fl. in be-
Awlligen — „mit den Pflegen aber hat es bei uns, zumal bei dergleichen
Dienern diese Meinung, daß und wo sie die mit Nebenämtern versehen, die
alsdann bei ihren ordinari Diensten mehr Verabsaumnng als Nutz verschaffen,
— 347 —
den Herzog, es mit der Ersetzung der Pfleger durch Verwalter
nicht zu weit kommen zu lassen *).
Vom staatlichen Gesichtspunkte aus ist es jedenfalls eine
unerfreuliche Erscheinung, daß diejenigen Beamten, von deren
Tüchtigkeit so unendlich viel für das Volkswohl abhing, die
unmittelbar mit den Unterthanen in Beziehung kamen und denen
in letzter Linie die pünktliche Vollziehung aller staatlichen An-
ordnungen oblag, nicht vom Landesherm, sondern von Unterthanen
desselben ernannt wurden. Allerdings war jetzt die Gefahr einer
egoistischen Ausbeutung des Amtes, welche in der Periode des
FeudaUsmus so staatszersetzend gewirkt hatte, bedeutend be-
schränkt, indem jetzt durch die Organisation der Mittel- und
Centralbehörden, durch die Herstellung eines geordneten In-
stanzenzugs eine durchgreifende Kontrolle des äußern Beamten-
tums hergestellt war, so daß der Schaden der durch solche Rück-
bildung des Ämterwesens dem Staate drohte, doch auch wieder
durch die Organisation des höheren Behördenwesens wenigstens
zum großen Teile paralysiert und vermindert wurde*).
Den Pflegern waren insbesondere unterstellt die Vorsteher
der Dorfgemeinden, die Vierer 3), Ob- und Hauptleute, welche
so 6oll auch eonstcn K t Gn. die Pflegen durch Verwalter za ersetzen nit
zu weit kommen lassen" (Er. A. M. — Eegierung Straubing).
1) So erhielt z. B. 1586 der Vitztom za Landshut aus Gnaden die Pflege
Yilshofen; geh Rat R. y. Haßlang war zugleich Pfleger zu Abensberg, der
Hauptmann von Burghausen war zugleich Pfleger von Schfirding(1590); Rnd.
Freiherr zu Polweiler, geh. Rat und Statthalter zu Ingolstadt, Pfleger zu
Bernstein (1594).
2) Zur Veranschaulichung der verschiedenen Elemente der Diensteinkünfte
der Pfleger folgt hier beispielsweise ein Auszug aus einer Beamtenbeschrei-
bung (R. A) Pflege Krantsberg 1448 : Th. Prejsinger, Schloß und Landgericht
wird pflcgweiso übertragen Burghut 60 Pfd. X, Hof bau, den muß man mit
2 Pflügen bauen ; 70 Tagewerk Wismad (Wiese), auch das Gerichtsfutter zu-
sammen bei 60 Säcken. Der von Indersdorf und der von Schejem geben
jährlich auf das Schloß einen Wächterpelz und 2 Filzschuhe, der von Weihen-
stephan und der vom neuen Stift gibt jährlich einen Wächterpelz. Er hat
auch die Nachrechte aus den Gerichts- und Vitztumhändeln als andere Pfleger
in unserm Lande, auch Tafem und Zoll, beide angeschlagen für 10 Pfd.^
4 Fischer (Reichnisse von diesen^ angeschlagen für 12 Pfd.^ allen kleinen
Dienst (Gänse, Hahner, Eier, Hasen), angeschlagen für 7 Pfd. \, einen Baum-
garten und Siogelgeld
3) Über diese vgl Schmeller-Frommann I, S. 843 t
— 348 —
üiDen als Organe zur VollziehuDg der herzoglichen Befehle inner-
halb der Dorfmarkung dienten ^).
§18.
Der Kastner.
Das Prinzip der Arbeitsteilung in der staatlichen Ver-
waltung kommt sowohl im Centrum als in den untern Verwaltungs-
bezirken zum Ausdruck durch eine Loslösung des Finanzdienstes
aus dem Rahmen des allgemeinen Verwaltungsdienstes, also durch
Bestellung besonderer Finanzorgane*). In den Landgerichts-
bezirken tritt uns als ein solches entgegen der Kastner. Er
ist in seiner Amtssphäre selbständiger Beamter, dem Pfleger
nicht untergeordnet, sondern koordiniert. Sein Vorgesetzter ist
anfangs wohl auch der Vitztum, dann aber mit der fortschrei-
tenden Arbeitsgliederung in der Staatsverwaltung wird er dem
Rentmeister unterstellt.
Gerade dieses Amt zeigt noch deutlich die große Bedeutung
der Grundherrschaft für die Ausbildung der Landeshoheit. Die
Kastenämter sind mit der Verwaltung des Kammerguts betraut,
das in Baiem, wie in andern Territorien, aus den verschieden-
sten Rechtstiteln erworben, im Eigentum der landesherrlichen
Familie stand; seine Erträgnisse wurden für die Bedürfnisse
des Landes verwendet^). In specic hatte das Kastenamt .die
Verwaltung des Kastens, des Speichers, in welchem alle von den
ünterthanen des Bezirks, insbesondere von den Pächtern der
zmu Kauimergut gehörigen Grundstücke geschuldeten Prästationen,
die Natural(Gctreide)-Abgaben zusammenflössen.
Da aber in diesen Naturalleistungen nicht nur in der Periode
der Naturalwirtschaft, sondern auch im Anfange der Geldwirt-
schaft, wo diese noch fortdauerten und nur eine Ergänzung in
1) z. B. L.0. 1516 S. 11 f. und in vielen herzof^lichen VerordnaDgen ; Steaer-
instruktion 1507 (K r e n n e r XVI, S. 245).
2) Über den Kastner in Brandenburg ygL Isaacsohnl, S. 63fll In
andern Territorien hatte der untere Finanzbeamte den Titel Rentmoister,
z. B. in der Neaniark (ibid. S. 63), in Hessen (StOlzel, Gel Richtertom I,
S. 154 fil), wieder in andern Kellner, z. B. Trier (Lamprecht I, 2, S. 1410).
3) Vgl Seydel, Bayer. Staatorecht I, S. 90.
— 349 —
den neu aufkommenden Geldleistungen der Unterthanen fanden,
der Schwerpunkt der wirtschaftlichen Kräfte des Territorial-
fürstentums lag, so war eine sachgemäße Verwendung und Ein-
ziehung dieser Machtmittel des Herzogs nicht von geringer Be-
deutung.
In dem Rechnungsbuch des oberen Vitztumamts 1291—1294^)
erscheint der granator schon so häufig, daß das Amt des Kast-
ners jedenfalls im Laufe des 13. Jahrhunderts *) vollständig aus-
gebildet war ^). Erst die L. Fr. (I a. 4) *) von 1516 stellte auch
für Kastner und Zollner diejenigen Qualifikationsbedingungen
auf, welche die von 1508 und 1514 nur für Richter gefordert
hatten. Häufiger kann man ihn erst seit der 2. Hälfte des
14. Jahrhunderts nachweisen.
Nicht nur an einem Landgerichtssitze, aber auch nicht an
jedem war ein Kastenamt, sondern nur da*), wo in Rücksicht
auf die Domänen und die gruudherrlichen Intraden das Be-
1) herausgegeben von v. Oefele ira Oberb. Arch. XXVI, S. 281 ff
2) Auch das Münchner Stadtr. 1294 a. 1 (ebenso das Ingolstadter 1312
a. 33) kennt diesen Beamtea
3) In dieser Yitztumrechnung findet sich noch das System der Spezial-
verwendung, indem jeder einzelne Einnahmeposten unmittelbar zur Deckung
eines bestimmten Schuldpostens verwendet, also nicht in die herzogliche
Kammer abgeführt wird , z. B. granator de Chufstain Y. dedit 27 IIb. Dati
sunt Laimerio in credito vino ad curiam; granator de Dachawe dedit 30
lib. vicedomino 3 IIb. Quae dato sunt pro pfantlosa domino ßudolv dud
(v. Oefele a.a.O. S. 282).
4) V. L e r c h e n f e 1 d S. 218 AnuL
5) In der Urkunde über die Teilung Niederbaiems 1353 (Rockinger,
Einleitung S. 73 f.) wird im Landshuter Teil (Stephans IL) häufig der Kasten
erwähnt. Nach dieser Urkunde hatten folgende Ortschaften ein Kasten-
amt: Landshut, Pfarrkirchen und Eggenfelden. — Bei der Teilung des
Straubingcr Gebiets 1429 (Rockinger, Einleitung S. 85 £) werden folgende
Kastenämter erwähnt: Schärding, Dingolfing, Kirchberg, Straubing, Haidau,
Kclheim und Deggendorf. Außerdem kommen solche noch an folgenden
nioderbairischon Orten vor : Abbach, Abensberg, Altmanstein, Griesbach; in Ober-
baicrn sodann : München, Ingolstadt, Burghausen, Aibling, Aichach, Cling, Dachau,
Friedberg, Haimhausen, Krandsberg, Landsberg, Mehring, Neumarkt a. d. Bott,
NeuCtting, Päl bei Weilheim, Pfafifenhofen, Rain, Reichenhall, Rauchenlechs-
borg, Riedenburg, Rosenheim, Schongau, Schwaben, Stamberg, Taofkirchen,
Tölz, Traunstein, Trostberg, Vohburg, Wasserburg, Weilheim, Wembding und
Wolfratshausen (vgl Geiss im Oberb. Arch. Bd. XXVI und XXVIII; Hof-
Zahlamtsrechnung 1554 [Kr. A. M.]).
— 350
dürfiiis nach cmtsni solchen gegeben war')- An auilcni Orten
huttü es beim früheren Zustand sein Verbleiben, indem einige
gonst dem Kastner übertragenen Verrichtungen von dem PHeger
besorgt wurden '). Daneben findet sich dann auch die Kiitna-
lierung des Kastenamts mit dem des Richters und Gerichts'
Schreibers.
Aus der Andeutung über den Zweck der KastenämtL'r er-
gibt sich, daß die Kastner vorzugsweise mit der Aufsicht Ober
die herzoglichen Domänen betraut waren, dn aus ihnen ja haupt-
Bächlich die Naturaleinnahmen üosseu. Diese wurden nicht io
eigner Regio bewirtschaftet, sondern auf Zeit- (auch Lebens-
zeit) und Erbpacht an di» Bauern gegen bestimmte Zinsen und
Dienste ausgethan (sog, Urbargüter) * ). Die Grundlage dieses
DomaniaJbesitzstandes bildete das (Sal-)Urbarbuch, welches zu-
gleich die Basis abgab für die Bcsitztitel der Urbarsicute und
Rechtsverhältnisse der Kastengüter, wie solche UrbarsgQter auch
genannt wurden*), und für den Umfang der von ihnen ge-
schuldeten PrastJitioueu, Außerdem wurden auch die VugtgQter
liier eingetragen, also jene Guter, deren Besitzer infolge der
dem Landesherm zustehenden Vogtei zur Entrichtung jährlicher
Abgaben verpflichtet waren. Ankge '•) und Evidenthaltung dieser
1) Die BncbeinDDg. doG die Entwicklung iei Lokal finunTennltniig üth
nicht TollEtilndig der ÜrganiMtion der olIgemeiDeD Verwaltung anfCNKhlowril
hkt, begegnet neb Bnderwftiia. V[;L Lamprecht I, 3, S UIU.
i) I.B. Krenner XVllI, S. 33a
8) orbor xonSehBt ron Grnnd and Boden, nnigcbcnd, Lebennbi^ba
nitriobtcnd: Urbugater bei. die dem LandegfOnlen gehorl^^n (Sebroellai^
FrommaDD 1. 8.254).
4) I.B. L.Fr. U k. 32.
G) Cb«r djwe rind wie durch TertchiedeDe Terordnangeo vateniehla^
die, wenn «ach nnt dem 16. Jahrhundert angnh<lrig, doch einn ROektebfad
uf die itorhergfhRDde Zeil geitattcn. Einet lolehan Ton 1S78 (Kr. A. M. —
OeD-Ueg. Du Saal- und Urbarweson F <;,) waren, wie dai beste bei EÜDlIsk-
tnait Ton Onnd- und RypotbekenbOrhem geuhiebt, Pgnnalare mit Mortis
«Dtrtgen iFoim und Bericht de« naaen Urbarbnchs] boig«geben. Die Urbu»»
gfllereln^r Jeden Durfiicbaft waren nach dieien unter einander Tenetchnet, i B.i
H. U^ji hal Erbgerechtigkoit odci Leibding aaf aie N. soiiie Hanafran Mtf
d«a Hn( Leben odnr Salden cerniOg einea fdntUcbon Eib- oder Leibdiaf»
blieb welL Hertog Lndwip 1535 ausgegangen. Nach dieaer BeeeltnJbaBC
der Penoa de* BeöUen, der Qualitit and ZaaUnde de« Qnta ete. Mgt A*
An&lUting der PettineaieD, der Galt und DieniU (■, B. Qült 1,
— 351 —
Grundbücher, deren Wichtigkeit einleuchtet, war Sache der
Kastner, resp. der Kastengegenschreiber unter ihrer Leitung,
denen häufig diese Aufgabe eingeschärft ward mit detaillierten
Vorschriften über die Einrichtung dieser Register. Wieder-
holt wurde behufs Nachtragung der Veränderungen und Ver-
besserung etwaiger Irrtümer ein neues Verhör der Beteiligten
unter Vorlage ihrer Beweisurkunden angeordnet * ).
Neben diesen außergewöhnlichen Revisionen und Erneue-
rungen des Urbarbuchs sollte dann der Kastner jährlich die
Veränderungen der Urbarsstücke^) nachtragen und bei Neuein-
richtung des Buchs die Urbarsgüter selbst besichtigen oder durch
seine Untergebenen besichtigen lassen, um zu verhüten, daß Un-
richtiges, Zweifelhaftes und Irriges eingetragen würde"). Da dem
Kastenamt überhaupt die Aufsicht über diese Güter übertragen
war, so hatten Beamte desselben wenigstens einmal im Jahre
solche Güter, bei denen eine Benachteiligung der herzoglichen
Kammer zu befürchten war, zu bereiten, um sich zu überzeugen,
ob solche auch ordentlich bewirtschaftet und die zu ihnen ge-
4 Pfd. Rc<,'. ^, mehr an Küchendienst (1 Schwein, 1 Lamm, 4 Gänse, 1 Henne,
2 Käse, 100 Eier . . event hei jeder Leistung der entsprechende Geldwert),
an Getreid (1 Schaff Weizen, 2 Korn, 1 Gerste, 4 Häher). Sodann werden
in einer hesonderen Ruhrik die Vogtzinsen etc. und wo sonst von Immohilien
dem Kastenamt gedient wird, Zehnten etc. aufgeführt — Außerdem hatten
die Kastner oder in den Gerichten, wo es solche nicht gah, Richter oder
Pfleger Register der armen Leute und Güter, die dem Herzog scharwerks-
pf lichtig waren, anzufertigen (K renn er XVIII, S. 338).
1) So z.B. 1341 von K. Ludwig (Rockinger, Einleitung S. 68
n. 171).
2) Der Inhaber eines Erbrechtsgutes konnte dasselbe an einen Ver-
wandten veräuüern oder verheiraten; es bedurfte in diesem Falle nur einer
Besieglung der Verkaufsurkundo durch den Kastner. Veräußerungen von
Erbrcchtsgütem an Nichtverwandte oder Nichtverschwägerte konnten nur
mit herzoglicher Genehmigung vorgenommen werden (1473 — RA. Verlaßne
Pfleg etc. . . ämter 1464-89).
3) Diese Erneuerung der Urbarbücher war, wie die Bereinigung ansrer
Hypothekenbücher, oftmals geboten, „da die Namen durch Länge der Zeit
und taglich Absterben der Urbarsieute viel verändert". Gleichzeitig wurde
eine solche Revision aber auch zur Mehrung der Gülten (in Folge Anbaues
von bisher unbebautem Land) ohne Beschwerung der armen Leute benutzt
(Dekret Albrechts V. an Regierung Landshut 1650 in Kr. A. M. — Gen. Reg.
Landesadmia-Sachen F. 1 n. 1).
— 352 —
hörigen Waldungen nicht ungebührlich gerodet würden *). Even-
tuell sollten sie gegen den untauglichen und verschwenderische
Meier mit Einziehung der Erbgerechtigkeit oder mit Abstiftnng
der Freistifter *) vorgehen. Diese Maßregel wurde besümmt
durch die Wahrnehmung eines starken Rückgangs der Kasten-
amtseinkünfte infolge Verödung der Güter '). Diese Befugnis
der Kastner, alle dem Inhalte ihres Erbrechtsbriefs zuwider-
handelnden Urbarsieute sofort zu entsetzen, entsprach einem
alten Landesbrauch*). Der Kastner erschien eben für diese
sog. Kastenleutc als die ordentliche Obrigkeit.
Nach einem ihnen im fiskalischen Interesse erteilten Privi-
legium^) waren sie, um sie den Beschwerungen mit Schar-
1) Eastenordnung für Landshut 1531 (Er. A. M. — Gen. Beg. Kastenamt
No. 2). Diese mahnte auch die Eastner zur Wachsamkeit in Beiog auf
den Verkauf von Urbargfltern und Gerechtigkeiten an Landstftndc, wodurch
dorn Landesfürsten Anleit und Stift, auch Scharwerk, Reise, Steuer und
anderer Obrigkeiten halber Nachteil erfolge und im Verlaufe der Zeit die
Urbargfltcr dein Fürsten oft ganz entzogen würdea Solche Veräu&enuigeii
oder Verpfändungen durften im Interesse der gerade notleidenden Bauem
nur mit herzoglicher Genehmigung Yom Kastner gestattet werden.
2) d. s. diejenigen, die jährlich nach Gutdünken der Herrschaft vom
Gute entfernt werden können.
3) Diesem Übelstande sollte abgeholfen werden durch Verpachtong
unter Gewährung einiger ödrecht Jahre (Krenner VII, S. 248; XVIU,
S. 330).
4) Cod. Bav. 2522 S. 107 (Verordnung 1527).
5) Verordnung Albrechts IV. (Straubing 17. Dez. 1496 bei Krenner
XI, S. 482 ff.): Wir Albrecht bekennen . ., daß Uns mehrmals angelangt
hat, wie unsre arme Leute, so auf unsem eigenen Gütern sitzen , und Una
auf unsem Kästen mit Stifft und Gilt verpflichtet sind, von unsem Pflegen,
Kichtem und Amtleuten, auch etlichen unsem Landsessen, Rittern und
Knechten, die in unserm Fürstenthum Niederbaii'ra Herrschaften, Hof-
marchen, Voggtey oder Gericht haben, darinn etliche derselben nnsrer Gflter
gologen, und die armen Leute soßhaft seyen, mit Scharwerchen und andern
Geboten groslich beschwert werden, daraus ihnen Verderben auch Uns ErOdong
derselben unsrer Güter, auch Abbruch unsrer Güten entstehe, und künftigUch
noch mehr geschehen mag. Das zu vorkommen haben Wir ihnen die Frey-
heit unsrer Vorfahren, Herzogen in B. , dazumal ihren und nun ansern
Kastenleuten für solche Beschwemng gegeben . . gesehen und darauf dieselbe
unsre Kastenleute . . gleicherweise . . gefreyet Schaffen darauf ernstlich und
wollen, daß nun füran kein unsrer Pfleger, Richter, Amtmann, Ritter oder Knecht»
edel oder unedel in unserm Fürstenthum Niedembaiem keinem armen Mann,
auf unsem Gutem sitzend weder von Gerichts, Scharwerks, noch keinerley
— 353 —
werken und andern Geboten, welchen sie fortwährend ausgesetzt
waren, zu entziehen, von jeder Gewalt der Landgerichte und
Hofmarken, in deren Bezirken die Urbarialgüter lagen, eximiert.
Nur der Kastner sollte die niedere Gerichtsbarkeit über sie
ausüben ^ ) ; in schweren Straffällen (Händel, die zu dem Tod
oder Leibesstrafe reichen) allein war das ordentliche Gericht,
das mit Wissen des Kästners einschritt, zuständig.
Die Hauptaufgabe des Kastners bestand in der pünktlichen
Perzeption *) der aus den ürbarbüchem sich ergebenden Geld-
und Naturalbezüge^), von welchen die Getreidegülten haupt-
sächlich ins Gewicht fielen*). Ihre sorgsame Aufbewahrung ward
ihm wiederholt eingeschärft, damit bei den durch die Rent-
meister vorzunehmenden Revisionen das laut der Rechnung per
Restat dem Herzog geschuldete Quantum, also das nach Abzug
der nach Anweisung an einzelne Beamte als Besoldung und für
Naturalverpflegung verabfolgte vorgefunden würde*). Nur Ge-
Sache wegen ichts gebiete noch zn gebieten haben solle. Sondern ob jemand
außerhalb der Händel, die zn dem Tode oder Leibsstrafe reichen, ichts zn
ihnen zu sprechen oder zu fordern hätte, der oder dieselben sollen sie nin-
derst anders, dann vor unserm Rentmeister in Niederbaiem (wo der nnser
Kastner dazu mal auch ist) oder vor einem andern, der nnser Kastenamt
dieselbe Zeit von Uns hat, fümehmen und beklagen.
1) Deshalb ist vereinzelt auch von einem Kastengericht die Bede.
2) Zu den Kastenamtseinkünften gehörten auch die Ab- und Auffahrt^
sog. Anleit, die beim Antritt und Verlassen des Guts fälligen GebfUiren, die
sog. Todfälle und Wandel.
3) So verzeichnet beispielsweise das Landshuter Urbarbuch von 1439
(H e i g e 1 in Chroniken deutscher Städte XV, S. 269) 400 fl. Einnahmen der
Jüdischhait von ganz Niederbaiem. Daneben waren noch die Juden, sowie
einzelne Zünfte zu unerheblichen Naturalleistungen verpflichtet — Jährlich
um Michaeli wurden die Urbar- und alle Zinsleute eines jeden Kasten-
beroitersamt in die Stift zur Bezahlung der Pfenniggült vorgeladen. Bei
dieser Gelegenheit wurde denselben eingeschärft, das Dienst^ oder Vogt-
getreide vor Martini auf dem Kasten abzuliefern (Landshuter Kasten-0. 1531).
4) Wie alle Beamte, welche Mai-, Herbstgült und andre Gefälle ein-
zunehmen hatten, durften auch die Kastner nicht langen Ausstand gewähren,
da die armen Leute sonst durch die Einforderung der angehäuften Gülten
nur um so schwerer gedrückt würden (Krenner VU, 8. 274; XVIII, S. 828;
Landshuter Kasten-0. 1531). Ein Nachlaä oder eine Stundung der Gülten
infolge von Elementarereignissen bedurfte der Genehmigung des Bentmeisters.
5) Ohne spezieUon Aultrag durfte der Kastner Getreide weder verkaufen
noch hinleihen.
H o 6 e II t h « 1 , Geschichte d. OerichUw. a. d. Verw.-Orf . Baiernt. I. 23
treide in guter Qualität sollte von den Pflichtigen angeuomintin
werden bei Meidung etwaigen Schadensersatzes seitens des
Kastners. Eine Umwandlung der von den Urbarsieuten ge-
schuldeten GetreidegUlten, wie überhaupt aller Getreidereichnlsse
in Geld konnte nur auf Grund epezieller herzoglicher „Geschäfte'
erfolgen '), ohne daß in den Uebuugsorganen deshalh eino
Änderung eintrat').
Dem Kästner wurde erst im Laufe des 15. Jahrhunderts
ein Hulfsbeaniter , der Kastcngcgenschreiber, bcigegcbeu, der
dieses A.mt gewöhnlich als Nebenamt — zumeist war er noch
GerichtBscbreiber — bekleidete. Da seine Stellung die eines
Kontrollorgans des Kastenamtevorstands war, eo mußte er zu
allen Amtshandlungen desselben bcigezogeu werden, behnfs Be-
urkundung derselben'). Seine Aufzeichnungen bildeten als Basis
der Kastenamtsrechnungcu die wirksimiste Kontrolle der Amts-
Verrichtungen des Kastners, mit dessen Register sie QbereiD-
stimmen mußten.
Größere Kastenamt«sprengel , z. B. Landehut, waren in
mehrere Kastenbcroiterämter geteilt. In diesen hatt« je atn
Kosteubcreiter die Kastenzinse, Galten und Schulden einzu-
bringen*), insbesondere von den sjiumigen Pflichtigen, welche
ihre Zehrungskosten zahlen mußten. Das Kustenamt hatte außer-
dem noch Kastenstieicher, welche das Aus- und Einmessen des
Getreides zu bethätigen und für dessen gute Verwahrung zu
sorgen hatten.
Die Koutinuitftt auf dem Gebiete der Verwaltungsorgani
sation zeigt sich auch hier, indem bei Einrichtung der Rent-
Aniter als Ituflere Vollzugsorgane iler Fmanzverwallung 1S02*)
die bisherigen Kastner vielfach zu Rentbeamten ernannt wurden.
1) U73 (R A. - Yeriano Pfleg. , , iiutor 1464-89).
2) Id ZoJtoD gtoiet Teaeninfr uid HnngcmiDt wurde an* den bonof-
UchoD Kiitiin Gctreid« ttt die NoUcidendeo retteilt |i. B. 1601 — Kran
XIU, S. 160).
8) (R. A — BMtendbuch dei Bcntunta Und»hiit 1463). Kut«t>fragM»-
»chreiber ta L. — ,«« >oU aach der Kutner ohne ihn nach et otuw den
Kutnet iitcbU hBodoIn noch Rotricbteo ond alle Sacben treoUeh rcnchnfbcvv
damit ein Bucb t^ nod Laute ala du andere'-
4} UadMtaw jlhrliob nnlleti dio Kftrt«Dberdt«r da* nni ihaen aiii(*>
fDrd«ite Oatreide u daa Kaatenamt abUebm.
6) V^ Pflil, Lsbilaeh L bajat. Tanraltiag>T«cbti 8. ML
— 355 —
•
Noch heute sind zumeist die Orte Sitze eines Rentamts, welche
früher ein Kastenamt hatten. Daß nun der Schwerpunkt der
Funktionen des Rentamts nicht mehr in der Perception von
Naturalgefällen, sondern in der von Geldleistungen der Unter-
thanen liegt, war durch die Umwandlung der volkswirtschaft-
lichen und politischen Zustände der letzten Jahrhunderte, ins-
besondere aber durch die Ausbildung der Steuerverfassung
bedingt. Die letzten Überbleibsel der dem Staate geschuldeten
Naturalreichnisse beseitigte erst das Gesetz über die Aufhebung,
Fixierung und AbKVsung der Grundlasten vom 4. Juni 1848.
Bis dahin hatten die Rentämter in der That noch zum
Teile dieselben Funktionen der Aufbewahrung und der Getreide-
reichnisse, wie ehedem ihre Vorgänger, die Kastenämter ^).
1) Dor Kästner bezog eine fette Geldbesoldong, aoAerdem Natond-
accidentien and bei Vomahroe gewisser Amtshandlaogen Sportein. So x. R
der Kästner von lAndshat 1448 40 Pfd. Landsh. X und Naturalien; wenn
er Briefe von der Urbarslente wegen siegelt, 32 \, bei Verkauf des Erb-
rechts, vom Verkaufe eines Hauses in einigen DOrfem von jedem Kontra*
honten 12 X; Qerichtsschreiber erhält 12 Pfd. X, Ton Windeln and Anleiteo
die Nachrechte von je 1 Pfd. — 16Jv; Kastenbereiter and Kastenmesser je
12 Pfd. A, letzterer von jedem Schaff Qetreide, das er in den Kasten miftt^
4 A, von jedem aas demselben verkaaften 2 A. Jeder der Kastenbeamten
bezog noch Naturalaccidentien.
23*
VIERTES CAPITEL.
Die Regalien Verwaltung.
§19.
Die Forst- nnd Jagdbeamten ^).
In der fränkischen Zeit und lange darüber hinaus bildete
die Forstverwaltung nur einen Zweig der allgemeinen Domanial-
verwaltung, während für den Jagdbetrieb schon ein eignes Per-
sonal zur Verfügung des Königs stand '). Die persönliche Lieb-
haberei, welche die Herzoge für die Jagd hegten, ließ sie dann
ebenfalls in ausgiebiger Weise für die Anstellung eines den
Jagdbetrieb leitenden und dessen Verrichtungen bethätigenden
Personals Fürsorge treffen. Da es sich hier um Dienste, welche
der Person des Herrschers gewidmet waren, handelte, so ent-
wickelte sich die Zugehörigkeit dieses Jagdpersonals zum Hof-
staate des Herrschers. Wie Karl d. Gr. ^) hatten auch die
deutschen Könige ihre oberten Jägermeister *), und ihrem Vor-
bilde folgten die dem Jagdvergnügen ebenso eifrig huldigenden
Landesherren. So erwähnt auch die niederbairische Hofordnung
1294^) den Jägermeister mit seinen 8 laufenden Jägern und
1) Ober die Font- und Jagdverwaltimg in Brandenburg vgl Iiaao-
lohn I, & 132 £
2) YgL Schwapp ach, Handbnch der Forst- nnd Jagdgeschichia
Deatschlanda. Berlin 1885. I, a 77 £, 242.
3) Waiti III, 8.50a
4) YgL über die Reichs- nnd ErzjftgermeiBter Schwappach 8. 243.
5) Qa. 0. Er. VI, & 54
— 357 —
den Falkner. Seitdem verschwindet der Jägermeister mit dem
ihm unterstellten zahlreichen Jagdpersonal nicht mehr aus dem
Hofstaate der bairischen Herzoge, und die Kosten des Jagd-
betriebs steigern den Aufwand des Hofs außerordentlich^).
Allmählich war aber nicht mehr das Interesse für das
Jagdvergnügen, sondern die Erzeugung und Verwertung der
Forstprodukte*) der für die Pflege der Waldungen maßgebende
Gesichtspunkt geworden. Wie es auf den untern Stufen schon
längst besondere Forstbedienstete gegeben hatte, so wurde auch
als Chef der gesamten Forstverwaltung des Landes ein oberster
Forstmeister 2) bestellt. Außerdem zerfiel das Land je nach
dem Waldreichtum einzelner Gegenden in eine Reihe von Forst-
meisterämtem, für deren Organisation die allgemeine Gerichts-
einteilung die geeignete Grundlage bot. Jedes Forstmeisteramt
umfaßte entweder den Sprengel eines Rentmeisteramts oder
wenigstens eine größere Anzahl von Landgerichten*).
Sodann wurde auch dem Jägermeister neben der Leitung
des fürstlichen Jagdwesens gleichzeitig die Aufsicht über die
Forstverwaltung des Landes oder eines bestimmten Bezirks
übertragen ^). Im ausgehenden 15. Jahrhundert werden die Be-
zeichnungen Forst- und Jägermeisteramt promiscue gebraucht*),
1) Wie mannigfaltig das niedere HoQagdpersonal war, bezeugt das Sal-
buch des Jägermeisteramts von Bayem-Ingolstadt, welches eine ans 57 Per-
sonen bestehende HoQägerei Ludwigs d. Gebarteten (15. JahrL) aufweist:
einen Jägermeister an der Spitze, 2 berittne Hirscbjäger mit 10 Knechten
zu Fuß, einen Bären-, einen Wolfejäger u. s. w. (Schwapp ach S. 245).
2) Vgl A. Wagner, Finanzwissenscbaft I, S. 570.
3) Das obriste Forstmeisteramt zu Landsbut wird zum ersten Male 1491
genannt, der obriste Forstmeister im Oberland 1499 (RA. — Yerlafine
Pfleg . . . ämter 1464—89).
4) Sitze solcher Forstmeisterftmter waren z. B. Landshut, Burgbausen,
NeuOtting, Wolfratsbausen, Mauerkircben. Für den HOnbeimer Forst (Ldger.
Eelheim) war auch ein besonderer Forstmeister bestellt
5) Neben Jägermeistern des Herzogs Albrecbt, Johann etc. kommen so
Jägermeister in Oberbaiem, in Landsbut (Jägermeisteramt unsres Bentmeister-
amts L.) vor.
6) So stimmt die Stelle der Bentmeisterinstruktion 1470 (Krenner
VII, S. 249), welche von den Pflichten des Jägermeisters handelt, fast wört-
lich überein mit der die Pflichten der Forstmeister erörternden Bestimmungen
der von 1482 (Kr. A. M. — Landes -Admia- Sachen £ 1 n. 1) und 1512
(Krenner XVUI, S. 334).
wäiireud im IG. Jahrhundert eine PersonalunioD des ober8t«o
Forst- ') und Jägermeisters durchgeführt war, Nur der oberet«
Jügermeister, nicht aber der oberste Forstmeister wird in dsD
Hofzahlamtsrechnungen erwähnt.
Der oberste Forstmeister, von welchem die Forstordnung
1568 eingehend handelt, durfte, wie diese selbst hauptsächlich
für das Rentmeisterarot München und den Ingolstädter Bezirk
erlassen war*), auch für diesen Teil des Herzogtums bestellt
gewesen sein, daneben aber in seiner Stellung am Centrum der
Regierung, als technischer Beirat der Hofkammer in Forstsacheu,
die Oberaufsicht über die Forstverwaltung des ganzen Landes
geführt haben. In Landshut und Burghausen waren wieder
besondere Forstmeister ernannt, welche zugleich als Käte der
betreffenden Regierung fungierten und mit der Leitung des
Forstwesens in diesen Rentämtern betraut waren.
Dem Forstmeister waren alle Forstbediensteten des Be-
zirks — Überreiter, Förster, Holzmeister, Hutleute — zum Ge-
horsam') verpflichtet, ebenso die Pfleger, Kastner oder Zollner*),
welchen da, wo nicht eigene Forstlwamte notwendig erschienen,
die Verwaltung der Waldungen übertragen war. Die Ül)erroitar,
welche ungefälir unsem Revierförstem entsprachen ''), sollten die
Waldungen bereiten und hier die zum Forst- und Jagdschutz
erforderlichen Anordnungen treffen und die Zuwiderhandelnden
zur Bestrafung anzeigen. Die Förster*), welche anfangs den
1) Du obrüt» Fontmeuteramt la Landshut kommt ia«r(t 1481 nr
CR. Ä. - l c).
8) t 47°.
3} Dio Font«rdDQDg 1568 1 2* uh ilcb renuilktt, diMe UehDnan»>
pflicht icbaiT IQ betonen in HiobUi^k duanf, d&G etlit^lie ucb biiUcr nngohot-
BMD, widonttsis nnd tratiig erwiesen (unter Androhung von GofÜlnfcnit- and
andrer Str&fon).
4) Dieie und die F0nt«r nniSt«n die ibnon untentellten WkldoaglB
vierteljlhrlich infpiiiureo und die Torgefondenon Hingel inr Anitig» briogaa
(Pontordnnng 1568 t ü').
5) Vgl. ScUwBppach S. WS. aber B«aoldaiiK cintM Oberreltui
8» WUitend di« Uberreiter tou Henog em&nut worden, bft
meiiter nur die POrttw tn bMtellcii. üacb der Forst-O. 1568
die FOritor Tom Herwg nnd noi die I7ntcikn»cbte Tom Font- 1
meift« omuint uduio da dor nuiderkiieebt Tom Vontm ki
wird, nebt er tiUin tnS dM Vonten nnt^ damit er bn; den
mOg" t 3*) Da die AcddeatJeD, welcbo die Forater Ton den
- 359 —
Überreitern untergeordnet waren, erhielten allmählich eine diesen
gleiche Stellung, und die Überreiter traten immer mehr zurück ^).
Die Funktionen der Forstmeister, wie sie sich aus den Be-
stallungsurkunden des 15. Jahrhunderts ergeben, weisen die
Grundzüge einer höchst rationellen Forstpolitik auf.
Den Ausgangspunkt für die Thätigkeit des Forstmeisters
bildete schon damals die Ermittlung des forstlichen That-
bestandes*), d. h. der Lage, Größe des Holzbestandes, ins-
besondere die Bezeichnung und Sicherung der Waldgrenzen.
Über die laufende Evidenthaltung derselben durch Grenz-
begänge, welche Form von den mittelalterlichen Markwaldungen
übernommen wurde ^), enthielt die Forst -0. 1568*) genaue
Vorschriften.
Die Verwaltung der Staatsforsten als eines staatlichen
Vermögensobjektes ^) bildete von jeher einen Teil der staat-
lichen Finanzverwaltung. Deshalb ward das Forstbeamten-
personal auch in innige Verbindung zu den Organen der Finanz-
verwaltung, zum Rentmeister®) und später zur Hofkammer
zogen, der Unredlichkeit Vorschub leisteten, wurden dieselben in feste Ge-
treide- und Geldbezflge umgewandelt, wfihrend die Pflichtigen Bauern ihren
Forsthaber und Forstzins femer nur mehr an die herzoglichen Kasten bezw.
an die Kammer einbrachten (f 5®).
1) In der Forst-O. 1568 ist fast nur von den Förstern als den in Unter-
ordnung unter den ob. Forstmeister mit der Bewirtschaftung und dem Schutze
ihres Waldreviers betrauten Forstbediensteten, ganz vereinzelt nur von Über-
reitern, die Rede.
2) Vgl A. Wagner I, S. 590.
3) Vgl Schwapp ach S. 340, 145.
4) f. 70 S.: In 10jährigen Perioden sollten Wftlder, Gehölze, Grenzen
und Markungen durch den ob. Forstmeister oder einen Beauftragten be-
sichtigt worden unter Zuziehung von 30—40 filteren und jungen Insassen der
benachbarten Ortschaften ; die jungen wurden zur besonderen Aufmerksamkeit
in Hinblick auf künftige Grenzbesichtigungen ermahnt. Über die Grenzen
jeder Gemarkung wurde ein Protokoll durch Gerichtsschreiber aufgenommen,
es wurde bei Gericht deponiert und bildete die Grundlage fQr die folgenden
GrcnzbesichtiguDgen. „Den armen mitgehenden Leuten sollte von ihrer ge-
habten Mühe wegen ein Suppen bezalt oder in ander Weg Ergetzlichkeit
gethan werden."
5) Vgl. G. M e y e r , Verwaltungsrecht I, S. 330.
6) In der Hönhoimer Forst-O. 1508 (Krenner XVII, 8. 177) wurden
die Forstbeamten in Betreff aller Dinge, die ihnen zu schwierig wfiren, an
den Rentmeister verwiesen.
gebracht. lu den Instniktioneo tod 1470, 148^ und 1512 ')
ward den Kentiucisteni, welche bei ihren Umritten auch eine
Inspektion der Forstlieamten vorzunehmen hatten, eingeschärft,
ihr Augenmerk auf die ungescIiiuAlerte Krbultung des Wald*
bestandes zu richten. Jegliche DevastatJon sollte verhütet wer-
den, denn schon seit dem Ende des Mittelalters ward die Er-
haltUDg des W'aldareals für die forstliche Produktion als')
leitender Gesichtspunkt für die Forstpolitik aufgeslullt.
Die Verwertung des Holzes erfolgte, soweit den Beamten
nicht herkömmlich oder auf Grund ihrer Bestallung ein An-
sprach auf Beholzung für ihren Bedarf zustand *), durch Ver-
kauf, welchen die Forstmeister*) im Beisein der betreffenden
Förster oder Ülierreiter vomaliuien, alier erst nach vorgängigor
Genehmigung des Uentmeisters. . Zu der Kontrolle des höhonm
Forstbeamten durch die niedern kam also noch eine Kontrolle
seitens der Finanzverwaltung, lediglich eine Folge des allge-
meinen Verwaltnngsprinzips, daß eine Veriiußerung von Staats-
vermögen nur unter Zustimmung der als Hüter desselben be-
stellton höheren Finanzbeainteu stattfinden dürfe. I)a diese
Vorschriften wenig Beachtung fanden und die WahlverwOtitung
infolge pflichtwidrigen Gebahrens der Forstbedieusteten immer
gröliere Fortachritte machte, schärfte die F.O. 1568 die Vor-
schrift ein, daß Holz nur auf Befehl oder nach der an Ort und
Stulle durch den obersten Forstmeister vorgenommenen Besich-
tigung iin Ort und Stelle verkauft werden dürfe.
1) t4ieho S, 3ST Anm. 6: ikb er mit Fleifi dorob >ei, damit L'ui die Wilder
nicht geichwBDdet wrrdnn.
i) Vgl. Bchir^ppkoh ».Uü.
3) Eino groBo Gefahr fOr den WkldbMUad bildete die WiltkQr imd PUi»-
Jotigkeit, mit wrlchor PUcgcr, Kiclitor and Bodmci Beamta Ihr BnhoUoaK»-
recbt telb« realiiierteo. indem «io sich lucb UatdOnkon ein >ol«he« Quantum
tllltn lieS<m. rJat lis «dbtt daroD verkaufL-u koiint^n, Dieiem LiiiheU*i>Il«a
Hilbnuche trat die F.O. IStlS {L 13* ) extt^ngen durch die Anordnonit. dat ^in
iinnHre Diener (denen ion ihren bentallan^Tn die b«hültton|{ ab nnimra
WUdom in^oMiTt, nilnr ihren Votram tod alter her bewillifct Dimd itabaa
worden) prrnnbolta bndQrlTtig. foUnn die Vnrtter and Kn«cht aiann jtiia
danelb aulT tejo anturhen an enden, i-i den irildora am wenigiitm «rhidlkb ,
. . . BuRiÜKen" ; auch die fütnn und Fentlmechto lallten *leb iht«ii Hol^
bodarf nicht lelbat Allen, aondtira dnrcb dan ob, FontmciKw, und moa
dl9MT in weit «nt/emt, dorch den Kactner anaieiiren U»nn.
^) Er heiog «inr TantiAroe Ton iü-/, im BrlOwi.
— 361 —
An Stelle des Rentmeisters war dann später bei der Hof-
kammer Genehmigung zu erholen ^). Dieser, als der höchsten
Finanzstelle des Territoriums, waren auch seitens des Jäger-
und Forstmeisters, sowie der gemeinen Jäger alle den Forsten
nachteiligen Erscheinungen zur Anzeige zu bringen *).
Über den Erlös aus den Holzverkäufen, sowie über die
andern von ihm vereinnahmten Gefälle, wie Strafgelder und
Forstzinsen, hatte der Forstmeister jährlich, und zwar in Gegen-
wart der Förster und Überreiter Rechnung zu stellen. Eine
Änderung trat 1568 ein, indem jetzt die einzelnen Förster
(bezw. Kastner) selbst, aber in Gegenwart des obersten Forst-
meisters der Hofkammer Rechnung ablegten. Um eine brauch-
bare Grundlage für die Rechnungen zu gewinnen, sollten die
Rentmeister ^) den Forstmeistern und Förstern*), sofern dies
noch nicht geschehen, die Anlegung von Forstbüchem befehlen,
in welchen alle in ihr Amt eingeforsteten Güter beschrieben
werden sollten mit der Angabe, welchen Forstzins oder welches
Forstrecht dieselben schuldeten.
Außer der Verwaltung der Staatsforsten führte die Forst-
verwaltung wie heute*) auch die Aufsicht über die Forsten von
Korporationen, besonders von Gemeinden, Klöstern und Kirchen,
auch von Privaten. Kraft der dem Herzoge zustehenden Forst-
hoheit ^ ) wurden die zum Schutze der Waldungen erlassenen
Vorschriften') auch für die Bewirtschaftung dieser Waldungen
maßgebend. Die Gemeinden sollten bei größerem Waldbesitze
eigne Forstknechte bestellen, sonst die Bewirtschaftung durch
die Führer der Dörfer besorgen lassen; sie wurden durch den
1) Diesen Befehl der Hofkamroer (oder des Herzogs) hatte der ob. Forst-
meister seiner Jahresrechnong „zn yerificierang*' beizulegen (Forst-O. 1668
l 3«, 4").
2) Ibid. f. 60.
3) Instruktion 1512 (Krenner XVm, S. 834 t)
4) oder sollte ilinen einen Qnalificierten hierfür beiordnen.
6) Vgl. G. Meyer, Verwaltungsrecht I, S. 329; E Löning, Ver-
waltungsrecht S. 441.
6) Weil wir auch an der gmain holtzem nichts als den Wildpan nnd
die Obrigkait haben (F.O. f. 44»).
7' Diese wurden auch den LandstAnden für ihre Waldungen empfohlen
(F.O. f. 42»).
obersten Forstmeister auf neobachtung der F.O. verpflicbt«t*).
Er ftihrte die Aufsiebt über die AiiitsfÜhruDg der Iiicht8t8at>
liehen Förster *), wie er auch pflichtwidriges Verlialteu derselben
zu bestrafen hatte.
Dom Forstmeister war eine Strafgewalt eingeräumt, die
sich auf alle Forstfrevel, Forstdiebstalil, -bescbädiguiig, Über-
tretung aller forstpolizeilichen Bestimmungen, erstreckte FOr
die AusfibuDg derselben felilte es im allgemeiuen au grimd-
legenden Normen ; dem freini Ermessen war ein großer Spiel-
raum gelassen, was um so un1ic<ienk1icber erschien, als die
Strafen gewtibnlicb in Geldbußen^) bestanden. „Er sollte nur
alle Wandel nach Handlung der Sache und Verschulden nehmen,
also daß er unsre armen Leute nicht unbilliger Weise be-
schwere" *). Gleiches filrderliches Recht, so gelobte er in seinem
Diensteide^), wolle er ergehen lassen dem Armen als dem
Reichen, dem Gast als dem Landmann.
Die Rigorosität bei Uaudhabung dieser Strafgerichtsbarkett
durch die Forstmeister vcranlaßle lebhafte Beschwerden der
Landständc (1501). Die herzoglichen Ritte schlugen mit ROck-
sicht auf das große Geschrei vor, eine Mäßigung solcher Strafesi
festzuBtijUeu und zu verbieten, daß jemand zweifach mit Ge-
il F.O. t 430, 4t*. Pflr die gifAcrea Ofmebdoo , die nm b«no|^icha
fiumfont«n l&gen, loUteD, Dacbdom lich hier unleidonlicbe Abtr^tnuifw
4ew Eoltei begaben, Fontknccht« \om ob. FonUneiater butollt werda^
welche in dcD Dörfern, die ihren HoliBcblag dorten bAtteo, nicht wehnai
dnifteo; rie worden von der Gcmciode betoldoL
%) F.O. t 42*. Insondrrhftit ist bcj der Cl0«ter gehalU pilo ord-
Dong nmneroea und *oll ansenn Vontniuster iiio bedeiickhunf; iIm di«
Prelkteu nit ftlglicb darsuff «eben kOimen, uch boj ihreo HoltihbyoD etwo
wenig g«honani haben, umb dea villeo ino den gehSIticn, tu den ClAetna
gcbOrig groSe erodienng and nngeborlit^he abiebwendung nouiebt Uonik
eingebunden »ein, aaff dicBolben gehOlti mit ficit inReben, damit der holt»
ordnnng - . Totiiehung gethan, nach din, «o dorwider handlen, fDnMonblkk
der Prolaten geordnete Tonter durch tuiiueni e. Jlger: oder Tuntmaiatof^
nach gelegonbeit ire» vomprechiMiii gentrafft werden. VgL noci t 43*.
3) ■/■ der Oeldbnle beijoht der Fentmuiilxir; aach Flnter nod Ober-
reiter hatten Anteil, tog. Naehretht. Dieier Anteil lollt« nach der F.O. 1G68
C9* ein Sporn tut icbarfon AnMcbt lein {'I, der BuS« kam an die
■/, «riiiolt der FontmeitUv and '/, dnr DoDonuant).
4) BeataUnng I4T9 {RA. - Bertudbneb Bcntomb Undahml 14&SX
6) Pflichtbnch dor ßegiemDg Dargfaanien i.Er. A. M.I.
— 363 —
fängnis und dann außerdem noch um Geld gestraft würde, da
solche Strafe auch wider Gott und das Gewissen sei, damit
auch nicht die Forstbeamten infolge der ihnen zufallenden Tan-
tiemen reich und die Unterthanen arm würden *).
Eine Organisation der Forststrafgerichtsbargeit führte erst
die F.0. 1568 durch, indem sie die Abhaltung ordentlicher^traftage
an den verschiedenen, in der Nähe der Forsten gelegenen Orten
anordnete *). Der oberste Forstmeister nahm die Strafabwand-
lung vor im Beisein der für jeden Wald bestellten Förster und
Forstknechte, welche die Anklage gegen den Angeschuldigten
zu begründen und die verhängten Bußen einzuziehen und dem
obersten Forstmeister abzuliefern hatten, welcher diese bei
seiner Abrechnung der Hofkammer bezw. dem Hofzahlamte
erlegte.
Diese Jurisdiktion des Forstmeisters bildet eine Abweichung
von der allgemeinen Gerichtsverfassung und schließt für alle
Forstfrevel die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte aus.
Pfleger und Richter*) mußten nur Rechtshülfe leisten und die
wegen Forstfrevel angeschuldigten Amtseingesessenen auf Re-
quisition des Forstmeisters an den von diesem bezeichneten Ort
1) Krenner XHI, S. 194 t
2) f. 46^. An denen Orten, da wir unsere YOrst und W&ld, anch andere
große Wald und gehültz, so nnsem ClOstem zugehörig, Dergleichen die ge-
main holtzer, wo die in unserm Fflrstenthumb ligen, darin die panm und
dorff menigen von alter her jm holtzschlag . . . sollen die abtftdigung der
straffen durch unsem obristen Vorstmaister zu ordenlichen straff tagen inn
boysein unserer über jeden Wald gesetzten Yorster und Yorstknecht ge-
schehen, die straffen und verprechen , auch auff was tag und ort dieselben
abgestrafft worden, in ain sonderbar Register oder verzaichnufi nnderschied-
lieh einschreiben, die Yorster und Knecht davon gleichlauttende verzaich-
nusscn bey jhren banden bifi zu des Yorstmaisters rechnung in gewarsam
behalten . . . Die Ycrpfiichtung, die Wfindel zu beschreiben und in ein Ge-
schrift zu bringen und bes. jeden Handel mit Namen, darum man die Wandel
genommen, war den Forstmeistern schon 1491 auferlegt worden. — Ahnliche
Forstrügcvcrzoichnisse haben sich bis heute in Übung erhalten, ebenso auch die
Einrichtung der Forstrügetage (Bajr. AusfÜhr.-Ges. z. R-Strafprozefiordn. 1879,
a. 38 Z. 10, 2).
3) Sie konnton wohl Gebote zum Schutze der Waldungen von Kirchen
erlassen, durften aber die gegen diese ihre Befehle Ungehorsamen nicht selbst
aburteilen, sondern mußten sie dem ob. Forstmeister zur Bestrafung zuweisen
(Forst-O. 430).
— 364 —
zur Aburteilung verschaffen. Erst 1789 ging die Rechtssprechmig
in Forststrafsachen auf die ordentlichen Gerichte über ^), wäh-
rend sich ein besonderes Verfahren in Forstrügesachen noch in
unsem Tagen erhalten hat*).
Bei Civilprozessen, welche sich als Konsequenz der herzog-
lichen Forsthoheit ergaben, wurde der Herzog auch durch Forst-
bedienstete vertreten. So (1585)*) durch einen Überreiter, „welcher
dieses Orts als der Diener und wie ihm anders nicht gebührt
unser ius und Gerechtigkeit zu erhalten und zu verteidigen
vermeint".
Was nun die Jagd anlangt, so war die Aufsicht über
das Jagdwesen dem obersten Jägermeister, natürlich auch,
wo die Verbindung mit dem obersten Forstmeisteramt bestand,
den einzelnen Forstmeistern für ihren Sprengel übertragen*).
Diese hatten die früher den Jägermeistern obliegenden Maß-
nahmen zur Handhabung des Jagdregals ^) zu treffen. Dieses
hatte sich in Baiem schon früh entwickelt, doch ward der
Unterschied zwischen der hohen und niedem Jagd ausgebildet
und diese den Laudständen überlassen. Sache der Forstmeister
1) Schwappach S. 531.
2) Das Amtsgericht verhandelt und entscheidet heute über Forstrflgen
ohne Zoziehong von Schöffen; der Forstmeister oder dessen SteUvertreter
übernimmt die Rolle des Staatsanwalts (Bayr. Aosü-Ges. i. R-Strafprozefiordn.
a. 36 Z. 1, 37 Z. 1, nnd 38 Z. 4).
3) In einem Rechtsstreite des Magistrats zu Ingolstadt gegen den Fiikii%
welcher den aus der yeri)achtung eines Yogelherdes erzielten EbrlOi be-
anspruchte (R A. — Dekrete Wilhelms V. Bd. III).
4) 1571 - Item und nachdem vorstaat, dafi die notturfit ervordert lo
Landshuet ein geschickter, ansehnlichor und taugenlicher Vorstmeiiter le-
halten, wellicher in dem Pezirk, so hiervor ein Jegermeister zu K in Ter>
waltung gehabt über alle VOrst, Holtzer und Wildpan, dessgleichen seine
untergebenen VOrster und Uber-Reitter , auff die gejhaid vlajssig seeh, aof
das unnserm gn. fürsten und Herrn zu schaden in Irer fürstl. gnaden vOntei^
Holtzcm und Wildpannen Niemandts jag, pirsch oder annder Waidwereh
treib, darzue so man im Unterland zu Bayern jagt, derselb Vorstmeitter
iambt seinen nnttergebenen VOrstem und Überroittem einen jegermeiitsr
von München das gejhaid errichten helff (K. A^ abgedruckt bei Sehwap*
pach S. 511).
5) In einem Rechtsstreite gegen den Bischof L. von Passau 1435 machte
der Vertreter H. Ludwigs geltend, „wie der wildpann ein solich herlicbkelt
wer, die in als einem lanndfürsten billich zugehört in seinem lannd (M. B.
XXXI, 2, p. 280). Vgl Schwappach S. 202.
-j
— 365 —
war es nun, darüber zu wachen, daß kein Unberechtigter das
Jagdrecht ausübe. Zu diesem Behufe^) sollte er die Namen
derjenigen, welchen in seinem Bezirke Jagdgerechtigkeit ver-
liehen, erkunden, die Grenzen des von ihnen in Anspruch ge-
nommenen Wildbannes beschreiben und niemandem ohne spe-
ziellen Befehl des Herzogs die Jagdausübung gestatten, wenn
er nicht seinen Anspruch auf einen besondern Besitztitel
(herzogliches Privileg, altes Herkommen) stützen kann, nament-
lich sollte er darauf wachen, daß die niedere Jagd nur von den
Berechtigten, also von den Edelleuten und seit 1508 *) auch
von den Prälaten und Patriziern, ausgeübt werde.
Für den eigentlichen Jagdbetrieb existierte am Hofe wie
in den Bannforsten ein besonderes Personal (Falkner, Jäger,
Wildmeister) ^\ das auch für die Beobachtung der Forstordnung
zu sorgen verpflichtet war; außerdem waren aber die Forst-
meister mit den ihnen untergebenen Forstunterbeamten ver-
pflichtet, bei der Abhaltung von HoQagden in ihren Revieren
dem mit der Leitung derselben betrauten obersten Jägermeister
ihre Unterstützung zu gewähren*).
1) Bestallung 1491 (RA. — Verlaßne Pfleg . . . ämtef 1464—89). Er
soll Keinem, der nicht Edelmannsstand, den kleinen Wildbann weder Fachs,
Hasen, Hühner . . zu schießen, zu fangen oder zu jagen aufier nnsers Befehls
erlauben. — Eine scharfe Handhabung dieser Aufsichtsbefngnisse gab der
Landshuter Ritterschaft 1497 Veranlassnng zu einer Beschwerde über Ein-
griffe in ihre Jagdrechtssphfire mit dem Hinweise, Jäger-, Forstmeister- und
dergleichen andere Amt wären mit Gästen und schlechten Leuten besetzt,
dadurch würde gemeiner Adel von ihrem Inhaben gedruckt und beschwert
ohne Recht ... In der L.O. 1501 sicherte sodann H. Georg zu: Welches
vom Adel Vorfahren, darnach er auch das Gejaid des Wildpräts bej unserm
bemolten Anhcrm Vattern und uns in Gewähr oder in ununterbrüch-
lichem Gebrauche hergebracht, oder Briefe und Siegel darum hätten, die
wollen Wir noch gnädiglich dabej bleiben lassen ** (Krenner XIII, 8. 21,
287 f.).
2) L. Fr. III a. 14—16 ; die dem Herzoge vorbehaltne Jagd in den Bann-
forsten oder überhaupt die hohe Jagd wurde auch Andern verliehen und
sogar verpachtet Vgl. die bei Schwappach S. 599 angeführten Pacht-
summen.
3) Diese hatten Anspruch auf Nachtzil (unentgeltliche Beherbergung)
und YerkOstigung für sich, Rofi und Hund, bei KlOstem aber nur einmal
jährUch auf 3—4 Tage (L. Fr. m a. 6).
4) S. 364 Anm. 4.
— 366 —
Die Aburteilung der Jagdvergehen bildete nicht einen Be-
standteil der Forststrafgerichtsbarkeit, noch begründete sie eine
besondere Jurisdiktion der Jägermeister, sondern sie gehörte
zur Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte^).
§20.
Die Hfinzbeamten ').
Als die Wiege der deutschen Münze hat man Baiem be-
zeichnet^). Mag dies auch nicht ganz zutreffend sein^), so
steht doch fest, daß schon Herzog Arnulf (907—937) Münzen
mit seinem eignen Namen prägen ließ*) — als einer der
Ersten unter den deutschen Herzogen. Seit dieser Zeit l&Bt
sich eine nahezu ununterbrochene Ausübung des Münzregals
durch die Baiemherzoge nachweisen, ohne daß es gelungen wäre^
eine kaiserliche Yerleihungsurkunde aufzufinden.
Die im Mittelalter beliebte Ausbeutung des Münzregals zur
Füllung der leeren landesherrlichen Kassen ward auch von
Baiems Herrschern geübt. Gewöhnlich beim Regierungsantritt,
manchmal auch während der Regierungszeit ward die EinfQhnmg
1) Als die Plage der Wilddieberei trotz strenger Strafandrohung flber-
hand nahm — Albrecht Y. hatte nicht nur Wilddiebstahl und Hehlerei mit
dem Strange bedroht, sondern sogar das Büchsentragen über Land nntar
Strafe gesteUt — verordnete Wilhelm, der schon 1581 eine Streife anf WÜA'
diebe befohlen hatte, 1585 den Forst- und Jfigermeistem, daneben aber
auch den andern Beamten, die Vomahroe von (j&hrlich mindeeteiiB S)
Streifen verdfichtiger Wildprctschützen an, welches Mandat qnartaliter rer-
lesen werden sollte; Ton Max L wurde dasselbe 1598 anfs neue eingeschlift
(Mandate).
2) Eine höchst dankenswerte dreibändige Sammlang der das bairiidie
Münzwesen betreffenden Urkunden hat veranstaltet: Lori, Sammlung des
baierischen Münzrechts.
3) So der Pole L e 1 e w e 1 (Numismatique du mojen age p. 12S) M
Eheberg, Über das ältere deutsche Mfinzwesen und die HansgenoeMB*
Schäften , Leipzig 1879 (Schmollcr, Staats- und sodalwissenschalUiefae
Forschungen, Heft 5), S. 24.
4) Die angeblichen Denare Liutpolds beruhen auf Irrtum. YgL Waiti
VIII, S. 322.
5) Er prägte zu Regensburg und Salzburg (Riezler I, S. 780).
— 367 —
einer neuen Münze 0 in Verbindung mit der Herabsetzung der
alten ins Werk gesetzt*).
Die Stände suchten, wie es scheint, diesem Unwesen zu
steuern, und so kam es zu jenem Vertrage von 1307, in welchem
die beiden Herzoge den Ständen ihre Münzen zu München und
Ingolstadt für die Bewilligung von Steuern verkauften^). Mit
dem Erstarken der Macht der Stände trat auch ihr Einfluß
bei Reglung des Münzwesens immer von neuem hervor. Mehr-
fach wurde von den Fürsten der Landschaft gegenüber die Ver-
pflichtung übernommen, die Münze nicht zu ändern*), eine
Verpflichtung, welche 1373 auf dem Landtage zu Burghausen
von Stephan H. und seinen drei Söhnen wiederholt wurde unter
dem Hinweis, daß der derzeitige Münzmeister Wilhelm von Baben-
berg geschworen habe, während seiner Amtsdauer das beschriebne
Korn, die Aufzal und das Gepräge weder verändern noch ver-
kehren zu wollen, durch keinerlei Sach willen. Denselben Schwur
sollten alle künftigen Münzmeister vor ihrem Amtsantritte der
Landschaft von Oberbaiem leisten. So weit erstreckte sich also
der Einfluß der Stände, daß die Münzmeister nicht den Herzogen,
sondern ihnen den Amtseid leisten mußten, also gleichsam als
ständische Beamte betrachtet wurden.
Der Münzmeister als der oberste Münzbeamte war
wohl früher mit ausgedehnten Privilegien begnadet worden, welche
die Rechte der Stände beeinträchtigt haben dürften. Denn in der
angeführten Urkunde von 1373 '^) versprechen die Herzoge aus-
drücklich für sich imd ihre Erben, keinem Münzmeister femer-
liin besondere Rechte noch Freiungen zu gewähren, die wider
des Landes oder der Städte Recht und Gewohnheit seien.
1) Nachdem schon Otto II. durch eine solche Münzemonenmg 1253 grOfie
Unzufriedenheit erregt hatte (vgl. Riezlerll, S. 181), f&hrte eine Münz-
verrufung 1294 in München zn einer Revolte. Das Volk, empOrt über die
rasch auf einander folgenden Münzverrafongen — erst 1292 hatte Ludwig 11.
die Münze erneuert — fiel über die Münzstätte her und zerstörte dieselbe.
M. B. XXXV, 2, p. 20. Vgl. Eheberg S. 86.
2) Vgl. Riezler II. S. 181.
3) Rockinge r, Einleitung S. 130 t
4) 1331 durch die drei Sohne Ludwigs des Baiem, 1367 durch Herzog
Stephan aUein (Lori I, 8. 17, 19).
5) Lori I. S. 19.
Alle diese Versprechungen kehren wieder iu der zu München
1391 erlassenen MDnzordniing für Oberbaiern'). \Sichtig ist
diese Münzorduung uamentlich wegen der in Ihr hervortreten-
den steigenden Anteilnahme der Stande an der Verwaltung des
MQnzregals. Nicht nur der Münztneister, auch die ihm unter-
geordneten Beamten (Aufzieher, Vorsuecher, EiSüUgaber und
Prftger) haben dein Forsten und der Landschaft die genaue
Befolgung der Mfinzordnung eidlich zu geloben, Aulierdeni
wurde ein 13-glicdriger Ausschuß aus Vertretern der verschie-
denen Stände*) mit der Beaufsichtigung der Münze, insbeson-
dere mit der Überwachung der ordnungsmäßigen AmtsfUbnang
aller Münzbeaniten betraut. Diese haben bei etwaigen AnstAn-
den den Beschlüssen des Ausschusses Folge zu leisteu, und nur
in sehr wichtigen Angelegenheiten hat der Ausschuß die landes-
herrliche Entscheidung anzurufen.
Auch eine jurisdiküonelle Gewalt übt dieser ständische
Münzausschuß aus, iniieni er berufen ist, ein Urteil zu fällen in
Streitigkeiten, welche durch eine Mtlnzänderung hervorgerufen
wurden, also bei Darlehen und Rentenkäufen, wo über den Kurs
der Schuldsumme am Fälligkeitstermine eine Einigung zwischen
Gläubiger und Schuldner nicht erzielt wird. Dem Aus-
schusse wird noch das Recht der Kooptation für die durch
Tod ausgeschiedenen Mitglieder eingehiuml unter ausdrück-
licher Verpflichtung der Kooptierten zur Annahme des Mao>
dats»).
In einer mit der Münchner gleichlautenden niederbairischen
Mfinzordnung aus demselben Jahre wird ebenfalls ein aus 13 Mit-
gliedern bestehender stAudischer Ausschuß mit denselben Kom-
petenzen niedei^esetzt.
Der ständische Einfluß zeigt sich sodann noch einmal in alter
Stärke in Wiederholung des Versprechens iu der von dun 4 llermgen
Stephan, Ernst, Wilhelm und Heinrich 1406 crlasseueD Verord-
nung*), daß ohne Wissen und Willen der Stände eine Äudening
der Münze nicht ins Werk gesetzt werden soll. Doch tritt JaDQ
1) Lorl I, 8.21.
S) V^ BnekiDfitT, Eaiüaitaag & 8U.
8) Lorl l.S.tit
4) Bockiager, BialaitnBg & 941 IL; Lorl I, & S9 C
— 369 —
ständische Beteiligung an der Münz Verwaltung selbst durch Bei-
ziehung von Verordneten der Landschaft immer mehr zurück.
Das bei den verschiedenen bairischen Herzogen in gleicher
Weise sich geltend machende Bedürfnis nach einheitlicher Reg-
lung des Münzwesens veranlaßte dieselben wiederholt zu ver-
tragsmäßiger Schaffung gleicher Münzgebote.
Die zur Herstellung der Münzen erforderlichen technischen
Arbeiten wurden durch eine größere Anzahl von Personen ^)
verrichtet, an deren Spitze der Münzmeister stand*), dem die
Leitung und Überwachung aller zur Prägung erforderlichen
Verrichtungen anvertraut war.
Der Münzmeister und die ihm untergebenen Münzbediensteten
sind landesfürstliche Beamte und werden vom Herzoge bestellt.
Sie haben nicht nur diesem, sondern auch der Landschaft eid-
lich zu geloben, daß sie das vorgeschriebne Korn, die Aufzahl
(Schrot) und das Gepräg nicht verändern, noch verkehren wollen^).
In ihre Hand war die sorgsame Durchführung der Münzordnung
gelegt. Der Münzmeister war haftbar für alle Unregelmäßig-
keiten und jede vorschriftswidrige Behandlung des Präge-
geschäfts ; seine alleinige Verantwortlichkeit für richtige Prägung
hörte erst auf in dem Augenblicke, wo Versucher und Aufzieher
das neugeprägte Geld für richtig erklärt hatten — so sind die
vorgeseztcn unser niünzmaister darüber empresten und haben
genug getan. Etwaige Klagen über die Münze hat dann nicht
der Münzmeister, der die neugeprägten Geldstücke erst nach
ihrer Approbierung durch den Versucher und Aufzieher veraus-
gaben darf, sondern nur dieser zu verantworten ^).
Zwei Formen sind es, in welchen die Bestallung der Münz-
meister sich bewegt. Nach der ersten übernehmen die Münz-
meister die Prägung der Münze unter genauer Fixierung des
Feingehalts, unter detaillierter Festsetzung der Anzahl von
Stücken einer bestimmten Münzsorte, die sie aus einer Mark
Metall i)rägen dürfen, auf eigne Rechnung. Sie verpflichten sich
lediglich zur Entrichtung eines Schlagschatzes an den Landes-
fürsten ^).
1) tjbcr die brandcnborgischen Münzbeamten vgl. Isaacsohnl^S. 142 S.
2) MüDZordDung 1391 bei Lori I, S. 22, 24.
3) L 0 r i I, S. 54 ; R A. — Münzwesen Fase. 2 (Bestallung 1442).
4) Lori I, S. 28, 74, 66, 135 ffi
Kosoiithal. (jcschichte d. GerichUw. a. d. Verw.-Org. Baiernf. I. 24
— 370 —
Es findet eine Verpachtung des Münzregals statt Der
Münzmeister, dem die Ausübung des Regals , also die Prägung
von Münzen unter Normierung von Schrot und Korn samt der
wirtschaftlichen Nutzung überlassen ist, hat als Entgelt den
verschiedenartig fixierten Schlagschatz zu bezahlen.
Die zweite Form war die, daß die Landesfürsten die
Münze selbst verl^en und dem Münzmeister das zur Prägung
erforderliche Material liefern, wogegen dieser verpflichtet ist,
bestimmte Münzsorten nach den im Bestallungsbriefe fest-
gesetzten Mischungsverhältnissen zu prägen. Er erhält nicht
etwa eine feste Besoldung, sondern eine bestimmte Quote
von der Mark des ausgeprägten Silbers. In dieser Tan-
tieme liegt dann zugleich das Äquivalent für die vom Münz-
meister zu bestreitenden Unkosten, wie Besoldung der Münz-
bediensteten, welche der Münzmeister aus seiner Tasche zu
leisten hat
Um der Münze Bedarf an Prägematerial zu decken, durfte
niemand mit ungemünztem Silber Handel treiben, ohne dasselbe
dem Münzmeister zum Kaufe angeboten zu haben. Dieser war
mit diesem Wechselrecht O7 das eine seiner Hauptfünktionen
bildete, betraut Dieses Monopol des Wechsels war für die
Münzmeister sehr einträglich, da es nicht nur den Ankauf von
Edelmetall, sondern auch den Umtausch fremder') Münzen gegen
einheimische und alter (verrufener) gegen neue umfaßte. Mit
aller Entschiedenheit wollten die Herzoge in ihren Ländern die
Einheitlichkeit des Münzsystems durchführen, weshalb sie bei
Strafe anordneten, daß im Verkehre nur die neuen Münzen
gebraucht werden dürfen^).
Neben den Münzmcistem waren noch geschworene Wechsler
zum Betriebe des Wechselgeschäfts privilegiert. Die Wechselkurse,
die für die einzelnen Münzsorten zu zahlenden Beträge waren durch
1) Vgl abor dieses Ehoborg S. 59.
2) Dieses eigentliche Geldwechselgesch&ft warde wesentiich gefordert
durch die Verordnung K. Friedrichs ü. von 1232 (M. B. XXXI, 1, p. 65U
TTonach Handel und Wandel in den Münzstätten nur in den dort einheimifchea
Mflnzsorten getrieben werden dflrfe. Dadurch war ein Wechsolzwang ftlr aDe
fremden Mflnzsorten geschaffen.
3) Wer fremde Geldstücke ins Land brachte, mu£te dieselben eben in
die Münze geben und dort verkaufen bei Strafe der Einziehung der be-
treffenden Münze (Münzordnung 1406 — Lori I, S. 30).
— 371 —
herzogliche VerordnuDg tarifiert^), um das Publikum gegen
Übervorteilung seitens der Privilegierten zu schützen. Die
Wechsler verschwinden im 15. Jahrhundert, um den Münz-
meistem ausschließlich das Wechselgeschäft zu überlassen*).
Seit dem Anfange des 1 6. Jahrhunderts werden aber diese
Wechslerfunktionen den Münzmeistem entzogen und besondere
Wechselbänke in den Hauptstädten des Landes *) für die Be-
dürfnisse des Verkehrs errichtet. Albrecht IV. erließ 1506 für
diese eine formhche Wechselordnung*). Nach dieser wurden
die Wechsler gleich herzoglichen Beamten vereidigt, nur wurde
ihnen gestattet, ihre Wechselbank bei ihren Goldschmiedläden
zu halten. Keineswegs aber wurde ihnen, wie dies in nicht-
bairischen Städten der Fall war^), die Verpflichtung auferlegt,
alles eingewechselte Silber und Gold an die Münze abzuUefem,
sondern sie konnten, unabhängig vom Wechsleramt, in ihrem
privaten Handwerksbetrieb das aus ihren Mitteln erkaufte Edel-
metall ohne Beeinträchtigung des herzoglichen Wechsleramts
verarbeiten. Sie hatten ja geschworen, den Wechsel ord-
nungsgemäß zu versehen und sich neben ihrem Solde •) keinen
unerlaubten Gewinn in Ausübung ihres Amtes anzueignen. Alle
erkauften Münzen waren sofort an den Münzkammerer abzu-
liefern, welchem auf Grund genauer Aufzeichnungen über den
Stand des Wechselgeschäftes Bericht erstattet werden mußte.
Falsche Münzen, welche dem Wechsler angeboten wurden, mußte
er sofort zerschneiden und die Stücke dem Anbietenden zurück-
stellen. Geringhaltige Münzen sollten zu ihrem wahren Wert
unter Abrechnung einer besondem Gebühr für die erforderliche
1) Die Überschreitang dieser tarifierten Sätze war mit Verlust des 4. Teils
der Wechselsümme bedroht (Qu. u. Er. VI, S. 583 — 1397). Vgl noch Tarif
1458 bei L 0 r i I, S. 66.
2) In einem Bestallnngsbriefe von 1435 wird hervorgehoben, daß nnr die
Münzmeister, solange sie münzen, and sonst niemand den Wechsel in der
Stadt München innehaben sollten (Lori I, S. 34).
3) München, Landshat, Ingolstadt, Straubing und Burghausen (Lori I,
S. 132.
4) Lori I, S. 114 ff.
5) Eheberg S. 144.
6) Dieser wurde nicht filiert, sondern sollte nach Gelegenheit des
Fleißes, der Mühe und Arbeit, welche auf das Wechsleramt verwendet
warden, bestimmt werden; dazu wurde die Lieferung eines Hofkleides ver-
sprochen.
24*
Uniprägung eingelöst werden ^), Sclion im folgondeo Jahre (1607)
war diu ErlassuDg einer neuen Wecheclordnung* ) fQr die Münchner
Jakobiincssi; notwendig, namentlich wogen des massenhaften Ein-
dringens vcrbotuer und falscher Münzen. Deswegen wurde den
^\'ecbsle^u ein obrigkeitlich geprüftes Nornialgewicbt Überant-
wortet, nach dem sie den Umtausch von Gold und Silber voU-
Kiehen sollten.
Auch nachdem das MQnzwesen zur Kompetenz der Kroit»
gehörte, nahmen sieb diese auch der Ordnung der mit dem
MUnzwesen verbundenen WechselstAttcu an. In dem baiiucbeti
Kreisal>3cbied von 1559^) wurde so die Errichtung bezw. Fort-
führung s'OD Wecbselbänkeu durch die einzelnen Kreisstände ange-
ordnet, so daß das Publikum Gelegenheit fände, die verbotenen und
ungangbaren Münzen gegen gangbare umzutauschen. Die einge-
lösten Stücke bildeten passentiea Prftgematerial für die MüDZStdtteti.
Bei der verantwortungsvollen Aufgabe des ^lUnzmeistcn
mid der naheliegenden Versuchung verbrecherischer Ausbeutung
des Aml£ durften natürlich Sicherungsmittel zur Abwendung
einer solchen Gefahr nicht fehlen. Man wendete nicht etwa
die wirksamste Reprossi\-maßregel, Festsetzung einer tnJigUcbst
hüben Besoldung, durch weiche jede Versuchung einer Verlctzang
der Amt^^pHichten im Keime wäre unterdrückt wonlen, an, boo-
dem man suchte außer durch den Diensteid namentlich durch An-
drohung hoher Strafen vor der Begehung eines Amtsverbrechens
abzuschrecken. Wiederholt wird Münzmeisteni, Münnem und
andern Personen das Verbot der MUnzersaigerung * ) anter Att-
1) Ein Bat«eUag der Wechwibink bklber 1607 (I. o r 1 1. S ISO t)
nnt Eatwurf geblieben n »ein. Hier wnrde Torgeechlagoa, mr in "
und Landtbnt je eine Wecbielbuik id enicbten, jede denelbcn mit j»
2 Wecbileni nnd ein am Probteiei lo besetten.
a) Lort I. a 131.
3) Lori I. &28&
4] Schmellor-FromnianB II, S. 237, ;bTingt dieiei S^gtn 9im
Knkigeni der UfloM mit der nnTollkommnen Technik der Pripuig in lltam
Zelt in Zunrnmeotiang. Dieee lub« «• noch nicht ennAglicfat, «Ue 8tftcfc>
einer MOnuorte «n Qebklt einander roUliomnien gleioh n uhtmi, we^all
man die u Oehalt twnra Stdcke einer Intnieranden Hünnorte mit HlUt
im Wage augeneht nnd dem Dmlanf entzofteD habe^ wodnreh die im Kvn
bWb«Dd« llaata an Wert und Kradit Torloren habe. In dleaer MaaipnUlia«
" V^ Ehaberg S. 169.
— 373 —
drohung der Strafe des Fälschers eingeschärft * ). Ebenso war
auch das Verbrennen der Münze und jede andere Münzver-
schlechterung — noch sonst dainerlai andere gev&rde darinen
suchen — verpönt.
Eine große Rolle spielt die Strafe des Brands in Herzog
Ludwig des Reichen Vorschlag eines neuen Münzfußes mit den
Ratschlägen der Münzverständigen 1457, denn nicht nur jeder
Münzmeister und Amtraann, der mit der Münze vorschriftswidrig
umging, sondern jeder Rat, wie jede Person, die das Verbrechen
abzuschwächen und etwas zu Gunsten des Verbrechers vor-
brächten, sollten mit dem prant und sonst mit kainer andern
peen gestraft werden *).
Selbstverständlich enthebt ein solches Amtsverbrechen des
Münzmeisters die Fürsten von der Einhaltung der vereinbarten
Kündigungsfrist, und zum Überfluß wird dies in einem Bestallungs-
brief ausdrücklich hervorgehoben *).
Nicht nur die Münzmeister, auch die ihnen unterstellten
Beamten wurden mit Privilegien begnadet *) (Befreiung von der
Steuer und Wachtpflicht).
Dem Münzmeister und seinen Gesellen wird auch herzog-
liche Sicherheit und Geleit für alle auswärts begangnen Hand-
lungen zugesagt, und selbst nach Aufkündigung dieses Geleits
genießen sie dessen Wirkungen noch 4 Wochen hindurch. Ge-
leit und Sicherheit wird ausgedehnt auf alle Ausländer und
Gäste, welche zum Münzmeister gehen und Silber in die Münze
bringen ; ihr Leib und Gut darf wegen alter Schulden im ganzen
Lande nicht arretiert werden.
Die hervorragende Stellung des Münzraeisters tritt uns
namentlich entgegen in der ihm zuerkannten Jurisdiktionsgewalt
über alle Münzverwandte. Ihm allein steht die Befugnis zur
iVhndung aller von Dienern und Werkleuten der Münze be-
gangenen Delikte mit Ausnahme der todeswürdigen Verbrechen
zu ^). In Civilstreitigkeiten dagegen sind der Münzmeister und
die ihm untergebenen Bediensteten vom gewöhnlichen Gerichts-
1) 1391, 1395 (Lori I, S. 22, 26, 31, 60).
2) Ibid. S 43.
3) L 0 r i I, S. 61 (1458).
4) Ibid. S. 29, 34, 75 f.
5) Ibid. S. 29, 66 (1400, 1468), S. 76, 78 (1460).
— 874 —
Stande eximiert, denn nur der Herzog und Boiue Rät«, also
nur das Uofgericht ist zur Eutacheidung von Civilprozesseu der
Münzbcdienstfiteu kompetent ').
Im 1(>. Jahrhundert*) erscheint jedoch der Münzmeister
und nach ihm der Wardoiu zuständig zur richterlichen Ent-
scheidung aller „persönlichen Sprüche und Sachen" der Münz-
verwandten. Während ihrer Zugehörigkeit zum Münzwerke hat
der ordentliche Richter keinerlei Gewalt über sie, die priyi-
legierte Gerichtsbarkeit des Müuzmcisters tritt statt dieser ta
Kraft. Als AppellationsiiiBtanz fungiert der Hofmeister gegen
l'rteile des Münchner Münznteisters (1506)*), während g^en
Urteile des Mtlnzmcisters an der neu errichteten MUnzslätt« xu
Straubing Appellation nur zum Oberrichter vou Straubing ein-
gelegt werden kann *).
Dali wir aber in dieser ausgedehnten Privilegierung der
Münzbediensteten bezüglich des Gericiitsstandes und der Straf-
gewalt des Münzmeisters nur das Produkt einer späteren Rechts-
entwicklung zu erblicken haben, bezeugt eine den Münchner
Studtrecbtsiitzeu von 1347 angehörige Bestimmung*), wonach
der Mflnzmeister über die Müuzer lediglich in Schuldsachen zu
richten hat. Erst wenn auf dreimalige Erhebung der Klage
der Münzmcisler nicht eingreift, darf der ordentliche Richter
mit der Klage angegangen werden. Von einer Strafgewalt des
Mflnzmeisters ist hier also noch nicht die Rede ^).
Zur Uersti^llung und Überwachung der Richtigkeit desPrftge-
werke waren eine Anzahl von KontroIIebeaniten ernannt Zu djeeen
gehörten Versucher, Aufzieher, Eisengniber und Präiger.
Ende des 14. Jahrhunderts war außer den technlscbeo
Kontrollebeamtcn noch eine Anzahl von Udrgeru der Stadt, in
11 Es (oUen indi die mOiunitiiter und ir gMellcn, diewett tt In aoMf
«tat HQnch«! mQni^D, alndert in rocht iteen denn bei uu nnd tuiMni
rltML
81 Lori I. a lai
31 Ibid. S. 137.
4) Aaer, St4dtT. VII i. 86 (S. SS7).
6) Zar Üchlicbttmt; Ton 6tt«itlgkdt«ii, welche lich tiri>chau dem Henog
und dorn Uanimelitv «nUpiiiaen wQrdoit, fiodot dcb *ucb rereinbart Untap
nerftin«; notcr doa Sprach ainM SchiMlsgorirhta , bnftcbead kqi t-3 nm
l»ei4ev Puleioti htnhata benogUcbeii Imteo (Loti L ä. "!&).
— 375 —
welcher sich die Münzstätte befand, als Überwachungsorgane
bestellt. In dem Münz verein von 1395 ^) ordneten die bairischen
Herzoge an, daß aus dem innern Rate der Münzstadt je 3 Mit-
glieder abgeordnet werden sollten, welche, ohne an dem Münz-
geschäft beteiligt zu sein, nicht nur Prägeeisen, Wage und Ge-
wicht versorgen, sondern auch, sobald der Münzmeister das Geld
bis zur Prägung fertig gestellt hatte, unter Beiziehung eines
Versuchers und Eisengrabers das Geld an Schrot und Korn
prüfen mußten. Für den Fall des Richtigbefunds hatten so-
dann diese 5 mit ihren eignen Leuten die Prägung selbst vor-
zunehmen unter Ausschließung der Münzmeister und ihrer
Knechte. Schon 1400 ^) ist von dieser Fünferkommission nicht
mehr die Rede, und die ganze Kontrolle ist einem Versucher
anvertraut, welcher darüber wachen mußte, daß kein Geld vom
Münzmeister ausgegeben wird, bevor es probiert und gerecht-
fertigt ist. Eingehender wird die Prüfung der neugeprägten
Münzen bereits geregelt in der Münzordnung der vier Herzoge
von 1406 ^). Neben den Versuchern und Eisengrabern werden
auch 2 Aufzieher bei der Münze angestellt — frum erberg pider-
läwt den zu glauben und zu trawen ist*) und damit wir und
land und läwt besorgt sein, und der ir yettweder tail an der
münzz weder gemain noch tail haben. Die 2 Aufzieher sollen
Prägeeisen, Wage und Gewicht innehaben und besorgen; sie
sind also in die oben den 3 Ratsmitgliedem angewiesenen
Funktionen eingetreten, während im Landshuter Münzverein von
1458*) wieder ein herzoglicher Rat und 2 Mitglieder des Rats der
betreffenden Münzstadt zu diesem Geschäfte delegiert werden*).
1) Lori I, S. 26.
2) Bestallangsbrief f^r den Mfinchner Münzmeister: Lori I, S. 28.
3) Rockinger, Einleitung 8. 239 iL (Lori I, S. 29 ft).
4) „and sich dos versteen" wird im Mflnzrerein 1458 hinzugefügt (Lori
I, S. 59).
-5} L 0 r i I, S. 58 ; vgl auch Protokoll des Münztags zu Landshut (ibid.
S. 57).
6) Als Ausnahme muß das dem Landshuter Stadtrate 1458 vom Herzog
Ludwig eingeräumte Präsentationsrecht der Mflnzbediensteten betrachtet
werden. Für das Amt des Versuchers, Eisengrabers und Prägers werden
je 2, für das doppelt zu besetzende Aufziehoramt je 4 Personen vom Stadtrat
in Vorschlag gebracht; aus den Vorgeschlagen erwählt nun der Herzosf die
orfordcrliche Anzahl, also die Hälfte (Er. A. 11 — 0. B. Mflnzwesen Fase 14)
Den beiden Aufzieliern wird das bis zur Prägung fertig
gestellte Geld von dem Münzmcister Übergeben. Einer von
ibnen, der das von dem andern versiegelte Prageeiscn unter
sicli bchuU, muß bei dem Präger i>is nach Vollendung der
Prägung sitzen bleuten. Die Aulzieber prüfen das geiirägta
(ield in Hflcksicht auf die Aufzühl (Schrot), ziehen dann den
Versucher un<i Msengraber zu, welch ersterer das Koni unter-
aocht. Dus approbierte Geld wird sodanu dem Mflnzmeister
überantwortet.
Diese detaillierten Vorschriften über MUnzprflfung bilden
die Grundlage auch iler späteren Instruktionen, in welchen bib,
wenn auch unter Modifikationen, wiederkehren. Namentlich «ird
fortan fast regelmäßig das sog. Passiergewicht fcslgesetüt, daß,
wenn bei Prüfung des Präguugswerks die Mark nur um ^g oder
^i zu gering befunden wird, man dies durchgeben lassen soll,
aller nur, wenn dies nicht zu oft vorkomme ' ).
Um eine sichere Grundlage für diese Mflnzprflfung*) za
haben, wurde dem Mflnzmeislt>r und dem Aufzieher ein Nor-
Dialgewicht') — aiu gerechtes Lot Gewicht (biran uinu die
Mflnz Hufeiehe , so sich das gebfirt — Qbergebcn * ). Die Anf-
zieher und Versucher haben das von ihnen approbierte Geld
zu beschreiben , also die Quantität und den Tag des Aaf-
zichens aufzuzeichnen, und auf Grund dieser Aufsclircibiutg bat
dann der Münzmeister den vereinbarten Scblagschatz in die
herzogliche Kammer abzuliefern '').
Der Umfang des Geecbäftskreises des Prägers ergibt deh
schon aus dem Namen.
Ganz neu erscheint im Iß. Jahrhundert das Amt doa MOnz-
kammerers, vou welcliem zuerst 150*5 die Rede ist"). Dem
Münzkammerer wird die ganze Verwaltung der Münze anver-
1) LoTi I. S. 38 (1464).
2} Dl>«T MOiiipmfantron Qborhaapt v^l Ehebcrfc S. 183 K
:« Lori I, a 3i. 30, 64
tl AniUehei und Prfiger hattoo neb (^genieitiK ai kontrollieren. So-
wohl >Im vom Haumeittw empAmgeDe PrlgongtniRtor^al wunlo b oiDor Trafa«
mit 2 SchldHem Terwkbrt, in welchen jeder euBn SchlfLuol bonA (Lori
t, & Si'l.
K Lofi I. a34, S9.
tii Lori 1^ 6. 106: BktMblag wegen Aafirtelinng der HOnibediMitOB.
— 377 —
traut; ihm sind alle Münzbeamten, deren pflichtmäßige Amts-
führung er zu überwachen hat, untergeordnet, insbesondere der
Münzraeister, welchen er genau kontrollieren und jedes an ihm
wahrgenommene Mißtrauen erweckende Anzeichen alsbald zur
Kenntnis des Herzogs bringen soll *)• Er hat namentlich für
Herbeischaffung des zur Prägung erforderlichen Edelmetalls
Sorge zu tragen, also Gold und Silber sowohl in den Berg-
werken, als von den Schmelzern und Kaufleuten zu kaufen und
das neu erkaufte Gold und Silber ebenso wie die Edelmetall-
vorräte seiner Kammer in die Münze führen zu lassen, damit
es hier nie au Prägematerial gebricht.
Die geprägten Münzstticke sind vom Münzmeister wieder
an den Münzkammerer abzuliefern. Dieser darf sie jedoch nur
in Empfang nehmen, nachdem sie „an der Prob, Gehallt, Auf-
zal und Gewicht gerecht erfunden" wurden. Die bei der Prüfung
als nicht probehaltig verworfnen Münzen soll der Münzkammerer
dem Münzmeister zurückgeben, der ihre wiederholte Münzung
auf seine Kosten vorzunehmen hat.
Auch das Zahleramt in der Münze war dem Münzkammerer
übertragen; nachdem ihm vom Münzmeister und Wardein das
gemünzte Werk nach erfolgter Prüfung auf der Wage übergeben
worden war, hatte er die einzelnen Stücke zu zählen, jeden
Gulden besonders aufzuziehen und zu wiegen und die einen
Kreuzer zu wenig haltenden Stücke zu zerschneiden*). Der
Herzog behält sich aber vor, ihm für diese Prüfungsarbeiten
noch eine andre Person beizugeben ^).
Im Zusammenhang mit der Münzstätte sind ihm auch die
Wechselbanken in den verschiedenen Städten des Landes unter-
1) Ikstallungsbrief für den Münzkammerer K. Oienger (1507) bei Lori
I, S. 132 f.
2) In einem Werk von 1000—1500 fl. sollte er über 50 fl. nicht zu-
lassen, den Überschuli zerschneiden. Die silbernen xmd goldenen Münzen^
welche er bei der Besieh ti^ng für xmtaaglich hielt, sollte er aasscbie&en
und wieder ausmünzen lassen.
3) Alljährlich hat der Münzkammerer dem Herzog bezw. der Hofkammer
Rechnung zu stellen und Zahlung zu leisten. In der Rechnang war g^naa
anzuführen das Quantum des für die Münzen angekauften Edelmetalles, An-
zahl der hieraus geprägten Stücke und Sorten, Kosten des Prägewerkt, Ge-
winn und Verlust der einzelnen Positionen, sowohl des Silber- und Qoldankanfs
als der Prägung.
— 878 —
stellt. Er soll die Durchführung der für die Wechsler auf-
gestellten OnlDuugen Überwachen, insbesondere auf ihre Red-
lichkeit im Ein- und Verkauf und auf Anwendung richtigea
Gewichts sein Augenmerk richten. Es wird ausdrücklich der
volkswirtschaftliche gegenüber dem fiskalischen Standpunkt be-
tont, nicht großer Gewinn, sondern Förderung der Ehre uod
des Wohls des Landes und Fürsorge für dessen BedflrfnisM
sollen bei diesem Verwallungszwcige ins Auge Kefaßt werdeu').
Die in dem Münzkanimerer geschatfeue hrthere Kontjoll-
instanz wurde nicht dauernd in den Organismus des Münz-
lieamtentums aufgenommen. Plötzlich, wie dus Amt aufgetaucht
war, verschwand es auch wieder von der Oberfläche, da ein Be-
dürfnis für eine solche Zwischenbildung um so weniger gegeben
war, als dem höclisten Finanzbeamten, dem Kammerraeister,
und später der Hofkammer das ganze Münzwesen unterstellt
blieb.
Als neues Amt in der MQnz Verwaltung tritt uns ferner
noch das des Wardeins entgegen. Der \Vardein ist nach dem
Münzmeister der höchste Beamte der MUnzstAtte und vertritt
ihn in seiner Abwesenheit ').
Der Gescbäftskreis dieses Beamten ist nicht scharf abge-
grenzt und wird oft mit anderen Amtsfunktionen kumuliert').
Über alle seine Verrichtungen, über das Gewicht dü3 Edd*
metalls, das er dem Mflnzmeister vorwiegt, über das Aufziebea
der Münze soll er Buch führen, um durch seine Aufschreibungen
die des MUnzmeisters kontrollieren zu können.
Die Aufstellung eines geschwomun Wardeins wird aOon
Städten und Märkten zur Pflicht gemacht (1539)'). Dem
trügerischen Treilien, die Münzen zu verderben und zu kOmen,
soll mit Entschiedenheit gesteuert werden. Deshalb mi
auch ditoenigen Personen, welche gemünztes Silber zu ihrem
1) Lorl I, S. 189: dum wir «oiiden fcrof OewOnl oder VortüU <
nit begMii, Moder welchen, tuuer ond gemiin« unten Ludea Ere und NbH
nnd NoUorllt m betraehUa, lefOrdem nnd luhudolD üne biMnit woUea b*>
Tolhen b»b«n.
i) Lori 1, S. 1E8.
S) Tgl. Lorl I. 8. 13«. Er ftmgiert meh in^aleb tk AaUshw,
wl*g*r und EiwohBtor (Anfbawfthrvr der Prt^veiMBV
4) L«rl L & SIW (UenagUebe Veiordnii^).
— 379 —
Privatbedarf oder, wie die Goldschmiede beim vorhandenen
Mangel an Edelmetall, in ihrem Gewerbebetriebe verarbeiten
wollen, dies der Obrigkeit anzeigen. Wenn der Verdacht einer
betrügerischen Absicht nicht gegeben ist, erteilt diese die Er-
laubnis, die Münzen durch den Wardein kümen zu lassen. Der
Wardein in dieser Gestalt hat demnach eine andere Stellung
als der uns bis dahin unter diesem Namen bekannte Münz-
beamte. Er ist nicht herzoglicher Beamter, sondern nur Kommimal-
beamter. Auch seine Funktionen sind andere, denn er hat nicht
die Überwachung ordnungsgemäßer Prägung in einer bestimmten
Münzstätte zu besorgen, sondern fungiert als Organ kommunaler
Münzpolizeiverwaltung.
Dem Probierer endlich ist der Wirkungskreis des früheren
Versuchers im wesentlichen zugefallen. Eine Neuerung be-
steht darin, daß der Probierer nicht nur für die Prüfung der
neugeprägten Münzen in der Münzstätte angestellt ist, sondern
daß er dem gesamten Publikum seine Probierdienste gegen eine
fest abgestufte Probetaxe zu widmen hat, auch eine Wieder-
holung der Probe nicht abschlagen darf. Wenn der Münzmeister
mit der Probe unzufrieden ist, den Ausspruch des Probierers
nicht anerkennen will, so soll entweder das Urteil andrer bei-
gezogner Sachverständigen entscheiden, oder beide Parteien sollen
das Gutachten irgend eines Schiedsrichters, auch einer aus-
wärtigen geschwomen Beschau als für sie bindend anerkennen^).
Unter allen Umständen, auch wenn der Münzmeister gegen den
Ausfall der Probe keine Erinnerungen erhebt, steht dem War-
dein immer die Befugnis der Vornahme einer Nachprüfung zu.
Der Hofkammer, als der das Staats- und volkswirtschaftliche
Leben des Landes leitenden Behörde, war auch die Aufsicht
über das Münzwesen übertragen. Sie hatte nicht nur für die
1) In dorn angeführten Bestallongsbriefe für den Stranbinger Münzmeister
(1508 — Lori I, S. 136) wird für den Fall eines Streits wegen der Münz-
proben bestimmt, daü die strittigen Proben, sofern man nicht auf die Münchner
Probe kompromittieren will, nach Hall im Innthal, nach Salzburg oder Nürn-
berg oder an eined sonst mit der herzoglichen Begienmg zn vereinbarenden
geschwomen Beschau auf Regierungskosten geschickt werden sollen. Der
Münzmeister hat, wenn seine Beschwerde nicht für begründet erachtet wird,
den Schaden der Regierung zu ersetzen.
— 380 —
Beobachtung der MünzverordnuDgen Sorge zu tragen^), sondern
auch die Geschäftsgebahrung der Münzbeamten zu beaufsichtigen,
Streitigkeiten der Probe halber zwischen denselben zu entschei-
den und die Rechnungen der Münzmeister zu prüfen.
Das Prinzip des Egoismus, welches das mittelalterliche
Staatsleben beherrschte und öffentliche Anordnungen und Ein-
richtungen ohne irgend welche Rücksichtnahme auf benachbarte
Länder zur Durchführung brachte, konnte für manche Gebiete
des Verkehrslebens doch nicht ohne Schädigung der Interessen
des eignen Territoriums rücksichtslos verfolgt werden. Kein
Zweig der Wirtschaftsverwaltung vertrug ein solches System voll-
ständiger Abschlicßung weniger als das Münzwesen. Schon frühe')
trat daher das Bedürfnis der Vereinigung verschiedener be-
nachbarter Territorien behufs Erlassung und energischer Durch-
führung gemeinsamer münzpolizeilicher Vorschriften hervor, und
während schon seit dem 14. Jahrhundert die Herzoge der ver-
schiedenen bairischen Linien sich zu Münzvereinen zusammen-
schlössen, zeigt uns ein Blick in Lori's Sammlung des bairi-
schen Münzrechts (Bd. I), wie häufig sich namentlich während
des 16. Jahrhunderts Baierns Landesfürsten mit andern geist^
liehen und weltlichen Fürsten und Reichsstädten in Münzvereinen
zur Erlassung gemeinschaftlicher Münzordnungen verbanden.
Die münzverwandten Stände ließen dann öfters durch Gesandte
Beratung über den geeigneten Vollzug der Münzordnungen
pflegen und verkündigten das Resultat solcher Beratungen als
„Münztags-Abschied" ^).
