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Full text of "Geschichte des gerichtswesens und der verwaltungsorganisation Baierns"

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"Ö^J^IC 


IN  rOMMEMOK-VTIGC«  OT   THK  VISIT   OF 
HIS     HOYAI.  HIGHNESS 

PRLNCE  HENRY  Or  PRUSSIA 

MARCII  stX-rl<.i90C 

ON  BEUALf  OF  BIS  M^ESTTi' 

THE  GEBMAN  EMPEROR 


w 


EDUARD  ROSENTHAL, 


m  n  TERWÄLTlSMiiniiÄTIOH  BÄIM!!. 


I.  BAND. 


^  GESCHICHTE 


DES 


GERICHTSWESENS 


UND  DER 


VERWALTUNGSORGANISATION 

BAIERNS. 


VON 

EDUARD  ROSENTHAL 

A.    O.   PB0FE8B0B   DER  RECH^   AF  DER  ÜITIVERSITIt   JENA. 


BAND  I 

YOM  ENDE  DES  12.  BIS  ZUM  ENDE  DES  16.  JAHRHUNDERTS. 

(1180—1598.) 

MIT  UNTERSTÜTZUNG  DER  HISTORISCHEN  KOMMISSION  BEI 
DER  KÖNIGLICH  BAIRISCHEN  AKADEMIE  DER  WISSENSCHAFTEN 

HERAUSGEGEBEN. 


*m^ 


WÜBZBURG 
A.  STÜBEB'S  VEBLAOSBÜCHHANDLUNO 

1889. 


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VORWORT. 

Sochon  vor  Jahren  hat  L.  v.  Ranke  den  Mangel  einer 
ausreichenden  Darstellung  der  Geschichte  der  inneren  Institu- 
tionen beklagt.  Mit  Recht  erklärt  er  es  für  sonderbar,  daß, 
während  sich  in  unserm  Vaterlande  die  ausgezeichnetsten  Ge- 
lehrten bemühen,  das  Innere  der  ältesten  römischen  Republik 
aufzuschließen,  die  Staatshaushaltung  der  Athener  bis  in  das 
Kleinste  zu  erörtern  wir  über  den  Fortschritt  der  eigenen 
inneren  Gesetzgebung,  über  die  Geschichte  der  Staatsverwal- 
tung noch  nicht  genügend  unterrichtet  wären. 

Wenn  auch  seitdem  manche  rechtshistorische  Arbeiten  diesen 
Mangel  zu  heben  suchten,  die  fränkische  Periode  und  die  des 
Sachsenspiegels  erfreuen  sich  doch  auch  heute  noch  unbedingter 
Bevorzugung  seitens  der  Forscher,  und  die  neuere  Rechtsgeschichte 
ist  noch  immer  ein  relativ  wenig  bebautes  Feld,  obwohl  doch 
gerade  diese  vorzugsweise  die  Aufgabe  hat,  das  Seiende  als  ein 
Gewordenes  verstehen  zu  lernen. 

Wiederholt  ist  von  hervorragenden  Publizisten  der  Wunsch 
nach  einer  Darstellung  der  Geschichte  der  deutschen  Behörden- 
verfassung geäußert  worden.  Ich  glaube  aber,  daß  es  auch  hier 
noch  der  Spezialforschung  bedarf,  bevor  eine  befriedigende  Dar- 
stellung der  deutschen  Entwicklung  gegeben  werden  kann.  Da 
der  deutsche  Staat  der  Gegenwart  nicht  im  Reiche,  sondern  in 
den  Territorien  zur  Ausbildung  gelangte,  so  muß  die  Forschung 
auch  hier  einsetzen,  um  zu  festen  Ergebnissen  zu  kommen. 

Eine  Erforschung  der  inneren  Institutionen  Baiems  dürfte 
besonderes  Interesse  in  mehrfacher  Hinsicht  beanspruchen  können. 
Nachdem   die  Geschichte  der  Gerichtsverfassung  des  Sachsen- 


—     VI     — 

spiegeis  und  die  Preußens,  sowie  die  der  Verwaltungsorganisa- 
tion  dieses  Landes  mehrfache  und  zum  Teil  wertvolle  mono- 
graphische Bearbeitung  gefunden  hat,  kann  durch  Erforschung 
des  Entwicklungsganges  dieser  Institutionen  in  .einem  süd- 
deutschen Territorium  die  Mannigfaltigkeit  der  Einzelerschei- 
nungen neben  den  Hauptgrundlinien  des  Werdegangs  erst  zur 
vollen  Klarheit  gebracht  werden. 

Daneben  wird  dann  ein  vergleichender  Blick  auf  die  Er- 
gebnisse der  verdienstvollen  Arbeit  Luschins  von  Eben- 
greuth  über  das  ältere  Grerichtswesen  in  Österreich  zeigen, 
wie  verschieden  die  gerichtlichen  Einrichtungen  sich  selbst  in 
den  stammverwandten  österreichischen  und  bairischen  Territorien 
im  einzelnen  gestalteten,  ungeachtet  der  Gleichheit  in  den  Haupt- 
grundzügen der  Entwicklung. 

Was  die  Entwicklung  in  Baiem  namentUch  zur  Darstellung 
eignet,  ist,  abgesehen  davon,  daß  wir  hier  ein  Land  vor  uns 
haben,  das  mehr  denn  7  Jahrhunderte  hindurch  unter  der  Herr- 
schaft derselben  Dynastie  stand,  der  Umstand,  daß  in  keinem 
andern  deutschen  Territorium  der  Strom  der  Gesetzgebung  so  un- 
unterbrochen dahinflutet  —  sehen  wir  vom  alten  Volksrechte  ab,  so 
begegnen  uns  hier  im  13.  Jahrhundert  die  Landfrieden,  im  14. 
die  Gesetzgebung  K.  Ludwigs,  im  15.  die  niederbairische  L.0. 1474 
neben  den  zahlreichen  ständischen  Freibriefen  und  endlich  im 
16.  Jahrhundert  die  L.O.  1501  und  L.  Fr.  und  die  reich  aus- 
gebildete Wilhelminische  Gesetzgebung  (L.O.  1516,  Ref.  Ldr.  1518, 
Ger.O.  1520)  und  endlich  die  L.O.  1553,  der  Fülle  der  einzelnen 
Ordnungen  und  Mandate  zu  geschweigen.  Endlich  darf  noch 
betont  werden,  daß  infolge  der  Teilungen  Baiern  zugleich  Landes- 
teile mit  und  solche  ohne  eine  Kodifikation  aufweist. 

Vom  Standpunkte  der  bairischen  Staatsrechtsgeschichte  aus 
braucht  wohl  vorliegende  Arbeit  nicht  erst  ihre  Existenzberech- 
tigung nachzuweisen.  Hat  doch  schon  weiland  König  Maximilian  H. 
von  Baiem  auch  zur  Bearbeitung  dieses  Themas  den  Anstoß  ge- 
geben, indem  er  Pözl  beauftragte,  eine  Geschichte  der  bairischen 
Staats venN'altung  zu  schreiben.  Leider  starb  dieser  verdienstvolle 
Gelehrte,  nachdem  er  nur  die  einleitenden  Paragraphen  fertig 
gestellt  hatte.  Ein  Blick,  den  icfi  in  diese  werfen  durfte,  zeigte, 
daß  er  die  Geschichte  des  Ämterwesens  als  einen  wesentlichen 
Teil  seiner  Aufgabe  auffaßte.     Die  Geschichte  der  bairischen 


—    vn    — 

Verwaltung,  für  welche  ich  natürlich  jetzt  schon  manche  Vor- 
arbeit machen  mußte,  hoflfe  ich  nach  Beendigung  dieses  Werks 
in  Angriff  nehmen  und  bei  dieser  die  politischen  und  volks- 
wirtschaftlichen Verhältnisse  eingehend  berücksichtigen  zu  können. 
Daß  ich  auch  die  Geschichte  des  Gerichtswesens  in  den  Kreis 
meiner  Darstellung  zog,  wird  wohl  keinem  Widerspruch  begegnen. 

Während  für  diese  manch  tüchtige  Vorarbeit  vorlag,  mußte 
für  die  Geschichte  der  Verwaltungsorganisation  der  Rohstoff  zu- 
meist aus  den  Archiven  erst  zu  Tage  gefördert  werden.  Es  bedurfte 
dazu  der  hingebenden  Mitwirkung  der  Herren  Archivbeamten, 
die  mir  in  reichstem  Maße  geworden  ist.  Eine  Arbeit  wie  die 
vorliegende,  welche  ihr  Material  erst  aus  der  Durchsicht  von 
mehreren  hundert  den  verschiedensten  Sparten  angehörigen 
Aktenfaszikeln  und  Kopialbüchem  gewinnen  kann,  deren 
Existenz  dem  Archivbenutzer  nicht  einmal  bekannt  sein  kann, 
hat  eine  solche  rastlose  Mitwirkung  zur  notwendigen  Voraus- 
setzung. Daß  von  der  Masse  der  durchgesehenen  Archivalien 
viele  kein  Ergebnis  lieferten,  viele  mehr  für  die  Geschichte  der 
materiellen  Verwaltung  und  manche  erst  im  2.  Bande  verwertet 
werden  können,  will  ich  nur  nebenbei  erwähnen.  Die  Benutzung 
des  Reichsarchivs  und  der  Kreisarchive  wurde  mir  s.  Z.  seitens 
des  Herrn  Direktors  v.  Loh  er  mit  dankenswerter  Liberalität 
gestattet.  Weitaus  das  meiste  Material  für  diese  Arbeit  fand 
sich  im  Reichsarchive  und  Kreisarchive  zu  München.  Nicht 
genug  rühmen  kann  ich  die  Liebenswürdigkeit  der  Herren  Re- 
ferenten, der  Herren  Professor  Dr.  H  e  i  g  e  1  (s.  Z.  Reichsarchiv- 
assessor) und  Kreisarchivar  Emil  Roth  zu  Amberg  (s.  Z.  Kreis- 
archivsekretär), die  mich  während  eines  durch  7  Monate  fort- 
gesetzten fast  täglichen  Archivbesuches  mit  unermüdlicher 
Bereitwilligkeit  und  großer  Sachkenntnis  unterstützten.  Auch 
Herr  R.Archiv- Assessor  Neudegger  und  Kreisarchivar  Jung 
haben  meine  letzten  Nachforschungen  vor  der  Drucklegung  mit 
dankenswertem  Eifer  gefördert. 

Herr  Geh.  Haus-  u.  Staatsarchivar,  Geh.  Hofrat  Dr.  v  o  n  Ro  ck- 
inger  (nun  Direktor  des  Reichsarchivs)  —  dessen  Jugendarbeit 
(Einleitung  zu  v.  Lerchenfeld's  Ausgabe  der  ständischen 
Freibriefe),  noch  heute  die  beste  zusammenfassende  Darstellung 
der  bairischen  Rechtsgeschichte,  mir  auch  bei  dieser  Arbeit  ein 
wertvoller,  stets  zuverlässiger  Führer  war  —  hatte  die  große 


LieWnswflnUgkeit,  aus  den  Akten  des  Kgl.  geh.  Hausarcbiva  zu 
MSucben  dus  für  meine  Zwecke  clienlicli«  Material  auszusuchen. 

Während  meiner  Anwesenheit  im  Kreiaarcliivc  zu  Luudshut, 
wo  auch  manches  mich  inleressiereudu  Materi&l  vorhanden,  wurde 
ich  durch  die  Freundlichkeit  der  Herren  Kreisarcbivar  Dr.  JArg 
und  ReichsarchivasseBSor  Kai  eher  gefordert.  Üeu  genannten 
Herren,  sowie  Alten,  welche  mich  imtcrslUtzten,  mAchle  ich 
auch  an  dieser  Stolle  meinen  wärmsten  Dank  aussprechen. 

Die  kgl.  Hof-  und  ätaatsbibUutliek  ermöglichte  mir  Dank 
der  grollen  Liberalitat  des  Herni  Direktors  Dr.  Laubmanu 
die  Benutzung  mancher  unentbehrlicher  Werke  in  der  Feme. 
Der  Gute  des  Herrn  Uberbibliothekars  Dr,  Riezler,  welchem 
ich  die  Aushängebogen  zur  Verfügung  stellte,  danke  ich  einig« 
Bemerkungen,  die  ich  leider  erst  als  „ßeriditigungen  und  Er- 
gflnzungen"  berQckäichligeu  konnte. 

Schließlich  sage  ich  der  hoch  verehrlichen  Histnrisohen 
Kommission  bei  der  Kgl.  bayerischen  Akademie  der  Wissen- 
schaften zu  München  zugleich  im  Namen  meines  Herrn  Ver- 
legers tiefgefühlten  Dank  für  die  Gcwlihrung  eines  Druck- 
zuschusses,  welche  diesem  die  Veröffentlichung  dos  Ituchs  in 
ft&Ständigem  Gewände  ermöglichte. 

Der  '2.  Iland  soll  in  'A  .\bteilungen  die  Periode  des  Kur- 
fürsten Maximilians  I.,  die  Reformen  in  der  2.  Hälfte  des  I8. 
Jahrhunderts  und  diu  am  jVufange  des  19.  Jahrhunderts  (unter 
Moutgelas)  bis  /.um  Erlasse  der  Verfassung  (1818)  zur  Dar- 
stellung bringen.  Den  Termin  für  das  ICrscbctnen  desselben 
vermag  ich  aus  verschiedenen  tiründen  zur  Zeit  noch  nicht  zu 
bestimmen. 


Jena,  Mirz  1889. 


INHALT. 


Vorwort 

AbkflrznngeiL 

Einleitung. 

^  Erstes  Bach. 
Gesehiehte  des  C^riehtswesens. 

Erstes  Capitel. 
Die  Oerichtfgewalt  des  Henogs. 
§  1.    Die  Entwicklung  der  herzoglichen  Gerichtsherrlich- 
keit   S.  5. 
Das  bairische  Stammesherzogtum  6,  Gerichtsgewalt  des  EOnigs  7,  priv.  de 

non  evocando  9,  priv.  de  non  appellando  12. 
Exkurs:  Die  Gerichtsbarkeit  über  den  Herzog.    S.  15. 
Fürstengericht  16,  Gericht  des  Pfalzgrafen  20,  Austräge  21,  Zuständigkeit 
der  Räte  22. 
§2.    Die  Bedeutung  der  Vemgerichto  für  Baiern.    &  24. 
Zuständigkeit  über  die  Herzoge  25,  über  bairische  Unterthanen  28,  Ein- 
schreiten der  Gesetzgebung  gegen  die  Vemgerichte  31. 
§3.    Die  kirchliche  Gerichtsbarkeit    S.  33. 
Privilegium  fori  des  Klerus  35,  ausschließliche  Anerkennung  des  forum  rei 
sitae  36,  Nichtachtung  der  Gerichtsstandsprivilegien  des  Klerus  37,  sach- 
liche Zuständigkeit  der  kirchlichen  Gerichte  38. 
Die  kirchliche  Gerichtsbarkelt  seit  der  Reformation  41. 
Ausnahmsgerichte  im  Anfange  der  Eeformationsbewegung   41,  staatliche 
Strafgewalt  über  den  Klerus  43,  Übergriffe  der  geistlichen  Gerichte  44. 
Das  Konkordat  von  1583  47. 

Zweites  CapiteL 
Die  Oeriohtsverfafsong. 
§4.    Die  Landgerichte.    S.49. 
Auflösung  der  Gauverfassung  50,  Verwandlung  der  Gerichtslehen  in  Ämter  51, 
Einteilung  des  Herzogtums  52,  die  Landgerichte  Nachkommen  der  Graf- 
schaftsgerichte, Kompetenz  53,  der  Landrichter  (Pfleger)  54,   Qualifika- 
tion 55,  Unterrichter  56,  Opposition  des  Adels  gegen  die  persönliche 
Handhabung  der  Blutgerichtsbarkeit  56,  Ernennung  des  Landrichters  57, 
Erhöhung  der  Anforderungen  fOr  das  Richteramt  58,  Indigenat  60,  Richter 
soll  Gesetzbuch  bei  sich  haben  61,  ideale  Auffassung  des  Richterberufs  61, 
Gerichtsschreiber,  Pflichten  desselben  63,  fränkische  SchOffenverfassung 
66,  bairische  Schöffen  67,  Verschwinden  des  SchOffenstandes  68,  Urteils- 


—     X     — 

finder  in  Niederbaieni  69,  Vorsprecher  des  Rechtens  70,  Zahl  der  Ur- 
teilsfinder 71,  L.O.  1474  72,  Urteilsfindung  73,  Qutachten  von  Bechts- 
verst&ndigen  74,  Entwicklung  im  Gebiet  des  oberbair.  Ldr.  74,  Beisitzer 
fanden  nor  Urteil,  wenn  dasselbe  keine  Bestimmung  hatte  75,  Urteils- 
sprecher im  16.  Jahrhundert  77,  Klagen  über  deren  und  der  Richter  Un- 
wissenheit 78.  Fr6nbote  79,  Wirkungskreis  81,  Fronbote  als  Ankl&ger  82, 
Einkünfte  83.  Scharfrichter  84.  Vorsprecher  85,  Pflichten  86,  Anstel- 
lung —  Berufsstand  87,  Verbot  der  Verwendung  derselben  als  Urteils- 
finder 89,  Klagen  Aber  die  Vorsprecher  im  16.  Jahrhundert  91.  An- 
weiser 92.  Zeit  92,  Ort  der  Gerichtsverhandlung  93,  Einkünfte  des 
Richterpersonals  94,  Beschwerden  über  mifibräuchliche  Forderungen  des- 
selben 96,  Futtersammlung  97,  Forderwein,  Siegelgeld  98. 

§5.    Das  kaiserliche  Landgericht  Hirschberg.    S.  100. 

*  Erwerbung  durch  Baiem  100,  Landrichter,  Beisitzer  101,  Schreiber,  Exe- 
kutionspersonal 102,  Kompetenz  104.  Instanzenzug  107.  Entwicklung 
zum  ausschließlichen  Territorialgericht  108. 

§6.  Das  Hofgericht  S.  108. 
Richterliche  Th&tigkeit  der  Herzoge  109,  Heinrichs  d.  Löwen  110,  Ottos  L  111, 
Ausübung  derselben  auf  den  Landtagen  113.  Aus  diesen,  nicht  aus 
Lehensgerichten  entwickelt  sich  das  Ho%ericht  in  Baiem  114,  zumeist 
auch  in  andern  deutschen  Territorien  115.  Untergang  der  alten  Land- 
tage, persönliche  Jurisdiktion  der  Herzoge,  Stellvertreter  derselben  118. 
Beispiele  aus  dem  13.  Jahrhundert  119.  Das  Hofgericht  forum  der 
höheren  Stände,  des  Adels  121,  der  Klöster  122.  Entwicklung  im  14. 
Jahrhundert  123,  Dingen  gen  Hof  124,  Schieben  des  Urteils  125,  Hof- 
geding,  Urteilsschelte,  Appellation  127.  Vorkommen  der  Berufung 
vor  Untergrabung  der  volkstümlichen  Justiz  128.  Formalien  der 
Appellation  128,  weitere  Romanisierung  129,  Calumnieneid  129.  Das 
Hofgeding  im  15.  Jahrhundert  130.  Stadt-  und  Marktger.O.  Heinrich 
d.  R  131.  Verbot  der  Umgehung  der  ersten  Instanz  132.  L.O.  1474 
133,  Hofmeister  (Marschall)  Vorsitzender  134,  Beisitzer  —  R&te  135, 
Zeugnisse  ftlr  die  Besetzung  des  Hofgerichts  136.  Verdrängung  der  Laien 
durch  Räte  138,  Bekämpfung  der  Ansicht  Stölzel's  über  Volks-  und 
Beamtengericht  und  der  Verlegung  der  Rechtsprechung  außerhalb  der 
Gerichte  139,  Bildung  mehrerer  Behörden  aus  demselben  Personal  140. 
Der  erste  juristische  Beisitzer  (1442)  142.  Beschwerden  der  Landstände 
über  Besetzung  der  Hofgerichte  (Ausländer,  Doctoros)  143,  Baiem  auf 
italienischen  Universitäten  146,  RKammergericht  als  Vorbild  148.  Anweiser, 
Wamer,  Redner  148,  ständische  Beschwerden  über  diese  149.  Quatember- 
sessionen  des  Hofgerichts  150,  Geordnete  Räte  (1489)  151,  Hofrichter  152. 

§7.  Das  Stadtgericht  S.  153. 
Herzoglicher  Richter  155,  Übertragung  der  Oivil-  und  niederen  Kriminal- 
gerichtsbarkeit auf  die  Städte  157,  Doppelstellung  dos  Stadtrichters  158, 
Ausdehnung  der  Stadtgerichtsgewalt  (Bürger  159,  Juden  160,  Fremde  161), 
Befreiung  vom  Stadtgerichte  (Hofgesinde,  Geistliche)  162,  Unterrichter  162, 
Gorichtsschreiber,  Beisitzer  163,  Änderang  durch  K.  Ludwigs  Stadtrecht 
104,  Exekutionspersonal  165,  Vorsprecher  166. 


—      XI      — 

Der  Stadtrat  167,  der  äußere  Hat  168,  Stadtrichter,  BOrgermeister  170, 
Wahl  des  Stadtrats  171,  Wirkungskreis  desselhen  173,  Jorisdiktions-  und 
Aatonomiegewalt  175,  Polizeistrafgewalt,  Eriminalgerichtsharkeit  176, 
ausschließliche  Jurisdiktion  des  Stadtrats  178,  Baustroitigkeiten  180, 
Freiwillige  Gerichtsharkeit  181. 

Zünfte  182,  Zonftgericht  183,  Jurisdiktionelle  Sonderstellung  der  Müller, 
Bierbrauer  und  Ealtschmiede  184. 

Regensburg  185.    Burggraf  186,  Herzogliches  Gericht  187. 
§  8.    Die  Patrimonialgerichtsbarkeit    S.  188. 

Immunitätsprivilegien  Ausgangspunkt  189,  Ottonische  Handfeste  189,  Zu- 
ständigkeit 193,  nicht  für  todeswürdige  Verbrechen  194,  nicht  für  Im- 
mobiliarstreitigkeiten  195,  Hofinarksrichter  197,  Schöfifen  198,  Bechtszug 
199,  Streitigkeiten,  Eompetenzabgrenzung  201. 

Dorfgericht  20^  Entstehung,  Zuständigkeit  205. 

Ehehafttaiding  206,  ungeboten  208,  Verbindung  mit  der  Grundherr- 
Uchkeit  209,  Rügung  210. 
§  9.    Lehengerichte.    S.  211. 

Zuständigkeit  212,  Vorsitzender,  ürteilsfinder  214,  annähernde  Verschmel- 
zung des  Lehen-  und  Hofgerichts,  Verwaltung  der  herzoglichen  Lehen  215. 
§10.    Die  Bergwerksgerichtsbarkeit    S.  216. 

Schlädminger  Bergbrief  Vorbild  der  Privilegien  217,  Bergrichter,  Zuständig- 
keit 220,  Einrichtung  des  •  Berggerichts  221,  monatliche  Sitzungen  222. 
§  11.    Die  akademische  Gerichtsbarkeit    S.  224. 

Kanzler  225,  Gerichtsbarkeit  des  Herzogs  226,  Appellation  228. 
§12.    Die  Gerichtsbarkeit  des  Hofmarschalls.    S.  229. 

Albertinischer  Rezeß  1561  231,  Disziplinargewalt  der  Hofstabchefs  232,  Juris- 
diktion des  Hofmarschalls  232,  Hofoberrichter  235. 

Zweites  Buch. 
Geschichte  der  Yerwaltungsorganisatiou. 

Erstes  Capitel. 
Die  Centralregiernng. 

§13.    Die  Hofbeamten  und  der  Rat    S.  236. 

Lihaber  der  Hofämter,  zugleich  Räte  237.  Erzämter  238,  Hofmeister  239, 
Vorstand  der  Hofhaushaltung  240,  Generalstellvertreter  des  Herzogs  241, 
Landhofmeister  242,  Eabinetschef  und  Minister  243,  Disziplinarstrafgewalt 
und  Jurisdiktion  über  Hofgesinde  245,  Marschall  246,  Funktionen  247, 
Kanunermeister,  Kanzler,  andre  Hofbeamte  249,  andre  Räte  250,  Organi- 
sation des  Rats  252,  Geschäftskreis  254,  Verpflichtung  der  Ratsbeiziehung 
256,  geschwomer  Rat  257,  Heimliche  258,  Formation  des  Rats  in  B.- 
München (1466)  259,  Geo]:dncte  Räte  in  B.-Landshut  (1489)  261,  Orga- 
nisation der  L.O.  1501  262,  Hofräte,  Kompetenz  264. 

§14.    Der  Kanzler  und  die  Kanzlei.    S.  265. 

Schreiber  266,  Kanzlei,  Protonotar  267,  Geschäftskreis  268,  Aufgaben  des 
Protonotars  269,  Kanzler,  Bestimmungen  über  Kanzlei  270,  Kontrolle  der 
Kanzleigeschäfte  272. 


ZwBitM  CkpiteL 
Dia  MltUlbcliftnlMi. 
§  15.    Dip  Vitttuinr.    S.  276. 
EiDtellung  in  VititQmKmter  27S,    Vitituin   ReprUaeotuit  dH  H«nogt  T18, 
Wirkaopkrou  279,  B«cIiU[>licge  SW,  HuähtboDf;  <1m  Ltndfrledsai  S8S. 
FinsnirerwaltuDg  264,  Hftaptlente  26T.  , 

§  16,    Die  Rontmeitter.    B.  288. 

LandwIiTeibFr  288,  lii-otmeirter  FinaDxorgkn  S8B,  Eontrolleatgu  d*r  Reebto- 
pSege  nnd  Tcrwftltung  291,  ICecbniiDgiptOfaiifc  29S,  ReatmeMer,  li0clMt«r 
kaMMibMiiit«r  dei  Pronni  39fi,  VintaÜon  aller  Amter  (rentneUtarlkhet 
Umritt)  397.  der  FiDsiubeunt«D  300,  BofroadiKnnK.  Vitttamhiodel  808, 
Fiiktü,  PoliieiTerwaltimg  814.  KcIigioDfpulitik .  HüiUnrewa  316,  Tee- 
fahren  b«i  Cm  ritten  81fl. 

Dritt«  Cftpilfl. 
Di«  0nUTb«hirdas. 
§17.    Die  Pfleger  (and  Kitbter^.    ä.  332. 
Anbicht  über  Burir  324,  PfleKor  Vertreter  de»  Ludetherm  In  (einem  Bo- 
lirke  387.  freiwillige  Ocrichtabukeit  328.   Poliiej  329,  SJcherhmtipoUiel 
831,    WirtKban«i>ol>>'^    333.    KircbeobobeiUrecbte    837.    Kiiuuu-   840, 
HüitiiTerwtltuDg  341.  Pfleger  und  Gr«f  343,  VerpOndnng  der  Ptlefc«n  344, 
TerleibiiQK  derselben  kiu  UoDvt  846,  Aafricbt  Ober  Ocmeindeorguie  847. 
i  lä    Der  Kaetner.    K  34& 
Enutehnng  849.   Aoblcbt  Ober  DomIu«D  3£i<,   Crbut|llC«T  361.  Kuteft- 
gefrenMhreiber  3S.1. 

Viertn«  CapitttL 
Die  B«call*BTenraltBag. 
g  19.    Die  Font- und  Jagdbeamten.    S.  356. 
Urganieation,  Jlgemteuter  SG7,  Forfbneiitar  368,  Fanktlonen  869,  Aofliobt 
Aber  Korporation! fönten  861,  >'{>r*t>tnfgericbt«barkeit  86^  JlgeraNJatar 
364.  Jagdperaona]  86G. 
g  80.    Die  HanibeanteD.    &  36C 
l«nd*tAndg^  MOunieittcr  StH,  itlndiifhei  Mfluaintebiii  Sä&,  Fonnon  dot 
IbUumeiiterbeflalltuig  S»9.  Weebietrecbt  370.  AntaTerbrechcH  37t  Juie- 
diktlougowalt  de«  UOMmnufr«  373,  Kontroll  ebeainta  (TtonelMt;  Anf- 
ddier)  374.   Piftger.  Uanikanunerer  87f>,   Wardoin  87S,  Pnhnm  TU, 
Rdchikreiae  880.    VerwalUnK  d«  heno^UcbeD   llaiiir«KaI*,    Haai^ 
tio«Mii  881. 
1».    Die  Bargbeanteo.    8.384. 
AvUcfat   Ober  Grabenbetrieb  384.  Bergriebter,   BergKhreiber  386,   Bers- 
iMlataT  887,  Qo^^wortM  8S8. 
|2t    Dia  Zollbeaintati.    a  888. 
Zöllner  389,  ZoU  890,   Oegeuehrnber  801,   Verpaehtsnc,  8dbitn«le  891 
ZongeOlle,  Kostnile  893.  Z«llordnaa(ni  398.  0«Mt  394. 


—      XIII      — 

§23.    Die  Ungelter.    S.  395. 

ÜDgeld  in  den  St&dten  395,   aUgemeine  Einführung  des  Ungelds,  Ungeld- 
verwaltong  in  den  Städten  396. 

Fünftes  Capitel 
Die  Stenerferwaltang. 
§  24.   Die  Organe  der  ständischen  Steuerverwaltang.  S.398. 
Bedeutung  des  Privilegs  von  1356  399,  Erhebung,  Verwaltung,  Verwen- 
dung der  Steuer  durch  Ständeausschuß  400,  Steurer  401,  LOwlerbund  402, 
landschaftlicher  Vorrat  403,  Opposition  der  Herzoge  gegen  das  ständische 
Becht  404,  Einrichtung  der  Steuerverwaltung,  Funktionen  der  ünter- 
steurer  405,  der  Obersteurer  406,   Steuerjurisdiktion,  Verwaltung  des 
Aa£Bchlags  407. 

Drittes  Buch. 
Bie  Organisation  der  Central-  und  MittelbehlJrdeu  im  16.  Jahrhundert. 

Erstes  Capitel 
Die  Kollegialbehörden. 
§25.    Der  Hofrat  und  die  Begierungen.    S.  409. 

Verwaltungsorganisation,  Mittel  der  Verschmelzung  neuerworbener  Ge- 
biete 410,  ständische  Mitwirkung  bei  Anstellung  von  Bäten  unter  Wil- 
helm IV.  411,  Neuorganisation  der  MittelbchOrden  412,  Begierungen 
413,  Hofrat  Centralstelle  und  MittelbehOrde  414,  Beiziehung  von  Urteils- 
findem  bei  Bechtsstreitigkeiten  417,  Unterscheidung  der  (hof)gericht- 
lichen  und  verwaltenden  Thätigkeit  417,  Hofgericht  419,  gütliches  Ver- 
fahren und  ordentlicher  Prozeß  420,  Vorteile  des  Güteverfahrens  421, 
das  Güteverfahren  hat  nicht  die  ihm  von  Stolzel  für  die  Bezeption 
beigelegte  Bedeutung  422,  Gütevorsuch  und  Entscheidung  vor  derselben 
Stelle  423,  aufierprozessuale  Erledigung  gewisser  gerichtlicher  Geschäfte 
424,  Ziehen  der  Prozesse  an  den  Hof  (auch  416),  Verweisung  derselben 
dahin  425,  Kompetenz  des  Hofgerichts  als  erste  Instanz  (bei  Klagen 
gegen  Prälaten,  Adlige,  Beamte,  Lehensprozesse  426,  Kriminalgerichts- 
barkeit 427,  Vitztumwändel,  Kompetenzkonflikte  428),  als  Appellations- 
instanz 429,  Verbot  der  Umgehung  des  Untergerichts  430,  Justizverwal- 
tung 431,  Geleite  432,  nur  begutachtende  Behörde  bezüglich  einzelner 
Geschäfte,  Kompetenz  auf  dem  Gebiet  der  Verwaltung  allgemein,  soweit 
nicht  die  anderer  Behörden  gegeben  ist,  433,  Beispiele  434,  Aufsichts- 
befugnis 436.  Zweite  Periode  seit  1550  437,  Beorganisation  Albrechts  V. 
bezweckt  Hebung  der  Bechtspflege  438,  Vorsitzender  (Landhofmeister, 
Präsident)  440,  Kanzler  442,  Inhaber  der  Hofchargon  und  andre  Beamte 
zugleich  Hofiräte  443,  Zahl  der  Bäte  444,  Gelehrte  Bank  445;  Beferent 
446,  Teüung  des  Hofrats  in  Senate  449,  Aufhebung  dieser  Teilung  450, 
Verweisung  der  Bagatellsachen  an  einen  Nebonrat  451,  Vorsprecher  453, 
Advokaten  454,  HoQ)rokurateren,  Supplikationsschreiber  456. 
Anhang:  Die  Anfänge  des  diplomatischen  Dienstes.    S.457. 

Sollidtator  bei  der  Curie,  Agent  beim  Kaiserhof  458,  Aufgaben  des  diplo- 
matischen Vertreters,  Agent  bei  der  Bepublik  Venedig  459,  in  Madrid, 
Stellung  der  diplomatischen  Agenten  460. 


—      XIV      — 

§26.    Die  Hofkammer.    S.  461. 

Hofrat  besorgt  aach  Finanzverwaltong  461,  Finanzkalamitäten  führten  zur 
GründoDg  einer  SpezialbehOrde  (Hofkammer),  Vorbild  der  Osterreichischen 
Hofkanuner  462,  Prinzipien  dieser  Organisation  473,  Grflndong  1550  464, 
Zusammenhang  mit  dem  Hofirat  466,  Beorganisation  1565  467,  emente 
Errichtung  eines  EammerkoUegioms  469,  Eammerkanzlei  471,  kollegiale 
VerÜassong  472,  Begatachtongs-  und  Entscheidungsbefugnis  der  Kammer 
474,  Hauptaufgabe:  Herstellung  des  Gleichgewichts  der  Einnahmen  und 
Ausgaben  475,  voUkonmiene  Verwaltung  des  Kammerwesens  476,  Leitung 
der  Finanzpolitik  und  -gesetzgebung  477,  der  Yolkswirtschaftspflege  478, 
Konzentrierung  des  Einnahmedienstes :  Au&icht  über  Domftnen  479,  Ver- 
waltung der  Lehen,  Verkauf  des  (Kasten-)Getreides  480,  AuÜBicht  über 
Regalien  481  (Zölle  481,  Aufsicht  über  Wirtschaft  der  Kloster  483,  vacie- 
renden  Beneficien  etc.  485),  Verminderung  der  Schulden  485,  Konvertie- 
rung von  Schuldforderungen  486,  Aufsicht  über  Beamtenanstellungen  486, 
über  Hofistftbe  489,  Zahlmeister  491,  Centralisation  des  Kassenwesens  492, 
Konzentrierung  der  Ausgaben,  innere  Kammer  493,  finanzielles  Anweisungs- 
recht  494,  Sorge  für  Beschaffung  des  Geldbedarfs  496,  Veranschlag,  Ge- 
samtrechnung 497.  BechnungskontroUe  498,  Hofkammer  hatte  Aufgabe 
der  Prüfung  der  Bechnungen  des  Zahlmeisters,  der  Hof)toiter  und  des 
Bentamts  München  499,  oberste  Bechnungsrevisionsinstanz  500,  Finanz- 
rechtsprechung 501,  Hofkammer  Hülfsorgan  des  Hofirats  fär  diese  502, 
finanzieller  Niedergang  unter  Wilhelm  V.  504. 
§27.    Der  geistliche  Bat    S.  506. 

Kirchenpolitik  in  der  Beformationszeit  507,  Visitationskommission  508,  In- 
struktion der  Visitatoren  (1514)  510,  Religionsrat  (1557)  512,  Aufhebung 
(1559),  Errichtung  des  geistlichen  Bats  (1570)  514,  Aufgaben  desselben 
515,  Neubesetzung  des  Kollegiums  517,  Kompetenzabgrenzung  gegenüber 
der  Hofkammer  (kirchliche  VermOgensverwdtung)  519,  Kompetenz  des 
geistlichen  Bats  521,  Projekt  der  Aufhebung  desselben  524,  Büge  des 
geistlichen  Rats  durch  Wilhehn  V.  526. 
§  2a    Die  Anfänge  des  Kriegsrats.    S.  529. 

Errichtung  nach  dem  Vorbilde  des  Osterreichischen  (1583)  529,  Zusammen- 
setzung 530,   Gesch&ftskreis  531,    Sprinzenstein    Land-  und  Feldzeug- 
meister 532,  Aufhebung  des  Kollegiums  535,  Obergang  der  Geschäfte  auf 
den  Hofirat,  in  welchem  ob.  Zeugmeister  Referent  in  Kriegssachen  536. 
§29.    Die  Anfänge  des  geheimen  Bats.    S.  537. 

Entwicklungsprozeß  wie  in  Österreich  und  in  andern  Territorien  537,  kol- 
legiale Organisation  (1582)  53^  Erhaltung  des  Zusammenhangs  mit  dem 
Hofirat,  geheime  Sachen  539,  Kompetenz  540. 
§30.    Die  Kanzleien.    S.  541. 

Hofkanzlei,  Kanzler  541,  Vicekanzler  542,  innere  oder  geheime  Kanzlei  543, 
Kanzleipersonal  544,  Begierungskanzleien  545. 

Archiv  546,  Instruktion  (1586)  547,  Aufgaben  des  Archivars  548. 

Bibliothek  550. 


—     XV     — 

Zweites  CapiteL 
Staatadienerreeht  und  Charakter  des  BeamtentomB. 
§31.    Das  Staatsdienerrecht    S.  552. 

Quellen  552,  Anstellungsvertrag  553,  Inländereigenschaft  554,  st&ndischer 
Kampf  gegen  das  Aosländertum  555,  Amtseid  561,  Anstellongsdekret  562, 
Besoldung  563,  Vorrechte:   Steuerfreiheit,  Exemtion  vom  Stadtgerichte 
564,  Pflichten  der  Beamten  565,  Eechtsfolgen  der  Pflichtverletzung  566, 
Zuständigkeit  des  Hofgerichts  fdr  Klagen  gegen  Beamte  568,  H&te  von 
Haus  aus  570. 
§  32.    Der  Charakter  des  Beamtentums.    S.  573. 
Kleriker,  Doctores  574,  schriftstellemde  H&te  575  (Plieningen,  Fugger,  Hund, 
Pemeder,  HOrwart),  Bestechlichkeit  577,  Bildungsgrad  578,  Landschaft 
und  K&te  579,  Pflichttreue  und  Freimut  des  Beamtentums  582,  wichtige 
Eingabe  der  Hofkammer  und  einiger  Räte  an  Albrecht  Y.  Aber  die  Re- 
form seiner  Regierung  583 
Schluß  a  584. 
Einteilnng  des  Herzogtums  590,  Ministerialen  591,  Einwirkung  des  Reichs 
59Z,  K.  Ludwig  593,  Heinrich  d.  Reiche,  Qeorg  d.  R.  (Mauerkircher)  593, 
Albrecht  lY.  (Neuhauser)  594^  Wilhelms  lY.  Gesetzgebung,  Albrecht  Y.  595, 
Wilhelm  Y.,  Dauerhaftigkeit  der  Qrundzüge  der  BehOrdenorganisation  596, 
Prinzipien  597,  Qrflnde  derselben  598,  Hebung  der  Rechtspflege  durch 
die  Herzoge  600. 
Berichtigungen  und  Ergänzungen  S.  602. 


ABKÜRZUNGEN. 


B.  A.  =^  Kgl  bajerisches  allgemeines  Reichsarchiv  zu  München. 

H.  A.  =  Egl  bayerisches  geheimes  Hausarchi?  zu  München. 

Er.  A.  M.  =:  EgL  oberbayerisches  Ereisarchi?  zu  München. 

Er.  A.  L.  =  Kgl  niederbayerisches  Ereisarchiv  zu  Landshut 

Cod.  Ba?.  =  Ck>dex  der  kgl  Hof-  and  Staatsbibliothek  za  München  (Deutscher 
Handschriftenkatalog  s.  v.  Bayern). 

R  B.  >=  Begesta  Boica,  herausgegeben  von  v.  Lang  und  Yon  Freyberg. 

M.  B.  =  Monumenta  Boica. 

Qu.  u.  Er.  <=  Quellen  und  Erörterungen  zur  bayerischen  und  deutschen 
Oeschichte. 

L.  Fr.  ===  Erklftrung  der  Landsfreyhait  in  obem  und  nidem  Baim,  widerumb 
vomeut  im  1553.  Jar  [mit  steter  Rücksichtnahme  auf  die  vorangegangenen] 
(V.  L  e  r  c  h  e  n  f  e  1  d ,  Die  altbaierischen  landst&ndischen  Freibriefe  mit 
den  Landesfreiheitserklänmgen.  München  1853.  S.  285  K). 

Ldr.  =  K  Ludwigs  Rechtsbuch  1346  (in  v.  Freyberg's  Sammlung  hist 
Schriften  u.  Urkunden.    Stuttgart  u.  Tübingen  1854  Bd.  IV,  S.  385  £). 

Ee£  Ldr.  1518  =  Reformadon  des  bayrisschen  Lanndrechts  nach  Cristi  unsers 
Haiimachers  geburde  im  1518.  jar  aufgericht 

Ger.O.  1520  =  Gerichtzordnung  im  fürstenthumb  Obem-  und  NidemBayem 
anno  1520  aufgericht 

L.O.  1474  =  Herzog  Ludwigs  von  Landshut  sog.  Landes-Ordnung  oder  eigent- 
lich Rechts-,  Gerichts-  u.  Landes-Polizeyordnung  (E  r  e  n  n  e  r ,  Baierische 
Landtags-Handlungen  Bd.  YII,  S.  472  ff.). 

L.O.  1501  ==  Herzog  Georgs  von  Landshut  sog.  Landes-Ordnung  oder  eigent- 
lich Rechts-,  Gerichts-  und  Landes-Polizeyordnung  (Erenner  a.a.O. 
Bd.  Xm,  S.  261). 

L.O.  1516  =  Das  buech  der  gemeinen  Landpost,  Landsordnung,  Satzung 
unnd  Gebreuch  des  Furstenthumbs  in  Obem  unnd  Nideirn  Baim  im 
1516.  Jar  aufgericht 

L.O.  1553  =  Bairische  Lanndtsordnung  1553. 


Einleitung. 


Die  Darstellung  der  Geschichte  des  Gerichtswesens  und 
der  Verwaltungsorganisation  Baiems  erstreckt  sich  auf  jenes 
„politische  Gemeinwesen,  welches  jeweils  den  Namen  Baiem^) 
fahrte"  *). 

Die  Periode,  welche  dieser  erste  Band  behandelt,  umfaßt 
zwei  Hauptzeiträume :  den  der  Ausbildung  der  landesherrlichen 
Gewalt  seit  dem  Regierungsantritte  der  Witteisbacher  und  der 
Landesteilungen  (1180 — 1506),  und  sodann  den  von  der  Wieder- 
vereinigung des  bairischen  Landes  unter  Albrecht  IV.  bis  zum 
Regierungsantritte  Maximilians  L,  des  ersten  bairischen  Kur- 
fürsten (1506— J  598). 

Das  volle  Verständnis  der  folgenden  rechtshistorischen  Aus- 
führungen hat  zur  Voraussetzung  die  Kenntnis  der  politischen 
Geschichte  ^),  welche  den  Rahmen  für  unsere  Darstellung  abgibt. 


1)  In  dieser  sachlich  gebotenen  Begrenzung  der  Aufgabe  sowie  in  der 
Begründung  derselben  stimme  ich  überoiu  mit  B  i  e  z  1  e  r,  Geschichte  Baiems. 
Gotha  187a  L  S.  3  f. 

2)  Ich  behalte  mir  vor,  bei  der  Fortsetzung  des  Werks  s.  Z.  durch 
kurze  orientierende  Übersichten  ein  Bild  der  Entwicklung  der  staatlichen 
Institutionen  der  hervorragendsten  mit  dem  bairischen  Stammlande  ver- 
einigten Territorien  zu  entwerfen. 

3)  In  Bezug  auf  diese  verweise  ich  namentlich  auf  das  angef&hrte  Werk 
von  Riez  1er,  das  in  mustergültiger  Weise  mit  der  Darstellung  der  politischen 

Koseath»!,  Qeschichte  d.  GerichUw.  u.  d.  V«rvr.-Or^.  Baieras.  I.  ^ 


—    2    — 

Um  auch  den  mit  der  Geschichte  Baierns  weniger  Ver- 
trauten das  Verständnis  der  folgenden  Ausführungen  zu  er- 
leichtem ,  sei  es  gestattet ,  liier  in  aller  Kürze  ein  Bild  jener 
unheilvollen  Landesteilun<;cn  zu  entwerfen  unter  Anführung  aller 
Herrscher  der  einzelnen  Linien.  Wir  brauchen  dann  im  Ver- 
laufe der  Darstellung  auch  nur  da,  wo  es  durch  die  Einwirkung 
derselben  auf  die  politische  Organisation  dringend  gelK>ten  ist, 
auf  dieselbe  Rücksicht  zu  nehmen,  denn  die  Centralver^valtung 
bildete  sich  an  den  verschiedenen  Höfen  der  selbständigen 
bairischen  Territorien  in  ähnlicher  Wiase,  und  die  Lokalven^al- 
tung  wurde  durch  die  Teilungen  kaum  berührt,  während  aller- 
dings die  Mittelbehörden,  wenn  auch  nicht  in  Bezug  auf  Kom- 
petenz, so  doch  jedenfalls  in  Bezug  auf  die  örtliche  Abgrenzung 
des  Vitztumamtsbezirks  und  die  Errichtung  der  Bchr»rden  von 
diesen  Teilungen  in  Mitleidenschaft  gezogen  wurden. 

Die  erste  TeihmgM  1255  brachte  Oberbaiern  (München),  die 
Kheinpfalz  nebst  einigen  Ämtern  auf  dem  Nordgau  an  Ludwi;^  n.^ 
Niederbaiem  (Landshut)  an  Heinrich  \UL  Durch  den  Vertrag 
von  Pavia  1321)  wunle  die  Kheinpfalz  nebst  dem  größeren  Teil  der 
Ämter  auf  dem  Nonigau  (später  Oberpfalz),  die  an  Rudolfs  1. 
Söhne  und  Enkel  gelangten,  von  Baiem  getrennt,  eine  Trennung, 
die  ül>er  vier  und  einhalb  Jahrhunderte  dauerte.  Oberbaiern  mit 
einigen  nordgauischen  Ämteni  behielt  K.  Ludwig  (tl.'(47).  Seine 
6  Sr)hne  sehritten  nach  2jähriger  gemeinschaftlicher  Regierung 
1349  zu  folgender  Teilung :  (oberbaiern  (nebst  Tirol  und  Branden- 


aach  dio  dor  Kaltarfir«8chichto  verbindet  und  dabei  auch  da«  (iericht«'-  und 
Beamtonweien  einer  sacbkondifiren  und  luvcrlftsii^on  Bcsprocbunf^  unterzieh L 
Hoffentlich  erfreut  uns  der  Verfauer  bald  mit  dem  3.  Bande  —  der  1  r«*icht 
bis  1347. 

1)  Über  den  L&nderbeitand  der  einzelnen  durch  die  Teilun^n  f^o- 
schaffenen  lelbvtändif^n  Gebiete  vf^L  Rockinf^eri  Kinleituuf?  zu  v. 
Lerchen fel'l,  Die  altbaierischen  landständitchon  Freibriefe  mit  den 
Landenfreiheitserklfirunfcen.  Manchen  1K*):1  S.  TA)  f.;  aber  dio  Teilungen  Tfrl 
noch  Hilutlo  im  Oberbajeriichen  Archiv,  herauf ^(^ben  von  dem  Iditor. 
Verein  von  und  f&r  Oberbajem.  Bd.  XXVL  S.  1  ffl 


—    3    - 

bürg)  erhielten  Ludwig  V.  der  Brandenburger,  Ludwig  VI.  der 
Bömer  und  Otto  V.  ^),  während  Niederbaiern  (nebst  den  hollän- 
dischen Provinzen)  in  den  Besitz  Stephans  TL,  mit  der  Hafte,  Wil- 
helms I.  und  Albrechts  I.  übergingen.  Auch  die  niederbairischen 
Herzoge  schritten  1353  zu  einer  Teilung,  welche  die  Linien 
Baiem  -  Landshut  (Stephan  H.)  und  Baiem  -  Straubing  -  Holland 
begründete  (Wilhelm  I.  und  Albrecht  I.). 

Stephan  H.  vereinigte  1363  Baiem  -  Landshut  mit  Ober- 
baiem.  Durch  die  Teilung  dieses  Länderkomplexes  (1392) 
seitens  seiner  Söhne  wurden  die  Linien  Baiem  -  Ingolstadt, 
Baiem-Landshut  und  Baiem-München  begründet.  B.-Ingolstadt 
erlosch  schon  1447,  der  größte  Teil  dieses  Gebiets  kam  zu 
B.-Landshut.  -r-  Vorher,  1425,  war  schon  die  Linie  B.-Strau- 
bing  ausgestorben,  dessen  Länderbestand  an  B.-Ingolstadt, 
B.-Landshut  und  B.-München  gefallen  war*).  Als  mit  dem 
Tode  Georg  des  Beichen  auch  die  Linie  B.-Landshut  1503  aus- 
starb, wurde  nach  dem  bairischen  Erbfolgekriege  Ober-  und  Nieder- 
baiern wieder  vereinigt,  1505  unter  Albrecht  IV.  Seine  staats- 
männische Weisheit  bewahrte  Baiem  vor  wiederholter  Zer- 
stücklung, indem  er  1506  die  Unteilbarkeit  des  Herzogtums  und 
die  Primogeniturordnung  festsetzte^). 


1)  1351  übernahm  Ludwig  der  Brandenburger  allein  Oberbaiem  mit 
nrol  und  überliefi  Brandenburg  seinen  Brüdern,  die  es  1373  an  K  Karl  IV 
yerkanften.    Tirol  kam  1369  an  Österreich. 

2)  Holland  war  an  Borgond  gekommen. 

3)  Die  Begierongszeit  der  einzelnen  Herrscher  nnd  die  Art  der  Tei- 
lungen yeranschanlicht  das  Schema  auf  S.  4. 


1 


>?•- 


—    4    — 


Otto  L  1180-1183. 
Ludwig  L  t  1231. 
Otto  n.       t  1263. 


Oberbalern  (PfSdz). 

Lndwiff  IL  -1294. 
Badolf— 1^17,  seit  1302  K. 
Ludwig  lY.  d.  B.  Mitregent 
(Durch  Vertrag  von  Pavia 
scheidet  Pfalz  [a.  Oberpfalz] 
aus.) 

K  Ludwig  d.  B.,  seit  1341 

AUeiahemeher  in  Ober-  n. 

Hiederbaieni,  f  1347. 

Ludwig  y.  der  Brandenbur- 

r>r,tl361inOber- 
aiern.  (Bis  1351 
mit  Ludwig  VI.  und 
Otto  V.  i^mein- 
schaftlicb.) 

Meinkiard  f  1363. 


Stephan  111  f  1413. 
B.-Ingolstadt 


\  ^ 


N  <^ 


Ludwig  d.  Bärtige      Ernst  f  1438,  WilhehnllLt  1435. 

T  ^*^''-  Albrecht  XXL  1438-1460. 

^'^^^^I^^^^^'^  Johann  IV.t  1463,  Sigmund  1 1467. 

Albrecht  IV.  1465-1508^ 

seit  1605  Alleinherrscher  im  wie- 

derrereinigten  Ober-  und  Vieder- 

baiem. 

Wilhelm  IV.  1508-  1550,  gemein- 
schaftlich mit  8.  Bruder  Ludwig 
(1516-1545). 

Albrecht  V.  —1579. 

WiDiclm  V.  -1598. 


Niederbalern. 

Heinrich  XIU.    -1290. 
OttoIIL  tl312,  LudwigllL  1 1296,  Stephan  L  f  1310. 


Heinrich  XV.f  1333;Heinrich  XIV.tl339,  Otto  lV.tl334 


Johann  1340. 

Stephan  0.  f  1375,  Wilhelm  L- 1358,  Albrecht  L  f  1404. 

erhielt  1353  erhielten  1353  B. -Straubing 

B.-Landshut  mit  Holland. 

'^  ^if^o^n*^*^"  WUhehnlLt  1417,  Johann  ULt  1426. 
baiern.  '  ' 


^      9^ 

Friedrich  f  1392.      l-g 
B.-Landshut      ^S 


Johann  IL  f  1397. 


B.-Manchen. 


^  ^ 


Heinrich  d.  Bciche 
t  1450. 

Ludwig  d.  Reiche 
t  1479. 

Georg  d.  Reiche 
t  1503. 


>  • 


Erstes  Buch. 

Gesehiehte  des  Gerichtswesens. 


ERSTES  CAPITEL. 

Die  Gerichtsgewalt  des  Herzogs. 

§1- 

Die  Entwicklnng  der  herzoglichen  Oerlchtsherrllchkeit» 

Wie  in  der  fränkischen  Periode,  so  ist  auch  im  deutschen 
Mittelalter  der  König  Träger  der  Justizhoheit,  die  einzige  Quelle 
aller  Gerichtsbarkeit  im  Reiche.  Aus  der  faktischen  Unmög- 
lichkeit einer  persönlichen  Ausübung  der  ihm  zustehenden  Ge- 
richtsbarkeit im  ganzen  Gebiete  des  Deutschen  Reichs  ergab 
sich  die  Notwendigkeit  der  Einsetzung  von  Stellvertretern,  von 
Organen,  welchen  die  Handhabung  der  Rechtspflege  in  seinem 
Namen  und  seinem  Auftrage  in  räumlich  abgegrenzten  Bezirken 
übertragen  ward  ^).  Die  Grafen,  königliche  Beamte,  waren  des- 
halb die  ordentlichen  Richter  der  karolingischen  Gerichtsver- 
fassung geworden.  Als  mit  der  Auflösung  der  Gauverfassung 
das  Grafenamt  sich  in  ein  erbliches  Lehen  verwandelt  hatte, 
übten  die  Grafen  die  Gerichtsbarkeit  in  ihren  Grafschaften  aus 
in  Folge  königlicher  Belehnung;  aus  den  Beamten  des  Königs 
waren  seine  Vasallen  geworden.  Zwischen  den  König  und  die 
Grafen  war  seit  dem  10.  Jahrhundert  eine  neuerstandene  terri- 
toriale Gewalt,  das  Stammesherzogtum  *),  eingerückt. 

1)  Diesen  Gedanken  brin^  Ssp.  (Sachsenspiegel)  III,  52  §  1  zum  Ausdrack 

2)  Vgl   Ober  dasselbe  Waitz,    Deutsche   VerÜEissangsgeschichte.  Kiel 
187a  Vn.  a  95  ff.,  ober  Baiem  bes.  S.  109  £ 


—    6    — 

In  Baiern  war  es  des  Markgrafen  LuitpoUI  Si»lin,  Arnulf, 
welcher  (907)  bei  der  drohenden  (Jefahr  rüuherisrher  Einfälle 
der  Ungarn  die  herzogliche  Oewalt  in  seinem  Stamme  wieder 
begründete,  wahrscheinlich  nach  vorangegangener'  Wahl  der 
Großen  des  Landes^). 

Da  es  dem  bairischem  Stamme  gelungen  war,  unter  den 
verschiedenen  Wechselfällen  des  geschichtlichen  Lebens  durch 
seine  /usammenschließung  zu  einem  einheitlichen  politischen 
Ganzen  verhältnismäßig  große  Selbständigkeit  zu  behaupten, 
konnte  die  herzogliche  (iewalt  sich  hier  auch  in  viel  kraft- 
vollerer Weise  entwickeln  als  bei  den  übrigen  Stämmen*),  so 
daß  <lie  bairischen  (und  alamannischen)  Stammesherzoge  in 
ihren  (iebieten  das  königliche  Vorrecht  der  (irafenemennung 
üben-').  Die  Eoheitsrechte  des  bairischen  Herzogtums  waren 
in  intensiver  Weise  ausgebildet  und  die  bairischen  (irafen  er- 
folgreich der  Gewalt  des  liiTzogs  unterworfen  worden,  von  dem 
sie  später  auch  ihre  (irafschaften  zu  Lehen  trugen*).  Das 
Ilerzogsiimt  selbst  war  Reichslehen,  «lem  Herzoge  wurde  eine 
vicekrmigliche  (lewalt  beigemessen,  er  wurde  als  Stellvertreter 
des  Königs,  welchem  er  untergeben  war,  in  dem  betreti'enden 
Lande  betrachtet^).  Die  Erblichkeit  «lieses  Lehens  hatte  sich 
im  Laufe  der  Zeit  gewohnheitsmäßig  hrrausgc^bildet.  Aus  der 
stark  gefügten  herzoglichen  Gewalt  sproßte  so  liei  der  immer 
mehr  zunehmenden  Unabhängigkeit  V(mi  Kaiser  und  Reich  die 
Landeshoheit  der  Herzoge  hervor*^).  In  einem  durch  politische 
Verhältnisse  begünstigten,  sich  langsam  vollziehenden  Entwick- 
lungspn>zesse  war  die  Lamlesherrlichkeit  tler  bairischen  Her- 
zoge schon  gegen  Ende  des  12.  Jahrhunderts  zum  Abschlüsse 
gebracht  und  die  Keichsgesetze  Friedrichs  H.  und  seines  Sohnes 

1)  Rio  zier,  GcBchicht<>  Daieriis.   L   S.  314. 

2)  H  ••  i }?  0 1  - K  i  cz  1  e r ,  Das  Hcrzo^uin  Bayern  z.  Z.  Hi'inriohs  de» 
Löwt>o  und  Ottos  I.  Vf>n  WittclsUch.  Mancht^n  18<!7.  S.  3,  W\. 

3)Sohni,  Di«'  altdeutsche  Reichs-  und  <ferichtiiverfassunf^  Weimar 
1871.   S.  24t;  f.    Waitz,  Verf.-<ie8ch.  VII,  S.  IM  f. 

4)  Kiczlor,  Die  herzog.  Gewalt»  bei  H  oiirel- Rio  zier  S.  190  flL 

5)  Waitz  VII,  S.  122.  In  Froumund  Kpist  iVz  VI.  144  Fcliroibt  ein  Abt 
von  To^'omsee  an  Herzog  Hoinricli  VI.  von  Raii*m:  qui  vice  ref^  in  hac 
patria  ro^o  potiniinL 

ü)  V^'L  Rieiler,  Geschichte  Baierus.  Gotha  ISSo.  11.  S.  0  ff. 


—    7     — 

Heinrich  von  1220  und  1232  ^)  haben  zum  größten  Teile  nur 
den  bestehenden  Rechtszustand  gesetzlich  sanktioniert,  den- 
selben aber  keineswegs  erst  begründet. 

Die  Konsolidierung  des  bairischen  Territorialstaats  nahm 
unter  den  ersten  Fürsten  aus  dem  Hause  Witteisbach  einen 
glücklichen  Fortgang,  indem  durch  das  Zusammentreffen  ver- 
schiedener fördernder  Ereignisse,  durch  Erbgang,  Heirat  und 
Kauf  eine  Reihe  von  Besitzungen  alter  Grafengeschlechter  dem 
Herzogtum  einverleibt  werden  konnten.  Auf  diese  Weise  wurde 
dessen  Gebietsumfang  nicht  nur  erheblich  erweitert,  sondern 
auch  der  Gefahr  vorgebeugt,  daß  in  diesen  Grafschaften  selbst 
eine  landesherrliche  Gewalt  zur  Entstehung  gelangte^). 

Die  Gerichtsgewalt,  als  der  Mittelpunkt  aller  staatlichen  Ge- 
walt, bildete  das  Fundament  der  landesherrlichen  Rechte;  die 
deutsche  Territorialverfassung  ist  aus  der  Gerichtsverfassung 
hervorgegangen  *).  So  war  nun  auch  nach  und  nach  die  Gerichts- 
gewalt des  Baiemherzogs,  welcher  schon  vorher  als  Oberrichter 
der  bairischen  Provinz  betrachtet  wurde,  immer  mehr  erstarkt. 

Nach  unten  war  dieselbe  ganz  abgeschlossen,  der  Herzog 
war  der  Gerichtsherr  des  Territoriums  geworden,  welchem  sämt- 
liche Richter  desselben  unterstellt  waren.  Er  war  die  Quelle 
der  Gerichtsbarkeit  im  ganzen  Herzogtum  und  nur  von  ihm 
leiteten  die  unteren  Richter  ihre  Ämter  ab.  Kraft  der  ihm 
zustehenden  Justizhoheit  konnte  der  Herzog  alle  Richter  des 
Landes  nach  Belieben  ein-  und  absetzen. 

Die  Bedeutung  der  königlichen  Gerichtsherrlichkeit  war  in 
Süddeutschland  schon  dadurch  etwas  beschränkt,  daß  die  Richter 
hier  nicht,  wie  im  Gebiete  des  sächsischen  Rechts*),  den  Ge- 
richtsbann   vom  König    unmittelbar    erholen   mußten*).      Der 


1)  RGes.  1218  (M.  G.  L.  II,  p.  229),  1220  (ib.  237) ;  Statut  in  favorem 
princip.  1^1  Yon  Heinrich  oriassen,  1232  von  Friedrich  bestätig  (ib.  282, 
291).  Vgl  Aber  die  beiden  erstgenannten  Reichsgesetze :  Berchtold,  Die 
Entwickelung  der  Landeshoheit  in  Deatschland.   München  1863.   I.  S.  95  £ 

2)  Biezler  IL  S.  12. 

3)  Vgl  Waitz,  Vni,  S.  93. 

4)  Vgl  G.  Meyer,  Die  Verleihung  des  EOnigsbannes  und  das  Dingen 
bei  markgräflicher  Huld.  Jena  1881.  S.  2  £ 

5)  Vgl  über  die  Unterscheidung  der  Bannleihe  von  der  Gerichtsleihe 
Branner,  Das  gerichtliche  Ezomtionsrecht  der  Babenberger  (Sitz.-Ber.  d. 
Wien.  Ak.  PhiL-hist  KL  Bd.  47.  S.  316. 


-    8    — 

Landesfürst  hatte  hier  mit  der  Verleihung  des  höheren  Ge- 
richts auch  die  Übertragung  des  Bannes,  der  Gerichtsgewalt 
zu  verbinden.  In  Süddeutschland  ist  von  einer  Verleihung  des 
Königsbanns  bei  Übertragung  eines  Gerichts  überhaupt  nicht  die 
Bede,  wie  denn  der  Begriff  des  Eönigsbanns  den  süddeutschen 
Rechtsquellen  des  13.  Jahrhunderts  fremd  ist  ')>  und  die  Ver- 
leihung des  Blutbanns  durch  den  König  nur  für  den  von  einem 
geistlichen,  nicht  aber  für  den  von  einem  weltlichen  Fürsten 
bestellten  Richter  gefordert  wird  •). 

Obwohl  nun  die  Richter  in  den  Territorien  ihre  Amts- 
gewalt nicht  mehr  unmittelbar  vom  König  ableiten  konnten, 
machte  sich  doch  die  Gerichtsgewalt  des  Königs  als  die  höchste 
des  Reiches  auch  in  den  Territorien  geltend.  Denn  vom  Könige 
mußte  sich  der  Herzog  mit  dem  Herzogtum,  also  auch  mit 
den  die  herzogliche  Gewalt  bildenden  Hoheitsrechten  be- 
lehnen lassen.  Die  Gerichtshoheit  des  bairischen  Herzogs  führt 
so  zurück  auf  die  des  deutschen  Königs  als  auf  ihre  Quelle. 
Indem  der  König  den  Herzog  zum  Gerichtsherm  seines  Herzog- 
tums macht,  überträgt  er  diesem  seine  Stellvertretung  in  Aus- 
übung der  ihm  im  ganzen  Reiche  zustehenden  Gerichtsbarkeit 
für  den  Umfang  des  Herzogtums  zugleich  mit  dem  Rechte  der 
Einsetzung  der  für  die  Rechtspflege  des  Territoriums  erforder- 
lichen richterlichen  Organe.  Der  König  behält  aber  seine  dem 
Herzoge  übergeordnete  Stellung  natürlich  bei,  und  die  höchste 
Jurisdiktionsgewalt  [über  Baiem  blieb  nach  wie  vor  auch  bei 
ihm,  als  dem  Oberhaupte  des  Reichs,  dem  obersten  Lehensherm 
der  Landesherrn,  seiner  Vasallen'). 

Die  Auffassung  der  Gerichtsbarkeit  als  eines  Ausflusses 
der  königlichen  Gewalt  tritt  noch  scharf  zu  Tag  in  der  von  den 
Rechtsbüchem    des    Mittelalters    zum    Ausdrucke    gebrachten 

1)  G.  M  e  7  e  r,  Eönigsbann,  S.  17  £,  22,  welcher  die  YcrlcihuDg  des  Königs- 
banns  als  ein  Institut  des  sAchsischen  Rechts  nachweist  und  die  Verschieden- 
heit, welche  in  dieser  Bedehong  der  Ssp.  and  der  sog.  Schwabenspiogel  (Schwsp.) 
aofweisen,  entgegen  der  herrschenden  Lehre  nicht  als  eine  zeitliche,  sondern 
als  eine  territoriale  Verschiedenheit  auffaßt 

2)  Schwsp.  (Gengier)  c  95  §  4;  c.  75  §  4. 

3)  Vgl  aach  Efihns,  Geschichte  der  Gerichtsrerfassang  und  des  Pro- 
zesses in  der  Mark  Brandenburg.  Berlin  1865.  I.  S.  76.  Luschin  von 
Ebengreuth,  Geschichte  des  filtern  Gerichtswesens  in  Österreich  ob  und 
unter  der  Ennt.  Weimar  1879.  S.  20. 


—    9    — 

RechtsregeP),  daß  das  persönliche  Erscheinen  des  Königs  in 
einem  Territorium  des  Reiches  alle  Gerichtsbarkeit  in  diesem 
suspendiere  und  diese  nunmehr  ausschließlich  dem  Könige,  wie 
andere  Hoheitsrechte,  zustehe  *).  Aber  nicht  nur  durch  die  per- 
sönliche Anwesenheit  des  Königs  in  einem  Lande  wird  eine  Kon- 
kurrenz der  Gerichtsbarkeit  des  Königs  mit  der  in  den  Territorien 
hervorgerufen,  sondern  das  königliche  Gericht  kann  auch  jeden 
vor  einem  Territorialgerichte  schwebenden  oder  vor  ein  solches 
gehörenden  Rechtsstreit  an  sich  ziehen.  Zu  einer  solchen  Evo- 
cation  bedarf  es  nicht  einmal  des  Antrages  einer  Partei  ^).  That- 
sächlich  kamen  solche  Evocationen  nicht  häufig  vor,  höchstens 
in  den  Fällen  von  Justizverweigerung,  da  das  königliche  Hof- 
gericht seinen  Geschäftsumfang  doch  nicht  ohne  genügende 
Veranlassung  in  störender  Weise  vermehren  wollte.  Die  auf 
eine  Abschließung  ihrer  landesherrlichen  Gewalt  bedachten 
Fürsten  begnügten  sich  aber  nicht  mit  diesem  faktischen  Zu- 
stande, sondern  ihr  Streben  ging  dahin,  ihre  Gerichtshoheit 
gegen  immerhin  mögliche  Eingriffe  des  Reichshofgerichts  zu 
sichern,  die  Zulässigkeit  solcher  Evocationen  ihrer  Unterthanen 
durch  Erwerbung  von  privilegia  de  non  evocando  prinzipiell 
auszuschließen  *). 

Als  sämtliche  Kurfürsten  durch  die  goldne  Bulle  dieses 
Privileg  neben  anderen  wichtigen  ihre  territoriale  Selbständig- 
keit sichernden  Vorrechten  erlangt  hatten,  da  hielten  Baiems 
Herzoge  ihre  und  ihres  Landes  Rechte  durch  solche  Bevorzugung 
gefährdet*)  und  nach  langen  Kämpfen  rangen  sie  der  kaiser- 
lichen Majestät  eine  Bestätigung  aller  Freiheitsrechte,  ins- 
besondere aller  Regalien,  welche  ihnen  und  ihren  Vorfahren  je 
von  deutschen  Königen  erteilt  worden  waren,  ab.  Karl  IV. 
verlieh  in  demselben  Privileg  (Nürnberg,  15.  Jan.  1362)^)  den 


1)  Berchtold,   Die  Entwickclung  der  Landeshoheit   S.  150. 

2)  S«p.  ni,  60  §  2;  Schwsp.  (G.)  c.  111  §  1. 

3)  Franklin,   Das    Reichshofgericht   im   Mittelalter.     Weimar  1869. 
IL   8.  4. 

4)  Franklin  II,  S.  5. 

5)  Olenschlager,    Neue   Erläuterung    der  güldenen  Bulle.     1766. 
S.  404. 

6)  Böhmer  (ed.  Huher),  Regesta  imperil  1877.  VIII,  p.  309.    Diese  Da- 
tienuig  scheint  nicht  richtig  zu  sein,  da  Herzog  Meinhard,  welcher  in  dem 


—     10    — 

bairischcn  Herzogen  Otto,  Stei)haii  II.  und  dessen  Söhnen: 
Stephan  III.,  Friedrich  und  Johann^)  das  Privileg,  daU  alle 
ihre  Unterthanen  weder  an  das  Uofgericht,  noch  an  ein  anderes 
Reichs-  odei  Landgericht  gezogen  werden  dürften  und  sich  nur 
vor  dem  zuständigen  bairischen  (Jerichte  zu  verantworten 
hätten*).  Nur  für  den  Fall  einer  Rechtsverweigerung^)  wird 
eine  Evocation  an  das  königliche  Uofgericht  * )  für  zulässig  er- 
klärt ^). 

Privileg  nicht  genannt  ist,  cret  am  13.  Januar  1363  starb  (Büchner,  Qc- 
schicbto  von  Bayern.  München  184u.  VI,  S.  59)  und  erst  nach  Feinem  Tode 
Oberbaiem  und  Baiern-Landshut  unter  Stephan  II.  vercinifirt  wurde,  welcher 
auch  mit  seinen  im  Privileg  ebenfalls  genannten  3  Söhnen  Stephan  III., 
Friedrich  und  Johann  gemeinschaftlich  regierte. 

1)  „wir  haben  angeschen  den  edlen,  alten  und  würdigen  Stummen  der 
Fürsten  von  Bayern,  so  ain  Königreich  gewenen." 

2)  Das  Privileg  ist  abgedruckt  bei  Olenschlager  Urk.  n.  XLVI  und 
Lori,  Sammlung  des  baicr.  Bergrechts  S.  XXII I  f.:  auch  keinen  iren  Mann, 
Grafen,  Herrn,  Ritter,  Knecht,  Burger,  Gepaur,  Diener,  Edl  oder  Unedl,  oder  ander, 
die  in  ihren  Landen,  Herrychaflen,  Gezirkleu,  und  I^ndgorirhten,  oder  andern 
Gerichten  gesefscn  seind,  auch  die,  so  darzu,  oder  in  ir  Landf>rhraiinen  ge- 
hören, oder  darinne  wohnen,  und  auch  derselben  und  ir  jeglichs  <jütter,  die 
in  ihren  Landen,  IlerschalTten,  GezirckhIcn  und  I^ndgerichten  oder  anderen 
Gerichten  gesefsen  seind,  für  uns  noch  für  kein  unser  und  des  Heichs  oder 
ander  Hufgericht,  Landgericht  oder  Gericht  fürbriiigen  noch  laden  FoUe,  wan 
sie  und  dieselben  nindert  anderstwo  mehr  dan  von  der  genannten  unser  Hebi*n 
Aiden  und  Oheimen  und  ihrer  Erben,  Nachkommen  Gerichten  sirh  um  all 
Sachen,  nichts  ausgenommen,  vcrantworttcn  sollen. 

3)  es  were  dan,  das  anderen  Leuthen  vor  der  ehegenanten  unser  .\iden 
und  Oheimen  Gerichten  grwohnlichs  Hecht  nit  widerfahren  mechtc  und  das 
man  die  Lcuthc  rechtlofs  kundlich  liefse;  so  megen  solch  Cleger  ir  Wider- 
sachor  für  uns  und  unser  Hofgericht  ordf^ntlich  laden,  und  daselbst  soll  in 
dann  nach  defs  Keirhsgewohnheit  Kecht  besehehen.  —  Eine  soloho  .\usnahme 
ist  in  allen  Evocationsprivilegien  statuiert.     Franklin  II,  S.  15. 

4)  Da  bis  zur  Mitte  des  14.  JahrhundiTts  fast  all«'  geistliolie  und  welt- 
liche Fiirsten  die  unbeschrfinkte  Frei}i«'it  von  Ladungen  an  auswärtiire,  auch 
Reichsgerichte  erlangt  hatten  (Franklin  II,  S.  9  f.),  so  dürfte  auch  für  Baieni 
dieses  Evocationsprivileg  1362  nicht  ervt  verliehen,  sondern  nur  kontinniert 
worden  sein. 

i))  Zu  häufigen  B<'schwerdt»n  der  bairischen  Fürst«'n  bot«'n  besondfrs  die 
Ansprüche  der  Buregrafen  von  Nürnberg  Vrranlassung,  welche  den  Gericht*- 
spreng«*!  ihres  Landgi'richts  auf  tranz  Deutschland  auszudt*hn«'n  trachtet<^n 
mit  der  Begründung,  di>r  Burggraf  habe  als  kais.  Landrichter  über  all«'  rich- 
tenden G«'richte  zu  richten  (K 1  u  c  k  h  o  h  n  ;  Ludwig  der  Reiche.  Nordlingen 
1^*»5.  S.  GU  f).    Sowohl  Herzog  Heinrich  von  Un-lshut  als  Enist  und  Wil- 


-   11   — 

Eine  Bestätigung  dieses  Evocationsprivilegs  erfolgte  durch 
Kaiser  Sigmund  1417  ^)  (Konstanz,  Mittwoch  nach  Georgi)  für 
die  Herzoge  Ernst  und  Wilhelm  von  Ober-  und  Heinrich  d.  R. 
von  Niederbaiern,  1443  *)  (Mittwoch  vor  Pauli  Bekehrung)  und 
1465  *)  durch  Kaiser  Friedrich  HI.,  ebenfalls  unter  Ausnehmung 
des  Falles  protractae  vel  denegatae  justitiae. 

Der  Lehnsbrief  K.  Maximilians  I.  und  die  Konfirmation 
der  Regalien  für  Herzog  Georg  (d.  d.  Worms ,  7.  September 
1495)  *)  enthält  dann  ebenfalls  eine  Bestätigung  des  Evocations- 

helm  Ton  Mflnchen  erbaten  sich  gegen  solche  Tendenzen  EvocationsprlTilegien, 
welche  ihre  ünterthanen  von  der  Ladung  des  kaiserlichen  Hof-  und  Land- 
gerichts befreiten,  und  auch  Ludwig  der  Bärtige  von  Ligolstadt  protestierte 
energisch  gegen  die  Übergriffe  des  Nürnberger  Gerichts.  Als  wiederholte 
Eingriffe  desselben  die  Herzoge  Ludwig  (Landshut)  und  Albrecht  (München) 
bewogen,  die  Freiheit  ihres  Landes  von  auswärtigen  Gerichten  durch  eine 
Gesandtschaft  an  das  k.  Hoflager  zu  wahren  (B  u  c  h  n  e  r  VI,  S.  379),  blieb  auch 
dieser  Protest  erfolglos  (vgl.  Beschwerde  der  Straubinger  Stände  1458  bei 
Krenner,  Baierische  Landtagshandlungen  1429—1513.  München  1803.  IL 
8.  179),  so  daß  H.  Ludwig  die  Waffen  gegen  K  Friedrich  HL  und  Markgraf 
Albr.  AchiUes  v.  Brandenburg  ergriff,  um  die  Abhülfe  seiner  gerechten  Be- 
schwerden mit  Waffengewalt  zu  erkämpfen  (vgl.  die  eingehende  Darstellung 
bei  Kluckhohn  a.  a.  0.,  S.  70  f.,  78,  136  ff.).  Der  glänzende  Sieg  Lud- 
wigs fahrte  im  Frieden  zu  Roth  1460  zur  Anerkennung  des  Grundsatzes,  daß 
kein  Baier  vor  das  Nürnberger  Landgericht  geladen  werden  dürfe,  und  auch 
der  Entscheidungskampf  von  1462  katte  kein  anderes  Ergebnis,  als  daß  diese 
Bestimmung  durch  den  Prager  Frieden  nicht  berührt  wurde,  so  daß  das 
Nürnberger  Landgericht  Baiem  gegenüber  für  ewige  Zeiten  ohne  jede  Be- 
deutung blieb  (Kluckhohn  a.  a.  0.,  S.  148  £,  236). 

1)  Vidimierte  Abschrift  auf  Perg.  (durch  Johann  Probst  zu  lUmünster 
1439)  im  R  A.-Bajr.  Landschaft,  XXXVIL  Fase,  fast  gleichlautend  mit  dem 
Privileg  1362. 

2)  Ereittmajr,  Anmerkungen  über  den  Codex  judiciarius  cap.  1,  §  12  1 : 
„es  wäre  dann,  das  anderen  Leuten  das  Recht  vor  ihrem  Gericht  nicht  widerführe.*' 

3)  J.  J.  Moser,  EinL  in  d.  churf.  bayr.  Staats-Recht   1754.  S.  220. 

4)  .....  .  Wir  haben   auch   dem  obgenanntem  vnTerm  1.  oheim   vnd 

fftrften,  herzog  Gcorgn  vnd  feinen  Erben,  dise  befonder  gnad  vnd  frejhait 
getan  vnd  gegeben,  tun  vnd  geben  ine  die  auch  von  Römifchor  kunigclicher 
macht  volkomenheit,  wiffentlich  in  craft  difs  briefs  alfo,  das  nu  hinfiir  in 
ewig  zeit  niemand  wer  der,  oder  wie  die  weren,  den  jetzgemelten  vnfem 
L  oheim  vnd  furften  herzog  Georgn  noch  fein  erben  noch  ir  graven,  freien 
herren,  ritter,  knecht,  rate,  hofgeßnd,  diener,  burger,  pawren,  noch  keinen 
feine  vnderfaffn,  noch  zugehörigen,  noch  alle  die  ime  zu  verfprechn  fteen, 
weder  ir  leib,  leut,  hab  noch  guter  an  vnferm  vnd  des  reichs  hofgericht  zu 
Rotwü,  noch  einich  ander  hofgericht  oder  lantsgericht  noch  auch  an  die 


—    12    — 

Privilegs  unter  ausdrücklicher  Betonung,  daß  jede  Vorladung  des 
Herzogs  und  seiner  Unterthanen  an  das  Reichshofgericht  zu 
Rotweil  oder  an  ein  andres  Hof-  oder  Landgericht  oder  an  die 
heimlichen  Gerichte  zu  Westfalen  oder  ein  anderes  nicht 
bairisches  Gericht  ebenso  wie  jede  von  einem  solchen  unzu- 
ständigen Gerichte  erlassene  Prozeßverfügung  und  jedes  Urteil 
kraftlos  und  rechtsunwirksam  sein  soll. 

Da  mit  dem  Privilegium  de  non  evocando  für  Baiem  nicht 
zugleich  ein  Privilegium  de  non  appellando  verbunden  war,  so 
konnten  Rechtsstreitigkeiten  aus  Baiem  auch  femer  im  Wege 
des  Rechtszuges  an  das  königliche  Hofgericht  gebracht  werden, 
sofeme  nur  die  Parteien  den  Instanzenzug  aller  zuständigen 
bairischen  Gerichte  erschöpft  hatten. 

Die  jurisdiktioneile  Selbständigkeit  des  Herzogtums  0  war 
aber  erst  dann  zum  vollständigen  Abschlüsse  gebracht,  wenn 
die  Thätigkeit  des  königlichen  Gerichtes  auch  in  seiner  Eigen- 
schaft als  Appellationsinstanz  ausgeschlossen  war. 

Eine  solche  Freiheit  von  Appellationen  an  das  Reichs- 
gericht, wie  sie  in  der  goldnen  Bulle  den  Kurfürsten  einge- 
räumt worden  war,  mußten  Baiems  Herzoge  noch  Jahrhunderte 
lang  entbehren  *).    Allmählich  und  auf  Umwegen  erreichten  sie 


heimlichen  gerichte  in  Wertvalen,  noch  ainich  ander  gerichte  wie 
die  genannt  sein,  mit  fürgeheilchen,  laden,  noch  wider  li  ir  leib ,  lewt,  hab 
noch  guter  richten,  orteiln,  sprechen  noch  procedim  foU  ...(RA  —  tom. 
privü.  No.  41  t  36\ 

1)  In  einem  Reverse  der  drei  kaiserlichen  Commissari  gegen  Wilhelm  Y. 
vom  15.  Okt  1594  (R  A  ürk.,  Criminaljostizgegenstände,  5.  Fase)  erkl&ren 
diese,  dafi,  nachdem  ein  Mann  bei  dem  für  den  Türkenkrieg  angeworbenen 
Regiment  standrechtlich  zum  Tode  verurteilt  and  aufgehängt  wurde,  weil 
dieses  Malefiz-  und  Kriegsrecht  samt  Execution  oberhalb  der  Stadt  Rain  im 
Fürstentum  Baiem  vollzogen  worden,  er  Herzog  W.  die  hohe  landesfürstliche 
auch  niedere  gerichtsbarliche  Jurisdiction  undlsputierlich  habe  (inmaßen  auch 
durch  die  damals  anwesenden  bair.  Commissarios,  Beamten,  Diener  zu  Rain 
Öffentlich  bedingt  und  protestiert  worden),  dafi  dieser  Verlauf,  sowie  dafi 
eine  zulässige  freien  Eriegsknechten  gemä&e  (Execution)  Niemanden  schäd- 
lich, dem  Herzog  an  seinen  Regalien,  Jurisdiction,  Freiheiten,  Recht  und  Go- 
rechtigkeiton  jetzt  und  hinfür  ungeschwächt,  unpräjudicierlich  und  allerdings 
ohne  Nachteil  fürgangen  sein  solL 

2)  Das  Bestreben,  die  Judicatur  des  höchsten  Reichsgerichts  anszu- 
schliefien ,  kam  schon  vor  Erlangung  der  Appellationsprivilegien  erfolgreich 
in  der  Weise  zur  Geltung,  dafi  das  Hofgericht  sich  von  den  Parteien  den 
Verzicht  auf  weitere  Appellation  geloben  lieft.    1476  heifit  es  so  in  einem 


—    13    — 

erst  dieses  Ziel.  Das  bekannte^)  Privileg  in  dieser  Richtung 
war  das  den  bairischen  Herzogen  1480  (10.  Juli)  *)  von  Fried- 
rich III.  erteilte  priv.  de  non  appellando  ab  interlocutorüs 
vim  definitivae  non  habentes  ^).  Ein  gutes  Stück  weiter  dem 
Ziele  entgegen  führten  die  folgenden  Privilegien,  welche  die 
Appellation  an  das  Reichsgericht  einschränkten  auf  diejenigen 
Prozesse,  deren  Klagegegenstand  einen  bestimmten  Betrag  über- 
schritt. Zuerst  setzte  K.  Maximilian  I.  diese  Appellationssumme  *) 
in  einem  PrivUeg  (3.  Aug.  1517)  auf  100  fl.   fest^),  Karl  V. 

Gerichtsbriefe  des  Landshuter  Hofgerichts:  „was  durch  dj  bemelten  Rete 
oder  den  niereren  Tail  aus  in  zu  Recht  gesprochen  wirdet,  dabei  sol  es  an 
verer  Wajgning,  Auszug  und  Appellirung  beleiben  (M.  B.  IV,  p.  389).  Vgl 
noch:  Das  kgL  Hofgericht  far  das  Unterland  zu  Straubing.   1808.   S.  30  t 

1)  Diese  Datierung  ist  wahrscheinlich  unrichtig,  denn  schon  die  Landes- 
ordnung Yon  1474  enthält  einen  Hinweis  auf  ein  derartiges  kaiserliches  Pri* 
vileg,  in  der  Bestimmung :  „Item  der  Appellationen  und  BeyurtheUe  halben" 
(Krenner  VII,  S.  511). 

2)  Die  Ansicht  Ereittmajrs  (Anmerkungen  z.  cod.  jud.  c  15  §  4  f), 
dafi  dieses  Privileg  keine  Vergünstigung  enthalte,  da  nur  das,  was  schon  das 
gemeine  Recht  gewähre,  eingeräumt  würde,  ist  irrig-  Denn  wenn  auch  nach 
römischem  Rechte  die  Appellation  gegen  Interlocuta  bei  Strafe  yerboten  war 
(Wetz eil,  System  des  ordentlichen  Civilprozesses.  Leipzig  1878.  S.  660), 
80  konnte  doch  nach  deutschen  Rechtsgrundsätzen  jedes  Urteil  angefochten 
werden  und  ebenso  war  durch  Vorschriften  des  canonischen  Rechts  die  Ap- 
pellation gegen  Interlocute  ermöglicht  (PI  anck.  Die  Lehre  von  dem  Beweis- 
urteü  1848.  S.  132,  154  £).  Erst  nach  der  Reception  des  rOm.  Rechts  kam 
auch  in  der  deutschen  R-Gesetzgebung  (Kamm.  Ger.  0. 1495,  1521,  1555)  die 
durch  die  italienische  Doktrin  ausgebildete  Anschauung,  wonach  nur  in  Aus- 
nahmsfWen  eine  Appellation  von  sententiae  interlocutoriae  für  zulässig  ge- 
halten wurde,  zur  Geltung  (Planck,  Beweisurteil  155). 

3)  Daß  die  Interpretation  des  Münchner  Magistrats,  welcher  1794  eine 
Urkunde  des  kaiserL  Ho&ichters  Burghart  Burggrafen  von  Meidburg  vom 
Jahre  1366  (M.  B.  XXXV  b.,  p.  119)  dahin  auffaßte,  als  ob  schon  1366  die 
Städte  München  und  Landshut  vom  kaiserL  Hofgerichte  befreit  gewesen,  auf 
einem  Irrtume  beruht,  hat  schon  nachgewiesen  Wehner,  Die  Gerichts- 
Terfassung  der  Stadt  München.  München  1876.  S.  89. 

4)  Über  die  Motive,  welche  zur  Erbittung  dieses  Privilegs  führten,  spricht 
dch  die  dem  Landtage  1514  mitgeteilte  Proposition  aus  (Der  Landtag  vom  Jahre 
1514,  S.  13). 

5)  Um  eine  Minderung  der  Geschäftslast  des  R.E.Ger.  herbeizuführen, 
machte  die  R-Gesetzgebung  allgomein  die  Zulässigkeit  der  Appellation  an 
das  RK.G  von  der  Höhe  der  Klagsumme  abhängig  (Wetz eil  S.  710).  Die 
RK.Get.0.  (1521,  Tit  XXIV  §  1)  firierte  diese  auf  50  fl.  1570  wurde  sie  auf 
150  fl  und  durch  den  J.RA.  (§  132)  auf  600  fl.  erhöht 


-     14    — 

erhöhte  dieselbe  (15.  Dez.  1521)  auf  200  fl.  und  Ferdinand  I. 
(4.  Juni  1559)  auf  500  fl.  ^).  Interessant  ist  die  Motivierung, 
mit  welcher  dieses  Privileg  in  die  Gerichtsordnung  von  1520 
eingefügt  wird,  indem  nur  auf  die  wirtschaftlich  so  gefährlichen 
Nachteile  hingewiesen  wird,  welche  dem  Volke  aus  der  Sucht 
zu  appellieren  erwüchsen  *).  Endlich  am  16.  Mai  1620  erteilte 
K.  Ferdinand  IL  dem  Herzog  Maximilian  I.  ein  priv.  de  non 
appellando  illimitatum,  welches,  nachdem  unterdessen  die  Kur- 
würde auf  Maximilian  übertragen  worden  war  (1620),  auf  die 
Oberpfalz  und  alle  außerhalb  der  Landesgrenzen  gelegenen 
Herrschaften  ausgedehnt  wurde  ^). 

Nicht  nur  nach  oben  gegen  Kaiser  und  Reich,  auch  nach 
unten  gegenüber  den  eine  Ausdehnung  ihrer  Patrimonialgerichts- 
barkeit anstrebenden  Landstände  suchten  die  Fürsten  jede 
Schmälerung  ihrer  Justizhoheit  energisch  abzuwehren,  leider, 
wie  sich  noch  zeigen  wird,  nicht  gerade  sehr  erfolgreich  *). 

1)  Lflnig,  Das  teatsche  Beichs-Archiy.  1713.  P.  spec.  p.  674:  „da  der 
gemciDo  Mann  etwas  yermOglicher  und  zu  der  Haderey  und  Zanck  geneigter 
were,  die  in  der  Frejheit  gesalzte  Summa  Gelts  der  200  G.  noch  etwas  zu 
gering,  also  dafs  die  yermöglicbe  zäncldsche  Partejen  auch  in  wissentlichen 
und  unrechtmftfsigen  Sachen  von  S.  Liebden  Regimenten  und  Hof-Gerichten 
vielfältig  mutwillig  appelliren,  dadurch  die  Execution  und  Justitien  ange- 
halten, ihr  Gegentheil  in  unwiderbringlichen  Schaden  und  Verderben  geführt 
werden. **  —  In  demselben  Privileg  wurde  außerdem  noch  die  Appellation 
gegen  alle  von  den  bair.  Regimenten  erlassenen  gütlichen  Abschiede  an  das 
Reichskammergericht  untersagt,  da  ein  solcher  Mißbrauch  der  Gegenpartei 
die  1.  Instanz  entziehe  und  dem  Herkommen  widerspreche. 

2)  c.  X.  a.  9.  Nachdem  sich  auch  in  erfSarung  offennlich  erfindet,  das 
unserer  untterthanen  und  verwannten  unnsers  förstenthumbs  verderben  täg- 
lich entsteet,  aus  muetwilligem  und  lejchtuertigem  appelliren,  so  mer  aus 
nejd,  hafs,  trütz,  geuärlichem  verzüg,  lengerung,  und  ausflflcht,  dann  der 
notturfb  und  rechtem  grund  geschehen,  unnd  sonnderlich  bey  dem  Armen 
gemajnen,  aigen willigem ,  und  unuerstendigen,  burger  unnd  paursman,  der 
dadurch  sein  haufs,  bot  guetter,  weyb,  kinder,  und  arbayt  verlfisst  und  den 
muetwilligen  appellationen  anhanngen.    Und  aber 

3)  Lünig  L  c.  P.  gener.  Contin.  H  1720.  p.  1532. 

4)  So  wurde  1516  den  Ständen,  welche  f&r  die  Hofmarksgerichte  event 
auch  die  Zuständigkeit  zur  Aburteilung  geringer  Diebstähle  beanspmchten, 
entgegnet,  „daß  den  Fürsten  dadurch  ihre  landesfürstliche  Obrigkeit  und 
höchst  Regal  des  hoch  Malefizgcrichts ,  das  die  Fürsten  in  Sonderheit  vom 
heil.  Reich  zu  Lehen  tragen  und  deshalben  sonder  hoch  und  schwerlich 
Pflicht  thun  müssen,  geschmälert  und  gemindert  würde  (Landtag  1515/16. 
S.  378). 


—    15    - 

Diese  Justizhoheit  der  Herzoge  schloß  neben  dem  Recht 
und  der  Pflicht  der  Ausübung  des  obersten  Richteramts  im 
Territorium  auch  die  Organisationsgewalt,  also  die  Einrichtung 
von  Gerichten,  die  Besetzung  derselben  und  die  Oberaufsicht 
über  die  gesamte  Rechtspflege  des  Landes  in  sich,  also  all 
diejenigen  Funktionen,  die  wir  unter  der  Bezeichnung  der  Justiz- 
verwaltung zusammenfassen.  Daß  der  Herzog  sich  zur  Durch- 
fahrung  der  Aufgaben  der  Justizverwaltung  seiner  Räte  als  des 
Organs  bediente,  welches  ihn  in  der  Erledigung  der  Regierungs- 
geschäfte überhaupt  unterstützte,  liegt  auf  der  Hand. 

Die  privatrechtliche  Auff'assung  der  in  der  Hand  der  Landes- 
herm  vereinigten  Befugnisse  gestattete  auch  den  Baiernherzogen  ^ ), 
über  Regierungsrechte  wie  über  privates  Eigentum  zu  verfügen. 
Das  wichtigste  unter  diesen,  die  Gerichtsbarkeit,  die  als  eine 
vorzügliche  Einkommensquelle  betrachtet  wurde,  wurde  deshalb 
bei  der  Geldnot  der  Fürsten  von  diesen  Andern  gegen  Entgelt  und 
zur  Sicherung  ihrer  Forderung  übertragen.  Solche  Veräußerun- 
gen und  Verpfändungen  von  herzoglichen  Gerichten  kamen 
nicht  selten  vor  *).  Eine  solche  Preisgebung  von  Jurisdiktions- 
rechten bewirkte  dann  jene  unheilvolle  Vermehrung  der  Patri- 
monialgerichte  ^),  die  noch  nach  Jahrhunderten  die  herzogliche 
Gerichtsbarkeit  lähmen  und  das  ganze  staatliche  Leben  zersetzen 
sollte  und  eine  erhebUche  Schmälenmg  der  landesherrlichen 
Machtstellung  im  Gefolge  hatte. 


Excurs. 
Die  Gerichtsbarkelt  fiber  den  Herzog. 

Wenn  es  auch  den  bairischen  Herzogen  gelungen  war  die 
jorisdiktionelle  Unabhängigkeit  ihrer  Territorien  von  Kaiser 
und  Reich  immer  mehr  auszubilden  und  zu  befestigen,  so  blieb 
doch  die  Person  des  Herzogs  selbst  in  allen  causis  maioribus 


1)  Ober  die  Yerftnßening  der  brandenburgischen  Gerichte  durch  die 
Markgrafen  TgL  Kuhns,  Geschichte  der  Gerichtsrerfassnng  und  des  Pro- 
X6tse8  in  der  Mark  Brandenburg.  Berlin  1865.  L  S.  284  £ 

2)  Siehe  die  Beispiele  bei  Bockinger,  Einleitung,  S.  165f;  ygL  noch 
Qu.  und  Er.  VI,  60,  66,  72. 

3)  Über  diese  ygL  §  7. 


—    16    —    . 

dem  Gerichtszwange  des  Königs  unterworfen.  Diese  Gerichts- 
barkeit des  Königs^)  über  die  Fürsten  des  Reichs  hatte  sich 
aus  der  Lehengerichtsbarkeit  des  Lehensherm  über  die  Vasallen 
entwickelt  und  hatte  nicht  nur  in  den  Rechtsbüchem  *)  des 
13.  Jahrhunderts,  sondern  auch  in  R.Gesetzen  ^)  allgemeine 
Anerkennung  gefunden.  Mit  der  Abschließung  der  Reicbsfürsten 
zu  einem  besonderen,  von  den  Freien  und  Edlen  getrennten 
Stande^)  war  nach  dem  deutschrechtlichen  Grundsatze,  daß 
Jeder  nur  von  seinen  Standesgenossen  gerichtet  werden  solle, 
die  Übung  zum  Rechtssatze  erwachsen,  daß  über  causae 
maiores  der  Fürsten  nur  Fürsten  oder  Fürstengenossen  als 
ürteilfinder  fungieren  dürfen*).  Der  Kreis  dieser  causae 
maiores  —  Leib,  Recht,  Ehre,  Lehen  (auch  Erbe)  —  erstreckt 
sich  gewöhnlich  auf  alle  peinlichen  Klagen,  welche  eine  Lebens-, 
Leibes-  oder  Ehrenstrafe  im  Gefolge  haben  können,  femer  auf 
die  Rechtsstreitigkeiten,  welche  die  Reichslehen,  einschließlich 
der  Regalien,  zum  Gegenstande  haben*).  Wie  nun  auch  die 
Evocationsprivilegieu  von  1417  bezw.  1443^)  nicht  nur  die 
Unterthanen  der  bairischen  Herzoge,  sondern  auch  diese  selbst 
und  ihre  Güter  von  der  Ladung  zum  kgl.  Hofgerichte  befreien. 


1)  Vgl  Aber  die  Entwicklung  des  Fürstengerichts  die  DarsteUung 
Franklins,  RHofger.  H,  S.  97  ffi  und  134  flf: 

2)  Ssp.  m,  55  §  1;  Schwsp.  (Gengier)  c  105  §  1. 

3)  z.  B.  Const  Mog.  1235  c  15.  Landfrieden  1281  und  1287  (M.  6.  L.  II, 
p.  315,  435,  439,  451,  581). 

4)  Franklin  II,  139,  146,  150;  Ficker,  Vom  Rcichftlrstenstande, 
S,  58  fL 

5)  Ungefähr  seit  1274  wird  dies  als  ein  unstreitiges  Recht  der  Fürsten 
durch  den  König  anerkannt  (Franklin  II,  151).  Als  Herzog  Ludwig  von  B. 
sich  1448  weigerte  vor  dem  Kanmiergericht  zu  erscheinen,  gab  K  Friedrich  IIL 
ihm  die  Zusicherung,  dafi  er  nur  von  Fürsten  „vor  unserer  Majestät  und 
unsere  und  des  Reichs  fürsten,  die  wir  zu  uns  seczen  werden**,  gerichtet 
würde  (Tomaschek,  Die  höchste  Gerichtsbarkeit  des  deutschen  Königs,  in 
Sitz.-Ber.  d.  Wiea  Ak.  1865.  Bd.  49.  S.  558) ;  1458  wahrten  in  einem  Prozesse  gegen 
denselben  Herzog  die  Fürsten  dieses  ihr  Rocht  in  einem  Schreiben  an  den 
Kaiser,  indem  sie  ausführton,  es  sei  anerkannten  Rechtes,  daß  das  Gericht 
„um  leib,  ere  oder  regalia**  eines  Fürsten  nur  mit  Kurfürsten  und  Fürsten 
besetzt  werden  dürfe  (Franklin  II,  156).] 

6)  Franklin  II,  104,  wo  auch  die  Varianten  der  einzelnen  Rechts- 
qucllcn  bei  Aufzählung  der  causae  maiores  angegeben  sind. 

7)  Das  von  1362  erwähnt  die  Herzoge  nicht 


^ 


—     17    — 

60  kann  sich  diese  Exemtion  nur  auf  solche  Klagen  beziehen, 
welche  jenseits  des  Kreises  der  causae  maiores^)  liegen.  Und 
wirklich  sehen  wir  auch  vor  wie  nach  Erlassung  dieser  Privi- 
legien die  bairischen  Herzoge  dem  Urteilsspruche  des  Königs 
und  der  Fürsten  unterworfen.  So  wurden  die  Ansprüche,  welche 
Heinrich  der  Löwe  auf  Baiem  machte,  befriedigt  *)  und  diesem 
1154  dieses  Herzogtum  judicio  principum  ^)  auf  dem  Keichstage 
zu  Goslar  unter  K.  Friedrich  I.  zuerkannt. 

Wegen  Hochverrats  wurden  folgende  Baiemherzoge  vom 
Königsgerichte  ihres  Herzogtums  entsetzt:  976  der  Herzog 
Heinrich  II.*)  unter  König  Otto  H.,  1053  Herzog  Konrad  ») 
unter  K.  Heinrich  IE.,  1138  Heinrich  der  Stolze®)  unter  K. 
Konrad  IE.,  endlich  1180  Heinrich  der  Löwe/)  unter  K. 
Friedrich  I.  Mit  der  Übertragung  der  bairischen  Herzogswürde 
auf  die  Witteisbacher  waren  es  sodann  die  durch  die  unglück- 
seligen Teilungen  des  Landes  hervorgerufenen  Zwistigkeiten 
unter  den  einzelnen  Mitgliedern  dieser  Dynastie,  welche  zu 
wiederholten  Malen  die  Jurisdiktionelle  Thätigkeit  des  Kaisers 
und  der  Keichsstände  in  Bewegung  setzten.  Solche  wichtige 
staatsrechtliche  Streitigkeiten,  in  welchen  der  Kaiser  als  oberster 
Lehensherr  zur  Entscheidung  berufen  war,  wurden  gewöhnlich 
erledigt  auf  den  Beichstagen,  welche  dann  als  höchstes  Beichs- 
gericht  funktionierten,  indem  die  dort  anwesenden  Fürsten  und 
Großen  des  Beichs  in  der  ihnen  zur  Entscheidung  unterbreiteten 
Bechtsfrage  das  Urteil  fanden  ®).    Bei  der  eingehenden   Dar- 

1)  Das  nur  vereinzelt  unter  diesen  aufgefOhrte  „Erbe**  findet  auch  hier 
1[eine  SteUe. 

2)  Franklin  I,  88:  Schon  Eonrad  IIL  hatte  versprochen,  auf  dem 
Reichstage  zu  Begensburg  1151  diese  Ansprüche  secundum  principum  consilia 
tu  entscheiden. 

3)  Franklin  I,  89. 

4)  Franklin  I,  24;  Riezler  I,  363. 

5)  Franklin  I,  30;  Riezler  I,  46a 

6)  Franklin  II,  143;  Riezler  I,  629. 

7)  Franklin  I,  90  £;  Heigel  bei  Heigel-Riezler  52  £,  wo  aus 
der  Belehnungsurkunde  des  Erzbischofs  Philipp  v.  EOln  mit  Westfalen  Gründe, 
welche  Heinrichs  Verurteilung  herbeigeführt  hatten,  mitgeteilt  werdea  Vgl. 
aber  das  in  mannigfacher  Hinsicht  interessante  Rechtsverfahren  noch 
Riezler  I,  719  ff.  und  die  daselbst  citierte  Litteratur. 

8)  Eine  ünttrscheidung  der  verschiedenen  Funktionen  der  curia  impe- 
riaüs,  je  nachdem  sie  politisch  als  Reichstag,  oder  rechtsprechend  als  Hofgericht 

Roieathal,  Getehichte  d.  Oeiichtsw.  u.  d.  Verw.-Orf.  Baierns.  T.  o 


—    18    — 

Stellung,  weiche  solche  Prozesse  gegen  bairische  Fürsten  bereits 
gefunden  haben  ^),  kann  ich  mich  hier  auf  eine  kurze  Anführung 
derselben  beschränken. 

Vor  allem  war  es  der  wilde  Ludwig  der  Bärtige  von  In- 
golstadt, gegen  welchen  auf  Klage  seines  Vetters  Heinrich  von 
Landshut  K.  Sigismund  (1417  zu  Konstanz)  ein  verurteilendes 
Erkenntnis  erließ,  wonach  Kläger  im  Besitze  von  Land  und 
Leuten  belassen  wurde*). 

Durch  Friedensbrüche  und  Bedrückungen  aller  Art  gab 
Ludwig  nicht  nur  den  Landshuter  und  Münchner  Herzogen, 
andern  weltlichen  Fürsten  und  Städten,  sondern  auch  den  be- 
nachbarten Bischöfen  und  vielen  Klöstern  Grund  zu  gerechten 
Klagen,  welche  das  Vemgericht  und  das  Basler  Concil,  das  den 
Kirchenbann  über  L.  verhängte,  zu  energischem  Vorgehen  ver- 
anlaßten^),  so  daß  K.  Sigismund  als  Vogt  des  Concils  und  als 
oberster  Richter  der  heimlichen  Acht  die  Absetzung  des  unbot- 
mäßigen Fürsten  aussprechen  zu  wollen  erklärte. 

Und  wirklich  sprach  der  Kaiser  gegen  ihn  des  Reiches  Acht 
und  Bann  aus,  aber  erst,  nachdem  gegen  den  Angeschuldigten 
ein  den  prozessualen  Grundsätzen  entsprechendes  Verfahren 
beim  kgl.  Hofgerichte*)  durchgeführt  worden  war  (1434).  Schon 
waren  die  benachbarten  Reichsstände  zur  Exekution  gegen  L. 
bereit,  als  dieser  sich  unterwarf  und  sich  durch  seinen  Reich- 


thfttig  wurde,  war  im  Mittelalter  noch  nicht  dorchgeföhrt  Vgl  auch  Wacker, 
Der  Reichstag  unter  den  Hohenstaufen.  1882.  S.  8,77;  Herrn.  Ehrenberg, 
Der  deutsche  Reichstag  in  den  Jahren  1273—1378.  1883.  &  4  (Bist  Stu- 
dien, Heft  6  u.  9>. 

1)  Für  die  Prozesse  des  15.  Jahrhunderts  ist  namentlich  zu  verweisen 
auf  Franklin  I,  S.  276  ff.;  Büchner,  Gesch.  von  Bayern  VI,  S.  220  ffi 

2)  Buchner  VI,  S.  234;  v.  Frey  borg,  Gesch.  d.  bayerischen  Land- 
stände.  Sulzbach  1828.  L   S.  374. 

3)  Unter  den  Beschwerdepunkten  des  H.  Wilhelm  von  München  hebe 
ich  hervor,  die  Bäuber  fänden  in  seioem  Lande  Schutz,  er  verweigere  das 
Recht,  bedrücke  die  ünterthanen,  verweigere  die  Erteilung  der  Lehen  u.  s.  w. 
v.Freyberg,  LandstI,  S.484;  Krenner  I,  8.78  ff;  89ff:j  Kluckhohn, 
Herzog  Wilhelm  III,  in  Forsch,  z.  d.  deutsch.  Gesch.  IL  S.  585  £ 

4)  Franklin  I,  S.  286  ff;  288:  E.  Sigismund  erklärte,  er  habe  L.  geladen 
„für  unsem  richter,  dem  wir  dann  den  stab  bevelhen,  und  unser  und  des 
reichs  fursten  und  herm,  die  wir  ihm  lufugen  werden**. 


—     19    — 

tum   des  Kaisers  Gunst  erkaufte,   so  daß  ihn  dieser  aus  der 
Reichsacht  löste  ^ ). 

Gegen  Herzog  Heinrich  von  Niederbaiem,  der  gelegentlich 
des  Konstanzer  Reichstags  (1417)  gegen  seinen  Vetter  Ludwig 
den  Bärtigen  einen  Mordanfall  verübt  hatte,  fällte  K.  Sigismund 
erst  1431  mit  den  auf  dem  Nürnberger  Reichstage  versammelten 
Fürsten  ein  im  Verhältnis  zur  Schwere  des  Friedensbruchs 
mildes  Urteil*). 

Als  mit  dem  Erlöschen  der  Straubinger  Linie  (1425)  die 
bairischen  Herzoge  über  die  Art  der  Erbteilung  sich  nicht  einigen 
konnten,  wurde  der  bekannte  Straubinger  Erbfolgestreit  ^)  durch 
jenen  Spruch  des  kgl.  Hofgerichts  zu  Preßburg  (26.  April  1429) 
beendigt,  welcher  eine  Teilung  des  Landes  nicht  nach  Linien, 
sondern  nach  Köpfen  festsetzte. 

In  den  durch  den  Tod  Ludwigs  von  Ingolstadt  ( 1447)  über 
die  Succession  in  dessen  Lande  zwischen  Heinrich  (Landshut) 
und  Albrecht  (München)  entstandenen  Irrungen  gelang  es  der 
kaiserlichen  Gewalt  nicht  sich  Geltung  zu  verschaffen.  Hein- 
rich besetzte  trotz  der  begründeten  Teilansprüche  Albrechts  das 
ganze  Land,  und  das  kgl.  Hofgericht  kam  gar  nicht  zur  Fällung 
eines  endgültigen  Rechtsspruches,  da  Heinrich  den  wiederholten 
Ladungen  des  Königs  keine  Folge  leistete*). 

Außer  im  Fürstengerichte  hatte  der  Kaiser  noch  Gelegen- 
heit die  Streitigkeiten  bairischer  Herzoge  zu  schlichten,  indem 
er  von  den  streitenden  Teilen  als  Schiedsrichter  gewählt  wurde. 
Es  darf  hier  nur  an  den  berühmten  Kölner  Spruch  vom  30.  Juli 
1505  erinnert  werden,  durch  welchen  K.  Maximilian  I.  dem 
Landshuter  Erbfolgekriege  ein  Ende  machte  und  die  wegen  der 
Verlassenschaft  des  Herzogs  Georg  von  Niederbaiem  entstan- 
denen   Streitigkeiten    beilegte  ^).      Ein    solcher    Schiedsspruch 


1)  Franklin  I,  S.291. 

2)  B  uc  h n  e  r  VI,  S.  26a  Das  Urteil  lautet©  auf  öffentl.  Abbitte,  Stiftung 
Ton  3  Messen,  Wallfahrten,  Zahlung  der  ärztlichen  Kosten  und  Stellung  eines 
größeren  Kontingents  zum  Hussitenzugc. 

3)  VgL  über  den  Verlauf  desselben  Rockinger,  Einleitung  S.  251  ff.; 
V.  Freyberg,  Landst  I,  S.  409  ff.;  Buchner  VI,  S.  249  ff. 

4)  Krenner  III,  S.  240  ff.;  IV,  S.  127  ff.;  v.  Freyberg,  Landst  I, 
S.510  ff;  Buchner  VI,  S.  317  f. 

5)  Krenner  XV,  S.  111  ff. 

2* 


—    20    — 

wurde  aber  auch  in  Gegenwart  der  Beichsstände  auf  einem 
Reichstage  gefällt,  so  daß  faktisch  bei  der  Fassung  desselben 
die  nämlichen  Faktoren  beteiligt  waren,  die  im  Fürstengerichte 
ein  Urteil  fanden,  da  der  Kaiser  auch  vor  Fällung  des  Schieds- 
spruchs die  Ansichten  der  Anwesenden  gehört  und  wohl  auch 
berücksichtigt  haben  dürfte.  Aber  nicht  nur  der  Kaiser,  auch 
Fürsten  und  Andere  wurden  als  Schiedsrichter  zur  Entscheidung 
von  Streitigkeiten  der  Baiemherzoge  mit  Fürsten  berufen  *). 

Diesen  Streitigkeiten,  welche  zumeist  politischer  Natur  waren, 
stehen  gegenüber  die  privatrechtlichen  Ansprüche  gegen  den 
Herzog.  Auch  in  dieser  Beziehung  war  schon  frühe  für  einen 
Rechtsschutz  der  Unterthanen  und  anderer  Personen  gegenüber 
dem  Herzog  Fürsorge  getroflFen  worden,  ohne  daß  man  auch 
für  solche  Fälle  den  Kaiser  bezw.  den  Reichstag  hätte  zur  Ent- 
scheidung berufen  müssen. 

Wegen  aller  nicht  zu  den  causae  maiores  gehörenden  Rechts- 
streitigkeiten mußten  die  bairischen  Herzoge  des  13.  Jahrhunderts 
als  Beklagte  Recht  nehmen  vor  dem  Pfalzgrafen  vom  Rotthaie 
(dem  Ortenburger),  welcher  diese  Gerichtsbarkeit  in  Regensburg 
auszuüben  hatte*). 

Einer  Ladung  an  ein  auswärtiges  Gericht  braucht  der 
Herzog  nicht  Folge  zu  leisten.  Gerade  dieses,  Aufhebung  der 
Verbindlichkeit  des  Herzogs,  wegen  aller  gegen  ihn  erhobenen 
Klagen  einen  auswärtigen  Richter  anerkennen  zu  müssen,  scheint 
Zweck  dieser  pfalzgräflichen  Jurisdiktion  gewesen  zu  sein  •). 
Wie  lange  dieselbe  bestand,  läßt  sich  nicht  feststellen. 


1)  Z.  B.  1284  der  Bischof  von  Passan  bei  einem  Streite  mit  dem  En- 
bischof  von  Salzbarg  (Franklin,  Beitrage  z.  Geschichte  d.  Rcception  dat 
Tom.  Rechts  in  Deutschland.  Hannover  1863.  S.  33) ;  1291  kam  K  Wenzel  IL 
von  Böhmen  bei  einem  Streite  mit  H.  Heinrich  v.  Baiem  flberein,  die  Ent- 
scheidung Schiedsrichtern  zu  überlassen  (Ott,  Beiträge  z.  Beceptionsgesch. 
d.  röm.-can.  Prozesses.  Leipzig  1879.  S.  136). 

2)  M.  B.  XXXVI  a.  350 :  „Ez  sol  auch  der  pfallentzgraf  von  dem  Bottal 
an  dez  hertzogen  stat  sitzen  in  dem  Latran,  and  sol  rihten  aeber  dem 
hertzogen.  Swer  hintz  im  iht  hat  ze  sprechen  und  davon  mag  man  dem 
hertzogen  aoz  dem  lande  niht  gebieten  dheine  reht  ze  tuen.*'  Diese  von 
1326  datierte  Stelle  muß  nach  Ri  ezler  (Hcigel-Riezler  S.  198)  schon*in 
der  1.  Hälfte  des  13.  Jahrb.  redigiert  worden  sein  wegen  der  Erwähnung  des 
Pfalzgrafen  vom  RotthaL 

3 )  Vgl  W  i  1 1  m  a  n  n ,  Die  Pfaligrafen  von  Bayern.  1877.  S.  73. 


J 


—    21    — 

Im  14.  Jahrhundert  begegnen  schon  zur  Entscheidung  der 
gegen  bairische  Herzoge  gerichteten  Klagen  Austräge,  Schieds- 
gerichte, welche  im  späteren  Mittelalter  überhaupt  unter  den 
deutschen  Reichsständen  als  erste  Instanz  vereinbart  wurden. 

In  einem  Bündnisse  des  Herzogs  Stephan  H.  und  dessen 
Söhnen  mit  Herzog  Albrecht  vom  7.  November  1369  ^)  wird 
ein  solches  Auatragsgericht  eingesetzt,  um  jeden  Akt  kriegerischer 
Selbsthülfe  abzuschneiden,  zur  Entscheidung  von  Klagen  wegen 
Geldschulden  auswärtiger  Gläubiger  gegen  einen  der  Herzoge. 
Der  Kläger  wählt  2  seiner  Freunde,  der  Beklagte  Herzog 
2  seiner  Räte,  und  den  Obmann  ernennt  der  Kläger  aus  des 
Letzteren  Rat  —  und  die  fftnf  sfiUen  auch  gewaltig  sein  der 
minn  oder  dez  rechten  trewleich  on  gevärde. 

In  gleicher  Weise  und  zu  gleichem  Zwecke  wird  in  einem 
Vertrage  des  Herzogs  Albrecht  von  Österreich  mit  H.  Stephan 
und  dessen  Söhnen  von  Baiem  ein  nach  denselben  Grundsätzen 
zu  konstituierendes  Schiedsgericht  vereinbart,  nur  daß  der  Ob- 
man  erst  dann  bestellt  wird,  wenn  unter  den  4  keine  Überein- 
stimmung erzielt  wird  —  der  sol  denn  auch  bei  seinem  aid  als 
recht  darumb  sprechen  und  dabei  sol  es  beleiben  ^).  Hier  wird 
also  jede  Appellation  gegen  den  Spruch  ausgeschlossen,  während 
später  eine  solche  zum  höchsten  Reichsgericht  allgemein  zu- 
gelassen wurde. 

Aus  den  wiederholten  Vereinbarungen  der  Fürsten,  vor 
einem  (wenigstens  teilweise)  aus  ihren  Räten  zusammengesetzten 
Schiedsgerichte  Recht  zu  nehmen^)  entwickelte  sich  gewohn- 
heitsrechtlich der  Satz,  daß  die  herzoglichen  Räte  das  ordent- 


1)  Wer  der  ist,  er  sej  edlerer  oder  anedlerer  .  .,  der  hintz  nns  herm 
«inen  von  geltz  wegen  ze  sprechen  hat  und  doch  in  desselhen  herm  land 
nicht  gesefsen  ist    Qu.  n.  Er.  VI,  S.  505. 

2)  Qu.  u.  Er.  VI,  S.  626. 

3)  In  einem  Landfrieden  von  1437  versprachen  die  Stranhinger  Herzoge 
Ernst  und  Alhrecht,  daß  sie  allen  denjenigen,  welche  redliche  Sprüche  zu 
ihnen  hAtten,  Rechtes  sein  und  zwar  ihre  geschworenen  Räte  entscheiden 
lassen  wollten.  Was  zu  Recht  durch  den  mehreren  Teil  der  Räte  gesprochen 
würde,  das  wollten  sie  stät  halten  (Krenner  II,  S.  56  £).  —  Ein  Rat- 
schlag der  Münchner  Räte  und  Landschaft  1444  hesagt  sodann:  Es  sollen 
auch  unsere  gn.  Herm  den  ihrigen,  wer  zu  ihnen  zu  sprechen  hat,  auch 
forderlich  Rechtens  sein  und  ergehen  lassen  vor  ihren  Räthen  (Krenner  I, 
ß.  175 ;  vgL  noch  das.  IV,  S.  76). 


—    22    — 

liehe  Forum  für  die  Entscheidung  aller  gegen  den  Herzog  ge- 
richteten Ansprüche  bilde. 

Daß  es  als  ein  Freiheitsrecht  der  deutschen  Fürsten  be- 
trachtet wurde,  in  erster  Instanz  vor  ihren  Eäten^)  belangt 
zu  werden,  geht  femer  aus  einem  Schreiben  des  Herzogs 
Georg  von  Baiem*)  (1488)  an  den  schwäbischen  Bund  hervor'). 
Durch  die  KammerGer.Ord.  von  1495  bezw.  1500*)  wurde  so- 
dann die  Austrägalinstanz  zu  einer  ordentlichen  reichsgesetz- 
lichen ersten  Instanz  (als  ein  eigentliches  Reichsuntergericht)  *), 
indem  festgesetzt  wurde,  daß  Kurfürsten  oder  Fürsten  ohne  Unter- 
schied auf  ,den  Stand  des  Klägers  vor  9  ihrer  Räte  Recht  zu 
nehmen  hätten.  In  dem  oben*)  mitgeteilten  Privileg  K.  Maxi- 
milians I.  für  Herzog  Georg  (1495)  wird  sodann  in  Bezug  auf 
den  Gerichtsstand  desselben  bei  den  gegen  ihn  erhobenen  Klagen 
ausgesprochen:  „Wer  zu  dem  genanten  .  .  herzog  Georgen  oder 
seinen  erben  zu   sprechen  hette   oder  gewünne  umb  was  sachn 

1)  So  hatte  beispielsweise  1422  K  Sigismund  auf  eine  Klage  des  K  TOr- 
ringer  gegen  H.  Heinrich  yerfügt,  dieser  solle  dem  T.  gerecht  werden  mn 
aUes,  was  er  zu  ihm  zu  sprechen  habe,  auf  seiner  Räte  9  oder  7,  die  Wappen- 
genossen sind,  und  was  diese  erkennen,  dabei soU  es  bleiben  (v.  Freyberg; 
Landst  I,  387  £). 

2)  Datt,  De  paee  imp.  publica.  1698.  P.  1  c  27  n.  79  (Landshnt, 
Mittwoch  nach  u.  L  Frawentag  Assumpcioms  1488).  So  sind  wir  auch  on 
das  bifshero  gepurlichs  aufstrags  vor  der  Kaiser!  Maj.  alfs  unserm  orden- 
liehen  Richter  oder  vor  unsem  Räten  in  Krafft  imserer  FürstL  freiheit  und 
an  andern  zimlichen  enden,  njcmand  in  ewerm  Punt  yerwant,  der  defs  an 
uns  gesonnen  hett,  Yorgestanden. 

3)  In  einem  wegen  der  Pfandschaft  zu  Schwabeck  zwischen  den  Her- 
zogen Ernst  und  Wilhelm  III.  entstandenen  Rechtsstreit  wurde  die  Entschei- 
dung des  Münchner  Hofgerichts  (1432)  angerufen«  welches  gebUdet  wurde  yon 
dem  Hofineister  des  beteiligten  Herzogs  Wilhelm  III-  und  13  seiner  Räte. 
Herzog  Ernst  war  selbst,  zugleich  als  Bevollmächtigter  seines  Bruders  WilL, 
bei  der  Verhandlung  zugegen  und  liefi  „fürbringen,  wie  Recht  und  Urteil 
vormalen  .  .  geben  hab,  wen  daz  ist,  daz  sj  mein  Herrn  (die  Herzoge)  Tor- 
dem,  so  soUen  sj  In  darumb  Rechtens  sein  vor  Im  geswom  Räten,  und  toll 
da  beschehen,  was  Recht  sey.**  Die  ürteilsfäUung  wurde  auf  eine  folgende 
Hofgerichtssitzung  vertagt,  die  Sache  aber  schließlich  entschieden  dnrch  den 
Schiedsspmch  eines  herzog!  Rats,  des  Ritters  Heinr.  Nothaft  (L  o  r  i,  Geschichte 
des  Lechrains.  H   S.  123,  127) 

4)  a.  28  u.  30;  KG.O.  1500,  tat  11;  K.G.O.  1566,  II  tit  IL 

5)  Zöpfl,  Deutsche  Rechtsgeschichte.   Braunschweig  1872.  IL  S.  406L 

6)  S.  10. 


^ 


—    23    — 

das  were,  der  oder  dieselbn  sollen  das  rechte  darumb  vor  uns 
oder  unser  nachkhomen  am  reiche  röm.  kaisem  und  kunigen 
oder  vor  iren  reten,  wie  sich  dann  nach  gelegenheit  ainer  jeden 
Sachen  gebüret  und  nindert  anderswo  suchen  und  nemen."  — 
Für  Criminalsachen  wird  also  die  Gerichtsbarkeit  des  Kaisers 
festgehalten ,  für  privatrechtliche  Ansprüche  gegen  den  Herzog 
aber  die  der  herzoglichen  Räte  anerkannt.  Auf  dieser  Grund- 
lage ruht  auch  L.  Fr.  I  a.  11,  welcher  vorschreibt ,  daß  alle 
Klagen  gegen  den  Baiemherzog  bei  dessen  Räten,  also  bei 
seinem  Hofgerichte,  anzubringen  seien,  während  die  Appellation 
gegen  diese  Erkenntnisse  an  das  Reichskammergericht  gehen 
müssen  ^ ). 

Für  alle  Prozesse,  in  welchen  der  Herzog  als  Kläger  auf- 
tritt, wurde  selbstredend  an  dem  ordentlichen  Forum  des  Be- 
klagten festgehalten  *). 

So  sehen  wir  trotz  der  sich  immer  mehr  befestigenden 
landesherrlichen  Gewalt  den  Herzog  in  steter  Unterordnung 
imter  die  Jurisdiktionsgewalt  von  Kaiser  und  Reich  in  Bezug 
auf  alle  staatsrechtlichen  Streitigkeiten  sowie  in  Bezug  auf  alle 
Klagen  krimineller  Natur.  Auf  der  andern  Seite  hatte  aber  die 
immer  mehr  erstarkende  Gerichtsherrlichkeit  des  Herzogs  doch 
selbst  den  Unterthanen  ihm  gegenüber  den  Rechtsschutz  nicht 
versagt.  Indem  der  Herzog  sich  der  Gerichtsbarkeit  seiner 
eignen  Beamten  unterwarf,  erschloß  er  Jedermann  die  Möglich- 
keit unbeschränkter  Rechtsverfolgung  selbst  gegen  den  Landes- 
herm. 


1)  Umb  des  undterthans  ansprach  zue  seinem  lands- 
f  flrsten.  Werde  jemand  zue  uns,  xmsem  erben  und  nachkhomen  zne  sprechen 
oder  zne  dagen  haben,  der  sol  das  thnen  vor  unsem  rftthen.  Vor  den  soUen 
wir  anch  gerecht  werden  lantt  des  articls  in  des  heiL  reichs  ordnnng  defs- 
halben  gesetzt^  mit  vorbehalltang  uns,  auch  nnserm  widertail  die  appellation 
wie  sich  gehuert  nnd  recht  ist  (v.  L  e  r  c  h  e  n  f  e  1  d  S.  221).  Vgl  den  land- 
schaftlichen Entwurf  von  1507  hei  Krenner  XYI,  S.  136. 

2)  L.  Fr.  L  a.  10  ibid. :  —  Yor  ains  jeden  derselben  Sachen  ordenlichem 
gericht  nnd  richter. 


Die  Bedentnng  der  Vemgerlchte  flir  Batorn. 

Die  erstarkende  Landeshoheit  der  Fürsten  konnte  ihren 
Sieg  erst  mit  der  ADcrkennung  ihrer  ausschließlichen  Ge- 
ricbtsherrlichkcil  als  errangen  butraclitcn.  Ihr  erfolgreiches 
Streben  suchte  ditlier,  wie  gezeigt,  nicht  nur  Ausschließung 
jeder  fremden  Jurisdiktionellen  Gewalt,  sondern  auch  Un- 
abhängigkeit von  der  Oerichtsgewait  des  Kaisers  zu  er- 
langen. Den  ersten  Markstein  in  diesem  Prozesse  der  sieb 
abschlieUenden  Gerichtsherrlichkeit  der  boiriscben  Herzoge  be- 
zeichnen die  Evocations-,  den  zweiten  die  Appellationsprivile- 
gien.  Nicht  berührt  durch  diese  Privilegien  wurden  al)er,  wie 
ausdrücklich  in  denselben  herN-orgehoben  wurde,  die  Fälle 
der  Rcchtsverweigerang  tind  Rechtsverzögerung.  Hier  sollte 
die  Macht  des  Kfinigs  als  Hort  des  Recht«  im  ganzen  Reiche 
vollkrftfüg  sich  entfalten ,  sein  oi>erste3  Richteramt  mußte  der 
Gerechtigkeit  in  den  entferntesten  Gauen  des  zersplitterten 
Vaterlandes  zum  Siege  verhelfen.        ' 

In  jenen  trübsten  Tagen  der  deut»:hen  Vergangenheit ,  in 
der  Periode  des  Faustrechts,  als  ohnmächtige  Könige  ihrer 
schönsten  Itcgentfinptlicht ,  des  höchi^ten  Richter&mts,  nicht  zb 
«alten  vermochten'),  als  die  Territorialgerichte  zu  schwach 
waren,  um  mächtige  Ülwlthäter  ihrer  Gewalt  zu  unterwerfen, 
traten  die  Vemgerichte  an  ihrer  statt  auf  als  energische  ütlter 
des  Recht»,  üie  Volksgerichle  auf  roter  Erde  boten  in  jener 
trostlosen  Zeit  allgemeiner  Rechtsunsichorheit,  in  welcher  div 
gerechte  Sache  des  Schwachen  der  Herrschaft  roher  Gewall 
prei^egeben  war,  dem  Wehrlosen  eine  Zuflucht,  indem  sie  selbst 
den  mächtigsten  Übetthater  ihrem  Richterspnick  unterwarfen 
und  vom  Meere  bis  zu  den  Alpen  die  Vollziehung  desselben 
sicherten. 

1)  Dach  bedient«])  nch  iDch  wiederum  Blntelne  Kftüer  dei  micliüg^  Eio- 
fltuMi  dor  VeiDgerlcbte  itu  Voraichtong  fOntlicbsr  FriednowWrvr.  bdem  de 
ftb  obente  Kicht«r  d«fl  hdalicben  Gericht«  Urteile  denelbeo  nr  VolLttroclraiiic 
biin^n  Helen. 


—    25    — 

Selbst  bairische  Herzoge  beugten  sich  der  Macht  der  west- 
fälischen Gerichte.  Das  Recht  der  Freistühle,  ihre  Gerichts- 
gewalt auch  auf  Fürsten  zu  erstrecken,  folgte  aus  der  An- 
schauung, daß  sie  in  des  Königs  Namen  und  an  seiner  Stelle 
richteten^),  eine  Auffassung,  die  sie  mit  Entschiedenheit  zur 
Anerkennung  brachten,  wie  denn  auch  die  bairischen  Herzoge 
die  Zuständigkeit  der  Veme  über  sie  nicht  anfochten.  Die 
Freigrafen,  im  stolzen  Gefühle  ihrer  Macht,  baten  den  König, 
als  sie  ihm  die  Vervemung  Herzog  Heinrichs  von  Baiern  mit- 
teilten, ausdrücklich,  ein  Exempel  zu  statuieren  *),  „op  dat  eyn 
ander  dar  an  gedenke  und  deme  rechten  gehorsam  sy,  op  dat 
sey  deme  hilgen  Ryke  to  smaheit  und  to  hone  dey  hemelike 
achte  und  dat  recht  nicht  underdrucken,  na  deme  als  gy  wol 
weten,  wu  juwer  koningliker  ere  dat  bevolen  is,  wante  eyn 
iderman  geseten  under  dem  hilgen  Römischen  Rike,  dey  sy 
groet  eder  kleyne,  edel,  wolgeboren  eder  unedel,  solke  grote 
sware  ordele  billike  vorchten  sal"  *). 

Die  Herzoge  Heinrich  und  Ludwig  entgingen  übrigens  der 
Vollstreckung  der  über  sie  verhängten  Vervemung  *). 

Als  die  Ritterschaft  Baiem- Landshuts  1416  zum  Schutze 
ihrer  Freiheiten  einen  Bund  geschlossen,  dem  1420  Herzog  Lud- 
wig von  Ingolstadt  und  dessen  Stände  sich  angeschlossen  hatten'^), 
zog  Heinrich  wutentbrannt  gegen  Caspar  den  Törringer,  den 
Hauptmann  des  Bundes,  zu  Felde  und  zerstörte  dessen  Stamm- 
burg. Der  Törringer  klagte  wegen  dieser  Gewaltthat  den  Herzog 
vor  dem  Freistuhle  der  Veme  an  ^).  Die  Sache  wurde  vor  meh- 
reren Freistühlen  verhandelt  ^) ;  der  Herzog,  welcher  sich  auf  das 
Zeugnis  mehrerer  bairischer  Freischöfifen  berufen  konnte,   er- 


1)  Lindner,  Die  Veme.  Münster  und  Paderborn  1888.  S.  554. 

2)  Lindner  S.  554. 

3)  Thiersch,  Yervemimg  des  Herzogs  Heinrich  d.  R  von  Baiern.  Essen 
1835.   S.  86  f. 

4)  Lindner  S.  554. 

5)  Siehe  26.-29.  Freibrief  (v.  Lerchenfeld,  S.  59  ff.). 

6)  Vorher  hatte  der  Kaiser,  an  den  er  sich  gewandt  hatte,  ein  Ge- 
rieht  von  7—9  herzoglichen  Bäten  angeordnet;  doch  führte  dies  nicht  zum 
Ziele. 

7)  Eine  SchOderong  dieser  Prozefigeschichte  bei  v.  Freyberg,  Landst. 
L  S.  392  ff 


—    26    — 

reichte  des  Törringer  VervemuDg,  als  dieser  einmal  ausgeblieben 
war.  Der  Törringer  focht  diese  Vervemung  als  ungerechtfertigt 
mit  Erfolg  an  und  nach  wiederholten  Verhandlungen  ^ )  wurde 
die  Vervemimg  Heinrichs  von  dem  Limburger  Freistuhl  erkannt, 
doch  wurde  auch  diese*)  1430  als  ein  „Ungericht'*,  das  nicht 
zu  Recht  bestehen  könne*)  (wegen  eines  Formfehlers:  Nicht- 
vorladung  des  Beklagten)  aufgehoben  *).  Ein  Nachspiel  zu  diesem 
Prozesse  bildet  die  Klage  L.  von  Santizells  gegen  Herzog  Heinrich 
(was  dieser  an  C.  und  L.  dem  Törringer  gefrevelt  habe)  vor 
dem  westfälischen  Gericht.  Hervorragendes  Interesse  bietet  dieser 
Prozess  dadurch,  daß  ein  Akt  desselben  sich  auf  bairischem 
Boden  abspielte.  Nachdem  nämlich  H.  Heinrich,  weil  er  der 
Ladung  keine  Folge  geleistet  hatte,  vervemt  worden  war,  er- 
schien er  (1433)  auf  dem  Zollhause  zu  Landshut  vor  den  bairi- 
schen  Rittern,  die  Schöffen  waren  der  heimlichen  Acht,  und 
erklärte,  der  Santizeller  sei  früher  mit  seiner  Klage  abgewiesen 
worden,  eine  neue  Ladung  habe  er  nicht  erhalten,  er  appel- 


1)  Als  auf  Yermittlimg  H.  Ludwigs  ein  Aastrag  zur  Erledigung  das 
Streits  in  Anssicht  genommen  war,  erklärten  die  Freigrafen  urkundlich,  sie 
rieten  dem  Herzog,  dafi  ein  Vergleich  erwirkt  werde  mit  dem  T.,  denn  ge- 
schähe das  nicht»  so  besorgten  sie,  daß  ihm  die  Sache  und  das  schwere  Q^ 
rieht  so  nahe  konunen  werde,  als  sie  bei  einem  Fürsten  uüd  guten  Manne 
nicht  gerne  sähen,  dafi  ein  so  hochgebomer  Name  so  vermindert  werde  und 
in  Schwachheit  käme  (v.  Freyberg,  I,  S.  402). 

2)  In  der  Vervemung  heifit  es:  der  Freigraf  habe  Heinrich,  der  sich 
schreibe  Herzog  in  Baicm,  von  königlicher  Gewalt  genommen,  verfehmet  und 
vervortet  aus  dem  echten  TaU  in  den  unechten,  aus  dem  obem  in  den 
niedem,  von  aUen  Rechten  ausgeschieden  und  gewiesen  von  den  4  Elementen» 
die  Gott  dem  Menschen  zum  Trost  gegeben,  dafi  sein  Leichnam  nimmer 
dazu  vermengt  werde  und  sein  Hals  und  sein  Lehen  sei  dem  Reiche 
und  Könige  verfaUen;  er  sei  geweiset  echtlos  und  machtlos,  friedelos  und 
leiblos,  dafi  man  mit  ihm  verfahren  mOge  als  mit  einem  verfehmten  Manne 
und  ihn  ausrichten  nach  dem  Gesetze  des  Rechts  (ibid.  S.  402).  Die 
Vcrvemungsurkunde  ist  abgedruckt  bei  Thiersch,  S.  65  £  (Urkunden 
No.  1  a). 

3)  „und  dem  Herzog  unschädlich  sei  an  Würde,  Glimpt  Leib  und  Ehre^ 
da  er  nicht  verboten  worden,  wie  sich  gebtlhrt  (^ibid.  S.  406). 

4)  Eluckhohn,  Wilhelm  UL  (Forschungen  z,  deutschen  Gesch.  IL 
S.  530).  Als  Heinrich  sich  auf  dem  Nürnberger  Reichstage  1431  wegen  dee 
MordanfaUs  auf  Ludwig  d.  Bärtigen  (zu  Eonstanz)  verantworten  sollte,  bat 
er  um  Aufischub,  weil  er,  von  dem  Vemgerichte  verklagt,  eiligst  nach  West- 
falen reisen  mflsse. 


—    27    — 

liere  deshalb  gegen  die  Verurteilung  an  den  Kaiser^).    Zum 
endgültigen  Austrage  scheint  die  Sache  nicht  gekommen  zu  sein. 

Welch  gewaltiges  Ansehen  sich  das  Vemgericht  selbst  bei  mäch- 
tigen Fürsten  zu  verschaffen  wußte  und  wie  oft  in  Streitigkeiten 
selbst  der  Fürsten  die  heilige  Veme  als  letzte  Zuflucht  betrachtet 
wurde,  dafür  bieten  die  Beschwerden  der  Herzoge  Wilhelm  in. 
und  Ernst  von  München  gegen  Heinrich  einen  anschaulichen 
Beleg.  Die  Klage  vor  dem  Hofgerichte  führte  nicht  zum  Ziele. 
Ein  vertrauter  Rat,  den  W'ilhelm  zum  Herzog  von  Berg  ge- 
schickt hatte,  kam  mit  der  Botschaft  wieder,  die  besten  Freunde 
meinten,  daß  man  den  Landshuter  auf  keine  andere  Weise  zu 
nützlichem  Austrage  verbringen  möchte,  denn  mit  dem  heim- 
lichen Gerichte  *).  Und  wirklich  machte  Wilhelm  seine  Klage 
vor  dem  Freistuhle  zu  Lüdenscheid  anhängig,  doch  kam  es  nicht 
zu  einem  Endurteil,  da  Heinrich  die  Macht  der  Veme  fürch- 
tend nachgab  und  sich  dem  Spruche  K.  Sigismimds  (1434)  unter- 
v?arf  *).  Diese  Nachgiebigkeit  Heinrichs  mag  wohl  durch  das 
Schicksal  veranlaßt  worden  sein,  welches  die  heimliche  Acht 
einem  andern  Witteisbacher  bereitet  hatte.  Ludwig  der  Bärtige 
war  von  mehreren  Edlen  vor  dem  westfälischen  Gerichte  verklagt 
xmd  verurteilt  worden,  wie  K.  Sigismund  in  einer  Urkunde  1433 
sagt  —  mit  dem  heil,  heimlichen  gericht  redlichen  verfürt  und 
lins  und  mäniglich  sein  leib  und  gut  und  sunderlich  uns  als 
•einem  röm.  keiser  seine  Lehen  erlaubt  sein  *).  Auf  Grund 
-dieser  Vervemung  betrachtete  sich  der  Kaiser  als  Herr  des 
Ingolstädter  Landes,  dessen  Verwaltung  Wilhelm  von  München 
fähren  solle,  bis  nach  des  Kaisers  Tod  der  Ingolstädter  mit 
4em  Münchner  Landesteile  vereinigt  werden  könnte.  Dass  aber 
4er  Kaiser  im  Begriffe  mit  kriegerischem  Aufgebot  den  Urteils- 
spruch in  Vollzug  zu  setzen,  sich  mit  Ludwig  aussöhnte,  wurde 
schon  erwähnt^). 

Nachdem  die  Landesherren  selbst  sich  der  Macht  der 
Vemgerichte    nicht    zu    entziehen    vermocht,    kann    es    nicht 


1)  V.  Freyberg,  Landst  I,  S.522  ff. 

2)  Klnckhohn,  Wilhelm  in.    S.  582. 

3)  Franklin,  RH.Ger.  I,  S.  284;  v.  Freyberg,  Landst  I,  S.  519  iL 

4)  Franklin  I,  S.  286  ff. 

5)  Ebendas. 


Wunder  Dehmun,  daß  auch  bairische  Usterthanen  and  bairieche 
Städte')  vor  den  westfälischen  Freistühlen  Recht  nehmen 
niuBten. 

Vor  dem  15.  Jahrhundert  scheint  die  Machtsphftre  der  sog. 
heimlichen  Acht  sich  nicht  snweit  nach  Süden  erstreckt  zu 
bal>en,  denn  nur  aus  dieser  Periode  sind  uns  urkundliche  Be- 
richte aus  Baiem  Qber  Vemgerichtsprozi'sse  erhalten.  Jetzt 
aber,  nachdem  selbst  bairische  Herzoge  (Heinricli  d.  B.,  Wil- 
helm III.  von  München)  es  fdr  wünschenswert  erachtet  hatten, 
unter  die  Glieder  des  heimlichen  Gerichts  aufgenommen  zu  wer- 
den*), finileu  »ich  Freischöffen  im  Kreise  der  bairischen  Beamten, 
ja  selbst  im  hcrzoglieheu  RiiIl'.  Die  Landesherren  begünstigten 
die  Aufnahme  ihrer  Beamten  unter  die  Wissenden,  um  eventuell 
an  ihnen  einen  wirksamen  Schutz  und  eine  Erleichterung  bei 
Ladungen  der  Vemgerichte  zu  gewinnen  *). 

Voll  ergreifender  Tragik  ist  der  Kampf,  welchen  Ulrich 
Erhnrl,  der  sogenannte  Bauer  von  Brück*),  um  sein  Recht 
und  seine  Existenz  kämpft  "^j.  Nachdem  dem  Bauern  su 
seinem  Itecht  gegen  das  Kloster  Fürstenfeld  von  Westfalen 
aus  verhelfen  worden  war,  wandte  er  sich,  als  ihm  zum 
zweiten  Male  sein  Eigentum  durch  eine  unglückliche  Verket- 
tung von  Umst&nden  in  Folge  Richterspnichs  entzogen  wurde, 
an  einen  westfälischen  Freistuhl,  verklagte  wiederholt  Richter 
und  Gemeinde   Müring,  den   Abt  von   Fürstenfeld  und  sogar 

1}  Dal  gegen  viele  bnirinthe  Sttdt«  und  Stadtbflrger  und  aneb  g«(an 
bairiacbe  Kl0*t«r  vuingericbtlicbo  ProzeRte  uigeMrengt  worden,  besrngt 
Lindner  S.  617,  667. 

8)  Lindner  tj.  609  C  führt  nnt«  den  dentaehnn  Fanten  eine  grOlan 
Zahl  fon  Freitchoffeo  anC 

3i  Errt  «eit  dem  Ende  de«  11.  Jahih.  wurden  die  aoAerbalb  WMt&l«i* 
wohnenden  FreiKbsffen  in  grOtorer  Zahl  aufgenomninn.  Dioaem  UmaUailft 
verdankt  die  Veme  ihre  gefILrehteto  HachUtellaiig  im  IS.  Jahrb.  BaSriaeh* 
Froiachnffon  kominen  nnt  loit  1434  vor.  Vgl.  Lindner  8.  606  C  Viel« 
der  angeaebenitea  M&nner  dei  Baierlaodei,  die  I*rejrnngeT,  Clonci;  Sej- 
boltadorfer,  Tanfklrcher  a.  A,  eruheineo  im  16.  Jahriitmdert  utar  den  Prd- 
achOfFen  (t.  Frojbotg  L  &  SOOf ), 

4)  H.  B.  IX,  376  ff.  »fö  C 

6)  Eine  aoafUulicbe  Dacttenong  dleaea  iaterM*anl«i  B««htadUlea  gibt 
Oei*^  BeitTiga  inr  Qewsh.  d.  wMtpfU.  Oeriebt*  b  Bajen  tOboh.  Areh.  Xn. 
&  188  fl.). 


—    29    — 

Herzog  Albrecht  ^),  der  die  Klage  des  Bauern  auf  dessen  Ver- 
langen dann  vor  seinem  Hofgericht  zur  Entscheidung  brachte, 
nachdem  mancherlei  Hindernisse  sich  einer  endgültigen  Erledi- 
gung hindernd  in  den  Weg  gestellt  hatten.  Daß  in  Prozessen 
bairischer  Parteien,  die  vor  einem  westfälischen  Vemgericht  an- 
gestrengt wurdep,  auch  vor  dem  Freigrafen  ein  Kompromiß  auf 
bairische  Freischöffen  vereinbart  ward,  bezeugt  der  unten  aus- 
zugsweise mitgeteilte  Ingolstädter  Spruchbrief*). 

Schon  die  Furcht  vor  den  westfälischen  Gerichten  wirkte  heil- 
sam und  schon  allein  die  Thatsache  der  Vorladung  bahnte  dem 
Siege  des  Rechts  den  Weg,  da  wo  man  auf  gewöhnlichem  Wege  eine 
Rechtshülfe  nicht  erwarten  konnte,  auch  wenn  die  Sache  nicht  auf 
roter  Erde  urteilsmäßig  erledigt  wurde  *).  Als  z.  B.  2  Münchner 
Bürger  einen  Prozeß,  den  sie  vor  dem  Wiener  Stadtgerichte 
anstrengen  mußten,  nicht  zu  Ende  zu  bringen  vermochten,  ver- 
klagten sie  den  Wiener  Magistrat  in  Westfalen  und  erklärten  auf 
Vermittlung  Herzog  Albrechts  (1441)  von  dieser  Vorladung  ab- 
stehen zu  wollen,    wenn   das   Wiener  Stadtgericht   schleunige 


1)  Eino  Vorstellang  von  der  Angst»  die  selbst  mächtige  Herren  vor  einem 
Konflikte  mit  der  Yeme  beschlich,  gewinnt  man,  wenn  man  erwägt,  daß  der 
Herzog  selbst  bei  dem  Ritter  K  von  Freyberg,  der  der  westfälischen  Sachen 
fast  knndig  nnd  wissent»  anfirag,  wie  er  sich  verhalten  nnd  ob  er  die  Sache 
des  Banem,  da  er  es  verlange,  vor  seinem  Gerichte  annehmen  solle 
(Geiss  S.  191). 

2)  „Wir  (1  ans  Ofensteten,  2  ans  Abensberg  und  2  Ingolstädter  Bürger) 
Alj  die  spnichman  Bekennen  all  aindrachtigklichn  Als  die  gewärten  nnd  ge- 
echwom  fireyschOpffen  nnd  wissendt  des  HeyL  Born,  reichs  haymlicher  rechten** 
in  einer  Irning,  wegen  welcher  H.  ans  Nenenkirchen  den  Bichter,  Stadtkammerer 
nnd  Bat  der  Stadt  Abensberg  „fOr  das  haymlicb  gericht  zne  den  fireyen  han 
unter  den  linden  geladen,  nnd  haben  die  partheycn  vor  dem  freyengrafen  zu  den 
freyen  han  verwilligt  der  sache  auf  4  wissendt  zn  verhomng  komen  nach 
lawt  einer  Compermifsion  von  dem  freien  graven  danunb  ansgangen  nnd 
haben  die  partheyen  nicht  geainigt  mügen  werden.  Und  umb  der  nrsach 
willen,  anch  damit  die  zwo  partheyen  mer  nnradts  mne  nnd  schaden  ver- 
tragen beleiben,  Na  haben  wir  mit  den  partheyen  sovil  geredt  .  .  .  das  alles 
teyen  die  partheyen  auf  uns  obgemelt  spruchman  zue  ainem  stäten  gantzen 
und  unzebrochen  hintorgangk  eingangen  und  des  bey  uns  beliben''  .  .  . 
Ingolstadt  1463  (YerhandL  d.  histor.  Vereins  i  Niederbayem.  Landshut  1868 
xm.  S.  22  £). 

3)  Vgl  den  Prozeß  eines  Münchner  Kürschners  gegen  den  Abt  von 
FOrstenfeld  (1465),  wo  der  Kläger  in  Folge  der  Anrufung  der  Veme  eine 
beträchtliche  Entschädigung  erwirkte  (Geiss,  Beitr.  S.  199). 


—    30    — 

Ausrichtung  gewähren  würde  0-  Immer  erreichte  eine  Klage 
beim  Gerichte  auf  roter  Erde  den  Zweck  —  Gewährung  von 
Rechtshülfe.  Als  Ludwig  der  Reiche  1465  zweimal  Freigrafen 
um  Zurücknahme  ihrer  Ladungen^)  ersuchte,  konnte  er  sich 
auf  das  Zeugnis  dreier  herzoglicher  Pfleger  berufen,  welche  alle 
drei  als  rechte  und  ächte  Schöffen  sich  verbürgten,  daß  dem 
Kläger  des  Rechtes  Tröstung  werde. 

Ein  Mittel  gab  es  für  die  gen  Westfalen  geladene  Partei, 
sich  der  Folgeleistung  zu  entziehen,  darin  bestehend,  daß  sie 
die  Sache  vor  das  kgl.  Hofgericht  brachte,  wo  dann  durch  den 
Urteilsspruch  die  Entbindung  von  der  Ladung  ausgesprochen 
wurde  ^).  Eine  Verweisung  eines  vor  der  Veme  Beklagten  vor 
das  herzogliche  Hofgericht  konnte  nur  vor  der  Vervemimg  ge- 
schehen. Als  die  Räte  der  Herzoge  Ernst  und  Wilhelm  verlangten, 
dass  ein  bereits  Vervemter  vor  sie  gewiesen  würde,  schlug  dies 
K.  Sigismund  1429  ab  mit  den  Worten:  „Kein  Kurfürst,  Fürst, 
Herr,  noch  Niemand  anders  mag  vor  solchem  Gericht  gefreit 
sein  und  das  ist  auch  unmöglich,  nur  vor  offenbaren  mögen  sie 
gefreit  sein.  Zwar  könne  sich  ein  Herr  für  seine  Unterthanen 
zu  Ehren  und  Recht  erbieten,  aber  das  müsse  vor  der  Ver- 
vemung  erfolgen;  ist  diese  erfolgt,  kann  keine  Freiheit  gegen 
das  heimliche  Gericht  helfen"  ^). 

Natürlich  führte  dieses  Anrufen  der  Vemgerichte  auch  zu 
großen  Mißbräuchen  und  veranlaßte  Beschwerden  der  Unterthanen, 
die  durch  solche  Ladungen  zu  kostspieligen  Reisen  gezwungen 
wurden.  So  wohlthätig  sich  der  Schutz  der  Vemgerichte  bei 
mangelhafter  Rechtspflege  erwiesen  hatte,  so  wenig  war  für  ihre 
Jurisdiktion  ein  rechtfertigender  Grund  vorhanden,  sobald 
die  Landesgerichte  ordentlich  ihres  Amtes  walteten  und 
jedem  Rechtsuchenden  sich  pflichtgemäß  behilflich  erwiesen. 
So  kam  es,  daß  eine  auf  Verbot  bezw.  Beschränkung  der  Vem- 
gerichte abzielende  Agitation  aus  den  Kreisen  des  Publi- 
kums nur  bei  einer  allen  Anforderungen  entsprechenden  Re- 


iz Üeiss,  Beitr.  S.  187. 

2)  Einnial  war  die  Stadt  Ingolstadt»  ein  anderes  Mal  ein  Bnicker  Bflrger 
geladen  (Geiss,  Bcitr.  S.  201\ 

3)  Zweimal  erreichte  dies  z.  6.  die  Stadt  Wasserburg  (Heiserer,  Bei- 
trag z.  Gesch.  d.  westfiU.  Ger.  in  Bayern:  Ob.  Arch.  XXI,  150  1). 

4)  Lindner  S.  434. 


.^ 


—    31    — 

form    des  Gerichtswesens    einen    segensreichen    Erfolg    haben 
konnte. 

In  dieser  Richtung  bewegen  sich  denn  auch  die  Vorschläge 
der  herzoglichen  Räte  und  der  Landstände  i)  bei  Beratung 
eines  Landgebots  (für  den  Münchner  Teil  1444),  indem  ein  Ein- 
schreiten nur  gegen  diejenigen  gebilligt  wird,  welche  gen  West- 
falen ziehen,  obwohl  sie  im  Lande  Recht  bekämen.  Zugleich 
bitten  sie  den  Herzog,  er  möchte  Jedem,  der  Rechtens  begehre, 
ein  billiger  Richter  sein  und  Recht  nicht  verziehen.  „Deß- 
gleichen,  daß  sein  Gnad  in  allen  Gerichten  und  mit  allen  Richtern 
in  Städten  und  Märkten  ordnet,  daß  einem  jeden,  armen  und 
reichen,  Gästen  und  Landleuten  Recht  nicht  verzogen,  noch  ab- 
geschlagen und  niemand  rechtlos  gelassen  werde,  wann  das  also 
gesetzt  imd  geordnet  ist"*).  Werdann  darüber  gen  Westfalen 
lädt,  der  soll  mit  Strafe  nebst  Kostenersatzpflicht  büßen.  Der 
praktische  Antrag  zielt  nun  nicht  etwa  auf  ein  gänzliches 
Verbot  des  Rechtszugs  auf  die  rote  Erde,  denn  für  Prozesse 
der  Freischöffen  unter  sich  soll  er  zulässig  bleiben^),  bei  an- 
deren Personen  aber  von  dem  Nachweise  abhängig  sein,  daß 
sie  von  dem  Landrichter  imd  von  dem  Landesfürsten  rechtlos 
gelassen  wären.  Damit  war  für  den  Herzog  ein  Sporn  ge- 
geben nach  besten  Kräften  für  eine  gute  Rechtspflege  zu  sorgen, 
denn  Niemandem  dürfte  das  Dingen  gen  Westfalen  verhaßter 
gewesen  sein  als  den  bairischen  Landesfürsten,  die  nicht 
nur  persönlich  in  höchst  peinlicher  Weise  durch  den  Macht- 
bereich der  westfälischen  Gerichte  zu  leiden  hatten,  sondern 
diese  auch  als  einen  schweren  Eingriff  in  ihre  Gerichts- 
herrlichkeit empfanden.  Für  die  Machtstellung  der  Vem- 
gerichte  ist  es  aber  bezeichnend,  daß  sich  die  Fürsten  solange 
diese  Eingriffe  in  ihre  landesherrliche  Gewalt  gefallen  ließen*). 


1)  Auch  in  Brandenburg  tritt  eine  starke  Opposition  der  Bevölkerung, 
bes.  der  St&dte  gegen  die  Vemgerichte  hervor.  Dieselbe  kommt  sogar  zxmi 
Aosdnicke  in  einem  Bündnisse  der  altmärk.  Städte  (Eflhns,  Gesch.  d. 
Gericht8ver£  in  d.  M.  Brandenburg.  L   S.  91). 

2)  Erennor  I,  S.  163. 

3)  Ercnner  1,8. 175  t:  Hätte  ein  wifscnder  mit  einem  andern,  der  auch 
wilsend  wäre,  etwas  zu  rechten,  das  für  das  wifsende  Recht  gehört,  darum 
loD  daselbst  beschehen,  was  dann  daselbst  recht  ist 

4)  Vgl  Lindner,  S.  525;  Eühns  I,  S.  88  £ 


—    32    - 

Ein  energisches  Landgebot  wegen  der  Anrufung  der  west- 
fälischen Gerichte  * )  erging  durch  die  Herzoge  Albrecht  und 
Sigmund  1468  *).  Die  Herzoge  motivieren  die  Erlassung  des 
Verbots  damit,  daß,  obwohl  sie  ordentlichen  Gerichtszwang  und 
über  Leib,  Ehre  und  Gut  zu  richten  hätten  und  jedem  an 
iliren  Gerichten  Recht  Suchenden  solches  gewährten,  sie  und 
ihre  Unterthanen  doch  mit  den  westfälischen  Gerichten  be- 
schwert und  ihre  auf  Grund  der  königlichen  Reformation ') 
und  ihrer  Privilegien  ergangenen  Abforderungen  nicht  beachtet 
würden. 

Nicht  schlechthin  untersagt  wurde  die  Ladung  gen  West- 
falen, sondern  darauf  wurde  Gewicht  gelegt,  daß  die  nach  der 
königlichen  Reformation  dem  Herzoge  zustehende  Abberufung 
einer  solchen  Ladung  vom  Freistuhle  respektiert  würde.  Im 
Falle  der  Nichtbeachtung  sollten  die  auf  roter  Erde  ergangenen 
Urteile  in  Baiem  nicht  gebraucht,  von  einem  inländischen  Ge- 
richt auf  sie  kein  Urteil  gegründet,  sondern  sie  für  kraftlos 
und  nichtig  gehalten  werden.  Mit  denjenigen,  welche  trotz  der 
Abforderung  ein  Urteil  in  Westfalen  erlangt  hatten ,  sollten  die 
bairischen  Beamten  im  Betretungsfalle  wie  mit  des  Reiches 
Achtem  und  Überächtem  verfahren,  und  ebenso  sollte  es  den 
Boten  ergehen,  die  solche  Urteile  bairischen  Unterthanen  ver- 
künden würden  *).    Auf  dieses  Landgebot  wurde  dann  in  der  L.O. 


1)  Die  Herzoge  kamen  flberein  ein  gemeinsames  Verbot  zu  thon  von 
deren  wegen,  die  gen  WestfEden  laufen,  nnd  die  ihrigen  wider  landl&ofige 
Bechte  mit  denselben  fremden  Gerichten  ftimehmen  und  treiben,  zu  Mflhe 
und  Schaden  bringen  unbilliger  Dinge,  das  zu  förkommen,  zu  wehren  und 
zu  stxaflen  (Erenner  Y,  S.  374). 

2)  Ein  gleiches  Verbot  Albrechts  und  Ludwigs  aus  dem  Jahre  1456  er- 
wähnt G  e  i  s  s ,  Beitr.  S.  199 ;  1461  bitten  die  Landshuter  Stände  um  Schutz 
gegen  Appellierung  an  fremde  Gerichte  (y.  Freyberg,  Lands!  I,  S.  539). 

3)  Vgl  die  sog.  Reformation  K  Friedrichs  IIL  von  1442  §  14  (N.  SaramL 
d.  RAbsch.  L   S.  173\ 

4)  Erenner  V,  S.  374  ff.  Femer  soll  kein  Beamter  Einen,  der  solches 
Fümehmen  mit  westfälischen  Gerichten  thut»  Sicherheit  und  Geleit  geben, 
wie  auch  der  Herzog  Ecinem,  der  seine  Unterthanen  in  dieser  Weise  be- 
lästigt, seine  Landeshuld  zu  geben  verspricht  Vgl  auch  M.B.  XXV,  p.  372,  wo 
L.,  weil  er  1477  Jemand  auf  fremde  westfälische  Gerichte  geladen  und  sich 
nicht  mit  dem  einheimischen  Gerichte  begnügen  wollte,  was  als  Treubruch 
gegen  seinen  Herrn,  den  Abt  v.  Michelfeld,  betrachtet  ward,  hierwegen  ins 
Gefängnis  wandern  und  bei  seiner  Entlassung  Urfehde  schworen  mufito. 


^ 


—    33    — 

von  1474  einfach  zurückgewiesen  und  dasselbe  den  Amtleuten 
zur  Darnachachtung  wiederholt  eingeschärft^).  Das  ist  die 
letzte  Spur  einer  Reaktion  der  bairischen  Gesetzgebung  gegen 
mißbräuchliche  Ladungen  vor  die  westfiilischen  Gerichte.  Als 
dann  Kaiser  Maximihan  I.  1495  durch  die  Errichtung  des 
RKammergerichts  eine  Instanz  geschaffen  hatte,  welche  jedem 
Reichsangehörigen  in  Fällen  der  Rechtsverweigerung  oder  -Ver- 
zögerung Hülfe  gewährte,  war  der  Ausdehnung  der  Thätigkeit 
der  Vemgerichte  auf  ganz  Deutschland  jede  Berechtigung  ent- 
zogen und  sie  fristeten  ihr  Dasein  auch  fernerhin  nur  noch  als 
Territorialgerichte.  In  Baiern  *)  war  vorher  schon  das  Ein- 
schreiten der  Gesetzgebung  vom  Erfolge  gekrönt,  denn  seit  dem 
7.  Dezennium  des  15.  Jahrhunderts  fehlt  jede  Kunde  einer  Be- 
ziehung bairischer  Unterthanen  zur  Veme. 


§3. 
Die  kirchllclie  Gerichtsbarkeit« 

Geistliche  uud  weltUche  Jurisdiktion  haben  so  vielfache,  oft 
zu  Konflikten  der  beiden  Gewalten  führende  Berührungspunkte, 
daß  einer  erschöpfenden  Darstellung  der  Verfassung  und  des 
Wirkungskreises  der  staatlichen  Gerichte  auch  eine  Erörterung 
der  Kompetenz  der  geistlichen  Gerichte  ergänzend  zur  Seite 
treten  muß  ^).    Da  für  diese  der  Standpunkt  des  kanonischen 


1)  Krennor  VII,  S. 496.  Im  Stadium  der  Yorberatuug  der  LO.  hatten 
die  Landfltände  proponiort,  daß  eine  Kommission  von  Landlenten  und  Räten, 
die  wissend  wären,  über  die  Sache  sitzen  und  wegen  der  Abforderung  halben 
mit  unterschiedlichen  Dingen,  dadurch  ein  jeder  abgefordert  würde,  für- 
nchmen  (ibid.  S.  422,  vgl.  auch  S.  307;,  doch  ist  von  dem  Resultate  einer 
derartigen  Eommissionsberatuug  später  nicht  mehr  die  Rede. 

2;  In  dem  oben  S.  12  mitgeteilten  Privileg  K.  Maximilians  I.  für  Herzog 
Georg  1495  war  diesem  und  seinen  Unterthanen  die  Befreiung  von  jedem 
fremden  Gerichtszwange  (noch  auch  an  die  heimlichen  gorichte  in  West- 
valen)  verheißen. 

3)  Auf  die  reiches  QueUenmateriel  für  ganz  Deutschland  bietende  Schrift 
von  Friedberg,  Do  finium  inter  ecclesiam  et  civitatem  regundorum  ju- 
dicio.  Lipsiae  1861,  sei  hier  besonders  vorwiesen. 

Roten  thal,  Geschichte  d.  Oerichtsw.  u.  d.  Verw.-Org;.  Baijrns.  I.  3 


—    34    — 

Rechts^)  iu  der  Praxis  des  Staatslebens  nicht  unbedingte  An- 
erkennung gefunden  hatte,  so  handelt  es  sich  hier  darum,  die 
Entwicklung  der  staatlichen  Gesetzgebung,  soweit  sie  diese 
Materie  im  Einklänge  oiler  im  Widerstreit  mit  den  kanonischen 
Satzungen  regelte,  zu  verfolgen. 

In  Baiem*)  waren  für  die  Abgrenzung  der  beiden  Juris- 
diktionsgewalten im  allgemeinen  jene  Grundsätze  maßgebend, 
welche  im  Schwaben  Spiegel  zum  Ausdrucke  kamen,  welche 
weniger  eine  scharfe  Grenzabsteckung  enthielten,  sondern 
mehr  ein  Zusammenwirken  der  beiden  Gerichtsgewalten  zu 
ihrer  gegenseitigen  Kräftigung  betonten :  Wan  ein  gerihte 
sol  dem  andern  gerihtes  helfen:  so  sint  si  beidiu  deste 
vester^). 

Dieses  ideale  Zusammenwirken  im  Dienste  der  allgemeinen 
Rechtssicherheit  erkennen  schon  die  älteren  Landfrieden*)  an, 
wenn  sie  bestimmen,  daß  nicht  nur  richterliche  Ächtung,  son- 
dern auch  bischöfliche  Exkommunikation  den  des  Raubes  Be- 
schuldigten trefl'en  soll,  welcher  der  ersten  gerichtlichen  Ladung 
nicht  Folge  leistet. 

Die  Abgrenzung  der  beiden  Jurisdiktionssi)hären  ist  sowohl 
eine  sachHche,  als  eine  persöuUche.  Einerseits  wird  sie  be- 
stimmt durch  den  geistlichen  oder  weltlichen  Stand  der  Parteien 
oder  des  Angeschuldigten,  anderseits  durch  den  Gegenstand  des 
Rechtsstreits  imd  die  Natur  des  Delikts. 

Das  dem  Klerus  reichsgcsctzlich  ^)  bestätigte  Privileg,  daß 
seine  Mitglieder  nur  vor  dem  geistlichen  Gerichte  Recht  nehmen 

i)  über  dio  AasdeliDUDg  der  kirchlichen  Jurisdiktion  über  die  Laienwelt 
auf  Grund  des  kanonischen  Rechts  vgl.  Zorn,  Lehrb.  des  Kirchenrechtf. 
Stuttgart  18S8.  S.  114  f.,  479. 

2)  Auch  in  Osterreich  vgl  Luschin,  S.  250  f.;  Aber  den  Rcchtszustand 
im  Norden  vgl.  Planck,  Gerichtsvorfahren,  I,  S.  1  ff. ;  in  Brandenburg  spe- 
ziell Kuhns  I,  S.  272  ff 

3)  c.  140  §  3  (Gengier). 

4)  Landfrieden  1244  a.  13 ;  1255  a.  15  (Qu.  und  Er.  V,  S.  80,  143). 

0}  Auth.  Frid.  II.  Statuimus  (L  33  de  episc.  et  der.  C.  I,  3.  bestätigt 
nur  das  schon  seit  der  fränkischen  Periode  geltende  Recht  Vgl  hierüber 
Sohm  (Zcitschr.  f.  Kirchenrecht  IX,  S.  248  ff.»;  Ed.  Löning,  Geschichte 
der  deutschen  Kirch enrechta.     Straßburg  187G.    IL    S.  r>lß  ff.,  527. 


—    35    - 

mußten  ^),  vermochte  nicht  allgemeine  Anerkennung  zu  erringen. 
Zwar  hat  der  älteste  bairische  Landfrieden  (1244)  das  Privi- 
legium fori  der  Geistlichen  unbedingt  adoptiert,  indem  c.  25^) 
bestimmt :  Item  nuUus  iudex  secularis  violenter  de  clerico  [quan- 
tum  ad  personam  vel  spiritualia]  ^)  iudicet,  nisi  prius  a  suo 
episcopo  fuerit  degradatus.  Postea  sententia  dictante  iudex 
circa  ipsum  procedat.  Allein  schon  der  Schwabenspiegel,  ein 
sicher  nicht  kirchenfeindlichen  Tendenzen  huldigendes  Rechts- 
buch, hat  das  Prinzip,  daß  der  weltliche  Richter  nicht  über  einen 
Geistlichen  zu  Gericht  sitzen  dürfe*),  durchbrochen^)  und  ge- 
stattet (c.  77  Gengier)  ^)  den  Geistlichen  vor  dem  weltlichen 
Richter  umbe  gulte  zu  belangen.  Der  bairische  Landfrieden 
von  1300,  dessen  §  4n)  die  erwähnte  Bestimmung  von  1244 
wiederholt,  macht  der  geistUchen  Gewalt  noch  mehr  Konzes- 
sionen als  der  Schwabenspiegel,  indem  er  nur  den  Geistlichen, 
welcher  einen  Laien  vor  dem  weltlichen  Richter  verklagt,  ver- 
pflichtet, sich  auf  eine  Widerklage  vor  diesem  einzulassen  — 
aber  nur  um  Schuld.  Diese  von  der  staatlichen  Gewalt  an- 
erkannte immunitas  personalis  des  Klerus  scheint  aber  in  der 
bairischen  Gerichtspraxis  wenig  beachtet  worden  zu  sein. 
Gerade  in  Baiem  scheint  die  Neigung  vorgeherrscht  zu  haben. 


1)  Gleich  den  Geistlichen  gonosssen  dieses  Privilegium  fori  die  gc- 
weihten  Schüler,  „so  in  gefreyten  Schulen  lernten**  (v.  Freyherg, 
Über  das  altdeutsche  Öffentliche  Gerichts  -  Verfahren.  Landshut  1824. 
8.  139). 

2)  Qu.  und  Er.  V,  S.  82;  wiederholt  imLandfr.  1255  (a  30),  1281  (a  47\ 
1300  (a.  41).  -  Qu.  und  Er.  V,  S.  146,  347;  VI,  S.  lia 

3)  [  ]  Späterer  Zusatz  zwischen  1244—1256  vgl  Bockingor,  Zur 
iu&  Gesch.  d.  älteren  baierischen  Landfrieden  (Abb.  d.  Münchner  Akad,  Hist 
KL  1867.   Bd.  X.   S.  449). 

4)  Friedberg,  Do  finium  p.  140. 

5)  Daß  die  bairischen  Landfrieden  sich  enger  an  die  kanonischen  An- 
Behauungen  anschlieüen  als  der  Schwsp.,  erklärt  sich  wohl  daraus,  daü  der 
L  Landfrieden  1244,  die  Grundlage  der  folgenden  (B  o  c k i  n g  er,  Landfrieden, 
S.  434  £,  448  t\  einer  Vereinbarung  Herzogs  Otto  mit  dem  Erzbischof  von 
Salzburg  und  dessen  Suffraganen,  sowie  mit  den  Bischöfen  von  Eichstädt 
imd  Bamberg  entsprungen  ist  ^ 

6)  Ebenso  Buprecht  von  Freysing  ed.  Maurer,  I  c.  67. 

7)  Qu.  und  Er.  VI,  S.  118:  —  ob  ein  pfaffo  einen  laien  ansprichet  vor 
werltlichcm  geriht»  der  sol  im  da  daz  recht  hinwider  tun  niht  wan  umb  giUt, 
ond  anders  niht 

3* 


—    36    — 

Geistliche  vor  dem  weltlichen  Gerichte  zu  belangen^),  da 
K.  Ludwig  in  Bestätigung  alter,  der  Geistlichkeit  von  Kaisern 
und  Päpsten  verliehenen  Privilegien  in  einer  Urkunde  vom 
19.  Dezember  1322  sagt:  „Es*)  sol  auch  niemant  dehainen 
pfaffen  noch  sein  gftt  bechlagen  vor  dem  richter,  dan  vor  ir 
richter,  es  sei  umb  gölt  oder  umb  swelher  lay  sach  daz  ist 
Und  swas  gewonheit  wider  diu  vorgenanten  vreiheit  der  pfafifen 
und  wider  unser  vorgenant  bestaetigung  in  allem  unserm  lande  ze 
Bayren  aufgestanden  sint,  diu  nemen  wir  ab  und  wellen  si  nicht 
clu*aft  haben  3). 

Aber  noch  im  Laufe  des  14.  Jahrhunderts  macht  sich 
gegen  diese  schrankenlose  Ausdehnung  des  Privilegium  fori  eine 
Reaktion  geltend.  K.  Ludwig  selbst  hat  durch  sein  oberbairi- 
sches  Stadtrecht*)  eine  Bresche  in  dasselbe  gelegt  durch  die 
Statuierung  des  forum  rei  sitae  als  des  ausschließlichen  Gerichts- 
stindcs  für  alle  innerhalb  des  Burgfriedens  gelegenen  Grund- 
stücke ^).  Mit  welcher  Energie  die  Landesherren  jeder  Umgehung 
dieser  Kompetenzbestimmung  entgegentraten,  dafür  legt  das 
Schreiben  der  Herzoge  Stephan,  Friedrich  und  Johann  Zeugnis 
ab,  in  welchem  sie  mit  scharfen  Worten  dem  Unterfangen  eines 
Augustiners  begegneten,  welcher  1372  den  Propst  von  Pollingen 
wegen  eines  Streits  um  ein  Münchner  Haus  nach  Avignon  ge- 
laden hatte  und  alle  Beamten  aufforderten  dem  Propst  behülf- 
licli  zu  sein  und  ihn  zu  beschirmen®).    Das  deutschrechtliche 


1)  Friodberg,  De  fin.  p.  146. 

2)  Qa.  und  Er.  VI,  S.  277;  Bestätigung  dieses  Privüegs  1334  and  1806 
(L  0  r  i ,  Gesch.  d.  Lechrains,  II,  S.  52,  67 ;  M.  B.  II,  S.  144). 

3)  Hiermit  stimmt  auch  überoin  E.  Ludwigs  Ordnung  für  das  Landgericht 
Hirschberg  1320,  welche  geistliche  Leute  dem  Gerichtszwango  desselben 
nicht  unterwirft  Daß  bei  Immobiliarklagen  die  Zuständigkeit  des  Land- 
gerichts anerkannt  wurde,  ist  aus  den  Protokollen  zu  beweisen. 

4)  MQnchner  Stadtr.  a.  271  (Auer);  vgl  noch  Rain  bei  Lori,  Lechrtin, 
S.  51.  Auch  in  Niedcrbaiem  beherrschte  dieses  Prinzip  die  Stadtrechte,  s.  R 
Landshut  (Rosenthal,  Beiträge  z.  d.  Stadtrechtsgesch.,  S.  84\  Dingolfing 
(G  e  n  g  1  e  r ,  Codex  juris  municip.  Germ.  Erlangen  1865.  L  S.  776). 

5)  VoAer  war  schon  durch  den  oben  erwähnten  Zusatz  dos  Landfriedens 
(vor  1256)  „quantum  ad  personam  vel  spiritualia"  eine  Ausdohnong  der 
weltlichen  Gerichtsbarkeit  zu  Gunsten  der  Streitigkeiten  um  Erb  and  Eigen 
zugestanden  worden. 

6)  M.  B.  XXXV,  2,  p.  12^ 


i^tdäiU^M 


—    37    — 

Prinzip  von  der  Ausschließlichkeit  des  forum  rei  sitae  hatte  also 
gegen  Ende  des  14.  Jahrhunderts  die  unbedingte  Herrschaft  in 
Baiem  derart  gewonnen,  daß  auch  bei  Imniobiliarstreitigkeiten  ^), 
in  welchen  beide  Parteien  Geistliche  waren,  von  demselben  nicht 
abgewichen  wurde,  während  im  allgemeinen  solche  Streitigkeiten 
dem  weltlichen  Richter  entzogen  waren  ^).  Den  besten  Beweis 
für  den  Sieg  des  Dinglichkeitsprinzips  bezüglich  des  Forums 
bietet  ein  Weistum  des  Landgerichts  Nabburg,  welches  (1359) 
auf  die  Frage  eines  Kirchherrn,  wo  er  Recht  nehmen  soll  um 
Seelgerät,  da  man  Vigil  und  Jahrtäg,  Seelmesse  und  Gedächtnis 
mitgemacht  habe,  erkannte:  Waz  auf  erb  und  aygen  geschaft 
ist,  daz  schul  er  anvertigen  auf  dem  Lantgericht;  waz  aber 
sust  geschaft  wirt  oder  Gatergelt  haist,  do  mag  er  umb  wol  an- 
vertigen in  seiner  Chirchen  oder  auf  geistleichen  Rechten  ^).  Also 
trotz  der  hier  gegebenen  innigen  Beziehung  zu  kirchlichen  Ver- 
richtungen wird  das  forum  rei  sitae  für  zuständig  erklärt.  Einzelnen 
Klerikern  in  hervorragender  Stellung  wurde  eine  Bevorzugung 
in  der  Richtung  zu  Teil,  daß  ihnen  durch  landesherrliche  Privi- 
legien ein  eximierter  Gerichtsstand  vor  dem  Fürsten  rcsp.  dem 
Hofgerichte  eingeräumt  wurde.  Selbstverständlich  wurde  aber 
auch  da,  wo  geistliche  Personen  oder  Vertreter  geistlicher  In- 
stitute als  Partei  vor  einem  weltlichen  Gericht  erschienen, 
hierauf  weder  bei  der  Besetzung  des  Gerichts  noch  im  Ver- 
lahren  irgend  eine  Rücksicht  genommen^). 

Daß  überhaupt  im  15.  Jahrhundert  die  Gerichtsstands- 
privilegien des  Klerus  vielfach  nicht  beachtet  wurden,  beweist 
jene  Urkunde  K.  Sigismunds  (1418)  für  Salzburg,  in  welcher 
betont  wird,  „daz  die  Bischofif,  Prelaten  und  ander  geystlich 
Personen  für  gevordert  und  furgewendet  werden  sich  vor  welt- 
lichen gerichten  in  den  Landtschrannen  ze  verantwurtten,  daz 
sy  auch  willig  wären  und  gern  täten.  In  denselben  weltlichen 
schrannen  sy  auch  mit  irs  selbs  leib  müssen  ze  recht  steen". 


1)  Für  Lehensstreitigkeiten  wurde  von  der  Kirche  selbst  die  Zoständig- 
keit  des  weltlichen  Lehensherm  fOr  Geistliche  anerkannt  (Friedberg,  De 
fin.  p.  142). 

2)  Vgl.  Luschin  S.  261. 

3)  Ried,  Codex  chron.-dipl.  episcopatus  Batisbonensis  U,  S.  890. 

4)  Vgl.  die  Beispiele  bei  Franklin,  Beitr.    S.  31  £ 


—    38    — 

Trotz  aller  Beschwerden  des  Bischofs  erhielt  sich  dieser  Zu- 
stand * ). 

Aber  auch  andenvärts  macht  die  weltliche  Gewalt  Versuche 
die  Kleriker  ihrem  Gerichtszwange  zu  unterwerfen,  wenigstens 
für  bestimmte  Kategorien  von  DeUkten.  So,  wenn  das  Stadt- 
recht Ruprechts  von  Freising  ^)  dem  weltlichen  Richter  gestattet, 
auf  Anklage  eines  Geistlichen  gegen  einen  andern  einzuschreiten 
bei  vorliegender  Genehmigung  der  geistlichen  Oberen,  oder  wenn 
die  Anklage  auf  Hochverrat  oder  Friedbruch  lautet.  Die  Ten- 
denz der  Rechtsentwicklung  geht  also  auf  Ausdehnung  der  welt- 
lichen Gerichtsbarkeit  über  geistliche  Personen  und  Güter. 

Wichtiger  als  diese  immunitas  personalis  w^ar  für  den  Staat 
die  Trennung  der  kirchlichen  und  weltlichen  Gerichtsbarkeit 
ratione  causarum^),  denn  hier  war  es  der  ersteren  möglich, 
unter  dem  Gesichtspunkte  der  kirchlichen  Natur  einer  Rechts- 
sache eine  sich  weit  erstreckende  Gewalt  über  Laien  für  sich 
in  Anspruch  zu  nehmen.  Konflikte  zwischen  den  beiden  Ge- 
walten konnten  hier  beim  Fehlen  einer  scharfen  Grenzabsteckung 
nicht  ausbleiben. 

Zu  keiner  Zeit  bestritten  wm^de  die  kirchliche  Jurisdiktion 
bezüglich  der  causae  mere  spirituales,  zu  welchen  seit  Ausbil- 
dung der  Sacramcntsnatur  der  Ehe  namentlich  alle  Ehesachen 
gerechnet  wurden. 

Alle  mit  diesen  rein  kirchlichen  Sachen  irgendwie  in  Ver- 
bindung stehenden  Rechtsverhältnisse  wurden  gleichfalls  als 
causae  spiritualibus  connexae  dem  kirchlichen  Forum  unter- 
stellt. Zu  dieser  Kategorie  gehören  auch  die  Sponsalien,  mit 
welchen  sich  die  bairische  Gesetzgebung  1501  bescliäftigte,  in- 
dem Herzog  Georg  in  der  Landesordnung  auf  Gnmd  land- 
ständischer Beschwerden  festsetzte,  daß  (clandestina)  sponsalia 

1)  Friedborg,  Die  GränzoD  zwischen  Staat  and  Kirche.  Tübingen 
1872.   1,  S.  111. 

2)  1328  verfaßt  (Stobb  e,  Gesch.  d.  d.  RechtsqueUen.  I,  S.  436\  II  c.  107 
Do  zwee  brieefster  kommennt  für  welüichs  gerichtt  es  sein  owangclier  oder 
letzner  den  sol  der  richter  nicht  richttnn  es  sj  im  dann  bovolhnn  von  jr 
niaisterschafft  oder  das  er  wider  den  lanndtsherm  ist  oder  solich  ding  das 
tzu  dem  frid  gehörtt  Unter  diesem  Friedbrucli  ist  nur  grober  Unfug»  „Ru- 
mor", zu  verstehen  (vgl.  E.  M  ay  e  r,  Die  Kirchenhoheitsrechte  des  Königs  von 
Bajern.  München  1884.   S.  121 

3)  Vgl.  für  das  Folgende  F  r  i  e  d  b  e  r  g ,  De  fin.  p.  87  flu 


—    39    — 

und  Versprechungen  der  Ehe  in  geistlichen  Gerichten  berechtet 
werden  dürften  ^).  Nichtsdestoweniger  soll  später  nach  den  vor 
dem  geistlichen  Richter  gepflogenen  Verhandlungen  gegen  die 
Schuldigen  wegen  Übertretung  eines  Landgebots  Strafe  verhängt 
werden.  Zu  dieser  Gattung  rechnete  das  bairische  Recht  wegen 
des  vorherrschenden  kirchlichen  Interesses  auch  die  Kirchen- 
gtiter,  so  daß  alle  diese  berührenden  Prozesse  der  Zuständigkeit 
des  bischöflichen  Gerichts  unterworfen  wurden,  wie  schon  der 
Landfriede  1281  besagt:  Ez  ensol  nieman  rihten  über  dhein 
widern*)  denne  der  bischof^). 

Nicht  in  gleichem  Maße  anerkannt  blieb  die  kirchliche 
Kompetenz  in  Zehntstreitigkeiten,  denn  während  diese  im 
13.  Jahrhundert*)  noch  fortdauert,  läßt  das  14.  Jahrhundert 
solche  Prozesse  vor  dem  weltlichen  Forum  entscheiden  ^). 
Patronatsstreitigkeiten  werden  auch  der  Kognition  beider  Ge- 
richte unterstellt  ^).  Zu  dieser  Kategorie  zählen  auch  die- 
jenigen Rechtssachen,  welche  mit  einer  rehgiösen  Handlung, 
wie  Eid  oder  Gelübde,  in  Verbindung  gesetzt  werden.  Deshalb 
nahm  das  Münchner  Stadtrecht  (a.  371)  auch  eine  Konkurrenz 
des  geistlichen  und  weltlichen  Richters  an  in  Streitigkeiten, 
welche  aus  den  durch  Gelübde  bekräftigten  Kaufverträgen  ent- 
standen waren,  machte  aber  das  Anrufen  des  kirchlichen 
Richters  von  einer  vorherigen  Genehmigung  des  Stadtrats  ab- 
hängig. 

Eine  Ausdehnung  der  kirchlichen  Strafgewalt  über- Laien 
wurde  hervorgerufen  durch  die  Ausbildung  des  Begrifl's  der 
delicta  mixti  fori').  Vergehungen,  welche  wegen  ihrer  Be- 
ziehung zur  kirchlichen  Lehre  das  Einschreiten  der  geistlichen 
Gewalt  zulässig  erscheinen  ließen.     Die  kirchlichen  Ansprüche 


1)  „ob  sie  der  Ehe  halben  binden  oder  nicht**  (E  r  e  n  n  e  r  XIII,  S.  306, 185). 

2)  Widern,    die    zu    einer    Pfarrkirche    gestifteten    nutzbaren    Gründe 
<Schmeller-Frommann  U,  S.  859),  dos  ecclesiae. 

3)  Landfrieden  1281  §  2;   1293  §  1;  1300  §  2  (Qu.  und  Er.  V,  S.  339; 
VI,  S.  23,  111). 

4)  z.B.  1216,  1266  bei  Ried  1,8.315,487;  Meichelbock,  Eist  Fri- 
nng.  p.  108. 

5)  1351,  1361  bei  Ried  II,  S.  875,  891. 

6)  1210  R.  B.  II,  p.  44;  1243  Ried  I,  S.  401. 

7)  Vgl  über  diese  Richter-Dove,  Lehrbuch  des  kath.  und  evangel. 
Kirchenrechts.   Leipzig  1874.   7.  Aufl.   S.  676  f. 


—    40    — 

fanden  aber  in  dieser  Richtung  vielfach  keine  Anerkennung,  so 
daß  sich  die  weltliche  Macht  die  Aburteilung  einiger  rait  der 
sittlichen  Aufgabe  der  Kirche  enge  zusammenhängenden  De- 
likte, wie  Blasphemie*),  Sacrileg*)  und  Übertretung  der  zur 
Heilighaltung  der  Feiertage  erlassenen  Vorschriften  *)  vorbehielt 
und  auch  den  Wucherer  zur  Verantwortung  zog*). 

Bei  Vergehen  gegen  die  eheliche  Treue  war  nach  dem  Schwa- 
benspiegel (c.  173  §  13  Gengier)  das  weltliche  Gericht  kompetent, 
sobald  auf  Todesstrafe  erkannt  wurde.  Die  Zuständigkeit  des 
geistlichen  Richters  war  gegeben  da,  wo  eine  mildere  Strafe  an- 
gedroht war*^).  Das  bairischc  Recht  unterstellte  aber  die  Be- 
strafung des  Ehebruchs  dem  herzoglichen  Richter®). 

Um  Übergriffe  der  geistlichen  Gewalt  in  die  weltliche  Juris- 
diktionssphärc  zu  vermeiden,  ließ  man  sogar  päpstlicherseits 
den  Grundsatz  bestätigen,  daß  man  keinen  Bürger  um  weltliche 
Sachen  vor  das  geistliche  Gericht  ziehen  soll.  Als  aber  Papst 
Nicolaus  dies  in  einer  Urkunde  1276 ')  aussprach,  fügte  er  bei 
super  Ulis  quaestionibus  civilibus,  quas  decanus  Monacensis  de- 
cernit  esse  civiles.  Hier  war  also  noch  der  Geistlichkeit  die 
Befugnis  eingeräumt,  über  die  streitige  Kompetenz  selbst  zu 
entscheiden;  doch  scheint  dieselbe  praktisch  nicht  bedeutsam 
geworden  zu  sein.  Daß  aber  Übergritfc  bei  den  schwankenden 
Grenzbestimmungen  immer  noch  vorkamen,  geht  daraus  hervor, 
daß  1497  bei  den  Anfangsvcrhandlungen  über  die  L.O.  von  1501 
seitens  der  herzoglichen  Räte  der  Standpunkt  betont  wird®), 
daß  dem  Herzog  sein  Gerichtszwang  gehandhabt  und  den  Geist- 
lichen nicht  gestattet  werden  soD,  die  armen  Leute  wegen  welt- 
licher Sprüche  für  geistliche  Gerichte  fürzunehmen. 


1)  L.O.  1601  (Krenner  XIII,  S.  264). 

2)  Landrecht  a.  177. 

3)  Münchner  Stadtrecht  a.  231  (Auer  S.  90). 

4)  Ruprecht  von  Freising.  II  c.  74  (,M  a  u  r  o  r  S.  322). 

5)  Vgl  Rosenthal,  Die  Rechtsfolgen  des  Ehehruchs.  Wflnbnrg  1880. 
S.  36  f. 

6)  Der  Ehebruch  sollte  nicht  als  Vitztumhandel,  das  von  Alters  nicht 
also  Herkommen  sei,  bestraft  werden,  sondern  durch  Pfleger,  Landschreiber 
oder  jemand  andern,  den  Strafe  zu  thun  gebührt  und  zusteht  So  L.0. 1501 
CK  r  e  n  n  e  r  XIII,  S.  309). 

7)  M.  B.  XXXV,  2  p.  9. 

8)  Krenner  XUI,  S.  49  f. 


—    41     — 


Die  kirchliche  Gerichtsbarkeit  seit  der  Reformation. 

Als  die  Baiemherzoge  einer  Ausbreitung  der  Lehre  Luthers, 
welche  Eingang  in  die  Gemüter  vieler  ihrer  Unterthanen  ge- 
funden hatte,  mit  Gewalt  entgegenzutreten  entschlossen  waren, 
glaubten  sie  sich  im  Interesse  der  Erhaltung  des  alten  Glaubens 
EingriflFe  in  die  kirchliche  Jurisdiktionsgewalt  gestatten  zu  können. 
Die  erschütterte  Glaubenseinheit  konnte  nur  durch  Gewährung 
eines  erweiterten  Einflusses  auf  die  Kirche  an  die  am  Katholi- 
zismus festhaltenden  Fürsten  bewahrt  werden.  „Hatten  schon 
früher  die  Fürsten",  wie  Hinschius  *)  bemerkt,  mehrfach  ihrer- 
seits mit  ihrer  reformierenden  Thätigkeit  in  die  kirchlichen 
Verhältnisse  eingegriffen,  so  wurde  eine  solche  jetzt  durch  die 
sich  immer  weiter  verbreitende  Auflösung  der  kirchlichen  Diszi- 
plin und  die  Verwilderung  des  Klerus  geradezu  herausgefordert". 
Bei  der  Lauheit,  mit  welcher  die  Bischöfe  dem  Eindringen  des 
Protestantismus  selbst  unter  dem  Klerus  zusahen  2),  erschienen 
außergewöhnliche  Maßnahmen  angezeigt.  Auf  Grund  der  Regens- 
burger Reformation  wurde  eine  herzogliche  Kommission  zur  Ab- 
urteilung häretischer  Laien  und  Geistlichen  bestellt  •'*).  Obwohl 
die  Häresie  stets  zu  den  kirchlichen  Verbrechen  gezählt  wurde, 
hat  man  sich  hier,  der  Not  der  Zeit  gehorchend,  dazu  ver- 
standen, dieses  Verbrechen  durch  staatliche  Kommissäre  (Laien) 
aburteilen  zu  lassen,  und  hat  selbst  Kleriker  der  Gewalt  dieser 
Kommission  unterworfen^).  Durch  päpstliches  Indult  wurde 
1526  sogar  gestattet,  daß  diese  von  den  Herzogen  eingesetzte 
Kommission  ohne  Rücksicht  auf  die  Ordinarien  funktionieren 
dürfe.  Allerdings  war  diese  Kommission  aus  Äbten  gebildet^), 
aber  das  Privilegium  fori  der  Kleriker  war  schon  durch  das 
Religionsmandat  von  1522^)  durchbrochen,  welches  den  herzog- 
lichen Beamten  befahl,  alle  Übertreter  desselben,  Geistliche  wie 

1)  Staat  and  Kirche,  in  Marquardsen,  Handb.  d.  Off.  Rechts.    1883. 
I.  S.  204. 

2)  Wie  de  mann,  Dr.  Jobann  Eck.  Begensburg  1865.   S.  85. 

3)  Siehe  Aber  diese  unten  („Geistlicber  Kat''). 

4)  Beispiele  bei  Winter,  Geschichte  der  Schicksale  der  evangelischen 
Lehre  in  und  durch  Baiem.   Landshut  1809.   I,  S.  200  £ 

5)  Siehe  unten  („Geistlicher  Fat"). 

6)  Winter  a.  a.  0.,  I,  S.  310  ffi 


-    42    — 

Laien  gefangen  zu  nehmen  und  dem  Herzoge  behufs  weiteren 
Einschreitens  Meldung  zu  erstatten.  Solche  Maßnahmen  stellten 
sich  allerdings  als  außerordentliche,  gleichsam  im  Kriegszustände 
notwendige  dar,  da  die  Herzoge  als  Vorkämpfer  „des  wahren 
christlichen  und  ihrer  Voreltern  Glaubens"  entschlossen  waren, 
die  Lutherischen  Meinungen,  „damit  die  Einigkeit  der  christ- 
lichen Kirche  getrennt  würde,  auszurotten  und  in  ihrem  Fürsten- 
tum nicht  einwurzeln  zu  lassen".  Das  kirchliche  Polizeiregiment  ^) 
gestaltete  sich  im  16.  und  in  der  ersten  Hälfte  des  17.  Jahr- 
hunderts zu  einer  dauernden,  in  vielfachen  Gesetzgebuugs-  und 
Verwaltungsakten  hervortretenden  Einrichtung*).  Die  Staats- 
gewalt, das  eine  Ziel,  Aufrechthaltung  des  alten  Glaubens,  rück- 
sichtslos verfolgend,  griflf  in  das  innere  kirchliche  Leben  regle- 
mentierend ein,  indem  sie  die  Beobachtung  gewisser  Glaubens- 
satzungen bei  Strafe  gebot,  alle  den  neuen  Lehrmeinungen 
huldigenden  Unterthanen  durch  die  herzoglichen  Beamten  be- 
strafen resp.  aus  dem  Lande  jagen  ließ  ^).  Mandate,  welche  ein 
Verbot  des  Genusses  des  heiligen  Abendmahls  sub  utraque  sta- 
tierten^),  berühren,  wenn  auch  im  Interesse  der  Erhaltung  des 
Katholizismus  erlassen,  das  Gebiet  der  Spiritualia,  enthalten 
also  immerliin  einen  Eingriflf  in  die  kirchliche  Sphäre*). 

1^  Vgl  besonders  Stieve,  Das  kirchliche  Polizeiregiment  in  Baiem 
unter  Wilhelm  V.  und  Max  L  1596-1G51.    München  1876. 

2)  „Selbst  die  religiösen  Übungen  der  Unterthanen,  der  Empfang  der 
Sacramento  zur  österlichen  Zeit»  die  Einhaltung  des  Fastengebotes,  die  Ver- 
richtung des  Türkengebetes,  die  Teilnahme  am  Gottesdienste  und  an  Pro- 
cessionen,  insbesondere  von  Seite  der  landesherrlichen  Beamten  und  der 
Stadträte,  wurden  von  Polizei  wegen  geregelt  und  überwacht  (v.  Sicherer, 
Staat  und  Kirche  in  Bayern  179f»— 1821.   München  1874.   S.  3\ 

3^  So  wurde  z.  B-  1569  unter  der  Leitung  des  Landhofmeisters  Grafen 
von  Schwarzenberg  von  Albrecht  V.  eine  Inquisition  des  Glaubenszostandes 
im  Herzogtum  anberaumt  Die  Instruktion  für  die  Rate  und  BevollmAch- 
tigten  (Sugenheim,  Baiems  Kirchen-  und  Volkszustände.  1849.  I,  S.  80) 
verlangt  eine  genaue  Untersuchung  des  religiösen  Verhaltens  der  Beamten 
und  Unterthanen  (Besuch  des  Gottesdienstes,  Kommunion,  Lesen  sektischer 
Bücher  u.  s.  w.^  und  fordert  die  Bäte  auf,  dahin  zu  arbeiten,  daft  die  ein- 
gesäten verführerischen  Meinungen  aus  dem  Herzen  der  Unsrigen  weg«- 
genommen  und  sie  zum  heilsamen  Gehorsam  der  christlichen  Kirche  ange- 
wiesen würden. 

4)  Sugenheim  S.  86. 

5)  So  behielt  sich  der  Herzog  auch  eine  Aufsichtsbefugnis  über  die  Seel- 
sorge vor,  ordnete  Verhaftung  wegen  verführerischer  Predigt  an,  drohte  Amts- 


—    43    — 

Gegenüber  dem  Klerus  machte  sich  die  staatliche  Straf- 
gewalt energisch  geltend.  Amtsentsetzung,  Landesverweisung 
und  Gefängnis  werden  von  weltlichen  Behörden  erkannt,  die 
Auch  gegen  die  Ordensgeistlichen  wegen  Verfehlungen  gegen 
die  Klosterzucht  strafend  einschritten  ^).  Auch  da,  wo  die  geist- 
liche Obrigkeit  die  Strafgewalt  über  ihre  Untergebenen  aus- 
übte, glaubte  der  Staat  noch  ein  Kontrollerecht  in  Anspruch 
nehmen  zu  sollen  *). 

Den  klerikalen  Beschwerden  gegenüber  berief  man  sich  auf 
die  Sorglosigkeit  und  Nachlässigkeit  der  Bischöfe^)  und  auf 
das  Wesen  der  landesherrlichen  Gewalt*).  Als  EingriflFe  in  die 
kirchliche  Jurisdiktion  wurden  besonders  heftig  beklagt  die  Aus- 
übung einer  staatlichen  Strafgewalt  über  die  Polizeivergehen  der 
Ceistlichen  ^ ),  sog.  Rumorsachen.  Man  hielt  aber  an  diesem 
^,unvordenklichen  Gebrauche  bei  den  weltlichen  Gerichten",  ru- 
morende Priester  mit  Geldbussen,  WaflFenkonfiskation  zu  ahn- 
den ^),  fest. 

Großen  Anstoß  erregte  sodann  bei  den  Bischöfen  die  Art 
der  Verhaftung  GeistUcher  und  deren  Einlief erung  an  den  Or- 
dinarius. Nicht  das  Recht  der  vorläufigen  Festnahme,  welches 
dem  Staate  schon  in  der  fränkischen  Zeit  eingeräumt  war,  wurde 
bestritten,  sondern  die  Art  des  Vollzugs,  z.  B.  Ül)erschickung 
auf  einem  Karren,  sowie  die  Gewaltthätigkeit  der  Vollzugs- 
beamten  wurde    als    eine  die  Würde   des  Klerus    verletzende 


Entsetzung  wegen  Unfleifies  beim  Gottesdienste  an.  Beispiele  bei  F  r  i  e  d  b  e  r  g, 
Gr&nzen.  I,  S.  195 1  Bericht  der  Regierung  zu  Burghausen  „von  der  Priestere 
Fleiß  und  Andacht  in  Verrichtung  des  Gottesdienstes"  (1583)  Sugenheim 
S.  553. 

1)  YgL  die  vielen  ausLoris'  Sammlung  mitgeteilten  Beispiele  aus  der 
2.  HlUfte  des  16.  Jahrhunderts  bei  Friedberg,  Gränzen,  I,  S.  191  ff.  In 
der  1.  Hälfte  des  16.  Jahrhandcrts  begnügen  sich  die  herzoglichen  Behörden 
mit  Verweisung  der  schuldigen  Kleriker  an  ihre  geistlichen  Oberen. 

2)  Friedberg  I,  S.  194. 

3)  So  ruft  ein  Bericht  der  Kcgicrung  zu  Burghausen  aus:  und  wem  ist 
die  crgerliche  conniventia  der  Offizialen  unverborgen V  (Friedberg  I, 
S.  199);  vgl  Sugenheim  S.  555  t 

4)  V.  Sicherer  a.  a.  0.  S.  5. 

5)  Über  die  Gerichtsbarkeit  über  Kleriker  überhaupt  vgl  E.  Mayer, 
Kirchenhoheitsrechte,  S.  36  ff. 

6}  Vgl.  Bericht  der  Regierung  Burghausen  1583. 


—    44    — 

gerügt^).  Aus  der  Untersuchungshaft  war  eine  Strafhaft  ge- 
worden  *). 

Umgekehrt  hatten  sich  aber  die  Herzoge  schon  1523  bei 
der  Kurie  darüber  beschwert,  daß  die  Geistlichen  in  ihre,  der 
Fürsten  Jurisdiktion  gewältiglich  eingriflfen,  indem  sie  Laien  um 
persönliche  Sprüche  und  Geldschulden  und  andere  geringe  Sachen 
vor  das  geistliche  Gericht  citierten  ^ ).  Die  Civilgerichtsbarkeit  über 
Geistliche  stand  aber  nach  wie  vor  dem  staatlichen  Kichter  zu  *). 

So  herrschte  in  beiden  Lagern  Unzufriedenheit.  Die  glaubens- 
eifrigen  Herzoge  führten  mit  Strammheit  und  Energie  die  Züg:el 
des  Kirchenregimeuts,  und  da  sie  in  der  Verfolgung  des  ein- 
zigen ihnen  vorschwebenden  Zieles  allerdings  die  gesetzten 
Schranken  nicht  immer  innehielten,  hallte  das  16.  Jahrhundert 
wieder  von  Beschwerden  der  einzelnen  Bischöfe  über  staatliche 
Eingriffe  in  ihre  Jurisdiktion.  Als  nun  in  Folge  einer  in  Salz- 
burg 1576  abgehaltenen  Provinzialsynode  der  Erzbischof  von 
Salzburg  in  einem  Schreiben  an  den  Papst  die  Behauptimg  auf- 
stellte, daß  er  und  seine  Suflfragane  nur  durch  die  ungebühr- 
liche Einmischung  der  weltlichen  Macht  an  der  Erfüllung  ihrer 
Amtsol)liegenheiten,  an  der  Ausführung  der  zur  Reform  des 
Klerus  beschlossenen  Maßnahmen  verhindert  würden*),  wurde 
der  Nuntius  Fei.  Ninguarda  von  Gregor  XIII.  beauftragt,  Albrecht  V. 
eine  Schrift,  die  28  gravamina  der  Ordinarien  enthaltend,  zu 
überreichen  (1578)*'). 

Damit  nahmen  die  Konkordatsverhandlungen  ihren  Anfang, 
die  endlich  nach  5  Jahren  zu  einem  gedeihUchen  Abschlüsse 
führten').     Über    die  verschiedenen   Stadien    der  Unterhand- 


1)  Gravamina  J583  c.  III  a.  4  (Friedberg  II,  S.  202). 

2)  Vgl.  R  Mayor  S.  37,  wo  auch  aas  Lori's  Sammlung  ein  Beleg 
dafür  mitgeteilt  wird,  daß  die  Straubinger  Regierung  einen  onprieeterlicheD 
Religiösen  dem  Bischof  auf  einem  Karren  zur  Strafe  zuführen  mofite.  Mit 
der  Zuführung  an  den  Bischof  war  auch  oft  Landesrerweisang  und  Ent- 
setzung von  der  Pfründe  verknüpft. 

3)  Vgl  Instruction  für  Eck  bei  Friedberg  I,  S.  186  (Wiedemann 
S.  085). 

4)  Arg.  wenigstens  für  Prälaten  L.  Fr.  I  a.  7. 

5)  Sugonheim  S.  232. 

6)  R  Mayer,  Kirchenhoheitsrechte,  S.  42  ff. 

7)  Über  den  Gang  der  Verhandlung  berichtet  unter  Mitteilung  des  In- 
halts einiger  buchst  interessanter  Aktenstücke  Friedberg  J^  S.  200  ff   YgL 


—    45    — 

lungen,  die  bereits  mehrfach  dargestellt  wurden,  kann  hier  unter 
Verweisung  auf  diese  hinweggegangen  und  zu  einer  Erörterung 
des  durch  das  Konkordat  geschaflfenen  Rechtszustands  geschritten 
werden. 

Das  Konkordat  1683  ^). 

In  einem  wichtigen  Punkte  bekundet  das  Konkordat  von  1583  *) 
eine  weitgehende  Konzession  an  die  Kirche,  wenigstens  in  Hin- 
blick auf  die  Entwicklung  des  16.  Jahrhunderts,  indem  die 
Staatsgewalt  die  unbedingte  Unterstellung  geitstlicher  Verbrecher 
unter  das  geistliche  Gericht  anerkannte*)  (c.  III  quod  de- 
rlei delinquentes  ad  ordinarium  —  remittantur).  Bei  der 
Verhaftung,  zu  welcher  die  staatlichen  Beamten  bei  schweren 
Verbrechen  befugt  waren,  und  bei  Überschickung  des  DeUn- 
quenten  sollte  mit  der  dem  priesterlichen  Stande  gebührenden 
Rücksicht  verfahren  werden  —  ordinis  irreverentia  vitabitur. 
In  der  Praxis  gestaltete  sich  die  Sachlage  so,  daß  die  Staats- 
gewalt sich  zu  einem  Kontrollorgan^)  der  geistlichen  Oberen  aus- 
bildete, jede  Nachlässigkeit  derselben  in  Bestrafung  der  Unter- 
gebenen rügte.  Abhülfe  verlangte  und  außerdem  für  den  Fall 
des  Ungehorsams  auch  ein  Einschreiten  ihrerseits  androhte  und 
unter  Umständen  einen  schuldigen  Geistlichen  mit  Landesver- 
weisung*) bestrafte^). 

Es  wäre  Unrecht,  die  Rückkehr  zu  den  Grundsätzen  des 
kanonischen  Rechts  in  diesem  Punkte  einzig  der  Frömmigkeit 
Wilhelms  V.  beizumessen.    Schon  Albrecht  V.  hat  in  einem  De- 


aa6er  E.  Major,  Eirchenhoheitsrechte,  S.  42  E,  B  e  i  n  h  a  r  d ,  Dio  Eirchen- 
hoheitsrechte  des  Königs  von  Baiorn.  Münchon  1884.  S.  21  ff. 

1)  Abgedruckt  bei  v.  Frey  borg,  Pragmat  Gesch.  d.  bayer.  Gresetz- 
gebung  und  Staatsverwaltnng  seit  den  Zeiten  Maximilians  I.  Leipzig  1858. 
III,  8.  676  ff: 

2)  Bei  Verhängung  von  Geldstrafen  war  den  Gerichtsschroibem  nnd 
-dienern  ihr  Ansprach  auf  eine  entsprochende  Quote  gewahrt 

3)  Den  Herzogen  wurde  am  20.  April  1583  vom  Nuntius  die  Befugnis 
eingerftumty  bei  Nachlässigkeit  der  Bischöfe  konkubinarischo  Geistliche  selbst 
mit  Freiheitsstrafe  zu  bestrafen  (E.  Mayer  S.  55). 

4)  Beispiele  bei  F  r  i  e  d  b  e  r  g  I,  S.  221  ff,  228  ff 

5)  Der  Nuntius  hatte,  wie  R  Mayer  a.  a.0.  S.  55  berichtet,  dem  Her- 
zog 1683  das  Recht  eingeräumt,  GeistÜcho  wegen  Konkubinats  mit  Freiheits- 
strafe zu  belogen. 


—    46    — 

kret  an  den  Vitztum  zu  Straubing  1572  den  Standpunkt  ver- 
treten, daß  der  Klerus  mit  Fürforderung  und  Strafen  von  den 
Beamten  nicht  wie  die  gemeinen  Laien  und  Landesleute  be- 
handelt werden  dürften,  und  betont,  er  wolle  den  Ordinarien 
hierin  nicht  entgegen  sein  und  sähe  es  viel  lieber,  daß  diese 
ihre  geistliche  Gewalt  und  Jurisdiktion  ungeschmälert  in  Händen 
hätten,  dadurch  auch  der  Klerus  etwas  besser  bei  priesterlicher 
Zucht  könnte  gehalten  werden  0. 

Wilhelm  V.  verbeschied  dann  eine  Beschwerde  des  Ritter- 
standes (1583),  daß  die  rumorenden  Geistlichen  nur  ihren  Ordi- 
narien unterworfen  sein  wollten,  unter  Verweisung  auf  das  Kon- 
kordat dahin:  Ist  auch  allen  Rechten  und  Vernunft  zuwider, 
daß  die  Geistlichen  den  Paurn  gleich  gehalten  werden  sollen  ■). 

BezügUch  der  Civilgerichtsbarkeit  über  Kleriker  war  eine 
Einigung  nicht  zu  erzielen,  weshalb  eine  dahin  gerichtete  Be- 
stimmung keine  Aufnahme  im  Konkordate  fand.  Man  setzte 
protokollarisch  fest,  daß  in  dieser  Beziehung  der  Status  quo 
aufrecht  erhalten  werden  soll,  da  der  Herzog  auf  die  Civil- 
jurisdiktion  über  Prälaten  überhaupt  nicht,  auf  die  über  die 
andern  Geistlichen  erst  nach  Aufstellung  von  Dekanen  ver- 
zichten wolle  ^). 

Dieses  Zugeständnis  stimmt  allerdings  wenig  zu  dem  Be- 
richte der  Regierung  Burghausen,  welche  den  Beschwerden  der 
Ordinarien  gegenüber  ausführte^):  „Und  weil  die  Schuldsachen 
sowohl  ratione  hypothecae  als  cxecutionis  für  realisch  zu  halten, 
ist  nit  allein  dies  Rentamts,  sondern  im  ganzen  Land  von  ur- 
fürdenklichen  Zeiten  Herkommen,  daß  von  Schulden  wegen  zu 
den  Priestern  ihren  Gütern  und  Einkommen  bey  weltlicher 
Obrigkeit  geklagt  .  .  .  darwider  vor  alten  Zeiten  die  Ordinarii 
den  Gerichten  einigen  Eintrag  nie  gethau."  Wie  dieser  Be- 
richt, weist  auch  eine  Beschwerde  der  Ritterschaft  (1583)*)  auf 
den  Übelstandjiin,  daß  ein  Unterthan  einen  Geistlichen  wiegen 
geringer  Schulden  bei  einem  Ordinarius  außer  Landes  verklagen, 
daselbst  Citation  erhingen,  wiedemm  dorthin  ziehen  und  lang- 
samer Expedition  gewarten  müsse,  wobei  er  mehr  verzehre  als 


i)  IL  A.  Dccr.  Albrechts  V.  Bd.  II  (1572,  Febr.  6.). 

2)  Kr.  A.  M.  Beschreibung  des  Landtags  1583. 

3)  Vgl  E.  Mayer  S.  51  f. 

4)  Friedberg  I,  S.  210. 


—    47     — 

seine  Schuld  sei.  Dies  gereiche  auch  der  Geistlichkeit  zum 
Nachteil,  da  bald  Niemand  mehr  aus  Furcht  vor  späteren  Un- 
kosten mit  ihnen  handeln  und  ihnen  in  der  Not  zu  Hülfe 
kommen  wolle.  Auf  des  Herzogs  Antw  ort,  die  Ordinarien  hätten 
sich  erboten,  an  mehreren  Orten  des  Landes  archidiaconos  zu 
ordnen,  damit  die  Unterthanen  nicht  mehr  dem  Beklagten  mit 
schweren  Unkosten  außer  Landes  nachreisen  müßten,  repUcierten 
die  Ritter :  Wenn  von  dem  archidiaconus  Abschied  geweigert, 
müsse  man  doch  dem  ordinario  nachziehen  und  Unkosten  auf- 
wenden, und  wenn  es  bei  dem  Abschied  besteht,  wird  die  Exe- 
kution noch  beschwerlicher.  Auch  auf  diesen  Punkt  bezog  sich 
der  oben  erwähnte  ablehnende  herzogUche  Bescheid. 

In  Ansehung  des  Nachlasses  von  GeistUchen  ermächtigte 
das  Konkordat*),  falls  kein  Testament  vorhanden,  die  geistliche 
oder  weltliche  Behörde  nach  dem  Präventionsprinzip  zur  ein- 
seitigen Vornahme  der  Obsignation,  verlangte  aber  gemeinschaft- 
liches Handeln  bei  der  Inventarerrichlung  und  Regulierung  der 
Nachlaßschulden. 

Den  gerechten  Beschwerden  der  Ordinarien  darüber,  daß  welt- 
Uche  Gerichte  Ehestreitigkeiten  vor  ihr  Forum  ziehen  ^),  schaffte 
das  Konkordat  (c.  7)  Abhülfe  durch  die  AufsteDung  des  Satzes : 
Causae  matrimoniales  aeque  ac  aUae  Hquido  consistoriales  foro 
Ecclesiastico  libere  committuntur.  Für  Prozesse  um  Zehnten 
erklärte  das  Konkordat  (c.  5)  im  allgemeinen  das  geistliche 
Gericht  für  zuständig,  erkannte  aber  daneben  für  gewisse  Fälle 
die  Kompetenz  des  weltlichen  Richters  an,  z.  B.  bei  Rechts- 
streitigkeiten um  den  Laienzehnten,  um  einzelne  Leistungen 
und  bei  possessorischen  Prozessen. 

So  hatte  also  das  Konkordat  bezüglich  der  Jurisdiktion  in 
einigen  Punkten  eine  Einengung  der  staatUchen  Macht  durch 
Rückkehr  zum  kanonischen  Standpunkte  fixiert,  andere  streitige 
Fragen  unentschieden  und  damit  einer  ferneren  gewohnheits- 
rechtlichen Entwicklung  freie  Bahn  gelassen. 


1)  c.  6  (v.  Freyborg  a.  a.  0.  III,  S.  382)  wiederholt  die  Bestimmung 
eines  1539  mit  dem  Bischof  von  Kegeusburg  abgeschlossenen  Rezessen, 
welche  eine  Reihe  streitiger  Fragen  unentschieden  läßt 

2)  Schon  die  Salzburger  Synode  beschwerte  sich  1537  über  diesen  Ein- 
giiffl  tJbrigens  wurden  im  Erzstifte  Salzburg  selbst  bis  1527  sogar  Ehe- 
icheidungen  vom  weltlichen  Richter  ausgesprochen  (Sugenheim  S.  258  f ). 


—    48    - 


Das  Konkordat  veimochte  aber  nicht  eine  Beseitigung  des 
landesherrlichen  Kircheureginients  herbeizuführen.  Es  war  unter 
Max  I.  ein  Staatskirchentum  zur  Ausbildung  gelangt,  welches 
sich  nicht  nur  in  einer  intensiven  gesetzgeberischen  Regelung 
aller  Verhältnisse  des  kirchlichen  Lebens,  sondern  auch  in  einer 
Überwachung  der  GeistUchen  und  ihrer  Amtsführung,  sowie  der 
gesamten  kirchlichen  Vermögensverwaltung  geltend  machte. 
Das  Konkordat  hatte  also  keineswegs  das  Ziel  erreicht,  eine 
vollständige  Grenzabsteckung  zwischen  der  Machtsphäre  der 
Kirche  und  des  Staats  herbeizufühien. 


ZWEITES  CAPITEL. 

Die  Gerichtsverfassung. 

§*• 

Die  Landgerichte. 

Die  Landgerichte  Baieras  unter  den  Witteisbachern ' )  führen 
ihren  Ursprung  zurück  auf  die  Grafschaftsgerichte  der  karolingi- 
schen  Verfassung  *).  Wie  diese  war  auch  das  Landgericht  jetzt 
schlechtweg  das  Gericht  der  öffentlichen  Gerichtsverfassung*), 
das  Volksgericht. 

An  die  Stelle  der  alten  Gaue  waren  die  Grafechaften  *) 
getreten,  deren  Feudalisierung  auch  in  Baiern  seit  dem  11.  Jahr- 
hundert vollendet  war.  Die  Inhaber  des  Grafenamts  befanden 
sich  also  auch  im  erblichen  Besitze  der  gräflichen  Gerichtsbar- 
keit, die  sie  persönlich  oder  durch  Stellvertreter  an  den  alten 
Dingstätten  zur  Ausübung  brachten. 

Die  Ausbildung  der  Landeshoheit  wurde  in  Baiem  wesent- 
lich befördert  durch  den  glücklichen  Erwerb  der  Besitzungen  ^) 


1)  Über  das  Qerichtswesen  Baieras  bis  1180  vgl  Biezler  I,  S.  127, 
266  «L,  748  £ 

2)  Ebenso  wie  die  anderer  Territorien,  z.  B.  in  Österreich  (Lnschin 
GescL  d.  Gerichtswesens  in  Österreich,  S.  112),  im  Gebiete  des  Sachson- 
ipiegels  (B.  Schröder,  Die  Gerichtsverfassnng  des  Ssp.,  in  Zeitschr.^dor 
Sarigny-Stiftiing.   German.  Abt  V,  S.  2  ff). 

3)  Sohm  S.  150  ff. 

4)  Diese  nenen  Yerwaltongs-  und  Jarisdiktionsbezirke  worden  gewOhn- 
Heh  nach  dem  Grafen  oder  aber  auch  nach  einer  seiner  Bargen  genannt  (vgl. 
Riexler  I,  8.  750). 

5)  Bockinger,  Einleitung,  S.  46  ff.;  Biozier  II,  S.  12  £ 

Rofeathal,  Oetchichte  d.  Oerichttw.  a.  d.  Yerir.-Org.  BMernt.  I.  4 


L 


-    50    — 

alter  Grafengeschlechter  seitens  der  ersten  Herzoge*)  aus  dem 
Hause  Witteisbach.  Durch  diese  Ausdehnung  des  Territoriums 
wurde  die  landesherrliche  Gewalt  auch  intensiv  gesteigert  und 
die  Herzoge  in  den  Stand  gesetzt,  den  alten  Gn^schafts- 
gerichten  Richter  eigner  Wahl  vorzusetzen.  An  Stelle  der 
alten  vom  König  belehnten  Grafen  und  ihrer  richterlichen  Organe 
leiteten  jetzt  die  vom  Landesherrn  ernannten  Richter  die  Ver- 
handlungen im  Landgerichte,  welchen  Namen  nun  die  alten 
Grafschaftsgerichte  *)  angenommen  *)  hatten. 

Die  Auflösung  der  alten  Gauverfassung*),  welche  in  Baiem 
schon  seit  dem  10.  Jahrhunderte  eintrat,  bestand  zumeist  in  einer 
Teilung  der  alten  Gaue.  Für  die  so  verkleinerten  Amtsbezirke 
wird  teilweise  die  alte  Bezeichnung  Gau  beibehalten,  teilweise 
kommt  schon  die  später  ausschließlich  herrschende:  Grafschaft 
(comitatus)  vor^). 

Die  historische  Anknüpfung  zeigt  sich  darin,  daß  noch  bis 
ins  15.  Jahrhundert  hinein  die  Ausdrücke  Graf  und  Richter^), 
Grafschaft  und  Landgericht  ^)  als  identische  gebraucht  wurd^. 


1)  Alle  GrafiBchaften  waren  in  Lehonsabhängigkoit  vom  Henoge  geraten 
(Heigel-Riezler  8.  153). 

2)  Für  Grafengericht  kommen  z.  B.  im  Codex  Falkenstein  (ed.  Pett) 
gegen  1180  folgende  Bezeichnungen  vor:  generale  condlinm,  der  grascephti 
lantogedingi,  pablicom  placitom ,  offin  lantagiding ,  apertom  pladtom  et  jn- 
diciom,  genende  placitnm  vel  conciliom.  Vgl  Drei  bayerische  Tradition»- 
bficher,  herausgegeben  von  Petz,  Grauert,  Mayerhofer.  1880.  p.XIL 

3)  Über  die  Idcntdt&t  von  Grafschaft  und  Landgericht  auch  in  anderen 
Territorien  vgl  Thudichum,  Die  Gau-  und  markrerfassung  in  Deutschland. 
Gießen  1860.   S.  12. 

4)  Über  die  Gaue  Baiems  vgl  Biezler  I,  S.  841  ff. 

5)  Biezler  I,  S.  848  hebt  henror,  daß  in  Schwaben  noch  im  13.  Jahr- 
hundert die  meisten  Grafschaften  einem  alten  Gau  entsprechen,  wfihrend  fUr 
Baiem  schon  im  vorausgehenden  Jahrhundort  das  Gegenteil  gelte. 

6)  So  heißt  es  im  Landfrieden  1244  a.  29  iudex  vel  comes,  in  cuius  sunt 
comitia;  a.49  comes  vel  iudex  in  suo  iudicio;  Landfrieden  1256  a.  42,  70  hi 
swelher  grafschaft  gebrest  ist  der  schöpfen ,  da  sol  der  graf  oder  rihter  (Qo. 
und  Er.  V,  S.  82,  85,  147,  151). 

7)  Z.  B.  Privileg  für  München  1294  §  15  —  umb  aigen  oder  um  Lehen, 
daz  in  der  Grafscheft  uzzerhalb  der  Stat  lit  (G  e  n  g  1  e  r^  Deutsche  Stadt- 
rechte, S.  295),  iudicio  comitie  1197,  als  des  Landes  und  der  Grafrchaft 
Recht  ist  1350,  1355,  1357,  1383,  1415;  als  der  Schrannen  und  der  QnS- 


—    51    - 

Das  lose  Aggregat  von  Besitzungen,  welche  unter  den  ver- 
schiedensten Rechtstiteln  neben  den  Stammlanden  in  der  Hand 
der  Witteisbacher  vereinigt  war,  zu  innerer  Einheit  zu  ver- 
schmelzen, darauf  mußte  staatsmännisches  Streben  gerichtet 
sein.  Diesem  Ziele,  der  Begründung  einer  wahren  Staatsgewalt, 
steuerte  Ottos  I.  Sohn,  Ludwig  I.,  der  Kelheimer,  zu,  indem  er  eine 
planvolle  Organisation  des  Territoriums  unter  Berücksichtigung 
der  historischen  Elemente  vornahm.  Baiern  war  so  dasjenige 
deutsche  Land,  in  welchem  dieser  wichtigste  Schritt  zur  Be- 
gründung eines  modernen  Staatswesens  wohl  am  frühesten  ge- 
than  wurde  ^),  indem  an  die  Spitze  eines  jeden  dieser  neu- 
geschaflFenen  Gerichte  oder  Ämter  ein  vom  Herzog  ein-  und 
absetzbarer  besoldeter  Beamter  gestellt  wurde. 

Nachdem  die  Feudalisierung  der  Ämter  als  ein  für  die 
Ausbildung  der  Landeshoheit  wertvoller  Faktor  sich  bewährt 
hatte,  schritt  nun  der  Fürst  innerhalb  des  Territoriums  zu  einer 
Durchbrechung  des  Lehenswesens,  indem  er  die  Gerichtslehen 
wieder  in  wirkliche  Ämter  verwandelte*)  unter  Hinwegsetzung 
über  jenen  Grundsatz  des  Lehensrechts,  welcher  den  Lihaber 
eines  Gerichtslehens  zur  Weiterverleihüng  der  in  demselben  ent- 
haltenen Untergerichte  als  Afterlehen  verpflichtete').  Für  die 
weitere  Umbildung  der  Landeshoheit  in  eine  wirkliche  Staats- 
gewalt bildete  die  Verwandlung  des  Richter-Vasallen  in  einen 
Richter-Beamten  einen  wesentlichen  Faktor.  Der  Kreislauf  der 
Geschichte  hatte  so  jenes  Prinzip  des  karolingischen  Verfassungs- 
rechts wieder  zur  Anerkennung  gebracht,  welches  in  dem  Richter 
(Grafen)  lediglich  einen  Beamten  und  nicht  einen  Vasallen  er- 
blickte, nur  daß  er  jetzt  nicht  mehr  königlicher,  sondern 
landesfürstlicher  Beamter  war. 


Schaft  Recht  ist  1400,  1466.  (M.  B.  IX,  p.  475;  ü,  p.  5,  9;  VI,  p.  429; 
XVI.  p.  468;  II,  p.  41,  83;  IX,  p.  291;  vgl  noch  XIH,  p.  438,  449). 
Auch  Ldr.  a.  189  besagt:  Ez  sol  auch  nioman  sein  aigen  noch  sein  lehon 
Terantworten,  dann  in  der  grafschaft,  da  ez  inne  gelegen  ist 

1)  YgL  H.  Schnlze,   Lehrbuch  des   deutschen  Staatsrechts.    Leipzig 
188L  I,  a  286. 

2)BriinDer  iny.  HoltzondorfTs  Encjklopfidie  der  Rechtswissenschaft. 
L  Aufl.   I,  8.  235. 
3)  Ibid 

4* 


—    52    — 

Nach  dem  ältesten  wittelsbachischen  Salbuche^),  zwischen 
1221  und  1228,  war  so  das  Herzogtum  in  34  Ämter  eingeteilt, 
deren  größte  wieder  in  Scbergenämter  zei'fielen.  Diese  (Organi- 
sation wurde  noch  im  Laufe  des  13.  Jahrhunderts  den  terri- 
torialen Veränderungen  entsprechend  weitergebildet,  wie  ein 
jüngeres  Urbar  (circa  1280)  bezeugt,  das  schon  die  Einteilung 
in  4  Vitztumämter  *)  kennt.  Im  16.  Jahrhundert  *)  finden  wir 
unter  den  Landgerichten*)  nur  wenige  von  diesen  Ämtern 
wieder. 

Als  Gerichte  oder  Landgerichte  werden  diese  Verwaltungs- 
sprengel bezeichnet,  eine  Bezeichnung,  welche  sich  in  diesem 
Sinne  in  Baiem  bis  in  die  neueste  Zeit  erhalten  hat!^).  Seit 
dem  14.  Jahrhundeii;  kommt  dann  auch  der  Ausdruck  Pflege 
für  einen  solchen  Bezirk  vor*). 

Die  bairischen  Landgerichte  hatten  einen  ziemlich  großen 
räumlichen  Umfang  im  Gegensatze  zum  benachbarten  Österreich, 
wo  eine  starke  Zersplitterung  der  Landgerichtsbarkeit  die  Land- 
gerichtssprengel wesentlich  verkleinert  hat  ^).  Doch  kommt  auch 
in  Baiem  die  Umwandlung  vormaliger  Grafschaftsgerichte  in 
Hofmarksgerichte®)  und  so  eine  Verminderung  der]  Landgerichts- 
bezirke vor. 


1)  M.  B.  XXXVI,  1,  p.  1  ff.;  ib.  p.  135  ff  (Urbar  1280);  Eieiler  H 
S.  178  t  zfihlt  die  einzelnen  Ämter  anfl 

2)  Bockinger,  Einleitung  S.  53  ff  verzeichnet  die  Einteilung  nach 
dem  jungem  Urbar.  Eine  genaue  Au&eichnung  des  Ämterbestanda  der  ein- 
zelnen Teile  Baiems  1347—1506  findet  man  in  den  statLstischen  Übersichtea 
bei  Buchner  VI,  S.  4  ff,  150  ff,  321  ff. 

3)  Etwa  17  von  diesen  34  Ämtern  kommen  noch  in  Apians  Topographie 
von  Baiem,  vonendet  1589,  vor.  Vgl  die  Edition  v.  Oefele's  im  Ober- 
bayerischen Archiv,  herausgegeben  vom  historischen  Verein  fCLr  Oberbayen^ 
XXXIX.  1880.  Die  Inhaltsflbersicht,  p.  XV  £,  cnth&lt  eine  genane  Auf- 
zählung 8&mtlichcr  Gerichte  eines  jeden  der  4  Rentämter. 

4)  „Landgericht  oder  Gericht"  in  L.O.  1474  (Krenner  VH  a  484). 

5)  Nachdem  1862  durch  Schaffung  besonderer  Verwaltungsbehörden  (Be- 
zirlcsfimter)  die  Landgerichte  auf  die  gerichtliche  Th&tigkeit  beschränkt  wur- 
den, führen  diese  erstinstanziellcn  Gerichte  seit  1879  den  Titel:  Amtsgerichte 
(R.Ger.Verf:Ges.  3.  Titel). 

G)  Vgl  unten. 

7)  Luschin,  S.  114. 

8)  So  verkaufen  z.  B.  die  Herzoge  Otto,  Ludwig  und  Stephan  1205  an 
den  Bischof  von  Regensburg  judicia  sive  jurisdictiones  ad  comeciaa  speetantea, 


—    53    — 

Die  Einteilung  des  Herzogtums  in  Landgerichte  blieb  stets 
die  Grundlage  der  territorialen  Organisation,  auch  nachdem  die 
stadtischen  Gemeinwesen  von  der  Jurisdiktion  des  Landgerichts 
eximiert  und  mit  eigner  Gerichtsbarkeit  (Stadtgericht)  begnadet 
worden  waren.  Zwar  waren  die  Landgerichtssprengel  durch  die 
zahlreichen  Verleihungen  der  Hofmarksgerichtsbarkeit  an  die 
Stände  durch  eine  Menge  von  Patrimonialgerichten  durchbrochen, 
doch  waren  diese  nur  mit  der  Handhabung  der  niedem  Gerichts- 
barkeit betraut,  während  für  die  Aburteilung  aller  causae  maiores 
auch  aus  den  Hofmarken  die  Zuständigkeit  der  Landgerichte  ge- 
geben war.  Diese  bildete  überhaupt  die  Regel  und  erstreckte  sich 
im  Zweifel  auf  Klagen  aller  Art  Oi  da  das  Landgericht  eben  das 
Gericht  ist.  Alle  Personen  und  Sachen  desselben  unterliegen 
prinzipiell  der  Gerichtsgewalt  desselben  ^),  soferne  nicht  durch 
Gesetz  und  Herkommen  die  Kompetenz  eines  anderen  Gerichts 
festgesetzt  ist,  wie  dies  z.  B.  bezüglich  der  Hofmarks-  und 
Dorfgerichte,  oder  bezüglich  der  Ritterbürtigen,  die  vor  dem 
Hofgerichte  ihren  Gerichtsstand  haben,  der  Fall  ist 

So  zeigt  sich  auch  darin  das  Landgericht  des  spätem 
Mittelalters  als  ein  rechter  Sprößling  des  fränkischen  Grafen- 
gerichts, des  echten  Dings,  daß  seine  Kompetenz  sich  haupt- 
sachlich erstreckt  auf  Prozesse  um  peinliche  Sachen,  Freiheit 
und  Grundbesitz*). 

Insbesondere  blieb  das  Land-  (und  ihm  entsprechend  das 
Stadt-)Gericht  *)  ausschließlich  zuständig  für  die  Handhabung 
der  Kriminalgerichtsbarkeit,  an  welcher  die  Hofgerichte  bis 
zum  Beginne  des  16.  Jahrhunderts  keinerlei  Anteil  hatten. 

Auf  die  Erhaltung  der  Landgerichte  und  der  ihnen  koordi- 
nierten Stadtgerichte  legte  die  Landschaft  solches  Gewicht,  daß 
sie  von  den  Fürsten  eine  dahinzielende  Verheißung  verlangten. 


qne  wlgariter   grafschaft  geriht  yocantnr    in  hofinarchiis    (Qu.  n.  Er.  VI, 
p.  7%  89). 

1)  Vgl  Planck,  Das  doutscho  Gerichtsverfahren  im  Mittelalter.   Braun- 
schweig 187a  I,  S.  5. 

2)  Anch  hente  bildet  die  Gerichtsgewalt  der  Landgerichte  die  Regel. 
Vgl  Planck,  Lehrbuch  des  deutschen  Civilproceßrechts.  NOrdlingen  1887. 

3)  Sohm  S.  419  fL 

4)  Nor  wenige  Fatiimönialgerichte  waren  als  Halsgerichte  privilegieri 


—    54    - 

So  imißteii  die  Herzoge  Steplian,  Friedrich,  Johann  1392  aus- 
drücklich garantieren,  „das  alle  unsere  landgericht  und  andere 
unsere  gericht  in  steten  und  mergkten  zu  obern  und  nidem 
Bairn  bei  irer  wirdigkait  und  rechten  bleiben,  als  das  von  alter 
und  bey  unsem  vordem  herkomen  ist  und  sonderlich  als  in 
dem  land  zu  obern  Bairn  unser  rechtpuech  sagt"^). 

Als  Vorstand  eines  Landgerichts  fungierte  ein  Pfleger  ■),  als 
landesherrlicher  Beamter  mit  Wahrnehmung  der  Geschäfte  der 
Justiz  und  Verwaltung  im  Bezirke  betraut.  Bei  dem  großen 
ünjfange  dieser  Funktionen  konnte  er  nicht  persönlich  allen 
Anforderungen  des  Dienstes  gerecht  werden,  weshalb  ihm  ge- 
wöhnlich ein  Landrichter,  auch  nur  Richter  genannt,  beigegeben 
ward,  welcher  als  sein  Stellvertreter^)  die  Verhandlungen 
des  Landgerichts  leitete*),  während  er  sich  gewöhnlich  auf 
die  Ver\valtungsgeschäfte  seines  Amtes  beschränkte.  Wenn  der 
Pfleger  selbst  den  Vorsitz  im  Gerichte  führte,  wird  er  häufig 
in  den  Gerichtsbriefen  als  Pfleger  und  Landrichter*)  be- 
zeichnet^')« 

Dieser  Richter  (Landrichter)  ist  wie  früher  Stellvertreter 
des  Grafen,  nun  der  des  Pflegers,  also  der  Abkömmling  des 
fränkischen    Centenars.       Er    kommt    nach    Einführung    des 


1)  13.  Freibrief  (v.  Lerchenfeld,  Die  altbayerischen  landständischen 
Freibriefe.  S.  31. 

2)  Pfleger  kommen  in  Baiem  seit  Beginn  des  14.  Jahrhonderts  hfinfiger 
vor.  Vgl  Qeiss,  Die  Heihenfolge  der  Gericbts-  und  Yerwaltongsbeamtcn 
Altbajcms,  im  Oberbayerischen  Archiv  XXVL  und  XXYIII. 

3)  In  den  Gerichtsbriefen  geschieht  gewöhnlich  dieses  Stellvertretangs- 
vcrhältnisses  nicht  Erwähnung,  nur  ausnahmsweise  mit  der  Formel:  Ich 
Landrichter  zu  X.,  da  ich  an  offner  Schranne  an  dem  Landrechten  (von  Ge- 
richts) anstatt  und  von  wegen  meines  Herrn  des  Pflegers  zu  X.  saß,  z.  R 
M.  B.  XXVI,  p.  340,  377  (1417),  M.  B.  XU,  p.  217,  228  (1416,  1422);  IX, 
p.  268  (1446);  I,  p.  245  (1452). 

4)  In  den  meisten  Landgerichten  gab  es  aufier  dem  Pfleger  noch  Land- 
richter oder  Richter.    YgL  die  Zusammenstellung  bei  Geiss  a.  a.  0. 

5)  z.  B.  M.  B.  XXIV,  p.  181  (1411);  XV,  p.  348  (1456);  II,  p.  96  (1475); 
XXI,  p.  459;  VI,  p.  294  (1416,  1441:  Pfleger  und  Richter). 

r>)  Urteile  des  Hofgerichts  werden  auch  adressiert  an  den  Pfleger  nnd  an 
den  Landrichter  des  Gerichts,  welches  das  angefochtene  Urteil  gefUlt  hatte, 
z.  B.  M.  B.  IV,  p.  384  (1474). 


—    55    - 

karolingischen  Gerichtsverfassung  in  bairischen  Urkunden  * ) 
als  Schultheiß  oder  Vicar*)  vor.  Seit  dem  12.  Jahrhundert 
tritt  an  Stelle  dieser  Amtsbezeichnungen  die  des  judex  oder 
Richters ').  Dieser  besorgt  der  Regel  nach  die  Rechtspflege 
des  Landgerichtsbezirks  im  Namen  des  Pflegers,  und  es  gehört 
zu  den  Ausnahmen,  wenn  der  Pfleger  selbst  die  Leitung  einer 
Gerichtsverhandlung  übernimmt  *). 

Der  Richter  wurde  zumeist  vom  Pfleger  selbst  bestellt, 
mußte  aber  die  erforderUche  Qualifikation  zum  Richteramte 
haben  *).  Dessenungeachtet  verstummen  die  Klagen  der  Land- 
stande nicht,  daß  manche  Pfleger,  die  das  Gericht  ganz  gut 
selbst  verwalten  könnten^),  schlechte  Knechte,  die  je  kleiner 
Vernunft  und  nicht  Wappengenossen  seien,  als  Unterrichter 
annehmen '),  welche  den  armen  Leuten  unnötige  Kosten  und 
Beschwerden  verursachten.  Die  Landesordnung  1501  be- 
strebt die  persönliche  Jurisdiktion  des  Pflegers   zu  befördern 


1)  Auf  deutschem  Boden  kommt  zuerst  in  Baiem  Schultheiß  seit  dem 
8.  Jahrhundert  als  Amtstitel  des  Centenars  vor.    Vgl  Sohm  S.  262. 

2)  Nach  den  Banshofener  Gesetzen  zwischen  985  und  995  (M.  G.  L.  III, 
p  484),  welche  dem  Centurio  Verlust  des  Lehens  als  Strafe  androhen,  scheint 
das  Schultheifienamt  damals  als  Lehen  hohandelt  worden  zu  sein,  während 
im  12  Jahrhundert  wieder  der  Amtscharakter  desselben  zum  Durchbruch 
gekommen  war.  Viel  früher  war  bereits  die  Foudalisierung  der  Grafschaft 
Tollzogen.  Auf  diese  interessante,  aber  noch  eingehender  Untersuchung  bo- 
dftrftige  Entwicklung  des  Schultheifientums  im  Gegensatze  zur  Grafschaft 
weist  hin  Riezler  I,  S.  752. 

3)  Belege  bei  Bie zier,  Ober  die  Bedeutung  des  Wortes  Judex  in  Baicm, 
(Forschungen  zur  deutschen  Geschichte  XVm,  S.  528):  —  1130  Arbo  judex 
comitiB  Ekkeberti ;  vor  1180  F.  de  Pruroe,  judex  ducis  in  B.  (M.  B.  VI,  p.  521  ; 
in,  p.  499);  1131  kommt  aber  noch  vor:  coram  comite  vel  eo  presente  qui 
ricem  eins  teneret  scultheizen  nomine  M.  (M.  B.  XXII,  p.  61). 

4)  Vereinzelt  wurde  es  nämlich  dem  Pfleger  bei  seiner  Ernennung  zur 
Pflicht  gemacht,  dal  er  das  Landgericht  selbst  besetzen  soll,  z.  B.  1452  dem 
Pfleger  zu  Rotenburg  (B.  A.  Bestandbuch  des  Rentamts  Landshut  I452\ 
ebenso  dem  Pfleger  zu  Ried. 

5)  LO.  1474  (Krenner  VE,  S.  290):  ehelich  geboren,  edel  und 
Wappengenosse. 

6)  Die  Schrift  „Ain  laysche  Anzaigung^  sagt:  Erstlich  ist  wol  nit  all  weg 
ain  klaine  purd  neben  den  pflogen  auch  gerichtlich  Verwaltung  zehabon. 
Darumb  wo  die  pflegen  on  die  gericht  erlangt  werden,  darbey  mögen  die 
wol  in  mehr  rhue  und  in  mjndor  arbait  leben  etc. 

7)  Erenner  XIII,  S.  184. 


-    56    — 

schärfte  deshal])  demjenigeu,  der  einen  Unterrichter  haben 
wolle,  ein,  daß  er  nur  einen  tauglichen  und  verst&ndigeD, 
doch  allein  auf  seine  Kosten  und  andern  Leuten  unbeschwer- 
lich und  ohne  Schaden  halten  dürfe.  Nur  einer  qualificiertcn 
Person  werde  der  Herzog  künftig  den  Bann  leihen  oder  leihen 
lassen^). 

Eine  eigentümliche  Opposition  gegen  die  Mandate,  welche 
einschärften,  daß  Pfleger  und  Kichter  alle  Amtsobliegenheiten, 
also  auch  das  Malefizrecht  in  eigner  Person  zu  versehen  hätten, 
erhob  sich  seitens  der  Ritterschaft  auf  dem  Landtage  1583. 
Diese  Opposition  setzt  die  Auffassung  der  Zeit  über  die  Kri- 
niinalgerichtsbarkeit  in  scharfe  Beleuchtung.  Es  gilt  in  den 
Kreisen  des  Adels  ^)  nicht  für  anständig,  ja  geradezu  für  ent- 
würdigend, das  Malefizrecht  selbst  zu  besitzen^).  Nament- 
lich in  andern  Ländern  würde  den  bairischen  Adligen  dies  zum 
Schimpfe  gereichen  und  ihnen  sogar  bei  Heiraten  hinderlich  sein. 
Die  Ritterschaft  beantragte  deshalb,  daß  jedem  adligen  Pfleger, 
der  das  Malefiz  zu  verwalten  habe,  ein  ordentliches  Deputat 
(Geldentschädigung)  nach  Gelegenheit  des  Gerichts  auferlegt 
werde,  damit  in  jedem  Rentamt  eine  im  Rechten  und  sonder- 


1)  Krenner  XTIT,  S.  305. 

2)  Beschwerden  der  Kitterschaft  auf  dem  Landtage  1583  (Manuskript  — 
Kr.  A  M.) :  Nnn  betreffen  aber  solche  Befehle  (eigner  Person  auch  die  Kri- 
minalgerichtsbarkeit  zu  handhaben)  nicht  aUein  die  jetzigen  Pfleger,  sondern 
den  ganzen  Stand  des  Adels,  weil  Jeder  Aber  kurz  oder  lang  durch  E.  t  GhL 
zu  solcher  Verwaltung  oder  Pflege  kommen  mag  und  sind  deshalb  Allen 
vom  Adel  beschwerlich,  denn  wenn  dieses  auch  nicht  zu  des  Standes  und  der 
Nachkonmien  Verkleinerung,  sondern  allein  zur  Beförderung  der  Justitien  ge- 
meint, so  muß  man  besorgen,  ...  es  werde  Solches  denen  Tom  Adel  und 
ihren  Kindern  besonders  in  andern  Ländern,  da  solche  Besitzung  der  Malefis 
nicht  allein  in  keinem  Gebrauch,  sondern  auch  sehr  verhaAt  ist^  in  Heiraten 
und  in  anderm  Wege  schimpflich  sein,  so  haben  sie  bisher  nicht  erfahren, 
daß  in  andern  Fürstentflmem  des  deutschen  Beichs  den  Landsassen  Tom 
Adel  die  Malefiz  aufgedrungen  worden  und  obwohl  nicht  ohne  sein  mochte, 
daß  vielleicht  an  einigen  Orten  durch  Aufhehmung  der  Blutrichter  nicht  jeder 
Zeit  auf  die  Qualität  der  Person  der  Notdurft  nach  Acht  genommen,  so  sind 
doch  Mittel  vorhanden,  dadurch  dies  fürkommen  und  recht  qualifidoite 
Richter  Aber  das  Blut  geordnet  werden. 

3)  Jede  Beschäftigung  mit  der  Kriminalgerichtsbarkeit  erschien  etwas 
anrüchig.  Deshalb  untersagte  auch  die  Landesordnung  1474  den  Yortprechem, 
welche  über  das  Blut  redeten,  vor  einem  Hofgericht  als  Vortprecher  anf- 
sutreton. 


—    57    — 

lieh  in  peinlichen  Sachen  erfahrene  und  wohl  qualificierte  Person 
zu  einem  Bann-  oder  Blutrichter  aufgenommen  und  aus  solchem 
Deputat  unterhalten  werde. 

Dieser  Vorschlag,  welcher  nicht  neu,  sondern  im  Erzstift 
Salzburg  und  im  Erzherzogtum  Österreich  in  steter  Übung 
sei,  liege  auch  im  Interesse  der  Kriminalrechtspflege  selbst  > ). 
Der  Herzog  erklärte  zwar,  daß  die  Verpflichtung  zur  persön- 
lichen Verwaltung  der  Blutgerichtsbarkeit  auch  bei  seinen  Vor- 
fahren bestanden  habe  und  daß  es  seltsam  wäre,  daß  die  ge- 
ringen Sachen,  Geld  und  Gut  betreffend,  ansehnlichen,  ge- 
schickten und  ehrsamen  Adelspersonen  befohlen,  aber  des 
Menschen  Leben  und  Blut,  so  das  Höchste  auf  dieser  Welt, 
Leuten  schlechten,  oft  unbekannten  Herkommens  anvertraut 
werden  soll.  Nichtsdestoweniger  genehmigte  er  aber  den  ritter- 
schaftlichen Antrag,  allerdings  nur  auf  Widerruf. 

Die  Erteilung  des  Blutbanns  erfolgte  durch  den  Herzogt) 
oder  in  seinem  Namen  durch  die  Regierung^),  nachdem  der 
Empfänger  den  Eid  geleistet  hatte.  Über  die  Erteilung  des 
Blutbanns  wird  ein  Bannbrief  ausgefertigt. 

Der  Richter  ist,  wie  erwähnt,  landesherrlicher  Beamter  und 
nicht  Vasall  des  Landesherrn  *).  Seine  Ernennung  erfolgt  durch  den 
Herzog.  Dem  Richter  wurde  wie  den  übrigen  Beamten  ein  mit  her- 
zoglichem Secrete  versehenes  Anstellungsdecret*^)  ausgefertigt^), 

1)  Die  vom  Adel  tragen  Fürsorge,  so  heifit  es  weiter,  dafi,  wenn  dies 
nicht  angenommen  würde,  nicht  Jeder,  dem  solch  Malefizrecht  befohlen, 
hierzn  tanglich  und  qnaUficiert  sein  werde,  besonders  bei  den  ungeübten, 
nnerfahrenen  Urteilsprechem ,  Beisitzern  und  Procuratoren ,  welche  sich  auf 
peinliche  Sachen  und  derselben  Proceß  gar  nicht  oder  doch  wenig  verstehen, 
die  Sachen  confundieren  und  einen  Pfleger  oder  Landrichter  darin  verwirren. 

2)  YgL  Bockinger,  Emleitung  S.  314. 

3)  Deijenige,  welchem  der  Blutbann  erteilt  wird,  mußte  nach  Ableistung 
des  Eides  niederknieen.  Darauf  gab  ihm  der  Yitztum  (oder  Präsident)  das 
Schwert  in  die  blofie  Hand  ungefähr  mit  den  Worten:  „Hierauf  soll  von  .  . 
unsers  Fürsten  wegen  Euch  der  Bann  über  das  Menschenblut  zu  richten  ge- 
geben sein**  (Eidbuch  des  Rentamts  Landshut  —  Er.  A.  L.  Civilakten  Fase. 

419,  xvn). 

4)  Der  sächsische  Landrichter  ist  noch  Vasall  des  Fürsten,  von  dem  er 
das  Gericht  zu  Lehen  empfangt  Vgl.  R.  Schröder,  Die  Gerichtsverfassung 
des  Sachsenspiegels,  in  Zeitschr.  d.  Savigny-Stifkung  f.  R.  G.  Germ.  Abi  1884. 
V,  S.  47,  49  £ 

5)  Auch  der  Hofinarksrichter  mußte  eine  Anstellungsurkunde  erhalten. 

6)  L.  Fr.  IV  a.  2t 


-    58    — 

welches  zu  seiner  Legitimation  in  der  ersten,  nach  seinem  Amts- 
antritte von  ihm  geleiteten  Gerichtsverhandlung  öffentlich  ver- 
lesen wurde.  Das  Decret  erhält  er  nach  Ableistung  des  Amts- 
oides.  Dieses  Erfordernis  für  die  Ausübung  des  Richteramts 
wird  nicht  nur  durch  das  Landrecht  ^),  sondern  auch  durch 
Freibriefe  aufgestellt. 

Ableistung  des  Richtereids  *)  und  Mitbringung  der  Be- 
stallungsurkunde')  in  die  erste  Gerichtssitzung  sind  Bedingungen 
rechtswirksamer  Ausübung  von  Richterfunktionen,  wovon  unten 
bei  Darstellung  des  Staatsdienerrechts  zu  handeln  sein  wird. 

Unter  den  Erfordernissen,  welche  für  die  Fähigkeit  zur 
Bekleidung  eines  Richteramts  aufgestellt  werden,  findet  sich 
schon  bald  die  Inländerqualität,  welche  sowolil  allgemein  für 
alle  Beamten  *),  als  auch  speziell  für  die  Besetzung  der  Gerichte 
hervorgehoben  und  in  den  ständischen  Freiheitsbriefen  stets  aufe 
neue  als  eine  von  dem  Landesherm  der  Landschaft  gewähr- 
leistete Verpflichtung  wiederholt  wird. 

Unregelmäßigkeiten  in  der  Handhabung  der  Rechtspflege 
gaben  aber  den  Landständen  Anlaß,  durch  ihre  Beschwerden 
erfolgreich  auf  eine  Erhöhung  der  Anforderungen  für  die  Quali- 
fikation zum  Richteramt  hinzuwirken.  Namentlich  in  Oberbaiem, 
wo  die  Rechtsprechung  nach  dem  Laudrechte  ein  intelligenteres 
Richtertum  erheischte,  erscheint  die  Bitte  der  zur  Vereinbarung 
einer  Polizei-  und  Gerichtsordnung  vereinigten  herzoglichen  Räte 
und  Landschaft  (1444)  ^)  begreiflich,  der  Herzog  möchte  künftig 
Richter  einsetzen,  die  das  Recht  verstehen  ®),  und  sich  dessen  be- 


1)  Vorrede:  Davor  gepieten  wir  .  .  aHen  nnscm  richtem  und  ampt- 
lacutcn  .  . ,  daz  si  die  selben  recht  also  behalten  pey  irom  ayde,  den  si  ans 
oder  unserm  vicztamb  dammb  swem  müzzcn  und  daz  si  darnach  von  wort 
ze  wort  von  stak  ze  stuk  armen  und  reichen  ongevaerlich  richten  snllen. 

2)  Dies  allein  fordert  L.  Fr  IV  a.  20. 

3)  Diese  Bedingung  setzt  erst  die  Gerichtsordnung  1520.  I  a.  3:  „Wo 
aber  ain  Bichter  .  .  nit  schwören,  noch  des  glaubwirdig  urkhundt  unnd  schrej- 
ben  für  gericht,  wie  in  disem  Gesatz  verordent  ist,  bringen  würde,  alsdan 
soll  nyemanndt  schuldig  sein,  auf  desselben  erforderung  in  der  gaetigkait 
oder  rechtlich  vor  jme  zuerscheinen,  noch  zehanndlen.**  —  YgL  auch  noch 
Cod.  judic.  1753  c  2  §  4. 

4)  Vgl  unten  den  Abschnitt  über  das  Staatsdienerrecht 

5)  Krenner  I,  S.  164. 

6)  Schon  im  11.  Jahrhundert  ertönen  Klagen  über  die  Yomachltaigiuig 
der  Kechteausbildung  seitens  des  Adels.    Chron.  Ebensperg.  (Oefele,  B^ 


—    59    — 

fleißigten,  nach  Inhalt  des  Buches,  auf  welches  sie  vereidigt 
würden. 

Die  Justiz  lag  aber  im  15.  Jahrhundert  derart  im  Argen, 
daß  in  den  verschiedenen  Teilen  Baiems  das  Verlangen  nach 
einer  solchen  Besetzung  der  Richterposten  laut  wurde,  die  eine 
unparteiische  Rechtspflege  garantierte.  Man  strebte  eine  Er- 
höhung der  Qualifikation  zum  Richteramt  an,  indem  man  ^tüch- 
tige sittliche  und  geistige  Eigenschaften  forderte.  Die  An- 
erkennung der  hierauf  gerichteten  ständischen  Anträge  erfolgte 
in  den  verschiedenen  selbständigen  Gebieten  Baiems  mit  den 
Worten:  Wir  wollen  auch  unsere  gerichte  mit  erbem  geleumb- 
tcn  leuten,  besetzen*)  —  die  wappengenoss  sein,  setzten  die 
Herzoge  Johann  II.  und  Sigmund  im  44.  Freibrief  (1463)  *) 
hinzu  * )  und  führten  damit  das  Erfordernis  der  Siegelmäßigkeit 
für  die  Richter  ein. 

Diese  Bestrebungen,  eine  Garantie  für  die  Ernennung  nur 
geeigneter  Richter  dauernd  festzustellen,  führte  bei  den  Ver- 
handlungen*) über  die  L.  Fr.  1508  zur  Aufnahme  folgenden 


nun  Boicarom  Scriptores.  Aug.  Yind.  1763.  II,  p.  10  anno  1013)  si  qnis  po- 
tens  ac  nobiÜB  legere  ignoraret  ignominioBos  videbator,  sicat  in  me  coaevisque 
meis  apparet,  qni  jura  didicimos.  Modern!  vero  filios  suos  negligont  jora  docere. 

1)  Mit  den  Klagen  über  die  Richter  gingen  die  über  die  Urteiler  Hand 
in  Hand.  Wiederholt  beantragten  so  die  Landstände  des  Stranbinger  Landan- 
teils eine  bessere  Besetzung  der  Gerichte  1437,  1438  (dals  die  Pfleggericbte 
and  alle  Aemter  mit  redlichen  ehrbaren  Landsleuten  nach  Inhaltong  der 
Frcjheiten  besetzt  und  gehalten  werden)  and  1458  (dals  unser  gnädiger  Herr 
seine  Gerichte  aUenthalben  im  Niederlande  mit  ehrbaren,  leumdigen  Leuten, 
die  Wappengenofs  sind,  besetze  .  .  .  damit  das  Recht  aufirichtiglich  gefördert 
werde)  bei  Krenner  II.  S.  75,  89,  17a 

2)  Albrecht  IQ.  München  145a  42.  Freibrief  (v.  Lerchenfeld 
a  105). 

3)  Mit  diesem  den  Ständen  des  Straubmger  Teils  ausgesteUten  44.  Frei- 
briefe (y.  Lerchenfeld  S.  111)  stimmt  überein  die  ebenfaUs  1463  den 
Ständen  des  Münchner  Teils  erteilte  Freiheitsbestätigung  bei  Kronner  V, 
&96. 

4)  Entsprechend  den  Wünschen  der  Straubinger  Stände  vom  30.  Januar 
1463  (Krenner  VI,  S.  54). 

5)  Vgl  über  diese  Franklin,  Beiträge  zur  Geschichte  der  Reception 
des  romischen  Rechts  in  Deutschland.  Hannover  1863.  S.  26.  Der  1.  land- 
schaftliche Entwurf  verlangte  nur,  daß  die  Gerichte  mit  ehrbaren  Landleuten, 
die  angebome  Siegel  haben,  versehen  würden  (Krenner  XVI,  S.  11;  vgl. 
noch  daselbst  S.  21  und  32  £). 


—    60    — 

Artikels'):  Es  solP)  auch  der  lanndtssfürst  hinfüran  seine 
gericht  allenthalben  jn  seinen  landen  mit  richtern  besetzen,  die 
edel  oder  erber,  redllich,  eelicher  geburd  unnd  verstänndig  sind 
und  angebome  sigel  haben '). 

An  dem  Erfordernisse  des  Indigenats  hielt  die  L.  Fr.  nur 
für  die  höheren  Beamten  und  die  Inhaber  namhafter  Pflegen  etc. 
fest,  verzichtete  aber  auf  die  ausdrückliche  Festsetzung  des- 
selben für  die  Richter  (Kastner  und  Mautner),  wohl  weil  diese 
Ämter  ohnehin  mit  Inländern  besetzt  zu  werden  pflegten  und 
weil  die  Ritterschaft  nur  ein  Interesse  daran  hatte,  die  höheren 
Stellen  mit  Personen  aus  ihrem  Kreise  zu  besetzen. 

Der  Richter,  und  zwar  nicht  nur  der  Land-,  sondern  auch 
der  Stadt-  und  Hofmarksrichter  führten  als  Zeichen  ihrer 
richterlichen  Würde  einen  Stab.  Mit  dem  Stab  in  der  Hand 
saßen  sie  zu  Gericht,  wie  in  unzähligen  Gerichtsbriefen  der 
M.  B.  *)  ausdrücklich  hervorgehoben  wird. 


1)  y.  Lerchenfeld  S.  218  (die  Fassmig  des  Artikels  in  der  L.  Fr. 
1514  stimmt  wörtlich  mit  der  von  1508  übercin). 

2)  Diese  Reglung  entspricht  ungefähr  den  Wünschen  der  Landshnt'Iii- 
golstadtor  Stände  (vgl  Franklin,  Beiträge  S.  22),  z.B.  1471:  „Item  gem. 
Landscbaffl  ruft  Ew.  Gnad  an  die  Pflegen  und  Gerichte  mit  yemünftigen  red* 
liehen  Pflegern  and  Richtern  die  Wappengenofs  und  Landleute  sejen  zn  be- 
setzen, die  dann  wifsen  zn  richten,  Ew.  Gnaden  und  das  Land  bej  ihren  Frey* 
heiten  und  Gewohnheiten  wifsen  zu  halten  (Erenner  YII,  S.  269).  Vgl 
noch  die  Petitionen  1460,  1461,  sowie  die  Batschläge  der  Bäte  1471 
(Krenner  YII,  S.  66,  104,  290).  In  die  L.O.  von  1474  war  aber  eine 
dieser  Bitte  entsprechende  Vorschrift  nicht  angenommen  worden,  dagegen 
bestimmte  die  L.O.  1501,  nachdem  die  Stande  sich  beklagt  hatten,  dal 
einige  Pfleger  ungeschickte,  schlechte  und  unverständige  Richter  aufnähmen, 
daü  künftig  nur  taugliche  und  verständige  bestellt  werden  dflrfen,  und  Ter- 
hicß  nur  solchen  den  Bann  zu  leihen  oder  leihen  zu  lassen,  die  ehrlich,  erbar 
und  Wappengenossen  seien  (Krenner  XIII,  S.  184,  305). 

3)  Dieselben  Erfordernisse  für  das  Richteramt  stellt  auf  die  bairische 
Gerichtsordnung  1520  (Tii  I  a.  1,  auch  ftlr  die  Ernennung  der  Patrimonial- 
richter)  und  auch  der  Codex  juris  Bavarici  judidarii  1753  ninunt  (Cap.  2  §  1) 
auf  die  L.  Fr.  Bezug. 

4)  L.  Fr.  I  a.  1,  2. 

5)  z.  B.  1441 :  K.,  Pfleger  und  Richter  zu  R.,  da  ich  safs  zu  Reichenbin 
an  offner  Schrann  mit  dem  Stab  als  ein  gewaltiger  Richter;  1436:  Y.,  Richtor 
zu  Rosenheim,  da  ich  in  dem  Markt  daselben  an  dem  Landrechten  safa  und 
den  Stab  in  der  Hand  hett  (M.  B.  U^  p.  574;  II,  p.  77). 


—    61    — 

Gerechte,  unparteiische  Amtsausübung  war  den  Richtern 
streng  zur  Pflicht  gemacht^).  Ohne  Ansehen  der  Person,  unzu- 
gänglich jeder  Art  von  Bestechung  *),  sollten  sie  nach  bestem 
Wissen  und  Gewissen  richten,  keiner  Rechtsverzögerung  sich 
schuldig  machen  und  allein  Gott  und  die  Gerechtigkeit  vor 
Augen  haben'). 

Damit  der  Richter  ein  gerechtes,  den  gesetzlichen  Bestim- 
mungen nicht  widersprechendes  Urteil  fälle,  sollte  er  stets  das 
Gesetzbuch  bei  sich  haben.  Rechtsaufzeichnungen  erfreuten 
sich  im  bairischen  Stanune  stets  eines  besonders  hohen  An- 
sehens*), und  so  wird  diese  Vorschrift,  die  zuerst  im  alten 
Volksrecht  ^)  auftritt,  wiederholt  bezüglich  der  Landfriedens- 
urkunden*), des  Landrechts  K.  Ludwigs^)  und  der  ständischen 
Freibriefe  ®).  Die  L.  Fr.  gebietet  endlich  (IVa.  18)  die  Nieder- 
legung einer  Kopie  derselben  in  jedem  Landgerichte  zur  Dar- 
nachachtung  für  alle  Beamte. 

Die  ideale  Auffassung,  welche  K.  Ludwig  vom  Berufe  des 
Richters  hatte,  tritt  nicht  nur  in  der  erwähnten  Instruktion  für 
Niederbaiem  von  1340,  sondern  auch  in  seinem  Landrecht  her- 
vor. Der  Richter  sollte  in  seinem  Sprengel  die  Rechtsordnung 
zu  verwirklichen  helfen  und  jede  Ungerechtigkeit  mit  aller  Kraft 


1)  In  einer  Instruktion  K  Ludwigs  als  Vormund  seines  Sohnes  Herzogs 
JohAnn  1340  (Qu.  und  Er.  VI,  p.  360  a.  10)  wird  als  des  Kaisers  Wine  erklärt, 
daz  unser  richter  fürbaz  richten  und  handeln,  daz  si  ze  recht  richten  suHen 
von  onsers  .  .  suns  wegen  and  jedem  mann  seiner  recht  gunnen,  dl  er  zo 
recht  haben  soL 

2)  Ldr.  a.  30,  46. 

3)  Gerichtsordnung  1620  t  I  a.  20. 

4)  Franklin,  Beiträge  S.  4. 

5)  L.  Bajuvariorum  t  U,  c  14  (M.  G.  L.  III,  p.  288)  Comis  vero  secum 
habeat  .  .  librum  legis,  ut  semper  rectum  iudicium  iudicent. 

6)  Landfrieden  1244-1300  (Qu.  und  Er.  V,  p.  83,  146,  347;  VI,  p.  124, 
[l  B.  1255  c.  32 :  Ez  sol  chain  richter  an  dem  gerihte  sitzen,  er  habe  den 
frid  teusche  bi  ime  gescriben,  oder  er  muz  dem  herzog  fünf  phuut  geben]). 

7)  a.  3  und  6. 

8)  z.  B.  1347:  Es  sol  auch  yeder  richter  in  seinem  gericht  der  greisen 
hantrest  da  unsere  recht  ansteend  ain  notl  bey  im  haben  under  unser  herschaft 
insigl,  das  er  uns  wilse  unsere  recht  zu  halten,  und  land  und  Icuten  auch 
ire  recht,  als  an  derselben  hantvest  ist  yerschriben.  Vgl  auch  1322 
(t.  Lerchenfeld  S.  11,  17). 


—    62    — 

unterdrücken.  Schon  der  erste  Artikel  des  Landrechts*)  bringt 
diese  Tendenz  zum  Ausdruck.  Dieser  verbietet  jeglichem  Richter 
und  Amtmann  irgend  Jemand  zu  einer  Klage  zu  nötigen.  Wenn 
aber  Jemand  gegen  den  Angehörigen  eines  höheren  Standes 
(Übergenossen)  etwas  zu  klagen  hätte  und  aus  Furcht  nicht 
wagte,  Klage  zu  erheben,  soll  ihn  der  Richter  hierzu  auffor- 
dern und  dem  armen  Manne  des  Rechtes  helfen,  wenn  er  klagen 
will  und  ihn  darum  bittet. 

Stets  bewährte  sich  der  Landesherr  als  ein  Hort  des  Rechts 
und  alle  Klagen  der  ünterthanen  über  Rechtsverweigerung  der 
Richter  fanden  hier  ein  offnes  Ohr  und  einen  zur  Abhülfe  be- 
reiten Willen.  So  sah  sich  auf  Grund  solcher  Beschwerden 
H.  Sigmund  (München)  1464*)  veranlaßt,  ernstlich  mit  den 
Richtern  zu  schaffen,  daß  sie  die  Klagen  der  Ünterthanen,  da- 
mit diese  nicht  gezwungen  würden,  stets  gen  Hof  zu  laufen, 
immer  hören  und  von  des  Herzogs  wegen  darin  zu  handeln, 
damit  einem  jeglichen  widerfahre,  was  gleich  und  billig  seL 
Der  Richter  solle  jedermann ,  wer  vor  ihm  zu  rechten  habe, 
gleiche,  forderliche  Recht  ergehen  und  widerfahren  lassen') 
„nach  des  Landes  Recht  und  des  Buches  Sage,  als  Recht  ist, 
damit  unsre  Landgerichte  gefördert  werden". 

Alle  seine  Verpflichtungen  faßt  zusammen  der  Eid,  welchen 
er  bei  seinem  Amtsantritt  zu  leisten  hat*). 


1)  Gleichlautend:  Ret  Landrecht  t  VU  a.  9. 

2)  Kronner  V,  S.  103. 

3)  Nachhaltige  Wirkimg  hatte  diese  Verordnimg  nicht,  denn  was  ne 
dorn  Richter  einschärfte,  figuriert  in  einer  Petition  der  Landschaft  von  1468 
noch  als  frommer  Wunsch.  Albrecht  lY.  vermochte  daher  nur  das  Gebot 
seines  Vorgängers  zu  wiederholen  (Erenner  Y,  S.  326,  336). 

4)  „Der  Pfleger  Eid,  so  Gerichtsverwaltung  haben,  dergleichen  Land- 
richter Eid"  (R.  A- Pflichtbuch  1512-1G78)  —  „einem  Jeden  des  Rechten 
und  der  Billigkeit  zu  verhelfen  und  zu  gestatten,  gleiche  forderliche  Recht 
zu  halten  dem  Armen  als  dem  Reichen  .  .,  forstliche  Obrigkeit  und  Gerech- 
tigkeit treu  zu  handhaben,  zu  schützen  und  zu  schirmen,  davon  Nichts  ent- 
ziehen zu  lassen,  sondern  f.  Gn.  Rechten,  dergleichen  den  Ünterthanen  Eures 
Amts  zu  ihren  Rechten  und  Gerechtigkeiten  [der  Polizei-  und  Landgerichts 
und  andern  publiciertcn  Ordnungen  gcmäü  zu  procediercn  —  späterer  Zu- 
satz] zu  richten  und  darwider  nicht  zu  handeln  und  nicht  zu  thun,  item  die 
Vitztumwändel  s.  Gn.  Rentmeister  zu  verthädingen,  anzubringen  und  die  Ver- 
brecher dcrhalbcn  im  Umreiten  für  ihn  zu  weisen,  aber  die  andern  gemeinen 
Gerichtswändel  im  Beiwesen  des  Gorichtsschroibors  und  der  Amtleut  abxn- 


—    63    — 

Gerichtliche  Urkunden  wurden  während  der  fränkischen 
Periode  von  den  für  den  einzelnen  Fall  zugezogenen  Notaren 
abgefaßt,  denn  ständige  Gerichtsschreiber  gab  es  auch  in  Baiem  ^ ) 
zu  jener  Zeit  nicht  *).  Der  geschworne  Gerichtsschreiber  wurde 
hier,  früher^)  als  in  andern  deutschen  Territorien  ^ ),  erst  durch 
K.  Ludwigs  Landrecht  ^)  als  ein  notwendiges  Glied  der  Gerichts- 
besetzung anerkannt. 

In  Niederbaiem  wurde  die  Anstellung  eines  Gerichts- 
schreibers durch  die  Instruktion  K.  Ludwigs  von  1340®)  und 
dann  durch  die  Landesordnung  1474  vorgeschrieben,  bis  endlich 
das  ref.  Landrecht  1. 1  a.  2  und  die  Gerichtsordnung  1520  (t.  I  a.  6) 
sodann  das  Institut  des  Gerichtsschreibers  dauernd  in  die 
Gerichtsverfassung  des  vereinigten  Baiems  einfügten. 

Unabhängig  von  den  fremden  Rechten  hatte  man  schon 
früh  die  Nachteile  des  rein  mündlichen  Verfahrens ')  eingesehen. 
Die  Einreihung  des  Gerichtsschreibers  in  die  Gerichtsbesetzung 
legt  dafür  ein  gewichtiges  Zeugnis  ab.  Während  man  lange 
Zeit  nur  das  Resultat  der  gerichtlichen  Verhandlungen,  das 


thädingen  und  keinen  Wandel  gevärlich  zu  verhalten,  sondern  bei  klein  und 
gro£  dem  Hofkamm erpräddenten  und  Bäten  in  Euren  Amtsrechnungen  an- 
zuzeigen und  zu  verrechnen". 

1)  Brunner,  Zur  Bechtsgeschichte  der  römischen  und  germanischen 
Urkunde.  Berlin  1880.  I,  S.  252. 

2)  Das  Amt  des  Gerichtsschreibers,  welches  sich  im  8.  und  Anfang  des 
9.  Jahrhunderts  in  Franken  und  Alamannien  schon  auf  einer  höheren  Stufe 
der  Entwicklung  befand,  hat  in  Baiem  keine  Bedeutung  erlangt  (vgl.  Posse, 
Die  Lehre  von  den  Privaturkunden.  Leipzig  1887.  S.  167). 

3)  Über  die  Entwicklung  des  Gerichtsschreibers  vgl.  Maurer,  Geschichte 
des  altgermanischen  und  namentlich  altbairischen  öffentlich-mündlichen  Ge- 
richtsverfahrens. Heidelberg  1824.  S.  142  ff. 

4)  Nach  Sachsenspiegel  III,  61  §  1  gehörte  der  Gerichtsschreiber  noch 
nicht  zur  Gerichtsbesetzung.  Beim  Beichshofgericht  war  ein  Hofgerichts- 
schreiber seit  1235  besteUt  (Franklin,  Beichshofgericht  II,  S.  120). 

5)  a.  3.  Ez  sol  auch  ain  ighch  richter,  swenn  er  ze  gericht  siezt,  der 
nach  dem  puoch  richtet,  nicht  richten,  er  hab  dann  ainen  geswom  Schreiber 
pey  dem  puoch.  Ez  sol  auch  der  richter  den  Schreiber  besorgen  mit  chost 
nnd  mit  andern  Sachen,  daz  er  die  recht  gesuochen  mflg. 

6)  a.  5  (Qu.  und  Er.  VI,  p.  359) :  ycder  richter  (soll  verrechnen)  nach 
eines  gesworen  Schreibers  wizzen  und  sol  auch  der  Schreiber  an  merkchen 
and  schreiben  den  schuld  von  yedem  mann,  dar  umb  er  zo  wondel  und  ze 
pefsemng  chumt 

7)  YgL  Maurer  a.  a.  0.  S.  295  «. 


—    64    — 

Endurteil,  durch  Ausstellung  eines  Gerichtsbriefs  schriftlich 
fixiert  hatte,  ging  man  dazu  über,  auch  andere  rechtlich  mchtige 
Thatsachen  aufzuzeichnen,  z.  B.  die  Auflassung  von  <3rund- 
stücken.  Die  Eintragung  solcher  Veräußerung  oder  Verpfän- 
dung von  Immobilien  in  die  Stadt-  oder  Gerichtsbücher  bildete 
in  den  Städten  eine  der  Hauptaufgaben  des  Gerichtsschreibers*) 
neben  der  Abfassung  von  Gerichtsbriefen  *),  welche ')  die  Einzel- 
heiten des  gerichtlichen  Verfahrens  fixierten  und  deren  Erteilung 
häufig  von  den  Parteien  beansprucht  wurde*). 

Die  Verlesung  von  Stellen  des  Landrechts,  die  oft  von  den 
Fürsprechern  beantragt  wurde^  gehörte  gleichfalls  zu  den  Funk- 
tionen des  Schreibers*).  —  Das  Bedürfnis,  die  Mängel  des  rein 
mündlichen  Verfahrens  durch  ergiebigere  Anwendung  des  Unter- 
stützungsmittels der  Schrift  auszugleichen,  führte  Ende  des 
1 5.  Jahrhunderts  in  Niederbaiern  auf  Anregung  der  Landstände 
zu  verschiedenen  Prozeßreformen  ^).   Die  Landesordnung  1474 ') 


1)  z.  B.  Manchner  Stadtrecht  a.  31,  3%  270  (der  Gerichtsschreiber  hatte 
auch  durch  EiDsichtnahroo  des  Buches  festzustellen,  ob  das  aufzolassende 
Grundstück  schon  verpfändet  war). 

2}  Vgl  die  vielen  Gerichtsbricfo  in  M.  B. 

3)  Eine  ordentliche  und  förmliche  AuÜBchrcibung  des  Urteils  sowie  des 
Urteils  Vorschlags  der  Minderheit,  sowie  eine  Verlesung  vor  den  Urtoils- 
sprcchem  behufs  Kontrolle  ihrer  Richtigkeit  (,, damit  sie  mit  ihrem  Wissen 
und  nicht  anders,  dann  wie  sie  geurteilt  haben,  auf  Rede  und  Widerrede  und 
bcydcr  Theile  Fürbringen,  ordentlich  ausgehen")  vor  der  Publikation  ordnet 
an  ein  Landgebot  H.  Georgs  1491  (E  r  e  n  n  e  r  XII,  S.  339). 

4)  Der  Richter  licfi,  wenn  der  dem  Urteil  zu  Grunde  liegende  Artikel 
die  Erteilung  eines  Gerichtsbriefs  nicht  vorschrieb,  durch  die  Beisitzer  die 
Frage  der  Ausstellung  eines  solchen  entscheiden  (Also  firagt  ich  Richter  an 
der  Schranne  5  [8]  auf  ihren  Eid,  ob  man  defi  ihm  Brief  von  Gerichte  wegen 
schuldig  sei),  z.  B.  1378,  1430,  1484  (M.  B.  XVII,  p.  139;  IX,  p.  261;  XVEO, 
p.  578,  593).  Vgl  noch  v.  d.  Pfordten,  Studien  zu  K.  Ludwig!  ober- 
bayerischem  Stadt-  und  Landrechte.  München  1875.  S.  309,  31L 

5)  Mit  der  Formel:  „Da  sagt  meines  Herrn  Buch"  werden  die  be- 
trctrendeu  Gcsetzess teilen  wörtlich  in  den  Urteilsbrief  aufgenommen. 

G)  Vgl.  Maurer  a.  a.  0.  S.  335. 

7)  Erenncr  VII,  S.  484  ff.  Aus  der  Eidesformel  ergeben  sich  noch 
als  Funktionen  des  Gerichtsschreibers :  Aufbewahrung  der  zu  Gerichtshanden 
übergcbcnon  Urkunden,  getreuliche  Aufschreibung  der  Urteile  und  (lerichts- 
bricfc,  die  vor  ihrer  Aushändigung  an  die  Parteien  vom  Richter,  den  Für- 
sprechern beider  Parteien  und  den  von  der  Schranne  dazu  gegebenen  Ober- 
hurem  vorhurt,  also  auf  ihre  Übereinstimmung  mit  dem  gefäUten  Urteile 


—    65    — 

machte  es  daher  dem  Gerichtsschreiber  zur  Pflicht,  „wie  die 
Partheyen  die  Sachen  in  das  Recht  fürbringen  oder  fiirbringen 
lassen  nach  seiner  besten  Verständniß  und  Vernunft  eigentlich 
zu  verschreiben".    Auch  die  Aufzeichnung  der  Zeugenaussagen 
wird  in  derselben  erwähnt.  Auf  Grund  der  wahrgenommenen  Mängel, 
welche  dem  Hofgerichte  die  Entscheidung  in  Berufungssachen  er- 
schwerten, erließ  Albrecht  IV.  von  München  1489^)  eine  detaillierte 
Vorschrift  über  die  Art  der  Zeugenvernehmung  *).    Gleichzeitig 
erging  auch  ein  Landgebot,  welches  den  Mißbrauch  der  Schreib- 
tage ^)  beseitigte  und  anordnete,  daß  für  die  Zukunft  der  Richter 
nebst  dem  Gerichtsschreiber  Klage,  Antwort,  Rede  und  Wider- 
rede, so  ihm  von  beiden  Parteien  überantwortet  würden,  ersehen 
sollten,  was  darin  zu  viel,  das  im  Recht  nicht  gebraucht,  ge- 
schrieben abzuthun  und  mit  dem   ergangenen  Urteil  besiegelt 
an  den  Hof  zu  fertigen^).     Ein  Schritt  in  der  Richtung  der 
Schriftlichkeit    des  Verfahrens   war  hier  wenigstens    für   die 
Appellationsinstanz  gethan,  indem  die  Parteien  selbst  ihre  in 
1.  Instanz    mündlich   abgegebenen  Anträge    und  Erklärungen 
schriftlich  einreichten.     Wie  sehr  aber   dessenungeachtet  das 
Mündlichkeitsprinzip  den  Prozeß  beherrschte,  bezeugt  jene  Vor- 
schrift der  Landesordnung  1501  ^),  welche  bei  Klagen  gegen 
Beamte  nur  Personen,  welche  aus  Armut  oder  aus  andern  Ur- 
sachen einen  Redner  nicht  bekamen,  gestattete,  Klage  und  Gegen- 
rede vor  dem  Hofgericht  in  Schrift  einzulegen.    Damit  ward 
eine  Ausnahme  statuiert  lediglich  zu  dem  Zwecke,  daß  Niemand 

[^rflft  worden  mufiten.  —  Nach  der  L.O.  1491  hat  der  Gerichtsschreiber 
die  Urteile  vor  der  Pablikation  den  ürteüsprechern  vorzulesen,  „damit  de  mit 
ihrem  Wissen  und  nicht  anders  dann  wie  sie  genrteilt  haben  .  .  ordentlich 
ausgehen";  er  hat  sie  auch  Öffentlich  vor  Gericht  zu  verlesen,  „damit  sie 
dnrch  mündliches  Aussprechen  nnverkehrt  bleiben"  (E  r  e  n  n  e  r  XU,  S.  339  f.). 

1)  Krenner  IX,  S.  5  t 

2)  Schon  viel  firüher  findet  sich  die  Au&eichnimg  von  ZeugenverhOren, 
lB.  1367,  1449,  1467  (Lo  ri,  Geschichte  des  Lechrains  II,  S.  69,  160,  170  £). 

3)  Es  war  das  ein  neuer  Kosten  verursachender  Termin,  in  welchem  die 
Parteivortrftge  der  Verhandlung  schriftlich  festgesetzt  wurden.  Oft  stritten 
sich  die  Fürsprecher  erst  um  das,  was  sie  vormalen  im  Rechten  geredet 
haben  (vgl  Krenner  XVI,  S.  380). 

4)  K  r  e  n  n  e  r  IX,  S.  4.  Es  wurde  in  dem  nur  an  7  Gerichte  ergangenen 
Landgebot  darauf  hingewiesen ,  dal  es  so  schon  in  den  Landgerichten  vor 
dem  Gebirge  gehalten  würde. 

5}  Kreon  er  Xm,  S.  275. 

Roteatb»!»  Geschichte  «L  Oerichtiw.  u.  d.  Venr.^r^.  Balenu .  I.  e 


—    66    — 

in  Vorbringung  seiner  Sache  Mangel  habe,  denn  an  Stelle  dßt 
schriftlichen  Klage  konnte  in  solchem  Falle  auch  Zuordnung 
eines  Redners  ex  officio  durch  das  Hofgericht  erfolgen^). 

Die  Gerichtsbücher,  in  welchen  Auflassungen  von  Grund- 
eigentum u.  dgl.  eingetragen  wurden,  waren  in  Oberbaiem  schon 
durch  die  Ludwigsche  Gesetzgebung  eingeführt  und  auch  in 
Niederbaiem  sind  Gerichtsbücher,  in  welchen  alle  Gerichts- 
verhandlungen, Parteivorträge  und  Urteile  verzeichnet  wurden, 
im  15.  Jahrhundert  verbreitet,  so  daß  die  Gerichtsordnung 
1520  (t.  I  a.  3.)^)  diese  Gerichtsbücher,  in  welche  auch  Klagen 
eingetragen  wurden,  als  allgemeines  Institut  voraussetzen  konnte. 

Sowohl  das  ref.  Landrecht  1518,  als  die  Gerichtsordnung 
1520*)  hielten  im  allgemeinen  an  dem  Prinzip  der  Mündlich- 
keit fest,  wenn  sie  auch  vielfach  die  Schriftlichkeit  wenigstens 
fakultativ  einfllhrten  ^).  Sogar  für  das  Appellationsverüahren 
ging  man  nicht  vollständig  zur  Schriftlichkeit  über^),  sondern 
die  Gerichtsordnung  überließ,  wiewohl  die  kayserl.  geschrieben 
Recht  schriftliche  Appellation  gegen  Beiurteile  forderten,  in 
Kraft  des  alten  Gebrauchs  und  Herkommens  dem  Appellanten 
seine  Appellation  gen  Hof  schriftlich  oder  mündlich  zu  thun  '). 

Die  fränkische  Schöffenverfassung  "*)  gelangte  auch  in  Baiem 
zur  Einführung^)  und  verdrängte  hier  das  alte  Stammesinstitut 

1)  Bei  den  Beratongen  über  die  L.  Fr.  1506  wurde  gtiLndischerBeiti  unter 
Hinweis  auf  die  päpstliche  Kurie  und  das  k.  Kammergericht  schriftUfilieB 
Verfahren  empfohlen  fftr  diejenigen  Prozesse,  welche  ans  den  Yititomiinteni 
zum  Hofirate  gezogen  wurden  (E  r  e  n  n  e  r  XYI,  S.37).  Der  Vorschlag  fiuid  aber 
keine  Annahme.    Vgl  unten  „Hofirat*'. 

2)  t  I  a.  9  bestimmte,  dafi  der  Kichter,  wenn  er  zu  Gericht  sitae,  stets 
die  Gerichtsordnung  und  das  Gerichtsbuch,  aber  auch  einen  Gerichtstchreiber 
und  Fronboten  bei  sich  haben  soUe. 

3)  Vgl  Maurer  S.  341  l 

4)  So  konnte  die  Ladung  sowohl  schriftlich  als  mflndlich  ergehen,  die 
Klage  schriftlich  oder  mündlich  erhoben  werden,  in  welch  letxterem  Falle 
allerdings  eine  Protokollierung  derselben  stattfand  u.  s.  w. 

5)  Die  entgegengesetzte  Behauptung  Maurer's  S.  338  steht  in  ^der- 
spruch  mit  tit  X  a.  6  Abs.  2  der  Gerichtsordnung. 

6)  Dafi  übrigens  der  GeschAftskreis  des  Gerichtsschreibers  kein  kleiner 
war,  ersieht  man  aus  der  Gebührenordnung  für  Gerichtsschreiber  in  Landea- 
ordnung  1516  S.  21. 

7)  Vgl  über  diese  Sohm  S.  372  £ 

8}  B  eseler,  Der  Judex  im  bairischen  Volksrcchte  (Zeitschrift  ftr 
Rechtsgeschichte  IX),  S.  255  t  hebt  dies  mit  Becht  gegen  Merkel,  Der 


—    67    — 

der  ,^chter".  Diese  werden  nun  zu  Schöffen  ernannt  und 
iudex  und  Schöffe  sind  in  der  Karolingerzeit  für  Baiem  iden- 
tisch^), wie  auch  in  Frankreich  der  alte  Namen  „Rachim- 
burgen"  auf  die  Scabinen*)  übergegangen  ist.  Als  ein  Nach- 
klang dieser  Entwicklung  ist  es  zu  betrachten,  wenn  noch  im 
14.  Jahrhundert  vereinzelt  „Richter"  für  Schöffen  gebraucht 
wird'). 

Seit  dem  10.  Jahrhundert  kommen  in  bairischen  Gerichts- 
briefen für  Schöffen  die  Bezeichnungen  scabinus,  scabineus,  sca- 
binio,  Scheffe,  arbiter,  causidicus  vor*).  Gegen  Ende  dieses 
Jahrhunderts  scheint  das  Schöffeninstitut  bei  den  Baiem,  wenn 
auch  nicht  allgemein  durchgedrungen^),  in  Aufnahme  gekommen 
zu  sein,  denn  in  den  Gesetzen  des  Ranshofener  Landtags  ^)  ge- 
schieht in  den  Strafbestimmungen  gegen  Gerichtsbeamte  auch 
der  scabini  Erwähnung^). 


Judex  im  bairischen  Yolksrechte  (ibid.  I,  S.  144  f.)  hervor.  Die  von  Letzterem 
lelbft  angeföhrte ürkmide  von 825:  dijadicayerant populi  et  Scabini  con- 
Btituti  (Meichelbeck,  Hist  Frising.  I  n.  487)  bezeagt  schon  diese 
Einföhrong. 

1)  Biezler,  Über  die  Bedeutong  des  Wortes  judex  in  Baiem  (For- 
ichongen  zur  deutschen  Geschichte  AVUl,  S.  526  1)  weist  auf  das  Vorkom- 
men einer  Mehrzahl  von  judices  in  einer  Gerichtssitzung  hin,  z.  B.  7  (829 
bei  Hundt,  Urkunden  des  Bistums  Freising  n.  14) 

2)  Sohm  S.  383  weist  darauf  hin,  dafi  in  Südfirankreich  judices  die 
flehende  Bezeichnung  für  Scabinen  ist 

3)  I.  B.  1333  —  do  firagt  ich  die  richter,  die  ertailten  auf  ir  ajde 
(IL  B.  XVn,  p.  309,  312). 

4)  Bie  zier  a.  a.  0.  -(auch  Merkel  S.  145)  mit  vielen  Belegen,  z.  B. 
om  1180  sententia  scabinorum  in  placito  legitime  in  Beichenhall  (Qu.  u.  Er. 
I,  S.  320) ;  gegen  1180  nobiles  viri,  shefen  seilicet  et  dinclute  audientibus 
liii^  qui  dicuntur  skeffen  et  alÜB  iudidalibus  et  questoribus  et  censoribus 
Tills  (Drei  bayerische  Traditionsbücher  S.  3,  25);  1131  judices  illius  comitatus, 
qid  Tulgo  scepphhen  vocantur  (M.  B.  "XTTT,  p.  61). 

5)KSehr0der,  Lehrbuch  der  deutschen  Bechtsgeschichte.  Leipzig  1887. 
S.  168  £;  ebenso  Brunn  er.  Die  Herkunft  der  Schöffen  (Mitteilungen  des 
losütuts  für  österreichische  Geschichtsforschung  1887.  Bd.  VUI,  S.  185,  187), 
welcher  glaubt,  dafi  das  SchOffeninstitut  wahrscheinlich  nur  im  Bereiche  der 
minatischen  Gerichtsgowalt  zur  Herrschaft  gelangt  sei 

6)  Wahrscheinlich  unter  Herzog  Heinrich  IL  zwischen  985  —  995 
(Riezler,  (beschichte  Baiems,  I,  S.  374). 

7)  c  Si  scabinus  fecerit;  c  6.  quando  vero  dux  comites  aut  scabinos 
ia^etieiit  (M.  G.  L.  XU,  p.  484  £). 

6» 


—    68    — 

Erscheint  nach  diesen  Zeugnissen  auch  die  Ansicht  Oi  daB 
das  Schöffeninstitut  in  Baiem  gar  nicht  Wurzel  gefaßt  habe, 
nicht  haltbar,  so  ist  doch  zuzugeben,  daß  dasselbe  schon  im 
Laufe  des  13.  Jahrhunderts  wieder  im  Absterben  begriffen  war '). 
Zwar  möchte  ich  hierfür  nicht  den  Gegensatz  anführen  zwischen 
dem  Schwabenspiegel  ^),  der  sein  beschränkendes  „swa  schephen 
sind^'  setzt,  da  wo  das  sächsische  Rechtsbuch,  sein  Vorbild,  unbe- 
dingt von  Schöffen  spricht^),  vielmehr  möchte  ich  in  den  Be- 
stimmungen der  bairischen  Landfrieden  von  1244  und  1255  ein 
Spiegelbild  dieses  Auflösungsprozesses  erblicken.  In  dem  „De 
schepfen"  überschriebenen  Art.  70^)  des  letzteren  heißt  es: 
In  swelher  graÜBchaft  gebrest  ist  der  schepfen,  da  sol  der  graf 
oder  ribter  vier  der  eltisten  und  der  beschaidensten  nemen  und 
suln  di  erziugen  umb  eigen  und  umb  ander  dinch  an  der 
schepfen  stat,  an  daz  dem  man  an  den  lip  get,  daz  sullen  die 
Schergen  sagen.  Die  vier  suln  auch  warten,  daz  der  rihter  an 
dem  gerihte  iht  sitze  an  den  fridbrif,  und  swen  der  graf  oder 
rihter  dazu  erweit,  wil  er  sin  niht  tuon,  so  sol  er  dem  herzogen 
20  pfunt  geben. 

Allmählich  war  der  Schöffenstand  ^)  auf  bairischem  Boden 
ganz  verschwunden,  denn  die  späteren  Landfrieden  haben  diesen 
Artikel  nicht  übernommen,  von  Schöffen  ist  in  bairischen  Rechts- 
denkmälem  seit  Mitte  des  13.  Jahrhunderts  nicht  mehr  die  Rede. 

Seit  der  PubUkation  der  Gesetzgebung  K.  Ludwigs  ist  deren 
Geltungsgebiet  scharf  von  Niederbaiem  und  der  Oberpfalz  zu 


1)  Merkel  S.  146. 

2)  Brunner,  Schöffen,  S.  185  £ 

3)  Darauf  legt  Gewicht  Lnschin  a  136. 

4)  Schwahenapiegel  (Gengier)  c  162 ;  124 ;  237  §  2.  Saehsenfpiegel  II, 
22§2;III,69§  1,2.  Dieser  einschränkende  Zusatz  des  Schwabeiupiegels 
steht  im  Einklang  mit  den  thatsächlichen  Zustanden. 

5)  Qu.  n.  Er.  Y,  S.  151.  —  Die  Vorlage  (Landfrieden  1244  a.  91  ib.  &  91) 
lautet:  In  qnalihet  cometia,  uhi  deffectus  fuerit  liherorum,  qni  dicuntor 
schepfen,  eligantor  quatuor  meliores  et  discretiores  a  indice  Tel  comite,  qni 
loco  schepfen  .  . 

6)  Die  homines  judiciariae  dignitatis,  welche  Merkel  S.  144  und  Ba- 
seler S.  256  aus  Amoldus  de  S.  Emmerammo  in  einem  Bechtntrdte  det 
11.  Jahrhunderts  anfahren,  lassen  auf  die  Aushildung  eines  SchöffenstandM 
schließen.  Oh  derselbe  erblich,  oh  er  sich  mit  dem  Stammgate  Tererbtei, 
lä&t  sich  beim  Mangel  aller  quellenmäßigen  Anhaltspunkte  nicht  entteheidflB. 


—    69    — 

scheiden.  Hier  blieb  nach  wie  vor  jener  Dualismus  der  alt- 
deutschen Gerichtsverfassung  in  Kraft,  wonach  dem  Richter 
Vorsitz  und  Leitung  der  Verhandlung  gebührte,  die  ürteils- 
f&llung  aber  der  Gerichtsgemeinde  0  resp.  einem  Ausschusse 
derselben,  den  Schöffen  zustand.  Der  Richter  war  nur  ein 
„Frager  des  Rechts"  *).  „Da  fragt  ich  Richter  was  nun  Recht 
war*',  ist  die  in  Gerichtbriefen  nicht  nur  in  Bezug  auf  das  End- 
urteil, sondern  auch  bei  andern  Parteianträgen  wiederkehrende 
Formel,  welcher  noch  folgende  sich  oft  wiederholende  Wendungen 
entsprechen:  „Da  gab  Folge,  Frage  und  das  Recht"*),  „da 
sagt  Frag  mit  Urteil"*),  da  sagt  ihm  Frag,  Urteil  und  Recht  '^), 
„da  gab  das  Recht  an  offner  Schranne  mit  voller  Urteil"  ^),  „an  der 
Schrannen  und  an  den  Rechten  sind  gesessen  .  . .,  die  darüber 
verfolgt  und  erteilt  haben '')",  „da  erteilten  die  Vorsprechen  und 
die  Biederleute,  die  des  Tags  an  der  Schrannen  saßen  bei  ihrem 
starken  Eide"**),  „da  ward  mit  dem  Rechten  erteilt®),  daran 
sind  gesessen  und  haben  auf  ihren  Eid  Recht  gesprochen  und 
verfolgt"*«). 

In  noch  mannigfacher  Variation  erscheinen  in  den  Gerichts- 
briefen die  Wendungen,  welche  die  Antwort  der  Urteilsfinder 
auf  die  Frage  des  Richters  um  das  Recht  in  concreto  einleiten. 


1)  Siehe  S.  67  A.  4  shefen  et  dinclute;  skeffen  et  aliis  iadicialibus. 

2)  M.  B.  n,  p.  240. 

3)  1378  (It  B.  V,  p.  266),  1414  (M.  B.  H  p.  67),  1412  (M.  B.  XXI,  p.  455); 
1404—87  (Oberbayer.  Arcbir  des  histor.  Vereins  XXIV,  S.  157,  175, 186,  196, 
199;  XXV,  8.  142),  als  rolg  und  frag  seit  1331.  M.  XXII.  p  274  da  erteüt 
Folg,  Frag,  Urteü  und  das  Recht  1417.    M.  XXVI,  p.  340. 

4)  1293,  1307,  1343,  1360,  1388,  1397  (M.  B.  m,  p.  196,  353;  XXVI, 
p.  129, 169,  229, 251.  Mit  volg  und  mit  urteü  und  mit  dem  rechten  1312  (XVII, 
p.  312),  darnach  fragt  ich  an  die  schrannen  was  recht  war,  da  ward  ertailt 
und  gab  auch  yolg,  frag,  urtaü  und  recht  M.  B.  XXVI,  p.  377  (1424),  da 
fragt  ich  an  daz  geding,  was  recht  war,  da  gab  frag,  yolg  und  das  recht  M. 
R  XXI,  p.  461  (1416). 

5)  z.  B.  M.  B.  Xn,  p.  204  (1383). 

6)  M.  B.  XXI,  p.  118  (1442). 

7)  ».  B.  M  B.  XXI,  p.  455  (1412). 

8)  M.  B.  XI,  p.  407  (1377). 

9)  M.  B.  Vn,  p.  405  (1329). 

10)  M.  6.  XXI,  p.  546  (1467);  daz  ez  volg  und  vrag  sagt  an  di  eltisten 
ond  an  di  pesten,  daz  di  darumb  sagen  solton  und  di  sagten  auf  irem  ait 
M.  B.  XXVI,  p.  156  (1355). 


—    70    — 

Nuu  erhebt  sich  noch  die  Frage:  Welche  Gerichtsinsassen 
waren  eigentlich  berechtigt  und  verpflichtet,  an  der  Urteils- 
findung  teilzunehmen?  Nach  dem  Inhalte  der  Gerichtsbriefe*) 
ist  eine  Dingpflicht  aller  Gerichtsinsassen ')  nicht  anzunehmen. 
Alle  zufällig  erschienenen  Mitglieder  der  Gerichtsgemeinde  be- 
teiligten sich  aber  an  der  Fällung  des  Urteils,  regelmäßig  be- 
schränkte sich  diese  Teilnahme  wohl  auf  die  Zustimmung  zum 
Urteilsvorschlage  der  Vorsprecher,  welche  für  jede  Verhandlung 
aus  dem  Kreise  der  Urteiler  vom  Richter  besonders  ernannt 
wurden  *). 

Diese  Vorsprecher  des  Hechtens  dürfen  nicht  mit  den 
eigentlichen  Versprechern,  den  Anwälten  verwechselt  werden, 
sie  sind  nur  Urteilsvorschlager.  „Des  Rechtens  sind  Vorsprecher 
gewesen"  ist  die  stereotyp  wiederkehrende  Wendung,  welche 
ihren  Namen  in  den  Gerichtsbriefen  vorgesetzt  ist*).  Die  Zahl 
der  in  einer  Gerichtsverhandlung  anwesenden  Urteilsfinder*) 
war  keine  bestimmte ,  sondern  sehr  schwankend  •).  Nur  die 
Namen  der  angesehensten  Urteilsfinder  werden  in  den  Gerichts- 
briefen aufgeführt  und  dann  hinzugefügt  „und  andere  ehrbare 
Leute  genug"  oder  „ein   michel  Teil  ehrbarer  Leute  genug", 


1)  Vgl  y.  dPfordten,  Stadien  zu  E.  Ladwigs  oberbayerischem  Stadt- 
und  Landrechte.  Manchen  1875.  S.  303  £ 

2)  Aach  die  LO.  1474  spricht  von  den  Landsassen,  so  nngeffthr- 
lich  zu  der  Schrannen  kommen  (Erenner  YU,  S.  480). 

3)  „Da  fragt  ich  den  Ä.,  was  ihm  recht  d&ncht,  der  erteilt  auf  seinen 
Eid.    Der  wird  verfolgt  anf  der  Schranne,  M.  XI,  p.  411  (1382). 

4)  1—5  Vorsprecher  kommen  vor:  1  (1382  M.  fi.  XI,  p.  411;  1420-63 
Oberbayerisches  Archiv  XXIV,  S.  186  ff);  2  (1414,  1442  M.  B.  II,  p.  67;  XXI, 
p.  118);  3  (1436  M.  fi.  VI,  p.  451);  4  (1435  Oberbayerisches  Archiv  XXIV, 
S.  244);  5  (1467  M.  B.  XXI,  p.  546). 

5)  Sie  werden  anch  urteiler  genannt,  z.  B.  1377  (M.  B.  XI,  p.  407).  Des 
Rechtens  sind  Vorsprecher  mid  Urteiler  gewesen  5,  9,  10,  14^  17,  18,  20,  25 
and  andere  ehrbare  Leute  genug. 

6)  E.  B.  des  Rechtens  Vorsprechor  2,  bei  der  Schrannen  sind  gesetsen  9 
(Namen)  and  andere  ehrbare  Leute  genug,  3  Vorsprecher,  9  an  der  Schnume, 
8  and  ein  michel  Teil  ehrbarer  Leute  genug ;  bei  dem  Rechten  und  an  der  Schraaoe 
sind  gesessen  7  und  sonst  Biederleuto  genug,  M.  B.  II,  p.  67  (1414),  VI, 
p.  451  (1436),  XI,  p.  411  (1382);  21,  XXI,  p.  474  (1425);  17  und  andere  ehr^ 
bare  Leute  genug  X,  p.  305  (1455) ;  7  und  andere  ehrbare  Lente  genug  XXI, 
p.  118  (1442).  Da  firagt  ich  an  die  Vorsprecher  und  an  das  erbar  Gedinge 
was  darüber  recht  wftre;  die  ertailtcn  cinträchtiglich  auf  ihren  Eid.  1416^ 
1467  (M.  B.  XXI,  p.  459,  546). 


—    71    — 

u.  dgl.*),  die  es  außer  Zweifel  stellen,  daß  alle  Gerichtsanwesende 
als  Urteiler  fungierten.  Dies  ging  um  so  leichter,  als  es 
selten  vorgekommen  sein  dürfte,  daß  dem  Urteilsvorschlage  der 
Vorsprecher  die  Zustinmiung  der  Menge  versagt  worden  wäre. 

An  der  Nennung  einzelner  Urteilsfinder*)  hielt  man  aber 
fest  wegen  des  Gerichtszeugnisses,  „denn  ursprünglich  war  die 
Wirkung  des  Gerichtsbriefs  nur  die  eines  Unterstützungsmittels 
für  das  künftig  etwa  begehrte  persönlich-mündliche  Zeugnis  der 
Gerichtspersonen" »). 

Daß  eine  Vereidigung  der  Urteilsfinder  stattfand,  ergiebt 
sich  aus  der  häufig  wiederkehrenden  Wendung,  daß  diese  auf 
ihren  Eid  erteilten. 

An  der  Begrenzung  der  Zahl  der  Urteiler  und  an  ihrer 
Ernennung  durch  den  Bichter^)  setzte  die  Beform  an,  welche 
den  Beschwerden  der  niederbairischen  Landstände  ^)  über  die 
mangelhafte  Besetzung  der  Landschrannen  Abhülfe  schafifen 
soDte.  Der  herzogliche  Vorschlag  der  Erwählung  von  24  Ur- 
teilem,  die  allein  Becht  sprechen  sollten,  also  das  karolingische 
Schöfifengericht  in  vergrößertem  Maßstab  wieder  aufleben  zu 
lassen,  fand  nicht  den  Beifall  der  ständischen  Verordneten, 
welche  beantragten,  die  Maximalzahl  der  Bechtsprecher  auf 
41  Gerichtsinsassen  zu  bemessen,  die  aus  den  ungefähr  zu  den 


1)  Siehe  S.  70  Anmerkung  6. 

2)  Diese  Sitte  knüpft  auch  an  an  die  Übung,  Zeugen  im  Gerichtsbriefe 
ZQ  nennen,  z.  B.  und  dafs  der  Red  also  seit^  des  sind  Zeug  2  und  ander 
erbarig  Zeug  genug,  M.  III,  p.  196  (1307);  defisen  sind  Zeugen  20  und 
mehr  Biederleut,  die  des  Tags  an  dem  Rechten  gesessen  sind  und  darum 
erteüt  und  yerfolgt  haben,  M.  n,  p.  245  (1438). 

3)  Planck,  Deutsches  Gerichtsyer&hren  im  M.  A.  n,  S.  198. 

4)  1437  hatte  bereits  die  Straubinger  Landschaft  Klage  geftlhrt  über  die 
Gebrechen  der  Gerichte  und  über  die  grofie  Schädigung,  welche  die  üntor- 
thanen  dadurch  erführen,  da6  die  Gerichte  mit  Urteilem,  Vorsprechem  und 
aoderm  Personal  nicht  ordentlich  besetzt  seien,  um  dem  abzuhelfen,  bean- 
tragten sie,  damit  jeder  Mann  zu  seinen  Rechten  gleich  konmien  möchte,  dafi 
die  herzoglichen  Rftte  Gericht  und  Schrannen  mit  ehrbaren  Urteilem  besetzen 
loUten,  „die  dazu  gut  und  tauglich  wären  und  allwegen  zu  der  Schrannen 
kirnen  und  deren  warteten,  und  das  wären  solche  Leute,  die  zu  derselben 
Schrannen  gehörten,  und  welche  man  also  dazu  fordert»  dafi  sie  dessen  willig 
wiren**.  Sie  sollten  Entschädigung  für  die  Zehrung  erhalten  (Erenner  II, 
a  75  £,  89). 

5)  Krenner  VE,  &,  27L 


—    72    — 

Schraimen  kommenden  Gerichtsangehörigen  vom  Richter  erwählt 
würden.  Nur  diese,  so  also  niedergesetzt,  nicht  aber  die  so 
auswendig  an  den  Schrannen  oder  dem  Ring  stünden,  dürften 
zu  Recht  gefragt  werden*);  auch  sollten  die  Richter  durch 
ihren  Amtseid  verpflichtet  werden,  nur  die  Treflflichsten  und 
Vernünftigsten  unter  den  Anwesenden  zu  ernennen,  bei  der 
Auswahl  also  nicht  dolos  zu  verfahren*). 

Diese  Vorschläge  fanden  gesetzliche  Anerkennung  in  der 
Landesordnung  1474.  Diese  setzte  nur  noch  die  Minimalgrenze 
auf  15  fest :  auch  sollte  der  Richter  1 — 3  Edelleute  oder  Bürger, 
die  zufiällig  an  der  Schranne  anwesend  wären,  in  den  Kreis  der 
Rechtsprecher  aufnehmen,  falls  diese  nicht  parteiisch  oder  von 
einer  Partei  geworben  wären').  Diese  Modifikation,  welche 
wohl  nebenbei  bezweckte,  das  inteihgente  Element  auf  der 
Gerichtsbank  zu  verstärken,  sobald  sich  hierzu  Gelegenheit 
bieten  würde,  war  doch  wieder  durch  den  Sondergeist  der 
Stände  hervorgerufen,  welche  nicht  wollten,  daß  ein  einfacher 
Richter  ihre  zufällig  anwesenden  Genossen  von  der  Urteils- 
findung  ausschlösse.  Allerdings  ihr  Streben  *),  ihren  Genossen 
die  Möglichkeit  zu  bieten,  unabhängig  vom  richterlichen  Befehl, 
wenn  es  ihnen  gefiele,  sich  an  der  Urteilsfindung  beteiligen  zu 
können,  fand  nicht  die  Billigung  des  Herzogs.  Dieser  hielt  in 
der  Landesordnung  daran  fest,  daß  ein  Urteil  nur  von  den  vom 
Richter  ernannten  Urteilsfindem  und  sonst  von  Niemand  gefällt 

1)  Erenner  YII,  S.  808,  422  £ 

2)  Des  Henogs  Vorschlag  ging  dahin,  24  Rechtsprecher  zu  erwihlen. 
Eine  solche  Ernennung  bestimmter  SchOifen  fand  aber  nicht  den  Beifidl  der 
Landschaft,  welcher  es  besser  dflnkte,  wenn  von  den  ungefähr  zur  Schranne 
Kommenden  jedes  Mal  durch  den  Richter '41  oder  weniger  für  die  betreffende 
Gerichtssitzung  als  Urteiler  besteUt  würden  (ibid.  S.  308\ 

3)  „Zu  erst  so  wollen  wir,  dafs  ein  jeder  unser  Pfleger  oder  Richter  die 
ehrbaresten  Landsefsen  und  Landsiedler,  so  ungefährlich  zu  der  Schrannen 
kommen,  auf  das  meiste  41  Personen,  in  das  Landgericht  gehörend  zu  Ür- 
thcilem  und  Rechtsprechem  niedersetze  und  keine  Qef&hrlichkeit  darinn  halte. 
Und  ob  nicht  so  viel  Landsefsen  und  Landsiedler  zu  der  Schrannen  kommen, 
so  sollen  doch  derselben  zum  mindesten  15  und  nicht  minder  seyn.  Die- 
selben, soviel  ihrer  sind,  sollen,  sobald  sie  also  niedergesetzt  werden,  um  das 
für  sie  in  Recht  gebracht  wird,  Recht  sprechen**  (Krenner  VII,  S.  480). 

4)  Ihr  Antrag  ging  nämlich  dahin:  „die  (Edelleute  oder  Bfirger)  bitten 
noch  Macht  außerhalb  des  Landrichters  Goschäfft  und  Heiffen  niedenoritieii 
und  Urtheil  zu  sprechen**  (Krenner  VII,  S.  423). 


—    73    — 

werden  dürfe.  Mit  solcher  Entschiedenheit  verfolgte  man  diese 
Tendenz,  einen  vom  Richter  nicht  Ernannten  von  der  Urteils- 
findung  auszuschließen,  daß  man  sogar  den  Schiedsspruch  für 
unzulässig  erklärte :  „Und  ...  so  wollen  wir  . . . ,  daß  das  Über- 
leuten so  etwa  lange  Zeit  beschehen  ist  ganz  ab  seyn,  und 
füran  nicht  mehr  gebraucht,  noch  zu  gebrauchen  gestattet  werde. 
Es  soll  auch  niemand  anders  Macht  haben  an  einem  jeden 
Landgericht  oder  Gericht  Ürtheil  und  Recht  zu  sprechen, 
dann  die,  so  wie  vorsteht,  Recht  zu  sprechen  niedergesetzt 
werden"  * ). 

Über  den  Hergang  bei  der  Urteilsfindung  gibt  ein  Land- 
gebot H.  Georgs  von  1491  *)  Auskunft.  Nach  demselben  kann 
der  um  das  Urteil  vom  Richter  gefragte  ürteilsfinder,  sobald  er 
mit  seiner  Meinung  über  den  Rechtsfall  nicht  fertig  ist,  sich 
mit  seinen  Kollegen*)  unterreden,  „damit  die  ürteilsprecher 
einander  frei  erinnern  mögen,  wie  ein  jeglicher  der  Parteien 
Fürbringen  gemerkt  habe,  und  darauf  ein  göttlich  gerecht  und 
förmlich  Urteil,  Rede  und  Widerrede  gemäß  zu  schöpfen  und 
zu  geben  wisse".  War  der  Rechtsfall  derart  gelagert,  daß  eine 
längere  Bedenkfrist  geboten  erschien,  so  durfte  die  Urteils- 
fallung  bis  zum  nächsten  Gerichtstermin  vertagt  werden  *),  da- 
mit in  der  Zwischenzeit  ein  Gutachten  Rechtsverständiger  er- 
holt werden  konnte  —  „in  Meinung  dazwischen  in  derselben 
Sache  des  Urteiles  von  den  Verständigen  der  Rechten  und  löb- 
lichen hergebrachten  Gebrauches  und  Gewohnheit  Rates  zu 
pflegen.  Denn  viel  besser  ist  eine  ziemliche  Zeit  des  Urteiles 
halben  Geduld  zu  haben,  denn  ungöttlich,  unrechtlich,  falsch 
und  unförmlich  Urteil  zu  sprechen,  dardurch  die  Partheycn 
wider  Gott  und  Recht  beschwert  werden,  und  die  Urteiler  ihr 


1)  Krenner  YII,  S.  481.  Sollte  doch  in  VergeBsenheit  oder  in  anderm 
Wege  ein  Schiedsspruch  geföUt  worden  sein,  so  entbehrt  derselbe  jeder 
rechtlichen  Wirkung. 

2)  Krenner  XII,  S.  339. 

3)  Nur  Richter  und  Gerichtsschreiber,  nicht  aber  Fürsprecher  der  Partei 
duften  bei  dieser  Beratung  zugegen  sein. 

4)  „Und  ob  zu  Zeiten  an  den  Sachen  der  Rechtfertigung  so  merkliches 
gelegen,  daß  Nothdorft  wäre  einen  l&ngem  Bedacht  der  Urtheile  zn  haben, 
dag  soll  ihnen  anch  bis  zum  nächsten  Gericht  angef&hrlich  zugelassen 
werden**  .  . 


—    74    — 

Gewissen  durch  ihr  ünwissen  vermailigen  ^);  daraus  ihnen  dann 
von  Gott  dem  Allmächtigen  Plage  und  Verdammniß  ihrer  Seele 
folgen  möchte". 

Hier  wird  also  zum  ersten  Male  eine  gesetzliche  Ermädi- 
tigiing  für  ein  Volksgericht  ausgesprochen,  sich  für  die  von  ihm 
zu  fällenden  Urteile  des  Gutachtens  der  Rechtsverständigen  zu 
bedienen.  Hierbei  hatte  man  wohl  hauptsächlich  die  Lehrer 
,  des  Hechts ')  an  der  jungen  Ingolstadter  Landesuniversit&t  im 
;  Auge.  Damit  war  ein  Zugang  eröfihet,  auf  welchem  die  fremden 
Rechte  in  die  bairische  Rechtssprechung  eindringen  konnten. 

Die  Gerichtsordnung  1520  (t  VHI  a.  5)  gestattete  dann 
den  Parteien  nach  Beschließung  der  Sache,  insbesondere  aber 
vor  den  Hofgerichten  schriftliche  Ratschläge  von  bewährten 
Doctoren  oder  andern  Schriften,  darin  die  Recht  angezeigt 
werden,  den  Richtern  zu  einer  Unterricht  (damit  sie  desto  ge- 
wisser und  rechtmäßiger  Urtel  schöpfen  und  Recht  sprechen 
mögen)  zu  überantworten.  Daß  auch  auf  solchem  Umwege 
dem  fremden  Rechte,  für  welches  die  Gesetzgebung  Baiems 
im  16.  Jahrhundert  die  Bahn  erschlossen  hatte,  ein  immer 
weiteres  Gebiet  der  Anwendung  eröfihet  wurde,  liegt  auf  der 
Hand. 

Ganz  anders  dagegen  vollzog  sich  die  Entwicklung  in 
(Ibcrbaiem.  In  Folge  der  Publikation  des  Landrechts  •)  wurde 
das  Recht  jetzt  nicht  melu*  gefunden  durch  die  an  der  Schranne 
Anwesenden;  ^icht  an  sie  wandte  sich  künftig  der  Richter  mit 
der  Frage,  was  Recht  wäre,  sondern  aus  dem  Gesetze  suchte 
or  den  Inhalt  des  Urteils  zu  gewinnen,  das  er  selbst  fällte  nach 
des  Buchs  Sage  ^).    Fortan  bestand  also  ein  Gegensatz  zwischen 

1)  beschädigen,  bemakehi  (Schmoller  -  Frommann,  Bayeriichei 
Wörterbuch,  2.  Anfl.,  I,  S.  1586). 

2)  Unter  diesen  be&nden  sich  gleich  bei  der  Grflndong  neben  Canonisten 
auch  liomanisten  (Prantl,  Geschichte  der  Ludwig- Maximilian -üniyerntit 
in  Ingolstadt,  Landshut,  Manchen.  1872.  I,  S.  33  £). 

3)  Das  alte  Landrecht  wurde  wahrscheinlich  1336,  das  nene  (yerbeiserte) 
1346,  das  Stadtrecht  1334  pablidert  nach  den  Untersnchongen  y.  d.  Pf  o  r  d  te n's 
S.  0,  282  ff 

4)  Li  der  Vorrede  zum  Landrechte  wurde  den  Richtern  und  Amtleateii 
geboten,  daz  si  die  selben  recht  also  behalten  pey  irem  ajde  .  .  .  und  dai 
si  darnach  von  wort  ze  wort,  von  stak  lo  stak  armen  and  reicheii  vng^ 
vaerlich  richten  sullen. 


—    75    — 

„dem  Richten  nach  Urteil*'  ^)  und  „dem  Richten  nach  Inhaltung 
des  Buchs"  *).  Doch  saß  auch  in  Oberbaiern  der  Richter  nicht 
etwa  allein  mit  dem  Gerichtsschreiber  an  der  Schranne  ^),  son- 
dern auch  jetzt  hatte  er  noch  Gerichtsinsassen  als  Beisitzer  bei 
sich.  Diese  fungierten  in  den  Fällen,  wo  der  Richter  nach  dem 
Buche  entscheiden  konnte  und  bei  Auflassungen  von  Grund- 
stücken nur  als  Zeugen  des  Rechtes^)  und  werden  als  solche 
in  den  Gerichtsbriefen  aufgeführt.  Diese  (gewöhnlich  5)  Bei- 
sitzer fungieren  auch  da,  wo  der  Richter  in  der  Hauptsache 
allein  entscheidet,  über  eine  Frage,  nämlich  über  die,  ob  dem 
Parteiantrag  auf  Erteilung  des  Gerichtsbriefs  stattzugeben  sei  *). 

Ganz  wie  vor  der  Publikation  des  Landrechts  fanden  aber 
die  Beisitzer  und  nicht  der  Richter  das  Urteil  in  denjenigen 
Fällen,  in  welchen  das  Buch  keine  Bestimmung  darbot,  welche 
der  Entscheidung  zu  Grunde  gelegt  werden  konnte. 

Allerdings  war  dies  nicht  ausdrücklich  im  Gesetz  ausge- 
sprochen und  der  Vorschlag,  wie  er  in  dem  Entwurf  zum  revi- 
dierten Landrecht  zum  Ausdruck  kam,  dies  zu  statuieren  ^),  fand 


1)  So  in  dem  Batschlag  der  Bäte  und  der  Landschaft  1444  (Erenner 
I,  S.  165). 

2)  1393  gehietet  Herzog  Johann  dem  Abt  zu  Scheiem,  betonend,  dafi  in 
seinem  Kloster  „das  Becht  bisher  mit  der  Frag  beschehen  und  nicht  nach 
insenn  Bechtpach^,  künftig  „nach  unsers  Fachs  Sag**  den  Elosterlenten  das 
Becht  zn  thmi  (M.  B.  X,  p.  525). 

3)  über  die  bei  diesem  Verfahren  in  Betracht  kommenden  Detail£ragen 
Tenreise  ich  auf  die  lichtrollen  Untersuchungen  v.  d.  Pfordten's  S.  307  ff. 

4)  „Des  Bechtens  Gezeugt  (M.  B.  IX,  p.  184;  X,  p.  153).  v.  d.  Pfor dten 
iteüt  S.  310  £  die  Gerichtsbriefe  zusammen,  in  welchen  der  Bichter  aUein 
handelt^  aber  die  Beisitzer  erwfthnt  („Bei  den  Bechten  waren  .  .  .  und  ander 
erber  Leut  genug**).  Daselbst  S.  309  Zusammenstellung  der  Gerichtsbriefe, 
a  welchen  nur  des  Bichters,   nicht  aber  der  Beisitzer  Erwähnung  geschieht 

5)  Dies  war  erforderlich  dann,  wenn  der  der  Entscheidung  zu  Grunde 
liegende  Landrechtsartikel  keine  Bestimmung  über  die  Erteilung  des  Go- 
richtsbriefs  enthielt  Vgl  v.  d.  Pfordton  S.  309,  daselbst  S.  311  t  sind 
die  einschlägigen  Gerichtsbriefe  aufgezählt 

6)  Die  Efferdinger Handschrift  des  Landrechts,  welche  v.  d.  Pfordten 
8.  206  ff.  aus  gewichtigen  Gründen  nur  für  einen  Entwurf  des  Landrochts 
Tön  1346  hält  hat  folgenden  a.  197:  „ümb  die  fünf!  Waz  für  reht  kumpt 
diz  das  puech  niht  hat»  da  sol  der  rihter  an  der  schrannen  fünf  nemen  die 
Pesten  die  da  sein  dez  tagez  und  die  sullen  also  stiUe  sitzen  und  sullen  sich 
dar  um  niht  besprechen  und  sol  si  der  rihter  fragen  auf  ir  ajd  waz  si  reht 
daran  dnnch  nach  enz  anchig  und  enz  wider  antwort    Und  werdent  die  fünf 


—    76    — 

nicht  des  Kcaiscrs  Billigung  und  fehlt  so  im  Landrechte  von 
1346^).  Doch  läßt  sich  eine  konstante  Praxis  in  dieser  Rich- 
tung nachweisen.  Dieselbe  wurde  zuerst  von  den  Münchner 
Herzogen  Ernst  und  Wilhelm  1409  *)  und  später  durch  Ludwig 
den  Bärtigen  von  Ingolstadt  in  einer  Verordnung  ausdrücklich 
anerkannt.  Wir  wellen,  sagt  K.  Ludwig  *),  daz  chain  unser  richter 
wo  der  zu  recht  sitzet  nicht  urtailen  süU,  er  sol  ain  verhörer 
sein  des  rechtens  und  waz  daz  puoch  nicht  enhat  oder  zwen 
artickel  mit  ainander  chriegen  darumb  sol  der  richter  fünf  ge- 
sworen  und  geleumter  man  an  der  schrannen  dargeben  die 
mit  den  Sachen  unverwout  sein,  die  daz  auf  ir  aide  ent- 
scheiden. 

Die  Frage,  ob  das  Gesetz  eine  für  den  Rechtsstreit  ge- 
eignete Bestimmung  enthielte,  oder  ob  durch  die  Beisitzer  das 
Urteil  zu  finden  sei,  war  durch  den  Richter  zu  entscheiden« 
Waren  die  Beisitzer  mit  dieser  Entscheidung  nicht  einverstan- 
den, so  war  diese  Streitfrage  nur  durch  Erkenntnis  des  Hof- 
gerichts zu  schlichten*). 


en  ayn  mit  ir  nrtailn  da  mit  hat  der  bohabt  dem  daz  rcht  geveUet  so  sol 
der  rihter  haben  ein  laorz  pucch  und  sol  an  daz  selbe  bnech  haizzen  schreiben 
die  ansprach  und  die  antwort  und  waz  dar  aber  ertailt  sei**  (Bockinge r, 
Ober  die  Handschrift  von  K.  Ludwigs  altem  oberbaier.  Landr.  zu  Efferding^  in 
Sitzongsber.  d.  bist  KL  d.  bair.Ak.  1873.  S.  426;  vgL  noch  v.  dPfordten 
S.  322  f.,  dafi  dieser  Artikel  [als  Anhangsartikel  451]  mit  Unrecht  von  A  n  e  r 
als  dem  MOnchner  Stadtrecht  angehorig  bezeichnet  wurde). 

1)  V.  d.  Pfordten   S.  208   vermutet,    daß  der   Vorschlag   abgelehnt 
,  worden,  weil  er  das  Rechtfinden  an  der  Schranne  wenigstens  furmeU  mit  dem 

landesherrlichen  Gesetze  gleichgesteUt  und  so  gleichsam  den  Richtern  und 
i  (leschworenen  gesetzgebende  (jewalt  einzuräumen  scheine. 

!  2)  In  einer  Entscheidung  einer  Streitigkeit  des  Abts  zu  Ettal  heifit  es» 

i  daG  der  Richter  des  Klosters  „wes  aber  das  Buch  nicht  biet*'  an  der  Land- 

I  schrannen  5  oder  7  der  Besten  niedersetzen  und  auf  ihren  Eiden  fragen  loD. 

Was  die  oder  die  Mehrheit  derselben  erkennen  würde,  dabei  sollte  es  bleiboi 
(M.  B.  VII,  p.  269). 

3)  V.  d.Pfordten  S.  324,  der  auf  Variationen  dieses  Textes  in  sp&tereo 
Handschriften  hinweist 

4)  Ein  interessantes  Beispiel  eines  solchen  negativen  KompetenikonfliktMi 
zwischen  Richter  und  Beisitzer  teilt  aus  einem  Codex  des  MOnchner  Stadt- 
archivs mit  V.  d.  Pfordten  S.  326.  Des  Kämmerers  Ansicht,  „das  ich  der 
urtail  nit  schuldig  pin  ze  geben  wan  ir  seytt  ain  richter  und  habt  gesworn 
zu  dem  puech  und  ir  solt  richten  nach  des  pucchs  sag  und  nicht  nach  andern 
Worten**  fand  die  Billigong  der  übrigen  StadtgerichtsbeintKer.    Das  Hofgeikht 


—    77    — 

Auch  nach  der  Vereinigung  Baierns  blieb  der  Dualismus 
der  richterlichen  Entscheidung  nach  des  Buchs  Sage  und  der 
Findung  des  Urteils  durch  die  anwesenden  Gerichtsinsassen  in 
Kraft.  Die  Gerichtsordnung  1520  (t.  I  a.  2)  formulierte  den 
Amtseid  anders  für  den  Richter,  „der  nit  Beysitzer,  Recht- 
sprecher oder  urtayller  bey  im  hat  und  allain  urtü  spricht,  wie 
dann  in  Obern  Baymlannd  an  vil  ortten  der  brauch  ist",  und 
wieder  anders  für  den  Richter,  welcher  allein  der  Urteil  an- 
fragt, aber  Beisitzer,  Rechtsprecher  und  Urteiler  bei  sich  hat. 
Für  das  Rechtsgebiet,  in  welchem  die  Institution  der  Urteiler 
weiter  bestand  (wie  dann  der  ennden  allda  das  Lanndtpuech 
nit  liegt  der  geprauch  ist),  wurde  deren  Zahl  auf  13  in  maximo 
beschränkt.  Der  Richter  wählte  sie  aus*)  den  Gerichtsein- 
gesessenen, und  zwar  hatte  er  die  besten,  rechtlichsten  und  ver- 
standigsten, welche  an  dem  Orte  zu  haben  waren,  hierzu  zu 
ernennen ').  Dem  Mißbrauche,  der  an  manchen  Orten  eingerissen 
war,  daß  die  Schergen  nach  ihrem  Gefallen  und  ihrer  Gunst 
die  Urteilssprecher  auswählten,  trat  die  Landesordnung  von  1553 
(B.  n  a.  2)  entgegen,  indem  sie  in  Hinweis  auf  die  Gerichts- 
ordnung 1520  die  Auswahl  derselben  durch  die  Pfleger  und 
Richter  „auf  gute  Erfahining  ihrer  Geschicklichkeit"  einschärfte 
und  die  Zahl  derselben  auf  7 — 9  ermäßigte,  da  wo  mehr  ge- 
schickte Urteilsprecher  nicht  aufzutreiben  wären  ^). 

Nachdem  die  Maximilianeische  Gerichtsordnung  von  1614 
(t  I  a.  4,  5)  die  Grundsätze  der  von  1520  wiederholt  hatte, 
blieb  es  dem  Codex  judic.  1753  (c.  2  §  4)  vorbehalten,  die  Beisitzer 
ihrer  Funktionen  als  Mitrichter  und  Urteilsprecher  zu  cntklei- 


entschied  —  die  Schuld  war  zweifeUos  —  daß  der  Richter  und  nicht  die 
Bdsitser  entscheiden  müsse,  oh  der  Schuldige  den  Tod  verdient  hahe. 

1)  Gerichtsordnung  1520  t  I  a.  4. 

2)  Der  zum  urteiler  Ernannte  hatte  in  öffentlicher  Gerichtssitzung  die 
getreue  Erfüllung  der  Rechtsprecherfunktionen  eidlich  zu  golohen,  daher  „die 
geschwomen  ürteilsprecher*'  (vgl.  Eidesformel  in  Gerichtsordnung  1520 
t  I  a.  5). 

3)  ^Aoff  das  auch  diesolhen  nit  f^r  und  fElr  mit  solcher  purden  heladen 
und  an  jrer  narung  verhindert  oder  gesaumht  werden**,  soUte  eine  AhlOsung 
im  SchOffendienste  in  der  Weise  stattfinden,  daß  jährlich  die  Hälfte  der  Bei- 
sitzer ihrer  Funktionen  enthohen  und  durch  andre  ersetzt  würden,  doch  war 
der  Ohrigkeit  anheim  gegehen,  diese  AhlOsung  im  BedarfsfaUe  zu  sistieren 
oder  einzuschränken  (LO.  1553  t,  n  a.  2). 


den  und  ZD  cuifftclien  ticzougßu  der  (JerichUTerhondluiig  zu  de- 
gradieren; sie  mußte  aber  wenigstens  in  Stiidtvn  und  Miirktan 
und  da,  wo  es  bisher  (ibiicb  gewesen,  den  Beisitzern  die  Füllang 
des  Urteils  gemeinBchaftlich  mit  dem  Kichter  belassen ' ). 

Schon  im  16.  Jahrhundert  *)  zeigt  »cb  aber  in  den  Kruiäou 
dur  berufBrnaßigfin  Ricfater  eine  starke  OitpuBition  gegen  die 
Bet«iliguiig  des  Loienelements  un  der  Rt«ht8Sprecbuug, 

In  den  Klagen  über  die  Uuwiseeuheit  der  ßicbtJir  und 
Huchtsprocher,  die  sie  der  Rabulisterei  der  halligelehrten  Sach- 
walter prcisgal}  nnd  als  Bcliwen^s  Gebrechen  der  rteclitsplli^ü 
empfunden  ward,  stininituu  die  Einstchlig^ten  diT  Nation  tther- 
ein  *).  Die  Praxis  strebt  dahin,  die  ganz  Ungelebrten  vom 
Richter-  und  Scbüffcuaiui  auszuschließen.  Damit  verbindet  sich 
eine  Strumung,  welche  ikiferh&upt  den  nicdcrn  ßUrgerataud  iiiig 
den  Gerichten  venlr&ngeu  wilM).  In  der  zur  Unt«rweisung  der 
Pfleger  verfaßten  „Layscben  Anzaigung"  *)  (1532)  tritt  diese  Ten- 
denz hiidist  cbarakteristiäch  hervor  in  folgenden  Warten:  „So 
bedeucht  mich  nit  p<iß,  man  ließe  den  Armen  Pawrsman  im 
Niderlutind  buy  seiner  voldarbait,  darzu  er  on  zweifel  nutzer 
und  geschickter  wäre  diinn  zum  urtelnsprechen,  sonnderlich  in 
peinlichen  Sachen,  da  es  leib  und  lebeu  antritTt  und  daß  der 
KichUT  allain  urtln". 

Übrigens  bringt  die  Gesetzgebung  selbst  das  Mißtrauen, 
vrelches  man  der  Qualifikation  der  Urteiler  entgt^onbnicbte,  un- 


1)  NbcIi  c  S  8  4  Mllbm  Baintier,  wsnigftent  2  dort,  wo  tia  bubnr 
Oblieb,  bMonden  sbet,  weiui  Biehtet  koineo  OeriehUtdirfibor  bei  ilrh  litt, 
b«ig««ogeti  wordoD.  WolHiJ«doch  ditMlben  nicbt  &]i  MJtrfchtcr  nod  Ortrit- 
■preehirr,  Miii]«ni  nnr  aU  Qtaeagen  d«M«i,  wm  hay  Gericht  rorg*bt,  a 
bnachan  und  dab«r  tsob  Um  StimmeD  nnd  Uefiiiuipii  kb(Qg«b«ii  ««dw 
Mhuldig  noch  belogt  Mfiid. 

8)  Unlor  den  Gericbtigob rechen  gmehieht  noch  d«t 
nnDg;  6tA  «Ich  oft  begibt,  itaf  Rifhtei  nnd  Gericbtwwhniib«  | 
und  tllorant  auf  die  Rovhttproclier  h&non  inlliitoo,  bu   iHntrlhM  9 


r  rom  Pflog,  drr  Kiidre  * 


n  Mail  I  Haben),  der  dritte  tob  • 


wetk  und  derKleieben  Tiels  atidro  Nachtcili!  mehr,  donu*  doD  P>rtd«i<1 
nnd  Schidn  errtebea  tEtenncr  XVI.  &  381). 

3)  StJDtiiDg,   Gwdiicbts  der  popallren  Utcratv  de»  rflralifh  kliit    1 
iibchMi  BMlit«  >D  DealaeUaad.    Uifäg  1807.  &  XXXIV  C 

4)  a.  •.  a  8.  XXXVl 
D)  V^  Ober  diflM  Schrift  Stobbe,  OweUdit«  < 


—    79    — 

verhüllt  zum  Ausdruck.  Die  Gerichtsordnung  1520  (t.  X  a.  6) 
dehnt  es  sogar  auf  die  Richter  aus,  indem  sie  die  Zulässigkeit 
der  Appellabilität  von  Beiurteilen  (entgegen  dem  gemeinen 
kaiserlichen  Recht)  damit  begründet  —  „dieweil  die  Richter 
und  Rechtsprecher  auf  dem  Land,  auch  in  Städten  und 
Märkten  nit  allzeit  genugsam  Erfahrung  und  Schicklichkeit 
mögen  haben  zu  erkennen,  was  Recht  ist  und  insbes.  ihr 
Entschied  und  Beiurteil  nit  allweg  stattlich  und  wol  erwegen 
mögen".  — 

Nicht  zur  ordnungsmäßigen  Besetzung  des  Landgerichts 
wie  in  Sachsen  *)  gehörte  in  Baiem  der  Fronbote,  der  aber  auch 
hier  bei  keinem  Land-  und  Stadtgerichte  als  Vollzugsorgan  des 
Richters  fehlte. 

Praeco  *),  Scherge  ^),  Fronbote  *),  Amtmann  ^),  auch  Unter- 
amtmann ^),  Büttel  '^)  sind  die  verschiedenen  für  dieses  Amt  des 
Gerichtsdieners  gebräuchlichen  Titel  ^).  Daß  diese  Schergen  mit 
der  niedem  Gerichtsbarkeit  betraut  waren  ^),   kann  ich  nicht 


1)  R  Schröder,  Die  Gerichtsverfassimg  des  Sachsenspiegels,  a.  a.  0. 
V,  S.  61. 

2)  Um  1160  (M.  B.  I,  p.  30).  Schon  vor  1174  Cod.  Falkenst  precones, 
qui  in  eadem  comitia  positi  snnt  (Drei  bayerische  Traditionsbücher  S.  24.) 

3)  Vor  1183  Udalrich  scherige  (ib.  S.  59);  Landfrieden  1244  a.  78: 
preco  «3  Landfrieden  1281  a.59:  scherig  (Qu.  n.  Er.  Y,  S.90,  348);  seheriones 
IL  B.  V,  p.  135  l 

4)  Seit  dem  13.  Jahrhundert  z.  B.  Landfrieden  1244  a.9  and  K  Landscherge 
1332  (M.  B.  XI,  p.  392,  nnd  L.  Pr.  m  a.  8);  geschwomer  Fron-  oder  Ge- 
richtiboto  (Gerichtsordnung  1520,  tit  11  a.  1). 

5)  z.  E  1340  Scherge  und  amtmann  (Qn.  n.  Er.  VI,  S.  360). 

6)  L.O.  1553  S.38;  Gerichtsamtmann  (Be£  Landrecht»  t  11  a.  5). 

7)  L.  F.  I  a.  4. 

8)  L.  F.  I  a.  4  spricht  von  fronpotn,  pütÜn,  schergen  oder  ambtknochtn. 
Wo  in  L.  Fr.  1553  (m  a.  8)  fironpoten,  stand  in  L.  Fr.  1508  und  1514 
Scheinen. 

9)SoRiezlerII,  S.  177.  Der  Satz  des  Schwabenspiegels  (c  84  G.): 
fin  Richter  soll  ein  Richter  sein  nnd  nicht  ein  Fronbote,  ist  nicht  mit 
Biezler  auf  eine  Anmaßung  höherer  Gerichtsbarkeit  durch  den  Schergen  zu 
deuten.  Der  Zusammenhang  mit  dem  vorhergehenden  Satze:  Dehein  rihter 
mac  nieman  f&r  gebieten,  ez  ist  niht  sines  amptes,  ergibt  den  Sinn,  daß  der 
Richter  nur  Funktionen  des  Richters,  nicht  solche  des  Fronboten,  wie  das 
Fflrbieten,  versehen,  also  nicht  in  den  Gesch&ftskreis  des  Schergen  über- 
greifen soll,  nicht  aber  umgekehrt 


—    80    - 

finden.  Der  Scherge  war  ein  verfassungsmäßiges  niederes,  za 
dauerndem  Dienste  beim  Gericht  angestelltes  und  vereidigtes^) 
Organ,  nicht  ein  privater  Diener  des  Richters,  konnte^also  auch 
nicht  von  diesem,  sondern  nur  von  dem  Vitztum*),  später  von 
der  Regierung  ^),  nicht  aber  vom  Rentmeister  allein  *)  ange- 
stellt werden. 

Schon  K.  Ludwig  war  bestrebt,  Garantieen  für  eine  ordent- 
liche Amtsverrichtung  der  Schergen  zu  schaffen,  und  schärfte 
den  Vitztumen  angemessene  Ahndung  jeder  Ordnungswidrig- 
keit ein*). 

Die  Klagen,  daß  oft  seltsame,  übelbeleumundete  Personen 
zu  Schergen  ernannt  würden,  verstummten  nicht ;  sie  riefen  b^ei 
der  Möglichkeit,  in  solch  amtlicher  Stellung  die  Unterthanen  in 
vielfacher  Weise  zu  drücken,  die  Anordnung  hervor,  daß  nur  ehr- 
bare und  taugliche  Leute  ^),  und  zwar  nicht  von  Zustands  und 
Gelds  wegen,  sondern  nur  von  Frömmigkeit  und  guten  Wandels 
wegen  "^ )  zu  diesem  Amte  bestellt  werden  dürfen  ^ ). 


1)  L.O.  1474  (Krenner  Vn,  S.  482);  Gerichteordnimg  1520,  I  a.  7. 

2)  Landfrieden  1281  a.  3  (^Qil  u.  Er.  V,  S.  340);  Instruktion  K  Lndwigi 
für  Vitetum  etc.  in  Nicderbaiem  1340  a.  8  (ibid.  VI,  S.  360). 

3)  L  Fr.  I  a.  5. 

4)  Rentmeister-Instmktion  1574. 

5)  Instroktion  1340  a.  8  (Qu.  n.  Er.  VI,  S.  360)  —  daz  die  vitztnm  in  allen 
gerichten  schergen  und  amptlaont  setzen,  di  in  darza  geyallen  und  sollen 
in  di  ampt  lazzen  und  enpfelhen  an  aUe  pfenning  und  aach  in  dar  xu  ir 
natz  umb  ir  arbait  beschaiden,  daz  si  ez  erleiden  mögen,  ond  das  n  ein 
wohrhait  ond  ein  rechtichait  treiben  ond  bandebi  an  allen  Sachen. 

6)  LO.  1501  (Krenner  XHI,  S.  166,  281). 

7)  L  Fr.  I  a.  5. 

8)  Ein  Vorschlag  der  Münchner  Stände  1468,  fromme  geleomde  Schergen 
nach  Bat  der  ältesten  ond  besten  der  Gerichtsleote  desselben  Gerichte  in 
setzen  (KrennerV,  S.  327),  fand  keine  Beachtong.  Aoch  bei  den  Yor- 
beratongen  zor  niederbairischen  LO.  von  1474  stellten  die  Stände  dem  Her- 
zoge vor,  er  möge  von  den  Schergen  keine  Zostände  mehr  nehmen,  wonm 
Landen  ond  Leoten  merklicher  Schaden  entstünde,  sondern  ehrbare  nnd  Ter- 
inOgendc  Landsassen  zo  solchen  Ämtern  befördern,  wodorch  viele  Beschwerden 
behoben  würden.  Dorch  die  Reglong  der  Fottcrsammlong  würden  die 
Schergen  keine  Zostundo  mehr  geben,  meinte  der  Herzog  (Krenner  VII, 
S.  315,  541).  —  Diesem  Gesichtsponkte  war  schon  die  Instroktion  K  Lodwigi 
von  1340  a.  8  gefolgt 


—    81    — 

Wie  die  Schergen  wurden  auch  ihre  Knechte  vom  Vitztum 
bestellt.  Die  Zahl  dieser  einmal  ernannten  Knechte  durfte  nicht 
überschritten  werden*).  Im  Gegensatz  zu  diesen,  zur  Unter- 
stützung in  seinen  amtlichen  Verrichtungen  bestellten  ünter- 
knechten  hieß  der  Scherge  dann  der  oberste  Scherge  *). 

Die  Wirksamkeit  des  Fronboten  hat  die  Ausführung  der 
vom  Richter  befohlenen  prozessualen  und  exekutorischen  Akte 
zum  Gegenstand.  Nur  auf  Grund  eines  richterlichen  Gebots 
oder  eines  Urteils^),  nicht  aber  nur  auf  Antrag  einer  Partei 
tritt  er  in  Thätigkeit. 

Ladung  der  Beklagten  *)  und  Zeugen  ^)  hatte  der  Fronbote 
zu  bethätigen.  In  den  Gerichtsverhandlungen  besorgte  er  den 
Aufruf  der  Parteien  und  Zeugen  und  alle  erforderlichen  Aus- 
rufungen**). Bei  Auflassungen  von  Liegenschaften  hatte  der 
Fronbote  die  Überantwortung  ^)  an  den  Erwerber  an  Ort 
und  Stelle  zu  vollziehen  ^) ,  während  der  Richter  in  der 
Schranne  mit  dem  Stabe  die  symbolische  Besitzeinweisung  vor- 
nahm. 

Unter  den  dem  Fronboten  zugewiesenen  Vollstreckungs- 
handlungen tauchte  schon  früh  die  Mobiliarpfändung  auf,  indem 


1)  K.  Ludwigs  Instruktion  1340  a.  9. 

2)  L.O.  1474  (Krenner  VII,  S.  406);  L.  Fr.  m  a.  8. 

3)  Ldr.  a.  258.  Ez  sei  fronbot  nieman  nichtz  verbieten,  noch  dhain  pfiEUit 
antwurten  von  nieman,  ez  ge  dann  von  der  schrannen  her  und  daz  ez  mit 
dem  rechten  gevaUen  sey  nach  des  puochs  sag  .  .  .  YgL  auch  a.  5  und 
Eidesformel  der  Ger.O.  1520  t  I  a.  7. 

4}  Ldr.  a.  8;  Ger.O.  1520  t  11  a.  1.  Daß  die  geschwomen  Amticute 
selbst  und  nicht  ihre  Knechte  die  Ladungen  besorgten,  wurde  1444  bean- 
tragt (Krenner  I,  S.  166). 

5)  Ldr.  a.  319,  330.  Der  Scherge  selbst  war  im  allgemeinen  unfähig 
2^eage  zu  sein  wegen  seines  Anteils  an  der  Buße  (a.  265). 

6)  Ldr.  a.  10,  a.  30. 

7)  Ldr.  a.  257;  z.  B.  1382  da  soUte  der  Bichter  in  die  Gewero  setzen 
mit  dem  Stab  und  Amtleute  mit  dem  Wasen;  1412  man  soUte  wältigen  in 
der  Schranne  mit  dem  Stab  und  mit  dem  Amtmann  auf  dem  Grund  und 
Boden;  1436  man  soUte  ihm  einantworten  hier  mit  dem  Stab  und  der  Amt- 
mann dort  zu  Haus  und  Hof  mit  dem  ThOrnagel  (M.  B.  XI,  p.  411;  XXI, 
p.  456;  II,  p.  77). 

8)  Landfr.  1244  a.  9  und  die  folgenden  Landfrieden  (vgl  Kockinger, 
Zur  äufiem  Geschichte  der  ftlteren  baierischon  Landfrieden,  Abb.  d.  bajer. 
Akad.,  bist  KL  X,  1867,  S.  461). 

Roseathal,  Gachichte  d.  OerichUw.  o.  d.  Verw.-Org.  Baiems.  I.  ß 


—    82    — 

die  Landfrieden  ^)  jede  ohne  Fronboten  yorgenommene  Pfändung 
als  Friedbruch  ahndeten.  Ebenso  war  auch  die  Beschlagnahme 
von  Fahrnis  und  Liegenschaften,  das  Verbieten  * )  und  das  Für- 
bann thun  ^)  seines  Amtes.  Seine  Amtshandlungen  bezeugt  er 
bei  seinem  Diensteide*). 

Auch  als  öflfentlicher  Ankläger  kann  der  Fronbote  fun- 
gieren, und  zwar  als  Vertreter  des  Landesherm  *),  welcher  da, 
wo  kein  Kläger  vorhanden '),  die  Rechtfertigung  thun  lassen 
sollte '). 

Mit  dieser  Funktion  als  Ankläger,  die  nicht  zu  den  Amts- 
pflichten des  Fronboteu  gehörte,  sondern  ihm  nur  kraft  spezieller 
Vollmacht  übertragen**)  wurde,  darf  nicht  verwechselt  werden 
die  ihm  obliegende  Verpflichtung,  alle  zu  seiner  Kenntnis  ge- 

1)  Landfr.  1300  a.  76  (Qa.  u.  Er.  VI,  S.  122)  Swer  den  andern  pfendet 
an  Tionboton,  der  ist  fridbraech.  In  der  spätem  Praxis  konnte  diese  Vor- 
schrift nicht  durchdringen.  Vgl  v.  Amira,  Die  Form  der  Verhaftung  in 
den  oberbayer.  Rechtsquellen  des  14.  Jahrhunderts  (Oberbayer.  Arch.  XXXH, 
S.  213). 

2)  Ldr.  a.  258,  282. 

3)  FOrbann  bezeichnet  nach  Brunner  (Deutsche  Rechtsgeschichte. 
Leipzig  1887.  I,  S.  147)  den  Frieden,  der  einem  Grundstücke  gewirkt  wird, 
um  das  Jemand  vergeblich  angesprochen  worden  ist ;  Ldr.  a.  30,  197,  262. 

4)  Ldr.  a.  8,  242,  2^2. 

5)  Ldr.  a.  256.  Ez  sol  dhain  scherg  nieman  sein  chlag  fUren,  dmno 
seinem  rechten  lantzherm  oder  dez  lantzherren  vitztuom.    Ke£  Ldr.  t  V  a.  8 

G)  Vgl  Vorberatung  zur  L.O.  1474  (Krenner  VlI,  S.  314). 

7)  z.  B.  1455  Amtmann  in  Ingolstadt  (Oberb.  Arch.  IV,  S.  144);  1513 
wird  der  Amtmann  zu  Perlach  als  Ankläger  vom  Herzog  bevollmächtigt 
(Lipowsky,  Geschichte  des  baicrischcn  Kriminalrechts.  MOnchen  18(KI. 
S.  173) ;  1500  erschien  vor  dem  Richter  des  Herrn  von  Gumpenberg  des 
Horzogs  Wolfgang  und  seines  Vormunds  Herzog  Wilhelm  Anwalt  und  Qe* 
walttruger  M.,  Amtmann  zu  Rain,  und  ließ  durch  seinen  zu  Recht  erlaubten 
Fürsprechen  in  angedingteu  Rechten  als  strengen  Gerichts  Recht  anbringien, 
ich  Richter  hätte  2  (0.  und  Seh.)  in  Fronvest,  die  des  Herzog«  Land  und 
Leuten  schädlich  gewesen,  und  bat  ...(RA.,  Urk.,  Crim.). 

8;  Formulare  für  solche  Vollmachten  enthalten  mehrfach  Formolarbücher 
aus  dem  IG.  Jahrhundert,  z.  B.  Gewalt  über  schädliche  Leute  (Cod.  Bay. 
2520)  Von  Gottes  Gn.  Wir  Wilhelm  [V.]  bekennen  mit  diesem  offenen 
Briefe,  als  N.  von  schädlicher  Sachen  und  Ubelthat  wegen  zu  N.  in  Fron- 
vest kommen  ist,  und  wenn  wir  aber  das  Recht  zu  fürdem  und  das  Unrecht 
zu  strafen  schuldig  und  geneigt  sind,  so  haben  wir  unserm  Amtmann  N.  ra 
N.  unsere  ganz  vollkommen  Gewalt  gegeben  und  geben  ihm  den  in  Kraft 
dieses  Briefs  gegen  N.  um  seine  Übelthaten  und  Verhandlung  in  Recht  Bockt 


—    83    — 

laDgenden  Malefiz-,  Vitztum-  und  Gerichtsfälle  dem  Pfleger  oder 
Richter  oder  andern  obristen  Amtleuten  treulich  anzusagen 
und  nichts  zu  verschweigen. 

Häufig  wurde  der  Fronbote  in  den  Gerichtsverhandlungen 
gefragt  um  das  Herkommen  ^),  dessen  Kenntnis  man  namentlich 
bei  ihm  voraussetzen  konnte;  öfters  noch  mußte  er  die  Vor- 
nahme der  Ladung  und  das  Nichterscheinen  einer  Partei  im 
Termin  konstatieren  ^),  damit  man  zu  deren  Kontmnazierung 
schreiten  konnte. 

Die  Einkünfte  der  Schergen  setzten  sich  zusammen  aus 
Gebühren  für  einzelne  Akte  *),  Anteil  an  Bußen  *)  (Nachrecht) 
und  Erträgen  gewisser  Güter  ^)  und  Reichnissen  einiger  Gerichts- 
unterthanen,  sog.  Brodbauern®).  Die  L.Fr.,  welche  die  Nach- 
rechte für  die  Richter  abschaffte,  Heß  sie  in  der  Höhe  von  10  ^/^ 


ZQ  stehen,  laut  seiner  Urgicht  zu  klagen  und  des  Rechtens  zu  begehren,  dem 
nachzufolgen  und  Alles  das  zu  thun  und  zu  handeln,  das  sich  nach  Ordnung 
Malefizrechtens  gebühren  und  not  sein  würde  und  was  er  also  darin  handlet, 
thuet  und  läßt,  ist  unser  guter  Will  und  wir  sollen  das  stet  halten  zu  Ge- 
winn, Verlust  und  allem  Bechten  treulich  ohne  Gefährde. 

1)  So  erteilten  1377  die  Altesten  und  Besten  an  der  Schranne  zu  Loch, 
man  sollte  dem  Amtmann  auf  seinen  Eid  darum  zusprechen  (M.  B.  XI,  p.  407). 

2)  z.  B.  1412  da  gab  das  Recht,  ich  (Richter)  sollte  den  Amtleuten  zu- 
iprechen,  ob  sie  des  Rechtens  wohl  gewartet  hätten  etc.  (M.  B.  XXI,  p.  455, 
TgL  ibid.  X,  p.  536). 

3)  Stadtr.  a.  168 ;  L.0. 1474:  Fürbot  2  X  (=  Pfennig)  LandsL  und  pro  Meile 
6wt(Krenner  VII,  S.  482) ;  Landpot  1516,  S.  22  (Der  fronpoten  und  schergon 
Ion)  enthält  Tarif:  für  Fürbot  4,  Pfändung  12,  über  Land  dazu  per  Meile  8, 
Gefangennahme  und  Entlassung  aus  dem  Gefängnisse  je  12,  Verpflegung  eines 
Gefangenen  13  \  oberläud.  Währung;  einen  Gebührentarif  enthält  auch* 
Befl  Ldr.  t  IV. 

4)  Nach  Ldr.  a.  264.  Von  einer  Bu£e  von  72  X  erhielt  Richter  60, 
Scherge  12  \;  vgl.  noch  Ldr.  a.  260. 

5)  Die  in  den  frühsten  Salbüchern  angeführten  Schergenämter  (siehe  S.  52) 
nnd  DOrferkomploxe,  deren  Erträgnisse  den  Schergen  zugewiesen  wurden. 

6)  Die  Leistungen  dieser  Brodbaucm  waren  jährliche  Geld-  (z.  B.  2  fl.) 
und   Getreidereichnisse;    sie  bestanden  auch   in    der   unentgeltlichen    Ver- 
pflegung der  Schergen  bei  ihrem  Amtsreisen.    Viele  Klagen  über  diese  Ein- 
nchtong  (z.  B.  Erenner  IX,  S.  227),  deren  Ausdehnung  besonders  durch 
l^ermehrung  der  Uuterknechte  versucht  ward,  führten  zu  einer  Einschränkung 
in  der  L.  Fr.  (lU  a.  8)  auf  diejenigen  Orte ,   wo  Brodbauern  bisher  üblich 
Wen,  xmd  auf  die  vom  Rentmeister  bestimmte  Zahl  (nicht  über  8).    Erneute 
Klagen  führten  1573  zu  dem  Vorschlage   der  vollständigen  Abschafi'ung  der 
Brodbauem,  doch  verblieb  es  bei  der  Bestimmung  der  L.  Fr. 

6* 


—    84    - 

des  Wandels  den  Fronboten,  da  wo  sie  dieselben  aus  altem  Ge- 
brauche hatten*). 

Die  Klagen  über  die  bösen  unfrommen  Schergen,  welche 
durch  Überforderungen  der  verschiedensten  Art,  durch  unwahre 
Anzeigen,  durch  parteiische,  eigennützige  Bevorzugung  der  reichen, 
sie  beschenkenden  vor  den  ärmeren  Unterthanen  diese  härtig- 
lieh  bedrückten,  kehrten  immer  aufs  neue  wieder.  Deshalb  schärft 
der  Verfasser  der  „Laijschen  Anzaigung"  dem  Pfleger  (Richter) 
strenge  Beaufsichtigung  der  Fronboten  ein,  denn  es  sei  nötig, 
ihnen  ins  Spiel  zu  sehen  und  auch  nicht  zu  gestatten,  daß  die 
ihm  zur  Mithandlung  Amtshalben  Unterworfenen  den  Leuten 
Unrecht  thun. 

Zu  dem  gerichtlichen  Hülfspersonal  gehörte  auch  noch  der 
Freimann ^),  (Henker^),  Züchtiger*),  Scharfrichter),  welcher  die 
über  die  Verbrecher  verhängten  Leibes-  und  Lebensstrafen  za 
vollziehen  hatte.  Diese  hatten  in  Städten  ihren  Amtssitz  und 
begaben  sich  zur  Vornahme  ihrer  dienstlichen  Verrichtungen 
an  diejenigen  Orte,  wo  man  ihrer  gerade  bedurfte.  Als  eine 
Eigentümlichkeit  des  bairischeu  Rechts  erscheint  es,  daß  hier 
d(^r  Freimann  gefragt  wurde,  welche  Art  der  Todesstrafe  der 
Verbrecher*)  verdient')  hätte**),  worauf  dieser  in  Form  eines 


1)  Damit  uns  sOlich  wänndl,  verprechen  qdcI  straffen,  so  ans  oder  nnsem 
anibtleuteo  zuesteen,  anbracht  und  nit  verhaUten  werden  (L  Fr.  I  a.  4^  17). 

2)  Krcnner  VII,  S.  493;  ßef:  Ldr.  t  19  a.  6  (dem  freyen  man  das  iit 
dem  Züchtiger).  —  Die  Bezeichnung  Nachrichter  finde  ich  in  Baiem  nicht 
für  Scharfrichter.  Den  1265  erwähnton  Nachrichtor  (M.  B.  YIII,  p.  508) 
halte  ich  eher  fOr  einen  Unterrichter. 

3)  Landshut  1345,  ßosenthal,  Beiträge  zur  deutschen  Stadtrecht»» 
geychichte.  Würzhurg  1883.   S.  9a 

4 1  München  ( W  c  s  t  e  n  r  i  e  d  e  r,  Beiträge  VI,  S.  184),  Straubing,  Bösen- 
t  h  a  1 ,  Beiträge  S.  273. 

5)  Auch  in  Osterreich  kommen  zuerst  in  den  Städton  bleibend  angestellte 
Scharfrichter  vor  ^Luschin  S.  132). 

6)  80  sol  der  richter  ainem  frcycn  man  zuo  sprechen,  welchen  tot  er 
verdient  hab.    Ldr.  a.  35,  3G,  37,  39,  48;   Lipowsky  S.  152. 

7)  Diese  Erklärung  des  Freimanns  war  nur  eine  Fomuditftt,  denn 
dieser  kannte  die  für  jedes  Verbrechen  übliche  Todesart  Vgl  Osen- 
brüggen.  Das  Strafrecht  in  K.  Ludwigs  Landrechtsbuch  von  1346  (Stadien 
zur  deutschen  und  schweizerischen  ßechtsgeschichte.  Schaffhausen  1868w  S.  199). 

8i  Vgl  über  diese  Übung  noch  Siegel,  Deutsche  Rechtigeschichte. 
Berlin  1880.  S.  4U5. 


—    85    — 

Urteils  antwortete.  Die  Ger.O.  1520  (t.  19  a.  6)  beseitigte  diese 
Übung ;  jetzt  wurde  dem  Scharfrichter  nur  befohlen,  des  Richters 
Urteil  zu  vollziehen  nach  der  durch  Recht  und  Gebrauch  dieses  Lan- 
des für  bestimmte  Verbrechen  angedrohten  bestimmten  Todesstrafe. 

Bei  dem  Formalismus  des  mittelalterlichen  Gerichtsverfah- 
rens ^  drohte  den  desselben  nicht  ganz  kundigen  Parteien  vielfacher 
Nachteil.  Um  diesem  zu  entgehen,  wurde  es  üblich,  daß  die 
Parteien  durch  Vorsprecher*),  welche  statt  ihrer  vor  Gericht 
ihr  Wort  sprachen,  ihren  Rechtsstreit  führen  ließen  *).  Bestand 
auch  kein  Fürsprecherzwang,  und  konnte  Jeder,  wenn  er  wollte, 
sein  Wort  vor  Gericht  selbst  reden,  so  verlangte  doch  das  eigene 
Interesse  der  Partei  diese  Verbeiständung  durch  eine  rechts- 
erüahrene  Person  so  gebieterisch,  daß  die  Übung,  sich  vor  Ge- 
richt der  Unterstützung  eines  Vorsprechers  *)  zu  bedienen,  eine 
allgemeine  ward,  wie  die  Gerichtsbriefe  ergeben,  welche  regel- 
mäßig den  Vorsprecher  als  neben  der  Partei  erschienen  aufführen  * ). 

Mit  Vorsprecher  gleichbedeutend  werden  gebraucht  die  Be- 
zeichnungen Fürsprecher  "^ ),  Fürleger®),  Redner®).  Seit  dem 
16.  Jahrhundert  kommen  dann  noch  vor  Anwälte*  ®),  Advocaten*  *) 
und  Procuratoren**). 


1)  Siegel  a.  a.  0.  S.  435  £ 

2)  YgL  über  diese  besonders  Maurer,  Geschichte  des  Gerichtsver- 
fklireiis.   S.  123  £;  Planck,  Lehrbuch  der  Civilprozesse.  I,  S.  147  i 

3)  Siehe  Ssp.  I,  60  §  1 ;  Schwsp.  (G.)  c  76. 

4)  Ldr.  a.  15;  LO.  1491  (Erenner  Xu,  S.  341);  vgl  Bosenthal, 
Ueiw.  o.  «^. 

5)  Als  den  ältesten  bairischen  Versprecher  weist  BiezlerU,  S.  546 
nach  den  1196  in  Österreich  yorkonmienden  Ortwinus  prolocntor,  vorsprech 
(H  B.  Xn,  p.  362,  364). 

6)  Dieser  vertrat  die  im  Gerichte  mit  anwesende,  nicht  die  abwesende 
Partei    Beispiele  bei  Maar  er  S.  129. 

7)  Vgl  Beispiele  bei  Nietzsche  S.  10.  Fürsprecher  oder  Bedner 
(L.0. 1491  bei  E  r  e  nn  e  r  Xn,  S.  338);  Versprecher  und  Bedner  (Ger.O.  1520 
la.  4). 

8)  1332,  1382,  1433, 1474  M.  B.  XVII,  p.  372;  IX,  p.  286;  X,  p.  160;  VIII. 
p.  570.  Über  die  begri£f1iche  Scheidung  von  Fürleger,  Vorsprecher  und 
Badner  in  Landshut  vgl  Bosenthal,  Beiträge  S.  100. 

9)  z.  R  1444,  1464  klagt  mit  angedingtem  Bedner  1476  M.  B.  XII, 
p.  449;  m,  p.  578;  IV,  p.  386;  L.O.  1501  (Kr  enner  Xm,  S.  160,  273). 

10)  Anwälte  oder  Bedner  (Ger.O.  1520  L  a.  11). 

11)  Die  bestellten  Advocaten  und  Bedner  (L.O.  1516  S.  27). 

12)  Bedner  und  Procuratoren  (L.O.  1516  S.  27). 


Einor  Partei  vor  Gericht  das  Wort  r.u  rinden  galt  als  Ding' 
pflicht;  Klftgur  and  Beklagter  konnten  nanientlirh  jeden  Gerichte- 
anwesenden  ')  zum  FürüjuticUer  wdhlen  und  vom  Richter  dessen 
Kmeumiug  erbitten.  Der  Richter  durfte  diese  Ernennung  nicht 
vcrweigeni,  ahor  erst  durcli  sie  wurde  die  Fürsiirecheniflicht") 
fllr  dcu  Erwjitdteu  existent,  wenn  ihm  nicht  gesetzliche  Ent- 
schuIiiigungHgrnnde')  zur  Seit«  traten.  Lehnte  er  ohne  solche 
ab,  so  verfiel  er  in  eine  Geldbuße,  nach  Münchner  Stadirecht*) 
wurde  ihm  sogar  noch  der  KpchUschutz  entzogen. 

Nicht  nur  in  Civilrechtsstreitigkeiten,  sondern  auch  \)ä 
peinlichen  Klagen  traten  Vor&precher  mit.  den  Ankläii^m  und 
Angeklagten  auf*). 

Der  Vorsprecher  hatte  die  Partei  zu  beraten  Über  die  beste 
Art  der  Fuhrung  des  Rechtsstreits,  hatte  die  gericlitlirhen  AntrÄg« 
zu  stellen,  besonders  alle  Vorträge  für  eie  zu  hidten  und  den 
Eid  ihr  vorzusagen  *).  Fehler  des  Vorsprechers  prAJudizieren 
fteineiD  Mandanten  nicht  und  schAdlgen  denselben  nicht,  wenn 
aio  von  ihm  gerügt  werden' ')• 

l)  Du  ßpcbt,  Vonprochfr  ni  leio,  geht  im  weMntlicheii  pftnUri  mit 
dum  fWht«,  Urt^tlor  nnd  Zvugn  m  «ein,  m  k&nn  kbo  Jader  tli  Vorepreehw 
bont^llt  wordnii.  dni  in  der  bptrcffcndpn  tiMichtnnrMuiunlanf;  TolllHirDchtiift 
Aoftatrct«!!  bcfuift  iit  Vgl  Planck,  Du  deuUcho  Ooricbt>Ter£  I,  B.  197; 
Maurers.  127. 

5)  Ldr.  a.  IS.  Ex  lol  aacb  ahi  IgUcli  chlag^r,  wann  m  la  gtriebt  dnml 
und  aincn  uiiprochen  wil,  ron  orat  tinm  ronprotlmn  Dtraira  und  rod«i  m 
den  lichter,  welchen  er  «3  oder  wni  nr  begert,  oder  «elher  od  dam  ring 
oder  an  der  ichraniion  it^t  oder  »Icit  oder  da  faloder  aho  dai  man  Im 
Mmipffrn  maii:  nnd  den  lol  tm  der  richt«r  f^ben  nnd  dnnwiben  ^«biaton  pef 
B  Pfd.  A.  dai  w  e»  tue.  {S«p   I,  00  g  2;  Bchwirp.  0.  7ß  g  8.1 

8)  Beredet  dann  denelb  niil  Keinem  ajdo.  du  er  oi  emaln  mit  f[elert«m 
ayde  Teriworo  hab  oder  dai  et  ei  nie  gulan  hab  (a.  18) . . .  QerO.  1530  I  a.  4 
■pricht  Ton  .irma^fanieD  Dnachen',  den  Fall  herrorfacbnid,  dal  dar  Vw- 
■peerbor  ichon  ron  dar  Oegenpart''t  initnicrt  worden  war. 

4)  a.  iTt  und  diu  xeit  er  du  wurt  nicht  ipricht.  loot  man  Im  chali 
rMht.  Da  nach  Anh.  TU  a.  56  lAucr.  Du  Stadtroeht  Ton  HOnchen.  I8U. 
8.  S81)  doniJentK^n.  «elchom  dtr  rJehtor  nicht  ricbtnte,  Niemand  «in  BacU 
n  thnn  braarhto  and  er  auch  dM  BarKcrrvchla  verlnatitc  vurd«,  aebn  «fr 
ancb  hier  dicio  zeitweilisa  BechÜMigkeit  alt  pijchlKbei  Zwangainittal  «likaa 
(rgl  T.  Amlta,  I>io  Farm  der  Vatfeatnng  a.  a.  O.  S.  37il. 

6)  LO.  1414  (Kroanvr  TU.  S.  4&3)i  Lipowakf  &  US. 
IT)  Ldr.  a.  Sl,  19. 

7)  Ldr.  B.  14. 


—    87    — 

Der  Vorsprecher  war  verpflichtet,  den  übernommenen  Prozeß 
zu  Ende  zu  führen  ^)  und  für  den  durch  sein  unentschuldbares 
Ausbleiben  vor  Gericht  der  Partei,  deren  Vertretung  er  über- 
nommen hatte,  zugefügten  Schaden  aufzukommen  •).  Das  Ver- 
bot der  Prävarication  findet  sich  nur  vereinzelt*). 

Die  Anstellung  von  Vorsprechem  bei  den  einzelnen  Ge- 
richten durch  die  Obrigkeit  kommt  zuerst  in  Niederbaiern  vor. 
Hier  betrachtete  die  Instruktion  K.  Ludwigs  1340  diese  Be- 
stellung als  eine  Aufgabe  der  Gerichtsverwaltung,  a.  11  *):  Wir 
wellen  und  schaflen  auch  mit  gantzem  ernst,  daz  unser  vitztum 
deu  gericht  besetzen  und  besorgen  von  ir  trewen,  als  si  aller 
pest  mugen  mit  vorsprechen,  da  mit  arm  und  reych  besorgt 
sein,  daz  ye  dem  mann  recht  und  redleichen  recht  wideiTaren, 
und  daz  auch  di  vorsprechen  umb  ir  mu  und  arbeit  von  den 
laeuten  nemen,  daz  beschaiden  und  leidleich  ist. 

Hier  erscheint  also  schon  der  Berufsstand  der  Fürsprecher 
zur  Ausbildung  gelangt '^),  was  1300^)  noch  nicht  der  Fall 
war.  Zum  ersten  Male  wird  hier  wohl  in  Deutschland  das 
Institut  der  Fürsprecher  in  der  Weise  in  die  Gerichtsverfassung 
eingefügt,  daß  die  Staatsgewalt  im  Interesse  der  Förderung  der 
Rechtspflege  geradezu  die  Anstellung  von  Fürsprechern  bei  jedem 
Gerichte  anordnet.  Für  die  Anstellung  war  der  Lokalisierungs- 
zwang maßgebend^);  sie  erfolgte  nur  für  ein  bestimmtes  Ge- 
richt, bis  die  L.O.  1474  die  Verwendung  vereidigter  Fürsprecher 
vor  jedem  Gerichte  des  Landes,  auch  wenn  sie  nicht  gerade 

1)  L.O.  1474  (Krenner  VII,  S.  483). 

2)  Ldr.  a.  13.    Ref.  Ldr.  t  VI  a.  6. 

3)  MflDchner  Stadtrecht  a.  63 ;  Schwsp.  G.  c.  72  §  5,  daim  Erdinger  Bef. 
det  Ldr.  (Erenner  XII,  S.  181).  Vgl  dagegen  Bosenthal,  Beiträge 
S.  102. 

4)  Qu.  u.  Ehr.  VI,  S.  360. 

5)  Also  nicht  erst  mit  Eindringen  der  fremden  Bechte.  So  Wetzeil, 
Sjsi  d.  Civilprozesses.  S.  59.  Vgl  auch  Stintzing,  Geschichte  der  po- 
pulAren  Literatur  des  rOm.-kan.  Bechts.  XXXIL 

6)  Nach  dem  Landfrieden  1300  a.  96  (Qu.  n.  Er.  VI.  S.  125)  scheint  die 
Fttrtprecherthfttigkeit  damals  noch  nicht  bemfsmäfiig  geübt  worden  zu  sein, 
demi  dem  Fürsprecher  ward  die  Annahme  einer  verabredeten  Belohnung  — 
gedingten  pfenning  —  bei  Strafe  untersagt 

7)  Vgl  Both,  Zur  Geschichte  des  bayerischen  Volksrechts.  1869. 
&  19. 


—    88    — 

demselben  verpflichtet  wären  ' ),  gestattete  *).  Nach  dieser  L.O., 
welche  die  Bestellung  von  2  Vorsprechern  bei  jeder  Schranne 
durch  den  Pfleger  (Richter)  und  die  Urteiler  verfügte,  war  die 
Vereidigung  zur  Vorbedingung  der  Berufsausübung  gemacht 
Auf  dieser  Grundlage  regelte  auch  die  Ger.O.  1520,  nachdem 
ein  Landgebot  1480^)  auch  in  Oberbaiem  die  Bestellung  von 
2  Vorsprechem  bei  jeder  Schranne  verfügt  hatte,  die  Rechts- 
stellung der  Vorsprecher*). 

Ein  Fürsprecherzwang  existierte  nicht,  es  konnte  auch  Jeder 
selbst  das  Wort  im  Recht  thun,  wie  das  schon  erwähnte  nieder- 
bairische  Landgebot  1491  besagte  *).  Ebenso  war  auch  die  Partei 
nicht  auf  die  Personen  der  angestellten  Fürsprecher  beschränkt, 
sondern  konnte  auch  einen  Andern  aus  dem  Ring  des  Gerichts 
nehmen,  der  ihr  reden  wollte. 


1)  Erenner  YII,  S.  484,  entsprechend  dem  Katschlage  (ibid.  S.  SOS): 
und  ob  einer  einen  andern  Yorsprecher  zn  der  Schrannen  brächte,  dann  den, 
der  zu  der  Landschrannen  gedingt  wäre,  derselbe  Fürsprecher  mag  ihm  das 
Wort  thnn  zum  Rechten.  —  Auch  die  Ger.O.  1520  (I  a.  12)  gestattete  die 
Zulassung  fremder  Anwälte  und  Redner,  die  zu  dieser  Gerichtzordnnng  oder 
dem  Gericht  nit  geschworen  sind.  Vgl  auch  die  niederb.  Stadtger.O.  bei 
Rosenthal,  Beiträge  S.  103  (Schwsp.  G.  c.  76  §  6). 

2)  Indirekt  übte  das  Landgebot  1480,  wenn  es  auch  grundsätzlich  au* 
wendige  Vorsprecher  zuliefi,  einen  Zwang  zur  Verwendung  der  bei  jedem 
Gerichte  bestellten  aus,  indem  diesen  der  gesetzte  Yorsprecherlohn  auch 
dann  bezahlt  werden  mufite,  wenn  man  sich  eines  fremden  bediente  (Eren- 
n  0  r  Vm,  S.  347). 

3)  Erenner  VIII,  S.  347.  —  Schon  1444  hatten  Räte  und  Landscbtft 
hier  vorgeschlagen,  daß  ein  jedes  Landgericht  besetzt  würde  mit  zwei  oder 
mehr  Vorsprechem,  die  das  Recht  verstünden  und  das  Buch  wüäten,  und 
dali  auch  die  Herrschaft  ihnen  darum  eine  Besserung  thäte,  damit  sie  den 
I>andgerichten  und  den  Rechten  abwarten  machten  und  zu  einen  jeden  Rechten 
kommen  und  dem  also  warten  müsten  und  ihrer  keiner  ohne  Urlaub  einee 
Richters  nicht  ausbleiben  (Krenner  I,  S.  165  f.).  So  weit,  daä  man  die 
Fürsprecher  zu  wirklichen  Beamten  gemacht  hätte,  ging  man  allerdingi 
1480  nicht 

4)  Ger.O.  1520  (I  a.  10)  Es  sollen  bey  ainem  jeden  Grericht  ain  anzal 
und  zum  wcnigistcn  zwcn  gcschwom  Vorsprechen  verordennt  sein  und  Erber 
ver^tondig  person  dartzu  auffgenomcn  werden  .  .  .  Diese  Fassang  ttimnit 
im  wesentlichen  überein  mit  dem  Erdinger  Protokoll  über  die  Revision  dee 
Landrechts  von  1487  (K  r  e  n  n  e  r  XII,  S.  89).  -  Vgl  auch  Ret  Ldr.  1618 
t  VI  a.  1. 

5)  Krenner  XII,  S.  34L    Ret  Ldr.  t  VI  a.  L 


—    89    — 

Hatte  die  Instruktion  K.  Ludwigs  von  1340  sich  noch  da- 
mit begnügt,  den  Vorsprechern  nur  die  Forderung  eines  be- 
scheidenen und  leidlichen  Lohns  unter  Androhung  schwerer 
Strafe  bei  Zuwiderhandlung  einzuschärfen,  so  führten  doch 
öl^hlimme  Erfahrungen^)  seit  dem  Ende  des  15.  Jahrhunderts 
zur  Aufstellung  eines  gesetzlichen  Gebührentarifs  * ) ,  dessen 
Übertretung  mit  strenger  Strafe,  sogar  mit  der  Untersagung 
fernerer  Ausübung  des  Fürsprecherberufs  bedroht  war^).  Die 
L.0. 1516*)  legte  sodann,  damit  Niemand  Armut  halber  rechtlos 
gelassen  würde,  dem  Redner  oder  Advocaten,  welchem  von  der 
Obrigkeit  die  Verbeiständung  einer  armen  Partei  übertragen 
wurde,  die  Verpflichtung  auf,  dieselbe  pey  der  peene  entsetzung 
Seins  ambts  unentgeltlich  durchzuführen. 

Aus  der  Übung  der  Parteien,  sich  aus  dem  Kreise  der 
gerade  an  der  Schranne  zur  Urteilfindung  Anwesenden  den  Für- 
sprecher zu  wählen,  hatte  sich  der  Mißbrauch  entwickelt,  daß 
dieser,  obwohl  im  Dienste  einer  Partei,  also  befangen,  doch  an 
der  Urteilfindung  teilnahm  *).  Diese  Einrichtung  kennt  schon 
die  altfränkische  Gerichtspraxis  ^ ),  sie  ist  durchaus  keine  spe- 
zifisch bairische^),  und  es  ist  deshalb  irrig,  wenn  Merkel®) 

1)  Beschwerden:  1437,  1468,  1468, 1471.  1499  (Krenner  II,  S.  76,  178; 
V,  S.  334;  Vn,  S.  272;  Xm,  S.  9);  vgl  auch  1463  (Rockinger,  EinL  S.283). 

2)  Oberb.  Landgebot  1480 :  Von  der  1.  Klage  20,  von  der  andern  Kl&ge 
40  und  von  jedem  Rechten  40  \;  L.O.  1474:  von  jedem  Rechten  32  \ 
Landsh.,  dem  fremden  Versprecher  außerdem  pro  Heue  16  X  Vergütung 
(Krenner  Vm,  S.  347;  VH,  S.  483). 

3)  Die  Vorsprecher  durften  in  keiner  Weise  an  dem  Rechtsstreite 
^knni&r  beteiligt  werden,  also  keine  Quote  der  Prozeßsumme  beziehen. 
Überhaupt  war  ihnen  die  vertragsmäßige  Vereinbarung  von  Deserviten  unter- 
tagt (Ger.O.  1620  I  a.  4). 

4)  S.  31  sind  die  Voraussetzungen  der  Zulassung  einer  Partei  zum 
.Annenrecht  geregelt    VgL  auch  Krenner  XVI,  S.  376  t 

5)  Die  Ausdrücke  „des  behabten  rechts  yorsprecher  ist  gewesen",  welche 
Merkel,  Judex  a.  a.  0.,  unter  den  Beispielen  anführt,  gehören  nicht 
hierher.  Des  Rechtens  Vorsprecher  bedeutet  nicht  den  berufsmäßigen  Ver- 
sprecher, sondern  denjenigen,  welcher  zuerst  vom  Richter  des  Urteils  gefragt 
wird,  also  den  oder  die  Urteilsvorschlager. 

6)  Sohm  S.  447. 

7)  VgL  Nietzsche,  Comm.  de  prolocutoribus.  Lipsiae  1831.  p.  72  ff. 

8)  Judex  I,  S.  149  ff.  Merkel  stimmt  zu  R  o  t  h ,  VoUtsrecht,  S.  20  f.  — 
Gegen  MerkeTs  Ansicht  polemisiert  mit  Recht  B eseler.  Judex,  IX, 
S.  265  ff;  T.  d.  Pfordten  S.  318  ff  und  Brunner,  Schöffen,  S.  186. 


—    90    — 

in  dem  Fürsprecher,  der  die  Funktionen  des  Anwalts  und  Recht- 
finders verbindet,  eine  Fortsetzung  des  judex  des  bairischen 
Volksrechts  erblickt. 

Daß  der  Richter  die  Vorsprecher  um  das  Urteil  frage,  war 
ihm  durch  das  Stadtrecht  sogar  geboten  ^ ),  wie  auch  der  9.  Frei- 
brief (1358)  dieses  Verfahren  als  üblich  voraussetzte*).  Wenn 
die  Vorsprecher  beider  Parteien  ^ )  vom  Richter  um  das  Urteil 
gefragt  wurden,  so  war  dies  unbedenklich,  die  Antworten  waren 
nichts  anderes  als  die  Parteianträge,  wie  sie  im  heutigen  Pro- 
zesse von  den  Anwälten  formuliert  werden.  Hier  lagen  die  beider- 
seitigen Urteilsvorschläge  zur  Auswahl  vor.  Gefährlicher  da- 
gegen war  es,  wenn  nur  der  Fürsprecher  der  einen  Partei  das 
Urteil  mitfand  ^).  Daß  dieser,  nachdem  er  eben  das  einseitige 
Interesse  seines  Klienten  vor  dem  Gerichte  vertreten,  plötzlich 
bei  der  Urteilsfindung  auf  den  idealen  Standpunkt  objektiver 
Gerechtigkeit  sich  aufschwingen  würde,  ließ  sich  nicht  an- 
nehmen. Die  Gefahr  lag  nahe,  daß  die  Gewandtheit  des  Für- 
sprechers seinen  Kollegen,  den  übrigen  Urteilem  die  Fällung 
eines  parteiischen,  seinem  Klienten  günstigen  Urteils  abringen 
würde,  wenn  diese  natürlich  auch  nicht  gezwungen  waren,  seinen 
Urteilsvorschlag  zu  acceptieren. 

Es  dauerte  lange,  bis  die  Gesetzgebung  diesem  anstoß- 
erregenden Zustande*)  ein  Ende  bereitete.     Erst  1491  schloß 


1)  Anh.  Vn  a.  34  (A  Q  e  r  S.  277)  und  swenne  die  Toreprechen  paidentp 
halben  die  sache  fQrgelegent,  so  sol  der  rihter  der  ortail  des  ersten  Tragen 
zwen,  die  in  witzich  tunchent  und  darnach  die  vorsprechen. 

2>  y.  Lerchenfeld  S.  21.  Und  wer,  das  ain  vorsprech  oder  yemaot 
an  ainer  schrann  wer  der  wer  darwidcr  icht  tet,  und  ertailet  anders  dann 
der  brief  saget  .  .  .    Ebenso  auch  die  citicrte  Instruktion  1340  a.  11. 

3)  z.  B.  M.  B.  XII,  p.  228  (1422):  Also  fragt  ich  des  hem  vorsprecheni 
von  Altach  (Beklagten) ,  der  ertailt  auf  seinen  ayd  .  .  .  also  fragt  ich  dei 
Ch.  (Elfigers)  vorsprechem,  der  ertailt  .  .  .  Der  ortail  ward  verfolgt  det 
Herrn  Vorsprechen  von  Altach  .  .  . 

4)  z.  B.  M.  B.  XII,  p.  207. 

5)  1471  hatten  die  Landshuter  Stände  erklärt :  Wer  im  selbst  in  seinen 
eigenen  Sachen  im  Hechten  redet,  der  soll  darum  kein  Urtheil  sprechen; 
wer  aber  einem  andern  im  Kcchtcn  redet,  der  mag  in  derselben  Sache  wohl 
Recht  sprechen  (Er cnner  VIT,  S.  309).—  Ahnlich  unterscheidet  die  nicder- 
bairischo  Stadtger.O.  zwischen  dem  berufsmäßigen  FQrsprecher  und  dem  Stadt- 
gerichtsbeisitzer, der  einmal  für  eine  Partei  auftritt    Während  Letiterer  an 


-    91    — 

ein  Landgebot  Herzog  Georgs  * )  die  Fürsprecher  von  der  Ur- 
teilsfindung  aus,  indem  es  festsetzte:  „Und  so  einiger  Rechts- 
satz, es  sey  zu  endlicher  oder  unterredlicher  Urtheil  geschieht, 
so  sollen  nicht  die  Fürsprecher  oder  Redner,  von  den  Partheyen 
geworben  oder  besoldet,  als  bisher  geschehen  ist,  angesehen  daß 
sie  ungerechte  und  falsche  Urtheil  und  ihrer  jeder  gemeiniglich 
nicht  anders  bisher  gesprochen  haben,  dann  was  seiner  Parthey 
gedient  hat,  sondern  der  vernünftigsten  und  ehrbarsten  Urtheiler 
einer,  so  ungefährlich  an  dasselbe  Gericht  gesetzt  ist,  durch  den 
Richter  der  Urtheil  angefragt  werden". 

Für  ganz  Baiem  wurde  sodann  dieser  Mißbrauch  aufge- 
hoben durch  die  Ger.O.  1520*). 

Die  rechtliche  Stellung  des  Vorsprechers «)  läßt  sich  schon 
in  dieser  Periode  charakterisieren  wie  die  des  heutigen  Rechts- 
anwalts, Er  ist  keine  Gerichtsperson,  kein  Staatsdiener,  aber 
ein  öffentlicher  Diener  der  seine  Hülfe  Begehrenden  * ). 

Die  Fürsprecher  am  Ende  des  15.  und  im  16.  Jahrhundert 
gehörten  der  Klasse  der  Halbgebildeten  an,  welche  nach 
Stintzing*)  in  der  Schreiberstube  herangebildet  oder  mit 
einer  flüchtigen  Universitätsbildung  übertüncht  waren,  da 
den  Doctoribus  ehrenvollere  und  einträglichere  Stellen  offen 
standen.  Ihre  Rabuhsterei  und  Geldgier,  welche  ihre  Klienten  zu 
ruinieren  drohte,  machte  sie  zum  Gegenstande  eines  allgemeinen 
und  erbitterten  Hasses,  der  sich  in  höchst  drastischen  Äuße- 
rungen angesehener  Zeitgenossen  Luft  machte  *). 

der  ürteflsfindung  sich  beteiligen  darf,  wird  dies  Ersterem  untersagt    Vgl 
Bosenthal,  Beiträge  S.  104,  203. 

1)  Erenner  XII,  S.  338.  —  Gang  analog  bestimmte  die  L.O.  1501  auf 
eine  Beschwerde  der  Stände,  daß  kein  Redner  in  einer  Sache,  darin  er  redet, 
bei  den  Räten  im  Rate  sitzen  soU  (Erenner  Xm,   S.  160.  273\ 

2)  I  a.  4:  Auch  (sollen)  fQran  die  Yorsprecher  und  Redner  der  ortail 
nit  mer  angefragt  werden,  sonnder  die  anfrag  allein  an  die  geschwomen 
ürtailsprecher  beschehen     Übereinstimmend  Ger.O.  1616  (I  a.  4). 

3)  Von  dem  BOdnngszustande  der  Yorsprecher  erhält  man  eine  Yor- 
stellimg,  wenn  man  in  einer  Aufzeichnung  aus  dem  Ende  des  15.  Jahrhunderts 
liest:  Gar  wenige  Redner  werden  der  Enden  auf  dem  Lande  gefunden,  die 
schreiben  und  lesen  können  (Erenner  XYI,  S.  380). 

4)  Planck,  «vilprozeßrecht  I,  S.  150. 

5)  Geschichte  der  populären  Literatur,   S.  XXXII. 

6)  Siehe  die  Citate  bei  Stintzing  a.  a.  0.  Melanchthön  (Oratio 
de  legibus  ed.  Muther,  p.  21)  schildert  die  Sachwalter  als  die  fadesten  Rabulisten, 


—    92    — 

Von  den  Vorsprechen!  zu  unterscheiden  sind  die  Anweiser  ^\ 
welche  Witwen,  Unmündigen  und  kirchlichen  Personen  auf  ihr 
Verlangen  vom  Richter  gegeben  werden.  Sie  sind  also  gesetz- 
liche Vertreter  namentlich  solcher  Kategorien  von  Personen,  bei 
welchen  ein  Mangel  an  Rechtserfahrenheit  anzunehmen  ist  — 
den  sol  der  richter  anweiser  geben,  das  sie  zuo  im  rechten 
dester  paz  chömen  *).  Diese  An  weiser,  den  sächsischen  Gerichts- 
vormündem ')  vergleichbar,  berechtigten  und  verpflichteten  durch 
ihre  Reden  und  Handlungen  die  von  ihnen  vertretene  mitan- 
wesende Partei  unmittelbar  und  bedienten  sich  gewöhnlich  noch 
der  Unterstützung  eines  Vorsprechers*). 

Nach  dieser  Darstellung  der  Zusammensetzung  des  Land- 
gerichts ist  jetzt  noch  kurz  von  den  Einrichtungen  und  der 
Thätigkeit  desselben  zu  handeln. 

Die  fränkische  Einrichtung  des  echten  und  gebotnen  Dinges, 
also  die  Trennung  des  gräflichen  Landgerichts  von  dem  Nieder- 
gericht des  Centenars,  war  bei  den  Baicm  nicht  zur  Einführung 
gelangt*).  Nach  der  L.  Baiuvar.  II  c.  14  gab  es  nur  eine 
Gerichtsversammlung  (placitum),  die  monatlich  oder  alle  15  Tage 
abgehalten  \Mirde.  Auch  im  späteren  Mittelalter  kannte  die 
bairische  Gerichtsorganisation  nur  eine  landgerichtliche  Ver- 
handlung, die  wahrscheinlich  regelmäßig  alle  14  Tage  statt- 
fand ^).  Es  fand  also  eine  besondere  Ankündigung  des  Sitzungs- 
tags nicht  statt. 

die  aas  einem  Prozesse  den  andern  herleiten,  ihre  Klienten  schinden,  die 
Stfidte  plündern  and  die  anwissenden  Richter  mit  immer  neaen  Kniffen  mm 
Spott  machten,  und  Z  a  s  i  a  s  sa^  von  diesen  Leaten,  daß  sie  die  (Berichte 
vergiften,  der  Richter  spotten,  die  Rahe  stOren,  den  Staat  za  verwirren  suchen 
and  Göttern  and  Menschen  verhaßt  seien. 

1)  Landr.  a.  9,  150. 

2^  Münchner  Stadtr.  a.  120. 

3)  Cher  diese  vgl  Planck  I,  S.  177  ff 

4)  1422  Abt  von  Oberaltach  mit  Vorsprechen  and  Anweisem.  1488  da 
kam  mit  Anwciscr  der  Chorherr  von  Baambarg  and  brachte  vor  darch  FQr- 
sprechcn  ;  1441  da  verantwortet  Anna  B.  mit  Vorsprechen  and  AnweiMr 
(M  B.  XII,  p.  228;  II,  p.  245;  XXVI,  p.  417). 

5)  R,  Schröder,  R.G.  S.  109. 

6  Die  Vertagungsfristen  in  den  Gorichtsbriefen  weisen  daraaf  hin, 
z.  B.  1441  also  wart  das  Recht  aufgeschlagen  aaf  14  Tag,  M.  B.  VI,  p.  295. 
Vgl  Maar  er,  Gerichtsverfahren,  S.  158. 


—    93    — 

Wilhelm  V.  verordnete  erst^),  daß  Pfleger  und  Landrichter 
zu  bestimmter  Zeit  alle  8,  14  Tage  und  3  Wochen  nach  Größe 
und  Gelegenheit  des  Gerichts  Verhör  halten*)  sollten,  außer 
wenn  unaufschiebbare  Sachen  vorfielen,  die  sofortige  Verhand- 
lung erheischten. 

Die  Gerichtsverhandlungen  fanden  nicht  nur  am  Sitze  *) 
des  Landgerichts  (Pflege),  sondern  auch  an  andern  innerhalb 
dieses  Landgerichtssprengeis  gelegenen  Schrannen*)  statt;  es 
waren  das  wohl  die  alten  Hundertschaftsmalstätten,  so  daß  in 
dieser  Richtung  die  Hundertschaft  noch  im  späten  Mittelalter 
für  die  Gerichtsverfassung  bedeutsam  blieb.  Der  Landrichter 
mit  dem  Gerichtsschreiber  reiste  herum,  um  an  den  einzelnen 
Schrannen  Gericht  zu  halten  ^),  ganz  wie  der  fränkische  Graf  ver- 
pflichtet war,  circumire  pagum.  Die  verschiedenen  Schrannen 
desselben  Landgerichtsbezirks  gelten  deshalb  wie  die  fränkischen 


1)  Undatiertes  Konzept  —  Kr.  A.  M.  —  Bechnongswesen. 

2)  Diese  Verordnung  war  bervorgerofen  durch  die  Wahrnehmung,  daß 
einige  Pfleger  und  Landrichter  sich  unterstehen,  keine  Ordnung  mit  den  Yer- 
hOrstagen  zu  halten,  sondern  täglich,  was  vorkonmit,  auszurichten,  was  den 
Gerichtsschreibem ,  Amtleuten  und  Procuratoren ,  besonders  den  nicht  am 
Amtssitze  wohnhaften,  beschwerlich,  da  sie  von  eines  jeden  Handels  wegen 
zu  dem  Pfleger  reisen  sollen,  darauf  auch  den  Parteien  viel  Unkosten  und 
Ttehiung  laufen  thut  Dagegen  unterfingen  sich  auch  einige  Pfleger,  die  Er- 
ledigung ihrer  Händel  gar  zu  lange  anzustellen. 

3)  Ständige  Gerichtsstätten  in  Baiem  erst  spät  nachweisbar,  Kiez  1er 
I,  S.  269  fahrt  erst  einen  Beleg  von  1003  an.    Vgl  L  u  s  c  h  i  n  S.  50. 

4)  z.  B.  1376  Bichter  zu  Pfaffenhofen,  da  ich  safi  an  offnem  Rechten  zu 
Hohenwart;  1406  Kichter  zu  Inchofen,  dafi  fOr  mich  kam  auf  das  Kecht  zu 
Nandelstadt;  1377  da  ich  saß  an  offner  Schranne  zu  Loch  von  wegen  meines 
Herrn  .  .  Pflegers  zu  Naternberg;  1384  Schranne  Ergolding  (Landgericht 
Rotenburg);  1425  WeUhard  (Mauerkirchen);  1351  Weilheim  (Päl);  1465 
Wolfrathausen  (Perlach),  M.  B.  XVII,  p.  139;  X,  p.  536;  XI,  p.  407;  XV, 
p.  321 ;  X,  p.  103 ;  VIII,  p.  570.  Das  Landgericht  Hirschberg  hatte  Schrannen 
in  Forchheim,  Dietfurt,  Schafshüll,  DolUngen;  Schrannen  des  Land-  und 
Stadtgerichts  Straubing:  Salching,  Teuting;  des  Landgerichts  Sulzbach  zu 
Kofilautem,  Schnatterbruck,  Laufen  (Buchner,  Das  o£  Gerichtsverfahren, 
8.  137). 

5)  Die  Ortschaften,  welche  herkOnmilich  Schrannen  hatten,  hielten  darauf 
daft  das  Gericht  bei  ihnen  gehalten  würde.  So  beschwerte  sich  1453  der 
Markt  Grafing  (Gericht  Schwaben),  daß  es  Herkommen,  daß  das  3.  Landrecht 
zu  Grafing  gewesen  und  daß  sie  jetzt  gen  Schwaben  zur  Verhandlung  geboten 
würden  (Krenner  I,  S.  228). 


—    94    - 

HuDdertschaftsgerichte  als  identische  Gerichte  ^).  Für  denselben 
Rechtsstreit  kamen  die  au  den  verschiedenen  Schrannen  abge- 
haltenen Verhandlungen  als  Verhandlungen  desselben  Gerichts 
in  Betracht*). 

Das  Gericht  wurde  ursprünglich  unter  freiem  Himmel  ge- 
halten. Dann  scheint  man  in  den  fehdereichen  Zeiten  zur 
großem  Sicherheit  das  Gericht  in  die  geweihten  Bäume  der 
Kirche  verlegt  zu  haben.  Nachdem  kirchlicherseits  das  Verbot, 
Kirchen  und  Kirchhöfe  als  weltliche  Gerichtsplätze  zu  benützen, 
erneuert  worden  war^),  schafften  auch  die  Landfrieden*)  die 
„Kirchgerichte"  ab  und  verfügten,  daß  man  wieder  auf  den 
alten  Schrannen  und  Dingstätteu  richten  solle.  Fanden  nun  die 
Gerichtsverhandlungen  vielfach  wieder  im  Freien*^)  statt,  so 
ziehen  sie  sich  doch  seit  dem  15.  Jahrhundert  schon  in  ge- 
schlossene Räume  ^). 

Der  eigentliche  Gerichtsplatz  war  durch  ein  Geländer,  eine 
Schranke  (daher  Schranne)  abgeschlossen.  Außerhalb  derselben 
war  der  Ring,  der  Umstand'),  da  in  unsrer  Periode  noch  die 
unbeschränkte  Öffentlichkeit  des  Verfahrens  durchgeführt  war. 
Innerhalb  der  Schranken  saß  der  Richter  „mit  gewaltigem  Stab"  *), 
wie  es  in  den  Gerichtsbricfeu  heißt,  dem  Zeichen  seiner  Würde, 
neben  ihm  einige  ürteilstinder  ^).    Parteien  und  Zeugen  standen 


1)  Sohm  S.  330. 

2)  Vgl  Maurer  S.  166.  Dies  bezieht  sich  auch  auf  die  3  Vorladmigen 
vor  Erlafi  eines  Kontumazialurteils,  z.  6.  1416  also  klagt  er  nach  einander  yon 
Schranen  zu  Schranen  bis  auf  die  Schranen  ze  Steinga  (M.  B.  II,  p.  72). 

3;  1274  ConciL  Lugdun.  (c.  2  de  immun,  eccles.  in  yi<>):  omnis  in  eil 
(ccclesiis  earumque  coemeterüs)  saecularium  iudiciorum  strepitus  conqniescAi 

4)  li:93  a.  16  und  1300  a.  18  ^Qu.  u.  Er.  VI,  S.  29,  114). 

5)  z.  6.  1324  an  der  Thorsäulen,  an  der  eichenen  Staude  bei  Amberg^ 
M.  B.  XVI,  p.  345,  auf  der  Wiese  bei  Burghausen  (Huber,  Geschichte  der 
Stadt  Burghausen,  S.  48). 

6)  Vgl  V.  Freyberg,  Über  das  altdeutsche  OffentL  GerichtsyeiiihraL 
S.  149. 

1)  Bei  Vorberatung  der  L.O.  1474,  welche  die  Zahl  der  ürteilsfinder  ein- 
schränkte, wurde  vorgeschlagen,  dafi  höchstens  41  von  den  gerade  An- 
wesenden zu  Hecht  niedergesetzt  und  daß  allein  dieselben  so  also 
niedergesetzt  und  nicht  die,  so  auswendig  an  den  Schrannen  oder 
dem  Ring  stehen,  zu  Recht  gefragt  werden  sollten  (K  r  o  n  n  er  VII,  8.308). 

8)  Vgl  S.  60. 

9)  Deshalb  schlielten  die  Gcrichtsbriefe :  „An  dem  Bcchten  sind  gesessoi"  etc. 


—    95    — 

aufierhalb  und  begaben  sich  erst  nach  Aufrufung  durch  den  Fron- 
boten in  den  eingeschränkten  Raum. 

Ein  höherer  Friede  umschwebte  das  Gericht.  Alles,  was 
einer  Verletzung  desselben  vorbeugen  konnte,  wurde  vorgesehen. 
So  wurde  in  den  Landfrieden  * )  die  alte  karolingische  Satzung 
wiederholt  eingeschärft,  daß  Niemand  bewaffnet  vor  Gericht  er- 
scheinen soll*).  Das  Ldr.  a.  174*)  begnügt  sich,  Schwert-  oder 
Messerzücken,  überhaupt  jedes  Delict,  das  vor  Gericht  begangen 
wurde,  mit  der  doppelten  Buße  zu  bedrohen. 

Über  die  Einkünfte  des  Gerichts  hatte  der  Richter  dem 
Rentmeister  Rechnung  zu  stellen  und  ihm  den  nach  Abzug  der 
Besoldungen  des  Gerichtspersonals  und  der  Anteile  an  den 
Bußen  verbleibenden  Restbetrag  abzuliefern. 

Der  Gehalt  des  Gerichtspersonals  war  wie  der  der  Beamten 
überhaupt  aus  Geld  und  Naturalien  zusammengesetzt.  Dazu 
kommen  aber  noch  Tantiemen ,  Anteil  an  den  Bußen  für  den 
Richter  und  Schergen,  sowie  feste  Sportein,  welche  die  Par- 
teien für  bestimmte  Amtshandlungen  dem  Gerichtsschreiber  und 
dem  Fronboten  schuldeten. 

Schon  die  Landfrieden  suchten,  um  das  Publikum  vor  der 
Willkür  der  Richter  zu  sichern,  die  Höhe  der  dem  Gerichte  zu- 
fallenden Bußen  zu  fixieren.  Die  große  Gerichtsbuße*)  von 
5  Pfd.  60 -X,,  wird  durch  den  Landfrieden  ^)  auf  wenige  Fälle  be- 
schränkt, dagegen  blieb  eine  Buße  von  5  Pfd.  ^X ;  mehrfach  kommt 
dann  eine  solche  von  1  Pfd.,  von  72,  auch  von  12  .X  vor. 

Das  Ldr.  K.  Ludwigs  regelt  sehr  genau  die  dem  Gericht 
und  die  der  verletzten  Partei  zufallenden  Bußen  und  verbietet 
diesem,  andere  und  höhere  als  die  im  Ldr.  normierten  Bußen 
zu  beanspruchen*).    Die  Höhe  der  Buße  schwankt  zwischen 


1)  1244  a.  47;  1255  a.  11;  1281  a.  63;   1300  a.  97  (Qu.  u.  Er.  V,  S.  85, 
147,  347;  VI,  S.  126). 

2)  Cap.  Aquis.  806  c.  1  (M.  G.  L  I,  p.  146  ed.  Pertz):  ygL  auch  KGes. 
de  pace  ten.  1156  §  16  (M.  G.  L.  IV,  p.  102), 

3)  Eef  Ldr.  t  XVI  a.  6. 

4)  Vgl  üeenbrüggen  a.  a.  0.  S.  184  £  (1  Pfd.  =  240  X). 

5)  Landfrieden  1281  §  3;  1293  §  11;  1300  §  11  (Qu.  u.  Er.  V,  a  339; 
H  S.  28,  112). 

6)  a.  6.    Nur  wenn  fremdes  Recht  an  die  Schrannen  käme,  über  welches 
das  Buch  nichts  habe ,  soll  man  es  an  den  Herrn  bringen.    Man  darf  in 


~    96    - 

10  Pfd.  X,  5  Pfd.  60  ^,  3  Pfd.  60  ^^),  1  Pfd.  X,  72  und 
36  -V-  *).  Der  a.  264  stellt  das  Prinzip  auf,  daß,  wo  der  Richter 
72  X  Buße  bekomme,  dem  Schergen  12  ^  hiervon  zu  verab- 
folgen seien  ^). 

Je  nach  dem  abzuschätzenden  Wert  des  gestohlenen  Ob- 
jekts hatte  der  Eigentümer,  welchem  es  durch  den  Richter  wie- 
der zugestellt  wurde,  diesem  eine  bestimmte  Quote  als  „Für- 
fang" *)  zu  geben. 

Bei  Einziehung  des  Vermögens  eines  zum  Tode  Ver- 
urteilten war  der  Anspruch  des  Richters  auf  die  üährende 
Habe  beschränkt,  da  der  Immobiliarnachlaß  der  Familie 
verbleiben  sollte  —  Eigen  und  Lehen  ist  der  nächsten  Er- 
ben *). 

Mannigfach  waren  die  Beschwerden  der  Gerichtsunterthanen 
gegen  ungerechtfertigte  Forderungen  des  Richterpersonals.  Der 
Kampf  gegen  die  eigennützige  Ausbeutung  des  Publikums  durch- 
zieht die  laudständische  Geschichte  und  trotz  des  energischen 
Willens  der  Fürsten,  solch  grelle  Mißstände  zu  beseitigen,  ge- 
wannen die  darauf  gerichteten  gesetzlichen  Bestrebungen  nur 
lanjjjsam  Erfolg.  Am  frühesten  begegnen  die  Landfrieden  den 
durch  ungerechtfertigte  Ausnutzung  der  Naturalleistungspflicht 
der  ünterthanen  hervorgerufenen  Bedrückungen.  Der  Land- 
frieden von  1244*^)  befahl  deshalb,  daß  kein  Graf  oder 
Richter  in  seinem  Gerichtssprcngel   öfter  als  dreimal  im  Jahre 

dieser  Satzung  wohl  mit  Osonbrüggon  S.  184  einen  Nachklang  des 
Prinzips  der  persönlichen  Rechte  erblicken. 

1)  Diese  mittlere  Buße  von  3  Pfd.  60  ^  scheint  im  filteren  Landrechte 
häutiger  vorgekommen  zu  sein  (Bockinger,  Zur  äofi.  Geschichte  von  K. 
Ludwigs  Land-  und  Stadtrecht,  S.  22). 

2)  z.  B.  Ldr  a.  47,  165,  35,  103,  63,  23,  6ü,  137,  66,  67,  86-89,  71,  02^ 
68.    Vgl.  noch:  Ref.  Ldr.  besonders  t  XIX,  XXIL 

3)  Der  Richter  hatte  die  Buße  ex  ofßcio  zu  beanspruchen,  er  brauchte 
nicht  als  Kläger  diese  prozessualisch  geltend  zu  machen  (Ldr.  a.  261,  vgL  aach 
SUdtrecht  a.  282  bei  Aue r  S.  109). 

4)  Ldr.  a.  37. 

5)  Ldr.  a.50  (44).  Vgl.  Osenbrüggcn  S.  186;  L.O.  1474  (Erenner 
VU,  ö.  495).    Ref.  Ldr.  t  XX,  t  VII  a.  7. 

6)  a.  49,  Landfr.  1255  a.  42;  1281  a.  31;  1300  ta.  64  (Qn.  o.  Er.  Y, 
S.  85,  147,  343;  VI,  S.  121). 


—    97    - 

gegen  den  Willen  der  Gerichtseingesessenen  ^)  übernachten*) 
dürfe »). 

Eine  zu  vielen  Klagen  Anlaß  gebende  —  vielleicht  aus  der 
Vogtei  über  einzebie  Güter  herrührende,  dann  durch  Mißbrauch 
auf  alle  Güter  des  Gerichtsbezirks  verallgemeinerte  —  Abgabe 
war  die  von  Futter,  welche  sowohl  Richter  und  Schergen,  als 
Kastner  und  Gerichtsschreiber  forderten  (sog.  Futtersammlung). 
K.  Ludwig  brach  allen  Beschwerden  die  Spitze  ab,  indem  er 
in  seinem  Ldr.  (a.  267)  allen  Beamten  unterschiedslos  die 
Futtersammlung  bei  Strafe  verbot  Das  Verbot  reichte  nicht 
aus,  um  solchem  eingewurzeltem  Mißbrauche  ein  Ende  zu  machen ; 
die  Beschwerden  *)  und  die  Einschärfung  des  Verbots  *)  wieder- 
holten sich,  bis  endlich  die  L.Fr.  (III  a.  7)  *)  nach  dem  Vorbilde 
der  L.O.  1474'')  für  das  Geltungsgebiet  des  Landrechts  das  un- 
bedingte Verbot  des  Futtersammeins  bestätigte,  für  das  übrige 
Baiem  dasselbe  nur  in  denjenigen  Sprengein  gestattete,  in  welchen 
solche  Futtersammlung  schon  mindestens  seit  über  30  Jahren  ®) 
in  Übung  war;  aber  auch  hier  stand  dieses  Recht  des  Futter- 
sammeins, welches  auf  eine  einmalige  jährliche  Sammlung  von 
Hafer  beschränkt  war,  nur  denjenigen  Pflegern  zu,  welche  zu- 


1)  Eine  solches  unentgeltliches  Beherbergnngsrecht,  sog.  Nachtzil,  hat 
nch  nur  fftr  Jäger  und  Falkner  mit  Bossen  und  Hunden  (fOr  3—4  Tage  aU- 
jfthrlich)  erhalten.  Sie  konnten  es  nur  von  solchen  ElOstem,  welche  im  Laufe 
der  letzten  10  Jahre  (vor  1508)  in  dieser  Weise  heimgesucht  wurden,  be- 
inipmchen  (LJV.  in  a.  6).  Andern  Beamten  war  dies  Becht  ausdrücklich 
entzogen  (Ret  Ldr.  t  I  a.  7). 

2)  Über  die  Herbergepflicht  und  ihre  teilweise  Verwandlung  in  eine 
Herbergsteuer  vgL  Baase h,  Die  Steuer  im  Herzogtum  Baiem  bis  zum 
L  landständischen  Freibriefe  1311.  Diss.  Marburg   188a  S.  49. 

3)  Derselben  Tendenz  entsprangen  auch  die  Verbote,  daß  kein  Siebter 
bei  Strafe  mehr  als  6  bezw.  8  Pferde  und  kein  Scherge  mehr  als  1  Pferd 
haben  dürfe  (Landfr.  1293  a.  12,  1300  a.  12  —  Qu.  u.  Er.  VI,  S.  28,  113). 

4)  Besehwerden  der  oberb.  Landschaft  1468,  der  niederb.  1460,  der 
ober-niederb.  1501  (Krenner  V,  S.  327;  VII,  S.  60;  XIII,  S.  172). 

5)  42.  Freibrief  Albrechts  IIL  1458;  44.  Freibrief  Johanns  und  Sigmunds 
1463  (y.  Lerchenfeld  S.  105,  112);  Verordnung  Albrechts  IV.  1468 
(Kren n er  V,  8.  337;  TgL  auch  I,  S.  164  1  —  1444). 

6)  Ebenso  auch  Be£  Ldr.  t  I  a.  7. 

7)  Kronner  VII,  S.  489  i 

8)  also  mindestens  yor  1478.  —  Die  L.O.  1474  hatte  statt  30  nur 
10  Jahre. 

Rottnthai,  Geschieht«  d.  Oerichtiw.  a.  d.  Verw.-Orf.  Baierns.  I.  *j 


—    98    — 

gleich  Gerichtsverwaltung  hatten,  sowie  den  Landrichtern  und 
dem  obersten  Fronboten. 

In  die  Kategorie  dieser  den  Gerichtsunterthanen  höchst^) 
beschwerlichen  richterlichen  Accidentalien  gehörte  auch  die  Un- 
sitte des  sog.  Forderweins.  An  vielen  Orten  mußten  beide  Par- 
teien bei  jeder  gerichtlichen  Vorladung  dem  Richter  Geld  für 
ein  Viertel  Wein  zahlen.  Natürlich  hatte  diese  Unsitte  eine 
Häufung  ganz  überflüssiger  Ladungen  zur  Folge,  lediglich  um 
dieses  lieichnis  des  öfteren  fordern  zu  können.  Auf  die  auf 
den  Landtagen  hiergegen  geäußerten  Beschwerden*)  erfolgte 
ein  mehrfach  wiederholtes  strenges  Verbot*)  dieser  Unsitte*). 
Damit  im  Zusammenhang  steht  auch  jene  landschaftliche  Be- 
schwerde, daß  die  Pfleger,  welche  herzogliche  Tafemen  haben, 
den  Wein  teurer  als  in  andern  Wirtshäusern  verschenken  und 
die  armen  Leute  zwingen,  nur  bei  ihnen  zu  kneipen,  widrigen- 
falls man  ihnen  dieses  in  andern  Handlungen  entgelten  lasse  ^). 
Die  L.O.  1501  verbot  dies  nicht  nur  den  fürstlichen  Pflegern 
bei  schwerer  Ahndung,  sondern  dehnte  das  Verbot  auch  auf  die 
Tafemen  der  Stände  aus*). 

Pfleger  und  Richter  maßten  sich  auch  das  ausschließliche 
Beeilt  der  Sieglung  von  Urkunden  an,  während  dieses  Recht 
dem  Herkommen  gemäß  allen  siegelmäßigen  Personen  zustand. 
Dabei  verlangten  sie  solch  hohes  Siegelgeld  (7  fl.  für  einen 
Spruchbrief),  daß  die  Unterthanen  durch  solche  exorbitante  For- 

1)  Strenge  war  Richtern  und  Amtleuten  auch  ontersagt,  die  Unterthanen 
zu  irgend  welchen  landwirtschaftlichen  oder  Bonstigen  Arbeiten  f&r  neh  n 
zwingen  (Ldr.  a.  268.    Ret  Ldr.  I  a.  8). 

2)  z.  B.  1460,  ISOMKrenner  Vn,  S.  62;  XUI,  S.  187). 

3)  I.O.  1474,  1501,  Landgebot  Albrechts  IV.  1493  (Krenner  YII, 
S.  491;  XIII,  S.  308  t;  IX.  S.  241);  limitatio  1510  (y.  Lerchenfeld 
S.  227);  besonders  L.O.  1516  S.  20  £;  Be£  Ldr.  t  I  a.  6;  L.O.  1568  R  II, 
t  2  a.  I. 

4)  Da  die  Beamten  wegen  Mangels  eines  geeigneten  Ijokali  genötigt 
waren,  Verhöre  und  andre  Amtshandlungen  in  den  Wirtshäusern  vomnehmen» 
entwickelte  sich  der  Unfug,  bei  den  Verhandlungen  Zechgelage  m  Ten»* 
stalten.  Die  LO.  1553  B.  II,  t  2  a.  5  stellte  solches  Zechen  ab,  das  ^ra 
vcrklainerung  der  Obrigkait,  auch  Verhinderung  der  Sachen  and  gebOriichen 
auGrichtung  mit  der  Partheien  nachtail,  manicherlay  Unordnung  und  nn- 
geschickligkait  enolf:^". 

5)  E  r  e  n  n  e  r  XIII,  S.  12,  165,  203  (ygl  auch  I,  S.  235  [1453]). 

6)  Das.  S.  280. 


—    99    — 

denmgen  vom  Verkaufe  ihrer  Güter  abgehalten  wurden  ^).  Die 
Landesordnungen*)  mußten  deshalb  wiederholt  durch  Tarifie- 
rung  des  Siegel-,  Abschied-  und  Beschaugelds  der  Pfleger  und 
Richter,  sowie  der  Sportein  der  Gerichtsschreiber  und  Fron- 
boten die  Interessen  der  Rechtsuchenden  wahren.  Die  L.O.  1553 
brachte  durchweg  eine  Erhöhung  der  1516  festgesetzten  Taxen. 
In  den  Vorverhandlungen  *)  wurde  das  Für  und  Wider  einer 
solchen  Erhöhung  in  einer  Weise  erörtert,  die  sich  so  ziem- 
lich mit  dem  in  den  parlamentarischen  Verhandlungen  unsrer 
Tage  bei  Beratung  der  Anträge  auf  Herabsetzung  der  Gerichts- 
kosten geltend  gemachten  Argumente  deckt. 


1)  Erenner  Vn,  S.  429;  Xm,  S.  13,  203. 

2)  L.O.  1474,  1601  (Krenner  VII,  S.  508;  XIH,  S.  281);  L.O.  1616 
S.  20 1 ;  L.O.  1663  B.  II,  t  2  a.  1;  t  3  a.  1,  2;  t  4  a.  1  ff. 

3)  Seitens  der  herzoglichen  Bäte  wurde  bemerkt:  .  .  .  „ist  bedacht,  wie 
jetzt  £&8t  alles  das,  so  man  zur  notdürftigen  Unterhaltung  haben  mag,  mehr 
dann  nm  noch  soviel  teurer  ist,  dann  es  zu  der  Zeit  dieser  aufgerichten  L.O. 
(1616)  gewest  und  dafi  die  Amtleut  solcher  Zustände  bei  weitem  soviel  nit 
genießen  mOgen  als  zur  bemelten  Zeit  geschehen.  Darzu  so  wtlrden  gar  viel 
onrohig  Personen,  die  zu  täglichem  Hader  und  Kriegen  geneigt  sind,  wo 
eine  so  gering  Tax  von  ihnen  genommen  werden  mufite,  noch  mehr  die 
ftrstlichen  Regierungen,  auch  ünterobrigkeiten  mit  ihren  mutwilligen  An- 
sprachen täglich  anzulaufen  und  ihre  Gegenteil  ganz  unbilliger  Weise  in 
Mfihe  und  Kosten  zu  bringen  verursacht,  wie  denn  zu  diesen  Zeiten  lauter 
gespürt  würde,  dafi  von  Tag  zu  Tag  je  länger  je  mehr  das  mutwillige  Klagen, 
•nch  Zank  und  Hader  vor  den  Obrigkeiten  zunimmt  und  sich  der  weniger 
Teil  billiger,  rechtmäßiger  Entschieden  wiU  begnügen  lassen.  Demnach  und 
damit  anch  die  Amter  mit  geschickten,  tauglichen  Personen  besetzt  werden 
mOgen  und  aus  andern  beweglichen  Ursachen  ist  rätlich  und  eine  billige 
Notdurft  angesehen  nach  Gestalt  der  jetzigen  Läufe  diese  Tax  also  zu 
mehren."  Die  Verordneten  der  Landschaft  entgegneten  hierauf,  sie  trügen 
Bedenken,  es  werde  den  Pflegern  und  andern  Amtleuten  damit  nicht  ge- 
holfen, dagegen  der  arme  Mann  sehr  beschwert  und  „Manchem  etwa  dahin 
reichen,  daß  er  eine  gerechte  gute  Sachen  und  deren  er  zum  besten  befugt 
von  Abschechung  wegen  des  übermäßigen  Unkostens  gar  fallen  lassen  müßte, 
bevoran  dieweil  sonst  allerlei  Beschwerung  auf  dem  armen  Mann  liegen. 
Sie  besorgen  auch  daneben,  daß  Einer,  so  sonst  zu  Hader  und  Krieg  geneigt, 
werde  sich  durch  diese  Hoherung  des  Unkostens  nit  lassen  abschrecken.  Aus 
diesen  und  andern  beweglichen  Ursachen  sieht  sie  für  gut  an,  daß  hierin 
des  gemeinen  Mannes  soviel  immer  möglich  vorschont  und  die  fürstlichen 
Pfleger  und  Amtleut  in  anderm  Wege  mit  Gnaden  bedacht  würden*'  (RA.  — 
Bajer.  Ldr.  21).  —  Die  Erhöhung  der  Taxen  fand  aber  doch  Aufnahme  in 
die  L.O.  1663  B.  II,  t.  4  a.  1  u.  2. 


Das  kaiserliche  Landgericht  Hirschberg. 

Auf  bniriachem  Bocleu  befand  sich  aiicli  eines  jener  kaiset^ 
liehen  Landgerichte,  welche  noch  nach  der  Entwicklung  der 
Landeshoheit  ihre  Üuniittelliarkeit  unter  Kaiser  und  Reich  l>e- 
wahrt  hatt^in  und  dalicr  ihre  (tericht*gewalt  älMjr  die  Grunzen  ilea 
Territoriums,  in  dem  ihr  Sitz  war,  ausdehnten,  teilweise  auch 
ihre  Jurisdiktion  auf  das  ganze  Reichsgebiet  erstreckten ' ). 

Wenn  auch  das  kaiserliche  Landgericht  Uirschbcrg')  im 
Laufe  der  Zeit  den  Charakter  eines  Territorialgerichta  ai 
nomiDei)  hat.  verdient  seine  eigenartige  OrgantsatioD  doch  eine 
spezielle  Darstellung. 

Nach  dem  Tode  des  Grafen  Gebharii  von  Hirsrhherg  (1306), 
eines  Verwandten  der  Witteisbacher ' ),  entstand  zwischen  ■ 
Bistum  Eichstädt  und  den  boirisebeu  Herzogen  Über  die  Ver- 
lasscnschafi  Streit,  welcher  durch  einen  schiedsrichterlichen 
Spruch  * )  zu  UngiiDsten  der  letzteren  entschieden  ward,  indem 
ihnen  nur  die  Hirschbei^ischen  Grafschaftsrechte  zuerkannt 
wurden,  wahrend  Eichstadt  12:;  Ortschaften  erhielt.  Auf  dies« 
Weise  kam  das  Landgericht  Uirschl>erg  an  Itaiern,  nachdem  Graf 
Gebhard  kurz  vor  seinem  Ableben  ( 1304)  zur  Abwehr  der  Eingrifle 
)>ena<-Jibarter  Hof-  und  Landgerichte  in  seine  (ieriobtfigewalt 
von  K.  Albrecht  I.  ein  Privilegium  de  nnn  evociuidu  urhalten  hatte, 
demzufolge  die  liewohner  der  Grafuchaflen  UirscUberg  und  Gr&is- 
bacb,  den  Fall  der  Rechtsverweigerung  ausgenommen,  vor  keinem 


1)  Vgl  Wetiell,  Sfitem  d««  oti.  OirilproieMoi.   8.  SRO. 

S)  OelogMiUieh  de«  Streitea  Hier  <lie  furtdRUemdB  Aiudotmiuig  de«  G*- 
ricbttnrug«  d«i  lAnd^richti  Hint-fabers  ati«i  du  iimi  Biitom  EloltfUdt 
gehOriga  Oebiot  cnchjcn  nioe  StiimitiiTiK  iUet  «ichtiifcD,  ftof  dl»  Jad^ 
dlktloanerliUtiiitM  doi  Lind^erirbts  bMagUcbon  Urkunden:  [i-  leUut^ 
OMChiebt-  und  AkteoniUii^er  l'aterrirht  lon  dem  IjudKoricht  nndOnt 
•diain  flincbborg.  1151.  Auf  die*«  mit  «iD«r  gut  oii<'ntiar«ndaB 
leitaag  isneheaan  UtlnudauaunmluDg  rtOUt  seh  die  folgtad«  Dir> 
•talloBg. 

8)  Bi«ii*r  n.  a»7<: 

4)  ISOE^  i».  Oktober  in  OnimmlMiiE.    Qo.  n.  Bi.  VI,  &  IM  E 


—    101    — 

anderen  Gerichte')  zu  Recht  zu  stehen  brauchten*).  Dieses  Privi- 
leg bildet  den  Grundstein  des  kaiserlichen  gefreiten  Landgerichts  3). 

Da  ein  Teil  nicht  zu  Baiem  gehöriger  Gebiete  dem  Gerichts- 
zwange des  Landgerichts  Hirschberg  unterworfen  blieben,  ohne 
dadurch  zu  den  bairischen  Herzogen  in  ein  ünterthanenverhältnis 
zu  treten,  so  waren  diese  nur  Gerichtsherren,  keineswegs  aber 
Landesherren  über  den  Sprengel  des  Landgerichtsbezirks  ^). 

An  der  Spitze  des  Landgerichts  stand  nach  der  fOr  Orga- 
nisation und  Wirkungskreis  desselben  grundlegenden  Bestätigungs- 
arkunde K.  Ludwigs  (1320)*)  ein  vom  Herzoge  von  Baiern  zu 
bestellender  Landrichter,  welcher  jeden  volljährigen  Freiherm 
mit  seiner  Vertretung  betrauen  konnte.  Nur  Achtserklärungen 
und  Aufhebung  der  Acht  mußte  ausschließlich  durch  den  Land- 
richter erfolgen. 

Mindestens  7  Beisitzer  vom  Ritter-  oder  dem  höheren  Bürger- 
stande waren  als  Rechtsprecher  ^)  für  die  ürteilsfindung')  erforder- 
lich. Gegen  Ende  des  15.  Jahrhunderts  finden  sich  schon  Geist- 
liche, Doctores  juris  als  assessores,  welche  die  bürgerlichen  Bei- 
sitzer zurückdrängen^) ;  auch  den  benachbarten  Pflegern  wurde  im 


1)  Unterricht  S.  4;  Beilage  S.  1.  Dieses  Evocationsprivileg  wurde 
den  bairischen  Fflrsten  von  1362  an  5  Jahrhunderte  hindurch  von  sfimtlichen 
deutschen  Kaisern  bestätigt  Vgl  die  Unterricht  S.  17  fL  mitgeteilten 
Auszflge. 

2)  Ein  Urteilsbrief  des  Landrichters  von  1418  enthält  ein  in  Folge  der 
Ladungen  Hirschbergischer  Unterthanen  an  das  kaiserliche  Landgericht  Nflm- 
berg  gefälltes  Urteil  dahingehend  („de  sagt  Folg,  Frag  und  ward  ertailt  mit 
dem  Bechten)  —  dieselbig  Clag,  Becht  und  Fürladung  sol  den  oder  dem- 
selben an  iren  Leib,  Eren  und  Gütern  gar  und  genzlichen  unschädlich  sejn" 
(Unterrieht  Beilagen  S.  96  £). 

3)  Über  die  Grenzen  des  kaiserlichen  Landgerichtssprengeis  vgl  die  alte 
ürkonde,  das  Bereitungsprotokoll  1551  und  das  Verzeichnis  der  Yesten  und 
Edelmannssitze  in  demselben.    Unterricht  S.  23,  Beilagen  S.  71  £ 

4)  T.  d.  Pfordten  S.  270.  Sie  konnten  daher  nur  Gerichtsordnungen, 
aber  kein  Landrecht  für  diesen  Sprengel  erteilen  und  so  erklärt  sich  die 
NiehteinfÜhmng  des  oberbairischen  Landrechts  in  diesem  Gebiete. 

5)  Unterricht  Beilagen  S.  12. 

€)  Es  soll  auch  nyemands  Urtaü  sprechen  auf  der  Land-Schrannen  dann 
Bitter  und  des  Reichs  Erb-Burger,  die  mit  der  EUn  und  mit  der  Waag  nit 
ferkauffen. 

7)  Es  wurden  20—30  Urteiler  ernannt,  um  die  erforderliche  Besetzung 
stets  zu  ermöglichen  (Unterricht  S.  27). 

8)  Unterricht  S.  27. 


—    102    — 

16.  Jahrhundert,  als  das  Landgericht  in  Abnehmen  geraten  war,  die 
Pflicht,  als  Beisitzer  dem  kaiserlichen  Landgerichte  beizuwohnen, 
bei  ihrer  Bestallung  auferlegt,  bis  endlich  wie  bei  allen  höheren 
Gerichten  die  2  Bänke  für  Laien  und  Rechtsgelehrte  auch  hier 
auftauchen*). 

Natürlich  fehlte  bei  der  Besetzung  des  Gerichts  auch  der 
(Land-)Schreiber  nicht,  welcher  am  Tage  nach  der  Sitzung  des 
Landgerichts,  dem  sog.  Beschreibtage,  den  Parteien  die  Gerichts- 
briefe auszufertigen,  außerdem  aber  noch  das  Landgerichtssiegel 
sorgfältig  aufzubewahren  und  nur  vorschriftsmäßig  zu  gebrauchen 
hatte.  Bei  besonders  verwickelten  Prozessen  können  dem  Schreiber 
auf  seinen  Antrag  vom  Landrichter  2—3  ürteiler  beigegeben 
werden,  welche  ihn  bei  der  Abfassung  der  ürteilsbriefe  unter- 
stützen *). 

Zur  Erledigung  der  gewöhnlichen  Schreibegesch&fte,  ins- 
besondere zur  Reinschrift  der  vom  Landschreiber  konzipierten 
Urteile,  war  ein  Unterschreiber  bestellt ').  Den  Schreibern  war 
die  Übernahme  von  Parteivertretungen  untersagt,  nur  ausnahms- 
weise mit  Genehmigung  des  Landrichters  durfte  der  Unter- 
schreiber „raten  oder  Beistand  tun". 

Der  Grundsatz,  daß  Jeder  in  eigner  Person  sich  zu  ver- 
antworten habe,  bildete  die  Regel,  so  daß  Parteivertreter  nur 
ausnahmsweise  zugelassen  wurden,  so  für  Gemeinden,  für  Fürsten, 
Grafen,  Prälaten  und  Ritter,  die  im  Landgerichtssprengel  nicht 
angesessen  waren.  Die  Vertreter  mußten  aber  Edle  oder  Ritter- 
mäßige des  Bezirks  sein.  Dagegen  war  für  die  hier  Ansässigen 
der  letzten  Kategorieen  eine  Parteivertretung  ausgeschlossen,  da- 
mit durch  ihr  persönliches  Erscheinen  stets  für  die  ordnungs- 
mäßige Besetzung  des  Landgerichts  gesorgt  war*). 

Zum  Exekutionspersonal  gehörten  Anlaiter*),  der  nur  auf 
schriftlichen  Befehl  des  Laudschreibers  die  Immission  in  die 

1)  In  den  Protokollen  von  1607-1609  werden  Pr&laten,  Ritter  und 
Doctores,  anter  letzteren  mehrere  In^olstadter  Professoren  angefthrt  (Befl. 
S.  79  £).  Bei  der  Beorganisation  von  1749  wird  die  Bank  der  Prälaten  and 
Adligen  nnd  die  der  gelehrten  Assessores  geschaffen  (BeiL  S.  79). 

2)  Von  den  Pflichten  des  Oberschreibers  handelt  eingehend  die  Ejde- 
formul  BeiL  S.  75  f. ;   vgl.  auch  Verordnung  von  1518,  BeiL  S.  lOÖ. 

3)  Seinen  Eid  siehe  BeiL  S.  80. 

4)  L.Ger.0.  1518  a.  IV  (BeiL  S.  109). 

5)  Seinen  Eid  siehe  BeiL  S.  77. 


—    103    — 

Güter  des  Verurteilten  zu  bethätigen  hatte,  und  Amtsknechte, 
welche  vom  Landrichter  bestellt  werden  konnten,  während  für 
alle  übrigen  Organe  landesherrliche  Ernennung  vorgeschrieben 
war*).  Femer  darf  man  dem  Exekutionspersonal  noch  bei- 
zählen die  sog.  Galgenhübler ;  früher  gab  es  deren  17—18,  im 
16.  Jahrhundert  nur  noch  4.  Die  Galgenhuben  sind  dem  Land- 
richter lehen-  und  zinsbar,  die  Besitzer  derselben  entrichten  den 
Handlohn  und  1  Pfd.  ^  jährlicher  Stift  *).  Die  mit  denselben  Be- 
lehnten haben  die  Verpflichtung,  den  in  ihrer  Nähe  gefangenen 
Delinquenten  in  Verwahrung  zu  nehmen,  „demselben  bis  zu 
seiner  Erledigung,  er  werde  gericht  oder  ausgelassen,  auf  sein 
aigeu  Costung  in  der  Gefenckhnuß  zu  verwachen",  wie  ein  Be- 
richt des  Landrichters  1560  besagt,  der  ausdrücklich  dies  nicht 
als  eine  Neuerung,  sondern  als  ein  Herkommen  vor  vil  uralten 
Jahren  bezeichnet^).  Die  Galgenhuben  sind  dann  zugleich 
die  alten  Malstätten,  an  welchen  das  Landgericht  abgehalten 
wurde. 

Feste  Gerichtsorte  und  -tage  gab  es  nicht ;  der  Landrichter 
konnte  Ort  und  Zeit  anberaumen,  mußte  dies  nur  im  ganzen 
Bezirk  durch  den  Anlaiter  ausrufen  lassen^).  Damit  in  der 
Erledigung  aller  zur  Kompetenz  des  Landgerichts  gehörigen 
Prozesse  keine  Verzögerung  der  Rechtsprechung  eintrete,  sollte 


1)  Über  die  Besoldungen  des  Personals  vgl  den  Bericht  des  Landrichters 
R.  T.  Hasslang  1574:  Landrichter  bezieht  jährlich  100  fl.  and  von  3  Galgen- 
huben je  1  PfiX;  der  Oberlandschreiber  ein  Fixum  von  42  fl.  und  die 
Hüfte  der  Schreibgebflhren,  die  andre  H&lfte  föllt  dem  Unterschreiber  nebst 
20  fl.  Besoldung  zu  (BeiL  S.  80  iL).  Die  Beisitzer  erhalten  keine  Remu- 
neration, müssen  auf  eigne  Kosten  ihrer  Gerichtspflicht  entsprechen  (vgL 
Verordnung  1508,  BeiL  S.  83);  erst  seit  Maximilian  L  werden  ihnen  Di&ten 
bewilligt  (Un.terricht  S.  29). 

2)  Unterricht  S.  31,  BeiL  S.  87  ff: 

3)  BeiL  S.  88.  Früher  war  auf  jeder  Hube  auch  ein  Galgen  errichtet 
(Das  Land-Gericht  H.  hat  auf  dem  Land  17  Stuel  und  Stet  .  .  und  zu  jeg^ 
lichem  Stuell  gehört  ein  Galgen  und  ein  Galgen -Hub  [BeiL  S.  87]).  Der 
Galgen  als  Zeichen  der  hohen  Gerichtsbarkeit  spielt  eine  große  Rolle,  wie 
denn  auch  in  der  citierten  Urkunde  K  Ludwigs  1320  dem  Landrichter  die 
Befugnis  eingeräumt  wird,  „daß  er  Holz  nehmen  soll,  aus  welchem  Holz  er 
wül,  zu  dem  Galgen  und  zu  der  Schrannen*'. 

4)  Unterricht  S.  33;  seit  dem  17.  Jahrhundert  durch  gedruckte  Pa- 
tente publidert  (BeiL  S.  93  £). 


das  Landgericht  allmonatlich  in  der  vorgeschriebenen  Besetzung 
abgehalten  werden')- 

Schon  1434  war  durch  ein  Privileß  K.  Sigtsmunds  die  Ver- 
läugeruiig  einer  Laudgerichtssitzung  auf  2  Tage  genehmigt,  da- 
mit nicht  iü  Folge  einer  Menge  vuriiegender  Kechtsstreitigkeiteo 
eine  Vertagung  der  an  einetii  Tage  uicht  zu  bewältigenden  Pro- 
zesse bis  zur  nfichBten  Sitzung  notwendig  würde,  „daraus  den 
lenton  . . .  grolicr  Schad  verziehen  . . .  und  sunderlich  den,  die 
zu  solicJiem  Gericht  gehftren,  große  mfie,  kost  und  arbeit  ent- 
stet" *).  Das  Landgericht  wurde  an  17  verschiedenen  Mal- 
st&tten,  vorzugsweise  aber  an  einigen  dersellien  abgehalten  ^). 

Erst  bei  der  Reorganisation  1749  wnnle  dio  /ahl  der 
ordentlichen  Gerichtssitzungen  auf  2  beschrankt  (Anfang  Mai 
und  Oktober),  jedoch  wunlen  hier  nur  noch  die  Endurteile  auf 
Relation  und  Umfrage  abgefaßt  und  publiziert,  als  nur  eine 
dem  endlichen  Rechtslage  aii»loge  Komödie  aufgeführt,  während 
alle  laufenden  Prozeßhandlungen,  die  volIstAudige  Instruktion 
des  HauptproKcsses  in  der  wöchentlich  zu  Ingolstadt  abge- 
haltenen Schranne  vorgenommen  wurden*). 

Die  Kompetenz  des  Landgerichts  war  prinzipiell  eine  ziem- 
lich unbeschränkte.  Das  Privileg  von  132Ü  stellt  den  Grund- 
satz auf,  daß  der  Landrichter  alle  Sachen  richten  mag,  die  fOr 
Ihn  auf  die  Landschrannon  mit  Klagen  kommen,  nur  Geistliche 
durften  ihrer  SpezialJurisdiktion  nicht  entzogen  werden '^),  doch 
bezog  sieb  diese  Exemtion  nicht  auf  dingliche  Klagen").  Die 
Zustindigkeit  des  Landgerichts  in  der  von  diesem  Privileg  be- 
tonten Ausdehnung  wurde  aber  durch  das  Ilerkoinmen  auf  die 
causae  maiores  ')  eingeschränkt.  Vor  allem  war  es  die  Kriminal- 
gerichtsbarkeit, welche  schon  obiges  Privileg  dem  Landgerichte 


1)  Noch  in  inoem  P>l«Dt  1006  wiAdetholl  (Befl.  S.  911 

5)  Bea  8.  17. 

Sl  Fr«]nt»tt,  HilpoltsteiD,  RictanbarK,  Diotfnrt,  llNlD)rriM  nnd  Okfmen- 
beito  (Dntorriebt  S,  32). 
4)  Bea  S.  9S. 

6)  00  kDoin  Guatliehci  I.«iit«,  iisl1«tt  dj*  dwnmb  vor  dem  I^Bdgwicbt 
recht  tbim,  dM  aitg^n  tj  «eil  tlrno,  «allea  «y  kbnt  de«  nit  tliao.  i 
lua  »j  Kr  jren  Biebtar  Mhick«!  (BoiL  S.  U). 

t)  Vgl  DDteTrieht  S.  37. 
7)Vg*8.6a. 


—    105    — 

zuspricht,  indem  es  hervorhebt  die  Jurisdiktion  über  Notnunfter, 
Mörder,  Todschläger,  Mordbrenner,  Diebe,  Räuber ' ) ;  ein  Land- 
gerichtsbrief von  1416  fügt  noch  hinzu :  Ketzerei,  Haimsuchen 
und  alle  unrechte  Gewalt  *).  Die  Landger.O.  von  1518  bestätigt 
den  Kreis  dieser  Malefizfalle  und  gibt  nur  eine  Interpretation 
des  Begriffes  unrechter  Gewalt^),  da  dieser  mißverstanden  wor- 
den und  unter  dem  Scheine  einer  ungerechten  Gewalt  noch  viele 
andere  als  die  oben  aufgezählten  Delikte  für  Landgerichts- 
händel angezogen  worden  seien.  Femer  *)  sollten  alle  „Inzicht"  ^) 
vor  dem  Landgericht  gerechtfertigt  und  der  halben  mit  Purgacion 
und  anderm,  wie  Recht  ist,  procediert  werden^). 

Auch  in  Civilstreitigkeiten  wird  die  landgerichtliche  Kom- 
petenz beschränkt  auf  Grundeigentumsprozesse  (Klagen  um  Erb 
und  Eigen) '),  doch  konnten  die  Parteien  auch  bei  einem  Rechts- 
streite, zu  dessen  Aburteilung  das  Landgericht  nicht  kompetent 
war,  sich  diesem  als  forum  prorogatum  unterwerfen.  Andern- 
falls mußte  das  Landgericht  selbst  die  Parteien  an  das  zu- 
ständige Gericht  verweisen,  konnte  aber,  wenn  dieses  eine  Ent- 
scheidung ablehnte,  also  im  Falle  einer  Rechtsverweigerung,  nach 
wiederholtem  Antrag  des  Klägers  doch  in  der  Sache  erkennen. 


1)  Bea  S.  13. 

2)  BeiL  S.  95. 

3)  unrechter  Gewalt  soUe  dermafs  verstanden  werden:  Wo  ainer  mit 
der  That  and  Gwalt  seiner  Güter  entsetzt,  entwert,  beranbt,  oder  darinnen 
tnrbiert»  oder  betmebt,  oder  ob  ainer,  zn  was  Sachen  das  wäre,  durch  Ge- 
walt gedrongen  oder  benOthigt  wnrde,  und  in  Gemain,  wo  sich  ainer  thfit- 
Uch  nnterstflnde,  durch  sich  selbs  zu  erhalten,  oder  innzehaben  oder  andern 
xnzef&gen,  oder  abzewenden,  dafs  sich  on  Erlaubnu/s  der  Obrigkait  nit  zethun 
gepürt  (Beü.  S.  110). 

4)  Daselbst  a.  V  (BeE  S.  110). 

5)  Vgl  R  LOning  (Der  Beinigungseid  im  deutschen  Mittelalter.  1880. 
S.  187),  welcher  hervorhebt,  dafi  im  bairischen  Bechte  die  auf  bloßen  Ver- 
dacht und  nicht  auf  bestimmtes  Wissen  des  Klägers  erhobenen  Klagen  als 
einseht**  bezeichnet  wurden. 

6)  Vgl  über  Beweis  bei  Inzicht  Bef.  Ldr.  1518  t  18  a.  2. 

7)  Landgerichtsbrief  1416  (BeiL  S.  95).  Vgl.  L.Ger.O.  1518  a.  V :  Und 
wiewol  K  Ludwigs  Satzung  .  .  .  anzaigt,  dafs  der  Landrichter  all  Sachen 
richten  mag,  die  für  ine  auf  die  Land-Schrannen  kommen  .  .  .,  so  ist  doch 
mit  loblichem  Gebrauch  und  alter  Gewohnheit  bishero  gehalten  worden,  dafs 
an  persOndlich  Spruch,  auch  ander  Sachen  aulserhalb  oberzeUter  Artigkl  von 
dem  Landgericht  für  der  beclagten  ordenlich  Bichter  gewisen  worden  seia 


—    106    — 

Abhülfe  gegen  Rechtsverweigerung  bildet  stets  einen  Grund  für 
die  Ausdehnung  der  Jurisdiktion  des  Landgerichts  über  die 
Grenzen  seiner  Kompetenz  ^),  wie  ja  auch  die  den  Landesherren 
vom  Kaiser  erteilten  Justizprivilegien  Justizverweigerung  aus- 
nahmen. Es  zeigt  sich  eben  hier  der  Ursprung  des  Land- 
gerichts als  eines  kaiserlichen,  das  für  ungehemmte  Rechtspflege 
zu  sorgen  berufen  war. 

In  persönlicher  Beziehung  unterstanden  dem  landgericbt- 
lichen  Gerichtszwange  alle  im  Gebiete  desselben  DomizQierten 
ohne  Unterschied  des  Standes  („die  in  dem  Landgericht  ge- 
sessen sein  und  die  aygen  Rauch  in  dem  Land-Gericht  haben, 
wie  die  genannt  seyn"). 

Nicht  nur  richterliche,  sondern  auch  polizeiliche  Befugnisse 
hatte  der  Landrichter  auszuüben,  da  wie  bei  den  übrigen  Land- 
gerichten eine  Trennung  der  Justiz  von  der  Verwaltung  nicht 
durchgeführt  war.  So  war  die  Errichtung  von  Brücken,  Mühlen 
und  Tafemen  im  Landgerichtssprengel  von  seiner  Genehmi- 
gung abhängig  gemacht^).  Ebenso  war  der  Landrichter  be- 
fugt, die  Ausfuhr  von  Getreide,  Fischen  und  anderen  Gegen- 
ständen zu  untersagen^).  Als  ein  Ausfluß  der  Polizeigewalt 
\siivde  auch  die  Fürsorge  für  die  Sicherheit  der  Strassen  des 
Landgerichtssprengeis  betrachtet.  In  Verbindung  damit  stand 
die  ausschließliche  Befugnis  des  Landrichters,  Schinnbriefe  und 
sicheres  Geleit  durch  den  ganzen  Bezirk,  insbesondere  vom 
und  zum  Landgerichte  zu  erteilen^). 

Das  kaiserliche  Landgericht  war,  wie  sich  aus  der  bis- 
herigen Darstellung  ergibt,  nicht  nur  erstinstanzielles  Gericht, 
sondern  hatte  bezüglich  all  derjenigen  Rechtsachen,  welche  zur 
Kompetenz  der  niederen,  im  Landgerichtsbezirke  gelegenen  Ge- 
richte gehörten,  den  Charakter  eines  übergeordneten  zweite 
instanziellen  Gerichtshofs,  an  welchen  die  Prozesse  im  Appel- 
lationswege gebracht  wenden  mußten  *). 


1)  Nach  dem  Privileg  von  1320  sind  St&dte  nnd  Märkte  der  Jnritdiktioii 
des  Landgerichts  entzogen  mit  Ausnahme  des  Falles  der  Bechtsverweigenuig. 

2)  Privileg  1320  (BeiL  S.  14) 

3)  Undgerichtsbrief  1377  (BeiL  S.  127). 

4)  Unterricht  S.  41;  BeiL  S.  120  ff.;  von  1370-1637  war  das  Ge- 
leitsrecht an  die  von  Absberg  zu  Rumburg  vorpfändet 

5)  K.  Sigmund  weist  1437  eine  an  das  kaiserliche  Hofifi^richt  gagingene 
Appellation  an  das  Landgericht  Hirschberg  zurflck,  „da  das  Gericht  ra  Sohl- 


—    107    — 

Gegen  erstinstanzielle  urteile  des  Landgerichts  scheint 
früher  der  Rechtszug  direkt  an  das  k.  Hofgericht  gegangen  zu 
sein.  K.  Friedrich  III.  ordnete  deshalb  in  einem  Privileg  1447 
an^),  daß  jeder,  der  sich  künftighin  durch  ein  Urteil  des  Land- 
gerichts Hirschberg  beschwert  erachte  und  appellieren  wolle, 
ohne  Mittel  an  das  Hofgericht  des  bairischen  Herzogs  Albrecht 
und  seiner  Nachkommen  wenden  solle.  Damit  aber  den  Parteien 
das  Recht  der  3  Instanzen  nicht  geschmälert  werde,  sollte  gegen 
die  Urteile  des  herzoglichen  Hofgerichts  noch  der  Rechtszug 
zum  kgl.  Hofgericht  oflFen  stehen  *).  Die  Herzoge  wachten  eifer- 
süchtig auf  die  Einhaltung  dieses  durch  erwähntes  Privileg  fest- 
gesetzten Appellationszuges  und  suchten  sich  gegen  jeden  Ein- 
griff in  dieselbe  durch  energische  Reklamationen  zu  schützen  ^). 

Die  Bedeutung  des  kaiserlichen  Landgerichts  Hirschberg 
bestand  darin,  daß  es  seine  Gerichtsgewalt  über  eine  Reihe  von 
Reichsgebieten  erstreckte,  was  die  bairischen  Herzoge  noch  1523 
betonen,  indem  sie  ausführen,  daß  das  Landgericht  „in  etlicher 
vil  Churfftrsten,  Fftrsten  und  ander  Stennde  Lender  und  Geböet 
zu  richten  und  sollchs  mit  langem  beruhigem  Gebrauch  biß  an- 


bfirg  (düs  in  1.  Instanz  in  der  Sache  erkannt  hatte)  in  dem  Erayfs  des  Landt- 
Gerichts  zn  H.  Hge  nnd  darunter  on  Mitl  gehOr,  .  .  .  nach  kays.  Rechten  aUe 
Beroffong  an  den  negsten  Obern  beschehen  solin  .  .  .*^  (BeiL  S.  133). 

1)  Bea  S.  21  f;  bestätigt  durch  Karl  V.  1550  (BeiL  S.  30). 

9)  W&r  aber,  dals  der,  der  also  appellirt  hette  oder  der  Widertail  sich 
vor  nnserm  Oheim  (Herzog  Albrecht)  oder  seinen  Erben  bedeucht  beschwärt  ze 
•ein,  derselb  mag  denn  .  .  sich  an  Uns  oder  unser  Nachkommen  Römischer 
Kajser  oder  Könige  auch  berueffen,  und  seiner  Appellacion  nachkommen  nach 
Ordnung  des  Rechtens. 

3)  So  sagen  die  Herzoge  Wilhelm  und  Ludwig  in  einer  solchen  1523 
durch  2  Räte  an  K  Ferdinand  L  flberschickten  Beschwerde:  „Was  in  dem 
.  .  Lannt-Gericht  zu  Recht  und  Urtl  erkennt,  und  von  demselben  appelliert 
werde,  mflsse  erstlich  f&r  unser  Hof-Gericht  gen  München,  und  nachmahls 
und  von  dannen  aUererst  an  das  K.  Chammer-Gericht  gedingt  und  gezogen, 
wie  dann  Unsere  Vorfordere  und  Wir  on  Mennigklichs  widersprechen  und  on 
das,  dafs  sich  yemands  anderer  GestaUte  ze  appellieren  nit  unterstanden  hat, 
in  offen  wahren  Gebrauch  sey.*'  Die  Herzoge  schließen  ihre  Beschwerde  mit 
dem  Hinweis,  daß,  wenn  Appellant  sich  beschwert  erachtet  hätte  durch  das 
Urteil  des  Landgerichts,  „wollten  wir  jnen  förderliche  und  rechtliche  Hilff 
nit  verzigen  oder  vorsagt  haben,  dann  on  Rum  ze  melden,  achten  Wir  von 
aUen  Liebhabennden  dergestalten  in  dem  Heiligen  Reich  berechtiget  ze  seyn, 
dafs  lieh  in  Unserm  Fürstenthumb  Unrechtens  und  Gewalts  nit  zu  besorgen, 
noch  gestatt  oder  zugesehen  wirdet  (Beil.  S.  136). 


-    108    — 

her  gebracht^^  ^).  Im  17.  Jahrhundert  sank  das  Landgericht  zu 
einem  gewöhnlichen  Territorialgericht  herab*),  während  andere 
kaiserliche  Landgerichte  bis  zum  Untergange  des  Reichs  ihren 
Charakter  als  Reichsuntergerichte  bewahrt  hatten  ^). 

Bis  in  die  Mitte  des  17.  Jahrhunderts  war  die  Jurisdiktion 
des  Landgerichts  über  Eichstädtisches  Gebiet  unbedingt  an- 
erkannt^). Die  Eichstädtischen  Unterthanen  suchten  sich  dann 
diesem  Gerichtszwange  überhaupt  zu  entziehen;  1654  kam  es 
hierüber  zum  Prozesse  beim  Reichskammergericht.  Baiem 
suchte  1749,  nachdem  in  Folge  der  kriegerischen  Ereignisse  das 
Landgericht  außer  Thätigkeit  getreten  war,  diesen  Gerichtszwang 
aufs  neue  geltend  zu  machen,  leistete  aber  1767  durch  Ver- 
gleich, welcher  später  vom  Kaiser  bestätigt  wurde,  bedingungs- 
weise Verzicht  auf  die  Jurisdiktionsausübung  über  EichstAdtische 
Unterthanen. 

Damit  war  auch  der  letzte  Rest  eines  über  die  territorialen 
Grenzen  hinausreichenden  Gerichtszwangs  beseitigt. 


§  6. 
Das  Hofgericht. 

Das  bedeutendste  Element  der  herzoglichen  Gewalt  bildet 
neben  dem  Heerführeramt  die  Gerichtshoheit  Der  Herzog  war, 
wie  gezeigt  >vurde,  der  oberste  Gerichtsherr  in  seinem  Herzog- 
tum geworden  und  sein  Gericht  hatte  sich  als  Mittelglied  ein- 
gefügt in  den  Organismus  der  Gerichtsverfassung  zwischen  das 
Gericht  des  deutschen  Königs  und  die  Land-  und  Stadtgerichte 
seines  Territoriums.  Je  weniger  die  persönliche  Gerichtsbar- 
keit des  Königs,  der  mit  seinem  Hofe  auf  ruhelosem  Wander- 
zu^e    durch    die  fernsten    Gaue  dahineilte,   im    Stande  war, 

1)  BeiL  S.  135. 

2)  Roth,  Bayrisches  Civilrecht.  Tübingen  1871.   I,  S.  64  £ 

3)  ZOpfl,  Deutsche  Rechtsgeschichte.  II,  8.4071 

4)  Jeiler  neagcwählte  Bischof  von  Eichstädt  mußte  penOolich  auf  der 
Schranne  des  T^ndgerichts  erscheinen,  um  die  Bestätigung  seiner  Prinlegian 
zu  erlangen.  Zum  letzten  Male  geschah  dies  1643  (vgl  v.  Ereittmajr, 
Grundrift  des  .  .  bajr.  Staatsrechts  8.  290  flf.,  und  über  den  Streit  mit  Efeh" 
stfidt  die  ausführliche  Darstellung  iaünterricht  8.  48—148;  Moior, 
Von  der  teutschen  Justiz  -  Verfassung.   1774.   II,  8. 1011  £ 


—    109    — 

die  Bechtsschutzbedürfnisse  der  Deutschen  zu  befriedigen,  um 
so  dringender  trat  die  Notwendigkeit  nach  einer  Ausfüllung 
der  Lücke  durch  Ausgestaltung  des  Gerichts  des  Landesherrn 
hervor. 

Wie  der  König  im  ganzen  Reiche,  so  darf  der  Herzog  als 
höchster  Richter  des  Landes  —  als  princeps  et  judex  provinciae  ^) 
wird  Heinrich  der  Löwe  bezeichnet  —  neben  und  über  den 
ordentlichen  Richtern  desselben  Recht  sprechen.  Denn  in  der 
deutschen  Gerichtsverfassung  herrschte  der  Grundsatz,  daß  der 
höhere  Richter  stets  die  Funktionen  des  niederen  übernehmen, 
also  konkurrierend  mit  ihm  die  Gerichtsbarkeit  ausüben  dürfe. 

Welche  große  Bedeutung  einer  strengen  unparteiischen 
Handhabung  des  Rechts  beigemessen  wurde,  ersieht  man  daraus, 
daß  unter  den  Anklagepunkten,  welche  die  Absetzung  des  Baiem- 
herzogs  Konrad  herbeiführten,  hauptsächlich  die  von  ihm  an 
den  Tag  gelegte  Ungerechtigkeit  in  der  Rechtspflege  ins  Ge- 
wicht fiel*).  Als  die  vorzüglichste  Aufgabe  des  herzoglichen 
Richteramtes  wurde  die  Beschützung  der  Wittwen  und  Waisen, 
sowie  der  Kirchen  und  kirchlichen  Institute  betrachtet.  Zur 
Handhabung  dieser  Schutzgewalt  sei  dem  Richter  das  Schwert 
überantwortet,  sagt  Herzog  Ludwig  L  in  einer  für  das  Kloster 
Schönau  ausgestellten  Urkunde^). 

Die  Herzoge  ziehen  im  ganzen  Lande  mit  ihrem  Gefolge 
umher,  um  ihres  Richteramtes  zu  walten.  Heinrich  der  Löwe 
schlichtete  so  als  Richter  viele  ihm  zur  Entscheidung  vorgelegte 
Rechtsstreitigkeiten.  Namentlich  aber  Otto  von  Witteisbach  hatte, 
nachdem  er  die  Huldigung  des  Volkes  entgegengenommen  ^),  mit 
unermüdlichem  Eifer  sich  der  Handhabung  der  Rechtspflege  hin- 
gegeben, hierin  die  vorzüglichste  Aufgabe  seines  Herrscher- 
berufes erkennend.  Auch  sein  Sohn  Ludwig  I.  wandelte  in  den- 


1)  M.  B.  m.  p.  462  (a.  1177). 

2)  InJQsta  judicia,  quae  pridem  in  popalo  fecerat:  Waitz  Vn,  S.  125 
(Amial.  Altah.  1053 :  Mon.  Genn.  Scr.  XVII,  p.  806). 

3)  Qn.  XL  Er.  V,  S.  19  (1214):  Cum  non  sine  causa  index  gladiom  portet, 
idre  not  convenit,  qni  gladio  cingimur,  qaod  iUnm  ad  militandnm  summo 
regi  in  defensione  Yidnamm  et  pnpiUorum  et  precipne  in  protectione  sancte 
dei  ecelesie  et  religiosanun  domorom  accepimns. 

4)  Gengier,  Ein  Blick  auf  das  Bechtsleben  Bajerns  unter  Herzog 
Otto  L  1880.  S.  1. 


—    110    — 

selben  BahDen.  Allen  Ständen  seines  Volkes  bewährte  er  sich 
als  energischer  Wahrer  des  Rechts^)  und  viele  urkundliche 
Nachrichten  bezeugen,  daß  er  an  den  verschiedensten  Orten  des 
Landes  zu  Gericht  gesessen  ^)  und  Rechtsstreitigkeiten  mannig- 
facher Art  entschieden  habe^). 

Auch  über  die  Gebiete  der  Bischöfe,  welche  zum  Besuche 
der  herzoglichen  Landtage  verpflichtet  sind,  erstreckt  sich  die 
Gerichtsgewalt  des  Herzogs,  .welcher  sogar  innerhalb  dieser 
Sprengel  selbst  zu  Gericht  sitzt*),  wie  auch  der  Herzog  die 
Rechtsstreitigkeiten  der  Bischöfe  (von  Bamberg,  Salzburg,  Frei- 
sing, Eichstädt,  Augsburg,  Regensburg,  Passau,  Brixen),  welche 
auf  seinen  Landtagen  erscheinen  müssen,  zu  Regensburg  ent- 
scheidet^). Aus  dem  Gesagten  erhellt,  dass  die  Parteien  ihre 
Rechtsstreitigkeiten  sofort  dem  Herzoge  zur  Entscheidung  vor- 
legten, da  sie  ihn  als  den  höheren  Richter  unmittelbar  angehen 
konnten  und  nicht  vorher  erst  ein  Urteil  des  Landgerichts  er- 
wirken mußten.  Von  der  richterUchen  Thätigkeit  Heinrichs 
des  Löwen  können  folgende  Beispiele  angeführt  werden'): 
1162  schUchtete  er  auf  dem  Landtage  zu  Karpfenheim  den 
wegen  des  Gutes  Münster  zwischen  dem  Grafen  von  Bogen  und 

1)  Turmairs  gen.  Avontin,  Annales  Ducom  Boiariae  ed.  Rieiler 
Bd.  II,  S.  243  (L  VII  c.  1).  München  1884.  Jus  saopios  in  asylo  porticibuiqne 
temploram,  in  freqnenti  popoli  Corona  civibns,  agricolis,  sacerdotibaB  et  nobi- 
litati  dixit 

2)  Vgl  Riezler  bei  Heigel-Riczler  S.  163  und  die  daaelbit  an- 
geftlhrten  Belegstellen. 

3)  Heinrich  X.  hatte  zwar  schon  1126  einen  ständigen  Hofirichter  n 
Regensburg  eingesetzt:  Praetorem  qui  praesidendo  juridicondo  intentoB  Tioe 
sua  fungeretur,  Reginsburgio  imponit  (Hochwarti  episc  Ratisb.  cat  II, 23 
apud  Oefele  I,  p.  188),  doch  scheint  die  Thätigkeit  dieses Hofrichteri  nur 
eine  vorübergehende  gewesen  zu  sein,  wenn  die  Nachricht  überhaupt  verlAsng  iit 

4)  Riezler  I,  S.  734:  Der  Konvent  von  S.Peter  in  Salzburg  wird  1174 
vor  das  Gericht  Heinrichs  des  LOwen  als  seines  weltlichen  Richten  geladeo. 
Vgl.  auch  Pcz,  Thesaurus  anccd.  tl,  F.  III,  p.  181,  über  eine  GerichtsYerhand- 
lung  vor  Otto  L  zu  Eichstädt 

5)  Den  (diesen  Bischöfen)  sol  der  herzog  da  richten,  swaz  si  le  chlagoi 
habent  Er  sol  auch  hinz  in  richten  allcu  den  recht  dl  der  chong  Yon  Bom 
gewalt  hat  ze  richten  hinz  andern  bischolfcn,  heifit  es  in  einer  die  Baehto 
der  baierischcn  Herzoge  in  Kcgensburg  festsetzenden  Urkunde  von  1278 
(Westenriede r,  Glossarium  gerroanico-latinum  vocum  .  .  inprimit  BaTari- 
carum.  Monachii  1816.   p.  XIII). 

6)  Riezler  (Heigel-Riezler)  S.  155.       * 


-  111  — 

dem  Abte  von  Reichersberg  schwebenden  Streit*),  1171  auf 
dem  Landtage  zu  Moosburg  einen  Rechtsstreit  des  Grafen  von 
Abensberg  mit  dem  Kloster  Admont*),  1174  (in  Gegenwart 
des  Kaisers)  zu  Seon  einen  Streit  des  Abt  S.  von  Seon^)  mit 
dem  Kloster  S.  Zeno*). 

Unter  den  von  Herzog  Otto  von  Witteisbach  entschiedenen 
Streitigkeiten  ^)  sind  folgende  hervorzuheben:  1180  trifft  er  auf 
dem  Landtage  zu  Regensburg  eine  Entscheidimg  in  einem  Streite 
zwischen  dem  Kloster  S.  Emmleran  und  Werner  von  der  Laber  ^ ) ; 
ungefähr  1181  judiziert  er  auf  dem  Tage  zu  Pleinting  auf  eine 
Klage,  welche  Graf  Sigboto  von  Falkenstein,  dessen  Frau  und 
Söhne  wegen  einiger  Güter  erhoben  hatten  ').  Auf  3  Tagen  zu 
Breiten  wiesen  (L.G.  Dachau),  Pfatter  (L.G.  Regensburg)  und 
Regensburg  verhörte  und  entschied  er  sodann  eine  Klage  des 
Klosters  Weihenstephan  gegen  Konrad  von  Lugburg®).  Vor 
Herzog  Otto  erhebt  femer  Klage  Richardis  von  Nußdorf  wegen 
eines  Grundstücks^). 

Ungefähr  1182  hält  Herzog  Otto  einen  Landtag  zu  Amberg 
ab,  auf  welchem  ihm  Frau  Juta  die  Güter  Herrenstein  und 


1)  M.  B.  m,  p.  457  (hier  irrtümlich  in  das  Jahr  1177  gesetzt):  Du 
Bawarie  Heinricas,  convocatis  Bawarie  principibns,  haboit  cnriam  tridnanam 
in  loco  qni  didtur  Chorpheim.  Ibi  .  .  .  prepositas  G.  in  andientia  pnblico 
interpellavit  Auf  dem  Tage  zn  Ens  (1176)  entschied  Heinrich  der  Lowe 
diesen  Prozeß  endgültig  in  Gegenwart  des  Herzogs  Heinrich  von  Österreich. 
Vgl  Y.  Frejberg,  Geschichte  der  Landstfinde  I,  S.  104. 

2)  Pez,  Thesaor.  anecd.  i  HI,  P.  3,  p.  780:  cnriam  apnd  M.  indicens  pln- 
nrnos  principmn  Bayaricoram  et  nobilinm  convocaYit 

3)  R.  B.  I,  p.  284. 

4)  Über  die  Yerhandlnng  zn  Ens  (1177)  vgl  M.  B.  IE,  p.  463  v.  (in 
andientia  dncis  .  .  .  prindpnm  liberomm,  ministerialinm). 

5)  Vgl  Riezler  (Heigel-Riezler)  S.  153. 

6)  Pez,Thesanr  iI,P.III,  p.l81  (vgl  Heigel  bei  Heigel-Riezler 
a  132). 

7)  M.  B.  Vn,  p.  487 :  quod  comes  S.  .  .  querimoniam  feceront  in  curia 
domini  dncis  Ottonis  Pittingen  snper  .  .  .  (Hei gel  a.  a.  0.  S.  133).  Vgl 
noch  die  Verhandlung  in  curia  apud  Eringen  in  praesentia  ducis  (Qu.  u.  Er. 
I,  S.  336). 

8)  M.  B.  IX,  p.  468  £:  fratres  querimoniam  de  predio  et  de  puero  mo- 
▼entes  coram  domino  duce  Ottone  in  tribus  curiis  suis  puerum  cum  predio 
productis  testibus  retinuerunt  Testes  omnes  qui  audierunt  hoc  in  tribus 
ipns  curÜB  que  fuerunt  Pratenwise,  Pheteres,  Ratispone  .  .  . 

9)  M.  B.  VI,  p.  133 :  adiit  cnriam  duds  Ottonis  ferens  coram  eo  querimoniam. 


—    112    — 

Falkenstein  übergibt  ^).   In  TeuDgen  (L.G.  Eelheim)  wird  hierauf 
dieser  Vertrag  wieder  aufgehoben  •). 

In  Gegenwart  des  unmündigen  Herzogs  Ludwig  I.  und  seiner 
Großen  erfolgte  sodann  in  Wemhersmut  (am  Mangfall)  die  Tra- 
dition eines  Grundstücks,  welches  der  Abt  des  Klosters  Eberch 
berg  von  dem  Grafen  R.  von  Vallei  gekauft  hatte'). 

1207  übertrug  Graf  Albert  von  Bogen  dem  Kloster  Nieder- 
altaich  als  Ersatz  für  den  diesem  zugefügten  Schaden  3  Höfe, 
und  zwar  auf  einem  zu  Straubing  unter  Vorsitz  des  Herzogs*) 
Ludwig  abgehaltenen  Landtage.  1209  entschied  Herzog  Ludwig 
auf  einem  Landtage  zu  ßegensburg  (bezw.  Peitlingen)  die  Klagen 
des  Klosters  Niederaltaich *)  gegen  die  Grafen  von  Bogen*). 

Die  generelle  Zuständigkeit  der  herzoglichen  Jurisdiktion, 
von  der  hier  einige  Proben  gegeben  wurden,  erlitt  allerdings 
eine  Einschränkung,  und  zwar  in  Hinsicht  auf  alle  Immo- 
biliarstreitigkciten  ^),  die  ebenso,  wie  die  Auflassungen  von 
Grundstücken,  nur  vor  dem  Gerichte  der  Graüschaft,  in  welchem 
dieselben    gelegen   waren,    rechtsgültig    vorgenommen    werden 


1)  M.  B.  VII,  p.  485:  delega?it  tale  ins  quod  habere  potoit  in  urbibni. 
V.  et  H.  in  manos  domini  dacis  Ottonis  .  .  .  Post  hanc  delegationem  Otto 
duz  BcdeiiB  in  iudido  in  Orro  suo  Ammenperch  .  .  .  conceBsit 

2)  Ib.  p.  486:  Ch.  rogavit  com  (ducem,  nt  legationem  hanc  daret  in 
manus  domini  .  .  .  qaod  ipse  concessit  in  Cimiterio  Tigingen  sedena  pro 
tribonalL 

3)  Cod.  trad.  Ebersp.  (Oefcle  II,  p.  43).  traditio  .  .  et  confirmatio  con- 
sumata  fuit  et  confirmata  in  vico  W.  in  praesentia  dacis  Lndovid  eo  exi- 
stente adhuc  parvulo  et  coram  principibas  et  comitibnt  et  mi- 
nisterialibns,  qui  pro  diversis   causis  illic  convenerant 

4i  M.  B.  XI,  p.  177:  presentibus  mediantibnsqne  terre  Bsronibnt 
ante  placitom,  quod  habiturus  erat  duz  L.  in  Str.  —  presentibiu  terre 
primoribus  manu  .  .  .  altari  .  .  .  delegari 

5)  M.  B.  XI,  p.  182:  dum  duz  in  civitate  ratispon.  celebrem  ageiet 
c  u  r  i  a  m ,  causa  nostra  coram  principibus  et  primatibus  terre  nostre  .  .  . 
innotuit  ot  diu  ventilatam  quid  per  scntcntiam  de  nobis  commistum  haberet 
divulgavit 

6)  Herzog  Ludwig;  tritt  femer  noch  als  Richter  auf  1202  zu  Dlmflniter 
(IL  B.  X,  p.  47:  ad  prescntiam  .  .  .  ducis  ...  presentibus  mnltit 
viris  nobilibus),  1224  (Qu.  u.  Er.  Y,  S.  35:  me  presidonte  iadicio  in 
Perchaim  .  .  .)•    Vgl  noch  M.  B.  X,  p.  430  (circa  1220). 

7)  lUezler  bei  Heigel-Riezler  S.  153,  z.  B.  IL  E  VIII,  p.  108; 
IX,  p.  474. 


—    113    — 

konnten  M.  Das  forum  des  belegenen  Grundstücks,  welches 
den  zweiten  allgemeinen  Gerichtsstand  •)  des  fränkischen  Rechts 
(neben  dem  forum  domicilii)  begründete,  hatte  seit  dem 
12.  Jahrhundert*)  den  Charakter  der  Ausschließlichkeit  für 
alle  auf  Grundstücke  bezügliche  Rechtsangel^enheiten  an- 
genommen. 

Diese  persönliche  richterliche  Thätigkeit  des  Herzogs  wurde, 
wie  die  angeführten  Beispiele  darthun,  ausgeübt  auf  den  Land- 
tagen, auf  welchen  die  geistlichen  und  weltlichen  Großen  des 
Landes  über  alle  wichtigen  Regierungsangelegenheiten  mit  dem 
Herzoge  berieten  und  die  vorliegenden  Rechtsstreitigkeiten, 
namentlich  wenn  solche  zwischen  den  Angehörigen  der  höheren 
Stande  ausgebrochen  waren,  schlichteten,  denn  „die  Stellung  als 
Gericht  war  und  blieb  der  Kern  jeder  germanischen  Verfassungs- 
bildung ;  gerichtliche  Verhandlungen  bildeten  die  laufenden  Ge- 
schäfte jeder  Landesversammlung"  *).  Deshalb  sehen  wir,  daß 
Prozesse,  in  welchen  Äbte,  Klöster  und  Grafen  als  Parteien 
auftraten,  mit  Vorliebe  auf  solchen  Landtagen  *)  unter  Vorsitz 
des  Herzogs  geschlichtet  werden. 


1)  Ebenso  durfte  der  EOnig  bei  Klagen  nm  Eigen  nur  in  dem  Lande, 
in  welchem  es  gelegen,  richten:  Franklin,  Beichshofgericht  II,  S.  67 
(Ssp.  m,  33  §  4). 

2)  So  hm.  Die  altdeutsche  Reichs-  und  Gerichtsverfassung,  S.  308. 

3)  M.  B.  XXII,  p.  60.  Eine  vor  Heinrich  dem  LOwen  in  Baiem  voll- 
xogene  Vergabung  eines  Grundstücks  wurde  vor  dem  Gerichte  des  Grafen 
Ton  Andechs  wiederholt,  quia  hoc  idem  predium  in  comitatu  B.  de  Anodehsen 
ntom  est  Nach  So  hm,  S.  304,  ist  diese  bairische  Urkunde  das  älteste, 
die  beginnende  Ausschließlichkeit  der  Kompetenz  der  belegenen  Sache  für 
Grundstücke  andeutende  Zeugnis. 

4)  Gneist,  Englische  Yerfassungsgcschichte.   Berlin  1882.   S.  209. 

5)  Es  genügt,  einen  Blick  auf  die  bei  einem  solchen  Tage  Anwesenden 
zu  werfen,  um  sich  davon  zu  überzeugen,  daß  diese  Rechtssachen  auf  Land- 
tagen verhandelt  wurden.  Auf  einem  Landtage  zu  Regensburg,  wo  der  Ver- 
zicht auf  ein  streitiges  Grundstück  vollzogen  wurde  (1161),  werden  so  als 
anwesend  aufgeführt  (in  generali  curia  ducis  Heinrici  Ratisbone,  presentibus 
bis  principibus) :  der  Bischof  von  Eichstfidt,  Markgraf  von  Vohburg,  Graf  von 
Hall  und  Sohn,  die  Grafen  von  Liebenau,  MOglingen,  Valley  und  Schaucn- 
burg.  (De  ministerialibus :)  R  und  U.  von  Kelheim  et  aliis  quam  pluribus 
(M.  B.  ni,  p.  109).  Auf  dem  Landtage  in  Breitenwiesen  waren  anwesend  (in 
curia  quam  dominus  dui  habuit  in  Pr.):  die  Pfalzgrafcn  Friedrich  und  Otto, 
Graf  von  Dachau,  Graf  von  Neunburg,  B.  von  Stein,  H.  von  Altdorf,  A.  von 

Rosenthal,  Geschichte  d.  Oerichtsw.  o.  d.  Vcrw.-Org.  Baieras.  J.  g 


Die  älteren  LandtAge ' ),  Dicht  die  Lehensgeriehte  und  nicht 
das  all  den  Hof  des  Herzogs  gezogene  (grfiflicbc)  Ijiadgericbt 
bilden  den  Ausgangspunkt  der  Entwicklung  des  bairischen  Hof- 
gericbta. 

Hier  sind  die  Keime  des  Instituts  zu  suchen,  welches  erst 
im  Verlaufe  der  Jahrhundertc  immer  festere  Gestalt  annahm 
und  sieb  soduun  im  15.  bozw.  16.  Jahrhundert  zur  ständigen 
höchsten  Gerieb Isbchördc  des  Landes  herausgebildet  hatte. 

Der  EutwicklutigspruzeS  läßt  sieb  im  Einzelnen  bis  i»  dt«  karo- 
lingiscbe  Periode  zurllchverfolgcn.  In  dieser  hatten  die  missi  dnmi- 
nid  in  der  missatiscben  IVovinK  einen  Landtag,  eine  Versammlung 
der  geistlichen  und  weltlichen  Beamten  und  der  kJiniglichen  Vu- 
sallen')  iibituhalten.  Wenn  diese  LimdUige  auch  ihrer  Natur  nach 
Versammlungen  sinti,  welche  zur  Erfüllung  von  Regicrungszwccken 
eingesetzt  sind,  so  kommen  doch  auch  Rechtssachen  auf  denselbea 
zur  Entscheidung').  Gerade  auch  ans  Baiern  sind  urkundliche 
Zeugnisse  aus  dieser  Zeit  erhalten,  welche  belegen  * ),  daß  solrhA 
Landtagsversammlungcn  unter  dem  Vorsitze  kaiserlicher  missl, 
obwohl  nicht  zu  Gerieb tszweckeu  berufen,  doch  die  Entscheidung 
von  Rechtsstreitigkeiten  erledigt  haben  *).  Mit  dem  Untergänge 
dea  Instituts  der  missi  ging  nun  ein  groUer  Teil  ihrer  Befug- 
niHse  auf  ilio  Herzoge  Über  '').  Und  so  ist  es  erklärlich,  doS 
auf  den  Landtagen,  zu  welchen  die  bairischeu  Herzoge  die 
Großen  des  Territoriums  beriefen,  welche  In  gewissem  Sinne 
eine  Fortsetzung  der  missatischen  Ijuidlage  bilden,  nicht  nar 

Attenibn«  d.  A.  (M.  ß.  VII.  p.  470].  V/ogtn  Jer  Priieoiliil«!)  uf  «ndm 
LftniltiKcn  ut  fu  *cn(l»icbcn  M.  B.  VI,  p.  135;  t.  frujborjt,  Gtach,  iltf 
I^tbUado  1.  i^L  10]  IT.:  Cud.  tn<].  Ebonp«TK.  (Oufele  II,  S.  43.  Tart«. 
qol  judicaToniDt  »t  «a41venint  .  .  .\. 

1)  DkM  vpni'fawanileii  ii-it  Mitte  des  13.  Jthtbiindrrt«,  and  ucb  taitHr 
UnUtbrwLant*  im  Be){lnn  iIm  14.  Jahthundort«  Irat  einn  neu«  landittndin-ht 
V«Tfu«aiiiC  in  ibro  Stelle.  V|rl.  RiotUr  II.  S.  II,  M7;  K.  Mkur«r,  Uod- 
■Undp,  in  Ilinnticlili  und  Bratur,  UeaUche«  SbubwArtctbnrh.  t^tatt- 
girt  und  Uipiig  1861.   VI.  8.  863. 

S)  R-  SchrtdAi.  Rech ti^wb ich to  8.  134. 

5)  Sobm,  S.  48a 

4)  803  «tu-Un  uif  riMDi  L«DdUgo  in  Brgenibarit,  906  tttl  eloem  MdclMa 
in   öitingra   ProtMM   ntn   GnndttOek»    initKbi«d«i  (Hoiebolbtck 
p.  90.  »3.  n.  118.  mi 

6)  K.  Maurer,  Unditinda  a.  ■.  0.  &  Uli 


—    115    — 

aDgemeine  Landesangelegenbeiten  beraten,  Gesetze  gemacht, 
Privil^en  erteilt  werden,  über  Krieg  und  Frieden  Beschluß 
gefaßt,  über  die  Aufrechthaltug  des  Landfriedens  gewacht  wird, 
sondern  auch  Streitigkeiten  geschlichtet  und  Vergabungen  von 
Grundstücken  bestätigt  werden^). 

Auf  diesen  Versammlungen,  welche  der  Herzog  mit  den 
Großen  der  Provinz  sowohl  in  der  Hauptstadt  ßegensburg  als 
an  anderen  Orten  abhielt*),  war  es  also,  wo  der  Herzog  die  ihm 
zustehende  höchste  Gerichtsgewalt  über  das  Herzogtum  ausübte. 

Man  dürfte  auch  nicht  fehlgehen,  wenn  man  die  bestrittene 
Frage  nach  dem  Ursprünge  der  Hofgerichte  in  den  deutschen 
Territorien  im  aUgemeinen  in  dem  hier  für  Baiern  gegebenen 
Sinne  zu  lösen  versucht.  Wenn  auch  zugegeben  ist,  daß 
die  Entwicklung  sich  nicht  in  allen  Territorien  auf  gleiche 
Weise  vollzogen  hat  3),  so   dürfte  doch  die  Annahme  gerech t- 


1)  YgL  K  Sanftl,  Von  den  Land-  und  Hoftagen  in  Baiem  (Nene  hist 
AbL  d.  chnrf  baier.  Ak.  d.  Wiss.  IV,  S.  439-461). 

2)  Waitz  Vn,  S.  127. 

3)  Wenn  ich  daher  auf  Grand  der  obigen  Ausführungen  der  Meinung 
G.  Hey  er 's  (Lehrbuch  des  deutschen  Staatsrechts.  Leipzig  1885.  S.  285  f.), 
welcher  in  den  Hofgerichten  an  den  Hof  des  Landesherrn  gezogene 
Landgerichte  erblickt,  in  dieser  Allgemeinheit  nicht  beipflichten  kann, 
•0  mu6  ich  doch  die  Annahme  eines  solchen  Entwicklungsgangs  in  ein- 
lelnen  L&ndera  als  begründet  zugeben.  Dagegen  stimme  ich  vollstfindig 
ndt  G.  Meyer  überein  in  seiner  Bekämpfung  der  sehr  yerbreiteten 
Ansicht,  welche  die  Hofgerichte  aus  den  Lehensgerichten  hervorgehen 
li&t  Diese  haben  sich,  was  G.  Meyer  mit  Recht  hervorhebt,  als  Spe- 
dalgerichtshofe  neben  den  Hofgerichten  bis  in  das  vorige  Jahrhundert 
erhalten,  und  wo  später  Hofkanzleien  neben  den  Hofgerichten  als  Ober- 
instanzen  fungierten,  wurden  erstere  mit  der  Entscheidung  der  Lehens- 
itrettigkeiten  betraut  (W e  t z e  1 1  S.  459,  u.  a.  Struben,  Bechtl.  Bedenken 
1788,  III,  S.  94).  Auch  der  Ausdrack  curia  darf  nicht  im  Sinne  von  Lehen- 
hof verstanden  werden,  da  curia  ganz  allgemein  den  Hof,  die  Umgebung 
des  Landesherm  bezeichnet  und  mit  Vorliebe  für  die  Hof-  und  Landtage 
^braucht  wird.  Die  Gerichtsbarkeit  des  Landesherm  erstreckte  sich  da- 
gegen, wie  auch  die  Darstellung  im  Texte  beweist,  auf  alle  Bechtsstreitig- 
keiten,  und  wenn  auch  besonders  die  Großen  des  Territoriums  vor  dem 
Landesherrn  Becht  nahmen,  so  war  diese  Jurisdiktion  keineswegs  auf  Lehens- 
itreitigkeiten  beschränkt,  ja  diese  waren  nicht  einmal  in  großer  Zahl  ver- 
treten. Man  hat  daher  den  alten  Landesversammlungen  mit  Becht  die 
Stellung  des  höchsten  Gerichts  zuerkannt  Vgl  Gierke,  Das  deutsche  Ge- 
Dossenschaftsrecht  I,  S.  566. 

8* 


fertigt  ersclieineii,  daß  die  persönliche  Jurisdiktion  des  Laudes- 
herm  in  der  Regel  ausgeflbt  wurde  mit  den  Grollen  dci 
Landes  auf  den  Landtagen ,  und  daß  die  Geschichte  der  Hnf- 
gericliU;  so  xunieist  von  den  Landtagen  ihren  Ausgangspunkt 
nimmt. 

Viic  der  Kaiser  als  höchster  Gericht^herr  des  Reiches  mit 
den  Fürsten  des  ReicJies  (besonders  in  Rechtssachen  derselben) 
auf  den  Reichstagen  zu  Geriebt  saß'),  so  kam  auch  die 
Jurisdiktionsgowatt  des  Landesberm  ursprünglich  in  derselben 
Form  auf  d<;n  Landtagen')  zur  Erscheinung,   bis  dann  Überall 

1 1  Schon  in  karoUofpidier  Zeit  werdeo  auf  doo  Bdchstagen  RMhtMMhn 
cntachiedeD  |W  a  i  1 1  IV.  S.  42ä),  and  anch  im  tpitcren  MitteUlUr  ■«h»  «tr 
des  König  leinep  hnrhrten  BicbtoranitM  im  Beicho  wnlMn  aaf  don  Boich»* 
Ugen,  «0  die  vereamninlton  Groten  de«  It«i<;lis  ihm  all  tTrtoililiDd«  na 
Seit«  ftobea.  VgLFrankliD.  Reichihorgoricht  11,  ,S.  88:  Onba,  D«c 
detitMfao  tlnichita^  in  don  Jahren  »11-1136  S.  87i  Wacktr,  Der  IMcbc 
Ug  unter  dm  UohenEUnfen  S.  TT  f.:  IL  Ebrttnbarg,  Der  RoicIuUg  in 
dem  Jahnn  18T8  -  13T8  S.  83  i Hi«lori«f he  Stn-Üen.  heran*gegeb«D  tod  Arndt 
Q.  A,  HAft  12,  fi  nnd  a   l.«i|)dg  1»S4,  18ft2,  1883). 

i)  DiaM  landetborrlicbe  Juriadiktion  nof  den  Landtagen  tritt  niu  ia 
d«D  T«ncUedeii>t«n  deutttbeo  I.ftndeni  pnt£C((en.  In  Uitonpirb  «ind  m  in 
IS.  and  13.  Jahrbnndert  die  I.andlBidingo ,  „Katabelaifruniinlungra.  in 
«eichen  alle  Oftentlkben  Angolesenbeiton  de«  Landei  lur  Sprache  kamen*, 
anf  v«lch«n  der  Benog  die  oberat«  Qerichttbafkeit  atitabt  (Lnaehla 
S.  48),  Far  BffhroeD  beitiaunt«  «in  kSnigUchM  PritrUoK  (I323\  da  Äbta 
and  FrtUten  vor  dem  Könige  auf  den  Ludtagnn  ihre  ÜM^htutreitigkDiua 
um  Anttng«  brin)i^  •ollton  {Ott,  Bellri^  nr  Itoe^ptionageachicbta  de* 
rOm.-euon.  ProteMet  S.  1681  Dal  aocb  du  Tribanal  mnina  coimtntoi 
Hawine,  dai  boehate  Üericbt  de*  lAudgrafen  run  Hoxaen.  ton  diwan  anf 
dan  Landtagen  abgehalten  wurde,  dorfto  nach  den  Berichten  ven  Kopf 
(Nachricht  t.  d.  neirtliehnn  and  Civil gnrichten  in  den  HMaen-CaMaHtefaH 
Luden.  Caeiel  ITtHI.  ü.  tfiS.  231  ()  ki-inem  Zwoifol  nntorliegon.  la  Biuw> 
w-hweig - LQnobnrg  (Oropon,  DLsceptalione«  foienaM.  Qoettinga«  17Ml 
p.  560,  ST2|  bat  sich  die  Jnriadiktinn  dnr  t^odrtlndo  bin  ina  IS.  J«h^ 
hundert  eihalt«n,  nnd  da*  Catonbergiicbe  Uofgcricht  war  nach  I6fi5 
DcpatJertcn  der  gtinda  beaelit  Von  den  bei  tJngar  (OMcUekl«  d« 
deuUchen  Ijudxtlodft.  Hannorcr  1844.  I.  K.  239;  II.  S.  IflT  ff)  aagvfUirt« 
B«iat>iFlen  der  Aiuabang  einer  b0cb*ton  Joiiidiktion  darch  die  Venammtuf 
der  I^ndjlAnde  fallen  haaptatchllcb  Köln,  Bremen,  Itadeln  nnd  Scbleewlf» 
IIolitniD  IM  Gewicht  Weoa  Ungnr  indann  (II,  8-  ISO)  nniat, 
L^nibtAnde  bitten  mnbr  im  nördlichen  ata  im  tUdlLeben  Dentoclilud 
die  Fvnkdoo  «ine«  obertten  Landgericht*  aoageDbl.  m  dSrfU  dh  Al^ 
aiefat  nach  den  obigen  Belegen  nobalthat  oncbotnon.    Wa«  nna  die  Haik 


—     117     — 

in  Folge  der  sich  mehrenden  Geschäftslast  des  obersten  Gerichts- 
heiTD  des  Landes  sich  allmählich  aus  der  in  seiner  Person  kon- 
zentrierten Jurisdiktion  eine  ständige  kollegiale  Gerichtsbehörde 
entwickelte. 

In  Baiem  waren  die  beiden  ersten  Witteisbacher  die  letzten 
LandesfQrsten,  welche  in  umfassender  Weise  sich  noch  in  eigener 


Brandenbarg  anlangt,  so  fehlen  nns  über  die  Art  der  Handhabung  der 
Jurisdiktion  dnrch  den  Markgrafen,  vor  welchem  alle  Ritterbürtigen  ihr 
Forum  hatten  (Kuhns  I,  S.  201  £),  urkundliche  Nachrichten.  Es  ist  auch 
hier  der  Vermutung  Raum  geboten,  daß  der  Markgraf  auf  den  Landtagen 
mit  den  Landstfinden  dieser  Gerichtspflicht  entsprochen  habe.  Diese  Ver- 
mutung wird  dadurch  bestärkt^  da£  auch  in  Brandenburg  der  Kreis  der  von 
den  Landtagen  zu  bew&ltigenden  Aufgaben  kein  fest  begrenzter  war,  und 
durch  das  seit  dem  15.  Jahrhundert  urkundlich  nachweisbare  Vorkommen 
amer  Jurisdiktion  der  Landstftnde  neben  der  der  Hofgerichte,  an  deren 
Spitze  Hofrichter  als  Stellvertreter  des  Markgrafen  standen  (Kuhns  U, 
S.  834  £).  Li  Schleswig -Holstein  bildete  der  Landtag  noch  lange  das 
hOchstinstanzielle  Gericht  fOx  alle  EHassen  der  Unterthanen,  an  welche  der 
Bechtszug  von  den  Oberamtsgerichten  ausging.  1524  wird  der  Gebrauch 
gesetzlich  sanktioniert,  da6  regelmäßig  Landtage  nur  zur  Ausübung  der 
höchsten  Gerichtsbarkeit  abgehalten  werden.  Li  Schleswig  wurde  erst  1564 
ein  aus  Räten  bestehendes  höchstes  Landgericht  eingesetzt  (Falck,  Hand- 
buch des  schleswig-holsteinischen  Privatrechts.  Altena  1835.  m,  S.  226  ff.\ 
Auch  in  der  Markgrafschaft  Meißen  dürfte  das  Landding,  eine  Versammlung 
der  freien  Herren,  SchOffenbarfreien  und  Ministerialen,  unter  dem  Vorsitze 
des  Markgrafen  zu  Colm  abgehalten,  den  Landtagen  anderer  Territorien  ent- 
sprochen haben.  Auf  diesen  Landtagen  macht  sich  nämlich  eine  tiefe  Anteil- 
Oihme  der  Erschienenen  an  aUen  das  Land  betreffenden  Regierungsangelegen- 
beiten,  z.  B.  Wahl  des  Landesherm,  geltend,  wenn  es  auch  Torzugsweise  als 
bOebstes  Landgericht  in  Betracht  kam  (y.  Posern  Klett,  Zur  Geschichte 
der  Verfassung  der  Markgrafschaft  Meißen.  Leipzig  1863.  S.  30  ff,  39).  Als 
dann  hier  die  Landdinge  (analog  den  alten  Landtagen  anderer  Territorien) 
Terschwanden ,  trat  die  persönliche  Jurisdiktion  des  Markgrafen  mit  seinen 
IGnisterialen  hervor,  bis  seit  dem  Beginn  des  15.  Jahrhunderts  ein  judex 
eoriae  den  Markgrafen  im  Vorsitze  des  Ho^erichts  vertrat  (y.  Posern 
Klett  S.  54,  58  f).  —  Für  die  Ton  uns  yertretene  Auffassung  über  den 
Ursprung  der  Hofgerichte  spricht  auch  die  Darstellung  Hausmann 's  (Bei- 
träge zur  Kenntniß  der  chursächsischen  Landesversammlungea  Leipzig  1798. 
I,  S.  7,  17),  wenn  er  sagt,  daß  das  placitum  provinciale,  das  Landding  oft 
idebts  mehr  als  ein  Gerichtstag  gewesen,  auf  welchem  aber  auch  über  andere 
ab  PriTatangelegenheiten  Einzelner  beratschlagt  worden  sei,  und  fortfährt^ 
in  den  Ländern  Dietrichs  des  Bedrängten  seien  jährlich  wenigstens  2  pladta 
profincialia  gehalten  worden,  beide  seien  fOi  die  Provinzen,  was  der  Reichs- 
tag ftr  Deutschland  gewesen,  beide  pladta  provindalia  seien  aber  auch  die 
eberrten  Gerichte  des  Landes  gewesen. 


Person  der  Pflege  des  Rechts  an  verschiedenen  Orten  doa  Laoilea 
unterzogen.  Unter  den  folgenden  Herzogen')  gehört«  es  zu 
den  Seltenheiten,  wean  ein  Gericht  unter  dem  Vorsitze  des 
Landesherm  abgehalten  wurde').  Nachdem  nun  die  alten 
I^ndtage  Beit  Mitte  des  13.  Jahrhunderts  verschwunden  waren, 
wandten  sich  die  Parteien  vielfach  an  den  Herzog  [wrsönlich 
mit  ihreu  Prozessen,  um  von  diesem  eine  Entscbeiiiuug  zu  er- 
langen, und  /war  vornehmlich  dif^enigeu  St&nde,  welche  auch 
bishug  vor  dem  Herzog  (auf  den  Landtagen)  Recht  zu  nehmen 


Als  mit  rler  Ausdehnung  des  I.^ndes  sich  eine  Anhäufung 
von  Uegieruugsgeschiiften  für  den  Herzog  ergab,  mulile  dieser 
zur  Bewältigung  derselben  Gehülfen  herbeiziehen.  I>ie^  hatten 
seine  Stellvertretung  xa  Übernehmen  sowohl  in  der  Verwaltung 
als  in  der  Rccrhtsprechung.  Diese  zur  Vertretung  des  Herzogs 
berufenen  Beamten  waren  in  Baiem  die  Vitzlurac.  Zur  Recht- 
sprechung an  des  Herzogs  statt  bedurften  sie  aber  eine«  au»- 
drticklichen  Befehls.  Derselbe  wird  gewöhnlich  in  den  einzelnen 
fJerichtabriefen  als  für  den  konkreten  Fall  erteilt  benondcn 
hervorgehoben. 

Der  Charakter  der  Institution  als  der  einer  persönlichen  Jurie- 
diktion des  Herzogs  tritt  auch  dariu  hervor,  daß  die  Parteien  sich 
stets  an  die  Person  des  Herzogs  behufs  Enlsi;heidung  dieser  ihrer 
Rechtsstreitigkeiten  wenden  und  dieser  aber  immer  nur  ad  hoc 
einen  Stellvertreter  ernennt.  Als  daher  Baiem  durch  die  Landes- 
teilimg  in  mehrere  selbständige  Territorien  geschieden  war, 
wurde  selbstverständlich  die  höchste  landesherrliclie  Jurisdiktion 
in  jedem  Territorium  durch  dessen  llemsciier  rusp.  seinen  Stell- 
vertreter geQbt 

Daß  der  Herzog  persönlich  noch  den  Vorsitx  im  Hofgericht - 
ffibrt,  kommt  seit  der  Mitte  des  13.  Jahrhunderts  kaum  noch 

1)  Ottc  n.  Imttfl  luvor  Dieb  die  Abaicbt  gehabt,  ui  varachisdaneB  Ortaa 
dM  Lande«  Qcrichl  lu  balUD  l„ko  belieb«ii  aUUn  wir  in  g«riefatM  wA 
werden  lein",  (Ja.  u.  Er.  T,  B.  Gl),  »cht^int  >bor  dinta  Absicht  tncfat  darcb* 
geftthrt  IQ  babi-n.  1354  (vIuhd  die  HnnOgn  Ludwig  und  Hpimidi  ftoTaiMa 
Landtage  ein  Weiatoin  (judido  in  opjiido  Nopptirg  cddi  romitibu  et  Ubecit 
•t  miniitwialibui  imporü  ot  dacstiu  Biv>riac  )>ra«indpnl«i  .  .  .  odinwL  IL 
a  UL  p.  60). 

ti  Bloitcr  a  a  17& 


—    119    — 

vor^).  So  bildete  sich,  ohne  daß  es  eines  ausdrücklichen  Ver- 
bots der  sogenannten  Kabinetsjustiz  bedurft  hätte,  gewohnheits- 
rechtlich die  Anschauung  aus,  daß  der  Herzog  sich  nicht  per- 
sönlich an  der  Ausübung  der  Rechtspflege  beteilige,  sondern 
auf  diese  nur  durch  die  Zusammensetzung  des  Gerichts  ad  hoc 
einen  Einfluß  gewinne. 

Diese  gerichtlichen  Verhandlungen  fanden,  solange  die 
Landesherren  noch  keine  festen  Residenzen  hatten*),  nicht  an 
dem  jeweiligen  Aufenthalte  des  Herzogs  statt,  sondern  während 
des  13.  Jahrhunderts  sehen  wir  den  Stellvertreter  des  Herzogs 
im  Gericht  in  Thätigkeit  an  verschiedenen  Schrannen  des 
Landes,  wo  er  umgeben  von  einer  Reihe  angesehener  Per- 
sonen (Geistliche,  Ritter,  Richter),  welche  das  Urteil  fanden,  zu 
Gericht  saß. 

Aus  dem  13.  Jahrhundert^)  seien  folgende  Beispiele  hier 
angeführt : 

1253  entscheidet  Herzog  Otto  selbst  in  Landshut  einen  Streit 
des  Klosters  Buren  gegen  O.  von  Homstein  zu  Gunsten  der 
Klägerin,   nachdem  der  Herzog  zur  Augenscheineinnahme  und 


1)  1319  fahrt  noch  K  Ludwig  den  Vorsitz,  als  er  „von  unserm  Rat  und 
Tor  Bitem  und  Chnechten  in  unserm  Hof  einer  Urteil  fragten  (M.  B.  IX, 
p.  142). 

2)  Die  niederbairischen  Herzoge  hatten  schon  seit  1255  dauernde  Residenzen. 
Vgl  den  Eingang  zum  Landshnter  Stadtrecht  1279  (Gen gier,  Deutsche 
Stadtrechte  S.  233) :  Cum  ex  jure  scripto  ac  consuetudine  approbata  domicilia 
prindpum  emunitatibus  et  libertatibus  majoribus  et  pluribus,  quam  communia 
oppida,  gaudere  sit  consentaneum,  ut  propter  ezcellentiam  manentis  mansio 
debeat  honestari;  hinc  est,  quod  cum  progenitores  nostri,  pater  et  avus,  suum 
praecipuum  in  Landshuet  habuerint  domicilium,  et  nos  ibidem  enutriti  simus, 
ac  .  .  inibi  requiescere  cogitemus  .  .  In  der  Hofordnung  der  niederbairischen 
Horzoge  Otto,  Ludwig  und  Stephan  von  1293  (Qu.  u.  Er.  VI,  S.  13)  wird 
gesagt:  Ez  sol  auch  besonderlich  daz  Lantshut,  daz  Straubing,  und  das 
Porchawsen ,  da  der  herzog  aller  meist  wonen  sol  mit  dem  hof  —  diese 
3  Stfidte  also  als  Residenzen  bestimmt  München  wurde  etwas  später  Re- 
ddenz  der  oberbairischen  Herzoge  und  1504  Hauptstadt  des  ganzen  Landes 
(Riezler  II,  S.  204).  Auch  nachdem  es  feste  Residenzen  gab,  zogen  die 
Herzoge  natflrlich  noch  im  Lande  vielfach  umher  und  hielten  an  yerschie- 
denen  Orten  Hoflager,  wo  sie  auch  Regierungsgesch&fte  erledigten. 

3)  Die  folgenden  Gerichtsbriefe  setzen  ungefähr  um  die  Zeit  des  Ab- 
fterbens  der  alten  Landtage  ein. 


ZeugonTernehmung  seinen  NuUu  au  Ort  und  Stctlu  delegiert 
hatte'}. 

1276  erhielt  der  Abt  von  Olwraltaich  vor  Otto  von  Strau- 
bing (Heinrici  ducis  procurator  —  coram  nie  ex  iussu  ducis 
Davarie  tunc  prettidente  iudiciu)  ein  obsiegendes  Urteil  wegen 
eines  seluem  Kloster  zustebcuden  Fißcliercireclites*). 

1280  saß  W.  von  Crcsburg,  ViUtuin  Hcraog  Ludwigs,  zu 
Gericht  in  einem  Streite  des  Abt£  von  Roth  und  der  Herrvn 
von  Halicbau  pro  qnibusdam  alpibns.  I>.  diix  Bavarie  —  m« 
iudicem  et  decisorem  huiustnodi  litis  —  stituit  et  prefecit.  Ha- 
bito  igitur  iudicio  apud  \\'alsepacli  utramque  partem  stare  fcd 
iudiciu  t'l  utrobique  de  iustitia  reepondurc.  Der  Streit  wurde 
dann  durch  Schicdarichter  entachiedeu  ^). 

1286  entschied  All>ert  von  Straubing,  ducis  vicedominus, 
einen  Streit  des  Klosters  Oberaltaich  mit  den  Fischern  za  K. 
als  Schiedsrichter,  —  accepto  mandato  domini  ducis,  ut  dictam 
questionem  aut  per  forniam  iuris  sive  per  arbitrii  et  couipoel' 
tionis  amicabilitvr  tcrminanni  *). 

Konut«  früher  bei  einfachen  Verhältnissen  Jedcrmanu  aus 
dem  Volke  seinen  Rechtsstreit  vor  dem  Herzog  zum  Austrag 
bringen,  so  schien  dies  bei  einer  durch  die  steigende  Ktiltur 
bedingten  Mehrung  der  Prozesse  nicht  mehr  mßglicb  und  bei 
der  fortschreitenden  Ausgestaltung  der  Guricbtsverfafiäung  nicht 
mehr  nötig.  Vorschriften  über  die  Abgrenzung  der  Kompetenz 
in  Rücksicht  auf  den  Stand  der  Parteien  sind  zwar  vor  dem 
14.  Jahrhundert  nicht  gegeben,  aber  die  f>rganisatinn  durch  die 
Gesetzgebung  war  überhaupt  im  Mittelalter  nicht  allzu  sehr  tfe- 
Uebt,  wu  die  meisten  Institutionen  sich  allm&hlich  auf  dem  Wega 
des  HcrkomiuL'Us  »usbildeten. 

So  läßt  sich 'auch  hier  verfolgen,  wie  die  Hufgerichte,  also 
die  Gerichte  des  Genchtsherm,  sich  entwickelten  einerseits  la 
einem  forum  der  höheren  Stände  und  anderaeits  zu  dner 
obem  Instanz  über  dem  Landgerichte,  da  iler  Rechtszug  nach 


ll  1.  Frajberg,  Über  da«  ftltdentMbe  Offeatlicfaft  Otukhtm^erfihrea 
S.  US  (Ueiehelbeck.  WmL  Fni,  P.  1,  p.  76.  d.  91). 
!)  H.  R  XU.  p.  140. 
8)  M.  &  1.  p.  40S. 
4)  M.  B.  XU.  ^  14& 


—     121     — 

deatschem  Landrecht  von  dem  Gericht  an  den  Gerichtsherm 

ging'). 

Der  altdeutsche  Grundsatz  des  Judicium  parium  forderte 

für  die  Angehörigen  der  höheren  Stände  ein  besonderes  Gericht^ 
in  welchem  nur  ihre  Standesgenossen  das  Urteil  fanden.  Eine 
Umbildung  der  Standesverhältnisse  hatte  sich  aber  vornehmlich 
seit  dem  13.  Jahrhundert  vollzogen  *),  die  schroffe  Gliederung 
der  Geburtsstände  war  durch  Berücksichtigung  des  Berufs,  durch 
das  Emporkommen  des  Ritterstandes  gelockert  worden.  Der 
Glanz  des  Wafifenhandwerks  hatte  den  sich  aus  Ministerialen 
und  Vasallen  zusammensetzenden  Ritterbürtigen  ebenso  wie  den 
unfreien  Rittern  und  Knechten  ^)  ein  Ansehen  verliehen,  welches 
sie  weit  über  ihren  Geburtsstand  emporhob,  die  Ritterbürtigen 
schlechthin  als  Genossen  des  Adels  erscheinen  Heß,  also  den 
Geburtsunterschied  zwischen  dem  freien  und  ehemals  unfreien 
Adel  vollständig  ausgeglichen  hatte.  Da  nun  nach  germanischer 
Anschauung  die  Wertschätzung  des  Standes  in  einem  bevor^- 
zugten  Gerichtsstande  zum  Ausdruck  kam,  hatten  alle  An- 
geseheneren (Grafen,  Freie,  Dienstmannen,  Ritter,  Knechte*) 
und  Prälaten)  ihr  privilegiertes  Forum  vor  dem  Landesherrn 
selbst  *)  oder  vor  dem  Hofgerichte,  dem  an  seiner  statt  und  in 
seinem  Auftrage  ein  Vitztum  oder  ein  Hofbeamter  präsidierte. 

Das  Herkommen,  welches  für  Adlige  das  Hofgericht  ak 
erste  Instanz  ausbildete,  findet  jetzt  auch  gesetzlichen  Aus- 
druck. So  in  der  Ottonischen  Handfeste  1311,  welche  alle 
von  Grafen,  Freien,  Dienstmannen,  Rittern  oder  edlen  Knechten 
begangenen  Totschläge  (ebenso  Notzucht  und  Straßenraub)  dem 
Herzoge  zur  Aburteilung  zuweist  in  allem  dem  recht  als  es  her 
von  alten  rechten  ist  gestanden.  Ebenso  wird  auch  für  alle 
Rechtsstreitigkeiten  dieser  Adligen  unter  sich  die  Kompetenz. 


l)Sohm    in  GrüDbat's  Zeitschrift  fOx  das  Privat-  und  öffentliche- 
Recht  Wien  1880.   VII,  S.  421. 

2)  Über  die  Standesyerh&Itnisse  in  Baiem  vgl  y.  Zallinger,  Ministe- 
niles  und  Milites.  Innsbrack  187a   S.  21  ff 

3)  Als  niedem  Ritterstand  bezeichnet  ibn  y.  Zailinger  a.a.O.  S.  29. 

4)  YgL  die  Aufzftblimg  der  einzelnen  Klassen  des  Adels  in  bairischen. 
Urkunden  des  14.  Jahrhunderts  bei  y.  Zailinger  S.  30. 

5)  Dieselbe  Entwicklang  l&fit  sich  in  Brandenbarg  (Kuhns  I,  S.  200  ty 
und  Österreich  (Laschin  S.  63)  nachweisen. 


—     122    — 

des  Herzogs  oder  des  von  ihm  zu  delegierenden  Vitztums  an- 
erkannt *).  Außerdem  wird  das  Hofgericht  (Gericht  des  Vitz- 
tums) für  zuständig  erklärt  zur  Aburteilung  aller  Klagen  gegen 
Richter  imd  Amtleute  —  Klagen  gegen  den  Yitztum  sind  vor 
dem  Herzog  unmittelbar  anzubringen  —  wegen  Übertretung 
der  Handfeste  *). 

Den  Klöstern  war  jedoch  dieser  privilegierte  Gerichtsstand 
nicht  generell  zugestanden,  sondern  einzelnen  Klöstern  wurde 
das  Recht  des  Gerichtsstands  vor  dem  Landesherm  durch  Privi- 
legien speziell  verliehen  *).  Solche  Gerichtsstandsprivilegien  er- 
teilte z.  B.  1313  K.  Ludwig  dem  Kloster  S.  Veit  —  wer  hintz 
in  oder  iren  Leuten  oder  Gütern  ichts  zu  sprechen  hat,  das 
wellen  wir  selbe  hören  und  richten*);  1315  Herzog  Rudolf  dem 
Kloster  Scheiem  —  das  er  (Abt)  das  recht  vor  nieman  tun  sei, 
umb  swelcher  layc  Sache  er  angesprochen  wurt,  von  dez  vor- 
genanten Gotshaus  wegen  von  Leuten  und  Guot,  danne  vor  uns 
oder  vor  unsem  ^)  Obristen  Schreiber^).  Wenn  hier  auch  ein 
Stellvertreter  des  Herzogs  ausdrücklich  genannt  ist,  so  ist  doch 
bei  allen  derartigen  Privilegien,  auch  wo  ein  solcher  nicht  er- 
wähnt ist,  nicht  an  eine  persönliche  Jurisdiktion  des  Landes- 
herm im  wörtlichen  Sinne  zu  denken,  denn  es  soll  stets  nur 
das  Hofgericht  als  ordentliches  forum  gesetzt  werden. 

Obwohl  der  persönliche  Vorsitz  des  Herzogs  überhaupt  nur 
selten  noch  vorkommt ' ),  wird  doch  die  Fiktion  von  der  Regel- 

1)  y.  Lerche nf cid  S.  2:  Wir  behalten  auch  nns  selben  xe  richten, 
was  unser  graTcn,  freien,  dinstman.  ritter  oder  knecht  mit  einander  ze  kriegen 
liabent,  wellen  wir  das  unser  yitzdomb  das  richten  oder  wen  wir  dam 
Echufrcn  yedem  herm. 

2)  V.  Lerchenfeld  S.  G. 

3>  Solche  pririlegia  fori  erhielten  auch  z.  B.  1271  das  Kloster  Farstenfeld 
(M.  B.  IX,  p.  99),  das  Kloster  Fürstenzell  —  causas  contingentes  dictam  ec- 
clesiam  personaliter  terminare  (M.  B.  V,  p.  20). 

4)  M.  B.  V,  p.  251. 

6)  M.  B.  X,  p.  48G. 

Gl  1341  erhält  auch  das  Kloster  Seligenthai  bei  Landshat  ein  eolcliee 
Pririleg  durch  K.  Ludwig.  —  Kein  andrer  Richter  soll  über  des  Klostext 
Leute,  Gut  und  Urbar  richten,  „wan  wir  die  klag  selb  verhOm  und  richten 
wellen"  (Kalcher,  Die  Witteisbacher  Fflrstenurkunden  des  StadtarebiTt 
Landshut,  in  Verb.  d.  Hist.  Ver.  f.  Niederbayem.  Landshut  1880.  XX,  a  48). 

7i  Vgl  S.  118. 


—     123    — 

m&ßigkeit ' )  des  persönlichen  Vorsitzes  des  Landesherrn  auf- 
recht erhalten,  und  in  der  Instruktion,  welche  K.Ludwig  1340 
für  seinen  Mündel  Johann  in  Niederbaiem  erläßt,  wird  nur  als 
Wille  des  Kaisers  angegeben:  swenn  wir  selb  bei  dem  land 
nicht  sein,  daz  di  selb  unser  vitztfim  alle  urtail  verhören,  ye  der 
vitzt&m  fiberal  in  seinem  vitztumampt  und  auch  mit  dem  ernst 
und  vleizz  verhören,  daz  alle  laeut  damit  besorgt  sein*).  Zu- 
gleich wird  dem  Vitztum  zur  Pflicht  gemacht,  Urteilsfinder,  die 
einem  Urteil  gefolgt,  den  in  nicht  rechtleich  deucht,  samt  dem 
Urteile  dem  Könige  anzuzeigen. 

Im  allgemeinen  bewegt  sich  die  Entwicklung  des  Hof- 
gerichts im  14.  Jahrhundert  in  derselben  Richtung  wie  im  13. 
Die  Hofgerichtsbriefe  aus  dieser  Periode  bekunden  weder  in  der 
Verfassung,  noch  in  der  Kompetenz  einen  Fortschritt  gegenüber 
den  oben  angeführten  ^). 

Das  Institut  des  Bingens  gen  Hof  zum  Zwecke  der  Ab- 
änderung des  erstinstanziellen  Urteils  wird  in  dem  1.  nieder- 
bairischen  Freibriefe  1311  schon  als  ein  in  allgemeiner  Übung 
stehendes  vorausgesetzt  und  anerkannt. 

Nachdem  man  sich  gewöhnt  hatte,  den  Herzog  als  den 
Schirmer  des  Rechts  im  Territorium  zu  betrachten  *),  ergab  es 
sich  von  selbst,  daß  man  sich,  wie  fniher  an  den  Kaiser,  nun 
sich  beschwerend  an  ihn  wandte,  wenn  man  sich  in  seinem  Rechte 
durch  ein  ungerechtes  Urteil  verletzt  erachtete,  um  durch  ihn 
eine  Aufhebung  der  vermeintlichen  oder  wirklichen  Rechts- 
kränkung, also  ein  besseres  Urteil  zu  erlangen. 

Was  die  Kompetenz  anlangt,  so  bleibt  das  Hofgericht  erst- 
instanzielles  Gericht  für  alle  privilegierten  Personen  und  wird 
Berufungsgericht  für  alle  Parteien,  ohne  Rücksicht  auf  den 
Stand,  welche  durch  das  Urteil  eines  niederen  Gerichts  (Land-, 
Stadt-,  Hofmarksgericht)  sich  beschwert  fühlen. 

1)  Vgl.  Münchner  Stadtrecbt  a.  310  (Au er  S.  119). 

2)  Qu.  u.  Er.  VI,  S.  358  a.  3. 

3)  s.  B.  Ho^erichtsbriefe  von  1334,  1344,  1348,  1366,  1386,  1394;  M.  B. 
IX.  p.  170,  181,  184;  XII,  p.  201;  R  B.  X,  p.  172;  M.  B.  XVII,  p.  159. 

4)  Vgl  Lamprecht,  Deutsches  Wirtschaftsleben  im  M.  A.  Leipzig 
1886.  I,  2,  S.  1326:  „Jetzt  gewöhnen  sich  die  niederen  Territorialeingesessenen 
duan,  gegen  Termeintliche  Rechtsvergewaltigungen  Ton  irgendwelcher  Seite, 
nicht  bloß  von  Seiten  der  gegnerischen  Partei,  sondern  auch  von  selten  des 
Bichters  Hilfe  beim  Landesherm  zu  suchen.** 


—    124    — 

K.  Ludwigs  Landrecht  trifft  zwar  über  das  Hofgericht  als 
erste  Instanz  keine  Bestimmung,  erwähnt  aber  das  „Dingen  gen 
Hof".  Das  Hofgericht  wird  also  schon  als  Gericht  höherer  Ord- 
nung anerkannt,  an  das  man  sich  wenden  konnte,  falls  mair 
sich  durch  das  von  dem  Stadt-  oder  Landgericht  gefällte  Urteil 
beschwert  erachtete.  Auch  in  Niederbaiem  erkennt  der  erste 
Freibrief  1311  das  Institut  des  Dingens  als  ein  althergebrachte» 
an:  Was  urtail  auch  ze  krieg  wirt,  wellen  wir,  das  man  der 
dinge  in  allem  dem  rechten  als  vor*). 

Wenn  auch  das  Institut  der  Appellation  noch  nicht  in  der 
durch  die  fremden  Rechte  ausgebildeten  Gestalt  im  14.  Jahr- 
hundert in  Baiem  bekannt  war,  so  liegen  doch  schon  seit  dem 
Ende  des  13.  Jahrhunderts  Zeugnisse  darüber  vor,  daß  in  Folge 
der  Unterordnung  der  Stadt-  und  Landgerichte  unter  das  Hof* 
gericht  dieses  als  höchste  Instanz  des  Landes  berufen  war,  einen 
vor  einem  der  ersterwähnten  Gerichte  abgeurteilten  Rechtsstreit 
auf  Verlangen  einer  Partei  einer  wiederholten  Prüfung  und  Ent- 
scheidung zu  unterwerfen,  welche  nur  noch  durch  ein  Urteil 
des  königlichen  Hofgerichts  abgeändert  werden  konnte. 

1293  entschied  so  Fr.  der  Siegenhaimer,  Vitztum  bei  der 
Rot,  einen  Streit  eines  Bürgers  von  Braunau  mit  einem  Burg- 
hauser,  in  welchem  bereits  auf  der  Schranne  von  Puchkirch  ein 
Urteil  gefällt  worden  war:  Da  sait  N.  vor  meinem  Herren 
Herzogen  Otten,  im  wer  nich  wol  gesehen  an  sholichen  Sachhen. 
Da  gepot  mir  mein  Herr  der  Herzog  O  .  . ,  daz  ich  in  einen 
anderen  gemessen  Tag  gaeb  hintz  Purchhausen  und  die  Sach 
ze  ent  ausrichtet  .  .  .  und  wart  A.  mit  Frag  und  mit  Urtail 
desselben  Guetes  gesaetzet  in  nutz  und  in  gwer*). 

An  den  Herzog  als  den  höchsten  Richter  des  Landes  wendet 
sich  die  Partei  auch  hier,  aber  der  Herzog  verweist  die  Sache 
an  den  Vitztum,  der  an  des  Herzogs  Stelle  eine  Entscheidung 
treffen  soll.    Ebenso  erkennt  auch  das  Münchner  Stadtr.  (a.  310) 


1)  y.  Lerchenfeld  S.  3.  —  Der  3.  Freiartikel  bemerkt  daia:  Item 
wann  ain  ortel  zu  krieg  kombt  sol  man  die  dingen  wie  Tor  auch  gMcheben 
ist  Das  ist  also  zn  yersteen,  wo  es  an  mittel  an  des  ftrsten  bof  geteheben, 
dabey  sol  es  besteen.  Wo  aber  ander  gcwonhaitn,  nemblicb  fBr  minder 
oberhcrm  zu  dingen  verbanden,  dasolbstbin  sol  es  allermas  geschehen  (also 
z.  6.  vom  Hofinarksrichter  zum  Hofmarksherm). 

2)  M.  R  III,  p.  153. 


—    125    — 

den  Herzog  prinzipiell  als  diejenige  Instanz,  an  welche  das  Ge- 
ding  zu  richten  ist,  indem  die  Frist  zur  Erholung  des  Gedings 
(14  Tage)  von  der  Anwesenheit  des  Herzogs  im  Lande  an  be- 
messen wird  bezw.  von  seiner  Bückkehr  ins  Land  zu  laufen 
beginnt  Gleichwohl  wird  aber  eine  Stellvertretung  des  Herzogs 
als  zulässig  vorausgesetzt  in  der  Bestimmung,  daß  das  Urteil 
ergehen  soll  unter  des  Herzogs  Siegel  oder  dem  Siegel  des- 
jenigen, ;,dem  der  herzog  gewalt  geit,  der  den  urtail  höret  an 
seiner  stat^. 

Aber  nicht  nur  behufs  Beformierung  eines  schon  gefällten 
Urteils  konnte  die  Partei  gen  Hof  dingen,  sondern,  wie  der 
Richter  selbst  ein  Urteil  an  einen  höheren  Bichter  schieben 
konnte,  wenn  er  sich  die  Entscheidung  wegen  der  Schwierigkeit 
des  vorliegenden  Bechtsstreits  nicht  zutraute,  so  konnte  auch 
eine  Partei  vor  der  Fällung  eines  Urteils,  um  diese  zu  ver- 
hüten *),  sich  an  das  Hofgericht  wenden.  Aber  nur  die  erste 
Art  des  Gedings  entspricht  der  Appellation  und  sie  allein 
kommt  nach  Einführung  des  Landrechts  hauptsächlich  noch  in 
Betracht.  Das  Dingen  vor  Fällung  des  Urteils  verschwindet 
und  das  Schieben  des  Urteils  durch  den  Bichter  wird  auf  Aus- 
nahmefälle beschränkt  ^),  da  das  Schieben  des  Urteils  seitens 
des  Bichters  seine  Begründung  nur  fand  in  dem  Bedürfnis  nach 
einer  Bechtsbelehrung,  also  nach  der  Weisung  eines  Bechts- 
satzes,  unter  welchen  das  concreto  Bechtsverhältnis  zu  sub- 
sumieren sei.  Die  Notwendigkeit  des  Schiebens  war  hinweg- 
gefallen mit  der  Schaffung  des  Gesetzbuchs,  welches  dem  Bichter 
als  Entscheidungsnorm  dienen  sollte.  Es  war  daher  folgerichtig, 
wenn  Stadtrecht  3)  und  Landrecht*)  ein  Verbot  des  Schiebens 
von  Urteilen  statuierten,  die  sich  auf  einen  in  dem  Gesetzbuch 
enthaltenen  Bechtssatz  bezogen. 


1)  V.  d.  Pfordten  S.  316  (M.  B.  XXIV,  p.  380). 

2)  In  den  Landesteilen,  in  welchen  die  Ludwigsche  Gesetzgebung  nicht 
eingeftüirt  ward,  findet  sich  noch  im  15.  Jahrhundert  ein  Ziehen  des  Urteils, 
seitens  des  Gerichts  an  einen  Stadtrat,  z.  B.  für  den  Rat  in  HOchstädt  1403; 
in  Neomarkt  1480  (t.  d.  Pfordten  S.  315).  In  Niederbaiem  kennt  noch 
die  LO.  1474  ein  Schieben  des  Urteils  gen  Hof  neben  dem  Ziehen  mit 
Appellationen  (E  renn  er  VH,  S.  501). 

3)  a.  237  (Aner  S.  92). 

4)  y.  d.  Pfordten  S. 315:  Swaz  das  puech  hat,  das  sol  niemant  dingen. 


Dag(-^en  sollte,  wenn  dos  Buch  keine  Beslimiiiung  enthielt, 
der  Richter  5  der  Besten  von  der  Schranne  nehmen  und  die 
auf  ihren  Eid  fragen ,  was  sie  darum  dUnIte.  Konnton  die  5 
sich  nicht  vereinigen  —  daz  aioz  oder  zwnir  urtuil  bosunder 
stuenden  —  m  konnte  Einer  die  Minderheit  gen  Hof  vor  den 
Vitztum  dingen'),  also  vom  Hofgericht  eine  RechLibelehning 
erbitten,  lu  dieser  Art  des  Gedings  gen  Hof  hat  man  daher 
kein  litichtsniittol  zu  erblicken.  Die  Funktion  des  nofgericbts 
war  in  diesem  Falle  nur  eine  der  Thfttigkeit  der  Oberhöfe') 
analoge;  Ausfüllung  der  LQckcn  der  Gesetzgebung  war  ihre 
Aufgabe.  Weil  man  nun  die  Urteilsfinder  im  Hofgericht  flir 
besonders  rechtskundig  hielt,  wandte  man  sich  bei  schwierigen 
Fragen  an  sie,  tlamit  sie  ihrer  über/eugiiug  geniäü  das  B«cht 
ßinden,  also  das  geschriebne  Redit  durch  Weistum  ergäuzten. 

In  Baiern,  wo  Oberhöfe  nicht  existierten,  ttbemahm  also 
das  Hofgericht  (in  hfichster  Instanz)  schon  frilhjeneFunktioncn*), 
welche  in  andern  Ländern  erst  seit  dem  Verschwinden  der  Ober- 
hOfe  im  1(>.  Jahrhundert  auf  ilie  neu  organidicrten  Uofgeridite  *) 
und  JurisltiufakuMteu  tlburgingeu. 

Ganz  anders  verhielt  es  sich  dagegen  mit  dem  Geding  geo 
Hof,  welches  in  dem  Antrag  einer  Partei  Wstand,  das  Hof- 
gericht möge  das  beschwerliche  untergerichtliche  Grteil  ab- 
ftndem.  Diese  Art  des  Gedings  war  schon,  wie  erwähnt,  im 
a.  310  des  Münchner  Stadtrechts  geregelt  und  fand,  wie  die 
groSe  Anzahl  der  aberlieferten  HofgerichtsurteJle  beweist,  immer 
größere  Verbreitung.    Sie  hat  zwar  manche  Ähnlichkeit  mit  der 

1)  Wa«r  tbtt  du  die  fonf  nch  iribt  reninton,  du  «iot  oin  nnlr  v 
tau  bcsnndef  itnenden,  »o  nwg  ener  der  mtniiar  nrtMl  vot  rkhi  liof  diafM 
flir  d«D  rititnam  und  da  lol  i&ui  Im  duin  ucU«;  utwurt  und  nitaD  f«* 
•chribAü  gohna  aod  (ol  du  dor  rihtor  an  iMii  bwcli  aiht  bainra  «hnJb«» 
TkL  BockiDKci,  SiUongtber.  d.  hirt.  KL  d.  bui.  Ak.  1873;  S.4S8.  D« 
Artikel  i(t  vplU>rHr  Zuuti,  findet  licb  rnif  tu  «eiUKea  HaodtdiilftvD  (*.  L 
Ffordteo  S.  332), 

S)  Über  dieM  Tgl  A.  6.  Sebaitte,  PriTktTwbt  nod  PnaA  J, 
B.  133  C 

3)  Dm  Hof^cbt   b»t  bi«r  dl«  ^Idcb*  ßtttUnDg  via  die 
Obtrhsb,  di«  Oericfatabaiküt  b^bnn.    Da*  Ilotgericbt  gibt  niebl 
Aukotift,  londern  ««In  Aoiiprach  l*t  rln  mit  iem  B«elttabtIiU 
Drt«tL    A.  S.  Schnitt  n  S.  129  £ 

4)  gtobba,  QMcbicbl«  d«  B««btoqQBll«n  U,  &  H. 


—     127    — 

ürteilsscbelte  des  Sachsenspiegels  (II,  12  §  4  flf.)  und  dem  Wider- 
werfen des  Urteils  des  Schwabenspiegels  (G  e  n  g  1  e  r ,  c.  95  §  1,  2), 
unterscheidet  sich  aber  doch  wieder  scharf  von  diesen  Rechtsmitteln. 

Alle  diese  Rechtsmittel  haben  die  gleiche  Wirkung,  Er- 
möglichung  der  Abänderung  des  erstrichterlichen,  also  Erzielung 
eines  besseren  Urteils.  Der  das  Urteil  Scheltende  greift  dasselbe 
nicht  nur  objektiv  an,  sondern  erhebt  zugleich  gegen  Finder 
und  Folger  desselben  den  Vorwurf,  daß  sie  ein  ungerechtes 
Urteil  gefunden,  also  den  einer  Verletzung  ihrer  Amtspflicht. 

In  den  Prozeß  zwischen  die  ursprünglichen  Parteien  schiebt 
sich  ein  neuer  zwischen  dem  Schelter  und  den  Urteilsfindem  ^) 
und  das  übergeordnete  Gericht  hat  die  Frage  zu  entscheiden, 
ob  das  Urteil  des  Urteilsfinders  oder  der  Urteilsvorschlag  des 
Scheltenden  als  das  bessere  Rechtskraft  gewinnen  sollte  * ). 

Pas  bairische  Geding  gen  Hof  stellt  sich  dagegen  dar  als 
ein  wahres  Rechtsmittel,  welches  mit  der  Appellation  nahezu 
identisch  ist. 

Das  Hofgericht  ist  als  das  Gericht  des  Gerichtsherm  das 
höhere,  welches  dem  Gerichte  des  vom  Herzog  in  seiner  Eigen- 
schaft als  Gerichtsherrn  eingesetzten  niederen  Richters  (Land- 
richters etc.)  übergeordnet  ist.  Der  Rechtsstreit  wird  zwischen 
den  ursprünglichen  Parteien  vor  dem  höhern  Richter  (Hof- 
gericht) fortgesetzt.  Auch  darin  unterscheidet  sich  das  Hof- 
geding  von  der  Urteilsschelte,  daß  es  nicht  wie  diese  sich  un- 
mittelbar an  die  Urteilsverkündigung  anreiht,  sondern  erst  inner- 
halb 14  Tagen  an  den  Hof  gebracht  werden  mußte.  Die  Ähn- 
lichkeit mit  der  lOtägigen  Appellationsfrist  liegt  auf  der  Hand 
und  doch  geht  aus  der  Fassung  des  a.  310  Stadtr.  die  Unab- 
hängigkeit von  der  römischen  Interpositionsfrist  hervor.  Es 
besteht  also  gegenüber  der  gemeinrechtlichen  Appellation  kein 
so  überaus  wesentlicher  Unterschied,  da  ja  auch  der  Zweck, 
Erlangung  eines  bessern  Urteils,  der  gleiche  ist. 

Und  doch  ist  die  Gesetzgebung  K.  Ludwigs  von  echt  ger- 
manischem   Geiste    durchweht,    eine  Beeinflussung  durch  die 

1)  Planck,  Gerichtsverf  L  M.A  I,  S.  268,  281,  296. 

2)  Planck,  Beweisurteil  S.  22,  weist  daraufhin,  daß  in  Süddeutschland 
schon  frflher  eine  Art  Instanzenzug  bestanden  habe  (Schwsp.  95  §  2,  3 
Gengier).  Über  den  5fachen  Rechtszug  in  der  Mark  vgl.  Homeyer, 
Der  Richtsteig  des  Landrechts.   1857.  S.  510  flf.;  Kuhns  II,  S.  533  flt 


fruniduD  livchte  in  diesem  Punktu  erscheint  fast  ausgesclüoaaui; 
zudoui  war  das  HofgciUng  iii  ßtücm  schou  Endo  des  ]3.  Jahr- 
hunderts bcknnrit. 

Ich  kuiuuie  daher  zu  einem  ganz  andern  Ergebnis^«  als 
Stft^lzeP),  weicher  allgemein  den  Anfang  einer  Appellation 
Ton  den  niedem  Oericliteii  an  die  (lerichtshemi  erst  in  das 
Iß.  Jahrhundert  setzt,  indem  er  sich  der  von  Maurer  (Gesch. 
dcrMarkenvcrfassung  S,  364)  Aufgestellten  liehanpUing,  dieselbe 
generalisierend,  anschließt,  „dali  erst  seitdem  die  volkstümliche 
Justiz  mehr  und  mehr  untergraben  wurde,  Streitigkeiten  im 
Wege  lier  Appellation  an  den  Laudusbcrrn  gebracht  wurden 
liurften".  Schon  im  14.  Jahrhundert  sehen  wir  in  Baiern  die  Appel- 
lation in  vollster  Blüte,  wAhrend  von  einem  Niedergange  der 
volkstümlichen  Rechtssprechung  noch  Jahrhunderte  lang  nicht 
die  Rede  ist.  Es  kann  Ans  nicht  allzu  Auffhllig  erscheinen, 
nachdem  schon  das  fränkische  Reichsrecht  in  der  ruclamAlio 
ad  rcgis  de&nitivum  sententiam')  ein  der  römischen  Appellation 
analoges  Rechtsmittel  ausgebildet  hatte.  Die  diesem  fränkischen 
Prozeßinstilute  zu  Grunde  liegende  Idee  trat  nach  Jahrhunderten 
in  anderer  Gestalt  hervor.  Die  DedUrfnisse  des  Verkehrs  einer 
spjlleren  Zeil  entwickelten  so  ein  im  einbeimischen  Rechlsbi)dwa 
wurzelndes  iriehkräftiges  Institut  fort,  ohne  gezwungen  zu  Bein, 
sich  eine  Befriedigung  dieses  IlechtsbedOrfnisses  erst  darcfa  du 
fremde  Recht  zu  verB<;haiTen  ' ). 

DieFonnalien  der  Appellation  sickern  im  I^tufe  des  15.  Jahr* 
hundert«  ullmählicb  in  das  bairischu  Rechtslelwn  ein,  und  zwar 
wahrscheinlich  durch  Veruiittlung  der  die  Urkunden  vldfi^ 
abfassenden  *  J  Notare*^),     Ein  Ratschlag  der  (Utlnchner)  R&te 

Ichrton  RichtFTtnini  I.  S.  171 

UDD«r.  BdUtehunif  der  Schwursoricbt«.  Bcrlia 


1)  Kntirickltuig  dM 

8)  Vgl.  Ober  diera  1 
1872.  8.  73. 

3}  Solbitvt-nUliidlieh  üt  duaaf  kdn  Quwicht  ra  Ifgon,  dkft  «choo  1888 
in  «doem  Hofgencbub riefe  H,  HniDHchi  *üd  Landihat  der  Aoadrock  App^. 
UtioQ  rorkommt  (S^d  fMU  «pnd  not  kppollktiona  intanta 
potnit  obUni^ro:  H.  B.  IV,  p,  363),  denn  diu  Urkitnd«  bt  DffnilMr 
dai  kinonlichoD  R«:bts  kuodi^O  Kleriker  sb^b&t. 

4)  W*bDor,  Di»  0«TJchUTorfu(iiiiK  der  SUdi  HOneboi  S.      „^^^ 

51  a  B.  144»  11  B.  XXXV,  S,  p.  341.  Über  da»  Aanommao  dM  Nota^bi 
in  D«BtMbland  rgL  Oaaterlej,  Dm  deutache  NoUiUt  HknooTor  1841 
I,S.40Sr. 


—    129    — 

und  Landschaft  spricht  1444  schon  aus,  daß  kein  Laie  mit  einem 
Notare  oder  offnem  Schreiber  dingen,  noch  mit  Instrumenten 
umgehen,  sondern  Gerichtsbriefe  nehmen  und  auf  solchen  dem 
Geding  nachgehen  soll,  als  Appellierens  Rechtens  seiO- 

Einzelne  Gesetzgebungsakte  *)  aus  der  zweiten  Hälfte  des 
15.  Jahrhunderts  nehmen  dann  unter  Fortführung  des  Ausdrucks 
„Appellation"  auch  einige  Bestimmungen  dieses  Instituts,  wie 
Apostel,  lOtägige  Fatale  u.  s.  w.,  an  und  ebnen  so  die  Bahn 
für  die  Ger.O.  1520,  welche  die  Appellation  vollständig  (tit.  X) 
den  Anforderungen  der  fremden  Rechte  entsprechend  regelte, 
denn  die  Terminologie  zieht  mit  den  Begriffen  allmählich  auch 
die  Einführung  der  Institute  nach  sich «).  Es  zeigt  sich  also 
in  diesem  Punkte  auch  in  Baiern  die  Richtigkeit  der  Ansicht 
StölzeTs*),  daß  der  Aufnahme  römisch-materieller  Rechtssätze  , 
überall  die  Aufnahme  des  römisch-kanonischen  Prozesses  vorangeht. 

Wie  in  Baiem  scheint  nach  einer  Deutung  Lu  seh  ins 
(S.  102)  auch  in  Österreich  schon  im  14.  Jahrhundert  das  Hof- 
gericht als  Appellationsinstanz  fungiert  zuhaben*).  Im  Norden 
Deutschlands  hat  sich  einerseits  die  altdeutsche  Urteilsschelte  wohl 
auf  Grund  der  Regelung  des  Sachsenspiegels  lange  erhalten,  ander- 
seits kam  hier  eine  große  Zahl  von  Oberhöfen  den  Bedürfnissen 
des  rechtsuchenden  Publikums  bezüglich  der  Erlangung  eines 
besseren  Urteils  entgegen,  so  daß  hier  erst  in  der  Receptions- 
zeit  die  römisch-kanonische  Appellation  eingeführt  wurde  *). 

Doch  kehren  wir  nochmals  zu  dem  mehrerwähnten  a.  310 
des  (Münchner)  Stadtrechts  zurück,  welcher  für  die  Ausbildung 
der  Appellation  in  Baiern  von  grundlegender  Bedeutung  war. 
Die  Partei  mußte  nach  dessen  Bestimmung,  bevor  sie  dingte, 
den  Calumnieneid  schwören :  Swer  ain  urtail  dingt  gen  hof,  der 
sei  swcm,  daz  er  durch   chainer  lengrung  noch  durch  chain 


1)  Krenner  I,  S.  174. 

2)  z.  B.  L.O.  1474,  Landgebot  1489  (Krenner  VII,  S.  511;  IX,  S.  3); 
Münchner  BauO.  1489  a.  45  ( A  n  e  r  S.  215). 

3)  YgL  Ott,  Beiträge  znr  Beceptions- Geschichte  S.  143. 

4)  Entwicklung  des  gel  Richtertums  I,  S.  23. 

5)  Die  Casseler  Batsordnung  hat  anch  schon  1384  eine  Bemfong  an  den 
Landgrafen  und  seinen  Rat  angeordnet  (StOlzel  I,  S.  168  begründet  diese 
Bestimmung  mit  der  Absicht  des  Landgrafen,  die  Stadtfreiheit  zu  brechen). 

6)  Stölzel  I,  S.  169  ff. 

Rosenthal,  Getchichte  d.  Oerichtsw.  u.  d.  Verw.-Org.  Balerns.  I.  9 


vcrEichcD  der  urtoil  nicht  ding,  neur  daniml),  daz  er  seiDS 
rechtes  bechöni,  als  unser  herr  der  herzog  gcsetzet  h»t'). 
Die  Partei  maStc  sodann  das  gedingte  Urteil  wieder  zum 
Erstrichter  zurückbringen,  welcher  die  Puhlikation  de«  ver- 
schlossen ill)ürbrachten  mit  dem  tiiiegel  des  Herzogs  oder  seine» 
Vertreters  versehenen  Hofgcrichtsurteils  vorzunehmen  hatte,  eia 
Vcrfidircü,  an  welchem  in  der  Folgezeit  festgetialtun  wurde, 

lu  Nicderbaieru  war  durch  die  Ottouische  Handfeste  1311 
das  Prinzip  aufgestellt  worden :  Was  urtail  auch  ze  krieg  wirt, 
wellen  wir,  das  man  der  dinge  in  allem  dem  rechte  als  vor'). 
Es  sollte  bezüglich  des  Dingens  keinerlei  Änderung  eintreten, 
das  InstanzuDverhAltnis  nicht  geiLndert  werden,  also  nach  der 
authentischen  ErklArung  des  3.  Freiarlikcls  sollte,  wo  man  bis- 
her unmittelbar  an  des  Fürsten  Hof  dingte ,  auch  künftig  der 
Rechtszug  direkt  xum  Hofgericht  führen.  Wo  aber  andere  Ge- 
wohnheiten, nämlich  „vor  einem  mindern  Oberhcrm  zu  dingen", 
EoUtfl  es  auch  hierbei  sein  Bewenden  haben,  z.  B.  in  StAdten 
vom  Stadtgericht  zum  Stiidtnit,  in  den  Hofmarken  vom  Gerichte 
des  Hofmarksherrn  zum  Landgericht  und  von  da  erst  zum  herzog- 
lichen Hofgericbt. 

Schreiten  wir  zum  15.  Jahrhundert  fort,  so  bezeugt  ani  dio 
Menge  der  aus  diesem  erhaltenen  Hofgerichtsbriefe^),  welch 
grolier  Beliebtheit  sich  dos  Hofgedinge  erfreut  hat,  und  wie 
stattlich  die  Anzald  der  Recht^uchenden  war,  welche  von  diesem 
Kechismitlel  (lebrauch  gemacht  haben. 

Der  Charakter  der  Btaatsrechtlicheu  (^berordnung  des  Hof- 
gerichts gi^enüber  den  Statlt-  und  Laudgi:richten  tritt  nun  auch 
hl  den  Urt«ilsbriefen  immer  stiirker  hervor,  indem  die  dingende, 
sich  über  das  erstinstanzielle  Urleil  besciiwereude  Partei  oft  er- 
klärt, dali  sie  sich  zu  einem  „peH»ern  und  höherem  Rediten' 
benife  oder  daQ  sie  an  den  Herzog  und  seine  Räte  „als  für 
hOhen^  und  besseres  Gericht"  sich  beschwere*), 

I)  Dm  Erfordomi*  ile«  Cftlamnianeidi   itdlt  Mhon  tat  du  StadI-  nad 
tADdrochbbach  Raprechta  von  Fnjtiag  ed.  Mtarer  U,   e.  lOS,  «li 
Artikel  flborliMtpt  den  BectimmDiigen  dti  Sudlrechti  n  Oraodo  U^ 

S)  T.  Larcb«iir«ld  S.S. 

S)  Vgl  T.  d.  prordten  a  317  L 

4)  i.a  1137  dM  dinget  der  .  .  .  duch  peiiere  rvehto  wOta  (H.  B. 
Xm.  p.  UOji    lUS  beneft  lich  der  .  .  ,  »olicboD  tlrtail  sad  BaeUsM 


—    131    — 

Das  Verfahren  beim  Dingen  erfuhr  auch  keine  bemerkens- 
werte Änderung,  wie  man  aus  der  Stadt-  und  Marktsgerichts- 
ordnung Heinrich  des  Reichen  für  Niederbaiem  ersieht.  Diese  ver- 
langt, falls  das  erstinstanzielle  Urteil  nicht  einhellig  gefunden 
wurde,  Vorlage  des  Urteils  und  des  Urteilsvorschlags  der  Minder- 
heit der  Urteilsfinder.  Aber  auch  gegen  ein  einmütig  gefundenes 
Urteil  konnte  die  unterliegende  Partei  gen  Hof  dingen,  jedoch 
nur  unter  Angabe  der  Beschwerdepunkte.  Die  Parteivorträge, 
das  Urteil  und  die  Beschwerdepunkte  wurden  aufgezeichnet  und 
vom  Richter*),  der  das  Urteil  gefällt  hatte,  an  das  Hofgericht 
abgeschickt*).  Neu  ist  das  Erfordernis  der  Angabe  der  Be- 
schwerdepunkte"). Man  merkt,  wie,  gerade  durch  die  Appel-  ! 
lation  gefördert,  die  Schriftlichkeit  in  das  deutsche  Gerichts- 
verfahren eindringt,  unabhängig  von  den  fremden  Rechten. 

Das  Requisit  des  Galumnieneides  des  Appellanten,  welches 
sich  in  Niederbaiem  gewohnheitsrechtlich  ausgebildet  hatte, 
bestätigte  H.  Heinrich  in  einem  Landgebot  von  1440*),  nur 
beschränkte  er  das  Herkommen  in  der  Richtung,  daß  der  Ap- 
pellat  nicht  mehr  befugt  sein  sollte,  dem  Appellanten   diesen 


fiir  ain  Beswenmg  und  erdingt  das  ho  eher  Gerichte  gen  Hof  (M.B. 
IX,  p.  311) ;  1455  bemff  sich  und  dinget  mein  ortail  gen  hof  ...  zu  einem 
passeren  und  höheren  rechten  (M.  B.  XX,  p.472);  1481  von  merer 
ond  Pessers  rechtens  wegen  (M.  B.  XVlll,  p.  582);  1485  .  .  gedingt  und 
geappellirtfilrH.Albrecht  und  seine Bftte  als  zu  mererm  höherem  und 
passerem  Rechten  (M.  B.  XX,  p.  673);  1485  beruefft  und  gedingt  und 
appeUirt  für  HOchers  und  merers  gericht  ffirK  Albrecht  undRftte 
(KB.  XXI,  p.  374);  1496  er  hat  von  merers  Kochten s  wegen  geappel- 
liert (M.  B.  IX,  p.  272). 

1)  Nur  ausnahmsweise  durfte  nach  der  Ger.O.  1520  (X  a.  3)  die  Ap- 
peUation  durch  einen  Notar  erfolgen,  wenn  der  judex  a  quo  nicht  leicht  zu 
erreichen  war  oder  wenn  „der,  so  appeUirt,  aus  forcht  vor  demselben  richter 
nit  erscheinen  dOrfft".  —  Eine  Beiziehung  der  erstinstanzieUen  Gerichts- 
beisitzer war  für  die  Einlegung  der  Berufung  nicht  geboten. 

2)  Rosenthal,  Beiträge  zur  deutschen  Stadtrechtsgeschichte  8.  121, 
204.  Das  Hofgericht  konnte  das  Urteil  bekräftigen  oder  läutern,  mußte  stets 
lein  ürteü  dem  judex  a  quo  zur  Publikation  und  YoUstreckung  zuschicken. 

3)  In  einem  Ratschlage  der  herzoglichen  Räte  und  der  Landschaft  zu 
Mttnchen  1444  findet  sich  auch  die  Bestimmung,  dafi  Jeder,  der  ein  Urteil 
dingt,  wissentlich  machen  und  benennen  soUe,  in  wem  er  beschwert  sei 
(Krenner  I,  S.  174). 

4)  Krenner  IV,  S.  103. 

9» 


—     132    — 

Eid  nachzulassen;    der  Richter  hatte  darauf  zu  achten,   daß 
dieser  geleistet  würde ,  als  Recht  und  Urteil  gesetzt  haben  ^). 

Einer  Beschwerde  der  Straubinger  Stände  J437*)  über 
die  großen  Kosten  des  Dingens  wurde  keine  Beachtung  ge* 
schenkt,  obwohl  ihre  Motivierung  darauf  hinwies,  daß,  bevor 
Jemand  (einen  Gerichtsbrief  erlangt  oder)  ein  Urteil  gen  Hof 
gedingt  habe,  das  Gut,  darum  er  gerechtet,  halbs  oder  das 
mehrere  Teil  verzehrt  hätte,  mit  Richtern,  Vorsprechem  und 
anderen,  darum  müsse  oft  ein  armer  Mann  sein  Recht  unter 
wegen  lassen  '). 

Als  sich  viele  Parteien  mit  ihren  Klagen  direkt  an  das 
Hofgericht  wandten,  ohne  zuvor  den  Prozeß  bei  dem  Gerichte 
1.  Instanz  anhängig  zu  machen,  und  so  eine  übermäßige  Be- 
lastung des  Hofgerichts  herbeigeführt  wurde,  sah  sich  H.  Sig- 
mund (Ober-  und  Xiederbaiem)  veranlaßt,  1464  den  Pflegern 
und  Richtern  eine  gerechte  Handhabung  der  Jurisdiktion  ein- 
zuschärfen, damit  einem  Jeden  sein  Recht  widerfahre  und  nicht 
Jeder  darum  gen  Hof  laufen  müsse.  Die  Appellationsinstanz 
des  Hofgerichts  sollte  durch  die  Verordnung  den  Unterthanen 
keineswegs  entzogen  oder  geschmälert  werden,  denn  wenn  die 
angeordnete  dreimalige  Vorlesung  dieser  Verordnung  auch  damit 
begründet  wird,  daß  kein  armer  Mann  mehr  mit  keiner  Klag- 
zettel für  uns  gen  Hof  laufe,  so  fügt  der  Herzog  gleich  ein- 
schränkend hinzu,  „dann  was  er  Beschwerung  von  unsem  Amt- 
leuten hätte ^,  wie  ja  überhaupt  die  Existenz  des  Instituts  des 
Dingens  die  Voraussetzung  dieser  Verordnung  bildet:  „Wo  sich 

1)  Bestätigt  in  der  L.O.  1491  (Krenner  XII,  S.  341  f.). 

2)  Krenner  II,  S.  75,  89:  Die  Stände  fordern  Fidening  dcrGebflhren 
der  Gerichtsbeamten  bei  Hofgedingen  resp.  Elinschärfiing  der  firQher  in  diesem 
Betreffe  erlassenen  Verordnungen. 

3)  Krenner  V,  S.  102:  „Nachdem  Wir  .  .  große  Klagen  .  .  gehört 
haben  von  wegen  solcher  Beschwerung  .  .  . ,  daß  unsre  Unterthanen  nm  ihre 
anliegende  Gebrechen  von  unsem  Pflegern,  Richtern  and  Amtleuten,  lo  ne 
darum  an  sie  gelangen,  nicht  gehOrt  werden,  deshalb  Wir  und  unire  Ritha 
mit  stättem  Nachlaufen  von  ihnen  beladen  sind.*'  Albrecht  IIL  tritt  lodaon 
durch  ein  Landgebot  für  Oberbaiem  1480  einer  Beschwerung  der  Parteien 
durch  zu  hohe  Appellationstaxen  entgegen  und  stellt  den  Mifibranch  der  eo* 
genannten  Schreibtage  (Anberaumung  von  Terminen  zur  Fertigang  aller  flir 
das  Goding  erforderlichen  Schreibereien,  daraus  den  Parteien  Kostongen  «nU 
standen  sind)  ab.    K  r  e  n  n  e  r  IX,  S.  3  £ 


—    133    — 

aber  einer  im  Rechten  von  dir  beschwert  bedünkt  zu  seyn  und 
von  dir  dinget  als  Recht  ist,  dem  oder  denselben  ihr  Geding 
gebest  und  gehen  lassest,  als  Recht  ist"  ^). 

Solchen  von  Fall  zu  Fall  fortschreitenden,  durch  land- 
st&ndische  Beschwerden  hervorgerufenen  Reformen  gegenüber 
suchte  die  L.O.  von  1474  das  Gerichtswesen  und  speziell  das 
Hofgedinge  einer  eingehenden  Regelung  zu  unterwerfen,  nach- 
dem vorher  die  Stände  mit  ihren  Wünschen  und  gutachtlichen 
Äußerungen  über  die  Bedürfhisse  der  Rechtspflege  gehört  worden 
waren.  Den  Klagen  wegen  der  großen  Kosten  wurde  Rechnung 
getragen  durch  Festsetzung  der  Gebühren  der  Gerichtsschreiber 
und  anderer  bei  solchen  Hofgedingen  mitwirkenden  Organe 
(Überhörer,  Redner)  *).  Dagegen  wurde  der  Vorschlag  auf  pro- 
visorische Einführung  einer  Succumbenzbuße,  welche  der  eine 
Appellation  oder  Geding  Verlierende  teils  an  den  Herzog,  teils 
an  den  Prozeßgegner  zu  zahlen  gehabt  hätte,  nicht  acceptiert. 
Der  Herzog  glaubte  denselben  Zweck,  „auf  daß  auch  die  über- 
flüssigen Appellationen,  so  aus  den  Gerichten  und  Landgerichten 
gen  Hof  geschehen,  desto  mehr  vermieden  bleiben",  durch  die 
Vorschrift  der  L.O.  zu  erreichen,  daß  der  unterliegende  Appel- 
lant dem  Sieger  Gerichtskosten  und  Schäden  ersetzen  müsse  ^). 

Ferner  wurde,  um  der  Verzögerung  der  Rechtspflege  ent- 
gegenzutreten, welche  dem  Hofgericht  zum  Vorwurfe  gemacht 
wurde,  die  Erledigung  aller  zu  Hof  gelangenden  Urteile  inner- 
halb 4 — 6  Wochen  und  die  Aufzeichnung  der  Namen  der  bei 
der  Urteilsfindung  beteiligten  Räte  angeordnet*). 


1)  Krenner  V,  S.  103. 

2)  Erenner  YII,  S.  488, 511.  Die  Hohe  des  einem  vor  dem  Hofgericht 
auftretenden  Redner  gebührenden  Lohnes  wurde  der  Yereinbarang  mit  der 
Partei  überlassen.  Falls  eine  solche  nicht  erzielt  wurde,  sollte  eine  Eom- 
mission,  bestehend  aus  dem  Hoftichter  und  2  bei  der  betreffenden  Verhand- 
lung im  Hofgericht  anwesenden  Beisitzer,   den  Lohn  des  Redners  festsetzen. 

3)KrennerVII,  S.  488  (ibid.  S.  288  Antrag  der  Stände).  Für  das 
Geltongsgebiet  des  Landrechts  blieben  dessen  Bestimmungen  in  Kraft. 

4)  Die  Stelle  der  L.O.  (Erenner  VII,  S.  511):  „Item  die  unförmlichen 
ürtheile,  so  gen  Hof  kommen,  berührend,  lassen  Wir  geschehen,  dafi  keine 
andre  Ürtheile  gemacht,  sondern  derselben  Ürtheile  einer  gefolgt  werde*', 
hingt  wohl  mit  einer  Bestimmung  der  Stadt-  und  Marktgerichtsordnung 
Herzog  Heinrichs  zusammen.  Nach  dieser  sollte  bei  zwiespältigem  Urteile 
auch  der  Urteilsvorschlag  der  Minderheit  nebst  dem  von  der  Mehrheit  ge- 


—    134    — 

Eine  Erweiterung  der  Kompetenz  des  Hofgerichts  trat 
gegen  Ende  des  15.  Jahrhunderts  ein,  indem  es  für  zuständig 
erklärt  wurde  zur  Entscheidung  der  von  den  Unterthanen  g^en 
die  herzoglichen  Beamten  gerichteten  Beschwerden*). 

Im  15.  Jahrhundert  war  es  gewöhnlich  nicht  mehr  der  Vitz- 
tum  ^),  sondern  einer  der  höchsten  Hofbeamten,  Hofmeister  oder 
Marschall,  welcher  auf  speziellen  Befehl  des  Herzogs  in  der 
Hauptstadt')  des  betreflFenden  Landesteils  den  Vorsitz  im  Hof- 
gericht führte  *).  Die  Regel  bildete  der  Vorsitz  des  Hofmeisters^), 
welcher  als  oberster  Hofbeamter  auch  am  ehesten  zur  Stell- 
vertretung des  Landesherm  berufen  wurde.  Dieses  Hofgerichts- 
präsidium gehört  wohl  zu  den  ständigen  Funktionen  des  Hof- 
meisters^), und  nur,  wenn  dessen  Stelle  nicht  besetzt  oder  er 
anderweitig  verhindert  war,  dürfte  der  Marschall^)  oder  ein 
anderer  hoher  Beamter**)  an  seiner  statt  präsidiert  haben. 

Nur  am  Hofe  H.  Georgs  führte  der  Marschall  gewöhnlich 
den  Vorsitz  im  Hofgericht  Da  er  häufig  durch  andere  dienst- 
liche Verrichtungen  in  Anspruch  genommen  war,  so  wird  die 
Quatemberscssion  des  llofgerichts  manchmal  ausgefallen  sein. 


fündenen  Urteile,  falls  eine  Partei  dingte,  an  den  Hof  gelangen.  Roian- 
thal,  Beiträge  S.  203.  Das  Hofgericht  mußte  in  einem  solchen  Falle  kern 
neues  Urteil  concipieren,  sondern  durfte  sich  einfach  einem  der  beiden  eiii» 
geschickten  Urteile  durch  Annahme  desselben  anschliefien. 

1)  Hiervon  wird  bei  der  Erörterung  des  Staatsdienerrechta  gehandelt 
werden. 

2)  Ober  den  Yitztum  als  Vorsitzenden  im  13.  Jahrhundert  vgl  S.  122; 
124;  im  14.  Jahrhundert  erscheint  er  z.  B.  1334,  1344^  1366  (IL  R  IX, 
p.  170,  181 ;  XII,  p.  201).    Im  15.  Jahrhundert  vereinzelt  vgl  S.  136,  14L 

3)  Als  1429  das  Straubinger  Gebiet  an  die  Münchner  Herzoge  gekommen 
war,  wurden  besondere  Hofgerichte  in  München  und  in  Straubing  abgehalten. 
Vgl  See  liger,  Das  deutsche  Hofmeistcramt   Innsbruck  1885.  S.  51 1 

4)  Auch  in  Osterreich  war  im  15.  Jahrhundert  gewöhnlich  nicht  der 
Herzog,  sondern  ein  für  jeden  Fall  ernannter  Stellvertreter  Yorntsender  dee 
Hofgerichts  (Luschin  S.  98  f). 

5)  Vgl.  die  Beispiele  S.  36  i 

6)  Vgl.  Seoliger  S.  51  f 

7)  z.  B.  1428,  1433  (li  B.  XIII,  p.  120;  M.B.  X.  p.  159). 

8)  1430  hat  E.  v.  Proysing,  Hauptmann  von  Burghausen,  „als  ein  Fnger 
des  Reclits*"  ein  Hofrecht  bespssen  (M.  B.  II,  p.  240) ;   1442  ein  Vitxtun  i 
Niederbaiem.    Ganz  vereinzelt  wird  1315  der  „obriste  Schreiber"  dee 
zogs  als  dessen  Stellvertreter  im  Hofgericht  bezeichnet  (M.  R  X,  p.  486)u 


—    135    — 

Deshalb  erbaten  die  ständischen  Verordneten*)  die  Ernennung 
eines  eigenen  Hofrichters.  Der  Herzog  sagt  aber  in  der  L.O. 
1501  nur  die  Bestellung  eines  Hofrichters  von  Fall  zu  Fall  zu, 
nämlich  wenn  der  Marschall  gerade  beim  Hofgerichtstermin 
nicht  anwesend  wäre  ^). 

Der  Kreis  der  Beisitzer  war  auch  jetzt  noch  kein  fest  ab- 
geschlossener. Ein  beständiger  Wechsel  der  Urteilsfinder  läßt 
sich  aus  den  Gerichtsbriefen  konstatieren.  Zumeist  waren  es 
natürlich  Leute  aus  der  Umgebung  des  Herzogs,  welche  das 
„Hofrecht  besaßen".  Diejenigen,  welche  in  allen  wichtigen  An- 
gelegenheiten ^)  den  Landesherm  berieten,  wurden  von  diesem 
auch  mit  Vorliebe  zu  den  Funktionen  eines  ürteilsfinders  im 
Hofgerichte  beigezogen. 

Die  herzoglichen  Räte  sind  es  also  vorzugsweise*),  jedoch 
nicht  ausschließlich,  welche  den  Herzog  oder  seinen  Stell- 
vertreter in  Ausübung  der  höchsten  Gerichtsbarkeit  unterstützten. 
Neben  den  Räten  sind  es  andere  Angehörige  der  höheren  Stände, 
„Ritter  und  Knechte",  die  namentlich  im  13.  Jahrhundert  als 
ürteilfinder  aufgeführt  werden*),  doch  kommen  auch  Bürger 
als  Beisitzer  im  Hofgericht  vor^),  wie  ja  oft  neben  den  Räten 
ganz  im  allgemeinen  „andere  Piderleute"  in  den  Hofgerichts- 
briefen angeführt  werden^).  So  läßt  sich  vom  herzoglichen 
Hofgericht  ebenso  wie  vom  königUchen  Hofgericht  behaupten, 
daß  das  Gericht  in  jedem  einzelnen  Falle  besetzt  wurde,  wie 


1)  „Dieweil  auch  ein  Marschalk  seines  Amtes  und  Schickenshalher  selten 
und  nicht  allweg  vorhanden  sejn  mag,  so  ist  von  aller  Stände  wegen  unser 
Bitten,  daß  ein  sonderer  Hofrichter  allhier  E.  Gn.  Hofgerichts,  auch  darzu 
Bechtsitzer  von  Landleuten  zusamt  den  Bäthen  am  Hof  zu  täglichen  Rath 
und  Hofgericht  geordnet  und  gesetzt  .  .  .  (E  renn  er  Xm,  S.  159). 

2)  Siehe  unten. 

3)  YgL  den  Abschnitt  über  Hof  und  Rat 

4)  Schon  1366  bekennt  A.  v.  T.,  Yitztum  zu  Straubing,  daß  er  mitsamt 
seines  Herrn  .  .  Räten  übereingekommen  (M.  B.  IX,  p.  202). 

5)  z.  B.  1319  bezeugt  K.  Ludwig,  daß  wir  vor  unserm  Rat  und  vor 
Bittem  und  Knechten  in  un^rm  Hof  ein  urteil  fragten,  1334  H.  v.  N^  Yitztum 
zu  München,  daß  das  vor  uns  erfunden  und  ertailt  ist  von  Rittern  und  von 
Knechten  (M.  B.  IX,  p.  142,  181). 

6)  So  verhört  H.  von  Gumpenberg,  Yitztum  in  Oberbaiern,  an  des  Kaisers 
statt  mit  Bittorn,  Knechten  und  Bürgern  eine  Streitsache  (M.  B.  IX,  p.  170). 

7)  z.  B.  M.  B.  II,  p.  240  (1438) ;  XYHI,  p.  321  (1415). 


—    136    — 

Zeit  und  Umstände  es  gestatteten,  und  daß  Urteiler  diejenigen 
waren,  welche  in  Folge  ausdrücklicher  Berufung  anwesend  waren 
oder  ihren  dauernden  Aufenthalt  am  Hofe  hatten  *). 

Wie  im  königlichen  Ilofgericht  bezw.  königlichen  Kammer- 
gericht unter  dem  Präsidium  eines  hohen  Hofbeamten  meist  Mit- 
glieder des  königlichen  Rats  als  Rechtssprecher  beigezogen  wur- 
den^), so  war  dies  auch  beim  herzoglichen  Hofgerichte  der  Fall 
Dort  wie  hier  sind  es  die  Räte  ^),  welche  das  Erkenntnis  fällen. 


1)  Franklin,  Rcichshofgericht  11,   S.  127. 

2)  Vgl  Franklin,  Reichshofgericht  I,  S.  337;  341   £  üher  den  Za- 
sanunenhang  des  Kammergerichts  mit  dem  königlichen  Rat 

3)  Zur  Yeranschaulichnng  des  im  Texte  üher  die  Besetzung  des  Hof- 
gerichts Gesagten  mOgen  folgende  Beispiele  aus  den  Gerichtsbriefen  des 
15.  Jahrhunderts  dienen:  1415  snfi  J.  von  Reichen,  des  Herzogs  Wilhelm 
Hofmeister^  an  ofhem  Hofgericht  —  und  an  dem  Hofrechten  sind  ge- 
sessen und  sind  auch  Rechtsprecher  gewesen  die  weisen  und  Testen  Ritter  Herr 
Sw.  von  Gundelfingen,  A.  Tumdl  Hofmeister,  J.  von  Rorbach  die  Zeit 
Richter  zu  München,  P.  Aresinger  und  H.  Sludor  zu  Weilbach  und 
ander  erber  läwt  genug  —  M.  B.  XVm,  p.  321.  1416  safi  derselbe 
Hofmeister  (der  Herzoge  Ernst  und  Wilhelm)  J.  v.  R.  an  offnem  Hofrechten 
za  München  von  beider  seiner  Herrn,  der  Herzoge  wegen,  mit  samt  ihren 
hcmachgeschriebcnen  Räten:  Sw.  v.  Gundelfingen,  C.  d.  Moracher  Hof- 
meister, y.  Ahaimer  Eammermeister,  Gr.  der  Hausner  Richter 
zu  München,  P.  d.  Aresinger  —  M  B.  IX,  p.  250.  1430  Er.  v.  Freysing^ 
H.Heinrichs  Hauptmann  zu  Burghausen,  hat  nach  seines  Herrn 
haifsen  und  geschaffte  als  ain  Fragcr  des  Rechtens  ain 
Hofrecht  besetzt  mit  seinen  Räten  und  andern  Pider- 
louten  —  J.  Ahaimer,  C.  Waller  der  Herzogin  Hofmeister,  E. 
Ahaimer,  H.  Trenbcck  Landschreiber,  PL  und  C.  Warlich  Küchen- 
meister, P.  Lenperger,  0.  Tattenpcck  und  H.  Eemnater  —  M.  B.  D, 
p.  240.  1432  M.  T.  Eamer,  Herzog  Wilhelms  Hofmeister,  besafi  auf  Be- 
fehl der  Herzoge  Ernst  und  Wilhelm  Hofrecht  mit  (13)  Räten.  Bei  den 
verschiedenen  Urteilen  in  dieser  Verhandlung  wurde  stets  an  einen  Anderen 
das  Recht  gefragt,  der  sich  mit  den  andern  Räten  beriet  und  auf  seinen 
Eid  zu  Recht  erteilte ....  Interessant  ist  der  bei  Vertagung  der  End- 
urteilsfallung  beigofü^  Beschluß,  dafi  derjenige  der  ]{ätc,  welcher  an  diesem 
Termine  am  Erscheinen  verhindert  sei,  „sein  Urteil  auf  seinen  Aid  nnter 
seinem  Insigl  in  Geschrifft  verslofsen  übergeben  sol  und  di  selben  Urtail 
sol  aufgebrochen  werden,  als  man  die  ürtail  öffnen  würdet**  —  Lori,  Ge- 
schichte des  Lechrains  II,  S.  123,  126.  -  1438  besaß  A.  Closner,  Herzog 
Heinrichs  Hofmeister,  nach  Geschafft  seines  Herrn  ein  Hofrecht  mit  den 
Räten:  E.  Preisinger  Kammermeister,  M.Grans  Hofmeister,  Os. 
Torringer  Ritter,  Marschall,  L.  und  Fr.  v.  Wolfstein,  C.  Ahaimer  ond 
0.  Mautner  -  M.  B.  XXXI,  2,  p.  334.  -  1442  besafi  H.  Nothaft,  Vititam 


■  u 


—     137    — 

Und  wie  in  den  offiziellen  Aktenstücken   stets  nur  von  dem 
Rechte,  daß  vor  den  Räten  0   ergehen  soll,  und  in  ähnlichen 


in  Niederbaiern,  von  Befehl  wegen  Herzog  Albrechts  Hofrecht  mit  den 
.  .  B&ten:  Graf  zu  Ortenberg,  Conr.  v.  Eglofstein  Eammermeister^ 
H.  H.,  H.  R,  J.  S^  0.  Pinzenauer  Hofmeister,  Fr.  R.,  St  S.,  P.  R^  S. 
Einbeck  Rentmeister  —  RA.  Gericht  Abach  I,  S.  2,  47,  Bd.  IL  — 
1448  besaß  0.  Pinzenauer  Hofmeister  auf  Befehl  H.  Albrechts  mit  nach- 
benannten Räten  Hofrecht:  J.  y. Gundolfing,  Conrad  Propst  des  Stifts 
Illmünster,  Meister  Thom.  Pirkheimer,  Lehrer  beider  Rechten,^ 
P.  V.  Preyberg,  J.  v.  Waldeck,  U.  W.,  W.  M.,  H.  P.,  W.  Seh.  und  P.  R.  — 
M.B.  XXXIV,  1,  p.  412.  —  1456  besaß  St  v.  Smiehen  Hofmeister  nach 
Befehl  Herzog  Albrechts  Hofgericht  mit  nachgeschriebenen  s.  Gnaden  Räten: 
U.  A.  Domherr  zu  Freising;  Conr.  Propst  des  Stifts  111- 
münster,  Cr.  v.  P.,  J.  M.  Ritter,  C.  v.  EgL  Eammermeister,  U.  E., 
A,  S^  R  T.,  S.  P.,  V.  V.  K,  W.  7.  R,  H.  P.,  W.  Seh.,  F.  A.,  P.  R  und  H. 
Roslcr  Kanzler  —  M.B.  IX,  p.  285.  —  1465  ergeht  au  U.  Spiegel,  Land- 
richter zu  Wolfrathausen ,  folgender  flofgerichtsbrief:  Von  Gottes  Gnaden 
Sigmund  und  Albrecht  Gebrüder,  Herzoge  in  Ober-  und  Niederbaiem.  Als 
sich  S.  K  einer  Urteil  als  beschwert  von  Dir  und  unserm  Gericht  Wolf- 
rathausen  wider  Kaplan  U.  d.W.  färUns  und  unsreRäte  gedingt 
and  geappellieret  hat,  dasselbe  Gcding  haben  unsre  Räte  auf  heute 
aufgebrochen  und  gehört  und  ist  durch  sie  einhelliglich  za  Recht  auf  ihren 
Eid  erkannt  worden,  daß  Du  recht  gericht  habest  Damach  ¥ri88e  Dich  im 
Rechten  fQran  zu  richten.  Datum  München  Pfinzt  vor  s.  Lucientag  .  .  65. 
M.  B.  XX,  p.  595.  —  1478:  Wir  Herz.  Albr.  Als  unser  Rat  V.  vom  Eglof- 
stein nach  unserm  Befehl  heute  unser  Hofger.  mit  unsern  Räten  be- 
sessen .  .  .  Deß  hat  unser  Hofrichter  gefragt  an  J.  A.,  der  hat  sich  mit 
den  andern  unsern  Räten  unterredet  und  erteilt,  auf  Rede  und  Wider- 
rede spreche  er  zu  Recht  auf  seinen  Eid  .  .  .  Deß . haben  ihm  die  andern 
Rite  aUe  verfolgt  auf  ihren  Eid  -  M.  B.  XVUI,  p.  571.  —  1478,  1481, 
1484,  1485,  1487  erließ  H.  Albrecht  Hofgerichtsbriefe  in  derselben  Form 
—  M.  B.  XXXV,  2,  p.  430;  XVHI,  p.  583;  XXI,  p.  355;  XXXV,  2,  p  417; 
XX,  p.  673;  XXI,  p.  374;  XXV,  p.  459.  —  1490  bekennt  Herzog  Albrecht, 
daß,  als  sein  Hofmeister  G.  v.  Ejsenhoven  Hofgericht  besessen  habe,  vor 
ihm  und  andern  Räten  erschienen  sei  .  .  .  Und  als  beide  Teile  ihr  Recht- 
sati gethan,  haben  die  Räte  einhelliglich  zu  Recht  gesprochen  —  M.  B.  X, 
p.  567.  —  1497  heißt  es:  Von  dieser  (des  Vogts  zu  Rain)  Urteil  habe  sich 
S.  berufet  und  die  für  .  .  des  Herzogs  Georg  Hofgericht  und  Rät  im 
Oberland  von  mehrerers  Rechtens  wegen  geappellicrt,  das  Hofurteil  lautet 
also:  Unsers  gn.  Herrn  Herz.  Georigen  ...  Rat  undBejsizer,  so  auf 
hut  .  .  anno  .  .97,  seiner  Gn.  H of  gericht  zu  Neuburg  in  s.  Gn.  Ober- 
land besessen,  haben  des  Vogts  Urtail  ab  und  zu  Recht  erkannt,  daß  ...  — 
M.B.  IX,  p.  3n. 