Als Maximilian L das deutsche Reich in 10 Kreise ein-
geteilt, war in diesen Reichskreisen ein geeignetes Exekutiv-
organ der Reichsgesetzgebung, insbesondere der Polizeinormen,
1) Hofkammcr-O. 1572 (Kr. A. M.) — sollen si (Eammerr&te) auch gaeto
kundschaften bestellen auf ausfuerung der ^oieten und einfflrung der böten
münz, damit ob unser münzordnung desto stattlicher mög gehalten weiden
und trachten, das nit der arm man mit ainem geringen griffen, sonder aach
diejenigen so haimblicher weis mit disen Sachen gleich ain handtienmg
treiben, nit übertragen werden.
2) Über eine Zusammenkunft bairischcr und Österreichischer GeBandtea
zum Zwecke einer einheitlichen besseren Gestaltung des Mfinzwesens (1466)
vgl. Eheberg S. 68 f.
3) Münztagsabschied der münzverwandten Fürsten xmd Stftnde 16S6
1536, 1539 bei Lori I, S. 194, 202, 209, 213 und 216.
^
— 381 —
gegeben. Als daher das Reich auch der Ordnung des Münz-
wesens seine gesetzgeberische Thätigkeit widmete, knüpfte es
sogleich an diese Reichskreisverfassung an. Ira Reichstags-
abschied zu Augsburg vom 14. Februar 1551 (§ 40) wird daher
den einzelnen Reichskreisen auferlegt'), in einer Versammlung
der Kreisstände einen Wardein oder Probierer anzustellen und
diesen aus Kreismitteln zu besolden.
In eigentümlicher Weise mußten die bairischen Herzoge,
früher allein im Besitze des Münzhoheitsrechts in Regensburg *),
dasselbe später mit den dortigen Bischöfen teilen^).
Die Ausübung des Münzregals war in Regensburg, wie in
andern Städten, den „Hausgenossen" *), einer Korporation freier
Geschlechter^) übertragen^), welche, als selbständige Unter-
nehmer auf eigne Rechnung^) die Ausmünzung übernahmen,
und denen der Ertrag oft seitens der Fürsten für die diesen ge-
machtd* Darlehen verpfändet war, so daß sie den Schlagschatz,
der als Äquivalent für die Verzinsung der Schuldsumme betrachtet
wurde, nicht abzuliefern®) brauchten; durch den Überschuß
wurde das Kapital selbst getilgt^). An ihrer Spitze stand der von
den Fürsten ernannte Münzmeister'®). Die Hausgenossen konnten
1) Lori I, S. 234, 269 (R.Münz-0. 1569), S. 274 ff. (RProbations-O.). —
Der bairische Kreis beschloß die Abhaltung von jährlichen Probationstagen
am 1. Mai und 1. Oktober; 1571 wurde sodann die Aufstellung eines Ereis-
münzmcisters neben dem Kreisward ein beschlossen (Loril, S. 285; II, S. 29).
2) Muffat, Beiträge zur Geschichte des bayerischen Münzwesens (Abh.
d. baier. Akademie ILL CL XL L AbtL) S. 211; vgl auch den Vertrag Bischof
Conrads zu Regcnsburgs mit Herzog Ludwig (Qu. u. Er. Y, S. 4 u. 14) ; femer
Auszug aus dem Original-Saalbuch Herzog Heinrichs in Niederbaiem 1285
(Lori I, S. 11).
3) Vgl über die weiteren Schicksale des herzoglichen Münzrechts zu B.
Muffat a. a,0. S. 215 ff
4) monetarii, qui dicuntur husgenosze (1295). Bied, Cod. dipL Batisb.
l p. 688.
5) Arnold (Verfassungsgeschichte der deutschen Freistftdte. Hamburg
und Gotha 1854) I, S. 272.
C) Über Wesen und Stellung der Hausgenossen vgl Eheberg S. 97ff
7) Muffat S. 222 (B. H. VIII, p. 50).
8) Eh ob e rg a, a. 0. S. 137 (M. B. XXXVI, 2, p. 464; R, B. V, p. 371;
VIII, p. 357).
9) Muffat a.a. 0. 8.218
10) Herzog Albrechts I Bestallungsbrief für den Münzmeister in Begens-
burg 1339 (Lori I, S. J8).
ihre ehelichen Sohne und Enkel in ihre Genossenschaft aof-
nehmen. Fremde nur mit Zustimmung der Fürsten ' ). Letztere
durften aber auch der Genossenschaft keine Mitglieder gegen
ihren Willen aufdrängen. Zu diesem Zugeständnisse ließen sich
die Fürsten herbei, nachdem mannigfache Versuche, neue, ihnen
genehme Elemente der Hausgenossenschaft zuzuführen, Reibereien
veranlaßt hatten *).
I>ie Prüfung der neugeprägten Münzen erfolgte durch den
Münzmetster, welchem sie von den Uausgenossen zu überbringen
waren.
Die den bairisclicn Münzbcaniten eingeräumten Jurisdiktions-
privilegien waren in Regenshurg schon durch die Existenz der
Hausgenossen modifiziert. Zur Aburteilung aller auf die Münze
oder den Wechsel bezüglichen Verbrechcu oder zur Hestrafunic
anderer, von den IlauBgeuoäsen oder ihren Dienern verübten
Delikte sollte nach einem herzoglichen Privilege von 1295 ein
besonderes Münzgericht koaslituiert werden, bei welchem der
Herzog selbst oder ein von ihm ernannter Richter als Vor-
sitzender fungierte, während die Hausgenossen das Urteil
fanden '). Doch wurde durch diese Speziafiurisdiktion die Blut-
gerichtsbarkeit in keiner Weise berührt, denn die Aburtdltiog
der todeswürdigen Verbrechen sollte der Jurisdiktion des Herzogs
nicht entzogen werden.
Auch über die von den in der Münze beschäftigten Hnad-
werkcm verübten Münzverbrechen steht dcu Münzmeisteni die
Jurisdiktion^ewalt zu*)' Wie in andern Städten, so fiel audi
1) QtL a Er. V. S. 2ßl (1272); VI. a 78 {1296)j ibid. S. 367 (ISSß*.
S) EbeboTK »-».0. ai4T (Oe meiner I. S 400 n. US).
S) Qq. o. Er. T, S. 78 — per noi (Benog) aat iodicM nostros ad ho« ft
nobi« iptculiter depatandoi iuxt> . . moDoteriorium unntsotutn, nt iari* ordo
et delicti qvtlitu oiei^rit, ioxU vnlptro in dcn) üoditiK *eiil«nli«liter dM^
dutiir. — Qd. D. Er. VI, 8. S67; Wk nch, ob lUicinerlaje uiAf and a»'
nietat tudar dm nnuUlm «dar in d«r manB oder u dem wochid
du wtr oiob onrHhtM gelot and sewig, du •Ollen wir Tkbt«B n^
tmnfgfooneB JOÜg und orUil m dnn gedinp.
4) Mao m1 Mch kain>ni plo&iiti pfcoing iUiiim, in babon
aialitor geMtum and rervocht mit wag und mit fcwr. er IFJ banag«!
oder ikher. Wer damit liogrilTeD wnrd, dat füllen dj mi
dam tecwT in «licht man dnn dawin ab auf dorn itoekeb in i
drr tccbton liana. und dpRi ilahi-r dwMlb (HnfUt a 3SS).
dllcUao dM ManimMuten wird in Hof fat'i Dantallniif (S>.ÜO)
— 383 —
in Regensburg dem MüDzmeister und den Hausgenossen die
Aufgabe zu, nach Falschmünzern zu "fahnden, die ergriffenen
vor den ordentlichen Richter zur Aburteilung zu bringen, wo-
bei dann dem Münzmeister teilweise die Rolle des Anklägers
zugewiesen war*).
Unter den Münzprivilegien ist noch hervorzuheben der be-
sondere Friede, mit welchem auch das Regensburger Münzhaus
begnadet war*). Wer an dieser Stätte ein Verbrechen begeht,
hat außer der Buße an den Verletzten noch an den Fürsten
wegen der Verletzung der Immunität des Thatorts Sühne zu
leisten ^).
Das 'Monopol des Wechselrechts mit dem Vorrecht des
Silberkaufs*) war auch den Regensburger Hausgenossen ein-
geräumt'^). Als die Hausgenossen im Laufe des 14. Jahr-
hunderts mehrmals ^) die Prägung, welche beim Steigen des
Silberwerts und der Prägungskosten unrentabel erschien, ein-
gestellt und 1392 der Rat selbst die Prägung mit Erlaubnis
des Herzog Albrechts I. auf 4 Jahre übernommen hatte, um den
Ruf und den schon erschütterten Kredit der Stadt nicht noch
mehr zu gefährden^), übertrug er das Recht des Wechsels
zweien aus seiner Mitte und zweien aus den Fünfundvierzigem,
was auch 1395 geschah®), als der Rat, nachdem die Haus-
genossen noch immer auf Prägung verzichteten, von Albrecht I.
und Bischof Johann wiederholt zur Prägung auf 4 Jahre er-
mächtigt wurde ^).
Die wiederholte zeitweise Überlassung der Ausübung des
Münzrechts an den Rat bewirkte den vollständigen Übergang
1) Muffat S. 268; Eheberg S. 167.
2) Schon 1295 sichert Otto IQ. diesen Frieden zu: nt qnicnmque in . .
loco monete vol concambii faerit ant illnc superrenerit auctoritate nostra
principali plena in persona sna, qnamdia in eisdem lods manserit» inmrani-
tate, securitate gaudeat atque pace (Qn. u. Er. VI, S. 78 — 1296; vgl auch
S. 357 - 1339).
3) Qu. u. Er. VI, S. 78 — 1296.
4) Lori I, S. 11.
5) Muffat S. 224 ffi; Eheberg S. 142 f.
6) 1355 und 1391 (Muffat S. 225).
7) Gemeiner, Reichsstadt Regensburgische Chronik II, S. 278; B. B.
VIII, p. 50.
8^ Muffat S. 226.
9. K. B. XI, p. 58; Gemeiner H S. 284.
— 384 —
des Regals an diesen ^). Im Jahre 1500 befahlen die der Stadt
vorgesetzten Kommissäre derselben die Ausübung des Münz-
rechts an, welchem Befehle die Stadt entsprach. 1510 ver-
pachtete sie das Münzregal auf 10 Jahre an den Münzmeister
Martin Lerch und entgegnete den Beschwerden der vormund-
schaftlichen Regierung zu München, kraft kaiserlicher Privi-
legien besitze sie seit undenklicher Zeit das Münzrecht ^). Erst
1512 erteilte Kaiser Maximilian der Stadt das Privilegium, neben
den silbernen auch goldne Münzen schlagen zu dürfen *).
§21.
Die Bergbeamten.
Einen wesentlichen Teil der Funktionen der Bergbeamten,
die richterlichen, haben wir l)ereits bei der Darstellung der
Gerichtsverfassung ^) kennen gelernt Daneben waren diesen
al)er noch sehr umfangreiche Aufgaben der Bergwerksverwaltung
übertragen. Denn wenn auch die Berg>verke zumeist nicht in
eigner Regie des Staates bebaut wiu-den, so war doch bei der
großen volkswirtschaftlichen Bedeutung des Bergbaus, dem sich
noch ein fiskalisches Interesse beigesellte*), eine sehr weit-
gehende Beaufsichtigung des Grubenbetriebs durch die landes-
herrlichen Organe angeordnet. Die Gewerke waren beim Betriebe
an die Beobachtung detaillierter Vorschriften der Bergordnungen
gebunden, welche die technische Ausübung des Bergbaues im
Interesse einer rationellen Ausbeute von Mineralien beschränk-
ten und den Raubbau verhindern sollten. Es war eine höchst
intensive, sich auf die Details des Betriebs und der Verwaltung
erstreckende Leitung, welche in die Eigentumsverhältnisse der
Bergwerkseigentümer viel tiefer eingriff als heutzutage, wo der
Staat, nachdem die Regalität verschwunden, vermöge seiner
1) Muffat S. 224.
2) Gemeiner IV, S. 155, 164, 177, 190.
3) S. 216 K (§ 10).
41 Die mit dem BergwcrkseigeDtum Belichenen mnfiten eine feste Quote
des jährlichen Ertrags an die herzogliche Kammer ahf Ohren, z. B. 1430 in
Ainmorgan (Ocfele, Eeram Boic. Scriptorcs II, p. 217), 1463 in Lam (Lori
S. 05). Die Abgabe des 10. Kflbols als Fron wurde als aUgemeines Berg»-
rccht aufgefaßt Vgl K a r s t e n S. 208 ff.
^
— 385 —
Berghoheit nur die Beobachtung der im öflfentlichen Interesse
und durch die besondem Gefahren des Bergbaus bedingten
polizeilichen Vorschriften fordert.
Dem Bergrichter war die Verwaltung des Bergregals nach
jeder Richtung hin übertragen, ursprünglich für ein ein-
zelnes Bergwerk und seit dem 16. Jahrhundert für das ganze
Herzogtum.
Eine der wichtigsten Aufgaben des Bergrichters bildete
die Verleihung des Bergwerkseigentums. Diese wurde auf die
Mutung des Finders erteilt und war, seitdem ihrer im Schläd-
minger Bergbriefe zum ersten Male Erwähnung geschah, fast in
allen deutschen Bergordnungen als Erfordernis für die Erwer-
bung des Bergwerkseigentums festgehalten worden. Der Berg-
richter * ) war durch seine Anstellung zur selbständigen Verleihung*)
eines Bergwerks^), autorisiert und es ist als Ausnahme zu
betrachten, wenn die Rattenberger Ordnung dem Bergrichter
die Verleihung untersagt ohne des Herzogs*) besondere Er-
laubnis ^).
Als ein zweites wichtiges Organ der Bergbehörde begegnet
der Bergschreiber. Der Geschäftskreis dieses Nebenbeamten
wird bestimmt durch dasselbe Prinzip, auf welchem das Institut
des Gegenschreibers ^) bei allen Verwaltungsämtem beruht. In
ihm ist ein Kontrolleorgan für die ordnungsmäßige Erfüllung
der Obliegenheiten des Hauptbeamten geschaffen, welches vor-
züglich bei den mit Vereinnahmung von Gefallen betrauten Be-
1) Dies Recht der Verleihung steht anch in andern Lftndem dem fierg-
richter (rcsp. Bergmeister) zn. Vgl. Achenbäch, Das gem. deutsche Berg-
recht Bonn 1871. I, S. 208, 371, 397, 399, 398; Lori S. 105, 164, 246.
2) Jede VeräuEerung des Bergwerkeigentams mnftte ebenfalls vor dem
ßcrgrichter erfolgen.
3) Auch Wälder darf der Bergrichter hinleihen (Rattenberger 0. § 53). Das
Zusammenschlagen mehrerer Bergbanberechtigangen zu einer Grobe durfte
auch nur mit des Bergrichters Genehmigung erfolgen. Gleich der Verleihung
war auch diese Konsolidation in das Bergrichterbuch einzutragen (§ 34).
4) Lori S. 57.
5^ Schon 1485 und 1499 wird von dem Erfordernisse der herzoglichen
Genehmigung abgesehen in den Bergfreiheiten in Niederbaiem und Berg-
freiheitserklärung Albrechts IV. (Lori S. 122, 130).
6) Auch für den Bergschroiber wird die Bezeichnung Gegenschreiber
gebraucht, z. B. Bergfreiheiten für Kitzbüchel etc. 1469 (L o r i S. 63 § 9).
K () s c n t h .1 1 , (jfschtchte d. Oerichtsw. n. d. Verw.-Org. Dalerns. I. 25
- 386 -
hörden seine volle Wirksamkeit entfalten kann. — Die Bedeutung
einer Bergwerksverleihung macht seine Mitwirkung bei diesem
Akte zur Notwendigkeit, ja die Eintragung derselben in das
Bergbuch ist neben der Empfangung Voraussetzung der rechts-
wirksamen Bergbaugerechtigkeit ^).
Sowohl der Richter, als der Schreiber hatten je ein Bach
zu führen ^), und jede Verleihung, sowie jede Veränderung im
Grubenbesitze ') sollte vom Richter in des Schreibers Buch und
von diesem in das des Richters eingetragen werden *). Genauig-
keit und parteilose Richtigkeit der Einträge war streng ein-
geschärft, ebenso Geheimhaltung derselben. Nur mit Zustim-
mung beider Teile oder bei Prozessen cessierte diese Verpflidi-
tung ^). Am Ende eines jeden Jahres ist ein Verzeichnis aller
Verleihungen „gen Hof" einzuschicken, damit für etwaige Ap-
pellationen eine geeignete Grundlage für die Entscheidung der
Grubenstreitigkeiten vorhanden sei. Bei den Appellationen,
welche vor Ablauf des Jahres erhoben wurden, war nur eine
Abschrift des die streitige Grube betreflfenden Eintrags dem Ge-
ding beizulegen ♦*•).
Außer den Verleihungsbüchem mußten Richter und Schreiber
noch je ein Buch über sämtliche Urteils- und Schiedssprüche,
1) Battenberger 0. § 7 (Lori S. 58). Die bergrichterliche Genehmigmig
des ZaEiammenschlagenB einer Grube mußte, wie die Verleihung, eingeschriebeD
werden (§ 34).
2) Das. § 5.
3) § 43. Die Namen der einzelnen Gewerke mußten bei gemeinsdiafU
lichem Grubenbetriebe verzeichnet werden, wie jede Veräußerung einei An-
teils - und damit so verkumbt man auch künftige Irrsal, der zwischen den
Gewerkhen KaufTcns und Verkauffens halb ersteen mochten.
4) Das „Gegenbuch** kommt schon sehr frühe im deutschen Bergrechte
vor. ursprünglich nur eine Nachweisung der Zechen und der Teilnehmer an
dem Bergwerkseigentum, entwickelte es sich allmählich zu einer das Beij^
Werkseigentum beweisenden Urkunde (Karsten S. 193). — Der Arnttkreb
des Bergschreibers umfaßt überall so ziemlich die nämlichen Geschäfte^ mter
denen die Eintragung der Verleihung eine Hauptrolle spielt
5) Ratt 0. § 4, 45 : Njemandts darin ainichcrlai lesen oder hOren lAnea,
es bescheh dann nach baidcr Tail Vcrwilligung oder mit rechtlicher Br-
kanntnuß: dannoch so soll man nicht mehr hOren lassen, dann den oder die
Artikl, darum die Irrung ist
6) § 40 — daz man sich mit Entledigung der Urtail darnach wiA
richten.
^
— 387 —
welche vob ihnen und den Geschwornen gefällt wurden, eben-
falls wechselseitig führen *)•
Unter dem Bergrichter war ein reichgegliederter Organis-
mus von technischen Bediensteten mit der Ausbeute des Berg-
werks beschäftigt. An der Spitze des technischen Personals
stand der Bergmeister*), welcher da, wo ein Bergrichter nicht
bestellt war, vollständig dessen Posten versah und vorzüglich
die Bergwerksverleihung vorzunehmen hatte. Ihm war neben
dem Bergrichter die Aufsicht über die Thätigkeit aller Berg-
leute übertragen, insbesondere hatte er den Schmelzmeister zu
überwachen, mit dem Bergschreiber das diesem zugewogene Erz
zu verzeichnen und dem Schmelzen beizuwohnen.
Während für die Leitung der Arbeiten der Bergleute im
allgemeinen nur der Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit maß-
gebend blieb, waren für einzelne besonders wichtige Funktionen
Spezialvorschriften erlassen. Die Teilung des gewonnenen Erzes
durfte so nur in Gegenwart des Bergmeisters oder seines Ver-
treter, des Bergschreibers, oder des geschwornen Froners er-
folgen; mindestens 2 dieser Bediensteten mußten einer solchen
Teilung beiwohnen, um Unterschleife zu verhüten ^).
Mit dem Bergbau, welcher die Gewinnung der Mineralien
zum Gegenstande hat, geht Hand in Hand das Hüttenwesen,
welches die Aufl)ereitung und chemische Verarbeitung derselben
bezweckt. Von jeher wurden die Hüttenwerke als ein Annex
der Bergwerke betrachtet, die Aufsicht und Jurisdiktion über
diese, da auch die Bergbauprivilegien auf sie ausgedehnt waren,
den Bergbeamten zugewiesen*).
Bei der volkswirtschaftlichen Bedeutung der Edelmetalle
waren für die Herrichtung des geförderten Silbers für den Ver-
kehr Spezialvorschriften erlassen, um die Prüfung einer gleich-
mäßigen Beschatl'enheit (Güte und Gewicht) der einzelnen Silber-
1) § 42. Die Namen der bei Fällnng der einzahlen Urteile und Schieds-
sprüche beteiligen Geschworenen wurden in diesem Yerhandlongsbache auf-
geführt, auf daü man sich kunftiglich, ob ainicherlai Irung der Sachen halben
entstünde, darnach wisse zu richten (§ 44).
2^ In Osterreich ist der Bergmeistor Richter in Weinbergsangelegenheiten
(Luschin S. 188 f).
3; § 52.
4) Achonbach S. 183, 191.
25*
teile und deren Beglaubigung durch die staatliche Autoritiit zu
Bichem, wie auch wegen des finanziellen Ertrages der iui herzt^-
liehen Eigentum befindlichen Silberbergwerke eine scharfe Kon-
trolle beim Wiegen und Brennen des Silbers durchgeführt war.
Der geschworuc Versucher hatt« für die Herrichtung des
Silbers zu sorgen, wobei der sog. Schwager Bran<l als Norm
für die Qualität diente') — daß soI also gemacht werden,
damit ein Silber als das annder in gleicher Guett an PraaDt
aiisgon.
Das Schmelzen des Silbers wurde von Gcschwomen, „so
über den Prannt von uns gesezt seyn", vorgenommen, und erst
wenn es von ihnen und dem Versucher für vorschriftsmiLßig be-
funden war, wurde es durch des Eigentümers Zeichen und durch
den herzoglichen Stempel, welchen der Bergmeistcr aufdrückte,
als probeboltig anerkannt ')-
Hervorragend qualifizierte Techniker wurden von auswärts*)
nach Baiem berufen, ihnen ward auch die Vorpfiichtung auf-
erlegt, andere Personen nach vorheriger Beeidigung iu ihrer
Kunst zu unterrichten. Jede Veruntreuung im Amte, z. B.
VcrriDgenuig des Silbers beim Schmelzen, war mit dem Tode
bedroht *).
1) Sie lollen darob tein, dAl der Brand dee Silbon in denelbvn Gftto
geichehe, wie ein Stflek Silber, du Smtl mit tuuenn Zcicbea Baioilaiid (*•
leicboet tit, du n detbalb immer bei ibren Banden haben eollim (Iniink-
tion, R A.).
i, § 67 und 6&
3i Im allf^emeioeD wurde der Qrondaati featgebalten , dai di« Bcf^
beamtcn keinen Anteil am fiergwerlto hab«D durftoD (Lo ii S. Itfl, t''~ ~
den BeMbwerden der LanditAode, welche der L.0. 1501 Torau
auch aof die Nichtbeacbtang der Beetimmnng liingewicteD , dal k
mann lellwt achmelien oder Bn kaufen toUe, weil die« dem g
*«At inin Nachteil klme (Kreooer XIH, S. 183}.
4) pKr toll dem Brand ordentlicb naehf^hen nnd ihn nicht g
maoben b« dar Strafe det Brando«, die ibm ebne alle Oaade an i
Leibe widor&breo wflrde.*
— 389 —
§23.
Die Zollbeamten.
Eine hervorragende Finanzquelle bildeten die Einnahmen
aus dem Zollregal, welches den bairischen Herzogen schon frühe
zustand^). Wann dasselbe ihnen verliehen wurde, läßt sich
nicht ermitteln, jedenfalls schon lange vor der goldnen Bulle,
denn im 13. Jahrhundert ist in bairischen Urkunden vielfach
von theloneum und muta die Rede*). In der die Regalien der
Herzoge konfirmierenden Urkunde Karls IV.^) von 1376 wird
auch das Zollregal aufgeführt*).
Ursprünglich wurde zwischen dem Zoll und der Maut unter-
schieden, indem man wahrscheinlich die Abgabe beim Import
der Waren aus dem Auslande ins Inland Zoll, dagegen die Ab-
gabe bei der Ausfuhr der Waren aus dem Inlande ins Ausland
Maut nannte, doch hat sich diese Unterscheidung nicht erhalten,
und im 15. Jahrhundert wurden Zoll und Maut unterschiedslos
gebraucht-'^).
Der Zöllner (teleonarius)*) ist der herzogliche Beamte,
welchem die Vereinnahmung des Zolls an einer bestimmten Zoll-
stätte übertragen war. Nicht nur an den Grenzen wurden solche
1) Die BohanptoDg A 1 b e r t *8 (Bayoms Zollwesen aas den ältesten
Zeiten bis auf unsere Zeit München 1829. S. 9), daA sich die Agilolfingor
schon im 9. Jabrbundert der Zölle als Landeshoheitsrechte bedienten, ist an-
haltbar, denn die Raffolstetter Zollverordnangen (M. G. Leg. III, p. 480), auf
die er sieb beruft, wollen nur das Herkommen in Bezug auf die Ausübung
des Zollrcchts feststellen, besagen aber nichts darüber, daA dasselbe den
Herzogen und niebt dem Könige zustand.
2) z. B. Qu. u. Er. V, S. 192, 213, 301. 308 (1262 a. s. w.).
3) Kreittmayr, Anm. z. Cod. Bav. civ. II c 8 § 11 n. 9.
4) Karl V. erteilte sodann 1534 (15. Dez.) den Herzogen Wilhelm IV.
und Ludwig und ibren Erben in Erwägung ihrer dem Reiche and dem Hause
Österreich geleisteten Dienste das Zollrecht auf ewige Zeiten (Albert
a. a. 0. S. 10).
5) Lang, Bayr. Jahrbücher S. 364; vgl Schm eller-Frommann
I, S. 1686. Doch hciEt es schon 1199 in einer Bestfitigungsarkunde K Philipps IL
telonia, quae a vulgo dicuntur muta. Das Wort Maut gehört dem bairischen
Sprachgebiet an (Grimm, Deutsches Wörterbuch. Leipzig 1885. VI, S. 1885).
6) Dieser kommt im Laufe des 13. Jahrhunderts wiederholt vor. In der
oben angeführten Rechnung des oberbairischen Vitztums von 1291—94 werden
auch Einkünfte von Zöllnern aufgeführt (y. Oefele a a. 0. S. 281 ff).
— 390 —
Abgaben von den ins Ausland gehenden und aus demselben kommen-
den Gütern erhoben, sondern auch mitten im Lande errichtete
man Zollstätten mit der Maßgabe, daß, so oft ein Waren-
transport zu Wasser oder zu Land dieselbe passierte^), die
Pflicht zur Zollentrichtung existent wurde. Vom Warentransit*)
wurde also diese Abgabe entrichtet (Transitzoll).
Ursprünglich mag wohl das Gebührenprinzip den Ausgangs-
punkt für solche Zollerhebung gebildet haben, indem man diesen
als Äquivalent für die Einrichtung oder Unterhaltung von Ver-
kehrsanstalten (Wege, Brücken, Häfen u. s. w.)') betrachtete,
bis dann diese Entstehung in Vergessenheit geraten war und
die im Zollregal liegende Befugnis, den Verkehr als Einnahme-
quelle zu benutzen, hervortrat *). Das Streben nach rücksichts-
loser finanzieller Ausbeute des Verkehrs führte zur Verviel-
fältigung der Zollstätten, und dann griff zuweilen eine gesunde
Reaktion Platz, indem die Aufhebung der neuen Zollstätten an-
geordnet wurde *). Und auch bei solchen Maßnahmen war auf
die Interessen der Gläubiger Rücksicht zu nehmen, indem die
Durchführung derselben erst nach Befriedigung der Gläubiger,
welchen solche Zollerträgnisse zur Befriedigung angewiesen
waren, eintreten sollte. Denn wenn überhaupt zur Befriedi-
gung landesherrlicher Bedürfnisse bei der rein privatrechtlichen
Auffassung staatlicher Verhältnisse, wie sie noch dem ausgehen-
den Mittelalter eigen war, alle Hoheitsrechte, sogar die Gerichts-
l)arkeit zum Gegenstände von Privatrechtsgeschäften (Verkauf
Veri)fändung) gemacht wurden, so war dies vornehmlich bei den
Zöllen der Fall, und es sclieint, daß man je nach dem Finanzbedarf
oline Rücksicht auf den Verkehr zur Anlegung solch neuer ZoU-
stiitten geschritten ist Der Rechtstitel war, wie Vocke*)
1) Vgl. Waitz VIII, S. 293.
2) Vgl. Scydel t S. 97.
3i Darauf deutet auch die spätere Verpflichtung des Zöllners lor Ei^
haltuDg und Reparatur von Brücken, Weg und Steg. Auch Landr. a. 7f
statuiert eine solche Verpflichtung des Brückhays (wo pruck sint, die man
zollen soll) zur Erhaltung der Brücke in gutem Stande evont zur Sctaadeu-
ersatzleistung.
4) Vgl Vocko, Die Abgaben etc., S. 168 f., über die Entwicklung dM
Zollwesens.
5) z. B. Qu. u. Er. VI, S. 169. 227.
6) a. a. 0. S. 159.
M
— 391 —
treffend sagt, das vorausgesetzte Hoheitsrecht, d. h. beim Lichte
betrachtet: die Gewalt.
Bei dem nicht allzu stark entwickelten Verkehre konnte
die Arbeitskraft einer Person nicht durch die Thätigkeit der
Zollerhebung ausgefüllt werden. Deshalb wird das Amt des
Zollners häufig mit einem andern verbunden, wie sich überhaupt
eine Kumulierung mehrerer finanzieller Ämter in einer Per-
son ^) öfters findet^).
Das Kontrolleorgan, welches, wie erwähnt, in der Person des
Gegenschreibers allen mit der Vereinnahmung von öflFentlichen
Gefällen betrauten Beamten beigesellt wurde, findet sich seit der
2. Hälfte des 15. Jahrhunderts auch in der Zollverwaltung,
jedenfalls bei solchen Zollämtern, die nicht „bestandweise" ver-
liehen wurden. Der Zollgegenschreiber mußte im Zollhause an-
wesend sein, da alle Zollgeschäfte in seiner Gegenwart verrichtet
werden sollten. Er hatte alle Zolleinnahmen und -ausgaben
aufzuzeichnen, und seine Aufschreibungen mußten mit denen des
Zollners übereinstimmen. Beide Beamte hatten einen Schlüssel
zur Zollkasse, die sie also nur gemeinschaftlich öflfnen konnten.
Dem Mißbrauche, daß die Zollner ihre dienstlichen Obliegen-
heiten nicht selbst versahen, sondern dieselben durch ihre Gegen-
schreiber und andere Bedienstete verrichten ließen, sollte ener-
gisch begegnet werden.
Während einige Zollstätten gegen eine bestimmte Pacht-
summe an den Zollner verpachtet waren ^), wurden wieder
andere in Selbstregie des Staates verwaltet. Hier bezog der
Zollner nur seinen Gehalt*) mit Nebeneinkünften, war aber
1) z. B. 1526 ist Zöllner in Traonstein zugleich Ungolter, Kästner
und Förster, in Kosenhcim, Aibling zugleich Kästner, in Schongau, Rieten-
burg zugleich Richter, Kastner und Ungelter, in Landsberg, Rain, Pfaffenbofen
Kästner und Ungclter, in Friedberg zugleich Richter, in Schloß Dachau und
Markt Kösching zugleich Gerichtsschreiber, in Neustadt zugleich Ungelter,
Ptleger und Richter (Kr. A. M. — Gen.-Reg. n. 9).
2) Nach Albort, a.a.O. S. 11, gab es in Baiem schon in früher Zeit
27 Zollstüttcn zu Wasser und 89 zu Land.
3) 1572 wurde 2 Kammerräten der Auftrag erteilt, zu untersuchen, ob
nicht die Zollämter am besten für je 3 Jahre mit allen Geföllon verpachtet
würden, „damit wir ein Gewisses hätten und also aller Unkosten und jeden
Abtrags überhoben blieben" (Kr. A. M.).
4i Besonders die kleinen Zollrechte, bestimmte Quote der Zollgebühr
(gewöhnlich in natura).
— 392 -
verpflichtet, die gesamten vereiBnahmten Beträge an die herzog-
liche Kammer abzuliefern und dem Rentmeister über Einnahmen
und Ausgaben ^ ) Rechnung zu stellen. Unter diesen Ausgaben
figurierten, wie dies bei mangelnder Kassencentralisienuig
durchweg der Fall war, außer den für die Bestreitung der Per-
sonal- und Realexigenzen der Zollverwaltung erforderlichen, auch
solche, welche mit dem Zollwesen in gar keinem Zusammen-
hange standen.
Die Zollgebühren, welche an den einzelnen Zollhäusern zur
Hebung kamen, waren durch Herkommen fixiert ; der betreffende
Tarif wurde auch zuweilen beim Amtsantritt dem Bestandzettel
einverleibt.
Die Kontrolle, welche die Verhütung von Veruntreuungen
bezweckte, war eine zweifache. Nicht nur mußte der ZoUg^en-
Schreiber, wie erwähnt, alle Einnahmen verzeichnen, sondern es
wurde dem Fuhrmann, der zollbares Gut führte, auch ein Zeichen
als Beleg der vollzogenen Verzollung gegeben. Nur gegen Abgabe
desselben durfte ihn der geschwome Thorwart das Stadtthor
passieren lassen. Der Thorwart lieferte aber die unter Tags
1) Zu diesen gehörten namentlich die Reparaturkosten fOr Brücken und
Straßen (Krenner VII, S. 247; XVUI, S. 333). Mit ihrer Wegebau- reip.
Unterhaltungspflicht scheinen die Zöllner es aber nicht ernst genommen m
haben, denn wiederholt wurden Klagen über die schlechten Wege laut So
beschwerten sich die niederbairischcn Stände 1493 (Krenner IX, S. 236)
hierwcgen gegen die Zollbeamten mit der Begründung, daß dadurch die Zu-
fahrten zu den Städten 'und Märkten gemieden würden und derhalben ge-
meiner Schaden erwachse. — Nachdrücklichst schärfte die LO. 1553 (B. IV
t 14 a. 1, 2) den Zöllnern die Erhaltungs- und Reparaturpflicht ein und ge-
bot, damit die Straßen, wenn sie jetzt gebessert wären, nicht mehr in eine
solch traurige Verfassung gerieten, den Zöllnern, alle Straßen und Wege ihree
Amtsbezirks zweimal jährlich zu bereiten. Als dann die Beschwerden über
die bOsen Wege immer noch nicht aufhörten, legte die L.O. 1578 den nach-
lässigen Beamten die Verpflichtung der Schadensersatzleistung für die durch
den schlechten Zustand der Wege herbeigeführten Unfälle auf Aber schon
einige Jahre später war der Herzog genötigt, den Zöllnern und Mantnexn
aufs neue einzuschärfen, die Wege statthaft zu machen, in gutem Wesen m
erhalten und keine Kosten dabei zu scheuen, da täglich Beschwerden der
Fuhrleute in dieser Kichtung einliefen. Denn dieser schlechte Zustand der
Straßen bringe an dem Gewerbe und Kammergut (Zollen) nicht kleine Ver-
hinderung, dazu würden durch den übrigen Fuhrlohn, welcher der bOien
Wege halber gegeben werden müsse, alle ins Land und aus dem Lande ge-
fdhrten Waren verteuert (Kr. A- M. — Gen. Keg. Rechnungswesen No. 2 P. 1).
.M
— 393 —
empfangenen Zeichen nach Thorschluß im Zollhause ab, worauf
dann die beiden Zollbeamten auf Giiind der abgelieferten Zeichen
das Register der Tageszolleinnahmen feststellten. Diese Geschäfte
des Thorwarts wurden mitunter auch von Unterzollnern besorgt.
Im ganzen bildeten diese Grundsätze des zollamtlichen Ver-
fahrens auch die Grundlage der sehr ins Detail gehenden Zoll-
ordnungen des 16. Jahrhunderts 0.
Nach der Zollordnung von 1536, welche sich als Aus-
führungsverordnung des kaiserlichen Zollprivilegs vom 15. De-
zember 1534 darstellt und deshalb auf die einzelnen durch
diese für zollpflichtig erklärten Warengattungen Rücksicht
nimmt, wird dem Fuhrmann eine sog. Bolitte^) gegeben.
Diese wird aber nicht als Kontrollemittel verwendet, sondern
ist^ nur eine Zollquittung, welche dem Zollpflichtigen die Er-
legung der Zollgebühr für eine bestimmte Quantität Waren be-
scheinigt, von diesem nicht an einer andern Stelle abgegeben,
sondern zur Legitimation behalten wird, um ihn gegen weitere.
Zollanfordcrungen zu sichern^). Da, wo genügendes Personal
vorhanden, wurden aber auch fernerhin Zollzettel zu Kontrolle-
zwecken ausgefertigt, die, wie das beim Großzoll München*)
der Fall war, von den Uberreitem im Thore gesammelt und
allabendlich dem Gegenschreiber eingehändigt wurden. Hier
waren nämlich außer dem Großzollner und seinem Gegenschreiber
noch ein Unterzollner und Überreiter bestellt, und 1571 wurde
1) Kopie einer Zollordnang für das ganze Herzogtum 1536 (Er. A. IL —
Gen. Keg. Zollwesen F. 4/1); Instruktion für den Großzoll München 1559 und
1571 (R. A. - München Ger. I. 64. 69«).
2) Bolitto (ital Polizza, vgl. Schmeller-Frommann 1,8.386), unser
Billet^ ist zolltechnischer Ausdruck für Urkunde, Bescheinigung.
3) Um den Marktverkehr durch den Zoll auf wollene Tücher, Barchent^
Leinwand nicht zu hemmen, durfte dieser nicht von allen diesen von Aus-
ländern zu Markt ^ehrachtcn, sondern nur von den auf demselben verkauften
erhoben werden. Zu diesem Behufe mußten die Zollbeamten bei Beginn des
Markts ein Verzeichnis des ausländischen Warenbestandes eines jeden Kauf-
manns anfertigen und nach Beendigung desselben auf Grund desselben unter
Vernehmung der Verkäufer die Quantität der verkauften, also zollpflichtigen
Waren feststellen. — Dagegen mußte Gold, Samt, Seide, die von In- oder
Ausländern überhaupt im Inlande feilgehalten wurden, vor der Feilbietung
verzollt und jedes verzollte Stück mit einem Zeichen verpetschiert und be-
zeichnet werden.
4) Ordnung 1559.
noch ein besonderer Salz- oder Stadelscb reiber emannt, der
beim Salzstadcl ein Register Ober die von den einzelnen Fuhr-
leuten geladenen Scheiben Salz führen mußte. Da diese Be-
8cbreit)ung mit den in der Zollstube ausgestellten Zollzuicben
übereinstimmen mußte, so war damit eine neue, der Widitig-
keit der vom Salzhaudel ßtlligeu Abgaben angeniesst^no Kontrolle
gcscbaffen.
Den Beamten der Zollverwaltung war auch die Aufsicht
über die Vollziehung* ) des Geleites') übertragen, also die Hand-
habung jenes der Landcalierrschaft zustehenden Regal«, welches
in einer dem Reisenden zu ihrem Schutze*) (gegen entsprechende
Vergütung) gewährte Begleitung durch Bewaffnete bestand *).
Für diese Funktionen waren") dem Zollner mehrere Geldta-
bereiter (-knechte) untergeben, welche diese Beschirmung der
Reisenden und ibrerGUter zu besorgen und dieGebtlhr auf Grund
des Tarifs«) zu erheben und iio den Zollner abzuliefern ballen
unter Abrechnung des ihnen tarifmäHig zukommenden Antüls
an den Gebühren '). Die Zollbeamten hatten nur für die Ver-
1) Die ErtoÜBiig dcBBolbeo war Sache des Vititami brzw. de« Koat&iMitoa
2} V^L Ober diEeelbP Kreittina;r, Knm. t. Cod. Bar. dr. U c. 6
S 11 n. 7.
3i Einen andern Charakter hatt« dal Geleit der Jndeo. Oiew, wdcbea
durch die L.0 1&53 (6. VI a. I, 3) der AoTentbalt in finiern untersagt wu.
warm K^iwungen, wenn die Notdurft Uincn eine Bebe durch BaioiB auf-
erlegte, bei der Orenuoll- oder HaataUtte am Geleit cd enucben and lick
bei jeder Zoll* oder Mautatitte, welcbe rio bertUu1«D, unter ErlognoK dM
GdeitgeldM tu melden.
i) Jeder Brach doi Tom Henog oder einem bOhsrn Beamten ertotttm
Geleite« galt als Vititombandel (L. Fr- I a 16 n. 61.
6) Selbst auGerhalb der Landeegrenion, s. B In Panan, war ein hano^
lieh bairiKher Einoehner det Haotgoldi and dea Uoleiti, welcbftr dem
Mautner in Bur^baDien unter^ben war, bettollt. ,Er toll ~ wie die B^
■tallan^ 1470 boia)^ — von anaertwet^o tod PaaMU aoi die Stralen b^
Uiten, die tod Aiter ber durch andre untre F^nnchmer der Uaat balaltat
wurden aind. l>ocb wer ihn darum rmcht, dem mU er nicht andan gvb«^
dun daA er belaite ror uni and alle die Uuers, der wir aiit,-ebllhrllch mlehUg
■ind, M veit und rerne nnter Gelalt w&hrt" (RA — VerlHAoe Pfleg . . intv
6] TerveUedeo lieme**en je nach der Qoalitit der Ware odar de« Bit
•enden (i. B. Wagen beicblagner Güter, Karren, Reit«r, Jude. Kanfiuano)^
7) )(.B. ein Kaoftnann U Grotcbon von Pacaaa nach ^tntkirrrhni , doB
Xaecbt I Oroacben Trinkgeld.
— 395 —
wirklichung des Schutzes der mit Geleitsbriefen versehenen
Reisenden zu sorgen. Die Erteilung solcher war nicht ihres
Amtes. Diese fiel den Vitztumen oder den Rentmeistem zu.
§28.
Die üngelter.
Der stets wachsende Geldbedarf der Herzoge ließ auf neue
Mittel zur Deckung desselben sinnen. Was lag näher als eine
Ausdehnung der Zölle auf Gegenstände des inländischen Ver-
kehrs, insbesondere auf die wegen des starken Verbrauchs reichen
Ertrag verheißenden landesüblichen Getränke (Wein, Bier, Met)*).
Man schritt daher auch in Baiem zur Einführung des Getränke-
ungelds ^ ).
Ursprünglich wird die Befugnis zur Erhebung von Ungeld
einzelnen Städten für bestimmte Zwecke verliehen. So erhalten
die Münchner 1301 von Herzog Rudolf das Recht, Ungeld am
obem und untern Thor zu erheben bis zur Vollendung ihrer Stadt-
mauer ^). Es war das eines der vielen Privilegien, durch welche
die Gnade der Herzoge das Aufblühen der Städte beförderte.
Inzwischen hatten sich die landständischen Rechte der Städte
immer mehr befestigt, und außer den herkömmlichen Steuern und
Abgaben konnte der Landesherr von ihnen keinerlei Leistungen
beanspruchen, außer solche, deren Entrichtung die Städte aus-
drücklich bewilligten. Dann erteilen einzelne Städte den Herzogöi
das Recht der Ungeldserhebung für eine bestimmte Anzahl von
Jahren*), gewöhnlich in der Weise, daß der Ertrag zwischen
dem Herzog und der Stadt geteilt werden soll. Wegen dieser
Teilung wurde vom Herzog und der Stadt je ein Ungelter er-
nannt^).
1) Vgl Vocke, Dio Abgaben etc. & 165.
2) In der Bezeichnung Ungeld kommt nach Vocke, S. 166 , die Auf-
fassung dieser Auflage seitens der ünterthanen als einer nicht nnter der her-
kömmlichen Ordnung stehenden, eigentlich zn Unrecht erhobenen (malom
toltum) zum Ausdruck. Vgl. auch 8. v. Ungelt Schmeller- Frommann
I, S. 907 (telonia vestra injnsta L e. angelt).
3) M. B. XXXV, 1, p. 25, 54.
4)1 So München 1396, 1403 (L c. p. 195, 293).
5) Von dem 1395 seitens der Stadt Ingolstadt bewilligten Ungeld beiog
'/a der Herzog (fOr die Küche), Vi "eine GlÄubiger, die Bürger der Stadt»
Zur Kiuführuug eines allgemeineD Ungeldes im ganzen
Lande Herzog Georgs kam es erst 1488 >). Von jeiiem LandB-
buter Eimer wa.ren 4 Maß eines jeden Getränkes in seinem
Werte in Geld zu entrichten. Die Ungcller selbst wurden vom
Herzog, die Gegenscbreiber, Viaicrer und Eimerer in den Städten
und Milrkten von diesen ernannt, jcdocU nicht nur diesen, aon-
dem auch dem Herzog vereidigt*), ebenso wie dies auch mit
den llngcltern des Hofmarksherm zu geschehen hatte').
über <iie Ungeldvenvaltung iu den StAdten gcl>un GÜiigc
für München und Ijindshut erlassenen Instruktionen*) Anf-
EchlQsse. Der herzogliche und der stüdiischc üugelter sollten
~nach diesen stets gemeinschaftlich handeln, um sich tn ihrer
Geschäftsführung gegenseitig zu kontrollieren*). Vierteljähr-
lich findet die Abrechnung der beiden Ungelter statt, die bo-
treffendcn Quoten werden an den licnlmeiater') und an den
Stadtkilnimerur abgeführt, nachdem vorher die Besoldungen des
Üngeldpersonalä in Abzug gebracht worden sind.
Zum Hülfspersonal') im Ungeldweaen*}, das vom Stadt-
nr Tilgtmg ihrer Fordertingeii und </, die Stidt fDr den Bftn dar 8ta4t
niBDor Vgl den CD^It-Brief bei t!ejfried & 41U It
1) T. Frejrberg. Gesch. der bair. Luditfiade I, S. 6G9.
i) tJageldMrdnnDKen t. 2. Felr. 148.9 (Krenner Xu, a 239 S).
8) Diecen worde '/, des DDgoId« lagowieten, der Best mi den hmog-
liehen Ungelter nu dem dei Uo&narliehenii abgeliefert nnd von Diid aid,
&lli er nicht iclireiben könnt«, darcb einen andern glaabbafteo Scbrüb«r ia
de* enteren Bach eingetragen, am jede Vemntreanng in Terfaindem.
4) ÜngeldardniinK COr HOncheD 160S, für Uad^hnt 1619 (R A. — L di,
69*; L Bl, 67).
6] Beide führten je ein Bogietor Ober die ron ihnen fonrinnahnit«D Va-
geldbetrige, weichet ne ihrer ^emchaft abiutiefeni hatten. Die DngeM-
tndie, IU welcher beide je einen SchlOMel hatten - aiifierdnm noch dar
Bentmeiiter und ein Stadtrat — darfton rio auch nur gcmeituam anf- vod
tuperren. Die mit der Zahlung ihrer tJogeldtrJiuld hlckrtlniUgen Wirt»
■oUten ')iiartaliter in einem VeneichniMe meanmicngeiteUt und lur y-»M^iiiig
■nfgefordert werden. Im Falle dei Ungehoream« knnntf ihnen bia rar Zib*
hng sogar der Aoaicbank eingeitellt werden.
6) Der henogUcbe Ungelter hat dem Reulmeieter Bechnang
7) Vgl Roianthal, Beitrlge S. 33.
8) Über die Wirkung dei Ungelda auf den BranntweinkonnM,!
breitet sich eine UOnchner Ungotdaordnung von 16S2 in ■□ charakteritlladMr
W«i^ dat die Worte ebenso gut in nnsem Tagen bei Bermtnng «jiMi
BiKnnt»einsl«notxeMtxes bitten gesprochen worden kanaeo lÜ. A. — I
- 397 —
rate bestellt wurde, gehörte noch der Ungeldschreiber, welcher
beim Kaufe von Wein u. s. w. durch die Bürger die Fässer ver-
petschaften und beschreiben mußte. Er konnte zugleich Unter- .
käufer sein. Ferner der Visierer, welcher die Getränke zu
eichen hatte, und der Aufreißer, welcher den Boden der zum Aus-
schank bestimmten Fässer im Keller anreißen mußte.
64, 65). „Wiowohl der BranntweiD, wo der mit ÜberfloA getrunken dem
Menschen an seinem Leib ein nachteilig Getränk und in gftchllcher
Trunkenheit und daraus folgenden Lastern hoche Urtach ist, dero wegen
dann Herzog W. und die Stadt Manchen einen stattlichen und großen
Ungcld nemlich den 4. Teil daraus geschlagen aus Meinung, damit den ge-
meinem Anfall des flberflflssigen Trinkens ermelten Branntweins, wo derselbe
in hohem Wert sein würde, forzukommen, welches Wohlmeinen aber bisher
mit wenigsten fruchtbarlich nit gesteuert noch des Branntweins weniger ge-
trunken, sondern damit Ursache gegeben, daft etliche den groAen Ungeld
scheuen . . und dafi der Branntwein heimlich in die Stadt gebracht werde.
Dieweilen dann der Sach des flbermäAigen unordentlichen Branntweintrinkens
mit diesem hohen Ungeld nit geholfen, so soll mehr nicht als 8 MaA Tom
Eimer zum Ungeld gegeben werden**.
FÜNFTES CAPITEL.
Die Steuer Verwaltung.
§3*-
Die Organe der laiidsUndlscheii Steucrrerwaltuns.
Sclion wiederholt wurde butont '), von welcb herrorrageii-
cler Wichtigkeit filr die Ausbildung der landsländisclien Ver-
fassung das SteuerbüwilligutigsnK:ht derselljen war, das auch in
Baiem seit dem lk-gi»ue dos 14, Jahrbuudürts iiifolgü dw Btets
wnchsendeu Fiiianznot der Herzoge imuier Itiiufiger von diesen
in Anspruch genommen wurde. Nicht auf diese fUr die Ge-
schichte der Verfassung und die Entwicklung unsres Steuer^
Wesens gleich bedeutsame Materie kann hier eingegangen vterdeo,
sondern es soll nur der für diu Geschichte der Finanzvcnvattung
nicht unwichtige Anteil der StAude au 3er Steuerverwoltung klar*
gelegt werden. Denn die Macht der alten Stande war nicht
wie die der modernen Landtage bvschrAnkt lediglich auf die
Bewilligung einer Steuer, deren Erhebung und Verwaltung (
nur durch her/ogliche Bcaiutc erfolgte, sondern ihr Itecbt er* j
streckte sich auch darauf, durch ihre eigenen Organe die Vor* 1
anlagung, Erhebung und Verwendung der von ihnen bewüligteo J
Steuer bewerkstelligen zu lassen. Namentlich tu ItUcki
die Verwendung der Steuer war dos stjUidi8<:he Uccfat vod g
Werte. Denn da die Steuer ursprünglich nur för <
stimmten Zweck bewilligt wurde, waren die St&nde in i
1] T^ RockiBgtr, EioldtmiK 8, 1» C, tOfi E
— 399
versetzt, jeden Mißbrauch anderweiter Verwendung zu verhin-
dern, indem sie den Ertrag der Steuer direkt an den Bestimmungs-
ort abführten, also z. B. den Gläubigem des Herzogs, deren
Forderung getilgt werden sollte, die Schuldsumme bezahlten.
Zum ersten Mal wird in Baiem eine Steuer erwähnt 1215,
eine zweite Steuer ward dann am Ende des 13. Jahrhunderts
1295 bewilligt, doch fehlen nähere Nachrichten über dieselben.
Erst seit der auf dem oberbairischen Rittertage zu Schnaitpach
1302 bewilligten Vieh- und Klauensteuer besitzen wir eingehende
Kunde über das Steuerwesen ^).
Grundlegend für die Anteilnahme der Stände an der Steuer-
verwaltung war die Bewilligung einer Viehsteuer durch den Adel
und die Bürgerschaft Oberbaiems 1356, indem Ludwig der
Brandenburger den Ständen das Recht einräumte*), aus ihrer
Mitte eine Steuerkommission von 8 Adligen und 8 Bürgern
niederzusetzen ^).
Der Herzog geht in der Beschränkung seiner Machtvoll-
kommenheit den Ständen gegenüber so weit, daß er etwaige
Steuerbefreiungen, sei es daß sie von ihm oder seiner Gemahlin
herrühren, im voraus für kraftlos und die Stände, falls er sich
eine Übertretung der vereinbarten Bestimmungen zu Schulden
1) Über die Entwicklung des bairischon Steuerwesens überhaupt vgl.
L. Hoffmann, Geschicbto der direkten Steuern in Baiern vom Ende dos
13. bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts (Schmollor, Staats- und sozial-
wissenschaftliche Forschungen Bd. lY, Heft 5), Leipzig 1883, S. 6 fL, und
Rockinger, Einleitung S. 405 ff.
2) Urkunde nach dem Original im R. A. abgedruckt bei Bockinger,
Einleitung S. 204 ff
3) und darumb haben wir in erlaubt versprochen und auch enpfolhen,
daz si 16 zuo der stewer geben habent und auch benennet 8 ritter und
knohtt von dem land und 8 burger von den steten und maergten, also daz
dieselben IG vollen gewalt haben suellen von unsem genaden, dio selben
stewer ze besorgen und ze besetzen in allen gerichten ueberal in unserr
herschaft zo obem Beyern mit stewrem und mit Schreibern als si bestt
muegen von ircn trewen. Es suellen auch die genanten 16 die selben stewr
von unserm gewalt einnemen und behalten in steten und in vesten in unserm
lande als si beste muegen one all unser irrung. Und die selben stewr suellen
si geben nach rat unserr lieben getrewen ritter und knehte, stete und maergt
in unserm land an unser gelter und pfender, und unser brief von den ledigen
und bringen, und etleich unser Satzung ledigen und loesen, ob die stewr als
verro geraichen mag.
— 400 —
kommen ließ, der Steuer für los und ledig erklärte, ja sogar
zusicherte, daß die bereits erhobenen Steuerbeträge ihren Er-
legem zurückgegeben werden müssen.
Die durch dieses Privileg in die Geschichte der Steuer-
venvaltung als grundlegende Elemente eingeführten ständischen
Rechte sind folgende:
1) Der Ständeausschuß ernennt selbst Organe zur Erhebung
der Steuer in den Landgerichten — diese wird also nicht den
landesherrlichen Beamten anvertraut — in den Hofmarken lassen
die Stände selbst durch ihre mit der Gerichts- und Polizei-
Verwaltung betrauten Beamten auch diese Geschäfte der Steuer-
einziehung besorgen.
2) Alle vereinnahmten Steuern werden an den Ständeaus-
schuß abgeliefert und von diesem verwahrt. %
3) Dieser hat auch für die bestimmungsgemäße Verwendung
zu sorgen, indem er unmittelbar des Herzogs Gläubiger, ins-
besondere seine Pfandgläubiger gegen Herausgabe der Schuld-
urkunden befriedigt.
Nicht so rein ständisch war die in Niederbaiem 1358^)
von H. Stephan niedergesetzte 15-gliedrige Steuerkommission,
hidem der Herzog «außer 4 Adligen und 7 Bürgern 4 seiner
Räte zu Mitgliedern derselben eniannte, welchen er volle Ge-
walt zur Besorgung der Steuer gab. Ebenso hat die für die
Steuergeschichte überhaupt bedeutsame oberbairische Steuer-
ordnung von 1396^) in einer Steuerkommission von 21 Mann,
in welche nun zum ersten Male auch 4 Prälaten ^) Eingang
gefunden hatten, dem Beamtcnelement Vertretung gegönnt, in-
dem der Vitztum als Vorsitzender der Kommission, welcher
auch einige Räte angehörten, fungierte. Diese Kommission hatte
nur die Leitung des Steuereinziehungsgeschäfts, dieses selbst
wurde durch Steurer*) bethätigt, welche zwar von ihr nicht
1) Y. Freyberg, Geschichte der LandstftDde I, S. 309.
2) Rockinger, EiDlcituDg S. 227 iL
3) Dazu 8 TOD deD Räten, Rittern und Knechten und 8 von den StidteDi
4) Die St&dte und Märkte wählten Mitglieder des Rats oder der Ge-
meinde zu Steurem. Die Besteuerung des Adels und der Geistlichkeit ttbe^
trug der Herzog 13 aus diesen Ständen und bestellte auch ftlr jeden Liadr
gerichtsbezirk besondere Steurer. Gleichmäßigkeit in der Stenennlegiuig
(einem geleich als dem andern an all vorteil und ungeyärlich) ward den
Steurem in dem Eide, den sie den 21 leisteten, besonders eingeechärft
— 401 —
ernannt, aber doch vereidigt wurden. Diese hatten die von
ihnen eingezogenen Steuerbeträge an die 21 abzuliefern^), welche
durch Majorität über die Verwendung derselben zur Tilgung der
Schulden zu beschließen und diese auch vorzunehmen hatten —
die auch darumb unsers gantzen vollen gewalt und willen habent.
Zu diesem Behufe sollten alle Gläubiger der Herzoge ihre Forde-
rungen bei dieser Kommission anmelden, welche zur Prüfung
der Rechtstitel derselben ermächtigt war. Es waren also richter-
liche Funktionen, welche der Kommission im Verfolge des Steuer-
verwendungsgeschäftes zugestanden wurden, denn sie konnten
die auf Grund der vorgenommenen Prüfung für unbegründet
befundene Fordeningssumme streichen oder den Betrag er-
mäßigen ^). Ausdrücklich wurden die Amtshandlungen der Kom-
mission als dem Willen der Herzoge entsprechend im voraus
anerkannt — und wie die vorgenannten 21 und all unser stewrär
(laz ausrichtend und besorgent, daz ist unser und unserer sün
>vill und wort, und wellen in das trewlich halten und vol-
rekken.
In dieser Steuerordnung ^) kommt schon am Ende des 14.
Jahrhunderts eine relativ hochentwickelte Steuertechnik zur Ent-
faltung. Es hat sich jetzt schon ein Instanzenzug der Steuer-
organe ausgebildet, in welchem die Kommission als oberste
Centralbehörde thätig erscheint.
Das 15. Jahrhundert weist im Landshutischen Gebiete eine
Steigerung der ständischen Macht bei Erhebung der Steuern auf,
insofern als sie ein Recht, welches die Steuerordnung von 1396
noch nicht anerkennt, einführt. Als nämlich 1474 hier für die Er-
liebung einer Heiratssteuer von der Landschaft 4 aus ihrer Mitte
für jeden Rentnieisterbezirk ernannt wurden, hatten diese die
Steuer nicht nur von den Ständen und ihren Leuten, sondern
auch von den dem Landgerichte unmittelbar unterworfenen
lierzo<j;lichen Grundholden zu erheben*). Diese Kommissare
1) Ein Verzeichnis der die Stoaerzahlmig Weigernden wurde den Steorem
von der Kommission übergeben, damit diese die Ungehorsamen zur Erfüllung
ihrer Pllicht anhalte. Bei fernerer Weigerung wurden die Namen der ünbot-
iiiäüi^'cn dem Landeßherm zur Beitreibung gemeldet
2) Rockinger, Einleitung S. 230.
3) Vgl. über dieselbe Hoffmann a. a. 0. S. 14.
4) Vgl. Kudhart, Geschichte der Landstfinde I, S. 215.
Hosen thal, (Jeschichte d. (ierlchtsw. a. d. Verw.-Orf. Baiernt. I. 26
- 402 —
der Landshuter Landschaft legten dem herzoglichen Kanzler^)
und dem Rentmeister Rechnung. Die Landschaft hatte hier
noch nicht das Recht, welches die oberbairische schon frflher
und eben (1463)^) wieder erworben hatte, den Steuerertrag
selbständig zu verwenden.
Aus Anlaß der 1488 von Albrecht IV. an den Rentmeister
zu Straubing erlassenen Steuerinstruktion, welche befahl, auch
die den Adligen mit Vogtei oder Eigenschaft Verwandten durch
die Steurer anlegen zu lassen, was die Ritterschaft als eine
Verletzung ihrer Privilegien betrachtete, scMossen sich 24 Straa-
binger Ritter zum Löwlerbunde zusammen, welche ihre Oppo-
sition gegen den Herzog mit den Waffen durchfochten (1491).
Es ist hier nicht der Ort, die einzelnen Phasen dieses heftigen
Verfassungskampfes zu schildern 3), der, wenn auch Albrecht
im Felde über seine Gegner die Oberhand behielt, doch der
Auffassung der ständischen Opposition zum Siege verhalf, in-
dem der Herzog im Friedensvertrag verheißen mußte, „daß die
gemeine Landesfreiheit, wie sie ist, in Würden bleiben soU".
Der Friedensschluß hatte die Bewilligung einer Landessteuer
(1493) zur Folge ^). Ein ständischer Ausschuß von 64 Personen
leitete das Stcuergeschäft und bestellte je 4 oberste Steurer
für das Ober- und für das Niederland und 3 für den Nordgau,
welche die Steuer auszuschreiben, aufzulegen, einzunehmen, zu
verrechnen, zu verantworten und darum Quittung zu geben und
wieder von gemeines Landes wegen Quittung zu empfangen
hatten. Diese obersten Steurer waren in ihren Sprengein mit
der Jurisdiktion in Steuersachen betraut*). Sie hatten auch
die Höhe des Stcucrbetrags, welchen jeder Stand von seinen
armen Leuten aufzubringen hatte, festzusetzen. Die Steurer,
welche auf Grund der in der Instruktion enthaltenen Nonnen
die Steuer anzulegen und einzuziehen hatten, wurden für jeden
1) Krenner VII, S. 461 ff.
2) Der 44. Freibnof 14G3 (v. Lerchcnfeld S. 112) gab den land-
schaftlichen Verordneten wohl das Verwaltungs-, nicht aber das aonchlM*
liehe Verwendungsrecht.
3) VgL über denselben Rockingcr, Einleitung S. 293 f. (Hoffmann
S. 32), Krenner XL
4) Die Steuerinstruktion ist abgedruckt bei Kronner IX, S. 247 K
5) Auch sollen dieselben oberste Steuerer, ob Irrung in der Steuer h^
gegnctc, allwegcn zu entledigen vollkommen Macht und Gewalt haben.
J
— 403 —
Landesteil aus der betreffenden Landschaft gewählt*). Alle
herzoglichen Beamten aber, welche diese Funktionen bezüglich
der dem Herzog unmittelbar unterworfenen ünterthanen wahr-
zunehmen hatten, wurden besonders verpflichtet, den ständischen
Steurem auf Anfordern Schutz und Schirm zu gewähren.
Da die Landschaft dem Herzog feste Summen bewilligt
hat, so wurde der diese übersteigende Überschuß der Steuer-
eingänge von der Landschaft für künftige Bedürfnisfälle auf-
bewahrt. Damit war der sog. landschaftliche Vorrat eingeführt,
also eine besondere landschaftliche Kaise begründet. Auch im
16. Jahrhundert wurde der Überschuß durch die Landschaft
selbst verwahrt in landschaftlichen Geldtruhen, zu welchen nur
bestimmte Mitglieder der Landschaft Schlüssel hatten, und zwar
zur Hälfte in München, zur Hälfte in Landshut*), oder auch
nur in München. Steuerregister und Bücher sollten ebenfalls
von der Landschaft in Verwahrung genommen werden. Die
Bedeutung dieser landschaftlichen Kassen stieg, als seit 1519
die Sitte aufkam, einen Vorrat für künftig auftretende Bedürf-
nisse zu schaffen ^).
Auf die vielen Steuerbewilligungen des 16. Jahrhunderts
im einzelnen einzugehen, erscheint nicht angezeigt, denn wenn
es auch nicht zu einer bleibenden Organisation der ständischen
Steuerverwaltung gekommen, sondern diese nur von Fall zu Fall
geregelt worden war, so wurden doch die Grundzüge derselben,
Nvie sie aus dem 15. Jahrhundert überkommen waren, bei-
behalten. Zwar wurde seitens der Landesfürsten der Versuch
gemacht, die ausschließliche Verwahrung der Steuer durch die
Stände als ungerechtfertigt zu bekämpfen*), und wenigstens ein
1) Es ward Dnn also auch fQr die Besteuerung der ständischen
ünterthanen das Prinzip der KontiDgentienmg zur Anwendung gebracht,
das für die Steuer der Städte und Märkte schon lange in Übung war
(vgl. z. B. K r 0 n n e r I, S. 205), indem der Bat die Bcpartition der von der
Stadt zu entrichtenden Steuersumme unter die einzelnen Bürger vornehmen
und durch einzelne Räte die Steuer erheben ließ.
2) z. B. 1519 (v. Freyberg, Geschichte der Landstände H S. 220).
3) Vgl. Hoffmann S. 52.
4) Sie beschwerten sich über das in der landschaftlichen Verwahrung zu
Tage tretende Mißtrauen und führten zur Begründung ihres Widerspruchs
auch den Umstand an, daß auch ihre landgerichtischen Ünterthanen mit-
26*
Mitverwahningsrecht in Anspruch gonomiuon. Das Streben war
weiiigstena vorübergehünd von Erfolg gekrönt, insofern als 1526')
den tand&chafilichen VerordDct«u herzogliche lUte beigeordDct
wurden '). Prinzipiell liekümpften die Herzoge If>29 die stan-
dische Steuerverwaltung *), doch wurde die Streitfrage vorlAofig
durch einen Vergleich geschlichtet^ dahin gehend, daß die Steaer
dieses Mal in Anwesenheit der PHeger und Landrichter ange-
legt und den Herzogen dos Recht zuerkannt werden solle, bei
der endlichen Steuerabrechnung den Obersteurem einen ihrer
Rftte beizuordnen').
Xu einem Austrage kam die Sache aut dein Landtage 15S&.
Die Landschaft führte für ilir Recht nicht wie früher das Hcr-
komuien ins Feld, sondern sie bewilligte die verlangte Steuer
nur unter der Bedingung, daß die Beschreibung, Anlegung, Kiu-
bringuug ond überantwortung ausschließlich durch stAndisclie
Organe zu erfolgen habe. Gegenüber dem herzoglichen Ver-
langen, den Beweis für das von ihnen behauptete Uerkommea
zu erbringen, betonten sie den korrekten Rcchtsstaudiiunkl, dJÜI
die Landschaft, welcher die Befugnis zustehe, eine Steuer zu
bewilligen oder abzulehnen, auch die Bewilligung an eine Be-
«lingung knüpfen könne. So glaubte diu Landschaft die Wahl
der Steuerorgano für sich um su eher in Anspruch nehmen zu
fteoeH«iL VgL (Panier) Vomich flbor dnn Unpraog and Umrang dnluid-
■UodiMiheD It«cbte in Baiero. 1798. II, a 201«.
1) In der StoucrordQuag tod 1G26 wird go*agt, iie Vi>n>rdD«teQ d«r
Landtcbaft inlllcD im Beisein der fllntlichen Vnrnrdnoten allo ihro Hand-
langen licicbruibea , Etnnebnieo ond AaigobuD liklbon von ihnen an nnam
Landacbaft «tatt ßechnnng samt Überantwortnng allea Qelilea, aacb Bcficta'
nnd Bdcher gegen Qoittnng emprangoo (Kr. A. H.).
i) Sdteai der Henoge wnrdo beirorgeboben, doC oi dcb nicht um räa
gemdne LandatcDer, londeni nm üne chriitlicbe, durebgehende
handle. Die LandiUodo fordorten cinon Scbadlosbricf, dal Uidob
willigte Znordnnng dnr fUrttlidion lUta o. a w. kOnfUg an ibren
nnd altem H«rlionineD nicht nachteilig «ein »ollte (Panier i
8.910).
3) &t b«tontra alm neh die Rabe der attniliKhen Erhobang«ko«t«^
vehhe neb fti dia letst« SUmm auf UOOO 1 belaufen habe. Nach der &•■
hasptniig d«r Stlad« bitten aber die UokotteD dio Fammo Tnn 160Üi} t.
nicht ttbentiegen — inunerbin ein erkleckUober Pottro! V^I HorraasD
a BS.
4) Panier U, & 211 £.; t. Frajberg II, S. 220.
— 405 —
können, als „die Bewilligung ainer yeden Landsteur, auch der-
selben Maß und Ordnung on Mittl bey gmainer Lanndschaflft
stet, unnd nit aus schuldiger Gerechtigkeit, sonder aus gehor-
samer unnderthenigen Liebung beschicht". Nur das vermochten
die Herzoge zu erreichen, daß die Ober- und Untersteurer auch
ihnen verpflichtet werden sollten * ).
Der Organismus, welcher für die Steuererhebung und -Ver-
waltung jetzt in Thätigkeit war, glich vollständig dem des 15.
Jahrhunderts. Die Landschaft wählte die Untersteurer*) aus
ihrer Mitte. Jedes Rentamt wurde in mehrere Distrikte ein-
geteilt, von welchen jeder 2 Steurem zur Amtshandlung über-
wiesen wurde *). Diese hielten einen Umritt durch die einzelnen
Landgerichte ihres Distrikts, beschieden die Pfleger, Richter,
Amtleute, sowie die Obleute oder Vierer der Dörfer zu sich*)
und ließen von diesen das Vermögen der Unterthanen, nachdem
diese selbst unter Gelöbnis, nichts zu verschweigen, fatiert
hatten ^ ), getreulich angeben. Auf Grund dieser Vermögensangaben
erfolgte die Veranlagung der Unterthanen zur Steuer**). Über
die Steuerpflichtigen und ihr Vermögen wurde ein Register geführt
Bei einem zweiten Umritt erhoben die Steuerer die von
den Unterthanen geschuldeten Steuerbeträge. Um die Kosten
dieses zweiten Umritts zu sparen, ließ man die Einbringung der
Steuer durch die herzoglichen Beamten bewerkstelligen, welchen
zu diesem Behufe das Steuerregister übergeben wurde mit ge-
nauem Hinweise, welchen Steuerbetrag sie abzuUefem hätten.
1) Panzer II, S. 212 f.; Rockinger, Einleitung S. 409 f.
2) Jeder Stcurer konnte sich im Bedarfsfalle einen besondem Schreiber
bestellen. Für jedes Rentamt ward dann ein Obersteuerschreibor ernannt
3) z. 6. 1510 wurde das Rentamt München in 4, die übrigen 3 Rent-
ämter in je 2 Distrikte geteilt (K r e n n e r XVIII, S. 130 f., 160 £).
4) Diese schworen oder geloben, daß sie Niemand geföhrlich ansagen,
darin weder Neid, Hafi, Mieth, Gab brauchen wollen ohno Gef&hrdo (a. a. 0.
S. 151).
5) Eine Reihe von Fragestücken war in den Instruktionen ausgearbeitet»
durch deren wahrheitsgemäüe Beantwortung ein genaues Bild des YermOgens-
standcs eines Unterthanen geliefert wurde. Solche detaillierte Fragestücke
sind zu ersehen aus den Steuerinstruktionen 1543 (Landtag 1542/43 S. 196 f )
und 1554. Vgl. auch Ho ff mann S. 180 £
6) Jedem Steuerpflichtigen wurde ein Zettel über die GrOfie seines
Steuerbetrags und die Zahlungszeit erteilt, damit er nicht weiteren Be-
schwerungen ausgesetzt war.
- 406 —
Eine Vpreinfacliung der Sleuen'erwaltuug trat anfangs ror-
Ubergehuiiil '), dann mit deu dauernden VerMÜltgungcu seit dem
Ende des 16. Jalirlitinderts*) dauiinid ein, iudoui uiau von «ioer
neuen Venmliigung absah und die ^ttiucr auf Grund der altvo
Steuerbiicher und -register durch Pfleger und Richter *) cia-
zieben ließ. Diese hatten diese SteuerbctrOgo au den ihnen
bestimmten Rccheutagen au die Uutersteurer, welche am Sitz
der Regierung zusammenkamen, nebst dem Steuerregister gegen
Quittung zu überantworten.
Die Hofmarkslierren hatten ihre Gerichts- and Vogtleote,
Hintersassen und andre ihre Unterthanen selbst zu bestCDern
untl die von diesen vereiunahmteu Steuergclder an die Stearer
abzuliefern ').
Die Uutersteurer mußten alsdann in jedem Rentamt Qire
Rechnung abschließen und an den bestimmten Tagen vor d«a
Obersleurem erscheinen, Mit diesen') (etwa 4 für das Ober-
und 4 für das Niederland, doch war die Zahl schwankend)
hatten die Untersteurer Abrechnung zu pöegen und ilinca mit
den Steuerbüchern und -registern den Steuerertrag ihres Be-
zirks unter Abzug der Kosten abzuliefern, weichen Betrag die
OI>crsteurer in der von der Landschaft bewilligten HOhe an
an ilen Herzog abführten, einen etwaigen Überschuß aber in
landschaftliche Verwahrung nahmen.
An diese Oberstcurer als eine höhere Instanz hatten sieh
die Untersteurcr zu wenden, falls sich aus ihrer Instruktioo
oder sonst für sie irgend ein Anstand ergal). Ihre Ausli^ng
der Instruktion war für die Untersleurer zwingend. Als Ver-
trauensmänner der Lundscliaft waren sie auch ermächtigt, in
1) 1. 6. 1643.
S) Vgl. HoffmftDD B. Tl. Nur wann et dis UudMlunUebM Var-
ordneton Bit oOtig hiolton, «olltfin ne eineD wiederholtoa Omritt bdrab nOHB
EinM^Uang ToraebniGD.
8) Dioio lialtoD du ti«cht, oioe neue Einichltnitig nmntlann, Ui
■ch io dar ZwiicbcDioit VerftudemngDn ergebou oder «Iwu M dar ItMn
TennlAgung abereeliei) worden war, malten aber Jde Anderong In dm
bMondem Nobonrt-glRt«; botnerkon, in welcben aocb NadiUMe wegm SehniHn
IL ägX. dnifDtragon wurden (lADilUg 1C4S tj. 11<4).
i) (.DL iMtrukUen 15» (Boffmnnn S. ISSi.
Bi Sie wecd(<D ucli aU „vererdneto KonuniMariea dor Luidichaft* i&-
leiehaot
— 407 —
Falle eines plötzlichen AngriflFs gegen die Landesherren über
die Landschaftskasse zu verfügen, d. h. in das Steuergeld zu
greifen und Fürsten und Land Hülfe und Rettung zu thun.
Diese Vollmacht, welche den Verordneten der Landschaft ur-
sprünglich nur für den Fall gegeben war, daß es bei einer
kriegerischen Verwicklung unmöglich war, diese selbst zu ver-
sammeln, war der Punkt, von welchem aus später das ganze
Gebäude der ständischen Macht ins Wanken gebracht wurde,
indem die Verordneten an Stelle der ganzen Landschaft handelten
und Steuern bewilligten, und dadurch deren Berufung über-
flüssig machten.
Die Steuerjurisdiktion stand nicht diesen Verordneten, son-
dern einer besonders für diesen Zweck gewöhnlich aus 4 in
München wohnenden Mitgliedern bestehenden Kommission zu*).
Diese hatten alle Irrungen und Mißverständnisse, die sich bei
Anlegung und Einbringung der Steuer ergaben, zu entscheiden,
und ihre Entschließungen, die sie anstatt und von wegen der
Landschaft zu fällen ermächtigt waren, verpflichteten Ober- und
Untersteurer zum Gehorsam.
So hatten es die Stände verstanden, das Prinzip der Selbst-
verwaltung nach jeder Richtung hin für das große Gebiet des
Steuerwesens zu bewahren und zur Durchführung zu bringen.
Soweit dabei landesfürstliche Beamte zur Mitwirkung berufen
wurden, erscheinen sie als kraft ständischer Delegation handelnd.
\>ie für das Gebiet der direkten Steuern, so behielt die
Landschaft auch für das der indirekten unbedingte Selbständig-
keit der Verwaltung. Ein solcher Aufschlagt) auf Getränke
(Bier, Wein, Met) wurde von der Landschaft zum ersten Mal
1543 l)ewilligt3), die Verwaltung desselben aber der Landschaft
vorbehalten und acht Mitgliedern derselben und vier Kom-
missarien übertragen *). Diese acht ernannten und verpflich-
1) Vgl. z.B. Stouorinstruktioneii 1538 und 1541 (Kr. A. M.).
2) Eino KonsumtioDsstcucr, „ein Aufschlag auf alles Getränk, so in und
durch das Fürstentum Baiern geführt und gebracht wird** (Landtag 1543 S. 106).
3) GOOOOO fl. zur Ablösung der beschwerlichsten Pfandschaften und
Schulden. Sobald diese Summe durch den Ertrag des Aufschlags gedeckt,
BoUte von Stund an derselbe aufgehoben sein.
4) Gemeiner Landschaft in Baicm geordneter Commissarien und der acht
über den Aufschlag Instruction (Landtag 1543 S. 105 ff).
— 408 —
tcten alle Einnehmer des Aufschlags, welchen Gegenschreiber
beigesellt wurden, an den Grenzen und im Land, hielten Rechen-
täge mit den Einnehmern des Oberlands in München, mit
denen des Niederlands in Landshut ab und nahmen von einem
jeden Rechnung und Bezahlung gegen Quittung ab. Al]|jfihrlich
hatten die 8 den Kommissären Bericht über den Fortgang des
Aufschlags zu erstatten, denselben Rechnung zu stellen und
den Ertrag ihnen abzuliefern. Anstände, die sich ergaben, soD-
teu die 8 nebst den Kommissären gemeinschaftlich heben und
notwendige Änderungen beschließen, auch gemeinschaftlich Ab-
lösungen vornehmen. — Diese Grundzüge der Organisation
der ständischen Verwaltung des Aufschlags blieben mit wenigen
Modifikationen auch für die noch im Laufe des 16. Jahrhunderts
bewilligten Aufschläge in Kraft ^).
1) Vgl die Instruktionen der Untereinneluner des Aufschlags von 1666^
1572, 1577. 1588 und 1594.
Drittes Buch.
Die Organisation der Central- und
Mittelbehörden im 16. Jahrhundert.
ERSTES CAPITEL.
Die Kollegialbehörden,
§ 26.
Der Hofirat und die Regierungen.
Die tiefe Bewegung der Geister, welche, eingeleitet durch
den Humanismus „mit seiner weltemeuemden Kraft", den Über-
gang vom Mittelalter zur Neuzeit darstellt, hatte, wie in allen
Si)liären der Kultur auch auf dem Gebiete des Staatslebens eine
nachhaltige Umgestaltung hervorgerufen, ja den modernen Staat
erst begründet, nicht am wenigsten durch jene umfassende
Beliördenorganisation, welche das 16. Jahrhundert wie in der
Mehrzahl deutscher Lande auch in Baiem ins Werk setzte.
Hier vollzieht sich zudem an der Schwelle dieses großen
Säculums eine für die staatliche Entwicklung des Landes
höchst segensreiche Neuerung, indem Albrecht IV. 1506 dio
Unteilbarkeit des Herzogtums mit der Primogeniturordnung ein-
führte, eine Neuerung, deren Wert in dem durch die unheil-
vollen Teilungen so schwergeprüften Lande nach Albrechts Tod
so wenig anerkannt wurde , daß Wilhelm IV. seinen von den
Stauden unterstützten jungem Bruder Ludwig nach heftigem
— 410 —
Streite als Mitregenten zulassen mußte. Die Staatseinheit wurde
so wenigstens bewahrt und an dem Grundsatze der Primogenitur
seitdem unentwegt festgehalten.
Die Wiedervereinigung bisher getrennter Landesteile er-
heischte eine erhöhte Regierungsthätigkeit in der Absicht der
Förderung einer Verschmelzung der verschiedenen Bestandteile
des Territoriums. Eine reiche gesetzgeberische Thätigkeit, wie
sie durch die veränderten Bedürfnisse des in neuen Bahnen
sich fortbewegenden Lebens bedingt wurde, wurde auch in den
Dienst dieser Idee gestellt.
Einen Hauptfaktor für diese Einheitspolitik bildet aber die
Einrichtung von Centralbehörden und die Durchführung eines
gleichmäßigen Verwaltungssystems. In den verschiedenen Lto-
dem und Zeiten ^) wird deshalb eine Organisation der Behör-
den in Angriff genommen da, wo es gilt, neuerworbene Länder-
komplexe mit dem Stammlande auch innerlich zu einem ein-
heitlichen Staatswesen zu verbinden.
Betrachten wir die Geschichte der obersten Centralstelle,
des Hofrats während des 16. Jalu-hunderts, so bestätigt sich
uns die alte Erfahrung, daß die Geschichte sich nicht in Sprüngen
fortbewegt, denn auch die mit Albrecht V. (1550) beginnende
Ei>oche umfassender Reorganisation stellt sich dar als eine wahr-
haft reformatorische, an das Bestehende anknüpfend, die über-
lieferten Elemente nur weiter fortbiklend und die vorgefundenen
Keime ausgestaltend.
Die Minderjährigkeit der Söhne Albrechts IV. bei dessen
Ableben hatte wieder eine starke Einflußnahme der Stände auf
die Regienmgsgewalt zur Folge *). Wilhelm IV., welcher 1511
das 18. Lebensjahr zurückgelegt und als Volljähriger die Be-
gierung übernommen, mußte sich 1514, als die Landschaft sich
der Ansprüche seines, sich durch das väterliche Testament ver-
letzt fühlenden Bruders Ludwig auf Teilung des Landes resp.
1) So in den Kicderlandcn , in Österreich unter Maximilian (Adler
S. 17 f.; Kosenthai, Behördenorganisation S. 7), Brandenburg unter dem
großen KarfQrsten (S 1 0 1 z e 1, Brandenb. I, S. 363).
2) Eine aus 6 Landtagsmitglicdern bestehende vormundschaftliche B*-
gierung mit Herzog Wolfgang an der Spitze wurde gobUdet (Ba ebner
VII, S. 4).
— 411 —
auf Mitregierung angenommen hatte, eine wesentliche Ein-
schränkung seiner Herrscher hefugnisse gefallen lassen ^). In
Bekämpfung des von H. Wilhelm gegen eine gemeinschaftliche
Regierung erhobenen Einwandes „zween ßegierer möchten mit
ainannder nit gleichhellig beleihen", schlug die Landschaft die
Anordnung vor, daß sie oder ihre Verordneten das Recht haben
sollten, die Räte der beiden Herzoge, bis dieselben das 24. Jahr
erreicht hätten, jedoch mit ihrem Wissen zu ernennen und ab-
zusetzen ^). Die Herzoge sollten verpflichtet sein, nur mit Rat
dieser Räte zu regieren, und die alten eigennützigen Räte ab-
geschafft werden *).
Nachdem H. Wilhelm den Antrag auf Mitregierung an-
genommen hatte, schritten die Landstände zur Anstellung neuer
und zur Ausmusterung der untauglichen Räte am Hofe und bei
den Regierungen*). Die Herzoge waren so unter Vormund-
schaft ihrer Räte gestellt^), die wohl Werkzeuge der sie er-
ernennenden Landschaft gewesen waren. Wenn diese Maßregel
auch nur für einige Jahre (von wegen ihrer Jugend) in Aus-
sicht genommen war, so wurde damit doch ein für einen m8jo-
renncn selbstbewußten Fürsten unerträglicher Zustand geschaffen,
mag das Verfahren der Stände®) immerhin von dem besten
1) Übor das Vorgehen der Stände vgL Rndhart, Geschichte der Land-
stände S. 43 ff.
2) Auch alle Beamten sollten nur nach Bat der verordneten Räte he-
stollt werden.
3) Landtag 1514 S. 145, 168.
4) Das. S. 171 Eid und Verzeichnis der ein- und ahgesetzten Räte.
5) Daß wir, so lautet der Passus in den Verschreibungen der beiden
Brüder, furo miteinannder brüderlich und fruntlich unnser beeder Herzog-
thumb, doch nach Rat unns durch gemaine angeregte unnser Lanndschafft
zuverordcnter Kät regieren sollen, . . . und auf die zuverordennten Rät unser
aufsehen haben und sovil das Regiment betrift, on Iren Rat wissen und
willen oder des merem tails aus Inen nichts schaffen noch hanndln sollen
und wellen . . . (Landtag 1514 S. 190, 198).
6) Zur Belohnung der Willföhrigkeit der Herzoge bewilligton die Stände
nun eine Hülfe von 150000 fl. — diewcil vormals ain gemaine Lanndschafft
Iru Gdn. zugesagt haben, wo Sy Irs Rhats volgton, wolten Sj Inen hilfflich
und rhätlich nach gelegenhait des Lannds und Irem vermögen Bein, So dann
baido Ire Gdn. sich genodigclichen ainer Lanndtschafft Rhato wie oben er-
lautt, zuvolgen bemlligt . . . (Landtag 1514 S. 170).
— 412 —
Geiste für Fürsten und Land hervorgerufen worden sein *)• D^
dies der Fall war, und daß es recht trübe Erfahrungen waren,
welche die Landschaft zu diesem Schritte bewogen, bezeugt
des ständischen Ausschusses Ratschlag, welcher in den grellsten
Farben die unleidlichen, durch den ^unzüchtigen Haufen''
schlechter, den Herzog verführender Räte verursachten Miß-
stände schildert*).
An der Schwelle der neuen Epoche begrüßt uns das schon
von Albrecht IV. angebahnte, 1508 nach längeren Verhand-
lungen^) zwischen Landtag und Regierung vereinbarte Grund-
gesetz des Landes, die Erklärung der Landsfreyheit, welche zwar
im wesentlichen als eine Zusammenfassung der in den alten stän-
dischen Freiheitsbriefen zerstreuten Bestimmungen erscheint, aber
doch auch manchen einschneidenden neuen Rechtssatz enthält*).
Diese L. Fr. stellt, wie für das Beamtentum überhaupt, so auch
für den Hofrat und die Regierungen grundlegende Normen auf.
Wir können in der Geschichte des Hofrats und der Re-
gierungen im 16. Jahrhundert zwei Perioden unterscheiden, für
welche ungefähr die Mitte des Jahrhunderts, der Regierungs-
antritt Albrechts V. die Grenze bildet. Mit diesem beginnt eine
Epoche der Neubildung von Centralbehörden, während eine Reihe
von Ilofratsinstruktionen, wie erwähnt, nicht etwa eine Neu-
gestaltung dieser Stelle und der Mittelbehörden bezwecken, son-
dern lediglich festere Organisation im Auge haben.
Was jetzt bei der Wiedervereinigung Baierns neu organi-
siert wird, das sind die Mittelbehörden, die Regierungen zu
Burghausen, Landshut und Straubing, deren Wirkungskreis sich
im großen und ganzen deckt mit dem des Hofrats zu München *X
1) Über solchen Eingriff dor Landschaft in die fürstlichen Hoheitneehto
wurde bald bei K. Maximilian L Klage gefQhrt (Büchner VII, S. 12 fll);
das Aktenmatcrial ist abgedruckt Landtag 1514 S. 242 fL
2) LandUg 1514 S. 91 ff.
3) Über diese sowie über den Charakter der L. Fr. vgl y. Freyberg;
Rede Ober den historischen Gang der bajer. Landesgesotzgebung. Mflnchen
1834. S. 18 ff
4) Das. S. 21.
5) Aus zahlreichen Stellen geht dies hervor, z. B. L. Fr. I a. 3 on nmer
und unser hofräte auch unser yitzdomb und räthe heifien; I a. 14 fllr uni
oder unser hofmaister oder yitzdomb und räthe ; I a. 15; I a. 16 Z. 15; mit
unserm und unserer hofrftte und in unsem vitzdombambten mit nnsenr Tite»
— 413 —
wie denn auch die für letzteren ergangenen Instruktionen fast
wörtlich übereinstimmen mit den für die Regierungen erlassenen.
Die Einteilung des Landes in 4 Rentämter, also die SchaflFung
von 3 Regierungsbehörden neben dem Hofrat zu München war
eine durch die Ausdehnung des vereinigten Herzogtums gebotene
Maßregel, denn es konnte den Unterthanen nicht zugemutet
werden, in allen Fällen, wo sie sich bisher an den Herzog und
seine Räte gewandt hatten, auch femer die weite Reise nach
München zurückzulegen. Das hätte namentlich die Kosten des
Rechtsschutzes ganz unleidlich erhöht^), so daß es für viele
einer Versagung desselben gleichgekommen wäre.
So nötigte schon die Rücksicht auf die Interessen der Be-
völkerung, wie die Landschaft in ihren Vorschlägen mit Ent-
schiedenheit betonte, dazu, in den verschiedenen Gegenden des
Landes Stellvertreter des Herzogs aufzustellen, die statt seiner
Recht sprachen und die Aufsicht über die Verwaltung der Provinz
(Vitztumamts, Rentamts) führten. Wie aber der Herzog selbst im
Centrum der Regierung nicht allein, sondern mit seinen Räten
die Geschäfte führte und durch diese allein Hofgericht abhalten
ließ, so schritt man nach dem Vorbilde des Hofrats zu einer
kollegialen Organisation der Regierungen, indem man dem Vitz-
tuui, dem seit Jahrhunderten als Stellvertreter des Landeshcrm
l)estellten Beamten, einige Räte zuordnete und dieses Kollegium,
Vitztum und Räte, als das ordentliche Gericht höherer Instanz
domb und rätho willen, und ähnlich; n a. 4 unser vitzd. und räthe . . oder
wo sölchs kain vitzdombamt beträff unser hofmaister und räthe. YgL noch
II a. 12; lY a. 22, 23, 24, nach unser hofräthe und in unsem vitzdombambten
nach unser vitzdomb und räthe mäfiigung.
1) „Denn sollten die Partheyon, meinten die Stände, in der N&he nicht
ihren gütlichen oder rechtlichen Austrag haben, wäre zu Zeiten ihrer vielen
unmöglich die Rechtfertigung zu suchen. Denn ihrer viele an solchen Orten
und Gränzen sitzen, daß sie den fürstlichen Hof zu München ob den 20 Meile-
wegs hätten zu suchen; dahin müste einer, mit samt seinen Vorsprechem
Advocaton und Bejständem mit schwerer Eostung, Zehrung und zu Zeiten
Wagniü seines Leibes und Gutes den Austrag seiner Sachen suchen. Des«
halben manchem aus Unvermögen seines Gutes oder Unsicherheit seines
Leibes oder Mangel seines Beystandes, oder zu Zeiten Ungefährte der Wege
und Wasser Gebruch geschehen würde, und wäre deshalb ohne Frucht» Vize-
dom und Käthe zu halten, die doch Land und Leuten zu gut, und Vermei-
dung willen angerührter scliwcrer Mühe und Kostung sind betrachtet und
gesetzt" (Krenner XVI, S. 36 f.).
— 414 —
für die Insassen des betreffenden Sprengeis einsetzte und als
Grundrecht derselben gewährleistete, daß jeder in seinem Vitz-
tumamt seines ordentlichen Gerichts bleiben soll (L. Fr. I a. 6).
In der landschaftlichen Gegenschrift gegen den herzoglichen
Entwurf der L. Fr. 1506 wurde zur Begründung dieses alle
Stände berührenden Artikels angeführt^): „dieweil aber von
üngelegenheit wegen E. f. G. das Land in Vizedom-Ämter aus-
gctheilt und jedwedes Amt seinen Gezirk und Vergriff hat, darin
E. f. G. Anwälde, als der Vizedom und seine zugeordnete Räthe
den Unterthanen seines Gezirks im Recht und ausserhalb, von
E. G. wegen Gerechtigkeit thun sollen, mit dem ist er derselbe
Vizedom den Unterthanen für einen ordentlichen Richter an-
gezeigt, den sie in Nähe mögen suchen und finden"*).
1) Krenner XVI, S. 36.
2) Neben dem Hofrat und den 3 Regierungen ninunt eine eigenartigie
Stellung ein das herzogliche Ratskollegium zu Ingolstadt Die Anfing det-
selben sind in Dunkel gehüllt Wahrscheinlich hat man nach EinTerldbuiig
des früher selbständigen Herzogtums Baiem - Ingolstadt in Baiem-Landihat
die am Ingolstädter Hofe angestellten Räte weiter amtieren lassen, lo daft
man mit Fug das Kollegium als eine Rcliquia von der vorhin allda gowetten
herzoglichen Regierung bezeichnen durfte (von dem churfürstlichen Bats-
kollegium handelt Ostermaicr, Sammelblatt d. bist Yer. £ Inn^litadt
XIII, S. 82 ff.). An der Spitze des Kollegiums stand der Pfleger Ton Ingol-
stadt und seit 1546 der jeweilige Statthalter daselbst Zu Mitgliedern det-
selben wurde eine grCüere Anzahl von Universitätsprofessoren und einige
Beamte, z. B. der Oberrichtcr, Zollner und der Pfleger von Kosching beetallt
(Landt 1514 S. 17G führen als „Täglich Rhät zu Ingolstadt" auf: Pfleger
soll ein Landmann sein, Dr. Joronimus Croaria, Dr. Job. Roß, Dr. Barekhartk
Dr. Peyßer, Oberrichter Hemberger, Pfleger zu KOsching Qmober, ZoUer
KnObcl; Mitglieder seit 1525 fahrt auf Ostermaior XUI, a 99). —
Dem Oberrichter war bei seiner Doppelstellung in seiner Instruktion (Cod.
Bav. 2GI4) ausdrücklich zur Pflicht gemacht, daß er als fürstlicher Rat die
Sitzungen verlassen soll bei allem, was vor Statthalter und Räten in Sachen
wider die Stadt und ehrsamen Rat fürkommen sollte. Das KoUegimn war
sowohl Gerichts- als Ver\^'altuDg8beh0rde. In letzter Beziehung, als Aafinehtf>
instanz über die Stadt und den Bezirk des Pflegeamts Ingolstadt» nahm et
für diesen territorialen Sprengel die sonst dem Münchner Hofrat obliegenden
Befugnisse wahr, ist also in gewissem Sinne als eine Filiale desselben, alt
eine exponierte Abteilung desselben mit räumlich und sachlich beachrftoktem
Wirkungskreiso zu betrachten. Als Gericht scheint der „Pfleger (Statthalter)
und andre verordnete Räte*' sowohl die Zuständigkeit der Landgerichte
(vgl. die Spruch- und Gerichtsbriefc von 1534 und 15G1 bei Ostermaier
Xni, S. 84 f, von 1561, 1570 und 1597 in: Verb, des bist Ver. der Obei^
— 415 —
Allerdings ist der Hofrat außerdem auch eine den drei
Regierungen übergeordnete Centralstelle ^); er hat dann also
einen Doppelcharakter, indem er dann zugleich auch Mittel-
behörde (Regierung) für den Ren tarn tsbezirk München *) ist,
d. h. diejenigen Geschäfte für den Rentaratsbezirk München
versieht, welche in den 3 andern Rentämtern durch Vitztum
und Räte besorgt werden.
Die Stellung des Hofrats als höchster Centralbehörde des
Landes, als das Gericht des Landesherm, der noch als Quelle
aller Gerichtsbarkeit im Lande betrachtet wird, zeigt sich darin,
daß das Prinzip, jeder solle in dem Vitztumamte seines Gerichts
Recht nehmen, durchbrochen wurde.
Die Aufstellung des erwähnten Prinzips der L. Fr. , daß
jeder in dem Vitztumamte seines Gerichts bleiben solle, hätte,
falls es in dieser Uneingeschränktheit geblieben wäre, einen
Verzicht des Herzogs auf die Ausübung wesentlicher Hoheits-
rechte enthalten. Diese verfassungsmäßige Zusicherung hätte
dann für die Einwohner der 3 Rentamtsbezirke eine Exemtion
von der Gerichtsbarkeit und Regierung des Herzogs bezw. seines
Hofrats, wenigstens soweit die Kompetenz von Vitztum und
Räten reichte, bedeutet. Allerdings hätte der Herzog durch
das ihm zustehende Recht der Ernennung von Vitztum und
Räten auch mittelbar seine Herrschergewalt durch diese seine
Organe zur Ausübung gebracht, aber er wollte sich in seiner
Machtstellung nicht so weit beschränken, um schlechtweg auf
sein höchstes Richteramt in Bezug auf alle Insassen der 3 Rent-
ämter zu verzichten. Erklärten doch selbst die Stände, daß sie
durch ihren Vorschlag nicht etwa des Herzogs Obrigkeit zu
mindern oder zu schmälern gedächten. So eifrig war man
ständischerseits bemüht, den Charakter des Vitztums als eines
Stellvertreters des Landesherm mit aller Schärfe zu betonen,
(laß man auf den alten Grundsatz der deutschen Gerichtsver-
pfalz XXXVI, S. 239 f., 245) als des Hofrats als Appellationsinstanz vereinigt
zu haben.
1) Hofratskanzlei-0. 1569: Höchstes und obristes Regiment; Hofirats-O.