1)  z.  B.  1442  schreibt  H.  Albrecht  IIL  an  H.  Ludwig,  er  wolle  Einem 
einen  Rechttag  für  unsern  Rat  verschaffen;  1444  wird  in  einem  Ratschlage 


—    138    - 

Kedewendungen  gesprochen  wird,  wo  das  Hofgericht  gemeint 
ist,  so  ist  besonders  in  den  Gerichtsbriefen  fast  mit  stereotyper 
Kegelmäßigkeit  nur  die  Rede  vom  Hofmeister  und  den  Bäten, 
die  das  Hofrecht  besessen  haben,  oder  in  öffentlichen  Akten 
„von  unsrer  Räte  Erkenntnis*)",  es  wird  also  das  Hofgericht  mit 
dem  Herzog  und  seinen  Räten  identifiziert. 

Anfangs  kommen  neben  den  Räten  wohl  noch  „andere  ehr- 
bare Leute"  vor,  doch  werden  diese  seit  dem  3.  Dezennium  des 
15.  Jahrhunderts  vollständig  von  der  Hofgerichtsbank  durch  das 
Beamtenclemcnt  verdrängt.  Man  kann  eben  deshalb  doch  nicht 
von  einer  Vermischung  der  Justiz  und  Verwaltung  sprechen*), 
denn  diese  liofgerichtliche  Thätigkeit  der  Räte  wird  als  eine 
besondere  Sphäre  behandelt,  wird  zumeist  eignen  Normen  unter- 
worfen und  stets  von  den.  eigentlichen  Regierungsgeschäften  ge- 
trennt. So  wird  auch  in  dem  Vertrage  der  oberbairischen 
Herzoge  Sigmund  und  Albrecht  HI.  wegen  gemeinschaftlicher 
Regierung  1466  zwischen  den  allgemeinen  Regierungsgeschäften, 
welchen  sich  die  aufgestellten  Hofmeister  und  6  Räte  zu  unter- 
ziehen hätten,  und  ihren  Funktionen,  wenn  sie  ein  Hofgericht 
besetzen,  unterschieden  *). 


gefordert,  daß  dio  Herzoge  bei  Klagen  gegen  sich  vor  ihren  Rftten  Recht 
ergehen  lassen  sollen ;  1467  erklärt  H.  Sigmund,  indem  er  anf  die  Rcgienmg 
verzichtet,  dafi  ge¥ri88o  Verhandlungen  vor  H.  Albrecht  und  seine  R&te  kom* 
men  und  verhört  worden  sollen.  In  einer  landschaftlichen  Petition  an  Lud- 
wig (Landshut)  14G0  wird  von  Urteilen,  die  für  £.  Gn.  Räte  gedingt  werden, 
gesprochen.  Es  sei  nach  Erkenntnis  der  Käte  gestanden,  hoifit  et  in  den 
Beschwerdon  der  Landshut-Ingolstadter  Kitterschaft  1499  (Kronner  I» 
S.  145  f.,  175;  V.  S.  227;  VII,  S.  62;  XIII,  S.9). 

1.  z.B.  Undfr.  J444  (Krenner  II,  S.  Ulff). 

2)  Das  thut  V.  Below  (Histor.  Zeitschr.  Bd.  57,  8.2^5),  dem  aber  beira- 
stiminen  ist,  wenn  er  sich  gegen  Adler,  Organisation  der  CentralyerwaltoDg 
unter  K.  Maximilian  I.  Leipzig  1886.  S.  169,  wendet,  der  hier  von  der  Be- 
stellung eines  besonderen  ßcamtengerichts  neben  dem  Rate  spricht 

3)  Nachdem  ausges])rochon  war,  daD  die  das  gemeine  Regiment  bctref- 
fonden  Angclogenhoiton  mit  dem  Hofmeister  und  den  6  RAten  geratschlagt 
und  gehandelt  werden  und  diese  auch  Macht  haben  sollton,  an  der  Hcnoge 
statt  zu  handeln  /wipchon  den  Parteien  von  Sachen  wegen,  die  nur  diese  bo- 
rüliren,  wird  noch  besonders  hervorgehoben,  dafi  der  Hofmeister  und  die 
6  Käte  in  der  gewöhnlichen  Katstube  Hofgericht  besitzen  BoUcn  .  .  . 
(Kreuner  V,  S.  180  f). 


—    139    — 

Auf  Grund  der  bisherigen  Darlegungen  vermag  ich  mich 
nicht  der  Anschauung  StöIzeTsO  anzuschließen,  welcher  den 
Gegensatz  der  Volks-  und  Beamtengerichte  übertreibend  er- 
klärt: „Was  sie  (die  Beamten,  die  Räte)  entscheiden,  entscheiden 
ßie  von  „Amtswegen",  was  die  Gerichte  entscheiden,  entscheiden 
ßie  von  „Rechtswegen".  Die  angeführten  Quellenstellen  zeigen, 
daß  seitdem  landesherrliche  Räte  im  Hofgericht  thätig  sind,  sie 
auch  das  Urteilfiuden  ganz  ebenso  besorgen,  wie  das  in  früherer 
Zeit  die  nichtbeamteten  Beisitzer  des  Hofgerichts  thaten,  und  wie 
es  auch  jetzt  und  künftig  die  Schöffen  in  den  erstinstanziellen 
Oerichten  thun.  Also  auch  die  Räte  entscheiden  „von  Rechts 
w^en"*),  sobald  sie  das  Hofgericht  besitzen.  Ein  Unterschied 
in  der  gerichtlichen  Thätigkeit  zwischen  der  Periode,  in  welcher 
Nichtbeamte,  und  jener,  in  welcher  vorzugsweise  oder  ausschließ- 
Uch  beamtete  Räte  als  Hofgerichtsbeisitzer  funktionierten,  ist 
nicht  nachweisbar. 

Wenn  StölzeP)  ferner  aus  dem  Überwiegen  der  Kanzlei 
(bezw.  des  Hofrats)  über  das  Hofgericht  folgert,  daß  die  Juris- 
diktion Verwaltungssache  geworden,  und  daß  die  Gerichte  selbst 
der  obem  Instanzen  sich  zur  Aufnahme  des  gelehrten  Elements 
wenig  tauglich  erwiesen  hätten,  und  deshalb  die  Rechtsprechung 
außerhalb  der  Gerichte  hätte  verlegt  werden  müssen,  so  stimmt 
auch  diese  Behauptung  nicht  mit  dem  Ergebnisse  unsrer  Unter- 
suchungen überein,  denn  schon  seit  dem  Beginne  des  15.  Jahr- 
hunderts sind  es  die  Räte,  also  die  Beamten,  welche  in  ihrer 
Zusammenfassung  im  16.  Jahrhundert  den  Hofrat  ausmachen, 
die  zugleich  das  Hofgericht  bilden. 

Die  Gelehrten  fanden,  wie  wir  gesehen  haben,  leicht  Ein- 
gang in  das  Hofgericht  und  selbst  seitens  der  ständischen  Oppo- 
sition war  man  mit  der  Zulassung  einiger  Doctoren  in  das  Hof- 
gericht einverstanden.  Daß  die  Jurisdiktion  von  den  Verwaltungs- 


1)  'BraDdeDbarg-Preafiens  Rechtsverwaltong  I,  S.  31. 

2)  Diese  Auffassung  StGlzeTs  hängt  zusammen  mit  der  großen  Be- 
dei^tong,  welche  dieser  verdienstvolle  Forscher  dem  Kompromisse,  dem  Schieds- 
sprüche für  die  Reception  des  römischen  Rechts  beimißt  Ich  vermag  dieser 
Lehre  StOlzeTs,  welche  heute  communis  opinio  ist,  nicht  beizupflichten  und 
hoffe  bald  an  andrer  Stelle  diesen  meinen  Widerspruch  eingehender  begründen  zu 
können  (vgL  auch  unten  den  Abschnitt  über  den  Hofrat  und  die  Regierungen. 

3)  Entwicklung  des  gelehrten  Richtertums  I,  S.  247. 


—     140    — 

Sachen  getrennt  blieb,  ergibt  sich  aus  dem,  was  über  die 
Selbständigkeit  der  Hofgerichtssachen  im  16.  Jahrhundert  dar- 
gelegt werden  wird. 

Wir  haben  es  hier  nur  mit  einer  Erscheinung  zu  thun,  die 
sich  im  Werdegang  des  Behördenwesens  in  den  verschiedenen 
Staaten  * )  wiederholt,  dem  Prinzip  der  Bildung  einer  Mehrheit 
von  Behörden  aus  demselben  Personal.  Dieses  Prinzip  fand 
eben  auf  die  Institution  des  Hofgerichts  analoge  *)  Anwendung, 
indem  die  Räte  am  Hofe  des  Herzogs  auch  als  Hofgericht,  wie 
wiederholt  betont  ward,  formiert  wurden. 

Nach  meiner  Überzeugung  ist  der  hier  geschilderte  Ent- 
wicklungsgang der  typische.  Es  bildet  die  Regel  und  nicht,  wie 
Stölzel  ^)  behauptet,  die  Ausnahme,  daß  der  Gelehrtenstand  im 
Schöße  des  Gerichts  Wurzel  faßt  und  nicht  neben  dem  Gerichte. 
Ich  glaube,  man  kann  von  den  deutschen  Gerichten  im  allge- 
meinen und  nicht,  wie  Stölzel  meint,  nur  von  einigen  Ausnahmen 
sagen,  daß  sie  allmählich  zu  gelehrten  Gerichten  umgewandelt 
wurden.  — 

Die  Zahl  der  Beisitzer  schwankt  auch  zwischen  4  und  16 
(7  und  8  sind  oft  anwesend),  der  Zufall  mag  hier  stark  mitge- 
spielt haben,  da  eben  oft  nur  die  in  der  Residenz  oder  in  deren 
Nähe  gegenwärtigen,  von  andern  Geschäften  freien  Beamten  zu- 
gezogen AMirden.  Daß,  wenn  auch  die  Inhaber  der  Hofchargen, 
die  ja  zu  den  Räten  gehörten,  am  häufigsten  unter  den  Urteilem 
vorkommen,  auch  andere  Beamte,  z.  B.  Kanzler,  Rentmeister, 
Land-  und  Stadtriditer,  unter  diesen  nicht  fehlen,  sehen  wir  aus 
den  Gerichtsbriefen. 

Der  Kreis  der  ürteilsfinder  scheint  sich  im  Laufe  des  15.  Jahr- 
hunderts immer  fester  abgeschlossen  zuhaben.  Seit  dem  4  Dezen- 
nium desselben  fehlt  der  Gerichtsumstand,  die  andern  Bieder- 
leute verschwinden.  In  der  2.  Hälfte  des  15.  Jahrhunderts  tritt 
die  Tendenz  einer  strafferen  Organisation  immer  deutlicher  her- 

1)  Dieses  Verhältnis  besteht  auch  heute  noch  teilweisA  in  der  Behörden- 
Organisation  Englands  fort  Vgl.  Oneist,  Engl  Yerfassungsgeecbichte 
S.  229.  Ebenso  zeigt  es  sich  in  der  BehGrdengeschichto  Frankreidu.  Vgl 
Aubert,  Le  parlement  de  Paris.   Paris  1887.   p.  X,  XIII. 

2)  Das  Hofgericht  war  nicht  eine  besondere  Behörde,  sondern,  lolange 
die  Ständigkeit  noch  nicht  durchgedrungen  war,  eine  flOssige  Eomnusdon. 

3)  Entwicklung  des  gelehrten  Richtertums  I,  S.  242. 


—    141     — 

vor.  Das  alte  Herkommen,  die  Namen  der  Urteilsfinder  im 
Urteilsbriefe  zu  erwähnen,  schwindet.  Die  Kanzlei  Albrechts  IV. 
bildet  stehende  Formeln  für  die  Hofgerichtsbriefe  aus,  in  denen 
nur  vom  Dingen  an  den  „Herzog  und  seine  Räte"  die  Rede  ist. 
Vermutlich  ist  ein  weiterer  Schritt  zur  Ständigkeit  erfolgt,  in- 
dem sich  regelmäßig  dieselben  Räte  an  der  Urteilsfindung  be- 
teiligten, ohne  daß  der  Kreis  dieser  Räte  ein  absolut  fest  begrenzter 
war.  Übrigens  wird  das  Weglassen  der  Namen  der  Beisitzer  in 
den  Urteilsbriefen  von  den  Landständen  als  ein  die  Justiz 
schädigender  Mißbrauch  gerügt,  wahrscheinlich  weil  man  glaubte, 
daß  durch  die  Anonymität  der  Urteilsfinder  deren  Verantwort- 
lichkeit gegenüber  den  Parteien  schwinde  und  so  eine  Garantie 
für  sorgfältige  und  unparteiische  Handhabung  der  Rechtspflege 
in  Wegfall  geraten  würde*). 

Man   muß    dies  W^lassen   der   Namen    der  Hofgerichts- 
beisitzer gerade  in  dieser  Periode  um  so  mehr  bedauern,   als 


1)  In  Niederbaiern,  wo  die  Landstftnde  diesen  Mißbrauch  rügten,  werden 
aach  wirklich  die  Beisitzer  des  Hofgerichts  wieder  aufgeführt  So  werden 
in  einem  Hofgerichtsbriefe,  d.  d.  Landshut  1468,  genannt:  Ich  G.  von  TOrring 
zum  Stam  Herzog  Ludwigs  Marschall,  dafi  ich  nach  Befehl  und  Heissen  meines 
Herrn  ein  Hofrecht  besessen  habe  mit  s.  Gn.  hemachgeschriebenen  B&ten 
Herr  M.  Biedrer,  Dompropst  zu  Begensburg,  Kanzler  Conrad  Herr  zu 
Haideck,  Dr.  Martin  Mair,  G.  Ahamer,  H.  Seiboltstorffer,  W.  Truchtlinger, 
H.  Layminger,  P.  und  L.  den  Aichbergem,  W.  Weichs,  S.  Lajminger,  P.  Haun- 
berger,  H.  Ebron,  Cr.  Domer  Kanzler,  L.  Hohenecker  Bentmeister 
und  K.  Kargl  Lands  ehr  ei.b  er  (Oster maier,  Sammelblatt  des  bist 
VereinB  für  Ingolstadt,  Heft  V,  S.  141).  Femer  kommen  in  einem  Lands- 
huter  Ho^gerichtsbriefe  1492  vor  die  herzoglichen  Bäte:  S.  v.  Frauenberg, 
Marschalk,  Th.  Frauenhofer  Bitter,  S.  v.  Layminger,  G.  Polner  und  P. 
Ettmiller  Doctoren,  H.  Fabri  Licentiat,  L.  Hohenecker,  W.  Magers- 
leater  Landschreiber,  J.  K&rgel  ^d  J.  Benetzhauser  Kastner  zu 
Landshut  In  demselben  Jahre  fand  zu  Straubing  eine  Hofgerichtssitzung 
ftatt  unter  dem  Vorsitze  von  B.  T.  L.  v.  Steinach,  Vitztum  von  Nieder- 
baiern,  mit  den  Bäten  J.  v.  Tatzisau,  Propst  zu  S.  Peter,  Dom- 
herr zu  Augsburg  und  1.  Pfarrer  zu  Straubing,  H.  Pfeffenhauser 
Bitter,  Pfleger  zu  Pfaffenhofen,  W.  v.  Maxirein  Hofmeister,  J.  Sandi- 
MÜer  zu  S.,  H. V. Paulstorf  Oberrichter  zu  Straubing,  H.  v. Fuchstein 
xa  O,  H.  Westendorfor  zu  S.,  Mautner  zu  Straubing,  M. Han  Kanzler 
(Oberb.  Arch.  XXXVII,  S.  121 1),  —  In  dem  landschaftlichen  Gedächtniszettel 
über  einige  Gegenstände  der  Landespolizeiordnung  (etwa  1510)  hei&t  es  u.  A. : 
Es  sollen  auch  unsre  Bäthe  die  bej  Erledigung  der  Gedinge  sind,  mit  Namen 
suigeschrieben  .  .  werden  (K  r  e  n  n  e  r  XVl,  S.  378). 


uns  durch  die  Formel  Hofmeister  „uiiil  aodere  unsere  Rite", 
die  z.  B.  1478,  1490  in  Urteilahriefen  vorkommt,  die  M^^di- 
keit  liennmmeD  ist,  genau  das  Jahr  des  Eindringens  der  Doctoren 
in  den  Rat  und  in  das  Hufgericiit  zu  bestimmen. 

Der  erste  mir  bekannte  juristische  Büisitzcr  des  Hofguricfats 
ist  der  unter  Albrecht  III.  1448  in  einem  Gerichtsbriefe  vor- 
kommende Meister  Thom. ')  Pirckh  eimer,  Lehrer 
beider  Rechten,  Vor  Gründnng  der  Universität  Ingolstadt 
erscheinen  gelehrte  Juristen  nur  vereinzelt,  während  Geistliche 
Stet«  unttir  den  Raten  zu  finden  waren. 

Die  Beschwerden  der  Laiidstiinde')  beztlglich  der  BcseUtung 
der  Ämter  überhaupt  richteten  sich  zuerst  nur  gegen  die  An* 
Stellung  der  Ausländer.  Sie  führten  zu  dem  Versiirechen  der 
Herzoge  Johann  und  Sigismuud  1463*):  „Wir  gehaiüen  auch, 
das  wir  sy  mit  vilzdomb,  retu  und  ambtleuten  besetzen 
wollen  die  landleut  in  nidcm  Bairu  sein,  domit  die  hofgericht 
und  hofgeding  fÜrgang  gewynneu,  als  von  alter  herkommen 
ist"  *). 

Sodann  beschwert  sich  14il7  die  Ritterschaft  in  einer  Ein- 
gabe an  H.  Georg  über  die  Besetzung  des  Uofgerichts  mit 
JurisU^'n:  „Item'^)  zum  andern,  so  haben  Wir  merkliche  Be- 
schwerung an  ungern  gemeinen  Landsrechten,  daß  die  Hof- 
gerichte und  Rechte  nach  Ordnung,  wie  von  Alter,  nicht  besetzt 
sind,  sondern  viel  der  gelehrten,  und  gering  Landleut  vom  Adel, 
sonderlich  im  Oberland  je  zu  Zeiten  kaum  ein  Landmano  oder 
zwen  [vorhanden  sind,  und  der  ende  das  buch  ligtj  *)  womach 


1)  Vennntlieli  iit  Jofauiti  P.  gemeint,  welcher  ali  Rat  beim  Biachof  na 
EÜduUdt,  dann  b«i  H.  Albrccht  von  Baiern  nod  endUch  bei  H.  SignoBd  toB 
Oit«rraeh  Yorkommt  Johann  itt  der  Tatet  dm  bertUuntcnn  WiEbiU 
(StiDtting,  Geicb.  d.  drmURhon  KecfaUwiis.  8.  «U 

2)  Vgl  Franklin.  Beiträge  8.  S3  ff. 

3)  II-  Froibri«!  Iv.  LereheDfeld  8.  Uli 

4]  Pini!  daakontwnrW  ZuammoniteUang  der  diown  Oegenttutd  W> 
treffimdnn  SUllnn  dar  bairitcben  Landtag»  erhandliiDKen  und  Oweta»  pbt 
Franklin,  Beitilge  &  20-a7i  vgl  ancb  Stobbe,  OMcb.  d.  dwiacfcM 
BKbtaqnellen  ü.  8.  95  £ 

B)  Kronner  XIII.  8.  8. 

6)  Die  dnreb  []  elagMeUoiMDni  Worte  liBd  ueh  RoekiigarX  B>- 
Mbi^  &  SM,  Toigug  nr  Ergtamng  da*  nwngtlluflm  Taxtee  §m  im 
0iiebiaaiuaiaa  Bwcfawerde  von  IUI  U«r  efagvrtdt. 


—    143    — 

gerichtet  soll  werden,  dessen  die  Ausländer  nicht  Wissen  haben, 
noch  davor  halten  wollen ;  daraus  neue  Rechte  erstehen,  die  bey 
unsem  Vorvordem  nicht  gehört,  und  gemeinen  unsem  Lands- 
rechten und  Gebrauch  widerwärtig  sind". 

Statthalter  und  Bäte  *)  ließen  sich  über  diese  Petition  also 
aus:  „Zuerst  •)  der  Hofgericht  halben,  sonders  im  Oberlande, 
daß  die  wohl  und  ehrbarlich  besetzt  werden,  sonders  mit  den 
Landleuten  des  mehreren  Theiles,  dazu  man  zween  oder  drey 
Doctores  und  andere  auch  ordnen  mag,  doch  daß  der  Land- 
leute der  mehrere  Theil  seyn  sollen.  Ist  dabei  gerathen, 
daß  die,  so  also  beschieden  werden,  und  nicht  Räthe  sind, 
zum  Hofgericht  Rathspflicht  thun  sollen".  Nach  diesem  Vor- 
schlag kam  also  der  Sieg  des  Beamtenelements  im  Hofgericht 
auch  formell  zum  Ausdruck.  Die  zu  Beisitzern  Berufenen 
sollen  als  Räte  vereidigt  werden  und  so  den  Beamtencharakter 
erwerben. 

Eine  Entfernung  der  Juristen  aus  dem  Hofgericht  ver- 
mochten die  Landstände  also  nicht  mehr  zu  erreichen.  Ihr  Aus- 
schuß war  auch  mit  diesem  Zugeständnisse  der  Regierung,  nur 
2 — 3  Gelehrte  aufzunehmen,  zufrieden.  Auf  eine  Wiederholung 
obiger  Beschwerdevon  1497  im  Jahre  1501  schlugen  die  Räte  dem 
Herzoge  vor,  zu  antworten,  „daß  E.  Gn.  es  der  Landleute  und 
Doctoren  halben  ungefährlich  bisher  gehalten  habe ;  will  es  ftlran 
auch  thun.  Daß  aber  der  Doctoren  an  den  Hofgerichten  so  viel, 
ist  die  Ursache,  nachdem  sie  der  Rechten  mehr,  dann  die  Layen, 
verständig  sind,  daß  desto  formlicher  und  rechtmäßiger  Urtheil 
gesprochen,  und  die  Leute  mit  ungebührlichen  Urtheilen,  und 
wann  die  an  das  Kammergericht  wuchsen,  nicht  beschwert,  zu 
Schaden  gebracht  werden"  ^).  Der  Ausschuß  wiederholte  hierauf 
nochmals  seine  Bitte*),  „daß  die  Hofgerichte  treflFentlich  von 
Landleuten  zusamt  den  Doctoren  und  Räthen  im  Hofe  besetzt 
werden.  Denn  daß  E.  f.  Gn.  Doctores  haben,  haben  Wir  nicht 
sondere  Beschwerung,  achten  es   auch  gar  löblich";   er  legte 


1)  Franklin,  Beiträge  S  23,  betont  mit  Recht,  dafi  unter  diesen 
Mhon  3  Doctoren  und  1  Licentiat  genannt  waren. 

2)  Erenner  XIII,  S.  38. 

3)  Krenner  XIII,  S.  191. 

4)  Ibid.  S.  197. 


—    144    — 

das  Hauptgewicht  darauf,  daß  der  Landschaft  ihr  altes  Her- 
kommen, gemeines  Landrecht  und  Gebräuche  bewahrt  werden 
müßten.  Beide  Parteien  hatten  das  punctum  saliens  richtig  er- 
faßt. Die  Landstände  hatten  die  Gefahr  der  EinschmuggluDg 
des  fremden  Rechts  als  eine  Konsequenz  der  Ernennung  der 
Doctorcn  geahnt  und  bald  erkannt,  daß  der  Schutz  des  vater- 
ländischen Rechts  ein  Zurückdrängen  des  gelehrten  Elements 
aus  dem  Hofgerichte  erheische.  Auf  der  andern  Seite  war  aber 
das  Argument,  welches  die  Räte  für  die  Notwendigkeit  der 
Doctoren  hervorhoben,  sehr  beachtenswert,  denn  solange  der 
Instanzengang  von  dem  bairischen  Hofgericht  zum  mit  Doctoren 
besetzten  Reichskammergericht  ging,  war  die  Befürchtung  nur 
zu  begründet,  daß  die  ohne  Hülfe  der  Juristen  und  ohne  Be- 
achtung des  fremden  Rechts  abgefaßten  Urteile  regelmäßig  von 
der  höchsten  Instanz  abgeändert  würden.  Daß  aber  gerade 
dieses  Moment  zu  einer  Judicatur  nach  fremden  Rechten 
und  zu  einer  Verdrängung  des  Landesrechts  führen  müsse, 
das  sahen  die  Landstände  ebensowenig  voraus,  wie  das 
Übergewicht,  welches  die  paar  Juristen  vermöge  ihrer  fach- 
wisseuschaftlichen  Vorbildung  und  Geschäftsgewandtheit  bald 
über  die  Mehrheit  der  Laienmitglieder  des  Hofgerichts  erlangen 
würden. 

Die  Landschaft,  welche  wohl  auch  von  der  Wahrheit  des 
Ausspruches  Melch.  v.  Ossa's  ^)  überzeugt  sein  mochte,  „daB 
Rechts-,  Gerichts-  und  Justitien-Sachen  ohne  gelehrte,  geübte 
Leute,  notdürftiglich  und  nützlich  nicht  können  bestellt  werden", 
stand  von  weiterem  Widerspruche  ab,  und  die  Entwicklung  führte 
mit  Notwendigkeit  zur  Reformation  des  bairischen  Landrechts 
(1518)*),  von  welcher  schon  1531  behauptet  wurde,  daß  sieden 
mehreren  Teil  nach  den  kaiserlichen  geschriebnen  Rechten  ge- 
setzt sei^). 

Die  bisher  geschilderten  Verhandlungen  aber  fanden  ihren 


1)  Stobbc,  Gesch.  d.  deutschen  RechtsqoeUen  II,  S.  91  £ 

2)  Franklin,  Beiträge  S.  27,  weist  mit  Recht  darauf  hin,  daft  in  Baiem 
fast  unmittelbar  nach  der  Aufnahme  gelehrter  Juristen  in  den  Rat  der  Her* 
zöge  und  in  die  Hofgerichto  eine  Keformation  des  bairischen  Landrechti  in 
Geiste  des  römischen  Rechts  erfolgte. 

3)  Lajsche  anzaigung  S.  3. 


—    145    — 

Abschluß  in  der  L.O.  von  1501 ,  welche  bestimmte  ^),  „daß  es 
mit  Besetzung  unserer  Hofgerichte  unserer  Landleute  vom  Adel, 
auch  der  Doctoren  halber  ungefährlich  gehalten  werden  soll, 
daß  allweg  mehr  Landleute  dann  Doctores,  wie  sich  dann 
je  zu  Zeiten  nach  Gelegenheit  oder  Nothdurft  der  Sachen, 
die  im  Hofgerichte  sollen  gehandelt  werden,  gebühren  will, 
zu  solchen  Hofgerichten  von  Unsem  wegen  geordnet  werden 
sollen". 

Als  nach  Vereinigung  des  Landes  unter  Albrecht  IV.  die 
Erklärung  der  Freiheiten  des  Landes  geplant  wurde,  proponierten 
die  Stände*)  nur  die  Aufnahme  der  Bestimmung,  daß  die  Ge- 
richte mit  Inländern  besetzt  werden  sollten.  Der  Kampf  ist 
also  wieder  auf  die  Ausländer  beschränkt,  von  den  Doctoren  ist 
gar  nicht  die  Rede. 

In  der  L.Fr.  1508  (I  a.  1)  verspricht  dann  der  Herzog  nicht 
nur  die  Besetzung  seiner  Hofämter  mit  Inländern,  sondern  auch 
bei  Bildung  seines  Rats  ^allweg  mehr  geschickte  Landleute,  so 
Layen  sind,  dann  Gelehrte"  aufzunehmen  *). 

Nur  die  Mehrheit  des  Rats  mußte  also  aus  Laien  bestehen, 
dagegen  wurde  die  Existenz  einer  Minderheit  juristischer  Rats- 
mitglieder als  berechtigt  anerkannt.  Daß  man  damit  die  stän- 
disch erseits  verfolgte  Tendenz,  Schutz  des  einheimischen  Rechts 
gegenüber  dem  andringenden  fremden,  nicht  erreichen  konnte, 
liegt  auf  der  Hand,  denn  diese  Minderheit  mußte  vermöge  ihrer 
überlegenen  Bildung,  die  auch  eine  erhöhte  Gewandtheit  in  der 
formellen  Behandlung  der  Geschäfte  gewährte,  bald  die  ausschlag- 
gebende Position  innerhalb  des  Ratskollegiums  erlangen.  Wenn 
jetzt  die  ständische  Opposition  sich  nicht  mehr  gegen  die  Aus- 
länder, sondern  gegen  die  Juristen  als  solche  wendete,  so  lag 
der  Grund  hierfür  wohl  darin,  daß  jetzt,  bald  nach  Gründung 
der  Universität  Ingolstadt  nun  das  Studium  der  Jurisprudenz 
unter  den  Inländern  so  zugenommen  hatte,  daß  auch  aus  dem 
Kreise  der  Landesangehörigen  eine  stattliche  Zahl  von  Doctores 
zur  Anstellung  verfügbar  war. 


1)  Krenner  XIII,  S.  269. 

t)  Vgl  über  die  Verhandlangen  Franklin,  Beiträge  S.  27. 

I)  Krenner  XVI,  S.  296. 

Ro»enthal.  Geschichte  d.  Oerichttw.  a.  d.  Yenr -Org.  Uaienu.  I.  |Q 


—    146    — 

Es  kauu  hitT  noch  darauf  lungewiesen  werdea,  daß  unter 
den  Deutschen  '),  welche  im  Laufe  des  14.  und  15.  und  auch 
noch  während  dos  10.  Jahrhunderts  an  italienischen  üniversi- 
tfiten,  namentlich  io  Bologna,  Padua,  Pavis  '),  Perugia  '),  Sieiia 
dem  Studium  des  Hiuiseheu  und  kauouischen  Rechts  oblagen, 
sich  viele  hairische  Laudcskindcr  befunden  balien '). 

Das  alte  Genossuiischaftsprinzip  der  duutschen  Gcrichts- 
verfafiBUng  wird  durch  iliu  Zulassung  der  Gelehrten  »um  Uof- 
gericht  durchbrochen  *),  in  ihr  kommt  eine  wesentliche  Abwei- 
chung von  diesem  Prinzip  mittelalterlicher  Gerichtsbildung,  das 
Standesgenossen  als  Urteiler  forderte,  zur  Erscheinung.    Dait  nun 


1)  Ich  Tenaehe  hier  einige  Daten  Sber  die  an  itslteniteheD  UDimitUaii 
BechUwisieuicbftTt  itudieroDdon  Baieni  laiamineiunuUtlen.  Dal  «ehon  im 
13.  JahrhuDdert  Baiern  in  Bolo^a,  Padaa,  Orlcaiu  und  Hontpellior  nebni 
kaDoniacbcni  Recht  rOmUcheB  OiTilreeht  atadiertco,  beieagt  Rieiler  II, 
S.  170.  In  Bologna  wcrdnn  nach  den  Acta  nationi«  Gormanicaa 
anireraitatiü  Bononieniis  cd.  FriedlAnder  et  Ualaicoli, 
Beroliai  )RS7  Folgende  de  Bavana  enifthnt:  1809  OotAidtu,  1310  Haf 
mannoa,  1321  Kicolau«  prep,  Honattcriona..  1332  Conmdn«,  canonicoa  FriciiiK, 
1833  Ortllnua  ot  Ulricua  de  Haasonhiuen,  1336  Honricoa  de  Bgra.  Ratiipon. 
djOMtia,  1341  Otto  et  Kildoiir.  fratroa,  1343  Ladoirittit.  rortof  cieddī  ia 
Verdeni  (Verden).  1466  tat  immatrikuliert  Wolfgang,  f£aligra£  Henog 
in  Ober-  und  Niederbaiern,  mit  Gefolge:  nagitteT  Catpar  Sniidhaiuai;  a- 
Doninna  Frinog,  deerotorain  doctot,  pedagogua  sniui  mtf^ü^t  Lc«b  Nw- 
&reT,  Paul  Talhajmur,  Criitofoi  Cottenawcr,  Oanered  PDtnddi,  !<«jboItidorffeT, 
principia  familiaiei ;  1476  Joh.  Panlatoffec,  1486  Ulriciu,  1497  Leon  de  Egtk, 
lector  Bc  consiliariua  docia  Wllholmi  do  B.  Ferner  «ind  tiriachpo  1640  nad 
leci  ungefähr  18  Baiem  in  die  Matrikel  eingi^tnucD  wordan,  darnntar: 
Caap.  Ejaenreich,  Erasm.  und  Joh.  Criatopli  a  Lajmiiiit'eE],  Wilh.  a  l''Te]rb«cg, 
Criat.  a  ßorbach.  —  In  der  roatricata  doctonun  flndcl  lich  u.  A, :  I4fil  Ptid. 
Hawrkirchor  de  Bnwna  Fat  djoceaia,  cononiciu  katbodralii  occleai«  Friainf  ^ 
inria  canonici  licentjatsi  ac  hpaa  docter  (cpUcopui  Palarienaii,  Lndowld 
dnda  Bawarie  cancellariua).  Bologna  hatl«  im  16.  Jahrhundert  ein»  h 
Nation  nobon  einer  aicbEiadi-RcttwlbUcheD  und  frluluacbon.  Ein«  fl 
Bcholaron Verbindung  luufatle  aber  aach  die  aua  beiiachbart«n  Q^ 
kommenden  Stadieronden. 

S>  Der  Zag  d»r  bairiacben,  schwibiicfacD,  ftdtikiacban  nnf  b 
Jniiatmi  geht  vio  Aeneaa  8jitriiu  fOr  die  Hittc  de*  15.  Jabrtiandeita  h 
saeb  Padna  oad  Paria.    Vgl  iStoliol,  Entwicklung  dei  gvlohrtan  1 
tmna  L  S.  49. 

3)  In  Perugia   worden  twladieo   1611  umI  1660  tnuBatdknIiett :  8 
Kdncheo.  Je  1  aoi  I^andabol  und  Scherding  [StSlt  ol  ft.  •.  0.  8.  SS). 

4]  Vgl  tDr  OaUnnich  Lnai^bin  S.  W. 


—    147    — 

neben  den  adligen  Räten  Gelehrte  bürgerlicher  Abkunft  im  Hof- 
gericht sitzen  konnten,  wurde  ermöglicht  durch  die  seit  Mitte 
des  14.  Jahrhunderts  auftauchende  Anschauung,  welche  die 
Doctores  als'  milites  legalis  militiae  dem  niedem  Adel  gleich- 
steUte  0. 

Nicht  gegen  die  Ausländer  als  solche,  sondern  gegen  die 
Doctores  als  Hofgerichtsbeisitzer  wendete  sich  zum  ersten 
Male  1493  der  oberländische  Landtag^),  indem  er  in  einer 
Beschwerde  über  die  Gebrechen  der  Rechtspflege  an  den 
Herzog  die  Bitte  richtete,  die  Räte,  so  Hofgericht  gehalten 
werde ,  mit  Landleuten  oder  Laien  zu  besetzen ,  soviel  mög- 
lich sei. 

Derselbe  Entwicklungsgang,  der  in  Baiern  durch  Besetzung 
des  Hofgerichts  mit  Gelehrten  einer  Reception  des  römischen 
Rechts  die  Wege  geebnet  hatte,  zeigt  sich  auch  in  der  Or- 
ganisation der  Hofgerichte  anderer  Territorien,  und  kann  hier 
auf  die  Darstellungen  von  Stobbe^)  und  Stölzel*)  ver- 
wiesen werden.  Für  diese  Organisation  mag  das  königliche 
Kammergericht,  welches  zuerst  neben,  seit  1442  an  Stelle  des 
königlichen  Hofgerichts  *)  auftritt,  vorbildlich  gewirkt  haben,  da 
in  diesem  neben  den  königlichen  Räten  auch  Gelehrte  zur  Ur- 
teilsfindung  beigezogen  wurden,  welche  dann  ihre  Urteile  viel- 
fach auf  die  fremden  Rechte  *)  stützten  '). 

Noch  nachhaltiger  wirkte  natürlich,  wie  schon  erwähnt 
wurde,  auf  die  Gestaltung  der  territorialen  Hofgerichte,  die  Grün- 


1)  StOlzel  I,  S.  139,  250;  Stintzing,  Gesch.  d.  deutschen  Rechts- 
wissenschaft I,  S.  61. 

2)  Krenner  JX,  S.  227. 

3)  Geschichte  der  deutschen  Rechtsquellen  n,  S.  97  ff. 

4)  Entwicklang  des  gelehrten  Richtertums  I,  S.  256  ff.  Vgl.  auch  E  a  r- 
lowa,  Über  die  Reception  des  römischen  Rechts  in  Deutschland  mit  be- 
sonderer Rücksicht  auf  Churpfalz.   Heidelberg  1878.   S.  37  f. 

5)  Franklin,  Das  königliche  Eammergericht  vor  dem  Jahre  1495. 
Berlin  187L  8.  1. 

6)  S  t  o  b  b  e,  Geschichte  der  deutschen  Rechtsquellen  II,  S.  87  (I,  S.  623  f.\ 
weist  darauf  hin,  dafi  K  Albrecht  IL  schon  im  Landfrieden  1438  angeordnet 
hatte,  dafi  in  den  Reichsgerichten  nach  gemeinen  Rechten  und  guter  Ge- 
wohnheit judiciert  werden  sollte. 

7)  Franklin,  Kammergericht  S.  3;  Franklin,  Reichshofgericht  I, 
S.  33a 

10* 


L 


düng  des  Reichskammergerichts  141)5,  dessen  erste  Ordnung 
nicht  nur  die  Bildung  dieses  Gorictitshofs  zur  Hälfte  aus  Gelehrtes 
vofBchriel),  sondern  auch  die  gemeinen  Rechte  als  Entscheidungs- 
norm anerkannt« ').  — 

Neben  den  Vorsprechem  fungierten  als  deren  Gehülfea 
noch  andere  Parteivertreter  im  Hofgericht,  die  «ogenannten 
Warner  und  Anweiser').  Es  war  ein  Hecht  der  Fürsten  und 
ffirstenmiißigoa  Personen  *),  wenn  auch  kein  ihnen  ausschlieB- 
Itches,  sich  dieser  zur  Vertretung  ihrer  Rechtssache  zu  l>edieDea. 
So  erschien  1432  *)  im  Münchner  Hofgericht  Herzog  Ernst  al» 
Partei  und  begehrte  eines  Fürlcgers  mit  Namen  P.  R.,  der 
ihm  erlaubt  ward  und  zugedinget,  was  Fürsten  Rticht  ist,  zo 
An  weiser  Johann,  Propst  zu  lUmünsWr,  und  zu  Warner 
C.  Egloffstaincr.  n^lso'',  schreibt  der  präsidierende  Hofmeisteti 
„han  ich  Im  vergunt  alls  das  Hofgerichts  Recht  ist".  la 
-  einer  Klagsache  gegen  den  Abt  von  Fürstenfeld  (1456)*) 
begehrten  auch  dessen  Bevollmächtigte  von  dem  Vorsttzendeo 
einen  Fürleger  und  zugedinglen  Anweiser,  Wamcr  und  alles, 
das  eines  gefUrsteten  Prälaten  und  geistlicher  Leute  und  Hof- 
gerichts Recht  ist  Es  wird  also  ausdrücklich  konstatiert,  daS 
die  Zugesellnng  von  Anweisern  und  Wanieni  zum  Fürsprecher*) 
als  ein  Staudesprivileg  /u  betruciitcn  sei,  das  auch  nur  vor  dem 
forum  privilegiatuni  in  Anspruch  genommen  werde. 

/u  den  Punkten,  welche  nach  den  Klagen  der  StAnde  «icb 
eine  gesetzgeWrische  Regelung  erheischten,  gehrtrten  die  Redner 
(Vorsprecher)  an  den  Hofgerichten.  Es  h<inne  niemand  vor  dem 
Hofgericht  die  Redner  erschwingen,  da  sie  ühorschweuglicheu  Lohn 
von  den  Leuten  nähmen  '),  so  ertönt  der  Klageruf,  den  die  L.O. 


1)  Stobbe.  Ootchicht«  der  deaUehon  R(>cht«iiDellcD  U,  8.86. 

t)  Vgl  Maurer,  Ga»ehi«hto  de«  Cioricbtarrrbhfoo«  S.  1S5  £j 
•  ehe,  Comm.  de  ptolocntoribus  p.  63  £,  und  tiehtOdei 
der  Savignj-Stiftuog.  Oemun.  Abt  VIl,  ä  119. 

3)  lüae  entsprechend«  BogrOndong  dieeo«  Bechta  d«r  Pti 
Frioklln,  Reichihofgerieht  11.  S.  185. 

4)  loti.  Oeirhicble  det  Locbniiu  II,  S.  1E3. 
6)  H.  a  IX,  p.  286. 

5)  Vgl  noch  Beispiele  mii  dom  16.  Jfthrbniiden  bei  Utorer 
Bf.  B.  XU,  p.  2S6;  Xlll.  p.  HS;  XXXl.  2,  p.  334;  rat  Vüii^get  and 
M.  B.  a  p.  ȟ  1  IX.  p.  4Ii  XII,  p.  W&. 

T)  Kroonor  Tll,  ä  372  (S13,  4SI  B.). 


Mtata- 


l-O.!, 


—    149    — 

1474  zum  Schweigen  zu  bringen  sucht  durch  die  Vorschrift,  daß 
die  Höhe  des  Lohns  von  einer  gütlichen  Vereinbarung  zwischen 
Partei  und  Redner,  eventuell  von  der  Entscheidung  einer  Kom- 
mission (Hofrichter  und  2  Räte)  abhängig  zu  machen  sei.  Des 
Weiteren  bestimmte  die  Landesordnung  ^ ) :  Die  Fähigkeit,  als 
Redner  im  Hofgericht  aufzutreten,  steht  jedem  freien  Manne 
zu,  ausgenommen  sind  nur  die  in  den  untern  Listanzen  als 
Verteidiger  von  Verbrechern  fungierenden  Fürsprecher  —  „kein 
gemeiner  Vorsprecher,  der  über  das  Blut  redet".  Von  den- 
jenigen, welche  auö  besonderer  Rücksicht,  aus  Gefälligkeit  für 
eine  Partei  deren  Sache  vertraten,  wurden  diejenigen  unter- 
schieden, welche  das  Fürsprechen  berufsmäßig  —  dieselben  so 
ran  Geld  reden,  auch  andere  des  Hofgerichts  gemeine  Redner  — 
unterschieden.  Nur  diese  Kategorie  hat  eine  Beobachtung  ihrer 
gesetzlichen  Pflichten  zu  beschwören.  Sie  sind  verpflichtet  zur 
treuen  Beratung  und  Durchführung  der  Sache  der  Partei  bis 
zu  Ende,  sowie  zur  Geheimhaltung  der  ihnen  von  derselben  ge- 
machten Mitteilungen.  Ihre  Dienste  haben  sie  derjenigen  Partei 
zu  widmen,  welche  sie  zuerst  darum  angeht,  eine  Ablehnungs- 
befugnis steht  ihnen  nur  mit  herzoglicher  Genehmigung  zu.  Sie 
können  nur  als  Spezial-  und  nicht  als  Generalvertreter  einer 
Partei  bestellt  werden  —  nicht  in  der  Gemein  in  aller  derselben 
Partheyen  Sachen  — ,  müssen  mit  dem  vereinbarten  oder  fest- 
gesetzten Lohn  zufrieden  sein  und  dürfen  auf  keinen  Fall  in 
der  Sache  mit  den  Parteien  Teil  haben*). 

Kaum  waren  2  Dezennien  verflossen,  als  dieselben  Klagen, 
welche  zu  der  eben  geschilderten  Ordnung  den  Anstoß  gegeben 
hatten,  aufs  neue  erschollen.  Aus  einer  Petition  der  Ritter- 
schaft an  H.  Georg  1499  geht  hervor,  daß  die  Vorschriften  der 
Landesordnung  bald  wieder  außer  Acht  gelassen  worden  waren, 
denn  sie  hoben  hervor,  daß  sie  und  der  gemeine  Mann  durch 
die  Procuratores  oder  Redner  bei  Hof  hoch  beschwert,  daß 
großes  Geld  von  dem  Redner  genommen  würde,  dessen  zu  Zeiten 
die  Hauptsache  nicht  wert  und  vor  Alters  nach  Erkenntnis  der 
Bäte  gestanden  wäre.  Als  neues  Moment  tritt  in  der  Beschwerde 
hervor  die  Meinung  der  Petenten,  daß  die  Procuratores  und 


1)  Krenner  VII,  S.  509  ff. 

2)  Krenner  VII,  S.  510. 


—    150    — 

darum  die  Gelehrten  nicht  in  den  Räten  sitzen  sollen^).  \Yäh- 
rend  die  Klage,  daß  Fürsprecher  nicht  zugleich  Urteilsfinder  sein 
sollen,  uns  schon  begegnete,  erscheint  doch  der  Hinweis  auf  die 
juristische  Bildung  der  Fürsprecher  als  Novum  *). 

Die  Landesordnung  von  1501  bestimmte,  daß  kein  Redner 
in  der  Sache,  in  welcher  er  redet  oder  reden  wolle,  bei  den 
Räten  im  Rate  sitzen  dürfe. 

Die  Rechtsprechung  des  Hofgerichts,  welche  sich  anfangs  nur 
von  Fall  zu  Fall,  also  je  nach  vorhandenem  Bedürfhisse  fort- 
bewegte, genügte  bei  Mehrung  der  Rechtsstreitigkeiten  nicht 
mehr,  und  es  bezeichnet  einen  großen  Fortschritt  in  dem  Ent- 
wicklungsgange des  Hofgerichts,  daß  man  bestimmt«  Termine 
ein  für  allemal  festsetzte,  an  welchen  das  Hofgericht  für  die 
Bedürfnisse  der  Rechtsuchenden  zur  Verfügung  stand.  Es  wurde 
deshalb  in  Baiern  wie  in  andern  deutschen  Ländern  in  der  ersten 
Hälfte  des  15.  Jahrhunderts  mit  der  Einrichtung  von  Quartal- 
sessionen begonnen,  zuerst  in  Oberbaiem')  und  dann  im 
Straubinger  Teil*).  Erst  bei  den  Vorl>eratungen  für  die 
L.O.  1474  wurde  auch  für  Niederbaiem  -  Landshut  eine  der- 
artige Einrichtung,  Abhaltung  der  Hofgerichte  zu  4  Zeiten  im 
Jahre,  seitens  der  Stände  vorgeschlagen  ^).  Es  lag  ja  im  all- 
seitigen Interesse,  daß  man  feste  Termine  für  diese  Gerichts- 
sitzungen bestimmte,  damit  die  Parteien  im  voraus  wußten,  wann 
sie  sich  bei  Hof  einzufinden  hatten  behufs  Erledigung  ihrer 
Rechtsaugelegenheiteu.  Der  Herzog  entsprach  dieser  Bitte, 
und  so  enthielt  die  L.O.  1474  folgende  Ordnung  der  Hof- 
gerich te^) :  „Zu  erst  wollen  Wir  unser  Hofgericht  nun  fürbas  halten 
hissen  zu  4  Zeiten  im  Jahre,  an  den  Enden,  da  Wir  dann  zu 


1)  Krcnner  XIII,  S.  9,  160. 

2)  V<^].  über  das  Aufkommen  rechtskundiger  Procuratoren  Stintiing; 
Geschichte  der  deutschen  Rechtswissenschaft  I,  S.  68. 

3)  Schon  1432  besa^rt  ein  Hofif^^erichtsbrief,  Herzog  Ernst  habe  ihn  heilen 
fordern  zu  dem  Quatomber-Recht  (Oberb.  Archiv  XXIV,  8.232). 

4)  Albrecht  III.  von  München  schreibt  an  die  Landshnter  Landicluft 
1433,  er  kOnne  an  dem  Tage  der  Werbung  nicht  in  München  seio,  »wann 
Wir  im  Niederlande  (Straubing)  auch  angefangen  haben  alle  Qnatember  der 
gemeinen  Landschafft  Hofrecht  zu  halten"  (K  r  o  n  n  e  r  IV,  S.  15). 

5)  Krenner  VII,  iS.  310   -     auf  da&  sich  ein  jeder  darnach 
richten. 

6)  Krcnner  VII,  S.  509  (vgl  ib.  S.  431). 


—    151    — 

einer  jeden  Zeit  seyn  werden.  Das  1.  auf  den  nächstfolgenden 
Gerichtstag  nach  s.  Antonientag  (17.  Januar).  Das  andere  nach 
dem  Sonntag  Misericordia  Domini  (2.  Sonntag  nach  Ostern). 
Das  3.  nach  s.  Lorenzentag  (10.  August).  Das  4.  nach  s.  Martins- 
tag (11.  November)".  Der  Herzog  behielt  sich  aber  das  Recht 
einer  Verlegung  des  Termins  vor  für  den  Fall,  daß  er  durch 
anderweitige  Geschäfte  verhindert  wäre.  Sind  nun  auch  in 
diesen  periodischen  Gerichten  die  Anfänge  zu  einer  Ständigkeit 
des  Hofgerichts  gegeben,  so  ist  diese  Ordnung  von  einer  Stabi- 
Msierung  des  Gerichts  doch  weit  entfernt.  Nicht  nur  fehlt  ein 
fester  Sitz  für  das  Gericht,  welches  dem  Hofe  des  Landesherm 
folgt  ^ ),  sondern  der  fluktuierende  Charakter  des  Gerichts  zeigt 
sich  auch  darin,  daß  je  nach  dem  Vorhandensein  anderer  Ge- 
schäfte  eine  Verlegung  des  Termins  angeordnet  werden  kann. 

Ohne  nachhaltigen  Einfluß  auf  die  Gescldchte  des  Hof- 
gerichts ist  die  Verordnung  H.  Georgs  1489,  welche  das  Institut 
der  geordneten  Räte  ^)  ins  Leben  rief.  Diesen  geordneten  Räten, 
welche  hauptsächlich  die  laufenden  Regierungs-  bezw.  Verwaltungs- 
geschäfte zu  erledigen  hatten,  wird  nämlich  die  Macht  einge- 
räumt, „gütliche  und  Rechttage,  doch  auf  gebührliche  Zeit  und 
um  Sachen  willen,  die  sich  in  unserm  Hofe  zu  handeln  und  aus- 
zutragen gebühren  zu  setzen".  Diese  Ratskommission  ist  also 
ermächtigt,  als  pars  pro  toto  sich  als  Hofgericht  zu  konsti- 
tuieren, sofern  für  den  betreffenden  Gegenstand  sachlich  die 
Zuständigkeit  des  Hofgerichts  gegeben  ist.  Es  war  mithin  Ge- 
legenheit geboten,  auch  außerhalb  der  regelmäßigen  Quartal- 
Hofgerichtssitzungen  eine  Sache  zur  Hofgerichtsverhandlung  zu 
bringen,  sobald  den  geordneten  Räten  ein  Bedürfnis  hierfür  in 
concreto  vorzuliegen  schien.  Von  dieser  Möglichkeit  scheint 
übrigens  seitens  der  Räte  nicht  allzu  reichlich  Gebrauch  ge- 
macht worden  zu  sein,  denn  schon  nach  2  Jahren  bringen  die 
Stände   die  Bitte  um  Anstellung  eines  Hofrichters  und  Recht- 


1)  Dieso  Eeglong  bekundet  sogar  einen  Bückschritt  gegenüber  einer 
allerdings  durch  die  gemeinschaftliche  Regierung  Sigmunds  und  Albrechts 
horvorgerufonen  Anordnung  (für  München-Straubing  1466),  daß  gewöhnlich 
ein  Hofmeister  und  6  Räte  im  alten  Schlosse  in  der  gewöhnlichen  Ratstuben 
des  Schlosses  Hofgericht  besetzen  sollen  (E renn  er  V,  S.  181).  Siehe  „Hof 
und  Raf*  S.  65  b. 

2)  Vgl  den  Abschnitt  über  Hof  und  Rat  S.  66  fL 


—    152    — 

sitzern  von  LaDdleuten  nebst  Räten  am  Hof  vor,  damit  die 
Hofgerichte  alle  Quatember  fürgenommen  und  gehalten  und 
ohne  merkliche  Ursache  nicht  verzogen  würden,  damit  die 
darin  hangen  oder  zu  thun  haben  gefordert  und  Unkosten  zu 
vermeiden  nicht  lauge  aufgehalten  würden^).  Den  Wünschen 
der  Stände  wurde  wenigstens  teilweise  Erfüllung  in  der  L.O. 
1501,  welche  folgende  Bestimmung  erteilt: 

„Hofrichters  halben. 

Item  wenn  auch  je  zu  Zeiten  unser  Marschalk  nicht  bey 
den  Hofgerichten  hier  seyn  mag,  wollen  Wir,  oder  in  unserm 
Abwesen  imsere  Anwälde  hier  allweg  einen  andern  treflichen 
unsem  Landmann  zu  Hofrichter  au  des  Marschalks  Statt  ord- 
nen, und  es  aber  der  Landleute  halben  zu  täglichem  Rathe  und 
den  Hofgerichten  zu  gebrauchen  ungefährlich  halten,  versehen 
Uns  allweg  mehr  Landleute  als  Ausländer  dabey  zu  seyn.  — 
Dazu  auch  die  Hofgerichte  hier  zu  Landshut  zu  4  Zeiten  im 
Innhalt  berührter  Landesordnung*)  halten,  so  ferne  solches 
andere  unsere  Geschäfte  je  zu  Zeiten  erleiden  mögen ;  oder  die 
Sachen,  die  am  Hofgericlite  gehandelt  werden  sollten,  darnach 
gestaltet  sind,  auch  noch  ainen  Redner  zum  Hofgerichte  be- 
stellen, und,  durch  unsem  Kanzler  berichtet,  Gerichtschreiber 
zum  Hofgericht  ordnen  lassen,  so  ferne  man  sie  anders  gehaben 
mag,  ungefährlich"  ^). 

Auf  die  Klagen,  daß  die  aus  den  Gerichten  für  die  Räte 
am  Hofe  einlaufenden  Gedinge  so  langsam  erledigt  würden,  folgte 
die  Anordnung,  daß  dieselben  in  den  durch  die  L.O.  1474  be- 
stimmten Zwischenräumen,  also  quartaliter  zur  Entscheidung 
gebracht  werden  müßten. 

Der  wesentliche  Fortschritt,  welchen  diese  L.-O.  1501*) 
für  die  Ausbildung  des  Hofgerichts  darstellt,  besteht  darin, 
daß  nun  i)rinzipiell  das  Präsidium  des  Hofgerichts  dem   Mar- 


1)  Krenncr  XIII,  S.  159  (S.  197). 

2)  Siehe  S.  161. 

3)  Krenner  XIII,  S.  272  f. 

4)  Eine  nicht  nur  fdr  das  Hofgerichf,  sondern  auch  für  wichtige  Bati- 
heschlüBse  eingeführte  Ncuerang  bildet  die  Vorschrift,  dafi  Geiichtrarfeefl» 
Abschied  u.  dg),  des  Hofgerichts  erst  hinausgehen  sollten,  nachdem  de  we* 
nigstens  durch  die  Majoritfit  der  in  der  Sache  beschäftigten  BIte  TeilUJrt 
waren  ^E renn  er  XII^  S.  274;  vgl.  noch  XII,  S.  339). 


-     153    — 

schall  zuerkannt  wird.  Wenn  auch  schon  seit  Jahrhunderten 
gewöhnlich  der  Hofmeister  den  Vorsitz  führte,  so  ist  doch  nun 
erst  verfassungsmäßig  das  Präsidium  eines  Andern  als  des 
Herzogs  anerkannt.  Damit  ist  das  Hofgericht  von  der  Person 
des  Monarchen  losgelöst,  jede  Einwirkung  desselben  auf  die 
gerichtliche  Thätigkeit  des  Hofgerichts  erscheint  ausgeschlossen ; 
nur  soweit  sie  organisatorischer  Natur  ist,  also  auf  dem  Gebiet 
der  Justizverwaltung  bleibt  sie  in  Kraft. 

Das  Hofgericht  folgt  nun  nicht  mehr,  wie  dies  nach  der 
L.O.  1474  der  Fall  war,  dem  jeweiligen  Aufenthalt  des  Herzogs^ 
sondern  hat  nun,  wie  schon  früher  das  oberbairische  zu  München, 
seinen  festen  gesetzlichen  Sitz  zu  Landshut  erhalten.  Damit  war 
em  wichtiger  Schritt  in  der  Richtung  der  Stabilisierung  des  Hof- 
gerichts ^)  gethan*). 


§7. 
Das  Stadtgericht. 

Die  Existenz  einer  Stadt  im  Rechtssinne  hatte  zur  Voraus- 
setzung die  Exemtion  des  Stadtbezirks,  des  sogenannten  Burg- 
friedens, von  der  Jurisdiktion  des  Landgerichts,  in  dessen  Sprengel 
der  Ort  gegründet  bezw.  gelegen  war,  und  die  Konstituierung 
der  Stadt  zu  einem  besondern  Stadtgerichtsbezirk.  Erst  ihre 
Exemtion  vom  Gau  machte  die  Städte  zu  selbständigen  Gliedern 
des  Staatsorganismus*).  Die  Stadt  bildete  notwendig  ihren 
eigenen  Gerichtsbezirk*). 


1)  Die  letzte  Bestimmang  über  Hofgerichte  aus  der  Periode  bis  zur 
Wiedervereinigung  des  Landes  ist  die  Stelle  ans  dem  berflhmten  Vertrage 
Aber  den  angefiiUenen  Landshuter  Teil  und  die  Primogenitur  von  1506. 
H.  Albrecht  verspricht  den  AppeHationen  und  Hofgedingen,  die  an  H.  Wolf- 
gangB  Hofgericht  kommen,  keinen  Eintrag  zu  thun,  doch  soll  dieser  sein 
Ho^richt  ordentlich  mit  Hofmeister,  Kanzler  und  Räten  besetzen,  wie  sich, 
seinen  Unterthanen  dem  Rechte  zu  gut  und  Forderung  zu  thun  gebührt 
(Roc kinger,  Einleitung  S.  314). 

2)  Die  weitere  Entwicklung  des  Hofgerichts  im  16.  Jahrhundert  wird 
uns  unten  im  3.  Buch  (Hofrat  und  Regierungen)  beschäftigen. 

3)  R.  Schröder,  Rechtsgeschichte  S.  126. 

4)  V.  Belo  w.  Zur  Entstehung  der  deutschen  Stadtverfassung  ^v.  Sybel» 
Histor.  Zeitschrift  1888,  Bd.  59,  S.  201). 


—    154    — 

Unter  den  im  bairischen  Territorium  gelegenen  Städten 
sind,  abgesehen  von  den  Bischofsstädten,  nahezu  alle  —  nur 
Regensburg  ist  Reichsstadt  —  herzogliche  Städte  ^).  Von  diesen 
haben  die  Witteisbacher  einzig  München  von  den  Weifen  über- 
kommen, alle^)  übrigen  danken  einem  Schöpfungsakte  von 
Herrschern  dieser  Dynastie  ihr  Dasein.  Dieser  stellte  sie  so- 
gleich auf  eine  bestimmte  Höhe  der  Entwicklung,  welche  ältere 
Städte  erst  in  laugen  Kämpfen  hatten  erringen  müssen'). 

Im  Laufe  des  13.  Jahrhunderts  wurde  so  ein  Kranz  bairi- 
scher  Landstädte*)  gegründet^)  und  mit  Privilegien  reichlich 
ausgestattet,  welche  einer  blühenden  Entwicklung  dieser  städti- 
schen Gemeinwesen  die  Bahn  ebneten. 

Die  Verfassung  und  die  Gerichtsorganisation  der  Städte 
und  der  diesen  gleichgestellten*')  (gefreiten  oder  gebannten) 
Märkte  war  nicht  durch  eine  einheitliche  Gesetzgebung  geregelt, 
sondern  für  dieselbe  war  der  Lihalt  der  einer  jeden  Stadt-  oder 
Marktgemeinde  verliehenen  landesherrlichen  Privilegien')  maß- 
gebend, doch  waren  die  Grundzüge  derselben,  namentlich  in  der 
Klasse  der  Hauptstädte^),  im  wesentlichen  übereinstimmend, 
trotz  vieler  Verschiedenheiten  im  Einzelnen. 


1)  Über  die  venvickelton  Verhältnisse  Straubings  dessen  Neustadt^  in  die 
hofrechtlicbe  Gemeinde  Altstraubings  angegliedert,  auf  dem  Grandherm  (Dom- 
kapitel Augsburg)  Altstraubings  gehörigen  Boden  errichtet  wurde,  und  über 
die  grundherrlichen  Kechte  des  Domkapitels  vgl  Kose nthal,  Beiträge  m 
deutschen  Stadtrechtsgeschichte.  Heft  I  und  II:  Zur  Rechtsgeschichte  der 
Städte  Landshut  und  Straubing.   Würzburg  1883.   S.  213  fL 

2)  Vgl.  Kiczler  II,  S.  197  ff. 

3 )  Vgl.  G  i  e  r  k  c ,  Das  deutsche  Gonossenschaftsrocht  I,  S.  282. 

4i  Landshut  1204,  Neustadt-Straubing  1218,  Landau  1224,  Dingolfing 
1251,  Friedberg  1204,  Kain  1257,  Neustadt  a.  D.  1273,  Privileg  Ar  Mflnchen 
1204,  für  Amborg  1294,  Nabburg  1290.  Im  14.  Jahrhundert  erhielten  Pri- 
vilegien Landsberg  1315,  Ingolstadt  1312,  Rain  1323,  Schongaa  1331,  Öttmg 
1340,  Aichach  1347.  Vgl  Riezler  II,  S.  197;  Rockingor,  Einleitoag 
S.  119.  168.  Die  Städte  und  M&rkte,  in  welchen  das  Stadtrechtsbaeh  K  Lad- 
wiirs  eingeführt  war,  zählt  auf  v.  d.  Pfordton  S.  236  ff, 

5)  l'ber  die  die  Fürsten  bei  solchen  Städtegründungen  leitenden  TendemeB 
vgl.  H  e  u  s  1  e  r,  Ursprung  der  deutschen  Stadtverfassung.  Weimar  1878.  S.  t^L 

0)  Vgl  Seydel,  Bayerisches  Staatsrecht  München  1884.  I,  S.  82. 

7.1  Vgl.  .\nmorkung  4. 

8)  München,  Landshut,  Straubing,  Burghausen  und  Ingolstadt 


—    155    — 

Die  Organisation  der  städtischen  Gerichtsbarkeit  stand  mit 
der  Kommunalverfassung  in  engem  Zusammenhange.  Erst  nach 
Ausbildung  der  Ratsverfassung  ^)  erhielt  die  Gemeinde  einen 
Einfluß  auf  die  Besetzung  des  Stadtrichteramts,  welchen  sie 
durch  ihr  Organ,  den  Rat,  ausübte. 

Ursprünglich  war  in  jeder  Stadt  vom  Herzog  ein  Richter 
bestellt,  der  sich  aber  in  nichts  von  den  Landrichtern  unter- 
schied. Von  jener  eigentümlichen  Stellung  des  Gerichts  in  der 
Stadt,  von  einem  Stadtgerichte  konnte  erst  die  Rede  sein  seit 
Erteilung  jener  Privilegien,  welche  den  Bürgern  auch  eine  juris- 
diktioneile Selbständigkeit  verlieh. 

Einen  herzogUchen  judex  finden  wir  in  den  Städten  lange 
vor  Begründung  der  städtischen  Verfassung^).  Die  Entwick- 
lung vollzieht  sich  dann  in  allen  Städten  Baiems  in  der  Weise, 
daß  in  der  einen  früher,  in  der  andern  später  die  Selbständig- 
keit des  Stadtrichteramts  darin  zum  Ausdrucke  kommt,  daß  der 
Stadt  nicht  nur  die  Ernennung  eines  eignen  Stadtrichters  ^) 
verheißen,  sonden  ihr  auch  ein  Vorschlagsrecht  eingeräumt 
wird  —  ez  habent  ouch  die  Burgaer  und  die  stat  diu  Genad 
von  uns,  daz  wir  in  dehainen  Stat  Rihter  wan  nach  ir  Rat  und 
ir  bet  setzzen  und  geben  suelen,  sagt  das  Rudolfinische  Privileg 
(§  2)  für  München  ^).     War  es  auch  nur  ein  Präsentationsrecht, 


1)  Über  den  Fortschritt»  welchen  die  Entstehung  des  Rats  als  eines  filr 
die  Stadtfireiheit  charakteristischen  Instituts  bedeutet,  vgl  Gierke  I, 
S.  276  £ 

2)  In  MQnchen  seit  1170,  also  mehr  als  ein  Jahrhundert  vor  dem  Bu- 
dolfinnm  1294  (W ebner,  Die  Gerichtsverfassung  der  Stadt  München.  1876. 
a  5  f),  in  Landshut  1256,  also  vor  dem  Stadtrecht  von  1279,  in  Straubing  1242 
(Rosenthal,  Beiträge  S.  76,  259),  in  Ingolstadt  seit  1275  (Ostermaier: 
Sammelblatt  des  Histor.  Vereins  fdr  Ingolstadt  HI,  S.  146). 

3)  Der  Stadtrichter  gehörte  gewöhnlich  dem  niedem  Adel  an  (Rosen- 
thal S.  77;  Instruktion  für  den  Stadtoberrichter  von  Ingolstadt  1582  Cod.  Bav. 
2614:  Es  ist  von  Alter  Herkommen,  da£  der  Rat  einen  redlichen,  tapferen 
nnd  verständigen  vom  Adel  aufgenommen).  —  Den  Münchnern  war  durch 
K  Ludwig  das  Privileg  erteilt,  daß  keiner  ihrer  Bürger  Vitztum  oder  Richter 
werden  müsse.  Stadtrecht  a.  481  bedrohte  deshalb  die  Beworbung  eines 
Bürgers  um  den  Richterposten  mit  Strafe. 

4)  Vgl  noch  Dingolfing  1274a,  Deggendorf  1438  (Gen gier,  Codex 
juris  municipalis  I,  S.  775.  732),  Rain  1392  (R.  B.  X,  p.  307),  Ingolstadt  1312 
(Qu,  u.  Er.  VI,  S.  205)  und  1507  (Ostermaier  III,  S.  110).  Nach  einem 
Privüeg  K  Ludwigs  für  Cham  1341  §  13  (Gen  gl  er  ib.  S.484)  hat  die  (Je- 


—    156    — 

ivelches  die  Städte  ^ )  erlangt  hatten,  so  kam  dieses  doch  in  Wirk- 
lichkeit einem  Emennungsrecht  durch  die  Stadt  gleich,  da  der 
Herzog  regelmäßig  den  Präsentierten  die  Bestallung  nicht  ver- 
sagt haben  wird.  Jedenfalls  lassen  die  dieses  Recht  be- 
stätigenden Privilegien  eine  Einschränkung  des  landesherrlichen 
Emeunungsrechts  insofern  erkennen,  als  der  Herzog  sich  so 
weit  bindet,  daß  er  nur  eine  der  Stadt  genehme  Persönlich- 
keit^) zu  ernennen  verheißt^).  Man  darf  hier  wohl  an  ein 
süddeutsches,  vom  Schwabenspiegel  ^)  zum  Ausdruck  gebrachtes 
Gewohnheitsrecht  erinnern,  welches  den  Gerichtsherm  ver- 
pflichtet, bei  der  Einsetzung  eines  Richters  den  Willen  der 
Gerichtsuuterthanen  zu  berücksichtigen,  ein  Gewohnheitsrecht, 
welches  als  eine  Institution  des  Stadtrechts  zu  neuer  Geltung 
en\eckt  ward*). 

Die  staatsrechtliche  Stellung  des  Stadtrichters  tritt  erst 
deutlich  hervor  auf  dem  Hintergrunde  der  städtischen  Gerichts- 
privilegien. Der  Stadtherr  überträgt  überall  Teile  seiner  gerichts- 


meindo  dem  Fürsten  oder  seinem  Vitztom  3  Männer  für  das  Amt  Tom- 
schlagen.  —  Ein  solches  Vorschlagsrecbt  stand  anch  den  Oiterreieldscheii 
Städten  zu  (Läse hin  S.  203). 

1)  Der  Rat  übte  dieses  Präsontationsrecht  ans,  nnr  Torübergehend  wurde 
in  München  neben  den  beiden  Räten  auch  der  Gemeinde  Anteil  am  Prfr 
sentationsrechte  eingeräumt  (Wehner  S.  9),  anch  in  Straubing  ist  die  B^ 
teiligung  der  Gemeinde  nur  eine  formelle  (Rosenthal  S.  260). 

2)  1307  verspricht  so  Herzog  Stephan  den  Straubingem,  ihnen  einen 
Richter  zu  geben  nach  ir  pet,  der  uns  und  in  fueg.  1341  bestätigt  K  Lud- 
wig den  Landshutem  dieses  Privileg  mit  den  Worten :  einen  Richter  .  .,  der 
in  fügt  und  darumb  si  uns  ze  biten  habent  —  Gleichzeitig  behält  sich  aber 
der  Herzog  das  Recht  vor,  einen  untauglichen  Richter  abznsotKen,  i.  K  1417 
Privileg  für  Wasserburg:  der  Herzog  wolle  den  Stadtrichter  verkehren  mit 
einem  andern,  wenn  er  nicht  rechtlich  handle  nach  des  Buchs  Sage  (t.  d. 
Pfordten  S.  238);  Ingolstadt  1312,  aber  hier  nach  der  Bürger  Bitte 
(Ostermaier  HI,  S.  6G);  ebenso  Rain  1392  (R  B.  X,  p.  308);  Kelheim 
1335  (Träger,  Geschichte  der  Stadt  Kelheim.  Passau  1823.  8.  159). 

3)  Vgl.  LuBchin  S.  203  und  v.  Below  a.  a.  0.  S.  223  £ 

4)  c  II  §  1  (G  engl  er):  Jegelich  werltlich  gerichte  hat  begin  Ton  kor. 
Daz  ist  also  gesprochen,  daz  dehein  herre  den  leuten  keinen  rihter  geben 
sol,  wan  den  si  welcnt  (vgl.  aber  Ssp.  I,   55  §  1). 

5)  Thudichum  i^Die  Gau-  und  Markenverfassnng  in  DentschUnd. 
GioGcn  1860)  S.  50  f.  weist  an  der  Hand  süddeutscher  WeistOmer  den  ForU 
bestand  eines  Wahl-  und  Vorsclüagsrechts  des  Volks  bis  hu  16.  imd 
16.  Jahrhundert  auch  in  andern  Rechtskreisen  nach. 


—    157    — 

herrlichen  Gewalt  auf  die  Gemeinde;  damit  erscheint  die  Selb- 
ständigkeit des  Stadtgerichts  angebahnt.  Denn  vorerst  ist  es 
nur  die  Civilgerichts-  und  die  niedere  Kriminalgerichtsbarkeit, 
zu  deren  Aburteilung  die  herzoglichen  Privilegien  das  Stadt- 
gericht für  zuständig  erklären.  Dagegen  behält  sich  der  Landes- 
fürst die  höhere  Kriminalgerichtsbarkeit  vor:  Swenn  och  wir 
hingelazzen  unser  geriht,  so  haben  wir  selb  über  nicht  ze 
rihten,  wann  über  den  totslack^),  verheißt  H.  Rudolf  1294 
(§  9)*)  den  Münchnern,  nachdem  Heinrich  I.  im  Landshuter 
Privileg  1279  (§  7)»)  die  Kompetenz  des  Stadtrichters  da- 
hin begrenzt  hatte:  Judex  civitatis  praefata  omnia,  scilicet 
contractus  et  maleficia  judicabit  extra  ea,  quae  inferunt  causam 
mortis.  Der  Landesherr  reservierte  sich  also  nur  die  Be- 
strafung der  todeswürdigen  Verbrechen,  denn  auch  die  alleinige 
Hervorhebung  des  Totschlags  im  Rudolfinum  *)  ist  so  extendie- 
rend  zu  interpretieren,  wie  auch  die  in  den  spätem  Gerichts- 
privilegien regelmäßig  der  landesherrlichen  Jurisdiktionsgewalt 
vorbehaltenen  drei  Sachen,  die  zu  dem  Tode  ziehen,  das  ist  Dieb- 
stahl, Notnunft  und  Totschlag  ^).  Nicht  nur  in  den  den  Städten 
und  Märkten®)  verliehenen,  sondern  auch  in  andern  Gerichts- 
privilegien erscheint  diese  Dreizahl  so  regelmäßig,  daß  sie  einen 
ganz  formelhaften  Charakter  annimmt  ^).  Auch  diese  drei  Ver- 
brechen werden  nur  als  Repräsentanten  der  Kapitalverbrechen 


1)  Das  logolst&dter  Stadtrecbt  1312  a.  6  hat  statt  „totslack*'  —  (an 
aber  den)  tot    Qu.  o.  Er.  VI,  S.  205. 

2)  Gengler,  Deutsche  Stadtrechte  des  Mittelalters.  Nürnberg  1866. 
S.  296. 

3)  Ibid.  S.  234;  vgl.  Konfirmation  1364  (Rosenthal  S.82). 

4)  Totschlag  ist  wohl  hier  im  Sinne  des  §  29  des  Budolfinom  als  „ein 
groKzez  dinck,  daz  nf  den  tot  geziuht**  zu  verstehen.  1347  bestätigt  K  Lud- 
wig es  als  eine  alte  Gewohnheit,  dafi  weder  der  herzoghche  Vitztum  noch 
ein  andrer  Beamter  mit  den  Münchner  Bürgern  nichts  zu  thun  haben  soUen 
dum  um  die  drei  Sachen,  die  an  den  Tod  gehen  und  rühren  (M.  B.  XXXY,  2, 
p.  89). 

6)  Vgl  §  8. 

6)  Bain  1322  (Gengler,  Stadtrecht  S.  366),  KuÜBtein  1339  (y.  d. 
Pfordten  S.239);  1321  Markt  Aibling,  1374  Moosburg  (B.  B.  VI,  p.31; 
IX,  p.  117). 

7)  YgL  Osenbrüggen,  Das  Strafrecht  in  K  Ludwigs  Landrecht  1346 
(Studien  zur  deutschen  und  schweizerischen  Bechtsgeschichte.  Scha£Phausen 
186a   S.  191). 


—    158    — 

betrachtet,  wie  denn  geradezu  die  Auffassung,  daß  unter  diesen 
die  Vitztumhändel  ^  überhaupt  zu  begreifen  seien,  Bestätigung 
findet«). 

Der  Stadtrichter  ^)  hat  gewöhnlich  eine  Doppelstellung  ^). 
Einerseits  ist  er  richterliches  Organ  der  Stadtgemeinde,  soweit 
die  Gerichtsherrlichkeit  vom  Landesherm  auf  die  Stadt  über- 
tragen \sird.  Er  ist  dem  Stadtrat,  welcher  Instruktionen  für 
seine  Amtsführung  erläßt,  untergeben,  wie  ja  auch  eine  Berufung 
gegen  die  Urteile  des  Stadtgerichts  zum  Stadtrat  mehrfach  an- 
erkannt ist.  Auf  der  andern  Seite  war  der  Stadtrichter  Organ 
des  Herzogs,  von  dem  er  bestellt  und  mit  dem  Blutbann  be- 
lehnt worden,  zur  Ausübung  der  ihm  reservierten  Blutgerichts- 
barkeit ^).  Eine  Änderung  erfuhr  diese  doppelseitige  Natur  des 
Stadtrichteramts  erst,  als  auch  die  Kriminalgerichtsbarkeit  auf- 
hörte, herzogliches  Reservatrecht  zu  sein,  und  auf  die  Stadt 
übertragen  wurde.  Während  für  München  schon  der  Alberti- 
nische  Rezeß  1561  die  peinUche  Gerichtsbarkeit  bestätigte*), 
wurde  andern  Städten  erst  am  Ende  des  16.  und  am  Anfange 
des  17.  Jahrhunderts  von  Maximilian  I.  die  Krimina^urisdiktion 
gegen  ein  Äquivalent")  von  50— öOOfl.  jährlich  eingeräumt*). 


1)  Vgl  über  diese  den  Abschnitt  Aber  den  Rentmeister. 

2)  Vgl  für  Landshut  (1408)  und  Straubing  (1497)  RoBenthalS.82£, 
262,  für  München  W  e  h  n  e  r  S.  18. 

3)  Eine  Eumalicrong  des  Postens  eines  Stadtrichters  mit  dem  ehm 
Landrichters  (für  den  umliegenden  Bezirk)  findet  sich  aach  vereinzelt  Der 
Richter  bezeichnet  sich  dann  als  Stadt-  and  Landrichter,  doch  wird  dann  m 
den  Gerichtsbriefen  Stadt-  oder  Landgerichtsverhandlnng  genau  nntersehieden 
(z.  B.  M.  B.  VII,  p.  201 ;  XX,  p.  249). 

4)  Diese  Doppolstellung  kommt  znm  Ansdracke  im  Eide,  indem  der 
Stadtrichter  dem  Landesfürsten  zu  seinen  Freiheiten  and  Rechten,  detgleieheB 
gemeiner  Stadt  .  .  .  auch  zu  ihren  Rechten  and  Freiheiten  getrea  m  sein 
schwort 

6)  So  in  München  und  landshut  (Weh n er  S.  17,  22,  Boaenthai 
S.  78),  während  in  andern  Städten,  z.  B.  in  Straubing  (ibid.  &.  262)»  das  ftr 
die  Kriminaljurisdiktion  zuständige  Organ  die  herzogliche  Regienmg  war, 
doch  war  der  Stadtrichtcr  auch  in  München  gehalten,  «von  jedem  peinUclMn 
Falle  an  den  Hofrat  Bericht  zu  erstatten. 

6^  Wehner  S.  22. 

7)  Burghausen  1581  (Hub er,  Geschichte  der  Stadt  Borghanaen.  1862. 
S.  20($),  Landshut  1601,  Straubing  1602  (Rosenthal  S.  79,  265). 

8)  Über  die  Einnahmen  und  Ausgaben  des  Oberrichteramts  gehen  die 
Bestallungsbriefe  Aufschlufi.    Der  Oberrichter  Ton  Ingoldatadt  i.  B.  ezbilt 


—    159    — 

Die  räumliche  Ausdehnung  der  Jurisdiktion  des  Stadtgerichts 
fiel  im  allgemeinen  zusammen  mit  den  Grenzen  des  städtischen 
Weichbilds,  des  Burgfriedens.  Ausnahmsweise  wurden  die  Grenzen 
der  Gerichtsgewalt  erweitert,  indem  der  aus  dem  Marktfrieden  ^) 
hervorgegangene  Stadtfrieden  im  Interesse  einer  förderlichen 
Entwicklung  des  Verkehrs  auf  die  nächste  Umgebung  der  Stadt- 
markung  ausgedehnt  wurde'). 

Der  Gerichtsbarkeit  des  Stadtgerichts  waren  innerhalb  des 
Burgfriedens  alle  Bürger  der  Stadt  unterworfen  ^).  Wohnsitz 
und  daneben  Grundbesitz  bildeten  den  allgemeinen  persönlichen 
Kompetenzgrund  auch  in  den  Städten^).  Die  Befreiung  der 
Bürger  von  auswärtigem  Gerichtszwange  war  der  Eckstein 
städtischer  Freiheitsrechte.  In  allen  Stadtrechten  wird  es  wieder- 
holt, daß  kein  Bürger,  ausgenommen  bei  Klagen  um  Eigen  und 
Lehen*),  an  ein  auswärtiges  Stadt-  oder  Landgericht  geladen 

(1560)  jährlich :  ftlr  Hanszins  15,  für  Salzzoll  8  fl.  Femer  folgende  Sporteln : 
Ton  jedem  Vertragsbriofe  24  \t  Sioglong  V«  PW.  -3v,  Pf&ndung  16  \,  von 
jedem  Wirt  zu  den  3  Quatembem  40  ^  von  jedem  Bäcker  16  \,  Ton  den 
Schuhmachern  2  Pfd.  \,  von  jedem  Metzger  15  ^  vom  Eörmnesser  5  '/a  Viertel 
Haber,  yon  allen  Fischern  12  sh.  X  +  60  X  (oder  ein  Essenfisch),  von  den 
Brauern  von  jedem  Snd  von  Bartholomä  bis  Pfingsten  25  X ,  von  da  bis 
Bartholomä  die  Hälfte  and  Strafe  für  einen  verhaltenen  Snd  5  Pfd.  60  A.» 
Ton  jedem  Zeugen  bei  Gericht  72  \,  von  Jedem,  der  Hecht  erlangt,  72  \f 
vom  Stadthirten  2  Pfd.  X.  Die  Strafen  werden  während  der  Dulten  ver- 
doppelt. Diesen  Einnahmen  stehen  folgende  Ausgaben  gegenüber:  dem 
Landesherm  jährlich  59  Pfd.  \j  dem  Bischof  zu  Freising  40  Pfd,  dem  ünter- 
richter  Kostgeld  12  Pfd.,  Weihnachten  dem  Stadtknecht  1  Zopf  und  1  Käse 
oder  20  Kreuzer  daftlr;  jedem  der  8  Knechte  15  Kreuzer.  Der  Richter  muß 
2  gertLstete  Pferde  halten,  dazu  1  Knecht  und  1  Buben.  Er  soll  einen  eignen 
Schreiber  halten.  Jedem  der  4  Richtersknechte  wöchentlich  20  Kreuzer  für 
die  Kost»  dem  Blutschergen  die  3  Quatember  Iß  \  (Gerstner,  Geschichte 
der  Stadt  Ingolstadt  München  1853.  S  211). 

1)  V.  Maurer,  Geschichte  der  Stadtverfassung  in  Deutschland.  Erlangen 
1870.   m,  S.  339. 

2)  So  bestimmte  z.  B.  §  3  des  Landshuter  Stadtrechts  1279,  daß  jede 
Verletzung  an  Handelsleuten  im  Umkreise  von  2  Meilen  durch  den  Stadt- 
richter geahndet  werden  soll 

3)  Über  den  besondem  Gerichtsstand  der  Juden  und  der  Hofdiener  vgL 
S.  160  t 

4)  VgL  W  ach,  Handbuch  des  deutschen  Civilproze&rechts.  Leipzig  1885. 
I,  S.  399,  435.    • 

5)  Münchner  Stadtrecht  1294  §  15:  £z  habent  och  unser  Burgaer  die 
genad  und  daz  reht,  daz  dchain  Auzman  dchainen  Burgaer  uz  der  Stat  uf 


—    160    — 

werdeu  dürfe.  Nur  wenn  ein  Bürger  in  einem  andern  Gerichts- 
sprengel ein  Verbrechen  begeht  und  auf  handhafter  That  er- 
griffen wird,  darf  er  vom  Privilegium  de  non  evocando  cive 
keinen  Gebrauch  machen ;  er  verliert  den  Gerichtsstand  an  seinem 
Domizil  und  das  forum  delicti  commissi,  zusammenfallend  mit 
dem  forum  deprehensionis,  tritt  an  seine  Stelle.  Dieses  Prinzip 
des  deutschen  Rechts  ^ )  findet  wie  die  übrigen  über  Gerichts- 
stand auch  im  bairischeu  Stadtrecht  Anerkennung'). 

Dem  Stadtgericlite  waren  in  allen  Prozessen  mit  Christen 
und  in  Malefizsachen  *)  auch  die  Juden  unterworfen*).  In  Baiem- 
Landshut  machte  sich  das  Judenschutzrecht^)  der  Herzoge  in 
einer  Privilegierung  der  Juden  in  Bezug  auf  den  Gerichtsstand 
geltend.  Unter  Verleihung  einiger  prozessualer  Vorrechte  ge- 
stattete Herzog  Friedrich  13.  Dezember  1380  den  Juden  nur 
vor  seinem  Hofmeister,  oder  wohin  er  das  Recht  schaffe,  Recht 

dchain  Lantgcriht  umb  dchainer  hand  sache  geladen  oder  gedingen  mack,  a 
8i  dann  umb  aigcn  oder  umb  Lehen,  daz  in  der  Qrafscheft  onerhalb  der 
Stat  lit;  ez  si  dann  daz  man  dem  auzman  in  der  Stat  geriht  verziehe  und 
daz  bringen  mag  (Gen gl  er,  Stadtrechte  S.295\  vgl  noch  Münchner  Stadt- 
recht a.  402  (Au er  S.  154).  Dies  Privileg  wurde  noch  eingerftamt  1274 
Dingolfing  (6  e  n  gl  e  r,  Codex  I,  p.  77B  t),  Landshutl  279,  1841  (R  o 8  o  nth al 
S.  85\  Deggendorf  1316,  Amberg  1325,  Cham  134J  (Qengler,  Codex  I, 
p.  729,  35,  483),  Öttingen  1340  iReg.  Bav.  VII,  p.  289). 

1)  iStobbe,  Grundsätze  der  deutschen  Rechtsquellen  Aber  donGerichti- 
stand,  in  Jahrb.  d.  gem.  deutschen  Rechts  I,  S.  450. 

2)  Die  L.  Fr.  II  a.  18,  19  ^27)  ordnet  an,  dafi  eine  auswärts  dclinqmerende 
bekannte  und  wohlan«^'csc88ene  Person  am  Thatort  nur  abgeurteilt  werden 
darfe,  nachdem  der  Richter  des  Domizils  um  Auslieferung  angegangen  worden 
ist  Behauptet  der  Delinquent  seine  Unschuld,  so  hat  er  sie  binnen  Jahreafrist 
darzuthun,  nachdem  er  das  Recht  verbargt  Für  Stftdte  und  M&rkte  foDten 
diese  Vorschriften  nur  insoweit  Geltung  haben,  als  bei  ihnen  nicht  ein  andrea 
Herkommen  bestände.    Vgl.  Rosenthal  S.  86. 

3^  Gotthclf,  Histor.dogmat  Darstellung  der  rechtlichen  Stellang  der 
Juden  in  Baiem.  München  1851.   S.  38. 

4^  Es  ist  auch  unser  statrccht^  swaz  ein  jud  mit  einem  Christen  in  der 
stat  zo  schaffen  hat,  darum  sol  er  recht  nemen  vor  unserm  richter  an  der 
schrann  und  nindert  anderswo  —  das  bezeichnet  ein  Eintrag  im  Landshnter 
Stadtbuch  aus  dem  14.  Jahrhundert  als  altes  städtisches  Herkommen.  YgL 
Kosenthai  S.  87,  198. 

5)  Ende  des  12.  Jahrhunderts  besauen  die  bairischen  Herxuge  schon  daa 
Judenschutirecht    Vgl.  < ;  o  1 1  h  e  1  f  S.  23. 


—    161    — 

zu  nehmen^).  So  stand  es  also  im  Belieben  der  jüdischen 
Prozeßparteif  das  Stadtgericht  abzulehnen  und  sich  der  Ab- 
urteilung durch  das  herzogliche  Hofgericht  .  oder  desjenigen 
Gerichts,  an  welches  der  Herzog  den  Rechtsstreit  zur  Ent- 
schedung  verweisen  würde,  zu  unterwerfen.  Für  Rechtsstreitig- 
keiten der  Juden  unter  sich  war,  was  für  Oberbaiem  durch 
eine  Urkunde  K.  Ludwigs  1315  •),  welche  den  Juden  in 
seinen  Landen  die  Rechte  der  Juden  von  Augsburg  ^ )  einräiunte, 
bezeugt  wird,  der  Judenmeister  *)  der  zuständige  Richter.  Dieses 
Rechtes  schiedsrichterlicher*)  Entscheidung  erfreuten  sich  die 
Juden  schon  im  fränkischen  Reiche^). 

Der  Jurisdiktion  des  Stadtgerichts  waren  auch  unterstellt 
die  innerhalb  des  Burgfriedens  sich  aufhaltenden  Fremden, 
und  zwar  sowohl  als  Kläger  wie  als  Beklagte^),  besonders 
wenn  ein  Bürger  dem  Gast  gerichtlich  Arrest  anlegen  läßt. 
Dem  Fremden  wurde  beschleunigte  Rechtshülfe®),  namentlich 
in  Abkürzung  der  Termine  bestehend,  gewährt  im  Interesse 
eines  ungehinderten  Fremdenverkehrs,  damit  der  Gast  am 
nächsten  Tag  seiner  Tagwaid  (=  Tagreise)  nicht  versäumt  sei. 
In  München  wurde  sogar  dem  Stellvertreter  des  Oberrichters, 

1)  B.  B.  IX,  p.  64.  Dieses  Privileg  wurde  bestätigt  durch  Herzog  Hein- 
rich am  a  Januar  1417  (ibid.  XII,  p.  S43). 

2)  M.  B.  XXXY,  %  p  46.  1316  erteilt  E.  Ludwig  den  Ingolstadter  Juden 
die  Bechte  der  Juden  von  Augsburg.    Vgl  Ostermaier  I,  S.  6. 

3)  Vgl  Stobbe,  Die  Juden  in  Deutschland  während  des  Mittelalters. 
Braunschweig  1866.  S.  144  t  Das  gemischte,  aus  Christen  und  Juden  be- 
stehende Gericht  fOr  Streitigkeiten  zwischen  Juden  und  Christen  wurde  1436 
anigehoben. 

4)  Chr.  Meyer,  Stadtbuch  von  Augsburg  S.  53,  56  a.  19  §  1,  3,  7. 

5)  B  runner,  Bechtsgeschichte  I,  S.  275,  weist  darauf  hin,  dafi  sich  die 
rechtliche  Behandlung  der  Juden  in  der  fränkischen  Monarchie  an  die  Zu- 
stände des  römischen  Beichs  angeschlossen  habe. 

6)  Ober  Begensburg  YgL  S.  187  £ 

7)  Der  Gast  konnte  Ortsfremder  (Inländer)  oder  Ausländer  sein.  Auch 
Klagen  eines  (Bastes  gegen  den  andern  konnten  vor  dem  Gastrichter  geltend 
gemacht  werden.  Vgl  Stoizner,  Das  Gastrecht  der  Hauptstadt  München. 
1784.  S.  26  l  Nach  Buprecht  v.  Freysing  n  c  69  (Maurer  &  309  f£),  der 
sehr  ausfOhrlich  hier  vom  Gastrechte  handelt,  war  dies  nur  zulässig,  wenn 
dem  einen  Gaste  daheim  das  Becht  verweigert  ward. 

8)  Mtlnchner  Stadtr.  (Auer)  a.  15,  60,  260  (294)  und  395;  Ldr.  a.  297; 
Landshut  (Bosenthal  S.  188,  AnL  VII  n.  1),  Deggendorf  1316  a.  35 
(Oengler,  Cod.  I,  S.  730). 

Rofenthal,  Geschichte  d.  Oerlchtiw.  a.  d.  Venr.*Orc.  Balernt.  I.  ^\ 


-    1C2    - 

dem  Uiiterrichter  das  Gastrici] t«raiiit  besonders  üluTtragen, 
welcher  allwöchentlicli  am  Mittwoch  Gastgcriclitsüitzung  abluUten 
QiuQte  ')'  Dm  Berufung  gegen  das  Urteil  des  Gastrichters  ging 
ZDtD  Hofrat  *).  Wie  in  München  hielt  auch  in  Ingolstadt 
der  Unterrichter  jeden  Mittwoch  Gastrecht'),  In  Rain*) 
war  die  Beschleunigung  der  Rechtshfllfe  fllr  Gäste  durch  die 
Anordnung  gesichert ,  daß ,  falls  der  Vogt  nicht  zu  !iabi>D 
sei,  der  Battcl  statt  seiner  den  Gast  richten  solle,  als  Gastet 
Recht  sei. 

Von  den  Einwohnern  der  Städte  waren  von  der  stAdtischen 
GerichtBgewalt  eximiert*)  das  herzogliche  Hofgesinde,  die  Hwf- 
schutzvcrwandten ' )  und  die  hüheren  Beamten  (lUte,  Secretäre  etc. 
nebst  Ehefrauen  und  Witwen],  während  die  fürstlichen  Kanzlisien, 
Advokaten,  Prokuratoren,  Stuhlscbreiber  etc.  nur  in  Bezug  auf 
ihre  Amtsdienste  exiniicrl  waren,  rerner  erstreckte  sich  die 
Exemtion  auch  auf  die  Geistlichen,  aber  nur  soweit  diese  der 
kirchlichen  Jurisdiktion  unterstellt  waren ' ). 

Kehren  wir  nun  zur  Besetzung  des  Stadtgerichts  zurflck, 
so  interessiert  uns  vor  allem  der  Unterrichter,  welcher  uns  in 
MflDCbon  und  Ingolstadt  bereits  in  seiner  Fnoktiou  als  Gast- 
richler  begegnet  ist.  Der  Uuterrichtcr*)  erscheint  als  Stell- 
vertreter des  Sladtrichters,  der  nicht  melir  im  Stande  war, 
mannigfaltigen  richterlichen  Geschäfte  persönlich  zu  besorgen, 

1}  Wehtier  S.  61 
3)  Stoiiner  a  17. 

3)  Oeiitner  8.  311. 

4)  1332  §  6  (Lori,  Lechnin  H,  S.  SU 

5)  Fehlt  ea  >acb  tii  di«  frnbere  Zeit  an  ntkandlich^n  Beleg<w  fllr  i 
EiemtiDii,  lo  kuui  doch  an  deren  Bditeoi   nicht  getwoifolt  wardea, 
Joriidiktioii  de*  Hafmeüten  and  Hoftnanch&Ui   ab«r   du  Uofgwiiida  ■ 
eine  lehr  alt«  uL    Zu  einer  Auäeiebnnng  kam  ei  ent,  als  lUa 
Kompetenikonfläta  sine  feste  QmndUge  all  wanichnnawert  onchelnaB  U 
So  (andeD  in  Manchen   die  Streitigkeiten   dnrch  dun  vogettanntaa  l 
lebeD  R«wB  1G61  ihren  AbicUul  (Wehner   S.  tiT  t).    In  ■ 
L  R  Landikut  and  Stnabing,  worden  bei  du  Obortragoiig  ( 
JnnedOrtionagmralt  anf  die  Btftdt  1001    nnd  tOOS  ancb  die  m 
MDBokategorien  nrkindlich  Odart  (Boientbkl  a79,3aG). 

6)  Amn.  ad  cod.  dr.  pari  V  c.  37  g  23. 

7)  Vgl  ».  «  t 

8)  In  MfluheD   wabncbelntiah   au   dem  Ante  dai   Oeriebta 
benorgegangeu.    Vgl  Wehnai  S.  16. 


-    163    — 

seit  dem  Anfange  des  15.  Jahrhunderts  * ).  Bald  nach  dem 
Auftreten  dieses  Stellvertreters  und  wohl  infolge  desselben 
nimmt  der  Stadtrichter  den  Titel  eines  Stadtoberrichters*)  an. 
Erwählt  wird  der  ünterrichter  durch  den  Oberrichter  und  den 
Stadtrat  gemeinschaftlich  ^) ;  er  wird  auf  die  Wahrung  der 
Rechte  des  Landesfürsten  und  der  Stadt,  sowie  auf  Gehorsam 
g^en  den  Stadtoberrichter  vereidigt.  Seine  Hauptfunktion 
bildet  der  Vorsitz  im  Stadtgericht  *)  an  Stelle  des  Oberrichters 
und  die  regelmäßige  Abhaltung  der  Gastgerichtssitzungen. 

Der  Gerichtsschreiber  im  Stadtgericht  ist  in  Oberbaiem 
seit  K-  Ludwigs  Gesetzgebung  ein  unentbehrliches  Glied  der 
Gerichtsbesetzung.  In  Niederbaiern  dagegen  begegnet  er  erst 
seit  der  2.  Hälfte  des  15.  Jahrhunderts.  Seine  Funktionen  ent- 
sprechen denen  des  Landgerichtsschreibers  ^).  Häufig  versieht  der 
Stadtschreiber  zugleich  die  Geschäfte  des  Stadtgerichtsschreibers. 

Das  Urteil  wurde  am  Stadtgerichte  wie  im  Landgerichte 
gefunden®)  von  den  anwesenden  Mitgliedern  der  Gerichtsgemeinde. 
Es  war  diese  Funktion  keineswegs  auf  die  Mitglieder  des  Stadt- 
rats beschränkt.  Diese  bildeten  nicht  ein  abgeschlossenes 
Schöffenkollegium.  Zwar  werden  unter  den  Urteilfindem  die 
Mitglieder  des  Rats^)  in  den  Gerichtsbriefen  stets  an  erster 


1)  In  Mfinchen  gegen  1410,  in  Landshut  1422»  in  Straubing  gegen  1390, 
in  Ingolstadt  gegen  1505.  Vgl.  Geiss  (Oberbayr.  Archiv  XXI,  S.  47; 
XXVm,  S.  51,  91;  XXVI,  S.  73). 

2)  In  Landshnt  seit  1458,  in  Mfinchen  and  Ingolstadt  erst  seit  dem  An- 
fange des  16.  Jahrhonderts. 

3)  Vgl  Rosenthal  S.  313. 

4)  Der  Unterrichter  von  Landshnt  wurde  auch  von  der  Regierung  mit 
dem  Blutbann  in  benachbarten  niederbairischen  Landgerichten  belieben.  So 
X.  B.  1584  dem  von  Plapphart  der  Blutbann  in  11  Landgerichten.  Vgl 
Eosentbai  S.  7a 

5)  Vgl  Mfincbner  Stadtr.  a.  259,  270  (Au  e r  S.  100,  104);  Rosenthal 
&  94f;  269  £ 

6)  Vgl  Rosen thal  S.  62  £,  92  £,  257,  268. 

7)  Beispiele:  1362  Eelbeim:  Die  Geschwomen  von  der  Stadt  K  und 
andere  ehrbare  Leute  ein  michel  Teil;  1398  Abensberg:  An  dem  Rechten 
sind  gewesen  die  geschwomen  Bflrger  zu  A.  und  andere  ehrbare  Leute  ein 
michel  Teil ;  1425,  1430  Landsberg :  Bei  dem  Rechten  sind  gewesen  8  Bflrger 
and  andere  ehrbare  Leute  genug;  1441  Reichenhall:  Die  Weisen  des  Rats  5 
nnd  von  der  Gemeinde  1  (M.  B.  XIII,  p.  398,  416;  VII,  p.  201;  XX,  p.  249; 
in,  p.  674). 

11* 


Stelle')  genannt,  ulicr  es  wird  regelmäßig  binzugosetzt  nUiid 
andere  ehrbare  Leute  genug". 

Mit  der  Einführung  des  Ludwigschen  Stadtrticlits  wird  auch 
die  Aufgabe  des  Stadtrichters  in  dessen  Geltungsgebiet  eine 
andere.  Wie  der  Landrichter  ist  jetzt  der  Stadtrichter  nur 
ein  Frager  des  Rechts,  deun  er  und  nicht  die  Gerieb tebeisitzer 
entficbeideo  den  Rechtsstreit  nach  Maligabe  des  Inhalts  des 
Stadtrechts.  War  dieser  dunkel  oder  bot  das  Stadtrecht  kein« 
EntscheiduDgsnorm  dar,  so  hatte  entweder  der  Richter  die 
Meinung  des  Stadtrats  zu  erholen,  der  in  diesem  Falle  die  Eul- 
Bcheidung  fällte  *),  oder  der  Richter  hatte  die  5  Besten  au  der 
Scbranue  zu  fragen  ')  auf  ihren  Eid,  was  sie  recht  daruai  dünke  • ). 
Nur  wenn  diese  5  sich  nicht  einigeu  konnten,  erwuchs  der  Rechts- 
streit zur  Entscheidung  an  das  Hofgericht 

Da,  wo  das  Ludwigsche  Stadtrecht  nicht  Geltung  erlangte  *\ 
blieb  die  Thätigkeit  der  Beisitzer  im  Stadtgericht  unvcrAndert 
die  alte.  Der  Richter,  welcher  einen  der  Beisitzer  um  du 
Drtcil  fragte,  sollte  sich  mit  der  Urteilsfrage  nicht  nur  au  den 
Kämmerer,  Bürgermeister  oder  Redner  wenden,  sondern  nach 
seinem  GutdQnkcu  auch  unter  den  Übrigen  Beisitzeni  zuerst 
Umfrage  halten.  Der  um  das  Urteil  Befragte  bespricht  »cb 
mit  den  andern  Beisitzern.  Wurde  keine  Übereinstimnmng 
erzielt,  so  ward  das  Urteil  der  Mehrheit  und  der  UrteOs- 
Torschlag  der  Minderheit  aufgezeichnet,  damit  bei  einer  Be- 
rufung beide  Anschauungen  dem  Üofgoricht  vot^egt  wenleo 
konnten*). 


1}  Id  der  SUdb-  tmd  MarktgerichbordDang  UDiaricba  d.  B.  hetftt  m:  So 
■lüleQ  iJle  biuget  io  rtcten  und  rairktaD,  wuui  recht  ««in  u>l\,  AudciUchca 
IB  dem  T»cht«D  gen  und  tuoder  der  nl«  iRotcDthal  S.  SM  n.  101. 

3)  So  inMOncbeit.  Vgl  WefaDDraSS  (Sudtnebt  •.  308;  A  b a r  8.  llfl). 
8)  So  in  lugolitudt  und  Nenitadt;  wenigitow  finden  lish  in  4a  anf 

diM«  8udtc  Uat«nden  lUodichiiften  die  ton  Anar  (•.  419.  tSlt  inUmBA 
d«m  HOncluier  Stadtrecht  mgawiMeam  Bwtlinniiuigtai.  Vgl  r.  dPfoidloa 
8.818. 

4)  Siel»  8.  76  £ 

^  In  Ftiodberg  twtten  bei  den  BecbtMtcbes,  di«  u  Ltib  bdJ  Bm 


0  uiweeenden  Biad«rlenl«,  tonit  ov  6  oder  ^ 
nH^iedn.  du  Urteil  in  Uoden  (Prir.  1388  g  6  bei  *.  d.  I'foidton  S.H4)w 
6)  SUdt-  and  MuktgericliUordniuig  ilonog  Hcinrichi   (Baeaatbal 
S.  «n,  UX  u.  2,  i  8). 


—    165    — 

Für  Ladungen  und  Exekutionshandlungen  waren  auch  dem 
Stadtgerichte  ein  oder  mehrere  Fronboten  ^)  beigegeben,  deren 
Wirkungskreis ')  sich  im  allgemeinen  mit  dem  des  landgericht- 
lichen Schergen^)  deckt*).  Richtersknechte  waren  zu  ihrer 
Unterstützung  bestellt,  während  Gerichtsboten  dem  Publikum 
zur  Verschickung  nach  auswärts  in  allen  Kechtsangelegcnheiten 
zur  Verfügung  standen.  Der  Fronbote  verpflichtete  sich  beim 
Dienstantritte  eidlich  sowohl  dem  Stadtrate,  als  dem  Stadt- 
richter zum  Gehorsam. 

Ein  besonderes  städtisches  Vollstreckungsorgan  war  der 
P&nder.  Die  Städte  hatten  das  Privileg  erlangt,  unter  gewissen 
Voraussetzungen'^)  wegen  Forderungen  der  Stadtgemeinde  oder  der 
Bürger  deren  auswärtige  Schuldner^)  zuerst  nur  in  einzelnen  Ge- 
richten, dann  im  ganzen  Gebiet  des  Herzogtums  mit  alleiniger 
Ausnahme  der  Städte  und  Märkte  pfänden  zu  lassen^).    Diese 

1)  Anch  Scherge,  Büttel,  apparitor,  preco,  Amtmann  genannt 

2)  YgL  Stadtrecbt  (Auer)  a.  4^  14,  174^  88,  89,  267;  Rosonthal 
S.  95  ff,  270  £ 

3)  Vgl  S.  79  ff.  Nur  wurde  der  Fronbote  in  den  Städten  yielfach  als 
polizeiliches  YoUzngsorgan  verwendet  YgL  z.  B.  die  Dienstesinstraktion  ftlr 
den  Stadtamtmann  von  Bnrghaosen  1577  (Haber  S.  203  £),  der  neben  den 
Bichtersknechten  den  Markt  zn  beanfsicbtigen,  die  Beobachtung  der  Yor- 
schriften  seitens  der  Metzger,  Fragner  zu  überwachen,  die  an  Fasttagen 
Fleisch  Essenden,  die  während  des  sonntäglichen  Gottesdienstes  Speisen  and 
Getränke  Yerabreichenden  and  die  Flachenden  and  Scheltenden  anzuzeigen 
hatte.  YgL  aach  Traansteiner  StadtO.  1375  (Westenriedor,  Glossarium 
Gennanico-Latin.  Monachii  1816.  p.  XXYI,  XXIX). 

4)  Daä  der  Fronbote  an  SteUe  des  Richters  richterliche  Funktionen 
ausübt,  wie  der  Büttel  in  Rain  bei  Yerhinderung  des  Unterrichters  Gastrecfat 
besitzt,  gebort  zu  den  Ausnahmen.  In  Landshut  konnte  der  Scherge  den 
abwesenden  Richter  bei  Yomahme  von  Immobiliairerpf&ndungen  vertreten 
(Bosenthal  S.  70). 

5)  Yorhergängige  Mahnung  des  Gläubigers  unter  Androhung  der  Pfän- 
dung nach  14  Tagen. 

6)  Landshut  1279  §  2,  München  1294  §  19,  Rain  1363  das  Privfleg 
einen  PfiUider  zu  haben  in  aller  Maß  und  Weiz  als  die  von  München  (Lori, 
Lechrain  S.  66),  ebenso  Eufistein  1339  (v.  dPfordten  &  239),  Straubing 
1307  als  altes  Herkommen  bestätigt,  Ingolstadt  1471  bestätigt  Noch  andre 
Städte  führt  an  v.  d.  Pfordten  S.  174. 

7)  Für  München  1345  auf  das  Yitztumamt  München  ausgedehnt,  nach 
einer  Ratsordnung  von  1540  auf  Ober-  und  Niederbaiem  erstreckt  (W ebner 
8.  81).  Landshut  erteilte  K  Ludwig  die  Freiheit  daz  si  mit  irem  fironboten 
nmb  ir  gelt  und  schulde  pfenden  sülln  und  mügen  als  veno  und  als  weit 


rfimduiiguD  hattäD  diu  Pfänder  auf  Ersuchen  der  Parteien  gc^seo  ] 
L'iiUprochendc  Gebülircn  vontunehiutiD ,  ttiußtun  aber  die  Gc-  [ 
nuhniignug  des  Bürgcrnieislers  zur  Vornalimc  dieser  Amts-  j 
handlung  eiuholeu  '). 

Den  Reigen  des  gericbtliclieD  UUlfepcTSonals  schlieüt  der  1 
Züchtiger  oder  Nachrichter,  der,  wiu  unten  gezeigt  wunic*),  ] 
von  der  Stadt  aus  •)  zur  Vollziehung  von  Todes-  und  Leil)C3-  1 
strafcii ' )  in  die  benachbarten  Landgerichtsbezirke  requiriert  j 
wurde.  FQr  Amtshandltmgcn  in  der  Stadt  bezog  er  aus  der  1 
Stadtkasse  die  festgesetzte  Gebühr. 

Die  Vorsprecher,  deren  Wirkungskreis  vrir  schon  hei  Er- 
örterung dieses  Instituts ')  kennen  lernten,  standen  im  stftdti- 
Bchen  Dienste  "),  d.  h.  sie  wurden  vuiu  Stadtrate  üraannt')  und 
bezogen  neben  dem  von  der  vcrboistandcten  Partei  bexogei 
Honorar  eine  fixe  Besoldung  aus  der  Stadtkasse.    Sie  uutur-  1 
Stauden  der  Disziplin   des  Stadtrats   und  Uire  Stellung  wurde] 
durch  autonome  Satzungen  geregelt,  die  sich  namentlich  aucltl 
auf  Festsetzung  des  Honorars  für  die  einzelnen  Dienstleistungen  »jT 
erstreckte.    Wenn  auch  die  Versprecher  für  die  Vertretung  der! 


uuer  henctaan  le  üaym  ist  (Kosenthil  S.  128).    In  Ludihnt  |ib  m 
■Im  keinen  bMoadem  PKnder. 

1)  So  Stnabing  (rgl.  aber  SUdtrecbt  [Aaer]  ft.  301),  wo  uich  tia  tTBl«k..J 
b&afel  tiFitellt  vu  im  Hitwirknng  lei  Vergutnog  ton  Inunobilicn  nnd  Frt  | 
bietong  roa  Hobilürpflndem. 

2)  Undger.  &  84. 
8)  Nscb  der  nioderbtdriicben  LO.  1474  Nieo  Xtchiicbtn  fn  I 

IitfColttAdt  and  Bargbttnsen,    Die  OcbSbren,  wolcbe  or  fDr  Volliiefaanc  • 
lUnriditiing,  OhreaabBchoeideii,  AngeiuiiebrecheD,  Biennen  dnrrb  die  S 
ond  Backen,  lovie  Rtr  Antitreicben  n  beMupracbeo   haU«,  «rbOht«  Mw^ 
«enn  er  aaleilitlb  des  AmtMttiei  thfitig  wurde;   »nterdem  bei^  «r  Ana 
nocb  ZehranK  (Krenner  VII,  S.  493  t). 

4)  Aneh  die  VoUziebiiiig  dei  Scbaldbaft  lag  Um  ob  (Stadtnekt  l  10, 
Aner).  Dann  war  flun  aach  die  Ao&icbt  Aber  da*  Pnnoabua  ftb«Ttn(iB 
X.  B.  in  Landtbnt 

6)  S.  84. 

6}  Ober  die  ünt«ncbeidtuig  von  PanprAclMni,  Rodnera,  Foriegvm  nd 
Beratern,  eowje   über  die  saufDbrlicho  Ileglsng   der  l 
Vonprecher  in  Landihat  igL  Buientbal  S.  09  IE 

7j  Ancb  vom  Iticbter,  aber  nur  mit  OeDehmigaDg  dea  Bat*.  ^ 
fDr  Ingobtadt  1313  beiütlrrmaiorni.  &66. 

5)  Btadtnebt  (An et)  a.  414-417,  welche  die  6llher  I 
•atgaltUtUMlt  (4.  273)  ufbeben. 


"f^l 


—    167    - 

Parteien  vor  dem  Stadtgerichte  resp.  vor  dem  Stadtrate  bestellt 
waren,  so  war  es  ihnen  doch  gestattet,  auch  auswärts  Partei- 
verbeistandungen  zu  übernehmen.  Den  Interessen  der  Bürger 
zu  dienen  war  ihre  vornehmste  Aufgabe,  und  darum  war  es 
ihnen  auch  untersagt,  vor  einem  auswärtigen  Gerichte  die  Ver- 
tretung eines  Fremden  gegen  einen  Bürger  ihrer  Stadt  zu  über- 
nehmen *).  Auch  die  Beiziehung  eines  auswärtigen  Vorsprechers 
war  zulässig,  aber  nicht  in  Prozessen,  in  welchen  beide  Parteien 
Bürger  waren*). 

• 

Der  Stadtrat. 

Neben  und  über  dem  Stadtgerichte  war  auch  der  Stadtrat 
als  gerichtliches  Organ  thätig.  Der  Darstellung  dieser  Funktion 
des  Stadtrats  sei  eine  kurze  Skizze  der  Ratsverfassung  bairi- 
scher  Städte  vorausgeschickt. 

Die  Thatsache  der  fürstlichen  Gründung  der  bairischen 
Städte  enthebt  uns  einer  Untersuchung  über  die  Entwicklung 
des  Rats  in  denselben.  Wie  andere  Institute  wurde  auch  das 
des  Stadtrats,  welcher  sich  in  andern  freien  und  bischöflichen 
Städten  erst  in  langsamer  Entwicklung,  oft  im  Kampfe  mit 
widerstreitenden  historischen  Mächten  hatte  herausbilden  müssen, 
alsb^d  als  ein  fertiges  Gebilde  in  das  Rechtsfundament  der  neu- 
gegründeten Stadt  eingefügt').  Nach  dem  Vorbilde  älterer 
Städte  schufen  die  bairischen  Herzoge  bald  nach  der  Gründung 
der  Städte  den  Rat,  als  ein  zur  Selbstverwaltung  der  Stadt  aus 
Bürgern  gebildetes  Organ,  das  Hauptinstitut  der  städtischen 
Verfassung. 

Der  Zeitpunkt  der  Einsetzung  des  Rats  läßt  sich  nicht 
genau  bestimmen,  da  er  gewöhnlich  schon  lange  existierte,  ehe 

1)  So  z.  B.  in  Straubiog. 

2)  Niederbairiscbe  Stadt-  und  Marktgerichtsordnimg  (BoaenthalS. 202, 
Anh.  XIX  n.  1). 

3)  YgL  Rosentbal  S.  12. 

4)  In  kleioeren  Städten  kommt  der  Rat  unter  der  Bezeichnung  die  Ge- 
■cbworenen  („die  gescbworenen  Borger*'»  die  „Geschworenen  der  Stadt**,  die 
„Geschworenen  des  Rats**)  vor,  z.B.  M.B.  Xm,  p.  416,  398,  43a  Die^e 
Bezeicbnong  findet  sich  vorzugsweise  im  bairiscb- Österreichischen  nnd  im 
schwäbischen  Gebiete.  YgL  v.  Below,  Die  Entstehung  der  deutschen 
Stadtgemeinde.   Püsseldorf  1889.   S.  94. 


—     168    — 

seines  Daseins  in  den  Stadtrechtsprivilegien  urkundUch  Er- 
Nvähnung  geschieht.  Die  Zahl  der  Mitglieder  des  Stadtrats  ist 
in  den  einzelnen  Städten  eine  verschiedene ;  gewöhnlich  sind  es 
12^9  doch  kommen  auch  Stadtratskollegien  von  10'),  8')  und 
6*)  Mitgliedern  vor,  während  in  Märkten  die  Mitgliedschaft  auf  4 
beschränkt  ist^). 

Im  Laufe  des  14.  bezw.  am  Anfange  des  15.  Jahrhunderts 
tritt  zum  Rate,  der  fortan  der  innere  Rat  genannt  wird,  ein 
2.  Kollegium,  der  äußere  Rat,  hinzu®).  Seine  Errichtung  geht 
aus  dem  Bedürfnisse  nach  einem  Vertretungsorgane  der  Ge- 
meinde hervor,  damit  in  solchen  Fragen,  wo  bisher  der  schwer- 
fällige Apparat  der  Gemeindeversammlung  in  Bewegung  gesetzt 
werden  mußt«,  künftig  in  vielen  Angelegenheiten  nur  ein  Gemeinde- 
ausschuß vom  Rate  beigezogen  werden  konnte  ^).  Im  allgemeinen 
dürfte  analog  dem  heutigen  Dualismus  imsrer  städtischen  Kol- 
legien (Magistrat  und  Kollegium  der  Gemeindebevollmächtigten) 
der  äußere  Rat  mehr  als  beratendes  imd  kontrollierendes,  als 
das  die  Gesamtgemeinde  vertretende  Organ  fungiert,  der  innere 
Rat  dagegen  als  die  mit  obrigkeitlichem  Charakter  bekleidete 
Gemeindebehörde  die  eigentliche  Stadtverwaltung,  das  ganze 
Stadtregiment   geführt   haben  ^),   wenn   auch  die  Kompetenz^ 


1)  12  (provisores)  rectores  civitatis  kommen  vor  in  Landshnt  ^(1256^ 
1279),  München  (Priv.  1294  §  1,  3,  5,  6,  7,  Gengier,  Stadtrechte  &294X 
Borghausen  (1307  §  4^  Qengler,  Codex  S.  450). 

2)  10  oder  12  in  Ingolstadt  (Rockinger  in  d.  Bavaria.  München  1800. 
I,  S.  796). 

3)  8—10  in  Amberg  (1294  §  22,  Qengler,  Codex  I,  S.  34),  8  in  Strau- 
bing, Wasserburg. 

4)  6  in  Traunstein  (1510,  Wagner,  Qetchicbte  der  Stadt  Tnumitdn, 
im  Oborbayr.  Archiv  XIX,  S.  193) ;  femer  in  Abensberg,  Nonstadt^  Friedberg; 
Kain,  Eelbeim. 

5)  z.  B.  Markt  Eotzing  1344  (M.  B.  I.  p.  447). 

6)  In  München  seit  1318,  und  zwar  aus  24^  in  Landshnt^  StnobioA 
Ingolstadt,  Eelbeim,  Wasserburg  aus  12  Mitgliedern,  in  Rain  ras  8  beftehend. 

7)  So  besagt  das  Straubinger  Stadtbucb:  die  vom  innem  rat  (•ollen) 
12  aus  der  gcmain  zu  ainen  aufiem  rat  .  .  wclen  .  .,  die  von  einer  ganaiB 
wegen  bei  in  sitzen  umb  des  willen,  das  man  nit  albeg  ein  gemain  beddif 
vordem  (K  o  s  e  n  t  b  a  I  S.  228) 

8)  S  oydol  a.  a.  0.  III,  S.  158,  IGl,  unterscheidet  für  das  hentig«  Redrt 
Gemeindebehörden  (Bürgermeister  und  Magistrat)  als  die  für  die  GemeiDde 
mit  Uecbtswirkung  nach  aufion  thätig  werdenden  Organe  nnd  Geiiieiiidi»> 


—    169    — 

abgrenzung  sich  nicht  scharf  auf  dieser  Linie  fortbewegte,  in- 
dem es  dem  äußern  Bat  allmählich  gelang,  auch  auf  die  Ver- 
waltungsgeschäfte  aktiven  Einfluß  zu  gewinnen.  Auch  nach  der 
Errichtung  des  äußern  Rats  blieb  eine  beschränkte  Teilnahme 
der  Gemeinde,  besonders  bei  Erlassung  autonomischer  Satzungen 
und  bei  Wahlen  zu  städtischen  Ämtern  erhalten.  Nicht  das 
Plenum  der  Bürger,  sondern  nur  ein  großer  Teil  derselben, 
80—  300,  bildeten  die  Gemein,  in  welcher  namentlich  die  Zunft- 
genossen ^)  ihren  Einfluß  bethätigten. 

In  kleineren  Städten,  wo  das  Bedürfnis  nach  einem  2.  Bats- 
kollegium  nicht  vorlag,  blieb  es  bei  dem  Erfordernis  der  Ein- 
berufung der  ganzen  Gemeinde  bei  allen  wichtigen  Angelegen- 
heiten. Da  aber  die  Häufigkeit  solcher  Gemeindeversammlungen 
der  Eintracht  in  der  Gemeinde  nicht  förderlich  war,  ließ  man  auch 
hier  8  Verordnete  aus  der  Gemeinde  durch  den  Bat  wählen,  welche 
die  Funktion  der  bisherigen  Gemeindeversammlung  übernahm. 
Die  Stellung  und  der  Wirkungskreis  dieser  Verordneten  ent- 
spricht dem  des  äußern  Bat s,  wenn  auch  dessen  Name  fehlt'). 


▼ertretong  (Gemeindebevollmächtigten),  das  Organ,  welches,  ohne  nach  aofion 
för  die  Gemeinde  zn  handeln,  den  Gemeindebehörden  beschränkend  hin- 
zütntL 

1)  In  Mflnehen  bestand  ein  „großer  Bat*'  ans  300  Bürgern.  Durch  den 
die  inneren  Kämpfe  abschließenden  sogenannten  Wahlbrief  von  1403  wurden 
die  Angelegenheiten  fixiert,  zu  deren  Beratung  eine  Gemeindeversammlong 
einberofen  werden  maßte.  Vgl  Bockinger  in  d.  Bavaria  I,  S.  660  f., 
761,  763.  In  Landshut  werden  vorübergehend  die  Zflnfte  als  besonderes 
Organ  angeführt,  z.B.  1403  waren  meine  herren  inner  und  außer  rat,  die 
xünft,  darzn  die  wägsten  und  die  pesten  200  man  pey  einander;  zur  gemain 
worden  2—300,  seit  1410  nur  100  Bürger  berufen  (Bosenthal  S.  55  f). 
In  Ingolstadt  wurde  die  Zahl  der  Geschworenen  1403  auf  80  festgesetzt^  „die 
dem  Bath  hilflich  und  gerathen  seyn  sollen  in  allen  Sachen,  wo  dem  Bath 
Koth  geschieht  und  auch  den  äußern  Bath  zu  wählen  hatten*'.  Niemand 
durfte  zu  diesen  80  gewählt  werden,  der  nicht  mindestens  ^/^  Pfd.  A,  von 
seinem  Erb  und  Eigen  Steuer  entrichtete  (Gerstner,  Geschichte  der  Stadt 
Ingolstadt  S.  70). 

2)  In  einer  Verordnung  Wilhelms  lY.  für  Abensberg  und  Neustadt  1513 
(Kr.  A.  M.  Cassawesen  F  ^/,g  der  Städte  und  Märkte):  und  nachdem  .  .  . 
unser  stat  A.  und  N.  an  in  selbs  nit  gros  sind  und  aine  klaine  burgerschaft 
da  ist,  deshalb  bei  ine  kain  außer  rat  bisher  gewest^  sonder  anstat  des  äußern 
rats  ist  durch  si  albeg  ain  gemain  erfordert  worden,  und  wann  aber  in  den 
steten  und  markten  vil  gemain  zehalten  und  die  oft  zu  beruefen  aus  yil  Ur- 
sachen Bchedlich  und  swer  ist^  auf  das  vil  zwitracht^  aufiruer  und  unainigkait 


Au  der  Spitze  des  stildtischen  GemeinweseDS  stand 
lieh  der  Stadtrichter,  welcher  mit  Vcrwaltungsbefugnisseo 
t;estiittet  war.  lUchler,  Rat  und  Gcmeimle  werden  in  den  Vr^ 
künden  häufig  a]s  handelnde  Sulijekto  aufgeführt,  doch  war  der 
Richter  keineswegs  Mitglied  des  Stadtrats  ').  Einen  Fortjichrttt 
in  der  Entwicklung  der  BtJUltischea  Verfassung  bekundete  die 
Ausbildung  uiues  Stadtvurstandes ,  der,  aus  dem  Rate  heraus 
gewachsen,  an  dessen  Spitze  trat.  Ursprünglich  war  ilies  der 
Kämmerer  und  8i>ftter  der  Bflrgermeister.  Damit  hatte  die 
Stadtgemeinde  aus  ihrer  Mitte  ein  Uaupt  ihrer  Genossenachaft 
geschaffen.  Erst  mit  der  Zurückdrängung  des  Richters  aua  dem 
Stadtrogiment,  erst  wenn  or  auf  die  gcricbtlicbe  Thätigkeit  be- 
schränkt wird  und  der  üürgcnueister  nh  Vorstand  des  StadtraU 
auftritt,  crschciut  die  Stadt  als  ein  vollständig  abgeschiosseoer 
bürgerlicher  Verband*). 

I>er  Bürgermeister  ')  war,  wie  früher  der  mit  Erhebung  aal 
Verrechnung  der  Einkltufte,  überhaupt  mit  Führung  der  sUdti- 
sehen  Wirtschaft  betraute  Kämmerer,  nur  ein  primus  inter  pares. 
Gewöhnlich  dem  inneni  Kate  entnommen,  war  ihm  der  Vorsits 
und  die  Leitung  der  Ratsgeschilftc,  sowie  die  Überwachung  der 

■wUcbni  nt  nnd  geinaiii  daraiu  entot«t,  Bolhi  lafnrkomen  und  du  daaiwd 
ftiner  genuin  Dolhirft  *n  ainich  zuumfordeniDK  gauer  genwiD  tod  liatm 
nt«  gehftndlt  betracht  werden  mOg,  »o  ordDco  a&d  Mtiea  wtr  Uunit  iwv 
nnd  wellen,  dai  die  6  dee  indem  nU,  lo  si  beiUt  find,  Terer  E 
erbor  butga  aiu  der  genuin  erluMen  nnd  welen  lallen,  dia  irw 
TentradiKisteti  nnd  taKÜchiatea  MJea  —  L'od  *o  aln  gemaia  kbo 
hkt,  »l«ii«nii  rollen  «in  genuin  den  Bellt  penonen  ko  irar  etet 
nuelit  tmd  gewkit  geben,  klao  wo  uu  rat  dieeelben  8  *oo  ' 
msin  n  in«  erfordern,  du  m  aUdsnn  von  gmtei  geniain  i 
jede«  danelb  jar  hiniunb  helfen,  handln  und  beBlüSen,  du  n 
dar  hemchaft  und  geraaiocr  itat  dient,  in  aller  mal  wie  iu 
nraanwlt«  gemein  am  billicheit  tbon  tollten  oder  nachten, 
wnrde  ISID  die  Gemetndetataainiiilnng  abgeachafll  und  alt  BiMle> 
achiJ  *0D  8  Borgern  beetellt  (Fi  ich  er,  Topop.  QeMhichte  im  " 
im  OIwrb.  ArohiT  XIX,  a  68), 

11  Xaeh  dem  Bndolflnnra  13M  §  3  durfte  der  äUdtiJGht«r  fei 
an  den  Sitnngen  det  Stadtrat*  nvr  («ilnehmen,  wenn   ar 
aufgefordert  wurde. 

2)  Vgl  Giarke  II.  ä.  59it- 

S)  Gegen  Ende  des   16.  und  Anfang  de»    Vi.  Jahrlintiderta 
Bfllgomeiiteramt  in  Daiern  anl 


—    171    — 

Vollziehung  derselben  übertragen.  Die  Zahl  der  Bürgermeister 
wechselte.  In  München  z.  B.  führte  jeder  der  12  innem  Räte 
io  einem  Monat  das  Bürgermeisteramt,  erst  seit  1580  wurde 
ihre  Zahl  auf  4  beschränkt  * ),  jeder  blieb  ein  Quartal  im  Amte  *). 
In  München  und  Ingolstadt  wurden  außerdem  noch  2  Stadt- 
redner bestellt,  welche  besonders  in  den  Ratssitzungen  die  Be- 
schwerden der  Gemeinde ')  vortragen  sollten  *).  Zu  Pfändungen 
hatte  der  Stadtredner  in  München  seine  Genehmigung  zu  er- 
teilen und  die  Exekution  gerichtlicher  Urteile  im  Namen  des 
Rats  betreiben*)  zu  lassen •). 

Für  die  Wahl  des  Stadtrats  war  das  indirekte  Wahlsystem 
eingeführt ;  sie  erfolgte  überall  durch  Wahlmänner.  In  München 
wurden  4  Wahlmänner  vom  innem  und  äußern  Rat  und  der 
Gemeinde  ernannt,  welche  den  innem  Rat  wählten.  Dieser 
wählte  sodann  den  äußem  Rat.  Eine  Ändemng  des  Wahlmodus 
führte  nach  den  Kämpfen  mit  den  Herzogen  ein  der  Wahlbrief 
von  1403.  Jetzt  wählte  der  innere  Rat  ein  Mitglied  des  äußem  ^), 
dieser  einen  vom  äußem  Rat,  und  diese  beiden  wieder  einen  aus 
der  Gemeinde,  und  diese  3  Wahlmänner  wurden  beeidigt  und 


1)  Rockinger  in  Bavaria  I,  S.  669.  Der  znm  BOrgermeister  Erwählte 
war  zur  Annahmo  der  Wahl  hei  Strafe  yerpflichtet  (Au er  a.  464;  a.  465 
ebenso  Stenrer  oder  Eammerer). 

2)  In  Landshnt  wechselten  2  Bürgermeister  im  halbjährigen,  seit  Ende 
des  16.  Jahrhunderts  4  im  Quartalstnmas ;  in  Straubing  fungiert  nur  einer 
(Bosenthal  S.  17,  229),  dagegen  fungieren  in  Burghausen  auch  4,  und 
«war  jeder  V*  Jahr  (Huber  S.  174). 

3)  In  Ingolstadt  durch  Priyileg  der  Herzoge  Ernst  und  Wilhelm  1402 
„und  der  in  Notdurft  red  und  Sprech,  wann  ain  Gemein  ihr  Notdurft  durch 
sie  selbst  nicht  gereden  noch  gesprochen  mag*'  (Gerstner  S.  69).  Auch  in 
Beichenhall  wurde  ein  Redner  zu  diesem  Zwecke  gewählt 

4)  In  Burghausen  steht  1401  an  der  Spitze  des  Bats  „der  ältere  Bedner'' 
(„Anwalt  und  Bäte**),  der  ungefähr  1483  dem  BOrgermeister  weichen  mufi 
(Huber  S.  148). 

5)  Au  er  a.  201,  499,*  der  Stadtredner  kann  auch  bei  Feuersbrunst 
Häuserteile  abbrechen  lassen,  a.  360,  vgl  noch  a.  273,  AnL  YH  a.  90. 

6)  In  München  wurde  das  Institut  der  Stadtredner  schon  1403  wieder 
aufgehoben;  der  Bürgermeister  des  äufiem  Bats  sollte  künftig  in  der  Ge- 
meindeversammlung den  Vorsitz  führen  (Bockinger  in  der  Bavaria  I,  S.  764). 

7)  Derselbe  Wahlmodus,  wie  in  München,  wurde  durch  Verordnung  1529 
(5.  April)  auch  für  Burghausen  eingeführt  Vom  innem  Bat  wurden  12  aus 
der  Gemeinde  gewählt,  die  wir  wohl  als  äußern  Bat  betrachten  dürfen.  Vgl 
Huber  S.  173£ 


—    172    — 

wählten  dann  den  Innern  Rat,  welcher  sodann  die  Wahl  des 
äußern  Rats  vornahm^).  In  Straubing*)  ernannte  der  innere 
Rat  7  Wahlmänner  (2  aus  dem  äußern  Rat,  2  aus  der  Gemeinde 
und  3  Handwerker),  welche  die  treue  Erfüllung  ihrer  Wähler- 
pflichteu  eidlich  gelobten  und  dann  den  innem  Rat  wählten. 
Natürlich  mußte  dieser  Wahlmodus  eine  Kliquenwirtschaft  sonder- 
gleichen groß  ziehen,  denn  es  lag  auf  der  Hand,  daß  der  innere 
Rat  nur  seine  Kreaturen,  die  seine  Wiederwahl  verbürgten,  zu 
Wahlmännem  erkieste. 

Tiefgreifender  als  die  Kämpfe  der  Münchner  mit  ihren 
Herzogen  waren  die  Folgen  des  Landshuter  Bürgeraufruhrs 
1410^)  für  die  Entwicklung  der  städtischen  Verfassung,  die  nun 
eine  Umgestaltung  in  reaktionärer  Richtung  erfuhr,  indem  Herzog 
Heinrich  der  Reiche  für  sich  und  seine  Nachkommen  das  Ein- 
uud  Absetzungsrecht  des  innem  und  äußern  Rats  ^)  in  Anspruch 
nahm^). 

Wenig  entwickelt  war  die  Kommunalfreiheit  in  Reichenhall, 
wo  nach  einem  Spruchbriefe  Heinrichs  des  Reichen  die  Sied- 
herren erbliche  Räte  waren,   an  deren  Spitze  der  herzogliche 

DRockingerin  der  Bavaria  I,  S.  761,  763  (762  Wahhnodos  von  1377). 

2)  Bosenthal  S.  230  £,  der  weler  aid  S.  304.  YgL  daselbst  S.  230 
die  herzogliche  Yerordnimg  fOr  Abensberg  und  Neustadt  (1513),  wonach  die 
6  des  Rats  and  die  8  von  der  Gemain  je  einen  Wahlmann  ans  dem  andern 
Eolleginm,  beide  Kollegien  gemeinschafUich  einen  3.  Wahlmann  ans  der  Ge- 
meinde verordneten,  welche  3  Wähler,  nachdem  sie  geschworen,  die  besten 
und  nützlichsten  zu  einem  Rat  zu  erkiesen,  diesen  erwählten.  Der  Rat  wählte 
sodann  die  8  verständigsten  and  tauglichsten  Bürger  aus  der  Gemeinde  (als 
Gemeindeausschuä).  Auch  in  Traunstein  wurden  seit  1510  so  3  Ratswähler 
ernannt  (Wagner,  Top.  Geschichte  der  Stadt  Traunstein,  im  Oberb.  Arch. 
XIX,  S.  193). 

3)  Hei  gel.  Die  Witteisbacher  S.  22,  betrachtet  das  Verlangen  nach 
einer  fireieren  städtischen  Verfassung  als  die  tiefere  Ursache  dieser  Aufwände, 
die  allerdings  zunächst  durch  äufiere  Zwistigkeiten  veranlaßt  wurden. 

4)  In  Wirklichkeit  gewann  der  Rat  doch  ein  Eooptationsrecht,  indem 
der  Bürgermeister  mit  einigen  Räten  ein  Verzeichnis  der  ftlr  vakante  Rats- 
stellen tauglichen  Bürger  jährlich  dem  Herzoge  einreichte,  welcher  sein  Er- 
nennungsrecht im  Einklang  mit  dieser  Präsentation  auszuüben  pflegt  (vgl 
Rosenthal  S.  19fil,  23  £,  woselbst  auch  die  1551  von  Albrecht  V.  ver- 
suchte, aber  nach  2  Jahren  wieder  angegebene  Abänderung  des  Wahlmodus 
erwähnt  ist). 

5)  Ein  Bestätigungsrecht  der  gewählten  Räte  stand  dem  Henog  auch 
in  andern  Städten  zu. 


-  m  — 

Pfleger,  später  der  Salzmaier  stand.  Nachdem  1495  alle  Sieden 
in  die  Hände  des  Herzogs  übergegangen  waren,  ernannte  seit  1521 
der  Pfleger  und  Salzmaier  von  landesfürstlicher  Obrigkeit  wegen 
aus  den  Bürgern,  denen  also  jede  Anteilnahme  an  der  Wahl 
versagt  blieb,  8  zum  Rate,  nur  den  Redner,  welcher  ihre  An- 
li^en  im  Rate  vortragen  sollte,  durfte  die  Gemeinde  aus  dem 
Rate  wählen^). 

In  eigentümlicher  Weise  war  das  Wahlrecht  der  Gemeinde 
und  das  herzogliche  Ernennungsrecht  kombiniert  in  Friedberg, 
wo  die  Gemeinde  4  Ratsmitglieder  aus  ihrer  Mitte  erwählte, 
während  die  übrigen  2  durch  den  Herzog  oder  seinen  Pfleger  *) 
ernannt  wurden  *). 

Nach  vollzogner  Wahl  erfolgte  die  Vereidigung  der  neuen 
Stadtratsmitglieder*),  welche  den  Eid  in  die  Hände  eines  Mit- 
glieds der  Regierung  oder  des  Pflegers*)  ablegten,  indem  sie 
gelobten,  des  Landesherm  und  der  Stadt  Rechte  zu  fördern^), 
unter  Albrecht  V.  wird  die  Wahl  durch  einen  landesherrlichen 
Bestätbrief  ausdrücklich  konfirmiert.  Die  Bestätigung  wurde 
namentlich  den  der  neuen  Lehre  zuneigenden  Bürgern  ver^ 
sagt'). 

Indem  wir  zu  einer  Betrachtung  des  Wirkungskreises  des 
Stadtrats  übergehen,  sehen  wir  ab  von  der  Handhabung  der 


1)  Hermann,  Top.  Geschichte  der  Stadt  Beichenhall  (Oberb.  Archiv 
XIX,  8.  107). 

2)  Stadtrecht  1404  (Lori,  Lechrain  S.  95)  §  2.  Wan  nun  ain  yeglich 
Statt  oder  Marckht  ains  geswom  Bäte  wol  bedarf^  der  ir  Sachen  nach  dem 
Pecten  ausrichte,  so  haben  ... 

S)  Über  die  Erfordernisse  der  Wahlfähigkeit  vgl  Bockinger  in  Ba- 
Taiia  I,  S.763,  Bosenthal  S.  24  ff. 

4)  Eine  eidliche  Verpflichtung  der  ganzen  Gemeinde  zum  Gehorsam 
gegen  den  neugowählten  Stadtrat  fand  in  mehreren  Stftdten  statt 

5)  Cod.  Bav.  2520  Kopien  der  zur  Vornahme  der  Vereidigung  ermäch- 
tigenden Dekrete. 

6)  Von  dieser  Vereidigung  (früher  auch  vereinzelt  HandgelObnis)  kommt 
die  Bezeichnung:  der  geschwome  Bat  oder  die  Geschworenen  des  Bats. 

7)  Cod.  Bav.  2520.  An  Pfleger  zu  Schrobenhausen:  Sofern  nun  dieselben 
(Erwählten)  zum  Batsitz  tauglich  und  sonderlichen  der  Religion  halben  in 
kein  Verdacht  seind,  sollst  du  den  Wählern  beiliegenden  Bestätbrief  zu- 
stellen . .  .  Wieder  andern  Pflegern  und  Bichtem  wird  vor  der  Confirmierung 
um  Bericht  geschrieben. 


-    174    - 

ihm  übertragenen  Polizei-  und  linanzgewalt  Oi  ^s  deren  Organ 
der  innere  Rat  erscheint,  und  wenden  uns  zu  einer  Besprechung 
der  gerichtlichen  Thätigkeit  dieser  Gemeindebehörde. 

Lange  bevor  das  Stadtgericht  ganz  auf  die  Stadt  über- 
gegangen war,  hatte  der  Stadtrat*)  Elemente  der  Gerichtsherr- 
lichkeit in  sich  aufgenommen  und  sich  zu  einem  Aufsichtsorgan 
des  Stadtrichters  aufgeschwungen.  Eine  Reihe  von  Amtshand- 
lungen konnte  der  Stadtrichter  nicht  vornehmen  ohne  Zustim- 
mung des  Rats'). 

In  München*)  hatte  schon  das  Rudolfinum  1294  (§  6)*) 
dem  Stadtrat  die  Entscheidung  über  Beschwerden  wegen  Rechts- 


1)  Ich  darf  hier  auf  die  ausführliche  DarsteUung  der  Yerwaltongsthätigkeit 
des  Rats  Yon  Landshut  und  Straubing  (RoseDthal  S.  26  £,  S.  232  fil)  yer- 
weisen,  die  im  grofien  und  ganzen  auch  den  Zustand  in  den  übrigen  Stftdten 
Baiems  schildert 

2)  Unter  Stadtrat  wird  hier  fOr  die  Zeit  nach  Errichtung  des  ftufiem 
Rats  stets  der  innere  Bat  verstanden. 

3)  Geleit  und  Friede  darf  der  Richter  nicht  geben  ohne  Genehmigung 
des  Rats  (oder  des  betrefifenden  Gläubigers).  Vgl  Münchner  Stadtr.  a.  309.  Nach 
der  Oberrichterinstruktion  von  1582  (Cod.  Bav.  2614)  soU  dieser  nicht  Macht 
haben,  einer  Person  ohne  des  Rats  Yorwissen  die  Stadt  oder  das  Burggeding 
zu  versagen  oder  sie  daraus  zu  verschaflfen.  Zustimmung  des  Stadtrats  zur 
Verhaftung  von  Bürgern  verlangen  Priv.  für  Cham  1341  (Gengier,  Codex  I» 
S.  483),  Genehmigung  des  Bürgermeisters  die  Ingolstadter  Instruktion  1582L  In 
Landshut  (S&dtr.  1279  §  7)  wieder  hatte  der  Stadtrat  nur  über  das  Vorhanden- 
sein der  gesetzlichen  Voraussetzungen  der  Untersuchungshaft  zu  entscheiden. 

4)  Besonders  charakteristisch  für  diese  Subordination  ist  die  Erlassung  von 
Stadtrichterinstruktionen  durch  den  Stadtrat^  welcher  also  dem  Richter  bin- 
dende Vorschriften  fOr  seine  Amtsführung  geben  konnte.  Aus  der  von  1560 
hebe  ich  nur  die  SteUe  hervor:  So  auch  sonnsten  Sachen  und  handlungen 
für  Ine  khaemen,  die  nit  für  den  Richter  sonnder  Burgermaister  oder  Rhat 
gehören,  soU  Er  sich  nit  understeen  das  wenigist  darinn  ze  hanndlen  oder 
zu  verbeschiden,  Sonnder  für  seine  0  rdentliche  Obrigkhait  einen 
Ersamen  Rhat  abweisen  (Wehner  S.  11,  12  A.  22). 

5)  Vgl  auch  Auer  Anh.  VH  a.  41,  77;  die  Stadtger.o!  1586  bei 
Wehner  S.  13,  nach  welcher  der  Stadtrichter  ohne  des  Rats  Vergönnen 
nicht  über  Nacht  außer  der  Stadt  sein  darf  und  Parteien  wegen  ungebühr- 
lichen Benehmens  vor  dem  Stadtgericht  durch  den  Bürgermeister  zu  strafen, 
eventueU  beim  3.  WiederholungsfaUe  die  contumacia  vor  den  Rat  abgewiesen 
werden  soll  —  Diese  Unterordnung  des  Stadtrichters  unter  den  Rat  ergeben 
auch  die  Bestimmungen  der  Instruktion  für  den  Stadtoberrichter  von  Ingol- 
stadt 1582  (Cod.  Bav.  2614),  z.  B. :  Jeder  Oberrichter  soU  Alles,  was  der  Rat 
statuiert^  vollziehen  helfen. 


<u.  _ 


-    175    - 

Verweigerung  und  Rechtsverzögerung  des  Stadtrichters  über- 
tragen. Erscheint  der  Stadtrichter  hier  auch  nur  der  Disziplinar- 
gewalt des  Stadtrats  unterworfen,  so  sehen  wir  doch  auch  diesen 
wieder  als  reine  gerichtliche  Behörde  thätig  über  und  neben 
dem  Stadtgericht.  Die  Intensität  der  Gerichtsgewalt  des  Stadt- 
rats tritt  in  aller  Schärfe  hervor  in  seiner  Stellung  als  Berufungs- 
instanz ^),  indem  gegen  die  vom  Stadtgerichte  ergangenen  Urteile 
Berufung  zum  Stadtrat  erhoben  werden  konnte.  Damit  war  ein 
bedeutungsvoller  Schritt  in  der  Ausbildung  kommunaler  Selb- 
ständigkeit gethan.  Der  Stadtrat  war,  wenigstens  in  einigen 
Städten  Baiems,  als  eine  gerichtliche  Berufungsinstanz  ein- 
geschoben zwischen  dem  herzoglichen  Hofgericht  und  dem  Stadt- 
gerichte'). Hatte  der  Stadtrat  auch  nur  in  wenigen  Städten 
den  Charakter  einer  Berufungsinstanz  ^)  über  dem  Stadtgerichte*), 
so  hatte  er  doch  überall  neben  diesem  eine  teils  ausschließliche, 
teils  konkurrierende  gerichtliche  Kompetenz. 

Wie  in  andern  deutschen  Städten  die  Gerichtsgewalt  des 
Rats  sich  auf  all  diejenigen  Angelegenheiten  erstreckte,  für 
welche  ihm  eine  Gesetzgebungsbefugnis  oder  Verwaltungskom- 
petenz*) zustand*),  so  geht  auch  in  Baiern  vielfach  die  Juris- 
diktion des  Rats  parallel^)  seiner  Autonomiegewalt®).    Der  Rat 


1)  Ein  Emtrag  im  Landshuter  Stadtbuch  besagt :  1403  —  das  die  alten 
«tat  recht  wftrn,  das  ein  iegleich  man .  .  wol  dingen  müg,  das  wider  der  stat 
recht  nicht  war  und  dann  dasselb  ding  fOm  für  mein  herm  in  iren  rat 
(Bosenthal  a  189  IX;  siehe  noch  das.  S.  74  £).  Wahrscheinlich  bestand 
dieses  Herkommen  anch  in  andern  Städten.  Vgl  Deggendorf  1316  §  8,  Cham 
1341  §  10  (Oengler,  Codex  I,  S.  729,  484). 

2)  YgL  Aber  die  Entwicklung  der  Stadtgerichte  zu  städtischen  ünter- 
gerichten  in  einigen  St&dten  Maurer,  Gesch.  der  Stadtverf.  m,  S. 757  fL 

3)  Der  Bat  konnte  die  vom  Stadtrichter  erkannte  Bofie  ermäßigen.  So 
Stadtr.  von  Landshnt  1279  §7,  12;  Deggendorf  1316  a.  23  (Gen gl  er,  Co- 
dex I, &729;  YgL  anch  Bosenthal  S.  74  £);  EeUieim  1413  (Träger  S.  148). 

4)  Zumeist  ging  der  Bechtszug  Yom  Stadtgericht  direkt  zum  herzoglichen 
Hofgezicht 

5)  y^  die  Beispiele  bei  v.  Below,  Entstehung  der  deutschen  Stadt- 
gemeinde 8.  75  fl 

6)  YgL  auch  Planck,  Gerichtsrerf:  I,  S.  36. 

7)  So  in  Landshut  (Bosenthal  S.  65  l;  vgl  noch  Privüeg  1423  §  13 
bei  Gengier,  Stadtr.  S.  239). 

8)  Entstanden  Zweifel  über  städtische  Satzungen,  so  hatte  der  Bichter 
äi6  Enttcheidung  des  Bats  aber  den  Inhalt  unbedingt  zu  befolgen  —  und 


—    It6    — 

als  Ilort  der  städtLscbeu  Vcrfasäuiig  w&r  eodaiin  mit  einer  Stnf- 
guwall  gegen  alle  Ültertreter  des  Stadtrcdits  ausgerüstet ').  Die 
Polizeigewalt  des  Rats  erheischte  zur  Sicherung  iler  Erfüllung 
der  als  ein  Auatiuß  derselben  sich  darstellenden  Auordnuiigen 
eine  Stmfgewalt,  die  auch  iu  seine  Iliinde  gelegt  war.  llei  der 
nahen  Berührung  der  polizeilichen  und  kriuiiuelleu  Strafgerichtji- 
barkeit  waren  Kompetenzkouiliktc  unvcrmeidlicli,  deren  Schlich- 
tung denn  auch  die  Unterächeiduug  zwischen  den  imlizdlicben 
und  kriminellen  Delikten  zu  Grunde  gelegt  ward ,  indem  JKUv 
der  Jurisdiktion  des  Rats,  diese  der  gerichtlichen  KugniliiiD 
bezw.  der  des  Vitztums  überwiesen  wurden*). 

Aber  nicht  nur  mit  Wahmehniung  einer  Polizeistrofgcwalt, 
sondern  uucli  mit  der  einer  Kriiuiuatgurichtsbarkeit  wAr  der 
Stjultrat  betraut,  die  ihm  sehr  weitgehende  Befugnisse  verlieh 
und  teilweise  wieder  mit  seiner  Aufgabe  als  Beschützer  der  Sicher- 
heit der  Bürger  zusunimenbing.  Daher  genügt«  iMiispicUweiso 
in  Straubing  schon  der  Verdacht  der  Genieiiigefährlichkeit  eines 
Individuums,  um  den  Rat  zur  Strafeinschreitung  zu  berechtigen  '), 

«wu  der  nt  darflber  tprielit,  du  recht  soj,  du  m1  mtn  ^laabea  not  itMi 
behalten  (MOncfaen  a.  308,  A  oerX  —  Aauubmiwelie  wu  uch  der  Bai  dMV 
Sudt  lit  Oberhof  eine«  beiuchbutcD  Hukte«  uerkumL  So  koonUn  dit 
(on  BiedenbuTg,  welchen  die  Rechte  derer  von  tngeleUdt  rolUhen  mn^ 
Dich  eiaem  PriTÜeg  1373  lich  an  den  IUI  wan  IngohUH  wu&a.  ^oh  A 
dheioer  Mche  fithtx  in  werden  du  d  ietiet  nicht  betor^  htlxat .  .,  du 
ei  in  im  Rat  mit  U;ln  du  li  dei  lelben  im  fall  aumrieht  vatdan  nadi 
irmr  SUt  rocht"  (i.  d.  Pferd  tco  S.  250).  -Dom  Harkt  Kötiing  war  ISU 
du  {{«cht  erteilt  votitn,  dafi.  wenn  Jemand  an  der  Schramia  ra  Krieg 
wflrdc,  de  du  an  die  SchranDe  lu  Cham  dingen  dOcfeD  (IL  B.  L  p-  H^ 

1)  lU.  iD  l^dihnt  iBoeeathal  &  73). 

9)  Bin  solcher  Kompetenittreit  mirdo  durch    herao^ehe 
1497  für  Stranbiog  (Lipowikj,  aeecUcbte  de«  btioiMheo 
8.  lß<t  C)  enUehiedeD,    die  du   Prlniip  der  JnriidikUenatailimg 
kretcn  F&Ueo  venuuchaalichL    Der  Rat  wird  tut  lutindig  erklirt 
itratunic  der  Poliielfretel  der  Hflllor  (CbertrebuK  der  »ttdtiachen 
I.  K  Verkauf  ton  nnbeadiantcm   llehl),    der  Obortlebtar,    al 
benoglichen  Oorichtigewalt  ton   unrecht  und  betrdftlich  Hai 
UeUrerhaof  (nachdem  diet  ...  in  Üiebatahl  lencbt).    Anlw  das 
blndeln  hat  Dimljch  der  Obarricblor  die  Ualeaihind«!.  die 
bedrohten,  la  eatacboiden,  im  Ge^outxe  m  den  nladom  DalOrtA 
barxerilcheo  lUndoln.    Betenthal  &  26S. 

8)  IB  ebon  bonogUchea  PririIeK  1388  (Boientlial  a  3U)  briM  w: 
Wir  habw  ucb  vaana  gwnion  bag«ii  von  doiaeDwn  etat  n  Ste.  im  §^ 


—    177    — 

wie  ja  auch  die  Verhaftung  der  sog.  schädlichen  Leute  auf 
bloßen  Verdacht  hin  dem  Landshuter  Eate  übertragen  war. 
Überhaupt  hatte  der  Rat  auf  dem  Gebiete  der  Voruntersuchung 
verschiedene  Funktionen  wahrzunehmen.  Nur  der  Stadtrat  entschei- 
det nach  dem  Landshuter  Stadtrecht  1279^)  über  die  Zulässig- 
keit  der  Untersuchungshaft  eines  angesessenen  Bürgers,  der 
Rat  erscheint  also  hier  als  Wahrer  der  städtischen  Habeas- 
Corpusakte. 

Eigenartig  ist  die  Stellung,  welche  dem  inneren  Rate  in  Strau- 
bing im  Vorverfahren  eingeräumt  ist,  er  konstituiert  sich  nemlich 
unter  Zuziehung  des  Oberrichters  gewissermaßen  als  Anklage- 
kammer zur  Beschlußfassung  darüber,  ob  gegen  den  wegen  eines 
Kapitalverbrechens  Angeklagten  das  öffentliche  Verfahren  durch- 
zuführen sei*)  —  und  ertailt  vor  des  in  ainem  rate  als  in 
ainem  haimlichen  gericht ') . . .  Handelt  es  sich  um  nicht  todes- 
würdige Delikte,  so  steht  die  Aburteilung  dem  ünterrichter  und 
dem  Rate  gemeinschaftlich  zu. 

Als  eine  durch  die  Not  der  Zeit  hervorgerufene  vorüber- 
gehende Maßnahme  stellt  sich  jene  Ausdehnung  der  städtischen 
Gerichtsgewalt  im  14.  Jahrhundert  dar,  welche  die  Städte,  die 
sich  überall  als  mächtige  Schützer  des  Landfriedens  bewährten, 
in  den  Dienst  des  Landes  als  Organe  zur  Unterdrückung  des  sich 
in  erschreckendem  Maße  verbreitenden  Verbrechertums  *)  stellte. 


walt  gegeben,  ob  ir  barger  ainer  sich  gen  dem  andern  vergaß  mit  ungezogen 
Worten  oder  werchen  oder  ob  ir  ainer  wider  den  rat  and  wider  die  etat  da 
sein  wollte  da  sie  sich  Schadens  von  versahen,  das  si  den  noch  Iren  trewen 
daromb  pessem  mügen  and  saUn. 

1)  §  7  .  .  Judex  .  .  nuUum  .  .  civem  detinebit,  qui  mansionem  propriam 
habet,  nisi  poenam  meruerit  capitalem,  si  mansio  valeat  poenam  pro  male- 
fido  debitam  et  condignam.  Quod  quando  sit  vel  non  .  .  per  rectores  civi- 
tatis, dYea  scilicet,  volumus  definiri. 

2)  R.  L  0  n  i  n  g  (Litteraturbericht,  in  Zeitschrift  £  Strafrechtswissenschaft 
1884,  S.  215)  stellt  im  Anschlüsse  an  diese  Stelle  die  Vermutung  axd,  dafi 
das  inquisitorische  Verfahren  in  seinem  Ursprünge  kein  Teil  des  gerichtlichen 
Prozesses  sei, 'sondern  ein  der  Klage  vorangehendes  polizeiliches  Vorverfahren, 
gehandhabt  von  derjenigen  ohrigkeitlichen  Behörde,  welche  den  Verdäch- 
tigen durch  die  Verhaftung  in  ihrer  Gewalt  habe. 

3)  Straubinger  Stadtbuch  (Eosenthai  S.  311,  XU  n.  1). 

4)  Vgl  B.  LOning,  Der  Beinigungseid  bei  üngerichtsklagen  im  d. 
M.-A.  Heidelberg  1880.  S.  70  £ 

Rotenthai,  OMchichte  d.  Oerichtiw.  a.  d.  Y«rw.-OiY.  Balerai.  I.  ^o 


~-    178    — 

K.  Ludwig  war  es,  der  zuerst  verschiedenen  bairischen  Städten  *) 
das  Privileg  erteilte,  schädliche  Leute  * )  im  ganzen  Lande  zu 
fangen  und  abzuurteilen.  Später  wurde  sogar  die  Inappella- 
bilität  solcher  stadträtlichen  Kriminalurteile  anerkannt^). 

Nicht  richterliche  Funktionen,  sondern  nur  die  Aufgabe  von 
ürkundspersonen  hatten  die  2  RatsmitgUeder  zu  erfüllen,  welche 
nach  der  L.O.  1474  in  Städten  und  Märkten  zu  den  Verhören 
von  Delinquenten  beigezogen  werden  mußten*). 

Bei  Statuierung  einer  speziellen  Polizeistrafgewalt  des  Rats 
findet  auch  noch  der  Gesichtspunkt  Berücksichtigung,  daß  dieser 
vorzugsweise  als  Hüter  der  Interessen  der  Gemeinde  berufen  sei 
und  ihm  also  eine  Ahndung  der  Verletzung  derselben  zufalle*). 

In  die  Interessensphäre  der  Stadt  fiel  auch  die  Aufrecht- 
haltung des  Bestandes  der  mit  dem  Stadtsiegel  versehenen  Ur- 
kunden. Alle  auf  die  Anfechtung  solcher  Urkunden  gerichteten 
Klagen  waren  deshalb  in  München  einzig  und  allein  der  Kogni- 
tion des  Stadtrats  unterstellt*). 

Dabei  ist  allerdings  zu  bedenken,  daß,  so  oft  wir  hier  den 
Stadtrat  als  einziges  Entscheidungsorgan  bezeichnen,  dies 
nur  mit  einer  Einschränkung  zu  verstehen  ist,  indem  der 
Kechtszug  zu  den  Reichsgerichten  nicht  ausgeschlossen  werden 


1)  Die  Münchner  Privilegien  (das  erste  von  1315)  bei  W  e  h  n  e  r  S.  19  £ ; 
Landshater  Privilegien  von  1316  and  1364  bei  Kai  eher,  Die  Witteisbacher 
Fürstenurkunden,  in  VerL  d.  Bist  Ver.  l  Niederb.  1880.  XXI,  S.  6  u.  71; 
Privilegien  für  Ingolstadt  1368  bei  Ostermaier  I,  S.  31. 

2)  Schedleich  lewt,  ez  sj  rauber,  prenner,  mordrar  oder  dewb,  sagt  der 
Landfiriede  1352  {Qn.  u.  Er.  VI,  S.  421  a.  1).  Ähnlich  in  einem  Privileg  für 
Landshut  1361  (Ealcher  S.  65). 

3)  Privileg  Herzog  Stephans  für  München  1371  (M.  B.  XXXV,  2,  p.  126): 
swaz  si  über  den  (^schedlichen  man)  .  .  .  ervindent  in  irm  Hat  .  .  dabej  sol 
ez  beleihen.  —  Die  1363  dem  Rate  von  München  (ibid.  p.  112)  eingeräumte 
Befugnis,  mit  7  Rittern  alle  seit  dem  Tode  H.  Meinhards  begangenen  Ver- 
brechen zu  untersuchen  und  die  Schuldigen  zu  bestrafen,  ist  nur  eine  außer- 
ordentliche Mafiregel,  die  Einsetzung  eines  Standgerichts. 

4)  Krennor  VII,  Ö.  493. 

5)  Durch  ein  Statut  1453  ward  so  der  I^andshuter  Rat  ermächtigt, 
Schuldner,  welche,  ohne  ihre  Verbindlichkeiten  zu  erfüllen,  ein  verschwen- 
derisches Leben  führten,  nach  fruchtloser  Verwarnung  zu  bestrafen,  damit 
die  stat  von  selber  pOser  gelter  wegen  nicht  nachred  habe  (Roscnthal 
S.  193,  XU  n.  5). 

6)  a.  232  (Auer). 


—    179    — 

konnte,  solange  die  Landesherren  ein  Privilegium  de  non  appel- 
lando*)  vom  Kaiser  noch  nicht  erlangt  hatten^). 

Wie  für  diese  Kategorie  von  Rechtsstreitigkeiten  jede  Ap- 
pellation gegen  das  Erkenntnis  des  Stadtrats  ausgeschlossen 
war,  80  war  der  Münchner  Stadtrat  auch  noch  für  einige  andere 
Materien  alleiniges  Entscheidungsorgan.  Der  Stadt  war  ein 
solches  Appellationsprivileg  erteilt  für  alle  Ewiggeldprozesse"). 
Ebenso  bestätigte  das  Albertinische  Privileg  1500  die  alte  Ge- 
wohnheit des  Erbrechts  des  überlebenden  in  den  Nachlaß  des 
kinderlos  verstorbenen  Gatten*)  und  übertrug  die  hieraus  sowie  die 
zwischen  Ascendenten  und  Descendenten  entstehenden  Streitig- 
keiten der  alleinigen  Entscheidung  des  Stadtrats^).  Handelte 
es  sich  bei  der  ersten  Gattung  um  solche  Gegenstände,  welche 
vorzugsweise  durch  städtische  Satzungen  geregelt  wurden,  wo 
auch  in  andern  Städten  parallel  der  Autonomiebefugnis  die  stadt- 
rätliche Kompetenz  gegeben  war  ^),  so  sollten  bei  den  Streitig- 
keiten der  letzten  Art  die  innigen  verwandtschaftlichen  Be- 
ziehungen der  Parteien  geschont  und  deshalb  der  langwierigere 
und  immerhin  gefährlichere  Prozeßweg  abgeschnitten  werden  '). 
Denn  wenn  wir  auch  hier  von  einer  gerichtlichen  Thätigkeit 
des  Rats  handeln,  so  dürfte  doch  immerhin  bei  dieser  Kom- 
petenzabgrenzung    auch    das  Moment   mitbestimmend  gewirkt 

1)  Vgl  S.  12  ff: 

2)  Vgl  Wehner  S.  96. 

3)  was  derselb  unser  rat  zwischen  in  danimb  ervindet  and  ausspricht^ 
da  sol  es  denn  gentzlich  bei  beleiben.  Obwohl  die  Privilegien  von  1391, 
1418  and  1453  nur  die  Zuständigkeit  des  Stadtrats  in  Streitigkeiten  über 
Ablösung  von  Ewiggeldem  statuierten,  wurde  doch  eine  Kompetenz  in  allen 
Ewiggeldsachen  seitens  des  Stadtrats  mit  Erfolg  in  Anspruch  genommen  und 
durch  kurftlrstliches  Reskript  1756  bestätigt  (A  u  e  r  p.  CGI). 

4)  sofern  die  Gatten  Bürger  waren  und  kein  Ehevertrag  existierte.  A  u  e  r, 
Anh.  i  S.  195. 

5)  A  u  e  r,  Anh.  I,  S.  196 :  ob  auch  solcher  span  für  unnsem  statrichter  in  recht 
wuechse,  so  solle  doch  der  darinn  rechtlich  nit  erkennen  noch  hannheln,  sonnder 
den  für  ainen  rat  alspald  weysen  und  schieben.  S.  199 :  —  und  wollen,  das  solch 
hievorgemelt  föll,  hänndel  und  sache  voritzgemeltem  rat  alhie  on  all  verrer  wai- 
gerung  und  appellation  ausgetragen  und  durch  ine  entlich  entschiden  werden 
sollen. 

6)  So  in  Landshut:  ob  was  todgesch&ft,  heirat  und  der  stat  recht  an« 
trift  oder  von  toden  leuten  berget,  das  gehört  für  meine  herren  in  iren  rat, 
die  sullen  das  richten  (Rosenthal  S.  65). 

7)  Vgl  Wehner  S.  92. 

12* 


-    180    ~ 

haben,  daß  an  die  Stelle  des  an  die  strengen  prozessualen 
FonnYorschriften  bei  der  Rechtsprechung  gebundenen  Stadt- 
gerichts die  freiere,  nicht  durch  den  Formalismus  des  Rechts- 
gangs eingeengte  Jurisdiktion  des  Stadtrats  treten  sollte^), 
welche  gemäß  dessen  Charakter  als  Verwaltungsbehörde  auch 
diese  jurisdiktioneile  Thätigkeit  in  ähnlicher  Weise  wie  die 
übrigen  ihm  obliegenden  Funktionen  versah.  Wenn  auch  diese 
Vermutung  aus  dem  mir  zugänglichen  Quellenmaterial  nicht  er- 
härtet werden  kann,  so  dürfte  es  doch  als  sehr  wahrscheinlich 
erscheinen,  daß  die  dem  Stadtrat  zur  Entscheidung  überwiesenen 
Streitigkeiten  im  allgemeinen  nicht  nach  prozeßrechtlichen  Formen, 
sondern  mehr  als  Verwaltungssachen  behandelt  wurden. 

In  gerichtlichen  Formen  bewegte  sich  das  Verfahren  in 
Baustreitigkeiten,  welche  der  Rat  als  Appellationsinstanz  *)  ohne 
Zulassung  eines  weiteren  Rechtsmittels  entschied,  obwohl  diese 
Zuständigkeit  des  Rats  sich  als  Ausfluß  seiner  Baupolizeigewalt 
entwickelte  *).  Allerdings  wurde  hier  im  summarischen  Prozesse 
verhandelt,  der  von  Alters  her  für  Kundschaftssachen  üblich  war, 
„darinn  etliche  rechtliche  Weitläufigkeiten  als  unvonnöten  ab- 
geschnitten seien"  *). 

Solch  summarisches  Verfahren  bei  den  durch  Neubauten 
entstandenen  nachbarlichen  Irrungen  mit  Abschneidung  der  Ap- 
pellation war  auch  in  Landshut  eingeführt,  nur  daß  hier  das 

1)  Ein  Priyfleg,  welches  Ulrich  d  Alte  von  Abensherg  und  seine  Söhne 
1366  den  Bflrgem  von  A  erteilten,  gestattet  diesen  die  Wahl  eines  Rates 
(4—6  Borger),  die  Gewalt  haben  soUen,  alle  Sachen  [ausgenommen  die  3J 
ohne  Recht  und  ohne  unsere  Richter  abzutragen  oder  zu  bessern, 
je  die  Schuld  ist  (Dollinger  und  Stark,  ürk.  B.  z.  Gesch.  d.  Stadt  Abens- 
berg, in  VerL  d.  Eist  Ver.  v.  Niederbayem  XII,  S.  283).  Ebenso  Privileg 
1484  für  Neustadt  a.  D.,  dafi  Rat  die  Borger  wohl  richten  möge  außerhalb 
unsers  Richters  (Dollinger,  ürk.  B.  z.  Gesch.  von  Neustadt,  ib.  XIX,  S.  879). 

2)  Im  Eundschaftsrecht  wegen  Baustreitigkeiten  entscheidet  der  Stadt- 
richter und  einige  Baumeister  in  erster  Instanz  (Au er  a.  151,  Anh.  I  [S.  196], 
Anh.  n  a.  45\  FOr  andere  Bauprozesse,  welche  nicht  nach  dem  Eundschafts- 
rechte  der  Bau-0.  1489  zu  entscheiden  waren  (vgl  Anm.  ad  cod.  jud.  c  1 
§  21  lit  f ),  war  der  Rat  aUeinige  Instanz.  —  Sp&ter  bildeten  in  Kundschafts- 
sachen die  Baumeister  die  1,  das  Stadtgericht  die  2.,  der  Rat  die  3.  und 
letzte  Instanz.    Vgl  Wehner  S.  93. 

3)  Eine  Verordnung  E.  Ludwigs  1342,  welche  för  die  Häuser  Ziegel- 
bedachung vorschrieb,  ermächtigte  den  Rat  zu  aUen  in  dieser  Beziehung  er- 
forderlichen Anordnungen  und  Entscheidungen  (M.  B.  XXXV,  p.  81). 

4)  Au  er,  Anh.  Ha.  47,  S.216. 


-     181    — 

Stadtgericht  zur  Entscheidung  aller  Baustreitigkeit  zuständig 
war,  bis  sich  auch  hier  allmählich  ein  besonderes  Beschau-, 
Kundschafts-  oder  Grundrecht  0  entwickelte.  Auch  in  Strau- 
bing wurde  seit  1494 »)  eine  vom  innem  Rat  aus  5  Mitgliedern 
der  beiden  Räte  und  den  2  Stadtbaumeistem  gebildete  Kom- 
mission (die  7  Baumeister)  zur  inappellabelen  Entscheidung 
aller  Baustreitigkeiten  eingesetzt. 

Außer  dieser  Zuständigkeit  auf  dem  Gebiete  der  streitigen 
Gerichtsbarkeit  war  dem  Stadtrate  überall  in  den  verschiedenen 
Akten  der  sog.  freiwilligen  Gerichtsbarkeit,  die  ja  ihrem  Wesen 
nach  durchaus  nicht  den  Gerichten  zufällt,  ein  reiches  Feld  der 
praktischen  Thätigkeit  erschlossen.  Zu  den  Hauptaufgaben 
dieser  freiwilligen  Gerichtsbarkeit,  welche  der  Herstellung, 
Veränderung  und  Fortentwicklung  neuer  Rechtsverhältnisse*) 
gewidmet  ist,  gehört  die  obrigkeitliche  Teilnahme  am  rechts- 
geschäftlichen Verkehr,  die  zuerst  in  den  Städten  zur  Aus- 
bildung gelangt  und  hier  dem  Stadtrate  übertragen  wird.  Wäh- 
rend die  Auflassung  und  Verpfändung  von  Grundbesitz  nur 
vereinzelt  vor  dem  Stadtrate*),  zumeist  vor  dem  Stadtgerichte^) 
erfolgte,  war   der  Stadtrat  mit  weitgehenden  Befugnissen  bei 

1)  Qebüdet  wurde  dasselbe  aus  den  yon  der  Stadt  yerordneten  Qeschau- 
oder  Kondschafteherm  nebst  den  geschwomen  Stadt-  und  Werkmeistern.  Auf 
dem  Landtage  1583  beschwerten  sich  die  Vertreter  der  Stadt  darüber,  daß 
gegen  die  von  diesen  erlassenen  Beschaubriefe  zur  Regierung  appelliert  werde, 
nnd  bitten,  nur  einen  Bechtszug  zum  Stadtrat  gegen  das  Erkenntnis  der  Be- 
schauherm  zuzulassen  unter  Verweisung  auf  die  gleiche  Einrichtung  in 
München.    Vgl  Rosenthal  S.  143  £ 

2)  Biese  Verordnung  Albrechts  IV.  war  hervorgerufen  durch  die  Wahr- 
nehmung, dafi  aus  geringfügigen  Ursachen  oft  langwierige  Bauprozesse  ent- 
stünden und  dafi  darum  in  der  Stadt  um  soviel  weniger  gebaut  ¥rürde.  Die 
7  Baumeister  soUten  zuerst  die  Herbeiführung  eines  Vergleichs  zwischen  den 
Parteien  anstreben.    VgL  Rosenthal  S.  244. 

3)  Vgl.  Wach,  Handb.  d.  Civilproze£rechts  I,  &  53,  61. 

4)  In  Landshut  wirkten  Richter  und  Rat  bei  solchen  Auflassungen  zu- 
sammen.   VgL  Rosenthal  S.  68  fL 

5)  So  in  den.  oberbairischen  Stftdten  (Au e r  a.  30,  32,  205,  270).  In 
Hünchen  trat  später  an  Stelle  der  Auflassung  die  Errichtung  der  Kauf-  und 
Ewiggeldbriefe  durch  Stadtschreiber  und  ünterrichter  (Grundbuchsordnung 
1572,  A  u  e  r ,  Anh.  IV  a.  1).  —  In  Straubing  stand  der  Stadt  ein  Besieglungs- 
recht  aller  Imroobiliarveräufierungsvertr&ge  zu.  Dasselbe  wurde  durch  den 
Bt&dtischen  Kastner,  gewöhnlich  einem  Mitgliede  des  innem  Rats,  ausgeübt 
(Rosenthal  S.  258). 


—    182    — 

liegluDg  des  Verlassenschaftswesens  ausgestattet,  welche  ihn  sogar 
bei  Ausübung  seines  Kontrollerechts  der  von  Bürgern  errichteten 
Testamente  zur  Abänderung  derselben  ermächtigte  und  die  Ver- 
teilung des  Nachlasses  der  ohne  letztwillige  Verfügung  und  ohne 
direkte  Leibeserben  verstorbenen  Personen  unter  deren  Ver- 
wandten dem  Ermessen  des  Stadtrats  anheimstellte  ^).  Einzelne 
Funktionen  des  Nachlaßregulierungsgeschäftes  wurden  durch 
2  deputierte  Ratsmitglieder  besorgt*). 

Neben  dem  Verlassenschaftswesen  sind  es  Akte  der  Ober- 
vormundschaft'), die  sich  zuerst  in  den  Städten  entwickelt, 
welche  den  Stadtrat  in  Anspruch  nehmen,  insbesondere  fällt 
ihm  die  Bestallung  von  Vormündern  (Pflegern)  für  Witwen  und 
unmündige  Kinder  zu,  deren  Geschäfts^rung  er  zu  über- 
wachen hatte*). 

Die  Zünfte. 

Der  Stadtrat  als  Träger  der  Polizeigewalt  wendete  der  Reg- 
luDg  der  HandwerkspoUzei  seine  besondere  Fürsorge  zu,  indem  er 
außer  allgemeinen  verkehrspolizeilichen  Vorschriften  Ordnungen 
für  einzelne  Zünfte  erUeß.  Der  Autonomie  dieser  gewerblichen 
Korporationen  war  nur  ein  geringer  Spielraum  gelassen  ^).   Auch 


1)  So  in  Landshut  Vgl  Bosenthal  S.  67;  ygL  noch  übor  die  Ge- 
nehmigung von  Todgesch&ften  durch  den  Bat  a.  401  (An er)  des  MOnchner 
Stadtrechts. 

2)  s.  B.  InyentarisierQng,  Besitzergpreifong  nur  in  Gegenwart  zweier  Bats- 
herren  (Landshnt),  Yerteilong  des  Nachlasses  etc.  (Straubing).  YgL  Bösen- 
thal  S.  67,  25a 

3)  s.  B.  dorch  ein  herzogliches  Privileg  für  Ingolstadt  wurde  1395  be- 
stimmt, dafi  ledige  Minderjährige  ihren  Grundbesitz  nicht  versetzen,  verkaufen 
noch  verschaffen  dürfen  ohne  Zustimmung  des  Stadtrats  und  2—3  ihrer 
nächsten  Verwandten.    YgL  Bockinger  in  Bavaria  I,  S.  795. 

4)  Bosenthal  S.  67  f.,  258. 

5)  In  München  waren  „alle  Einung  unter  den  Handwerkern"  verhoten 
(Au er  a.  366).  Der  Bat  hestellte  für  die  einzelnen  Handwerke  geschwome 
Pfleger,  welche  periodische  Besichtigung  der  Handwerke  vornahmen  und 
dem  Stadtrat  und  dem  Stadtrichter  über  das  hierbei  gefundene  Strafbare 
Meldung  machten.  (Ähnlich  in  Österreich.  YgL  Luschin  S.  236.)  Diese 
Pfleger  verwandelten  sich  in  der  2.  Hälfte  des  14.  Jahrhunderts  in  Zunft- 
vorsteher, deren  Ernennung  sich  die  Zünfte  selbst  anmaßten.  YgL  S  u  t  n  e  r , 
Ober  die  Yerfl  der  altem  städtischen  Gewerbs-Polizey  in  München  (Histor. 
Abb.  d.  k.  bajr.  Akad.  d.  W.  II,  S.  521). 


—     183    — 

hier  gilt  das  Prinzip,  daß  die  Jurisdiktion  des  Rats  sich  seiner 
Autonomiebefugnis  entsprechend  entfalte,  indem  ihm  die  Straf- 
gewält  auch  über  die  Übertreter  seiner  Handwerkspolizeisatzungen 
zufällt.  Delegation s weise  übertrug  der  Rat  die  Handhabung 
der  Zunftpolizei  und  Zunftgerichtsbarkeit  auch  den  Organen  der 
Zunft*),  den  Zunftmeistern^),  die  hier  nur  als  Organe  des 
Rats  fungieren  ^).  Mitunter  scheinen  sie  hierin  mit  großer  Ri- 
gorosität vorgegangen  zu  sein,  denn  in  Landshut  zeitigte  die 
allgemeine  Mißstimmung  1399  ein  Gemeindestatut,  welches  die 
Strafbefugnis  der  Zunftmeister  in  engere  Grenzen  bannte  unter 
Festsetzung  des  Bußmaximums  auf  24  ^,  außerdem  durften  sie 
aber  noch  auf  Einstellung  des  Gewerbebetriebs  erkennen.  Bei 
schwereren  Strafhändeln  mußte  der  Rat  beigezogen  werden,  der 
dann  mit  der  Zunft  gemeinschaftlich  ein  Urteil  fand  *). 

Die  Kompetenz  des  Zunftgerichts  erstreckte  sich  regel- 
mäßig nur  auf  Zunftangehörige;  für  Nichtzunftangehörige  hatte 
das  Erkenntnis  des  Zunftgerichts  nicht  die  Bedeutung  eines  Ur- 
teils, sondern  nur  die  eines  Schiedsspruchs ;  ihnen  stand  es  frei, 
sich  an  das  ordentliche  Gericht  zu  wenden  unter  Ablehnung 
des  Zunftgerichts*). 


1)  Größere  Zünfte  hatten  4,  kleinere  nur  2—1  Meister  an  ihrer  Spitze. 
\U\.  Hnber  S.  143,  Eosenthai  S.  40,  240. 

2)  In  einer  herzoglichen  Entscheidung  dos  Eompetenzstreites  zwischen 
Oberrichter  and  Rat  zu  Straubing  1497  heifit  es:  sol  solichs  durch  ainen 
Bat  oder  wo  aus  Zuegebung  ains  Rats,  das  den  Hanntwerche  oder  anndem 
zuestet  (Lipowsky,  Gesch.  des  bair.  Eriminalrechts  S.  158). 

3)  Die  Verfassung  der  Zflnfte  scheint  in  den  bäurischen  Stftdten  nicht 
zu  einem  hohen  Grade  freier  Selbstfindigkeit  gediehen  zu  sein,  denn  abge- 
sehen von  der  beschränkten  Autonomie  hatte  die  Zunft  nicht  einmal  das  « 
Recht  der  Vorsteherwahi,  sondern  der  Rat  ernannte,  z.  B.  in  Straubing,  für 
jedes  Handwerk  4  oder  2  geschwome  Meister,  welchen  die  Prüfung  der  Ar- 
beitserzeugnisse, der  periodische  Beschau  der  Werkstätten  und  die  Straf- 
gerichtsbarkeit betreffs  der  gewerbepolizeilichen  Übertretungen  zufiel,  Funk- 
tionen, deren  treue  Erfüllung  sie  dem  Rate  eidlich  gelobten.  Rosenthal 
S.  240,  39.  Wenn  gelegentlich  der  jährlichen  Meistersetzung  Verhör  über 
die  Oeschfiftsführung  der  geschwomen  Meister  und  das  Vorhalten  der  Zunft- 
mitglieder Uneinigkeit  an  den  Tag  brachte,  erklärte  der  Rat,  daß  er  bei 
fortdauernden  Zwieträchtigkeiten  und  Stöfi  das  Strafrecht  selbst  ausüben 
würde  (vgl  Kolb,  Geschichte  des  Gewerbewesens  und  Handels  der  Stadt 
Straubing.   Passau  1867.   S.  33). 

4)  Rosenthal  S.  40  f. 

5)  z.  B.  Rosenthal  S.  41. 


—    184    — 

Eine  privil^erte  Stellung  in  jurisdiktioneller  Beziehung 
hatten  die  3  Gewerbe  der  Müller,  Bierbrauer  und  Kupfer-(Kalt-) 
schmiede  erlangt  0-  Allen  Kaltschmieden  im  Lande  sicherte 
ein  Privileg  K.  Ludwigs  1331  *)  zu,  daß  die  niedere  Gerichts- 
barkeit über  sie  ausschließlich  dem  Münchner  Kaltschmied  Ul- 
rich zustehen  sollte.  Nach  einem  (Ingolstadter)  herzogUchen 
Privileg  1416  war  dem  Bürger  Konrad  dem  Neyflfer  zu  Ligol- 
stadt  die  niedere  Gerichtsbarkeit  über  alle  Kaltschmiede  dieses 
Landes  eingeräumt,  wogegen  sie  unentgeltlich  alle  Kessel, 
Pfannen  und  Kühlbecken  für  die  Weine  zu  Hofe  liefern  mußten'). 

Bis  1561  dauerte  diese  Sondergerichtsbarkeit  der  Kalt- 
schmiede, wie  die  der  Bierbrauer*)  in  München  fort,  über 
welche  bis  dahin  das  herzogliche  Brauamt  die  niedere  Gerichts- 
barkeit ausgeübt  hatte. 

Während  Bierbrauer  und  Kaltschmiede  fortan  wie  die 
übrigen  Bürger  den  Gerichtsbehörden  der  Stadt  unterstanden, 
blieb  für  die  Müller  auch  nach  dem  Albertinischen  Rezesse  1561 
ein  eignes  Mühlrichteramt  in  Thätigkeit  ^\  welches  jetzt  nicht 
mehr  vom  Landesherm,  sondern  vom  Stadtrate  besetzt  wurde  ^). 
Nicht  nur  in  München,  sondern  auch  in  andern  Städten  war 
dem  Stadtrat  neben  Handhabung  der  Mühlenpolizei  auch  die 


1)  Vgl  die  Ansf&hningen  bei  Wehner  S.  69  K,  welcher  in  dem  Um- 
stände, daft  diese  3  Gewerbe  ihre  Gerechtigkeiten  von  der  Landesherrschaft 
zu  Lehen  tragen,  den  Ghrond  ihrer  Sonderstellong  erblickt 

2)  Ibid.  S.  71. 

3)  Ostermaier  IV,  S.  148.  1508  beschwert  sich  die  Stadt  Lands- 
berg über  einen  Eingriff  des  S.  Richters  des  Handwerks  der  Keßler  in  ihre 
Privilegien  (R  A.,  Fürstensachen  n,  G  fasc  26). 

4)  Wehner  S.  69  t 

5)  Von  Alters  her  übte  der  herzogliche  Kästner  die  niedere  Gerichtsbar- 
keit über  die  Münchner  Müller.  An  dessen  SteUe  trat  dann  —  seit  1456 
nachweisbar  —  ein  vom  Herzoge  ernannter  Mühlrichter.  —  Wasserrechts- 
streitigkeiten der  Müller  soUen  durch  einen  Schiedsspruch  von  5  unbeteiligten 
M&nnem  entschieden  werden  (Auer  a.  186;  L.O.  1516  t  54),  sp&ter  durch 
die  verordneten  Wassergrafen  (Mühlbeschauer).    Vgl  W  e  h  n  e  r  S.  73,  71. 

6)  (1561)  Über  Müller  ist  denen  von  München  alle  niedergerichtliche 
Obrigkeit  sowohl  in  der  Müllerordnung  und  Beschau  als  andere  bürgerlichen 
Sachen,  als  Frais,  Frevel,  Inventur,  Vormundschaft,  Satzung  oder  in  Anderem 
zugelassen.  Sie  sollen  jeder  Zeit  einen  eigenen  Richter  haben,  den  sie  in 
dessen  Aufiiehmung  dem  Landesfdrsten  um  seine  Konfirmierung  präsentieren 
sollen  (B.  A.  München  Ger.  I,  64.  1). 


..kiUtJJ 


—    185    — 

Jurisdiktion  über  die  Müller  wegen  Übertretung  der  gewerbe- 
polizeilichen Vorschriften  eingeräumt  0. 

Begensbuxg. 

Im  Anschlüsse  an  diese  Darstellung  des  Stadtgerichts  ist 
noch  kurz  der  Jurisdiktionsrechte  der  bairischen  Herzoge  in 
Regensburg  Erwähnung  zu  thun,  ohne  daß  ein  Eingehen  auf 
die  verwickelten  Verfassungsverhältnisse  Kegensburgs*)  geboten 
erscheint. 

In  Regensburg,  der  alten  Hauptstadt*)  der  Baiemherzoge, 
waren  diese  selbst  (die  Luitpoldinger)  Inhaber  des  Grafenamts. 
Nachdem  diese  es  verloren  hatten,  wurde  das  Burggrafeuamt 
zu  einem  erblichen  Reichslehen.  Nach  dem  Aussterben  des 
Burggrafengeschlechts  der  Rietenburger  1185  gingen  die  burg- 
gräflichen Rechte  auf  den  Baiemherzog  über*). 

Von  der  Amtsgewalt  *  des  Burggrafen  war  in  der  Stadt 
eximiert  der  bischöfliche  Grundbesitz.  Hier  übte  der  Bischof 
durch  seine  Vögte  die  Gerichtsbarkeit  aus  ^). 

Nachdem  der  Herzog  in  den  Besitz  der  Burggrafenrechte*) 
gekommen  war,  brachen  zwischen  Herzog  Ludwig  und  dem 
Bischöfe  Konrad  ernste  Streitigkeiten  über  die  beiderseitigen 
Rechte  aus.  1205  machte  ein  Vergleich'')  der  heftigen  Fehde 
ein  Ende,   der  gemeinschaftliche  Verwaltung  des  Gebiets,   des 

1)  Auf  dem  Landtage  1579  beklagten  sich  die  Vertreter  Ingolstadts  über 
Eingriffe  in  diese  ihre  Gerechtsame  (Er.  A.  Landtag  1579). 

2)  Vgl  über  diese  besonders  Arnold,  Yerfassangsgoschicbte  der  deut- 
schen Freistftdte.  Hamburg  und  Gotha  1854.  I,  S.  94  ff.,  372  ff,  11,  S.  396  ff, 
und  GfrOrer,  Yerfassungsgeschichte  von  Begensburg  bis  1256.  Stadt- 
amhof  1882. 

3)Ri6zlerI,  S.  366;  daselbst  S.  871  ff.  Verzeichnis  der  Burggrafen. 

4)  Riezler  und  Heigel  S.  216. 

5)  G  fror  er  S.  21  f.  Im  Freiheitsbrief  1230  §  10  (Gen  gl  er,  Stadtr. 
S.  374)  erscheint  noch  der  major  advocatus,  qui  Tumbvogt  vulgariter  appel- 
latnr  et  potestatem  habet  judicandi  ex  parte  episcopi,  et  ex  parte  ducis  burg- 
grayius. 

6)  Die  Herzoge  bezogen  schon  vor  der  Erwerbung  der  Burggrafschaft 
alle  königlichen  Nutzungen  in  der  Stadt  als  Zolle  und  Münze,  soweit  sie 
nicht  an  den  Bischof  abgetreten  waren.  Vgl.  L  a  n  g  o  t  h ,  Skizze  einer  Ent- 
wicklungsgeschichte der  froistäd tischen  Verfassung  Kegcnsburgs  (Regensburgor 
(ijmnasialprogramm  1866  S.  7). 

7)  Qu.  u.  Er.  V,  S.  4  ff ;  modificiert  1213,  ibid,  S.  14  ff 


—    186    — 

Besteuerungs- ,  Münz-,  des  Marktrechts,   des  Gerichtsgefälles 
u.  s.  w.  festsetzte. 

Wie  der  Stellvertreter  des  Bischofs  in  Verwaltung  seines 
Anteils  der  Hoheitsrechte  der  Domvogt  war,  so  hatte  auch  der 
Herzog  einen  Stellvertreter,  den  Burggrafen  M,  später  den 
Schultheißen.  Beide  hielten  nach  altem  Herkommen  dreimal 
jährlich*)  das  echte  Ding  (placitum  legitimum)  ab^).  In 
beiden  Gerichten  waren  Bürger  als  Urteilsfinder  thätig*). 

Durch  die  Pfand  vertrage ,  welche  seit  1279*)  die  geld- 
bedürftigen Herzoge   mit  der  Stadt   wiederholt  abgeschlossen 


1)  Vgl  Riezler  II,  S.  30. 

2)  Siehe  S.  185  Anm.  5. 

3)  Die  Ansicht  Gfrörer's  S.  55  f.,  daß  es  nur  ein  Gericht  in  Regens- 
hnrg  gogehen  habe  und  nicht,  wie  A  r  n  o  ]  d  I,  S.  379  meint,  drei,  niinlich 
rin  bischöfliches,  ein  herzogliches  und  eines  der  BQrger,  das  Stadtfriedens- 
gericht^  erscheint  nicht  überzeusrend,  wenn  wir  auch  mit  Maurer  (Gesch. 
d.  St&dteverfass.  I,  S.  213)  anter  letzterem,  dem  Judicium  civitatis,  den  Stadt- 
rat verstehen,  da  die  Funktionen,  welche  ihm  das  Privileg  1230  zuweist,  solche 
sind,  die  auch  in  andern  Städten  dem  Kate  übertragen  waren.  Die  Kom- 
biniening  der  beiden  Gerichte  (des  Propstes  und  des  Schultheißen),  welche 
nach  einer  Gerichtsordnung  1390  bestimmt  wurde,  indem  die  aus  dem  Kate 
und  den  45  ernannten  Urteilfindem  schwören  mußten,  von  beiden  Rechten 
Hausgenossen  zu  sein,  als  eine  Einrichtung  aus  dem  Anfange  des  13.  Jahr- 
hunderts hinzustellen,  dazu  fehlt  es  an  einem  ausreichenden  Grunde.  Viel 
mehr  fQr  sich  hat  doch  die  Auffassung  Gemeiner 's  (Reichsstadt  Kegens- 
burgische  Chronik  II,  S.  282),  der  die  Bestimmungen  der  Ger.O.  1390  in 
Verbindung  bringt  mit  der  1390  erlangten  pfandweisen  Erwerbung  des 
bischoflichen  Priedgerichts  durch  die  Stadt  Die  von  Gfrörer  S.  56  an- 
gezogene Urkunde  von  1244  (Freyberg,  Sammlung  histor.  Schriften  und 
Urkunden  V,  S.  89  ff)  erscheint  nicht  beweiskräftig,  da  die  Roglung  der 
Abgaben  der  Handwerker,  um  die  es  sich  hier  handelte,  nach  dem  Vertrage 
von  1205  in  den  gemeinschaftlichen  Intercssenkreis  des  Herzogs  und  des 
Bischofs  fiel  (vgl  Gfrörer  S.  59). 

4)  Gemeiner  I,  S.  229;  II,  S.  115,  282.  Auch  wenn  der  Herzog  von 
Baiem  Hoftag  in  K.  h&lt  und  als  Gerichtsherr  selbst  dem  Gerichte  prä- 
sidiert, finden  nur  Bürger  das  Urteil  (Privileg  1230  §  9  —  nee  contra  cives 
procedct  nisi  per  sententiam  suorum  concivium). 

5)  Femer  1359,  1366.  1384  (RiezUr  II,  S.  108);  1409,  1419  (R  B.  XII, 
p.  33,  328),  z.  B.  1419  Herzoge  Ernst  und  Wilhelm  verpfänden  dem  Rat  und 
der  Bürgerschaft  von  R.  das  Schultheißenamt  samt  dem  Friedensgericht  und 
dem  Kammereramt  um  11000  fi.  ungar.  Die  Pfandschaft  darf  in  den  näch- 
sten 15  Jahren  nicht  abgelöst  werden.  Ober  diese  verpfändeten  Rechte  vgl 
die  Deduktionen  des  Herzogs  1492  bei  Krenner  X,  8.  529  C 


—    187    — 

hatten,  kam  diese  in  den  Besitz  der  herzoglichen  Gerichtsbar- 
keit. Mit  der  Erwerbung  des  Pfandbesitzes  war  die  Verwaltung 
des  herzoglichen  Gerichts  ganz  in  die  Hände  der  Stadt  über- 
gegangen *).  Denn  wenn  auch  die  Gerichtsgefälle  samt  den 
Einkünften  aus  dem  Kammereramt  den  Gegenstand  der  Ver- 
pfändung bildeten,  so  überließen  die  Herzoge  doch  die  Hand- 
habung der  Rechtspflege  wohl  dem  Belieben  der  Regensburger*), 
zumal  auch  schon  vorher  gegen  die  Urteile  des  herzoglichen 
Gerichts  der  Rechtszug  nicht  zum  Herzog,  sondern  nur  zum 
Stadtrat  ging,  welcher  als  Berufungsinstanz  fungierte  ^),  wie  ja 
auch  der  Schultheiß  selbst  und  die  Beisitzer  von  Alters  her 
Regcnsburger  Bürger  sein  mußten.  Nur  in  einer  Beziehung 
dauert«  noch  der  gerichtsherrliche  Einfluß  der  Baiemherzoge 
fort,  indem  jeder  Schultheiß  von  ihnen  mit  dem  Blutbann  be- 
liehen werden  mußte.  Dieses  Recht  gehörte  zu  den  wenigen  *), 
welche  Albrecht  IV. ,  nachdem  sein  Versuch,  die  Landeshoheit 
über  Regensburg  herzustellen*^),  gescheitert  war,  für  Baierns 
Landesherren  gerettet  hatte  ^). 


1)  Die  bischOfllcbe  Gerichtsbarkeit  war  1257  durch  Kauf  von  der  Stadt 
erworben  worden  (Kiezler  II,  S.  198). 

2)  1362  wurde  durch  Beschluß  des  Rats  und  der  Qemeinde  bestimmt, 
dafi  der  Verweser  des  Schultheißenamts  stets  auf  2  Jahre  bestellt  werden 
sollte,  und  der  Besetzungsmodus  unter  Zusammenwirken  von  Rat  und  Ge- 
meinde festgesetzt  (Geroeiner  FI,  S.  127,  187).  Der  Rat  behält  sich  vor, 
einen  untauglichen  Schultheißen  abzusetzen,  wie  der  Schultheiß  durchweg 
den  Befehlen  des  Stadtrats  Gehorsam  zu  leisten  hatte  (Gemeiner  II, 
S.  127.  187,  113). 

3)  Gemeiner  n,  S.  160,  114. 

4)  In  einem  Formularbuch  (Cod.  Bav.  2520)  findet  sich  folgender  Eintrag 
TOD  1581 :  Wir  Wilhelm  bekennen  .  . ,  daß  wir  dem  hochgelehrten  unscm 
J.  Holpeckon  der  Rechten  Doctor,  den  Bann  zum  Halsgericht  und  Leibstraf 
in  der  Stadt  R.  zu  richten  auf  seine  Pflicht  und  geschwomen  Eid,  so  er  uns 
deshalb  anheut  dato  gethan,  verleihen  als  regierender  Landesfdrst  in  Baiem 
in  Kraft  des  Briefs  .  . 

5)  1486— J  492.  VgL  über  die  den  Baiemherzogen  gewahrten  Gerecht- 
same und  die  hieraus  entstandenen  Streitigkeiten  Kreittmayr,  Bayrisches 
Staatsrecht  S.  335  ff.  Der  Spruch  K.  Maximilians  (Augsburg,  25.  Mai  1492),  durch 
welchen  die  gelegentlich  der  Unterwerfung  Regensburgs  über  Albrecht  und 
die  Stadt  R  verhängte  Acht  aufgehoben  und  die  Streitigkeiten  geschlichtet 
wurden,  bei  Krenner  X,  S.  588  ff. 

6)  Eigenartig  waren  die  Rechtsverhältnisse  der  Juden  in  Regensburg 
gelagert    Sie  brauchten  nur  vor  dem  Richter,  welchen  sie  aus  ihrer  eigenen 


—    188    — 


§8. 
Die  Patrimonlalgeiiclitsbarkelt  0* 

Neben  den  öffentlichen,  den  staatlichen  Gerichten  stehen 
die  privaten.  Die  Gerichtsgewalt  Privater  erwuchs  in  einem 
langsamen  Entwicklungsprozesse')   aus   der  Disziplinargewalt 

Mitte  w&hlten.  Recht  zn  nehmen  und  genossen  auch  Prozeßprivilegien  (R  R 
VI,  p.  156 ;  Xn,  p.  169).  K  Ludwig  hatte  den  niederbairischen  Henogen  mit 
den  Steuern  die  Jadengerichtsbarkeit,  d.  h  die  Erträge  aus  derselben,  ver- 
pfändet Die  Juden,  welchen  schon  ein  Privileg  K  Heinrichs  1236  eigne 
Gerichtsbarkeit  yerliehen  hatte,  besaßen  zwei  Richter,  von  welchen  einen  nun 
die  Herzoge,  den  andern  die  Juden  selbst  besteUten  (Stobbe,  Die  Juden 
S.  811  1459  bestellte  Herzog  Ludwig  einen  dritten  Judenrichter,  welchrai 
die  Bestrafung  der  fremden  nach  Regensburg  kommenden  Juden  zufieL  Die 
StrafgeflUle,  von  welchen  er  den  10.  Pfennig  bezog,  mufite  er  quartaliter  dem 
Herzog  verrechnen  (R.  B.  XIH,  p.  148,  149  —  1429  erneuerte  der  Herzog 
auch  den  Vertrag  des  Herzogs  Johann  von  Straubing  mit  den  Bürgern  über 
die  Verpfändung  der  Juden  an  diese,  kraft  dessen  die  Ertr&ge  der  Gerichts- 
wändel  bei  Totschl&gen  und  andern  Sachen  der  Juden  zwischen  beiden  Kon- 
trahenten getheüt  wurden).  Nach  einem  Aktenstücke  von  1476  hatten  die 
Juden  2  Richter,  den  einen  setzten  die  Herzoge,  den  andern  die  Juden,  welche 
die  niedere  Gerichtsbarkeit  im  Judenschulhof  ausübten.  Für  die  peinliche 
Gerichtsbarkeit  hatten  die  Herzoge  einen  besondem  Richter  ernannt,  spftter 
aber  dieselbe  dem  Stadtschultheifien  übertragen  (Stobbe,  Die  Juden  S^  82). 
1488  entzog  der  Rat  den  Juden  das  bislang  ausgeübte  Recht,  ein  eignes 
Judengericht  zu  halten  (Train,  Geschichte  der  Juden  in  Regensburg,  in 
Ilgen's  Zeitschrift  t  bist  Theologie  1837.   N.  F.  I,  S.  121). 

1)  Die  Geschichte  der  Hofmarksgerichtsbarkeit  in  Baiem  war  so  viel&ch 
Gegenstand  umfassender  und  gründlicher  monographischer  Bearbeitung,  dafi 
die  folgende  DarsteUung  unter  Verweisung  auf  diese  Spezialuntersuchungen 
diese  wichtige  Materie  ziemlich  kurz  behandeln  konnte.  Ich  hebe  folgende 
Erscheinungen  hervor :  Chlingensperg,  Tractatus  juridicus  de  hofmar- 
chiali  jure.  Ingolstadt  1731.  (Seyfried)  Gesch.  der  st&ndischen  Gerichts- 
barkeit in  Baiem.  Teil  I,  Pest  1791;  TeH  H,  Leipzig  1793.  J.  N.  v.Kren- 
n  e  r ,  Über  Land-,  Hofinarchs-  und  Dorfgerichte  in  Baiem.  München  1795. 
Wirschinger,  Darstellung  der  Entstehung,  Ausbildung  und  des  jetzigen 
rechtlichen  Zustandes  der  Patrimonialgerichtsbarkeit  in  Bayern.  München 
1837.  Vgl  auch  noch  Rockinger,  Einleitung  S.  137  ff.,  und  v.  Maurer, 
Gesch.  der  Fronhöfe,  der  BauemhOfe  und  der  Hofverfassung  in  Deutsch- 
land. Eriangen  1863.  III,  S.  68  ff. 

2)  LT)er  diesen  vgl  G.  Meyer,  Die  Gerichtsbarkeit  über  Freie  und 
Hintersassen  nach  ältestem  Rechte  (Zeitschr.  d.  Savigny-Stiftung  t  Rechtsgesch. 
Qtnn.  Abi XV,  a 83 ff;  XVI,  S.  102 ff). 


—    189    — 

der  Gnindherren  ^).  Gab  es  in  karolingischer  Zeit  auch  noch 
keine  grundherrliche  Gerichtsbarkeit,  so  bot  doch  die  Ent- 
stehung größerer  Grundherrschaften  und  die  Organisation  einer 
grundherrlichen  Verwaltung  die  Elemente  für  die  Ausbildung 
einer  solchen*). 

In  den  Immunitätsprivilegien  muß  der  Ausgangspunkt  für 
die  Hofmarksgerichtsbarkeit  gesucht  werden^).  Der  Vogt, 
welcher  nicht  nur  mit  der  Vertretung  der  Hintersassen  im  Land- 
gerichte betraut  war,  sondern  auch  in  dem  Immimitätsbezirk 
über  diese  die  niedere  Gerichtsbarkeit  zu  handhaben  hatte,  ist 
der  älteste  Patrimonialrichter  *). 

Die  königlichen  und  landesherrlichen  Privilegien,  welche 
seit  dem  11.  und  12.  Jahrhundert  häufiger  erfließen,  enthalten 
gewöhnUch  nicht  erst  die  Verleihung  einer  grundherrlichen 
Gerichtsbarkeit,  sondern  nur  die  rechtliche  Anerkennung  und 
Bestätigung  des  Zustandest),  vde  er  sich  seit  Alters^)  heraus- 
gebildet hatte.  Eine  solche  Anerkennung  bezweckte  wohl  zu- 
meist die  gegenseitige  Abgrenzung  der  Rechtssphären  der  Grund- 
herrschaft und  des  Landesherm,  indem  namentlich  erstere  gegen 
jeden  Eingriff  der  öffentlichen  Beamten  sichergestellt  ^ ),  gleich- 
zeitig aber  auch  die  hohe  Gerichtsbarkeit  in  der  Grundherr- 
schaft dem  Landesherm  gewahrt  werden  sollte. 

Eine  wichtige  Etappe  in  der  Geschichte  der  Patrimonial- 
gerichtsbarkeit bildete  die  sog.  Ottonische  Handfeste  1311,  in 
welcher  der  niederbairische  Herzog  (und  König  der  Ungarn) 
Otto  UI.  den  Ständen  gegen  die  Gewährung  einer  Steuer  die 
niedere  Gerichtsbarkeit  auf  ihren  Gütern  einräumte  ®). 


1)  Über   die   Patrimonialgerichtsbarkeit  in  Österreich  ygl.  Luschin 
&174  ffi 

2)  G.  Meyer  a.  a.  0.  S.107,  119. 

3)  Vgl.  Wirschinger  S.  50  ff.,  64  ff;  Krenner  S.  29  ff. 

4)  R.  Schröder,  RGesch.  S.  176, 194  („der  Vogt  war  der  Patrimonial- 
richter der  Immunität''). 

5)  G.  Meyer  S.  124;  v.  Maurer,  Fronhöfe  III,  S.  70  f 

6)  z.  B.  1180  die  Hofmarchgericht  .  . ,  so  er  von  alters  hergebracht  habe 
m  der  Veste  Raittenbuch  (SeyfriedI,S.  227). 

7)  Vgl  Maurer,  Fronhöfe  III,  S.  72  f.  (1140,  1229,  1263,  1283,  1298: 
M.  B.  Xin.  p.  167;  Vm,  p.  174,  34;  V,  p.  386;  IX,  p.  114). 

8)  das  wir  .  .  durch  die  fOrdrung,  die  wir  ze  disen  zelten   empfahen 
ron  bischoven,  Chorherren,  clöstem,  allen  andern  püaffen,  graven,  freien,  dinst- 


—    190    — 

Vielbestritten  ist  die  Bedeutung  dieses  als  die  Handfeste 
um  den  Kauf  der  Gerichte  bezeichneten  Privilegiums.  Daß  wir 
es  hier  wenigstens  teilweise  mit  einer  Verleihung  neuer  und 
nicht  lediglich  mit  einer  Anerkennung  bereits  früher  erworbener 
grundherrlicher  Gerichtsbarkeit  *)  zu  thun  haben,  dürfte  mit  Fug 
nicht  mehr  bestritten  werden.  Allerdings  in  der  Hauptsache 
sanktioniert  auch  diese  berühmte  Handfeste,  die  man  lange  irr- 
tümlich als  die  Grundlage  der  bairischen  Hofmarksgerichtsbar- 
keit aufgefaßt  hat,  nur  einen  bestehenden  Rechtszustand.  Denn 
in  BetreflF  der  Klöster,  und  von  ihnen  handeln  die  in  den  vor- 
hergehenden Jahrhunderten  erlassenen  Gerichtsprivilegien  fast 
ausschließlich*),  ist  wohl  zumeist  nur  eine  Anerkennung  und  Fixie- 
rung bereits  erworbener  Befugnisse  durch  die  Handfeste  erfolgt, 
obwohl  auch  in  Niederbaiern  manches  Kloster  bislang  dieses 
Gerichtsprivilegs  entbehrt  haben  wird.  Jedenfalls  enthält  diese 
generelle  Verleihung  eine  Erweiterung  der  Hofmarksgerichtsbar- 
keit, indem  diese  auf  alle  Güter  der  Privilegierten  erstreckt 
ward. 

Dagegen  war  durch  diesen  1.  Freiheitsbrief  der  Mehrzahl 
der  weltlichen  Grundherren,  der  lütter,  ebenso  aber  auch  allen 
Städten  für  ihre  Güter  diese  niedere  Gerichtsbarkeit  erst  ver- 
liehen worden  *).  In  dieser  Handfeste  war  zwar  eine  generelle 
Basis  für  die  künftige  Entwicklung  der  Patrimonialgerichtsbarkeit 

mannen,  ritteren,  knechten  and  gemainleich  gen  allen  lenten,  an  allen  den 
steten  die  diser  sach  trager  sind,  wir  sein  über  sy  vogt  oder  nicht»  et  sein 
arm  oder  reich  in  onserm  land  wie  sy  genant  sind  die  uns  so  getan  fürd- 
ruDg  thont,  es  sein  gaistlich  oder  weltlich,  lande  and  leaten  die  genad  ge- 
tan haben,  das  wir  von  aUen  den  gerichten  stecn,  and  wir  and  aach  anser 
erben  and  alle  unser  nachkomen  in  die  geben  ewigkleich,  ir  erben  and  allen 
ir  nachkomen  durch  frid,  gemach  und  genad  landes  und  leuten,  an  die  drey 
gcrichte  die  zu  dem  tode  ziehent;  teu(  todsieg,  notnunft»  strafiraub  (v.  Ler- 
chenfeld S.  1). 

1)  Vgl  V.  Maurer,  Fronhöfe  lU,  S.  74. 

2)  Das  älteste  bairische  Gerichtsprivileg  dürfte  das  aus  Thassilos  Zeit 
stammende  fOr  das  Kloster  Frauenchiemsee  (1077  erneuert)  sein :  -cum  judicio 
in  insula  que  Nunnenwcrd  dicitur,  et  in  omnibus  hofinarchiis  suis,  rite  et 
legitime  habende  (M.  ß.  II,  p.  445).  Ein  Verzeichnis  von  Jurisdiktionsprivi- 
legien (yom  11.  bis  zum  Beginn  des  13.  Jahrhunderts)  für  Kloster  gibt  Ro- 
ckingcr,  Einleitung  S.  132  £ 

3)  Vgl  über  die  Bedeutung  und  die  Folgen  der  Handfeste  besonders 
Wirschinger  S.  90£ 


—    191    — 

geschaffen,  aber  Spezialverleihungeu  resp.  -bestätigimgen  kommen 
doch  auch  in  der  Folgezeit  vor.  Immer  und  immer  wieder  wird 
in  den  Privilegien  der  Folgezeit  auf  diese  Handfeste  um  den 
Kauf  der  Gerichte,  als  das  Fundament  der  Patrimonialgerichts- 
barkeit, Bezug  genommen.  —  In  Oberbaiem  hatte]  K.  Ludwig 
1326  an  18  Abteien  und  Klöster  solche  Jurisdiktionsprivilegien 
verliehen  resp.  bestätigt  ^). 

In  welch  erstaunlichen  Umfange  sich  die  Patrimonial- 
jurisdiktionsbezirke  vormehrten,  ersieht  man  daraus,  daß  am 
Ende  des  15.  Jahrhunderts  Albrecht  IV.  allein  in  Niederbaiern 
die  Zahl  der  Hof  marken  auf  600  schätzte  *).  In  dieser  massen- 
weisen Vergabung  der  niederen  Gerichtsbarkeit,  die  dann  als 
ein  Privatrecht,  gewissermaßen  als  ein  Zubehör  des  Grund  und 
Bodens  behandelt,  mit  demselben  verkauft,  vertauscht  und  zu 
Lehen  gegeben  ward*),  lag  eine  wesentliche  Schmälerung  der 
fürstlichen  Justizhoheit,  denn  weite  Gebiete  (}es  Territoriums 
waren  so,  wenigstens  teilweise,  dem  Gerichtszwange  des  Herzogs 
entzogen  *). 

Diese  grundherrliche  oder  Hof marksgerichtsbarkeit^),  welche 


1)  M.  B.  VI,  p.  248  (I,  p.  431). 

2)  Erenner  IX,  S.  329. 

3)  Sie  war  also  ein  dingliches  Recht,  das  mit  dem  Gute  auf  den  neuen 
Erwerber  überging,  was  bei  den  sogenannten  einschichtigen  Gütern,  welche 
nur  auf  den  adligen  Besitzer  übergingen,  nicht  der  FaU  war.  Vgl  v  M  a  a  r  e  r, 
Fronhöfe  m,  S.  77;   Wirschinger  S.  147. 

4)  Bezeichnend,  wenn  auch  etwas  übertreibend  ist  die  Äußerung  Al- 
brechts IV.,  daß,  wenn  er  den  Rittem,  wie  sie  wollton,  die  Hofmarkgerichtc 
auf  allen  Gründen,  so  in  ihre  Hofmark  geborten,  lie&e,  er  in  allem  Nieder- 
lande an  einem  Richter  genug  hätte  (Erenner  IX,  S  329).  Vgl.  auch  die 
herzogliche  Deduktion  gegen  die  angestrebte  Erweiterung  der  Hofmarks- 
gerichtsbarkeit, Landtagshandlung  1515  S.  168  ff.,  z.B  S.  1G9:  So  ist 
..  nicht  möglich,  daß  die  3  Stände  der  Landschaft  sich  solcher  Freiheit 
mochten  gebrauchen,  wo  änderst  die  Fürsten  Fürstenstand  wollten  halten 
ond  Fürsten  bleiben. 

5)  Unter  Hofmark  verstand  man  einen  Inbegriff  von  Grundstücken  und 
Qebäuden,  die  gegen  einen  dem  Eigentümer  des  Herrenhofs  zu  leistenden 
Zins  ausgethan  und  diesem  in  Dingen  der  niedem  Gerichtsbarkeit  unter- 
worfen sind  (Vgl  Schmoll  er-Frommann  I,  S.  lOCO).  —  Hofmark  kommt 
schon  seit  dem  11.  Jahrhundert  vor,  z.  B.  1077  in  onmibus  hofmarchiis,  1143 
com  plena  Holmarchie  et  venationis  jurisdictione  (M.  B.  II,  p.  445 ;  IX,  p.  498) ; 
1331  (1180)  Hofinarchgericht  (Soyfriedl^S.  227).    Das  Element  der  nie- 


~    192    — 

später  einen  Bestandteil  des  Hofmarksrechts  0  bildete,  stand 
dem  Eigentümer  der  Hofmark  über  alle  zu  dieser  gehörigen 
allodialen  und  lehnbareu  Grundstücke  und  Gebäude  und  alle 
in  derselben  wohnhaften  Hintersassen,  Eigen-  und  Vogteileute 
derselben  zu. 

Wir  wellen  auch,  sagt  die  Ottonische  Handveste  1311*), 
das  yeder  herre  selber  über  sein  leut  und  seiner  leut  guet 
richte,  die  er  mit  thuer  und  mit  thor  hat  besloßen,  sy  sitzen 
auf  pfantschaften,  vogteyen  ^)  oder  urbar.  Ohne  Rücksicht  auf 
die  Qualität  des  Gutes  erstreckte  sich  diese  Gerichtsbarkeit  des 
Grundherrn  auf  alle  seine  Holden  und  alle  in  der  Hofmark  an- 
sässigen Personen.  Das  Streben  des  Adels  nach  Ausdehnung 
seiner  Jurisdiktion  über  die  Grenzen   des  Hofmarkdistrikts*) 


deren  Gerichtsbarkeit  wurde  erst  später  mit  dem  Begriff  Hofinark  in  Yer- 
bindung  gebracht 

1)  Der  Adel  genofi  auch  auf  seinen  Vogteigütem,  wie  auf  den  ihm  mit 
£igentam  oder  Stift  zugehörigen,  Freiheit  von  den  ans  der  landesherrlichen 
Vogtei  stammenden  Scharwerken  (Dien8ten\  aus  welcher  Freiheit  er  das  Recht 
fOr  sich  in  Anspruch  nahm,  diese  selbst  von  den  Gnmdholden  und  Vogtei- 
leuten  zu  fordern.  So  begriff  das  Hofmarksrecht  oder  die  Hofinarksfireiheit 
au&cr  diesem  Scharwerksrecht  das  Recht  der  Besteuerung  und  Musterung. 
Die  Gerichtsbarkeit,  ursprünglich  noch  nicht  damit  verbunden,  wenn  sie  nicht 
hergebracht  war,  wurde  dann  1557  vom  Adel  auch  bezüglich  der  außerhalb 
der  Hofinark  gelegenen  Güter  erlangt  Diese  Hofinarksgerechtigkeit  als  ein 
personliches  Privileg  des  Adels,  das  unterging  beim  Übergang  des  Edelmann- 
gutes in  den  Besitz  eines  Prälaten  oder  Bürgers,  bezeichnete  man  deshalb 
als  Edelmannsfreiheit  Vgl  über  diese  Rockinger,  Einleitung  S.  382  fL; 
Wirsc hinger  S.  142  ff,' 157  ff;  Nibler,  AbL  über  Edebnannsfreiheit 
München  1803. 

2)  Vgl  Wirschinger  S.  116  ff 

3)  Der  Vogt  der  Immunität  war  Beamter  der  Immunitätsherrschaft  und 
verwandelte  das  Amt  in  ein  erbliches  Lehen,  bis  es  ihm  endlich  gelang,  sich 
zum  Herrn  des  Klosters  aufzuschwingen  (Brunn er.  Das  gerichtliche  Ezem- 
tionsrccht  der  Babenberger,  in  Sitzungsber.  d.  bist  EL  d.  Wiener  Akad. 
1864.  Bd  47,  S.  39  f.).  Fürsten  und  Adlige  erlangten  die  Vogtei  über 
Stifter  und  KlOster,  die  wegen  der  von  diesen  zu  entrichtenden  Abgaben 
(Vogteirecht)  besonders  erstrebt  wurden.  In  diesen  Leistungen,  welche  die 
einzelnen  zu  dem  bevogtetcn  kirchlichen  Institute  gehörigen  Güter  (Yogtei- 
güter)  schuldeten,  erschöpfte  sich  schließlich  der  Inhalt  dieses  Schutxverhält- 
nisses  —  Über  die  Vogteigüter  vgl  Wirschinger  S.  109  ff;  über  die  VOgte 
Waitz  VII,  S.  320  ff.  und  Sohm  in  d.  Jenaer  Literaturzeitung  1876  S.467  1 

4)  Die  Irrungen  des  Fürsten  mit  den  Ständen  über  den  Um&ng  des 
Hofmarksbezirks  beseitigte  die  L.  Fr.  II  a.  L    Durch  die  Erklänmg,  ^dai 


—    193    — 

hinaus  führte  endlich  zum  Siege,  indem  der  60.  Freibrief  1557  *) 
diese  allen  vom  Adel  und  von  der  Ritterschaft  einräumte  auf 
allen  einzelnen  in  den  Landgerichten  zerstreut  liegenden  einem 
Hofinarksbesitzer  gehörigen  Gütern  —  die  hofmarchsfreyhait 
und  oberkait  auf  allen  ihren  landgerichtischen  sitzen,  sedlhöfen, 
tafernen  und  allen  andern  ihren  ainschichtigen  guetem*). 

Was  nun  die  sachliche  Zuständigkeit  der  Hofmarksgerichte 
betriflFt,  so  erstreckte  sich  diese  in  Bezug  auf  die  Krimina\juris- 
(liktion  auf  alle  Vergehen,  im  Gegensatze  zu  den  todeswürdigen 
Verbrechen  und  den  Vitztumhändeln  ^).  Regelmäßig  wurde  diese 
in  den  Privilegien  negativ  umschrieben  in  dem  Sinne,  daß  dem 
Grundherrn  die  gesamte  Gerichtsbarkeit  zustehen  soll  an  die 
drey  gerichtet)  die  zu  dem  tode  ziehent:  teuf,  todsieg,  not- 
nunft,  straßraub  ^). 

solch  hofmarch  sein  soUen  in  den  etthem  (d.  i.  innerhalb  der  eingezäunten 
Hofflor)  und  außerhalb  auf  allen  eckhern,  veldem,  wisen,  ängem,  egärtn, 
holtzem,  holtzgründtn,  wegen,  Stegen,  paungärtn,  heckhn,  trattn  (d.  i  Brach- 
feld) und  wassern,  so  in  die  hofinarch  gehörend  Vgl  noch  v.  Chi  In- 
gen sberg  (c.  4)  S.  15  ff. 

1)  Y.  Lerchenfeld  S.  158:  das  wir  ihnen  den  vom  adel  und  ritter- 
schaft  die  wir  für  rittermeßig  und  adelspersonen  halten  und  erkennen,  auch 
hinfär  halten  und  erkennen  —  sonderlich  denen,  die  es  hievor  nicht  gehebt 
—  also  einige  Adlige  hatten  schon  vor  1557  die  Obrigkeit  auf  ihren  außerhalb 
der  Hofinark  gelegenen  Gütern  erlangt»  doch  war  dies  Kecht  nur  ein  persön- 
liches, weshalb  die  Gerichtsbarkeit  an  den  Staat  überging  bei  Veräußerung 
des  Gutes  an  einen  Nichtadligen. 

2)  Jetzt  ward  die  Edelmannsfreiheit  generell  allen  Bittem  fOx  diese  so- 
genannten einschichtigen  Güter  zugestanden.    Vgl  Wirschinger  S.  115. 

3)  L.  Fr.  I,  a.  16. 

4)  Ober  diese  Dreizahl  als  Repräsentanten  der  Kapitalverbrechen  siehe 
S.  157  fl 

5)  So  1.  Freibrief  1311.  —  Diese  Dreizahl  der  dem  Landesherm  zur  Ab- 
urteilung vorbehaltenen  Verbrechen  (hier  sogar  bei  der  Aufzählung  von 
4  Delikten  angewandt ,  während  Straßenraub  gewOhnUch  fehlt)  kehrt  regel- 
milßig  wieder  in  fast  allen  Jurisdiktionsprivilegien,  z.  B.  Qu.  u.  Er.  V,  S.  161, 
213;  VI.  S.  66,  125;  M.  B.  II,  p.  143;  IV,  p.  164;  V,  p.  16,  42,  242,  470, 
478;  V,  p.  471;  VI,  p.  243,  416;  VII,  p.  160.  Ursprünglich  ward  nur  Tot- 
schlag ausgenommen,  z.  B.  1140  (M.  B.  Xm,  p.  167)  solo  ezcepto  homicidii 
reatu,  aber  1298  (M.  B.  IX,  p.  114)  ezceptis  causis  criminalibus,  ut  de  ho- 
micidio  et  similibus,  que  sine  omni  ezceptione  condempnationem  mortis  de- 
monstrare  valeant  evidenter.  Auch  heißt  es  aUgemein  „ohne  die  Sachen,  die 
ZQ  dem  Tod  ziehen^,  casus  sanguinis.  Vgl  noch  die  bei  Eockinger,  Ein- 
leitung S.  132  S.  n.  338,  angeführten  Jurisdiktionsprivilegien. 

Rosenthal,  Geschichte  d.  Uerichtsw.  a.  d.  Venr.-Orgr.  Balerns.  I.  |3 


—    194    - 

Die  peinliche  Strafgerichtsbarkeit,  den  Blutbann,  das  wesent- 
liche Element  der  Gerichtsgewalt,  reservierte  sich  der  Landes- 
herr. Nur  ganz  vereinzelt  wird  auch  diese  an  adlige  Grund- 
herren verliehen.  So  erteilt  Ludwig  d.  Brandenburger  1348 
dem  ü.  von  Abensberg  Halsgericht  und  Blutbann  im  Markte  A.*). 
E])euso  erhält  auch  Heinrich  von  Gumppenberg  für  das  Dorf 
Pöttmes*),  Konrad  von  Frey  sing  für  Au^)  ein  solches  Hals- 
gericht zu  rechtem  Erblehen,  und  selbst  Klöster,  wie  Chiemsee  *), 
erfreuten  sich  dieses  Privilegs. 

Die  Zuständigkeit  des  Hofmarksgerichts  erscheint  also  po- 
sitiv gegeben  für  die  Aburteilung  aller  Vergehen^)  im  Gegen- 
satze zu  den  todeswürdigen  Verbrechen  oder,  wie  L.Fr.  (H  a.  2) 
sagt,  nachdem  sie  Feldfrevel  und  leichtere  Körperverletzungen 
aufgezählt  hatte  *)  —  und  alles  annders  das  nit  vitzdomb  und 
malefitzisch  hänndl  sind.  Was  sich  auch,  fährt  a.  3  fort,  annder 
persöndlich  sprüch  und  frävel  die  nit  vitzdomb  oder  malefitzisch 
hänudi  sind  in  denselben  hofmarcheu  zwischen  jrer  inwonenden 
Personen  und  anndem  auch  auf  den  gründtu  und  guetem  darzue 


1)  Auch  haben  wir  dem  von  A.  and  sinen  erben  stocke  und  galgen  and 
ein  fries  balsgericht  do  selben  geben  und  verleihen  in  and  iren  amptlewten, 
den  si  daz  gericht  enphelhent,  den  ban  mit  disem  .  .  brief  also,  daz  sie  fQr- 
baz  ewiklich  über  alle  schedlich  lewt  .  .  .  rihten  salen  (Qa.  a.  Er.  V,  S.  405). 

2)  1310  hatte  Heinrich  v.  G.  diese  Exemtion  von  jeglicber  landgericht- 
lichen Jurisdiktion  erlangt  Die  Exekution  von  Todesurteilen  hatte  aber 
durch  das  Landgericht  Bain,  an  welches  die  Abgeurteilten  ausgeliefert  wur- 
den, zu  geschehen.  Halsgericht,  Stock  und  Galgen  wurde  zu  rechtem  Lehen 
empfangen.  Der  von  der  Herrschaft  bestellte  Richter  mußte  Bann  und  Acht 
vom  Herzog  empfangen  (v.  Gumppenberg,  Gesch.  der  Familie  von 
Gumppenberg.   Würzburg  1856.    S.  64  f.,  140). 

3)  Lipowsky,  Gesch.  d.  bair.  Criminalrechts  S.  148. 

4)  Grimm,  WeistOmer.    GOttingen  1842.    111,  S.  611  £ 

5)  z.  B.  1318  Fürstenzell :  nur  Gült,  Baurecht  Scheltwort  und  Schwert- 
zflcken  und  um  allen  Unfug  (M.  B.  V,  p.  42);  Hofmark  von  Rot  (15.  Jahr- 
hundert): sein  richter  hat  zu  richten,  wändlen  und  zu  straffen  einen  jeden 
frevel,  der  hie  geschieht,  es  sei  rauffen,  schlagen,  stoßen,  Scheltwort  oder  Un- 
zucht, daß  alles  mag  er  wandlen  und  straffen  nach  gestalt  eines  jeden  handeb 
und  freveis  (Grimm,  Weistümer  III,  S.  669). 

6)  L.  Fr.  II  a.  2:  In  und  auf  den  allen  (Hofmarken)  soll  der  hofmarch- 
herr  ze  richten  und  zue  straffen  haben,  alls  umb  uberetzen,  ubermäen,  über- 
schneiden, uberzeinen,  ubcrgraben,  ubermaifien  (d.  L  auf  einem  angrenzenden 
Grunde  Holz  hauen)  und  uberackhem,  auch  umb  rauffen,  schlahen,  werffen  und 
verwunden  und  allee  anders  das  nit  vitzdomb  und  malefitziBch  h&nndl  sind. 


—    195    — 

gehörig  begeben  soll  der  bofmarchrichter  auch  ze  richtn  und  ze 
straffen  haben. 

In  Bezug  auf  die  Civiljurisdiktion  war  auch  die  Kompetenz 
eine  allgemeine  mit  der  allerdings  einschneidenden  Ausnahme, 
daß  die  Rechtsstreitigkeiten  um  Grund  und  Boden  dem  Land- 
gerichte vorbehalten  bUeben,  wie  dies  in  den  Privilegien  0  ^^d  in 
der  L.Fr.*)  vielfach  ausdrücklich  hervorgehoben  ward.  Nur  ganz 
vereinzelt,  wie  dies  auch  in  Hinsieht  auf  die  Kriminalgerichts- 
barkeit der  Fall  war,  ging  die  Privilegierung  einiger  Herrschaften 
noch  weit  weiter,  so  daß  man  ihnen  auch  eine  Gerichtsbarkeit  über 
die  in  der  Hofmark  liegenden  Immobilien  zugestand^).  Das 
lockte  auch  die  übrigen  Hofmarksherren  zur  Ausübung  einer 
solchen  ausgedehnten  Jurisdiktion,  die  sich  Viele  anmaßten,  so 
daß  die  Streitigkeiten  über  diese  mit  dem  Landesherm  nicht 
aufhörten*),  bis  die  L.Fr.  einen  Vergleich  herbeiführte,  indem 
sie  ^)  wohl  das  Prinzip  aufstellte,  daß  Immobiliarprozesse  —  umb 
grundt  und  poden,  auch  umb  gannt  derselben  Sachen  —  der 
Kognition  des  Landgerichts,  als  dem  eigentlichen  forum  rei 
sitae,  unterstellt  werden,  zugleich  aber  auch  festsetzte,  daß, 
falls  die  Jurisdiktionsgewalt  über  das  konkrete  Grundstück 
strittig  wäre,  die  Einleitung  des  Prozesses  dem  Hofmarksrichter 
überlassen  werden  solle,  der  dann  die  Sache  zur  Fällung  des 
Urteils  ans  Landgericht  zu  überweisen^)  habe. 


1)  z.B.  M.  B.  U,  p.  140;  IV,  p.  45 ;  V,  p.  376;  XVIII,  p.  67.  1331  Wir  sollen 
auch  richten  um  Eigen  und  Lehen,  was  aber  am  Erbrecht  oder  am  andre 
Sachen  ist»  das  soU  man  aaf  den  Gütern  richten  (0 ef  el  e,  Ber.  Boic.  Scriptöres 
II,  p.  164). 

2)  II  a.  7.  Wer  ho&narch  hat,  der  soU  wie  obsteet  in  denselben  aUe 
Sachen  so  nit  Yitzdomb  oder  maiefitzhänndl  sind  ze  richten  haben;  hindan 
gesetzt  and  ansgenomen  omb  gnmd  and  poden,  aach  amb  gannt  derselben 
Sachen,  die  soUcn  in  unsem  fürstlichen  landgerichten  berecht  werden.  Vgl. 
die  Variante  in  der  Fassong  der  L.  Fr.  von  1514  bei  v.  L  e r  c h e nf  e  1  d  S.  231. 

3)  z.  B.  M.  B.  VI,  p.  146;  VII,  p.  299;  Hofmark  von  Rot:  es  hat  das 
gotshaas  in  der  hofinark  zu  richten  amb  grand  and  poden,  erb  and  eigen, 
was  darein  and  darza  gehört,  so  ver  and  weitt  der  pflaeg  and  die  sänsen 
derselben  hofmark  gründ  und  poden  raicht,  darzu  aUen  frevel,  der  auf  solchen 
gründen  beschicht,  an  des  malefiz  (Grimm,  Weistümer  III,  S.  670). 

4)  Wirschinger  S.  132  t 
6)  II  a.  7  Abs.  1  u.  2. 

6)  Die  erforderliche  Besitzeinweisung  erfolgt  auf  Aufforderang  des  Land- 
richters durch  den  Hofinarksrichter.    Nur  wenn  dieser  innerhalb  14  Tagen 

13* 


-    196    — 

Im  allgemeinen  sehen  wir  also  für  die  Kompetenzabgrenzung 
zwischen  dem  Land-  und  dem  Hofmarksgericht  das  Prinzip  der 
fränkischen  Gerichtsverfassung  nachwirken,  welches  alle  causae 
maiores,  also  alle  Strafsachen,  die  an  das  Leben  gingen,  alle 
Prozesse  um  Freiheit  und  Eigen  dem  ordentlichen  Gerichte  des 
Grafen,  alle  causae  minores  aber,  Prozesse  um  Schuld  und 
Fahrnis  dem  Gericht  des  Centenars  zur  Aburteilung  überwiesen 
hat  *).  Das  Hofmarksgericht  ist  also  der  Nachkomme  des  alten 
Schultheißengerichts  im  Gegensatz  zum  Grafen-(Land-)gericht, 
welch  letzteres  eben  das  Gericht  ist.  In  gewissem  Umfange 
entwickelte  sich  aber  die  Hofmarksgerichtsbarkeit  zu  einer  der 
landgerichtlichen  adäquaten  obrigkeitlichen  Gewalt*),  indem  sie 
nicht  nur  die  Ausübung  der  sog.  freiwilligen  Gerichtsbarkeit 
(Inventarisierung,  Nachlaßregulierung,  Bestellung  und  Über- 
wachung der  Vormundschaft  u.  dgl.)  ^),  sondern  auch  die  Hand- 
habung der  Polizeigewalt*)  auf  ihren  Gütern  in  sich  schloß. 
Alle  Aufgaben,  welche  auf  dem  Gebiete  der  Verwaltung  und 
besonders  auf  dem  der  Polizei  dem  Pfleger  in  den  Landgerichten 
zufielen*),  waren  in  den  Hofmarken  von  der  Hofmarksobrigkeit 
(in  den  Städten  vom  Stadtrat)  zu  erledigen.  Wo  namentlich 
die  Polizei-Ordnungen  des  16.  Jahrhunderts  von  der  Obrigkeit 
oder  Gerichtsobrigkeit  sprechen,  schließen  sie  regelmäßig  auch 
die  Hofmarksobrigkeit  in  sich*). 


der  Aufforderung  nicht  entspricht,  übernimmt  jener  die  Durchftlhrung  der 
Exekution.  —  Aber  die  gannt  umb  varcnds  guet  sollen  in  den  hofinarchen, 
die  dann  umb  die  schuld  zc  richten  haben  bleiben;  dann  wer  umb  schuld 
ze  richten,  der  hat  auch  bezallung  derselben  zu  verhelffen,  das  ist  durch 
mittl  ainer  rechtlichen  gannt  (L.  Fr.  II  a.  7  Abs.  4). 

1)  Schröder,  Rechtsgeschichte  S.  164  f. ;  S o h m ,  Frank.  Reichs-  und 
Ger,-Verf  8.  419  ff 

2)  Für  die  mifibr&uchliche  Ausdehnung  der  Hofmarksjurisdiktion  sind  die 
Beschwerden  R  Ludwigs  gegen  die  Landständo  (1471)  von  Interesse  (Ercn- 
n  e  r  VII,  S.  339  ff). 

3)  z.  B.  L  Fr.  n  a.  21-23. 

4)  Vgl.  noch  Wirschinger  S.  135  £ 

5)  Vgl  die  Darstellung  in  §  17. 

6)  z.  B.  L.O.  151C  S.  15  —  da&  in  Städten  und  Märkten,  auch  in  Land- 
gerichten all  und  jeglich  unser  Amtlcut  und  Landsässen,  die  Gerichtsverwal- 
tung  haben,  verfügen  (Anmeldung  der  unbekannten  argwohnigen  Leute); 
S.  17  Bettler  soll  Urkunde  von  seiner  Herrschaft  haben.  Ist  er  unter  uns 
von  unsem  Pflegern,  ist  er  aber  unter  einem  Prälaten,  Edelmann,  Stadt  oder 


-     197    — 

Die  Jurisdiktion  in  den  Hofmarken  wurde  gewöhnlich  nicht 
durch  die  Herren  selbst,  sondern  durch  einen  von  ihnen  be- 
stellten und  besoldeten  * )  Richter'')  (Hofmarksverwalter,  Schaflfner, 
Vogt)  gehandhabt,  der  mit  dem  Stabe  in  der  Hand  dem  Ge- 
richte vorsitzt.  Für  dessen  Ernennung  waren  dieselben  Quali- 
fikationsbedingungen wie  für  die  landesherrlichen  Richter  auf- 
gestellt^). Doch  ist  er  mitunter  an  ein  Vorschlagsrecht  der 
Hofmarksgenossen  gebunden  (nach  der  nachpaurn  rat  der  merern 
menig)^),  ja  diesen  ist  sogar  zuweilen  selbst  das  Ernennungs- 
recht zugestanden  ^).  Häufig  waren  fürstliche  Beamte  zugleich 
als  Patrimonialrichter,  besonders  bei  Klöstern  bestellt.  Wegen 
der  durch  diese  Kumulierung  der  Ämter  bedingten  ünzuträg- 
lichkeiten  wurde  dieselbe  durch  ein  herzogliches  Dekret  1573  ^) 
untersagt  und  den  Klöstern  aufgegeben,  eigne  Richter  zu  be- 
stellen. 


Markte  daß  er  von  denselben  auch  eine  solche  Urkunde  habe ;  S.  23  die  Obrig- 
keit» dem  die  Kinder  von  Gerichts  wegen  unterworfen  sind,  soUen  Vormund 
besteUen ;  und  an  vielen  andern  Stellen.  Ebenso  auch  L.O.  1553,  z.  B.  B.  II 
1 1  a.  1.  Jeder  soU  zuerst  seine  Klage  seinem  geordneten  Pfleger,  Hofinark- 
oder  andern  Gerichtsherm  und  Obrigkeiten  vorbringen.  Sodann  wird  manch- 
mal noch  in  besondem  Artikeln  bestimmt^  daß  die  Landsassen  in  ihren  Hof- 
marken und  Gerichten  diese  (Sportel-  etc.)  Ordnung  auch  halten  sollen  (B.  n 
t  2  a.  4;  t  6  a.  3)  u.  dgL  m. 

1)  L.  Fr.  U  a.  8;  Ger.O.  1520  I  a.  13. 

2)  Bei  der  Ausdehnung  der  Hofmarksgerichtsbarkeit  über  die  einschich- 
tigen Güter  (60.  Freibrief  bei  v.  Lerchen feld  S.  160)  wurde  im  Inter- 
esse der  Rechtsuchenden  bezügUch  des  Richters  angeordnet»  daß  derselbe  in 
3  Meilen  Wegs  zum  weitisten  mit  seiner  häuslichen  Wohnung  zu  finden  sein 
rnftsse.  Geschieht  das  nicht  und  ist  auch  der  Hofoiarksherr  weiter  entfernt^ 
80  kann  die  Klage  im  Landgerichte  erhoben  werden. 

3)  Ger.O.  1520  t  I  a.  1. 

4)  z.  B.  Grimm,  Weistümer  VI,  S.  118  §  L 

5)  z.  B.  Ibid.  S.  122  §  1. 

6)  (Kr.  A.  M.  —  Hofkammer  Gen.  Acta,  Kopie).  Die  Maßregel  wurde  damit 
motiviert,  daß  dardurch  beider  Orten  die  Dienste  vielfaltig  versäumt  würden, 
also  da  man  unsre  Sachen  soU  abwarten,  so  ist  man  in  des  Klosters  Ge- 
schäft oder  da  des  Klosters  halben  was  fOrfäUt,  so  kann  man  von  unserm 
Dienst  so  bald  nit  abkommen  und  es  derhalben  beider  Orten  nit  thunlich, 
sondern  uns  und  den  Klöstern  in  mehr  viel  nutzbarer,  sie  haben  ihre  Richter 
bei  ihnen.  Die  Klöster  remonstrierten  gegen  diese  Verfägung,  indem  sie  den 
Kostenpunkt  betonton,  denn  keiner  würde  um  ein  Geringes  oder  Schlechtes 
dienen,  meinte  Schäftlam,  der  ein  wenig  einen  Verstand  zu  Gerichtssachen 
hätte. 


—    198    — 

Die  FiDduDg  des  Urteils  lag  in  den  Händen  von  (12)^) 
Schöffen  (Rechtsprechern),  die  aus  den  tüchtigsten  Insassen  der 
Hofmark  vom  Hofmarksherm  oder  Richter  * )  bestellt  und  ver- 
eidigt wurden.  Fand  er  solch  qualifizierte  Leute  nicht  in  ge- 
nügender Anzahl  in  seiner  Hofmark,  so  soll  er  sich  ehrbare 
Nachbarn  aus  dem  Landgerichte  oder  andern  Hofmarken  als 
Gerichtsbeisitzer  erbitten')  und  dieselben  vereidigen*).  Der 
Hofmarksherr  kann  auch,  falls  er  das  Gericht  nicht  vorschrifts- 
gemäß besetzen  kann  oder  will,  den  Rechtsstreit  zur  Aburteilung 
an  das  Landgericht,  in  dessen  Sprengel  die  Hofiuark  liegt,  oder  an 
das  Hofgericht  verweisen.  Ist  er  nach  dieser  Richtung  hin  säumig, 
so  soll  seitens  des  Landrichters  oder  Hofgerichts  den  Parteien 
Recht  ergehen,  ohne  daß  diese  Devolution  in  dem  Einzelfalle 
der  Gerichtsbarkeit  des  Hofmarksherm  präjudiziert^).  Das 
Prinzip,  daß  bei  vorliegender  Rechtsverweigerung  in  der  Hof- 
mark die  Sache  an  das  zuständige  landesherrliche  Gericht  ge- 
bracht werden  soll,  findet  schon  sehr  bald*)  Anwendung^). 

Der  Hofinarksherr  ist  verpflichtet,  das  Gericht  auf  eigne 
Kosten  zu  unterhalten,  und  darf  nicht  für  die  Bestreitung  dieser 
Unterhaltungskosten  besondere  Gebühren  von  den  Parteien  be- 
anspruchen, „angesehen,  daß  der,  so  der  Hofraarch  mit  Wändin 
und  andern  Sachen  genießt  in  dem  Fall  die  Hofmarch-  und 
Ehaftrecht  ohne  Kostung  der  Parteien  auch  billig  entgelten  soll"  **). 


1)  X.  B.  Hofinark  Pillenee :  Die  12  geschwornen  Rechtsprecher,  die  zn 
der  ScbranneD  geschworen  gesetzt  sein  (M.  B.  II,  p.  102).  Hofinark  Raiten- 
buch  (M.  B.  VIII.  p.  113).    Vgl  auch  Krenner  XVI,  S.  369  t 

2)  Ger.O.  1620  t  I  a.  4. 

3)  L.  Fr.  U  a.  11;   Ger.O.  1520  t  I  a.  14. 

4)  Die  Hofinarksherren  waren  auch  innerhalb  des  Geltungsgebiets  des 
Landrechts  nicht  zu  dessen  Anwendung  verpflichtet  In  der  Einleitung  der 
Reformation  des  bairischen  Landrecbts  1618  wird  aber  den  Landsassen  die 
Einführung  derselben  nahe  gelegt  (vgl  v.  d.  Pfordten  S.  271  ff.). 

6)  Ger.O.  1520  I  a.  14  Abs.  2-4. 

6)  z.  B.  1288  (HB.  III,  p.  348):  Si  per  prepositum  et  Conventum  in 
Ranshoven  eisdem  colonis  sive  hominibus  justitia  negata  fiierit,  tunc  iidem 
coram  judice  competente  suas  poterint  persequi  questiones. 

7)  Auch  für  die  Bestellung  des  Hfllfspersonals  (Fronboten,  Amtleute) 
durch  den  Hofinarksherm  war  Vorsorge  getroffen,  hie  und  da  auch  für  Für- 
sprecher, doch  wurden  dieselben  zumeist  von  den  Parteien  mitgebracht 

8)  Gez.0.  1520  I  a.  13. 


—    199    — 

Aus  der  Pflicht  des  Herzogs  für  die  ordentliche  Hand- 
habung der  Justiz  im  ganzen  Lande  zu  sorgen,  ergab  sich  die 
Notwendigkeit  für  die  herzoglichen  Gerichte,  da  ergänzend  ein- 
zutreten, wo  diejenigen,  welchen  die  Gerichtsbarkeit  zur  Aus- 
übung delegiert  war ,  ihre  Pflicht  nicht  erfüllten ,  also '  bei 
jeder  Rechtsverweigerung  oder  Rechtsverzögerung  der  Hofmarks- 
gerichte *). 

Die  Berufung  gegen  ein  Urteil  des  Hofmarksgerichts  ging 
zum  Hofgericht  bezw.  zur  vorgesetzten  Regierung*).  Daß  ins- 
besondere gegen  die  von  den  Hofmarksgerichten  gefällten  Straf- 
urteile Berufung  zu  diesen  Stellen  eingelegt  werden  könne,  wird 
von  der  L.Fr.  (H  a.  3)  ausdrücklich  betont.  Sie  waren  auch 
zuständig  zur  Entscheidung  der  zwischen  einer  Hofmark  und 
einem  Landgericht  entstandenen  Kompetenzkonflikte  *). 

Der  Rechtszug  vom  Hofmarksgericht  zum  Hofmarksherm 
mußte  durch  Privileg  besonders  eingeräumt  sein*)  und  scheint 
von  vielen  ohne  rechtfertigenden  Grund  in  Anspruch  genommen 
worden  zu  sein  ^). 

Bei  den  sich  vielfach  berührenden  Kompetenzen  des  Land- 
und  des  Hofmarksgerichts  war  eine  eingehende  Normierung  der 

1)  z.  B.  L.  Fr.  n  a.  27,  28. 

2)  Krenner  YII,  S.  359.  Verantwortang  der  Landschaft  auf  die  kaiser- 
liche Instruktion  hin  (Landtag  1514  S.  342):  und  wan  ürtl  Ton  dem  Dor£f- 
oder  Hofinarch-Eichter  gefahlen,  so  appellirt  der  Beschwert  für  den  färstL 
Hot  —  von  dannen  wirdt  an  das  k.  Cammer-Gericht  geappelliert,  Da  mag 
niemand  sagen,  daß  kayserl  oder  FürstL  Obrigkhait  oder  den  Regalien  etwas 
entzogen  werd,  dan  das  Obergericht  oder  Gerechtigkhait  der  Regalien  seint 
dem  FOrstenthumb  auch  der  kays.  Mt  unbenomen. 

3)  L.  Fr.  U  a.  4. 

4)  z.  B.  Privileg  K.  Ludwigs  für  die  Klöster  in  Oberbaiem :  Wir  haben 
ihn  auch  die  Gnade  gethan,  das  man  fürbas  dingen  soll  für  dieselbe  Pre- 
laten  und  nit  für  uns  noch  unser  AmpÜeut  (M.  B.  I,  p.  297);  vgl  noch  ib. 
V,  p.  218;  n,  p.  109. 

5)  Bei  den  Vorberatungen  über  die  L.O.  1474  forderte  H.  Ludwig  noch 
über  einige  Punkte  Bericht  von  den  Landrichtern,  besonders  über  einzelne 
Eingriffe  der  Landstände  in  seine  Justizhoheit  —  So  u.  A. :  „So  einer  darin 
beschwert,  für  wen  geappelliret,  und  ob  der  Appellationen  gestattet  werde . ., 
dann  Wir  verstehen,  das  etliche  das  appelliren  nicht  haben  und  sonders  den 
ihren  in  keinen  Weg  für  Uns  gestatten  wollen."  Femer;  „daß  auch  die  Ge- 
dinge, so  von  den  Urtheilen  in  den  Hofmarchen  beschehen,  nicht  an  Uns  als 
Landesfürsten,  sondern  an  den,  dessen  die  Hofmarch  ist,  gethan  werden" 
(Krenner  VII,  S.  355,  367). 


—    200    — 

auitlichen  Beziehungen  geboten.  Namentlich  hatte  die  Aus- 
lieferung der  eines  schweren  Verbrechens  Schuldigen  —  das 
forum  delicti  commissi  resp.  deprehensionis  war  das  anerkannte  — 
an  (las  zur  Aburteilung  zuständige  Landgericht  eine  detaillierte 
Regelung  erfahren  stets  in  dem  Sinne,  daß  der  Delinquent,  als 
er  mit  gürtP)  ist  umbfangen  *)  —  so  lautet  die  mit  stereo- 
typer Regelmäßigkeit  wiederkehrende  Formel  —  also  so  wie  er 
geht  und  steht,  d.  h.  bis  aufs  Hemd  entkleidet,  innerhalb  3  Tagen 
auszuliefern  sei.  Das  gestohlene  Gut  verblieb  also  dem  Hof- 
marksherm '),  und  nur  an  der  Person  wurde  seitens  des  Land- 
gerichts die  peinliche  Strafe  vollzogen,  wie  dies  für  den  Dieb 
insbesondere  häufig  bestimmt  ist^). 

Die  L.Fr.  (IV  a.  3)  ordnete  eine  Verwahrung  der  in  einer 
Hofmark  ergriffenen  Verbrecher  bis  zum  3.  Tage  an,  wo  dann 
die  Auslieferung  der  gebundenen  Gefangenen  an  den  Landrichter 
erfolgen  sollte*). 

Bei  allen  rechtlichen  Beziehungen  zwischen  den  im  Land- 
gerichts- und  im  Hofinarksbezirk  Ansässigen  konnte  eine  Einwir- 

1)  Eine  alte  Formel  Vgl  Aber  sie  and  andere  Gebräuche  bei  der  Aus- 
lieferung die  Beispiele  bei  Grimm,  Deutsche  Bechtsaltertflmer  I,  S.  157; 
II,  S.  876;  Westenried  er,  Glossarium  S.  222  iL  Vgl  noch  1.  Freibrief 
1311,  Privileg  f&r  die  oberbairischen  Kloster  1330  (M.  B.  I,  p.  297);  Grimm, 
Weistümer  m,  8.  637,  670;  VI,  S.  116,  127,  136,  178,  191. 

2)  In  humoristischer  Weise  werden  oft  Direktiven  f&r  die  Auslieferung 
gegeben,  z.  B.  in  der  Hofinark  von  Rot:  in  3  tagen  soll  er  (des  Gotteshauses 
Kichter)  den  schedlichen  menschen  dem  landgericht  oder  seinen  amüeuten, 
als  er  mit  gürtl  umfangen  ist»  an  die  außer  felterseul  mit  einem  seiden  oder 
zwirinen  faden  binden  und  das  gut,  das  er  herein  bracht  hat,  soU  hinner 
der  hofinarch  dem  gotshaus  beleiben ;  femer  in  der  Hofinark  zu  T.  a.  6 :  Am 
3.  tag  .  .  aus  der  hofinarch  ins  landgericht  .  .  antworten,  ihn  an  eine  fäU- 
thorsftule  mit  einem  strohband  anbinden  und  der  amtmann  drei  schrei  thucn : 
wer  zu  ihm  zu  sprechen  hat,  der  findet  den  armen  hier  angebunden.  Vgl 
noch  Rechte  von  Chiemsee  (Grimm,  WeistOmer  III,  S.  669,  640,  671).  Vgl 
über  diese  Scheinerfüllung  einer  Verbindlichkeit  Gierke,  Der  Humor  im 
deutschen  Recht   Berlin  1871.  S.  37. 

3)  L  Fr.  rV  a.  4.  Natürlich  nur  soweit  nicht  Ansprüche  des  Eigen- 
tümers geltend  gemacht  wurden. 

4)  Die  Beschwerde  des  Herzogs  Ludwig  1471  (E  renn  er  VII,  S.  339), 
so  Dieb  und  andere  Ubelthftter  in  die  Hofinarken  kämen,  würde  das  Gut,  so 
sie  mit  ihnen  hinein  bringen,  darin  behalten  und  sie  fürder  hinweg  geschoben, 
mag  zur  Festsetzung  obiger  Bestimmungen  in  L.  Fr.  geführt  haben. 

5)  z.  B.  Grimm,  Weistümer  m,  8.  640,  a.  6. 


—    201    — 

kung  auf  einen  solchen  nicht  direkt  *),  sondern  lediglich  durch  Re- 
quisition seiner  Obrigkeit  erfolgen  *).  Auch  die  Hofmark  ward  als 
besonderer  Jurisdiktionsbezirk  geachtet,  gefreit  gegen  jedes  amt- 
liche Eingreifen  einer  andern  als  der  eigenen  Obrigkeit.  Nur 
falls  die  Hofmarksobrigkeit  der  Requisition  keine  Folge  gab, 
konnte  das  Landgericht  unmittelbar  gegen  den  Hofmarksmann 
eine  Amtshandlung  vornehmen  (L.Fr.  II  a.  27). 

Daß  der  Hofmarksherr  oder  sein  Verwalter  nicht  eine  Amts- 
gewalt über  die  landgerichtischen  oder  die  eignen  im  Land- 
gerichtssprengel wohnenden  Unterthanen  auszuüben  befugt  war, 
liegt  auf  der  Hand.  Wurde  ein  Eigen-  oder  Vogtmann  zur  Ver- 
antwortung vor  das  landesfürstliche  Gericht  gezogen,  so  konnte 
der  Herr  oder  sein  Beamter  als  sein  Beistand  auftreten  ®). 

Bei  der  Kompliziertheit  der  Kompetenzabgrenzung  war  es 
oft  beim  besten  Willen  der  landesherrUchcn  und  Hofmarks- 
beamten recht  schwierig,  ein  Hinübergreifen  in  die  Amtssphäre 
des  andern  Teils  zu  vermeiden.  Da  es  aber  bei  dem  eigen- 
nützigen Gebahren  vieler  Beamten  auf  der  einen  und  dem 
rastlosen  Streben  nach  Gewalterweiterung  auf  der  andern  Seite 
recht  häufig  an  diesem  guten  Willen  fehlte,  so  kann  man  sich 
nicht  wundern,  daß  die  Beschwerden  über  Kompetenzverletzungen 
auf  den  Landtagen  nicht  verstummen  wollten. 

Die  gleichen  Klagen  wie  am  Ende  des  15.^)  ertönten  auch 
noch  gegen  Ausgang  des  16.  Jahrhunderts  seitens  der  Land- 
stände über  die  Iniingen  und  Kränkungen,  welche  die  Pfleger, 

1)  So  hatten  Pfleger  und  Richter  die  landgerichtischen  Unterthanen 
denen  vom  Adel  und  andern  Hofmarksherrn  als  Vormünder  zu  YerschafTen 
and  ebenso  diese  und  ihre  Verwalter  wieder  die  Hofoiarksleute  in  die  Land- 
gerichte (L.  Fr.  II  a.  24).  Die  in  Landgerichten  wohnenden  Hintersassen, 
Eigen-  oder  Vogtlente  der  Landschaft  mußten,  wenn  sie  eines  bürgerlichen 
Verbrechens  oder  Handels,  außer  um  Malefiz,  geziehen  wurden,  auf  schrift- 
liche Requisition  des  Landrichters  diesem  zum  Gerichtstermin  verschafift 
werden  (L.  Fr.  II  a.  25;  vgl.  auch  11  a.  27). 

2)  z.  B.  Hofraark  zu  T.  §  2:  erstlich  hat  kein  landamtmann  in  der  hof- 
mark T.  nicht  ze  handeln  noch  zo  schafifen;  wo  er  aber  von  eines  gcrichts 
wegen  in  der  hoftnarch  ze  thuen  hett,  das  soll  er  zuvor  anbringen,  die  werden 
ihm  alle  billigkeit  verhelfen  und* ihm  verschaffen  (Grimm,  Weistümer  III, 
S.  640). 

3)  Ldr.  a.  149;  L.  Fr.  II  a.  26;  Grimm,  Weistümer  III,  S.  642,  a.  19. 

4)  z.  B.  1471,  1494,  1497  (Kronner  VII,  S.  63  f.;  IX,  S.  318  ff;  XIII, 
&  16  f ). 


—    202    — 

Richter  und  Amtleute  ihnen  in  ihren  Hofmarken  zufügten  und  so 
ihre  Privilegien  verletzten.  Solchen  ständischen  Klagen  gegenüber 
beschwert  sich  der  Herzog  dann  seinerseits  wieder  über  Beein- 
trächtigung seiner  Obrigkeit,  wirft  den  Hofmarksherren  vor, 
daß  sie  Übelthätem  in  Malefizsachen  das  Geleite  erteilt  hätten 
u.  dgl.  m.,  und  ordnete  über  die  verschiedenartigsten,  zu  seiner 
Kenntnis  gebrachten  tJl)ergriffe  Recherchen  an  ^).  G^enüber 
den  von  der  Ritterschaft  und  den  Prälaten  auf  dem  Landtage 
1583^)  erhobenen  allgemeinen  Beschwerden  im  alten  Stile  ant- 
wortet der  Herzog  nur,  daß  spezielle  Fälle  solcher  Beamten- 
übergriife  aufgeführt  werden  mögen.  Denn  es  war  ja,  wie  bereits 
hervorgehoben  wurde ,  im  16.  Jahrhundert  durch  die  L.  Fr. 
eine  eingehende  Normierung  der  Kompetenzverhältnisse  erfolgt, 
so  daß  es  sich  lediglich  um  Nichtachtung  bestehende^  Vor- 
schriften handeln  konnte. 

Ragten    die  Hunderte  Von   Patrimonialherrschaften    schon 
als  ebensoviele  Keile  in  die  fürstliche  Machtsphäre  hinein,  die 


1)  Krenncr  VTI,  S.  349  ff 

2)  Mannskript  im  Kr.  A.  M.:  Die  Ritterschaft  beklagte,  dafi  der  Bauer, 
wenn  er  gegen  seinen  Hofifnarksherm  Klage  zu  haben  vermeinte,  gleich  gegen 
Hof  liefe  und  Tagsatzung  ausbrächte,  welche  er  mit  einem  Stück  Brot,  der 
Herr  aber  mit  besonderen  Unkosten  besuchen  müsse.  Ergebe  sich  nun  im 
Verhöre,  dafi  der  Bauer mutwiUig  und  ohne  Grund  klage,  so  werden  doch 
dem  Herrn  einige  Unkosten  nicht  erkannt,  noch  der  Bauer  seines  Frevels 
halber  bestraft ;  damit  werde  der  Hofmarksherr  von  einem  nach  dem  andern 
tribuliert  und  zu  Unkosten  gebracht,  und  sei  der  Bauern  Gezänk  kein  Ende. 
Der  Herzog  verhieß  Erfüllung  der  Bitte  (Bestrafung  und  Kostenersatzpflicht 
des  mutwillig  Klagenden  und  Unterliegenden  an  den  Gegner).  Femer  beschwerte 
sich  der  Adel  darüber,  da&  die  Bauern  gar  nicht  das  Urteil  des  Hof  marksgerichts 
in  den  von  ihnen  angestrengten  Prozessen  abwarteten,  sondern  gleich  gegen  Hof 
liefen,  Commissionos  auf  die  fürstlichen  Pfleger  etc.  ausbrächten,  dadurch  würde 
die  Handlung  nicht  allein  aus  den  Hofmarken  in  die  Landgerichte  gezogen,  son- 
dern auch  die  Hofmarksherren  verkleinert  und  hätten  bei  ihren  Unterthanen 
solbst  keinen  Gehorsam,  weshalb  man  ihnen  auferladen  solle,  ihre  Sachen 
vor  ihrem  Hofmarkshorm  bis  zu  dem  Abschiede  auszuwarten  Würden  sie 
durch  diesen  beschwert,  dann  erst  sollte  ihnen  das  gegen  Hof  Laufen  un- 
benommen sein.  Der  Herzog  verlangt  hier  in  specie  Anzeige,  wem  solches 
j>assiert  wäre.  Femer  erklärte  der  Adel,  dhß  es  ihm  zu  besonderm  Eingriff 
gereiche,  daß  die  Landgerichte  ihre  Jurisdiktion  geltend  machten  bezüglich 
der  auf  den  durch  Hofmarken  hindurchgehenden  Privatwegen  verübten  De- 
likte, eine  gesuchte  Neuerang,  welche  Ij.  Fr.  II  a.  1  widerspreche,  so  da& 
später  ihr  eigner  Grund  vielleicht  auch  wolle  streitig  gemacht  werden. 


-    203    — 

landesherrliche  Gerichtsgewalt  verdrängend,  so  war  nun  vollends 
seit  1557  der  Zustand  ein  unleidlicher,  die  Interessen  des 
Herzogs  und  die  der  Unterthanen  gleich  schädigender  geworden. 
„Dieser  Verkauf  Albrechts",  sagt  Rudhart*),  „war  gleich 
schmählich,  aber  noch  nachteiliger,  als  jener  weiland  K.  Ottos, 
denn  die  Bezirke  der  Jurisdiktion  wurden,  da  man  sogar  für 
ein  einzelnes  Haus  eine  Gerichtsbarkeit  haben  konnte,  äußerst 
zerstückelt,  durch  die  Verwirrung  der  Grenzen  derselben  un- 
zählige Streitigkeiten  veranlaßt  und  die  Unterthanen  gezwungen, 
der  richterlichen  Hülfe  mehrere  Meilen  nachzulaufen,  um,  von 
dem  langen  Wege  müde,  noch  müder  durch  die  längere  Justiz- 
ve^^valtung  zu  werden." 

Welch  beklagenswerte  Erscheinung,  daß  gerade  in  der 
Periode,  in  welcher  die  Entwicklung  der  Gesetzgebung,  die  Re- 
formen der  Verwaltung  und  die  Organisation  des  Behörden- 
wesens den  Bau  des  modernen  Staats  immer  fester  zusammen- 
fügten, die  durch  die  ständischen  Gerichtsprivilegien  in  die 
fürstliche  Souveränität  gelegte  Bresche  noch  erweitert  wurde! 
Es  ist  wahrhaft  .trostlos  zu  sehen,  wie  die  Herzoge,  die  traurigen 
Folgen  einer  Nachgiebigkeit  gegen  die  begehrlichen  Ansprüche 
des  ständischen  Egoismus  klar  voraussehend*),  doch  nicht  die 
Kraft  besaßen,  denselben  mit  zäher  Energie  Widerstand  zu 
leisten.  Aber  nicht  nur  der  Staat  wurde  durch  diese  Aus- 
dehnung der  Patrimonialgerichtsbarkeit  geschädigt,  die  Interessen 
der  Unterthanen  nicht  minder. 

Das  Richterpersonal  war  in  den  Hofmarken  naturgemäß 
ein  schlechteres  als  in  den  Landgerichten,  und  die  Zerstücklung 
der  Gerichtsbezirke  mußte  schon  jede  Beschleunigung  der  Prozeß- 
erledigung hemmen.  Von  einer  straflfen  einheitlichen  Vollziehung 
der  polizeilichen  Anordnungen  in  den  Hunderten  von  Hofmarken 
konnte  nun  vollends  nicht  die  Rede  sein,  zumal  hier  oft  der 
gute  Wille  der  Hofmarkslierren  fehlte,  unbequeme  und  lästige 


1)  Geschichte  der  LandstfiDde  in  Bayern.    Heidelherg  1816.   II,  S.  199. 

2)  Bei  den  Verhandlungen  über  die  L.  Fr.  1515  wurde  seitens  der  herzog- 
lichen Vertreter  in  Bezug  auf  den  Artikel  wegen  der  Hofinarksgerichtsharkeit 
erkl&rt:  „So  ist  nach  Gelegenheit  des  Lands  nicht  möglich,  daß  die  droy 
St&nde  der  Landschaft  sich  solcher  Freiheit  mochten  gehrauchen,  wo  änderst 
die  Fürsten  Fürstenstand  wollen  halten  und  Fürsten  bleiben"  (Landtag  1515 
S.  169). 


—    204    — 

Befehle  und  Gesetze  durchzuführen.  So  war  es  immerhin  noch 
ein  trostreicher  Gedanke,  daß  wenigstens  die  höhere  Gerichts- 
barkeit den  Landgerichten  nicht  entzogen  war,  und  daß  den 
staatlichen  Organen  solche  Aufsichtsbefugnisse  zustanden,  die 
wenigstens  die  gröbsten  Mißbräuche  abzustellen  gestatteten  und 
es  ermöglichten,  daß  diese  Privatgerichtsbarkeit  als  morsche 
Trümmer  einer  längstvergangenen  Zeit  selbst  in  den  modernen 
Verfassungsstaat  herüberragte  und  erst  durch  die  Stürme  von 
1848  ^)  von  unserm  Rechtsboden  weggefegt  wurde. 

Das  Dorfgerioht. 

In  tiefes  Dunkel  gehüllt  ist  der  Ursprung  der  bairischen 
Dorfgerichte  ^).  Man  darf  wohl  vermuten,  daß  auch  hier  die 
Dorfgemeinden  anfänglich  genossenschaftliche  Dorfgerichte  für 
ihre  Angelegenheiten  besessen  *),  welche  sich  erst  später  zum 
größten  Teile  in  grundherrlichc  verwandelt  haben,  indem  Dörfer 
zu  Lehen*)  ausgethan  oder  auch  veräußert  wurden  und  damit 
auch  das  friiher  genossenschaftliche  Dorfgericbt  feudalisiert*) 
ward  ^).  Doch  wurde  auch  dann  der  Unterschied  zwischen 
Dorf-  und  Hofmarksgericht  nicht  etwa  vollständig  verwischt, 
denn  einige  nicht  patrimoniale  (Gemeinde-)  Dorfgerichte  exi- 
stierten fort').  Durch  K.  Ludwigs  Landrecht  wird  sodann 
die  Kompetenzgrenze  der  Dorfgerichte  * )  enger  gezogen,  so  daß 


1)  Gesetz  vom  4.  Jani  1848. 

2)  über  die  österreichischen  und  märkischen  Dorfgerichte  vgl.  Luschin 
S.  159  ff.;  Kuhns  I,  S.  156  ff.;  H  S.  145  ff 

3)  Vgl  V.  Maurer,  Gesch.  der  Dorfverfaasung.  Erlangen  1866.  H 
S.  122  f.  —  Die  Ableitung  der  Dorfgerichte  von  den  alten  Centgerichten 
(K renn  er  a.  a.  0.  S.  2  ff.)  entbehrt  jeder  Begründung. 

4)  Vgl.  z.  B.  die  bei  Rockin ger,  Einleitung  S.  112  t  n.  295,  ange- 
führten Lehnsverleihungen  von  Dorfgerichten. 

5)  Vgl.  R  0  c  k  i  n  g  e  r ,  Einleitung  S.  381. 

0)  Auch  in  der  Mark  Brandenburg  waren  die  Dorfgerichte  zumeist  pa- 
trimoniale, ebenso  in  Österreich  (Kuhns  II,  S.  145;  Luschin  S.  161). 

7)  Spuren  einer  fortdauernden  Dorfmarksgerichtsbarkeit,  besonders  bei 
Streitigkeiten  zweier  Dörfer  um  eine  gemeine  Mark  u.  dgl  Ldr.  a.  136  (137, 
U0\  142.    Siehe  v.  Maurer,  Dorfvorfassung  IT,  S.  123. 

8»  Dorffgericht  ist  nit  so  vil  alß  Hofmarchgericht,  welliches  die  Nidere 
Gerichtbarkeit  durchaus  begreifft»  sagt  W.  Hund  1598  (Bayrisch  Stammen 
Buch.  Ingolstadt  II,  &  401). 


—    205    — 

diese  sich  fortan  durch  ihre  verminderte  Zuständigkeit  quali- 
tativ von  den  Hofmarksgerichten  unterschieden.  Weitaus  die 
meisten  Dorfgerichte  waren  aber  zu  Hofmarksgerichten  erhoben 
worden,  während  wieder  andere  die  Eigenschaft  der  letzteren 
durch  Verjährung  erworben  hatten. 

Die  Existenz  der  Dorfgerichte  läßt  sich  vor  dem  13.  Jahr- 
hundert^) nicht  nachweisen,  doch  ist  ihre  frühere  Entstehung 
wahrscheinlich.  In  dem  1.  Freibriefe  1311  erklärt  Otto  III. 
ausdrücklich,  daß  er  den  Privilegierten  dadurch  nicht  ringern 
wolle  an  ihren  Grafschaften,  Hofmarken  und  Dorfgerichten; 
diese  werden  also  nicht  nur  als  eine  schon  allgemein  bekannte 
Einrichtung  vorausgesetzt,  sondern  auch  in  ihrer  Besonderheit 
von  den  Hofmarken  geschieden.  Und  noch  L.  Fr.  H  a.  13 
sprach  es  aus,  daß  die  Dorfgerichte  und  Ehafte  in  ihrem  Ge- 
brauche bleiben  sollten  gemäß  den  alten  Freiheiten. 

Über  die  Zuständigkeit  des  Dorfgerichts  bestimmt  Ldr. 
a.  139:  Wir  wellen  und  gebieten,  daz  vestichlichen,  daz  man  in 
dhainem  dorf  gericht  hoeher  richte  weder  umb  gelt  noch  umb 
dhainerlay  sache,  dann  umb  72  ^,  und  auch  dhain  höhere  puozz 
nem,  dann  12  X.  Diese  Stelle  will  aber  nicht  die  Grenzen  der 
Civiljurisdiktion  bestimmen  in  dem  Sinne,  daß  nur  Prozesse, 
deren  Objekt  den  Betrag  von  72  ^  nicht  übersteigt ,  vor  das 
dorfgerichtliche  Forum  gehören^),  sondern  es  soll  nur  die 
Kriminalzuständigkeit  begrenzt  werden  so  ^),  daß  das  Dorfgericht 

1)  Wenn  auch  jetzt  erst  die  Bezeichnung  Dorfgericht  yorkommt,  so  tritt 
ans  doch  die  Institution  als  eine  seit  langem  bestehende  entgegen:  1269 
Wernhardus  comcs  de  Lewoberc  Judicium  viUao  in  Marchelchoven  (praef. 
Vilßbiburg)  quod  vulgariter  Dorfgericht  sive  Chirchgericht  nuncupatur,  ro- 
signat  in  manus  L.  cpiscopi  Katispon.  (R.  B.  III,  p.  332 \  1285  verlieh  H. 
Ludwig  dem  ü.  v.  Wellenberch  in  feudum  Judicium  villae  Vorchaim  vulgariter 
dorfgoricht  appellatum  resorvato  sibi  judicio  comitiae  (R  B.  IV,  p.  284). 
Sodann  hcilit  es  im  Landfrieden  der  Herzoge  Ludwig  und  Otto  1293  (a.  16  — 
Qu.  XL  Er.  VI,  S.  30;  Landfr.  1300  a.  18,  ibid.  p.  114):  den  gotshauscn, 
graven,  freyen  und  dinstmannen  iriu  reht  beleihen  an  ir  dorfgerihton ,  und 
8wer  diu  ze  reht  hat  von  alter  gowonhait  Diese  Zeugnisse  sind  etwas  älter 
als  die  von  Seyfried  I,  S.  145  als  die  frühesten  Belege  für  das  Vorkommen 
der  Dorfgerichto  angeführten  (Privileg  für  Kloster  Diessen  1300  —  M.  B.  IV, 
p.  197,  und  1.  Freibrief  von  1311). 

2)  Der  Wortlaut  des  Artikels  scheint  allerdings  dieser  Auslegung  nicht 
günstig,  wenn  auch  mit  derselben  allenfalls  vereinbar  zu  sein. 

3)  Vgl  hierüber  bes.  v.  Krenner,  Dorfgericht  S  12  contra  Seyfried, 


—    206    - 

nur  diejenigen  Vergehen,  welche  das  Landrecht  mit  der  kleinen 
Gerichtsbuße  von  72 -X^)  bedrohte,  aburteilen  konnte.  Über 
die  Bedeutung  dieses  a.  139  des  Landrechts  gibt  den  besten  Auf- 
sclduß  Ref.  Ldr.  1518  (I  a  5)  *),  welches  von  dieser  Buße  von 
72  X  60  dem  Landrichter  und  12  dem  Dorfrichter  zuerkennt^), 
also  die  Stelle  auch  nur  auf  die  Strafgerichtsbarkeit  bezieht 
Für  diese  Auffassung  sprechen  auch  zwei  Kundschaften*)  von 
1467  und  1486,  welche  72  A.  als  das  zulässige  Strafinaximum 
anerkennen,  und  eine  Stelle  der  herzoglichen  Deduction  bei  Be- 
ratung der  L.Fr.  1515 '^). 

In  Bezug  auf  Civi^jurisdiktion  war  der  Wirkungskreis  des 
Dorfgerichts  ein  viel  umfassender.  Nur  die  Immobiliarstreitig- 
keiten  blieben  ihm  entzogen^). 

Die  Dorfgerichte  waren  wie  alle  Hofmarksgerichte  dem 
Landgerichte  ihres  Bezirks  untergeordnet^),  und  so  ging  auch 
der  Rechtszug  von  ihnen  zu  diesem^). 

Ehafbtaiding. 

Mit  den  Hofmarks-  und  Dorfgerichten  ^)  fallen  vielfach  zu- 
sammen, ohne  sich  mit  diesen  vollständig  zu  decken,  die  Ehaft- 


1)  Vgl  Osenbrfiggen  a.  a.  0.  S.  184. 

2)  „das  man  in  den  Dorffgerichten,  umb  wOlcherlai  sachon  das  ist,  höher 
nit  gcpicte  dann  umb  72  ^,  darinn  sollen  unserm  landrichtcr  60  X  und 
dem  Dorflfrichter  12  -\  verfolgen.  Es  sol  auch  der  Dorflfrichter  nit  hoher 
zu  pucfien  haben,  dann  umb  12  X.** 

3)  Nach  Ldr.  a.  264  empfängt  der  Scherge  stets  12  X  da,  wo  der 
Richter  eine  Bufie  von  72  .^  verh&ngt 

4)  y.  E renn  er,  Dor^richt  S.  12,  55  fl 

5)  Landtag  1515  S.  179 :  dann  ein  Dorfgericht  hat  über  72  X  nicht  zu 
strafen. 

6)  So  heifit  es  in  der  Teilungsurkunde  zwischen  dem  Bischof  von  Eich- 
städt  und  den  Herzogen  Rudolf  und  Ludwig  1305  (Qu.  u.  Er.  VI,  S.  138: 
In  den  vorgenanten  dOrfem  allen  hat  derselbe  bischof  behabt  leut,  gut  und 
geriht  mit  allem  reht  an  daz  lantgeriht). 

7)  Ldr.  a.  139  Schlu&satz;   Re£  Ldr.  1518  I  a.  5. 

8)  Bei  patrimonialen  Dorfgerichten  auch  an  den  Herrn  des  Dorfs,  z.  B. 
Essenbach  (Grimm,  Weistümer  VI,  S.  118,  §  6). 

9)  L.  Fr.  II  a.  8.  Es  sollen  auch  die  hofmarchhcrm  auf  jr  sclbs  cosstnng 
und  darlegen  die  eehafift  und  hofmarchrecht  hallten  und  besetzen.  II  a.  13  — 
sollen  die  dorfgericht  und  eehafft  in  jrem  gebrauch  beleiben  alls  in  den 
allten  frejhaitn  auch  begriffen  ist     Die   Verbindung  von  Ebaftrecht  und 


J  m  I. .  a^, 


—    207    — 

taidinge.  Es  sind  das  die  alljährlich  2— 3mal  wiederkehrenden 
Versammlungen  der  Dorf-  bezw.  Hofmarksinsassen  unter  Vor- 
sitz des  Richters  sowohl  zur  gerichtlichen  Aburteilung  von  Straf- 
fällen als  auch  zur  Verlesung  ^)  der  Dorf-  und  Hofmarksstatuten 
mid  zur  Beratung  gemeinsamer  Angelegenheiten,  insbesondere 
polizeilicher  und  wirtschaftlicher  Natur*).  In  diesen  Ehafttai- 
dingen  haben  sich  die  letzten  Reste  der  karolingischen  Gerichts- 
verfassung erhalten  ^). 

Wie  die  echten  Dinge  sind  auch  sie  ungeboten,  Zahl  *)  und 
Zeit^)  der  Abhaltung  ^')  ist  gewohnheitsrechtlich  fibciert.  Femer 
erstreckt  sich  auch  hier  die  Dingi)flicht  nicht  nur  auf  wenige, 


Dorfgericht  wird  verschiedentlich  betont,  z.  B.  Grimm,  Weistümer  III, 
S.  Ü39;  Seyfried  I,  S.  230  (Verzeichnis  einer  Ehehaft  oder  eines  Dorf- 
rechtens);  Landtag  1515  S.  179  (dann  ein  Dorfgericht  hat  über  72  ^  nicht 
za  strafen  und  allein,  soviel  die  Ehehaft-Täding  antrifft,  zu  erkennen). 

1)  Vgl  über  die  Aufgaben  derselben  de  Chlingensperg  p.  9; 
V.  Vacchiery,  Über  die  Ehehaften  und  Ehehaftsgerichte  in  Baiem. 
München  1798.   S.  17  ff. 

2)  Ehehafft  Recht  oder  Gericht,  sagt  W.  H  u  n  d  1598  a,  a.  0.  S.  401,  ist 
rast  deiigleichen  (Dorfgericht),  Sonderlich  aber  werden  im  Ehehafft  Recht 
Järlich  den  Underthonen  etliche  und  die  fümembsto  an  jedes  Ort  taugliche 
und  nOttigiste  Articul  auli  der  Pollicey  Ordnung,  und  was  sonst  zur  Zucht, 
Erbarkeit,  Frid  und  Einigkeit,  auch  zu  Befridung  der  Veldor,  Trib,  Besuch 
etc.  dienstlich,  mit  ernst  und  bey  der  Straff  fürgehalten  und  aufferlegt  etc. 

3)  Luschin  S.  162. 

4)  z.  B.  zwei  Mai-,  Herbstrecht  oder  zu  Lichtmefi  (Mosen),  eines  bei  dem 
Gras,  das  andere  bei  dem  Heu  (Vogteireut),  ebenso  Essenbach,  Greilsberg; 
drei  ehaft  taidinch  z.B.  Harbach,  Mosheim,  Geroltsbach  (Grimm,  V/eis- 
tümer  UI,  S.  655,  666;  VI,  S.  119;  Seyfried  I,  S.  230;  Grimm  III, 
S.  115;  VI,  S.  657;  III,  S.  117. 

5)  Luschin  S.  163  betont  mit  Recht,  dali  wie  die  karohngischen  echten 
Dinge  in  dem  Sinn  gebotene  Dinge  gewesen,  daß  nur  ungefähr  die  Zeit- 
räume für  deren  Abhaltung  angegeben  gewesen  wären,  ebenso  auch  8  bis 
14  Tage  vor  Abhaltung  der  Bautaidinge  dies  den  Gerichtsinsassen  kundgegeben 
wurde.  Dies  zeigt  sich  auch  bei  den  bairischen  Ehafttaidingen.  Das  Nicht- 
erscheinen der  Pflichtigen  war  mit  Strafe  bedroht,  z.B.  Greilsberg  (Sey- 
fried I,  S.  231). 

6)  Was  den  Ort  der  Abhaltung  der  Ehafttaidinge  anlangt,  so  waren  dies 
bis  1583  gewöhnlich  PfarrhOfe.  In  diesem  Jahre  setzte  das  Konkordat 
fest:  cum  .  .  annui  celebrantur  rusticorum  conventus,  quos  Ehehaft  appclla- 
mus  .  .  ut  tales  conventus  in  parochialibus  aedibus  non  amplius  celebrentur 
(▼.Freyberg,  Pragm.  Gesch.  d.  bayer.  Gesetzgebung  und  Staatsverwaltung. 
Leipzig  183a  III,  S.  381  £). 


—    208    — 

sondern  auf  siimtliche  Dorfgeuosseu.  Namentlich  aber,  und 
dies  bildete  einen  Hauptbestandteil  der  vorzulesenden  Ebaft- 
rechte,  wurden  die  von  den  Einzelnen  der  Grundherrschaft  ge- 
schuldeten Reichnisse  (Zinse,  Dienste  etc.),  dann  überhaupt  die 
Rechte  derselben  * )  so  dem  Gedächtnisse  eingeprägt,  damit 
nicht  das  Maß  und  Umfang  derselben  durch  eigennützige 
Vögte  und  Amtleute  zu  Ungunsten  der  Holden  ausgedehnt, 
auf  der  andern  Seite  aber  auch  nicht  die  rechtmäßigen  An- 
sprüche der  Herrschaft  beeinträchtigt  würden.  In  der  Grund- 
herrlichkeit, in  dem  Streben  der  Wahrung  der  herrschaftlichen 
Rechte  dürfte  man  wohl  den  Haupthebel  für  die  Ausbildung 
dieser  Einrichtung  erblicken.  Es  wurden  die  fälligen  Zinsen 
von  den  Pflichtigen  gleich  an  diesen  Ehaftdingen  entrichtet*). 
So  erklärt  es  sich,  daß  die  Ehafttaidinge  auch  häufig  zusammen- 
fielen mit  den  sogenannten  Baudingen  ^),  den  Versammlungen 
der  Bauleute,  also  derjenigen  Bauern,  welche  von  einem  Guts- 
herrn Grundstücke  in  Pacht  oder  Stift  hatten,  bei  welchen  an 
den  Beamten  des  Grundherrn  oder  diesen  selbst  die  geschul- 
deten Reichnisse  entrichtet  wurden  und  diesen  zugleich  über 
die  Fortsetzung  des  Pachtverhältnisses  sowie  über  die  Ansprüche 
der  Herrschaft  und  die  Rechte  der  Bauern  *)  Mitteilung  *)  ge- 
macht wurde*). 