1573: - bei unserm hiesigen hofgericht und rat als dem haubt aller anderer
unserer rogimcnten.
2) Diese DoppelsteUung hatte der Hofrat bis zu seinem Untergänge.
N^\. Soydol I, S. 41.
— 416 —
fassuDg, daß die Anwesenheit des höheren Richters am Gerichts-
orte die Thätigkeit des niederen Richters zu seinen Gunsten
suspendiere, zurückgriiT, indem man die Erklärung abgab, „wo
E. f. Gn. in einem Vizedomamt persönlich Hof halten, so hSrt
des Vizedoms Verwaltung daselbst auf", ein Prinzip, das man
nicht mehr in Anwendung bringen konnte, weil es mit einer
geordneten Verwaltungsorganisation, mit der Einrichtung per-
manenter Behörden unverträglich war. Ebenso wäre es sach-
gemäßer gewesen, wenn der Herzog auch den weiteren ständischen
Vorschlag , daß er auch , wenn jer in einem Vitztumamte nicht
anwesend wäre, die Parteien aus demselben, wenn er und
seine Hof rate dies für gut fänden, aus dem Vitztumamte zu sich
erfordern solle, abgelehnt hätte. Das konnte unter Umständen
die Thätigkeit der Regierungen auch lahm legen und dnrch-
löcherte jedenfalls das oben statuierte (L. Fr. I a. 6) Grundrecht,
daß niemand seinem ordentlichen Richter entzogen werden dürfe.
In ^Virklichkeit dürfte von diesem Evocationsrecht auch nicht
reichlicher Gebrauch gemacht worden sein, und es bleibt immer-
hin verständlich, daß die sich immer mehr befestigende Landes-
hoheit eine Dccentralisation der Rechtspflege nicht in dem Um-
fange durchführen wollte, daß dem Herzog überhaupt die Mög-
lichkeit entzogen gewesen wäre, einen Rechtsstreit durch das
an seinem Hofe konstituierte Hofgericht zur Entscheidung bringen
zu lassen, denn der Herzog ward jetzt natürlich nicht weniger
als früher als der höchste Richter des Landes betrachtet.
Eine vollständige, gegen jeden Einfluß gesicherte Kompetenz-
abgrenzung der Regierungen ließ sich erst dann erreichen , als
auch Baiem durch kaiserliche Appellationsprivilegien dem Gerichts-
zwange des R.-Kammergerichts vollständig entzogen wurde, ein
eignes (drittinstanzielles) Gericht, das sog. Revisorium, errichten
konnte.
Die L. Fr. (I a. 6) erteilte dem Herzog die Befugnis, jeden
Rechtsstreit aus den Vitztumämtern an den Hof zu ziehen, um
ihn selbst oder durch seine Hofräte entscheiden zu lassen ^).
1) Seitens der Landschaft wurde vorgeschlagen, dafi, falls eine Partei
aa£crhalh ihres Vitztomamtes kein Verhör annehmen wollte — so sehr hielt
man an diesem Gmndrechte fest, daß man es in das Belieben der Üntei^
thanen stellen zu kOnnen meinte, ob sie der Ladung zum Hofirat Folge
leisten wollten oder nicht — der Vitztum der Parteien Bed und Widened
— 417 —
Dieses Recht sollte allerdings nicht willkürlich zur Anwendung
kommen, sondern nur, wenn eine oder mehr bewegliche Ur-
sachen hierzu vorhanden wären. Es konnte dann, falls die Sache
nicht auf gütlichem Wege beendigt, sondern auf den Prozeßweg
geleitet \vurde, das persönliche Erscheinen der Parteien verfügt
werden.
Ebenso konnte aber der Vitztum eine Rechtssache, die noch
nicht prozessual erledigt war, aus beweglichen Ursachen gen
Hof weisen.
Zur Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten war auch im
Hofgerichte stets die Teilnahme von Urteilsfindem (Beisitzern)
erforderlich, während die Vornahme von Regierungsakten und
die Entscheidung der nicht im Prozeßwege zu entscheidenden
Rechtssachen dem Landesherm allein vorbehalten blieb, der zur
Entscheidung auch einen seiner Räte delegieren konnte, während
bei den Regierungen dem Vitztum allein die Entscheidungs-
^^ewalt zustand^). Deshalb mußte, auch nachdem diese herzog-
lichen Räte allein oder fast ausschließlich die Funktion der
aufzcichnon oder ihr schriftliches Vorbringen annehmen und an den Herzog
einsenden sollte, damit dieser auf Grand dieser Prozeßakten entscheide. „Denn
im päbstlichcn Hofe und kgL Eammergericht und anderswo an viel Ge-
richten beschehen große Prozesse alle durch Geschriften, daß einige Par-
they derselben Ende persönlich nimmer kommt** (Krenner XVI, S. 37). Dem
Vorschla<?c wurde nicht stattgegeben. Merkwürdig erscheint es, daß von
den Ständen, die sich doch sonst gegen die fremden Gebräuche sehr ab-
lehnend verhielten, ein Vorschlag zur Einftlhrung des schriftlichen Verfahrens
ausgehen konnte. Es war eben ein Notbehelf um das erwähnte Grundrecht
zu erhalten und in Einklang zu setzen mit den Forderungen der landesherr-
lichen Gewalt Betreffs des Grundrechts selbst gab die Landschaft dem
Herzog zu bcdünken, daß eine jede Person und Sache ihr ordentliches Ge-
richt haben, von dem sie in der ersten Instanz der Klage und Antwort mit
Reeht nicht ^^cdningen werden dürfe; denn Ordnung der Rechten, auch jüngst
des Reichs Ordnung, gemeine Freiheit und Gebrauch dieses Landes bei
Städten, Markten und Landgerichten das auch anzeigten (Kren n er XVI,
S. .SSI Man erkennt aus der. Erwähnung der ersten Instanz, daß Prälaten
und Adel, die einen privilegierten Gerichtsstand hatten, fdr ihr Grundrecht
kämpften.
1) L, Fr. I a. 8: Warjnn aber wir oder unser nachgesetzt vitzdomb on
sonnder gerichtsproceß oder rechtvertigung zwischen den partheyen aus orden-
lichem gwallt zuc schaffen haben, alls umb anhelhg bekhennthch schuld,
offen war frävel, enntsetzung, vergwelltigung, einsatzung und annders, ist in
offenwären rechten ausgcdruckht
Kosen Ihal, dpschichte d. ücrlchtsw. u. d. Vcrw.-Orf. Balerns. I. 27
— 418 -
Urtciler und Beisitzer im Hofgcricbte übernommen hatten, diese
ihre gerichtliche Thätigkeit sich abheben von den Akten des
Yerwaltungsdccemats. ^Vährend sie bei diesen durch keinerlei
formelle Schranken beengt waren und sich vielfach von Zweck-
mäßigkeitserwägungen leiten lassen durften, waren sie bei Wahr*
nehmung ihrer hofgerichtlichen Funktionen an die Formvor-
schriften des Prozeßrechts und auch materiell an die landrecht-
lichen Kormen, an die Statuten und das Gewohnheitsrecht
gebunden.
Auch nach vollständiger Organisation des Hofrats und
der Regierungen wurden deshalb alle gerichtlichen Akte^)
zusammengefaßt als solche des Hofgerichts ^) und den übrigen
Akten des Hofrats und der Regierung gegenübergestellt, und
so auch äußerlich die historische Kontinuität nicht unter-
brochen 3). Denn die sich im 16. Jahrhundert folgenden Hof-
1) In einem Codex des Straubinger Vitztumamts von 1503 werden Akte
dieses und des Hofgerichts zwar unter einander geschrieben, die letiteren
aber als solche kenntlich gemacht durch Aufschriften, wie: Hofgericht, Recht*
tag zum hofrcchtcn, Hofgcding (vgl Das kgl. Hofgericht für d. Unterland
Straubing. 1808, BeiL 142, S. 30 ff.). — Im Cod. Bav. 2619 i 227« heiftt et
(1532): ist vor Herrn Yitzdomben als hofrichtem und andern reten alhie m
Straubing ... ein rechtstag angesetzt
2) Aber auch in Urteilsbriefen des Hofgerichts wird keineswegs immer
die Bezeichnung Hofgericht gebraucht, z. B. in einem Appellationserkenntnis
des Hofgerichts München 1587 heifit es: ist durch H. Wilhelms obersten
Land- und Hofmeister, Hofratspräsident und andere Rät erkannt worden
(R A. — L c). — In einem Formelbuch aus der Zeit Albrechts V. (Cod.
Bav. 2520) wird in einem hofgerichtlichen Urtcilsbriefe gesagt, daft rieh onser
Hof rieh tor und Räte, in einem andern wieder, daß Landhofineister and Bäte
sich eines Urteils entschlossen . . .
3) In der Gor.-0. 1520 haben verschiednc Artikel Titelflberschriften : fEkntL
Hofgerichte (z. B. t X a. 6, 7, 10 ; XI a. 3\ während in einigen Artikeln von ftr
die fürstL Hofgerichte und in den Yitztumämtem für Vitztum und Räte (fBntL
Hofgericht und Vitztumamt), in andern nur vom fürstlichen Hofgericht nnd
Hofrichter (z. B. t X a. 16) die Rede ist. In andern wieder werden „die filnt-
lichen Hofrichter und Räte" (t XI a. 2) oder' nur „das Hofgericht** (t XI
a. 3, 4) erwähnt, t I a. 8 heißt es: Bcj den FürstL Hofgerichten nnd in
den Vitzthomambten und regimenten des fürstenthumbs bairen, do man hof-
gericht hellte sol bej jedem hofgericht zum wenigistn ain geswomer pot • .
Fürstlichen, auch der Yitzthomb und Räte Citation, Ladung nnd ander
des hofgcrichtz notturft Die unterscheidende Terminologie wird
überhaupt nicht stets mit voller Schärfe festgehalten, sondern aoch, wo ron
— 419 -
rats- und RegiraeDtsordüungen lassen deutlich erkennen, daß
die Hofgerich tssacben von den übrigen geschieden bleiben *).
So konstituiert sich auch jetzt noch zu bestimmten Zeiten*)
der Ilofrat bezw. jedes Regiment als Hofgericht zur Erledi-
gung der im Prozeßwege zu entscheidenden Rechtsstreitig-
keiten der Parteien. Daher Bestimmungen ^) wie die, daß Bei-
urteile nach ihrer Gelegenheit und Größe von Hofgericht zu
Hofgericht oder zum längsten auf das andere Hofgericht*)
erledigt werden müssen, und daß der Landhofmeister oder
Hofratspräsident zu allem die Register und Akten ^) durch-
sehen soll^).
Nicht alle Rechtssachen wurden durch das Hofgericht ent-
schieden, sondern nur diejenigen, welche im Wege Rechtens,
also im ordentlichen Prozesse erledigt wurden. Dieser Unterschied
wurde in voller Schärfe bis in den Anfang des 19. Jahrhunderts
beobachtet, denn es gab noch königlich baierische Hofgerichte ^),
der hofgerichtlichen Thätigkeit die Rede ist, zuweilen Landhofineister und
Hofräte oder Vitztum und Räte allein oder abwechselnd mit Hofgericht ge-
nannt, z. B. Cod. Bav. 2522 S. 1 : Nachdem am fürstlichen Hofgericht Recht-
fertigung erholt . . der Gezeugen Sag dem Landhofineister und Räten zu
übersenden; ibid. S. 87: Eines Zeugen Aussage . . dem fürstlichen Regiment
zu Burgbausen zugeschickt; . . in der Rechtssachen, so sich in dem fürst-
lichen Hofgericbt zu Burgbausen . . — So wird auch in den Akten über eine
beschlossene Hofgerichtssache von 1584 gesagt : ist . . dem M. ein Rechtstag
für die fürstlichen Hofrichter und Räte hier angesetzt worden. In der Sache
erkennen fürstliche Landhofmeister, Hofrichter und Räte. Die Klageschrift
wendet sich an den Hofratspräsidenten, auch andre hochgelehrte Hofirichter
und Räte (U. A. — Archivalien des bair. Ldr. no. 93).
1) Von der Verrichtung der Rats- und Hofgerichtssachen wird in den
Instruktionen wiederholt gesprochen.
2) Vgl. Gor.-O. 1520 t. V a. 14.
3) Hofrats-0. 1551 (1573); Regiments-0. (fOr Straubing) 1651.
4.) Hofrats-O. 1573.
5) In der IIofratskanzlei-0. 1569 (H. A. Lit D n. 83) wird bestimmt, daß
die Sekretäre auch zu jedem Hofge rieht die Sachen, darin zu einem Bei-
und p]ndurteil beschlossen werden, aufzeichnen, dieselben mit dem Protokoll
so rasch als möglich fertigen und im Rat vortragen sollen, damit die bald
erledigt worden. — Hier kommt also wieder die Identität des Hofgerichts-
und des Hofrats])er8onals zur Erscheinung.
0^ Vgl. z. B. die Dekrete BeiL I S. 19 ffi in der Schrift: Das kgL Hof-
gericht für das Unterland, welche schätzenswerte Mitteilungen aus der Re-
gistratur dieses Gerichtshofs bringt
27*
— 420 —
bis dieselben 1808 in Appellationsgerichte umgewandelt wor-
den').
Daß alle Aufgaben der Justizverwaltung zum Goech&flskrcU
des Hofrats unrl nicht des Hofgerichta guhürten, verstellt sich
von selbst. Schwieriger wird die Unterscheidung bei Ucchts-
streitigkeiten, denn derselbe Recbtsbandel konnte vor dem Hol-
gericht oder vor dem Hofrat (Regierung) verhandelt werden.
Schon nach den Grundsätzen des alten Rechts sollte
nftinlicb zuerst der Richter einen Sühneversuch machen, aiäit
wo uißjgltch einen Vergleich unter den Parteien herbeizufttbren
versuchen, imd erst wenn die dahin gerichteten richterlichen
Bemllhußgen ohne Ergebnis blieben, hatte die prozessuale Erledi-
gung des Rechtshandels zu erfolgen. Man muß sich daran er-
innern, daß ursjirünglicb das gerichtliche Verfahren nur bezweckte,
an Stelle des Streit» einen Vertrag, eine Sühne der Parteien
zu setzen, und daß diese gerichtliche Sühne sich erst nach dem
Vorbilde der außergerichtlichen gebildet hat'). Dali dud das
Gericht neben seiner Aufgal>e, einer Beendigung dt« Prozesses
durch ein mit Zwaugsgewalt ausgerüstetes Urteil, auch ntuts an
seiner ursprUnglicheu Aufgabe festhielt, die Deundigung dia Rechts-
Streits durch Vertrag der Parteien herbeizuführen, um doiaen Zu-
standekomnien es sich bemühte, begreift sich leicht, So unter-
scheiden auch die ßechtsquellen gütliche billige Handlung und
Verhör der Sachen von deu Sachen, die „rechtlich fürgenunimea
mit Recht und Urteil erkannt" sind»). Während gütliche Ver-
höre und Verhandlungen von deii Hofrilten bezw. Vitztom und
R&ten*) vorgenommen worden, maßte, sdbald dieselbe Sache im
^^'ege Rechtens zu Ende gebracht werden sollte, das Hofgeridkt
die Sache prozessual verhandeln und entscheiden. Das Hof-
gericht wurde aus demselheu Personal'), das vorher gua Hof-
II Doro^ orguL Edikt >, 24. Juli 180a VgL Sojdel I. a t67.
2) Brnnnor, a-G, 1. & 17».
3) L B. L Fr. I k. a V^ noch Hofrato-Kanilai-Ü. lEfiS.
i) In «ner Inimktlon fOr den VlMani ron KiederbaJeni NoAsft «M
n >cboD 1444 natcnelüsdeo : wud oinor vor uiMraD Bo^^cht «xiet
nvichttfiD niit BMfat hiiu don ladoron orluuot odor von 4u> BAthvo in iM
OatlicUelt KefprodMB (Krenner U. ä 102).
ß) Dlo Ebiichtug, d«l die BofK^it^hte kfine andern Mitglieder ab dta
doT Kanitei (dM Hofr»U) baOm, bwuieboet anch Stoliol l, 8. !SB
Tl«Uftob ToAoauneDd. Ich lulte n» fDi die Donnklo.
- 421 —
rat (bezw. Vitztum und Rat) die Verhandlung geführt hatte,
gebildet. Der Unterschied bestand nur darin, daß dieselben als
Hofgericht das Verfahren nach den Vorschriften des ordent-
lichen Prozesses durchzuführen und das Urteil nach Maßgabe
der gesetzlichen Normen zu fällen hatten. Wurde von den
Räten in der Gütlichkeit gesprochen, so war dagegen ihr Aus-
spruch nach billigem Ermessen und nicht nach strengem
Rechte erlassen ^), nichts anders wie ein Vorschlag, auf Grund
dessen die Parteien einen Vergleich abschlössen, oder ein
Schiedsspruch, für den Fall, daß die Parteien von vom herein
einem solchen Ausspruch der Räte wie einem Erkenntnis An-
erkennung und Vollziehung versprochen hatten. Den Parteien
bot solch gütliches Verfahren den Vorteil einer rascheren und
wohlfeileren Justiz. Sie brauchten nicht bis zu den üblichen
Terminen der Hofgerichtssessionen zu warten, wo allein Rechts-
tage abgehalten werden durften, sondern konnten, da gütliche
Verhöre in jeder Ratssitzung vorgenommen wurden, täglich ihren
Rechtsstreit zu Ende bringen. Daß das Moment der Kosten-
ersparung es vor allem war, welches die Parteien bewog,
anstatt des Rechtswegs den der Güte zu wählen, wird in
Hofgerichtsurkunden des 15. Jahrhunderts mannigfach hervor-
gehoben ^).
1) Auch der Richter (erster Instanz) sollte die Parteien in Bagatell-
sachen (unter 2 fl.) nicht rechten lassen, sondern sich unterstehen, die Sache
zwischen ihnen in der Gütigkeit nach seinen Treuen zu entscheiden (Reü
Ldr. 1518 t VII a. 6). Vgl auch S. 424.
2) Damit sie mit ringerer Eostung, darein sie durch weitsuchende
Recht . . verhütet und zur Entschließung solcher langwieriger Irrung desto
förderlicher kommen möchten (M. B. XV, S. 223).
So bezeugt 1429 der Vitztum yon Niederbaiem Qi\^, von Holfcnstein ge-
legentlich eines Rechtsstreits des Regenshurger Klosters zum h. Kreuz gegen
C. y. Walbrnnn: als sie die Span vor uns und die andern des Fürsten Räte
eingebracht, haben wir ihnen zugesprochen um gütlichen Entscheid bei uns
zu bleiben, damit sie mit geringeren Kosten durchkommen.
Femer bezeugt Albrecht IV. 1491 (Dollinger, Urkunden von Rieten-
burg, in Verhandlungen des bist Ver. der Oberpfalz XXXVI, S. 223), daß in
einer Irrung beide Parteion vor unserm Hofgericht erschienen seien und ver-
hört wurden und sind sie derselben ihrer Irrungen durch unsre R&te gütlich
Unterrede und um Vermeidung willen mehrerer Kostung, so beiden Parteien
daraus erwachsen hätten mögen, mit ihrem guten Willen vertragen worden,
wie folgt.
_ 422 —
Daß süiteus der Rate, die lieber ex aequo et bono die
Parteien vertragen ninchteu, als sich in schwierigen FAlIen ntit
der Abfassung eines den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen-
den Urteils abzumähen, manchmal eine gelinde Pression auf die
Parteien ausgeübt wurde, um sie zu einer Unterwerfung unter
den Schiedsspruch der Räte ') zu veranlassen, ist erklärlich. In
der Uats- und Kanzlciorduuiig von 153G') sagte nun U. Wil-
helm IV. , daß ihm berichtet worden, wie die Parteien aller
Stände von den llftten gedrängt würden, „in ihren Sachen zu kom-
promittieren, zu «leiten auch wider ihren Willen doch dergestalt
angesucht, daß sie zur Verhütung besorgter Ungnade solchem
AoBUcheu statt geben tnüsscn". Judes derartige Drangen aoUto
künftighin vermieden und es der freien N^illensentschlleSung der
Parteien Überlassen werden, ob KompromilS, ob Ilechtaweg*).
Nach diesen Darlegungen vermag ich diesem gütlichen Ver-
fahren nicht jene große Bedeutung für die Ilcceptiou de» römi-
schen Rechts beizumessen wie Stölzel*), welcher meint, d«S
auf der richtigen Würdigung des Gegensatzes der Entschei-
dung „im Wege Rechtens" (d. h. vor dem ordentlichen Gerichte)
und „in der Güte" oder „durch Schiedsspruch" die richtige Er-
kenntnis der gesamt«!! Entwicklung unsres Beamteiietaudus be-
ruhe. Dieser Gegensatz wird meiner Ansicht nach künstlich "
aufgebauscht.
\Vie sich aus den angeführten Beispielen unwiderleglich
ergibt, sind es nicht sowohl die Parteien, welche aus ^«eck-
mäßigkcitserwägungen nicht mehr das Gericht, sondern deD
Landufihcmi und seine Diener anrufen; es ist vielmehr du Ge-
richt selbst, welches die Parteien überredet, ihren Ilecht«handd
nicht gerichtlich, d. h. nicht prozessual, sondern außei^erichl-
1) Wi« •ll^enieio diner Übebtud vorbroitet ^woMti. mioht nun du>- J
mu, lUk die ltciclubo&«t*-0. vod 1017 dch lenulttt liobl, rnirirllrfclMi J
barronabobon , Jedoch d&l keine P^rtbej wieder ihrcD WUlen n •
VoTKloich k^^wDOj:«] werde" (Dffenbicb, Vom ka;i. B.-I]o^B»tb. WI« |
und Prag 171K). Mut L ti. Sfi).
S) vom fc Not. 1636 (Ki^A.!!.- Gen. Bog. UodeM4iniia»tT. Fmc 1 b. 1). '
8) «DenuuKb woBen wti, iat hlnAimi keliier Put«! In ibron Saebra m '
MmprotDittierea nicemnt«t wnde, «mgeechloneD die Pertaieo vaUt«a »n I
Mem Willen eonipromlUiaraii oder fortcbbi^a. du eoU dtniiMh M )adar |
Pvtei n tlinn und bei tuuera Bifam umnefanieD »tehen."
4) BrudoBbotg 1, & 30.
— 423 —
lieh, d. h. durch Güte entscheiden zu lassen, und zwar nicht
etwa vor einer andern Behörde, sondern von denselben landes-
herrlichen Dienern, die sich sonst als Gericht konstituieren
würden. Man ist also wohl berechtigt, zusagen, daß der Güte-
versuch schon jetzt nicht vor dem Beamten, die Entscheidung
vor dem gelehrten Richter, sondern daß schon im 15. und 16.
Jahrhundert, nicht, wie StölzeP) meint, erst in der neuem
Zeit Güteversuch und Sühne vor der nämlichen Stelle erfolgte*).
Denn es sind Hofmeister und Räte, die sonst im Rechten qua
Hofgericht entscheiden, die nun den Handel „außerhalb Rechtens
und ohne ordentlichen gerichtlichen Prozeß in der Güte sum-
marie" erledigen. Diese Worte der Kanzlei-0. von 1569 ') geben
uns den Schlüssel zum Verständnis dieses Gegensatzes. Das
Güteverfahren steht im Gegensatz zu dem ordentlichen gericht-
lichen Prozeß und stellt sich dar als ein formloses, summarisches
Verfahren — sine strepitu et figura iudicii — ist also nicht
reine Verwaltungsthätigkeit, sondern gehört zu den gerichtlichen
Funktionen, wird aber, wie es an derselben Stelle heißt, als
Extrajudizialsache behandelt.
Das Resultat dieses formlosen Verfahrens, Schiedsspruch
und Vergleich, bildet dann ebenfalls einen Gegensatz zu der
Rechtssprechung des Gerichts. Daß aber dieselbe Stelle Güte-
versuch und Entscheidung zu fällen hatte, das bezeugt die Be-
stimmung der L.O. 1516*), welche den Pflegern und andern
01)rigkeiten vorschreibt, Fleiß anzukehren, um die Partei auf
ziemliche Mittel und Wege in der Gütigkeit zu vertragen. Wo
aber bei denselben Parteien die Güte nit erhebt werden möchte,
alsdann nach vermög der Landserklärung und Landsordnung
daiin zu handeln. Da aber Justiz und Verwaltung nicht ge-
trennt waren und Pfleger und Richter Funktionen beider Zweige
zu verrichten hatten, so ergibt sich hier jedenfalls die Unmög-
lichkeit der Annahme, daß der Güteversuch von dem Amte, das
Erkenntnis von dem Gerichte gefällt wurde '^).
1) Gelehrtes Richtertum S. 342.
2) DsLÜ auch dies nicht etwa eine Eigentümlichkeit der hairischen Ent-
wicklung ist, hoffe ich an andrer Stelle darthun zu können.
3) H. A. — D. n. 83.
4) f. 29° ; gleichlautend L.O. 1663 B. II t 1 a. 2.
T)) Die Annahme, daß diese Güteverhandlnng in erster Instanz nur vor
dem Kichter ohne Zuziehung von Schöffen stattgefimden, ist fOr onsro Pe-
— 4S4 -
Außer dem geschilderten Göteverfahren werden auch andere,
iu das gerichtlicfae Ressort einschlagenden Oüschaflt- „ahne son-
dern Gerichtsproceß oder Recbtfertigung zwischen den rarlviun
erledigt", t^s sind solche Thatbestände, welche üoturiech, als»
keines Beweises bedürfen, bei welchen ein prozessuales Ver-
fahren mit Urteilsfindung flbcrtiüsaig, wo der Kichter ein-
&ch zu gebieten hat, daß das dem Itechte Entsprechend» ge-
schehe')- Der Herzog als oberster Richter oder sein St45U-
vertreter ist ebenso wie der Vitztuni befugt'), in solchen
Rechtssachen, wie zugestandnc Schuld^), notorische Frevel, De-
jektion, Besitzeinweisung u. dgl., ans onlentlicber Gewalt zu
schaffen. Einweisung in den Besitz des Nachlasses eines Ver-
storbenen durfte erst erfolgen nach vorausgegangenem Vorhör
und Erkenntnis der Sachen durch die Räte, da hier eine richl«r-
liehe Prüfung der Gültigkeit der letztwilligen VerRlgung er-
forderlich war*)- Diese NachlaUregulierung") war aber auch
nicht an prozessuale Formen geknüpft, sondern spielte sich
mehr als Verwultungsukt ab.
Die Kompetenz des Hofgerichts, zu deren Erörterung wir
ims nun wenden, war im wesentlichen nicht verschieden von
der früherer Jahrhunderte, nur daß sie jetzt, nachdem das Ilef-
komnicn gesetzlich fixiert worden, schärfer umschrieben ward.
riode jedenfklU nicbt baltbir, denn die IlO. ron 1616 gibt dorn Richter tat,
dem Beklagten de* KUgen Klage Tonub<ea, seina Antwort dknwif ts iwt-
Dehmen und dann ent den Gfltcvenuch einioJciitoa. Di djrie rein pn>-
lecsualan Akt« aber nnr in der Gericht«iittang, n «olehor die Parteien m-
geladen waren, lorgenommni wurden, eo waren die ächoffen In eoUIwr
Qerielil«Terhandlang oatOrlicb ancb lugogen, da wo lolcho Oberhaupt an der
Urteilafindong beteiligt waren.
]) Planck U. & 403 £ (Nach OchBiJcbem BMbt« konol« im lUttoU
alter der Kichter einlache Sehaldaaehen ohne Zuiiehung in UrtoUtfindor ab-
maehco.)
S) L. Fr. I a. a
3) Nub KeC Ldr, 1618 L TD a. 7 hat der entioftaaiiell* Bieht« mgtm
aoUber liquiden Schuld rordomogen Zahlnngtbefehl mit 14tlgiger Fiiat mp.
Itlgigei (wenn Kllger AuiUnder ivt) tu erluReo und
foUitrecknng darehinfahreD.
4) UFt. 1 a. a
B) In Saddrataddand wnrde dlcM «choa frfih von d«r Obrigkeit (a dt»
Hand gmonuuB. Vgl Stobbe, Handbuch de* dtatoehen PrJTatncliU V,
— 425 —
Hofgericht wurde aber nicht nur am Hofe des Herzogs ab-
gehalten, sondern in gleicher Weise auch in den Vitzturaämtern.
Es wird so nur die gerichtliche Thätigkeit von Hofrat und
Regierungen, wie sie, altem Herkommen gemäß, sich in be-
stimmten Zwischenräumen wiederholt, beibehalten.
Während diese Funktion von dem Vitztum und Räten
(Regierungen) kraft allgemeiner Delegation des Landesherm
ausgeübt wird, zeigt sich die der Institution zu Grunde liegende
Idee eines Gerichts des Landesherrn in einer gewissen Über-
ordnung des vom Herzog selbst bezw. seinen Hofräten abge-
haltenen Hofgerichts, indem die Prozesse aus den Regierungen
nicht nur hierher gezogen werden, sondern auch vom Vitztum
gen Hof gewiesen werden können. Es wird jetzt auch prinzi-
piell an dem Gedanken festgehalten, daß der Herzog als oberster
Richter allein oder mit seinen Räten fungiere ^). Fast regel-
mäßig wird der Herzog gewissermaßen als Präsident des Hof-
rats aufgeführt, so daß der Herzog und die Hofräte neben
dem Vitztum und dessen Räten begegnen, während in Wirklich-
keit auch vor Bestellung eines eignen Hofratspräsidenten
dies gewöhnlich nicht vorkam*), sondern die Hofratssitzungen
regelmäßig unter dem Vorsitze des Landhofmeisters statt-
fanden^). Der Herzog war keineswegs gesonnen, durch die
festere Organisierung sich in der Weise zu beschränken, daß
er nunmehr auf jede persönliche Ausübung seines obersten
Richteramts verzichtete, wie dies die verschiedenen Stellen dar-
thuu *), welche eine persönliche Teilnahme des Landesherrn an
1) z. B. L. Fr. I a. 6 : Ob aber beweglich ursach aino oder mer ver-
banden wären, dardarch wir vermainten ain sach selbe oder durch unser hof-
rätho ZUG hörn ... Es mOgen auch unser vitzdomb ain sach . . fQr uns
gen hof weisen; I a. 7 vor uns oder unserm vitzdomb; fdr uns und unser
hofrätho. Vgl. noch I a. 8, 12, 13, 14, 15; L.O. 1616 S. 19<> an unns und
iinnser Hofräte; S. 66 nach unnser und unnserer Bäte mäßiguog (L.O. 1553
B. VI t. 13 a. 1, t 14 a. 2); Ger.-0. 1520 t X a. 15: Apostel an den Landes-
fürsten oder seinen Vitztum oder Statthalter.
2) In andern Fällen, wo es sich auch um richterliche Funktionen handelt^
spricht dann auch L. Fr. wieder nur von den Hofräten, ohne den Herzog zu
erwähnen, z. B. I a. 9, 11; IV a. 22, 23, 24.
3) Ausnahmsweise ist auch von Hofmeister und Bäten die Bede, z. B.
L. Fr. I a. 13; IL a. 4.
4) Vgl. Anm. 1.
— 426 —
der Rechtspflege zum Ausdruck britigeii. Dieser Feriode blieb
der Begriff einer Kabinet^ustiz vollständig fremd.
Wie in früheren Perioden müssen wir auch jetzt bei
einer Eri^rtening der Kompetenz des Hofgerichts dessen Fank-
tionen als erstinstanzielles und als Appellationsgericht aua-
einandcrhalteD. In erster Richtung war das Hofgencht vor
allem, nie auch in den früheren Jahrhunderten, Spezialfnum
für alle gegen Prälaten and Adlige erhobenen persönlichen Ao-
sprQche '). Klagen um Grundstücke durften bei der Ausscblicfi-
lichkeit, welche das Altere deutsche Recht für die GeHcbt»-
gewalt des Richters Aber Gnind und Boden seines Bezirks in
Anspruch nahm'), nur bei dem Landgerichte des belegenen
Grundstücks erhoben werden.
Alle Luheusstreitigkeiten gehörten ebenfalls vor das Fonun
des Hofgerichts. Von den Lehensprozessen wurde unterschieden
die Verleihung von Lehen, welche nicht durch ein Gericht, Bon-
dem durch den Lehensprobst, später unter Mitwirkung der Hof-
kammer erfolgte *).
Daß der Gesch&ftsunifang des Hofgerichls ein sehr an»*
gedehnter war, erhellt, wenn man erwfigt, daß nicht nur privat-
rechtliche Streitigkeiten, sondern auch solche rein nffeotlicb-
rechtlicher Natur vor das Forum des Uofgerichti) gezogen wur-
den. Wo von 2 Parteien Ansprüche gegen einander erhoben
wurden, weiin auch bei denselben das öffenüichc und nicht du
private Interesse ausschlaggebend war*), hielt mau eine gericht-
liche Entscheidung fQr zulAssig, «eil die scharfe Scheidong
zwischen öffentlichem und Privatrecbt eben dieser Zeit noch
fremd war.
Düs Ilofgericht war femer zuslAndig zur Entschoiclung aller
Klagen gegen Beamte wegen jeder aus ihren Amtshandlungea
1) I. Fr. 1 ■. 7.
2) Vgl PUürk, Lohrb. d. Civaproi. I, & U.
8) Tgl. Hofratj-O, 1573: wu dann dl« «trittige lobttMaehen Mugf
■oUeD dienolbcn darrh uanoni hofVat gchandlt ond doconuart, aUdjum
Tnrlaihanjt anf niunt duunu riMnitUrt werdeti ond der leboobrobit lUrftin^g
(nr (ich (ollitt Hiebt« farnenunra.
4) So ituidfiii die Stidta Barghaiumi md WuMrbarg we|
StrutM nni dan Vomag (ä«Miian) atif dao LudKbkflitag«D Tor
|[«Ttcbt« IDT AiufQhnin^ iolchoo 8puiDM und Imng mit oüuuidpr
1610 (Kranaer X\'in, 8. 804).
— 427 —
resultierenden Schädigung^) der Unterthanen. Auch die Land-
sassen hatten sich vor dieser Instanz wegen Übertretung der
Vorschriften der Landesordnung, welche auch in den Hofmarken
zur Anwendung kommen sollte, zu verantworten *). Eine Ver-
urteilung hatte durch solche Räte, welche dem Kreise der Land-
leute und Adligen angehörten, zu erfolgen ^). Diese Privilegie-
rung, welche bei der Zusammensetzung des Gerichts eine
Rücksichtnahme auf den Stand der Räte forderte, enthielt eine
starke Durchbrechung des Prinzips der Behördenorganisation,
welche alle Räte als Mitglieder des Kollegiums als gleichwertig
betrachtete. Sie bildete aber eine Ausnahme, die in die weitere
Entwicklung des Behördenwesens nicht störend eingriflF.
Während die Kriminalgerichtsbarkeit bisher, sofern der
Angeklagte nicht etwa Edelmann gewesen, dem Hofgericht ent-
rückt war, mußte es sich jetzt, nachdem die Folter*) in das
gerichtliche Verfahren eingedrungen war ^), auch mit dieser be-
fassen. Es handelte sich nun darum, Vorsichtsmaßregeln anzu-
ordnen, welche den Mißbrauch dieses entsetzlichen Pressions-
niittels zur Herbeiführung eines Geständnisses zu verhindern
geeignet waren. Man wollte deshalb die Anwendung der Tortur
nicht einfach in das Ermessen*) eines jeden Landrichters stellen
1) L. Fr. I a. 12. Vgl. unten Staatedienerrecht Nach L. Fr. IV a. 22
hatte das Hofgericht auch den Betrag des Schadensersatzes festzasotzen,
welchen ein Beamter wegen Verletzung der L. Fr. zu leisten verpflichtet
war. Vgl. noch L. Fr. IV a. 23, 24.
2) Die Schuldigen hatten der klagenden Partei die Kosten zu ersetzen
(^nach unser und unsrer Rfite Mäßigung). Wiederholte dolose tJhertretung
derselben zog Verurteilung zu einer Geldstrafe nach sich, deren Ertrag nach
des Verbrechers Gefallen an eine Kirche oder an einen andern Ort um Gottes
Willen gegeben worden sollte (L.0. 1616 S. 65« t; L.0. 1563 B. VI t 14 a, 2).
3) ,,nach erkanntnuß unnseror Bäte, so lanndtleut und vom Adl sein*'.
4) Über das Auftauchen der Folter (im 14. Jahrhundert) namentlich im
Süden Deutschlands (Augsburg, Wien) vgl RLOning in y. Liszt und
V. L i 1 i 0 n t h a 1, Zeitschr. f. Strafrechtswiss. (1886) Bd. V, S. 216.
5) Schon die L.O. 1474 kennt sie (Krenner VII, S. 493). Über miß-
braucblicho Anwendung der Folter selbst gegen Edelleute beschwert sich
die Rittcrscbaft 1497 zu Landshut: so einer im Läugnen steht, fahren (sie
ihn"! an die Frage, und peinigen sie härtiglich wie einen Übelth&ter
(K renn er XIII, S. 30).
6) Die Rentmeister-Instruktion 1512 (K r e n n e r XVUI, S. 322) statuiert
schon dieses Verbot: Unsre ernstliche Meynung und Befehl ist auch, dafi
uDsrc Amtlonte keinen mit strenger Frage fUmehmen und gichtigen, noch
und verbot bei Vernieidung schwerer Strafe und Ungnado dl«
peinliclie Befragung cIdcs AngekliLgten obnc bcsondcm Befehl
des Hofgerichts ' ). Nur falls eiiic That so ofTeolich und ao-
widersprechlich vor Augen läge, so daß durch das gen Hof
Schicken der Thätor gewarnt oder eine andere, die Klarstellung
hcumivode Verzögerung zu bufürcbten war, konnte der Pfleger
oder Kictitcr sofort zur peinlichen Frage sclireiteu , hatte aber
UDverzOglich dem Uofgericbtc hierüber Bericht zu erstatten ■).
Das Geständnis, welches der peinlich Befragte abgelegt hatte,
wurde aufgezeichnet und gen Hof geechiclct
Eine das Gebiet der peinlichen Gerichtsbarkeit berUhreode
Thätigkeit hatten der Hufrat bezw. Vilztuui imd Kilte *) »eit
1512') in Bezug a^f VitztumwiUidel zu entfalten, indem Reut-
meister und Landachreiher die Hübe derselben nicht mehr au»
eigner Machtvollkominenbeit auf ihren L'mritten festSBtzea
durften, sondern die Abtildigung der Vttztuiuliäudel uur mit
Willen und Wissen dieses vorgesetzten Kollegiums ") und nach
dessen Mäßigung vornehmen durften*).
Auch zur Entscheidung von KompetenzkonflikteD ist das
Uofgeridit zuständig. W&in sich Zweifel erhöhen, ob ein De-
likt auf üiuer dem Landgericht oder der Uafuiarksöbrigkeit
einen n der Fi&ge fahcen noch dio fttrhalten, lio hftben <iaaD desiea roa
Un* oder nnHm obersten Amtleuten, die ea Macht hnbon, sondernn BsfvhL
E« wflrde dann ein ÜbelthSter an wslireT Tbat begriffen, oder dmfi K«nng>
lame, öffentliche und wiuentliche, anch recbtmlUge nnd wthrhnAo Urucbea
BBd Bewegun^a lot Augen irfixon, dadurch ein lolcher Ubeltblt«t der Notb-
dorft nach iollle oder mHite in der Eile, ehe die Sscben gen Sof «der na
nOMT Begiinont gebrach^ gefragt werden.
I] ohne nniom oder unBerer Hofrtta od«r nnnee Vititanu nnil RU*
beioDdero Befehl (kO. 1E16).
i) LO. 1516 S. 19> 1 LO. 1663 B. VI L 18 ■. 1. S; BeC Ui. 1618 L 19 ■. I
3) L Fr. 1 a. 16.
4) BenUneiiter-Initniktion 1618 (Krennor X\'ni. 8. 341)i LPk.
1608 und 1614 hatten dieeen I a. IE noch nicht aufgenommen i er findet ddl
ent in der ron 1516.
6) Siehe a 807.
9) Noch in andrer Beriehong wurden dieee Kollegien mit der Frag«
VitxtmnhAndoI bnfait, indem de den Wert de* gestohlenen Objekta «1
•cbUseo hatten, nach dem sich dio Qnalifiiicrung dei schweren DiehatsUt
richtete, der nor dann vorlag, wenn der Wert de« Osstohleoen 33 X Ra^
80 A Qherttiog. all Vititamhaodel betrachtet wurde. L Fr. 1 a. 16 2. UL
Vgl T. Ler eben fei d äSt6 Anm.
— 429 —
unterstellten Gemarkung begangen war und die vom Land-
und Hofmarksrichter vorgenommene Kundschaft (Augenschein-
einnahme) nicht zu einer Einigung geführt hatte, fiel die Ent-
scheidung der Kompetenzfrage dem Hofgerichte zu ^), das auch
über die Zuständigkeit bei Civilstreitigkeiten zu erkennen hatte,
falls dieselbe bestritten war.
Wie in der vorigen Periode war auch jetzt das Hofgericht
hauptsächlich Appellationsinstanz. Gegen alle Urteile der Stadt-,
Land- und Hofmarksgerichte *) ging der Rechtszug zum Hof-
gericht. Eine eingehende Reglung auf Grund des römischen und
des kanonischen Rechts erfuhr das Verfahren in Appellationen
durch die Gerichts-0. 1520 3), deren 10. Titel handelt „Von
Appellationen und wie die beschwärten von bey unnd ennt-
urteilln appellirn und dingen mögen, auch wie derhalben appostl
und urkhünt begert unnd geben unnd was zuvoUfürung der ap-
pcUation gethan werden soll".
Nachdem sich stets aufs neue der alte Mißbrauch wieder-
holte, daß sich die Parteien sofort an das Hofgericht wandten,
ohne vorher ihre zunächst vorgesetzte Gerichtsobrigkeit an-
gegangen zu haben, untersagte die L.O. 1516*) nochmals mit
aller Entschiedenheit solchen Unfug, der nicht nur für die Par-
teien zeitraubend und kostspielig war, sondern auch die Hof-
gerichte ungebührlich mit Arbeit überlastete. Sie schrieb vor,
daß den Parteien nur erlaubt sei, auf Grund eines vom Gerichte
erster Instanz gefällten Urteils, durch das sie sich beschwert
1) L. Fr. II a. 4.
2) L. Fr. II a. 3.
3) t X a. 1 enthält folgende Definition der Appellation: „Was Appellirn
scj. Appellirn (das man imm Fürstennthmnb Baim nennt dingen) ist ain be-
ratl\mg von dem unnttem Richter, fOr den obrem, die das erganngen ortejl
und den gorichtzzwang des unnttem Richters (Soverr sollich bemeffung
formlich beschicht) in me stellt, und fuerot dieselb sach zu erkanntnofi des
obrem Richters umb pesser gerechtigkait willen.**
4) S. 29°: das maniger erstmals und nnersnecht seines Pflegers, Richters,
Hofinarch oder anderer Gerichtzherren von einer schlechten, geringschfitzigen
oder gar ungegründten Sachen wegen an unnsem Fürstlichen hofe oder für
unnser Vitzdomb geloflcn und geclagt Daraofi dann nit allain desselbigen
Clagern in vil wego merckhlicher nncossten, mue und versäunmng, Sonnder
auch unns unnd unnsem Räten in anndem treflichcn und obligenden Sachen
zchanndlcn mermals große verhinderang enrolgt hat Vgl noch L.O. 1553
B. II t 1 a. 1.
erachteten, sich an das üofgenclit um Abänderung
zu weudou '). über das erstinstanztelle Urteil wfir eine Ur-
kunde (Unterricht) des untern Gerichts dem Hofgerichte vor-
zulegen bei Meidung der ZurQcliweisung der Klage oder der
Supplikation durch dasselbe, denn diese Bestimmung galt, ebenso
wie für Appellationen in Prozessen, auch für BescbwerdCD tD
VcrwäUungssHchen.
Diese Vorschrift erwies sich keineswegs als im Interesse
der Parteien gelegen, denn wenn der Appellant von seiner
nächstvorgeaetztcn Übrigkeit beschwert worden war, war es kein
leichtes Stück Arbeit, den erforderlichen „Unterricht" Überhaupt
zu erhalt«tn, und man kann sicli vorstellen, von welcher Art der-
selbe oft nar. Deshalb sollten nach der Rats- und Kanzlei-0.
von 153G*) solche Supplikationen von den hohem Instanzen
angenommen und nicht wegen des fehlenden Unterrichts an die
erste Instanz zurückverwiesen werden.
Dem Verbote der Umgebung des Untergerichts war so
wenig entsprochen worden, daß schon ein lierzogllchea
Mandat vom 17. April 1520 die Beobachtung dieser Vorschrift
der L.O. einschärfen mußte, um dem anleidlichen über-
1) LO. 1516 8. 80 : TenuniDct . . »inich parthej an lolbem «einet gt-
riehttobriii:kut fQniemeo, gctchift oder cnDUchid liierfibet bMcbwSrt m »tia,
AUdaiiD und nit ehe lol det be«ch«&rt«D partbe; eilaabt und ingeb«ii ari^
QDiu QDd naoser HofrlLte und in uniueni Vitidombainbb^ii nniueT Tltodomb
und lUte umb hüff mid gepQrlich bsnndianj;; laonaecbeo, dach tan MdnK
□brigkhait rorgejobler iMhcn, ain scbrifftlicb Biuaigeti oimil iuiDt«Triclit miU
bringBo. - Ähnlich LO. 1553 B. U t 1 a. L
3) Wiewol In uiueroT luidfordonng (rneter nud gnedi^or nuinimg ni-
gebuMD üt, dM iD nuem reten kain inppliMdon uigoDomeo werden aal^
der tappUcant bringe denn lavor »oin anpringen «dnor fai^eMtiten oberiolt
an, nnd Ton denelben antorricbt . , findet neb doch in gnoter erfanuig,
■Ollieh otdonng in ainon mifipraaib geiogm and dorn gnutioon uraiui n
in vU wege beichweiUch lein nüt und sonderlich »n ün «applkant vm
Miatm furgMettlnn ambtiiian odor oborkajt beirbwert wirdnt, iit wal sa
whtw^ wat nnterrkbt licb dat arm man ta b««orgen habe und ehe
tchadcD m gedulden, dann alte bin tud «ider lu laofen. bedenkt
abennaln der ann« man mer and hober od«r oae Mbnocb bcschnifTt i
mochte. Denuucb nnd an* andeni mer onacben wollen wir all der
(nnt gedadtte ordonng disor teit dii*t«Ueo and betrieben «och, daa Ir
rappUcacionei von d«m cJagenden annomen und nit «in bithor
hinter eich nmb unlArriebt widaen, tonder die (»Uicbait tob
— 431 —
laufen der Hofgerichte durch die Parteien entgegenzutreten^).
So wenig vermochten aber die wiederholten Verbote diesen
Ubelstand zu beseitigen, daß die Hofrats-0. 1573 ein solches
nochmals entschieden wiederholen mußte*). In zutreffender Weise
wird hier der Mißbrauch dahin erklärt, daß die unruhigen Leute
ihre nachgesetzten Obrigkeiten, bei denen sie besser bekannt
seien als beim Hofrate, scheuten. Da auch Pfleger und Richter
den Parteien unnötige Kosten verursachten, indem sie dieselben
3 oder 4 Mal um Bericht schreiben ließen und dann diesen
„schlechtlich genug" erstatteten, wurde angeordnet, daß künftig
denselben auferlegt werden solle, Bericht innerhalb 14 Tagen
zu erstatten. Verzögerten sie denselben ohne triftige Gründe,
so wurde der Saumselige auf eigne Kosten zum Hofgericht er-
fordert und außerdem noch wegen Ungehorsams bestraft.
In Bezug auf die von den Gerichten erster Instanz er-
gangenen Strafurteile, sie mögen auf Todes- oder Leibesstrafe
gelautet haben, stand dem Hofgericht ein Milderungsrecht zu.
Hier sollte nicht der Prozeß vor der höheren Instanz wieder-
holt werden, denn die Partei hatte nicht wie in Civilprozessen
das Rechtsmittel der Appellation, sondern das Hofgericht fun-
gierte hier gewissermaßen als Begnadigungsinstanz, die eine
Milderung der von dem Untergerichte erkannten Strafe anzu-
ordnen befugt war^), indem der Herzog ihr sein Hoheitsrecht
der Begnadigung zur Ausübung delegiert hatte.
Der Charakter dieser Kollegien als der den Untergerichten
übergeordneten verleiht diesen auch Befugnisse der Oberauf-
sicht, überträgt ihnen also Geschäfte der Justizverwaltung.
Sic hatten insbesondere auch die Unterthanen gegen Justiz-
1) Gleichzeitig wurde den UDtergcrichten auferlegt, mit ihrem Berichte
alle in der Sache ergangenen Beschlüsse an das Hofgericht einzusenden.
2) nachdem auch vil unrhuobiger leut unsere nachgesetzte obrigkaiten,
bei denen si etwas besser dann hie bekannt sind, scheuchen und mit supph-
cationen und clagen den ncchsten unersuecbt der nidergericbt bieber lauffen,
durch welches unsere ret auch vilmals lang und vergebenlicb aufgehalten,
sollen dieselben clcgcr den nechsten widerumb ab und an die nider obrigkait
gowisen worden.
3) Ref. Ldr. 1518 t 19 a. 6: So sollen dieselben pene des tods und
lejbstraff füran unns und unnsem B&tcn nach grOße unnd gelegenhait des
veri)rechenns zu mäßigen gepürn unnd zusteon.
— 432 —
venveigcruDg und -vcrzögeniDg seitens der Hofmarksherren zu
schützen. Wollten oder konnten diese auf Antrag einer Partei
kein Ho&narksgericht besetzen, so hatten sie den Rechtsstreit
unverzüglich an das zuständige Land- oder Hofgericht zur Ent-
scheidung zu überweisen. Zeigten sie sich hierin saumselig und
lässig, so hatte das Hofgericht das Landgericht, in dessen Sprengel
die Hof mark gelegen war, mit der Verbescheidung des Prozesses
zu beauftragen *).
In Verbindung mit der Kriminalrechtspflege steht anch das
Recht des Hofrats und der Regierungen zur Erteilung des Ge-
leits*) (salvus Conductus), also der polizeilichen Beschirmung')
der Reisenden auf den Straßen^) und der Landeshuld, der Be-
gnadigung der aus dem Lande entwichenen Verbrecher, woffir
eine bestimmte Gebühr zu entrichten war.
Mit diesen nicht dem Gebiet der Rechtspflege, sondern dem
der Justizvenvaltung angchörigen Aufgaben haben wir den
Wirkungskreis der Hofgerichte bereits verlassen und so den
Übergang zur Betrachtung des Wirkungskreises des Hofirats
und der Regierungen auf dem Gebiete der Verwaltung gewonnen.
Daß diese Behörden auch hier nicht nur in erster Instanz ent-
schieden, sondern als höhere Instanz fungierten, an welche sich
die Parteien, die sich durch Venivaltungsbeschlüsse der Pfleger
und Richter l)eschwert fühlten, wandten, um eine Abänderung
der erstinstanziellen Verfügung zu erlangen, wurde schon hervor-
gehol)en. Während sie aber als Appellationsinstanzen in Pro-
zessen (als Hofgericht) gebunden waren an die prozessualen
Schranken, konnten sie solche Verwaltungsbeschwerden frei er-
ledigen, ohne daß sie bei diesem Verfahren beengende Fonn-
vorschriften hätten beol)achteu müssen. Die Unterscheidung
tritt ganz deutlich hervor in der L.O. 1553 (B. II 1. 1 a. I), die
von ^Klag oder Beschwärung" spricht.
1) L. Fr. II a. 12.
2) Bruch dieses Geleits war als Vitztumhandel qualifiziert (L. Fr. I
a. 1(> Z. ü).
3) Vgl. Kockinger, Einleitung bezw. Register S. 308.
4) Verbrechern oder den eines Verbrechens Verdächtigen wurde Geleit
von und zum Verhöre erteilt LO. 1553 S. 91; L. Fr. (erst seit 1638) IV
a. 0. Vgl. auch Krenner VII, S. 377.
— 433 —
Die durch jede Behördenorganisation bedingte Selbst-
beschränkung des Herrschers blieb auch hier fortwirksam , in-
dem die Kollegien in der Regel Entscheidungsgewalt besaßen,
also selbständig die in ihr Ressort fallenden Geschäfte erledigen
konnten, ohne für ihre einzelnen Beschlüsse eine besondere Ge-
nehmigung des Herzogs erholen zu müssen, denn der Herzog
hatte die Mitglieder der Kollegien durch die Einrichtung der-
selben bezw. durch die Abgrenzung ihres Geschäftskreises ge-
nerell zur Erledigung von Geschäften bestimmter Art in seinem
Namen bevollmächtigt^ ). Gewisse Kategorien von Geschäften blie-
l)cn aber nach wie vor der definitiven Entscheidung des Landesherm
vorbehalten, während die Behörden in Bezug auf diese sich nur
gutachtlich zu äußern hatten, d. s. alle die wesentlichen Hoheits-
rechte und das Kammergut berührenden Angelegenheiten, so-
wie alle diejenigen, über welche der Herzog bereits früher An-
ordnXing erlassen hatte — was unnser aigen guet oder mercklich
unnser obrigkait antrifft, oder darjnnen wir vorhin selbs ge-
schaßt betten". Also mit den Worten der L.O. 1501*) —
denn auch der übrige Teil der Stelle ist gleichlautend — sanktio-
niert die L.O. 1516^) und 1553*) den alten Zustand.
Die Kompetenz des Hofrats und der Regierungen war im
wesentlichen gegen früher unverändert. Haben wir auch ver-
sucht, die einzelnen, diesen Stellen als Gerichten obliegenden
jurisdiktioneilen Funktionen zu erörtern, so muß doch der Ver-
such aufgegeben werden, eine Übersicht über den ihnen auf dem
Tiebiete der Verwaltung zugewiesenen Wirkungskreis zu liefern.
Alle Gegenstände der gesamten äußern und innem Verwaltung
sind ihnen zur Behandlung überwiesen, soweit diese nicht be-
sondern Verwaltungsbehörden übertragen waren. Sie waren wie
1) In Brandenburg hatten die Ordnungen der neuroärkiscben Earomer-
nnd Hof^'erichtsräte und Kanzlei und die Ordnung der RÄte des Kammer-
Berichts von 1561 und 1562 die Scheidung so durchgeführt, dafi in landes-
horrlichen und Amtssachen Kanzler und Räte nie selbst zu befehlen, sondern
stets die Weisung des Kurfürsten einzuholen hätten. Die minderwichtigen
sollten die Hofräte selbst erledigen und nur die wichtigen an den Kurf&rsten
übermitteln ( S t ö 1 z e 1 , Brandenburg I, S. 215 f.).
2> Vgl. S. 264 f.
3) S. 30O.
4) B. U 1. 1 a. 5 und 6.
RuMcnthal, Geschichte d GerichUw. u. d. Verw.-Orf. Baiernt. I. 28
— 434 —
heute die Kreisrogierungen ' ) die allgemeinen Verwaltungsstellen
der ReDtamtsliczirke, hatten nur noch eiiie grAÜere Bedeutang,
da sie überdies noch die heute auf die Oherlondesgerichtc aber-
tragene Kompetenz besaßen. Hier tritt aber auch der Cbarakter
des Hofrata als einer den Regierungen vorgesetzten Centnüstelle
hervor. Denn der Hofrat ist eben, solange die Übrigen Ceotral-
behörden mit sachlich geschiedenem Wirkungskreise noch nicht
aus seinem Schöße hervorgegangen sind, das Ministerium, d. h.
alle staatlichen Aufgaben wurden von dieser einen St«Uo er-
ledigt, soweit sie notwendig einheitlich fUr das ganze Herzog-
tum von Einem Punkte aus zu behandeln') waren; daneben
waren dann freilich von derselben Behörde die auf das Hent-
amt München bezüglichen Verwaltungi^eschäfte zu verrichten.
Die 3 Vitztumäniter sind also Gerichte un<l besonders die
Vollzugsorgane des Hofrats und der neu errichteten Obrigen
Centralbehördüii ^r alle diejenigen Teile der Staatsverwaltung
und innem öffentlichen Angel^enheiten, welche zu dem Ge-
schäftskreise" ') derselben gehören. Die Mannigfaltigkeit der
Aufgaben bietet ein ebenso buntes Bild, wie der die verschieilen-
artigsten Sparten umfassende Geschäftskrei» der jelzigeu Kam-
mern des Innem der Kreisregierungen*). So wurden sie, um sor
weniges aus der Fülle hervorzuheben , gutachtlich gehört bei
l^slatortschen Arbeiten, um die Erfahrungen und UedOrfnisee
ihres Bezirks zur Geltung zu bringen ^). Von vülkerreditlichen
nrkrtigm PaBÜk,
1) Vgl. se^d^i I. 8. 2^; n, s. 3oa
2) I. & OescitigebuDga&rb«it«n. Angelagenbeiten der
der Eirehenpolitik.
3) Terordnaog Ober itie Fonnatioo der
(Befdel U, 8. Sf«).
4) Über dieM tgL die AubUÜQiig bei Poil, Terf. S. 93 IT.
6) AU I. B. 1630 »ine Beri&OD der LO. 1616 erfordorUeh wnrd», «w
ngtcD dio Herzoge, dftft der too den IfODchnor Terotdn«t«n iUt«a
Botworf in die 3 Vititimiiiiit« gMchicIct werden loll, dunlt ,iie i
Ort iiiMDderheit d«Tor bodenkeD, erfkbren und erwegea, ww
I^odtwut Oel^eoheit duin leidoolieb uid unehmlich ttieh n
Bünden od« in bewera ttch Uire« VenneioeBi tUgea welle*'. Di
die MOBebaer BUe, «eiche den enteo Vetpitl gemkcht babon,
der S Orte pen4olioh mit den dortlgi?n lUten nUi-hUgea oad
aadcm eebiM OstbedOakeas erlnaan, dunit hl«rabcr nla f&nregl
■eUoi deeto bU gemacht werden mag (B. i. — Bajr. Ludr. S. 11^
— 435 —
Angelegenheiten war ihnen namentlich die Aufsicht über die
Grenzen, die Wahrnehmung der landesfürstlichen Hoheitsrechte
gegen die Ansprüche der anstoßenden Länder übertragen ^ ).
In den Grenzbezirken war seitens der Regierungen sorgsam auf
alle verdächtigen Vorgänge in den benachbarten Ländern zu
achten und bedrohliche Wahrnehmungen sofort an den Herzog
zu melden ^). Ebenso hatten sie auch den Unterthanen, welche
auswandern wollten, Auswanderungserlaubnisbriefe zu erteilen.
Auf dem Gebiete der Sicherheitspolizei werden Maßregeln
zum Schutze der Bevölkerung gegen die die Ordnung und
Rechtssicherheit bedrohenden Verbrecher, insbesondere gemein-
schaftliche Streifen aus mehreren benachbarten Pflegen organi-
siert und die Durchführung der entsprechenden Anordnungen
durch die äußern Beamten überwacht.
Die Regierungen fungierten sodann nach Errichtung des
geistlichen Rats in Unterordnung unter diese Centralstelle
und als Vollzugsbehörde derselben, als Organe des landesherr-
lichen Kirchenregiments. Posseßbriefe wurden von Regierungen
erteilt, Anordnungen der Wahlen von Äbten mit diesen verein-
bart*). Damit in Verbindung standen weitgehende Aufsichtsbefug-
nisse, welche die Regierungen bezüglich der Verwaltung der
Kirchenämter wahrzunehmen hatten, Befugnisse, die bis zur
Anitsentsetzung wegen ungeistlichen Lebens gingen und die Geist-
lichen zur Erfüllung kirchlicher Pflichten anhielten. An der
Visitation des Klerus hatte die Regierung mitzuwirken, um dem
geistlichen Visitator durch ßeigesellung eines aus ihrer Mitte
den weltlichen Arm zur Verfügung zu stellen*).
1) Sie Bollten ihr Augenmerk darauf richteD, da£ nichts den Landesherm
entzogen und seitens der äußern Amter seinen Befugnissen nichts vergeben
werde (Entwurf einer Hofrats-0., wahrscheinlich nach 1691 — H. A. — lit 1
n. 2).
2) z. B. Landtag 1514 S. 663 flf.
3) Mandat 1533.
4) Vgl. R Mayer, Eircbenhobeitsrechte S. 59 t
5) Als z. B. 1593 der Bischof von Eicbstädt eine visitationem generalem
olcri anstellen wollte, erhielt der Yitztum den Befehl, eine weltliche Person
aus der Mitte der Regierung abzuordnen, welcher auf der geistlichen Visi-
tatoren Ersuchen die weltlichen Personen examiniere und den Yisitatoren,
was die Notdurft erfordere, communiciere , auch sonst alle gute Hfllfe und
Beistand leiste (RA. — Decrete Bd. IV).
28*
lo der Abwehr dos Protestatitisnius inuBt£ii die Regia
ebenfalls niitwirktüi \m der Vollzicbuug der zum Schutze (
alten Kirche getroffenen Anordnungen,' z. B. Übcrwachuug der
bei secti&cben Uutcrthauen sich aufhaltenden bairisclien Uuter-
thanen, Abstellung des Aulierlandlaufens der Unterthanen zqid
Gottesdienste ' ). Die Re^erungen hatten dem Herzog statisti-
schen Itericht zu erstatten über die Zahl der Konimutiikatileii,
diu entweder sub uua oder sub utraque spiicie comiDunickrt
oder die Koiumunion gar eingestellt hätten').
In das Itessort der Regieningen fiel auch die tlberwacbtmg
der rtuchftlhrer, welchen sie die Konzession zum Verkauf tmd
öffentlichen Feilhalten bestimmter Bücher zu erteilen hatten *).
Diese Zensur bildete ein Glied in der großen Reihe ktrclicn-
politischer Maßnahmen, zu it'elchen die gegenreformatorisclie
Bewegung die Staatsgewalt veranlaßte.
Auf dem Gebiete der Wirtschaftspolitik wurde die Mit-
arbeit dieser Behörden ebenfalls stark in Anspruch genommea,
wenn auch diese staatliche Wirtschaftspflcge zum großen TeDe
der Ilofkammer*) nach ihrer Organisation zufiel. So sontco,
um nur einige Beispiele hier anzuführen, die Regierungen dar-
auf bedacht sein und sich bemühen'^), wie und durch welche
Mittel mehrere Gewerh und Handüerungen ins Land zu bringeB
und anzurichten.
Fragen, welche die Reglung konkreter VerhiÜtDisse betrafen,
wechselten in bunter Reihenfolge mit solchen, welche allgemeiiie
Maßnahmen von tiefgreifender Bedeutung für das Staatslebeo
berührten, in den Verhandlungen des Hofrats und der Itegie-
niugen ab. Nichts, was das weite Feld der Staatsverwalttnig
berührte, war dem Wirkungskreise dieser Behörden critrOcIcL
Der Ilofrat als das Haupt aller Re^iniente führte die Auf-
sicht Qljer diese, während dienen wieder alle äußern Beamten
I) DisM tlto Anordnong wird mit dem w^bd der r«rflltanrbcluii Itaikttll
and BScbt ettMaencD der LuidilrateT Begierang b Eriiuionmg ([iliiiiM
(Klnckliahii, Di« Jenit«n b Buern. in Syber« Hlrtsr. ZcdttdK [1974]
Bd. Sl. S. 358 t).
i) &.A. — DMKte Albncbu V.
S) 1. B. Col Bat. tSSt
i) Die Bcffienrngen wkraa VoUingMTKuw aach dii-Hir BehOrdRB.
Q iHtnhtlon Ar dl« BectunrU» 1692.
— 437 —
ihres Sprcngels untergeordnet waren. Als die Landstände be-
antragten (1593), zu einer Visitation der Regierungen einige
Deputierte aus ihrer Mitte verordnen zu dürfen, schlug der
Herzog diesen Antrag rundweg ab, obwohl die Laudstände selbst
erklärt hatten, daß sie damit keinen Eingriff in die fürstliche
Souveränität anstrebten, nicht daß sie dadurch einer Visitation,
als welche allein ihro f. Durchlaucht als regierenden Landes-
fürsten gebührt^), begehren, sondern damit nur die erfahrenen
Laudstände die meisten Beschwerden anzeigen könnten. Sie
wünschten diese Zuziehung also nur aus Zweckmäßigkeits-
gründen, aber der Herzog verspürte keine Lust, eine solche
ständische Einmischung in seine Amtshoheit zu begünstigen,
die nur das Verlangen nach weiteren Übergriffen in die Sphäre
der landesherrlichen Gewalt hervorgerufen haben würde.
Die Aufsichtsbefugnis der Regierungen forderte eine dauernde
Überwachung des Geschäftsganges und der Verwaltungsthätig-
keit der untergeordneten Amter. Eine stete Kontrolle der Amts-
führung wurde durch die jährUchen Inspektionen der Rentmeister
gehandhabt, auf Grund deren dann die allgemeinen und speziellen
Anordnungen der wahrgenommenen Gebrechen und Mängel zur
Al)stellung derselben an die Ämter ergingen.
\\ enn wir uns nun zur 2. Periode der Geschichte des Hof-
rats wenden, welche mit dem Regierungsantritte Albrechts V.
beginnt, so weist auch nach den umfassenden Organisationen
dieses Herrschers das Bild der Kompetenz der 3 Regierungen
keine Veränderung auf, das des Hofrats nur wenige durch die
Errichtung anderer Centralbehörden, die dem Hofrat einen Teil
stnner Funktionen entzogen haben, bedingte*).
So folgenreich die organisatorische Thätigkeit Alb rechts V.
und seines Nachfolgers im allgemeinen auch gewesen ist, für die
Einrichtung des Hofrats und der Regierungen, die er durch
nielirere Instruktionen ins Werk setzte'), war sie nicht von
1) Kr. A. M — Landtagsverhandlungen (Manuskript).
2) Darum konnte auch in der vorhergehenden Darstellung der Kom-
petenz ^'leich dieser Zeitraum mit eingeschlossen werden.
3) Von Albrecht V. und Wühelm V. worden erlassen Hofratsordnungen
1551 , 1573 und 1580; 1551 (17. April, Kopie in Kr. A. M. — Rep. 15, 30
Fase. 1). Mit der Hofratsordnung stimmen fast wörtlich überein die In-
i^truktioueu für die Regierungen, z. B. Ratsordnung 1551, 2 Mai, für Regiment
— 438 —
jener grundlegenden Bedeutung, wie für die anderen Central-
stellen, denen diese schöpferische Thätigkeit erst das Dasem
verlieh. Beim Hofrat und den Regierungen handelt es sich
nicht um die Zuweisung neuer staatlicher Aufgaben, am Er-
weiterung der Zuständigkeit, nicht um die Zuführung frischer
Kräfte, sondern um ein strafferes Zusammenfassen der vorhan-
denen Elemente, um eine energischere Ausbildung der koll^alen
Verfassung und um eine zweckentsprechendere Reglung des
Geschäftsgangs.
Jetzt war, nachdem schon 1520 durch den Erlaß einer
Gerichtsordnung das Prozeßrecht und zum Teile auch die Gerichts-
verfassung einheitlich geregelt worden waren, durch überein-
stimmende Instruktionen auch die Verfassung der höheren Ge-
richts- und Verwaltungsbehörden gleichmäßig weiter ausgebaut
und auf eine feste einheitliche Grundlage gestellt worden. Die
Organisation stellt sich also im wesentlichen dar als eine Fort-
bildung vorhandener Einrichtungen.
Wie der Schwerpunkt der Thätigkeit des Hofrats mehr
nach der gerichtlichen Seite als nach der der Verwaltung lag,
so wurde die Reorganisation Albrechts V. auch veranlaßt durch
die Wahrnehmung einer merklichen Zunahme der Prozesse,
welche eine erhöhte Inanspruchnahme der Thätigkeit dieser Be-
hörden zur Folge hatte. In allen Instruktionen Albrechts V.
tritt der Gedanke an die Spitze, daß es eine der vornehmsten
Pflichten seines ihm von Gott verliehenen Herrscheramtes sei,
für eine gute Justiz zu sorgen V) und alle Veranstaltungen zu
Straubing. — Hofrats -0. 1573». 13. Juli, Org. R. A. — Jurtixverf F«8C 1
(übcreiDstimmend BcgimcDts-0. Straubing 1575, 24. Februar — Er. A. Landi-
hut — Ci\il-Actcn Fase. 468 n. 24'). Hofrats-O. 1580, 13. Dexember, ab-
gedruckt bei Mayer, Generalien - Sammlung VI, S. 1 ff. Entwurf dner
Verbesserung der Hofrats-O. 1590 (Kr. A M.).
1) Eingang der Ordnungen von 1551: Wir baben bis anher die knrzrer*
scbinen zeit unserer fürstlichen regierung vermerkt und in gewisaer erfanu^
das villeicht aus sonder verbenknus Gottes und der schweren jarlenff halb
in unserm fQrstenthumb zwischen unsern landsessen, auch inwonem and aut«
lendem, die darein und daraus w ehern und handien vil mehr imugen, iwi-
trachten , clagen und boschwerungen , dann vor ettlichcn jam bescbeen ift^
entsteen, daraus dann ervolgt, das in unsern rentambton bei den Terord-
neten rogimenten und sonderlich allhie da unser hofbaltung ist die tl^
liehen supplicationen , auch guetlich und rechtlich verhören und handlongeii
— 439 —
treffen — „Fürsehung zu thun, damit in unserm Fürstentum
niilniglich Reichen und Armen Rechtens und der Billigkeit un-
verzogenlich verhelfen, auch ein Jeder bei Fried und Recht be-
schützt und gehandhabt werde".
Das Ziel einer schleunigen, allen Bedürfnissen der Recht-
suchenden entsprechenden Justiz wollte der Herzog durch seine
Organisation vornehmlich erreichen, und ihm strebten eine Reihe
von Vorschriften zu. Um das vorgesteckte Ziel zu erreichen,
bedurfte es neben allgemeinen ') Ordnungsvorschriften vor allem
sicli vast mcrcD und häuffcn. Dieweil uns dann unsers von Gott bevolchnen
anibts halben zucsteet und hoch eingepunden ist sovil uns müglich vleifiige
und guote fürsehung zuthun . . . Eingang dor Hofrats-O. von 1573: Wiewol
wir gleich im antrit unserer landsfurstlichen regierung nit allein von Gott
oinpfangcnen bcvclchs und unsers obligenden ambts halben, sonder auch aus
der vaterlichen zuenaigung, die wir gegen unsem lieben und getreuen under-
thonen aller stcndc unserer furstenthumben und landen tragen allerlei heil-
samer Ordnungen, bcvolch, mandaten, wie es sonderlich bei unserm hiesigen
hofi^cricht und rat als dem haubt aller anderer unserer regimenten und der
gemaiiien zueflucht armer und reicher, so unsere furstonthumb und lande
mit steter inwhonung oder aber sonsten mit wehem und geworben, . . in
haiulliabung der Justitien und ertailung rechtens und aller billicheit gehalten
werden solle, mit statlichem rate, bedenken und guetachten unserer fur-
iiembsten rcte begreiifon und ins werch richten lassen, dadurch wir guets
getrauen und hofTnung gehabt jeder meniglich des seinigen, was ime von
recht und gebur zucsteet gleichmeßig und schieinig zu verhelfen, unser fürst-
lich erb, land und loute bei wolhergebrachtom lob der gueten Justitien auch
seligen friden, rhuc und aufnemen zu erhalten und also unserm christlichen
gewissen gegen Gott dem allmechtigcn ain schuldig genuegen zu thun, so
befinden wir doch anitz im werch, das von wegen der unrhuebigen wider-
wertigen leuf und zelten , so etliche jar her sich im reich teutscher nation
sowol als anderer ort erregt haben und eingerissen sein, darinnen sich sowol
der inlendischcn und landseßcn als firembder und auslender irrungen, zwi-
trachten, clag und beschwer, hcndl tcglich je lenger je mer allerlei Unord-
nung gehäuft und allerlai nachlessigkait bei unserm hofrat eingerissen ist» ain
sondere notdurft sein vil gcdachts unsers hofrats Ordnung in etlichen puncten
7u boücrn, zu erleutorn und auch nach glegenhait der zeit verendem, damit
das, so teglicli darin schriftlich und mündlich goclagt, furgebracht wirdet,
unverzüglich und fürderlich erlediget und bei dem allem gleiche guete bil-
li« hoit, Ordnung, bedechtlicheit, vleis und ernst gebraucht werde. Vgl noch
pjiigang der Hofrats-O. 1580.
1) z. B. Festsetzung der Sitzungsstunden, im Sommer (von Georgi bis
Michaeli' von (J Uhr, im Winter von 7 ühr an mindestens 3 Stunden. Er-
forderlichen Falls sind auch nachmittags Sitzungen zu halten, in welchen
namentlich die unerledigten geringschätzigen Sachen zu behandeln sind.
— 440 —
einer tüchtigen Leitung der Kollegien, welche ersteren die Voll-
ziehung sicherte.
Anfangs war nun der Landhofmeister als der erste Beamte
am Hofe mit dem Vorsitze betraut, wälirend in den Begierungen
der Vitztum^) das Präsidium führte Man machte bald die
Erfahrung, daß der Landhofmeister bei seinen vielen Obli^en-
heiten nicht regelmäßig seine Präsidialfunktionen versehen konnte.
Deshalb erscheint seit 1573 ein eigner Hofratspräsident*) auf
der Bildfläche.
Seines Amtes ist es, über die sorgsame Beobachtung der
Instruktionen zu wachen, Mißbräuche abzustellen, die Bäte za
fleißigem, regelmäßigem Besuch der Sitzungen, eventuell durch
Disziplinarstrafen, anzuhalten'), sowie für eine unverzügliche,
auf eine wohlbedächtige Beratschlagung gestützte Erledigung
der Prozesse zu sorgen *).
1) In Barghausen fQhrte dieser den Titel Hauptmann.
2) Die Hofrats-O. 1573 Epricht noch vom Landhofmeister oder dem tob
Uns verordneten und nachgesetzten Verwalter und Hatspräsidenten, wflhrend
1580 nur von dem Hofratspräsidenten als dem Haupte in unsemi Hofrat die
Rede ist — Als erster Hofratsprasident erscheint Dr. Wig. Hund» 1584
Freiherr zu Frauenhofen, 1587 Ad. Vetter von der Gilgen (t 1595).
3) Hüfrats-0. 1573: und nachdem an deme, wie unsere rete alle ta^
vleiüig zusamen khomen und der furfallenden Sachen erörtcrung >^ueteii an»
fang machen vil gelegen ist, so wellen wir sonderb'ch, das jetziger and
künftige unsere landhofmaister oder deren von uns verordnete und nach-
gesetzte Verwalter und ratspresidenten oder in irem ahwesen deijenig, bo wir
an ir stat suhstituircn werden, mit ernst daroh halten, damit si den rat
vleiüig hesuechen und wo nit all, doch mer tail und nie under 6 oder 7 zum
minsten heisamen seion, auch die ungehorsamen und nachlessigen ires nnfleia
halhen zu rod stellen und strafen, auch uns dieselben bei iren pHichten an-
melden und zu erkennen geben, die notdurft gegen inen furzuuemen. —
Kein Rat durfte ohne Entschuldigung bezw. ohne Genehmigung dos Prin-
deuten den Sitzungen fem bleiben. Diese sollte nicht allzu nachsichtig;
sondern nie ohne sondere ahnsehüliche Ursachen und Leibesschwachheit e^
teilt werdeiL
4) Er hat die Abstininiungon zu leiten und mit seiner Autoritfit daflir
einzutreten, ,.daß Jeder auf die Umfrage wohl merke, sein Gutbeddnken mit
der Kürze und verstfindiglich anzeige, auch andere vergebenliche zu der Sachen
undienstliclio Reden unterla^^se, damit die Zeit des Rats nit unuQtzlIch hin-
gebracht werde ; er soll aucli in der Umfrage auf die Stimmen wohl merken»
damit er wissen konnte, was der Mehreren Ratsbeschluß und ob derselbe
dermaßen geschuifen sei, daß der Sachen Gelegenheit und Notdurft erfordere
— 441 —
Die liedeutUDg eines stramm durchgreifenden Präsidiums
für die Leistungen des Kollegiums würdigt namentlich die Hof-
rats-O. löTo, welche dem Präsidenten ans Herz legt, an seiner
Person nichts mangeln zu lassen, sich im Rate fleißig und ohne
Att'ection zu verhalten, sich nicht zu leise, noch zu häbig zu
erzeigen, sondern stets mit entschiedenem Nachdrucke seines
Amtes zu walten, dieweil von seinem als des Hauptes Vor-
gang, gutem Exempel, Fleiß und Ernst die rechte Vollziehung
abhänge. .
Leider scheinen die Präsidenten nicht mit der von ihnen
erwarteten Energie ihres Amtes gewaltet zu haben, denn sonst
wären die andauernden Klagen darüber unverständlich, daß so-
wohl die hohen und niedern Offiziere, welche dem Hofrat in-
cori)oricrt und daselbst ihren Ilatseid geschworen, als die Räte,
so allein da/u bestellt, den Hofrat unfleißig besuchten. So
schlecht war es mit der Erfüllung der Ratspflichten bestellt,
daß Wilhelm V. 1586 M behaupten konnte, daß von den ge-
dachten Offizieren schier keiner oder doch gar selten darein
komme, welches dem fürstlichen consistorio verkleinerlich, der
Justitia abbrüchig, ihr. f. Gn. bei dero Landschaft nachredlich
und (leshalb unleidlich wäre. Um sich zu überzeugen, ob seiner
wiederholten Einschärfung eines regelmäßigen Ratsbesuchs ent-
sprochen würde, ordnete er an, daß ihm allwöchentlich ein Ver-
zeichnis der an jedem Tage anwesenden und ausbleibenden Räte
eingereicht werde-). Um aber den einzelnen Räten die Be-
noch (Miiinal uinzufra^^cn, oder ob es billig bei der ersten Umfrage und darauf
erfolirton Kat^boschlusse gelassen werde, wie dann zur Fürdorung der
Sachen desto iioiüif,'er aufgemerkt und soviel möglich verhütet werden
soll, (lau ohne sondere gut notwendige Ursachen nit öfter dann ein-
mal uni<rol'ra<,'t werde, angesehen daü viel Zeit vergebenlich dadurch ver-
schwendet werde". Hofrats-0. 1551 und in den folgenden wiederholt Die
von ir)73 schärft dem Präsidenten noch ein, dafür zu sorgen, daß nicht
nur die oben Sitzenden allein in ihren votis disputieren, die andern unten
aber niclit «.'ehört werden und auf die parteiischen Vota sein Augenmerk
richten.
1) 24. Mai (R. A. - Decrote Bd, III).
2) I)aü auch sonst die Strammheit des Präsidiums viel zu wünschen
ubri«,' lieü, ersehen wir aus manchen herzoglichen Erlassen. So rügt Wil-
helm V. ir).S2, daß ilim über einige dem Hofrate zur Beratung überwiesene
Sachen noch keine Relation geschehen. So Uns dann, sagt der Herzog, aus
— 442 —
sorguiig ihrer eignen Angelegenheiten — nachdem . . je aines not-
durft in sein Sachen auch fursehung ervordem möchte — zo
ermöglichen, wurde ihnen ein jährlicher Urlaub von 6 Wochen
zugestanden, der nicht auf einmal beansprucht werden
durfte 0.
Eine hervorragende Stellung im Rate nimmt nächst dem
Präsidenten der Kanzler ein, der als juristisch geschulter
Beamter auf die materiellen Entscheidungen tiefgreifenden Ein-
fluß ausül)te, wärend dem Präsidenten mehr die formefle
Leitung der Beratungen zustand. Neben seiner Thätigkeit im
Kollegium, wo er Sitz und Stimme wie die übrigen Räte führte,
hatte der Kanzler als Vorstand der Kanzlei die richtige Kon-
zipierung der Ratsbeschlüsse und deren Ausfertigung durch die
Kanzlei zu übenvachen. Dieweil unser Kanzler das Herz nnsres
Hofrats, auch aller erkannten und beschlossenen Justitien Mond
und Director, deshalb, sagt die Ordnung von 1573, sei seine
persönliche Anwesenheit sowohl bei der Kanzlei als im Rat hoch
vonnöten. Ilira liegt ob die Überwachung der strikten Befol-
gung der Vorschriften der Kanzlei-Ordnung, sowie deren Er-
läuterung und periodische Verl)esserung, damit alle Rats- und
Hofgericlitssiichen jeder Zeit zu schleuniger Ausrichtung gefor-
dert würden. Da aber der Kanzler durch des Herzogs Privat-
und (Jeheimsachcn vielfach in Anspruch genommen war *), so
daß ihm wenig Zeit für die Rats- und Kanzleihandlungen und
-expeditionen übrig blieb, wurde 1569^) ein Vicekanzler beim
dem Vorzüge Dicht geringe Verkleinerung, sondern auch Schaden erfolgt^ hittn
wir Uns eines nichrem Fleißes nnd Gehorsams hei Unserm Hofratsprftrideiitai
und Räten versehen (RA— Decrete Bd. III).
1) Hofrats -0. 1573 — doch das solches zu der zeit geschehe, das er
in unserm dienst nichts zu versäumen hah und das er aas der itek
nit verraise, er hah denn dessen von uns/ unserm landhofmcifter oder
hofratspresidenten lautere orlauhnus und schriftliche urkund film-
hringen , und welcher üher erlaubte zeit wurde aushleihen, dem solle eol^
zeit an seiner bsoldung pro rata abgezogen und hirinnen kainea veraclMMl
werden.
2) Da Wir solcher merklicher Sachen und Geschäft halber, die nnerar
Person und bei diesen sorglichen und gefahrlichen Läufen je länger je melir
aufwachsen, des jetzigen Kanzlers Dr. S. Eck soviel nicht entbehren kOi
(Hofrats-0. 1573).
3) Kanzlei-0 1569.
— 443 —
Hofrat l)estellt, welcher statt seiner in Rat und Kanzlei zu
fungieren oder auch den Kanzler bei diesen Verrichtungen zu
unterstützen hatte. Der Kanzler nahm den Titel Hofkanzler ^)
und seit 1586 den eines obersten Hofkanzlers an. Bei jeder
Regierung war dann ebenfalls ein Kanzler bestellt, welcher die
Rats- und Kanzleigeschäfte analog denen des Hofratskanzlers
zu besorgen hatte.
In der weiteren Besetzung des Hofrats und der Regierungen
wurden durch die Reorganisation unter Herzog Albrecht keine
merklichen Veränderungen herbeigeführt. Im Hofrat saßen nach
wie vor außer den vorgenannten Spitzen die Inhaber der höch-
sten Hofchargen („die höheren Officiere"), der Marschall, der
Küchen-, Jager-, Stall-, Zeugmeister, die Hofmeister der Herzogin
und der Prinzen ^).
Ferner erscheinen auch Rentmeister und Rastner von
München als Mitglieder des Kollegiums, also eine ganze Reihe
von Räten, welche den Ratsdienst nur nebenamtlich versehen.
Dazu kommen dann noch eine Reihe von adligen und gelehrten
Hofräten, die sich ausschließlich den Hofratsgeschäften zu wid-
men Imben. Die Zahl der Mitglieder^) des Hofrats beläuft sich
1) Der Vizekanzler wurde dann gleichzeitig Hofkanzler.
2) In Bezug auf diejenigen, so Ämter haben und dem Rat ordinarie nit
auswarton können, wurde häufig eingeschärft, daß sie den Rat so oft und viel
doß ihre Amtsgeschäfte erleiden mögen, besuchen „und wiowol . . ettlich unsere
rote mit andern iren ambtssachen und diensten zu thun haben, das si unsem
liofrat nit teglichs oder stotigs wie andere besuechon mOgoo, so ist doch
unser bevelch und mainung, wann si mit solchen iren ambts- und dienst-
gescheft nit sonder zethun haben, das sie dieselbig mueüig zeit und sonder-
lich, do sie dieselben ire ambts- und dienstgescheft nachmittag wol ausrichten
mögen, solche dahin aufschieben und des morgens vor mittag in allwege
auch in den rat gcen und' sich nichts dann allein irer ämbter und diensto
notdürftige unverzügliche ausrichtung daran verhindern lassen" (Hofrats-O.
1573).
3) In dorn Gutachten über die Aufstellung des Hofstaats wegen Er^
zielung von Ersparnissen 1573 hielt man dafür, daß im Hofrat 8 Personen
auf der Kitterbank, die dem Rat continuo abwarteten, und 8 auf der Ge-
Iplirtcnbank genug waren, doch sollten in diese nicht gerechnet werden die
hohen Offiziere und diejenigen, die der Herzog mit über Land nimmt, wie
der Marschall, Hofmeister der Herzogin, Hofmeister Herzog Ferdinands,
Jäger-, Küchenmeister, Reiterhauptmann, Stall-, Zahlmeister, Kastner und Groß-
zollner; diese, welche mit ihren Diensten übergenug zu thun haben, können den
— 444 —
auf ungefähr 16 — 27, darunter 8 — 11 Gelehrte*)- In den Hof-
zahlaiutsrechnungen werden seit 1567 ;,die gelehrten Herren
Itäte'^ mit dem Kanzler an der Spitze in einer besondem Rabrik
zusammengefaßt. Seit 1569 werden auch die übrigen Bäte
Rat nur aasnahmswcise besuchen. Wenn man diese 11 auch nicht unter die
Zahl der 8 setzt, bleiben auf der Ritterbank doch 9 Räte übrig. — Auf der
Gelehrtenbank sollen auch nur 8 sein, deren aber sind es jetzt 11, damnter
der Dechant von S. Peter, Dr. Halver, welcher auf den stfiten Ratdti nicht
bestellt ist und die mehrere Zeit reist, und einer, der alle Zeit mit dem
Fürsten verreist, so daü nicht mehr als 8 beim Rat bleiben (R A: — Ffirsten-
sachen II, C, Fase. 29). — Bei den Beratungen über den Hofstaat 1582 kam
man zu dem gleichen Ergebnisse : den Oifizicren sollte auferlegt werden, den
Hofrat fleiüig zu besuchen. Dieweil aber wegen der übrigen Amter, die de
bekleiden, hierauf nicht sicher zu rechnen u. L £ Gn. dero von Gott b^
folilenen Amts halber fürnemlich obliegt, die justitiam zu erhalten, wtirde
für notig gehalten mindestens 8 Räte auf der Ritterbank zu haben, die dem
Hofrat stets abwarten, darunter 4 erfahrene, eines ziemlichen Alters, an»
sehnliche und geschickte ; die übrigen 4 aber mochten jung sein, solche Pef-
sonen, so künftig zu einem mehrerem zu gebrauchen, die gering (100 fi.) be*
soldct werden und da sie zu mehrerer Erfahrung kommen anstatt der alten
4, da eine Lücke würde, zu gebrauchen und mit Ämtern zu versehen w&ren^
damit sie sich erhulen kOuneu. Jetzt sind auf der Ritterbank 22, darunter
2 Hofmeister und andere Hufbeamte, welche mit ihren Oflicien zu thui
haben. Gelehrte Räte sind jetzt 12 außer L. Nun wollte man sich immer
auf dieser Bank mit 8 begnügen , so daß jetzt 2 übrig bleiben (H. A. —
E n. 1 S. 243).
1) Als die Ritterschaft sich auf dem Landtage 1583 über die geringe
Besetzung der Regimente beklagte, erklärte der Herzog, daß ihm solche B^
schwerde seltsam und fremd vorkomme, denn außer der Gelehrten oder Do^
toren und Kanimerräte besolde er hier zu München 18 Grafen, Herren vom
Adel und sonst wohl herkommenn, geschickte und taugliche Personen, n
Landshut 17, zu Straubing 7, zu Burgliausen 9, also daß ihre fürstL Gnaden
hotfeii, daß an den J^äteu kein Mangel. „Daß aber dieselben nit joderman
gnu(*g thun, noch eins jeden sein Kopf oder Einbilden nach in fürfiEÜlenden
Sachvn spn.>clieu oder erkennen oder die LandesTreiheit, Ordnung and Recht
verstehen, das ist zwar nit seltsam oder neu, sonder aller verlustigen Par-
teien Gebrauoh, die dann gemeiniglich viel lieber dem Richter dann ihrer
Eigeusinnigkeit die Schuld ;:eben, daran man sich aber nit za kehm^
dann solcher Gestalt kein Gericht bestehen kunnte und würde dnrch Ana*
ländische vun Bestellung der Justitien in diesem Land viel anders geredt
und geurteilt*'. Auf diese ungnädige Antwort replicierto die Ritterschafti ne
hätte sich nicht über die Anzahl, sondern darüber beschwert, daft an einigen
IN'ginienten wenig vom Adel, dazu die zur (Erledigung der anhängenden
Sachen gehörige Anzahl selten vorhanden, wodurch die Parteien lange anf-
gehalten würden.
— 445 —
unter dem Titel „Auf der Ritterbank" aufgeführt^). Die Ver-
bindung von Rittern und Gelehrten findet sich, wie oben ge-
zeigt wurde ^), in Baiem schon vor Errichtung des R.-Kammer-
Gcrichts. Für eine strengere formelle Scheidung des adligen und
gelehrten Elements wirkte aber die Einrichtung dieses Reichs-
gerichts vorbildlich.
Nicht anders verhält es sich mit den Regierungen, in wel-
clien ebenfalls andere Beamte, die in der Regierungshauptstadt
iliren dienstlichen Wohnsitz haben, als Räte fungieren, wie
Rentmeister , Kastner , Mautner , Forstmeister , Stadtrichter.
Neben diesen werden dann auch noch einige Juristen und
Adlige als Räte bestellt •'*), deren ausschließlicher Beruf der Rats-
dienst bildet.
Damit diese Räte aber auch durch ihre Ratspflichten nicht
ihren übrigen amtlichen Funktionen entzogen würden, be-
stimmte man (1573), daß der gemeine vollige Rat außerhalb
der gewöhnlichen Zeit verschont und die Räte ohne sondere
wichtige fürfallende Ursachen nicht zusammen berufen werden,
denn die täglich vorfallenden Sachen könnten in der ordent-
lichen Ratszeit erledigt werden*).
Das Schwergewicht namentlich der gerichtlichen Funktionen
der K(jllegien ruhte in den Mitgliedern der Gelehrtenbank. Den
juristisch gebildeten Räten ^) war die Aufgabe gestellt, alle wich-
1) Verzeichnis der Bfite des Hofrats und der 3 Regienmgen 1514 in
Landt. 1514 S. 173 ff
2) S, 136 ff.
3) Nach einer herzoglichen Erklärung 1591 sollten bei den Regierangen
au&er dem Vitztum und den Offizieren 3 yom Adel und sammt dem Kanzler
3 Doctores gehalten werden (R A. — Fflrstensacheif . . n. 419).
4) Vor allem mußten immer die Prozesse zur Erledigung kommen —
dann wir achten fQr bOsser, man lasse ainen poten oder andern soUicitanten
ainen tag verziehen, dann das hangenden parteien nach großen uncosten,
muohe and arbait, die si auf den proceß gelegt, die Sachen in die leng un-
ert^rtert stecken beleiben.
5^ Damit namentlich die Doctores sich ihren Ratsfunktionen ausschließ-
lieh widmen könnten, sollten sie gewöhnlich von der Übernahme von Vor-
mundschaften u. dgl. befreit sein — und damit unsere rete und sonderlich
die gelerten an Verrichtung unserer rate- und hofgerichtssachen dester we-
nig('r verhindert werden oder sich damit zu entschuldigen ursach haben, so
soll man si on sonder beweglich Ursachen mit andern purden als Vormund-
- 446 —
tigen und zweifBlbafltiii Fälle genau xa studieren und dcu Kol-
legen vun der Rjtturltatik die Rechtsfragen klar zu slelleD, so-
wie oiu sachgemälies Iteferat unter Begründung ilircr Antrage
zu erstatten.
„Dicweil die gedachteo unser gelerten rate", lieißt es to
der Uofr.-O. 1551, „sonderlirh darumben besti-llt sind, das si
für ander was recht ist, wi^'^en und urkennen sullen, damit daan
solicbc erlitdigung der beschlossene« suchen desler furtlcrlichcr
geschehen nii^ge, so sollen die handluugeu, sonderlich die gron,
wichtig und zwcifenlich sind, unter si nusgetAilt werden, also
das si dieselben, ee si im rat furgelcgt und gelese« wenlen zu-
vor ersehen, auch 'sich was dem rechten und der pillichait DSch
darauf zu erkennen sei aus ihren puccheni entschließen uud
dann solicher irer rcchtgrund, Ursachen uud guctbodunken deo
andern unsem rcten relation und anznigeu thuen, aaf das
ajn jeder nach Verlesung der acte» dester l>cdechtlicher and
mit merer erwegung des handls auf die anfrag der |iillicbait
gemäß darzu ze reden und mit seiner stimm zu bescblibßen
wisse."
Eine schriftliche uud sehr ausführliche Berichterstattung
wurde nur bei hochwichtigen Fragen oder bei obwaltenden
Meinungsverschiedenheiten unter den Juristen verlangt Die
Bestellung zweier Referenten für alle wichtigen Sachen*) wird
•ch&fl«!!, cantoieien und uidem soDdern prirnthändelti nit beladen, d mIUb
rieb »ach selbi sodorer frembdeT bftndl, die li od Terbioderiiig luuen dtaato
nit wol aofricbteo Landen, nit Qnt<>rfaben (ISGl)- Die Bofrat»^. ISTt Mtlt
nach frenibdei bcDdl binin : „als pntCQreieii, beisUnd id tbaa o
trisn ni raten, ainen tat den andern m fnrdeni, inen iobrifb
oder wmt deigldchen iit wedei beimlich noch offenlieh kaina w«gi a
bhen, diawnl ea in dem, das w groften rndacbt anf nirb trag^ i
weg» gebbl
1) Die Namen d«nelb«i mnlWn gebeim gebalt«n werden, i
mcbt ron dan Partrien aberlanfen vOrden — demnacb aneb nit %
allen ratnachen an dem geheim nnd an der venehwif^nnhait |
aber bbher ain bdser t^ebraach eiogeriaMn, du dJe partMen ala o
TOD itDod an ia erfarung gnbncfat, wem« in ncheD n rehriran I
wordsn, dardnicb ee dahin geraten, daa ti nit allein dem r
nnd u bau« gelaffen aioh die Ki ilch to beweis, lODder an«h I
mlrea, Ja n aOtiftn nadantaodeo, wann nad «n wa« loit, aach ta t
rat gegvnvbtii^ail ir aaeben lolle rebiiart werden, wie ti ancb > '
nim rctea n «TjnMättna flirgenonwa oadw dem Mbetai alt i
— 447 —
erst 1573 eingeführt. Der Referent, vom Kollegium bestellt,
referiert in dessen Sitzung, der Korreferent, vom Präsidenten
oder Kanzler ernannt, übergibt diesem seine Relation ad par-
tem, und dieser läßt sie, falls beide Referate nicht überein-
stimmen, in der Ratssitzung verlesen. Ergab sich beim Votieren
Stimmengleichheit, oder wurde eine Sache vom Kollegium einer
weiteren Ei-wägung bedürftig erachtet, dann wurden die Akten
nochmals 2 oder 3 gelehrten Räten zum Studium und Referat 0
überantwortet^).
andern unsere rete der Sachen nit so stattlich als diser oder jener, den n
bei der sach ires tails gern gesehen hetten, berichtet, dardnrcb dann die
sachon dem gegentail zn nachtail aufgezogen und jar und tag verligen muessen,
bis man eben die, so man gern bei der relation gehabt, zusammen gebracht
bette, so ist unser ernstlicher bevelch, das hinfuron verbuett und in grO&ter
geheim gebalten werde, wem jede Sachen zu referieren beyolhen werden, da-
mit solcbes an die parteien nit gelange und das in solchen feilen auf kainen^
rat gesehen werde, er sei Tor der band oder nit, sonder die Sachen schieinig
dem rechte nach werde gebandlet und darinnen wie sich gebürt, procedirt
(1573).
1) do dann die Sachen zwispeltig in dem votiren oder so wichtig sein
wurden, das unsere rete gemainclich erkennen mochten, dieselben verrers
bedacbts und erwegens von nOten sein wurde, so mOgen si die acta under-
schidlich zwaien oder dreien unsem gelerten abgesondert zuestellen, deren
jeder sich in ainer benannten zeit darinnen zu ersehen und seine puecher
darüber consulieren möge, alsdann darüber sein mainung und was er im
rechten gogründt sein vermaint neben den andern im gemainen rat fur-
bringen und rcferiem, auch schriftlich dabei übergeben soll, auf das alsdann
dester bewoghcher und bedecbtlicher durch si unsere rete in gemain darauf
geschlossen werden mög (1573).
2) Im Anschlüsse an die Hofirats-O. von 1573 und mit dieser auch ftufier-
lich verbunden, wurde, um den täglichen und unaufhörlichen Klagen wegen
rascherer Erledigung der Bechts- und anderer anhängiger Sachen lu ent-
sprechen, eine Ordnung erlassen, „wie hinfQron in unserm Hofirat die strittigen
und beschlossenen Sachen für Hand genommen und fürderlich erledigt werden
sollen'', deren Bestimmungen gro&en Teils in die Hofirats-O. 1580 aufgenom-
men wurden. Diese beschäftigten sich yomehmlich mit den Referenten, über
welche ein Kegister geführt werden mußte. Die unerledigten Sachen
sollten, damit eine Gleichheit unter den Referenten gehalten und keiner
vor dem andern beschwert werde, doch steht es im Ermessen des Prä-
eidcntcD, allein oder im Einverständnisse mit dem Kanzler eine Sache je
nach ihrer BcschafTenheit den Referenten oder andern Räten auch extra
ordincm zu befehlen und besonderes Maä und Ordnung vorzunehmen, wie
dieselbe referiert und erledigt werden soll Um durch die Referate keine
Verzögerung des Prozesses herbeizuführen, war den Referenten die Einhaltung
So sehr aucli eine ni&clie Justiz als üiii erstrelwnswertes
Ziel ins Auge gefaßt ward ' ), so sollte doch jede ütwreituDg
1)««tiinint«r Friitcn (i. B. für icMecbt« Bescbeide und Beiarteile IkngfM» in
1 Honat, AppeliBtionen super interlDcutori& aD« den Landgerichlen innorbslb
14 Ta^n, andere wichügero, m t-incm Dpßnitivnrtcil ({eroifte in 3—3 H»-
DaUn} mr Pflicht gemacht, FriBten. die dqi ans trifttKei) OrUnden cntiwckt
wurden. Der Prtndent hatte weDigiteiiB vor jedem Horgerii^htstennfi] dch
am den Reitern von der rnchtscitigeD ErBtattunt; der Referat« n Ob«r-
K-ngen und die etwa Nacblfterigen lar Erfailung ihrer P&ichtMi in inalin«ii
Nach Fertigst«!! DD s der Eeferate berichtete der Referent dem Prlaid«ntfl1i
Ober Wichtjftkeit and Eechtsgmnd der Sache und beRebrt Ton ihm. ««nB
«B nolwendig eracheint, die Bestellnng eine« Korreferenten. Diesem 7,w*c\»
dienten sodann noch folgende Vorecbrifteo : 1. Die Sapplikationen , weicht
mit Oberg«hnng der Ünterobrigkeit einliefen, werden an diew mh
einer einfachen Signatur nnd nicht mit dem Befebl , die Billigheit n
liandeln, gewiesea 2. Wenn der bsBchwerte Teil auf den Unt«^cbt (Be-
richt der Qnterobriglipitl repliciert hat und sieb der einen Part«! „Utifti£
nnd Ungrand" hieraus ergeben hat, so iit der KIftgc
ohne iti im Parteien unnötige Unkoeten durch Anberaomnog
Tennini in gfltliebem Verbor Torariacht würden. 3. Sollte auf di
acbwerten Teilt Anhalten und ans beweglichen Driacban ob ~
beraumt worden ««n. der wieder die Unhegrflndetheit de«
gtb. io Hll iwiiehen den Parteien nicht weit«r gethldiogt, mq
«rlaasen «erden, damit der Joatitia ihr stracker Lanf gelaaaei
fiigten Parteien ror unbilligen Unkoeten nnd Umtreiben farhat«t
4. Keine vor ein Cnterf(ericbt gehörige nunmariiche oder rvebtltclu
lang darf ohne besondere wichtige Unache vor das Regiment gesogen
dtun (onat will joder vor dem Bogiment dafaier rächten, um spinco
teil deato mSder in machen. Anf diese Wriae wflrile auch den Untnmiiit-
leuten nicht wenig entioH^D. S. Wenn appellationes ab inlerlocut«riia brin
Hi>fg«ricbt eDtBchi*dpa sind, ist die Hauptaaeb« nir Entx-hvidang an daa
Ont«rgericbt au verweisen (1573i vgl aneb Hofrata-U. 1580 bei Hajet, O^
neralientammlnng VI, 8. 8 t.).
1) nofrat»0. 1573: Wir wellen ancb nnd ist unser emstlichi
das fnron sovil immer mOglieb ist, der vleii gebrancbt werde,
sach darinn in aioer endurtl oder entUchem entaebid besohloai«)
ain halb jar nit unerledigt beleih, aber die beinrtln nach Irar
nnd grofio von botgericbtiin n bnfgericbten oder mm leag*t«n
bofgericht, das ist in 2 roooaten erledigt werden, aber die appolUl
den iiiterlocntorüs , so In landgericbten geschechen und
bofrat kommen, di» aollen darinnen b«i teit«n and innei
werden, nnd «o dfe endurtl geacbOpft, »olle ftIrderUcb
lenger nIt elngeatellt, auch den partMen ein gewisser tag, nachdem
nder verr gasswan lu nroffnnng nnd anbarang du nrti«
maat werdaa. klae mU auch solch nrtl wie andere alle baebald
— 449 —
in wichtigen und schwierigen Fällen ausgeschlossen bleiben und
bei solchen, „wenn sie guten Bedacht und stattliches Erwägen
bedürfen, die Vota auf ferner und besseres Bedenken auf den
andern Tag verschoben werden, damit in ansehnlichen Sachen
nichts ünbedächtigUches vorgehe oder präcipitiert werde, daß
hernach in anderer Weise gerichtet werden muß".
Die Geschäftsüberhäufung veranlaßte den Hofrat, nicht alle
Sachen , insbesondere nicht alle Prozesse in pleno zu behandeln,
sondern das Kollegium in Abteilungen (Senate) zu teilen, von wel-
chen jede einen Teil der anhängigen Sachen selbständig entschied.
Schon die Ratsordnung von 1536^) trat diesem Brauche ent-
gegen und ordnete an, daß sich Landhofmeister und Räte furo
in keiner Sachen, es seien rechtlich, gtltlich oder Supplicationen
nit trennen oder teilen, sondern sämtlich Alles, was für sie
kommt, verrichten sollen.
Trotz dieses Verbotes führte das Anwachsen der Prozesse,
die beim Festhalten an dem Grundsatze der Plenarberatung zu
selir langwierigen geworden wären, zu einer Erledigung in ein-
zelnen Senaten. Die Hofrats-0. 1551 *) gestand deshalb die
der partcicD vor ainem ganzen rat öffentlich anzaigt und eröffnet und kains
wogs durch verordnete rete hinaus für die tbüm geben werden.
1) UDs wirdet auch angezaigt, wie sich unsere rete zu yil maln, so etwo
vil sachn verbanden, tailn und also getailt supplicationeB, yerhOre oder andere
sacbn verricbten, daraus auch zu Zeiten widerwertige bevelch und bandlungen
ausgcen, und so nachmals solicbe bandlungen wider für unsere rete wachsen,
trc^t sich zue, das die rete zum tail umb die sacbn in getautem rate abge-
vcrtigt nit wissen haben und also die parteien verzogn oder ir schaden ge-
furt werden, wöllichs uns auch nit gemaint ist . . Zugleich wurde bestimmt;
daß, wenn die SuppHkationen Yonnittag nicht abgerichtet werden mochten, ihre
Erledigung nit auf den folgenden Tag verschoben, sondern noch an dem-
selben Nachmittag erfolgen solle, und zu furdrung sOlicber sacbn aller, hei&t
es weiter, sollen unsere rete zu zelten des rats nit yergebenliche gespräch
halten noch in den stimmen, das so vor ainem jeden geratslagt worden,
widerumben crzelen oder anzaigen, sonder wo sieb ainer mit vorerzelten
rat«:le^cn vergleichen will, soll er allain melden, das ime dieselb vorangezaigt
niainung gefalle, er hotte dann guet ursacb, dardurcb er zu sOlicbem ratslag
bewegt und vor ime nit erzelt werden, alsdann mugen sohcbe ursachn doch
mit der kurz angezaigt werden.
2) nachdem sich auch die bandlungen dermaßen teglichs häufen, das
man die recht- und summarisacben auch geding oder appellationes und was
also handlangen sind, darin vil Schriften und acten zusammen konmoen zu
KoM'nthul, üesehlohte d. (ierichtsw. u. d. Verw.-Org. Ualenu. I. 29
4fiÖ
EinricbtuDg zu Recht, Summarisaclien, sowie Gedinge oad Ap-
pellationeQ , kurz alle langu'ierigen Sachen , bei welchen trieb i
viele Schriften uiiil Akten uiibäuften, die in den gewöhnlichen
(Vonuittags-) Katsstumleu nicht erledigt werduu kOuutea, in «incr:
hesondern, aus 6 — 8 Räten gebildeten Abteilung (sunderen ratk
in welcher namentlich alle juristischen Rate sitzeu sollton, Ive-
handeln zu bissen. Gegen solche Teilung, daraus allerlei Irr-
tum und Nachteil samt mehrerlei Unordnungen und wi<lerwärtigea;
Signaturen auch vieler Leute Klagen erfolgtun, wandte sich die
Uofrats-0. 1573 mit der Bestimmung, daß künftigbiu Recfatfi-
und audere Sacbeu nur iui wohlbesetzten Rate entschieden wer*
den sollten ').
Eine Einteilung wurde jetzt nach der Richtung getroffen,
daß 3 Wot^heutage für die VerhOrssachen nnd 3 andni TOr dio
Rechtssachen bestimmt wurden. Erst«rü sollten in der We
den Vorrang haben, daß, wenn die A Tage zur ErlodiguDg der
Verhörssachen nicht ausreichten, einfach die Rechtssachen i
1 — 2 Tage verschoben wenlen, denn gerade hei deu erst«reQ
(/eugenverhJir u. s. w.), wo die zu vemebmenden Personen «i||
Ladung erschienen waren, mußte ihr Verhör auch vor^ '
gewondlicher ntieit nit orledi^D kftD, tooder denelben «rltdignag
mit grofiem dei patteica luehltil lang Kufgeiogen wirdet, bo «eil«) wir
iit unter bevelcb, das noscr Undbobnaiiter iritidoinbi rorordne, d
oder 8 rete. loril nuui dor jodet zeit heglich hftt, alle Ug to
■oliebfl b«ecUoti#n r«cht nod «ammarii&cben aoch geding od«
erledigt werden, iwo staitdeD nacbmitbig »uainiuoD koiiun«ii, die
nod erledigen and tu ditem ■andern rat« nnd etlodigang nl
(ollen oneete gelorten rit«, sovQ der lind sUmuü ondiPinoo
winentlicli eob>ft Tethindening . . ir kainer aoAen bpletben.
1) nnd dieweil bis beer bei nntenn rat gebronchig gawMt, du i
in Til tacben getaut wordoa dvmm allerlai irrtborob nnd nacbtl twibt
noordiinDgeD and widerwertigeD rignattira auch lilet leut
bette man etwo die, »o man bei otlichoo (ubco Dit gern a«h«D
*ülcb mittl am gemainem nl g«icboben. vir aacb «acht«) kOi
alleo lachen niebti fOrtreglichert, onverdeehtllchenr aocb
khOnde, dann dai nnaero lete iowol io recht ali andern lackeB
auial beiMmeo aeieii. dioweil neb mennoln aooderlich in Diwtnn
abeeiii begibt, da* luuoro rtten. lo mit &Dibl«ni beladen . . .
bofhaltttng naehiurolgen aaferlogt wjrdot, *o wellen wir, daa
höbet« irotgemelt«r gettalt nit met abgetaitt worden, «ondar
beiaamon blcibtu.
— 451 —
I
werden, um nicht durch eine Verzögerung eine Erhöhung der
Kosten zu verursachen, während diese Rücksicht bei den Rechts-
sachen wegfiel.
Eine Eingabe der Räte^) suchte diese Anordnung rück-
gängig zu machen durch den Hinweis darauf, daß nun sämt-
liche Hofräte mit der Abhörung der täglich in großer Zahl ein-
laufenden einschichtigen Zettel ihre Zeit verlören und von der
Erledigung wichtiger Geschäfte abgehalten würden, während bei
solchen Bagatellsachen oft nur ein Schreiben um Bericht oder
l)ei Schuldsachen ein Zahlungsbefehl (solutio cum clausula) ver-
fügt würde. Die Räte versprachen, wofern der Herzog eine
Teilung des Hofrats wieder zulassen würde, .selbst eine der-
artige Ordnung herzustellen, daß nur die erwähnten Kategorien
von Rechtssachen im geteilten Rate, alle andern Sachen aber,
so in jure vel in facto zweiflich, im großen Rate erledigt wer-
den sollten. Auf dieses Gutachten erfolgte eine ablehnende
herzogliche Resolution *).
Eine Beratung aller zum Hofrate ressortierenden Gegen-
stände in pleno envies sich bei der Ungeheuern Zunahme der
Prozesse auf die Dauer als undurchführbar. Die Hofr.-O. 1580
ermächtigt deshalb den Präsidenten, „dieweil auch die Sachen
nit allwegen so hoch wichtig, daß ein ganzer völliger Rat mit
1) Underthenig anbringen der £ Reihe von wegen zwaier in der Neuen
Rathsordnung vergrifher Artical (Kr. A. M. — Hofirat Fase. 1 u. 1).
2) Folgende Gründe wurden fftr die Ablehnung geltend gemacht : 1) In-
folge der geringen Zahl der den Sitzungen gewöhnlich beiwohnenden Hof-
räto — fast '/^ der RAte sind in Kommissionen und andern Amtsgesch&ften
verreist — sind oft nicht mehr wie 3—4 Rfite anwesend, welche wichtige
Sachen auf Zusammenkunft ihrer Mitrftte verschoben. Dadurch entstünde
eine Verschleppung der Justiz und, wie yiele an den Herzog gerichtete
Klagen beweisen, der Reputation des Herzogs Nachteil und den Parteien
viele Kosten. 2) Es können widerspruchsvolle Bescheide erlassen werden,
wenn ein Rat von den in seiner Abwesenheit erlassenen Dekreten keine
Kenntnis hat, welche dem Landesherm zum Schimpfe gereichen würden.
3) Die zum kleinen Rat Verordneten werden es als eine Zurücksetzung em-
pfinden, daß sie nur schlechte Sachen versehen sollen in dem Glauben, daß
man ihnen nur einen geringen Grad von Geschicklichkeit zutraue oder sie
aus andern Gründen von der Beratung wichtiger Gegenstände fem halten
wolle. Das möchte nicht kleine Amulation und Unwillen bei den Rfiten er-
wecken und allerlei Klagen gebfiren. 4) Wenn übrigens diese „abgesonderten**
Räte auch zu wichtigen Angelegenheiten in die Plenarsitzung berufen würden,
29*
denselbigen zu belustigen", dem Referenten eine Anzahl RAte,
deren Majorität von der Ritlerbank sein muß, l)eizuordnuD, and
zwar zu einem sdilcchten Bescheid oder Beiurtvil 4, eventuell
ti und 8. Einer aus diesen Räten leitet als Präsident lÜe Vcr-
hondluDgeu, und nur in ansehnlicheren Suchen wird der Hof-
ratspräsidout oder Kanzler beigezogen'). Diese verordneten
Rät« standen in einem gewissen Gegensatze zu dem onleot-
licben Rat, dem Plenum.
Auch der „Entwurf einer Verbesserung der Hofr.-O." 1590*)
bezeichnet einu Rückkehr zum früheren Zustand des geteDten
Rats als notwendig, stellt aber die Teilung in die Dl^krctioB
des Präsidenten oder des Kanzlers und schärft dcu icutn al^-
gesonderten Rate Deputierten Au&nerksamkeit auf früher er-
gangene korrespondierende Dekrete zur Vermeidung wider-
wärtiger Bescheide ein. Und wirklich führt ein folgender Ent-
wurf) diese Teilung streng durch, stellt dem ordeutlidum
Uufrat eiuun Kebcn-(bisber tailten)Rat gegenüber und weist
dem letzteren alle einschichtigen SuppUcutioncs oder ßericbte
bitten lie, die von Anfang an boi der Bacbo goiesioii. Klcge Qnd Antwort
gehOi\ ein Obergewicht Ober die oDdom Kollegen, welche nur beim Aktt^
■cbluwe gogeowftrtig wSren. D& sie in der Sache Borgfftltiger iafontet
ioien, bowet über dieselbe disputieren und mit ihrer Hcinnog iliiiiliilihmii
konnten, so itt von einer Berstong im ganzen und völligen Hat« nicht
werden kOnnte. 6) Femer wird dafQr gebalten, dafl ein «UtlJictm
bosotitei Bat den erschoinendeii Parteien nnd deren
kleiner Bepotatjen nnd Ansehen gereichen werde, wie aoch pi
davon abgehalten würden, ihre Streitigkeiten in der Hoffiinnj(
Färdemng la einer Zeit Tonnbringen, wo aie don Bat in
Terummelt wihneQ. Wu endlich 6) die im Galachten berOhrtea
Sachen betrifft, so könntm dieae, da sie ja keine Diskoadoo
■chlenni^ erledigt, ofentaell anf den Nachmittag vencbobea
Verdienen Dun auch mehrere der in der Boiulution i^gen die
gebrachten Argumente fieaebtung, so können dieselben im
all sticbholtig gelton, denn bei einer Bcharfen Kompeteuabgre
gesonderten nnd ganzen Hobata in sachUcher Bexinfaang, wUrd
kchteo der BUe mit B«clit gerflgte Krift«- und Zeitrergendmig V
b««. wenn man dem abgeaooderteD Hofrate die doOnitiTa I
•tinmter Kategorien von R«ebt««tfeitigkeitan tngestandeo bitt«L
I) Hayr, 8«mmlnng VI, b. 7.
3) Er. A U. — Hofrat n. I.
8) B. A UL D. a. S (Hofirateordn. wahneheiBUeb iweh IWIV
— 453 —
der Parteien, auch in schlechten Sachen Berichte und Re-
plica zu; die Kanzlei hat diese Gegenstände sofort dem
Nebenrat vorzulegen, damit das Plenum mit solchen Dingen
sich gar nicht aufhalte und Wichtigerem seine Kräfte widmen
könne.
Mit dieser Verweisung der Bagatellsachen an einen Neben-
rat darf nicht venvechselt werden die allerdings * durch den
steigenden Geschäftsumfang hervorgerufene Anordnung eines
sondern Rats durch die Hofr.-O. 1551 *). Hier wird nämlich
nicht für die Bagatellsachen, sondern für die rechtlichen, Sum-
marisachen und Appellationes, kurz für alle Prozesse, in welchen
viele Producta und Acta zusammengekommen, die also in der
gewöhnlichen Ratszeit nicht erledigt werden können, eine be-
sondere Abteilung gebildet. Der Präsident soll zur Entschei-
dung solcher Prozesse 6—8 Räte, soviel man deren jeder Zeit
füglich haben könne, darunter alle gelehrten, verordnen. Diese
Verordneten haben dann in täglichen Nachmittagssitzungen diese
Prozesse nach reiflichem Aktenstudium zu erledigen. Dieser
sondere Hat stellt sich schon nach der großen Zahl seiner
Glieder, im Gegensatze zu den ungefithr aus 3—4 Räten be-
stellenden Bagatellkommissionen, mehr als ein verkleinertes Ple-
num denn als eine Kommission dar, wie ja auch die ganze Ein-
richtung nur den Zweck hat, einer Verschleppung dieser großen
Prozesse vorzul)eugen. Nur die durch andere Geschäfte in An-
spruch genommenen Hofräte waren von der Anteilnahme an
diesen Beratungen dispensiert.
Die Klagen, welche die Landschaft im Laufe des 15. Jahr-
hunderts ül)er die Gebrechen des Vorsprecherwesens an das Ohr
der Landesherren brachten, waren trotz aller eine Abhülfe der
gerügten Mißstände bezweckenden Anordnungen nicht verstummt
und setzten -) auch die Gesetzgebung des 16. Jahrhunderts in
Bewc^gung. Die L.O. 1516 und ihr folgend die L.O. 1553 gaben
1) wiederholt 1580 bei Mayer VI, S. 3.
2) L.O. 151G S. 2G (L.O. 1553 B. II t 7) — Nachdem unns - klag fQr-
khomen sind, wie die partheyen durch sy mit abnemung überflüssiger und
uDzinilioher belonung vast bedrangt, dardurch dann unnser unntcrthan also
widor die pilligkait beschwärt und yezuzeiten ain armer seins unvennögenß
halben ain gerechte gueto sach nit anzefahen oder außzufflren vermag und
also gedrungen wirdet die beiigen zelassen.
— 454 —
so ausführliche Vorschriften namentlich über die Pflichten der
an den Hofgerichten ^) thätigen Vorsprecher. Diese und die
bei andern Gerichten praktizierenden Vorsprecher hatten beim
Beginne ihrer Funktionen einen Eid zu leisten, in welchem sie
Gehorsam den Landesherm und dem Gerichte, bei welchem sie
ihre Thätigkeit eröffneten, und treue Erfüllung ihrer Obliegen-
heiten geloljten ^). Der Gebührentarif stufte das rechtsachende
Publikum in zwei Klassen^), die vermöglichen Landleute und
die armen gemeinen Bauersleute, welche gewöhnlich über die
Hälfte der von der ersten Kategorie geschuldeten Gebühren zu
zahlen hatten. Diejenigen Prokuratoren, welche sich dieser
Ordnung nicht untenverfen wollten oder der Gebtthrenordnung
oder andern Bestimmungen zuwiderhandelten, werden mit Aus-
schließung von der Prokuratur im ganzen Gebiete des Herzog-
tums bestraft
Mit dem fremden Rechte war zu dem Institut der Yor-
sprecher oder Redner, welche die Partei unmittelbar vertraten,
noch das der Advokaten aufgekommen, welche der Partei juri-
1> „Ordnen — , das all Redner und Vorsprechen, so vor onna,
Hofmaistcr, Marschalk, Vitzdomben, Käten und anndem unnsem Begimentoi
und Hoff^erichten unnsers Fürstenthumbs bajren zehänndlen ondertteen aiat
crbem wesens und verstenndig sein" (a. a 0.).
2) L.O. 1516 S. 26 f.; L.O. 1553 B. II t 7 a. 2.
3) Fflr schriftliche Prozesse hatten Prokuratoren und Redner ftr Ab-
haltung eines Termins von der ersten Kategorie höchstens 70, von der meilM
höchsten 32 Ä zu beanspruchen. „Wo aber ain Redner in ainer Sachen nit
allain Procurator und Redner, sonnder darzu Advocat, d. L Ratgeb und wm-
greiffer der sach*', durfte er nicht über 1 bezw. >/• A- fordern. Fflr mtliid>
liches Vorbringen an einem Termin wurde dem Redner gewöhnlich niefat
über 1 bezw. >/< H-* nur wenn die Sache so grofi und so gar viel MOhe nit
Schreiben, Reden, Ratschlagen oder Andern bedurfte, konnte das Geridit
eine höhere Gebühr festsetzen. Bei Reisen der Procuratoren wurde eine
Reiseentschädigung von 1 Schill. Münchner Pfennig pro Meile und ftLr Zehnng
pro Tag und Nacht >/i H- rh. bestimmt LO. 1516 S. 27 £; L.O. 1653 R 11
t. 7 a. 3-6, 11. Die auf diese Ordnung nicht verpüichteten Doctores sowis
die ausländischen, an bairischcn Gerichten thätigen Vorsprecher waren toi
Beobachtung derselben befreit. Nach LO. 1553 B. U t 7 a. 7 hatten die
Procuratoren bei den Land-, Stadt- und Hofmarksgerichten (Ht einen mflnd«
liehen Vortrag <j Kreuzer, für Abhaltung eines Termins (von einem Bechti*
stand) 32 A und für die Abfassung einer Rechtsschrift 42 X in
spruchen.
— 455 —
stischen Rat erteilten und ihre Schriftsätze verfaßten. Wie sich
aus der unten citierten Stelle der Gebührenordnung ergibt,
wurde auch schon die Thätigkeit beider in Einer Person ver-
einigt.
Wenn auf Grund der L.O. der Stand der Vorsprecher auch
kein abgeschlossener war, die Aufnahme in denselben nicht durch
Aufnahme seitens einer staatlichen Behörde bewirkt, sondern die
Berufsausübung nur an die Voraussetzung der Ableistung eines
Eides geknüpft war, so waren die Vorsprecher doch, wie ihre
Kecbtsverhältnisse durch staatliche Gesetze geregelt wurden,
der Aufsicht und Disziplin der Regierungen (Hofrats) und der
Gerichte unterstellt.
Einen Schritt weiter ging eine Ordnung des Regiments
Landshut ^), die Hofprokuratoren und Stuhlschreiber betreffend,
von 1560*). Obwohl die L.O. 1553 vor unnötiger Länge der
Schriftsätze und vor dem Hereinziehen überflüssiger, zur Sache
nicht dienlicher Dinge gewarnt habe, machten sich Prokuratoren
und Supplikationsschreiber doch großer Weitläufigkeit schuldig*),
was die Sachen verdunkle und einer raschen Beförderung der
täglichen Regimentssachen hinderlich wäre. Nun seien auch der
fürstlichen Regierung mehrfach gar ungeschickte, unlautere und
1) Man darf wohl vennuten, dafi diese Ordnung, welche nicht durch
lokale Erscheinungen hervorgerufen war, auch auf die Prokuratoren der
übrigen Hofgerichte Anwendung gefunden hat und dafi durch einen Zufall
nur die Landshuter Ordnung erhalten wurde.
2) Kr. A. L. (Kopie).
3) Das die Abfassung dieser Verordnung befehlende herzogliche Beeret
vom 19. Dez. 1559 spricht sich über die Notwendigkeit eines solchen also aas :
Nachdoiii bei der fürstlichen Regierung der Prokuratoren auch Supplikations-
schreiber dermaßen Mengel und Gebresten zutragen, das nit allein wohl-
gedachto Regierung mit ganz offenbarlich mutwilligen Handlungen bel&stigt»
auch mit vielfaltigem unnotwendigem verdriefilichem mündlichem und schrift-
lichem Fürbringen aufgehalten, dardurch die schleunige Expedition der Sachen
über allem angewendtem Fleifi gehindert, sondern dafi sich noch dazu ihrer
Vii'le des Supplicierens unterfangen, dessen sie doch gar keine Erfahrung
haben und derowegen die armen Parteien, so der Sache für sich selbs nit
genu^' verständig durch ihr ungeschicktes, unförmliches und unbedfichtiges
Supplicieren, darin die Notdurft und rechte Hauptsache gar nit, wie sich ge-
bührt fürgebracht und zu großem Schaden führen möge . . ist bedacht worden
von Obrigkeit solches Einsehen zu haben, damit soviel möglich die beschwer-
liche Unordnung abgestellt werde . . .
— 456 —
unverständige Supplikationen und andre Schriften vorgebracht
worden, daraus man abnehmen konnte, daß die Verfasser der-
selben weder der Schreiberei, noch viel weniger des Handds
verständig gewesen, und daß auch die armen Parteien durch
solch ungeschicktes und unordentliches Fürbringen in ihrer Not-
durft gar groß verkürzt würden, wie auch allerlei Unordnung
hieraus entstünde.
Zur Abschneidung dieser Mißstände sollte künftig eine be-
stimmte Anzahl von Hofprocuratoren ^) und Supplikations-
schreibem verordnet weräeu^), welche ausschließlich in diesem
fürstlichen Regiment in fremden Sachen zu procurieren oder
zu schreiben berechtigt sein sollten. Es ist also eine folgen-
schwere Neuerung, die man hier eingeführt hat, indem man
das Prinzip der Freigabe der Procuratur verlassen und an seine
Stelle das der Anstellung der Procuratoren durch die Regierung
gesetzt hat
Mit dem Vordringen der fremden Rechte hatte auch das
Institut der öffentlichen Schreiber in Baiem Eingang gefundra,
und wie die oben angeführte Verordnung auch die Zulassung
einer bestimmten Anzahl von Supplikationsschreibem beüahl, so
hatte sich schon vorher die L.0. 151G S. 28 f. und 1553 B. II t. 8 »)
1) Die jetzt vorhaDdcnen, welche den Beruf noch künftig ausüben woUtnw
hatten ihre Namen bei der Kauzlei anzugeben und auf dem n&chsten Hof*
gericht um ferneren Bescheid anzuhalten (Herzogliches Dccret).
2) Vorübergehend hatte H. Wolfgang während seiner vormandscbaft-
liehen Regierung 1509, um einem höchst fühlbaren Notstand abzuhelfen
(„nachdem an unsres Pflegsohns Hofgericht die Parteien, so daran ze richten
und ze schicken haben, einige Zeit her viel Mangels der Vorsprechen halb
erschienen ist, dninit aber die Kechto am Hofgerichto gefordert und mit ge*
schickten Kednern versehen sei"), 2 Personen als herzogliche Beamte, za
unsres PHogsohns Diener von Haus aus, unter Aussetzung einer Besoldang
bestellt, damit sie ihre Dienste als Vorsprecher den Rechtsachenden mr
Verfügung stellen sollten („den Parteien, die sein begehren um ziemliche
Belohnung ire Notdurft nach seinem besten Verstandnus am genannten Hol^
gericht reden und fürbringen und sich ohne Erlaubnis eines Hofmeifteis
nicht davon thun"). Der Herzog behielt sich nur vor, dieselben zu anden
Diensten auszuschicken R. A. — Verschreibungen 1504-47).
3) Die Bürgermeister und Rute in Städten und Märkten sollten 6e*
bührenordnungen für diese Schreiber erlassen. Den Schreiberlohn fUr eiM
Supplikation setzte die LO. fest. Die kO. 1553 iB. 2 t. 8 a.3) befahl dann den
Supplikationsschreibem, sich unnötiger Längen und ungebührlicher hitziger
— 457 —
mit der Regluiig der Verhältnisse der Notarien, Stuhl- und
anderer offenen und gemeinen Schreiber befaßt.
Das Arbeitsfeld des Münchner Hofratskollegiums ward durch
die Errichtung der auf dem Realsystem fußenden Centralstellen,
welche aus dessen Schöße hervorgingen, immer mehr beschränkt
und so dessen Bedeutung als höchste Centralbehörde des Landes
immer mehr herabgedrückt, namentlich nachdem durch die Or-
ganisation des Geheimen Rats die wichtigsten Angelegenheiten
dem Hofrat entzogen und der Schwerpunkt der Staatsregierung
in diese höchste Centralstelle verlegt worden war.
Anhang.
Die Anfänge des diplomatischen Dienstes.
Die liCitung der auswärtigen Politik fiel, soweit sie nicht
in der Hand des Hofmeisters oder Kanzlers ausschließlich kon-
zentriert war, in den Wirkungskreis des Hofrats und später in
den des geheimen Rats.
Die Verhandlungen mit fremden Mächten — es handelte
sich hier hauptsächlich um die mit andern deutschen Staaten
— wurden gewöhnlich geführt durch Hofräte, mitunter aber
auch durch äußere Beamte (Rentmeister, Pfleger, Mautner).
Wenn die Verwaltung der auswärtigen Angelegenheiten auch
noch niclit als eine besondere Geschäftsgruppe organisiert war,
so l)ildet sich doch stillschweigend eine Art von Arbeitsteilung
lieraus, indem diejenigen, welche durch ihre Gewandtheit und
Geschäftserfahiiing vorzugsweise zur Führung solcher Verhand-
lungen qualifiziert waren *), auch immer wieder hierzu gebraucht
Schmach- und Schcltworto zu enthalten. Sie mußten jede von ihnen ver-
faßte Schrift unterzeichnen, damit man sie sofort wefjon einer Übertretung
zur Verantwortung]: ziehen konnte. Bezüglich der Notaro wurde bestimmt,
daß niemand, der nicht vom Kaiser oder Papst als solcher zugelassen
oder bestäti<(t würde, zur Austibung des Notariats in Baiem zugelassen
werden soll.
1) So empfehlen 1552 die Hof- und Kammerräte zu einer Gesandtschaft
an den Kaiser und den Bischof von Arras den von Liechtenstein zu solcher
Botschaft und Werben fürzunehmen als dergleichen Sachen in dem vorigen
^chmalkaldischen Kriej^, gleichwohl in anderer Herren Dienst im kaiserlichen
S
wurden. So kommt es, daß in den wiclitigeo poUüscben Ver-
handlungen des It). Jahrhunderts immer wieder dieüclben
Käte') ak Unterii&ndler begegnen, obwohl sie von Fall zu Fal!
besonders ernannt und mil spezieller Instruktion vursehcn
wurden.
Die An&nge einer ständigen Diplomatie lassen sich io
Boiern nicht vof dem 16. Jahrhundert nachweisen *), wfthreod
der Uerzoi; von Mailand und die Republik Venedig schon 145Ö
und 1495 ständige Gesandte bestellt hatten").
Schon seit dem Aufauge des 16. Jahrhunderts unterhielt
der Baiemhüfzog beim pil|ffitlichen Stuhle einen Sollicitalor
(Frocurator) , der aber niclit bairischer Itenmter war, soudum
die Obliegenheiten der Berichterstattung und Vertretung am
nebenher besorgte, sogar seilest im Dienste des Papstes steheo
konnte*).
Sodann ersclieint erst am Ende des Jahrhunderts (1576) als
Et&sdiger diplomatischer Axent Baiems beim Kaiserhufe der
Olegei >nch BolliciUrt hat (v. Draffol, Briefe tmd Aktea t. GmcIl dM
16. Jikbrbanderta. ManchüD 1973. L, S.. 702, t4. ^7),
1) Neben Liechtonstein bcgegnon im 18. JftbrhuDdttrt hfiuilg kl« OflMDdto
X. B. Weineofelder. An Kamler Dr. L. Eck, dor SckrrUr Bonieor«, Dr. TdtM^
nuier, Dr. Stockhammer (t. Aretin. Bajerna auwirti);« V«hUUiiwe. Pmhh
1839. S. S3, iZ, 42, 37; Büchner. OcBchldile tod Ba^eni VII, 8. 79i K^
96, 120. 122).
2) Denn dafi H. Scbmidl. welcher Ober die Beli<lnlenori;rauiutioii Ua»-
mUuDi L an Benag Albrecht IV 1498 (d. d. looibnick. PrelUfr for InvouTlt)
bericht«U (»khe naten 8. 263; Roientbal, BehOrdcnargamnatton S. l'tL
ftilndiger diplomatiBcher Ai;eat dei BairmhertOKs an HuimlUam Hof freWMao,
üt Dicht aniiiDobniea Er war rennotllch lur Erledi^ang beetiinintet O^
■chlRe an diesen geichickt worden.
Si Vgl. Ober die Anfänge der tlAndigen DiptomaUe aberhanpt Kranak«,
Die EotwickctaD^ der »Undigcn Diiibmatii? (Stcbmoller'i Sluiti- nad
■(iiialwiMenachafUiche Fonchttngen Bd. V. Hnft S). Läfäg ]8RC> St 10 C
4) 1533 schrieb IO Wilhelm IV. sn den Domherrn Dr. BmsDM m
PastaD ; ÜD* hjtt uigelaagt, d&i der Papiit Euch gegm ICim bei ifarer B^
ligkdt 10 dienen «fordert hat; diewoil wir abnr an don PabiiiJirh<<ii Hof Ui
dahin noil noch Solllcitatorei gehabt uod /lundi-'r anier Frucurauir Dr. C
Wirtfa all nnd «chwach i«t, int u Euch ODRro Bitte, dat Ihr RlrfiUD aa tm
FabitL HoB' nnser Procorator lain, anf nnior hnnodl in rjehton Dot
nnd atmehmou wollt (Wiedemann. Dr. Johann Eck.
— 459 —
Secretär L. Haberstock*) mit der Verpflichtung, „daß er dem-
selben^) auf seine eigne Kosten und uns ohne Entgelt nach-
folgen und beiwohnen, auch unsere Sachen, so wir ihm daselbst
zu verrichten und zu sollicitieren befehlen werden, mit Fleiß
obliegen und aufwarten und uns von denselben und andern
Sachen, so er in Erfahrung bringt, guten Bericht und Relation
zuschreiben, dies Alles in guter Still und Geheim behalten und
daraus nichts, so uns zu Schaden oder Nachteil gereichen möcht,
offenbaren, sondern bis in seine Grube verschweigen" ^) soll.
Aus dieser Bestallungsformel ergeben sich als die vorzüg-
lichsten Aufgaben des diplomatischen Vertreters: Führung von
Verhandlungen mit dem Empfangsstaat, mit welchen ihn sein
Herrscher betraut, und außerdem regelmäßige Berichterstattung
über alle wichtigen persönlichen und politischen Vorgänge bei
demselben. Dieser Gesandtenposten am Kaiserhofe bleibt fortan*)
eine dauernde staatliche Einrichtung, wie die „forma juramenti
für den bayr. Agenten am kaiserlichen Hofe" '^) bezeugt.
Als ein zweiter stehender diplomatischer Posten folgt dann
der eines bairischen Agenten bei der Republik Venedig*).
1) Über ihn vgl. Stieye, Briefe und Akten z. Gesch. dos 3()j&hrij2^en
Kriegs. München 1883. V, S. 6.
2) R. A. — Bestallungen, Bevorse bair. Beamten F. 1.
3) So lange er, heißt es in der Bestallung weiter, diesen Orts unser be-
stellter Diener ist, wollen Wir ihm fOr Besoldung, Lieferung, Hauszins, Zeh-
rung, Kleidung, Diener, Sold, Verehrungen und alles Andere, wie das Namen
liaben mag, von unsrer Zahlstube geben lassen jeden Monat 60 fl., also
jährlich 720 11., davon soll H. alle Unkosten klein und grofi abrichten, dem
kaiserlichen Hof auf seine Unkosten nachreisen. 1580 wird H. als fürstlicher
L*at mit 300 fl. Gehalt aufgefdhrt — der Betrag von 420 fl. ward also wohl
früher als Repräsentationsgeld betrachtet (der Jahresgehalt anderer Hofrftte
belief sich 157G durchschnittlich auf 400 und 300 fl.).
4) 1598 wird in der Hofzahlamtsrochnung unter der Rubrik: Secret&re,
Ratschreiber der 3 Kanzleien, aufgeführt „Prfindl fOr ihre Dlt Agenten gen
Prag aufgenommen 280 fl.**
5) H. A. - E n. 1 S. 292.
G) Eide desselben (H. A. — E n. 1 S. 313) . . „was Euch vertraut . .
bis in Eure Grube verschweigen und keinem lebendigen Menschen, der nit
unumgünglicher Notdurft nach darum wissen haben mu£, vertrauen oder er-
öffnen, sondern Euch auch zu befleißen Alles, was ihre Durchlaucht (~ Dt)
zu wissen notwendig und nützlich sein oder hergcgen von andern Personen
(dieselben seien gleich ihre Dt eigne Diener oder Fremde) mit Beden,
iSchreiben oder mit der That selbst zu ihrer Dt Verkleinerung und Nachteil
— 460 —
Außerdem hatten die Herzoge auch noch in Madrid
ihre Agenten ^ ), welche teilweise nicht ausschließlich im Dienste
der Herzoge standen, sondern, von andern Landesherm bestellt,
jenen nur nebenher Bericht erstatteten^) und ihre Angelegen-
heiten vertraten.
Die Rangstufe solcher Agenten war aber keinesw^s eine
hohe, denn diese Agenten wurden dem Kreise der Secretare
entnommen und auch im Status der Hofkanzlei während der
Dauer ihrer Funktionen außer Landes fortgeführt. Daß man
Subaltembeamten solche Posten anvertraute, findet darin seine
Erklärung, daß es doch nur minder wichtige Angelegenheiten
waren , welche diesen Agenten überlassen waren '). Handelte
es sich um bedeutsame politische Aufgaben, so wurden stets
spezielle Gesandte aus dem Kreise der gewiegten und geschäfts-
kundigen Hof- bezw. geheimen Räte zur Verhandlung mit den
auswärtigen Regierungen bestellt *). Die Kostspieligkeit solcher
Missionen hat wohl nicht am wenigsten die Ausbildung einer
ständigen Diplomatie befördert.
gehandelt werden möchte, zu erkundigen und ihrer Dt dies Alles f&rderlieh
berichten, also ihr auch sonder und insgemein als ein Agent habendem Be-
fehl mit ihrer Dt. Vorwissen etwas zu tractieren und zu . handeln haben
werden, das sollen sie mit gebührlicher Autorität und Reputation angreifen
und verrichten und alle Zeit dahin trachten, daß Alles, was Ihr handelt m
ihrer Dt £hr, Nutz und Frommen gereiche und hierin durch nichts Yerabsftimit
oder übersehen, sondern vielmehr von Euch Allen Gott und ihrer Dt. also
respektiert werde, auf alle mögliche Wege und in allen Sachen ihrer Dt^ Null
und Wohlfahrt . .
1) Stieve, Briefe und Acten V, S. 5.
2) z. B. am spanischen Hofe Hueter ein deutscher Secret&r des KOniga;
in Prag war Manhart, ein kaiserlicher Beamter, von Wilhelm Y. als Agent
bestellt (Stieve S. C).
3) Der Rang entspricht dem der brandenburgischen Agenton im Gegen-
sätze zu den höher stehenden Residenten. In Brandenburg entwickelte nch
übrigens die ständige Diplomatie später als in Baiem, erst im Laufe dca
17. Jahrhunderts. Vgllsaacsohn II, S. 198 £; Krauske S. 131 flu (i5M
ward nur ein Agent in Warschau bestelltl
4) Vgl. Stieve V, S. 8.
— 461 —
§26.
Die Hof karnmer.
Die FinaDzverwaltung Baierns, welcher schon seit langer
Zeit in den llentmeistem eine selbständige und sachgemäße
provinzielle Organisation gegeben war, bedurfte auch an ihrer
Spitze einer durchgreifenderen, energischeren Zusammenfassung,
als sie bislang vorhanden war. Denn noch immer steUte
sich, wie seit Jahrhunderten, in dem Kammermeister, welchem
ein Kammerschreiber zur Seite stand, die Konzentrierung
des gesamten Finanzwesens des Herzogtums dar, allerdings
nur nach der kassenmäßigen und buchhalterischen Seite hin,
denn an ihn lieferten die Rentmeister die Überschüsse der
Gefälle ihres Rentamts ab, und er hatte aus diesen namentlich
die Centralausgaben , den Aufwand für die Bedürfnisse des
Herzogs, seines Hofs und seiner Centralbehörden zu leisten, so-
wie die Forderungen der Gläubiger des Herzogs nach seinen
Anordnungen zu befriedigen. Dagegen wurden aUe bedeutenden
Aufgaben, deren Lösung die Leitung der Finanzverwaltung und
der Finanzpolitik erheischte, von der Centralstelle , die alle
wichtigen Regierungsangelegenheiten erledigte, beraten, nämlich
vom Hofrat.
Die Finanzverwaltung war aber zu einer stets steigenden Be-
deutung gelangt infolge der erhöhten Anforderungen, welche der
sicli immer mehr erweiternde Kreis von staatlichen Aufgaben, sowie
die durch die Verhältnisse der äußeren Politik im Reformations-
zeitalter und durch die Stellung' der Witteisbacher zum Kaiser
und den übrigen Reichsständen hervorgerufenen kriegerischen
Verwicklungen bedingten, sowie infolge jenes wirtschaftlichen Ent-
wicklungsprozesses, welcher auch im Staatshaushalte die natural-
wirtschaftlichen Formen des Verkehrs immer mehr durch die
geldwirtschaftlichen verdrängen ließ.
Die Not der Zeit, die Zerrüttung des Staatshaushalts legte
(las Streben nach Reformen nahe. Diese konnten in der Staats-
wirtschaft nur durchgeführt werden, wenn alle dieses wichtige
Gebiet l)erührenden Fragen nicht nur nebenbei von einer mit
Nielen iuulern Aufgaben betrauten Behörde behandelt, sondern
wenn das Prinzip der Arbeitsteilung auch hier zur Anwendung
— 462 —
gebracht uod ein besonderes Organ geschaffen würde, welchem
dieses Ressort zur ausschließlichen Pflege und Förderung an-
vertraut werden konnte.
Wie überall drückende Finanzkalamitäten den unmittelbaren
Anstoß zur Schaffung oder Reorganisation der Finanzbehörden
gaben, so nahm auch in Baiem Albrecht Y. kurz nach seiner
Thronbesteigung eine solche in Angriff in der ausgesprochenen
Absicht, dadurch Ordnung in den Staatshaushalt zu bringen
und die stetig anwachsende Schuldenlast zu vermindern.
Indem Albrecht V. 1550 die Hofkammer ^) ins Leber rie^
hat er nicht nur die gesamte Leitung des Finanzwesens in
Einer Hand konzentriert, sondern dadurch, daß er dieser Be-
hörde eine kollegiale Verfassung verlieh, jene Stetigkeit und
Tradition in der Behandlung der Geschäfte und die Möglich-
keit einer bessern Kontrolle eröiihet , in welcher schon Melchior
von Ossa (1556) eine der wichtigsten Verbesserungen des Finanz-
wesens erblickt*).
Der Baiemherzog folgte bei diesem umfassenden Reform-
werk dem Beispiele K. Maximilians I. und führte nach dem
Muster der von diesem begründeten, von dessen Enkel Ferdi-
nand I. zu dauernder Wirksamkeit in den österreichischen Elrb-
landen wiederhergestellten Hofkammer') ebenfalls eine kollegiale
Centralstelle für den gesamten Finanzdienst des bairischen Terri-
toriums ein. Baiern ist schon als Nachbarstaat Österreichs und
infolge der innigen persönlichen Bande, die seinen Herrscher
als Schwiegersohn Ferdinands mit diesem verbanden, dasjenige
Land, welches am ersten berufen war, den in planvoller Glie-
derung aufgeführten Bau des österreichischen Behördenorganis-
mus ^), welcher dann seinen Wanderzug auch durch die fernsten
1) Über die Bedcatung des Wortes Kammer aach im Sinne von Yomt^
räum und Schatzkammer vgl Stolze], Brandenburg-Preofiens Rechtererw.
I. S. 13 i
2) Vgl Schmoller, Epochen der preuft. Finanzpolitik (Jahib. t Ge-
setzgcbang, Verwaltung \l Volks^iirtschaft 1877. Bd. I, S. 44).
3) Rosonthal, BehOrdenorganisation S. 51 £ ; Adler, CentnlTenril»
tung S. 71 ff.
4) Über die Geschichte derselben und ihre Anknüpfung an franiösbcli-
burgundische Institutionen habe ich an andrer Stelle (Bosenthal, Be*
hOrdcnorganisation S. 101 ff) ausführlich gehandelt Ich verweiM hier uif
diese Darlegung.
— 463 —
deutschen Territorien zurücklegte ^), nachzubilden. Der Umfang
des Herzogtums sicherte ja auch einer solchen Centralfinanzbehörde
einen entsprechenden Wirkungskreis und steigerte das Bedürfnis
nach einer derartigen formellen Ordnung der Staatswirtschaft.
Albrecht V. hat aber keineswegs das österreichische Vorbild
einfach kopiert, sondern er hat nur die Grundgedanken der Maxi-
milianeisch-Ferdinandeischen Verwaltungsreformen aufgenommen,
diese sell)st aber äußerst selbständig unter Berücksichtigung der
durch die besonderen Verhältnisse des Landes gebotenen Mo-
difikationen eingerichtet, ohne sich also sklavisch an sein Vorbild
zu binden.
Diese Prinzipien waren: Durchführung des Realsystems
durch Loslösung der Finanzverwaltung von der allgemeinen
Landesverwaltung, also durch Ausscheidung aus dem Geschäfts-
kreise des Hofrats als der Centralregierungsbehörde*), Cen-
tralisierung des so verselbständigten Geschäftszweiges durch
Schaflung einer eignen Behörde, welche als höchste Instanz ein-
lieitlich und gleichförmig die ganze Finanzverwaltung des Landes
leitete, indem alle Finanzbeamten ihr unterschiedslos untergeordnet
waren und ihren Anordnungen unbedingten Gehorsam schuldeten.
Endlich erhielt auch die neue Centralstelle eine kollegiale Ver-
fassung, die sich schon bei andern Behörden bewährt hatte.
War man sich auch bei Errichtung der Hofkammer ganz klar
über die Grundfragen der Organisation, so zeigt sich in der
Praxis ein gewisses Schwanken über die Zweckmäßigkeit ein-
zelner zur Anwendung gebrachter Grundsätze, so daß man sich
an der Hand der Erfahrung zu mannigfachen Änderungen im
einzelnen veranlaßt sah, die in verschiedenen, mehrfach von ein-
ander abweichenden Hofkammerordnungen zum Ausdruck kamen.
Die Geschichte der Hofkammer bietet so in dem ersten halben
Jahrhundert ihres Bestehens, wenn auch an den organisatori-
schen Grundlagen im allgemeinen festgehalten wurde, ein wechsel-
reiches lUld der verschiedenen Anschauungen über die beste
formelle Gestaltung der Staatswirtschaft.
Es war jedenfalls von außerordentlichem Werte, daß nur
ein fachmännisches Kollegium das Finanzwesen des ganzen
1) Vgl. Rosenthal S. 173 ff.
2) Über den Prozeß der allgemeinen Differenzierang der Behörden in
andern Ländern vgl. Rosenthal S. 108.
— 464 —
Landes dirigierte und so eine kräftig zii&animeufnsseiide I^eitung
und Oberaufsicht dieses wichtigsten aller SlaatsverwalUings-
zweige gewährleistete, Ausschließlich die Hofkamraer sollte
künftig mit den diesem Ressort angehJtrigun Geschäften hefaSt
werden. Das war das Programm, nach welchem ilie Stelle ihr«
Wirksamkeit entfalteji sollte — und ist unser enistjii-hw ent-
licher will und mainung, daz sunst niemand mit einuemen, aus-
geben und anrlerer handlung unserer Minergueter ze Ihun oder
sich deß auf uns soll zu vcrtliedingen haben, dann allein unser«
camerrilte Inhalts diser unser instructiou, sagt Albrncht V. in der
ersten Ilofkammerordnung (1550). Wenn dieses Programni toD-
sULndig verwirklicht werden sollte, mußte auch der Berzog »elbsl
auf seine Machtvollkommenheit in gewissem Umfange verzichteo,
um nicht die Kreise der von ihm geschaffenen Behörde zu stflren
und den Erfolg ihrer Tbütigkeit zu gefährden. lu der Tbftt
versprach er eine solche Selbstbeschrftnkung, indem er zusicherte,
künftig nicht mehr von einem der Ämter Geld auf/unehmon,
sondern sich solches nur mit Zustimmung der Kammer vom
Zahlmeister auszalUen zu lassen ' }. Er unterwarf sich also aus
freien Stückeu der Kontrolle seiner Hofkammer, so daß in der
That in ihren Händen alle Fäden der Finanzverwaltung zu-
sammenliefen und sie allein die für die Ordnuug und Hebung
des Knmmerwcsens erforderlichen Maliuahmen treffen kounte,
ohne eine Durchkreuzung ihrer Anordnungen fürrhten zu roQssen.
Leider fehlte sowohl Albrecht wie seinem Nachfolger die Aus-
dauer, um selbst in Zeiten druckender Verlegenheiten dieser
fOr die BlQthe des Finanzwesens uueutbehrliclieu Selbstbeschrftn-
kung treu zu bleiben.
Am 18. Oktober I5öO — unter diesem Datum ist auch die
erste Hofkammerordnung erlassen ») — trat die llofkammer iu
1] HotkammeiordnuDg (— H.K.O.) 1550: Dtmit nch lolichM od ainidw
verliiiidenuig aod putng beachehen mOgr, n> wOUno wir Id kuDon «ly tm
ainichen aumn unbt odei snnit gelt ein oder ftuhemon, Madom wum wir
lu nnieni banden gelte Dottmltig mIb weiden, vsUco wir dsMelb gelt Bit
Torwiiaeo ix der cfauDerrAt tob anaetni Terordeaten ulmoirtor etsplabeii Immil
2) Dieto und die tolicenileii Hofkunmerordniingen mit Anmahiiie der «Ml
IBOl lind noch nicht TerOffentlicbt OaUAliichritlen donelbcD enUiRll lid. 1 dar
HoffciintnerprotokoU* im Kr. A. H.. und tm S. 1 fl! dio von 18. Okt 15M, i^ 23 S
die TOm S&Mmi lbU^8.4IK die vom 8. A|>ril 1666 nad ä ) 1 1 ff iüd raa
— 465 —
Leben. Die vier iieueniannteii Karamerräte^) leisteten an diesem
Tage den Amtseid. Das Kammerkollegium trat so einerseits an
die Stelle des Kammermeisters, in welchem bisher die Finanz-
verwaltung des Landes ihre leitende Spitze gehabt hatte, ander-
seits an die Stelle des Hofrats, von welchem die kollegialer Be-
ratung und Beschlußfassung bedürftigen Kammersachen bisher
niitbearbeitet worden waren. Der Herzog habe, so ließ er dem
bisherigen Kammermeister C. Perndorfer durch seinen Kanzler
verkünden*), im ersten Anfang seiner Regierung bedacht und
erwogen, daß derselben fümehmste und sondere hohe Notdurft
erfordere einen Kammerrat stattlich zu verordnen, dem einge-
bunden werde, alles seiner fürstl. Gnaden Einnahmen und Aus-
gaben dermassen anzuschicken und in eine Ordnung zu bringen,
damit seiner f. Gn. Staat möge unterhalten, die Schuldenlast mit
der Zeit geringer und abgelegt werde. Weil er (Kammermeister)
al>er wohl erachten könne, daß Solches nit eines Mannes Werk,
sondern etlicher ehrlicher, getreuer und erfahrener Personen
mehr darzu von nöten sein werden, da er aber seines Alters
halber selbst um Enthebung von seinem Platz nachgesucht, er
auch mit den rückständigen Rechnungen noch hinreichend zu
tlmn hätte, habe der Herzog etliche Personen fürgenommen,
(li(i er zu Kammerräten verordnen wolle — und ir kainer
jillain camermaister sein oder den namen haben, sunder ir
aller namentlich und sunderlich ambt und bevelh sein soll mit
allem einnemeu und ausgeben obvermelter maßen zehandln.
Die in jeder Behördenbildung enthaltene Selbstbeschränkung
des Landesherni kommt auch hier zum Ausdruck in dem De-
cret des Herzogs an die 4 Regierungen ^), in welchem er diesen
die Einsetzung der Hofkammer anzeigt mit dem Befehl, der
sich noch besonders an den Rentmeister richtet („welcher am
meisten unter Euch mit den Kammergütem zu thun"), den
Kannnerräten, „dieweil wir ihnen mit allen unsem Kammer-
gutem unsers Eürstentums stattlich zu handeln und demselben
4. Dezember 1572. Die vom 19. Mai 1591 ist herausgegoben von Stieve
in den Sitzungsberichten der Münchner Akademie, phil.-hist Kl. 1881, S. 32 ff.
1) Gg. Baumgartner zum Franenstein, Eustach v. LiechtcDBtcin, Pankraz
V. Freyberg zu Aschau und K. Keck.
2) 12. Sept 1550 (Kr. A. M. — Hofkammer-Ordnnngen etc.).
3) 22. Okt 1550 (Hofkammer-Prot I, S. 8).
II u-^c II t h :\1, (iesohichte d. (ieiichtsw. o. d. Verw.-Org. Baiern*. I. QQ
— 46« -
nacbzusct?:en befolileu, io Allem, was uii^er Kammergut
anstatt und von unsret wegen Bescheid bei ihnen zii
Auch sonst nahm der Herzog noch Anlaß, den KaniaierrUea
ansdrücklich Vollmacht zu erteilen, statt seiner in minder wich-
tigen Dingen ') zu handeln, so daß er die von ihnen im Nukd
des Herzogs eingegangenen Ven>Si('htungen als die seintgen an-
erkannte unter der Zusicherung, in keiner Weise stSrond in
ihre Transaktionen eingreifen zu wollen *). Die von ihuen tt-
lassenen amtlichen Schriftstücke waren behufs Kennzeidumog
als solche mit einem besondem Secret zu verschon.
Das Herauswachsen der Hofkammer aus der höchsten Laodee-
ccntralstelle, dem Hofrat, brachte es mit sich, daß der /usRramnH
hang der neuen Behörde mit diesem nicht vollständig geltest und
den Kammerräten die Verpflichtung auferlegt ward, wenn sie
nicht durch Kammergeschäfte besonders in Anspruch genoanDeo
waren, den Sitzungen des Hofrats beizuwohnen, namentlich dann.
wenn hier Sachen zur Beratung standen , die eine anaebnUcbe
und stattliche Besetzung erforderten *). Landhofmeistur tuid
Rate konnten überhaupt die Mitglieder der Hofkammer, «ei es
«laß wichtige Sachen auf der Tagesordnung des Hofrats standen.
oder daß die erforderliche Zahl von Hofrät«n fehlte, zur Teil-
nahme an den Hofratesitzungon entbieten, vorausgoset
1) Vgl. 8. 473 f.
S) wu ei aoch dethalb mit nnienn vorwÜHn aod iriDaa
ntmen oder für «ich (elbs iDeu^n, Tenprecbeo und Tsnchreibm,
inon, dunit ri ui oiucr «tat trawn nnd gUubcn btJten, dnicb du
gu kain TerhiDderang betcbehea, tondor wir soUeii and wOUmi
ollen lehadloB balteo, daatelb nit wenigcT getreulich Uiiten und
All ob wir dwietb» ugoer peraon gotundlt, loegcugt and Tenproi
(EK-O. 1650)
3) H.S.O, 1560: Wun nch je la zeiton begibt, du ü nicbti
dei cuner tu thon haben and in unienn hofrath tachen f orhandfm
Dottarft ervordert, dai deraeib unter bofralh Biuechlich and
•ei. altdann lollen il die cbAinerritb dentelben unteren hobath
aoeh achnldig lein und derhalb ir jndcr die gewondlieh ratvpfiiebt
anch je in teilen to auMchlieb rerbor aod bandlimgen in n
fnr<i«leD oder am redlichen ui«achen oder Terhindcnuigen i
anul der hotrithe mangel nod abgiiDg wlr«^ to mflgen onior !
nnd rlt die (hamnrr&Ui auch in den hofratb n inen eirordi
aucb dietclbcD crKheinen doch in allnef; mit der mal nnd I
du an nottarftigor Tnnrirhtnag aniertr chamerbendl nicht*
tannibt werde. Ebenso ILX.O. 1&5&.
- 467 —
die Erledigung der KammerhandluDgen dadurch keine Störung
erlitt. Die zugezogenen Kammen'äte wurden dann für diese
ihre Aushülfethätigkeit im Hofrate noch besonders in Pflicht ge-
nommen, sie hatten den Hofratseid zu leisten.
Diesen Standpunkt der ersten Organisation der Hofkammer
verließ man bereits 1565 wieder 0» indem Herzog Albrecht in
diesem Jahre dem Kammermeister Z. und dem Haushofmeister T.
mit einem Kammersekretär die laufende Verwaltung des Kammer-
guts übertrug. Der Unterschied gegenüber dem früheren Zu-
stand (vor 1550) bestand nur darin, daß jetzt nicht nur ein
Beamter (Kammermeister) allein, sondern 2 Beamte die Führung
der Finanzgeschäfte übernehmen, und femer darin, daß man
jetzt, „weil das Thun groß, der Handlungen viel und die Sachen
wichtig", den beiden, vorläufig für ein Jahr, 5 Hofräte beigesellte,
welche alle wichtigen Fragen eventuell unter Zuziehung des
Kanzlers gemeinschaftlich beraten sollten. Im Gewöhnlichen
hatten sie ihren Obliegenheiten im Hofrat nachzukommen.
1) RK.O. 1565: unser von Gottes genaden Albrechten . . . Instruction,
wie es hinfuran mit verrichtong and abhandlang onserer chamersachen ge-
halten werden solle.
Erstlich bevelhen wir hiemit die Verwaltung unserer chamergueter dem
C. Zeller als unserm chamermaister, doch solle unser rath und haushofinaister
Gg. Taufkircher, sein zuegebner und mit veromdter sein dergestalt das si
beede ordinarie werchtaglich vor- und nachmittag auf der chamer ratstuben
zusamen kommen und allda sambt und neben unserm chamersecretari R., der
auch so oft not thuet umb bericht angefragt soll werden, die schreiben, welche
unser camersacben antreffen und nit zu unsem aignen banden steen, er-
prcchen, darauf auch unser notdurft handien und betrachten, und was si
jeder zeit in ainem und dem andern beschließen werden, sollen si samentlich
uns referiem und in allem unsers beschaids erwarten, wie wir inen dann, so
oft noth thut audienz geben wollen, doch weil das thun grofi, der hand-
lungen vil und die Sachen wichtig sind, wellen wir inen unsere r&te W. Lescheil^
S. von Zillnhart, Gg. v. Qumppenperg, Dr. Perbingem und St Trainer, iQM
soDsten wan si auf der chamer nichts zehandlen haben, unsem hofirafh Ifae«
suchen sollen, diß jars zueordnen und a^jungiem, die auch unsem cantiefe/to
oft es not thuet und er der hofirathsachen halben fueglich dabei seiniican^MBiie
sich ervordem sollen, dergestalt do was wichtigs furfellt oder sonsten Uiibbraitb*
schlagen und stattlich zuerwegen TonnOten ist, das si alsdann • diMeflieil
unsere rcte, sovil deren jeder zeit verbanden sein, auf unser -t1ilunet(''to
vordem, sambt inen die notdurft bedengken und uns furbringen: und enffich
one derselben oder etlicher aus inen beisein nichts wichtigs ibescHBeßeö, liiMih
uns referieren in kainen weeg. fv ;' - 'c-l •.i,f..;,f,,;[
30*
— 468 —
Es wurden jetzt Dur einige Hofräte bestimmt, die sich neben-
bei auch mit Kammersachen zu befassen hatten, ohne daß diese
mit den beiden Kammerbeamten zu einem ständigen Kollegium
vereinigt worden wären. Durch eine solche halbe Mafiregel
war die Organisation von 1550, wenn auch nicht vollstftndig
wieder aufgehoben, doch in ihrer Hauptwirkung wesentlich
abgeschwächt. Gerade der richtige Gedanke, daß die Ver-
waltung des Kammerguts bei dem geradezu bedrohlichen Zu-
stande der Finanzen eine eigene, mit hinreichenden Arbeits-
kräften besetzte Behörde erheischte, die sich einzig und allein
der Pflege der ihr anvertrauten finanziellen Interessen des
Landes zu widmen hätte, war aufgegeben. Sollten die zu den
Kammersachen zugehörigen Hofräte diese ihre Funktionen ge-
hörig erfüllen und nicht nur als nebenamtliche auffassen, was
der \Vichtigkeit der Aufgabe wahrlich wenig entsprach, so
konnten sie ihre Pflichten im Hofrat, für welchen sie doch in
erster Linie bestellt waren, nicht erfüllen. Und in der That
der Erfolg des organisatorischen Experiments bestätigte nur die
alte Wahrnehmung, daß niemand gleichzeitig zwei Herren dienen
könne. Es kam dazu, daß einige Hofräte noch mit Hofchargen
betraut waren, andere wieder in amtlichen Kommissionen viel-
fach nach auswärts verschickt wurden, so daß man sich der
Thatsache nicht verschließen konnte, daß die Aufgaben des Hof-
rats nicht ordentlich gefordert und viele bei demselben an-
hängigen Sachen verschleppt wurden. Daß dann auch die Ld-
tung der Finanzpolitik und die laufenden Verwaltungsgescbäfle
nicht in wünschenswerter Weise gefördert wurden, läßt sich leicht
l>egreifen * ).
1) VcrhandluDgen über eine Bcorganisation der Kammer schwebten edbflB
bald nach VSb zwischen dieser and dem Herzog. Es handelte lieh nunen^
lieh am eine Minderong der Kosten, welche für das Kollegium» dessen y^—u*
und die Zahlstabe bis jetzt aufgegangen waren. Die Kammerrite hieltsa
nicht dafar, daß bei den vielen Handlungen und Geschäften weniger Fi^
sonon zur Erledigung derselben ausreichen würden» und stellten es in eiiw
sehr farblosen Gutachten (1567, 10. Nov.) dem Herzog anheim, ob er dM
Kammorrat in eine andere Form richten oder gar abgehen und auf en
polchen Weg, wie es unter des HerzOgs Vater gewesen, anrichten
wolle. Sie betonten das Erspamisrooment bei dieser Mafiregel, hatten aber
nicht den Mut, die fQr die Erhaltung der Kammor sprechenden Qrflnde nlt
Entschiedenheit zur Geltung zu bringen (Kr. A. M. — Bargholxerscher Nacihlal).
— 469 —
Den fühlbaren Mißständen suchte die eine Reorganisation
anstrebende H.K.O. von 1572 zu steuern, indem sie bestimmte,
daß ein jeder bei seinem Thun und Beruf bleiben und Hofräte
und Inhaber der Hofchargen bei diesen erhalten werden, nicht
aber mit Kammersachen noch beladen werden sollen*). Jetzt
1) H.K.O. 1572 (Eingang). Nachdem wir hievor aus mererlei beweglichem
Ursachen unsere cammersachen unserm cammemiaister und noch einem un-
serm ime zucgeordnctcn rat bevolhen, inen auch vile und wichtigkait der
Sachen halben etlich unserer fumembsten retho zu inen zeziechen vergönnet
und sich aber solche cammersachen mit der zeit dermaßen gemeret und ge-
häuft, das wir zur fürderung derselben verursacht worden, inen noch ain
mererc anzal rcthe zuzeordnen, auf daz alle ding in schieinigen ordenlichen
thucn und wesen erhalten und wolbedächtlich expedirt und volzogen werden
mochten, so haben wir aber ain zeither in der erfarung befunden, das die
anzal solcher unserer camerräth dahin erwachsen, das vast all unsere ge-
haime und fürnembste reth täglich in den camersachen bemüct, dardnrch
unser hofrath ser entblößt und doch daneben unser wolmainent vorhaben deO'
begertcn fürgang und tägliche fürderung nit erraicht doch daz vorhaben, dar-
auf es von uns angesehen worden, nit gewinnen mügen, sonder wol zum tail
das widcrspil daraus ervolgt ist, also daz solche unsere rethe unsem hofrath
noch Iren stattlichen ämbtern undbevelchen neben der cammer nit zugleich
mögen abwarten und zu beratschlagung der wichtigen Sachen nit jeder zeit
auf der cammer anwesend und beisamen sein künnen, in ansechen daz ge-
dachte unsere reihe zum tail mit iren ambtsgescheften beladen, verwandtnus
oder freundschaft halber etlichen Sachen nit beiwohnen, zum tail aus sonder-
barem unserm bevelch in commission und andern unsem auch iren aignen.
Sachen verraisen und dann etlich leibs notturft oder schwachhait halber nit
bei der band sein mOgen, dardurcb die anwesenden verursacht worden etwan
auch wichtige Sachen auf eine andere zeit und mercro zesamenkonft sonder-
lich dern, so etwan solcher sachen am maisten wissen dragen und erfamhait
gehabt zu verschieben, daraus das notwendigist ist verhindert, etwan gar
hinder sich gelegt und bei tcglichen furfallenden Sachen vergessen, die leut
mit groDer ungclogenhait und merklichem Unkosten lang aufgehalten und zu
zaiten one beschaid vorruccken lassen oder auf verrer ervordem abgeschafft
und also unser notturft unverricht und stecken bleiben muß, welches alles in
unserm hofrath und andern unsem hochen ämbtem nit wenig vcrsanmbni»
bracht, sonder weil die fdmembsten personen und rethe der cammer auf-
gewartet haben, inen auch die andern sachen alle nachgevolgt, also das
geistlich, kriegs, hofrats und justicienhändl fast alle auf die cammer erwachsen
und gezogen werden, dardurcb nit klaine zerrittung ervolgt, dann alle sachen
auf der cammer expedirt je aine die ander gehindert» verschieben und hinder
sich legen machen, daraus uns mit der zeit merklicher schaden and nachtail
tTvolgen mögen, wie die erfamng an ir selbs mitbringt
Solchen zu begegnen und inkonftig zu fürkommen, haben wir erwogen»
das nichts fürstendigcrs und diensüichers sein möge oder kOnnde zu fdrdenmg-
wurde endlich wieder ein besonderes KammerkoUegium aiu 6 Mit-
gliedern errichtet, die ausschließlich fUr die Kammersacben be-
stellt waren, und dabei verblieb es auch fllrderhin.
Als 1579 der I^andtag den Versuch wagte^ sich in die Be-
setzung des Kammerrats einzumischen, indem er darüber Be-
schwerde führte, daß derselbe zum Teil mit Ausl&udem und
neuen Leuten besetzt sei, so daß zu besorgen, es nitkrbte durch
dergleichen Personen das ganze Land Geheinini)? anderswohin
eröflijet werden, wies der Herzog diesen Versuch der Einmischung
in sein Emennungsrecht kurzweg ab mit den Worten: Mao ver-
traue das Kammergut demjenigen an, den man dazu fOr taug-
lich halte').
Die Leitung der Hofkammer war anfangs in die Hände dei
Kamniermeisters gelegt*), bis K>73 ein besonderer Prisident
onacrer cammersacheD und udbi?» hofrathe «olfart, crhaltimg gii«l«r «d-
nungcn, lacli aller Buchoa (^rderlichor eipcdition &li iIbe ein jeder bnj Mtama
thnen and beruef bclcibe und Rcincm anibt und dicntt mit getrenon rltit
abwarto. haben ane derwcKea onttchlotscn nDBcre rothe ddi] diener. M ia
nnionn hofrath ood Knepchenlicheo fitnbterti BeieD, bd dcnielbeD hiafttie n
erhalteD und belnben iDUsBeD nnd mit Bodeni soDderlicb omcni i
ueheo nit m beladen noch eq brachwercn , auf dai ein jedei
detto Tleüiger terrichte and dardurcb guete ordooDg in all
werden mOg and alio fOrgenommon anscre cainmerBBcbqp in andere
iMBtellen und anzoordD<>n.
Und demnach der groG lart derselben, wie wir mo\ erachten mögen aiBem
■oder twaien lotragon. atn merkliche beschwer, cie o« ancb der uit, lotbamw
nnd arbait halber nit erschwingen, sonder ans der purt aintwedor« trlg osd
rerdrosBon worden und ril Terlanen und Tcnanmen oder dioaelbea dloa
-Qbereilen nnd nit stattlich noch beharlich rerricbton konndon, wie das dk
eil de« unfleib muetter iit, ao haben wir darinnen cinaecheD nitba
genommen, doch nit dcrgeetalt, du nit wie man Mgt. durch viel btn
gehoctct werde, dorlialhea mit leitigem ratb dai mittl nrwolt Ol
dai wir (u nniero cammerMchen rOnf nniorer rethe lerunidt, di
All nembUch C. Zclli-r, Th. Khumeralst und Gg. Prandutotter iteta %
nnderlofi den tiglirh farfuil^nden (aclien abwarten, dl« iHcn aber ab I
und Og. ligxalti anfiag« jetio allain aaf den alt«n sacben und on
•iaeo, drnaclbcn nnc undcrloft aoswarten und wai Inen rerrer too i
Tokhen und auferlegt wirdol, lowol ali die andern dnd mit (leift <
soll«i, 1d mal ond gMtalt dlao nn*er intliuetion ondanohiedUch i
1>riagen und atuwoiien wirdet.
1) Landtagi*erhaodlDiigen ISTfl (Manoicr. — Kt. A. Hl.
2) Die henoglieboo Dekrete waren an „Kammcrmeitt« ond BAta" g».
lichtet
— 471 —
ernannt wurde. Der erste Hofkammerpräsident ist der berühmte
Verfasser des „Österreichischen Eerenwerks", Hans Jacob
Fugger ^ ), zuerst kaiserlicher Rat und seit 1565 in bairischen
Diensten. Mit kurzer Unterbrechung erhält sich der Präsident
an der Spitze des Kollegiums*).
In Verbindung mit der Kammer wurde bei der Gründung
derselben auch das Amt eines Kammerprokurators geschaffen.
Wenn die Hofkammerordnungen sich über seine Funktionen
nicht aussprechen, so dürfen wir doch annehmen, daß seine
Stellung sich mit der seiner Amtsgenossen in andern Ländern
und namentlich in Österreich^) gedeckt haben, und daß seine
Hauptaufgabe in der prozessualen Vertretung des Landesherm
in allen seinen finanziellen Ansprüchen ohne Rücksicht auf
den Rechtsgrund bestanden haben wird*). Die Verwandtschaft
dieses Amtes mit dem des den heutigen Kreisregierungen,
Kammern der Finanzen, beigegebenen Fiskals^), welcher zur
rechtlichen Vertretung des Fiskus bestellt ist®), liegt auf der
Hand.
Wie für jede Kollegialbehörde ward auch für die Hof-
kanimer eine eigene Kanzlei ins Leben gerufen, die sich aus
1) Vgl. über ihn v. Wegele, Geschichte der deutschen Historiographie.
1885. S. 279 f.
2) 1573 wird Chr. v. Pientzenau als Präsident genaimt Von 1584 an
versieht der Earomormeister Chr. Neuburger die Präsidialfonktionen. Seit
1592 erscheint dann wieder der Posten eines Hofkammerpr&sidenten.
3) Vgl. Rosenthal, Behördenorganisation S. 165 K, bes. 169 S.
4) 1550 warde Dr. Rochius Freyman als Kammerproknrator vereidigt Er
schwur, dem Herzog und an seiner Statt seinen Eammerräten in allen Ihrer
f. Od. Sachen, darinnen er gebraucht wird, als ein Eammerprocnrator ge-
wärtig und gehorsam zu sein, in denselben schriftlich und mündlich nach
seinem besten Verständnisse zu handeln, zu raten und zu reden und fUr-
nerolich, wo ihm in einer oder mehr Sachen sondere Befehle und Instruc-
tionen gegeben würden, sich denselben gemäß zu halten, die Geheimnisse,
die ihm anvertraut und die er in den Sachen erfahren würde, Niemandem
zu offenbaren und sich von Schankung und Gabe wegen nicht bewegen zu
lassen (Kr. A. M. - Hofkammerprotokolle I, S. 7).
5) Vgl. Pözl, Bayr. Verwaltungsrecht S. 61.
6) Den geordneten Advocat der Kammer nennt den Eammerprokurator
die H.K.O. 1591 (Stieve S. 35), er hat in allen vor dem Hofirat anhängigen
Prozessen, welche die landesherrliche Obrigkeit, Eigentum, Renten u. s. w. he*
rührten, die Vertretung zu übernehmen.
dem Kammersekretär und einer Anzahl von äcbrcibcrD za- \
Bammensetztu ').
Die vorzüglichste Neuerung war die kollegiale VerfiissOBg |
der Kammer. Die gerade anwesenden Itäte mußten alle ror^
liegenden Sachen gemeinscbiLftltcb behandeln und entacheid«*!!.
Kein einzelnes Mitglied des Kollegiums durfte für sich und nhiK
die andern ein an die Kammer genchtetes Schriftstück crötTncn
oder irgend einen Bericht entgegennehmen*), Man hielt sich
auch hier au das tres faciinit (rollegium, denn mindeiitens 3 Rät«
sollten stets hei der Kammer anwesend sein *). Wenn aber den
1) Jctoer hatte deo Sitzimt;oD der Katnmor aiunwohncn. So wnrd« nicbl
nur viel Habe, VeTB&uiDDiR and L^aten abgeicboilteo , Knuleni ar '
Mch cin^heod von den Verhandlungen Kenntnu nehmen und die eJnidaeB
Ratachlagc und Beschlflue ricl heuer reritehen und kontjpioren, ab '
man ihn erst nach der GeraUchlagaDg erforderte und ihm in aller KOna den
Inhalt der von ihm ni fertigendeD SchriftstQeke an^^egoben hltte (H.E.O.
1658). Alt nnn 166G die Parteisachen an den Hofrat vcrwieien iii]rd*%
glaubte man einer besendeni Kammcrkanilei entiaten und mit einem Üekretlr
and iwci Schreibern aoekommen lu können. Im Bedärfnisfalle kooDte I
eine p66ctB Aniahl ron ^jchreibkraHen durch den Kaniler aoe der Ho
requiriert wetden. Es bandeil aicb deoiDsch alm nitbi am nae A«
der Kammerkanilei, wie die RK.OrdnuDi^n heeageo, sondern um i
bindnng des Peraonali der ireicntlicb Termindertj^n KamiDerkauIeJ
Hofkanilei IH.K 0. 1S05, 1672). Der Eaniler hatte im rorau* Einen
Hofkanild zu beetimmen. welchen die Kammerrlte, Gtlla no leiner bedorfle^
jeder Zeit orfordem konnten. Diener wurde also ab Erratimann und HUb-
(chreiber betrachtet und trat im Fallo einer Vakani als ein im Kammer&eb*
•chon Erfahrener an Stolle dee an (scheidenden EamraerKhreiber«.
S) H.E.O. 1660. Doch wollen wir . . ., dai . . unsere ehamerrllh, «eril
der jeder leit anhaimi sind, wat sie Inhalt unterer instraction and iler Dot*
tnrft nach jeder leit in verrichten haben , dasiclb lamenüich mit •
handien und soll ir kainer insonderhait und tOr eich «elbi on
der andern, lo anhaims sind, ainichen hricf nicht nSnen oder ante dar
Terordenten chamer annemen. sonder was also kunil, daielb* hlnweiMB, aoA
auch «an jemand, wer der *ei, ainicben bericht oder handlang allkin, M*
andere seine mitgeordento nnd also auler der gewondlichen rhanwr mabUnb
ionder, wo ir ainrm was tuekumbt mit schriftlicher oder mnntUcher baad*
lang, lu gewondlicher ratieit an die chamer damit weiten. Und eoUeii tlM,
was inrn diter aneor fnitruction nach forkhnmht, oder snnst on mHU vamn
(hamergueter betreffen wnrdet, joder aeit in ir aller peÜMn mit ;
ileift erwegen, beratactdagen and n beetem nnsorm nuti bodeakea ,
lieb H.K.O. 1S&8 nnd 1B7£
3) Nach B.K.O. 1668 wenigiteu i Site.
— 473 —
drei anwesenden Räten Fragen vorkamen, deren Entscheidung
ihnen zu schwer fiel, so hatten sie hiervon dem Herzog Mel-
dung zu erstatten, damit ihnen dieser noch andere Räte zu-
ordne^). Nach der H.K.O. 1591 mußten solche zweifelhafte
Sachen bis zu einer Plenarversammlung verschoben werden, also
so lange, bis auch die abwesenden Räte wieder zurückgekehrt
an den Sitzungen teilnehmen konnten ^).
Im allgemeinen herrschte das Majoritätsprinzip. Bei Stim-
mengleichheit konnte aber jeder Votant über seine Meinung
unter ausführlicher Begründung derselben dem Herzoge Be-
richt erstatten, namentlich dann, wenn der Referent seiner
Ansicht nach seinen Vorschlag nicht hinreichend**) begründet
hatte*).
Die Kammer war verpflichtet, in allen wichtigen P'ragen,
die ilirer Beratung unterstellt waren, an den Herzog zu be-
ll H.K.O. 1572.
2) H.K.O. 1591 (Stieve S. 47).
3) H.K.O. 1558. Zum andern sollen ir unserer camer räth jeder zeit
3 oder zum wenigsten 2 bei der camer alhie sein und bleiben, anch mit
einander sovil ir verbanden und nit abgesondert (es betreff dann die sacb ir
Eolbs ainen) refcriern. da sich auch zu Zeiten gespaltene mainungen zue-
truo^cn, mag, soll ain jeder sein mainung mit aasfuerung der Ursachen^
wo dieselben durch den referenten seins bedunkens nit genuegsam fflrge-
braclit, gegen uns insonderhait meldeiL darzue die relationes, sonderlich in
wichtigen Sachen nit gar zu kurz oder sammarie, sonder mit notwendiger
ausfuerung der Ursachen, auch fürzaigung der snpplication und brieflichen Ur-
kunden, sovil zur Sachen dienstlich, beschehen.
4) Die Dauer der Geschäft8-(Sitzung8-)Zeit war wenigstens den äu£em
Grenzen nach bestimmt, innerhalb welcher die Geschäftslast bestimmend ein-
wirkte (im Winter vormittags von 7, im Sommer von 6—10 und nachmittags
1—5 Uhr). Diese Geschäftsstunden waren pünktlich einzuhalten. Keiner der
Räte durfte ohne Genehmigung dos Herzogs den Sitzungen fem bleiben, und
auch im Erkrankungsfalle war dem Herzog alsbald Meldung zu machen. Die
beiden andern Räte hatten in den Beratungen fortzufahren, durfton aber
keine Beschlüsse fassen, sondern hatten ihrem fehlenden Kollegen von einem
Tage zum andern zu referieren. Die Räte sollten, um dem Kammerdienste
desto emsiger obliegen zu kOnnen, aller Kommissionen in andern Angelegen-
heiten überhoben sein und bleiben. Jeder Rat hatte zur Besorgung seiner
eignen Angelegenheiten Anspruch auf jährlich 6 Wochen Urlaub, den er aber
nicht ununterbrochen, sondern in Partieen von 2—8 Wochen genie§en sollte
i H.K.O. 1572).
richten und dessen Entscheiiluug zu erwarten '). Wij
Herzog nicht zu Hause und duldete die Behandlang der ^
liegenden Sache keine Verzögerung, so hatte die Kammer dnige 1
geheimen Rate*) beizuzietien und mit diesen den Dcfinitit- |
beschluß zu fassen *). Sotiin würde sich <lic Eutscbcidungs* I
gewalt des Kollegiums nur auf tntnder wichtige Augelcgcnlicilea |
erstreckt haben. Ein allgemeines Kriterium dafür, welche Auf-
gaben der Kammer als wichtige zu betrachten , gab
ÄJiin kann aber die AufTassnng über den amifthernden Llmfang 1
<ler Kategorie der wichtigen Sachen aus der exempUfikativea ]
Aufzählung der H.K.O. 1565*) entnehmen.
— 475 —
Herstellung des Gleichgewichts der Einnahmen und Aus-
gaben, also Schaffung und Erhaltung von Ordnung im Staats-
haushalte war treibendes Motiv für die Begründung der Hof-
kammer und bildete die Hauptaufgabe, welche ihr bei ihrer
Errichtung gestellt ward. Dieser Aufgabe vennochte sie nur
gerecht zu werden, wenn sie die Oberaufsicht über alle Ein-
nahmen und Ausgaben erlangte, wenn ihrer Gewalt keine dem
Finanzgebiete angehörige Maßnahme und Einrichtung entrückt
blieb. Die erst« H.K.O. (1550) verfügte denn auch: Erstlich
sollen die obgenannten unsere verordente camerräth in dem
ganzen unserm fürstenthumb und in allen unsern rentambten
aller und jeder unserer camergueter, auch aller Sachen die-
selben unsere camergueter betreffend mit einnemen und aus-
geben und in aller handlung ain volkumenliche Verwaltung
haben und dieselben dermaßen anstellen und in ain Ordnung
])i ingen, damit unser stat (den wir dann nach gestalt der Sachen
zinilich und erschwinglich fumemen wollen) mög unterhalten
und der Schuldenlast mit der zeit und sobald es immer mög-
lich, künde abgelegt werden ')•
abgcbuD^ des traids, verlassung und refonnienmg der ämbter, verstiftang der
casten, closter und kirchengueter, salzsieden, salzaasgang, meut and zOll, perg-
werch uDd was dergleichen Sachen mer seind, daran ans famemlicb gelegen
sein will
1) Vgl auch den Eingang der H.K.O. 1591 (Stieve S. 32): Anfangs
und nachdem wir unserer unverroeidenlichen nottarlt nach je lenger and mer
befinden, das alle und jede unsere camersachen zu gaetor Ordnung dirigiert
und aller billicbeit nach an keinem andern ort dan bei unser camer ab-
gehandlt werden und verbleiben sollen, also abergeben und vertrauen wir ir
hiemit al unser völlig cinkomeii, jerlicb intrada und ausgab dergestalt, das
si in ganzem unserm fürstenthumb und in allen unsern rentftmbtom auch
außerhalb lant« mit allen und yoden unsern camerguetem und was denselben
anhengig ein volkomcne administration und Verwaltung haben, dieselben von
unsern wegen und in unserm namen gegen meniglich on ainichcn respect
getreulich versprechen, vertretton und inen daran ganz und gar nichts ont-
ziohen lassen, sonder wo inen darinnen gegenwertig oder künftig diser unser
instruction zugegen, von wcme das were, einicher eintrag crzaigt werden
wolt, dessen si sich mit fueg und billicheit nit selbston entschiten und
verwern künden, so sollen si uns das umb wentung rucken und schütz, denen
wir inen jederzeit gencdigist halten wellen, gehorsamist fOrbringen.
Inma&on wir uns dan bei disem general articl zu merer erleutterung
weitter crcläm, das wir alle fumeme geltsachen oder ausgaben furohin mit
inen beratschlagen und was dahin nützlich, das die ausgaben den empfang
weitter nit uberlauifen, mit inen jederzeit vergleichen wellen.
— 476 —
Die Ordnungen betonen ausdrücklich, daß der Kammer die
„vollkommene Venvaltung des Kammerwesens^^ zustehen soll,
daß diese Generalklausel den Kreis aller ihrer FunktioneB
begreife. Die H.K.O. hält zwar eine Spezifikation derselben
nicht für ersprießlich, sondern erblickt in derselben, als einer
Ursache vieler Disputationen, eher eine Gefahr, glaubt aber
doch einzelne Haupt- und Generalpunkte hervorheben zu sollen^).
Als Wilhelm V. (1591) sich zu einer unverhttUten Klailieit
über den geradezu erschreckend trostlosen Zustand der Finanzen
erhoben hatte und sich keiner Täuschung mehr darüber hingidii
daß die aus seinen Reisen und der Verzinsung der Schulden-
last envachsenden Ausgaben das fürstliche Jahreseinkommen
bei weitem überstiegen, so daß es ganz unmöglich war, die
Zahlungsaufträge zu vollziehen, faßte er den festen Entschlnl,
unter Aufgebot aller Kräfte aus diesem unerträglichen Zustande
herauszukommen und durch gute Ordnung eine Balancierong
des Budgets herbeizuführen. Er verhehlte sich nicht , daß zur
Erreichung dieses Ziels nächst ihm die Kammer das meiste
beitragen könne, legte ihr dringend ans Herz, keine Mühe und
Arbeit in Verfolgung dieses Ziels zu scheuen, denn der Hensog
verschloß sich auch nicht der Thatsache, daß doppelter Schaden
entstehen müsse, \venn die Ausgaben künftig weiter so gespannt
und nicht beschränkt würden — oder aber und das nit weniger
unser camer deroselben nit von anfang an berichtet und mit
irem rat gehandlet ^) (würde). Dieses Anerkenntnis, wddies
eine Unterordnung der Wünsche und Bedürfnisse des Heraogs
unter die i)ilichtgemäße einsichtige Anordnung der Kammer in
sich schloß, kam zu der richtigen Folgerung, daß die einheit-
liche Leitung und Beaufsichtigung des ganzen Kameralwesens
durch die Kammer die notwendige Grundlage einer wirklich er-
folgreichen Reform sein müsse.
Diese einheitliche Konzentrierung l)edingte auch, dafi der
Kammer alle mit der Wahrnehmung finanzieller Geschäfte betrauten
Beamten untergeordnet wurden und diese zur unbedingten Befol-
1) derowegcn hettcn wir wol Ursachen diso unser auf^richte und iw
fertigte Instruction . . bei dem ainigen wort einer volkomen Terwaltnw
unsers camcrwescns verbleiben ze lassen (Stieve S. 33).
2) Stieve S. 45.
— 477 —
guiig der von ilir erlassenen Befehle zu verpflichten wären ^). In
<liesein Unterordnungsverhältnisse stehen namentlich auch die
Rentnieister, welche die Provinzialfinanzverwaltung leiten, die,
wie gezeigt wurde, in Baiern nicht wie in Österreich koUe-
gialisch, sondern bureaukratisch organisiert ist *).
Wenn die Hofkanimcr die ihr gestellte Aufgabe einer Herstel-
lung des Gleichgewichts im Staatshaushalte sollte erfüllen können,
so mußte ihr außer der Direktion und Überwachung der lau-
fenden Geschäfte der Finanzverwaltung wie unserm modernen
Finanzministerium, dessen direkter Ahnherr ja die Hofkammer
ist, auch die wichtigere einer Leitung der Finanzpolitik und
Finauzgesetzgebung des Landes , wenigstens die Initiative auf
letzterem Gebiete übertragen werden. Tilgung und Minderung
der auf dem Kammergute iiihenden Schuldenlast vermochte sie
nur herl)eizuführen , wenn es ihr gelang, erstens die Ausgaben
zu verringern und zweitens neue Einkommensquellen zu er-
schließen oder die vorhandenen nachhaltig auzubeuten *). Die
II.K.O. 151)1 betrachtet diese Aufgabe, welche sie an die Spitze
stellt, als die vornehmste. Nach dieser*) hat die Kammer nicht
1) H.K.O. 1591 (Stieve S. 34).
2) H.K.O. 1550: Dio gedachten unser rentmaister sollen auch aller und
jeder irer haudlung auf ervordem lautem hericht gehen und auf diesen
unsem camerrath ain aufsehen hahen, dem auch in unserm namen gehorsam
zu laisten schuldig sein.
3) H.K.O. 1550: und in allem, womit si unser aigne camergueter, gefeil
und einkommen zu mererm unserm nutz richten mögen, daz sollen si jeder
zeit samentlich getreulich hedenken und fumemen.
4) (Stieve S. 33): Als für das erst, so ist unserer camem zu nit der
^'oringstcn hauptstuck ainem fürnemhlich ohgelegen, das si nit allein alles
dasjenige, so uns der almechtig got in unsem lauten genediglich geschickt
und ge^'cbcn, auch noch alle stund gehen und schicken thuet, in guetem
osse und wirdcn volkomenlich erhalten sondern auch gogenwurtig und künftig
irem verstaut und unserm genedigistem vertrauen nach ernstlich dahin
trachten und nit underlassen sollen, wie auf zuelessige wege und mitl, deren
uns vilcrlai angodeut werden, unser camergut und jerlich intrada also ge-
bessert und vermert werden möchten, das wir dardurch so wol aus unsorm
obligenden Schuldenlast als zu ainem gueten statlichen verrat komen
kernten.
Dero wegen und obgleich wol aus allerhant Ursachen neu ding anzestellen
schwer und geferlich, so befinden wir doch dannocht» das solche nicht alle-
mals zuverwerffen oder auszuschlagen. Darumben unser emstlicher bevelch,
(las gedachte unser camer, wie wir zu noch weitterer Verbesserung unsors
— 478 —
nur ilarQbcr zu wachen, daß die jetzigen t'inauzqucllen in gutem
esse und würden erhalten werdcii, sondern auch dahin zu trachten,
wie auf zulässigem Wege das Kammergut und die jhhrlicheD
intrada so gebessert und vermehrt «erden , daß der Herzog
nicht nur von seiner drückenden Schuldenlast befreit werde,
suudeni daß es sogar zur Ansammlung eines stattlichen Vorrats
komme. Der Herzog verspricht seinen Kammerräten, in An-
lietracht, daß jede Steuerung Haß und Widerwärtigkeiten her-
vorzurufen |>flegc, sie als seine Diener in seinen Schutz za
nehmen, und ermahnt sie deshalb ohne Rücksicht auf Penwnen
und VerhAltnisse nur der Billigkeit gemäß zu handeln. Für so
bedeutsam hält er die Reform des Kammerguts, daß er auch tUIö
hierauf gerichteten Vorschläge von Privaten der Kammer nir
Begutachtung unterstellen will ' ).
Die ThätJ^keit der Hofkammer bleibt aber nicht auf das
änanzielle Gebiet beschränkt. Die neue Organisation bcgtnol
auch in Baiem „den Gedanken zu vertreten, daß die Verwal*
tung der Einnahmen des Staats im Gninde auch mit den Quellen
dieser Einnahmen, dem Volkswohlstande, zu thun halten
Die ersten Elemente der Volkswirtschaftspftege vei
sich mit der Finanzverwaltung" *).
Die Hofkammer ist es, welche die Aufmcrksamki
Herzogs auf den Garn- und Flachshandel, der viele andere Ge-
werbe nach sich ziehe, lenkt mit dem Vorschlage, Mittel Bucben
iJX lassen, um diesen in das Land zu verpflanzen, eventuell
durch Erteilung von Privilegien auf eine Anzahl von .fahren*).
cunergueti geUngen mAgea, rlaitig, ernbaig onil lUif nkch^eDkui nnd n
nlultaiig deuen tlnich^r g^lei^nheit nit »aneion wellen.
1) HXO. 1691 (Stiere S. 3*).
2) L T. Stein. Lebib. der Finaotwineiuchkft. Leipiig 188IL 1. & nS. 1
3) StleTs S. 51 D. a foT du drit lo ift olTenUch knot. wu iIU jir ]
udt gtn und flu wie hmemblich a,al dem gtmn marckt, auch i
doreli du giDH Unt hin nnd wider ninb tia toHhenliche imiift gtlta K** J
bandlt Wu dao düe hudlong &%th», wol and gvo vQ aadar* j
nteh tme iracht nnd begreift, m wirdet r«tMinlirh goubtet i "
ttuc-heD. wie dite huidlnog in du Unt ubriDgen und duimiu
Wero ilemnub <or d«r rtgicroog Barthaiueii ain t»ft tnuwiUeit, i
•tM nnd mtrkt •!■ jntit<«nielt Uarkhaiuoi) widenunben ScbanUa^ |
iHtii^eii, Riad, PhrrkircliMi and Rekeofelden laVefchreibML IDt i "
dl« gedaehlc regieniDg »unbt »io^m »bg«MDt«n na der unwr wb f
hudslii, tia nbewegcn, du rie «ich du gawerb* and hasttaniiv a
-- 479 —
Überhaupt sollte mit allem Fleiß dahin getrachtet werden, um
mehrere Gewerb und Handtierung ins Land zu bringen, wobei
namentlich auf den Messinghandel hingewiesen wird*).
Erst eine Einzelbetrachtung aller jener Hauptgruppen von
Verwaltungsgeschäften, welche die Thätigkeit der Hofkammer
ausfüllen, wird uns eine richtige Vorstellung von der Bedeutung
dieser Behörde gewinnen lassen.
Wenden wir uns vor allem jener Kategorie von Aufgaben
zu, welche der Hofkammer aus der Konzentrierung des ge-
samten Einnahmedienstes des Landes erwuchsen, so sehen wir
die Kammer in erster Linie mit der Aufsicht über den Domanial-
besitz des Herzogs beschäftigt. Vorzugsweise hat sie hier eine
Aufsicht über die Kastner darüber zu führen, daß die Verstif-
tung und Verlassung der Stift- und Urbargüter treulich und zum
Nutzen des Landesherrn erfolge, daß diese in seinem Interesse
bewirtschaftet und alle geschuldeten Reichnisse ordentlich ver-
zeichnet*) und verrechnet werden').
Einen wichtigen Bestandteil des herzoglichen Grundbesitzes
bildeten die Lehen *), die bei ihrer großen finanziellen Bedeu-
und Avo gleich zu anrichtnng und erhaltang desselben ain sonder privilegiam,
doch auf ain anzal jar, gegeben, so wurde damit nicht verlorn.
1) H.K.O. 1591 (Stieve S. 61).
2) H.KO. 1550 — sollen si auch pei allen unsem castnem und verwaltem
der castenämbter mit Tleifi darob sein und solicb emsüicb einseben haben,
auf daz mit Terstiftung und verlassung unserer aigentumblichen stift- und
urbarsgueter allenthalben getreulieb und zu unserm nutz gebaust, aU und
jede zuestende, leib und anfall gelt mit vleifi beschriben und verrechnet
werden. Ähnücb HXO. 1666 und 1672.
3) Ohne Wissen der Kammer darf kein Kästner eine Verstiftung oder
Verleihung vornehmen. Gegen die Beamten wird der Vorwurf erhoben, da6
sie auf den guten baulieben Zustand solcher Qflter nicht genügend geachtet
und der Kammer über die BaufUligkeit derselben erst berichteten, wenn sie
vollständig ruiniert seien, so daA der Wiederaufbau auf einmal verschlinge,
was viele Jahre aus diesen Qfltem eingegangen. Dieweilen dies von unsem
Beamten eine pure lautere Nacblftssigkeit^ soll die Kammer Mittel und Wege
ausfindig macheu, dafi künftig solcher Schaden vermieden würde (flJCO. 1691
bei Stieve S. 38 f.).