1)  Das  bezeugt  der  Inhalt  der  yerschiedenen  Weistümer  hei  Grimm, 
Weist  m,  S.  625  £;  VI,  S.  106  £  Als  charakteristisch  hebe  ich  herror 
folgende  Stelle  aus  dem  Ehaftding  zu  Eösching  (das.  in,  S.  631)  .  .  .  wie 
des  tags  recht  w&r,  das  .  .  abtissin  .  .  ire  gulten  und  schulden  het  macht 
aus  zue  tragen;  auch  was  ihre  guetter  und  hintersassen  für  alt  herkomen, 
bette  sy  macht  auif  disem  rechttag  zu  eroffnen.  Darauf  legt  bemelter  ao- 
waldt  ain  schultzettl  ein,  und  begcrt  diesclb  zu  verlesen;  die  auff  sein  begem 
verlesen  war,  bekhennet  ain  jedlicher  sein  schuld  laut  derselben  bekhantnifi  .  . 

2)  z.B.  Grimm,  Weistümer  VI,  S.  117  §  12. 

3)  z.  B.  die  ehafft  und  recht  crtaillt  man  alle  jar  in  der  grafischafft  lu 
Pcytigo  in  dem  pauding  aim  herm  oder  vogt;  (Mosen)  zu  liechtmeß  im 
püugeding  ist  das  drit  recht  (Grimm,  WeistOmer  111,  S.  646,  656). 

4)  Vgl  z.B.  Rechte  von  Chiemsee  1393,  1462  (Grimm,  WeistOmer m, 
S.  673  fil) ;  1314  befehlen,  daß  die  Bürger  von  Erdingen,  qui  hortos  et  agros 
inonasterii  tenent  singulis  annis  vocati  ab  abbate  et  conventu  .  .  monasteiü 
ad  placitum  venianti  quod  vulgariter  dicitur  Pautaeding  (R  B.  V,  p.  284). 

5)  Schmeller-Frommann.I,S.186;vgLauchüberStiftda8.II,S.738£ 

6)  Die  einzelnen  geschichtlichen  Entwicklungsstadien  der  Ehaftgerichte 
lassen  sich  nicht  verfolgen,  da  die  meisten  erhaltenen  Ehafttordnongen  dam 


—    209    — 

Die  Verbindung  der  Ehafttaidinge  mit  der  Grundherrlich- 
keit  erhellt  auch  aus  der  ältesten  ihre  Existenz  bezeugenden 
Urkunde  des  Klosters  S.  Mang  von  1156:  praepositus  dictae 
ecclesiae  habiturus  et  singulis  annis  in  tribus  terminis  coUoquium 
generale,  quod  vulgariter  Ehehafftdeyding  dicitur  cum  omnibus 
et  singulis,  qui  in  foro  residentiam  et  fundos  occupant  ad  mo- 
nasterium  pertinentes  ^). 

Die  Ehafttaidinge  bewegen  sich  durchaus  in  gerichtlichen  ^ 
Formen.  Sie  werden  geleitet  von  einem  herrschaftlichen  Richter, 
welcher  über  jeden  einzelnen  Gegenstand  die  Urteilsprecher, 
einen  Ausschuß  der  Gemeinde,  fragte,  die  dann  zu  Recht  sprachen, 
während  die  übrigen  Anwesenden  den  Umstand  bildeten.  Femer 
finden  wir*)  bald  Fürsprecher  der  Grundherrschaft*),  bald 
solche  der  Bauerschaft  oder  einzelner  Bauern*),  welche  von 
der  Gemeinde  besoldet  waren  und  ihre  Rechte  im  Dinge  vor- 
zutragen hatten,  d.  h.  sie  setzten  jede  einzelne  Prästation  der 
Pflichtigen  sowie  die  verschiedensten  Rechtsverhältnisse  aus- 
einander und  ließen  über  jeden  einzelnen  Punkt  die  Urteilsprecher 
befragen,  die  dann  stets  zu  Urteil  und  Recht  erkannten,  daß 
es  so  gewesen  und  so  bleiben  soll.  Das  ganze  Verfahren  be- 
wegte sich  also  in  formeller  Weise  im  Urteilsfragen  und  Ant- 
worten fort^).  Eingeleitet  wurde  es  häufig  durch  die  alten 
Hegungsformeln,  ob  es  nu  an  weil  und  zeit  sei,  das  man  rieht 
und  hör  des  gotshaus  rechten  ®). 

15.  ond  16.  Jahrhundert  angehören.  Da  man  aber  in  dieser  Zeit  nor  zu 
einer  schriftlichen  Redaktion  der  althergebrachten  Gewohnheiten  der  Ehafb- 
gerichte  geschritten  war,  so  spiegeln  sie  den  Zustand  längstyergangener 
Zeiten  wieder. 

1)  Hund,  MotropoL  SaHsburg.  II,  t  451.    Seyfried  I,  S.  199  t 

2)  Wie  in  Österreich.    Vgl  Luschin  S.  164. 

3)  z.B.  Kösching  (Grimm,  Weistümer  EI,  S.  631). 

4)  z.B.  Hofmark  T.,  Werdenfels  (Grimm,  Weistümer  HI,  S.  639,  658): 
ain  redner  —  der  in  öflßien  sol  mit  wordtn  oder  das  puech  lesen,  die  altn 
recht  und  gwonhait  der  herrschaft  ...  So  muß  (1542)  der  Kästner  zu 
Nattemberg,  so  das  Eehaftrecht  zu  W.  durch  das  Gericht  von  N.  im  Jahre 
besessen  wird,  den  Bauern  vor  Gericht  ihre  Notdurft  reden,  darum  halten 
sie  ihn  mit  der  Zehrung  frei  (K.  A.  —  BestaUungen  b.  Beamter  F.  1). 

5)  Vgl  z.  B.  Ehehaftding  zu  Kösching  1527,  Aspach,  Winhering  (Grimm, 
Weistümer  HI,  S.  631  ffl;  VI,  S.  127  ff;  138). 

6)  Vgl  z,  B.  Grimm,  Weist  VI,  S.  138  f.:  frog  ich  euch  N.  als  pro- 
coratom  rechtens,  ob  es  sei  an  weil,  zeit  und  stund  des  tags,   das  ich  alf 

Roieathal,  Geschichte  d.  Oerichttw.  a.  d.  Yenr.^ff.  Baien».  I«  ^4 


—    210    — 

Auf  solchem  Ehaftding  wurden  sodann  alle  Civilrechts- 
streitigkeiten  und  Straffälle  entschieden,  soweit  sie  zur  Kom- 
petenz der  Hofmarks-  bezw.  Dorfgerichte  gehörten.  Namentlich 
fand  hier  auch  die  sog.  Rügung  0  statt*).  Dieses  Rügever- 
fahren, welches  auch  Ldr.  a.  266  vomehmUch  mit  den  Ehaft- 
dingen  in  Verbindung  bringt,  bestand  in  der  Verpflichtung  sämt- 
licher erschienenen  Gerichtsinsassen,  eidlich  auszusagen,  „was 
einer  von  dem  andern  gehört  und  gesehen  hätte,  das  an  das 
Gericht  gehört" ;  Jeder  sollte  also  alle  von  Andern  begangenen 
Delikte,  die  zu  seiner  Kenntnis  gekommen  waren,  rügen.  Dieses 
Rügeverfahren  war  die  durch  die  karolingische  Gesetzgebung 
eingeführte  inquisitio '),  durch  welche  der  königUche  Beamte 
aus  den  Anzeigen  der  vereidigten  Gemeindegenossen  die 
Kenntnis  derjenigen  Vergehen  zu  erlangen  suchte,  welche 
mangels  einer  erhobenen  Privatklage  nicht  zur  richterlichen 
Kognition  gebracht  worden  wären.  Diese  Institution  war  von 
den  geistlichen  Sendgerichten  auf  die  weltlichen  Gerichte  (seit 
dem  13.  Jahrhundert)  übergegangen  *)  und  hatte  sich  auch  in 
den  Gerichten  Baierns*^)  erhalten.  Nachdem  der  Landfriede 
von  1300^)  seine  Anwendung  auf  die  3  todeswürdigen  Ver- 
brechen, Diebstahl,  Notzucht  und  Todschlag,   eingeengt  hatte, 


richter  anstat  und  im  namen  .  .  ietzmals  den  stab  in  die  hend  nemen  und 
die  gewendlichen  ehaft  und  landrecht  nach  altem  gebrauch  und  herkamen 
besitzen  und  halten  möge?  darauf  antwurt  procurator  .  .  .  weil  ir  mich 
rechtens  fragt»  so  spruch  ich  zu  recht,  das  es  sei  an  weil,  zeit  .  .  .  u.  s.  w. 

1)  Der  Zusammenhang  zwischen  Rügung  und  Ehaftding  wird  yerschie- 
dentlich  betont,  z.  6.  Hofinarksrecht  von  Harbach  (Grimm,  Weistfimer  VI, 
S.  115  §  4):  die  sueln  dreu  ehaft  taidinch  suochen  .  .  .  und  sueln  ruegen 
dreu  dinch  di  zu  dem  tod  gchoerent  .  .  Abt  v.  Weltenburg  hat  in  seinem 
Dorfe  H.  ruegung  mit  sampt  ehafter  tejding  abgenomen.  IL  B.  .  .  .,  XY, 
p.  30. 

2)  Doch  kommt  die  Rügung  auch  in  den  Städten  yor.  Vgl  Rosen- 
thal, Beiträge  S.  267. 

3)  Brunner,  Zeugen-  und  Inquisitionsbeweis  (Sitzungsber.  d.  Wiener 
Akad.  LI,  S.  216). 

4)  Vgl  Stolz el,  Gelehrtes  Richtertum  S.  369  iL  über  Rügegerichta 

5)  Auch  in  Österreich  kannte  man  diese  Institution  als  Landfrage,  Ge- 
rannen.   Vgl  Luschin  S.  170. 

6)  a.  100  (Qu.  u.  Er.  VI,  S.  126).  Vgl  auch  Privüeg  für  Kloster  N.-Alt- 
aich  1299  —  3  ehaft»  Taiding  man  soll  da  nicht  rügen  dann  3  Dinge,  die 
an  den  Tod  gehen  (IL  B.  XY,  p.  30).    Siehe  auch  Anm.  1. 


—    211    - 

stellte  sich  bald  heraus,  daß  die  Institution  auch  in  dieser  Be- 
schränkung nicht  aufrecht  zu  erhalten  war. 

Haß  und  Feindschaft  wurden  durch  diese  Denuntiations- 
pflicht,  deren  Unpopularität  dadurch,  daß  sie  gegen  Geld  ab- 
lösbar war,  nicht  gemindert  ward,  in  solchem  Maße  unter  den 
Gemeindegenossen  erregt,  daß  K.  Ludwig  sich  genötigt  sah, 
auch  den  letzten  Rest  dieser  Institution  in  seinem  Landrecht  ^ ) 
zu  beseitigen,  welchem  Beispiele  Albrecht  I.  von  Straubing  1365  ^) 
auch  für  sein  Land  folgte.  Damit  war  das  Accusationsprinzip 
wieder  zur  unbedingten  Anerkennung  gebracht^). 


§9. 
Lehengerichte. 

Daß  die  Lehengerichtsbarkeit  nicht  als  Ausfluß  der  Staats- 
gewalt zu  betrachten*),  sondern  privatrechtlicher  Gewalt  ent- 
stammt und  eine  aus  Privatgewalt  entstandene  Herrschaft 
realisiert*),  dürfte  heute  nicht  mehr  bestritten  werden®). 
Schon  nach  der  bekannten  Konstitution  Konrads  U.  von  1037 


1)  a.  266.  Ez  sint  auch  etlichew  taeding  an  etlicher  stat  in  dem  gericht 
▼or  dem  pnoche  gewesen,  daz  alle  laeut,  die  in  dem  gericht  gesezzen  sint, 
mit  geleiten  ayden  muozten  sagen  and  swem,  waz  ainer  von  dem  andern 
gehört  und  gesechen  hiet,  daz  an  daz  gericht  gehört ;  die  rflgong  haben  wir 
abgenomen,  wann  da  Ton  grozzer  unwille  und  hazz  under  den  laeuten  ge- 
wesen ist,  und  habent  auch  grozzen  schaden  da  von  genomen,  wann  si  iar- 
Uchen  mit  den  richtem  ab  dingen  muozten,  daz  si  si  dez  swems  überhüben; 
ez  sol  auch  der  richter  seinow  ehaftew  taeding  haben,  alz  er  si  vor  gehabt 
hat  an  die  rügung,  die  ist  abgenomon  und  swer  unbetwungenlichen  mit  vor- 
sprechen für  recht  chämt,  dem  sol  der  richter  richten  alz  ohaftz  taedings 
recht  ist  —  Die  Aufhebung  ward  wiederholt  in  Ret  Ldr.  1518  t  VII  a.  10. 

2)  11.  Freibrief  (v.  Lerchenfeld  S.  25). 

3)  Vgl.  V.  d.Pfordten,  Die  BeweisfElhmng  nach  K  Ludwigs  Ldr. 
(Zeitschr.  f.  Eechtsgesch.  XII,  S.  347). 

4)  Vgl.  auch  Luschin  S.  192. 

5)  Heusler  Institutionen  des  deutschen  Privatrechts.  Leipzig  1885. 
I.  S.  27. 

6)  Über  die  Gründe  der  Ausbildung  der  Lehnsgerichtsbarkeit  vgl  Al- 
brecht.  Die  Gewere.  Königsberg  182a  S.  290  ff.;  Eichhorn,  Deutsche 
Staats-  und  Bechtsgeschichte.   GOttingen  1843.   II,  &  448  £ 

14» 


-    212    — 

erschien  die  Gerichtsbarkeit  des  Lehensherm ')  in  Lehensachen 
vollständig  ausgebildet.  In  Baiem  bewegt  sich  die  Lehns- 
gerichtsbarkeit in  denselben  Formen  und  hat  dieselbe  sachliche 
Begrenzung  wie  anderwärts  *).  Der  Lehensherr  selbst  oder  sein 
Stellvertreter  führt  den  Vorsitz,  fungiert  als  Richter,  während 
die  Vasallen  das  Urteil  fallen. 

K.  Ludwig  sanktioniert  in  dieser  Beziehung  das  geltende 
Gewohnheitsrecht  in  seinem  Landrecht. 

Nach  diesem  sind  der  Gerichtsgewalt  des  Lehensherm  auch 
nur  seine  Vasallen  unterworfen.  Namentlich  die  Streitigkeiten 
dieser  unter  sich  über  das  Recht  am  Lehen  wurden  vor  dem 
Lehengerichtshof  abgehandelt.  Das  Lehengericht  wurde  nicht  an 
bestimmten  Tagen  regelmäßig  abgehalten,  sondern  je  nach  Be- 
dürfnis^) wurden  von  den  Mannen,  welche  beide  Parteien  zu- 
sammenzuberufen  hatten,  die  von  ihnen  vorgeschlagenen  vom 
Lehensherm  zu  Urteilsfindera  in  der  anhängigen  Sache  l)estellt. 
Vor  Beendigung  *)  des  Prozesses  durfte  die  Sache  weder  ge- 
dingt, noch  geschoben  werden.  Dem  Sieger  im  Rechtsstreite 
erteilte  der  Lehensherr  eine  schriftliche,  mit  seinem  Siegel  ver- 
sehene Urkunde  für  das  Landgericht,  welches  auf  Grund  der- 
selben einen  Urteilsbrief  ausstellte  und  die  Vollstreckung  des 
Urteils  vollzog  *),  also  eine  Executionsgewalt  stand  diesen  Privat- 
gerichten nicht  zu ;  diese  blieb  ausschließlich  Sache  des  öffentlichen 
Gerichts,  des  Landgerichts.    Die  Möglichkeit  einer  Appellation 


1)  In  fr&nldscher  Zeit  stand  dem  Senior  noch  keine  Gerichtsbarkeit  fiber  seine 
VasaUen  zu.  Vgl  R  o  t  h,  FendalitSt  o.  Unterthanenverband.  Weimar  1863.  &  224. 

2)  Vgl.  Laschin  S.  192  £;  Planck,  Gerichtsverfahren  I,  S.  15  ff 

3)  Ldr.  a.  209:  Spricht  ainer  den  andern  an  umb  lehen,  dez  si  ped  Ton 
aincro  herrcn  iehent»  die  sol  man  betagen  für  Iren  herren  und  sei  in  der  tag 
geben  für  sein  man  alz  vil  er  seiner  man  gehaben  mag  und  wen  n  ped  dar- 
zuo  wervcn  aoz  den  aUcn  sol  er  nach  ir  peder  rat  zno  dem  rechten  secien 
und  seiner  mann  recht  geben  alz  lang  uncz  sich  daz  recht  yerget 

4)  Ldr.  a.  210:  £z  sol  anch  daz  recht  pey  dem  lehenherren  beleihen, 
und  von  im  nicht  gedingt  noch  gezogen  werden,  biz  das  recht  ain  ende 
nimt,  und  wer  also  behabt  daz  sol  der  herr  geschribens  auf  die  schrmmien 
scnten  ander  seinem  insigel  and  da  sol  man  in  zo  förban  taon,  and  des 
gerichtz  brief  daramb  geben  und  dem,  an  dem  rechten  pruch  geschieht»  der 
sol  ez  pezzem  and  den  schaden  abtaon  alz  vorgeschriben  stet  amb  aigen 
and  lehen.    Vgl  aach  Re£  Ldr.  1518  t  26  a.  6. 

5)  Ldr.  a.  211,  213,  214:  BeC  Ldr.  1518  t  26.  YgL  ferner  PUoek, 
GerichtsyerC  I,  S.  15  £ 


—    213    — 

gegen  das  Urteil  des  Leheügerichts  geht  aus  diesem  Art.  ^)  hervor, 
ohne  daß  über  die  höhere  Instanz,  an  welche  ein  solcher  Lehens- 
prozeß in  appellatorio  zu  richten,  etwas  gesagt  wäre.  Der  Instanzen- 
zug dürfte  gegen  Urteile  eines  privaten  Lehensherm  an  den  Herzog 
und  gegen  das  Erkenntnis  eines  herzoglichen  Lehengerichts  an 
den  König  als  den  obersten  Lehensherm  gegangen  sein  ^). 

Nur  Streitigkeiten  zwischen  den  Mannen  desselben  Herrn 
unterstehen  der  Kompetenz  des  Lehengerichts,  andere,  auch 
wenn  sie  sich  auf  Lehengut  beziehen,  gehören  vor  das  forum 
ordinarium,  das  Landgericht. 

Ein  Unterschied  in  Bezug  auf  Zusammensetzung,  Verfahren 
und  Kompetenz  bestand  zwischen  dem  herzogUchen  und  einem 
privaten  Lehengerichte  nicht  ^).  An  des  Herzogs  Stelle  prä- 
sidierte der  Marschall  oder  Hofmeister,  der  mit  den  Lehenmannen, 
auch  mit  Lehenmannen  und  Räten  Lehenrecht  besaß  *).  Ebenso 
Heß  auch  z.  B.  der  Abt  von  Tegernsee  durch  seinen  Marschall 
„ein   Mannenrecht   mit  des  Gotteshauses  Mannen   besitzen"  ^). 

Was  das  herzogliche  Lehengericht  anlangt,  so  dürfte  dessen 
Einrichtung '  von  der  eines  gewöhnUchen  Hofgerichts  nur  da- 
durch sich  unterschieden  haben,  daß  die  Urteilsfinder  aus  dem 
Kreise  der  herzoglichen  Vasallen  genommen  wurden.  Da  aber 
neben  diesen  auch  herzogliche  Räte  im  Lehengerichte  er- 
scheinen^), hatte  man  wahrscheinUch  im  Laufe  der  Zeit  Lehens- 
prozesse überhaupt  vor  das  Hofgericht,  das  ja  auch  stets  aufs 
neue  zusammengesetzt  wurde,  gezogen. 


1)  Deutlicher  noch  aus  dem  korrespondierenden  a.  6  (i  26)  des  Bef.  Ldr. 
1518  („wo  allfidann  davon  nit  geappellirt  wirdet^). 

2)  Vgl  Planck,  GerichtsverC  I,  S.  17. 

3)  VgL  auch  Luschin  S.  195. 

4)  z.  B.  1433  J.  V.  Gundelfingen,  Hofineister  des  Herzogs  Emst^  bekenne, 
als  ich  mit  den  Lehenmannen  .  .  .  Lehenrecht  besessen  hab  (M.  B.  XIX, 
p.  338). 

6)  M.  B.  VI.  p.  298  (1448). 

6)  So  erklärt  1433  C.  Torer,  MarschaUc  der  Herzoge  Ernst  und  Wil- 
helm :  Als  ich  auf  heut  —  von  Befehlnus  wegen  meines  gn.  Herrn  H.  Ernst 
Hofrecht  besessen  habe  mit  den  nachgeschriebenen  Rftten  und  Lehen- 
mannen .  .  .  begehrt  Fürleger,  der  ihm  erlaubt  ward  und  zudinget  als 
liehensrecht  ist  Obwohl  es  sich  also  um  einen  Lehensprozefi  handelt,  ob- 
wohl Lehenmannen  ausdrücklich  als  Urteilfinder  bezeichnet  werden,  wird  nur 
von  Hofgericht  ("=  Hofrecht)  und  nicht  von  einem  Lehengericht  gesprochen 
(H  B.  X,  p.  159). 


—    214    — 

Auf  eine  landschaftliche  Petition  hin  verordnete  deshalb 
Herzog  Georg  1489:  „Der  Lehenrecht  halben  wollen  Wir  be- 
stellen, daß  die  mit  Lehenmannen  besetzt  werden  sollen^  ^). 

1501  trug  dann  der  Landshut-Ingolstädter  landschaftUcbe 
Ausschuß  dem  Herzog  wiederholt  die  Bitte  vor:  „Wo  aber  je 
(in  Lehenssachen)  eine  Rechtfertigung  geschehen  wollte  oder 
sollte,  daß  dann  solches  vor  den  Lehenmannen  tapferlich  und 
nicht  in  andern  Gerichten  geschehe*)".  DieL.0. 1501  willfahrte 
diesem  Wunsche  und  bestimmte,  daß  „solche  Rechtfertigungen 
vor  unsern  Lehenmannen  dem  Lehen  gemäß  und  nicht  anderswo 
beschehen" '). 

Das  Ref.  Ldr.  1518  (t.  26  a.  5)  bestätigte  im  wesentlichen 
nur  a.  209  von  K.  Ludwigs  Ldr.  und  bestimmte  nur,  daß  das 
Gericht  vom  Lehensherm  mit  seinen  Mannen  nach  ziemlicher 
Anzahl  l)esetzt  werden  soll. 

Nach  der  Organisation  des  Hofrats  und  der  3  Regierungen 
wurden  die  Lehengerichte  von  diesen  abgehalten,  aber  auch 
kaum  unterscheidbar  von  den  Hofgerichten.  Die  ritterlichen 
Räte,  die  zugleich  Lehenleute  waren,  mußten  zugezogen  werden  *), 
und  der  Herzog  bestimmte,  nachdem  ihm  über  das  Ergebnis 
der  Verhandlung  Bericht  erstattet  war,  wie  zu  Beschluß  und 
( )fihung  solcher  Urteile  das  Lehengericht  jeder  Zeit  ordentlich 
besetzt  werden  soll. 

Das  kam  im  ganzen  einer  Verschmelzung  des  Lehengerichts 
mit  dem  Hofgericht  ziemlich  nahe  in  Fortbildung  der  Praxis, 
wie  sie  schon  im   15.  Jahrhundert  angebahnt   war.    Von  der 


1)  Krenner  Xu,  S.  277. 

2)  Erenner  XIII,  S.  201. 

3)  Das.  S.  277. 

4)  Bescheid  der  Hofiräte  auf  eine  Anfrage  von  Vitztum  and  Itftten  za 
Ijandshut  1545  (Kr.  A.  M.  —  Gen.  Reg.  Oberster  Lehenhof] :  1)  Es  soll  ein 
jedes  Lehen  vor  dem  Regiment  des  Rentamts,  darin  sich  die  Rechtfertigung 
begibt  oder  fürftllt,  gerechtfertigt  werden.  2)  Zu  I^Andshnt  soll  Herr  Yltstom 
Lehenrichter  sein  and  samt  den  Räten  daselbst,  daranter  etliche  vom  Adel, 
so  anch  Lehenlcat  seien,  sollen  die  Schriften  von  den  Parteien  ....  an- 
nehmen und  60  ein  Bei-  oder  Endurteil  beschlossen,  dasselbe  samt  der 
vom  Adol  Tauf-  und  Zunamen,  bo  unter  ihnen  Lehenleute  sind  and  das  Lehon- 
reclit  mitbesessen  haben,  un&erm  pi.  Herrn  ^^en  Münclien  berichten.  Alsdann 
tollen  H.  f.  Gu.  Befehl  geben,  wie  zu  Beschluß  und  UfTnung  solcher  Urteilo 
jeder  Zeit  das  Lehengoricht  ordentlich  besetzt  werden  soll 


—    215    — 

Bildung  eines  speziellen  Leliengerichts  war  jetzt  so  wenig  mehr 
die  Rede,  daß  die  zur  Lehenberatschlagung  erforderten  Räte  ^) 
die  Ansicht  vertraten,  man  achte  auf  Grund  der  Erfahrung  in 
Betreff  der  Neuburgischen  Lehengerichte,  ^solche  Anstellung  eines 
Lehengerichts  in  diesem  Fürstentum  für  eine  Unnotturft,  zudem 
in  seiner  f.  Gn.  Land  dergleichen  Lehengerichte  anzustellen  un- 
breuchig,  auch  s.  f.  Gn.  ein  merkUch  Unkosten  daraufgehen  würde". 
In  Wirklichkeit  werden  jetzt  auch  die  Lehensprozesse  einfach  .vor 
dem  Hofgericht  angestrengt,  und  sofern  es  sich  um  herzogliche 
Lehen  handelte,  hatte  der  Kammerprokurator^^Nameus  des  Fis- 
kus die  lüage  zu  erheben  und  den  Prozeß  zu  führen  *). 

Im  Anschlüsse  an  die  Lehengerichtsbarkeit  mag  hier  noch 
kurz  von  der  Verwaltung  der  herzoglichen  Lehen  gehandelt 
werden,  die  ja  ohnehin  auch  als  ein  Zweig  der  freiwilligen 
Gerichtsbarkeit  angesehen  werden  darf.  Die  Leitung  der  Ver- 
waltung der  Lehen  war  für  jedes  Rentamt  dem  Kanzler  als 
Lehenpropst  übertragen  ^).  Derselbe  hatte  die  Führung  der 
Lehenbücher*),  Verzeichnisse  aller  Beutel-,  Ritter-  und  geist- 
lichen Lehen  seines  Bezirks  und  die  Evidenthaltung  derselben 
durch  einen  Sekretär  zu  überwachen  *).  Die  Oberaufsicht  über 
das  Lehen wesen   stand  der  Hofkammer  ^)  (neben  dem  Lehen- 


1)  Etwa  in  don  siebziger  Jahren  des  16.  Jahrhunderts  (Er.  A.  M.  — 
a.  a.  0.). 

2)  Ein  solcher  Lehenprozefi  wnrde  z.  B.  1578  gegen  Anna  von  Preysing 
geführt  Sie  wurde  als  Besitzerin  dos  losgestorbonen  Lehens  vor  das  Hof- 
gericht mit  ordentlichen  Rechten  zu  klagen  citiert  In  der  Yollmacht  erklärt 
Alhrecht  V.,  daß  Wir  unsonn  Kammerprocurator  Dr.  J.  Pfrondtner  Gewalt 
gegeben  haben,  vor  nnscm  Hofrichtem  und  Bäten  jedes  uns  yerwirkte  Lehen 
fürzu wenden  (R,  A.  —  Ldr.  n,  93). 

3)  Lchenordnung  vom  15.  Nov.  1550  (Kr.  A.  M.  —  Gen.  Reg.  Lehen- 
wesen. Kopie).  Nach  dieser  war  für  das  Rentamt  München  ein  besonderer 
Lehenpropst  verordnet 

4)  Ein  Hauptbuch,  in  welchem  alle  Lehen  des  Herzogtums  und  jede  Ver- 
änderung derselben  verzeichnet  wurden,   war  bei  der  Hofkammer  zu  führen. 

5)  Die  Gebühren  für  Lehenbriefe  (Reverse)  u.  dgL  waren  genau  fixiert 
Man  unterschied  die  Taxe,  das  Siegel-  und  Schreibgeld. 

(])  Dieweiln  . .  unser  lehenschaft  nicht  weniger  unter  unserm  aigenthumb 
und  für  unsere  camergueter  zuversteen,  so  solle  unser  camer  neben  und 
saml)l  unserm  .  .  .  verordneten  lehenbrobst  ganzer  unser  lehenschaft  bei 
dein  und  groß  guete  acht  geben  —  sagt  die  Hofkammerordnung  1591 
(S  t  i  e  V  0  in  Sitzungsber.  d.  Münchner  Akad.,  histor.  KL,  1881,  S.  44). 


—    216    — 

l)roi)St)  zu.  Die  Verleihung  der  Ritter-  und  Prälatenlehen  er- 
fol*;te  bei  der  Hofkammer  zu  München  ^ ),  nach  Vereinbarang 
mit  den  eigens  hierzu  deputierten  Höfräten*). 

In  jedem  Landgerichtssprengel  wurde  ein  Lehenknecht*) 
(Unterlehenpropst)  mit  der  Aufsicht  über  die  in  demselben  be- 
legenen Lehengüter  betraut,  nur  wenn  in  einem  Gerichte  sehr 
wenig  Lehen  vorhanden  waren,  hatte  der  Lehenknecht  des  an- 
grenzenden Gerichts  die  Beauüsichtigung  jener  noch  mit  zu 
übernehmen. 

Diese  Lehenunterpröpste  hatten  bei  Irrungen  auf  Lehen- 
güteni  wegen  Übermarchen,  Überzeinen  u.  dgl.  Beschau  zu 
halten  und  andere  gerichtliche  Handlungen  vorzunehmen.  Wo 
aber  andere  als  Lehengüter  mit  in  Frage  kamen,  mußte  auch 
der  Pfleger  oder  Landrichter  zugezogen  werden.  Da  durch  diese 
gesteigerten  Kosten  die  Lehenleute  beschwert,  auch  die  Lehen- 
verwalter mehr  als  nötig  belästigt  wurden,  übertrug  man  den 
Pflegern  oder  Landrichtern*)  die  ausschließliche  Vornahme 
solcher  Amtshandlungen  auch  auf  den  in  ihren  Bezirken  ge- 
legenen Lehengütem. 

§10. 
Die  Ber^erksgerichtsbarkelt. 

Wenn  auch  die  innerhalb  des  bairischen  Herzogtums  be- 
triebenen Bergwerke  zu  den  ältesten  gehören,  welche  sich  auf 
deutschem  Boden  fanden^),  so  fehlen  uns  doch  urkundliche 


1)  Zar  VerleihuDg  der  Bentellehen  konnte  sie  einen  ihrer  Bäte  delegieren 
(Lehen-0.  1650). 

2)  Hofkammer-0.  1565. 

3)  Sie  traten  1550  an  die  SteUe  der  an  einigen  Orten  bestellton  ünter- 
lehenbereiter. 

4)  Da  de  „uns  als  ihrem  Herrn  und  Landesfürsten  nicht  minder  als 
uDsre  LehenprOpste  yerpflichtet*'  sind. 

5)  Lori,  Sammlung  des  baierischen  Bergrechts.  München  1764.  Efai- 
leitaDg  S.  IIL  L  o  r  i  hat  dieser  vordienstvollen  Sammlung  aller  auf  daa 
bairiBche  Bergrecht  bezOglichon  Urkunden  eine  dankenswerte  Einleitong 
vorausgoschickt,  die  wir  leider  liei  seiner  Sammlung  dos  Münirechts 
vermiRsen.  —  Nach  Lori  waren  die  Eisen-  und  Stahlwerke  von  Steycr  schon 
712  bekannt  Dem  Salzwerk  zu  Beichenhall  widmete  schon  Herzog  Theodo 
(t  717)  seine  Aofinerksamkeit 


—    217    — 

Nachrichten  über  die  Bergwerksverfassung  bis  zum  14.  Jahr- 
hundert. 

Salz-  und  Bergwerke  gehörten  zu  den  königlichen  Rega- 
lien *),  wie  die  zahlreichen  bairischen  Klöstern  verliehenen,  das 
Recht  der  Gewinnung  von  Salz  und  Metallen  auf  ihrem  Grund- 
besitz gewährenden  königlichen  Privilegien  bezeugen  *). 

Erst  K.  Friedrich  IL  übertrug  dem  Herzog  Ludwig  I.  für 
sich  und  seine  Nachfolger  das  Bergregal  in  seinem  Lande  (1219), 
das  fortan  einen  Bestandteil  der  herzoglichen  Gewalt  bildete  ^). 

In  Baiem  waren  die  Landesherren  bestrebt,  durch  zweck- 
mäßige Ordnungen  und  Freiheiten  den  Bergbau  zu  fördern.  Ihre 
Tendenz  war  daher  wie  die  andrer  Fürsten  darauf  gerichtet, 
die  bergrechtlichen  Gewohnheiten,  welche  sich  an  den  ältesten 
Sitzen  des  Bergbaues  erprobt  hatten,  an  andere  Orte  zu  ver- 
pflanzen, um  neuen  Bergwerken  auf  diese  Weise  zur  Blüte  zu 
verhelfen.  Der  Schlädminger  Bergbrief  (1308),  die  älteste  Auf- 
zeichnung steirischer  Berggebräuche,  enthält  so  die  Grundlage^ ) 
der  späteren  bairischen,  tirolischen  und  österreichischen  *)  Berg- 
ordnungen. Namentlich  durch  Vermittlung  der  auf  ihm  fußen- 
den Bergordnung ^)  für  Battenberg^)  (1463)  beherrschte  die 
Schlädminger  Ordnung  das  bairische  Bergrecht®).    In  hervor- 

1)  Über  die  Entwicklung  des  Bergregals  ygL  G.  Meyer,  Lehrbuch  des 
deutschen  Verwaltongsrechts  I,  S.  343,  und  die  daselbst  Citierten. 

2)  Diese  führt  an  Riezler  bei  Heigel-Biezler  S.  164  £ 

3)  Qu.  u.  Er.  V,  S.  23. 

4)  Der  in  späteren  Privilegien  häufig  wiederkehrende  Ausdruck  „als 
Bergwerks  Recht  ist**  enthält  nur  einen  Hinweis  auf  diesen  Bergbrief  (ygL 
Lori,  Einleitung  S.  27). 

5)  L  0  r  i ,  Einleitung  S.  18. 

6)  Wenn  der  Schlädminger  Bergbrief  keine  Entscheidungsnorm  fär  den 
konkreten  Fall  darbot,  berief  man  sich  in  den  bairischen  Bergwerken  auf 
die  Bestimmungen  der  alten  Enappschaftssynodon  der  Werke  zu  Trient  Vgl 
Peetz,  Volkswissenschafdiche  Studien.  Mflnchen  1880.   S.  13. 

7)  Über  die  korrespondierenden  Artikel  dieser  beiden  Bergordnungen 
YgL  Peetz  S.  25. 

8)  So  verlieh  Albrecht  lY.  1469  für  alle  Bergwerke  in  seinem  Lande 
einem  Rcgensburgor  Bürger  nebst  seiner  Gesellschaft  „alle  die  Freyhait  und 
liccht,  als  Perkwcrchs  Recht  ist"  auf  H.  Ludwigs  Borgwerk  bei  Rattenberg ; 
1470  erteilt  derselbe  Fürst  auf  10  Jahre  das  Privileg,  dafi  Jedermann  in  den 
Gerichten  Landsberg,  Päl  und  Schosgau  Bergwerk  und  Erz  mit  aUen  Frei- 
heiten und  Gnaden  suchen  und  arbeiten  soll  als  das  Erz  zu  Rattenberg  ge« 


—    218    — 

ragendem  Maße  nimmt  diese  Rattenberger  Ordnung  unser  Inter- 
esse in  Anspruch  durch  ihre  eingehende  Reglung  der  Juris- 
<liktionsverhältnisse. 

Eines  der  wichtigsten  und  ältesten  ^)  Privilegien  der  Berg- 
leute bildete  ihre  Exemtion  von  der  ordentlichen  Gerichtsbar- 
keit und  ihre  Unterstellung*)  unter  einen  besondem^)  Berg- 
richter*). 

Das  Streben  nach  korporativer  Abschließung  mit  eigner 
Jurisdiktion  war  der  mittelalterlichen  Gesellschaft  eigen.  Sie 
kommt  überhaupt  bei  den  durch  die  Gleichheit  des  Berufs  Ver- 
l)undenen  zur  Erscheinung,  namentlich  aber  dann,  wenn  die 
Eigenartigkeit  des  Berufs  zu  einer  innigeren  Zusammenschließung 
unter  den  Berufgenossen  hindrängte.  Diese  Eigenartigkeit  des 
Berufs  forderte  auch  einen  Berufskundigen  als  Richter  für 
alle  in  demselben  erwachsenen  Streitigkeiten.  Daneben  ist  es 
dann  die  Rücksicht  auf  die  Bergleute,  welche  diese  Spezial- 
Jurisdiktion *)  henorrief,  indem  durch  diese  eine  Aburteilung 

freit  ist  (L  o  r  i  S.  97,  99 ;  vgl  auch  Einleitoog  S.  47).  Die  Herzoge  Johum 
und  Sieground  hatten  schon  1463  die  Rattenberger  Freiheiten  ftlr  das  Berg- 
werk zu  Lam  verliehen  (Lori  S.  04). 

1)  Der  Verfasser  des  Schlädminger  Bergbriefs  ist  ein  Bergrichter.  Dil 
ßergrichtcramt  tritt  also  hier  schon  als  eine  ausgebildete  Einrichtung  mit 
festen  Kompetenzen  hervor  (Lori  S.  4  if.,  §  1,  8,  10). 

2)  Besondere  Berggerichte  (Bergmcistor  und  Berggeschworene)  gab  es 
aUer  Orten.  Vgl  Biener,  De  jurisd.  metallicis.  (Opuscula  acad.)  lipnae 
1830.    I.  p.  381  ff: 

3^  Mit  dieser  war  häufig  verbunden  die  Einräumung  eines  freien  Ge- 
leites, welches  Alle  genießen  sollten  —  die  das  Perkwerch  und  Aerzt  in  . . 
unsem  Herschafften  und  Landtgcrichten  suechen  und  arbaiten  werden  —  fiir 
all,  so  sy  auficrhalb  unscrs  Landes  begangen  haben  (Lori  S.  53  §  3). 

4)  UhcT  andere  den  Bergleuten  einzelner  Bergwerke  verliehenen  Frei- 
heiten, wie  freie  Beholzung,  Steuer-,  Gült-,  Scharwerksfreiheit  vgl  Lori 
S.  185,  Einleitung  S.  4^5  (Bergfreiheit  zu  Bodenmais  und  vor  dem  BAbmor> 
wald  1522,  1524). 

5)  Karsten  (Grundriß  der  deutschen  Bergrechtslehre.  1828.  S.  11) 
führt  das  Institut  der  Berggerichtsbarkeit  zurück  auf  einen  Vertrag  der 
Bnrgbautreibenden,  sich  in  allen  Bergstreitigkeiten  dem  Urteile  eines  Scfaieds- 
richtors  zu  unterwerfen.  Diese  Vollmacht  des  Schiedsrichters  sei  durch  deo 
Schutz  des  Landeshorm  bestätigt  und  bekrilftigt  worden,  und  so  sei  auB 
(liosoin  ursprünglich  gewählten  Sthicdsrichter  nach  und  nach  ein  vom  Fürsten 
omanntor  geworden.  Zrugnissc  für  diese  Vermutung  bringt  K.  nicht  bei.  Die- 
selbe erscheint  auch  unhaltbar,  denn  seitdem  Bergrichter  anftreteii,  encheiimi 


—    219    — 

an  Ort  und  Stelle  ermöglicht  wurde  und  so  die  Bergleute  Zeit 
und  Geld  sparten '). 


sie  nicht  nur  zur  Schlicfatong  Ton  Streitigkeiten  bemfen,  sondern  sie  haben 
als  Verwalter  des  Regals  im  weitesten  Umfange  für  die  yorschriftsgeroäfie 
DnrchfÜhning  aller  den  Bergbau  berflhrenden  Anordnungen,  besonders  be- 
züglich der  Verleihung  und  technischen  Ausbeute,  sowie  der  Wahrung  der 
finanziellen  Interessen  der  landesherrlichen  Kammer  zu  sorgen. 

1)  In  einem  Berichte  des  Zollners  und  der  Berggeschworenen  an  die 
Regierung  zu  Landshut  (1498)  werden  als  Gründe  der  Exemtion  aus  der 
Schwatzer  Ordnung  mit  dem  Bemerken,  „daß  sie  auch  dem  Bergwerk  hier 
noch  mehr  als  ihnen  dürftig",  folgende  hervorgehoben:  a)  So  die  Pfleger 
und  Landrichter  über  die  Berggesellen,  bes.  die  Landleute,  so  sich  in 
das  Bergwerk  begeben,  was  ihre  Lehen  und  das  sie  unter  Landgericht  haben, 
berührt,  zu  bieten  hätten,  so  mochten  sie  ihrer  Arbeit  und  den  Schichten  am 
Berg  nicht  gewarten  als  andere  zulaufende  Berggesellen  und  wäre  den  6e- 
werken  unleidenlich ,  denn  solche  Berggesellen  müssen  täglich  der  Land- 
schrannen, auch  der  Pfleger  und  Landrichter  Forderung  nach  Ordnung  und 
Gewohnheit  der  Landgerichte  warten  zu  Zeiten  von  Eundschaftgebung  wegen, 
dann  um  Schulden  und  andere  mancherlei  Sachen  halben,  die  sich  unter 
den  Gerichtsleutcn  stets  begeben,  das  aber  in  den  Berggerichten  nicht  also 
gehalten  würde  wegen  des  Bergwerks  Förderung,  damit  man  es  also  ftlr- 
sehen  und  freien  muß.  b)  Welche  Berggesellen  oder  Jemand  hinz  ihnen  zu 
sprechen  habe,  um  was  Sachen  das  sei,  so  werde  ihr  keiner  von  der  Arbeit 
vom  Berge  gefordert,  sondern  sie  müssen  einander  an  den  Feiertagen  oder, 
wo  es  so  not  thut,  so  sie  des  Nachts  vom  Berg  oder  morgens  in  der  Frühe, 
ehe  sie  wieder  hinangehen,  fürwenden,  darauf  dann  ein  Bergrichter  sein  be- 
sonderes Wort  in  dem  verordneten  Gerichtshause  haben  muß.  c)  Wenn 
die  Gesellen  um  tägliche  Händel  der  Schrannen  Ordnung  warten  und  der 
Pfleger  Forderung  nachkommen  sollten,  so  würden  den  Gewerken  ihre 
Schichten  nicht  gearbeitet  und  das  Bergwerk  mit  langer  Weile  gebaut,  wes- 
halb den  Pflegern  und  Landrichtern  ihres  Fümehmens  in  der  Sache  (d.  h. 
Eingriffe  in  die  Bergwerkjurisdiktion)  nicht  zu  gestatten,  d)  Daraus  ist  noch 
zu  ermessen,  daß  solche  Mittel  der  Strafen  den  Pflegern  nicht  zu  Wider- 
wärtigkeit noch  auch  den  Bergrichtem  zu  gut,  sondern  allein  dem  Bergwerke 
zur  Förderung  und  um  Verhütung  willen  solchen  Verlustes,  den  die  Gewerken 
der  Pfleger  Straf  und  Handlung  halben  also  nehmen  möchten,  gehalten  würde. 
e>  Zu  dem  allem  würden  die  Berggesellen,  bes.  die  zuziehenden,  selbst 
nicht  zu  gut  nehmen,  daß  die  Pfleger  und  Landrichter  mit  ihnen  dermaßen 
handeln  sollen,  denn  sie  achten  sich  in  dem  Gebrauch  und  Herkommen,  daß 
ihr  keiner  vor  den  Landgerichten  fürgenommen  werden  soll,  es  seien  denn 
Sachen  die  Artikel  in  diesen  Freibrief  aufgenommen  oder  gelegen  Stücke, 
Erb  und  Eigen  berührend,  und  wollen  ihnen  auch  sonst  in  nichts  unterworfen 
sein  denn  ihren  geordneten  Bergrichtem  (R.  A.  Finanz-Gegenstände  No.  21Vji 
Rattenberg  und  Kitzbühl  Bergwerkssacben). 


—    220    — 

Man  war  bestrebt,  durch  Gewährung  dieses,  ihre  Berufe- 
stelhmg  auszeichnenden  Privilegs  Bergleute  aus  allen  Ländern 
herbeizuziehen,  um  auch  hiedurch  das  Gedeihen  des  einheimi- 
schen Bergbaues  zu  befördern.  —  In  dem  Amt  des  Bergrichters 
hatte  sich  aber  nicht  ein  Organ  der  Selbstvenvaltung  der  Kor- 
poration entwickelt,  sondern  es  war  nur  ein  herrschaftliches 
Element  mit  der  Regalität  des  Bergbaues  zur  Entstehung  ge- 
langt, da  der  Bergrichter  ja  stets  vom  Landesherm  bestellt 
ward.  Nur  in  den  Geschworenen  des  Berggerichts  hatte  der 
die  Berufsgleichen  zusammenschließende  Trieb  des  Mittelalters 
sich  fortwirkend  bethätigt. 

Einen  Hauptfaktor  der  raschen  und  gedeihlichen  Entwick- 
lung des  Bergbaues  bildete  die  planmäßige  Thätigkeit  des  Berg- 
richters und  der  aus  dem  Kreise  der  Genossen  hervorgegangenen 
Geschworenen,  die  stolz  auf  ihre  Privilegien  darüber  wachten, 
„daß  nicht  unehrlich  Arljeiterpack  sich  eindränge"  *). 

Ursprünglich  ward  für  jedes  Bergwerk  ein  besonderer  Berg- 
richter bestellt,  welcher  auch  mit  die  Verwaltung  des  Berg- 
regals zu  besorgen  hatte. 

Nur  die  niedere  Gerichtsbarkeit  über  die  Bergleute  *)  stand 
dem  Bergrichter  zu,  die  höhere,  besonders  die  Krimina^uris- 
diktion,  blieb  dem  Landgerichte  gewahrt.  „Was  sich  hierunter 
geben  wurden  unter  den  Gesellen  kunfifticlich  darumb,  so  sei 
sy  ain  yeder  Richter,  den  wir  dann  zu  Zeiten  geben  werden, 
zu  richten  haben  gutlich  oder  rechtUch  nach  Rechten  und  Ge- 
wohnhaiten  Perkwerks  und  Aerzt  ungeverlichen  ausgenomen 
Dieb,  Mörder,  Notzug,  Velscherey  oder  Verräter,  und  was  Leyb 
und  lieben  antrifft,  das  suUen  unser  Pfleger  und  Lanndrichter 
stratfen '). 

1)  Peetz  S.  12. 

2)  Nach  der  Borgfreiheit  Albrechts  III.  für  die  Gewerkschaft  za  Fisch- 
bachaQ  (§8,  L  o  r  i  S.  32)  hatte  Ycrgehen  und  Itcchtsstreitigkeiten  anter  den 
Knappen  der  Bergmeister  selbst  zn  richten.  i,Wa8  sich  aber  soleichcr  Saeb 
begaben  zwischen  der  Perkknaben  und  ander  Lawt  and  was  auch  Sach  Wim, 
die  das  Leben  antraffen,  darumb  haben  wir  und  unser  Kichter  und  die  ontem 
ze  straffen  und  zo  püßcn." 

3)  Bergfreiheiten  für  Küzbühol,  Rattenberg  und  Kufstein  1459  §  4;  vgl 
auch  Borgfreiheit  fOr  liam  1463  §  3;  filr  die  Gericht«  Ijandsborg,  PSl-  und 
Scliongau  1470;  Bergfreiheiten  in  Nicderbaiem  zwischen  den  bOhmisdien 
Grenzen  und  der  Donau  1485  §  5,  6;  für  das  Gericht  Praitenftein  (Gericht 


-    221    — 

Die  Greozen  der  Kompetenz  des  Land-  und  des  Berg- 
geridbts  wurden  genau  durch  landesherrliche  Verordnung  ge- 
regelt ^).  Nach  der  Schwazer  Ordnung  sollte  z.  B.  jeder  Bauer, 
der  das  Berg^verk  mit  der  Hand  arbeitete,  dem  Berggerichte 
mit  allen  Sachen  gerichtbar  sein.  Allein  was  die  Artikel  in 
dem  Freibrief  begreift  und  sein  Lehen,  Erb  und  Eigen  be- 
rührt, damit  ist  er  seinem  Pfleger  oder  Landrichter  unter- 
worfen*). Es  ward  also  durchweg  an  dem  alten  Prinzipe  fest- 
gehalten, daß  über  Leben,  Freiheit  und  Grundeigentum  des 
freien  Mannes  nur  in  dem  Gerichte,  d.  h.  im  Landgerichte^) 
geurteilt  werden  darf.  Die  Strafmittel,  welche  der  Bergrichter 
verhängen  konnte,  waren:  Geldbußen,  eventuell  Körperstrafe*). 
Später  kam  noch  die  Gefängnisstrafe  hinzu  ^). 

Für  die  Einrichtung  des  Berggerichts  waren  die  allgemeinen 
Grundsätze  der  deutschen  Gerichtsverfassung  maßgebend.  Auch 
der  Bergrichter  war  nur  der  Leiter  der  Gerichtsverhandlung, 
das  Urteil  wurde  gefunden  von  den  Berggeschworenen®).  Im 
Geltungsbereiche  des  Landrechts  K.  Ludwigs  fiel  das  Befragen  der 
Geschworenen  auch  im  Berggerichte  hinweg,  nachdem  hier  jetzt  nur 
der  Richter  nach  des  Buches  Sag  zu  urteilen  hatte.  Die  Ge- 
schworenen hatten  mit  dem  Richter  aber  nicht  nur  Rechtsent- 
scheidungen zu  fällen,  sondern  auch  Schiedsprüche  konnten  v(m 
ihnen  gemeinschaftlich  erlassen  werden.  Sie  mußten,  wenn  dies 
zur  Entscheidung  des  vorliegenden  Streites  notwendig  erschien, 
mit  dem  Richter    in  die   Grube    zur  Augenscheinnahme   ein- 


Kelheim)  §  4  (Lori  S.  53,  64,  100,  122,  129);  Oberpfölz.  0.  1540  §  183  ff 
(L  0  r  i  S.  266  f.). 

1)  §  61  der  Perckrichter  sol  umb  die  Henndl  zu  rechten  haben  Innhalt 
der  OrdnuDg  zwischen  dem  Lanndtrichter  and  seiud  dieselb  insonderhait  be- 
griffen (L  0  r  i  S.  63). 

2)  Vgl.  S.  219  Anm.  1. 

3)  VgL  S.  219  Anm.  1. 

4)  z.  B.  BergordDung  za  Ammergau  1464  §  17  (Lori  S.  92). 

5)  Vgl.  unten  S.  224. 

6)  Berggeschworene  werden  schon  1354  erwähnt  in  einem  Verpachtbrief 
Ludwigs  des  Brandenburgers  (Lori  S.  15  §  6) ;  der  Richter  soll  strafen  nach 
Erkenntnis  der  Geschworenen  (Ordnung  zu  Ammergau  §  14,  Lori  S.  92); 
Bergrichter  und  Schöpfen  gehören  zum  Berggerichte  nach  der  oberpfälz. 
Bergordnung  1548  (§  183,  Lori  S.  266). 


—    222    — 

fahren*).  Auch  zu  Verwaltungsfuuktionen  wurden  die  Ge- 
schworenen vom  Richter  beigezogen,  wie  z.  B.  die  Eichung  der 
für  die  Teilung  des  Erzes  vorgeschriebenen  Maße  (durch  Auf- 
brennen eines  Zeichens)  in  Gegenwart  von  4  Geschwomen  des 
Bergwerks  und  des  Berggerichtsschreibers  geschehen  mußte*). 
Die  Geschwomen  waren  dem  Bergrichter  oder  Bergmeister 
unterstellt  mit  der  Verpflichtung,  sich  zu  allen  Bergsachen 
williglich  brauchen  zu  lassen  ^). 

Die  Sitzungen  des  Berggerichts  wurden  allmonatlich  oder 
quartaliter  *)  abgehalten  unter  Vermeidung  einer  Konkurrenz 
mit  dem  Landgerichte  —  der  Perckrichter  sol  auch  all  4  Wochen 
auf  einen  genannten  Tag,  daran  des  gemein  Landsrecht  nit  ist, 
das  Perckgericht  mit  den  Geswomen  besitzen  *).  Den  Parteien, 
welche  diesen  ordentlichen  Gerichtstermin  nicht  abwarten  wollten, 
war  aber  die  Möglichkeit  geboten,  in  raschester  Weise  die  ge- 
richtliche Erledigung  ihrer  Rechtsangclegenheiten  zu  erreichen, 
indem  auf  Verlangen  der  Partei  schon  3  Tage  nach  Erhebung 
der  Klage  die  Sache  zur  Verhandlung  gebracht  werden  mußte  •). 
Richter  und  Geschworene  konnten  dann  von  der  den  außer- 
ordentlichen Gerichtstermin  beantragenden  Partei  eine  Extra- 
vergütung beanspruchen').     Solche  außerordentliche  Gerichts- 

1)  Rattenberger  0.  §  30.  Die  Größe  der  Entschädigung,  welche  ein  Orond- 
eigentumer  f&r  den  ihm  durch  die  mit  dem  Bergbau  zusammenhängenden  Schaden 
beanspruchen  kann,  wird  durch  den  Rat  des  Richters  und  der  Geschworenen 
bestimmt  (§  35). 

2)  §  51. 

3)  Über  ihre  Funktionen  verbreitet  sich  die  oberpfölzische  Bergordnung 
1548  §59ff.  (Lori  S.  252  f.). 

4)  Vgl  den  S.219  Anm.  1  angeführten  Bericht  über  die  Schwatzer  Ordnung : 
Es  werden  auch  um  solches,  daß  die  Gesellen  den  Schichten  also  warten  mOgen 
und  das  Bergwerk  gefördert  werde  in  dem  Jahre  4  gemeine  Bergrecht  gehalten, 
„auf  te^e,  daran  das  landrecht  nicht  besessen  wird"  und  daselbst  die  Unzucht, 
Kumor  und  andre  Händel,  so  sich  unter  den  Berggesellen  begeben  und  die 
das  Bergwerk  nicht  berühren,  gerichtet  und  entschieden. 

5)  §60  (Lori  S.  62). 

6)  §  61  wer  aber  besonder  gefrumbts  Recht  haben,  und  des  Perckgorichts- 
tag  .  .  zu  4  Wochen  obgemellter  Maß  nit  erwartten  wolt;  dem  oder  den- 
selben sol  der  Perckrichter  mit  den  Geswom  nach  seinen  oder  irm  Begem 
am  3.  Tag  nechst  darnach  volgendt  eins  Rechtens  behelffen. 

7)  doch  so  soll  derselb,  der  also  daz  Recht  fnunbt,  dem  Richter,  auch 
den  Geswomen,  darumb  thun  nach  Perckwerchsrecht^  als  Ton  alter  Herkunea 
ist  (Lori  iS.  63). 


-    223    — 

Sitzungen  werden  nach  der  Schwatzer  Ordnung  für  alle  das 
Bergwerk  berührenden  Streitigkeiten  gehalten,  welche  an  einem 
der  4  ordentlichen  Berggerichtstage  nicht  entschieden  werden 
konnten  —  dardurch  die  gesellen  der  arbeit  nicht  gehindert 
sind^).  Für  das  Verfahren  im  Berggerichte  sind  die  allge- 
meinen prozessualen  Vorschriften*)  maßgebend*).  Gegen  das 
Urteil  des  Berggerichts  konnte  ebenso  wie  gegen  das  des  Land- 
gerichts Berufung  zum  Hofgericht  erhoben  werden  *). 

Von  der  Übung,  für  jedes  Bergwerk  einen  besonderen  Berg- 
richter ^)  aufzustellen,  ging  zuerst  Albrecht  IV.  ab,  indem  er 
1478  einen  Richter  für  alle  Bergwerke  des  Fürstentums  vor 
dem  Gebirge  aufstellte  ^).  Nach  der  Vereinigung  der  einzelnen 
Teile  Baicrns  wurde  1511  für  ganz  Ober-  und  Niederbaicrn 
ein  gemeinsamer  Bergrichter  ernannt).  Diesem  war  die  Auf- 
sicht über  sämtliche  Bergwerke  übertragen,  seine  Machtbefugnis 
so  weit  ausgedehnt,  daß  er  die  Bediensteten  eines  jeden  Berg- 
werks nach  Gutdünken  ein-  und  absetzen  konnte^).  Nach 
dieser  Erweiterung  des  Jurisdiktionssprengeis  ^)  war  eine  erfolg- 

1)  Vgl.  den  Bericht  S.  219  Anm.  1. 

2)  Genaue  Vorschriften  üher  den  Prozeß  im  Berggerichte  enthält  die 
Oberpßlz.  Bergordnung  §§  187  ff.  (Lori  S.  267). 

3)  Aus  einem  Gorichtsbriefe  des  Bergrichters  zu  Rattenberg  (R.  A.)  sieht 
man,  daß  die  Formalitäten  des  Berggerichtsverfahrens  von  dem  des  Land- 
gerichts nicht  abweichen. 

4)  L.  c.  Herzog  Ludwig  sendet  1465  „die  appellation  so  die  gowerken 
der  s.  Gilgcrgrubon  gegen  die  zu  unser  fraucn  gruben  getan  in  unser  camer** 
an  den  Bergrichtcr  zu  Rattenberg,  von  dem  das  erstinstanzicilo  Urteil  gefallt 
worden  war,  zurück :  „und  ist  in  unserm  camergcricht  die  urteil  würdig  und 
kräftig  und  die  appellation  unwürdig  und  unkräftig  gesprochen*'. 

5;  Das  Bcrgrichtcramt  konnte  als  Nebenamt  einem  andern  Beamten 
übertragen  werden.  1477  wurde  so  ein  Rentmeister  zum  Richter  für  ein 
Bergwerk  bei  Regensburg  ernannt  (Lori  S.  113).  , 

6)  Lori  S.  117. 

7)  In  Mittenwald  wurde,  so  oft  ein  Bergrichter  vor  dem  Gebirg  nicht 
bestellt  war,  ein  besonderer  Bergrichter  für  die  Grafschaft  Werdenfels  er- 
nannt (Lori,  Einleitung  S.  31). 

8)  Bostallungsbrief  1511  und  1525  (Lori  S  142,  187):  —  ime  bovolcheo 
haben  auf  die  Pcrkwerch  mit  allem  Vleifi  zusehen  und  alles  und  jedes  zum 
pesten  und  trcuisten  zuhandlen  .  .,  das  sich  nach  Perkwerchsordnung  und 
Freyhait  zu  tun  gebürt 

9)  Albrecht  V.  verordnete  1551  einen  Tölzer  Bürger  anstatt  eines  Berg- 
richters, „also,  welche  in  unserm  Fuerstenthomb  zu  pauen  Vorhabens,  Auf- 


—    224    — 

reiche  Erfüllung  der  bergricliterliclien  Obliegenheiten  nur  durch 
Unterstützung  aller  Richter  und  Beamten  des  Landes  möglich. 
Diesen  und  auch  den  Inhabern  der  Hofmarksgerichtsbarkeit 
wurde  diese  Unterstützung  und  besonders  die  Verpflichtung, 
erforderlichen  Falls  ihre  Gefängnisse  dem  Bergrichter  zu  über- 
lassen, eingeschärft^). 

Von  der  Specialgerichtsbarkeit  des  Forst-  und  Münzmeisters 
wird  erst  unten  im  Zusammenhang  gehandelt  werden,  da  nur 
wenige  Bemerkungen  über  diese  zu  machen  sind. 


Die  akademische  Oeriehtsbarkelt  ^). 

Als  Ludwig  der  Reiche  1472  die  Universität  Ingolstadt 
gründete,  da  mag  neben  dem  im  Zeitalter  des  Humanismus 
begreiflichen  allgemeinen  ruhmverheißenden  Streben,  der  Pflege 
der  Wissenschaft  eine  Heimstätte  in  seinem  Lande  zu  schaffen, 
wohl  hauptsächlich  der  Mangel  an  einheimischen  juristisch  ge- 
bildeten Personen  für  die  Bedürfhisse  des  Staatsdienstes  maß- 
gebend gewesen  sein.  Nur  so  ließ  sich  der  Abneigung  der 
Stände  gegen  die  „Gäste"  im  fürstlichen  Ratsdienste  Rechnung 
tragen,  wenn  man  den  Inländern  selbst  die  Möglichkeit  bot, 
sich  in  der  Heimat  jene  gelehrte  Bildung  zu  erwerben  •),  welche 
der  werdende  moderne  Staat  von  seinen  höheren  Beamten  zu 
fordern  gezwungen  war. 

Als  Papst  Pius  IL  (1459)  auf  Antrag  des  Baiemherzogs 
die  Stiftung  eines  Studium  generale  zu  Ingolstadt  anordnete, 
gewährte  er  gleichzeitig  allen  an  demselben  Lehrenden  und 
Li^nenden  die  an  der  Wiener  Universität  geltenden  Privilegien 
und  Ehren  *).  Mittelbar  war  damit  wie  für  die  übrigen  deutschen 
Universitäten  nicht  die  Verfassung  der  Bologneser,  sondern  die 

8chleg  and  Grueben  empfahen  wocUcn;  da6  eye  demselben  .  .  tod  onsern 
wegen  ersuechen  und  die  Graeben  wie  sich  gebachrt  empfahen. 

1)  Bergfreiheit   1510,    BestaUangsbrief   des  Bergrichters   1526  (Lori 
S.  143.  187). 

2)  Über  diese  vgl  Wetzell  S.  443  ff. 

3)  Vgl  KUckhohn,  Ludwig  der  Reiche.  NOrdlingen  1865.  a  337. 

4)  YgL  P  r  a  n  1 1 ,    Geschichte  der  Ludwigs  -  Mazimilians-UmTenitit  in 
Ingolstadt^  Landahut»  Manchen.  Manchen  1872.  I,  S.  13* 


—    225    — 

der  Pariser  * )  Universität  als  Vorbild  aufgestellt,  wo  der  Korpo- 
ration der  Lehrer  das  Recht  der  Rektorswahl  zustand,  doch  ge- 
staltete der  herzogliche  Stifter  seine  Schöpfung  über  das  Vor- 
bDd  hinaus  und  lenkte  sie  in  die  Bahn  einer  reinen  universitär 
doctorum^),  indem  der  Rektor  hier  aus  der  Wahl  der  Lehrer, 
ohne  Beteiligung  der  Studierenden  hervorging. 

Da  Ingolstadt  wie  alle  übrigen  älteren  Universitäten  Deutsch- 
lands aus  kirchlichen  Mitteln  dotiert  ward^),  so  kam  hier  eben- 
falls der  kirchliche  Charakter  der  Hochschule  zur  Geltung,  in- 
dem auch  hier  ein  geistUcher  Würdenträger,  der  Bischof  von 
Eichstädt,  zum  Kanzler*)  derselben  bestellt  ward.  Dieser  hatte 
nicht  nur  die  Promotionen  zu  überwachen^),  sondern  auch 
Jurisdiktionelle  Befugnisse  auszuüben.  Seine  Gerichtsgewalt  wurde 
sogar  viel  weiter  erstreckt  als  die  der  Kanzler  der  übrigen 
Hochschulen,  indem  im  Stiftungsbriefe  ^)  ihm  ausschließlich  die 
Kriminalgerichtsbarkeit  über  die  Studenten  eingeräumt  ward. 
Diese  Preisgebung  der  herzoghchen  Justizhoheit  bekundet  einen 


1)  Über  diese  vgl  v.  Savigny,  Geschichte  des  römischen  Kechts  im 
Mittelalter.  Heidelberg  1822.  III,  S.  314  ff.;  über  die  Stellung  des  Rektors 
noch  Denifle,  Die  Universitäten  des  Mittelalters   bis  1400.    Berlin  1885. 

S.  106  ff 

2)  Während  Bologna  mehr  eine  miiversitas  scholarinm  war.  Vgl  über 
die  verschiedenen  Redaktionen  des  Stiftungsbriefs  Prantll,  S.  25f.;  das. 
S.  36  über  die  Wahl  des  Rektors  durch  das  consilium  der  Lehrer,  aber  nach 
dem  Modus ,  dai  die  Mitglieder  jeder  der  4  Fakultäten  zusammen  je  Eine 
Stimme  hatten.  Bei  Stimmengleichheit  entschied  der  Herzog  die  Wahl  unter 
den  Candidaten. 

3)  Vgl.  Muther,  Zur  Geschichte  der  Rechtswissenschaften  und  der 
Universitäten.   Jena  1876.  S.  255  i 

4)  Ein  vom  Herzog  präsentierter  Theologe  wurde  vom  Bischof  zum  Vice- 
kanzler  ernannt,  welches  Amt  mit  der  Eichstädter  Dompräbende  in  Verbin- 
dung stand  (P  r  a  n  1 1  I,  S.  287,  294  £).  —  Seit  1560  erscheint  auch  ein  Super- 
intendent zur  Überwachung  und  Aufrechthaltung  der  Ordnung  der  Universität 
1570  wird  der  Vicekanzler  Eisengrein  mit  dieser  „Inspection**  betraut  Er  soll 
die  Person  des  Herzogs  bei  der  Universität  vertreten,  „weil  unsere  räthe^ 
denen  die  schuelhandlung  bevolchen,  anderer  unser  geschefft  halben  wenig 
khinden  bei  euch  sein",  er  hat  also  im  wesentlichen  die  Funktionen  der  heu- 
tigen Universitätskuratoren  wahrzunehmen  (Prantl  11,  S.  302,  Urk.  n.  98). 

5)  Prantl  I,   S.  27. 

6)  Berürten  dan  die  sach  des  Studenten  leyb  und  leben,  so  sollt  derselb 
Student  von  des  rectors  und  der  universitet  wegen  dem  bischove  zw  Eystet 
.  .  zurechtfertigen  überautwurt  werden  (Prantl  II,  S.  28,  Urk.  n.  8). 

Rosenthal,  (icschichte  d.  üerichtsw.  u.  d.  Verw.-Org.  Baierns.  I.  \^ 


—    226    — 

entschiedenen  Rückschritt  hinter  die  älteren  Redaktionen^)  des 
Stiftungsbriefs,  welche  die  Kompetenz  nur  für  geistliche  Ver- 
brecher anerkannte,  während  weltliche  dem  Pfleger  zu  Ingolstadt 
überantwortet  werden  sollten*),  welcher  —  nach  notdurfit  ver- 
horn und  furtter  in  den  Sachen  nach  landssrecht  und  puchsag 
urtailn  und  sprechen  sollte  ^).  Aus  welchen  Gründen  der  Herzog 
hier  zurückwich,  ist  unerfindlich,  zumal  nicht  nur  in  Wien^), 
dessen  Privilegien  für  Ingolstadt  vorbildlich  sein  sollten,  sondern 
auch  an  andern  Hochschulen  Deutschlands  der  Universität  selbst 
die  Kriminalgerichtsbarkeit  eingeräumt  war.  In  Ingolstadt  aber 
stand  der  Universität  nur  eine  Strafgewalt  zu,  sofern  es  sich 
nicht  um  peinliche*)  Sachen  handelte*^). 

Jedenfalls^)  war  der  Rektor*^)  auch  zur  Entscheidung  der 
gegen  Studenten  angestrengten  Civilprozesse  berufen,  was  in 


1)  Wer  er  dann,  so  heißt  es  hier,  ein  geistlich  geweichte  person,  nach 
dem  dan  der  rector  innhallt  geschriber  rechten  über  sach,  die  den  leyb  und 
er  bcrürend  nnd  criminales  haifien,  tenninaliter  nicht  zerichten  hat^  so  sollt 
derselb  rector  solch  gefanngen  dem  bischove  zn  K  alls  ainem  ordenlichn 
geistlichem  richter  der  genennten  nniversiiet  zorechtfeitigen  überantwnrten, 
und  darinn  sollt  im  unnser  pfleger  zu  J.  hüllf  nnd  beistand  ton. 

2)  Der  Oberantwortnng  ging,  sei  es  dafi  der  Angeschuldigte  ge&ngen 
war  oder  nicht,  ein  Vorbereitongsverfahren  voraus,  in  welchem  Rektor  (und 
Senat]  die  präjudicielle  Frage,  ob  ein  peinliches  Delikt  vorliege,  entschieden 
—  rector  mitsambt  dem  gantzen  rat  der  nniversitet  macht  haben  and  auch 
in  recht  erkennen,  ob  die  sach  solicher  fennkhnnß  criminalis  wäre  nnd  cri- 
minaliter  fOrgenomen  würde  .  .  (Prantl  II,  S.29;  vgL  auch  das.  S.  30). 

3)  aber  sonnst  sol  der  pfleger,  die  von  Ingolstat,  noch  jmand  annden 
von  weltlichs  gerichts  wegen  kainerlay  obrigkeit,  gerichtzwanng  noch  macht 
über  di  studentn  haben  noch  üben  in  dhainer  weg  (a.  a.  0.  S.  30). 

4)  Luschin  S.  256. 

5)  bcrürt  aber  die  sach  desselb  Studenten  leyb  nnd  leben  nichts  so  sollt 
der  rector  und  rat  der  nniversitet  gen  denselben  Studenten  vor  in  selbs  recht 
ergecn  lafsen  und  nit  schuldig  sein,  den  Studenten  alsdann  wejter  leant» 
wurten  (ibid.  S.  29). 

6)  So  verhängt  z.  B.  1528  der  Rector  über  einen  Professor  und  mehrere 
adlige  Studenten  Geld-  nnd  Gefängnisstrafen  wegen  Obertretnng  des  Faaten- 
gebots  (Prantl  I,  S.  161). 

7)  In  den  erneuerten  Statuten  von  1522  wird  der  Rektor  als  das  Ober- 
haupt in  der  Jurisdiktion  bezeichnet  —  apud  quem  summa  rerum  exittat» 
quae  iurisdictionem  et  meliorem  ordinem  universitatis  respiciunt 

8)  Man  hielt  an  dem  Herkonmien  fest,  dafi  nur  ein  Kleriker  das  Rektorat 
bekleiden  künne^  da  er  eine  Jurisdiktion  über  Kleriker  auszuüben  habe.  Der 
Herzog  strebte  1568  eine  Änderung  an  wegen  der  geringen  Anzahl  der  snm 


—    227     — 

der  StiftuDgsurkunde  nicht  ausdrücklich  hervorgehoben,  aber 
doch  vorausgesetzt  wird  bei  Aufstellung  des  Prinzips,  daß  bei 
Klagen  von  Bürgern  gegen  Studenten  und  umgekehrt  „der 
Kläger  dem  Antworter  nachfahren  soll  in  das  Gericht,  darein 
die  Sache  gehöre". 

Endlich  hatte  der  Rektor  noch  Akte  der  freiwilligen  Ge- 
richtsbarkeit vorzunehmen,  indem  ihm  die  Regulierung  des 
Nachlasses  eines  verstorbenen  Studenten  (Inventarerrichtung, 
Benachrichtigung  der  Intestaterben,  Verteilung  der  Verlassen- 
schaft und  Vollstreckung  letztwilliger  Verfügungen)  übertragen  ^) 
war*).  Streitigkeiten,  welche  hierbei  entstanden,  hatte  der 
Rektor  wohl  unter  Zuziehung  einiger  Professoren  zu  entscheiden^). 

Der  Pfleger  und  die  städtische  Obrigkeit  waren  verpflichtet, 
auf  Requisition  des  Rektors  diesem  sowohl  in  gerichtlichen  als 
in  andern  amtlichen  Angelegenheiten  mit  ihren  Untergebenen 
die  erforderliche  Beihülfe  zu  leisten*). 

Bei  der  1522  vorgenommenen  Revision  der  Universitäts- 
statuten*) erfuhr  die  Civilrechtspflege  des  Rektors  eine  ein- 
gehende Reglung.  In  Bagatellsachen  (bis  zum  Betrag  von 
20  Gulden)  wurde  summarisch  mündlich  prozediert  *) ,  wäh- 
rend in  bedeutenderen  Civil-  und  Strafprozessen  schriftliches 
Verfahren  platz  greifen  sollte^).  Die  prozessierenden  Studenten 
durften  sich,  wenn  sie  ihre  Rechtssache  nicht  persönlich  ver- 
treten wollten,  eines  Prokurators  bedienen.  Für  studentische 
Prozeßparteien  wurden  ausschließlich  Prokuratoren  aus  der  Zahl 


Rektorate  Befähigen.  Papst  Sixtus  Y.  wies  aber  den  Antrag  ab,  obwohl  in 
Freibnrg  und  Wien  schon  lange  auch  Nichtkleriker  das  Bektorat  bekleideten« 
Vgl.  Prantl  I,  S.  277  flf. 

1)  Prantl  n,  S.  35,  ürk.  n.  3. 

2)  Über  die  Behandlung  des  Nachlasses  von  Geistlichen  vgl.  das  Kon- 
kordat 1584  ibid.  S.  318,  ürk.  n.  107. 

3)  Über  die  einen  erhöhten  Rechtsschatz  der  üniversitätsangehörigen 
bezweckenden  Bestimmungen  des  Statuts  vgl.  Prantl  U,  S.  27  ffl;  I,  S.  30  £ 

4)  Vgl.  Prantl  I,  S.  170;  die  folgenden  Citate  sind  den  Statuten  von 
1556  (P  r  a  n  1 1  II,  S.  226  £,  ürk.  n.  72)  entnommen. 

5)  Permittimus  etiam,  ut  studiosus  quilibet  negotium  suum  et  causam 
per  se  proponat  seque  de  simplici  et  piano,  ut  loquuntur,  defendat  .  . 

6)  Sin  causa,  quae  Tertitur,  20  aureorum  valorem  superet  aut  statum 
hominis  sive  iniuriam  aliquam  attingat,  libellus  scriptus  offeratur,  quem  ta- 
bellio  ad  acta  refcrat,  et  sie  in  causa  solenmiter  procedatur,  tamen  semper 
firivolae  et  impertinentes  dilationes  amputentur. 

15* 


—    228    — 

erfahrener  Rechtskandidaten  bestellt^)  und  vereidigt,  andere 
nicht  zur  Vertretung  zugelassen. 

Das  Universitätsgericht  war  (seit  1556)  gebildet  aus  dem 
Kektor  und  den  4  Dekanen,  während  die  Disziplinarstrafgewalt 
vom  Rektor  allein  gehandhabt  wurde.  Jetzt  ward  auch  die 
Justizgewalt  des  Herzogs  wieder  hergestellt,  indem  er  sich  selbst, 
d.  h.  wohl  seinem  Hofrate  die  Aburteilung  schwerer  Kriminal- 
falle der  Studenten  vorbehielt').  Damit  war  die  Kriminal- 
gerichtsbarkeit dem  Eichstädter  Bischof  entwunden. 

Eine  Reaktion  gegen  diese  unbedingte  Anerkennung  der 
Justizhoheit  des  Landesherm  zeigt  sich  in  dem  die  Jurisdiktions- 
streitigkeiten des  Bischofs  von  Eichstädt  und  der  Universität  ab- 
schließenden Konkordat  von  1584 '),  das  aber  nicht  zur  Durch- 
führung gelangte  *).  Nach  diesem  wurde  unter  Hinweis  auf  den 
Stiftungsbrief  festgesetzt,  daß  tiber  Laien  und  die  einer  fremden 
Diöcese  angehörigen  Kleriker  der  Universität  die  Jurisdiktion 
wegen  Vergehen,  wegen  schwerer  Verbrechen  hingegen  die  des 
Bischofs  platz  greifen  solle,  welchem  natürlich  auch  die  Diöcesan- 
geistlichen  in  jurisdiktioneller  Beziehung  unterstanden  *). 

1522  ward  sodann  neu  eingeführt  das  Rechtsmittel  der 
Appellation  gegen  Anordnungen  und  Strafen  des  Rektors.  Der 
Rechtszug  ging  zunächst  an  den  Senat  (consilium)  ^).  Eine 
Succumbenzbuße  im  Falle  des  Unterliegens  in  appellatorio  sollte 


1)  Diesen  waren  aUe  prozeßTerschleppenden  Manipulationen  untersagt  — 
at  rector  et  assessores  litigüs  nimium  protrahendis  defatigentor  et  partes 
dintios  vexentur. 

2)  in  Omnibus  delictis  actionibns  negotüs  contractibos  rectorem  com- 
petentem  iadicem  esse  decernimos,  ezceptis  enormibos  et  atrodoribns  erimi« 
nibos,  qnae  omnia  ad  iUostrissimiim  principem  nostnun  referri  debent  desnper 
pro  qoalitate  maleficii  ac  personaram  statacndi,  nt  in  ezemplum  aliomm 
eiosmodi  onormia  delicta  debito  modo  puniantar  (Prantl  U,  S.  229). 

3)  Pranti  II,  S.  318,  Urk.  n.  106. 

4)  Vgl  Prantl  I,  S.  297. 

5)  Ein  Begnadigongs-  bezw.  Strafumwandlongsrecht  steht  dem  Bischof 
zu.  Verwandelt  er  eine  Todesstrafe  in  eine  Geldbuße,  so  soll  deren  Betrag 
abzflglich  der  Kosten  nach  YerfAgong  des  Bischofs  za  üniForsitfttszwecken 
Terwendet  werden. 

6)  Dieser  war  zusammengesetzt  aus  dem  Rektor,  allen  ordentlichen 
Lehrern  der  drei  höheren  Fakultäten,  dem  Dekane  und  drei  hervorragenderen 
Mitgliedern  der  Artisten -Fakultät,  welche  von  dieser  gewählt  werden 
(Prantl  I,  S.  166). 


.       X.i 


—    229    — 

vor  unl)egrüiideter  Einlegung  des  Rechtsmittels  abschrecken  ^ ). 
Gegen  das  Appellationsurteil  des  Senats  war  noch  eine  weitere 
Berufung  wohl  zum  Herzog  bezw.  Hofrat  möglich,  doch  sollte 
bei  Konstatienmg  einer  Frivolität  in  Weiterführung  der  Be- 
rufung Almdung  erfolgen*). 

Wie  jede  Korporation  wachte  auch  die  Universität  eifer- 
süchtig über  die  Wahrung  ihrer  Privilegien.  In  den  Statuten 
ließ  sie  sich  darum  die  Befugnis  zusichern ,  daß  sie  jeden 
Studenten,  der  seinen  Prozeß  gegen  einen  Kommilitonen  nicht 
vor  dem  Rektor,  sondern  vor  einem  andern  Richter  anstrengte, 
mit  Strafe  belegen  dürfe. 

Die  steigende  Einflußnahme  der  Jesuiten  auf  die  üniversitäts- 
verhältnisse  ^)  ließ  sie  den  Versuch  wagen,'  die  Befreiung  ihrer 
Ordensangehörigen  vom  Gerichtszwange  der  Universität  anzu- 
streben. 1571  formulierten  sie  ihre  Forderungen  nach  dieser 
Richtung,  indem  sie  beantragten*),  die  Strafjurisdiktion  über 
Ordensmitglieder  den  Ordcnsobem  zu  überlassen  und  ihnen  eine 
Coercitiv-Jurisdiktion  zu  übertragen,  dann  würden  sie  bei  geringen 
Fällen  den  Rektor  nicht  belästigen.  Trotz  heftiger  Opposition 
seitens  der  Universität  gewährte  der  Herzog  die  von  den  Jesuiten 
verlangten  Kcmzessionen  (1572)*'^). 

§13. 
Die  Gerichtsbarkeit  des  Hoftnarschalls. 

Diejenigen,  welche  durch  den  Dienst  in  der  Umgebung  des 
Fürsten  in  eine  höhere  soziale  Sphäre  gerückt  waren,  bildeten 
eine  durcli  diesen  gemeinsamen  Mittelpunkt  zusammengehaltene 
Genossenschaft,  welclie  sich  durch  mannigfache  Privilegien  von 
den  übri^'on  Klassen  der  Bevölkerung  auszeichnete.  Zu  diesen 
zählt  aucli   ein  privilegierter  Gerichtsstand,  welchen  diese  vor 


1)  Bei  Erhebung  der  Appellation  ist  1  fl.  zu  deponieren,  der  nur  zurück- 
erstattet wird,  falls  der -Appellant  obsiegt  (Statut  1556). 

2)  cum  quis  a  sententia  tarn  interlocutoria  quam  dcfinitiva  in  consilio 
prolata  a]>pellat,  cuius  appellantis  protervia  et  temeritas  si  fuerit  probata, 
gravius  ab  eodem  consilio  puniatur. 

3)  Vgl.  Prantl  I,   S.  219  ff. 

4)  über  die  Autrüge  und  Verhandlungen  vgl  P  r  a  n  t  II,  S.  238  ff.  (ad  6—8). 

5)  Prantl  11,  S.  27S,  Urk.  n.  92  (n.  6-8). 


—    230    — 

ihrem  Herrn  oder  seinem  Stellvertreter  hatten.  Als  solchen 
deutet  schon  die  Hofordnung  1293  den  Marschall^)  an. 

Es  ist  die  Disziplinargewalt  des  Herrschers,  als  des 
Hausherrn,  über  die  für  den  unmittelbaren  Dienst  seiner 
Person  bestimmten  Leute,  über  die  ihm  untergebenen  Haus- 
genossen, welche  den  Ausgangspunkt  dieser  Spezialgerichts- 
barkeit  bildete.  Als  ein  privates  herrschaftliches  Gericht*) 
möchte  ich  das  Gericht  des  Hofmarschalls  nicht  bezeichnen, 
denn  es  ist  doch  immer  der  Herzog  als  der  Träger  der  öffent- 
lichen Gewalt,  welcher  den  Hofmarschall,  der  nicht  ausschließ- 
lich mit  Hofdiensten,  sondern  auch  mit  staatlichen  Funktionen 
betraut  ist,  also  einen  Hofbeamten,  der  mitunter  auch  in 
seinem  Auftrage  den  Vorsitz  im  Hofgericht  führt,  als  seinen 
Stellvertreter  mit  der  Handhabung  dieser  Hofgerichtsbarkeit 
bestellt. 

Geben  auch  erst  die  Instruktionen  des  16.  Jahrhunderts 
näheren  Aufschluß  über  diese  Jurisdiktion  des  Marschalls,  so 
unterliegt  es  doch  keinem  Zweifel,  daß  diese  Spezialgerichts- 
barkcit  sich  im  Verlaufe  der  3  Jahrhunderte  stetig  auf  der 
gleichen  Grundlage  fortentwickelt  hat. 

Daß  die  Landesfürsten  bei  Erteilung  ihrer  Gerichtsprivi- 
legien an  die  Städte  nicht  ihre  Beamten  und  Hofbeamten  der 


1)  Ist  hier  auch  (Geschaech  aber,  daz  ieman  dhein  onzuht  in  dem  bof 
taet .  .  .)  direkt  nur  die  Rede  vun  Yerbrecben,  die  am  Hofe  begangen  werden, 
also  von  der  Verletzung  des  Friedens  des  Hofes,  nnd  ist  der  Marschall  als 
Schützer  dieses  Friedens  zur  Ahndang  besonders  berufen,  so  sind  doch  wohl 
auch  Delikte  der  Hofleute  ins  Auge  gefaßt  —  Chöment  aber  si  geflohen  In 
eines  rat  kebn  bauz,  so  sol  man  si  umb  einen  todslah,  umb  ein  lern . . .  her 
uz  antwurten  dem  herzogen  oder  sinem  marschalch  und  sol  man  hints 
in  richten  als  reht  ist  (Qu.  u.  Er.  VI,  S.  14).  —  Der  Hof  genoß  einen  be- 
sondcm  Frieden,  so  daß  jedes  am  Herzogshofe  begangene  Verbrechen  be- 
sonders scharf  geahndet  wurde  (Landfriede  1293  a.  4,  1300  a.  5;  Qu.  u.  Er. 
VI,  S.  24,  111).  —  Als  Wilhelm  IV.  den  Bergleuten  zu  Bodenmais  1524  ni 
ihrer  Sicherheit  den  erhöhten  Schutz  des  herzoglichen  Hofs  verlieh,  drückte 
er  dies  also  aus :  so  haben  wir,  damit  dieselben  Gewercken  .  .  .  deß  sicherer 
auch  unbeleidigt  sein  mOgen,  . .  .  geordnet,  daß  .  .  fürstliche  Freiheit  seyn 
und  gehalten  werden  soll  der  Gestalt  und  Mas,  wie  dafi  bey  unsem  fUrstL 
Hofhaltungen  und  Wohnungen,  darinn  wir  pcrsondlich  sind,  bisher  ge- 
braucht und  herkommen  ist  Und  wer  solcher  maßen  ainiges  Ver- 
brechens halben  .  .  .  (Lori,  Bergrecht,  Einleitung  S.  46). 

2)  So  So  hm  bei  Grünhut,  Zeitschr.  VII,  S.  421. 


—    231     — 

eigenen  Jurisdiktion  entziehen  und  dem  Bürgergerichte  unter- 
werfen wollten,  liegt  auf  der  Hand.  Die  Kompetenzkonflikte,  die 
mangels  einer  gesetzlichen  Reglung  dieser  Frage  entstehen  mußten, 
schlichtete  für  München  der  sog.  Albertinische  Rezeß  1561  ^), 
welcher  bestimmte,  daß  „alles  Hofgesinde,  edel  oder  unedel,  so  lange 
es  im  fürstlichen  Dienste  steht,  samt  dessen  Hausfrauen,  Kin- 
dern und  Dienern  und  Hausgesinde  auch  in  Zukunft  wie  bisher 
von  der  bürgerlichen  Obrigkeit  exemt  und  frei  sein  und  bleiben" 
sollen  2).  Dieses  Privileg  stellt  also  negativ  fest  die  Exemtion 
der  Räte  und  des  Hofgesindes  von  den  städtischen  Lasten 
(Steuern)  und  dem  Gerichtszwange  des  Stadtgerichts,  enthält 
sich  aber  der  Ausfüllung  der  Lücke  in  positiver  Richtung.  Vor- 
her hatte  nämlich  schon  (1508)  die  L.Fr.  bezüglich  der  Juris- 
diktion über  Hofdiener  die  Regel  aufgestellt*),  daß  Klagen 
gegen  Hofdiener  vor  dem  Herzog,  Hofmeister,  Marschall  und 
Räten  anzubringen  seien.  Das  Hofgericht  wird  also  hier  als 
gefreites  Standesgericht  bestimmt,  nur  daß  nicht  wie  gewöhn- 
lich der  Hofmeister  ausschließlich,  sondern  neben  demselben 
auch  der  Marschall  als  Vorsitzender  dieses  aus  Räten  ge- 
bildeten Gerichts  bezeichnet  wird.  Die  Frage,  wem  die  Juris- 
diktion über  Ilofdiener  in  Kriminalsachen  zusteht,  ist  in  der 
L.  Fr.  noch  nicht  geregelt. 

Erst  die  Instruktionen  für  die  Inhaber  der  obersten  Hof- 
chargen aus  der  Zeit  Wilhelms  V.  verbreiten  sich  eingehender 
über  diese  Jurisdiktionsverhältnisse.  Der  oberste  Hofmarschall 
erscheint  in  denselben  als  Richter  über  das  Hofgesinde  *).  Nur 
über  die   höchsten   Hof-  und  Staatsbeamten  ist  dem   obersten 


1)  Vgl.  Wehner  S.  67. 

2)  Über  detaillierte  Anwendungsbestiininiingen  dieses  Prinzips  vgl.  Weh- 
ner S.  67. 

3)  L.  Fr.  I  a.  13:  Wo  aber  die  oder  derselben  unser  ambtleut  oder  diener 
ainer  in  khaincm  vitzdombambt  gesessen,  sonder  dem  regiment  onsers  gemainen 
hofhalltcus  nndterworfifen  war,  so  mag  er  aUßdann  denselben  onsem  ambtman 
oder  diener  od  mittl  vor  uns,  unserm  hofmaister  oder  marschalckh  und  räthn 
daselbs  fürnemcn,  bcclagen  und  rechtvertigen. 

4)  Über  die  Gerichtsbarkeit  des  Hofmarschalls  im  Allgemeinen  vgL  C. 
F.  V.  Moser,  Teutsches  Hof-Recht.   1755    II,  S.  809  ff. 

5)  Auch  in  andern  Ländern  war  dem  Marschall  die  Gerichtsbarkeit  über 
die  Hofbeamten  übertragen.  Vgl.  v.  Maurer,  Fronhöfe  II,  S.  288;  Lu- 
schin S.  251  ff.  (§  24  Das  Hofmarschall-Gericht).  Vgl  noch  Kopp,  Von 
den  Gerichten  in  den  Hessen-Cassel-Landen  S.  266  ff 


—    232    — 

Hofmeister  als  dem  Chef  des  ganzen  Hofs  eine  JurisdiktionEF- 
gewalt  eingeräumt  Ihm  steht  die  Befugnis  zu,  Klagen  und 
Beschwerden^)  dieser  hohen  und  vornehmen  Offiziere*),  sein 
unsem  Hofstaat  einverleibt  sind,  unter  sich  sowohl  als  Klagen 
Fremder  gegen  solche  zu  verbescheiden.  Gelingt  es  ihm  nicht, 
eine  gütliche  Vereinbarung  unter  den  streitenden  Parteien  zu 
erzielen,  oder  hat  er  Bedenken,  wegen  der  Schwierigkeit  oder 
Wichtigeit  der  Sache  selbst  die  Entscheidung  zu  fällen,  so  re- 
feriert er  die  Sache  dem  Herzog,  eröflhet  dessen  Resolution  den 
Parteien  und  bethätigt  die  Exekution  derselben^). 

Neben  einer  Disziplinargewalt  üben  die  Chefs  der  einzelnen 
Hofstäbe,  insbesondere  der  ob.  Stallmeister,  der  Küchen-  und 
Jägermeister*)  eine  wirkliche  Jurisdiktion  sowohl  wegen  gering- 
fügiger Delikte,  als  auch  wegen  Forderungen  über  die  ihnen 
untergebenen  Hofbediensteten  aus. 

Die  Jurisdiktionsgewalt  des  Hofmarschalls  ist  dagegen  be- 
gründet über  das  gesamte  Hofgesinde,  soweit  nicht  die  Zu- 
ständigkeit des  ob.  Hofmeisters  oder  des  Chefs  eines  Hofstabs 
gegeben  isf^),  in  allen  minder  bedeutenden  Civil-  und  Straf- 


1)  Undatierter  Entwurf  einer  Instruktion  f&r  den  obigen  Hofineistor  ans 
der  Zeit  Wilhelms  V.  (H.  A.  —  D  n.  4). 

2)  Diese  Kategorie  ist  keine  starr  abgegrenzte.  Es  gehören  dazu  ¥01* 
nehmlich  die  Chefs  von  Hofstfibon  (Geh.  Rfite)  u.  s.  w. 

3)  Der  o.  Hofmeister  hat  auch  yon  denjenigen  adligen  Personen  (Grafei^ 
Herren  und  yom  Adel),  die  dem  Hofstaate  nicht  einverleibt  sind,  das  Gelübde 
ritterlichen  Gefängnisses  oder  Nichtentweichens  anzunehmen. 

4)  Der  Entwurf  einer  Hofmarschallinstruktion  von  1580  (H.  A.  —  E  hsc  % 
S.  567  fL),  auf  welcher  die  folgende  Darstellung  basiert,  besagt :  4a  in  nach- 
folgenden ...  als  Stall-,  Kuchen-,  Jägermeister  und  ihr  jeder  derselben  zu- 
gehörigen Personen  einer  oder  mehr  ihrer  dienstlichen  Verrichtungen  halben 
Verbrechen  oder  um  Schulden  und  dergleichen  gemeine,  doch  außerhalb  Bu- 
mor-Sachcn  halben  beklagt  werden,  daß  dann  eines  jeden  Amtes  vorgesetzte 
Obrigkeit  die  Billigkeit  vornehme  und  handle  —  ohne  Irrung  unsors  Mar- 
schaUs.  —  Auch  dem  ob.  Kammerer  ist  die  Jurisdiktion  über  Kämmerer, 
Kammerdiener  und  andere  Kammerpersonen  ausdrücklich  eingeräumt  durch 
die  Instruktion  fQr  d.  ob.  Kämmerer  1589  (H.  A.  —  E  fasc  2,  S.  353).  Ein 
Disziplinarstrafmittel  war  die  Radierung  eines  Tag-,  Wochen-  oder  Monatssolda. 

5)  Alles  Hofgesinde,  so  nicht  sonderbare  Instruktion  oder  unter  andre 
Amter  gehörig,  ist  ihm  (Hofmarschall)  zu  guter  Zucht  und  Gehorsam,  auch 
im  FaUe  des  Verbrechens  zur  Strafe  untergeben  (HofinarschallinstruktioD 
1583  —  H.  A.  —  E  fiasc.  2,  S.  386). 


—    233    — 

fällen.  Ausschließlich  ohne  Exemtion  irgend  einer  Kategorie 
des  Hofgesindes  ist  aber  seine  Zuständigkeit  begründet  zur  Ab- 
urteilung aller  schwereren  Delikte^). 

Die  Verhängung  der  Untersuchungshaft  soll  im  allgemeinen 
nur  auf  Befehl  des  Hofmarschalls  durch  den  Profosen  erfolgen. 
Nur  bei  Begehung  schwerer  Verbrechen,  wo  Gefahr  auf  Ver- 
zug, kann  dieser  selbst  oder  auf  Antrag  eines  Andern  zur 
Haftnahme  schreiten. 

Der  Hofmarschall  muß  auch  der  Examinierung  oder  Frage 
solcher  Untersuchungsgefangenen  anwohnen  und  den  Prozeß 
unter  seinem  Titel  aufrichten  lassen.  Wo  Untersuchungshaft 
nicht  angezeigt  ist*),  hat  er  von  einem  Mitgliede  des  Hof- 
gesindes, das  strafmäßig  befunden  würde,  das  Gelübde  ritter- 
lichen Gefängnisses  oder  Nichtentweichens,  also  das  Versprechen, 
sich  auf  Aufforderung  zur  Strafprozedur  zu  stellen,  abzunehmen. 

Sowohl  bezüglich  des  Disziplinarverfahrens  als  auch  der 
eigentlichen  Jurisdiktion  des  Marschalls  fehlt  es  an  festen  Normen 
für  die  Ausübung  derselben.  Die  Handhabung  der  Justiz  in 
Bezug  auf  die  Hofdiener  entbehrt  der  verfassungsmäßigen 
Grundlagen,  deren  sich  sonst  die  Rechtspflege  dieser  Periode 
zu  erfreuen  hat.  Vieles  ist  dem  Ermessen  des  Marschalls  an- 
heimgegeben. Denn  wenn  er  bei  bedeutenden  Streitigkeiten 
einige  Räte  beiziehen  sollte,  so  hatte  doch  nur  er  zu  bestim- 
men, wann  ein  Handel  als  ein  ansehnlicher  zu  betrachten,  und 
schließlicli  hatten  auch  diese  Räte  nur  eine  begutachtende  Stimme. 
Die  Entscheidung  stand  dem  Marschall  zu  ^).     Die  Räte  hatten 


1)  „Die  Knmorshandlungcn  sollen  insgemein  nichts  ausgenommen  sowohl 
als  die  malefizischon  Verbrechen  für  den  Marschall  gehören  (1580). 

2)  Diese  Vorschriften  stimmen  nahezu  wörtlich  mit  der  Instruktion 
für  die  Osterreichischen  Hofamter  vom  1.  Januar  1537  überein  (Archiv  dos 
k.  k.  Ministeriums  des  Innern  zu  Wien). 

3)  „Der  Hofmarschall  soll  auch,  wer  zu  unserm  Hofgcsind  zu  klagen 
hat,  Verhör,  Entschied,  Recht  und  Straf  ergehen  lassen.  So  mag  er  nach 
Gelegenheit  der  Händel,  wo  sie  ansehnlich  sein  würden,  etliche  unsere  (ge- 
heime und  fürnohme)  Räte  erfordern,  die  ihm  in  dem  rätlich  und  beistehen 
sollen.  Nach  solcher  Beratschlagung  weiß  er  dann  unter  den  erforderten 
Personen  „die  Ocbühr  vorzunehmen".  Auch  diese  Bestimmung  lehnt  sich 
an  an  die  citiertc  österreichische  Hofömterinstruktion  von  1537:  dazu, 
so  mag  er  (Hofmarschall)  nach  Gelegenheit  der  Händel,  wo  sie  ihm  so  be- 
schwerlich oder  ansehnlich  sein  würden,  etliche  der  Räte  erfordern  .  ,  . 


—    234    — 

also  hier  nicht  die  Stellung  von  Gerichtsbeisitzern,  ein  Anteil 
an  der  Festsetzung  des  Urteils  stand  ihnen  nur  insoweit  zu, 
als  der  Marschall  ihre  Meinung^)  zu  berücksichtigen  für  gut  fand. 

Nicht  anders  verhielt  es  sich  in  den  Fällen,  wo  sich  ein 
einem  andern  Hofstabe  (z.  B.  ob.  Stallmeisteramt)  untergebener 
Hofbediensteter  eines  zur  Kognition  des  Hofmarschalls  gehörigen 
Deliktes  schuldig  machte.  Hier  mußte  dieser  dem  betreffenden 
Chef  nicht  nur  von  der  Verhängung  der  Untersuchungshaft  in 
Kenntnis  setzen,  sondern  er  war  auch  verpflichtet,  die  Sache 
im  Beisein  und  mit  Wissen  des  Oberoffiziers  zu  verhören  und 
abzuhandeln  ^).  Eine  Einwirkung  auf  die  Strafausmessung  stand 
aber  den  Hofstabschefs  nicht  zu*).  Diese  hatten  aber  über 
ihre  Untergebenen  eine  Disziplinarstrafgewalt  auszuüben.  Schwere 
Delikte  waren  aber  stets  zur  Aburteilung  an  den  HofmarschaO 
zu  überweisen*). 

Daneben  hatte  der  Marschall  noch  eine  ausgedehnte  Polizei- 
gewalt, da  ihm  die  Aufrechthaltung  von  Zucht  und  Ordnung 


1)  Ein  Gutachten  der  Räte  erwähnt  die  Instroktion  1580  noch  an  fol- 
gender SteUe :  „Wenn  sich  zwischen  Grafen,  Herren  vom  Adel  und  Anderen, 
auch  ihren  Knechten,  Buben  und  Gesind  und  andern  Hofpersonen  und  ins- 
gemein von  aUen  Dienern,  die  Futter  und  Mahl  von  unserm  Hofe  haben, 
Irrungen,  Widerwillen,  Scheltworte  oder  Rumoren  zutragen,  so  dafi  gütliche 
Handlung,  Unterweisung  oder  Strafe  nötig,  soll  er  es  thun  und  wo  nOtig  an 
uns  (Herzog),  in  unsrer  Abwesenheit  an  unsre  R&te  um  ihr  Gutachten  ge- 
langen lassen.  ** 

2)  Instruktion  1580. 

3)  Die  Hofinarschall  -  Instruktion  1589  (H.  A.  —  £  fasc.  2  nach  a  597 
—  S.  19)  hebt  noch  hervor,  „daß,  wenn  zwischen  denjenigen,  so  unter  einer 
andern  Jurisdiktion  sind,  und  denen,  so  unter  sein  Hofmarschallamt  gehörige 
Rumoren  oder  dergleichen  sich  zutragen,  soll  er  solche  Hfindel  neben  und 
im  Beisein  der  andern  Obrigkeit  abhandeln**,  also  auch  hier  wird  nur  An- 
wesenheit des  Chefs  bei  der  Verhandlung,  keineswegs  aber  eine  positive  mit- 
entscheidende Anteilnahme  gefordert 

4)  z.  B.  Instruktion  für  den  Küchenmeister  1589  (Oberb.  Archiv  IX, 
S.  131):  Da  sich  zwischen  des  Küchenmeisters  Personen  von  Kuchen,  Keller 
oder  andern  Irrungen  zutragen,  daß  darin  Unterweisung  und  Straf  nOtig,  darin 
soll  er  jeder  Zeit  die  Billigkeit  handeln.  Wenn  ihm  dann  hierin  etwas  in 
beschwerlich  oder  sich  solche  rumorische  sträfliche  und  dergleichen  mat^ 
willige,  bevorab  aber  malefizische  Sachen  oder  gefährliche  Veruntreuung  und 
Verbrechen  unter  seinen  zugehörigen  und  untergebenen  Gesind  zutrügen . ., 
die  soll  er  um  mehreren  Bescheid  jeder  Zeit  an  unsem  Hofinarschall,  auch 
im  Fall  der  Not  an  uns  selbst  gelangen  lassen. 


—    235    — 

am  Hofe  zufiel  und  ihn  verpflichtete,  wegen  Übertretung  der 
Verbote  der  Gotteslästerung,  Völlerei  und  Spiel  strafend  ein- 
zuschreiten und  Kundschaft  darüber  zu  haben,  daß  Keiner  sich 
der  Sectirerei  durch  Disputieren,  Lesen  fremder  Bücher  u.  s.  w. 
verdcächtig  mache. 

Wurde  auch  die  Kompetenz  des  Marschalls  bei  allen  Klagen 
wegen  Forderungen  gegen  Mitglieder  des  Hofgesindes  schon 
hervorgehoben^),  so  ist  hier  zu  erwähnen,  daß  er  bei  solchen 
auf  Ansuchen  der  Gläubiger  auch  die  Beschlagnahme  der  Be- 
soldung M  beim  Hofzahlmeister  („inhibirt  und  verpeutt")  an- 
zuordnen hatte  ^). 

Seit  1589  l)egegnet  ein  Hofoberrichter,  welchem  namentlich 
die  Aufsicht  über  den  Falkenthurm  (Münchner  Gefängnis)  über- 
tragen war.  Er  hatte  vermutlich  die  Jurisdiktion  über  das  Hof- 
gesinde stets  dann  auszuüben,  wenn  der  Hofmarschall  oder  der 
Chef  eines  Hofstabs  an  der  Ausübung  verhindert  war,  daneben 
aber  auch  für  die  Exekution  der  von  diesen  gefällten  Urteile 
zu  sorgen  ^). 


1)  Die  Hofmarschallinstruktion  von  1583  (H.  A.  —  E  fasc  2,  S.  386): 
Wer  auch  zu  derselben  (Hofgesinde)  einem  Schuldfordemng,  persönlichen 
Sprüchen  oder  sonst  zu  klagen,  das  soll  vor  ihm  geschehen.  Er  soll  Jeder- 
mann gleiches  Recht  erteilen. 

2)  Der  Passus  stimmt  fast  wörtlich  mit  einem  der  Osterreich.  Hof&mter^ 
Instruktion  von  1537  überein. 

3^  Über  die  Jurisdiktion  des  Hofmeisters  siehe  S.  239. 


Zweites  Buch. 

Geschichte  der  Verwaltungs- 

Organisation. 


ERSTES  CAPITEL. 

Die  Centralregierung. 

§13. 

Die  Hofbeamten  und  der  Sat. 

In  der  Person  des  Fürsten  konzentrierten  sich  alle  Befug- 
nisse der  sich  immer  mehr  befestigenden  landesherrlichen  Ge- 
walt Nachdem  zur  Gerichts-  und  Kriegshoheit,  die  den  Kern 
der  Gewalt  der  alten  Stammesherzoge  gebildet  hatten,  neue 
Machtelemente  dem  aufstrel)enden  Territorialfürstentum  zu- 
gewachsen waren,  namentlich  die  Finanz-  und  Verwaltungs- 
hoheit, und  nachdem  die  Tendenz  der  Abrundung  und  Ver- 
größerung des  Landes  bedeutsame  Aufgaben  auf  dem  Gebiete 
der  auswärtigen  Politik  gestellt  hatte,  ergab  sich  bei  der  Fülle 
der  auftauchenden  wichtigen  Fragen  für  die  Landesherm  die 
Notwendigkeit,  solche  mit  Männern  ihres  Vertrauens  zu  beraten. 
Außerdem  war  auch  durch  die  quantitative  Zunahme  der  Be- 
gierungsgeschäfte, welche  die  Erledigung  durch  den  Fürsten 
allein  ausschloß,  für  diesen  das  Bedürfnis  gegeben,  sich  immer 
mehr  Gehülfen  beizugesellen,  welche  ihn  bei  Bewältigung  der- 
selben unterstützten  oder  ihm  diese  ganz  abnahmen. 

Ganz  nach  Belieben  wählte  sich  der  Fürst  diese  seine  Berater 
und  Gehülfen  vornehmlich  aus  dem  Kreise  seiner  Ministerialen  je 


—    237    — 

nach  Bcdürfiiis,  ohne  daß  bei  der  relativen  Einfachheit  staatlicher 
Verhältnisse  im  Mittelalter  von  Anbeginn  an  hierbei  eine  ge- 
wisse Ordnung  und  Regelmäßigkeit  beobachtet  worden  wäre. 
Entschied  auch  lediglich  der  Wille  des  Herrschers,  wen  er  von 
Fall  zu  Fall  zur  Beratung  herbeiziehen  wollte,  so  mußte  doch 
wenigstens  stets  eine  Anzahl  qualifizierter  Personen  in  seiner 
Nähe  vorhanden  sein,  die  zu  solchen  Funktionen  verwendet  werden 
konnten.  Wie  in  andern  Territorien  finden  wir  deshalb  auch  in 
Baiern  Räte  (consiliarii)  am  herzoglichen  Hofe  stets  bereit,  auf  einen 
Wink  des  Herni  sich  zu  allen  Geschäften  verwenden  zu  lassen. 

Bei  dem  rein  persönlichen  Charakter  des  landesherrlichen 
Regiments  machte  es  sich  von  selbst,  daß  die  mit  dem  Dienste 
bei  der  Person  des  Fürsten  Betrauten,  also  die  Inhaber  der 
Hofilmter,  gerade  wegen  ihrer  steten  persönlichen  Beziehungen 
zum  Herrscher  auch  sein  besonderes  Vertrauen  genossen  und  des- 
halb vorzugsweise  zur  Erledigung  staatlicher  Geschäfte  benutzt 
wurden  und  unter  den  Räten  die  erste  Stelle  einnahmen.  Wenn  es 
auch  außerhalb  des  Bereichs  unsrer  Aufgabe  liegt,  eine  Dar- 
stellung der  einzelnen  Hofämter  zu  entwerfen,  so  wollen  \vir 
doch  einige  der  angesehensten  Hofämter,  deren  Inhaber  regel- 
mäßig durch  die  Jahrhunderte  hindurch  zugleich  staatliche 
Funktionen  zu  versehen  hatten,  kurz  betrachten. 

Wir  lernen  so  das  Personal  kennen,  aus  welchem  die 
Centralverwaltung,  besonders  der  Rat,  vorzugsweise  gebildet  war. 
Es  wiederholt  sich  hier  eine  Erscheinung,  die  seit  der  Mero- 
vingerzeit*)  in  allen  Staatswesen  hervortritt,  die  häufige  Ver- 
wendung von  Hofljeamten  zu  einzelnen  staatlichen  Funktionen 
und  die  dauernde  Verbindung  der  angesehensten  Hofchargen 
mit  dem  staatlichen  Verwaltungsorganismus.  Der  Charakter 
des  Hofamts  überwiegt  derart,  daß  noch  der  Hofstaat  (Ver- 
zeichnis aller  Hofl)eamten)  Ende  des  16.  Jahrhunderts  neben 
den  reinen  Hofchargen  die  Mitglieder  der  Cent ralbehörden  neben- 
einander aufführt.  Alle  Mitglieder  der  Centralstellen  wurden 
also  im  weiteren  Sinne  zum  Hofe  gerechnet,  indem  sie  als  un- 

1)  Vgl.  Schröder,  Rechtsgeschichto  S.  136  £  Schon  bei  den  Mero- 
vingcrn  gab  es  4  llofamter  —  Seneschalk,  Marschall,  Schatzmeister,  Schenk  — 
dio  danu  am  deutschen  Kaiserhofe  und  an  den  Hofen  der  geistlichen  und 
weltlichen  Fürsten  wiederkehrten  (Schwsp.  G.  c.  57  §  4;  Rupr.  v.  Freising 
[Maurer]  1  c.  48\ 


—    238    — 

mittelbare  Gehülfen  des  Fürsten  in  der  Regierung  des  ganzen 
Landes  betrachtet  wurden.  Wie  man  aber  in  diesen  Hofstaats- 
verzeichnissen die  Mitglieder  der  Centralstellen  in  besondem 
Rubriken,  also  geschieden  von  den  eigentlichen  Hofleuten  vor- 
trug, so  hatte  man  sich  in  der  L.  Fr.  schon  zu  der  prinzipiellen 
Scheidung  zwischen  dem  Hofbeamtentum  („die  dem  r^iment 
unsers  gmainen  hofhallten  undterworflFen")  ^ )  und  dem  Staats- 
beamtentum („ambtleut,  die  mit  verwalltung  des  lands  regiment 
umbgeen")  *)  durchgerungen. 

Im  engeren  Sinne  unterschied  man  aber  stets  das  Hof- 
gesinde von  den  übrigen  Beamten.  Dies  erhellt  z.  B.  deutlich 
aus  dem  42.  Freibrief  1458  *),  in  welchem  Albrecht  HI.  von 
München  verspricht,  „mit  keinem  Gast  unsem  Rat,  Pflege  noch 
Amt^  zu  besetzen,  ausdrücklich  aber  hinzufügt:  „Aber  zu  Hof- 
gesind  mögen  wir  Gäste  wohl  aufnehmen*)  und  haben" '^). 

Wie  sich  schon  die  bairischen  Stammesherzoge  nach  dem 
Vorbilde  der  KaroUnger  mit  einem  Hofstaate  umgeben  hatten,  so 
fehlten  diese  4  obersten  Hof-(Erz-)Ämter  auch  am  Hofe  der  Witteis- 
bacher nicht,  zu  welchen  noch  zahlreiche  andere  Hofbeamte  zur 
Erhöhung  des  Glanzes  der  herzoglichen  Hofhaltung  hinzutraten. 

Die  4  Erzämter  waren  seit  Otto  I.  im  erblichen  Lehns- 
besitze des  Pfalzgrafen  (Truchseß),  des  Grafen  von  Wasserburg 
(Kämmerer),  des  von  Hirschberg  (Schenk)  und  des  von  Orten- 
burg  (MarscbaU)^).  Diese  hochangesehenen,  mit  dem  Herzogs- 
hause verwandten  und  verschwägerten  Grafen  ' )  verrichten  aber 


1)  L  Fr.  I  a.  13. 

2)  L.  Fr.  IV  a.  20. 

3)  y.  Lorchenfeld  S.  105.  Der  Herzog  lehnte  also  das  Begehren  der 
St&nde  ab,  der  Herrschafft  gefdrstete  Amt  als  Hofmeisteramt»  Kammermeister, 
Marschalk  and  Jägenneisteramt  f&rbas  nicht  besetzen  mit  G&sten,  sondern 
mit  gebomen  Landleuten  als  von  Alters  herkommen  ist  (K  renn  er  I,  S.  279). 

4)  Der  niederbairische  Herzog  Stephan  IL  hatte  dagegen  schon  1856 
(7.  Freibrief  bei  v.  Lerchenfeld  S.  18)  für  sich  und  seine  Erben  yer- 
sprochen,  er  wolle  ,,nnsem  hof  nnd  alle  unser  ambt  besetzen  mit  den  nnsem, 
die  zu  dem  land  gehOmt»  und  mit  kainem  gaste". 

5)  Die  L  Fr.  (I  a.  1)  spricht»  die  Inländerqualit&t  für  die  Ämterbesetznng 
fordernd,  ganz  allgemein  von  „unsere  ambt,  nemlich  vitzdomb,  hofinaistex; 
marschalckh,  camermaister,  khuchen-,  j&germeisterambt»  auch  die  pfleg". 

6)  Riezler  I,  S.  732. 

7)  Riezler  II,  S.  171;  vgl  auch  den  Auszug  aus  einem  Salbuehe  1878 
bei  We  stenried  er,  Qlossarium  p.  XV. 


—    239    — 

nur  bei  feierlichen  Gelegenheiten  gewisse  Ceremonieen,  sie  sind 
Erzbeanite  des  Herzogtums  ^)  im  Gegensatze  zu  den  gewöhnlich 
dem  Kreise  der  herzoglichen  Ministerialen  *)  entnommenen  mit 
der  Leitung  des  täglichen  Hofdienstes  l)etrauten  obersten  Hof- 
beamten ^),  die  uns  hier  ausschließUch  interessieren. 

Ursprünglich  bildete  wohl  die  Ministerialität  die  Basis  des 
Hofdieijstes  so,  daß  zumeist  Mitglieder  herzoglicher  Ministerialen- 
familien als  Hofl)eamte  bestellt  wurden,  aber  'bald  sehen  wir 
doch  einige  Hofämter  in  den  erblichen  Lehnsbesitz  gräflicher 
und  Ministerialengeschlechter  übergehen.  Für  die  meisten  Hof- 
ämter dagegen  war  der  reine  Amtscharakter  jedenfalls  schon 
im  14.  Jahrhundert  zur  Geltung  gekommen,  indem  die  Inhaber 
derselben  vom  Herzoge  nach  Belieben  ein-  und  abgesetzt  werden. 

Seit  Mitte  des  13.  Jahrhunderts  begegpet  ein  neues  Hof- 
amt, das  des  Hofmeisters*),  des  angesehensten  und  auch 
für  die  Landesregierung  bedeutsamsten  Hofbeamten.  Die  Lei- 
tung des  ganzen  Hofwesens '^),  die  Aufsicht  über  alle  Hof- 
bediensteten war  ihm  übertragen.  In  der  niederbairischen  Hof- 
ordnung von  1293  und  1294  erscheint  diese  seine  hervorragende 
Stellung  schon  ganz  deutlich,  wenn  auch  hier  dem  obersten 
Schreiber  noch  ein  höherer  Hang  zuerkannt  worden  zu  sein 
scheint^).  Er  war  neben  anderen  an  der  wöchentlichen  Rech- 
nungsrevision beteiligt^).  Femer  stand  ihm  und  dem  Hof- 
marschall eine  Jurisdiktionsgewalt  über  das  Hofgesinde  zu  ®). 


1)  Es  sind  die  Erbhofamtcr,  zu  welchen  später  noch  das  Erblandjäger- 
meistcramt  hinzukommt  (Ereittmayr,  Staatsrecht  S.  210)  and  die  heute 
als  Kronämter  und  zwar  als  „oberste  Würden  des  (bairischen)  Beichs''  fort- 
leben.   Vgl.  S  e  y  d  e  1  I,   S.  362. 

2)  Auch  der  Besitz  dieser  Erzämter  geht  auf  Ministerialenfamilien  über. 
Vgl  Riezler  II,  S.  530. 

3)  Über  die  brandenburgischen  Hofbeamten  vgl  Isaacsobn  I,  S.  4  fil 

4)  Eine  Monographie  über  das  Hofmeistoramt  verdanken  wirSeeliger, 
Das  deutsche  Hofmeisteramt  im  späteren  Mittelalter,  Innsbruck  1885,  auf 
dessen  ausfülirliche  Darstellung  auch  des  bairischen  Hofmeisteramts  wir  bezüg- 
lich aller  Details  verweisen.  In  Baiem  kommen  Hofmeister  seit  1249  bezw. 
1273  vor  (Seeliger  S.  12). 

5)  Der  fürstliche  Hofmeister  ist  nach  Seeliger  S.  11  der  Nachkomme 
des  klösterlichen,  des  Aufsehers   über   das  Wirtschaftspersonal  des  Klosters. 

G)  Der  Hofmeister  sollte  5  Pferde,  der  oberste  Schreiber  6,  der  gerade 
am  Hofe  anwesende  Vitztum  sogar  12  Pferde  haben  (Qu.  u.  Er.  VI,  S.  53). 

7)  Hofordnung  1293  (Qu.  u.  Er.  VI,  S.  14). 

8)  Ibid.  S.  57.  Ebenso  auch  in  Tirol;  vgl  Adler,  Centralverwaltung  S.321. 


—    240    — 

Da  der  Hofmeister  als  Vorstand  der  HofhaushaltuDg 
fungierte,  so  gab  es  bei  gemeinschaftlicher  Regierung  mehrerer 
Herzoge,  die  einen  gemeinschaftlichen  Haushalt  führten,  nur 
einen  fürstlichen  Hofmeister  O9  während  fQr  den  Haushalt  der 
Gemahlin  des  Herzogs*)  und  auch  für  die  Erziehung  der  Prinzen 
ein  besonderer  Hofmeister')  bestellt  zu  werden  pflegte*). 

Eine  Teilung  des  Hofmeisteramts  in  ein  inneres  und  in 
ein  äußeres  war  in  Niederbaiem  im  Beginne  des  14.  Jahr- 
hunderts erfolgt.  Diese  Trennung  tritt  uns  urkundhch  ent- 
gegen J  329,  wo  die  3  Herzoge  denen  von  Degenberg  das  äußere 
Hofmeisteramt  zu  rechtem  Lehen  verleihen  mit  der  Bestimmung, 
daß  jeweils  der  Älteste  der  Familie  das  Amt  bekleiden  soll  ^). 
Wahrscheinlich  hatte  der  äußere  (Erb-)Hofmeister  seine  Thätig- 
keit  den  Aufgaben  der  Landesregierung  zu  widmen,  während 
der  innere  als  Haushofmeister  in  unserm  Sinne  funktionierte  ^). 

In  Folge  der  Teilungen  bildete  sich  auch  an  den  andern 
bairischen  Höfen  das  Hofmeisteramt  aus^),  während  das  Erb- 
hofmeisteramt der  Degenberge  natürlich  hierdurch  wesentliche 
Kompetenz  Veränderung  erfuhr  ®). 

Wenn  ich  oben  den  Hofmeister  als  den  für  die  Landes- 
regierung wichtigsten  Hofbeamten  bezeichnet  habe,  so  erklärt 


1)  Vgl  Seeliger  S.  13. 

2)  z.  £.  1271  magister  carie  domine  dacisse  (Qu.  tl  Er.  Y,  S.  244\  1401 
Hofmeister  der  Qemahlin  des  Herzogs  Emsl^  1410  der  des  Herzogs  Stephai^ 
1429  der  Herzogin  Elisabeth  in  Baiem.  R  £.  XI,  p.  234;  XU,  p.  69;  Xm, 
p.  146.  Aach  Hofmeisterinnen  als  Aufseherinnen  des  Fraaenzimmers,  der 
Hofjangfrauen  kommen  vor.  YgL  z.B.  Klackhohn,  Ludwig  der  Reiche. 
S.  314  £ 

3)  Seeliger  S.  39  l 

4)  Aach  solche  Frauenhofmeister  warden  zugleich  fftr  Regienmgszwecke 
Terwendet  So  bestimmt  eine  Instruktion  1552,  daß,  nachdem  der  Holkneisier 
auf  unser  Gemahl  und  derselben  Frauenzimmer  zu  warten  und  in  solchem 
Allem  gute  Ordnung  und  Zucht  halten,  er  nichtsdestoweniger,  wenn  er  dieses 
Dienstes  halber  Gelegenheit  habe,  unsem  Hofrat  fleißig  besuchen  und  neben 
andern  unsem  Räten  die  fürfallenden  Händel  ausrichten  helfen  solL  (Sjr.  A. 
M.,  Hofmeisterstab  F  l'/i«) 

5)  M.  B.  VI.  p.  246  i 

6)  Seeliger  S.  19,  35  fE 

7)  Sowohl  in  Ober-  als  in  Niederbaiem  finden  wir  nun  Hofmeister. 

8)  Ober  die  Modifikationen  in  Folge  der  Landesteilungen  vgl.  Seeliger 
&  35  1 


—    241    — 

ßich  dies  daraus,  daß  dieser  Inhaber  der  höchsten  Hofcharge 
als  der  Nächste  nach  dem  Herzog,  als  dessen  Generalstell- 
vertreter ^)  betrachtet  wurde.  Überall,  wo  der  Herrscher  be- 
rufen war,  handelnd  einzugreifen  in  die  Geschicke  des  Landes, 
konnte  statt  seiner  der  Hofmeister  in  Thätigkeit  treten.  Bei 
den  verschiedenartigsten  Regierungsgeschäften  sehen  wir  ihn  be- 
teiligt^). Am  häufigsten  vertritt  er  aber  in  Baiem  seit  dem 
15.  Jahrhundert  seinen  Herzog  im  Vorsitze  des  Hofgerichts  ^). 
Dieses  Hofgerichtspräsidium  zählt  zu  seinen  ordentlichen  Auf- 
gaben *),  wie  die  regelmäßig  wiederkehrende  Formel  der  Hof- 
gerichtsbriefe, daß  Hofmeister  und  Räte  das  Hofgericht  besessen*), 
bezeugt.  Selbstverständlich  spielte  der  Hofmeister  auch  unter 
den  Räten  des  Herzogs  als  der  Erste  derselben  vor  und  nach 
Konsolidierung  des  Ratskollegiums  eine  hervorragende  Rolle. 
Er  wirkte  also  bei  Erledigung  der  Regierungsgeschäfte  mit, 
welche  dem  Rate  zufielen,  wenn  er  sich  nicht  als  Hofgericht 
konstituiert  hatte  ^),  und  zwar  auch  als  Vorsitzender  des- 
selben. 

Die  Thatsache,  daß  im  Hofmeisteramt,  dessen  Ausgangs- 
punkt der  Dienst  bei  der  Person  des  Herrschers  gewesen,  all- 
mählich die  rein  staatlichen  Funktionen  das  Übergewicht  er- 
langten   gegenüber    dem    eigentlichen  Hofdienste,    fand  ihren 

1)  Ebenso  in  der  Obcrpfalz.  Vgl  Neudegger,  Beiträge  zur  Geschichte 
der  Behörden-Organisation,  des  Raths-  und  Beamtenwesens.  München  1888. 
I  (Kanzlei-,  Kaths-  und  Gerichtsordnang  des  Karftlrsten  Friedrich  IL  .  .  als 
Regierender  zu  Amberg  1525),  S.  17  t  (Art.  J). 

2)  Vgl.  Seeliger  S.  43  f.;  Heigel,  Landshuter  Rathschronik  (Chro- 
niken der  deutschen  Städte  XV)  S.  515  Anm. 

3)  Vgl.  S.  134. 

4)  Auch  in  andern  Ländern,  z.  B.  Württemberg,  Böhmen,  Oberpfalz 
(Seeliger  S.  50,  55;   Neudogger  I,  S.  33). 

5}  Vgl  S.  136  Anm.  3. 

6}  Über  die  analoge  Wirksamkeit  des  Hofmeisters  am  königlichen  Hofe 
vgl.  S  e cl i g e r  S.  85  ff.  Die  siegreiche  ständische  Reformbewegong  im 
Reich  hatte  auch  die  Ernennung  Herzogs  Georg  von  Baiem  zum  Hofmeister 
des  Königs  und  des  Reichs  (1497)  bewirkt  Ihm  war  seit  1502  Eitelfr.  v. 
Zollem  in  dieser  Würde  gefolgt  (vgl.  ülmann,  K.  Maximilian  L  Stuttgart 
18S4.  I,  S.  807,  825).  Nach  diesem  ward  die  Hofmeistorstelle  wieder  mit 
einem  königlichen  Beamten  besetzt  (Seoligor  S.  75).  Über  die  ähnliche 
»Stellung  des  Hofmeisters  in  Tirol  vgl.  Adler  S.  319. 

Uobonthal,  (».'schichte  d,  (ierichtsw.Iu.  d.  Verw.-Orj.  Baiernt.  I.  |ß 


—    242    — 

Ausdruck  in  dem  Titel  Landhofmeister  ^ ),  der  in  Baiem  seit 
dem  16.  Jahrhundert*)  vorkommt '*). 

Die  Stellung  des  Landhofmeisters  im  16.  Jahrhundert  ist 
im  wesentlichen  die  gleiche,  wie  die  der  älteren  Hofmeister^), 
nur  daß  jetzt  in  der  Periode  allgemeiner  Amtsorganisation,  wo 
jedes  Amt  den  flüssigen  Charakter  vergangener  Zeiten  abstreifte, 
auch  das  Hofmeisteramt  fest  umgrenzte  Formen  annimmt.  Die 
Formierung  des  Hof  rats  und  später  des  Geheimratskollegiums  mußte 
auch  ihn  in  ihre  Kreise  ziehen.  In  dem  Pflichtbuch  ^)  figuriert 
deshalb  an  erster  Stelle  „des  Landhofmeisters  oder  Hofrats- 
präsidenten Eid^  und  die  Hofratsordnung  von  1551  bezeichnet 
ihn  als  das  Haupt  in  unserm  Hofrate.  Bald  hatte  es  sich 
aber  gezeigt,  daß  er  bei  der  Fülle  der  ihm  obliegenden  6e- 


1)  In  andern  Territorien,  z.  £.  WOrttemberg  und  Baden,  konunt  Land- 
hofmeister schon  in  der  2.  Hfilfte  des  15.  Jahrhunderts  vor  (Seeliger  S.  49), 
in  Österreich  seit  1500  (A  d  1  e  r  S.  499). 

2)  Als  erster  dieses  Titels  kommt  Wolf  von  Ahaim  za  Wildcnaa  1614 
im  50.  Freibrief  (v.  Lerchenfeld  S.  136)  vor. 

3)  Ein  Haushofineister  kommt  vereinzelt  vor  z.  B.  in  Baiem  -  Ingolstadt 
1418  (R.  B.  XII,  p.  276v  367) ;  anter  Albrecht  Y.  öfters  ein  Hanshofineister 
in  der  neaen  Yeste,  dem  namentlich  die  An&icht  über  Küche  and  Keller 
übertragen  war.  Dieselben  Fanktionen  hatte  der  Haashofmeister  aach  in 
der  Oberpfalz  za  versehen  (Neadegger  I,  S.  22). 

4)  über  die  Stellang  des  Hofineistcrs  vgl  die  interessanten  Mitteilangen 
über  den  gegen  H.  von  Staaf,  Hofineister  Wilhelms  lY.  von  Baiem,  ein- 
geleiteten Hochverratsprozefi,  welcher  mit  der  Hinrichtang  des  Angeklagten 
seinen  Abschlafi  fand  (1516  S.  330  ff). 

5)  (R  A.  Altes  Hofkammer-Pflichtbach  1512—1678).  Freiherr  Chiiftoph 
za  Schwarzenberg,  der  Begründer  der  bairischen  Linie  der  Schwarzenberg, 
ältester  Sohn  des  Freihenm  Johann  ü.,  des  Yerfassers  der  Bambergensis,  erscheint 
1521  als  Landhofmeister  (von  1512—1517  war  er  Pfleger  za  Wasserboig, 
1519  begegnet  er  als  Hofrichter).  £r  bekleidete  dieses  Amt  bis  za  seinem 
am  9.  Janaar  1538  erfolgten  Tode.  —  In  dem  Pflichtbach  ist  als  erster 
Landhofmeister  (1549)  verzeichnet  Christophs  älterer  Sohn  Wolf  Wilhelm  la 
Schwarzenberg,  f  ^^^^  Nachdem  H.  von  Trenbach  das  Landhofineisteramt 
bekleidet  hatte ,  folgte  1562  der  jüngere  Brader  Wolf  Wilhelms  —  Otto 
Heinrich.  1576  trat  er  in  kaiserliche  Dienste,  warde  aber  1581  dorch  Wil- 
helm Y.  wieder  in  bairische  Dienste  berafen  and  zam  geh.  Rat,  Land-  and 
Gro&hofmcister  and  obersten  Kämmerer  ernannt,  welche  Würden  er  bis  la 
seinem  Tode  (1590,  11.  Aagast)  bekleidete.  (Freandliche  Mitteilang  des  Herrn 
Schwarzenbergischen  Archivars  MOrath  in  Wien.)  Sein  Gehalt  betrag  1000  fl. 
1593  warde  Radolf  Graf  za  Helfenstein  geh.  Rat  and  Landhofkneister  (Ge- 
halt einschließlich  Nebenbezüge  2200  fl.). 


—    243    — 

Schäfte  unmöglich  regelmäßig  diese  Präsidialfiiüktionen  zu  ver- 
sehen im  Stande  war,  und  deshalb  wird  seit  1573  ein  eigner 
Hofratspräsident  bestellt 

Der  Landhofmeister  führte  jetzt,  wohl  in  Anlehnung  an  den 
nach  burgundischem  Muster  eingerichteten  österreichischen  Hof, 
zugleich  den  Titel  eines  obersten  Hofmeisters,  wie  überhaupt  unter 
Wilhelm  V.  alle  Chefs  der  Hofämter  (Hofmarschall  u.  s.  w. ;  siehe 
S.  245,  Anm.  1)  vor  diesem  ihrem  Titel  das  Prädikat  „oberster" 
zu  führen  begannen.  Unter  Wilhelm  V.  präsidiert  er  im  geheimen 
Rat,  wenn  der  Herzog  oder  sein  Sohn  Maximilian  am  Vorsitz  ver- 
hindert ist,  stets  aber  führt  er  die  Direktion  in  dieser  höchsten 
Centralstelle^),  denn  er  ist  der  Erste  nach  dem  Landesherm.  Alle 
Einlaufe  an  diesen  gehen  durch  seine  Hand  *),  und  je  nach  dem  In- 
halte übermittelt  er  dieselben  dem  Kanzler,  einer  der  Kollegial- 
behörden oder  einem  Hofbeamten  zur  Begutachtung  oder  er  über- 
nimmt auch  selbst  das  Referat  beim  Herzog,  entscheidet  minder 
wichtige  Angelegenheiten  auch  aus  eigner  Machtvollkommenheit 

In  dieser  seiner  Stellung  als  Kabinetschef  und  Minister^) 
yuoLx  i^oxr^v  erschöpft  sich  aber  die  Bedeutung  seines  Amts 
keineswegs.  Den  Ehrendienst  bei  der  Person  des  Herzogs  hat 
er  bei  feierlichen  Gelegenheiten  immer  noch  selbst  zu  ver- 
richten*). 


1)  Konzept  einer  Hofmeister-InstroktioD.    (H.  A. — D.  n.  4). 

2)  Ein  anschauliches  Bild  von  der  allumfassenden  Thätigkeit  des  obr. 
Hofineisters  geben  die  Protokolle,  das  obr.  Hofmeisteramt  betreffend  (ad 
1582,  Kr.  A.  M. ,  Verz.  19 ,  F.  10  ad  618).  Dieselben  sind  halbbrüchig  ge- 
schnoben, auf  der  einen  Hälfte  steht  der  Inhalt  der  Eingabe,  auf  der  andern 
bei  jedem  Gegenstande  der  Bescheid,  z.  B.  referieren,  ist  abgewiesen  worden, 
fiat,  ist  Herrn  Kanzler  zugestellt,  Herr  obr.  Stallmeister,  soll  Gutachten  der 
Kammer  erholt  werden,  in  Hofrat,  in  den  geistl.  Rat  u.  s.  w. 

3)  Insbesondere  sind  ihm  Fui^tionen  unsres  heutigen  Ministers  der  aus- 
wärtigen Angelegenheiten  übertragen.  Wenn  der  Herzog  eine  Person  des 
Hofs  LegatioDs-,  Botschaftsweise  oder  sonst  in  fdmehmen  Sachen  aufier  Lands 
vorscliickt,  soll  ihr,  so  oft  dies  nOtig  erscheint,  durch  den  ob.  Hofmeister  die 
Instruktion  behundigt  und  sonst  Bescheid  gegeben  werden  (Konzept  einer 
Hofmeister-Instruktion  (H.  A. — D.  n.  4). 

4)  Zu  allen  Solenni täten,  wo  wir  eigner  Person  gegenwärtig,  es  sei  lu 
Kirchen,  Einreitungen,  Ladschafben,  Banquetten  oder  andern  dergleichen  off- 
nen Akten  soll  er  o.  Hofoieistrr  seinem  Amte  bei  uns  persönlich,  ansehnlich  und 
stattlich  Torstehcn ,  auf  all  unser  Hofgesind  sein  fleißig  Acht  haben ,  allem 
Hofgesind  wie  auch  dem  Hofrat-  und  Kammerpräsidenten  für  ihre  unter- 

16* 


—    244    — 

Er  fungiert  als  Ceremonienmeister  für  die  fremden  Bot* 
schafter  und  Gesandten,  welche  sich  bei  ihm  anzumelden  haben 
und  durch  ihn  beim  Herzog  Audienz  erlangen,  die  in  seiner 
Gegenwart  stattfindet.  Ihm  fällt  dann  auch  die  Sorge  für  ihre 
Verpflegung  während  ihres  Aufenthalts  am  Hoflager  und  ihre 
Expedierung  zu. 

Ihm  war  die  Obhut  über  den  ganzen  Hofhalt  übertragen, 
für  dessen  sparsame  Führung  er  zu  sorgen  hatte.  Bei  der  Errich- 
tung des  geheimen  Rats  war  er  neben  dem  Landesherm  bezw. 
dem  Erbprinzen  zu  einer  leitenden  Stellung  in  dieser  höchsten 
Behörde  berufen ' ). 

Dabei  dauerte  seine  Stellung  als  Chef  aller  Hofbeamten 
fort').  Nicht  nur  hatte  er  die  Verhandlungen  über  ihre  An- 
stellung zu  führen '),  sondern  er  mußte  auch  den  angenommenen 

gebenen   Bäten  za  jeder   solcher  Solennitfit  ansagen  lassen    and   darüber 
wachen,  daft  dieselben  erscheinen  und  ihren  Dienst  verrichten. 

1)  In  einem  Gutachten  der  geheimen  Bäte  wegen  Anstellung  eines  nenen 
Hofstaats  1594  wird  von  dem  o.  Hofoieister  gesagt,  dafi  dieser  eine  solche 
qaalificierte  Person  sein  soll,  der,  so  der  Herzog  dem  geheimen  Rat  bei- 
wohne, bei  demselben  das  Directorium  halte,  anch  des  Haashaltens  verständig 
and  auf  dasselbe  stets  gute  Achtang  geben  könnte,  mit  der  Kammer  gute 
Korrespondenz,  auch  auf  alle  Offiziere  sein  Aufmerken  hätte,  wie  daselbst 
gehaust»  daä  nichts  verschwendet  werde.  Diesem  sollen  alle  Offiziere  Rech- 
nung stellen  und  da  kein  o.  Hofineister,  daß  dann  ein  Andrer  bei  der  Stelle 
sei,  so  gleicher  Gestalt  Solches  administrieren  und  verwalten  sollte  und 
könnte  (RA  —  Fürstensachen). 

2)  Daher  der  ganze  Staat  unsres  Hofs  auf  ihn  als  obr.  Hofineister  sein 
Aufsehen  und  er  dagegen  über  alle  Offizier  der  Obrist  und  bei  denselben 
darob  sein  soll,  damit  ihre  officia  bei  guten  Würden  bleiben  und  durch  jeden 
solchen  Offizier  verriebt  werden,  was  ihm  doch  seines  Dienstes  halben  billig 
angelegen  und  darzu  ihn  insonderheit  seine  Instruction  weist  (Konz.). 

3)  Ober  die  Besoldungsfrage  wurde  die  Hofkammer  gutachtlich  gehört 
und  dieser  von  der  erfolgten  Anstellung  Kenntnis  durch  den  Ordonanzzettel 
(Anweisung  auf  Besoldung)  gegeben.  Oberhaupt  sollte  der  6.  Hofmeister 
und  die  Hofkammer  gegenseitig  vertraulich  gute  Korrespondenz  pflegen  und 
darüber  wachen,  dafi  aller  Orten  im  Hofwesen  zum  besten  gehaust  werde 
und  jeder  Hofbedienstete  treulich  seines  Amtes  warte,  sowie  gemeinschaft- 
lich Verbesserungen  ins  Werk  setzen.  —  Wöchentlich  oder  wenigstens  monat- 
lich sollte  der  o.  Hofmeister  mit  andern  dazu  verordneten  (Kammer-)  Bäten 
der  Revision  der  Hofrechnungen  (über  Küche,  Keller  und  Stall)  beiwohnen 
und  die  bei  dieser  Gelegenheit  gefundenen  Mißstände,  eventuell  mit  dem 
dazu  deputierten  Kammermitglied,  abzustellen  suchen. 


—    245    — 

Diener  „im  Beisein  dessen,  so  hernach  über  ihn  und  seine  Ver- 
richtungen zu  gebieten  hat  und  derer,  so  sonst  zu  seiner  Ver- 
richtung nebeu  ihm  gehörig  sein  und  sonderlich  aber  die  Räte 
in  jedes  Rats  gewöhnlichen  Ratsstuben,  daß  alle  demselben  Rat 
zugethane  Personen  gegenwärtig  sein,  mit  gewöhnlichen  Pflichten 
beladen"  ^).  In  Abwesenheit  des  ob.  Hofmeisters  darf  der  Prä- 
sident des  betreffenden  Kollegiums  von  dem  neuen  Rat  die 
Ratspflicht  aufnehmen*). 

Erst  1592  wurden  die  neu  aufgenommenen  Hofdiener  zur 
Leistung  des  Diensteides  an  den  Hofmarschall  gewiesen  ^). 

Außer  einer  ausgedehnten  Disziplinarstrafgewalt  steht  dem 
ob.  Hofmeister  auch  eine  wirkliche  Gerichtsbarkeit  über  alle 
zum  Hofstaat  gehörigen  Personen  zu.  Von  dieser  wird  unten 
im  Zusammenhange  die  Rede  sein. 

Die  Bedeutung  des  Amtes  wird  am  besten  charakterisiert 
durch  den  Vortrag  bei  Vorstellung  des  Otto  Heinrich  Grafen  zu 
Schwarzenberg  *):  „So  wollen  ihre  fürstl.  Gnaden  ihn  hiermit 
Euch  Allen  vorgestellt  als  nach  derselben  für  die  erste  Person 


1)  Wie  die  Anstollong,  so  geschah  auch  die  Entlassung  durch  den  o.  Hof- 
meister niit  Genehmigung  des  Herzogs.  Dem  oh.  Hofmeisteramt  waren  unter- 
stellt: die  geh.  Käte,  Hofratspräsident  und  Rftto,  Hofmarschall,  Hofineister 
der  Herzogin  und  Prinzen,  oh.  Stall-,  oh.  Jfiger-,  Küchenmeister,  Kammer- 
meister und  Eäte.  Femer  Schloß-  und  Guardihauptmann,  oh.  Zeugmeister, 
Mundschenken,  Yorschneider,  Truchsessen  (diese  3  auch  unter  Marschallamt), 
Silherkammcrer,  Hofdiener,  Hofkapläne,  Kantorei,  Bihliothekarius,  Antiquarius 
U.A.  Ebenso  waren  dem  Hofmeister  der  Herzogin  (Hofmeisterin, 
Kammerfrau,  Kammerdiener,  Kindsfrauen  etc.") ;  oh.  Stallmeister  (Futter-, 
Hamischmeister,  Roßbereiter,  Edolknahen,  Instrumentisten  etc.) ;  o  h.  J  ä  g  e  r- 
m  e  i  8 1  e  r  ( Jaidsküchenschreihcr,  Jäger,  Jägerhuhen,  Netzknecht,  Vogler  etc.) ; 
ob.  Küchenmeister  (Küchenschreiher,  KOche  und  Jungen,  Kellermeister 
etc.)  eine  Anzahl  von  Hofbediensteten  unterstellt.  Über  die  Vorteilung 
der  Hofbediensteten  unter  die  einzelnen  Hofstähe  im  17.  und  18.  Jahrhundert 
vgl  Anm.  z.  Cod.  Bav.  judic.  c.  1  §  11  d. 

2)  Wenn  dem  ob.  Hofimeister  auch  die  Anstellung  und  die  Oheraufsicht 
über  den  ganzen  Hof  zustand,  so  hatte  er  sich  doch  einer  jeden  Einmischung 
in  die  Verrichtung  des  speziellen  Dienstes  zu  enthalten.  Für  diese  bildete 
die  Instruktion,  sofern  eine  solche  erlassen  war,  bindende  Norm  und  daneben 
galt  der  Grundsatz,  „daß  Jeder  bei  währendem  Dienst  unter  dem  Amt,  da- 
hin er  mit  seiner  Dienstverrichtung  gehört,  und  unter  die  zu  demselhen  Amt 
verordnete  Obrigkeit  verbleiben  soll". 

3)  R.  A.  —  Dekrete  Wilhelms  V. 

4)  H.  A.  (E  fasc.  2). 


-    246    — 

und  ileru  andre   Uaod  publtciert  und  danebeu   uiäuiglich  be- 
fohlen haben  ihn  dafür  zu  erkcnuen  und  zu  respektieren*' '). 

Der  zweite  wichtigste  Ilofbeainte  ist  der  Marschall»),  lu 
Folge  der  Teüungun  erscheint  an  Jedem  Hofe  auch  ein  Inhaber 
ditxer  Hufchai^e ' ) ,  bei  gemeinschaftlicher  Regierung  komiuen 
auch  mehrere  MarschÄlIe  vor,  von  [lenon  einer  als  oberster 
Marschall  bezeichnet  wird  *).  Wie  das  llofmeistcmnit  ward 
auch  das  Marschallamt ')  Erblehtm  einer  Familie,  so  daß  dem 
Erbhofineister  ein  Erbmarschall  *)  gegen übereiand.    Als  zweit- 


1)  Fflr  die  «ngebonde  Be^lung  de«  ob.  HofineütcraniU,  wie  «io  in  Bftlem 
gegva  Ende  det  16.  Jabrbonderta  orfalst  war.  daifte  aacb  die  Hofbatet- 
oiguuMtioD  Fordinandi  L  tod  Öst«iTeich  »U  Vorbild  benntxt  worden  loiii, 
wie  auE  folgender  Stelle  .der  rOm.  k.  mt  ordnuiig  and  inetnictioa  doriMlben 
hoben  und  nideiu  bofembter  1.  Janoar  1637  (Arcbir  det  L  k.  HmiitoriDins 
def  Inneni  Id  Wien)  erhellt:  Der  Boftneiiter  w>ll  da  ente  Penon  bei  ima 
(Hebtet  werden  .  .  .  nnd  am  er«t«D  eoll  ein  Hufmcicter  am  Bofe  la  Ab- 
■en  Diuiei  PertOD  in  Riten,  bei  aiidpm  Forsten,  lu  Eirrhen,  Land,  Lud- 
I  aehanirenainmlDn^Il  .  .  ordinarin  repreBcatloren  and  vertreten  ....  Er 
Hohoeister  soll  auch  ta  allen  Solennitlten ,  da  Diure  eij^o  Fenoa  gegOD- 
wirtig,  mit  eigner  Penton  nnd  dem  Bo(mei«teistab  «ein  Amt  verMhen.  D«r 
Stut  dei  KUiten  Hofoi  kuiorhalb  uniter  Kunmer  Procedierang,  der  KuiM 
and  Hofkntnmnrordnung  lollen  ihr  Oeborum  ond  Aofvohen  aar  ihn  babm, 
darob  er  haltvn  lell,  damit  in  allen  Ämtern  die  Horerdnnng  ordenüteh  g^ 
hudidt  weide. 

3)  Seit  1234,  vo  Ulricoi  m&ncaJcua  de  ScrOTenhn»en  b  dner  Drktuid« 
Henog  Lndwigi  als  Zenge  Yorkonitnt  (Qn.  u.  Er.  V,  S.  3!),  ist  diosn  Hof- 
beamte  bSntlg  oaehweUbM  (vgl  Qo.  o.  Et  V,  &  494;  VI.  a  il&  t  B«gi>ler): 
fnner  1280  Pridericni  marecaleni  dacis  de  Ch«menai«n  (&  E  tt,  p^  300). 

S)  So  konuncD  HancbUls  in  Über-  nnd  Niednrbaiem  vor.  i.  R  1394 
Hrinr.  der  PanUtorfer,  UsmbaU  in  Oberbaiom  |R  Ü.  VI.  p.  137),  1343  Ai^ 
Dold  TOD  UaMeahwuen,  Uanchall  in  Niederbajpm  IR  B.  VII.  p.  SSOi,  I37B 
WUbetro  der  Haasvobansor,  Harichall  in  Oberbaiem  iQn.  o.  Kr.  VI.  8.  GUL 

4)  1.  B.  1310  ff  Albroeht  der  Judmana  ,ubri«t«r  Hanchall  in  Baien" 
irtbrerid  der  gemeinschafUIcfaen  Ifegierung  Badolfi  ond  Lndwfgi,  dann  mU 
det  Teilung  1310  iQn.  n.  Er.  VI.  a  159,  II»,  238). 

S|  In  den  Sohaeiertng  K.  Lndwigi  nnd  BodoU*  ISIB  wird  tngMkbatt: 
&  m1  aticli  OBaer  entweder!  A.  den  Jndeman  antom  obri«ten  mareebalcb 
Ib  Bajam  an  aiaam  marKbalchampt  nicht  trrcn  mit  dabainorUi  laehen.  in 
Mch  a«n  srbeii,  ond  «aleo  in  du  lanen  mit  allen  den  t-rvo.  rechten,  gv 
wonhnt  lud  nflttea.  ala  er  ea  oDtiher  tun«  g«habet  hat  fQu.  u.  Er.  VI.  &.  S38V 

V)  Auch  nach  dar  VereiniguiK  Baiemi  gib  •■  l  U.  1614  einen  Erb- 
marMhall  In  Überbaieni  (CrliL  *.  Onmppnnberg  der  Ältere)  oad  iwal  in 
Kiederbaiem  (Degwihart  POlBager  n  Salbeneck  [Landafant]  nsd  WOk  TM 


—    247    — 

oberster  Hofbeamter  zählt  er  zu  den  vornehmsten  Räten  des 
Herzogs,  ist  Mitglied  des  Rats  und  später  des  Hofrats,  dessen 
Sitzungen  er  regelmäßig  beizuwohnen  verpflichtet  ist,  soweit  er 
durch  die  Funktionen  des  Marschallamts  nicht  in  Anspruch  ge- 
nommen ist,  und  führt  wohl  in  Abwesenheit  des  Hofmeisters') 
den  Vorsitz  in  diesem  Kollegium*).  Nach  Gründung  des  geh. 
Rats  gehört  er  auch  diesem  Kollegium  vermöge  seiner  Stellung  an. 

Die  Thätigkeit^)  des  Marschalls  hat  ihren  Ausgaugspunkt 
in  der  Aufsicht  über  den  Marstall,  die  berittenen  Knechte  und 
das  Gefolge  des  Fürsten.  Daraus  entwickelt  sich  eine  Ober- 
aufsicht über  die  alle  dem  Herzoge  zum  Reiterdienste  Ver- 
pflichteten. „Er  soll  ob  allem  Hofgesind,  Räten,  Grafen,  Herren 
vom  Adel  und  andern  Dienern  sein,  so  Rüstung  und  Pferde  zu 
halten  schuldig  sind,  damit  Jeder  nach  seiner  Gebühr  seine 
Rüstung  an  guten  Knechten,  Pferden,  Harnisch,  Wehren,  Hof- 
kleidungen und  andern  Zugehörungen  jeder  Zeit  wohl  versehen 
und  in  guten  Bereitschaft  sei"  *)  und  sich  quartaJiter  durch 
eine  Musterung*)  überzeugen,  ob  Jeder  die  erforderliche  An- 
zahl von  Pferden  halte,  und  wegen  konstatierter  Abgänge  Strafe 
verhängen. 

Die  gesamte  Kriegsmannschaft  war  seinem  Oberbefehl  unter- 
stellt.   Nicht  nur  für  die  Einexerzierung  ^)  der  Mannschaften 

Küsberg  [Straubing]).  Vgl.  Rock  in  ger,  Einleitang  S.  331,  333,  335;  auch 
50.  Freibrief  (v.  Lerche nfold  S.  136  [Anm.],  137). 

1)  Vgl.  S.  134  l 

2)  ,,  Weil  der  Landhofmeister  zur  Zeit  nicht  beim  Dienste,  wäre  dem  Herrn 
Marschall  die  Prcsidenz  im  Hofrat  zu  befehlen"  (Gutachten  1573  —RA. 
Fürstensachen). 

3)  Vgl.  V.  Maurer,  Fronhöfe  IT,  S.  269  ff.;  Isaacsohn  I,  S.  13  t; 
Luschin  S.  82;  Lamprecht,  Deutsches  Wirtschaftsleben  im  Mittelalter. 
Leipzig  1886.    I,  2,  S.  1440. 

4)  Entwurf  einer  Hofmarschall  -  Instruktion  1580.  (H.  A. — E  fasc.  2 
S.  567  ff.). 

5)  Aber  gar  zu  keiner  gewissen  Zeit,  sondern  unfürsehens,  befiehlt  eine 
Instruktion  von  1589  (H.  A.  —  E  fasc.  2,  S.  29).  Mit  2  andern  Kriegsräten 
soll  der  Hofmarschall  Musterung  Yomehmen ,  die  sich  auf  alle  mit  herzog- 
lichen Pferden  Versehenen  erstreckte,  ohne  unterschied,  ob  sie  seiner  Juris- 
diktion unterstanden  oder  nicht  Ein  Verzeichnis  der  Pferde,  Reisigen  and 
Knechte ,  welche  der  Herzog  ordinarie  hatte,  und  wie  viele  jeder  vom  Hof- 
gesinde zu  halten  schuldig,  bildete  die  Grundlage  der  Musterung. 

6)  Instruktion  1589:  Und  weil  bes.  in  jetziger  Zeit  die  in  Kriegsläufen  er- 
fahrenen Knechte  wenig  zu  bekommen,  wollen  wir,  dafi  Hofinarschall  f&r  die 


-    248    — 

hatte  er  zu  sorgen,  auch  die  Aufsicht  über  das  von  einem  Zeug-* 
meister  verwaltete  Zeughaus  war  ihm  übertragen.  Seines  Amtes 
war  CS  sodann,  in  den  Feldzügen  bei  Ein-  und  Auszügen  im  Felde 
die  hierfür  erforderlichen  Anordnungen  zu  erlassen  ^ ),  daß  des 
Herzogs  Person  gut  verwahrt  werde. 

Auch  bei  allen  Reisen  ^)  des  Herzogs  hatte  er  alles  Not- 
wendige ins  Werk  zu  richten  bezügüch  der  Quartiere,  der 
Pferde,  Wagen')  und  des  Trains.  Alle  Beschwerden  des  Hof- 
gesindes über  Herbergen  waren  an  ihn  zu  richten. 

Bei  allen  Solennitäten  verrichtet  er  vde  der  Hofmeister, 
als  dessen  Stellvertreter  er  betrachtet  wird,  persönlich  den 
Ehrendienst  beim  Herrscher  *).  Das  Hofgesinde  ist  auch  ihm 
unterstellt,  er  hat  darauf  zu  achten,  daß  Jeder  seinen  Dienst 
pünktlich  versieht*^).  Bei  allen  Ämtern,  hohen  und  niedem 
Offizieren  soll  er  zusehen,  damit  recht  und  ordentlich  gehaust 
werde,  und  Mängel  abstellen  lassen.  Also  auch  der  Hofmarschall 
ist  neben  dem  Hofmeister  mit  der  Aufsicht  über  den  Hofstaat 
betraut  ®). 

Aus  diesem  Aufsichtsrechte  entsteht  nicht  nur  das  Recht, 
sondern  auch  die  Pflicht,  über  die  treue  Erfüllung  der  Amts- 
pflichten der  Untergebenen  zu  wachen  und  jede  Verletzung  der- 
selben zu  bestrafen.  Von  dieser  ausgedehnten  Jurisdiktions- 
gewalt des  Hofmarschalls  über  das  Hofgesinde  wurde  bereits ') 
im  Zusammenhange  gehandelt. 


reisigen  Knechte  und  der  Keiterei  zugethanen  Personen  eine  solche  Ohnng 
anstelle  nnd  continaiere,  dadurch  sie  doch  soviel  abgerichtet  werden,  damit 
sie  im  Fall  der  Not  diejenige  Rüstung,  so  wir  einem  Jeden  zu  haben  aof- 
erladcn  werden,  desto  firachtbarlicher  brauchen  und  wir  uns  dann  etwas  mehr 
darauf  verlassen  mOgen.  —  Nach  der  Musterung  soll  er  Jeden  in  den  Exer- 
citien  probieren,  eventuell  besser  unterweisen  lassen  und  beim  Verharren  in 
der  Ungeschicklichkeit  strafen  und  sogar  entlassen. 

1)  Instr.  1580-1583.    {K  A-E  fasc.  2  S.  507  ff;  S.  386). 

2)  Diese  Obliegenheiten  eines  Reisemarschalls  begegnen  häufig.    VgL 
V.  Maurer,  FronhOfe  II,  S.  274. 

3)  Im  Einvernehmen  mit  dem  ob.  Stallmeister. 

4)  Da  wir  es  befohlen,  soll  er  mit  dem  Stab  selbst  dienen  (Instr.  1583]L 
Über  die  Bedeutung  des  Marschallstabes  vgl.  v.  M  a  u  r  e  r,  FronhOfe  II,  S.  287. 

5)  Die  Prüfung  der  Wochenrechnungen  far  Küche  und  Keller  nimmt  er 
mit  einem  Kammerrat  und  dem  Kuchenmeister  vor  (Instr.  1580). 

6)  H.  A.  -  E  fasc.  2  S.  723. 

7)  VgL  S.  229  ff.  §  12. 


—    249    — 

Als  drittes  wichtiges  Hofamt  begegnet  uns  das  des  Kammer- 
meisters.  Diesem  war  ursprünglich  die  Obsorge  für  die  persön- 
lichen Bedürfnisse  des  Fürsten,  die  Aufsicht  über  Garderobe,  Aus- 
rüstungsgegenstände und  über  den  Schatz  übertragen.  Er  war  der 
Verwalter  aller  landesherrlichen  Einkünfte,  die,  in  seiner  Hand 
vereinigt,  von  ihm  zur  Bestreitung  des  für  den  Herzog,  seinen  Hof 
und  die  Regierung  erforderlichen  Aufwandes  verwendet  wurden. 

Während  er  die  übrigen  hofdienstlichen  Funktionen  an 
andere,  ihm  untei*stellte  Hofbeamte,  die  Kämmerer,  abgab,  be- 
schränkte er  sich  auf  die  finanziellen,  und  schon  seit  dem  Ende 
des  13.  Jahrhunderts  konzentriert  sich  hierin  seine  Amtswirk- 
samkeit, für  welche  ihm  ein  Kammerschreiber  beigegeben  war  * ). 
Er  wird  am  Hofe  des  Landesherrn  das  Centralorgan  des  ge- 
samten Finanzwesens  des  Territoriums  und  so  der  Ausgangspunkt 
einer  hochbedeutsamen  Amtsorganisation,  die  uns  unten  bei  Be- 
sprechung der  Centralfinanzverwaltung  näher  beschäftigen  wird. 

Eine  sehr  einflußreiche  Persönlichkeit  in  der  Umgebung 
des  Herzogs  war  sodann  der  Kauz  1er,  dem  vermöge  seiner 
Bildung  —  zuerst  wurde  er  dem  Stande  der  Kleriker,  dann 
dem  gelehrten  Juristenstande  entnommen  —  die  formelle  Er- 
ledigung aller  wichtigsten  Regieiiingsgeschäfte  zufiel,  so  daß  er 
nebst  dem  Hofmeister  *)  auch  materiell  auf  die  Leitung  des 
Staatswesens  den  tiefgreifendsten  Einfluß  im  Rate  und  außer- 
halb desselben  ausül)te.  Auch  von  ihm  ist  unten  noch  ein- 
gehend zu  handeln. 

UnterdcmübrigcnHofpersonaP),  das  sich  stetig  vergrößerte*), 
ragen  durch  Ansehen  hervor  der  Kuchenmeister,  der  Jägermeister*) 

1)  Nach  der  Hof-0.  1294  hatten  die  3  Herzoge  einen  gemeinschaftlichen 
Kammermeister  (Tauschnicht)  und  einen  Kammerschreiher  (Qu.  u.  Er.  VI, 
S.  53  \ 

2)  Hofmeister  und  Kanzler  erscheinen  auch  anderwärts,  so  z.  B.  in  der 
Oberpfalz  als  die  goschäftslcitenden  Beamten  (Neudeggor  I,  S.  32  a.  20). 

3)  Vgl.  über  das  Hofpersonal  des  13.  und  14  Jahrhunderts  Qu.  u.  Er.  V, 
S.  403  f.;   VI,  S.  215  f. 

4)  Verschiedene  Hofstaatsverzeichnisse  des  16.  Jahrhunderts  sind  abge- 
druckt bes.  nach  den  Publikationen  Westonrioders)  bei  Vohso,  Gesch. 
d.  deutschen  Höfe  Bd  23  (Abt  4,  Teil  I).  Hamburg  1863.  S.  75  flf.;  das  von 
1588  bei  v.  Freyborg,  Gesch  d.  Landständo  II,  S.  451  ff. 

5)  Diese  beiden  Ämter  werden  neben  denen  des  Hofmeisters,  Marschalls 
und  Kammermeisters  aufgeführt  in  L.  Fr.  I  a.  1. 


—    250    — 

und  der  Hofkaplan  ^),  die  neben  ihrem  Hofdienste  auch  als 
Räte  des  Herzogs  Verwendung  fanden. 

Daneben  gab  es  stets  eine  große  Anzahl  von  Personen  (Räte), 
welche  sich  am  Hofe  ohne  bestimmte  Funktionen  aufhielten*). 
Diese(Räte)  hatten  die  Verpflichtung,  dem  Herzoge,  so  oft  er  es 
wünschte,  Rat  zu  erteilen  und  diejenigen  Aufgaben,  die  ihnen 
derselbe  zur  Besorgung  auftrug,  zu  erledigen.  Insbesondere  die 
laufenden  Regierungsgeschäfte  wurden  durch  solche  Räte  besorgt. 

Der  Zudrang  war  aus  den  verschiedenen  Ständen  ein  so 
starker,  daß  die  Hofordnung  1293^)  wegen  der  großen  Kosten, 
welche  die  Verpfl^ung  solcher  durch  den  Glanz  des  Hoflebens 
angelockten  Personen  erheischte,  ausdrücklich  anordnete,  daß 
solche  unaufgefordert  Erscheinenden  nicht  zum  Hofgesinde  ge- 
hörten und  auf  eignQ  Kosten  sich  unterhalten  müßten*). 

In  dieser  niederbairischen  Hofordnung  von  1293  tritt  uns 
der  Rat  ebenso  wie  in  der  Taidigung  der  2  Herzoge  schon  als 
eine  fertige  Institution  entgegen,  und  auch  in  Oberbaiem  er- 
scheint sie  als  solche  ^),  denn  diese  selbst  wird  als  „mit  ir 
(der  Herzoge)  besundem  rates  rat"  gesetzt  eingeführt  ^).  Räte 
(consules)  des  Herzogs  kommen  in  Niederbaiem  schon  1258  vor'). 


1)  Vgl  über  dio  angesehene  Stellung  der  bairischen  Hofkapl&ne  ▼.  Mau- 
rer, Fronhofe  II,  S.  312  f.  Der  oberste  Hofkaplan  ist  zugleich  Groft- 
almosenier,  z.  6.  1231,  der  jeweilige  Propst  des  Stifts  Osterhofen  soll  der 
erste  Hofkaplan  sein  (Qu.  u.  Er.  V,  S.  50). 

2)  Solche  Räte  ohne  bestimmte  Amtsfunktionen  lebten  an  fast  allen  Hofen. 

3)  Diese  fixierte  die  Zahl  der  Hofbeamten  und  ihrer  Pferde. 

4^  daz  graven,  frejn  und  dinstman  sich  selben  und  allez  lantrolch  yon 
dem  hof  geschaiden  habnt,  also,  daz  si  niht  hofgesinde  mer  heizzent  (Qu.  xl 
Er.  VI,   S.  13  . 

5)  In  dieser  Taidigung  wird  bestimmt,  dafi  die  eidliche  Verpflichtung 
der  Marchlcute  auf  diese  Taidigung  event  zu  München  vor  Herzog  Ludwig 
(und  sol  dabi  sin  einer  aus  des  hertzog  Otten  rat^  und  zu  Landshut  vor 
Herzog  Otto  (und  sol  einer  aus  hertzoge  Ludwiges  rat  auch  dabi  sin)  erfolgen 
soll  (Qu.  u.  Er.  VI,  S.  27). 

6)  Aus  demselben  Jahre  stammt  auch  ein  Verbot  des  Bierbrauena,  wel- 
ches Otto  HL  und  Ludwig  IlL  mit  unsers  rates  rat  erlassen« haben  (Qu.  o. 
Er.  VI,  S.  22 . 

7)  Heinrich  XIIL  Ton  Niederbaiem  befreit  1258  auf  Bitte  aller  seiner 
Räte  (consulum^  Leute  und  Güter  des  Klosters  Nieder- Altaich  auf  1  Jahr 
von  Vogteiabgaben  (Böhmer,  Wittelsbachische  Regesten.  Stuttgart  1854 
S.  77). 


—    251    — 

Auch  1281  *)  werden  sodann  Batgeber  des  Herzogs  erwähnt,  wie 
auch  schon  1287  Heinrich  XHI.  einen  Vertrag  mit  der  Stadt 
Regensburg  über  die  Münze  ^)  als  iuxta  consiliariorum  nostro- 
rum  consilium  vereinbart  bezeichnet. 

Besonders  charakteristisch  für  das  Institut  des  Rats  ist 
aber  die  erwähnte  Hofordnung  1293,  weil  in  derselben  deutlich 
jene  zwei  Elemente  zur  Erscheinung  kommen  ^),  welche  überall 
in  den  Anfängen  fürstlicher  Ratsbildung  als  zusammenwirkende 
Kräfte  auftauchen  *),  das  ständische  und  das  Beamtenelement, 
bis  die  gefestigte  landesherrliche  Gewalt  das  erste  vollständig 
aus  dem  Rate  beseitigt  hat  und  gerade  durch  das  Beamtentum 
die  Macht  der  Stände  überwindet. 

Nach  den  Hofordnungen  von  1293  und  1294  waren  eine 
Anzahl  von  Landherren '^)  bestimmt,  welche  abwechselnd 
den  Ratsdienst  (im  14tägigen  Turnus)  bei  Hofe  zu  leisten 
hatten. 

Der  Landesherr  benutzt  in  diesen  Anfangsstadien  der  sich 
entwickelnden  Territorialgewalt  den  Rat  all'  derjenigen  Personen, 
welche  ihm  hierfür  zur  Verfügung  stehen,  erwähnt  in  den  Ur- 


1)  Urkundcnbuch  des  Landes  ob  der  Enns  III,  S.  532. 

2)  Qu.  u.  Er.  V,  S.  408. 

3)  Hof-0.  1293:  Ez  soln  euch  zwen  ratkebn  staetichlich  14  tag  daz  hof 
sin;  auch  diejenigen,  welche  der  Herzog  bei  seinen  Reisen  durch  das  Land 
aus  seinem  Rate  zu  sich  fordert  (swenn  er  dann  uz  sinem  rat  zu  im  vodert 
durch  die  chonschaft  an  der  gegent  .  .),  dürften  der  Kategorie  der  Land- 
herren  zuzurechnen  sein.  1294:  Swelher  under  den  lantheren  ttz  den  rat- 
geben daz  hof  ist,  der  allezit  einer  dabi  suln  sin.  (Auch  2  Dienstmannen 
sollten  stets  am  Hofe  sein ;  femer  2  Hofritter,  „die  wir  dazu  benennen  nach 
unsers  Rates  Rat".) 

4)  In  einer  Urkunde  über  den  Verkauf  von  Hofmarken  erklären  die  Her- 
zoge Otto,  Ludwig  und  Stephan  1295:  maturo  consilio  et  provida  delibera- 
tione  prehabita  cum  baronibus  sive  comitibus,  fidelibus  et  consulibus  terre 
nostre  ,  .  (Qu.  u.  Er.  VI,  S.  72).  —  Als  die  Herzoge  Stephan  II.  und  Stephan  HI., 
Friedrich  und  Hans  1358  zur  Erhebung  und  Verwendung  einer  von  den 
Ständen  bewilligten  Steuer  einsetzen,  heifit  es:  dar  über  wir  15  genomen 
haben  nach  rat  land  laewt  .  .  .  Bey  dem  ersten  us  unserm  rat  (folgen 
4  Namen),  von  rittcrn  und  chnechten  (folgen  11).  —  1384  —  nach  rat  unsers 
rates  und  unser  lanntherren  (Qu.  u.  Er.  VI,  S.  462,  534). 

5)  Landberren :  Grafen,  Freie,  Dienstmannen  (Qu.  u.  Er.  VI,  S.  13).  So 
interpungiert  richtig  Riezler  II,  S.  513. 


—    252    — 

künden  ausdrücklich  dieser  Ratserholung  unter  Scheidung  der 
beamteten  Ratgeber  von  den  ständischen. 

Haben  wir  nun  auch  den  Rat  in  den  beiden  bairischen  Herzog- 
tümern am  Ende  des  13.  Jahrhunderts  als  eine  vollständig  aus- 
gebildete Institution  kennen  gelernt,  so  sind  wir  doch  nicht  durch 
die  Quellen  genauer  über  Gestalt  und  Einrichtung  dieser  neuen 
Schöi)fung  unterrichtet.  Es  liegt  jedoch  kein  Grund  zur  Annahme 
vor,  daß  diese  Organisation  der  Centralregierung  in  Baiem  eine 
andere  als  in  den  übrigen  Territorien  gewesen  sei.  Der  Fort- 
schritt der  Organisation  bestand  darin,  daß  die  disjecta  membra, 
die  einzelnen  Räte,  mit  denen  der  Fürst  Regierungsangelegen- 
heiten wahlweise  zu  beraten  pflegte,  zusammengefaßt  wurden 
zu  einer  Einheit,  daß  also  eine  Mehrheit  von  Räten  einen  ge- 
meinsamen Beratungskörper  bildeten,  dessen  Zusammensetzung 
keine  feste  und  dauernde  war.  Von  einer  kollegialen  Gestal- 
tung dieses  Rats  kann  keine  Rede  sein,  denn  es  fehlte  vor  allem 
die  Ständigkeit  der  Behörde.  Es  war  aber  einmal  das  Prinzip 
der  Beratung  durch  eine  Mehrheit  von  Räten  anerkannt  und  im 
großen  und  ganzen  doch  der  Kreis  von  Personen  bestimmt, 
welche  in  ihrer  totalen  oder  partiellen  Zusammenfassung  den 
„Rat"  zu  l)ilden  pflegten,  wenn  auch  die  Zusammensetzung  der 
Behörde  von  Fall  zu  Fall  dem  Ermessen  des  Herrschers  an- 
heimgegeben war,  indem  er  einzelne  der  Räte  zuziehen,  andere 
wieder  von  der  konkreten  Beratung  ausschließen  konnte.  Da- 
bei wurden  nach  wie  vor  während  unsrer  ganzen  Periode  ein- 
zelne Räte  vom  Herzog  je  nach  Bedürfnis  und  Laune  zu  den 
verschiedenartigsten  staatlichen  Funktionen  verwendet.  So  sehr 
auch  allmählich  Behörden  mit  abgegrenzten  Ressorts  die  Auf- 
gaben der  Centralregierung  in  festeren  Formen  zu  erledigen 
suditen,  das  Bedürfnis  nach  Verwendung  eines  oder  mehrerer 
Räte  für  bestimmte  Funktionen  war  stets  vorhanden. 

\Vohin  sich  unser  Blick  auch  wenden  mag,  überall  begegnet 
er  der  gleichen  Erscheinung  eines  sich  aus  losen  Anfangen  zu 
immer  festeren  Formen  entwickelnden  landesherrlichen  Rats. 
Überall  zeigte  sich  von  Anbeginn  an  wohl  das  Bedürfnis  einer 
steten  Beratung  des  Herrschers,  und  je  mehr  die  Aufgaben  eines 
Territoriums  intensiv  und  extensiv  wuchsen,  um  so  rascher  trat 
auch  die  Notwendigkeit  einer  formellen  Organisation  der  zur 
Verfügung  stehenden  Beratungskräfte  hervor. 


—    253    — 

So  hatte  sich  in  England ^  und  Frankreich*)  schon  früh 
aus  der  feudalen  curia  regis  ein  consilium  regis,  ein  conseil  du 
roi  herausgebildet,  und  auch  am  Hofe  des  deutschen  Königs 
existierte  schon  bald  ein  solcher  Rat ').  Ungefähr  um  dieselbe 
Zeit  wie  in  Baiern  wurde  in  Österreich  ein  Rat  eingerichtet, 
indem  der  Herzog  einer  Anzahl  von  Landherren  die  Aufgabe 
zuwies,  ihm  den  erforderlichen  Rat  zu  erteilen*). 

Ein  solcher  formloser  und  vielfachem  Wechsel  unterworfener 
Rat,  der  vornehmlich  die  ersten  Hofbeamten  in  sich  schloß, 
findet  sich  in  nahezu  allen  größeren  und  kleineren  Territorien 
Deutschlands  seit  dem  13.  bezw.  14.  Jahrhundert*). 

Das  14.  und  die  erste  Hälfte  des  15.  Jahrhunderts  weisen 
keine  wesentlichen  Veränderungen  in  der  Formierung  des  Rats 
in  Ober-  und  in  Niederbaiem  auf.  Nur  fällt  in  diese  Periode 
die  Ausbildung  der  landständischen  Verfassung,  die  korpora- 
tive Zusammenschließung  der  Stände  in  den  einzelnen  bairischen 
Herzogtümern.  Damit  tritt  auch  der  Gegensatz^)  des  Rats, 
also  des  vom  Fürsten  abhängigen  Beamtentums  und  der  im  Bewußt- 


1)  Gneist,  Englische  Verfassangsgeschichte  S.  215. 

2)  Der  französische  conseil  du  roi  ist  schon  im  13.  Jahrhundert  toU- 
standig  organisiert  Vgl  Pardessus,  Essai  historique  sur  rorganisation 
judiciairo.  Paris  1851.  p.  143;  R  LOning,  Die  französische  Yerwaltungs- 
gerichtsbarkeit  (H artmann *s  Zeitschr.  t  Ges.  u.  Praxis  Y,  S.  343  £). 

3)  Tomaschek,  Höchste  Gerichtsbarkeit  des  deutschen  Königs  (Sitz.- 
Ber.  d.  Wiener  Akad.  phil-hist  KL,  Bd.  49,  S.A.  S.  21  f ). 

4)  Siegel,  Die  rechtliche  Stellung  der  Dienstmannen  in  Österreich 
(Sitz.-Ber.  d.  Wiener  Akademie,  phil.-hist  Kl.,  Bd.  52,  S.  21  £).  Die  Existenz 
eines  Rats  wird  vermutlich  schon  1251,  sicher  1281  erwähnt  Über  den 
Osterreichischen  Rat  im  15.  Jahrhundert  Tgl.  Adler  S.  165  ff. 

5)  z.B.  £ö\n  (Walter,  Erzstift  Cobi  S.  76  f.),  Mainz  (v.  Maur'ef, 
Fronhofe  II,  S.237),  Trier  (Lamprecht  I,  2,  S.  1427  £),  Kursachsen  (Posse, 
Lehre  v.  d.  Privaturkunden  S.  169  f.) ,  Brandenburg  (K  ü  h  n  s  I ,  S.  230  £), 
Pfalz  (V.Maurer,  Fronhöfe  II,  S.  240),  Württemberg  (Fr  ick  er  und 
V.  G essler,  Gesch.  d.  Verfassung  Württembergs  S.  98  £),  Landgrafschaft 
Hessen  (Kopp  I,  S.  288),  in  den  Grafschaften  Jülich  und  Berg  (v.  Below, 
Die  landständische  Verfassung  in  Jülich  und  Berg.  Düsseldorf  1885.  I, 
S.  81  i). 

6)  Beispiele:  1369  (Verordnung  der  4  Herzoge  in  München):  Nach  Rat 
unsres  Rates  und  nach  unsrer  Land  und  Leute  Rat  (Qu.  u.  Er.  VI,  S.  497); 
1374  (12.  Freibrief  —  Landshut):  Nach  Rat  unsres  Rats,  nach  Rat  unser 
Grafen,  Freien,  Dienstleut,  Rittor  und  Knechten,  Städten  und  Märkten ;  1392 
(13.  Freibrief  —  München):  Nach  unserer  Räte  und  Landherren  Rat;   1402 


Bein  einer  selbstftndigen  Machtstellung  dem  Landesherrn  gegen- 
Qbertretenden  und  vun  diesem  aiierkuanten  Landstände  immer 
deutlicher  in  die  Erscheinung.  Dos  scliließt  aber  kcincswc^  aus, 
daß  einzeine  Mitglieder  des  landstiUidischcu  Körpers  fUr  ihre 
Person  höhere  Amtsstellungen  bekleiden,  also  sich  in  direkte  Ab- 
Iiäugigkeit  vom  Fürsten  hegeben. 

Die  /u/iehung  des  Rats  zu  den  verschiedenartigsten  Staats- 
geächüfUüi  wird  in  ziibllusen  Urkunden  hervorgehoben  durch  die 
Formel  ^iiach  unisurs  Hates  [tut"  oder  „nach  uuscrs  ganzen 
Rates  Rat"  n.  dgl.  So  finden  wir,  um  nur  einiges  herauszu- 
greifen, z.  Ü.  eine  Mitwirkung  des  Rates  erwähnt  bei  ErteiluDg 
und  ResläliRung  von  Privilegien  für  Stiidte ' )  and  KKlster*), 
bei  Ausgleichung  der  unter  einzelnen  Uerzogen  schwellenden 
Zerwürfnisse*)  auch  in  der  Weise,  daß  einer  bestimmten  An- 
zahl von  Ratsuiitgliedcrn  die  Entscheidung  aller  künftigen 
Streitigkeiten  abertragen  wird'). 

Vorzugsweise  wurde  die  Thätigkcit  der  Räic  aber  in  An- 
sprach genommen,  seitdem  sie  ausschließlich'')  im  Ilofgericht 

(23.  FT«Jbri«f):  Nkdi  niMem  Ut  and  Ltndichift  BtA  (f.  LeTeb«nfeld 
a  36,  31,  SU  Weit«»  fi«Upi«l«  «n*  dem  15.  JfthihoDdart  bd  KraDaar  I, 
8.  159.  449:  IV,  a  öa,  103,  ]29j  T,  &  17.  81,  108,  336. 

1)  BMtttiguiig  ftlter  und  Erteüang;  neuer  Prirflef^ea  fBr  Luidahat  ISSS, 
18«!;  1392,  1405  (EtlcheraSS.  fn»  9^  111);  13St  Privüeg  Ai  B«ieb«B- 
lull  iLori,  Bergrecht  a  ie>. 

2)  c  B.  1318  BetUtipmg  de«  JotiidiliUoiiiprJnleKB  für  da«  KlOfter 
BaitealuiUch  i  1320  BevUUignng  aller  fttlheraD  PriTile(nei>  de«  Elottan 
a  NieolMi  1320  daaielbe  wud  ron  da  Baap&icbt  ig  Vilibofen  fa«&eiti  1S3> 
BefUtiguoK  der  PriiHegtoD  fBr  K1o*l«r  Ranibofen  tH  B.  VT,  p.  376)  IV. 
p.  SSe  C;  III,  p.  306:  V,  p.  268,  534,  S04);  13S3  puticUo  ZollEreibclt  fBr 
IQoit^r  Alden>biiRhi  1865  BMUtj)pinK  der  Ptirile^on  ilM*elbeni  1404  B*- 
freitmg  d^e  Kloaten  Aib&cb  von  Outnog, 

3j  I.  B.  1S84  werfen  die  Ilerroge  SUipbui  und  Frledricb  ibre  Lud«  »^ 
ummeD  and  M>ia  narh  nriMn  raU  rat  untiJKhtichlcidi  aberala  wor 
dem  Vortrage  ward«  aach  »miremacht,  dal  ile  beidenelt«  liabsn  aolll 
gomaimm  rat  (yo.  u.  Er.  VI.  &.  530  t). 

4)  L  B.  1324  VerUidignnK  dnr  f>trDitigkeitca  iwbehen  den  1 
Batulcli,  Ott  und  Heinrich  a  2.  irn  nnitor  um  eUfcer  i*t,  der  toi  in  14  tafiB 
all  DBMTii  lat  bceenden  und  lol  aui  denn  nenwn  IE  unten  amitiii]  rat  und 
•allen  dj  nuMT  red  irrin  oinandor  TerbOm  nod  «er  dann  »choldiK  baldb^ 
der  mI  naeb  ir  rat  di  ucb  abteinin  nad  pcMen.  V^  auch  1829.  1369^ 
1384  -  Qu.  o.  Er.  VI.  ä.  282.  S97,  606,  682,  634. 

6i  UnUir  den  Hofgerjcbtalwlfltura  bab&du  rieh  natarfieh  ■!*<*  e 
BAta  neben  Andern. 


—    255    — 

Verwendung  gefunden  hatten  *).  Doch  wurde  schon  hervor- 
gehoben, daß  diese  Thätigkeit  von  Hofmeister  und  Räten  stets 
von  den  übrigen  Funktionen  geschieden  war^). 

Daß  auch  in  Fragen  der  auswärtigen  Politik^),  bei  Er- 
ledigung der  laufenden  Geschäfte  der  Centralregicrung  auf  dem 
Gebiete  der  innern,  besonders  aber  der  Regalien  Verwaltung*), 
keine  herzogHche  Anordnung  ohne  „des  Rates  Rat"  erlassen 
wurde  ^),  würde  auch  ohne  die  zahllosen  dies  bekundenden 
Zeugnisse  einem  Zweifel  nicht  unterzogen  werden  können. 

Es  gibt  kein  Gebiet  staatlicher  Thätigkeit,  welches  dem 
Wirkungskreise  des  herzoglichen  Rats  entrückt  geblieben  wäre. 

Bei  den  Verhandlungen  mit  den  Landständen  •)  insbesondere 
sehen  wir  die  herzoglichen  Räte  ganz  in  der  gleichen  Weise 
funktionieren  wie  die  Regierungsvertreter  im  modernen  Landtag, 
stets  bestrebt,  die  fürstliche  Autorität  zu  wahren  und  durch 
Zusammenarbeiten  mit  den  ständischen  Vertretern  die  Inter- 
essen des  Landes  zu  fördern.  Namentlich  bei  den  großen  legis- 
latorischen Aufgaben ,  die  am  Ende  des  15.  und  am  Anfange 
des  16.  Jahrhunderts  ihrer  Lösung  harrten,  sehen  wir  durch 
dieses  mehrjährige  Zusammenwirken  der  Räte  und  der  von  der 
Landschaft  Verordneten   das  große  Werk  der  niederbairischen 

1)  Siehe  S.  136  ff. 

2)  Auch  Schiedssprüche  fällte  der  Herzog  unter  Zuziehung  seiner  R&te, 
z.B.  1371  (Kalcher  S.81);  1437  (M.  B.  VI,  p.  285). 

3)  z.  B.  1319  geloben  die  3  niederbairischen  Herzoge,  dem  K.  Ludwig 
zu  dienen  haben  auch  im  .  .  .  nach  unsers  rates  rat  gesworen  ze  dinen 
.  .  .  mit  aller  unser  macht  ze  rozzen  und  ze  füzzen  .  .  (Qu.  u.  Er.  VI,  S.  269). 

4)  Vgl  besonders  die  vielen  Zeugnisse  bei  Lori,  Münzrecht»  und  Lori, 
Bergrecht. 

5)  Als  charakteristisch  fQhre  ich  folgende  Stelle  aus  einem  Schreiben 
Albrechts  111.  von  München  an  Heinrich  d.  R  von  Landshut  1442  an:  Euer 
Schreiben  der  Münz  und  des  Wechsels  wegen  haben  wir  wohl  vernommen, 
wir  sind  aber  seitdem  nicht  nach  München  noch  bei  unsem  RAten  gewesen. 
Sobald  wir  zu  ihnen  kommen,  wollen  wir  ihres  Rats  in  den  Sachen  pflegen 
und  Euch  dann  unsre  Antwort  wissen  lassen  (Er.  A.  M.  —  G.  R  Münz- 
wesen F.  14). 

6)  In  der  Verbescheidung  landstfindischer  Beschwerden  durch  den  Her- 
zog weist  dieser  auf  die  vorhergegangene  Beratung  mit  den  Bäten  ausdrück- 
lich hin,  7.  B.  H.  Georg  1489 :  etliche  Artikel  für  Beschwerung  durch  unsre 
Landlcute  schriftlich  übergeben  .  .,  die  Wir  dann  in  onserm  Rate  gewogen 
und  gemäßiget  (K  r  e  n  n  e  r  XII,  S.  274). 


—    256    - 

Landesordnung  von  1474  und  die  von  1501  ^)  einem  gedeihlichen 
Abschlüsse  entgegengeführt,  wie  auch  die  folgenden  Gesetze  des 
16.  Jahrhunderts  solchen  gemeinschaftlichen  Beratungen  ihre  Ent- 
stehung verdankten. 

Manchmal  übertrug  der  Herzog  auch  seine  Regierungs- 
gcwalt  zur  Ausübung  auf  die  Räte ,  die  dann  nicht  neben  ihm, 
sondern  statt  seiner  thätig  werden,  kraft  des  ihnen  von  ihm  er- 
teilten Auftrags  handeln  unter  Ausübung  der  ihm  zustehenden 
Zwangsgewalt  *).  Auch  zur  Vornahme  einzelner  Regierungsakte 
werden  die  Räte  vom  Herzog  delegiert^). 

Grundsätzlich  war  es  dem  Ermessen  des  Herzogs  anheim- 
gestellt, ob  er  in  concreto  eine  Angelegenheit  der  Beratschlagung 
seiner  Räte  unterwerfen  wollte  oder  nicht.  In  den  politischen 
Wirren,  deren  Schauplatz  im  späten  Mittelalter  die  bairischen 
Lande  waren,  bei  den  sich  stets  wiederholenden  blutigen  Zwistig- 
keiten  der  einzelnen  Glieder  der  Herrscherfamilie,  wurde  der 
Rat  in  Folge  des  hiedurch  sich  steigernden  ständischen  Ein- 
flusses öfters,  wenn  auch  nur  vorübergehend,  zu  einer  ver- 
fassungsmäßigen*) Behörde  erhoben,  an  deren  Zustimmung  der 
Herzog  bei  verschiedenen  Regierungshandlungen  gebunden  war^). 

V  Ein  Blick  in  Erennor  VII,  S.  264  ff.;  XIU,  S.  156  ff  bietet  ein 
anschauliches  Bild  der  einzelnen  Stadien  (Replik,  Dnplik  etc.)  dieses  Gesetx- 
gebungsprozesses,  der  in  seinen  einzelnen  Formen  (Antrag  der  Stände,  Ab- 
ändcrungsYorschl&ge  der  Rute,  gemeinschaftliche  Beratung  dieser  und  det 
Ständeausschusses  u.  s.  w.)  der  Gesch&ftsbehandlung  in  modernen  Parlamenten 
auffallend  ähnelt 

2)  So  bestimmt  Heinrich  d.  R.  1335  bei  Bestätigung  der  Privilegien  der 
Stadt  Landshut:  swaz  wir  dann  mit  In  ze  tajdingon  oder  zo  reden  haben 
dar  umb  süllen  wir  unsem  Rat  zu  In  senden  und  süllen  si  dem  an  unser  stat 
volgen  und  gehorsam  sein  in  allem  dem  rechten  als  uns  selben  (Kai eher  S.31). 

3)  Die  Herzoge  Johann  und  Sigmund  geben  z.  B.  1461  ihren  Räten  Gewalt- 
briefe zur  Einnahme  der  Erbhuldigung  im  Nordgau  (K  r  e  n  n  e  r  Y,  S.  81). 

4)  d.  h.  der  Herzog  ward  zur  Einsetzung  eines  Rats  verpflichtet,  z.  B. 
Stephan  IL  verspricht  im  10.  Freibrief  1363:  Wir  süllen  auch  ainen  rat 
haben  und  nemen  von  dem  obern  land  die  darin  gesessen  sind  und  die  daran 
gehOrent,  und  den  süllen  wir  nemen  nach  rat  land  und  leut,  stet  und  mergkt 
ze  obem  Baim.    Vgl.  noch  16.  Freibrief  1393  iv.  Lerchen feld  S.  24,  37). 

5)  z.  B.  1324  bei  der  Vertaidigung  der  3  H.  Heinrich,  Ott  und  Heinrich 
versprachen  diese  kein  Bündnis  zu  schließen  an  unscrs  gantzen  rates  rat;  dem 
Rat  ward  auch  die  Befugnis  eingeräumt,  die  den  Vertragsbestimmungen  zu- 
widerhandelnden Herzoge  zur  Rede  zu  stellen.  Ohne  des  Rates  Zustimmung 
sollte  auch  kein  neues  Ratsmitglied  und  kein  Vitztum  ernannt  werden  (Qu. 


—    257    — 

Zumeist  ging  eine  solche  verfassungsmäßige  Beschränkung  der 
Fürsten,  wenigstens  formell,  aus  ihrem  eignen  Willensentschlusse 
liervor,  indem  sie  in  einer  Taidigungsurkunde,  welche  die  unter 
sich  oder  mit  den  Landständen  schwebenden  Irrungen  zum  Ab- 
schlüsse brachte,  vereinbart  wurde.  Diese  Selbstbeschränkung 
des  Herzogs  geht  zuweilen  so  weit,  daß  er  selbst  im  voraus  ver- 
spricht, den  Mehrheitsbeschlüssen  des  Rats  sich  zu  unterwerfen  *). 

Eine  solche  Beschränkung  der  fürstlichen  Machtvollkommen- 
heit bedeutete  einen  Sieg  des  ständischen  über  das  monarchische 
Prinzip.  Der  Einfluß  der  Stände  gedieh  sogar  zu  solcher  Höhe, 
daß  diesen  selbst  ein  Mitwirkungsrecht  bei  der  Zusammensetzung 
des  Kats,  zu  dessen  Bildung  sich  der  Herzog  verpflichtete,  ein- 
geräumt ward  ^). 

Die  in  den  landesherrlichen  Rat  Aufgenommenen  leisteten 
beim  Dienstantritte  einen  Amtseid,  weshalb  der  Rat  auch  als 
„geschwomer  Rat"  ^)  bezeichnet  wird.    Stellten  auch  die  Hof- 


u.  Er.  VI,  S.  283  ff.  a.  3,  4,  12).  —  Auffiallend  und  nicht  verständlich  nach 
den  Motiven  des  Herzogs  ist  der  Vertrag  H.  Rudolfis  mit  seinem  Schwieger- 
vater K  Adolf  1294  (über  den  Inhalt  siehe  R  i  e  z  1  e  r  U,  S.  264),  in  welchem 
jener  sich  verpflichtete,  nichts  Wichtiges  ohne  Zostimmimg  des  von  E.  Adolf 
bestellten  Rates  vorzunehmen.  Diesem  sollten  auch  die  Vitztume  gehorchen 
(Qu.  u.  Er.  VI,  S  36  f.). 

1)  So  verspricht  H.  Stephan  1358,  die  zur  Hülfe  bewilligte  Steuer  nicht 
zu  andern  Zwecken  zu  verwenden  —  wie  uns  dar  nach  da  mit  aber  unser 
Rat  der  mer  tayl  hin  für  besorgt,  daz  sullen  wir  In  getrewlichen  stät  haben 
und  mit  dhainen  Sachen  niht  widersprechen  (Kai  eh  er  S.  64). 

2)  Stephan  d.  Ä.  1363  (10.  Freibrief  —  v.  Lerchen  fei  d  S.  24):  Wir 
sullen  auch  ainen  rat  haben  und  nemen  von  dem  obem  land  die  darin  ge- 
sessen sind  und  die  darzu  gehOrent,  und  den  sullen  wir  nemen  nach  rat  land 
und  leut,  stet  und  mergkt  ze  obem  Baim.  —  Ebenso  H.  Johann  and  Ernst 
—  München  1393  (16.  Freibrief  —  v.  Lerchenfeld  S.  37):  Wir  sullen 
auch  ainen  rat  alzeit  setzen  und  nemen  nach  rat  ritter  und  knecht  und  unser 
stet  Im  42.  Freibrief  14*58  behält  sich  Albrecht  HL  -  München  (v.  Lor- 
chenfeld S  105),  nachdem  er  das  Erfordernis  der  Inländerqualität  auch 
für  die  Ratsanstellung  grundsätzlich  anerkannt  hatte,  vor:  Würden  wir  aber 
zwaier  oder  dreier  (Ausländer)  notturftig  zu  unserm  rate,  die  muegen  wir 
bestellen  und  aufnemen  nach  unser  landherm  und  rate  rat,  doch  das  land 
und  leut  mit  inen  und  durch  sy  nicht  geregirt  werden.  —  Eine  Ernennung 
von  Hofmeister  und  6  Räten  für  die  Herzoge  Albrecht  IV.  und  Sigmund  er- 
folgt durch  H.  Ludwig  und  die  Stände,  als  Eompromissare  1466  (Erennor 
V,  S.  179). 

3)  Beispiele:  In  einer  Taidigung  der  Herzoge  Ludwig  und  Otto  1293 
wird  der  „geschworen  Rat"  Beider  erwähnt»  so  dafi  dieser  um  diese  Zeit  so* 

K  0  «  ü  a  t  h  a  1 ,  Geschichte  d.  Gerichtiw.  a.  d.  Yenr.-Orf .  Balemt.  h  17 


-    258    — 

beaiiitcn,  wie  erwähnt,  ein  großes  Kontingent  zu  den  Ratsmit- 
gliedern,  so  finden  wir  doch  auch  Geistliche  und  andere  Beamte  0» 
z.  B.  Vitztunie,  Landschreiber,  Stadtrichtcr,  Pfleger,  Mautner, 
die  zugleich  als  Räte  fungieren*),  während  der  größte  Teil 
der  Mitglieder  ausschließlich  Ratsdienst  versahen,  ohne  noch 
ein  anderes  Amt  gleichzeitig  zu  bekleiden.  Als  ein  engerer 
Kreis  hebt  sich  von  dem  Gros  der  Räte  ab  die  Kategorie  der 
„Heimlichen''  ^),  jener  des  besondem  Vertrauens  des  Herrschers 
gewürdigten  Räte,  welche  vorzugsweise  zur  Beratung  der  in- 
timsten  Fragen    herangezogen   wurden.     Diese  Kategorie  der 


wohl  in  Ober-  als  in  Nicderbaiern  existierte  (Qu.  n.  Er.  VI,  S.  23,  26  f.).  Nach 
einem  Privileg  der  Herzoge  Heinrich,  Ott  und  Heinrich  1322  soll  jeder  Vitz- 
tum,  Richter  oder  Scherge,  welcher  die  Bestimmungen  des  1.  Freibricjfe  1311 
übertritt,  sich  vor  dem  Rate  darob  verantworten :  Swelicher  .  .  dez  über  wärt 
Wirt  von  unserm  Rat,  der  je  ze  dem  Ministen  3  suln  sein,  und  süln  auch  di 
unser  Geswom  Rat  sein  .  .  .  (Ealcher  S.  19);  vgl.  noch  1324  (Qu.  u.  Er. 
VI,  S.  285);  2.  Freibrief  1392  (v.  Ler  chenfeld  S.  12);  Freibrief  der  Her- 
zoge Stephan  und  Ludwig  1404  iRockingor,  Einleitung  S.  243). 

1)  Beispiele:  1329  werden  als  Räte  der  niederbairischen  Herzoge  auf- 
geführt: 1  Hofmeister,  2  Vitztume  und  der  Mautner  von  Burghansen  (Qu. 
u.  Er.  VI,  S.  297i;  1405  Nach  unsers  (iL  Heinrichs)  Vitztum,  Hofmeisters, 
Knmmcrmeisters  und  andrer  unsrer  Räte  Rat  vKalcher  S.  111  h;  1411  K 
Preysinger,  Pfleger  zu  I.,  Rat  H.  Heinrichs  iR.  B.  XII,  p.96j;  1417  N.,  Viti- 
tuin  in  Xiedorbaiem;  N.,  Abt  zu  Windberg:  E.,  Landschreiber,  Räte;  1429 
H.  Heinrich  ordnet  zur  Teilung  der  Niederlande  seine  Räte:  B,  Lehrer  der 
geistlichen  Rechte  und  Pfarrer  zu  S.  Martin  in  L.,  und  andere,  darunter 
R»*ntmeister  und  Dechant  zu  Moosburg  (R,  B.  XII,  p.  96,  248;  XUI,  p.  1471 

2}  Sielio  die  S.  136  f.  angeführten  Räte.  Vgl.  auch  z.  B.  die  Uberein- 
kunfi  der  Adligen  und  Städte  Niederbaierns  1347  (Rockinger,  Einleitung 
8.  ini  ,  wo  unter  den  Adligen  figurieren:  A.  v.  Massenhausen,  Marschall  in 
B. ;  U.  V.  Leubolfiug,  Truchscß  in  B.;  P.  Ecker,  Vitztum  zu  Straubing,  Albr. 
V.  Stauduch,  Vitztum  bei  der  Rot,  und  die  statistischen  Übersichten  in 
B  u  c  h  n  e  r,  Geschichte  VI,  z.  B.  S.  165  f.). 

'S)  Ich  glaube,  da£  man  sich  unter  Heimlichen  doch  wohl  einen  engem 
Kreis  von  Räten  vorzustellen  hat,  denn  bei  der  Seltenheit  dieser  Bezeichnung 
ist  OS  nicht  wahrscheinlich,  daü  man  Heimlicher  einfach  mit  Rat  identifizieren 
darf,  wie  dies  R  i  e  z  1  e  r  II,  S.  530  zu  thun  geneigt  ist^  wo  er  die  Heimlichen 
K.  Ludwigs  anführt  Als  Heimliche  werden  genannt  z.  B.  1331  (unter  K. 
Ludwig)  B.  Graf  zu  Graisbach  und  Marstetten,  genannt  v.  Nyfien  (R.  B.  VI, 
p.  35ü);  1333  Nikolaus,  Propst  zu  llhiiünstcr  (unter  H.  Heinrich),  Oefele  U, 
S.  173;  1384  Job.  v.  Abensberg  (unter  H.  Stei»han  und  Friedrich  von  Nieder- 
baiem,  Qu.  u.  Er.  VI,  S.  533);  1394  Johann  Landgraf  zum  Leuchtenberg 
(unter  Albrecht  von  Straubing,  18.  Freibrief  bei  v.  Lorchenfeld  S.41). 


—    259    — 

Heimlichen  erscheint  erst  seit  den  Tagen  K.  Ludwigs,  so  daß 
an  eine  Herübernahnie  dieser  höheren  Rangstufe  der  Räte  aus 
der  Beanitenhierarchie  des  Reichs*),  wo  wir  diese  Kategorie 
schon  frühe  finden,  zu  denken  ist^). 

In  allen  durch  die  verschiedenen  Teilungen  geschaffenen 
selbständigen  bairischen  Territorien  gab  es  einen  Rat.  Wo  ein 
Herzog  die  Zügel  der  Regierung  lenkte,  bedurfte  er  auch  der 
thätigcn  Beihülfe  persönlicher  Ratgeber,  die  von  Fall  zu  Fall 
auf  Befehl  des  Herrschers  zu  gemeinschaftlicher  Thätigkeit  zu- 
sammentraten. Das  ist  ja  das  dem  älteren  Rat  im  Gegensatz 
zum  Hofrat  der  Neuzeit  eigentümliche  Moment,  daß  jener  so- 
wohl in  Bezug  auf  seine  Zusammensetzung  wie  Thätigkeit  im 
einzelnen  Falle  vom  herzogUchen  Befehle  abhängig  war,  dieser 
hingegen  auf  einer  festen  Grundlage  als  organische  Institution 
eine  dauernde  Wirksamkeit  entfaltete,  indem  seine  Verfassung 
und  Zuständigkeit  ein  für  alle  Mal  durch  Verordnung  festgesetzt 
war.  Die  Zahl  der  Ratgeber,  die  jeweils  an  einem  Hofe  zur 
Verfügung  standen,  war  eine  höchst  verschiedene^),  sie  schwankte* ) 
zwischen  7  und  50.  Auch  über  die  Anzahl  der  Räte,  die  zu 
einer  Einzelberatung  zuzuziehen  sind,  entscheidet  lediglich  des 
Herrschers  Ermessen.  Nur  ausnahmsweise  wird  bei  gemein- 
scliaftlicher  Regierung  mehrerer  Fürsten  diese  Zahl  verfassungs- 
mäßig festgelegt,  z.  B.  1466  auf  7  (Hofmeister  und  6  Räte)  für 
die   Regierung   H.   Sigmunds  und  Albrechts  IV.  (München)  •''). 

In  den  Bestimmungen  dieses  Vertrags  von  1466  tritt  uns 
überhaui)t  zum  ersten  Mal  eine  festere  Formation  des  Rats  ent- 

1)  VVaitz,  Verfassungsgeschichte  VI,  S.  292  t 

2)  Heimliche,  sccretarii  kommen  auch  in  andern  Territorien  Tor.  Vgl 
V.  Maurer,  Fronhöfe  II,  S.  237;  Kopp,  Hess.  I,  S.  288;  Lamprecht 
I,  2,  S.  1429;  V.  Below,  Die  landstäncL  Vorf  v.  Jülich  I,  S.  82,  welche 
obeufalls  „Heimliche"  und  „Räte"  far  synonyme  Begriffe  halten.  Die  Frage 
bedarf  noch  einer  eingehenderen  Untersuchung. 

3)  Ludwig  der  Reiche  von  Landshut  hatte  bei  seinem  Regierungsantritte, 
sowohl  um  den  Glanz  des  Hofes  zu  erhohen  als  um  für  die  Bewältigung  der 
Kc^aerungsgeschäfte  genügendes  Personal  zu  haben,  38  neue  Räte  zu  den 
von  seinem  Vater  überkommenen  hinzugefügt  (Eluckhohn,  Ludwig  d.  R. 
S.  34  f.). 

4)  Vgl.  die  Aufzählung  der  Hofräte  der  einzelnen  Teile  in  den  statistischen 
Übersichten  bei  Buchner,  Geschichte  VII  (?or  jedem  der  3  Abschnitte). 

5)  Krenner  V,  S.  180. 

17» 


—    260    - 

gegen.  Sie  sind  von  grundl^ender  Bedeutung  für  dessen  kol- 
legiale Organisation,  wie  denn  überhaupt  solche  unter  ständischer 
Mitwirkung  vereinbarten  Festsetzungen  über  gemeinschaftliche 
Regierung  am  meisten  zur  Ausbildung  der  Kollegialverfassung 
des  Rats  beigetragen  haben. 

Auch  hier  bildete  die  Einsetzung  des  Rats  eine  vereinbarte 
Schranke  für  die  Regierungsgewalt,  denn  diese  oder  der  eine 
in  München  anwesende  Herrscher  waren  verpflichtet,  in  den  das 
gemeine  Regiment  der  Herrn,  Land  und  Leute  berührenden 
Sachen  mit  dem  Hofmeister  und  den  6  Räten  zu  beratschlagen 
und  zu  handeln  —  „was  sie  dann  alle  oder  der  mehrere  Teil 
beschließen,  dem  soll  nachgegangen  werden"^).  Hier  wird 
also  (las  für  die  Kollegialverfassung  zumeist  maßgebende  Ma- 
juritätsprinzip  anerkannt.  Den  Herzogen  war  die  Befugnis  ein- 
geräumt, ihre  andern  Räte  —  außer  dem  Hofmeister  und  den  6 
zu  sich  zu  fordern,  so  oft  es  ihnen  notwendig  erschien  — 
diese  sollten  dann  im  Rate  ihre  Stimme  auch  haben,  als  sie 
dann  bisher  gehabt  haben  *).  Der  Kreis  der  Kollegialmitglieder 
war  also  kein  fest  abgeschlossener. 

In  dem  Vertrage  werden  sodann  die  Kompetenzverhältnisse 
der  Behörde  durch  die  Abgrenzung  der  einzelnen  zu  ihnen 
ressortierenden  Materien  in  bestimmten  Gruppen  eingehend  ge- 
regelt. 

Neben  den  erwähnten,  die  gemeinschaftliche  Regierung  be- 
treflfenden  Gegenständen,  bei  deren  Beratung  die  Herzoge  per- 
sönlich teilnelunen  müssen,  steht  dann  die  Gruppe  von  An- 
gelegenheiten (Regalia,  Veräußerung  von  Schlössern,  Städten, 
Märkten,  Dörfeni,  Gerechtigkeit,  Gilt,  Rent,  Zins  oder  Nutzung 
berührend),  über  welche  der  Rat  beschließen  kann,  welche  Be- 
schlüsse aber  der  herzoglichen  Genehmigung  bedürfen.  Ganz 
selbständige  Entscheidungsgewalt  hatte  ^)  der  Rat  in  Abwesen- 
heit der  Herzoge  in  Sachen,  die  nicht  die  Herren,  sondern  die 
Parteien  allein  gegeneinander  berührten.  Während  bisher  der 
Rat  nur  konsultatives  Organ  war,  die  Entscheidung  aber  stets 
dem   Landesherrn  zustand,  überträgt  dieser  jetzt  seine  Ent- 


1)  Kren n er  V,  S.  180. 

2)  Ib.  S.  181. 

3)  Hofineiflter  und  6  Räte  sollten  an  der  Herren  Statt  Macht  haben  za 
handeln  zwischen  den  Parteien  von  Sachen  wegen  .  .  .  (ibid.). 


—    261    — 

Scheidungsbefugnis  im  voraus  für  eine  bestimmte  Kategorie  von 
Sachen  an  den  Bat.  Zu  dieser  Kategorie  zählen  hier  wohl 
hauptsächlich  Verwaltungsbeschwerden  und  alle  Entscheidungen, 
die  nicht  auf  Grund  eines  gerichtUchen  Verfahrens  erfolgten. 
Denn  in  Bezug  auf  die  Hofgerichtssachen  selbst  findet  sich  die 
Anordnung,  daß  Hofmeister  und  6  Räte  im  alten  Schlosse  Hof- 
gericht und  Verhörung  halten  sollten  0-  Während  es  also  bis- 
lang eines  besondern  herzoglichen  Auftrags,  gewöhnlich  an  den 
Hofmeister  gerichtet,  bedurfte,  wurde  hier  diese  Einrichtung 
zu  einer  organischen  gemacht  im  Gegensatze  zu  der  Anord- 
nung von  Fall  zu  Fall. 

Daß  aber  nicht  jetzt  erst  etwa  gemeinschaftliche  Sitzungen 
der  Räte  eingeführt  wurden,  beweist  die  Erwähnung  der  ge- 
wöhnlichen Ratstubc  im  alten  Schlosse^).  Nur  bei  einer  ge- 
wissen regelmäßigen  Wiederkehr  der  Sitzungen  empfindet  man 
das  Bedürfnis  nach  einem  Sitzungslokal,  welches  am  besten  das 
Element  der  Ständigkeit  des  Kollegiums  veranschaulicht. 

Ein  wichtiges  Stadium  im  Entwicklungsprozeß  des  Hofrats 
als  Kollegialbehörde  bildet  das  Institut  der  „geordneten  Räte", 
welches  H.  Georg  1489,  Beschwerden  der  Landstände  Abhülfe 
gewährend ,  ins  Leben  rief  für  die  Bewältigung  der  laufenden 
Geschäfte.  Er  verordnete^):  „Der  täglichen  Händel  und  Aus- 
richtung halben,  wollen  Wir  etliche  Räthe  ordnen,  die  alle  Werk- 
tage auf  eine  bestimmte  Stunde,  nämlich  um  7  Vorm.  zusammen 
auf  die  Kanzley  kommen,  und  daselbst  in  Beywesen  unsers 
Kanzlers,  und  ob  er  andrer  unsrer  Geschäfte  halben  zu  Zeiten 
nicht  dabey  sein  möchte,  eines  oder  zweyer  Kanzelschreiber 
einen  jeden  der  alsdann  in  unserm  Hofe  zu  thun  hat,  und  was 
sonst  gemeiner  Sachen  sind,  verhören  und  darinn  forderliche 
und  ziemliche  Ausrichtung  zu  thun  Macht  haben  sollen,  wie 
sich  dann  nach  Gestalt  einer  jeden  Sache  gebührt,  ungefährlich. 
Doch  was  unser  Wandel  und  Straffen  berührt,  und  dazu  sondere 

1 )  Wenn  H.  Sigmund  in  München  ist,  sonst  soll  H.  Albrecbt  sie  in  seinen 
Hof  oder  Herberg  fordern  und  daselbst  Ausricbtong  thun  in  aller  Ma£  in 
der  Ratstuben  im  alten  Schlosse  bescbehen  mOchte  (ibid.). 

2)  Es  ist  das  die  schon  seit  1396  als  „alte  Yeste"  bezeichnete  alte  Re- 
sidenz, welche  später  der  Sitz  aller  Centralstellen  war  (Haeutle,  Gesch. 
der  Residenz  in  München.   Leipzig  1883.   S.  2,  3  £). 

3)  Krennor  XU,  S.  275  i 


—    262    — 

SacheD  vorhanden  seyn  werden,  daran  merkliches  gelegen  ist, 
und  die  an  Uns  zu  bringen  Nothdurft  seyn  will,  darinn  mögen 
sie  ihr  Gutbedünken  und  Rath  auch  zu  erkennen  geben.  Die- 
selben sondere  Sachen  sollen  alsdann '  mit  samt  unsrer  Räthe 
Gutbedünken  an  Uns  gebracht  und  nach  Gelegenheit  der  Sachen 
auf  unsrer  Räte  Gutbedünken  durch  unser  Geschäft  ziemlich 
und  förderlich  abgefertigt  werden." 

Diese  geordneten  Räte  waren  auch  berechtigt,  gütliche  und 
Rechttage  anzuberaumen  ^).  In  wichtigen  Fragen  wurden  sie 
I)ersöulich  vom  Herzog  zur  Berichterstattung  und  Besprechung 
empfangen. 

Es  wird  also  eine  Hofratskommission  zur  Erledigung  der 
laufenden  Geschäfte  bestellt.  Sie  wird  teils  mit  definitiver  Ent- 
scheidungsgewalt ausgestattet,  zum  Teil  ist  sie  nur  begutachtende 
Behörde.  Auch  diese  teilweise  Loslösung  von  der  Person  des 
Herrschers,  diese  unbedingte  Selbständigkeit  der  Amtsführung, 
zu  welcher  diese  geordneten  Räte  ermächtigt  werden,  bilden, 
wie  gezeigt  wurde,  kein  Novum  mehr.  Was  aber  dieser  In- 
stitution ihre  große  Bedeutung  für  die  Geschichte  des  Behörden- 
wesens verleiht,  das  ist  die  Permanenz.  Wir  haben  hier  zum 
ersten  Mal  eine  Behörde  im  modernen  Sinne,  eine  Behörde, 
welche  täglich  zur  bestimmten  Zeit  im  bestimmten  Lokal 
ihre  Sitzungen  abhält  und  die  ihr  übertragenen  Aufgaben  er- 
ledigt. 

Den  Abschluß  der  Entwicklung  dieser  Periode  stellt  wie 
für  das  Hofgericht  auch  für  den  Rat  die  L.O.  1501  dar.  Den 
Impuls  zu  dieser  Organisation  gab  offenbar  die  Einrichtung  des 
Hofrats  *),  welchen  K.  Maximilian  I.  1497  bezw.  1498  als  höchste 
Gerichts-  und  Regierungsbehörde  für  das  Reich  und  die  Erl>- 
lande  ins  Leben  gerufen  hatte.  Über  die  Vorgänge  am  Kaiscr- 
hofe,  die  man  in  den  Herrscherhäuseni  der  deutschen  Territo- 
rien mit  Eifer  verfolgte,  wurden  die  Fürsten  durch  ihre  Agenten, 
welche  sie  dort  zeitweise  unterhielten,  auf  dem  Laufenden  erhalten. 
Ein   solch  eingehender  Bericht  ül>er  die  Behördenorganisation 


1)  Übor  die  hofgerichtliche  Th&tigkeit  dieser  „geordneten  Räte**  ygL 
S.  151. 

2)  Über  diesen  vgl.  Adler  S.  43  ff;  Rosenthal,  Die  Behörden- 
Organisation  K  Ferdinands  L  (S.A.  aus  Arch  für  Osterr.  Gesch.  Bd.  LXIX). 
Wien  1887.   a  6  £ 


■j^i^ 


—    263    — 

K.  Maximilians  I.  von   1498,    welcher  für  den   oberbairischen 
Herzog  Albrecht  IV.  verfaßt  war,  ist  erhalten  * ). 

Einen  ganz  genauen  Einblick  in  das  Räderwerk  des  von 
Max  geschaffenen  Apparats  der  Centralstellcn  mußte  aber  Herzog 
Georg  (Landshut)  *^)  gewinnen,  welcher  berufen  war,  dabei  eine 
aktive  Rolle  zu  übernehmen,  indem  er  zum  Hofmeister  des 
k.  Ilofrats  ernannt  wurde.  Die  reichsständische  Reformbewegung 
im  Beginne  der  Maximihaneischen  Regierungsepoche  hatte  die 
Würde  eines  Reichshofmeistei'S  wieder  zu  neuem  Leben  erweckt, 
aber  nur  für  wenige  Jahre.  Denn  bald  wurde  diese  Charge  wieder 
zu  der  eines  königlichen  Regierungsbeamten  herabgedrückt  =*). 

Georg  nun  führte  nach  der  Rückkehr  in  sein  Erbherzogtum 
in  diesem  eine  Organisation  des  Hofrats  durch,  bei  welcher 
allerdings  nicht  an  eine  getreue  Nachbildung  des  österreichischen 
und  Reichshofrats  zu  denken  ist,  sondern  für  welche  die  Er- 
fahrungen am  Hofe  des  Reichsoberhaupts  nur  die  allgemeine  An- 
rcigung  gegeben  und  nur  im  großen  und  ganzen  richtunggebend 
gewesen  sein  dürfte,  denn  die  Initiative  ging  von  den  Ständen^) 
aus,  aber  auch  in  diesen  Kreisen  mögen  die  Maximihaneischen 
Reformen    den   Anstoß  zu  solchem  Verlangen  gegeben  haben, 

1)  An  herrn  Albrechten  .  .  pfaltzgrafen  bei  Bbein,  herzog  in  Ob.  und 
Nidorn  Baiern  (sein  fürstl.  gnaden  zu  oygen  banden).  —  DurchL  bocbgebomer 
fürst  .  .  .  aus  inligender  schrift  wirdet  eur  f.  gnaden  ettlich  artickl  der  neuen 
ordnun.i^'cn  halben,  die  itz  eröflfendt  sind,  bericht,  was  gstalt  furohin  gohandlt 
werden  sollt  und  wer  dieselben  sein  und  so  dieselb  Ordnung  gar  eröffnet^ 
Jas  wil  ich  cum  f.  gn.  von  stund  an  verkünden.  (Folgt  ein  Bericht  über 
ein  Turnier)  .  .  von  herrn  und  botschaftern  sind  hie  .  .  herzog  Friedrich  und 
Johann  von  Sachsen,  herzog  Georg  von  Baiem . .  sonst  weiß  ich  eur  f.  gn.  dies 
zeit  nichts  neues  zu  künden.  Innsbruck  freitag  vor  Invocavit  .  .  98.  Mathes 
Schmidl.  In  der  Anlage  werden  alle  Mitglieder  des  Hofrats  (an  1.  Stelle 
der  Kurfürst  Friedrich  v.  Sachsen,  an  2.  Herzog  Georg  v.  Baiem  als  Hof- 
nii'istfr  .  .1,  der  Hofkainmcr  und  der  Innsbrucker  Schatzkammer  aufgeführt 
und  oini.::«^  mehr  Nebensächliches  beliandolndo  Stellen  aus  der  Hofordnung 
niitgoteilt  (]\Iünchner  Staats-Archiv  —  Reichstagshandlungen  de  anno  1405 
bis  ir,04   S.  100  f.). 

2 !  U 1  m  a  n  n ,  K.  Maximilian  I.  I.  S.  825. 

'i)  Ilor/og  Georg  führt  den  Titel:  der  Rö.  Kö.  Majestät  und  des  Reichs 
Hofiiif'istor.  Schon  1502  ist  Eitelfriedrich  von  ZoUom  sein  Nachfolger,  f  1512. 
Dann  crfoli^'t  erst  die  Umwandlung  des  Charakters  dieser  Würde.  Vgl.  S  e  e- 
ligor  S.  74. 

4)  Krenuer  XÜI,  S.  161. 


—    264    — 

indem  sie  nach  dem  Vorbilde  des  deutschen  Königs  auch  von 
ihrem  Landesherm  eine  geordnete,  auf  fester  Grundlage  ruhende 
und  wenigstens  in  engen  Grenzen  in  ihrer  Wirksamkeit  von 
seiner  Person  losgelöste  Regierungsbehörde  erstrebten. 

Daß  in  dieser  Landesordnung  zum  ersten  Male  der  Titel 
„Hof rate"  gebraucht  wird,  schon  diese  Äußerlichkeit  weist  auf 
das  österreichische  Vorbild  hin  ^).  „Durch  den  Kanzler  und  die 
anwesenden  Hofräte",  sagt  die  Landesordnung,  „sollten  die  in 
der  Kanzlei  einlaufenden  Supplikationen  und  Anbringen,  wie 
bisher  ungefährlich  beschehen,  mit  Geschäften  förderlich  ab- 
gefertigt werden"  *).  Auf  die  Anknüpfung  dieses  „täglichen 
Rats"  an  die  „geordneten  Räte"  von  1489  ist  hier  direkt  Bezug 
genommen.  Beide  Institute  sind  ihrer  Bildung  und  ihrem 
Wirkungskreise  nach  im  wesentlichen  identisch;  die  Mitglieder 
des  Rats,  der  höchsten  Regierungs-  und  Verwaltungsbehörde, 
sind  zugleich  Beisitzer  des  Hofgerichts. 

Der  tägliche  Rat  ist  wie  sein  Vorgänger  teils  mit  selb- 
ständiger Entscheidungsgewalt  ausgerüstet,  teils  ist  er  nur  be- 
gutachtende Behörde,  so  daß  seine  Beschlüsse  auf  diesem  Ge- 
biete zu  ihrer  Wirksamkeit  der  Genehmigung  des  Herrschers 
bedurften. 

Da  der  Geschäftskreis  des  Hofrats  ein  sehr  ausgedehnter 
war  und  sich  prinzipiell  auf  alles  erstreckte,  was  ihm  nicht 
ausdrücklich  entzogen  war,  so  blieb  der  Kreis  der  Aufgaben, 
welche  ihm  zur  selbständigen  Erledigung  zugewiesen  waren,  ein 
sehr  weiter.  Jene  zweite  Kategorie  von  Geschäften,  welche  der 
Herzog  dem  Hofrat  nur  zur  Begutachtung  überUeß,  wurde  nun 
vom  Herzog  Georg  viel  schärfer  umschrieben,  als  dies  1489  der 
Fall**)  war  und  als  dies  K.  Maximilian  in  Österreich  gethan  hatte*), 
denn  die  L.O.  1501  sagt  ausdrücklich:  „Doch  ausgenommen, 
was  unser  Gut,   oder  merkliche  unsere  Obrigkeit  antrift,  oder 


1)  In  Brandenburg  begegnet  der  Titel  Hofirat  auch  ungefähr  um  diese 
Zeit  (1515)  zum  ersten  Male.  Vgl  StOlzel,  Brandenburg^Preußcns  Rechts- 
verwaltung  und  BecbtsverfiEissung  I,  S.  129. 

2)  Krenner  XIU,  S.  274. 

3)  Vgl  S.  57. 

4)  Hofordnung  1497:  doch  was  gros  und  swcr  hendel  sein,  sollen  si  zu- 
vor uns  anbringen,  unsem  beslus  und  willen  darauf  zu  empfahen  (K.  K.  Haus-, 
Hof-  und  Staatsarchiv  zu  Wien). 


—    265    — 

darinn  Wir  vorhin  selbst  geschafft  hätten ;  In  denselben  Sachen 
sollen  die  Käthe  außer  unsers  Willens  und  Wissens  nicht  end- 
lich schaffen ;  aber  sie  mögen  uns  allweg  Ihren  Rath  oder  Gut- 
bedünken  darinn  anzeigen,  so  wollen  Wir  alsdann  darauf  ziem- 
liche Geschäfte  thun,  und  ausgehen  lassen,  und  Uns  darinn 
gnädiglich  und  gebührlich  halten"^). 

Die  weitere  Ausbildung  des  Hofrats  auf  dieser  Grundlage 
wird  uns  unten  im  3.  Buche  beschäftigen. 


§14. 
Der  Kanzler  und  die  Kanzlei. 

Nach  dem  Vorbilde  0  am  Kaiserhofe  ^)  bedienten  sich  auch 
die  Fürsten,  als  mit  Ausbildung  der  Landeshoheit  das  Schreibe- 
werk iiu  den  Höfen  zunahm,  eines  besonderen  Beamten,  welchem 
die  Ausfertigung  aller  fürstlichen  Urkunden  zufiel. 

Mit  dem  14.  Jahrhundert  wird  das  Schreibewerk  immer 
mehr  in  die  Verwaltung  eingeführt*)  und  nimmt  im  15.  Jahr- 
hundert immer  größere  Dimensionen  an.  In  diesem  Schrifttum 
war  das  wesentlichste  Werkzeug  des  modernen  Beamtenstandes 
gcschaflfen,  und  auf  ihm  beruht  zum  großen  Teile  die  moderne 
Verwaltung^).  Dieses  Überhandnehmen  des  Schreibewerks  in 
der  Verwaltung  hatte  natürlich  eine  steigende  Bedeutung  des 
Kanzleramts  zur  Folge. 

Da  die  Kunst  des  Lesens  und  Schreibens  nur  von  Klerikern 
betrieben  wurde,  so  konnte  das  Schreiberamt  an  den  fürst- 
lichen Höfen  auch  nur  einem  Geistlichen  übertragen  werden*). 
Zudem  wurden  die  Urkunden  in  lateinischer  Sprache  abgefaßt  ^ ), 

1)  Krennor  XHI.  S.  274  f. 

2)  An  den  Eaisorhof  war  der  Kanzler  von  Italien  ans  eingednmgen.  Vgl 
Stölzel,  Gel.  Richtertum  I,  S.  253. 

3)  Über  den  „Reichskanzler  und  die  Reichskanzlei  in  Deutschland*'  siehe 
0.  L  0  r  0  n  z,  Drei  Bücher  Geschichte  und  Politik  S.  52  ff.,  über  das  Kanzleramt 
in  Frankreich  das.  S.  75  f  und  in  England  S.  77  £ 

4)  Vgl  Lamprecht  II,  S.  667. 

5)  Schmoller,  Straßburg  z.  Z.  der  Zunftkämpfe.  Strafiburg  1875.  S.  72. 

6)  Vgl  Stölzol,  Brandenb.  Rechtsverw.  S.  33  i 

7)  Seit  Mitte  des  13.  Jahrhunderts  bediente  sich  die  bairische  Kanzlei 
der  deutschen  Sprache  bei  AbÜAssung  von  Urkunden.    Während  der  Land- 


—    266    — 

so  daß  für  den  Schreiberdienst  die  Kenntnis  des  Lateinischen 
unumgänglich  notwendig  war,  und  nur  die  Kleriker  waren  des- 
selben mächtig. 

Seit  dem  Beginne  des  13.  Jahrhunderts,  also  unter  der 
Herrschaft  des  zweiten  Witteisbachers  (Lud\sigs  I.),  finden  wir 
am  bairischen  Herzogshofe  Schreiber  * )  angestellt,  wie  auch  im 
Laufe  des  13.  Jahrhunderts  in  andern  deutschen  Territorien 
fürstliche    Schreiber    auftreten  *).      Selbstverständlich    wurden 


frieden  von  1244  (Qu.  u.  Er.  V,  S.  77  ff.)  noch  lateinisch  abgefaßt  ist,  erscheint 
der  ihm  nachgebildete  von  1255  schon  in  deutscher  Sprache  (ibid.  S.  140  ff). 

1)  Als  solche  erscheinen  im  13.  Jahrhundert  (das  Verzeichnis  will  kein 
erschöpfendes  sein)  und  zwar  als  protonotarii  des  Herzogs  Ludwig  L  (1220) 
Ulrich  Losenaph;  Ottos  II.  (1247)  Henricus,  prepositus  monasteriensis;  Lnd- 
wigs  U.  (1259,  1262)  Aerbo,  archidiaconus  eistetensis  und  (12^:6)  Albertus, 
prepositus  de  Illenrounster ;  Heinrichs  XÜL  (1284)  roagister  Fridericus,  nostre 
curie  prothonotarius ;  der  Herzoge  Otto,  Ludwig  und  Stephan  (1294)  meister 
Gund.  der  oberist  Schreiber,  (1295)  Wember  der  oberst  Schreiber,  und  aus 
dem  Anfange  des  14.  Jahrhunderts  H.  Rudolf  und  Ludwig  (1309)  familiaris 
et  prothonotarius,  Chunradus  decanus  ratisponensis  ecclede  (Qu  u.  Er.  V, 
S.  45,  97,  166  [186],  214;   M.  B.  IX,  p.  93;  Qu.  u.  Er.  VI,  S.  53,  157;  R  B. 

IV,  p.  618).  —  Als  Schreiber  kommen  im  13.  Jahrhundort  vor:  Ludwigs  L 
(1204)Berhtoldus  scriptor  et  notarius,  (1213)  Geroldus,  notarius  ducis;  Ottos  L 
(1231)  CTiunrat  unser  notari  von  Haidelberckh,  (1230,  1237)  Heinricus  scriba 
ducis,  (1240,  41)  ülricus  notarius,  canonicus  s.  Andree  de  Frisinga,  (1244) 
Hainricus  et  Snikerus,  notarii  ducis  [qui  hanc  notulam  scripserunt],  (1251) 
Erbo,  notarius  ducis  et  Njcolaus  notarius  domine  ducisse;  Ludwigs  11.^1266) 
Bertholdus,  (1272)  Hartradus,  Fridericus  et  Perhtoldus,  notarii  domini  nosiri 
ducis,  (1272)  Eberhardus  et  Heinricus  notarii  curie  domini  ducis,  (1284)  ma- 
gister  Chunradus,  notarius  ducis,  canonicus  s.  Andreae  Frising.,  (1286' Fridericus 
de  Staufe,  notarius  domini  mei  ducis,  (1288,  1292)  Chunrad  d.  erzbriester  ze 
Eistet  unsem  schriber,  (1204)  Heinricus  notarius  noster,  canonicus  veteris  ea* 
peUe  ratisponensis,  der  Herzoge  Otto,  Ludwig  und  Stephan  (1295)  [Magister 
Llr.  Charglo]  Sifridus  et  Ditericus  clerici  et  notarii  curie  supradictorum  do- 
minorum  nostrorum  ducum  (Qu.  u.  Er.  V,  S.  4,  18,  52 ;  M.  B.  XII ,  p.  387, 
380;  Qu.  u.  Er.  V,  S.  65,  72  [73];   M.  B.  XIV,  p.  51;  XVI,   p.  124;  Qu.  u.  Er. 

V,  S.  112  [110];  M.  B.  III,  p.  168;  Qu.  u.  Er.  V,  S.  214,  2U  [254],  258,  400. 
467;  R.  B.  IV,  p.  2U;  M.  B.  XVIII,  p.  6;  Qu.  u.  Er.  VI,  S.  35,  82;  R.  B.  IV, 
p.  582  .  Über  die  Kanzler  der  folgenden  Jahrhunderte  vgl  noch  Bi  e  1 1  e  r  II, 
S.  174,  532  £;  Bu ebner,  Gesch.  VI,  S.  150, 156, 164,  335,  348;  Neudegger, 
Gesch.  d.  bayer.  Archive  (S.A.  aus  v   Löher's  Arch.  Zeitschr.  VII)  S.  69  f 

2)  So  in  Hessen  (Stolze  1,  Gel.  Richtertum  I,  S.  401).  In  Trier 
tritt  der  Kanzler  erst  in  den  Quellen  des  14.  Jahrhunderts  mehr  hervor 
(L  a  in  ])  r  e  c  h  t  I,  2,  S.  1433),  ebenso  in  Brandenburg  (S 1 0 1 1  el ,  Brandenb. 
S.  XXXIII).     Sdion  froher  sind  nachweisbar  Notare  der  KarkgxAfen  Ton 


—    267    — 

auch  schon  früher  Urkunden  von  Fürsten  ausgestellt,  aber  man 
hatte  für  die  Ausfertigung  derselben  noch  nicht  besondere  Beamte 
aufgestellt,  sondern  wohl  zumeist  Geistliche  aus  benachbarten 
Kl()steni  und  Stiftern  von  Fall  zu  Fall  mit  der  Konzipier ung 
und  Ausfertigung  solcher  beauftragt. 

Noch  unter  Ludwig  I.  ist  wohl  die  Organisation  der  Kanzlei 
erfolgt,  denn  unter  ihm  erscheint  zum  ersten  Male  1228  Ulrich 
Loseuaph  als  sein  protonotarius  ^ ).  Mit  der  Erweiterung  des 
Kreises  der  Regierungsgeschäfte  genügte  nicht  mehr  eine  Person 
zur  Erledigung  der  schriftlichen  Ausfertigungen,  die  vom  Hofe 
auszugehen  hatten,  es  mußten  jetzt  mehrere  Schreiber  ^)  (nota- 
rius  ist  die  gewöhnliche  Bezeichnung,  daneben  kommen  noch 
vor  scriptor  und  scriba)  herangezogen  werden,  von  welchen 
einer,  der  protonotarius,  den  übrigen  übergeordnet  wird.  Dieser 
protonotarius  („oberster  Schreiber")  gewinnt  den  größten  Ein- 
fluß auf  die  Regierungsangelegenheiten;  seine  gelehrte  Bildung, 
seine  Kenntnis  des  kanonischen  Rechts  hebt  ihn  ja  auf  diesen 
Posten  und  macht  ihn  zum  einflußreichsten  Ratgeber  des  Fürsten, 
dessen  Besclilüssen  er  erst  die  formelle  Gestaltung  gibt  resp. 
geben  läßt. 

Der  Protonotar  leitete  als  Vorstand  alle  Geschäfte  der 
Kanzlei,  die  Notare  hatten  seine  Befehle  zu  vollziehen.  Ob 
neben  den  Notaren  noch  untergeordnete  Schreiber,  welche  etwa 
(las  Mundieren  der  vom  Protonotar  bezw.  den  Notaren  ge- 
fertigten Konzepte  zu  besorgen  hatten,  angestellt  waren,  ent- 
zieht sicli  unsrer  Kenntnis,  wie  die  Einrichtung  der  Kanzlei 
überhaupt  ^). 

Auch  für  die  bairische  Hofkanzlei  dürfte  die  Schilderung 
zutrett'en,  welche  Posse*)   von  den  Funktionen  der  Hofnotare 

Meißen  (circa  1156)  und  der  Landgrafen  von  Thttringen  seit  1076  (Posse 
S.  177,  183). 

1)  Qu.  u.  Er.  V,  S.  45.  In  derselben  Urkunde  Ottos  IL,  des  Sohnes  Lud- 
wi^'s  1.,  welcher  mit  der  Pfalzgrafschaft  belehnt  worden  war,  kommt  neben 
dem  protonotarius  des  Vaters  auch  sein  eigner  vor  —  Datum  Heidelberc  per 
manus  Cunradi  prothonotarii  nostri 

2)  Herzog  und  Herzogin  haben  auch  ihren  besondem  Schreiber,  z.  B.  1251 
Erbo  uotarius  ducis  (Ottos  IL)  et  Njcolaus  notarius  domine  ducisso  (Qu.  u.  Er. 
V,  S.  112).    Vgl.  noch  K.  B.  IV,  p.  492  (1291),  und  Riezler  II,  S.  174. 

3)  Über  Notariat  und  Kanzlei  YgL  Posse  S.  166  £ 

4)  S.  171. 


—    268    — 

bezw.  Protonotare  auf  Grund  meissenscher  und  thüringischer 
Kauzleistudien  entwirft.  „Zunächst",  sagt  Posse,  „war  es  ihre 
Hauptaufgabe,  den  Fürsten  vor  den  Folgen  der  Fälschung  zu 
schützen  und  das  Gewicht  älterer  Rechtstitel  zu  prüfen,  sowie 
darüber  zu  wachen,  daß  durch  die  Urkunde  nicht  mehr  oder 
weniger,  als  was  der  Fürst  gewollt,  bewilligt  wurde.  Faßte  der 
Fürst  keinen  Beschluß  ohne  ihren  Rat,  so  war  es  ihre  Aufgabe, 
diesen  schriftlich  so  zu  fixieren,  daß  er  später  nicht  angefoch- 
ten werden  konnte.  Gerade  in  älterer  Zeit  war  das  von  ganz 
besonderer  Wichtigkeit.  Wissen  wir,  daß  man  eine  feste  Kanzlei- 
ordnung erst  spät  einführte,  daß  vor  dieser  Zeit  die  Urkunden 
zumeist  vom  Empfänger  hergestellt  wurden,  so  galt  es  vor 
Vollziehung  derselben  den  Inhalt  zu  prüfen,  damit  nicht  der 
Empfänger  nachträglich  für  sich  Rechte  vindizierte,  die  ihm  in 
der  Vorverhandlung  nicht  zugebilligt  waren  oder  die  nach  be- 
reits verbrieften  Rechtstiteln  von  ihm  nicht  beansprucht  werden 
konnten.  Für  den  Inhalt  der  Urkunde  trat  er  aber  auch  dadurch 
ein,  daß  er  als  Zeuge  dieser  garantirt  ^)".  Das  ist  auch  in  vielen 
bairischen  Urkunden  der  Fall. 

Das  Siegel  des  Herzogs  war  dem  obersten  Schreiber  an- 
vertraut'). Für  gewissenhafte  Verwahrung  und  Benutzung 
desselben  hatte  er  Sorge  zu  tragen.  Durch  Aufdrückung  des 
herzoglichen  Siegels  *)  vollzog  er  jede  der  Kanzlei  entstammende 
Urkunde  und  übte,  da  ohne  Siegel  der  Urkunde  die  Glaub- 
würdigkeit fehlte,  so  auch  die  Kontrolle  über  die  Richtigkeit 
und  die  dem  herzogUchen  Befehle  entsprechende  Abfassung 
derselben. 

Nur  der  Chef  der  Kanzlei,  der  Protonotar  und  später  der 
Kanzler,  übt  dadurch,  daß  alle  wichtigen  Regierungs-  und  Ver- 
waltungsgeschäfte, nachdem  er  vorher  dem  Herzog  Vortrag  ge- 
halten und  dessen  Genehmigung   erholt  hatte  ^),  nach  seinem 


1)  Posse  S.  172. 

2)  YgL  Vertaidlgang  der  3  Herzoge  1324:  Wir  weUen  anch,  das  Frid- 
rcich  der  Schreiber  di  tzeit  und  dj  pQend  wereo,  unser  insigel  nicht  mer 
pflege,  noch  inn  haben  und  sol  auch  an  unsem  rat  nicht  gen  (Qu.  u.  Er.  VI, 
S.  286  a.  12). 

3)  Posse  S.  175. 

4)  Selbständig,  ohne  Vorwissen  des  Fürsten  konnte  er  nur  die  aUer- 
einfachsten  Sachen  erledigen  (Posse  S.  175;  Rockinger,  Drie&teller  des 
11.  und  14.  Jahrhonderta,  in  Qu.  o.  Er.  IX,  S.  475). 


—    269    — 

Befehle  urkuüdlich  fixiert  werden,  auch  auf  den  materiellen  In- 
halt der  Urkunden  Einfluß  und  wird  so  neben  dem  Hofmeister 
der  hervorragendste  Beamte  am  fürstlichen  Hofe. 

So  sagt  der  päpstliche  Legat  Albert  von  Behaim  in  einem 
Schreiben  124G^),  welches  Herzog  Otto  H.  Vorschläge  in  Be- 
treflf  des  Anschlusses  an  den  Papst  unterbreitet  —  vos  exoro*), 
ut  hec  secreta  nullus  legat,  nisi  dominus  Henricus,  prepositus 
monasteriensis,  protonotarius  vester,  also  nur  dieser  darf  außer 
dem  Herzog  von  diesem  hochwichtigen  Aktenstücke  Kenntnis 
erlangen. 

Der  obriste  Schreiber  soll  auch  mit  dem  Hofmeister  und 
2  Räten  nach  der  niederbairischen  Hofordnung  von  1293  ^)  all- 
wöchentlich die  Rechnungen  (der  Vitztume)  prüfen,  wahrend 
nach  der  Hofordnung  von  1294  diese  Beiden  ohne  die  Räte 
die  Prüfung  dieser  Rechnungen  des  Vitztums  jährlich  vornehmen 
können  *).  Im  fürstlichen  Rate  übte  der  Protouotar  als  das 
einzig  gelehrte  Mitglied  desselben  tiefgreifenden  Einfluß  auf  die 
Entsclieidungen  aus.  Mit  ihm  konnte  sich  nur  noch  der  Hof- 
meister an  Einfluß  messen  ^),  doch  blieb  er  diesem  überlegen 
durch  seine  gelehrte  Bildung  —  zuerst  wurde  das  Kanzleramt 
mit  Klerikern  und  später  mit  Rechtsgelehrten  besetzt  —  und 
seine  reichen  Kenntnisse,  die  ihn  ausschließlich  zur  Abwicklung 
gewisser,  eine  technische  Schulung  erfordernder  Geschäfte  be- 
fähigten. Wenn  der  Hofmeister,  welcher  dem  Kreise  der  Adligen 
entnommen  ward,  auch  größeres  Ansehen  genoß  und  als  Präsi- 
dent des  Rats  und  des  Hofgerichts  auch  einen  höheren  Rang 
als  der  Kanzler  in  der  Amtshierarchie  bekleidete,  so  waren  diese 
Vorzüge  doch  mehr  repräsentativer  Natur.  Die  formelle  Lei- 
tung der  Regierungsgeschäfte  durch  den  Hofmeister  konnte  es 
doch  nicht  verhindern,  daß  der  kenntnisreichere  Kanzler  auf 
die  materielle  Entscheidung  derselben  einen  tieferen,  bestim- 
menden Einfluß  auszuü])en  vermochte.  Erst  als  die  Landhof- 
meister des  16.  Jahrhunderts  mit  dem  Adel  ihrer  Geburt  juri- 

1)  Vgl.  Kiezler  II,  S.  82. 

2)  Qu.  IL  Er.  V,  S.  97. 

3)  Qu.  XL  Er.  VI,  S.  14. 

4)  Ibid.  S.  57. 

5)  Über  die  Rivalität  von  Hofineister  und  Kanzler  im  Reiche  vgl  See- 
ligor S.  1081 


—    270    - 

stische  Gelehrsaniküit  verbaudca,  war  das  Übergewicht  der 
Autorität  auf  ihrer  Seite.  Dabei  darf  aber  nicht  außer  Acht  gelassen 
werden,  daß  für  die  Größe  des  Einflusses  bei  dieser  RivaUtät  zu 
allen  Zeiten  die  Bedeutung  der  Persönlichkeit  maßgebend  war. 
So  blieb  z.  B.  in  der  ersten  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts  der 
Kanzler  Dr.  Leonhard  v.  Eck  die  Seele  der  bairischen  PoUtik*), 
während  wieder  unter  Albrecht  V.  und  Wilhelm  V.  der  Land- 
hofmeister Ottheinrich  von  Schwarzenberg  als  die  allmächtige 
leitende  Persönlichkeit  des  bairischen  Staatswesens  erscheint. 

In  der  2.  Hälfte  des  14.  Jahrhunderts*)  kommt  für  den 
obersten  Schreiber  auch  in  Baiern  der  Amtstitel  Kanzler ')  auf, 
ohne  daß  damit  an  seiner  Stellung  als  Vorstand  der  Kanzlei 
irgend  etwas  geändert  wurde. 

Bestimmungen,  welche  einen  Einblick  in  den  Geschäfts- 
kreis der  Kanzlei  gewähren,  begegnen  erst  1464  in  dem  die 
Differenzen  der  gemeinschaftlichen  Regierung  zwischen  den 
Herzogen  Signmnd  und  Albrecht  beilegenden  Schiedsspruch. 
Der  Kanzler  hat  nach  diesem  zu  geloben  *),  die  Entschließungen 
der  Herzoge  und  des  Hofrats  (Hofmeisters  und  6  Räte)  zu  voll- 
ziehen, also  was  ihm  zu  schreiben  oder  zu  fertigen  befohlen 
wird,  dem  nachzukommen,  wie  es  einem  Kanzler  gebührt.  Nur 
darf  er  Befehlen  des  einen  Herrschers,  die  ohne  Vensilligung 
des  andern  erteilt  werden,  nicht  entsprechen,  sondern  hat  sich 
nach  den  Bestimmungen  der  Ordnung,  des  Vergleichs  zu  richten. 
Femer  fungiert  der  Kanzler  zugleich  als  Archivar  und  ist  ver- 
pflichtet, den  Herzogen  auf  Verlangen  „Briefe,  Register  oder 
Geschriften  von  Sachen  wegen  beider  Herren  oder  das  gemeine 
Regiment,  ihre  Land  und  Leute  antreffend*',  zur  Einsicht  vor- 
zulegen oder  vorzulesen  und  sie  dann  wieder  in  die  Kanzlei 
(Registratur)  oder  in  das  Gewölbe  (Archiv)  abzuliefern,   falls 


1)  W.  Vogt,  Die  bairische  Politik  im  Bauernkrieg  and  der  Kanzler  Dr. 
L.  V.  Eck.    Nördlingen  1883.   S.  12. 

2^  Der  älteste  mir  bekannte  Kanzler  (Herzog  Stephans  d.  Ä.)  ist  Erhart 
der  Möringcr  1367  (R.  B.  IX,  p.  186>. 

3)  über  die  Bedeutung  desselben  (Kanzel-er  oder  Kanxel-Herr)  Tgl. 
Stölzel,  Brandenb.  I,  S.  35. 

4)  Krenner  V,  S.  184;  gleichlautend  der  Schiedsspruch,  welcher  die 
Streitigkeiten  der  Hersoge  Albrecht  IV.  und  Christoph  beilegte  ]468(Kr6nDer 
V,  a  295). 


—    271    — 

sie,  weil  nicht  mehr  für  die  laufenden  Geschäfte  erforder- 
lich, daselbst  reponiert  sind.  Jeder  der  beiden  Herzoge  hatte 
sein  eignes  Secret^),  welches  er  dem  Kanzler  anvertraute,  der 
mit  demselben  die  aus  der  Kanzlei  ausgehenden  Urkunden  zu 
vollziehen  hatte  und  durch  diese  Versecretierung  die  Verant- 
wortung für  den  der  Vereinbarung  gemäßen  Inhalt  derselben 
übernahm.  Dem  Kanzler  waren  die  Kanzleischreiber  zu  Ge- 
horsam verpflichtet. 

Daß  man  in  den  Kreisen  der  Landstände  wußte,  welchen 
Wert  eine  ordentliche  Kanzlei  für  die  Regierung  des  Landes 
habe,  bezeugen  die  Beschwerden,  welche  sie  dem  Herzog  Georg 
1501  vortrugen.  Sie  baten  vor  allem  um  xFestsetzung  be- 
stimmter Kanzleitaxen  für  Gerichtsbriefe,  Urteil,  Posseß,  Prä- 
sentation, Geschäft,  Spruch,  Entscheid  und  andern  Briefen,  so 
(laß  keine  Partei  ferner  beschwert  würde  ^).  In  Folge  einer 
energischen  Opposition  des  Kanzlers  ^)  erließ  die  L.O.  1501  *) 
keine  Taxordnung,  da  man  die  nicht  machen  könne,  angesehen 
daß  eine  Sache  der  andern  nicht  gleiche,  bestimmte  aber,  daß 
künftig  Beschwerden  wegen  der  Kanzleitaxen  durch  das  Hof- 
gericht entschieden  werden  sollten. 

Eine  andere  landständische  Bitte  fimd  Erfüllung  durch  die 
L  ().  1501  und  ward  so  wichtig  für  die  Fortbildung  des  Kauzlei- 
reclits.  Sie  bezweckte  eine  Kontrolle  aller  in  der  Kanzlei  aus- 
gefertigten Beschlüsse,  und  die  L.O.  1501   erklärte  wenigstens 

1)  Das  kleine  Secret,  welches  gewöhnlich  aufgedrückt  ward  im  Gegen- 
sätze zu  dem  großen  anhängenden  Insiegel  (vgl.  Rockinger,  Einleitung 
bezw.  Kegister  S.  380;  v.  Lere  hcnfeld  S.  50).  Jeder  der  Herzoge  be- 
wahrte das  Insiegel  selbst 

2)  Krenner  XID,  S.  159. 

3)  Der  Kanzler  erklärte,  der  Rat  der  Räte  möge  sein,  wie  er  wolle,  „ist 
mir  doch  nicht  gerne jnt  mir  und  der  Eanzlej  wider  mein  Vermögen  und 
Versclircibung  mehr  Beschwerung  dann  ich  vor  habe,  aufladen  zu  lassen, 
doron  meino  Vorfahren,  die  viel  minder  in  E.  Gn.  Sachen  Fleiß  und  Arbeit, 
als  ich  selbst  gesehen,  dann  ich  bisher,  auch  E.  Gn.  und  des  Landes  Sachen 
nicht  als  viel  Wissens  als  ich  gehabt  haben,  vertragen  gewesen".  Da  sich 
die  Laiidscbaftsverordneten  beruhigten,  ließ  es  der  Herzog  beim  Herkommen 
bewenden  und  erklärte  in  der  L.O.,  daß  sich  der  Kanzler  dahin  verantwortet 
habe,  daß  er  nicht  Wissen  trage,  daß  Jemand,  so  lange  er  die  Kanzlei  ver- 
waltet, sich  beschwert  habe  (Krenner  XUI,  S.  192  £). 

4)  Krenner  XUI,  S.  27L 


—    272    — 

für  die  treflFlichen  und  nicrkliclien  Geschäfte  eine  Revision  durch 
Kanzler  und  Hofräte,  die  zu  dem  betreflFenden  Beschlüsse  mit- 
gewirkt^) hätten.  Wenn  sie  auf  Grund  der  Prüfung  für  richtig 
befunden  ausgehen  durften,  sollten  sie  registriert  und  Abschriften 
in  der  Kanzlei  zurückbehalten  werden.  Dies  schien  angezeigt, 
damit  nicht  einander  widersprechende  Entscheidungen  ergingen 
und  damit  man  durch  Einsichtnahme  der  Abschriften  stets  von 
den  früher  in  derselben  Sache  erlassenen  Verfügungen  Kenntnis 
nehmen  könnte. 

Die  Kanzlei  war  die  Schreibstube  des  Herzogs,  des  Rats 
und  des  Hofgerichts  und  hatte  überhaupt  alle  Schreibegeschäfte 
der  Centralregierung  zu  verrichten.  Sie  hatte  durchaus  nicht 
die  Bedeutung  einer  selbständigen  Regierungsbehörde  und  war 
nichts  anderes  als  das  technische  Hülfsorgan  der  Centralstellen. 
Die  Verbindung  mit  diesen  wurde  nur  durch  das  Medium  ihres 
Vorstands,  des  Kanzlers,  hergestellt. 

Das  Arohiv. 

Im  Anschlüsse  an  die  Kanzlei  haben  wir  hier  der  Entwick- 
lung des  Archivs  zu  gedenken,  denn  dieses  war  ursprünglich 
nur  ein  Annex  der  Kanzlei,  wie  auch  später  noch  räumlich 
diese  Verbindung  von  Kanzlei  und  Archiv  hervortrat*). 

Reichtum  und  Bedeutung  der  heutigen  bairischen  Archive 
stützen  sich  auf  eine  vielhundertjährige  eifrige  Pflege  des  Archiv- 
wesens durch  Landesfürsten,  welche  schon  frühe  den  Wert  der 
Urkunden  für  das  Staats-  und  Rechtsleben  ihres  Landes  und 
Volkes  zu  würdigen  verstanden. 

Bis  ins  14.  Jahrhundert  können  wir  die  Entwicklung  des 
bairischen  Archivwesens  zurückverfolgen.  Bei  den  Teilungen 
des  Landes  wurde  nämUch  gewöhnlich  eine  Scheidung  der  auf 
die  nunmehr  getrennten  Gebietsteile  bezüglichen  Urkunden  vor- 
genommen oder  wenigstens  eine  Vereinbarung  wegen  der  Auf- 


1)  Erenner  Xm,  S.  161,  274. 

2)  Im  Erdgeschosse  der  alten  Veste  in  München  befand  sich  die  Hof- 
kanzlei, ans  welcher  man  durch  eine  eiserne  ThOre  in  die  hinter  einander 
liegenden  Briefge wölbe  trat  (vgL  Nendegger,  Geschichte  der  bajerischen 
Archive  neuerer  Zeit,  SJL  aus  v.  LOher's  Archivalischer  Zeitschrift  VI^ 
S.  3  u.  8). 


—    273    - 

bewahruDg  der  gemeinschaftlichen  au  Einem  Orte  getroffen. 
Bei  der  am  1.  Oktober  1310  von  H.  Ludwig  und  Rudolf  durch- 
geführten Teilung  wurde  so  ausgemacht  *),  daß  beiden  Herzogen 
die  je  ihr  Gebiet  berührenden  Urkunden  übergeben  und  die  das 
gemeinschaftliche  Gut  betreffenden  nach  Vereinbarung  an  einer 
gemeinsamen  Stätte  aufbewahrt  werden  sollten. 

Bei  den  folgenden  Teilungen  tritt  uns  sodann  ein  er- 
freuliches Zeichen  der  Würdigung  der  Urkunden  entgegen,  in- 
dem man  strittige  Ansprüche  nicht  mehr  durch  die  Schärfe  des 
Schwerts,  sondern  durch  den  Inhalt  der  Urkunden  zur  Ent- 
scheidung bringen  wollte,  also  die  Archive  als  ein  Fundament 
für  die  geltend  zu  machenden  Rechtsansprüche  anerkannte.  Als 
daher  die  niederbairischen  Herzoge  Heinrich  d.  Ä.,  Heinrich  d.  J. 
und  Otto  sich  über  ihre  gemeinschaftliche  Regierung  verstän- 
digten ^),  vereinbarten  sie  auch,  ihre  Handfesten  und  Urbar- 
büclier  an  einem  Ort  zusammenzubringen,  „das  man  uns  allen 
geleich  davon  wart,  das  einen  als  recht  geschech  sam  dem  an- 
dern" ^).  Als  bei  der  Teilung  von  1392  die  neuen  Gebiete 
München,  Landshut  und  Ingolstadt  gebildet  wurden,  bot  auch 
das  Archiv  einen  Gegenstand  des  Streits*),  der  durch  Schieds- 
spruch dahin  erledigt  wurde '^),  daß  dem  Herzog  Stephan  die 
seinen  Anteil  allein  berührenden  Urkunden  ausgehändigt,  die 
den  Fürsten  gemeinschaftlichen  oder  das  ganze  Land  betreflfendeu 
ihm  geliehen  werden  sollten.  Ähnlich  entschied  auch  Kaiser 
Sigismund  am  1.  Januar  1434  die  Klagen  der  Herzoge  Ernst 
und  Wilhelm  gegen  Ludwig  von  Ingolstadt  und  Heinrich  von 
Landshut  *'). 

1)  Vgl.  überhaupt  Muffat,  Grandzüge  zur  älteren  Qeschiehte  der 
bayerischen  LaudesarchlTe  (Gelehrte  Anzeigen  der  bayerischen  Akademie  der 
Wissenschaften  1855,  Bd.  40,  S.  84  ft;  86) ;  v.  L  ö  h  e  r ,  Das  bayerische  Archiv- 
wesen, in  seiner  „Archivalischen  Zeitschrift"  1876,  Bd.  I,  S.  77. 

2)  Muffat  S.86. 

3)  Oefele,  Script,  II,  p.  145  sq.;  vgl  auch  ibid.  ü,  p.  160. 

4)  Muffat  S.  88. 

5j  K.  B.  XI,  p  13.  ümb  die  Zwayung  von  der  brief  wogen  in  dem  Geweih. 

G  Krenner  I,  S.  100:  Item  was  jeder  Herr  Briefe  innen  hat,  die  dem 
andern  allein  zustünden  .  . ,  die  soll  er  ihm  übergeben,  ohne  Verziehen ;  was 
sie  aber  Briefe,  die  ihnen  zu  beyderseits  zustünden,  derselben  Briefe  soll  ein 
Theil  dem  andern  Vidimus  geben.  Würde  aber  ein  fierr  solcher  Briefe  zu 
seiner  Nothdurft  bedürfen,  die  soll  man  ihm  leihen,  doch  daft  er  Gewißheit 

Kuüenthal,  üeschichte  d.  Üerichttw.  a.  d.  Verw.-Orf.  Baienu.  I.    '  ig 


-     274    — 

Die  Aufsiebt  Qbcr  dir  Urkuudcii  war  wie  ilits  Schrcibweseo 
Oberhaupt  dem  Kanzler  Jinrcrtmut.  Wo  die  ucueii  Urkundun 
ausgeat«Ut '),  da  sollten  auch  die  alten  aufbewahrt  werden,  und 
so  war  also  eine  Verbindung  von  KanrJei  und  llriefgewiilbc, 
wie  das  Archiv  in  frflherer  Zeit  genannt  wurde,  die  Regel.  Audi 
räumlich  stand  Kanzlei  und  Gewölbt^  wie  ijuruits  hcrvurgeboben 
wurde,  im  engsten  Zusammeuhaug ').  Diu  Urkunden  waren 
schon  im  15,  Jahrhundert')  in  Kästen  und  Schubladen  systema- 
tisch eingeteilt.  Auf  der  Aulieuseite  einer  jeden  Urkunde  war 
ihr  Inhalt  summarisch  verzeichnet,  so  dali  die  Auftiiiduni^  eint» 
gesuchten  Stttckes  auch  ohne  Hntfaltung  des  Pct>.'aments  mög- 
Itcti  war*). 


und  Vcnorgnifi  tbae,  Bolcho  Briefe  wiedor  an  die  Stitto  id  legen  trnd  in 
antworten,  da  aiv  ihm  sind  geautitrurti'l  wurdon,  uhne  Gpfihrde. 

1)  Di«  VerbindDDg  vod  Arcbii  imd  Kaniloi  zeigt  lich  auch  in  dem 
Schiodafiirueho  zur  Beilegung  der  Diffcronieti  ivriicben  UenoK  JUbivcht  IV. 
nnd  Ctimtopb  von  Hflncbcn  b«i  KreDoer  V.  S.  £96  t:  .Ob  uch  iln  r»- 
glweiid«ii  FOnteD  einer  oder  mehr  Briefe  Regütnr  oder  .^chrifft  la  »eben 
oder  in  bOren  u  ihm  begehren  würde,  <ron  Sachen  wegen  ihr  gemaiiiM  Re- 
giment I^nd  und  I^Qt«  antreffend,  dieaelben  loU  ihm  dar  Eaniler  lobriagM, 
ihm  und  lie  di?  boren  toben  nnd  leaen  laasen,  lo  oft  der  und  die  di«*  b*- 
gehren.  Und  ao  dat  beaehrhen  iit,  «oll  der  Kanilvr  auldie  Briefe  Begiater 
oder  ächriSteD  wiadarum  iu  die  Kaulej  oder  in  da«  OewOlbe  an  die  Btttte 
antworten,  da  dann  et  geoammeo  iat 

8)  Vgl  a  tJi  Anm.  1 

S)  Krenner  V,  S.46  (14A0):  Vermorckt  wu  Ich  a  BoUer  .  .  atia  d»f 
fllnft«n  Lade,  darinn  Tudong  und  Tbellnag  doa  abera  Landet  liegt,  gie- 
noDunea  baba 

4)  über  die  weitere  Entwicklung  dei  Archirt  wird  im  8.  Bntb  Im  An* 
•cUnaae  an  die  Darrtullnng  der  Kanilüen  dei  10.  Jabrhnnderta  g«liM)iUlt 


ZWEITES  CAPITEL. 

Die  Mittelbehörden. 

§16. 
Die  Yltztume. 

In  Folge  der  territorialen  Vergrößerungen  Baiems  unter 
den  ersten  Witteisbachern  ergab  sich  die  Unmöglichkeit,  daß 
der  Landesherr  ferner  wie  in  den  früheren  einfachen  Verhält- 
nissen mit  einigen  Räten  den  Regierungsaufgaben  in  dem  ganzen 
außerordentlich  erweiterten  Territorium  genügen  könne.  Die  Er- 
kenntnis der  Notwendigkeit,  für  eine  regelmäßige  Stellvertretung 
des  Herzogs  zu  sorgen,  führte  zu  einer  Einteilung  des  Herzogtums 
in  einzelne  Verwaltungsbezirke.  In  jedem  derselben  ward  vom 
Herzog  ein  Beamter  bestellt,  ein  vicedominus^)  (auch  procu- 
rator)*),  Vitztum,  der,  wie  der  Name  besagt,  als  ständiger 
Stellvertreter  seines  Herrn  zur  Ausübung  aller  Hoheitsrechte 
berufen  war,  und  zwar,  da  eine  Teilung  in  räumUch  abgegrenzte 
Sprengel  erst  der  2.  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts  angehört,  ur- 
sprünglich im  ganzen  Gebiete  des  Herzogtums. 

Wie  das  Apit  des  vicedominus  in  kirchlichen  Verhältnissen 
in  fränkischer  Zeit  zuerst  ausgebildet  ward,  so  erscheint  es  auch 

1)  Der  vicedoininas  spielt  in  der  kirchlichen  VerfiiSBang  frflhe  eine  große 
Kollo.  Bischöfe  und  Stifte  haben  einen  solchen  Beamten  zur  Besorgung  der 
weltlichen  Geschäfte  (Da  Gange,  Gloss.  mediae  et  infimao  latinitatis,  ed. 
Henschel.  Paris  1848.  VI,  S.  811  ff.).  In  karolingischer  Zeit  ist  yicedominos 
allgemein  für  Stel]?ertreter  gebräuchlich  (Sohm  S.5141)  und  wird  vielfach 
mit  vicecomes  identifiziert  (Waitz  m,  S.  397). 

2)  z.  B.  1271  Otto  de  Strubing  Henrici  ducis  procurator  (R.  B.  IQ, 
p.  364,  446). 

18» 


-     276    — 

im  späteren  Mittelalter  vomehmlich  in  geistlichen  Territorien  *) 
entwickelt. 

1204  begegnet  in  Baiem  zum  ersten  Male  ein  solcher 
vicedominus  ducis  Bavariae  (Ulrich  von  S.  Cassian)  *).  Zumeist 
gehören  diese  Vitztume  dem  Kreise  der  Ministerialen  bezw.  dem 
Stande  der  Ritterbürtigen  an ,  nur  ein  einziges  Mal  erscheint 
ein  Graf^)  in  dieser  Stellung.  — 

Erst  nach  der  ersten  Teilung  (1255)*)  scheint  eine  förm- 
liche Einteilung  des  Landes  in  solche  Verwaltungssprengel  statt- 
gefunden zu  haben. 

Anfanglich  wurden  die  Vitztumamtssprengel  nicht  nach 
ihrer  geographischen  Lage,  sondern  nach  dem  Namen  des  je- 
weiligen Vitztums  bezeichnet,  wohl  in  Erinnerung  an  die  Be- 
nennung der  feudalisierten  Grafschaften  nach  dem  Grafen- 
geschlechte,  wenn  auch  der  Amtscharakter  des  Vitztums  nie  in 
Frage  stand.  Wenigstens  ist  dies  der  Fall  in  der  mir  bekannten 
ältesten  Urkunde  (Waffenstillstand  der  H.  Heinrich  und  Ludwig 
1280) 'Ol  in  welcher  von  Vitztumen  die  Rede  ist 

Nach  einem  Salbuche  aus  dem  Ende  des  13.  Jahrhunderts 
(1280)^)  war  nämlich  Oberbaiem  schon  geteilt  in  das  obere 

1)  z.  B.  seit  10.,  11.  und  12.  Jahrhundert  in  K($hi,  Mainz  (Ho gel,  Ve»- 
fassongsgeschichte  von  Köln  S.  XXITT,  von  Mainz  S.  31X  Trier  (Lamprecht 
I,  2,  S.  824),  Strasburg,  Salzbarg,  Regensbnrg  (v.  Maar  er,  FronhOfe  II, 
S.  231 ;  M.  B.  XIII,  4,  p.  1490) ;  im  14.  Jahrhundert  in  Bamberg,  Eichstädt, 
Augsburg  (R  B.  V,  p.  193,  290;  VII,  p.  382).  —  Über  das  rein  finanzieUe 
Amt  des  Vitztums  in  Nieder-Österreich  unter  Ferdinand  L  YgL  Rosen thal, 
BehOrdenorganisation  S.  132. 

2)  M.B.  I,p.275;  XII,  p.  62. 

3)  Otto  IL  sagt  1240  (Qu.  u.  Er.  V,  S.  73) :  eo  tempore,  quo  avunculus 
noster  iUustris  Chunr.  comes  de  Wazzerburch  terre  nostre  vicedominatus 
curam  tenuit  a  nobis.    Vgl  über  ihn  B  i  e  z  1  e  r  II,  S.  88,  173. 

4)  Noch  1264  wird  von  H.  Ludwig  vel  vicedominus  suus  generalis  ge- 
sprochen (R  B.  m,  p.  236). 

5)  Qu.  u.  Er.  V,  S.  321  £:  Im  Lande  H.  Heinrichs  (N.-B.)  in  vicedomi- 
natu  Ottonis  de  Strubinga  vel  cius,  qui  pro  tempore  successerit;  in  vice- 
dominatu  Alberonis  (d.  L  an  der  Kott).  Im  Lande  H.  Ludwigs  (O.-B.):  in 
districtu  Dietrici  de  Wildcnstain  vicodomini  vel  qui  pro  tempore  vicedominus 
lueiit  (d.  L  Lengenfeld);  in  vicedominatu  Wichnaudi  (d.  L  Wign.  de  Irings- 
burg,  München);  vel  qui  pro  tempore  vicedominus  fuerit 

6)  M.  B.  XXXVI,  1,  p.  135  £  Vgl  oben  S.  52.  Eine  genaue  Inhaltsangabe, 
welche  die  Bestandteile  der  einzelnen  Vitztumämtor  ersichtlich  macht»  bei 
Bockinger,  Einleitung  S.  53  £ 


—    277    — 

Vitztumamt  (München)  —  inter  alvum  Danubii  et  montana,  und 
in  das  untere,  auf  dem  Nordgau  (Lengenfeld) ^)  —  ex  altera 
parte  Danubii  (nördlich  der  Donau).  Niederbaiem  zerfiel  in 
das  untere  Vitztumamt,  an  der  Donau  (Straubing),  und  in  das 
obere,  das  Vitztumamt  an  der  Rott  (Pfarrkirchen)  *).  Die  Rhein- 
pfolz  bildete  ein  besonderes  Vitztumamt^). 

Durch  den  Vertrag  von  Pavia  1329*)  kam  der  größere 
Teil  des  Nordgaus  (die  spätere  obere  Pfalz)  mit  der  Rheinpfalz 
(der  sog.  unteren  Pfalz)  an  die  Rudolfinische  Linie*),  während 
K.  Ludwig  den  kleineren  Teil  (Burglengenfeld,  Kaimünz,  die 
Vorstadt  zu  Regensburg  u.  s.  w.)^)  mit  Oberbaiem  vereinigte. 
Die  Pfalzgrafen  bei  Rhein  ließen  das  ihnen  angefallene  Gebiet 
auf  dem  Nordgau,  die  neuentstandene  Oberpfalz,  durch  einen 
Vitztum  regieren,  der  zu  Amberg ^). seinen  Sitz  hatte. 

Bei  der  Teilung  von  1353  kam  der  größte  Teil  des  Strau- 
binger Vitztumamts  an  die  Straubinger-Holländer  Linie,  während 


1)  Vgl  über  dieses  Fessmaier,  Diplomatische  Skizze  von  dem  alten 
Vitztumamte  Lengenfeld,  1800.  Der  erste  Tltztom  von  Lengenfeld  kommt 
1272  vor  (ibid.  S.  7). 

2)  In  der  Taidigung  zwischen  H.  Ludwig  und  H.  Heinrich  1287  (Qo.  iL 
Er.  V,  S.  414)  werden  angefahrt:  Von  H.  Ludwigs  wegen  Ulr.  v.  Borenmoa» 
unser  vitztum  in  dem  obem  vitztumampt  und  in  dem  nidem  0.  der  Chran- 
dorfcr,  unser  vitztum.  Von  H.  Heinrichs  wegen  in  dem  obem  vitztumampt 
Alber  von  Pfarrechirchen,  unser  vitztum  und  in  dem  nidem  vitztumampt  Al- 
brecht von  Straubingen. 

3)  in  swelhem  vitztumampt  das  geschiht»  ez  sei  ze  Mflnchen,  ze  Lengen- 
veit oder  an  dem  Rine  (1315);  1313  wird  angef&hrt  G.  der  Paeuler,  unser 
vitztum  zo  Bayern  und  an  dem  Rein.  —  Nach  dem  Vertrag  von  Pavia  kommt 
Kitter  E.  v.  Hirschhorn  als  oberster  Amtmann  und  Vitztum  bei  der  Pfalz 
1342  vor  (Qu.  u.  Er.  VI,  S.  236,  219,  378). 

4)  Qu.  u.  Er.  VI,  S.  298  £ 

5)  Amberg,  Auerburg,  Nabburg,  Sulzbach,  Weiden  u.  s.  w. 

D)  Ein  Teil  des  heutigen  Regierungsbezirks  Oberpfjalz  blieb  also  bei 
Oberbaiem  —  dieser  bildete  vorüborgohond  das  Vitztumamt  Jenseit  der 
Donau"  mit  dem  Sitz  in  Lengenfeld  (M.  B.  XXIV,  p.  83;  vgl  Riezlor  II, 
S.  520)  ein  zweiter  bei  Niederbaiem,  während  der  dritte  und  grOfite  an 
die  ])falzischc  Linie  kam.  Über  die  einzelnen  Bestandteile  und  die  Qebiets- 
voränderun^cn  vgl.  Muffat  in  der  Bavaria  II,  S.  430  £ 

7)  Vorüberziehend  (1353—1410)  war  ein  Vitztumamt  Nabburg  gebildet 
wordon.  Nabburg  war  übrigens  schon  früher  vorübergehend  Sitz  eines  Vitz- 
tuniö  (z.  B.  1300  -  Qu.  u.  Er.  VI,  S.  126).  Vgl  v.  Fink,  Versuch  einer  Ge- 
schichto  des  Vicedomamtes  Nabburg.  München  1819.  S«  7« 


—    278    — 

ein  kleinerer  Teil,  mit  dem  Landshuter  Gebiet  vereinigt,  ein 
Vitztumamt  bildete.  Auch  nachdem  das  Straubinger  Gebiet 
1429  unter  die  3  Linien  Baiem-Ingolstadt,  Baiem-München 
und  Baiem-Landshut  geteilt  worden  war,  blieb  in  Straubing, 
das  nie  aufgehört  hatte,  Sitz  eines  Vitztums  zu  sein^«  das 
zweite  niederbairische •)  Vitztumamt^). 

In  der  2.  Hälfte  des  15.  Jahrhunderts  tritt  die  Bezeichnung 
Rentmeisterämter  an  die  Stelle  der  Vitztumämter,  ohne  daß  der 
Vitztum  aufgehört  hätte,  Haupt  dieses  Verwaltungsbezirks  zu  sein. 

Im  Herzogtum  Landshut  -  Ingolstadt  können  wir  folgende 
5  Rentmeisterämter  unterscheiden:  Landshut*),  Burghausen, 
Wasserburg,  Ingolstadt  (im  Oberland)  und  Weiden  (am  Nord- 
gau) ^).  Neben  Landshut  spielte  namentlich  Burghausen  auch 
fernerhin  eine  Rolle  als  Sitz  einer  der  4  Regierungen  des 
Landes.  Ein  Vitztum  ist  in  Burghausen  etwa  seit  1392  •)  nach- 
weisbar. Wahrscheinlich  ist  unter  Herzog  Friedrich  der  Sitz 
des  Vitztumamts  an  der  Rott  von  Pfarrkirchen  nach  Burghausen 
verlegt  worden ').  Der  Vorstand  dieses  Vitztumamts  führte  etwa 
seit  1425  den  Titel  Hauptmann  ®).  In  München- Straubing  blieben 
München  sowohl  als  Straubing  Hauptstädte  der  Rentmeisterämter. 

Die  Stellung  des  Vitztums  als  eines  unmittelbaren  Reprä- 
sentanten des  Herzogs  tritt  in  vielen  Bestimmungen  hervor,  die 


1)  Siehe  das  VerzeichmM  der  Straabinger  Yltitome  bei  Qeiss  (Oberb. 
Archiv  XXVm,  S.  87  £). 

2)  Sowohl  die  Stranbinger  als  die  Landshnter  Vitztome  werden  als  Vitztamo 
io  Niederbaiem,  die  Mflnchner  dagegen  als  solche  von  Oberbaiem  bezeichnet 

3)  Die  Ansbildong  des  Vitztomamts  zn  einer  selbständigen  Behörde  zeigt 
sich  anch  darin,  da6  der  Vitztum  (oder  Landschreiber)  bei  der  Sieglang  von 
Urkonden  nicht  sein  eignes,  sondern  des  Vitztomamts  Insiegel  anhing,  z.  B. 
(1394,  1434,  1488  Vitztum  in  Niederbaiem)  IL  B.  XV,  p.  489;  U,  p.  242; 
IV,  p.  201. 

4)  Ein  Vitztum  begegnet  in  Landshut  erst  1506,  seitdem  Landshut  auf- 
gehört hat  Sitz  der  herzoglichen  Regierung  zu  sein. 

5)  Siehe  die  Steuerrechnung  1464  bei  Erenner  VII,  S.  116  fil,  die  ein- 
zelnen Hauptbestandteile  auch  bei  Eluckhohn,  Ludwig  d.  R.  S.  13. 

6)  In  diesem  Jahre  wird  Conrad  der  Preisinger  von  Wollentsach  als 
Vitztum  von  Burghausen  aufgeführt  (R.  B.  X,  p.  314).  Der  letzte  mir  be- 
kannte Vitztum  an  der  Rott  kommt  1362  vor  (R.  B.  IX,  p.  60). 

7)  Hub  er,  Gesch.  d.  Stadt  Burghausen  S.  137. 

8)  Erst  seit  1641  wird  er  wieder  als  Vitztum  bezeichnet  (Geiss,  Oberb. 
Archiv  XXVI,  a  39  £). 


—    279    — 

Beide  in  gleicher  Weise  zur  Vornahme  gewisser  Funktionen  be- 
rechtigt erscheinen  lassen*).  Man  geht  darin  so  weit,  daß  selbst 
Herzoge  einen  andern  Herzog  oder  dessen  Vitztum  als  Schieds- 
richter^) anerkennen.  —  Wie  der  Herzog  erteilt  auch  der  Vitz- 
tum statt  seiner  Privilegien*)  und  hat  die  landesherrlichen 
Schutzpflichten  über  die  Klöster  wahrzunehmen,  indem  er  diese 
vor  Bedrückungen  jeglicher  Art  beschirmt*).  Ihm  als  dem 
Vorstande  des  Vitztumamts  waren  dann  alle  Beamten  desselben 
(Pfleger,  Richter,  Schergen,  Kastner)  unterschiedslos  unter- 
geordnet; alle  schuldeten  seinen  Anordnungen  Gehorsam. 

Wenden  wir  uns  zum  Wirkungskreise  des  Vitztums  im 
einzelnen,  so  tritt  uns  an  erster  Stelle  seine  Thätigkeit  in  der 
Justiz  *)  entgegen.  Als  Stellvertreter  des  Herzogs  vertritt  er 
diesen,  wie  an  anderer  Stelle  gezeigt  ward,  bis  zum  15.  Jahr- 
hundert im  Präsidium  des  Hofgerichts  •),  wo  dieses  auf  den 
Hofmeister  übergeht.  Ausdrücklich  wird  darauf  hingewiesen, 
daß  Jeder  in  erster  Instanz  vor  dem  Gerichte,  darin  er  Haus 
und  Hof  hat  und  selbst  sitzet.  Recht  zu  nehmen  habe.  Erst 
wenn  das  zuständige  Gericht  ihm  das  Recht  verzögert,  darf  er 
sich  an  den  Vitztum  wenden '). 


1)  z.  B.  1290  Taidigung  zwischen  H.  Lndwig  und  Otto :  Wenn  H.  Ludwig 
mahnt  oder  sein  Vitztum;  1330 'erklärt  K  Ludwig,  da&  nur  ihm  oder  seinem 
Yitztume'  zustehe,  Über  das  Kloster  Fürstenfeld  zu  richten  (R  B.  VI,  p.  341). 
In  der  Vorrede  zum  Ldr.  wird  so  gesprochen  von  dem  Eide,  den  sie  (Richter 
etc.)  uns  oder  unscrm  Vitztum  darum  schworen  müssen.  Nach  Ldr.  a.  139 
darf  der  Herr  oder  sein  Vitztum  den  Landrichter  bessern.  Vgl.  noch  1.  Frei- 
brief 1311  (y.  Lerchenfeld  S.  4):  sullen  wir  oder  unser  vitztum  ainen 
tag  geben. 

2)  z.  B.  als  die  oberpfälzischen  und  bairischen  Fürsten  1444  einen  Land- 
friedensbund  errichten,  unterwerfen  sie  sich  vorkonunenden  Falls  dem  Schieds- 
ppruch  des  dritten  Fürsten  (unter  den  Kontrahenten)  oder  seines  Vitztums 
(Krenner  II,  S.  115). 

3)  z,  B.  M.  B.  DC.  p.  195  (1367). 

4)  z.  B.  M.  B.  Vn,  p.  162  (1829);  XIII,  p.  260  (1358);  IV,  p.  494  (1406). 

5)  Als  Schiedsrichter  werden  die  Vitztume  auch  häufig  bestellt,  z.  B. 
1400  ein  Schiedsgericht,  bestehend  aus  dem  Herzog  und  6  Mitgliedern,  dar- 
unter 3  Vitztumo  (Kalcher  S.  101). 

C>)  Siehe  S.  134  (im  15.  Jahrhundert  nur  vereinzelt;  vgl  S.  136,  141). 

7)  Oberbair.  und  niederbair.  Landfrieden  1300  a.  25  (Qu.  u.  Er.  VI, 
S.  115):  Wacr  aber,  daz  man  in  des  gerihtes  vendg,  so  sol  er  anderswa 
nindcr  daz  rebt  suchen,  dann  vor  dem  vitztum  an  den  steten,  da  si  gemain 
taeg  hin  nement 


—    280    — 

Der  erste  Freibrief  1311  setzt  dann  den  Vitztum  als  den 
regelmäßigen  Stellvertreter  des  Herzogs  im  Hofgerichte  ein  ^ ) 
und  in  einigen  Handschriften  des  oberbairischen  Landrechts 
wird  ganz  allgemein  von  einem  ;,gaen  hof  dingen  für  den  vitz- 
tuem"  *)  gesprochen. 

Die  Instruktion,  welche  K.  Ludwig  als  Pfleger  Johanns  I. 
von  Niederbaiem  1340  *)  für  Vitztume  und  Richter  erlassen  hat, 
stellt  ausführliche  Vorschriften  über  den  Pflichtenkreis  dieser 
Beamten  auf  imd  gewährt  ein  erfreuliches  Bild  von  der  edlen 
Fürsorge  des  Kaisers  für  eine  gedeihliche  Handhabung  der 
Rechtspflege.  Sie  schreibt  vor,  daß  bei  Abwesenheit  des  Kaisers 
jeder  Vitztum  in  seinem  Sprengel  die  Urteile  verhören  soll*), 
und  zwar  mit  dem  Ernst  und  Fleiße  ^),  daß  alle  Leute  damit 
versorgt  seien.  Den  Richtern  ward  eingeschärft,  alle  Hand- 
lungen an  den  Vitztum  zu  bringen,  „die  er  zu  Recht  handeln 
soll",  imd  außerdem  alles,  was  ihm  zu  schwer  wäre.  Konstatiert 
er  hierbei  eine  Ungerechtigkeit  in  der  Amtsführung  des  Richters, 
so  hat  er  ihn  und  eventuell  auch  den  Gerichtsschreiber  an  Leib 
und  Gut  zu  strafen  (a.  6).  Diese  Aufsichtsbefugnis,  verbunden 
mit  einer  Strafgewalt  über  die  ihm  untergebenen  Beamten,  steht 
dem  Vitztum  auch  in  Oberbaiern  zu*). 

Jede  Verletzung  der  den  Ständen  durch  den  1.  Freibrief. 
1311  gewährleisteten  Privilegien   seitens  eines  Beamten  unter- 
steht auch  der  Kognition  des  Vitztums,  der  im  Wege  des  ge- 
richtlichen Verfahrens  die  Sache  zu  untersuchen  hat  und  event, 

1)  Wir  behalten  auch  uns  selben  ze  richten,  was  unser  graven,  freien, 
dinstman,  ritter  oder  knecht  mit  einander  ze  kriegen  habent»  wellen  wir  das 
unser  vitxdoub  das  richten  oder  wen  wir  darzu  schaffen  (v.  Lerchenfeld 
S.  2). 

2)  y.  d.  Pfordten  a  322;  Mflnchner  Stadtrecht  a.  451  (Au  er  S.  172). 

3)  a.  1.  Des  ersten  wellen  wir  und  setzen,  daz  unser  .  .  vitztum  all  ir 
handelung,  di  si  ze  handeln  habent  in  ir  ampten  von  unsem  wegen  recht 
und  redleich  handeln  gein  allen  laeuten,  daz  si  weder  durch  lieb  noch  durch 
laid,  noch  durch  dhainerlaye  sach  willen,  icht  handeln,  wan  des  si  sich  von 
ir  trewen  versten,  daz  recht  und  redleich  sei  (Qu.  u.  Er.  VI,  S.  358  ff.). 

4)  Siehe  S.  12a 

5)  a.  3.  Der  Vitztum  darf  nur  das  von  den  Urteüsfindem  gef&llte  Urteil 
verkünden  -  vrir  wellen,  swann  sich  der  vitztum  verstflnd,  daz  einer  urtail 
gevolgt  waer,  den  in  nicht  rechtleich  deucht,  daz  er  uns  den  selben  urtail 
und  auch  die  volger  an  merkch  untz  an  uns. 

6)  Vgl  Ldr.  A.  267. 


—    281    — 

Abhülfe  eintreten  läßt.  Hier  tritt  aber  der  Herzog  scharf  als 
eine  Instanz  über  dem  Vitztum  hervor,  indem  er  selbst  ent- 
scheidet, falls  der  Vitztum  selbst  sich  einer  solchen  Verletzung 
schuldig  gemacht  oder  auf  erhobene  Beschwerde  nicht  pflicht- 
mäßig vorgegangen  ist^). 

Auch  Geschäfte  der  Justizverwaltung,  insbesondere  die  Auf- 
sicht über  die  Gerichte,  waren  ihm  zugewiesen,  für  deren  Aus- 
übung einige  Direktiven  an  die  Hand  gegeben  wurden.  Die 
Ernennung  2)  und  Absetzung  der  Richter  stand  in  seiner  Macht, 
nur  sollte  das  Richteramt  nicht  verpachtet  werden  gegen  eine 
bestimmte  Summe  und  auch  nur  solchen  Personen  verliehen 
werden ,  die  es  persönlich  verwalteten  ^).  Ferner  sollte  der 
Vitztum  auch  darauf  seine  Aufmerksamkeit  richten,  daß  die 
Gerichte  mit  Vorsprechem  wohl  versehen  seien  (da  mit  arm  und 
revch  besorgt  sein,  daz  yedem  mann  recht  und  redleichen  recht 
wi(lervaren),  ihre  Geschäftsgebahrung  beaufsichtigen  und  sie  wegen 
llonorarüberforderungen  zur  Verantwortung  ziehen  (a.  11).  Ebenso 
hat  er  auch  bei  jedem  Gerichte  Schergen  und  Amtsknechte  zu  er- 
nennen *),  die  seiner  Disziplinargewalt  unterworfen  sind  (a.  8). 