4) Diewciln auch . . . unser lohenscbafb nicht weniger unter unserm
aigenthumb und für unsere camergueter zuversteen, so solle unser camer
neben und sambt unserm . . . verordneten lebenbrobst ganzer unser
lehonschaft bei dein und grofi gnete acht geben (H.K.O. 1691 — Stieve
S. 44),
lung auch der Obhut der Hofkammer unterstellt wurden, Wnh-
reud die erste H.K.O. sich damit begnUgt hatte, dies Dur iui
allgemeinen anzudeuten ' ), stellen die späteren eine Reibe yud
Direktiven für die Vurwaltung der Lehen auf). Sobald cio
Lehen ledig wurde, hatte so die Kummer gutachtlich zu berichten,
wie es diimil gehalten werden solllc. Nur auf M&nnülehvn bit
künftig die Verleihung zu orfulgen. In den einzelnen Ileot-
amtern wurden Bücher Aber die im Bezirke gelegenen Leben
geführt, während die Kammer selbst ein Hauptbuch führte, in
welchem der Stand aller Lehen des Herzogtums sorgfältig ver-
zeichnet und auch die Lehengefällc im Verbal LniSHe zum Wort
der Lehen von ihr verrechnet und eingetragen wcnleii soUl«».
Dil die LehcD nicht ausseid ielJhch finanzielle Bedeutung hatten,
war für die Verwaltung deraellien auch die Zuziehung von Hnf-
rlit«n vorgesehen *).
Eine rationelle Ausnutzung der Einnalimequelleu urbeisdiie
auch einen Verkauf des bei den Kastenümteni itbencliauiiten
(ietreiiles zu den höchsten erreichbaren PreisoD, aläu unter Be-
nutzung günstiger Konjunkturen. Ohne Uenehmigung der Hof-
kammer durfte seitens der Hentmeister und Kastner keincriei
Oetrcide veräußert werden*}. Diese war aber oft gar nicht in
der Lage, die Chancen einer Getreidesteigcning abzuwarten,
sondern mußte um jeden Preis losschlagen, weil die Ebbe in
1) II.K.O. 1560; toll if . . r^rordnen. du jettt in lUMrMfter
aofb hlttftiroD mit oinninnsn und «mpfabaD); dor labeogefell gatt»
l^tuüteii werde.
2) H.K.O- 1565: — lollcn ci mit soDdcrm vloii auf notere Id
h«bon nnd kaio Bitt^rlchen one torwiiioD Dod ga«tAchteD
gpotdcntcn rito Tcrleibt^n, uns sucb jcdcncit der nit oDtpfantrnra
TcnrorchUu und buinbgefkllnen lebon boricht nnd uuaignog
wir di«, M ont tun apert worden, weitor tarerloibcn mit geatkim
wurden, diaMlb«n jodocb udent nIt tlfllnn alt anf manDilohra. i
remt ordDOng gcboo, damit alkr uniorcr ritt«r nnd poatl anch
lalisn b»lb«n b«i allen Biuerm n-nUmbten ordeallche poMlisr
worden, do «1 andent nlt inror Tprhaiidon lein, alto auch M
Min, damit in «TTorderung der li>hen)^fnll ain goto gleicfahait
nach Kclv^nlieiC in menig und buchtet tigkeit der atuck dJe
taiinm, nnd auch ordeolirb nnd troolirb rnrecbn'n.
3) H,K,0, IB73.
4) JIKO. 1B50, IB6S.
— 481 —
der Staatskasse den Verkauf notwendig machte und ein längeres
Zuwarten gar nicht mehr gestattete.
Die H.K.O. 1565 und 1572 gingen weiter und verlangten,
um der Notwendigkeit, immer wieder neue Anleihen aufnehmen
zu müssen, zu begegnen, ein planmäßiges Eingreifen der Kammer
in der Richtung, daß diese genau festsetzen sollte, wie viel Ge-
treide jährlich veräußert werden müsse, durch welche Kastenämter
und zu welcher Zeit dies zu geschehen habe, sodann welche
Küsten das bei ihnen aufgespeicherte Getreide für die Bedürf-
nisse der Hofhaltung und für eine allgemeine Landesnot 1 — 4 Jahre
bereit halten müssen und es erst dann verkaufen dürfen, wenn
es in dieser Frist nicht durch Teuerung oder Hungersnot in
Anspruch genommen worden sei. Der Verkauf war thunlichst
vor Abschluß der Jahresrechnung zu bewerkstelligen, damit der
l>lös noch unter den Einnahmeposten derselben vorgetragen
werden konnte. Die Kammer hatte ferner anzuordnen, durch
wen das Unischlagen der auf den Kästen aufgespeicherten
(letreidevorräte vorzunehmen wäre, damit man sich überzeuge,
(laß diese Getreidereste nicht nur in den Rechnungsbüchem er-
scheinen, sondern in Wirklichkeit auch vorhanden wären ^). Aus
den llechnungsbüchem war sodann die Herkimft der Getreide-
reste ersichtlich zu machen, damit man sich überzeugen konnte,
ob es dabei auch mit rechten Dingen zuginge.
Unter den Einnahmequellen nahmen naturgemäß die dem
Landeslierrn zustehenden Regalien eine hervorragende Stellung
ein. Die Aufsicht über ihre Verwaltung zählt zu den vor-
nehmsten Aufgaben der Kammer. Auf die Erhaltung der Zölle
in gutem Stande sollte sie ihr Augenmerk richten und die Mög-
liclikeit einer Steigerung derselben in Erwägung ziehen, dabei
sich aber nicht lediglich durch fiskalische, sondern auch durch
volkswirtschaftliche Motive leiten lassen. Es war die schwierige
Aufgabe gestellt bei diesen zollpolitischen Maßnahmen, welche
(;ine l>h()hung der Zollerträgnisse herbeizuführen bestimmt
waren, den Handel des Landes zu berücksichtigen, so daß sich
nicht als Resultat derselben eine Verödung der Straßen und
Schädigung der Gewerbe ergeben würde*).
1) H.K.O. 1565 und 1572.
2) H.K.O. 1550: Es sollen auch unsere camerrät mit allem yleiß acht
liabon, da/ unsere zOll und meut in guetem wesen erhalten, daneben auch
11 ■' > <.- n t h ;i 1 . «ievhi.hlf d. Üerichttw. u. d. Verw.-Orf. Baiern«. I. ßj
Erfolgreich war die Tätigkeit, welche dio Kammer auf
diusc'ni Gebiete io den ersteu Dezennien ihres Bestehens «ut-
faltete, wohl iilcht, denn in einem Guuchten derselben wird
1591 hervorgehoben, daß die Zölle und Maut mehr ab- als zu-
nehmen, weslmlb in Erwftgung gezogen werden sollte?, wie Milche
durch den Kaiser und die Reichsstände orbübt werde» könnten.
Zu diesem Zwecke habe die Kammer alli! Zollordnuugcn zum
Studium eingefordert und sei willens, auf Gruud dcgselben ucu«
Vorschläge zu machen »).
betnchUn, ob uDil wie dloiHlben in mererm nnaenn nuti, doch oa «OBd« ueb-
red and beschwerlich ncueniDg oder TerbioderuDg dnr gownrb and Ktrotm in
iui»nnfQnt«Dthiinibgep»chtwerdcnmOchteD.— SoaaeliBXO. 1568 und 167^
l, Stieve 8. 51.
8} Kit wannem Nachdruck wird der Eoncammcr dM BcirheDhallor S«h-
wocen am Hen gelegt, ^die aneehenliche gab Gottea and nit du wonigwtr
obkoniBD nOfen (QTBteDUnunb«" ; dafi Bio den S&luiudsrn in Bdcheohall um
Aufmerluamkeit Mheoken und die Rechnung derselben onter ymaMawf
Qbnrtlaisiger ünkoiten rcgelmllllig erfufdem loll, ist ein in ollen InatralcttOMB
wicdeTkebrendor Punkt, ik man kein Mittel anvenncbt lieB. um durch
nitche VerbeMerungen eine Steigerung dar ErtngiAhigkeit i
liehen Gottetgabe lu craiclen. Die U.E.O. 166S bMUmmt ta:
eehinenB jan der GuUiger ün wcik ia den talipronneD gen
otlich loben, otlieb nit für tauglich eracbteD well«in, toU«n ai
rit bedacht sein von Saliburg, dem Hallo oder uderer ort
werkUit, so «ich anf dem lali&nt innti^nn, gen Boichcnhall
Gatteiger tu bringea die uch stallich lu beratschlagen, wAlh wnk dai ill
oder new ta me«rung uosors caj»ergiiet« uns das autilichor im
tigkeit der Kammer wurde gerailn ant inlche Rfform^n, „dardi
jährlich Ksiomer^'ut noi.'li weiter in verbeasam*. hingelenkt.
Henog and dem Lande merklich fiel gelegen, I>ie ILE.O.
Kammer aof, im Archiv und in der Kuiilei alln aal den Biport
Niederlage de* SaliM beiagUcbim Urkunden, Schrin«n, Yortrtg«
holten oinnueben nnd Erkundigung einiuiiehen, an welchen Ort
«awidnr gehudelt nnd irgend wolcbo uniulftsaig« batehworllche
mit Nlederlegong, Fertigung , 6piimng oder Eindringniig
Torgenommen wurden und auf Abslellimg dei«elbeo ainaeiL
wnnle der Kammer 1691 (Ktieve 8.361) die Direktive
Grwellerung dos Abutigebiet« de« ItMchanhallor Saliei, wie
Lude weitet oder besser hinabgebracbt, verRhrt nnd
mAchte nnt«r aasgiebigcr Benutzung der Wasserstrassea, Erli
todehu) und aber die Einfilbrung dn Salimonopola nachndi
rem flakaUschen Standponkte am VorteitbaftK ini Work n
ZweiJsl gntaehtlichen Bericht an den Henog tu schicken.
Bedientteten, welche in Reicbenhall auf doa drei Stnlea i
— 4R3 —
Wenn auch nicht im unmittelbaren, so war es doch wenig-
stens im mittelbaren fiskalischen Interesse gelegen, dem Ver-
mögensverfall der Klöster und geistlichen Stifter im Lande ent-
gegenzutreten, denn der finanzielle Niedergang derselben würde
zu einer Schwächung der Steuerfähigkeit derselben geführt haben
und im Falle der Landesnot jene Hülfe, die man von den Klö-
stern zum Schutze von Land und Leuten zu erwarten hatte,
unter Umständen vernichtet haben. Deshalb wiesen die H.K.O.
1550 und 1558 M das Kammerkolleg an, auf Mittel und Wege
bei dem Salzwesen gebraucht werden, bedurfte es nach der H.E.O. 1591
gro&en Aufmerkens, Ernstes, Versicherung und guter Hut Zu solcher Be-
aufsichtigung wurde die Kammer nachdrücklich angemahnt
Schon wenige Tage nach Erlaß der H.K.O. 1591 (15. Sept — Stieve
S. 49) verbreitete sich die Kammer in einem Gutachten an den Herzog Aber
die eine Verbesserung des Kammerguts betreffenden Artikel derselben ein-
^^hend auch über das Salzwesen, welches „bei dem löbL Hause Bayern ein
solch Kleinod, welches eigentlich vor allen andern Einkommen wohl wahr-
zuuehincn'', indem sie dem Herzog Torschlug, in Anbetracht, dafi es dabei
tü^'lich und stündlich etwas stattlichs zu versäumen oder zu erhalten gebe,
keine Kosten zu sparen, um das Salzwesen aller Orten in gutem Stande zu
erhalten. Namentlich wurde auf die Konkurrenz des Innthaler und nieder-
ländischen Salzes hingewiesen, welche einen Preisrückgang des einheimischen
zur Folge haben konnten. Es wurde deshalb ein Abkonunen mit Erzherzog
Ferdinand vorgeschlagen, also ein Salzkartell, welches für das Salz beider
Länder nicht nur den Preisrückgang hintanhalten, sondern sogar eine Preis-
steigerung als Folge dieser Vereinbarung erwarten ließ.
Da dem Herzog von verschiedenen Seiten angedeutet worden war, daß
in seinem Lande gute Gelegenheit, „allerlei Metall zu erfinden und Berg-
werke anzubauen", so mahnte er die Kammer, auch nach dieser Richtung
fördernd einzugreifen. Das Gutachten der Kammer von 1591 hftlt es auch
für richtig, kenne Kosten für das Suchen von Bergwerken zu scheuen, wenn
man auch au und für sich nicht gerne dazu raten mochte, dafi „ein gewiß
an ein ungewiß gelegt werden soll" (Stieve S. 37, 52).
1) H.K.O. looO und 1558: dieweil wir auch teglichs erfam und befinden,
das die clöster in unsorm fürstenthumb vast in abfal komen, dadurch die
loblichen Stiftungen, so zu der eer und dienst gottes verordnt sind, geschmelert
un<l abgethau werden und darzue die hilf so man in der noth zu beschutzung
und trost land und leut von den Clustern gehaben mag gar geschwecht und
entzogen wirdet, so will hoch von nuten sein und ist nnser ernstlicher be-
velch und mainung, das unsere chamer rftt auf weg und mitU bedacht
seien und statlich beratschlagen, wie solch der düster abnemen und ver-
derben mochte fürkomen und ain bestondige Ordnung aufgeiicht werden, dar-
durch si in gcisthchen und weltlichen Sachen wider zu aufnomen gebracht
und in ainem erbern gueten wesen mögen erhalten werden, anch uns den-
81»
■^ 404 -
7.Ü siiuien, welcbo uinea Bolcben Verfall der Klöster AufbAlteni
könnten und durcli welch» sie in geistlichen und weltlicbcaf
Saclieii wieder zu Aufaehmen gebracht und in einem t^tefll
Wesen mögen erhalteL wenleo. Das Ergebnis dieser UewegnnyJ
war die Abfassung einer Instruktion Über die Krhaltung T
Ordnung in den Klfistern.
Die H.K.O. lf>65 ') schärfte nun der Kanmier ein, i
darObcr zu wachen, welches Klo&ter gute Wirtschaft I
welches übel hause, und diuiu letztere mit Vorwissen di
einer Visitation zu unterziehen uud Anordnungen
welche dem Verderben lier Klüeter bei Zeiten zu steuern j
eignet wären. Eine solche Visitation wird auch «lurch t
H.K.O. 1572«) und 1591 festgehalten, nur daß diese eine Au-
telb«D iren rattclilAg and bedenken uiuigen, darauf dum Torrer dio noUnrft I
tQrderlich gebudlt werd«!! soE
1) Soll mta ain sondora «abnerken uof die clostoi haben, welche ««I I
oder <lb«l haoMD and do ijch ikio anheaalicbeit bei ainem oder mar baflndc« I
alidum mit ^etjubten der lugeordentcD rite and anicrm vorwiMen daMilb*- I
hin ordnen and risitini Uaaen und lolcb einwhiuii; thao , damit d«B (
derben und abrall bm tnUsn geetenrt und gewelirt «erde, und I
bieTor ain instraction ^atellt worden, wie man bei on»eni dO(t«n,
geistlichem ag in «eltlicbom gueto ordnang; erhalten, »nch du n' "
and andere leicbtfortigkeit ab«t«11en. wellen wir, dat dieeelbeo li
aberaehen tmd noch merer« erwpf^n and bedacht werden.
3] Nachdem auch gemaine lande wolfart uit wenift an •
ao&iemuiig der elOtter and geintlichen gaeUrm (dem ain
semi lande) golegen ist, bo «oUen aniere («merrtt ir fpet a
kuudechaft befitellen und hab>.>n, welcher ort man wol oder (
die iinbciilichen tardcrlieh mit unicrm vonrissoo liiritira »od c
■echen thoen Luaen, damit dem virrd^rbcn and abtkl b
grwOrt werden mög, daneben auch einaehen haben, daa dl^H
irea (Ibelhaaien halbe« pSemr, ricbter oder ander« aufiecher ti
von denaelben onbeechwert leien and daa lolihc anGwcher or
und gobuerlicher fDraehons odk mOet nnd gab daher komen, ■
grachaffen, da* ri dem gotahaiia nit mer tu lebaden and b<
natjt nnd aufbi-nMu dienlich «ein. in albeg «alian li b«i nnfaii
jerüchen «chankungeo lo büher tmaern riten oud bof^Mtitd i
uclien bcachrchen, abatellen und jedes jan atattUebe kondiä
allunthalben «nxiechen and «ioa daaaelb jar damit gMcbaAni n
und darinnen njemuid retachonen noch ahrrtragon. — DI
(Stiere 6. H} beetiliimt etwaa abweichend: die onheoalicli«)
den (aitUiehH lUm aiiul;«i imd da •■ ain nottvrft nebfa ii
Torwiwan <rl*ttin . . .
— 485 -
zeige der übelhausenden Klöster seitens der Kammer beim geist-
lichen Rat verlaugt und auch die Visitationskommission neben
Mitgliedern der Hofkammer aus solchen des geistlichen Rats
zusammensetzt. Diese Kommission soll dann auch darauf achten,
daß diejenigen Klöster, welchen ihres Ül)elhausens halber Pfleger,
Richter oder andere als Aufseher bestellt waren, von diesen nicht
])eschwert, sondern daß diese pflichtgemäß und unbestechlich ihres
Amtes zum Nutzen und nicht zum Schaden der Klöster walteten.
Der Aufsicht der Kammer waren auch die vacierenden
Benefizien und Pfründen, sowie die Kirchengüter unterstellt').
Sie hatte insbesondere die jährliche Aufnahme der Kirchenrech-
nungen zu beaufsichtigen. Aus diesen konnte man ersehen, wie
überall gewirtschaftet würde, was im Rest bleibe, wo derselbe an-
gelegt und wie er versichert sei. Die Unkosten sollte man monatlich
genau überschauen und prüfen, für welche Zwecke jeder Posten ver-
wendet würde, damit die Kirchen nicht entgegen den Bestimmungen
der Landesordnung mit Unkosten übermäßig beschwert würden^).
Die Beseitigung oder wenigstens Verminderung der kolos-
salen Schulden, eine der wesentlichsten Aufgaben der Kammer,
hatte zur Voraussetzung eine genaue Kenntnis aller existieren-
den Schulden und Zins Verpflichtungen. Das Streben der Kammer
mußte darauf gerichtet sein, eine solche zu gewinnen. Zu diesem
/wecke sollte sie die erforderlichen Recherchen anstellen und dann
erwägen, auf welche Weise eine allmähliche Tilgung der Schulden
durch sie und die äußeren Ämter vorgenommen werden könnte ^).
1) H.K.O. 1565: Wellen wir, das die bericht, die hiovor der yacierenden
( löstcr und benefitien halben eingezogen worden sind, defigleichen die acta
Visit atiouis und decimationum ersehen und ain lanterer underschidlicber aoszug
^'«'iiiaclit und alsdann bedacht worden, wie man derselben einkommen, stift^
ront und <,'ült in ein wecg richten und ansteUen weUe, damit die wider ad
]>i.is causas zu befurderung der eer gottes, auf erziehung der jagent und or-
haltiin<r tau^^licher briester, erhaltong der religion und in ander christlich
und nutzlich woe^ an^ewcndt und also dieselben ausgaben einstails ab unserer
( lianior ^a>bracht werden, dergleichen soUen si erkundigung einziehen wie
mit d(>n kirclien^uetcm gehaust und ob die nit zu besserm nutz gebracht
inö^'Pi) werden, was auch bei jeder kircben über die notwendig ausgab uberigs
)i1oibt, ob (lasselb nit gloichsfalls in ein einnemen zubringen und in der-
irl^ichcn notwendigen christlichen ausgaben im land auch zubraucben soie.
2) H.K.O. 1572 übereinstimmend mit H.KO. 1591 (Stieve S 44 f.).
.S) H.K.O. 1550: Dieweil wir auch mit ainem merklichen last der aus-
lendii^on schulden, bo mit beschwerlichen verschreibungcn und intoresse auf
Auf die im fiskAlUchea Inlvressc wauscbciiswcrtcn Konter-
tieruDgen von SchuldfordcniDgeu halte sodatiii die Kanmier
glcictifalls ihr Augenmerk zu ricbtco, um, falb sich hierzu Ge-
l^eiihuit bot, Geld zum norntaleu Zinsfuß aufitubrinii;«!
welchem Betrage danu ein liocbver2irii>licli«s Darlehen oder
uuter andern druckenden Bediiiguugen aufgcuummuue 8chaMver-
Ijflichtung«! getilgt werdeu koiinteu. Der Kammer wanl auf-
gegeben, solche KunvertieruDgschancen auszukuudschafteu und
sie im Interesse und mit Zustimmung des Herzogs bei sich
bietender Gelegenheit durchzuführen ' ).
Ein wesentliches Element des Finauzbedarfs bilden die Auf-
wendungen für die Beamten. Das ganze Ämterwesen wird des-
halb der Kammer unterstellt, welche in dieser BezieliuDg eine
weit über die finanzielle Sphäre hiuausgreifende Wirksamkeit
ausübt, bei welcher allerdings der finanzielle Ausgangspunkt nicht
zu verkennen ist,
Bei Gründung der Hofkammer ward ihr zur laicht ge-
macht, die Bestallungen aller Beamten durchzusehen und zu hc-
denken '), wie die einzelnen Ämter mit deu geringsten Konten,
DIU \iegea, beUden und, derh&lb man teglichi pvi nni umb b«ul]iB( itt'
»M und baabt^eter anbelt, wiowal wir dud deio ain* t&ila
mbeialen Tenprofhen, AQcb scbon v^rordeat und piahnr dio kliin uät
regiening etlicb nl tsiuent gddon beialt haben und teglich bfiatm i
and aber deren, den die bexaloog mt be«chehen oder lenprochen noch als
l^ete anial Beien, >o iit ontai beroUh nnd mainua^, wann um «riter dM>
halb«n aagehalteo «itdet, dat no^er cameirSt die bandlnn^ horoo, «Uttiefe
erfamng der rerMhieibaDeeD ond bogorten linii halben furnehinoii nnd daoa
b»d«Dk«n, wie >lic bcRRhwrrliclut«n achaldnn nach naf nn»eni trobten «b>
gMteDt and bmalt werden mochten. - UXO. 1G5H n. 12: dieweil
mit aincrn limlichen «chnldeDlsiit nnanirefehen unseret getn
■Utlicher hilf noch beladen sind, ■□ iit unier beTeich oad
iiiuet camerrit itatUch eitunag in TenchreibnngQn ond
halben ftunemen und dann bedenken , wie die KliaMeB Bit
anaor camer alhi», danno aaeh anf nBMn labtora kkgwM
werden mOctaten. Ähnlich HXO. 1G7S.
1} HXO. 1550: WD li auch erliran ud 6Bdeii maitan, du
lieh« Teninfong und abloaiing gelt anbabring«« win^ mit den abi
liebe ungewondUehe verschreibang nnd iotereaan mOeht« efMi||t
gel«);t «erden, dvaiif tollnn ri doch mit uj
n f orwiaien kimtachaft wfl
dacMlfa lu ireo banden tnprintren und aniKini nati damit n »cbaAit n
S) I1.K.U. l&GO: Woo er aucli jeUt dir negrt jam-cbnnng .
lieb tuwere cunenlt mit allem iIqIA darin enwbeü, die I
- 487 —
aber doch in einer den Bedürfnissen entsprechenden Weise am
besten besetzt werden. Auf die Abstellung der bei dieser Prüfung
konstatierten Mißstände sollten sie bedacht sein und erforderlichen
Falls sogar mit Strafe und Amtsentsetzung gegen die Schuldigen
vorgehen nach vorgängiger Benachrichtigung des Herzogs.
Die Anstellung aller Beamten legte der Herzog der Finanz-
centralstelle auf, indem er sich zu der Konzession herbeiließ,
zu versprechen, daß er kein Amt besetzen wolle, ohne vorher
(las Gutachten *) der Kammer erholt zu haben. Eine Beschrän-
kung des fürstlichen Ernennungsrechts lag darin nicht, wie auch
die II.K.O. 1572 anerkannte, daß die vom Herzog aus eigner
Bewegung vollzogenen Ernennungen zu Recht bestehen bleiben,
er müßte sich denn selbst zu einem Widerrufe der Ernennung
veranlaßt sehen. Durch die Mitwirkung der Kammer bei der
Ernennung von Beamten dachte man ein tüchtiges Beamten-
personal zu schaffen und es zu erreichen, daß bei Anstellungen
und Beförderungen einzig*) auf die Qualifikation Rücksicht ge-
iind jeder unserer vitzdomben, haubtleut, rentmaister, pfleger, lichter, castner,
Zöllner, gegenschreiber, ungelter, auch aller anderer anhengiger ämbter, wie
dieselben auch an jetzt besetzt seien, lauter erfarene und ihren gethanen
pflichten nach stattlich erwegen und bedenken, wie und was maßen gemainclich
iille unsere ämbter zu mererm unserm und unserer camergueter nutz, auch
des uncostens halb zum geringsten, doch notwendig besetzt und Terlassen
werden mochten, was pillicher beschwerung und mangl si auch jedes orts
befinden, sollen si gleichfalls, wie die am lueglichsten abzustellen seien be-
denken und darin gepurlich und notturftig Wendung thuen. wo auch solichs
änderst nit dann mit ainer ansechlichen straff oder entsetzung der yer-
prechcnden ambtieut beschehen möcht, als dann die sach zuTor an uns ge-
langen lassen, damit auch unsere ftmbter, wie es dann unser auch der unseren
nutz und notturft höchlich orfordert, mit erbem, geschickten personen, die
denselben ambten cerlich und wol vorsteen mögen besetzt und nit ungeschickt
und unberichtsani leut, durch gunst darzue befurdert werden, so wollen wir
kain unser ambt, dein noch groß außerhalb Yorgeender statlicher berat-
schla^un^ mit unscm camerräten verlassen, sonder in sölichem ir unterthenig
ratsam ^uetbedunken jeder zeit gnediglich hOrea — Ahnlich auch H.K.0. 1558.
1) Die II.K.O. 1565 kannte schon wieder die Ernennung durch den
H<T7oi; ohne Einschränkung, ließ aber doch die Geltendmachung von Bo-
d«'nk(»n ^e<,'on eine solche Ernennung durch die Kanmier zu.
2) H.K.O. 15<)5: Was für ambten hohe und nidere verlediget werden sollen
si <lon zuegeordenten reten anzaigen und samb denselben beratschlagen und
bo<l('uken, wie die wider mit tauglichen und unsauemlichen getreuen und
vleiGigen dienern besetzt mflgen werden, doch derselben kains verlassen, son-
nominell werde und keine Anstellung ans GiniBt erfolgo. IMe
Kammer hatte in ihrem Gutachten die einzelnen Bewerber na-
zuflihren und die Gründe für ihre Vorschlage und die Alilchnung
der übrigen Bewerber anzugeben ; es war ihr aber ausdrQddidi
untersagt, ohne Vorwissen des Herzogs irgend ein Amt na rer^
leihen oder jemandem eine Zusage zu macheu >). Bei den Er^
nennungen sollten alte ausgediente üofdiener und Rät«, dio
ihren Dienst Alters oder ^{rankheit halber aufgegeben ballen,
vor andern Bewerbern bevorzugt werden, damit die von ihoen
bezogene Besoldung, rcsp. das Liefer-, Gmideii- und Wart^d
erspart wUrde. Daß eine derartige BerQcksichtiguiig des Er-
sparungsiuomentes nur auf Kosten der Qualißkation erfolgen
konnte und daß halb oder ganz invalide [Ute und Hofbeamte
den DI» mit undenchidlichei eraeliiDg, wer diroinben &Dgehftlt«D btb and
«ftnunbea d renniinen, du vrii den orten jenen and die uidera tut Mt
Demeoi lollen, refarieTen ood fn solctiem faraomlich auf umere alte nt uad faof
and u)d«re diener, item &uf die. welche irer dienit bei udb am hoTS, kltcn
und tebnuhhelt oder anderer unachen halben sui gcnadea «tUmmi Mdad
und doch nichts weniger in beeoldungon und lirnrgelt raa nu haben, be-
dacht «ein, damit bj aoien und wohin si zu^ebnuehen Unehlich ■eind ror
andern versehen and wir also der bosoldoiigoii, Ufer', genaden' and wirtpH
überhebt weiden und die tUo unserer rAt und diener mit der leit abscUct»«
raflgen da wir ab«r ainicb ambt für uni eelbs und sua ngoet hfnegaau *a»
laMea . . werden, dabei aoll ei beloiben, doch ri uui nicht« wenlgct ok li
detMD halben bedenken betten nnderthenigliefa uibrin^n, duoit,wir «aa
darauf desto itattlicher wissen ta reBolderen.
I) H-K.O. 1B7S: Damit unsere (mbter, wie unser nuti und nnttnrft n-
fordei^ mit goeten eherlicben tTMchickten personen. ko solchen &mbt/im «ei
vonteen mOgen, beseixt und renecben wer<leD und iiit unlprichtaaiub m>-
gesebiekt lent dorch gnnit, freundecbaft , mOet eder Ksben dame komea.
to wellm wir, da* ti unsere caner rit hinfQnn on unnor Torwi**«! kaia
ainbt rerleichei^ sondern so deren ains ledig wirdcl, m loi klain uilar gni,
soDeB ti ooe jemand in gemain uder je aiuer fBr üch selbst, iehta davon »-
venaeldeD od«r ainiche andentong oder vertrSsbing m thafla, sottliw a
on* tBrderlicb gelangen lassen und rererim, neben rsrmeldoa* Ina |ta*l-
bedoDkens, wie und ww gestalt das mit ainem tauglich« getreiMa aad vW>
Kjro dieaei besetst werden mOge , neben underschledlieher
dünmb angehalten, wie taoglich ain jeder and wem« er nnder
verwondt oder befrnunilt aeio und •r&rumb d «rrmainon ainen fBr daa ladm
damo »ninleni and lunemen und darüber uDscrs beschalds
wir dann gedenken kains denolben aator vorgeender b«nl
Inan snterlaMea, sonder in solchem Tal ondorthonig« ratmn
jedetMlt gaaedigtlch aaieboni und luranumeD.
- 489 -
nicht dcos geeignetste Material für die Besetzung der äußern
Ämter geboten haben werden, dürfte keinem Zweifel unterliegen.
Die Verhandlungen mit einem neuanzustellenden Beamten
wurden auch durch die Kammer geführt, welche dann die ent-
si)rechende Mitteilung über die vollzogene Ernennung an die
Beluirde, welcher er zugeteilt wurde, ergehen ließ. Eine Ver-
eidigung durch die Kammer war nur für diejenigen vorgeschrie-
ben, welche im Rentamte München verrechnete Ämter haben,
und für deren Untergebenen*), also für die Finanzbeamten.
Daß die Kammer auf die Bildung des ganzen Behörden-
organismus Einfluß nahm, indem sie beispielsweise die Kumu-
lierung mehrerer Ämter vorschlagen konnte*), war durch ihren
Geschäftskreis bedingt.
Ungeheure Summen verschlang die glänzende Hofhaltung,
welche Albrechts V. verschwenderische Prachtliebe und Wilhelms V.
schrankenlose Freigiebigkeit verschwenderisch ausgestattet hatten.
Von einer Hebung der Finanzen konnte nur die Rede sein, so-
fern es gelang, durch Ordnung und Sparsamkeit die Ausgaben
für den Hof zu beschränken. Die Versuche, die in dieser Rich-
tung seit Gründung der Hofkammer von den verschiedensten
Seiten unternommen wurden , namentlich als unter Wilhelm V.
der finanzielle Ruin als drohendes Gespenst nahte, nahmen kein
Knde. Vor allem war man bestrebt, durch Aufstellung eines
Hofstaats und durch genaue Festsetzung der Pflichten der ein-
zelnen Hofl)eamten der Verschwendung und der Untreue Ein-
zelner ein Ziel zu setzen und alle Ausgaben auf feste Grund-
lagen zu stellen. Die Kammer ward als Wächterin bestellt, daß
der neuerrichtete Hofstmit von allen Hofbeamten beobachtet und
nicht überschritten würde; sie hatte im Einvernehmen mit diesen
alles für die Hofkammer Ersprießliche im Interesse des Herzogs
anzuordnen-^).
Die H.K.O. 1591 überträgt ausdrücklich der Hofkammer
die ordentliche Inspektion *) über die verschiedenen Hofstäbe
1) Decrct 1586, Dez. 3. (Kr. A. 11).
2) 1501 (Stic VC S. 52) — das mer ämbtor vor der hant» die nit eovil
initerhaltons bedurften, sondern wol einziehons leiden mochten, also zn-
vorstoon, das ans zwaien ains gemacht wurde.
:^) H.K.O. 1550 und 1558.
4) Stieve S. 40 ff
— 4W —
(Stall*, Futter-, Jäger-, Kuchen-, Kellenueisteranit),
ilicEulbo tär tlie genaue Beobachtung der tlieseu Stäben e
lustruktioneu, als ob sie hiereiu von Wort zu Wort geschriebea, |
verantwortlich macht. Insbesoudere wurde das Kuchennieister- '
amt, in Anlwtracht daß „was luerklicheB uns jerlictien nicht vua
der notturft sonder alliüii dem Überfluß und ungetreu abtra|;en
und dergleichen zuschreibeu", iui die Kammer verwiesen, um
sich in allen zweifelhaften Fällen von ihr Bescheid zu erholen.
Da gerade hier eine gute Hauswirtschaft von größtem Werte war
und es unmtiglich erschien, den täglich wechselnden Beddr^i^sen
durch Instruktionen gerecht zu werden, ,.wann auch zu gueter
hausnirtschaft <^>ft rechnen nicht daä geringcHt", muUten die her-
kömmlichen Abrechnungen im Beisein des UiifmarüchalU erfolgen.
Alle Hufliediensteteu wurden der Kammer unterHtellt und '
waren vcrptlichtel, auf Ladung vor derselben zu erscheinen, i
allen vorfallenden Sachen Bericht zu erstatten und des Besdicicl<> j
der Kammer gewärtig zu sein.
Das Hofbauweseu war gleichfalls der Itespicieuz der li
unterstellt. Ihr war Ql>erhaupt die Leitung des
Bauwesens Übertragen ' ).
Wenn die Leitung des gesamten Finanzwesens in da
der Hofkammer konzentriert werden sollte, so mußte !
Konzentriening auch auf die haare uu<l buchhalteriscbc Gdd- '
I) Hierbei wurde ihr eine gtat kleinliche Kontrolle dei B
Kemotot. die sich no weil erstreckte, dkfi dot Btumnitor ohne ihr 1
keine Arbeit rerdingsn durfte, dnG diener ihr wendfflirh sIIm m
Baurntteritl icii;eu eollte. Es mOuen recht trUbn Er&hnuij[OB i
■ein, die aiii<^ tolche Beronnundungr dM BBuoeiBter« UigBtügt a
lietcn, dem ja ohnehin im ÜeKenurhreiber trhon ein KontnDeriimB |
KoiteUt worden w.it (HXO. 1565, 1672). !>■ mwdU du I^ud-
WuBerbiaweten j^oOe Anipracbo U den ätAktatickd Hellt«,
Kiunmor dringend ans Herr i^le^ (ich djeeet V*rwa]tan|tnw*i|tM ntt B
(Irflcklicbeni Ernste >niiinDbii)Mi, wabd betont wurde, hierbei aber nidtt \
ledig:llch ätkaliielie Oenchtspunkt« lur RiehUehDiir n BehmeB. ■
Bi di<' OfTentlich« Notdarft erfordeie, nicht« in tparea nnd tu vuiehtobea, Dto 1
Geochnugnng m einem Itan dnrfle nor mit Vorwiwon dtw F
worden. J^e NacbliniRkelt. wie de nunentlich beim WuaerllM k
wurde. Mllta die Kammer «Dtachieden *tnbn. — ~
irtraktionnD tllr da« Baoperkonal und die unnachrichlliclie I
iliror itrikten B«folg«uig ward ancfa der Hotkanuner Obcrlnpo (H.Kj(X UH>I
bei Stl««e 8. W).
- 491 —
bewegung des ganzen Staatshaushalts erstrecken. Zwar brauch-
ten und konnten diese technischen Kassengeschäfte nicht durch
das KammerkoUegium, sie mußten aber, um diesem den vollen
Überblick über den Finanzzustand zu ermöglichen, in enger
Verbindung mit dieser besorgt werden.
Bei der Gründung der Hofkammer wurde deshalb gleich-
zeitig ein besonderes Kassenorgan, der Zahlmeister, bestellt,
„der kein Kammerrat sein, aber auf der Kammerrät Befehl
warten" 0 sollte. Es wurden also, wie dies auch bei der öster-
reichischen Ilofkammer (1537) der Fall war, die Kassengeschäfte
unter Oberaufsicht der Hofkammer*) durch einen ausschließlich
zu deren Erledigung bestellten, ihr untergeordneten Beamten*)
Ijcsorgt. Ein Beamter vermochte die Kassengeschäfte nebst den
mit diesen verbundenen buchhalterischen Arbeiten nicht allein zu
l)ew[iltigen. Dem Zahlmeister ward deshalb bald*) ein Zahlgegen-
sclireiber beigeordnet und so das Hofzahlamt („Zahlstube") be-
gründet, deren Personal 1592 durch Ernennung eines 3. Beamten,
eines Kassiers, vergrößert wurde '^).
Die Anfänge der heutigen bairischen Einrichtungen einer
Centralstaatskasse, die als Hauptkasse des Landes unter un-
mittelbarer Leitung des Staatsministeriums der Finanzen, das
ja durchweg in die Stellung und in den Geschäftskreis der
frülieren Hofkammer eingerückt ist, alle Staatseinnahmen in
ilirer Rechnung zu vereinigen, alle Staatsausgaben zu be-
streiten und in derselben ein vollständiges Bild sämtlicher Ein-
nahmen und Ausgaben des Landes darzustellen hat ^), lassen sich
also bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts zurückverfolgen.
Die stattliche Reihe von Bänden der Hofzahlamtsrechnungen,
1) H.K.O. 1550:
2) liosonthal, BohOrdoDorganisatioii S. 127.
3) Der Zahlmeister rangierte anter der EammerkanzleL
4) Seit 1567 nachweisbar.
5) Decret 1592, 10. Juni (Kr. A. M. — Errichtong der f. Hofkammor): die
zalstubon bolanp^end lassen I. Dlt inen genedigist gefallen, das snsambt dem
zalmaister der Pefiwirt zu ainem cafiier and an sein statt ain anderer sal-
^'o^^onschreiber verordnet, damit nmb sovil mehr die rechnongen befürdert^
Ordnung erhalten und an discm ort gnete ezpedition seie.
(i) Hock-Stokar v. Nouforn, Handb. d. ges. Finanzvorwaltung im
Künif,'reich Bayern. Bamberg 1882. I, S. 94.
welche in fast ununterbrochener Fo^o seit 1550' ) erlialteo siod, ß&-
w&hrt tsin s'jlcbus Bild und zeigt uns das mit der Kammer verbEtudeoe
Ilufzalilaiut äl& wUrdige Vurgängerin unsrer Geotralstaatsluuso.
Mit dem Gedankcu der Staatseioheit gelangt auch dsa
Prinziii einer Ceutralisalion des Kassenwesens hier cbensu «rio
in Österreich •) schon im 16. Jahrhundert zum Siege. Von viner
bis in das 17. und lü. Jalirhunderl dauerudou Zersplitterung
des Kasseuwcsüus nach VerwaltungszweigeB^) findet sich in
Baiern keine Spur, Alle Einnahmen des Territuriunis sajnmel*
teu sich hier, die Oefftlle aus den einzelnen RentäDitem * ), so-
weit sie nicht durch die Rentmeister direkt verausgalit wnrdvo,
also die Clierschüsse der I'rovinziattinanzverwaltung, flossea in
dieses Sammelbecken, ebenso wie die vtm der Landschaft be-
willigten Steuerbeträge hier KURunimengtrömtijU " ). Der Zahl-
meister hatte alle diese Eiimabmcn in Empfang zu nehmen, zu
verwahren, zu verwalten und zur beslimmungsgeniiUicn Ver-
wendung zu bringen. Nach der H.K.O. 1550 wurden die Eto-
nahnien nicht au den i^ablmeister. sondern an die Kammer ab-
I; Etnil Roth g«bOhrt du Verdienst, in «einem Anruti« .Obor Ü»
llofifthlftmUrechDangon iin Ic Kreis-ArchiT E Oberlo^em* (t. [iOhpr.
Zoiljchr. IL ä. 83) die BedontDo^ diener wertvollen (iuoH« für di"
dnnatea Zweifte vftt«Tl&ndi«eher OeMhieht« erhaont und auf ne die
Hinknit der Foncbor K^lenkt tu haben.
i) Vgl Bofenthal S. 137 S
S) A. Wagner, FinanxwiM. L S. 27ü.
4) Alle FiDBDtbeunten. boK. Zollner, Kaatner und Untreltor, «nlcbe d««
BcTchl halten, die lon ihnen la vercinnahin enden GefUle nicht aa»tiibeD «a
Uusen. lODdem fonierlichit einEubrini^n, mditen miodeetena quartaliler Ihn
DaareingSo^ im Rentamt Uonchen Doniittelbu an ^e Kammi-r, ia den
a Qbrigen IteDtAmtem an die Rentmeistet abliefem. l>ie«'! hatten dio iibo*a
eingelieferten Betrage aUbald an die Konuner auunanlwortcn (n.E.0. 1S7X).
6^ H.K.O. I5S0: Si die canerrtt aoUen aurh nit alloin wa« wir in OHM!
rcntanibten für gefell nnd einkomen haben, einnemen and fn *«nralm(
haben, »onder aUea ander*, nai nns an jetxt von gemainer
irer geborsamon beirilU|.^iig nach oder auch hio^ran volgco BKklrt&
alle* lollen *i n banden nemen ond Iren habenden beveth ucb ~~
■tnietion nach uniem nabt damit «chaffcn nnd faraemen. -~ H.K.O.
»oH anch allei oidenlichn und anden einnemen nnienn daiSM
vnrordneteni ralmaieler auf jtrlii-he erbere reehnung (n *Hq '
verantwortnng ngmtellt und dettwelhnn nlnirepondeo werden
. . omer eamerrlt verwiaaan und lignierte letln nichU beul, •
Mfg»b«a alleidt iret tMTtlclui gewarte.
geliefert, und diese füllte erst uach Bedarf die Kasse des Zahl-
meisters ^) gegen Quittung ^).
Noch wichtiger als die Konzentrierung der Einnahmen war
die der Ausgaben. Nur durch sie war die Möglichkeit gegeben,
von Einem Punkte aus den ganzen Finanzbedarf des Staates zu
überblicken und für die Befriedigung der Staatsbedürfnisse recht-
zeitig Vorsorge zu treffen. Der Herzog Albrecht V., die Not-
wendigkeit einer solchen Zusammenfassung anerkennend, ver-
sprach deshalb, künftighin auch für persönliche Bedürfhisse Geld
nur von diesem einen Punkte, dem Zahlmeister, und nicht mehr
von den äußern Amteni oder sonstwo zu erheben *).
Die unter Wilhelm V. eingerichtete Kabinetskasse, „innere
Kjunmer''^), durchbrach an und für sich das Prinzip der Kassen-
einheit nicht. Sie war nur ein Hülfsorgan des Hofzahlamts und be-
zog von diesem in größeren Posten die für den persönlichen Aufwand
des Herzogs erforderlichen Summen, um sie in Einzelbeträgen aus-
zuzahlen und erleichterte so die Geschäftslast der Centralkasse^).
1) Es solle auch alles ordenlichs und anders einnemen iaen unsern
oanierräten zugestellt werden, wann si ime auf ausgab gelt zaestelleD, sollen
ü'i alle mal von ime ain bekanntnus danimb nemen, damit si dasselbe in
den rcchnuDgen ihrer ausgaben furzelegen haben.
2) 1550 war nämlich die Selbständigkeit des Hofzahlamts gegenüber
der Kammer noch nicht durchgeführt Diese selbst führte die Easscn-
verwaltuDg und liefi nur die Zahlungsgeschäfte durch den Zahlmeister vor*
iielimen. Einen Schritt weiter ging die H.E.O. 1558; sie liefi zwar die Ein-
nahmen unmittelbar an den Zahlmeister gehen, hielt diesen aber doch in
Abhängigkeit von der Kammer, denn nur in ihrem Beisein sollte er Ver-
einnahmungen und Verausgabungen bewerkstelligen. Erst die ELK.O. 1572
gewährt dem Zahlmeister trotz seiner Verbindung mit der Kammer in seiner
S))häro vollständige Unabhängigkeit von derselben.
3) H.KO. 1550 — so wollen wir in keinen weg aus ainichen unsenn
unibt oder sonst gelt ein- oder aufhemen, sonder wann wir zu unsern banden
gclts notturftig sein werden (darzu wir uns doch nach aller glegenhait
maü zehalteu zuorinnem wissen . .)i wöUen wir dasselb gelt mit vorwissen
ir der camerrät von unsorm verordenten zalmaister empfahen lassen und ist
unser ernstlicher entlicher wiU und mainung, daz sunst niemand mit ein-
nemen, ausgeben und anderer handlang unserer camergueter zethun oder
sich deü auf uns soll zuverthedingen haben, dann allain unser camerräte in-
halt diser unser instruction, also daz alle einnam und ausgab vor inen und
durch si in ordenliche richtige rechnung gebracht werde und nit sonst un-
ordenlicher weis in mer band komo.
4) Stieve S. 23.
5) Allerdings erlaubte sich dann später die innere Kammer manche Über
- m -
Durch die VereinheitUcliuna wt-iiigstena der CeotnlaBS-
gubuii war Akt Kammer ein überblick über den jeweiligen Stand
diT lüiniiahmou und Ausgaben , die alle durch siu verrccliBci
werden mußten, ermöglicht, und es ward so einer nur die l'n-
onlnung ffirdtimdeii Zersiilitterung vorgebeugt — daz aUe cin-
nam und ausgab vor inen durch dun zaluiaister in ordenliclie
richtige rechnung gebracht, järlich verrechnet wenle «wl nit
sonst unordenlicher weis in mer händ komme ' ).
Der Zahlmeister war dut das vollziehende HUlfsorgan Rtr
die technischen Kassen- und Rechnungsgeschiifte and dieser in
jeglicher Beziehung untergeunlnet. Nichts durfte er außer Be-
fehl der Kammer vornehmen. Er war, wenn auch nkhi Mit-
glied, so doch in engster Verbindung mit der Kammer, welche
ihn durch ihre Befehle erst in Bewegung setzte, sonst ober neUxt
als Stelle fUr die Zusammenfassung der Einnahmen und Ans-
g»ben galt, denn der Zweck der Errichtung der Ilarkajnmer wir
doch nur der, eine stramme Leitung des ganzen Fiuanzwesans,
von dem die Kassenverwaltuug eiuun i^weig bildete, von EiBen
Tunkte aus herbeizuführen. Wenn für diese selbst ein tügMK
Uof/ahlami geschaffen wurde, stj hatte das seinen Grund diria,
daü das Prinzip der Trennung der anweisenden und aasublei-
den Behörde verwirklicht werden sollte.
Das finanzielle Anweisungsrecht war eine Vorbedingung fDr
die Schaffung und Erhaltung von Ordnung im StaalabmahalL
Das sah mau wohl ein und nahm dcstialb dieses Prinzip bd dv
Tleorganisation des bairisihen Finanzbehördonweeens an, nach-
dem dasselbe schon lange vorher K. Maximilian I. in dos Öster-
reichische und Reichsfiuanzrecht eingeführt hatte *).
Der Grundsatz des heutigen bturischcn Fiuauzrcchts : ^K*!^
Kasse des Staat« darf irgend eine Zalilung leisten, ohne dan
gtiße in die GeichUUspblie dra Uofuhlunt« (fgL t^tj«*», Briafo aai /Mm
(. OeMb d. SOjfthr. Krieges V, S. 4 A. 1) und wirkt« ■□ anob aa UiratD Tcüa bA M
jeDBtaiili6ilToUeDDesor((U)üienuigderFiiuniTerwaltiing,wdehaiiDU
tebnt der Ucgierrinff Wilhelini V. das Land dem finaniinllui BollM
1) [LE.O. 1&68 «othfilt die bemerk ennierte Abneicbnag -
niuer cunarrit und dnselbea Ynrordnter ulm&iitor. Bo uch
2) Der ünudott. dal ein« Zahlung nar auf Qniod dai
inilig«!! 'IMnaguniieltnng erfolgen darTn, «ar »choo lug« m
in RogUnd and Fraaknieh iowi« in anderu L4ndem
bncbt wgrden. Vgl Boitntlial S. 131.
- m -
von der zuständigen vorgesetzten Behörde schriftlich und be-
stimmt ermächtigt und augewiesen zu sein", sowie der: „Die
Befuguis, Zahlungen anzuweisen, ist der obersten Finanzstelle
übertragen" ^), beherrschte auch schon, wenn auch mit Modifi-
kationen, das Finanzrecht des 16. Jahrhunderts. Denn schon
(iic H.K.O. 1550 stellt die Regel auf: und solle ime (dem Zahl-
meister) in sein pflicht eingepunden werden, wem si die camer-
rät l)ezalung vei'schaffen, daz er dieselb getreulich und on Ver-
zug und abpruch thue, darzue auch jemand ainiche bezalung,
wie die namen haben mag, außer sonders bevelchs und urkund
des canierrats kainswegs thue, darob dann si die camerrät halten
sollen, — eine Regel, welche die späteren Hofkammerordnungen
übernahmen ^).
Für die regelmäßigen, periodisch wiederkehrenden Zahlungen
für Besoldung bedurfte es ebenso wie heute *) nicht immer wie-
der einer neuen Anweisung. Hierfür lag eine Generalermächti-
gung vor, und nur bei der Erhebung der ersten Besoldungsrate
mußte der Zahlstube ein Ordonnanz- oder Anschaflfschein des
leitenden Ministers, des obersten Landhofmeisters vorgelegt wer-
den*). Die Anweisungsbefugnis der Kammer wurde durch die
II.K.O. 1572 zu Gunsten des Herzogs durchbrochen, welcher
nun auch für die von ihm ausgestellten Zahlungsanweisungen
die Honorierung befahl.
Dem Zahlmeister ward treue Erfüllung seiner Amtspflichten
eingeschärft. Er sollte sich gegen jedermann bescheiden erweisen ^ ),
1) Pözl, Bayr. Verwaltungsrocht S. 627.
2) z. B. U.K.O. 1558: — dafi er (Zahlmeister) aufier meremannter unser
camorrät vorwissen und signierte zetln nichts bozal, sonder mit dem ausgeben
allezeit ires bevelchs gewart
3) Vfl. A. Wagner I, S. 265.
4) Ein herzogliches Decret von 1586 (18. Dez.) sch&rfte dies der Kammer
aufs neue zur Beobachtung ein und verbot ihr ausdrücklich, eine Zahlung
zu leisten, auch wenn die Anschaffung vom Herzog selbst oder einem Andern
hiTrühre, wenn nicht zugleich eine Ordonnanz des Landhofmeisters vorgelegt
würde, „sintemal solches allein zu Unordnung und Gonlusion diene** (R A. —
Decrete WUhelms V. Bd. lU).
5) H.KO. 1572: Sonst solle zalmaister sich gegen meniglich aller fireund-
lichait und guets beschaids gebrauchen und verhalten, dieweil mit zornigen
Worten nichts zuverrichteu, in seiner Verwaltung auch außer unsers cammer-
rats in ander weg nichts fümemen. gemelter unser zalmaister sol auch nit
allain dasjenige so wir von unsem gefein einkomen und rentambten haben
uienianddu bcschwcrcu uud fflr sich selbst keiuerlui Abzüge
machen ').
Aufeabe der Kammer war es, dafür Sorge zu tragen, dil
nie Ebbe in der Zahl8tul>e etuträtt!, ilüiin ihr war us auch
Pflicht gemacht, Vorkehrungen zu treffen, daß die OUiUiiger
pünktlich bufriedigt und diesen die Zinsen reclit7eitig ausbezahlt
würden*). Um für die Erfüllung der lautenden Verbindlichkeil'
stets die erforderlichen Geldsummen bereit zu habeu , w«r
nötig, die lierechnuug des Bedarfs der Zahlung voraDguhen za
lassen, alSo einen Etat zu mikchen.
Die H.K.O. 1672^) forderte deslialb, daß die Kammer aft
tondem auch ftllra anders, lo noi jetx oder hmfatsti «oq g«mtiaet
Iftudachalt bewüli^Dg oder in uidei weg neatehon and Tolgan miMbU ito-
z«neiDeD, iuTi)r«»lt«ii und lUTenaitcD und unserer cunenit be*«]eb aatk
auBiegobeD haben.
1) H.K.O. 1672: lalmaiiter soll aach la solchem onscnn ambi
und aaigab, inionderhait vorpflicht, aber doch kain cjunerrat. aondw d<r
cainerrit beveleh gewertig nnd gehOTsamb sein ond ime in lein |ifl]dil «to-
gebanden worden, wenn die camer rfit lalnng Tencbaffeo, daa ar
ireulich and one vertag nnd abbmch thao ond in solcbem
firhanViilig wogm oiclnand aufiiech oder bMchwcr oder im teUw
Teraiiuung, proTÜiion, genaden oder qaottcmborgelu ainiche ger«!
unserm oder andern gelt, et aeic auf den gülden oder den
aannta oder in ander «eg, wie das nomen oder ordarht werde
selbst oder lon altem brauch her in aigene, icbopt mach odw
wir solches sowol gegen ime als andern oa emitliche straf
hingehen ilasten, also sol er aacb jemand oinicbo beaüong i
und nrkond der camerrlt kaines weg« tbuen, wir berelebeD inie di
iosonderhajl,
2) Noch in der H.K.O. ron 1691 ward aber daraber Klage
bpi der Zahlslobo in Verwechslung der Hünuorten oder im i
Goldes allerlei verbotene and hochitrfifticbe Vorteile gebraoebt
Kammer ward deshalb lur energischen AuMeht gemahnt, dal
(leid nur in des Henogs and nicht in oines Andorn Nntiao
wflrde, widrigentalls niclit nur gegen dun Zahlmeister, senden
die Kammer mit Strafen vorgegangen wQrde ^Ütiere Iv 46}.
8) H.K.O. 1660: si anch jeder »it bedacfai s«in, damit die
uusem ambtem nnd lonit ru gepnrlicber leit sovil mngUcb bea
lieh seiner Terachreibung nach glanbeo erhalten «erde. (8o anch
1671)
4} H.K.O. 167S: Damit nur *olchn> desto ordonlicbor ud
n li tambt dem talmaiiter alle dnl nn
■hm. »ac si in aolcber Mit
— 497 —
dem Zahlmeister einen Voranschlag über die Einnahmen und
Ausgaben des nächsten Quartals mache und dann dahin trachte,
stets für den Notfall 20,000 fl. Barvorrat in der Kasse zu haben,
um allen Eventualitäten gewachsen zu sein, damit man nicht
gezwungen werde, in der Not des Augenblicks sich mit großen
Opfern Geld zu verschaffen ^). Nur durch die Einrichtung solcher
planmäßiger Ausgabenvoranschläge, die einen großen Fortschritt
in der Gestaltung der Staatswirtschaft darstellen, konnte im
voraus Fürsorge getroffen werden für die Deckung des künftig
erforderlichen Geldbedarfs.
Solche Etats wurden dann hauptsächlich, wie in Österreich*),
für die Ausgaben des Hofs und der Centralbehörden aufgestellt,
sog. Hofstaat. Derartige planmäßige Vorausberechnungen des
erforderlichen Aufwandes bildeten dann, da im Staatshaushalt
im Gegen satze zur Privatwirtschaft die Einnahmen in der Höhe
der notwendigen Ausgaben beschafft werden müssen, die Grund-
lage für die Thätigkeit der Centralfinanzbehörde, die hier den
Hebel ansetzen mußte, um die Bedarfssummen zu erlangen, welche
unter Erzielung von Ersparnissen an einzelnen Posten des Etats
sich als notwendig erwiesen hatten*).
Alljährlich hatte der Zahlmeister eine Gesamtrechnung (eine
richtige, unterschiedliche Rechnung) über seine Einnahmen und
Ausgaben zu stellen *) und der Kammer zur Prüfung zu unter-
anzegoben und sechcn, das si alle zeit auf fdrfallende not 20000 fl. in der
truchoD zu oinem verrat haben und da innen, was aaflaaffen wurde, alsbald
trachten, wo si solches nemen und zur hand brlugen wellen, auch mit vleifi
darnach stellen auf die gelegneste bequemste weg, so sein kann und die
bachen nit auf den not knöpf einsteUen, damit solches nit hernach mit schimpf
und spott großen schaden, nachtail mit aufhemung neuer diener, verschreiben
und Provision, dicnstgelt und toplm interefi ainen weg als den andern ge-
scheoben muesso, sonder solchem allem zeitlich guete fürsechung zethi;en
trachten.
1) Auch die H.K.O. 1591 (Stieve S. 46) bestimmt in diesem Sione.
2) liusenthal S. 130.
3) All<3 8-)14 Tage hatto der Zahlmeister einen summarischen Auszug
der in diesem Zeiträume von ihm geleisteten Ausgaben unter Bezeichnung
der Emplunger an die Kammer abzuliefern, damit diese jeder Zeit in der
Lage war, über den Stand der Ausgaben dem Herzog Bericht zu erstatten
(H.K.O. loo(^ 1558, 1572).
4) H.K.O. 1558 . . . wellen wir auch järlich zu der gewondlichen gebür-
lichen zeit von unscrm zalmaister einnemens und ausgebens rechnung und
K( -•■:.*. h i '. , (it.Mj.ichto d. (jer1cht>w. ii. d Verw.-Orf. Halerns. 1. qo
— 498 —
breiten. Die einzelnen Posten dieser Rechnung waren mit
genügsamen Urkunden zu belegen. Dies führt uns zur Dar-
stellung eines wichtigen Geschäftszweigs der Hofkammer, n&m-
lich der Rechnungsrevision.
Auf keinem Gebiete staatlicher Verwaltung ist die Kontrofle
der Amtsfühning , die in Baiem , wie die Erörterung über die
rentmeisterlichen Umritte ergeben, bereits frühe sehr ausgebildet
war^), wichtiger und nötiger als auf dem der Finanzverwal-
tung, wo die Möglichkeit von Unterschleifen gefährlich nahe lag.
Durch die Kontrolle soll hier die Übereinstimmung der Zahlungs-
anweisungen, der Rechnungen und der 'Kassenbewegung mit
den Vorschriften, welche hierüber erlassen sind, nachge-
wiesen oder konstatiert werden, inwieweit diese Übereinstim-
mung mangle. Zugleich dient die Kontrolle als Mittel, diese
t bereinstimmung möglichst zu verbürgen, und wo sie fehlt, wie-
der herbeizuführen. Die Voraussetzung der Durchführung dnor
wirksamen Finanzkontrolle bildet ein zweckentsprechendes Becb-
nungsweseu * ).
Für die Rechnun^skontrolle hatte man in Baiem das De-
centralisationsprinzip angenommen ; sie wurde nicht in der Hof-
kammer centralisiert, sondeni war den Mittelstellen übertragen,
wurde also durch die Kentmeister vorgenommen. Nur för den
Itentamtsbezirk München wurde sie von der Hofkammer be-
thätigt.
Für eine solche Decentralisatiou, welche die Rechnungs-
kontrolle der den verrechnenden Beamten nächstvorgesetzten
Behörde (Mittelstelle) überträgt, wie solche auch im heutigea
bairischen Finanzverwaltungsrecht zur Anerkennung gebracht
ist*), spricht in der That eine Reihe von Zweckmäßigkeits-
gründen, wie ihre Vorzüge? auch neuerdings wieder von sacfa-
YOD inen unsom chaincrräthcn iren berioht daraber aafhemen und dagvgv
ir jodon der pfcbür nach gcncdiglicb quitticrn, darzue solch jftrlich wafnamm
der rochnang kain jar ansteon lassen.
1) Siehe S. 292 ff., vj:!. auch S. 284.
2) A. Wagner T, S. 302 f., 2S9.
3) Die primitive Revision der Finanzrechnungen steht in enter Instm
(hm MittelsMlen (Kreisregierungen) zu. Vgl Hock-Stokar ▼. Neaforn
1, S. 471.
— 499 —
kundiger Seite gerülimt werden ^). Diese Reclinungskontrolle
war höclist zweckentsprechend organisiert, indem der Rentmeister
sie nicht allein abnahm, sondeni in Verbindung mit einer Kom-
mission, welche der Herzog jeweilig zusammensetzte und in
welcher regelmäßig auch ein Mitglied der Hofkammer Platz fand.
Hierdurch war eine sehr zweckmäßige Verbindung der so de-
(.'(^ntralisierten Kontrolle, die am Sitze der Regierung stattfand,
mit der Centralfinanzstelle des Landes hergestellt, eine Ein-
richtung, die um so notwendiger erschien, als sich diese Kon-
trolle nicht in den engen Grenzen einer Rechnungsprüfung hielt,
sondern im Auschhisse an diese zu einer allgemeinen Verwal-
tungskontrolle erweiterte und sich von dem Zustande der Ver-
waltung und der Geschäftsführung der Beamten in geeigneter
\V(nse Kenntnis verschaffte, zugleich die Abstellung vorgefun-
dener Mißl)räuche ins Auge fassend. Über die Einrichtung einer
(hTurtigen Rechnungsaufnahme im einzelnen geben die der Kom-
mission für ihre Revisionsthätigkeit erteilten Direktiven, wie sie
noch in einigen uns erhaltenen, nicht wesentlich voneinander
ahwcichenden Instruktionen aus dem Ende des 16. Jahrhunderts
cntlialtcn sind, hiteressante Aufschlüsse. Es kann hier bezüg-
licli der liechnungsaufnahme einfach auf die Darstellung im Ab-
>chnitt(; über den Ilentmeister verwiesen werden.
Irotz der erwähnten Decentralisation verbHeb aber der
Ilofkaninuir noch eine umfangreiche Thätigkeit in Bezug auf
(Uli Rechnungsrevision ^). Denn ihr lag außer der Revision
der Rechnungen des Zahlmeisters und der aller Finanz-
Ixaniten des Rentamts München^) auch die aller Hofbeamten
1 ) V^'I. „über den h'echnuDgshof mit bes. Rücksicht auf das Deutsche
K'c'ich" (anon3Tni, in der Tübinger Zeitschrift für die ges. Staatswissenschaft
Bd. 32, S. 484 f.; Bd. 33, S. 70.
2) Dio (istorroichische Hofkammer hatte auf diesem Gebiete ähnliche
Kompetenzen. Vgl. liosenthal S. 91.
:>) H.K.O. 1065 — sollen si die ambtsrechnungcn unsers rentambts
Munchon furtorhin auch aufnomen und mit ernst daran sein, damit die rest
järlicb zalt werden und nit von aincm jar in das ander anstecn bleiben, es
sollen auch bei den ambtsrcchnungen alle mengel, die bei den ambtcn so
wol an (Ion Verwaltern als sonsten erscheinen mit vleis erkundiget und durch
>i »lif v(»rordenten ab^^eschafft oder do der mangel so gros und unleidenlich
it rat der zucjreordenten uns angebracht werden, damit wir notdürftig ein-
s<'lien thun mögen. Ähnlich auch H.K.O. 1550 und 1572.
32*
ob'). Kach Gelegenlieit des Amts und uach der Qaaliut det
Dieners konnten sie Wochen-, Monats- tind Quartalsrecbomiig ab*
fordern*), wie es das Bedürfnis erheischte. Zu ihren AufgabflD
hörte dann auch die Prüfung der Jahresrechnungen der etnzeliia
Rentmeister, und da ihr die Obcrau&icfat über das gesamte Beck*
nungBwesen des Landes übertragen war, hatte sie auch dartber
zu wachen, daß die Rentmeister zur richtigen Zeit diu Recbnunf»-
revision in ihren Bezirken vornähinen *), und dali kdnum *) Be-
amten die Unterlassung der Rechnungsablage liinger lüs Jahres-
frist nachgesehen würde. Die Rechnuiigsprütung sollte DJdit
Übereilt werden, damit die Beamten sicli nicht etwa in HoffDonf
auf solche Eile größerer Nachlässigkeit schuldig macbteo. Olwr
lUe vorgefundenen Mängel wurden Verhöre mit dun tirschieneos
Rechnungslcgern gepflogen und ebenso über die von ihoea an-
gezeigten Beschwerden so rasch als möglich Recherchen «Bg»>
stellt, damit denselben noch vor Ablauf des folgendeo SemaBlia
Abhülfe 2U teil werden könnte'^). Jedem Rechnungsleger 1
l)ei Richtigbefund seiner Rechnung Decharge erteilt
Endlich fungierte dann die üofkanmiev als oberste
der Rechnungsrevifiion, denn dii; Möglichkeit eines
1) H.K.O. 1658 — eoUeo ei von allen ambton unaon renU
gleichen ood alEptld dinuf von aUen ougeni oEBciem and 4Dd<
onaen hob daielbt jblicb lelbi und mit vleEi rechnnng mE
2) aXO. 1591.
3) HXO. 1660 — MÜen n aneh p« den todern dreiea u
unkten «oUclie fnreebang than, damit muere rentmaiiter &'
unbteo teimr rerwaltnng za gepaiUcher leit de« jan ord
neme. iric dann solichs tuuero chuncnit« rcrordnon. So toch I
4) H.K.O. 1591 (StieTe S. 47); mit nnieren unbU nnd ■
Ulendeo rechnangen &li nit du geringst wBKh uoMr cuner, weklw ^
d«T »i( zafonteen nit den wonigom t*ü des jan binwalc namw j
iSitten, kOndeo «ir aiuer camer nit «ul undencbictliehe «ege od<r |
schreiben, allein das li von nnierntwegeii niemant, wer der ist, a
UDTerrocbrnt rno nnd bleiben luaen, sonder oiuor maJoung i
nach lollcn si in allen ontem renUmbtern trd }u tn jar tod a~
ordenliche rechnuDg abfordern, anfDemeo und luu dabei da« i
lullen and anatellen, das bctchwoiUch aber nit gedulden, ilUa In d
art und atgenKchaft, «ie die derwegcn ron jar n jar g^rorügt« n
wolcbe wir, als ob die von wort an «ort hieriiuwui hegiilTeiw t
verriaBten habaa walloB, sutteingen und ir miaer eam« amU vai 1
taUk lat
G> H.K.O. 16TS.
— 501 —
\veges muß den rechnunglegenden Beamten offen gehalten wer-
den, um eine Gefährdung ihrer Interessen hintanzuhalten. Alle
wichtigen Fragen und Anstände, die sich den Kommissionen bei
Prüfung der Rechnungen der äußeren Amter ergaben, wurden
an die Hofkammer zur Entscheidung ^) gebracht.
Daß der Centralfinanzbehörde auch Funktionen der Recht-
sprechung in Finanzsachen übertragen werden, ist eine Er-
scheinung, die sich wie in andern Ländern *) auch in Baiem
zeigt. Es ist eine nicht unbedeutende Gruppe von Geschäften
der Hofkammer, welche hier durch die sog. Parteisachen ge-
bildet wird. Dazu gehörten alle Klagen, welche in irgend einem
Zusammenhange mit dem Kammergute standen, also vor allem
alle Klagen, welche sich auf die Rechtsverhältnisse der Urbar-
güter ])ezogen. Ferner sind hierher zu rechnen die Beschwer-
den der ünterthanen gegen Beamte wegen Inanspruchnahme
niclit geschuldeter oder höherer als der geschuldeten Leistungen,
sowie alle Supplikationen der ünterthanen, welche eine Herab-
setzung der von Beamten verhängten Geldstrafen bezweckten"),
kurz all diejenigen Streitigkeiten finanzieller Natur, welche ihre
Erledigung durch Abschied oder Erkenntnis finden mußten.
Diese Kategorie der Parteihandlungen, welche sowohl im
schriftlichen als mündlichen Verfahren behandelt wurden, stand
an Bedeutung hinter den eigenen und wichtigen Sachen des
Herzogs (causae domini) zurück; sie sollten deshalb auch erst
nach diesen zur Erledigung kommen, aber doch auch nicht allzu
lange verschoben werden, damit die Parteien expediert, gefor-
dert und nicht über die Billigkeit aufgehalten und jedes Mal
der alte Einlauf vor dem jungem entschieden würde*). Um
eine beschleunigte Erledigung solcher Parteisachen zu sichern.
1) Nur in vollzähliger Besetzung sollte die Hofkammer die Rechnongs-
revisions^eschäfto erledigen (H.K.O. 1572).
2) In England and Frankreich wurde die Rechnungskammer aus einer
Rcchnun^srovisionsbehördo ein Gerichtshof fELr Finanzsachen. VgL £. L 0 n in g
(in H a r t m a n n's Zeitschr. f. Gesetzgebung Bd. V, S. 338). — Ober die öster-
reichische Hofkammer vgl. Rosenthal S. 92.
3) H.K.O. 1572 — und da sich jemand derhalben zu beklagen sollen die
oamerrät darinnen zu moterim haben, es were dann die sach so strittig, das
die für unsom hofrat zuerörtem gehört
4) H.K.O. 1572.
— 502 —
wurdcu für die Beratung derselben bestimmte Tage oder ein-
zelne Vor- oder Nachmittagsstunden festgesetzt.
Bei der Reorganisation von 1565 wurden diese Parteisachen
der Kammer abgenommen — damit diese sich dann um so un-
gestörter mit den eigentlichen Kammergeschäften beschäftigen
konnte — und dem Hofrat zur Verhandlung und Entscheidung
überwiesen ^ ). Doch sollten zu den Hofratssitzungen, in welchen
derartige Parteisachen zur Verhandlung standen, stets ein oder
mehrere Kammerräte beigezogen werden, um als Sachverstän-
dige zu verhindern, daß etwa infolge eines schlechten Berichts
eine unzutreffende und unbillige Entscheidung gefaßt würde, nnd
um eventuell über derartige Fälle vorher an den Herzog za
berichten.
Eine prinzipielle Scheidung zwischen den privatrechtlichen
Ansprüchen, wie sie z. B. in den Domänenstreitigkeiten vor-
lagen, und den dem öffentlichen Hechte angehörenden Verwal-
tungsbeschwerden finanzieller Art war nicht durchgeführt. In
Wirklichkeit überwogen in dieser Gruppe die einer Urteils-
mäßigen Feststellung bedürfenden Leistungsverpflichtungen der
Unterthaneu gegenüber dem Kammergut, so daß man diese
ganze Gruppe dem Hofrat übertrug, welcher überhaupt die im
kontradiktorischen Verfahren zu behandelnden Streitigkeiten zu
entscheiden hatte. Der Koiiibinieruug der privatrechtlichen Streitig-
keit und des herzoglichen (fiskalischen) Interesses wird durch die
l>eiziehung eines oder mehrerer Kammerräte zu den betreffen-
1) U.K.U. 15(35 : Zum andern damit si auch in solchem allein mnb toffl
weni^^er verhindert werden, und der chamer desto vleifiiger aufwarten koBBM^
so wellen wir, das furterhin alle partheisachen, die werden in tchriften oder
mundlichen verhorn geueht und entlich, was sich es sei zwitchen miMn
amhtleuten oder andern kriegr, streit, darinnen ahschiedliche erkanntnnt b^
schehen, oder sonsten decret und hcschaid zwischen den strittigen parthcMi
orgcen muessen, item do sich jemand wider unserer ambtleut auferlegt ttnUn
oder andern sachen halhen beschweret, von der chamer in unsern hofistt
verschaflit, doselbst verhört, verabschidt, verrecestirt und hingoschriben wafdaa
doch das albe<(en bei solchen handlun^en, einer oder mer der hie obbemeDtei
deputierten rate sitzen und da ir aufmerken haben, damit uns in icbadM^
ctwan aus bösem bericht, wider die gt'bur und billichheit nichta Teigvbo^
und do es für ain notdurfft angesehen wurde, dieselben hendl nn% Tor dff
verabschiedunj^ oder entlicher beschließung referiert werden.
J
— 50;} —
den Hofratssitzungen Rechnung getragen. Letzteres scheint aber
nicht immer beobachtet worden zu sein ').
Ganz allgemein, nicht nur in Bezug auf die Jurisdiktions-
sphäre wird die Wahrung der Kompetenz der Hofkammer ein-
geschärft durch die H.K.O. 1591 : „wan aber diss niemaln unser
mainung sonder wider alle hievor 'vorhero gefolgete instructio-
nes und bevelch gewesen, also wellen wir zugleich wie die ju-
stitia unserm lanthofmeister , hofrat und Presidenten bevolchen,
unst»r camer auch demselben darinnen ainichen einhält oder
Verhinderung nit thuen sol, das auch ir hinwiderumb in dem
anbevolnem vertrauten camerwesen weitter nit eingriflfen wer-
den , sunder alles das so unser landsfürstliche hoheit und ni-
dere obrigkeit aigenthumb, vogtei, rent, gült und zins, grencz-
streit und dergleichen beruert (welche nit durch mitl eines
ordenlichen process und erkantnus erledigt werden muessen) das
die von anfangs unser camer übergeben, bei der camern berat-
schhigt und darauf daselbst die notturft fiygenomen werden, ja
und da je solclie Sachen vor unserm hofrat stritthengig, so sollen
si d()ch durch unser camer oder dero geordneten advocaten ge-
burlich vertretten und wie gebreuchig jedesmals darüber ge-
hi'ni werden".
l'.s stellt sich also auch in Baiern nicht anders wie in Oster-
reich - ) die Beteiligung der Kammer an der Rechtspflege nicht
als eine l)esondere Art der Finanzjurisdiktion dar, sondern als
eine irnterstützung des Hofrats, als des für die Handhabung
der Iie(*htsi)flege berufenen Organs in allen Rechtsangelegen-
lieiten, bei welchen das Interesse des Kammerguts irgendwie
in Frage kommt.
Von der emsigen, das Kleine und Große des Staatshaushalts
mit j^leiclier Sorgfalt umfassenden Thätigkeit der Hofkammer
legt die stattliche Bändereihe der Hofkammeqirotokolle ein be-
redtes Zeugnis ab. Die Einrichtung der Centralfinanzstelle war
eine treffliche, die Instruktionen, von gesunden volks- und staats-
1) Wcni^^tens spricht hierfOr dio Klage der H.K.O. 1591, daß „ein zeit
lau«,' eingerissen, das vil sachcu darinnen unser interosse versirt, aufier unser
canier wissen abgchandlt oder inen doch erst angezeigt^ da in solchen Sachen
hchon erkantnus geschehen oder bevelch ausgeferttigt worden" (Stievö
S. 35..
2) Vgl. Iloseuthal S. 165.
wirtBchaftlichen Prinzipien getragen, regelten rationell
Detail der Finanzverwaltung. ^'enn nun rlie Hofkami
welcher manch tüchtige Kraft in treuer PflichterfOllting Sieb !»-■
gebene abmühte, die ibv gestellte Hauptaufgabe, Olcichgevkftt
der Eiiuiahuien und Ausgaben im Staatshaushalte herziuteUea,
so wenig lösen konnte, daß Wilhelm V. vor dem Staatsltankenttc
stand, so dOrfen wir für diesen Mißerfolg nicht das Kammcr-
kollegiuni verantwortlich machen. I<ediglich id der IndiridiM-
litAt Albrecbts V. und seines Sohnes Wilhelm liegt der ScUOaid
zur Lösung dieses ßfttsels. Die Pracbtliebe des Vaters, deMca
großartige Sinnesweise sich in die cugeü Grenzen der Iveistitiig»-
fAhigkeit seines Landes nicht zu schicken vermochte, thOrmt«
durch seinen üppigen Hofhält und durch seine Unsummen tv-
schlingenden künstlerischen Pläne eine ungeheure SdiuldoDlaW
auf. Wilhelms verschwenderische Freigiebigkcil nanientllch fOf
Werke der Frömmigkeit steigerte dann die Zerrüttung des
Finanzwesens bis zum Unerträglichen. Die redlichsten Absich-
ten, Ordnung im Staatshaushalt zu scbatfen, zeitigten mancherlei
Versuche eines sparsameren Hegiments, aber seine Energielosig-
keit ließ es nicht zu einer Durchführung »einer guten Absiebten
kommen, Immer aufs neue stellt« er maßlose Geldanfordeningen
an den erschöpften Säckel der Kammer, immer aufs neue ord-
nete er unbekümmert um die drückende Geldnot ohne Vorwisseo
der Kammer neue Ausgaben an ' ) für gänzlich übertiüiisigc Auf-
wendungen, während die Kammer nicht wußle^ wo sie das Geld
hernehmen sollte zur Befriedigung der drängenden alren GlAo-
biger. Die ernsten pflichtgemäßen Vorstellungen'} der Hof-
1) Stl«ve S. 21.
2) Fin grcllea B«itpicl fOr ein derartigst V«r&hr«ii Willii^lau V. IMm
«ioiKe von Stiere S SS. U, 59 t (n. IV, VI -VIU) rerOffeiiÜlehtMi J
■tflekd. Wfthcwheitillch nf eine Vontollanfc der Kammer «rklittcfl
Herzog, da) et ODUigoMheii der Hofkumnorinitraktian nie •
weMa, „du wir nitt, m offt «• uns geteüig &acb khunCTliK «Im n
. . omb QDier pritalfteltt, to wir lu ügen liuiden nemPD" beulen . .
die Kammpr beuhJeD lM»eD wollte. Eines IcOnn* neben d
,and KoUe der khuner ua alt den uidem rirg lorll eich ftebnrtta
nottnrint erfbordertt, (er anierhlendsrter UnfT uud völlig »i
Uh«i worden, deoeen wtr noch wie Ktlwe{[en ^minnet". Am 8. C
Toduwt er binnnn U Ttgcn SOOOD d. nun nebme rt, wo nun «olkh i
U* Wdhnaehten noch weiUre 60000 fl. fttr die von
— 505 -
kammer fanden nur ein ungnädiges Ohr beim Herrscher, der
nicht einsah, daß die besteingerichtete Finanzbehörde keine
(CoUcgium und Kircho für die Jesuiten etc.). Gegen solche Forderung erhob
die Kammer einmütig Widerspruch (10. Okt.) , indem sie sich auf die von
ihnen beschworene Instruktion beriet welche sie verpflichtete, „kein special-
ausgab dergestalt zu befördern, das dardurch dem ganzen goneral und
camroerwesen, daran einmal £. Dt fl. authorität und reputation gelegen,
nachteil oder schaden crvolge**. Nachdem man in den letzten Jahren die
Anschaffungen des Herzogs vollzogen, sei nunmehr die Kammer so ent-
blößt, daß es ganz unmöglich sei, solche Posten zu erschwingen, da man die
unvermeidliche Notdurft kaum befriedigen kOnne : — „nachdem wir uns umb
unscrs aids und juraments willen vorgehOrtermaßen E. Dt general- und
cammerweson, darzue auch derselben jezig gesch&ft und bevelch wie nit we-
niger, allein was uns bewust und die vorstehende aufigaben fClr äugen stellen
und einbilden, so sollen und muessen, als wir mit Gott, welcher in allen
dingen die höchste warheit, gleichwol wider unsem willen mit bekomerten
und betruebtcn herzen jezt als zuvor ainhelligclich bekennen und aussprechen,
das diu alles zu beharren, auszestehen und gnetzethuen, nicht allein über
unsorn verstand und das wir dabei die völlige gehorsam nit zelcisten wissen
. . . das anjczt die leuf der weit so schwer, das man etwas ausgeben und
s})cndircn soll , das man doch nit hat . . . Die Kammer berechnet den Be-
darf für die nächste Zeit auf mehr denn 1 Mill. fl. — „und könden diso ding
änderst nit als für ganz unmöglich erkennen*' . . Noch folgende Sätze des
Schreibens hebe ich hervor: „das vil mer an erhaltung des ganzen cammer-
wesons gelegen, dann das jedem specialbevolch nachgangen und gelebt werden
solle ... an dem ist wenig oder doch sovil nit gelegen durch dergleichen
w(?g gelt zemachen oder zu bekonmien, an dem aber hafft die sach, wie man
solch gelt anlegt und gebraucht^ dergestalt so lang und vil man, wie E. Dt
. . . alle ausgaben per pausch beharren, darinen keinen underschied machen,
it('iTi das so vermeidlich oder doch wol aufzeschieben , nicht von dem un-
vornioidenliclion absondern, ja die unentbörlichen ausgaben abstollen und
allein auf die specialfähl achtung gegeben, dagegen aber das generalwerk
gleichsam es E. Dt nit zugehörig, ansehen und verlassen wird, so ist der
Sachen damit mer entholfen als geholfen. Ein und allemal haiton wir für
beständig und ganz unzweiflich, seie je die zeit gewest, das nichts als was
aus gctniiigoncr noth sein mueß und nicht cntpört werden kann, auszegeben
ist". Der Herzog möge, wenn er auch jetzt keine völlige Reformation anzu-
stellen vermöge, sich gefallen lassen, „das alle und jede geltsachen, ee und
zuvor man darinnen ainichen anfang gemacht^ auf die wag gelogt, wol pon-
deriert und erwogen werden, ob solche geltsach nottwendig, alsobald sein
mueü und anderem fürzeziehen seie, ob auch K Dt camer diesolb one ver-
lezung aines noch wichtigem und R Dt vil nuzlicheren orsezen und beharren
knut" — H. Maximilian schärfte am 15. Aug. 1597 der Kammer ein, seinem
Vater Gehorsam zu leisten, ihn aber auch jedes Mal zu erinnern, „und zu
i^oinictt füeren, wie die Sachen bei der cammer beschaffen und wie hart man
— 506 —
Erfolge zu erzielen vermochte, wenn der Herrscher die Kreise
der von ihm selbst gezogenen Wirkungssphäre verrückte und
durch willkürliche, seinen eignen früheren Intentionen wider-
sprechende, im Drange augenblicklicher Stimmungen erlassene
Anordnungen die Finanzverwaltung in die unheilvollste Unord-
nung zu stürzen drohte. Wilhelm hörte auch, nachdem er seit
1. Januar 1595 seinem Sohne die laufenden Verwaltungsgeschäfte
übertragen hatte, nicht auf, „rücksichtslos in die Geldverwaltungf
einzugreifen und die Staatseinkünfte in Anspruch zu nehmen,
wenn seine Privatkasse geleert war" * ).
Seitdem Max Alleinherrscher geworden (1598), gelang es
ihm durch weise Sparsamkeit und eine weitblickende Volks- und
Finanzwirtschaftspolitik jene peinliche Ordnung des Finanzwesens
herzustellen, welche ihm trotz des furchtbaren Krieges selbst
die Erübrigung großer Summen ermöglichte. Im Dienste dieser
weisen Politik konnte sich die Hofkammer als ein wertvolles
Werkzeug bewähren. Dieses in solcher Brauchbarkeit hergestellt
und entwickelt zu haben, bleibt das unvergängliche Verdienst
Albrechts V. und Wilhelms V.
Die Hofkammer vereinigte in den folgenden Jahrhunderten
in ihrer Hand die Verwaltung aller Staatswirtschaftszweige. Nur
vorübergehend sonderten sich im 18. Jahrhundert einige Spezial-
behörden aus ihr ab. Mit der Ministerialorganisation von 1799*)
trat an die Stelle der kollegialen Hofkammer das bureaukratisch
organisierte Finanzministerium, welches den Geschäftskreis der
Vorgängerin in vollem Umfange in sich aufnahm.
§27.
Der geistliche Rat.
Die mächtige kirchliche Keformbewegung, welche von Witten-
berg aus alle deutschen Lande durchzitterte , fand auch in
dasolbs anstoh«.^^. Eini^^o Wochen später mußte er dies wiederholen mit dem
Anfügen, die Kaniiiier niO«^c ihm ihre Not vorstclleD, er wolle flun moeh
schreiben. Dadurch werde er vielleicht zu bewegen sein, mit solchen neuen
AnschafTungen, wie der Verelirung für Barvitiu?, die ihm viel zu hoch dflnkew
mehr an sich zu halten (Stieve ^^. 54, 59 flf., 69, 71'.
1) Stieve S. 21, tiO ff. (u. XVI-XIX).
2) J^eydel I, S. 222.
- 507 -
Baieru einen gewaltigen Wiederhall. Regierung^) und Volk
waren hier über manche Mißbräuche des kirchlichen Lebens^)
aufgebracht, und so war der Boden für die Aufnahme der Lehre
Luthers wohl vorbereitet. Die Herzoge Wilhelm IV. und Lud-
wig näherten sich seit 1521 wieder dem römischen Stuhle 3)
und traten seitdem als energische Bekämpfer der neuen Lehre
auf. Gerade deshalb waren sie bestrebt, an eine Heilung der
erkannten Gebrechen, insbesondere an eine Reform des Klerus
Hand anzulegen. Und zwar suchten sie wohl im Gegensatze
zum Episkopate, aber im Bunde mit der Kurie ihre reforma-
torisohe Kirchtmpolitik durchzuführen. Schon 1521 hatte Leo X.
eine Kommission von Prälaten, welche die Herzoge vorgeschlagen
hatten, mit der Visitation der bairischen Klöster beauftragt^).
Leo X. starb noch vor Ausfertigung dieser Bulle, aber der
(h'und war doch gelegt zu einer Politik, welche allerdings im
Kiiivernehmen mit dem Papsttume einer von der weltlichen Ge-
walt eingesetzten Kommission geistliche Aufsichtsfunktionen
ohne Rücksichtnahme auf die Bischöfe übertrug *). Der Ingol-
städter Professor Dr. Joh. Eck erhielt, als er sich 1523 nach
Rom begab, von den Herzogen den Auftrag, von Hadrian VI.
die Ausfertigung der erwähnten Bulle und weitere wirksame
Repressivmal>regeln zu verlangen*^). Nach einer heftigen An-
khige der Bischöfe, deren schlaffe Handhabung der kirchlichen
Zucht als l'rsache des Umsichgreifens der lutherischen Lehre
liervorgehoben wird "^ ) , erbitten die herzogHchen Brüder vom
1) i'bor die Stellung der Wittclsbacher zur Reformation vgl. v. Döl-
lintrer, AküJemischo Vorträge. Nördlingen 1888. I, S. 35 f.
2) V^'I. Hoinhard, Kirchcnhoheitsrechtc des Königs von Baiem S. 13 f.
uDtl die daselbst Citierten.
3) Kaiike, Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation (5. A.)
II, S. 104. Es trat eine Wendung in den Gesinnungen des Münchner Hofs
«Mii, welche li322 zur Erlassung des 1. Strafedikts gegen Luther fahrte
(Winter, Geschichte der Schicksale d. evang. Lehre in und durch Baiern.
Landshut 1800. I, S. 77).
4) Winter II, S. 325.
5) Kanke II. S. 1U4.
()) Wiedemann, Dr. Joh. Eck S. 688.
7) „di(»\veil khain Ernstlich straff bey der Pfaffheit sei unnd Alles malifitz
I'beh's und Bo&heit so man erdcnckhcn khann, Eicmpel tragen, So chann
man Ine die Layeu nit verargen, daß sy den Lutterischen Leren . . . anzu-
lianiren bewegt werden (Friedberg, Die Gränzen I, S. 186).
— 508 —
Papste die GeDehmigung zur Errichtung einer von den Bischöfen
unabhängigen geistlichen Behörde, welche verbrecherische Greist-
liche degradieren und der weltlichen Behörde überliefern sollte^).
Hadrian VI. gab die erbetene Erlaubnis, beschränkte aber die
Wirksamkeit der Strafbehörde auf den Fall der Nachlässigkeit
der Bischöfe. Auf erneute Vorstellung *) beseitigte Clemens VIL
1526 diese Einschränkung. Nicht von langer Dauer war aber
die Existenz dieser geistlichen Strafkommission, und ihre Wirk-
samkeit erlosch allmähhch ^).
Hiermit begnügten sich aber die Herzoge nicht, sondern
in ihrem Eifer für die Erhaltung der katholischen Religicni
hatten sie schon 1524 eine Zusammenkunft mit dem Liegaten Cam-
])eggi, dem Erzherzog Ferdinand und benachbarten Bischöfen
zu Regeusburg veranstaltet zur Beratung weiterer gegen das
Umsichgreifen der neuen Lehre wirksamer Maßregeln. Das
Ergebnis dieser sog. Regcnsburger Reformation bildete ein
Landpot wider die luthcranische Sekte, in welchem nicht nur
Normen über die Anstellung tüchtiger Prediger und Ordnung
bezüglich des züchtigen Wandels der Geistlichen, sondern auch
kirchliclie Vorschriften für die üntcrthanen*) aufgestellt wurden.
Zugleich war in dieser Regensburger Reformation die Aufstellung
von Kommissar ieu ^) verabredet, welclien in den einzelnen Län-
dern die Bestrafung der Übertreter der Reformation (Geistliche
und Weltliche) aufgetragen wurde. Sie hatten auch darüber
zu wachen, daß die wegen der neuen Lehre des Landes Ver-
wiesenen nicht in der andern Fürsten Länder Aufnahme fanden.
Außerdem erlangten die Herzöge vom Papste das Recht, die
1) Ilanke II, S. 106; Friodberg I, S. 186.
2) Dio Herzoge sprachen in einem Schreiben an Dr. Eck die Bef&rchtang
aus, daß, falls die Balle mit der Klausel in casu negligencie ordinuionun
erlangt warde, dio Bischöfe der Vollziehung große Hindomisse bereiten
möchten (Wiedemann S. 667).
3) Vgl. E. Mayer, Kirchenhoheitsrechto des Königs y. Bayern S. 88 ff
4) Winter II, S. 315 f.
5) Zu Kommissarien wurden ernannt: Graf Christ v. Schwancnberg, Dr.
(Joh. Eck, der Kanzler A. Lösch Fr. Burkard und der Minorit Schaigvr
V. Freyberg, Gesch. III, S. 180). Über diese Eommission, welche nur
gegen Häretiker eine richterliche Thätigkeit entfaltete vgl £. Mayer
S. 31.
— 509 —
bairischen Klöster durch einige Äbte unter Zuziehung von
2—3 herzoglichen Räten visitieren lassen zu dürfen ^).
Die Visitationskommission war nicht ohne Bedeutung für
die Entwicklung des bairischen Staatskirchen rechts *) wegen der
durch sie geübten Kontrolle geistlicher Institute durch Organe
der weltlichen Gewalt, denn die Landesherm waren die zur An-
ordnung der Visitation berechtigten Subjekte •). In ihr zeigen
sich die ersten Spuren, die Anfänge einer (landesfürstlichen) Be-
hörde zur Wahrung der landesherrlichen Befugnisse in Kirchen-
angelegenheiten, welche nach mannigfachen Schicksalen später^
nachdem die Äbte sich nicht mehr regelmäßig an den Visita-
tionen beteiligten, als „geistlicher Rat" bis zum Beginn imsers
Jahrhunderts als ein mächtiges Organ zur Ausübung der staat-
lichen Kirchenhoheitsrechte berufen war*).
Einige Spuren des Kollegiums lassen sich allerdings noch
weiter zurückverfolgen, indem schon Albrecht IV. besondere
Räte in geistlichen Angelegenheiten aufgestellt hatte. Auf sein
Ersuchen gestattete ihm nämlich Papst Sixtus IV. 1484, sich
von den benachbarten Ordinariaten Regensburg, Augsburg und
I'reising Domherren zu wählen ^), um dieselben als Räte in ec-
1) Wiodemann S. 688.
2) E. Mayor, S .32.
3) Übrigens wardon Klostervisitationen durch staatliche Kommissäre yer-
oinzolt schon im 15. Jahrhundort abgehalten, z. B. 1474 Ludwig der Reiche ließ
durch den Altöttinger Propst Dr. Mauekircher und den Braunauer Pfleger A.
das Kloster Kanshofcn besuchen in Meinung, sich daselbst zu erkunden des
Wesons, so alldann in geistlichem und weltlichem Stand gehalten würde
(M. B. III, p. 381). Albrecht IV. erwirkte von Papst Sixtus IV. die Erlaubnis
zur Koformierung der Klöster. Die Abte von Tegemsee und Ebersberg
wurden vom Papste zu Visitatoren ernannt Vgl tlbe^ diese Visitation
Silbornagel, Albrecht IV. S. 56.
4' Für die Darstellung im Texte konnten einige brauchbare Notizen aus
dorn im Kr. A. (Geistl. Rat n. 1) befindlichen Manuskripte: „Geschichtliche
Deduction über die Entstehung dos geistlichen Bats vom SecretÄr von Li-
powsky" (17G0) benützt werden.
0) Adlzroiter, Annales Boicae gentis P. 2 1. n. 39. Diese konnten
das Einkommen ihrer Pfründen am herzoglichen Hofe verzehren- Vgl über
die Remonstrationen (Büchner VI, S. 349; Oefole II, S. 258) des Frei-
sinorcr Domkapitels und die diese Einrichtung bestätigenden Bullen Inno-
(onz VIII, Silbernage 1 S. 54.
— 510 —
clesiasticis zu gebrauchen ^ ) , und Clemens YII. erteilte 1530
den Herzogen aufs neue» diese Befugnis *).
Diese Domlierm waren am Münchner Hofe zugleich als Ge-
schäftsträger ihrer Ordinarien thätig. Eine Eroeuenuig dieser
Einrichtimg, welche Albrecht V. anstrebte, kam nicht zustande*).
Diese Visitationskommission hatte im aUgemeinen die glei-
chen Aufgaben zu erfüllen wie die in den protestantisclifln
Ländern errichtete Behörde der Visitatoren, die auch aus einer
außerordentlichen Visitationskommission zu einem ständigen
Kollegium, zu einer organischen Einrichtung der KirchenYer-
fassung heranwuchs*).
Die Visitationen hatten hier wie dort auf Grund landes-
herrlicher Instruktionen den Zustand des kirchlichen Lebens,
den Wandel der Geistlichkeit und die finanzielle Lage der ein-
zelnen Pfarreien zu erforschen und alle erkundeten Mißstände
nach Thunlichkeit a])zustellen resp. behufs Besserung anden
Behörden anzuzeigen. Während aber in Brandenburg andi
nach Schaffung einer eignen geistlichen Exekutivbehörde, des
Konsistoriums, das Visitatoren kollegium noch nebenbei in Thl-
tii^keit bhel), wiu'den in Baiem die Visitationen zu einem Bestand-
teile des Geschäftskreises des geistlichen Rats.
Eine Betrachtung der Visit^itionsinstruktionen gewährt am
besten einen Einblick in den Prozeß der Entwicklung der Visi-
tationskommission zum Rcligionsrat.
Eine uns erhaltene Instruktion von 1541 ^) bezeugt evident
die wesentliche (Übereinstimmung der Kompetenz der Visitatoiu
1) Im Berichte der von Wilhelm V. 1582 eingesetzten Eommitsioxi
Voreinbarun^ eines Konkordates (Friedberg 11, S. 827: Beil. I bes. S. 8K
n. XVII I^ warde diese Einrichtung als et principibus et ccdesüi hononte
et utilis b<*zeichnet, aber docli erklärt nihil tale concedi amplias pone, qiiod
idem postea eipotorent principcs catholici omnes pracsertim majores, atljw
ita desolarentur ecciesiae canonicis rosidentibus etiam loqoitur ceDBara.
2) Oefele II. S. 2G0.
8) Die Ordinarien verlangten, daß diese Mitglieder ihrer Kapitel niglelcll
im geistlichen ]{ate Sitz und Stimme erhielten, Albrecht V. wollte aber
eine beratende Stimme einräum(.*n (S u g e n h e i m S. 275), v. A r e t i n,
ausw. Verh. S. 39 f. (1570).
4) z.B. in Brandenburg (Isaacsohn I, S. 241).
5) Die Instruktion von 1541 , welche auf eine von 1539 Benig nimmt
lindot pich im Kr. A. M. — Geistl. Rat n. 4.
.^
— 511 —
mit der der nachmaligen geistlichen Ratsmitglieder. Die prin-
/il)ielle Grundlage des späteren Kollegiums findet schon ihren
Ausdruck in der Generalklausel der Instruktion, welche die
Kommission auffordert, „soviel uns von unsrer landes fürst-
lichen Obrigkeit wegen gebtihren mag das beste und nütz-
lichste jedes orts zu handeln", welche sie als Hüterin der herzog-
lichen jura circa sacra kennzeichnet. Und auch in den einzelnen
Punkten, welche die Instruktion aufführt, zeigt sich eine so
weitgehende Einflußnahme auf das innere kirchliche Lebend»
(laß man nur mit Staunen eine Ausdehnung der staatlichen
Machtsphcäre, ein solches Hinübergreifen in das Oberaufsichts-
riicht der Bischöfe wahrnimmt^), wie es in solchem Umfange
den an eine schärfere Scheidung der Grenzen zwischen Staat
gewöhnten späteren Generationen kaum faßbar erscheint. Man
kann es daher verstehen, daß eine derartige Ausdehnung der
lierzoglichen Kirchenhoheitsrechte zu energischen Beschwerden
des Klenis führte, welchen dann allerdings die herzoglichen Be-
hörden durch eine systematische Begründung der herzoglichen
lloliei tsrechte entgegenzutreten versuchten^).