Noch  ist  jener  Thätigkeit  des  Vitztums  auf  dem  Gebiete 
tler  Kriminaljurisdiktion  Erwähnung  zu  thun,  welche  ihm  er- 
wuchs aus  der  ihm  erteilten  Eimächtigung,  bei  Begnadigung 
v(m  abgeurteilten  Delinquenten  die  Lösungssumme  zu  bestim- 
men, welche  der  Begnadigte  als  Äquivalent  für  die  erlassene 
Todes-,  Leibes-  oder  Freiheitsstrafe  entrichten  mußte  ^). 

1)  Tet  CS  uDser  vitztum  nicht»  oder  ob  er  die  sach  selb  hiot  getan  oder 
uberfarcD,  so  sol  er  (der  Verletzte)  für  uns  komen,  und  sollen  wir  im  ze 
J4  tagen  einen  tag  geben  (v.  Lerchenfeld  S.  6). 

2)  In  dem  Vergleiche  H.  Rudolfs  und  K  Ludwigs  a.  14  (Qu.  u.  Er.  VI, 
8.  250)  heiüt  es:  Wir  suln  auch  alle  baenno  lihen  den,  den  unser  brüder  der 
chunich  den  ampt  lat,  oder  sin  vitztuem  .  .  .  K  Ludwig  sagt  dann  in  einer 
Instruktion  für  die  beiden  niederbairischen  Vitztume  von  1347  (ibid.  S.  388): 
Wcär  auch  daz  in  ein  richter,  ir  einer  oder  mer  nicht  govielen  und  die  ver- 
cheren  wolten,  es  sei  in  steten  oder  auf  dem  lande,  so  süllen  und  mügcn 
si  ander  richter  setzzen,  di  in  darzu  gevallent  und  uns,  und  auch  in  nützz 
und  gut  sein.  —  Richter,  die  dem  Kaiser  nicht  gefielen,  hatten  sie  auf  seinen 
Befehl  aus  ihren  Amtern  zu  entfernen  und  durch  andre  zu  ersetzen. 

3)  Instruktion  1340  a.  5. 

4)  Nach  dem  Landfrieden  1281  a.  3  (Qu.  u.  Er.  V,  S.  340)  darf  der 
Richter  nur  mit  dos  Vitztums  Rat  einen  Schergen  setzen. 

5)  L.O.  1474  (Krenner  VII,  S.  479), 


-    282    — 

Man  faßte  deshalb  eine  ganze  Kategorie  von  Delikten  als 
Yitztumhändel  zusammen,  eine  Bezeichnung,  welche  sich,  wie 
unten  gezeigt  werden  wird,  erhielt,  auch  nachdem  diese  Be- 
fugnis vom  Vitztum  auf  den  Rentmeister  übergegangen  war^). 

Eine  wichtige  Aufgabe  hatte  die  unheilvolle  Periode  einer 
trostlosen  Rechtsverwirrung  vornehmlich  im  14.  Jahrhundert*) 
den  Vitztumen  übertragen,  indem  sie  als  Schirmer  des  Land- 
friedens ^)  bestellt  \Mirden.  Dieses  Wächteramt  ergab  sich  aus 
dem  allgemeinen  Berufe  der  Vitztume  „unsrer  Landes  Notdurft 
auszurichten,  als  sich  dann  gebührt".  Die  Gerichtsherrlichkeit 
der  Landesherren  umschloß  auch  Recht  und  Pflicht  der  Friedens- 
bewahrung und  diese  Funktionen  hatte  der  Vitztum  als  ihr 
Stellvertreter  zu  übernehmen.  Die  Instruktion  1340  bringt  dies 
sehr  deutlich  zum  Ausdrucke  in  den  Worten  (a.  2):  Dar  zft 
wellen  wir  und  gebieten  imsem  vitztftmen  vestichleichen,  daz 
si  alle  laeut  fiberal  in  unsem  vitztumampten,  edel  und  unedel, 
arm  und  reych,  gaistleich  und  werltleich  schermen  vor  gewalt 
und  vor  imrechter  haudelung,  und  auch  in  rechtes  geholffen 
sein  ye  ainem  von  dem  andern,  als  recht  sei,  von  ir  trewen, 
als  si  aller  pest  chfinnen  und  mfigen^). 

Im  Gegensatze  zu  andern  Territorien,  wo  eigne  Kommis- 
sionen für  die  Wahrung  und  Durchführung  der  Landfrieden  ge- 
wöhnlich gebildet  werden,  ist  dies  in  Baiem  nur  ausnahmsweise 
derFalP).  Die  vortreflTliche  Ämterorganisation  des  Landes  bot  die 
für  die  Exekutive  des  Landfriedens  geeigneten  Organe  dar,  welche 
die  Herzoge  in  ihrem  forstlichen  Berufe  als  Schirmer  des  Land- 
friedens unterstützen  und  jeden  Bruch  desselben  ahnden*)  konnten. 

1)  Über  die  Vitztomhändel  vgl  S.  303  £ 

2)  Selbst  noch  im  15.  Jahrhundert,  z.  6.  1444  im  Straabinger  Tefl 
(Kreon er  II,  S.  91  £). 

3)  In  dem  von  K.  Ladwig  in  Schwaben  and  Oberbaiem  errichteten 
I.*andfir.  1330  wird  der  Yitztom  Heinrieb  von  Gnmppenberg  ermAchtigt,  diejenigen 
bairischen  Dienstmannen  und  Städte,  deren  Dienste  er  für  die  Beschirmang 
des  Friedens  nützlich  h&lt,  auf  denselben  <a  vereidigen  (Qu.  o.  Er.  VI,  S.  317). 

4)  Qu.  0.  Er.  VX  S.  35a 

5)  z.  B.  im  Landfrieden  1362  werden  dem  Yitztam  12  beigesellt,  nm 
quartaliter  die  Klagen  des  Landes  zu  hOren;  1365  werden  13  Mann  als  Schirmor 
dos  Friedens  genannt,  ohne  daß  Genaueres  über  ihre  Zuständigkeit  erhellt 
(E  Fischer,  Die  Landfriedensverfassung  anter  Karl  lY.  Gottingen  1883.  S.  40). 

6)  z.  B.  1352  a.  7,  9,  11  (Qa.  a.  Er.  YI,  S.  423  t);  1365  (B.  E  IX,  p.  182), 


—    283    — 

Den  Landfrieden  1300  beschwören  so  die  2  oberbairischen 
und  die  2  niederbairischcn  Vitztume,  die  sich  gegenseitig  zur 
Bekämpfung  jeder  Verletzung  des  Landfriedens  unterstützen 
sollten*).  Diese  gegenseitige  Unterstützungspflicht  2)  mit  der  Be- 
fugnis, Räuber,  Brandstifter,  Diebe  oder  Mörder  von  einem 
Vitztumamte  in  das  andere  zu  verfolgen,  statuierte  für  Vitz- 
tume und  Richter  der  Landfriede  1352  (a.  4)  ^).  Diese  Ge- 
stattung der  wechselseitigen  Rechtshülfe  ist  bei  den  sich  viel- 
fach berührenden,  die  Flucht  der  Verfolgten  begünstigenden 
Grenzen  der  benachbarten  Territorien  ein  wirksames  Mittel  für 
die  Unterdrückung  des  Verbrechertums. 

Auch  auf  militärischem  Gebiete  ist  der  Vitztum  Vertreter 
des  Herzogs  und  als  solcher  oberster  Befehlshaber  über  die 
Kriegsmacht^).  Ihm  wird  auch  die  P'ürsorge  für  die  Anstalten 
zur  Verteidigung  des  Landes  übertragen^). 

Eine  die  Erhaltung  der  Ordnung  und  die  Beruhigung  des 
Landes  bezweckende  Thätigkeit  hatten  die  Vitztume  auch  zu 
entfalten,  nachdem  einer  der  blutigen  Kriegszüge,  mit  denen 
die  einzelnen  Glieder  der  Dynastie  sich  heimsuchten  und  ihre 
Länder  verheerten,  beendigt  war.  In  den  verschiedensten 
Formen  hatten  sie  hier  in  Thätigkeit  zu  treten.  Sie  mahnen 
die  Bürger  zum  Einlager,  lassen  einen  des  Bruchs  des  Waffen- 
stillstands Verdächtigen  vor  sich  reinigen,  dämmen  die  Privat- 

1)  Qu.  n.  Er.  VI,  S.  126.  Dio  Yitztame  durften  auch  die  Grafen,  Freien, 
Dienstmanncn  und  joden  Andorn  zar  Hülfe  auffordern.  Der  Aufgeforderte 
war  dann  zur  HOlfeloistung  verpflichtet  —  Die  Herzoge  selbst  verpflichteten 
sich  (a.  14),  mit  ihren  Yitztumen  und  Rftten  dem  Aufenthalte  schädlicher 
Leute  nachzuspüren.  Vgl.  Wyneken,  Die  Landfrieden  in  Deutschland  von 
Rudolf  von  Habsburg  bis  Heinrich  VIL   Hannover  1887.    S.  60  t 

2)  Eine  solche  ist  auch  in  der  Taidigung  Rudolfs  und  Ludwigs  1311 
ausgesprochen  (Qu.  u.  Er.  VI,  S.  196). 

3)  der  Herzoge  Stephan,  Albrecht  und  Wilhehn  (Qu.  u.  Er.  VI,  S.  422). 

4)  Würdinger,  Kriegsgeschichte  von  Bayern  .  .  .  von  1347—1506. 
München  1868.  II,  S.  330.  —  In  der  Bestallung  des  Vitztums  Joh.  v.  Haidock 
zu  Ingolstadt  (1418)  wird  diesem  zur  Pflicht  gemacht,  darauf  zu  halten,  dafi 
Pfleger,  Richter,  Amtleute  gehörig  bewaffnet  und  zum  Dienste  bereit  seien. 
Er  soHto  auch  den  Landfrieden  aufrecht  erhalten  und  zu  diesem  Zwecke  die 
notwendige  Hülfe  und  das  Aufgebot  veranlassen. 

5)  So  lag  ihm  die  Überwachung  des  Vollzugs  der  fär  die  Neubefestigung 
Ingolstadts  erlassenen  herzoglichen  Anordnungen  ob  (1362,  1375).  Vgl  Klee- 
mann, Geschichte  der  Festung  Ingolstadt  Manchen  1883.   S.  1,  9, 


—    284    — 

fchdcn  ein,  berechnen  mit  den  übrigen  Kollegen  den  Schadens- 
betrag und  gleichen  ihn  aus  u.  dgl.  mehr  ^ ).  Dabei  werden  die 
Yitztume  gerade  in  ihrer  amtlichen  Eigenschaft  neben  Andern 
als  Bürgen  bestellt*). 

Die  Trennung  der  verschiedenen  Zweige  der  Regierung 
nach  bestimmten  Ressorts  gehört  erst  einer  vorgeschritteneren 
Stufe  staatlicher  Kultur  an.  Es  begreift  sich  daher  leicht,  daß 
wir  etwa  bis  gegen  Ende  des  14.  Jahrhunderts  in  dem  Vitz- 
tum,  (lern  höchsten  Beamten  der  Provinz,  auch  das  Organ  der 
gesamten  Finanzverwaltung  derselben  zu  erblicken  haben.  In 
seiner  Hand  fließen  alle  landesherrlichen  Einnahmen  eines  Spren- 
geis, auf  welchem  Titel  immer  sie  beruhen  mögen,  zusammen. 
Man  war  seit  der  Stauferzeit  von  der  Natural-  zur  Geldwirtschaft 
übergegangen.  Diese  wirtschaftliche  Revolution  machte  eine  relativ 
befriedigende  staatliche  Finanzverwaltung  möglich,  wenn  auch 
nach  wie  vor  einige  Abgaben  stets  in  Naturalien  geleistet  und 
auch  staatliche  Prästationen  an  Beamte  fortdauernd  noch  in 
Naturalien  geliefert  wurden. 

Über  die  Finanzgebahrung  des  Vitztums  klärt  uns  auf  ein 
erhaltenes  Rechnungsbuch  ^)  eines  oberbairischen  Vitztums  über 
die  Rechnungsperiode  von  1291—94,  das  uns  wertvolle  Auf- 
schlüsse über  die  staatlichen  Finanzzustände  dieses  Zeitalters 
gewährt.  In  3-  und  2jährigen  Perioden  pflegten  die  Vitztume 
über  die  Einnahmen  und  Ausgaben  ihres  Sprengeis  Rechnung 
zu  legen,  auf  Grund  deren  sodann  der  Saldo  zu  Gunsten  des 
Rechnungslegers  oder  des  Landesherm  fixiert  wurde,  indem  dieser 
seinem  Beamten  Decharge  erteilte  und  über  den  empfangenen 
Rest  quittierte  oder  ein  Schuldbekenntnis  für  den  Saldoposten, 
falls  derselbe  dem  Vitztum  geschuldet  ward,  ausstellte*). 

1)  z.  B.  Waffenstillstand  H.  Heinrichs  und  Ludwigs  1280,  Vergleich  der 
Beiden  1284,  Taidigung  der  Beiden  1291  (Qu.  u.  Er.  V,  S.  322  ff,  372  ff, 
453  ff). 

2)  z.  B.  1291 :  Ward  aber  der  schade  niht  abgetan,  so  suln  dammb  laisten 
von  h.  Ludwiges  wegen  auz  dem  obem  viiztumambt  .  .  H.  von  W.  der  vitz- 
tum oder  swcr  vitztum  ist;  1309  Rudolf  und  Ludwig  für  eine  Schuld  u.  A. 
et  vicedominum  nostrum,  qui  nunc  est,  vel  pro  tempore  fuerit,  quos  ei  fide- 
iussores  .  .  (Qu.  u.  Er.  VI,  S.  168). 

3)  ediert  und  erläutert  von  v.  0  efele  (Oberb.  Arch.  XXVI,  S.  272  ff). 

4)  z.  B.  1334  raitet  H.  Heinrich  mit  C.  dem  11.,  seinem  Vitztum  zu  Strau- 
bing,  über  Alles ,  was  dieser  im  Vitztumamt  eiDgenommeni  gehandelt,  ge- 


—    285    — 

An  erster  Stelle  werden  in  der  Rechnung  1294  vorgetragen 
Conquisiciones,  also  ständige  und  unständige  Einnahmen  ^),  wie 
Gefälle  von  Richtern  und  Schergen,  Vogtei-  und  grundherrUche 
Aßgaben,  Zehnten,  Zoll-,  Münz-  und  Kastenamtserträgnisse,  sodann 
werden  Amtspachtgelder  und  Geschenke  für  den  Vitztum  erwähnt. 
Es  folgen*)  die  Mai-^)  und  Herbststeuem*),  welche  von 
Städten  und  Märkten,  sowie  von  den  Ortschaften  der  einzelnen 
Gerichte  und  von  Klöstern,  nicht  regelmäßig  von  allen  Pflichtigen 
und  auch  nicht  stets  in  gleicher  Höhe,  sondern  manchmal  zur 
Hälfte^)  entrichtet  wurden.  Eine  herzogliche  Einnahmequelle 
bildete  auch  die  Steuer,  welche  die  Juden  für  die  Gewährung 
des  landesherrlichen  Schutzes  entrichteten.  —  Der  Vitztum  selbst 
war  dann  auch  zu  bestimmten  Leistungen  an  den  Herzog  ver- 
pflichtet <^). 

wunnen,  auch  verdient  hat  von  dem  nächsten  Mathiastag  an  bis  aof  den 
heutigen,  und  bleibt  ihm  darnach  70  Pfd.  84  X  schuldig  (R  B.  YU,  p.  88). 
Vgl.  noch  die  Abrechnungen  1325  und  1423  bei  Oefole,  Scriptores  I, 
p.  750;  II,  p.  178. 

1)  1376  bekennen  die  4  Herzoge,  dal  J.  von  Abensberg,  Vitztum  in  Ober- 
baiern,  von  diesem  Vitztumamt  verrechnet  von  74 — 76  alles,  was  er  von  Vitztum- 
amts  wegen  eingenonunen  hat»  es  sei  von  Bußen,  Ehrung,  Schankung,  gewöhn- 
licher Gült  und  von  allem   andern  Einnehmen  und  quittieren  .  .  .  (R.  A. 
Urk.  Abensberg  Fase.  13). 

2)  Über  die  Entwicklung  des  Steuerwesens  in  Deutschland  vgL  G.  Me  y  e  r, 
Verwaltungsrecht  II ,  S.  195  £;  Vocke,  Die  Abgaben,  Auflagen  und  die 
Steuer.   Stuttgart  1887.   S.  167  fL 

3}  Über  diese  Steuern  vgl  v.  Oefele  a.  a.  0.  S.  273  fL 

4)  A.  Wagne  r,  Finanzwissenschaft  HI,  S.  68,  nimmt  mit  Recht  die  An- 
sicht Eichhorn's  an,  sie  modifizierend,  indem  er  als  häufigsten  Ent- 
stoliungfignind  der  Beden  die  Übernahme  des  Reichsdienstes  von  den  Schultern 
der  Unterthanen  durch  den  Landesherm  und  seine  Mannen  ansieht  Als 
Äquivalent  für  diese  übernommene  Landesverteidigung  erhob  der  Landesherr 
kraft  Landeshoheit  eine  Abgabe. 

5)  stiura  media.    VgL  Riezler  II,  S.  180. 

6)  Nach  der  niederbairischen  Hof-0.  1294  (Qu.  u.  Er.  VI,  S.  57)  war  der 
Vitztum,  in  dessen  Sprengel  einer  der  Herzoge  kam,  schuldig,  demselben 
Opfer-  und  Badpfennige  zu  entrichten,  d.  s.  Ehrungen  (über  Opfergeld  im 
Sinne  von  Geschenken  für  Diener  and  Badgeld  als  Geschenke  f^  Gesellen 
vgl.  Westenrie  der,  Glossarium  S.  400;  Schmeller-Frommann  I, 
S.  208).  Unter  den  Ausgaben,  welche  der  Landschreiber  1392  verrechnet,  gibt 
es  auch  eine  Kategorie:  Opfergeld,  spilgeld  und  Padgelt  und  was  ich  sust 
meinem  Herrn  zu  Ainitzen  gegeben  han  (v.  Freyberg,  Sammlung  bist 
Schriften  und  Urkunden  V,  8.  36). 


—    286    - 

In  dieser  Reclmung  wird  gleich  bei  jedem  Einnahmeposten 
die  si)ezielle  Verwendung  desselben  beigefügt.  Innerhalb  der 
einzelnen  Rubriken  ist  auch  nicht  nur  dahin  Gehöriges  vor- 
getragen. —  Ein  Jahrhimdert  später  hatte  man  in  der  formalen 
Anordnung  des  Rechnungswesens  schon  große  Fortschritte  ge- 
macht, denn  die  erwähnte  Rechnung  des  niederbairischen  Land- 
schreibers von  1392  nähert  sich  schon  etwas  unserer  heutigen 
Rechnungstechnik.  Zuerst  werden  die  Einnahmen  in  der  Reihen- 
folge der  einzelnen  Gerichte  aufgeführt  und  summiert  und  dann 
die  Ausgaben  nach  bestimmten  Kategorien  und  für  jede  die 
Summe  gezogen  ^). 

Zur  Prüfung  der  Vitztumamtsrechnungen  wurde  gewöhnlich 
vom  Herzog  eine  besondere  Kommission  aus  herzoglichen  Räten 
und  Anderen  gebildet  *).  —  Die  von  den  Vitztumen  geschuldeten 
Reste  waren  an  den  Kamniermeister  abzuliefern.  Der  Vitztum 
bezog  von  gewissen  Gefällen  einen  bestimmten  prozentual  ab- 
gestuften Betragt).  Diese  Tantieme  bildete  einen  Bestandteil 
seiner  Besoldung. 

Dem  Vitztum,  als  dem  höchsten  Beamten  des  Sprengeis, 
war,  wie  die  Aufsicht  über  alle  richterlichen,  ursprünglich 
auch  die  über  die  mit  der  Perzipierung  von  Gefällen  betrauten 
Beamten,  wie  Kästner^)  und  Zollner*),  übertragen,  welche  seine 
Befehle  zu  vollziehen  hatten.  Nach  Einführung  des  Rentmeister- 
anits  ging  die  Kontrolle  dieser  Beamten  auf  den  Rentmeister  über. 

Bei  der  hervorragenden  Bedeutung  des  Vitztumamts  für 
das  Staatswesen  wird  bei  gemeinsamer  Regierung  gewöhnlich 
den  Mitherrschem  das  gemeinschaftliche  Emennungsrecht  vor- 


1)  Vgl  V.  Frey  berg  a.  a.  0.  S.  86  ff 

2)  z.  B.  1363  bestellte  Stephan  L  3  Mflnchner  Stadtrftte  and  2  fOratliche 
Bäte  (T.  Maffat  in  den  Chroniken  deutscher  Städte  XY,  S.436);  1324  bei 
der  Vertaidigung  der  Streitigkeiten  der  3  niederbairischen  Herzoge  ward  die 
Taidignngskommission  (12)  anter  Hinzutritt  von  4  herzoglichen  Bäten  aaeh 
zur  Bevision  der  Becbnang  des  Vitztams  and  andrer  Beamter  (a.  14^  Qa.  o. 
Er.  VI,  S.  286). 

3)  z.  B.  M.  B.  XI,  p.  286  (1341). 

4)  z.  B.  1344  K  Ludwig  befiehlt  seinem  Vitztum  bei  der  Bott  A.  t.  N. 
an  seiner  SteUe  und  von  seinetwegen  mit  aUen  Kästnern  in  den  Vitztam- 
umtom  za  raiten  und  diese  nach  seinem  Willen  und  des  Kaisers  Frommen 
zu  be-  und  zu  entsetzen  (B.  B.  VIII,  p.  7). 

6)  M.  B.  IX,  p.  185  (1348). 


-    287    — 

behalten  ^).  Der  Eniaunte  hatte  dann  sämmtlichen  Mitherrschern 
den  Amtseid  zu  leisten. 

Nicht  in  den  Rahmen  des  ordentlichen  Beamtenorganismus 
fallen  die  Ilauptleute  oder  Verweser  der  Herzogtümer,  welche 
bei  l)esondem  politischen  Anlässen  bestellt  wurden,  namentlicb 
dann,  wenn  die  Herrscher  genötigt  waren,  längere  Zeit  außer- 
halb der  Grenzen  des  Landes  zu  weilen.  Natürlich  mußten 
hier,  wo  der  Hauptmann  nicht  nur  zur  Unterstützung  des  an- 
wesenden, sondern  zumeist  zur  vollständigen  Ersetzung  des  ab- 
wesenden Fürsten  bestellt  ward,  die  Grenzen  seiner  Vollmacht 
viel  weiter  gesteckt  werden. 

K.  Ludwig,  welchen  die  Aufgaben  seines  kaiserlichen 
Berufes  viel  häufiger  aus  seinem  Stammlande  entfernt  hielten, 
ernannte  so  1331  *)  den  Grafen  Berthold  von  Graisbach  und 
Marstetten  gen.  von  Neifen  zum  Hauptmann  in  Oberbaiem  mit 
der  Befugnis,  an  seiner  statt  Anordnungen  zu  treffen,  und  dem 
Rechte  der  Beamtenernennung  und  -entlassung.  Nach  ihm  er- 
scheint der  Marschall  Arnold  der  Mässenhauser  ^)  *  1343  als 
Pfleger  in  Baiern  *). 

Auch  für  die  Herzoge  der  Linie  Straubing-HoUand  trat  das 
Bedürfnis  hervor,  während  ihres  Aufenthalts  in  den  fernen 
Niederlanden  für  solch  umfassende  Stellvertretung  Sorge  zu 
tragen.  So  erscheint  unter  Albrecht  L  (1380)  als  Pfleger  seines 
Landes  zu  Baiem  der  Landgraf  Joh.  zu  Leuchtenberg  *). 

1)  Konnten  sich  die  Mitherrscher  nicht  einigen  über  die  Person  des  Yitz- 
tunis,  80  de?olvierte  das  Emennongrecht  auf  die  Schiedsleute  oder  auch  auf 
Hofmeister  und  Rfite,  z.  B.  1315  Sühnevertrag  Rudolfs  und  Ludwigs  (Qu.  u. 
Er.  VI,  S.  237)  und  1468  schiedsrichterlicher  Ausspruch  zwischen  H.  Albrecht  lY. 
und  Christoph  von  München  (Krenner  Y,  S.  289  —  nachdem  das  Yizedom- 
amt  Straubing  hoher  denn  eüe  Pflege  zu  achten  und  der  Yitztum  daselbst 
als  ein  Statthalter  des  Fürsten  gehalten  ist»  so  sollen  .  .  .)• 

2)  R.  B.  YI,  p.  390;  v.  Oefele  I,  8.  765.  Schon  1319  begegnet  er  in 
dieser  Stellung  (R  B.  Y,  p.  409). 

3)  M.  B.  Xn,  p.  177;  XY,  p.  286.  Im  Gebiete  H.  Rudolfs  hatte  schon  1313 
Graf  Alram  von  Hals  eine  ähnliche  Stellung  eingenommen  (B  i  e  z  1  e  r  II,  S.  528) 

4)  Unter  Ludwig  dem  Brandenburger  begegnet  als  Hauptmann  in  Ober- 
baiem Hiltpolt  von  Stein  1355  (R  B.  YIII,  p.  323) ;  1415  kommt  dann  noch 
ein  Hauptmann  in  Oberbaiem  vor  (LGraf  zu  öttingen),  R  B.  XII,  p.  183. 

5)  z.  B.  1380  (R  B.  X,  p.  52);  1358  (M.  B.  XIY,  p.  321)  und  1370-85.  — 
Auch  Yvan  v.  Kortenbach  fungierte  in  diesem  Landesteile  als  Statthalter 
H.  Johanns  1424  (Buchner,  Gesch.  YI,a  7, 172;  Boekinger,  EinLS.251). 


—    288    - 


§16. 
Die  fientmeister. 

Eine  Decentralisation  der  gesamten  Regierungsthätigkeit 
war  durch  die  Schaffung  der  Vitztumämter  durchgeführt  worden. 
Den  Vitztumen,  welche,  wie  wir  gesehen  haben,  als  Stellvertreter 
des  Landesherrn  zur  Überwachung  und  Besorgung  aller  Justiz- 
und  Verwaltungsgeschäfte  eingesetzt  waren,  war  anfangs  auch  die 
Vereinnahmung  und  Verrechnung  aller  in  die  landesherrliche 
Kasse  fließenden  Einkünfte  übertragen. 

Die  Steigerung  der  Staatsbedürfnisse  führte  zu  einer  Reg- 
lung  aller  das  Finanzwesen  berührenden  Einrichtungen,  und  so 
zweigte  sich  zuerst  in  allen  Territorien  die  Finanzverwaltung 
ab  von  der  allgemeinen  Staatsverwaltung*).  Die  Ernennung 
eigner  Finanzbeamter  stellt  so  überall  das  erste  Stadium  einer 
Gliederung  der  Verwaltung  in  sachlicher  Beziehung  dar. 

In  Baiem  ist  es  seit  dem  14.  Jahrhundert  der  Land- 
schreiber*), welcher  dem  Vitztum  zur  Seite  tritt  und  ihm  die 
fiuanzieUen  Geschäfte  abnimmt  *).  Zu  diesen  gehörte  die  Ver- 
einnahmung von  Renten,  Gülten,  Natural-  und  Geldnutzungen 
und  die  Verausgabung  dieser  vereinnahmten  Gefälle.  Über  die 
gesamte  Geschäftsführung  stellte  der  Landschreiber,  wahrschein- 
lich in  3jährigen  Perioden,  dem  Herzoge  Rechnung  und  erhielt 
von  diesem  das  Absolutorium  ^).  Bis  dahin  haftete  der  Land- 
schreiber  mit  seinem  Vermögen  für  jedes  Defizit*). 

1)  Vgl  A.  Wagner,  FioanzwiraeDBchaft  I,  S.  197. 

2)  Zum  ersten  Male  kommt  ein  solcher  Landschreiber  im  Vitztomamt 
Straubing  1330  ?or  (R.  B.  VI,  p.  348). 

3)  Eine  Rechnung,  welche  der  Landschreiber  W.  dem  Herzog  Albrecht  L 
(Straubing)  für  die  Periode  1389—92  stellt,  ist  abgedruckt  bei  ▼.  Frey- 
berg,  Sammlung  histor.  Schriften  und  Urkunden  II,  S.  85  £ 

4)  z.  B.  „tJher  alles  Einnehmen  und  Ausgeben,  das  sie  in  unsem  Landen 
gethan  haben,  haben  sie  Rechnung  gestellt  und  sagen  wir  sie  dessen  los^. 

5)  Nach  dem  Tode  Herzog  Johanns  von  Straubing  suchten  die  land- 
ständischen Verweser  des  Landes  den  bisherigen  Inhaber  des  Landschreiber- 
amts K.  zur  WeiterfÜhrung  desselben  zu  bewegen.  Sie  versprachen,  für  seine 
Geschäftsführung  besonders  gegen  unsem  Herrn  von  Baiern  seine  Fürständ 
sein  zu  wollen,  so  lang  bis  das  im  daz  mit  rechnung  volkumenlichen  ge- 
rechent^  abgezogen  und  gänzlichen  darumb  qnittirt  und  ledig  gesagt  ist  und 


—    289    — 

Als  sich  im  Anfang  des  15.  Jahrhunderts^)  das  Prinzip 
Bahn  gebrochen  hatte ,  allen  zur  Percipierung  von  Einkünften 
bestellten  Beamten  ein  Kontrolleorgan  zur  Seite  zu  stellen,  er- 
folgte eine  Umgestaltung  des  Landschreiberamts  in  der  Weise, 
daß  nun  ein  Rentmeister  zur  Wahrnehmung  der  bisher  vom 
Landschreiber  versehenen  Geschäfte  eingesetzt,  dieser  aber  zu- 
meist auf  die  Thätigkeit  der  Rechnungsführung,  der  Erledigung 
der  Finanzschreibgeschäfte  beschränkt  wurde,  so  daß  der  Rent- 
meister mehr  als  der  vollziehende,  die  Gefälleeinziehung  und 
Verrechnung  bethätigende,  der  Landschreiber  hingegen  als  der 
dem  Rentmeister  untergeordnete,  mehr  zur  Kontrolle  aller 
Finanzmanipulationen  berufene  Beamte  erscheint.  Jener  begegnet 
auch  unter  der  Bezeichnung  Rentschreiber. 

Die  Rentmeister  entstammten  gewöhnlich  dem  Bürger- 
stande, denn  zur  Lösung  ihrer  Amtsaufgaben,  welche  Gewandt- 
heit im  Schreiben  und  Geschicklichkeit  im  Rechnen  erforderten, 
war  der  ohnehin  Schreibgeschäften  nicht  zugethane  Adel  we- 
niger geeignet*). 


ob  das  wer,  das  er  icht  auf  eich  genomen,  anspracht  und  dargelegt  hiet»  mer 
dann  sein  oinncmcn  wer,  das  er  des  an  verzog  widerumb  ausgcricht  und 
bezalt  soll  werden  ...(RA.  —  Bair.  Landschaft»  Urk.  Fase.  XXXTX,  Urk. 
y.  Donnerstag  nach  Ostern  1425). 

1)  In  einem  Gutachten  1497  wird  darauf  hingewiesen,  daß  zuerst  Heinrich 
der  Reiche  (1393—1450),  dann  Ludwig  der  Bciche  das  Rentmeistor-  und  Land- 
Schreiberamt  mit  besondem  Beamten  besetzt  habe  (Kronner  XIII,  S.  41). 
Nach  Geis 8  (a.  a.  0.  Bd.  28,  S.  49,  90;  Bd.  26,  S.  39,  45)  kommen  Rent- 
meister zum  ersten  Male  vor  1424  in  Landshut,  1431  in  Straubing,  1425  in 
Burghausen  und  1442  in  München. 

In  dem  mchrorwähnten  Schiedsspruch  (1466)  wurde  bestimmt,  daß  die 
beiden  Herzoge  2  Rontmeister  zu  München  und  2  zu  Straubing,  also  jeder 
einen  besondem,  ihm  allein  verpflichteten  haben  sollte.  Keiner  durfte  ohne 
seinen  Kollegen  etwas  vereinnahmen  und  jeder  vereinnahmte  für  seinen 
Herrn  die  Hälfte  des  eingegangenen  Betrags.  Auf  dem  Nordgau  und 
za  Lcngenfeld  sollten  beide  Herren  wegen  der  geringfügigen  Erträgnisse 
nur  einen  gemeinschaftlichen  Rentmeister  haben  (Krenner  Y,  S.  171  iL). 
In  dem  Schiedssprüche  in  den  Differenzen  zwischen  H.  Albrecht  lY.  und 
Christoph  von  München  (1468)  wurde  bestimmt,  daß  diese  und  Herzog 
Sigmund  Einen  Rentmeister  zu  München  haben  sollten  zur  Yereinnahmung 
aller  Nutzungen  und  Yerrechnung  unter  den  3  Herzogen  (Krenner  Y, 
S.  286). 

2)  Vgl  Stölzel,  Gel.  Richtertum  I,  S.  155. 

K  o  s  i>  n  t  h  %  1 ,  Geschichte  d.  Gerichttw.  u.  d.  Verw.«Org.  Baterns.  I.  |  Q 


Dieser  Dualismus  in  der  Organisation  der  ProvInzia]&nanz- 
verwaltung  wurde  aber  nicht  in  voller  Scharfe  durchgeführt, 
denn  hftufig  wenlt-u  auch  die  beiden  Stellen  in  einer  Person 
vereinigt.  Gegen  solclic  Kunmlierung  richten  sich  aber  die  Be- 
schwerden der  Ritterschaft.  Namens  der  Armen,  besonders 
der  Urbarsleute,  beklagen  sie  sirfa  darflber,  daß  diese  jetzt  in 
Händeln,  darin  sie  billig  ein  Hentnioister  beschützen  sollte,  zu 
diesem  nicht  mehr  ihre  Zuflucht  nehmen  könnten,  dieweil  jetzt 
die  Rentmeister  auch  Landschreiber  seien  und  sie  deshalb  ihren 
Nutzen  in  den  den  armen  Mann  hoch  beschwerenden  Wftndeln 
hiltten  ' ).  Statthalter  und  Räte  erklärten  sich  darauf  gutacht- 
lich gegen  eine  derartige  Verbintlung  als  gegen  das  Interesse 
des  Herzogs  und  des  Dienstes  vorstoQond.  Durch  die  Abstellung 
des  Mißstandes  gewinne  der  Herzog  einige  Riile  mehr,  die  er 
im  Hufgerichte,  im  Rat  und  zu  andern  Verrichtungen  verwenden 
könne.  Außerdem  könne  aber  der  Landschreiber  nicht  so  frei 
in  /ehniiigen,  Wandeln  und  Rechnungen  handeln,  wenn  er  nicht 
selbst  Rentmeister  warn,  sondern  einen  Itentmeister  über  sich 
hfittc,  „dazu  dann  die  armen  Leute  Zuflucht  haben  möchten, 
so  die  Landschreiber  anders  handelten,  dann  billig  wäre^  *). 
Sodann  erscheine  es  nicht  thunlicb,  daß  eine  Person  sich  mit 
den  Verrichtungen  zweier  so  großer  und  schwerer  .\mler  be- 
lade, das  übersteige  die  Leistungsfähigkeit  Eines  Mannes,  da 
jedes  derselben  die  Arbeitskraft  Einer  Person  ganz  ausfülle, 
wenn  er  allen  Anforderungen  des  Dienstes  vollauf  gerecht  wer- 
den wolle  ^). 

Dieser  begründeten  Beschwerde  wnnie  auch  Abhülfe,  denn 
die  Einrichtung  des  Ijind-  oder  Rentschreiberpostens  ver- 
folgte doch  neben  Gew&hning  einer  Hülfskraft  für  die  buch- 
hAlteriscIieu  Verrichtungen,  wie  schon  hervorgehoben  wurde,  den 
Zweck,  dem  Reutmeister,  diesem  Hauptvurwall«r  des  staatlichen 
Vermögens,  ein  Kontrolleorgan  zur  Seite  zu  stellen.  So  wird 
denn  auch  ausdrücklich  «las  Prinzip  aufgestellt,  daß  der  Rcnt- 
meister  ohne  Zuziehung  des  Rentschreibers  kejne  Amtshand- 

1)  BittorUg  de«  Laoddmt  •  lugolstldtar  IjmänUAU  n  Undihot  1497 
(Kranner  XUI.  &  m 

3)  KrftDnar  Xni.S.4t 
8)  Ibid. 


—    291    — 
luDg,  insbesondere  keine  solche  auf  dem  Gebiet  der  Strafrecbts- 

# 

pflege  vornehmen  dürfe*). 

AUmählich  rückte  der  Rentmeister  in  den  Mittelpunkt  der 
gesamten  Verwaltung.  Die  Finanzen,  der  Hauptnerv  des  Staats- 
wesens, verliehen  ihm  eine  Bedeutung,  welche  die  Grenzen  der 
ihm  ursprünghch  übertragenen  Funktionen  weit  überstieg.  Da 
jeder  Zweig  staatlicher  Verwaltung  in  einer  Verbindung  mit 
dem  Finanzwesen  steht,  so  gab  dies  den  Anlaß  zu  jener  her- 
vorragenden Stellung  des  Rentmeisters  im  bairischen  Verwaltungs- 
organismus, die  er  vom  Ende  des  15.  bis  zum  Beginne  des  19. 
Jahrhunderts  sich  erhalten  hat.  Das  wachsende  Ansehen  dieses 
Amtes  tritt  schon  darin  zu  Tage,  daß  jetzt  die  Provinzen  nicht 
mehr  wie  früher  Vitztumämter,  sondern  Rentmeisterämter  *)  und 
zuletzt  Rentämter  genannt  werden. 

Der  Rentmeister  war  zu  einem  Kontrolleorgan  aller  Ge- 
biete der  Rechtspflege  und  Verw^altung  geworden.  Jährliche 
Visitationsreisen,  die  sog.  rentmeisterlichen  umritte  waren  das 
Mittel,  durch  welches  er  die  Kontrolle  über  die  gesamte  Staats- 
verwaltung und  die  Aufsicht  über  alle  Staats-  und  Kommunal- 
beamten ausübte.  Den  Ausgangspunkt  für  diese  Umritte  bildete 
die  Rechnungsrevision*),  welche  der  Rentmeister  alljährlich  mit 
den  Beamten  der  Provinz  unter  Zuziehung  einiger  hierzu  er- 
nannter Bürger  vorzunehmen  hatte*).  Es  erscheint  hier  zum 
ersten  Male  (1470)  das  Element  der  Selbstverwaltung  auf  dem 
Gebiete  des  Finanzwesens,  eine  Erscheinung,  die  einige  Dezennien 
später  in  der  Finanzkontrolle  Österreichs  wieder  begegnet  *). 


1)  So  z.B.  Hofkammer-Ordnong  1572  (Er.  A.  M.):  Es  solle  auch  unsem 
rcntmaistcm  bovolchen  und  auferlegt  werden,  dieweU  si  rentschreiber  haben, 
welche  inen  alle  sachen  aufzeschreiben  und  zu  verrichten  in  unserm  namen 
aus  beweglichen  Ursachen  zuegeomdt  werden,  das  si  one  dieselben  in  ambts- 
sachen,  es  scie  mit  strafen  oder  in  ander  weg  nichts  sonderbars  handien. 

2)  Vgl  S.  278. 

3)  Kechnungsrevisionen  der  Rentmeister  kommen  schon  frühe  vor,  z.  B. 
1457  (Krenner  U,  S.  171). 

4)  Nach  der  Instruktion  Herzog  Ludwigs  für  die  Kechnungsaufnahme 
(1470)  werden  dem  Rentmeister  3  Wasserburger  Bürger  beigegeben  (Kren  n  e  r 
VII,  S.  245);  „Beisitzer  zu  der  Amtleute  Rechnung  verordnet^  heifit  es  in 
der  Instruktion  1512  (Krenner  XVIU,  8.  316). 

5)  In  der  Schatzkammer-Ordnung  Maximilians  L  1498  und  dann  in  der 
FiDanzverwaltuDg  unter  Ferdinand  L  Vgl.  Adler  S.  520;  Rosenthal, 
Bchördenorganisation  S.  151. 

19* 


Die  älteste  uns  erhaltene  lustruktiou  für  Rechi)uni;s])rQfuiig 
ist  die  von  H.  Ludwig  von  Laiidslmt-Iugolstadl  1470')  für  das 
Reutnieisturamt  Wasserburg  erteilte.  Diese  KechDungsrcvisiooen 
bezweckten  am  letzten  Ende  eine  Erhöhung  der  Einnahmen.  Es 
sollte  durch  diese  Kontrolle  der  Finanzgebahruug  seiteng  der 
Rentmeister  die  böchstuiöglicbe  Anspannung  aller  Finauzkrilftc 
des  Landes  gewährleistet  und  alle  bei  dun  Fiuauzhcauiteu  vor- 
koiuniendeu  Gebrechen  beseitigt  werden.  Als  deshalb  Wilhelm  TV. 
bei  Übernahme  der  Kegierung  (1511)  durch  Vormünder  und 
Regenten  über  den  Stand  des  Staatshaushalts*)  unterrichtet 
ward,  veranlaßte  ihn  das  große  Defizit  zur  Anordnung  der  so- 
fortigen Ausarbeitung  einer  Reutmeisterinstniküon*),  deren  Erlafi 
eine  seiner  ersten  Regierungshandlungen  bildcteilölS,  16,  Fcbr.>*). 

Nach  der  angeführten  Instruktion  von  1470  waren  alle 
Beamten  des  Be^rks,  welche  irgendwelche  landesherrliche  Ein- 
künfte zu  vereinnahmen  hatten  (ftieger,  Richter,  Kästner,  Mautner, 
Zöllner,  GegonKChreiber),  veriiflichtet,  persünhch  vor  dem  Rent- 
meister und  der  Kommission  zur  Rechnun^legung  zu  erscheinen. 
I-^  galt  also  schon  im  15.  Jahrhundert  jener  Grundsatz  des 
heutigen  Finanzverwaitungsrechts*).  daß  jede  Behörde,  welche 
Staatsvermögen  verwalte,  schuldig  sei.  Ober  ihre  Gescb&rufQbrung 
Rechnung  zu  legen. 

1)  B.  B.  0.  Fwt  glcicblaut^n«!  Ut  di«  Inttniktioa  fOi  die  Rechoongv 
anbukhrae  der  Amtleut«,  welche  H.  Qeotg  1482  ftkr  Mlft^lbeek  Rentnwiit«!; 
Ü.  A.  Kcntacbrciber  im  Oborkad,  St  R.  EMtoer,  P.  H.  GorichtMcbrdb«r  ud 
K.  Bürgtet  tu  Neoburg  «rUwea  hktto  (Kopia  im  Kr.  A.  IL,  I>uidii*-Adiniiil«ti:< 
SMbea  Fmo  In.]).  Bbeiuo  d*«kt  lich  der  Inhklt  der  tob  B.  Qeorx  llflG 
für  di«  Bechnangwuifiuüune  iin  Obfrlande  arUHnno  lutrakljoD  (Kreanar 
Xn.  6.  63  IL)  DBbao  roUitindig  mit  dem  d«r  IiwtrnktioQ  von  1670. 

2)  Srenaer  XVni.  &  30»  S  WUhelm  IV..  «!&{«  >tif  Hobans  der 
Ffauuuen  b«d»elit,  lieft  lich  Ober  die  SteaorTerhftltniMe  in  Bodvm  Undem 
(PfkU,  WOrtteniberK,  WUicbland  und  NOniberg)  infonninrva.  Dw  BtrielU- 
ontBUcr,  Dr.  DLeliläi  BejiBcber  (Wonne.  1E13)  empfiehlt  pole  Tonicht 
bd  der  Terluiidliuic  mit  der  lAndieheft  Aber  rine  nene  Steoer  snd  eehUelt 
•eiaeo  Bericht  mit  folgenden  clunktnittiecben  Worten ;  «K.  TÜMtitu  pflog 
m  ngm,  roBB  m11  die  Scbiflein,  d.  L  die  üntertluuien,  tu  gebOhreiider  Zeit 
mimtm,  aber  nicht  Uatm"  (Erenner  XVTII.  S.  47C  C). 

S)  lU  Bnchner  VEI,  ä  & 

4)  Krenner  XVUi.  8.316  0. 

5)  POil,   Lehrbneh  dee  bBTibclioii  VerwBltuagirechU.    HOodieo  I87D. 


-    293    — 

Die  Grundlage  für  die  Prüfung  der  Amtsrechnungen  bildeten 
die  Bestandzettel,  welche  jedem  Beamten  bei  seinem  Amts- 
antritte übergeben  wurden.  In  diesen  waren  nämlich  alle 
dem  Amtsinbaber  zustehenden  Geld-  und  Naturalbezüge,  Ge- 
halt, Sportein,  Dienste  u.  s.  w.  verzeichnet.  Der  nach  Ab- 
zug dieser  Beträge  verbleibende  Rest  der  Einnahmen  des 
Amtes  war  dem  Rentmeister  auszuzahlen.  Erst  nach  dieser 
Abrechnung  und  Zahlung  ^)  durfte  der  Rentmeister  Quittung 
oder  Rechenbrief  ausstellen.  Kein  Ausgabeposten,  kein  Bau  *), 
keine  Zehrung  sollte  in  der  Rechnung  anerkannt  werden,  wenn 
er  nicht  durch  den  Bestandzettel  oder  durch  besondem  herzog- 
lichen Befehl  seine  Rechtfertigung  fände^).  Eine  solche  Rechnungs- 
revision hatte  überhaupt  eine,  wenn  auch  nur  rohe,  Buchführung 
zur  Voraussetzung*). 

Eine  wesentliche  Änderung  in  dieser  Funktion  der  Rechnungs- 
prüfung der  Beamten  trat  für  den  Rentmeister  auch  mit  der 
Gründung  der  Hofkammer  1550  nicht  ein,  höchstens  für  das 
Rentamt  München.  Für  die  demselben  angehörigen  Beamten 
übernahm  nun  die  Hofkammer  die  Rechnungsprüfung,  während 
sie  in  den  3  übrigen  Rentämtern  nach  wie  vor  durch  die  Rent- 
meister bethätigt  wurde.  Wenn  nun  auch  die  Hofkammerordnung 
1558  bestimmte^),   daß  dem  Rentmeister  für  das  Rechnungs- 


1)  Item  wollet  keinen  nnsem  Pfleger  noch  Amtmann,  wer  die  sejen 
niemand  aasgenommen  aus  der  Rechnnng  lassen,  Bechenbriefe  noch  Quittung 
geben,  er  thue  dann  ganze  Yollkomnme  Bechnung  und  Zahlung  von  seinem 
Amt  (Krenner  VII,  S.  246;  auch  XVIII,  S.  836). 

2)  1512  wurde  darauf  hingewiesen,  daß  Pfleger  oft  unnötige  (Lust-)  Ge- 
bäude errichteten.  Dem  sollte  entgegengewirkt  werden.  Dagegen  waren 
notwendige  Reparaturen,  die  aber  wenigstens  die  Genehmigung  des  Bent- 
mcisters  haben  mußten,  als  zulässig  anerkannt  (K  r  e  n  n  e  r  XVIII,  S.  337). 

3)  Krenner  VH,  S.  246  f.:  er  habe  dann  unser  besonderes  Geschafft 
darum,  unter  unserm  Sekret,  das  er  euch  in  Bechnung  fdrbringe. 

4)  Daß  ein  jeder  aUer  seiner  Handlungen,  es  seyen  Händel,  Beichniß 
und  Wandel  oder  anders  in  der  Bechnung  zwey  Bflcher  übergebe,  wie  und 
warum  das  gehandelt  sey  (Krenner  VII,  S.  251). 

5)  —  auch  in  den  andern  unsem  dreien  rentambten  allwegen  ainer  aus 
inen  unsem  chamer  rätn  neben  dem  rentmaister,  vitzdomb  oder  haubtman 
und  etlicher  anderer  beisitzer,  die  ¥mr  jeder  zeit  in  benennen  vorbehalten, 
von  den  ambten  gleicher  weis  rechnung  aufhemen.  —  Hofkammer -Ordnung 
1565:  Dann  der  ambtsrechnungen  in  unsem  andern  rentambten  gedenken 
wir  hinfuran  unsem  rentmeistem  jedes  orts  zu  bevelhen  und  inen  järlich 


—    294    — 

revisionswerk  eiu  Rat  der  Hofkammer  beigegcWn  wcrdeu  soUie 
UDi),  daß  dussclbe  in  Gegeuwart  des  Vilztums  vder  Haupt- 
manos  uud  anderer  etwa  dazu  verordiietur  Beisitzer  zu  er- 
folgen habe,  so  kann  man  auch  hierin  keine  hemmende  Ver- 
vielf&Uigimg  des  KontroUeapparates  erblicken.  Denn  in  ^Virk- 
Ijchkcit  ward  eine  mchrgliedrige  Revisionskommission  vom  Herzog 
zu  allen  Zeiten  bestellt.  Neu  ist  nur  die  regelmäßige  Zuordnung 
eiucB  Hofkanimerrats ,  die  außerordentlich  zweckentsiirechend 
war,  indem  durch  diese  unmittelbare  Berührung  desselben  mit 
den  äußern  Finanzbeaint«n  der  Centralfinanzstelle  (ielegcnheit 
geboten  war,  die  Verbältnisse  der  äußern  Ämter  noch  unmittel- 
barer und  eindringlicher  kennen  zu  lernen,  als  dies  aus  den 
Berichten  des  Rentmeisters  hätte  geschehen  können.  Der  zur 
Rechnungsabnabme  abgeordnete  Kammerrat  konnte  dann  über 
seine  unmitlell>aren  Eindrücke  über  die  Verhältnisse  der  ein- 
zelnen Xmter  dem  Kollegium  die  wünschenswerten  Aufklärungen 
geben,  was  für  die  Beurteilung  rielur  Fragen  der  laufenden 
Verwaltungsgeschäfte  von  nicht  imerheblichem  Nutzen  war. 

Die  rechnunglegcndcn  Beamten  hatten  persönlich  vor  der 
Rechnungsrevisionskommission  zu  erscheinen.  Diese  befragte 
die  Erschienenen  über  alle  für  die  Kenntnis  des  /ustandes  dea 
Amts  in  Betracht  kommenden  Momente,  um  Unregelmäßigkeiten 
in  Erfahrung  zu  bringen  und  das  Geeignete  für  die  Abstellung 
von  Ordnungswidrigkeiten  anzuordnen  '). 

Bei  der  Rechnungsabnahine  wurde  vom  Itentschrcibor  ein 
Protokoll  geführt,  in  welchem  alle  in  deu  Rechnungen  befun- 


von  ble  au  nnd  ani  noHim  regiaisDt  dM«lbit  etliche  rät«  imeordnoD,  u 
l  mldw  dun  die  beTdcfa  «Im  aleen  ■oUan,  dunit  li  gleichfalli  ilea  ucbna 
[  iUUg  uchgMO  ood  niu  wu  n  wmdM  oad  la  beMarn  not  iit,  under- 
ttwilgllch  b«riebt«ii,  wie  nuui  inra  dun  di>«h«Jb«n  tuch  ein  initrnctiDU  »ob 
künftig  inetehiclion  und  mittler  leit  darauf  gedacht  «ein  kIIi)  und  iweifela 
oDo  biovor  breuchi;  gewoieD  i«L    Abnlicb  aocb  Uonnmmer-O.  IGT2. 

1)  loitraktion  (Qr  Rochnnttte  1661  {Kr  A.  M.):  die  reehniiAgen  tonoa 
ueli  la  beilein  der  pBef^er,  riefater,  maotner,  lolIneT,  geiicIitMhreiber  und 
~  r  ambtlent  wie  ee  die  gele^enbait  jedei  orta  gibt  nad  die  aoVmtt  n- 
l  TOrderV  ufgmoDunea.  anob  inen  in  gmaln  nnd  beaouder  wie  ea  Ton  nOtan 
mgeaprochen  werden,  aof  daa  man,  to  ei  mit  rocht  ineging,  dea  betrag  a^ 
&m  nnd  darauf  die  bUligkait  und  nntlarft  baodln  mdcht,  la  dem  werdet  h 
eneb  aeadsn  iwelfta  all  die  oDderthi-nStren  nnd  KOtream  dieaer,  denen  m 
verinnt  und  betolben,  wol  raebalten  wiwen. 


—    295    — 

denen  Mängel,  die  in  der  Amtsverwaltung  konstatierten  Ge- 
brechen, die  von  den  einzelnen  Beamten  gegen  diese  Anstände 
vorgebrachten  Erinnerungen,  sowie  der  hierauf  ergangene  Be- 
scheid der  Rechnungsrevisionskommission  verzeichnet  wurden  * ). 
Nur  über  minder  wichtige  Bedenken  entschied  die  Kommission 
in  kollegialer  Beratung,  während  sie  namhafte  Fragen  der  Ent- 
scheidung der  Hofkammer  überließ.  Das  Protokoll  wurde  nach 
Beendigung  der  Abhör  einer  Amtsrechnung  verlesen. 

Der  Rentmeister  war  der  höchste  Kassenbeamte  der  Pro- 
vinz ^)  und  fungierte  zugleich  als  Mitglied  der  Provinzialbehörde 
der  Regierung  3).  Alle  Geldüberschüsse,  welche  sich  aus  den 
Amtsrechnungen  ergaben,  wurden  von  den  Beamten  quartaliter 
an  ihn  abgeliefert;  in  seinen  Händen  konzentrierten  sich  also  die 
Überschüsse  aus  den  landesherrlichen  Einkünften  des  Rentamts 
und  wurden  von  ihm  an  die  Hofkammer  eingeschickt,  während 
im  Rentamt  München  die  Erträge  direkt  an  die  Hofkammer 
resp.  an  das  bei  dieser  errichtete  Zahlamt  abgeführt  wurden. 
Die  Hofkammerordnungen  (1565  und  1572)  drangen  darauf^ 
daß  das  quartaliter  geschehe,  und  wiesen,  um  die  Kon- 
trahierung neuer  Schulden  zu  vermeiden,  alle  Mautner,  Un- 
gelter und  Kastner  an,  die  von  ihnen  zu  percipierenden  Gefälle 


1)  Instraktion  fOr  Kechenräte  1577  und  die  der  folgenden  Jahre  (Er.  A.  M.)  •— 
Erstlich  soUen  si  die  rechenret  aller  und  jeder  unserer  amhtsdiener  raitungen 
vleißig  ahhOm,  legen  und  ezaminim,  danehen  auch  ein  ordenlich  protocol 
halten,  was  dann  für  mangl  oder  heschwerden  in  raitungen  findig  oder  sonsten 
eines  jeden  Verwaltungen  verhanden  seien,  desgleichen  was  die  amhtsdiener 
hcrgegen  schriftlich  oder  mflndlich  ftlr-  und  anzehringen  hahen,  was  inen 
auch  darauf  für  bschaid  von  den  rechenreten  erfolgt,  das  alles  soll  durch  den 
rentschrciber  Ordenlich  in  hemelt  protocol  gebracht  und  nach  ainer  jeden 
beschlossenen  ambtsraitung  wider  verlesen  werden,  was  dann  fär  gmaine 
Sachen  fürkommen,  die  sollen  si  unsere  rechenret  mit  einander  beratschlagen, 
auch  dieselben  verabschieden  und  entledigen,  doch  nichts  weniger  dasselb 
alles  in  das  protocol  unsers  Wissens  und  konftiger  nachrichtung  halber  ein- 
komen  lassen. 

2)  Daß  der  Rentmeister  mit  dem  Landschreiber  mit  der  Verteilung  (An- 
lage) and  Percipierung  der  Steuern  betraut  ward,  wie  dies  im  Oberlande 
1450  der  Fall  war,  gehört  zu  den  Ausnahmen  (R  renn  er  III,  S.  330  S.), 

3)  Er  soll  unsom  Rat  neben  andern  unsem  Räten  fleißig  besuchen,  wenn 
er  zu  L  ist,  heißt  es  in  der  Instruktion  1574.  Er  soll  seine  Amtssachen 
Nachmittag  verrichten,  um  Vormittag  den  Rat  besuchen  zu  können,  besagt 
eine  Bestallung  von  1555. 


—    296    — 

stets  förderlichst  von  den  Pflichtigen  einzuziehen,  keinen  Aas- 
stand zu  gewähren,  aber  auch  die  Einkünfte  nicht  zu  eignem 
Nutzen  zu  verwenden.  Alle  Reste  an  Geld  oder  Getreide  mußte 
der  Rentmeister  von  den  sie  schuldenden  Beamten  ohne  Ver- 
ziehen eintreiben. 

Wir  sehen  in  diesen  Kassenfunktionen  der  Rentmeister  eine 
systematische  Gliederung  des  Kassenwesens  in  einer  dem  mo- 
dernen System  sehr  nahekommenden  Gestalt.  Ohne  Rücksicht 
auf  den  geschichtlichen  Ursprung  und  die  Wesensverschieden- 
heit sammeln  sich  alle  rechnungsmäßigen  Überschüsse  der 
äußern  Ämter  ^)  des  Rentamts  beim  Rentmeister,  welche  durch 
ihn  dann  wieder  an  das  Hofzahlamt  abgeführt  werden.  Wirkungs- 
kreis und  Stellung*)  der  Rentmeister  entspricht  der  unsrer 
heutigen  Kreiskassen,  die  ja  auch  die  Dotation  der  Staatskasse 
vermitteln,  nachdem  sie  die  Kassenüberschüsse  der  äußern  Ämter 
gesammelt  haben'). 

Die  Rentmeister  hatten  über  ihre  Kassengeschäfte,  die  sich 
auf  Yereinnahmungen  beschränkten,  alljährlich  Rechnung  zu 
stellen,  ursprünglich  dem  Herzoge*)  und  der  von  ihm  mit  der 
Rechnungsprüfung  betrauten  Kommission  von  Hofbeamten  und 
Räten,  später  der  Hofkammer.  Diese  hatte  zuerst  alljährlich 
die  Prüfung  der  Rechnungen  der  Hofämter  und  aller  äußern 
Amter  des  Rentamts  München  direkt,  ohne  Vermittlung  des 
Rentmeisters,  in  Angriff  zu  nehmen  imd  bestimmte  sodann  den 
3  Rentmeistem  Termin  für  die  Revision  ihrer  Gesamtabrech- 
nung, mit  welchem  die  zum  persönlichen  Erscheinen  und  gleich- 
zeitiger Einlieferüng  der  Überschüsse  verpflichteten  Rentmeister 
auf  Erfordern  der  Hofkammer  eine  Berichterstattung  über  ihre 
Geschäftsführung  verbinden  mußten  *).  Waren  bei  dieser  Ge- 
legenheit geheime  Mitteilungen  zu  machen,  welche  die  Rent- 


1)  Vgl  i.  Wagner,  Finanzwissonschaft  I,  S.  272. 

2)  Hier,  wie  dort  zeigt  sich  eine  Verbindung  der  Kasse  mit  der  Regienuig. 
Während  der  Rentmeister  als  Mitglied  der  Regierung  füngierte,  ist  die  Ereiskasse 
heute  der  Kreisregierung  (Kammer  der  Finanzen)  unmittelbar  untergeordnet 

3)  P  0  z  I ,  Verwaltungsrecht  S.  65. 

4)  Die  Rentmeister  -  Instruktion  1470  und  1512  spornt  den  Rentmeister 
zur  schleunigem  Fertigstellung  seiner  Jahresrechnung  an,  damit  er,  wenn  er 
nach  Ostern  vom  Herzoge  zur  Rechnungsabnahme  berufen  wflrde,  hierzu  be- 
reit sei  (Krenner  VII,  S.  256;  XVIII,  S.  344). 

5)  Hofkammer-0.  1558»  1572. 


—    297    — 

meister  dem  Kammerkollegium  vorzutragen  Anstand  nahmen, 
so  konnten  sie  diese  in  einer  Audienz  oder  durch  Spezialbericht 
zur  Kenntnis  des  Herzogs  bringen. 

Für  die  Ausbildung  des  Rentmeisteramts  gab  auch  die 
L.  Fr.  Maß  und  Richtung. 

Während  bisher  eine  Visitation  der  Ämter  durch  den  Rent- 
meister gelegentlich  der  jährlichen  Revision  der  Amtsrechnungen 
erfolgte,  wurde  nun  die  allgemeine  Amtskontrolle  in  den  Mittel- 
punkt der  Funktionen  des  Rentmeisters  gerückt. 

Bei  den  Beratungen  über  die  L.Fr.  1514*)  beantragten 
die  Stände  Abschaffung  des  rentmeisterlichen  Umritts.  Daß 
eine  solche  scharfe  Beaufsichtigung  namentlich  den  Hofmarks- 
herren ungelegen  gewesen  sein  wird,  kann  man  begreifen.  Der 
Herzog  gab  aber  diesem  Verlangen  nicht  nach*),  sondern  ließ 
durch  seine  Räte  die  Ansicht  vertreten,  daß  das  Umreiten,  wenn 
es  nur  so,  wie  unter  Albrecht  IV.  betrieben,  fortgesetzt  würde, 
„keine  Beschwarung,  sondern  mehr  Nutzen  auf  ihme  tragen" 
könne,  und  so  enthält  die  L.Fr.  1516  zuerst^)  Vorschriften*) 
über  diese  allgemeine  Verwaltungskontrolle  seitens  des  Rent- 
meisters ^).    Der  rentmeisterliche  Umritt  wurde  nun  eine  ver- 


1)  Landtag  1514  S.  123. 

2)  Die  herzoglichcD  Bäte  betonten  (Landtag  1515  S.  195  f.) :  „In  diesem 
Kapitel  ist  ein  neuer  Artikel  gesetzt»  da6  der  Rentmeister  Umreiten  gar  ab- 
nimmt, darinn  doch  ein  Landschaft  dem  Ftlrsten  kein  Ma&  hat  zu  setzen, 
sonder  des  Fürsten  Nothdurft  erfordert,  da&  Er  seinen  Fiscal,  das  ist  seinen 
Kentmoistcr,  in  die  Amt  laß  reiten,  die  die  Malefiz  erfahren  und  Vitzdom- 
händel  abtädingen  und  sich  daneben  erfahren,  wie  sich  die  Pfleger,  Richter, 
Amtleat,  Schergen  und  Büttel  halten,  ob  sie  die  Leut  nicht  beschweren  oder 
wider  die  Landsordnung,  Landboth  und  Lands&ejheit  handeln.  Item  zu  be- 
sehen, daß  den  Fürsten  ihr  Obrigkeit  nicht  werd  entzogen,  und  ob  mit  Un- 
ficiß,  nachlässiglich,  oder  cigennutziglich  in  den  Amten  werd  gehandelt  Item 
die  Schloß-  und  Kastenhäuser,  auch  das  liegend  Treid,  und  die  ürbarsgflter 
zu  besichten." 

3)  Die  von  1508  und  1514  hatten  noch  keinen  entsprechenden  Artikel. 

4)  I  a.  2  (v.  Lerchenfeld  S.  217)  bestimmte,  daß  nur  taugliche  In- 
länder zum  Rentmeister  ernannt  werden  sollen. 

5)  L.  Fr.  I  a.  3:  Wo  unser  renntmaister  und  landschrciber  füran  umb- 
reiten,  sollen  sy  das  mit  unserm  yorwissen  thuen,  sich  frembder  henndl  und 
Sachen  on  unser  und  unser  hofrftthe,  auch  unser  ?itzdomb  und  rftthe  haissen 
und  jnen  zue  sonnderm  nutz  nit  beladen,  sonnder  allain  zue  unser  notdurfft 
sehen,  wie  es  in  yedem  ambt  umb  unser  pfleg,  gericht»  zol  meut,  casstn  und 


ifiige  organische  Eiurichtung.  Dic!sc  ]>uriudiscb  wieder- 
kclirenden  Aüitsvisitationen ,  eine  Eigcntündiclikeit  der  bairi- 
scbuu  Verwiiltung,  ermöglichten  eine  stete  Aufsicht  Qbcr  den 
gesamten  Zustand  des  I.andes  ■ ),  Ober  die  Administration  und 
die  Handhabung  der  Rechtspflege  und  namentlich  über  die 
Qualifikation,  Amtsführung  uud  Charakter  der  Beamten.  Kein 
Zweig  der  Regierungsthätigkeit  blieb  dem  prüfenden  Auge  dieses 
Gcaeralkontrolleurs»)  entrückt,  wie  dies  aus  den  umfangreichen 
Instruktionen  fUr  den  rentmeislerlichen  Umritt  seit  dem  Ende 
des  15.  Jahrhunderts  erhellt. 

Nur  in  allgemeinen  Umrissen  entwirft  die  L.  Fr.  (1  a.  3)') 
ein  Bild  von  der  neitumfassenden  Revisionethätigkeit,  welche 
der  Rentmeister  bei  seinem  Umritte  in  allen  Städten  und  Ge- 
richten, \>ei  den  verschiedensten  Ämtern  der  Provinz  zu  ent- 
falten halte  unter  besonderer  Rücksichtnahme  auf  den  Stand 
der  landcsfUrstlichen  Einnahmequellen,  die  Beobachtung*)  der 

TonUmbt,  ADch  echlob,  itet,  mArckht  ond  uioder  muer  hen*er,  anch  tmier 
getnüd,  nibar  und  &Ue  aoDdere  ligcnde  nod  tucuU  guoter,  rennt,  gtUlt,  Oll, 
.  ■mbtnatiung,  Mbarworeb,  geriebt  und  obrigkut  ge*tallt  hab,  auch  «Ee  üeh 
P^lfn  jeder  unbtmui  meren  und  minden  «tanodi  in  Minem  ambt  hillt,  ob 
r  obrigkait,  berrligkait  and  getechtigkait,  die  er  in  Mtinar 
■mbtsTcmraltang  hab  mit  vlei«  »ehe,  di«e  eidtning  and  onudra  ontBr  land- 
pot  und  landsordnuDg  ballt,  dto  amca  leot  nit  beichvlre,  und  EDfo  ambt 
gMchickhl  ic;,  odor  nacbUisigklich  oder  aigenoQtilicb  banndl  oder  nit,  d*- 
mit  wir  and  »j  oni  in  den  ambtroduiaDgcn  nnd  allen  aundoni  nnanti 
DotdnrffteD  ollenthalb  darnach  verrer  wiuen  te  ricbttui. 

])  Ein«  ihnlicbe  l^ricbtang  bildete  tieh  in  Franlnoich  Mit  Ana 
m.  Jabrbandort  ant.  Die  maitree  dei  reqnSt«,  die  Beamten  det  Staatarati^ 
welchen  die  Bericbterrtattang  Qbec  die  in  den  fiitiungen  in  beratenden 
BMboo  mfld,  batten  bier  die  einiolnen  ProTinion,  spSt«r  nur  die  tu  Zwecken 
dm  Flnaurerwaitiuig  abgegteniten  g^ndralit^  to  bercispD  und  aber  die  Zu- 
■tlnde  in  dleeen  lu  berichtcD  (E.  Loning,  Die  franiOiiKbe  Verwoltanga- 
gerichtiborkcit,  in  HartmaDD'i  Zoltacbr.  V.  S.  S4S). 

ii  nWai  die  tiritatom  in  ■])iritualibiii  et  «cdcaiaaticii  sind,  daa  nnd 
unsere  Ren tmeiiter  in  teinponüibu*",  tagt  Ktcittmajr,  OrandriA  de«  bafr. 
Stutmcbti  8.  313. 

3)  7gL  &  297  AniD.  &. 

4)  .Und  damit  man  nach  babetem  argwöhn  nach  grUndlicb  auf  den 
podan  kern«,  wie  bei  alnem  und  andeni  grichl  gebaurt  und  b  wm  OUn 
etwo  die  ODdertbooea  durch  dln  Ibnbtler  wider  die  gebui  betrangt  werdn. 
were  ich  gedacht  bei  allen  grichlcn  an«  jeder  obmaiutehalt  aloin  obman 
«unM  alnen)  leinein  racfatpem  (Br  mich  n  etfordera  und  die  ad  parMn  na- 


—    299    — 

Gesetze  und  das  Verhalten  der  Beamten.  Die  Beschützung  der 
armen  Unterthanen  gegen  ÜbergriflFe  pflichtwidriger  Beamten 
bildete  eine  Hauptaufgabe  rentmeisterlicher  Kontrollethätigkeit. 
Diese  bewegte  sich  in  doppeltem  Geleise  fort.  Einmal  wurde 
sie  bei  der  Rechnungsabnahme  am  Amtssitze  des  Rentmeisters 
vorgenommen,  welchem  ja  hierbei  überhaupt  die  Hauptthätigkeit 
zufiel.  Noch  eingehender  auf  die  Details  der  Administration  ge- 
richtet war  jene  Form  der  Verwaltungskontrolle,  welche  an  Ort 
und  Stelle,  am  Amtssitze  der  einzelnen  Beamten,  in  den  Städten 
und  Märkten  selbst  vom  Rentmeister  bethätigt  wurde,  also  beim 
sog.  rentmeisterlichen  Umritte.  Die  allgemeinen  Direktiven, 
welche  die  Instruktionen  aufstellen,  weichen  für  beide  Formen 
der  Kontrolle  nicht  wesentlich  von  einander  ab  *). 

Wenn  nun  die  ausführliche  Rentmeisterinstruktion  von  1512 
auch  für  eine  Rechnungsaufhahme  erlassen  wurde,  so  bilden 
doch  allgemeine  Grundsätze  für  die  Ämtervisitation  den  Kern- 
punkt derselben.  Erst  aus  dem  Jahre  1574*)  ist  uns  wieder  eine 
Rentmeisterinstruktion  erhalten,  die,  in  Hauptgrundzügen  mit 
der  von  1512  übereinstimmend,  doch  auch  wesentliche  Modifi- 
kationen enthält^).    Der  Anfang  der  Instruktion  von  1512*) 


yermorkt  der  grichtspersonen  fleißig  auf  alle  notwendige  pnncten  zu  befragen 
zweifele  one  wo  das  wenigist  unrecht  in  grichten  färgangen,  es  sol  durch  an- 
godeutcn  weeg  in  kundschaft  gebracht . .  werden**,  so  schlägt  ein  Rentmeister 
1581  dem  Herzoge  vor,  welcher  den  Modus  der  Visitation  in  das  Ermessen 
des  Rentmeisters  stellte  (Kr.  AM.  —  Rentamt  Landshut,  Fase  99). 

1)  In  der  Hofkammer-0. 1565  wird  deshalb,  nachdem  zuerst  die  Punkte 
aufgezählt  werden,  auf  welche  bei  den  umritten  die  Aufinerksamkeit  hin- 
gelenkt werden  soll  (soll  unsem  rentmeistem  bevolhen  werden,  das  si  in 
irem  umbreiten  vlei&ige  inquisition  halten  . . .),  fortgefahren :  solche  Inquisition 
und  nachforsch  solle  auch  in  den  ambtsrechnnngen  beschehen,  wie  wir  achten, 
solches  hicvor  auch  also  gebreuchig  gewesen  sei  und  wer  guet,  das  auf  der 
chamor  deshalben  sondere  fragstuk  gemacht,  damit  sich  die  rentmeister  in 
amtsrechnongen  darnach  zerichten  betten. 

2)  Für  den  Rentmeister  zu  Landshut  H.  Ainkhüm  (Er.  A.  L.  —  Civilakten 
Faso.  419,  XVII);  gleichlautend  ist  die  Instruktion  für  den  Rentmeister  zu 
Straubing  L.  Nußler  (Kr.  A.  M.  —  Regierung  Straubing,  1.  Fase). 

3)  In  gleicher  Weise  fu6t  die  Instruktion  von  1512  auf  dem  Inhalte 
ihrer  Vorgängerin,  der  erwähnten  Instruktion  von  1470,  mit  der  sie  in  ihrer 
Hauptanlage  übereinstimmt 

4)  Wo  nichts  anderes  bemerkt  ist,  stQtzt  sich  die  Darstellung  im  Texte 
auf  den  Inhalt  der  Instruktion  von  1512. 


—    300    — 

zeigt  den  finanziellen  Ausgangspunkt  derselben.  Des  Herzogs 
merkliche  Notdurft  erheische  es,  so  wird  hier  betont,  Gebrechen 
und  Mängel,  so  in  der  Amtleute  Rechnungen  in  den  Rentmeister- 
ämtem  erscheinen,  fleißig  zu  erforschen  und  Abstellung  der  Miß- 
stände zu  erzielen.  Zu  diesem  Zwecke  sei  die  Instruktion  den 
Rentmeistem  erteilt  als  eine  Richtschnur  ihres  Handelns. 

Bei  der  schon  hervorgehobenen  Bedeutung  der  Bestand- 
zettel der  Beamten  als  der  wichtigsten  urkundlichen  Belege  der 
Rechnungsrevision  begreift  sich  die  Anordnung  einer  Abfassung 
derselben  für  solche  Beamte,  welche  dieselben  bislang  noch  ent- 
behrten. Auf  Grund  der  gelegentlich  der  Umritte  gepflogenen 
Erkundigungen  über  Größe  und  Art  der  Amtsnutzungen,  und  auf 
Grund  der  von  den  Beamten  bei  ihrer  Amtspflicht  gemachten 
Angaben  sollten  erforderlichen  Falls  solche  Bestandzettel  auf- 
gerichtet werden.  Auch  eine  Evidenthaltung  der  vorhandenen 
Bestandzettel  sollte  durchgeführt  werden,  da  ein  großer  Teil 
der  Amtleute  nicht  verzeichnete  Nutzungen  glaubhaften  Be- 
richten nach  einnähmen.  Mit  ernstem  Nachdruck  sollte  also 
durch  diese  rentmeisterliche  Kontrolle  auf  Ordnung  im  Finanz- 
gebahren  hingewirkt  werden. 

Große  Sorgsamkeit  sollte  bei  den  Umritten  auf  eine  ge- 
regelte Buchfiihrung  der  Finanzbeamten  gerichtet  werden,  denn 
in  dieser  erblickte  man  mit  Recht  das  Fundament  einer  ge- 
ordneten Staatswirtschaft.  Wo  sich  Unregelmäßigkeiten  zeigten, 
war  eine  gute  Ordnung  zu  machen. 

Eindringlich  Aufmerksamkeit  hatte  der  kontrollierende  Rent- 
meister der  Amtsführung  der  Finanzbeamten  zuzuwenden.  Diese 
—  Kastner,  Mautner,  Zollner,  Ungelter  —  hatten  die  von  ihnen 
vereinnahmten  Renten,  Gülten  und  Zölle  quartaliter  an  den  Rent- 
meister abzuliefern,  welcher  keine  Verzögerung  in  dieser  Ein- 
lieferung  gestatten  durfte. 

Den  Kästnern  war  unter  wiederholter  Einschärfung  alter 
Verordnungen  die  Pflicht  der  Rechnungsstellung  in  3 — 4jähriger 
Periode  auferlegt,  wobei  eine  genaue  Beschreibung  der  Natural- 
und  Geldgülten  der  Urbarsieute  mit  Angabe  der  Fälligkdts- 
termine,  sowie  imter  Aufzählung  aller  übrigen  vereinnahmten 
Gefälle  und  Renten  verlangt  wurde.  Einmal  jährlich  hatte  der 
Rentmeister  die  Kasten  zu  revidieren  und  falls  er  bei  oberfläch- 
licher Durchsicht  über  die  Übereinstimmung  des  „Ist^-Standes 


—    301    — 

mit  dem  „Soll"-Staiide  Zweifel  hegte,  ordnete  er  einen  Umschlag 
des  Getreides  an,  um  sich  über  Dasein  und  Höhe  eines  Fehl- 
betrags zu  vergewissem  ^). 

Anlangend  die  Einkünfte  aus  Zoll  und  Ungeld,  so  sollten 
diese  in  einem  ordentlichen  Register  verzeichnet  werden,  um 
da,  wo  hierin  bislang  keine  Ordnung  gewesen  war,  solche  zu 
schaffen.  Auch  die  herkömmliche  Wiedererstattung  oder  Nach- 
lässe von  Zoll  und  Ungeld  waren  in  Rechnung  zu  setzen  und 
dann  erst  vom  Ertrag  abzuziehen,  damit  vollständige  Klarheit 
über  die  Nachlässe  gegeben  und  Begünstigungen  Einzelner  vor 
Andern  vorgebeugt  würde  *).  Auf  die  Instandhaltung  der  Brücken, 
Wege  und  Stege  durch  die  Zollbeamten  sollte  bei  der  Revision 
geachtet  und  die  hierfür  verrechneten  Beträge  anerkannt 
werden  ^). 

In  den  für  einen  Kammerrat  und  mehrere  Beisitzer  er- 
lassenen Instruktionen  1577  *)  wird  auch  eine  Durchsicht  der 
Urbar-,  Zoll-  und  Mautbücher ^)  angeordnet.  Erwiesen  sich 
dieselben  als  veraltet  oder  als  nicht  in  ordentlichem  Zustande 
befindlich,  so  hatten  die  Kastner,  Zollner  und  Mautner  nebst 
ihren  Gegenschreibem  dieselben  neu  zu  konzipieren.  Diese 
Entwürfe  waren  mit  den  alten  Registern  und  Ordnungen  und 
einem  Berichte  an  den  Rentmeister  einzusenden,  welcher  sie 
sorgfältig  prüfen  und  mit  seinem  Gutachten  versehen  an  die 
Hofkammer  einschicken  mußte  ®).  —  Die  Instruktion  1581  spornte 

1)  Krenner  XVIII,  S.  329. 

2)  Krenner  XY III,  S.  332.  Bei  den  Kasten- ,  Mant-  nnd  Zollämtern 
sollten  richtige  Salbücher  gemacht  nnd  erneuert  werdea 

3)  Die  hierin  nachlässigen  Zollbeamten  konnten  event  zn  Reparaturen 
auf  eigne  Kosten  angehalten  und  dazu  noch  gestraft  werden. 

4)  Kr.  A,  M.  (Hofkammerordnungen  etc.  1551—1821)  Instructionen  filr 
die  Aufnehmung  der  Raitungen  1577—1592. 

5)  Eine  Instruktion  von  1592  befahl  den  Mautnern  und  Zöllnern,  Vor- 
schläge über  Hebung  der  Zolleinnahmen,  besonders  Aber  ZoUtarifierung  der 
bisher  zollfreien  Waren  an  den  Rentmeister  zu  erstatten,  der  dieselben  mit 
seinem  Gutachten  an  die  Hofkammer  einzusenden  hatte. 

6)  Eine  Instruktion  von  1582  wies  darauf  hin,  dafi  noch  einige  unver- 
fertigte  Salbücher  und  Scharwerksregister  ausständig  seien,  und  mahnte  den 
Kentmeister,  dieselben  unverzüglich  mit  den  jetzigen  Amtsrechnungen  an  die 
Hofkammer  abzuliefern.  —  Die  erneuten  Salbücher  wurden  den  ürbarsunter- 
thanen  um  mehrerer  Gewißheit  und  Sicherheit  willen  vorgelesea 


zur  vollsläniligcn  Durchführung  der  augeordneten  Erneuerung 
der  OrliarbUdier  an  und  betonte  den  an  den  Uentmeieter  er- 
gangenen Befeh] ,  etwaige  Irrtümer  und  Onlnungswidrigkeiton 
in  denselben  zu  bereinigen,  dem  dieser,  soneit  dies  noch  nicht 
geschehen,  endlich  entsprechen  sollte'). 

Einen  betr&clitlichen  Bestandteil  des  Knnimerguts  büdoten 
die  Forinten.  Die  Verwaltung  derselben  vax  daher  von  nicht 
geringer  änauzicllcr  Trag^^eite  und  deshalb  der  eindringlichen 
Aufsicht  des  Rciitmeisters  empfohlen.  Bei  seinen  Umritten 
sollte  er  daher  auf  die  Bcobaditung  der  in  seiner  Instruktion 
aufgeführten,  vom  Geiste  einer  bewundernswert  rationellen  Forst- 
politik*) getragenen,  die  Erhaltung  des  Waldbestandes  be- 
zweckenden VorBchriften')  seitens  des  Furstpersonaln  sein 
Augenmerk  richten,  zur  Befolgung  derselben  ermalinun  und  die 
Zuwiderhandelnden  zur  Anzeige  bringen.  Sache  des  Ront- 
tneislers  war  es  auch  bis  zur  Errichtung  der  Hofkaiumcr,  seine 
ZustimmiiDg  zu  Holzverkäufen  zu  erteilen,  wie  auch  an  ihn  alle 
aus  den  Forsten  ertlossenen  Einkünfte  (Strafgelder,  Forstzinson 
n.  dgl.)  durch  die  Forstbeuinten  abgeliefert  wenlen  mußten, 
weli'bo  über  ihre  EinusbmeD  und  Ausgaheu  al|}ahrlich  dem 
Rentmeifiter  Rechnung  stellten*).  Die  Kintrftge  iti  den  Forst- 
bflcbcm  dienten  dieser  zur  Basis  *).  Man  war  nämlich  durch- 
weg bestrebt,  für  die  Abrechnungen  feste  urkundliche  Grund- 
Ingen  zu  beschaffen.  Darum  sollten  überhaupt  bei  jedem 
Amtsweclisel  alle  zum  Amte  gehörigen  Gegenstäude  laut  einem 
Invenlarium  dem  Amtsnachfolger  übergeben,  eine  Abschrift  des- 
selben aber  vom  Itentnieister  behalten  werden ''). 

Von  htirvomigender  Wichtigkeit  war  die  Stellung  des  Rent- 
mciäters  auf  dem  Gebiete  der  Rechtspflege.  Namentlich  die 
Strafgerichtsbarkeit  bot  dem.selben  ein  weites  Feld  eingreifender 
ThAtigkeit,  indem  ein  Zusammenhang  der  Finanzvcrwaltung  mit 
diesem  Zweige  der  Jurisdiktion  hergestellt  war  durch  jenes 
Institut  des  deutschen  Strafrechls  im  Mittelalter,   welches  dem 


1)  Siebe  Anni.  5  nf  S.  801. 

8)  Tgl  S  19. 

8)  VeLKrennet  Vas.S49L;  XTin.&S94£ 

4)KTenneTXnn.&a85. 


—    303    — 

Schuldigen  eine  Ledigung  der  Leibesstrafe  mit  Geld  ermög- 
lichte *)i  wenn  der  Richter  mit  Zustimmung  des  Klägers  Gnade 
erteilte.  Denn  „das  deutsche  Begnadigungsrecht  ist",  wie  R. 
Löning*)  ausführt,  „seinem  Ursprünge  naq^  nichts  anderes 
als  das  Recht  des  zur  Strafe  oder  zur  Rache  Berechtigten,  über 
seine  Straf-  oder  Rachebefiignis  zu  disponieren,  darauf  zu  ver- 
zichten oder  sie  durch  Vertrag  gegen  eine  andere  Leistung  ab- 
zulösen und  hierdurch  dann  den  durch  das  Verbrechen  gestörten 
oder  aufgehobenen  Friedenszustand  mit  dem  Verbrecher  wieder 
herzustellen".  Mit  der  schärferen  Betonung  der  öflFentlichen 
Natur  der  Strafe  fiel  das  Erfordernis  der  Einwilligung  des 
Klägers  zur  Ledigung  der  Strafe  hinweg,  sie  wurde  nur  durch 
den  Richter  ausgesprochen  und  stellte  sich  dar  als  Milderung 
der  peinlichen  Strafe  ^).  Diese  Auffassung  des  Rechts  der  Be- 
gnadigung als  eines  mit  dem  Blutbann  verknüpften*)  Attributs 
der  Gerichtsbarkeit  verschwand  mit  der  Erstarkung  der  Landes- 
hoheit. Zu  den  dem  Landesfürsten  vorbehaltenen  Hoheits- 
rechten gehörte  nun  auch  das  Begnadigungsrecht^). 

Im  bairischen  Rechte  wurde,  wie  erwähnt,  eine  Gruppe  von 
Delikten  als  Vitztumhändel  zusammengefaßt^).  Man  verstand  hier- 
unter diejenigen  todeswürdigen  Verbrechen,  bei  welchen  eine  Le- 
digung der  angedrohten  Todesstrafe  erfolgte.  Diese  Strafumwand- 
lung wurde  ursprünglich  durch  den  Vitztum ')  vorgenommen  — 
daher  die  Bezeichnung  Vitztumhändel®)  —  seit  dem  Ende  des 
15.  Jahrhunderts  durch  den  Rentmeister  ^) ,   welcher  die  Höhe 


1)  Ssp.  I,  38  §  1;  I,  65  §  2.    Schwsp.  (Gengier)  c.  268  §  9. 

2)  in  y.  L i 8 z t  and  v.  Lilienthal,  Zeitschr.  t  d.  ge&  Strafrechtswissen- 
schaft (1885)  V,  S.  228. 

3)  Hälschner,  Qesch.  des  hrandenhorgisch  -  preußischen  Strafrechts. 
Bonn  1855.    S.  51. 

4)  Wahlberg,  Zar  Geschichte  des  Begnadigungsrechts  in  Österreich 
(Ges.  kleine  Schriften.   Wien  1877.  U,  S.  123). 

5)  R.  Löning  a.a.O.  S.  232. 

6)  Vgl.  S.  282  —  Vitztam-  und  malefitzhandel  sind  identische  Begriffe 
(L.Fr.  I,16Z.  16;  II,  2,3,14). 

7)  Vgl.  Krenner  VU,  S.  479. 

8)  Die  für  die  Vitztumhändel  bestinunten  Strafen  wurden  Vitztumwftndel 
genannt 

9)  Die  L.O.  1474  hält  noch  prinzipiell  an  dem  älteren  Zustande  fest»  in- 
dem sie  in  erster  Linie  den  Vitztum  als  das  zur  Strafumwandlong  zuständige 
Organ  betrachtet   („Wo  aber   einer  von  obgeschriebenen  Artikel  [Vitztum- 


—    304    — 

der  Geldbuße  je  nach  der  Schwere  des  Verbrechens  verschieden 
festzusetzen  hatte.  Interessant  ist  die  Erscheinung,  daß  ein 
Organ  der  fürstlichen  Finanz  Verwaltung,  der  Rentmeister,  mit  der 
Ausübung  des  landesherrlichen  Begnadigungsrechts  delegations- 
weise betraut  wurde.  Darin  zeigt  sich  aufs  schlagendste  der 
finanzielle  Schwerpunkt  des  Begnadigungsrechts.  Daß  aber  der 
Fortschritt  einer  Trennung  der  Gerichtsbarkeit  und  des  Be- 
gnadigungsrechts vollzogen  war  ' ) ,  tritt  hier  schon  verhältnis- 
mäßig frühe  in  der  Übertragung  des  Begnadigungsrechts  zur 
Ausübung  an  ein  besonderes  nichtrichterliches  Organ  hervor. 
Man  war  sich  auch  dieses  Gegensatzes  des  richterlichen  Straf- 
aktes und  des  rentmeisterlichen  Begnadigungsaktes  bewußt,  wie 
aus  der  er>vähnten  Verordnung  H.  Ludwigs  (1474)  *)  an  die  Rent- 
meister der  Oberlande  hervorgeht:  „Wer  aber  einer  der  obge- 
schriebenen  Händel  (d.  s.  Vitztumhändel)  halber,  einem  oder  mehr 
mit  Recht  nicht  gestraft,  sondern  begnadet  würde,  die 
wollet  also  als  um  Vizedomhändel  von  Unsern  wegen  nach  Ge- 
stalt eines  jeden  Handels  straffen,  oder  wandeln"  ^).    Der  Be- 


händcl]  .  .  .  mit  R«cht  nicht  gestraft,  sondern  begnadet  würde ,  das  wollen 
Wir  alsdann  durch  Uns  selbst,  oder  onsem  Vizedom,  oder  wem  Wir  das  be- 
fohlen zu  thun,  strafen  lassen").  Da&  aber  die  angedeutete  Stellvertretung 
dos  Vitztums  hier  regelmäßig  dem  Rentmeister  übertragen  war,  besagt  deut- 
lich ein  herzogliches  Ausschreiben  an  die  Rentmeister  im  Oberland  vom 
17.  Juni  1474  („Wer  aber  .  .  .  mit  Recht  nicht  gestraft,  sondern  begnadet 
würde,  die  wollet  also  als  um  Vizedomhändel  von  Unsern  wegen  nach  Qe- 
stalt  eines  jeden  Handels  straffen  oder  wandeln").  K  r  e  n  n  e  r  VII,  S.  477, 
449.  —  Viel  früher  scheint  diese  Strafumwandlung  in  Oberbaiem  zur  Kom- 
petenz des  Rentmeisters  und  Landschreibers  gehört  zu  haben,  wie  die  Be- 
stallung eines  Pflegers  zu  Ingolstadt  1457  ergibt  (was  aber  Yitzthumbhandel 
gefallen ;  die  soll  unser  Rentmeister  und  Landschreiber  im  Oberland  handeln 
und  abtejdingen  und  Uns  die  verrechnen  als  von  Alters  herkhommen  ist 
(E leemann,  Gesch.  der  Festung  Ingolstadt  S.  14). 

1)  Vgl  über  diese  Entwicklung  Köhler,  Shakespeare  vor  dem  Forum 
der  Jurisprudenz.   Würzburg  1884.   S.  116. 

2)  Krenner  VII,  S.  449. 

3)  Auch  die  folgende  Stelle  der  LO.  1474  (KrennerVII.  S.  479),  welche 
noch  den  ursprünglichen  Zustand  der  Abwandlung  durch  den  Vitztum  vor 
Augen  hat,  bezeugt  dies:  So  aber  einer  zu  Gefängnifi  kommt,  so  soll  der 
Richter  über  ihn  sitzen  und  richten,  es  sej  zum  Schwert»  Strang,  oder  andrer 
Straffe  am  Leib.  Würde  er  aber  von  uns  begnadet»  so  soll  aber  unser  Vize- 
dom  solchen  Handel  zu  strafen  und  um  das  Wandel  zu  thaidingen  und  nicht 
der  Richter  zu  wandeln  haben. 


—    305    — 

gnadigungsakt  erfolgte  nicht  nach  Fällung  eines  richterlichen 
Urteils,  sondern  er  trat  au  die  Stelle  desselben.  Es  mußte  also 
ein,  wenn  auch  nur  summarisches,  Verfahren  in  all  den  Fällen, 
wo  die  Thätigkeit  des  Gerichts  durch  die  des  Rentmeisters  er- 
setzt ward,  Platz  greifen,  da  die  Begnadigung  sich  als  eine  die 
konkreten  Thatumstände  berücksichtigende  Strafumwandlung 
darstellte.  Man  könnte  vielleicht  von  einem  freien  Verwaltungs- 
verfahren im  heutigen  Sinne  sprechen  im  Gegensatze  zum 
strengen  Formalismus  des  gerichtlichen  Prozesses.  Natürlich 
führte  das  zu  Mißbräuchen,  und  so  ertönten  Beschwerden  seitens 
der  Landstände  ^)  darüber,  daß  viele  Unschuldige  in  solchen 
Vitztumhändeln  gebüßt  würden.  Um  diesem  Übel  zu  steuern, 
ward  verfügt,  daß  die  rentmeisterUche  Begnadigungsinstanz  zur 
Wirksamkeit  nur  zu  kommen  habe  bei  vorliegendem  Geständ- 
nisse und  Notorietät  —  wo  gichtiger  Mund  und  wahre  That 
vorhanden  sind,  daß  ihr  dann  die  Wandel  außerhalb  Rechten 
nehmet  und  thuet  *).  Fehlte  eine  dieser  beiden  Voraussetzungen, 
so  mußte  die  Sache  auf  den  Rechtsweg  geleitet  und  zu  urteils- 
mäßiger Erledigung  vor  dem  zuständigen  Gerichte  gebracht 
werden. 

In  diesem  Sinne  sagt  auch  L.  Fr.  I.  a.  16  nach  Aufzählung 
der  einzelnen  Vitztumhändel ,  daß  sie  nicht  gestraft  werden 
sollen,  „es  hab  sich  dann  zue  den  beschuldigten  erstlich  war- 
lichen und  gleublichen  erfunden".  Der  Schlußsatz,  daß  es  in 
den  obgemeldeten  Fällen  nach  Buchs  Sage  gehalten  werden 
soll,  wo  das  Landbuch  liegt,  ist  von  einschneidender  Bedeutung, 
indem  das  Geltungsgebiet  des  Landrechts,  also  hauptsächlich 
Oberbaiem  •^),  von  dieser  Strafumwandlungsthätigkeit  des  Rent- 
meisters eximiert  war.  Da  die  L.  Fr.  für  die  als  Vitztumhändel 
(lualifizierten  Delikte  eine  Strafe  nicht  fixierte,  sondern  das  Aus- 
maß der  Buße  dem  zur  Begnadung  kompetenten  Rentmeister 
iinhcimstellte,  waren  durch  die  Verweisung  auf  das  Landbuch  in 


1)  Krenner  VII,  S.  402. 

2)  Wo  aber  gichtiger  Mund  und  wahre  That  nicht  vorhanden  w&re,  so 
wollet  dieselben  Händel  mit  Becht  einbringen;  Nftmlich,  wann  die  Sache 
einen  Edelmann  berührt,  vor  Uns  und  nnsem  R&then;  Wann  sie  aber  einen 
Burger  oder  Bauern  antrifit,  vor  dem  Landgericht  and  Qericht»  darein  er  ge- 
hört (Krenner  Vn,  S.  450;  vgl  auch  L.O.  1474  -  ibid.  S.  477). 

3)  Vgl  hierüber  v.  d.  Pfordten  S.  222  £ 

KoseDthal.  (ieschichte  d.  Gerichtsw.  n,  d.  Verw.-Org-  Baiernt.  I.  20 


dem  Geltungsbereiche  desselben  die  von  demsdbcii  für  die 
gleichen  Verbrechen  ange<irohten  Strafen  zu  erkennen.  Obwohl 
nun  hier  fflr  einige  der  als  Vitztumhändel  (in  der  L.  Fr.)  (|iia]i< 
fizierten  Delikt«  bestimmte  Strafen  angedroht  waren,  könnt« 
doch  auch  von  ihrer  Vollziehung  Umgang  genommen  werden 
und  auf  dem  Gnadenwege  eine  Umwandhmg  derselben  in  Geld- 
bußen erfolgen. 

Die  Selbstäiidigki^t  des  Reutnicisters  wird  im  16.  Jahr- 
hundert in  engere  Grenzen  gebannt,  die  scharfe  Trennung  der 
Begnadigungs-  und  Gerichtsinstanz  beseitigt  und  eine  Verbin- 
dung beiilcr  Organe  angebahnt.  Die  L.  Fr.  1608')  erschließt 
zuerst  ilen  durch  den  Reutmeist«r  um  Vitztumhandel  Abge- 
wandelten den  Beschwerdeweg  zum  Hofrat  bczw.  zur  R^iurung, 
welche  liehfirdeu  aber  nur  unter  Beiziebung  des  betreffenden 
Rentnieisters  die  Beschwerdesache  erledigen  kHnnen,  und  wo 
vitzdomb  und  r&te  darjnn  mäßigung  fUmemcn,  darein  iler  rännt- 
maister  von  des  landesfUrsten  wegen  nit  gehen  wolt,  so  sol  als- 
dann derselh  ränntmeister  das  au  den  lanndßfQrsten  bringeu. 
Gleichfalls  sollte  aber  auch  das  Kollegium  eich  mit  einem  Gut- 
achten (Iher  den  Fall  an  den  Herzog  wenden,  um  seine  Ent- 
schließung zu  erholen. 

Auch  hier  tritt  aUo  der  Kcntmeistur  als  das  zur  AusQbung 
des  landesherrlichen  Begnadigungsrechts  berufene  Organ  besou- 


•  1)  T.  Lerehenfeld  S.  2!3  (Anm.  »It.  U).  Dar  Artikel,  d«  «eit 
1614  fehlt,  lsTit«t:  Keglbe  nth  ibsr,  diA  un«t  datch  diu  rlnntinniit^r  omt» 
ftinen  Titidonbhuindel  gestrafft  uaud  dent^lb  dinmib  Itoc  cUg  für  dio  hof- 
cito  und  TiUdomb  komm  wurde ,  boy  t>olbrr  icrbdr  not  der  riiiuitncbur 
dettolbeo  orta  uch  «itxmi  nond  luchnuüi  iBinüntlkb  in  dnr  och  hinmlnlii,  nod 
wo  ritulomb  nnd  rdto  dujno  tnäftS^ngfUmemru,  duein  der  rlnnUnoitter  von  de« 
UndiOlntaii  wcgeo  nit  gohelea  wolt,  to  aol  Alfidtun  denelb  riDnünoUter  du  an 
den  lumdUBntan  brinifr'n.  Dergloicli  ■allen  hofmiiiter  und  boMte  ond 
in  den  ritsdombiunbl«!)  die  ritfdomb  und  rite  lOlich«  auch  an  den  Unod«* 
flbtten  gelanngen  lauen,  jme  jre  ga«i  bcdancken  jm  banodel  etUBtua  tmd 
daranf  TeTTertein  getehftfft  nnnd  majniinftTenioincQ.'—  Bei  den  TerhuidlnngtB 
(UndUR  1516  8.  197)  inetnien  dl«  Bit«,  dioMr  Artikel  loUe  bi%  g  ' 
bleiben,  der  licntmmter  «olle,  wo  «T  bM«hwert  n  aeln  nnnaiB«,  <" 
den  I^andufOntpH  bringen,  dieweil  n  Br.  Onodra  KamiDerfiit  und  ( 
anlrilft  Der  Auiichtil  hielt  diea  aber  Ar  eine  VetUdnemnff  von  1 
und  FEitm,  niinal,  anch  wenn  der  Artikel  antgelauan  wOrda,  m  doch  d 
inri«t«ni  unbenommen  bleibe,  Jen  Handel  an  den  Ftlnton  n  bititpv,  I 
halb  entjchied  fleh  der  Qenog  auch  Kt  lUo  Weglaafang. 


—     307    — 

ders  hervor.  Sein  Dissens  gegenüber  der  Meinung  der  Majorität 
des  Kollegiums,  dessen  Mitglied  er  ist,  benimmt  dieser  die  Rechts- 
kraft und  genügt,  um  die  Entscheidung  in  die  Hände  des  In- 
habers des  Hoheitsrechts,  des  Herzogs,  zurückzubringen.  —  In 
dieser  Richtung  bewegte  sich  der  Inhalt  der  Instruktion  1512, 
welche  den  Rentmeister  verpflichtete,  künftig  in  allen  peinlichen 
Sachen^)  nur  mit  Genehmigung  des  Herzogs  oder  der  Re- 
gierung zu  handeln,  deren  Majoritätsbeschlüsse  er  zu  vollziehen 
hatte*). 

Noch  1514  betonten  die  Landstände  diesen  Punkt,  indem 
sie  beantragten,  daß  der  Rentmeister  die  Vitztumhändel  nur 
vor  und  mit  dem  Regiment  bestrafen  solle,  auf  daß  mit  guter 
Gerechtigkeit  umgegangen.  Niemand  nach  seinem  Vermögen, 
sondern  Jeder  nach  seiner  Verschuldung  bestraft  werde  ^).  Durch 
die  L.  Fr.  1516  wurde  dann  das  Prinzip  zur  verfassungsmäßigen 
Anerkennung  gebracht,  daß  Rentmeister  und  Landschreiber  die 
Vitztumwändel  nur  nach  Beschluß  des  Hofrats  resp.  der  Re- 
gierung abwandehi  dürfen*).  Gelegentlich  des  Umritts  hatten 
die  beiden  Beamten  zwar  die  vorgekommenen  Vitztumhändel  in 


1)  Auch  bei  Erteilung  des  Geleits  oder  der  Landeshold. 

2)  Krenner  XVIII,  S. 341  f.  Wiewol  in  etlichen  unsem  Vizedomfimtem 
der  Gebraach  bisher  gewesen  ist,  daß  ihr,  Bentmeister,  in  peinlichen  Sachen 
und  mit  Gebang  der  Geleite  und  Landeshuld  ohne  unserm  und  unsrer  Vize- 
dom  und  Käthe  Ha!  und  Wissen  bisher  gehandelt  habt,  werden  Wir  doch 
aus  billigen  und  rechtmäßigen  Ursachen  bewegt,  solchen  Gebrauch  aufzuheben 
und  ist  darauf  unser  ernstlicher  Befehl  und  Meynung,  dafi  ihr  nun  fkan 
keinen  Gefangenen  zu  gichtigen  und  mit  der  Strenge  zu  fragen  oder  mit 
peinlichen  Rechten  zu  rechtfertigen  verschaffet,  noch  ledig  lasset ;  dazu  keinen 
Übelthätcr  oder  jemand  andern  in  malefizischen  Sachen  zu  Becht  oder  freyes 
Geleit  gebet,  ihr  habet  dann  vor  Gestalt  und  Herkommen  des  Handels  Uns 
oder  unserm  Vizodom  und  Bäthen  eigentlich  berichtet,  und  unsers  oder  ihres 
Rathcs  darauf  gepflogen,  und  was  darnach  durch  Uns  oder  die  mehrere  Folge 
von  unserm  Vizedom  und  Käthen  samt  euch  im  Bath  beschlossen  wird,  dem- 
selben sollet  ihr  darnach  Folge  thun,  und  fQr  euch  selbst  kQnftiglich  aus 
eigenem  Gewalt  ohne  Bat  in  vorberührten  Sachen  allein  nicht  handeln. 

3)  Landtag  1514  S.  123. 

4)  L.Fr.  I  a.  15:  Es  sollen  auch  unser  renntmaister  und  landsschreiber 
die  vitzdombwändl,  was  sy  der  in  jrem  umbreiten  oder  sonst  erfam,  nun 
füran  mit  unserm  und  unserer  hofräthe  und  in  unsem  vitzdombambten  mit 
unserer  vitzdomb  und  räthe  wiUen  und  wissen  und  nach  derselben  mä&igung 
abtüdingcn,  und  die  noch  annder  wänndl  zue  vertädingen  on  sonnder  bevelh 
auf  jr  umbreiten  nit  mer  aufschieben. 

20* 


Erfahrung  zu  bringen,  die  selbstilndige  AbwaniDuug  dcrsell>en 
war  ihnen  aber  entzogen. 

Dieses  Prinzip  wurde  aber  nach  Errichtung  der  Uofkaninier 
wieder  aufgegeben.  Diu  Rentmeisterinstruktiun  1Ö74  bestimmt 
nämlich,  daß  der  Rentmeister  die  Strafe-,  welche  er  in  Anwesen* 
heit  des  Rentschreibers  nach  Gelegenheit  der  Person  und  des 
Verbrechens  erkannt  habe,  nicht  willkQrlich  wieder  abändern 
dQrfe ').  Die  wegen  Vitztumh&ndel  abgewandelten  Personen 
brauchten  sich  aber  l>ei  <lem  Ausspruche  des  Rentineisters  nicht 
zu  beruhigen,  sondern  sie  konnten  sich  mit  einer  Beschwerde 
an  die  Hofkammer  wenden,  welche  eine  Ermiißigung  der  ver- 
hängten Buße  erkennen  durfte. 

Alle  wichtigen  VitztumhÄndel  sollten  durch  Vermittlung 
der  Hofkammer  an  den  Herzog  berichtet  und  die  Strafe  nur 
mit  dessen  Genehmigung  fixiert  werden. 

Wenn  jetzt  auch  der  Ausdruck  Begnadigung  in  den  Quellen 
nicht  mehr  vorkommt,  sondern  stets  nur  von  einer  Bestrafung 
der  Vitztnmhändel  die  Rede  ist*),  so  hat  sich  doch  die  Naiur 
dieser  rentnietsterlicben  Funktion  nicht  geändert,  sie  steht  auch 
jetzt  noch  in  direktem  Gegensätze  zu  lier  Thätigkcit  der  richter- 
lichen OrgADe  *).  Auch  zeigt  diu  fUiglung  des  InstanKcnziigs 
und  der  Vorbehalt  der  wichtigsten  Fälle  für  den  Herzog  selbst, 
daß  es  sich  bei  dieser  Slrafumwandluiig  um  ein  von  den  Ge- 
richten losgelöstes  Begnadigungsrecht  handelt,  dessen  AnsQbung 
dem   Reutmeister  delegationsweise   überlragnn  war.    Die  Ein- 

I>  Er  (der  rentniaittur)  «ull  auch  hinfuron  für  lieh  iclba  ^nirb»  rtnf 
nlt  todoni,  mildoiD,  mindam  oder  mohrpii.  »oDdcr  m  bni  der  rtnt,  w  er 
ateh  glegenbut  der  pertonoD  ood  vcrbrecbeni  io  b«*oui  oiwer«  rentechniben 
ftunimbt,  bleibeo  lauen  und  da  sich  jemaDi]  derhalben  inbedegeB,  loUn 
■DMTO  camerrit  duin  n  modorim  baboa.  Aber  die  wichtigen  wcbon  toOeB 
li  nit  on  nneer  TorwiaaeD  fllmeinon.  eoadeni  all*  anf  tuuer  caaer  dieedbos 
nni  m  belichten  tchreibca  und  dMt;'<^iclieD  nlchta  oue  noaer  Torwiaaen  »b- 
atrafen. 

21  t.  B.  L.  Fr.  I  a.  16  fäagme:  Ea  mOgen  die  nacbrolgenden  ftU  und 
milbandluug  fOran  alla  malefltciach  und  Titidonibhenndl  ^eetraüt  «rerdra. 
Kbonao  un  Si^bliuM  dieaea  ArtJkela  and  InatroktioD  1574. 

3)  Dieter  Qogenaata  hat  eich  aneb  fcmerliin  erfaaltea.  So  befleUt  «JM 
Inatruktion  Hai  L  DDge&hr  ieS9  (R.  A.  —  ObeqifUi.  Ordnnngea)  dem  JtttaU 
n«al«r,  im  Bat*  Acbtnng  dannf  m  haben,  d^l  in  den  Strafen  gute  I>iaei«tio& 
getutlleo,  dni  alcbt,  waa  rentmeUtvriacb  nerichtlieli  uder  coa- 
tra  abgaatnA  weide 


—    309    — 

Setzung  der  Hofkammer  als  RevisionsbQgnadiguBgsinstanz  weist 
darauf  hin,  daß  das  finanzielle  Moment,  die  Preisgabe  des  Straf- 
rechts gegen  Geldleistung '),  als  das  ausschlaggebende  betrachtet 
wurde. 

Als  mit  dem  Beginne  des  17.  Jahrhunderts  Maximilian  I. 
den  Städten  das  Oberrichteramt  mit  allen  Rechten,  also  auch 
die  Kriminalgerichtsbarkeit  zur  unbeschränkten  Ausübung  über- 
trug, behielt  er  sich  das  Begnadigungsrecht  ausdrücklich  vor 
und  schärfte  der  Stadt  ein,  jeden  Verbrecher  nach  den  Bestim- 
mungen der  peinlichen  Halsgerichtsordnung  und  dem  gemeinen 
geschriebnen  Malefizrecht  zu  bestrafen  und  nicht  gnadenweise 
eine  Strafmilderung  eintreten  zu  lassen  *). 

Ursprünglich  war  der  Kreis  der  Vitztumhändel,  von  denen 
nun  noch  kurz  zu  handeln  ist,  ein  sehr  reger,  er  erstreckte  sich 
auf  die  todeswürdigen  Verbrechen.  Als  Repräsentanten  dieser 
Kategorie  wurden  im  bairischen  Rechte*),  wie  oben*)  hervor- 
gehoben wurde,  stets  die  3  Hauptverbrechen  (diuf,  notnumft 
und  todsieg)  aufgezählt.  Im  Laufe  der  Zeit  wurde  die  Zahl 
dieser  Vitztumhändel  vermehrt  und  hiedurch  vielfach  Irrungen 
hervorgerufen.  Deshalb  ging  die  Bitte  der  Landstände*)  auf 
Abstellung  dieser  Neuerung.  Sie  verlangten,  daß  es  damit  ge- 
halten werde  nach  Inhalt  der  Freiheit,  deren  doch  nur  3  sind*). 
Die  aus  herzoglichen  Räten  und  Verordneten  der  Landschaft 
zur  Beratung  der  landständischen  Beschwerden  gebildete  Kom- 
mission '')  einigte  sich  über  eine  Aufzählung  der  einzelnen  als 
Vitztumhändel*)  zu  qualifizierenden  Verbrechen,  welche  alle  unter 

1)  Diese  Preisgabe  ward  den  Gerichten  ohne  landesherrliche  Genehmigung 
untersagt  durch  Bamberger  Halsgerichtsordnung  a.  272  und  P.G.O.  Karls  V. 
a.  158  .  .  .  (vgl  R.  Löning  a.  a.  0.  S.  233). 

2)  Rosenthal,  Beiträge  S.  265  f.  (vgl  auch  S.  79) :  Die  von  Straubing 
sollen  sich  . .  ainicher  begnadung,  welche  wflr  uns  per  ezpressum  vorbehalten, 
nit  understeen. 

3)  Ebenso  im  Osterreichischen  Rechte.  YgL  Osenbrfiggen  a.a.  0. 
S.  190. 

4)  S.  157  und  193. 

5)  1460  und  1471  (Krenner  VII,  S.  60,  265). 

6)  Man  dachte  hierbei  an  den  ersten  Freibrief  1311  an  die  drej  gerichte 
die  zu  dem  tode  ziehent. 

7)  Krenner  VII,  S.  279  iL 

8)  Als  Kriterium  wurde  gelegentlich  der  Laudtagsverhandlungen  1515 
(Rockinger,  Einleitung  S.  355)  die  Todeswflrdigkeit  des  Verbrechens  her* 


-    810    — 

diese  3  Kapitalverbrechen  subsumiert  werden  koontcu,  und  führte 
noch  eine  Anzahl  von  Delikteu  auf,  welche  bisher  mit  Unrecht 
als  Vitztumbändfl  betrachtet  wurden,  was  kOoftig  abgeBt«llt 
werden  sollte  ').  Als  Ergebnis  weiterer  Verhandlungen')  wurden 
die  vorgeschlagenen  Artikel ')  als  Vitztumhändcl  in  H.  Ludwigs 
L.O.  1474  aufgenommen.  Diese  gesetzliche  Fiiieruug  der 
VitztURihflndel  bililete  die  Grundlage  aller  weilereu,  wie  sie  uns 
in  den  I..andesfreiheit8erkl&rungen  entgegentreten,  wenn  auch 
der  Katalog  in  Folge  weiterer  Verhandlungen  mit  den  Ständen*) 
mancherlei  Änderungen  erfahren  halt«'').  Die  L.Fr.  1553  hatte 
so  nicht  nur  die  Zahl  der  Vitztumhündel  stark  vermehrt  *),  son- 
dern wie  schon  die  von  1508  viel  ausführlicher  als  die  L.O,  1474 
die  Thatbestandsmerkmale  der  einzelnen  Delikte  beschrieben, 
w&brenil  man  sich  früher  mit  einer  einfachen  Aufz&hlung  der 
Verbrochen  begnügt  hatte. 

Durch  die  AufsteUung  des  Katalogs  der  Vit/tumhändel  er* 
reichte  man  aber  nicht  den  erstrebten  Zweck,  denn  nach  wie 
vor^)  ertnnten  unablässig  auf  den  Landtagen  die  Klagen,  daA 
die   Rentmeister  oft  gewöhnliche  Vergehen,  die  sog.  Gcricht»- 


vargehobtn:  —  iiucb  jr  der  TiQdombbeimill  nit  mer  sein  noch  tnion  in  dm 
<mg  gelltn  «StlsD,  dum  lo  der  thAtter  dftrumb  mit  geKr'li)*)'^  Uuttann 
rocbtoo  Tom  leben  mm  tod  gnricht  mag  werden. 

1}  und  nachdem  dioaelbon  Artikel  die  drej  Sachen  nicht  berthrm,  »ach 
nicht  dann  ban^n,  (o  «ollon  lio  hinfllr  nicht  in  die  Vii«domIiindel  geiogen 
wyn  tltockinger,  MnL  B.  281  ffi, 

X)  Kronn«r  HL  äSiriSl.  373  0;  400  E 

S>  Polgonde  VitstumbSndel  tOhrt  die  I.O.  auf:  Tataag  iea  üem.  dw 
Otttea,  der  Eltom,  Selbitmord,  Vcnrirkonfc  dm  G«leiU,  Aiutrat«n  und  B^ 
fchdnng.  tro*«nllicher  Frialbmch.  Verrat,  Toticbla^,  Drlnmdm-  and  Hfln^ 
OUichuni;,  Notiucht,  Meineid,  Vcillagnan);  de«  Herrn,  FuDd-  oud  Schatz 
iii<ibitahl    din  bnjdnn  Torlotiton  Verbrochen  fehlten  im  I.  Vonchla^). 

4}  LandUge  1&1&-16,  S.  1S3  S,  368  fT.,  373,  377. 

6t  V^'l.  Ober  die  Faiiuoi^ideningun  Urne»  Aitikeli  ta  den  roracUedoMa 
lAndvffreiheitMTkUnin^en  v.  Lercheofeld  8.  306  o.  5. 

6)  iW  Hlndrl  icgav  IS  tU7(j.  Nea  anfgenonunan  wnrdn:  Zanbard^ 
fTOler  Diebstahl.  Haab.  Kirchenraab,  Enirohrnng  «on  Fnn  ood  Verwaodt«^ 
AnflaDoni  and  Schaden h/oKIkui));  bei  Nacht,  Verrflcknng  dtr  Qr«ix«t«ln&  !)■> 
gDgim  fehlen  am  dem  VDrceJchniiie  1474:  VotUaganng  d«a  Hom  und  ^diW 
und  !khaUdieb(UhL 

7)  Sehen  1497  nod  ISOl   warde  betonden  gerOgt,  dal  die 
ueh  don   Kh«bnich  alt  Vitctumbandel   botraftcn  (Krenner  Xlll,  S.  80t 
188.3661. 


—    311    — 

händel,  als  Vitztumhändel  bestraften  *).  Die  herzogliche  Ant- 
wort versprach  dann  stets  Abhülfe  dieser  Beschwerden  und  wies 
die  Rentmeister  zur  genauen  Beobachtung  der  Vorschriften  der 
Landesfreiheiten  an.  In  diesen  war  immerhin  eine  Basis  ge- 
schaffen, von  welcher  aus  stets  aufs  neue  der  Kampf  gegen  der- 
artige Pflichtverletzungen  erfolgreich  geführt  werden  konnte. 

Über  den  Kreis  der  Vitztumhändel  hinaus  erstreckte  sich 
aber  auch  die  Thätigkeit  des  Rentmeisters  in  Begnadigungssachen, 
sofern  die  Delinquenten  „reiche  oder  hohe  Personen"  waren. 
Die  Strafumwandlung  fiel  hier  jedoch  dem  Herzog  oder  der  Hof- 
kammer zu,  die  aber  nur  nach  gutachtlicher  Äußerung  des 
Rentmeisters  entschieden  *). 

Den  Rentmeistem  ward  sorgsame  Erforschung  der  Vitztum- 
händel zur  Pflicht  gemacht,  ihnen  dabei  aber  eingeschärft,  un- 
parteiisch ihres  Amtes  zu  walten  '),  niemanden  aus  Freundschaft 
oder  Bestechung  halber  zu  schonen,  ebensowenig  aber  einen 
Unschuldigen  aus  Haß  oder  andern  Beweggründen  zu  denun- 
zieren. Sie  sollten  bei  Meidung  ernstlicher  Strafe  und  Amts- 
entsetzung dafür  sorgen,  daß  dem  Fiskus  nichts  eigennütziger 
Weise  entzogen,  daß  aber  auch  anderseits  niemand  unbillig  be- 
schwert würde.     Sie  sollten  sich  nicht  unterstehen,   die  einmal 


1)  z.  B.  1489,  1601,  1514, 1626,  1543, 1593  (Krenner  XII,  S.  279;  XÜI, 
S.  187,  308;  Landtag  1614  S.  213;  ibid.  1543  S.  38). 

2)  Instruktion  1574:  Do  er  auch  in  erfaning  bringen  wurde,  das  sich 
reiche  oder  hoche  personen  mit  dem  eebmch,  mit  nnbillicher  beschwenmg 
der  armen  oder  mit  maetwillen,  romom,  vcrbotnen  conträcten  oder  andern 
mißhandlongcn  vergiengen,  dieselben  strafen  soll  er  rentmaister  für  sich  selbs 
nit  taxircn,  sondern  uns  oder  unser  camer  zuvor  undertheniglich  mit  allen 
umbstandcn  gründlich  berichten  und  dabei  sein  underthenig  guetachten,  wie 
er  vermaint,  da£  die  strafen  zume&igen  sein  auch  vermelden  und  also  darauf 
unser  oder  unserer  camem  resolution  erwarten. 

3)  Hofkammcr-0.  1572 :.  —  das  si  auch  auf  die  vitzdomb  und  andere 
händl,  so  iro  ämbter  und  bevelch  anlangen,  ain  flei&igs  aufmerken  und  nach- 
frag haben,  niemands  von  freundschaft^  verwandtnus,  schankung,  neid  oder 
ha£  übertragen,  nachzucsctzen  oder  ichts  dissimuliem,  es  treffe  wen  es  wöUe, 
sonder  die  Sachen  dahin  richten,  das  uns  dis  orts  ires  aigncn  genies  halber 
nichts  entzogen  noch  jemand  unbillicher  weis  beschwerd  werde  bei  verlierung 
des  ambts  und  ernstlicher  straff,  wie  sich  auch  kain  rentmaister  hinftlran 
untcrstecn  sollt  ainiche  straff  zu  endem,  miltem,  mindern  oder  meren,  son- 
dern es  bei  der  straff,  so  er  nach  gelegenhait  der  person  und  Versprechens 
in  beisein  unsers  rentschreibers  fQmimbt,  beleiben  lassen. 


verhüngtv  Strafe  zu  Andeni ,  ieun  lUeses  Recht  staDd  ttat  ei 
htibne  Beschwerde  hin  nur  der  Hofltamnier,  oventuell  dem  Hol 
rat  zu. 

Ciroße  Mißlträudie  ließen  sich  die  Richter  und  Pfleger  bain 
Uandhabun;;  der  Strafreclitspflcge  zu  schulden  kommen.  Auf 
ihre  Alstelluiig  halte  der  Rentmeistcr  energisch  zu  dringen 
und  deu  Beamten  grr>Ucni  Fleiß  bei  Erfüllung  dieser  wichtigen 
Amtspflichten  einzuschärfen,  „als  sie  dann  das  gegen  Gott  am 
jüngsten  Tage  verantworten  wollen". 

So  warcu  die  Gefangenen  sehr  uuchliissig  gefragt  und  Ihnrii 
die  Uoistiudc,  wo,  wie  und  wann  die  That  beschehen,  uiclit 
vorgebalten  worden,  wodurch  ihr  Ui^icht  verdunkelt  und  oft 
mit  andern  als  des  Angeklagten  Worten  in  das  gen  Hof  ge- 
schickte Protokull  aufgenommen  ' ).  Auch  würde  die  Unter- 
suchung Über  die  Tbatumstiinde  sehr  nachlässig  geführt  und 
dies  im  VoUcsuiund  auf  Bestechung  zurückgeführt.  Deshalb 
sollte  den  Gerichtsverwaltem  auf  das  nachdrücklichste  eing&- 
schitrft  werden,  sich  sofort  nach  Einbringung  eines  Delinquenteo 
zu  erkundigen  „der  Inzicht  oder  'l'haten  halben,  so  auf  ihn 
geht,  ob  die  also  wissenthch  und  kundlich  wahr  seien",  und 
darüber  au  deu  Hofrnt  oder  die  Regierung  zu  berichtuu.  Wurde 
auf  deren  Befehl  zur  strengen  Frage  geschritlen,  so  hatten  sie 
unverzüglich  Nachforschungen  anzustellen  in  Betreif  der  Richtig- 
keit der  einzelnen  Angaben  der  Urgiclit  „und  also  in  den  pein- 
lieben  Sachen  mehreren  Fleiß,  dann  bisher  geschehen  ist,  fDi^ 
zukehren"  '). 

Gegen  Ende  des  16.  Jahrhunderts  ■)  ward  den  Rentnieistem 
aufgetragen,  bei  ihrem  Umritte  sich  durch  tieißige  Nachfrage 
zu  vergewissern,  ob  die  Beamten  geeignete  Präventivmaßnahmen 
gegen  Verbrechen  durchführten  und  die  begangenen  Verbrechen 
gehörig  erkundschafteten  und  l^estraften  und  die  nuchlässtgea 
Beamten  zur  Abxtrafung  solcher  negligentia  anzeigten. 

Als  einer  der  vurzUglichsten  /wecke  der  segensreichen  lu- 
stjtuliun   der  Umritte    ward  die  Erreichung  einer  geregelten^ 

1)  F*m«r  wnrd«  geklagt,  dit  dJ«  um  Mslfdi  oinKebncbIro  Dnlinqueotes  J 
obnr  Gsnchniitpiiig  dn  Honogt  odw  d«r  Rcgivrang  freig«U»Mn  wQnlaa 

ü)  KreDüot  XVnt.  ä.  321  l 

8)  EDlvurT  cioer  IIorr«l*-(Krimii»l-)Ordiiui)g.  wtklinclwinlich  s"«"*  I^^Kt  j 
(tt  A.  -  En.  I  S.  Kttl 


I 

) 

I 

1 

J 

:| 


—    313    — 

pflichtgemäßen  Geschäftsführung  der  Beamten  ins  Auge  gefaßt, 
insbesondere  sollte  durch  sie  ein  Schutz  der  aimen  Unterthanen 
gegen  Bedrückungen  durch  pflichtvergessene  Beamten  gewährt 
werden.  Nirgends  aber  ertönten  Klagen  der  armen  Leute 
gegen  Beamte  greller  als  im  Gerichtswesen,  wo  die  Korrup- 
tion üppig  ins  Kraut  schoß.  Wiederholt  ward  deshalb  den 
Rentmeistern  eingeschärft,  solchen  Mißständen  mit  Strenge 
entgegenzutreten^)  und  die  Gerichtseingesessenen  gegen  solche 
Ausbeutungen  durch  die  Hüter  der  Rechtsordnung  wirksam  zu 
schützen. 

Die  einzelnen  immer  wiederkehrenden  Beschwerdepunkte 
werfen  dunkle  Schatten  auf  das  Gebahren  der  damaligen  Justiz- 
organe. Unter  den  Amtsdelikten,  deren  Aufspürung  und  Be- 
strafung von  den  Rentmeistem  erwartet  wurde,  werden  folgende 
hervorgehoben :  die  Beschwerung  der  Gerichtseingesessenen  mit 
unbilligen  Wändein,  Verlangen  von  Forderkandeln  Weins,  die 
gemeinsam  in  Tafernen  verzecht  wurden  ^).  Dreimal  und  öfters 
wurden  arme  Parteien  in  ein  und  derselben  Sache  vorgeladen, 
auch  Verhöre  und  Verhandlungen  auf  Tage  hinaus  hingeschleppt, 
um  für  jede  Tagfahrt  ein  Viertel  Wein  zu  beanspruchen.  Schwere 
Strafe  und  Ungnade  wurde  denen  angedroht,  welche  trotz  wieder-  - 
holter  Mahnung  von  solchem  eigennützigen  Vornehmen  nicht 
abließen.  In  ähnlicher  Weise  wurden  die  Unterthanen  auch  mit 
dem  Siegelgeld  in  eigennütziger  Weise  übernommen,  und  ganz 
frivol  stachelte  das  Gerichtspersonal  um  seines  Eigennutzes 
willen  arme  Leute  geringfügiger  Sachen  halber  zu  kostspieligen 
Prozessen  an,  zogen  dieselben  in  die  Länge  und  saugten  sie  durch 
Gebühren  und  sonst  aus  ^),  Dies  abzustellen  und  geringe  leicht- 
fertige Händel  kurz  außer  Rechtens  zu  entscheiden,  sollte  der 
Rentmeister  den  Richtern  nachdrücklich  zur  Pflicht  machen  und 
die  genaue  Erfüllung  derselben  überwachen. 


1)  Wir  Tcrnehmon,  das  viel  und  groftes  Geschrej  in  nnserm  Lande  ist 
von  den  armen  Leuten,  wie  die  fast  beschwert  und  flbemommen  werden 
von  allen  Amtleuten  ...(KrennerVII,S.260;  XVIII,  g.320);  ?gL  noch 
S.  96  fif. 

2)  Krenner  VIT,  S.  250.  Trotz  wiederholter  Verbote  wurde  ron  jeder 
Partei  ein  Viertel  Wein  beansprucht,  da  Verhandlungen  in  den  WirtshAusem 
abgehalten  wurden  (ibid.  XVUI.  S.  320), 

3)  Krenner  XVIII,  S.  324. 


—    314    — 

Der  Rentmeister  war  Fiskal  ^)  des  Herzogs  und  hatte  als 
solcher  die  Verpflichtung,  jede  Schmälerung  der  Einkünfte,  welche 
die  Justiz  als  Finanzquelle  abwerfen  sollte,  hintanzuhalten  und 
über  die  pünktliche  Einbringung  aller  Geldbußen  durch  die  mit 
der  Gerichtsverwaltung  betrauten  Beamten  zu  wachen. 

Der  finanzielle  Gesichtspunkt  wird  auch  betont,  wenn  der 
Rentmeister  angewiesen  wird,  den  Unfug  abzustellen,  daß  die 
Verbrecher  fortan  nicht  mehr  aus  Nachlässigkeit  der  Beamten 
zu  lange  im  Gefängnisse  behalten ,  sondern  fürderlich  proce- 
diert  würden,  wodurch  unnötige  Unkosten  und  andre  Incon- 
venientia  verhütet  würden  *).  Als  sich  im  Herzogtum  die  mut- 
willigen Totschläge^)  in  bedrohlicher  Weise  mehrten,  da  war 
es  wieder  der  Rentmeister,  welcher  Mittelspersonen  zu  bestellen 
hatte,  die  insgeheim  die  Thäter  auskundschaften^)  und  ihre 
Ergreifung  bewirken  mußten*). 

Auch  auf  dem  Gebiete  des  Polizeiwesens  war  der  Rent- 
meister zu  umfassender  Thätigkeit  berufen,  die  allerdings  mehr 
anspornender  und  kontrollierender  als  ausführender  Natur  war. 
So  sollte  er  auf  dem  Umritte  die  Amtsverweser  ermahnen,  be- 
sonders an  den  Grenzen   auf  fremde  verdächtige  Personen  zu 

1)  und  weil  er  rontmaistor  nnser  fiscal  ist,  so  soll  er  anf  das  fiscalisch 
gelt  gaete  achtang  geben,  wie  auch  auf  die  wuecherischen  contrftct,  inner 
und  außer  lands,  daß  auch  die  strafpam  händl  von  den  pflegem  nnd  richtem 
nicht  fiir  sich  selbs  in  Iren  pentel  gestraft  und  rerrer  yerdnickt  und  rer- 
toscht  werden,  sonder  do  er  dergleichen  erfam,  solches  nnsem  camerräten 
anzaigen,  welche  dieselben  erfordern,  inen  das  rerweisen  nnd  baide  tail  nach 
glegenhait  ernstlich  danunben  strafen,  wie  anch  er  rentroaister  nit  gestatten 
solle,  das  die  ambtleut  nnd  schergen  umb  geschenk  nnd  gaben  die  strafen 
verschweigen ,  sonder  davon  sein,  auf  das  dieselben  yleifiig  eingebracht  nnd 
verrait  werden  (Instruktion  1574). 

2)  Instruktion  1574. 

3)  Instruktion  1512  gebot,  diejenigen,  welche  den  Totschl&gem  Beihfllfe 
gewährten,  dem  Rentmeister  (oder  Herzog)  zur  Bestrafung  anzuzeigen  (Kren- 
ner XXUI,  S.  327). 

4)  Der  Rentroeister  hatte  wegen  der  für  diese  Kundschafter  au&uwen- 
denden  Unkosten  das  Erforderliche  anzuordnen  (VerfOgung  an  die  Regierang 
zu  Landshut  1550  —  Kr.  A.  M.). 

5)  Wenn  ein  Totschläger  aus  dem  Lande  geflohen,  dann  aber  vom  Herzog 
freie  Sicherheit  und  Landeshuld  erhalten  hatte,  ward  ihm  die  Verpflichtung 
auferlegt,  sich  dem  Rentmeister  bei  seinem  nächsten  Umreiten  zu  stellen  nnd 
um  sein  Verbrechen  an  unser  statt  mit  ihm  abzukommen  (Formnlarbneh 
1565,  Cod.  Bav.  2520). 


—    315  *— 

fahnden,  den  Wirten  zu  befehlen,  auf  argwöhnige  Gäste  ein 
Auge  zu  haben.  Die  Unterhaltung  der  Landstrassen  durch  die 
hierzu  Verpflichteten,  die  Befolgung  der  Landgebote  wegen  Hoch- 
zeiten etc.  den  Beamten  einzuschärfen  *),  ward  dem  Rentmeister 
besonders  zur  Aufgabe  gemacht. 

Die  Politik  der  Gegenreformation  bediente  sich  wie  der 
übrigen  Beamten  auch  des  Rentmeisters  als  eines  geeigneten 
Organs,  das  in  seinem  Umritte  Nachfrage  nach  der  Befolgung 
der  Religionsmandate  halten,  jede  Nachlässigkeit  strafen  und 
über  den  Vollzug  der  Mandate  seitens  des  Adels  und  der 
Hofmarksherm  mehrmals  im  Jahre  an  den  Herzog  berichten 
mußte.  Auch  den  Prälaten  und  Administratoren  der  Klöster 
sollte  er  zusprechen,  die  diesbezüglichen  Befehle  zu  vollziehen*). 
Alles  Unziemliche  und  Leichtfertige  hat  der  Rentmeister  an 
den  Herzog  zu  berichten,  damit  jedes  Ärgernis  abgestellt  und 
das,  was  zur  Ehre  Gottes  und  zur  Erhaltung  der  katholischen 
Religion  dienlich,  fürgenommen  werden  kann.  Deshalb  sollten 
die  Beamten  auf  die  Unterthanen  an  sektischen  Orten  fleißig 
sehen  und  alle  heimlichen  Versammlungen  derselben  melden. 

Auf  dem  Gebiete  der  Militärven\'altung  hatte  der  Rent- 
meister beim  Umritte  sich  zu  überzeugen,  ob  seinen  Mahnungen 
an  die  Beamten  entsprochen  würde,  Pferde  und  Knechte  stets 
gemäß  der  Bestallung  in  guter  Rüstung  zu  halten,  damit  im 
Falle  eines  plötzlichen  Aufgebots  alles  in  Ordnung  befunden 
würde*),  wie  es  um  die  Heer-  und  Raiswagen  stehe,  ob  die 
in  gehöriger  Anzahl  in  den  einzelnen  Obmannschaften  vorhanden 
seien  * ). 

So  sehen  wir,  wie  die  Beaufsichtigungsfunktionen  des  Rent- 
meisters sich  auf  alle  Gebiete  staatlicher  Thätigkeit  erstrecken. 
Die  angeführten  Detailvorschriften  wollten  seine  Amtswirksam- 
keit keineswegs  erschöpfen ,  denn  L.  Fr.  I  a.  3  zieht  in  einer 
Generalklausel  die  Grenzen  derselben  sehr  weit,  indem  der 
Rentraeister  zur  Prüfung  der  Amtsführung  eines  jeden  Beamten 

1)  Den  AmtsYcrwaltorn  sollte  der  Rentineister  befohlen,  dafi  de  fremde 
and  geringhaltige  verbotne  Münzsorten  in  ihre  Verwaltungen  nicht  eindringen 
lassen,  auch  die  Unterthanen  Tor  der  Annahme  verwarnten. 

2)  Instruktion  1574. 

3)  Instruktion  1512  (Krenner  XVm,  S.  341)  und  1574. 

4)  Instruktion  1581 


—  ai6  — 

und  zwar  nacU  jeglicher  Richtung  hin  verpflichtet  wird.  Uurcb 
das  Medium  der  BeftniteninquisiUon  sollte  dftnn  auch  der  Zu- 
stand des  Bezirks,  der  L'nlerthanen  in  RUcksicIit  auf  die  Be- 
obaclitung  der  gesetziichen  AuürduuDgeu  uod  sUuitlicbcii  PäichtCD 
einer  Prüfung  unterzogen  weniou.  Insbesondere  war  zu  unter- 
suchen, ob  den  forstlichen  Hoheitsrechten  ' )  in  keiner  Beziehung 
Abbruch  geschehe ,  ob  nicht  Unberechtigte  die  Laiidesfreiheit 
gebrauchten  (also  sich  Patrimonialgerichlsbarkeit  anmaßten)  oder 
Berechtigte  diesellie  mißbrauchte». 

Mit  Wülch  [leinlicher  Sorgsamkeit  bei  diesem  GeschAfte  des 
Umritts  vorgegangen  wurde,  diirflber  geben  außer  den  luetruk- 
tionen  die  sehr  detaillierten  Protokolle  und  llelationeo  *}  der 
Rentnieister  über  den  vollzogenen  Umritt  Aufschluß. 

Die  Instruktion  faßte  die  F'rage)>unkte  in  mehrere  Gruppen 
zusammen.  Pfleger,  Richter  und  Gerichtsschreiber  betreffend, 
was  den  Kästnern  zu  vermelden,  der  bürgerlichen  Obrigkeit 
einzubinden,  in  geistlichen  Sachen  zu  erkundigen  und  insgemein 
zu  erfahren,  so  lauten  die  Titel  der  5  Haup^uppen ').  Die 
Fragestucke  der  beiden  ersten  Kategorien  bewegten  sich  in  der 
Bahn  der  obun  berUlirteu  Fragen  des  Gerichtswesens  und  der 
ailgeiuciucD  und  s]>eziell  der  Finanzverwallung.  Diu  BUi^er- 
meister  und  Räte  der  ätadte  und  Märkte  sollten  Auskunft  geben 
über  die  strenge  Handhabung  der  Polizeiordnuiig  und  Mandate, 


1)  HoflunnBieT-O.  1565:  —  «oll  antcni  4  rentffiaUI«ni  bovolhen  woHm 
du  li  in  ircm  nmbreiten  ioModerbeit  ileiiif^  inquitiüon  hHlt«ii  noil  Jel- 
hklben  dU  Ul«itl  die  pll^fr*'  ood  Undrichtoi,  toairi  grrithUchrelber,  luul- 
■mbtleat,  «cherfteD  nod  gerichtedieDer  fragen,  all  Domlirh,  ob  an«  aoMr 
jumdictioD,  bochbeit  ood  obrigkeit,  vo^i,  scbarberch,  riii^  herwkgen  tlcilijr 
gehandhabt  werde,  ob  Dch  nit  ctlich  nndereteen  dl^r  landifreibelt  luge- 
braacbon,  deneo  e<  nicfat  gebort,  ob  «icb  auch  diejenigno.  die«  b«boD,  der- 
■elben  nit  mübraacbcn.  ob  ti«  nit  aach  aaf  die  guctrr  rirhcn,  die  inen  mit 
dem  r(>eht«D  aigeolhamb  nit  gehoritr  leind,  ■!■  lehengart«r,  oder  dsrsilf  d 
•Hein  erb  oder  leibroeht  oder  pfiiDdachaft  htben ,  und  wo*  d  klio  erIWniih 
Mllen  «i  am  mOndlich  oder  Khriltlich  lairiuon  lucben,  duntt  wir  b«  ukXaa 
einiehantt  than  mOgen     So  auch  Hofkammer-t).  litt,  lutrnktion  1574. 

3]  Die  einxclueu  Puokti'  der  InHlruktioo,  wejthe  den  Beamten  Torg«lM«Q 
worden,  bildeten  die  (Irandlago  der  Innpoktioo.  Sit  itebeD  deahalb  am  Ss- 
gango  der  BelatioD,  worauf  dann  ent  der  f^ieiialbMiclit  flbor  dra  Betaad 
•bm  Jeden  Owiehu  folgL 

8)  BabttioD  ab«r  rvrriehtotM  DurvitMi  de«  ] 
(Kl.  A.  L  Bq>.  XXVI,  Veit.  U  K  1). 


—    317    — 

der  Handwerkspolizei,  wobei  auf  die  Einhaltung  der  Tarifsätze 
gebührend  Rücksicht  zu  nehmen  war.  Femer  sollte  die  ge- 
treuliche Führung  des  Gemeindehaushalts  und  desjenigen  der 
Stiftungen  empfohlen  und  die  Rechnungen  deshalb  zur  Durch- 
sicht vorgelegt  werden  ^).  Der  über  das  Geistliche  mußte  etwa 
seit  1584  von  der  übrigen  Relation  getrennt  in  einem  besondem 
Libell  vorgetragen  werden  *).  Die  Erkundigung  erstreckte  sich 
hier  darauf,  wie  der  Gottesdienst  bestellt  und  ob  bei  den  geist- 
lichen Verrichtungen  desselben  nichts  mangle,  ob  der  Gottes- 
dienst von  der  Obrigkeit  und  der  Gemeinde  emsig  besucht  und 
die  befohlenen  Opfer  samt  dem  Pfinztagsumgange  verrichtet 
werden.  Die  Beamten  selbst  hatten  über  solche  das  kirchliche 
Gebiet  berührenden  Vorgänge  Rede  zu  stehen,  da  ihnen  die 
Vollziehung  der  kirchenpolizeilichen  Vorschriften  übertragen 
war  ^).  Bis  in  die  Details  des  kirchlichen  Lebens  erstreckte 
sich  die  Inquisition  der  Geistlichen.  Nichts  beleuchtet  das 
stramme  kirchliche  Polizeiregiment,  welches  die  landesfürstliche 
Gewalt  in  Baiem  seit  Wilhelm  V.  erfolgreich  ausübte ,  besser 
als  ein  Blick  in  ein  solches  rentmeisterliches  Visitationsproto- 
koll in  geistlichen  Sachen*).    Der  Rentmeister  also,   ein  welt- 


1)  Mit  gemeinem  Säckel,  auch  der  Spitfiler  und  armen  Leute  Häuser 
und  Einkommen  sollen  sie  gewahrsam,  getreulich  und  solcher  gestalt  um- 
gehen und  hausen,  da&  der  gemeine  und  nicht  eigne  Nutzen  erhaut  und  den 
Armen  die  gebührliche  Notdurft  widerfahre,  —  In  einer  Relation  1582  be- 
stätigt so  z.  6.  der  R^ntmeister  die  Durchsicht  der  Eammerrechnung  des 
Markts  Rosenheim  mit  dem  Bemerken,  daß  er  in  demselben  keine  größere 
unnötige  Ausgabe  gefunden  habe. 

2)  Dieses  wurde  wohl  gleich  an  den  geistlichen  Rat  zur  weiteren  Amts- 
handlung überantwortet 

8)  Fragen,  wie  die,  ob  sektische  Personen  im  Gerichtsbezirk,  ob  das 
Verbot  des  Fleischcssens  an  ycrbotenen  Tagen  gehalten  würde,  waren  zu 
beantworten. 

4)  Ein  Protokoll  über  den  rentmeisterlichen  Umritt  des  Rentamts  München 
1584,  geistliche  Sachen  betreffend  (Kr.  A.  L.  Rep.  XXX,  V.  X  Fase.  2),  yer- 
breitet  sich  z  6.  unter  Rain  über  folgende  Punkte:  Herr  Pfarrer  zu  Rain 
und  4  Priester  antworten  auf  die  Artikel:  Pfarrer  ist  9  Jahre  hier,  derzeit 
kein  Bcncficiat,  der  Ort  U.  wird  Ton  hier  aus  rersehen,  der  Gottesdient  fleiiig 
vorrichtet;  die  Kirche  sei  so  enge,  daß  man  am  Pfinztage  keinen  Himmel 
tragen  kann,  Pfleger  führe  den  Priester,  habe  einen  bes.  Prediger;  Weibs- 
personen gehen  viel  zum  Opfer,  ist  allein  eine  superstitio,  Kreuzgnng  und 
Prozessionen  worden  fleißig  verrichtet,  sub  utraque  specie  werde  Niemand 
kommuniziert.  Niemand  Sektischer  ist  in  der  Stadt  oder  Landgericht,  man 


—  'Sfff   — 

lieber  Beamter,  ist  das  Organ  des  Landoshorni,  durch  weicht 
dieser  sein  Aulaichtarecht  über  die  Verwaltung  der  KircheB- 
ämter  nach  duo  verschie^etislen  Richtungen  hin  zur  Auaühuog 
bringt.  Allerdings  ist  der  Rentmeister  nur  zur  Kenntnisnahme 
der  Amtsführung  der  Gcistlichcu  eriuÄchligt,  während  das  Recht, 
Anordnungen  zur  Abstellung  vorgefundener  Mißbrauche  zu  trctfoüfl 
dem  geistlichen  Rate  zusteht. 

Die  Inspektion ' )  si>ieUe  sich  in  der  Weise  ab ,  daß  der 
Rentmeister  in  jedem  Gerichte  allen  Beamten,  in  Städten  und 
Märkten  Bflrgennci:;ter  und  Rat  die  einzelnen  Punkte  seiner 
Instniktion  vorlas,  ihnen  dieselben  zur  Beobachtung  dnschÄrfl« 
und  nach  den  Mängeln  befragte,  welche  eich  in  Beziehung  auf, 
dieselben  in  ihren  Bezirken  zeigten.  Sodann  wurde  jeder  ein- 
Keine  Beamte  ad  partem  ini)uiriert  *),  hiertx^i  alter  die  Aulori' 


iit  hier  mit  «nem  floifiiK«n  Bcbulmoister  lenehrn,  Kinder  wecdcia 
titche  Orte  nicht  T?ncbickt,  abor  u  solcfao  tetheiratet;  auf  die  Ptnoaea, 
M  die  Kinder  IiiDsiu  Terheiiaton,  tei  gute  Acbtang  la  geben,  «ektüclw 
BOoher  lane  maa  oicbt  feil  haben,  eine  Heft  i«t  iwiscben  der  Kran  Abtinhi 
ond  denen  von  Bain  rtrittig  und  bereits  anhfingig.  —  J.  K.  deeaaDi  in 
Pdtmei:  Da  ein  Priester  einen  Eicef  begebe,  werde  er  dem  ordinario  ühu- 
schidit,  Pfarrer  babe  eine  Hcfae  i.  WoUgangi  in  der  Fait«n  werde  wflchonl- 
lich  Smal  gepredigt,  haben  keine  concabinu,  sbd  nun  eiranplariicbun  Leben 
emtahnt,  GottetUtterer  tcin  aof  der  Kaniel  mit  Worten  in  «trafen  . . ,  nntar 
dem  Gotteidienit  werde  an  Feiertagen  Niemanden  in  Wirtabionera  in  enen 
nod  tu  thnken  gegeben.  —  In  dioMin  Bahnen  halten  ach  auch  dis  A«»- 
■agen  der  Kleriker  in  den  übrigen  QerirhtabenrkeD ,  aach  Qber  auMAIlg» 
Lebenihaltnng  de«  einen  oder  andern  Amtabnideri  wird  geaprocben  und  To^ 
•cblAge  ge&DÜert  Ober  wQnacbenswerto  Matnahmen,  s.  H.  in  Aichach:  Di« 
BnchfOhrer  würden  an  den  Jahrm£rkton  riaitiert,  «t  wir«  gut,  anch  In  dm 
H&oieni  der  Uflclinr  halber  in  Tiaitiwen. 

1)  Ein  Plan  &b«r  die  Anateilnng  ilei  Umreiten«  iit  erballen,  welcbni 
ein  B«nlmeialer  1680  an  den  Heriog  elntchickt  nntor  Beielchnnng  der 
Viiitationatemine  der  eiunlnoo  Gerichte.  Von  den  t^tAdtcn  nod  Hlrktm 
«nrdsB  die  kleineren  nicht  anfgeeucbt,  »endtTn  ihre  Organe  tntn  nleh«t«a 
Oeildilaait»  beadueden  ebeoao  wie  die  Pfarri^r. 

S|  Se  bdlt  et  t.  a  in  dem  Protokolle   ober  drn  Umritt  im  Rentamt 
HOnehen  lB8t  (Kr.  A.  L.  a.  a.  0.)  onter  der  Rubrik  „Gericht  Aibling"  :  Kaitim 
ad  partem  weil  bei  Gericht  keinen  CnBmfl  oder  dergleichen,  davon  Scbadi 
«blga;  Qtrichtuebrriber  ad  tnUg,  Richter  noch  nicht  lange  hier,  nor 
Stablaehrnber  «ei  etwa*  nnfleüig,  lonit  aber  wahrhaft    Der  OerlchliaJ 
tcbteibet  ad  puteni  etkUrt  todam,  der  PfleKet  beaehwere  niemandi 
Scharwerk.  VennnadaciiaA  werde  bei  Otridil  ord«itlich  gehalten,  da« 
haiu  bedOrfe  der  AubeMerang,  in  den  Hefknarken  werden  immer  nuch 


I 

uer 
auffl 

4 

aea,^ 


—    319    — 

der  Vorgesetzten  den  Subaltembeamten  gegenüber  erschüttert, 
indem  beispielsweise  Gerichtsschreiber  und  Schergen  veranlaßt 
wurden,  sich  über  die  Mängel  der  Geschäftsführung  des  Pflegers 
oder  Richters  zu  äußern  oder  das  Nichtvorhandensein  solcher 
ausdrücklich  zu  konstatieren.  Auch  die  Prokuratoren  wur- 
den zu  dieser  Untersuchung  der  Gerichtsverhältnisse  heran- 
gezogen, da  sie  über  die  Amtsführung  des  Gerichtspersonals, 
über  die  Zahl  der  abgehaltenen  Verhöre  am  besten  Aus- 
kunft erteilen  konnten.  Sie  wurden  dann  auch  ihres  officii 
ermahnt  * ). 

Durch  diese  separate  wechselseitige  Befragung  der  einzelnen 
Beamten  konnte  der  Rentmeister  sich  Gewißheit  über  die  Punkte 
verschaffen,  welche  er  „insgemein  zu  erfahren"  verpflichtet  war, 
nämlich  wie  sich  die  Beamten  in  ihren  Verrichtungen  halten, 
ob  sie  die  ünterthanen  nicht  beschwerten,  besonders  durch 
Siegel-,  Schreib-,  Beschau-,  Inventur-,  Vormundschaft-  und 
Abschiedgelder,  ob  sie  zur  rechten  Zeit  Verhör  hielten,  die 
ünterthanen  dabei  wider  die  Gebühr  nicht  aufzögen  und  zu  un- 
billigen Unkosten  brächten*).  Dem  Rentmeister  blieb  es  unbe- 
nommen, sich  über  diesen  wichtigsten  Teil  seiner  Inspektions- 
thätigkeit  auch  auf  anderm  Wege  Kenntnis  zu  verschaffen,  sei 
es  im  außeramtlichen  Verkehr  mit  den  Gerichtseingesessenen, 


Hochzeiten  gehalten ;  Amtmann  P.  sei  fleißig,  aber  dem  Tnmke  ergeben,  mit 
den  Prokuratoren  sei  man  ziemlich  wohl  rersehen.  Der  Richter  ad  par- 
tem  (der  Pfleger  war  in  Amtsgeschftfben  verreist}  will  keinen  Mangel  wissen, 
Pfleger  könne  wegen  Podagra  oft  dem  Verhöre  nicht  beiwohnen;  Kästner 
sei  bescheiden,  flci&ig;  Amtmann  fleißig,  aber  dem  Tränke  ergeben.  Bflrger- 
meistor  und  Räte  wurden  hierauf  erfordert»  ihnen  die  Artikel  yorgelesen, 
daß  sie  mit  Eifer  darüber  halten  sollen,  die  Verbrecher  zu  strafen,  dafi  es 
an  Rüstung  mangle.  Besonders  ward  ihnen  der  Artikel,  der  Bftcker,  Wein- 
und  Bierwirte  halber,  eingebunden,  bei  Entsetzung  ihrer  Freiheit  hierauf  mit 
mehr  Ernst  zu  achten,  damit  dem  gemeinen  Mann  sein  Pfennig  yergolten 
und  er  nicht  also  betrogen  werde.  Endlich  wurde  Amtmann  N.  an  seine 
Pflicht  erinnert,  weiß  nicht,  dafi  Pfleger  Schenkung  nehme ;  von  14  zu  14  Tagen 
werde  gewöhnlich  Verhör  gehalten,  Richter  und  Gerichtsschreiber  wohnen 
demselben  bei,  alles  werde,  wie  er  sehe,  aufgeschrieben,  Pfleger  beschwere 
niemanden  wider  die  Polizeiordnung.  Die  übrigen  Amtleute  wurden  dann 
ähnlich  befragt 

1)  Sie  sollen  den  Parteien  ihre  Notdurft  ordentlich  vorbringen,  hitziger 
Worte  und  aller  Eigennützigkeit  sich  enthalten. 

2)  Relation  .  .  1586. 


—    320    — 

sei  es  durch  amtliche  Vernehmung  einzelner  zu  solcher  Ver- 
nehmung vorgeladener  ünterthanen. 

Die  Rentmeister  hatten,  wie  erwähnt,  von  dem  Ergebnisse 
ihrer  Revision  dem  Herzog  schriftlich  oder  mündlich  Bericht 
zu  erstatten,  was  bei  ihrem  Aufenthalt  in  der  Residenz  ge- 
legentlich der  Rechnungsablage  vor  der  Hofkammer  geschehen 
konnte.  Hatte  ein  Rentmeister  irgend  etwas,  dessen  Vortrag 
auf  der  Kammer  ihm  Bedenken  erregen  wollte,  zu  berichten, 
so  wurde  das  in  einer  vom  Herzog  erteilten  Audienz  vor^ 
getragen,  oder,  wenn  eine  solche  nicht  erteilt  werden  konnte, 
so  wurden  einige  oder  alle  Räte  vom  Herzoge  ermächtigt, 
diesen  Vortrag  statt  seiner  entgegenzunehmen  *),  doch  konnten 
sie  dem  Herzoge  auch  schriftlichen  Bericht  zu  eigenen  Händen 
über  Derartiges  erstatten. 

Diese  organische  Einrichtung  der  rentmeisterlichen  Umritte 
erhielt  sich  Jahrhunderte  hindurch,  und  noch  1774  wurde  eine 
neue  Instruktion  für  die  Rentmeister  erlassen^).  Sie  erinnert 
an  das  Institut  der  königlichen  Gewaltboten'),  wie  es  Karl 
der  Große  in  der  fränkischen  Verfassung  ausgestaltet  hatte. 
^Vie  diese  stellten  die  Rentmeister  ein  Mittelglied  zwischen  der 
Central-  und  Lokalregierung  dar,  sie  haben  gleich  den  karo- 
lingischen  missi  dominici  ihre  Sprengel  „zu  bereisen  und  sich 
überall  von  den  Zuständen  des  Landes  und  seiner  Bewohner 
zu  unterrichten  und  sich  möglichst  mit  allen  vorhandenen 
Mängeln  in  Rechtspflege  und  Venvaltung  bekannt  zu  machen"  *). 
Selbst  die  Mittel,  welcher  sich  die  Rentmeister  zur  Erreichung 
dieses  ihres  Ziels  zu  bedienen  haben,  Befragung  der  Beamten*) 


1)  Hofkammer-O.  1565,  1572. 

2)  Über  den  Inhalt  der  InstmktioDeD  von  1669  nnd  1774  vgl  Sejdel 
I,  S.  65  t 

3)  Über  diese  TgL  So  hm  S.480C 

4)  B.  Schröder,  Rechtsgesch.  S.  133,  135. 

5)  Wenn  so  So  hm,  S.  487,  Ton  den  behnfs  Eontrolle  der  AmtsfÜhnmg 
seitens  des  missas  angewandten  Mitteln  handelnd,  sagt:  „Die  s&mtlichen 
Beamten  sind  förmlich  filier  einander  zn  befragen,  nm  za  konstatieren,  in  wel- 
chem Maße  Jeder  seiner  Amtspflicht  nachkommt,  und  die  Beichsregierong  hat 
sich  zn  dem  Mittel  genötigt  gesehen,  von  Amtswegen  Amtsnnterthanen  zum 
Landtag  zu  entbieten  .  .  als  Bfigezengen,  um  sie  .  .  fiber  die  AmtsfÜhnmg 
der  Beamten  zn  inqnirieren ,''   so  pafit  diese  Schilderung,  wie  sich  aas  der 


—    321     — 

und  Inquisition  der  Amtseingesessenen,  weichen  von  denen, 
welche  in  fränkischer  Zeit  zur  Anwendung  gebracht  wurden, 
nicht  ab. 

So  haben  Baiems  Herzoge  am  Ende  des  Mittelalters  im 
Verwaltungsorganismus  ihres  Landes  aus  eigener  Initiative  eine 
Einrichtung  zum  Segen  ihrer  Unterthanen  ins  Leben  gerufen, 
welche  schon  Karls  organisatorisches  Genie  als  ein  erfolgreiches 
Mittel  für  die  Festigung  und  Förderung  der  inneren  Zustände 
seines  Reiches  erkannt  hatte. 


obigen  Darstellung  ergibt,  teils  wörtlich,  teils  modifiziort  auch  auf  die  In- 
spektionsthätigkeit  der  bairischen  Rentmeister.  Auch  daran  kann  erinnert 
werden,  dafi  diese,  wie  die  missi  dominici,  fär  ihre  Inspektionsreisen  spezielle 
Instruktionen  erhielten,  welchen  die  Berichte  Aber  die  Ergebnisse  der  letzten 
Inspektion  zu  Grunde  gelegt  wurden. 


llosonthal,  Geschichte  d.  (ierichtsw.  •...  d.  Verw.  Org.  liaiern«.  I  OJ 


DRITTES  CAPITEL. 

Die  Unterbehörden. 


§  n. 
Die  Pfleger  (und  Richter). 

Durch  die  in  der  ersten  tlälfte  des  13.  Jahrhunderts  darclwl 
geführte  planvolle  Einteilung  des  Ilerzogtums  in  Vemaltung»*! 
bezirke  (Amter)  ')  war  ein  wirksames  Mittel  der  Verschmelzui^l 
der  alten   und   neucrworljtinuu    tiebtetstcilu   des    Landes 
einem  einheitlichen  Ganzen  geschaffen,   ein   festes  Fundament  ' 
fOr    den  Bau  des    modernen  Staates  gelegt.     Die  Erstarkung 
der  landesherrlichen  Gewalt,  welche  immer  mehr  Rechte  iti  sidi 
aufnahm,  zu  deren  Wahrung  sie  eines  krJLftigcn,  ausreichenden 
Beamtentums  bedurfte,  hatte  ebenso  wie  die  wirUchaftliclie  R^  ■ 
Yolution  im   13.  Jahrhundert  zu  einer  Umgestaltung  der  Ver>  | 
waltungsorganisation  geführt  *). 

Diese  VerwaltungsorgunisaÜon  hat  in  ihren  GrundzOgen  die 
Probe  auf  ihre  Zweckmäßigkeit  durch  eine  mehr  als  600jihrigc 
Dauer  geliefert  Mit  ihr  beginnt  eine  neue  Epoche  staatlicher 
Entwicklung.  Der  Herzog  delegiert  dem  Vorstand  des  neu- 
geschaffenen Verwaltungsbezirks,  dem  Landrichter,  später  dem 
Pfleger,  alle  öfTenthchen  Funktionen  in  dem  r&umlich  abge- 
grenzten Sprengel  und  begründet  so  die  Einheit  der  Verwaltung, 
indem  er  durch  dieses  sein  Organ  die  In  ihm  als  dem  Trftger 

1)  Vgl  &  n. 

t)  VftL  ueli  8««liK«TaL 


—    323    — 

der  Staatsgewalt  vereinigten  Hoheitsrechte  in  allen  Teilen  des 
Herzogtums  in  gleichmäßiger  Weise  zur  Ausübung  bringen  läßt. 

Wir  haben  diesen  Beamten  bereits  oben,  als  wir  die  Ver- 
hältnisse des  Landgerichts  erörterten,  kennen  gelernt,  und  es 
darf  hier  vor  allem  zurückverwiesen  werden  auf  das  an  jener 
Stelle  über  die  richterlichen  Funktionen  des  Landrichters  Ge- 
sagte*). Daß  erst  an  dieser  Stelle  von  dem  übrigen,  nicht- 
richterlichen Wirkungskreise  desselben  gehandelt  wird,  erscheint 
nur  darum  geboten,  weil  oben  der  Zusammenhang  der  Dar- 
stellung der  gesamten  Gerichtsverfassung  nicht  unterbrochen 
werden  sollte.  Man  muß  sich  vergegenwärtigen,  daß  der  Schwer- 
punkt staatlicher  Thätigkeit  schon  seit  der  germanischen  und 
fränkischen  Periode  auf  dem  Richteramt  lag,  daß  aber  alle 
Zweige  der  Staatsgewalt,  der  finanzielle,  administrative  und 
militärische,  ungeschieden  in  seiner  Hand  vereinigt  waren,  daß 
also  der  Richter  der  Beamte  schlechthin  war,  der  mit  der  Wahr- 
nehmung aller  staatlichen  Hoheitsrechte  in  seinem  lokalen  Be- 
zirke betraut  war. 

Das  Vorbild  dieses  mittelalterlichen  Beamten  ist  der  Graf 
der  fränkischen  Zeit*),  welcher  auch  die  Gauverwaltung  in  allen 
ihren  Beziehungen  zu  leiten  hatte.  Alle  diese  Funktionen  des 
Grafen  waren  nach  Auflösung  der  Gauverfassung  auch  in  Baiem 
auf  den  Landrichter  übergegangen ').  Neben  diesen  trat  seit 
dem  Ende  des  13.  Jahrhunderts,  als  der  wachsende  Umfang 
der  Geschäfte  die  Arbeitskraft  eines  einzigen  Beamten  über- 
stieg, der  Pfleger  *).  Dieser  errang  bald  den  Vorrang  vor  dem 
Landrichter.  Zwar  waren  beide  berechtigt,  die  Funktionen  des 
Amtes  in  gleicher  Weise  wahrzunehmen,  aber  es  setzte  sich 
(loch  das  Herkommen  fest,  daß  der  Landrichter  im  allgemeinen 
auf  den  gerichtlichen  Teil  der  Amtsgeschäfte  beschränkt  blieb, 
während  der  Pfleger  zumeist  die  übrigen,  also  hauptsächlich 
die  Venvaltungsthätigkeit  übernahm. 

Seltener  war  es,  daß  ein  Bezirk  nur  einen  Beamten,  den 
Pfleger  oder  den  Richter,  hatte,  welcher  dann  alle  verschiedenen 

1)  S.  54  ffi 

2)  YgL  über  diesen  K.  SchrCdeir,  Beehtsgeschichte  S.  128  £ 

3)  In  Brandenburg  auf  den  Vogt    YgL  Isaacsohn  I,  S.  36  £;  Born- 
h  a  k  ,  Gescb.  des  pren&ischen  Yerwaltnngsrechts.  Berlin  1884.   I,  S.  25  £ 

4)  Siehe  S.  54» 

21* 


—    324    — 

Funktionen  des  Amtes  besorgte.  Das  Amt  des  Pflegers  kommt 
in  den  verschiedensten  Kombinationen  vor.  Die  Regel  bildete 
es  zwar,  daß  der  Pfleger  die  Gerichtsverwaltung  dem  Richter 
überließ,  aber  man  unterschied  doch  „Pfleger,  so  Gerichts- 
verwaltung haben",  und  „Pfleger,  so  keine  Gerichtsverwaltung, 
sondern  allein  Schloß  und  bloße  Pflegamt  haben"  *). 

Am  frühesten  wurden  auch  auf  der  untersten  Stufe  der 
Verwaltung  die  finanziellen  von  den  übrigen  Funktionen  ab- 
gezweigt und  besondem  Beamten  (Kästnern)  *)  übertragen.  Nur 
ausnahmsweise  behielt  der  Pfleger  auch  di^se  Funktionen  bei, 
wenn  die  Anstellung  eines  eignen  Finanzbeamten  wegen  Klein- 
heit des  Bezirks  oder  aus  andern  Gründen  nicht  zweckmäßig 
erschien.  Deshalb  wird  noch  eine  besondere  Eidesformel  er- 
wähnt für  „Pfleger,  so  neben  ihren  Gerichtsverwaltungen,  Kasten 
oder  Ungeltamt  haben". 

Den  Ausgangspunkt  für  die  Entwicklung  des  Amts  eines 
Pflegers  dürfte  die  Aufsicht,  der  Oberbefehl  über  eine  Burg 
abgegeben  haben  ^),  denn  die  Hut  und  Fürsehung  eines  Schlosses 
erscheint  stets  als  eine  der  vorzüglichsten  Amtspflichten  in  den 
Pflcgerbestallungen. 

In  die  Periode  von  der  Mitte  des  12.  bis  zur  Mitte  des 
14.  Jahrhunderts,  filllt  ein  großer  Aufschwung  des  Burgenbaues  *) 
und  so  liegt  die  Annahme  nahe,  daß  die  Landesherren  den- 
jenigen, welchen  sie  ein  Schloß  zur  Bewachung  und  Ver- 
teidigung anvertrauten,  den  Pflegern,  zugleich  die  gesamte 
Jurisdiktion  und  Verwaltung  des  umliegenden  Landgericht- 
sprengeis übertrugen.  Seit  dem  15.  Jahrhunderte  werden 
diese  Bezirke  regelmäßig  als  Pflegen,  nur  ausnahmsweise 
fernerhin  als  Landgerichte  bezeichnet  Diese  Pfleger  absorbieren 
da,   wo  landesherrliche  Vogtei  bestand,    die   Funktionen  der 


1)  Diese  schworen,  Schloß,  Haus  and  Pflegeamt .  .  zu  warten,  das  Schloft 
bei  Tag  und  Nacht  in  guter  Hat  and  Fürsehung  zu  haben,  keinen. Krieg 
daraus  noch  darein  zu  treiben,  noch  Jemanden  darin  zu  halten  wider  t.  Gn. 
Willen  und  Wissen  ...(RA.  —  Pflichtbuch). 

2)  Siehe  §  la 

3)  Noch  in  L.  Fr.  I  a.  1  verspricht  der  Herzog,  „die  pfleg  unser  ort  und 
namha£fter  stet  und  schlöfi  mit  tapfem,  edeln  und  geschickten  Landleuten  zu 
besotzen". 

4)  Vgl  Lamprecht  I,  S.  1306. 


—    325    — 

Vögte,  deren  Amtstitel  seit  dem  13.  Jahrhundert  verschwunden 
sind^). 

Während  der  Regierung  K.  Ludwigs  scheint  dieser  Prozeß 
zum  Abschluß  gekommen  zu  sein,  denn  seine  Söhne  Ludwig 
der  Brandenburger,  Stephan  und  Ludwig  der  Römer  verheißen 
im  6.  Freibriefe*)  1347,  das  Land  nur  mit  Räten  und  Pflegern, 
die  niederbairische  Landleute  seien,  zu  besetzen,  und  auch  der 
11.  Freibrief  Albrechts  I.  von  1365^)  gebietet  den  Amtleuten: 
Vitztumen,  Pflegern,  Richtern,  Schergen  u.  andern.  Hier  ist 
also  den  Pflegern  jene  Rangstufe  in  der  Hierarchie  des  Beamten- 
tums zuerkannt,  welche  dieselben  für  die  Folgezeit  stets  innehatten. 

Die  Bewachung  der  Burg,  des  Schlosses  stand  im  Vorder- 
grunde der  Pflichten  des  Pflegers,  welcher  gewöhnlich  dem  Ritter- 
stande angehörte.  Um  dieselbe  in  verteidigungsfähigem  Zu- 
stande zu  erhalten,  bedurfte  es  einer  ständigen  Besatzung,  deren 
Werbung  und  Unterhaltung  aus  den  Amtseinkünften  er  über- 
nehmen mußte.  Dieselbe  war  zumeist  eine  sehr  kleine  und  be- 
schränkte sich  auf  einige  Thorwärter. 

Jeder  Pfleger  übernahm  aber  auch  die  Verpflichtung,  als  Äqui- 
valent für  seine  Bezüge  dem  Herzoge  zu  dienen  mit  einigen  (2—20) 
wohlgerüsteten  Pferden  ^)  und  Knechten  (Stuhlknappen).  Diese 
Mannschaft  wurde  nicht  nur  für  die  Verteidigung  der  Burgen 


1)  Der  Ansicht  Biezler's  (11,  S.  529),  dai  die>  Pfleger  nichts  anderes 
als  die  alten  VOgte  seien,  schließe  ich  mich  nur  mit  der  im  Texte  gegebenen 
Modifikation  an,  denn  Pfleger  wurden  auch  da  bestellt,  wo  vorher  keine  YOgto 
existierten.  Biezler  weist  zur  Begründung  seiner  Ansicht  auf  die  Formeln 
in  Urkunden  K  Ludwigs  hin  —  Amtleute:  Vitztume,  Richter,  Vögte,  Schergen 
und  Amtleute:  Vitztume,  Richter,  Pfleger,  Schergen  (HB.  II,  p.  145; 
III,  p.  370;  IV,  p.  366;  X,  p.  337).  Ich  möchte  noch  hinzufügen,  dafi  unter 
den  Einkünften  der  Pfleger  einige  nur  in  der  Vogtei  ihren  Ursprung  haben 
(z.  B.  Verpflichtung  von  Klöstern  zur  jährlichen  Lieferung  von  Wächterpelzen) 
und  da&  vereinzelt  in  den  Bestandbüchem  unter  den  Einkünften  der  Pfleger 
auch  der  Posten  „aus  der  Vogtei"  vorkommt 

2)  V.  Lcrchenfeld  S.  17;  vgl  auch  die  gleichzeitige  Übereinkunft 
der  Städte  und  des  Adels  Niederbaiems  bei  Rockinger,  Einleitung  S.  193. 

3)  V.  Lerchenfeld  S.  26  (vgl  auch  36.  Freibrief—  1393,  das.  S.  37). 

4)  z.  B.  Bestallung  1538 :  „und  von  solchem  Amte  und  ihm  zustehenden 
Nutzungen  und  Einkommen  soll  er  uns  mit  2  reisigen  Pferden  und  Knechten 
wohlgerüstet  gehorsam  sein  und  so  er  in  unsem  Dienst  erfordert  wird,  sollen 
wir  es  mit  Kost  und  Futter  und  redlichem  Schaden,  ob  er  einigen  darin  em- 
pfange, mit  ihm  halten  wie  mit  andern  unsem  Pflegern  und  AmÜeuten." 


verwendet  *),  sondern  auch  außerhalb  in  dca  Feldzdj^cu,  denn 
aus  solchen  kleinen  Kontingenten,  welche  von  Pfiegem  und 
andcni  Beamten  und  Rittern  vertragsmäßig  gestellt  wurden, 
eetzto  sich  dag  Heer  des  Herzogs  zusammen  *). 

Dieses  Schloß  bildete  als  Sitz  des  leitenden  Beamten  den 
Mittelpunkt  der  ganzen  Verwaltung  des  Bezirks.  In  den  Be- 
stallungen für  die  Päcger  wird  so  gesagt,  daß  ihm  Obertragen 
werde  „Schloß,  Herrschaft  und  Gericht"  oder  „Schloß,  Herr- 
schaft und  I*fleg  X.  mitsamt  dem  Gericht,  so  dazu  gehOrt",  oder 
„Scbloß  und  Landgericht".  Nur  vereinzelt  ist  lediglich  von 
„Pfleg  und  Gericht"  die  Rede,  Mit  der  weiteren  Ausbildung 
der  Verwaltuiigsbezirksetnteilung  werden  eben  auch  solche  Plätze 
zu  Hauptorten  des  Bezirks,  welche  keine  Burg  besitzen.  In 
den  Amterverzeichnissen  werden  denn  auch,  wie  erwähnt, 
einzelne  Bezirke  nicht  als  Pflegen,  sondern  nur  als  Landgericht« 
oder  Gericht«  bezeichnet^). 

Aus  der  Thatsache,  daß  in  den  Bestandbriefeu  von  einer 
Übertragung  von  „Pflege  und  Gericht"  u.  dgl.  gesprochen  wird, 
sehen  wir  schon,  daß  das  Gericht  stets  als  ein  selbständiges 
und  wichtiges  Element  der  Amtaverwaltung  des  Pflegers  be- 
trachtet wurde.  Für  die  gerichtlichen  Funktionen  des  Amtes, 
welche  der  Pfleger  gewöhnlich  nicht  selbst  wahrnahm  * 
stellte  *)  er  einen  Richter  als  Stellvertreter,  welcher  i 


1>   Ffli   ^SM   mnftto   der  Pflei^   gtoM    aeiiifr   Boatalhuig  I 
Wicht«?  nnd  Thorwirter  nnterbalton. 

i)  Siehe  du  Vencichnü  der  Ton  den  Beamten  dw  LuMhaUa  ttOta 
tD  itellendeti  Pferde  (U46)  bei  BachnoT  VI,  S.  166  t 

3)  So  werdan  in  emom  Bettuidboch  de«  Rentunts  Luidibnt  145S  mit 
all  Ooritht»  ftufgrfabrt:  Ifarrkircheti ,  Eggenfelden ,  ViUbibqrg.  Dach  *tr> 
wurbt  rieh  lelbit  diele  nar  formelle  OoWicbeidang  ToIltUndi);,  ood  In  ciiMm 
ofBiiFllcn  Alitenit&cko  tod  1600  werden  t.  B.  Otterhofcn  und  Nattemberg; 
die  1462  all  Pflei;eQ  aufKefUbrt  wurden.  Gericht«  geoaiint  und  Aplap  fpttcht 
in  winBr  TopDf^raiihin  (vf;l.  oben  S-  6S  A  3}  niiUrvrhiodilDi  nnr  von  pn»- 
fsctmae, 

4)  E«  ward  Ihm  auch  vereluialt  eing«biuid«D,  da«  I^ndferieht  .mIIM 
%o  befttiini  mit  idn  »elbi  Ldb  nnd  keinen  andern  Richtar  n  babia'',  m 
wire  denn  In  leiust  Abweeenbelt,  datia  mag  ar  to  dfeaer  Z«it  elsaa  Andna 
an  Minor  lUtt  «nticn.  So  t.  B.  in  d«r  B««ta]lnn^  da*  Pflagm  n  BM 
Olren  1440  {R  A.).  "^^ 

5)  Anmahmiwoiie  bslilelt  rieh  der  Heno)f  dai  Uaeht  der  lUebtai 
tor,  L  lt.  1453  Pflege  Ardiog:  Eioan  Ricbtar  haben  Wir  Mtbet  t 


—    327    — 

geschriebene  Qualifikation  besitzen  mußte  ^).  Er  hatte  *)  diesen 
auf  seine  Kosten  zu  unterhalten*).  Wiederholt  wird  ein- 
geschärft, daß  weder  der  Pfleger  noch  sein  Richter  von  Gerichts- 
händeln außer  des  Gerichtsschreibers  nichts  handle  noch  teidinge, 
auf  daß  dieser  alles  aufschreibe  und  alles  dem  Herzog  in  Rech- 
nung fürgebracht  werde. 

In  den  Bestallungsbriefen  wird  dem  Pfleger  ans  Herz  ge- 
legt, daß  er  die  armen  Leut  und  ünterthanen  seiner  Amtsver- 
waltung wider  Recht  und  Billigkeit  nicht  beschwere,  noch  zu 
beschweren  gestatte,  sondern  denen  treulich  seines  besten  Ver- 
ständnisses und  Vermögens  vor  sein  soll*).  Er  soll  auch 
sonderlich,  heißt  es  weiter,  auf  unsre  landesfürstliche  Hoch-  und 
Obrigkeit  mit  der  Musterung,  Hamasch,  Beschau,  Scharwerk, 
Rais  (=  Heerfahrt),  Steuer  und  allem  Andern  seiner  Amtsver- 
waltung fleißig  Aufsehen  haben  und  thim  lassen,  uns  dieselbe 
unsre  Obrigkeit  und  getreulich  stracks  handhaben,  nichts  davon 
entziehen  noch  Andere  thun  lassen,  alle  Verordnungen  und  Be- 
fehle volWehen '^)  und  sich  im  Zweifel  stets  an  die  nächstvor- 
gesetzte Behörde,  die  Regierung  wenden,  um  deren  Entschließung 
einzuholen. 

In  dieser  dem  16.  Jahrhundert  angehörigen  Bestallungs- 
formel tritt  uns  der  Pfleger  als  der  Stellvertreter  des  Landes- 
herm  in  seinem  Bezirke  entgegen,  berufen  zur  Ausübimg  aller 
diesem  zustehenden  Hoheitsrechte.  Fassen  wir  seine  Thätigkeit 
in  den  verschiedenen  Zweigen  staatlicher  Verwaltung  näher  ins 
Auge,  nachdem  die  gerichtliche  Thätigkeit,  die  früher  eingehend 
erörtert  ward^),  hier  nur  gestreift  werden  konnte. 


1)  Vgl.  S.  54. 

2)  In  denjenigen  Bezirken,  in  welchen  kein  Pfleger,  sondern  nur  ein 
Kichter  bestellt  war,  wurden  diesem  „die  Nachrechte  von  den  Oerichts-  und 
Yitztumwändeln  wie  andern  Pflegern  and  Bichtem"  zogesichert 

3)  Auch  die  Verpflichtung  des  Pflegers,  dem  Gerichtsschreiber  den  Tisch 
zu  geben,  wird  erwähnt 

4)  R  A.  —  BestaUungen  b.  Beamter  F.  1  (1538). 

5)  „allen  Landpoten,  Satzungen,  Ordnungen,  Erkl&nmgen,  die  von  uns 
oder  uuserm  Bruder  H.  Wilhelm  ergangen  sind  und  ausgehen  werden,  des- 
gleichen alle  andern  Hofgeschäfte  und  Mandate  und  Befehle,  die  ihm  von 
uns  oder  unserm  Regiment  zu  L.  und  obersten  Amtleuten  daselbst  zukonunen, 
Vollziehung  zu  thun' 

6)  Vgl.  S.  54  ff". 


.u 


—    328    — 

An  dieser  Stelle  möchte  ich  vor  allem  nur  jener  Verwaltungs- 
thätigkeit  gedenken,  welche  wir  heute  als  einen  Zweig  der  frei- 
willigen Gerichtsbarkeit  betrachten,  nämlich  die  Führung  der 
Obervormundschaft,  welche,  nachdem  sie  zuerst  in  den  Städten^) 
ausgebildet  worden,  auch  unter  die  Pflichten  der  landesherrlichen 
Obrigkeit  aufgenommen  wurde.  Nachdem  die  L.O.  1501  *)  das 
Prinzip  ausgesprochen,  daß  der  Herzog  „als  Landesfürst  und 
oberster  Gerhab"  den  Waisen  taugliche  Vormünder  bestellen  soll, 
sofern  deren  Verwandte  dies  nicht  gethan  hätten,  präzisierte 
die  L.O.  1516  (S.  23)  dies  dahin ,  daß  die  Obrigkeit,  der  die 
Kinder  von  Gerichtswegen  imtenvorfen,  also  Pfleger  oder  Richter, 
einen  Vormund  aus  dem  Kreise  der  hierzu  tauglichen  Verwandten 
zu  ernennen  habe.  Zugleich  führte  die  L.O.  die  Pflicht  des  Vor- 
munds zur  jährlichen  Rechnungsablage,  wenigstens  fakultativ, 
ein^).  Ausführlicher  regelte  dann  die  L.O.  1553*)  nach  dem 
Vorgange  der  Reichspolizeiordnung  von  1548  (t.  XXXI)*)  die 
Aufgaben  der  Pfleger  als  Ober^^ormundschaftsorgaDe.  Nach  dieser 
braucht  der  Vormund  einen  besondem  Befehl  der  Obrigkeit  zur 
Übernahme  der  Vormundschaft  und  mußte  sofort  ein  Inventar 
über  das  Mündelvermögen  errichten.  Ferner  hatte  er  eidlich 
treue  Erfüllung  seiner  Pflichten  zu  geloben  und  zu  versprechen, 
daß  er  keine  Immobilien  ohne  Vorwissen  und  Erkenntnis  der 
Obrigkeit  veräußere  oder  verpfände^).  Eine  weitere  Kontrolle 
der  obervormimdschaftlichen  Geschäftsführung  der  Pfleger,  die 
für  jeden  durch  ihre  Schuld  dem  Mündelvermögen  zugefügten 
Schaden  aufzukommen  liatten^),  lag  merkwürdiger  Weise  der 

1)  Z.B.  im  14.  Jahrhundert  in  Landshut  Vgl  Roscnthal,  Beiträge 
S.67  t 

2)  Krennor  XIII,  S.  279. 

3)  Es  sollen  aach  die  gerhaben  und  Vormünder,  so  es  die  obrigkait 
oder  die  freunde  für  nutz  und  not  ansieht,  alle  jar  jres  einnemens  und  aofi* 
gebcns  der  obrigkait  desselben  orts  oder  allain  den  nächsten  fründen  mit 
wissenn  der  obrigkait  wie  sich  gepurt  rcchnung  thun.  Gleichlautend  L.0. 155S 
B.  U  t  1  a,  2. 

4)  B.  III  t  1. 

5)  Über  diese  vgl  St  ebbe,  Handbuch  des  deutschen  Privatrechti. 
Berlin  1884.    IV.  S.  446  f. 

G)  Die  Pflicht  der  jährlichen  Rechnungsablagc  blieb  unter  den  früheren 
Voraussetzungen  bestehen. 

7)  Hofkammer- Ordnung  1591  (Stieve,  Sitz.-Ber.  der  Münchner  Akad. 
d.  Wiss.  1881,  S.  45):  im  fal  durch  iren  (pflegem  und  gerichten)   als  der 


—    329    — 

Hofkammer  ob,  welcher  die  Pfleger  und  Gerichte  über  die  bei 
ihuen  geführten  Vormundschaften,  die  Art  der  Führung  der- 
selben, Vermögensstand  und  Kapitalanlage  unter  Hervorhebung 
der  von  ihnen  hierbei  wahrgenommenen  Mängel  Bericht  er- 
statten mußten. 

Wenden  wir  uns  zu  der  polizeilichen  Sphäre  der  Pfleger, 
so  stoßen  wir  zuerst  auf  die  Landfriedensordnungen  des  13.  und 
14.  Jahrhunderts.  Diese  bezweckten  der  allgemeinen  Rechts- 
unsicherheit zu  steuern  und  suchten  einen  gesicherten  Zustand 
auf  den  Landstrassen  durch  Abwehr  und  Gefangennahme  ^)  des 
verbrecherischen  Gesindels,  das  auf  denselben  sein  unsauberes 
Handwerk  trieb,  durch  die  Richter  der  einzelnen  Bezirke  her- 
zustellen. Diesen  wurde  die  Verpflichtung  auferlegt,  allen  schäd- 
lichen Leuten  ^)  (Räubern,  Brennern,  Mordbrennern  oder  Dieben) 
nachzueilen  und  dieselben  der  gerichtlichen  Bestrafung  zu  über- 
liefern 3).  Es  galt  als  allgemeine  Unterthanenpflicht  für  Jeden, 
der  das  Geschrei  hörte  *),  sich  an  der  Verfolgung  zu  beteiligen. 
Keine  kleinlichen  Kompetenzstreitigkeiten  sollten  die  Erreichimg 
des  Zwecks  verhindern.  Aus  einem  Gerichte  in  das  andre  und 
aus  einem  Vitztumamte  in  das  andre  sollte  die  Verfolgung  un- 
unterbrochen fortgesetzt  werden,  und  alle  Beamten  der  einzelnen 
Bezirke   waren   zur  gegenseitigen  Unterstützung  verpflichtet^), 


obri^keit  unfleiß  und  übel  zuseben  an  die  vormondschaft  schaden  geschehen 
solte,  das  si  solchen  werden  erstatten  muessen. 

1)  Benaebbarte  Fürsten  scblossen  Vorträge,  welche  eine  Sicherung  der 
Straßen,  besonders  dureb  die  Beamten,  bezwecken.  So  die  Herzoge  von 
Baiern  mit  denen  von  Österreich  1375  (Qu.  u.  Er.  VI,  S.  523):  Davon  ge- 
pieten  und  enpbelicbon  wir  ernstlich  allen  unsern  herren,  rittem  und  knechten, 
dartzu  allen  unsern  amptlauten,  vitztumen,  pflegem,  ricbtem  und  allen  an- 
dom,  di  wir  in  unsern  landen  ye  ze  der  zeit  haben,  vesticblich  bei  unsern 
gnaden  und  bulden,  daz  si  di  strazzen  uberal  also  beschirmen  und  sichern 
wider  aller  raenichlicb  niemont  auz  genomen  und  nimer  gestatten  und  under- 
varen,  daz  di  chauf  laut  oder  arbaitter,  wer  oder  von  wan  di  seinn,  jnndert 
gewalt  oder  unreclit  goschecb.—  Vgl  noch  Verordnung  1369  (Qu.  u.  Er.  VI,  S.  498). 

2)  Über  die  durcb  die  Landfrieden  den  Städten  eingeräumte  Mitwirkung 
bei  der  Unterdrückung  des  Verbrechertums,  der  schädlichen  Leute  vgl  Ro- 
se n  t  b  a  1 ,  Beiträge  S.  89  f. 

3)  Landfrieden  1281  a.  4;  1300  a,  €5;  1352  a.  3;  BQndnis  1369  a.  7 
(Qu.  u.  Er.  V,  S.  340;  VI,  S.  121,  422,  507). 

4)  Vgl.  Brandbrief  der  bair.  Herzoge  1374  a.  6  (das,  VI.  S.  519). 

5)  Landfrieden  1352  a.  4  (Qu.  u.  Er.  VI,  S.  422),  1361  (Kaie h er  S.  65). 


eine  Verpflichtung,  die  sich  auch  auf  die  verschiedenen  büiri- 
schen  Uerzogtflmer  erstreckte,  indem  die  Herzoge  sich  gegen- 
seitige Hülfe  durch  ihre  Ileamten  zusicherten').  Solche  Maß- 
nahmen zur  Unterdrückung  der  Straßenräuberei  erwiesen  sich 
auch  uoch  im  15.  und  16.')  Jahrhundert  als  notwendig. 

Noch  1498,  also  3  Jaiiru  nfti^h  Errichtung  des  ewigen  Land- 
friedens, führten  Statthalter  und  Räte  Herzog  Georgs  in  ^ineip 
Namen  Klage  über  die  Häufigkeit  der  Verbrechen  und  die  ün- 
Bicherheit  der  Landstrassen,  daß  die  Uuterthanen  in  Abuebniun 
und  Verderben  gebracht  und  die  Straßen  durch  die  Kuu6eute 
gemieden  würden,  wodurch  nidit  nur  des  Herzogs  Zölle,  sondern 
auch  der  gemeine  Nutzen  merklich  gemindert  und  verhindert  würda 
Deshalb  wunlen  in  einem  Landgebote')  an  Pfleger  und  Ijind- 
richter  die  alten  Anordnungen  wegen  der  Streifen  zur  Üamacb- 
achtung  in  Erinnerung  gebracht,  die  Abhaltung  von  mindestens 
2  Streifen  in  der  Woche  im  Bezirke,  eventuell  in  Verbindung 
mit  benachbarten  Pflegeni  eingeschärft.  Dieses  Laudgebot  ent- 
hftlt  auch  nach  dem  Vorgange  einer  Verordnung  H.  Ludwigs 
von  14til  *)  Auffinge  einer  Fremdenpolizei,  indem  es  den  Pflegern 
aufgibt,  darüber  zu  wachen,  daß  niemand  Verdächtlicher  oder 
Unerkannter  in  der  Pflege  beherbergt  werde,  man  wisse  dU)D 
von  ihnen  zu  antworten  und  daß  sie  I>andcn  uud  Leuten  un* 
schädlich  seien  '*). 

Außer  der  allgemeinen  Verfolgung,  an  der  sich  auch  die 
Untertbanen  zu  beteiligen  hatten,  wurde  durch  das  Landgebot 
von  1512  die  Aufstellung  einer  Anzahl  gerüsteten  Volks  zu  lUA 

1)  Brandbrief  dor  6  buriteheo  Qer»^  1374  a.  7,  B  (Qu.  n.  Bi;  71, 
8.  680);  vgl  ucb  LO.  1GI6  8.  18  BOndnU.  „duntt  di«««t  OrdDnng  dMtO 
•tatUicber  Volliiohung  beMhehen  möge",  mit  den  terwindUo  HomelMn 
dpr  Pfali  (Oberpfalt)  and  Nenbni];. 

i)  Vgl  i  B.  Entirnif  eioei  Ltodg^boU  wegta  dM  Landbiedona  14U 
(Kieanet  II,  8.  96]i  Landgebot  AlbrMhU  III.  toh  UQncbeii  1470  (Kr«D- 
n«r  Vm,  S.  4).  8ebr  em^honde  Vnncbrift«ii  Obat  die  UrgaotulioB  d«r 
StrafMi  tor  Verfolpuft  dw  Veibrocher,  Ober  die  Päicbt  lar  Naebeil«  bilni 
Liatea  der  Stnnnglocke  jtibt  du  IjaDde«bi>t  Jn  Betreff  der  HOrder  otc;  1519 
(Ktenner  XVUI,  B.  388  £,  404^  und  Lü.  16S3  II.  VI  t  ». 

3)  Krenaat  Zni  8.  ßfi  ff. 

4)  KrvDDvr  VTI,  a  106  f 

Dl  Krenoar  XUI,  8.  68;  LO.  16ß3  Bd.  VI  L  3  a.  S  TnUagt  »ofortic« 
Maldttng  dar  B^nbOTgong  aion  Vcrdtcklis«a  M  dw  ObrifkelL 


-    331    — 

und  Fuß  in  Städten,  Gerichten  und  Schlössern  angeordnet.  Diese 
sollten  zu  jeder  Zeit  zur  Niederkämpfung  eines  jeden  Aufruhrs 
und  jeder  Beschädigung  im  Lande  bereit  sein  ^).  Zugleich  er- 
ging Befehl  an  die  Pfleger,  die  waffenfähigen  Personen  ihres 
Bezirks  auszuwählen ,  und  die  so  Ausgemusterten  mit  Waffen  zu 
versehen.  Ein  Register  der  Ausgemusterten  *)  wurde  angelegt 
und  mußte  unter  Aufzeichnung  jeder  Veränderung  evident  er- 
halten werden. 

Sehr  ausführlich  regeln  die  L.O.  1516»)  und  1553*)  Streifen 
gegen  die  Straßenräuber,  Landfriedensbrecher  und  andere  Übel- 
thäter,  indem  sie  neben  den  Vitztumen,  Pflegern  und  Richtern 
auch  die  andern  Beamten,  wie  Zollner  und  Kastner,  namentlich 
zur  Unterstützung  der  in  erster  Linie  für  die  Verfolgung  orga- 
nisierten streifenden  Rotten  und  der  Beamten  aus  andern  Be- 
zirken verpflichten. 

Da  die  öff'entliche  Sicherheit  durch  die  dienstlos  herum- 
ziehenden Landsknechte  aufs  höchste  gefährdet  war,  wurden  im 
Laufe  des  16.  Jahrhunderts  unzähUge  Mandate  ^)  gegen  sie  er- 
lassen und  die  Beamten  auf  das  nachdrücklichste  zur  Gefangen- 
nahme derselben,  der  sog.  gartenden  Knechte  aufgefordert.  Aber 
obwohl  die  Beamten  mit  ihren  Pferden  und  Amtsknechten  in 
ihren  Landgerichten  beständig  hin  und  wieder  reiten  mußten,  um 
die  Verdächtigen  zu  ergreifen,  gelang  es  doch  nicht,  dieser  für 
den  Wohlstand  der  Bevölkerung  höchst  verderblichen  Landplage 
Herr  zu  werden.  Der  Herzog  sah  sich  deshalb  veranlaßt,  den 
Beamten,  welche  in  Bezug  auf  ihre  Streifverpflichtungen  sich  einer 
Nachlässigkeit  schuldig  machten,  eine  Geldstrafe  bis  500  fl.  anzu- 
drohen, sondern  erklärte  sie  auch  für  schadensersatzpflichtig  ®). 

Die  Landplage  des  in  großer  Menge  sich  herumtreibenden 
Gesindels  war  es  auch,  die  im  16.  Jahrhundert  ^)  die  Maßregeln 


1)  Krennor  XVIII,  S.  407. 

2)  Das.  S.  409,  431  (Musterang  durch  Verordnete  des  Herzogs),  449  L 

3)  S.  9  ff.    Dieselbe  wird  begründet  mit  den  in  neuerer  Zeit  an  den 
Grenzplätzen  sowohl  wie  an  andern  Orten  vorgekommenen  B&ubereien. 

4)  B.  VI  t  9. 

5)  Rcichspolizei-Ordnung  1548  8. 14  (vorgedruckt  der  bair.  LO.  1553),  dann 
letztere  S.  169  K,  femer  Mandate  von  1519,  1554,  1585,  1589. 

6)  Mandat  vom  10.  Juni  1589. 

7)  Gegen  Bettler  überhaupt  wenden  sich  Ende  des   15.  Jahrhunderts 
schon  einige  Landgebote.     So  befahl  Albrecht  IV.  1483  den  Pflegern  und 


—    332    —  ' 

gegen  Bettler  hervorrief  * ).  Nachdem  die  L.O.  1501  *)  allgemeiii 
ein  Verbot  des  Betteins  aufgestellt  und  nur  die  Gebrechlichen 
davon  ausgenommen  hatte,  verlangte  ein  Zusatz  zu  dieser  (..0.') 
auch  für  die  Ausnahmen  eine  besondere  Konzession.  Jeder 
Bettler  hatte  eine  Urkunde  vom  Pfleger  oder  Richter  zu  zeigen, 
daß  ihm  zu  betteln  Not  und  er  dazu  zugelassen  sei.  Die  Exi- 
stenz dieser  Voraussetzung  ernstlich  zu  prüfen,  war  dann  Sache 
des  zuständigen  Beamten.  Diese  Urkunde  berechtigte  ihn  aber 
nur  zum  Betteln  innerhalb  des  Landgerichts  oder  Stadtbezirks 
seiner  Heimat*). 

Neben  den  Maßnahmen  der  Sicherheitspolizei  waren  es  so- 
dann die  wirtschaftlichen  Interessen  des  Landes,  welche  die 
Thätigkeit  der  äußern  Beamten  vielfach  in  Anspruch  nahmen. 
Sehr  häufig  begegnen  die  Verbote  des  Fürkaufs.  Um  eine  Ver- 
teuerung der  Lebensmittel  für  die  Konsumenten  hintanzuhalten, 
sollten  dieselben  dem  allgemeinen  Verkaufe  auf  den  Märkten 
unterstellt  werden*),  damit  durch  reichliches,  der  Nachfirage 
entsprechendes  Angebot  eine  Regulierung  der  Preise  eintrete. 
Deshalb^)  mußte  dafür  gesorgt  werden,  daß  dem  Markte  nicht 
Material  durch  vorherige  Käufe  (Vor-,  Fürkäufe)  im  Hause  des 


Richtern  GeCangcnnehmung  der  arbeitsfähigen  Bettler,  verordnete  aber  xogleich, 
die  mit  Alter  oder  sichtiger  Krankheit  dos  Leibes  Beladenen,  dadurch  m 
zur  Arbeit  nicht  geschickt»  sondern  des  Ahnosens  notdürftig  wären,  an  ihrer 
Besuchong  des  Almosens  angeirrt  zu  belassen.  Dieses  Landgebot  wurde 
1489  wieder  eingeschärft  (Krenner  VIII,  S.  392  £;  IX,  S.  7  £). 

1)  Vgl  G.  Meyer,  Yerwaltungsrecht  I,  S.  149. 

2)  Krenner  XIII,  S.  266. 

3)  wahrscheinUch  1507  (Krenner  XVI,  S.  383). 

4)  So  L.O.  1516  S.  17;  L.O.  1553  B.  VI  t  5  a.  3,  6.  Diese  L.O.  legten 
der  Obrigkeit  auch  die  Verpflichtung  auf,  die  erwerbsfähigen  BetÜerldnder 
ihren  Eltern  zu  entziehen  und  sie  zur  Arbeit  erziehen  zu  lassen,  damit  sie 
nicht  auch  dem  Laster  des  Bettels  zum  Opfer  tiolen. 

5)  Die  Haupttendenz  dieser  Wirtschaftspolitik  ging  dahin,  den  Handels- 
verkehr auf  die  offenen  Wochen-  und  Jahrmärkte  zu  beschränken.  Nor  der 
Einkauf  für  den  Hausbedarf  sollte  sich  außerhalb  derselben  abspielen  dflrfen. 

6)  z.  B.  Befehl  AlbrechU  IIL  1442  an  das  Landgericht  Pfaffenhofen:  Wir 
schaffen  ernstlich  mit  euch  .  .,  daü  ihr  darob  seyet  und  verbietet,  da6  man 
in  dem  obgenannten  unserm  Landgericht  keinerley  Vieh,  noch  Käfi,  Eyer, 
Schmalz,  dazu  Garn  und  Flachs  und  all  andre  Sach  .  .  auf  dem  Lande  nie- 
mand nichts  verkaufe,  sondern  Wir  wollen,  daß  solches  alles  zu  allen  nnsem 
offnen  gewohnlichen  Märkten  gebracht  werden  sollen  (Krenner  I,  S.  143). 


A 


—    333    — 

Produzenten  zum  Zwecke  der  nicht  marktmäßigen  Weiterver- 
äußerung entzogen  würde.  Namentlich  ging  die  Tendenz  dieser 
Wirtschaftspolitik  dahin,  eine  Schädigung  der  inländischen  Kon- 
sumtion infolge  der  Ausfuhr  der  Landeserzeugnisse  zu  ver- 
hindern. Die  Erfahrung,  daß  das  Fleisch  aufgekauft  und  aus 
dem  Lande  getrieben,  dadurch  das  Fleisch  hoch  verteuert  würde, 
so  daß  im  Inlande  großer  Mangel  und  kein  gutes  Fleisch  zu 
habendi  wurde  wiederholt  gemacht.  Sie  drängte  ebenso  wie 
die  Beschwerden  der  Stände  und  die  Beobachtung,  daß  auch 
Viktualien  und  Getreide  aus  dem  Lande  verführt  oder  zu 
Spekulationswegen  aufgehäuft  würden  („und  ob  ihrer  etliche 
solchen  Getreid  gleichwohl  nicht  aus  dem  Land  verführen,  so 
schütten  und  verhalten  sie  den  doch  auf  ihren  Kästen  zu  künf- 
tiger und  großer  Teuerung")  *)  zu  stets  erneuter  Einschärfung 
der  gegen  den  Fürkauf  erlassenen  Landgebote,  da  die  Nach- 
lässigkeit und  Pflichtvergessenheit  einzelner  Pfleger  und  Richter 
die  von  einer  gesunden  wirtschaftspolitischen  Anschauung  zeu- 
genden „von  eines  gemeinen  Nutzens  wegen  ergrifl'enen"  Maß- 
nahmen vereitelte*). 

Man  war  bestrebt,  diese  mit  der  Vollziehung  der  Verord- 
nung betrauten  Beamten  zu  erhöhter  Aufmerksamkeit  anzu- 
spornen, dadurch  daß  man  ihnen  einen  Anteil  (Hälfte)  der  der 
Konfiskation  ^)  unterworfenen  aufgekauften  Vorräte  zusicherte. 


1)  z.B.  1467  (Krenner  V,  S.  213). 

2)  z.  B.  1501  (H.  Georg).  Krenner  Xm,  S.  333. 

3)  Landgebote  von  1442,  14C0,  1461,  1466,  1470,  1474,  1476,  1478,  1501 
(Krenner  I,  S.  143;  VII,  S.  104;  V,  S.  71,  198;  VH,  S.  392,  408;  Vm, 
S.  151,  235,  281;  XIII,  S.  151,  332).  Die  Wiederholung  war  anch  im  Laufe 
dos  16.  Jahrhunderts  notwendig,  z.  B.  Landgebote  von  1534,  1544,  1580,  nach- 
dem die  L.O.  1516  S.  46  ff.  und  die  L.0. 1553  B.  UI  t  5-14  durch  sehr  de- 
taillierte  Verbotsvorschriften  den  Fürkauf  geregelt  hatten. 

4)  1544  vnirde  darüber  geklagt,  daß  heimliche  Praktiken  und  Fürgeding 
des  Viehkaufs  so  überhand  genommen  haben  sollen,  dai  ohne  Vorwissen  der 
Obrigkeit  und  Amtleute  dies  nicht  geschehen  kOnno  und  also  hübschlich 
zu;2:esehen  und  je  zu  Zeiten  Pafiporten  gegeben  würden.  Deshalb  sollten 
die  Kontmoister  bei  ihren  Umritten  derohalb  sondere  geheime  Erfahrung 
fümchmen,  auf  daü  solche  eigennützige  Obrigkeit  und  Amtleute  Anderen  zu 
Ebenbild  nach  Ungnade  gestraft  würden  (RA.  —  Polizeisachen  1544). 

5)  Die  L.O.  1516  S.  47  und  1553  B.  IH  t.  6  a.  14  droht  nicht  Kon- 
fiskation ,  sondern  nur  eine  Strafe  von  1  Pfd.  -X  für  jedes  Stück  Vieh  an, 
sichert  dem  Beamten  auch  hiervon  die  Hftlfte  zu. 


Wie  wenig  diese  in  Aussicht  gestellten  Belohnangen  uod  die 
angedrohten  Strafen  die  Beamten  zu  einer  energischen  Unter- 
drückung des  Fürkaufs  zu  bringen  vermochten ,  l)czeugen  die 
Landesordnungen  von  1516  ■ )  und  1553 ,  welche  den  Btuimten 
ausdrücklich  untersagen,  niemandem  dun  FUrkauf  zu  gestatten, 
wie  dies  bisher  an  etUchen  Orten  dem  gemeinen  Nutzen  zu 
merklichem  Nachteil  und  Schaden  geschehen  sei*).  Den  Be- 
amten und  Amtsknechten,  welche  selbst  Fürkauf  treiben  oder 
die  Fürkäufer  „schieben  und  nit  niederwerfen",  sollte  dies  un- 
nachsichtlich  mit  Leibesstrafe  geahndet  werden '). 

Sollten  diese  zum  Wohle  der  Bevölkerung  eingeführten  Vor- 
schriften nicht  gegenteilig  wirken,  so  mußte  bei  den  von  Natur- 
ereignissen (Ausfall  der  Ernte  u.  dgl.)  und  den  sich  ändernden 
Maßnahmen  in  den  Nachbarl&udem  abhängigen  wechselnden  Kon- 
junkturen, welche  die  Grenzbezirke  stark  berührten,  eine  ge- 
wisse Beweglichkeit  der  wirtschaft^politischeu  Anordnungen  er- 
möglicht werden ' ),  um  den  neu  auftretenden  Bedürfnissen  leicht 
Rechnung  tragen  zu  können.  Deshalb  wurde  dem  Herzog  die 
Befugnis  eingeräumt,  auch  ohne  Genehmigung  der  Landschaft 
mit  seinen  Räten  jeder  Zeit  eine  Aufhebung  und  Änderung  der 
in  Bezug  auf  den  FQrkauf  ergangenen  Bestimmungen,  wenn  dies 
nOtig  erscheint,  zu  beschlieÜcn. 

Der  staatliche  Einfluß  auf  das  wirtschaftliche  I^hen  machte 
sich  zu  allen  Zeiten  geltend  in  der  Überwachung  des  Gewerbe- 
Wesens,  die  allerdings  mehr  die  Handwerkervcrbältnisse  in  den 
Städten  als  auf  dem  flachen  Lande  betraf. 

Von  Interesse  dürfte  die  M'ahmehmung  sein,  daß  die  Strikes 
nicht  etwa  ein  Produkt  der  industriellen  Entwicklung  des  19. 
Jahrhunderts  sind,    sondern  daß  schon   151G  ^)  die  bairische 

1)  a  61. 

2|  LO.  I&63  E  m  t  14  •.  4  tieseitigui  uch  den  Kit»  Uitbiuc^  aia- 
teloen  FOrklnflern  den  FOikanf  gegen  Etlegnng  eJDcr  beatinuntoa  GoblAr 
(Saafg«ld)  Rn  den  Beunton  d«t  B«iirkt  la  graUtten. 

3)  LO.  1663  a  ra  t  14  fc.  5. 

4^  LO,  161G  S.  62  —  >o  msrckhlich  befchwlrung  fOrfielen.  daful  g»- 
mijnem  nati  nnhUfl  tuind  KbAd,  du  offeonlieh  wiif^  errolgt,  wi«  dun  fio 
Mit  nnnd  JBTE«DOg,  ucb  dio  gtgtat  nond  Bifitn  tob  wegon  dm  uatsttnada 
Uimdt  mglaieh  ilnd,  duJD&  ...    Vgl  »arh  LO.  1563  B.  lU  L  14  a.  6. 

S)  a  68  E  (abww  LO.  166S  a  V  L  1  ».  4).  Uli  «ieli  di«  Hundt* 
«enhlkneebt  In  onnMin  Stottoi  und  UlrekhtcD  loiejtcn  tuodentMn  nu 


—    335    — 

L.O.  Veranlassung  hatte,  Bürgermeistern  und  Stadträten,  aber 
auch  den  herzoglichen  Beamten  zu  befehlen,  solche  gemein- 
samen Arbeitseinstellungen  zu  unterdrücken,  die  Bädeisführer 
zu  bestrafen  und  die  andern  zur  Wiederaufnahme  der  Arbeit 
zu  veranlassen. 

Mit  der  Abstellung  der  Mißbräuche  und  Unordnungen 
in  den  Handwerkszünfteu  befaßt  sich  die  L.O.  1553  (B.  V  t.  1 
a.  1),  indem  sie  die  Schattenseiten  des  Zunftwesens  scharf 
geißelt  und  die  Obrigkeiten  auffordert,  namentlich  dem 
Mißbrauch  entgegenzutreten,  Handwerksgenossen  in  chicanöser 
Weise  die  Aufoahme  in  die  Zunft  unmöglich  zu  machen  0?  ibi- 
dem die  Zünfte  sich  unterstehen,  sie  „mit  übermäßiger  Schätzung 
und  Zehrung  und  auch  mit  Auflag  und  Anmutung  ungewöhn- 
licher, vergebner  und  unnutzer  Meisterstücke  also  zu  beschweren 
und  zu  beladen,  daß  dieselben,  ob  sie  ihrer  Geschicklichkeit 
halber  der  Meisterschaft  gleich  würdig,  dennoch  derselben  allein 
darum,  daß  sie  solche  überflüssige,  ungebührliche  Zehrung  zu 
erschwingen  nit  vermögen  oder  gedachter  unnützer  Meisterstück 
unkundig  seind,  mangeln,  auch  etwa  mit  sonderm  Spott  und 
Nachteil  davon  ausgeschlossen  sein  müssen". 

Es  sollte  nun,  nachdem  das  alte  löbliche  Herkommen  allent- 
halben im  Lande  bei  den  Handwerkern  gräßlich  mißbraucht 
wirdet  (L.O.  1553),  eine  Ordnung  und  Satzung  vorgenommen 
werden,  die  gemeinem  Nutzen  förderlich,  guter  Polizei  dienst- 
lich und  dem  armen  Handwerksmann  erträglich  und  leidlich  sein 
möge.  Schon  im  Landfrieden  1255  *)  war  dem  Richter  die  Auf- 
gabe gestellt  worden,  mit  8  der  Besten  Arbeitslöhne  und  Preise 
der  Erzeugnisse  verschiedener  Handwerker  festzusetzen').  Später 
beschränkte  sich  dann  die  Aufgabe  des  Pflegers  auf  die  Be- 


aignen  fOrnemen  und  muetwillen  gemainklich  all  in  ainem  handtwereh  aof- 
znsteen  in  majimiig  jren  Majstern  wejtter  nit  zearbaiten.  Es  werd  dann  in 
dem  das  sy  fOrnemen  davor  nach  jrem  begem  gehandelt  nnd  vermainen  also 
OD  der  obrigkait  erlauben  in  den  sachen  jr  selbs  Richter  lesein  defthalben 
zu  dickennals  in  den  hanndtwerchen  zwischen  jnen  yü  irnmg  nnd  venanm- 
nnü  der  handtwerchsarbait  ersteen  .  .  . 

1)  Als  Mißbrauch  war  auch  erwähnt»  daft  die  Zflnfte  unziemliche»  unge- 
bührliche Strafen  ohne  Vorwissen  der  Obrigkeit  vomehmen. 

2)  a.  75;  Ldfr.  1281  a,  66;  1300  a.84  (Qu.  u.  Er.  V,  S.  151,  349;  VI,  8. 123). 

3)  Einzelne  Landgebote  des  15.  und  die  L.O.  des  16.  Jahrhunderts  lassen 
dann  eine  gesetzliche  Tarifierung  eintreten. 


—    336    — 

Stellung  von  Beschauern^)  für  seinen  Verwaltungssprengel,  welche 
namentlich  die  vorschriftsmäßige  Qualität  der  Nahrungsmittel 
zu  prüfen  hatten.  Insbesondere  wurden  Bier-  und  Fleisch- 
beschauer ernannt.  Die  Thätigkeit  der  letzteren  fiel  zugleich 
in  das  Gebiet  der  Gesundheitspolizei,  denn  sie  hatten  zu  ver- 
hüten, daß  ungesundes  Fleisch  in  den  Verkehr  kam. 

Eine  Revision  und  Eichung  von  Gewicht,  Ellen  und  MaS 
hatte  der  Richter  jährlich  einmal  mit  2  —  3  Bürgern  vorzu- 
nehmen *).  Diese  für  die  Verkehrspolizei  wichtige  Revision  war 
schon  durch  K.  Ludwigs  Landrecht  vorgesehen*). 

Einen  wichtigen  Zweig  der  Wirtschaftspolizei  bildete  das 
Münzwesen.  Auch  hier  bediente  man  sich  der  Pfleger  als  der 
allgemeinen  Polizeiorgane  zur  Durchführung  der  ergangenen 
Münzmandate  (Verbot  des  Umlaufs  geringhaltiger  Münzen, 
Verbot,  Münzen  zu  einem  hohem  als  dem  bestimmten  Kurse 
anzunehmen)^).  Bei  der  großen  Wichtigkeit  der  Sache  für  die 
Volkswohlfahrt  und  der  Schwierigkeit  der  Verwirklichung  des 
gesetzlichen  Zustandes  sicherte  man  den  Beamten,  um  ihren 
Eifer  und  ihre  Wachsamkeit  zu  schärfen,  einen  Teil  der  zu 
konfiszierenden  Münzen  zu  und  befahl  ihnen  auch  die  Auf- 
stellung besonderer  Aufseher  zur  Aufspürung  der  Übertreter 
dieser  Mandate. 

Daß  die  Erfüllung  der  Pflichten  des  Gesindes  gegen  seine 
Herrschaft  vielfach  als  eine  Angelegenheit  von  öffentlichem 
Interesse  angesehen  wird*),  ist  eine  nicht  erst  in  der  Gesetz- 
gebung unsrer  Zeit  hervortretende  Auffassung.  Eingehend  regeln 
die  bairischen  Landesordnungen  des  16.  Jahrhunderts  das  Ver- 
hältnis von  Herrschaft  und  Gesinde*),  indem  sie  auch  bestim- 
men, inwiefern  die  Obrigkeit  zur  Erzwingung  der  vertragsmäßig 

1)  z.ß.  in  Niederbaiern  1437  (Krenner  IV,  S.  94);  L.O.  1553  B.  K 
t  2  a,  10;  B.  V  t  6  a,  1. 

2)  L.O.  1516  S.56;  L.O.  1553  B.V  t  8  a.  16. 

3)  Nach  Münchner  Stadtrecht  a.  329  (An er  S.  218)  fand  diese  Beschau 
Tiertelj&hrlich  statt 

4)  z.  B.  1469  (L  0  r  i ,  Sammlung;  des  baier.  Manzrechts  I ,  S.  86),  1497 
(Krenner  XIII,  S.  57  ff.).  1510,  1511  (Lori  II,  S.  130,  147),  1567,  1668 
(gedr.  Mandate). 

5)  Vgl.  G.  Meyer,  Verwaltnngsrecht  I,  S.  429. 

6)  Ober  die  Eigenart  des  Gesindeverhfiltnisses  vgl  R.  LOning,  Der 
Vertragsbruch  und  seine  Rechtsfolgen.  Strafiburg  1S76.  S.  460  £ 


—    337    — 

übernommenen  Verpflichtungen  ihren  Arm  zu  leihen  habe.  Bei 
Nichtantritt  oder  Nichtaushalten  des  Dienstes  ohne  hinreichende 
Gründe,  über  deren  Vorhandensein  der  Pfleger  zu  erkennen 
hatte,  sollte  dieser  den  Vertragsbrüchigen  zur  Erfüllung  seiner 
Verpflichtung^)  anhalten*).  Den  heimlich  entlaufenen  Dienst- 
boten hatte  er  auf  Ersuchen  der  Herrschaft  zwangsweise  in  den 
Dienst  zurückzuschafl'en.  Strenge  Strafe,  sogar  dreijährige 
Landesverweisung  traf  den  unbotmäßigen  Dienstboten  ^). 

Bedeutungsvolle  Aufgaben  hatten  die  Pfleger  in  Wahr- 
nehmung der-  landesherrlichen  Kirchenhoheitsrechte  zu  erfüllen. 
Als  Vollzugsorgane  der  Regierungen  waren  auch  sie  berufen, 
an  dem  Werke  der  Gegenreformation  mitzuwirken  *)  und  die  das 
kirchliche  Leben  der  Laien '')  und  die  Verwaltung  der  Kirchen- 
ämter ^)  und  die  Lebensführung  der  Geistlichen^)  regulieren- 
den, häufig  wiederholten  herzoglichen  Religionsmandate,  welche 
der  Abwehr  des  Protestantismus^)  und  der  Abstellung  der 
diesem    förderlichen    Mißbräuche    galten,    zur  Ausführung  zu 


1)  Evcntncll  zum  Schadensersatz  oder  zum  Stellen  eines  andern  Dienstboten. 

2)  L.O.  1501  (Krenner  XIII,  S.  302  f.);  L.O.  1516  8.5711;  1553  RV 
t.  12  a.  1,  2. 

3)  L.O.  1553  B.  V  t  12  a.  8  verbot  bei  schwerer  Strafe  den  Pflegern 
und  Richtern,  die  ihrer  Gerichtsobrigkeit  unterworfenen  Knechte  und  Dirnen 
zu  zwingen,  bei  den  herzoglichen  Schlossern  und  Hofgebftudon  um  geringen 
Lohn  zu  dienen. 

4)  Schon  eine  Verordnung  Herzogs  Otto  IL  circa  1233  befahl  den  herzog- 
lichen Beamten  (judices  nee  non  offlciales),  die  Minoriten  in  Ausrottung 
der  Ketzerei  zu  unterstützen  (Qu.  u.  Er.  V,  S.  55). 

5)  Die  Pfloger  soUt^^n  keine  Neuerung  in  Glaubenssachen,  keine  Ver- 
änderung in  Ceremonien  und  Sakramenten,  keine  Winkolschulon,  auch  nicht 
das  heimliche  Lesen  und  Predigen  in  Häusern  noch  sonst,  auch  nicht  den 
Auslauf  zu  den  sectischen  PrÄdicanten  dulden. 

G)  Sie  hatten  Erkundigung  zu  thun,  wie  es  die  Pfarrer  oder  ihre  Gesell- 
priester  mit  Predigen  und  andern  alten,  wohlhergebrachten  Ceremonien 
halten,  ob  sie  nicht  Neuerung  einfahren. 

7)  Über  die  wiederholten  Mandate  wegen  der  Concnbinen  der  Geist- 
lichen und  einzelne  hierwegen  an  die  Pfleger  ergangene  Befehle  vgl.  Fried- 
berg, Die  Grenzen  zwischen  Staat  und  Kirche.  Tübingen  1872.  I,  S.  1901 

S>  So  hatte  z.  B.  nach  einem  Mandat  von  1569  der  Pfleger  wegen  des 
Schadens,  den  das  Lesen  der  sektischen  Bücher  bei  den  Bewohnern  des  Be- 
zirks verursachte,  dergleichen  Bücher  sich  aushändigen  zu  lassen,  um  sie  an 
die  Kanzlei  seines  Rentamts  einzuhändigen.  Er  sollte  dann  mit  dem  Pfarrer 
bei  den  ansässigen   und  den  auf  Jahrmärkten  herumziehenden  BnchfÜhrem 

Roeenthal,  (ieschichte  d.  Oerichttw,  n.  d.  Verw.-Orf.  Balerot.  I.  22 


bring^uu  (lurcli  strenge  Überwachung  dor  VenlÄchtigcii  und  durch 
Bestrafung  disr  Scliuldigcu,  Mouathcli  huttcn  die  Pfleger  an  ihre 
vurgcsetzte  Regierung  einen  Keligiousbericht  zu  erstatten*)  unter 
Beilegung  der  von  den  Pfarrern  des  Bezirks  Dber  den  /iistand 
ilirer  Pfarrkinder  eingelaufenen  Schreiben. 

Das  UeHultät  einer  allgemeinen,  durch  einige  Jesuiten  ab- 
gehaltenen Ueligionsvisitation  wur  ein  derartiges,  daß  dor  Herzog 
den  Pflegern  von  Eggenfelden,  Griusbacb,  Haidau,  Biburg  und 
dem  Richter  zu  üorfen  wegen  ihres  l^ntieißcs  in  RcUgionssachen 
(1605)  den  Dienst  kündigte  und  nur  auf  eindringliche  Bitten 
und  Entschuldigung ')  sie  weiter  im  Amte  beließ  *). 

Durch  den  Pfleger  erfulgt  auch  die  Installation  eines 
Pfarrers    in    seine   neue  Pfründe,    sog.  PossuBgebung*).     Da 

TiaiUtioD  abhalten  nnd  nach  aolchen  Bflehcm  fithailcn.  Tgl.  Klnckhohn. 
B«itr.  z.  Gesell,  ie»  ScbnlwcteD  in  B.  (Abh.  d.  HOnchnet  Akad,  pbiL^iiit. 
Abt,  Bd.  XII,  8.  »61  t). 

1)  Anfierdem  «nrden  noch  hie  und  da  VcrieichnUte  der  UndgeriehtitdtOD 
Uotortbanen.  die  im  TerfloiBeDen  Jahro  dor  It^Ugion  halber  gMtraft  wurdm, 
uigel«gt  DDd  dor  H«gieniDg  eingetcbicIcL 

S)  So  bracht«  c  B.  dor  PQeger  in  Haidaa  H.  tot,  er  habe  in  Mdiwr 
Pflepretwaltnng  54  Ho&nark<^n.  am  denen  der  meiste  Unrat  in  Iteligion»- 
»achoD  hergeflouen.  indsm  aei  eein  ganz«  Amt  mit  «pctischer  NubbartclHtft 
boBcbloiien,  90  da&  «■  trotz  grober  Streifen  nicht  tnOgUch,  den  Hofiaarka- 
ontcrthanen  den  Antlsuf  in  Temebren,  „dieweii  der  nit  durch  ordentlicba 
gemräo  and  oSbe  .Straten,  londem  meistentoiU  durch  Abwege  nnd  Seblnpf- 
Winkel,  auch  unter  dem  Schein  der  genachbartcn  freien  Wochen-  nnd  Jahr- 
Dirkt«n  betchicbt  nnd  ßmemlich,  so  int  je  in  fo  wichtigen  Sachen  bol  dt* 
gemeinen  Banertmannet  arglutig«m  Weaen  mit  S  Pferden,  danuf  ot  b^ 
•teilt,  wenig  Bnanrichten".  -  Der  AbuntiaDgibefehl  wird  torUckgenouiMii 
nnd  ihm  doa  IIalt<>n  Ton  nuch  2  Pferden  aufgetragen. 

3)  In  dem  Dekret  vom  9,  August  1506  venprach  der  Henog.  ana  ßnaden 
nnd  anf  frravrei  Vnmcbon  dor  Bitte  n  nntuprochen  mit  dem  Befehl,  d*t 
dn  aowahl  in  Keligion  al*  in  andern  Sachen  allen  Hhuldisen  Qohoiaaiii 
leiateat,  die  Kirchen  und  den  Oott(-*dienst  aamt  denen,  to  dir  tugebflrlg;  mit 
allem  FIHA  jeder  Zelt  bfinchent  und  also  atuem  Dnterthaiicii  in  tiUnbcn^ 
nnd  andern  Sachen  ein  gut  cbriitlich  Kiempel  rortrigat,  gvgen  den  Od* 
gehortamen  mit  nnabUaaiger  Strafe  rerbbr««!,  auch  dMbalb  gute  Knndadiaft 
be«t«]lMt,  tooderlich  aber  lolbt  du  gut  Anftnerkon  haben,  da  rieh  dU  von) 
Adel  oder  Andere  in  Keligionaiocbpn  .^ndorungen  rornnvlimen  unteratehaa 
odsT  die  PrieRteracbaft  ilck  in  der  Lebr  oder  im  Leben  Obel  nnd  nngeblllir* 
Uek  haltvB  »flrd>v  dai  dn  ant  doneD  jeder  Zeit  bericbtett  .  .  .  (Kr,  1.H  — 
0«L  Rag.  fUp.  I  Beamte). 

4)  Vgl.  aber  djCM  B.  Uajer,   Kirchenkobeitarecbte  dna  KiiOt»  *m 


—     339    — 

diese  auch  eine  Einwilligung  des  Landesherrn  zu  der  konkreten 
Besetzung  des  Kirehenamts  enthielt^),  auch  an  gewisse  Be- 
dingungen geknüpft  werden  konnte,  so  durfte  sie  der  Pfleger 
nur  auf  Grund  eines  Beschlusses  des  geistlichen  Rats  vor- 
nehmen. 

Eine  staatliche  Oberaufsicht  über  das  Kirchengut  wurde 
zuerst  durch  ein  Landgebot  im  Münchner  Anteil  1488*)  ein- 
geführt und  entwickelte  sich  dann  auf  dieser  Grundlage  im 
16.  Jahrhundert  weiter.  Die  Zechleute  der  Pfarr-  und  anderen 
Kirchen^)  sollten  jährlich  ihres  Einnehmens,  Ausgebens  und 
Handlung  halber  von  dem  ihnen  zur  Verwaltung  anvertrauten 
Kirchengut  (nicht  nur  Fabrikgut)*)  dem  Pfarrer  in  Gegenwart 
des  Pflegers  und  einiger  der  treff'lichsten  Pfarrleute  Rechnung 
thun,  die  schuldigen  Restbeträge  bezahlen  oder  verbürgen.  Für 
die  Verwaltung  des  Kirchenguts  wurden  genaue  Vorschriften 
gegeben  ^). 


1)  Vgl  A.  Mayer  a.  a.  0.  S.  33  f.  und  die  Anhang  S.  279  aus  Lori 
mitgeteilten  Beschlüsse  des  geistlichen  Rats,  z.  B.  1556,  daß  ungeachtet  der 
erzhischöflichen  Investitur  einem  im  Examen  nicht  hestandenen  Priester  die 
Possession  der  Pfarr  nicht  gegohen  werden  soll ;  1574  an  Pfleger  zu  M.,  einem 
Pfarrer  die  Possession  zu  gehen  ]nit  Bedrohung  der  Entsetzung,  falls  er  den 
Gottesdienst  nicht  fleißig  verrichten  werde. 

2)  Kronnor  VIII,  S.  529.  Auch  in  Niederhaiem  war  die  Aufsicht  üher 
das  Kechnungswesen  geregelt,  wie  die  Beschwerden  der  Ritterschaft  1497 
darthun  (Krenner  XUI,  S.  56);  L.O.  1516  S.  37  flf.;  L.O.  1553  B.  II  1 10. 

3)  Eine  Beaufsichtigung  der  Spitäler  und  Ahnahme  der  von  deren  Ver- 
waltern alljährlich  zu  stellenden  Rechnungen  verlangte  L.O.  1553  (B.  VI 
t  5  a.  7),  während  die  L.O.  1578  S.  30  letzteres  auch  auf  die  Rechnungen 
der  Seuchen-,  Bruder-  und  Blattemhäuser  ausdehnt 

4)  So  E.  Mayer  S.  21. 

5)  Der  Gotteshäuser  Geld,  Kleinode  und  Urkunden  sollten  in  einer  Truhe 
mit  3  Schlössern  verwahrt  werden.  Einen  Schlüssel  sollte  die  Ohrigkeit»  den 
2.  der  Pfarrer,  den  3.  die  Zechleute  oder  Kirchpröbste  haben  (L.0. 1516;  1553 
B.  II  t.  10  a.  3).  Die  Beamten  hatten  die  Urkunden,  Fahrnis  und  alle  Ein- 
künfte inventarisieren  zu  lassen,  ein  Register  hei  sich,  das  zweite  bei  der 
Kirchenverwaltung  aufzubewahren  (1553  a.  1).  Die  Kirchpröbste  hatten  alle 
Außenstände  der  Kirchen  einzubringen  mit  Hülfe  der  Beamten  (a.  12).  Über 
alle  Einnahmen,  Ausgaben  und  Bauf&lle  sollten  Pfleger,  Pfarrer  und  Zechleute 
gemeinschaftlich  beschließen;  bei  Auslagen  von  10  oder  20  fl.  war  sogar  die 
Genehmigung  der  Regierung  erforderlich.  Für  jede  Kapitalanlage,  ebenso 
für  Veräußerung,  Verpfändung,  Verleihung  und  Verstiftung  der  Kirchengüter, 
Verkauf  des  Zehnten  war  Zustimmung  der  Pfleger  «u  erholen  (1553  a,  14—17). 

22  ♦ 


—    340    - 

Unaufhörlich  ertönten  Klagen  über  die  großen  Zehrungen 
der  Beamten  bei  Aufnahme  der  Kirchenrechnungen,  welche  den 
Kirchensäckel  stark  belasteten.  Durch  stets  erneute  Verbote 
trat  man  dem  Mißbrauche  entgegen  und  be^enzte  den  für 
Zehrungen  zulässigen  Aufwand^). 

Gelegentlich  der  Aufnahme  der  Kirchenrechnungen  war 
auch  seitens  der  Beamten  eine  Besichtigung  der  Pfarrhöfe  und 
Widemgüter  vorzunehmen.  Diese  hatten  bei  der  Wahrnehmung 
von  Baufällen  die  Pfarrer  oder  Vikare  zur  Wendung  derselben 
aufzufordern,  eventuell  die  Säumigen  der  Regierung  anzuzeigen*). 

Eine  tiefgreifende  Veränderung  in  der  Revision  der  Kirchen- 
rechnungen trat  nach  Errichtung  des  geistlichen  Rats  ein,  in- 
dem diese  seit  1573  einer  aus  Mitgliedern  dieses  Kollegiums 
und  der  Hofkammer  zusammengesetzten  Kommission  übertragen 
\\iirde. 

Wenn  auch  die  Finanzverwaltung  schon  früh  besondem  Be- 
amten (Kästnern)  übertragen  worden  war,  so  sehen  wir  doch  die 
Pfleger  andauernd  als  Organe  der  Steuerverwaltung  beschäftigt 
Seitdem  eine  herzogliche  Steuer  in  Baiem  erhoben  wird,  sind  es 
hauptsächlich  die  Richter  mit  ihren  Schergen,  vereinzelt  auch  die 
Kastner,  welche  mit  der  Einbringung  derselben  befaßt  werden, 
wie  dies  viele  Zeugnisse  aus  dem  13.  Jahrhundert^)  darthun*). 
In  den  folgenden  Jahrhunderten  wurden  den  Pflegern  imd  Rich- 
tern^) diese  Funktionen  als  „Steucrcr  und  Einbringer"  nicht  ent- 


Vgl.  noch  KMajer  S.  40fl  —  Klagen,  dafi  selbst  Beamte  von  den  Kirchen 
Geld  auf  Nimmerwiedergeben  entlehnen ,  was  ihnen  die  KirchprObste  nicht 
versagen  dürfen,  wurde  Abhülfe  darch  die  L.0. 1578  S.  3,  welche  verbot;  Be- 
amten, Pfarrherren  und  KirchprObsten  irgend  ein  zinsloses  nnd  verzinsliches 
Darlehen  aus  dem  Kirchengat  za  gewähren. 

1)  L.O.  1516  S.39;  L.O.  1553  B.  H  1 10  a.  6,  7,  10  (die  Rechnungen 
der  armen  Gotteshäuser  eines  Bezirks  sollten  zusammengelegt  werden  behufii 
einer  Verminderung  der  Kosten). 

2)  L.O.  1553  (a.  8). 

3)  Baasch,  Die  Steuer  im  Herzogtum  Baiem  bis  zum  ersten  land- 
ständischen Freiheitsbrief  (1311),  Diss.  Marburg  1888,  S.  32  £,  gibt  eine 
dankenswerte  Zusammenstellung  derselben. 

4)  Die  Yitztumo  leiten  dann  das  Steuergeschäft  im  Rentamt 

5)  Siehe  z.  B.  1429,  1448  (Ingolstadter  Teil).  H(jS,  147a  1480,  1485,  1493 
(Münchner  Teü).  Krenner  III,  S.30f,  30311;  V,  8. 349 ff.;  VIII,  8.214«. 
321  fi;  435  ff.;  IX,  S.  255  £ 


—    341    - 

zogen  ^ ).  Diese  hatten  die  landgerichtischen  Unterthanen  selbst  an- 
zulegen, und  nach  Ausbildung  der  landständischen  Steuerverwal- 
tung*) werden  die  herzoglichen  Beamten  stets  zur  Unterstützung 
der  ständischen  Steuerorgane  herangezogen  und  ausdrücklich 
vom  Herzog  aufgefordert,  zur  Einbringung  der  Steuer  Schirm 
und  Schutz  zu  thun  *).  Sie  hatten  das  Vermögen  der  Unter- 
thanen den  ständigen  Steuerem  behufs  Veranlagen  anzugeben, 
und  später  wurde  der  Kostenersparnis  halber  ihnen  sogar  die 
Einbringung  der  von  diesen  veranlagten  Steuerbeträge  übertragen. 
Außerordentlich  eingreifend  war  die  Rolle,  welche  der 
Pfleger  als  Organ  der  Militärhoheit  zii  spielen  berufen  war.  Da 
das  herzogliche  Heer  sich  zu  einem  Teil,  wie  bereits  betont 
wurde,  zusammensetzte  aus  den  von  den  herzoglichen  Beamten 
auf  Grund  des  Dienstvertrags  zu  stellenden  Mannschaften,  so 
waren  auch  die  Pfleger  auf  Grund  ihrer  Bestallung  entweder 
zur  Verteidigung  einer  Burg  oder  zur  Stellung  einer  Anzahl 
von  Kriegern  (mit  Pferden)  für  den  Landkrieg  verpflichtet.  Um 
sich  von  dem  kriegstüchtigen  Zustande  der  dienstpflichtigen 
Unterthanen  des  Gerichtsbezirks,  insbesondere  von  dem  Vor- 
handensein der  erforderlichen  Waffen  (Harnische  und  Wehre) 
zu  überzeugen,  hielt  der  Pfleger  jährUch  im  Frühjahr  eine 
Musterung*),  die  sog.  Hamischbeschau *),  ab^). 

1)  Die  Pfleger  standen  gewöhnlich  an  der  Spitze  der  Steuerkommission 
des  Landgerichts  und  leiteten  das  Steuergesch&ft  in  demsolhen.  Nehen  ihnen 
fungierten  als  Steuerer  sowohl  Bauern  als  andere  herzogliche  Beamte  (Kästner, 
Ungeltcr).    Der  Gerichtsschreiher  war  zugleich  als  Steuerschreiher  thfttig. 

2)  Vgl  §  24. 

3)  Steuerinstruktion  1493  hei  Sejfried,  Zur  Geschichte  hairischor 
Landschaft  und  Steuern.   München  1800.   S.  33a 

4)  Kronner  V,  S.  196. 

5)  Eine  Inspektion  der  Pfleger  yerhand  Wilhelm  V.  1580  mit  der  Fron- 
Icichnamsprozession:  ^So  wäre  es  gleich  L  fl  dt  ftlr  eine  jährliche  Musterung, 
dadurch  dieselbe  sehen  möchte,  wie  die  Reiterei  in  dero  Landen  auf  den 
Notfall  beschaffen  und  von  den  Beamten  ihrer  Pflicht  gemäfi  gehalten  werde, 
dann  einmal  gewiß,  daß  fast  die  Pfleger,  Landrichter  u.  dgL  gewöhnlich  ohne- 
dieß  den  Umgang  besichtigen,  auf  ihre  eignen  Kosten  hierherkotnmen,  defi- 
halb  ihnen  anders  nichts  als  allein,  dafi  sie  ihre  Rflstungen  mit  hierher 
bringen  wollten,  zugeschrieben  werde.    Welches  dann  die  Pfleger  und  Richter 

einer  Sorge  erhalten  wird,  auf  daß  sie  jederzeit  mit  ihren  Dienern  und 
Pferden  wohl  gestafirt  erscheinen  mochten  (Heilmann,  Eriegsgesch.  von 
Bayern  .  .  von  1506—1651.   München  1868.    I,  S.  261). 

6)  Die  Register  der  Wehrpflichtigen,  Musterhfleher  entsprachen  unsem 


—    342    — 

Bei  drohender  Kriegsgefahr  erging  an  jeden  Pfleger  eine 
Bereitschaftsordre,  welche  ihn  aufforderte,  sich  zum  Kri^^szug 
wohlgcrüstet  bereit  zu  halten,  um  auf  erneuten  Einbenifungg- 
befehl  hin  sich  mit  seiner  Mannschaft  an  dem  Sammelplatz  ein- 
zufinden ^).  Er  hatte  dann  seinerseits  die  Unterthanen  des 
Gerichts  aufzubieten. 

Eine  Mobilisierungsordre  befahl  dem  Pfleger^),  wie  viele 
Bcwaflnete  •^)  und  wie  viele  Arbeiter  (für  Befestigungsarbeiten) 
er  in  seinem  Bezirke  auszuheben  und  wieviele  Heerwagen  zur 
Wagenburg  oder  für  das  Mitführen  von  Proviant  u.  dgl.  er  zu 
schicken  habe.  Diese  Ordre  wurde  auf  Grund  eines  nach  den 
Musterrcgistem  oder  speziellen  Berichten  aufgestellten  Anschlags 
der  in  jedem  Gericht  zur  Verfügung  stehenden  Mannschaft, 
Bewaffnung  und  Wagenparks  erlassen^).  Die  aufgebotene  Mann- 
schaft sammelte  sich  an  dem  vom  Pfleger  bestimmten  Platz 
und  wurde  dann  von  diesem  an  den  Hauptsammeiort  geführt 
und  unter  das  Kommando  des  Vitztums  oder  Hauptmanns  ge- 
stellt'^). 

Ich  habe  im  Vorhergehenden  versucht,  einen  kurzen  Über- 
blick zu  geben  über  die  geradezu  staunenswerte  Mannigfaltig- 
keit der  Aufgaben,  welche  von  den  Pflegeni  und  Richtern  zu 
bewältigen  waren.  Daß  im  allgemeinen  die  gleiche  Zuständig- 
keit auf  dem  Gebiete  der  Verwaltung  in  den  Städten  Bürger- 
meister und  Rat  und  in  den  Hofmarken  der  Hofmarksrichter 
hatte,  daß  also  die  angeführten  Funktionen  der  Pfleger  und 
Richter  auch  die  der  erwähnten  ständischen  Organe  waren,  soll 
hier  nochmals  besonders  hervorgehoben  werden. 


Stammrollen   und  mußten  durch   den  Gerichtsschreiber,  der  sie  zu  fthren 
hatte,  evident  erbalten  werden  (Krcnner  XVI 11,  S.  449  f.). 

1)  z.  B  1467,  1471  (Straubinger  Teil),  J472,  1485,  1488,  1491  (München), 
1494,  1500,  1501,  1502  (Ober-Niedcrland).  Krenner  VI,  S.  112;  X,  S.  15; 
VIII,  S.  42,  406  U  535;   IX,  S.  122,  301;  XIII,  S.  139,  154,  348  £ 

2)  Krenner  VII,  S.  238  (14G8);  VIII,  S  4G5  (1485). 

3)  Über  die  Art  der  BcwaiTnung,  sowie  Ober  den  Proviant  (s.  B.  flr 
14  Tage),  den  jeder  mitzuführen  hatte,  wurde  gleichfalls  Bestimmung  ge- 
troffen (Kren n er  VII,  S.  238).  Öfters  wurde  der  8.  Mann  eines  jeden 
Bezirks  aufgeboten,  z.B.  1491  (Krenner  X,  S.  487). 

4^  z.B.  1468  (Landshut  -  Ingolstadt) ,  1479  (München);  Krcnner  YII, 
S.  227;  VIII,  S.  306. 

5)  Würdinger  a.  a.  0.  II,  S.  206;  über  die  Befehlshaber  das.  S.  330  £ 


—    343    — 

Das  Bild,  welches  ich  von  der  Thätigkeit  der  Lokalbeamten 
zu  entwerfen  versuchte,  darf,  obwohl  keineswegs  eine  erschöpfende 
Darstellung  aller  Funktionen  beabsichtigt  war,  sondern  mehr 
exemplifikativ  die  Thätigkeit  der  Beamten  der  Lokalverwaltung 
in  den  verschiedenen  Zweigen  der  Verwaltung  zur  Anschauung 
gebracht  werden  sollte,  wohl  als  ein  höchst  buntscheckiges  be- 
zeichnet werden,  zumal  wenn  wir  erwägen,  daß  doch  auch  die 
gerichtliche  Thätigkeit  neben  der  übrigen  von  einem  einzigen 
Beamten  versehen  wurde,  wenn  gewöhnlich  auch  Pfleger  und 
Richter  sich  in  die  beiden  Sphären  ihres  Amtskreises  teilten 
—  dieser  als  Unterbeamte  des  Pflegers. 

Der  Inhalt  der  Amtsgewalt  dieser  bairischen  Pfleger  des  Mittel- 
alters und  der  Neuzeit  deckt  sich  im  großen  und  ganzen  mit  der 
des  karolingischen  Grafen.  Wie  dieser  ist  er  der  Beamte  xar 
i^oyj]v.  Und  so  mächtig  ofl*enbart  sich  die  Kontinuität  der  ge- 
schichtlichen Entwicklung,  daß  die  Amtsgewalt  dieses  Beamten  im 
Laufe  der  Jahrhunderte  ihren  Inhalt  wohl  extensiv  erweitert, 
stets  aber  unverändert  ihre  Grundlagen  und  die  Hauptgrenzen 
ihrer  Sphäre  behauptet.  Wie  uns  als  Vorfahr  des  bairischen 
Pflegers  oder  Landrichters  des  Mittelalters  der  fränkische  Graf 
entgegengetreten  ist,  so  ist  nicht  nur  der  Pfleger  oder  der 
Pflegeverwalter  des  17.  und  18.,  sondern  auch  der  Landrichter 
des  19.  Jahrhunderts  der  unmittelbare  Sprößling  desselben. 
Wenn  auch  die  fortschreitende  Ausbildung  des  Staatswesens  zum 
Kulturstaate  der  Staatsgewalt  und  also  auch  den  äußeren  Voll- 
zugsorganen immer  zahlreichere  und  bedeutendere  Aufgaben 
stellte,  so  wechselt  der  Kern  der  dienstlichen  Sphäre  der 
Landgerichte  nicht  merklich  zwischen  dem  16.  und  19.  Jahr- 
hundert; die  alten  Landgerichte  0,  wie  sie  bis  zu  der  1862  durch- 
geführten Trennung  der  Justiz  von  der  Verwaltung  auf  der  alten 
Grundlage  weiter  funktionierten,  boten  das  gleiche  abwechslungs- 
reiche Bild  einer  die  heterogensten  Gegenstände  umfassenden  Amts- 

1)  Man  vergleiche  nur  die  Aufzählung  der  zum  Geschäftskreise  der  Land- 
gerichte als  Administrativhehörden  gehörigen  Gegenstände  bei  W.H.  Puchta, 
Die  Landgerichte  in  Bayern  und  ihre  Reform,  Erlangen  1834,  S.  25ffl,  be- 
sonders aber  das.  S.  27  IT.  die  Aufzählung  des  Sachkenners  in  der  Kammer 
der  Reichsräte  1831.  Das.  S.  31  wird  die  Schrift  eines  ehemaligen  Land- 
richters erwähnt,  die  im  Anfange  unsres  Jahrhunderts  die  Arbeiten  eines 
Landgerichts  unter  nicht  weniger  als  200  Rubriken  gebracht  hat 


—    344    — 

thätigkeit.  Nachdem  dann  1862  in  den  Bezirksämtern  eigne 
Behörden  der  innern  Verwaltung  geschaffen  worden  waren,  sehen 
wir  auch  in  ihrer  vielgestaltigen  Thätigkeit  im  wesentlichen 
doch  nur  die  alten  Pflegeämter  fortleben,  nur  daß  die  gericht- 
liche Kompetenz  nunmehr  ganz  bei  den  Landgerichten,  den 
heutigen  Amtsgerichten,  ruhte. 

Hatte  in  der  karolingischen  Zeit  schon  die  Ämterorgani- 
sation (Grafschaftsverfassung)  nicht  wenig  zur  Festigung  der 
Monarchie  Karls  des  Großen  beigetragen,  indem  sie  es  ermög- 
lichte, daß  an  jedem  Punkte  der  Peripherie  des  großen  Reichs 
der  Wille  des  Kaisers  zur  Geltung  gebracht  wurde,  also  die 
Regierung  des  ganzen  Staats  nach  einheitlichen  Grundsätzen 
herbeigeführt,  so  war  auch  die  Amtsorganisation  des  bairischen 
Territoriums  im  13.  Jahrhundert  ein  Hauptfaktor  für  die  Aus- 
bildung und  für  die  Befestigung  der  landesherrlichen  Gewalt 
Sie  legte  in  Baiem  schon  zu  einer  Zeit  die  Grundlagen  des 
modernen  Staatswesens,  wo  andere  Territorien  noch  tief  in  den 
Fesseln  des  den  Staatsausbau  hemmenden  Feudalismus  steckten 
und  die  privatrechtlichen  Momente  auch  im  Ämterwesen  die 
öflfeutlichrechtlichen  überwucherten. 

Um  so  bedauerlicher  ist  die  Wahrnehmung,  daß  im  Laufe 
des  16.  Jahrhunderts  infolge  der  aufs  höchste  gestiegenen  Finanz- 
kalamität auch  hier  ein  Rückschlag  nach  der  privatrechtlichen 
Seite  hin  erfolgte.  Man  betrachtete  wieder  die  Einkünfte,  nament- 
lich die  gerichtlichen  Sportein  u.  dgl.,  aus  dem  Amte  als  die 
Hauptsache  und  übergab  ein  solches  einem  Gläubiger  des 
Herzogs,  damit  sich  derselbe  aus  den  Erträgnissen  desselben 
für  seine  Schuldfor.lerungen  l)ezahlt  mache.  Eine  solche  pflegweise 
Ül)erlassung  eines  Landgerichts  *)  fand  statt  entweder  auf  eine 


1)  Die  näheren  Modalitäten  einer  solchen  Amtsübortragung  erhellen  am 
besten  aas  folgenden  Beispielen  der  „Registratur  aller  Amts-,  Leibgedings-, 
Diensts-,  Kaufsbriefe  des  Rentamts  Landshut"  (R.  A.):  —  1539  hat  Henog 
Ludwig  dem  Joh.  Freiherm  zu  Dcgenber^  das  Landgericht  Regen  mit  seiner 
ZugehOrung  zu  verwalten  verlassen.  D.  soll  das  Landgericht  aufs  kfinitige 
Jahr  und  so  oft  es  die  Notdurft  erfordert,  mit  Richter,  Gerichtsschreiber 
und  Amtleuten  zu  besetzen  und  zu  entsetzen  gute  Fug  und  Macht  haben, 
doch  dafi  dieselben  redliche,  Iromrae  und  verständige  Personen  seien,  die 
dem  Gericht  wohl  vorstehen  können  und  unsre  Gerichtslcute  wider  das  Her- 
kommen mit  nichten  beschwerten,  auch  uns  von  demselben  Gericht  nichta 
schmälern,  entziehen  noch  Andern  zu  thun  gestatten.    Dieselben  Amtleata 


-    345    — 

bestimmte   Anzahl   von  Jahren   oder  bis  nach  Bezahlung  der 
Schuldsumme  statt,  auch  unter  Stipulierung  des  Übergangs  des 


BoUen  auch,  sobald  sie  von  D.  aufgenommen,  bevor  sie  in  die  Amtshandlung 
greifen,  nämlich  Richter  ihm,  dem  v.  D.  selbst  als  sein  Diener  und  die  An- 
dern, GerichtsBchreiber  und  Amtleute  sich  zu  dem  jetzigen  und  jedem  nach- 
kommenden unserm  Rat  und  Reutmeister  zu  Straubing  begeben  und  ihm 
daselbst  von  unsertwegen  wie  andere  unsre  Amtleute  gebührliche  Amtspflicht 
thun  soll.  Nachdem  uns  D.  1000  fl.  aus  diesem  Gericht  geliehen,  haben  wir 
ihm  dagegen  bewilligt,  für  die  Abnutzung  der  1000  fl.  auch  um  das  er 
Richter,  Gerichtschreiber  und  Amtleute  uns  ohne  allen  Entgelt  besolden 
soll,  die  Gerichtswändel  und  andere  richterliche  Amtsnutzung  folgen  und  zu- 
stehen zu  lassen.  Doch  dafi  derselbe  Richter  samt  dem  Gerichtschreiber 
und  Amtmunn  auf  eines  jeden  unsres  Rentmeisters  zu  Straubing  Begehren 
jährlich  in  unserm  Reothause  daselbst  erscheinen  und  ihm  Rentmeister  in 
Gegenwart  der  verordneten  Beisitzer  von  aller  Einnahme  der  Gerichtswändel 
eine  aufrichtige  Rechnung  thun  .  .  Der  Vitztumhändel  halber,  dafi  dieselben 
soviel  der  im  Gericht  anfallen  und  begeben  jähr^ch  für  unsem  Rentmeister 
auf  sein  Ersuchen  verschafil,  durch  ihn  gestraft,  eingebracht  und  uns  wie 
von  andern  Gerichten  verrechnet  und  bezahlt  werden.  Entgegen  wollen  wir 
auch,  was  übers  Malefiz  gehen  würde,  dem  v.  D.  ohne-  Entgelt  abrichten  und 
wann  dieselben  Personen,  so  malefizisch  verbrochen,  einkommen,  so  soll  der- 
selben Mißhandlung  jeder  Zeit  unserm  Vitztum  und  Räten  zu  Straubing  zu- 
geschrieben und  derselben  Befehl  nach  mit  ihm  gehandelt  werden.  Wir  be- 
halten uns  vor  alle  Hoheit,  Scharwerk,  Rais,  Steuer,  den  Schmalzkauf  und 
alles  Andere,  wie  wir  das  altem  Herkommen  nach  in  diesem  Gerichte  inne 
haben,  vor.  Wenn  D.  gestorben  ist,  haben  wir  und  unsre  Nachkommen 
unser  Gericht  wieder  ledig  zu  machen  Fug  und  Macht  —  (S.  55)  Herzog 
Ludwig  für  Wilhelm  hat  dem  G.  Schad  zu  M.  und  seinen  Erben  wegen  seiner 
Dienste  unser  Pfleggericht  und  Kastenamt  Wolnzach  5  Jahre  lang  pflegweise 
inne  zu  haben  verlassen.  Er  und  seine  Erben  soll  desselben  nicht  entsetzt 
werden,  im  Schlosse  wohnen,  dasselbe  gut  bewachen,  Niemand  mit  anbilliger 
Steuerung,  Scharwerk  etc.  beschweren.  Er  solle  alle  Vitztum-  und  Gerichts- 
wändel, auch  alle  Nachrecht  einem  jeden  Rentmeister  ansagen,  keinen  Ge- 
richtswandel ohne  den  Gerichtsschreiber  und  Amtmann  strafen.  Sie  sind 
nicht  schuldig  in  diesen  5  Jahren  Rechnung  abzulegen,  doch  sollen  sie  jähr- 
lich 100  Ü.  bezahlen,  mit  4  Pferden  dienen  etc.  Er  soll  auch  diese  Pflege 
mit  einem  geschickten  oder  tauglichen  Richter  oder  Verwalter  versehen 
lassen.  Und  nachdem  sein  Bruder  Ph.  Schad  5000  fl.  in  Gold  und  6000  fl. 
in  Münz  auf  Verzinsung  und  Wiederlosung  bei  uns  liegen  hat,  können  wir, 
wenn  wir  diese  bezahlen,  die  Pflege  wieder  aufschreiben,  aber  erst  nach  den 
5  Jahren ;  aber  auch  nach  diesen  können  wir  sie  erst  aufschreiben,  wenn  wir 
die  Summe  bezahlt  haben.  —  1543  Herzog  Ludwig  (und  für  Wilhelm)  geben 
unserm  Küchenmeister  und  Rat  Aurberger  wegen  seiner  treuen  Dienste  von 
Jugend  auf  ao  unserm  Hofe  bewiesen,  unsre  Pflege  samt  dem  Landgericht 
Rottenburg.    Er  soll  uns  mit  4  Pferden  und  Knechten  dienen,  von  diesem 


—    346    — 

Amtes  nach  dessen  Ableben  auf  die  Erben.  Eine  solche  rein 
privatrechtlichc  Übertragung  eines  Amtes  an  den  Gläubiger  unter- 
schied sich  immerhin  wesentlich  von  der  früheren  Feudalisiemng 
der  Ämter,  denn  der  Landesherr  konnte  in  jedem  Augenblick 
oder  wenigstens  nach  kurzer  Zeit  das  Amt  durch  Tilgung  seiner 
Schuld  wieder  an  sich  bringen,  während  der  Lehensherr  genötigt 
war,  das  Amtslehen  an  die  Erben  des  Vasallen  stets  weiter  zu 
verleihen.  Außerdem  forderte  in  einer  wichtigen  Beziehung  der 
erstarkte  Staatsgedanke  doch  sein  Recht.  Man  vermochte  die 
Erfüllung  der  Aufgaben  des  Amtes,  die  Pflichten  des  Beamten 
doch  nicht  ganz  in  den  Hintergrund  drängen  zu  lassen,  und  des- 
halb wurde  bei  Überlassung  des  Amtes  dem  Gläubiger  auferlegt, 
dasselbe  stets  ;,mit  Richtern,  Gerichtsschreibern  und  Amtleuten 
zu  besetzen,  doch  daß  dieselben  redliche,  fromme  und  verständige 
Personen  seien,  die  dem  Gerichte  wohl  vorstehen  können  und 
unsre  Gerichtsleute  wider  das  Herkommen  nicht  beschwerten". 
Seit  dem  Ende  des  16.  Jahrhunderts  riß  auch  die  alte^) 
Unsitte  immer  mehr  ein,  daß  die  Herzoge  verdienten  Hof- 
beamten und  Räten,  überhaupt  solchen  Personen,  welchen  sie 
eine  Gunst  erweisen  wollten ,  eine  Pflege  verliehen,  d.  h.  diese 
bezogen  die  Einkünfte  des  Amtes  und  hatten  nur  den  Pfleg- 
verwalter zu  bestellen  und  zu  besolden,  ohne  daß  ihnen  die 
Innehabung  einer  solchen  Sinecure  weitere  Unbequemlichkeiten 
verui*sachte.    Die  Hofkammer  warnt  in  einem  Berichte  1588*) 


Amt  jährlich  nns  oder  nnsrer  Kammer  und  Rentmeister  Vcrantwortang  thaiL 
Wenn  A.  solches  mit  eingenommen,  soll  er  nicht  weniger  für  nnscm  Bat 
gleich  wie  jetzt  gehalten,  erkannt  und  versprochen  werden,  und  nachdem  er 
4000  fl.  Hauptgut  bei  uns  liegen  hat,  haben  wir  ihm  verwilligt,  dafi  bei 
seinem  Tod  seine  Erben  Pflog  und  Gericht  nicht  abtreten  mflsscn,  wenn 
ihnen  nicht  die  4000  fl  mit  Zinsen  bezahlt  sind. 

1)  Im  15.  Jahrhundert  wird  so  schon  verschiedentlich  eine  Pflegerin  an* 
geführt,  z.  B.  1423  Anno  die  Mächsolrainerin,  Pflegerin  zu  Tolz  (R  B.  AJLlI, 
p.  24) ;  1448  Amalie  v.  d.  Laitem,  Pflegerin  zu  Kelheim  (Verh.  d.  bist  Vcr. 
l  Niederb.  VI,  S.  18) ;  1464  die  Sattlbogerin,  Pflegerin  zu  Ofl^enberg  (Krenner 
VI.  S.  68). 

2)  Die  Verleihung  einer  Pflege  wurde  auch  als  Modus  der  Gehalte* 
aufbcsserung  för  verdiente  Beamte  gewählt  Die  Hofkammer  schlägt  aber 
vor,  dem  Straubinger  Kanzler  Lutz  eine  Gehaltserhöhung  von  100  fl.  in  be- 
Awlligen  —  „mit  den  Pflegen  aber  hat  es  bei  uns,  zumal  bei  dergleichen 
Dienern  diese  Meinung,  daß  und  wo  sie  die  mit  Nebenämtern  versehen,  die 
alsdann  bei  ihren  ordinari  Diensten  mehr  Verabsaumnng  als  Nutz  verschaffen, 


—    347    — 

den  Herzog,  es  mit  der  Ersetzung  der  Pfleger  durch  Verwalter 
nicht  zu  weit  kommen  zu  lassen  *). 

Vom  staatlichen  Gesichtspunkte  aus  ist  es  jedenfalls  eine 
unerfreuliche  Erscheinung,  daß  diejenigen  Beamten,  von  deren 
Tüchtigkeit  so  unendlich  viel  für  das  Volkswohl  abhing,  die 
unmittelbar  mit  den  Unterthanen  in  Beziehung  kamen  und  denen 
in  letzter  Linie  die  pünktliche  Vollziehung  aller  staatlichen  An- 
ordnungen oblag,  nicht  vom  Landesherm,  sondern  von  Unterthanen 
desselben  ernannt  wurden.  Allerdings  war  jetzt  die  Gefahr  einer 
egoistischen  Ausbeutung  des  Amtes,  welche  in  der  Periode  des 
FeudaUsmus  so  staatszersetzend  gewirkt  hatte,  bedeutend  be- 
schränkt, indem  jetzt  durch  die  Organisation  der  Mittel-  und 
Centralbehörden,  durch  die  Herstellung  eines  geordneten  In- 
stanzenzugs eine  durchgreifende  Kontrolle  des  äußern  Beamten- 
tums hergestellt  war,  so  daß  der  Schaden  der  durch  solche  Rück- 
bildung des  Ämterwesens  dem  Staate  drohte,  doch  auch  wieder 
durch  die  Organisation  des  höheren  Behördenwesens  wenigstens 
zum  großen  Teile  paralysiert  und  vermindert  wurde*). 

Den  Pflegern  waren  insbesondere  unterstellt  die  Vorsteher 
der  Dorfgemeinden,  die  Vierer  3),  Ob-  und  Hauptleute,  welche 

so  6oll  auch  eonstcn  K  t  Gn.  die  Pflegen  durch  Verwalter  za  ersetzen  nit 
zu  weit  kommen  lassen"  (Er.  A.  M.  —  Eegierung  Straubing). 

1)  So  erhielt  z.  B.  1586  der  Vitztom  za  Landshut  aus  Gnaden  die  Pflege 
Yilshofen;  geh  Rat  R.  y.  Haßlang  war  zugleich  Pfleger  zu  Abensberg,  der 
Hauptmann  von  Burghausen  war  zugleich  Pfleger  von  Schfirding(1590);  Rnd. 
Freiherr  zu  Polweiler,  geh.  Rat  und  Statthalter  zu  Ingolstadt,  Pfleger  zu 
Bernstein  (1594). 

2)  Zur  Veranschaulichung  der  verschiedenen  Elemente  der  Diensteinkünfte 
der  Pfleger  folgt  hier  beispielsweise  ein  Auszug  aus  einer  Beamtenbeschrei- 
bung (R.  A)  Pflege  Krantsberg  1448 :  Th.  Prejsinger,  Schloß  und  Landgericht 
wird  pflcgweiso  übertragen  Burghut  60  Pfd.  X,  Hof  bau,  den  muß  man  mit 
2  Pflügen  bauen ;  70  Tagewerk  Wismad  (Wiese),  auch  das  Gerichtsfutter  zu- 
sammen bei  60  Säcken.  Der  von  Indersdorf  und  der  von  Schejem  geben 
jährlich  auf  das  Schloß  einen  Wächterpelz  und  2  Filzschuhe,  der  von  Weihen- 
stephan und  der  vom  neuen  Stift  gibt  jährlich  einen  Wächterpelz.  Er  hat 
auch  die  Nachrechte  aus  den  Gerichts-  und  Vitztumhändeln  als  andere  Pfleger 
in  unserm  Lande,  auch  Tafem  und  Zoll,  beide  angeschlagen  für  10  Pfd.^ 
4  Fischer  (Reichnisse  von  diesen^  angeschlagen  für  12  Pfd.^  allen  kleinen 
Dienst  (Gänse,  Hahner,  Eier,  Hasen),  angeschlagen  für  7  Pfd.  \,  einen  Baum- 
garten und  Siogelgeld 

3)  Über  diese  vgl  Schmeller-Frommann  I,  S.  843  t 


—    348    — 

üiDen  als  Organe  zur  VollziehuDg  der  herzoglichen  Befehle  inner- 
halb der  Dorfmarkung  dienten  ^). 


§18. 
Der  Kastner. 

Das  Prinzip  der  Arbeitsteilung  in  der  staatlichen  Ver- 
waltung kommt  sowohl  im  Centrum  als  in  den  untern  Verwaltungs- 
bezirken zum  Ausdruck  durch  eine  Loslösung  des  Finanzdienstes 
aus  dem  Rahmen  des  allgemeinen  Verwaltungsdienstes,  also  durch 
Bestellung  besonderer  Finanzorgane*).  In  den  Landgerichts- 
bezirken tritt  uns  als  ein  solches  entgegen  der  Kastner.  Er 
ist  in  seiner  Amtssphäre  selbständiger  Beamter,  dem  Pfleger 
nicht  untergeordnet,  sondern  koordiniert.  Sein  Vorgesetzter  ist 
anfangs  wohl  auch  der  Vitztum,  dann  aber  mit  der  fortschrei- 
tenden Arbeitsgliederung  in  der  Staatsverwaltung  wird  er  dem 
Rentmeister  unterstellt. 

Gerade  dieses  Amt  zeigt  noch  deutlich  die  große  Bedeutung 
der  Grundherrschaft  für  die  Ausbildung  der  Landeshoheit.  Die 
Kastenämter  sind  mit  der  Verwaltung  des  Kammerguts  betraut, 
das  in  Baiem,  wie  in  andern  Territorien,  aus  den  verschieden- 
sten Rechtstiteln  erworben,  im  Eigentum  der  landesherrlichen 
Familie  stand;  seine  Erträgnisse  wurden  für  die  Bedürfnisse 
des  Landes  verwendet^).  In  specic  hatte  das  Kastenamt  .die 
Verwaltung  des  Kastens,  des  Speichers,  in  welchem  alle  von  den 
ünterthanen  des  Bezirks,  insbesondere  von  den  Pächtern  der 
zmu  Kauimergut  gehörigen  Grundstücke  geschuldeten  Prästationen, 
die  Natural(Gctreide)-Abgaben  zusammenflössen. 

Da  aber  in  diesen  Naturalleistungen  nicht  nur  in  der  Periode 
der  Naturalwirtschaft,  sondern  auch  im  Anfange  der  Geldwirt- 
schaft, wo  diese  noch  fortdauerten  und  nur  eine  Ergänzung  in 


1)  z.  B.  L.0. 1516  S.  11  f.  und  in  vielen  herzof^lichen  VerordnaDgen ;  Steaer- 
instruktion  1507  (K  r  e  n  n  e  r  XVI,  S.  245). 

2)  Über  den  Kastner  in  Brandenburg  ygL  Isaacsohnl,  S.  63fll  In 
andern  Territorien  hatte  der  untere  Finanzbeamte  den  Titel  Rentmoister, 
z.  B.  in  der  Neaniark  (ibid.  S.  63),  in  Hessen  (StOlzel,  Gel  Richtertom  I, 
S.  154  fil),  wieder  in  andern  Kellner,  z.  B.  Trier  (Lamprecht  I,  2,  S.  1410). 

3)  Vgl  Seydel,  Bayer.  Staatorecht  I,  S.  90. 


—    349    — 

den  neu  aufkommenden  Geldleistungen  der  Unterthanen  fanden, 
der  Schwerpunkt  der  wirtschaftlichen  Kräfte  des  Territorial- 
fürstentums lag,  so  war  eine  sachgemäße  Verwendung  und  Ein- 
ziehung dieser  Machtmittel  des  Herzogs  nicht  von  geringer  Be- 
deutung. 

In  dem  Rechnungsbuch  des  oberen  Vitztumamts  1291—1294^) 
erscheint  der  granator  schon  so  häufig,  daß  das  Amt  des  Kast- 
ners jedenfalls  im  Laufe  des  13.  Jahrhunderts  *)  vollständig  aus- 
gebildet war  ^).  Erst  die  L.  Fr.  (I  a.  4)  *)  von  1516  stellte  auch 
für  Kastner  und  Zollner  diejenigen  Qualifikationsbedingungen 
auf,  welche  die  von  1508  und  1514  nur  für  Richter  gefordert 
hatten.  Häufiger  kann  man  ihn  erst  seit  der  2.  Hälfte  des 
14.  Jahrhunderts  nachweisen. 

Nicht  nur  an  einem  Landgerichtssitze,  aber  auch  nicht  an 
jedem  war  ein  Kastenamt,  sondern  nur  da*),  wo  in  Rücksicht 
auf  die  Domänen   und  die  gruudherrlichen  Intraden   das  Be- 


1)  herausgegeben  von  v.  Oefele  ira  Oberb.  Arch.  XXVI,  S.  281  ff 

2)  Auch  das  Münchner  Stadtr.  1294  a.  1  (ebenso  das  Ingolstadter  1312 
a.  33)  kennt  diesen  Beamtea 

3)  In  dieser  Yitztumrechnung  findet  sich  noch  das  System  der  Spezial- 
verwendung,  indem  jeder  einzelne  Einnahmeposten  unmittelbar  zur  Deckung 
eines  bestimmten  Schuldpostens  verwendet,  also  nicht  in  die  herzogliche 
Kammer  abgeführt  wird ,  z.  B.  granator  de  Chufstain  Y.  dedit  27  IIb.  Dati 
sunt  Laimerio  in  credito  vino  ad  curiam;  granator  de  Dachawe  dedit  30 
lib.  vicedomino  3  IIb.  Quae  dato  sunt  pro  pfantlosa  domino  ßudolv  dud 
(v.  Oefele  a.a.O.  S.  282). 

4)  V.  L  e  r  c  h  e  n  f  e  1  d  S.  218  AnuL 

5)  In  der  Urkunde  über  die  Teilung  Niederbaiems  1353  (Rockinger, 
Einleitung  S.  73  f.)  wird  im  Landshuter  Teil  (Stephans  IL)  häufig  der  Kasten 
erwähnt.  Nach  dieser  Urkunde  hatten  folgende  Ortschaften  ein  Kasten- 
amt:  Landshut,  Pfarrkirchen  und  Eggenfelden.  —  Bei  der  Teilung  des 
Straubingcr  Gebiets  1429  (Rockinger,  Einleitung  S.  85  £)  werden  folgende 
Kastenämter  erwähnt:  Schärding,  Dingolfing,  Kirchberg,  Straubing,  Haidau, 
Kclheim  und  Deggendorf.  Außerdem  kommen  solche  noch  an  folgenden 
nioderbairischon  Orten  vor :  Abbach,  Abensberg,  Altmanstein,  Griesbach;  in  Ober- 
baicrn  sodann :  München,  Ingolstadt,  Burghausen,  Aibling,  Aichach,  Cling,  Dachau, 
Friedberg,  Haimhausen,  Krandsberg,  Landsberg,  Mehring,  Neumarkt  a.  d.  Bott, 
NeuCtting,  Päl  bei  Weilheim,  Pfafifenhofen,  Rain,  Reichenhall,  Rauchenlechs- 
borg,  Riedenburg,  Rosenheim,  Schongau,  Schwaben,  Stamberg,  Taofkirchen, 
Tölz,  Traunstein,  Trostberg,  Vohburg,  Wasserburg,  Weilheim,  Wembding  und 
Wolfratshausen  (vgl  Geiss  im  Oberb.  Arch.  Bd.  XXVI  und  XXVIII;  Hof- 
Zahlamtsrechnung  1554  [Kr.  A.  M.]). 


—    350 

dürfiiis  nach  cmtsni  solchen  gegeben  war')-  An  auilcni  Orten 
huttü  es  beim  früheren  Zustand  sein  Verbleiben,  indem  einige 
gonst  dem  Kastner  übertragenen  Verrichtungen  von  dem  PHeger 
besorgt  wurden ').  Daneben  findet  sich  dann  auch  die  Kiitna- 
lierung  des  Kastenamts  mit  dem  des  Richters  und  Gerichts' 
Schreibers. 

Aus  der  Andeutung  über  den  Zweck  der  KastenämtL'r  er- 
gibt sich,  daß  die  Kastner  vorzugsweise  mit  der  Aufsicht  Ober 
die  herzoglichen  Domänen  betraut  waren,  dn  aus  ihnen  ja  haupt- 
Bächlich  die  Naturaleinnahmen  üosseu.  Diese  wurden  nicht  io 
eigner  Regio  bewirtschaftet,  sondern  auf  Zeit-  (auch  Lebens- 
zeit) und  Erbpacht  an  di»  Bauern  gegen  bestimmte  Zinsen  und 
Dienste  ausgethan  (sog,  Urbargüter)  * ).  Die  Grundlage  dieses 
DomaniaJbesitzstandes  bildete  das  (Sal-)Urbarbuch,  welches  zu- 
gleich die  Basis  abgab  für  die  Bcsitztitel  der  Urbarsicute  und 
Rechtsverhältnisse  der  Kastengüter,  wie  solche  UrbarsgQter  auch 
genannt  wurden*),  und  für  den  Umfang  der  von  ihnen  ge- 
schuldeten PrastJitioueu,  Außerdem  wurden  auch  die  VugtgQter 
liier  eingetragen,  also  jene  Guter,  deren  Besitzer  infolge  der 
dem  Landesherm  zustehenden  Vogtei  zur  Entrichtung  jährlicher 
Abgaben  verpflichtet  waren.  Ankge  '•)  und  Evidenthaltung  dieser 

1)  Die  BncbeinDDg.  doG  die  Entwicklung  iei  Lokal finunTennltniig  üth 
nicht  TollEtilndig  der  ÜrganiMtion  der  olIgemeiDeD  Verwaltung  anfCNKhlowril 
hkt,  begegnet  neb  Bnderwftiia.     V[;L  Lamprecht  I,  3,  S   UIU. 

i)  I.B.  Krenner  XVllI,  S.  33a 

8)  orbor  xonSehBt  ron  Grnnd  and  Boden,  nnigcbcnd,  Lebennbi^ba 
nitriobtcnd:  Urbugater  bei.  die  dem  LandegfOnlen  gehorl^^n  (Sebroellai^ 
FrommaDD  1.  8.254). 

4)  I.B.  L.Fr.  U  k.  32. 

G)  Cb«r  djwe  rind  wie  durch  TertchiedeDe  Terordnangeo  vateniehla^ 
die,  wenn  «ach  nnt  dem  16.  Jahrhundert  angnh<lrig,  doch  einn  ROektebfad 
uf  die  itorhergfhRDde  Zeil  geitattcn.  Einet  lolehan  Ton  1S78  (Kr.  A.  M.  — 
OeD-Ueg.  Du  Saal-  und  Urbarweson  F  <;,)  waren,  wie  dai  beste  bei  EÜDlIsk- 
tnait  Ton  Onnd-  und  RypotbekenbOrhem  geuhiebt,  Pgnnalare  mit  Mortis 
«Dtrtgen  iFoim  und  Bericht  de«  naaen  Urbarbnchs]  boig«geben.  Die  Urbu»» 
gfllereln^r  Jeden  Durfiicbaft  waren  nach  dieien  unter  einander  Tenetchnet,  i  B.i 
H.  U^ji  hal  Erbgerechtigkoit  odci  Leibding  aaf  aie  N.  soiiie  Hanafran  Mtf 
d«a  Hn(  Leben  odnr  Salden  cerniOg  einea  fdntUcbon  Eib-  oder  Leibdiaf» 
blieb  welL  Hertog  Lndwip  1535  ausgegangen.  Nach  dieaer  BeeeltnJbaBC 
der  Penoa  de*  BeöUen,  der  Qualitit  and  ZaaUnde  de«  Qnta  ete.  Mgt  A* 
An&lUting  der  PettineaieD,  der  Galt  und  DieniU  (■,  B.  Qült  1, 


—    351     — 

Grundbücher,  deren  Wichtigkeit  einleuchtet,  war  Sache  der 
Kastner,  resp.  der  Kastengegenschreiber  unter  ihrer  Leitung, 
denen  häufig  diese  Aufgabe  eingeschärft  ward  mit  detaillierten 
Vorschriften  über  die  Einrichtung  dieser  Register.  Wieder- 
holt wurde  behufs  Nachtragung  der  Veränderungen  und  Ver- 
besserung etwaiger  Irrtümer  ein  neues  Verhör  der  Beteiligten 
unter  Vorlage  ihrer  Beweisurkunden  angeordnet  * ). 

Neben  diesen  außergewöhnlichen  Revisionen  und  Erneue- 
rungen des  Urbarbuchs  sollte  dann  der  Kastner  jährlich  die 
Veränderungen  der  Urbarsstücke^)  nachtragen  und  bei  Neuein- 
richtung des  Buchs  die  Urbarsgüter  selbst  besichtigen  oder  durch 
seine  Untergebenen  besichtigen  lassen,  um  zu  verhüten,  daß  Un- 
richtiges, Zweifelhaftes  und  Irriges  eingetragen  würde").  Da  dem 
Kastenamt  überhaupt  die  Aufsicht  über  diese  Güter  übertragen 
war,  so  hatten  Beamte  desselben  wenigstens  einmal  im  Jahre 
solche  Güter,  bei  denen  eine  Benachteiligung  der  herzoglichen 
Kammer  zu  befürchten  war,  zu  bereiten,  um  sich  zu  überzeugen, 
ob  solche  auch  ordentlich  bewirtschaftet  und  die  zu  ihnen  ge- 

4  Pfd.  Rc<,'.  ^,  mehr  an  Küchendienst  (1  Schwein,  1  Lamm,  4  Gänse,  1  Henne, 
2  Käse,  100  Eier .  .  event  hei  jeder  Leistung  der  entsprechende  Geldwert), 
an  Getreid  (1  Schaff  Weizen,  2  Korn,  1  Gerste,  4  Häher).  Sodann  werden 
in  einer  hesonderen  Ruhrik  die  Vogtzinsen  etc.  und  wo  sonst  von  Immohilien 
dem  Kastenamt  gedient  wird,  Zehnten  etc.  aufgeführt  —  Außerdem  hatten 
die  Kastner  oder  in  den  Gerichten,  wo  es  solche  nicht  gah,  Richter  oder 
Pfleger  Register  der  armen  Leute  und  Güter,  die  dem  Herzog  scharwerks- 
pf  lichtig  waren,  anzufertigen  (K  renn  er  XVIII,  S.  338). 

1)  So  z.B.  1341  von  K.  Ludwig  (Rockinger,  Einleitung  S.  68 
n.  171). 

2)  Der  Inhaber  eines  Erbrechtsgutes  konnte  dasselbe  an  einen  Ver- 
wandten veräuüern  oder  verheiraten;  es  bedurfte  in  diesem  Falle  nur  einer 
Besieglung  der  Verkaufsurkundo  durch  den  Kastner.  Veräußerungen  von 
Erbrcchtsgütem  an  Nichtverwandte  oder  Nichtverschwägerte  konnten  nur 
mit  herzoglicher  Genehmigung  vorgenommen  werden  (1473  —  RA.  Verlaßne 
Pfleg  etc.  .  .  ämter  1464-89). 

3)  Diese  Erneuerung  der  Urbarbücher  war,  wie  die  Bereinigung  ansrer 
Hypothekenbücher,  oftmals  geboten,  „da  die  Namen  durch  Länge  der  Zeit 
und  taglich  Absterben  der  Urbarsieute  viel  verändert".  Gleichzeitig  wurde 
eine  solche  Revision  aber  auch  zur  Mehrung  der  Gülten  (in  Folge  Anbaues 
von  bisher  unbebautem  Land)  ohne  Beschwerung  der  armen  Leute  benutzt 
(Dekret  Albrechts  V.  an  Regierung  Landshut  1650  in  Kr.  A.  M.  —  Gen.  Reg. 
Landesadmia-Sachen  F.  1  n.  1). 


—    352    — 

hörigen  Waldungen  nicht  ungebührlich  gerodet  würden  *).  Even- 
tuell sollten  sie  gegen  den  untauglichen  und  verschwenderische 
Meier  mit  Einziehung  der  Erbgerechtigkeit  oder  mit  Abstiftnng 
der  Freistifter  *)  vorgehen.  Diese  Maßregel  wurde  besümmt 
durch  die  Wahrnehmung  eines  starken  Rückgangs  der  Kasten- 
amtseinkünfte infolge  Verödung  der  Güter ').  Diese  Befugnis 
der  Kastner,  alle  dem  Inhalte  ihres  Erbrechtsbriefs  zuwider- 
handelnden Urbarsieute  sofort  zu  entsetzen,  entsprach  einem 
alten  Landesbrauch*).  Der  Kastner  erschien  eben  für  diese 
sog.  Kastenleutc  als  die  ordentliche  Obrigkeit. 

Nach  einem  ihnen  im  fiskalischen  Interesse  erteilten  Privi- 
legium^) waren  sie,   um  sie  den  Beschwerungen  mit  Schar- 


1)  Eastenordnung  für  Landshut  1531  (Er.  A.  M.  —  Gen.  Beg.  Kastenamt 
No.  2).  Diese  mahnte  auch  die  Eastner  zur  Wachsamkeit  in  Beiog  auf 
den  Verkauf  von  Urbargfltern  und  Gerechtigkeiten  an  Landstftndc,  wodurch 
dorn  Landesfürsten  Anleit  und  Stift,  auch  Scharwerk,  Reise,  Steuer  und 
anderer  Obrigkeiten  halber  Nachteil  erfolge  und  im  Verlaufe  der  Zeit  die 
Urbargfltcr  dein  Fürsten  oft  ganz  entzogen  würdea  Solche  Veräu&enuigeii 
oder  Verpfändungen  durften  im  Interesse  der  gerade  notleidenden  Bauem 
nur  mit  herzoglicher  Genehmigung  Yom  Kastner  gestattet  werden. 

2)  d.  s.  diejenigen,  die  jährlich  nach  Gutdünken  der  Herrschaft  vom 
Gute  entfernt  werden  können. 

3)  Diesem  Übelstande  sollte  abgeholfen  werden  durch  Verpachtong 
unter  Gewährung  einiger  ödrecht  Jahre  (Krenner  VII,  S.  248;  XVIU, 
S.  330). 

4)  Cod.  Bav.  2522  S.  107  (Verordnung  1527). 

5)  Verordnung  Albrechts  IV.  (Straubing  17.  Dez.  1496  bei  Krenner 
XI,  S.  482  ff.):  Wir  Albrecht  bekennen  .  .,  daß  Uns  mehrmals  angelangt 
hat,  wie  unsre  arme  Leute,  so  auf  unsem  eigenen  Gütern  sitzen ,  und  Una 
auf  unsem  Kästen  mit  Stifft  und  Gilt  verpflichtet  sind,  von  unsem  Pflegen, 
Kichtem  und  Amtleuten,  auch  etlichen  unsem  Landsessen,  Rittern  und 
Knechten,  die  in  unserm  Fürstenthum  Niederbaii'ra  Herrschaften,  Hof- 
marchen,  Voggtey  oder  Gericht  haben,  darinn  etliche  derselben  nnsrer  Gflter 
gologen,  und  die  armen  Leute  soßhaft  seyen,  mit  Scharwerchen  und  andern 
Geboten  groslich  beschwert  werden,  daraus  ihnen  Verderben  auch  Uns  ErOdong 
derselben  unsrer  Güter,  auch  Abbruch  unsrer  Güten  entstehe,  und  künftigUch 
noch  mehr  geschehen  mag.  Das  zu  vorkommen  haben  Wir  ihnen  die  Frey- 
heit  unsrer  Vorfahren,  Herzogen  in  B. ,  dazumal  ihren  und  nun  ansern 
Kastenleuten  für  solche  Beschwemng  gegeben  . .  gesehen  und  darauf  dieselbe 
unsre  Kastenleute  . .  gleicherweise  .  .  gefreyet  Schaffen  darauf  ernstlich  und 
wollen,  daß  nun  füran  kein  unsrer  Pfleger,  Richter,  Amtmann,  Ritter  oder  Knecht» 
edel  oder  unedel  in  unserm  Fürstenthum  Niedembaiem  keinem  armen  Mann, 
auf  unsem  Gutem  sitzend  weder  von  Gerichts,  Scharwerks,  noch  keinerley 


—    353    — 

werken  und  andern  Geboten,  welchen  sie  fortwährend  ausgesetzt 
waren,  zu  entziehen,  von  jeder  Gewalt  der  Landgerichte  und 
Hofmarken,  in  deren  Bezirken  die  Urbarialgüter  lagen,  eximiert. 
Nur  der  Kastner  sollte  die  niedere  Gerichtsbarkeit  über  sie 
ausüben  ^ ) ;  in  schweren  Straffällen  (Händel,  die  zu  dem  Tod 
oder  Leibesstrafe  reichen)  allein  war  das  ordentliche  Gericht, 
das  mit  Wissen  des  Kästners  einschritt,  zuständig. 

Die  Hauptaufgabe  des  Kastners  bestand  in  der  pünktlichen 
Perzeption  *)  der  aus  den  ürbarbüchem  sich  ergebenden  Geld- 
und  Naturalbezüge^),  von  welchen  die  Getreidegülten  haupt- 
sächlich ins  Gewicht  fielen*).  Ihre  sorgsame  Aufbewahrung  ward 
ihm  wiederholt  eingeschärft,  damit  bei  den  durch  die  Rent- 
meister vorzunehmenden  Revisionen  das  laut  der  Rechnung  per 
Restat  dem  Herzog  geschuldete  Quantum,  also  das  nach  Abzug 
der  nach  Anweisung  an  einzelne  Beamte  als  Besoldung  und  für 
Naturalverpflegung  verabfolgte  vorgefunden  würde*).  Nur  Ge- 
Sache wegen  ichts  gebiete  noch  zn  gebieten  haben  solle.  Sondern  ob  jemand 
außerhalb  der  Händel,  die  zn  dem  Tode  oder  Leibsstrafe  reichen,  ichts  zn 
ihnen  zu  sprechen  oder  zu  fordern  hätte,  der  oder  dieselben  sollen  sie  nin- 
derst  anders,  dann  vor  unserm  Rentmeister  in  Niederbaiem  (wo  der  nnser 
Kastner  dazu  mal  auch  ist)  oder  vor  einem  andern,  der  nnser  Kastenamt 
dieselbe  Zeit  von  Uns  hat,  fümehmen  und  beklagen. 

1)  Deshalb  ist  vereinzelt  auch  von  einem  Kastengericht  die  Bede. 

2)  Zu  den  Kastenamtseinkünften  gehörten  auch  die  Ab-  und  Auffahrt^ 
sog.  Anleit,  die  beim  Antritt  und  Verlassen  des  Guts  fälligen  GebfUiren,  die 
sog.  Todfälle  und  Wandel. 