Neben der Erforschung der Vermögenslage der einzelnen
Pfarreien und der Anordnung von auf Besserung derselben
zielenden Maßnahmen ward so den Kommissären, Räten und
(iesandtcin aufgetragen, Verhalten und Tauglichkeit der Priester
7.11 erforschen "*). Wenn nun auch die herzoglichen Räte und
1) Schon in dem Eeligiousmandat von 1522 war den herzoglichen Be-
amten ein Bcaufsichtigungsrecht über das religiöse Verhalten der Geistlichen
oin^oniumt, indem Vitztume, Statthalter, Pfleger nnd Bentmeister alle Per-
sonen, auch Geisthchc, die Luther's Lehre beipflichteten, gefangen nehmen,
verwahren und dem Herzoge hierüber berichten mnfiten, und auch das Re-
lif^onsniandat 1524 bewegt sich in dieser Richtung, indem die Herzoge
ctliclie Kommissarien verordnen, welche samt den Amtleuten die Religions-
verl »rocher erkundigen und den Regierungen zur Bestrafung anzeigen sollten
(Winter II, S. 324 ff.).
2) Eine Fülle von Belegen für die von den bairischen Staatsbehörden
ausj^'eübten Befugniese auf kirchlichem Gebiete gibt Friedbergl, S. 188 fL
'?>) Friedberg I, S. 200 ff:
4j ob er examinirt und zu der Seelsorg . . . treulich erfunden, ob er
nicht ooncubinc und kinder habe, ob er sich nicht rumorisch erzeige . . ^
p( hw{»re oder fluche, wie und welchen orten er den Gottesdienst verrichte, was
jeder für buch habe, welche Lehrer er auf seine Predigt lese und ob er sich
— 612 —
Gesandten angewiesen waren, von allen in dieser Richtung vor^
gefundenen Mängeln den geistlichen Kommissären Anzeige zu
erstatten mit dem Ersuchen um Abstellung derselben, so wonl
doch i^leich die Warnung hinzugefügt, daß, wenn dies nicht ge-
schehe, ilie Herzoge nicht umhin könnten, „von landesherr-
licher Obrigkeit Einsehen vorzunehmen, dardurch der Prie-
ster ergerlich Leben abgewandelt oder doch in leidliche Besse-
rung gebracht würde ' ), me ihnuu dann solches auf dem Tag
2u Salzburg zu verstehen gegeben". Der Staat hielt also, wenn
auch nur subsidiär, sein Recht zum Einschreiten in sulcfan
dem rein kirchlichen Gebiete augehörigen Verhältnissen Ar
zweifellos.
Eine Petition des Prälatenstandes auf dem Landtage v»D 1&Ö7,
der Hersog möge ihnen l — 2 gelehrt verständige imd der Reli-
gion wohlgemeinte Rät verordnen, durch welche sie ihr« Be-
schwerden stets zu seiner Kenntnis bringen köuntcn, damit sie
wüßten, an wen sie sich in solchen Fragen zu wenden liättco*),
fand willfähriges Gehör bei Albrecht V. und bewog diesen zur
Errichtung des sog. „Religionsrats" ^).
Während bisher, wie alle wichtigen RegieningsaogelegeB-
lieitcn, auch die Religionssacheu, insbesondere die auf Gnmd
der von den herzoglichen Visitatoren, unter deneu sich sleU
einige Hofräte befanden, erstatteten Flerichte durchznfUfareodeo
nach zu lokhet dei Begensbarger Otdnang uod Aagtburger SLAbvcUtd
^mU halt«, ... wie oft er in der Woche tiei halt«, wie oft ei la 4«
Woche beichte und ob die Pbrr|[>ut« dei üotteidjenttoi haibar oicU B»
•chweruDg haben.
1] Auf der andern Seite Mllteii aber die KonunlMtre daiflber waolMn, 4al
dcD PriesUro dn VoUgeonfi ihrer R«chto nicht guchtnllert «*rda nad dal
ihnen von den honoglichen Beamten atela der gebShrende Schsti n tid
wflrde. — Den KommisBlren «nrde «oduu noch die ErforKboag da« i^
ligjoaen Verbthcni der Rramtra nnd Onterthurn tnr Pflicht gamadit (yri»
«i« dch mit Bcriehton, Mrfi* nnd PredigthOrcn , auch and«nn
lichem TerhalUn, ob tie nicht ilietielbeD oft ohne Not DolnUeltn a
damit Argeini» ittbeo oder fieh hierin ioD«t TerSchtUch fteUtan).
2) iMtitag IGfil S. 8.1.
3) So liab«n WOr berflrto ReUgioni Sachen und waG detMlben :
tn alnen abgeiOnderten Rath n Tractlren nnd in erledigen fUryniii
alw ta demiolben lt«lig!on**Rath |V<tn]rdn«l: W. Loach üoftnaiatar aUa Pc^
ridenU ; Dr. W. Uand. Og. r. Oonippenbefg, Dr. 'Seid, Ot. 0. Perbtagcr (lato
*.S.Okt.l5G7betLipowik7, Arg^T. Gtmnbach. Honehen 1801. BalLXIIX.
- 513 —
Maßregeln im Pleuiim des Hofrats behandelt wurden, bildete
man also jetzt eine besondere Deputation von Hofräten, die
nebenher sich auch andern Hofratsgeschäfteu zu widmen hatte,
als eignes Kollegium. Diese Abtrennung der kirchlichen An-
gelegenheiten von den übrigen Regienmgssachen durch die Bil-
dung des Religionsrats wurde vom Herzog ins Werk gesetzt
sowohl aus sachlichen, als auch aus persönlichen Motiven.
Bei der Ausführung des Gedankens, die kirchlichen An-
gi.'legenheiten des Landes in einer von ihm abhängigen staat-
lichen l)ehr>rde zu konzentrieren und eine solche zum Organ
des landesherrlichen Kirchenregiments zu machen, dürfte dem
Herzog (las Vorbild der protestantischen Länder vorgeschwebt
haben ^), wo man nach dem Beispiele, welches Kursachsen mit
(Uir Ilrrichtung des Konsistoriums zu Wittenberg gegeben
hatte (1538)-), in den Konsistorien besondere Behörden zur
W ahrnelnnung der landesherriichen jura circa sacra organisiert
hatte.
Vor allem führte dazu die Wahrnehmung, daß die Religions-
nder Glaiiljenssachen nicht nnt gebührendenn Fleiß gehandelt
worden ^^a]•en. Die Errichtung der Behörde wurde in der In-
struktion von 1557 direkt auf die Absicht des Herzogs zurück-
geführt, nicht nur selbst bei der „alten wahren allgemeinen
ehri>teüli(lien Religion" zu bleiben, sondern auch, soviel immer
nioglicli, diese im Fürstentum zu erhalten ^).
l'enier war maßgebend der Umstand, daß nicht alle Hof-
uite zur Beratung der kirchlichen Fragen qualifiziert erschienen,
>owie die Absicht, durch diese Trennung den überbürdeten
ll(»frat zu entlasten. So wurde einerseits die Abwicklung der
tii.uh'cheii Hofratsgeschäfte nicht aufgehalten und also die Unter-
1) Vgl. l.'L'inhard S. Ifj.
-i; Zorn, Lelirbuch des Kirchenrechts. Stuttgart 1888. S. 156.
3 l)it3 Iiistr. von ir)57 fährt fort: „Hierauf dan unser ernstlicher be-
v(d(li und M;üniiii<^ ist, das die yetz ernannten unsere vertrauten Retho
und Diener über das, so sy als zuversichtlich gewissenhafft Christen dem all-
meclitit:.!! ze laisten schuldig, sich der beruerten Glaubens oder Religions-
>.ichou niit rechten Ernst und Vleiß bey den Pflichten, damit sie uns zuc-
_etl)an . . . annenien sollten, auch als was ihnen darin angebracht und
lirkonien wirdet nacli allgem. Christlicher Ordnung und gebrauch darmit auch
unser junj^^st uej^a^bno Declaration in nichte überschritten werde, abhandlen
uiul rrledi^^en.
i. -• ;i" ... «MV ': i. t.tc .!, (MT tlit'.N\. u. (1. Vrrw.-Orif. Halerns. I. oo
— 514 —
thanen zu Erledigungen ihrer Stritt und Irrungen befördert, ani
anderseits die vorgefallenen geistlichen Sachen nit v^rschobeB
und auf Erhaltung der wahren katholischen Religion allenthalben
mit großem Fleiß gemerket ^).
Albrecht V., welcher anfänglich die Anhänger der Lehre
Luther's unter seinen Unterthanen mit großer Milde behandelte*X
ging später, wenn auch nicht mit Feuer und Schwert, wie sein
Vater, doch mit schonungsloser Rigorosität vor, um seine Lande
von der Ketzerei zu säubern^).
Die Mehrzahl der zum Religionsrate Verordneten erschien
dennoch täglich im Hofrate und haben so das Geistliche und
Weltliche nebeneinander fürdcrlich ausgerichtet^). Aber nicht
von allzu langer Dauer war die Existenz dieses Religionsrats,
denn schon 1559 wurde er wieder aufgehoben '^X sei es daS die
übrigen Hofräte auf ihre durch die Deputierung zum Religions-
rate bevorzugten Kollegen eifersüchtig waren und sich selbst
die Erledigung dieses wichtigsten Zweiges der Regierungs-
thätigkeit nicht entziehen lassen wollten, also deren Beratong
im Plenum des Hofrats wieder anstrebten, oder daß das Auf-
treten wichtiger politischer Angelegenheiten dem Herzoge eine
anderweitige Verwendung der angescheusten Räte angezeigt er-
scheinen ließ, so daß diese also nicht mehr ihre Kräfte den
Religionsrate widmen konnten **).
Albrecht V. hielt aber, wie aus der angeführten B^^rfla-
(lung der G.Rats-Iustruktion von 1570 hervorgeht, die Behand-
lung der kirchlichen Angelegenheiten durch eine besondere Be-
hörde für das Zweckmüßigste und stellte deshalb 1570 den stata
(]uo ante her durch Wiedererrichtung eines Kollegiums, de8
1) V^rl. EiD^Dg der Instruktion des geistlichen Rats von 1570 (fi. Jaajk
Kopie im Kr. A. M. — Geistl Rat n. 4; auszugsweise abgedruckt bei t. Frcy-
berg, Pragm. Gesch. d. bair. Gesetzg. III, S. 181.
2) Über seine und Wilhelms V. Stellung zur RefonnatioD TgL Sufci*
heim S. 46 ff
3) Vgl Kluckhohn, Jesuiten (Sybel's Histor. Zeitschrift Bd. A
S. 355 flF.
4; Instruktion 1557.
5) l^ies bezeugt eine Verordnung Albrechts V. (1559), daS gakÜidM
Sachen in Zukunft nicht mehr bei der Deputation, sondern im venammeta
Flofrat verhandelt werden, citicrt bei Friedberg I, S. 188.
6) Geistl. llats Instr. 1570.
— 515 —
geistlichen Rats („Religions- und geistlicher Lehensrat")^. Das
Kollegium wurde auch jetzt zumeist aus Mitgliedern des Hof-
rats gebildet, die wir als ordentliche*) bezeichnen können, zu
welchen als außerordentliche hinzutreten die Theologen (4 Hof-
prediger, von denen stets nur 1 — 2 zu den Sitzungen heranzu-
ziehen waren) ^). Nur in wichtigen Sachen mußte eine Plenar-
l)eratung stattfinden, bei Entscheidung gemeiner Lehenssachen,
(Bewerbungen um Pfarreien, Pfründen oder Messen), sowie bei
Abhaltung der Examina waren die 5 (unten) zuerst genannten
Mitglieder vom Erscheinen in den Sitzungen dispensiert, damit
sie von ihren sonstigen Amtsgeschäften nicht allzu sehr abge-
zogen würden. Dagegen sollten sowohl zu den Examinibus, als
zu andern wichtigen Beratungsgegenständen 1 — 2 der Theo-
logen erfordert werden, welche dann den übrigen Mitgliedern
gleich geachtet wurden.
Die Behörde war in erster Linie als ein Bollwerk zum
Schutze der katholischen Religion gegenüber der eindringenden
n('uen Lehre errichtet*) — damit auf alles das, so zu erhal-
tung unser waren christlichen religion und ausreitung alles ein-
j^a'saeten übls immer dienstlich sein mag, allenthalben fleißig
{i:esebon \yerde. Deshalb ])ezeichnete auch die Instruktion als
eine Hauptaufgabe des Rats die Beratung von Schutzmaßregeln
ge^^en dem ri)ertritt der Unterthanen zu Sekten und gegen das
Minschhjichen ärgerlicher Leute aus benachbarten sektiscben
Orten und ähnliche den Abfall vom Katholizismus fördernde
1) Die Instruktion spricht nur einmal bei Aafzfihlang der Mitglieder des
Kolle^duins von „Keligion- und geistlichen I^henr&ten", gebraucht aber ver-
einzelt ^ rieli<(ionsrat", wiederholt dagegen den Ausdruck „geistL Rat". Es
ist also nicht richtig, wenn Lipo wsky sagt, dafi dieser Ausdruck zum
1. Male in der Instruktion von 1573 vorkomme, und Friedberg I, S. 188
von einer 1573 erfolgten Umwandlung des Religions- und geistlichen Lehens-
rats in einen fr»*istlichen Rat spricht
•J) Ernannt wurden zu stäten Religions- und geistlichen Lehenräten: der
Lanilhofnieister Graf zu Schwarzcnberg, Kanzler Dr. Sim. Eck, Kammermeister
/•'Her, Dr. Perbin^er, Dr. Elsenhaimer, der Dechant zu S. Peter Pfersfelder, Gg.
rauflvirch, U. Eisenreich, der Kastner E. Fend und Gg. Ligsalz („all unsere
Räte" . Ständir^er Sekretfir: Mag. Strobl.
3) Dr. .To. a Via, Jo. Adler, Gg. Lauther und mag. C. Frank.
4) Wie überhaupt alle Beamten in den Dienst dieser Politik der Gegen-
r.'forniatinn gestellt wurden, ward schon mohrfach erwfihnt, z. B. S. 3L5,
;;:^7 tV., VMk
— 516 —
Gefahren. Bei der hervorragenden Bedeutung solcher Fragen
sollten bei Abfassung eines Gutachtens wenn möglich alle, jeden-
falls aber der größte Teil der Räte und Theologen anwesend
sein. Dem Rate war sodann die Ül)erwachung der Vollziehung
aller die Religion betreffenden herzoglichen Verordnungen') an-
vertraut. Damit ging Hand in Iland eine strenge Beaufsichti-
gung des Klerus, welche sich durch eifrige Handhabung einer
Disziplinarstrafgewalt geltend machte ^). Von Zeit zu Zeit ward
den Beamten die strenge Durchführung dieser Mandate ein-
zuschärfen. Die in dieser Beziehung nachlässigen Beamten
waren nach fruchtloser Erteilung eines Verweises dem Herzog
zur Bestrafung anzuzeigen ^).
Als das hervorragendste Mittel zur Besserung der religiösen
Zustände des Landes und zur Abwehr der neuen Lehre erschien
dem Herzog die Fenihaltung aller unlautem und untüchtigen
Elemente vom Klerus. Das Ziel sollte erreicht werden durch
Hülfe des geistlichen Rats. Derselbe (verkleinert, nur 4 — 5 R&te
uud 1—2 Theologen) hatte solche Bewerbungen um Pfarreien*)
zu erliMligen, über die Führung der Adspiranten bei der Obrig-
keit ihres früheren Domizils Erkundigung einzuziehen, nachdem
die Theologen dieselben einem Examen behufs Feststellung ihrer
(^ualitikation zur Seelsorge unterworfen hatten ^). Nur im Falle
1) Wider das Auslaufen zu sectisehen Prcdicanten , wider das Fldseb-
speisen an verljotenen Taj,'en, von Visitation der Buchlüdon, von Erfordenuig
der ärjjerlichen unj^eliorsanien Personen u. dgl. in.
'2. \V'l. die Beispiele bei Fri edb erg I, S. 190 ff., 223.
3; Die Instr. 1573 bezeichnete es als eine sofort in Angriff za oeb-
inende Hauptaufgabe des g(>istlichen liats, aHc bisher im Dracke e^
schienenen, der Kvligion und Schulen halber ergangenen Befehle, Mandat«
und Ordnung« n vorzunehmen, dieselben wieder abzuhören und über etwa er-
forderliche VtTb»*M?erungen Gutachten zu erstatten, sowie über die AngfUhnuig
derselben durch die <jeistlichen und durch die Beamten Erknndigong ein-
zuziehen, welche alljährlich zu wiederholen sei, weil man befindet, da6 ohne
lleiljige Aufachtung und Nachforschung das Übel der Sekten alsbald wieder
über Hand nehmen würde.
4) Auch l^tipendiongciiuche.
.'3) ob sie zu ausrii-htung pfarrlicher rechten mit administratioxi der hochv.
su«rani»'nte, Verkündigung huilsamer cathol. lehr und Verrichtung des gOttL
dienst-? geMU<"gsam und tauglich seien, item was si für pnechcr lesen und
wasi dergleichen notwendigen puncten mer. Das Erfordernis des
wiederholt in der Instr. 1573.
— 517 —
eines l)cfriedigCDden Ergebnisses des Examens und der Erkun-
digung erfolgt, wenn das Präsentationsrecht dem Landesherrn
zusteht, die Präsentation an den Ordinarius und darauf die
\'(*rfügung des geistlichen Rats zur Posseßerteilung durch die
herzogliche Kanzlei unter Fixierung der jeweils zu entrichtenden
Taxe durch den geistUchen Rat ^). Aber auch für die Pfarreien,
bezüglich deren den Ordinarien selbst, den Prälaten, Edelleuten
oder andern Unterthanen das Präsentationsrecht zustand, hatte
dei- geistliche Rat das landesherrliche Aufsichtsrecht wahrzu-
nc'linien und streng darüber zu wachen, daß sich keine untaug-
lichen Subjekte in die Pfarrstellen einschlichen, denn Albrecht V.
lag die strikte Durchführung des Prinzips am Herzen, „daß
keinem ungeschickten ergerlichen Manne eine Seelsorge, Pfarre,
lUneticium oder Pfründe in unserem Fürstentum und Landen
verliehen werde" *). Hatte daher durch den Ordinarius eine
solche ungeeignete Verleihung schon stattgefunden, so war die
landesherrliche Posseßgebung zu verweigern. Schließlich wurde
der geistliche Rit noch mit Einrichtung eines geistlichen Lehens-
biiclis beauftragt zur Abschneidung der zwischen dem Herzog
und den Ordinarien wegen des Patronats über einige Pfarreien
schwebcinden Dift'erenzen, so daß das Präseutationsrecht künftig
feststand.
l^inc Neul)esetzung des Kollegiums ward durch» die Instruc-
tion von 1573 angeordnet, der Landhofmeister schied ganz aus
dem Verbände desselben, als dessen Superintendent nun der
Kanzlei' Dr. S. Eck aufgestellt ward, der aber nur in hoch-
wiclitigen (fürnehmsten) Sachen, in welchen die übrigen Mit-
^Hieder verschiedener Meinung waren, zu den Sitzungen erfor-
dert werden nnißte, während die laufenden, täglich fürfallenden
(ieschafte unter dem Vorsitze des Dechanten von S. Peter als
„oberen" erledigt wurden, und zwar von 4 (3 Hof-, 1 Kammer-)
1) Di«' Räte sollten auf wohlhabende Pfarreien besonders achten, den-
selben wenigstens für einige Jahre die Entrichtan^ einer Abgabe auferlegen,
deren (iesamtbetra*^ für die Erziehung junger Geistlichen verwendet werden
sollte.
2) Den Pfarrern wurde daher eingeschärft, keinen Gesell pries tor, Kaplan
o<l('r Helfer aufzunehmen, der nicht vorher das Examen beim geistlichen Rate
bestand»'n hatte.
— 518 —
lläUu'), welchen 1—2 Cauouici oder gelehrte l'riester*), die
uameDÜicb für Visitationen verwendbar waren, ac^uDgicrt Wür-
den sollten. Mindestens zweimal wöchentlich, bei RedUrfats oodi
öfters wurden Sitzungen abgehalten^).
Während 1570 die regelmäßige Visitation der Pfamäi-n
und Klöster noch nicht zu den Aufgaben des geistlichcii lUu
gehörte, sondern nur im allgemeinen sämtUchcn Mitgliedern ein-
geschärft wurde, bei ihren gelegentlichen Reisen durch das lM>i
auf Religion und Seelsorge ein wachsames Auge zu haben and
die wahrgenommenen Mißstände behufs Abstellung zur KeDnliiis
des Kollegiums zu bringen, hatte die Instruction lö7d die Jifar-
liche Visitation als organische Einrichtung in den AmtskreU des
geistlichen Rats eingefügt*). Überhaupt bringt sie den Ge-
danken des kirchlichen Polizeiregiments, wekhes den Glauben
der Unterthanen mit allen zu Gebote stehenden Mitlein in der
vorgezeichneten Bahn halten will und jede GreuzQberschreitung
aufs ernsteste ahndet, zum schärfsten Ausdruck. Ua» Kolle-
gium wird so zu einem Centralglaubensrat für das ganze Land,
der durch viele Fäden den Zusammenhang mit allen Behönlea
des Herzogtums bewahrt und mit dem religiösen Zustande der
gesamten Bevölkerung in steter Fühlung bleibt. „Sie boUco
alle Rtiligionssachen unsres Landes anstellen", das ist die üaa^
direktive, welche der Herzog seinen geistlichen Räten gibt, mit
er ihnen zur Erfttllung dieser ihrer Aufgabe auch das Recht
1} Dr. FerbiDger, Dr. LaoUr, Dr. MmUct, Kanunoirat Liguli (i»h>t dos
8«ktetlr Stnbl).
i) DieM gelobten, in allati Sachen nach Inhalt der h. Schrift Im all-
gemeinen Ventand der chnitlicbeo Lehrer nach im TriJentinilchm
aattongea and dem löblichen Herkommeo und Oebraaeb de*
Buem raten la wollen. Einige (»iitlicbe Bit«, welche BedenkfB hattM,
nach dieier Fomel la irbwOren, worden entlaasen (Lipnwik;).
3) Nach der Inetr. 1570 hatte eich der g^atUche Rat nftiaUif
Tormittogf (in der alten Lehnitabe) tu roraatnnwlii, afantmll andi DMb-
niiltagt.
4) Die prieater, ao in der leelaorg rerordnet aefod, ■owo] die olt^m^
tsut alt laiprieater, aowol die cooperatorM alt die predigor oad p£arr«r aaUm
doieh aiQeo ana dan religioniieten jorlich tintirt, die Urchenoraat, dll dir
sodia nnd andere mit rlelA boiiehtip, diu mengl gewendet t
nanntiM oder *«>cti*chcn prioetet, alao die, *o {'oblice in eeandalo li
dann angeieigt. damit ti mögen geatraft oder nmeriert oder ia a
— 519 —
einräumt, mit allen Landesbehörden in Korrespondenz zu treten
und auch mit den Stiftern, Klöstern, Pfarreien und allen Lokal-
bebörden einen schriftlichen Verkehr über die zu treffenden
Maßnahmen zu unterhalten*).
Die Regierungen haben auf Befehl des geistlichen Rats^
wenn dieser nicht unmittelbar die Ungehorsamen vor sich laden
und zur religiösen Rückkehr anhalten will, diese Ermahnungs-
versuche vorzunehmen und in ihrer Eigenschaft als Staats-
behörde diejenigen Mittel, welche die Abtrünnigen von ihrem
ketzerischen Treiben abzubringen geeignet scheinen, in Anwen-
dung zu bringen •).
Eine Kompetenzabgrenzung für den geistlichen Rat war
wegen der in Finanzfragen konkurrierenden Zuständigkeit der
Hofkammer notwendig. Die Instruction von 1573 begnügte &ich
nicht durch Einreihung eines Kammerrats in den geist-
lichen Rat etwaigen Kompetenzstreitigkeiten vorzubeugen, son-
dern sie führte eine scharfe Trennung durch zwischen den reli-
^^iösen und wirtschaftlichen Funktionen durch folgende Bestim-
mungen :
1) Bestätigt wurde die schon 1571 vollzogene Abtrennung
der Verwaltung der vacierenden Klöster, Benefizien, Kirchen,
Pfarreien u. s. w., welche schon vorher als „geistl. GefÄD-Ver-^
waltung" thätig war und nunmehr als eine besondere Kommis-
sion betrachtet werden konnte.
2) Bei den Visitationen der Klöster (und Wahlen) waren
die geistlichen Geschäfte durch die geistlichen, die weltlichen
(Teniporalien) durch die Kammerräte zu erledigen •'*).
1) Dio Zettel der P&rrer, welche diese jährlich der sektischen Pfiurlente-
halber ihrer vorgesetzten Regierong flbergeben, werden durch diese an den
geistlichen Rat weiter befördert, nm das Qeeignete darauf zu yerfQgen.
2) was si auch für uDgehorsam, ergemus» auslaufen an sectische ort bei
bürgern und panm, auch allen iren zugehörigen in erfaruog bringen, die
sollen si für sich vordem und vleis haben d davon wendig zu machen und
wider zur gehorsam zu bringen oder solches zu thun in die regiment schreiben.
3) das das geistlich und weltlich auf den clostem nit confündirt werde
und also weder cammer noch religionsrat wisse, woran er sei und weil die
closter unser cammerguet, so sollen darumben in temporalibus die camerret
und die religionsret in ecclesiasticis disponieren und da si mengel in tem-
poralibus finden, dasselb den caroerreten anzaigen, das dieselben alsdann
Wendung fumemen et e contra.
— ry20 —
3) Zur Prüfung der Rechnungen der Vermögensverwaltung
der Kirchen wurde eine Kommission aus 2 Kammer- und 2 geist*
liehen Räten bestellt, welche beiden Teile gleichlautende Ver-
zeichnisse des weltlichen Einkommens haben sollten.
Diese Aufsicht über das Kirchenvermögen wurde erst seit
Knde des 15. Jahrhunderts vom Landesherm im Interesse der
Erhaltung des Vermögensstandes der Kirchen in Anspruch ge-
nommen. Das Organ, durch welches die bairischen Herzoge
diese Oberaufsicht über die kircliHche Vermögensverwaltung*)
ausüben ließen, wechselte mannigfach, bis es 1573 zur Schafiung
der ebenenvähnten Kommission kam * ). Aber auch diese wurde
bald wieder aufgehoben, zuerst ein eigener Revisionsbeamter
bestellt und dann 1583 die Rechnungsrevision der Hofkammer
übertragen, bei welcher ohnehin alle Beamten des Landes zur
Rechnungsablage sich einfinden mußten, nur daß bei Abhörung
der Kirchenrechnungeu 2 geistliche Räte hinzugezogen werd^
sollten, um sich bei dieser Gelegenheit über den Zustand des
Kirchenvermögens zu informieren, doch durfte diese RevisioD
auch l)eim geistlichen Rat unter Zuziehung eines Deputierten
diT Hofkammer geschehen^).
1) Albrecht V. betraute zuerst die Hofkammer mit dieser Aufgabe» welche
sie gelej^eutlich der Amtsrechnungen der Pfleger und Landrichter erledigte^
dann hielt man dafür, daß dieses nicht Eammerarbeit sei, sondern in deD
geistlichen Kat goiiGre. Deshalb schob man es von der Kammer auf die
Herren geistlichen Kate. Aber diese liefien dieser ihrer neuen Aufgabe wenig
Förderung augedeihen, wenigstens klagt Fend, „daß keiner der geisÜiduo
Häte den wenigsten Finger hat daran legen wollen, wie sie noch honte all^
woil mit andern Geschäften, auch mit ihren Studiis und täglichem Gottee-
dienst beladen sind". Man mußte so die Arbeit Andern, wie dem Dechantes
von S. Peter und einem aus dem Hofrate, aufladen. Solcher Modus fthrte
zur Ver(:chle))])ung der Re\'ision, deshalb sah sich Albrecht yeranlafit eiaeB
eignen Beamten aufzustellen. Dieser bethfitigto die Rechnungsabnahme bis
zu Albrechts Tod, wo er aus Erspamisrücksichten entlassen wurde. Mit der
Rochnungsrevision wurden dann einzelne Hofräte im Turnus betraut Aber
nur die Vermrigens Verwaltung der Kirchen im Rentamte Mflnchen eifirente
sich von dieser Seite emsiger Pflege, während die der drei Übrigen BesU
ämter vernachlässigt wurden. Fend schlug deshalb die Ememning eiaee
Generalkirchpropstes vor, welcher die Kirchenrechnungen des ganzen Landet
aufnehmen, Mängel ausziehen und deren Besserung überwachen sollte^ aber
der Vorschlag fand keine Billigung Bericht Fend's L c.
2) Instr. 10. März 1584 (Kr. A. — Geistl. Rat n. 4): Qaod ei neeene
fuerit de rei domesticae administratione tractare tum quoqne aUqab
— 521 —
Einige Jahre später wurde sodann zur Verrechnung der auf
(las kirchliche Gebiet sich beziehenden Einnahmen und Aus-
gaben ein Mitglied des geistlichen Rats als geistlicher Kammer-
nieister aufgestellt, die geistliche Kammer als ein Annex des
geistlichen Rats diesem untergeordnet, so daß Ausgaben nur
auf Ratifikation dieser Behörde geleistet werden durften. 1595
wurde dem Rate und geistlichen Kammermeister Dr. Lichtenauer
(une jährlichi^ Rechnungsprüfung, und zwar rückwärts bis zum
beginne seiner Verwaltung zur Pflicht gemacht ; es sollten stets
] — 2 von der Hofkammer zu dieser Rechnungsrevision beige-
zogen werden, welche ihre und der Kammer Moni ta vorzubringen,
Milsbräuche zu rügen und über Reformen sich gutachtlich zu
iiußern liatten ^ ). Aber nicht lange währte dieser Zusiand, son-
dern man kehrte bald wieder zu der Einrichtung von 1583 zu-
rück, wie die Instruction 1608 darthut*).
Die Aufgaben des geistlichen Rats zerfallen also in 4 Haupt-
kategorien :
1 ) Wahrnehmung aller auf die P>haltung des katholischen
Glaubens gerichteten landesherrlichen Anordnungen in Kultus
und Lehre.
2) Mitwirkung bei Besetzung und Kontrolle über die Ver-
waltung des Kirchenamts und als Ausfluß dieser Befugnis
o) Ausübung einer Straf- und Disziplinarjurisdiktion über
(Irn Klerus ^).
4) Mitwirkung bei der Kontrolle der kirchlichen Vermögens-
verwaltung.
In der ersten Regierungszeit Wilhelms V. setzte der geist-
liche Rat seine Wirksamkeit unverändert fort. Erst als um 1580
zur Erledigung der von den bairischen Bischöfen erhobenen Be-
<'x consilio camorae ducalis adhibeatur, cujus prae aliis major usus esse
queat.
1) Docrct vorn 11. Okt 1595 (Kr. A. M.). Es ist auffallend, daß Li-
j) 0 w s k y von diesem Dekrete, welches die geistliche Kammer schon als be-
stehend voraussetzt, keine Notiz nimmt
11 (v. Freyberg, Pragm. Gesch. d. b. Gesetzg. III, S. 186).
3) Unter den j^egen den geistlichen Rat gerichteten Beschwerden, welche
der Nuntius 1579 und 1580 an Wilhelm V. übermittelte, figuriert auch der:
lonsiliarii Ecclesiastici absque Sedis Apostolicae aut Ordinariorum auctori-
tate Monachos aliosque Sacerdotes etiam Praelatos minores interdum per
aliquot menses in aresto detinent (Sugenheim S. 276).
— 522 —
schwerden KonkordatsYerhandlungen von dem von Gregor XtD.
behufs Leitung derselben nach München geschickten Legaten
Felician Ninguarda geführt wurden ^), verstand man es, bei dem
ängstlich frommen Fürsten Gewissensbedenken zu erregen über
die Zulässigkeit der Wirksamkeit einer zumeist aus Laien be-
stehenden Behörde *) in kirchlichen Angelegenheiten. In seiner
Gewissensnot wandte sich der Herzog an den L^aten, welchem
er die Frage vorlegte: „An dux habere possit tuta conscieDtia
conciliarios ecclesiasticos ; et si possit — an etiam in hac d^i-
täte vel alibi tribunal ecclesiasticum institui liceat, coram quo
tractentur causae ecclesiasticae'' ^). Die Antwort fiel dahin ans,
daß eine Verwendung der geistlichen Räte zulässig sei in all*
gemeinen Gewissensfragen, bei Ausübung des Präsentation^- und
Patronatsrechts, behufs Ermahnung der Prälaten zur guten Ver*
waltung ihrer Temporalien, zur Beiordnung weltlicher Kommis*
Scäre bei den Visitationen der Ordinarien, sowie in Streitigkeiten
der Geistlichen mit Laien ^). Dagegen wurde dem geistlidiea
Rate die Befugnis zur Entscheidung der unter den Geistlichai
entstandenen Streitigkeiten vollständig aberkannt^). Der Bericht
der Konkordatskommission (1582) dagegen sprach sich ganz an*
eingeschränkt zu Gunsten der Fortdauer einer eigenen Behörde
zur Besorgung der kirchlichen Angelegenheiten aus'). Durch
1) Friedberg I, S. 198; vgl. über die fortgesetzten gniTaiiuiia dv
bairischen Diözesen (1582—3) nnd die 5jfthrigen Verhandinngen der Koa-
kordatskommission, die 1583 znm Abschlüsse des Eonkordatea Ahrten, ibid.
S. 2(K) ff, 213 t
2) Der Herzog, welcher anfangs die ihm zustehenden IQrefaenhohdli»
rechte mit Energie vertrat» liefi sich durch den Nontins bedenklieh mertu,
ob die fest behaupteten Rechte nicht dereinst sein und der ünterthaMB
Seelenheil gefährden konnten (Friedberg I, S. 213).
3) V. Freyberg, Gesch. III, S. 182.
4) Über die durch den Nuntius vorgebrachten Klagen gegen den
liehen Kat (1579 und 80) vgl Su gen heim S. 276.
5) V. Freyberg, Gesch. III, S. 331.
6) Bericht (Fr iedberg II, S. 835) n. XIX: Longe rero
modus, et rerum Ecclesiasticarum curandarum habitus est, et eipcito^ ei
jam ro ipsa, ut Senatus instituatur ecclesiasticus proprius eertot et ab ohb
reliquorum negotiorum strepitu scjnnctus. Atque hie praeterea, qnae peeoli^
riter huc pcrtinent, utpote possessiones, sacerdotum ezamina, pimelttoraBi ei
opiscoporum, ubi ab officio cessaverint admonitiones, visitationet
et instituendas et quidquid denique ad jus patronatus spectat» etiam in
— 523 —
eine Instruktion von 1584^) ordnete darauf der Herzog eine
Ileorganisation des geistlichen Rats an, vermehrte die Anzahl
der Räte, damit nicht durch eine zu geringe Besetzung die Er-
ledigung der Geschäfte verhindert würde. Neben 3 Theologen
wurden auch jetzt der Kanzler und noch 3 juristische Räte *)
in das Kollegium deputiert, damit alle juristischen Fragen von
ihnen einer sachgemäßen Erörterung unterzogen würden. Eine
Plenarsitzung sämtlicher Kollegialmitglieder sollte auch jetzt
nur bei der Entscheidung hochwichtiger Angelegenheiten statt-
finden — simul omnes nunquam vocabuntur nisi ad causas gra-
vissimas. So wurden die Räte in ihren übrigen Funktionen
nicht allzu häufig gestört. Zur Bearbeitung der laufenden Ge-
schäfte hatten sich aber einer der Juristen, die Theologen und
der Sekretär wöchentlich 1 — 2mal zu regelmäßigen Sitzimgen
einzufinden, eventuell wurden außerordentliche Sitzungen an-
])eraunit. Der Präsident des Kollegiums sollte jeweilig vom
Herzog ernannt werden mit der Befugnis der Bestätigung der
in des Herzogs Abwesenheit gefaßten Kollegialbeschlüsse. So
ist allerdings die Behauptung von dem Zugeständnisse der Um-
bildung des geistlichen Rats insofern richtig, als die Erledigung
der regelmäßigen Arbeiten einer Majorität von Theologen zu-
gewiesen wurde, dagegen war keineswegs eingeräumt worden*)^
(laß das Präsidium stets einem Geistlichen übertragen werden
müsse.
Eine p]rweiterung seiner Kompetenz erfuhr der geistliche
Rat 1590, wo ihm alle Universitätssachen überwiesen, und 1592,
wo ihm alle Kommissionen zu den Prälatenwahlen übertragen
wurden, welche bislang vom Hofrate resp. in den 3 äußeren
Rentämtem von den Regierungen besorgt worden waren, damit
künftighin der geistliche Rat einen unmittelbaren Einblick ge-
wänne in die Klosterzucht und den Vennögensstand der Klöster*).
scientiac casibus aderit principibus. — Nanüas Ap. ipsaqae censora senatom
occle8iasticum admittant, ex qao potisummn achnoneantar ordinarii de of-
ficio, ipseque Dux sabinde accipiat connlia.
1) Kr. A. M. - GeistL Rat n. 4.
2) Theologen: Propst Dr. Laather, Lic. Franz und Diether, Canonici
uns 1. Frau; Juristen: au£er dem Kanzler Dr. Gailing, Dr. Eborlin und
Dr. Grünberger, ferner Sekret&r Haberstock.
3) So Sugcnheim S. 279.
4) Lipowsky.
— 524 —
Aber nicht unangcfochteu konnte der geistliche Rat im
letzten Dezennium des 16. Jahrhunderts seine Existenz fort-
setzen. Der zerrüttete Stand der bairischen Finanzen machte
Ei-spamisse an allen Enden zur gebieterischen Pflicht Die Hof-
kammer als oberste Finanzbehörde des Staates hatte von diesem
Standpunkte aus die ganze Verwaltung des Landes zu kon-
trollieren, wie ja auch heute dem Finanzministerium in allen
Ländern ein maßgel)ender Einfluß auf die gesamte Staatsver-
waltung eingeräumt ist, der bei Aufstellung des Budgets zur
Erscheinung kommt.
Die Hofkammer war es, welche die ganze bairische Be-
hördenorganisation unter Wilhelm V. einer einschneidenden
Kritik unterzog, Reformvorschläge dem Herzog unterbreitete
und so über Sein und Nichtsein einzelner Organe ein begut-
achtendes, allerdings nicht entscheidendes Wort zu sprechen
hatte. Diese sprach sich nun für eine Aufhebung des geist-
lichen Rats und für Überweisung seiner Geschäfte an den Hof-
rat aus *)•
1) In dem Bodenkon der Hofkammer (das Schriftstück ist nicht dmtaeii
stammt aber wahrscheinlich aus dem Jahro 1593 [R. A. — FünteiuMdieB
II spec. lit C fasc. 35 n. 419];' wird eine Aufhebung des geistlichen Batt-
kollegiums und eine Übertragung der Funktionen desselben an den Hofinft
begutachtet. Wenn auch, heiüt es in dem Berichte, beim geistlichen Bäte
nicht mehr als 0 besoldete und unbesoldete Mitglieder gehalten würden, ei^
schiene es doch aus allerhand Ursachen nicht ratsam, viele absonderficha
Kät zu halten. Dieweil dann der geistliche Rat erst bei wenig Jahren alM
in esse gekommen und derselbe außer Visitierung der KlOster und Rf^w^*»
der Priester keine sonderbare Verrichtung habe, sondern die allda einkoB-
menden Sachen gemeiniglich also beschaffen, daß sie außer Znthun des Ho^
rats niclit wohl könnten erledigt werden und vor Jahren die geistlichen Bite
allda ihre Sessionen gehalten . ., so könnte os der Hofkammer Erachten nach
wi«'der auf solche Weise dirigiert werden. Dieses Ziel, Wiedenrereinigniig
des «geistlichen Rats mit dem Hofrat, also Rückkehr zum früheren Zottandfl^
wurde noch scharfer betont in einem andern Gutachten (R. A. — FflntflB-
saohen Generalia fasc. I n. 19 [Gutachten wegen Reform des Hofstaats 1588]].
Es wird darauf gehalten, wird in diesem ausgeführt, daß der geistliche Bat
vom Hufrate nicht zu separieren, wie es denn von Alter her so gewesen und
die Distractiones und Absondi^rungen der Rfite nicht gut noch sor sehleo-
niiren Expedition der Sachen befürdersam, zudem die meisten Sachen, welche
im geistlichen Rate vorkommen, so beschaifen seien, daß sie darch Mitte des
Hofrats zu verricliten, so würden auch ohnedies außer den gcisilichen noch
die andern Räte außer dem Hofratc, zum geistlichen Rate gezogen ... Ei
J
— 525 —
Der Vorschlag fauil aber nicht die Billigung des Herzogs.
Die Resohition auf denselben lautet: „Der geistliche Rat bleibt
wie bisher Herkommen '^ Wilhelm V. selbst legte auf die Bei-
Ijchaltung des geistlichen Rats großes Gewicht und begleitete
eigenhändig ein auf Abschaifiing desselben lautendes Gutachten
mit der Bemerkung: „Ist weitt fliell. d. geistl räth soll und
miiLs ])leil)en, denen mag man wie bisher zuordnen"'). Diese
Entscheidung muß auch als eine sachentsprechende bezeichnet
werden. Denn die Wiederherstellung des früheren Zustand(^s
hätte zweifellos einen unheilvollen Rückschritt bedeutet. Nichts
wäre unrichtiger gewesen, als da fiskalische Gesichtspunkte als
ausschlaggc^bend in.s Gewicht fallen zu lassen, wo die wichtig-
sten Iloheitsrechte der Staatsgewalt in Frage waren. Hätte
man dem Gutachten folgend einige Kategorien der zum Ressort
des Kolh^giums geh(*)rigen Gegenstände lediglich den Geistlichen
zur Bt^ratuiiii: überwiesen, so würde man diese, welche doch auch
ihren Ordinaric^n verpflichtet und untergeordnet blieben, in eine
unhaltliare Zwangslage versetzt haben, da eine einseitige Be-
urteilung auch nicht im staatlichen Interesse gelegen wäre.
Anderseits würde eine Verweisung der geistlichen Ratsgeschäfte
an das Hofratsplenum den Geschäftsgang nicht beschleunigt,
sondern im (legenteil verzr)gert haben, denn für die Mehrheit
«ler MitglitMler dieses Kollegiums wäre die Beratung der kirch-
lichen Angelegenheiten, die so nur eine geringe Zahl in Anspruch
nalini, eine Zeitvergeudung gewesen sein, die sie nur an der
Ilrledigung ilirer übrigi^n Amtsverrichtungen gehindert hätte.
i)ei der iiohen r>edeutung, welche die jura circa sacra für die
Ijitwicklunu des Staatslebens hatten, war eine besondere Be-
kr.nin' ja alle Zeit, wenn solcho Sachen vorfallen, die mero spirituales und
• lic iniinodiatc un<l allein für Geistliche gehörten, das doch gar selten ge-
scliclx'. ein sonderbarer Rat den Geisthchen allein angesagt werden und auch
auf diese Weise iiobon V(»rhütung vieler Konfusion, Gewinnung der Zeit und
Ersparuii*,' doppelter Arbeit alles in bessere Ordnung gesetzt und fürderlich
expt^liert w( rdeii. Den Geistlichen allein sollte in flrfaUenden Sachen und,
wenn noti;:, im Hofrat angesagt werden, welches im Ermessen des Hofirats-
präsiib'nitn oder Kanzlers stünde iR A. — Fürstensachen Gen. läse. I n. 19).
1) IL A. -- H u. 1 S. lOÜ f. Der Gutachter meinte, weil doch ohnehin
i^ei'ulares zum ^'eii^tlichen Hat gehörten, konnten die geistlichen Sachen im
JltdVat expediert werden . . . und es sollte kein Hofrat vorhanden sein, der
nielii zui^'leich im f^Tistliclien Rat verwendet werden könnte.
— 526 —
hörde als Organ zur WahruDg derselben erforderlich. Ein solches
besonderes Organ des landesherrlichen Kirchenregiments war
auch am ehesten geeignet, Grenzüberschreitungen von beiden
Seiten hintanzuhalten und ein friedliches und erfolgreiches Za-
sammenwirken beider Gewalten zu ermöglichen. Zugleich wurde
die Gleichmäßigkeit in der Behandlung einschlägiger Fragen
durch die Übung der sich regelmäßig mit denselben beschftfti-
den sachkundigen Räte gewährleistet. So sprach das staatliche
Interesse für eine Ablehnung des Vorschlags der Hofkammer.
Selbst ein so strenggläubiger Fürst wie Wilhelm V., der
mit schonungsloser Energie für die Aufrechthaltung des katho-
lischen Glaubens eintrat und sich stets als ein warmer Fremid
der Kirche bewährte, wachte über die ihm als Landcsherm, als
Schutz- und Lehensherrn der Kirche zustehenden Befugnisse,
bediente sich aber des geistlichen Rats nicht nur als eines
Organs zur Verwaltung seiner Kirchenhoheitsrechte, sondern
suchte in ihm einen treuen Beistand für seine auf Erhaltung
des Katholizismus gerichteten Bestrebungen zu finden. Aber
auch Übcrgritfen und Nachlässigkeiten dieser Behörde trat er
mit scharfem Tadel entgegen, wofür das in der Anmerkung mit-
geteilte Dekret einen duirakteristischen Beleg bietet 0, in welchem
1) Auf der Rückseite der undaüerton, wahrscheinlich an den Lmndho^
meistcr gerichteten Schriftstücks (Kr. A. GeistL Rat n. 3) steht Verzetchimf
ottlicher Pancten, welche den herm geistl. Reten sein fllrgehalten worden^ ii
denen inen cttliche Ire unbeschaidenheiten vereisen, lesüich noch ettüdw
herm sambt ainem der praesidiro zuegeomdt, daneben anch ain andere in*
struction aber die erste znegestellt worden. Herzog Wilhelm hat una BefeU
gegeben . . e. 1. als ihren geordneten geistlichen Rat zn erfordern und dea-
selben folgende Punkte vorzuhalten:
1. . . . Daß Ihr wisset, mit was großem Eifer und emsiger hocbangelagener
väterlicher Fürsorge und Fleiß Ihre fürstL Gn. unter andern ihres FtlziteB-
tums schweren Obliegen und Sorgfältigkeiten sich aufs äufierste befletten»
damit in Ihren . . Landen nit allein die anerbte alleinseeligmacbende cafth.
Religion erhalten, sondern daß auch künftig dahin getrachtet würde, dal aaf
die Einreißung aller ketzerischen Lehr, dadurch die vertreulicbe ESntricliti^
keit und Zusammensetzung in geistlichen und weltlichen Sachen biaher ser-
trennt gestanden, cxstirpirt, zu Boden gestürzt und aasgetilgt werden mOcfata
und entgegen aller christlichen Ehrbarkeit, Zucht und Wohlstand sowohl bei
den Geistlichen als Weltlichen erbaut und an denen Orten im Lande^ darin
die geistlichen catholischen Ceremonion bisher schlechtlich and fabrllssig ge>
halten worden, wieder von neuem verbessert^ verpflanzt und erdg^lt^ daft auch
die scandala aller Möglichkeit nach bei den Geistlichen an Leben, Lehr and
^
— 527 —
er die geistlichen Räte in derb zurechtweisendem Tone an ihre
Pflichten erinnert und zum Fleiße anspornt in den Dingen, von
Sitten, Thun und Lassen abgestellt und also durch den Segen des Allmftch-
tigen in geistlichen und weltlichen Sachen gute und Gott wohlgefällige Zucht
und Ehrbarkeit in dem Fürstentum erhalten und auf dafi kein Mangel, was
zur Fortsetzung eines so hoch nötigen Works inmier ersprießlich, haben
I. f. GvL anfangs einen geistlichen Rat erkiest, durch welchen er treuen Bei-
stand, Fürsichtigkeit und vernünftiges Aufsehen . . . und dadurch L £ Gn.
verhofft haben Alles desto beständiger zu continuiren, wie denn L f. Gn. mit
zeitlichem Rate eine Instruction fQr den geistlichen Rat haben verfassen und
den Verordneten überantworten lassen.
2. Wie und was gestalt aber erstgemelter Instruction nachgesetzt und wie
weuig L f Gn. mit ihrer so väterlichen wohlmeinenden äußersten Bemühungen
ausgericht und erlangt und wie gering die Folge . . . und was mafien die
Sachen schier je länger je mehr in allerlei Zerrüttigkeit geraten, das geben
die exempla hin und wieder im Lande zu erkennen und ist aus vielen ver-
loffonen Handlungen und sonderlich aus etlichen neulich Jahre her vor-
«,'efalleüer hochbesorglicher und schädlichem Beginnen offenbar, halten L t Gn.
auch nit für das geringste Verursachen, daß entweder die anbefohlne Punkten
;,'ar nit angerührt noch in einigen effectum gezogen oder da etwan je ein
Paar großer vorsehender Not halben nit umgangen mögen werden, dafi man
dannit so frigide und kaltsinnig fortgeschritten, dafi es schier nützlicher ge-
wesen, solchen gar nit zu attentieren dann also tepide mit den Sachen um-
zugehen. Und obwohl L f. Gn. dergleichen begangenen Saumseligkeit in
tjpecio auch derselben nicht wenig benennen möchten, stellen L f. Gn. doch
(lies Mal ein darum, dieweil I. f Gn. verhoffen, nachdem derselbe dies Werk
mit so väterlicher Sorgföltigkeit und hohem Eifer angelegen sein lassen, es
werden die verordneten Kate billig auch in ihr Gewissen gehen, diese
»Sachen, daran ihr und ihrer Nächsten äeelenHeil fümehmlich gelegen zu
Herzen und Gemüt führen und nach dieser Erinnerung einen mehreren Fleiß
erzei^^en, wie dann I. f G. dieselben darzu zum höchsten hiermit ermahnt
will haben.
Es könnten I. f. G. nit umhin derselben bisher verordneten geistlichen
Räten anmelden zu lassen, daß Sie sich zu berichten haben, was die geist-
lichen Kate vor wenig Monaten auf ein fürstliches Decret eines Pfarrers
ärgerliclien Wandels halber an sie die Räte ausgangen, eine Sehrift gelangen
lieDen, in welcher sie nit allein das Decret durch allerlei unnotwendige Spitz-
tindi^'keit zurück wollen treiben, ja dasselbig also weitläufig und ganz un-
bescheiden disputieren, daß aus solchem Schreiben mehr ein Aufblasen ihnen
ijelbs für<,'enuiiinieno ungebührende Hochheit als geistlicher Leut erheischende
Demut erscheint. Und weil denselben keineswegs gebührt I. f. G. mit der-
^'leichen Schriften vermcssenlich zu behelligen, viel weniger der Fürsten
Decreta uuziemlichermaßen derselben Autorität gegen ihren Landesfürsten,
Patron und Schutzherm, von welchem ihnen alle Gutthaten, Gnad und Wohl-
fahrt zugestanden zu erzeigen und noch über das also unbedächtlich dero
— 528 -
welchen ihr und ihrer Mitmenschen Seelenheil abhänge, und
ihnen ihre Unbescheidenheit mit drastischer Schärfe vorhält.
An der Organisation des geistlichen Sats wurde aach in
den ersten Regierungsjahren Maximilians nichts geändert, bis
Wort auf die Wag zu legen , die za interpretieren and ihres Gefidleof «ine
Declaration zn machen, ja an hocbemanntem unserm gn. Herrn xn begebno»
derselben mit eigner fQrstl. Hand unterschriebne Decreta xa ftndenit «dkii'
heben nnd gleichsam eine Abbitt zn than und was dergleichen Unbescheiden-
heit mehr, welches Alles sich I. f. G. bei ihnen keineswegs verseben und
also nicht unbillig ob solcher geübter Ungebühr ein nngnftdiges IGibllei
tragen. Dann ob man schon mit der Jurisdiction ordinariorum beschöiwi
und Ausflucht suchen will, hält es doch den Stich nit» dann wissenilicbt dal
der überreichten Instruction nicht einverleibt^ welches angezogner Jnrisdietioi
zuwider und vermeinen I. £ G. gänzlich, wann derselben geistlichen Bftt Acta
und vor wenig Jahren ergangene Kxpeditiones durchsucht, es würde bald aa
Tag kommen, daß man wohl andere Sachen gebilligt, recht und gut gebfliia
als oftgemeldte Instruction mitbringt.
Gleichergestalt haben sich I. f. G. zu erinnern, dafi gleichwohl deraen»«
geistlichen Käte ander Orten sowohl als in ihrer Hauptstadt unser Stift all-
hie mit geistlichen Gottesgaben versehen, aber doch die Pflicht, dandt M
unsenn gnädigsten Herrn zugcthan, dadurch nit aufgebebt wissen, auch dal
sie mehrteils zu solchen Gottesgaben von I. f. G. hochrerehrten Vordten
und dann I. f. G. selbst befürdert, darum I. f. G. desto weniger zn Terhoffim,
daü I. f. G. halben an andern Orten was Spöttlichs oder Schimpflieha, wis
das unbedächtlich Schreiben mitbringt, ihnen begegne, sondern daft Toa
r. f. G. wegen hoher als vielleicht sonst Euem Personen beschefaen, g^
halten, wie wohl als geistlichen Leuten also auf ihre Autoritftt, hohes An-
sehen und weiü nit was dergleichen weltliche Begierden Achtunfj^ tu bab«
.rezieme V Das geben I. f. G. Euch selbst zu erwägen und wollen hierbei aod
nit weitläufig ausführen, mit was Gnaden Ihr eine Zeit Herr samentlicb bc^
dacht worden, dann es mäniglich bewußt, was I. f. G. zu Zierung und Be-
rcicheruni; Eurer Personen immer thun mögct, daü es nit unterlassen werde,
^vie dann I. f. (i. fast alle derselben geistliche Lehen mehreronteils aof Eocb
gnädigst gewendet, ob nun I. f. G. Beförderung keines andern unterthAnigeB
Danks würdii; als daß Ihr gh-ichsam dem gemeinen Sprüchwortc nach L £ 6.
don Strulisack für die Thüre sollte werfen, den Ratsdienst dazu Ihr obligicft
Eures Gefallens schimpflich auf- und abkünden, das hat ein jeder Vernflitf*
tiger zu erkennen und möchten vielleicht I. f. G. nicht unzeitig bewegt werdea
etliche aus Euch ihres Gebiets doch zu I. f. G. Gelegenheit zn ge wehren»
damit si erführen, wasgestalt ihr Dienstherr von ihnen zu respektieren and
1,'rsacli L'<^'winne hinfüran der;rleiohen Unbescheidenheit nit mehr la ge-
brauchen, sondern da sie bt'i I. f. G., wob.-hes dann Niemand gewehrt wu
Notdurft fürzubriiigon hätten, daQ es sulchermaüen geschehe als ihnen gegen
ihrt-u Landesfürsten. Patron uuil Schutzherrn wohl gebührt — —
^^
— 529 —
m
eine Geschäftsüberhäufung zu einer Vermehrung des Personals
und zu einer neuen Instruktion 1608 Veranlassung bot^).
§38.
Die Anfange des Eriegsrats.
Eine der jüngsten unter den Behördenschöpfüngen des J6.
Jahrhunderts ist die Centralstelle für die Militärverwaltung, der
Kriegsrat, welcher 1583^) ins Leben trat, und zwar nach
dem Vorbilde des 1556 für die österreichischen Erblande von
K. Ferdinand I. gegründeten Hofkriegsrats •), dessen Instruk-
tion*) die Grundlage für die erste des bairischen Kriegsrats
gebildet hat.
Das Bedürfnis nach einer einheitlichen Leitung des Heer-
wesens machte sich bei den kriegerischen Gefahren der. Zeit
energisch geltend. Man mußte, um sich nicht durch drohende
Vorkommnisse überraschen zu lassen, vorsorglich auf Organi-
sierung aller Kräfte des Widerstands bedacht sein. Weil, wie
Herzog Wilhelm in einem Beeret (1582?)*) sagt, bei diesen
geschwinden und gefährlichen Läufen unvorhergesehene Über-
fülle vorkommen können, wodurch großer unwiederbringlicher
Schaden entstehen könnte, wolle er, daß man ehe die Not
gleich vor der Thüre auf Mittel gedenke, wie Land und Leute
gegen solchen unvorhergesehenen Überfall und Krieg geschützt
werden könnten; deshalb befehle er dem Landhofmeister Graf
zu Schwarzenberg , dem Hofmarschall Marquard Freiherr zu
1) Hervorzuheben ist noch, dafi die Errichtung des bairischen Beligions-
rats vomiutlich auch den Anstofi gab zur Qründung des Osterreichischen geist-
lichen Iiats durch Maximilian IL 1564— 76, welcher sowohl die res ecclosia-
sticas et religioncm concementes im Reiche als in den Erblanden zu
bearbeiten hatte und zur Hälfte aus Geistlichen, zur Hälfte aus weltlichen
Katen gebildet wurde (Status particularis regiminis Ferdinandi ü. 1635 p. 82).
2) Er wurde nicht erst von Maximilian L begründet Der Erlafi von
1620, welchen Sejdel I, S. 68, als Gründungsakt auffafit, bezweckte nur
eine Reorganisation des inzwischen wieder eingegangenen Kollegiums.
3) Vgl. über diesen Rosen thal, Behürdenorg. S. 94 ffi
4) vom 17. November 1556, abgedruckt bei Firnhaber, Zur Geschichte
des öetcrreichischen Militärwesens (Archiv für Österreichische Geschichte-
quellen XXX, S. 129 ff., Beilage IX).
5) R. A. — Decrete Bd. UI.
K(ts..'n th al, Gpschichte d. Gerlchliw. u. d. Verw.-Orj. Baiero». I. ßa
— 530 —
Königseck, dem Hofmeister seines Bruders Philipp von Lauben*
berg, dann dem Obristen imd Guardihauptmann H. Amrais,
dem Kriegsrat M. Scheller, dem obersten Zeugmeister Engel-
barth, auch dem B. Schweickart Kriegskommissarien, ihren zu
diesen Sachen Deputierten, daß sie alle auf des Herzogs Ferdi-
nand von Baiem Erfordern zu diesem sich verfügen und im
Beisein desselben nicht allein dasjenige, so ihnen proponiert,
nach Inhalt ihrer Pflicht beratschlagen, sondern auch das, was
Einem oder Mehreren für sich selbst einfalle, so dem Lande
und desselben Inwohnern zu gut komme, auch Bef&rdenmg
der väterlichen Intention des Herzogs reichen möchte, daB er
dasselbe in allweg zu beratschlagen für sich selbst auf die Bahn
bringe und schriftliches Gutachten einreiche. Während bei den
andern KoUegialbehrirden eine Benutzung des Wiener VorbOdeB
nur aus allgemeinen Gründen zu folgern ist, liegt eine Ab-
schrift der österreichischen Hofkriegsratsinstruktion, welche von
der Kommission bei der Gründung des bairischen Kriegsrats^)
benutzt wurde, noch heute bei dem Akt über diese.
Es ward also eine Konmiission zusammengesetzt, welche kdne
Verwaltungsbefugnisse hatte, sondern als eine Sachverständigen-
deputation fungieren sollte, welche ihr Gutachten in allen auf das
Kriegswesen bezüglichen Fragen abzugeben hatte. Ihr war kein
festumschriebener ständiger Wirkungskreis angewiesen, sondon
sie wurde je nach Bedarf zusammenberufen, um ihre gewichtige
Stimme für oder gegen eine im Interesse der Landesvertddi-
gung erforderliche Maßnahme zu erheben. In dieser Kommis-
sion war der Anfang zur Ausbildung eines Kollegiums gemadit,
dem die einheitliche Leitung des gesamten Kriegswesens flbe^
tragen werden konnte, das eine Reihe von Militärverwaltung»-
geschäfteu regelmäßig in täglichen Sitzungen zu erledigen hatte').
Die kollegiale Formierung <lieser Centralstelle erfolgte in
Anlehnung an dieses Decret in der erwälmten Instruktion von
1583 3). Der Bruder des Lan<lesherm, Herzog Ferdinand, wurde
1) R. A. - Militaria 1.^2G-Ü9 Fase. 1.
2) Dio Sitzungen hatten täglich von 8—10 Uhr stattzufinden, in wddNB
alle an den Kriegsrat gerichteten Schreiben sofort verhandelt» Ober di«Mlb«B
Bericht erstattet und auf erfolgte Resolution Bescheid erteilt werden mnlte.
3) K. A. - a. a. 0. Einen Auszug derselben teilt mit HeilmaiBi
Kriegsgosch. von Bayern . . . 15(>6— 1651. I, S. 377.
^
— 531 —
in derselben zum Präsidenten bestellt, auf ihn sollten die Räte
ihr Aufsehen haben. Dagegen war die eigentliche Leitung des
Kollegiums, das Direktorium, den Händen des Landhofmeisters
anvertraut, welcher die Umfrage im Rate hielt. Zu Mitgliedern
waren außer den 3 oben zuerst genannten Kriegskommissarien
noch H. Anton Zinn ernannt.
Da die Thätigkeit des Kriegsrats sich auf die verschiedenen
Zweige der Militärverwaltung erstreckte, also auf Anordnung
und Durchführung all dessen, was der Herstellung der Vor-
l)edingungen und Mittel der militärischen Aktion^) diente, so
fiekni vor allem in seinen Wirkungskreis die Beschaffung des
Kriegsvolks ^), also Annehmung, Veränderung und Abschafiung
der Mannschaften, Bestallung der Reiter und Knechte. Diese
Anordnungen, sowie die Verordnung der Musterung, Austeilung
des Solds konnten nur mit Genehmigung des Herzogs erlassen
werden ^).
Auch die Sorge für die Ausrüstung des Heeres fiel dem
Kriegsrate zu, also die Aufsicht über alle Munitionsvorräte,
Geschütze u. dgl. in den Zeughäusern, Besatzungen, Grenzen,
Städten und Flecken. Die Inventare über den gegenwärtigen
r)estand mußten ihm durch die Hofkammer auf Verlangen mit-
LTcteilt werden. Besonders war dem Kriegsrat die Aufsicht über
die Befestigungen und Gebäude von Ingolstadt und andern Orten
iil)ertragen. Auch die Sorge für die Naturalverpflegung des
Heeres war dieser Behörde anvertraut. Auf ihre Anordnung
wurde dm* Proviant beschafft und durch die ihr unterstellten
Proviantmeister zur rechten Zeit und frisch unter das Heer verteilt.
Die Finanzgeschäfte der MiUtärvenvaltung sollten auch
ferner durch die Hofkammer besorgt, alle Ausgaben durch sie
bestritten werden, oder es sollte dem Kriegsrat ein Mitglied
der llofkaniiner zur Erledigung derartiger Geldgeschäfte bei-
t^^e.^eben werden.
1) G. Meyer, Yens altungsrecht ü, S. 58.
2) auch sollen die hcrrn kriegsret alle bestallungen aaf reiter and knecht,
«l»'üj:,'leichon für die artilerey und proviant gehörig mit deren stat und articls-
briofon und andern sachen mer . . anordnen und besichtigen.
3) Cborhaupt sollten sie über alle Sachen, die ihnen zu schwer fallen
'.iid die sie nicht ohne des Herzogs Zustimmung erledigen konnten, diesem
jutaclitliclien Bericht erstatten und dessen Entschließungen vollzieben.
34*
Eodlich waren dem Kollegium auch jurisdiktioBuUo Auf-
gaben zugewiesen, indem es Irrungen zwischen dem Herzog uod
dem Kriegsvolk, die sich nicht gütlich hereinigeu ließen, durch
ein offnes Kriegsrecht nach guttir Vernunft und wohlgeUljter
Kriegserfahrenheit zu entscheiden hatten.
Die Instruktion enthielt noch eine Generalklausel, durzo-
folge die Kompetenz der Behörde eine Erweiterung in dem
Sinne erfuhr, daß, was bei andern Potentaten herkömmlich durch
ihre Kriegsrüte verrichtet würde, auch wenn es in der Instruk-
tion fehle, nichtsdestoweniger beobachtet werden sollte. Ute
einheitliche Leitung des gesamten Kriegswesens durch die
Centralstelle erheischte unbedingte Unterordnung aller in der
Heeresven^altuug angestellten Beamten unter diese, 80 daS sie
als Organe derselben zu fungieren hatten.
Mit dem wichtigsten Zweige derselben, der Verwaltong der
Waffen- und Muiiitionsvorräte, dem Zeugamt ' ), war dJc Ver-
bindung hergestellt durch die Person des obersten Z^ugmeisters
Engelbarth»), welcher als Mitglied dem Kriegsrat angehörte.
Nach dem Ableben Engelbarth's wurde Sprin/enstein 1589*) zum
obersten Land- und Feldzeugmeister bestellt. Ihm wuide die
Ven>fliclitung der Fürsorge für Bewaffiiun^ und Festungen, der
Aufrichtung und Ausrüstung der Mihz und der Ahrichtung
1) Dm K«D|ruDt stand TOt 1683 unter der Hofkunmer. Zun Zeo^UB*-
jtanoDkl iHOnchen oDd In|^Ut>dt) gebsrteo t. B. 1500 ein 'leagmeittttt. f
wut, QMchimDeitUr, Zbninennum. Oicfier, PalreniiMher, FreifechlM, Wilj
BchlOMn; 1680 GMcbirrmoutoi, ZellichnoidOT, 5 DOelupnmout», S
Girier, Ztagvtgaet, Zengschlooer, 8chifll<-r, Tagwcrkor (Bote
ntmfCCD).
2i All ob«r>l«r Zmf;meateT wird 1666 B. von UeehWnitaln,
Nenchln^r gmtuuL Engelbuth wird 1683 Bmanat, bkt mit i «
Eaecbten n djeaeo. bnieht 200 Tbkler Wutegeld, F'uttet fOr S F
hkl büe IMonMwoluiong im Mflnchn« Itsngh^itt, »uietiam AntpivA i
SehadlMbiltanfT bei tllen ihn trpflcniien KricgiuDmi»a. Vgl Hoilmnan
I.S. 866.
S) Er «u wJt 1^78 HofkrioKirat dei Enhenog« Perdinud na Ural
nnd watA dum 1662 tum Obent dea Luidiberger BondM Obvt 1000 lUilar
(8eh0tMD|iforde], die «r ta weibcn hkt, emuiuL 1684 Qber^b er da» Bcmec iIb»
DrakMhrift, !o wolefaer «r *of Grund »oiaai in »elnar fiHbtm Stallnag aa
Hob dw Cmdiii* *oo Uedici n Florenz Knuniiioltf^n Rrfthrang TontUac
in Idodo Baimi du« Uilii in errichton und eininobcn iWUrdlogaf; Fn.
A. T. BfriuauUrfn, In Vnb. d. bi(t Vvr. t. Nifdorbof ern XXIT, S. 88S tiV
— 533 —
von 110 Musketieren und einer Anzahl Büchsenmeister auf-
erlegt ^ ).
Die Bedeutung des neugeschaffenen obersten Feldzeugmeister-
anits war gerade in jener Epoche eine ungemein große, denn im
16. Jahrhundert wurden die Grundlagen der „Artolery" gelegt,
die sich mit Modifikationen bis in unsre Zeit erhalten haben •).
Seine Aufgabe war jetzt, wo der Staat den Betrieb der Artillerie-
werkstätten selbst übernahm *), auch nach dieser Richtimg aus-
gedehnt. Er hatte alle Zeughäuser, und was in denselben vor-
handen, in notwendiger Ordnung, Bereitschaft, Sauberkeit und
Sicherheit wohl verwahrt zu halten*), tiefstes Stillschweigen
ül)cr Zeughäuser, Munition und andere Kriegssachen zu beob-
achten.
Mit Sprinzenstein war eine hervorragende militärische Kapa-
zität an die Spitze des Defensionswerks Baiems gestellt, die
mit organisatorischem Talent einen aus reicher Erfahrung ge-
wonnenen praktischen Blick für die Gebrechen des Kriegswesens
des Landes verband. Er wäre wie kein Anderer berufen ge-
wesen, erfolgreich die Reform der militärischen Einrichtungen
des Landes in Angriff zu nehmen und durchzuführen, insbeson-
dere auf dem Gebiet der Kriegstechnik*). Bei der kurzen
Amtsdauer, welche ihm in Baiem beschieden war, vermochte er
aber nicht, weitgreifende Änderungen von nachhaltiger Wirkung
ins Werk zu setzen, sondern nur mancherlei Wertvolles anzu-
rc^gcn, denn seine militärische Thätigkeit ward ohnehin noch
verkürzt durch manche diplomatische Sendungen an fremde
Höfe, mit welchen ihn Herzog Wilhelm betraut hatte. Nur diese
liäufige Abwesenheit und die Thatsache, daß seine Zeit vielfach
1) Würdinger S. 341 (Gehalt 1500 fl., er hatte mit 6 Reitern zn
dienen).
2) Heilmann I, S. 353.
3) Würdingor S. 340.
4^ Der Zeugmeister gelohte, Alles, was der Artolerey anhengig, Büchsen,
Pulver und alles Andere nichts ausgenommen fleißig zu hewahren und davon
Autwort zu gehen, ob dem Zenghaose and desselhen Dienern, Bflchsenmeistem
und andern zu sein und allenthalben gute Haaswirtschaft zn halten und zn
bewahren , damit nichts entzogen werde , anch alle Sachen mit Einnehmen
und Ausgaben treulich zu verrechnen nnd zu verwalten (R A. — Pflichtbuch
1512-1678).
5) Vgl. Würdinger S. 342 ffi
— NH —
durch VcrsucUc uml Krtiniluii^cii ') in Anspruch geaoDimeii wai^l
welche teilweise für ilic Geschichte der bairischen Artillerie von I
großer Bedeutung waren, macht es erklärlich, daß die laufeniluo |
Verr^'altungsgeschäfte von ihm nicht auf das pQuktliciuiUi he- j
Eot^t wurden, bis er 4593 Hofkriegsrat und Dircktur des!
Arsenals in Wien wurde*).
Wilhelm V. sprach es damalg*) aus, daß nicht nur die /euj{- '
hftiiser und derselben anhängigen Sachen in solcherGefahr, Schaden '
und Verderben liegen, ßondeni uucb die Zeit und Unkosten so
Abel angelegt und gleichsam uuisonst ausgeben w&re, ttlao d«i- j
CS vorklciucrlich wäre, länger zuzusehen, besonders i
legenhcit der Läufe und jetzigen Zeitungen , so i
einkommen, weshalb er Ursache habe, dergleichen f
wahrzunehmen, um auf den Notfall besser versehen i
Zu diesem Ilehufe wurde, dtt das Amt des obristen Zeu{
unbesetzt war*}, das Werk bis auf weiteres der 1
anvertraut iu der Weise, dali ein Mit|;Ued derselben,
die Zeugsachen gut Wissen trage und in den Fragen,
sellist nicht genilgend verstünde, mit den Krie-gsräten <
konversieren kannte, sich solcher l>ireklion unternehme
die Sache im Namen der Kummer verwaltet würde. Sei der
Dringlichkeit der Angelegenheit sollte die Uufkiuumer sieb t
an demselben Tage gutacliüich äußern.
Doch kehren wir zum Kriegsrat zurück, dem der Land* j
und Feldzeugmeister als Mitglied angehUrte und dessen B<
er in seiner Amtsstellung zu vollziehen verpflichtet war.
dieses Kollegium nicht sehr lauge funktioniert hat, ersioht i
aus dem Programm, in wek-faem Spriuzenstelu l>ci s
antritte (1569) sagte ^). „nachdem das Oberst I.And< t
zeugmeisteramt bereits mit seiner geringverstondigen !
1) Vgl. üb« diete ErBndangeii WflrdiitKei a MS IE
3} Watdinger ä. 3S3.
8) 1693, 17, Aogurt — RA.- DmtoI« Bd. IV.
4) Noeb SpiiiuetifteiD'i Abtcbird wurde <U« Amt prariMiüeli i
bock ttmüut bu la der 1595 «rfolguo Etneiioiiiig d«« «u I
Dinuton QbeTg^ctiet«tieii C. Plukenniajor, <i«lch«r bii 1808 la d«t |
einM Übuntigii, Kri«(>-, Statt- nnd obriiten Fdd- Qod L>ndi
VUeb iWardlns«r&3£8. S^J; K A. - AllUjr Ludidwft S UV, B1
a. S39).
5) Wardincer ü. 341.
— 535 —
besetzt, sei ein wohlformirter Kriegsrat mit einem Präsidenten,
ein Feldmarschall, der neben dem des Landsberger Bundes die
Sachen im Lande ordne, dann ein unter der Hofkammer stehen-
der Proviantmeister zum Schutz des lieben Vaterlandes nötig"^
Man that auch einen Schritt, um zu einem wohlformierten
Kriegsrat zu kommen, indem man für einen ständigen Präsi-
deuten sorgte durch die Verbindung dieses Amtes mit dem des
obersten Hofraarschalls und außer Sprinzenstein noch Khülmar
zum Hof- und Kriegsrat*) ernannte.
Die leidige Finanzmisere, welche immer von neuem zu Er-
sparungen im Staatshaushalte zwang, verhinderte aber eine solche
Formierung des Kriegsrats, welche diese Behörde auf eine solide
(lauernde Grundlage gestellt haben würde ^).
Von einer festen Gestaltung des Kriegsrats konnte also
nach dem mitgeteilten Gutachten keine Rede sein, zumal wenn
kein einziges Mitglied desselben ausschließlich für diesen be-
stellt war, sondern jeder Kriegsrat diese Funktion nur neben-
amtlich verwaltete.
1) (1589) Kulmer zum Hohenstain zum diener, hof- und kriegsrat auch
obersten zeu^aistcr ... so oft wir seiner bedürfen, es sei zn einem feld-
zu^% besatzang oder anderer verschickmig, seinem verstände nach zn ge-
brauchen, bes. aber unser zeughaus hier und was dem zugehörig, das ime nach
einem ordentlichen inventario eingeantwortet worden, alle zeugspersonen
in guter zucht zu halten . ., auch bei den andern zeugheusem des landes zu-
zusehen, er soll auch unsem hofrat (da er änderst one sonderbare mengel
und erhebliche Ursachen seines ambts und dienst halben kann) täglich und
unsern kriegsrat, so oft wir ime dazu ansagen besuchen und flberall das beste
raten [11. A. — Bestallungen . . fasc. i).
2) Schon 1591 wurde bei der Beratung des Hofstaats zwar beantragt, den
Kriegsrat mit einem Präsidenten und noch 4 tauglichen Personen zu be-
setzen, gleichzeitig aber hinzugefügt, daß man ihn in Friedenszeiten auch
einziehen oder doch aus Erspamisrücksichten mit ohnehin Bestellten besetzen
könne. Einige Jahre später äußerte dann die Hofkammer (R A. — Fürsten-
sachen f. XX^V n. 419) in ihren Bedenken, dafi die Eriegsräte bei jetzigen
Läufen auch ihren Namen, Staat und Plan haben sollen, aber nicht sonderbar
oder allein auf diesen Kat bestellt sein, sondern, wie dies im neuen Hof-
staat (für 1594?) gemeldet wäre, ihre Nebenyerrichtung haben sollten, in-
maüen sie denn auch in den Hofrat gezogen werden oder andre Amter oder
Dienste haben sollten, und würde es fdr eine ünnotdurft gehalten, daß dieses
auch ein absonderlicher Rat sein soll, denn viele Räte erforderten viele
Kanzlei- und andere Unkosten.
Ea war nur ein Schelßdaaein . welches der Kriegsrat in
Anfang der r*Oer Jahre führt«; nicht als ein wohlformterl«
Kollegium, sondern nur als eine Kommission dce Ho&mts zur
Beratung von Militärsachen und auch als solche ist er nicbt iu
der Lage, irgend eine Selbständigkeit zu bewähren. Bald haben
die Kri^sräte irgend ein Gutachten in Gemeinschaft tnit den
geheimen Raten, bald wieder in Vorbindung mit diesen und den
Kammerräten zu erstatten ' ]. Von Befugnissen einer Exekutiv-
gewalt zeigt sich dann vollends keine Spur. Überhaupt war
die Zahl der zu Kriegsräten Bestellten eine bo geringe —
neben dem hftufig abwesenden Sprinzenstein wird seit 1500
nur Khulmar , welcher zugleich Ilofoberrichter , als solcher
aufgeführt — , daß sie zur Bitdung einer lebensfähigen Behünle
kaum ausreichten.
Der Nachfolger Sprinzeiistein's, Obrisl Plauckenmaycr, soltte
ordinarie den Mofrat besuchen und die fUrfallenden Kriegs-
sachen dasellKt traetiereu'). Regelmäßig sollten also die ur-
sprünglich dem Kriegsrat überwiesenen Geschäfte durch den
Hofrat erledigt werden und in diesem der obrisle Zcugmeisler
als Sachverständiger stets als Referent fungieren. Aosnahms-
weise nach Beschatfenbeit der fUrfallenden Sachen^ und wenn es
die Notdurft erheischt, sollte man etliche Räte deputieren Dai
«inen abgesonderten Rat halten. Wann dies crfordcriii
hatte der Herzog oder der oberste Hofmeister oder ■
Kanzler zu bestimmen. Die Expeditionen sollten auch in
Falle bei der Hofkanzlei bleiben. Es war also wieder eine
kommene Rückbildung eingetreten, der Hofrat hatte wieder
die Geschäfte des Knegsrals flbernoniinen, und auch der en»&hnte
„abgesonderte Rat" ist nichts anderes wie ein AusschuS des
lliifrats für Kriegssachen.
Eine Rafonn im Sinne einer Organisation des Kriem^B
1) c B. 1S91 laa. Dei.) baflehk H WUb«lm den K«h«iii«ii,
nixl KiiagttkUin. la tncliorcn aui n ntschUgim, wie die gnh I
äuudi in der Keituni; Ini^oUtAdt. die lo ttvk, dU tie »ehier «
uiwo um «io ScfalMfattne* in «Urken w&re, tn Ttniilndetii <
30- Mu 168S befiehlt Mduui dor Honoic doro gobpimva nod E
«eh iDwunmeD lu vetfQgcii und rieh dao« OaUcht«iu ontael'
«bügcn Kri«^iobent«n W«tbiuig im Lande Baicrn gMt«tUn m>U •
(R. A. — Decretc Bd. IV).
ii II A. — FOntetiMchen Ocn. C I n. 19>.
— 537 —
als einer selbständigen Behörde war auch nach den angeführten
Gutachten der Hofkammer gar nicht geplant.
So blieb es dem Organisationstalente Maximilians vorbe-
halten, die alten abgerissenen Fäden zu einem dauernden Ge-
webe zu vereinigen und den Hofkriegsrat nach den Intentionen,
die ihn 1582 ins Dasein riefen, zu neuem Leben zu erwecken
als den Vorläufer unsres Kriegsministeriums ^ ).
§ 39-
Die AnfSnge des geheimen Rats.
Nur in aller Kürze sollen hier die Anfangsstadien des
Geheimratskollegiums noch geschildert werden, denn wenn das-
selbe auch in den letzten Dezennien der in diesem Bande zu
erörternden Periode begründet wurde, so gelangt es doch erst
seit Max I. zu einer intensiveren regelmäßigen Entfaltung seiner
Wirksamkeit. Erst im 2. Bande wird daher einer zusammen-
fassenden Darstellung desselben Raum zu gönnen sein.
Der Entwicklungsprozeß des bairischen Geheimrats gleicht
in seinen einzelnen Phasen dem des österreichischen und dem
der andeni deutschen Territorien *). Die weltbewegenden Fragen
des gewaltigen Zeitalters der Reformation zogen auch das Terri-
torialfürsteutuni in ihre Kreise und riefen überall, bald früher,
])ald später, das Bedürfnis hervor, namentlich für die bedeut-
samen Fragen der interstaatlichen Beziehungen die Beratung
durcli ein Kollegium sachverständiger Räte zu ermöglichen.
Daß schon unter K. Ludwig die „Heimlichen" als die das
besondere Vertrauen des Herrschers genießenden Räte sich von
der Menge derselben abhoben, wurde bereits oben (S. 258) her-
vorgehoben. Dieses Verhältnis dürfte sich dauernd erhalten
Iiaben *0) denn es gab zu allen Zeiten Staatsangelegenheiten, die
ilirer Natur nach sich für eine Erörterung in einer großen Rats-
versamnihmg nicht eigneten und die, wie die die auswärtige
1) Erst 1799 trat an die SteUe des Hofkriegsrats das Oberkriegskollegium.
Dieses verwandelte sich in einen Kriegsjnstiz- und KriegsOkonomierat, 1804
wurde sodann ein geheimes Kriegsbureau gebildet, welches 1808 durch ein
Kriegsministerium abfj^elöst wurde (vgL Seydel I, S. 223, 244 t).
2) Vgl R 0 8 e n t h a 1 , Behördenorg. ^. 30 ff, 37 ff
3) Geheime Räte werden namentlich unter Albrecbt V. mehrfach er-
wähnt, z. B. 1559 wird während seiner Reise nach England 1 Statthalter und
Politik und das fürstliche Haus beröhrcnden Frageo, lU
(ieheimhaltung geboten war, nur im engen Kreise der vertrEneis-
wUrdigsleu Itilte behandelt wurden. Allerdings verstrichen mühr
denn 2 Jahrhundert« bis zur Formierung eines Geheiniral»-
kcillegiums. Das Jahr der Errichtung desselben läßt sicli nidit
feststellen, da dos Orgauisattonsstatut nicht erhalten ist
Eine Zusammenfassung dieser geheimen liäte za dm
ordentlichen Behörde mit regelmäßigen Sitzungen und altgc^jreiix-
ter Kompetenz dürfte ungeführ löä2 ' ) erfolgt sein * ), kurz nach
Ernennung des Grafen Ottheinricb von Scbwarzenl>erg zum Land*
hofmeister'}. Dieser hat wohl nach seinem übertritt vom kouer-
liehen in den herzoglicheu Dienst (1581) die EinffihruDg dv
Institution des geheimen Rats, die er in Wien kennen gelernt
hatte, hei seinem neuen Herrn durchgesetzt
Noch fester erscheint die kollegiale Organisation 1585
welchem Jahre Dr. K. als des geheimen Uats Secretari *)
einige geheiiDe, ?ertraute BUttlichi' lUt« ftte KegontHchaft eingoMUt Dl*
Hotkammer-O. Ifi58 beEtinunt dann, dab «ticbtigo Sscheo mit Baricht ui
Herzog za bringen, anil veno er nicht zu II«iiie, dum seien «mg«
B«te EU eTfordern. EbeoBO ernfthnt aach H.E.O. 157S (B, 469) dia
nod faraciubtte reth.
1) 1582 wird dem V. der licb um oine BnteetuUe
Too einem SekteUr mitgeteilt, 'ikC> «eine Sache .in dem l
borabchlsgt werde (Ü A. — BeetaUangen t %).
auch der ViUtmn von Ijuidthnt Bafgerordert, wegen dea gehefanoi
. . . BeeUUnng naeh H. kommen soll.
S) 1572 nimmt tie Grandungtjahr an Neudogger itieKh. d b. Am^
in ». Loüer. Archir. Zeitachr. VI. K. 4).
8) Dieaer (rgL S. 242) ist aucb der Erste der Mt«, weichet den Tttd
Rat" seit HJner BeetaUang (tlhrt, seit 1683 wird dann noch Bnd.
geheimer Rat ua^eflllut, and seit 1686 fahrt aorh der ITorkualn Dr.
hjömer diesen Titel Za dieaeti S kommt 1689 noeh der
Chr. Ncabnrger als 4. geheimer Kat hiniu. Naeh Schwarunl
(158&) wird der ob. Kaniler Dr. Horwart geboimur lUt, 1668
nun Landhofmeiatcr enunnto (irnf 11 t. ITelfortitnin und der
T. KOnigseck, 1694 wird Ad. Wolf, gi-naonl Hettemich, Domciu
alt gpbdmer Itat angoschain, 1606 der ob. Hofmeister Polvril,
üb. UoCniarscball Ouidebon and der tlofkuuler Dr. OailUKli m
1697 Bad Grkf lu Sali (HufuhlatutarKbnungen).
4) dem gebtimen rat li* lu demaclbea geordnetet tMreUri,
dftrttu erfordert werd«^ auAer drsMlb^n aber dem hob»!, wie Jaltt
Uch, ileillg und aofaerklg beiiowohncn . . . {H. A. — E b. 1 K ni).
1 ütanbiBg I
— 539 —
eidij^t wird. Der Zusammenhang des geheimen Rats mit dem
Hofrat, aus dessen Schöße er hervorgegangen, bleibt aber immer
noch gewahrt, denn auch dieser Sekretär soll neben seinen
Funktionen im geheimen Rat auch fernerhin wie bisher dem
Ilofrate seine Dienste widmen. Der geheime Rat erscheint also
auch jetzt noch als Deputation des Hofrats, die nur als selb-
ständiges Kolleg zur Beratung der geheimen Sachen zusammen-
tritt ; sonst sind die Mitglieder desselben wie der Sekretär in
den Verhandlungen des Hofrats thätig. Auch das bairische
Geheiniratskollegium ist daher nichts anderes als ein „Ausbruch"
aus dem Hofrat^), aus welchem er sich herauskrystallisiert hat^).
Den Hauptkern dieser Gruppe der geheimen Sachen, die schon
lan»,^^ vor Errichtung des Geheimratskollegium als eine beson-
dere Kategorie von Staatsangelegenheiten behandelt wurden**), bil-
dete u die Angelegenheiten der auswärtigen Politik, die Beziehungen
/um Reich und zu den auswärtigen Staaten (Reichs-, Kreis-,
Kriegs- oder Landessachen), sowie die die landesherrliche Fa-
milie ])erührenden Gegenstände*). Zu den zum geheimen Rat
ri'ssortierenden Materien kamen hinzu alle wichtigen Regierungs-
1) Kosenthai S. 32, 37.
2) Diese meine Ansicht über dio Entstehung des geheimen Rats muß
ich dem Widersprucji Born hak *8 (inLaband und S t ö r k , Archiv für
ülV. Hecht III, S. 473 f.) gegenüber, obwohl er sie für theoretisch wie
praktisch gleich falsch erklärt, voll und ganz aufrecht erhalten. Born-
hak hat es versäumt, das von mir (S. 37 ff) beigebrachte, bisher unge-
druckte Bcweismatorial zu würdigen. Sollte neben diesem meine Ansicht
nach einer weiteren Unterstützung bedürfen, so dürfte vielleicht den Aus-
führuii«:en eines Zeitgenossen überzeugende Kraft nicht abgesprochen worden.
I>. Melchior v. Osso sagt in seinem Testament gegen Hertzog Augusto, Churf.
zu Sachsen 1556 (herausgegeben von Thomasius, Hallo 1717, S. 170), nach-
dem er vom Hofrat gehandelt, bezüglich des geheimen Rats: „^s können
aber »^Icichwühl Sachen vorfallen, dio eine solche Verschwiegenheit erfordern,
daü die in einem weitem Rat und mit vielen Leuten nicht zu beratschlagen.
Darum ist ein Herr nicht zu verdenken, daß er aus dem gemeinen weiten Rat
3 4 Personen erwähle, mit denen er von allen Sachen anfänglich ratschlage
und schliche, was über die ordentlichen Sachen in gemeinem oder engem Rat
soll verriclitet werden". PMlich verweise ich noch aufden Schluß der Anm. 2 S. 540.
8) Dr. W. Hund erzählt in seiner Selbstbiographie, daß er 1552 zum
Hofratsdienst an<,'enommen, doch daneben „s. f. Gnaden geheimen Sachen und
(u'schäften abzuwarten" habe (v. Freyberg, Samml. histor. Schriften und
Urkunden III. S. 183).
4i V-l. Kosenthai S. 33, 38, 41.
— 540 —
aDgelegeDheiten ' ), indem er sich immer mehr zu einem toU-
ständig selbständigen Kollegium ausbildete und den Zusammen-
hang mit dem Hofrat verlor. Der geheime Rat wurde allmfthlich
zur höchsten Gentralstelle des Landes, in welcher alle Fftden
der Regierung des ganzen Landes zusammenliefen; sie wurde
die dem Hofrat (und den Regierungen), der Hofkammer, dem
Kriegs- und dem geistlichen Rate vorgesetzte Behörde, welche
in den Geschäftskreis dieser Stellen eingreifen konnte und in
wichtigen, zu diesen zuständigen Sachen deren Gutachten einer
nochmaligen Prüfung unterzog und auf Grund derselben An-
nahme oder Ablehnung desselben vorschlug. Eine selbständige
Entscheidungsgewalt stand dem geheimen Rat nicht zu, er war
nur zur Erstattung eines Gutachtens bezw. Superarbitriums be-
rechtigt, während der Herzog selbst sich den Entscheid vor-
behielt. Den Vorsitz im geheimen Rat') führte der Landhof-
meister, wenn nicht Herzog Maximilian selbst präsidierte. Dtf
geheime Rat war die angesehenste Gentralstelle des Landes
welche wie in allen andern größeren Territorien auch hier den
hierarchischen Bau des Behördensystems krönte*).
1) Namentlich die AnstcUuDgs- und BesoldangsTcrhältniBse der Beamtn
wurden vom geheimen Rat behandelt
2) Derselbe bestand gewöhnlich aus 4 Mitgliedern. In den YenchiedflMB
Gutachten wogen Erzielungen von Ersparnissen im Hofstaate wurde itefei
betont, dafi dahin zu sehen wftre, damit derselbe jeder Zeit mit den höh»
Officieren besetzt — der Landhofineister, ob. HofinarschaU, ob. Kaniler vai
Hofkanzler waren schon infolge ihrer Charge rogelmäAig geheime Rite —
wfire, damit keine besonderen Ausgaben fflr denselben erwuchsen. DaroB
sollte auch der geheime Rat kein eignes Secret haben, sondern sein Aualiif
mit der innem Kanzlei Secret weiter gefertigt werden, weil man fOrelitels^
dafi man sonst mehr Leute dazu gebrauchen mflßte als bisher geschehen md
nötig wäre. Gelegentlich wurde dann auch die Aufhebung dea geheineB
Rats, sowie des geistlichen und Kriegsrats vorgeschlagen, to dal nur dar
Hof- und Kammerrat angestellt und also besetzt werden solle, dal ihre Dt
ihre gehaimbde, auch zu den geistlichen und Kriegssachen die Rftt and Kanilai"
personen daraus nehmen und gebrauchen konnten. Ferner apraeh aieh dia
Hofkammer etwa 1593 dahin aus: Bey deme ist die nnterhaltong und dar
scckl wol in acht zo nemen, dann ob sie wohl auch ir nebeoTeniehtaif
haben oder zum teil andere offitia haben sollen, kann doch dicaer nt OM
sonderbare Unkosten nicht abgehen, weron demnach um innera anaeben md
authoritet willen des hofrats obgedachte gehaime rät wie vor jaren anck
gcwest, dahin zcziehcn (R. A. — Fürstensachen Wilhelm V. 1. n. 2^ F.).
3) Wenn Bornhak a.a 0. S. 474 gegen meine oben wiederholte BtT
— 541 —
Auch von dem bairischen geheimen Rat läßt sich wie voift
österreichischen*) sagen, daß er der Vorläufer unsres Staats-
rats und des Gesamtstaatsministeriums gewesen, daneben aber
vorzugsweise die heute dem Ministerium der auswärtigen An-
gelegenheiten und des königlichen Hauses übertragenen Funk-
tionen zu versehen gehabt habe.
§30.
Die Kanzleien.
Mit der Neu- und Fortbildung des Behördenwesens seit
Albrecht V. war auch eine Ausgestaltung des Kanzleiwesens
verbunden, dessen Organisation unter Vermeidung des Eingehens
auf technische Einzelheiten, über welche sich die verschiedenen
Kanzleiordnungen ausführlich verbreiten, in aller Kürze dar-
gestellt werden soll.
Am Sitze der Regierung in München war unter dem Ober-
befehl des Kanzlers *) die Hofkanzlei, welche alle vom Herzoge
ausgehenden Schreiben, Decrete u. s. w.=») nach Angabe ihres
hauptuDg polemisierend meint: „Die Gründung eines Geh. Baths, weit davon
ODtfernt, die ErOnung des hierarchischen BehOrdensystems zu sein, ist im
Gegenthoil einer der ersten Schritte zur HersteUung eines solchen*', so Ter-
weise ich einfach auf den Inhalt dieses Buches. Dieser thut unwiderleglich
dio Unrichtigkeit der Ansicht Bornhak 's dar, daß im Gegensatze zu Eng-
land auf dem Kontinent alle Reformen in der Centralstelle ihren Anfiang
nehmen und erst aUmählich nach unten eine hreitere Basis gewinnen. Seihst
in Brandenburg ging der Gründung des geheimen Bats die Errichtung der
kur- und neumärkischen Regierung und Kammer Yor.
1) Rosonthal S. 43.
2) Über ihn vgl. S. 265 ff. und 442.
3) Von der Mannigfaltigkeit der in der Hofkanzlei zu bewältigenden
Arbeiten gewinnt man eine Vorstellung aus der Kanzleiordnung Wilhelms V.
von 1587 (Kr. A. M.), welche unter Angabe der Taxen folgende Gattungen
von Schriftstücken aufzählt: Gemeine Unterrichte und Geschäfte, Kommissions-,
Kompa&briefe, Zeugen-, KundschaftsverhOre, Geleits-, Landeshuldbriefe, offne
Generalcdicte, Paübriefo, BestaUungen, Dienst-, Pfknd-, Verkauf- und Will-
briefe, Schutz- und Schirm-, Bräubriefe, Leibgeding- und Erbrechtverschrei-
bungen, Quittungen und andere unter herzoglichem Titel und Secret aus-
gehende Urkunden, Zinsverschreibungen, Beamtenemennungsdecrete, Freiheiten,
CoDfirmationen von Burgfrieden- und Handwerksordnungen, Wappenbriefe,
genieine Recesso, Gerichtshändel, Appellationen, Possessbriefe für geistliche
Pfründen, Einsatz in weltliche Güter und gemeine Abschriften.
— 542 —
Vorstands zu verfassen und zu schreiben und ebenso auch alle
Beschlüsse des Hofrats bezw. des Hofgerichts zu fertigen hatte.
Das Kanzleipersonal bestand wie früher aus Sekretären ^) und
Kanzleischreibem. Die Beorganisation des Hofrats blieb, ganz
abgesehen davon, daß die Hofratsordnungen Vorschriften ent-
hielten über die Anwesenheit d<^r Sekretäre und Schreiber in
den Sitzungen des Kollegiums, damit die Ratsbeschlüsse riditig
verzeichnet und begriflfen, im Rate verlesen und. in der Kanzlei
unverzüglich gefertigt würden, sofern von Einfluß auf die Orga-
nisation der Kanzlei, als Herzog Albrecht in der ersten Hof-
ratsordnung von 1551 dem Kanzler den Befehl erteilte, ehestens
eine Kanzleiordnung zu entwerfen *), die er beratschlagen lassen
wolle, damit bei der Kanzlei allerlei Mängel abgestellt und zur
Beförderung der Rats- und Hofgerichtssachen gereformiert
werde.
Eine Arbeitserleichterung für den Vorstand der Kanzlei trat
1569 ein, indem er nun seine Thätigkeit auf die Konzipiernng
der durch die Privat- und geheimen Sachen des Herzogs her-
vorgenifenen Bcschci<le beschränken konnte, während ein neu-
l)estellter Vicekanzler ihn im Hofrate und in der Beaufsidiü-
^ung der Kanzlei ersetzen und ihn in allen seinen Obliegen-
heiten unterstützen mußte. Der Kanzler verwandelte sich seit
1586 in einen „ol^ersten Kanzler", während der 2. (Vice-) Kanzler
fortan den Titel Hofkanzler führte.