3)  So  verzeichnet  beispielsweise  das  Landshuter  Urbarbuch  von  1439 
(H  e  i  g  e  1  in  Chroniken  deutscher  Städte  XV,  S.  269)  400  fl.  Einnahmen  der 
Jüdischhait  von  ganz  Niederbaiem.  Daneben  waren  noch  die  Juden,  sowie 
einzelne  Zünfte  zu  unerheblichen  Naturalleistungen  verpflichtet  —  Jährlich 
um  Michaeli  wurden  die  Urbar-  und  alle  Zinsleute  eines  jeden  Kasten- 
beroitersamt  in  die  Stift  zur  Bezahlung  der  Pfenniggült  vorgeladen.  Bei 
dieser  Gelegenheit  wurde  denselben  eingeschärft,  das  Dienst^  oder  Vogt- 
getreide vor  Martini  auf  dem  Kasten  abzuliefern  (Landshuter  Kasten-0. 1531). 

4)  Wie  alle  Beamte,  welche  Mai-,  Herbstgült  und  andre  Gefälle  ein- 
zunehmen hatten,  durften  auch  die  Kastner  nicht  langen  Ausstand  gewähren, 
da  die  armen  Leute  sonst  durch  die  Einforderung  der  angehäuften  Gülten 
nur  um  so  schwerer  gedrückt  würden  (Krenner  VU,  8.  274;  XVIII,  S.  828; 
Landshuter  Kasten-0.  1531).  Ein  Nachlaä  oder  eine  Stundung  der  Gülten 
infolge  von  Elementarereignissen  bedurfte  der  Genehmigung  des  Bentmeisters. 

5)  Ohne  spezieUon  Aultrag  durfte  der  Kastner  Getreide  weder  verkaufen 
noch  hinleihen. 

H  o  6  e  II  t  h  « 1 ,  Geschichte  d.  OerichUw.  a.  d.  Verw.-Orf .  Baiernt.  I.  23 


treide  in  guter  Qualität  sollte  von  den  Pflichtigen  angeuomintin 
werden  bei  Meidung  etwaigen  Schadensersatzes  seitens  des 
Kastners.  Eine  Umwandlung  der  von  den  Urbarsieuten  ge- 
schuldeten GetreidegUlten,  wie  überhaupt  aller  Getreidereichnlsse 
in  Geld  konnte  nur  auf  Grund  epezieller  herzoglicher  „Geschäfte' 
erfolgen '),  ohne  daß  in  den  Uebuugsorganen  deshalh  eino 
Änderung  eintrat'). 

Dem  Kästner  wurde  erst  im  Laufe  des  15.  Jahrhunderts 
ein  Hulfsbeaniter ,  der  Kastcngcgenschreiber,  bcigegcbeu,  der 
dieses  A.mt  gewöhnlich  als  Nebenamt  —  zumeist  war  er  noch 
GerichtBscbreiber  —  bekleidete.  Da  seine  Stellung  die  eines 
Kontrollorgans  des  Kastenamtevorstands  war,  eo  mußte  er  zu 
allen  Amtshandlungen  desselben  bcigezogeu  werden,  behnfs  Be- 
urkundung derselben').  Seine  Aufzeichnungen  bildeten  als  Basis 
der  Kastenamtsrechnungcu  die  wirksimiste  Kontrolle  der  Amts- 
Verrichtungen  des  Kastners,  mit  dessen  Register  sie  QbereiD- 
stimmen  mußten. 

Größere  Kastenamt«sprengel ,  z.  B.  Landehut,  waren  in 
mehrere  Kastenbcroiterämter  geteilt.  In  diesen  hatt«  je  atn 
Kosteubcreiter  die  Kastenzinse,  Galten  und  Schulden  einzu- 
bringen*), insbesondere  von  den  sjiumigen  Pflichtigen,  welche 
ihre  Zehrungskosten  zahlen  mußten.  Das  Kustenamt  hatte  außer- 
dem noch  Kastenstieicher,  welche  das  Aus-  und  Einmessen  des 
Getreides  zu  bethätigen  und  für  dessen  gute  Verwahrung  zu 
sorgen  hatten. 

Die  Koutinuitftt  auf  dem  Gebiete  der  Verwaltungsorgani 
sation  zeigt  sich  auch  hier,  indem  bei  Einrichtung  der  Rent- 
Aniter  als  Ituflere  Vollzugsorgane  iler  Fmanzverwallung  1S02*) 
die  bisherigen  Kastner  vielfach  zu  Rentbeamten  ernannt  wurden. 

1)  U73  (R  A.  -  Yeriano  Pfleg.  ,  ,  iiutor  1464-89). 

2)  Id  ZoJtoD   gtoiet  Teaeninfr  uid  HnngcmiDt  wurde  an*  den  bonof- 
UchoD  Kiitiin  Gctreid«  ttt  die  NoUcidendeo  retteilt  |i.  B.  1601  —  Kran 
XIU,  S.  160). 

8)  (R.  A  —  BMtendbuch  dei  Bcntunta  Und»hiit  1463).  Kut«t>fragM»- 
»chreiber  ta  L.  —  ,««  >oU  aach  der  Kutner  ohne  ihn  nach  et  otuw  den 
Kutnet  iitcbU  hBodoIn  noch  Rotricbteo  ond  alle  Sacben  treoUeh  rcnchnfbcvv 
damit  ein  Bucb  t^  nod  Laute  ala  du  andere'- 

4}  UadMtaw  jlhrliob  nnlleti  dio  Kftrt«Dberdt«r  da*  nni  ihaen  aiii(*> 
fDrd«ite  Oatreide  u  daa  Kaatenamt  abUebm. 

6)  V^  Pflil,  Lsbilaeh  L  bajat.  Tanraltiag>T«cbti  8.  ML 


—    355    — 

• 

Noch  heute  sind  zumeist  die  Orte  Sitze  eines  Rentamts,  welche 
früher  ein  Kastenamt  hatten.  Daß  nun  der  Schwerpunkt  der 
Funktionen  des  Rentamts  nicht  mehr  in  der  Perception  von 
Naturalgefällen,  sondern  in  der  von  Geldleistungen  der  Unter- 
thanen  liegt,  war  durch  die  Umwandlung  der  volkswirtschaft- 
lichen und  politischen  Zustände  der  letzten  Jahrhunderte,  ins- 
besondere aber  durch  die  Ausbildung  der  Steuerverfassung 
bedingt.  Die  letzten  Überbleibsel  der  dem  Staate  geschuldeten 
Naturalreichnisse  beseitigte  erst  das  Gesetz  über  die  Aufhebung, 
Fixierung  und  AbKVsung  der  Grundlasten  vom  4.  Juni  1848. 

Bis  dahin  hatten  die  Rentämter  in  der  That  noch  zum 
Teile  dieselben  Funktionen  der  Aufbewahrung  und  der  Getreide- 
reichnisse, wie  ehedem  ihre  Vorgänger,  die  Kastenämter  ^). 

1)  Dor  Kästner  bezog  eine  fette  Geldbesoldong,  aoAerdem  Natond- 
accidentien  and  bei  Vomahroe  gewisser  Amtshandlaogen  Sportein.  So  x.  R 
der  Kästner  von  lAndshat  1448  40  Pfd.  Landsh.  X  und  Naturalien;  wenn 
er  Briefe  von  der  Urbarslente  wegen  siegelt,  32  \,  bei  Verkauf  des  Erb- 
rechts, vom  Verkaufe  eines  Hauses  in  einigen  DOrfem  von  jedem  Kontra* 
honten  12  X;  Qerichtsschreiber  erhält  12  Pfd.  X,  Ton  Windeln  and  Anleiteo 
die  Nachrechte  von  je  1  Pfd.  — 16Jv;  Kastenbereiter  and  Kastenmesser  je 
12  Pfd.  A,  letzterer  von  jedem  Schaff  Qetreide,  das  er  in  den  Kasten  miftt^ 
4  A,  von  jedem  aas  demselben  verkaaften  2  A.  Jeder  der  Kastenbeamten 
bezog  noch  Naturalaccidentien. 


23* 


VIERTES  CAPITEL. 

Die  Regalien  Verwaltung. 

§19. 

Die  Forst-  nnd  Jagdbeamten  ^). 

In  der  fränkischen  Zeit  und  lange  darüber  hinaus  bildete 
die  Forstverwaltung  nur  einen  Zweig  der  allgemeinen  Domanial- 
verwaltung,  während  für  den  Jagdbetrieb  schon  ein  eignes  Per- 
sonal zur  Verfügung  des  Königs  stand ').  Die  persönliche  Lieb- 
haberei, welche  die  Herzoge  für  die  Jagd  hegten,  ließ  sie  dann 
ebenfalls  in  ausgiebiger  Weise  für  die  Anstellung  eines  den 
Jagdbetrieb  leitenden  und  dessen  Verrichtungen  bethätigenden 
Personals  Fürsorge  treffen.  Da  es  sich  hier  um  Dienste,  welche 
der  Person  des  Herrschers  gewidmet  waren,  handelte,  so  ent- 
wickelte sich  die  Zugehörigkeit  dieses  Jagdpersonals  zum  Hof- 
staate des  Herrschers.  Wie  Karl  d.  Gr.  ^)  hatten  auch  die 
deutschen  Könige  ihre  oberten  Jägermeister  *),  und  ihrem  Vor- 
bilde folgten  die  dem  Jagdvergnügen  ebenso  eifrig  huldigenden 
Landesherren.  So  erwähnt  auch  die  niederbairische  Hofordnung 
1294^)  den  Jägermeister  mit  seinen  8  laufenden  Jägern  und 


1)  Ober  die  Font-  und  Jagdverwaltimg  in  Brandenburg  vgl  Iiaao- 
lohn  I,  &  132  £ 

2)  YgL  Schwapp  ach,    Handbnch   der  Forst-   nnd   Jagdgeschichia 
Deatschlanda.   Berlin  1885.    I,  a  77  £,  242. 

3)  Waiti  III,  8.50a 

4)  YgL  über  die  Reichs-  nnd  ErzjftgermeiBter  Schwappach  8.  243. 

5)  Qa.  0.  Er.  VI,  &  54 


—    357    — 

den  Falkner.  Seitdem  verschwindet  der  Jägermeister  mit  dem 
ihm  unterstellten  zahlreichen  Jagdpersonal  nicht  mehr  aus  dem 
Hofstaate  der  bairischen  Herzoge,  und  die  Kosten  des  Jagd- 
betriebs steigern  den  Aufwand  des  Hofs  außerordentlich^). 

Allmählich  war  aber  nicht  mehr  das  Interesse  für  das 
Jagdvergnügen,  sondern  die  Erzeugung  und  Verwertung  der 
Forstprodukte*)  der  für  die  Pflege  der  Waldungen  maßgebende 
Gesichtspunkt  geworden.  Wie  es  auf  den  untern  Stufen  schon 
längst  besondere  Forstbedienstete  gegeben  hatte,  so  wurde  auch 
als  Chef  der  gesamten  Forstverwaltung  des  Landes  ein  oberster 
Forstmeister  2)  bestellt.  Außerdem  zerfiel  das  Land  je  nach 
dem  Waldreichtum  einzelner  Gegenden  in  eine  Reihe  von  Forst- 
meisterämtem,  für  deren  Organisation  die  allgemeine  Gerichts- 
einteilung die  geeignete  Grundlage  bot.  Jedes  Forstmeisteramt 
umfaßte  entweder  den  Sprengel  eines  Rentmeisteramts  oder 
wenigstens  eine  größere  Anzahl  von  Landgerichten*). 

Sodann  wurde  auch  dem  Jägermeister  neben  der  Leitung 
des  fürstlichen  Jagdwesens  gleichzeitig  die  Aufsicht  über  die 
Forstverwaltung  des  Landes  oder  eines  bestimmten  Bezirks 
übertragen  ^).  Im  ausgehenden  15.  Jahrhundert  werden  die  Be- 
zeichnungen Forst-  und  Jägermeisteramt  promiscue  gebraucht*), 


1)  Wie  mannigfaltig  das  niedere  HoQagdpersonal  war,  bezeugt  das  Sal- 
buch  des  Jägermeisteramts  von  Bayem-Ingolstadt,  welches  eine  ans  57  Per- 
sonen bestehende  HoQägerei  Ludwigs  d.  Gebarteten  (15.  JahrL)  aufweist: 
einen  Jägermeister  an  der  Spitze,  2  berittne  Hirscbjäger  mit  10  Knechten 
zu  Fuß,  einen  Bären-,  einen  Wolfejäger  u.  s.  w.  (Schwapp ach  S.  245). 

2)  Vgl  A.  Wagner,  Finanzwissenscbaft  I,  S.  570. 

3)  Das  obriste  Forstmeisteramt  zu  Landsbut  wird  zum  ersten  Male  1491 
genannt,  der  obriste  Forstmeister  im  Oberland  1499  (RA.  —  Yerlafine 
Pfleg  .  .  .  ämter  1464—89). 

4)  Sitze  solcher  Forstmeisterftmter  waren  z.  B.  Landshut,  Burgbausen, 
NeuOtting,  Wolfratsbausen,  Mauerkircben.  Für  den  HOnbeimer  Forst  (Ldger. 
Eelheim)  war  auch  ein  besonderer  Forstmeister  bestellt 

5)  Neben  Jägermeistern  des  Herzogs  Albrecbt,  Johann  etc.  kommen  so 
Jägermeister  in  Oberbaiem,  in  Landsbut  (Jägermeisteramt  unsres  Bentmeister- 
amts  L.)  vor. 

6)  So  stimmt  die  Stelle  der  Bentmeisterinstruktion  1470  (Krenner 
VII,  S.  249),  welche  von  den  Pflichten  des  Jägermeisters  handelt,  fast  wört- 
lich überein  mit  der  die  Pflichten  der  Forstmeister  erörternden  Bestimmungen 
der  von  1482  (Kr.  A.  M.  —  Landes -Admia- Sachen  £  1  n.  1)  und  1512 
(Krenner  XVUI,  S.  334). 


wäiireud  im  IG.  Jahrhundert  eine  PersonalunioD  des  ober8t«o 
Forst-  ')  und  Jägermeisters  durchgeführt  war,  Nur  der  oberet« 
Jügermeister,  nicht  aber  der  oberste  Forstmeister  wird  in  dsD 
Hofzahlamtsrechnungen  erwähnt. 

Der  oberste  Forstmeister,  von  welchem  die  Forstordnung 
1568  eingehend  handelt,  durfte,  wie  diese  selbst  hauptsächlich 
für  das  Rentmeisterarot  München  und  den  Ingolstädter  Bezirk 
erlassen  war*),  auch  für  diesen  Teil  des  Herzogtums  bestellt 
gewesen  sein,  daneben  aber  in  seiner  Stellung  am  Centrum  der 
Regierung,  als  technischer  Beirat  der  Hofkammer  in  Forstsacheu, 
die  Oberaufsicht  über  die  Forstverwaltung  des  ganzen  Landes 
geführt  haben.  In  Landshut  und  Burghausen  waren  wieder 
besondere  Forstmeister  ernannt,  welche  zugleich  als  Käte  der 
betreffenden  Regierung  fungierten  und  mit  der  Leitung  des 
Forstwesens  in  diesen  Rentämtern  betraut  waren. 

Dem  Forstmeister  waren  alle  Forstbediensteten  des  Be- 
zirks —  Überreiter,  Förster,  Holzmeister,  Hutleute  —  zum  Ge- 
horsam') verpflichtet,  ebenso  die  Pfleger,  Kastner  oder  Zollner*), 
welchen  da,  wo  nicht  eigene  Forstlwamte  notwendig  erschienen, 
die  Verwaltung  der  Waldungen  übertragen  war.  Die  Ül)erroitar, 
welche  ungefälir  unsem  Revierförstem  entsprachen ''),  sollten  die 
Waldungen  bereiten  und  hier  die  zum  Forst-  und  Jagdschutz 
erforderlichen  Anordnungen  treffen  und  die  Zuwiderhandelnden 
zur  Bestrafung  anzeigen.    Die  Förster*),  welche  anfangs  den 

1)  Du  obrüt»  Fontmeuteramt  la  Landshut  kommt  ia«r(t  1481  nr 
CR.  Ä.  -  l  c). 

8)  t  47°. 

3}  Dio  Font«rdDQDg  1568  1  2*  uh  ilcb  renuilktt,  diMe  UehDnan»> 
pflicht  icbaiT  IQ  betonen  in  HiobUi^k  duanf,  d&G  etlit^lie  ucb  biiUcr  nngohot- 
BMD,  widonttsis  nnd  tratiig  erwiesen  (unter  Androhung  von  GofÜlnfcnit-  and 
andrer  Str&fon). 

4)  Dieie  und  die  F0nt«r  nniSt«n  die  ibnon  untentellten  WkldoaglB 
vierteljlhrlich  infpiiiureo  und  die  Torgefondenon  Hingel  inr  Anitig»  briogaa 
(Pontordnnng  1568  t  ü'). 

5)  Vgl.  ScUwBppach  S.  WS.  aber  B«aoldaiiK  cintM  Oberreltui 
8»  WUitend  di«  Uberreiter  tou  Henog  em&nut  worden,  bft 

meiiter  nur  die  POrttw  tn  bMtellcii.    üacb  der  Forst-O.  1568 
die  FOritor  Tom  Herwg  nnd  noi  die  I7ntcikn»cbte  Tom  Font- 1 
meift«  omuint  uduio  da  dor  nuiderkiieebt  Tom   Vontm  ki 
wird,  nebt  er  tiUin  tnS  dM  Vonten  nnt^  damit  er  bn;  den 
mOg"  t  3*)     Da  die  AcddeatJeD,   welcbo   die  Forater  Ton  den 


-    359    — 

Überreitern  untergeordnet  waren,  erhielten  allmählich  eine  diesen 
gleiche  Stellung,  und  die  Überreiter  traten  immer  mehr  zurück  ^). 

Die  Funktionen  der  Forstmeister,  wie  sie  sich  aus  den  Be- 
stallungsurkunden des  15.  Jahrhunderts  ergeben,  weisen  die 
Grundzüge  einer  höchst  rationellen  Forstpolitik  auf. 

Den  Ausgangspunkt  für  die  Thätigkeit  des  Forstmeisters 
bildete  schon  damals  die  Ermittlung  des  forstlichen  That- 
bestandes*),  d.  h.  der  Lage,  Größe  des  Holzbestandes,  ins- 
besondere die  Bezeichnung  und  Sicherung  der  Waldgrenzen. 
Über  die  laufende  Evidenthaltung  derselben  durch  Grenz- 
begänge,  welche  Form  von  den  mittelalterlichen  Markwaldungen 
übernommen  wurde  ^),  enthielt  die  Forst -0.  1568*)  genaue 
Vorschriften. 

Die  Verwaltung  der  Staatsforsten  als  eines  staatlichen 
Vermögensobjektes  ^)  bildete  von  jeher  einen  Teil  der  staat- 
lichen Finanzverwaltung.  Deshalb  ward  das  Forstbeamten- 
personal auch  in  innige  Verbindung  zu  den  Organen  der  Finanz- 
verwaltung, zum  Rentmeister®)    und   später  zur  Hofkammer 


zogen,  der  Unredlichkeit  Vorschub  leisteten,  wurden  dieselben  in  feste  Ge- 
treide- und  Geldbezflge  umgewandelt,  wfihrend  die  Pflichtigen  Bauern  ihren 
Forsthaber  und  Forstzins  femer  nur  mehr  an  die  herzoglichen  Kasten  bezw. 
an  die  Kammer  einbrachten  (f  5®). 

1)  In  der  Forst-O.  1568  ist  fast  nur  von  den  Förstern  als  den  in  Unter- 
ordnung unter  den  ob.  Forstmeister  mit  der  Bewirtschaftung  und  dem  Schutze 
ihres  Waldreviers  betrauten  Forstbediensteten,  ganz  vereinzelt  nur  von  Über- 
reitern, die  Rede. 

2)  Vgl  A.  Wagner  I,  S.  590. 

3)  Vgl  Schwapp  ach  S.  340,  145. 

4)  f.  70  S.:  In  10jährigen  Perioden  sollten  Wftlder,  Gehölze,  Grenzen 
und  Markungen  durch  den  ob.  Forstmeister  oder  einen  Beauftragten  be- 
sichtigt worden  unter  Zuziehung  von  30—40  filteren  und  jungen  Insassen  der 
benachbarten  Ortschaften ;  die  jungen  wurden  zur  besonderen  Aufmerksamkeit 
in  Hinblick  auf  künftige  Grenzbesichtigungen  ermahnt.  Über  die  Grenzen 
jeder  Gemarkung  wurde  ein  Protokoll  durch  Gerichtsschreiber  aufgenommen, 
es  wurde  bei  Gericht  deponiert  und  bildete  die  Grundlage  fQr  die  folgenden 
GrcnzbesichtiguDgen.  „Den  armen  mitgehenden  Leuten  sollte  von  ihrer  ge- 
habten Mühe  wegen  ein  Suppen  bezalt  oder  in  ander  Weg  Ergetzlichkeit 
gethan  werden." 

5)  Vgl.  G.  M  e  y  e  r ,  Verwaltungsrecht  I,  S.  330. 

6)  In  der  Hönhoimer  Forst-O.  1508  (Krenner  XVII,  8.  177)  wurden 
die  Forstbeamten  in  Betreff  aller  Dinge,  die  ihnen  zu  schwierig  wfiren,  an 
den  Rentmeister  verwiesen. 


gebracht.  lu  den  Instniktioneo  tod  1470,  148^  und  1512 ') 
ward  den  Kentiucisteni,  welche  bei  ihren  Umritten  auch  eine 
Inspektion  der  Forstlieamten  vorzunehmen  hatten,  eingeschärft, 
ihr  Augenmerk  auf  die  ungescIiiuAlerte  Krbultung  des  Wald* 
bestandes  zu  richten.  Jegliche  DevastatJon  sollte  verhütet  wer- 
den, denn  schon  seit  dem  Ende  des  Mittelalters  ward  die  Er- 
haltUDg  des  W'aldareals  für  die  forstliche  Produktion  als') 
leitender  Gesichtspunkt  für  die  Forstpolitik  aufgeslullt. 

Die  Verwertung  des  Holzes  erfolgte,  soweit  den  Beamten 
nicht  herkömmlich  oder  auf  Grund  ihrer  Bestallung  ein  An- 
sprach  auf  Beholzung  für  ihren  Bedarf  zustand  *),  durch  Ver- 
kauf, welchen  die  Forstmeister*)  im  Beisein  der  betreffenden 
Förster  oder  Ülierreiter  vomaliuien,  alier  erst  nach  vorgängigor 
Genehmigung  des  Uentmeisters.  .  Zu  der  Kontrolle  des  höhonm 
Forstbeamten  durch  die  niedern  kam  also  noch  eine  Kontrolle 
seitens  der  Finanzverwaltung,  lediglich  eine  Folge  des  allge- 
meinen Verwaltnngsprinzips,  daß  eine  Veriiußerung  von  Staats- 
vermögen nur  unter  Zustimmung  der  als  Hüter  desselben  be- 
stellton höheren  Finanzbeainteu  stattfinden  dürfe.  I)a  diese 
Vorschriften  wenig  Beachtung  fanden  und  die  WahlverwOtitung 
infolge  pflichtwidrigen  Gebahrens  der  Forstbedieusteten  immer 
gröliere  Fortachritte  machte,  schärfte  die  F.O.  1568  die  Vor- 
schrift ein,  daß  Holz  nur  auf  Befehl  oder  nach  der  an  Ort  und 
Stulle  durch  den  obersten  Forstmeister  vorgenommenen  Besich- 
tigung iin  Ort  und  Stelle  verkauft  werden  dürfe. 

1)  t4ieho  S,  3ST  Anm.  6:  ikb  er  mit  Fleifi  dorob  >ei,  damit  L'ui  die  Wilder 
nicht  geichwBDdet  wrrdnn. 

i)  Vgl.  Bchir^ppkoh  ».Uü. 

3)  Eino  groBo  Gefahr  fOr  den  WkldbMUad  bildete  die  WiltkQr  imd  PUi»- 
Jotigkeit,  mit  wrlchor  PUcgcr,  Kiclitor  and  Bodmci  Beamta  Ihr  BnhoUoaK»- 
recbt  telb«  realiiierteo.  indem  «io  sich  lucb  UatdOnkon  ein  >ol«he«  Quantum 
tllltn  lieS<m.  rJat  lis  «dbtt  daroD  verkaufL-u  koiint^n,  Dieiem  LiiiheU*i>Il«a 
Hilbnuche  trat  die  F.O.  IStlS  {L  13* )  extt^ngen  durch  die  Anordnonit.  dat  ^in 
iinnHre  Diener  (denen  ion  ihren  bentallan^Tn  die  b«hültton|{  ab  nnimra 
WUdom  in^oMiTt,  nilnr  ihren  Votram  tod  alter  her  bewillifct  Dimd  itabaa 
worden)  prrnnbolta  bndQrlTtig.  foUnn  die  Vnrtter  and  Kn«cht  aiann  jtiia 
danelb  aulT  tejo  anturhen  an  enden,  i-i  den  irildora  am  wenigiitm  «rhidlkb  , 
.  .  .  BuRiÜKen" ;  auch  die  fütnn  und  Fentlmechto  lallten  *leb  iht«ii  Hol^ 
bodarf  nicht  lelbat  Allen,  aondtira  dnrcb  dan  ob,  FontmciKw,  und  moa 
dl9MT  in  weit  «nt/emt,  dorch  den  Kactner  anaieiiren  U»nn. 

^)  Er  heiog  «inr  TantiAroe  Ton  iü-/,  im  BrlOwi. 


—    361     — 

An  Stelle  des  Rentmeisters  war  dann  später  bei  der  Hof- 
kammer Genehmigung  zu  erholen  ^).  Dieser,  als  der  höchsten 
Finanzstelle  des  Territoriums,  waren  auch  seitens  des  Jäger- 
und  Forstmeisters,  sowie  der  gemeinen  Jäger  alle  den  Forsten 
nachteiligen  Erscheinungen  zur  Anzeige  zu  bringen  *). 

Über  den  Erlös  aus  den  Holzverkäufen,  sowie  über  die 
andern  von  ihm  vereinnahmten  Gefälle,  wie  Strafgelder  und 
Forstzinsen,  hatte  der  Forstmeister  jährlich,  und  zwar  in  Gegen- 
wart der  Förster  und  Überreiter  Rechnung  zu  stellen.  Eine 
Änderung  trat  1568  ein,  indem  jetzt  die  einzelnen  Förster 
(bezw.  Kastner)  selbst,  aber  in  Gegenwart  des  obersten  Forst- 
meisters der  Hofkammer  Rechnung  ablegten.  Um  eine  brauch- 
bare Grundlage  für  die  Rechnungen  zu  gewinnen,  sollten  die 
Rentmeister ^)  den  Forstmeistern  und  Förstern*),  sofern  dies 
noch  nicht  geschehen,  die  Anlegung  von  Forstbüchem  befehlen, 
in  welchen  alle  in  ihr  Amt  eingeforsteten  Güter  beschrieben 
werden  sollten  mit  der  Angabe,  welchen  Forstzins  oder  welches 
Forstrecht  dieselben  schuldeten. 

Außer  der  Verwaltung  der  Staatsforsten  führte  die  Forst- 
verwaltung wie  heute*)  auch  die  Aufsicht  über  die  Forsten  von 
Korporationen,  besonders  von  Gemeinden,  Klöstern  und  Kirchen, 
auch  von  Privaten.  Kraft  der  dem  Herzoge  zustehenden  Forst- 
hoheit ^ )  wurden  die  zum  Schutze  der  Waldungen  erlassenen 
Vorschriften')  auch  für  die  Bewirtschaftung  dieser  Waldungen 
maßgebend.  Die  Gemeinden  sollten  bei  größerem  Waldbesitze 
eigne  Forstknechte  bestellen,  sonst  die  Bewirtschaftung  durch 
die  Führer  der  Dörfer  besorgen  lassen;  sie  wurden  durch  den 


1)  Diesen  Befehl  der  Hofkamroer  (oder  des  Herzogs)  hatte  der  ob.  Forst- 
meister seiner  Jahresrechnong  „zn  yerificierang*'  beizulegen  (Forst-O.  1668 
l  3«,  4"). 

2)  Ibid.  f.  60. 

3)  Instruktion  1512  (Krenner  XVm,  S.  834  t) 

4)  oder  sollte  ilinen  einen  Qnalificierten  hierfür  beiordnen. 

6)  Vgl.  G.  Meyer,  Verwaltungsrecht  I,  S.  329;  E  Löning,  Ver- 
waltungsrecht S.  441. 

6)  Weil  wir  auch  an  der  gmain  holtzem  nichts  als  den  Wildpan  nnd 
die  Obrigkait  haben  (F.O.  f.  44»). 

7'  Diese  wurden  auch  den  LandstAnden  für  ihre  Waldungen  empfohlen 
(F.O.  f.  42»). 


obersten  Forstmeister  auf  neobachtung  der  F.O.  verpflicbt«t*). 
Er  ftihrte  die  Aufsiebt  über  die  AiiitsfÜhruDg  der  Iiicht8t8at> 
liehen  Förster  *),  wie  er  auch  pflichtwidriges  Verlialteu  derselben 
zu  bestrafen  hatte. 

Dom  Forstmeister  war  eine  Strafgewalt  eingeräumt,  die 
sich  auf  alle  Forstfrevel,  Forstdiebstalil,  -bescbädiguiig,  Über- 
tretung aller  forstpolizeilichen  Bestimmungen,  erstreckte  FOr 
die  AusfibuDg  derselben  felilte  es  im  allgemeiuen  au  grimd- 
legenden  Normen ;  dem  freini  Ermessen  war  ein  großer  Spiel- 
raum gelassen,  was  um  so  un1ic<ienk1icber  erschien,  als  die 
Strafen  gewtibnlicb  in  Geldbußen^)  bestanden.  „Er  sollte  nur 
alle  Wandel  nach  Handlung  der  Sache  und  Verschulden  nehmen, 
also  daß  er  unsre  armen  Leute  nicht  unbilliger  Weise  be- 
schwere" *).  Gleiches  filrderliches  Recht,  so  gelobte  er  in  seinem 
Diensteide^),  wolle  er  ergehen  lassen  dem  Armen  als  dem 
Reichen,  dem  Gast  als  dem  Landmann. 

Die  Rigorosität  bei  Uaudhabung  dieser  Strafgerichtsbarkett 
durch  die  Forstmeister  vcranlaßle  lebhafte  Beschwerden  der 
Landständc  (1501).  Die  herzoglichen  Ritte  schlugen  mit  ROck- 
sicht  auf  das  große  Geschrei  vor,  eine  Mäßigung  solcher  Strafesi 
festzuBtijUeu  und  zu  verbieten,  daß  jemand  zweifach  mit  Ge- 


il F.O.  t  430,  4t*.  Pflr  die  gifAcrea  Ofmebdoo ,  die  nm  b«no|^icha 
fiumfont«n  l&gen,  loUteD,  Dacbdom  lich  hier  unleidonlicbe  Abtr^tnuifw 
4ew  Eoltei  begaben,  Fontknccht«  \om  ob.  FonUneiater  butollt  werda^ 
welche  in  dcD  Dörfern,  die  ihren  HoliBcblag  dorten  bAtteo,  nicht  wehnai 
dnifteo;  rie  worden  von  der  Gcmciode  betoldoL 

%)  F.O.  t  42*.  Insondrrhftit  ist  bcj  der  Cl0«ter  gehalU  pilo  ord- 
Dong  nmneroea  und  *oll  ansenn  Vontniuster  iiio  bedeiickhunf;  iIm  di« 
Prelkteu  nit  ftlglicb  darsuff  «eben  kOimen,  uch  boj  ihreo  HoltihbyoD  etwo 
wenig  g«honani  haben,  umb  dea  villeo  ino  den  gehSIticn,  tu  den  ClAetna 
gcbOrig  groSe  erodienng  and  nngeborlit^he  abiebwendung  nouiebt  Uonik 
eingebunden  »ein,  aaff  dicBolben  gehOlti  mit  ficit  inReben,  damit  der  holt» 
ordnnng  -  .  Totiiehung  gethan,  nach  din,  «o  dorwider  handlen,  fDnMonblkk 
der  Prolaten  geordnete  Tonter  durch  tuiiueni  e.  Jlger:  oder  Tuntmaiatof^ 
nach  gelegonbeit  ire»  vomprechiMiii  gentrafft  werden.    VgL  noci  t  43*. 

3)  ■/■  der  Oeldbnle  beijoht  der  Fentmuiilxir;  aach  Flnter  nod  Ober- 
reiter  hatten  Anteil,  tog.  Naehretht.  Dieier  Anteil  lollt«  nach  der  F.O.  1G68 
C9*  ein  Sporn  tut  icbarfon  AnMcbt  lein  {'I,  der  BuS«  kam  an  die 
■/,  «riiiolt  der  FontmeitUv  and  '/,  dnr  DoDonuant). 

4)  BeataUnng  I4T9  {RA.  -  Bertudbneb  Bcntomb  Undahml  14&SX 
6)  Pflichtbnch  dor  ßegiemDg  Dargfaanien  i.Er.  A.  M.I. 


—    363    — 

fängnis  und  dann  außerdem  noch  um  Geld  gestraft  würde,  da 
solche  Strafe  auch  wider  Gott  und  das  Gewissen  sei,  damit 
auch  nicht  die  Forstbeamten  infolge  der  ihnen  zufallenden  Tan- 
tiemen reich  und  die  Unterthanen  arm  würden  *). 

Eine  Organisation  der  Forststrafgerichtsbargeit  führte  erst 
die  F.0. 1568  durch,  indem  sie  die  Abhaltung  ordentlicher^traftage 
an  den  verschiedenen,  in  der  Nähe  der  Forsten  gelegenen  Orten 
anordnete  *).  Der  oberste  Forstmeister  nahm  die  Strafabwand- 
lung vor  im  Beisein  der  für  jeden  Wald  bestellten  Förster  und 
Forstknechte,  welche  die  Anklage  gegen  den  Angeschuldigten 
zu  begründen  und  die  verhängten  Bußen  einzuziehen  und  dem 
obersten  Forstmeister  abzuliefern  hatten,  welcher  diese  bei 
seiner  Abrechnung  der  Hofkammer  bezw.  dem  Hofzahlamte 
erlegte. 

Diese  Jurisdiktion  des  Forstmeisters  bildet  eine  Abweichung 
von  der  allgemeinen  Gerichtsverfassung  und  schließt  für  alle 
Forstfrevel  die  Zuständigkeit  der  ordentlichen  Gerichte  aus. 
Pfleger  und  Richter*)  mußten  nur  Rechtshülfe  leisten  und  die 
wegen  Forstfrevel  angeschuldigten  Amtseingesessenen  auf  Re- 
quisition des  Forstmeisters  an  den  von  diesem  bezeichneten  Ort 


1)  Krenner  XHI,  S.  194  t 

2)  f.  46^.  An  denen  Orten,  da  wir  unsere  YOrst  und  W&ld,  anch  andere 
große  Wald  und  gehültz,  so  nnsem  ClOstem  zugehörig,  Dergleichen  die  ge- 
main  holtzer,  wo  die  in  unserm  Fflrstenthumb  ligen,  darin  die  panm  und 
dorff  menigen  von  alter  her  jm  holtzschlag  .  .  .  sollen  die  abtftdigung  der 
straffen  durch  unsem  obristen  Vorstmaister  zu  ordenlichen  straff  tagen  inn 
boysein  unserer  über  jeden  Wald  gesetzten  Yorster  und  Yorstknecht  ge- 
schehen, die  straffen  und  verprechen ,  auch  auff  was  tag  und  ort  dieselben 
abgestrafft  worden,  in  ain  sonderbar  Register  oder  verzaichnufi  nnderschied- 
lieh  einschreiben,  die  Yorster  und  Knecht  davon  gleichlauttende  verzaich- 
nusscn  bey  jhren  banden  bifi  zu  des  Yorstmaisters  rechnung  in  gewarsam 
behalten  .  .  .  Die  Ycrpfiichtung,  die  Wfindel  zu  beschreiben  und  in  ein  Ge- 
schrift  zu  bringen  und  bes.  jeden  Handel  mit  Namen,  darum  man  die  Wandel 
genommen,  war  den  Forstmeistern  schon  1491  auferlegt  worden.  —  Ahnliche 
Forstrügcvcrzoichnisse  haben  sich  bis  heute  in  Übung  erhalten,  ebenso  auch  die 
Einrichtung  der  Forstrügetage  (Bajr.  AusfÜhr.-Ges.  z.  R-Strafprozefiordn.  1879, 
a.  38  Z.  10,  2). 

3)  Sie  konnton  wohl  Gebote  zum  Schutze  der  Waldungen  von  Kirchen 
erlassen,  durften  aber  die  gegen  diese  ihre  Befehle  Ungehorsamen  nicht  selbst 
aburteilen,  sondern  mußten  sie  dem  ob.  Forstmeister  zur  Bestrafung  zuweisen 
(Forst-O.  430). 


—    364    — 

zur  Aburteilung  verschaffen.  Erst  1789  ging  die  Rechtssprechmig 
in  Forststrafsachen  auf  die  ordentlichen  Gerichte  über  ^),  wäh- 
rend sich  ein  besonderes  Verfahren  in  Forstrügesachen  noch  in 
unsem  Tagen  erhalten  hat*). 

Bei  Civilprozessen,  welche  sich  als  Konsequenz  der  herzog- 
lichen Forsthoheit  ergaben,  wurde  der  Herzog  auch  durch  Forst- 
bedienstete  vertreten.  So  (1585)*)  durch  einen  Überreiter,  „welcher 
dieses  Orts  als  der  Diener  und  wie  ihm  anders  nicht  gebührt 
unser  ius  und  Gerechtigkeit  zu  erhalten  und  zu  verteidigen 
vermeint". 

Was  nun  die  Jagd  anlangt,  so  war  die  Aufsicht  über 
das  Jagdwesen  dem  obersten  Jägermeister,  natürlich  auch, 
wo  die  Verbindung  mit  dem  obersten  Forstmeisteramt  bestand, 
den  einzelnen  Forstmeistern  für  ihren  Sprengel  übertragen*). 
Diese  hatten  die  früher  den  Jägermeistern  obliegenden  Maß- 
nahmen zur  Handhabung  des  Jagdregals  ^)  zu  treffen.  Dieses 
hatte  sich  in  Baiem  schon  früh  entwickelt,  doch  ward  der 
Unterschied  zwischen  der  hohen  und  niedem  Jagd  ausgebildet 
und  diese  den  Laudständen  überlassen.    Sache  der  Forstmeister 


1)  Schwappach  S.  531. 

2)  Das  Amtsgericht  verhandelt  und  entscheidet  heute  über  Forstrflgen 
ohne  Zoziehong  von  Schöffen;  der  Forstmeister  oder  dessen  SteUvertreter 
übernimmt  die  Rolle  des  Staatsanwalts  (Bayr.  Aosü-Ges.  i.  R-Strafprozefiordn. 
a.  36  Z.  1,  37  Z.  1,  nnd  38  Z.  4). 

3)  In  einem  Rechtsstreite  des  Magistrats  zu  Ingolstadt  gegen  den  Fiikii% 
welcher  den  aus  der  yeri)achtung  eines  Yogelherdes  erzielten  EbrlOi  be- 
anspruchte (R  A.  —  Dekrete  Wilhelms  V.  Bd.  III). 

4)  1571  -  Item  und  nachdem  vorstaat,  dafi  die  notturfit  ervordert  lo 
Landshuet  ein  geschickter,  ansehnlichor  und  taugenlicher  Vorstmeiiter  le- 
halten,  wellicher  in  dem  Pezirk,  so  hiervor  ein  Jegermeister  zu  K  in  Ter> 
waltung  gehabt  über  alle  VOrst,  Holtzer  und  Wildpan,  dessgleichen  seine 
untergebenen  VOrster  und  Uber-Reitter ,  auff  die  gejhaid  vlajssig  seeh,  aof 
das  unnserm  gn.  fürsten  und  Herrn  zu  schaden  in  Irer  fürstl.  gnaden  vOntei^ 
Holtzcm  und  Wildpannen  Niemandts  jag,  pirsch  oder  annder  Waidwereh 
treib,  darzue  so  man  im  Unterland  zu  Bayern  jagt,  derselb  Vorstmeitter 
iambt  seinen  nnttergebenen  VOrstem  und  Überroittem  einen  jegermeiitsr 
von  München  das  gejhaid  errichten  helff  (K.  A^  abgedruckt  bei  Sehwap* 
pach  S.  511). 

5)  In  einem  Rechtsstreite  gegen  den  Bischof  L.  von  Passau  1435  machte 
der  Vertreter  H.  Ludwigs  geltend,  „wie  der  wildpann  ein  solich  herlicbkelt 
wer,  die  in  als  einem  lanndfürsten  billich  zugehört  in  seinem  lannd  (M.  B. 
XXXI,  2,  p.  280).    Vgl  Schwappach  S.  202. 


-j 


—    365    — 

war  es  nun,  darüber  zu  wachen,  daß  kein  Unberechtigter  das 
Jagdrecht  ausübe.  Zu  diesem  Behufe^)  sollte  er  die  Namen 
derjenigen,  welchen  in  seinem  Bezirke  Jagdgerechtigkeit  ver- 
liehen, erkunden,  die  Grenzen  des  von  ihnen  in  Anspruch  ge- 
nommenen Wildbannes  beschreiben  und  niemandem  ohne  spe- 
ziellen Befehl  des  Herzogs  die  Jagdausübung  gestatten,  wenn 
er  nicht  seinen  Anspruch  auf  einen  besondern  Besitztitel 
(herzogliches  Privileg,  altes  Herkommen)  stützen  kann,  nament- 
lich sollte  er  darauf  wachen,  daß  die  niedere  Jagd  nur  von  den 
Berechtigten,  also  von  den  Edelleuten  und  seit  1508  *)  auch 
von  den  Prälaten  und  Patriziern,  ausgeübt  werde. 

Für  den  eigentlichen  Jagdbetrieb  existierte  am  Hofe  wie 
in  den  Bannforsten  ein  besonderes  Personal  (Falkner,  Jäger, 
Wildmeister)  ^\  das  auch  für  die  Beobachtung  der  Forstordnung 
zu  sorgen  verpflichtet  war;  außerdem  waren  aber  die  Forst- 
meister mit  den  ihnen  untergebenen  Forstunterbeamten  ver- 
pflichtet, bei  der  Abhaltung  von  HoQagden  in  ihren  Revieren 
dem  mit  der  Leitung  derselben  betrauten  obersten  Jägermeister 
ihre  Unterstützung  zu  gewähren*). 


1)  Bestallung  1491  (RA.  —  Verlaßne  Pfleg  .  .  .  ämtef  1464—89).  Er 
soll  Keinem,  der  nicht  Edelmannsstand,  den  kleinen  Wildbann  weder  Fachs, 
Hasen,  Hühner  .  .  zu  schießen,  zu  fangen  oder  zu  jagen  aufier  nnsers  Befehls 
erlauben.  —  Eine  scharfe  Handhabung  dieser  Aufsichtsbefngnisse  gab  der 
Landshuter  Ritterschaft  1497  Veranlassnng  zu  einer  Beschwerde  über  Ein- 
griffe in  ihre  Jagdrechtssphfire  mit  dem  Hinweise,  Jäger-,  Forstmeister-  und 
dergleichen  andere  Amt  wären  mit  Gästen  und  schlechten  Leuten  besetzt, 
dadurch  würde  gemeiner  Adel  von  ihrem  Inhaben  gedruckt  und  beschwert 
ohne  Recht  ...  In  der  L.O.  1501  sicherte  sodann  H.  Georg  zu:  Welches 
vom  Adel  Vorfahren,  darnach  er  auch  das  Gejaid  des  Wildpräts  bej  unserm 
bemolten  Anhcrm  Vattern  und  uns  in  Gewähr  oder  in  ununterbrüch- 
lichem  Gebrauche  hergebracht,  oder  Briefe  und  Siegel  darum  hätten,  die 
wollen  Wir  noch  gnädiglich  dabej  bleiben  lassen **  (Krenner  XIII,  8.  21, 
287  f.). 

2)  L.  Fr.  III  a.  14—16 ;  die  dem  Herzoge  vorbehaltne  Jagd  in  den  Bann- 
forsten oder  überhaupt  die  hohe  Jagd  wurde  auch  Andern  verliehen  und 
sogar  verpachtet  Vgl.  die  bei  Schwappach  S.  599  angeführten  Pacht- 
summen. 

3)  Diese  hatten  Anspruch  auf  Nachtzil  (unentgeltliche  Beherbergung) 
und  YerkOstigung  für  sich,  Rofi  und  Hund,  bei  KlOstem  aber  nur  einmal 
jährUch  auf  3—4  Tage  (L.  Fr.  m  a.  6). 

4)  S.  364  Anm.  4. 


—    366    — 

Die  Aburteilung  der  Jagdvergehen  bildete  nicht  einen  Be- 
standteil der  Forststrafgerichtsbarkeit,  noch  begründete  sie  eine 
besondere  Jurisdiktion  der  Jägermeister,  sondern  sie  gehörte 
zur  Zuständigkeit  der  ordentlichen  Gerichte^). 


§20. 
Die  Hfinzbeamten '). 

Als  die  Wiege  der  deutschen  Münze  hat  man  Baiem  be- 
zeichnet^). Mag  dies  auch  nicht  ganz  zutreffend  sein^),  so 
steht  doch  fest,  daß  schon  Herzog  Arnulf  (907—937)  Münzen 
mit  seinem  eignen  Namen  prägen  ließ*)  —  als  einer  der 
Ersten  unter  den  deutschen  Herzogen.  Seit  dieser  Zeit  l&Bt 
sich  eine  nahezu  ununterbrochene  Ausübung  des  Münzregals 
durch  die  Baiemherzoge  nachweisen,  ohne  daß  es  gelungen  wäre^ 
eine  kaiserliche  Yerleihungsurkunde  aufzufinden. 

Die  im  Mittelalter  beliebte  Ausbeutung  des  Münzregals  zur 
Füllung  der  leeren  landesherrlichen  Kassen  ward  auch  von 
Baiems  Herrschern  geübt.  Gewöhnlich  beim  Regierungsantritt, 
manchmal  auch  während  der  Regierungszeit  ward  die  EinfQhnmg 


1)  Als  die  Plage  der  Wilddieberei  trotz  strenger  Strafandrohung  flber- 
hand  nahm  —  Albrecht  Y.  hatte  nicht  nur  Wilddiebstahl  und  Hehlerei  mit 
dem  Strange  bedroht,  sondern  sogar  das  Büchsentragen  über  Land  nntar 
Strafe  gesteUt  —  verordnete  Wilhelm,  der  schon  1581  eine  Streife  anf  WÜA' 
diebe  befohlen  hatte,  1585  den  Forst-  und  Jfigermeistem,  daneben  aber 
auch  den  andern  Beamten,  die  Vomahroe  von  (j&hrlich  mindeeteiiB  S) 
Streifen  verdfichtiger  Wildprctschützen  an,  welches  Mandat  qnartaliter  rer- 
lesen  werden  sollte;  Ton  Max  L  wurde  dasselbe  1598  anfs  neue  eingeschlift 
(Mandate). 

2)  Eine  höchst  dankenswerte  dreibändige  Sammlang  der  das  bairiidie 
Münzwesen  betreffenden  Urkunden  hat  veranstaltet:  Lori,  Sammlung  des 
baierischen  Münzrechts. 

3)  So  der  Pole  L  e  1  e  w  e  1  (Numismatique  du  mojen  age  p.  12S)  M 
Eheberg,  Über  das  ältere  deutsche  Mfinzwesen  und  die  HansgenoeMB* 
Schäften ,  Leipzig  1879  (Schmollcr,  Staats-  und  sodalwissenschalUiefae 
Forschungen,  Heft  5),  S.  24. 

4)  Die  angeblichen  Denare  Liutpolds  beruhen  auf  Irrtum.  YgL  Waiti 
VIII,  S.  322. 

5)  Er  prägte  zu  Regensburg  und  Salzburg  (Riezler  I,  S.  780). 


—    367     — 

einer  neuen  Münze  0  in  Verbindung  mit  der  Herabsetzung  der 
alten  ins  Werk  gesetzt*). 

Die  Stände  suchten,  wie  es  scheint,  diesem  Unwesen  zu 
steuern,  und  so  kam  es  zu  jenem  Vertrage  von  1307,  in  welchem 
die  beiden  Herzoge  den  Ständen  ihre  Münzen  zu  München  und 
Ingolstadt  für  die  Bewilligung  von  Steuern  verkauften^).  Mit 
dem  Erstarken  der  Macht  der  Stände  trat  auch  ihr  Einfluß 
bei  Reglung  des  Münzwesens  immer  von  neuem  hervor.  Mehr- 
fach wurde  von  den  Fürsten  der  Landschaft  gegenüber  die  Ver- 
pflichtung übernommen,  die  Münze  nicht  zu  ändern*),  eine 
Verpflichtung,  welche  1373  auf  dem  Landtage  zu  Burghausen 
von  Stephan  H.  und  seinen  drei  Söhnen  wiederholt  wurde  unter 
dem  Hinweis,  daß  der  derzeitige  Münzmeister  Wilhelm  von  Baben- 
berg  geschworen  habe,  während  seiner  Amtsdauer  das  beschriebne 
Korn,  die  Aufzal  und  das  Gepräge  weder  verändern  noch  ver- 
kehren zu  wollen,  durch  keinerlei  Sach  willen.  Denselben  Schwur 
sollten  alle  künftigen  Münzmeister  vor  ihrem  Amtsantritte  der 
Landschaft  von  Oberbaiem  leisten.  So  weit  erstreckte  sich  also 
der  Einfluß  der  Stände,  daß  die  Münzmeister  nicht  den  Herzogen, 
sondern  ihnen  den  Amtseid  leisten  mußten,  also  gleichsam  als 
ständische  Beamte  betrachtet  wurden. 

Der  Münzmeister  als  der  oberste  Münzbeamte  war 
wohl  früher  mit  ausgedehnten  Privilegien  begnadet  worden,  welche 
die  Rechte  der  Stände  beeinträchtigt  haben  dürften.  Denn  in  der 
angeführten  Urkunde  von  1373 '^)  versprechen  die  Herzoge  aus- 
drücklich für  sich  imd  ihre  Erben,  keinem  Münzmeister  femer- 
liin  besondere  Rechte  noch  Freiungen  zu  gewähren,  die  wider 
des  Landes  oder  der  Städte  Recht  und  Gewohnheit  seien. 


1)  Nachdem  schon  Otto  II.  durch  eine  solche  Münzemonenmg  1253  grOfie 
Unzufriedenheit  erregt  hatte  (vgl.  Riezlerll,  S.  181),  f&hrte  eine  Münz- 
verrufung  1294  in  München  zn  einer  Revolte.  Das  Volk,  empOrt  über  die 
rasch  auf  einander  folgenden  Münzverrafongen  —  erst  1292  hatte  Ludwig  11. 
die  Münze  erneuert  —  fiel  über  die  Münzstätte  her  und  zerstörte  dieselbe. 
M.  B.  XXXV,  2,  p.  20.    Vgl.  Eheberg  S.  86. 

2)  Vgl.  Riezler  II.  S.  181. 

3)  Rockinge  r,  Einleitung  S.  130  t 

4)  1331  durch  die  drei  Sohne  Ludwigs  des  Baiem,  1367  durch  Herzog 
Stephan  aUein  (Lori  I,  8.  17,  19). 

5)  Lori  I.  S.  19. 


Alle  diese  Versprechungen  kehren  wieder  iu  der  zu  München 
1391  erlassenen  MDnzordniing  für  Oberbaiern').  \Sichtig  ist 
diese  Münzorduung  uamentlich  wegen  der  in  Ihr  hervortreten- 
den steigenden  Anteilnahme  der  Stande  an  der  Verwaltung  des 
MQnzregals.  Nicht  nur  der  Münztneister,  auch  die  ihm  unter- 
geordneten Beamten  (Aufzieher,  Vorsuecher,  EiSüUgaber  und 
Prftger)  haben  dein  Forsten  und  der  Landschaft  die  genaue 
Befolgung  der  Mfinzordnung  eidlich  zu  geloben,  Aulierdeni 
wurde  ein  13-glicdriger  Ausschuß  aus  Vertretern  der  verschie- 
denen Stände*)  mit  der  Beaufsichtigung  der  Münze,  insbeson- 
dere mit  der  Überwachung  der  ordnungsmäßigen  AmtsfUbnang 
aller  Münzbeaniten  betraut.  Diese  haben  bei  etwaigen  AnstAn- 
den  den  Beschlüssen  des  Ausschusses  Folge  zu  leisteu,  und  nur 
in  sehr  wichtigen  Angelegenheiten  hat  der  Ausschuß  die  landes- 
herrliche Entscheidung  anzurufen. 

Auch  eine  jurisdiküonelle  Gewalt  übt  dieser  ständische 
Münzausschuß  aus,  iniieni  er  berufen  ist,  ein  Urteil  zu  fällen  in 
Streitigkeiten,  welche  durch  eine  Mtlnzänderung  hervorgerufen 
wurden,  also  bei  Darlehen  und  Rentenkäufen,  wo  über  den  Kurs 
der  Schuldsumme  am  Fälligkeitstermine  eine  Einigung  zwischen 
Gläubiger  und  Schuldner  nicht  erzielt  wird.  Dem  Aus- 
schusse wird  noch  das  Recht  der  Kooptation  für  die  durch 
Tod  ausgeschiedenen  Mitglieder  eingehiuml  unter  ausdrück- 
licher Verpflichtung  der  Kooptierten  zur  Annahme  des  Mao> 
dats»). 

In  einer  mit  der  Münchner  gleichlautenden  niederbairischen 
Mfinzordnung  aus  demselben  Jahre  wird  ebenfalls  ein  aus  13  Mit- 
gliedern bestehender  stAudischer  Ausschuß  mit  denselben  Kom- 
petenzen niedei^esetzt. 

Der  ständische  Einfluß  zeigt  sich  sodann  noch  einmal  in  alter 
Stärke  in  Wiederholung  des  Versprechens  iu  der  von  dun  4  llermgen 
Stephan,  Ernst,  Wilhelm  und  Heinrich  1406  crlasseueD  Verord- 
nung*), daß  ohne  Wissen  und  Willen  der  Stände  eine  Äudening 
der  Münze  nicht  ins  Werk  gesetzt  werden  soll.    Doch  tritt  JaDQ 


1)  Lorl  I,  8.21. 

S)  V^  BnekiDfitT,  Eaiüaitaag  &  8U. 

8)  Lorl  l.S.tit 

4)  Bockiager,  BialaitnBg  &  941  IL;  Lorl  I,  &  S9  C 


—    369    — 

ständische  Beteiligung  an  der  Münz  Verwaltung  selbst  durch  Bei- 
ziehung von  Verordneten  der  Landschaft  immer  mehr  zurück. 

Das  bei  den  verschiedenen  bairischen  Herzogen  in  gleicher 
Weise  sich  geltend  machende  Bedürfnis  nach  einheitlicher  Reg- 
lung  des  Münzwesens  veranlaßte  dieselben  wiederholt  zu  ver- 
tragsmäßiger Schaffung  gleicher  Münzgebote. 

Die  zur  Herstellung  der  Münzen  erforderlichen  technischen 
Arbeiten  wurden  durch  eine  größere  Anzahl  von  Personen  ^) 
verrichtet,  an  deren  Spitze  der  Münzmeister  stand*),  dem  die 
Leitung  und  Überwachung  aller  zur  Prägung  erforderlichen 
Verrichtungen  anvertraut  war. 

Der  Münzmeister  und  die  ihm  untergebenen  Münzbediensteten 
sind  landesfürstliche  Beamte  und  werden  vom  Herzoge  bestellt. 
Sie  haben  nicht  nur  diesem,  sondern  auch  der  Landschaft  eid- 
lich zu  geloben,  daß  sie  das  vorgeschriebne  Korn,  die  Aufzahl 
(Schrot)  und  das  Gepräg  nicht  verändern,  noch  verkehren  wollen^). 
In  ihre  Hand  war  die  sorgsame  Durchführung  der  Münzordnung 
gelegt.  Der  Münzmeister  war  haftbar  für  alle  Unregelmäßig- 
keiten und  jede  vorschriftswidrige  Behandlung  des  Präge- 
geschäfts ;  seine  alleinige  Verantwortlichkeit  für  richtige  Prägung 
hörte  erst  auf  in  dem  Augenblicke,  wo  Versucher  und  Aufzieher 
das  neugeprägte  Geld  für  richtig  erklärt  hatten  —  so  sind  die 
vorgeseztcn  unser  niünzmaister  darüber  empresten  und  haben 
genug  getan.  Etwaige  Klagen  über  die  Münze  hat  dann  nicht 
der  Münzmeister,  der  die  neugeprägten  Geldstücke  erst  nach 
ihrer  Approbierung  durch  den  Versucher  und  Aufzieher  veraus- 
gaben darf,  sondern  nur  dieser  zu  verantworten  ^). 

Zwei  Formen  sind  es,  in  welchen  die  Bestallung  der  Münz- 
meister sich  bewegt.  Nach  der  ersten  übernehmen  die  Münz- 
meister die  Prägung  der  Münze  unter  genauer  Fixierung  des 
Feingehalts,  unter  detaillierter  Festsetzung  der  Anzahl  von 
Stücken  einer  bestimmten  Münzsorte,  die  sie  aus  einer  Mark 
Metall  i)rägen  dürfen,  auf  eigne  Rechnung.  Sie  verpflichten  sich 
lediglich  zur  Entrichtung  eines  Schlagschatzes  an  den  Landes- 
fürsten ^). 

1)  tjbcr  die  brandcnborgischen  Münzbeamten  vgl.  Isaacsohnl^S.  142  S. 

2)  MüDZordDung  1391  bei  Lori  I,  S.  22,  24. 

3)  L  0  r  i  I,  S.  54 ;  R  A.  —  Münzwesen  Fase.  2  (Bestallung  1442). 

4)  Lori  I,  S.  28,  74,  66,  135  ffi 

Kosoiithal.  (jcschichte  d.  GerichUw.  a.  d.  Verw.-Org.  Baiernf.  I.  24 


—    370    — 

Es  findet  eine  Verpachtung  des  Münzregals  statt  Der 
Münzmeister,  dem  die  Ausübung  des  Regals ,  also  die  Prägung 
von  Münzen  unter  Normierung  von  Schrot  und  Korn  samt  der 
wirtschaftlichen  Nutzung  überlassen  ist,  hat  als  Entgelt  den 
verschiedenartig  fixierten  Schlagschatz  zu  bezahlen. 

Die  zweite  Form  war  die,  daß  die  Landesfürsten  die 
Münze  selbst  verl^en  und  dem  Münzmeister  das  zur  Prägung 
erforderliche  Material  liefern,  wogegen  dieser  verpflichtet  ist, 
bestimmte  Münzsorten  nach  den  im  Bestallungsbriefe  fest- 
gesetzten Mischungsverhältnissen  zu  prägen.  Er  erhält  nicht 
etwa  eine  feste  Besoldung,  sondern  eine  bestimmte  Quote 
von  der  Mark  des  ausgeprägten  Silbers.  In  dieser  Tan- 
tieme liegt  dann  zugleich  das  Äquivalent  für  die  vom  Münz- 
meister zu  bestreitenden  Unkosten,  wie  Besoldung  der  Münz- 
bediensteten, welche  der  Münzmeister  aus  seiner  Tasche  zu 
leisten  hat 

Um  der  Münze  Bedarf  an  Prägematerial  zu  decken,  durfte 
niemand  mit  ungemünztem  Silber  Handel  treiben,  ohne  dasselbe 
dem  Münzmeister  zum  Kaufe  angeboten  zu  haben.  Dieser  war 
mit  diesem  Wechselrecht  O7  das  eine  seiner  Hauptfünktionen 
bildete,  betraut  Dieses  Monopol  des  Wechsels  war  für  die 
Münzmeister  sehr  einträglich,  da  es  nicht  nur  den  Ankauf  von 
Edelmetall,  sondern  auch  den  Umtausch  fremder')  Münzen  gegen 
einheimische  und  alter  (verrufener)  gegen  neue  umfaßte.  Mit 
aller  Entschiedenheit  wollten  die  Herzoge  in  ihren  Ländern  die 
Einheitlichkeit  des  Münzsystems  durchführen,  weshalb  sie  bei 
Strafe  anordneten,  daß  im  Verkehre  nur  die  neuen  Münzen 
gebraucht  werden  dürfen^). 

Neben  den  Münzmcistem  waren  noch  geschworene  Wechsler 
zum  Betriebe  des  Wechselgeschäfts  privilegiert.  Die  Wechselkurse, 
die  für  die  einzelnen  Münzsorten  zu  zahlenden  Beträge  waren  durch 

1)  Vgl  abor  dieses  Ehoborg  S.  59. 

2)  Dieses  eigentliche  Geldwechselgesch&ft  warde  wesentiich  gefordert 
durch  die  Verordnung  K.  Friedrichs  ü.  von  1232  (M.  B.  XXXI,  1,  p.  65U 
TTonach  Handel  und  Wandel  in  den  Münzstätten  nur  in  den  dort  einheimifchea 
Mflnzsorten  getrieben  werden  dflrfe.  Dadurch  war  ein  Wechsolzwang  ftlr  aDe 
fremden  Mflnzsorten  geschaffen. 

3)  Wer  fremde  Geldstücke  ins  Land  brachte,  mu£te  dieselben  eben  in 
die  Münze  geben  und  dort  verkaufen  bei  Strafe  der  Einziehung  der  be- 
treffenden Münze  (Münzordnung  1406  —  Lori  I,  S.  30). 


—    371     — 

herzogliche  VerordnuDg  tarifiert^),  um  das  Publikum  gegen 
Übervorteilung  seitens  der  Privilegierten  zu  schützen.  Die 
Wechsler  verschwinden  im  15.  Jahrhundert,  um  den  Münz- 
meistem  ausschließlich  das  Wechselgeschäft  zu  überlassen*). 

Seit  dem  Anfange  des  1 6.  Jahrhunderts  werden  aber  diese 
Wechslerfunktionen  den  Münzmeistem  entzogen  und  besondere 
Wechselbänke  in  den  Hauptstädten  des  Landes  *)  für  die  Be- 
dürfnisse des  Verkehrs  errichtet.  Albrecht  IV.  erließ  1506  für 
diese  eine  formhche  Wechselordnung*).  Nach  dieser  wurden 
die  Wechsler  gleich  herzoglichen  Beamten  vereidigt,  nur  wurde 
ihnen  gestattet,  ihre  Wechselbank  bei  ihren  Goldschmiedläden 
zu  halten.  Keineswegs  aber  wurde  ihnen,  wie  dies  in  nicht- 
bairischen  Städten  der  Fall  war^),  die  Verpflichtung  auferlegt, 
alles  eingewechselte  Silber  und  Gold  an  die  Münze  abzuUefem, 
sondern  sie  konnten,  unabhängig  vom  Wechsleramt,  in  ihrem 
privaten  Handwerksbetrieb  das  aus  ihren  Mitteln  erkaufte  Edel- 
metall ohne  Beeinträchtigung  des  herzoglichen  Wechsleramts 
verarbeiten.  Sie  hatten  ja  geschworen,  den  Wechsel  ord- 
nungsgemäß zu  versehen  und  sich  neben  ihrem  Solde  •)  keinen 
unerlaubten  Gewinn  in  Ausübung  ihres  Amtes  anzueignen.  Alle 
erkauften  Münzen  waren  sofort  an  den  Münzkammerer  abzu- 
liefern, welchem  auf  Grund  genauer  Aufzeichnungen  über  den 
Stand  des  Wechselgeschäftes  Bericht  erstattet  werden  mußte. 
Falsche  Münzen,  welche  dem  Wechsler  angeboten  wurden,  mußte 
er  sofort  zerschneiden  und  die  Stücke  dem  Anbietenden  zurück- 
stellen. Geringhaltige  Münzen  sollten  zu  ihrem  wahren  Wert 
unter  Abrechnung  einer  besondem  Gebühr  für  die  erforderliche 

1)  Die  Überschreitang  dieser  tarifierten  Sätze  war  mit  Verlust  des  4.  Teils 
der  Wechselsümme  bedroht  (Qu.  u.  Er.  VI,  S.  583  —  1397).  Vgl  noch  Tarif 
1458  bei  L  0  r  i  I,  S.  66. 

2)  In  einem  Bestallnngsbriefe  von  1435  wird  hervorgehoben,  daß  nnr  die 
Münzmeister,  solange  sie  münzen,  and  sonst  niemand  den  Wechsel  in  der 
Stadt  München  innehaben  sollten  (Lori  I,  S.  34). 

3)  München,  Landshat,  Ingolstadt,  Straubing  und  Burghausen  (Lori  I, 
S.  132. 

4)  Lori  I,  S.  114  ff. 

5)  Eheberg  S.  144. 

6)  Dieser  wurde  nicht  filiert,  sondern  sollte  nach  Gelegenheit  des 
Fleißes,  der  Mühe  und  Arbeit,  welche  auf  das  Wechsleramt  verwendet 
warden,  bestimmt  werden;  dazu  wurde  die  Lieferung  eines  Hofkleides  ver- 
sprochen. 

24* 


Uniprägung  eingelöst  werden  ^),  Sclion  im  folgondeo  Jahre  (1607) 
war  diu  ErlassuDg  einer  neuen  Wecheclordnung* )  fQr  die  Münchner 
Jakobiincssi;  notwendig,  namentlich  wogen  des  massenhaften  Ein- 
dringens vcrbotuer  und  falscher  Münzen.  Deswegen  wurde  den 
^\'ecbsle^u  ein  obrigkeitlich  geprüftes  Nornialgewicbt  Überant- 
wortet, nach  dem  sie  den  Umtausch  von  Gold  und  Silber  voU- 
Kiehen  sollten. 

Auch  nachdem  das  MQnzwesen  zur  Kompetenz  der  Kroit» 
gehörte,  nahmen  sieb  diese  auch  der  Ordnung  der  mit  dem 
MUnzwesen  verbundenen  WechselstAttcu  an.  In  dem  baiiucbeti 
Kreisal>3cbied  von  1559^)  wurde  so  die  Errichtung  bezw.  Fort- 
führung s'OD  Wecbselbänkeu  durch  die  einzelnen  Kreisstände  ange- 
ordnet, so  daß  das  Publikum  Gelegenheit  fände,  die  verbotenen  und 
ungangbaren  Münzen  gegen  gangbare  umzutauschen.  Die  einge- 
lösten Stücke  bildeten  passentiea  Prftgematerial  für  die  MüDZStdtteti. 

Bei  der  verantwortungsvollen  Aufgabe  des  ^lUnzmeistcn 
mid  der  naheliegenden  Versuchung  verbrecherischer  Ausbeutung 
des  Aml£  durften  natürlich  Sicherungsmittel  zur  Abwendung 
einer  solchen  Gefahr  nicht  fehlen.  Man  wendete  nicht  etwa 
die  wirksamste  Reprossi\-maßregel,  Festsetzung  einer  tnJigUcbst 
hüben  Besoldung,  durch  weiche  jede  Versuchung  einer  Verlctzang 
der  Amt^^pHichten  im  Keime  wäre  unterdrückt  wonlen,  an,  boo- 
dem  man  suchte  außer  durch  den  Diensteid  namentlich  durch  An- 
drohung hoher  Strafen  vor  der  Begehung  eines  Amtsverbrechens 
abzuschrecken.  Wiederholt  wird  Münzmeisteni,  Münnem  und 
andern  Personen  das  Verbot  der  MUnzersaigerung  * )  anter  Att- 


1)  Ein  Bat«eUag  der  Wechwibink  bklber  1607  (I.  o  r  1 1.  S  ISO  t) 
nnt  Eatwurf  geblieben  n  »ein.    Hier  wnrde  Torgeechlagoa,  mr  in  " 
und  Landtbnt  je  eine  Wecbielbuik  id   enicbten,  jede  denelbcn  mit  j» 
2  Wecbileni  nnd  ein  am  Probteiei  lo  besetten. 

a)  Lort  I.  a  131. 

3)  Lori  I.  &28& 

4]  Schmellor-FromnianB  II,  S.  237,  ;bTingt  dieiei  S^gtn  9im 
Knkigeni  der  UfloM  mit  der  nnTollkommnen  Technik  der  Pripuig  in  lltam 
Zelt  in  Zunrnmeotiang.  Dieee  lub«  «•  noch  nicht  ennAglicfat,  «Ue  8tftcfc> 
einer  MOnuorte  «n  Qebklt  einander  roUliomnien  gleioh  n  uhtmi,  we^all 
man  die  u  Oehalt  twnra  Stdcke  einer  Intnieranden  Hünnorte  mit  HlUt 
im  Wage  augeneht  nnd  dem  Dmlanf  entzofteD  habe^  wodnreh  die  im  Kvn 
bWb«Dd«  llaata  an  Wert  und  Kradit  Torloren  habe.  In  dleaer  MaaipnUlia« 
" V^  Ehaberg  S.  169. 


—    373    — 

drohung  der  Strafe  des  Fälschers  eingeschärft  * ).  Ebenso  war 
auch  das  Verbrennen  der  Münze  und  jede  andere  Münzver- 
schlechterung —  noch  sonst  dainerlai  andere  gev&rde  darinen 
suchen  —  verpönt. 

Eine  große  Rolle  spielt  die  Strafe  des  Brands  in  Herzog 
Ludwig  des  Reichen  Vorschlag  eines  neuen  Münzfußes  mit  den 
Ratschlägen  der  Münzverständigen  1457,  denn  nicht  nur  jeder 
Münzmeister  und  Amtraann,  der  mit  der  Münze  vorschriftswidrig 
umging,  sondern  jeder  Rat,  wie  jede  Person,  die  das  Verbrechen 
abzuschwächen  und  etwas  zu  Gunsten  des  Verbrechers  vor- 
brächten, sollten  mit  dem  prant  und  sonst  mit  kainer  andern 
peen  gestraft  werden  *). 

Selbstverständlich  enthebt  ein  solches  Amtsverbrechen  des 
Münzmeisters  die  Fürsten  von  der  Einhaltung  der  vereinbarten 
Kündigungsfrist,  und  zum  Überfluß  wird  dies  in  einem  Bestallungs- 
brief ausdrücklich  hervorgehoben  *). 

Nicht  nur  die  Münzmeister,  auch  die  ihnen  unterstellten 
Beamten  wurden  mit  Privilegien  begnadet  *)  (Befreiung  von  der 
Steuer  und  Wachtpflicht). 

Dem  Münzmeister  und  seinen  Gesellen  wird  auch  herzog- 
liche Sicherheit  und  Geleit  für  alle  auswärts  begangnen  Hand- 
lungen zugesagt,  und  selbst  nach  Aufkündigung  dieses  Geleits 
genießen  sie  dessen  Wirkungen  noch  4  Wochen  hindurch.  Ge- 
leit und  Sicherheit  wird  ausgedehnt  auf  alle  Ausländer  und 
Gäste,  welche  zum  Münzmeister  gehen  und  Silber  in  die  Münze 
bringen ;  ihr  Leib  und  Gut  darf  wegen  alter  Schulden  im  ganzen 
Lande  nicht  arretiert  werden. 

Die  hervorragende  Stellung  des  Münzraeisters  tritt  uns 
namentlich  entgegen  in  der  ihm  zuerkannten  Jurisdiktionsgewalt 
über  alle  Münzverwandte.  Ihm  allein  steht  die  Befugnis  zur 
iVhndung  aller  von  Dienern  und  Werkleuten  der  Münze  be- 
gangenen Delikte  mit  Ausnahme  der  todeswürdigen  Verbrechen 
zu  ^).  In  Civilstreitigkeiten  dagegen  sind  der  Münzmeister  und 
die  ihm  untergebenen  Bediensteten  vom  gewöhnlichen  Gerichts- 

1)  1391,  1395  (Lori  I,  S.  22,  26,  31,  60). 

2)  Ibid.  S  43. 

3)  L  0  r  i  I,  S.  61  (1458). 

4)  Ibid.  S.  29,  34,  75  f. 

5)  Ibid.  S.  29,  66  (1400,  1468),  S.  76,  78  (1460). 


—    874    — 

Stande  eximiert,  denn  nur  der  Herzog  und  Boiue  Rät«,  also 
nur  das  Uofgericht  ist  zur  Eutacheidung  von  Civilprozesseu  der 
Münzbcdienstfiteu  kompetent '). 

Im  1(>.  Jahrhundert*)  erscheint  jedoch  der  Münzmeister 
und  nach  ihm  der  Wardoiu  zuständig  zur  richterlichen  Ent- 
scheidung aller  „persönlichen  Sprüche  und  Sachen"  der  Münz- 
verwandten.  Während  ihrer  Zugehörigkeit  zum  Münzwerke  hat 
der  ordentliche  Richter  keinerlei  Gewalt  über  sie,  die  priyi- 
legierte  Gerichtsbarkeit  des  Müuzmcisters  tritt  statt  dieser  ta 
Kraft.  Als  AppellationsiiiBtanz  fungiert  der  Hofmeister  gegen 
l'rteile  des  Münchner  Münznteisters  (1506)*),  während  g^en 
Urteile  des  Mtlnzmcisters  an  der  neu  errichteten  MUnzslätt«  xu 
Straubing  Appellation  nur  zum  Oberrichter  vou  Straubing  ein- 
gelegt werden  kann  *). 

Dali  wir  aber  in  dieser  ausgedehnten  Privilegierung  der 
Münzbediensteten  bezüglich  des  Gericiitsstandes  und  der  Straf- 
gewalt  des  Münzmeisters  nur  das  Produkt  einer  späteren  Rechts- 
entwicklung zu  erblicken  haben,  bezeugt  eine  den  Münchner 
Studtrecbtsiitzeu  von  1347  angehörige  Bestimmung*),  wonach 
der  Mflnzmeister  über  die  Müuzer  lediglich  in  Schuldsachen  zu 
richten  hat.  Erst  wenn  auf  dreimalige  Erhebung  der  Klage 
der  Münzmcisler  nicht  eingreift,  darf  der  ordentliche  Richter 
mit  der  Klage  angegangen  werden.  Von  einer  Strafgewalt  des 
Mflnzmeisters  ist  hier  also  noch  nicht  die  Rede  ^). 

Zur  Uersti^llung  und  Überwachung  der  Richtigkeit  desPrftge- 
werke  waren  eine  Anzahl  von  KontroIIebeaniten  ernannt  Zu  djeeen 
gehörten  Versucher,  Aufzieher,  Eisengniber  und  Präiger. 

Ende  des  14.  Jahrhunderts  war  außer  den  technlscbeo 
Kontrollebeamtcn  noch  eine  Anzahl  von  Udrgeru  der  Stadt,  in 

11  Es  (oUen  indi  die  mOiunitiiter  und  ir  gMellcn,  diewett  tt  In  aoMf 
«tat  HQnch«!  mQni^D,  alndert  in  rocht  iteen  denn  bei  uu  nnd  tuiMni 
rltML 

81  Lori  I.  a  lai 

31  Ibid.  S.  137. 

4)  Aaer,  St4dtT.  VII  i.  86  (S.  SS7). 

6)  Zar  Üchlicbttmt;  Ton  6tt«itlgkdt«ii,  welche  lich  tiri>chau  dem  Henog 
und  dorn  Uanimelitv  «nUpiiiaen  wQrdoit,  fiodot  dcb  *ucb  rereinbart  Untap 
nerftin«;  notcr  doa  Sprach  ainM  SchiMlsgorirhta ,  bnftcbead  kqi  t-3  nm 
l»ei4ev  Puleioti  htnhata  benogUcbeii  Imteo  (Loti  L  ä.  "!&). 


—    375    — 

welcher  sich  die  Münzstätte  befand,  als  Überwachungsorgane 
bestellt.  In  dem  Münz  verein  von  1395  ^)  ordneten  die  bairischen 
Herzoge  an,  daß  aus  dem  innern  Rate  der  Münzstadt  je  3  Mit- 
glieder abgeordnet  werden  sollten,  welche,  ohne  an  dem  Münz- 
geschäft beteiligt  zu  sein,  nicht  nur  Prägeeisen,  Wage  und  Ge- 
wicht versorgen,  sondern  auch,  sobald  der  Münzmeister  das  Geld 
bis  zur  Prägung  fertig  gestellt  hatte,  unter  Beiziehung  eines 
Versuchers  und  Eisengrabers  das  Geld  an  Schrot  und  Korn 
prüfen  mußten.  Für  den  Fall  des  Richtigbefunds  hatten  so- 
dann diese  5  mit  ihren  eignen  Leuten  die  Prägung  selbst  vor- 
zunehmen unter  Ausschließung  der  Münzmeister  und  ihrer 
Knechte.  Schon  1400  ^)  ist  von  dieser  Fünferkommission  nicht 
mehr  die  Rede,  und  die  ganze  Kontrolle  ist  einem  Versucher 
anvertraut,  welcher  darüber  wachen  mußte,  daß  kein  Geld  vom 
Münzmeister  ausgegeben  wird,  bevor  es  probiert  und  gerecht- 
fertigt ist.  Eingehender  wird  die  Prüfung  der  neugeprägten 
Münzen  bereits  geregelt  in  der  Münzordnung  der  vier  Herzoge 
von  1406  ^).  Neben  den  Versuchern  und  Eisengrabern  werden 
auch  2  Aufzieher  bei  der  Münze  angestellt  —  frum  erberg  pider- 
läwt  den  zu  glauben  und  zu  trawen  ist*)  und  damit  wir  und 
land  und  läwt  besorgt  sein,  und  der  ir  yettweder  tail  an  der 
münzz  weder  gemain  noch  tail  haben.  Die  2  Aufzieher  sollen 
Prägeeisen,  Wage  und  Gewicht  innehaben  und  besorgen;  sie 
sind  also  in  die  oben  den  3  Ratsmitgliedem  angewiesenen 
Funktionen  eingetreten,  während  im  Landshuter  Münzverein  von 
1458*)  wieder  ein  herzoglicher  Rat  und  2  Mitglieder  des  Rats  der 
betreffenden  Münzstadt  zu  diesem  Geschäfte  delegiert  werden*). 


1)  Lori  I,  S.  26. 

2)  Bestallangsbrief  f^r  den  Mfinchner  Münzmeister:  Lori  I,  S.  28. 

3)  Rockinger,  Einleitung  8.  239  iL  (Lori  I,  S.  29  ft). 

4)  „and  sich  dos  versteen"  wird  im  Mflnzrerein  1458  hinzugefügt  (Lori 
I,  S.  59). 

-5}  L  0  r  i  I,  S.  58 ;  vgl  auch  Protokoll  des  Münztags  zu  Landshut  (ibid. 
S.  57). 

6)  Als  Ausnahme  muß  das  dem  Landshuter  Stadtrate  1458  vom  Herzog 
Ludwig  eingeräumte  Präsentationsrecht  der  Mflnzbediensteten  betrachtet 
werden.  Für  das  Amt  des  Versuchers,  Eisengrabers  und  Prägers  werden 
je  2,  für  das  doppelt  zu  besetzende  Aufziehoramt  je  4  Personen  vom  Stadtrat 
in  Vorschlag  gebracht;  aus  den  Vorgeschlagen  erwählt  nun  der  Herzosf  die 
orfordcrliche  Anzahl,  also  die  Hälfte  (Er.  A.  11  —  0.  B.  Mflnzwesen  Fase  14) 


Den  beiden  Aufzieliern  wird  das  bis  zur  Prägung  fertig 
gestellte  Geld  von  dem  Münzmcister  Übergeben.  Einer  von 
ibnen,  der  das  von  dem  andern  versiegelte  Prageeiscn  unter 
sicli  bchuU,  muß  bei  dem  Präger  i>is  nach  Vollendung  der 
Prägung  sitzen  bleuten.  Die  Aulzieber  prüfen  das  geiirägta 
(ield  in  Hflcksicht  auf  die  Aufzühl  (Schrot),  ziehen  dann  den 
Versucher  un<i  Msengraber  zu,  welch  ersterer  das  Koni  unter- 
aocht.  Dus  approbierte  Geld  wird  sodanu  dem  Mflnzmeister 
überantwortet. 

Diese  detaillierten  Vorschriften  über  MUnzprflfung  bilden 
die  Grundlage  auch  iler  späteren  Instruktionen,  in  welchen  bib, 
wenn  auch  unter  Modifikationen,  wiederkehren.  Namentlich  «ird 
fortan  fast  regelmäßig  das  sog.  Passiergewicht  fcslgesetüt,  daß, 
wenn  bei  Prüfung  des  Präguugswerks  die  Mark  nur  um  ^g  oder 
^i  zu  gering  befunden  wird,  man  dies  durchgeben  lassen  soll, 
aller  nur,  wenn  dies   nicht  zu  oft  vorkomme  ' ). 

Um  eine  sichere  Grundlage  für  diese  Mflnzprflfung*)  za 
haben,  wurde  dem  Mflnzmeislt>r  und  dem  Aufzieher  ein  Nor- 
Dialgewicht')  —  aiu  gerechtes  Lot  Gewicht  (biran  uinu  die 
Mflnz  Hufeiehe ,  so  sich  das  gebfirt  —  Qbergebcn  * ).  Die  Anf- 
zieher  und  Versucher  haben  das  von  ihnen  approbierte  Geld 
zu  beschreiben ,  also  die  Quantität  und  den  Tag  des  Aaf- 
zichens  aufzuzeichnen,  und  auf  Grund  dieser  Aufsclircibiutg  bat 
dann  der  Münzmeister  den  vereinbarten  Scblagschatz  in  die 
herzogliche  Kammer  abzuliefern ''). 

Der  Umfang  des  Geecbäftskreises  des  Prägers  ergibt  deh 
schon  aus  dem  Namen. 

Ganz  neu  erscheint  im  Iß.  Jahrhundert  das  Amt  doa  MOnz- 
kammerers,  vou  welcliem  zuerst  150*5  die  Rede  ist").  Dem 
Münzkammerer  wird  die  ganze  Verwaltung  der  Münze  anver- 

1)  LoTi  I.  S.  38  (1464). 

2}  Dl>«T  MOiiipmfantron  Qborhaapt  v^l  Ehebcrfc  S.  183  K 

:«  Lori  I,  a  3i.  30,  64 

tl  AniUehei  und  Prfiger  hattoo  neb  (^genieitiK  ai  kontrollieren.  So- 
wohl >Im  vom  Haumeittw  empAmgeDe  PrlgongtniRtor^al  wunlo  b  oiDor  Trafa« 
mit  2  SchldHem  Terwkbrt,  in  welchen  jeder  euBn  SchlfLuol  bonA  (Lori 
t,  &  Si'l. 

K    Lofi  I.  a34,  S9. 

tii  Lori  1^  6.  106:  BktMblag  wegen  Aafirtelinng  der  HOnibediMitOB. 


—    377    — 

traut;  ihm  sind  alle  Münzbeamten,  deren  pflichtmäßige  Amts- 
führung er  zu  überwachen  hat,  untergeordnet,  insbesondere  der 
Münzraeister,  welchen  er  genau  kontrollieren  und  jedes  an  ihm 
wahrgenommene  Mißtrauen  erweckende  Anzeichen  alsbald  zur 
Kenntnis  des  Herzogs  bringen  soll  *)•  Er  hat  namentlich  für 
Herbeischaffung  des  zur  Prägung  erforderlichen  Edelmetalls 
Sorge  zu  tragen,  also  Gold  und  Silber  sowohl  in  den  Berg- 
werken, als  von  den  Schmelzern  und  Kaufleuten  zu  kaufen  und 
das  neu  erkaufte  Gold  und  Silber  ebenso  wie  die  Edelmetall- 
vorräte seiner  Kammer  in  die  Münze  führen  zu  lassen,  damit 
es  hier  nie  au  Prägematerial  gebricht. 

Die  geprägten  Münzstticke  sind  vom  Münzmeister  wieder 
an  den  Münzkammerer  abzuliefern.  Dieser  darf  sie  jedoch  nur 
in  Empfang  nehmen,  nachdem  sie  „an  der  Prob,  Gehallt,  Auf- 
zal  und  Gewicht  gerecht  erfunden"  wurden.  Die  bei  der  Prüfung 
als  nicht  probehaltig  verworfnen  Münzen  soll  der  Münzkammerer 
dem  Münzmeister  zurückgeben,  der  ihre  wiederholte  Münzung 
auf  seine  Kosten  vorzunehmen  hat. 

Auch  das  Zahleramt  in  der  Münze  war  dem  Münzkammerer 
übertragen;  nachdem  ihm  vom  Münzmeister  und  Wardein  das 
gemünzte  Werk  nach  erfolgter  Prüfung  auf  der  Wage  übergeben 
worden  war,  hatte  er  die  einzelnen  Stücke  zu  zählen,  jeden 
Gulden  besonders  aufzuziehen  und  zu  wiegen  und  die  einen 
Kreuzer  zu  wenig  haltenden  Stücke  zu  zerschneiden*).  Der 
Herzog  behält  sich  aber  vor,  ihm  für  diese  Prüfungsarbeiten 
noch  eine  andre  Person  beizugeben  ^). 

Im  Zusammenhang  mit  der  Münzstätte  sind  ihm  auch  die 
Wechselbanken  in  den  verschiedenen  Städten  des  Landes  unter- 


1)  Ikstallungsbrief  für  den  Münzkammerer  K.  Oienger  (1507)  bei  Lori 
I,  S.  132  f. 

2)  In  einem  Werk  von  1000—1500  fl.  sollte  er  über  50  fl.  nicht  zu- 
lassen, den  Überschuli  zerschneiden.  Die  silbernen  xmd  goldenen  Münzen^ 
welche  er  bei  der  Besieh ti^ng  für  xmtaaglich  hielt,  sollte  er  aasscbie&en 
und  wieder  ausmünzen  lassen. 

3)  Alljährlich  hat  der  Münzkammerer  dem  Herzog  bezw.  der  Hofkammer 
Rechnung  zu  stellen  und  Zahlung  zu  leisten.  In  der  Rechnang  war  g^naa 
anzuführen  das  Quantum  des  für  die  Münzen  angekauften  Edelmetalles,  An- 
zahl der  hieraus  geprägten  Stücke  und  Sorten,  Kosten  des  Prägewerkt,  Ge- 
winn und  Verlust  der  einzelnen  Positionen,  sowohl  des  Silber-  und  Qoldankanfs 
als  der  Prägung. 


—    878    — 

stellt.  Er  soll  die  Durchführung  der  für  die  Wechsler  auf- 
gestellten OnlDuugen  Überwachen,  insbesondere  auf  ihre  Red- 
lichkeit im  Ein-  und  Verkauf  und  auf  Anwendung  richtigea 
Gewichts  sein  Augenmerk  richten.  Es  wird  ausdrücklich  der 
volkswirtschaftliche  gegenüber  dem  fiskalischen  Standpunkt  be- 
tont, nicht  großer  Gewinn,  sondern  Förderung  der  Ehre  uod 
des  Wohls  des  Landes  und  Fürsorge  für  dessen  BedflrfnisM 
sollen  bei  diesem  Verwallungszwcige  ins  Auge  Kefaßt  werdeu'). 

Die  in  dem  Münzkanimerer  geschatfeue  hrthere  Kontjoll- 
instanz  wurde  nicht  dauernd  in  den  Organismus  des  Münz- 
lieamtentums  aufgenommen.  Plötzlich,  wie  dus  Amt  aufgetaucht 
war,  verschwand  es  auch  wieder  von  der  Oberfläche,  da  ein  Be- 
dürfnis für  eine  solche  Zwischenbildung  um  so  weniger  gegeben 
war,  als  dem  höclisten  Finanzbeamten,  dem  Kammerraeister, 
und  später  der  Hofkammer  das  ganze  Münzwesen  unterstellt 
blieb. 

Als  neues  Amt  in  der  MQnz Verwaltung  tritt  uns  ferner 
noch  das  des  Wardeins  entgegen.  Der  \Vardein  ist  nach  dem 
Münzmeister  der  höchste  Beamte  der  MUnzstAtte  und  vertritt 
ihn  in  seiner  Abwesenheit '). 

Der  Gescbäftskreis  dieses  Beamten  ist  nicht  scharf  abge- 
grenzt und  wird  oft  mit  anderen  Amtsfunktionen  kumuliert'). 

Über  alle  seine  Verrichtungen,  über  das  Gewicht  dü3  Edd* 
metalls,  das  er  dem  Mflnzmeister  vorwiegt,  über  das  Aufziebea 
der  Münze  soll  er  Buch  führen,  um  durch  seine  Aufschreibungen 
die  des  MUnzmeisters  kontrollieren  zu  können. 

Die  Aufstellung  eines  geschwomun  Wardeins  wird  aOon 
Städten  und  Märkten  zur  Pflicht  gemacht  (1539)').  Dem 
trügerischen  Treilien,  die  Münzen  zu  verderben  und  zu  kOmen, 
soll  mit  Entschiedenheit  gesteuert  werden.  Deshalb  mi 
auch  ditoenigen  Personen,   welche  gemünztes  Silber  zu  ihrem 

1)  Lorl  I,  S.  189:  dum  wir  «oiiden  fcrof  OewOnl  oder  VortüU  < 
nit  begMii,  Moder  welchen,  tuuer  ond  gemiin«  unten  Ludea  Ere  und  NbH 
nnd  NoUorllt  m  betraehUa,  lefOrdem  nnd  luhudolD  üne  biMnit  woUea  b*> 
Tolhen  b»b«n. 

i)  Lori  1,  S.  1E8. 

S)  Tgl.  Lorl  I.  8.  13«.    Er  ftmgiert  meh  in^aleb  tk  AaUshw, 
wl*g*r  und  EiwohBtor  (Anfbawfthrvr  der  Prt^veiMBV 

4)  L«rl  L  &  SIW  (UenagUebe  Veiordnii^). 


—    379    — 

Privatbedarf  oder,  wie  die  Goldschmiede  beim  vorhandenen 
Mangel  an  Edelmetall,  in  ihrem  Gewerbebetriebe  verarbeiten 
wollen,  dies  der  Obrigkeit  anzeigen.  Wenn  der  Verdacht  einer 
betrügerischen  Absicht  nicht  gegeben  ist,  erteilt  diese  die  Er- 
laubnis, die  Münzen  durch  den  Wardein  kümen  zu  lassen.  Der 
Wardein  in  dieser  Gestalt  hat  demnach  eine  andere  Stellung 
als  der  uns  bis  dahin  unter  diesem  Namen  bekannte  Münz- 
beamte. Er  ist  nicht  herzoglicher  Beamter,  sondern  nur  Kommimal- 
beamter.  Auch  seine  Funktionen  sind  andere,  denn  er  hat  nicht 
die  Überwachung  ordnungsgemäßer  Prägung  in  einer  bestimmten 
Münzstätte  zu  besorgen,  sondern  fungiert  als  Organ  kommunaler 
Münzpolizeiverwaltung. 

Dem  Probierer  endlich  ist  der  Wirkungskreis  des  früheren 
Versuchers  im  wesentlichen  zugefallen.  Eine  Neuerung  be- 
steht darin,  daß  der  Probierer  nicht  nur  für  die  Prüfung  der 
neugeprägten  Münzen  in  der  Münzstätte  angestellt  ist,  sondern 
daß  er  dem  gesamten  Publikum  seine  Probierdienste  gegen  eine 
fest  abgestufte  Probetaxe  zu  widmen  hat,  auch  eine  Wieder- 
holung der  Probe  nicht  abschlagen  darf.  Wenn  der  Münzmeister 
mit  der  Probe  unzufrieden  ist,  den  Ausspruch  des  Probierers 
nicht  anerkennen  will,  so  soll  entweder  das  Urteil  andrer  bei- 
gezogner Sachverständigen  entscheiden,  oder  beide  Parteien  sollen 
das  Gutachten  irgend  eines  Schiedsrichters,  auch  einer  aus- 
wärtigen geschwomen  Beschau  als  für  sie  bindend  anerkennen^). 
Unter  allen  Umständen,  auch  wenn  der  Münzmeister  gegen  den 
Ausfall  der  Probe  keine  Erinnerungen  erhebt,  steht  dem  War- 
dein immer  die  Befugnis  der  Vornahme  einer  Nachprüfung  zu. 

Der  Hofkammer,  als  der  das  Staats-  und  volkswirtschaftliche 
Leben  des  Landes  leitenden  Behörde,  war  auch  die  Aufsicht 
über  das  Münzwesen   übertragen.     Sie  hatte  nicht  nur  für  die 


1)  In  dorn  angeführten  Bestallongsbriefe  für  den  Stranbinger  Münzmeister 
(1508  —  Lori  I,  S.  136)  wird  für  den  Fall  eines  Streits  wegen  der  Münz- 
proben  bestimmt,  daü  die  strittigen  Proben,  sofern  man  nicht  auf  die  Münchner 
Probe  kompromittieren  will,  nach  Hall  im  Innthal,  nach  Salzburg  oder  Nürn- 
berg oder  an  eined  sonst  mit  der  herzoglichen  Begienmg  zn  vereinbarenden 
geschwomen  Beschau  auf  Regierungskosten  geschickt  werden  sollen.  Der 
Münzmeister  hat,  wenn  seine  Beschwerde  nicht  für  begründet  erachtet  wird, 
den  Schaden  der  Regierung  zu  ersetzen. 


—    380    — 

Beobachtung  der  MünzverordnuDgen  Sorge  zu  tragen^),  sondern 
auch  die  Geschäftsgebahrung  der  Münzbeamten  zu  beaufsichtigen, 
Streitigkeiten  der  Probe  halber  zwischen  denselben  zu  entschei- 
den und  die  Rechnungen  der  Münzmeister  zu  prüfen. 

Das  Prinzip  des  Egoismus,  welches  das  mittelalterliche 
Staatsleben  beherrschte  und  öffentliche  Anordnungen  und  Ein- 
richtungen ohne  irgend  welche  Rücksichtnahme  auf  benachbarte 
Länder  zur  Durchführung  brachte,  konnte  für  manche  Gebiete 
des  Verkehrslebens  doch  nicht  ohne  Schädigung  der  Interessen 
des  eignen  Territoriums  rücksichtslos  verfolgt  werden.  Kein 
Zweig  der  Wirtschaftsverwaltung  vertrug  ein  solches  System  voll- 
ständiger Abschlicßung  weniger  als  das  Münzwesen.  Schon  frühe') 
trat  daher  das  Bedürfnis  der  Vereinigung  verschiedener  be- 
nachbarter Territorien  behufs  Erlassung  und  energischer  Durch- 
führung gemeinsamer  münzpolizeilicher  Vorschriften  hervor,  und 
während  schon  seit  dem  14.  Jahrhundert  die  Herzoge  der  ver- 
schiedenen bairischen  Linien  sich  zu  Münzvereinen  zusammen- 
schlössen, zeigt  uns  ein  Blick  in  Lori's  Sammlung  des  bairi- 
schen Münzrechts  (Bd.  I),  wie  häufig  sich  namentlich  während 
des  16.  Jahrhunderts  Baierns  Landesfürsten  mit  andern  geist^ 
liehen  und  weltlichen  Fürsten  und  Reichsstädten  in  Münzvereinen 
zur  Erlassung  gemeinschaftlicher  Münzordnungen  verbanden. 
Die  münzverwandten  Stände  ließen  dann  öfters  durch  Gesandte 
Beratung  über  den  geeigneten  Vollzug  der  Münzordnungen 
pflegen  und  verkündigten  das  Resultat  solcher  Beratungen  als 
„Münztags-Abschied"  ^). 

Als  Maximilian  L  das  deutsche  Reich  in  10  Kreise  ein- 
geteilt, war  in  diesen  Reichskreisen  ein  geeignetes  Exekutiv- 
organ  der  Reichsgesetzgebung,  insbesondere  der  Polizeinormen, 

1)  Hofkammcr-O.  1572  (Kr.  A.  M.)  —  sollen  si  (Eammerr&te)  auch  gaeto 
kundschaften  bestellen  auf  ausfuerung  der  ^oieten  und  einfflrung  der  böten 
münz,  damit  ob  unser  münzordnung  desto  stattlicher  mög  gehalten  weiden 
und  trachten,  das  nit  der  arm  man  mit  ainem  geringen  griffen,  sonder  aach 
diejenigen  so  haimblicher  weis  mit  disen  Sachen  gleich  ain  handtienmg 
treiben,  nit  übertragen  werden. 

2)  Über  eine  Zusammenkunft  bairischcr  und  Österreichischer  GeBandtea 
zum  Zwecke  einer  einheitlichen  besseren  Gestaltung  des  Mfinzwesens  (1466) 
vgl.  Eheberg  S.  68  f. 

3)  Münztagsabschied  der  münzverwandten  Fürsten  xmd  Stftnde  16S6 
1536,  1539  bei  Lori  I,  S.  194,  202,  209,  213  und  216. 


^ 


—    381    — 

gegeben.  Als  daher  das  Reich  auch  der  Ordnung  des  Münz- 
wesens seine  gesetzgeberische  Thätigkeit  widmete,  knüpfte  es 
sogleich  an  diese  Reichskreisverfassung  an.  Ira  Reichstags- 
abschied zu  Augsburg  vom  14.  Februar  1551  (§  40)  wird  daher 
den  einzelnen  Reichskreisen  auferlegt'),  in  einer  Versammlung 
der  Kreisstände  einen  Wardein  oder  Probierer  anzustellen  und 
diesen  aus  Kreismitteln  zu  besolden. 

In  eigentümlicher  Weise  mußten  die  bairischen  Herzoge, 
früher  allein  im  Besitze  des  Münzhoheitsrechts  in  Regensburg  *), 
dasselbe  später  mit  den  dortigen  Bischöfen  teilen^). 

Die  Ausübung  des  Münzregals  war  in  Regensburg,  wie  in 
andern  Städten,  den  „Hausgenossen"  *),  einer  Korporation  freier 
Geschlechter^)  übertragen^),  welche,  als  selbständige  Unter- 
nehmer auf  eigne  Rechnung^)  die  Ausmünzung  übernahmen, 
und  denen  der  Ertrag  oft  seitens  der  Fürsten  für  die  diesen  ge- 
machtd*  Darlehen  verpfändet  war,  so  daß  sie  den  Schlagschatz, 
der  als  Äquivalent  für  die  Verzinsung  der  Schuldsumme  betrachtet 
wurde,  nicht  abzuliefern®)  brauchten;  durch  den  Überschuß 
wurde  das  Kapital  selbst  getilgt^).  An  ihrer  Spitze  stand  der  von 
den  Fürsten  ernannte  Münzmeister'®).  Die  Hausgenossen  konnten 


1)  Lori  I,  S.  234,  269  (R.Münz-0. 1569),  S.  274  ff.  (RProbations-O.).  — 
Der  bairische  Kreis  beschloß  die  Abhaltung  von  jährlichen  Probationstagen 
am  1.  Mai  und  1.  Oktober;  1571  wurde  sodann  die  Aufstellung  eines  Ereis- 
münzmcisters  neben  dem  Kreisward  ein  beschlossen  (Loril,  S.  285;  II,  S.  29). 

2)  Muffat,  Beiträge  zur  Geschichte  des  bayerischen  Münzwesens  (Abh. 
d.  baier.  Akademie  ILL  CL  XL  L  AbtL)  S.  211;  vgl  auch  den  Vertrag  Bischof 
Conrads  zu  Regcnsburgs  mit  Herzog  Ludwig  (Qu.  u.  Er.  Y,  S.  4  u.  14) ;  femer 
Auszug  aus  dem  Original-Saalbuch  Herzog  Heinrichs  in  Niederbaiem  1285 
(Lori  I,  S.  11). 

3)  Vgl  über  die  weiteren  Schicksale  des  herzoglichen  Münzrechts  zu  B. 
Muffat  a.  a,0.  S.  215  ff 

4)  monetarii,  qui  dicuntur  husgenosze  (1295).  Bied,  Cod.  dipL  Batisb. 
l  p.  688. 

5)  Arnold  (Verfassungsgeschichte  der  deutschen  Freistftdte.  Hamburg 
und  Gotha  1854)  I,  S.  272. 

C)  Über  Wesen  und  Stellung  der  Hausgenossen  vgl  Eheberg  S.  97ff 

7)  Muffat  S.  222  (B.  H.  VIII,  p.  50). 

8)  Eh  ob  e  rg  a,  a.  0.  S.  137  (M.  B.  XXXVI,  2,  p.  464;  R,  B.  V,  p.  371; 
VIII,  p.  357). 

9)  Muffat  a.a.  0.  8.218 

10)  Herzog  Albrechts  I  Bestallungsbrief  für  den  Münzmeister  in  Begens- 
burg  1339  (Lori  I,  S.  J8). 


ihre  ehelichen  Sohne  und  Enkel  in  ihre  Genossenschaft  aof- 
nehmen.  Fremde  nur  mit  Zustimmung  der  Fürsten  ' ).  Letztere 
durften  aber  auch  der  Genossenschaft  keine  Mitglieder  gegen 
ihren  Willen  aufdrängen.  Zu  diesem  Zugeständnisse  ließen  sich 
die  Fürsten  herbei,  nachdem  mannigfache  Versuche,  neue,  ihnen 
genehme  Elemente  der  Hausgenossenschaft  zuzuführen,  Reibereien 
veranlaßt  hatten  *). 

I>ie  Prüfung  der  neugeprägten  Münzen  erfolgte  durch  den 
Münzmetster,  welchem  sie  von  den  Uausgenossen  zu  überbringen 
waren. 

Die  den  bairisclicn  Münzbcaniten  eingeräumten  Jurisdiktions- 
privilegien  waren  in  Regenshurg  schon  durch  die  Existenz  der 
Hausgenossen  modifiziert.  Zur  Aburteilung  aller  auf  die  Münze 
oder  den  Wechsel  bezüglichen  Verbrechcu  oder  zur  Hestrafunic 
anderer,  von  den  IlauBgeuoäsen  oder  ihren  Dienern  verübten 
Delikte  sollte  nach  einem  herzoglichen  Privilege  von  1295  ein 
besonderes  Münzgericht  koaslituiert  werden,  bei  welchem  der 
Herzog  selbst  oder  ein  von  ihm  ernannter  Richter  als  Vor- 
sitzender fungierte,  während  die  Hausgenossen  das  Urteil 
fanden  ').  Doch  wurde  durch  diese  Speziafiurisdiktion  die  Blut- 
gerichtsbarkeit  in  keiner  Weise  berührt,  denn  die  Aburtdltiog 
der  todeswürdigen  Verbrechen  sollte  der  Jurisdiktion  des  Herzogs 
nicht  entzogen  werden. 

Auch  über  die  von  den  in  der  Münze  beschäftigten  Hnad- 
werkcm  verübten  Münzverbrechen  steht  dcu  Münzmeisteni  die 
Jurisdiktion^ewalt  zu*)'     Wie  in  andern  Städten,  so  fiel  audi 

1)  QtL  a  Er.  V.  S.  2ßl  (1272);  VI.  a  78  {1296)j  ibid.  S.  367  (ISSß*. 

S)  EbeboTK  »-».0.  ai4T  (Oe meiner  I.  S  400  n.  US). 

S)  Qq.  o.  Er.  T,  S.  78  —  per  noi  (Benog)  aat  iodicM  nostros  ad  ho«  ft 
nobi«  iptculiter  depatandoi  iuxt> . .  moDoteriorium  unntsotutn,  nt  iari*  ordo 
et  delicti  qvtlitu  oiei^rit,  ioxU  vnlptro  in  dcn)  üoditiK  *eiil«nli«liter  dM^ 
dutiir.  —  Qd.  D.  Er.  VI,  8.  S67;  Wk  nch,  ob  lUicinerlaje  uiAf  and  a»' 
nietat  tudar  dm  nnuUlm  «dar  in  d«r  manB  oder  u  dem  wochid 
du  wtr  oiob  onrHhtM  gelot  and  sewig,  du  •Ollen  wir  Tkbt«B  n^ 
tmnfgfooneB  JOÜg  und  orUil  m  dnn  gedinp. 

4)  Mao   m1   Mch   kain>ni  plo&iiti   pfcoing  iUiiim,   in  babon 
aialitor  geMtum  and  rervocht  mit  wag  und  mit  fcwr.  er  IFJ  banag«! 
oder  ikher.    Wer  damit  liogrilTeD  wnrd,  dat  füllen  dj  mi 
dam  tecwT  in  «licht  man   dnn  dawin  ab  auf  dorn   itoekeb  in  i 
drr  tccbton  liana.   und   dpRi  ilahi-r  dwMlb  (HnfUt  a  3SS). 
dllcUao  dM  ManimMuten  wird  in  Hof  fat'i  Dantallniif  (S>.ÜO) 


—    383    — 

in  Regensburg  dem  MüDzmeister  und  den  Hausgenossen  die 
Aufgabe  zu,  nach  Falschmünzern  zu  "fahnden,  die  ergriffenen 
vor  den  ordentlichen  Richter  zur  Aburteilung  zu  bringen,  wo- 
bei dann  dem  Münzmeister  teilweise  die  Rolle  des  Anklägers 
zugewiesen  war*). 

Unter  den  Münzprivilegien  ist  noch  hervorzuheben  der  be- 
sondere Friede,  mit  welchem  auch  das  Regensburger  Münzhaus 
begnadet  war*).  Wer  an  dieser  Stätte  ein  Verbrechen  begeht, 
hat  außer  der  Buße  an  den  Verletzten  noch  an  den  Fürsten 
wegen  der  Verletzung  der  Immunität  des  Thatorts  Sühne  zu 
leisten  ^). 

Das 'Monopol  des  Wechselrechts  mit  dem  Vorrecht  des 
Silberkaufs*)  war  auch  den  Regensburger  Hausgenossen  ein- 
geräumt'^).  Als  die  Hausgenossen  im  Laufe  des  14.  Jahr- 
hunderts mehrmals  ^)  die  Prägung,  welche  beim  Steigen  des 
Silberwerts  und  der  Prägungskosten  unrentabel  erschien,  ein- 
gestellt und  1392  der  Rat  selbst  die  Prägung  mit  Erlaubnis 
des  Herzog  Albrechts  I.  auf  4  Jahre  übernommen  hatte,  um  den 
Ruf  und  den  schon  erschütterten  Kredit  der  Stadt  nicht  noch 
mehr  zu  gefährden^),  übertrug  er  das  Recht  des  Wechsels 
zweien  aus  seiner  Mitte  und  zweien  aus  den  Fünfundvierzigem, 
was  auch  1395  geschah®),  als  der  Rat,  nachdem  die  Haus- 
genossen noch  immer  auf  Prägung  verzichteten,  von  Albrecht  I. 
und  Bischof  Johann  wiederholt  zur  Prägung  auf  4  Jahre  er- 
mächtigt wurde  ^). 

Die  wiederholte  zeitweise  Überlassung  der  Ausübung  des 
Münzrechts  an  den  Rat  bewirkte  den  vollständigen  Übergang 


1)  Muffat  S.  268;  Eheberg  S.  167. 

2)  Schon  1295  sichert  Otto  IQ.  diesen  Frieden  zu:  nt  qnicnmque  in  .  . 
loco  monete  vol  concambii  faerit  ant  illnc  superrenerit  auctoritate  nostra 
principali  plena  in  persona  sna,  qnamdia  in  eisdem  lods  manserit»  inmrani- 
tate,  securitate  gaudeat  atque  pace  (Qn.  u.  Er.  VI,  S.  78  —  1296;  vgl  auch 
S.  357  -    1339). 

3)  Qu.  u.  Er.  VI,  S.  78  —  1296. 

4)  Lori  I,  S.  11. 

5)  Muffat  S.  224  ffi;  Eheberg  S.  142  f. 

6)  1355  und  1391  (Muffat  S.  225). 

7)  Gemeiner,  Reichsstadt  Regensburgische  Chronik  II,  S.  278;  B.  B. 
VIII,  p.  50. 

8^  Muffat  S.  226. 

9.  K.  B.  XI,  p.  58;  Gemeiner  H  S.  284. 


—    384    — 

des  Regals  an  diesen  ^).  Im  Jahre  1500  befahlen  die  der  Stadt 
vorgesetzten  Kommissäre  derselben  die  Ausübung  des  Münz- 
rechts  an,  welchem  Befehle  die  Stadt  entsprach.  1510  ver- 
pachtete sie  das  Münzregal  auf  10  Jahre  an  den  Münzmeister 
Martin  Lerch  und  entgegnete  den  Beschwerden  der  vormund- 
schaftlichen Regierung  zu  München,  kraft  kaiserlicher  Privi- 
legien besitze  sie  seit  undenklicher  Zeit  das  Münzrecht  ^).  Erst 
1512  erteilte  Kaiser  Maximilian  der  Stadt  das  Privilegium,  neben 
den  silbernen  auch  goldne  Münzen  schlagen  zu  dürfen  *). 


§21. 
Die  Bergbeamten. 

Einen  wesentlichen  Teil  der  Funktionen  der  Bergbeamten, 
die  richterlichen,  haben  wir  l)ereits  bei  der  Darstellung  der 
Gerichtsverfassung  ^)  kennen  gelernt  Daneben  waren  diesen 
al)er  noch  sehr  umfangreiche  Aufgaben  der  Bergwerksverwaltung 
übertragen.  Denn  wenn  auch  die  Berg>verke  zumeist  nicht  in 
eigner  Regie  des  Staates  bebaut  wiu-den,  so  war  doch  bei  der 
großen  volkswirtschaftlichen  Bedeutung  des  Bergbaus,  dem  sich 
noch  ein  fiskalisches  Interesse  beigesellte*),  eine  sehr  weit- 
gehende Beaufsichtigung  des  Grubenbetriebs  durch  die  landes- 
herrlichen Organe  angeordnet.  Die  Gewerke  waren  beim  Betriebe 
an  die  Beobachtung  detaillierter  Vorschriften  der  Bergordnungen 
gebunden,  welche  die  technische  Ausübung  des  Bergbaues  im 
Interesse  einer  rationellen  Ausbeute  von  Mineralien  beschränk- 
ten und  den  Raubbau  verhindern  sollten.  Es  war  eine  höchst 
intensive,  sich  auf  die  Details  des  Betriebs  und  der  Verwaltung 
erstreckende  Leitung,  welche  in  die  Eigentumsverhältnisse  der 
Bergwerkseigentümer  viel  tiefer  eingriff  als  heutzutage,  wo  der 
Staat,  nachdem  die  Regalität  verschwunden,   vermöge  seiner 

1)  Muffat  S.  224. 

2)  Gemeiner  IV,  S.  155,  164,  177,  190. 

3)  S.  216  K  (§  10). 

41  Die  mit  dem  BergwcrkseigeDtum  Belichenen  mnfiten  eine  feste  Quote 
des  jährlichen  Ertrags  an  die  herzogliche  Kammer  ahf Ohren,  z.  B.  1430  in 
Ainmorgan  (Ocfele,  Eeram  Boic.  Scriptorcs  II,  p.  217),  1463  in  Lam  (Lori 
S.  05).  Die  Abgabe  des  10.  Kflbols  als  Fron  wurde  als  aUgemeines  Berg»- 
rccht  aufgefaßt    Vgl  K  a  r  s  t  e  n  S.  208  ff. 


^ 


—    385    — 

Berghoheit  nur  die  Beobachtung  der  im  öflfentlichen  Interesse 
und  durch  die  besondem  Gefahren  des  Bergbaus  bedingten 
polizeilichen  Vorschriften  fordert. 

Dem  Bergrichter  war  die  Verwaltung  des  Bergregals  nach 
jeder  Richtung  hin  übertragen,  ursprünglich  für  ein  ein- 
zelnes Bergwerk  und  seit  dem  16.  Jahrhundert  für  das  ganze 
Herzogtum. 

Eine  der  wichtigsten  Aufgaben  des  Bergrichters  bildete 
die  Verleihung  des  Bergwerkseigentums.  Diese  wurde  auf  die 
Mutung  des  Finders  erteilt  und  war,  seitdem  ihrer  im  Schläd- 
minger  Bergbriefe  zum  ersten  Male  Erwähnung  geschah,  fast  in 
allen  deutschen  Bergordnungen  als  Erfordernis  für  die  Erwer- 
bung des  Bergwerkseigentums  festgehalten  worden.  Der  Berg- 
richter * )  war  durch  seine  Anstellung  zur  selbständigen  Verleihung*) 
eines  Bergwerks^),  autorisiert  und  es  ist  als  Ausnahme  zu 
betrachten,  wenn  die  Rattenberger  Ordnung  dem  Bergrichter 
die  Verleihung  untersagt  ohne  des  Herzogs*)  besondere  Er- 
laubnis ^). 

Als  ein  zweites  wichtiges  Organ  der  Bergbehörde  begegnet 
der  Bergschreiber.  Der  Geschäftskreis  dieses  Nebenbeamten 
wird  bestimmt  durch  dasselbe  Prinzip,  auf  welchem  das  Institut 
des  Gegenschreibers  ^)  bei  allen  Verwaltungsämtem  beruht.  In 
ihm  ist  ein  Kontrolleorgan  für  die  ordnungsmäßige  Erfüllung 
der  Obliegenheiten  des  Hauptbeamten  geschaffen,  welches  vor- 
züglich bei  den  mit  Vereinnahmung  von  Gefallen  betrauten  Be- 

1)  Dies  Recht  der  Verleihung  steht  anch  in  andern  Lftndem  dem  fierg- 
richter  (rcsp.  Bergmeister)  zn.  Vgl.  Achenbäch,  Das  gem.  deutsche  Berg- 
recht Bonn  1871.  I,  S.  208,  371,  397,  399,  398;  Lori  S.  105,  164,  246. 

2)  Jede  VeräuEerung  des  Bergwerkeigentams  mnftte  ebenfalls  vor  dem 
ßcrgrichter  erfolgen. 

3)  Auch  Wälder  darf  der  Bergrichter  hinleihen  (Rattenberger  0.  §  53).  Das 
Zusammenschlagen  mehrerer  Bergbanberechtigangen  zu  einer  Grobe  durfte 
auch  nur  mit  des  Bergrichters  Genehmigung  erfolgen.  Gleich  der  Verleihung 
war  auch  diese  Konsolidation  in  das  Bergrichterbuch  einzutragen  (§  34). 

4)  Lori  S.  57. 

5^  Schon  1485  und  1499  wird  von  dem  Erfordernisse  der  herzoglichen 
Genehmigung  abgesehen  in  den  Bergfreiheiten  in  Niederbaiem  und  Berg- 
freiheitserklärung Albrechts  IV.  (Lori  S.  122,  130). 

6)  Auch  für  den  Bergschroiber  wird  die  Bezeichnung  Gegenschreiber 
gebraucht,  z.  B.  Bergfreiheiten  für  Kitzbüchel  etc.  1469  (L  o  r  i  S.  63  §  9). 

K  ()  s  c  n  t  h  .1 1 ,  (jfschtchte  d.  Oerichtsw.  n.  d.  Verw.-Org.  Dalerns.  I.  25 


-    386    - 

hörden  seine  volle  Wirksamkeit  entfalten  kann.  —  Die  Bedeutung 
einer  Bergwerksverleihung  macht  seine  Mitwirkung  bei  diesem 
Akte  zur  Notwendigkeit,  ja  die  Eintragung  derselben  in  das 
Bergbuch  ist  neben  der  Empfangung  Voraussetzung  der  rechts- 
wirksamen Bergbaugerechtigkeit  ^). 

Sowohl  der  Richter,  als  der  Schreiber  hatten  je  ein  Bach 
zu  führen  ^),  und  jede  Verleihung,  sowie  jede  Veränderung  im 
Grubenbesitze ')  sollte  vom  Richter  in  des  Schreibers  Buch  und 
von  diesem  in  das  des  Richters  eingetragen  werden  *).  Genauig- 
keit und  parteilose  Richtigkeit  der  Einträge  war  streng  ein- 
geschärft, ebenso  Geheimhaltung  derselben.  Nur  mit  Zustim- 
mung beider  Teile  oder  bei  Prozessen  cessierte  diese  Verpflidi- 
tung  ^).  Am  Ende  eines  jeden  Jahres  ist  ein  Verzeichnis  aller 
Verleihungen  „gen  Hof"  einzuschicken,  damit  für  etwaige  Ap- 
pellationen eine  geeignete  Grundlage  für  die  Entscheidung  der 
Grubenstreitigkeiten  vorhanden  sei.  Bei  den  Appellationen, 
welche  vor  Ablauf  des  Jahres  erhoben  wurden,  war  nur  eine 
Abschrift  des  die  streitige  Grube  betreflfenden  Eintrags  dem  Ge- 
ding  beizulegen  ♦*•). 

Außer  den  Verleihungsbüchem  mußten  Richter  und  Schreiber 
noch  je  ein  Buch  über  sämtliche  Urteils-  und  Schiedssprüche, 


1)  Battenberger  0.  §  7  (Lori  S.  58).  Die  bergrichterliche  Genehmigmig 
des  ZaEiammenschlagenB  einer  Grube  mußte,  wie  die  Verleihung,  eingeschriebeD 
werden  (§  34). 

2)  Das.  §  5. 

3)  §  43.  Die  Namen  der  einzelnen  Gewerke  mußten  bei  gemeinsdiafU 
lichem  Grubenbetriebe  verzeichnet  werden,  wie  jede  Veräußerung  einei  An- 
teils -  und  damit  so  verkumbt  man  auch  künftige  Irrsal,  der  zwischen  den 
Gewerkhen  KaufTcns  und  Verkauffens  halb  ersteen  mochten. 

4)  Das  „Gegenbuch**  kommt  schon  sehr  frühe  im  deutschen  Bergrechte 
vor.  ursprünglich  nur  eine  Nachweisung  der  Zechen  und  der  Teilnehmer  an 
dem  Bergwerkseigentum,  entwickelte  es  sich  allmählich  zu  einer  das  Beij^ 
Werkseigentum  beweisenden  Urkunde  (Karsten  S.  193).  —  Der  Arnttkreb 
des  Bergschreibers  umfaßt  überall  so  ziemlich  die  nämlichen  Geschäfte^  mter 
denen  die  Eintragung  der  Verleihung  eine  Hauptrolle  spielt 

5)  Ratt  0.  §  4,  45 :  Njemandts  darin  ainichcrlai  lesen  oder  hOren  lAnea, 
es  bescheh  dann  nach  baidcr  Tail  Vcrwilligung  oder  mit  rechtlicher  Br- 
kanntnuß:  dannoch  so  soll  man  nicht  mehr  hOren  lassen,  dann  den  oder  die 
Artikl,  darum  die  Irrung  ist 

6)  §  40  —  daz  man  sich  mit  Entledigung  der  Urtail   darnach  wiA 
richten. 


^ 


—    387    — 

welche  vob  ihnen  und  den  Geschwornen  gefällt  wurden,  eben- 
falls wechselseitig  führen  *)• 

Unter  dem  Bergrichter  war  ein  reichgegliederter  Organis- 
mus von  technischen  Bediensteten  mit  der  Ausbeute  des  Berg- 
werks beschäftigt.  An  der  Spitze  des  technischen  Personals 
stand  der  Bergmeister*),  welcher  da,  wo  ein  Bergrichter  nicht 
bestellt  war,  vollständig  dessen  Posten  versah  und  vorzüglich 
die  Bergwerksverleihung  vorzunehmen  hatte.  Ihm  war  neben 
dem  Bergrichter  die  Aufsicht  über  die  Thätigkeit  aller  Berg- 
leute übertragen,  insbesondere  hatte  er  den  Schmelzmeister  zu 
überwachen,  mit  dem  Bergschreiber  das  diesem  zugewogene  Erz 
zu  verzeichnen  und  dem  Schmelzen  beizuwohnen. 

Während  für  die  Leitung  der  Arbeiten  der  Bergleute  im 
allgemeinen  nur  der  Gesichtspunkt  der  Zweckmäßigkeit  maß- 
gebend blieb,  waren  für  einzelne  besonders  wichtige  Funktionen 
Spezialvorschriften  erlassen.  Die  Teilung  des  gewonnenen  Erzes 
durfte  so  nur  in  Gegenwart  des  Bergmeisters  oder  seines  Ver- 
treter, des  Bergschreibers,  oder  des  geschwornen  Froners  er- 
folgen; mindestens  2  dieser  Bediensteten  mußten  einer  solchen 
Teilung  beiwohnen,  um  Unterschleife  zu  verhüten  ^). 

Mit  dem  Bergbau,  welcher  die  Gewinnung  der  Mineralien 
zum  Gegenstande  hat,  geht  Hand  in  Hand  das  Hüttenwesen, 
welches  die  Aufl)ereitung  und  chemische  Verarbeitung  derselben 
bezweckt.  Von  jeher  wurden  die  Hüttenwerke  als  ein  Annex 
der  Bergwerke  betrachtet,  die  Aufsicht  und  Jurisdiktion  über 
diese,  da  auch  die  Bergbauprivilegien  auf  sie  ausgedehnt  waren, 
den  Bergbeamten  zugewiesen*). 

Bei  der  volkswirtschaftlichen  Bedeutung  der  Edelmetalle 
waren  für  die  Herrichtung  des  geförderten  Silbers  für  den  Ver- 
kehr Spezialvorschriften  erlassen,  um  die  Prüfung  einer  gleich- 
mäßigen Beschatl'enheit  (Güte  und  Gewicht)  der  einzelnen  Silber- 


1)  §  42.  Die  Namen  der  bei  Fällnng  der  einzahlen  Urteile  und  Schieds- 
sprüche beteiligen  Geschworenen  wurden  in  diesem  Yerhandlongsbache  auf- 
geführt, auf  daü  man  sich  kunftiglich,  ob  ainicherlai  Irung  der  Sachen  halben 
entstünde,  darnach  wisse  zu  richten  (§  44). 

2^  In  Osterreich  ist  der  Bergmeistor  Richter  in  Weinbergsangelegenheiten 
(Luschin  S.  188  f). 

3;  §  52. 

4)  Achonbach  S.  183,  191. 

25* 


teile  und  deren  Beglaubigung  durch  die  staatliche  Autoritiit  zu 
Bichem,  wie  auch  wegen  des  finanziellen  Ertrages  der  iui  herzt^- 
liehen  Eigentum  befindlichen  Silberbergwerke  eine  scharfe  Kon- 
trolle beim  Wiegen  und  Brennen  des  Silbers  durchgeführt  war. 
Der  geschworuc  Versucher  hatt«  für  die  Herrichtung  des 
Silbers  zu  sorgen,  wobei  der  sog.  Schwager  Bran<l  als  Norm 
für  die  Qualität  diente')  —  daß  soI  also  gemacht  werden, 
damit  ein  Silber  als  das  annder  in  gleicher  Guett  an  PraaDt 
aiisgon. 

Das  Schmelzen  des  Silbers  wurde  von  Gcschwomen,  „so 
über  den  Prannt  von  uns  gesezt  seyn",  vorgenommen,  und  erst 
wenn  es  von  ihnen  und  dem  Versucher  für  vorschriftsmiLßig  be- 
funden war,  wurde  es  durch  des  Eigentümers  Zeichen  und  durch 
den  herzoglichen  Stempel,  welchen  der  Bergmeistcr  aufdrückte, 
als  probeboltig  anerkannt ')- 

Hervorragend  qualifizierte  Techniker  wurden  von  auswärts*) 
nach  Baiem  berufen,  ihnen  ward  auch  die  Vorpfiichtung  auf- 
erlegt, andere  Personen  nach  vorheriger  Beeidigung  iu  ihrer 
Kunst  zu  unterrichten.  Jede  Veruntreuung  im  Amte,  z.  B. 
VcrriDgenuig  des  Silbers  beim  Schmelzen,  war  mit  dem  Tode 
bedroht  *). 


1)  Sie  lollen  darob  tein,  dAl  der  Brand  dee  Silbon  in  denelbvn  Gftto 
geichehe,  wie  ein  Stflek  Silber,  du  Smtl  mit  tuuenn  Zcicbea  Baioilaiid  (*• 
leicboet  tit,  du  n  detbalb  immer  bei  ibren  Banden  haben  eollim  (Iniink- 
tion,  R  A.). 

i,  §  67  und  6& 

3i  Im  allf^emeioeD  wurde    der  Qrondaati  featgebalten ,  dai  di«  Bcf^ 
beamtcn  keinen  Anteil  am  fiergwerlto  hab«D  durftoD  (Lo  ii  S.  Itfl,  t''~     ~ 
den  BeMbwerden  der  LanditAode,  welche  der  L.0. 1501  Torau 
auch  aof  die  Nichtbeacbtang  der  Beetimmnng  liingewicteD ,   dal  k 
mann  lellwt  achmelien  oder  Bn  kaufen  toUe,  weil  die«  dem  g 
*«At  inin  Nachteil  klme  (Kreooer  XIH,  S.  183}. 

4)  pKr  toll  dem  Brand  ordentlicb  naehf^hen  nnd  ihn  nicht  g 
maoben  b«  dar  Strafe  det  Brando«,  die  ibm  ebne  alle  Oaade  an  i 
Leibe  widor&breo  wflrde.* 


—    389    — 

§23. 
Die  Zollbeamten. 

Eine  hervorragende  Finanzquelle  bildeten  die  Einnahmen 
aus  dem  Zollregal,  welches  den  bairischen  Herzogen  schon  frühe 
zustand^).  Wann  dasselbe  ihnen  verliehen  wurde,  läßt  sich 
nicht  ermitteln,  jedenfalls  schon  lange  vor  der  goldnen  Bulle, 
denn  im  13.  Jahrhundert  ist  in  bairischen  Urkunden  vielfach 
von  theloneum  und  muta  die  Rede*).  In  der  die  Regalien  der 
Herzoge  konfirmierenden  Urkunde  Karls  IV.^)  von  1376  wird 
auch  das  Zollregal  aufgeführt*). 

Ursprünglich  wurde  zwischen  dem  Zoll  und  der  Maut  unter- 
schieden, indem  man  wahrscheinlich  die  Abgabe  beim  Import 
der  Waren  aus  dem  Auslande  ins  Inland  Zoll,  dagegen  die  Ab- 
gabe bei  der  Ausfuhr  der  Waren  aus  dem  Inlande  ins  Ausland 
Maut  nannte,  doch  hat  sich  diese  Unterscheidung  nicht  erhalten, 
und  im  15.  Jahrhundert  wurden  Zoll  und  Maut  unterschiedslos 
gebraucht-'^). 

Der  Zöllner  (teleonarius)*)  ist  der  herzogliche  Beamte, 
welchem  die  Vereinnahmung  des  Zolls  an  einer  bestimmten  Zoll- 
stätte übertragen  war.    Nicht  nur  an  den  Grenzen  wurden  solche 


1)  Die  BohanptoDg  A 1  b  e  r  t  *8  (Bayoms  Zollwesen  aas  den  ältesten 
Zeiten  bis  auf  unsere  Zeit  München  1829.  S.  9),  daA  sich  die  Agilolfingor 
schon  im  9.  Jabrbundert  der  Zölle  als  Landeshoheitsrechte  bedienten,  ist  an- 
haltbar, denn  die  Raffolstetter  Zollverordnangen  (M.  G.  Leg.  III,  p.  480),  auf 
die  er  sieb  beruft,  wollen  nur  das  Herkommen  in  Bezug  auf  die  Ausübung 
des  Zollrcchts  feststellen,  besagen  aber  nichts  darüber,  daA  dasselbe  den 
Herzogen  und  niebt  dem  Könige  zustand. 

2)  z.  B.  Qu.  u.  Er.  V,  S.  192,  213,  301.  308  (1262  a.  s.  w.). 

3)  Kreittmayr,  Anm.  z.  Cod.  Bav.  civ.  II  c  8   §  11  n.  9. 

4)  Karl  V.  erteilte  sodann  1534  (15.  Dez.)  den  Herzogen  Wilhelm  IV. 
und  Ludwig  und  ibren  Erben  in  Erwägung  ihrer  dem  Reiche  and  dem  Hause 
Österreich  geleisteten  Dienste  das  Zollrecht  auf  ewige  Zeiten  (Albert 
a.  a.  0.  S.  10). 

5)  Lang,  Bayr.  Jahrbücher  S.  364;  vgl  Schm eller-Frommann 
I,  S.  1686.  Doch  hciEt  es  schon  1199  in  einer  Bestfitigungsarkunde  K  Philipps  IL 
telonia,  quae  a  vulgo  dicuntur  muta.  Das  Wort  Maut  gehört  dem  bairischen 
Sprachgebiet  an  (Grimm,  Deutsches  Wörterbuch.  Leipzig  1885.  VI,  S.  1885). 

6)  Dieser  kommt  im  Laufe  des  13.  Jahrhunderts  wiederholt  vor.  In  der 
oben  angeführten  Rechnung  des  oberbairischen  Vitztums  von  1291—94  werden 
auch  Einkünfte  von  Zöllnern  aufgeführt  (y.  Oefele  a  a.  0.  S.  281  ff). 


—    390    — 

Abgaben  von  den  ins  Ausland  gehenden  und  aus  demselben  kommen- 
den Gütern  erhoben,  sondern  auch  mitten  im  Lande  errichtete 
man  Zollstätten  mit  der  Maßgabe,  daß,  so  oft  ein  Waren- 
transport  zu  Wasser  oder  zu  Land  dieselbe  passierte^),  die 
Pflicht  zur  Zollentrichtung  existent  wurde.  Vom  Warentransit*) 
wurde  also  diese  Abgabe  entrichtet  (Transitzoll). 

Ursprünglich  mag  wohl  das  Gebührenprinzip  den  Ausgangs- 
punkt für  solche  Zollerhebung  gebildet  haben,  indem  man  diesen 
als  Äquivalent  für  die  Einrichtung  oder  Unterhaltung  von  Ver- 
kehrsanstalten  (Wege,  Brücken,  Häfen  u.  s.  w.)')  betrachtete, 
bis  dann  diese  Entstehung  in  Vergessenheit  geraten  war  und 
die  im  Zollregal  liegende  Befugnis,  den  Verkehr  als  Einnahme- 
quelle zu  benutzen,  hervortrat  *).  Das  Streben  nach  rücksichts- 
loser finanzieller  Ausbeute  des  Verkehrs  führte  zur  Verviel- 
fältigung der  Zollstätten,  und  dann  griff  zuweilen  eine  gesunde 
Reaktion  Platz,  indem  die  Aufhebung  der  neuen  Zollstätten  an- 
geordnet wurde  *).  Und  auch  bei  solchen  Maßnahmen  war  auf 
die  Interessen  der  Gläubiger  Rücksicht  zu  nehmen,  indem  die 
Durchführung  derselben  erst  nach  Befriedigung  der  Gläubiger, 
welchen  solche  Zollerträgnisse  zur  Befriedigung  angewiesen 
waren,  eintreten  sollte.  Denn  wenn  überhaupt  zur  Befriedi- 
gung landesherrlicher  Bedürfnisse  bei  der  rein  privatrechtlichen 
Auffassung  staatlicher  Verhältnisse,  wie  sie  noch  dem  ausgehen- 
den Mittelalter  eigen  war,  alle  Hoheitsrechte,  sogar  die  Gerichts- 
l)arkeit  zum  Gegenstände  von  Privatrechtsgeschäften  (Verkauf 
Veri)fändung)  gemacht  wurden,  so  war  dies  vornehmlich  bei  den 
Zöllen  der  Fall,  und  es  sclieint,  daß  man  je  nach  dem  Finanzbedarf 
oline  Rücksicht  auf  den  Verkehr  zur  Anlegung  solch  neuer  ZoU- 
stiitten  geschritten  ist     Der  Rechtstitel   war,  wie  Vocke*) 

1)  Vgl.  Waitz  VIII,  S.  293. 

2)  Vgl.  Scydel  t  S.  97. 

3i  Darauf  deutet  auch  die  spätere  Verpflichtung  des  Zöllners  lor  Ei^ 
haltuDg  und  Reparatur  von  Brücken,  Weg  und  Steg.  Auch  Landr.  a.  7f 
statuiert  eine  solche  Verpflichtung  des  Brückhays  (wo  pruck  sint,  die  man 
zollen  soll)  zur  Erhaltung  der  Brücke  in  gutem  Stande  evont  zur  Sctaadeu- 
ersatzleistung. 

4)  Vgl  Vocko,  Die  Abgaben  etc.,  S.  168  f.,  über  die  Entwicklung  dM 

Zollwesens. 

5)  z.  B.  Qu.  u.  Er.  VI,  S.  169.  227. 

6)  a.  a.  0.  S.  159. 


M 


—    391    — 

treffend  sagt,  das  vorausgesetzte  Hoheitsrecht,  d.  h.  beim  Lichte 
betrachtet:  die  Gewalt. 

Bei  dem  nicht  allzu  stark  entwickelten  Verkehre  konnte 
die  Arbeitskraft  einer  Person  nicht  durch  die  Thätigkeit  der 
Zollerhebung  ausgefüllt  werden.  Deshalb  wird  das  Amt  des 
Zollners  häufig  mit  einem  andern  verbunden,  wie  sich  überhaupt 
eine  Kumulierung  mehrerer  finanzieller  Ämter  in  einer  Per- 
son ^)  öfters  findet^). 

Das  Kontrolleorgan,  welches,  wie  erwähnt,  in  der  Person  des 
Gegenschreibers  allen  mit  der  Vereinnahmung  von  öflFentlichen 
Gefällen  betrauten  Beamten  beigesellt  wurde,  findet  sich  seit  der 
2.  Hälfte  des  15.  Jahrhunderts  auch  in  der  Zollverwaltung, 
jedenfalls  bei  solchen  Zollämtern,  die  nicht  „bestandweise"  ver- 
liehen wurden.  Der  Zollgegenschreiber  mußte  im  Zollhause  an- 
wesend sein,  da  alle  Zollgeschäfte  in  seiner  Gegenwart  verrichtet 
werden  sollten.  Er  hatte  alle  Zolleinnahmen  und  -ausgaben 
aufzuzeichnen,  und  seine  Aufschreibungen  mußten  mit  denen  des 
Zollners  übereinstimmen.  Beide  Beamte  hatten  einen  Schlüssel 
zur  Zollkasse,  die  sie  also  nur  gemeinschaftlich  öflfnen  konnten. 
Dem  Mißbrauche,  daß  die  Zollner  ihre  dienstlichen  Obliegen- 
heiten nicht  selbst  versahen,  sondern  dieselben  durch  ihre  Gegen- 
schreiber und  andere  Bedienstete  verrichten  ließen,  sollte  ener- 
gisch begegnet  werden. 

Während  einige  Zollstätten  gegen  eine  bestimmte  Pacht- 
summe an  den  Zollner  verpachtet  waren  ^),  wurden  wieder 
andere  in  Selbstregie  des  Staates  verwaltet.  Hier  bezog  der 
Zollner  nur  seinen  Gehalt*)  mit  Nebeneinkünften,   war  aber 

1)  z.  B.  1526  ist  Zöllner  in  Traonstein  zugleich  Ungolter,  Kästner 
und  Förster,  in  Kosenhcim,  Aibling  zugleich  Kästner,  in  Schongau,  Rieten- 
burg  zugleich  Richter,  Kastner  und  Ungelter,  in  Landsberg,  Rain,  Pfaffenbofen 
Kästner  und  Ungclter,  in  Friedberg  zugleich  Richter,  in  Schloß  Dachau  und 
Markt  Kösching  zugleich  Gerichtsschreiber,  in  Neustadt  zugleich  Ungelter, 
Ptleger  und  Richter  (Kr.  A.  M.  —  Gen.-Reg.  n.  9). 

2)  Nach  Albort,  a.a.O.  S.  11,  gab  es  in  Baiem  schon  in  früher  Zeit 
27  Zollstüttcn  zu  Wasser  und  89  zu  Land. 

3)  1572  wurde  2  Kammerräten  der  Auftrag  erteilt,  zu  untersuchen,  ob 
nicht  die  Zollämter  am  besten  für  je  3  Jahre  mit  allen  Geföllon  verpachtet 
würden,  „damit  wir  ein  Gewisses  hätten  und  also  aller  Unkosten  und  jeden 
Abtrags  überhoben  blieben"  (Kr.  A.  M.). 

4i  Besonders  die  kleinen  Zollrechte,  bestimmte  Quote  der  Zollgebühr 
(gewöhnlich  in  natura). 


—    392    - 

verpflichtet,  die  gesamten  vereiBnahmten  Beträge  an  die  herzog- 
liche Kammer  abzuliefern  und  dem  Rentmeister  über  Einnahmen 
und  Ausgaben  ^ )  Rechnung  zu  stellen.  Unter  diesen  Ausgaben 
figurierten,  wie  dies  bei  mangelnder  Kassencentralisienuig 
durchweg  der  Fall  war,  außer  den  für  die  Bestreitung  der  Per- 
sonal- und  Realexigenzen  der  Zollverwaltung  erforderlichen,  auch 
solche,  welche  mit  dem  Zollwesen  in  gar  keinem  Zusammen- 
hange standen. 

Die  Zollgebühren,  welche  an  den  einzelnen  Zollhäusern  zur 
Hebung  kamen,  waren  durch  Herkommen  fixiert ;  der  betreffende 
Tarif  wurde  auch  zuweilen  beim  Amtsantritt  dem  Bestandzettel 
einverleibt. 

Die  Kontrolle,  welche  die  Verhütung  von  Veruntreuungen 
bezweckte,  war  eine  zweifache.  Nicht  nur  mußte  der  ZoUg^en- 
Schreiber,  wie  erwähnt,  alle  Einnahmen  verzeichnen,  sondern  es 
wurde  dem  Fuhrmann,  der  zollbares  Gut  führte,  auch  ein  Zeichen 
als  Beleg  der  vollzogenen  Verzollung  gegeben.  Nur  gegen  Abgabe 
desselben  durfte  ihn  der  geschwome  Thorwart  das  Stadtthor 
passieren  lassen.     Der  Thorwart  lieferte  aber  die  unter  Tags 

1)  Zu  diesen  gehörten  namentlich  die  Reparaturkosten  fOr  Brücken  und 
Straßen  (Krenner  VII,  S.  247;  XVUI,  S.  333).  Mit  ihrer  Wegebau-  reip. 
Unterhaltungspflicht  scheinen  die  Zöllner  es  aber  nicht  ernst  genommen  m 
haben,  denn  wiederholt  wurden  Klagen  über  die  schlechten  Wege  laut  So 
beschwerten  sich  die  niederbairischcn  Stände  1493  (Krenner  IX,  S.  236) 
hierwcgen  gegen  die  Zollbeamten  mit  der  Begründung,  daß  dadurch  die  Zu- 
fahrten zu  den  Städten  'und  Märkten  gemieden  würden  und  derhalben  ge- 
meiner Schaden  erwachse.  —  Nachdrücklichst  schärfte  die  LO.  1553  (B.  IV 
t  14  a.  1,  2)  den  Zöllnern  die  Erhaltungs-  und  Reparaturpflicht  ein  und  ge- 
bot, damit  die  Straßen,  wenn  sie  jetzt  gebessert  wären,  nicht  mehr  in  eine 
solch  traurige  Verfassung  gerieten,  den  Zöllnern,  alle  Straßen  und  Wege  ihree 
Amtsbezirks  zweimal  jährlich  zu  bereiten.  Als  dann  die  Beschwerden  über 
die  bOsen  Wege  immer  noch  nicht  aufhörten,  legte  die  L.O.  1578  den  nach- 
lässigen Beamten  die  Verpflichtung  der  Schadensersatzleistung  für  die  durch 
den  schlechten  Zustand  der  Wege  herbeigeführten  Unfälle  auf  Aber  schon 
einige  Jahre  später  war  der  Herzog  genötigt,  den  Zöllnern  und  Mantnexn 
aufs  neue  einzuschärfen,  die  Wege  statthaft  zu  machen,  in  gutem  Wesen  m 
erhalten  und  keine  Kosten  dabei  zu  scheuen,  da  täglich  Beschwerden  der 
Fuhrleute  in  dieser  Kichtung  einliefen.  Denn  dieser  schlechte  Zustand  der 
Straßen  bringe  an  dem  Gewerbe  und  Kammergut  (Zollen)  nicht  kleine  Ver- 
hinderung, dazu  würden  durch  den  übrigen  Fuhrlohn,  welcher  der  bOien 
Wege  halber  gegeben  werden  müsse,  alle  ins  Land  und  aus  dem  Lande  ge- 
fdhrten  Waren  verteuert  (Kr.  A-  M.  —  Gen.  Keg.  Rechnungswesen  No.  2  P.  1). 


.M 


—    393    — 

empfangenen  Zeichen  nach  Thorschluß  im  Zollhause  ab,  worauf 
dann  die  beiden  Zollbeamten  auf  Giiind  der  abgelieferten  Zeichen 
das  Register  der  Tageszolleinnahmen  feststellten.  Diese  Geschäfte 
des  Thorwarts  wurden  mitunter  auch  von  Unterzollnern  besorgt. 

Im  ganzen  bildeten  diese  Grundsätze  des  zollamtlichen  Ver- 
fahrens auch  die  Grundlage  der  sehr  ins  Detail  gehenden  Zoll- 
ordnungen des  16.  Jahrhunderts  0. 

Nach  der  Zollordnung  von  1536,  welche  sich  als  Aus- 
führungsverordnung des  kaiserlichen  Zollprivilegs  vom  15.  De- 
zember 1534  darstellt  und  deshalb  auf  die  einzelnen  durch 
diese  für  zollpflichtig  erklärten  Warengattungen  Rücksicht 
nimmt,  wird  dem  Fuhrmann  eine  sog.  Bolitte^)  gegeben. 
Diese  wird  aber  nicht  als  Kontrollemittel  verwendet,  sondern 
ist^  nur  eine  Zollquittung,  welche  dem  Zollpflichtigen  die  Er- 
legung der  Zollgebühr  für  eine  bestimmte  Quantität  Waren  be- 
scheinigt, von  diesem  nicht  an  einer  andern  Stelle  abgegeben, 
sondern  zur  Legitimation  behalten  wird,  um  ihn  gegen  weitere. 
Zollanfordcrungen  zu  sichern^).  Da,  wo  genügendes  Personal 
vorhanden,  wurden  aber  auch  fernerhin  Zollzettel  zu  Kontrolle- 
zwecken ausgefertigt,  die,  wie  das  beim  Großzoll  München*) 
der  Fall  war,  von  den  Uberreitem  im  Thore  gesammelt  und 
allabendlich  dem  Gegenschreiber  eingehändigt  wurden.  Hier 
waren  nämlich  außer  dem  Großzollner  und  seinem  Gegenschreiber 
noch  ein  Unterzollner  und  Überreiter  bestellt,  und  1571  wurde 

1)  Kopie  einer  Zollordnang  für  das  ganze  Herzogtum  1536  (Er.  A.  IL  — 
Gen.  Keg.  Zollwesen  F.  4/1);  Instruktion  für  den  Großzoll  München  1559  und 
1571  (R.  A.  -  München  Ger.  I.  64.  69«). 

2)  Bolitto  (ital  Polizza,  vgl.  Schmeller-Frommann  1,8.386),  unser 
Billet^  ist  zolltechnischer  Ausdruck  für  Urkunde,  Bescheinigung. 

3)  Um  den  Marktverkehr  durch  den  Zoll  auf  wollene  Tücher,  Barchent^ 
Leinwand  nicht  zu  hemmen,  durfte  dieser  nicht  von  allen  diesen  von  Aus- 
ländern zu  Markt  ^ehrachtcn,  sondern  nur  von  den  auf  demselben  verkauften 
erhoben  werden.  Zu  diesem  Behufe  mußten  die  Zollbeamten  bei  Beginn  des 
Markts  ein  Verzeichnis  des  ausländischen  Warenbestandes  eines  jeden  Kauf- 
manns anfertigen  und  nach  Beendigung  desselben  auf  Grund  desselben  unter 
Vernehmung  der  Verkäufer  die  Quantität  der  verkauften,  also  zollpflichtigen 
Waren  feststellen.  —  Dagegen  mußte  Gold,  Samt,  Seide,  die  von  In-  oder 
Ausländern  überhaupt  im  Inlande  feilgehalten  wurden,  vor  der  Feilbietung 
verzollt  und  jedes  verzollte  Stück  mit  einem  Zeichen  verpetschiert  und  be- 
zeichnet werden. 

4)  Ordnung  1559. 


noch  ein  besonderer  Salz-  oder  Stadelscb  reiber  emannt,  der 
beim  Salzstadcl  ein  Register  Ober  die  von  den  einzelnen  Fuhr- 
leuten geladenen  Scheiben  Salz  führen  mußte.  Da  diese  Be- 
8cbreit)ung  mit  den  in  der  Zollstube  ausgestellten  Zollzuicben 
übereinstimmen  mußte,  so  war  damit  eine  neue,  der  Widitig- 
keit  der  vom  Salzhaudel  ßtlligeu  Abgaben  angeniesst^no  Kontrolle 
gcscbaffen. 

Den  Beamten  der  Zollverwaltung  war  auch  die  Aufsicht 
über  die  Vollziehung* )  des  Geleites')  übertragen,  also  die  Hand- 
habung jenes  der  Landcalierrschaft  zustehenden  Regal«,  welches 
in  einer  dem  Reisenden  zu  ihrem  Schutze*)  (gegen  entsprechende 
Vergütung)  gewährte  Begleitung  durch  Bewaffnete  bestand  *). 
Für  diese  Funktionen  waren")  dem  Zollner  mehrere  Geldta- 
bereiter  (-knechte)  untergeben,  welche  diese  Beschirmung  der 
Reisenden  und  ibrerGUter  zu  besorgen  und  dieGebtlhr  auf  Grund 
des  Tarifs«)  zu  erheben  und  iio  den  Zollner  abzuliefern  ballen 
unter  Abrechnung  des  ihnen  tarifmäHig  zukommenden  Antüls 
an  den  Gebühren ').    Die  Zollbeamten  hatten  nur  für  die  Ver- 

1)  Die  ErtoÜBiig  dcBBolbeo  war  Sache  des  Vititami  brzw.  de«  Koat&iMitoa 

2}  V^L  Ober  diEeelbP  Kreittina;r,  Knm.  t.  Cod.  Bar.  dr.  U  c.  6 
S  11  n.  7. 

3i  Einen  andern  Charakter  hatt«  dal  Geleit  der  Jndeo.  Oiew,  wdcbea 
durch  die  L.0  1&53  (6.  VI  a.  I,  3)  der  AoTentbalt  in  finiern  untersagt  wu. 
warm  K^iwungen,  wenn  die  Notdurft  Uincn  eine  Bebe  durch  BaioiB  auf- 
erlegte,  bei  der  Orenuoll-  oder  HaataUtte  am  Geleit  cd  enucben  and  lick 
bei  jeder  Zoll*  oder  Mautatitte,  welcbe  rio  bertUu1«D,  unter  ErlognoK  dM 
GdeitgeldM  tu  melden. 

i)  Jeder  Brach  doi  Tom  Henog  oder  einem  bOhsrn  Beamten  ertotttm 
Geleite«  galt  als  Vititombandel  (L.  Fr-  I  a  16  n.  61. 

6)  Selbst  auGerhalb  der  Landeegrenion,  s.  B  In  Panan,  war  ein  hano^ 
lieh  bairiKher  Einoehner  det  Haotgoldi  and  dea  Uoleiti,  welcbftr  dem 
Mautner  in  Bur^baDien  unter^ben  war,  bettollt.  ,Er  toll  ~  wie  die  B^ 
■tallan^  1470  boia)^  —  von  anaertwet^o  tod  PaaMU  aoi  die  Stralen  b^ 
Uiten,  die  tod  Aiter  ber  durch  andre  untre  F^nnchmer  der  Uaat  balaltat 
wurden  aind.  l>ocb  wer  ihn  darum  rmcht,  dem  mU  er  nicht  andan  gvb«^ 
dun  daA  er  belaite  ror  uni  and  alle  die  Uuers,  der  wir  aiit,-ebllhrllch  mlehUg 
■ind,  M  veit  und  rerne  nnter  Gelalt  w&hrt"  (RA  —  VerlHAoe  Pfleg  . .  intv 

6]  TerveUedeo  lieme**en  je  nach  der  Qoalitit  der  Ware  odar  de«  Bit 
•enden  (i.  B.  Wagen  beicblagner  Güter,  Karren,  Reit«r,  Jude.  Kanfiuano)^ 

7)  )(.B.  ein  Kaoftnann  U  Grotcbon  von  Pacaaa  nach  ^tntkirrrhni ,  doB 
Xaecbt  I  Oroacben  Trinkgeld. 


—    395    — 

wirklichung  des  Schutzes  der  mit  Geleitsbriefen  versehenen 
Reisenden  zu  sorgen.  Die  Erteilung  solcher  war  nicht  ihres 
Amtes.    Diese  fiel  den  Vitztumen  oder  den  Rentmeistem  zu. 

§28. 
Die  üngelter. 

Der  stets  wachsende  Geldbedarf  der  Herzoge  ließ  auf  neue 
Mittel  zur  Deckung  desselben  sinnen.  Was  lag  näher  als  eine 
Ausdehnung  der  Zölle  auf  Gegenstände  des  inländischen  Ver- 
kehrs, insbesondere  auf  die  wegen  des  starken  Verbrauchs  reichen 
Ertrag  verheißenden  landesüblichen  Getränke  (Wein,  Bier,  Met)*). 
Man  schritt  daher  auch  in  Baiem  zur  Einführung  des  Getränke- 
ungelds  ^ ). 

Ursprünglich  wird  die  Befugnis  zur  Erhebung  von  Ungeld 
einzelnen  Städten  für  bestimmte  Zwecke  verliehen.  So  erhalten 
die  Münchner  1301  von  Herzog  Rudolf  das  Recht,  Ungeld  am 
obem  und  untern  Thor  zu  erheben  bis  zur  Vollendung  ihrer  Stadt- 
mauer ^).  Es  war  das  eines  der  vielen  Privilegien,  durch  welche 
die  Gnade  der  Herzoge  das  Aufblühen  der  Städte  beförderte. 
Inzwischen  hatten  sich  die  landständischen  Rechte  der  Städte 
immer  mehr  befestigt,  und  außer  den  herkömmlichen  Steuern  und 
Abgaben  konnte  der  Landesherr  von  ihnen  keinerlei  Leistungen 
beanspruchen,  außer  solche,  deren  Entrichtung  die  Städte  aus- 
drücklich bewilligten.  Dann  erteilen  einzelne  Städte  den  Herzogöi 
das  Recht  der  Ungeldserhebung  für  eine  bestimmte  Anzahl  von 
Jahren*),  gewöhnlich  in  der  Weise,  daß  der  Ertrag  zwischen 
dem  Herzog  und  der  Stadt  geteilt  werden  soll.  Wegen  dieser 
Teilung  wurde  vom  Herzog  und  der  Stadt  je  ein  Ungelter  er- 
nannt^). 

1)  Vgl  Vocke,  Dio  Abgaben  etc.  &  165. 

2)  In  der  Bezeichnung  Ungeld  kommt  nach  Vocke,  S.  166 ,  die  Auf- 
fassung dieser  Auflage  seitens  der  ünterthanen  als  einer  nicht  nnter  der  her- 
kömmlichen Ordnung  stehenden,  eigentlich  zn  Unrecht  erhobenen  (malom 
toltum)  zum  Ausdruck.  Vgl.  auch  8.  v.  Ungelt  Schmeller- Frommann 
I,   S.  907  (telonia  vestra  injnsta  L  e.  angelt). 

3)  M.  B.  XXXV,  1,  p.  25,  54. 

4)1  So  München  1396,  1403  (L  c.  p.  195,  293). 

5)  Von  dem  1395  seitens  der  Stadt  Ingolstadt  bewilligten  Ungeld  beiog 
'/a  der  Herzog  (fOr  die  Küche),  Vi  "eine  GlÄubiger,  die  Bürger  der  Stadt» 


Zur  Kiuführuug  eines  allgemeineD  Ungeldes  im  ganzen 
Lande  Herzog  Georgs  kam  es  erst  1488  >).  Von  jeiiem  LandB- 
buter  Eimer  wa.ren  4  Maß  eines  jeden  Getränkes  in  seinem 
Werte  in  Geld  zu  entrichten.  Die  Ungcller  selbst  wurden  vom 
Herzog,  die  Gegenscbreiber,  Viaicrer  und  Eimerer  in  den  Städten 
und  Milrkten  von  diesen  ernannt,  jcdocU  nicht  nur  diesen,  aon- 
dem  auch  dem  Herzog  vereidigt*),  ebenso  wie  dies  auch  mit 
den  llngcltern  des  Hofmarksherm  zu  geschehen  hatte'). 

über  <iie  Ungeldvenvaltung  iu  den  StAdten  gcl>un  GÜiigc 
für  München  und  Ijindshut  erlassenen  Instruktionen*)  Anf- 
EchlQsse.  Der  herzogliche  und  der  stüdiischc  üugelter  sollten 
~nach  diesen  stets  gemeinschaftlich  handeln,  um  sich  tn  ihrer 
Geschäftsführung  gegenseitig  zu  kontrollieren*).  Vierteljähr- 
lich findet  die  Abrechnung  der  beiden  Ungelter  statt,  die  bo- 
treffendcn  Quoten  werden  an  den  licnlmeiater')  und  an  den 
Stadtkilnimerur  abgeführt,  nachdem  vorher  die  Besoldungen  des 
Üngeldpersonalä  in  Abzug  gebracht  worden  sind. 

Zum  Hülfspersonal')  im  Ungeldweaen*},  das  vom  Stadt- 

nr  Tilgtmg  ihrer  Fordertingeii  und  </,  die  Stidt  fDr  den  Bftn  dar  8ta4t 
niBDor    Vgl  den  CD^It-Brief  bei  t!ejfried  &  41U  It 

1)  T.  Frejrberg.  Gesch.  der  bair.  Luditfiade  I,  S.  6G9. 

i)  tJageldMrdnnDKen  t.  2.  Felr.  148.9  (Krenner  Xu,  a  239  S). 

8)  Diecen  worde  '/,  des  DDgoId«  lagowieten,  der  Best  mi  den  hmog- 
liehen  Ungelter  nu  dem  dei  Uo&narliehenii  abgeliefert  nnd  von  Diid  aid, 
&lli  er  nicht  iclireiben  könnt«,  darcb  einen  andern  glaabbafteo  Scbrüb«r  ia 
de*  enteren  Bach  eingetragen,  am  jede  Vemntreanng  in  Terfaindem. 

4)  ÜngeldardniinK  COr  HOncheD  160S,  für  Uad^hnt  1619  (R  A.  —  L  di, 
69*;  L  Bl,  67). 

6]  Beide  führten  je  ein  Bogietor  Ober  die  ron  ihnen  fonrinnahnit«D  Va- 
geldbetrige,  weichet  ne  ihrer  ^emchaft  abiutiefeni  hatten.  Die  DngeM- 
tndie,  IU  welcher  beide  je  einen  SchlOMel  hatten  -  aiifierdnm  noch  dar 
Bentmeiiter  und  ein  Stadtrat  —  darfton  rio  auch  nur  gcmeituam  anf-  vod 
tuperren.  Die  mit  der  Zahlung  ihrer  tJogeldtrJiuld  hlckrtlniUgen  Wirt» 
■oUten  ')iiartaliter  in  einem  VeneichniMe  meanmicngeiteUt  und  lur  y-»M^iiiig 
■nfgefordert  werden.  Im  Falle  dei  Ungehoream«  knnntf  ihnen  bia  rar  Zib* 
hng  sogar  der  Aoaicbank  eingeitellt  werden. 

6)  Der  henogUcbe  Ungelter  hat  dem  Reulmeieter  Bechnang 

7)  Vgl  Roianthal,  Beitrlge  S.  33. 

8)  Über  die  Wirkung  dei  Ungelda  auf  den  BranntweinkonnM,! 
breitet  sich  eine  UOnchner  Ungotdaordnung  von  16S2  in  ■□  charakteritlladMr 
W«i^  dat  die  Worte  ebenso  gut  in  nnsem  Tagen  bei  Bermtnng  «jiMi 
BiKnnt»einsl«notxeMtxes    bitten    gesprochen   worden  kanaeo  lÜ.  A.  —  I 


-    397    — 

rate  bestellt  wurde,  gehörte  noch  der  Ungeldschreiber,  welcher 
beim  Kaufe  von  Wein  u.  s.  w.  durch  die  Bürger  die  Fässer  ver- 
petschaften  und  beschreiben  mußte.  Er  konnte  zugleich  Unter- . 
käufer  sein.  Ferner  der  Visierer,  welcher  die  Getränke  zu 
eichen  hatte,  und  der  Aufreißer,  welcher  den  Boden  der  zum  Aus- 
schank bestimmten  Fässer  im  Keller  anreißen  mußte. 


64,  65).  „Wiowohl  der  BranntweiD,  wo  der  mit  ÜberfloA  getrunken  dem 
Menschen  an  seinem  Leib  ein  nachteilig  Getränk  und  in  gftchllcher 
Trunkenheit  und  daraus  folgenden  Lastern  hoche  Urtach  ist,  dero wegen 
dann  Herzog  W.  und  die  Stadt  Manchen  einen  stattlichen  und  großen 
Ungcld  nemlich  den  4.  Teil  daraus  geschlagen  aus  Meinung,  damit  den  ge- 
meinem Anfall  des  flberflflssigen  Trinkens  ermelten  Branntweins,  wo  derselbe 
in  hohem  Wert  sein  würde,  forzukommen,  welches  Wohlmeinen  aber  bisher 
mit  wenigsten  fruchtbarlich  nit  gesteuert  noch  des  Branntweins  weniger  ge- 
trunken, sondern  damit  Ursache  gegeben,  daft  etliche  den  groAen  Ungeld 
scheuen  .  .  und  dafi  der  Branntwein  heimlich  in  die  Stadt  gebracht  werde. 
Dieweilen  dann  der  Sach  des  flbermäAigen  unordentlichen  Branntweintrinkens 
mit  diesem  hohen  Ungeld  nit  geholfen,  so  soll  mehr  nicht  als  8  MaA  Tom 
Eimer  zum  Ungeld  gegeben  werden**. 


FÜNFTES  CAPITEL. 

Die  Steuer  Verwaltung. 
§3*- 

Die  Organe  der  laiidsUndlscheii  Steucrrerwaltuns. 

Sclion  wiederholt  wurde  butont '),  von  welcb  herrorrageii- 
cler  Wichtigkeit  filr  die  Ausbildung  der  landsländisclien  Ver- 
fassung das  SteuerbüwilligutigsnK:ht  derselljen  war,  das  auch  in 
Baiem  seit  dem  lk-gi»ue  dos  14,  Jahrbuudürts  iiifolgü  dw  Btets 
wnchsendeu  Fiiianznot  der  Herzoge  imuier  Itiiufiger  von  diesen 
in  Anspruch  genommen  wurde.  Nicht  auf  diese  fUr  die  Ge- 
schichte der  Verfassung  und  die  Entwicklung  unsres  Steuer^ 
Wesens  gleich  bedeutsame  Materie  kann  hier  eingegangen  vterdeo, 
sondern  es  soll  nur  der  für  diu  Geschichte  der  Finanzvcnvattung 
nicht  unwichtige  Anteil  der  StAude  au  3er  Steuerverwoltung  klar* 
gelegt  werden.  Denn  die  Macht  der  alten  Stande  war  nicht 
wie  die  der  modernen  Landtage  bvschrAnkt  lediglich  auf  die 
Bewilligung  einer  Steuer,  deren  Erhebung  und  Verwaltung  ( 
nur  durch  her/ogliche  Bcaiutc  erfolgte,  sondern  ihr  Itecbt  er*  j 
streckte  sich  auch  darauf,  durch  ihre  eigenen  Organe  die  Vor*  1 
anlagung,  Erhebung  und  Verwendung  der  von  ihnen  bewüligteo  J 
Steuer  bewerkstelligen  zu  lassen.  Namentlich  tu  ItUcki 
die  Verwendung  der  Steuer  war  dos  stjUidi8<:he  Uccfat  vod  g 
Werte.  Denn  da  die  Steuer  ursprünglich  nur  för  < 
stimmten  Zweck  bewilligt  wurde,  waren  die  St&nde  in  i 


1]  T^  RockiBgtr,  EioldtmiK  8,  1»  C,  tOfi  E 


—    399 

versetzt,  jeden  Mißbrauch  anderweiter  Verwendung  zu  verhin- 
dern, indem  sie  den  Ertrag  der  Steuer  direkt  an  den  Bestimmungs- 
ort abführten,  also  z.  B.  den  Gläubigem  des  Herzogs,  deren 
Forderung  getilgt  werden  sollte,   die  Schuldsumme  bezahlten. 

Zum  ersten  Mal  wird  in  Baiem  eine  Steuer  erwähnt  1215, 
eine  zweite  Steuer  ward  dann  am  Ende  des  13.  Jahrhunderts 
1295  bewilligt,  doch  fehlen  nähere  Nachrichten  über  dieselben. 
Erst  seit  der  auf  dem  oberbairischen  Rittertage  zu  Schnaitpach 
1302  bewilligten  Vieh-  und  Klauensteuer  besitzen  wir  eingehende 
Kunde  über  das  Steuerwesen  ^). 

Grundlegend  für  die  Anteilnahme  der  Stände  an  der  Steuer- 
verwaltung war  die  Bewilligung  einer  Viehsteuer  durch  den  Adel 
und  die  Bürgerschaft  Oberbaiems  1356,  indem  Ludwig  der 
Brandenburger  den  Ständen  das  Recht  einräumte*),  aus  ihrer 
Mitte  eine  Steuerkommission  von  8  Adligen  und  8  Bürgern 
niederzusetzen  ^). 

Der  Herzog  geht  in  der  Beschränkung  seiner  Machtvoll- 
kommenheit den  Ständen  gegenüber  so  weit,  daß  er  etwaige 
Steuerbefreiungen,  sei  es  daß  sie  von  ihm  oder  seiner  Gemahlin 
herrühren,  im  voraus  für  kraftlos  und  die  Stände,  falls  er  sich 
eine  Übertretung  der  vereinbarten  Bestimmungen  zu  Schulden 


1)  Über  die  Entwicklung  des  bairischon  Steuerwesens  überhaupt  vgl. 
L.  Hoffmann,  Geschicbto  der  direkten  Steuern  in  Baiern  vom  Ende  dos 
13.  bis  zum  Beginn  des  19.  Jahrhunderts  (Schmollor,  Staats-  und  sozial- 
wissenschaftliche Forschungen  Bd.  lY,  Heft  5),  Leipzig  1883,  S.  6  fL,  und 
Rockinger,   Einleitung  S.  405  ff. 

2)  Urkunde  nach  dem  Original  im  R.  A.  abgedruckt  bei  Bockinger, 
Einleitung  S.  204  ff 

3)  und  darumb  haben  wir  in  erlaubt  versprochen  und  auch  enpfolhen, 
daz  si  16  zuo  der  stewer  geben  habent  und  auch  benennet  8  ritter  und 
knohtt  von  dem  land  und  8  burger  von  den  steten  und  maergten,  also  daz 
dieselben  IG  vollen  gewalt  haben  suellen  von  unsem  genaden,  dio  selben 
stewer  ze  besorgen  und  ze  besetzen  in  allen  gerichten  ueberal  in  unserr 
herschaft  zo  obem  Beyern  mit  stewrem  und  mit  Schreibern  als  si  bestt 
muegen  von  ircn  trewen.  Es  suellen  auch  die  genanten  16  die  selben  stewr 
von  unserm  gewalt  einnemen  und  behalten  in  steten  und  in  vesten  in  unserm 
lande  als  si  beste  muegen  one  all  unser  irrung.  Und  die  selben  stewr  suellen 
si  geben  nach  rat  unserr  lieben  getrewen  ritter  und  knehte,  stete  und  maergt 
in  unserm  land  an  unser  gelter  und  pfender,  und  unser  brief  von  den  ledigen 
und  bringen,  und  etleich  unser  Satzung  ledigen  und  loesen,  ob  die  stewr  als 
verro  geraichen  mag. 


—    400    — 

kommen  ließ,  der  Steuer  für  los  und  ledig  erklärte,  ja  sogar 
zusicherte,  daß  die  bereits  erhobenen  Steuerbeträge  ihren  Er- 
legem  zurückgegeben  werden  müssen. 

Die  durch  dieses  Privileg  in  die  Geschichte  der  Steuer- 
venvaltung  als  grundlegende  Elemente  eingeführten  ständischen 
Rechte  sind  folgende: 

1)  Der  Ständeausschuß  ernennt  selbst  Organe  zur  Erhebung 
der  Steuer  in  den  Landgerichten  —  diese  wird  also  nicht  den 
landesherrlichen  Beamten  anvertraut  —  in  den  Hofmarken  lassen 
die  Stände  selbst  durch  ihre  mit  der  Gerichts-  und  Polizei- 
Verwaltung  betrauten  Beamten  auch  diese  Geschäfte  der  Steuer- 
einziehung besorgen. 

2)  Alle  vereinnahmten  Steuern  werden  an  den  Ständeaus- 
schuß abgeliefert  und  von  diesem  verwahrt.  % 

3)  Dieser  hat  auch  für  die  bestimmungsgemäße  Verwendung 
zu  sorgen,  indem  er  unmittelbar  des  Herzogs  Gläubiger,  ins- 
besondere seine  Pfandgläubiger  gegen  Herausgabe  der  Schuld- 
urkunden befriedigt. 

Nicht  so  rein  ständisch  war  die  in  Niederbaiem  1358^) 
von  H.  Stephan  niedergesetzte  15-gliedrige  Steuerkommission, 
hidem  der  Herzog  «außer  4  Adligen  und  7  Bürgern  4  seiner 
Räte  zu  Mitgliedern  derselben  eniannte,  welchen  er  volle  Ge- 
walt zur  Besorgung  der  Steuer  gab.  Ebenso  hat  die  für  die 
Steuergeschichte  überhaupt  bedeutsame  oberbairische  Steuer- 
ordnung von  1396^)  in  einer  Steuerkommission  von  21  Mann, 
in  welche  nun  zum  ersten  Male  auch  4  Prälaten  ^)  Eingang 
gefunden  hatten,  dem  Beamtcnelement  Vertretung  gegönnt,  in- 
dem der  Vitztum  als  Vorsitzender  der  Kommission,  welcher 
auch  einige  Räte  angehörten,  fungierte.  Diese  Kommission  hatte 
nur  die  Leitung  des  Steuereinziehungsgeschäfts,  dieses  selbst 
wurde   durch  Steurer*)  bethätigt,  welche  zwar  von  ihr  nicht 


1)  Y.  Freyberg,  Geschichte  der  LandstftDde  I,  S.  309. 

2)  Rockinger,  EiDlcituDg  S.  227  iL 

3)  Dazu  8  TOD  deD  Räten,  Rittern  und  Knechten  und  8  von  den  StidteDi 

4)  Die  St&dte  und  Märkte  wählten  Mitglieder  des  Rats  oder  der  Ge- 
meinde zu  Steurem.  Die  Besteuerung  des  Adels  und  der  Geistlichkeit  ttbe^ 
trug  der  Herzog  13  aus  diesen  Ständen  und  bestellte  auch  ftlr  jeden  Liadr 
gerichtsbezirk  besondere  Steurer.  Gleichmäßigkeit  in  der  Stenennlegiuig 
(einem  geleich  als  dem  andern  an  all  vorteil  und  ungeyärlich)  ward  den 
Steurem  in  dem  Eide,  den  sie  den  21  leisteten,  besonders  eingeechärft 


—    401     — 

ernannt,  aber  doch  vereidigt  wurden.  Diese  hatten  die  von 
ihnen  eingezogenen  Steuerbeträge  an  die  21  abzuliefern^),  welche 
durch  Majorität  über  die  Verwendung  derselben  zur  Tilgung  der 
Schulden  zu  beschließen  und  diese  auch  vorzunehmen  hatten  — 
die  auch  darumb  unsers  gantzen  vollen  gewalt  und  willen  habent. 
Zu  diesem  Behufe  sollten  alle  Gläubiger  der  Herzoge  ihre  Forde- 
rungen bei  dieser  Kommission  anmelden,  welche  zur  Prüfung 
der  Rechtstitel  derselben  ermächtigt  war.  Es  waren  also  richter- 
liche Funktionen,  welche  der  Kommission  im  Verfolge  des  Steuer- 
verwendungsgeschäftes zugestanden  wurden,  denn  sie  konnten 
die  auf  Grund  der  vorgenommenen  Prüfung  für  unbegründet 
befundene  Fordeningssumme  streichen  oder  den  Betrag  er- 
mäßigen ^).  Ausdrücklich  wurden  die  Amtshandlungen  der  Kom- 
mission als  dem  Willen  der  Herzoge  entsprechend  im  voraus 
anerkannt  —  und  wie  die  vorgenannten  21  und  all  unser  stewrär 
(laz  ausrichtend  und  besorgent,  daz  ist  unser  und  unserer  sün 
>vill  und  wort,  und  wellen  in  das  trewlich  halten  und  vol- 
rekken. 

In  dieser  Steuerordnung  ^)  kommt  schon  am  Ende  des  14. 
Jahrhunderts  eine  relativ  hochentwickelte  Steuertechnik  zur  Ent- 
faltung. Es  hat  sich  jetzt  schon  ein  Instanzenzug  der  Steuer- 
organe ausgebildet,  in  welchem  die  Kommission  als  oberste 
Centralbehörde  thätig  erscheint. 

Das  15.  Jahrhundert  weist  im  Landshutischen  Gebiete  eine 
Steigerung  der  ständischen  Macht  bei  Erhebung  der  Steuern  auf, 
insofern  als  sie  ein  Recht,  welches  die  Steuerordnung  von  1396 
noch  nicht  anerkennt,  einführt.  Als  nämlich  1474  hier  für  die  Er- 
liebung  einer  Heiratssteuer  von  der  Landschaft  4  aus  ihrer  Mitte 
für  jeden  Rentnieisterbezirk  ernannt  wurden,  hatten  diese  die 
Steuer  nicht  nur  von  den  Ständen  und  ihren  Leuten,  sondern 
auch  von  den  dem  Landgerichte  unmittelbar  unterworfenen 
lierzo<j;lichen  Grundholden  zu  erheben*).      Diese  Kommissare 


1)  Ein  Verzeichnis  der  die  Stoaerzahlmig  Weigernden  wurde  den  Steorem 
von  der  Kommission  übergeben,  damit  diese  die  Ungehorsamen  zur  Erfüllung 
ihrer  Pllicht  anhalte.  Bei  fernerer  Weigerung  wurden  die  Namen  der  ünbot- 
iiiäüi^'cn  dem  Landeßherm  zur  Beitreibung  gemeldet 

2)  Rockinger,  Einleitung  S.  230. 

3)  Vgl.  über  dieselbe  Hoffmann  a.  a.  0.  S.  14. 

4)  Vgl.  Kudhart,  Geschichte  der  Landstfinde  I,  S.  215. 

Hosen  thal,  (Jeschichte  d.  (ierlchtsw.  a.  d.  Verw.-Orf.  Baiernt.  I.  26 


-    402    — 

der  Landshuter  Landschaft  legten  dem  herzoglichen  Kanzler^) 
und  dem  Rentmeister  Rechnung.  Die  Landschaft  hatte  hier 
noch  nicht  das  Recht,  welches  die  oberbairische  schon  frflher 
und  eben  (1463)^)  wieder  erworben  hatte,  den  Steuerertrag 
selbständig  zu  verwenden. 

Aus  Anlaß  der  1488  von  Albrecht  IV.  an  den  Rentmeister 
zu  Straubing  erlassenen  Steuerinstruktion,  welche  befahl,  auch 
die  den  Adligen  mit  Vogtei  oder  Eigenschaft  Verwandten  durch 
die  Steurer  anlegen  zu  lassen,  was  die  Ritterschaft  als  eine 
Verletzung  ihrer  Privilegien  betrachtete,  scMossen  sich  24  Straa- 
binger  Ritter  zum  Löwlerbunde  zusammen,  welche  ihre  Oppo- 
sition gegen  den  Herzog  mit  den  Waffen  durchfochten  (1491). 
Es  ist  hier  nicht  der  Ort,  die  einzelnen  Phasen  dieses  heftigen 
Verfassungskampfes  zu  schildern  3),  der,  wenn  auch  Albrecht 
im  Felde  über  seine  Gegner  die  Oberhand  behielt,  doch  der 
Auffassung  der  ständischen  Opposition  zum  Siege  verhalf,  in- 
dem der  Herzog  im  Friedensvertrag  verheißen  mußte,  „daß  die 
gemeine  Landesfreiheit,  wie  sie  ist,  in  Würden  bleiben  soU". 
Der  Friedensschluß  hatte  die  Bewilligung  einer  Landessteuer 
(1493)  zur  Folge  ^).  Ein  ständischer  Ausschuß  von  64  Personen 
leitete  das  Stcuergeschäft  und  bestellte  je  4  oberste  Steurer 
für  das  Ober-  und  für  das  Niederland  und  3  für  den  Nordgau, 
welche  die  Steuer  auszuschreiben,  aufzulegen,  einzunehmen,  zu 
verrechnen,  zu  verantworten  und  darum  Quittung  zu  geben  und 
wieder  von  gemeines  Landes  wegen  Quittung  zu  empfangen 
hatten.  Diese  obersten  Steurer  waren  in  ihren  Sprengein  mit 
der  Jurisdiktion  in  Steuersachen  betraut*).  Sie  hatten  auch 
die  Höhe  des  Stcucrbetrags,  welchen  jeder  Stand  von  seinen 
armen  Leuten  aufzubringen  hatte,  festzusetzen.  Die  Steurer, 
welche  auf  Grund  der  in  der  Instruktion  enthaltenen  Nonnen 
die  Steuer  anzulegen  und  einzuziehen  hatten,  wurden  für  jeden 

1)  Krenner  VII,  S.  461  ff. 

2)  Der  44.  Freibnof  14G3  (v.  Lerchcnfeld  S.  112)  gab  den  land- 
schaftlichen Verordneten  wohl  das  Verwaltungs-,  nicht  aber  das  aonchlM* 
liehe  Verwendungsrecht. 

3)  VgL  über  denselben  Rockingcr,  Einleitung  S.  293  f.  (Hoffmann 
S.  32),  Krenner  XL 

4)  Die  Steuerinstruktion  ist  abgedruckt  bei  Kronner  IX,  S.  247  K 

5)  Auch  sollen  dieselben  oberste  Steuerer,  ob  Irrung  in  der  Steuer  h^ 
gegnctc,  allwegcn  zu  entledigen  vollkommen  Macht  und  Gewalt  haben. 


J 


—    403    — 

Landesteil  aus  der  betreffenden  Landschaft  gewählt*).  Alle 
herzoglichen  Beamten  aber,  welche  diese  Funktionen  bezüglich 
der  dem  Herzog  unmittelbar  unterworfenen  ünterthanen  wahr- 
zunehmen hatten,  wurden  besonders  verpflichtet,  den  ständischen 
Steurem  auf  Anfordern  Schutz  und  Schirm  zu  gewähren. 

Da  die  Landschaft  dem  Herzog  feste  Summen  bewilligt 
hat,  so  wurde  der  diese  übersteigende  Überschuß  der  Steuer- 
eingänge von  der  Landschaft  für  künftige  Bedürfnisfälle  auf- 
bewahrt. Damit  war  der  sog.  landschaftliche  Vorrat  eingeführt, 
also  eine  besondere  landschaftliche  Kaise  begründet.  Auch  im 
16.  Jahrhundert  wurde  der  Überschuß  durch  die  Landschaft 
selbst  verwahrt  in  landschaftlichen  Geldtruhen,  zu  welchen  nur 
bestimmte  Mitglieder  der  Landschaft  Schlüssel  hatten,  und  zwar 
zur  Hälfte  in  München,  zur  Hälfte  in  Landshut*),  oder  auch 
nur  in  München.  Steuerregister  und  Bücher  sollten  ebenfalls 
von  der  Landschaft  in  Verwahrung  genommen  werden.  Die 
Bedeutung  dieser  landschaftlichen  Kassen  stieg,  als  seit  1519 
die  Sitte  aufkam,  einen  Vorrat  für  künftig  auftretende  Bedürf- 
nisse zu  schaffen  ^). 

Auf  die  vielen  Steuerbewilligungen  des  16.  Jahrhunderts 
im  einzelnen  einzugehen,  erscheint  nicht  angezeigt,  denn  wenn 
es  auch  nicht  zu  einer  bleibenden  Organisation  der  ständischen 
Steuerverwaltung  gekommen,  sondern  diese  nur  von  Fall  zu  Fall 
geregelt  worden  war,  so  wurden  doch  die  Grundzüge  derselben, 
Nvie  sie  aus  dem  15.  Jahrhundert  überkommen  waren,  bei- 
behalten. Zwar  wurde  seitens  der  Landesfürsten  der  Versuch 
gemacht,  die  ausschließliche  Verwahrung  der  Steuer  durch  die 
Stände  als  ungerechtfertigt  zu  bekämpfen*),  und  wenigstens  ein 


1)  Es  ward  Dnn  also  auch  fQr  die  Besteuerung  der  ständischen 
ünterthanen  das  Prinzip  der  KontiDgentienmg  zur  Anwendung  gebracht, 
das  für  die  Steuer  der  Städte  und  Märkte  schon  lange  in  Übung  war 
(vgl.  z.  B.  K  r  0  n  n  e  r  I,  S.  205),  indem  der  Bat  die  Bcpartition  der  von  der 
Stadt  zu  entrichtenden  Steuersumme  unter  die  einzelnen  Bürger  vornehmen 
und  durch  einzelne  Räte  die  Steuer  erheben  ließ. 

2)  z.  B.  1519  (v.  Freyberg,  Geschichte  der  Landstände  H  S.  220). 

3)  Vgl.  Hoffmann  S.  52. 

4)  Sie  beschwerten  sich  über  das  in  der  landschaftlichen  Verwahrung  zu 
Tage  tretende  Mißtrauen  und  führten  zur  Begründung  ihres  Widerspruchs 
auch  den  Umstand  an,  daß  auch  ihre  landgerichtischen  Ünterthanen  mit- 

26* 


Mitverwahningsrecht  in  Anspruch  gonomiuon.  Das  Streben  war 
weiiigstena  vorübergehünd  von  Erfolg  gekrönt,  insofern  als  1526') 
den  tand&chafilichen  VerordDct«u  herzogliche  lUte  beigeordDct 
wurden  ').  Prinzipiell  liekümpften  die  Herzoge  If>29  die  stan- 
dische Steuerverwaltung  *),  doch  wurde  die  Streitfrage  vorlAofig 
durch  einen  Vergleich  geschlichtet^  dahin  gehend,  daß  die  Steaer 
dieses  Mal  in  Anwesenheit  der  PHeger  und  Landrichter  ange- 
legt und  den  Herzogen  dos  Recht  zuerkannt  werden  solle,  bei 
der  endlichen  Steuerabrechnung  den  Obersteurem  einen  ihrer 
Rftte  beizuordnen'). 

Xu  einem  Austrage  kam  die  Sache  aut  dein  Landtage  15S&. 
Die  Landschaft  führte  für  ilir  Recht  nicht  wie  früher  das  Hcr- 
komuien  ins  Feld,  sondern  sie  bewilligte  die  verlangte  Steuer 
nur  unter  der  Bedingung,  daß  die  Beschreibung,  Anlegung,  Kiu- 
bringuug  ond  überantwortung  ausschließlich  durch  stAndisclie 
Organe  zu  erfolgen  habe.  Gegenüber  dem  herzoglichen  Ver- 
langen, den  Beweis  für  das  von  ihnen  behauptete  Uerkommea 
zu  erbringen,  betonten  sie  den  korrekten  Rcchtsstaudiiunkl,  dJÜI 
die  Landschaft,  welcher  die  Befugnis  zustehe,  eine  Steuer  zu 
bewilligen  oder  abzulehnen,  auch  die  Bewilligung  an  eine  Be- 
«lingung  knüpfen  könne.  So  glaubte  diu  Landschaft  die  Wahl 
der  Steuerorgano  für  sich  um  su  eher  in  Anspruch  nehmen  zu 


fteoeH«iL    VgL  (Panier)  Vomich  flbor  dnn  Unpraog  and  Umrang  dnluid- 
■UodiMiheD  It«cbte  in  Baiero.    1798.  II,  a  201«. 

1)  In  der  StoucrordQuag  tod  1G26  wird  go*agt,  iie  Vi>n>rdD«teQ  d«r 
Landtcbaft  inlllcD  im  Beisein  der  fllntlichen  Vnrnrdnoten  allo  ihro  Hand- 
langen licicbruibea ,  Etnnebnieo  ond  AaigobuD  liklbon  von  ihnen  an  nnam 
Landacbaft  «tatt  ßechnnng  samt  Überantwortnng  allea  Qelilea,  aacb  Bcficta' 
nnd  Bdcher  gegen  Qoittnng  emprangoo  (Kr.  A.  H.). 

i)  Sdteai  der  Henoge  wnrdo  beirorgeboben,  doC  oi  dcb  nicht  um  räa 
gemdne  LandatcDer,  londeni  nm  üne  chriitlicbe,  durebgehende 
handle.    Die  LandiUodo  fordorten  cinon  Scbadlosbricf,  dal  Uidob 
willigte  Znordnnng  dnr  fUrttlidion  lUta  o.  a  w.  kOnfUg  an  ibren 
nnd  altem  H«rlionineD  nicht  nachteilig  «ein  »ollte  (Panier  i 
8.910). 

3)  &t  b«tontra  alm  neh  die  Rabe  der  attniliKhen  Erhobang«ko«t«^ 
vehhe  neb  fti  dia  letst«  SUmm  auf  UOOO  1  belaufen  habe.  Nach  der  &•■ 
hasptniig  d«r  Stlad«  bitten  aber  die  UokotteD  dio  Fammo  Tnn  160Üi}  t. 
nicht  ttbentiegen  —  inunerbin  ein  erkleckUober  Pottro!  V^I  HorraasD 
a  BS. 

4)  Panier  U,  &  211  £.;  t.  Frajberg  II,  S.  220. 


—    405    — 

können,  als  „die  Bewilligung  ainer  yeden  Landsteur,  auch  der- 
selben Maß  und  Ordnung  on  Mittl  bey  gmainer  Lanndschaflft 
stet,  unnd  nit  aus  schuldiger  Gerechtigkeit,  sonder  aus  gehor- 
samer unnderthenigen  Liebung  beschicht".  Nur  das  vermochten 
die  Herzoge  zu  erreichen,  daß  die  Ober-  und  Untersteurer  auch 
ihnen  verpflichtet  werden  sollten  * ). 

Der  Organismus,  welcher  für  die  Steuererhebung  und  -Ver- 
waltung jetzt  in  Thätigkeit  war,  glich  vollständig  dem  des  15. 
Jahrhunderts.  Die  Landschaft  wählte  die  Untersteurer*)  aus 
ihrer  Mitte.  Jedes  Rentamt  wurde  in  mehrere  Distrikte  ein- 
geteilt, von  welchen  jeder  2  Steurem  zur  Amtshandlung  über- 
wiesen wurde  *).  Diese  hielten  einen  Umritt  durch  die  einzelnen 
Landgerichte  ihres  Distrikts,  beschieden  die  Pfleger,  Richter, 
Amtleute,  sowie  die  Obleute  oder  Vierer  der  Dörfer  zu  sich*) 
und  ließen  von  diesen  das  Vermögen  der  Unterthanen,  nachdem 
diese  selbst  unter  Gelöbnis,  nichts  zu  verschweigen,  fatiert 
hatten  ^ ),  getreulich  angeben.  Auf  Grund  dieser  Vermögensangaben 
erfolgte  die  Veranlagung  der  Unterthanen  zur  Steuer**).  Über 
die  Steuerpflichtigen  und  ihr  Vermögen  wurde  ein  Register  geführt 

Bei  einem  zweiten  Umritt  erhoben  die  Steuerer  die  von 
den  Unterthanen  geschuldeten  Steuerbeträge.  Um  die  Kosten 
dieses  zweiten  Umritts  zu  sparen,  ließ  man  die  Einbringung  der 
Steuer  durch  die  herzoglichen  Beamten  bewerkstelligen,  welchen 
zu  diesem  Behufe  das  Steuerregister  übergeben  wurde  mit  ge- 
nauem Hinweise,   welchen  Steuerbetrag  sie  abzuUefem  hätten. 

1)  Panzer  II,  S.  212  f.;  Rockinger,  Einleitung  S.  409  f. 

2)  Jeder  Stcurer  konnte  sich  im  Bedarfsfalle  einen  besondem  Schreiber 
bestellen.    Für  jedes  Rentamt  ward  dann  ein  Obersteuerschreibor  ernannt 

3)  z.  6.  1510  wurde  das  Rentamt  München  in  4,  die  übrigen  3  Rent- 
ämter in  je  2  Distrikte  geteilt  (K  r  e  n  n  e  r  XVIII,  S.  130  f.,  160  £). 

4)  Diese  schworen  oder  geloben,  daß  sie  Niemand  geföhrlich  ansagen, 
darin  weder  Neid,  Hafi,  Mieth,  Gab  brauchen  wollen  ohno  Gef&hrdo  (a.  a.  0. 
S.  151). 

5)  Eine  Reihe  von  Fragestücken  war  in  den  Instruktionen  ausgearbeitet» 
durch  deren  wahrheitsgemäüe  Beantwortung  ein  genaues  Bild  des  YermOgens- 
standcs  eines  Unterthanen  geliefert  wurde.  Solche  detaillierte  Fragestücke 
sind  zu  ersehen  aus  den  Steuerinstruktionen  1543  (Landtag  1542/43  S.  196  f ) 
und  1554.    Vgl.  auch  Ho  ff  mann  S.  180  £ 

6)  Jedem  Steuerpflichtigen  wurde  ein  Zettel  über  die  GrOfie  seines 
Steuerbetrags  und  die  Zahlungszeit  erteilt,  damit  er  nicht  weiteren  Be- 
schwerungen ausgesetzt  war. 


-    406    — 

Eine  Vpreinfacliung  der  Sleuen'erwaltuug  trat  anfangs  ror- 
Ubergehuiiil '),  dann  mit  deu  dauernden  VerMÜltgungcu  seit  dem 
Ende  des  16.  Jalirlitinderts*)  dauiinid  ein,  iudoui  uiau  von  «ioer 
neuen  Venmliigung  absah  und  die  ^ttiucr  auf  Grund  der  altvo 
Steuerbiicher  und  -register  durch  Pfleger  und  Richter  *)  cia- 
zieben  ließ.  Diese  hatten  diese  SteuerbctrOgo  au  den  ihnen 
bestimmten  Rccheutagen  au  die  Uutersteurer,  welche  am  Sitz 
der  Regierung  zusammenkamen,  nebst  dem  Steuerregister  gegen 
Quittung  zu  überantworten. 

Die  Hofmarkslierren  hatten  ihre  Gerichts-  and  Vogtleote, 
Hintersassen  und  andre  ihre  Unterthanen  selbst  zu  bestCDern 
untl  die  von  diesen  vereiunahmteu  Steuergclder  an  die  Stearer 
abzuliefern '). 

Die  Uutersteurer  mußten  alsdann  in  jedem  Rentamt  Qire 
Rechnung  abschließen  und  an  den  bestimmten  Tagen  vor  d«a 
Obersleurem  erscheinen,  Mit  diesen')  (etwa  4  für  das  Ober- 
und  4  für  das  Niederland,  doch  war  die  Zahl  schwankend) 
hatten  die  Untersteurer  Abrechnung  zu  pöegen  und  ilinca  mit 
den  Steuerbüchern  und  -registern  den  Steuerertrag  ihres  Be- 
zirks unter  Abzug  der  Kosten  abzuliefern,  weichen  Betrag  die 
OI>crsteurer  in  der  von  der  Landschaft  bewilligten  HOhe  an 
an  ilen  Herzog  abführten,  einen  etwaigen  Überschuß  aber  in 
landschaftliche  Verwahrung  nahmen. 

An  diese  Oberstcurer  als  eine  höhere  Instanz  hatten  sieh 
die  Untersteurcr  zu  wenden,  falls  sich  aus  ihrer  Instruktioo 
oder  sonst  für  sie  irgend  ein  Anstand  ergal).  Ihre  Ausli^ng 
der  Instruktion  war  für  die  Untersleurer  zwingend.  Als  Ver- 
trauensmänner der  Lundscliaft   waren  sie  auch  ermächtigt,  in 


1)  1.  6.  1643. 

S)  Vgl.  HoffmftDD  B.  Tl.  Nur  wann  et  dis  UudMlunUebM  Var- 
ordneton  Bit  oOtig  hiolton,  «olltfin  ne  eineD  wiederholtoa  Omritt  bdrab  nOHB 
EinM^Uang  ToraebniGD. 

8)  Dioio  lialtoD  du  ti«cht,  oioe  neue  Einichltnitig  nmntlann,  Ui 
■ch  io  dar  ZwiicbcDioit  VerftudemngDn  ergebou  oder  «Iwu  M  dar  ItMn 
TennlAgung  abereeliei)  worden  war,  malten  aber  Jde  Anderong  In  dm 
bMondem  Nobonrt-glRt«;  botnerkon,  in  welcben  aocb  NadiUMe  wegm  SehniHn 
IL  ägX.  dnifDtragon  wurden  (lADilUg  1C4S  tj.  11<4). 

i)  (.DL  iMtrukUen  15»  (Boffmnnn  S.  ISSi. 

Bi  Sie  wecd(<D  ucli  aU  „vererdneto  KonuniMariea  dor  Luidichaft*  i&- 
leiehaot 


—    407    — 

Falle  eines  plötzlichen  AngriflFs  gegen  die  Landesherren  über 
die  Landschaftskasse  zu  verfügen,  d.  h.  in  das  Steuergeld  zu 
greifen  und  Fürsten  und  Land  Hülfe  und  Rettung  zu  thun. 
Diese  Vollmacht,  welche  den  Verordneten  der  Landschaft  ur- 
sprünglich nur  für  den  Fall  gegeben  war,  daß  es  bei  einer 
kriegerischen  Verwicklung  unmöglich  war,  diese  selbst  zu  ver- 
sammeln, war  der  Punkt,  von  welchem  aus  später  das  ganze 
Gebäude  der  ständischen  Macht  ins  Wanken  gebracht  wurde, 
indem  die  Verordneten  an  Stelle  der  ganzen  Landschaft  handelten 
und  Steuern  bewilligten,  und  dadurch  deren  Berufung  über- 
flüssig machten. 

Die  Steuerjurisdiktion  stand  nicht  diesen  Verordneten,  son- 
dern einer  besonders  für  diesen  Zweck  gewöhnlich  aus  4  in 
München  wohnenden  Mitgliedern  bestehenden  Kommission  zu*). 
Diese  hatten  alle  Irrungen  und  Mißverständnisse,  die  sich  bei 
Anlegung  und  Einbringung  der  Steuer  ergaben,  zu  entscheiden, 
und  ihre  Entschließungen,  die  sie  anstatt  und  von  wegen  der 
Landschaft  zu  fällen  ermächtigt  waren,  verpflichteten  Ober-  und 
Untersteurer  zum  Gehorsam. 

So  hatten  es  die  Stände  verstanden,  das  Prinzip  der  Selbst- 
verwaltung nach  jeder  Richtung  hin  für  das  große  Gebiet  des 
Steuerwesens  zu  bewahren  und  zur  Durchführung  zu  bringen. 
Soweit  dabei  landesfürstliche  Beamte  zur  Mitwirkung  berufen 
wurden,  erscheinen  sie  als  kraft  ständischer  Delegation  handelnd. 

\>ie  für  das  Gebiet  der  direkten  Steuern,  so  behielt  die 
Landschaft  auch  für  das  der  indirekten  unbedingte  Selbständig- 
keit der  Verwaltung.  Ein  solcher  Aufschlagt)  auf  Getränke 
(Bier,  Wein,  Met)  wurde  von  der  Landschaft  zum  ersten  Mal 
1543  l)ewilligt3),  die  Verwaltung  desselben  aber  der  Landschaft 
vorbehalten  und  acht  Mitgliedern  derselben  und  vier  Kom- 
missarien  übertragen  *).    Diese  acht  ernannten  und  verpflich- 

1)  Vgl.  z.B.  Stouorinstruktioneii  1538  und  1541  (Kr.  A.  M.). 

2)  Eino  KonsumtioDsstcucr,  „ein  Aufschlag  auf  alles  Getränk,  so  in  und 
durch  das  Fürstentum  Baiern  geführt  und  gebracht  wird**  (Landtag  1543  S.  106). 

3)  GOOOOO  fl.  zur  Ablösung  der  beschwerlichsten  Pfandschaften  und 
Schulden.  Sobald  diese  Summe  durch  den  Ertrag  des  Aufschlags  gedeckt, 
BoUte  von  Stund  an  derselbe  aufgehoben  sein. 

4)  Gemeiner  Landschaft  in  Baicm  geordneter  Commissarien  und  der  acht 
über  den  Aufschlag  Instruction  (Landtag  1543  S.  105  ff). 


—    408    — 

tcten  alle  Einnehmer  des  Aufschlags,  welchen  Gegenschreiber 
beigesellt  wurden,  an  den  Grenzen  und  im  Land,  hielten  Rechen- 
täge  mit  den  Einnehmern  des  Oberlands  in  München,  mit 
denen  des  Niederlands  in  Landshut  ab  und  nahmen  von  einem 
jeden  Rechnung  und  Bezahlung  gegen  Quittung  ab.  Al]|jfihrlich 
hatten  die  8  den  Kommissären  Bericht  über  den  Fortgang  des 
Aufschlags  zu  erstatten,  denselben  Rechnung  zu  stellen  und 
den  Ertrag  ihnen  abzuliefern.  Anstände,  die  sich  ergaben,  soD- 
teu  die  8  nebst  den  Kommissären  gemeinschaftlich  heben  und 
notwendige  Änderungen  beschließen,  auch  gemeinschaftlich  Ab- 
lösungen vornehmen.  —  Diese  Grundzüge  der  Organisation 
der  ständischen  Verwaltung  des  Aufschlags  blieben  mit  wenigen 
Modifikationen  auch  für  die  noch  im  Laufe  des  16.  Jahrhunderts 
bewilligten  Aufschläge  in  Kraft  ^). 


1)  Vgl  die  Instruktionen  der  Untereinneluner  des  Aufschlags  von  1666^ 
1572,  1577.  1588  und  1594. 


Drittes  Buch. 

Die  Organisation  der  Central-  und 
Mittelbehörden  im  16.  Jahrhundert. 


ERSTES  CAPITEL. 

Die  Kollegialbehörden, 

§  26. 
Der  Hofirat  und  die  Regierungen. 

Die  tiefe  Bewegung  der  Geister,  welche,  eingeleitet  durch 
den  Humanismus  „mit  seiner  weltemeuemden  Kraft",  den  Über- 
gang vom  Mittelalter  zur  Neuzeit  darstellt,  hatte,  wie  in  allen 
Si)liären  der  Kultur  auch  auf  dem  Gebiete  des  Staatslebens  eine 
nachhaltige  Umgestaltung  hervorgerufen,  ja  den  modernen  Staat 
erst  begründet,  nicht  am  wenigsten  durch  jene  umfassende 
Beliördenorganisation,  welche  das  16.  Jahrhundert  wie  in  der 
Mehrzahl  deutscher  Lande  auch  in  Baiem  ins  Werk  setzte. 

Hier  vollzieht  sich  zudem  an  der  Schwelle  dieses  großen 
Säculums  eine  für  die  staatliche  Entwicklung  des  Landes 
höchst  segensreiche  Neuerung,  indem  Albrecht  IV.  1506  dio 
Unteilbarkeit  des  Herzogtums  mit  der  Primogeniturordnung  ein- 
führte, eine  Neuerung,  deren  Wert  in  dem  durch  die  unheil- 
vollen Teilungen  so  schwergeprüften  Lande  nach  Albrechts  Tod 
so  wenig  anerkannt  wurde ,  daß  Wilhelm  IV.  seinen  von  den 
Stauden  unterstützten  jungem  Bruder  Ludwig  nach  heftigem 


—    410    — 

Streite  als  Mitregenten  zulassen  mußte.  Die  Staatseinheit  wurde 
so  wenigstens  bewahrt  und  an  dem  Grundsatze  der  Primogenitur 
seitdem  unentwegt  festgehalten. 

Die  Wiedervereinigung  bisher  getrennter  Landesteile  er- 
heischte eine  erhöhte  Regierungsthätigkeit  in  der  Absicht  der 
Förderung  einer  Verschmelzung  der  verschiedenen  Bestandteile 
des  Territoriums.  Eine  reiche  gesetzgeberische  Thätigkeit,  wie 
sie  durch  die  veränderten  Bedürfnisse  des  in  neuen  Bahnen 
sich  fortbewegenden  Lebens  bedingt  wurde,  wurde  auch  in  den 
Dienst  dieser  Idee  gestellt. 

Einen  Hauptfaktor  für  diese  Einheitspolitik  bildet  aber  die 
Einrichtung  von  Centralbehörden  und  die  Durchführung  eines 
gleichmäßigen  Verwaltungssystems.  In  den  verschiedenen  Lto- 
dem  und  Zeiten  ^)  wird  deshalb  eine  Organisation  der  Behör- 
den in  Angriff  genommen  da,  wo  es  gilt,  neuerworbene  Länder- 
komplexe  mit  dem  Stammlande  auch  innerlich  zu  einem  ein- 
heitlichen Staatswesen  zu  verbinden. 

Betrachten  wir  die  Geschichte  der  obersten  Centralstelle, 
des  Hofrats  während  des  16.  Jalu-hunderts,  so  bestätigt  sich 
uns  die  alte  Erfahrung,  daß  die  Geschichte  sich  nicht  in  Sprüngen 
fortbewegt,  denn  auch  die  mit  Albrecht  V.  (1550)  beginnende 
Ei>oche  umfassender  Reorganisation  stellt  sich  dar  als  eine  wahr- 
haft reformatorische,  an  das  Bestehende  anknüpfend,  die  über- 
lieferten Elemente  nur  weiter  fortbiklend  und  die  vorgefundenen 
Keime  ausgestaltend. 

Die  Minderjährigkeit  der  Söhne  Albrechts  IV.  bei  dessen 
Ableben  hatte  wieder  eine  starke  Einflußnahme  der  Stände  auf 
die  Regienmgsgewalt  zur  Folge  *).  Wilhelm  IV.,  welcher  1511 
das  18.  Lebensjahr  zurückgelegt  und  als  Volljähriger  die  Be- 
gierung  übernommen,  mußte  sich  1514,  als  die  Landschaft  sich 
der  Ansprüche  seines,  sich  durch  das  väterliche  Testament  ver- 
letzt fühlenden  Bruders  Ludwig  auf  Teilung  des  Landes  resp. 

1)  So  in  den  Kicderlandcn ,  in  Österreich  unter  Maximilian  (Adler 
S.  17  f.;  Kosenthai,  Behördenorganisation  S.  7),  Brandenburg  unter  dem 
großen  KarfQrsten  (S 1 0 1  z  e  1,  Brandenb.  I,  S.  363). 

2)  Eine  aus  6  Landtagsmitglicdern  bestehende  vormundschaftliche  B*- 
gierung  mit  Herzog  Wolfgang  an  der  Spitze  wurde  gobUdet  (Ba ebner 
VII,  S.  4). 


—    411     — 

auf  Mitregierung  angenommen  hatte,  eine  wesentliche  Ein- 
schränkung seiner  Herrscher hefugnisse  gefallen  lassen  ^).  In 
Bekämpfung  des  von  H.  Wilhelm  gegen  eine  gemeinschaftliche 
Regierung  erhobenen  Einwandes  „zween  ßegierer  möchten  mit 
ainannder  nit  gleichhellig  beleihen",  schlug  die  Landschaft  die 
Anordnung  vor,  daß  sie  oder  ihre  Verordneten  das  Recht  haben 
sollten,  die  Räte  der  beiden  Herzoge,  bis  dieselben  das  24.  Jahr 
erreicht  hätten,  jedoch  mit  ihrem  Wissen  zu  ernennen  und  ab- 
zusetzen ^).  Die  Herzoge  sollten  verpflichtet  sein,  nur  mit  Rat 
dieser  Räte  zu  regieren,  und  die  alten  eigennützigen  Räte  ab- 
geschafft werden  *). 

Nachdem  H.  Wilhelm  den  Antrag  auf  Mitregierung  an- 
genommen hatte,  schritten  die  Landstände  zur  Anstellung  neuer 
und  zur  Ausmusterung  der  untauglichen  Räte  am  Hofe  und  bei 
den  Regierungen*).  Die  Herzoge  waren  so  unter  Vormund- 
schaft ihrer  Räte  gestellt^),  die  wohl  Werkzeuge  der  sie  er- 
ernennenden Landschaft  gewesen  waren.  Wenn  diese  Maßregel 
auch  nur  für  einige  Jahre  (von  wegen  ihrer  Jugend)  in  Aus- 
sicht genommen  war,  so  wurde  damit  doch  ein  für  einen  m8jo- 
renncn  selbstbewußten  Fürsten  unerträglicher  Zustand  geschaffen, 
mag  das  Verfahren  der  Stände®)  immerhin  von  dem  besten 

1)  Übor  das  Vorgehen  der  Stände  vgL  Rndhart,  Geschichte  der  Land- 
stände S.  43  ff. 

2)  Auch  alle  Beamten  sollten  nur  nach  Bat  der  verordneten  Räte  he- 
stollt  werden. 

3)  Landtag  1514  S.  145,  168. 

4)  Das.  S.  171  Eid  und  Verzeichnis  der  ein-  und  ahgesetzten  Räte. 

5)  Daß  wir,  so  lautet  der  Passus  in  den  Verschreibungen  der  beiden 
Brüder,  furo  miteinannder  brüderlich  und  fruntlich  unnser  beeder  Herzog- 
thumb,  doch  nach  Rat  unns  durch  gemaine  angeregte  unnser  Lanndschafft 
zuverordcnter  Kät  regieren  sollen,  .  .  .  und  auf  die  zuverordennten  Rät  unser 
aufsehen  haben  und  sovil  das  Regiment  betrift,  on  Iren  Rat  wissen  und 
willen  oder  des  merem  tails  aus  Inen  nichts  schaffen  noch  hanndln  sollen 
und  wellen  .  .  .  (Landtag  1514  S.  190,  198). 

6)  Zur  Belohnung  der  Willföhrigkeit  der  Herzoge  bewilligton  die  Stände 
nun  eine  Hülfe  von  150000  fl.  —  diewcil  vormals  ain  gemaine  Lanndschafft 
Iru  Gdn.  zugesagt  haben,  wo  Sy  Irs  Rhats  volgton,  wolten  Sj  Inen  hilfflich 
und  rhätlich  nach  gelegenhait  des  Lannds  und  Irem  vermögen  Bein,  So  dann 
baido  Ire  Gdn.  sich  genodigclichen  ainer  Lanndtschafft  Rhato  wie  oben  er- 
lautt,  zuvolgen  bemlligt  .  .  .  (Landtag  1514  S.  170). 


—    412    — 

Geiste  für  Fürsten  und  Land  hervorgerufen  worden  sein  *)•  D^ 
dies  der  Fall  war,  und  daß  es  recht  trübe  Erfahrungen  waren, 
welche  die  Landschaft  zu  diesem  Schritte  bewogen,  bezeugt 
des  ständischen  Ausschusses  Ratschlag,  welcher  in  den  grellsten 
Farben  die  unleidlichen,  durch  den  ^unzüchtigen  Haufen'' 
schlechter,  den  Herzog  verführender  Räte  verursachten  Miß- 
stände schildert*). 

An  der  Schwelle  der  neuen  Epoche  begrüßt  uns  das  schon 
von  Albrecht  IV.  angebahnte,  1508  nach  längeren  Verhand- 
lungen^) zwischen  Landtag  und  Regierung  vereinbarte  Grund- 
gesetz des  Landes,  die  Erklärung  der  Landsfreyheit,  welche  zwar 
im  wesentlichen  als  eine  Zusammenfassung  der  in  den  alten  stän- 
dischen Freiheitsbriefen  zerstreuten  Bestimmungen  erscheint,  aber 
doch  auch  manchen  einschneidenden  neuen  Rechtssatz  enthält*). 
Diese  L.  Fr.  stellt,  wie  für  das  Beamtentum  überhaupt,  so  auch 
für  den  Hofrat  und  die  Regierungen  grundlegende  Normen  auf. 

Wir  können  in  der  Geschichte  des  Hofrats  und  der  Re- 
gierungen im  16.  Jahrhundert  zwei  Perioden  unterscheiden,  für 
welche  ungefähr  die  Mitte  des  Jahrhunderts,  der  Regierungs- 
antritt Albrechts  V.  die  Grenze  bildet.  Mit  diesem  beginnt  eine 
Epoche  der  Neubildung  von  Centralbehörden,  während  eine  Reihe 
von  Ilofratsinstruktionen,  wie  erwähnt,  nicht  etwa  eine  Neu- 
gestaltung dieser  Stelle  und  der  Mittelbehörden  bezwecken,  son- 
dern lediglich  festere  Organisation  im  Auge  haben. 

Was  jetzt  bei  der  Wiedervereinigung  Baierns  neu  organi- 
siert wird,  das  sind  die  Mittelbehörden,  die  Regierungen  zu 
Burghausen,  Landshut  und  Straubing,  deren  Wirkungskreis  sich 
im  großen  und  ganzen  deckt  mit  dem  des  Hofrats  zu  München  *X 


1)  Über  solchen  Eingriff  dor  Landschaft  in  die  fürstlichen  Hoheitneehto 
wurde  bald  bei  K.  Maximilian  L  Klage  gefQhrt  (Büchner  VII,  S.  12  fll); 
das  Aktenmatcrial  ist  abgedruckt  Landtag  1514  S.  242  fL 

2)  LandUg  1514  S.  91  ff. 

3)  Über  diese  sowie  über  den  Charakter  der  L.  Fr.  vgl  y.  Freyberg; 
Rede  Ober  den  historischen  Gang  der  bajer.  Landesgesotzgebung.  Mflnchen 
1834.   S.  18  ff 

4)  Das.  S.  21. 

5)  Aus  zahlreichen  Stellen  geht  dies  hervor,  z.  B.  L.  Fr.  I  a.  3  on  nmer 
und  unser  hofräte  auch  unser  yitzdomb  und  räthe  heifien;  I  a.  14  fllr  uni 
oder  unser  hofmaister  oder  yitzdomb  und  räthe ;  I  a.  15;  I  a.  16  Z.  15;  mit 
unserm  und  unserer  hofrftte  und  in  unsem  vitzdombambten  mit  nnsenr  Tite» 


—    413    — 

wie  denn  auch  die  für  letzteren  ergangenen  Instruktionen  fast 
wörtlich  übereinstimmen  mit  den  für  die  Regierungen  erlassenen. 

Die  Einteilung  des  Landes  in  4  Rentämter,  also  die  SchaflFung 
von  3  Regierungsbehörden  neben  dem  Hofrat  zu  München  war 
eine  durch  die  Ausdehnung  des  vereinigten  Herzogtums  gebotene 
Maßregel,  denn  es  konnte  den  Unterthanen  nicht  zugemutet 
werden,  in  allen  Fällen,  wo  sie  sich  bisher  an  den  Herzog  und 
seine  Räte  gewandt  hatten,  auch  femer  die  weite  Reise  nach 
München  zurückzulegen.  Das  hätte  namentlich  die  Kosten  des 
Rechtsschutzes  ganz  unleidlich  erhöht^),  so  daß  es  für  viele 
einer  Versagung  desselben  gleichgekommen  wäre. 

So  nötigte  schon  die  Rücksicht  auf  die  Interessen  der  Be- 
völkerung, wie  die  Landschaft  in  ihren  Vorschlägen  mit  Ent- 
schiedenheit betonte,  dazu,  in  den  verschiedenen  Gegenden  des 
Landes  Stellvertreter  des  Herzogs  aufzustellen,  die  statt  seiner 
Recht  sprachen  und  die  Aufsicht  über  die  Verwaltung  der  Provinz 
(Vitztumamts,  Rentamts)  führten.  Wie  aber  der  Herzog  selbst  im 
Centrum  der  Regierung  nicht  allein,  sondern  mit  seinen  Räten 
die  Geschäfte  führte  und  durch  diese  allein  Hofgericht  abhalten 
ließ,  so  schritt  man  nach  dem  Vorbilde  des  Hofrats  zu  einer 
kollegialen  Organisation  der  Regierungen,  indem  man  dem  Vitz- 
tuui,  dem  seit  Jahrhunderten  als  Stellvertreter  des  Landeshcrm 
l)estellten  Beamten,  einige  Räte  zuordnete  und  dieses  Kollegium, 
Vitztum  und  Räte,  als  das  ordentliche  Gericht  höherer  Instanz 


domb  und  rätho  willen,  und  ähnlich;  n  a.  4  unser  vitzd.  und  räthe  .  .  oder 
wo  sölchs  kain  vitzdombamt  beträff  unser  hofmaister  und  räthe.  YgL  noch 
II  a.  12;  lY  a.  22,  23,  24,  nach  unser  hofräthe  und  in  unsem  vitzdombambten 
nach  unser  vitzdomb  und  räthe  mäfiigung. 

1)  „Denn  sollten  die  Partheyon,  meinten  die  Stände,  in  der  N&he  nicht 
ihren  gütlichen  oder  rechtlichen  Austrag  haben,  wäre  zu  Zeiten  ihrer  vielen 
unmöglich  die  Rechtfertigung  zu  suchen.  Denn  ihrer  viele  an  solchen  Orten 
und  Gränzen  sitzen,  daß  sie  den  fürstlichen  Hof  zu  München  ob  den  20  Meile- 
wegs hätten  zu  suchen;  dahin  müste  einer,  mit  samt  seinen  Vorsprechem 
Advocaton  und  Bejständem  mit  schwerer  Eostung,  Zehrung  und  zu  Zeiten 
Wagniü  seines  Leibes  und  Gutes  den  Austrag  seiner  Sachen  suchen.  Des« 
halben  manchem  aus  Unvermögen  seines  Gutes  oder  Unsicherheit  seines 
Leibes  oder  Mangel  seines  Beystandes,  oder  zu  Zeiten  Ungefährte  der  Wege 
und  Wasser  Gebruch  geschehen  würde,  und  wäre  deshalb  ohne  Frucht»  Vize- 
dom und  Käthe  zu  halten,  die  doch  Land  und  Leuten  zu  gut,  und  Vermei- 
dung willen  angerührter  scliwcrer  Mühe  und  Kostung  sind  betrachtet  und 
gesetzt"  (Krenner  XVI,  S.  36  f.). 


—    414    — 

für  die  Insassen  des  betreffenden  Sprengeis  einsetzte  und  als 
Grundrecht  derselben  gewährleistete,  daß  jeder  in  seinem  Vitz- 
tumamt  seines  ordentlichen  Gerichts  bleiben  soll  (L.  Fr.  I  a.  6). 
In  der  landschaftlichen  Gegenschrift  gegen  den  herzoglichen 
Entwurf  der  L.  Fr.  1506  wurde  zur  Begründung  dieses  alle 
Stände  berührenden  Artikels  angeführt^):  „dieweil  aber  von 
üngelegenheit  wegen  E.  f.  G.  das  Land  in  Vizedom-Ämter  aus- 
gctheilt  und  jedwedes  Amt  seinen  Gezirk  und  Vergriff  hat,  darin 
E.  f.  G.  Anwälde,  als  der  Vizedom  und  seine  zugeordnete  Räthe 
den  Unterthanen  seines  Gezirks  im  Recht  und  ausserhalb,  von 
E.  G.  wegen  Gerechtigkeit  thun  sollen,  mit  dem  ist  er  derselbe 
Vizedom  den  Unterthanen  für  einen  ordentlichen  Richter  an- 
gezeigt, den  sie  in  Nähe  mögen  suchen  und  finden"*). 


1)  Krenner  XVI,  S.  36. 

2)  Neben  dem  Hofrat  und  den  3  Regierungen  ninunt  eine  eigenartigie 
Stellung  ein  das  herzogliche  Ratskollegium  zu  Ingolstadt  Die  Anfing  det- 
selben  sind  in  Dunkel  gehüllt  Wahrscheinlich  hat  man  nach  EinTerldbuiig 
des  früher  selbständigen  Herzogtums  Baiem  -  Ingolstadt  in  Baiem-Landihat 
die  am  Ingolstädter  Hofe  angestellten  Räte  weiter  amtieren  lassen,  lo  daft 
man  mit  Fug  das  Kollegium  als  eine  Rcliquia  von  der  vorhin  allda  gowetten 
herzoglichen  Regierung  bezeichnen  durfte  (von  dem  churfürstlichen  Bats- 
kollegium  handelt  Ostermaicr,  Sammelblatt  d.  bist  Yer.  £  Inn^litadt 
XIII,  S.  82  ff.).  An  der  Spitze  des  Kollegiums  stand  der  Pfleger  Ton  Ingol- 
stadt und  seit  1546  der  jeweilige  Statthalter  daselbst  Zu  Mitgliedern  det- 
selben  wurde  eine  grCüere  Anzahl  von  Universitätsprofessoren  und  einige 
Beamte,  z.  B.  der  Oberrichtcr,  Zollner  und  der  Pfleger  von  Kosching  beetallt 
(Landt  1514  S.  17G  führen  als  „Täglich  Rhät  zu  Ingolstadt"  auf:  Pfleger 
soll  ein  Landmann  sein,  Dr.  Joronimus  Croaria,  Dr.  Job.  Roß,  Dr.  Barekhartk 
Dr.  Peyßer,  Oberrichter  Hemberger,  Pfleger  zu  KOsching  Qmober,  ZoUer 
KnObcl;  Mitglieder  seit  1525  fahrt  auf  Ostermaior  XUI,  a  99).  — 
Dem  Oberrichter  war  bei  seiner  Doppelstellung  in  seiner  Instruktion  (Cod. 
Bav.  2GI4)  ausdrücklich  zur  Pflicht  gemacht,  daß  er  als  fürstlicher  Rat  die 
Sitzungen  verlassen  soll  bei  allem,  was  vor  Statthalter  und  Räten  in  Sachen 
wider  die  Stadt  und  ehrsamen  Rat  fürkommen  sollte.  Das  KoUegimn  war 
sowohl  Gerichts-  als  Ver\^'altuDg8beh0rde.  In  letzter  Beziehung,  als  Aafinehtf> 
instanz  über  die  Stadt  und  den  Bezirk  des  Pflegeamts  Ingolstadt»  nahm  et 
für  diesen  territorialen  Sprengel  die  sonst  dem  Münchner  Hofrat  obliegenden 
Befugnisse  wahr,  ist  also  in  gewissem  Sinne  als  eine  Filiale  desselben,  alt 
eine  exponierte  Abteilung  desselben  mit  räumlich  und  sachlich  beachrftoktem 
Wirkungskreiso  zu  betrachten.  Als  Gericht  scheint  der  „Pfleger  (Statthalter) 
und  andre  verordnete  Räte*'  sowohl  die  Zuständigkeit  der  Landgerichte 
(vgl.  die  Spruch-  und  Gerichtsbriefc  von  1534  und  15G1  bei  Ostermaier 
Xni,  S.  84  f,  von  1561,   1570  und  1597  in:  Verb,  des  bist  Ver.  der  Obei^ 


—    415    — 

Allerdings  ist  der  Hofrat  außerdem  auch  eine  den  drei 
Regierungen  übergeordnete  Centralstelle  ^);  er  hat  dann  also 
einen  Doppelcharakter,  indem  er  dann  zugleich  auch  Mittel- 
behörde (Regierung)  für  den  Ren  tarn  tsbezirk  München  *)  ist, 
d.  h.  diejenigen  Geschäfte  für  den  Rentaratsbezirk  München 
versieht,  welche  in  den  3  andern  Rentämtern  durch  Vitztum 
und  Räte  besorgt  werden. 

Die  Stellung  des  Hofrats  als  höchster  Centralbehörde  des 
Landes,  als  das  Gericht  des  Landesherm,  der  noch  als  Quelle 
aller  Gerichtsbarkeit  im  Lande  betrachtet  wird,  zeigt  sich  darin, 
daß  das  Prinzip,  jeder  solle  in  dem  Vitztumamte  seines  Gerichts 
Recht  nehmen,  durchbrochen  wurde. 

Die  Aufstellung  des  erwähnten  Prinzips  der  L.  Fr. ,  daß 
jeder  in  dem  Vitztumamte  seines  Gerichts  bleiben  solle,  hätte, 
falls  es  in  dieser  Uneingeschränktheit  geblieben  wäre,  einen 
Verzicht  des  Herzogs  auf  die  Ausübung  wesentlicher  Hoheits- 
rechte enthalten.  Diese  verfassungsmäßige  Zusicherung  hätte 
dann  für  die  Einwohner  der  3  Rentamtsbezirke  eine  Exemtion 
von  der  Gerichtsbarkeit  und  Regierung  des  Herzogs  bezw.  seines 
Hofrats,  wenigstens  soweit  die  Kompetenz  von  Vitztum  und 
Räten  reichte,  bedeutet.  Allerdings  hätte  der  Herzog  durch 
das  ihm  zustehende  Recht  der  Ernennung  von  Vitztum  und 
Räten  auch  mittelbar  seine  Herrschergewalt  durch  diese  seine 
Organe  zur  Ausübung  gebracht,  aber  er  wollte  sich  in  seiner 
Machtstellung  nicht  so  weit  beschränken,  um  schlechtweg  auf 
sein  höchstes  Richteramt  in  Bezug  auf  alle  Insassen  der  3  Rent- 
ämter zu  verzichten.  Erklärten  doch  selbst  die  Stände,  daß  sie 
durch  ihren  Vorschlag  nicht  etwa  des  Herzogs  Obrigkeit  zu 
mindern  oder  zu  schmälern  gedächten.  So  eifrig  war  man 
ständischerseits  bemüht,  den  Charakter  des  Vitztums  als  eines 
Stellvertreters  des  Landesherm  mit  aller  Schärfe  zu  betonen, 
(laß  man  auf  den  alten  Grundsatz  der  deutschen  Gerichtsver- 
pfalz XXXVI,  S.  239  f.,  245)  als  des  Hofrats  als  Appellationsinstanz  vereinigt 
zu  haben. 

1)  Hofratskanzlei-0.  1569:  Höchstes  und  obristes  Regiment;  Hofirats-O. 
1573:  -  bei  unserm  hiesigen  hofgericht  und  rat  als  dem  haubt  aller  anderer 
unserer  rogimcnten. 

2)  Diese  DoppelsteUung  hatte  der  Hofrat  bis  zu  seinem  Untergänge. 
N^\.  Soydol  I,  S.  41. 


—    416    — 

fassuDg,  daß  die  Anwesenheit  des  höheren  Richters  am  Gerichts- 
orte die  Thätigkeit  des  niederen  Richters  zu  seinen  Gunsten 
suspendiere,  zurückgriiT,  indem  man  die  Erklärung  abgab,  „wo 
E.  f.  Gn.  in  einem  Vizedomamt  persönlich  Hof  halten,  so  hSrt 
des  Vizedoms  Verwaltung  daselbst  auf",  ein  Prinzip,  das  man 
nicht  mehr  in  Anwendung  bringen  konnte,  weil  es  mit  einer 
geordneten  Verwaltungsorganisation,  mit  der  Einrichtung  per- 
manenter Behörden  unverträglich  war.  Ebenso  wäre  es  sach- 
gemäßer gewesen,  wenn  der  Herzog  auch  den  weiteren  ständischen 
Vorschlag ,  daß  er  auch ,  wenn  jer  in  einem  Vitztumamte  nicht 
anwesend  wäre,  die  Parteien  aus  demselben,  wenn  er  und 
seine  Hof  rate  dies  für  gut  fänden,  aus  dem  Vitztumamte  zu  sich 
erfordern  solle,  abgelehnt  hätte.  Das  konnte  unter  Umständen 
die  Thätigkeit  der  Regierungen  auch  lahm  legen  und  dnrch- 
löcherte  jedenfalls  das  oben  statuierte  (L.  Fr.  I  a.  6)  Grundrecht, 
daß  niemand  seinem  ordentlichen  Richter  entzogen  werden  dürfe. 
In  ^Virklichkeit  dürfte  von  diesem  Evocationsrecht  auch  nicht 
reichlicher  Gebrauch  gemacht  worden  sein,  und  es  bleibt  immer- 
hin verständlich,  daß  die  sich  immer  mehr  befestigende  Landes- 
hoheit eine  Dccentralisation  der  Rechtspflege  nicht  in  dem  Um- 
fange durchführen  wollte,  daß  dem  Herzog  überhaupt  die  Mög- 
lichkeit entzogen  gewesen  wäre,  einen  Rechtsstreit  durch  das 
an  seinem  Hofe  konstituierte  Hofgericht  zur  Entscheidung  bringen 
zu  lassen,  denn  der  Herzog  ward  jetzt  natürlich  nicht  weniger 
als  früher  als  der  höchste  Richter  des  Landes  betrachtet. 

Eine  vollständige,  gegen  jeden  Einfluß  gesicherte  Kompetenz- 
abgrenzung der  Regierungen  ließ  sich  erst  dann  erreichen ,  als 
auch  Baiem  durch  kaiserliche  Appellationsprivilegien  dem  Gerichts- 
zwange des  R.-Kammergerichts  vollständig  entzogen  wurde,  ein 
eignes  (drittinstanzielles)  Gericht,  das  sog.  Revisorium,  errichten 
konnte. 

Die  L.  Fr.  (I  a.  6)  erteilte  dem  Herzog  die  Befugnis,  jeden 
Rechtsstreit  aus  den  Vitztumämtern  an  den  Hof  zu  ziehen,  um 
ihn  selbst  oder  durch  seine  Hofräte  entscheiden  zu  lassen  ^). 

1)  Seitens  der  Landschaft  wurde  vorgeschlagen,  dafi,  falls  eine  Partei 
aa£crhalh  ihres  Vitztomamtes  kein  Verhör  annehmen  wollte  —  so  sehr  hielt 
man  an  diesem  Gmndrechte  fest,  daß  man  es  in  das  Belieben  der  Üntei^ 
thanen  stellen  zu  kOnnen  meinte,  ob  sie  der  Ladung  zum  Hofirat  Folge 
leisten  wollten  oder  nicht  —  der  Vitztum  der  Parteien  Bed  und  Widened 


—    417    — 

Dieses  Recht  sollte  allerdings  nicht  willkürlich  zur  Anwendung 
kommen,  sondern  nur,  wenn  eine  oder  mehr  bewegliche  Ur- 
sachen hierzu  vorhanden  wären.  Es  konnte  dann,  falls  die  Sache 
nicht  auf  gütlichem  Wege  beendigt,  sondern  auf  den  Prozeßweg 
geleitet  \vurde,  das  persönliche  Erscheinen  der  Parteien  verfügt 
werden. 

Ebenso  konnte  aber  der  Vitztum  eine  Rechtssache,  die  noch 
nicht  prozessual  erledigt  war,  aus  beweglichen  Ursachen  gen 
Hof  weisen. 

Zur  Entscheidung  von  Rechtsstreitigkeiten  war  auch  im 
Hofgerichte  stets  die  Teilnahme  von  Urteilsfindem  (Beisitzern) 
erforderlich,  während  die  Vornahme  von  Regierungsakten  und 
die  Entscheidung  der  nicht  im  Prozeßwege  zu  entscheidenden 
Rechtssachen  dem  Landesherm  allein  vorbehalten  blieb,  der  zur 
Entscheidung  auch  einen  seiner  Räte  delegieren  konnte,  während 
bei  den  Regierungen  dem  Vitztum  allein  die  Entscheidungs- 
^^ewalt  zustand^).  Deshalb  mußte,  auch  nachdem  diese  herzog- 
lichen Räte  allein  oder  fast  ausschließlich  die   Funktion  der 


aufzcichnon  oder  ihr  schriftliches  Vorbringen  annehmen  und  an  den  Herzog 
einsenden  sollte,  damit  dieser  auf  Grand  dieser  Prozeßakten  entscheide.  „Denn 
im  päbstlichcn  Hofe  und  kgL  Eammergericht  und  anderswo  an  viel  Ge- 
richten beschehen  große  Prozesse  alle  durch  Geschriften,  daß  einige  Par- 
they derselben  Ende  persönlich  nimmer  kommt**  (Krenner  XVI,  S.  37).  Dem 
Vorschla<?c  wurde  nicht  stattgegeben.  Merkwürdig  erscheint  es,  daß  von 
den  Ständen,  die  sich  doch  sonst  gegen  die  fremden  Gebräuche  sehr  ab- 
lehnend verhielten,  ein  Vorschlag  zur  Einftlhrung  des  schriftlichen  Verfahrens 
ausgehen  konnte.  Es  war  eben  ein  Notbehelf  um  das  erwähnte  Grundrecht 
zu  erhalten  und  in  Einklang  zu  setzen  mit  den  Forderungen  der  landesherr- 
lichen Gewalt  Betreffs  des  Grundrechts  selbst  gab  die  Landschaft  dem 
Herzog  zu  bcdünken,  daß  eine  jede  Person  und  Sache  ihr  ordentliches  Ge- 
richt haben,  von  dem  sie  in  der  ersten  Instanz  der  Klage  und  Antwort  mit 
Reeht  nicht  ^^cdningen  werden  dürfe;  denn  Ordnung  der  Rechten,  auch  jüngst 
des  Reichs  Ordnung,  gemeine  Freiheit  und  Gebrauch  dieses  Landes  bei 
Städten,  Markten  und  Landgerichten  das  auch  anzeigten  (Kren n er  XVI, 
S.  .SSI  Man  erkennt  aus  der. Erwähnung  der  ersten  Instanz,  daß  Prälaten 
und  Adel,  die  einen  privilegierten  Gerichtsstand  hatten,  fdr  ihr  Grundrecht 
kämpften. 

1)  L,  Fr.  I  a.  8:  Warjnn  aber  wir  oder  unser  nachgesetzt  vitzdomb  on 
sonnder  gerichtsproceß  oder  rechtvertigung  zwischen  den  partheyen  aus  orden- 
lichem gwallt  zuc  schaffen  haben,  alls  umb  anhelhg  bekhennthch  schuld, 
offen  war  frävel,  enntsetzung,  vergwelltigung,  einsatzung  und  annders,  ist  in 
offenwären  rechten  ausgcdruckht 

Kosen  Ihal,  dpschichte  d.  ücrlchtsw.  u.  d.  Vcrw.-Orf.  Balerns.  I.  27 


—    418    - 

Urtciler  und  Beisitzer  im  Hofgcricbte  übernommen  hatten,  diese 
ihre  gerichtliche  Thätigkeit  sich  abheben  von  den  Akten  des 
Yerwaltungsdccemats.  ^Vährend  sie  bei  diesen  durch  keinerlei 
formelle  Schranken  beengt  waren  und  sich  vielfach  von  Zweck- 
mäßigkeitserwägungen leiten  lassen  durften,  waren  sie  bei  Wahr* 
nehmung  ihrer  hofgerichtlichen  Funktionen  an  die  Formvor- 
schriften des  Prozeßrechts  und  auch  materiell  an  die  landrecht- 
lichen Kormen,  an  die  Statuten  und  das  Gewohnheitsrecht 
gebunden. 

Auch  nach  vollständiger  Organisation  des  Hofrats  und 
der  Regierungen  wurden  deshalb  alle  gerichtlichen  Akte^) 
zusammengefaßt  als  solche  des  Hofgerichts  ^)  und  den  übrigen 
Akten  des  Hofrats  und  der  Regierung  gegenübergestellt,  und 
so  auch  äußerlich  die  historische  Kontinuität  nicht  unter- 
brochen 3).    Denn  die  sich  im  16.  Jahrhundert  folgenden  Hof- 

1)  In  einem  Codex  des  Straubinger  Vitztumamts  von  1503  werden  Akte 
dieses  und  des  Hofgerichts  zwar  unter  einander  geschrieben,  die  letiteren 
aber  als  solche  kenntlich  gemacht  durch  Aufschriften,  wie:  Hofgericht,  Recht* 
tag  zum  hofrcchtcn,  Hofgcding  (vgl  Das  kgl.  Hofgericht  für  d.  Unterland 
Straubing.  1808,  BeiL  142,  S.  30  ff.).  —  Im  Cod.  Bav.  2619  i  227«  heiftt  et 
(1532):  ist  vor  Herrn  Yitzdomben  als  hofrichtem  und  andern  reten  alhie  m 
Straubing  ...  ein  rechtstag  angesetzt 

2)  Aber  auch  in  Urteilsbriefen  des  Hofgerichts  wird  keineswegs  immer 
die  Bezeichnung  Hofgericht  gebraucht,  z.  B.  in  einem  Appellationserkenntnis 
des  Hofgerichts  München  1587  heifit  es:  ist  durch  H.  Wilhelms  obersten 
Land-  und  Hofmeister,  Hofratspräsident  und  andere  Rät  erkannt  worden 
(R  A.  —  L  c).  —  In  einem  Formelbuch  aus  der  Zeit  Albrechts  V.  (Cod. 
Bav.  2520)  wird  in  einem  hofgerichtlichen  Urtcilsbriefe  gesagt,  daft  rieh  onser 
Hof  rieh  tor  und  Räte,  in  einem  andern  wieder,  daß  Landhofineister  and  Bäte 
sich  eines  Urteils  entschlossen .  .  . 

3)  In  der  Gor.-0. 1520  haben  verschiednc  Artikel  Titelflberschriften :  fEkntL 
Hofgerichte  (z.  B.  t  X  a.  6,  7, 10 ;  XI  a.  3\  während  in  einigen  Artikeln  von  ftr 
die  fürstL  Hofgerichte  und  in  den  Yitztumämtem  für  Vitztum  und  Räte  (fBntL 
Hofgericht  und  Vitztumamt),  in  andern  nur  vom  fürstlichen  Hofgericht  nnd 
Hofrichter  (z.  B.  t  X  a.  16)  die  Rede  ist.  In  andern  wieder  werden  „die  filnt- 
lichen  Hofrichter  und  Räte"  (t  XI  a.  2)  oder'  nur  „das  Hofgericht**  (t  XI 
a.  3,  4)  erwähnt,  t  I  a.  8  heißt  es:  Bcj  den  FürstL  Hofgerichten  nnd  in 
den  Vitzthomambten  und  regimenten  des  fürstenthumbs  bairen,  do  man  hof- 
gericht  hellte  sol  bej  jedem  hofgericht  zum  wenigistn  ain  geswomer  pot  •  . 
Fürstlichen,    auch    der  Yitzthomb  und  Räte   Citation,  Ladung  nnd  ander 

des  hofgcrichtz   notturft Die  unterscheidende  Terminologie  wird 

überhaupt  nicht  stets  mit  voller  Schärfe  festgehalten,  sondern  aoch,  wo  ron 


—    419    - 

rats-  und  RegiraeDtsordüungen  lassen  deutlich  erkennen,  daß 
die  Hofgerich tssacben  von  den  übrigen  geschieden  bleiben  *). 
So  konstituiert  sich  auch  jetzt  noch  zu  bestimmten  Zeiten*) 
der  Ilofrat  bezw.  jedes  Regiment  als  Hofgericht  zur  Erledi- 
gung der  im  Prozeßwege  zu  entscheidenden  Rechtsstreitig- 
keiten der  Parteien.  Daher  Bestimmungen  ^)  wie  die,  daß  Bei- 
urteile nach  ihrer  Gelegenheit  und  Größe  von  Hofgericht  zu 
Hofgericht  oder  zum  längsten  auf  das  andere  Hofgericht*) 
erledigt  werden  müssen,  und  daß  der  Landhofmeister  oder 
Hofratspräsident  zu  allem  die  Register  und  Akten  ^)  durch- 
sehen soll^). 

Nicht  alle  Rechtssachen  wurden  durch  das  Hofgericht  ent- 
schieden, sondern  nur  diejenigen,  welche  im  Wege  Rechtens, 
also  im  ordentlichen  Prozesse  erledigt  wurden.  Dieser  Unterschied 
wurde  in  voller  Schärfe  bis  in  den  Anfang  des  19.  Jahrhunderts 
beobachtet,  denn  es  gab  noch  königlich  baierische  Hofgerichte  ^), 


der  hofgerichtlichen  Thätigkeit  die  Rede  ist,  zuweilen  Landhofineister  und 
Hofräte  oder  Vitztum  und  Räte  allein  oder  abwechselnd  mit  Hofgericht  ge- 
nannt, z.  B.  Cod.  Bav.  2522  S.  1 :  Nachdem  am  fürstlichen  Hofgericht  Recht- 
fertigung erholt  .  .  der  Gezeugen  Sag  dem  Landhofineister  und  Räten  zu 
übersenden;  ibid.  S.  87:  Eines  Zeugen  Aussage  .  .  dem  fürstlichen  Regiment 
zu  Burgbausen  zugeschickt;  .  .  in  der  Rechtssachen,  so  sich  in  dem  fürst- 
lichen Hofgericbt  zu  Burgbausen . .  —  So  wird  auch  in  den  Akten  über  eine 
beschlossene  Hofgerichtssache  von  1584  gesagt :  ist .  .  dem  M.  ein  Rechtstag 
für  die  fürstlichen  Hofrichter  und  Räte  hier  angesetzt  worden.  In  der  Sache 
erkennen  fürstliche  Landhofmeister,  Hofrichter  und  Räte.  Die  Klageschrift 
wendet  sich  an  den  Hofratspräsidenten,  auch  andre  hochgelehrte  Hofirichter 
und  Räte  (U.  A.  —  Archivalien  des  bair.  Ldr.  no.  93). 

1)  Von  der  Verrichtung  der  Rats-  und  Hofgerichtssachen  wird  in  den 
Instruktionen  wiederholt  gesprochen. 

2)  Vgl.  Gor.-O.  1520  t.  V  a.  14. 

3)  Hofrats-0.  1551  (1573);  Regiments-0.  (fOr  Straubing)  1651. 
4.)  Hofrats-O.  1573. 

5)  In  der  IIofratskanzlei-0.  1569  (H.  A.  Lit  D  n.  83)  wird  bestimmt,  daß 
die  Sekretäre  auch  zu  jedem  Hofge rieht  die  Sachen,  darin  zu  einem  Bei- 
und  p]ndurteil  beschlossen  werden,  aufzeichnen,  dieselben  mit  dem  Protokoll 
so  rasch  als  möglich  fertigen  und  im  Rat  vortragen  sollen,  damit  die  bald 
erledigt  worden.  —  Hier  kommt  also  wieder  die  Identität  des  Hofgerichts- 
und des  Hofrats])er8onals  zur  Erscheinung. 

0^  Vgl.  z.  B.  die  Dekrete  BeiL  I  S.  19  ffi  in  der  Schrift:  Das  kgL  Hof- 
gericht für  das  Unterland,  welche  schätzenswerte  Mitteilungen  aus  der  Re- 
gistratur dieses  Gerichtshofs  bringt 

27* 


—    420    — 

bis  dieselben  1808  in  Appellationsgerichte  umgewandelt  wor- 
den'). 

Daß  alle  Aufgaben  der  Justizverwaltung  zum  Goech&flskrcU 
des  Hofrats  unrl  nicht  des  Hofgerichta  guhürten,  verstellt  sich 
von  selbst.  Schwieriger  wird  die  Unterscheidung  bei  Ucchts- 
streitigkeiten,  denn  derselbe  Recbtsbandel  konnte  vor  dem  Hol- 
gericht oder  vor  dem  Hofrat  (Regierung)  verhandelt  werden. 

Schon  nach  den  Grundsätzen  des  alten  Rechts  sollte 
nftinlicb  zuerst  der  Richter  einen  Sühneversuch  machen,  aiäit 
wo  uißjgltch  einen  Vergleich  unter  den  Parteien  herbeizufttbren 
versuchen,  imd  erst  wenn  die  dahin  gerichteten  richterlichen 
Bemllhußgen  ohne  Ergebnis  blieben,  hatte  die  prozessuale  Erledi- 
gung des  Rechtshandels  zu  erfolgen.  Man  muß  sich  daran  er- 
innern, daß  ursjirünglicb  das  gerichtliche  Verfahren  nur  bezweckte, 
an  Stelle  des  Streit»  einen  Vertrag,  eine  Sühne  der  Parteien 
zu  setzen,  und  daß  diese  gerichtliche  Sühne  sich  erst  nach  dem 
Vorbilde  der  außergerichtlichen  gebildet  hat').  Dali  dud  das 
Gericht  neben  seiner  Aufgal>e,  einer  Beendigung  dt«  Prozesses 
durch  ein  mit  Zwaugsgewalt  ausgerüstetes  Urteil,  auch  ntuts  an 
seiner  ursprUnglicheu  Aufgabe  festhielt,  die  Deundigung  dia  Rechts- 
Streits  durch  Vertrag  der  Parteien  herbeizuführen,  um  doiaen  Zu- 
standekomnien  es  sich  bemühte,  begreift  sich  leicht,  So  unter- 
scheiden auch  die  ßechtsquellen  gütliche  billige  Handlung  und 
Verhör  der  Sachen  von  deu  Sachen,  die  „rechtlich  fürgenunimea 
mit  Recht  und  Urteil  erkannt"  sind»).  Während  gütliche  Ver- 
höre und  Verhandlungen  von  deii  Hofrilten  bezw.  Vitztom  und 
R&ten*)  vorgenommen  worden,  maßte,  sdbald  dieselbe  Sache  im 
^^'ege  Rechtens  zu  Ende  gebracht  werden  sollte,  das  Hofgeridkt 
die  Sache  prozessual  verhandeln  und  entscheiden.  Das  Hof- 
gericht wurde  aus  demselheu  Personal'),  das  vorher  gua  Hof- 

II  Doro^  orguL  Edikt  >,  24.  Juli  180a    VgL  Sojdel  I.  a  t67. 

2)  Brnnnor,  a-G,  1.  &  17». 

3)  L  B.  L  Fr.  I  k.  a     V^  noch  Hofrato-Kanilai-Ü.  lEfiS. 

i)  In  «ner  Inimktlon  fOr  den  VlMani  ron  KiederbaJeni  NoAsft  «M 
n  >cboD  1444  natcnelüsdeo :  wud  oinor  vor  uiMraD  Bo^^cht  «xiet 
nvichttfiD  niit  BMfat  hiiu  don  ladoron  orluuot  odor  von  4u>  BAthvo  in  iM 
OatlicUelt  KefprodMB  (Krenner  U.  ä  102). 

ß)  Dlo  Ebiichtug,  d«l  die  BofK^it^hte  kfine  andern  Mitglieder  ab  dta 
doT  Kanitei  (dM  Hofr»U)  baOm,  bwuieboet  anch  Stoliol  l,  8.  !SB 
Tl«Uftob  ToAoauneDd.    Ich  lulte  n»  fDi  die  Donnklo. 


-    421    — 

rat  (bezw.  Vitztum  und  Rat)  die  Verhandlung  geführt  hatte, 
gebildet.  Der  Unterschied  bestand  nur  darin,  daß  dieselben  als 
Hofgericht  das  Verfahren  nach  den  Vorschriften  des  ordent- 
lichen Prozesses  durchzuführen  und  das  Urteil  nach  Maßgabe 
der  gesetzlichen  Normen  zu  fällen  hatten.  Wurde  von  den 
Räten  in  der  Gütlichkeit  gesprochen,  so  war  dagegen  ihr  Aus- 
spruch nach  billigem  Ermessen  und  nicht  nach  strengem 
Rechte  erlassen  ^),  nichts  anders  wie  ein  Vorschlag,  auf  Grund 
dessen  die  Parteien  einen  Vergleich  abschlössen,  oder  ein 
Schiedsspruch,  für  den  Fall,  daß  die  Parteien  von  vom  herein 
einem  solchen  Ausspruch  der  Räte  wie  einem  Erkenntnis  An- 
erkennung und  Vollziehung  versprochen  hatten.  Den  Parteien 
bot  solch  gütliches  Verfahren  den  Vorteil  einer  rascheren  und 
wohlfeileren  Justiz.  Sie  brauchten  nicht  bis  zu  den  üblichen 
Terminen  der  Hofgerichtssessionen  zu  warten,  wo  allein  Rechts- 
tage abgehalten  werden  durften,  sondern  konnten,  da  gütliche 
Verhöre  in  jeder  Ratssitzung  vorgenommen  wurden,  täglich  ihren 
Rechtsstreit  zu  Ende  bringen.  Daß  das  Moment  der  Kosten- 
ersparung  es  vor  allem  war,  welches  die  Parteien  bewog, 
anstatt  des  Rechtswegs  den  der  Güte  zu  wählen,  wird  in 
Hofgerichtsurkunden  des  15.  Jahrhunderts  mannigfach  hervor- 
gehoben ^). 

1)  Auch  der  Richter  (erster  Instanz)  sollte  die  Parteien  in  Bagatell- 
sachen (unter  2  fl.)  nicht  rechten  lassen,  sondern  sich  unterstehen,  die  Sache 
zwischen  ihnen  in  der  Gütigkeit  nach  seinen  Treuen  zu  entscheiden  (Reü 
Ldr.  1518  t  VII  a.  6).    Vgl  auch  S.  424. 

2)  Damit  sie  mit  ringerer  Eostung,  darein  sie  durch  weitsuchende 
Recht  .  .  verhütet  und  zur  Entschließung  solcher  langwieriger  Irrung  desto 
förderlicher  kommen  möchten  (M.  B.  XV,  S.  223). 

So  bezeugt  1429  der  Vitztum  yon  Niederbaiem  Qi\^,  von  Holfcnstein  ge- 
legentlich eines  Rechtsstreits  des  Regenshurger  Klosters  zum  h.  Kreuz  gegen 
C.  y.  Walbrnnn:  als  sie  die  Span  vor  uns  und  die  andern  des  Fürsten  Räte 
eingebracht,  haben  wir  ihnen  zugesprochen  um  gütlichen  Entscheid  bei  uns 
zu  bleiben,  damit  sie  mit  geringeren  Kosten  durchkommen. 

Femer  bezeugt  Albrecht  IV.  1491  (Dollinger,  Urkunden  von  Rieten- 
burg,  in  Verhandlungen  des  bist  Ver.  der  Oberpfalz  XXXVI,  S.  223),  daß  in 
einer  Irrung  beide  Parteion  vor  unserm  Hofgericht  erschienen  seien  und  ver- 
hört wurden  und  sind  sie  derselben  ihrer  Irrungen  durch  unsre  R&te  gütlich 
Unterrede  und  um  Vermeidung  willen  mehrerer  Kostung,  so  beiden  Parteien 
daraus  erwachsen  hätten  mögen,  mit  ihrem  guten  Willen  vertragen  worden, 
wie  folgt. 


_    422    — 

Daß  süiteus  der  Rate,  die  lieber  ex  aequo  et  bono  die 
Parteien  vertragen  ninchteu,  als  sich  in  schwierigen  FAlIen  ntit 
der  Abfassung  eines  den  gesetzlichen  Bestimmungen  entsprechen- 
den Urteils  abzumähen,  manchmal  eine  gelinde  Pression  auf  die 
Parteien  ausgeübt  wurde,  um  sie  zu  einer  Unterwerfung  unter 
den  Schiedsspruch  der  Räte  ')  zu  veranlassen,  ist  erklärlich.  In 
der  Uats-  und  Kanzlciorduuiig  von  153G')  sagte  nun  U.  Wil- 
helm IV. ,  daß  ihm  berichtet  worden,  wie  die  Parteien  aller 
Stände  von  den  llftten  gedrängt  würden,  „in  ihren  Sachen  zu  kom- 
promittieren, zu  «leiten  auch  wider  ihren  Willen  doch  dergestalt 
angesucht,  daß  sie  zur  Verhütung  besorgter  Ungnade  solchem 
AoBUcheu  statt  geben  tnüsscn".  Judes  derartige  Drangen  aoUto 
künftighin  vermieden  und  es  der  freien  N^illensentschlleSung  der 
Parteien  Überlassen  werden,  ob  KompromilS,  ob  Ilechtaweg*). 

Nach  diesen  Darlegungen  vermag  ich  diesem  gütlichen  Ver- 
fahren nicht  jene  große  Bedeutung  für  die  Ilcceptiou  de»  römi- 
schen Rechts  beizumessen  wie  Stölzel*),  welcher  meint,  d«S 
auf  der  richtigen  Würdigung  des  Gegensatzes  der  Entschei- 
dung „im  Wege  Rechtens"  (d.  h.  vor  dem  ordentlichen  Gerichte) 
und  „in  der  Güte"  oder  „durch  Schiedsspruch"  die  richtige  Er- 
kenntnis der  gesamt«!!  Entwicklung  unsres  Beamteiietaudus  be- 
ruhe. Dieser  Gegensatz  wird  meiner  Ansicht  nach  künstlich  " 
aufgebauscht. 

\Vie  sich  aus  den  angeführten  Beispielen  unwiderleglich 
ergibt,  sind  es  nicht  sowohl  die  Parteien,  welche  aus  ^«eck- 
mäßigkcitserwägungen  nicht  mehr  das  Gericht,  sondern  deD 
Landufihcmi  und  seine  Diener  anrufen;  es  ist  vielmehr  du  Ge- 
richt selbst,  welches  die  Parteien  überredet,  ihren  Ilecht«handd 
nicht  gerichtlich,  d.  h.  nicht  prozessual,   sondern  außei^erichl- 

1)  Wi«  •ll^enieio  diner  Übebtud  vorbroitet  ^woMti.  mioht  nun  du>-  J 
mu,  lUk  die  ltciclubo&«t*-0.  vod   1017  dch  lenulttt  liobl,  rnirirllrfclMi  J 
barronabobon ,  Jedoch  d&l  keine  P^rtbej  wieder  ihrcD  WUlen  n  • 
VoTKloich  k^^wDOj:«]  werde"  (Dffenbicb,  Vom  ka;i.  B.-I]o^B»tb.  WI«  | 
und  Prag  171K).    Mut  L  ti.  Sfi). 

S)  vom  fc  Not.  1636  (Ki^A.!!.-  Gen.  Bog.  UodeM4iniia»tT.  Fmc  1  b.  1).   ' 

8)  «DenuuKb  woBen  wti,  iat  hlnAimi  keliier  Put«!  In  ibron  Saebra  m  ' 
MmprotDittierea  nicemnt«t  wnde,  «mgeechloneD  die  Pertaieo  vaUt«a  »n  I 
Mem  Willen  eonipromlUiaraii  oder  fortcbbi^a.  du  eoU  dtniiMh  M  )adar  | 
Pvtei  n  tlinn  und  bei  tuuera  Bifam  umnefanieD  »tehen." 

4)  BrudoBbotg  1,  &  30. 


—    423    — 

lieh,  d.  h.  durch  Güte  entscheiden  zu  lassen,  und  zwar  nicht 
etwa  vor  einer  andern  Behörde,  sondern  von  denselben  landes- 
herrlichen Dienern,  die  sich  sonst  als  Gericht  konstituieren 
würden.  Man  ist  also  wohl  berechtigt,  zusagen,  daß  der  Güte- 
versuch schon  jetzt  nicht  vor  dem  Beamten,  die  Entscheidung 
vor  dem  gelehrten  Richter,  sondern  daß  schon  im  15.  und  16. 
Jahrhundert,  nicht,  wie  StölzeP)  meint,  erst  in  der  neuem 
Zeit  Güteversuch  und  Sühne  vor  der  nämlichen  Stelle  erfolgte*). 
Denn  es  sind  Hofmeister  und  Räte,  die  sonst  im  Rechten  qua 
Hofgericht  entscheiden,  die  nun  den  Handel  „außerhalb  Rechtens 
und  ohne  ordentlichen  gerichtlichen  Prozeß  in  der  Güte  sum- 
marie"  erledigen.  Diese  Worte  der  Kanzlei-0.  von  1569 ')  geben 
uns  den  Schlüssel  zum  Verständnis  dieses  Gegensatzes.  Das 
Güteverfahren  steht  im  Gegensatz  zu  dem  ordentlichen  gericht- 
lichen Prozeß  und  stellt  sich  dar  als  ein  formloses,  summarisches 
Verfahren  —  sine  strepitu  et  figura  iudicii  —  ist  also  nicht 
reine  Verwaltungsthätigkeit,  sondern  gehört  zu  den  gerichtlichen 
Funktionen,  wird  aber,  wie  es  an  derselben  Stelle  heißt,  als 
Extrajudizialsache  behandelt. 

Das  Resultat  dieses  formlosen  Verfahrens,  Schiedsspruch 
und  Vergleich,  bildet  dann  ebenfalls  einen  Gegensatz  zu  der 
Rechtssprechung  des  Gerichts.  Daß  aber  dieselbe  Stelle  Güte- 
versuch und  Entscheidung  zu  fällen  hatte,  das  bezeugt  die  Be- 
stimmung der  L.O.  1516*),  welche  den  Pflegern  und  andern 
01)rigkeiten  vorschreibt,  Fleiß  anzukehren,  um  die  Partei  auf 
ziemliche  Mittel  und  Wege  in  der  Gütigkeit  zu  vertragen.  Wo 
aber  bei  denselben  Parteien  die  Güte  nit  erhebt  werden  möchte, 
alsdann  nach  vermög  der  Landserklärung  und  Landsordnung 
daiin  zu  handeln.  Da  aber  Justiz  und  Verwaltung  nicht  ge- 
trennt waren  und  Pfleger  und  Richter  Funktionen  beider  Zweige 
zu  verrichten  hatten,  so  ergibt  sich  hier  jedenfalls  die  Unmög- 
lichkeit der  Annahme,  daß  der  Güteversuch  von  dem  Amte,  das 
Erkenntnis  von  dem  Gerichte  gefällt  wurde '^). 

1)  Gelehrtes  Richtertum  S.  342. 

2)  DsLÜ  auch  dies  nicht  etwa  eine  Eigentümlichkeit  der  hairischen  Ent- 
wicklung ist,  hoffe  ich  an  andrer  Stelle  darthun  zu  können. 

3)  H.  A.  —  D.  n.  83. 

4)  f.  29° ;  gleichlautend  L.O.  1663  B.  II  t  1  a.  2. 

T))  Die  Annahme,  daß  diese  Güteverhandlnng  in  erster  Instanz  nur  vor 
dem  Kichter  ohne  Zuziehung  von  Schöffen  stattgefimden,  ist  fOr  onsro  Pe- 


—    4S4    - 

Außer  dem  geschilderten  Göteverfahren  werden  auch  andere, 
iu  das  gerichtlicfae  Ressort  einschlagenden  Oüschaflt-  „ahne  son- 
dern Gerichtsproceß  oder  Recbtfertigung  zwischen  den  rarlviun 
erledigt",  t^s  sind  solche  Thatbestände,  welche  üoturiech,  als» 
keines  Beweises  bedürfen,  bei  welchen  ein  prozessuales  Ver- 
fahren mit  Urteilsfindung  flbcrtiüsaig,  wo  der  Kichter  ein- 
&ch  zu  gebieten  hat,  daß  das  dem  Itechte  Entsprechend»  ge- 
schehe')- Der  Herzog  als  oberster  Richter  oder  sein  St45U- 
vertreter  ist  ebenso  wie  der  Vitztuni  befugt'),  in  solchen 
Rechtssachen,  wie  zugestandnc  Schuld^),  notorische  Frevel,  De- 
jektion,  Besitzeinweisung  u.  dgl.,  ans  onlentlicber  Gewalt  zu 
schaffen.  Einweisung  in  den  Besitz  des  Nachlasses  eines  Ver- 
storbenen durfte  erst  erfolgen  nach  vorausgegangenem  Vorhör 
und  Erkenntnis  der  Sachen  durch  die  Räte,  da  hier  eine  richl«r- 
liehe  Prüfung  der  Gültigkeit  der  letztwilligen  VerRlgung  er- 
forderlich war*)-  Diese  NachlaUregulierung")  war  aber  auch 
nicht  an  prozessuale  Formen  geknüpft,  sondern  spielte  sich 
mehr  als  Verwultungsukt  ab. 

Die  Kompetenz  des  Hofgerichts,  zu  deren  Erörterung  wir 
ims  nun  wenden,  war  im  wesentlichen  nicht  verschieden  von 
der  früherer  Jahrhunderte,  nur  daß  sie  jetzt,  nachdem  das  Ilef- 
komnicn  gesetzlich  fixiert  worden,  schärfer  umschrieben  ward. 


riode  jedenfklU  nicbt  baltbir,  denn  die  IlO.  ron  1616  gibt  dorn  Richter  tat, 
dem  Beklagten  de*  KUgen  Klage  Tonub&ltea,  seina  Antwort  dknwif  ts  iwt- 
Dehmen  und  dann  ent  den  Gfltcvenuch  einioJciitoa.  Di  djrie  rein  pn>- 
lecsualan  Akt«  aber  nnr  in  der  Gericht«iittang,  n  «olehor  die  Parteien  m- 
geladen  waren,  lorgenommni  wurden,  eo  waren  die  ächoffen  In  eoUIwr 
Qerielil«Terhandlang  oatOrlicb  ancb  lugogen,  da  wo  lolcho  Oberhaupt  an  der 
Urteilafindong  beteiligt  waren. 

])  Planck  U.  &  403  £  (Nach  OchBiJcbem  BMbt«  konol«  im  lUttoU 
alter  der  Kichter  einlache  Sehaldaaehen  ohne  Zuiiehung  in  UrtoUtfindor  ab- 
maehco.) 

S)  L.  Fr.  I  a.  a 

3)  Nub  KeC  Ldr,  1618  L  TD  a.  7  hat  der  entioftaaiiell*  Bieht«  mgtm 
aoUber  liquiden  Schuld  rordomogen  Zahlnngtbefehl  mit  14tlgiger  Fiiat  mp. 
Itlgigei  (wenn  Kllger  AuiUnder  ivt)  tu  erluReo  und 
foUitrecknng  darehinfahreD. 

4)  UFt.  1  a.  a 
B)  In  Saddrataddand  wnrde  dlcM  «choa  frfih  von  d«r  Obrigkeit  (a  dt» 

Hand  gmonuuB.    Vgl  Stobbe,  Handbuch  de*  dtatoehen  PrJTatncliU  V, 


—    425    — 

Hofgericht  wurde  aber  nicht  nur  am  Hofe  des  Herzogs  ab- 
gehalten, sondern  in  gleicher  Weise  auch  in  den  Vitzturaämtern. 
Es  wird  so  nur  die  gerichtliche  Thätigkeit  von  Hofrat  und 
Regierungen,  wie  sie,  altem  Herkommen  gemäß,  sich  in  be- 
stimmten Zwischenräumen  wiederholt,  beibehalten. 

Während  diese  Funktion  von  dem  Vitztum  und  Räten 
(Regierungen)  kraft  allgemeiner  Delegation  des  Landesherm 
ausgeübt  wird,  zeigt  sich  die  der  Institution  zu  Grunde  liegende 
Idee  eines  Gerichts  des  Landesherrn  in  einer  gewissen  Über- 
ordnung des  vom  Herzog  selbst  bezw.  seinen  Hofräten  abge- 
haltenen Hofgerichts,  indem  die  Prozesse  aus  den  Regierungen 
nicht  nur  hierher  gezogen  werden,  sondern  auch  vom  Vitztum 
gen  Hof  gewiesen  werden  können.  Es  wird  jetzt  auch  prinzi- 
piell an  dem  Gedanken  festgehalten,  daß  der  Herzog  als  oberster 
Richter  allein  oder  mit  seinen  Räten  fungiere  ^).  Fast  regel- 
mäßig wird  der  Herzog  gewissermaßen  als  Präsident  des  Hof- 
rats aufgeführt,  so  daß  der  Herzog  und  die  Hofräte  neben 
dem  Vitztum  und  dessen  Räten  begegnen,  während  in  Wirklich- 
keit auch  vor  Bestellung  eines  eignen  Hofratspräsidenten 
dies  gewöhnlich  nicht  vorkam*),  sondern  die  Hofratssitzungen 
regelmäßig  unter  dem  Vorsitze  des  Landhofmeisters  statt- 
fanden^). Der  Herzog  war  keineswegs  gesonnen,  durch  die 
festere  Organisierung  sich  in  der  Weise  zu  beschränken,  daß 
er  nunmehr  auf  jede  persönliche  Ausübung  seines  obersten 
Richteramts  verzichtete,  wie  dies  die  verschiedenen  Stellen  dar- 
thuu  *),  welche  eine  persönliche  Teilnahme  des  Landesherrn  an 

1)  z.  B.  L.  Fr.  I  a.  6 :  Ob  aber  beweglich  ursach  aino  oder  mer  ver- 
banden wären,  dardarch  wir  vermainten  ain  sach  selbe  oder  durch  unser  hof- 
rätho  ZUG  hörn  ...  Es  mOgen  auch  unser  vitzdomb  ain  sach  .  .  fQr  uns 
gen  hof  weisen;  I  a.  7  vor  uns  oder  unserm  vitzdomb;  fdr  uns  und  unser 
hofrätho.  Vgl.  noch  I  a.  8,  12,  13,  14,  15;  L.O.  1616  S.  19<>  an  unns  und 
iinnser  Hofräte;  S.  66  nach  unnser  und  unnserer  Bäte  mäßiguog  (L.O.  1553 
B.  VI  t.  13  a.  1,  t  14  a.  2);  Ger.-0. 1520  t  X  a.  15:  Apostel  an  den  Landes- 
fürsten oder  seinen  Vitztum  oder  Statthalter. 

2)  In  andern  Fällen,  wo  es  sich  auch  um  richterliche  Funktionen  handelt^ 
spricht  dann  auch  L.  Fr.  wieder  nur  von  den  Hofräten,  ohne  den  Herzog  zu 
erwähnen,  z.  B.  I  a.  9,  11;  IV  a.  22,  23,  24. 

3)  Ausnahmsweise  ist  auch  von  Hofmeister  und  Bäten  die  Bede,  z.  B. 
L.  Fr.  I  a.  13;  IL  a.  4. 

4)  Vgl.  Anm.  1. 


—    426    — 

der  Rechtspflege  zum  Ausdruck  britigeii.  Dieser  Feriode  blieb 
der  Begriff  einer  Kabinet^ustiz  vollständig  fremd. 

Wie  in  früheren  Perioden  müssen  wir  auch  jetzt  bei 
einer  Eri^rtening  der  Kompetenz  des  Hofgerichts  dessen  Fank- 
tionen  als  erstinstanzielles  und  als  Appellationsgericht  aua- 
einandcrhalteD.  In  erster  Richtung  war  das  Hofgencht  vor 
allem,  nie  auch  in  den  früheren  Jahrhunderten,  Spezialfnum 
für  alle  gegen  Prälaten  and  Adlige  erhobenen  persönlichen  Ao- 
sprQche  ').  Klagen  um  Grundstücke  durften  bei  der  Ausscblicfi- 
lichkeit,  welche  das  Altere  deutsche  Recht  für  die  GeHcbt»- 
gewalt  des  Richters  Aber  Gnind  und  Boden  seines  Bezirks  in 
Anspruch  nahm'),  nur  bei  dem  Landgerichte  des  belegenen 
Grundstücks  erhoben  werden. 

Alle  Luheusstreitigkeiten  gehörten  ebenfalls  vor  das  Fonun 
des  Hofgerichts.  Von  den  Lehensprozessen  wurde  unterschieden 
die  Verleihung  von  Lehen,  welche  nicht  durch  ein  Gericht,  Bon- 
dem  durch  den  Lehensprobst,  später  unter  Mitwirkung  der  Hof- 
kammer  erfolgte  *). 

Daß  der  Gesch&ftsunifang  des  Hofgerichls  ein  sehr  an»* 
gedehnter  war,  erhellt,  wenn  man  erwfigt,  daß  nicht  nur  privat- 
rechtliche  Streitigkeiten,  sondern  auch  solche  rein  nffeotlicb- 
rechtlicher  Natur  vor  das  Forum  des  Uofgerichti)  gezogen  wur- 
den. Wo  von  2  Parteien  Ansprüche  gegen  einander  erhoben 
wurden,  weiin  auch  bei  denselben  das  öffenüichc  und  nicht  du 
private  Interesse  ausschlaggebend  war*),  hielt  mau  eine  gericht- 
liche Entscheidung  fQr  zulAssig,  «eil  die  scharfe  Scheidong 
zwischen  öffentlichem  und  Privatrecbt  eben  dieser  Zeit  noch 
fremd  war. 

Düs  Ilofgericht  war  femer  zuslAndig  zur  Entschoiclung  aller 
Klagen  gegen  Beamte  wegen  jeder  aus  ihren  Amtshandlungea 

1)  I.  Fr.  1  ■.  7. 

2)  Vgl  PUürk,  Lohrb.  d.  Civaproi.  I,  &  U. 
8)  Tgl.  Hofratj-O,  1573:   wu  dann  dl«  «trittige  lobttMaehen  Mugf 

■oUeD  dienolbcn  darrh  uanoni  hofVat  gchandlt  ond  doconuart,  aUdjum 
Tnrlaihanjt  anf  niunt  duunu  riMnitUrt  werdeti  ond  der  leboobrobit  lUrftin^g 
(nr  (ich  (ollitt  Hiebt«  farnenunra. 

4)  So  ituidfiii  die  Stidta  Barghaiumi  md  WuMrbarg  we| 
StrutM  nni  dan  Vomag  (ä«Miian)  atif  dao  LudKbkflitag«D  Tor 
|[«Ttcbt«  IDT  AiufQhnin^  iolchoo  8puiDM  und  Imng  mit  oüuuidpr 
1610  (Kranaer  X\'in,  8.  804). 


—    427    — 

resultierenden  Schädigung^)  der  Unterthanen.  Auch  die  Land- 
sassen hatten  sich  vor  dieser  Instanz  wegen  Übertretung  der 
Vorschriften  der  Landesordnung,  welche  auch  in  den  Hofmarken 
zur  Anwendung  kommen  sollte,  zu  verantworten  *).  Eine  Ver- 
urteilung hatte  durch  solche  Räte,  welche  dem  Kreise  der  Land- 
leute und  Adligen  angehörten,  zu  erfolgen  ^).  Diese  Privilegie- 
rung, welche  bei  der  Zusammensetzung  des  Gerichts  eine 
Rücksichtnahme  auf  den  Stand  der  Räte  forderte,  enthielt  eine 
starke  Durchbrechung  des  Prinzips  der  Behördenorganisation, 
welche  alle  Räte  als  Mitglieder  des  Kollegiums  als  gleichwertig 
betrachtete.  Sie  bildete  aber  eine  Ausnahme,  die  in  die  weitere 
Entwicklung  des  Behördenwesens  nicht  störend  eingriflF. 

Während  die  Kriminalgerichtsbarkeit  bisher,  sofern  der 
Angeklagte  nicht  etwa  Edelmann  gewesen,  dem  Hofgericht  ent- 
rückt war,  mußte  es  sich  jetzt,  nachdem  die  Folter*)  in  das 
gerichtliche  Verfahren  eingedrungen  war  ^),  auch  mit  dieser  be- 
fassen. Es  handelte  sich  nun  darum,  Vorsichtsmaßregeln  anzu- 
ordnen, welche  den  Mißbrauch  dieses  entsetzlichen  Pressions- 
niittels  zur  Herbeiführung  eines  Geständnisses  zu  verhindern 
geeignet  waren.  Man  wollte  deshalb  die  Anwendung  der  Tortur 
nicht  einfach  in  das  Ermessen*)  eines  jeden  Landrichters  stellen 

1)  L.  Fr.  I  a.  12.  Vgl.  unten  Staatedienerrecht  Nach  L.  Fr.  IV  a.  22 
hatte  das  Hofgericht  auch  den  Betrag  des  Schadensersatzes  festzasotzen, 
welchen  ein  Beamter  wegen  Verletzung  der  L.  Fr.  zu  leisten  verpflichtet 
war.    Vgl.  noch  L.  Fr.  IV  a.  23,  24. 

2)  Die  Schuldigen  hatten  der  klagenden  Partei  die  Kosten  zu  ersetzen 
(^nach  unser  und  unsrer  Rfite  Mäßigung).  Wiederholte  dolose  tJhertretung 
derselben  zog  Verurteilung  zu  einer  Geldstrafe  nach  sich,  deren  Ertrag  nach 
des  Verbrechers  Gefallen  an  eine  Kirche  oder  an  einen  andern  Ort  um  Gottes 
Willen  gegeben  worden  sollte  (L.0. 1616  S.  65«  t;  L.0. 1563  B.  VI  t  14  a,  2). 

3)  ,,nach  erkanntnuß  unnseror  Bäte,  so  lanndtleut  und  vom  Adl  sein*'. 

4)  Über  das  Auftauchen  der  Folter  (im  14.  Jahrhundert)  namentlich  im 
Süden  Deutschlands  (Augsburg,  Wien)  vgl  RLOning  in  y.  Liszt  und 
V.  L  i  1  i  0  n  t  h  a  1,  Zeitschr.  f.  Strafrechtswiss.  (1886)  Bd.  V,  S.  216. 

5)  Schon  die  L.O.  1474  kennt  sie  (Krenner  VII,  S.  493).  Über  miß- 
braucblicho  Anwendung  der  Folter  selbst  gegen  Edelleute  beschwert  sich 
die  Rittcrscbaft  1497  zu  Landshut:  so  einer  im  Läugnen  steht,  fahren  (sie 
ihn"!  an  die  Frage,  und  peinigen  sie  härtiglich  wie  einen  Übelth&ter 
(K  renn  er  XIII,  S.  30). 

6)  Die  Rentmeister-Instruktion  1512  (K  r  e  n  n  e  r  XVUI,  S.  322)  statuiert 
schon  dieses  Verbot:  Unsre  ernstliche  Meynung  und  Befehl  ist  auch,  dafi 
uDsrc  Amtlonte  keinen  mit  strenger  Frage  fUmehmen  und  gichtigen,  noch 


und  verbot  bei  Vernieidung  schwerer  Strafe  und  Ungnado  dl« 
peinliclie  Befragung  cIdcs  AngekliLgten  obnc  bcsondcm  Befehl 
des  Hofgerichts ' ).  Nur  falls  eiiic  That  so  ofTeolich  und  ao- 
widersprechlich  vor  Augen  läge,  so  daß  durch  das  gen  Hof 
Schicken  der  Thätor  gewarnt  oder  eine  andere,  die  Klarstellung 
hcumivode  Verzögerung  zu  bufürcbten  war,  konnte  der  Pfleger 
oder  Kictitcr  sofort  zur  peinlichen  Frage  sclireiteu ,  hatte  aber 
UDverzOglich  dem  Uofgericbtc  hierüber  Bericht  zu  erstatten  ■). 
Das  Geständnis,  welches  der  peinlich  Befragte  abgelegt  hatte, 
wurde  aufgezeichnet  und  gen  Hof  geechiclct 

Eine  das  Gebiet  der  peinlichen  Gerichtsbarkeit  berUhreode 
Thätigkeit  hatten  der  Hufrat  bezw.  Vilztuui  imd  Kilte  *)  »eit 
1512')  in  Bezug  a^f  VitztumwiUidel  zu  entfalten,  indem  Reut- 
meister  und  Landachreiher  die  Hübe  derselben  nicht  mehr  au» 
eigner  Machtvollkominenbeit  auf  ihren  L'mritten  festSBtzea 
durften,  sondern  die  Abtildigung  der  Vttztuiuliäudel  uur  mit 
Willen  und  Wissen  dieses  vorgesetzten  Kollegiums  ")  und  nach 
dessen  Mäßigung  vornehmen  durften*). 

Auch  zur  Entscheidung  von  KompetenzkonflikteD  ist  das 
Uofgeridit  zuständig.  W&in  sich  Zweifel  erhöhen,  ob  ein  De- 
likt auf  üiuer  dem  Landgericht   oder  der  Uafuiarksöbrigkeit 

einen  n  der  Fi&ge  fahcen  noch  dio  fttrhalten,  lio  hftben  <iaaD  desiea  roa 
Un*  oder  nnHm  obersten  Amtleuten,  die  ea  Macht  hnbon,  sondernn  BsfvhL 
E«  wflrde  dann  ein  ÜbelthSter  an  wslireT  Tbat  begriffen,  oder  dmfi  K«nng> 
lame,  öffentliche  und  wiuentliche,  anch  recbtmlUge  nnd  wthrhnAo  Urucbea 
BBd  Bewegun^a  lot  Augen  irfixon,  dadurch  ein  lolcher  Ubeltblt«t  der  Notb- 
dorft  nach  iollle  oder  mHite  in  der  Eile,  ehe  die  Sscben  gen  Sof  «der  na 
nOMT  Begiinont  gebrach^  gefragt  werden. 

I]  ohne  nniom  oder  unBerer  Hofrtta  od«r  nnnee  Vititanu  nnil  RU* 
beioDdero  Befehl  (kO.  1E16). 

i)  LO.  1516  S.  19>  1  LO.  1663  B.  VI  L 18  ■.  1.  S;  BeC  Ui.  1618  L  19  ■.  I 

3)  L  Fr.  1  a.  16. 

4)  BenUneiiter-Initniktion  1618  (Krennor  X\'ni.  8.  341)i  LPk. 
1608  und  1614  hatten  dieeen  I  a.  IE  noch  nicht  aufgenommen  i  er  findet  ddl 
ent  in  der  ron  1516. 

6)  Siehe  a  807. 

9)  Noch  in  andrer  Beriehong  wurden  dieee  Kollegien  mit  der  Frag« 
VitxtmnhAndoI  bnfait,   indem  de  den  Wert  de*  gestohlenen  Objekta  «1 
•cbUseo  hatten,  nach  dem  sich  dio  Qnalifiiicrung   dei  schweren  DiehatsUt 
richtete,  der  nor  dann  vorlag,  wenn  der  Wert  de«  Osstohleoen  33  X  Ra^ 
80  A  Qherttiog.  all  Vititamhaodel  betrachtet  wurde.    L  Fr.  1  a.  16  2.  UL 
Vgl  T.  Ler  eben  fei  d  äSt6  Anm. 


—    429    — 

unterstellten  Gemarkung  begangen  war  und  die  vom  Land- 
und  Hofmarksrichter  vorgenommene  Kundschaft  (Augenschein- 
einnahme) nicht  zu  einer  Einigung  geführt  hatte,  fiel  die  Ent- 
scheidung der  Kompetenzfrage  dem  Hofgerichte  zu  ^),  das  auch 
über  die  Zuständigkeit  bei  Civilstreitigkeiten  zu  erkennen  hatte, 
falls  dieselbe  bestritten  war. 

Wie  in  der  vorigen  Periode  war  auch  jetzt  das  Hofgericht 
hauptsächlich  Appellationsinstanz.  Gegen  alle  Urteile  der  Stadt-, 
Land-  und  Hofmarksgerichte  *)  ging  der  Rechtszug  zum  Hof- 
gericht. Eine  eingehende  Reglung  auf  Grund  des  römischen  und 
des  kanonischen  Rechts  erfuhr  das  Verfahren  in  Appellationen 
durch  die  Gerichts-0.  1520  3),  deren  10.  Titel  handelt  „Von 
Appellationen  und  wie  die  beschwärten  von  bey  unnd  ennt- 
urteilln  appellirn  und  dingen  mögen,  auch  wie  derhalben  appostl 
und  urkhünt  begert  unnd  geben  unnd  was  zuvoUfürung  der  ap- 
pcUation  gethan  werden  soll". 

Nachdem  sich  stets  aufs  neue  der  alte  Mißbrauch  wieder- 
holte, daß  sich  die  Parteien  sofort  an  das  Hofgericht  wandten, 
ohne  vorher  ihre  zunächst  vorgesetzte  Gerichtsobrigkeit  an- 
gegangen zu  haben,  untersagte  die  L.O.  1516*)  nochmals  mit 
aller  Entschiedenheit  solchen  Unfug,  der  nicht  nur  für  die  Par- 
teien zeitraubend  und  kostspielig  war,  sondern  auch  die  Hof- 
gerichte ungebührlich  mit  Arbeit  überlastete.  Sie  schrieb  vor, 
daß  den  Parteien  nur  erlaubt  sei,  auf  Grund  eines  vom  Gerichte 
erster  Instanz  gefällten  Urteils,   durch  das  sie  sich  beschwert 

1)  L.  Fr.  II  a.  4. 

2)  L.  Fr.  II  a.  3. 

3)  t  X  a.  1  enthält  folgende  Definition  der  Appellation:  „Was  Appellirn 
scj.  Appellirn  (das  man  imm  Fürstennthmnb  Baim  nennt  dingen)  ist  ain  be- 
ratl\mg  von  dem  unnttem  Richter,  fOr  den  obrem,  die  das  erganngen  ortejl 
und  den  gorichtzzwang  des  unnttem  Richters  (Soverr  sollich  bemeffung 
formlich  beschicht)  in  me  stellt,  und  fuerot  dieselb  sach  zu  erkanntnofi  des 
obrem  Richters  umb  pesser  gerechtigkait  willen.** 

4)  S.  29°:  das  maniger  erstmals  und  nnersnecht  seines  Pflegers,  Richters, 
Hofinarch  oder  anderer  Gerichtzherren  von  einer  schlechten,  geringschfitzigen 
oder  gar  ungegründten  Sachen  wegen  an  unnsem  Fürstlichen  hofe  oder  für 
unnser  Vitzdomb  geloflcn  und  geclagt  Daraofi  dann  nit  allain  desselbigen 
Clagern  in  vil  wego  merckhlicher  nncossten,  mue  und  versäunmng,  Sonnder 
auch  unns  unnd  unnsem  Räten  in  anndem  treflichcn  und  obligenden  Sachen 
zchanndlcn  mermals  große  verhinderang  enrolgt  hat  Vgl  noch  L.O.  1553 
B.  II  t  1  a.  1. 


erachteten,  sich  an  das  üofgenclit  um  Abänderung 
zu  weudou  ').  über  das  erstinstanztelle  Urteil  wfir  eine  Ur- 
kunde (Unterricht)  des  untern  Gerichts  dem  Hofgerichte  vor- 
zulegen bei  Meidung  der  ZurQcliweisung  der  Klage  oder  der 
Supplikation  durch  dasselbe,  denn  diese  Bestimmung  galt,  ebenso 
wie  für  Appellationen  in  Prozessen,  auch  für  BescbwerdCD  tD 
VcrwäUungssHchen. 

Diese  Vorschrift  erwies  sich  keineswegs  als  im  Interesse 
der  Parteien  gelegen,  denn  wenn  der  Appellant  von  seiner 
nächstvorgeaetztcn  Übrigkeit  beschwert  worden  war,  war  es  kein 
leichtes  Stück  Arbeit,  den  erforderlichen  „Unterricht"  Überhaupt 
zu  erhalt«tn,  und  man  kann  sicli  vorstellen,  von  welcher  Art  der- 
selbe oft  nar.  Deshalb  sollten  nach  der  Rats-  und  Kanzlei-0. 
von  153G*)  solche  Supplikationen  von  den  hohem  Instanzen 
angenommen  und  nicht  wegen  des  fehlenden  Unterrichts  an  die 
erste  Instanz  zurückverwiesen  werden. 