Nachdem im Hofrat dadurch, daß die Schriften und Be-
richte, die l)illig bei einander sein sollten und deren man zur
Erledigung voifallender Streitigkeiten l)edurfte, nicht beisammen
waren, eine Verzögenmg in der Geschäftserledigung herbeige-
1) Diese hatten die Beschlüsse auf die SupplicationcD , Unterrichte
Kopliken und VerhOro zu entwerfen, welche die Schreiber dann einfach ko-
pieren mußten. Um in den Hof^erichtssaclien gute Ordnung zu haben, sollte
für jede Rechtssache ein besonderes Protokoll anp^elegt und in dasselbe, was
an jedem Gerichtstage angebracht , gehandelt, interloquendo oder diffimtiTe
erkannt, eingetragen werden.
2) Die im Vollzuge dieses Befehls verfaüte Kanzleiordnnng Ton 1668
konnte ich nicht finden, dagegen lag mir vor eine Kanzleiordnnng tob
20 Mftrz 15G0 (H. A. — lit. D n. 83, Orig.). Dieselbe regelt haaptsieUich
die Obliegenheiten der Kanzleibediensteten in Bezug auf die Hofrato- md
Hofgerichtsbeschlüsse. Es wird ein Decretenbuch geführt in welchem diese
YiTZoichnet werden.
— 543 —
führt wurde, erging (1566) eine Instruktion für den Registrator^),
die eine höchst detaillierte Reglung des Registraturwesens vor-
nimmt und jene nicht sehr von unsem heutigen abweichenden
Bestimmungen aufstellt, welche durch Herstellung strengster
Ordnung im Geschäftsgang der Kanzlei eine rasche Förderung
der causae domini sowohl, als der Parteisachen erzielen sollten*).
Für sorgsame Aufbewahrung des Sekrets waren Kanzler
und Sekretär verantwortlich. Die Hofkanzlei hatte, wie sie das
Bureau für das oberste Regiment, den Hofrat, bildete, auch alle
schriftlichen Ausfertigungen der aus dem Hofrat sich abzwei-
genden Centralstellen zu besorgen, soweit für solche nicht eine
eigene Kanzlei eingerichtet ward. Dies war der Fall bezüglich
der Hofkammer, für welche gleich bei der Errichtung eine eigene
Kammerkanzlei ^) zur Erledigung aller in deren Geschäftskreis
fallenden Schreibereien organisiert ward*).
Die innere oder geheime Kanzlei wurde etwa 1572^) von
der allgemeinen Hofkanzlei losgelöst und als selbständige Kanzlei
organisiert. Man geht wohl nicht fehl, wenn man diese Organi-
sation als eine Nachwirkung der Schaffung des Vicekanzler-
l)()stens (1569) auffaßt. Durch diese war der Kanzler in die
Lage versetzt, seine Thtätigkeit fast ausschließlich auf die Privat-
und geheimen Sachen des Herzogs zu beschränken. Diese son-
derten sich also gewissermaßen zu einer eignen Geschäftsgruppe
ab, und so lag es nahe, daß der Kanzler bei der Wichtigkeit
und der Notwendigkeit strenger Geheimhaltung derselben die
aus diesem Ressort envachsenen Schreibgeschäfte der Hof-
kanzlei entziehen und einer aus dieser gebildeten, selbständig
eniachten Abteilung derselben, d. i. der innern oder geheimen
tr
n
1) Kr. A. — Hofratscollegium Fase. 1.
2) Neben dem Registrator ist dann noch unter dem Kanzleipersonal der
Taxator liervorzahoben, welcher für alle taxpflichtigen, aus der Kanzlei aus-
<,'ehenden Schriftstücke die Taie auf Qnind der Taxordnung zn erheben hatte.
3) Diese führt auch den Titel „äufiere Kammerkanzlei'' zur Unterschei-
dung von der inneren, welche auch nur als „innere oder geheime Kanzlei**
bezeichnet wird.
4) Siehe über diese und die 1565 erfolgte Verbindung der Kammer-
kanzlei mit der Hoa-anzlei S. 471 und 472 A. 1.
5) N e u d e g g e r , Gesch. der bayerischen Archive (S.-A. aus y. L ö h e r's
Arcliiv. Zoitsrhr. Bd. VI, 1881, S. 4).
— 544 —
Kan/Ici, überirug. Diese hatte im großen und ganztm die Sic
luDg des heutigen Cablnetssekretariats.
Alle Einlaufe der geheimen Kanzlei waren sofort mit <
kurzen Inhaltsangabe zu versehen und in ein Register >
tragen')- Außerdem wurden sie noch in dem halbbi
Tageszettel verzeichnet, der mit dem Einlaufe des T«(
abendlich dem Herzog vorgelegt v,iirde. Dieser schriebt
ließ durch den obersten Landhofmoister, der ifam Vortrag i
stattete, in aller Kürze seine Resolution *) auf tleu unbosdirie- _
beuen Rand des 'i'ageszettels notieren. Aufgabe des an
beimeu Kammer-) Sekretärs war ea dann, nach Maßgabe i
Notiz den Entschluß zu kouzipieren und ausfertigen zu 1
In den HofzahlamtsrechnuDgen erscheint das Kanzleipi
unter folgenden 4 Rubriken: 1) Sekretarien und RaU
der drei Kanzleien * ) ; 3) Geheime Kammerkauzlei»cl
3) Hofkanzlisten ; 4) Hofkammerkanzlei samt der Bibliott
Die sub 1) Verzeichneten, welche, da ihnen die eigeutlidi
geistige ThätJgkeit in der Kanzlei zuliel, indem sie nach An-
gabe des Kanzlers, einzelne auch selbstundig die erteilleo Bc- i
scheide zu redigieren hatten, standen in viel höherem Rjuge |
als die übrigen 3 Kategorien, welchen der mechanisch«: TeO |
des Schrcibeverks obtag. Von erstcren wird teilweise eine u
fassende Bildung verlangt, und in dieser Kategorie rangieruD ja
auch, wie hervorgehoben wurde'), die ersten ständigen Organe
des diplomatischen Dienstes. Unter diesen erhalten einige den
1) Entwurf la der geh. Eimtlciordnont; — E A. liL D
mD Mht ^geben irerden, waoo iich eine {lutei bcUi^, dkt mu
bdligkoit nicht handdii «Ol, to lall in dem vuiug duelbit not
«orten aiudräcUich gemeldet «erden. Ober wu Dachcfctst« obi
eUg gee.
8) Uieee ging oft dfthiD, dkfi die gehdme Kuulel di« Sadi»
Battkollegieo mc Boricbteratattong ta abenoittAfai bab&
3) Damit keine «iderwiftigen (sieb widertprecbeaden) Beeehddt'
Kvulei ftotgingen, tollten alle Beeeheide, Schreiben, Befvhle,
uch nicht «artlich, lo doch dem Baoptinhalt« nach ia lin botonderM
MDgetngen werden.
4) Gl fuHl «ach hier ein Arkocemetit itktt So wird Broiuiei, de
1689 oatar Z. 4 endiaint, lait diM«r Zeit onl«r Z. I kl* b JbUotlMcaiJiu
5) 1548 bert«tat i. & die Eanileä mm 7 Sekretiran (dunntair 1
jfnhtt). t BatMhnflMtn. 10 OewUnn in der Kaiulei tud 1 KunniaM
6) S.4«0.
— 545 —
Ratstitel und sogar Doctores ^ ) tauchen im Sekretariatsdienste
auf. Daß der Gehalt der tüchtigeren dieser Sekretäre dem der
Hof- und Kammerräte nicht viel nachsteht, ihn sogar teilweise
übersteigt*), kann nicht wundernehmen.
Ursprünglich sollte die Kanzlei aus den bei ihr eingegangenen
Taxgefällen erhalten werden. Als sich 1526 die Landschaft über
die Höhe derselben beschwerte, erhielt sie die Antwort, der
Herzog vermöge die Kanzlei nicht von ihren Gefällen zu unter-
halten, sondern müsse oft hinzugeben. Man betrachtete dies
also als einen anormalen Zustand.
Wie der Hofrat die Hofkanzlei, so hatte auch jede der
3 Regierungen ihre besondere Kanzlei zur Erledigung der schrift-
lichen Ausfertigungen aller von der Regierung ergangenen Be-
schlüsse bezw. der hofgerichtlichen Erkenntnisse. Zur Leitung
und Beaufsichtigung der Kanzlei hatte jede Regierung ihren
eigenen Kanzler, welcher dieselbe Stellung im Kollegium ein-
nahm, wie der Kanzler im Hofrat.
Aus der bisherigen Darstellung ergibt sich, daß die bairi-
schen Kanzleien') nicht Regierungsbehörden*), sondern nur
Bureaus solcher waren. Es fehlte ihnen die Möglichkeit einer
sachlichen Einwirkung auf die Erledigung von Staatsgeschäften,
da sie weder Beratuugs- noch Entscheidungsgewalt hatten. Ihre
Aufgabe bestand einzig und allein in der formell technischen
Fertigung der vom Landesherm oder den Kollegialbehörden ge-
faßten Beschlüsse. Sie waren nichts anders als das Schreib-
orgau des Monarchen *), des Hofrats (geheimen Rats, geistlichen
Rats, Kriegsrats) und der Hofkammer, also Kabinetssekretariat
und Kanzleien dieser Centralstellen.
1) z. B. 1578 Dr. Lind, C. Bat und Secretär, 1587 Dr. Bank, ftlntL Bat
und oberster Hofsccretari (wird spftter Kanzler zn Begensburg), 1589 Hofrats-
secretär Dr. Gewold.
2) Mehrere Sekret&re beziehen so 300 fl. jährlich, während viele Bäte
nur 400, manche 300 und einige 250 fl. erhalten.
3) Ebensowenig wie die Österreichische Hofkanzlei unter Ferdinand L
(vgl Rosen thal, BehOrdenorganisation K Ferdinands L S. 48 fl).
4) Die Auffassung, daß Kanzlei und Ministerium dasselbe sei (Nen-
d e g g e r , Beiträge z. Gesch. der BehOrdenorganisation I, S. 12) ist daher
in dieser Allgeraeinheit nicht zutreffend.
K (•> (■ n t li a 1. «iisohichte d. GorIchUw. u. d. Verw.-Org. Baiernt. T. jj^
— 546 -
Archiv 1).
Im Beginne des 16. Jahrhunderts*) veranstaltete der oberste
Sekretär A. Kölner eme Repertorisierung und Ordnung des
Münchner Archivs*). Köhier sowohl, wie sein Nachfolger im
Kanzleramt, Dr. Schwapach, ordneten das Archiv ^) nach einem
festen System*^). Bei den vielseitigen Anforderungen, wie sie
an die Arbeitskraft eines Kanzlers gestellt wurden, scheint aber
dem Archivwesen nicht immer die entsprechende Aufmerksam-
keit gewidmet worden zu sein, denn Wilhelm V. beauftragt 157Ö,
nachdem bei unsem Brief- oder Kauzleigewölb unsre darin ver-
wahrte geheime Sachen und briefliche Urkunden, an denen ims
hoch und viel gelegen, etwas in Unordnung und Zerrüttung
kamen ^), den Rat und Kastner Fend, solch Werk unter die
Hand zu neluuen, mit sonderm Fleiß zu registrieren und in
Ordnung zu bringen^).
Nach Fend's Tod wurde die Aufsicht über das Archiv dem
1) S. oben S. 272.
2) Über dio Gesch. d. bair. Archive seit dem Ende des 16. Jahrh. t|§^
Neudegger, v. LOhers Zeitschr. VI u. VIL
3) Dieses liepertoriom — teilweise wurden die ürkanden wdrÜich, XA
weise nur im Auszage mitgeteilt — erschien etwa im 17. Jahrhundert im
Druck und ist als das älteste dieser Art von hervorragender Bedentuig
^Muffat a. a. 0. S. 94 £).
4) v. Löher a. a. 0. S. 85.
5) Über die Vereinbarung Wilhelms IV. und Ludwigs (1514) betreffii dm
ungetrennten Fortbestandes aller das Fürstentum Baiem betreffimden Ur-
kunden etc. vgl. Landtag 1515 S. 72.
6) Fends Bestallung (1575) ist abgedruckt bei v. Loher, ArcL Ze&taduL
XI, S. 66.
7) Er sollte diese Arbeit in 4 Jahren zu Ende fahren (R. A — Beftil-
lungsbriefe), aber 1580 entbindet ihn der Herzog, da er voraoiüchtlich no^
3 Jahre durch diese Arbeit in Anspruch genommen wflrde, während dieeer
Zeit von seinen Batsfunktionen (K. A. — Decrete III). Allzu groA acheiiit
das Vertrauen, das man in Fend's Diensteifer gesetzt; nicht gewesen sa mIiv
denn 1582 wird unter andern Vorschlägen für die Beformierung des
tums dem Herzog geraten, diewcil schier niemand wissen kann,
Verrichtung, durch einige Bäte nachforschen zu lassen, was er seit
Bestallung geleistet habe. Man hielte es für unnOtig, heifit es in dem Gut-
achten, eine neue Bi'gistratur zu machen, dieweil dio alte so boschalFen, dal
sie nicht wohl zu verbessern; man solle einfach dieselbe durch Anlfthmv
dor seither neu errichteten Urkunden er^'ünzen und fortsetzen, was nicht sehr
viel Zeit in Anspruch nehme, so daü Fend dann wieder im Hofrat Terwendsi
werden kOune • Hofstatänderung : H. A. 1712 K n. 1 S. 241).
— 547 —
Hofkanzler Dr. Gailing übertragen, welchem 2 Schreiber für
Erledigung des Arcliivdienstes beigegeben*). Tiefes Verständnis
für die Bedeutung des Archivs verrät die 1586*) erlassene
Archivordnung 3).
In der Instruktion finden wir in nuce alle diejenigen organi-
satorischen Bestimmungen, welche zum großen Teil auch noch
heute als Hauptgrundzüge einer geordneten Archivverwaltung
betrachtet werden können*). Besondere Aufinerksamkeit ist
auf die Schriften zu verwenden, welche für die Regenten, Land
und Leute ersprießlichen Nutzen versprechen ; derartige Punkte
sind vor andern Sachen zu notieren und Memorialia darüber
zu machen. Hier tritt also die Auffassung, welche die Archive
als Hüter und Wächter landesfürstlicher und staatlicher Inter-
essen schätzt, scharf hervor. Ebenso in dem Artikel, welcher
dem Archivar auferlegt, sein Augenmerk auf die des Herzogs
Person, Recht und Gerechtigkeiten oder das Kammergut be-
rührenden Prozesse, sowohl im Rat als an andern Orten zu
richten und darauf fleißig nachzuforschen, ob nicht im Archiv
zweckdienliche Schriften, Urkunden und Dokumente vorhanden
wären, welche dann mit des Herzogs oder der geheimen Räte
Wissen im Original oder abschriftlich den Räten oder Advokaten
mitzuteilen und nötigenfalls auch auf einige Tage zu überlassen
sind. Für den Archivar bildet neben der Ordnung die Erhaltung
1) Ncudegger (Archiv. Zeitschr. VI, S. 8).
2) Cod. liav. 2614 S. 168, abgedruckt bei v. Lö h e r, Archiv. Zeitschr. IX, S. 90.
3) Nachdem wir die zeit her unserer regieroog vilmals zu geznüet ge-
fürt, danicbcn oftcrmals vod unsern fUmemen rftthen underthenig und treu-
horzi^ Vermont worden, das wir unser fürstlich archivurn als den fumembsten
schätz dises lands, daran uns und unsern nachkommen land und leuten nit
die minste wolfart gelogen, in höchster achtung, gueter Ordnung und regi-
stratur, fürneniblich aber in sicherer verwarung halten, und darob sein sollen,
damit alle desselben vielfcltige hochwichtige ansehenliche Schriften und acten,
wie die namcii haben mögen und bisheor jederzeit alda verwart haben, vleißig
ersehen und in ein f^ucte Ordnung oder registratur, und sovU muglich zu nutz
^'eb rächt wurden.
4^ Die von Kölner und Dr. Schwapach verfaßten Registraturen bUden
die Grundla<,^e der Ordnung der Archivalien, welche, wie hier angegeben,
zupannnen'relegt werden sollen ; die später neu hinzugekommenen Archivalien
sind nach denselben leitenden Gesichtspunkten zu ordnen, wenn kein besserer
Modus jjefuuden wird, und zu registrieren — er soll ordenliche protocolla
und indices darüber machen.
35 ♦
— 548 -
des vorhandeneD Materials einen Hauptfaktor seiner AmtSp
pflichten * ).
Eine Scheidung zwischen der Kanzleiregistratur, welche die
für die laufenden Verwaltungs- und Justizgeschäfte erforder-
lichen Akten zu verwahren hatte, und dem Archive wurde durch-
geführt. Dem obersten Kanzler bleibt die summaria inspectio
archivii wie bisher übertragen, von ihm wird auch der Archivar
in Pflicht genommen.
Große Verdienste um die Ordnung des Archivs erwarb sich
noch Arroden '), welcher an den bairischen Hof berufen wordoi
war, um Aventin's Annalen, deren Verbreitung aus kirchlichen
Rücksichten bedenklich erschien '), zu überarbeiten, und 1590
zum Archivar bestellt ward^), wobei ihm eine ordentliche Be-
gistrierung des Briefgewölbes zur Pflicht gemacht wurde, eine
Aufgabe, der er sich mit staunenswerter Raschheit erledigte*).
Der neuen Archiwerwaltung gedachte auch die H.E.O. 1591*X
indem sie es als eine Hauptaufgabe des neuen Archivars be-
trachtete, die ihm anvertrauten Schätze unmittelbar für die
Regierung des Landes verwerten zu lassen. Er sollte namentr
lieh nach solchen Archivalien Nachforschung anstellen, welche
1) Vor aUem soll er deshalb die ans dem ArchiT beranigekoi
Schriften anfspflren nnd demselben wieder einznyerleiben rochen, ebeoto
anch Abschriften der wegen ihres hohen Alters lerfallenden Uikmidfln V^
sorgen. Gleichzeitig wnrde dem Archivar Sorgfalt im Anileihadieiifk a^
empfohlen, so daß wo möglich Kopien statt der Originale bei BeqointioB vm
Archivalien gegeben würden, daft aber jedenfalls eine Yendcluiinig dm
ausgeliehenen Materials nnd eine Rflckfordemng znr geeigneten Zeit
finden hfttte.
2) Ober ihn vgl Hantle, Dr. Michael Arrodenins (OberK ArdL
S. 190 ffi)
3) S t i e T e , Zar Entstehung der Münchner Archive (Beil i. Angiboig«
Allgem. Zeitung 1876 n. 89).
4) In einem herzoglichen Dekret 1590 (28. Juni) wird der AreUrar A.
beauftragt, die für die Geschäftsführung des Hofrats nnd der
notwendigen Urkunden und Schriften, welche durch einen der Bite
Sekretäre und den Kanzler gefordert würden, abzugeben, aber mir gogei
das entliehene Stück und die entleihende Behörde bezeichnende FmpJlM^
bcschcinigung. Zur Kontrolle hatte der Archivar noch ein AndeihlNick n
führen (R. A. — Decrete WiUielms V. Bd. HI).
5) Über diese Arbeit (Archiyum Monachense) ygl. Hiatle 8. 281 ft
6) Stiove S. 36.
— 549 —
ftlr <tit; Erhaltung der Grenzen des Landes und der Hobcits-
rechte des Herzogs') von Relang wären'). Nachdem Arnxlen
aus imliekannten GrUndvn bei Hofe in l'ognade gefallen war''),
ernannte Herzog Maximilian 1595 den Dr. Gewold zum Sekretär
des geheimen Rats und zum Registrator dee Archivs.
Ans diesen *) wenigen Itcmerkungen läßt sich der erfreu-
liche /ust;iud des liairischen Archivwesens entnehmen in einer
Zeit, in welcher in andern Lüntlem Archive noch nicht einmal
dem Namen nach bekannt waren. Der historische Sinn des
liajuvurischen Stammes zeigt sich in jener konservativen FQr-
.-oi^e für die Urkunden, in welcher sich die Geschichte
des liniriMchen Staatswesens alis]>iegelte. Su war der Grund
zur Iit'utigi'n Hiflte der liairischen Archive schon in früher Zeit
gele};t durch die erfolgreiche Thiltigkeit pHicht treuer Archivare
und durch die Schaltung von Yerwiiltungsnornien, welche noch
heuif in ihren (irundzilgen als höchst vcrstiindig und zweck-
en i>|)n'chcnd unerkannt werden uiüssen. Jene frühe vortreff-
liche Kiiluickluiig muß al>er um so höher geschätzt werden,
wenn man erwägt, diiU in Preußen des Archivs zum ersten Male
in iler Gehi'imrats-Ordnung von ItilS Erwähnung gi-schah, und
diiL) in einer Verfügung <les Kurfürsten Krie<lrich Wilhelm's von
lti,'il «treu Verteilung der Geschäfte zum ersten Male ein
areliiviirius vorkommi M.
1 1 Vi\* in dirvcr Itpiiehnnf; fOr die <iplti>ndinachanK von AnfpiUrhrn
Hin Nuti--u »ein k<iDii((>, Kolitis d«r ArrhiTkr drr Hoflianimrr tbicliritllich
miii'il'ii. 'lainil •liifc iti (ii-mfinicluft mit dem Hotnt Milche ATchiTsU»
IUI Wdliriini; und (ii-ltmiiiiiacbanic der hmo|clirhca Inlt-rrMen Ttrucrten
'i li.iü mau iibrik*''»! Kboa frQhi- vpntand, ilip ArcliifTprwaltiitig lam
Nutii-n Lii[i1iri-li>r vUatlirhrr IntrrcFFcn hrran- uiiph^n . bcwpirt, um nar md
1u-iF|>l-l uii'iifuhn'n. dt<' H.K.O IStiS, «pich» dorn Kunnierkollcf^um »ftniK.
im ArhiM' und in di'r Kanilfi n«rh altrn Urkunden flbi>r iea Ki|>nrt aad
dii' Ni.-.l.rlat.'d t'>D Sali lu fonchro. um auriirund d<-> Sindium* dcn^lbni
un;:-r>" htf-rtit.<l- p<-hä<IU<'hi> Neamnicra abttidlrn n k.''nnrn {vgl S. 4)^
A. 2
H ll.utl.- S 21i:.
ii V.-l. au.-h -brli S. ins.
:■ <'-Mii»r und 4.'lM]i|>rDth. Der kfl ^n-oi. k^Il Sitaatontk. Berlia
!-•■:■ > II« f.
— 550 —
Bibliothek.
Als eiu Annex der Kanzlei erscheint auch die herzogliche
Bibliothek ^ ) , deren Gründung ein unverwelkliches Blatt im
Ruhmeskranze Albrechts V. bildet. Durch seine Schöpfung hat
er den Grund gelegt zu jenem vielbewundert^n Institut, das
heute als kgl. Hof- und Staatsbibliothek unter den Bücher-
sammlungen der Kulturwelt mit den ersten Rang behauptet.
Die Oberleitung über die Bücherei war dem Hofkanzlcr
anvertraut, der sich aber bei seinen vielen AmtsgeschäfteD
nicht persönlich mit der Venvaltung derselben befassen konnte.
Die Verwaltung selbst wurde anfangs durch einen, später durch
mehrere Kanzleisekretärc geführt, die unter den Hofkammer-
sekretären aufgeführt werden und die Funktionen eines
Bibliothekars =^) bezw. die seiner Hilfsbeamten versahen. Zu
diesen gehörte die Katalogisierung und Verwahrung der vor-
handenen Bücher, nebst der Sorge für die Rücklieferung der
ausgeliehenen Werke. Femer hatte er den Neuerwerbungen
1) Über ihre Geschichte vfjL Steij,'enbergor, Hist-lit Versuch von
Entstehung und Aufnahme d. churf. Bibliothek in München (Festrede in d.
Akadonüo 1784); Mnffat, Die kgl. Hof- u. Staatsbibliothek in Ifflnchen
^ Bayer. Bhltter f. Gesch., Statistik etc. 1852), S. 74 iE
2) Die ülteste Bestallung eines Bibliothekars ist die des Ortl von 156L
Du sie m. W. bisher noch nicht bekannt ist, lasse ich sie hier im WorÜant
folgen : „Wir Albrecht . . . den Egid < )rtl von Nürnberg za ansonn Diener
und ^^ocretari auf 10 Jahre, da& er sich in allen Sachen, es sei mit lateini-
schem oder deutschem Schreibon, Transferieren der italienischen und firunff-
sischen Brief und Schriften, auch Hin- und Wicdcrschicken in- und anler-
halb Landes . .: sonderlich aber und nachdem wir ihm unsere Liberd n
verwalten unter Händen geben lassen, soll er dieselbe mit allem Fleifi, wie
wir ihm die durch ein ordenlich Invcntarium ein- und Überantwort haben,
registrieren und verwahren und was davon ausgeliehen war worden, wied«
zu Händen bringen oder doch jeder Zeit solche Achtung haben, damit nichts
davun verloren werde. Er soll auch sein fleiüig Aufmerken haben, wann er
etwas von guten probierten Buchern, es wilr gleich in Theologia, HistoriUi
Facultfiten oder Künsten erführe, so neulich ausgangen und zuTor in nnser
Libcrei nit vorhanden wären, daß dieselben mit Rat unsres Kanzlers (oluN
dessen Vorwissen er auch Xiemands Nichts aus der Liberei leihen soll) e^
kauft und in ihre gehörige Ciassos eingeteilt werden". OrtPs Besoldung md
Kostgeld beträgt 250 11. jährlich (IJ. A. — Bestallungen . . b. Beamten,
Faso. 2). - Nach G ü n t h n e r i Gesch. d. litter. Anstalten in Baiem. München
1S1<» II, S. ISf)! erscheint um löo8 der Niederländer Samuel Qoichelberger
als Hibliothekar, dann Kueshammer (Hofstaat 1573).
•LI
J
- 551 -
Mniie Aufmerksamkeit zu schenken, die Oelegenlieit itur An-
srliuDun^ der auf der Itildiotliek noch fehlende» neuerscliienenen
I'.ürluT zu crsinihen und solche mit Gonelimiguiit; des Kanzlers,
(ihiie wi'h'he er nut^h kein Ituck ausleihe» durfte, anzukaufen. —
Dem ltilili(»thekiir wird ein Schreiber zur Anfertij^unt; eines
Katali^^s hcinfnehen, welcher nach Heinidinu»}; der Katalogi-
^ioniii^sarheiten wieder aussrhlielihch im Ka»zlei<lienst Ver-
wi'iiiUm« finden solle').
Allireeht V. liatte noch testamentarisch für die dauernde
Krhiiltun:: seiner Schöpfungen K<^snrgt durch die Bestimmung,
ih\\i die I-ilicrci und die Kunstkammer») ungeteilt beisanimen
lileiln'ii sollen. Diese, Rowie das von Allirecht angelegte Anti-
(juarium (nehst Mün/kal>i»et) und UemJildesanmdung waren das
Saatknni, wel<lies dieser kunstsinnige Wittelsbacher im 115. ,T«hr-
hiindcrt :iiis>,'cstreut, aus welchem jene vielliewundorten Museen
h<-rv<>rs|iri>Lilfn, die München zu einer Kunststadt ersten Itanges
rrholH'ii, ihrem fürstlichen Schöpfer für alle Zeiten ein nionu-
uicntuni su'Tv iKTCiinius.
1 .Auf r>ti1 fnlul Itrnnncr (IRTS- Iß!*»' kl« Bibliothekar, ilom leit 1590
■ in.' 7H<'iti- )lilf«knift (i-na<Ijutnr bibliothK'uiil in der Ppivon cinci Dr. Ritter
lii'iL'p'orilm'i »urilf. l>ii'*<> VfMTnphninK Om Porxanal« härurt" mit Hnem er-
klivklirlifii iCiiHarh'i nn Itudi'-m iurumikmi. di-ao l'itH) ift «ein Kcwalt Bacclier
7iir lib.r.i liiiifi ««nl-n- Muff«t S. 18fl. 1911.
•i. N:.rl] -irHT Kiilp«f..nnpl fflr i*n KUtnthermw l-WS (H.A. E o. 1,
S. :{]! H3r <li<'s>'ni auili <lii> Wrnallunj; d>T Kanttkunini-r anv^rtnuL IMNe
u.irl iliMi aufiiriinil pini'» Invi'ntaHaiti« Ot>iTantHort4>t, rt haltp ric in K>it«r
S'irK. il-iLiL,'<>t ViTwahranu und Mubcr lu (>rhaltoii, dii> iDTcntaria dartber
lu C'iiiiiniii'T-'ri. •I^i<j>-ni;.'i'. ra jfdet 7.eit daiu kommt, na* ei «ri, wnliPT «•
k.iriitil. lim «'-in ,■.; ^'''chpnkl odi-r wie t4'uer p« erkauft W'>rd«ll, ffWchwie
>l.i^ -'< d:ir:iiii< knmnit, tu vent'i<hD«iL DIp Kuiii>tkamm«r «taod antrr R«>
»l>i''ii-n/ >l<'<' "lii-rril-n KfimniPren, welrfaem aach K«cbnunK Ob« Kinnahnien
ZWEITES CAPITEL.
Staatsdienerrecht und Charakter
des Beamtentums.
§31.
Das Staatsdienerrecht.
In unserer publizistischen Litteratur ist die Ansicht all-
gemein verbreitet, daß eine gesetzliche Reglung des Staatsdiener-
rechts in D^tschland erst durch das preußische Landrecht er^
folgt sei, wie auch erst Friedrich Wilhelm I. als der Schöpfer
eines benifsroäßigen Beamtenstandes zu betrachten sei.
Diese Ansicht erweist sich eindringlicher Spezialforschoog
gegenüber als unhaltbar. Wenn wir auch für den in diesem
Bande behandelten Zeitabschnitt eine spezielle systematische
Kodifikation des bairischen Staatsdienerrechts nicht aufweisen
können, so enthält doch die L. Fr. (1508 und die späteren
Fassungen) ebenso wie die andern Gesetze und die für die
Kollegialbeh(')rden erlassenen Instruktionen des 16. Jahrhunderts
eine Reihe für die Rechtsverhältnisse der Beamten wichtiger
Bestimmungen, die unter der Regierung des Kurfürsten Maxi-
milian I. noch wertvolle Elrgänzung finden.
Es ist daher unzutrett'end , wenn man in den Beamten-
bestallungeu die einzige Erkenntnisquelle erblickt für den Rechta-
zustand (der Beamten) vom 13. bis tief in das 18. Jahrhundert*).
1^ So Kchm, Die rechtliche Natur des Staatsdienites (Hirth ud
Sejdcl, Annalcn des Deutschen Reichs 1884), S. 574.
— 553 —
Allerdings muß zugegeben werden, daß solche Bestallungs-
urkiinden , als Niederschlag der gewohnheitsrechtlichen Bil-
dungen des Staatsdienerrechts, von unschätzbarem Werte sind
für uiisre Kenntnis der Entwicklung des Beamtenrechts.
Die Beamten sind Diener des Landesherrn. Das Beamten-
verhältnis wird begründet durch einen privatrechtlichen Ver-
trag *) zwischen diesem und dem Beamten ^). Eine Normierung
der Rechte und Pflichten der Kontrahenten erfolgte zunächst
durch den Dienstmietevertrag *). Dieser regelte aber nur einige
Punkte des Beamtenverhältnisses (Dauer desselben, Gehalt, Zahl
der zu stellenden Pferde etc.), während für andere Rechts-
verhältnisse die allgemeinen gesetzlichen Normen bezw. ge-
wohnheitsrechtliche Übung maßgebend war*).
Die Willensübereinstimmung der beiden Kontrahenten kam
zum Ausdruck sowohl in der Bestallungsurkunde, welche der
Herzog dem Beamten ausfertigen ließ, als auch in dem Re-
verse, welchen letzterer ausstellte, in welchem alle in der Be-
stallung cntlialteneu Vereinbarungen wiederholt wurden und in
welchem der Beamte treue Erfüllung seiner Amtspflichten ver-
sprach.
Anwartschaften auf noch nicht erledigte Ämter wurden viel-
fach erteilt, erst 1579 verweigerte der Herzog die fernere Er-
teilung •').
Die Anstellung erfolgte ursprünglich auf 1 Jahr, doch
wurde das Amtsverhältnis, wenn keine Kündigung erfolgte®),
1) Eine Dogmengeschichte der privatrechtlichen Vertragstheorien gibt
Rehm S 582 ff.
2) G. Meyer, Staatsrecht S. 402.
3) Vgl E. Löning, Vorwaltungsrecht S. 109.
4i Häufig finden sich in den Bestallangen Verweisungen auf das Her-
kommen, z. B. halten wie mit andern unsem Pflegern und Amtleuten (S. 325
A. 4, S. 327 A. 2), wie andere unsre Hofrfite, wie ansers Hoüb Gebrauch etc.
5) z. B. 1579 wird dem G. Chr. v. Rorbach« Rat zu Straubing, auf seine
Supplication um das Pflegeamt M. der Bescheid: „gedenken I. t Gn. ire
ämbtor, die nit erledigt sein, niemand vor entlicher erlodigung zu vorlasqen
noch cxspectanzen zu geben. Im Fall der Erledigung soll er Gesuch er-
neuern.
6) Häufig heiüt es in den Bestallungen: auf 1 Jahr und dann auf Wider-
ruf. Beiden Kontrahenten wird dann eine halbjährige Kündigungsfrist vor
Ausgang des Jahres gegeben. (So in einigen Bestallungen am Ende des
16. Jahrhunderts, während im 15. Jahrhundert Kündigung 14 Tag vor oder
— 554 ~
stillschweigend fortgesetzt '). Seit dem 16. Jahrhundert mehreB
sich dann die Ernennungen auf Lebenszeit.
Das Bearatenemennungsrecht steht dem Landesherm zu •).
Nur in einzelnen Perioden, wo durch besondere politische Kon-
junkturen die Macht der Landstände aufs höchste gestiegen
war, war er in Ausübung dieses Hoheitsrechts beschränkt durch
eine den Ständen oder ständischen Verordneten zugebilligte
Mitwirkung bei der Anstellung gewisser Kategorien von Beamten.
In Bezug auf die Auswahl der zum Staats- d. h. landesheir-
lichcn Dienste zu berufenden Personen ist der Herrscher nicht
ganz frei, sondern an verfassungsmäßige Schranken gebunden.
So wird der Indigenat schon im 14. Jahrhundert als eine Vor-
bedingung für die Anstellung durchgesetzt. Der Kampf gegen
die Gäste durchzieht die landständischen Verhandlungen durch
niehn^re Jahrhunderte. Zu den Freiheitsrechten, deren Ein-
räumung sie von den Fürsten erlangen, zählt auch das Ver-
sprechen <les Herzogs, das Land mit keinem Gaste besetzen
zu wollen, <las, seitdem es K. Ludwig zum ersten Male 1339 •)
ge*i:(»,i)en hatte, in allen mr^glichen Variationen wiederkehrt
Bald erscheint es unter besonderer Aufzälilung der einzelnen
Amter. w(»lclie Fremden verschlossen werden*), bald in der
nach Michaeli vereinbart wird, so daQ der Beamte dann Lichtmeß aafirtehen,
d. i. den Dienst verlaseen soll.)
1) Kine Reihe von Dienstverträ^en, namentlich mit ^Rftten Toro Haue
aus", werden gleich auf eine bestimmte Anzahl von Jahren abgescblonen.
2) Diese Bcfu^s bildet einen Hauptbestandteil der Landeshcrrlichkeft
Als Albrecht II. 1307 die Regierung Kiederbaiems seinem Sohne Johaim
übertraf , erklärt er in der Abdicationsurkunde aasdrflcklich : „Er toi uid
mafif auch alle ambtlewtc in dem lannd verschriben setzen and cntaetm^
als oiTt und als dick, als er wil. nach seinem wolgefallen, und widenagw
mit dem brief alle jilleg brief und ander brief, die wir . . . oder xaner L um
sailigor möchten gegeben haben vortzeiten von diensten, von pflegen, Ton
gerichten ... (Qu. u. Er. VI, S 588 >.
3) Besonder gehaißon wir, das wir das land mit kainem gaste beeetuB
srdlen in kaine weise (4. Freibrief — v. Lerchen fei d S. 15).
4) (). Freibrief 1347 (Ludwig d. Brandenb.). Wir gehaißen aach in bif
unsern gnaden und treuen, das wir sj mit kainem gast, mit rat, mit pflegwoi
noch mit ander yeinant übersetzen suUen, dann mit den landlenten die n
dem nidern land gehören (v. Lerch«^nfeld S. 17). Vgl auch 13^ !&, S&«
42., 44. Freibr. 13H2. 13^3, 1402. 14ns, 14f>3 (ib. S. 32, 37, 53, 105, lil).*
— r)55 -
l-iiriii, ilaü ilif aii;:vslellteii Au^liiiKlfr ciitlassi'ii wcrdini sullenM,
/ii^'Ificii iiiaiii'liniiil in so scliroH" jKirtikuliiristisdMT Exklusivität.
ilali lii'i ik'ii Tfi Ulnaren die Anjr<'li'irint'ii di's fiiii-u ImicrisiliiMi
l.Kiiili-sli'ils in dt'iii amicni als l-'n-iiKli' lictrai-litct wonli-n. als«
< )lii'rliairni nicht im nieder) laifrisition ller/ii^'tnni unbestellt
ucnlni dürfen, nn<I iini^ekelirt-). Smlanu lie^nJl^'l man sielt auch
Mianclinial nicht mit der I.iindesann[eliiiri«keit , sondcni furdtTt
iH'ili ein Heiteres lU'i)uisit. das der Ausassi;;keit im Lande *).
In.I/ wiederlmlter Zusieheniii},' stellten «Iht die llerztw
il..cli aurli Aii>laiider an. den» die Lait<lsrliaft sieht sieh <les
• it'iini veraiilaht. nialinenil die neohachtiini; dieser /tisuf»> zu
verlaimen'l, und darauf liniU-n datiu divsi-llK'U Wrheilitmgeii
imnii-r nufs neue Aufnahme in die F'reibriefe. Wurde nun in
liei |'ra\i- des l'». Jahrhutiderts hei^'its das Tnuziii des Aus-
>.-lihi--rs der Auslander von den Äuiteni vielfacli tlurchlinielien,
-11 kniinten die Stande selbst, als man am Anfango des
li5. -liihrhunderts illier die Fassung der I,. l-r. benitschlajlte, sich
dem iM-iste der ni-ueii Zeit nicht versclilieüen. Sie verlannten
Ji't/t >i']li>t nicht mehr Ausschließun;; srhlerhthi». sondern )ie-
i;nii'.'ii 11 sich, nur die wicIitiKsteu .\iuter den Fn'niden v<irzii-
tri!li:ill>ii, wie ^ie auch eine teilweise Hesetziliifr iles lloff-erichts
niid llolial-^^l mit Aiislanderu zu;:e<.'ehen hatten. AU der
n.r/..!.- auf .len taiid-eliafl liehen Kiitwuif der L. Fr. eine uiil-u-
siiiiiiiiie Aiilwiiri fjeiieben hatte, beriefen sieb die Stande dar-
.Lut, ..i.H..bl die fnihercii Herrscher der Ijimlschaft üe^i-ii-
iilier die ViTi'tlicIitun;; ilberiHUnnien hatten, weiler ib-n Kat noch
die Äiiiiir mit einem fia>te zu lieset/eii. hatten sie den Mitti-l-
„,.._, .iiii^e-cldaüeii iimt KelH-ten, nur die liohvn Ämter und die
iri-lllirli.-n Madti- uml Schli'isser, auch den mehreren Teil iler
1 7 II :•. Kniliri-f llUI ii. IM'* iv, I-prohPUfnlil .-i. IH. 23i.
:> ■::: \'t-,].i. Uu'j 1[. Si-plian. Kraut un.l Wi)li.-Imi. iti. ■< :..U.
.: In Ir-jlTi-'r l:»» i,S|-|>li»n llh Wir »iiDi'ii aurh all- aiiit>t uti.I ftll-
<:n 1 i>il".- /•■ «tiiTD llami linH-Ui-n mit l:iii<lli>Tr<'ii unJ mit liimllcutcn
,-, .|i<iii ..l:.-rii tuii'l );''l>"f*'iit unil 'ti' dariii t^-i"'-''!! »iiiil uiti) mit oi'-
il..til.'r< t I.<T.-li-nf>>1d S.24). Virl. au.li .\i<m- '^ 3<>, Sit Krribr.
i. Ii--,' ii. s 4.-., :■:{.)
i. I II Kr-iin^r II. Wl, i:^ TA; VII. S. *V\, U4. »W; XI. 8, 7K
r. v-1 ,s li-jiT, u:..
— 556 —
Räte mit Landlcuten zu besetzen. Eingehend b^ründen ') sie
ihr Verlangen und zeigen, warum Eingeborne den Auslftndem
im Staatsdienste vorzuziehen seien. Sie weisen auf das Beispiel
anderer Länder hin, wo der von ihnen gewünschte Grundsats
des Staatsdienerrechts pingeführt wäre — und sie konnten das
mit Fug und Recht*) — , sie hatten offenbar das Bedürfnis,
1) „Denn es hat keinen Fall, ein frommer Landmann maft von Nttar
seinem natürlichen rechten Herrn und gemeinem Nutzen des Fflnienthniiii^
seines Vatterlandes, mehr genei^ sejn, dann ein Gast Er hat aaeh melir
Furcht und Aufsehen auf seinen Erbherm, dann ein Gast; der Herr iit
auch mächtiger zu aller Billigkeit, dann eines Gastes Der Gatt mag
mißfälligen Abschied nehmen, daraus der Fürst, Land und Leute Unratiis
gewarten, als sich oft nicht allein in dem, sondern auch in andern Landen
erscheint hat Der Gast, wessen er sich seiner Dienste gebessert,
er dem Lande; verordnet das in sein Heimath. Er ruckt davon, wenn
Zeit ist Bessert sich aber der Landmann, bleibt in gemeinen Nntien dea
Fürsten des Landes. Das Bejspiel haben Wir täglich vor Augen. Zum Be-
schluß, der Gr. st dient nicht mit seinem Schaden, der T«andmann hat mekr
Mitleiden. Es ist auch nicht eine besondere Betrachtung in diesem Laadi^
sondern auch in viel andern Königreichen und Landen wird die Ordnong g^
halten, daß kein Gast dermassen zu treffentlicher Verwaltung wird xogelanea
Die und andere viel mehrere Ursachen mOgen die lObl. Fürsten Ew. O. Yor-
vordcm auch die Landleute, unsere Vorältern zu solchem Fflmehmen dieier
Frejhcit bewegt haben; imd dieweil es so oft und so tapfer in den Frej-
heiten gesetzt ist bitten Wir Ew. Gnaden um eine gnädige, lautere ond Tei^
ständige Antwort". Schließlich versichern sie ihres vollen Zutrauena — nili
einen löblichen, hochvemünftigen Fürsten, der besser dann Wir die Dings
erlägen kann", sie bitton aber doch um Aufnahme des beantragten Fuii%
damit die Nachfolger auf dem Throne, falls sie die Dingo nicht so grttndlicb
betrachteten, nicht dafür hielten, die Landschaft habe sich dieser Freilieift
begeben. „Und wenn ein Fürst", so schließen sie, ^sich derbalb gnidigfich
gegen seine Unterthnnen hält, so muß die Liebe von Noth wegen der Unter-
thanon gegen ihn wachsen, und sich mehren" (Kronner XVI, S. 83 £).
2) Donseiben Kampf der Stände gegen das Ausländertum in den Amten
können wir auch in Osterreich verfolgen. Sogar die Räte aus einem andern
österreichischen Lande werden als Fremde betrachtet Unter Friedrich IQ.
kommt es hier wegen des Kinflusses der steyerischen fremden Räte mm An^
stand. ,, Promiserat" (Fridoricus), sagt Aen. Sjlvius, ,,terram Anstriae a
consilio incolarum regere." (Vgl. Adler S. 167, 486, 489.) So oft mit d«
Ständen über die Einrichtung von Behörden verhandelt wird, wiederholt wUk
auch hier das Verlangen nach Besetzung der Amter mit Einheimischen. 8e
1510 vor dem „sog. Augsburger Libell" und 1518 auf dem Innsbnicker An^
Schußlandtag, welcher das Keformwerk Maximilians krönen soll Der Kaissr
will zwar das niederösterreichische Regiment zum größten Teil aas LandleaUa
— 557 —
den Vorwurf eines besonders bösartigen bajuvariscben Partiku-
larisnius von sich abzuweisen. Daß, wenn aucb einige der
ständischerseits ins Treffen geführten Argumente als vollwichtig
anerkannt werden müssen, für sie auch höchst gewichtige Sonder-
interessen ins Spiel kommen, kann wohl nicht in Abrede ge-
zogen werden, denn der Jahrhunderte hindurch mit zäher Hart-
näckigkeit fortgeführte Kampf gegen die Gäste ist allerdings
ein Kampf pro domo. Da die Ämter zumeist mit Ritterbürtigen
besetzt werden, so ist es eine Lebensfrage für die im Landtage
sitzenden Adligen, sich selbst und ihre Familienangehörigen
nicht durch Ausländer von den einflußreichsten und teilweise
gut dotierten Stellen verdrängen zu lassen.
Die Landschaft setzte ihre Ansprüche, die man auf Grund
der ihnen früher gemachten Zusicherungen als vollberechtigt und
auch als maßvoll bezeichnen darf, durch. Man einigte sich auf fol-
gende Fassung der L.Fr. (I a. 1): „Wir sollen füran unsere ambt,
iiemlich vitzdomb,hofmaister, marschalckh, camermaister, khuchen-
«rnenDeOf doch sei notwendig und gut, dafi auch einige Anslfindcr darin auf-
genommen würden, schließlich verspricht er alle Regimente dem größten Teil
nach mit Landleuten nach dem Rate der Aasschüsse za hesetzen. VgL Z ei-
big, Der Ausschußlandtag der ges. Osterr Erblande 1518 (Archiv t Kunde
österr. GeschichtsqueUen Xm, 8. 278, 278, 283. 286, 288, 297 u. A d l e r S. 478).
Auch unter Ferdinand L werden die n. 0. Stände nicht müde, die Besetzung
der Regierungs-, Hofratsstellen mit Osterr. Landleuten zn verlangen. Ferdi-
nand, nicht gewillt, sich irgend einen Eingriff der Stände in seine
Herrscherrechte gefallen zu lassen, betont mit aller Entschiedenheit, daß ihm
als Herrn und Landesfürsten das Beamtenemennungsrecht allein zustehe,
und daß er durch kein Privileg gehalten sei, nur Landlente za solchen Stellen
zu befördern (Rosen thal, Behörden, S. 121 t). In Preußen muß noch der
große Kurfürst dem Indigcnatsprivileg der Stände der einzelnen Länder nach-
geben. Unter Fr. Wilhelm L war die Macht des Königtums schon so weit
erstarkt, daß das Bollwerk ständischer Freiheit beseitigt und das entgegen-
gesetzte Prinzip, daß keiner als Rat in der Provinz seiner Heimat fungieren
solle, zur Anwendung gebracht wurde : der Rheinländer amtierte in Preußen,
der Kurmärker in Pommern u. s. 1 VgL Isaacsohn 11, S. 139 f., III, S. 124,
128. — Die Kammergorichtsordnung 1709 erkennt nur einen Vorzug der
EiuhciiTiischen (Märker) vor den Ausländem (StOlzel, Brandenb. II, S. 18).
Der Bc^iff des Ausländers erstreckte sich hier also noch im Anfange des
18. Jahrhunderts auf die Angehörigen desselben Staates, sofern sie ihre
Heimat in einer andern Provinz hatten. — Auch in Braunschweig-Lüneburg
1495 die Anstellung von Inländern zugesichert (Gierke I, S. 568).
— 558 —
iiiaister, jägcrmaister ^) ambt, auch die pfleg unser ort und nam-
hafter stet und schloß mit dapffem edln und geschickhten land-
Icuten so Baim oder die mit schlössen oder sitzen im land ze
Bairn beerbt sind, und nit mit auslendem fürsehen und be-
setzen^. Auch für den Reutmeisterposten wird (I a. 2) Indigenat
verlangt, nicht dagegen für die Inhaber der äufiem Gerichte-
und Verwaltungsämter, für welche I a. 4 folgende Anstellungs-
bedinguDgen vorschreibt: „Wir sollen auch hinfüran unsere ge-
rieht, cässtn, zöl und mautambt allenthalben in unsem landen
mit leuton besetzen, die edl oder erber, redlich, eelicher ge-
burdt und verstenndig sind und augebome sigl haben" •).
Kaum waren einige Jahre seit der letzten Redaktion der
L. Fr. (1553) verstrichen, als der Adel auf dem Landtage 1557 *)
das alte Klagelied einer Verletzung derselben anstimmte und
bat, die geborenen Laudieute aus ihnen, so dann der Grebräuch
des Fürstentums für andre erfahren seien, in größerer Anzahl
in die Regierungen aufzunehmen*).
Zu heftigen Auseinandersetzungen kam es unter Wilhelm Y.
auf dem Landtage 1583 ^), wo die Ritterschaft ganz ungescheut
auch die Rücksicht auf ihre persönlichen, wirtschaftlichen Inter-
essen geltend machte *).
1) Landtag 1514, S. 188: E. Jägermeister soll in Jahresfirist ein Laad-
mann werden oder das Amt soll mit einem andern Landmann beietrt werdo.
2) Über die Richter siehe S. 58.
3) Schon auf dem Landtage 1543 war eine gleiche Beschwerde eriiobea
worden (Landtag 1543, S. 51).
4) Albrecht V. bestritt dio Berech tigang der Beschwerde, da er die
tauglichen Landleute, die dazu geneigt waren, vor Andern angestellt und die
Mehrheit der Mitglieder der Kegierongeu dem Ritteretande angehOrtn
(Landtag 1557, S. 88, 110).
5) Landtag 1583 (Kr. A. M.).
Ol Sie b(>schwerte sich darüber, daß Pflegen und andre Amter mdit
mit angesessenen Laudlcuten der L. Fr entsprechend besetit and eo die In-
ländischeu vom Adel, welche doch sonst mit billiger Darstreckong ihree nd
ihrer Unterthanen Vermugens und Leibes in allen Obliegen dei Laadei g^
würtig seien, hiervon gedrungen würden. Sio baten, die Landaassen m Bat^
dienst und Amtern vor den Frcmdon zu befördern, damit sie ihren adügoi
Stund erhalten und mit dfr liüstuug ihrer f. Gn. desto stattlicher «nfirutea
mögen , auch Trsache hätten , sich in allen LandesnOtcn desto williger n
zei^ren. Üoiilioandu führte die Kitterschaft noch bei, es erfolge ihnea Mdl
\iek' unertrü;:licbo Eingriffe dunh diejenigen, so der Landgebrftnehe nidit
erfahren, aber alles gerne nach ausländischen Sitten rogalieron woUtoi.
— 559 —
In der Antwort des Herzogs wird mit schonungsloser Offen-
heit von dem geistigen Streben des Adels des Landes ein wenig
schmeichelhaftes Bild entworfen. Dem Herzoge, heißt es, könnte
ja nichts Ueber sein, als wenn er für alle Stelleu geeignete In-
länder fände, aber bald fehle es an der Geneigtheit überhaupt,
bald au der Genügsamkeit mit einer leidenlichen Besoldung,
bald au andern Qualitäten*), weshalb die Ritterschaft vielmehr
sich selbst als den Herzog zu beschuldigen habe*).
1) „Daß denen von der Ritterschaft and ihren Söhnen, oh sie gleich
zu Diensten wohl qualificiert» was gesehen und erfahren, darzu fremde
Sprachen erlernt, wenig Belörderung erwiesen werden sollte, könne sich s. f. Gn.
nicht erinnern, dafi dergleichen qualificierte Personen um Dienst angehalten
hatten, dann ihre f. Gn. wollte nichts lieher, dann daß sie von ihren eignen
Landleuten sowohl an dero Hof als sonst hei den Begierungon und Ämtern
wie sich gebührt, bedient werden möchten. Es will aber etwa an der
Religion, Geschicklichkeit, auch an ihnen selbst» daß sie viel lieber daheim
müßig gehen, dann sich zu ehrlichen Diensten begeben, eines Teils aber um
kein Gleiches dienen, sondern gleich anfangs, ehe sie zu brauchen, übersoldet
sein wollen, Mangel erscheinen. Dessen allen aber ungeachtet, da alle vor-
nehmen Ämter und Dienste durchlaufen und bedacht werden, würde sich be-
tinden, daß die durchaus, wenig ausgenommen mit Landsässen besetzt und
werden sich diejenigen aus der Kitterschaft, so unsem ßfiten beiwohnen, zu
erinnern wissen, wie oft Wir nach tauglichen Landleuten, so zu Ratsdiensten
und Ämtern gezogen werden möchten. Nachforsch haben, wie vielmalen wir
uns, daß die tauglichen sich nit wollen gebrauchen lassen, auch ihre Söhne
und Kinder zu Kriegs- und andern Sachen, so sich ihrem Stande geziemt,
etwas zu erlernen nit halten, beklagen; auch wie begierig und geneigt wir
seien, unsre Landleute zu solchem Allem zu befördern, also daß der Stand
der Kitterschaft, da hierin Mangel sein soll, die Schuld Niemand Anderem
dann ihnen selbst zu geben hat" Vgl. noch Hofrat, S. 92. Femer versprach
der Herzog, daß, wenn unter den Stfinden mehrere Personen sich gebrauchen
lassen wollen, sie sich melden oder die Stände sie vorschlagen sollen. Wenn
sie der Iieligion und anders halber so beschaffen, daß man sie zu Räten ge-
brauchen mag, sollte mit ihnen gehandelt werden.
2) Kr wolle sie darum ermahnt haben, sie möchten ihre Söhne „bei katho-
lischen »Schulen in oder außer Landes studieren und nit anheim verliegen
lassen, auch sonst zu adligen ehrlichen Künsten, Sitten und Tugenden halten,
damit sie nicht allein bei ihren f. Gn., sondern auch bei andern katholischen
Potentaten, Kur- und Fürsten zu ansehnUchen Ämtern und Diensten kommen
und daselbst nicht allein ihnen selbst und ihren Freunden, sondern auch dem
ganzen Vaterlande ehrlich, rühmlich und nutz sein mögen, inmasseu von ihren
Uralten beschehen. Dieser Stand soll alsdann von s. fl Gn. versichert sein,
(lau sie und ihre Kinder vor andern Ausländischen nicht allein zu ihren vor-
nehmen Diensten und Ämtern gerne vor andern Ausländischen gebrauchen,
- 560 —
Dero hielt die Ritterschaft entgegen, daß der Adel, je l&nger,
je mehr seine Söhne zum Studium anhalte, und daß, wenn dor
Herzog sein Auge auf solche Landleute werfe, er sie wohl be-
kommen würde und nicht Ursache hätte, ihnen die Fremdes
vorzuziehen.
Noch einmal erschallte das alte Lamento auf dem Land-
tage 1593 '), und wiederum vermochte der Herzog der Ritter-
schaft nichts anderes zu entgegnen, als daß er geneigt sei, die
qualifizierten Landstände den Ausländem vorzuziehen.
Betrachten wir diese landständischen Beschwerden
juristischen Gesichtspunkte aus, so muss man ihre
ohne weiteres zugeben, denn die Landesherren waren nach MaS-
gabe der L. Fr. I a. 1 und 2 verpflichtet , die hier benamiten
Stellen mit Eingeborenen oder mit solchen Personen zu besetien,
die im Lande Baiem begütert waren, und zwar infolge Erb-
gangs. Jede Ernennung eines Ausländers zu einem solchen
Amte stellte sich also dar als eine Verletzung der vertragsmilig
übernommenen Verpflichtung, sie war eine Verfassungsverletzmg.
Allerdings verlangt auch die L. Fr. für die Ernennung von In-
ländeni das Vorhandensein gewisser Eigenschaften („tapfer, edel,
geschickt''), doch durften die Herzoge, die namentlich durdi
das Fehlen der letzten Qualifikationsbedingung bei den Ein-
heimischen die Anstellung von Ausländem rechtfertigen wollten,
sich nicht einseitig von den einmal statuierten Anstellungsprin-
zipien lossagen, sondern mußten mit der Landschaft eine Ab-
änderung derselben vereinbaren, wenn wirklich die Unmöglichkeit
strikter Befolgung derselben vorlag, was ja die Stände mit Ent-
schiedenheit bestritten.
Der Besitz des bairischen Indigenats war auch noch bis
auf unsre Tage Vorbedingung für die Anstellung im Hof- mid
sondern zu mehr Ruhm nnd Nutzen dieses Landes in aodem Wegen mh
Gnaden befördern wolle und soll hierzu diesen Stand auch bewegen nnd
reizen, daß dem Adel nichts gemä&er, dann ehrlichen, freien Kflnaten obm*
liegen, wie das bei andern Nationen als Franken, Schwaben, Sacheen nnd
Osterreich üblich, als die ihre SOhne zu den stndiis mehr dann andere baheo,
an ausländische Ort zur Erlernung fremder Gebr&ache and Sitten ■chieken
und darin keine Unkosten sparen, weshalb dort viel anaehnliche Gelehrte
vom Adel gefunden werden, welche hernach in Regiorong Ton Land nnd
Leuten Andorn billig vorgezogen werden".
1) Landtagshandlungen 1579—1637 (Manuscript im Kr.AJL).
— 561 —
«
Staatsdienste, bis durch die Reichsverfassuiig diese Vorschrift
zu Gunsten der Angehörigen anderer deutscher Staaten durch-
brochen wurde ^).
Wenn wir den Austeilungsvertrag auch als ein Privatrechts-
verhältnis auffaßten, so muß doch betont werden, daß die Funk-
tionen, zu ^velchen sich der Beamte verpflichtet, öffentlich-
rechtlicher Natur waren. Das öfl'entlichrechtliche Element trat
schon früh im Diensteide ^) des Beamten hervor.
Für das Richten)ersonal hatte, wie oben erwähnt*),
schon K. Ludwigs Landrecht die Ableistung eines solchen
Amtseids vor dem Amtsantritte vorgeschrieben.
Häufig wiederholten Freibriefe*) und andere Urkunden*)
diese Vorschrift für alle Beamten. Von den Freibriefen ist es
zuerst der 6., in welchem Ludwig der Brandenburger 1347 aus-
spricht : „Und wen auch wir ze vitzdom oder ze richter setzen,
und dem wir unser ambt empfelhen, das die sweren ee sy an
die anibt stecn, das sy uns unser recht behaltn, und land und
leuten ire recht, als die brief sagent die sy darüber habent von
uns und unsern vorfordern" ^). Nicht nur als Diener des Lan-
desherrn, sondern auch als Diener des Landes, dessen Rechte
sie el)ens() wie die ihres Herrn zu wahren verpflichtet sind,
erschciiicii die Beamten nach diesem Eide. Auch hierin zeigt
sich eine füi* das 14. Jahrliundert merkwürdige Überwindung
des privatri'chtlichen Elements im Beamtenrechte Baierns.
Auf (lieser Linie hält sich natürlich L. Fr. IV a. 20 („Wie
alle jinibtsverweser zue diser erclärung schwörn sollen"), wo
für alle Staatsl)eaniten '^) unterschiedlos die Ableistung des
Aiut<('i»l('s beim Dienstantritt vorgeschrieben wird ®). Hier wird
<()'SM' die Amtsführung im Sinne eines Schutzes der Rechte und
J; \<rl Soydol I, S. 53r»; 111, S. 337 f.
2' \<:l E. Luniiig, Verw.-R S. 109.
3) Verl. s. 58, 02 A. 4.
4) ^<. der ü., !♦ iv. Lerchcnfcld S. 17, 91).
r.j z. i;. Qu. u. Kr. VI, S. 238, 499.
<• V. Lc r ch eil fold, S. 17.
7 lülcsfornioln für verschiedene Beamte sind abgedruckt Landtag 1514,
-. i:j. f. ''j n:, 017.
^1 Il( im ]^'^i(•ruIl^^^^\ccllsol war der Amtseid von neuem zu leisten. Vgl.
•;. l.i.ii.Iiii- 1514, S. 281 f.
;> ■ :: '.. •■■> .11 1.',' il. licriilitNW. ii. d. Vorw.-Or^. Halcrns. 1. «iß
- 562 —
Freiheiten von Land und Leuten und der Unterthanen den
landesherrlichen Rechten vorangestellt^).
Im Gegensatze zur modernen Auffassung, wo unabhängig
von der Vereidigung die Rechtswirkungen des Beamtenverbält-
nisses eintreten^), war nach L. Fr.^) die Leistung des Dienst-
eides notwendige Voraussetzung rechtsgültiger Amtshandlongen.
Ein vor derselben erlassener Befehl galt nicht als in recht-
mäßiger Amtsausübung ergangen, weshalb niemand zum Ge-
horsam gegen denselben verpflichtet war. Handlungen eines
uichtbeeidigten Richters*) galten*) als nichtig.
Jeder Beamte hat nach der Vereidigung eine mit dem
Secret des Landesherm versehene Urkunde mit in das Amt zu
bringen ^). Das Anstellungsdecret des heutigen bairischen Yer-
fiissungsrechts ^ ) ist somit eine alte Institution. Allerdings hat
sich der Charakter derselben geändert. Während es heute einen
Teil des Anstellungsaktes bildet, das Staatsdienerverhältnis erst
durch die Ausfertigung der Urkunden erworben wird ®), wollte es
früher die vollzogene Anstellung bezeugen — der Beamte soll
sie „mit jme in das ambt bringen^^ sie soll also zu seiner Le-
1) „Es sollen im anfang alls sj an die ambt oder jre dienit iteca
uns selbs und unsern nachkhomen oder wem wir oder ij lOlch pflicht anf«
zenemen bovelhen offenlich schwOrn, das sj so wol land imd lenten and bk
sonnderhait den undterthanen jrer ämbter and dienst zne jren rechtoi^ freif-
haitn, gcrechtigicaitn und diser erclärung alls zne unsem recbtn richtn niid
hanndln, und dawider bej ycrmeidung nachbemellter straff nit thnen nodi
jren undterambtlcutn und dienern gestatten wellen (v. Lerchen feld 8. 861).
2) G. Meyer, Staatsr. S. 419.
3) Wo sy aber nit schwOm, das jnen doch in khainem wega nachge-
lassen werden, so soll niemand schuldig sein, auf jr Tordernng gaetüeh odv
rechtlich zuc erscheinen. Wo auch darüber ainicherlay rechtrertignng ?or
jnen geschcch, das soll ain nichtigkait und ganz unkreflfcig sein, anch VImjim»
pindcn (L. Fr. IV a. 20).
4) oder eines solchen, welcher sein Bestallungsdecret nicht in die ente
Gerichtssitzung mitgebracht hatte. Vgl. S. 58.
5) Eine besondere Verpflichtung der Beamten fand beim Erlaaae widi-
tiger Gesetze in Bezug auf Beobachtung derselben unter Verweisung aaf dM
allgemeinen Diensteid statt Eine solche spezieUe Verpflichtong der An^
Icute schrieb vor z. B. eine Verordnung der vier Münchner Henoge 1869 (Qa.
u. Er. VI, S. 499). die L.0. 1501 (K r e n n e r XHI, 312). Ret Ldr. 1618 1 1 a. L
6) L. Fr. TV a. 21.
7) Vorf. Beil. IX § 1; Seydel III, S. 340 f.
8; Rehm a. a. 0. 1885, S. 140.
^
— 563 —
gitimation dienen, ihn als berechtigten Träger des Amts aus-
weisen. Darum ist für die Richter, damit die Gültigkeit ihrer
Amtshandlungen jedem Zweifel entrückt wird, noch eine be-
sondere Publikation des Bestallungsdekrets, nämlich Verlesung
desselben in der ersten Gerichtsverhandlung, in welcher sie ihre
Amtswirksamkeit beginnen, vorgeschrieben.
Unter den Rechten der Beamten erscheint als das wesent-
lichste der Anspruch auf die im Dienstvertrage vereinbarte
Besoldung. Dieser besteht gewöhnlich in einem festen, quar-
taliter in barem Gelde zu zahlenden Gehalt, sowie in Natural-
reiclmissen höchst verschiedener Art 0- Dazu kommt dann für
einzelne Beamtenklassen eine Reihe von Sportein für einzelne
Amtshandlungen ^).
Die Einrichtung, daß den Richtern (Rentmeistem, Landschrei-
l)em etc.) ein Anspruch auf eine Quote der Geldbußen zustand,
wurde, da sie zu Bedrückungen der ünterthanen mißbraucht worden
war, durch L. Fr. aufgehoben ^). Nur den Fronboten etc. sollte
da, wo ihnen nach altem Gebrauch Nachrechte an einigen Wändein
zustünden, solche in der Höhe von lO^/o erhalten bleiben, da-
mit dieser Ansporn zur Aufspürung und Anzeige von Delikten
nicht verschwände.
Ein Ruhegehalt für die Zeit, in welcher die Beamten ihre
(liiinstlichen Verrichtungen nicht mehr versehen können, wird
im If). Jahrhundert einzelnen verdienten Beamten zugesichert*).
Auch beginnt man jetzt den Witwen der Beamten eine Pension
1) Da jeder I^eamter zum Halten einer bestimmten Anzahl von Pferden
und Knechten verpflichtet ist, so wird fUr diese „Futter and Mahl** resp.
eine besondere Entschädigong (Liefergeld) für diese gewährt, wenn nicht
statt ihrer der Jahressold gleich entsprechend erhobt wird. Die Hofbeamten
und viele Räte haben YerkOstigung bei Hof fdr sich und ihre Knechte (teil-
weise auch nur für letztere) and ebenso Ffitterang ihrer Pferde vom Hofe
(Futtermeister) za beansprachen. Nach dem Hofistaat 1568 hat der Land-
hofmeistcr G Knechte, 8 Pferde, Marschall 4 (6), die übrigen 3, 2, die meisten
1 Knecht (3 bezw. 2 Pferde). Hfiafig wird dann noch die jährliche Lieferung
eines HofkUädes, mitunter auch Verabreichang eines Schlaftranks zagesichert
2) Vgl. namentlich S. 95 ff., 83.
3) L. Fr. I a. 4, 17.
4) z. B. 1553 dem Lehensekretftr R „and wenn er dem Amt nicht mehr
vor sein könnte, wollen Wir ihm zu Ergetzung seiner Dienste seine Besol-
dung als ein Leibgeding sein Leben lang aus der Kanzlei geben lassen''.
36*
— 564 —
zu gewähren. Doch haben wir es nur mit den schüchternen An-
fängen dieser Institutionen zu thun, deren allgemeine Durch-
führung erst in die nächste Periode fällt.
Endlich steht den Beamten auch ein Anspruch auf Ersatz
der in Ausübung des Amtes gemachten Auslagen und Verwen-
dungen zu *).
Einige Vorrechte genossen nur die Mitglieder der Kolle-
gialbehörden (Räte und Sekretäre), sowie die adligen Hofbe-
amten, die nicht Landstände sind. Diesen war Steuerfreiheit
für ihre Besoldungen und Dienstgelder eingeräumt, während
sie ihr übriges Einkommen versteuern mußten *). Auch von
der Entrichtung des Ungeldes sind die Räte und das Kanzlei-
personal befreit*). Die übrigen Beamten hatten auch von ihrer
Besoldung Steuer zu entrichten *).
Auch in jurisdiktioncller Beziehung erfreuten sich Räte,
Sekretäre und Hofgesinde einer Sonderstellung, indem sie von
der städtischen Gerichtsgewalt eximiert, also nicht dem Stadt-
1) In den Bestallungen heißt es: Wenn Wir ihn ausschicken in Bot-
schaften, zu Tagen oder in andeni Sachen Schaden ersetzen wie andeni
unsern Hofräten oder „Wo Wir ihn auch unsrer Nottnrft halben in Bo^
Schäften, zu Tagen oder in anderm Wege ausschicken und brauchen, soU er
Solches auf unsere Kosten und Schaden thucn und wollen ihm alsdann ftr rad-
lichen Schaden stehen wie andern unseni gelehrten K&ten". Begelmiiig
wird der Ersatz von Kosten und Schäden zugesichert^ namentlich den Eätm
von Haus aus: „Ihm soll auch, wann er zu uns beschrieben oder erfordert
würde, auf seine Person, Diener und Pferde, wie andern unsern Räten alOiie
das J.iefergeld gereicht und sonsteu außer Hofs, wann er von anaen
wegen verscliickt würde, mit ziemlicher Zehrung versehen, desgleichen loll
ihm, wenn ihm in unsern Diensten an seinen Pferden einiger redlicher
Schaden widerfülir«* unsorm Hofgebrauch nach gnadige Widerkehmng und
Erstattung gethan werden K. A. - Bestallungen 16. Jahrb.). VgL nodi
S. 459 A. 3. — Au'-li Diäten Zehruug^nd I'eisecutschädigung' werden 6m
außerhalb ihres Amt.^Ä-itzes Amtierenden zuerkannt, z. B. 1470 {Kr cnner
VII, S. 254 ; die gebührende Zi-lirung wird häufig Kommissären zugebilligt
2 Steuerinstruktion«*n 1547. 1554. 15üo. 157Ü. 1588, 1594 (Hoffmann
S. 57, 00. 75: Seyfried S. 428 i., 45n, 454-: 15J»4 wurde die Stenerfreihflit
auch auf die J^Iitglii.'dern dieser Hfumtcnkategorie geschuldeten Zinse und
^iiilten iiusgod».*lnit.
3 Kr ♦'im er XII, S. 244.
4 Einspänniu^', I?eisige, Provisoren, die 1503 steuerfrei sind, werden
I5'.'4 zur Steuer bor:iii;:«zo^'en (Hoff mann S. 75.
^
— 565 —
gericht*), sonderndem Hofgericht bezw. der Jurisdiktion desHof-
marschalls*) unterworfen waren. Für die aus dem Dienstvertrage
entstehenden Rechtsstreitigkeiten wird gewöhnlich in diesem die
Kompetenz des Hofgerichts (forum prorogatum) anerkannt^).
Die Pflichten ^), welche der Beamte mit dem Diensteintritt
übernimmt, sind : 1) die zur gewissenhaften sorgsamen Erfüllung
aller dienstlichen Obliegenheiten. Nicht gemessene, fixierte
Dienste werden von ihm gefordert, sondern er hat seine ganze
Arbeitskraft für seine amtliche Wirksamkeit einzusetzen. Nach
bestem Können'*) hat er unter strenger Beobachtung der Ge-
setze und Instruktionen seines Amtes zu walten und dabei so-
wohl die Hoheitsrechte seines Herrschers wie die Rechtssphäre
der Unterthaneu zu schützen*).
1) Siehe oben S. 162.
2) Siehe oben S. 230 ff.
3) Streit aus dieser Dienerschaft und Bestallung sollen Hofmeister and
Hofrate entscheiden.
4) Sie kommen sowohl im Diensteide als in den Instruktionen zum Aus-
druck, z. B. typisch in folgendem Eid (Ratseid) des Landhofmeisters und Hofirats-
])räsidentcn : Ir sollet schworen zu Got ainen aid unserm genedigsten färsten,
gctrew, gewer und gehorsam zesein, seiner f. gn. auch irer land und leut
fronien zu furdern und schaden zuwenden, dem hofrat und hofgericht mit
allein vlciß vor ze sein und auszewarten, ob der ratsordnung ze halten und
in allen Sachen seinen furstl gnaden zu iren rechten, landen und leuten di£
furstonthumbs za iren gerech tigkaiten, freihalten und erklftrungen, darzue
nach des roichs gemainen rechten auch nach redlichen, erbem und leiden-
lichen Ordnungen, Statuten und gewonhaiten gemelts furstenthumbs dem minn-
stcn als dem maisten getreulich ze raten und ze richten, das treuest und
beste als euch auf die zeit so man rats pflegt eur gwissen, pflicht und ver-
ständnus weiset und kainerlai aus dem rat zu sagen, davon schaden kommen
mag, sonder den rat und was darinnen beschlossen wirdet zu verschweigen
bis in oum tod, auch kainer sondern parthei in gericht anzuhangen oder ir
zu giict zufäll in urtlen zusuechen oder zumachen, auch die sachen aus böser
mainung nit aufhalten oder verziehen zu helfen, und was ir also ausricht
oder ausrichten helfet, si seien geistlich oder weltlich, das ir das treulichen
und iingevarlichen thuen und in allen sachen nit ansechen wellet weder lieb»
freundschaft, feindschaft, forcht, neid, noch kain ander ursach oder bewegung,
sonder allain Got und die gerechtigkait vor äugen haben, auch umb das alles
von kainer parthei noch jemand anderm weder muet, gab, schankung, gebaiE
noch ichts anders nemen wellet in ainich weis alles treulich on geverde
R. A. — Pllichtbuoh'.
5 z. r>. Forst-O. 1568 S. 52o: Die Förster schwören, „daß sie unsem
nutz und frommen mit trewisten fleiß befördern, unsem nachthail und scha-
2) Die Pflicht des Gehorsams') gegenüber dem
heim und dcu Befehlen der Vorgcsetzteu , deuu nicht
modeme Anitsorganisation *), sondern schon die unsrer Periode
beruhte auf dem Prinzip der Über- und l'iiterordBUiig der Be-
hörden, wukhe die Einheit der Verwaltung gewährleistet
3) Die Iflicht zur Bewaiirung des Dienst^eheimnissM*).
Jede Verletzung der Dienstpflichten eines Beamten*) hat Vir
ihn Strafen im Gefolge. Die Androhung solcher gilt als das zwedi-
dienlichste Vorbcugungsmittel durartiger PflichtverletzuDgen. Die
angedrohten Strafen waren solche an Leib und Out^), (iefäagniB*)
und Amtseutset^ung') ; die Strafart vrarde auch überhaupt io das
Ermessen der Vorgesetzten oder des Gerichts gcslollt*). Ver-
einzelt kommt auch Geldstrafe") oder Vcrwois vor'"}. Häufiger
wird eine KumuUerung einer Strafe mit Amtseotsetzung*'] an-
gedroht.
den wenden and wanen . . ancb niebti nnderUMen , wu ptrewea dlaawi
xuthun gcbflrt und wol Hosteht
li lAnfang dee BaUeidcsi: Ir Bollet tchvOren iD Gott tinra aid...
hertog; A. tu Bb^id ... als regierenden ffirrten getreir, piwsr nnd
2) a Soholio. DeutcGhw StuBrecht I, ä 325.
31 Ein« BDiclir&Dbmg legt den Beamten sclion nf L.0. 1501, 1
den AntleDteo unterlaß, „einige bOrgerliehe Hiadel mehr n
(Kreaner XllI, S. 890 £, 175t. Das Verbot wiederholt, »tut mit
■chrlnlntng „nider der SUdt« nnd HArkte willen bei Duum', L
& 53» n. L. 0. 1563 B. V. t. * ». l.
Ai Ungcfaonun, Untrcne, Eigene atdgkeit, UnfleiA, Fkhrliuigkilt
in Fortt-O. 154!8 nafgeRhrL
B) I. B. Ldr. a. 139; Krenner XU, 8. 343 UUl); XVIU, &3r (Ifill).
0) L B. Forat-O. 1668: Die (ung^hortuneD .. FOreter) tollen dH iim
Palekhenthoni, Anch nub gelngenheit jrer nngohonun oad iniliiiflwnp. li
«nder weg «nullich goetrafn werden.
7) L B. Krenner XUl, S. 201 {1501) LO. 1S16 S. 40°, 64s tt*l 1*0.
1563 B. TT t 21 a. 3; B. VI t 9 L 13.
8) I. a ongMtnft nicht Unen {L.Ü. 1474 — Eienner VU, & SSJ).
Bei Venneidiiiig nniror ichweren Strafe nnd Ungnade 1151t — Ki«BB«r
XTIH. a.83S); ,iucb Ungnaden gwtiaft werden* lB. BatLdf.Ia.ahLFi.
1606, 1514 [v. Lercbenfeld !\ 262).
9) L B. 2. Freibr. 1322 (t. Lerchen f et d S. lOj: dehe obni aoehasU.
10] Decrel« (B. A. — Bl m) WlIhelBU T. 1586, dtk dl« nsflaltifa
BoMt« nnaubleiblkh Verweif in gewlrtigen haben.
II) t. & Krenner Vn. S.260: XTII. S. 178; XTUI. a 331,340: I^Pr
n a. 36; Fonl-O. 1668 S. tfi.
— 567 —
Einige der Amtsentsetzung androhenden Bestimmungen 0
erregen unser besonderes Interesse, weil ihre Fassung darthut
(laß dem Herzog ein willkürliches Entlassungsrecht der Beamten
nicht zustand, sondern daß er zu einer solchen einseitigen Lö-
sung des Dienstverhältnisses nur berechtigt war auf Grund einer
diesbezüglichen gesetzlichen Bestimmung. Das bairische Staats-
dieuerrecht zeigt auch in dieser Beziehung eine hohe Stufe der
Ausbildung, indem es im Anfang des 16. Jahrhunderts das Prin-
zip der administrativen Willkür in der Lösung des Dienstver-
hältnisses seitens des Fürsten, das in andern Ländern noch
Jahrhunderte hindurch die Regel*) bildet'), nicht anerkennt.
So hatte die reichentwickelte Gesetzgebung Baierns auch auf
diesem Punkte schon früh den Rechtsstaat verbereitet und den
r)eamten eine gegen fürstliche Willkür gesicherte Rechtsstellung
gegeben.
1) So droht L.O. 1516 (S. 65o) und L.O. 1553 Bd. VI t 14 a. 1 den
diese übertretenden Amtleaten Entsetzung an — jrer ftmbter vorstundan zu
was zoitten das im jar beschiebt, von unns onntsetzt werden. Und ob den-
selben ambtleuten sOlhe ämbter jr lebenlang oder auf jar yerschriben w&m,
so sollen sy doch solh jr verschreibung in disem fall dawider nit fOrtragen.
Vj^L auch K r 0 n n e r XVIII, S. 331. — Die die L.Fr. übertretenden Amtleute
traf auch die Strafe der Entlassung, sie waren aber auch unfähig zur Be-
kleidung eines Amtes. L. Fr. IV a. 22 — der soll allsdann seins ambts zue
was Zeiten das im jar beschicht ze stund an enntsetzt und jme füran sein
lebenlang khain ambt mcr gelassen werden. — Und ob demselben ambtman
solch ambt sein leben lang oder auf jar yerschriben war, so soll jne doch
solche verschroibung in disem fall dawider nit fQrtragen. — Es wurde also
durch eine solche justa causa der Anstellungsvertrag aufgehoben; weder die
vereinbarte Kündigungsfrist, noch die Anstellungszeit kam ihr gegenüber in
Betracht — Daß in dem zwischen H. Albrecht IV. und Wolfgang über den
angefallenen Landshnter Anteil abgeschlossenen Vertrag (1506, 24. Juni —
Krenner XV, S. 365) vereinbart wurde : „Auch mag unser Bruder H. Wolf-
gang die Ämter, so er Laut dieses Vertrags inn hat» seinen Dienern und Ver^
^sandten wohl vorschreiben, ihr Lebenlang; doch, wo sie nicht geschickt,
auch Uns, oder nach Uns nnserm regierenden Erben nicht gefällig wftren, so
sollen Wir und unser regierender Erbe Macht haben, die nach imsers Bruders
Tode von den Ämtern zu entsetzen", ist eine Folge der aufierordentlichen
Regierungssuccession. Diese Klausel bezeugt gerade, daß regelmäßig ein will-
kürliches Entlassungsrecht des Herzogs nicht bestand.
2) Kehm (1884) S. 577.
3) Vgl. E. Löning S. 112.
— 568 —
Ist durch die PflichtvcrletzuDg eines Beamten dem Herzog ^
oder einem Uuterthanen -) ein Vermögensnachteil zugefQgt
worden, so ist der Beamte zum Schadensersatz verpflichtet. Da
die germanische Rechtsanschauung, welche die Organe des
Staats dem Rechte und Gerichte unterstellte. Jedermann, der
sich durch den Beamten in seinem Rechte verletzt glaubte,
einen vor dem Gerichte zu verfolgenden Rechtsanspruch ') gegen
diesen einräumte, so finden wir in Anwendung dieses Prinzips
in Baiern die Zuständigkeit des Hofgerichts gegeben für alle
Klagen der Untcrthanen gegen Beamte wegen ihrer Amtshand-
lungen.
So fand in die L. O. 1474 die Bestimmung Eingang^),
,,wclcher mit unseren Pfleger (Richter) oder andern Amtleuten
von Sachen wegen ihr Amt berührend zu thuu hätte oder ge-
wänne , der möchte die gen Hof fümehmen" *). Dieser den
Untcrthanen gewährte Rechtsschutz scheint aber nicht ausrei-
chend gewesen zu sein, denn 1501 machten die Verordneten
der Landschaft gerade diesen Punkt zum Gegenstand eingehen-
der Beschwerden*), denen gegenüber sich H. Georg ablehnend
verhielt — laß ich's bleiben, wie das bey meinem Vatler auch
mir herkommen ist. Auch die Replikausführungen der Verord-
neten, welche betonten, daß der Landschaft an diesem Artikel
1) z. B. Landgcbot von Statthalter uDd Räten H. Georgs an alle Pfleger
und Landrichter (1498) wegen Streifen etc.: Ob da aber in solchem aUen
oder etlichen ungehorsam oder säumig seyn würdest» darauf Wir dann antn
Kundschaft haben, werden Wir dich darum ungestraft nicht lassen, und dasa
deines Amtes entsetzen, zusamt dem, daß du und die Amtkneehte dan ge-
halten werden, daß ihr allen Schaden, der durch solchen eueren Ungehonam,
Verachtung oder Saumniti entstünde, bezahlen müstet Damach wisse did
zu richten und vor Schaden zu warnen (K r e n n c r XIII, S. 68 f. ; vgl noch ik
XVIII, S. 329, 345, und oben S. 302«. - Vgl noch S. SSL
2) z. B. M. B. XV, p. 135 (1480) Klago gegen einen Richter und Bauen,
die ihn in Vencknuü gebracht hätten ohno verschuldeter sach.
3) E. Löning, Vorw.R. S. 771.
4) Kren n er VII, S. 501 (vgl. ib. S. 287, 435).
5) Auf dieso Bestimmung verweist H. Georg 1489 die LandaUndt
(Krenncr XII, S. 280).
0) Sie führten aus, daß den Untcrthanen von den Amtleuten Eiagiiff
und Irrung geschehen, und nachdem dieselben Amtleute alsdann filrgebe^
daß sie solche ihre Handlung Amtshalben thun und die Sachen E. fl Qo. be-
treffen, dadurch dann ettlichc über Kechtgebote mochten betrübt werd«^ ist
J
— 569 —
solide rlicli groß und merklich gelegen 0? hatte keinen andern
Erfolg als den , daß L. 0. 1501 ^) die Bestimmung der L. O.
1474 mit un^Yesentlichen Modifikationen wiederholte ^). Und
auch L. Fr. I a. 12 ^) erkannte die Zuständigkeit des Hofgerichts
für solche Klagen an und gestattete nur den Parteien gegen
die Entscheidungen der Hofgerichte in den Vitztumämtern den
Herzog selbst anzurufen; es erscheint also für solche Klagen
das Münchner Hofgericht als die höchste Instanz.
In Baiern begegnet also schon seit dem Ende des 15.
unser Bitten, sofenio solche Sachen E. Gn. berührend nach Verhörung güt-
lich nicht vertragen werden möchten und sich einer darüber Rechtens er-
böte oder begehrte, daß dann E. £ G. deshalb Räto von Landleuten und
andern niedersetze, sie auch derselben Zeit derselben Sachen halben ihrer
Pliicht ledig zähle, darin auf das, so im Recht für sie gebracht wird, recht-
lich zu erkennen, damit E. f. G. Unterthanen als jo durch Geschäft oder
eigene Handlung der Amtleute geschehen möchte, ohne Recht nicht entsetzt
noch beschwert, noch zu unbilligen Schaden gebracht werden (Krenner
XIII, S. 231).
1) Es wird zur Begründung der Bitte noch auf die Reglung in den an-
dern Territorien hingewiesen — dieweil man auch solcher ziemlicher Bo-
gehrung Rechtens bey andern Fürsten des Reichs ohno Zweifel und billig
unverziehen ist, als dann das Recht niemand versagt seyn soll (ib. S. 237 f.).
2) Durch eine Beschwerde der Ritterschaft 1499 wurde dio Aufmerksam-
keit dos Herzogs auf den Ubelstand gelenkt, daß es den Parteien bei Klagen
gegon Beamte schwer falle, einen Redner zu finden — sprechen, der Handel
berühre K. Gn., was E. Gn. Pfleger und Amtleuto antrifft und ob es gleich
übel gebandelt und vor den Räthen unrecht erkannt wird, so redo doch der
Redner mit Sorgen und subtilen Worten nicht nach der Sachen Nothdurft
und nimmt doch nicht weniger sein GcIÜ darum. Daraufhin ordnete L.O.
1501 an, daü kein Redner in solchem Falle aus Furcht seine Pflicht vemach-
lässigen dürfe. Bekäme aber eino Partei aus Armut oder wegen anderer
Uri-aohon keinen Redner, so könno sie ihre Klage beim Hofgericht schriftlich
einlegen, oder es soll ihr durch dieses ein Redner gestellt werden, damit
niemand in Fürbringung seiner Sache Mangels habe oder versäumt werde
-Kr^nnur XIII, S. 9, 162, 257 f.).
3) Eino Verhandlung und eventuell Entscheidung durch delegierte Kom-
missäre wurde gestattet ^K renn er XHI, S. 270).
4) üb yemand zuo unsem pflegem, richtern, dienern und anndem ambt-
louton dio ainen von jrer ambt oder dienst wegen an seinem leib, ehrn oder
guct iiberfarn, beschedigt oder zuo schaden bracht ichts zuo sprechen hette,
dersclb clager mag dieselben unser ambtleut oder diener vor uns oder in
unsenn vitzdombambt vor unsern vitzdomb und räthen darumb wol beclagen
und rcchtvertigcn.
— 570 —
Jahrhunderts der Grundsatz des Partikularstaatsrechts , den
man im allgemeinen nicht vor dem 17. Jahrhundert konstar
tieren kann ^), daß der Beamte wegen der in Ausübung seines
Amtes mit den Unterthanen entstandenen Streitigkeiten vor dem
Gericht zur Verantwortung gezogen werden kann •).
Am frühesten war das Prinzip der Haftbarkeit der Beamten
anerkannt bei pflichtwidriger Verletzung der Landfrieden') und
der ständischen Freibriefe^). Hier handelte es sich gewisse!^
maßen um Nichtbeachtung von Verfassungsbestimmungen, wes-
halb L. Fr. IV a. 22 und 23 sogar durch besondere Vorschriften
das hier einzuschlagende Verfahren regelt — wie gegen den
ambtman so umb uberfanmg diser erclärung beclagt wirdt soll
procedirt und gchanndelt werden *).
Bäte von Haus aus.
Außer den ausschließlich und voUsUindig im Dienst des
Landesherm stehenden, zu stetem Aufenthalt am Amtssitz ver-
pflichteten Beamten fand in Baiern gleich den andern Ländern ')
das Institut „d<^i* I^äte und Diener von Hause aus" zur ErgiB-
1) H. Schulze, Staatsr. I, S. 637.
2) Daß die Ersatzklagen gegen Beamte wegen Üherschreitaiig ibnr
Amtfibefagnisso 7or die Gerichte geborten, wurde spftter durch die ganen-
recbtlicbe Praxis anerkannt (Gneist, Der Rechtsstaat Berlin 1879. 8L M,
^weil die Handlung extra ofticium in der Tbat nur Handlung eiiiet Pri-
vaten ist" I.
3> Landfrieden 1281 a. 33, 1293 a. 28, 1300 a. 23 (Qu. o. Er. V, &S44;
VI. S. 32, 115'.
4) z. B. 2., 8^ 9. Freibrief 1322, 1355, 1358 (V. Lerehenfeld & 10;
19, 21 ■.
5- Siehe S. 507 A. 2. L. Fr. IV a. 22 verlangt ein vorhergehendM fr
suchen der Stande oder ehrbarer ansässiger Männer um AbtteUnng: Ii
Bezug auf die Zusammensetzung des Hofgerichts fordert L. Fr. lY & 8S 4»
Anwesenheit von wenigstens 7 < und der merer tail lajen und vom adl) Blfta&
Falls eine Verurteilung nicht erfolgt, hat die klagende Partei (& 84)
Beamten voUständigen Schadensersatz zu leisten — coasti zenuig nnd
<vgl. Krenner VII, S. 435i.
G So in Österreich 'Adler, Organisation d. Ceniralrerw. nnler K
Maximilian I, S. 220-, Brandenburg ^Stolzol, Brandenb.-PreiiAeiii Radri^
vorw. I, S. 128, 151', Kursachsen iStobbe, Gesch. d. d. BeehtaqueUn II
S. 57:, Hessen -Stolz el. Gel Richtert I, S. 412, 414), OberpfiOi (Nei-
de ggori Beiträge I, S. 14.
— 571 —
zung des Beamtentums und des Heers seine Anwendung. Solche
Räte und Diener von Haus wurden in großer Anzahl während
des 15. und 16. Jahrhunderts bestellt sowohl aus dem Kreise
des Adels wie aus dem der gelehrten Juristen. Berühmte Rechts-
gelehrte ' ) standen oft zu 3 und 4 Fürsten in dem gleichen
Dienstverhältnisse. Auf Grund des auf eine bestimmte Anzalil
von Jahren (3 — 10) abgeschlossenen Dienstvertrags waren diese
Räte verpflichtet, von ihrem Wohnsitz aus dem Herzog auf Er-
fordern Rat zu erteilen, ihm „mit Raten und Reden" zu dienen,
nur nicht gegen diejenigen Fürsten, welchen sie sich schon
früher als Räte verpflichtet hatten und die im Dienstvertrage
ausdrücklich ausgenommen wurden *). Auch zu diplomatischen
Sendungen mußten sie sich gebrauchen lassen und auf Verlangen
ihres Dienstherrn zur mündlichen Konsultation an seinen Hof
kommen. Sie waren zu allen Dienstleistungen eines treuen Rats
verpflichtet. Während der Rat von Haus aus den verein-
barten Jahressold bezog, auch wenn seine Dienste nicht bean-
.si)rucht worden waren, empfing er, sobald er in des Herzogs
Dienst aus dem Hause zog, Lieferung (Diäten). In den juri-
stischen Räten von Haus aus tritt uns gewissermaßen ein
;,^elehrtes Landsknechtstum entgegen, das jedem, der einen
vollen Beutel hatte, mit seinem Wissen und Können zur Ver-
fügung stand, allerdings doch so anständig, um nicht zweien
(iegnern zugleich als Rat beistehen zu wollen. Diese eigen-
artige Institution liefert einen anschaulichen Beweis von der
Schätzung gelehrter juristischer Bildung für das Staatsleben.
Je mehr es gelang, tüchtige Juristen in den ausschließlichen
Dienst eines Herrschers zu ziehen, um so mehr schwand das
Bedürfnis nach einer solchen Beratung von Fall zu Fall. Denn
w('nn die so gemieteten Doctores auch Ratspflicht leisteten, so
1 z. B. der berQhnite Dr. Martin Mair, Kat Ludwigs dos Reichen, stand
zugleich im Dienste der Stadt Nürnberg, des Pfalzgrafen und des EOnigs
von Böhmen Kluckhohn, Ludwig d. R. S. 157).
2 So veri)flichteto sich der Tübinger Ordinarius Dr. Lupfdich 1507 gegen
jeden, ausgenommen den Herzog Ulrich von Württemberg, auf 7 Jahre zu
dii'nen; Dr. Gregor Lamparter von Biberach verspricht 1503, lebenslänglich
dem H. Albrecht IV. in seinem Hause, wenn er das durch Botschaft oder
Brief von ihm verlangt, in seinen eignen Sachen zu raten, doch nicht gegen
den K«:5nig, das Haus Österreich, den Herzog Ulrich von Württemberg und
den Markgrafen Friedrich v. Brandenburg (200 fl. Jahrcssold).
— 572 —
war doch das Band, welches sie mit dem betrefifenden Herrscher
verband, uur ein sehr loses. Es fehlte ihnen nicht nur die
eindringende Kenntnis localer Verhältnisse, sondern auch jenes
tiefe Interesse für das Land, dem sie nur nebenbei dienten, und
jenes Eindringen in die Eigenart desselben, welche die Voraus-
setzung eines guten, alle Faktoren in Betracht ziehenden Rat-
schlags bildeten 0- Auf der andern Seite stand ihnen allerdings
eine reiche, durch ihre vielfachen Verbindungen gewonnene Ei^
fahrung auf politischem Gebiete zur Seite.
Die zweite Kategorie der Diener von Haus aus umlEEißt diejenigen,
welche bei drohender Kriegsgefahr das herzogliche Heer zu ver-
stärken hatten. Entweder sind es Bürgerliche, die nur für ihre
Pei-son als Einspännige, oder Adlige, die mit einer bestimmten An-
zahl von Reitern ^) auf Erfordeni des Herzogs oder einer seiner
hölicrcn Beamten bewaffnet an dem ihnen bestimmten Platze
zu erscheinen und Kriegsdienste zu leisten haben. In diesen
Dienstverträgon wird gleichfalls die Verpflichtung, gegen einige
bestimmte Fürsten zu Felde zu ziehen, ausdrücklich abgelehnt').
Für Irrungen, die sich aus dem Dienstvertrage ergeben und deren
gütliche Beilegung nicht gelingt, unterwerfen sich die Kontra-
1; Zweckmäßig war es dagegen, wenn man alte, fOr die regelmlligei
dienstlichen Obliegenheiten nicht mehr fähige Beamte zu Bfiten ron Hav
ans ernannte, um sich ihrer infolge einer langen Praiis wertvollen Battdilig»
in wichtigen Fragen zu versichern. So entläßt z. B. Wilhelm IV. den frühenB
Stranbingcr Hentmeistcr S. aufsein Ansuchen wegen Alters von diesem Am^ be-
stellt ihn aber wegen seiner getreuen Dienste „und umb das er in uiBcn
ambten vil erfarung und Wissens habe, deshalben er uns fQr andere n ge-
brauchen ist, zu unserm Rat und Diener von Haus aus (B. A. — Versclufi-
bungcn, Leibgedingo 1504—1547 enthält viele Bestallungen von Riten t. EL a)
2' 1443 stellten so die „Diener von Haus aus" 151, davon Jacob T^t^
seü von Waldburg 100 Keisige WQrdinger, Kriegsgeschichte vonBajen
. . von 1347- 1506. München 1868. II, S. 302 •. Gewöhnlich stellte
nicht mehr als 4-8 Pferde.
3i Dies war schon dadurch bedingt, daß eine Reihe höherer
anderer r:^taaten solche Dienstverträge mit dem baieriicbcn Hencoge a^
schlössen, z. B. loU) der Grofihofmeister der Pfalz, Ritter Job. t. MorsbeB»
der selbstredend Kurfürsten, Pfalzgrafen Ludwig und seinen Bmder Friediiclt
1510 Erbmarschall von Osterreich J. v. Seh., der K Maximilian
v. Seh.. K. Ludwigs von Ungarn und Böhmen Hofmeister. 1513 J. t.
heim, des Koichs Erbmarschall, gegen Jeden mit Ausnahme des Kaisai»
Herzog Friedrichs zu Sachsen, des Bischofs zu Eicbstfidt, des Abts n
Kempten R. A. — a. a. 0. .
— 573 —
lienten im voraus der Entscheidung des Hofgerichts — als forum
prorogatuni ^).
§33.
Der Charakter des Beamtentums.
Nicht eine erschöpfende Schilderung des Wesens des bai-
rischeu Beamtentums ist hier beabsichtigt, sondern es sollen
nur einige Beiträge zur Charakterisierung desselben geliefert
werden. — Unter der Kollektivbezeichnung „Amtleute" *) werden
alle Beamtenkategorien zusammengefaßt. Aus der Reihenfolge
der aufgeführten Beamten gewinnt man ein allerdings nicht
immer trefl'endes Bild der Rangordnung^). Dabei wird im 16.
Jahrhundert der Unterschied zwischen den (ausschließlichen)
Hof- und den Stiiatsbeamten schon scharf betont*). Von der
Privilegierung der Hofbeamten und Kollegialmitglieder (Räte)
gegenüber den übrigen Beamten wurde bereits gehandelt.
Das Beamtentum reknitierte sich zumeist aus den Ministe-
rialen •'), und der niedere Adel erhielt sich dauernd im Besitze
der meisten Hof- und Landesämter, und nur ein kleiner Teil
derselben kam in die Hände von Bürgerlichen ^). In den Rat
dt^r Herzoge drang das bürgerliche Element ein, erst als man
iuifinjx den Vorteil wissenschaftlicher Bildung für die Erledigung
von Kegierungsgeschäften zu schätzen. Mit dem Überhandnehmen
des Schreibewerks in der Regierung tritt der Kleriker als Kanz-
ler") am Hofe auf; der höchst einflußreiche Kanzlerposten wird
1) Eiu Liofcrgeld (Futter und Mahl) nach Anzahl der zu stollendcn
Pfordo wird vereinbart und Vergütung eines etwaigen Schadens zugesichert
"2 JJant'ben werden auch speciell Schergen als Amtleute bezeichnet
3) z. I>. 1288 vicedominis, iudicibus, preconibns, cunctis officialibus, 1315
^K. Lud\vi<r) viccdonunis, iudicibus, officialibus; 1345 Amtleute: Yitztume,
Pllo;,'or, I.'iclitcr, Schergen u. A-; 1481 (H. Georg) Vitzt, Hauptleute, Bent-
lIloi^lc^, Pilo^'or, Landschreiber, Jägermeister, Kastner und andre Amtleute
M. Vk IV, S. :jr)3: III. S. 200, 370, 381). L.O. 1516 S. G5: Hofmeister, Mar-
schall, Vitztum, Hauptmann, Kanzler, Räte, Pfleger, Rentmeister, Jägermeister,
I.andriclitcr. Kastner, Mautner, Zollner, Kanzlei- und Rentschreiber, Gegen-
8<'liroib«^r, Fürster, IJberreiter, Ungelter und alle andre Amtleute, auch Amts-
■lit'inT, ,,dio mit verwalltuug unnsers lands Regiment umbgeen".
4i Si.diL' S. 23^.
.-, Virl. Kiozlor II, S. 190.
• Ji /.. I). I.'ontmcistcr (S. 280), Kastner, Mautner etc.
Ij Si.-iio S. 2«).">.
— 574 —
auch Nichtklerikern , weltlichen Juristen zugänglich. Nun tau-
chen Bürgerliche, welche sich an italienischen, später auch an
deutschen Hochschulen den juristischen Doktorhut (oder die
Licentiatenwürde) geholt hatten, in immer steigender Zahl als
Räte am herzoglichen Hofe auf, gleichberechtigt mit den adligen
Räten, mit welchen sie im Hofgericht ^) und im Hofrat in ge-
meinsamer Arbeit zusammenwirken. Der lebhaften Opposition
der Stände gelang es nicht, die Juristen zu verdrängen. Die
feinere Entwicklung der Politik machte dem Fürsten wissen-
schaftlich gebildete Ratgeber unentbehrlich, wenn sie nicht in
den diplomatischen Verhandlungen von den durch ihre reicheie
^visscnschaftliche Bildung und methodische Schulung gewandteren
Gegnern überwunden werden wollten. Und da die Räte Ober-
haupt als Beisitzer im Hofgerichte verwendet wurden, so war dies
auch mit den juristischen Räten der Fall. Also das Eindringen der
Juristen in die Gerichte ergab sich meiner Meinung nach als eine
Folge der Thatsache, dass Doctores als landesherrliche Bäte be-
stellt wurden. Als Ratgeber der Herzoge erlangten sie auch
maßgebenden Einfluß auf die Gesetzgebung, und das ref. Ldr.
von 1518 und die Ger.-O. von 1520 weisen so eine stark roma-
uistischc Färbung auf, welche den Doctoribus eine steigende Be-
deutung in den höheren Instanzen verschafften. Sie waren jetit
unentbehrlich geworden, und nach dem Vorbild des R.Kammer-
gerichts gab es im Hofrat und in den Regierungen nd)en der
adligen Bank eine gelehrte Bank, wie auch die Doctores asf
Grund der für diese Stelleu erlassenen Instruktionen f&r be-
stimmte Funktionen ausschließlich Verwendung finden sottten.
Glänzende Repräsentanten jener Periode der Renaissance,
in welcher in der Wiederbelebung des klassischen AltertODS
ein neues Bildungsideal erstand, ein geistiger Aufschwung ohne
gleichen sich vollzog, finden wir unter dem höheren bairischeB
Beamtentum, eine stattliche Reihe hochgebildeter Männer, m
denen einige noch unter der Last der Staatsgeschftfte Mob
fanden zur wissenschaftlichen Produktion, während andere mA
begnügten, die Waffen, welche ihnen ihre wissenschafUidM
Studien, ihre Gelehrsamkeit geliefert, in den Dienst der TOi
ihnen geleiteten inneren und äußeren Politik zu stellen.
Als einer der ersten humanistisch gebildeten StaatsmftniMr
1) siehe S. 141 ff
— 575 —
in Deutschland begegnet uns Dr. Martin Mair, der Freund von
Aeueas Silvius, als Rat Herzog Heinrichs d. R. von Landshut, als die
Seele seiner Regierung^). Auch Dr. Leonhard v. Eck, der Lehrerund
(seit 1519) Kanzler Wilhelms IV., in Ingolstadt und Siena gebil-
det, ein Mann von großer Gelehrsamkeit, Klugheit und Geschäfts-
gewandtheit erscheint 3 Dezennien hindurch als der allmächtige
Leiter der Geschicke Baiems*). Er ist auch die Seele jener mit
zäher Härte unter Wilhelm IV. festgehaltenen Verfolgungspolitik
der Anhänger des Protestantismus*). Mit Konsequenz war er
bestrebt, die Macht des Herzoges zu mehren, sein Gebiet zu
vergrößern und eine hervorragende Stellung im Reiche zu
gründen*). Er war nicht selbst litterarisch thätig, ließ sich
aber gern als Beschützer der Gelehrten preisen *).
Dem deutschen Humanistenkreise gehörte durch seine litte-
rarische Thätigkeit an der bairische Rat Dr. Diietr. v. Plieningen
(f 1520). Er, der seine Uebste Erholung bei den Klassikern
fand, vermittelte ihre Kenntnis durch Übersetzungen und Aus-
züge '•) seinen Landsleuten, um sie moralisch zu heben.
Als Verfasser der „Wahrhaftigen Beschreibung des österreichi-
schen und habsburgischen Nahmens, Herkommens, Geschlecht
etc'^^O wurde bereits genannt der Hofkammerpräsident J. J. Fugger.
Auch ein Präsident der anderen Centralstelle, des Hofrats,.
Dr. Wiguleus Hund^) (von Sulzenmos), fand neben der um-
1) Riezlor in A. D. Biographie XX, S. 113, 116: „Er erscheint hier
(bei einer Yerhandliing, die er im Auftrage des BohmenkOnigs in Mailand
1460 fahrte) als einer der ersten Vertreter des Hnmanismns in der Politik,
als einer der ersten, welche formelle Eleganz, Schwung, Prunk und Wohllaut
der Rede auch in das Bereich diplomatischer Verhandlungen einführen.'' —
Die von M. bei Eröffnung der Ingolstftdter Universitfit gehaltene Bede bei
Prantl II n. 2 (S. 7 ff.).
2i Kluckhohn in A. D. Biographie V, S. 686.
3) Vgl. W. Vogt, Die bayr. Politik im Bauernkrieg und der Kanzler
Dr. L. V. Eck S. 10, 6.
4) Er stand im Kufe eines bestechlichen, unznverlftssigen Intriganten.
Karl V. nennt ihn einen Verräter, „der in Verrat und ehrlosen Künsten
Judas noch übertreffe und für Geld Christus, Vaterland, das Reich und die
ganze Welt verkaufen würde" (a. a. 0.).
5) Plinius, Sallust, Seneca, Lucian, Poggius (Schott in A.D. Biogr.
XXVI, S. 298 .
G) Der sog. „Ehrenspiegel" (v. Birckens) ist nur ein Auszug dieses
Werks. Vgl. C h r. M e y e r in A. D. Biogr. VITI, S. 183.
7< Er studierte in Ingolstadt und Bologna, wurde mit 23 Jahren Pro-
— 576 -
fassendsteii politischen Thätigkeit — kaum ciue wichtige Re-
gierungsangelegeiiheit ynirda ohne seine Mitwirkung erledigt —
noch Muße zur wissenschaftlichen Arbeit, aus welcher bei seinen
Lebzeiten zwei sehr geschätzte Werke an die Öffentlichkeit
kamen, nämlich eine Geschichte des Fürstentums Salzburg
(Metropolis Salisburgensis) und das „Bayrisch Stammbuch"*).
Ferner hat der ob. Kanzler und geh. Rat Hörwart*) sich nidit nur
durch Anfertigung eines Katalogs griechischer Handschriften, son-
dern auch durch A])fassung mathematischer und physikalischer
Schriften hervorgethan.
Durch seine juristischen Schriften hat der Münchner Unter-
richter (1518), später Sekretär und Hofrat Andreas Pemeder *)
in der Geschichte der Rechtswissenschaft dauerndes Ansehen
errungen. Er bearbeitete alle Zweige des geltenden Rechts
unter Berücksichtigung des bairischen Rechts und der bairischen
Gewohnheiten für die Praxis. Der gelehrte Praktiker, den ein
früher Tod an der Herausgabe liinderte, beabsichtigte wohl
durch sein Werk den Layenspiegel zu ersetzen. Seine vier
Werke Institutiwnen, gerichtlicher Prozeß, Halsgerichts-Ordnung,
Lehenrecht, zu denen noch die sog. Summa Rolandina*) hinzu-
kamen, wurden nach seinem Tode von dem IngolstÄdter Pro-
fessor Hunger herausgegeben und fanden eine ungeheuere Ver-
breitung •'' ).
fossor iu I. und 1540 zum Hofrat eruainit, lo4i^ zum Assessor am R-EAmn.-
<ior., 1551 wurde er Kanzler der Ijandshutcr Regierung. 1552 Hofratiprfai-
deut. Das Pflegeanit Dacliau und Menziug wurde ihm übertragen. T^
Hundts Autobio^Taj)liie im 3. Teil seines Stummbuchs b«*i v. Froyberg,
Sammlung histor. Schriften und Urkunden III, S. 182 U und Eisenhart
A I). Hiogr. XIII, S 303.
1 Vgl. über diese und den hands?chrifilichen Nachlaß Hund*8 Eisen-
hart a. a. O. S. 3Im; f.
2; Alle wichtigen nolitischon Akienstücke sind von ihm gefertigt» anck
das Memorandum über die Finanzlage (1507j, welches zur Abdankung WB-
hrlms V. führte. Vgl über ihn Eisenhart, A. D. Biogr. XllI, S 170 fi
3) Über seine Schriften v^l. bosenders Stin tziug, Gesch. d dontichfli
i:.vhtswi??..n«chaft I, S. 573 1V., und Eisenhart, A. I). Biogr. XX V, S. 38i £
4 l>ie llunirer'sche Aus^gabo wurde von 1545-07 mindestens lOmal nes
aufg«'legt. Miri'li'.^tens 3 Auflagen uni^r vollständiger Umarbeitung derHalff-
u«'ri<"hi ?-(.). bct-orgte ib-r Straubing«'r llegimentsrat Dr. Schronck (1573^81)
Vgl. S t i n t z i n g S. 573 f.
5 d. i. kur/iT i)<Ti(.'ht von allerliand Contracten und Testamenten.
- ha —
Der Bildunjj^ssUiud uuil die Tüchtigkeit des höheren Be-
iiintentums erscheint nach diesen Beispielen als ein sehr hoher,
und auch die früheren Jahrhunderte zeigen einzelne Staats-
niänner von hervorragender Bedeutung im Dienste der Herrscher
Baicms. Diese waren ernstlich bemüht, bedeutende Kräfte, wo
sie dieselben fanden, für ihr Territorium zu gewinnen 0, und
der nie ruhende Kami)f der Landstände gegen die Gäste be-
weist aufs schlagendste, daß die Herzoge nicht gewillt waren,
partikularistischer Engherzigkeit die Interessen des Staatswohls
unterzuordnen. Die Herzoge, welche keineswegs gesonnen waren,
die Ausländer den l)rauchbaren Inländern vorzuziehen ^), ver-
standen es, manch schätzenswerte Kraft aus der Beamtenwelt
des Auslandes ihrer Regierung zuzuführen und festzuhalten.
Eine bei den leitenden Staatsmännern des Reformations-
zeitalters häufig beklagte Eigenschaft, die unersättliche Hab-
>uclit und P>estechlichkeit, kommt auch bei einigen der höchsten
1) So finden wir Dr. Martin Mair (geb. zu Heidelberg, wo er auch seinen
Studien oblag) anfänglich (1449) als Stadtschreiber der Stadt Nürnberg. Da
der Ruf seiner Klugheit und Geschäftsgewandtheit sich rasch verbreitete,
wurden seine Dienste vielseitig begehrt Er schrieb fQr Friedrich IIL und
die verbündeten Städte, war für ersteren und die ülmer wiederholt tlifitig.
H. Wilhelm von Sachsen suchte ihn vergebens von den Nümbergem zu „ent-
leihen". 14o5 wurde er Kanzler des Erzbischofs von Mainz, ohne sein Dienst-
verhältnis zu Nürnberg ganz zu lösen. Auch mit dem Pfalzgrafen Friedrich,
dem Bischof von Würzburg und dem König Georg von Böhmen knüpfte er
neue dienstliche Beziehungen an. 1459 ^lird er dann endlich auch Bat
des Landshuter Herzogs Heinrich d. K, in welchem Dienstverhältnisse er
bis zu seinem Lebensende blieb (Kluckhohn, A. D. Biogr. XX, S. 114ffl). —
Dr. Dietr. v. Plieningen (studierte in Pavia) tritt 1482 als Rat des Kurfürsten
Philipp von der Pfalz auf, 1493 als Vicarius des Wormser Bischofs von Dalberg,
1495 Assessor am K,Kammerger. und wird dann Rat Albrechts IV. von Baiem
(Schott, A. D. Biogr. XXVI, S. 297). Und noch viele Andere wären hier
zu nennen.
2) Auch Baiern finden wir öfters im Dienste benachbarter Fürsten, aus
welchem sie dann später in den Dienst des Heimatsstaates übertraten, z. 6.
Dr. L. V. Eck (studierte in Ingolstadt und Siena) war zuerst Rat beim Mark-
i^Tüidü (ioorg von Brandenburg in Ansbach; Dr. S. Thaddäus Eck (Stiefbruder
•les berühmten Theologen; studierte in Ingolstadt) fungierte in Wien als
< )fticial des Bischofs von Passau, wurde in Salzburg Assessor des erzbischöf-
liehen ^lorichts und dann Consiliarius des Bischofs zu Eichstädt, bis er 1545
Kanzler in Burghausen und später in München wurde (das ihm angetragene
Amt eines kaiserlichen Vicekanzlers lohnte er ab und nahm nur den Titel
k.iiserl. llat an). Vgl Kluckhohn a. a. 0. S. 604» 60G.
licv- li tliil, (ifi. hichte "d. OericIiUw. u. d. Verw.-Org. Batems. I. gj
- 618 -
Beamteu Baierus zur Erschcinuug ^), doch gehören hier soldie
rcrsöulichkeiten , deren sittlicher Charakter nicht auf der
Höhe ihrer geistigeu Befähigung^) steht, immerhin zu den Aas-
nahmeu.
Von dem niedrigen Bildungsgrad der Pfleger (Bichter)
wurde schon gesprochen ^). Daß es auch mit der sittlichea
Führung dieser und der ihnen gleichstehenden und untergebeneD
Beanitenklassen nicht gut bestellt war, erhellt aus den zahl-
losen, sich stets wiederholenden Beschwerden über die von
ihnen verübten Bedrückungen der Unterthanen, welche immer
wieder aufs neue gesetzliche Abhilfemaiiregeln veranlaßten^). Der
Schluß, daß es sich hier um besondere, dem bairischen Beamten-
tum eigentümhche Mängel handelte, wäre aber ganz irrig, demi
derartige Erscheinungen treten in dieser und der folgenden
Periode auch in anderen Ländern in gleicher Weise horor.
Daß trotz dieser Gebrechen die Verwaltung und Rechtqifli^
sicli in erträglichem Zustande befanden, ist nur den ausgezeicb-
neten, in relativer Vollkommenheit entwickelten KontniU-
einrichtungen zu danken, durch welche sich die bairische Ad-
ministration rühmlich hervorthat, sowie dem wohlgeordneten
instanzenzug, welche den Unterthanen einen llechtsschutz gdgea
Bedrückung und Ausbeutung durch pflichtvergessene Beamte
zu bieten bestimmt waren. Dazu kamen die steten Bemühungen
der Fürsten, durch Justizrefonuen ihrem Lande den Ruhm einer
guten Rechtspflege zu wahren.
Kin höchst wirksames Mittel der Kontrolle des Beamten-
tums-bildete noch die Kritik der Landstände, welche, ähnlich
wie dies heutzutage in den Landt^igen gelegentlich der £tats-
büratungen zu geschehen pflegt, alle Gebrechen, die sie in Justii
und Verwaltung wahrgenommen , Abhilfe fordernd vorbrachten.
1) z. B. bei L v. Eck (S. 575), Dr. Lampartcr (t. Alberti, A. D. BiogL
XVll, S. 579;. Auch Wühclms IV. Hohueistcr Hier, von StMif win )mt
zu ncDucii, welcher die Zwietracht seines ilerm mit seinem Bmder H. Lii-
wit,^ durch uiederträchtige Hetzereien geschürt hatte, proiesnert und 1511
VM lugolätadt enthauptet wurde (Buchner VII, S. 26 ff.).
2j Es ist selten ein Minister gewesen, der dem Stauffer an Ventand ni
Schlechtigkeit gleich, sagt Kudhart II, S. 104.
•S) Vgl Ö. 78.
4^ Vgl Ö. 96 ff^ 5S5.
Solche ständische BeschAverden gaben den Impuls zu vielen
segensreichen reformatorischen Maßnahmen auf dem Gebiete
der Gesetzgebung und Verwaltung und führten die Beseitigung
mancher schweren Mißstände in der Amtsführung der Beamten
herbei.
Daß der Landschaft hie und da auch eine Ernennung
besonders der Räte eingeräumt und so dem herzoglichen Er-
iiennungsrccht eine verfassungsmäßige Schranke gezogen wurde,
ist bereits mehrfach betont worden. Die Landstände wußten
die Minderjährigkeit der Herrscher oder schwebende Streitig-
keiten in der fürstlichen Familie zu einer Erhöhung ihrer
Macht zu benutzen, und so auch 1514, wo des weisen Al-
brecht Primogeniturordnung von dem durch sie benachteilig-
ten jungem Sohne Ludwig angefochten und eine Teilung des
Herzogtums angestrebt wurde. Die Landschaft brachte eine
Vereinbarung zwischen Ludwig und dem älteren Bruder Wilhelm
/u Stande, derzufolge die Brüder auf die Zerstückelung des
Landes verzichteten und sich zu einer gemeinschaftlichen Re-
gierung herbeiließen und zugleich einwilligten, daß, bis beide
das 24. Jahr erreicht hätten, die Landschaft Räte und Amter
besetzen und die eigennützigen alten Räte entfernen dürfe.
Die an diese Vereinbarung sich anreihenden Vorgänge ^) werfen
so helle Schlaglichter auf das Verhältnis der Stände zum Be-
amtentum, daß wir auf dieselben etwas näher eingehen wollen.
Kaiser Maximilian I. ließ durch eine Gesandtschaft dies
Vorgehen der Landschaft*) für eine Schwächung und Verletzung
{\{)Y l urstenrechte erklären, die er nicht nur im Interesse der
liiiieniherzoge, sondern auch in seinem eigenen und der aller
regierenden Fürsten nicht dulden werde ^).
1) Über diese vgl. Radhardt, Gesch. d. Landstftnde II, S. 54 ff; die
VcrhaudluDgcD tinden sich aosfflhrUch in Landtag 1514, S. 29 fL
2) dali sie Kegiment setzen, sieb der fdrsÜichen Obrigkeiten, Herrlich-
kiuton uud Verwaltung annehmen , darein dringen und also mitherrschen
wollton als wider altes Herkommen, gnte Sitten, menschliche Vemanft» Recht
und Billigkeit verstoßend (Landtag 1514, S. 246 t)
3) Zur Rechtfertigung ihres Vorgehens berief dch der Ständeansschuß
dorn Kaiser gegenüber darauf^ daß in H. Wilhelms Regierung „durch ettUch
ai^euniizi^'c Hat, die sich iu Gewalt eiugctrungen, übel uud zu grossen Nach-
Uiil und Verderben der Fürsten auch Land und Leuten geregiert worden Jst^
dieselben Räte hotten den jungen firomen Fflrsten also besetzt und umb-
37*
- 580 -
t)ic rielfacli durch kaisurlicbe Kommiss&re gefQhrtai Va
bandluiigeD konnteu die DitTeruuzen dur beiden Brüder so KtriUi
bebeu, dali cid Bürgerkrieg auszubrechen drohte. Doch Iwvai
der von MiUÜniÜiau anberauniUt Inusbrucker Kecbutat; bcnuit^l
iiuht war, wurde eine Versöhnuug') der baden Herzoge bor
beigefUbrL
Wie Sehr die Landecliaft von der Bedeutung der ',
fUr dos Wohl des I<andet> darchdrimgeu war, dos
ibr entscbiedencs manubaftes EintrL-ten für dio^eII)en gcgcsBl
U. Wilhelm. Der Au&schiiß lieli diesem, welcher sieb in i
ungnäfligen Worten Über einige seiner Hüte ausgelassen batto,
durch Dr. vou Plienniiigun üebr euergiacho VurstcUuDgen bita
we^en macheu, mit eiudriuglidier Vermabnung, solches I
zu unterlasseD *).
buig«ii, «0 noch 1 Jabr oder 2 eine LudMbaft daoMlbvn BaKtmn i
■eben, die FOntea aod de waren auf giiüieii Zweig lugmn iri*daf h
Dana Ällcrgnedigüter Kiiier Boll jangen FOnten du Ir dank i
Bbite lerthmn, unnd wo oicbU raebr TSrhuiideii, boUuii «ji kllvMg ata L
tcbftflt luob tteuT ond hOff, wie jeil gevcbeben, »attnatiffBa, imA«|
LoiiDdirhafil nit aolt fOrkbomnieD werden, anod duob »dii, waa( t
dardorcb der FünUo unnd de« Lmndi Terderben rerhnak miail I
ment io guett vcrwenndt worden ? du wire tllergnedl^toT Hnr 4
UcbeD veniaofit widerwerttig, die Luindloatb wlron e« weder den
rOnten nocb In selb« zuieeehen unnd zngeduldnn nit icfanldlg, (j ■
jeni^o Bllergnedigiiter Ktüer diu du to »j ntben aocb belffen mi
unnd iniemudtc biUicher aiebt dwein , du» min LantidKluA >!• Hch ft
diMiD Ul jrnt geKhehen iat lUodtaK IQIi. ä 2&8 t ; T|-L boa, i
s. 314, seix
1) Vgl Ober den Vortrag Rocklngot, Einlnitaiig S. 340 t .
3) lit deebalb eioet Autarbum« auch dar Kito BegdrMi ■
\L Un. wollten fürohio von (olcbeo ungeachickUD tud n
■ieb ^erhilteii, den lUlen. auch dem AasKbull (u tagm SolehM I
tban, dann et nit lu gedulden oder id leiden, wAr« kenwro B
nod wo E. Gn. darauf beharren würden, eo mfllta mi
und an eine Landaebafl laogm laeitoii. «u NoU oder %
wOide, iat gat in bedenken. .Solch trowortl*, m^gta di* 8tAndi^3
gegen JQDgen oiiTBnUndigDQ kUndem oder anvemanStiiien leBttea gl
Aber gnediger Herr gegen Bhilen, die >ent«nndig und & Qda. laf
will e* lieb nit Rogen , »oleb Itbit, die der luehrei tall b«; R f
und VkOar gediennt haben, werden geafht, ud bUUeb mIIm (
rerrnnett dal ij bandlen wie fron leuU, und vj In Pfliebt«n i
•ebnldig Mlnd, &j «elnd auch blftbw nit aimdint wAiodeB.
Uuin Bhtt TOD £ Odn. H«rm uid Tattar tolcbe weitt ftr (wUJI
— 581 —
So sehr man auch die in diesem freimütigen und mann-
haften Eintreten der Stände für die übel behandelten pflichtge-
treuen Räte sich bekundende ehrenwerte Gesinnung schätzen
muß, so sehr wird man doch über die heftige Keckheit der Sprache
erstaunen, welche die Grenze der dem Landesherm geschuldeten
Ehrerbietung weit überstieg. Wie gi'ell sticht solch über-
mütig schulmeisterliche Rede ab von der Rücksicht, mit
welcher in unserm konstitutionellen Zeitalter im Allgemeinen
selbst die Anhänger der Oppositionsparteien die Person
des Monarchen behandeln, um dann allerdings um so schärfer
den verantwortlichen Minister aufs Korn zu nehmen. Es ist
sicherlich ein großer Erfolg, daß solche Mahnungen trotz der
Zügellosigkeit der Form, die den Monarchen verletzen und er-
bittern mußte, sein Ohr offen fanden. Es ehrt den Herzog in
hohem Grade, daß er seine Rede als unbedächtlich geschehen
bezeichnet und erklärt, daß keiner sich einer Ungnade zu ver-
sehen hätte. Er hatte wohl durch die bittere Schale den ge-
sunden Kern herausgefühlt, wenn der ständische Vertreter ihm
treuherzig zuruft : „Ain Rat ist eines Fürsten Schatz und Herz,
der muß menschlich gehalten werden, damit die in guter Lust
bleiben."
Eine Verbindung zwischen Landschaft und Beamtentum ergab
sich aus dem Umstände, daß die herzoglichen Räte zumeist dem
Rittorstande angehörten und vielfach zugleich adlige Mitglieder
der Landschaft waren. Das erzeugte oder konnte erzeugen eine
Kollision der Pflichten, wenn die Interessen des Fürsten, wel-
chem sie doch als Räte eidlich verpflichtet waren, denen der
Landschaft, für deren Nutzen und Notdurft zu handeln sie gleich-
falls gelobt hatten, nicht übereinstimmten. Der einzige Weg,
welcher aus diesem Zwiespalte herausführte, war der, daß die
Landesherren für eine Landtagssession oder für eine einzelne
mcD, noch vil minder gezimen solche zornige wortt E Frtl. Gdn. als einem
jungen Fürsten zeuehen, der noch der erfahrung oder der geschickhligkait
nit ist, wie E F. Gn. Vatter gewesen ist, oder zugebrauchen. E. Gdn. Vatter
bat Ire Rhäte von verrem herzu mit gnedigen und guetten wortten auch
;,nietter belohnung gebracht, dieselben yezt von E. Gdn. mit dergleichen
wortten zu übergeen, haben E. G. wol zuermessen, daß es nit zngedulden ist,
wo es E. Gn. Herr und Vatter gethan, die Rhäte w&ren Im alle wie schneider-
khnecht aufgestannden (Landtag 1514, S. 466 t).
— 582 —
Handlung solche Beamte ihres Amtseides ^) entbanden *). Soldie
Eidesentbindung entsprach einem alten Herkommen. Als nun in
den oben geschilderten Verhandlungen eine Botschaft der bairischen
Stände zum Kaiser abgeordnet werden sollte, beantragte der Aus-
schuß bei den Fürsten eine solche Ledigzählung der beamteten
ständischen Deputationsmitglieder ^ ). H. Wilhehn wollte jedoch
diesem Antrage nicht willfahren, was unter den Ständen grofie
Erbitterung hervorrief, da dies gegen altes Herkommen verstießt).
Zu welcher Höhe idealen Freimuts sich auch das abhängige
Beamtentum seinem Landesfürsten gegenüber aufzuschwingen
vennochte, dafür haben wir ein beredtes Zeugnis in einer
gäbe der Bäte der Hofkammer sowie einiger verordneter
(Hofmarschall Pankraz v. Freyberg, Hofmeister Lösch und
Dr. W. Hund) wahrscheinlich aus dem Jahre 1557 an Herzog
Albrecht V., in welchem sie diesen ehrerbietig, aber im Tone
rücksichtslosester Offenheit Voi-stellungen machen, über seine
Lebensführung, welche den Niedergang des Staatswesens zur
Folge haben müsse. Sie knüpfen daran eindringliche Mahnungen
und Vorschläge über Verbesserungen, indem sie namentlich den
außerordentlichen Vorteil anschaulich schildern, den eine per*
sönliche Anteilnahme des Herzogs an den Verhandlungen der
Kollegialbehörden für die ganze Verwaltung mit sich bringe.
Das Schriftstück ist so außerordentlich interessant nicht nur
1] . . . hat ain Landschaft alter gewohnhait nach hegeert, daft S. t Gdi.
die Lanndsleuth, wo »y mit ainichen Pflichten verwohnnt wftren, äena w
lang dieier Lanndtag unnd sein Ausschuß weren wurd, ledig zelen, damit dei
Furstcnthumhs unnd der Lanndleuth notturfft unnd anligen dest bu bedadit
möchten werden, das ist auch aßhaldt allso von H. Wilhelmen penooliA
geschehen, unnd sind gclühdte hegeerter maßen ledig geselt worden (Landtig
1514, S. 26).
2) Auch auf Vasallen wurde solche Enthindung ausgedehnt» x. R T^an^t^
1514, S. 288.
3) So aher die (Mitglieder der Deputation) aus der LumdachAilt ge-
nommen müssen werden, und unnder den ettlich Ire üdn. mit Pflichten vei^
wandt wären, so es von alter horkhommcn und gewonhait geweet» wann mal
mit den Fürsten des Lands notturiil hat geüht, dafi allzeit die FOnten die
Land-Leuth Irer Pflicht in Kuo his zu End der hanndlong geitellt haben..
(Landtag 1514, S. 463).
4) Die Stande warnten den Herzog vor der ühlen Nachrede^ die flun am
solchem Verhalten entstehen möchte, er aher gab nicht nach, aonden ei^
khlrto, sich hierüber eri^t mit dem Kaiser beraten zu müssen . . (ib. 8- MjL
^
— 58n -
für die hochcntwickcltiC PHichttreiK» des Be^initentunis, sondern
für den Zustand der Landesverwaltung überhaupt, daß wir unten
einige eharakteristische Auszüge aus demselben geben wollen.
( btT eini<^e dcTbe und scharfe Wentlungen der liäte muß man
billi'^ staunen, und namentlich kann man die bis ins Kleinste gehen-
den sehulmeisterliehen Katschliige einem regierenden Fürsten
gegenüber, der schon Vater mehrerer Kinder, nicht gerade für
•jc/iemend halten, wenn auch sie vcm väterlich wohlmeinendem
i iei>te durchweht sind. Verraten manche Ausführungen eine klein-
\n'\h\ engherzige und philiströse Anschauungsweise, die dem hohen
künstlerischen Flug ihres Herrschers nicht zu folgen vennochte,
><• ist man d<K*h der Bewunderung voll für ein Beamtentum,
\v(l(>lie> mit einer Wanne, die von den ganz unabhängigen
Standen nicht in Schatten gestellt wenleu kann, die wahren
Interessen des Lanties und des Fürsten selbst diesem zu Gemüte
führten, ohne tue l'ngnade desselben zu fürchten. Aus jetlem
Uort tont uns entgegen die Sprache des Gewissens, das in un-
II -rliutierlicher Treue sich gezwungen sieht, nichts zu verhüllen,
uiKJ nur da> eine Ziel v(»r Augen hat: dits Wohl des Fürsten und
dl- I.anilr>. untl also Abwendung der diesem drohenden Gefahren.
.iit/i knninit in den Häten das Gefühl der Verantwortung für
• l.i- «HM'hitk ile> Landes, an dessen Regierung sie mitzuwirken
iM-nifrii ^ind, ein ellergische^ sittliches Pflichtgefühl zur Kr-
-rlirinuML; ' ). Von diesem Beamtentum läßt sich jedenfalls nicht
'iliaiiptifi. „dab es versumpft in trägem Schlendrian «kIct ver-
u'iftr? durch tlie Servililiit nach oben'* war. Diese ]k*amten fühlen
uh nn^ mit «lem SUiate, dessen Dienst sie sich gewidmet
'i.iImh Snlilir ZeugniN>e eines mutiu'en pflichtbewußten Kin-
rn'triis iin Kati« für ihn* t'iRTzeugung linden sich nicht ver-
• iii/ilt, lind auiii o!K.'n tS. f)*)! f.) wunle >chon eine solche
IUI kh.ihln-c otli'iiheit fiietende Hingabe tler Ilofkammer an den
llrr/n:^ inil::i'tt'ilt
I !•• i* nkt-ii M<«li-lior <ii*fitalt un^or i;il FOrnt iiinl lli^rr
. ' n ; 1 f •> 1 •— A 1 1 m ii r h t i }; •• n i u c i n ^ r b f f k r r i» ti o r il •• n 1 1 i r h o n
If i- .ril |{ i II >- hal t u iii: Votninvii. «lanlurch Hcitrr«' Scliul«l.
^ ■ h i I ■ n 1 II •! V •• r «i " r Im» n , a u c h j t* t z t o b 11 c l' «* n «l o r S c h u 1 1! o n •
': ^ • • " :i«l'rt tind mit dor Zeit L'»r ubkri-ntollt ncrUcn
li ' :.i '«ht in;:**ßkkr auf 3 lUupt|>uukti'u iKuiäe im Kr. A. M.
n •; ■• :■ ■ r-iirlii'üiL'-n »tr. bi-tr IWil— 1^21». I. au *. t ti. («« H^ine ftlp't-
Durch nieiir als 4 Jahrhunderte biiidurch liaWii wir die
KutwickluDg lies zweitgrAßtea deutschen Staates verfolg!, dcssrn
lieh« Gnftden] setbit oi^vr Pnnon, Thun and Wooeo. U. u Rintri>rati|t 4m i
Atutgebeiu, lU. ui Mvhmng <leB Eümehniam iui<I KammarKnU.
der 1. und Hiaptpunkt . lieun ho t. t 0. telbtt lliuii und Wm<
chrktlicher oiid fnnll. Onlnung kuin dkntua uidcn oichti denn ■
nSmtich eino labliclic, chiüüicbe und faretUobo Rnfnaning, taeb g
«irtaehAft erfolgeu, wo uicht, au aind di» ud«ni Punlti- and »Qa >;
Kktacblige, Hittel, Wege und Hiur» gtat TPr^ebsns, dpnn f< !*l ADm am |
Haupt ^legeo; uub denuelbea rirbt«n nch alle Ciliedct nnd iIm km
NBcbdem Alles, wtu wir haben, von Qotl kummt, auch alla ■
Sachen und Handlungen mit Gott auanfau)(eii , «Ivwohl die I
sehen, nnsei Fflnt loi als ein ehriitlicbni Fflnt dmirn, «a* ti
(IcbraDcb, nichts deit« weniger xu mabr Erinnenui({ nnd i
bedacht, dal f. 0. vor allen Dingen Gott vor Augen habe, fürchte, tivb«, IBr
die vielen Gaben dankbar >ein lotL Empfohlen wird nan die AnftaUmif tbm
betonderen Kaplan« neben dem Horprediger. Am dieiem Allan «Onla imm
folgeo, «ie e« bei diesen leUten i^eCUulichea Zeilen und ^(ro&eii HpaltnncMi d
hachfte Notdurft, dalt f. G. dere FOntentiun, Land nnd Leota, leitUche ■
ewige Wohlfahrt dotto mehr betrachten und bo>. in EnJt
FflntenamtJ, dieweil bei den geUUichen Oborhiaptem dieiea Fall« d
licbo Hangel und Naebllfilgkeit vorbinden, anf «ine ehrbar« e
tion, Itefomiation und Kirchen Ordnung in ihrem Pflrataatnin 1
würde, dieselbe bei ihren Geistlichen, deren ria mlehtii in d
richten und darob lu halten, dann, was man «ich auf da* VOirftiee o
«der Biirh nachfolgenden Bcichsvoriuunmluiigen dnrohalban in gati)
gRbcn vorige culloquii und Beieiutag wohl tu erkennen und w
auch rataam jetit alsobald aoT lolch wichtige HandlonK anch t
•onen hienn n gebraaehen, bedacht n sdn mit dem Anhang.
Work der Visitation . . vor der Publication nnd alli-m andern an i
Obrigkeit gelangt, ihr Bedenken darllber gebort, wg mählich mit S
glichen werden tollt«. Wo «ich aber eine solche chriitliche e
gleichnng, wie tu heeorgeo, bisher etwa bnschnh<>n sein mecfata, >i
IIoiTahrt oder Eügennati >toten wollt«, dann iloreh unsem Uma i
Rat verlaluen und danu Niemand angeeehen noch varechoDt «
dareh viel« 1000 Mantcben noch in dem alten wakna oad <
Glauben srhaltea, ferner Bpaltung, Irrtum, KatiarcisB ftrittt, s
st4ieni Uraaehe gegeben «erden macht« darglejehen aocb t
achten die Kita, toll nnterm Hern inm böehaleB angetegwi Ni& Dal m
s. £ G- da* ta thnn «chnldig. darum von Gott dem AllmKittifia •
l^lea TOntontom (BigBMtiL mit «olrb hohem Ventutd ood Owtel W- 1
gabt, dal tie Land oad Leute anttii'h in dem recJitcn catheL E
— 585 —
rlamaligcr Länderbestand noch heute einen wesentlichen Be-
standteil des stark vergrößerten Territoriums bildet, der noch
christL Zacht und Wesen, nachmalen in guter justitia, znm 3. in Frieden
und Ruhe an und außer aller unziemlicher Beschwer regiere.
„Für das andre Mittel unsres Fürsten Person hetreflfend werde hedacht,
daß 8. f. G. nach dem Gottesdienst die ührige Zeit in ein ordentliches Thun
und Wesen austeilen soll, denn da wo keine Ordnung, da ist confusion-:
daß f. G. alle Morgen nach dem Gottesdienst zu Rat gingen, wären Privat-
odor geheime Sachen vorhanden, als Reichs-, Kreis-, Bundes-, Landschaft
oder andre dergleichen Handlungen, so in gemeinen Hof- oder Eanunerrat
sonst nicht gehörig und hes. was jetzt die Religion hotrifft, daß auf Ansagen
«les Marschalls die dazu verordneten Räte zu s. f G. heschieden, in ihrem
Hoisoin die Sachen beratschlagt und verrichtet würden. Sofeme aber der-
gloichon Sachen nicht vorhanden, s. f. G. dann, wo nicht täglich, doch einige
irewisse und benannte Tag in ihren Hof- und Kanmierrat abgewechselt gingen.
auf welche Tage die wichtigsten und fümehmsten Sachen und Verhöre ver-
s<]iobon. Dadurch würde s. f G. gewahr, wie die Justitia allenthalben in
dorn iranzen Fürstentum administriert, daneben wie bei seinen Ämtern ge-
liaust. mit seinen armen Unterthanen, auch dem Eammergut umgegangen
wordo. Daraus würde s. f G. einen großen Ruhm, Autorität und Reputation
hoi mäniglich erlangen und bes. bei Landschafk und Unterthanen ein son-
•loro Liob und Affection. Dies würde nicht allein am Hot sondern auch bei
allon andern Ämtern und Regimenten treue, fleißige und ehrbare Diener
niaclHii, damit unzählbar viele Beschwerungen der Armen, item der Diener
rntrone, Eigennützigkeit und Hinlässigkeit abgestellt, die Rät in ihren Ratr
s<bläsron, dergleichen andere Diener in ihrem Thun desto paß erkannt, um
soviol fleißiger und williger zu allem dem, was s. f. G. ihnen auflegen. Es
wurde damit auch viel Zeit, so sonst mit dem Referieren verzehrt, er8])art
allo Sachen desto stattlicher verriebt und die Leute schleuniger abgefertigt,
vielfältige, unnotdürfb'ge und übermäßige Ausgaben abgeschnitten. Dann
durch fleißige Besuchung des Kammerrats würde s. f. G. täglich erinnert,
daß solch Gut und Geld, so daselbst ausgeben würde, s. t G. eigen wäre,
<laf(ir PS bisher schier nicht gehalten will werden und würde s. f G. gewiß
an <lin Hand brennen, ihr zu Herzen gehen, wann sie den täglichen Last und
in»orlauf daneben sähen und hörten, wie sauer und beschwerlich es den ge-
iiioinon Bauersmann ankommt, bis er die jährliche Gült und Steuer ohne
andro obliegende Beschwerung mit seiner harten Arbeit zusammen krazt, wie
lioscliwerlich auch das Geld auf- und zusammen zu bringen, das man viel-
mals so liederlich acht und ausgibt Damit würde auch s. f G. von jetrigem
iipilii^rgohendem Thun und Wesen, damit s. i G. soviel edler Zeit und beste
Jui^end einen guten Teil hinbringt, abgezogen, in kurzem in eine solche
fn rstl ordentliche löbliche Gewohnheit und Arbeit gebracht, welches s. f. G.
luTnacb für alles Andere lieben und gefallen würde, sonderlich da s. f. G,
das <rewisso Aufnehmen und Gedeihen an aller Wohlfahrt dabei augenschein-
lich spüron würde, denn es ist ein heilig und wahrhaftig Sprüchwort „des
Iiculc unter dem Scepter jenor ruhmreichen Dynastie stebt, <Ue
mit Otto I. die Herrschaft in Baiern anKetreten hat.
Herron Ang macht platte Pfer4''. Daneben wollb^n din MU t t Q. ihr»
ehrliche Knnifei] und Preade mit Wudwerk. F^chvreioa mit HiutUi. 8]m-
ijpreii, LkdMh&non nicht widemt«n. eood^rn pRipfchlen Mil in halten*. H»-
dnnn wird cinn VcnnindoniDp der Cintorm i^mpfohlen und itv intiine üvt-
gKiiit mit den Singern ireiil^. „in «nmma dnt ■. t (i. ungnwbtrt di««n
jetiicen ifSBcIiwindeo und unj^ftlirlirbeii \Aat in b11«d I>iDf>m allHn Bnbi^
Kanwpil and Lnst mcheo, die Arbnit und Geiichlfto je Xlngnr. jt nabr
fiinhc . dessen haben die lUte mit >. f. G. Mitleid. 8. t Q. wottan £e
hei'IntBcben und chriBtlichcn Eiempcl. deren ne vor i,i>le>'-n haben, *or Anip«
nehmen, ra werden sie «ich de» Endee und Ans^ne« d>'r|i1i^i':bnn Wncnn baM
rrinnpm, ndmlich daG daraiiE nicht« anden» crfalfft s,h endticbn VrnbrianL
Spott und Schande, der Seele za .geschweigen. sbr.r d*& ■. f. O. bl ^m. Be-
donknnj; der Neijrlichkeit tur Mosilc eine eiugeiegMe KapeQ» vm pifa»
Lcatcn habe . - würde Niemand widerrston".
Für da« 3, Mittel bei diowm I. Hauptpunkt dM Hnm Penon
wird bedacht, daS C G. «ich allenthalbon statUicbrr, ebrUcher. frommer Dionef
vom hochiten hn nun njedrigtteti. ititm tSitlicbpr ehrlicher Oeiellachaft b^
Reiften wolle, dHnim bedacht »ein «olln. d*fi 11 >. f. 0. K^irimeat und IrnVa
Amter «tattlich beaetitt werden, «io plnichwohl der )Ut Wiweni »Dbirrbaim
Hof- und Kammpmit knin Hantel, derirleii^ben aach zd StraubiDU nnd BarghAOM«.
aber lu lAndiihat daonoch otwa beMere Einnehnne vonn'iten. damit awii c^
Khickter, erfahrener, tapferer Leut, londerlich ron der Landtchaft dabte C*'
seUt, dabei etJiehe der Junten lernen and niÜKexoKen werden nAcU«ii.
3) Item aa werde bedacht, dafi anser ita. Herr ob allen Ämtern n BoC
■onderlirb den obriirten Offlderen nl* HarRchall. Uot- and Km
ernstlich halten , einen Jeden bei neinnm Bnfnhl Uaaan. die mai
Otn Bencheid an rie weiien »o1! , damit ein Jeder leinnD Befehl
Keiner dem Andern eini^reifen. iticb auf den andern verlaMcn «dn
iigm mSchto, darann die Mohraii); nnim ga. Herni Ropntatjon osd
gota. aoeh eine ordentliche Bofhaltun); durchaua )iewi£lich lu irrhafloB;
St werde bedacht, daE andre Ämter im l,and auch nicht aadt Gurnl
din Berflhmuoe der Vordorea, tondem nach Qmcht'-.kliehkeit , Khr^uMt
und Verdienit mit edlen, redlichen and woblirerfl>tetcn Leaten anch Ital «.
f. 0. Kammerrit be«etit denn daran will nicht allein unterm k"- Harm ta
Ilandhabuof; aelner GemchttukeJt and «eine« Kammermta. inndera aach iam
ßr^atoa Land and nmemlieh den armen (Tnterthanen hoch iralaxMi aata.
Wann auch die Amier wohl beaetat, hahen die Kegimrat deMe wialf B^
achwemiii und Anlanf«^
4t *olIt«n «. t. G, amb und bei nch am Hof aöTial in
tapfnri^ anterhlichn and itattlichn vom Adel haben and neb
Kch beflellen. die ehrlichen ga\«B Herkommeni ihren Pfenlg idbal n
ibr* pit«n Pferde nnd ttlMmg •. £ G. lu Rhren, halten . . .". Said»
- 587 —
In der Periode, welche unsre Darstellung behandelt, wurde die
Landcsholieit begründet (S. 50 f.) ; indem die auf den verschiedensten
meinten die Käte, beanspruchten oft nur Futter und Mahl« man fönde sie aber
wenip: mehr am Hofe;
5) warnen die Räte vor den fremden liederlich hergekommenen Leuten,
die der Herzog an seinen Hof ziehe, er möge ansehnliche, tapfere inlftndische
Kammerdiener bestellen ;
6) der Herzog soll es nicht dahin kommen lassen, da& er über Lange-
weile zu klagen habe, sondern „etlich wahrhafte Historien und Chroniken,
sonderlich von bair. und deutschen Geschichten fttr sich nehmen".
und dies vom L Hauptpunkt, davon gleichwohl mehr zu schreiben, aber
dasselbe soll billig unserm gn. Fürsten nach derselben hohen Verstand in
Discretion gestellt werden, denn was hier getreue Meinung vermeldet, ist
aiirli nicht darum beschehen s. f G. damit erst bes. gen Schul zu fahren,
zu lernen, dero Ordnung oder Maü zu geben, die s. f. G. nicht wüßten oder
nicht besser denn ihre Räte selbst 'Wohl verstünden, allein aus Befehl, ihrer
f. G. auch zu einer kleinen Anmahnung und Anreizung, deren alle Menschen,
sie seien so hohen Verstandes als sie wollen, dennoch zu Zeiten bedürfen.
Den andern 2. Hauptpunkt betr. ist offenbar, daß solche unerträgliche
und verderbliche Ausgaben mehren teils aus der großen Unordnung und
Nachlässigkeit, vomemlich aus dem Überfluß und Wollust erfolge. Zu helfen
ist nur durch Abstellung der Unordnung und der Uberflüssigkeit Alles zu
kaufon. wozu man Lust hat, ist so eingerissen , daß man fast nicht weiß, wo
nnt der Wendung anzufangen, S. f. G. möge sich erinnern, wieviel seit seiner
Ue^nerung ausgegeben wurde für Edelsteine, Sammt, Seide etc, Bankette,
Ladsrhaften, Gebäude etc^ für die Kapelle mit ihrer übermäßigen Besoldung,
unnötig!' Reisen, Überfluß bei Regiment, Kanzlei, Küche, Koller, Jägerei . . .
Zur Abstellung werden folgende 2 Mittel vorgeschlagen: 1) S. t G. soll Geld
nicht so gering achten und hinwerfen, auf Vorrat trachten, wie einige Ver-
eitern gethan, dadurch sie zu Reputation gekommen, denn diese besteht nicht
in Kleidern, Kleinodien . . , sondern nach christlichem Leben und Tugend in
iruter Hauswirtschaft S. f G. habe selbst zu bedenken, daß sie nicht mit
Gemahl und Kindern in der Not von Land und Leuten zu ziehen oder daß
sie von ihrem Ubelhausen wegen dahin gedrungen werden müßte, wie ver-
kleinerlich zusamt dem unwiderbringlichen Schaden, das s. f. G. selbst, auch
Land und Leuten wäre, das haben s. f G. zu bedenken, bes auch daß sie mit
Kleinodien und Kleidern nicht lange aufhalten, viel weniger daß sie T^and und
Leuten anders als mit einer ansehnlichen Barschaft wieder erobern könnten;
so b( komme ein solch ansehnliches Fürstentum bald einen andern Herrn,
aber entgegen geht es nicht so leicht zu. Darum soUen s. t G. das Geld wohl
umkehren, denn man spricht, es sei viel eher erspart als gewonnen.
Das 2. Mittel ist, daß s. f. G. in all dem, was Geld kostet nicht allein
für ihre Person wohl bedacht handle, sondern auch jeder Zeit mit Rat und
Vorwissen ihrer Kammerrät, welche darum von s. f. G. bestellt sind und
wiewohl es nicht weniger in s. t G. Macht denselben zu folgen oder nicht,
- 588 -
Rcchtstitcln fußenden Befugnisse der Herzoge zu einer einheit-
lichen staiitlichen Gewalt verschmolzen, vollzog sich die Um-
wandlung des Feudalstiiates in den modernen Beamtenstaat.
80 brin<^ es s. f. G. großen Nutzen, Ersparong vieler Mfihe and Unkoiten,
zudem s. L G. den Unlust des Abbrcchens oder Abweichens von rieh anf die
Kammcrrftt lej^en. Denn was gestalt jetzt durch 8. f. G. selbst nnd etHche
neben den EammcrrSten mit den Leuten abgethädingt, weiß Jedennann,
deshalb müssen sie solche Leute abschaffen oder ihnen woniger GehOr geben,
sondern aUe solche Sachen selbst mit gutem Kat handeln oder an den rech-
ten Ort d. i. für den ordentlichen Kammerrat weisen und sich nicht bereden
lassen, daß s. f. G. damit verkleinert, ihr die Hand gesperrt und den Kun-
niorräten zu viel Gewalt gegeben werde . ^ dieweil das Widerspiel die Wahr-
heit Es ist zu besorgen, man findet Leute genug, die . . zu allem Uberfina
und Verderben raten und helfen, Tag und Nacht nicht anders trachten, weni^
danach fragen, wo man nehme, Yfie man hause . . seien jetit da, wenn man
ansteht, ziehen sie anderswo, die mögen den Kanunerrat und einige gote
Ordnung nicht wohl leiden, ist ihnen ein Spieß in Augen; um desto ndu
soll s. f. G. bedacht sein denselben in guten Würden und gebfihrlicli^r Auto-
rität zu erhalten, auch durch sie mit ihrem Kat und Vorwissen alles das n
handeln, das der Kammer zugehörig, damit wird s. t G. wiedemm in Avf-
nchmen, hohe Reputation, auch Trauen und Glauben kommen, wie es anfiuigs
ihrer l^gierung gewesen, dass mäniglich sein Vermögen s. £ G. selbst an-
tragen und um ein ziemliches leihen wird, so man jetzt um großes Intansw
gehaben und die Aufkündigung oder Aufischreibung alter Schulden wir ftr-
kommen. Und soll gn. Fürst die Kammerrät hierin nicht verdenken als ob
sie solches von ihret wegen vermelden und mehr Gewalt begehrten, denn sie
wissen wohl, dass solches Alles ihre Person nicht betrifft, sondern sl £ G^
dero Nachkommen, daß sie bei der Kammer alle Diener und des Kammei^
guts bloß Verwalter, so lange sie s. f. G. dazu gef&Uig, daft es auch bei
s. f. G. steht, sie jeder Zeit zu erfordern und den Kammerrat gar abzathuL
könnten auch wohl ermessen, daß ihnen obgehOrter Gestalt, mit mehrersn
Heff'hl mehr Mühe, Unlust aufgeladen würde, bes. die andern verordneten
Kät« haben solches samt ihnen wahrlich getreuer Meinung vermelden woUn,
denn sie bedenken , daß diesen oder andern Kammerräten , ja anch sl £ G.
selbst beschwerlich sein würde ihrer soviel mit solchen Unkosten allein n
den hloßon Ausgaben zu gobrauehen und zu unterhalten, welches sondeilich
bei jetzigem Vorrat auf der Kammer durch einen Zahlmeister allein weU
zu verrichten und andre Unkosten zu ersparen.
Dabei können die Verordneten nicht in Abrede stellen, dafi bei fidn
iMcnorn auch nicht kleiner Mangel sei, mit Amtssachen und -handlanfei
^^'iiiiutT ;;ehaust, etwas erspart, besser zugesehen werden möchte. SoUcr
Mangel kommt aber mehren teils von f. G. als dem Haupte her. Denn die-
weil sio ihrer .Sachen , Amter und Kammergüter so wenig achten , folgt
daraus, wie im 1. Art. ausgeführt, daß die Diener auch desto hinllHigH;
unachtsamer und verdrossener werden, bes. da bei s. £ G. der Diener sowiM
— 589 —
Schon der 2. Wittelsbiicher, Ludwig I. (f 1231) hatte jene
planmäßige Eintheihing des Herzogtums in eine \nzahl von
als des Verdienstes kleine Erkenntnis, Einer für den Andern wenig gehalten
oder bedaclit werde, ja Gott will, d&ü nicht zu Zeiten die, so zu allem Uber-
lluG, Übelhausen und Verderben raten . . in mehr Gnade, Thun und Wesen
seien, als andre treue Diener, die sich um s. f. G. Wohlfahrt, Ehr und Auf-
nehmen Tag und Nacht bekümmerton, rissen und krazten, dessen sie nicht viel
mehr Dank, denn da& sie zu Zeiten hören müssen, daß es weder unsrcs Herrn
Befehl, thuen aus ihnen selbst, wollen so wohl hausen, s. f. G. reich machen,
s. f. G. konnten bedenken, welche Lust . . das Einem machen. Einige lassen Hände
und FüDe fallen. Andere trachten von solchem verderblichen Haus zu kom-
men, an deren statt Andere kommen, die sich zu s. £ G. Thun und Gefallen
vielleicht besser accomodiercn möchten ; wie lang das aber währe, haben sie
aus den obigen Anzeigen und den Eammerrechnungen abzunehmen.
Darum ist Alles an s. £ G. als dem Haupt gelegen ; so das seinem Amt
ein genügen thut, so folgen auch die Glieder, jedes in seinem Thun und
Hefehl und wird gar leicht zu bessern sein."
3. Hauptpunkt a) von der Landschaft Weinaufschlag zu bekommen und
zu perpetuieren b) mit Itat der Landschaft wegen der vacierenden Messen,
Pfründen, Klöster ... zu bessern ; c) sind vor einiger Zeit einige Mittel zur
Verbesserung des Kammerguts schriftlich übergeben worden.
^Das Alles zeigen die Rät auf empfangenen Befehl und in Kraft ihrer
PAiclit 8. f. G dieses Mal ganz unterthäniger , gehorsamer und treuer Mei-
nun^^ an, wollen nichtsweniger hinfüran und noch weiter besten Fleißes
(iiirauf bedacht sein , wie s. f. G. mit dero Zuthun in ander Weg mehr zu
liclfen. Die Vorordneten bitten, ob hierin etwas gesetzt, das s. t G. anfangs
b(*lcidigcn oder schirzen möchte, welches die Verordneten doch mit höchstem
Fleiü, wo und soviel immer möglich gewest, umgangen, s. f. G. wollen das
Alles aus ihrem angebomem hohen Verstand mit Gnaden von ihnen auf-
nehmen und nicht anders verstehen (also als mit der höchsten Wahrheit
inüchten bezeugen) gegen s. £ G., dero Gemahl und Kinder treulich und
^^therzig meinen, darunter anders nichts dann s. t G. und Nachkommen
iieputation. Ehr, Aufnehmen, ewige und zeitliche Wohlfalurt suchen. S. fl G.
wollen in sich selbst und ihren hohen Verstand gehen, ihr bisheriges nn-
türstliches Kegiment wohl bedenken , so werden sie des jetzigen Anstands
^^eimgsum Ursach befinden und daß der Sachen anders nicht dann obgehörtcr
(Hstalt kann oder mag geholfen werden; ob dann s. f. G. hierunter einiger
V«*rkl('iijeruiig besorgten, wie doch an ihm selbst gar nicht ist^ sollen sie ja
billig bedenken — dieweil das Verderben nun zunächst vor der Thür und
(lies Regiment, da keine Wendung beschehe über 2 oder 3 Jahr zum aller-
Ifiugsten nicht bestehen kann, obgleich s. £ G. ihre Kasten, Mftuto, Zölle und
linderes zum äu&ersten angreifen.*'
Die Küte weisen auf andere Ezempel solcher Hauswirtschaft hin und
ilirauf, \>elches Frohlocken des Herzogs Verderben in und aufier dem lieichc
hervorrufen würde „zum Teil von wegen der lieligion, zum Teil auch daü
b. 1. G. dem lobl. Hause Osterreich also zugethan und anhängig". Schliofi-
— 590 —
Gerichten oder Ämtern durchgeführt, durch welche die Grund-
lage für jede künftige territoriale Gliederung gegeben war.
Diese Organisation erinnert lebhaft an jene administratiTe
Einteilung der fränkischen Monarchie unter Karl d. Gr. in Graf-
schaften. Diese territoriale Organisation ist um so bedeutungs-
voller, als mit ihr Hand in Hand geht ein Aufgeben des Lehensr
Prinzips. Nicht mehr zu erblichem Lehen wii'd das Amt (Gericht)
übertragen, also nicht zu erbUcher Nutznießung an eine Familie,
lieh wird noch des Herzogs Sinn gelenkt auf die Herzogin und die Zukunft
der heranwachsenden Prinzen, sowie endlich anch auf das GtolObnis, dM er
bei der Aufnahme in die Ordensgesellschaft des goldenen Vlieiee geleistet
„Wann", schließen die Räte, „dann s. £ G^ als de zu Qott hoffen, «och
von Herzen darom bitten, diese schwere, wichtige Sachen, daran alle n L U.
dcro geliebte Gemahl, Kinder und Nachkommen zeitliche Wohlfahrt gelegen,
t'Qr Hand nehmen selbsteigner Person mit und samt ihnen darflber HtMa
ohne allen längeren Autzug weiter beratschlagen, sonel nach Gelegenheit
immer mOglich vollziehen und ins Werk richten helfen, verhoffen ne« dal
s. f. G. mit der Gnade Gottes noch zu helfen und erbieten sich ala die g^
treuen gutherzigen Diener mit allem ihrem Verstand und VennOgeii, hah,
Gut und Blut zu s. f. G. als ihrem angebomen Erbhorm zu tetaen nndunalM
wie bisher das ßeste zu thuu , zu raten und zn helfen. Wo aber nielit nnd
^^. 1'. G. in jetzigem Thun und Wesen also beharrlidi fOrfahren wollte, lo
thun sich <lie Verordneten hiennit vor Gott dem Allmächtigen n £ G. ud
mäuiglich bezeugen, daß sie das Ihrige gethan, was sie als Texpliichtete Diener
auch sonst als die getreuen Laudieute von Dienstpflicht und ihree QewiMcaf
zu thun schuldig und länger nicht umgehen mOgen, also daft an ihnen viM
«,^eniangelt , viel weniger dafi sie solchen vorstehenden Verderboia ThmAa
oder selbst Schuldner gewest und wollen diesen onterthinigen, gathenlg«
und notwendigen Anzeigen hiemit semel pro semper gethan, a. 1 Q. Idnftaan
wuder samt noch sonders mit dergleichen weiter nicht beladen, aonden daf
Alles Gott den Allmächtigen und sich ihren t G. unterthini^ befehlen."
Daß solch mehr als eindringliche Mahnung beim Henog Aigenda enqfB
mulitt', konnt«.>n sich dii* Räte füglich vorstellen, doch scheinen rie dnieh die wf
gnädige Aulnahme ihres Schreibens furchtbar betroffen worden ra aein. In
(Tiifuteu Eingabe vom 14. Juli 1557 suchen sich „die Aber den Staaten
ordnete Käte'* zu rechtfertigen, wie folgt: sie hätten mit Kttmnieniai
dem Schreiben des Herzogs verstanden, daß er Aber ihre gatbenige
meinende Bcdenkt>u, bes. über die Hauptschrift „durehana eini
Artikel ausgenommen mit solchem Unwillen und Ungnaden Ton nna an wi
aufgenommen, da wir es doch als wir nochmals mit Gott dem Allm«iA^|M
bezeugen anders nicht dann uiiterthäni^lich, getrenlich und gnt genflin^ d^
bei auch anders uichts gesucht, dann daß E. f. G., deraelben
Nuchkumnieii und also des lObL Hauses Bayern, auch dea gamen
tum» Ehre, Itepatation, Aufnehmen** erhalten bleibe n. a. w.
1
^ oÖl -
soudeni eine bestimmte Person wird vom Herzog zum Richter
bestellt, die er auch wieder vom Amte entfernen kaim. Es
ist also ein Scliritt von ungeheurer Folgenschwere gemacht in
der Uichtung zum moderneu Staat. Das karolingische Beamten-
ernennungsrecht ist zu neuem Leben erweckt. Dieser Fortschritt
erfolgt durch die Ministeriahtät. Indem der Herzog seine Be-
amten aus dem Kreise der unfreien ministeriales wählt, die
durch die Bekleidung des Amtes zu höherem Ansehen gelangen,
hat er Werkzeuge für die Ausführung seiner Befehle, die voll-
ständig von ihm abhängig sind, weil ihnen nur auf Zeit das Amt
übertragen wird und weil die Verlängerung oder Erneuerung des
Dienst Vertrags im Beheben des Fürsten steht. Dieser braucht
nun nicht mehr mit übermächtigen freien Herren und widerwilligen
\ asallen zu rechnen, denen ein erblicher Anspruch auf das Amt
zusteht, in den Ministerialen gewinnt er Beamte, die sich ganz
und voll seiner Politik widmen und die durch sie geforderten
Maßnahmen vollziehen müssen, weil der Herrscher sie eben
durch gefügigere und brauchbarere Organe ersetzen kann.
„Die Ministerialen wurden im Gegensatze zum feudalen
Adel die zuverlässigen Offiziere und Generäle, die geheimsten
lUite und Minister der Fürsten. Sie sind gleichsam die Vor-
iiiufer des modernen Beamten- und Oftizierstandes, sie sind das
N'erjüngungsmittel für den deutschen Staat des Mittelalters
wenigstens auf einige Zeit gewesen"*).
Von noch größerer Bedeutung als für die Lokalverwaltung,
mit deren Einrichtung in Baiem die allgemeine Verwaltungs-
organisation ihren Anfang nahm, an welche sich die Einsetzung
von Vitztumen, der Organe der Provinzialverwaltung, anschloß,
waren die Ministerialen für das Hofbeamteutum und die aus
diesem neben Andern gebildete Centralverwaltung. Diese, der
liiit, trat uns ja schon gegen Ende des 13. Jahrhunderts als
fertige Institution entgegen. Während die Beamten (Vitz-
tuuie, Richter, Pfleger) in ihren räumlich abgegrenzten Bezirken
als Stellvertreter des Landesherm alle seine liegierungsrechte
delegationsweise ausübten, hatten die Käte kein Imperium. Sie
waren, ohne daß ihr Wirkungskreis fest umgrenzt gewesen, ver-
1) Schmollor, Straüburgs Blate und dio volkswirtschaftliche Kovo-
luüoü im 13. Jahrh. btraßburg 1875. S. 10.
— 592 —
pflichtet, deu Ilerzog in allen Angelegenheiten, für welche er
ihren Rat wünschte, zu beraten und alle Geschäfte zu erledjgeiiy
die er ihnen auftrug.
Die Bestallung der Beamten erfolgt auf eine Reihe von
Jahren, und zwar in der Form des Dienstvertrags. Dieser ist
zugleich Kriegsdienstvertrag ^), indem die Beamten sich ver-
pflichten, mit einer bestimmten Anzahl von Pferden und Rdägen
dem Herzog Kriegsdienst zu leisten.
Daß des Reiches in der Darstellung so selten Erwähnung
geschah, hat seinen Grund in der Thatsache, daß die Einwirkung
des Reiches auf die Gerichtsverfassung imd Verwaltungsoiguii-
sation Baiems eben eine minimale war. Die Justizhoheit des
Reiches wich immer mehr zurück vor der sich ausbreitenden
des Territoiialstaats. Die Organisiitiou der Landesverwaltungs-
behörden wurde auch nur unbedeutend durch die Reichsgewalt
berührt ^). Nur einzelne Räte ^) wurden für die BeteUjgnng
Baierns an der Reichspolitik thätig, indem sie auf Reichs- und
Kreistagen die Interessen ihres Landesherm vertraten. Sonst
gehr)rten die Reichs- und Kreissachen wie die AngeIq;enAeifeD
der auswärtigen Politik zum Geschäftskreis des Hofrits bezw.
dr,s gctheimen Rats.
Als Ludwig der Baier zugleich Träger der KaiseifaoQe
und der bairischen Ilerzogswürde war, blieben die Hofbeamten
des Reichs von jenen Baierns doch im ganzen geschieden^).
K. Ludwig ist übrigens auch derjenige unter Baiems Ft&isten
(vor der Wiedervereinigung des Landes), der die nachhaltigsten
Siuuen im Rechtszustande seines Landes zurückgelassen hat
\'or ihm wäre nur Ilerzog Ludwig L zu erwähnen*), von welcheB
dii» grundlegende Organisation des Territoriums herrührt. K. Lud-
1) Vgl. über diesen Lamprecht I, 2 S. 129a
2; z. B. auf dem Gebiete der Münzverwaltung S. 381.
8) Einzelne bairisclie liäte werden auch zu Assessoren des Riw<*li«lr^itnMb
gcrichts bestellt
4j Kiez 1er II, S. 531 S^ 536 (auch bairische Angelegenheiten wnrta
irn kgl ll&Ui behandelt).^
5) Höchstens wäre des niedcrbairischen Herzogs (und UngamkOnigi)
Otto III. trauriges Preisgeben wiclitiger Hoheitsrechtc zu gedenken. Er hil
durch Ausdehnung und licfostigung der Patrimonialgerichtsbarkeit (1. FM-
hrief 1311) die staatliche Entwicklung aufs tiefste dauernd geschi&digL Y^
i5. lob Ü\.
wig hat abor durch sein großartiges Gesetzgebungswerk nicht
nur (las Gerichtswesen Oberbaienis auf eine völlig neue Basis
gestellt , sondern auch in Niederbaiern durch die mehrfach er-
wähnte Instruktion von 1340 den Richtern ideale Ziele ihres
Wirkens gesteckt.
Die unglückseligen blutigen Familienzwiste, durch welche
die Witteisbacher im 13. und 14. Jahrhundert in mörderischen
lvänii)fen sich zerfleischten, ihre Macht selbst schwächten und
iliri^ Länder zerstückelten, ließen im diesrheinischen Baiern
nur wenige Herrscher Muße finden zur Förderung der Landes-
kultur. Lrst der Landshuter Heinrich d. R. *) ragt wieder
hervor durch eine tfefgreifende segensreiche Fürsorge für die
innere Verwaltung des Landes*); durch die L. O. 1474, auf
(leren Krlassung die Stände großen Einfluß ausübten, hat er
vieU; Gebrechen derselben beseitigt und auch die Justizorgani-
siitioii reformatorisch fortentwickelt. Strenge unparteiische
Rechtspflege und energische Handhabung des Landfriedens
machten Niederbaiern zu einem wegen seiner Sicherheit be-
rühmten Lande •^).
Unvergänglichen Ruhm hat er sich durch die Gründung
der Universität zu Ingolstadt errungen. Nun war auch in bai-
risclien Landi^n eine Pflanzstätte der Wissenschaften geschaffen,
durch deren Studium „Gott verherrlicht, die Religion gefiirdert,
der Mensch veredelt und sein Glück vermehrt würde" *). Diese
Landeshochschule sollte dem Mangel an juristisch geschulten
IJeaniten abhelfen und viele treffliche Räte gingen in der Folge-
zeit aus dieser Pflanzstätte hervor.
Heinrichs Sohn, Georg, wandelte die Wege seines Vaters.
Mine seiner ersten Verordnungen untersagte allen Beamten die
1) Sein Vater Ludwig der Reiche soll sich durch gnte Verwaltung, be-
sonders durch sparsame Finanzwirtschaft ausgezeichnet haben. Vgl K 1 u c k-
)i I) h n , Heinrich d. R. S. 328, 19. — In Bezug aof seine Beamtenpolitik hebt
Ulrich FütriT (Oberb. Arch. V, S. 63) hervor: „Er nam auch zu allen seinen
ainbton vomiü^cnt leut, die gut wart betten, sie w&ren edel oder nlt, gab in
;^'uot sold und spracli, die sind mir gutt umb mein vordrung."
2) Vjrl. Kluckhohn S. 329 iL
Ol V^L Riozlor, A. D. Biogr. XI, S. 474.
4 Mederer, Annalcs Ingolstadensis Academiae IV, 8.40; Kluck-
h o h n S. 33<\
li.>>cnth:il, lit^hkhtf d, GerichUw. u. d. Verw.-Orf. Italenit. I, gg
- 5Ö4 -
Annahme von üesclienkon ' ). Wie or durdi die
eiues permanenten tlofrats das moderuu ^-böi
bahiitu, lialwn wir sclioii ycseheu (S. 201 IF.) *)-
gebute und uauiuiitlidi die L. O, 1501 bekunden
ijiübuugeu um die Hebung des Volks wob Standes '). Usn f^
woli! nicht fehl, wenn man tJeorgs klugen und gerecht«» Kanzler,
den Domherrn Dr. Mauerkirclier (später biscbuf vuo Psssui),
für den Urheber derselben erklärt *).
Im Münchner Ant«Ü hatte sich nnt«rdessen AJbrecht IV.*),
welcher in Rom, ii^iena und Pavia studiert liattv, zitio ADria-
lierrscber aufgcsdiwungen , ein FOrst vun wahrhaft gl-mtnaito-
nisclicr Bt^abuug. Als scliönsl«Q Erfolg derselben binleriieB «r
seinem Volk die dauernd gesicherte ^taatseinhett. NacMan
unter seinem Sccpt«r ganz Baieni wieder verdnigt war, setzte
er unter mit seinem bnidor Uerzog Wolfgaug durch einu p»»g-
inatische .Sanktion ') vom 8. Juli 1506 die L'ut«ilbarkcit Ülitrr-
und Nicderbaioms fest unter KinfOlirung der Primt^eaituTMrd-
tiuiig ' ) , bei deren Abfassung der Kanzler Dr. Neuhuticr */
mitgewirkt haben wird. Dieser spielte unter Albrecht and ik
der folgenden Kegonlschaftsperiode ilie grOlit« Kollu im balri-
scheu Staatswesen, bei der t'estfitelluog des luhaltK des StaaU-
grundgesetzes, der L. Fr. von 1608 tritt seine .Mitarbdt gleich-
falls hervor*). Ihm wurde auch die Umarbeitung der L. U.
I) Bocbncr n 8. 480.
i) Aoch dH Heenreten bat «i sni raittcUteriiehiin Zii>lliiitrn la
denie aWrgeieit«t [Biezlor, A. D. Blogt. VIll. & 0)1).
3) lUT tfBtcrD Bocb lUte der Ihnog« U«org and Albrwbi IV. m
iiag tnuiuroen, uni du LanUreclit K. l.uJwig» lu TriorauMpn und
aoch in Nied«rbai<>ni einiufQhrvu. Die eniUebl« U«clils«iliiliRtt «ariti)
Hiebt dnichgeflDut (Krnnner VIII, K, 506 ff.i XU. H. (7 ff).
4) Bnchaer VI, H. 480 ff
6) Ob« Qia TgL <. Oofele. &. D. fi. I, & SSS.
6) Kronavr XV, S. 3fifi £
7) &b«T die Bekinipfuiiij danelbnii darcb H. I.ad«i( ltn4*aK
&S0 IL
B) PrOhat DomdAchuit lu Rei^Mubnrg, daaii (mH 14Mt)
AlbrecbU IV. and Propct u dar FraaeDtircb* in MOschM. t ISIflt (>. O >
A. D. Uiogi. XIII, S. 607),
9j Vgl V, Fr«;berg. R«d« &b«r d. biitor. Um« im Ujo: Uniii
0«tetigebaog. Mflnchra 18SI S. 21.
: »1«
•>r«u
— 595 —
1474 und 1501 , also die erste Vorarbeit für die L. 0. 1516
übertragen ^).
Unter Wilhelm IV. =^) kam dann die Gesetzgebung zu er-
höhter Bedeutung. Eine reiche legislatorische Thätigkeit wurde
jetzt auf Anregung der Landstände entfaltet •). Der Geist der
neuen Zeit regte sich, und die Doctores, welche bei diesem Werke
mitwii-kteu, verschlossen den fremden Rechten den Zugang in die
])airische Landesgesetzgebung, nicht die L. 0. 1516, aber das
ref. Ldr. 1518 und die Ger.0. 1520*). Daß und inwieweit diese
legislativen Erzeugnisse die Gerichtsverfassung und die formelle
Einrichtung der Verwaltung berührten, wurde häufig betont.
Eine Periode ungeheuren Aufschwungs des bairischen Kul-
turlebens beginnt mit dem Regierungsantritt Albrechts V. Mit
welch zäher Beharrlichkeit er allen widerstrebenden Elementen
•[gegenüber die Künste und Wissenschaften schirmte und för-
derte^), und wie er zielbewußt den Grund zur Kunststadt
München legte, das predigen in eindrucksvoller Sprache heute
jene prächtigen Kunstsammlungen, welche Tausende alljährlich
MUS weiter Ferne herbeilocken, die dank eifriger Pflege seiner
kunstsinnigen Nachfolger aus kleinen Anfängen zu solch stolzer
(iroßc erwachsen sind*'). Wenn auch die Kehrseite eines hoch-
t1ie;!;enden idealen Strebens, die Unfähigkeit, sich mit den Beach-
tun-i: lieischenden materiellen Faktoren in Einklang zu setzen,
nicht fehlte, so bleibt sein Ruhm als Begründer der Größe
von Isar - Athen ungeschmälert.
Weniger gewürdigt ist aber die Bedeutung seiner Regierung
für die innere Venvaltung. Durch die Reformierung des Hofrats
und der Regierungen, durch die Einrichtung der Hofkammer
und des geistlichen Rats wiurde ein folgenschwerer Schritt in
<ler Iiichtung zum modernen Staat gemacht, denn aus diesen
1) V. Froyborg a. a. 0. S. 33.
2) Sein Bruder H. Ludwifif übcrliefi diesem den Haaptantoil an den
l»r^Hornn«]:s(roschäften.
:n V^^l. V. Frey borg S. 25 f. über das Dr&ngen des Ausschusses auf
FiTtit^Titellung.
4) Vgl. über die Wilhelminische Gesetzgebung G engl er, Qucllengesch.
11. System des im Königreich Bayern geltenden Privatrechts. Erlangen 1846.
I, S. 32 ff.
5) Vgl. Hei gel, Die Wittelsbacber S. 35.
^)) Gemäldesammlungen, Antiquariam and die Bibliothek.
3 b*
— oOfi —
CcutralstcUen führt der Weg mittelbar und unmittelbar zu den
UDsrigen, zu den Ministerien des konstitutionellen Staats.
AVelcbe seiner Räte bei diesem Reformwerke vornehmlich mit-
gewirkt haben, läßt sich leider im Einzelnen nicht feststelkn.
Wahrscheinlich ist im Anfange der Landhofineistcr Wolf Wilhdni
von Schwarzenberg die treibende Kraft ^\ dessen jüngerer Bmder
Otto Heinrich dann unter Wilhelm V. auf alle Staatsangelegen-
heiten und besonders auf die Organisation der Behörden den
tiefgreifendsten Einfluß ausübte.
Sein Sohn Wilhelm V. hat dann das Behördensystem weiter
ausgebaut und vervollkommnet durch die Gründung des Kriegs-
rats und die Formierung des Geheimratskollegiums.
Am Ende des IG. Jahrhunderts erhebt sich so der planvoll
gegliederte Bau des bairischen Behördenwesens in einer für diese
Zeit staunenswerten Vollkommenheit. Wurden auch, besonders
unter Wilhelm V., manche Um- und Rückbildungsversuche gemacht,
die Umrisse waren so feste, das Fundament so solide, da£ aad
das energische Organisationstalent Maximilians I. nur inneriulb
der vorgefundenen Linien weiterbauend sich zu bethätigei nf
den Ausbau zielbewußt zu vollenden vermochte. So biftvoll
war dieser Quaderbau gefugt, daß auch die tiefeiiischnaialc
Keformbewegung am Anfang unseres Jahrhunderts die C«-
fussungsmauem unberührt ließ und die Gruudztige der aHo
Venvaltungsorganisation trotz eindringender Reformen im Du-
zelncn durch die Stürme der reichbewegten Zeit dem modernen
Verfassungsstaate überliefern und den Umbau auf der alibe-
währten Grundlage vollziehen konnte.
Es war also die Neuordnung des bairischen Staates schon
in der 2. Hälfte des 16. Jahrhimderts angebahnt und die ganxe
Verwaltung zu einer seltenen Vollkommenheit durch Mi^^itniliff»
erhol)en worden, etwa IV« — 1 Süculuni bevor in Brandenboig
der große Kurfürst seine Refonnthätigkeit begonnen und
Triedrich Wilhelm I. die berühmte Verwaltungsorganisation in
seinem Lande durchgeführt hatte.
So hat der Süden und der Norden in jahrhundertelangem
rnisigen Schafifen an dem Aufbau des Staates der G^^nwart
1) Bald gewinnen dann namentlich der treffliche HofknuBchaQ Pknkni
V. Freiberg und Dr. W. Hund maßgebonde Bedentang.
— 597 —
iiiitKcarbcitot. In den vorscliicilciicii Pcriwlrn iler fiestliichlc
schrdtt't ziuTst ilcr liairisc))i% dann der prcut'iscliv vciraii, bis
in iniscrciii Jalirliundcrt lioidc in vurscliittienür Weise iIlt lic-
finiii ilircr Vt-rwiiliungsonitiung zu dnom botrietiineiidon Ab-
~t'lihiL^ )irin>;en.
Wolli-n wir Ulis nun nuclimals vcnic^gcnwiirtigen, inwiL'fcni
ilit' Iteturnicu Kaiser Maximilians und Fi>rdiiiaiids I. den b:ti-
ri'clii'ii als VorbiM iliencii, m mttssuii wir daran festh:i1teii, daB
•Iri' Ibitnit im MündintT Teil sdiou \4*Hi, im Laiidshutcr sclinii
lix^'') i-inirrnihli-t war, und diili liier die Maxiiuiliancselien
ll'tiiriiit'n nur im allgemeinen den AnstoU zu der Organisatiitu
lU- Mi'tratK ir>l>l >) Kfgdwn haben dflrftcii. Kiiie direkte Ver-
"rrtiiii:; lies JistiTn-idiisdien Vorbildes zeigt sidi dünn erst in der
I iiiriiliruni: der liegieruDgen < Miltelbelmrden ) suwie in den Orga-
rii-jli'>rti-ii seit Mlirecbt V., also iiamcutlicli Ihu der lUlduiig der
n-'lUariiiniT. ili-s KricgsniL" und des m>lu>imen Itats. Nicht um eine
-klaM-rlif Niu'liiihniung österreichischer Institutionen handelt es
-ii'h jrt/i, wie schon orwiihnt wunle. sondern nur durum, duli die in
ili-m Sijiaie l^e^ Kuisi-rs )>tiwihrten Formen der Verwaltuogsonlniing
ilnrii I Miiinl/iiui?« naeh adoptiert wurden, wfthn'ud man im Kiuzd-
■II ri tti'i iiiiil scllisianditr an die Ausfüllung: der Fontien herantrat.
M;i!i ii.iliiii di-11 ^ys1(■m:^isdleIl Aufluui der ('entrallH'hörden der
■"•ti rrcii'lii-rhi-n Krlihuide, die ür|>rii1ite Konstruktion, iH'hidt
Mi'li l>i>i der inm-ren Finrirhtung der eiiizdnen Stot-kwurke
.dir irt'ii- Ibiiii], um die konkreten ItedOrfnisse iK-friedigen zu
kiiiiiii'U Niclit nur dun-h die verwiindtsdiaftlidien Itcziehungen
•!•- Ilerr-dicrs ( ADirechls V.), soiulem auch durch ein/eine
liairi-i'lie Einte, die aus kaiserlichem Uit-nste kamen, wunic diu
-.ti.uir Ktuiiiliiis und Wertschiitzniig di-r Organisationen des
\.nliliarni.h- venmttell.
In iliiMii nunh'n luui|itsäi-hlidi '.i l'riiizi|iicu verwirkliehl ').
Vor .iljriii da- l'rin/i]i iler O-ntralisation. das audi in Ilaieru
\..n -ri.l<.i ix.litiselier Tnigwelle war. Xanicnilich kurz luieli
di'i Ui<'<lt'iveri-jni;iiiii^ konnte die Centmlstelle. der llofnit. >idi
.tl- I in wi[k^:itiie> Mittel im Hiensle der r.iiiheil-]Hilitik In-
w..;ii.ii luinli die i-inheitltche Verwaltuni; »unlen die Ver-
bot h > 1 . UebOrdeBorKaniMiioD ij. 7.
— ?H19 —
Bchietienheiteii der einzcliiiai früher getrennten Teile de« Teni-
torimris ausgeglichen und der VerschmelzungsproKoß wesentlich
hefiSrden.
Soiiann wunle nach dem Vorbilde der Gerichte dns I'rinzip
der Staudigkeit und Kolle^ialfUt bei der Verfiu^ung der Cctitml-
iiiid MitUilbehürdeu zur Anwuuduntt );>!b''<u^bl bc^w. weiter niu-
gcbildel. In dem KoIlegiaUyslem erblickte nmn eirit^ Bttr^faaft
des licclitsschiitzes, einer (iieichniiißigkeil und Un|mrteilkhkdi
il4tr Verwaltung ' ), wie ja auch durch da-saelbe eine ggyiisBi!
Stetigkeit und Tradition der Gescbäft£fUhrunt{ und eine Btarkc
KoDtmlle ermöglicht wunle').
Sodiiun wurde der l'inanzdienst als selbstaudlgcr Ver-
waltungszweig nrgauisiert und aus dem Ilnhiiien der allgcmdncti
I^ndesverwiiltung losgelöst
Dieser Grundsatz der Arbeitsteilung, einmal in das [tcbftrdcn-
syKtctu eingeführt, erwies sieh als sn erfolgreich, daß datxm
eine fortschreitende DitTerenzicning wunle. Immer mehr Vor-
waltuugszwuige sonderten sich zu tielliKtAndigeu Itetsurts mit
eigenen Behörden ab. So entstand der geistliche Rat imd der
Kriegsrat — in gewissem Sinuc ist auch der geheime Rat Uir
zu nennen.
Wollen wir nun schließlich ilie aehun Iwrülu'ten , solchen
IlehördeuorgunisMioncn zu Gnnide Ucgi;nden UrMtrheti zu-
sammenfassen, so orgiubt üieh, daU auch in Itaieru di« Orga-
nisation, namentlich die des 13. Jahrhunderts, wie in oofleKo
TerriUtrien — auch nn die Kinfllhrung der GrafechJiftsvor-
fa-sRung durch Karl den Großen ist zu erinnern — vor-
nehmlich alü 1-olge einer GeliiuLsvoi^ilferung eintritt IlU
BedOrfnis nach einer üinheitltchen Gestaltuug des gnacu
],iLuderkumplexes macht sieh gellend, luid die Errichtonit wm
Central- und Mittetstelleu erweist sich als erfolgreidistvr Faktor
der Verschmolzung von Land nnd l^euten zn einem einhdtliclitai
StaatJ^anzen. Sodann ist für die Organisation des 13. Jahr-
hnnderts bestimmend die Krstarkung der lande-sherrlicben Ge-
walt, welche für die AtmUlmng der slJttthch crweilortcn Befiig-
1) IL Schnlte. Slaatctechl I. S. an.
Ü) Schmollor. Epocben d. prent. PfaancpoUük (Hi)lti«n dorff-
Drontano, Jahrb. d. QoMligeban|t, V«rwi]tiui|r und ValkiwillNbalt. 1K77.
I.8.tt).
— 590 —
iiissc eines ausreichenden Beamtenapparates bedarf, und auch
die wirtschaftliche Revolution dieser Zeit fällt als bestimmender
Faktor ins Gewicht ^ ).
Nicht am wenigsten wirkte mit der geistige Aufschwung,
den der Humanismus auch in staatlichen Dingen bewirkte. Die
in den Rat aufgenommenen Juristen hatten durch ihre Studien
und Reisen Kenntnis der Institutionen der verschiedensten
Länder. Was Wunder, daß sie, durch diese angeregt, ihre
Herren zu ähnlichen Formationen veranlaßten, denn der Kreis
der Staatsaufgaben war im 16. Jahrhundert ins Ungeheuerliche
gestiegen. Nicht nur auf Friedensbewahrung und Rechtsschutz
beschränkte er sich wie früher, sondern die Förderung der ver-
schiedenen Seiten menschlicher Kultur hat er sich zum Ziele
gesetzt. Dieser verlangte gebieterisch andere Formen und Or-
gane, als wie sie früher ausreichten. Dann welche Fülle welt-
bewegender Fragen drängten im Jahrhundert der Reformation
an das Territorialfürstentum heran. Wie wurde Baiem durch
seine Lage und Bedeutung und die Stellung seiner F^ürsten in
all die viel verschlungenen Wirren und Händel dieser Epoche
hereingezogen. Hier drängte alles zu einer systematischen
saclientsprechenden Einrichtung des Behördenwesens, wenn die
l'iille der einstürmenden Aufgaben bewilligt werden sollte. Die
g(^lehrten Räte suchten durch systematisch eingerichtete Be-
hörden Hilfe zu schaffen.
Es ist also vorzugsweise die Organisation der Central Ver-
waltung, zu welcher die Verhältnisse des 16. Jahrhunderts hin-
drängen*), da die Lokalverwaltung, wie sie im 13. Jahrhundert
eingerichtet wurde, sich auch den gesteigerten Anforderungen
der neuern Zeit gewachsen zeigt.
Die ReligionspoUtik, wie sie durch die neue Lehre in un-
aulhorUche Bewegung gekommen war, die Notwendigkeit be-
standiger Verhandlungen mit den kirchUchen Organen und die
einer straffen, einheitlichen Leitung der Gegenreformation führten
/MV Errichtung des geistlichen Rats.
Die immerwährenden kriegerischen Gefahren, die eine mög-
1) S. 322.
2) Vgl. V. Bolow, I)io Neuorganisation der Verwaltang in d. deutschen
Territorien des 16. Jalirh. (Maurenbrocher, üistor. Taschenbuch 1887
ts. 3oy).
- cm -
liehst vollkommeiie Gestaltung aller LandesviM-teicligungWDSUilten,
trine sachgemäß«'- Beratung aller iliese bctre Hernien Angvl^cu-
ImiU-u und dne einli(>itliclie Hiniktiou allitr niilitariKcl»-n tjnridi-
tungon wünschenswert erscheinen HeUeu, venmlalittin iliu GrDo*
ilimg des Kriegsruts nach üstdrreidiischein Miutcr.
Die unaufbörticli ([uiUende Finunzn»t, gesteigert iustvesondcm
durch die kriogeriscbeu Verwicklungen, die i>olitiscb(i Lage (vido
kostspielige Gesandtschaften /.u FUrsteu, Reichslagen u. s. w.),
verlangte strengste Koiitrollo, unablässiges liemUhen um Ueliang
des Kaininerguts, lauter Verrichtungeu, die nicht netiuubui von
einer ftehönle l)esorgt werden konnten , soDdem Welch« die
nitiunelle Behandlung <turch ein »ich auMsehUellbch uilur luuipt-
äüchlicli diesen Aufgaben widmendes Cuntntlurgan rurdurtea,
sie verunlaßte lUe Scliaffuug der Hofkammer.
Wie dann namentlich die Behaudluug der in glcigender
r'lllle auftauchenden, strengste GeheJinhaltung heiscbendn
hoebpolitisclien Fragen zur Bildung des GeheimratfJcollegjiau
ilritngte, wurde schon hervorgehoben. Bei dessen FonniBnag
war auch mitbestimmend das Moment, daß e8 uotwei
schien, bei der /crspliticruiig des BchOnleiiweseus in sai
Beziehung eine höchst«, die Person des Monarchen um
beratende Gentralstelle 2U schaffen , welche die
gegendbtT dem Ressnrtstaniii)unkt 7MT Geltung zu bringen be-
rufen war.
Daß die liier erwähnten Momente alier nicht nur in Bwem
gegeben waren, iüt klar. Darum entfaltete sich das Itobörden-
Wesen besonders im 16. Jabrhundiirt audi aiidcn*arlÄ , wo dio
gleichen Voraussetzungen vorlagen, In gleicher oder AhnUdiur
Weise')- Gleiche Ursachen, gleiche Wirkungen.
Daß hier die Individualität einzelner FflrHten und einiger
leitender Staaumilnner and konkrete Verhältnis!« des IawIcs
fQr den Zeitpunkt solcher Formationen und für die Art 4er-
selben maßgebend waren, leuchtet ein.
Wenn auch zu dem itechtRSchutze eine suttlidw fUiibe
neuer Aufgaben der Staatsgewalt /uwucbäen, so scbcn wir doch,
daU die Herzoge nach wie vor die IU.-chtii]>fleg(! ab die vor-
Dehmste und wichtigst« Au(gal)u ihres Ucrrscheraintes snl-
1) Vgl L B. Ko(«nthkI & 174 C
— Wl —
faßten. Wo wir auch die Rlätter der Geschichte des hairischen
(Gerichtswesens aufschlagen, so begegnen uns auf jeder Semite
/('uvrnisse rastlos fortgesetzter Bemühungen Avr Landesfürsten,
dviu Volke den Segen einer prompten und unparteiischen Rechts-
ptle^r /u schatTen. rnablässig sind sie bemüht, die bessernde
ILind an die Hinrichtungen des Gerichtswesens zu legen, um
durdi Ahstelhing von Miübräuchcn und KinfÜhrung /weckmäßiger
KcfoniKMi den Kt.^hts/ustand in ihrem Lande /u einer festen
<iriindlaLre des Voikswohls zu gestalten. Es ist ihr freudiger
Stolz, daß die Justiz Raiems von alters her in hohem Ansehen
striit, und mit unermüdHchem Kifer trachten sie diesen Ruhm
zu bewahren.
Von dem ersten Witteisbacher, V(m K.Ludwig"), und von
alliMi Hen schein, von deren innerer Regierung uns eingehende
Kunde erhalten ist, wissen wir, daß sie entweder pers<'»nlich
ilirr^ obersten Ilichteramts eifrigst gewaltet oder daß sie in
iiiralrr \uffas>iing ihres iandesvaterlichen Rerufes nichts ver-
-.niiiitiii, um die Justiz des Landes auf die höchste ^^tufe der
\'nlIkoiiii!ienht'it zu erhelnin. In allen Gesetzen und Verord-
iiuii'^ni LTt'lan^ft diese h(»he Auffassung zum Ausdnick'), und
mit rni-tnn Nachdrurk stellt sie, wie wir gesehen haben*"*),
ii.iiiiinilirh Albrerht V. gleichsam als den Angelpunkt seines
•jiolMii Kefnrmwerks hin.
Sn ki)iiiiti' er mit Fug im Kingang zur Ilofrat.skanzlei-
• •nliiuiiL! viin IT)«;'.»») Iiinw(*isen lassen „auf seines höchsten und
• •)>ri>r«ii K(*i:iinents (des Ilofrats) Reputation und Khr und von
Mtn- hrrjt'brathte guti» Lob, das nämlich diest\s l^md für
.iihit rr von Krbaltuiig guter Justitien je und allemal gehabt^V
1 \'jl /. i;. s. 10*». «1 f.
-J / ]{ L.O. ir.p;. S. 10: 3'ir alü UnndFfflnti'n wollen all» »niftili»; br-
-•-lrii7i'r Uli«! li'fchimior unnser lannde und ]pwtr tollirh Malffirimh K<»rht-
\"rTu'inj :n.iii:reot*h"ii da« d<*r brauch in ««ttlichen iii'richU*n bibhfr»* ann-
■l'T t ^'i'^Ct ifü au9 Liuiidüfilntlichpr obri^kait aufT uiini«'r so\b* i^osatun^
.;i .< 4.T.»
4i H A.
BERICIITrfiüNOKX IXI» KmiÄNZUNnKN.
Snitn n AiiniorkuD{7 6. Das Datum der Urkunde ist richtig.
„ 13 Zoilo 1 lies vor „bekannte" „erste",
„ 13 „ 4 „ habnntes statt habontihus.
„ 3() ^ 4 von unten lies Fölling statt Tollingen.
„ 55 Anm. 3 lies Prunoe stitt Pruroc.
„ 58 „ 4 er«^'änzc S. r»54 IT.
„ 132 Zeile 15 v. ob. lies Oberbaiern und Straub in;; statt „und
Nioderbaiem".
„ 141 Anni. 1 lies Stain statt St-amni.
„ 142 „ 1. Ks ist 1'homas P. «:<.'ineint. der Oftcn: als Kat vorkommL
„ 142 Zeile 14 v. ob. lies narh 14<i:{ ^für ihr Straubin*;«'r Land".
„ 157 Anni. 5 ergänze S. 193 f.
„ 101 Zeile 1(1 V. ob. lies naeb Nicderbaiern „-St r au bin;:**.
„ 203 „ 4 „ „ or^'ünze nach Albre<^hts „d.i. die Konzession
der (leriohtsbarkoit**
„211 Zeile 10 V. ob. ist „unbcdini^ten" zu streichen.
„ 23S „ 10 ist „aber" zu Btn'ichen.
„ 270 „ 15 lies IKM» statt 14C4.
„ 287 „ 7 er|:{ln/e nach „weib-n" -- „insbosondero wenn *i^
ü b e r N e b e n 1 Ä n d e r b e r r s c h t e n".
„ 287 Anm. 4 /eile 3 «Ti^änze nai'h „( )bt>rbaieni" -In;:ulF tadt.
„ 3<'l» Zeile 14 lies „on^iT*^ statt reger.
„ 537 letzte Zeile er^'finze als AnnL 3 z. 1^ Heimliche Herzogs St^^iihaa
1304. Johann 1423. 1424 iK. H. XI, 4: XIH, 4. 2S).
p 538 wurde irrtümlich fol^rendc Anmerkung i2a) ausgelassen : In emer
Hofstaatändernng . . anno 15^2 (II. A. — K n. 1 S. 237 findet sich folfrendn
„Gutbedünken** derKät«*: „hii'weil umsit ;;n. fürst und herr bedacht ^hiim
ret /ehalten, wie is dann bei andern s. f. gn. lobliehen Voreltern aach m
gebrauch gewesen und nit wol amlerst sein kan, dieweil sieli nit allf* racbc«
in gemaineni und velligt^n rat tractieni und rathschlageu bissen, bleibt ei
gleichwrd dabei, jedoch würdet darfür gehalten, das dern über 4 nit sein sollen.
Krstlioh darumb. das bei menig iler ret di'* gehaini sehwerlirher zn^r-
halten und dieselb sonst allerhand weitleufigkeit und ])urden gebiert, die-
weil auch vemiuetlich nit teL'lirh gehaimer rat . sollen die geh«'imen räth,
da si es anderer unsers gn. f. und herrn gesehcfTt halber tli'ien kennen, dm
hofrat nicht weniger bosuerbeü. damit derselb lie^to sterkir besezt und die
anzal derjenigen hofrät, sn d^n rat teglich und ordinarie abwarten, zu rr-
sparung niehrern uurostens umb Hovil m^Oir i*ingezogi>n werden müg, so
kennen die gri-niz- und denrleirben sarben mit auslendischen benachbarten
fürsten und stendeii. vil^r Ursachen willen aus dem bofrat nit genommen,
sonder solb-n billich daselbs wie allzeit L'ebreQcbig gewi'sen, irn'liert werden,
dabei dann die gebaimen rät. dieweil uns* rn gn. fursteii und bi'rrn merrkUch
und \il dann L'elegen. sein fc.(d!"n."
Si*iili"tli '!i wird vorire-ohla-zeu. ll. von M:i<"'lang tbi^ Mars«'hallamt, welches
bislier .'^.•li^v.ir/i'nberu' u«'li"n -••iu«'iii l..irilli<ifmei?iter;iTnt versiOp-n hatt<*, zu
lilierlr.i/en. l)i"-»*r, b.'iüt e> wim'-t. k ■iitif ni^-hts ileslo weni::«'r t;>«heimer
Ra! bleitii'U. \\<n d»n biüden Ai'int'Tn vurstehen. da ^dcr geh. Kai nit tJ&glich
odi'f döch allein VorinittaL' besucht würde".
— .sj^