Dem  Verbote  der  Umgebung  des  Untergerichts  war  so 
wenig  entsprochen  worden,  daß  schon  ein  lierzogllchea 
Mandat  vom  17.  April  1520  die  Beobachtung  dieser  Vorschrift 
der    L.O.    einschärfen    mußte,    um    dem    anleidlichen    über- 


1)  LO.  1516  8.  80 :  TenuniDct  .  .  »inich  parthej  an  lolbem  «einet  gt- 
riehttobriii:kut  fQniemeo,  gctchift  oder  cnDUchid  liierfibet  bMcbwSrt  m  »tia, 
AUdaiiD  und  nit  ehe  lol  det  be«ch«&rt«D  partbe;  eilaabt  und  ingeb«ii  ari^ 
QDiu  QDd  naoser  HofrlLte  und  in  uniueni  Vitidombainbb^ii  nniueT  Tltodomb 
und  lUte  umb  hüff  mid  gepQrlich  bsnndianj;;  laonaecbeo,  dach  tan  MdnK 
□brigkhait  rorgejobler  iMhcn,  ain  scbrifftlicb  Biuaigeti  oimil  iuiDt«Triclit  miU 
bringBo.  -  Ähnlich  LO.  1553  B.  U  t  1  a.  L 

3)  Wiewol  In  uiueroT  luidfordonng  (rneter  nud  gnedi^or  nuinimg  ni- 
gebuMD  üt,  dM  iD  nuem  reten  kain  inppliMdon  uigoDomeo  werden  aal^ 
der  tappUcant  bringe  denn  lavor  »oin  anpringen  «dnor  fai^eMtiten  oberiolt 
an,  nnd  Ton  denelben  antorricbt  . ,  findet  neb  doch  in  gnoter  erfanuig, 
■Ollieh  otdonng  in  ainon  mifipraaib  geiogm  and  dorn  gnutioon  uraiui  n 
in  vU  wege  beichweiUch  lein  nüt  und  sonderlich  »n  ün  «applkant  vm 
Miatm  furgMettlnn  ambtiiian  odor  oborkajt  beirbwert  wirdnt,  iit  wal  sa 
whtw^  wat  nnterrkbt  licb  dat  arm  man  ta  b««orgen  habe  und  ehe 
tchadcD  m  gedulden,  dann  alte  bin  tud  «ider  lu  laofen.  bedenkt 
abennaln  der  ann«  man  mer  and  hober  od«r  oae  Mbnocb  bcschnifTt  i 
mochte.  Denuucb  nnd  an*  andeni  mer  onacben  wollen  wir  all  der 
(nnt  gedadtte  ordonng  disor  teit  dii*t«Ueo  and  betrieben  «och,  daa  Ir 
rappUcacionei  von  d«m  cJagenden  annomen  und  nit  «in  bithor 
hinter  eich  nmb  unlArriebt  widaen,  tonder  die  (»Uicbait  tob 


—    431    — 

laufen  der  Hofgerichte  durch  die  Parteien  entgegenzutreten^). 
So  wenig  vermochten  aber  die  wiederholten  Verbote  diesen 
Ubelstand  zu  beseitigen,  daß  die  Hofrats-0.  1573  ein  solches 
nochmals  entschieden  wiederholen  mußte*).  In  zutreffender  Weise 
wird  hier  der  Mißbrauch  dahin  erklärt,  daß  die  unruhigen  Leute 
ihre  nachgesetzten  Obrigkeiten,  bei  denen  sie  besser  bekannt 
seien  als  beim  Hofrate,  scheuten.  Da  auch  Pfleger  und  Richter 
den  Parteien  unnötige  Kosten  verursachten,  indem  sie  dieselben 
3  oder  4  Mal  um  Bericht  schreiben  ließen  und  dann  diesen 
„schlechtlich  genug"  erstatteten,  wurde  angeordnet,  daß  künftig 
denselben  auferlegt  werden  solle,  Bericht  innerhalb  14  Tagen 
zu  erstatten.  Verzögerten  sie  denselben  ohne  triftige  Gründe, 
so  wurde  der  Saumselige  auf  eigne  Kosten  zum  Hofgericht  er- 
fordert und  außerdem  noch  wegen  Ungehorsams  bestraft. 

In  Bezug  auf  die  von  den  Gerichten  erster  Instanz  er- 
gangenen Strafurteile,  sie  mögen  auf  Todes-  oder  Leibesstrafe 
gelautet  haben,  stand  dem  Hofgericht  ein  Milderungsrecht  zu. 
Hier  sollte  nicht  der  Prozeß  vor  der  höheren  Instanz  wieder- 
holt  werden,  denn  die  Partei  hatte  nicht  wie  in  Civilprozessen 
das  Rechtsmittel  der  Appellation,  sondern  das  Hofgericht  fun- 
gierte hier  gewissermaßen  als  Begnadigungsinstanz,  die  eine 
Milderung  der  von  dem  Untergerichte  erkannten  Strafe  anzu- 
ordnen befugt  war^),  indem  der  Herzog  ihr  sein  Hoheitsrecht 
der  Begnadigung  zur  Ausübung  delegiert  hatte. 

Der  Charakter  dieser  Kollegien  als  der  den  Untergerichten 
übergeordneten  verleiht  diesen  auch  Befugnisse  der  Oberauf- 
sicht, überträgt  ihnen  also  Geschäfte  der  Justizverwaltung. 
Sic  hatten   insbesondere  auch  die   Unterthanen  gegen  Justiz- 


1)  Gleichzeitig  wurde  den  UDtergcrichten  auferlegt,  mit  ihrem  Berichte 
alle  in  der  Sache  ergangenen  Beschlüsse  an  das  Hofgericht  einzusenden. 

2)  nachdem  auch  vil  unrhuobiger  leut  unsere  nachgesetzte  obrigkaiten, 
bei  denen  si  etwas  besser  dann  hie  bekannt  sind,  scheuchen  und  mit  supph- 
cationen  und  clagen  den  ncchsten  unersuecbt  der  nidergericbt  bieber  lauffen, 
durch  welches  unsere  ret  auch  vilmals  lang  und  vergebenlicb  aufgehalten, 
sollen  dieselben  clcgcr  den  nechsten  widerumb  ab  und  an  die  nider  obrigkait 
gowisen  worden. 

3)  Ref.  Ldr.  1518  t  19  a.  6:  So  sollen  dieselben  pene  des  tods  und 
lejbstraff  füran  unns  und  unnsem  B&tcn  nach  grOße  unnd  gelegenhait  des 
veri)rechenns  zu  mäßigen  gepürn  unnd  zusteon. 


—    432    — 

venveigcruDg  und  -vcrzögeniDg  seitens  der  Hofmarksherren  zu 
schützen.  Wollten  oder  konnten  diese  auf  Antrag  einer  Partei 
kein  Ho&narksgericht  besetzen,  so  hatten  sie  den  Rechtsstreit 
unverzüglich  an  das  zuständige  Land-  oder  Hofgericht  zur  Ent- 
scheidung zu  überweisen.  Zeigten  sie  sich  hierin  saumselig  und 
lässig,  so  hatte  das  Hofgericht  das  Landgericht,  in  dessen  Sprengel 
die  Hof  mark  gelegen  war,  mit  der  Verbescheidung  des  Prozesses 
zu  beauftragen  *). 

In  Verbindung  mit  der  Kriminalrechtspflege  steht  anch  das 
Recht  des  Hofrats  und  der  Regierungen  zur  Erteilung  des  Ge- 
leits*) (salvus  Conductus),  also  der  polizeilichen  Beschirmung') 
der  Reisenden  auf  den  Straßen^)  und  der  Landeshuld,  der  Be- 
gnadigung der  aus  dem  Lande  entwichenen  Verbrecher,  woffir 
eine  bestimmte  Gebühr  zu  entrichten  war. 

Mit  diesen  nicht  dem  Gebiet  der  Rechtspflege,  sondern  dem 
der  Justizvenvaltung  angchörigen  Aufgaben  haben  wir  den 
Wirkungskreis  der  Hofgerichte  bereits  verlassen  und  so  den 
Übergang  zur  Betrachtung  des  Wirkungskreises  des  Hofirats 
und  der  Regierungen  auf  dem  Gebiete  der  Verwaltung  gewonnen. 
Daß  diese  Behörden  auch  hier  nicht  nur  in  erster  Instanz  ent- 
schieden, sondern  als  höhere  Instanz  fungierten,  an  welche  sich 
die  Parteien,  die  sich  durch  Venivaltungsbeschlüsse  der  Pfleger 
und  Richter  l)eschwert  fühlten,  wandten,  um  eine  Abänderung 
der  erstinstanziellen  Verfügung  zu  erlangen,  wurde  schon  hervor- 
gehol)en.  Während  sie  aber  als  Appellationsinstanzen  in  Pro- 
zessen (als  Hofgericht)  gebunden  waren  an  die  prozessualen 
Schranken,  konnten  sie  solche  Verwaltungsbeschwerden  frei  er- 
ledigen, ohne  daß  sie  bei  diesem  Verfahren  beengende  Fonn- 
vorschriften  hätten  beol)achteu  müssen.  Die  Unterscheidung 
tritt  ganz  deutlich  hervor  in  der  L.O.  1553  (B.  II 1. 1  a.  I),  die 
von  ^Klag  oder  Beschwärung"  spricht. 

1)  L.  Fr.  II  a.  12. 

2)  Bruch  dieses  Geleits  war  als  Vitztumhandel  qualifiziert  (L.  Fr.  I 
a.  1(>  Z.  ü). 

3)  Vgl.  Kockinger,  Einleitung  bezw.  Register  S.  308. 

4)  Verbrechern  oder  den  eines  Verbrechens  Verdächtigen  wurde  Geleit 
von  und  zum  Verhöre  erteilt  LO.  1553  S.  91;  L.  Fr.  (erst  seit  1638)  IV 
a.  0.    Vgl.  auch  Krenner  VII,  S.  377. 


—    433    — 

Die  durch  jede  Behördenorganisation  bedingte  Selbst- 
beschränkung des  Herrschers  blieb  auch  hier  fortwirksam ,  in- 
dem die  Kollegien  in  der  Regel  Entscheidungsgewalt  besaßen, 
also  selbständig  die  in  ihr  Ressort  fallenden  Geschäfte  erledigen 
konnten,  ohne  für  ihre  einzelnen  Beschlüsse  eine  besondere  Ge- 
nehmigung des  Herzogs  erholen  zu  müssen,  denn  der  Herzog 
hatte  die  Mitglieder  der  Kollegien  durch  die  Einrichtung  der- 
selben bezw.  durch  die  Abgrenzung  ihres  Geschäftskreises  ge- 
nerell zur  Erledigung  von  Geschäften  bestimmter  Art  in  seinem 
Namen  bevollmächtigt^ ).  Gewisse  Kategorien  von  Geschäften  blie- 
l)cn  aber  nach  wie  vor  der  definitiven  Entscheidung  des  Landesherm 
vorbehalten,  während  die  Behörden  in  Bezug  auf  diese  sich  nur 
gutachtlich  zu  äußern  hatten,  d.  s.  alle  die  wesentlichen  Hoheits- 
rechte und  das  Kammergut  berührenden  Angelegenheiten,  so- 
wie alle  diejenigen,  über  welche  der  Herzog  bereits  früher  An- 
ordnXing  erlassen  hatte  —  was  unnser  aigen  guet  oder  mercklich 
unnser  obrigkait  antrifft,  oder  darjnnen  wir  vorhin  selbs  ge- 
schaßt betten".  Also  mit  den  Worten  der  L.O.  1501*)  — 
denn  auch  der  übrige  Teil  der  Stelle  ist  gleichlautend  —  sanktio- 
niert die  L.O.  1516^)  und  1553*)  den  alten  Zustand. 

Die  Kompetenz  des  Hofrats  und  der  Regierungen  war  im 
wesentlichen  gegen  früher  unverändert.  Haben  wir  auch  ver- 
sucht, die  einzelnen,  diesen  Stellen  als  Gerichten  obliegenden 
jurisdiktioneilen  Funktionen  zu  erörtern,  so  muß  doch  der  Ver- 
such aufgegeben  werden,  eine  Übersicht  über  den  ihnen  auf  dem 
Tiebiete  der  Verwaltung  zugewiesenen  Wirkungskreis  zu  liefern. 
Alle  Gegenstände  der  gesamten  äußern  und  innem  Verwaltung 
sind  ihnen  zur  Behandlung  überwiesen,  soweit  diese  nicht  be- 
sondern Verwaltungsbehörden  übertragen  waren.    Sie  waren  wie 


1)  In  Brandenburg  hatten  die  Ordnungen  der  neuroärkiscben  Earomer- 
nnd  Hof^'erichtsräte  und  Kanzlei  und  die  Ordnung  der  RÄte  des  Kammer- 
Berichts  von  1561  und  1562  die  Scheidung  so  durchgeführt,  dafi  in  landes- 
horrlichen  und  Amtssachen  Kanzler  und  Räte  nie  selbst  zu  befehlen,  sondern 
stets  die  Weisung  des  Kurfürsten  einzuholen  hätten.  Die  minderwichtigen 
sollten  die  Hofräte  selbst  erledigen  und  nur  die  wichtigen  an  den  Kurf&rsten 
übermitteln  ( S  t  ö  1  z  e  1 ,  Brandenburg  I,  S.  215  f.). 

2>  Vgl.  S.  264  f. 

3)  S.  30O. 

4)  B.  U  1. 1  a.  5  und  6. 

RuMcnthal,  Geschichte  d    GerichUw.  u.  d.  Verw.-Orf.  Baiernt.  I.  28 


—     434     — 

heute  die  Kreisrogierungen  ' )  die  allgemeinen  Verwaltungsstellen 
der  ReDtamtsliczirke,  hatten  nur  noch  eiiie  grAÜere  Bedeutang, 
da  sie  überdies  noch  die  heute  auf  die  Oherlondesgerichtc  aber- 
tragene  Kompetenz  besaßen.  Hier  tritt  aber  auch  der  Cbarakter 
des  Hofrata  als  einer  den  Regierungen  vorgesetzten  Centnüstelle 
hervor.  Denn  der  Hofrat  ist  eben,  solange  die  Übrigen  Ceotral- 
behörden  mit  sachlich  geschiedenem  Wirkungskreise  noch  nicht 
aus  seinem  Schöße  hervorgegangen  sind,  das  Ministerium,  d.  h. 
alle  staatlichen  Aufgaben  wurden  von  dieser  einen  St«Uo  er- 
ledigt, soweit  sie  notwendig  einheitlich  fUr  das  ganze  Herzog- 
tum von  Einem  Punkte  aus  zu  behandeln')  waren;  daneben 
waren  dann  freilich  von  derselben  Behörde  die  auf  das  Hent- 
amt  München  bezüglichen  Verwaltungi^eschäfte  zu  verrichten. 
Die  3  Vitztumäniter  sind  also  Gerichte  un<l  besonders  die 
Vollzugsorgane  des  Hofrats  und  der  neu  errichteten  Obrigen 
Centralbehördüii  ^r  alle  diejenigen  Teile  der  Staatsverwaltung 
und  innem  öffentlichen  Angel^enheiten,  welche  zu  dem  Ge- 
schäftskreise" ')  derselben  gehören.  Die  Mannigfaltigkeit  der 
Aufgaben  bietet  ein  ebenso  buntes  Bild,  wie  der  die  verschieilen- 
artigsten  Sparten  umfassende  Geschäftskrei»  der  jelzigeu  Kam- 
mern des  Innem  der  Kreisregierungen*).  So  wurden  sie,  um  sor 
weniges  aus  der  Fülle  hervorzuheben ,  gutachtlich  gehört  bei 
l^slatortschen  Arbeiten,  um  die  Erfahrungen  und  UedOrfnisee 
ihres  Bezirks  zur  Geltung  zu  bringen  ^).    Von  vülkerreditlichen 


nrkrtigm  PaBÜk, 


1)  Vgl.  se^d^i  I.  8. 2^;  n,  s.  3oa 

2)  I.  &  OescitigebuDga&rb«it«n.  Angelagenbeiten  der 
der  Eirehenpolitik. 

3)  Terordnaog    Ober    itie    Fonnatioo    der 
(Befdel  U,  8.  Sf«). 

4)  Über  dieM  tgL  die  AubUÜQiig  bei  Poil,  Terf.  S.  93  IT. 

6)  AU  I.  B.  1630  »ine  Beri&OD  der  LO.  1616  erfordorUeh  wnrd»,  «w 
ngtcD  dio  Herzoge,  dftft  der  too  den  IfODchnor  Terotdn«t«n  iUt«a 
Botworf  in  die  3  Vititimiiiiit«  gMchicIct  werden  loll,  dunlt  ,iie  i 
Ort  iiiMDderheit  d«Tor  bodenkeD,   erfkbren  und  erwegea,  ww 
I^odtwut  Oel^eoheit  duin  leidoolieb  uid  unehmlich  ttieh  n 
Bünden  od«  in  bewera  ttch  Uire«  VenneioeBi  tUgea  welle*'.    Di 
die  MOBebaer  BUe,  «eiche  den  enteo  Vetpitl  gemkcht  babon, 
der  S  Orte  pen4olioh  mit  den  dortlgi?n  lUten  nUi-hUgea  oad 
aadcm  eebiM  OstbedOakeas  erlnaan,  dunit  hl«rabcr  nla  f&nregl 
■eUoi  deeto  bU  gemacht  werden  mag  (B.  i.  —  Bajr.  Ludr.  S.  11^ 


—    435    — 

Angelegenheiten  war  ihnen  namentlich  die  Aufsicht  über  die 
Grenzen,  die  Wahrnehmung  der  landesfürstlichen  Hoheitsrechte 
gegen  die  Ansprüche  der  anstoßenden  Länder  übertragen  ^ ). 
In  den  Grenzbezirken  war  seitens  der  Regierungen  sorgsam  auf 
alle  verdächtigen  Vorgänge  in  den  benachbarten  Ländern  zu 
achten  und  bedrohliche  Wahrnehmungen  sofort  an  den  Herzog 
zu  melden  ^).  Ebenso  hatten  sie  auch  den  Unterthanen,  welche 
auswandern  wollten,   Auswanderungserlaubnisbriefe  zu  erteilen. 

Auf  dem  Gebiete  der  Sicherheitspolizei  werden  Maßregeln 
zum  Schutze  der  Bevölkerung  gegen  die  die  Ordnung  und 
Rechtssicherheit  bedrohenden  Verbrecher,  insbesondere  gemein- 
schaftliche Streifen  aus  mehreren  benachbarten  Pflegen  organi- 
siert und  die  Durchführung  der  entsprechenden  Anordnungen 
durch  die  äußern  Beamten  überwacht. 

Die  Regierungen  fungierten  sodann  nach  Errichtung  des 
geistlichen  Rats  in  Unterordnung  unter  diese  Centralstelle 
und  als  Vollzugsbehörde  derselben,  als  Organe  des  landesherr- 
lichen Kirchenregiments.  Posseßbriefe  wurden  von  Regierungen 
erteilt,  Anordnungen  der  Wahlen  von  Äbten  mit  diesen  verein- 
bart*). Damit  in  Verbindung  standen  weitgehende  Aufsichtsbefug- 
nisse, welche  die  Regierungen  bezüglich  der  Verwaltung  der 
Kirchenämter  wahrzunehmen  hatten,  Befugnisse,  die  bis  zur 
Anitsentsetzung  wegen  ungeistlichen  Lebens  gingen  und  die  Geist- 
lichen zur  Erfüllung  kirchlicher  Pflichten  anhielten.  An  der 
Visitation  des  Klerus  hatte  die  Regierung  mitzuwirken,  um  dem 
geistlichen  Visitator  durch  ßeigesellung  eines  aus  ihrer  Mitte 
den  weltlichen  Arm  zur  Verfügung  zu  stellen*). 


1)  Sie  Bollten  ihr  Augenmerk  darauf  richteD,  da£  nichts  den  Landesherm 
entzogen  und  seitens  der  äußern  Amter  seinen  Befugnissen  nichts  vergeben 
werde  (Entwurf  einer  Hofrats-0.,  wahrscheinlich  nach  1691  —  H.  A.  —  lit  1 
n.  2). 

2)  z.  B.  Landtag  1514  S.  663  flf. 

3)  Mandat  1533. 

4)  Vgl.  R  Mayer,  Eircbenhobeitsrechte  S.  59  t 

5)  Als  z.  B.  1593  der  Bischof  von  Eicbstädt  eine  visitationem  generalem 
olcri  anstellen  wollte,  erhielt  der  Yitztum  den  Befehl,  eine  weltliche  Person 
aus  der  Mitte  der  Regierung  abzuordnen,  welcher  auf  der  geistlichen  Visi- 
tatoren  Ersuchen  die  weltlichen  Personen  examiniere  und  den  Yisitatoren, 
was  die  Notdurft  erfordere,  communiciere ,  auch  sonst  alle  gute  Hfllfe  und 
Beistand  leiste  (RA.  —  Decrete  Bd.  IV). 

28* 


lo  der  Abwehr  dos  Protestatitisnius  inuBt£ii  die  Regia 
ebenfalls  niitwirktüi  \m  der  Vollzicbuug  der  zum  Schutze  ( 
alten  Kirche  getroffenen  Anordnungen,'  z.  B.  Übcrwachuug  der 
bei  secti&cben  Uutcrthauen  sich  aufhaltenden  bairisclien  Uuter- 
thanen,  Abstellung  des  Aulierlandlaufens  der  Unterthanen  zqid 
Gottesdienste ' ).  Die  Re^erungen  hatten  dem  Herzog  statisti- 
schen Itericht  zu  erstatten  über  die  Zahl  der  Konimutiikatileii, 
diu  entweder  sub  uua  oder  sub  utraque  spiicie  comiDunickrt 
oder  die  Koiumunion  gar  eingestellt  hätten'). 

In  das  Itessort  der  Regieningen  fiel  auch  die  tlberwacbtmg 
der  rtuchftlhrer,  welchen  sie  die  Konzession  zum  Verkauf  tmd 
öffentlichen  Feilhalten  bestimmter  Bücher  zu  erteilen  hatten  *). 
Diese  Zensur  bildete  ein  Glied  in  der  großen  Reihe  ktrclicn- 
politischer  Maßnahmen,  zu  it'elchen  die  gegenreformatorisclie 
Bewegung  die  Staatsgewalt  veranlaßte. 

Auf  dem  Gebiete  der  Wirtschaftspolitik  wurde  die  Mit- 
arbeit dieser  Behörden  ebenfalls  stark  in  Anspruch  genommea, 
wenn  auch  diese  staatliche  Wirtschaftspflcge  zum  großen  TeDe 
der  Ilofkammer*)  nach  ihrer  Organisation  zufiel.  So  sontco, 
um  nur  einige  Beispiele  hier  anzuführen,  die  Regierungen  dar- 
auf bedacht  sein  und  sich  bemühen'^),  wie  und  durch  welche 
Mittel  mehrere  Gewerh  und  Handüerungen  ins  Land  zu  bringeB 
und  anzurichten. 

Fragen,  welche  die  Reglung  konkreter  VerhiÜtDisse  betrafen, 
wechselten  in  bunter  Reihenfolge  mit  solchen,  welche  allgemeiiie 
Maßnahmen  von  tiefgreifender  Bedeutung  für  das  Staatslebeo 
berührten,  in  den  Verhandlungen  des  Hofrats  und  der  Itegie- 
niugen  ab.  Nichts,  was  das  weite  Feld  der  Staatsverwalttnig 
berührte,  war  dem  Wirkungskreise  dieser  Behörden  critrOcIcL 

Der  Ilofrat  als  das  Haupt  aller  Re^iniente  führte  die  Auf- 
sicht Qljer  diese,   während  dienen  wieder   alle  äußern  Beamten 


I)  DisM  tlto  Anordnong  wird  mit  dem  w^bd  der  r«rflltanrbcluii  Itaikttll 
and  BScbt  ettMaencD  der  LuidilrateT  Begierang  b  Eriiuionmg  ([iliiiiM 
(Klnckliahii,  Di«  Jenit«n  b  Buern.  in  Syber«  Hlrtsr.  ZcdttdK  [1974] 
Bd.  Sl.  S.  358  t). 

i)  &.A.  —  DMKte  Albncbu  V. 

S)  1.  B.  Col  Bat.  tSSt 

i)  Die  Bcffienrngen  wkraa  VoUingMTKuw  aach  dii-Hir  BehOrdRB. 

Q  iHtnhtlon  Ar  dl«  BectunrU»  1692. 


—    437     — 

ihres  Sprcngels  untergeordnet  waren.  Als  die  Landstände  be- 
antragten (1593),  zu  einer  Visitation  der  Regierungen  einige 
Deputierte  aus  ihrer  Mitte  verordnen  zu  dürfen,  schlug  der 
Herzog  diesen  Antrag  rundweg  ab,  obwohl  die  Laudstände  selbst 
erklärt  hatten,  daß  sie  damit  keinen  Eingriff  in  die  fürstliche 
Souveränität  anstrebten,  nicht  daß  sie  dadurch  einer  Visitation, 
als  welche  allein  ihro  f.  Durchlaucht  als  regierenden  Landes- 
fürsten gebührt^),  begehren,  sondern  damit  nur  die  erfahrenen 
Laudstände  die  meisten  Beschwerden  anzeigen  könnten.  Sie 
wünschten  diese  Zuziehung  also  nur  aus  Zweckmäßigkeits- 
gründen, aber  der  Herzog  verspürte  keine  Lust,  eine  solche 
ständische  Einmischung  in  seine  Amtshoheit  zu  begünstigen, 
die  nur  das  Verlangen  nach  weiteren  Übergriffen  in  die  Sphäre 
der  landesherrlichen  Gewalt  hervorgerufen  haben  würde. 

Die  Aufsichtsbefugnis  der  Regierungen  forderte  eine  dauernde 
Überwachung  des  Geschäftsganges  und  der  Verwaltungsthätig- 
keit  der  untergeordneten  Amter.  Eine  stete  Kontrolle  der  Amts- 
führung wurde  durch  die  jährUchen  Inspektionen  der  Rentmeister 
gehandhabt,  auf  Grund  deren  dann  die  allgemeinen  und  speziellen 
Anordnungen  der  wahrgenommenen  Gebrechen  und  Mängel  zur 
Al)stellung  derselben  an  die  Ämter  ergingen. 

\\  enn  wir  uns  nun  zur  2.  Periode  der  Geschichte  des  Hof- 
rats wenden,  welche  mit  dem  Regierungsantritte  Albrechts  V. 
beginnt,  so  weist  auch  nach  den  umfassenden  Organisationen 
dieses  Herrschers  das  Bild  der  Kompetenz  der  3  Regierungen 
keine  Veränderung  auf,  das  des  Hofrats  nur  wenige  durch  die 
Errichtung  anderer  Centralbehörden,  die  dem  Hofrat  einen  Teil 
stnner  Funktionen  entzogen  haben,  bedingte*). 

So  folgenreich  die  organisatorische  Thätigkeit  Alb  rechts  V. 
und  seines  Nachfolgers  im  allgemeinen  auch  gewesen  ist,  für  die 
Einrichtung  des  Hofrats  und  der  Regierungen,  die  er  durch 
nielirere    Instruktionen   ins  Werk   setzte'),   war  sie   nicht  von 

1)  Kr.  A.  M   —  Landtagsverhandlungen  (Manuskript). 

2)  Darum  konnte  auch  in  der  vorhergehenden  Darstellung  der  Kom- 
petenz ^'leich  dieser  Zeitraum  mit  eingeschlossen  werden. 

3)  Von  Albrecht  V.  und  Wühelm  V.  worden  erlassen  Hofratsordnungen 
1551 ,  1573  und  1580;  1551  (17.  April,  Kopie  in  Kr.  A.  M.  —  Rep.  15,  30 
Fase.  1).  Mit  der  Hofratsordnung  stimmen  fast  wörtlich  überein  die  In- 
i^truktioueu  für  die  Regierungen,  z.  B.  Ratsordnung  1551,  2  Mai,  für  Regiment 


—    438    — 

jener  grundlegenden  Bedeutung,  wie  für  die  anderen  Central- 
stellen,  denen  diese  schöpferische  Thätigkeit  erst  das  Dasem 
verlieh.  Beim  Hofrat  und  den  Regierungen  handelt  es  sich 
nicht  um  die  Zuweisung  neuer  staatlicher  Aufgaben,  am  Er- 
weiterung der  Zuständigkeit,  nicht  um  die  Zuführung  frischer 
Kräfte,  sondern  um  ein  strafferes  Zusammenfassen  der  vorhan- 
denen Elemente,  um  eine  energischere  Ausbildung  der  koll^alen 
Verfassung  und  um  eine  zweckentsprechendere  Reglung  des 
Geschäftsgangs. 

Jetzt  war,  nachdem  schon  1520  durch  den  Erlaß  einer 
Gerichtsordnung  das  Prozeßrecht  und  zum  Teile  auch  die  Gerichts- 
verfassung einheitlich  geregelt  worden  waren,  durch  überein- 
stimmende Instruktionen  auch  die  Verfassung  der  höheren  Ge- 
richts- und  Verwaltungsbehörden  gleichmäßig  weiter  ausgebaut 
und  auf  eine  feste  einheitliche  Grundlage  gestellt  worden.  Die 
Organisation  stellt  sich  also  im  wesentlichen  dar  als  eine  Fort- 
bildung vorhandener  Einrichtungen. 

Wie  der  Schwerpunkt  der  Thätigkeit  des  Hofrats  mehr 
nach  der  gerichtlichen  Seite  als  nach  der  der  Verwaltung  lag, 
so  wurde  die  Reorganisation  Albrechts  V.  auch  veranlaßt  durch 
die  Wahrnehmung  einer  merklichen  Zunahme  der  Prozesse, 
welche  eine  erhöhte  Inanspruchnahme  der  Thätigkeit  dieser  Be- 
hörden zur  Folge  hatte.  In  allen  Instruktionen  Albrechts  V. 
tritt  der  Gedanke  an  die  Spitze,  daß  es  eine  der  vornehmsten 
Pflichten  seines  ihm  von  Gott  verliehenen  Herrscheramtes  sei, 
für  eine  gute  Justiz  zu  sorgen  V)  und  alle  Veranstaltungen  zu 

Straubing.  —  Hofrats -0.  1573».  13.  Juli,  Org.  R.  A.  —  Jurtixverf  F«8C  1 
(übcreiDstimmend  BcgimcDts-0.  Straubing  1575,  24.  Februar  —  Er.  A.  Landi- 
hut  —  Ci\il-Actcn  Fase.  468  n.  24').  Hofrats-O.  1580,  13.  Dexember,  ab- 
gedruckt bei  Mayer,  Generalien  -  Sammlung  VI,  S.  1  ff.  Entwurf  dner 
Verbesserung  der  Hofrats-O.  1590  (Kr.  A   M.). 

1)  Eingang  der  Ordnungen  von  1551:  Wir  baben  bis  anher  die  knrzrer* 
scbinen  zeit  unserer  fürstlichen  regierung  vermerkt  und  in  gewisaer  erfanu^ 
das  villeicht  aus  sonder  verbenknus  Gottes  und  der  schweren  jarlenff  halb 
in  unserm  fQrstenthumb  zwischen  unsern  landsessen,  auch  inwonem  and  aut« 
lendem,  die  darein  und  daraus  w ehern  und  handien  vil  mehr  imugen,  iwi- 
trachten ,  clagen  und  boschwerungen ,  dann  vor  ettlichcn  jam  bescbeen  ift^ 
entsteen,  daraus  dann  ervolgt,  das  in  unsern  rentambton  bei  den  Terord- 
neten  rogimenten  und  sonderlich  allhie  da  unser  hofbaltung  ist  die  tl^ 
liehen  supplicationen ,  auch  guetlich  und  rechtlich  verhören  und  handlongeii 


—    439    — 

treffen  —  „Fürsehung  zu  thun,  damit  in  unserm  Fürstentum 
niilniglich  Reichen  und  Armen  Rechtens  und  der  Billigkeit  un- 
verzogenlich  verhelfen,  auch  ein  Jeder  bei  Fried  und  Recht  be- 
schützt und  gehandhabt  werde". 

Das  Ziel  einer  schleunigen,  allen  Bedürfnissen  der  Recht- 
suchenden entsprechenden  Justiz  wollte  der  Herzog  durch  seine 
Organisation  vornehmlich  erreichen,  und  ihm  strebten  eine  Reihe 
von  Vorschriften  zu.  Um  das  vorgesteckte  Ziel  zu  erreichen, 
bedurfte  es  neben  allgemeinen  ')  Ordnungsvorschriften  vor  allem 

sicli  vast  mcrcD  und  häuffcn.  Dieweil  uns  dann  unsers  von  Gott  bevolchnen 
anibts  halben  zucsteet  und  hoch  eingepunden  ist  sovil  uns  müglich  vleifiige 
und  guote  fürsehung  zuthun  .  .  .  Eingang  dor  Hofrats-O.  von  1573:  Wiewol 
wir  gleich  im  antrit  unserer  landsfurstlichen  regierung  nit  allein  von  Gott 
oinpfangcnen  bcvclchs  und  unsers  obligenden  ambts  halben,  sonder  auch  aus 
der  vaterlichen  zuenaigung,  die  wir  gegen  unsem  lieben  und  getreuen  under- 
thonen  aller  stcndc  unserer  furstenthumben  und  landen  tragen  allerlei  heil- 
samer Ordnungen,  bcvolch,  mandaten,  wie  es  sonderlich  bei  unserm  hiesigen 
hofi^cricht  und  rat  als  dem  haubt  aller  anderer  unserer  regimenten  und  der 
gemaiiien  zueflucht  armer  und  reicher,  so  unsere  furstonthumb  und  lande 
mit  steter  inwhonung  oder  aber  sonsten  mit  wehem  und  geworben,  .  .  in 
haiulliabung  der  Justitien  und  ertailung  rechtens  und  aller  billicheit  gehalten 
werden  solle,  mit  statlichem  rate,  bedenken  und  guetachten  unserer  fur- 
iiembsten  rcte  begreiifon  und  ins  werch  richten  lassen,  dadurch  wir  guets 
getrauen  und  hofTnung  gehabt  jeder  meniglich  des  seinigen,  was  ime  von 
recht  und  gebur  zucsteet  gleichmeßig  und  schieinig  zu  verhelfen,  unser  fürst- 
lich erb,  land  und  loute  bei  wolhergebrachtom  lob  der  gueten  Justitien  auch 
seligen  friden,  rhuc  und  aufnemen  zu  erhalten  und  also  unserm  christlichen 
gewissen  gegen  Gott  dem  allmechtigcn  ain  schuldig  genuegen  zu  thun,  so 
befinden  wir  doch  anitz  im  werch,  das  von  wegen  der  unrhuebigen  wider- 
wertigen  leuf  und  zelten ,  so  etliche  jar  her  sich  im  reich  teutscher  nation 
sowol  als  anderer  ort  erregt  haben  und  eingerissen  sein,  darinnen  sich  sowol 
der  inlendischcn  und  landseßcn  als  firembder  und  auslender  irrungen,  zwi- 
trachten,  clag  und  beschwer,  hcndl  tcglich  je  lenger  je  mer  allerlei  Unord- 
nung gehäuft  und  allerlai  nachlessigkait  bei  unserm  hofrat  eingerissen  ist»  ain 
sondere  notdurft  sein  vil  gcdachts  unsers  hofrats  Ordnung  in  etlichen  puncten 
7u  boücrn,  zu  erleutorn  und  auch  nach  glegenhait  der  zeit  verendem,  damit 
das,  so  teglicli  darin  schriftlich  und  mündlich  goclagt,  furgebracht  wirdet, 
unverzüglich  und  fürderlich  erlediget  und  bei  dem  allem  gleiche  guete  bil- 
li«  hoit,  Ordnung,  bedechtlicheit,  vleis  und  ernst  gebraucht  werde.  Vgl  noch 
pjiigang  der  Hofrats-O.  1580. 

1)  z.  B.  Festsetzung  der  Sitzungsstunden,  im  Sommer  (von  Georgi  bis 
Michaeli'  von  (J  Uhr,  im  Winter  von  7  ühr  an  mindestens  3  Stunden.  Er- 
forderlichen Falls  sind  auch  nachmittags  Sitzungen  zu  halten,  in  welchen 
namentlich  die  unerledigten  geringschätzigen  Sachen  zu  behandeln  sind. 


—    440    — 

einer  tüchtigen  Leitung  der  Kollegien,  welche  ersteren  die  Voll- 
ziehung sicherte. 

Anfangs  war  nun  der  Landhofmeister  als  der  erste  Beamte 
am  Hofe  mit  dem  Vorsitze  betraut,  wälirend  in  den  Begierungen 
der  Vitztum^)  das  Präsidium  führte  Man  machte  bald  die 
Erfahrung,  daß  der  Landhofmeister  bei  seinen  vielen  Obli^en- 
heiten  nicht  regelmäßig  seine  Präsidialfunktionen  versehen  konnte. 
Deshalb  erscheint  seit  1573  ein  eigner  Hofratspräsident*)  auf 
der  Bildfläche. 

Seines  Amtes  ist  es,  über  die  sorgsame  Beobachtung  der 
Instruktionen  zu  wachen,  Mißbräuche  abzustellen,  die  Bäte  za 
fleißigem,  regelmäßigem  Besuch  der  Sitzungen,  eventuell  durch 
Disziplinarstrafen,  anzuhalten'),  sowie  für  eine  unverzügliche, 
auf  eine  wohlbedächtige  Beratschlagung  gestützte  Erledigung 
der  Prozesse  zu  sorgen  *). 


1)  In  Barghausen  fQhrte  dieser  den  Titel  Hauptmann. 

2)  Die  Hofrats-O.  1573  Epricht  noch  vom  Landhofmeister  oder  dem  tob 
Uns  verordneten  und  nachgesetzten  Verwalter  und  Hatspräsidenten,  wflhrend 
1580  nur  von  dem  Hofratspräsidenten  als  dem  Haupte  in  unsemi  Hofrat  die 
Rede  ist  —  Als  erster  Hofratsprasident  erscheint  Dr.  Wig.  Hund»  1584 
Freiherr  zu  Frauenhofen,  1587  Ad.  Vetter  von  der  Gilgen  (t  1595). 

3)  Hüfrats-0.  1573:  und  nachdem  an  deme,  wie  unsere  rete  alle  ta^ 
vleiüig  zusamen  khomen  und  der  furfallenden  Sachen  erörtcrung  >^ueteii  an» 
fang  machen  vil  gelegen  ist,  so  wellen  wir  sonderb'ch,  das  jetziger  and 
künftige  unsere  landhofmaister  oder  deren  von  uns  verordnete  und  nach- 
gesetzte Verwalter  und  ratspresidenten  oder  in  irem  ahwesen  deijenig,  bo  wir 
an  ir  stat  suhstituircn  werden,  mit  ernst  daroh  halten,  damit  si  den  rat 
vleiüig  hesuechen  und  wo  nit  all,  doch  mer  tail  und  nie  under  6  oder  7  zum 
minsten  heisamen  seion,  auch  die  ungehorsamen  und  nachlessigen  ires  nnfleia 
halhen  zu  rod  stellen  und  strafen,  auch  uns  dieselben  bei  iren  pHichten  an- 
melden und  zu  erkennen  geben,  die  notdurft  gegen  inen  furzuuemen.  — 
Kein  Rat  durfte  ohne  Entschuldigung  bezw.  ohne  Genehmigung  dos  Prin- 
deuten  den  Sitzungen  fem  bleiben.  Diese  sollte  nicht  allzu  nachsichtig; 
sondern  nie  ohne  sondere  ahnsehüliche  Ursachen  und  Leibesschwachheit  e^ 
teilt  werdeiL 

4)  Er  hat  die  Abstininiungon  zu  leiten  und  mit  seiner  Autoritfit  daflir 
einzutreten,  ,.daß  Jeder  auf  die  Umfrage  wohl  merke,  sein  Gutbeddnken  mit 
der  Kürze  und  verstfindiglich  anzeige,  auch  andere  vergebenliche  zu  der  Sachen 
undienstliclio  Reden  unterla^^se,  damit  die  Zeit  des  Rats  nit  unuQtzlIch  hin- 
gebracht werde ;  er  soll  aucli  in  der  Umfrage  auf  die  Stimmen  wohl  merken» 
damit  er  wissen  konnte,  was  der  Mehreren  Ratsbeschluß  und  ob  derselbe 
dermaßen  geschuifen  sei,  daß  der  Sachen  Gelegenheit  und  Notdurft  erfordere 


—    441     — 

Die  liedeutUDg  eines  stramm  durchgreifenden  Präsidiums 
für  die  Leistungen  des  Kollegiums  würdigt  namentlich  die  Hof- 
rats-O.  löTo,  welche  dem  Präsidenten  ans  Herz  legt,  an  seiner 
Person  nichts  mangeln  zu  lassen,  sich  im  Rate  fleißig  und  ohne 
Att'ection  zu  verhalten,  sich  nicht  zu  leise,  noch  zu  häbig  zu 
erzeigen,  sondern  stets  mit  entschiedenem  Nachdrucke  seines 
Amtes  zu  walten,  dieweil  von  seinem  als  des  Hauptes  Vor- 
gang, gutem  Exempel,  Fleiß  und  Ernst  die  rechte  Vollziehung 
abhänge.    . 

Leider  scheinen  die  Präsidenten  nicht  mit  der  von  ihnen 
erwarteten  Energie  ihres  Amtes  gewaltet  zu  haben,  denn  sonst 
wären  die  andauernden  Klagen  darüber  unverständlich,  daß  so- 
wohl die  hohen  und  niedern  Offiziere,  welche  dem  Hofrat  in- 
cori)oricrt  und  daselbst  ihren  Ilatseid  geschworen,  als  die  Räte, 
so  allein  da/u  bestellt,  den  Hofrat  unfleißig  besuchten.  So 
schlecht  war  es  mit  der  Erfüllung  der  Ratspflichten  bestellt, 
daß  Wilhelm  V.  1586  M  behaupten  konnte,  daß  von  den  ge- 
dachten Offizieren  schier  keiner  oder  doch  gar  selten  darein 
komme,  welches  dem  fürstlichen  consistorio  verkleinerlich,  der 
Justitia  abbrüchig,  ihr.  f.  Gn.  bei  dero  Landschaft  nachredlich 
und  (leshalb  unleidlich  wäre.  Um  sich  zu  überzeugen,  ob  seiner 
wiederholten  Einschärfung  eines  regelmäßigen  Ratsbesuchs  ent- 
sprochen würde,  ordnete  er  an,  daß  ihm  allwöchentlich  ein  Ver- 
zeichnis der  an  jedem  Tage  anwesenden  und  ausbleibenden  Räte 
eingereicht  werde-).     Um   aber   den   einzelnen  Räten   die  Be- 

noch  (Miiinal  uinzufra^^cn,  oder  ob  es  billig  bei  der  ersten  Umfrage  und  darauf 
erfolirton  Kat^boschlusse  gelassen  werde,  wie  dann  zur  Fürdorung  der 
Sachen  desto  iioiüif,'er  aufgemerkt  und  soviel  möglich  verhütet  werden 
soll,  (lau  ohne  sondere  gut  notwendige  Ursachen  nit  öfter  dann  ein- 
mal uni<rol'ra<,'t  werde,  angesehen  daü  viel  Zeit  vergebenlich  dadurch  ver- 
schwendet werde".  Hofrats-0.  1551  und  in  den  folgenden  wiederholt  Die 
von  ir)73  schärft  dem  Präsidenten  noch  ein,  dafür  zu  sorgen,  daß  nicht 
nur  die  oben  Sitzenden  allein  in  ihren  votis  disputieren,  die  andern  unten 
aber  niclit  «.'ehört  werden  und  auf  die  parteiischen  Vota  sein  Augenmerk 
richten. 

1)  24.  Mai  (R.  A.    -  Decrote  Bd,  III). 

2)  I)aü  auch  sonst  die  Strammheit  des  Präsidiums  viel  zu  wünschen 
ubri«,'  lieü,  ersehen  wir  aus  manchen  herzoglichen  Erlassen.  So  rügt  Wil- 
helm V.  ir).S2,  daß  ilim  über  einige  dem  Hofrate  zur  Beratung  überwiesene 
Sachen  noch  keine  Relation  geschehen.    So  Uns  dann,  sagt  der  Herzog,  aus 


—    442    — 

sorguiig  ihrer  eignen  Angelegenheiten  —  nachdem  . .  je  aines  not- 
durft  in  sein  Sachen  auch  fursehung  ervordem  möchte  —  zo 
ermöglichen,  wurde  ihnen  ein  jährlicher  Urlaub  von  6  Wochen 
zugestanden,  der  nicht  auf  einmal  beansprucht  werden 
durfte  0. 

Eine  hervorragende  Stellung  im  Rate  nimmt  nächst  dem 
Präsidenten  der  Kanzler  ein,  der  als  juristisch  geschulter 
Beamter  auf  die  materiellen  Entscheidungen  tiefgreifenden  Ein- 
fluß ausül)te,  wärend  dem  Präsidenten  mehr  die  formefle 
Leitung  der  Beratungen  zustand.  Neben  seiner  Thätigkeit  im 
Kollegium,  wo  er  Sitz  und  Stimme  wie  die  übrigen  Räte  führte, 
hatte  der  Kanzler  als  Vorstand  der  Kanzlei  die  richtige  Kon- 
zipierung der  Ratsbeschlüsse  und  deren  Ausfertigung  durch  die 
Kanzlei  zu  übenvachen.  Dieweil  unser  Kanzler  das  Herz  nnsres 
Hofrats,  auch  aller  erkannten  und  beschlossenen  Justitien  Mond 
und  Director,  deshalb,  sagt  die  Ordnung  von  1573,  sei  seine 
persönliche  Anwesenheit  sowohl  bei  der  Kanzlei  als  im  Rat  hoch 
vonnöten.  Ilira  liegt  ob  die  Überwachung  der  strikten  Befol- 
gung der  Vorschriften  der  Kanzlei-Ordnung,  sowie  deren  Er- 
läuterung und  periodische  Verl)esserung,  damit  alle  Rats-  und 
Hofgericlitssiichen  jeder  Zeit  zu  schleuniger  Ausrichtung  gefor- 
dert würden.  Da  aber  der  Kanzler  durch  des  Herzogs  Privat- 
und  (Jeheimsachcn  vielfach  in  Anspruch  genommen  war  *),  so 
daß  ihm  wenig  Zeit  für  die  Rats-  und  Kanzleihandlungen  und 
-expeditionen  übrig  blieb,  wurde   1569^)  ein  Vicekanzler  beim 


dem  Vorzüge  Dicht  geringe  Verkleinerung,  sondern  auch  Schaden  erfolgt^  hittn 
wir  Uns  eines  nichrem  Fleißes  nnd  Gehorsams  hei  Unserm  Hofratsprftrideiitai 
und  Räten  versehen  (RA—  Decrete  Bd.  III). 

1)  Hofrats -0.  1573  —  doch  das  solches  zu  der  zeit  geschehe,  das  er 
in  unserm  dienst  nichts  zu  versäumen  hah  und  das  er  aas  der  itek 
nit  verraise,  er  hah  denn  dessen  von  uns/  unserm  landhofmcifter  oder 
hofratspresidenten  lautere  orlauhnus  und  schriftliche  urkund  film- 
hringen ,  und  welcher  üher  erlaubte  zeit  wurde  aushleihen,  dem  solle  eol^ 
zeit  an  seiner  bsoldung  pro  rata  abgezogen  und  hirinnen  kainea  veraclMMl 
werden. 

2)  Da  Wir  solcher  merklicher  Sachen  und  Geschäft  halber,  die  nnerar 
Person  und  bei  diesen  sorglichen  und  gefahrlichen  Läufen  je  länger  je  melir 
aufwachsen,  des  jetzigen  Kanzlers  Dr.  S.  Eck  soviel  nicht  entbehren  kOi 
(Hofrats-0.  1573). 

3)  Kanzlei-0  1569. 


—    443    — 

Hofrat  l)estellt,  welcher  statt  seiner  in  Rat  und  Kanzlei  zu 
fungieren  oder  auch  den  Kanzler  bei  diesen  Verrichtungen  zu 
unterstützen  hatte.  Der  Kanzler  nahm  den  Titel  Hofkanzler  ^) 
und  seit  1586  den  eines  obersten  Hofkanzlers  an.  Bei  jeder 
Regierung  war  dann  ebenfalls  ein  Kanzler  bestellt,  welcher  die 
Rats-  und  Kanzleigeschäfte  analog  denen  des  Hofratskanzlers 
zu  besorgen  hatte. 

In  der  weiteren  Besetzung  des  Hofrats  und  der  Regierungen 
wurden  durch  die  Reorganisation  unter  Herzog  Albrecht  keine 
merklichen  Veränderungen  herbeigeführt.  Im  Hofrat  saßen  nach 
wie  vor  außer  den  vorgenannten  Spitzen  die  Inhaber  der  höch- 
sten Hofchargen  („die  höheren  Officiere"),  der  Marschall,  der 
Küchen-,  Jager-,  Stall-,  Zeugmeister,  die  Hofmeister  der  Herzogin 
und  der  Prinzen  ^). 

Ferner  erscheinen  auch  Rentmeister  und  Rastner  von 
München  als  Mitglieder  des  Kollegiums,  also  eine  ganze  Reihe 
von  Räten,  welche  den  Ratsdienst  nur  nebenamtlich  versehen. 
Dazu  kommen  dann  noch  eine  Reihe  von  adligen  und  gelehrten 
Hofräten,  die  sich  ausschließlich  den  Hofratsgeschäften  zu  wid- 
men Imben.     Die  Zahl  der  Mitglieder^)  des  Hofrats  beläuft  sich 

1)  Der  Vizekanzler  wurde  dann  gleichzeitig  Hofkanzler. 

2)  In  Bezug  auf  diejenigen,  so  Ämter  haben  und  dem  Rat  ordinarie  nit 
auswarton  können,  wurde  häufig  eingeschärft,  daß  sie  den  Rat  so  oft  und  viel 
doß  ihre  Amtsgeschäfte  erleiden  mögen,  besuchen  „und  wiowol . .  ettlich  unsere 
rote  mit  andern  iren  ambtssachen  und  diensten  zu  thun  haben,  das  si  unsem 
liofrat  nit  teglichs  oder  stotigs  wie  andere  besuechon  mOgoo,  so  ist  doch 
unser  bevelch  und  mainung,  wann  si  mit  solchen  iren  ambts-  und  dienst- 
gescheft  nit  sonder  zethun  haben,  das  sie  dieselbig  mueüig  zeit  und  sonder- 
lich, do  sie  dieselben  ire  ambts-  und  dienstgescheft  nachmittag  wol  ausrichten 
mögen,  solche  dahin  aufschieben  und  des  morgens  vor  mittag  in  allwege 
auch  in  den  rat  gcen  und'  sich  nichts  dann  allein  irer  ämbter  und  diensto 
notdürftige  unverzügliche  ausrichtung  daran  verhindern  lassen"  (Hofrats-O. 
1573). 

3)  In  dorn  Gutachten  über  die  Aufstellung  des  Hofstaats  wegen  Er^ 
zielung  von  Ersparnissen  1573  hielt  man  dafür,  daß  im  Hofrat  8  Personen 
auf  der  Kitterbank,  die  dem  Rat  continuo  abwarteten,  und  8  auf  der  Ge- 
Iplirtcnbank  genug  waren,  doch  sollten  in  diese  nicht  gerechnet  werden  die 
hohen  Offiziere  und  diejenigen,  die  der  Herzog  mit  über  Land  nimmt,  wie 
der  Marschall,  Hofmeister  der  Herzogin,  Hofmeister  Herzog  Ferdinands, 
Jäger-,  Küchenmeister,  Reiterhauptmann,  Stall-,  Zahlmeister,  Kastner  und  Groß- 
zollner;  diese,  welche  mit  ihren  Diensten  übergenug  zu  thun  haben,  können  den 


—    444    — 

auf  ungefähr  16 — 27,  darunter  8 — 11  Gelehrte*)-  In  den  Hof- 
zahlaiutsrechnungen  werden  seit  1567  ;,die  gelehrten  Herren 
Itäte'^  mit  dem  Kanzler  an  der  Spitze  in  einer  besondem  Rabrik 
zusammengefaßt.     Seit  1569    werden    auch    die  übrigen  Bäte 

Rat  nur  aasnahmswcise  besuchen.  Wenn  man  diese  11  auch  nicht  unter  die 
Zahl  der  8  setzt,  bleiben  auf  der  Ritterbank  doch  9  Räte  übrig.  —  Auf  der 
Gelehrtenbank  sollen  auch  nur  8  sein,  deren  aber  sind  es  jetzt  11,  damnter 
der  Dechant  von  S.  Peter,  Dr.  Halver,  welcher  auf  den  stfiten  Ratdti  nicht 
bestellt  ist  und  die  mehrere  Zeit  reist,  und  einer,  der  alle  Zeit  mit  dem 
Fürsten  verreist,  so  daü  nicht  mehr  als  8  beim  Rat  bleiben  (R  A: —  Ffirsten- 
sachen  II,  C,  Fase.  29).  —  Bei  den  Beratungen  über  den  Hofstaat  1582  kam 
man  zu  dem  gleichen  Ergebnisse :  den  Oifizicren  sollte  auferlegt  werden,  den 
Hofrat  fleiüig  zu  besuchen.  Dieweil  aber  wegen  der  übrigen  Amter,  die  de 
bekleiden,  hierauf  nicht  sicher  zu  rechnen  u.  L  £  Gn.  dero  von  Gott  b^ 
folilenen  Amts  halber  fürnemlich  obliegt,  die  justitiam  zu  erhalten,  wtirde 
für  notig  gehalten  mindestens  8  Räte  auf  der  Ritterbank  zu  haben,  die  dem 
Hofrat  stets  abwarten,  darunter  4  erfahrene,  eines  ziemlichen  Alters,  an» 
sehnliche  und  geschickte ;  die  übrigen  4  aber  mochten  jung  sein,  solche  Pef- 
sonen,  so  künftig  zu  einem  mehrerem  zu  gebrauchen,  die  gering  (100  fi.)  be* 
soldct  werden  und  da  sie  zu  mehrerer  Erfahrung  kommen  anstatt  der  alten 
4,  da  eine  Lücke  würde,  zu  gebrauchen  und  mit  Ämtern  zu  versehen  w&ren^ 
damit  sie  sich  erhulen  kOuneu.  Jetzt  sind  auf  der  Ritterbank  22,  darunter 
2  Hofmeister  und  andere  Hufbeamte,  welche  mit  ihren  Oflicien  zu  thui 
haben.  Gelehrte  Räte  sind  jetzt  12  außer  L.  Nun  wollte  man  sich  immer 
auf  dieser  Bank  mit  8  begnügen ,  so  daß  jetzt  2  übrig  bleiben  (H.  A.  — 
E  n.  1  S.  243). 

1)  Als  die  Ritterschaft  sich  auf  dem  Landtage  1583  über  die  geringe 
Besetzung  der  Regimente  beklagte,  erklärte  der  Herzog,  daß  ihm  solche  B^ 
schwerde  seltsam  und  fremd  vorkomme,  denn  außer  der  Gelehrten  oder  Do^ 
toren  und  Kanimerräte  besolde  er  hier  zu  München  18  Grafen,  Herren  vom 
Adel  und  sonst  wohl  herkommenn,  geschickte  und  taugliche  Personen,  n 
Landshut  17,  zu  Straubing  7,  zu  Burgliausen  9,  also  daß  ihre  fürstL  Gnaden 
hotfeii,  daß  an  den  J^äteu  kein  Mangel.  „Daß  aber  dieselben  nit  joderman 
gnu(*g  thun,  noch  eins  jeden  sein  Kopf  oder  Einbilden  nach  in  fürfiEÜlenden 
Sachvn  spn.>clieu  oder  erkennen  oder  die  LandesTreiheit,  Ordnung  and  Recht 
verstehen,  das  ist  zwar  nit  seltsam  oder  neu,  sonder  aller  verlustigen  Par- 
teien Gebrauoh,  die  dann  gemeiniglich  viel  lieber  dem  Richter  dann  ihrer 
Eigeusinnigkeit  die  Schuld  ;:eben,  daran  man  sich  aber  nit  za  kehm^ 
dann  solcher  Gestalt  kein  Gericht  bestehen  kunnte  und  würde  dnrch  Ana* 
ländische  vun  Bestellung  der  Justitien  in  diesem  Land  viel  anders  geredt 
und  geurteilt*'.  Auf  diese  ungnädige  Antwort  replicierto  die  Ritterschafti  ne 
hätte  sich  nicht  über  die  Anzahl,  sondern  darüber  beschwert,  daft  an  einigen 
IN'ginienten  wenig  vom  Adel,  dazu  die  zur  (Erledigung  der  anhängenden 
Sachen  gehörige  Anzahl  selten  vorhanden,  wodurch  die  Parteien  lange  anf- 
gehalten  würden. 


—    445    — 

unter  dem  Titel  „Auf  der  Ritterbank"  aufgeführt^).  Die  Ver- 
bindung von  Rittern  und  Gelehrten  findet  sich,  wie  oben  ge- 
zeigt wurde  ^),  in  Baiem  schon  vor  Errichtung  des  R.-Kammer- 
Gcrichts.  Für  eine  strengere  formelle  Scheidung  des  adligen  und 
gelehrten  Elements  wirkte  aber  die  Einrichtung  dieses  Reichs- 
gerichts vorbildlich. 

Nicht  anders  verhält  es  sich  mit  den  Regierungen,  in  wel- 
clien  ebenfalls  andere  Beamte,  die  in  der  Regierungshauptstadt 
iliren  dienstlichen  Wohnsitz  haben,  als  Räte  fungieren,  wie 
Rentmeister ,  Kastner ,  Mautner ,  Forstmeister ,  Stadtrichter. 
Neben  diesen  werden  dann  auch  noch  einige  Juristen  und 
Adlige  als  Räte  bestellt  •'*),  deren  ausschließlicher  Beruf  der  Rats- 
dienst bildet. 

Damit  diese  Räte  aber  auch  durch  ihre  Ratspflichten  nicht 
ihren  übrigen  amtlichen  Funktionen  entzogen  würden,  be- 
stimmte man  (1573),  daß  der  gemeine  vollige  Rat  außerhalb 
der  gewöhnlichen  Zeit  verschont  und  die  Räte  ohne  sondere 
wichtige  fürfallende  Ursachen  nicht  zusammen  berufen  werden, 
denn  die  täglich  vorfallenden  Sachen  könnten  in  der  ordent- 
lichen Ratszeit  erledigt  werden*). 

Das  Schwergewicht  namentlich  der  gerichtlichen  Funktionen 
der  K(jllegien  ruhte  in  den  Mitgliedern  der  Gelehrtenbank.  Den 
juristisch  gebildeten  Räten  ^)  war  die  Aufgabe  gestellt,  alle  wich- 

1)  Verzeichnis  der  Bfite  des  Hofrats  und  der  3  Regienmgen  1514  in 
Landt.  1514  S.  173  ff 

2)  S,  136  ff. 

3)  Nach  einer  herzoglichen  Erklärung  1591  sollten  bei  den  Regierangen 
au&er  dem  Vitztum  und  den  Offizieren  3  yom  Adel  und  sammt  dem  Kanzler 
3  Doctores  gehalten  werden  (R  A.  —  Fflrstensacheif  .  .  n.  419). 

4)  Vor  allem  mußten  immer  die  Prozesse  zur  Erledigung  kommen  — 
dann  wir  achten  fQr  bOsser,  man  lasse  ainen  poten  oder  andern  soUicitanten 
ainen  tag  verziehen,  dann  das  hangenden  parteien  nach  großen  uncosten, 
muohe  and  arbait,  die  si  auf  den  proceß  gelegt,  die  Sachen  in  die  leng  un- 
ert^rtert  stecken  beleiben. 

5^  Damit  namentlich  die  Doctores  sich  ihren  Ratsfunktionen  ausschließ- 
lieh  widmen  könnten,  sollten  sie  gewöhnlich  von  der  Übernahme  von  Vor- 
mundschaften u.  dgl.  befreit  sein  —  und  damit  unsere  rete  und  sonderlich 
die  gelerten  an  Verrichtung  unserer  rate-  und  hofgerichtssachen  dester  we- 
nig('r  verhindert  werden  oder  sich  damit  zu  entschuldigen  ursach  haben,  so 
soll  man  si  on  sonder  beweglich  Ursachen  mit  andern  purden  als  Vormund- 


-    446    — 

tigen  und  zweifBlbafltiii  Fälle  genau  xa  studieren  und  dcu  Kol- 
legen vun  der  Rjtturltatik  die  Rechtsfragen  klar  zu  slelleD,  so- 
wie oiu  sachgemälies  Iteferat  unter  Begründung  ilircr  Antrage 
zu  erstatten. 

„Dicweil  die  gedachteo  unser  gelerten  rate",  lieißt  es  to 
der  Uofr.-O.  1551,  „sonderlirh  darumben  besti-llt  sind,  das  si 
für  ander  was  recht  ist,  wi^'^en  und  urkennen  sullen,  damit  daan 
solicbc  erlitdigung  der  beschlossene«  suchen  desler  furtlcrlichcr 
geschehen  nii^ge,  so  sollen  die  handluugeu,  sonderlich  die  gron, 
wichtig  und  zwcifenlich  sind,  unter  si  nusgetAilt  werden,  also 
das  si  dieselben,  ee  si  im  rat  furgelcgt  und  gelese«  wenlen  zu- 
vor ersehen,  auch 'sich  was  dem  rechten  und  der  pillichait  DSch 
darauf  zu  erkennen  sei  aus  ihren  puccheni  entschließen  uud 
dann  solicher  irer  rcchtgrund,  Ursachen  uud  guctbodunken  deo 
andern  unsem  rcten  relation  und  anznigeu  thuen,  aaf  das 
ajn  jeder  nach  Verlesung  der  acte»  dester  l>cdechtlicher  and 
mit  merer  erwegung  des  handls  auf  die  anfrag  der  |iillicbait 
gemäß  darzu  ze  reden  und  mit  seiner  stimm  zu  bescblibßen 
wisse." 

Eine  schriftliche  uud  sehr  ausführliche  Berichterstattung 
wurde  nur  bei  hochwichtigen  Fragen  oder  bei  obwaltenden 
Meinungsverschiedenheiten  unter  den  Juristen  verlangt  Die 
Bestellung  zweier  Referenten  für  alle  wichtigen  Sachen*)  wird 

•ch&fl«!!,  cantoieien  und  uidem  soDdern  prirnthändelti  nit  beladen,  d  mIUb 
rieb  »ach  selbi  sodorer  frembdeT  bftndl,  die  li  od  Terbioderiiig  luuen  dtaato 
nit  wol  aofricbteo  Landen,  nit  Qnt<>rfaben  (ISGl)-  Die  Bofrat»^.  ISTt  Mtlt 
nach  frenibdei  bcDdl  binin :  „als  pntCQreieii,  beisUnd  id  tbaa  o 
trisn  ni  raten,  ainen  tat  den  andern  m  fnrdeni,  inen  iobrifb 
oder  wmt  deigldchen  iit  wedei  beimlich  noch  offenlieh  kaina  w«gi  a 
bhen,  diawnl  ea  in  dem,  das  w  groften  rndacbt  anf  nirb  trag^  i 
weg»  gebbl 

1)  Die  Namen  d«nelb«i   mnlWn   gebeim   gebalt«n    werden,  i 
mcbt  ron   dan  Partrien   aberlanfen   vOrden   —  demnacb  aneb  nit  % 
allen  ratnachen  an   dem  geheim  nnd  an  der  venehwif^nnhait  | 
aber  bbher  ain  bdser  t^ebraach  eiogeriaMn,   du   dJe  partMen  ala  o 
TOD  itDod  an  ia   erfarung  gnbncfat,   wem«  in  ncheD  n  rehriran  I 
wordsn,   dardnicb  ee  dahin  geraten,  daa  ti  nit  allein   dem  r 
nnd  u  bau«  gelaffen  aioh  die  Ki  ilch  to   beweis,   lODder  an«h  I 
mlrea,  Ja  n  aOtiftn  nadantaodeo,   wann  nad  «n  wa«  loit,   aach  ta  t 
rat  gegvnvbtii^ail  ir  aaeben  lolle  rebiiart  werden,  wie  ti  ancb  >  ' 
nim  rctea  n  «TjnMättna  flirgenonwa  oadw  dem  Mbetai  alt  i 


—    447     — 

erst  1573  eingeführt.  Der  Referent,  vom  Kollegium  bestellt, 
referiert  in  dessen  Sitzung,  der  Korreferent,  vom  Präsidenten 
oder  Kanzler  ernannt,  übergibt  diesem  seine  Relation  ad  par- 
tem,  und  dieser  läßt  sie,  falls  beide  Referate  nicht  überein- 
stimmen, in  der  Ratssitzung  verlesen.  Ergab  sich  beim  Votieren 
Stimmengleichheit,  oder  wurde  eine  Sache  vom  Kollegium  einer 
weiteren  Ei-wägung  bedürftig  erachtet,  dann  wurden  die  Akten 
nochmals  2  oder  3  gelehrten  Räten  zum  Studium  und  Referat  0 
überantwortet^). 

andern  unsere  rete  der  Sachen  nit  so  stattlich  als  diser  oder  jener,  den  n 
bei  der  sach  ires  tails  gern  gesehen  hetten,  berichtet,  dardnrcb  dann  die 
sachon  dem  gegentail  zn  nachtail  aufgezogen  und  jar  und  tag  verligen  muessen, 
bis  man  eben  die,  so  man  gern  bei  der  relation  gehabt,  zusammen  gebracht 
bette,  so  ist  unser  ernstlicher  bevelch,  das  hinfuron  verbuett  und  in  grO&ter 
geheim  gebalten  werde,  wem  jede  Sachen  zu  referieren  beyolhen  werden,  da- 
mit solcbes  an  die  parteien  nit  gelange  und  das  in  solchen  feilen  auf  kainen^ 
rat  gesehen  werde,  er  sei  Tor  der  band  oder  nit,  sonder  die  Sachen  schieinig 
dem  rechte  nach  werde  gebandlet  und  darinnen  wie  sich  gebürt,  procedirt 
(1573). 

1)  do  dann  die  Sachen  zwispeltig  in  dem  votiren  oder  so  wichtig  sein 
wurden,  das  unsere  rete  gemainclich  erkennen  mochten,  dieselben  verrers 
bedacbts  und  erwegens  von  nOten  sein  wurde,  so  mOgen  si  die  acta  under- 
schidlich  zwaien  oder  dreien  unsem  gelerten  abgesondert  zuestellen,  deren 
jeder  sich  in  ainer  benannten  zeit  darinnen  zu  ersehen  und  seine  puecher 
darüber  consulieren  möge,  alsdann  darüber  sein  mainung  und  was  er  im 
rechten  gogründt  sein  vermaint  neben  den  andern  im  gemainen  rat  fur- 
bringen  und  rcferiem,  auch  schriftlich  dabei  übergeben  soll,  auf  das  alsdann 
dester  bewoghcher  und  bedecbtlicher  durch  si  unsere  rete  in  gemain  darauf 
geschlossen  werden  mög  (1573). 

2)  Im  Anschlüsse  an  die  Hofirats-O.  von  1573  und  mit  dieser  auch  ftufier- 
lich  verbunden,  wurde,  um  den  täglichen  und  unaufhörlichen  Klagen  wegen 
rascherer  Erledigung  der  Bechts-  und  anderer  anhängiger  Sachen  lu  ent- 
sprechen, eine  Ordnung  erlassen,  „wie  hinfQron  in  unserm  Hofirat  die  strittigen 
und  beschlossenen  Sachen  für  Hand  genommen  und  fürderlich  erledigt  werden 
sollen'',  deren  Bestimmungen  gro&en  Teils  in  die  Hofirats-O.  1580  aufgenom- 
men wurden.  Diese  beschäftigten  sich  yomehmlich  mit  den  Referenten,  über 
welche  ein  Kegister  geführt  werden  mußte.  Die  unerledigten  Sachen 
sollten,  damit  eine  Gleichheit  unter  den  Referenten  gehalten  und  keiner 
vor  dem  andern  beschwert  werde,  doch  steht  es  im  Ermessen  des  Prä- 
eidcntcD,  allein  oder  im  Einverständnisse  mit  dem  Kanzler  eine  Sache  je 
nach  ihrer  BcschafTenheit  den  Referenten  oder  andern  Räten  auch  extra 
ordincm  zu  befehlen  und  besonderes  Maä  und  Ordnung  vorzunehmen,  wie 
dieselbe  referiert  und  erledigt  werden  soll  Um  durch  die  Referate  keine 
Verzögerung  des  Prozesses  herbeizuführen,  war  den  Referenten  die  Einhaltung 


So  sehr  aucli  eine  ni&clie  Justiz  als  üiii  erstrelwnswertes 
Ziel  ins  Auge  gefaßt  ward ' ),  so  sollte  doch  jede  ütwreituDg 

1)««tiinint«r  Friitcn  (i.  B.  für  icMecbt«  Bescbeide  und  Beiarteile  IkngfM»  in 
1  Honat,  AppeliBtionen  super  interlDcutori&  aD«  den  Landgerichlen  innorbslb 
14  Ta^n,  andere  wichügero,  m  t-incm  Dpßnitivnrtcil  ({eroifte  in  3—3  H»- 
DaUn}  mr  Pflicht  gemacht,  FriBten.  die  dqi  ans  trifttKei)  OrUnden  cntiwckt 
wurden.  Der  Prtndent  hatte  weDigiteiiB  vor  jedem  Horgerii^htstennfi]  dch 
am  den  Reitern  von  der  rnchtscitigeD  ErBtattunt;  der  Referat«  n  Ob«r- 
K-ngen  und  die  etwa  Nacblfterigen  lar  Erfailung  ihrer  P&ichtMi  in  inalin«ii 
Nach  Fertigst«!! DD s  der  Eeferate  berichtete  der  Referent  dem  Prlaid«ntfl1i 
Ober  Wichtjftkeit  and  Eechtsgmnd  der  Sache  und  beRebrt  Ton  ihm.  ««nB 
«B  nolwendig  eracheint,  die  Bestellnng  eine«  Korreferenten.  Diesem  7,w*c\» 
dienten  sodann  noch  folgende  Vorecbrifteo :  1.  Die  Sapplikationen ,  weicht 
mit  Oberg«hnng  der  Ünterobrigkeit  einliefen,  werden  an  diew  mh 
einer  einfachen  Signatur  nnd  nicht  mit  dem  Befebl ,  die  Billigheit  n 
liandeln,  gewiesea  2.  Wenn  der  bsBchwerte  Teil  auf  den  Unt«^cbt  (Be- 
richt der  Qnterobriglipitl  repliciert  hat  und  sieb  der  einen  Part«!  „Utifti£ 
nnd  Ungrand"  hieraus  ergeben  hat,  so  iit  der  KIftgc 
ohne  iti  im  Parteien  unnötige  Unkoeten  durch  Anberaomnog 
Tennini  in  gfltliebem  Verbor  Torariacht  würden.  3.  Sollte  auf  di 
acbwerten  Teilt  Anhalten  und  ans  beweglichen  Driacban  ob  ~ 
beraumt  worden  ««n.  der  wieder  die  Unhegrflndetheit  de« 
gtb.  io  Hll  iwiiehen  den  Parteien  nicht  weit«r  gethldiogt,  mq 
«rlaasen  «erden,  damit  der  Joatitia  ihr  stracker  Lanf  gelaaaei 
fiigten  Parteien  ror  unbilligen  Unkoeten  nnd  Umtreiben  farhat«t 
4.  Keine  vor  ein  Cnterf(ericbt  gehörige  nunmariiche  oder  rvebtltclu 
lang  darf  ohne  besondere  wichtige  Unache  vor  das  Regiment  gesogen 
dtun  (onat  will  joder  vor  dem  Bogiment  dafaier  rächten,  um  spinco 
teil  deato  mSder  in  machen.  Anf  diese  Wriae  wflrile  auch  den  Untnmiiit- 
leuten  nicht  wenig  entioH^D.  S.  Wenn  appellationes  ab  inlerlocut«riia  brin 
Hi>fg«ricbt  eDtBchi*dpa  sind,  ist  die  Hauptaaeb«  nir  Entx-hvidang  an  daa 
Ont«rgericbt  au  verweisen  (1573i  vgl  aneb  Hofrata-U.  1580  bei  Hajet,  O^ 
neralientammlnng  VI,  8.  8  t.). 

1)  nofrat»0.  1573:  Wir  wellen  ancb  nnd  ist  unser  emstlichi 
das  fnron  sovil  immer  mOglieb  ist,  der  vleii  gebrancbt  werde, 
sach  darinn  in  aioer  endurtl  oder  entUchem  entaebid  besohloai«) 
ain  halb  jar  nit  unerledigt  beleih,  aber  die  beinrtln  nach  Irar 
nnd  grofio  von  botgericbtiin  n  bnfgericbten  oder  mm  leag*t«n 
bofgericht,  das  ist  in  2  roooaten  erledigt  werden,  aber  die  appolUl 
den  iiiterlocntorüs ,  so  In  landgericbten  geschechen   und 
bofrat  kommen,  di»  aollen  darinnen  b«i  teit«n  and  innei 
werden,  nnd  «o  dfe  endurtl   geacbOpft,  »olle  ftIrderUcb 
lenger  nIt  elngeatellt,  auch  den  partMen  ein  gewisser  tag,  nachdem 
nder  verr  gasswan  lu  nroffnnng  nnd  anbarang  du  nrti« 
maat  werdaa.  klae  mU  auch  solch  nrtl  wie  andere  alle  baebald 


—    449    — 

in  wichtigen  und  schwierigen  Fällen  ausgeschlossen  bleiben  und 
bei  solchen,  „wenn  sie  guten  Bedacht  und  stattliches  Erwägen 
bedürfen,  die  Vota  auf  ferner  und  besseres  Bedenken  auf  den 
andern  Tag  verschoben  werden,  damit  in  ansehnlichen  Sachen 
nichts  ünbedächtigUches  vorgehe  oder  präcipitiert  werde,  daß 
hernach  in  anderer  Weise  gerichtet  werden  muß". 

Die  Geschäftsüberhäufung  veranlaßte  den  Hofrat,  nicht  alle 
Sachen ,  insbesondere  nicht  alle  Prozesse  in  pleno  zu  behandeln, 
sondern  das  Kollegium  in  Abteilungen  (Senate)  zu  teilen,  von  wel- 
chen jede  einen  Teil  der  anhängigen  Sachen  selbständig  entschied. 
Schon  die  Ratsordnung  von  1536^)  trat  diesem  Brauche  ent- 
gegen und  ordnete  an,  daß  sich  Landhofmeister  und  Räte  furo 
in  keiner  Sachen,  es  seien  rechtlich,  gtltlich  oder  Supplicationen 
nit  trennen  oder  teilen,  sondern  sämtlich  Alles,  was  für  sie 
kommt,  verrichten  sollen. 

Trotz  dieses  Verbotes  führte  das  Anwachsen  der  Prozesse, 
die  beim  Festhalten  an  dem  Grundsatze  der  Plenarberatung  zu 
selir  langwierigen  geworden  wären,  zu  einer  Erledigung  in  ein- 
zelnen  Senaten.     Die  Hofrats-0.  1551  *)  gestand  deshalb  die 


der  partcicD  vor  ainem  ganzen  rat  öffentlich  anzaigt  und  eröffnet  und  kains 
wogs  durch  verordnete  rete  hinaus  für  die  tbüm  geben  werden. 

1)  UDs  wirdet  auch  angezaigt,  wie  sich  unsere  rete  zu  yil  maln,  so  etwo 
vil  sachn  verbanden,  tailn  und  also  getailt  supplicationeB,  yerhOre  oder  andere 
sacbn  verricbten,  daraus  auch  zu  Zeiten  widerwertige  bevelch  und  bandlungen 
ausgcen,  und  so  nachmals  solicbe  bandlungen  wider  für  unsere  rete  wachsen, 
trc^t  sich  zue,  das  die  rete  zum  tail  umb  die  sacbn  in  getautem  rate  abge- 
vcrtigt  nit  wissen  haben  und  also  die  parteien  verzogn  oder  ir  schaden  ge- 
furt  werden,  wöllichs  uns  auch  nit  gemaint  ist .  .  Zugleich  wurde  bestimmt; 
daß,  wenn  die  SuppHkationen  Yonnittag  nicht  abgerichtet  werden  mochten,  ihre 
Erledigung  nit  auf  den  folgenden  Tag  verschoben,  sondern  noch  an  dem- 
selben Nachmittag  erfolgen  solle,  und  zu  furdrung  sOlicber  sacbn  aller,  hei&t 
es  weiter,  sollen  unsere  rete  zu  zelten  des  rats  nit  yergebenliche  gespräch 
halten  noch  in  den  stimmen,  das  so  vor  ainem  jeden  geratslagt  worden, 
widerumben  crzelen  oder  anzaigen,  sonder  wo  sieb  ainer  mit  vorerzelten 
rat«:le^cn  vergleichen  will,  soll  er  allain  melden,  das  ime  dieselb  vorangezaigt 
niainung  gefalle,  er  hotte  dann  guet  ursacb,  dardurcb  er  zu  sOlicbem  ratslag 
bewegt  und  vor  ime  nit  erzelt  werden,  alsdann  mugen  sohcbe  ursachn  doch 
mit  der  kurz  angezaigt  werden. 

2)  nachdem  sich  auch  die  bandlungen  dermaßen  teglichs  häufen,  das 
man  die  recht-  und  summarisacben  auch  geding  oder  appellationes  und  was 
also  handlangen  sind,  darin   vil   Schriften  und  acten  zusammen  konmoen  zu 

KoM'nthul,  üesehlohte  d.  (ierichtsw.  u.  d.  Verw.-Org.  Ualenu.  I.  29 


4fiÖ 

EinricbtuDg  zu  Recht,  Summarisaclien,  sowie  Gedinge  oad  Ap- 
pellationeQ ,  kurz  alle  langu'ierigen  Sachen ,  bei  welchen  trieb  i 
viele  Schriften  uiiil  Akten  uiibäuften,  die  in  den  gewöhnlichen 
(Vonuittags-)  Katsstumleu  nicht  erledigt  werduu  kOuutea,  in  «incr: 
hesondern,  aus  6 — 8  Räten  gebildeten  Abteilung  (sunderen  ratk 
in  welcher  namentlich  alle  juristischen  Rate  sitzeu  sollton,  Ive- 
handeln  zu  bissen.  Gegen  solche  Teilung,  daraus  allerlei  Irr- 
tum und  Nachteil  samt  mehrerlei  Unordnungen  und  wi<lerwärtigea; 
Signaturen  auch  vieler  Leute  Klagen  erfolgtun,  wandte  sich  die 
Uofrats-0.  1573  mit  der  Bestimmung,  daß  künftigbiu  Recfatfi- 
und  audere  Sacbeu  nur  iui  wohlbesetzten  Rate  entschieden  wer* 
den  sollten '). 

Eine  Einteilung  wurde  jetzt  nach  der  Richtung  getroffen, 
daß  3  Wot^heutage  für  die  VerhOrssachen  nnd  3  andni  TOr  dio 
Rechtssachen  bestimmt  wurden.  Erst«rü  sollten  in  der  We 
den  Vorrang  haben,  daß,  wenn  die  A  Tage  zur  ErlodiguDg  der 
Verhörssachen  nicht  ausreichten,  einfach  die  Rechtssachen  i 
1 — 2  Tage  verschoben  wenlen,  denn  gerade  hei  deu  erst«reQ 
(/eugenverhJir  u.  s.  w.),  wo  die  zu  vemebmenden  Personen  «i|| 
Ladung  erschienen  waren,  mußte  ihr  Verhör  auch  vor^ ' 


gewondlicher  ntieit  nit  orledi^D  kftD,  tooder  denelben  «rltdignag 
mit  grofiem  dei  patteica  luehltil  lang  Kufgeiogen  wirdet,  bo  «eil«)  wir 
iit  unter  bevelcb,  das  noscr  Undbobnaiiter  iritidoinbi  rorordne,  d 
oder  8  rete.   loril  nuui  dor  jodet  zeit  heglich  hftt,  alle  Ug  to 
■oliebfl  b«ecUoti#n  r«cht  nod  «ammarii&cben  aoch  geding  od« 
erledigt  werden,  iwo  staitdeD  nacbmitbig  »uainiuoD  koiiun«ii,  die 
nod  erledigen   and  tu  ditem  ■andern  rat«  nnd  etlodigang  nl 
(ollen  oneete  gelorten  rit«,  sovQ  der  lind  sUmuü  ondiPinoo 
winentlicli  eob>ft  Tethindening  .  .  ir  kainer  aoAen  bpletben. 

1)  nnd  dieweil  bis  beer  bei  nntenn  rat  gebronchig  gawMt,  du  i 
in  Til  tacben  getaut  wordoa  dvmm  allerlai  irrtborob  nnd  nacbtl  twibt 
noordiinDgeD  and  widerwertigeD  rignattira  auch  lilet  leut 
bette  man  etwo  die,  »o  man  bei  otlichoo  (ubco  Dit  gern  a«h«D 
*ülcb  mittl  am  gemainem  nl  g«icboben.  vir  aacb  «acht«)  kOi 
alleo  lachen  niebti  fOrtreglichert,  onverdeehtllchenr  aocb 
khOnde,  dann  dai  nnaero  lete  iowol  io  recht  ali  andern  lackeB 
auial  beiMmeo  aeieii.  dioweil  neb  mennoln  aooderlich  in  Diwtnn 
abeeiii  begibt,  da*  luuoro  rtten.  lo  mit  &Dibl«ni  beladen  . .  . 
bofhaltttng  naehiurolgen  aaferlogt  wjrdot,  *o  wellen  wir,  daa 
höbet«  irotgemelt«r  gettalt  nit  met  abgetaitt  worden,  «ondar 
beiaamon  blcibtu. 


—    451    — 

I 

werden,  um  nicht  durch  eine  Verzögerung  eine  Erhöhung  der 
Kosten  zu  verursachen,  während  diese  Rücksicht  bei  den  Rechts- 
sachen wegfiel. 

Eine  Eingabe  der  Räte^)  suchte  diese  Anordnung  rück- 
gängig zu  machen  durch  den  Hinweis  darauf,  daß  nun  sämt- 
liche Hofräte  mit  der  Abhörung  der  täglich  in  großer  Zahl  ein- 
laufenden einschichtigen  Zettel  ihre  Zeit  verlören  und  von  der 
Erledigung  wichtiger  Geschäfte  abgehalten  würden,  während  bei 
solchen  Bagatellsachen  oft  nur  ein  Schreiben  um  Bericht  oder 
l)ei  Schuldsachen  ein  Zahlungsbefehl  (solutio  cum  clausula)  ver- 
fügt würde.  Die  Räte  versprachen,  wofern  der  Herzog  eine 
Teilung  des  Hofrats  wieder  zulassen  würde,  .selbst  eine  der- 
artige Ordnung  herzustellen,  daß  nur  die  erwähnten  Kategorien 
von  Rechtssachen  im  geteilten  Rate,  alle  andern  Sachen  aber, 
so  in  jure  vel  in  facto  zweiflich,  im  großen  Rate  erledigt  wer- 
den sollten.  Auf  dieses  Gutachten  erfolgte  eine  ablehnende 
herzogliche  Resolution  *). 

Eine  Beratung  aller  zum  Hofrate  ressortierenden  Gegen- 
stände in  pleno  envies  sich  bei  der  Ungeheuern  Zunahme  der 
Prozesse  auf  die  Dauer  als  undurchführbar.  Die  Hofr.-O.  1580 
ermächtigt  deshalb  den  Präsidenten,  „dieweil  auch  die  Sachen 
nit  allwegen  so  hoch  wichtig,  daß  ein  ganzer  völliger  Rat  mit 


1)  Underthenig  anbringen  der  £  Reihe  von  wegen  zwaier  in  der  Neuen 
Rathsordnung  vergrifher  Artical  (Kr.  A.  M.  —  Hofirat  Fase.  1  u.  1). 

2)  Folgende  Gründe  wurden  fftr  die  Ablehnung  geltend  gemacht :  1)  In- 
folge der  geringen  Zahl  der  den  Sitzungen  gewöhnlich  beiwohnenden  Hof- 
räto  —  fast  '/^  der  RAte  sind  in  Kommissionen  und  andern  Amtsgesch&ften 
verreist  —  sind  oft  nicht  mehr  wie  3—4  Rfite  anwesend,  welche  wichtige 
Sachen  auf  Zusammenkunft  ihrer  Mitrftte  verschoben.  Dadurch  entstünde 
eine  Verschleppung  der  Justiz  und,  wie  yiele  an  den  Herzog  gerichtete 
Klagen  beweisen,  der  Reputation  des  Herzogs  Nachteil  und  den  Parteien 
viele  Kosten.  2)  Es  können  widerspruchsvolle  Bescheide  erlassen  werden, 
wenn  ein  Rat  von  den  in  seiner  Abwesenheit  erlassenen  Dekreten  keine 
Kenntnis  hat,  welche  dem  Landesherm  zum  Schimpfe  gereichen  würden. 
3)  Die  zum  kleinen  Rat  Verordneten  werden  es  als  eine  Zurücksetzung  em- 
pfinden, daß  sie  nur  schlechte  Sachen  versehen  sollen  in  dem  Glauben,  daß 
man  ihnen  nur  einen  geringen  Grad  von  Geschicklichkeit  zutraue  oder  sie 
aus  andern  Gründen  von  der  Beratung  wichtiger  Gegenstände  fem  halten 
wolle.  Das  möchte  nicht  kleine  Amulation  und  Unwillen  bei  den  Rfiten  er- 
wecken und  allerlei  Klagen  gebfiren.  4)  Wenn  übrigens  diese  „abgesonderten** 
Räte  auch  zu  wichtigen  Angelegenheiten  in  die  Plenarsitzung  berufen  würden, 

29* 


denselbigen  zu  belustigen",  dem  Referenten  eine  Anzahl  RAte, 
deren  Majorität  von  der  Ritlerbank  sein  muß,  l)eizuordnuD,  and 
zwar  zu  einem  sdilcchten  Bescheid  oder  Beiurtvil  4,  eventuell 
ti  und  8.  Einer  aus  diesen  Räten  leitet  als  Präsident  lÜe  Vcr- 
hondluDgeu,  und  nur  in  ansehnlicheren  Suchen  wird  der  Hof- 
ratspräsidout  oder  Kanzler  beigezogen').  Diese  verordneten 
Rät«  standen  in  einem  gewissen  Gegensatze  zu  dem  onleot- 
licben  Rat,  dem  Plenum. 

Auch  der  „Entwurf  einer  Verbesserung  der  Hofr.-O."  1590*) 
bezeichnet  einu  Rückkehr  zum  früheren  Zustand  des  geteDten 
Rats  als  notwendig,  stellt  aber  die  Teilung  in  die  Dl^krctioB 
des  Präsidenten  oder  des  Kanzlers  und  schärft  dcu  icutn  al^- 
gesonderten  Rate  Deputierten  Au&nerksamkeit  auf  früher  er- 
gangene korrespondierende  Dekrete  zur  Vermeidung  wider- 
wärtiger Bescheide  ein.  Und  wirklich  führt  ein  folgender  Ent- 
wurf) diese  Teilung  streng  durch,  stellt  dem  ordeutlidum 
Uufrat  eiuun  Kebcn-(bisber  tailten)Rat  gegenüber  und  weist 
dem  letzteren  alle   einschichtigen  SuppUcutioncs  oder  ßericbte 


bitten  lie,  die  von  Anfang  an  boi  der  Bacbo  goiesioii.  Klcge  Qnd  Antwort 
gehOi\  ein  Obergewicht  Ober  die  oDdom  Kollegen,  welche  nur  beim  Aktt^ 
■cbluwe  gogeowftrtig  wSren.  D&  sie  in  der  Sache  Borgfftltiger  iafontet 
ioien,  bowet  über  dieselbe  disputieren  und  mit  ihrer  Hcinnog  iliiiiliilihmii 
konnten,  so  itt  von  einer  Berstong  im  ganzen  und  völligen  Hat«  nicht 
werden  kOnnte.  6)  Femer  wird  dafQr  gebalten,  dafl  ein  «UtlJictm 
bosotitei  Bat  den  erschoinendeii  Parteien  nnd  deren 
kleiner  Bepotatjen  nnd  Ansehen  gereichen  werde,  wie  aoch  pi 
davon  abgehalten  würden,  ihre  Streitigkeiten  in  der  Hoffiinnj( 
Färdemng  la  einer  Zeit  Tonnbringen,  wo  aie  don  Bat  in 
Terummelt  wihneQ.  Wu  endlich  6)  die  im  Galachten  berOhrtea 
Sachen  betrifft,  so  könntm  dieae,  da  sie  ja  keine  Diskoadoo 
■chlenni^  erledigt,  ofentaell  anf  den  Nachmittag  vencbobea 
Verdienen  Dun  auch  mehrere  der  in  der  Boiulution  i^gen  die 
gebrachten  Argumente  fieaebtung,  so  können  dieselben  im 
all  sticbholtig  gelton,  denn  bei  einer  Bcharfen  Kompeteuabgre 
gesonderten  nnd  ganzen  Hobata  in  sachUcher  Bexinfaang,  wUrd 
kchteo  der  BUe  mit  B«clit  gerflgte  Krift«-  und  Zeitrergendmig  V 
b««.  wenn  man  dem  abgeaooderteD  Hofrate  die  doOnitiTa  I 
•tinmter  Kategorien  von  R«ebt««tfeitigkeitan  tngestandeo  bitt«L 

I)  Hayr,  8«mmlnng  VI,  b.  7. 

3)  Er.  A  U.  —  Hofrat  n.  I. 

8)  B.  A  UL  D.  a.  S  (Hofirateordn.  wahneheiBUeb  iweh  IWIV 


—    453    — 

der  Parteien,  auch  in  schlechten  Sachen  Berichte  und  Re- 
plica  zu;  die  Kanzlei  hat  diese  Gegenstände  sofort  dem 
Nebenrat  vorzulegen,  damit  das  Plenum  mit  solchen  Dingen 
sich  gar  nicht  aufhalte  und  Wichtigerem  seine  Kräfte  widmen 
könne. 

Mit  dieser  Verweisung  der  Bagatellsachen  an  einen  Neben- 
rat darf  nicht  venvechselt  werden  die  allerdings  *  durch  den 
steigenden  Geschäftsumfang  hervorgerufene  Anordnung  eines 
sondern  Rats  durch  die  Hofr.-O.  1551  *).  Hier  wird  nämlich 
nicht  für  die  Bagatellsachen,  sondern  für  die  rechtlichen,  Sum- 
marisachen  und  Appellationes,  kurz  für  alle  Prozesse,  in  welchen 
viele  Producta  und  Acta  zusammengekommen,  die  also  in  der 
gewöhnlichen  Ratszeit  nicht  erledigt  werden  können,  eine  be- 
sondere Abteilung  gebildet.  Der  Präsident  soll  zur  Entschei- 
dung solcher  Prozesse  6—8  Räte,  soviel  man  deren  jeder  Zeit 
füglich  haben  könne,  darunter  alle  gelehrten,  verordnen.  Diese 
Verordneten  haben  dann  in  täglichen  Nachmittagssitzungen  diese 
Prozesse  nach  reiflichem  Aktenstudium  zu  erledigen.  Dieser 
sondere  Hat  stellt  sich  schon  nach  der  großen  Zahl  seiner 
Glieder,  im  Gegensatze  zu  den  ungefithr  aus  3—4  Räten  be- 
stellenden Bagatellkommissionen,  mehr  als  ein  verkleinertes  Ple- 
num denn  als  eine  Kommission  dar,  wie  ja  auch  die  ganze  Ein- 
richtung nur  den  Zweck  hat,  einer  Verschleppung  dieser  großen 
Prozesse  vorzul)eugen.  Nur  die  durch  andere  Geschäfte  in  An- 
spruch genommenen  Hofräte  waren  von  der  Anteilnahme  an 
diesen  Beratungen  dispensiert. 

Die  Klagen,  welche  die  Landschaft  im  Laufe  des  15.  Jahr- 
hunderts ül)er  die  Gebrechen  des  Vorsprecherwesens  an  das  Ohr 
der  Landesherren  brachten,  waren  trotz  aller  eine  Abhülfe  der 
gerügten  Mißstände  bezweckenden  Anordnungen  nicht  verstummt 
und  setzten  -)  auch  die  Gesetzgebung  des  16.  Jahrhunderts  in 
Bewc^gung.     Die  L.O.  1516  und  ihr  folgend  die  L.O.  1553  gaben 

1)  wiederholt  1580  bei  Mayer  VI,  S.  3. 

2)  L.O.  151G  S.  2G  (L.O.  1553  B.  II  t  7)  —  Nachdem  unns  -  klag  fQr- 
khomen  sind,  wie  die  partheyen  durch  sy  mit  abnemung  überflüssiger  und 
uDzinilioher  belonung  vast  bedrangt,  dardurch  dann  unnser  unntcrthan  also 
widor  die  pilligkait  beschwärt  und  yezuzeiten  ain  armer  seins  unvennögenß 
halben  ain  gerechte  gueto  sach  nit  anzefahen  oder  außzufflren  vermag  und 
also  gedrungen  wirdet  die  beiigen  zelassen. 


—    454    — 

so  ausführliche  Vorschriften  namentlich  über  die  Pflichten  der 
an  den  Hofgerichten  ^)  thätigen  Vorsprecher.  Diese  und  die 
bei  andern  Gerichten  praktizierenden  Vorsprecher  hatten  beim 
Beginne  ihrer  Funktionen  einen  Eid  zu  leisten,  in  welchem  sie 
Gehorsam  den  Landesherm  und  dem  Gerichte,  bei  welchem  sie 
ihre  Thätigkeit  eröffneten,  und  treue  Erfüllung  ihrer  Obliegen- 
heiten geloljten  ^).  Der  Gebührentarif  stufte  das  rechtsachende 
Publikum  in  zwei  Klassen^),  die  vermöglichen  Landleute  und 
die  armen  gemeinen  Bauersleute,  welche  gewöhnlich  über  die 
Hälfte  der  von  der  ersten  Kategorie  geschuldeten  Gebühren  zu 
zahlen  hatten.  Diejenigen  Prokuratoren,  welche  sich  dieser 
Ordnung  nicht  untenverfen  wollten  oder  der  Gebtthrenordnung 
oder  andern  Bestimmungen  zuwiderhandelten,  werden  mit  Aus- 
schließung von  der  Prokuratur  im  ganzen  Gebiete  des  Herzog- 
tums bestraft 

Mit  dem  fremden  Rechte  war  zu  dem  Institut  der  Yor- 
sprecher  oder  Redner,  welche  die  Partei  unmittelbar  vertraten, 
noch  das  der  Advokaten  aufgekommen,  welche  der  Partei  juri- 


1>  „Ordnen  — ,  das  all  Redner  und  Vorsprechen,  so  vor  onna, 
Hofmaistcr,  Marschalk,  Vitzdomben,  Käten  und  anndem  unnsem  Begimentoi 
und  Hoff^erichten  unnsers  Fürstenthumbs  bajren  zehänndlen  ondertteen  aiat 
crbem  wesens  und  verstenndig  sein"  (a.  a  0.). 

2)  L.O.  1516  S.  26  f.;  L.O.  1553  B.  II  t  7  a.  2. 

3)  Fflr  schriftliche  Prozesse  hatten  Prokuratoren  und  Redner  ftr  Ab- 
haltung eines  Termins  von  der  ersten  Kategorie  höchstens  70,  von  der  meilM 
höchsten  32  Ä  zu  beanspruchen.  „Wo  aber  ain  Redner  in  ainer  Sachen  nit 
allain  Procurator  und  Redner,  sonnder  darzu  Advocat,  d.  L  Ratgeb  und  wm- 
greiffer  der  sach*',  durfte  er  nicht  über  1  bezw.  >/•  A-  fordern.  Fflr  mtliid> 
liches  Vorbringen  an  einem  Termin  wurde  dem  Redner  gewöhnlich  niefat 
über  1  bezw.  >/<  H-*  nur  wenn  die  Sache  so  grofi  und  so  gar  viel  MOhe  nit 
Schreiben,  Reden,  Ratschlagen  oder  Andern  bedurfte,  konnte  das  Geridit 
eine  höhere  Gebühr  festsetzen.  Bei  Reisen  der  Procuratoren  wurde  eine 
Reiseentschädigung  von  1  Schill.  Münchner  Pfennig  pro  Meile  und  ftLr  Zehnng 
pro  Tag  und  Nacht  >/i  H-  rh.  bestimmt  LO.  1516  S.  27  £;  L.O.  1653  R  11 
t.  7  a.  3-6,  11.  Die  auf  diese  Ordnung  nicht  verpüichteten  Doctores  sowis 
die  ausländischen,  an  bairischcn  Gerichten  thätigen  Vorsprecher  waren  toi 
Beobachtung  derselben  befreit.  Nach  LO.  1553  B.  U  t  7  a.  7  hatten  die 
Procuratoren  bei  den  Land-,  Stadt-  und  Hofmarksgerichten  (Ht  einen  mflnd« 
liehen  Vortrag  <j  Kreuzer,  für  Abhaltung  eines  Termins  (von  einem  Bechti* 
stand)  32  A  und  für  die  Abfassung  einer  Rechtsschrift  42  X  in 
spruchen. 


—    455    — 

stischen  Rat  erteilten  und  ihre  Schriftsätze  verfaßten.  Wie  sich 
aus  der  unten  citierten  Stelle  der  Gebührenordnung  ergibt, 
wurde  auch  schon  die  Thätigkeit  beider  in  Einer  Person  ver- 
einigt. 

Wenn  auf  Grund  der  L.O.  der  Stand  der  Vorsprecher  auch 
kein  abgeschlossener  war,  die  Aufnahme  in  denselben  nicht  durch 
Aufnahme  seitens  einer  staatlichen  Behörde  bewirkt,  sondern  die 
Berufsausübung  nur  an  die  Voraussetzung  der  Ableistung  eines 
Eides  geknüpft  war,  so  waren  die  Vorsprecher  doch,  wie  ihre 
Kecbtsverhältnisse  durch  staatliche  Gesetze  geregelt  wurden, 
der  Aufsicht  und  Disziplin  der  Regierungen  (Hofrats)  und  der 
Gerichte  unterstellt. 

Einen  Schritt  weiter  ging  eine  Ordnung  des  Regiments 
Landshut  ^),  die  Hofprokuratoren  und  Stuhlschreiber  betreffend, 
von  1560*).  Obwohl  die  L.O.  1553  vor  unnötiger  Länge  der 
Schriftsätze  und  vor  dem  Hereinziehen  überflüssiger,  zur  Sache 
nicht  dienlicher  Dinge  gewarnt  habe,  machten  sich  Prokuratoren 
und  Supplikationsschreiber  doch  großer  Weitläufigkeit  schuldig*), 
was  die  Sachen  verdunkle  und  einer  raschen  Beförderung  der 
täglichen  Regimentssachen  hinderlich  wäre.  Nun  seien  auch  der 
fürstlichen  Regierung  mehrfach  gar  ungeschickte,  unlautere  und 


1)  Man  darf  wohl  vennuten,  dafi  diese  Ordnung,  welche  nicht  durch 
lokale  Erscheinungen  hervorgerufen  war,  auch  auf  die  Prokuratoren  der 
übrigen  Hofgerichte  Anwendung  gefunden  hat  und  dafi  durch  einen  Zufall 
nur  die  Landshuter  Ordnung  erhalten  wurde. 

2)  Kr.  A.  L.  (Kopie). 

3)  Das  die  Abfassung  dieser  Verordnung  befehlende  herzogliche  Beeret 
vom  19.  Dez.  1559  spricht  sich  über  die  Notwendigkeit  eines  solchen  also  aas : 
Nachdoiii  bei  der  fürstlichen  Regierung  der  Prokuratoren  auch  Supplikations- 
schreiber dermaßen  Mengel  und  Gebresten  zutragen,  das  nit  allein  wohl- 
gedachto  Regierung  mit  ganz  offenbarlich  mutwilligen  Handlungen  bel&stigt» 
auch  mit  vielfaltigem  unnotwendigem  verdriefilichem  mündlichem  und  schrift- 
lichem Fürbringen  aufgehalten,  dardurch  die  schleunige  Expedition  der  Sachen 
über  allem  angewendtem  Fleifi  gehindert,  sondern  dafi  sich  noch  dazu  ihrer 
Vii'le  des  Supplicierens  unterfangen,  dessen  sie  doch  gar  keine  Erfahrung 
haben  und  derowegen  die  armen  Parteien,  so  der  Sache  für  sich  selbs  nit 
genu^'  verständig  durch  ihr  ungeschicktes,  unförmliches  und  unbedfichtiges 
Supplicieren,  darin  die  Notdurft  und  rechte  Hauptsache  gar  nit,  wie  sich  ge- 
bührt fürgebracht  und  zu  großem  Schaden  führen  möge  .  .  ist  bedacht  worden 
von  Obrigkeit  solches  Einsehen  zu  haben,  damit  soviel  möglich  die  beschwer- 
liche Unordnung  abgestellt  werde  .  .  . 


—    456    — 

unverständige  Supplikationen  und  andre  Schriften  vorgebracht 
worden,  daraus  man  abnehmen  konnte,  daß  die  Verfasser  der- 
selben weder  der  Schreiberei,  noch  viel  weniger  des  Handds 
verständig  gewesen,  und  daß  auch  die  armen  Parteien  durch 
solch  ungeschicktes  und  unordentliches  Fürbringen  in  ihrer  Not- 
durft gar  groß  verkürzt  würden,  wie  auch  allerlei  Unordnung 
hieraus  entstünde. 

Zur  Abschneidung  dieser  Mißstände  sollte  künftig  eine  be- 
stimmte Anzahl  von  Hofprocuratoren  ^)  und  Supplikations- 
schreibem  verordnet  weräeu^),  welche  ausschließlich  in  diesem 
fürstlichen  Regiment  in  fremden  Sachen  zu  procurieren  oder 
zu  schreiben  berechtigt  sein  sollten.  Es  ist  also  eine  folgen- 
schwere Neuerung,  die  man  hier  eingeführt  hat,  indem  man 
das  Prinzip  der  Freigabe  der  Procuratur  verlassen  und  an  seine 
Stelle  das  der  Anstellung  der  Procuratoren  durch  die  Regierung 
gesetzt  hat 

Mit  dem  Vordringen  der  fremden  Rechte  hatte  auch  das 
Institut  der  öffentlichen  Schreiber  in  Baiem  Eingang  gefundra, 
und  wie  die  oben  angeführte  Verordnung  auch  die  Zulassung 
einer  bestimmten  Anzahl  von  Supplikationsschreibem  beüahl,  so 
hatte  sich  schon  vorher  die  L.0. 151G  S.  28  f.  und  1553  B.  II  t.  8 ») 


1)  Die  jetzt  vorhaDdcnen,  welche  den  Beruf  noch  künftig  ausüben  woUtnw 
hatten  ihre  Namen  bei  der  Kauzlei  anzugeben  und  auf  dem  n&chsten  Hof* 
gericht  um  ferneren  Bescheid  anzuhalten  (Herzogliches  Dccret). 

2)  Vorübergehend  hatte  H.  Wolfgang  während  seiner  vormandscbaft- 
liehen  Regierung  1509,  um  einem  höchst  fühlbaren  Notstand  abzuhelfen 
(„nachdem  an  unsres  Pflegsohns  Hofgericht  die  Parteien,  so  daran  ze  richten 
und  ze  schicken  haben,  einige  Zeit  her  viel  Mangels  der  Vorsprechen  halb 
erschienen  ist,  dninit  aber  die  Kechto  am  Hofgerichto  gefordert  und  mit  ge* 
schickten  Kednern  versehen  sei"),  2  Personen  als  herzogliche  Beamte,  za 
unsres  PHogsohns  Diener  von  Haus  aus,  unter  Aussetzung  einer  Besoldang 
bestellt,  damit  sie  ihre  Dienste  als  Vorsprecher  den  Rechtsachenden  mr 
Verfügung  stellen  sollten  („den  Parteien,  die  sein  begehren  um  ziemliche 
Belohnung  ire  Notdurft  nach  seinem  besten  Verstandnus  am  genannten  Hol^ 
gericht  reden  und  fürbringen  und  sich  ohne  Erlaubnis  eines  Hofmeifteis 
nicht  davon  thun").  Der  Herzog  behielt  sich  nur  vor,  dieselben  zu  anden 
Diensten  auszuschicken   R.  A.  —  Verschreibungen  1504-47). 

3)  Die  Bürgermeister  und  Rute  in  Städten  und  Märkten  sollten  6e* 
bührenordnungen  für  diese  Schreiber  erlassen.  Den  Schreiberlohn  fUr  eiM 
Supplikation  setzte  die  LO.  fest.  Die  kO.  1553  iB.  2  t.  8  a.3)  befahl  dann  den 
Supplikationsschreibem,  sich  unnötiger  Längen  und  ungebührlicher  hitziger 


—    457    — 

mit  der  Regluiig   der   Verhältnisse  der  Notarien,   Stuhl-  und 
anderer  offenen  und  gemeinen  Schreiber  befaßt. 

Das  Arbeitsfeld  des  Münchner  Hofratskollegiums  ward  durch 
die  Errichtung  der  auf  dem  Realsystem  fußenden  Centralstellen, 
welche  aus  dessen  Schöße  hervorgingen,  immer  mehr  beschränkt 
und  so  dessen  Bedeutung  als  höchste  Centralbehörde  des  Landes 
immer  mehr  herabgedrückt,  namentlich  nachdem  durch  die  Or- 
ganisation des  Geheimen  Rats  die  wichtigsten  Angelegenheiten 
dem  Hofrat  entzogen  und  der  Schwerpunkt  der  Staatsregierung 
in  diese  höchste  Centralstelle  verlegt  worden  war. 


Anhang. 
Die  Anfänge  des  diplomatischen  Dienstes. 

Die  liCitung  der  auswärtigen  Politik  fiel,  soweit  sie  nicht 
in  der  Hand  des  Hofmeisters  oder  Kanzlers  ausschließlich  kon- 
zentriert war,  in  den  Wirkungskreis  des  Hofrats  und  später  in 
den  des  geheimen  Rats. 

Die  Verhandlungen  mit  fremden  Mächten  —  es  handelte 
sich  hier  hauptsächlich  um  die  mit  andern  deutschen  Staaten 
—  wurden  gewöhnlich  geführt  durch  Hofräte,  mitunter  aber 
auch  durch  äußere  Beamte  (Rentmeister,  Pfleger,  Mautner). 
Wenn  die  Verwaltung  der  auswärtigen  Angelegenheiten  auch 
noch  niclit  als  eine  besondere  Geschäftsgruppe  organisiert  war, 
so  l)ildet  sich  doch  stillschweigend  eine  Art  von  Arbeitsteilung 
lieraus,  indem  diejenigen,  welche  durch  ihre  Gewandtheit  und 
Geschäftserfahiiing  vorzugsweise  zur  Führung  solcher  Verhand- 
lungen qualifiziert  waren  *),  auch  immer  wieder  hierzu  gebraucht 

Schmach-  und  Schcltworto  zu  enthalten.  Sie  mußten  jede  von  ihnen  ver- 
faßte  Schrift  unterzeichnen,  damit  man  sie  sofort  wefjon  einer  Übertretung 
zur  Verantwortung]:  ziehen  konnte.  Bezüglich  der  Notaro  wurde  bestimmt, 
daß  niemand,  der  nicht  vom  Kaiser  oder  Papst  als  solcher  zugelassen 
oder  bestäti<(t  würde,  zur  Austibung  des  Notariats  in  Baiem  zugelassen 
werden  soll. 

1)  So  empfehlen  1552  die  Hof-  und  Kammerräte  zu  einer  Gesandtschaft 
an  den  Kaiser  und  den  Bischof  von  Arras  den  von  Liechtenstein  zu  solcher 
Botschaft  und  Werben  fürzunehmen  als  dergleichen  Sachen  in  dem  vorigen 
^chmalkaldischen  Kriej^,  gleichwohl  in  anderer  Herren  Dienst  im  kaiserlichen 


S 


wurden.  So  kommt  es,  daß  in  den  wiclitigeo  poUüscben  Ver- 
handlungen des  It).  Jahrhunderts  immer  wieder  dieüclben 
Käte')  ak  Unterii&ndler  begegnen,  obwohl  sie  von  Fall  zu  Fal! 
besonders  ernannt  und  mil  spezieller  Instruktion  vursehcn 
wurden. 

Die  An&nge  einer  ständigen  Diplomatie  lassen  sich  io 
Boiern  nicht  vof  dem  16.  Jahrhundert  nachweisen  *),  wfthreod 
der  Uerzoi;  von  Mailand  und  die  Republik  Venedig  schon  145Ö 
und  1495  ständige  Gesandte  bestellt  hatten"). 

Schon  seit  dem  Aufauge  des  16.  Jahrhunderts  unterhielt 
der  Baiemhüfzog  beim  pil|ffitlichen  Stuhle  einen  Sollicitalor 
(Frocurator) ,  der  aber  niclit  bairischer  Itenmter  war,  soudum 
die  Obliegenheiten  der  Berichterstattung  und  Vertretung  am 
nebenher  besorgte,  sogar  seilest  im  Dienste  des  Papstes  steheo 
konnte*). 

Sodann  ersclieint  erst  am  Ende  des  Jahrhunderts  (1576)  als 
Et&sdiger  diplomatischer  Axent  Baiems   beim  Kaiserhufe   der 


Olegei  >nch  BolliciUrt  hat  (v.  Draffol,  Briefe   tmd  Aktea  t.  GmcIl   dM 
16.  Jikbrbanderta.  ManchüD  1973.   L,  S..  702,  t4.  ^7), 

1)  Neben  Liechtonstein  bcgegnon  im  18.  JftbrhuDdttrt  hfiuilg  kl«  OflMDdto 
X.  B.  Weineofelder.  An  Kamler  Dr.  L.  Eck,  dor  SckrrUr  Bonieor«,  Dr.  TdtM^ 
nuier,  Dr.  Stockhammer  (t.  Aretin.  Bajerna  auwirti);«  V«hUUiiwe.  Pmhh 
1839.  S.  S3,  iZ,  42,  37;  Büchner.  OcBchldile  tod  Ba^eni  VII,  8.  79i  K^ 
96,  120.  122). 

2)  Denn  dafi  H.  Scbmidl.  welcher  Ober  die  Beli<lnlenori;rauiutioii  Ua»- 
mUuDi  L  an  Benag  Albrecht  IV  1498  (d.  d.  looibnick.  PrelUfr  for  InvouTlt) 
bericht«U  (»khe  naten  8.  263;  Roientbal,  BehOrdcnargamnatton  S.  l'tL 
ftilndiger  diplomatiBcher  Ai;eat  dei  BairmhertOKs  an  HuimlUam  Hof  freWMao, 
üt  Dicht  aniiiDobniea  Er  war  rennotllch  lur  Erledi^ang  beetiinintet  O^ 
■chlRe  an  diesen  geichickt  worden. 

Si  Vgl.  Ober  die  Anfänge  der  tlAndigen  DiptomaUe  aberhanpt  Kranak«, 
Die  EotwickctaD^  der  »Undigcn  Diiibmatii?  (Stcbmoller'i  Sluiti-  nad 
■(iiialwiMenachafUiche  Fonchttngen  Bd.  V.  Hnft  S).   Läfäg  ]8RC>  St  10  C 

4)  1533  schrieb  IO  Wilhelm  IV.  sn  den  Domherrn  Dr.  BmsDM  m 
PastaD ;  ÜD*  hjtt  uigelaagt,  d&i  der  Papiit  Euch  gegm  ICim  bei  ifarer  B^ 
ligkdt  10  dienen  «fordert  hat;  diewoil  wir  abnr  an  don  PabiiiJirh<<ii  Hof  Ui 
dahin  noil  noch  Solllcitatorei  gehabt  uod  /lundi-'r  anier  Frucurauir  Dr.  C 
Wirtfa  all  nnd  «chwach  i«t,  int  u  Euch  ODRro  Bitte,  dat  Ihr  RlrfiUD  aa  tm 
FabitL  HoB'  nnser  Procorator  lain,  anf  nnior  hnnodl  in  rjehton  Dot 
nnd  atmehmou   wollt  (Wiedemann.  Dr.  Johann  Eck. 


—    459    — 

Secretär  L.  Haberstock*)  mit  der  Verpflichtung,  „daß  er  dem- 
selben^) auf  seine  eigne  Kosten  und  uns  ohne  Entgelt  nach- 
folgen und  beiwohnen,  auch  unsere  Sachen,  so  wir  ihm  daselbst 
zu  verrichten  und  zu  sollicitieren  befehlen  werden,  mit  Fleiß 
obliegen  und  aufwarten  und  uns  von  denselben  und  andern 
Sachen,  so  er  in  Erfahrung  bringt,  guten  Bericht  und  Relation 
zuschreiben,  dies  Alles  in  guter  Still  und  Geheim  behalten  und 
daraus  nichts,  so  uns  zu  Schaden  oder  Nachteil  gereichen  möcht, 
offenbaren,  sondern  bis  in  seine  Grube  verschweigen"  ^)  soll. 

Aus  dieser  Bestallungsformel  ergeben  sich  als  die  vorzüg- 
lichsten Aufgaben  des  diplomatischen  Vertreters:  Führung  von 
Verhandlungen  mit  dem  Empfangsstaat,  mit  welchen  ihn  sein 
Herrscher  betraut,  und  außerdem  regelmäßige  Berichterstattung 
über  alle  wichtigen  persönlichen  und  politischen  Vorgänge  bei 
demselben.  Dieser  Gesandtenposten  am  Kaiserhofe  bleibt  fortan*) 
eine  dauernde  staatliche  Einrichtung,  wie  die  „forma  juramenti 
für  den  bayr.  Agenten  am  kaiserlichen  Hofe"  '^)  bezeugt. 

Als  ein  zweiter  stehender  diplomatischer  Posten  folgt  dann 
der  eines  bairischen  Agenten  bei  der  Republik  Venedig*). 

1)  Über  ihn  vgl.  Stieye,  Briefe  und  Akten  z.  Gesch.  dos  3()j&hrij2^en 
Kriegs.    München  1883.    V,  S.  6. 

2)  R.  A.  —  Bestallungen,  Bevorse  bair.  Beamten  F.  1. 

3)  So  lange  er,  heißt  es  in  der  Bestallung  weiter,  diesen  Orts  unser  be- 
stellter Diener  ist,  wollen  Wir  ihm  fOr  Besoldung,  Lieferung,  Hauszins,  Zeh- 
rung, Kleidung,  Diener,  Sold,  Verehrungen  und  alles  Andere,  wie  das  Namen 
liaben  mag,  von  unsrer  Zahlstube  geben  lassen  jeden  Monat  60  fl.,  also 
jährlich  720  11.,  davon  soll  H.  alle  Unkosten  klein  und  grofi  abrichten,  dem 
kaiserlichen  Hof  auf  seine  Unkosten  nachreisen.  1580  wird  H.  als  fürstlicher 
L*at  mit  300  fl.  Gehalt  aufgefdhrt  —  der  Betrag  von  420  fl.  ward  also  wohl 
früher  als  Repräsentationsgeld  betrachtet  (der  Jahresgehalt  anderer  Hofrftte 
belief  sich  157G  durchschnittlich  auf  400  und  300  fl.). 

4)  1598  wird  in  der  Hofzahlamtsrochnung  unter  der  Rubrik:  Secret&re, 
Ratschreiber  der  3  Kanzleien,  aufgeführt  „Prfindl  fOr  ihre  Dlt  Agenten  gen 
Prag  aufgenommen  280  fl.** 

5)  H.  A.  -  E  n.  1  S.  292. 

G)  Eide  desselben  (H.  A.  —  E  n.  1  S.  313)  .  .  „was  Euch  vertraut  .  . 
bis  in  Eure  Grube  verschweigen  und  keinem  lebendigen  Menschen,  der  nit 
unumgünglicher  Notdurft  nach  darum  wissen  haben  mu£,  vertrauen  oder  er- 
öffnen, sondern  Euch  auch  zu  befleißen  Alles,  was  ihre  Durchlaucht  (~  Dt) 
zu  wissen  notwendig  und  nützlich  sein  oder  hergcgen  von  andern  Personen 
(dieselben  seien  gleich  ihre  Dt  eigne  Diener  oder  Fremde)  mit  Beden, 
iSchreiben  oder  mit  der  That  selbst  zu  ihrer  Dt  Verkleinerung  und  Nachteil 


—    460    — 

Außerdem  hatten  die  Herzoge  auch  noch  in  Madrid 
ihre  Agenten  ^ ),  welche  teilweise  nicht  ausschließlich  im  Dienste 
der  Herzoge  standen,  sondern,  von  andern  Landesherm  bestellt, 
jenen  nur  nebenher  Bericht  erstatteten^)  und  ihre  Angelegen- 
heiten vertraten. 

Die  Rangstufe  solcher  Agenten  war  aber  keinesw^s  eine 
hohe,  denn  diese  Agenten  wurden  dem  Kreise  der  Secretare 
entnommen  und  auch  im  Status  der  Hofkanzlei  während  der 
Dauer  ihrer  Funktionen  außer  Landes  fortgeführt.  Daß  man 
Subaltembeamten  solche  Posten  anvertraute,  findet  darin  seine 
Erklärung,  daß  es  doch  nur  minder  wichtige  Angelegenheiten 
waren ,  welche  diesen  Agenten  überlassen  waren ').  Handelte 
es  sich  um  bedeutsame  politische  Aufgaben,  so  wurden  stets 
spezielle  Gesandte  aus  dem  Kreise  der  gewiegten  und  geschäfts- 
kundigen Hof-  bezw.  geheimen  Räte  zur  Verhandlung  mit  den 
auswärtigen  Regierungen  bestellt  *).  Die  Kostspieligkeit  solcher 
Missionen  hat  wohl  nicht  am  wenigsten  die  Ausbildung  einer 
ständigen  Diplomatie  befördert. 

gehandelt  werden  möchte,  zu  erkundigen  und  ihrer  Dt  dies  Alles  f&rderlieh 
berichten,  also  ihr  auch  sonder  und  insgemein  als  ein  Agent  habendem  Be- 
fehl mit  ihrer  Dt.  Vorwissen  etwas  zu  tractieren  und  zu  .  handeln  haben 
werden,  das  sollen  sie  mit  gebührlicher  Autorität  und  Reputation  angreifen 
und  verrichten  und  alle  Zeit  dahin  trachten,  daß  Alles,  was  Ihr  handelt  m 
ihrer  Dt  £hr,  Nutz  und  Frommen  gereiche  und  hierin  durch  nichts  Yerabsftimit 
oder  übersehen,  sondern  vielmehr  von  Euch  Allen  Gott  und  ihrer  Dt.  also 
respektiert  werde,  auf  alle  mögliche  Wege  und  in  allen  Sachen  ihrer  Dt^  Null 
und  Wohlfahrt  .  . 

1)  Stieve,  Briefe  und  Acten  V,  S.  5. 

2)  z.  B.  am  spanischen  Hofe  Hueter  ein  deutscher  Secret&r  des  KOniga; 
in  Prag  war  Manhart,  ein  kaiserlicher  Beamter,  von  Wilhelm  Y.  als  Agent 
bestellt  (Stieve  S.  C). 

3)  Der  Rang  entspricht  dem  der  brandenburgischen  Agenton  im  Gegen- 
sätze zu  den  höher  stehenden  Residenten.  In  Brandenburg  entwickelte  nch 
übrigens  die  ständige  Diplomatie  später  als  in  Baiem,  erst  im  Laufe  dca 
17.  Jahrhunderts.  Vgllsaacsohn  II,  S.  198  £;  Krauske  S.  131  flu  (i5M 
ward  nur  ein  Agent  in  Warschau  bestelltl 

4)  Vgl.  Stieve  V,  S.  8. 


—    461    — 

§26. 
Die  Hof  karnmer. 

Die  FinaDzverwaltung  Baierns,  welcher  schon  seit  langer 
Zeit  in  den  llentmeistem  eine  selbständige  und  sachgemäße 
provinzielle  Organisation  gegeben  war,  bedurfte  auch  an  ihrer 
Spitze  einer  durchgreifenderen,  energischeren  Zusammenfassung, 
als  sie  bislang  vorhanden  war.  Denn  noch  immer  steUte 
sich,  wie  seit  Jahrhunderten,  in  dem  Kammermeister,  welchem 
ein  Kammerschreiber  zur  Seite  stand,  die  Konzentrierung 
des  gesamten  Finanzwesens  des  Herzogtums  dar,  allerdings 
nur  nach  der  kassenmäßigen  und  buchhalterischen  Seite  hin, 
denn  an  ihn  lieferten  die  Rentmeister  die  Überschüsse  der 
Gefälle  ihres  Rentamts  ab,  und  er  hatte  aus  diesen  namentlich 
die  Centralausgaben ,  den  Aufwand  für  die  Bedürfnisse  des 
Herzogs,  seines  Hofs  und  seiner  Centralbehörden  zu  leisten,  so- 
wie die  Forderungen  der  Gläubiger  des  Herzogs  nach  seinen 
Anordnungen  zu  befriedigen.  Dagegen  wurden  aUe  bedeutenden 
Aufgaben,  deren  Lösung  die  Leitung  der  Finanzverwaltung  und 
der  Finanzpolitik  erheischte,  von  der  Centralstelle ,  die  alle 
wichtigen  Regierungsangelegenheiten  erledigte,  beraten,  nämlich 
vom  Hofrat. 

Die  Finanzverwaltung  war  aber  zu  einer  stets  steigenden  Be- 
deutung gelangt  infolge  der  erhöhten  Anforderungen,  welche  der 
sicli  immer  mehr  erweiternde  Kreis  von  staatlichen  Aufgaben,  sowie 
die  durch  die  Verhältnisse  der  äußeren  Politik  im  Reformations- 
zeitalter und  durch  die  Stellung' der  Witteisbacher  zum  Kaiser 
und  den  übrigen  Reichsständen  hervorgerufenen  kriegerischen 
Verwicklungen  bedingten,  sowie  infolge  jenes  wirtschaftlichen  Ent- 
wicklungsprozesses, welcher  auch  im  Staatshaushalte  die  natural- 
wirtschaftlichen Formen  des  Verkehrs  immer  mehr  durch  die 
geldwirtschaftlichen  verdrängen  ließ. 

Die  Not  der  Zeit,  die  Zerrüttung  des  Staatshaushalts  legte 
(las  Streben  nach  Reformen  nahe.  Diese  konnten  in  der  Staats- 
wirtschaft nur  durchgeführt  werden,  wenn  alle  dieses  wichtige 
Gebiet  l)erührenden  Fragen  nicht  nur  nebenbei  von  einer  mit 
Nielen  iuulern  Aufgaben  betrauten  Behörde  behandelt,  sondern 
wenn  das  Prinzip  der  Arbeitsteilung  auch  hier  zur  Anwendung 


—    462    — 

gebracht  uod  ein  besonderes  Organ  geschaffen  würde,  welchem 
dieses  Ressort  zur  ausschließlichen  Pflege  und  Förderung  an- 
vertraut werden  konnte. 

Wie  überall  drückende  Finanzkalamitäten  den  unmittelbaren 
Anstoß  zur  Schaffung  oder  Reorganisation  der  Finanzbehörden 
gaben,  so  nahm  auch  in  Baiem  Albrecht  Y.  kurz  nach  seiner 
Thronbesteigung  eine  solche  in  Angriff  in  der  ausgesprochenen 
Absicht,  dadurch  Ordnung  in  den  Staatshaushalt  zu  bringen 
und  die  stetig  anwachsende  Schuldenlast  zu  vermindern. 

Indem  Albrecht  V.  1550  die  Hofkammer  ^)  ins  Leber  rie^ 
hat  er  nicht  nur  die  gesamte  Leitung  des  Finanzwesens  in 
Einer  Hand  konzentriert,  sondern  dadurch,  daß  er  dieser  Be- 
hörde eine  kollegiale  Verfassung  verlieh,  jene  Stetigkeit  und 
Tradition  in  der  Behandlung  der  Geschäfte  und  die  Möglich- 
keit einer  bessern  Kontrolle  eröiihet ,  in  welcher  schon  Melchior 
von  Ossa  (1556)  eine  der  wichtigsten  Verbesserungen  des  Finanz- 
wesens erblickt*). 

Der  Baiemherzog  folgte  bei  diesem  umfassenden  Reform- 
werk dem  Beispiele  K.  Maximilians  I.  und  führte  nach  dem 
Muster  der  von  diesem  begründeten,  von  dessen  Enkel  Ferdi- 
nand I.  zu  dauernder  Wirksamkeit  in  den  österreichischen  Elrb- 
landen  wiederhergestellten  Hofkammer')  ebenfalls  eine  kollegiale 
Centralstelle  für  den  gesamten  Finanzdienst  des  bairischen  Terri- 
toriums ein.  Baiern  ist  schon  als  Nachbarstaat  Österreichs  und 
infolge  der  innigen  persönlichen  Bande,  die  seinen  Herrscher 
als  Schwiegersohn  Ferdinands  mit  diesem  verbanden,  dasjenige 
Land,  welches  am  ersten  berufen  war,  den  in  planvoller  Glie- 
derung aufgeführten  Bau  des  österreichischen  Behördenorganis- 
mus ^),  welcher  dann  seinen  Wanderzug  auch  durch  die  fernsten 

1)  Über  die  Bedcatung  des  Wortes  Kammer  aach  im  Sinne  von  Yomt^ 
räum  und  Schatzkammer  vgl  Stolze],  Brandenburg-Preofiens  Rechtererw. 
I.  S.  13  i 

2)  Vgl  Schmoller,  Epochen  der  preuft.  Finanzpolitik  (Jahib.  t  Ge- 
setzgcbang,  Verwaltung  \l  Volks^iirtschaft   1877.  Bd.  I,  S.  44). 

3)  Rosonthal,  BehOrdenorganisation  S.  51  £ ;  Adler,  CentnlTenril» 
tung  S.  71  ff. 

4)  Über  die  Geschichte  derselben  und  ihre  Anknüpfung  an  franiösbcli- 
burgundische  Institutionen  habe  ich  an  andrer  Stelle  (Bosenthal,  Be* 
hOrdcnorganisation  S.  101  ff)  ausführlich  gehandelt  Ich  verweiM  hier  uif 
diese  Darlegung. 


—    463    — 

deutschen  Territorien  zurücklegte  ^),  nachzubilden.  Der  Umfang 
des  Herzogtums  sicherte  ja  auch  einer  solchen  Centralfinanzbehörde 
einen  entsprechenden  Wirkungskreis  und  steigerte  das  Bedürfnis 
nach  einer  derartigen  formellen  Ordnung  der  Staatswirtschaft. 

Albrecht  V.  hat  aber  keineswegs  das  österreichische  Vorbild 
einfach  kopiert,  sondern  er  hat  nur  die  Grundgedanken  der  Maxi- 
milianeisch-Ferdinandeischen  Verwaltungsreformen  aufgenommen, 
diese  sell)st  aber  äußerst  selbständig  unter  Berücksichtigung  der 
durch  die  besonderen  Verhältnisse  des  Landes  gebotenen  Mo- 
difikationen eingerichtet,  ohne  sich  also  sklavisch  an  sein  Vorbild 
zu  binden. 

Diese  Prinzipien  waren:  Durchführung  des  Realsystems 
durch  Loslösung  der  Finanzverwaltung  von  der  allgemeinen 
Landesverwaltung,  also  durch  Ausscheidung  aus  dem  Geschäfts- 
kreise des  Hofrats  als  der  Centralregierungsbehörde*),  Cen- 
tralisierung  des  so  verselbständigten  Geschäftszweiges  durch 
Schaflung  einer  eignen  Behörde,  welche  als  höchste  Instanz  ein- 
lieitlich  und  gleichförmig  die  ganze  Finanzverwaltung  des  Landes 
leitete,  indem  alle  Finanzbeamten  ihr  unterschiedslos  untergeordnet 
waren  und  ihren  Anordnungen  unbedingten  Gehorsam  schuldeten. 
Endlich  erhielt  auch  die  neue  Centralstelle  eine  kollegiale  Ver- 
fassung, die  sich  schon  bei  andern  Behörden  bewährt  hatte. 

War  man  sich  auch  bei  Errichtung  der  Hofkammer  ganz  klar 
über  die  Grundfragen  der  Organisation,  so  zeigt  sich  in  der 
Praxis  ein  gewisses  Schwanken  über  die  Zweckmäßigkeit  ein- 
zelner zur  Anwendung  gebrachter  Grundsätze,  so  daß  man  sich 
an  der  Hand  der  Erfahrung  zu  mannigfachen  Änderungen  im 
einzelnen  veranlaßt  sah,  die  in  verschiedenen,  mehrfach  von  ein- 
ander abweichenden  Hofkammerordnungen  zum  Ausdruck  kamen. 
Die  Geschichte  der  Hofkammer  bietet  so  in  dem  ersten  halben 
Jahrhundert  ihres  Bestehens,  wenn  auch  an  den  organisatori- 
schen Grundlagen  im  allgemeinen  festgehalten  wurde,  ein  wechsel- 
reiches lUld  der  verschiedenen  Anschauungen  über  die  beste 
formelle  Gestaltung  der  Staatswirtschaft. 

Es  war  jedenfalls  von  außerordentlichem  Werte,  daß  nur 
ein   fachmännisches   Kollegium    das    Finanzwesen    des    ganzen 


1)  Vgl.  Rosenthal  S.  173  ff. 

2)  Über  den  Prozeß  der  allgemeinen  Differenzierang  der  Behörden  in 
andern  Ländern  vgl.  Rosenthal  S.  108. 


—    464    — 

Landes  dirigierte  und  so  eine  kräftig  zii&animeufnsseiide  I^eitung 
und  Oberaufsicht  dieses  wichtigsten  aller  SlaatsverwalUings- 
zweige  gewährleistete,  Ausschließlich  die  Hofkamraer  sollte 
künftig  mit  den  diesem  Ressort  angehJtrigun  Geschäften  hefaSt 
werden.  Das  war  das  Programm,  nach  welchem  ilie  Stelle  ihr« 
Wirksamkeit  entfalteji  sollte  —  und  ist  unser  enistjii-hw  ent- 
licher will  und  mainung,  daz  sunst  niemand  mit  einuemen,  aus- 
geben und  anrlerer  handlung  unserer  Minergueter  ze  Ihun  oder 
sich  deß  auf  uns  soll  zu  vcrtliedingen  haben,  dann  allein  unser« 
camerrilte  Inhalts  diser  unser  instructiou,  sagt  Albrncht  V.  in  der 
ersten  Ilofkammerordnung  (1550).  Wenn  dieses  Programni  toD- 
sULndig  verwirklicht  werden  sollte,  mußte  auch  der  Berzog  »elbsl 
auf  seine  Machtvollkommenheit  in  gewissem  Umfange  verzichteo, 
um  nicht  die  Kreise  der  von  ihm  geschaffenen  Behörde  zu  stflren 
und  den  Erfolg  ihrer  Tbütigkeit  zu  gefährden.  lu  der  Tbftt 
versprach  er  eine  solche  Selbstbeschrftnkung,  indem  er  zusicherte, 
künftig  nicht  mehr  von  einem  der  Ämter  Geld  auf/unehmon, 
sondern  sich  solches  nur  mit  Zustimmung  der  Kammer  vom 
Zahlmeister  auszalUen  zu  lassen  ' }.  Er  unterwarf  sich  also  aus 
freien  Stückeu  der  Kontrolle  seiner  Hofkammer,  so  daß  in  der 
That  in  ihren  Händen  alle  Fäden  der  Finanzverwaltung  zu- 
sammenliefen  und  sie  allein  die  für  die  Ordnuug  und  Hebung 
des  Knmmerwcsens  erforderlichen  Maliuahmen  treffen  kounte, 
ohne  eine  Durchkreuzung  ihrer  Anordnungen  fürrhten  zu  roQssen. 
Leider  fehlte  sowohl  Albrecht  wie  seinem  Nachfolger  die  Aus- 
dauer, um  selbst  in  Zeiten  druckender  Verlegenheiten  dieser 
fOr  die  BlQthe  des  Finanzwesens  uueutbehrliclieu  Selbstbeschrftn- 
kung treu  zu  bleiben. 

Am  18.  Oktober  I5öO  —  unter  diesem  Datum  ist  auch  die 
erste  Hofkammerordnung  erlassen  »)  —  trat  die  llofkammer  iu 


1]  HotkammeiordnuDg  (—  H.K.O.)  1550:  Dtmit  nch  lolichM  od  ainidw 
verliiiidenuig  aod  putng  beachehen  mOgr,  n>  wOUno  wir  Id  kuDon  «ly  tm 
ainichen  aumn  unbt  odei  snnit  gelt  ein  oder  ftuhemon,  Madom  wum  wir 
lu  nnieni  banden  gelte  Dottmltig  mIb  weiden,  vsUco  wir  dsMelb  gelt  Bit 
Torwiiaeo  ix  der  cfauDerrAt  tob  anaetni  Terordeaten  ulmoirtor  etsplabeii  Immil 

2)  Dieto  und  die  tolicenileii  Hofkunmerordniingen  mit  Anmahiiie  der  «Ml 
IBOl  lind  noch  nicht  TerOffentlicbt  OaUAliichritlen  donelbcD  enUiRll  lid.  1  dar 
HoffciintnerprotokoU*  im  Kr.  A.  H..  und  tm  S.  1  fl!  dio  von  18.  Okt  15M,  i^  23  S 
die  TOm  S&Mmi  lbU^8.4IK  die  vom  8.  A|>ril  1666  nad  ä  )  1 1  ff  iüd  raa 


—    465    — 

Leben.  Die  vier  iieueniannteii  Karamerräte^)  leisteten  an  diesem 
Tage  den  Amtseid.  Das  Kammerkollegium  trat  so  einerseits  an 
die  Stelle  des  Kammermeisters,  in  welchem  bisher  die  Finanz- 
verwaltung des  Landes  ihre  leitende  Spitze  gehabt  hatte,  ander- 
seits an  die  Stelle  des  Hofrats,  von  welchem  die  kollegialer  Be- 
ratung und  Beschlußfassung  bedürftigen  Kammersachen  bisher 
niitbearbeitet  worden  waren.  Der  Herzog  habe,  so  ließ  er  dem 
bisherigen  Kammermeister  C.  Perndorfer  durch  seinen  Kanzler 
verkünden*),  im  ersten  Anfang  seiner  Regierung  bedacht  und 
erwogen,  daß  derselben  fümehmste  und  sondere  hohe  Notdurft 
erfordere  einen  Kammerrat  stattlich  zu  verordnen,  dem  einge- 
bunden werde,  alles  seiner  fürstl.  Gnaden  Einnahmen  und  Aus- 
gaben dermassen  anzuschicken  und  in  eine  Ordnung  zu  bringen, 
damit  seiner  f.  Gn.  Staat  möge  unterhalten,  die  Schuldenlast  mit 
der  Zeit  geringer  und  abgelegt  werde.  Weil  er  (Kammermeister) 
al>er  wohl  erachten  könne,  daß  Solches  nit  eines  Mannes  Werk, 
sondern  etlicher  ehrlicher,  getreuer  und  erfahrener  Personen 
mehr  darzu  von  nöten  sein  werden,  da  er  aber  seines  Alters 
halber  selbst  um  Enthebung  von  seinem  Platz  nachgesucht,  er 
auch  mit  den  rückständigen  Rechnungen  noch  hinreichend  zu 
tlmn  hätte,  habe  der  Herzog  etliche  Personen  fürgenommen, 
(li(i  er  zu  Kammerräten  verordnen  wolle  —  und  ir  kainer 
jillain  camermaister  sein  oder  den  namen  haben,  sunder  ir 
aller  namentlich  und  sunderlich  ambt  und  bevelh  sein  soll  mit 
allem  einnemeu  und  ausgeben  obvermelter  maßen  zehandln. 

Die  in  jeder  Behördenbildung  enthaltene  Selbstbeschränkung 
des  Landesherni  kommt  auch  hier  zum  Ausdruck  in  dem  De- 
cret  des  Herzogs  an  die  4  Regierungen  ^),  in  welchem  er  diesen 
die  Einsetzung  der  Hofkammer  anzeigt  mit  dem  Befehl,  der 
sich  noch  besonders  an  den  Rentmeister  richtet  („welcher  am 
meisten  unter  Euch  mit  den  Kammergütem  zu  thun"),  den 
Kannnerräten,  „dieweil  wir  ihnen  mit  allen  unsem  Kammer- 
gutem  unsers  Eürstentums  stattlich  zu  handeln  und  demselben 

4.  Dezember  1572.  Die  vom  19.  Mai  1591  ist  herausgegoben  von  Stieve 
in  den  Sitzungsberichten  der  Münchner  Akademie,  phil.-hist  Kl.  1881,  S.  32  ff. 

1)  Gg.  Baumgartner  zum  Franenstein,  Eustach  v.  LiechtcDBtcin,  Pankraz 
V.  Freyberg  zu  Aschau  und  K.  Keck. 

2)  12.  Sept  1550  (Kr.  A.  M.  —  Hofkammer-Ordnnngen  etc.). 

3)  22.  Okt  1550  (Hofkammer-Prot  I,  S.  8). 

II  u-^c  II  t  h  :\1,  (iesohichte  d.  (ieiichtsw.  o.  d.  Verw.-Org.  Baiern*.  I.  QQ 


—    46«    - 

nacbzusct?:en  befolileu,  io  Allem,  was  uii^er  Kammergut 
anstatt  und  von  unsret  wegen  Bescheid  bei  ihnen  zii 
Auch  sonst  nahm  der  Herzog  noch  Anlaß,  den  KaniaierrUea 
ansdrücklich  Vollmacht  zu  erteilen,  statt  seiner  in  minder  wich- 
tigen Dingen  ')  zu  handeln,  so  daß  er  die  von  ihnen  im  Nukd 
des  Herzogs  eingegangenen  Ven>Si('htungen  als  die  seintgen  an- 
erkannte unter  der  Zusicherung,  in  keiner  Weise  stSrond  in 
ihre  Transaktionen  eingreifen  zu  wollen  *).  Die  von  ihuen  tt- 
lassenen  amtlichen  Schriftstücke  waren  behufs  Kennzeidumog 
als  solche  mit  einem  besondem  Secret  zu  verschon. 

Das  Herauswachsen  der  Hofkammer  aus  der  höchsten  Laodee- 
ccntralstelle,  dem  Hofrat,  brachte  es  mit  sich,  daß  der /usRramnH 
hang  der  neuen  Behörde  mit  diesem  nicht  vollständig  geltest  und 
den  Kammerräten  die  Verpflichtung  auferlegt  ward,  wenn  sie 
nicht  durch  Kammergeschäfte  besonders  in  Anspruch  genoanDeo 
waren,  den  Sitzungen  des  Hofrats  beizuwohnen,  namentlich  dann. 
wenn  hier  Sachen  zur  Beratung  standen ,  die  eine  anaebnUcbe 
und  stattliche  Besetzung  erforderten  *).  Landhofmeistur  tuid 
Rate  konnten  überhaupt  die  Mitglieder  der  Hofkammer,  «ei  es 
«laß  wichtige  Sachen  auf  der  Tagesordnung  des  Hofrats  standen. 
oder  daß  die  erforderliche  Zahl  von  Hofrät«n  fehlte,  zur  Teil- 
nahme an  den    Hofratesitzungon  entbieten,   vorausgoset 

1)  Vgl.  8.  473  f. 

S)  wu  ei  aoch  dethalb  mit  nnienn  vorwÜHn  aod  iriDaa 
ntmen  oder  für  «ich  (elbs  iDeu^n,  Tenprecbeo  und  Tsnchreibm, 
inon,  dunit  ri  ui  oiucr  «tat  trawn  nnd  gUubcn  btJten,  dnicb  du 
gu  kain  TerhiDderang  betcbehea,  tondor  wir  soUeii  and  wOUmi 
ollen  lehadloB  balteo,  daatelb  nit  wenigcT  getreulich  Uiiten  und 
All  ob  wir  dwietb»  ugoer  peraon  gotundlt,  loegcugt  and  Tenproi 
(EK-O.  1650) 

3)  H.S.O,  1560:  Wun  nch  je  la  zeiton  begibt,  du  ü  nicbti 
dei  cuner  tu  thon  haben  and  in  unienn  hofrath  tachen  f  orhandfm 
Dottarft  ervordert,  dai  deraeib  unter  bofralh  Biuechlich  and 
•ei.  altdann  lollen  il  die  cbAinerritb  dentelben  unteren  hobath 
aoeh  achnldig  lein  und  derhalb  ir  jndcr  die  gewondlieh  ratvpfiiebt 
anch  je  in  teilen   to  auMchlieb  rerbor  aod  bandlimgen  in  n 
fnr<i«leD  oder    am   redlichen    ui«achen  oder  Terhindcnuigen  i 
anul  der  hotrithe  mangel  nod  abgiiDg  wlr«^  to  mflgen  onior  ! 
nnd  rlt  die  (hamnrr&Ui  auch  in  den   hofratb  n  inen  eirordi 
aucb  dietclbcD  crKheinen  doch    in  allnef;  mit  der  mal  nnd  I 
du  an  nottarftigor  Tnnrirhtnag  aniertr   chamerbendl   nicht* 
tannibt  werde.    Ebenso  ILX.O.  1&5&. 


-    467     — 

die  Erledigung  der  KammerhandluDgen  dadurch  keine  Störung 
erlitt.  Die  zugezogenen  Kammen'äte  wurden  dann  für  diese 
ihre  Aushülfethätigkeit  im  Hofrate  noch  besonders  in  Pflicht  ge- 
nommen, sie  hatten  den  Hofratseid  zu  leisten. 

Diesen  Standpunkt  der  ersten  Organisation  der  Hofkammer 
verließ  man  bereits  1565  wieder  0»  indem  Herzog  Albrecht  in 
diesem  Jahre  dem  Kammermeister  Z.  und  dem  Haushofmeister  T. 
mit  einem  Kammersekretär  die  laufende  Verwaltung  des  Kammer- 
guts  übertrug.  Der  Unterschied  gegenüber  dem  früheren  Zu- 
stand (vor  1550)  bestand  nur  darin,  daß  jetzt  nicht  nur  ein 
Beamter  (Kammermeister)  allein,  sondern  2  Beamte  die  Führung 
der  Finanzgeschäfte  übernehmen,  und  femer  darin,  daß  man 
jetzt,  „weil  das  Thun  groß,  der  Handlungen  viel  und  die  Sachen 
wichtig",  den  beiden,  vorläufig  für  ein  Jahr,  5  Hofräte  beigesellte, 
welche  alle  wichtigen  Fragen  eventuell  unter  Zuziehung  des 
Kanzlers  gemeinschaftlich  beraten  sollten.  Im  Gewöhnlichen 
hatten  sie  ihren  Obliegenheiten  im  Hofrat  nachzukommen. 

1)  RK.O.  1565:  unser  von  Gottes  genaden  Albrechten  .  .  .  Instruction, 
wie  es  hinfuran  mit  verrichtong  and  abhandlang  onserer  chamersachen  ge- 
halten werden  solle. 

Erstlich  bevelhen  wir  hiemit  die  Verwaltung  unserer  chamergueter  dem 
C.  Zeller  als  unserm  chamermaister,  doch  solle  unser  rath  und  haushofinaister 
Gg.  Taufkircher,  sein  zuegebner  und  mit  veromdter  sein  dergestalt  das  si 
beede  ordinarie  werchtaglich  vor-  und  nachmittag  auf  der  chamer  ratstuben 
zusamen  kommen  und  allda  sambt  und  neben  unserm  chamersecretari  R.,  der 
auch  so  oft  not  thuet  umb  bericht  angefragt  soll  werden,  die  schreiben,  welche 
unser  camersacben  antreffen  und  nit  zu  unsem  aignen  banden  steen,  er- 
prcchen,  darauf  auch  unser  notdurft  handien  und  betrachten,  und  was  si 
jeder  zeit  in  ainem  und  dem  andern  beschließen  werden,  sollen  si  samentlich 
uns  referiem  und  in  allem  unsers  beschaids  erwarten,  wie  wir  inen  dann,  so 
oft  noth  thut  audienz  geben  wollen,  doch  weil  das  thun  grofi,  der  hand- 
lungen  vil  und  die  Sachen  wichtig  sind,  wellen  wir  inen  unsere  r&te  W.  Lescheil^ 
S.  von  Zillnhart,  Gg.  v.  Qumppenperg,  Dr.  Perbingem  und  St  Trainer,  iQM 
soDsten  wan  si  auf  der  chamer  nichts  zehandlen  haben,  unsem  hofirafh  Ifae« 
suchen  sollen,  diß  jars  zueordnen  und  a^jungiem,  die  auch  unsem  cantiefe/to 
oft  es  not  thuet  und  er  der  hofirathsachen  halben  fueglich  dabei  seiniican^MBiie 
sich  ervordem  sollen,  dergestalt  do  was  wichtigs  furfellt  oder  sonsten  Uiibbraitb* 
schlagen  und  stattlich  zuerwegen  TonnOten  ist,  das  si  alsdann •  diMeflieil 
unsere  rcte,  sovil  deren  jeder  zeit  verbanden  sein,  auf  unser -t1ilunet(''to 
vordem,  sambt  inen  die  notdurft  bedengken  und  uns  furbringen:  und  enffich 
one  derselben  oder  etlicher  aus  inen  beisein  nichts  wichtigs  ibescHBeßeö,  liiMih 
uns  referieren  in  kainen  weeg.  fv  ;' -  'c-l  •.i,f..;,f,,;[ 

30* 


—    468    — 

Es  wurden  jetzt  Dur  einige  Hofräte  bestimmt,  die  sich  neben- 
bei auch  mit  Kammersachen  zu  befassen  hatten,  ohne  daß  diese 
mit  den  beiden  Kammerbeamten  zu  einem  ständigen  Kollegium 
vereinigt  worden  wären.  Durch  eine  solche  halbe  Mafiregel 
war  die  Organisation  von  1550,  wenn  auch  nicht  vollstftndig 
wieder  aufgehoben,  doch  in  ihrer  Hauptwirkung  wesentlich 
abgeschwächt.  Gerade  der  richtige  Gedanke,  daß  die  Ver- 
waltung des  Kammerguts  bei  dem  geradezu  bedrohlichen  Zu- 
stande der  Finanzen  eine  eigene,  mit  hinreichenden  Arbeits- 
kräften besetzte  Behörde  erheischte,  die  sich  einzig  und  allein 
der  Pflege  der  ihr  anvertrauten  finanziellen  Interessen  des 
Landes  zu  widmen  hätte,  war  aufgegeben.  Sollten  die  zu  den 
Kammersachen  zugehörigen  Hofräte  diese  ihre  Funktionen  ge- 
hörig erfüllen  und  nicht  nur  als  nebenamtliche  auffassen,  was 
der  \Vichtigkeit  der  Aufgabe  wahrlich  wenig  entsprach,  so 
konnten  sie  ihre  Pflichten  im  Hofrat,  für  welchen  sie  doch  in 
erster  Linie  bestellt  waren,  nicht  erfüllen.  Und  in  der  That 
der  Erfolg  des  organisatorischen  Experiments  bestätigte  nur  die 
alte  Wahrnehmung,  daß  niemand  gleichzeitig  zwei  Herren  dienen 
könne.  Es  kam  dazu,  daß  einige  Hofräte  noch  mit  Hofchargen 
betraut  waren,  andere  wieder  in  amtlichen  Kommissionen  viel- 
fach nach  auswärts  verschickt  wurden,  so  daß  man  sich  der 
Thatsache  nicht  verschließen  konnte,  daß  die  Aufgaben  des  Hof- 
rats nicht  ordentlich  gefordert  und  viele  bei  demselben  an- 
hängigen Sachen  verschleppt  wurden.  Daß  dann  auch  die  Ld- 
tung  der  Finanzpolitik  und  die  laufenden  Verwaltungsgescbäfle 
nicht  in  wünschenswerter  Weise  gefördert  wurden,  läßt  sich  leicht 
l>egreifen  * ). 

1)  VcrhandluDgen  über  eine  Bcorganisation  der  Kammer  schwebten  edbflB 
bald  nach  VSb  zwischen  dieser  and  dem  Herzog.  Es  handelte  lieh  nunen^ 
lieh  am  eine  Minderong  der  Kosten,  welche  für  das  Kollegium»  dessen  y^—u* 
und  die  Zahlstabe  bis  jetzt  aufgegangen  waren.  Die  Kammerrite  hieltsa 
nicht  dafar,  daß  bei  den  vielen  Handlungen  und  Geschäften  weniger  Fi^ 
sonon  zur  Erledigung  derselben  ausreichen  würden»  und  stellten  es  in  eiiw 
sehr  farblosen  Gutachten  (1567,  10.  Nov.)  dem  Herzog  anheim,  ob  er  dM 
Kammorrat  in  eine  andere  Form  richten  oder  gar  abgehen  und  auf  en 
polchen  Weg,  wie  es  unter  des  HerzOgs  Vater  gewesen,  anrichten 
wolle.  Sie  betonten  das  Erspamisrooment  bei  dieser  Mafiregel,  hatten  aber 
nicht  den  Mut,  die  fQr  die  Erhaltung  der  Kammor  sprechenden  Qrflnde  nlt 
Entschiedenheit  zur  Geltung  zu  bringen  (Kr.  A.  M.  —  Bargholxerscher  Nacihlal). 


—    469    — 

Den  fühlbaren  Mißständen  suchte  die  eine  Reorganisation 
anstrebende  H.K.O.  von  1572  zu  steuern,  indem  sie  bestimmte, 
daß  ein  jeder  bei  seinem  Thun  und  Beruf  bleiben  und  Hofräte 
und  Inhaber  der  Hofchargen  bei  diesen  erhalten  werden,  nicht 
aber  mit  Kammersachen   noch  beladen  werden  sollen*).     Jetzt 

1)  H.K.O.  1572  (Eingang).  Nachdem  wir  hievor  aus  mererlei  beweglichem 
Ursachen  unsere  cammersachen  unserm  cammemiaister  und  noch  einem  un- 
serm  ime  zucgeordnctcn  rat  bevolhen,  inen  auch  vile  und  wichtigkait  der 
Sachen  halben  etlich  unserer  fumembsten  retho  zu  inen  zeziechen  vergönnet 
und  sich  aber  solche  cammersachen  mit  der  zeit  dermaßen  gemeret  und  ge- 
häuft, das  wir  zur  fürderung  derselben  verursacht  worden,  inen  noch  ain 
mererc  anzal  rcthe  zuzeordnen,  auf  daz  alle  ding  in  schieinigen  ordenlichen 
thucn  und  wesen  erhalten  und  wolbedächtlich  expedirt  und  volzogen  werden 
mochten,  so  haben  wir  aber  ain  zeither  in  der  erfarung  befunden,  das  die 
anzal  solcher  unserer  camerräth  dahin  erwachsen,  das  vast  all  unsere  ge- 
haime  und  fürnembste  reth  täglich  in  den  camersachen  bemüct,  dardnrch 
unser  hofrath  ser  entblößt  und  doch  daneben  unser  wolmainent  vorhaben  deO' 
begertcn  fürgang  und  tägliche  fürderung  nit  erraicht  doch  daz  vorhaben,  dar- 
auf es  von  uns  angesehen  worden,  nit  gewinnen  mügen,  sonder  wol  zum  tail 
das  widcrspil  daraus  ervolgt  ist,  also  daz  solche  unsere  rethe  unsem  hofrath 
noch  Iren  stattlichen  ämbtern  undbevelchen  neben  der  cammer  nit  zugleich 
mögen  abwarten  und  zu  beratschlagung  der  wichtigen  Sachen  nit  jeder  zeit 
auf  der  cammer  anwesend  und  beisamen  sein  künnen,  in  ansechen  daz  ge- 
dachte unsere  reihe  zum  tail  mit  iren  ambtsgescheften  beladen,  verwandtnus 
oder  freundschaft  halber  etlichen  Sachen  nit  beiwohnen,  zum  tail  aus  sonder- 
barem unserm  bevelch  in  commission  und  andern  unsem  auch  iren  aignen. 
Sachen  verraisen  und  dann  etlich  leibs  notturft  oder  schwachhait  halber  nit 
bei  der  band  sein  mOgen,  dardurcb  die  anwesenden  verursacht  worden  etwan 
auch  wichtige  Sachen  auf  eine  andere  zeit  und  mercro  zesamenkonft  sonder- 
lich dern,  so  etwan  solcher  sachen  am  maisten  wissen  dragen  und  erfamhait 
gehabt  zu  verschieben,  daraus  das  notwendigist  ist  verhindert,  etwan  gar 
hinder  sich  gelegt  und  bei  tcglichen  furfallenden  Sachen  vergessen,  die  leut 
mit  groDer  ungclogenhait  und  merklichem  Unkosten  lang  aufgehalten  und  zu 
zaiten  one  beschaid  vorruccken  lassen  oder  auf  verrer  ervordem  abgeschafft 
und  also  unser  notturft  unverricht  und  stecken  bleiben  muß,  welches  alles  in 
unserm  hofrath  und  andern  unsem  hochen  ämbtem  nit  wenig  vcrsanmbni» 
bracht,  sonder  weil  die  fdmembsten  personen  und  rethe  der  cammer  auf- 
gewartet haben,  inen  auch  die  andern  sachen  alle  nachgevolgt,  also  das 
geistlich,  kriegs,  hofrats  und  justicienhändl  fast  alle  auf  die  cammer  erwachsen 
und  gezogen  werden,  dardurcb  nit  klaine  zerrittung  ervolgt,  dann  alle  sachen 
auf  der  cammer  expedirt  je  aine  die  ander  gehindert»  verschieben  und  hinder 
sich  legen  machen,  daraus  uns  mit  der  zeit  merklicher  schaden  and  nachtail 
tTvolgen  mögen,  wie  die  erfamng  an  ir  selbs  mitbringt 

Solchen  zu  begegnen  und  inkonftig  zu  fürkommen,  haben  wir  erwogen» 
das  nichts  fürstendigcrs  und  diensüichers  sein  möge  oder  kOnnde  zu  fdrdenmg- 


wurde  endlich  wieder  ein  besonderes  KammerkoUegium  aiu  6  Mit- 
gliedern errichtet,  die  ausschließlich  fUr  die  Kammersacben  be- 
stellt waren,  und  dabei  verblieb  es  auch  fllrderhin. 

Als  1579  der  I^andtag  den  Versuch  wagte^  sich  in  die  Be- 
setzung des  Kammerrats  einzumischen,  indem  er  darüber  Be- 
schwerde führte,  daß  derselbe  zum  Teil  mit  Ausl&udem  und 
neuen  Leuten  besetzt  sei,  so  daß  zu  besorgen,  es  nitkrbte  durch 
dergleichen  Personen  das  ganze  Land  Geheinini)?  anderswohin 
eröflijet  werden,  wies  der  Herzog  diesen  Versuch  der  Einmischung 
in  sein  Emennungsrecht  kurzweg  ab  mit  den  Worten:  Mao  ver- 
traue das  Kammergut  demjenigen  an,  den  man  dazu  fOr  taug- 
lich halte'). 

Die  Leitung  der  Hofkammer  war  anfangs  in  die  Hände  dei 
Kamniermeisters  gelegt*),   bis   K>73  ein  besonderer  Prisident 

onacrer  cammersacheD  und  udbi?»  hofrathe  «olfart,  crhaltimg  gii«l«r  «d- 
nungcn,  lacli  aller  Buchoa  (^rderlichor  eipcdition  &li  iIbe  ein  jeder  bnj  Mtama 
thnen  and  beruef  bclcibe  und  Rcincm  anibt  und  dicntt  mit  getrenon  rltit 
abwarto.  haben  ane  derwcKea  onttchlotscn  nDBcre  rothe  ddi]  diener.  M  ia 
nnionn  hofrath  ood  Knepchenlicheo  fitnbterti  BeieD,  bd  dcnielbeD  hiafttie  n 
erhalteD  und  belnben  iDUsBeD  nnd  mit  Bodeni  soDderlicb  omcni  i 
ueheo  nit  m  beladen  noch  eq  brachwercn ,  auf  dai  ein  jedei 
detto  Tleüiger  terrichte  and  dardurcb  guete  ordooDg  in  all 
werden  mOg  and  alio  fOrgenommon  anscre  cainmerBBcbqp  in  andere 
iMBtellen  und  anzoordD<>n. 

Und  demnach  der  groG  lart  derselben,  wie  wir  mo\  erachten  mögen  aiBem 
■oder  twaien  lotragon.  atn  merkliche  beschwer,  cie  o«  ancb  der  uit,  lotbamw 
nnd  arbait  halber  nit  erschwingen,  sonder  ans  der  purt  aintwedor«  trlg  osd 
rerdrosBon  worden  und  ril  Terlanen  und  Tcnanmen  oder  dioaelbea  dloa 
-Qbereilen  nnd  nit  stattlich  noch  beharlich  rerricbton  konndon,  wie  das  dk 
eil  de«  unfleib  muetter  iit,  ao  haben  wir  darinnen  cinaecheD  nitba 
genommen,  doch  nit  dcrgeetalt,  du  nit  wie  man  Mgt.  durch  viel  btn 
gehoctct  werde,  dorlialhea  mit  leitigem  ratb  dai  mittl  nrwolt  Ol 
dai  wir  (u  nniero  cammerMchen  rOnf  nniorer  rethe  lerunidt,  di 
All  nembUch  C.  Zclli-r,  Th.  Khumeralst  und  Gg.  Prandutotter  iteta  % 
nnderlofi  den  tiglirh  farfuil^nden  (aclien  abwarten,  dl«  iHcn  aber  ab  I 
und  Og.  ligxalti  anfiag«  jetio  allain  aaf  den  alt«n  sacben  und  on 
•iaeo,  drnaclbcn  nnc  undcrloft  aoswarten  und  wai  Inen  rerrer  too  i 
Tokhen  und  auferlegt  wirdol,  lowol  ali  die  andern  dnd  mit  (leift  < 
soll«i,  1d  mal  ond  gMtalt  dlao  nn*er  intliuetion  ondanohiedUch  i 
1>riagen  und  atuwoiien  wirdet. 

1)  Landtagi*erhaodlDiigen  ISTfl  (Manoicr.  —  Kt.  A.  Hl. 

2)  Die  henoglieboo  Dekrete  waren  an  „Kammcrmeitt«  ond  BAta"  g». 
lichtet 


—    471    — 

ernannt  wurde.  Der  erste  Hofkammerpräsident  ist  der  berühmte 
Verfasser  des  „Österreichischen  Eerenwerks",  Hans  Jacob 
Fugger  ^ ),  zuerst  kaiserlicher  Rat  und  seit  1565  in  bairischen 
Diensten.  Mit  kurzer  Unterbrechung  erhält  sich  der  Präsident 
an  der  Spitze  des  Kollegiums*). 

In  Verbindung  mit  der  Kammer  wurde  bei  der  Gründung 
derselben  auch  das  Amt  eines  Kammerprokurators  geschaffen. 
Wenn  die  Hofkammerordnungen  sich  über  seine  Funktionen 
nicht  aussprechen,  so  dürfen  wir  doch  annehmen,  daß  seine 
Stellung  sich  mit  der  seiner  Amtsgenossen  in  andern  Ländern 
und  namentlich  in  Österreich^)  gedeckt  haben,  und  daß  seine 
Hauptaufgabe  in  der  prozessualen  Vertretung  des  Landesherm 
in  allen  seinen  finanziellen  Ansprüchen  ohne  Rücksicht  auf 
den  Rechtsgrund  bestanden  haben  wird*).  Die  Verwandtschaft 
dieses  Amtes  mit  dem  des  den  heutigen  Kreisregierungen, 
Kammern  der  Finanzen,  beigegebenen  Fiskals^),  welcher  zur 
rechtlichen  Vertretung  des  Fiskus  bestellt  ist®),  liegt  auf  der 
Hand. 

Wie  für  jede  Kollegialbehörde  ward  auch  für  die  Hof- 
kanimer  eine  eigene  Kanzlei  ins  Leben  gerufen,  die  sich  aus 


1)  Vgl.  über  ihn  v.  Wegele,  Geschichte  der  deutschen  Historiographie. 
1885.    S.  279  f. 

2)  1573  wird  Chr.  v.  Pientzenau  als  Präsident  genaimt  Von  1584  an 
versieht  der  Earomormeister  Chr.  Neuburger  die  Präsidialfonktionen.  Seit 
1592  erscheint  dann  wieder  der  Posten  eines  Hofkammerpr&sidenten. 

3)  Vgl.  Rosenthal,  Behördenorganisation  S.  165  K,  bes.  169  S. 

4)  1550  warde  Dr.  Rochius  Freyman  als  Kammerproknrator  vereidigt  Er 
schwur,  dem  Herzog  und  an  seiner  Statt  seinen  Eammerräten  in  allen  Ihrer 
f.  Od.  Sachen,  darinnen  er  gebraucht  wird,  als  ein  Eammerprocnrator  ge- 
wärtig und  gehorsam  zu  sein,  in  denselben  schriftlich  und  mündlich  nach 
seinem  besten  Verständnisse  zu  handeln,  zu  raten  und  zu  reden  und  fUr- 
nerolich,  wo  ihm  in  einer  oder  mehr  Sachen  sondere  Befehle  und  Instruc- 
tionen gegeben  würden,  sich  denselben  gemäß  zu  halten,  die  Geheimnisse, 
die  ihm  anvertraut  und  die  er  in  den  Sachen  erfahren  würde,  Niemandem 
zu  offenbaren  und  sich  von  Schankung  und  Gabe  wegen  nicht  bewegen  zu 
lassen  (Kr.  A.  M.  -    Hofkammerprotokolle  I,  S.  7). 

5)  Vgl.  Pözl,  Bayr.  Verwaltungsrecht  S.  61. 

6)  Den  geordneten  Advocat  der  Kammer  nennt  den  Eammerprokurator 
die  H.K.O.  1591  (Stieve  S.  35),  er  hat  in  allen  vor  dem  Hofirat  anhängigen 
Prozessen,  welche  die  landesherrliche  Obrigkeit,  Eigentum,  Renten  u.  s.  w.  he* 
rührten,  die  Vertretung  zu  übernehmen. 


dem  Kammersekretär  und    einer   Anzahl    von  äcbrcibcrD  za-  \ 
Bammensetztu  '). 

Die  vorzüglichste  Neuerung  war  die  kollegiale  VerfiissOBg  | 
der  Kammer.  Die  gerade  anwesenden  Itäte  mußten  alle  ror^ 
liegenden  Sachen  gemeinscbiLftltcb  behandeln  und  entacheid«*!!. 
Kein  einzelnes  Mitglied  des  Kollegiums  durfte  für  sich  und  nhiK 
die  andern  ein  an  die  Kammer  genchtetes  Schriftstück  crötTncn 
oder  irgend  einen  Bericht  entgegennehmen*),  Man  hielt  sich 
auch  hier  au  das  tres  faciinit  (rollegium,  denn  mindeiitens  3  Rät« 
sollten  stets  hei  der  Kammer  anwesend  sein  *).     Wenn  aber  den 


1)  Jctoer  hatte  deo  Sitzimt;oD  der  Katnmor  aiunwohncn.  So  wnrd«  nicbl 
nur  viel  Habe,  VeTB&uiDDiR  and  L^aten  abgeicboilteo ,  Knuleni  ar  ' 
Mch  cin^heod  von  den  Verhandlungen  Kenntnu  nehmen  und  die  eJnidaeB 
Ratachlagc  und  Beschlflue  ricl  heuer  reritehen  und  kontjpioren,  ab  ' 
man  ihn  erst  nach  der  GeraUchlagaDg  erforderte  und  ihm  in  aller  KOna  den 
Inhalt  der  von  ihm  ni  fertigendeD  SchriftstQeke  an^^egoben  hltte  (H.E.O. 
1658).  Alt  nnn  166G  die  Parteisachen  an  den  Hofrat  vcrwieien  iii]rd*% 
glaubte  man  einer  besendeni  Kammcrkanilei  entiaten  und  mit  einem  Üekretlr 
and  iwci  Schreibern  aoekommen  lu  können.  Im  Bedärfnisfalle  kooDte  I 
eine  p66ctB  Aniahl  ron  ^jchreibkraHen  durch  den  Kaniler  aoe  der  Ho 
requiriert  wetden.  Es  bandeil  aicb  deoiDsch  alm  nitbi  am  nae  A« 
der  Kammerkanilei,  wie  die  RK.OrdnuDi^n  heeageo,  sondern  um  i 
bindnng  des  Peraonali  der  ireicntlicb  Termindertj^n  KamiDerkauIeJ 
Hofkanilei  IH.K  0.  1S05,  1672).  Der  Eaniler  hatte  im  rorau*  Einen 
Hofkanild  zu  beetimmen.  welchen  die  Kammerrlte,  Gtlla  no  leiner  bedorfle^ 
jeder  Zeit  orfordem  konnten.  Diener  wurde  also  ab  Erratimann  und  HUb- 
(chreiber  betrachtet  und  trat  im  Fallo  einer  Vakani  als  ein  im  Kammer&eb* 
•chon  Erfahrener  an  Stolle  dee  an  (scheidenden  EamraerKhreiber«. 

S)  H.E.O.  1660.  Doch  wollen  wir  .  .  .,  dai  .  .  unsere  ehamerrllh,  «eril 
der  jeder  leit  anhaimi  sind,  wat  sie  Inhalt  unterer  instraction  and  iler  Dot* 
tnrft  nach  jeder  leit  in  verrichten  haben ,  dasiclb  lamenüich  mit  • 
handien  und  soll  ir  kainer  insonderhait  und  tOr  eich  «elbi  on 
der  andern,  lo  anhaims  sind,  ainichen  hricf  nicht  nSnen  oder  ante  dar 
Terordenten  chamer  annemen.  sonder  was  also  kunil,  daielb*  hlnweiMB,  aoA 
auch  «an  jemand,  wer  der  *ei,  ainicben  bericht  oder  handlang  allkin,  M* 
andere  seine  mitgeordento  nnd  also  auler  der  gewondlichen  rhanwr  mabUnb 
ionder,  wo  ir  ainrm  was  tuekumbt  mit  schriftlicher  oder  mnntUcher  baad* 
lang,  lu  gewondlicher  ratieit  an  die  chamer  damit  weiten.  Und  eoUeii  tlM, 
was  inrn  diter  aneor  fnitruction  nach  forkhnmht,  oder  snnst  on  mHU  vamn 
(hamergueter  betreffen  wnrdet,  joder  aeit  in  ir  aller  peÜMn  mit  ; 
ileift  erwegen,  beratactdagen  and  n  beetem  nnsorm  nuti  bodeakea , 
lieb  H.K.O.  1S&8  nnd  1B7£ 

3)  Nach  B.K.O.  1668  wenigiteu  i  Site. 


—     473     — 

drei  anwesenden  Räten  Fragen  vorkamen,  deren  Entscheidung 
ihnen  zu  schwer  fiel,  so  hatten  sie  hiervon  dem  Herzog  Mel- 
dung zu  erstatten,  damit  ihnen  dieser  noch  andere  Räte  zu- 
ordne^). Nach  der  H.K.O.  1591  mußten  solche  zweifelhafte 
Sachen  bis  zu  einer  Plenarversammlung  verschoben  werden,  also 
so  lange,  bis  auch  die  abwesenden  Räte  wieder  zurückgekehrt 
an  den  Sitzungen  teilnehmen  konnten  ^). 

Im  allgemeinen  herrschte  das  Majoritätsprinzip.  Bei  Stim- 
mengleichheit konnte  aber  jeder  Votant  über  seine  Meinung 
unter  ausführlicher  Begründung  derselben  dem  Herzoge  Be- 
richt erstatten,  namentlich  dann,  wenn  der  Referent  seiner 
Ansicht  nach  seinen  Vorschlag  nicht  hinreichend**)  begründet 
hatte*). 

Die  Kammer  war  verpflichtet,  in  allen  wichtigen  P'ragen, 
die   ilirer  Beratung  unterstellt  waren,  an   den  Herzog  zu   be- 


ll H.K.O.  1572. 

2)  H.K.O.  1591  (Stieve  S.  47). 

3)  H.K.O.  1558.  Zum  andern  sollen  ir  unserer  camer  räth  jeder  zeit 
3  oder  zum  wenigsten  2  bei  der  camer  alhie  sein  und  bleiben,  anch  mit 
einander  sovil  ir  verbanden  und  nit  abgesondert  (es  betreff  dann  die  sacb  ir 
Eolbs  ainen)  refcriern.  da  sich  auch  zu  Zeiten  gespaltene  mainungen  zue- 
truo^cn,  mag,  soll  ain  jeder  sein  mainung  mit  aasfuerung  der  Ursachen^ 
wo  dieselben  durch  den  referenten  seins  bedunkens  nit  genuegsam  fflrge- 
braclit,  gegen  uns  insonderhait  meldeiL  darzue  die  relationes,  sonderlich  in 
wichtigen  Sachen  nit  gar  zu  kurz  oder  sammarie,  sonder  mit  notwendiger 
ausfuerung  der  Ursachen,  auch  fürzaigung  der  snpplication  und  brieflichen  Ur- 
kunden, sovil  zur  Sachen  dienstlich,  beschehen. 

4)  Die  Dauer  der  Geschäft8-(Sitzung8-)Zeit  war  wenigstens  den  äu£em 
Grenzen  nach  bestimmt,  innerhalb  welcher  die  Geschäftslast  bestimmend  ein- 
wirkte (im  Winter  vormittags  von  7,  im  Sommer  von  6—10  und  nachmittags 
1—5  Uhr).  Diese  Geschäftsstunden  waren  pünktlich  einzuhalten.  Keiner  der 
Räte  durfte  ohne  Genehmigung  dos  Herzogs  den  Sitzungen  fem  bleiben,  und 
auch  im  Erkrankungsfalle  war  dem  Herzog  alsbald  Meldung  zu  machen.  Die 
beiden  andern  Räte  hatten  in  den  Beratungen  fortzufahren,  durfton  aber 
keine  Beschlüsse  fassen,  sondern  hatten  ihrem  fehlenden  Kollegen  von  einem 
Tage  zum  andern  zu  referieren.  Die  Räte  sollten,  um  dem  Kammerdienste 
desto  emsiger  obliegen  zu  kOnnen,  aller  Kommissionen  in  andern  Angelegen- 
heiten überhoben  sein  und  bleiben.  Jeder  Rat  hatte  zur  Besorgung  seiner 
eignen  Angelegenheiten  Anspruch  auf  jährlich  6  Wochen  Urlaub,  den  er  aber 
nicht  ununterbrochen,  sondern  in  Partieen  von  2—8  Wochen  genie§en  sollte 
i  H.K.O.  1572). 


richten  und  dessen  Entscheiiluug  zu  erwarten ').  Wij 
Herzog  nicht  zu  Hause  und  duldete  die  Behandlang  der  ^ 
liegenden  Sache  keine  Verzögerung,  so  hatte  die  Kammer  dnige  1 
geheimen  Rate*)  beizuzietien  und  mit  diesen  den  Dcfinitit-  | 
beschluß  zu  fassen  *).  Sotiin  würde  sich  <lic  Eutscbcidungs*  I 
gewalt  des  Kollegiums  nur  auf  tntnder  wichtige  Augelcgcnlicilea  | 
erstreckt  haben.  Ein  allgemeines  Kriterium  dafür,  welche  Auf- 
gaben der  Kammer  als  wichtige  zu  betrachten ,  gab 
ÄJiin  kann  aber  die  AufTassnng  über  den  amifthernden  Llmfang  1 
<ler  Kategorie  der  wichtigen  Sachen  aus  der  exempUfikativea  ] 
Aufzählung  der  H.K.O.  1565*)  entnehmen. 


—    475    — 

Herstellung  des  Gleichgewichts  der  Einnahmen  und  Aus- 
gaben, also  Schaffung  und  Erhaltung  von  Ordnung  im  Staats- 
haushalte war  treibendes  Motiv  für  die  Begründung  der  Hof- 
kammer und  bildete  die  Hauptaufgabe,  welche  ihr  bei  ihrer 
Errichtung  gestellt  ward.  Dieser  Aufgabe  vennochte  sie  nur 
gerecht  zu  werden,  wenn  sie  die  Oberaufsicht  über  alle  Ein- 
nahmen und  Ausgaben  erlangte,  wenn  ihrer  Gewalt  keine  dem 
Finanzgebiete  angehörige  Maßnahme  und  Einrichtung  entrückt 
blieb.  Die  erst«  H.K.O.  (1550)  verfügte  denn  auch:  Erstlich 
sollen  die  obgenannten  unsere  verordente  camerräth  in  dem 
ganzen  unserm  fürstenthumb  und  in  allen  unsern  rentambten 
aller  und  jeder  unserer  camergueter,  auch  aller  Sachen  die- 
selben unsere  camergueter  betreffend  mit  einnemen  und  aus- 
geben und  in  aller  handlung  ain  volkumenliche  Verwaltung 
haben  und  dieselben  dermaßen  anstellen  und  in  ain  Ordnung 
])i  ingen,  damit  unser  stat  (den  wir  dann  nach  gestalt  der  Sachen 
zinilich  und  erschwinglich  fumemen  wollen)  mög  unterhalten 
und  der  Schuldenlast  mit  der  zeit  und  sobald  es  immer  mög- 
lich, künde  abgelegt  werden  ')• 

abgcbuD^  des  traids,  verlassung  und  refonnienmg  der  ämbter,  verstiftang  der 
casten,  closter  und  kirchengueter,  salzsieden,  salzaasgang,  meut  and  zOll,  perg- 
werch  uDd  was  dergleichen  Sachen  mer  seind,  daran  ans  famemlicb  gelegen 
sein  will 

1)  Vgl  auch  den  Eingang  der  H.K.O.  1591  (Stieve  S.  32):  Anfangs 
und  nachdem  wir  unserer  unverroeidenlichen  nottarlt  nach  je  lenger  and  mer 
befinden,  das  alle  und  jede  unsere  camersachen  zu  gaetor  Ordnung  dirigiert 
und  aller  billicbeit  nach  an  keinem  andern  ort  dan  bei  unser  camer  ab- 
gehandlt  werden  und  verbleiben  sollen,  also  abergeben  und  vertrauen  wir  ir 
hiemit  al  unser  völlig  cinkomeii,  jerlicb  intrada  und  ausgab  dergestalt,  das 
si  in  ganzem  unserm  fürstenthumb  und  in  allen  unsern  rentftmbtom  auch 
außerhalb  lant«  mit  allen  und  yoden  unsern  camerguetem  und  was  denselben 
anhengig  ein  volkomcne  administration  und  Verwaltung  haben,  dieselben  von 
unsern  wegen  und  in  unserm  namen  gegen  meniglich  on  ainichcn  respect 
getreulich  versprechen,  vertretton  und  inen  daran  ganz  und  gar  nichts  ont- 
ziohen  lassen,  sonder  wo  inen  darinnen  gegenwertig  oder  künftig  diser  unser 
instruction  zugegen,  von  wcme  das  were,  einicher  eintrag  crzaigt  werden 
wolt,  dessen  si  sich  mit  fueg  und  billicheit  nit  selbston  entschiten  und 
verwern  künden,  so  sollen  si  uns  das  umb  wentung  rucken  und  schütz,  denen 
wir  inen  jederzeit  gencdigist  halten  wellen,  gehorsamist  fOrbringen. 

Inma&on  wir  uns  dan  bei  disem  general  articl  zu  merer  erleutterung 
weitter  crcläm,  das  wir  alle  fumeme  geltsachen  oder  ausgaben  furohin  mit 
inen  beratschlagen  und  was  dahin  nützlich,  das  die  ausgaben  den  empfang 
weitter  nit  uberlauifen,  mit  inen  jederzeit  vergleichen  wellen. 


—    476    — 

Die  Ordnungen  betonen  ausdrücklich,  daß  der  Kammer  die 
„vollkommene  Venvaltung  des  Kammerwesens^^  zustehen  soll, 
daß  diese  Generalklausel  den  Kreis  aller  ihrer  FunktioneB 
begreife.  Die  H.K.O.  hält  zwar  eine  Spezifikation  derselben 
nicht  für  ersprießlich,  sondern  erblickt  in  derselben,  als  einer 
Ursache  vieler  Disputationen,  eher  eine  Gefahr,  glaubt  aber 
doch  einzelne  Haupt-  und  Generalpunkte  hervorheben  zu  sollen^). 

Als  Wilhelm  V.  (1591)  sich  zu  einer  unverhttUten  Klailieit 
über  den  geradezu  erschreckend  trostlosen  Zustand  der  Finanzen 
erhoben  hatte  und  sich  keiner  Täuschung  mehr  darüber  hingidii 
daß  die  aus  seinen  Reisen  und  der  Verzinsung  der  Schulden- 
last envachsenden  Ausgaben  das  fürstliche  Jahreseinkommen 
bei  weitem  überstiegen,  so  daß  es  ganz  unmöglich  war,  die 
Zahlungsaufträge  zu  vollziehen,  faßte  er  den  festen  Entschlnl, 
unter  Aufgebot  aller  Kräfte  aus  diesem  unerträglichen  Zustande 
herauszukommen  und  durch  gute  Ordnung  eine  Balancierong 
des  Budgets  herbeizuführen.  Er  verhehlte  sich  nicht ,  daß  zur 
Erreichung  dieses  Ziels  nächst  ihm  die  Kammer  das  meiste 
beitragen  könne,  legte  ihr  dringend  ans  Herz,  keine  Mühe  und 
Arbeit  in  Verfolgung  dieses  Ziels  zu  scheuen,  denn  der  Hensog 
verschloß  sich  auch  nicht  der  Thatsache,  daß  doppelter  Schaden 
entstehen  müsse,  \venn  die  Ausgaben  künftig  weiter  so  gespannt 
und  nicht  beschränkt  würden  —  oder  aber  und  das  nit  weniger 
unser  camer  deroselben  nit  von  anfang  an  berichtet  und  mit 
irem  rat  gehandlet  ^)  (würde).  Dieses  Anerkenntnis,  wddies 
eine  Unterordnung  der  Wünsche  und  Bedürfnisse  des  Heraogs 
unter  die  i)ilichtgemäße  einsichtige  Anordnung  der  Kammer  in 
sich  schloß,  kam  zu  der  richtigen  Folgerung,  daß  die  einheit- 
liche Leitung  und  Beaufsichtigung  des  ganzen  Kameralwesens 
durch  die  Kammer  die  notwendige  Grundlage  einer  wirklich  er- 
folgreichen Reform  sein  müsse. 

Diese  einheitliche  Konzentrierung  l)edingte  auch,  dafi  der 
Kammer  alle  mit  der  Wahrnehmung  finanzieller  Geschäfte  betrauten 
Beamten  untergeordnet  wurden  und  diese  zur  unbedingten  Befol- 

1)  derowegcn  hettcn  wir  wol  Ursachen  diso  unser  auf^richte  und  iw 
fertigte  Instruction  .  .  bei  dem  ainigen  wort  einer  volkomen  Terwaltnw 
unsers  camcrwescns  verbleiben  ze  lassen  (Stieve  S.  33). 

2)  Stieve  S.  45. 


—    477     — 

guiig  der  von  ilir  erlassenen  Befehle  zu  verpflichten  wären  ^).  In 
<liesein  Unterordnungsverhältnisse  stehen  namentlich  auch  die 
Rentnieister,  welche  die  Provinzialfinanzverwaltung  leiten,  die, 
wie  gezeigt  wurde,  in  Baiern  nicht  wie  in  Österreich  koUe- 
gialisch,  sondern  bureaukratisch  organisiert  ist  *). 

Wenn  die  Hofkanimcr  die  ihr  gestellte  Aufgabe  einer  Herstel- 
lung des  Gleichgewichts  im  Staatshaushalte  sollte  erfüllen  können, 
so  mußte  ihr  außer  der  Direktion  und  Überwachung  der  lau- 
fenden Geschäfte  der  Finanzverwaltung  wie  unserm  modernen 
Finanzministerium,  dessen  direkter  Ahnherr  ja  die  Hofkammer 
ist,  auch  die  wichtigere  einer  Leitung  der  Finanzpolitik  und 
Finauzgesetzgebung  des  Landes ,  wenigstens  die  Initiative  auf 
letzterem  Gebiete  übertragen  werden.  Tilgung  und  Minderung 
der  auf  dem  Kammergute  iiihenden  Schuldenlast  vermochte  sie 
nur  herl)eizuführen ,  wenn  es  ihr  gelang,  erstens  die  Ausgaben 
zu  verringern  und  zweitens  neue  Einkommensquellen  zu  er- 
schließen oder  die  vorhandenen  nachhaltig  auzubeuten  *).  Die 
II.K.O.  151)1  betrachtet  diese  Aufgabe,  welche  sie  an  die  Spitze 
stellt,  als  die  vornehmste.    Nach  dieser*)  hat  die  Kammer  nicht 

1)  H.K.O.  1591  (Stieve  S.  34). 

2)  H.K.O.  1550:  Dio  gedachten  unser  rentmaister  sollen  auch  aller  und 
jeder  irer  haudlung  auf  ervordem  lautem  hericht  gehen  und  auf  diesen 
unsem  camerrath  ain  aufsehen  hahen,  dem  auch  in  unserm  namen  gehorsam 
zu  laisten  schuldig  sein. 

3)  H.K.O.  1550:  und  in  allem,  womit  si  unser  aigne  camergueter,  gefeil 
und  einkommen  zu  mererm  unserm  nutz  richten  mögen,  daz  sollen  si  jeder 
zeit  samentlich  getreulich  hedenken  und  fumemen. 

4)  (Stieve  S.  33):  Als  für  das  erst,  so  ist  unserer  camem  zu  nit  der 
^'oringstcn  hauptstuck  ainem  fürnemhlich  ohgelegen,  das  si  nit  allein  alles 
dasjenige,  so  uns  der  almechtig  got  in  unsem  lauten  genediglich  geschickt 
und  ge^'cbcn,  auch  noch  alle  stund  gehen  und  schicken  thuet,  in  guetem 
osse  und  wirdcn  volkomenlich  erhalten  sondern  auch  gogenwurtig  und  künftig 
irem  verstaut  und  unserm  genedigistem  vertrauen  nach  ernstlich  dahin 
trachten  und  nit  underlassen  sollen,  wie  auf  zuelessige  wege  und  mitl,  deren 
uns  vilcrlai  angodeut  werden,  unser  camergut  und  jerlich  intrada  also  ge- 
bessert und  vermert  werden  möchten,  das  wir  dardurch  so  wol  aus  unsorm 
obligenden  Schuldenlast  als  zu  ainem  gueten  statlichen  verrat  komen 
kernten. 

Dero  wegen  und  obgleich  wol  aus  allerhant  Ursachen  neu  ding  anzestellen 
schwer  und  geferlich,  so  befinden  wir  doch  dannocht»  das  solche  nicht  alle- 
mals  zuverwerffen  oder  auszuschlagen.  Darumben  unser  emstlicher  bevelch, 
(las  gedachte  unser  camer,  wie  wir  zu  noch  weitterer  Verbesserung  unsors 


—    478     — 

nur  ilarQbcr  zu  wachen,  daß  die  jetzigen  t'inauzqucllen  in  gutem 
esse  und  würden  erhalten  werdcii,  sondern  auch  dahin  zu  trachten, 
wie  auf  zulässigem  Wege  das  Kammergut  und  die  jhhrlicheD 
intrada  so  gebessert  und  vermehrt  «erden ,  daß  der  Herzog 
nicht  nur  von  seiner  drückenden  Schuldenlast  befreit  werde, 
suudeni  daß  es  sogar  zur  Ansammlung  eines  stattlichen  Vorrats 
komme.  Der  Herzog  verspricht  seinen  Kammerräten,  in  An- 
lietracht,  daß  jede  Steuerung  Haß  und  Widerwärtigkeiten  her- 
vorzurufen |>flegc,  sie  als  seine  Diener  in  seinen  Schutz  za 
nehmen,  und  ermahnt  sie  deshalb  ohne  Rücksicht  auf  Penwnen 
und  VerhAltnisse  nur  der  Billigkeit  gemäß  zu  handeln.  Für  so 
bedeutsam  hält  er  die  Reform  des  Kammerguts,  daß  er  auch  tUIö 
hierauf  gerichteten  Vorschläge  von  Privaten  der  Kammer  nir 
Begutachtung  unterstellen  will ' ). 

Die  ThätJ^keit  der  Hofkammer  bleibt  aber  nicht  auf  das 
änanzielle  Gebiet  beschränkt.  Die  neue  Organisation  bcgtnol 
auch  in  Baiem  „den  Gedanken  zu  vertreten,  daß  die  Verwal* 
tung  der  Einnahmen  des  Staats  im  Gninde  auch  mit  den  Quellen 
dieser  Einnahmen,  dem  Volkswohlstande,  zu  thun  halten 
Die  ersten  Elemente  der  Volkswirtschaftspftege  vei 
sich  mit  der  Finanzverwaltung"  *). 

Die  Hofkammer  ist  es,  welche  die  Aufmcrksamki 
Herzogs  auf  den  Garn-  und  Flachshandel,  der  viele  andere  Ge- 
werbe nach  sich  ziehe,  lenkt  mit  dem  Vorschlage,  Mittel  Bucben 
iJX  lassen,  um  diesen  in  das  Land  zu  verpflanzen,  eventuell 
durch  Erteilung  von  Privilegien  auf  eine  Anzahl  von  .fahren*). 

cunergueti  geUngen  mAgea,  rlaitig,  ernbaig  onil  lUif  nkch^eDkui  nnd  n 
nlultaiig  deuen  tlnich^r  g^lei^nheit  nit  »aneion  wellen. 

1)  HXO.  1691  (Stiere  S.  3*). 

2)  L  T.  Stein.  Lebib.  der  Finaotwineiuchkft.   Leipiig  188IL  1.  &  nS.  1 

3)  StleTs  S.  51  D.  a    foT  du  drit  lo  ift  olTenUch  knot.  wu  iIU  jir  ] 
udt  gtn  und  flu  wie   hmemblich  a,al  dem  gtmn  marckt,  auch  i 
doreli  du  giDH  Unt  hin  nnd   wider  ninb  tia  toHhenliche  imiift  gtlta  K**  J 
bandlt    Wu  dao  düe  hudlong  &%th»,   wol  and  gvo  vQ  aadar*  j 
nteh  tme  iracht  nnd  begreift,  m  wirdet  r«tMinlirh  goubtet  i " 
ttuc-heD.   wie  dite  huidlnog  in  du  Unt   ubriDgen  und  duimiu 
Wero  ilemnub  <or  d«r  rtgicroog  Barthaiueii  ain  t»ft  tnuwiUeit,  i 
•tM  nnd  mtrkt  •!■  jntit<«nielt  Uarkhaiuoi)  widenunben  ScbanUa^  | 
iHtii^eii,  Riad,  PhrrkircliMi  and  Rekeofelden  laVefchreibML    IDt  i  " 
dl«  gedaehlc  regieniDg  »unbt  »io^m  »bg«MDt«n  na  der  unwr  wb  f 
hudslii,  tia  nbewegcn,  du  rie  «ich  du  gawerb*  and  hasttaniiv  a 


--    479    — 

Überhaupt  sollte  mit  allem  Fleiß  dahin  getrachtet  werden,  um 
mehrere  Gewerb  und  Handtierung  ins  Land  zu  bringen,  wobei 
namentlich  auf  den  Messinghandel  hingewiesen  wird*). 

Erst  eine  Einzelbetrachtung  aller  jener  Hauptgruppen  von 
Verwaltungsgeschäften,  welche  die  Thätigkeit  der  Hofkammer 
ausfüllen,  wird  uns  eine  richtige  Vorstellung  von  der  Bedeutung 
dieser  Behörde  gewinnen  lassen. 

Wenden  wir  uns  vor  allem  jener  Kategorie  von  Aufgaben 
zu,  welche  der  Hofkammer  aus  der  Konzentrierung  des  ge- 
samten Einnahmedienstes  des  Landes  erwuchsen,  so  sehen  wir 
die  Kammer  in  erster  Linie  mit  der  Aufsicht  über  den  Domanial- 
besitz  des  Herzogs  beschäftigt.  Vorzugsweise  hat  sie  hier  eine 
Aufsicht  über  die  Kastner  darüber  zu  führen,  daß  die  Verstif- 
tung  und  Verlassung  der  Stift-  und  Urbargüter  treulich  und  zum 
Nutzen  des  Landesherrn  erfolge,  daß  diese  in  seinem  Interesse 
bewirtschaftet  und  alle  geschuldeten  Reichnisse  ordentlich  ver- 
zeichnet*) und  verrechnet  werden'). 

Einen  wichtigen  Bestandteil  des  herzoglichen  Grundbesitzes 
bildeten  die  Lehen  *),  die  bei  ihrer  großen  finanziellen  Bedeu- 


und  Avo  gleich  zu  anrichtnng  und  erhaltang  desselben  ain  sonder  privilegiam, 
doch  auf  ain  anzal  jar,  gegeben,  so  wurde  damit  nicht  verlorn. 

1)  H.K.O.  1591  (Stieve  S.  61). 

2)  H.KO.  1550  —  sollen  si  auch  pei  allen  unsem  castnem  und  verwaltem 
der  castenämbter  mit  Tleifi  darob  sein  und  solicb  emsüicb  einseben  haben, 
auf  daz  mit  Terstiftung  und  verlassung  unserer  aigentumblichen  stift-  und 
urbarsgueter  allenthalben  getreulieb  und  zu  unserm  nutz  gebaust,  aU  und 
jede  zuestende,  leib  und  anfall  gelt  mit  vleifi  beschriben  und  verrechnet 
werden.    Ähnücb  HXO.  1666  und  1672. 

3)  Ohne  Wissen  der  Kammer  darf  kein  Kästner  eine  Verstiftung  oder 
Verleihung  vornehmen.  Gegen  die  Beamten  wird  der  Vorwurf  erhoben,  da6 
sie  auf  den  guten  baulieben  Zustand  solcher  Qflter  nicht  genügend  geachtet 
und  der  Kammer  über  die  BaufUligkeit  derselben  erst  berichteten,  wenn  sie 
vollständig  ruiniert  seien,  so  daA  der  Wiederaufbau  auf  einmal  verschlinge, 
was  viele  Jahre  aus  diesen  Qfltem  eingegangen.  Dieweilen  dies  von  unsem 
Beamten  eine  pure  lautere  Nacblftssigkeit^  soll  die  Kammer  Mittel  und  Wege 
ausfindig  macheu,  dafi  künftig  solcher  Schaden  vermieden  würde  (flJCO.  1691 
bei  Stieve  S.  38  f.). 

4)  Diewciln  auch  .  .  .  unser  lohenscbafb  nicht  weniger  unter  unserm 
aigenthumb  und  für  unsere  camergueter  zuversteen,  so  solle  unser  camer 
neben  und  sambt  unserm  .  .  .  verordneten  lebenbrobst  ganzer  unser 
lehonschaft  bei  dein  und  grofi  gnete  acht  geben  (H.K.O.  1691  —  Stieve 
S.  44), 


lung  auch  der  Obhut  der  Hofkammer  unterstellt  wurden,  Wnh- 
reud  die  erste  H.K.O.  sich  damit  begnUgt  hatte,  dies  Dur  iui 
allgemeinen  anzudeuten ' ),  stellen  die  späteren  eine  Reibe  yud 
Direktiven  für  die  Vurwaltung  der  Lehen  auf).  Sobald  cio 
Lehen  ledig  wurde,  hatte  so  die  Kummer  gutachtlich  zu  berichten, 
wie  es  diimil  gehalten  werden  solllc.  Nur  auf  M&nnülehvn  bit 
künftig  die  Verleihung  zu  orfulgen.  In  den  einzelnen  Ileot- 
amtern  wurden  Bücher  Aber  die  im  Bezirke  gelegenen  Leben 
geführt,  während  die  Kammer  selbst  ein  Hauptbuch  führte,  in 
welchem  der  Stand  aller  Lehen  des  Herzogtums  sorgfältig  ver- 
zeichnet und  auch  die  Lehengefällc  im  Verbal  LniSHe  zum  Wort 
der  Lehen  von  ihr  verrechnet  und  eingetragen  wcnleii  soUl«». 
Dil  die  LehcD  nicht  ausseid ielJhch  finanzielle  Bedeutung  hatten, 
war  für  die  Verwaltung  deraellien  auch  die  Zuziehung  von  Hnf- 
rlit«n  vorgesehen  *). 

Eine  rationelle  Ausnutzung  der  Einnalimequelleu  urbeisdiie 
auch  einen  Verkauf  des  bei  den  Kastenümteni  itbencliauiiten 
(ietreiiles  zu  den  höchsten  erreichbaren  PreisoD,  aläu  unter  Be- 
nutzung günstiger  Konjunkturen.  Ohne  Uenehmigung  der  Hof- 
kammer durfte  seitens  der  Hentmeister  und  Kastner  keincriei 
Oetrcide  veräußert  werden*}.  Diese  war  aber  oft  gar  nicht  in 
der  Lage,  die  Chancen  einer  Getreidesteigcning  abzuwarten, 
sondern    mußte  um  jeden  Preis  losschlagen,  weil  die  Ebbe  in 


1)  II.K.O.  1560;  toll  if .  .  r^rordnen.  du  jettt  in  lUMrMfter 
aofb  hlttftiroD  mit  oinninnsn  und  «mpfabaD);  dor  labeogefell  gatt» 
l^tuüteii  werde. 

2)  H.K.O-  1565:   —  lollcn  ci  mit  soDdcrm  vloii  auf  notere  Id 
h«bon   nnd   kaio   Bitt^rlchen    one  torwiiioD  Dod  ga«tAchteD 
gpotdcntcn  rito  Tcrleibt^n,  uns  sucb  jcdcncit  der  nit  oDtpfantrnra 
TcnrorchUu  und   buinbgefkllnen   lebon  boricht  nnd  uuaignog 

wir  di«,  M  ont  tun  apert  worden,  weitor  tarerloibcn  mit  geatkim 
wurden,  diaMlb«n  jodocb  udent  nIt  tlfllnn  alt  anf  manDilohra.  i 
remt  ordDOng  gcboo,  damit  alkr  uniorcr  ritt«r  nnd  poatl  anch 
lalisn  b»lb«n  b«i  allen  Biuerm  n-nUmbten  ordeallche  poMlisr 
worden,  do  «1  andent  nlt  inror  Tprhaiidon  lein,  alto  auch  M 
Min,  damit  in  «TTorderung  der  li>hen)^fnll  ain  goto  gleicfahait 
nach  Kclv^nlieiC  in  menig  und  buchtet tigkeit  der  atuck  dJe 
taiinm,  nnd  auch  ordeolirb  nnd  troolirb  rnrecbn'n. 

3)  H,K,0,  IB73. 

4)  JIKO.  1B50,  IB6S. 


—    481     — 

der  Staatskasse  den  Verkauf  notwendig  machte  und  ein  längeres 
Zuwarten  gar  nicht  mehr  gestattete. 

Die  H.K.O.  1565  und  1572  gingen  weiter  und  verlangten, 
um  der  Notwendigkeit,  immer  wieder  neue  Anleihen  aufnehmen 
zu  müssen,  zu  begegnen,  ein  planmäßiges  Eingreifen  der  Kammer 
in  der  Richtung,  daß  diese  genau  festsetzen  sollte,  wie  viel  Ge- 
treide jährlich  veräußert  werden  müsse,  durch  welche  Kastenämter 
und  zu  welcher  Zeit  dies  zu  geschehen  habe,  sodann  welche 
Küsten  das  bei  ihnen  aufgespeicherte  Getreide  für  die  Bedürf- 
nisse der  Hofhaltung  und  für  eine  allgemeine  Landesnot  1 — 4  Jahre 
bereit  halten  müssen  und  es  erst  dann  verkaufen  dürfen,  wenn 
es  in  dieser  Frist  nicht  durch  Teuerung  oder  Hungersnot  in 
Anspruch  genommen  worden  sei.  Der  Verkauf  war  thunlichst 
vor  Abschluß  der  Jahresrechnung  zu  bewerkstelligen,  damit  der 
l>lös  noch  unter  den  Einnahmeposten  derselben  vorgetragen 
werden  konnte.  Die  Kammer  hatte  ferner  anzuordnen,  durch 
wen  das  Unischlagen  der  auf  den  Kästen  aufgespeicherten 
(letreidevorräte  vorzunehmen  wäre,  damit  man  sich  überzeuge, 
(laß  diese  Getreidereste  nicht  nur  in  den  Rechnungsbüchem  er- 
scheinen, sondern  in  Wirklichkeit  auch  vorhanden  wären  ^).  Aus 
den  llechnungsbüchem  war  sodann  die  Herkimft  der  Getreide- 
reste ersichtlich  zu  machen,  damit  man  sich  überzeugen  konnte, 
ob  es  dabei  auch  mit  rechten  Dingen  zuginge. 

Unter  den  Einnahmequellen  nahmen  naturgemäß  die  dem 
Landeslierrn  zustehenden  Regalien  eine  hervorragende  Stellung 
ein.  Die  Aufsicht  über  ihre  Verwaltung  zählt  zu  den  vor- 
nehmsten Aufgaben  der  Kammer.  Auf  die  Erhaltung  der  Zölle 
in  gutem  Stande  sollte  sie  ihr  Augenmerk  richten  und  die  Mög- 
liclikeit  einer  Steigerung  derselben  in  Erwägung  ziehen,  dabei 
sich  aber  nicht  lediglich  durch  fiskalische,  sondern  auch  durch 
volkswirtschaftliche  Motive  leiten  lassen.  Es  war  die  schwierige 
Aufgabe  gestellt  bei  diesen  zollpolitischen  Maßnahmen,  welche 
(;ine  l>h()hung  der  Zollerträgnisse  herbeizuführen  bestimmt 
waren,  den  Handel  des  Landes  zu  berücksichtigen,  so  daß  sich 
nicht  als  Resultat  derselben  eine  Verödung  der  Straßen  und 
Schädigung  der  Gewerbe  ergeben  würde*). 

1)  H.K.O.  1565  und  1572. 

2)  H.K.O.  1550:  Es  sollen  auch  unsere  camerrät  mit  allem  yleiß  acht 
liabon,  da/  unsere  zOll  und  meut  in  guetem  wesen  erhalten,  daneben  auch 

11  ■'  >  <.-  n  t  h  ;i  1 .  «ievhi.hlf  d.  Üerichttw.  u.  d.  Verw.-Orf.  Baiern«.  I.  ßj 


Erfolgreich  war  die  Tätigkeit,  welche  dio  Kammer  auf 
diusc'ni  Gebiete  io  den  ersteu  Dezennien  ihres  Bestehens  «ut- 
faltete,  wohl  iilcht,  denn  in  einem  Guuchten  derselben  wird 
1591  hervorgehoben,  daß  die  Zölle  und  Maut  mehr  ab-  als  zu- 
nehmen, weslmlb  in  Erwftgung  gezogen  werden  sollte?,  wie  Milche 
durch  den  Kaiser  und  die  Reichsstände  orbübt  werde»  könnten. 
Zu  diesem  Zwecke  habe  die  Kammer  alli!  Zollordnuugcn  zum 
Studium  eingefordert  und  sei  willens,  auf  Gruud  dcgselben  ucu« 
Vorschläge  zu  machen »). 


betnchUn,  ob  uDil  wie  dloiHlben  in  mererm  nnaenn  nuti,  doch  oa  «OBd«  ueb- 
red  and  beschwerlich  ncueniDg  oder  TerbioderuDg  dnr  gownrb  and  Ktrotm  in 
iui»nnfQnt«Dthiinibgep»chtwerdcnmOchteD.— SoaaeliBXO.  1568  und  167^ 

l,  Stieve  8.  51. 

8}  Kit  wannem  Nachdruck  wird  der  Eoncammcr  dM  BcirheDhallor  S«h- 
wocen  am  Hen  gelegt,  ^die  aneehenliche  gab  Gottea  and  nit  du  wonigwtr 
obkoniBD  nOfen  (QTBteDUnunb«" ;  dafi  Bio  den  S&luiudsrn  in  Bdcheohall  um 
Aufmerluamkeit  Mheoken  und  die  Rechnung  derselben  onter  ymaMawf 
Qbnrtlaisiger  ünkoiten  rcgelmllllig  erfufdem  loll,  ist  ein  in  ollen  InatralcttOMB 
wicdeTkebrendor  Punkt,  ik  man  kein  Mittel  anvenncbt  lieB.  um  durch 
nitche  VerbeMerungen  eine  Steigerung  dar  ErtngiAhigkeit  i 
liehen  Gottetgabe  lu  craiclen.  Die  U.E.O.  166S  bMUmmt  ta: 
eehinenB  jan  der  GuUiger  ün  wcik  ia  den  talipronneD  gen 
otlich  loben,  otlieb  nit  für  tauglich  eracbteD  well«in,  toU«n  ai 
rit  bedacht  sein  von  Saliburg,  dem  Hallo  oder  uderer  ort 
werkUit,  so  «ich  anf  dem  lali&nt  innti^nn,  gen  Boichcnhall 
Gatteiger  tu  bringea  die  uch  stallich  lu  beratschlagen,  wAlh  wnk  dai  ill 
oder  new  ta  me«rung  uosors  caj»ergiiet«  uns  das  autilichor  im 
tigkeit  der  Kammer  wurde  gerailn  ant  inlche  Rfform^n,  „dardi 
jährlich  Ksiomer^'ut  noi.'li  weiter  in  verbeasam*.  hingelenkt. 
Henog  and  dem  Lande  merklich  fiel  gelegen,  I>ie  ILE.O. 
Kammer  aof,  im  Archiv  und  in  der  Kuiilei  alln  aal  den  Biport 
Niederlage  de*  SaliM  beiagUcbim  Urkunden,  Schrin«n,  Yortrtg« 
holten  oinnueben  nnd  Erkundigung  einiuiiehen,  an  welchen  Ort 
«awidnr  gehudelt  nnd  irgend  wolcbo  uniulftsaig«  batehworllche 
mit  Nlederlegong,  Fertigung ,  6piimng  oder  Eindringniig 
Torgenommen  wurden  und  auf  Abslellimg  dei«elbeo  ainaeiL 
wnnle  der  Kammer  1691  (Ktieve  8.361)  die  Direktive 
Grwellerung  dos  Abutigebiet«  de«  ItMchanhallor  Saliei,  wie 
Lude  weitet  oder  besser  hinabgebracbt,  verRhrt  nnd 
mAchte  nnt«r  aasgiebigcr  Benutzung  der  Wasserstrassea,  Erli 
todehu)  und  aber  die  Einfilbrung  dn  Salimonopola  nachndi 
rem  flakaUschen  Standponkte  am  VorteitbaftK  ini  Work  n 
ZweiJsl  gntaehtlichen  Bericht  an  den  Henog  tu  schicken. 
Bedientteten,  welche  in  Reicbenhall  auf  doa  drei  Stnlea  i 


—    4R3    — 

Wenn  auch  nicht  im  unmittelbaren,  so  war  es  doch  wenig- 
stens im  mittelbaren  fiskalischen  Interesse  gelegen,  dem  Ver- 
mögensverfall der  Klöster  und  geistlichen  Stifter  im  Lande  ent- 
gegenzutreten, denn  der  finanzielle  Niedergang  derselben  würde 
zu  einer  Schwächung  der  Steuerfähigkeit  derselben  geführt  haben 
und  im  Falle  der  Landesnot  jene  Hülfe,  die  man  von  den  Klö- 
stern zum  Schutze  von  Land  und  Leuten  zu  erwarten  hatte, 
unter  Umständen  vernichtet  haben.  Deshalb  wiesen  die  H.K.O. 
1550  und  1558 M  das  Kammerkolleg  an,  auf  Mittel  und  Wege 

bei  dem  Salzwesen  gebraucht  werden,  bedurfte  es  nach  der  H.E.O.  1591 
gro&en  Aufmerkens,  Ernstes,  Versicherung  und  guter  Hut  Zu  solcher  Be- 
aufsichtigung wurde  die  Kammer  nachdrücklich  angemahnt 

Schon  wenige  Tage  nach  Erlaß  der  H.K.O.  1591  (15.  Sept  —  Stieve 
S.  49)  verbreitete  sich  die  Kammer  in  einem  Gutachten  an  den  Herzog  Aber 
die  eine  Verbesserung  des  Kammerguts  betreffenden  Artikel  derselben  ein- 
^^hend  auch  über  das  Salzwesen,  welches  „bei  dem  löbL  Hause  Bayern  ein 
solch  Kleinod,  welches  eigentlich  vor  allen  andern  Einkommen  wohl  wahr- 
zuuehincn'',  indem  sie  dem  Herzog  Torschlug,  in  Anbetracht,  dafi  es  dabei 
tü^'lich  und  stündlich  etwas  stattlichs  zu  versäumen  oder  zu  erhalten  gebe, 
keine  Kosten  zu  sparen,  um  das  Salzwesen  aller  Orten  in  gutem  Stande  zu 
erhalten.  Namentlich  wurde  auf  die  Konkurrenz  des  Innthaler  und  nieder- 
ländischen Salzes  hingewiesen,  welche  einen  Preisrückgang  des  einheimischen 
zur  Folge  haben  konnten.  Es  wurde  deshalb  ein  Abkonunen  mit  Erzherzog 
Ferdinand  vorgeschlagen,  also  ein  Salzkartell,  welches  für  das  Salz  beider 
Länder  nicht  nur  den  Preisrückgang  hintanhalten,  sondern  sogar  eine  Preis- 
steigerung als  Folge  dieser  Vereinbarung  erwarten  ließ. 

Da  dem  Herzog  von  verschiedenen  Seiten  angedeutet  worden  war,  daß 
in  seinem  Lande  gute  Gelegenheit,  „allerlei  Metall  zu  erfinden  und  Berg- 
werke anzubauen",  so  mahnte  er  die  Kammer,  auch  nach  dieser  Richtung 
fördernd  einzugreifen.  Das  Gutachten  der  Kammer  von  1591  hftlt  es  auch 
für  richtig,  kenne  Kosten  für  das  Suchen  von  Bergwerken  zu  scheuen,  wenn 
man  auch  au  und  für  sich  nicht  gerne  dazu  raten  mochte,  dafi  „ein  gewiß 
an  ein  ungewiß  gelegt  werden  soll"  (Stieve  S.  37,  52). 

1)  H.K.O.  looO  und  1558:  dieweil  wir  auch  teglichs  erfam  und  befinden, 
das  die  clöster  in  unsorm  fürstenthumb  vast  in  abfal  komen,  dadurch  die 
loblichen  Stiftungen,  so  zu  der  eer  und  dienst  gottes  verordnt  sind,  geschmelert 
un<l  abgethau  werden  und  darzue  die  hilf  so  man  in  der  noth  zu  beschutzung 
und  trost  land  und  leut  von  den  Clustern  gehaben  mag  gar  geschwecht  und 
entzogen  wirdet,  so  will  hoch  von  nuten  sein  und  ist  nnser  ernstlicher  be- 
velch  und  mainung,  das  unsere  chamer  rftt  auf  weg  und  mitU  bedacht 
seien  und  statlich  beratschlagen,  wie  solch  der  düster  abnemen  und  ver- 
derben mochte  fürkomen  und  ain  bestondige  Ordnung  aufgeiicht  werden,  dar- 
durch  si  in  gcisthchen  und  weltlichen  Sachen  wider  zu  aufnomen  gebracht 
und  in  ainem  erbern  gueten  wesen  mögen  erhalten  werden,  anch  uns  den- 

81» 


■^    404    - 

7.Ü  siiuien,  welcbo  uinea  Bolcben  Verfall  der  Klöster  AufbAlteni 
könnten  und  durcli  welch»  sie  in  geistlichen  und  weltlicbcaf 
Saclieii  wieder  zu  Aufaehmen  gebracht  und  in  einem  t^tefll 
Wesen  mögen  erhalteL  wenleo.  Das  Ergebnis  dieser  UewegnnyJ 
war  die  Abfassung  einer  Instruktion  Über  die  Krhaltung  T 
Ordnung  in  den  Klfistern. 

Die  H.K.O.  lf>65 ')  schärfte  nun  der  Kanmier  ein,  i 
darObcr  zu  wachen,  welches  Klo&ter  gute  Wirtschaft  I 
welches  übel  hause,  und  diuiu  letztere  mit  Vorwissen  di 
einer  Visitation  zu  unterziehen  uud   Anordnungen 
welche  dem  Verderben  lier  Klüeter  bei  Zeiten   zu  steuern  j 
eignet  wären.      Eine   solche  Visitation   wird   auch  «lurch    t 
H.K.O.  1572«)  und  1591  festgehalten,   nur  daß  diese  eine  Au- 

telb«D  iren  rattclilAg  and  bedenken  uiuigen,  darauf  dum  Torrer  dio  noUnrft  I 
tQrderlich  gebudlt  werd«!!  soE 

1)  Soll  mta  ain  sondora  «abnerken  uof  die  clostoi  haben,  welche  ««I  I 
oder  <lb«l  haoMD  and  do  ijch  ikio  anheaalicbeit  bei  ainem  oder  mar  baflndc«  I 
alidum  mit  ^etjubten  der  lugeordentcD  rite  and  anicrm  vorwiMen  daMilb*-  I 
hin  ordnen  and  risitini  Uaaen  und  lolcb  einwhiuii;  thao ,  damit  d«B  ( 
derben  und  abrall  bm  tnUsn  geetenrt  und  gewelirt  «erde,  und  I 
bieTor  ain  instraction  ^atellt  worden,  wie  man  bei  on»eni  dO(t«n, 
geistlichem  ag  in  «eltlicbom  gueto  ordnang;  erhalten,  »nch  du  n'  " 
and  andere  leicbtfortigkeit  ab«t«11en.  wellen  wir,  dat  dieeelbeo  li 
aberaehen  tmd  noch  merer«  erwpf^n  and  bedacht  werden. 

3]  Nachdem   auch   gemaine  lande   wolfart  uit   wenift  an  • 
ao&iemuiig  der  elOtter  and  geintlichen  gaeUrm   (dem  ain 
semi  lande)   golegen  ist,  bo  «oUen  aniere  («merrtt  ir  fpet  a 
kuudechaft  befitellen  und  hab>.>n,  welcher  ort   man  wol  oder  ( 
die  iinbciilichen  tardcrlieh  mit  unicrm  vonrissoo  liiritira  »od  c 
■echen  thoen  Luaen,   damit  dem  virrd^rbcn  and  abtkl  b 
grwOrt  werden  mög,  daneben  auch  einaehen  haben,  daa  dl^H 
irea  (Ibelhaaien  halbe«  pSemr,  ricbter  oder  ander«  aufiecher  ti 
von  denaelben  onbeechwert  leien  and  daa  lolihc  anGwcher  or 
und  gobuerlicher  fDraehons  odk  mOet  nnd  gab  daher  komen,  ■ 
grachaffen,  da*  ri  dem  gotahaiia  nit  mer  tu  lebaden  and  b< 
natjt  nnd  aufbi-nMu  dienlich  «ein.  in  albeg  «alian  li  b«i  nnfaii 
jerüchen  «chankungeo    lo  büher  tmaern  riten   oud   bof^Mtitd  i 
uclien  bcachrchen,  abatellen  und  jedes  jan  atattUebe  kondiä 
allunthalben  «nxiechen  and  «ioa  daaaelb  jar  damit  gMcbaAni  n 
und  darinnen  njemuid  retachonen    noch   ahrrtragon.   —  DI 
(Stiere  6.  H}  beetiliimt  etwaa  abweichend:  die  onheoalicli«) 
den  (aitUiehH  lUm  aiiul;«i  imd  da  •■  ain  nottvrft  nebfa  ii 
Torwiwan  <rl*ttin  . . . 


—    485    - 

zeige  der  übelhausenden  Klöster  seitens  der  Kammer  beim  geist- 
lichen Rat  verlaugt  und  auch  die  Visitationskommission  neben 
Mitgliedern  der  Hofkammer  aus  solchen  des  geistlichen  Rats 
zusammensetzt.  Diese  Kommission  soll  dann  auch  darauf  achten, 
daß  diejenigen  Klöster,  welchen  ihres  Ül)elhausens  halber  Pfleger, 
Richter  oder  andere  als  Aufseher  bestellt  waren,  von  diesen  nicht 
])eschwert,  sondern  daß  diese  pflichtgemäß  und  unbestechlich  ihres 
Amtes  zum  Nutzen  und  nicht  zum  Schaden  der  Klöster  walteten. 

Der  Aufsicht  der  Kammer  waren  auch  die  vacierenden 
Benefizien  und  Pfründen,  sowie  die  Kirchengüter  unterstellt'). 
Sie  hatte  insbesondere  die  jährliche  Aufnahme  der  Kirchenrech- 
nungen zu  beaufsichtigen.  Aus  diesen  konnte  man  ersehen,  wie 
überall  gewirtschaftet  würde,  was  im  Rest  bleibe,  wo  derselbe  an- 
gelegt und  wie  er  versichert  sei.  Die  Unkosten  sollte  man  monatlich 
genau  überschauen  und  prüfen,  für  welche  Zwecke  jeder  Posten  ver- 
wendet würde,  damit  die  Kirchen  nicht  entgegen  den  Bestimmungen 
der  Landesordnung  mit  Unkosten  übermäßig  beschwert  würden^). 

Die  Beseitigung  oder  wenigstens  Verminderung  der  kolos- 
salen Schulden,  eine  der  wesentlichsten  Aufgaben  der  Kammer, 
hatte  zur  Voraussetzung  eine  genaue  Kenntnis  aller  existieren- 
den Schulden  und  Zins  Verpflichtungen.  Das  Streben  der  Kammer 
mußte  darauf  gerichtet  sein,  eine  solche  zu  gewinnen.  Zu  diesem 
/wecke  sollte  sie  die  erforderlichen  Recherchen  anstellen  und  dann 
erwägen,  auf  welche  Weise  eine  allmähliche  Tilgung  der  Schulden 
durch  sie  und  die  äußeren  Ämter  vorgenommen  werden  könnte  ^). 


1)  H.K.O.  1565:  Wellen  wir,  das  die  bericht,  die  hiovor  der  yacierenden 
( löstcr  und  benefitien  halben  eingezogen  worden  sind,  defigleichen  die  acta 
Visit atiouis  und  decimationum  ersehen  und  ain  lanterer  underschidlicber  aoszug 
^'«'iiiaclit  und  alsdann  bedacht  worden,  wie  man  derselben  einkommen,  stift^ 
ront  und  <,'ült  in  ein  wecg  richten  und  ansteUen  weUe,  damit  die  wider  ad 
]>i.is  causas  zu  befurderung  der  eer  gottes,  auf  erziehung  der  jagent  und  or- 
haltiin<r  tau^^licher  briester,  erhaltong  der  religion  und  in  ander  christlich 
und  nutzlich  woe^  an^ewcndt  und  also  dieselben  ausgaben  einstails  ab  unserer 
( lianior  ^a>bracht  werden,  dergleichen  soUen  si  erkundigung  einziehen  wie 
mit  d(>n  kirclien^uetcm  gehaust  und  ob  die  nit  zu  besserm  nutz  gebracht 
inö^'Pi)  werden,  was  auch  bei  jeder  kircben  über  die  notwendig  ausgab  uberigs 
)i1oibt,  ob  (lasselb  nit  gloichsfalls  in  ein  einnemen  zubringen  und  in  der- 
irl^ichcn  notwendigen  christlichen  ausgaben  im  land  auch  zubraucben  soie. 

2)  H.K.O.  1572  übereinstimmend  mit  H.KO.  1591  (Stieve  S  44  f.). 

.S)  H.K.O.  1550:  Dieweil  wir  auch  mit  ainem  merklichen  last  der  aus- 
lendii^on  schulden,  bo  mit  beschwerlichen  verschreibungcn  und  intoresse  auf 


Auf  die  im  fiskAlUchea  Inlvressc  wauscbciiswcrtcn  Konter- 
tieruDgen  von  SchuldfordcniDgeu  halte  sodatiii  die  Kanmier 
glcictifalls  ihr  Augenmerk  zu  ricbtco,  um,  falb  sich  hierzu  Ge- 
l^eiihuit  bot,  Geld  zum  norntaleu  Zinsfuß  aufitubrinii;«! 
welchem  Betrage  danu  ein  liocbver2irii>licli«s  Darlehen  oder 
uuter  andern  druckenden  Bediiiguugen  aufgcuummuue  8chaMver- 
Ijflichtung«!  getilgt  werdeu  koiinteu.  Der  Kammer  wanl  auf- 
gegeben, solche  KunvertieruDgschancen  auszukuudschafteu  und 
sie  im  Interesse  und  mit  Zustimmung  des  Herzogs  bei  sich 
bietender  Gelegenheit  durchzuführen  ' ). 

Ein  wesentliches  Element  des  Finauzbedarfs  bilden  die  Auf- 
wendungen für  die  Beamten.  Das  ganze  Ämterwesen  wird  des- 
halb der  Kammer  unterstellt,  welche  in  dieser  BezieliuDg  eine 
weit  über  die  finanzielle  Sphäre  hiuausgreifende  Wirksamkeit 
ausübt,  bei  welcher  allerdings  der  finanzielle  Ausgangspunkt  nicht 
zu  verkennen  ist, 

Bei  Gründung  der  Hofkammer  ward  ihr  zur  laicht  ge- 
macht, die  Bestallungen  aller  Beamten  durchzusehen  und  zu  hc- 
denken '),  wie  die  einzelnen  Ämter  mit  deu  geringsten  Konten, 

DIU  \iegea,  beUden  und,  derh&lb  man   teglichi  pvi  nni  umb  b«ul]iB(  itt' 

»M  und  baabt^eter  anbelt,  wiowal  wir  dud  deio  ain*  t&ila 

mbeialen  Tenprofhen,  AQcb  scbon  v^rordeat  und  piahnr  dio  kliin  uät 

regiening  etlicb  nl  tsiuent  gddon  beialt  haben  und  teglich  bfiatm  i 

and  aber  deren,  den  die  bexaloog  mt  be«chehen   oder  lenprochen  noch  als 

l^ete  anial  Beien,  >o  iit  ontai  beroUh  nnd  mainua^,  wann  um  «riter  dM> 

halb«n  aagehalteo  «itdet,   dat  no^er  cameirSt  die  bandlnn^  horoo,  «Uttiefe 

erfamng  der  rerMhieibaDeeD  ond  bogorten  linii  halben  furnehinoii  nnd  daoa 

b»d«Dk«n,  wie  >lic  bcRRhwrrliclut«n  achaldnn  nach   naf  nn»eni  trobten  «b> 

gMteDt  and  bmalt  werden  mochten.  -  UXO.  1G5H  n.  12:  dieweil 

mit  aincrn  limlichen  «chnldeDlsiit  nnanirefehen  unseret  getn 

■Utlicher  hilf  noch  beladen  sind,  ■□  iit  unier  beTeich  oad 

iiiuet   camerrit    itatUch    eitunag  in  TenchreibnngQn  ond 

halben  ftunemen   und  dann   bedenken ,  wie  die  KliaMeB  Bit 

anaor  camer  alhi»,  danno  aaeh  anf  nBMn  labtora  kkgwM 

werden  mOctaten.    Ähnlich  HXO.  1G7S. 

1}  HXO.  1550:  WD  li  auch  erliran  ud  6Bdeii  maitan,  du 

lieh«  Teninfong  und  abloaiing  gelt  anbabring««  win^  mit  den  abi 

liebe  ungewondUehe  verschreibang  nnd  iotereaan  mOeht«  efMi||t 


gel«);t  «erden,  dvaiif  tollnn  ri  doch  mit  uj 


n  f  orwiaien  kimtachaft  wfl 


dacMlfa  lu  ireo  banden  tnprintren  und  aniKini  nati  damit  n  »cbaAit  n 

S)  I1.K.U.  l&GO:  Woo  er  aucli  jeUt  dir  negrt  jam-cbnnng . 
lieb  tuwere  cunenlt  mit   allem  iIqIA  darin  enwbeü,  die   I 


-    487    — 

aber  doch  in  einer  den  Bedürfnissen  entsprechenden  Weise  am 
besten  besetzt  werden.  Auf  die  Abstellung  der  bei  dieser  Prüfung 
konstatierten  Mißstände  sollten  sie  bedacht  sein  und  erforderlichen 
Falls  sogar  mit  Strafe  und  Amtsentsetzung  gegen  die  Schuldigen 
vorgehen  nach  vorgängiger  Benachrichtigung  des  Herzogs. 

Die  Anstellung  aller  Beamten  legte  der  Herzog  der  Finanz- 
centralstelle  auf,  indem  er  sich  zu  der  Konzession  herbeiließ, 
zu  versprechen,  daß  er  kein  Amt  besetzen  wolle,  ohne  vorher 
(las  Gutachten  *)  der  Kammer  erholt  zu  haben.  Eine  Beschrän- 
kung des  fürstlichen  Ernennungsrechts  lag  darin  nicht,  wie  auch 
die  II.K.O.  1572  anerkannte,  daß  die  vom  Herzog  aus  eigner 
Bewegung  vollzogenen  Ernennungen  zu  Recht  bestehen  bleiben, 
er  müßte  sich  denn  selbst  zu  einem  Widerrufe  der  Ernennung 
veranlaßt  sehen.  Durch  die  Mitwirkung  der  Kammer  bei  der 
Ernennung  von  Beamten  dachte  man  ein  tüchtiges  Beamten- 
personal zu  schaffen  und  es  zu  erreichen,  daß  bei  Anstellungen 
und  Beförderungen  einzig*)  auf  die  Qualifikation  Rücksicht  ge- 

iind  jeder  unserer  vitzdomben,  haubtleut,  rentmaister,  pfleger,  lichter,  castner, 
Zöllner,  gegenschreiber,  ungelter,  auch  aller  anderer  anhengiger  ämbter,  wie 
dieselben  auch  an  jetzt  besetzt  seien,  lauter  erfarene  und  ihren  gethanen 
pflichten  nach  stattlich  erwegen  und  bedenken,  wie  und  was  maßen  gemainclich 
iille  unsere  ämbter  zu  mererm  unserm  und  unserer  camergueter  nutz,  auch 
des  uncostens  halb  zum  geringsten,  doch  notwendig  besetzt  und  Terlassen 
werden  mochten,  was  pillicher  beschwerung  und  mangl  si  auch  jedes  orts 
befinden,  sollen  si  gleichfalls,  wie  die  am  lueglichsten  abzustellen  seien  be- 
denken und  darin  gepurlich  und  notturftig  Wendung  thuen.  wo  auch  solichs 
änderst  nit  dann  mit  ainer  ansechlichen  straff  oder  entsetzung  der  yer- 
prechcnden  ambtieut  beschehen  möcht,  als  dann  die  sach  zuTor  an  uns  ge- 
langen lassen,  damit  auch  unsere  ftmbter,  wie  es  dann  unser  auch  der  unseren 
nutz  und  notturft  höchlich  orfordert,  mit  erbem,  geschickten  personen,  die 
denselben  ambten  cerlich  und  wol  vorsteen  mögen  besetzt  und  nit  ungeschickt 
und  unberichtsani  leut,  durch  gunst  darzue  befurdert  werden,  so  wollen  wir 
kain  unser  ambt,  dein  noch  groß  außerhalb  Yorgeender  statlicher  berat- 
schla^un^  mit  unscm  camerräten  verlassen,  sonder  in  sölichem  ir  unterthenig 
ratsam  ^uetbedunken  jeder  zeit  gnediglich  hOrea  —  Ahnlich  auch  H.K.0. 1558. 

1)  Die  II.K.O.  1565  kannte  schon  wieder  die  Ernennung  durch  den 
H<T7oi;  ohne  Einschränkung,  ließ  aber  doch  die  Geltendmachung  von  Bo- 
d«'nk(»n  ^e<,'on  eine  solche  Ernennung  durch  die  Kanmier  zu. 

2)  H.K.O.  15<)5:  Was  für  ambten  hohe  und  nidere  verlediget  werden  sollen 
si  <lon  zuegeordenten  reten  anzaigen  und  samb  denselben  beratschlagen  und 
bo<l('uken,  wie  die  wider  mit  tauglichen  und  unsauemlichen  getreuen  und 
vleiGigen  dienern  besetzt  mflgen  werden,  doch  derselben  kains  verlassen,  son- 


nominell  werde  und  keine  Anstellung  ans  GiniBt  erfolgo.  IMe 
Kammer  hatte  in  ihrem  Gutachten  die  einzelnen  Bewerber  na- 
zuflihren  und  die  Gründe  für  ihre  Vorschlage  und  die  Alilchnung 
der  übrigen  Bewerber  anzugeben ;  es  war  ihr  aber  ausdrQddidi 
untersagt,  ohne  Vorwissen  des  Herzogs  irgend  ein  Amt  na  rer^ 
leihen  oder  jemandem  eine  Zusage  zu  macheu  >).  Bei  den  Er^ 
nennungen  sollten  alte  ausgediente  üofdiener  und  Rät«,  dio 
ihren  Dienst  Alters  oder  ^{rankheit  halber  aufgegeben  ballen, 
vor  andern  Bewerbern  bevorzugt  werden,  damit  die  von  ihoen 
bezogene  Besoldung,  rcsp.  das  Liefer-,  Gmideii-  und  Wart^d 
erspart  wUrde.  Daß  eine  derartige  BerQcksichtiguiig  des  Er- 
sparungsiuomentes  nur  auf  Kosten  der  Qualißkation  erfolgen 
konnte  und  daß  halb  oder  ganz  invalide  [Ute  und  Hofbeamte 

den  DI»  mit  undenchidlichei  eraeliiDg,  wer  diroinben  &Dgehftlt«D  btb  and 
«ftnunbea  d  renniinen,  du  vrii  den  orten  jenen  and  die  uidera  tut  Mt 
Demeoi  lollen,  refarieTen  ood  fn  solctiem  faraomlich  auf  umere  alte  nt  uad  faof 
and  u)d«re  diener,  item  &uf  die.  welche  irer  dienit  bei  udb  am  hoTS,  kltcn 
und  tebnuhhelt  oder  anderer  unachen  halben  sui  gcnadea  «tUmmi  Mdad 
und  doch  nichts  weniger  in  beeoldungon  und  lirnrgelt  raa  nu  haben,  be- 
dacht «ein,  damit  bj  aoien  und  wohin  si  zu^ebnuehen  Unehlich  ■eind  ror 
andern  versehen  and  wir  also  der  bosoldoiigoii,  Ufer',  genaden'  and  wirtpH 
überhebt  weiden  und  die  tUo  unserer  rAt  und  diener  mit  der  leit  abscUct»« 
raflgen  da  wir  ab«r  ainicb  ambt  für  uni  eelbs  und  sua  ngoet  hfnegaau  *a» 
laMea  .  .  werden,  dabei  aoll  ei  beloiben,  doch  ri  uui  nicht«  wenlgct  ok  li 
detMD  halben  bedenken  betten  nnderthenigliefa  uibrin^n,  duoit,wir  «aa 
darauf  desto  itattlicher  wissen  ta  reBolderen. 

I)  H-K.O.  1B7S:  Damit  unsere  (mbter,  wie  unser  nuti  und  nnttnrft  n- 
fordei^  mit  goeten  eherlicben  tTMchickten  personen.  ko  solchen  &mbt/im  «ei 
vonteen  mOgen,  beseixt  und  renecben  wer<leD  und  iiit  unlprichtaaiub  m>- 
gesebiekt  lent  dorch  gnnit,  freundecbaft ,  mOet  eder  Ksben  dame  komea. 
to  wellm  wir,  da*  ti  unsere  caner  rit  hinfQnn  on  unnor  Torwi**«!  kaia 
ainbt  rerleichei^  sondern  so  deren  ains  ledig  wirdcl,  m  loi  klain  uilar  gni, 
soDeB  ti  ooe  jemand  in  gemain  uder  je  aiuer  fBr  üch  selbst,  iehta  davon  »- 
venaeldeD  od«r  ainiche  andentong  oder  vertrSsbing  m  thafla,  sottliw  a 
on*  tBrderlicb  gelangen  lassen  und  rererim,  neben  rsrmeldoa*  Ina  |ta*l- 
bedoDkens,  wie  und  ww  gestalt  das  mit  ainem  tauglich«  getreiMa  aad  vW> 
Kjro  dieaei  besetst  werden  mOge ,  neben  underschledlieher 
dünmb  angehalten,  wie  taoglich  ain  jeder  and  wem«  er  nnder 
verwondt  oder  befrnunilt  aeio  und  •r&rumb  d  «rrmainon  ainen  fBr  daa  ladm 
damo  »ninleni  and  lunemen  und  darüber  uDscrs  beschalds 
wir  dann  gedenken  kains  denolben  aator  vorgeender  b«nl 
Inan  snterlaMea,  sonder  in  solchem  Tal  ondorthonig«  ratmn 
jedetMlt  gaaedigtlch  aaieboni  und  luranumeD. 


-    489    - 

nicht  dcos  geeignetste  Material  für  die  Besetzung  der  äußern 
Ämter  geboten  haben  werden,  dürfte  keinem  Zweifel  unterliegen. 

Die  Verhandlungen  mit  einem  neuanzustellenden  Beamten 
wurden  auch  durch  die  Kammer  geführt,  welche  dann  die  ent- 
si)rechende  Mitteilung  über  die  vollzogene  Ernennung  an  die 
Beluirde,  welcher  er  zugeteilt  wurde,  ergehen  ließ.  Eine  Ver- 
eidigung durch  die  Kammer  war  nur  für  diejenigen  vorgeschrie- 
ben, welche  im  Rentamte  München  verrechnete  Ämter  haben, 
und  für  deren  Untergebenen*),  also  für  die  Finanzbeamten. 

Daß  die  Kammer  auf  die  Bildung  des  ganzen  Behörden- 
organismus Einfluß  nahm,  indem  sie  beispielsweise  die  Kumu- 
lierung mehrerer  Ämter  vorschlagen  konnte*),  war  durch  ihren 
Geschäftskreis  bedingt. 

Ungeheure  Summen  verschlang  die  glänzende  Hofhaltung, 
welche  Albrechts  V.  verschwenderische  Prachtliebe  und  Wilhelms  V. 
schrankenlose  Freigiebigkeit  verschwenderisch  ausgestattet  hatten. 
Von  einer  Hebung  der  Finanzen  konnte  nur  die  Rede  sein,  so- 
fern es  gelang,  durch  Ordnung  und  Sparsamkeit  die  Ausgaben 
für  den  Hof  zu  beschränken.  Die  Versuche,  die  in  dieser  Rich- 
tung seit  Gründung  der  Hofkammer  von  den  verschiedensten 
Seiten  unternommen  wurden ,  namentlich  als  unter  Wilhelm  V. 
der  finanzielle  Ruin  als  drohendes  Gespenst  nahte,  nahmen  kein 
Knde.  Vor  allem  war  man  bestrebt,  durch  Aufstellung  eines 
Hofstaats  und  durch  genaue  Festsetzung  der  Pflichten  der  ein- 
zelnen Hofl)eamten  der  Verschwendung  und  der  Untreue  Ein- 
zelner ein  Ziel  zu  setzen  und  alle  Ausgaben  auf  feste  Grund- 
lagen zu  stellen.  Die  Kammer  ward  als  Wächterin  bestellt,  daß 
der  neuerrichtete  Hofstmit  von  allen  Hofbeamten  beobachtet  und 
nicht  überschritten  würde;  sie  hatte  im  Einvernehmen  mit  diesen 
alles  für  die  Hofkammer  Ersprießliche  im  Interesse  des  Herzogs 
anzuordnen-^). 

Die  H.K.O.  1591  überträgt  ausdrücklich  der  Hofkammer 
die  ordentliche  Inspektion  *)  über  die  verschiedenen  Hofstäbe 

1)  Decrct  1586,  Dez.  3.  (Kr.  A.  11). 

2)  1501  (Stic VC  S.  52)  —  das  mer  ämbtor  vor  der  hant»  die  nit  eovil 
initerhaltons  bedurften,  sondern  wol  einziehons  leiden  mochten,  also  zn- 
vorstoon,  das  ans  zwaien  ains  gemacht  wurde. 

:^)  H.K.O.  1550  und  1558. 
4)  Stieve  S.  40  ff 


—    4W    — 

(Stall*,  Futter-,  Jäger-,  Kuchen-,  Kellenueisteranit), 
ilicEulbo  tär  tlie  genaue  Beobachtung  der  tlieseu  Stäben  e 
lustruktioneu,  als  ob  sie  hiereiu  von  Wort  zu  Wort  geschriebea,  | 
verantwortlich  macht.  Insbesoudere  wurde  das  Kuchennieister-  ' 
amt,  in  Anlwtracht  daß  „was  luerklicheB  uns  jerlictien  nicht  vua 
der  notturft  sonder  alliüii  dem  Überfluß  und  ungetreu  abtra|;en 
und  dergleichen  zuschreibeu",  iui  die  Kammer  verwiesen,  um 
sich  in  allen  zweifelhaften  Fällen  von  ihr  Bescheid  zu  erholen. 
Da  gerade  hier  eine  gute  Hauswirtschaft  von  größtem  Werte  war 
und  es  unmtiglich  erschien,  den  täglich  wechselnden  Beddr^i^sen 
durch  Instruktionen  gerecht  zu  werden,  ,.wann  auch  zu  gueter 
hausnirtschaft  <^>ft  rechnen  nicht  daä  geringcHt",  muUten  die  her- 
kömmlichen Abrechnungen  im  Beisein  des  UiifmarüchalU  erfolgen. 

Alle  Hufliediensteteu   wurden   der  Kammer  unterHtellt  und   ' 
waren  vcrptlichtel,  auf  Ladung  vor  derselben  zu  erscheinen,  i 
allen  vorfallenden  Sachen  Bericht  zu  erstatten  und  des  Besdicicl<>  j 
der  Kammer  gewärtig  zu  sein. 

Das  Hofbauweseu  war  gleichfalls  der  Itespicieuz  der  li 
unterstellt.      Ihr    war    Ql>erhaupt  die    Leitung  des 
Bauwesens  Übertragen ' ). 

Wenn  die  Leitung  des  gesamten  Finanzwesens  in  da 
der  Hofkammer  konzentriert  werden  sollte,  so  mußte  ! 
Konzentriening  auch  auf  die  haare  uu<l  buchhalteriscbc  Gdd-  ' 


I)  Hierbei  wurde  ihr  eine  gtat  kleinliche  Kontrolle  dei  B 
Kemotot.  die  sich  no  weil  erstreckte,  dkfi  dot  Btumnitor  ohne  ihr  1 
keine  Arbeit  rerdingsn  durfte,  dnG  diener  ihr  wendfflirh  sIIm  m 
Baurntteritl  icii;eu  eollte.  Es  mOuen  recht  trUbn  Er&hnuij[OB  i 
■ein,  die  aiii<^  tolche  Beronnundungr  dM  BBuoeiBter«  UigBtügt  a 
lietcn,  dem  ja  ohnehin  im  ÜeKenurhreiber  trhon  ein  KontnDeriimB  | 
KoiteUt  worden  w.it  (HXO.  1565,  1672).  !>■  mwdU  du  I^ud- 
WuBerbiaweten  j^oOe  Anipracbo  U  den  ätAktatickd  Hellt«, 
Kiunmor  dringend  ans  Herr  i^le^  (ich  djeeet  V*rwa]tan|tnw*i|tM  ntt  B 
(Irflcklicbeni  Ernste  >niiinDbii)Mi,  wabd  betont  wurde,  hierbei  aber  nidtt  \ 
ledig:llch  ätkaliielie  Oenchtspunkt«  lur  RiehUehDiir  n  BehmeB.  ■ 
Bi  di<'  OfTentlich«  Notdarft  erfordeie,  nicht«  in  tparea  nnd  tu  vuiehtobea,  Dto  1 
Geochnugnng  m  einem  Itan  dnrfle  nor  mit  Vorwiwon  dtw  F 
worden.  J^e  NacbliniRkelt.  wie  de  nunentlich  beim  WuaerllM  k 
wurde.  Mllta  die  Kammer  «Dtachieden  *tnbn.  —  ~ 
irtraktionnD  tllr  da«  Baoperkonal  und  die  unnachrichlliclie  I 
iliror  itrikten  B«folg«uig  ward  ancfa  der  Hotkanuner  Obcrlnpo  (H.Kj(X  UH>I 
bei  Stl««e  8.  W). 


-    491    — 

bewegung  des  ganzen  Staatshaushalts  erstrecken.  Zwar  brauch- 
ten und  konnten  diese  technischen  Kassengeschäfte  nicht  durch 
das  KammerkoUegium,  sie  mußten  aber,  um  diesem  den  vollen 
Überblick  über  den  Finanzzustand  zu  ermöglichen,  in  enger 
Verbindung  mit  dieser  besorgt  werden. 

Bei  der  Gründung  der  Hofkammer  wurde  deshalb  gleich- 
zeitig ein  besonderes  Kassenorgan,  der  Zahlmeister,  bestellt, 
„der  kein  Kammerrat  sein,  aber  auf  der  Kammerrät  Befehl 
warten"  0  sollte.  Es  wurden  also,  wie  dies  auch  bei  der  öster- 
reichischen Ilofkammer  (1537)  der  Fall  war,  die  Kassengeschäfte 
unter  Oberaufsicht  der  Hofkammer*)  durch  einen  ausschließlich 
zu  deren  Erledigung  bestellten,  ihr  untergeordneten  Beamten*) 
Ijcsorgt.  Ein  Beamter  vermochte  die  Kassengeschäfte  nebst  den 
mit  diesen  verbundenen  buchhalterischen  Arbeiten  nicht  allein  zu 
l)ew[iltigen.  Dem  Zahlmeister  ward  deshalb  bald*)  ein  Zahlgegen- 
sclireiber  beigeordnet  und  so  das  Hofzahlamt  („Zahlstube")  be- 
gründet, deren  Personal  1592  durch  Ernennung  eines  3.  Beamten, 
eines  Kassiers,  vergrößert  wurde '^). 

Die  Anfänge  der  heutigen  bairischen  Einrichtungen  einer 
Centralstaatskasse,  die  als  Hauptkasse  des  Landes  unter  un- 
mittelbarer Leitung  des  Staatsministeriums  der  Finanzen,  das 
ja  durchweg  in  die  Stellung  und  in  den  Geschäftskreis  der 
frülieren  Hofkammer  eingerückt  ist,  alle  Staatseinnahmen  in 
ilirer  Rechnung  zu  vereinigen,  alle  Staatsausgaben  zu  be- 
streiten und  in  derselben  ein  vollständiges  Bild  sämtlicher  Ein- 
nahmen und  Ausgaben  des  Landes  darzustellen  hat  ^),  lassen  sich 
also  bis  in  die  Mitte  des  16.  Jahrhunderts  zurückverfolgen. 
Die  stattliche  Reihe  von  Bänden  der  Hofzahlamtsrechnungen, 


1)  H.K.O.  1550: 

2)  liosonthal,  BohOrdoDorganisatioii  S.  127. 

3)  Der  Zahlmeister  rangierte  anter  der  EammerkanzleL 

4)  Seit  1567  nachweisbar. 

5)  Decret  1592,  10.  Juni  (Kr.  A.  M.  —  Errichtong  der  f.  Hofkammor):  die 
zalstubon  bolanp^end  lassen  I.  Dlt  inen  genedigist  gefallen,  das  snsambt  dem 
zalmaister  der  Pefiwirt  zu  ainem  cafiier  and  an  sein  statt  ain  anderer  sal- 
^'o^^onschreiber  verordnet,  damit  nmb  sovil  mehr  die  rechnongen  befürdert^ 
Ordnung  erhalten  und  an  discm  ort  gnete  ezpedition  seie. 

(i)  Hock-Stokar  v.  Nouforn,  Handb.  d.  ges.  Finanzvorwaltung  im 
Künif,'reich  Bayern.   Bamberg  1882.    I,  S.  94. 


welche  in  fast  ununterbrochener  Fo^o  seit  1550' )  erlialteo  siod,  ß&- 
w&hrt  tsin  s'jlcbus  Bild  und  zeigt  uns  das  mit  der  Kammer  verbEtudeoe 
Ilufzalilaiut  äl&  wUrdige  Vurgängerin  unsrer  Geotralstaatsluuso. 
Mit  dem  Gedankcu  der  Staatseioheit  gelangt  auch  dsa 
Prinziii  einer  Ceutralisalion  des  Kassenwesens  hier  cbensu  «rio 
in  Österreich  •)  schon  im  16.  Jahrhundert  zum  Siege.  Von  viner 
bis  in  das  17.  und  lü.  Jalirhunderl  dauerudou  Zersplitterung 
des  Kasseuwcsüus  nach  VerwaltungszweigeB^)  findet  sich  in 
Baiern  keine  Spur,  Alle  Einnahmen  des  Territuriunis  sajnmel* 
teu  sich  hier,  die  Oefftlle  aus  den  einzelnen  RentäDitem  * ),  so- 
weit sie  nicht  durch  die  Rentmeister  direkt  verausgalit  wnrdvo, 
also  die  Clierschüsse  der  I'rovinziattinanzverwaltung,  flossea  in 
dieses  Sammelbecken,  ebenso  wie  die  vtm  der  Landschaft  be- 
willigten Steuerbeträge  hier  KURunimengtrömtijU  " ).  Der  Zahl- 
meister hatte  alle  diese  Eiimabmcn  in  Empfang  zu  nehmen,  zu 
verwahren,  zu  verwalten  und  zur  beslimmungsgeniiUicn  Ver- 
wendung zu  bringen.  Nach  der  H.K.O.  1550  wurden  die  Eto- 
nahnien  nicht  au  den  i^ablmeister.  sondern  an  die  Kammer  ab- 

I;  Etnil  Roth  g«bOhrt  du  Verdienst,  in  «einem  Anruti«  .Obor  Ü» 
llofifthlftmUrechDangon  iin  Ic  Kreis-ArchiT  E  Oberlo^em*  (t.  [iOhpr. 
Zoiljchr.  IL  ä.  83)  die  BedontDo^  diener  wertvollen  (iuoH«  für  di" 
dnnatea  Zweifte  vftt«Tl&ndi«eher  OeMhieht«  erhaont  und  auf  ne  die 
Hinknit  der  Foncbor  K^lenkt  tu  haben. 

i)  Vgl  Bofenthal  S.  137  S 

S)  A.  Wagner,  FinanxwiM.  L  S.  27ü. 

4)  Alle  FiDBDtbeunten.  boK.  Zollner,  Kaatner  und  Untreltor,  «nlcbe  d«« 
BcTchl  halten,  die  lon  ihnen  la  vercinnahin enden  GefUle  nicht  aa»tiibeD  «a 
Uusen.  lODdem  fonierlichit  einEubrini^n,  mditen  miodeetena  quartaliler  Ihn 
DaareingSo^  im  Rentamt  Uonchen  Doniittelbu  an  ^e  Kammi-r,  ia  den 
a  Qbrigen  IteDtAmtem  an  die  Rentmeistet  abliefem.  l>ie«'!  hatten  dio  iibo*a 
eingelieferten  Betrage  aUbald  an  die  Konuner  auunanlwortcn  (n.E.0.  1S7X). 

6^  H.K.O.  I5S0:  Si  die  canerrtt  aoUen  aurh  nit  alloin  wa«  wir  in  OHM! 
rcntanibten  für  gefell  nnd  einkomen  haben,  einnemen  and  fn  *«nralm( 
haben,  »onder  aUea  ander*,  nai  nns  an  jetxt  von  gemainer 
irer  geborsamon  beirilU|.^iig  nach  oder  auch  hio^ran  volgco  BKklrt& 
alle*  lollen  *i  n  banden  nemen  ond  Iren  habenden  beveth  ucb  ~~ 
■tnietion  nach  uniem  nabt  damit  «chaffcn  nnd  faraemen.  -~  H.K.O. 
»oH  anch  allei  oidenlichn  und  anden  einnemen  nnienn  daiSM 
vnrordneteni  ralmaieler  auf  jtrlii-he  erbere  reehnung  (n  *Hq  ' 
verantwortnng  ngmtellt  und  dettwelhnn  nlnirepondeo  werden 
.  .  omer  eamerrlt  verwiaaan  und  lignierte  letln  nichU  beul,  • 
Mfg»b«a  alleidt  iret  tMTtlclui  gewarte. 


geliefert,  und  diese  füllte  erst  uach  Bedarf  die  Kasse  des  Zahl- 
meisters ^)  gegen  Quittung  ^). 

Noch  wichtiger  als  die  Konzentrierung  der  Einnahmen  war 
die  der  Ausgaben.  Nur  durch  sie  war  die  Möglichkeit  gegeben, 
von  Einem  Punkte  aus  den  ganzen  Finanzbedarf  des  Staates  zu 
überblicken  und  für  die  Befriedigung  der  Staatsbedürfnisse  recht- 
zeitig Vorsorge  zu  treffen.  Der  Herzog  Albrecht  V.,  die  Not- 
wendigkeit einer  solchen  Zusammenfassung  anerkennend,  ver- 
sprach deshalb,  künftighin  auch  für  persönliche  Bedürfhisse  Geld 
nur  von  diesem  einen  Punkte,  dem  Zahlmeister,  und  nicht  mehr 
von  den  äußern  Amteni  oder  sonstwo  zu  erheben  *). 

Die  unter  Wilhelm  V.  eingerichtete  Kabinetskasse,  „innere 
Kjunmer''^),  durchbrach  an  und  für  sich  das  Prinzip  der  Kassen- 
einheit nicht.  Sie  war  nur  ein  Hülfsorgan  des  Hofzahlamts  und  be- 
zog von  diesem  in  größeren  Posten  die  für  den  persönlichen  Aufwand 
des  Herzogs  erforderlichen  Summen,  um  sie  in  Einzelbeträgen  aus- 
zuzahlen und  erleichterte  so  die  Geschäftslast  der  Centralkasse^). 

1)  Es  solle  auch  alles  ordenlichs  und  anders  einnemen  iaen  unsern 
oanierräten  zugestellt  werden,  wann  si  ime  auf  ausgab  gelt  zaestelleD,  sollen 
ü'i  alle  mal  von  ime  ain  bekanntnus  danimb  nemen,  damit  si  dasselbe  in 
den  rcchnuDgen  ihrer  ausgaben  furzelegen  haben. 

2)  1550  war  nämlich  die  Selbständigkeit  des  Hofzahlamts  gegenüber 
der  Kammer  noch  nicht  durchgeführt  Diese  selbst  führte  die  Easscn- 
verwaltuDg  und  liefi  nur  die  Zahlungsgeschäfte  durch  den  Zahlmeister  vor* 
iielimen.  Einen  Schritt  weiter  ging  die  H.E.O.  1558;  sie  liefi  zwar  die  Ein- 
nahmen unmittelbar  an  den  Zahlmeister  gehen,  hielt  diesen  aber  doch  in 
Abhängigkeit  von  der  Kammer,  denn  nur  in  ihrem  Beisein  sollte  er  Ver- 
einnahmungen und  Verausgabungen  bewerkstelligen.  Erst  die  ELK.O.  1572 
gewährt  dem  Zahlmeister  trotz  seiner  Verbindung  mit  der  Kammer  in  seiner 
S))häro  vollständige  Unabhängigkeit  von  derselben. 

3)  H.KO.  1550  —  so  wollen  wir  in  keinen  weg  aus  ainichen  unsenn 
unibt  oder  sonst  gelt  ein-  oder  aufhemen,  sonder  wann  wir  zu  unsern  banden 
gclts  notturftig  sein  werden  (darzu  wir  uns  doch  nach  aller  glegenhait 
maü  zehalteu  zuorinnem  wissen  .  .)i  wöUen  wir  dasselb  gelt  mit  vorwissen 
ir  der  camerrät  von  unsorm  verordenten  zalmaister  empfahen  lassen  und  ist 
unser  ernstlicher  entlicher  wiU  und  mainung,  daz  sunst  niemand  mit  ein- 
nemen, ausgeben  und  anderer  handlang  unserer  camergueter  zethun  oder 
sich  deü  auf  uns  soll  zuverthedingen  haben,  dann  allain  unser  camerräte  in- 
halt  diser  unser  instruction,  also  daz  alle  einnam  und  ausgab  vor  inen  und 
durch  si  in  ordenliche  richtige  rechnung  gebracht  werde  und  nit  sonst  un- 
ordenlicher  weis  in  mer  band  komo. 

4)  Stieve  S.  23. 

5)  Allerdings  erlaubte  sich  dann  später  die  innere  Kammer  manche  Über 


-  m  - 

Durch  die  VereinheitUcliuna  wt-iiigstena  der  CeotnlaBS- 
gubuii  war  Akt  Kammer  ein  überblick  über  den  jeweiligen  Stand 
diT  lüiniiahmou  und  Ausgaben ,  die  alle  durch  siu  verrccliBci 
werden  mußten,  ermöglicht,  und  es  ward  so  einer  nur  die  l'n- 
onlnung  ffirdtimdeii  Zersiilitterung  vorgebeugt  —  daz  aUe  cin- 
nam  und  ausgab  vor  inen  durch  dun  zaluiaister  in  ordenliclie 
richtige  rechnung  gebracht,  järlich  verrechnet  wenle  «wl  nit 
sonst  unordenlicher  weis  in  mer  händ  komme ' ). 

Der  Zahlmeister  war  dut  das  vollziehende  HUlfsorgan  Rtr 
die  technischen  Kassen-  und  Rechnungsgeschiifte  and  dieser  in 
jeglicher  Beziehung  untergeunlnet.  Nichts  durfte  er  außer  Be- 
fehl der  Kammer  vornehmen.  Er  war,  wenn  auch  nkhi  Mit- 
glied, so  doch  in  engster  Verbindung  mit  der  Kammer,  welche 
ihn  durch  ihre  Befehle  erst  in  Bewegung  setzte,  sonst  ober  neUxt 
als  Stelle  fUr  die  Zusammenfassung  der  Einnahmen  und  Ans- 
g»ben  galt,  denn  der  Zweck  der  Errichtung  der  Ilarkajnmer  wir 
doch  nur  der,  eine  stramme  Leitung  des  ganzen  Fiuanzwesans, 
von  dem  die  Kassenverwaltuug  eiuun  i^weig  bildete,  von  EiBen 
Tunkte  aus  herbeizuführen.  Wenn  für  diese  selbst  ein  tügMK 
Uof/ahlami  geschaffen  wurde,  stj  hatte  das  seinen  Grund  diria, 
daü  das  Prinzip  der  Trennung  der  anweisenden  und  aasublei- 
den  Behörde  verwirklicht  werden  sollte. 

Das  finanzielle  Anweisungsrecht  war  eine  Vorbedingung  fDr 
die  Schaffung  und  Erhaltung  von  Ordnung  im  StaalabmahalL 
Das  sah  mau  wohl  ein  und  nahm  dcstialb  dieses  Prinzip  bd  dv 
Tleorganisation  des  bairisihen  Finanzbehördonweeens  an,  nach- 
dem dasselbe  schon  lange  vorher  K.  Maximilian  I.  in  dos  Öster- 
reichische und  Reichsfiuanzrecht  eingeführt  hatte  *). 

Der  Grundsatz  des  heutigen  bturischcn  Fiuauzrcchts :  ^K*!^ 
Kasse  des  Staat«  darf  irgend  eine  Zalilung  leisten,  ohne  dan 

gtiße  in  die  GeichUUspblie  dra  Uofuhlunt«  (fgL  t^tj«*»,  Briafo  aai /Mm 
(.  OeMb  d.  SOjfthr.  Krieges  V,  S.  4  A.  1)  und  wirkt«  ■□  anob  aa  UiratD  Tcüa  bA  M 
jeDBtaiili6ilToUeDDesor((U)üienuigderFiiuniTerwaltiing,wdehaiiDU 
tebnt  der  Ucgierrinff  Wilhelini  V.  das  Land  dem  finaniinllui  BollM 

1)  [LE.O.  1&68  «othfilt  die  bemerk ennierte  Abneicbnag  - 
niuer  cunarrit  und  dnselbea  Ynrordnter  ulm&iitor.    Bo  uch 

2)  Der  ünudott.  dal   ein«  Zahlung  nar  auf  Qniod   dai 
inilig«!!  'IMnaguniieltnng  erfolgen  darTn,  «ar  »choo  lug«  m 
in  RogUnd  and  Fraaknieh  iowi«  in  anderu  L4ndem 
bncbt  wgrden.    Vgl  Boitntlial  S.  131. 


-  m  - 

von  der  zuständigen  vorgesetzten  Behörde  schriftlich  und  be- 
stimmt ermächtigt  und  augewiesen  zu  sein",  sowie  der:  „Die 
Befuguis,  Zahlungen  anzuweisen,  ist  der  obersten  Finanzstelle 
übertragen"  ^),  beherrschte  auch  schon,  wenn  auch  mit  Modifi- 
kationen, das  Finanzrecht  des  16.  Jahrhunderts.  Denn  schon 
(iic  H.K.O.  1550  stellt  die  Regel  auf:  und  solle  ime  (dem  Zahl- 
meister) in  sein  pflicht  eingepunden  werden,  wem  si  die  camer- 
rät l)ezalung  vei'schaffen,  daz  er  dieselb  getreulich  und  on  Ver- 
zug und  abpruch  thue,  darzue  auch  jemand  ainiche  bezalung, 
wie  die  namen  haben  mag,  außer  sonders  bevelchs  und  urkund 
des  canierrats  kainswegs  thue,  darob  dann  si  die  camerrät  halten 
sollen,  —  eine  Regel,  welche  die  späteren  Hofkammerordnungen 
übernahmen  ^). 

Für  die  regelmäßigen,  periodisch  wiederkehrenden  Zahlungen 
für  Besoldung  bedurfte  es  ebenso  wie  heute  *)  nicht  immer  wie- 
der einer  neuen  Anweisung.  Hierfür  lag  eine  Generalermächti- 
gung vor,  und  nur  bei  der  Erhebung  der  ersten  Besoldungsrate 
mußte  der  Zahlstube  ein  Ordonnanz-  oder  Anschaflfschein  des 
leitenden  Ministers,  des  obersten  Landhofmeisters  vorgelegt  wer- 
den*). Die  Anweisungsbefugnis  der  Kammer  wurde  durch  die 
II.K.O.  1572  zu  Gunsten  des  Herzogs  durchbrochen,  welcher 
nun  auch  für  die  von  ihm  ausgestellten  Zahlungsanweisungen 
die  Honorierung  befahl. 

Dem  Zahlmeister  ward  treue  Erfüllung  seiner  Amtspflichten 
eingeschärft.  Er  sollte  sich  gegen  jedermann  bescheiden  erweisen  ^ ), 

1)  Pözl,  Bayr.  Verwaltungsrocht  S.  627. 

2)  z.  B.  U.K.O.  1558:  —  dafi  er  (Zahlmeister)  aufier  meremannter  unser 
camorrät  vorwissen  und  signierte  zetln  nichts  bozal,  sonder  mit  dem  ausgeben 
allezeit  ires  bevelchs  gewart 

3)  Vfl.  A.  Wagner  I,  S.  265. 

4)  Ein  herzogliches  Decret  von  1586  (18.  Dez.)  sch&rfte  dies  der  Kammer 
aufs  neue  zur  Beobachtung  ein  und  verbot  ihr  ausdrücklich,  eine  Zahlung 
zu  leisten,  auch  wenn  die  Anschaffung  vom  Herzog  selbst  oder  einem  Andern 
hiTrühre,  wenn  nicht  zugleich  eine  Ordonnanz  des  Landhofmeisters  vorgelegt 
würde,  „sintemal  solches  allein  zu  Unordnung  und  Gonlusion  diene**  (R  A.  — 
Decrete  WUhelms  V.  Bd.  lU). 

5)  H.KO.  1572:  Sonst  solle  zalmaister  sich  gegen  meniglich  aller  fireund- 
lichait  und  guets  beschaids  gebrauchen  und  verhalten,  dieweil  mit  zornigen 
Worten  nichts  zuverrichteu,  in  seiner  Verwaltung  auch  außer  unsers  cammer- 
rats  in  ander  weg  nichts  fümemen.  gemelter  unser  zalmaister  sol  auch  nit 
allain  dasjenige  so  wir  von  unsem  gefein  einkomen  und  rentambten  haben 


uienianddu  bcschwcrcu    uud  fflr  sich  selbst  keiuerlui  Abzüge 
machen  '). 

Aufeabe  der  Kammer  war  es,  dafür  Sorge  zu  tragen,  dil 
nie  Ebbe  in  der  Zahl8tul>e  etuträtt!,   ilüiin  ihr  war  us  auch 
Pflicht  gemacht,  Vorkehrungen  zu  treffen,  daß  die  OUiUiiger 
pünktlich  bufriedigt  und  diesen  die  Zinsen  reclit7eitig  ausbezahlt 
würden*).  Um  für  die  Erfüllung  der  lautenden  Verbindlichkeil' 
stets  die  erforderlichen  Geldsummen  bereit  zu  habeu ,   w«r 
nötig,  die  lierechnuug  des  Bedarfs  der  Zahlung  voraDguhen  za 
lassen,  alSo  einen  Etat  zu  mikchen. 

Die  H.K.O.  1672^)  forderte  deslialb,  daß  die  Kammer  aft 


tondem  auch  ftllra  anders,  lo  noi  jetx  oder  hmfatsti  «oq  g«mtiaet 
Iftudachalt  bewüli^Dg  oder  in  uidei  weg  neatehon  and  Tolgan  miMbU  ito- 
z«neiDeD,  iuTi)r«»lt«ii  und  lUTenaitcD  und  unserer  cunenit  be*«]eb  aatk 
auBiegobeD  haben. 

1)  H.K.O.  1672:  lalmaiiter  soll  aach  la  solchem  onscnn  ambi 
und  aaigab,  inionderhait  vorpflicht,  aber  doch  kain  cjunerrat.  aondw  d<r 
cainerrit  beveleh  gewertig  nnd  gehOTsamb  sein  ond  ime  in  lein  |ifl]dil  «to- 
gebanden  worden,  wenn  die  camer  rfit  lalnng  Tencbaffeo,  daa  ar 
ireulich  and  one  vertag  nnd  abbmch  thao  ond  in  solcbem 
firhanViilig  wogm  oiclnand  aufiiech  oder  bMchwcr  oder  im  teUw 
Teraiiuung,  proTÜiion,  genaden  oder  qaottcmborgelu  ainiche  ger«! 
unserm  oder  andern  gelt,  et  aeic  auf  den  gülden  oder  den 
aannta  oder  in  ander  «eg,  wie  das  nomen  oder  ordarht  werde 
selbst  oder  lon  altem  brauch  her  in  aigene,  icbopt  mach  odw 
wir  solches  sowol  gegen  ime  als  andern  oa  emitliche  straf 
hingehen  ilasten,  also  sol  er  aacb  jemand  oinicbo  beaüong  i 
und  nrkond  der  camerrlt  kaines  weg«  tbuen,  wir  berelebeD  inie  di 
iosonderhajl, 

2)  Noch  in  der  H.K.O.  ron  1691  ward  aber  daraber  Klage 
bpi  der  Zahlslobo  in  Verwechslung  der  Hünuorten  oder  im  i 
Goldes  allerlei  verbotene  and  hochitrfifticbe  Vorteile  gebraoebt 
Kammer  ward  deshalb  lur  energischen  AuMeht  gemahnt,  dal 
(leid  nur  in  des  Henogs  and  nicht  in  oines  Andorn  Nntiao 
wflrde,  widrigentalls  niclit  nur  gegen  dun  Zahlmeister,  senden 
die  Kammer  mit  Strafen  vorgegangen  wQrde  ^Ütiere  Iv  46}. 

8)  H.K.O.  1660:  si  anch  jeder  »it  bedacfai  s«in,  damit  die 
uusem  ambtem  nnd  lonit  ru  gepnrlicber  leit  sovil  mngUcb  bea 
lieh  seiner  Terachreibung  nach  glanbeo  erhalten  «erde.   (8o  anch 
1671) 

4}  H.K.O.  167S:  Damit  nur  *olchn>  desto  ordonlicbor  ud 
n  li  tambt  dem  talmaiiter  alle  dnl  nn 
■hm.  »ac  si  in  aolcber  Mit 


—    497    — 

dem  Zahlmeister  einen  Voranschlag  über  die  Einnahmen  und 
Ausgaben  des  nächsten  Quartals  mache  und  dann  dahin  trachte, 
stets  für  den  Notfall  20,000  fl.  Barvorrat  in  der  Kasse  zu  haben, 
um  allen  Eventualitäten  gewachsen  zu  sein,  damit  man  nicht 
gezwungen  werde,  in  der  Not  des  Augenblicks  sich  mit  großen 
Opfern  Geld  zu  verschaffen  ^).  Nur  durch  die  Einrichtung  solcher 
planmäßiger  Ausgabenvoranschläge,  die  einen  großen  Fortschritt 
in  der  Gestaltung  der  Staatswirtschaft  darstellen,  konnte  im 
voraus  Fürsorge  getroffen  werden  für  die  Deckung  des  künftig 
erforderlichen  Geldbedarfs. 

Solche  Etats  wurden  dann  hauptsächlich,  wie  in  Österreich*), 
für  die  Ausgaben  des  Hofs  und  der  Centralbehörden  aufgestellt, 
sog.  Hofstaat.  Derartige  planmäßige  Vorausberechnungen  des 
erforderlichen  Aufwandes  bildeten  dann,  da  im  Staatshaushalt 
im  Gegen satze  zur  Privatwirtschaft  die  Einnahmen  in  der  Höhe 
der  notwendigen  Ausgaben  beschafft  werden  müssen,  die  Grund- 
lage für  die  Thätigkeit  der  Centralfinanzbehörde,  die  hier  den 
Hebel  ansetzen  mußte,  um  die  Bedarfssummen  zu  erlangen,  welche 
unter  Erzielung  von  Ersparnissen  an  einzelnen  Posten  des  Etats 
sich  als  notwendig  erwiesen  hatten*). 

Alljährlich  hatte  der  Zahlmeister  eine  Gesamtrechnung  (eine 
richtige,  unterschiedliche  Rechnung)  über  seine  Einnahmen  und 
Ausgaben  zu  stellen  *)  und  der  Kammer  zur  Prüfung  zu  unter- 

anzegoben  und  sechcn,  das  si  alle  zeit  auf  fdrfallende  not  20000  fl.  in  der 
truchoD  zu  oinem  verrat  haben  und  da  innen,  was  aaflaaffen  wurde,  alsbald 
trachten,  wo  si  solches  nemen  und  zur  hand  brlugen  wellen,  auch  mit  vleifi 
darnach  stellen  auf  die  gelegneste  bequemste  weg,  so  sein  kann  und  die 
bachen  nit  auf  den  not  knöpf  einsteUen,  damit  solches  nit  hernach  mit  schimpf 
und  spott  großen  schaden,  nachtail  mit  aufhemung  neuer  diener,  verschreiben 
und  Provision,  dicnstgelt  und  toplm  interefi  ainen  weg  als  den  andern  ge- 
scheoben  muesso,  sonder  solchem  allem  zeitlich  guete  fürsechung  zethi;en 
trachten. 

1)  Auch  die  H.K.O.  1591  (Stieve  S.  46)  bestimmt  in  diesem  Sione. 

2)  liusenthal  S.  130. 

3)  All<3  8-)14  Tage  hatto  der  Zahlmeister  einen  summarischen  Auszug 
der  in  diesem  Zeiträume  von  ihm  geleisteten  Ausgaben  unter  Bezeichnung 
der  Emplunger  an  die  Kammer  abzuliefern,  damit  diese  jeder  Zeit  in  der 
Lage  war,  über  den  Stand  der  Ausgaben  dem  Herzog  Bericht  zu  erstatten 
(H.K.O.  loo(^  1558,  1572). 

4)  H.K.O.  1558  .  .  .  wellen  wir  auch  järlich  zu  der  gewondlichen  gebür- 
lichen  zeit  von  unscrm  zalmaister  einnemens   und  ausgebens  rechnung  und 

K(  -•■:.*.  h  i '. ,  (it.Mj.ichto  d.  (jer1cht>w.  ii.  d    Verw.-Orf.  Halerns.  1.  qo 


—    498    — 

breiten.  Die  einzelnen  Posten  dieser  Rechnung  waren  mit 
genügsamen  Urkunden  zu  belegen.  Dies  führt  uns  zur  Dar- 
stellung eines  wichtigen  Geschäftszweigs  der  Hofkammer,  n&m- 
lich  der  Rechnungsrevision. 

Auf  keinem  Gebiete  staatlicher  Verwaltung  ist  die  Kontrofle 
der  Amtsfühning ,  die  in  Baiem ,  wie  die  Erörterung  über  die 
rentmeisterlichen  Umritte  ergeben,  bereits  frühe  sehr  ausgebildet 
war^),  wichtiger  und  nötiger  als  auf  dem  der  Finanzverwal- 
tung,  wo  die  Möglichkeit  von  Unterschleifen  gefährlich  nahe  lag. 
Durch  die  Kontrolle  soll  hier  die  Übereinstimmung  der  Zahlungs- 
anweisungen, der  Rechnungen  und  der  'Kassenbewegung  mit 
den  Vorschriften,  welche  hierüber  erlassen  sind,  nachge- 
wiesen oder  konstatiert  werden,  inwieweit  diese  Übereinstim- 
mung mangle.  Zugleich  dient  die  Kontrolle  als  Mittel,  diese 
t  bereinstimmung  möglichst  zu  verbürgen,  und  wo  sie  fehlt,  wie- 
der herbeizuführen.  Die  Voraussetzung  der  Durchführung  dnor 
wirksamen  Finanzkontrolle  bildet  ein  zweckentsprechendes  Becb- 
nungsweseu  * ). 

Für  die  Rechnun^skontrolle  hatte  man  in  Baiem  das  De- 
centralisationsprinzip  angenommen ;  sie  wurde  nicht  in  der  Hof- 
kammer centralisiert,  sondeni  war  den  Mittelstellen  übertragen, 
wurde  also  durch  die  Kentmeister  vorgenommen.  Nur  för  den 
Itentamtsbezirk  München  wurde  sie  von  der  Hofkammer  be- 
thätigt. 

Für  eine  solche  Decentralisatiou,  welche  die  Rechnungs- 
kontrolle der  den  verrechnenden  Beamten  nächstvorgesetzten 
Behörde  (Mittelstelle)  überträgt,  wie  solche  auch  im  heutigea 
bairischen  Finanzverwaltungsrecht  zur  Anerkennung  gebracht 
ist*),  spricht  in  der  That  eine  Reihe  von  Zweckmäßigkeits- 
gründen,  wie   ihre  Vorzüge?  auch  neuerdings  wieder  von  sacfa- 

YOD  inen  unsom  chaincrräthcn  iren  berioht  daraber  aafhemen  und  dagvgv 
ir  jodon  der  pfcbür  nach  gcncdiglicb  quitticrn,  darzue  solch  jftrlich  wafnamm 
der  rochnang  kain  jar  ansteon  lassen. 

1)  Siehe  S.  292  ff.,  vj:!.  auch  S.  284. 

2)  A.  Wagner  T,  S.  302  f.,  2S9. 

3)  Die  primitive  Revision  der  Finanzrechnungen  steht  in  enter  Instm 
(hm  MittelsMlen  (Kreisregierungen)  zu.  Vgl  Hock-Stokar  ▼.  Neaforn 
1,  S.  471. 


—    499    — 

kundiger  Seite  gerülimt  werden  ^).  Diese  Reclinungskontrolle 
war  höclist  zweckentsprechend  organisiert,  indem  der  Rentmeister 
sie  nicht  allein  abnahm,  sondeni  in  Verbindung  mit  einer  Kom- 
mission, welche  der  Herzog  jeweilig  zusammensetzte  und  in 
welcher  regelmäßig  auch  ein  Mitglied  der  Hofkammer  Platz  fand. 
Hierdurch  war  eine  sehr  zweckmäßige  Verbindung  der  so  de- 
(.'(^ntralisierten  Kontrolle,  die  am  Sitze  der  Regierung  stattfand, 
mit  der  Centralfinanzstelle  des  Landes  hergestellt,  eine  Ein- 
richtung, die  um  so  notwendiger  erschien,  als  sich  diese  Kon- 
trolle nicht  in  den  engen  Grenzen  einer  Rechnungsprüfung  hielt, 
sondern  im  Auschhisse  an  diese  zu  einer  allgemeinen  Verwal- 
tungskontrolle erweiterte  und  sich  von  dem  Zustande  der  Ver- 
waltung und  der  Geschäftsführung  der  Beamten  in  geeigneter 
\V(nse  Kenntnis  verschaffte,  zugleich  die  Abstellung  vorgefun- 
dener Mißl)räuche  ins  Auge  fassend.  Über  die  Einrichtung  einer 
(hTurtigen  Rechnungsaufnahme  im  einzelnen  geben  die  der  Kom- 
mission für  ihre  Revisionsthätigkeit  erteilten  Direktiven,  wie  sie 
noch  in  einigen  uns  erhaltenen,  nicht  wesentlich  voneinander 
ahwcichenden  Instruktionen  aus  dem  Ende  des  16.  Jahrhunderts 
cntlialtcn  sind,  hiteressante  Aufschlüsse.  Es  kann  hier  bezüg- 
licli  der  liechnungsaufnahme  einfach  auf  die  Darstellung  im  Ab- 
>chnitt(;  über  den  Ilentmeister  verwiesen  werden. 

Irotz  der  erwähnten  Decentralisation  verbHeb  aber  der 
Ilofkaninuir  noch  eine  umfangreiche  Thätigkeit  in  Bezug  auf 
(Uli  Rechnungsrevision  ^).  Denn  ihr  lag  außer  der  Revision 
der  Rechnungen  des  Zahlmeisters  und  der  aller  Finanz- 
Ixaniten  des  Rentamts  München^)  auch   die  aller  Hofbeamten 

1 )  V^'I.  „über  den  h'echnuDgshof  mit  bes.  Rücksicht  auf  das  Deutsche 
K'c'ich"  (anon3Tni,  in  der  Tübinger  Zeitschrift  für  die  ges.  Staatswissenschaft 
Bd.  32,  S.  484  f.;  Bd.  33,  S.  70. 

2)  Dio  (istorroichische  Hofkammer  hatte  auf  diesem  Gebiete  ähnliche 
Kompetenzen.    Vgl.  liosenthal  S.  91. 

:>)  H.K.O.  1065  —  sollen  si  die  ambtsrechnungcn  unsers  rentambts 
Munchon  furtorhin  auch  aufnomen  und  mit  ernst  daran  sein,  damit  die  rest 
järlicb  zalt  werden  und  nit  von  aincm  jar  in  das  ander  anstecn  bleiben,  es 
sollen  auch  bei  den  ambtsrcchnungen  alle  mengel,  die  bei  den  ambtcn  so 
wol  an  (Ion  Verwaltern  als  sonsten  erscheinen  mit  vleis  erkundiget  und  durch 
>i  »lif  v(»rordenten  ab^^eschafft  oder  do  der  mangel  so  gros  und  unleidenlich 
it  rat  der  zucjreordenten  uns  angebracht  werden,  damit  wir  notdürftig  ein- 
s<'lien  thun  mögen.    Ähnlich  auch  H.K.O.  1550  und  1572. 

32* 


ob').  Kach  Gelegenlieit  des  Amts  und  uach  der  Qaaliut  det 
Dieners  konnten  sie  Wochen-,  Monats-  tind  Quartalsrecbomiig  ab* 
fordern*),  wie  es  das  Bedürfnis  erheischte.  Zu  ihren  AufgabflD 
hörte  dann  auch  die  Prüfung  der  Jahresrechnungen  der  etnzeliia 
Rentmeister,  und  da  ihr  die  Obcrau&icfat  über  das  gesamte  Beck* 
nungBwesen  des  Landes  übertragen  war,  hatte  sie  auch  dartber 
zu  wachen,  daß  die  Rentmeister  zur  richtigen  Zeit  diu  Recbnunf»- 
revision  in  ihren  Bezirken  vornähinen  *),  und  dali  kdnum  *)  Be- 
amten die  Unterlassung  der  Rechnungsablage  liinger  lüs  Jahres- 
frist nachgesehen  würde.  Die  Rechnuiigsprütung  sollte  DJdit 
Übereilt  werden,  damit  die  Beamten  sicli  nicht  etwa  in  HoffDonf 
auf  solche  Eile  größerer  Nachlässigkeit  schuldig  macbteo.  Olwr 
lUe  vorgefundenen  Mängel  wurden  Verhöre  mit  dun  tirschieneos 
Rechnungslcgern  gepflogen  und  ebenso  über  die  von  ihoea  an- 
gezeigten Beschwerden  so  rasch  als  möglich  Recherchen  «Bg»> 
stellt,  damit  denselben  noch  vor  Ablauf  des  folgendeo  SemaBlia 
Abhülfe  2U  teil  werden  könnte'^).  Jedem  Rechnungsleger  1 
l)ei  Richtigbefund  seiner  Rechnung  Decharge  erteilt 

Endlich  fungierte  dann  die  üofkanmiev  als  oberste 
der  Rechnungsrevifiion,  denn  dii;  Möglichkeit  eines 

1)  H.K.O.  1658  —  eoUeo  ei  von  allen  ambton  unaon  renU 
gleichen  ood  alEptld  dinuf  von  aUen  ougeni  oEBciem  and  4Dd< 
onaen  hob  daielbt  jblicb  lelbi  und  mit  vleEi  rechnnng  mE 

2)  aXO.  1591. 

3)  HXO.  1660  —  MÜen  n  aneh  p«  den  todern  dreiea  u 
unkten  «oUclie  fnreebang  than,  damit  muere  rentmaiiter  &' 
unbteo  teimr  rerwaltnng  za  gepaiUcher  leit  de«  jan  ord 
neme.  iric  dann  solichs  tuuero  chuncnit«  rcrordnon.    So  toch  I 

4)  H.K.O.  1591   (StieTe   S.  47);  mit  nnieren  unbU  nnd  ■ 
Ulendeo  rechnangen  &li  nit  du  geringst  wBKh  uoMr  cuner,  weklw  ^ 
d«T  »i(  zafonteen  nit   den  wonigom  t*ü  des  jan  binwalc  namw  j 
iSitten,  kOndeo  «ir  aiuer  camer  nit  «ul  undencbictliehe  «ege  od<r  | 
schreiben,  allein  das  li  von  nnierntwegeii  niemant,  wer  der  ist,  a 
UDTerrocbrnt  rno  nnd  bleiben  luaen,  sonder  oiuor  maJoung  i 
nach  lollcn  si  in  allen  ontem  renUmbtern  trd  }u  tn  jar  tod  a~ 
ordenliche  rechnuDg  abfordern,  anfDemeo  und  luu  dabei  da«  i 
lullen  and  anatellen,  das  bctchwoiUch  aber  nit  gedulden,  ilUa  In  d 
art  und  atgenKchaft,  «ie  die  derwegcn  ron  jar  n  jar  g^rorügt«  n 
wolcbe  wir,  als  ob   die  von  wort  an  «ort  hieriiuwui  hegiilTeiw  t 
verriaBten  habaa  walloB,    sutteingen  und  ir  miaer  eam«  amU  vai  1 
taUk  lat 

G>  H.K.O.  16TS. 


—    501    — 

\veges  muß  den  rechnunglegenden  Beamten  offen  gehalten  wer- 
den, um  eine  Gefährdung  ihrer  Interessen  hintanzuhalten.  Alle 
wichtigen  Fragen  und  Anstände,  die  sich  den  Kommissionen  bei 
Prüfung  der  Rechnungen  der  äußeren  Amter  ergaben,  wurden 
an  die  Hofkammer  zur  Entscheidung  ^)  gebracht. 

Daß  der  Centralfinanzbehörde  auch  Funktionen  der  Recht- 
sprechung in  Finanzsachen  übertragen  werden,  ist  eine  Er- 
scheinung, die  sich  wie  in  andern  Ländern  *)  auch  in  Baiem 
zeigt.  Es  ist  eine  nicht  unbedeutende  Gruppe  von  Geschäften 
der  Hofkammer,  welche  hier  durch  die  sog.  Parteisachen  ge- 
bildet wird.  Dazu  gehörten  alle  Klagen,  welche  in  irgend  einem 
Zusammenhange  mit  dem  Kammergute  standen,  also  vor  allem 
alle  Klagen,  welche  sich  auf  die  Rechtsverhältnisse  der  Urbar- 
güter ])ezogen.  Ferner  sind  hierher  zu  rechnen  die  Beschwer- 
den der  ünterthanen  gegen  Beamte  wegen  Inanspruchnahme 
niclit  geschuldeter  oder  höherer  als  der  geschuldeten  Leistungen, 
sowie  alle  Supplikationen  der  ünterthanen,  welche  eine  Herab- 
setzung der  von  Beamten  verhängten  Geldstrafen  bezweckten"), 
kurz  all  diejenigen  Streitigkeiten  finanzieller  Natur,  welche  ihre 
Erledigung  durch  Abschied  oder  Erkenntnis  finden  mußten. 

Diese  Kategorie  der  Parteihandlungen,  welche  sowohl  im 
schriftlichen  als  mündlichen  Verfahren  behandelt  wurden,  stand 
an  Bedeutung  hinter  den  eigenen  und  wichtigen  Sachen  des 
Herzogs  (causae  domini)  zurück;  sie  sollten  deshalb  auch  erst 
nach  diesen  zur  Erledigung  kommen,  aber  doch  auch  nicht  allzu 
lange  verschoben  werden,  damit  die  Parteien  expediert,  gefor- 
dert und  nicht  über  die  Billigkeit  aufgehalten  und  jedes  Mal 
der  alte  Einlauf  vor  dem  jungem  entschieden  würde*).  Um 
eine  beschleunigte  Erledigung  solcher  Parteisachen  zu  sichern. 


1)  Nur  in  vollzähliger  Besetzung  sollte  die  Hofkammer  die  Rechnongs- 
revisions^eschäfto  erledigen  (H.K.O.  1572). 

2)  In  England  and  Frankreich  wurde  die  Rechnungskammer  aus  einer 
Rcchnun^srovisionsbehördo  ein  Gerichtshof  fELr Finanzsachen.  VgL  £.  L  0  n  in g 
(in  H  a  r  t  m  a  n  n's  Zeitschr.  f.  Gesetzgebung  Bd.  V,  S.  338).  —  Ober  die  öster- 
reichische Hofkammer  vgl.  Rosenthal  S.  92. 

3)  H.K.O.  1572  —  und  da  sich  jemand  derhalben  zu  beklagen  sollen  die 
oamerrät  darinnen  zu  moterim  haben,  es  were  dann  die  sach  so  strittig,  das 
die  für  unsom  hofrat  zuerörtem  gehört 

4)  H.K.O.  1572. 


—    502    — 

wurdcu  für  die  Beratung  derselben  bestimmte  Tage  oder  ein- 
zelne Vor-  oder  Nachmittagsstunden  festgesetzt. 

Bei  der  Reorganisation  von  1565  wurden  diese  Parteisachen 
der  Kammer  abgenommen  —  damit  diese  sich  dann  um  so  un- 
gestörter mit  den  eigentlichen  Kammergeschäften  beschäftigen 
konnte  —  und  dem  Hofrat  zur  Verhandlung  und  Entscheidung 
überwiesen  ^ ).  Doch  sollten  zu  den  Hofratssitzungen,  in  welchen 
derartige  Parteisachen  zur  Verhandlung  standen,  stets  ein  oder 
mehrere  Kammerräte  beigezogen  werden,  um  als  Sachverstän- 
dige zu  verhindern,  daß  etwa  infolge  eines  schlechten  Berichts 
eine  unzutreffende  und  unbillige  Entscheidung  gefaßt  würde,  nnd 
um  eventuell  über  derartige  Fälle  vorher  an  den  Herzog  za 
berichten. 

Eine  prinzipielle  Scheidung  zwischen  den  privatrechtlichen 
Ansprüchen,  wie  sie  z.  B.  in  den  Domänenstreitigkeiten  vor- 
lagen, und  den  dem  öffentlichen  Hechte  angehörenden  Verwal- 
tungsbeschwerden finanzieller  Art  war  nicht  durchgeführt.  In 
Wirklichkeit  überwogen  in  dieser  Gruppe  die  einer  Urteils- 
mäßigen  Feststellung  bedürfenden  Leistungsverpflichtungen  der 
Unterthaneu  gegenüber  dem  Kammergut,  so  daß  man  diese 
ganze  Gruppe  dem  Hofrat  übertrug,  welcher  überhaupt  die  im 
kontradiktorischen  Verfahren  zu  behandelnden  Streitigkeiten  zu 
entscheiden  hatte.  Der  Koiiibinieruug  der  privatrechtlichen  Streitig- 
keit und  des  herzoglichen  (fiskalischen)  Interesses  wird  durch  die 
l>eiziehung  eines  oder  mehrerer  Kammerräte  zu  den  betreffen- 

1)  U.K.U.  15(35 :  Zum  andern  damit  si  auch  in  solchem  allein  mnb  toffl 
weni^^er  verhindert  werden,  und  der  chamer  desto  vleifiiger  aufwarten  koBBM^ 
so  wellen  wir,  das  furterhin  alle  partheisachen,  die  werden  in  tchriften  oder 
mundlichen  verhorn  geueht  und  entlich,  was  sich  es  sei  zwitchen  miMn 
amhtleuten  oder  andern  kriegr,  streit,  darinnen  ahschiedliche  erkanntnnt  b^ 
schehen,  oder  sonsten  decret  und  hcschaid  zwischen  den  strittigen  parthcMi 
orgcen  muessen,  item  do  sich  jemand  wider  unserer  ambtleut  auferlegt  ttnUn 
oder  andern  sachen  halhen  beschweret,  von  der  chamer  in  unsern  hofistt 
verschaflit,  doselbst  verhört,  verabschidt,  verrecestirt  und  hingoschriben  wafdaa 
doch  das  albe<(en  bei  solchen  handlun^en,  einer  oder  mer  der  hie  obbemeDtei 
deputierten  rate  sitzen  und  da  ir  aufmerken  haben,  damit  uns  in  icbadM^ 
ctwan  aus  bösem  bericht,  wider  die  gt'bur  und  billichheit  nichta  Teigvbo^ 
und  do  es  für  ain  notdurfft  angesehen  wurde,  dieselben  hendl  nn%  Tor  dff 
verabschiedunj^  oder  entlicher  beschließung  referiert  werden. 


J 


—   50;}   — 

den  Hofratssitzungen  Rechnung  getragen.  Letzteres  scheint  aber 
nicht  immer  beobachtet  worden  zu  sein  '). 

Ganz  allgemein,  nicht  nur  in  Bezug  auf  die  Jurisdiktions- 
sphäre wird  die  Wahrung  der  Kompetenz  der  Hofkammer  ein- 
geschärft durch  die  H.K.O.  1591 :  „wan  aber  diss  niemaln  unser 
mainung  sonder  wider  alle  hievor  'vorhero  gefolgete  instructio- 
nes  und  bevelch  gewesen,  also  wellen  wir  zugleich  wie  die  ju- 
stitia  unserm  lanthofmeister ,  hofrat  und  Presidenten  bevolchen, 
unst»r  camer  auch  demselben  darinnen  ainichen  einhält  oder 
Verhinderung  nit  thuen  sol,  das  auch  ir  hinwiderumb  in  dem 
anbevolnem  vertrauten  camerwesen  weitter  nit  eingriflfen  wer- 
den ,  sunder  alles  das  so  unser  landsfürstliche  hoheit  und  ni- 
dere  obrigkeit  aigenthumb,  vogtei,  rent,  gült  und  zins,  grencz- 
streit  und  dergleichen  beruert  (welche  nit  durch  mitl  eines 
ordenlichen  process  und  erkantnus  erledigt  werden  muessen)  das 
die  von  anfangs  unser  camer  übergeben,  bei  der  camern  berat- 
schhigt  und  darauf  daselbst  die  notturft  fiygenomen  werden,  ja 
und  da  je  solclie  Sachen  vor  unserm  hofrat  stritthengig,  so  sollen 
si  d()ch  durch  unser  camer  oder  dero  geordneten  advocaten  ge- 
burlich  vertretten  und  wie  gebreuchig  jedesmals  darüber  ge- 
hi'ni  werden". 

l'.s  stellt  sich  also  auch  in  Baiern  nicht  anders  wie  in  Oster- 
reich - )  die  Beteiligung  der  Kammer  an  der  Rechtspflege  nicht 
als  eine  l)esondere  Art  der  Finanzjurisdiktion  dar,  sondern  als 
eine  irnterstützung  des  Hofrats,  als  des  für  die  Handhabung 
der  Iie(*htsi)flege  berufenen  Organs  in  allen  Rechtsangelegen- 
lieiten,  bei  welchen  das  Interesse  des  Kammerguts  irgendwie 
in  Frage  kommt. 

Von  der  emsigen,  das  Kleine  und  Große  des  Staatshaushalts 
mit  j^leiclier  Sorgfalt  umfassenden  Thätigkeit  der  Hofkammer 
legt  die  stattliche  Bändereihe  der  Hofkammeqirotokolle  ein  be- 
redtes Zeugnis  ab.  Die  Einrichtung  der  Centralfinanzstelle  war 
eine  treffliche,  die  Instruktionen,  von  gesunden  volks-  und  staats- 

1)  Wcni^^tens  spricht  hierfOr  dio  Klage  der  H.K.O.  1591,  daß  „ein  zeit 
lau«,'  eingerissen,  das  vil  sachcu  darinnen  unser  interosse  versirt,  aufier  unser 
canier  wissen  abgchandlt  oder  inen  doch  erst  angezeigt^  da  in  solchen  Sachen 
hchon   erkantnus  geschehen   oder    bevelch    ausgeferttigt   worden"   (Stievö 

S.  35.. 

2)  Vgl.  Iloseuthal  S.  165. 


wirtBchaftlichen  Prinzipien  getragen,  regelten  rationell 
Detail  der  Finanzverwaltung.  ^'enn  nun  rlie  Hofkami 
welcher  manch  tüchtige  Kraft  in  treuer  PflichterfOllting  Sieb  !»-■ 
gebene  abmühte,  die  ibv  gestellte  Hauptaufgabe,  Olcichgevkftt 
der  Eiiuiahuien  und  Ausgaben  im  Staatshaushalte  herziuteUea, 
so  wenig  lösen  konnte,  daß  Wilhelm  V.  vor  dem  Staatsltankenttc 
stand,  so  dOrfen  wir  für  diesen  Mißerfolg  nicht  das  Kammcr- 
kollegiuni  verantwortlich  machen.  I<ediglich  id  der  IndiridiM- 
litAt  Albrecbts  V.  und  seines  Sohnes  Wilhelm  liegt  der  ScUOaid 
zur  Lösung  dieses  ßfttsels.  Die  Pracbtliebe  des  Vaters,  deMca 
großartige  Sinnesweise  sich  in  die  cugeü  Grenzen  der  Iveistitiig»- 
fAhigkeit  seines  Landes  nicht  zu  schicken  vermochte,  thOrmt« 
durch  seinen  üppigen  Hofhält  und  durch  seine  Unsummen  tv- 
schlingenden  künstlerischen  Pläne  eine  ungeheure  SdiuldoDlaW 
auf.  Wilhelms  verschwenderische  Freigiebigkcil  nanientllch  fOf 
Werke  der  Frömmigkeit  steigerte  dann  die  Zerrüttung  des 
Finanzwesens  bis  zum  Unerträglichen.  Die  redlichsten  Absich- 
ten, Ordnung  im  Staatshaushalt  zu  scbatfen,  zeitigten  mancherlei 
Versuche  eines  sparsameren  Hegiments,  aber  seine  Energielosig- 
keit ließ  es  nicht  zu  einer  Durchführung  »einer  guten  Absiebten 
kommen,  Immer  aufs  neue  stellt«  er  maßlose  Geldanfordeningen 
an  den  erschöpften  Säckel  der  Kammer,  immer  aufs  neue  ord- 
nete er  unbekümmert  um  die  drückende  Geldnot  ohne  Vorwisseo 
der  Kammer  neue  Ausgaben  an  ' )  für  gänzlich  übertiüiisigc  Auf- 
wendungen, während  die  Kammer  nicht  wußle^  wo  sie  das  Geld 
hernehmen  sollte  zur  Befriedigung  der  drängenden  alren  GlAo- 
biger.     Die  ernsten  pflichtgemäßen    Vorstellungen'}  der  Hof- 

1)  Stl«ve  S.  21. 

2)  Fin  grcllea  B«itpicl  fOr  ein  derartigst  V«r&hr«ii  Willii^lau  V.  IMm 
«ioiKe  von  Stiere  S  SS.  U,  59  t  (n.  IV,  VI  -VIU)  rerOffeiiÜlehtMi  J 
■tflekd.    Wfthcwheitillch  nf  eine  Vontollanfc  der  Kammer  «rklittcfl 
Herzog,  da)  et  ODUigoMheii  der  Hofkumnorinitraktian  nie  • 
weMa,  „du  wir  nitt,  m  offt  «•  uns  geteüig  &acb  khunCTliK  «Im  n 
. .  omb  QDier  pritalfteltt,  to  wir  lu  ügen  liuiden  nemPD"  beulen  . . 
die  Kammpr  beuhJeD  lM»eD  wollte.    Eines  IcOnn*  neben  d 
,and  KoUe  der  khuner  ua  alt  den  uidem  rirg  lorll  eich  ftebnrtta 
nottnrint  erfbordertt,  (er  anierhlendsrter  UnfT  uud  völlig  »i 
Uh«i  worden,  deoeen   wtr  noch  wie  Ktlwe{[en   ^minnet".    Am  8.  C 
Toduwt  er  binnnn  U  Ttgcn  SOOOD  d.  nun  nebme  rt,  wo  nun  «olkh  i 
U*  Wdhnaehten  noch  weiUre  60000  fl.  fttr  die  von 


—    505     - 

kammer  fanden   nur  ein  ungnädiges  Ohr  beim  Herrscher,   der 
nicht   einsah,    daß   die  besteingerichtete  Finanzbehörde  keine 


(CoUcgium  und  Kircho  für  die  Jesuiten  etc.).  Gegen  solche  Forderung  erhob 
die  Kammer  einmütig  Widerspruch  (10.  Okt.) ,  indem  sie  sich  auf  die  von 
ihnen  beschworene  Instruktion  beriet  welche  sie  verpflichtete,  „kein  special- 
ausgab dergestalt  zu  befördern,  das  dardurch  dem  ganzen  goneral  und 
camroerwesen,  daran  einmal  £.  Dt  fl.  authorität  und  reputation  gelegen, 
nachteil  oder  schaden  crvolge**.  Nachdem  man  in  den  letzten  Jahren  die 
Anschaffungen  des  Herzogs  vollzogen,  sei  nunmehr  die  Kammer  so  ent- 
blößt, daß  es  ganz  unmöglich  sei,  solche  Posten  zu  erschwingen,  da  man  die 
unvermeidliche  Notdurft  kaum  befriedigen  kOnne :  —  „nachdem  wir  uns  umb 
unscrs  aids  und  juraments  willen  vorgehOrtermaßen  E.  Dt  general-  und 
cammerweson,  darzue  auch  derselben  jezig  gesch&ft  und  bevelch  wie  nit  we- 
niger, allein  was  uns  bewust  und  die  vorstehende  aufigaben  fClr  äugen  stellen 
und  einbilden,  so  sollen  und  muessen,  als  wir  mit  Gott,  welcher  in  allen 
dingen  die  höchste  warheit,  gleichwol  wider  unsem  willen  mit  bekomerten 
und  betruebtcn  herzen  jezt  als  zuvor  ainhelligclich  bekennen  und  aussprechen, 
das  diu  alles  zu  beharren,  auszestehen  und  gnetzethuen,  nicht  allein  über 
unsorn  verstand  und  das  wir  dabei  die  völlige  gehorsam  nit  zelcisten  wissen 
.  .  .  das  anjczt  die  leuf  der  weit  so  schwer,  das  man  etwas  ausgeben  und 
s})cndircn  soll ,  das  man  doch  nit  hat  .  .  .  Die  Kammer  berechnet  den  Be- 
darf für  die  nächste  Zeit  auf  mehr  denn  1  Mill.  fl.  —  „und  könden  diso  ding 
änderst  nit  als  für  ganz  unmöglich  erkennen*'  .  .  Noch  folgende  Sätze  des 
Schreibens  hebe  ich  hervor:  „das  vil  mer  an  erhaltung  des  ganzen  cammer- 
wesons  gelegen,  dann  das  jedem  specialbevolch  nachgangen  und  gelebt  werden 
solle  ...  an  dem  ist  wenig  oder  doch  sovil  nit  gelegen  durch  dergleichen 
w(?g  gelt  zemachen  oder  zu  bekonmien,  an  dem  aber  hafft  die  sach,  wie  man 
solch  gelt  anlegt  und  gebraucht^  dergestalt  so  lang  und  vil  man,  wie  E.  Dt 
.  .  .  alle  ausgaben  per  pausch  beharren,  darinen  keinen  underschied  machen, 
it('iTi  das  so  vermeidlich  oder  doch  wol  aufzeschieben ,  nicht  von  dem  un- 
vornioidenliclion  absondern,  ja  die  unentbörlichen  ausgaben  abstollen  und 
allein  auf  die  specialfähl  achtung  gegeben,  dagegen  aber  das  generalwerk 
gleichsam  es  E.  Dt  nit  zugehörig,  ansehen  und  verlassen  wird,  so  ist  der 
Sachen  damit  mer  entholfen  als  geholfen.  Ein  und  allemal  haiton  wir  für 
beständig  und  ganz  unzweiflich,  seie  je  die  zeit  gewest,  das  nichts  als  was 
aus  gctniiigoncr  noth  sein  mueß  und  nicht  cntpört  werden  kann,  auszegeben 
ist".  Der  Herzog  möge,  wenn  er  auch  jetzt  keine  völlige  Reformation  anzu- 
stellen vermöge,  sich  gefallen  lassen,  „das  alle  und  jede  geltsachen,  ee  und 
zuvor  man  darinnen  ainichen  anfang  gemacht^  auf  die  wag  gelogt,  wol  pon- 
deriert  und  erwogen  werden,  ob  solche  geltsach  nottwendig,  alsobald  sein 
mueü  und  anderem  fürzeziehen  seie,  ob  auch  K  Dt  camer  diesolb  one  ver- 
lezung  aines  noch  wichtigem  und  R  Dt  vil  nuzlicheren  orsezen  und  beharren 
knut"  —  H.  Maximilian  schärfte  am  15.  Aug.  1597  der  Kammer  ein,  seinem 
Vater  Gehorsam  zu  leisten,  ihn  aber  auch  jedes  Mal  zu  erinnern,  „und  zu 
i^oinictt  füeren,  wie  die  Sachen  bei  der  cammer  beschaffen  und  wie  hart  man 


—    506    — 

Erfolge  zu  erzielen  vermochte,  wenn  der  Herrscher  die  Kreise 
der  von  ihm  selbst  gezogenen  Wirkungssphäre  verrückte  und 
durch  willkürliche,  seinen  eignen  früheren  Intentionen  wider- 
sprechende, im  Drange  augenblicklicher  Stimmungen  erlassene 
Anordnungen  die  Finanzverwaltung  in  die  unheilvollste  Unord- 
nung zu  stürzen  drohte.  Wilhelm  hörte  auch,  nachdem  er  seit 
1.  Januar  1595  seinem  Sohne  die  laufenden  Verwaltungsgeschäfte 
übertragen  hatte,  nicht  auf,  „rücksichtslos  in  die  Geldverwaltungf 
einzugreifen  und  die  Staatseinkünfte  in  Anspruch  zu  nehmen, 
wenn  seine  Privatkasse  geleert  war"  * ). 

Seitdem  Max  Alleinherrscher  geworden  (1598),  gelang  es 
ihm  durch  weise  Sparsamkeit  und  eine  weitblickende  Volks-  und 
Finanzwirtschaftspolitik  jene  peinliche  Ordnung  des  Finanzwesens 
herzustellen,  welche  ihm  trotz  des  furchtbaren  Krieges  selbst 
die  Erübrigung  großer  Summen  ermöglichte.  Im  Dienste  dieser 
weisen  Politik  konnte  sich  die  Hofkammer  als  ein  wertvolles 
Werkzeug  bewähren.  Dieses  in  solcher  Brauchbarkeit  hergestellt 
und  entwickelt  zu  haben,  bleibt  das  unvergängliche  Verdienst 
Albrechts  V.  und  Wilhelms  V. 

Die  Hofkammer  vereinigte  in  den  folgenden  Jahrhunderten 
in  ihrer  Hand  die  Verwaltung  aller  Staatswirtschaftszweige.  Nur 
vorübergehend  sonderten  sich  im  18.  Jahrhundert  einige  Spezial- 
behörden  aus  ihr  ab.  Mit  der  Ministerialorganisation  von  1799*) 
trat  an  die  Stelle  der  kollegialen  Hofkammer  das  bureaukratisch 
organisierte  Finanzministerium,  welches  den  Geschäftskreis  der 
Vorgängerin  in  vollem  Umfange  in  sich  aufnahm. 

§27. 
Der  geistliche  Rat. 

Die  mächtige  kirchliche  Keformbewegung,  welche  von  Witten- 
berg   aus    alle    deutschen  Lande   durchzitterte ,  fand   auch  in 

dasolbs  anstoh«.^^.  Eini^^o  Wochen  später  mußte  er  dies  wiederholen  mit  dem 
Anfügen,  die  Kaniiiier  niO«^c  ihm  ihre  Not  vorstclleD,  er  wolle  flun  moeh 
schreiben.  Dadurch  werde  er  vielleicht  zu  bewegen  sein,  mit  solchen  neuen 
AnschafTungen,  wie  der  Verelirung  für  Barvitiu?,  die  ihm  viel  zu  hoch  dflnkew 
mehr  an  sich  zu  halten  (Stieve  ^^.  54,  59  flf.,  69,  71'. 

1)  Stieve  S.  21,  tiO  ff.  (u.  XVI-XIX). 

2)  J^eydel  I,  S.  222. 


-     507     - 

Baieru  einen  gewaltigen  Wiederhall.  Regierung^)  und  Volk 
waren  hier  über  manche  Mißbräuche  des  kirchlichen  Lebens^) 
aufgebracht,  und  so  war  der  Boden  für  die  Aufnahme  der  Lehre 
Luthers  wohl  vorbereitet.  Die  Herzoge  Wilhelm  IV.  und  Lud- 
wig näherten  sich  seit  1521  wieder  dem  römischen  Stuhle  3) 
und  traten  seitdem  als  energische  Bekämpfer  der  neuen  Lehre 
auf.  Gerade  deshalb  waren  sie  bestrebt,  an  eine  Heilung  der 
erkannten  Gebrechen,  insbesondere  an  eine  Reform  des  Klerus 
Hand  anzulegen.  Und  zwar  suchten  sie  wohl  im  Gegensatze 
zum  Episkopate,  aber  im  Bunde  mit  der  Kurie  ihre  reforma- 
torisohe  Kirchtmpolitik  durchzuführen.  Schon  1521  hatte  Leo  X. 
eine  Kommission  von  Prälaten,  welche  die  Herzoge  vorgeschlagen 
hatten,  mit  der  Visitation  der  bairischen  Klöster  beauftragt^). 
Leo  X.  starb  noch  vor  Ausfertigung  dieser  Bulle,  aber  der 
(h'und  war  doch  gelegt  zu  einer  Politik,  welche  allerdings  im 
Kiiivernehmen  mit  dem  Papsttume  einer  von  der  weltlichen  Ge- 
walt eingesetzten  Kommission  geistliche  Aufsichtsfunktionen 
ohne  Rücksichtnahme  auf  die  Bischöfe  übertrug  *).  Der  Ingol- 
städter  Professor  Dr.  Joh.  Eck  erhielt,  als  er  sich  1523  nach 
Rom  begab,  von  den  Herzogen  den  Auftrag,  von  Hadrian  VI. 
die  Ausfertigung  der  erwähnten  Bulle  und  weitere  wirksame 
Repressivmal>regeln  zu  verlangen*^).  Nach  einer  heftigen  An- 
khige  der  Bischöfe,  deren  schlaffe  Handhabung  der  kirchlichen 
Zucht  als  l'rsache  des  Umsichgreifens  der  lutherischen  Lehre 
liervorgehoben   wird  "^ ) ,  erbitten   die   herzogHchen  Brüder   vom 

1)  i'bor  die  Stellung  der  Wittclsbacher  zur  Reformation  vgl.  v.  Döl- 
lintrer,  AküJemischo  Vorträge.    Nördlingen  1888.    I,  S.  35  f. 

2)  V^'I.  Hoinhard,  Kirchcnhoheitsrechtc  des  Königs  von  Baiem  S.  13  f. 
uDtl  die  daselbst  Citierten. 

3)  Kaiike,  Deutsche  Geschichte  im  Zeitalter  der  Reformation  (5.  A.) 
II,  S.  104.  Es  trat  eine  Wendung  in  den  Gesinnungen  des  Münchner  Hofs 
«Mii,  welche  li322  zur  Erlassung  des  1.  Strafedikts  gegen  Luther  fahrte 
(Winter,  Geschichte  der  Schicksale  d.  evang.  Lehre  in  und  durch  Baiern. 
Landshut   1800.    I,  S.  77). 

4)  Winter  II,  S.  325. 

5)  Kanke  II.  S.  1U4. 

())  Wiedemann,  Dr.  Joh.  Eck  S.  688. 

7)  „di(»\veil  khain  Ernstlich  straff  bey  der  Pfaffheit  sei  unnd  Alles  malifitz 
I'beh's  und  Bo&heit  so  man  erdcnckhcn  khann,  Eicmpel  tragen,  So  chann 
man  Ine  die  Layeu  nit  verargen,  daß  sy  den  Lutterischen  Leren  .  .  .  anzu- 
lianiren  bewegt  werden  (Friedberg,  Die  Gränzen  I,  S.  186). 


—    508    — 

Papste  die  GeDehmigung  zur  Errichtung  einer  von  den  Bischöfen 
unabhängigen  geistlichen  Behörde,  welche  verbrecherische  Greist- 
liche  degradieren  und  der  weltlichen  Behörde  überliefern  sollte^). 
Hadrian  VI.  gab  die  erbetene  Erlaubnis,  beschränkte  aber  die 
Wirksamkeit  der  Strafbehörde  auf  den  Fall  der  Nachlässigkeit 
der  Bischöfe.  Auf  erneute  Vorstellung  *)  beseitigte  Clemens  VIL 
1526  diese  Einschränkung.  Nicht  von  langer  Dauer  war  aber 
die  Existenz  dieser  geistlichen  Strafkommission,  und  ihre  Wirk- 
samkeit erlosch  allmähhch  ^). 

Hiermit  begnügten  sich  aber  die  Herzoge  nicht,  sondern 
in  ihrem  Eifer  für  die  Erhaltung  der  katholischen  Religicni 
hatten  sie  schon  1524  eine  Zusammenkunft  mit  dem  Liegaten  Cam- 
])eggi,  dem  Erzherzog  Ferdinand  und  benachbarten  Bischöfen 
zu  Regeusburg  veranstaltet  zur  Beratung  weiterer  gegen  das 
Umsichgreifen  der  neuen  Lehre  wirksamer  Maßregeln.  Das 
Ergebnis  dieser  sog.  Regcnsburger  Reformation  bildete  ein 
Landpot  wider  die  luthcranische  Sekte,  in  welchem  nicht  nur 
Normen  über  die  Anstellung  tüchtiger  Prediger  und  Ordnung 
bezüglich  des  züchtigen  Wandels  der  Geistlichen,  sondern  auch 
kirchliclie  Vorschriften  für  die  üntcrthanen*)  aufgestellt  wurden. 
Zugleich  war  in  dieser  Regensburger  Reformation  die  Aufstellung 
von  Kommissar ieu  ^)  verabredet,  welclien  in  den  einzelnen  Län- 
dern die  Bestrafung  der  Übertreter  der  Reformation  (Geistliche 
und  Weltliche)  aufgetragen  wurde.  Sie  hatten  auch  darüber 
zu  wachen,  daß  die  wegen  der  neuen  Lehre  des  Landes  Ver- 
wiesenen nicht  in  der  andern  Fürsten  Länder  Aufnahme  fanden. 
Außerdem  erlangten  die  Herzöge  vom  Papste   das  Recht,   die 

1)  Ilanke  II,  S.  106;  Friodberg  I,  S.  186. 

2)  Dio  Herzoge  sprachen  in  einem  Schreiben  an  Dr.  Eck  die  Bef&rchtang 
aus,  daß,  falls  die  Balle  mit  der  Klausel  in  casu  negligencie  ordinuionun 
erlangt  warde,  dio  Bischöfe  der  Vollziehung  große  Hindomisse  bereiten 
möchten  (Wiedemann  S.  667). 

3)  Vgl.  E.  Mayer,  Kirchenhoheitsrechto  des  Königs  y.  Bayern  S.  88  ff 

4)  Winter  II,  S.  315  f. 

5)  Zu  Kommissarien  wurden  ernannt:  Graf  Christ  v.  Schwancnberg,  Dr. 
(Joh.  Eck,  der  Kanzler  A.  Lösch  Fr.  Burkard  und  der  Minorit  Schaigvr 
V.  Freyberg,  Gesch.  III,  S.  180).  Über  diese  Eommission,  welche  nur 
gegen  Häretiker  eine  richterliche  Thätigkeit  entfaltete  vgl  £.  Mayer 
S.  31. 


—    509    — 

bairischen   Klöster   durch    einige  Äbte    unter   Zuziehung    von 
2—3  herzoglichen  Räten  visitieren  lassen  zu  dürfen  ^). 

Die  Visitationskommission  war  nicht  ohne  Bedeutung  für 
die  Entwicklung  des  bairischen  Staatskirchen  rechts  *)  wegen  der 
durch  sie  geübten  Kontrolle  geistlicher  Institute  durch  Organe 
der  weltlichen  Gewalt,  denn  die  Landesherm  waren  die  zur  An- 
ordnung der  Visitation  berechtigten  Subjekte  •).  In  ihr  zeigen 
sich  die  ersten  Spuren,  die  Anfänge  einer  (landesfürstlichen)  Be- 
hörde zur  Wahrung  der  landesherrlichen  Befugnisse  in  Kirchen- 
angelegenheiten, welche  nach  mannigfachen  Schicksalen  später^ 
nachdem  die  Äbte  sich  nicht  mehr  regelmäßig  an  den  Visita- 
tionen beteiligten,  als  „geistlicher  Rat"  bis  zum  Beginn  imsers 
Jahrhunderts  als  ein  mächtiges  Organ  zur  Ausübung  der  staat- 
lichen Kirchenhoheitsrechte  berufen  war*). 

Einige  Spuren  des  Kollegiums  lassen  sich  allerdings  noch 
weiter  zurückverfolgen,  indem  schon  Albrecht  IV.  besondere 
Räte  in  geistlichen  Angelegenheiten  aufgestellt  hatte.  Auf  sein 
Ersuchen  gestattete  ihm  nämlich  Papst  Sixtus  IV.  1484,  sich 
von  den  benachbarten  Ordinariaten  Regensburg,  Augsburg  und 
I'reising  Domherren  zu  wählen  ^),  um  dieselben  als  Räte  in  ec- 

1)  Wiodemann  S.  688. 

2)  E.  Mayor,  S  .32. 

3)  Übrigens  wardon  Klostervisitationen  durch  staatliche  Kommissäre  yer- 
oinzolt  schon  im  15.  Jahrhundort  abgehalten,  z.  B.  1474  Ludwig  der  Reiche  ließ 
durch  den  Altöttinger  Propst  Dr.  Mauekircher  und  den  Braunauer  Pfleger  A. 
das  Kloster  Kanshofcn  besuchen  in  Meinung,  sich  daselbst  zu  erkunden  des 
Wesons,  so  alldann  in  geistlichem  und  weltlichem  Stand  gehalten  würde 
(M.  B.  III,  p.  381).  Albrecht  IV.  erwirkte  von  Papst  Sixtus  IV.  die  Erlaubnis 
zur  Koformierung  der  Klöster.  Die  Abte  von  Tegemsee  und  Ebersberg 
wurden  vom  Papste  zu  Visitatoren  ernannt  Vgl  tlbe^  diese  Visitation 
Silbornagel,  Albrecht  IV.  S.  56. 

4'  Für  die  Darstellung  im  Texte  konnten  einige  brauchbare  Notizen  aus 
dorn  im  Kr.  A.  (Geistl.  Rat  n.  1)  befindlichen  Manuskripte:  „Geschichtliche 
Deduction   über   die  Entstehung  dos  geistlichen  Bats  vom  SecretÄr  von  Li- 

powsky"  (17G0)  benützt  werden. 

0)  Adlzroiter,  Annales  Boicae  gentis  P.  2  1.  n.  39.  Diese  konnten 
das  Einkommen  ihrer  Pfründen  am  herzoglichen  Hofe  verzehren-  Vgl  über 
die  Remonstrationen  (Büchner  VI,  S.  349;  Oefole  II,  S.  258)  des  Frei- 
sinorcr  Domkapitels  und  die  diese  Einrichtung  bestätigenden  Bullen  Inno- 
(onz  VIII,  Silbernage  1  S.  54. 


—    510    — 

clesiasticis  zu   gebrauchen  ^ ) ,  und  Clemens  YII.  erteilte  1530 
den  Herzogen  aufs  neue»  diese  Befugnis  *). 

Diese  Domlierm  waren  am  Münchner  Hofe  zugleich  als  Ge- 
schäftsträger ihrer  Ordinarien  thätig.  Eine  Eroeuenuig  dieser 
Einrichtimg,  welche  Albrecht  V.  anstrebte,  kam  nicht  zustande*). 

Diese  Visitationskommission  hatte  im  aUgemeinen  die  glei- 
chen Aufgaben  zu  erfüllen  wie  die  in  den  protestantisclifln 
Ländern  errichtete  Behörde  der  Visitatoren,  die  auch  aus  einer 
außerordentlichen  Visitationskommission  zu  einem  ständigen 
Kollegium,  zu  einer  organischen  Einrichtung  der  KirchenYer- 
fassung  heranwuchs*). 

Die  Visitationen  hatten  hier  wie  dort  auf  Grund  landes- 
herrlicher Instruktionen  den  Zustand  des  kirchlichen  Lebens, 
den  Wandel  der  Geistlichkeit  und  die  finanzielle  Lage  der  ein- 
zelnen Pfarreien  zu  erforschen  und  alle  erkundeten  Mißstände 
nach  Thunlichkeit  a])zustellen  resp.  behufs  Besserung  anden 
Behörden  anzuzeigen.  Während  aber  in  Brandenburg  andi 
nach  Schaffung  einer  eignen  geistlichen  Exekutivbehörde,  des 
Konsistoriums,  das  Visitatoren kollegium  noch  nebenbei  in  Thl- 
tii^keit  bhel),  wiu'den  in  Baiem  die  Visitationen  zu  einem  Bestand- 
teile des  Geschäftskreises  des  geistlichen  Rats. 

Eine  Betrachtung  der  Visit^itionsinstruktionen  gewährt  am 
besten  einen  Einblick  in  den  Prozeß  der  Entwicklung  der  Visi- 
tationskommission zum  Rcligionsrat. 

Eine  uns  erhaltene  Instruktion  von  1541  ^)  bezeugt  evident 
die  wesentliche  (Übereinstimmung  der  Kompetenz  der  Visitatoiu 


1)  Im  Berichte  der  von  Wilhelm  V.  1582  eingesetzten  Eommitsioxi 
Voreinbarun^  eines  Konkordates  (Friedberg  11,  S.  827:  Beil.  I  bes.  S.  8K 
n.  XVII I^  warde  diese  Einrichtung  als  et  principibus  et  ccdesüi  hononte 
et  utilis  b<*zeichnet,  aber  docli  erklärt  nihil  tale  concedi  amplias  pone,  qiiod 
idem  postea  eipotorent  principcs  catholici  omnes  pracsertim  majores,  atljw 
ita  desolarentur  ecciesiae  canonicis  rosidentibus  etiam  loqoitur  ceDBara. 

2)  Oefele  II.  S.  2G0. 

8)  Die  Ordinarien  verlangten,  daß  diese  Mitglieder  ihrer  Kapitel  niglelcll 
im  geistlichen  ]{ate  Sitz  und  Stimme  erhielten,  Albrecht  V.  wollte  aber 
eine  beratende  Stimme  einräum(.*n  (S  u  g  e  n  h  e  i  m  S.  275),  v.  A  r  e  t  i  n, 
ausw.  Verh.  S.  39  f.  (1570). 

4)  z.B.  in  Brandenburg  (Isaacsohn  I,  S.  241). 

5)  Die  Instruktion  von  1541 ,  welche  auf  eine  von  1539  Benig  nimmt 
lindot  pich  im  Kr.  A.  M.  —  Geistl.  Rat  n.  4. 


.^ 


—    511     — 

mit  der  der  nachmaligen  geistlichen  Ratsmitglieder.  Die  prin- 
/il)ielle  Grundlage  des  späteren  Kollegiums  findet  schon  ihren 
Ausdruck  in  der  Generalklausel  der  Instruktion,  welche  die 
Kommission  auffordert,  „soviel  uns  von  unsrer  landes fürst- 
lichen Obrigkeit  wegen  gebtihren  mag  das  beste  und  nütz- 
lichste jedes  orts  zu  handeln",  welche  sie  als  Hüterin  der  herzog- 
lichen jura  circa  sacra  kennzeichnet.  Und  auch  in  den  einzelnen 
Punkten,  welche  die  Instruktion  aufführt,  zeigt  sich  eine  so 
weitgehende  Einflußnahme  auf  das  innere  kirchliche  Lebend» 
(laß  man  nur  mit  Staunen  eine  Ausdehnung  der  staatlichen 
Machtsphcäre,  ein  solches  Hinübergreifen  in  das  Oberaufsichts- 
riicht  der  Bischöfe  wahrnimmt^),  wie  es  in  solchem  Umfange 
den  an  eine  schärfere  Scheidung  der  Grenzen  zwischen  Staat 
gewöhnten  späteren  Generationen  kaum  faßbar  erscheint.  Man 
kann  es  daher  verstehen,  daß  eine  derartige  Ausdehnung  der 
lierzoglichen  Kirchenhoheitsrechte  zu  energischen  Beschwerden 
des  Klenis  führte,  welchen  dann  allerdings  die  herzoglichen  Be- 
hörden durch  eine  systematische  Begründung  der  herzoglichen 
lloliei tsrechte  entgegenzutreten  versuchten^). 

Neben  der  Erforschung  der  Vermögenslage  der  einzelnen 
Pfarreien  und  der  Anordnung  von  auf  Besserung  derselben 
zielenden  Maßnahmen  ward  so  den  Kommissären,  Räten  und 
(iesandtcin  aufgetragen,  Verhalten  und  Tauglichkeit  der  Priester 
7.11  erforschen  "*).     Wenn   nun   auch   die   herzoglichen  Räte  und 

1)  Schon  in  dem  Eeligiousmandat  von  1522  war  den  herzoglichen  Be- 
amten ein  Bcaufsichtigungsrecht  über  das  religiöse  Verhalten  der  Geistlichen 
oin^oniumt,  indem  Vitztume,  Statthalter,  Pfleger  nnd  Bentmeister  alle  Per- 
sonen, auch  Geisthchc,  die  Luther's  Lehre  beipflichteten,  gefangen  nehmen, 
verwahren  und  dem  Herzoge  hierüber  berichten  mnfiten,  und  auch  das  Re- 
lif^onsniandat  1524  bewegt  sich  in  dieser  Richtung,  indem  die  Herzoge 
ctliclie  Kommissarien  verordnen,  welche  samt  den  Amtleuten  die  Religions- 
verl »rocher  erkundigen  und  den  Regierungen  zur  Bestrafung  anzeigen  sollten 
(Winter  II,  S.  324  ff.). 

2)  Eine  Fülle  von  Belegen  für  die  von  den  bairischen  Staatsbehörden 
ausj^'eübten  Befugniese  auf  kirchlichem  Gebiete  gibt  Friedbergl,  S.  188  fL 

'?>)  Friedberg  I,  S.  200  ff: 

4j  ob  er  examinirt  und  zu  der  Seelsorg  .  .  .  treulich  erfunden,  ob  er 
nicht  ooncubinc  und  kinder  habe,  ob  er  sich  nicht  rumorisch  erzeige  .  .  ^ 
p(  hw{»re  oder  fluche,  wie  und  welchen  orten  er  den  Gottesdienst  verrichte,  was 
jeder  für  buch  habe,  welche  Lehrer  er  auf  seine  Predigt  lese  und  ob  er  sich 


—    612    — 

Gesandten  angewiesen  waren,  von  allen  in  dieser  Richtung  vor^ 
gefundenen  Mängeln  den  geistlichen  Kommissären  Anzeige  zu 
erstatten  mit  dem  Ersuchen  um  Abstellung  derselben,  so  wonl 
doch  i^leich  die  Warnung  hinzugefügt,  daß,  wenn  dies  nicht  ge- 
schehe, ilie  Herzoge  nicht  umhin  könnten,  „von  landesherr- 
licher Obrigkeit  Einsehen  vorzunehmen,  dardurch  der  Prie- 
ster ergerlich  Leben  abgewandelt  oder  doch  in  leidliche  Besse- 
rung gebracht  würde ' ),  me  ihnuu  dann  solches  auf  dem  Tag 
2u  Salzburg  zu  verstehen  gegeben".  Der  Staat  hielt  also,  wenn 
auch  nur  subsidiär,  sein  Recht  zum  Einschreiten  in  sulcfan 
dem  rein  kirchlichen  Gebiete  augehörigen  Verhältnissen  Ar 
zweifellos. 

Eine  Petition  des  Prälatenstandes  auf  dem  Landtage  v»D  1&Ö7, 
der  Hersog  möge  ihnen  l — 2  gelehrt  verständige  imd  der  Reli- 
gion wohlgemeinte  Rät  verordnen,  durch  welche  sie  ihr«  Be- 
schwerden stets  zu  seiner  Kenntnis  bringen  köuntcn,  damit  sie 
wüßten,  an  wen  sie  sich  in  solchen  Fragen  zu  wenden  liättco*), 
fand  willfähriges  Gehör  bei  Albrecht  V.  und  bewog  diesen  zur 
Errichtung  des  sog.  „Religionsrats"  ^). 

Während  bisher,  wie  alle  wichtigen  RegieningsaogelegeB- 
lieitcn,  auch  die  Religionssacheu,  insbesondere  die  auf  Gnmd 
der  von  den  herzoglichen  Visitatoren,  unter  deneu  sich  sleU 
einige  Hofräte  befanden,  erstatteten  Flerichte  durchznfUfareodeo 

nach  zu  lokhet  dei  Begensbarger  Otdnang  uod  Aagtburger  SLAbvcUtd 
^mU  halt«,  ...  wie  oft  er  in  der  Woche  tiei  halt«,  wie  oft  ei  la  4« 
Woche  beichte  und  ob  die  Pbrr|[>ut«  dei  üotteidjenttoi  haibar  oicU  B» 
•chweruDg  haben. 

1]  Auf  der  andern  Seite  Mllteii  aber  die  KonunlMtre  daiflber  waolMn,  4al 
dcD  PriesUro  dn  VoUgeonfi  ihrer  R«chto  nicht  guchtnllert  «*rda  nad  dal 
ihnen  von  den  honoglichen  Beamten  atela  der  gebShrende  Schsti  n  tid 
wflrde.  —  Den  KommisBlren  «nrde  «oduu  noch  die  ErforKboag  da«  i^ 
ligjoaen  Verbthcni  der  Rramtra  nnd  Onterthurn  tnr  Pflicht  gamadit  (yri» 
«i«  dch  mit  Bcriehton,  Mrfi*  nnd  PredigthOrcn ,  auch  and«nn 
lichem  TerhalUn,  ob  tie  nicht  ilietielbeD  oft  ohne  Not  DolnUeltn  a 
damit  Argeini»  ittbeo  oder  fieh  hierin  ioD«t  TerSchtUch  fteUtan). 

2)  iMtitag  IGfil  S.  8.1. 

3)  So  liab«n  WOr  berflrto  ReUgioni  Sachen  und  waG  detMlben  : 
tn  alnen  abgeiOnderten  Rath  n  Tractlren  nnd  in  erledigen  fUryniii 
alw  ta  demiolben  lt«lig!on**Rath  |V<tn]rdn«l:  W.  Loach  üoftnaiatar  aUa  Pc^ 
ridenU ;  Dr.  W.  Uand.  Og.  r.  Oonippenbefg,  Dr.  'Seid,  Ot.  0.  Perbtagcr  (lato 
*.S.Okt.l5G7betLipowik7,  Arg^T.  Gtmnbach.  Honehen  1801.  BalLXIIX. 


-    513    — 

Maßregeln  im  Pleuiim  des  Hofrats  behandelt  wurden,  bildete 
man  also  jetzt  eine  besondere  Deputation  von  Hofräten,  die 
nebenher  sich  auch  andern  Hofratsgeschäfteu  zu  widmen  hatte, 
als  eignes  Kollegium.  Diese  Abtrennung  der  kirchlichen  An- 
gelegenheiten von  den  übrigen  Regienmgssachen  durch  die  Bil- 
dung des  Religionsrats  wurde  vom  Herzog  ins  Werk  gesetzt 
sowohl  aus  sachlichen,  als  auch  aus  persönlichen  Motiven. 

Bei  der  Ausführung  des  Gedankens,  die  kirchlichen  An- 
gi.'legenheiten  des  Landes  in  einer  von  ihm  abhängigen  staat- 
lichen l)ehr>rde  zu  konzentrieren  und  eine  solche  zum  Organ 
des  landesherrlichen  Kirchenregiments  zu  machen,  dürfte  dem 
Herzog  (las  Vorbild  der  protestantischen  Länder  vorgeschwebt 
haben  ^),  wo  man  nach  dem  Beispiele,  welches  Kursachsen  mit 
(Uir  Ilrrichtung  des  Konsistoriums  zu  Wittenberg  gegeben 
hatte  (1538)-),  in  den  Konsistorien  besondere  Behörden  zur 
W  ahrnelnnung  der  landesherriichen  jura  circa  sacra  organisiert 
hatte. 

Vor  allem  führte  dazu  die  Wahrnehmung,  daß  die  Religions- 
nder  Glaiiljenssachen  nicht  nnt  gebührendenn  Fleiß  gehandelt 
worden  ^^a]•en.  Die  Errichtung  der  Behörde  wurde  in  der  In- 
struktion von  1557  direkt  auf  die  Absicht  des  Herzogs  zurück- 
geführt, nicht  nur  selbst  bei  der  „alten  wahren  allgemeinen 
ehri>teüli(lien  Religion"  zu  bleiben,  sondern  auch,  soviel  immer 
nioglicli,  diese  im  Fürstentum  zu  erhalten  ^). 

l'enier  war  maßgebend  der  Umstand,  daß  nicht  alle  Hof- 
uite  zur  Beratung  der  kirchlichen  Fragen  qualifiziert  erschienen, 
>owie  die  Absicht,  durch  diese  Trennung  den  überbürdeten 
ll(»frat  zu  entlasten.  So  wurde  einerseits  die  Abwicklung  der 
tii.uh'cheii  Hofratsgeschäfte  nicht  aufgehalten  und  also  die  Unter- 

1)  Vgl.  l.'L'inhard  S.  Ifj. 

-i;  Zorn,  Lelirbuch  des  Kirchenrechts.    Stuttgart  1888.   S.  156. 

3  l)it3  Iiistr.  von  ir)57  fährt  fort:  „Hierauf  dan  unser  ernstlicher  be- 
v(d(li  und  M;üniiii<^  ist,  das  die  yetz  ernannten  unsere  vertrauten  Retho 
und  Diener  über  das,  so  sy  als  zuversichtlich  gewissenhafft  Christen  dem  all- 
meclitit:.!!  ze  laisten  schuldig,  sich  der  beruerten  Glaubens  oder  Religions- 
>.ichou  niit  rechten  Ernst  und  Vleiß  bey  den  Pflichten,  damit  sie  uns  zuc- 
_etl)an  .  .  .  annenien  sollten,  auch  als  was  ihnen  darin  angebracht  und 
lirkonien  wirdet  nacli  allgem.  Christlicher  Ordnung  und  gebrauch  darmit  auch 
unser  junj^^st  uej^a^bno  Declaration  in  nichte  überschritten  werde,  abhandlen 
uiul  rrledi^^en. 

i.     -•  ;i"      ...  «MV  ':  i.  t.tc  .!,  (MT  tlit'.N\.  u.  (1.  Vrrw.-Orif.  Halerns.  I.  oo 


—    514    — 

thanen  zu  Erledigungen  ihrer  Stritt  und  Irrungen  befördert,  ani 
anderseits  die  vorgefallenen  geistlichen  Sachen  nit  v^rschobeB 
und  auf  Erhaltung  der  wahren  katholischen  Religion  allenthalben 
mit  großem  Fleiß  gemerket  ^). 

Albrecht  V.,  welcher  anfänglich  die  Anhänger  der  Lehre 
Luther's  unter  seinen  Unterthanen  mit  großer  Milde  behandelte*X 
ging  später,  wenn  auch  nicht  mit  Feuer  und  Schwert,  wie  sein 
Vater,  doch  mit  schonungsloser  Rigorosität  vor,  um  seine  Lande 
von  der  Ketzerei  zu  säubern^). 

Die  Mehrzahl  der  zum  Religionsrate  Verordneten  erschien 
dennoch  täglich  im  Hofrate  und  haben  so  das  Geistliche  und 
Weltliche  nebeneinander  fürdcrlich  ausgerichtet^).  Aber  nicht 
von  allzu  langer  Dauer  war  die  Existenz  dieses  Religionsrats, 
denn  schon  1559  wurde  er  wieder  aufgehoben  '^X  sei  es  daS  die 
übrigen  Hofräte  auf  ihre  durch  die  Deputierung  zum  Religions- 
rate bevorzugten  Kollegen  eifersüchtig  waren  und  sich  selbst 
die  Erledigung  dieses  wichtigsten  Zweiges  der  Regierungs- 
thätigkeit  nicht  entziehen  lassen  wollten,  also  deren  Beratong 
im  Plenum  des  Hofrats  wieder  anstrebten,  oder  daß  das  Auf- 
treten wichtiger  politischer  Angelegenheiten  dem  Herzoge  eine 
anderweitige  Verwendung  der  angescheusten  Räte  angezeigt  er- 
scheinen ließ,  so  daß  diese  also  nicht  mehr  ihre  Kräfte  den 
Religionsrate  widmen  konnten  **). 

Albrecht  V.  hielt  aber,  wie  aus  der  angeführten  B^^rfla- 
(lung  der  G.Rats-Iustruktion  von  1570  hervorgeht,  die  Behand- 
lung der  kirchlichen  Angelegenheiten  durch  eine  besondere  Be- 
hörde für  das  Zweckmüßigste  und  stellte  deshalb  1570  den  stata 
(]uo   ante  her  durch    Wiedererrichtung  eines  Kollegiums,  de8 

1)  V^rl.  EiD^Dg  der  Instruktion  des  geistlichen  Rats  von  1570  (fi.  Jaajk 
Kopie  im  Kr.  A.  M.  —  Geistl  Rat  n.  4;  auszugsweise  abgedruckt  bei  t.  Frcy- 
berg,  Pragm.  Gesch.  d.  bair.  Gesetzg.  III,  S.  181. 

2)  Über  seine  und  Wilhelms  V.  Stellung  zur  RefonnatioD  TgL  Sufci* 
heim  S.  46  ff 

3)  Vgl  Kluckhohn,  Jesuiten  (Sybel's  Histor.  Zeitschrift  Bd.  A 
S.  355  flF. 

4;  Instruktion  1557. 

5)  l^ies  bezeugt  eine  Verordnung  Albrechts  V.  (1559),  daS  gakÜidM 
Sachen  in  Zukunft  nicht  mehr  bei  der  Deputation,  sondern  im  venammeta 
Flofrat  verhandelt  werden,  citicrt  bei  Friedberg  I,  S.  188. 

6)  Geistl.  llats  Instr.  1570. 


—    515    — 

geistlichen  Rats  („Religions- und  geistlicher  Lehensrat")^.  Das 
Kollegium  wurde  auch  jetzt  zumeist  aus  Mitgliedern  des  Hof- 
rats gebildet,  die  wir  als  ordentliche*)  bezeichnen  können,  zu 
welchen  als  außerordentliche  hinzutreten  die  Theologen  (4  Hof- 
prediger, von  denen  stets  nur  1 — 2  zu  den  Sitzungen  heranzu- 
ziehen waren)  ^).  Nur  in  wichtigen  Sachen  mußte  eine  Plenar- 
l)eratung  stattfinden,  bei  Entscheidung  gemeiner  Lehenssachen, 
(Bewerbungen  um  Pfarreien,  Pfründen  oder  Messen),  sowie  bei 
Abhaltung  der  Examina  waren  die  5  (unten)  zuerst  genannten 
Mitglieder  vom  Erscheinen  in  den  Sitzungen  dispensiert,  damit 
sie  von  ihren  sonstigen  Amtsgeschäften  nicht  allzu  sehr  abge- 
zogen würden.  Dagegen  sollten  sowohl  zu  den  Examinibus,  als 
zu  andern  wichtigen  Beratungsgegenständen  1 — 2  der  Theo- 
logen erfordert  werden,  welche  dann  den  übrigen  Mitgliedern 
gleich  geachtet  wurden. 

Die  Behörde  war  in  erster  Linie  als  ein  Bollwerk  zum 
Schutze  der  katholischen  Religion  gegenüber  der  eindringenden 
n('uen  Lehre  errichtet*)  —  damit  auf  alles  das,  so  zu  erhal- 
tung  unser  waren  christlichen  religion  und  ausreitung  alles  ein- 
j^a'saeten  übls  immer  dienstlich  sein  mag,  allenthalben  fleißig 
{i:esebon  \yerde.  Deshalb  ])ezeichnete  auch  die  Instruktion  als 
eine  Hauptaufgabe  des  Rats  die  Beratung  von  Schutzmaßregeln 
ge^^en  dem  ri)ertritt  der  Unterthanen  zu  Sekten  und  gegen  das 
Minschhjichen  ärgerlicher  Leute  aus  benachbarten  sektiscben 
Orten    und  ähnliche  den  Abfall   vom   Katholizismus    fördernde 

1)  Die  Instruktion  spricht  nur  einmal  bei  Aafzfihlang  der  Mitglieder  des 
Kolle^duins  von  „Keligion-  und  geistlichen  I^henr&ten",  gebraucht  aber  ver- 
einzelt ^  rieli<(ionsrat",  wiederholt  dagegen  den  Ausdruck  „geistL  Rat".  Es 
ist  also  nicht  richtig,  wenn  Lipo wsky  sagt,  dafi  dieser  Ausdruck  zum 
1.  Male  in  der  Instruktion  von  1573  vorkomme,  und  Friedberg  I,  S.  188 
von  einer  1573  erfolgten  Umwandlung  des  Religions-  und  geistlichen  Lehens- 
rats  in  einen  fr»*istlichen  Rat  spricht 

•J)  Ernannt  wurden  zu  stäten  Religions-  und  geistlichen  Lehenräten:  der 
Lanilhofnieister  Graf  zu  Schwarzcnberg,  Kanzler  Dr.  Sim.  Eck,  Kammermeister 
/•'Her,  Dr.  Perbin^er,  Dr.  Elsenhaimer,  der  Dechant  zu  S.  Peter  Pfersfelder,  Gg. 
rauflvirch,  U.  Eisenreich,  der  Kastner  E.  Fend  und  Gg.  Ligsalz  („all  unsere 
Räte"  .     Ständir^er  Sekretfir:  Mag.  Strobl. 

3)  Dr.  .To.  a  Via,  Jo.  Adler,  Gg.  Lauther  und  mag.  C.  Frank. 

4)  Wie  überhaupt  alle  Beamten  in  den  Dienst  dieser  Politik  der  Gegen- 
r.'forniatinn  gestellt  wurden,  ward  schon  mohrfach  erwfihnt,  z.  B.  S.  3L5, 
;;:^7  tV.,  VMk 


—    516    — 

Gefahren.  Bei  der  hervorragenden  Bedeutung  solcher  Fragen 
sollten  bei  Abfassung  eines  Gutachtens  wenn  möglich  alle,  jeden- 
falls aber  der  größte  Teil  der  Räte  und  Theologen  anwesend 
sein.  Dem  Rate  war  sodann  die  Ül)erwachung  der  Vollziehung 
aller  die  Religion  betreffenden  herzoglichen  Verordnungen')  an- 
vertraut. Damit  ging  Hand  in  Iland  eine  strenge  Beaufsichti- 
gung des  Klerus,  welche  sich  durch  eifrige  Handhabung  einer 
Disziplinarstrafgewalt  geltend  machte  ^).  Von  Zeit  zu  Zeit  ward 
den  Beamten  die  strenge  Durchführung  dieser  Mandate  ein- 
zuschärfen. Die  in  dieser  Beziehung  nachlässigen  Beamten 
waren  nach  fruchtloser  Erteilung  eines  Verweises  dem  Herzog 
zur  Bestrafung  anzuzeigen  ^). 

Als  das  hervorragendste  Mittel  zur  Besserung  der  religiösen 
Zustände  des  Landes  und  zur  Abwehr  der  neuen  Lehre  erschien 
dem  Herzog  die  Fenihaltung  aller  unlautem  und  untüchtigen 
Elemente  vom  Klerus.  Das  Ziel  sollte  erreicht  werden  durch 
Hülfe  des  geistlichen  Rats.  Derselbe  (verkleinert,  nur  4 — 5  R&te 
uud  1—2  Theologen)  hatte  solche  Bewerbungen  um  Pfarreien*) 
zu  erliMligen,  über  die  Führung  der  Adspiranten  bei  der  Obrig- 
keit ihres  früheren  Domizils  Erkundigung  einzuziehen,  nachdem 
die  Theologen  dieselben  einem  Examen  behufs  Feststellung  ihrer 
(^ualitikation  zur  Seelsorge  unterworfen  hatten  ^).     Nur  im  Falle 

1)  Wider  das  Auslaufen  zu  sectisehen  Prcdicanten ,  wider  das  Fldseb- 
speisen  an  verljotenen  Taj,'en,  von  Visitation  der  Buchlüdon,  von  Erfordenuig 
der  ärjjerlichen  unj^eliorsanien  Personen  u.  dgl.  in. 

'2.  \V'l.  die  Beispiele  bei  Fri  edb  erg  I,  S.  190  ff.,  223. 

3;  Die  Instr.  1573  bezeichnete  es  als  eine  sofort  in  Angriff  za  oeb- 
inende  Hauptaufgabe  des  g(>istlichen  liats,  aHc  bisher  im  Dracke  e^ 
schienenen,  der  Kvligion  und  Schulen  halber  ergangenen  Befehle,  Mandat« 
und  Ordnung«  n  vorzunehmen,  dieselben  wieder  abzuhören  und  über  etwa  er- 
forderliche VtTb»*M?erungen  Gutachten  zu  erstatten,  sowie  über  die  AngfUhnuig 
derselben  durch  die  <jeistlichen  und  durch  die  Beamten  Erknndigong  ein- 
zuziehen, welche  alljährlich  zu  wiederholen  sei,  weil  man  befindet,  da6  ohne 
lleiljige  Aufachtung  und  Nachforschung  das  Übel  der  Sekten  alsbald  wieder 
über  Hand  nehmen  würde. 

4)  Auch  l^tipendiongciiuche. 

.'3)  ob  sie  zu  ausrii-htung  pfarrlicher  rechten  mit  administratioxi  der  hochv. 
su«rani»'nte,  Verkündigung  huilsamer  cathol.  lehr  und  Verrichtung  des  gOttL 
dienst-?  geMU<"gsam  und  tauglich  seien,  item  was  si  für  pnechcr  lesen  und 
wasi  dergleichen  notwendigen  puncten  mer.  Das  Erfordernis  des 
wiederholt  in  der  Instr.  1573. 


—    517    — 

eines  l)cfriedigCDden  Ergebnisses  des  Examens  und  der  Erkun- 
digung erfolgt,  wenn  das  Präsentationsrecht  dem  Landesherrn 
zusteht,  die  Präsentation  an  den  Ordinarius  und  darauf  die 
\'(*rfügung  des  geistlichen  Rats  zur  Posseßerteilung  durch  die 
herzogliche  Kanzlei  unter  Fixierung  der  jeweils  zu  entrichtenden 
Taxe  durch  den  geistUchen  Rat  ^).  Aber  auch  für  die  Pfarreien, 
bezüglich  deren  den  Ordinarien  selbst,  den  Prälaten,  Edelleuten 
oder  andern  Unterthanen  das  Präsentationsrecht  zustand,  hatte 
dei-  geistliche  Rat  das  landesherrliche  Aufsichtsrecht  wahrzu- 
nc'linien  und  streng  darüber  zu  wachen,  daß  sich  keine  untaug- 
lichen Subjekte  in  die  Pfarrstellen  einschlichen,  denn  Albrecht  V. 
lag  die  strikte  Durchführung  des  Prinzips  am  Herzen,  „daß 
keinem  ungeschickten  ergerlichen  Manne  eine  Seelsorge,  Pfarre, 
lUneticium  oder  Pfründe  in  unserem  Fürstentum  und  Landen 
verliehen  werde"  *).  Hatte  daher  durch  den  Ordinarius  eine 
solche  ungeeignete  Verleihung  schon  stattgefunden,  so  war  die 
landesherrliche  Posseßgebung  zu  verweigern.  Schließlich  wurde 
der  geistliche  Rit  noch  mit  Einrichtung  eines  geistlichen  Lehens- 
biiclis  beauftragt  zur  Abschneidung  der  zwischen  dem  Herzog 
und  den  Ordinarien  wegen  des  Patronats  über  einige  Pfarreien 
schwebcinden  Dift'erenzen,  so  daß  das  Präseutationsrecht  künftig 
feststand. 

l^inc  Neul)esetzung  des  Kollegiums  ward  durch»  die  Instruc- 
tion von  1573  angeordnet,  der  Landhofmeister  schied  ganz  aus 
dem  Verbände  desselben,  als  dessen  Superintendent  nun  der 
Kanzlei'  Dr.  S.  Eck  aufgestellt  ward,  der  aber  nur  in  hoch- 
wiclitigen  (fürnehmsten)  Sachen,  in  welchen  die  übrigen  Mit- 
^Hieder  verschiedener  Meinung  waren,  zu  den  Sitzungen  erfor- 
dert werden  nnißte,  während  die  laufenden,  täglich  fürfallenden 
(ieschafte  unter  dem  Vorsitze  des  Dechanten  von  S.  Peter  als 
„oberen"  erledigt  wurden,  und  zwar  von  4  (3  Hof-,  1  Kammer-) 

1)  Di«'  Räte  sollten  auf  wohlhabende  Pfarreien  besonders  achten,  den- 
selben wenigstens  für  einige  Jahre  die  Entrichtan^  einer  Abgabe  auferlegen, 
deren  (iesamtbetra*^  für  die  Erziehung  junger  Geistlichen  verwendet  werden 

sollte. 

2)  Den  Pfarrern  wurde  daher  eingeschärft,  keinen  Gesell  pries  tor,  Kaplan 
o<l('r  Helfer  aufzunehmen,  der  nicht  vorher  das  Examen  beim  geistlichen  Rate 

bestand»'n  hatte. 


—    518    — 

lläUu'),  welchen  1—2  Cauouici  oder  gelehrte  l'riester*),  die 
uameDÜicb  für  Visitationen  verwendbar  waren,  ac^uDgicrt  Wür- 
den sollten.  Mindestens  zweimal  wöchentlich,  bei  RedUrfats  oodi 
öfters  wurden  Sitzungen  abgehalten^). 

Während  1570  die  regelmäßige  Visitation  der  Pfamäi-n 
und  Klöster  noch  nicht  zu  den  Aufgaben  des  geistlichcii  lUu 
gehörte,  sondern  nur  im  allgemeinen  sämtUchcn  Mitgliedern  ein- 
geschärft wurde,  bei  ihren  gelegentlichen  Reisen  durch  das  lM>i 
auf  Religion  und  Seelsorge  ein  wachsames  Auge  zu  haben  and 
die  wahrgenommenen  Mißstände  behufs  Abstellung  zur  KeDnliiis 
des  Kollegiums  zu  bringen,  hatte  die  Instruction  lö7d  die  Jifar- 
liche  Visitation  als  organische  Einrichtung  in  den  AmtskreU  des 
geistlichen  Rats  eingefügt*).  Überhaupt  bringt  sie  den  Ge- 
danken des  kirchlichen  Polizeiregiments,  wekhes  den  Glauben 
der  Unterthanen  mit  allen  zu  Gebote  stehenden  Mitlein  in  der 
vorgezeichneten  Bahn  halten  will  und  jede  GreuzQberschreitung 
aufs  ernsteste  ahndet,  zum  schärfsten  Ausdruck.  Ua»  Kolle- 
gium wird  so  zu  einem  Centralglaubensrat  für  das  ganze  Land, 
der  durch  viele  Fäden  den  Zusammenhang  mit  allen  Behönlea 
des  Herzogtums  bewahrt  und  mit  dem  religiösen  Zustande  der 
gesamten  Bevölkerung  in  steter  Fühlung  bleibt.  „Sie  boUco 
alle  Rtiligionssachen  unsres  Landes  anstellen",  das  ist  die  üaa^ 
direktive,  welche  der  Herzog  seinen  geistlichen  Räten  gibt,  mit 
er  ihnen  zur  Erfttllung  dieser  ihrer  Aufgabe  auch  das  Recht 


1}  Dr.  FerbiDger,  Dr.  LaoUr,  Dr.  MmUct,  Kanunoirat  Liguli  (i»h>t  dos 
8«ktetlr  Stnbl). 

i)  DieM  gelobten,  in  allati  Sachen  nach  Inhalt  der  h.  Schrift  Im  all- 
gemeinen Ventand  der  chnitlicbeo  Lehrer  nach  im  TriJentinilchm 
aattongea  and  dem  löblichen  Herkommeo  und  Oebraaeb  de* 
Buem  raten  la  wollen.  Einige  (»iitlicbe  Bit«,  welche  BedenkfB  hattM, 
nach  dieier  Fomel  la  irbwOren,  worden  entlaasen  (Lipnwik;). 

3)  Nach  der  Inetr.  1570  hatte  eich  der  g^atUche  Rat  nftiaUif 
Tormittogf  (in  der  alten  Lehnitabe)  tu  roraatnnwlii,  afantmll  andi  DMb- 
niiltagt. 

4)  Die  prieater,  ao  in  der  leelaorg  rerordnet  aefod,  ■owo]  die  olt^m^ 
tsut  alt  laiprieater,  aowol  die  cooperatorM  alt  die  predigor  oad  p£arr«r  aaUm 
doieh  aiQeo  ana  dan  religioniieten  jorlich  tintirt,  die  Urchenoraat,  dll  dir 
sodia  nnd  andere  mit  rlelA  boiiehtip,  diu  mengl  gewendet  t 
nanntiM  oder  *«>cti*chcn  prioetet,  alao  die,  *o  {'oblice  in  eeandalo  li 
dann  angeieigt.  damit  ti  mögen  geatraft  oder   nmeriert  oder  ia  a 


—    519    — 

einräumt,  mit  allen  Landesbehörden  in  Korrespondenz  zu  treten 
und  auch  mit  den  Stiftern,  Klöstern,  Pfarreien  und  allen  Lokal- 
bebörden einen  schriftlichen  Verkehr  über  die  zu  treffenden 
Maßnahmen  zu  unterhalten*). 

Die  Regierungen  haben  auf  Befehl  des  geistlichen  Rats^ 
wenn  dieser  nicht  unmittelbar  die  Ungehorsamen  vor  sich  laden 
und  zur  religiösen  Rückkehr  anhalten  will,  diese  Ermahnungs- 
versuche  vorzunehmen  und  in  ihrer  Eigenschaft  als  Staats- 
behörde diejenigen  Mittel,  welche  die  Abtrünnigen  von  ihrem 
ketzerischen  Treiben  abzubringen  geeignet  scheinen,  in  Anwen- 
dung zu  bringen  •). 

Eine  Kompetenzabgrenzung  für  den  geistlichen  Rat  war 
wegen  der  in  Finanzfragen  konkurrierenden  Zuständigkeit  der 
Hofkammer  notwendig.  Die  Instruction  von  1573  begnügte  &ich 
nicht  durch  Einreihung  eines  Kammerrats  in  den  geist- 
lichen Rat  etwaigen  Kompetenzstreitigkeiten  vorzubeugen,  son- 
dern sie  führte  eine  scharfe  Trennung  durch  zwischen  den  reli- 
^^iösen  und  wirtschaftlichen  Funktionen  durch  folgende  Bestim- 
mungen : 

1)  Bestätigt  wurde  die  schon  1571  vollzogene  Abtrennung 
der  Verwaltung  der  vacierenden  Klöster,  Benefizien,  Kirchen, 
Pfarreien  u.  s.  w.,  welche  schon  vorher  als  „geistl.  GefÄD-Ver-^ 
waltung"  thätig  war  und  nunmehr  als  eine  besondere  Kommis- 
sion betrachtet  werden  konnte. 

2)  Bei  den  Visitationen  der  Klöster  (und  Wahlen)  waren 
die  geistlichen  Geschäfte  durch  die  geistlichen,  die  weltlichen 
(Teniporalien)  durch  die  Kammerräte  zu  erledigen  •'*). 

1)  Dio  Zettel  der  P&rrer,  welche  diese  jährlich  der  sektischen  Pfiurlente- 
halber  ihrer  vorgesetzten  Regierong  flbergeben,  werden  durch  diese  an  den 
geistlichen  Rat  weiter  befördert,  nm  das  Qeeignete  darauf  zu  yerfQgen. 

2)  was  si  auch  für  uDgehorsam,  ergemus»  auslaufen  an  sectische  ort  bei 
bürgern  und  panm,  auch  allen  iren  zugehörigen  in  erfaruog  bringen,  die 
sollen  si  für  sich  vordem  und  vleis  haben  d  davon  wendig  zu  machen  und 
wider  zur  gehorsam  zu  bringen  oder  solches  zu  thun  in  die  regiment  schreiben. 

3)  das  das  geistlich  und  weltlich  auf  den  clostem  nit  confündirt  werde 
und  also  weder  cammer  noch  religionsrat  wisse,  woran  er  sei  und  weil  die 
closter  unser  cammerguet,  so  sollen  darumben  in  temporalibus  die  camerret 
und  die  religionsret  in  ecclesiasticis  disponieren  und  da  si  mengel  in  tem- 
poralibus finden,  dasselb  den  caroerreten  anzaigen,  das  dieselben  alsdann 
Wendung  fumemen  et  e  contra. 


—    ry20    — 


3)  Zur  Prüfung  der  Rechnungen  der  Vermögensverwaltung 
der  Kirchen  wurde  eine  Kommission  aus  2  Kammer-  und  2  geist* 
liehen  Räten  bestellt,  welche  beiden  Teile  gleichlautende  Ver- 
zeichnisse des  weltlichen  Einkommens  haben  sollten. 

Diese  Aufsicht  über  das  Kirchenvermögen  wurde  erst  seit 
Knde  des  15.  Jahrhunderts  vom  Landesherm  im  Interesse  der 
Erhaltung  des  Vermögensstandes  der  Kirchen  in  Anspruch  ge- 
nommen. Das  Organ,  durch  welches  die  bairischen  Herzoge 
diese  Oberaufsicht  über  die  kircliHche  Vermögensverwaltung*) 
ausüben  ließen,  wechselte  mannigfach,  bis  es  1573  zur  Schafiung 
der  ebenenvähnten  Kommission  kam  * ).  Aber  auch  diese  wurde 
bald  wieder  aufgehoben,  zuerst  ein  eigener  Revisionsbeamter 
bestellt  und  dann  1583  die  Rechnungsrevision  der  Hofkammer 
übertragen,  bei  welcher  ohnehin  alle  Beamten  des  Landes  zur 
Rechnungsablage  sich  einfinden  mußten,  nur  daß  bei  Abhörung 
der  Kirchenrechnungeu  2  geistliche  Räte  hinzugezogen  werd^ 
sollten,  um  sich  bei  dieser  Gelegenheit  über  den  Zustand  des 
Kirchenvermögens  zu  informieren,  doch  durfte  diese  RevisioD 
auch  l)eim  geistlichen  Rat  unter  Zuziehung  eines  Deputierten 
diT  Hofkammer  geschehen^). 


1)  Albrecht  V.  betraute  zuerst  die  Hofkammer  mit  dieser  Aufgabe»  welche 
sie  gelej^eutlich  der  Amtsrechnungen  der  Pfleger  und  Landrichter  erledigte^ 
dann  hielt  man  dafür,  daß  dieses  nicht  Eammerarbeit  sei,  sondern  in  deD 
geistlichen  Kat  goiiGre.  Deshalb  schob  man  es  von  der  Kammer  auf  die 
Herren  geistlichen  Kate.  Aber  diese  liefien  dieser  ihrer  neuen  Aufgabe  wenig 
Förderung  augedeihen,  wenigstens  klagt  Fend,  „daß  keiner  der  geisÜiduo 
Häte  den  wenigsten  Finger  hat  daran  legen  wollen,  wie  sie  noch  honte  all^ 
woil  mit  andern  Geschäften,  auch  mit  ihren  Studiis  und  täglichem  Gottee- 
dienst  beladen  sind".  Man  mußte  so  die  Arbeit  Andern,  wie  dem  Dechantes 
von  S.  Peter  und  einem  aus  dem  Hofrate,  aufladen.  Solcher  Modus  fthrte 
zur  Ver(:chle))])ung  der  Re\'ision,  deshalb  sah  sich  Albrecht  yeranlafit  eiaeB 
eignen  Beamten  aufzustellen.  Dieser  bethfitigto  die  Rechnungsabnahme  bis 
zu  Albrechts  Tod,  wo  er  aus  Erspamisrücksichten  entlassen  wurde.  Mit  der 
Rochnungsrevision  wurden  dann  einzelne  Hofräte  im  Turnus  betraut  Aber 
nur  die  Vermrigens Verwaltung  der  Kirchen  im  Rentamte  Mflnchen  eifirente 
sich  von  dieser  Seite  emsiger  Pflege,  während  die  der  drei  Übrigen  BesU 
ämter  vernachlässigt  wurden.  Fend  schlug  deshalb  die  Ememning  eiaee 
Generalkirchpropstes  vor,  welcher  die  Kirchenrechnungen  des  ganzen  Landet 
aufnehmen,  Mängel  ausziehen  und  deren  Besserung  überwachen  sollte^  aber 
der  Vorschlag  fand  keine  Billigung    Bericht  Fend's  L  c. 

2)  Instr.  10.  März  1584  (Kr.  A.  —  Geistl.  Rat  n.  4):  Qaod  ei  neeene 
fuerit    de    rei    domesticae    administratione    tractare    tum    quoqne    aUqab 


—    521     — 

Einige  Jahre  später  wurde  sodann  zur  Verrechnung  der  auf 
(las  kirchliche  Gebiet  sich  beziehenden  Einnahmen  und  Aus- 
gaben ein  Mitglied  des  geistlichen  Rats  als  geistlicher  Kammer- 
nieister  aufgestellt,  die  geistliche  Kammer  als  ein  Annex  des 
geistlichen  Rats  diesem  untergeordnet,  so  daß  Ausgaben  nur 
auf  Ratifikation  dieser  Behörde  geleistet  werden  durften.  1595 
wurde  dem  Rate  und  geistlichen  Kammermeister  Dr.  Lichtenauer 
(une  jährlichi^  Rechnungsprüfung,  und  zwar  rückwärts  bis  zum 
beginne  seiner  Verwaltung  zur  Pflicht  gemacht ;  es  sollten  stets 
]  — 2  von  der  Hofkammer  zu  dieser  Rechnungsrevision  beige- 
zogen werden,  welche  ihre  und  der  Kammer  Moni ta  vorzubringen, 
Milsbräuche  zu  rügen  und  über  Reformen  sich  gutachtlich  zu 
iiußern  liatten  ^ ).  Aber  nicht  lange  währte  dieser  Zusiand,  son- 
dern man  kehrte  bald  wieder  zu  der  Einrichtung  von  1583  zu- 
rück, wie  die  Instruction  1608  darthut*). 

Die  Aufgaben  des  geistlichen  Rats  zerfallen  also  in  4  Haupt- 
kategorien : 

1 )  Wahrnehmung  aller  auf  die  P>haltung  des  katholischen 
Glaubens  gerichteten  landesherrlichen  Anordnungen  in  Kultus 
und  Lehre. 

2)  Mitwirkung  bei  Besetzung  und  Kontrolle  über  die  Ver- 
waltung des  Kirchenamts  und  als  Ausfluß  dieser  Befugnis 

o)  Ausübung  einer  Straf-  und  Disziplinarjurisdiktion  über 
(Irn  Klerus  ^). 

4)  Mitwirkung  bei  der  Kontrolle  der  kirchlichen  Vermögens- 
verwaltung. 

In  der  ersten  Regierungszeit  Wilhelms  V.  setzte  der  geist- 
liche Rat  seine  Wirksamkeit  unverändert  fort.  Erst  als  um  1580 
zur  Erledigung  der  von  den  bairischen  Bischöfen  erhobenen  Be- 

<'x   consilio   camorae   ducalis  adhibeatur,   cujus   prae   aliis  major   usus  esse 
queat. 

1)  Docrct  vorn  11.  Okt  1595  (Kr.  A.  M.).  Es  ist  auffallend,  daß  Li- 
j)  0  w  s  k  y  von  diesem  Dekrete,  welches  die  geistliche  Kammer  schon  als  be- 
stehend voraussetzt,  keine  Notiz  nimmt 


11  (v.  Freyberg,  Pragm.  Gesch.  d.  b.  Gesetzg.  III,  S.  186). 


3)  Unter  den  j^egen  den  geistlichen  Rat  gerichteten  Beschwerden,  welche 
der  Nuntius  1579  und  1580  an  Wilhelm  V.  übermittelte,  figuriert  auch  der: 
lonsiliarii  Ecclesiastici  absque  Sedis  Apostolicae  aut  Ordinariorum  auctori- 
tate  Monachos   aliosque   Sacerdotes  etiam  Praelatos   minores  interdum  per 

aliquot  menses  in  aresto  detinent  (Sugenheim  S.  276). 


—    522    — 


schwerden  KonkordatsYerhandlungen  von  dem  von  Gregor  XtD. 
behufs  Leitung  derselben  nach  München  geschickten  Legaten 
Felician  Ninguarda  geführt  wurden  ^),  verstand  man  es,  bei  dem 
ängstlich  frommen  Fürsten  Gewissensbedenken  zu  erregen  über 
die  Zulässigkeit  der  Wirksamkeit  einer  zumeist  aus  Laien  be- 
stehenden Behörde  *)  in  kirchlichen  Angelegenheiten.  In  seiner 
Gewissensnot  wandte  sich  der  Herzog  an  den  L^aten,  welchem 
er  die  Frage  vorlegte:  „An  dux  habere  possit  tuta  conscieDtia 
conciliarios  ecclesiasticos ;  et  si  possit  —  an  etiam  in  hac  d^i- 
täte  vel  alibi  tribunal  ecclesiasticum  institui  liceat,  coram  quo 
tractentur  causae  ecclesiasticae''  ^).  Die  Antwort  fiel  dahin  ans, 
daß  eine  Verwendung  der  geistlichen  Räte  zulässig  sei  in  all* 
gemeinen  Gewissensfragen,  bei  Ausübung  des  Präsentation^-  und 
Patronatsrechts,  behufs  Ermahnung  der  Prälaten  zur  guten  Ver* 
waltung  ihrer  Temporalien,  zur  Beiordnung  weltlicher  Kommis* 
Scäre  bei  den  Visitationen  der  Ordinarien,  sowie  in  Streitigkeiten 
der  Geistlichen  mit  Laien  ^).  Dagegen  wurde  dem  geistlidiea 
Rate  die  Befugnis  zur  Entscheidung  der  unter  den  Geistlichai 
entstandenen  Streitigkeiten  vollständig  aberkannt^).  Der  Bericht 
der  Konkordatskommission  (1582)  dagegen  sprach  sich  ganz  an* 
eingeschränkt  zu  Gunsten  der  Fortdauer  einer  eigenen  Behörde 
zur  Besorgung  der  kirchlichen  Angelegenheiten  aus').    Durch 


1)  Friedberg  I,  S.  198;  vgl.  über  die  fortgesetzten  gniTaiiuiia  dv 
bairischen  Diözesen  (1582—3)  nnd  die  5jfthrigen  Verhandinngen  der  Koa- 
kordatskommission,  die  1583  znm  Abschlüsse  des  Eonkordatea  Ahrten,  ibid. 
S.  2(K)  ff,  213  t 

2)  Der  Herzog,  welcher  anfangs  die  ihm  zustehenden  IQrefaenhohdli» 
rechte  mit  Energie  vertrat»  liefi  sich  durch  den  Nontins  bedenklieh  mertu, 
ob  die  fest  behaupteten  Rechte  nicht  dereinst  sein  und  der  ünterthaMB 
Seelenheil  gefährden  konnten  (Friedberg  I,  S.  213). 

3)  V.  Freyberg,  Gesch.  III,  S.  182. 

4)  Über  die  durch  den  Nuntius  vorgebrachten  Klagen  gegen  den 
liehen  Kat  (1579  und  80)  vgl  Su  gen  heim  S.  276. 

5)  V.  Freyberg,  Gesch.  III,  S.  331. 

6)  Bericht  (Fr  iedberg  II,  S.  835)  n.  XIX:  Longe  rero 
modus,  et  rerum  Ecclesiasticarum  curandarum  habitus  est,  et  eipcito^  ei 
jam  ro  ipsa,  ut  Senatus  instituatur  ecclesiasticus  proprius  eertot  et  ab  ohb 
reliquorum  negotiorum  strepitu  scjnnctus.  Atque  hie  praeterea,  qnae  peeoli^ 
riter  huc  pcrtinent,  utpote  possessiones,  sacerdotum  ezamina,  pimelttoraBi  ei 
opiscoporum,  ubi  ab  officio  cessaverint  admonitiones,  visitationet 
et  instituendas  et  quidquid  denique  ad  jus  patronatus  spectat»  etiam  in 


—    523    — 

eine  Instruktion  von  1584^)  ordnete  darauf  der  Herzog  eine 
Ileorganisation  des  geistlichen  Rats  an,  vermehrte  die  Anzahl 
der  Räte,  damit  nicht  durch  eine  zu  geringe  Besetzung  die  Er- 
ledigung der  Geschäfte  verhindert  würde.  Neben  3  Theologen 
wurden  auch  jetzt  der  Kanzler  und  noch  3  juristische  Räte  *) 
in  das  Kollegium  deputiert,  damit  alle  juristischen  Fragen  von 
ihnen  einer  sachgemäßen  Erörterung  unterzogen  würden.  Eine 
Plenarsitzung  sämtlicher  Kollegialmitglieder  sollte  auch  jetzt 
nur  bei  der  Entscheidung  hochwichtiger  Angelegenheiten  statt- 
finden —  simul  omnes  nunquam  vocabuntur  nisi  ad  causas  gra- 
vissimas.  So  wurden  die  Räte  in  ihren  übrigen  Funktionen 
nicht  allzu  häufig  gestört.  Zur  Bearbeitung  der  laufenden  Ge- 
schäfte hatten  sich  aber  einer  der  Juristen,  die  Theologen  und 
der  Sekretär  wöchentlich  1 — 2mal  zu  regelmäßigen  Sitzimgen 
einzufinden,  eventuell  wurden  außerordentliche  Sitzungen  an- 
])eraunit.  Der  Präsident  des  Kollegiums  sollte  jeweilig  vom 
Herzog  ernannt  werden  mit  der  Befugnis  der  Bestätigung  der 
in  des  Herzogs  Abwesenheit  gefaßten  Kollegialbeschlüsse.  So 
ist  allerdings  die  Behauptung  von  dem  Zugeständnisse  der  Um- 
bildung des  geistlichen  Rats  insofern  richtig,  als  die  Erledigung 
der  regelmäßigen  Arbeiten  einer  Majorität  von  Theologen  zu- 
gewiesen wurde,  dagegen  war  keineswegs  eingeräumt  worden*)^ 
(laß  das  Präsidium  stets  einem  Geistlichen  übertragen  werden 
müsse. 

Eine  p]rweiterung  seiner  Kompetenz  erfuhr  der  geistliche 
Rat  1590,  wo  ihm  alle  Universitätssachen  überwiesen,  und  1592, 
wo  ihm  alle  Kommissionen  zu  den  Prälatenwahlen  übertragen 
wurden,  welche  bislang  vom  Hofrate  resp.  in  den  3  äußeren 
Rentämtem  von  den  Regierungen  besorgt  worden  waren,  damit 
künftighin  der  geistliche  Rat  einen  unmittelbaren  Einblick  ge- 
wänne in  die  Klosterzucht  und  den  Vennögensstand  der  Klöster*). 

scientiac  casibus  aderit  principibus.  —  Nanüas  Ap.  ipsaqae  censora  senatom 
occle8iasticum  admittant,  ex  qao  potisummn  achnoneantar  ordinarii  de  of- 
ficio, ipseque  Dux  sabinde  accipiat  connlia. 

1)  Kr.  A.  M.  -  GeistL  Rat  n.  4. 

2)  Theologen:  Propst  Dr.  Laather,  Lic.  Franz  und  Diether,  Canonici 
uns  1.  Frau;  Juristen:  au£er  dem  Kanzler  Dr.  Gailing,  Dr.  Eborlin  und 
Dr.  Grünberger,  ferner  Sekret&r  Haberstock. 

3)  So  Sugcnheim  S.  279. 

4)  Lipowsky. 


—    524    — 

Aber  nicht  unangcfochteu  konnte  der  geistliche  Rat  im 
letzten  Dezennium  des  16.  Jahrhunderts  seine  Existenz  fort- 
setzen. Der  zerrüttete  Stand  der  bairischen  Finanzen  machte 
Ei-spamisse  an  allen  Enden  zur  gebieterischen  Pflicht  Die  Hof- 
kammer als  oberste  Finanzbehörde  des  Staates  hatte  von  diesem 
Standpunkte  aus  die  ganze  Verwaltung  des  Landes  zu  kon- 
trollieren, wie  ja  auch  heute  dem  Finanzministerium  in  allen 
Ländern  ein  maßgel)ender  Einfluß  auf  die  gesamte  Staatsver- 
waltung eingeräumt  ist,  der  bei  Aufstellung  des  Budgets  zur 
Erscheinung  kommt. 

Die  Hofkammer  war  es,  welche  die  ganze  bairische  Be- 
hördenorganisation unter  Wilhelm  V.  einer  einschneidenden 
Kritik  unterzog,  Reformvorschläge  dem  Herzog  unterbreitete 
und  so  über  Sein  und  Nichtsein  einzelner  Organe  ein  begut- 
achtendes, allerdings  nicht  entscheidendes  Wort  zu  sprechen 
hatte.  Diese  sprach  sich  nun  für  eine  Aufhebung  des  geist- 
lichen Rats  und  für  Überweisung  seiner  Geschäfte  an  den  Hof- 
rat aus  *)• 

1)  In  dem  Bodenkon  der  Hofkammer  (das  Schriftstück  ist  nicht  dmtaeii 
stammt  aber  wahrscheinlich  aus  dem  Jahro  1593  [R.  A.  —  FünteiuMdieB 
II  spec.  lit  C  fasc.  35  n.  419];'  wird  eine  Aufhebung  des  geistlichen  Batt- 
kollegiums  und  eine  Übertragung  der  Funktionen  desselben  an  den  Hofinft 
begutachtet.  Wenn  auch,  heiüt  es  in  dem  Berichte,  beim  geistlichen  Bäte 
nicht  mehr  als  0  besoldete  und  unbesoldete  Mitglieder  gehalten  würden,  ei^ 
schiene  es  doch  aus  allerhand  Ursachen  nicht  ratsam,  viele  absonderficha 
Kät  zu  halten.  Dieweil  dann  der  geistliche  Rat  erst  bei  wenig  Jahren  alM 
in  esse  gekommen  und  derselbe  außer  Visitierung  der  KlOster  und  Rf^w^*» 
der  Priester  keine  sonderbare  Verrichtung  habe,  sondern  die  allda  einkoB- 
menden  Sachen  gemeiniglich  also  beschaffen,  daß  sie  außer  Znthun  des  Ho^ 
rats  niclit  wohl  könnten  erledigt  werden  und  vor  Jahren  die  geistlichen  Bite 
allda  ihre  Sessionen  gehalten .  .,  so  könnte  os  der  Hofkammer  Erachten  nach 
wi«'der  auf  solche  Weise  dirigiert  werden.  Dieses  Ziel,  Wiedenrereinigniig 
des  «geistlichen  Rats  mit  dem  Hofrat,  also  Rückkehr  zum  früheren  Zottandfl^ 
wurde  noch  scharfer  betont  in  einem  andern  Gutachten  (R.  A.  —  FflntflB- 
saohen  Generalia  fasc.  I  n.  19  [Gutachten  wegen  Reform  des  Hofstaats  1588]]. 
Es  wird  darauf  gehalten,  wird  in  diesem  ausgeführt,  daß  der  geistliche  Bat 
vom  Hufrate  nicht  zu  separieren,  wie  es  denn  von  Alter  her  so  gewesen  und 
die  Distractiones  und  Absondi^rungen  der  Rfite  nicht  gut  noch  sor  sehleo- 
niiren  Expedition  der  Sachen  befürdersam,  zudem  die  meisten  Sachen,  welche 
im  geistlichen  Rate  vorkommen,  so  beschaifen  seien,  daß  sie  darch  Mitte  des 
Hofrats  zu  verricliten,  so  würden  auch  ohnedies  außer  den  gcisilichen  noch 
die  andern  Räte  außer  dem  Hofratc,  zum  geistlichen  Rate  gezogen  ...  Ei 


J 


—    525    — 

Der  Vorschlag  fauil  aber  nicht  die  Billigung  des  Herzogs. 
Die  Resohition  auf  denselben  lautet:  „Der  geistliche  Rat  bleibt 
wie  bisher  Herkommen '^  Wilhelm  V.  selbst  legte  auf  die  Bei- 
Ijchaltung  des  geistlichen  Rats  großes  Gewicht  und  begleitete 
eigenhändig  ein  auf  Abschaifiing  desselben  lautendes  Gutachten 
mit  der  Bemerkung:  „Ist  weitt  fliell.  d.  geistl  räth  soll  und 
miiLs  ])leil)en,  denen  mag  man  wie  bisher  zuordnen"').  Diese 
Entscheidung  muß  auch  als  eine  sachentsprechende  bezeichnet 
werden.  Denn  die  Wiederherstellung  des  früheren  Zustand(^s 
hätte  zweifellos  einen  unheilvollen  Rückschritt  bedeutet.  Nichts 
wäre  unrichtiger  gewesen,  als  da  fiskalische  Gesichtspunkte  als 
ausschlaggc^bend  in.s  Gewicht  fallen  zu  lassen,  wo  die  wichtig- 
sten Iloheitsrechte  der  Staatsgewalt  in  Frage  waren.  Hätte 
man  dem  Gutachten  folgend  einige  Kategorien  der  zum  Ressort 
des  Kolh^giums  geh(*)rigen  Gegenstände  lediglich  den  Geistlichen 
zur  Bt^ratuiiii:  überwiesen,  so  würde  man  diese,  welche  doch  auch 
ihren  Ordinaric^n  verpflichtet  und  untergeordnet  blieben,  in  eine 
unhaltliare  Zwangslage  versetzt  haben,  da  eine  einseitige  Be- 
urteilung auch  nicht  im  staatlichen  Interesse  gelegen  wäre. 
Anderseits  würde  eine  Verweisung  der  geistlichen  Ratsgeschäfte 
an  das  Hofratsplenum  den  Geschäftsgang  nicht  beschleunigt, 
sondern  im  (legenteil  verzr)gert  haben,  denn  für  die  Mehrheit 
«ler  MitglitMler  dieses  Kollegiums  wäre  die  Beratung  der  kirch- 
lichen Angelegenheiten,  die  so  nur  eine  geringe  Zahl  in  Anspruch 
nalini,  eine  Zeitvergeudung  gewesen  sein,  die  sie  nur  an  der 
Ilrledigung  ilirer  übrigi^n  Amtsverrichtungen  gehindert  hätte. 
i)ei  der  iiohen  r>edeutung,  welche  die  jura  circa  sacra  für  die 
Ijitwicklunu   des  Staatslebens  hatten,   war   eine  besondere  Be- 

kr.nin'  ja  alle  Zeit,  wenn  solcho  Sachen  vorfallen,  die  mero  spirituales  und 
•  lic  iniinodiatc  un<l  allein  für  Geistliche  gehörten,  das  doch  gar  selten  ge- 
scliclx'.  ein  sonderbarer  Rat  den  Geisthchen  allein  angesagt  werden  und  auch 
auf  diese  Weise  iiobon  V(»rhütung  vieler  Konfusion,  Gewinnung  der  Zeit  und 
Ersparuii*,'  doppelter  Arbeit  alles  in  bessere  Ordnung  gesetzt  und  fürderlich 
expt^liert  w(  rdeii.  Den  Geistlichen  allein  sollte  in  flrfaUenden  Sachen  und, 
wenn  noti;:,  im  Hofrat  angesagt  werden,  welches  im  Ermessen  des  Hofirats- 
präsiib'nitn  oder  Kanzlers  stünde  iR  A.  —  Fürstensachen  Gen.  läse.  I  n.  19). 

1)  IL  A.  --  H  u.  1  S.  lOÜ  f.  Der  Gutachter  meinte,  weil  doch  ohnehin 
i^ei'ulares  zum  ^'eii^tlichen  Hat  gehörten,  konnten  die  geistlichen  Sachen  im 
JltdVat  expediert  werden  .  .  .  und  es  sollte  kein  Hofrat  vorhanden  sein,  der 
nielii  zui^'leich  im  f^Tistliclien  Rat  verwendet  werden  könnte. 


—    526    — 

hörde  als  Organ  zur  WahruDg  derselben  erforderlich.  Ein  solches 
besonderes  Organ  des  landesherrlichen  Kirchenregiments  war 
auch  am  ehesten  geeignet,  Grenzüberschreitungen  von  beiden 
Seiten  hintanzuhalten  und  ein  friedliches  und  erfolgreiches  Za- 
sammenwirken  beider  Gewalten  zu  ermöglichen.  Zugleich  wurde 
die  Gleichmäßigkeit  in  der  Behandlung  einschlägiger  Fragen 
durch  die  Übung  der  sich  regelmäßig  mit  denselben  beschftfti- 
den  sachkundigen  Räte  gewährleistet.  So  sprach  das  staatliche 
Interesse  für  eine  Ablehnung  des  Vorschlags  der  Hofkammer. 
Selbst  ein  so  strenggläubiger  Fürst  wie  Wilhelm  V.,  der 
mit  schonungsloser  Energie  für  die  Aufrechthaltung  des  katho- 
lischen Glaubens  eintrat  und  sich  stets  als  ein  warmer  Fremid 
der  Kirche  bewährte,  wachte  über  die  ihm  als  Landcsherm,  als 
Schutz-  und  Lehensherrn  der  Kirche  zustehenden  Befugnisse, 
bediente  sich  aber  des  geistlichen  Rats  nicht  nur  als  eines 
Organs  zur  Verwaltung  seiner  Kirchenhoheitsrechte,  sondern 
suchte  in  ihm  einen  treuen  Beistand  für  seine  auf  Erhaltung 
des  Katholizismus  gerichteten  Bestrebungen  zu  finden.  Aber 
auch  Übcrgritfen  und  Nachlässigkeiten  dieser  Behörde  trat  er 
mit  scharfem  Tadel  entgegen,  wofür  das  in  der  Anmerkung  mit- 
geteilte Dekret  einen  duirakteristischen  Beleg  bietet 0,  in  welchem 

1)  Auf  der  Rückseite  der  undaüerton,  wahrscheinlich  an  den  Lmndho^ 
meistcr  gerichteten  Schriftstücks  (Kr.  A.  GeistL  Rat  n.  3)  steht  Verzetchimf 
ottlicher  Pancten,  welche  den  herm  geistl.  Reten  sein  fllrgehalten  worden^  ii 
denen  inen  cttliche  Ire  unbeschaidenheiten  vereisen,  lesüich  noch  ettüdw 
herm  sambt  ainem  der  praesidiro  zuegeomdt,  daneben  anch  ain  andere  in* 
struction  aber  die  erste  znegestellt  worden.  Herzog  Wilhelm  hat  una  BefeU 
gegeben  .  .  e.  1.  als  ihren  geordneten  geistlichen  Rat  zn  erfordern  und  dea- 
selben  folgende  Punkte  vorzuhalten: 

1.  . . .  Daß  Ihr  wisset,  mit  was  großem  Eifer  und  emsiger  hocbangelagener 
väterlicher  Fürsorge  und  Fleiß  Ihre  fürstL  Gn.  unter  andern  ihres  FtlziteB- 
tums  schweren  Obliegen  und  Sorgfältigkeiten  sich  aufs  äufierste  befletten» 
damit  in  Ihren  .  .  Landen  nit  allein  die  anerbte  alleinseeligmacbende  cafth. 
Religion  erhalten,  sondern  daß  auch  künftig  dahin  getrachtet  würde,  dal  aaf 
die  Einreißung  aller  ketzerischen  Lehr,  dadurch  die  vertreulicbe  ESntricliti^ 
keit  und  Zusammensetzung  in  geistlichen  und  weltlichen  Sachen  biaher  ser- 
trennt  gestanden,  cxstirpirt,  zu  Boden  gestürzt  und  aasgetilgt  werden  mOcfata 
und  entgegen  aller  christlichen  Ehrbarkeit,  Zucht  und  Wohlstand  sowohl  bei 
den  Geistlichen  als  Weltlichen  erbaut  und  an  denen  Orten  im  Lande^  darin 
die  geistlichen  catholischen  Ceremonion  bisher  schlechtlich  and  fabrllssig  ge> 
halten  worden,  wieder  von  neuem  verbessert^  verpflanzt  und  erdg^lt^  daft  auch 
die  scandala  aller  Möglichkeit  nach  bei  den  Geistlichen  an  Leben,  Lehr  and 


^ 


—    527     — 

er  die  geistlichen  Räte  in  derb  zurechtweisendem  Tone  an  ihre 
Pflichten  erinnert  und  zum  Fleiße  anspornt  in  den  Dingen,  von 


Sitten,  Thun  und  Lassen  abgestellt  und  also  durch  den  Segen  des  Allmftch- 
tigen  in  geistlichen  und  weltlichen  Sachen  gute  und  Gott  wohlgefällige  Zucht 
und  Ehrbarkeit  in  dem  Fürstentum  erhalten  und  auf  dafi  kein  Mangel,  was 
zur  Fortsetzung  eines  so  hoch  nötigen  Works  inmier  ersprießlich,  haben 
I.  f.  GvL  anfangs  einen  geistlichen  Rat  erkiest,  durch  welchen  er  treuen  Bei- 
stand, Fürsichtigkeit  und  vernünftiges  Aufsehen  .  .  .  und  dadurch  L  £  Gn. 
verhofft  haben  Alles  desto  beständiger  zu  continuiren,  wie  denn  L  f.  Gn.  mit 
zeitlichem  Rate  eine  Instruction  fQr  den  geistlichen  Rat  haben  verfassen  und 
den  Verordneten  überantworten  lassen. 

2.  Wie  und  was  gestalt  aber  erstgemelter  Instruction  nachgesetzt  und  wie 
weuig  L  f  Gn.  mit  ihrer  so  väterlichen  wohlmeinenden  äußersten  Bemühungen 
ausgericht  und  erlangt  und  wie  gering  die  Folge  .  .  .  und  was  mafien  die 
Sachen  schier  je  länger  je  mehr  in  allerlei  Zerrüttigkeit  geraten,  das  geben 
die  exempla  hin  und  wieder  im  Lande  zu  erkennen  und  ist  aus  vielen  ver- 
loffonen  Handlungen  und  sonderlich  aus  etlichen  neulich  Jahre  her  vor- 
«,'efalleüer  hochbesorglicher  und  schädlichem  Beginnen  offenbar,  halten  L  t  Gn. 
auch  nit  für  das  geringste  Verursachen,  daß  entweder  die  anbefohlne  Punkten 
;,'ar  nit  angerührt  noch  in  einigen  effectum  gezogen  oder  da  etwan  je  ein 
Paar  großer  vorsehender  Not  halben  nit  umgangen  mögen  werden,  dafi  man 
dannit  so  frigide  und  kaltsinnig  fortgeschritten,  dafi  es  schier  nützlicher  ge- 
wesen, solchen  gar  nit  zu  attentieren  dann  also  tepide  mit  den  Sachen  um- 
zugehen. Und  obwohl  L  f.  Gn.  dergleichen  begangenen  Saumseligkeit  in 
tjpecio  auch  derselben  nicht  wenig  benennen  möchten,  stellen  L  f.  Gn.  doch 
(lies  Mal  ein  darum,  dieweil  I.  f  Gn.  verhoffen,  nachdem  derselbe  dies  Werk 
mit  so  väterlicher  Sorgföltigkeit  und  hohem  Eifer  angelegen  sein  lassen,  es 
werden  die  verordneten  Kate  billig  auch  in  ihr  Gewissen  gehen,  diese 
»Sachen,  daran  ihr  und  ihrer  Nächsten  äeelenHeil  fümehmlich  gelegen  zu 
Herzen  und  Gemüt  führen  und  nach  dieser  Erinnerung  einen  mehreren  Fleiß 
erzei^^en,  wie  dann  I.  f  G.  dieselben  darzu  zum  höchsten  hiermit  ermahnt 
will  haben. 

Es  könnten  I.  f.  G.  nit  umhin  derselben  bisher  verordneten  geistlichen 
Räten  anmelden  zu  lassen,  daß  Sie  sich  zu  berichten  haben,  was  die  geist- 
lichen Kate  vor  wenig  Monaten  auf  ein  fürstliches  Decret  eines  Pfarrers 
ärgerliclien  Wandels  halber  an  sie  die  Räte  ausgangen,  eine  Sehrift  gelangen 
lieDen,  in  welcher  sie  nit  allein  das  Decret  durch  allerlei  unnotwendige  Spitz- 
tindi^'keit  zurück  wollen  treiben,  ja  dasselbig  also  weitläufig  und  ganz  un- 
bescheiden disputieren,  daß  aus  solchem  Schreiben  mehr  ein  Aufblasen  ihnen 
ijelbs  für<,'enuiiinieno  ungebührende  Hochheit  als  geistlicher  Leut  erheischende 
Demut  erscheint.  Und  weil  denselben  keineswegs  gebührt  I.  f.  G.  mit  der- 
^'leichen  Schriften  vermcssenlich  zu  behelligen,  viel  weniger  der  Fürsten 
Decreta  uuziemlichermaßen  derselben  Autorität  gegen  ihren  Landesfürsten, 
Patron  und  Schutzherm,  von  welchem  ihnen  alle  Gutthaten,  Gnad  und  Wohl- 
fahrt zugestanden    zu  erzeigen   und   noch  über  das  also  unbedächtlich  dero 


—    528    - 

welchen  ihr  und  ihrer  Mitmenschen  Seelenheil  abhänge,  und 
ihnen  ihre  Unbescheidenheit  mit  drastischer  Schärfe  vorhält. 

An  der  Organisation  des  geistlichen  Sats  wurde  aach  in 
den   ersten  Regierungsjahren  Maximilians  nichts  geändert,  bis 

Wort  auf  die  Wag  zu  legen ,  die  za  interpretieren  and  ihres  Gefidleof  «ine 
Declaration  zn  machen,  ja  an  hocbemanntem  unserm  gn.  Herrn  xn  begebno» 
derselben  mit  eigner  fQrstl.  Hand  unterschriebne  Decreta  xa  ftndenit  «dkii' 
heben  nnd  gleichsam  eine  Abbitt  zn  than  und  was  dergleichen  Unbescheiden- 
heit mehr,  welches  Alles  sich  I.  f.  G.  bei  ihnen  keineswegs  verseben  und 
also  nicht  unbillig  ob  solcher  geübter  Ungebühr  ein  nngnftdiges  IGibllei 
tragen.  Dann  ob  man  schon  mit  der  Jurisdiction  ordinariorum  beschöiwi 
und  Ausflucht  suchen  will,  hält  es  doch  den  Stich  nit»  dann  wissenilicbt  dal 
der  überreichten  Instruction  nicht  einverleibt^  welches  angezogner  Jnrisdietioi 
zuwider  und  vermeinen  I.  £  G.  gänzlich,  wann  derselben  geistlichen  Bftt  Acta 
und  vor  wenig  Jahren  ergangene  Kxpeditiones  durchsucht,  es  würde  bald  aa 
Tag  kommen,  daß  man  wohl  andere  Sachen  gebilligt,  recht  und  gut  gebfliia 
als  oftgemeldte  Instruction  mitbringt. 

Gleichergestalt  haben  sich  I.  f.  G.  zu  erinnern,  dafi  gleichwohl  deraen»« 
geistlichen  Käte  ander  Orten  sowohl  als  in  ihrer  Hauptstadt  unser  Stift  all- 
hie  mit  geistlichen  Gottesgaben  versehen,  aber  doch  die  Pflicht,  dandt  M 
unsenn  gnädigsten  Herrn  zugcthan,  dadurch  nit  aufgebebt  wissen,  auch  dal 
sie  mehrteils  zu  solchen  Gottesgaben  von  I.  f.  G.  hochrerehrten  Vordten 
und  dann  I.  f.  G.  selbst  befürdert,  darum  I.  f.  G.  desto  weniger  zn  Terhoffim, 
daü  I.  f.  G.  halben  an  andern  Orten  was  Spöttlichs  oder  Schimpflieha,  wis 
das  unbedächtlich  Schreiben  mitbringt,  ihnen  begegne,  sondern  daft  Toa 
r.  f.  G.  wegen  hoher  als  vielleicht  sonst  Euem  Personen  beschefaen,  g^ 
halten,  wie  wohl  als  geistlichen  Leuten  also  auf  ihre  Autoritftt,  hohes  An- 
sehen und  weiü  nit  was  dergleichen  weltliche  Begierden  Achtunfj^  tu  bab« 
.rezieme  V  Das  geben  I.  f.  G.  Euch  selbst  zu  erwägen  und  wollen  hierbei  aod 
nit  weitläufig  ausführen,  mit  was  Gnaden  Ihr  eine  Zeit  Herr  samentlicb  bc^ 
dacht  worden,  dann  es  mäniglich  bewußt,  was  I.  f.  G.  zu  Zierung  und  Be- 
rcicheruni;  Eurer  Personen  immer  thun  mögct,  daü  es  nit  unterlassen  werde, 
^vie  dann  I.  f.  (i.  fast  alle  derselben  geistliche  Lehen  mehreronteils  aof  Eocb 
gnädigst  gewendet,  ob  nun  I.  f.  G.  Beförderung  keines  andern  unterthAnigeB 
Danks  würdii;  als  daß  Ihr  gh-ichsam  dem  gemeinen  Sprüchwortc  nach  L  £  6. 
don  Strulisack  für  die  Thüre  sollte  werfen,  den  Ratsdienst  dazu  Ihr  obligicft 
Eures  Gefallens  schimpflich  auf-  und  abkünden,  das  hat  ein  jeder  Vernflitf* 
tiger  zu  erkennen  und  möchten  vielleicht  I.  f.  G.  nicht  unzeitig  bewegt  werdea 
etliche  aus  Euch  ihres  Gebiets  doch  zu  I.  f.  G.  Gelegenheit  zn  ge  wehren» 
damit  si  erführen,  wasgestalt  ihr  Dienstherr  von  ihnen  zu  respektieren  and 
1,'rsacli  L'<^'winne  hinfüran  der;rleiohen  Unbescheidenheit  nit  mehr  la  ge- 
brauchen, sondern  da  sie  bt'i  I.  f.  G.,  wob.-hes  dann  Niemand  gewehrt  wu 
Notdurft  fürzubriiigon  hätten,  daQ  es  sulchermaüen  geschehe  als  ihnen  gegen 
ihrt-u  Landesfürsten.  Patron  uuil  Schutzherrn  wohl  gebührt  —  — 


^^ 


—    529    — 

m 

eine  Geschäftsüberhäufung  zu  einer  Vermehrung  des  Personals 
und  zu  einer  neuen  Instruktion  1608  Veranlassung  bot^). 


§38. 
Die  Anfange  des  Eriegsrats. 

Eine  der  jüngsten  unter  den  Behördenschöpfüngen  des  J6. 
Jahrhunderts  ist  die  Centralstelle  für  die  Militärverwaltung,  der 
Kriegsrat,  welcher  1583^)  ins  Leben  trat,  und  zwar  nach 
dem  Vorbilde  des  1556  für  die  österreichischen  Erblande  von 
K.  Ferdinand  I.  gegründeten  Hofkriegsrats  •),  dessen  Instruk- 
tion*) die  Grundlage  für  die  erste  des  bairischen  Kriegsrats 
gebildet  hat. 

Das  Bedürfnis  nach  einer  einheitlichen  Leitung  des  Heer- 
wesens machte  sich  bei  den  kriegerischen  Gefahren  der. Zeit 
energisch  geltend.  Man  mußte,  um  sich  nicht  durch  drohende 
Vorkommnisse  überraschen  zu  lassen,  vorsorglich  auf  Organi- 
sierung aller  Kräfte  des  Widerstands  bedacht  sein.  Weil,  wie 
Herzog  Wilhelm  in  einem  Beeret  (1582?)*)  sagt,  bei  diesen 
geschwinden  und  gefährlichen  Läufen  unvorhergesehene  Über- 
fülle vorkommen  können,  wodurch  großer  unwiederbringlicher 
Schaden  entstehen  könnte,  wolle  er,  daß  man  ehe  die  Not 
gleich  vor  der  Thüre  auf  Mittel  gedenke,  wie  Land  und  Leute 
gegen  solchen  unvorhergesehenen  Überfall  und  Krieg  geschützt 
werden  könnten;  deshalb  befehle  er  dem  Landhofmeister  Graf 
zu   Schwarzenberg ,  dem  Hofmarschall  Marquard  Freiherr  zu 

1)  Hervorzuheben  ist  noch,  dafi  die  Errichtung  des  bairischen  Beligions- 
rats  vomiutlich  auch  den  Anstofi  gab  zur  Qründung  des  Osterreichischen  geist- 
lichen Iiats  durch  Maximilian  IL  1564— 76,  welcher  sowohl  die  res  ecclosia- 
sticas  et  religioncm  concementes  im  Reiche  als  in  den  Erblanden  zu 
bearbeiten  hatte  und  zur  Hälfte  aus  Geistlichen,  zur  Hälfte  aus  weltlichen 
Katen  gebildet  wurde  (Status  particularis  regiminis  Ferdinandi  ü.  1635  p.  82). 

2)  Er  wurde  nicht  erst  von  Maximilian  L  begründet  Der  Erlafi  von 
1620,  welchen  Sejdel  I,  S.  68,  als  Gründungsakt  auffafit,  bezweckte  nur 
eine  Reorganisation  des  inzwischen  wieder  eingegangenen  Kollegiums. 

3)  Vgl.  über  diesen  Rosen thal,  Behürdenorg.  S.  94  ffi 

4)  vom  17.  November  1556,  abgedruckt  bei  Firnhaber,  Zur  Geschichte 
des  öetcrreichischen  Militärwesens  (Archiv  für  Österreichische  Geschichte- 
quellen XXX,  S.  129  ff.,  Beilage  IX). 

5)  R.  A.  —  Decrete  Bd.  UI. 

K(ts..'n  th  al,  Gpschichte  d.  Gerlchliw.  u.  d.  Verw.-Orj.  Baiero».  I.  ßa 


—    530    — 

Königseck,  dem  Hofmeister  seines  Bruders  Philipp  von  Lauben* 
berg,  dann  dem  Obristen  imd  Guardihauptmann  H.  Amrais, 
dem  Kriegsrat  M.  Scheller,  dem  obersten  Zeugmeister  Engel- 
barth,  auch  dem  B.  Schweickart  Kriegskommissarien,  ihren  zu 
diesen  Sachen  Deputierten,  daß  sie  alle  auf  des  Herzogs  Ferdi- 
nand von  Baiem  Erfordern  zu  diesem  sich  verfügen  und  im 
Beisein  desselben  nicht  allein  dasjenige,  so  ihnen  proponiert, 
nach  Inhalt  ihrer  Pflicht  beratschlagen,  sondern  auch  das,  was 
Einem  oder  Mehreren  für  sich  selbst  einfalle,  so  dem  Lande 
und  desselben  Inwohnern  zu  gut  komme,  auch  Bef&rdenmg 
der  väterlichen  Intention  des  Herzogs  reichen  möchte,  daB  er 
dasselbe  in  allweg  zu  beratschlagen  für  sich  selbst  auf  die  Bahn 
bringe  und  schriftliches  Gutachten  einreiche.  Während  bei  den 
andern  KoUegialbehrirden  eine  Benutzung  des  Wiener  VorbOdeB 
nur  aus  allgemeinen  Gründen  zu  folgern  ist,  liegt  eine  Ab- 
schrift der  österreichischen  Hofkriegsratsinstruktion,  welche  von 
der  Kommission  bei  der  Gründung  des  bairischen  Kriegsrats^) 
benutzt  wurde,  noch  heute  bei  dem  Akt  über  diese. 

Es  ward  also  eine  Konmiission  zusammengesetzt,  welche  kdne 
Verwaltungsbefugnisse  hatte,  sondern  als  eine  Sachverständigen- 
deputation  fungieren  sollte,  welche  ihr  Gutachten  in  allen  auf  das 
Kriegswesen  bezüglichen  Fragen  abzugeben  hatte.  Ihr  war  kein 
festumschriebener  ständiger  Wirkungskreis  angewiesen,  sondon 
sie  wurde  je  nach  Bedarf  zusammenberufen,  um  ihre  gewichtige 
Stimme  für  oder  gegen  eine  im  Interesse  der  Landesvertddi- 
gung  erforderliche  Maßnahme  zu  erheben.  In  dieser  Kommis- 
sion war  der  Anfang  zur  Ausbildung  eines  Kollegiums  gemadit, 
dem  die  einheitliche  Leitung  des  gesamten  Kriegswesens  flbe^ 
tragen  werden  konnte,  das  eine  Reihe  von  Militärverwaltung»- 
geschäfteu  regelmäßig  in  täglichen  Sitzungen  zu  erledigen  hatte'). 

Die  kollegiale  Formierung  <lieser  Centralstelle  erfolgte  in 
Anlehnung  an  dieses  Decret  in  der  erwälmten  Instruktion  von 
1583  3).    Der  Bruder  des  Lan<lesherm,  Herzog  Ferdinand,  wurde 

1)  R.  A.     -  Militaria  1.^2G-Ü9  Fase.  1. 

2)  Dio  Sitzungen  hatten  täglich  von  8—10  Uhr  stattzufinden,  in  wddNB 
alle  an  den  Kriegsrat  gerichteten  Schreiben  sofort  verhandelt»  Ober  di«Mlb«B 
Bericht  erstattet  und  auf  erfolgte  Resolution  Bescheid  erteilt  werden  mnlte. 

3)  K.  A.  -  a.  a.  0.  Einen  Auszug  derselben  teilt  mit  HeilmaiBi 
Kriegsgosch.  von  Bayern  .  .  .  15(>6— 1651.    I,  S.  377. 


^ 


—    531     — 

in  derselben  zum  Präsidenten  bestellt,  auf  ihn  sollten  die  Räte 
ihr  Aufsehen  haben.  Dagegen  war  die  eigentliche  Leitung  des 
Kollegiums,  das  Direktorium,  den  Händen  des  Landhofmeisters 
anvertraut,  welcher  die  Umfrage  im  Rate  hielt.  Zu  Mitgliedern 
waren  außer  den  3  oben  zuerst  genannten  Kriegskommissarien 
noch  H.  Anton  Zinn  ernannt. 

Da  die  Thätigkeit  des  Kriegsrats  sich  auf  die  verschiedenen 
Zweige  der  Militärverwaltung  erstreckte,  also  auf  Anordnung 
und  Durchführung  all  dessen,  was  der  Herstellung  der  Vor- 
l)edingungen  und  Mittel  der  militärischen  Aktion^)  diente,  so 
fiekni  vor  allem  in  seinen  Wirkungskreis  die  Beschaffung  des 
Kriegsvolks  ^),  also  Annehmung,  Veränderung  und  Abschafiung 
der  Mannschaften,  Bestallung  der  Reiter  und  Knechte.  Diese 
Anordnungen,  sowie  die  Verordnung  der  Musterung,  Austeilung 
des  Solds  konnten  nur  mit  Genehmigung  des  Herzogs  erlassen 
werden  ^). 

Auch  die  Sorge  für  die  Ausrüstung  des  Heeres  fiel  dem 
Kriegsrate  zu,  also  die  Aufsicht  über  alle  Munitionsvorräte, 
Geschütze  u.  dgl.  in  den  Zeughäusern,  Besatzungen,  Grenzen, 
Städten  und  Flecken.  Die  Inventare  über  den  gegenwärtigen 
r)estand  mußten  ihm  durch  die  Hofkammer  auf  Verlangen  mit- 
LTcteilt  werden.  Besonders  war  dem  Kriegsrat  die  Aufsicht  über 
die  Befestigungen  und  Gebäude  von  Ingolstadt  und  andern  Orten 
iil)ertragen.  Auch  die  Sorge  für  die  Naturalverpflegung  des 
Heeres  war  dieser  Behörde  anvertraut.  Auf  ihre  Anordnung 
wurde  dm*  Proviant  beschafft  und  durch  die  ihr  unterstellten 
Proviantmeister  zur  rechten  Zeit  und  frisch  unter  das  Heer  verteilt. 

Die  Finanzgeschäfte  der  MiUtärvenvaltung  sollten  auch 
ferner  durch  die  Hofkammer  besorgt,  alle  Ausgaben  durch  sie 
bestritten  werden,  oder  es  sollte  dem  Kriegsrat  ein  Mitglied 
der  llofkaniiner  zur  Erledigung  derartiger  Geldgeschäfte  bei- 
t^^e.^eben  werden. 

1)  G.  Meyer,  Yens altungsrecht  ü,  S.  58. 

2)  auch  sollen  die  hcrrn  kriegsret  alle  bestallungen  aaf  reiter  and  knecht, 
«l»'üj:,'leichon  für  die  artilerey  und  proviant  gehörig  mit  deren  stat  und  articls- 
briofon  und  andern  sachen  mer  .  .  anordnen  und  besichtigen. 

3)  Cborhaupt  sollten  sie  über  alle  Sachen,  die  ihnen  zu  schwer  fallen 
'.iid  die  sie  nicht  ohne  des  Herzogs  Zustimmung  erledigen  konnten,  diesem 
jutaclitliclien  Bericht  erstatten  und  dessen  Entschließungen  vollzieben. 

34* 


Eodlich  waren  dem  Kollegium  auch  jurisdiktioBuUo  Auf- 
gaben zugewiesen,  indem  es  Irrungen  zwischen  dem  Herzog  uod 
dem  Kriegsvolk,  die  sich  nicht  gütlich  hereinigeu  ließen,  durch 
ein  offnes  Kriegsrecht  nach  guttir  Vernunft  und  wohlgeUljter 
Kriegserfahrenheit  zu  entscheiden  hatten. 

Die  Instruktion  enthielt  noch  eine  Generalklausel,  durzo- 
folge  die  Kompetenz  der  Behörde  eine  Erweiterung  in  dem 
Sinne  erfuhr,  daß,  was  bei  andern  Potentaten  herkömmlich  durch 
ihre  Kriegsrüte  verrichtet  würde,  auch  wenn  es  in  der  Instruk- 
tion fehle,  nichtsdestoweniger  beobachtet  werden  sollte.  Ute 
einheitliche  Leitung  des  gesamten  Kriegswesens  durch  die 
Centralstelle  erheischte  unbedingte  Unterordnung  aller  in  der 
Heeresven^altuug  angestellten  Beamten  unter  diese,  80  daS  sie 
als  Organe  derselben  zu  fungieren  hatten. 

Mit  dem  wichtigsten  Zweige  derselben,  der  Verwaltong  der 
Waffen-  und  Muiiitionsvorräte,  dem  Zeugamt ' ),  war  dJc  Ver- 
bindung hergestellt  durch  die  Person  des  obersten  Z^ugmeisters 
Engelbarth»),  welcher  als  Mitglied  dem  Kriegsrat  angehörte. 
Nach  dem  Ableben  Engelbarth's  wurde  Sprin/enstein  1589*)  zum 
obersten  Land-  und  Feldzeugmeister  bestellt.  Ihm  wuide  die 
Ven>fliclitung  der  Fürsorge  für  Bewaffiiun^  und  Festungen,  der 
Aufrichtung   und  Ausrüstung    der  Mihz    und  der  Ahrichtung 


1)  Dm  K«D|ruDt  stand  TOt  1683  unter  der  Hofkunmer.    Zun  Zeo^UB*- 
jtanoDkl  iHOnchen  oDd  In|^Ut>dt)  gebsrteo  t.  B.  1500  ein  'leagmeittttt.  f 
wut,  QMchimDeitUr,  Zbninennum.  Oicfier,  PalreniiMher,  FreifechlM,  Wilj 
BchlOMn;   1680  GMcbirrmoutoi,  ZellichnoidOT,   5  DOelupnmout»,  S 
Girier,  Ztagvtgaet,  Zengschlooer,  8chifll<-r,  Tagwcrkor  (Bote 
ntmfCCD). 

2i  All  ob«r>l«r  Zmf;meateT  wird  1666  B.  von  UeehWnitaln, 
Nenchln^r  gmtuuL    Engelbuth  wird  1683  Bmanat,  bkt  mit  i  « 
Eaecbten  n  djeaeo.  bnieht  200  Tbkler  Wutegeld,  F'uttet  fOr  S  F 
hkl  büe  IMonMwoluiong  im  Mflnchn«  Itsngh^itt,  »uietiam   AntpivA  i 
SehadlMbiltanfT  bei  tllen  ihn   trpflcniien  KricgiuDmi»a.    Vgl  Hoilmnan 
I.S.  866. 

S)  Er  «u  wJt  1^78  HofkrioKirat  dei  Enhenog«  Perdinud  na  Ural 
nnd  watA  dum  1662  tum  Obent  dea  Luidiberger  BondM  Obvt  1000  lUilar 
(8eh0tMD|iforde],  die  «r  ta  weibcn  hkt,  emuiuL  1684  Qber^b  er  da»  Bcmec  iIb» 
DrakMhrift,  !o  wolefaer  «r  *of  Grund  »oiaai  in  »elnar  fiHbtm  Stallnag  aa 
Hob  dw  Cmdiii*  *oo  Uedici  n  Florenz  Knuniiioltf^n  Rrfthrang  TontUac 
in  Idodo  Baimi  du«  Uilii  in  errichton  und  eininobcn  iWUrdlogaf;  Fn. 
A.  T.  BfriuauUrfn,  In  Vnb.  d.  bi(t  Vvr.  t.  Nifdorbof ern  XXIT,  S.  88S  tiV 


—    533    — 

von  110  Musketieren  und  einer  Anzahl  Büchsenmeister  auf- 
erlegt ^ ). 

Die  Bedeutung  des  neugeschaffenen  obersten  Feldzeugmeister- 
anits  war  gerade  in  jener  Epoche  eine  ungemein  große,  denn  im 
16.  Jahrhundert  wurden  die  Grundlagen  der  „Artolery"  gelegt, 
die  sich  mit  Modifikationen  bis  in  unsre  Zeit  erhalten  haben  •). 
Seine  Aufgabe  war  jetzt,  wo  der  Staat  den  Betrieb  der  Artillerie- 
werkstätten selbst  übernahm  *),  auch  nach  dieser  Richtimg  aus- 
gedehnt. Er  hatte  alle  Zeughäuser,  und  was  in  denselben  vor- 
handen, in  notwendiger  Ordnung,  Bereitschaft,  Sauberkeit  und 
Sicherheit  wohl  verwahrt  zu  halten*),  tiefstes  Stillschweigen 
ül)cr  Zeughäuser,  Munition  und  andere  Kriegssachen  zu  beob- 
achten. 

Mit  Sprinzenstein  war  eine  hervorragende  militärische  Kapa- 
zität an  die  Spitze  des  Defensionswerks  Baiems  gestellt,  die 
mit  organisatorischem  Talent  einen  aus  reicher  Erfahrung  ge- 
wonnenen praktischen  Blick  für  die  Gebrechen  des  Kriegswesens 
des  Landes  verband.  Er  wäre  wie  kein  Anderer  berufen  ge- 
wesen, erfolgreich  die  Reform  der  militärischen  Einrichtungen 
des  Landes  in  Angriff  zu  nehmen  und  durchzuführen,  insbeson- 
dere auf  dem  Gebiet  der  Kriegstechnik*).  Bei  der  kurzen 
Amtsdauer,  welche  ihm  in  Baiem  beschieden  war,  vermochte  er 
aber  nicht,  weitgreifende  Änderungen  von  nachhaltiger  Wirkung 
ins  Werk  zu  setzen,  sondern  nur  mancherlei  Wertvolles  anzu- 
rc^gcn,  denn  seine  militärische  Thätigkeit  ward  ohnehin  noch 
verkürzt  durch  manche  diplomatische  Sendungen  an  fremde 
Höfe,  mit  welchen  ihn  Herzog  Wilhelm  betraut  hatte.  Nur  diese 
liäufige  Abwesenheit  und  die  Thatsache,  daß  seine  Zeit  vielfach 

1)  Würdinger  S.  341  (Gehalt  1500  fl.,  er  hatte  mit  6  Reitern  zn 
dienen). 

2)  Heilmann  I,  S.  353. 

3)  Würdingor  S.  340. 

4^  Der  Zeugmeister  gelohte,  Alles,  was  der  Artolerey  anhengig,  Büchsen, 
Pulver  und  alles  Andere  nichts  ausgenommen  fleißig  zu  hewahren  und  davon 
Autwort  zu  gehen,  ob  dem  Zenghaose  and  desselhen  Dienern,  Bflchsenmeistem 
und  andern  zu  sein  und  allenthalben  gute  Haaswirtschaft  zn  halten  und  zn 
bewahren ,  damit  nichts  entzogen  werde ,  anch  alle  Sachen  mit  Einnehmen 
und  Ausgaben  treulich  zu  verrechnen  nnd  zu  verwalten  (R  A.  —  Pflichtbuch 
1512-1678). 

5)  Vgl.  Würdinger  S.  342  ffi 


—    NH    — 

durch  VcrsucUc  uml  Krtiniluii^cii ')  in  Anspruch  geaoDimeii  wai^l 
welche  teilweise  für  ilic  Geschichte  der  bairischen  Artillerie  von  I 
großer  Bedeutung  waren,  macht  es  erklärlich,  daß  die  laufeniluo  | 
Verr^'altungsgeschäfte  von  ihm  nicht  auf  das  pQuktliciuiUi  he-  j 
Eot^t  wurden,  bis  er  4593  Hofkriegsrat  und  Dircktur  des! 
Arsenals  in  Wien  wurde*). 

Wilhelm  V.  sprach  es  damalg*)  aus,  daß  nicht  nur  die  /euj{-  ' 
hftiiser  und  derselben  anhängigen  Sachen  in  solcherGefahr,  Schaden  ' 
und  Verderben  liegen,  ßondeni  uucb  die  Zeit  und  Unkosten  so 
Abel  angelegt  und  gleichsam  uuisonst  ausgeben  w&re,  ttlao  d«i- j 
CS  vorklciucrlich  wäre,  länger  zuzusehen,  besonders  i 
legenhcit  der  Läufe  und  jetzigen  Zeitungen ,  so  i 
einkommen,  weshalb  er  Ursache  habe,  dergleichen  f 
wahrzunehmen,  um   auf  den  Notfall  besser   versehen  i 
Zu  diesem  Ilehufe  wurde,  dtt  das  Amt  des  obristen  Zeu{ 
unbesetzt  war*},  das  Werk  bis  auf  weiteres  der  1 
anvertraut  iu  der  Weise,  dali  ein  Mit|;Ued  derselben, 
die  Zeugsachen  gut  Wissen  trage   und  in  den  Fragen, 
sellist  nicht  genilgend  verstünde,  mit  den   Krie-gsräten  < 
konversieren   kannte,  sich  solcher  l>ireklion   unternehme 
die  Sache  im  Namen  der  Kummer  verwaltet  würde.     Sei  der 
Dringlichkeit  der  Angelegenheit  sollte  die  Uufkiuumer  sieb  t 
an  demselben  Tage  gutacliüich  äußern. 

Doch   kehren  wir  zum  Kriegsrat  zurück,  dem  der  Land*  j 
und  Feldzeugmeister  als  Mitglied  angehUrte  und  dessen  B< 
er  in  seiner  Amtsstellung  zu  vollziehen  verpflichtet  war. 
dieses  Kollegium  nicht  sehr  lauge  funktioniert  hat,  ersioht  i 
aus  dem  Programm,  in  wek-faem  Spriuzenstelu  l>ci  s 
antritte  (1569)  sagte  ^).  „nachdem  das  Oberst  I.And<  t 
zeugmeisteramt  bereits    mit  seiner  geringverstondigen  ! 

1)  Vgl.  üb«  diete  ErBndangeii  WflrdiitKei  a  MS  IE 

3}  Watdinger  ä.  3S3. 

8)  1693,  17,  Aogurt  —  RA.-  DmtoI«  Bd.  IV. 

4)  Noeb  SpiiiuetifteiD'i  Abtcbird  wurde  <U«  Amt  prariMiüeli  i 
bock  ttmüut  bu  la  der  1595  «rfolguo   Etneiioiiiig  d««  «u  I 
Dinuton  QbeTg^ctiet«tieii  C.  Plukenniajor,  <i«lch«r  bii  1808  la  d«t  | 
einM  Übuntigii,  Kri«(>-,  Statt-  nnd  obriiten  Fdd-  Qod  L>ndi 
VUeb  iWardlns«r&3£8.  S^J;  K  A.  -  AllUjr  Ludidwft  S  UV,  B1 
a.  S39). 

5)  Wardincer  ü.  341. 


—    535    — 

besetzt,  sei  ein  wohlformirter  Kriegsrat  mit  einem  Präsidenten, 
ein  Feldmarschall,  der  neben  dem  des  Landsberger  Bundes  die 
Sachen  im  Lande  ordne,  dann  ein  unter  der  Hofkammer  stehen- 
der Proviantmeister  zum  Schutz  des  lieben  Vaterlandes  nötig"^ 
Man  that  auch  einen  Schritt,  um  zu  einem  wohlformierten 
Kriegsrat  zu  kommen,  indem  man  für  einen  ständigen  Präsi- 
deuten sorgte  durch  die  Verbindung  dieses  Amtes  mit  dem  des 
obersten  Hofraarschalls  und  außer  Sprinzenstein  noch  Khülmar 
zum  Hof-  und  Kriegsrat*)  ernannte. 

Die  leidige  Finanzmisere,  welche  immer  von  neuem  zu  Er- 
sparungen  im  Staatshaushalte  zwang,  verhinderte  aber  eine  solche 
Formierung  des  Kriegsrats,  welche  diese  Behörde  auf  eine  solide 
(lauernde  Grundlage  gestellt  haben  würde  ^). 

Von  einer  festen  Gestaltung  des  Kriegsrats  konnte  also 
nach  dem  mitgeteilten  Gutachten  keine  Rede  sein,  zumal  wenn 
kein  einziges  Mitglied  desselben  ausschließlich  für  diesen  be- 
stellt war,  sondern  jeder  Kriegsrat  diese  Funktion  nur  neben- 
amtlich verwaltete. 


1)  (1589)  Kulmer  zum  Hohenstain  zum  diener,  hof-  und  kriegsrat  auch 
obersten  zeu^aistcr  ...  so  oft  wir  seiner  bedürfen,  es  sei  zn  einem  feld- 
zu^%  besatzang  oder  anderer  verschickmig,  seinem  verstände  nach  zn  ge- 
brauchen, bes.  aber  unser  zeughaus  hier  und  was  dem  zugehörig,  das  ime  nach 
einem  ordentlichen  inventario  eingeantwortet  worden,  alle  zeugspersonen 
in  guter  zucht  zu  halten .  .,  auch  bei  den  andern  zeugheusem  des  landes  zu- 
zusehen, er  soll  auch  unsem  hofrat  (da  er  änderst  one  sonderbare  mengel 
und  erhebliche  Ursachen  seines  ambts  und  dienst  halben  kann)  täglich  und 
unsern  kriegsrat,  so  oft  wir  ime  dazu  ansagen  besuchen  und  flberall  das  beste 
raten  [11.  A.  —  Bestallungen  .  .  fasc.  i). 

2)  Schon  1591  wurde  bei  der  Beratung  des  Hofstaats  zwar  beantragt,  den 
Kriegsrat  mit  einem  Präsidenten  und  noch  4  tauglichen  Personen  zu  be- 
setzen, gleichzeitig  aber  hinzugefügt,  daß  man  ihn  in  Friedenszeiten  auch 
einziehen  oder  doch  aus  Erspamisrücksichten  mit  ohnehin  Bestellten  besetzen 
könne.  Einige  Jahre  später  äußerte  dann  die  Hofkammer  (R  A.  —  Fürsten- 
sachen f.  XX^V  n.  419)  in  ihren  Bedenken,  dafi  die  Eriegsräte  bei  jetzigen 
Läufen  auch  ihren  Namen,  Staat  und  Plan  haben  sollen,  aber  nicht  sonderbar 
oder  allein  auf  diesen  Kat  bestellt  sein,  sondern,  wie  dies  im  neuen  Hof- 
staat (für  1594?)  gemeldet  wäre,  ihre  Nebenyerrichtung  haben  sollten,  in- 
maüen  sie  denn  auch  in  den  Hofrat  gezogen  werden  oder  andre  Amter  oder 
Dienste  haben  sollten,  und  würde  es  fdr  eine  ünnotdurft  gehalten,  daß  dieses 
auch  ein  absonderlicher  Rat  sein  soll,  denn  viele  Räte  erforderten  viele 
Kanzlei-  und  andere  Unkosten. 


Ea  war  nur  ein  Schelßdaaein .  welches  der  Kriegsrat  in 
Anfang  der  r*Oer  Jahre  führt«;  nicht  als  ein  wohlformterl« 
Kollegium,  sondern  nur  als  eine  Kommission  dce  Ho&mts  zur 
Beratung  von  Militärsachen  und  auch  als  solche  ist  er  nicbt  iu 
der  Lage,  irgend  eine  Selbständigkeit  zu  bewähren.  Bald  haben 
die  Kri^sräte  irgend  ein  Gutachten  in  Gemeinschaft  tnit  den 
geheimen  Raten,  bald  wieder  in  Vorbindung  mit  diesen  und  den 
Kammerräten  zu  erstatten  '  ].  Von  Befugnissen  einer  Exekutiv- 
gewalt  zeigt  sich  dann  vollends  keine  Spur.  Überhaupt  war 
die  Zahl  der  zu  Kriegsräten  Bestellten  eine  bo  geringe  — 
neben  dem  hftufig  abwesenden  Sprinzenstein  wird  seit  1500 
nur  Khulmar ,  welcher  zugleich  Ilofoberrichter ,  als  solcher 
aufgeführt  — ,  daß  sie  zur  Bitdung  einer  lebensfähigen  Behünle 
kaum  ausreichten. 

Der  Nachfolger  Sprinzeiistein's,  Obrisl  Plauckenmaycr,  soltte 
ordinarie  den  Mofrat  besuchen  und  die  fUrfallenden  Kriegs- 
sachen dasellKt  traetiereu').  Regelmäßig  sollten  also  die  ur- 
sprünglich dem  Kriegsrat  überwiesenen  Geschäfte  durch  den 
Hofrat  erledigt  werden  und  in  diesem  der  obrisle  Zcugmeisler 
als  Sachverständiger  stets  als  Referent  fungieren.  Aosnahms- 
weise  nach  Beschatfenbeit  der  fUrfallenden  Sachen^  und  wenn  es 
die  Notdurft  erheischt,  sollte  man  etliche  Räte  deputieren  Dai 
«inen  abgesonderten  Rat  halten.  Wann  dies  crfordcriii 
hatte  der  Herzog  oder  der  oberste  Hofmeister  oder  ■ 
Kanzler  zu  bestimmen.  Die  Expeditionen  sollten  auch  in 
Falle  bei  der  Hofkanzlei  bleiben.  Es  war  also  wieder  eine 
kommene  Rückbildung  eingetreten,  der  Hofrat  hatte  wieder 
die  Geschäfte  des  Knegsrals  flbernoniinen,  und  auch  der  en»&hnte 
„abgesonderte  Rat"  ist  nichts  anderes  wie  ein  AusschuS  des 
lliifrats  für  Kriegssachen. 

Eine  Rafonn  im  Sinne  einer  Organisation  des  Kriem^B 

1)  c  B.  1S91  laa.  Dei.)  baflehk  H  WUb«lm  den  K«h«iii«ii, 
nixl  KiiagttkUin.  la  tncliorcn  aui  n  ntschUgim,  wie  die  gnh  I 
äuudi  in  der  Keituni;  Ini^oUtAdt.  die  lo  ttvk,  dU  tie  »ehier  « 
uiwo  um  «io  ScfalMfattne*  in  «Urken  w&re,  tn  Ttniilndetii  < 
30-  Mu  168S  befiehlt  Mduui  dor  Honoic  doro  gobpimva  nod  E 
«eh  iDwunmeD  lu  vetfQgcii  und  rieh  dao«  OaUcht«iu  ontael' 
«bügcn  Kri«^iobent«n  W«tbiuig  im  Lande  Baicrn  gMt«tUn  m>U  • 
(R.  A.  —  Decretc  Bd.  IV). 

ii  II  A.  —  FOntetiMchen  Ocn.  C  I  n.  19>. 


—    537    — 

als  einer  selbständigen  Behörde  war  auch  nach  den  angeführten 
Gutachten  der  Hofkammer  gar  nicht  geplant. 

So  blieb  es  dem  Organisationstalente  Maximilians  vorbe- 
halten, die  alten  abgerissenen  Fäden  zu  einem  dauernden  Ge- 
webe zu  vereinigen  und  den  Hofkriegsrat  nach  den  Intentionen, 
die  ihn  1582  ins  Dasein  riefen,  zu  neuem  Leben  zu  erwecken 
als  den  Vorläufer  unsres  Kriegsministeriums  ^ ). 

§  39- 
Die  AnfSnge  des  geheimen  Rats. 

Nur  in  aller  Kürze  sollen  hier  die  Anfangsstadien  des 
Geheimratskollegiums  noch  geschildert  werden,  denn  wenn  das- 
selbe auch  in  den  letzten  Dezennien  der  in  diesem  Bande  zu 
erörternden  Periode  begründet  wurde,  so  gelangt  es  doch  erst 
seit  Max  I.  zu  einer  intensiveren  regelmäßigen  Entfaltung  seiner 
Wirksamkeit.  Erst  im  2.  Bande  wird  daher  einer  zusammen- 
fassenden Darstellung  desselben  Raum  zu  gönnen  sein. 

Der  Entwicklungsprozeß  des  bairischen  Geheimrats  gleicht 
in  seinen  einzelnen  Phasen  dem  des  österreichischen  und  dem 
der  andeni  deutschen  Territorien  *).  Die  weltbewegenden  Fragen 
des  gewaltigen  Zeitalters  der  Reformation  zogen  auch  das  Terri- 
torialfürsteutuni  in  ihre  Kreise  und  riefen  überall,  bald  früher, 
])ald  später,  das  Bedürfnis  hervor,  namentlich  für  die  bedeut- 
samen Fragen  der  interstaatlichen  Beziehungen  die  Beratung 
durcli  ein  Kollegium  sachverständiger  Räte  zu  ermöglichen. 

Daß  schon  unter  K.  Ludwig  die  „Heimlichen"  als  die  das 
besondere  Vertrauen  des  Herrschers  genießenden  Räte  sich  von 
der  Menge  derselben  abhoben,  wurde  bereits  oben  (S.  258)  her- 
vorgehoben. Dieses  Verhältnis  dürfte  sich  dauernd  erhalten 
Iiaben  *0)  denn  es  gab  zu  allen  Zeiten  Staatsangelegenheiten,  die 
ilirer  Natur  nach  sich  für  eine  Erörterung  in  einer  großen  Rats- 
versamnihmg   nicht  eigneten  und  die,  wie  die  die  auswärtige 

1)  Erst  1799  trat  an  die  SteUe  des  Hofkriegsrats  das  Oberkriegskollegium. 
Dieses  verwandelte  sich  in  einen  Kriegsjnstiz-  und  KriegsOkonomierat,  1804 
wurde  sodann  ein  geheimes  Kriegsbureau  gebildet,  welches  1808  durch  ein 
Kriegsministerium  abfj^elöst  wurde  (vgL  Seydel  I,  S.  223,  244  t). 

2)  Vgl  R  0  8  e  n  t  h  a  1 ,  Behördenorg.  ^.  30  ff,  37  ff 

3)  Geheime  Räte  werden  namentlich  unter  Albrecbt  V.  mehrfach  er- 
wähnt, z.  B.  1559  wird  während  seiner  Reise  nach  England  1  Statthalter  und 


Politik  und  das  fürstliche  Haus  beröhrcnden  Frageo,  lU 
(ieheimhaltung  geboten  war,  nur  im  engen  Kreise  der  vertrEneis- 
wUrdigsleu  Itilte  behandelt  wurden.  Allerdings  verstrichen  mühr 
denn  2  Jahrhundert«  bis  zur  Formierung  eines  Geheiniral»- 
kcillegiums.  Das  Jahr  der  Errichtung  desselben  läßt  sicli  nidit 
feststellen,  da  dos  Orgauisattonsstatut  nicht  erhalten  ist 

Eine  Zusammenfassung  dieser  geheimen  liäte  za  dm 
ordentlichen  Behörde  mit  regelmäßigen  Sitzungen  und  altgc^jreiix- 
ter  Kompetenz  dürfte  ungeführ  löä2 ' )  erfolgt  sein  * ),  kurz  nach 
Ernennung  des  Grafen  Ottheinricb  von  Scbwarzenl>erg  zum  Land* 
hofmeister'}.  Dieser  hat  wohl  nach  seinem  übertritt  vom  kouer- 
liehen  in  den  herzoglicheu  Dienst  (1581)  die  EinffihruDg  dv 
Institution  des  geheimen  Rats,  die  er  in  Wien  kennen  gelernt 
hatte,  hei  seinem  neuen  Herrn  durchgesetzt 

Noch  fester  erscheint  die  kollegiale  Organisation  1585 
welchem  Jahre  Dr.  K.  als  des  geheimen  Uats  Secretari  *) 

einige  geheiiDe,  ?ertraute  BUttlichi'  lUt«  ftte  KegontHchaft  eingoMUt    Dl* 
Hotkammer-O.  Ifi58  beEtinunt  dann,  dab  «ticbtigo  Sscheo  mit  Baricht  ui 
Herzog  za  bringen,  anil  veno  er  nicht  zu  II«iiie,  dum  seien  «mg« 
B«te  EU  eTfordern.    EbeoBO  ernfthnt  aach  H.E.O.  157S  (B,  469)  dia 
nod  faraciubtte  reth. 

1)  1582  wird  dem  V.  der  licb  um  oine  BnteetuUe 
Too  einem  SekteUr  mitgeteilt, 'ikC>  «eine  Sache  .in  dem  l 
borabchlsgt  werde  (Ü  A.  —  BeetaUangen  t  %). 
auch  der  ViUtmn  von  Ijuidthnt  Bafgerordert,  wegen  dea  gehefanoi 
.  .  .  BeeUUnng  naeh  H.  kommen  soll. 

S)  1572  nimmt  tie  Grandungtjahr  an  Neudogger  itieKh.  d  b.  Am^ 
in  ».  Loüer.  Archir.  Zeitachr.  VI.  K.  4). 

8)  Dieaer  (rgL  S.  242)  ist  aucb  der  Erste  der  Mt«,  weichet  den  Tttd 
Rat"  seit  HJner  BeetaUang  (tlhrt,  seit  1683  wird  dann  noch  Bnd. 
geheimer  Rat  ua^eflllut,  and  seit  1686  fahrt  aorh  der  ITorkualn  Dr. 
hjömer  diesen  Titel     Za   dieaeti  S   kommt  1689  noeh  der 
Chr.   Ncabnrger    als  4.  geheimer  Kat  hiniu.     Naeh  Schwarunl 
(158&)  wird  der  ob.  Kaniler  Dr.  Horwart  geboimur  lUt,   1668 
nun  Landhofmeiatcr  enunnto  (irnf  11  t.  ITelfortitnin  und  der 
T.  KOnigseck,  1694  wird  Ad.  Wolf,  gi-naonl  Hettemich,  Domciu 
alt   gpbdmer  Itat  angoschain,    1606  der  ob.  Hofmeister  Polvril, 
üb.  UoCniarscball  Ouidebon  and  der   tlofkuuler  Dr.  OailUKli  m 
1697  Bad  Grkf  lu  Sali  (HufuhlatutarKbnungen). 

4)  dem  gebtimen  rat  li*  lu   demaclbea  geordnetet  tMreUri, 
dftrttu  erfordert  werd«^  auAer  drsMlb^n  aber  dem  hob»!,  wie  Jaltt 
Uch,  ileillg  und  aofaerklg  beiiowohncn  .  .  .  {H.  A.  —  E  b.  1  K  ni). 


1  ütanbiBg  I 


—    539    — 

eidij^t  wird.  Der  Zusammenhang  des  geheimen  Rats  mit  dem 
Hofrat,  aus  dessen  Schöße  er  hervorgegangen,  bleibt  aber  immer 
noch  gewahrt,  denn  auch  dieser  Sekretär  soll  neben  seinen 
Funktionen  im  geheimen  Rat  auch  fernerhin  wie  bisher  dem 
Ilofrate  seine  Dienste  widmen.  Der  geheime  Rat  erscheint  also 
auch  jetzt  noch  als  Deputation  des  Hofrats,  die  nur  als  selb- 
ständiges Kolleg  zur  Beratung  der  geheimen  Sachen  zusammen- 
tritt ;  sonst  sind  die  Mitglieder  desselben  wie  der  Sekretär  in 
den  Verhandlungen  des  Hofrats  thätig.  Auch  das  bairische 
Geheiniratskollegium  ist  daher  nichts  anderes  als  ein  „Ausbruch" 
aus  dem  Hofrat^),  aus  welchem  er  sich  herauskrystallisiert  hat^). 
Den  Hauptkern  dieser  Gruppe  der  geheimen  Sachen,  die  schon 
lan»,^^  vor  Errichtung  des  Geheimratskollegium  als  eine  beson- 
dere Kategorie  von  Staatsangelegenheiten  behandelt  wurden**),  bil- 
dete u  die  Angelegenheiten  der  auswärtigen  Politik,  die  Beziehungen 
/um  Reich  und  zu  den  auswärtigen  Staaten  (Reichs-,  Kreis-, 
Kriegs-  oder  Landessachen),  sowie  die  die  landesherrliche  Fa- 
milie ])erührenden  Gegenstände*).  Zu  den  zum  geheimen  Rat 
ri'ssortierenden  Materien  kamen  hinzu  alle  wichtigen  Regierungs- 

1)  Kosenthai  S.  32,  37. 

2)  Diese  meine  Ansicht  über  dio  Entstehung  des  geheimen  Rats  muß 
ich  dem  Widersprucji  Born  hak  *8  (inLaband  und  S  t  ö  r  k ,  Archiv  für 
ülV.  Hecht  III,  S.  473  f.)  gegenüber,  obwohl  er  sie  für  theoretisch  wie 
praktisch  gleich  falsch  erklärt,  voll  und  ganz  aufrecht  erhalten.  Born- 
hak hat  es  versäumt,  das  von  mir  (S.  37  ff)  beigebrachte,  bisher  unge- 
druckte Bcweismatorial  zu  würdigen.  Sollte  neben  diesem  meine  Ansicht 
nach  einer  weiteren  Unterstützung  bedürfen,  so  dürfte  vielleicht  den  Aus- 
führuii«:en  eines  Zeitgenossen  überzeugende  Kraft  nicht  abgesprochen  worden. 
I>.  Melchior  v.  Osso  sagt  in  seinem  Testament  gegen  Hertzog  Augusto,  Churf. 
zu  Sachsen  1556  (herausgegeben  von  Thomasius,  Hallo  1717,  S.  170),  nach- 
dem er  vom  Hofrat  gehandelt,  bezüglich  des  geheimen  Rats:  „^s  können 
aber  »^Icichwühl  Sachen  vorfallen,  dio  eine  solche  Verschwiegenheit  erfordern, 
daü  die  in  einem  weitem  Rat  und  mit  vielen  Leuten  nicht  zu  beratschlagen. 
Darum  ist  ein  Herr  nicht  zu  verdenken,  daß  er  aus  dem  gemeinen  weiten  Rat 
3  4  Personen  erwähle,  mit  denen  er  von  allen  Sachen  anfänglich  ratschlage 
und  schliche,  was  über  die  ordentlichen  Sachen  in  gemeinem  oder  engem  Rat 
soll  verriclitet  werden".  PMlich  verweise  ich  noch  aufden  Schluß  der  Anm.  2  S.  540. 

8)  Dr.  W.  Hund  erzählt  in  seiner  Selbstbiographie,  daß  er  1552  zum 
Hofratsdienst  an<,'enommen,  doch  daneben  „s.  f.  Gnaden  geheimen  Sachen  und 
(u'schäften  abzuwarten"  habe  (v.  Freyberg,  Samml.  histor.  Schriften  und 
Urkunden  III.  S.  183). 

4i  V-l.  Kosenthai  S.  33,  38,  41. 


—    540    — 

aDgelegeDheiten ' ),  indem  er  sich  immer  mehr  zu  einem  toU- 
ständig  selbständigen  Kollegium  ausbildete  und  den  Zusammen- 
hang mit  dem  Hofrat  verlor.  Der  geheime  Rat  wurde  allmfthlich 
zur  höchsten  Gentralstelle  des  Landes,  in  welcher  alle  Fftden 
der  Regierung  des  ganzen  Landes  zusammenliefen;  sie  wurde 
die  dem  Hofrat  (und  den  Regierungen),  der  Hofkammer,  dem 
Kriegs-  und  dem  geistlichen  Rate  vorgesetzte  Behörde,  welche 
in  den  Geschäftskreis  dieser  Stellen  eingreifen  konnte  und  in 
wichtigen,  zu  diesen  zuständigen  Sachen  deren  Gutachten  einer 
nochmaligen  Prüfung  unterzog  und  auf  Grund  derselben  An- 
nahme oder  Ablehnung  desselben  vorschlug.  Eine  selbständige 
Entscheidungsgewalt  stand  dem  geheimen  Rat  nicht  zu,  er  war 
nur  zur  Erstattung  eines  Gutachtens  bezw.  Superarbitriums  be- 
rechtigt, während  der  Herzog  selbst  sich  den  Entscheid  vor- 
behielt. Den  Vorsitz  im  geheimen  Rat')  führte  der  Landhof- 
meister,  wenn  nicht  Herzog  Maximilian  selbst  präsidierte.  Dtf 
geheime  Rat  war  die  angesehenste  Gentralstelle  des  Landes 
welche  wie  in  allen  andern  größeren  Territorien  auch  hier  den 
hierarchischen  Bau  des  Behördensystems  krönte*). 

1)  Namentlich  die  AnstcUuDgs-  und  BesoldangsTcrhältniBse  der  Beamtn 
wurden  vom  geheimen  Rat  behandelt 

2)  Derselbe  bestand  gewöhnlich  aus  4  Mitgliedern.  In  den  YenchiedflMB 
Gutachten  wogen  Erzielungen  von  Ersparnissen  im  Hofstaate  wurde  itefei 
betont,  dafi  dahin  zu  sehen  wftre,  damit  derselbe  jeder  Zeit  mit  den  höh» 
Officieren  besetzt  —  der  Landhofineister,  ob.  HofinarschaU,  ob.  Kaniler  vai 
Hofkanzler  waren  schon  infolge  ihrer  Charge  rogelmäAig  geheime  Rite  — 
wfire,  damit  keine  besonderen  Ausgaben  fflr  denselben  erwuchsen.  DaroB 
sollte  auch  der  geheime  Rat  kein  eignes  Secret  haben,  sondern  sein  Aualiif 
mit  der  innem  Kanzlei  Secret  weiter  gefertigt  werden,  weil  man  fOrelitels^ 
dafi  man  sonst  mehr  Leute  dazu  gebrauchen  mflßte  als  bisher  geschehen  md 
nötig  wäre.  Gelegentlich  wurde  dann  auch  die  Aufhebung  dea  geheineB 
Rats,  sowie  des  geistlichen  und  Kriegsrats  vorgeschlagen,  to  dal  nur  dar 
Hof-  und  Kammerrat  angestellt  und  also  besetzt  werden  solle,  dal  ihre  Dt 
ihre  gehaimbde,  auch  zu  den  geistlichen  und  Kriegssachen  die  Rftt  and  Kanilai" 
personen  daraus  nehmen  und  gebrauchen  konnten.  Ferner  apraeh  aieh  dia 
Hofkammer  etwa  1593  dahin  aus:  Bey  deme  ist  die  nnterhaltong  und  dar 
scckl  wol  in  acht  zo  nemen,  dann  ob  sie  wohl  auch  ir  nebeoTeniehtaif 
haben  oder  zum  teil  andere  offitia  haben  sollen,  kann  doch  dicaer  nt  OM 
sonderbare  Unkosten  nicht  abgehen,  weron  demnach  um  innera  anaeben  md 
authoritet  willen  des  hofrats  obgedachte  gehaime  rät  wie  vor  jaren  anck 
gcwest,  dahin  zcziehcn  (R.  A.  —  Fürstensachen  Wilhelm  V.  1.  n.  2^  F.). 

3)  Wenn  Bornhak  a.a  0.  S.  474  gegen  meine  oben  wiederholte  BtT 


—    541    — 

Auch  von  dem  bairischen  geheimen  Rat  läßt  sich  wie  voift 
österreichischen*)  sagen,  daß  er  der  Vorläufer  unsres  Staats- 
rats und  des  Gesamtstaatsministeriums  gewesen,  daneben  aber 
vorzugsweise  die  heute  dem  Ministerium  der  auswärtigen  An- 
gelegenheiten und  des  königlichen  Hauses  übertragenen  Funk- 
tionen zu  versehen  gehabt  habe. 

§30. 
Die  Kanzleien. 

Mit  der  Neu-  und  Fortbildung  des  Behördenwesens  seit 
Albrecht  V.  war  auch  eine  Ausgestaltung  des  Kanzleiwesens 
verbunden,  dessen  Organisation  unter  Vermeidung  des  Eingehens 
auf  technische  Einzelheiten,  über  welche  sich  die  verschiedenen 
Kanzleiordnungen  ausführlich  verbreiten,  in  aller  Kürze  dar- 
gestellt werden  soll. 

Am  Sitze  der  Regierung  in  München  war  unter  dem  Ober- 
befehl des  Kanzlers  *)  die  Hofkanzlei,  welche  alle  vom  Herzoge 
ausgehenden  Schreiben,  Decrete  u.  s.  w.=»)  nach  Angabe  ihres 

hauptuDg  polemisierend  meint:  „Die  Gründung  eines  Geh.  Baths,  weit  davon 
ODtfernt,  die  ErOnung  des  hierarchischen  BehOrdensystems  zu  sein,  ist  im 
Gegenthoil  einer  der  ersten  Schritte  zur  HersteUung  eines  solchen*',  so  Ter- 
weise  ich  einfach  auf  den  Inhalt  dieses  Buches.  Dieser  thut  unwiderleglich 
dio  Unrichtigkeit  der  Ansicht  Bornhak 's  dar,  daß  im  Gegensatze  zu  Eng- 
land auf  dem  Kontinent  alle  Reformen  in  der  Centralstelle  ihren  Anfiang 
nehmen  und  erst  aUmählich  nach  unten  eine  hreitere  Basis  gewinnen.  Seihst 
in  Brandenburg  ging  der  Gründung  des  geheimen  Bats  die  Errichtung  der 
kur-  und  neumärkischen  Regierung  und  Kammer  Yor. 

1)  Rosonthal  S.  43. 

2)  Über  ihn  vgl.  S.  265  ff.  und  442. 

3)  Von  der  Mannigfaltigkeit  der  in  der  Hofkanzlei  zu  bewältigenden 
Arbeiten  gewinnt  man  eine  Vorstellung  aus  der  Kanzleiordnung  Wilhelms  V. 
von  1587  (Kr.  A.  M.),  welche  unter  Angabe  der  Taxen  folgende  Gattungen 
von  Schriftstücken  aufzählt:  Gemeine  Unterrichte  und  Geschäfte,  Kommissions-, 
Kompa&briefe,  Zeugen-,  KundschaftsverhOre,  Geleits-,  Landeshuldbriefe,  offne 
Generalcdicte,  Paübriefo,  BestaUungen,  Dienst-,  Pfknd-,  Verkauf-  und  Will- 
briefe, Schutz-  und  Schirm-,  Bräubriefe,  Leibgeding-  und  Erbrechtverschrei- 
bungen, Quittungen  und  andere  unter  herzoglichem  Titel  und  Secret  aus- 
gehende Urkunden,  Zinsverschreibungen,  Beamtenemennungsdecrete,  Freiheiten, 
CoDfirmationen  von  Burgfrieden-  und  Handwerksordnungen,  Wappenbriefe, 
genieine  Recesso,  Gerichtshändel,  Appellationen,  Possessbriefe  für  geistliche 
Pfründen,  Einsatz  in  weltliche  Güter  und  gemeine  Abschriften. 


—    542    — 

Vorstands  zu  verfassen  und  zu  schreiben  und  ebenso  auch  alle 
Beschlüsse  des  Hofrats  bezw.  des  Hofgerichts  zu  fertigen  hatte. 
Das  Kanzleipersonal  bestand  wie  früher  aus  Sekretären  ^)  und 
Kanzleischreibem.  Die  Beorganisation  des  Hofrats  blieb,  ganz 
abgesehen  davon,  daß  die  Hofratsordnungen  Vorschriften  ent- 
hielten über  die  Anwesenheit  d<^r  Sekretäre  und  Schreiber  in 
den  Sitzungen  des  Kollegiums,  damit  die  Ratsbeschlüsse  riditig 
verzeichnet  und  begriflfen,  im  Rate  verlesen  und.  in  der  Kanzlei 
unverzüglich  gefertigt  würden,  sofern  von  Einfluß  auf  die  Orga- 
nisation der  Kanzlei,  als  Herzog  Albrecht  in  der  ersten  Hof- 
ratsordnung von  1551  dem  Kanzler  den  Befehl  erteilte,  ehestens 
eine  Kanzleiordnung  zu  entwerfen  *),  die  er  beratschlagen  lassen 
wolle,  damit  bei  der  Kanzlei  allerlei  Mängel  abgestellt  und  zur 
Beförderung  der  Rats-  und  Hofgerichtssachen  gereformiert 
werde. 

Eine  Arbeitserleichterung  für  den  Vorstand  der  Kanzlei  trat 
1569  ein,  indem  er  nun  seine  Thätigkeit  auf  die  Konzipiernng 
der  durch  die  Privat-  und  geheimen  Sachen  des  Herzogs  her- 
vorgenifenen  Bcschci<le  beschränken  konnte,  während  ein  neu- 
l)estellter  Vicekanzler  ihn  im  Hofrate  und  in  der  Beaufsidiü- 
^ung  der  Kanzlei  ersetzen  und  ihn  in  allen  seinen  Obliegen- 
heiten unterstützen  mußte.  Der  Kanzler  verwandelte  sich  seit 
1586  in  einen  „ol^ersten  Kanzler",  während  der  2.  (Vice-)  Kanzler 
fortan  den  Titel  Hofkanzler  führte. 

Nachdem  im  Hofrat  dadurch,  daß  die  Schriften  und  Be- 
richte, die  l)illig  bei  einander  sein  sollten  und  deren  man  zur 
Erledigung  voifallender  Streitigkeiten  l)edurfte,  nicht  beisammen 
waren,  eine  Verzögenmg  in  der  Geschäftserledigung  herbeige- 


1)  Diese  hatten  die  Beschlüsse  auf  die  SupplicationcD ,  Unterrichte 
Kopliken  und  VerhOro  zu  entwerfen,  welche  die  Schreiber  dann  einfach  ko- 
pieren mußten.  Um  in  den  Hof^erichtssaclien  gute  Ordnung  zu  haben,  sollte 
für  jede  Rechtssache  ein  besonderes  Protokoll  anp^elegt  und  in  dasselbe,  was 
an  jedem  Gerichtstage  angebracht ,  gehandelt,  interloquendo  oder  diffimtiTe 
erkannt,  eingetragen  werden. 

2)  Die  im  Vollzuge  dieses  Befehls  verfaüte  Kanzleiordnnng  Ton  1668 
konnte  ich  nicht  finden,  dagegen  lag  mir  vor  eine  Kanzleiordnnng  tob 
20  Mftrz  15G0  (H.  A.  —  lit.  D  n.  83,  Orig.).  Dieselbe  regelt  haaptsieUich 
die  Obliegenheiten  der  Kanzleibediensteten  in  Bezug  auf  die  Hofrato-  md 
Hofgerichtsbeschlüsse.  Es  wird  ein  Decretenbuch  geführt  in  welchem  diese 
YiTZoichnet  werden. 


—    543    — 

führt  wurde,  erging  (1566)  eine  Instruktion  für  den  Registrator^), 
die  eine  höchst  detaillierte  Reglung  des  Registraturwesens  vor- 
nimmt und  jene  nicht  sehr  von  unsem  heutigen  abweichenden 
Bestimmungen  aufstellt,  welche  durch  Herstellung  strengster 
Ordnung  im  Geschäftsgang  der  Kanzlei  eine  rasche  Förderung 
der  causae  domini  sowohl,  als  der  Parteisachen  erzielen  sollten*). 

Für  sorgsame  Aufbewahrung  des  Sekrets  waren  Kanzler 
und  Sekretär  verantwortlich.  Die  Hofkanzlei  hatte,  wie  sie  das 
Bureau  für  das  oberste  Regiment,  den  Hofrat,  bildete,  auch  alle 
schriftlichen  Ausfertigungen  der  aus  dem  Hofrat  sich  abzwei- 
genden Centralstellen  zu  besorgen,  soweit  für  solche  nicht  eine 
eigene  Kanzlei  eingerichtet  ward.  Dies  war  der  Fall  bezüglich 
der  Hofkammer,  für  welche  gleich  bei  der  Errichtung  eine  eigene 
Kammerkanzlei  ^)  zur  Erledigung  aller  in  deren  Geschäftskreis 
fallenden  Schreibereien  organisiert  ward*). 

Die  innere  oder  geheime  Kanzlei  wurde  etwa  1572^)  von 
der  allgemeinen  Hofkanzlei  losgelöst  und  als  selbständige  Kanzlei 
organisiert.  Man  geht  wohl  nicht  fehl,  wenn  man  diese  Organi- 
sation als  eine  Nachwirkung  der  Schaffung  des  Vicekanzler- 
l)()stens  (1569)  auffaßt.  Durch  diese  war  der  Kanzler  in  die 
Lage  versetzt,  seine  Thtätigkeit  fast  ausschließlich  auf  die  Privat- 
und  geheimen  Sachen  des  Herzogs  zu  beschränken.  Diese  son- 
derten sich  also  gewissermaßen  zu  einer  eignen  Geschäftsgruppe 
ab,  und  so  lag  es  nahe,  daß  der  Kanzler  bei  der  Wichtigkeit 
und  der  Notwendigkeit  strenger  Geheimhaltung  derselben  die 
aus  diesem  Ressort  envachsenen  Schreibgeschäfte  der  Hof- 
kanzlei entziehen  und  einer  aus  dieser  gebildeten,  selbständig 
eniachten  Abteilung  derselben,  d.  i.  der  innern  oder  geheimen 


tr 

n 


1)  Kr.  A.  —  Hofratscollegium  Fase.  1. 

2)  Neben  dem  Registrator  ist  dann  noch  unter  dem  Kanzleipersonal  der 
Taxator  liervorzahoben,  welcher  für  alle  taxpflichtigen,  aus  der  Kanzlei  aus- 
<,'ehenden  Schriftstücke  die  Taie  auf  Qnind  der  Taxordnung  zn  erheben  hatte. 

3)  Diese  führt  auch  den  Titel  „äufiere  Kammerkanzlei''  zur  Unterschei- 
dung von  der  inneren,  welche  auch  nur  als  „innere  oder  geheime  Kanzlei** 
bezeichnet  wird. 

4)  Siehe  über  diese  und  die  1565  erfolgte  Verbindung  der  Kammer- 
kanzlei mit  der  Hoa-anzlei  S.  471  und  472  A.  1. 

5)  N  e  u  d  e  g  g  e  r ,  Gesch.  der  bayerischen  Archive  (S.-A.  aus  y.  L  ö  h  e  r's 
Arcliiv.  Zoitsrhr.  Bd.  VI,  1881,  S.  4). 


—    544    — 

Kan/Ici,  überirug.    Diese  hatte  im  großen  und  ganztm  die  Sic 
luDg  des  heutigen  Cablnetssekretariats. 

Alle  Einlaufe  der  geheimen  Kanzlei  waren  sofort  mit  < 
kurzen  Inhaltsangabe  zu  versehen  und  in  ein  Register  > 
tragen')-     Außerdem  wurden  sie  noch  in  dem  halbbi 
Tageszettel  verzeichnet,  der  mit  dem  Einlaufe  des  T«( 
abendlich  dem  Herzog  vorgelegt  v,iirde.     Dieser  schriebt 
ließ  durch  den  obersten  Landhofmoister,  der  ifam  Vortrag  i 
stattete,  in  aller  Kürze  seine  Resolution  *)  auf  tleu  unbosdirie-  _ 
beuen  Rand  des  'i'ageszettels  notieren.    Aufgabe  des  an 
beimeu  Kammer-)  Sekretärs  war  ea  dann,  nach  Maßgabe  i 
Notiz  den  Entschluß  zu  kouzipieren  und  ausfertigen  zu  1 

In  den  HofzahlamtsrechnuDgen  erscheint  das  Kanzleipi 
unter  folgenden  4  Rubriken:   1)  Sekretarien  und  RaU 
der    drei    Kanzleien  * ) ;    3)  Geheime    Kammerkauzlei»cl 
3)  Hofkanzlisten ;  4)  Hofkammerkanzlei  samt  der  Bibliott 

Die  sub  1)  Verzeichneten,  welche,  da  ihnen  die  eigeutlidi 
geistige  ThätJgkeit  in  der  Kanzlei  zuliel,  indem  sie  nach  An- 
gabe des  Kanzlers,  einzelne  auch  selbstundig  die  erteilleo  Bc-  i 
scheide  zu  redigieren  hatten,  standen  in  viel  höherem  Rjuge  | 
als  die  übrigen   3  Kategorien,    welchen  der  mechanisch«:  TeO  | 
des  Schrcibeverks  obtag.    Von  erstcren  wird  teilweise  eine  u 
fassende  Bildung  verlangt,  und  in  dieser  Kategorie  rangieruD  ja 
auch,  wie  hervorgehoben  wurde'),  die  ersten  ständigen  Organe 
des  diplomatischen  Dienstes.     Unter  diesen  erhalten  einige  den 

1)  Entwurf  la  der  geh.  Eimtlciordnont;  —  E  A.  liL  D 
mD  Mht  ^geben  irerden,  waoo  iich  eine  {lutei  bcUi^,  dkt  mu 
bdligkoit  nicht  handdii  «Ol,  to   lall  in  dem  vuiug  duelbit  not 
«orten  aiudräcUich  gemeldet  «erden.  Ober  wu  Dachcfctst«  obi 
eUg  gee. 

8)  Uieee  ging  oft  dfthiD,  dkfi  die  gehdme  Kuulel  di«  Sadi» 
Battkollegieo  mc  Boricbteratattong  ta  abenoittAfai  bab& 

3)  Damit  keine  «iderwiftigen  (sieb  widertprecbeaden)  Beeehddt' 
Kvulei  ftotgingen,  tollten  alle  Beeeheide,  Schreiben,  Befvhle, 
uch  nicht  «artlich,  lo  doch  dem  Baoptinhalt«  nach  ia  lin  botonderM 
MDgetngen  werden. 

4)  Gl  fuHl  «ach  hier  ein  Arkocemetit  itktt    So  wird  Broiuiei,  de 
1689  oatar  Z.  4  endiaint,  lait  diM«r  Zeit  onl«r  Z.  I  kl*  b  JbUotlMcaiJiu 

5)  1548  bert«tat  i.  &  die  Eanileä  mm  7  Sekretiran   (dunntair  1 
jfnhtt).  t  BatMhnflMtn.  10  OewUnn  in  der  Kaiulei  tud  1  KunniaM 

6)  S.4«0. 


—    545    — 

Ratstitel  und  sogar  Doctores  ^ )  tauchen  im  Sekretariatsdienste 
auf.  Daß  der  Gehalt  der  tüchtigeren  dieser  Sekretäre  dem  der 
Hof-  und  Kammerräte  nicht  viel  nachsteht,  ihn  sogar  teilweise 
übersteigt*),  kann  nicht  wundernehmen. 

Ursprünglich  sollte  die  Kanzlei  aus  den  bei  ihr  eingegangenen 
Taxgefällen  erhalten  werden.  Als  sich  1526  die  Landschaft  über 
die  Höhe  derselben  beschwerte,  erhielt  sie  die  Antwort,  der 
Herzog  vermöge  die  Kanzlei  nicht  von  ihren  Gefällen  zu  unter- 
halten, sondern  müsse  oft  hinzugeben.  Man  betrachtete  dies 
also  als  einen  anormalen  Zustand. 

Wie  der  Hofrat  die  Hofkanzlei,  so  hatte  auch  jede  der 
3  Regierungen  ihre  besondere  Kanzlei  zur  Erledigung  der  schrift- 
lichen Ausfertigungen  aller  von  der  Regierung  ergangenen  Be- 
schlüsse bezw.  der  hofgerichtlichen  Erkenntnisse.  Zur  Leitung 
und  Beaufsichtigung  der  Kanzlei  hatte  jede  Regierung  ihren 
eigenen  Kanzler,  welcher  dieselbe  Stellung  im  Kollegium  ein- 
nahm, wie  der  Kanzler  im  Hofrat. 

Aus  der  bisherigen  Darstellung  ergibt  sich,  daß  die  bairi- 
schen  Kanzleien')  nicht  Regierungsbehörden*),  sondern  nur 
Bureaus  solcher  waren.  Es  fehlte  ihnen  die  Möglichkeit  einer 
sachlichen  Einwirkung  auf  die  Erledigung  von  Staatsgeschäften, 
da  sie  weder  Beratuugs-  noch  Entscheidungsgewalt  hatten.  Ihre 
Aufgabe  bestand  einzig  und  allein  in  der  formell  technischen 
Fertigung  der  vom  Landesherm  oder  den  Kollegialbehörden  ge- 
faßten Beschlüsse.  Sie  waren  nichts  anders  als  das  Schreib- 
orgau des  Monarchen  *),  des  Hofrats  (geheimen  Rats,  geistlichen 
Rats,  Kriegsrats)  und  der  Hofkammer,  also  Kabinetssekretariat 
und  Kanzleien  dieser  Centralstellen. 

1)  z.  B.  1578  Dr.  Lind,  C.  Bat  und  Secretär,  1587  Dr.  Bank,  ftlntL  Bat 
und  oberster  Hofsccretari  (wird  spftter  Kanzler  zn  Begensburg),  1589  Hofrats- 

secretär  Dr.  Gewold. 

2)  Mehrere  Sekret&re  beziehen  so  300  fl.  jährlich,  während  viele  Bäte 
nur  400,  manche  300  und  einige  250  fl.  erhalten. 

3)  Ebensowenig  wie  die  Österreichische  Hofkanzlei  unter  Ferdinand  L 
(vgl  Rosen  thal,  BehOrdenorganisation  K  Ferdinands  L  S.  48  fl). 

4)  Die  Auffassung,  daß  Kanzlei  und  Ministerium  dasselbe  sei  (Nen- 
d  e  g  g  e  r ,  Beiträge  z.  Gesch.  der  BehOrdenorganisation  I,  S.  12)  ist  daher 
in  dieser  Allgeraeinheit  nicht  zutreffend. 

K  (•>  (■  n  t  li  a  1.  «iisohichte  d.  GorIchUw.  u.  d.  Verw.-Org.  Baiernt.  T.  jj^ 


—    546    - 

Archiv  1). 

Im  Beginne  des  16.  Jahrhunderts*)  veranstaltete  der  oberste 
Sekretär  A.  Kölner  eme  Repertorisierung  und  Ordnung  des 
Münchner  Archivs*).  Köhier  sowohl,  wie  sein  Nachfolger  im 
Kanzleramt,  Dr.  Schwapach,  ordneten  das  Archiv  ^)  nach  einem 
festen  System*^).  Bei  den  vielseitigen  Anforderungen,  wie  sie 
an  die  Arbeitskraft  eines  Kanzlers  gestellt  wurden,  scheint  aber 
dem  Archivwesen  nicht  immer  die  entsprechende  Aufmerksam- 
keit gewidmet  worden  zu  sein,  denn  Wilhelm  V.  beauftragt  157Ö, 
nachdem  bei  unsem  Brief-  oder  Kauzleigewölb  unsre  darin  ver- 
wahrte geheime  Sachen  und  briefliche  Urkunden,  an  denen  ims 
hoch  und  viel  gelegen,  etwas  in  Unordnung  und  Zerrüttung 
kamen  ^),  den  Rat  und  Kastner  Fend,  solch  Werk  unter  die 
Hand  zu  neluuen,  mit  sonderm  Fleiß  zu  registrieren  und  in 
Ordnung  zu  bringen^). 

Nach  Fend's  Tod  wurde  die  Aufsicht  über  das  Archiv  dem 


1)  S.  oben  S.  272. 

2)  Über  dio  Gesch.  d.  bair.  Archive  seit  dem  Ende  des  16.  Jahrh.  t|§^ 
Neudegger,  v.  LOhers  Zeitschr.  VI  u.  VIL 

3)  Dieses  liepertoriom  —  teilweise  wurden  die  ürkanden  wdrÜich,  XA 
weise  nur  im  Auszage  mitgeteilt  —  erschien  etwa  im  17.  Jahrhundert  im 
Druck  und  ist  als  das  älteste  dieser  Art  von  hervorragender  Bedentuig 
^Muffat  a.  a.  0.  S.  94  £). 

4)  v.  Löher  a.  a.  0.  S.  85. 

5)  Über  die  Vereinbarung  Wilhelms  IV.  und  Ludwigs  (1514)  betreffii  dm 
ungetrennten  Fortbestandes  aller  das  Fürstentum  Baiem  betreffimden  Ur- 
kunden etc.  vgl.  Landtag  1515  S.  72. 

6)  Fends  Bestallung  (1575)  ist  abgedruckt  bei  v.  Loher,  ArcL  Ze&taduL 
XI,  S.  66. 

7)  Er  sollte  diese  Arbeit  in  4  Jahren  zu  Ende  fahren  (R.  A  —  Beftil- 
lungsbriefe),  aber  1580  entbindet  ihn  der  Herzog,  da  er  voraoiüchtlich  no^ 
3  Jahre  durch  diese  Arbeit  in  Anspruch  genommen  wflrde,  während  dieeer 
Zeit  von  seinen  Batsfunktionen  (K.  A.  —  Decrete  III).  Allzu  groA  acheiiit 
das  Vertrauen,  das  man  in  Fend's  Diensteifer  gesetzt;  nicht  gewesen  sa  mIiv 
denn  1582  wird  unter  andern  Vorschlägen  für  die  Beformierung  des 
tums  dem  Herzog  geraten,  diewcil  schier  niemand  wissen  kann, 
Verrichtung,  durch  einige  Bäte  nachforschen  zu  lassen,  was  er  seit 
Bestallung  geleistet  habe.  Man  hielte  es  für  unnOtig,  heifit  es  in  dem  Gut- 
achten, eine  neue  Bi'gistratur  zu  machen,  dieweil  dio  alte  so  boschalFen,  dal 
sie  nicht  wohl  zu  verbessern;  man  solle  einfach  dieselbe  durch  Anlfthmv 
dor  seither  neu  errichteten  Urkunden  er^'ünzen  und  fortsetzen,  was  nicht  sehr 
viel  Zeit  in  Anspruch  nehme,  so  daü  Fend  dann  wieder  im  Hofrat  Terwendsi 
werden  kOune  •  Hofstatänderung :  H.  A.  1712  K  n.  1  S.  241). 


—    547     — 

Hofkanzler  Dr.  Gailing  übertragen,  welchem  2  Schreiber  für 
Erledigung  des  Arcliivdienstes  beigegeben*).  Tiefes  Verständnis 
für  die  Bedeutung  des  Archivs  verrät  die  1586*)  erlassene 
Archivordnung  3). 

In  der  Instruktion  finden  wir  in  nuce  alle  diejenigen  organi- 
satorischen Bestimmungen,  welche  zum  großen  Teil  auch  noch 
heute  als  Hauptgrundzüge  einer  geordneten  Archivverwaltung 
betrachtet  werden  können*).  Besondere  Aufinerksamkeit  ist 
auf  die  Schriften  zu  verwenden,  welche  für  die  Regenten,  Land 
und  Leute  ersprießlichen  Nutzen  versprechen ;  derartige  Punkte 
sind  vor  andern  Sachen  zu  notieren  und  Memorialia  darüber 
zu  machen.  Hier  tritt  also  die  Auffassung,  welche  die  Archive 
als  Hüter  und  Wächter  landesfürstlicher  und  staatlicher  Inter- 
essen schätzt,  scharf  hervor.  Ebenso  in  dem  Artikel,  welcher 
dem  Archivar  auferlegt,  sein  Augenmerk  auf  die  des  Herzogs 
Person,  Recht  und  Gerechtigkeiten  oder  das  Kammergut  be- 
rührenden Prozesse,  sowohl  im  Rat  als  an  andern  Orten  zu 
richten  und  darauf  fleißig  nachzuforschen,  ob  nicht  im  Archiv 
zweckdienliche  Schriften,  Urkunden  und  Dokumente  vorhanden 
wären,  welche  dann  mit  des  Herzogs  oder  der  geheimen  Räte 
Wissen  im  Original  oder  abschriftlich  den  Räten  oder  Advokaten 
mitzuteilen  und  nötigenfalls  auch  auf  einige  Tage  zu  überlassen 
sind.     Für  den  Archivar  bildet  neben  der  Ordnung  die  Erhaltung 

1)  Ncudegger  (Archiv.  Zeitschr.  VI,  S.  8). 

2)  Cod.  liav.  2614  S.  168,  abgedruckt  bei  v.  Lö  h  e  r,  Archiv.  Zeitschr.  IX,  S. 90. 

3)  Nachdem  wir  die  zeit  her  unserer  regieroog  vilmals  zu  geznüet  ge- 
fürt,  danicbcn  oftcrmals  vod  unsern  fUmemen  rftthen  underthenig  und  treu- 
horzi^  Vermont  worden,  das  wir  unser  fürstlich  archivurn  als  den  fumembsten 
schätz  dises  lands,  daran  uns  und  unsern  nachkommen  land  und  leuten  nit 
die  minste  wolfart  gelogen,  in  höchster  achtung,  gueter  Ordnung  und  regi- 
stratur,  fürneniblich  aber  in  sicherer  verwarung  halten,  und  darob  sein  sollen, 
damit  alle  desselben  vielfcltige  hochwichtige  ansehenliche  Schriften  und  acten, 
wie  die  namcii  haben  mögen  und  bisheor  jederzeit  alda  verwart  haben,  vleißig 
ersehen  und  in  ein  f^ucte  Ordnung  oder  registratur,  und  sovU  muglich  zu  nutz 
^'eb rächt  wurden. 

4^  Die  von  Kölner  und  Dr.  Schwapach  verfaßten  Registraturen  bUden 
die  Grundla<,^e  der  Ordnung  der  Archivalien,  welche,  wie  hier  angegeben, 
zupannnen'relegt  werden  sollen ;  die  später  neu  hinzugekommenen  Archivalien 
sind  nach  denselben  leitenden  Gesichtspunkten  zu  ordnen,  wenn  kein  besserer 
Modus  jjefuuden  wird,  und  zu  registrieren  —  er  soll  ordenliche  protocolla 
und  indices  darüber  machen. 

35  ♦ 


—    548     - 

des    vorhandeneD  Materials    einen   Hauptfaktor    seiner   AmtSp 
pflichten  * ). 

Eine  Scheidung  zwischen  der  Kanzleiregistratur,  welche  die 
für  die  laufenden  Verwaltungs-  und  Justizgeschäfte  erforder- 
lichen Akten  zu  verwahren  hatte,  und  dem  Archive  wurde  durch- 
geführt. Dem  obersten  Kanzler  bleibt  die  summaria  inspectio 
archivii  wie  bisher  übertragen,  von  ihm  wird  auch  der  Archivar 
in  Pflicht  genommen. 

Große  Verdienste  um  die  Ordnung  des  Archivs  erwarb  sich 
noch  Arroden '),  welcher  an  den  bairischen  Hof  berufen  wordoi 
war,  um  Aventin's  Annalen,  deren  Verbreitung  aus  kirchlichen 
Rücksichten  bedenklich  erschien '),  zu  überarbeiten,  und  1590 
zum  Archivar  bestellt  ward^),  wobei  ihm  eine  ordentliche  Be- 
gistrierung  des  Briefgewölbes  zur  Pflicht  gemacht  wurde,  eine 
Aufgabe,  der  er  sich  mit  staunenswerter  Raschheit  erledigte*). 
Der  neuen  Archiwerwaltung  gedachte  auch  die  H.E.O.  1591*X 
indem  sie  es  als  eine  Hauptaufgabe  des  neuen  Archivars  be- 
trachtete, die  ihm  anvertrauten  Schätze  unmittelbar  für  die 
Regierung  des  Landes  verwerten  zu  lassen.  Er  sollte  namentr 
lieh  nach  solchen  Archivalien  Nachforschung  anstellen,  welche 


1)  Vor  aUem  soll  er  deshalb  die  ans  dem  ArchiT  beranigekoi 
Schriften  anfspflren  nnd  demselben  wieder  einznyerleiben  rochen,  ebeoto 
anch  Abschriften  der  wegen  ihres  hohen  Alters  lerfallenden  Uikmidfln  V^ 
sorgen.  Gleichzeitig  wnrde  dem  Archivar  Sorgfalt  im  Anileihadieiifk  a^ 
empfohlen,  so  daß  wo  möglich  Kopien  statt  der  Originale  bei  BeqointioB  vm 
Archivalien  gegeben  würden,  daft  aber  jedenfalls  eine  Yendcluiinig  dm 
ausgeliehenen  Materials  nnd  eine  Rflckfordemng  znr  geeigneten  Zeit 
finden  hfttte. 

2)  Ober  ihn  vgl  Hantle,  Dr.  Michael  Arrodenins  (OberK  ArdL 
S.  190  ffi) 

3)  S  t  i  e  T  e ,  Zar  Entstehung  der  Münchner  Archive  (Beil  i.  Angiboig« 
Allgem.  Zeitung  1876  n.  89). 

4)  In  einem  herzoglichen  Dekret  1590  (28.  Juni)  wird  der  AreUrar  A. 
beauftragt,  die  für  die  Geschäftsführung  des  Hofrats  nnd  der 
notwendigen  Urkunden  und  Schriften,  welche  durch  einen  der  Bite 
Sekretäre  und  den  Kanzler  gefordert  würden,  abzugeben,  aber  mir  gogei 
das  entliehene  Stück  und  die  entleihende  Behörde  bezeichnende  FmpJlM^ 
bcschcinigung.    Zur  Kontrolle  hatte  der  Archivar  noch  ein  AndeihlNick  n 
führen  (R.  A.  —  Decrete  WiUielms  V.  Bd.  HI). 

5)  Über  diese  Arbeit  (Archiyum  Monachense)  ygl.  Hiatle  8.  281  ft 

6)  Stiove  S.  36. 


—    549    — 

ftlr  <tit;  Erhaltung  der  Grenzen  des  Landes  und  der  Hobcits- 
rechte  des  Herzogs')  von  Relang  wären').  Nachdem  Arnxlen 
aus  imliekannten  GrUndvn  bei  Hofe  in  l'ognade  gefallen  war''), 
ernannte  Herzog  Maximilian  1595  den  Dr.  Gewold  zum  Sekretär 
des  geheimen  Rats  und  zum  Registrator  dee  Archivs. 

Ans  diesen  *)  wenigen  Itcmerkungen  läßt  sich  der  erfreu- 
liche /ust;iud  des  liairischen  Archivwesens  entnehmen  in  einer 
Zeit,  in  welcher  in  andern  Lüntlem  Archive  noch  nicht  einmal 
dem  Namen  nach  bekannt  waren.  Der  historische  Sinn  des 
liajuvurischen  Stammes  zeigt  sich  in  jener  konservativen  FQr- 
.-oi^e  für  die  Urkunden,  in  welcher  sich  die  Geschichte 
des  liniriMchen  Staatswesens  alis]>iegelte.  Su  war  der  Grund 
zur  Iit'utigi'n  Hiflte  der  liairischen  Archive  schon  in  früher  Zeit 
gele};t  durch  die  erfolgreiche  Thiltigkeit  pHicht treuer  Archivare 
und  durch  die  Schaltung  von  Yerwiiltungsnornien,  welche  noch 
heuif  in  ihren  (irundzilgen  als  höchst  vcrstiindig  und  zweck- 
en i>|)n'chcnd  unerkannt  werden  uiüssen.  Jene  frühe  vortreff- 
liche Kiiluickluiig  muß  al>er  um  so  höher  geschätzt  werden, 
wenn  man  erwägt,  diiU  in  Preußen  des  Archivs  zum  ersten  Male 
in  iler  Gehi'imrats-Ordnung  von  ItilS  Erwähnung  gi-schah,  und 
diiL)  in  einer  Verfügung  <les  Kurfürsten  Krie<lrich  Wilhelm's  von 
lti,'il  «treu  Verteilung  der  Geschäfte  zum  ersten  Male  ein 
areliiviirius  vorkommi  M. 


1 1  Vi\*  in  dirvcr  Itpiiehnnf;  fOr  die  <iplti>ndinachanK  von  AnfpiUrhrn 
Hin  Nuti--u  »ein  k<iDii((>,  Kolitis  d«r  ArrhiTkr  drr  Hoflianimrr  tbicliritllich 
miii'il'ii.  'lainil  •liifc  iti  (ii-mfinicluft  mit  dem  Hotnt  Milche  ATchiTsU» 
IUI  Wdliriini;   und   (ii-ltmiiiiiacbanic   der   hmo|clirhca   Inlt-rrMen   Ttrucrten 

'i  li.iü  mau  iibrik*''»!  Kboa  frQhi-  vpntand,  ilip  ArcliifTprwaltiitig  lam 
Nutii-n  Lii[i1iri-li>r  vUatlirhrr  IntrrcFFcn  hrran- uiiph^n .  bcwpirt,  um  nar  md 
1u-iF|>l-l  uii'iifuhn'n.  dt<'  H.K.O  IStiS,  «pich»  dorn  Kunnierkollcf^um  »ftniK. 
im  ArhiM'  und  in  di'r  Kanilfi  n«rh  altrn  Urkunden  flbi>r  iea  Ki|>nrt  aad 
dii'  Ni.-.l.rlat.'d  t'>D  Sali  lu  fonchro.  um  auriirund  d<->  Sindium*  dcn^lbni 
un;:-r>"  htf-rtit.<l-  p<-hä<IU<'hi>  Neamnicra  abttidlrn  n  k.''nnrn  {vgl  S.  4)^ 
A.  2 

H    ll.utl.-  S  21i:. 

ii  V.-l.  au.-h  -brli  S.  ins. 

:■    <'-Mii»r  und  4.'lM]i|>rDth.  Der  kfl   ^n-oi.  k^Il  Sitaatontk.    Berlia 

!-•■:■  >  II«  f. 


—    550    — 

Bibliothek. 

Als  eiu  Annex  der  Kanzlei  erscheint  auch  die  herzogliche 
Bibliothek  ^ ) ,  deren  Gründung  ein  unverwelkliches  Blatt  im 
Ruhmeskranze  Albrechts  V.  bildet.  Durch  seine  Schöpfung  hat 
er  den  Grund  gelegt  zu  jenem  vielbewundert^n  Institut,  das 
heute  als  kgl.  Hof-  und  Staatsbibliothek  unter  den  Bücher- 
sammlungen  der  Kulturwelt  mit  den  ersten  Rang  behauptet. 

Die  Oberleitung  über  die  Bücherei  war  dem  Hofkanzlcr 
anvertraut,  der  sich  aber  bei  seinen  vielen  AmtsgeschäfteD 
nicht  persönlich  mit  der  Venvaltung  derselben  befassen  konnte. 
Die  Verwaltung  selbst  wurde  anfangs  durch  einen,  später  durch 
mehrere  Kanzleisekretärc  geführt,  die  unter  den  Hofkammer- 
sekretären aufgeführt  werden  und  die  Funktionen  eines 
Bibliothekars  =^)  bezw.  die  seiner  Hilfsbeamten  versahen.  Zu 
diesen  gehörte  die  Katalogisierung  und  Verwahrung  der  vor- 
handenen Bücher,  nebst  der  Sorge  für  die  Rücklieferung  der 
ausgeliehenen    Werke.     Femer  hatte  er  den   Neuerwerbungen 

1)  Über  ihre  Geschichte  vfjL  Steij,'enbergor,  Hist-lit  Versuch  von 
Entstehung  und  Aufnahme  d.  churf.  Bibliothek  in  München  (Festrede  in  d. 
Akadonüo  1784);  Mnffat,  Die  kgl.  Hof-  u.  Staatsbibliothek  in  Ifflnchen 
^  Bayer.  Bhltter  f.  Gesch.,  Statistik  etc.  1852),  S.  74  iE 

2)  Die  ülteste  Bestallung  eines  Bibliothekars  ist  die  des  Ortl  von  156L 
Du  sie  m.  W.  bisher  noch  nicht  bekannt  ist,  lasse  ich  sie  hier  im  WorÜant 
folgen :  „Wir  Albrecht  . . .  den  Egid  <  )rtl  von  Nürnberg  za  ansonn  Diener 
und  ^^ocretari  auf  10  Jahre,  da&  er  sich  in  allen  Sachen,  es  sei  mit  lateini- 
schem oder  deutschem  Schreibon,  Transferieren  der  italienischen  und  firunff- 
sischen  Brief  und  Schriften,  auch  Hin-  und  Wicdcrschicken  in-  und  anler- 
halb  Landes  . .:  sonderlich  aber  und  nachdem  wir  ihm  unsere  Liberd  n 
verwalten  unter  Händen  geben  lassen,  soll  er  dieselbe  mit  allem  Fleifi,  wie 
wir  ihm  die  durch  ein  ordenlich  Invcntarium  ein-  und  Überantwort  haben, 
registrieren  und  verwahren  und  was  davon  ausgeliehen  war  worden,  wied« 
zu  Händen  bringen  oder  doch  jeder  Zeit  solche  Achtung  haben,  damit  nichts 
davun  verloren  werde.  Er  soll  auch  sein  fleiüig  Aufmerken  haben,  wann  er 
etwas  von  guten  probierten  Buchern,  es  wilr  gleich  in  Theologia,  HistoriUi 
Facultfiten  oder  Künsten  erführe,  so  neulich  ausgangen  und  zuTor  in  nnser 
Libcrei  nit  vorhanden  wären,  daß  dieselben  mit  Rat  unsres  Kanzlers  (oluN 
dessen  Vorwissen  er  auch  Xiemands  Nichts  aus  der  Liberei  leihen  soll)  e^ 
kauft  und  in  ihre  gehörige  Ciassos  eingeteilt  werden".  OrtPs  Besoldung  md 
Kostgeld  beträgt  250  11.  jährlich  (IJ.  A.  —  Bestallungen  .  .  b.  Beamten, 
Faso.  2).  -  Nach  G  ü  n  t  h  n  e  r  i  Gesch.  d.  litter.  Anstalten  in  Baiem.  München 
1S1<»  II,  S.  ISf)!  erscheint  um  löo8  der  Niederländer  Samuel  Qoichelberger 
als  Hibliothekar,  dann  Kueshammer  (Hofstaat  1573). 


•LI 


J 


-     551     - 

Mniie  Aufmerksamkeit  zu  schenken,  die  Oelegenlieit  itur  An- 
srliuDun^  der  auf  der  Itildiotliek  noch  fehlende»  neuerscliienenen 
I'.ürluT  zu  crsinihen  und  solche  mit  Gonelimiguiit;  des  Kanzlers, 
(ihiie  wi'h'he  er  nut^h  kein  Ituck  ausleihe»  durfte,  anzukaufen.  — 
Dem  ltilili(»thekiir  wird  ein  Schreiber  zur  Anfertij^unt;  eines 
Katali^^s  hcinfnehen,  welcher  nach  Heinidinu»};  der  Katalogi- 
^ioniii^sarheiten  wieder  aussrhlielihch  im  Ka»zlei<lienst  Ver- 
wi'iiiUm«  finden  solle'). 

Allireeht  V.  liatte  noch  testamentarisch  für  die  dauernde 
Krhiiltun::  seiner  Schöpfungen  K<^snrgt  durch  die  Bestimmung, 
ih\\i  die  I-ilicrci  und  die  Kunstkammer»)  ungeteilt  beisanimen 
lileiln'ii  sollen.  Diese,  Rowie  das  von  Allirecht  angelegte  Anti- 
(juarium  (nehst  Mün/kal>i»et)  und  UemJildesanmdung  waren  das 
Saatknni,  wel<lies  dieser  kunstsinnige  Wittelsbacher  im  115. ,T«hr- 
hiindcrt  :iiis>,'cstreut,  aus  welchem  jene  vielliewundorten  Museen 
h<-rv<>rs|iri>Lilfn,  die  München  zu  einer  Kunststadt  ersten  Itanges 
rrholH'ii,  ihrem  fürstlichen  Schöpfer  für  alle  Zeiten  ein  nionu- 
uicntuni  su'Tv  iKTCiinius. 

1  .Auf  r>ti1  fnlul  Itrnnncr  (IRTS- Iß!*»'  kl«  Bibliothekar,  ilom  leit  1590 
■  in.'  7H<'iti-  )lilf«knift  (i-na<Ijutnr  bibliothK'uiil  in  der  Ppivon  cinci  Dr.  Ritter 
lii'iL'p'orilm'i  »urilf.  l>ii'*<>  VfMTnphninK  Om  Porxanal«  härurt"  mit  Hnem  er- 
klivklirlifii  iCiiHarh'i  nn  Itudi'-m  iurumikmi.  di-ao  l'itH)  ift  «ein  Kcwalt  Bacclier 
7iir  lib.r.i  liiiifi  ««nl-n-    Muff«t  S.  18fl.  1911. 

•i.  N:.rl]  -irHT  Kiilp«f..nnpl  fflr  i*n  KUtnthermw  l-WS  (H.A.  E  o.  1, 
S.  :{]!  H3r  <li<'s>'ni  auili  <lii>  Wrnallunj;  d>T  Kanttkunini-r  anv^rtnuL  IMNe 
u.irl  iliMi  aufiiriinil  pini'»  Invi'ntaHaiti«  Ot>iTantHort4>t,  rt  haltp  ric  in  K>it«r 
S'irK.  il-iLiL,'<>t  ViTwahranu  und  Mubcr  lu  (>rhaltoii,  dii>  iDTcntaria  dartber 
lu  C'iiiiiniii'T-'ri.  •I^i<j>-ni;.'i'.  ra  jfdet  7.eit  daiu  kommt,  na*  ei  «ri,  wnliPT  «• 
k.iriitil.  lim  «'-in  ,■.;  ^'''chpnkl  odi-r  wie  t4'uer  p«  erkauft  W'>rd«ll,  ffWchwie 
>l.i^  -'<  d:ir:iiii<  knmnit,  tu  vent'i<hD«iL  DIp  Kuiii>tkamm«r  «taod  antrr  R«> 
»l>i''ii-n/  >l<'<'  "lii-rril-n  KfimniPren,  welrfaem  aach  K«cbnunK  Ob«  Kinnahnien 


ZWEITES  CAPITEL. 

Staatsdienerrecht  und  Charakter 
des  Beamtentums. 

§31. 
Das  Staatsdienerrecht. 

In  unserer  publizistischen  Litteratur  ist  die  Ansicht  all- 
gemein verbreitet,  daß  eine  gesetzliche  Reglung  des  Staatsdiener- 
rechts in  D^tschland  erst  durch  das  preußische  Landrecht  er^ 
folgt  sei,  wie  auch  erst  Friedrich  Wilhelm  I.  als  der  Schöpfer 
eines  benifsroäßigen  Beamtenstandes  zu  betrachten  sei. 

Diese  Ansicht  erweist  sich  eindringlicher  Spezialforschoog 
gegenüber  als  unhaltbar.  Wenn  wir  auch  für  den  in  diesem 
Bande  behandelten  Zeitabschnitt  eine  spezielle  systematische 
Kodifikation  des  bairischen  Staatsdienerrechts  nicht  aufweisen 
können,  so  enthält  doch  die  L.  Fr.  (1508  und  die  späteren 
Fassungen)  ebenso  wie  die  andern  Gesetze  und  die  für  die 
Kollegialbeh(')rden  erlassenen  Instruktionen  des  16.  Jahrhunderts 
eine  Reihe  für  die  Rechtsverhältnisse  der  Beamten  wichtiger 
Bestimmungen,  die  unter  der  Regierung  des  Kurfürsten  Maxi- 
milian I.  noch  wertvolle  Elrgänzung  finden. 

Es  ist  daher  unzutrett'end ,  wenn  man  in  den  Beamten- 
bestallungeu  die  einzige  Erkenntnisquelle  erblickt  für  den  Rechta- 
zustand  (der  Beamten)  vom  13.  bis  tief  in  das  18.  Jahrhundert*). 

1^   So  Kchm,  Die  rechtliche  Natur  des  Staatsdienites  (Hirth  ud 
Sejdcl,  Annalcn  des  Deutschen  Reichs  1884),  S.  574. 


—     553     — 

Allerdings  muß  zugegeben  werden,  daß  solche  Bestallungs- 
urkiinden ,  als  Niederschlag  der  gewohnheitsrechtlichen  Bil- 
dungen des  Staatsdienerrechts,  von  unschätzbarem  Werte  sind 
für  uiisre  Kenntnis  der  Entwicklung  des  Beamtenrechts. 

Die  Beamten  sind  Diener  des  Landesherrn.  Das  Beamten- 
verhältnis wird  begründet  durch  einen  privatrechtlichen  Ver- 
trag *)  zwischen  diesem  und  dem  Beamten  ^).  Eine  Normierung 
der  Rechte  und  Pflichten  der  Kontrahenten  erfolgte  zunächst 
durch  den  Dienstmietevertrag  *).  Dieser  regelte  aber  nur  einige 
Punkte  des  Beamtenverhältnisses  (Dauer  desselben,  Gehalt,  Zahl 
der  zu  stellenden  Pferde  etc.),  während  für  andere  Rechts- 
verhältnisse die  allgemeinen  gesetzlichen  Normen  bezw.  ge- 
wohnheitsrechtliche Übung  maßgebend  war*). 

Die  Willensübereinstimmung  der  beiden  Kontrahenten  kam 
zum  Ausdruck  sowohl  in  der  Bestallungsurkunde,  welche  der 
Herzog  dem  Beamten  ausfertigen  ließ,  als  auch  in  dem  Re- 
verse, welchen  letzterer  ausstellte,  in  welchem  alle  in  der  Be- 
stallung cntlialteneu  Vereinbarungen  wiederholt  wurden  und  in 
welchem  der  Beamte  treue  Erfüllung  seiner  Amtspflichten  ver- 
sprach. 

Anwartschaften  auf  noch  nicht  erledigte  Ämter  wurden  viel- 
fach erteilt,  erst  1579  verweigerte  der  Herzog  die  fernere  Er- 
teilung •'). 

Die  Anstellung  erfolgte  ursprünglich  auf  1  Jahr,  doch 
wurde  das  Amtsverhältnis,   wenn   keine  Kündigung  erfolgte®), 


1)  Eine  Dogmengeschichte  der  privatrechtlichen  Vertragstheorien  gibt 
Rehm  S   582  ff. 

2)  G.  Meyer,  Staatsrecht  S.  402. 

3)  Vgl  E.  Löning,  Vorwaltungsrecht  S.  109. 

4i  Häufig  finden  sich  in  den  Bestallangen  Verweisungen  auf  das  Her- 
kommen, z.  B.  halten  wie  mit  andern  unsem  Pflegern  und  Amtleuten  (S.  325 
A.  4,  S.  327  A.  2),  wie  andere  unsre  Hofrfite,  wie  ansers  Hoüb  Gebrauch  etc. 

5)  z.  B.  1579  wird  dem  G.  Chr.  v.  Rorbach«  Rat  zu  Straubing,  auf  seine 
Supplication  um  das  Pflegeamt  M.  der  Bescheid:  „gedenken  I.  t  Gn.  ire 
ämbtor,  die  nit  erledigt  sein,  niemand  vor  entlicher  erlodigung  zu  vorlasqen 
noch  cxspectanzen  zu  geben.  Im  Fall  der  Erledigung  soll  er  Gesuch  er- 
neuern. 

6)  Häufig  heiüt  es  in  den  Bestallungen:  auf  1  Jahr  und  dann  auf  Wider- 
ruf. Beiden  Kontrahenten  wird  dann  eine  halbjährige  Kündigungsfrist  vor 
Ausgang  des  Jahres  gegeben.  (So  in  einigen  Bestallungen  am  Ende  des 
16.  Jahrhunderts,   während  im  15.  Jahrhundert  Kündigung  14  Tag  vor  oder 


—    554     ~ 

stillschweigend  fortgesetzt ').    Seit  dem  16.  Jahrhundert  mehreB 
sich  dann  die  Ernennungen  auf  Lebenszeit. 

Das  Bearatenemennungsrecht  steht  dem  Landesherm  zu  •). 
Nur  in  einzelnen  Perioden,  wo  durch  besondere  politische  Kon- 
junkturen die  Macht  der  Landstände  aufs  höchste  gestiegen 
war,  war  er  in  Ausübung  dieses  Hoheitsrechts  beschränkt  durch 
eine  den  Ständen  oder  ständischen  Verordneten  zugebilligte 
Mitwirkung  bei  der  Anstellung  gewisser  Kategorien  von  Beamten. 
In  Bezug  auf  die  Auswahl  der  zum  Staats-  d.  h.  landesheir- 
lichcn  Dienste  zu  berufenden  Personen  ist  der  Herrscher  nicht 
ganz  frei,  sondern    an  verfassungsmäßige  Schranken  gebunden. 

So  wird  der  Indigenat  schon  im  14.  Jahrhundert  als  eine  Vor- 
bedingung für  die  Anstellung  durchgesetzt.  Der  Kampf  gegen 
die  Gäste  durchzieht  die  landständischen  Verhandlungen  durch 
niehn^re  Jahrhunderte.  Zu  den  Freiheitsrechten,  deren  Ein- 
räumung sie  von  den  Fürsten  erlangen,  zählt  auch  das  Ver- 
sprechen <les  Herzogs,  das  Land  mit  keinem  Gaste  besetzen 
zu  wollen,  <las,  seitdem  es  K.  Ludwig  zum  ersten  Male  1339  •) 
ge*i:(»,i)en  hatte,  in  allen  mr^glichen  Variationen  wiederkehrt 
Bald  erscheint  es  unter  besonderer  Aufzälilung  der  einzelnen 
Amter.    w(»lclie   Fremden    verschlossen   werden*),  bald   in  der 


nach  Michaeli  vereinbart  wird,  so  daQ  der  Beamte  dann  Lichtmeß  aafirtehen, 
d.  i.  den  Dienst  verlaseen  soll.) 

1)  Kine  Reihe  von  Dienstverträ^en,  namentlich  mit  ^Rftten  Toro  Haue 
aus",  werden  gleich  auf  eine  bestimmte  Anzahl  von  Jahren  abgescblonen. 

2)  Diese  Bcfu^s  bildet  einen  Hauptbestandteil  der  Landeshcrrlichkeft 
Als  Albrecht  II.  1307  die  Regierung  Kiederbaiems  seinem  Sohne  Johaim 
übertraf ,  erklärt  er  in  der  Abdicationsurkunde  aasdrflcklich :  „Er  toi  uid 
mafif  auch  alle  ambtlewtc  in  dem  lannd  verschriben  setzen  and  cntaetm^ 
als  oiTt  und  als  dick,  als  er  wil.  nach  seinem  wolgefallen,  und  widenagw 
mit  dem  brief  alle  jilleg  brief  und  ander  brief,  die  wir  . . .  oder  xaner  L  um 
sailigor  möchten  gegeben  haben  vortzeiten  von  diensten,  von  pflegen,  Ton 
gerichten  ...    (Qu.  u.  Er.  VI,  S   588 >. 

3)  Besonder  gehaißon  wir,  das  wir  das  land  mit  kainem  gaste  beeetuB 
srdlen  in  kaine  weise  (4.  Freibrief  —  v.  Lerchen  fei  d  S.  15). 

4)  ().  Freibrief  1347  (Ludwig  d.  Brandenb.).  Wir  gehaißen  aach  in  bif 
unsern  gnaden  und  treuen,  das  wir  sj  mit  kainem  gast,  mit  rat,  mit  pflegwoi 
noch  mit  ander  yeinant  übersetzen  suUen,  dann  mit  den  landlenten  die  n 
dem  nidern  land  gehören  (v.  Lerch«^nfeld  S.  17).  Vgl  auch  13^  !&,  S&« 
42.,  44.  Freibr.  13H2.  13^3,  1402.  14ns,  14f>3  (ib.  S.  32,  37,  53,  105,  lil).* 


—   r)55    - 

l-iiriii,  ilaü  ilif  aii;:vslellteii  Au^liiiKlfr  ciitlassi'ii  wcrdini  sullenM, 
/ii^'Ificii  iiiaiii'liniiil  in  so  scliroH"  jKirtikuliiristisdMT  Exklusivität. 
ilali  lii'i  ik'ii  Tfi Ulnaren  die  Anjr<'li'irint'ii  di's  fiiii-u  ImicrisiliiMi 
l.Kiiili-sli'ils  in  dt'iii  amicni  als  l-'n-iiKli'  lictrai-litct  wonli-n.  als« 
<  )lii'rliairni  nicht  im  nieder) laifrisition  ller/ii^'tnni  unbestellt 
ucnlni  dürfen,  nn<I  iini^ekelirt-).  Smlanu  lie^nJl^'l  man  sielt  auch 
Mianclinial  nicht  mit  der  I.iindesann[eliiiri«keit ,  sondcni  furdtTt 
iH'ili   ein  Heiteres  lU'i)uisit.   das  der  Ausassi;;keit  im  Lande  *). 

In.I/  wiederlmlter  Zusieheniii},'  stellten  «Iht  die  llerztw 
il..cli  aurli  Aii>laiider  an.  den»  die  Lait<lsrliaft  sieht  sieh  <les 
•  it'iini  veraiilaht.  nialinenil  die  neohachtiini;  dieser  /tisuf»>  zu 
verlaimen'l,  und  darauf  liniU-n  datiu  divsi-llK'U  Wrheilitmgeii 
imnii-r  nufs  neue  Aufnahme  in  die  F'reibriefe.  Wurde  nun  in 
liei  |'ra\i-  des  l'».  Jahrhutiderts  hei^'its  das  Tnuziii  des  Aus- 
>.-lihi--rs  der  Auslander  von  den  Äuiteni  vielfacli  tlurchlinielien, 
-11  kniinten  die  Stande  selbst,  als  man  am  Anfango  des 
li5.  -liihrhunderts  illier  die  Fassung  der  I,.  l-r.  benitschlajlte,  sich 
dem  iM-iste  der  ni-ueii  Zeit  nicht  versclilieüen.  Sie  verlannten 
Ji't/t  >i']li>t  nicht  mehr  Ausschließun;;  srhlerhthi».  sondern  )ie- 
i;nii'.'ii  11  sich,  nur  die  wicIitiKsteu  .\iuter  den  Fn'niden  v<irzii- 
tri!li:ill>ii,  wie  ^ie  auch  eine  teilweise  Hesetziliifr  iles  lloff-erichts 
niid  llolial-^^l  mit  Aiislanderu  zu;:e<.'ehen  hatten.  AU  der 
n.r/..!.-  auf  .len  taiid-eliafl liehen  Kiitwuif  der  L.  Fr.  eine  uiil-u- 
siiiiiiiiie  Aiilwiiri  fjeiieben  hatte,  beriefen  sieb  die  Stande  dar- 
.Lut,  ..i.H..bl  die  fnihercii  Herrscher  der  Ijimlschaft  üe^i-ii- 
iilier  die  ViTi'tlicIitun;;  ilberiHUnnien  hatten,  weiler  ib-n  Kat  noch 
die  Äiiiiir  mit  einem  fia>te  zu  lieset/eii.  hatten  sie  den  Mitti-l- 
„,.._,  .iiii^e-cldaüeii  iimt  KelH-ten,  nur  die  liohvn  Ämter  und  die 
iri-lllirli.-n  Madti-  uml  Schli'isser,   auch   den   mehreren  Teil  iler 


1    7    II    :•.  Kniliri-f  llUI  ii.  IM'*  iv,  I-prohPUfnlil  .-i.  IH.  23i. 

:>    ■:::  \'t-,].i.  Uu'j    1[.  Si-plian.  Kraut  un.l  Wi)li.-Imi.  iti.  ■<  :..U. 

.:  In  Ir-jlTi-'r  l:»»  i,S|-|>li»n  llh  Wir  »iiDi'ii  aurh  all-  aiiit>t  uti.I  ftll- 
<:n  1  i>il".-  /•■  «tiiTD  llami  linH-Ui-n  mit  l:iii<lli>Tr<'ii  unJ  mit  liimllcutcn 
,-,  .|i<iii  ..l:.-rii  tuii'l  );''l>"f*'iit  unil  'ti'  dariii  t^-i"'-''!!  »iiiil  uiti)  mit  oi'- 
il..til.'r<  t  I.<T.-li-nf>>1d  S.24).  Virl.  au.li  .\i<m- '^  3<>,  Sit  Krribr. 
i.  Ii--,'  ii.  s  4.-.,  :■:{.) 

i.  I    II   Kr-iin^r  II.  Wl,  i:^  TA;  VII.  S.  *V\,  U4.  »W;  XI.  8,  7K 

r.   v-1  ,s  li-jiT,  u:.. 


—    556    — 

Räte  mit  Landlcuten  zu  besetzen.  Eingehend  b^ründen ')  sie 
ihr  Verlangen  und  zeigen,  warum  Eingeborne  den  Auslftndem 
im  Staatsdienste  vorzuziehen  seien.  Sie  weisen  auf  das  Beispiel 
anderer  Länder  hin,  wo  der  von  ihnen  gewünschte  Grundsats 
des  Staatsdienerrechts  pingeführt  wäre  —  und  sie  konnten  das 
mit  Fug  und  Recht*)  — ,  sie  hatten  offenbar  das  Bedürfnis, 


1)  „Denn  es  hat  keinen  Fall,  ein  frommer  Landmann  maft  von  Nttar 
seinem  natürlichen  rechten  Herrn  und  gemeinem  Nutzen  des  Fflnienthniiii^ 
seines  Vatterlandes,  mehr  genei^  sejn,  dann  ein  Gast  Er  hat  aaeh  melir 
Furcht  und  Aufsehen  auf  seinen  Erbherm,  dann  ein  Gast;  der  Herr  iit 
auch  mächtiger  zu  aller  Billigkeit,  dann  eines  Gastes  Der  Gatt  mag 
mißfälligen  Abschied  nehmen,  daraus  der  Fürst,  Land  und  Leute  Unratiis 
gewarten,  als  sich  oft  nicht  allein  in  dem,  sondern  auch  in  andern  Landen 
erscheint  hat  Der  Gast,  wessen  er  sich  seiner  Dienste  gebessert, 
er  dem  Lande;  verordnet  das  in  sein  Heimath.  Er  ruckt  davon, wenn 
Zeit  ist  Bessert  sich  aber  der  Landmann,  bleibt  in  gemeinen  Nntien  dea 
Fürsten  des  Landes.  Das  Bejspiel  haben  Wir  täglich  vor  Augen.  Zum  Be- 
schluß, der  Gr. st  dient  nicht  mit  seinem  Schaden,  der  T«andmann  hat  mekr 
Mitleiden.  Es  ist  auch  nicht  eine  besondere  Betrachtung  in  diesem  Laadi^ 
sondern  auch  in  viel  andern  Königreichen  und  Landen  wird  die  Ordnong  g^ 
halten,  daß  kein  Gast  dermassen  zu  treffentlicher  Verwaltung  wird  xogelanea 
Die  und  andere  viel  mehrere  Ursachen  mOgen  die  lObl.  Fürsten  Ew.  O.  Yor- 
vordcm  auch  die  Landleute,  unsere  Vorältern  zu  solchem  Fflmehmen  dieier 
Frejhcit  bewegt  haben;  imd  dieweil  es  so  oft  und  so  tapfer  in  den  Frej- 
heiten  gesetzt  ist  bitten  Wir  Ew.  Gnaden  um  eine  gnädige,  lautere  ond  Tei^ 
ständige  Antwort".  Schließlich  versichern  sie  ihres  vollen  Zutrauena  —  nili 
einen  löblichen,  hochvemünftigen  Fürsten,  der  besser  dann  Wir  die  Dings 
erlägen  kann",  sie  bitton  aber  doch  um  Aufnahme  des  beantragten  Fuii% 
damit  die  Nachfolger  auf  dem  Throne,  falls  sie  die  Dingo  nicht  so  grttndlicb 
betrachteten,  nicht  dafür  hielten,  die  Landschaft  habe  sich  dieser  Freilieift 
begeben.  „Und  wenn  ein  Fürst",  so  schließen  sie,  ^sich  derbalb  gnidigfich 
gegen  seine  Unterthnnen  hält,  so  muß  die  Liebe  von  Noth  wegen  der  Unter- 
thanon  gegen  ihn  wachsen,  und  sich  mehren"  (Kronner  XVI,  S.  83  £). 

2)  Donseiben  Kampf  der  Stände  gegen  das  Ausländertum  in  den  Amten 
können  wir  auch  in  Osterreich  verfolgen.  Sogar  die  Räte  aus  einem  andern 
österreichischen  Lande  werden  als  Fremde  betrachtet  Unter  Friedrich  IQ. 
kommt  es  hier  wegen  des  Kinflusses  der  steyerischen  fremden  Räte  mm  An^ 
stand.  ,, Promiserat"  (Fridoricus),  sagt  Aen.  Sjlvius,  ,,terram  Anstriae  a 
consilio  incolarum  regere."  (Vgl.  Adler  S.  167,  486,  489.)  So  oft  mit  d« 
Ständen  über  die  Einrichtung  von  Behörden  verhandelt  wird,  wiederholt  wUk 
auch  hier  das  Verlangen  nach  Besetzung  der  Amter  mit  Einheimischen.  8e 
1510  vor  dem  „sog.  Augsburger  Libell"  und  1518  auf  dem  Innsbnicker  An^ 
Schußlandtag,  welcher  das  Keformwerk  Maximilians  krönen  soll  Der  Kaissr 
will  zwar  das  niederösterreichische  Regiment  zum  größten  Teil  aas  LandleaUa 


—    557     — 

den  Vorwurf  eines  besonders  bösartigen  bajuvariscben  Partiku- 
larisnius  von  sich  abzuweisen.  Daß,  wenn  aucb  einige  der 
ständischerseits  ins  Treffen  geführten  Argumente  als  vollwichtig 
anerkannt  werden  müssen,  für  sie  auch  höchst  gewichtige  Sonder- 
interessen ins  Spiel  kommen,  kann  wohl  nicht  in  Abrede  ge- 
zogen werden,  denn  der  Jahrhunderte  hindurch  mit  zäher  Hart- 
näckigkeit fortgeführte  Kampf  gegen  die  Gäste  ist  allerdings 
ein  Kampf  pro  domo.  Da  die  Ämter  zumeist  mit  Ritterbürtigen 
besetzt  werden,  so  ist  es  eine  Lebensfrage  für  die  im  Landtage 
sitzenden  Adligen,  sich  selbst  und  ihre  Familienangehörigen 
nicht  durch  Ausländer  von  den  einflußreichsten  und  teilweise 
gut  dotierten  Stellen  verdrängen  zu  lassen. 

Die  Landschaft  setzte  ihre  Ansprüche,  die  man  auf  Grund 
der  ihnen  früher  gemachten  Zusicherungen  als  vollberechtigt  und 
auch  als  maßvoll  bezeichnen  darf,  durch.  Man  einigte  sich  auf  fol- 
gende Fassung  der  L.Fr.  (I  a.  1):  „Wir  sollen  füran  unsere  ambt, 
iiemlich  vitzdomb,hofmaister,  marschalckh,  camermaister,  khuchen- 


«rnenDeOf  doch  sei  notwendig  und  gut,  dafi  auch  einige  Anslfindcr  darin  auf- 
genommen würden,  schließlich  verspricht  er  alle  Regimente  dem  größten  Teil 
nach  mit  Landleuten  nach  dem  Rate  der  Aasschüsse  za  hesetzen.  VgL  Z ei- 
big, Der  Ausschußlandtag  der  ges.  Osterr  Erblande  1518  (Archiv  t  Kunde 
österr.  GeschichtsqueUen  Xm,  8. 278,  278,  283.  286,  288, 297  u.  A  d  l  e  r  S.  478). 
Auch  unter  Ferdinand  L  werden  die  n.  0.  Stände  nicht  müde,  die  Besetzung 
der  Regierungs-,  Hofratsstellen  mit  Osterr.  Landleuten  zn  verlangen.  Ferdi- 
nand, nicht  gewillt,  sich  irgend  einen  Eingriff  der  Stände  in  seine 
Herrscherrechte  gefallen  zu  lassen,  betont  mit  aller  Entschiedenheit,  daß  ihm 
als  Herrn  und  Landesfürsten  das  Beamtenemennungsrecht  allein  zustehe, 
und  daß  er  durch  kein  Privileg  gehalten  sei,  nur  Landlente  za  solchen  Stellen 
zu  befördern  (Rosen  thal,  Behörden,  S.  121  t).  In  Preußen  muß  noch  der 
große  Kurfürst  dem  Indigcnatsprivileg  der  Stände  der  einzelnen  Länder  nach- 
geben. Unter  Fr.  Wilhelm  L  war  die  Macht  des  Königtums  schon  so  weit 
erstarkt,  daß  das  Bollwerk  ständischer  Freiheit  beseitigt  und  das  entgegen- 
gesetzte Prinzip,  daß  keiner  als  Rat  in  der  Provinz  seiner  Heimat  fungieren 
solle,  zur  Anwendung  gebracht  wurde :  der  Rheinländer  amtierte  in  Preußen, 
der  Kurmärker  in  Pommern  u.  s.  1  VgL  Isaacsohn  11,  S.  139  f.,  III,  S.  124, 
128.  —  Die  Kammergorichtsordnung  1709  erkennt  nur  einen  Vorzug  der 
EiuhciiTiischen  (Märker)  vor  den  Ausländem  (StOlzel,  Brandenb.  II,  S.  18). 
Der  Bc^iff  des  Ausländers  erstreckte  sich  hier  also  noch  im  Anfange  des 
18.  Jahrhunderts  auf  die  Angehörigen  desselben  Staates,  sofern  sie  ihre 
Heimat  in  einer  andern  Provinz  hatten.  —  Auch  in  Braunschweig-Lüneburg 
1495  die  Anstellung  von  Inländern  zugesichert  (Gierke  I,  S.  568). 


—     558    — 

iiiaister,  jägcrmaister  ^)  ambt,  auch  die  pfleg  unser  ort  und  nam- 
hafter stet  und  schloß  mit  dapffem  edln  und  geschickhten  land- 
Icuten  so  Baim  oder  die  mit  schlössen  oder  sitzen  im  land  ze 
Bairn  beerbt  sind,  und  nit  mit  auslendem  fürsehen  und  be- 
setzen^. Auch  für  den  Reutmeisterposten  wird  (I  a.  2)  Indigenat 
verlangt,  nicht  dagegen  für  die  Inhaber  der  äufiem  Gerichte- 
und  Verwaltungsämter,  für  welche  I  a.  4  folgende  Anstellungs- 
bedinguDgen  vorschreibt:  „Wir  sollen  auch  hinfüran  unsere  ge- 
rieht,  cässtn,  zöl  und  mautambt  allenthalben  in  unsem  landen 
mit  leuton  besetzen,  die  edl  oder  erber,  redlich,  eelicher  ge- 
burdt  und  verstenndig  sind  und  augebome  sigl  haben"  •). 

Kaum  waren  einige  Jahre  seit  der  letzten  Redaktion  der 
L.  Fr.  (1553)  verstrichen,  als  der  Adel  auf  dem  Landtage  1557  *) 
das  alte  Klagelied  einer  Verletzung  derselben  anstimmte  und 
bat,  die  geborenen  Laudieute  aus  ihnen,  so  dann  der  Grebräuch 
des  Fürstentums  für  andre  erfahren  seien,  in  größerer  Anzahl 
in  die  Regierungen  aufzunehmen*). 

Zu  heftigen  Auseinandersetzungen  kam  es  unter  Wilhelm  Y. 
auf  dem  Landtage  1583  ^),  wo  die  Ritterschaft  ganz  ungescheut 
auch  die  Rücksicht  auf  ihre  persönlichen,  wirtschaftlichen  Inter- 
essen geltend  machte  *). 


1)  Landtag  1514,  S.  188:  E. Jägermeister  soll  in  Jahresfirist  ein  Laad- 
mann  werden  oder  das  Amt  soll  mit  einem  andern  Landmann  beietrt  werdo. 

2)  Über  die  Richter  siehe  S.  58. 

3)  Schon  auf  dem  Landtage  1543  war  eine  gleiche  Beschwerde  eriiobea 
worden  (Landtag  1543,  S.  51). 

4)  Albrecht  V.  bestritt  dio  Berech tigang  der  Beschwerde,  da  er  die 
tauglichen  Landleute,  die  dazu  geneigt  waren,  vor  Andern  angestellt  und  die 
Mehrheit  der  Mitglieder  der  Kegierongeu  dem  Ritteretande  angehOrtn 
(Landtag  1557,  S.  88,  110). 

5)  Landtag  1583  (Kr.  A.  M.). 

Ol  Sie  b(>schwerte  sich  darüber,  daß  Pflegen  und  andre  Amter  mdit 
mit  angesessenen  Laudlcuten  der  L.  Fr  entsprechend  besetit  and  eo  die  In- 
ländischeu  vom  Adel,  welche  doch  sonst  mit  billiger  Darstreckong  ihree  nd 
ihrer  Unterthanen  Vermugens  und  Leibes  in  allen  Obliegen  dei  Laadei  g^ 
würtig  seien,  hiervon  gedrungen  würden.  Sio  baten,  die  Landaassen  m  Bat^ 
dienst  und  Amtern  vor  den  Frcmdon  zu  befördern,  damit  sie  ihren  adügoi 
Stund  erhalten  und  mit  dfr  liüstuug  ihrer  f.  Gn.  desto  stattlicher  «nfirutea 
mögen ,  auch  Trsache  hätten ,  sich  in  allen  LandesnOtcn  desto  williger  n 
zei^ren.  Üoiilioandu  führte  die  Kitterschaft  noch  bei,  es  erfolge  ihnea  Mdl 
\iek'  unertrü;:licbo  Eingriffe  dunh  diejenigen,  so  der  Landgebrftnehe  nidit 
erfahren,  aber  alles  gerne  nach  ausländischen  Sitten  rogalieron  woUtoi. 


—     559    — 

In  der  Antwort  des  Herzogs  wird  mit  schonungsloser  Offen- 
heit von  dem  geistigen  Streben  des  Adels  des  Landes  ein  wenig 
schmeichelhaftes  Bild  entworfen.  Dem  Herzoge,  heißt  es,  könnte 
ja  nichts  Ueber  sein,  als  wenn  er  für  alle  Stelleu  geeignete  In- 
länder fände,  aber  bald  fehle  es  an  der  Geneigtheit  überhaupt, 
bald  au  der  Genügsamkeit  mit  einer  leidenlichen  Besoldung, 
bald  au  andern  Qualitäten*),  weshalb  die  Ritterschaft  vielmehr 
sich  selbst  als  den  Herzog  zu  beschuldigen  habe*). 


1)  „Daß  denen  von  der  Ritterschaft  and  ihren  Söhnen,  oh  sie  gleich 
zu  Diensten  wohl  qualificiert»  was  gesehen  und  erfahren,  darzu  fremde 
Sprachen  erlernt,  wenig  Belörderung  erwiesen  werden  sollte,  könne  sich  s.  f.  Gn. 
nicht  erinnern,  dafi  dergleichen  qualificierte  Personen  um  Dienst  angehalten 
hatten,  dann  ihre  f.  Gn.  wollte  nichts  lieher,  dann  daß  sie  von  ihren  eignen 
Landleuten  sowohl  an  dero  Hof  als  sonst  hei  den  Begierungon  und  Ämtern 
wie  sich  gebührt,  bedient  werden  möchten.  Es  will  aber  etwa  an  der 
Religion,  Geschicklichkeit,  auch  an  ihnen  selbst»  daß  sie  viel  lieber  daheim 
müßig  gehen,  dann  sich  zu  ehrlichen  Diensten  begeben,  eines  Teils  aber  um 
kein  Gleiches  dienen,  sondern  gleich  anfangs,  ehe  sie  zu  brauchen,  übersoldet 
sein  wollen,  Mangel  erscheinen.  Dessen  allen  aber  ungeachtet,  da  alle  vor- 
nehmen Ämter  und  Dienste  durchlaufen  und  bedacht  werden,  würde  sich  be- 
tinden,  daß  die  durchaus,  wenig  ausgenommen  mit  Landsässen  besetzt  und 
werden  sich  diejenigen  aus  der  Kitterschaft,  so  unsem  ßfiten  beiwohnen,  zu 
erinnern  wissen,  wie  oft  Wir  nach  tauglichen  Landleuten,  so  zu  Ratsdiensten 
und  Ämtern  gezogen  werden  möchten.  Nachforsch  haben,  wie  vielmalen  wir 
uns,  daß  die  tauglichen  sich  nit  wollen  gebrauchen  lassen,  auch  ihre  Söhne 
und  Kinder  zu  Kriegs-  und  andern  Sachen,  so  sich  ihrem  Stande  geziemt, 
etwas  zu  erlernen  nit  halten,  beklagen;  auch  wie  begierig  und  geneigt  wir 
seien,  unsre  Landleute  zu  solchem  Allem  zu  befördern,  also  daß  der  Stand 
der  Kitterschaft,  da  hierin  Mangel  sein  soll,  die  Schuld  Niemand  Anderem 
dann  ihnen  selbst  zu  geben  hat"  Vgl.  noch  Hofrat,  S.  92.  Femer  versprach 
der  Herzog,  daß,  wenn  unter  den  Stfinden  mehrere  Personen  sich  gebrauchen 
lassen  wollen,  sie  sich  melden  oder  die  Stände  sie  vorschlagen  sollen.  Wenn 
sie  der  Iieligion  und  anders  halber  so  beschaffen,  daß  man  sie  zu  Räten  ge- 
brauchen mag,  sollte  mit  ihnen  gehandelt  werden. 

2)  Kr  wolle  sie  darum  ermahnt  haben,  sie  möchten  ihre  Söhne  „bei  katho- 
lischen »Schulen  in  oder  außer  Landes  studieren  und  nit  anheim  verliegen 
lassen,  auch  sonst  zu  adligen  ehrlichen  Künsten,  Sitten  und  Tugenden  halten, 
damit  sie  nicht  allein  bei  ihren  f.  Gn.,  sondern  auch  bei  andern  katholischen 
Potentaten,  Kur-  und  Fürsten  zu  ansehnUchen  Ämtern  und  Diensten  kommen 
und  daselbst  nicht  allein  ihnen  selbst  und  ihren  Freunden,  sondern  auch  dem 
ganzen  Vaterlande  ehrlich,  rühmlich  und  nutz  sein  mögen,  inmasseu  von  ihren 
Uralten  beschehen.  Dieser  Stand  soll  alsdann  von  s.  fl  Gn.  versichert  sein, 
(lau  sie  und  ihre  Kinder  vor  andern  Ausländischen  nicht  allein  zu  ihren  vor- 
nehmen Diensten  und  Ämtern  gerne  vor  andern  Ausländischen  gebrauchen, 


-     560    — 

Dero  hielt  die  Ritterschaft  entgegen,  daß  der  Adel,  je  l&nger, 
je  mehr  seine  Söhne  zum  Studium  anhalte,  und  daß,  wenn  dor 
Herzog  sein  Auge  auf  solche  Landleute  werfe,  er  sie  wohl  be- 
kommen würde  und  nicht  Ursache  hätte,  ihnen  die  Fremdes 
vorzuziehen. 

Noch  einmal  erschallte  das  alte  Lamento  auf  dem  Land- 
tage 1593  '),  und  wiederum  vermochte  der  Herzog  der  Ritter- 
schaft nichts  anderes  zu  entgegnen,  als  daß  er  geneigt  sei,  die 
qualifizierten  Landstände  den  Ausländem  vorzuziehen. 

Betrachten  wir  diese  landständischen  Beschwerden 
juristischen  Gesichtspunkte  aus,  so  muss  man  ihre 
ohne  weiteres  zugeben,  denn  die  Landesherren  waren  nach  MaS- 
gabe  der  L.  Fr.  I  a.  1  und  2  verpflichtet ,  die  hier  benamiten 
Stellen  mit  Eingeborenen  oder  mit  solchen  Personen  zu  besetien, 
die  im  Lande  Baiem  begütert  waren,  und  zwar  infolge  Erb- 
gangs. Jede  Ernennung  eines  Ausländers  zu  einem  solchen 
Amte  stellte  sich  also  dar  als  eine  Verletzung  der  vertragsmilig 
übernommenen  Verpflichtung,  sie  war  eine  Verfassungsverletzmg. 
Allerdings  verlangt  auch  die  L.  Fr.  für  die  Ernennung  von  In- 
ländeni  das  Vorhandensein  gewisser  Eigenschaften  („tapfer,  edel, 
geschickt''),  doch  durften  die  Herzoge,  die  namentlich  durdi 
das  Fehlen  der  letzten  Qualifikationsbedingung  bei  den  Ein- 
heimischen die  Anstellung  von  Ausländem  rechtfertigen  wollten, 
sich  nicht  einseitig  von  den  einmal  statuierten  Anstellungsprin- 
zipien  lossagen,  sondern  mußten  mit  der  Landschaft  eine  Ab- 
änderung derselben  vereinbaren,  wenn  wirklich  die  Unmöglichkeit 
strikter  Befolgung  derselben  vorlag,  was  ja  die  Stände  mit  Ent- 
schiedenheit bestritten. 

Der  Besitz  des  bairischen  Indigenats  war  auch  noch  bis 
auf  unsre  Tage  Vorbedingung  für  die  Anstellung  im  Hof-  mid 

sondern  zu  mehr  Ruhm  nnd  Nutzen  dieses  Landes  in  aodem  Wegen  mh 
Gnaden  befördern  wolle  und  soll  hierzu  diesen  Stand  auch  bewegen  nnd 
reizen,  daß  dem  Adel  nichts  gemä&er,  dann  ehrlichen,  freien  Kflnaten  obm* 
liegen,  wie  das  bei  andern  Nationen  als  Franken,  Schwaben,  Sacheen  nnd 
Osterreich  üblich,  als  die  ihre  SOhne  zu  den  stndiis  mehr  dann  andere  baheo, 
an  ausländische  Ort  zur  Erlernung  fremder  Gebr&ache  and  Sitten  ■chieken 
und  darin  keine  Unkosten  sparen,  weshalb  dort  viel  anaehnliche  Gelehrte 
vom  Adel  gefunden  werden,  welche  hernach  in  Regiorong  Ton  Land  nnd 
Leuten  Andorn  billig  vorgezogen  werden". 

1)  Landtagshandlungen  1579—1637  (Manuscript  im  Kr.AJL). 


—    561     — 

« 

Staatsdienste,  bis  durch  die  Reichsverfassuiig  diese  Vorschrift 
zu  Gunsten  der  Angehörigen  anderer  deutscher  Staaten  durch- 
brochen wurde  ^). 

Wenn  wir  den  Austeilungsvertrag  auch  als  ein  Privatrechts- 
verhältnis  auffaßten,  so  muß  doch  betont  werden,  daß  die  Funk- 
tionen, zu  ^velchen  sich  der  Beamte  verpflichtet,  öffentlich- 
rechtlicher Natur  waren.  Das  öfl'entlichrechtliche  Element  trat 
schon  früh  im  Diensteide  ^)  des  Beamten  hervor. 

Für  das  Richten)ersonal  hatte,  wie  oben  erwähnt*), 
schon  K.  Ludwigs  Landrecht  die  Ableistung  eines  solchen 
Amtseids  vor  dem  Amtsantritte  vorgeschrieben. 

Häufig  wiederholten  Freibriefe*)  und  andere  Urkunden*) 
diese  Vorschrift  für  alle  Beamten.  Von  den  Freibriefen  ist  es 
zuerst  der  6.,  in  welchem  Ludwig  der  Brandenburger  1347  aus- 
spricht :  „Und  wen  auch  wir  ze  vitzdom  oder  ze  richter  setzen, 
und  dem  wir  unser  ambt  empfelhen,  das  die  sweren  ee  sy  an 
die  anibt  stecn,  das  sy  uns  unser  recht  behaltn,  und  land  und 
leuten  ire  recht,  als  die  brief  sagent  die  sy  darüber  habent  von 
uns  und  unsern  vorfordern"  ^).  Nicht  nur  als  Diener  des  Lan- 
desherrn, sondern  auch  als  Diener  des  Landes,  dessen  Rechte 
sie  el)ens()  wie  die  ihres  Herrn  zu  wahren  verpflichtet  sind, 
erschciiicii  die  Beamten  nach  diesem  Eide.  Auch  hierin  zeigt 
sich  eine  füi*  das  14.  Jahrliundert  merkwürdige  Überwindung 
des  privatri'chtlichen  Elements  im  Beamtenrechte  Baierns. 

Auf  (lieser  Linie  hält  sich  natürlich  L.  Fr.  IV  a.  20  („Wie 
alle  jinibtsverweser  zue  diser  erclärung  schwörn  sollen"),  wo 
für  alle  Staatsl)eaniten '^)  unterschiedlos  die  Ableistung  des 
Aiut<('i»l('s  beim  Dienstantritt  vorgeschrieben  wird  ®).  Hier  wird 
<()'SM'  die  Amtsführung  im  Sinne  eines  Schutzes  der  Rechte  und 

J;  \<rl  Soydol  I,  S.  53r»;  111,  S.  337  f. 
2'  \<:l  E.  Luniiig,  Verw.-R  S.  109. 

3)  Verl.  s.  58,  02  A.  4. 

4)  ^<.  der  ü.,  !♦  iv.  Lerchcnfcld  S.  17,  91). 
r.j  z.  i;.  Qu.  u.  Kr.  VI,  S.  238,  499. 

<•    V.  Lc  r  ch  eil  fold,  S.  17. 

7    lülcsfornioln  für  verschiedene  Beamte  sind  abgedruckt  Landtag  1514, 

-.  i:j.  f.  ''j  n:,  017. 

^1  Il(  im  ]^'^i(•ruIl^^^^\ccllsol  war  der  Amtseid  von  neuem  zu  leisten.   Vgl. 

•;.   l.i.ii.Iiii-  1514,  S.  281  f. 

;>       ■      ::    '..  •■■>  .11  1.','    il.  licriilitNW.  ii.  d.  Vorw.-Or^.  Halcrns.  1.  «iß 


-    562    — 

Freiheiten    von  Land  und  Leuten  und  der  Unterthanen   den 
landesherrlichen  Rechten  vorangestellt^). 

Im  Gegensatze  zur  modernen  Auffassung,  wo  unabhängig 
von  der  Vereidigung  die  Rechtswirkungen  des  Beamtenverbält- 
nisses  eintreten^),  war  nach  L.  Fr.^)  die  Leistung  des  Dienst- 
eides notwendige  Voraussetzung  rechtsgültiger  Amtshandlongen. 
Ein  vor  derselben  erlassener  Befehl  galt  nicht  als  in  recht- 
mäßiger Amtsausübung  ergangen,  weshalb  niemand  zum  Ge- 
horsam gegen  denselben  verpflichtet  war.  Handlungen  eines 
uichtbeeidigten  Richters*)  galten*)  als  nichtig. 

Jeder  Beamte  hat  nach  der  Vereidigung  eine  mit  dem 
Secret  des  Landesherm  versehene  Urkunde  mit  in  das  Amt  zu 
bringen  ^).  Das  Anstellungsdecret  des  heutigen  bairischen  Yer- 
fiissungsrechts  ^ )  ist  somit  eine  alte  Institution.  Allerdings  hat 
sich  der  Charakter  derselben  geändert.  Während  es  heute  einen 
Teil  des  Anstellungsaktes  bildet,  das  Staatsdienerverhältnis  erst 
durch  die  Ausfertigung  der  Urkunden  erworben  wird  ®),  wollte  es 
früher  die  vollzogene  Anstellung  bezeugen  —  der  Beamte  soll 
sie  „mit  jme  in  das  ambt  bringen^^  sie  soll  also  zu  seiner  Le- 

1)  „Es  sollen im  anfang  alls  sj  an  die  ambt  oder  jre  dienit  iteca 

uns  selbs  und  unsern  nachkhomen  oder  wem  wir  oder  ij  lOlch  pflicht  anf« 
zenemen  bovelhen  offenlich  schwOrn,  das  sj  so  wol  land  imd  lenten  and  bk 
sonnderhait  den  undterthanen  jrer  ämbter  and  dienst  zne  jren  rechtoi^  freif- 
haitn,  gcrechtigicaitn  und  diser  erclärung  alls  zne  unsem  recbtn  richtn  niid 
hanndln,  und  dawider  bej  ycrmeidung  nachbemellter  straff  nit  thnen  nodi 
jren  undterambtlcutn  und  dienern  gestatten  wellen  (v.  Lerchen feld  8.  861). 

2)  G.  Meyer,  Staatsr.  S.  419. 

3)  Wo  sy  aber  nit  schwOm,  das  jnen  doch  in  khainem  wega  nachge- 
lassen werden,  so  soll  niemand  schuldig  sein,  auf  jr  Tordernng  gaetüeh  odv 
rechtlich  zuc  erscheinen.  Wo  auch  darüber  ainicherlay  rechtrertignng  ?or 
jnen  geschcch,  das  soll  ain  nichtigkait  und  ganz  unkreflfcig  sein,  anch  VImjim» 
pindcn  (L.  Fr.  IV  a.  20). 

4)  oder  eines  solchen,  welcher  sein  Bestallungsdecret  nicht  in  die  ente 
Gerichtssitzung  mitgebracht  hatte.    Vgl.  S.  58. 

5)  Eine  besondere  Verpflichtung  der  Beamten  fand  beim  Erlaaae  widi- 
tiger  Gesetze  in  Bezug  auf  Beobachtung  derselben  unter  Verweisung  aaf  dM 
allgemeinen  Diensteid  statt  Eine  solche  spezieUe  Verpflichtong  der  An^ 
Icute  schrieb  vor  z.  B.  eine  Verordnung  der  vier  Münchner  Henoge  1869  (Qa. 
u.  Er.  VI,  S.  499).  die  L.0. 1501  (K  r  e  n  n  e  r  XHI,  312).    Ret  Ldr.  1618  1 1  a.  L 

6)  L.  Fr.  TV  a.  21. 

7)  Vorf.  Beil.  IX  §  1;  Seydel  III,  S.  340  f. 
8;  Rehm  a.  a.  0.  1885,  S.  140. 


^ 


—    563    — 

gitimation  dienen,  ihn  als  berechtigten  Träger  des  Amts  aus- 
weisen. Darum  ist  für  die  Richter,  damit  die  Gültigkeit  ihrer 
Amtshandlungen  jedem  Zweifel  entrückt  wird,  noch  eine  be- 
sondere Publikation  des  Bestallungsdekrets,  nämlich  Verlesung 
desselben  in  der  ersten  Gerichtsverhandlung,  in  welcher  sie  ihre 
Amtswirksamkeit  beginnen,  vorgeschrieben. 

Unter  den  Rechten  der  Beamten  erscheint  als  das  wesent- 
lichste der  Anspruch  auf  die  im  Dienstvertrage  vereinbarte 
Besoldung.  Dieser  besteht  gewöhnlich  in  einem  festen,  quar- 
taliter  in  barem  Gelde  zu  zahlenden  Gehalt,  sowie  in  Natural- 
reiclmissen  höchst  verschiedener  Art  0-  Dazu  kommt  dann  für 
einzelne  Beamtenklassen  eine  Reihe  von  Sportein  für  einzelne 
Amtshandlungen  ^). 

Die  Einrichtung,  daß  den  Richtern  (Rentmeistem,  Landschrei- 
l)em  etc.)  ein  Anspruch  auf  eine  Quote  der  Geldbußen  zustand, 
wurde,  da  sie  zu  Bedrückungen  der  ünterthanen  mißbraucht  worden 
war,  durch  L.  Fr.  aufgehoben  ^).  Nur  den  Fronboten  etc.  sollte 
da,  wo  ihnen  nach  altem  Gebrauch  Nachrechte  an  einigen  Wändein 
zustünden,  solche  in  der  Höhe  von  lO^/o  erhalten  bleiben,  da- 
mit dieser  Ansporn  zur  Aufspürung  und  Anzeige  von  Delikten 
nicht  verschwände. 

Ein  Ruhegehalt  für  die  Zeit,  in  welcher  die  Beamten  ihre 
(liiinstlichen  Verrichtungen  nicht  mehr  versehen  können,  wird 
im  If).  Jahrhundert  einzelnen  verdienten  Beamten  zugesichert*). 
Auch  beginnt  man  jetzt  den  Witwen  der  Beamten  eine  Pension 

1)  Da  jeder  I^eamter  zum  Halten  einer  bestimmten  Anzahl  von  Pferden 
und  Knechten  verpflichtet  ist,  so  wird  fUr  diese  „Futter  and  Mahl**  resp. 
eine  besondere  Entschädigong  (Liefergeld)  für  diese  gewährt,  wenn  nicht 
statt  ihrer  der  Jahressold  gleich  entsprechend  erhobt  wird.  Die  Hofbeamten 
und  viele  Räte  haben  YerkOstigung  bei  Hof  fdr  sich  und  ihre  Knechte  (teil- 
weise auch  nur  für  letztere)  and  ebenso  Ffitterang  ihrer  Pferde  vom  Hofe 
(Futtermeister)  za  beansprachen.  Nach  dem  Hofistaat  1568  hat  der  Land- 
hofmeistcr  G  Knechte,  8  Pferde,  Marschall  4  (6),  die  übrigen  3,  2,  die  meisten 
1  Knecht  (3  bezw.  2  Pferde).  Hfiafig  wird  dann  noch  die  jährliche  Lieferung 
eines  HofkUädes,  mitunter  auch  Verabreichang  eines  Schlaftranks  zagesichert 

2)  Vgl.  namentlich  S.  95  ff.,  83. 

3)  L.  Fr.  I  a.  4,  17. 

4)  z.  B.  1553  dem  Lehensekretftr  R  „and  wenn  er  dem  Amt  nicht  mehr 
vor  sein  könnte,  wollen  Wir  ihm  zu  Ergetzung  seiner  Dienste  seine  Besol- 
dung als  ein  Leibgeding  sein  Leben  lang  aus  der  Kanzlei  geben  lassen''. 

36* 


—    564    — 

zu  gewähren.  Doch  haben  wir  es  nur  mit  den  schüchternen  An- 
fängen dieser  Institutionen  zu  thun,  deren  allgemeine  Durch- 
führung erst  in  die  nächste  Periode  fällt. 

Endlich  steht  den  Beamten  auch  ein  Anspruch  auf  Ersatz 
der  in  Ausübung  des  Amtes  gemachten  Auslagen  und  Verwen- 
dungen zu  *). 

Einige  Vorrechte  genossen  nur  die  Mitglieder  der  Kolle- 
gialbehörden (Räte  und  Sekretäre),  sowie  die  adligen  Hofbe- 
amten, die  nicht  Landstände  sind.  Diesen  war  Steuerfreiheit 
für  ihre  Besoldungen  und  Dienstgelder  eingeräumt,  während 
sie  ihr  übriges  Einkommen  versteuern  mußten  *).  Auch  von 
der  Entrichtung  des  Ungeldes  sind  die  Räte  und  das  Kanzlei- 
personal befreit*).  Die  übrigen  Beamten  hatten  auch  von  ihrer 
Besoldung  Steuer  zu  entrichten  *). 

Auch  in  jurisdiktioncller  Beziehung  erfreuten  sich  Räte, 
Sekretäre  und  Hofgesinde  einer  Sonderstellung,  indem  sie  von 
der  städtischen  Gerichtsgewalt  eximiert,   also  nicht  dem  Stadt- 


1)  In  den  Bestallungen  heißt  es:  Wenn  Wir  ihn  ausschicken  in  Bot- 
schaften, zu  Tagen  oder  in  andeni  Sachen  Schaden  ersetzen  wie  andeni 
unsern  Hofräten  oder  „Wo  Wir  ihn  auch  unsrer  Nottnrft  halben  in  Bo^ 
Schäften,  zu  Tagen  oder  in  anderm  Wege  ausschicken  und  brauchen,  soU  er 
Solches  auf  unsere  Kosten  und  Schaden  thucn  und  wollen  ihm  alsdann  ftr  rad- 
lichen Schaden  stehen  wie  andern  unseni  gelehrten  K&ten".  Begelmiiig 
wird  der  Ersatz  von  Kosten  und  Schäden  zugesichert^  namentlich  den  Eätm 
von  Haus  aus:  „Ihm  soll  auch,  wann  er  zu  uns  beschrieben  oder  erfordert 
würde,  auf  seine  Person,  Diener  und  Pferde,  wie  andern  unsern  Räten  alOiie 
das  J.iefergeld  gereicht  und  sonsteu  außer  Hofs,  wann  er  von  anaen 
wegen  verscliickt  würde,  mit  ziemlicher  Zehrung  versehen,  desgleichen  loll 
ihm,  wenn  ihm  in  unsern  Diensten  an  seinen  Pferden  einiger  redlicher 
Schaden  widerfülir«*  unsorm  Hofgebrauch  nach  gnadige  Widerkehmng  und 
Erstattung  gethan  werden  K.  A.  -  Bestallungen  16.  Jahrb.).  VgL  nodi 
S.  459  A.  3.  —  Au'-li  Diäten  Zehruug^nd  I'eisecutschädigung'  werden  6m 
außerhalb  ihres  Amt.^Ä-itzes  Amtierenden  zuerkannt,  z.  B.  1470  {Kr cnner 
VII,  S.  254  ;   die  gebührende  Zi-lirung  wird  häufig  Kommissären  zugebilligt 

2  Steuerinstruktion«*n  1547.  1554.  15üo.  157Ü.  1588,  1594  (Hoffmann 
S.  57,  00.  75:  Seyfried  S.  428  i.,  45n,  454-:  15J»4  wurde  die  Stenerfreihflit 
auch  auf  die  J^Iitglii.'dern  dieser  Hfumtcnkategorie  geschuldeten  Zinse  und 
^iiilten  iiusgod».*lnit. 

3  Kr  ♦'im  er  XII,  S.  244. 

4  Einspänniu^',  I?eisige,  Provisoren,  die  1503  steuerfrei  sind,  werden 
I5'.'4  zur  Steuer  bor:iii;:«zo^'en  (Hoff mann  S.  75. 


^ 


—    565    — 

gericht*),  sonderndem  Hofgericht  bezw.  der  Jurisdiktion  desHof- 
marschalls*)  unterworfen  waren.  Für  die  aus  dem  Dienstvertrage 
entstehenden  Rechtsstreitigkeiten  wird  gewöhnlich  in  diesem  die 
Kompetenz  des  Hofgerichts  (forum  prorogatum)  anerkannt^). 

Die  Pflichten  ^),  welche  der  Beamte  mit  dem  Diensteintritt 
übernimmt,  sind :  1)  die  zur  gewissenhaften  sorgsamen  Erfüllung 
aller  dienstlichen  Obliegenheiten.  Nicht  gemessene,  fixierte 
Dienste  werden  von  ihm  gefordert,  sondern  er  hat  seine  ganze 
Arbeitskraft  für  seine  amtliche  Wirksamkeit  einzusetzen.  Nach 
bestem  Können'*)  hat  er  unter  strenger  Beobachtung  der  Ge- 
setze und  Instruktionen  seines  Amtes  zu  walten  und  dabei  so- 
wohl die  Hoheitsrechte  seines  Herrschers  wie  die  Rechtssphäre 
der  Unterthaneu  zu  schützen*). 

1)  Siehe  oben  S.  162. 

2)  Siehe  oben  S.  230  ff. 

3)  Streit  aus  dieser  Dienerschaft  und  Bestallung  sollen  Hofmeister  and 
Hofrate  entscheiden. 

4)  Sie  kommen  sowohl  im  Diensteide  als  in  den  Instruktionen  zum  Aus- 
druck, z.  B.  typisch  in  folgendem  Eid  (Ratseid)  des  Landhofmeisters  und  Hofirats- 
])räsidentcn :  Ir  sollet  schworen  zu  Got  ainen  aid  unserm  genedigsten  färsten, 
gctrew,  gewer  und  gehorsam  zesein,  seiner  f.  gn.  auch  irer  land  und  leut 
fronien  zu  furdern  und  schaden  zuwenden,  dem  hofrat  und  hofgericht  mit 
allein  vlciß  vor  ze  sein  und  auszewarten,  ob  der  ratsordnung  ze  halten  und 
in  allen  Sachen  seinen  furstl  gnaden  zu  iren  rechten,  landen  und  leuten  di£ 
furstonthumbs  za  iren  gerech tigkaiten,  freihalten  und  erklftrungen,  darzue 
nach  des  roichs  gemainen  rechten  auch  nach  redlichen,  erbem  und  leiden- 
lichen Ordnungen,  Statuten  und  gewonhaiten  gemelts  furstenthumbs  dem  minn- 
stcn  als  dem  maisten  getreulich  ze  raten  und  ze  richten,  das  treuest  und 
beste  als  euch  auf  die  zeit  so  man  rats  pflegt  eur  gwissen,  pflicht  und  ver- 
ständnus  weiset  und  kainerlai  aus  dem  rat  zu  sagen,  davon  schaden  kommen 
mag,  sonder  den  rat  und  was  darinnen  beschlossen  wirdet  zu  verschweigen 
bis  in  oum  tod,  auch  kainer  sondern  parthei  in  gericht  anzuhangen  oder  ir 
zu  giict  zufäll  in  urtlen  zusuechen  oder  zumachen,  auch  die  sachen  aus  böser 
mainung  nit  aufhalten  oder  verziehen  zu  helfen,  und  was  ir  also  ausricht 
oder  ausrichten  helfet,  si  seien  geistlich  oder  weltlich,  das  ir  das  treulichen 
und  iingevarlichen  thuen  und  in  allen  sachen  nit  ansechen  wellet  weder  lieb» 
freundschaft,  feindschaft,  forcht,  neid,  noch  kain  ander  ursach  oder  bewegung, 
sonder  allain  Got  und  die  gerechtigkait  vor  äugen  haben,  auch  umb  das  alles 
von  kainer  parthei  noch  jemand  anderm  weder  muet,  gab,  schankung,  gebaiE 
noch   ichts  anders   nemen  wellet  in  ainich  weis  alles  treulich  on  geverde 

R.  A.  —  Pllichtbuoh'. 

5  z.  r>.  Forst-O.  1568  S.  52o:  Die  Förster  schwören,  „daß  sie  unsem 
nutz  und  frommen  mit  trewisten  fleiß  befördern,  unsem  nachthail  und  scha- 


2)  Die  Pflicht  des  Gehorsams')  gegenüber  dem 
heim  und  dcu  Befehlen  der  Vorgcsetzteu ,  deuu  nicht 
modeme  Anitsorganisation  *),  sondern  schon  die  unsrer  Periode 
beruhte  auf  dem  Prinzip  der  Über-  und  l'iiterordBUiig  der  Be- 
hörden, wukhe  die  Einheit  der  Verwaltung  gewährleistet 

3)  Die  Iflicht  zur  Bewaiirung  des  Dienst^eheimnissM*). 
Jede  Verletzung  der  Dienstpflichten  eines  Beamten*)  hat  Vir 

ihn  Strafen  im  Gefolge.  Die  Androhung  solcher  gilt  als  das  zwedi- 
dienlichste  Vorbcugungsmittel  durartiger  PflichtverletzuDgen.  Die 
angedrohten  Strafen  waren  solche  an  Leib  und  Out^),  (iefäagniB*) 
und  Amtseutset^ung') ;  die  Strafart  vrarde  auch  überhaupt  io  das 
Ermessen  der  Vorgesetzten  oder  des  Gerichts  gcslollt*).  Ver- 
einzelt kommt  auch  Geldstrafe")  oder  Vcrwois  vor'"}.  Häufiger 
wird  eine  KumuUerung  einer  Strafe  mit  Amtseotsetzung*']  an- 
gedroht. 

den  wenden  and  wanen  .  .  ancb  niebti  nnderUMen ,  wu  ptrewea  dlaawi 
xuthun  gcbflrt  und  wol  Hosteht 

li  lAnfang  dee  BaUeidcsi:   Ir  Bollet  tchvOren  iD  Gott  tinra  aid... 
hertog;  A.  tu  Bb^id  ...  als  regierenden  ffirrten  getreir,  piwsr  nnd 


2)  a  Soholio.  DeutcGhw  StuBrecht  I,  ä  325. 

31  Ein«  BDiclir&Dbmg  legt  den  Beamten  sclion  nf  L.0. 1501,  1 
den  AntleDteo  unterlaß,  „einige  bOrgerliehe  Hiadel  mehr  n 
(Kreaner  XllI,  S.  890  £,  175t.  Das  Verbot  wiederholt,  »tut  mit 
■chrlnlntng  „nider  der  SUdt«  nnd  HArkte  willen  bei  Duum',  L 
&  53»  n.  L.  0.  1563  B.  V.  t.  *  ».  l. 

Ai  Ungcfaonun,  Untrcne,  Eigene atdgkeit,  UnfleiA,  Fkhrliuigkilt 
in  Fortt-O.  154!8  nafgeRhrL 

B)  I.  B.  Ldr.  a.  139;  Krenner  XU,  8.  343  UUl);  XVIU,  &3r  (Ifill). 

0)  L  B.  Forat-O.  1668:  Die  (ung^hortuneD  ..  FOreter)  tollen  dH  iim 
Palekhenthoni,  Anch  nub  gelngenheit  jrer  nngohonun  oad  iniliiiflwnp.  li 
«nder  weg  «nullich  goetrafn  werden. 

7)  L  B.  Krenner  XUl,  S.  201  {1501)  LO.  1S16  S.  40°,  64s  tt*l  1*0. 
1563  B.  TT  t  21  a.  3;  B.  VI  t  9  L  13. 

8)  I.  a  ongMtnft  nicht  Unen  {L.Ü.  1474  —  Eienner  VU,  &  SSJ). 
Bei  Venneidiiiig  nniror  ichweren  Strafe  nnd  Ungnade  1151t  —  Ki«BB«r 
XTIH.  a.83S);  ,iucb  Ungnaden  gwtiaft  werden*  lB.  BatLdf.Ia.ahLFi. 
1606,  1514  [v.  Lercbenfeld  !\  262). 

9)  L  B.  2.  Freibr.  1322  (t.  Lerchen f et d  S.  lOj:  dehe  obni  aoehasU. 
10]  Decrel«  (B.  A.  —  Bl  m)    WlIhelBU  T.    1586,   dtk  dl«  nsflaltifa 

BoMt«  nnaubleiblkh  Verweif  in  gewlrtigen  haben. 

II)  t.  &  Krenner  Vn.  S.260:  XTII.  S.  178;  XTUI.  a  331,340:  I^Pr 
n  a.  36;  Fonl-O.  1668  S.  tfi. 


—    567    — 

Einige  der  Amtsentsetzung  androhenden  Bestimmungen  0 
erregen  unser  besonderes  Interesse,  weil  ihre  Fassung  darthut 
(laß  dem  Herzog  ein  willkürliches  Entlassungsrecht  der  Beamten 
nicht  zustand,  sondern  daß  er  zu  einer  solchen  einseitigen  Lö- 
sung des  Dienstverhältnisses  nur  berechtigt  war  auf  Grund  einer 
diesbezüglichen  gesetzlichen  Bestimmung.  Das  bairische  Staats- 
dieuerrecht  zeigt  auch  in  dieser  Beziehung  eine  hohe  Stufe  der 
Ausbildung,  indem  es  im  Anfang  des  16.  Jahrhunderts  das  Prin- 
zip der  administrativen  Willkür  in  der  Lösung  des  Dienstver- 
hältnisses seitens  des  Fürsten,  das  in  andern  Ländern  noch 
Jahrhunderte  hindurch  die  Regel*)  bildet'),  nicht  anerkennt. 

So  hatte  die  reichentwickelte  Gesetzgebung  Baierns  auch  auf 
diesem  Punkte  schon  früh  den  Rechtsstaat  verbereitet  und  den 
r)eamten  eine  gegen  fürstliche  Willkür  gesicherte  Rechtsstellung 

gegeben. 


1)  So  droht  L.O.  1516  (S.  65o)  und  L.O.  1553  Bd.  VI  t  14  a.  1  den 
diese  übertretenden  Amtleaten  Entsetzung  an  —  jrer  ftmbter  vorstundan  zu 
was  zoitten  das  im  jar  beschiebt,  von  unns  onntsetzt  werden.  Und  ob  den- 
selben ambtleuten  sOlhe  ämbter  jr  lebenlang  oder  auf  jar  yerschriben  w&m, 
so  sollen  sy  doch  solh  jr  verschreibung  in  disem  fall  dawider  nit  fOrtragen. 
Vj^L  auch  K  r  0  n  n  e  r  XVIII,  S.  331.  —  Die  die  L.Fr.  übertretenden  Amtleute 
traf  auch  die  Strafe  der  Entlassung,  sie  waren  aber  auch  unfähig  zur  Be- 
kleidung eines  Amtes.  L.  Fr.  IV  a.  22  —  der  soll  allsdann  seins  ambts  zue 
was  Zeiten  das  im  jar  beschicht  ze  stund  an  enntsetzt  und  jme  füran  sein 
lebenlang  khain  ambt  mcr  gelassen  werden.  —  Und  ob  demselben  ambtman 
solch  ambt  sein  leben  lang  oder  auf  jar  yerschriben  war,  so  soll  jne  doch 
solche  verschroibung  in  disem  fall  dawider  nit  fQrtragen.  —  Es  wurde  also 
durch  eine  solche  justa  causa  der  Anstellungsvertrag  aufgehoben;  weder  die 
vereinbarte  Kündigungsfrist,  noch  die  Anstellungszeit  kam  ihr  gegenüber  in 
Betracht  —  Daß  in  dem  zwischen  H.  Albrecht  IV.  und  Wolfgang  über  den 
angefallenen  Landshnter  Anteil  abgeschlossenen  Vertrag  (1506,  24.  Juni  — 
Krenner  XV,  S.  365)  vereinbart  wurde :  „Auch  mag  unser  Bruder  H.  Wolf- 
gang  die  Ämter,  so  er  Laut  dieses  Vertrags  inn  hat»  seinen  Dienern  und  Ver^ 
^sandten  wohl  vorschreiben,  ihr  Lebenlang;  doch,  wo  sie  nicht  geschickt, 
auch  Uns,  oder  nach  Uns  nnserm  regierenden  Erben  nicht  gefällig  wftren,  so 
sollen  Wir  und  unser  regierender  Erbe  Macht  haben,  die  nach  imsers  Bruders 
Tode  von  den  Ämtern  zu  entsetzen",  ist  eine  Folge  der  aufierordentlichen 
Regierungssuccession.  Diese  Klausel  bezeugt  gerade,  daß  regelmäßig  ein  will- 
kürliches Entlassungsrecht  des  Herzogs  nicht  bestand. 

2)  Kehm  (1884)  S.  577. 

3)  Vgl.  E.  Löning  S.  112. 


—    568    — 

Ist  durch  die  PflichtvcrletzuDg  eines  Beamten  dem  Herzog  ^ 
oder  einem  Uuterthanen  -)  ein  Vermögensnachteil  zugefQgt 
worden,  so  ist  der  Beamte  zum  Schadensersatz  verpflichtet.  Da 
die  germanische  Rechtsanschauung,  welche  die  Organe  des 
Staats  dem  Rechte  und  Gerichte  unterstellte.  Jedermann,  der 
sich  durch  den  Beamten  in  seinem  Rechte  verletzt  glaubte, 
einen  vor  dem  Gerichte  zu  verfolgenden  Rechtsanspruch  ')  gegen 
diesen  einräumte,  so  finden  wir  in  Anwendung  dieses  Prinzips 
in  Baiern  die  Zuständigkeit  des  Hofgerichts  gegeben  für  alle 
Klagen  der  Untcrthanen  gegen  Beamte  wegen  ihrer  Amtshand- 
lungen. 

So  fand  in  die  L.  O.  1474  die  Bestimmung  Eingang^), 
,,wclcher  mit  unseren  Pfleger  (Richter)  oder  andern  Amtleuten 
von  Sachen  wegen  ihr  Amt  berührend  zu  thuu  hätte  oder  ge- 
wänne ,  der  möchte  die  gen  Hof  fümehmen"  *).  Dieser  den 
Untcrthanen  gewährte  Rechtsschutz  scheint  aber  nicht  ausrei- 
chend gewesen  zu  sein,  denn  1501  machten  die  Verordneten 
der  Landschaft  gerade  diesen  Punkt  zum  Gegenstand  eingehen- 
der Beschwerden*),  denen  gegenüber  sich  H.  Georg  ablehnend 
verhielt  —  laß  ich's  bleiben,  wie  das  bey  meinem  Vatler  auch 
mir  herkommen  ist.  Auch  die  Replikausführungen  der  Verord- 
neten, welche  betonten,  daß  der  Landschaft  an  diesem  Artikel 


1)  z.  B.  Landgcbot  von  Statthalter  uDd  Räten  H.  Georgs  an  alle  Pfleger 
und  Landrichter  (1498)  wegen  Streifen  etc.:  Ob  da  aber  in  solchem  aUen 
oder  etlichen  ungehorsam  oder  säumig  seyn  würdest»  darauf  Wir  dann  antn 
Kundschaft  haben,  werden  Wir  dich  darum  ungestraft  nicht  lassen,  und  dasa 
deines  Amtes  entsetzen,  zusamt  dem,  daß  du  und  die  Amtkneehte  dan  ge- 
halten werden,  daß  ihr  allen  Schaden,  der  durch  solchen  eueren  Ungehonam, 
Verachtung  oder  Saumniti  entstünde,  bezahlen  müstet  Damach  wisse  did 
zu  richten  und  vor  Schaden  zu  warnen  (K  r  e  n  n  c  r  XIII,  S.  68  f. ;  vgl  noch  ik 
XVIII,  S.  329,  345,  und  oben  S.  302«.  -  Vgl  noch  S.  SSL 

2)  z.  B.  M.  B.  XV,  p.  135  (1480)  Klago  gegen  einen  Richter  und  Bauen, 
die  ihn  in  Vencknuü  gebracht  hätten  ohno  verschuldeter  sach. 

3)  E.  Löning,  Vorw.R.  S.  771. 

4)  Kren n er  VII,  S.  501  (vgl.  ib.  S.  287,  435). 

5)  Auf  dieso  Bestimmung  verweist  H.  Georg  1489  die  LandaUndt 
(Krenncr  XII,  S.  280). 

0)  Sie  führten  aus,  daß  den  Untcrthanen  von  den  Amtleuten  Eiagiiff 
und  Irrung  geschehen,  und  nachdem  dieselben  Amtleute  alsdann  filrgebe^ 
daß  sie  solche  ihre  Handlung  Amtshalben  thun  und  die  Sachen  E.  fl  Qo.  be- 
treffen, dadurch  dann  ettlichc  über  Kechtgebote  mochten  betrübt  werd«^  ist 


J 


—    569     — 

solide rlicli  groß  und  merklich  gelegen  0?  hatte  keinen  andern 
Erfolg  als  den ,  daß  L.  0.  1501  ^)  die  Bestimmung  der  L.  O. 
1474  mit  un^Yesentlichen  Modifikationen  wiederholte  ^).  Und 
auch  L.  Fr.  I  a.  12  ^)  erkannte  die  Zuständigkeit  des  Hofgerichts 
für  solche  Klagen  an  und  gestattete  nur  den  Parteien  gegen 
die  Entscheidungen  der  Hofgerichte  in  den  Vitztumämtern  den 
Herzog  selbst  anzurufen;  es  erscheint  also  für  solche  Klagen 
das  Münchner  Hofgericht  als  die  höchste  Instanz. 

In   Baiern    begegnet  also   schon   seit  dem  Ende  des   15. 


unser  Bitten,  sofenio  solche  Sachen  E.  Gn.  berührend  nach  Verhörung  güt- 
lich nicht  vertragen  werden  möchten  und  sich  einer  darüber  Rechtens  er- 
böte oder  begehrte,  daß  dann  E.  £  G.  deshalb  Räto  von  Landleuten  und 
andern  niedersetze,  sie  auch  derselben  Zeit  derselben  Sachen  halben  ihrer 
Pliicht  ledig  zähle,  darin  auf  das,  so  im  Recht  für  sie  gebracht  wird,  recht- 
lich zu  erkennen,  damit  E.  f.  G.  Unterthanen  als  jo  durch  Geschäft  oder 
eigene  Handlung  der  Amtleute  geschehen  möchte,  ohne  Recht  nicht  entsetzt 
noch  beschwert,  noch  zu  unbilligen  Schaden  gebracht  werden  (Krenner 
XIII,  S.  231). 

1)  Es  wird  zur  Begründung  der  Bitte  noch  auf  die  Reglung  in  den  an- 
dern Territorien  hingewiesen  —  dieweil  man  auch  solcher  ziemlicher  Bo- 
gehrung Rechtens  bey  andern  Fürsten  des  Reichs  ohno  Zweifel  und  billig 
unverziehen  ist,  als  dann  das  Recht  niemand  versagt  seyn  soll  (ib.  S.  237  f.). 

2)  Durch  eine  Beschwerde  der  Ritterschaft  1499  wurde  dio  Aufmerksam- 
keit  dos  Herzogs  auf  den  Ubelstand  gelenkt,  daß  es  den  Parteien  bei  Klagen 
gegon  Beamte  schwer  falle,  einen  Redner  zu  finden  —  sprechen,  der  Handel 
berühre  K.  Gn.,  was  E.  Gn.  Pfleger  und  Amtleuto  antrifft  und  ob  es  gleich 
übel  gebandelt  und  vor  den  Räthen  unrecht  erkannt  wird,  so  redo  doch  der 
Redner  mit  Sorgen  und  subtilen  Worten  nicht  nach  der  Sachen  Nothdurft 
und  nimmt  doch  nicht  weniger  sein  GcIÜ  darum.  Daraufhin  ordnete  L.O. 
1501  an,  daü  kein  Redner  in  solchem  Falle  aus  Furcht  seine  Pflicht  vemach- 
lässigen  dürfe.  Bekäme  aber  eino  Partei  aus  Armut  oder  wegen  anderer 
Uri-aohon  keinen  Redner,  so  könno  sie  ihre  Klage  beim  Hofgericht  schriftlich 
einlegen,  oder  es  soll  ihr  durch  dieses  ein  Redner  gestellt  werden,  damit 
niemand  in  Fürbringung  seiner  Sache  Mangels  habe  oder  versäumt  werde 
-Kr^nnur  XIII,  S.  9,  162,  257  f.). 

3)  Eino  Verhandlung  und  eventuell  Entscheidung  durch  delegierte  Kom- 
missäre wurde  gestattet  ^K  renn  er  XHI,  S.  270). 

4)  üb  yemand  zuo  unsem  pflegem,  richtern,  dienern  und  anndem  ambt- 
louton  dio  ainen  von  jrer  ambt  oder  dienst  wegen  an  seinem  leib,  ehrn  oder 
guct  iiberfarn,  beschedigt  oder  zuo  schaden  bracht  ichts  zuo  sprechen  hette, 
dersclb  clager  mag  dieselben  unser  ambtleut  oder  diener  vor  uns  oder  in 
unsenn  vitzdombambt  vor  unsern  vitzdomb  und  räthen  darumb  wol  beclagen 
und  rcchtvertigcn. 


—    570    — 

Jahrhunderts  der  Grundsatz  des  Partikularstaatsrechts ,  den 
man  im  allgemeinen  nicht  vor  dem  17.  Jahrhundert  konstar 
tieren  kann  ^),  daß  der  Beamte  wegen  der  in  Ausübung  seines 
Amtes  mit  den  Unterthanen  entstandenen  Streitigkeiten  vor  dem 
Gericht  zur  Verantwortung  gezogen  werden  kann  •). 

Am  frühesten  war  das  Prinzip  der  Haftbarkeit  der  Beamten 
anerkannt  bei  pflichtwidriger  Verletzung  der  Landfrieden')  und 
der  ständischen  Freibriefe^).  Hier  handelte  es  sich  gewisse!^ 
maßen  um  Nichtbeachtung  von  Verfassungsbestimmungen,  wes- 
halb L.  Fr.  IV  a.  22  und  23  sogar  durch  besondere  Vorschriften 
das  hier  einzuschlagende  Verfahren  regelt  —  wie  gegen  den 
ambtman  so  umb  uberfanmg  diser  erclärung  beclagt  wirdt  soll 
procedirt  und  gchanndelt  werden  *). 

Bäte  von  Haus  aus. 

Außer  den  ausschließlich  und  voUsUindig  im  Dienst  des 
Landesherm  stehenden,  zu  stetem  Aufenthalt  am  Amtssitz  ver- 
pflichteten Beamten  fand  in  Baiern  gleich  den  andern  Ländern ') 
das  Institut  „d<^i*  I^äte  und  Diener  von  Hause  aus"  zur  ErgiB- 


1)  H.  Schulze,  Staatsr.  I,  S.  637. 

2)  Daß  die  Ersatzklagen  gegen  Beamte  wegen  Üherschreitaiig  ibnr 
Amtfibefagnisso  7or  die  Gerichte  geborten,  wurde  spftter  durch  die  ganen- 
recbtlicbe  Praxis  anerkannt  (Gneist,  Der  Rechtsstaat  Berlin  1879.  8L  M, 
^weil  die  Handlung  extra  ofticium  in  der  Tbat  nur  Handlung  eiiiet  Pri- 
vaten ist"  I. 

3>  Landfrieden  1281  a.  33,  1293  a.  28,  1300  a.  23  (Qu.  o.  Er.  V,  &S44; 
VI.  S.  32,  115'. 

4)  z.  B.  2.,  8^  9.  Freibrief  1322,  1355,  1358  (V.  Lerehenfeld  &  10; 
19,  21  ■. 

5-  Siehe  S.  507  A.  2.  L.  Fr.  IV  a.  22  verlangt  ein  vorhergehendM  fr 
suchen  der  Stande  oder  ehrbarer  ansässiger  Männer  um  AbtteUnng:  Ii 
Bezug  auf  die  Zusammensetzung  des  Hofgerichts  fordert  L.  Fr.  lY  &  8S  4» 
Anwesenheit  von  wenigstens  7  <  und  der  merer  tail  lajen  und  vom  adl)  Blfta& 
Falls  eine  Verurteilung  nicht  erfolgt,  hat  die  klagende  Partei  (&  84) 
Beamten  voUständigen  Schadensersatz  zu  leisten  —  coasti  zenuig  nnd 
<vgl.  Krenner  VII,  S.  435i. 

G  So  in  Österreich  'Adler,  Organisation  d.  Ceniralrerw.  nnler  K 
Maximilian  I,  S.  220-,  Brandenburg  ^Stolzol,  Brandenb.-PreiiAeiii  Radri^ 
vorw.  I,  S.  128,  151',  Kursachsen  iStobbe,  Gesch.  d.  d.  BeehtaqueUn  II 
S.  57:,  Hessen  -Stolz el.  Gel  Richtert  I,  S.  412,  414),  OberpfiOi  (Nei- 
de ggori  Beiträge  I,  S.  14. 


—    571     — 

zung  des  Beamtentums  und  des  Heers  seine  Anwendung.  Solche 
Räte  und  Diener  von  Haus  wurden  in  großer  Anzahl  während 
des  15.  und  16.  Jahrhunderts  bestellt  sowohl  aus  dem  Kreise 
des  Adels  wie  aus  dem  der  gelehrten  Juristen.  Berühmte  Rechts- 
gelehrte ' )  standen  oft  zu  3  und  4  Fürsten  in  dem  gleichen 
Dienstverhältnisse.  Auf  Grund  des  auf  eine  bestimmte  Anzalil 
von  Jahren  (3 — 10)  abgeschlossenen  Dienstvertrags  waren  diese 
Räte  verpflichtet,  von  ihrem  Wohnsitz  aus  dem  Herzog  auf  Er- 
fordern Rat  zu  erteilen,  ihm  „mit  Raten  und  Reden"  zu  dienen, 
nur  nicht  gegen  diejenigen  Fürsten,  welchen  sie  sich  schon 
früher  als  Räte  verpflichtet  hatten  und  die  im  Dienstvertrage 
ausdrücklich  ausgenommen  wurden  *).  Auch  zu  diplomatischen 
Sendungen  mußten  sie  sich  gebrauchen  lassen  und  auf  Verlangen 
ihres  Dienstherrn  zur  mündlichen  Konsultation  an  seinen  Hof 
kommen.  Sie  waren  zu  allen  Dienstleistungen  eines  treuen  Rats 
verpflichtet.  Während  der  Rat  von  Haus  aus  den  verein- 
barten Jahressold  bezog,  auch  wenn  seine  Dienste  nicht  bean- 
.si)rucht  worden  waren,  empfing  er,  sobald  er  in  des  Herzogs 
Dienst  aus  dem  Hause  zog,  Lieferung  (Diäten).  In  den  juri- 
stischen Räten  von  Haus  aus  tritt  uns  gewissermaßen  ein 
;,^elehrtes  Landsknechtstum  entgegen,  das  jedem,  der  einen 
vollen  Beutel  hatte,  mit  seinem  Wissen  und  Können  zur  Ver- 
fügung stand,  allerdings  doch  so  anständig,  um  nicht  zweien 
(iegnern  zugleich  als  Rat  beistehen  zu  wollen.  Diese  eigen- 
artige Institution  liefert  einen  anschaulichen  Beweis  von  der 
Schätzung  gelehrter  juristischer  Bildung  für  das  Staatsleben. 
Je  mehr  es  gelang,  tüchtige  Juristen  in  den  ausschließlichen 
Dienst  eines  Herrschers  zu  ziehen,  um  so  mehr  schwand  das 
Bedürfnis  nach  einer  solchen  Beratung  von  Fall  zu  Fall.  Denn 
w('nn  die  so  gemieteten  Doctores  auch  Ratspflicht  leisteten,  so 

1  z.  B.  der  berQhnite  Dr.  Martin  Mair,  Kat  Ludwigs  dos  Reichen,  stand 
zugleich  im  Dienste  der  Stadt  Nürnberg,  des  Pfalzgrafen  und  des  EOnigs 
von  Böhmen    Kluckhohn,  Ludwig  d.  R.  S.  157). 

2  So  veri)flichteto  sich  der  Tübinger  Ordinarius  Dr.  Lupfdich  1507  gegen 
jeden,  ausgenommen  den  Herzog  Ulrich  von  Württemberg,  auf  7  Jahre  zu 
dii'nen;  Dr.  Gregor  Lamparter  von  Biberach  verspricht  1503,  lebenslänglich 
dem  H.  Albrecht  IV.  in  seinem  Hause,  wenn  er  das  durch  Botschaft  oder 
Brief  von  ihm  verlangt,  in  seinen  eignen  Sachen  zu  raten,  doch  nicht  gegen 
den  K«:5nig,  das  Haus  Österreich,  den  Herzog  Ulrich  von  Württemberg  und 
den  Markgrafen  Friedrich  v.  Brandenburg  (200  fl.  Jahrcssold). 


—    572    — 

war  doch  das  Band,  welches  sie  mit  dem  betrefifenden  Herrscher 
verband,  uur  ein  sehr  loses.  Es  fehlte  ihnen  nicht  nur  die 
eindringende  Kenntnis  localer  Verhältnisse,  sondern  auch  jenes 
tiefe  Interesse  für  das  Land,  dem  sie  nur  nebenbei  dienten,  und 
jenes  Eindringen  in  die  Eigenart  desselben,  welche  die  Voraus- 
setzung eines  guten,  alle  Faktoren  in  Betracht  ziehenden  Rat- 
schlags bildeten  0-  Auf  der  andern  Seite  stand  ihnen  allerdings 
eine  reiche,  durch  ihre  vielfachen  Verbindungen  gewonnene  Ei^ 
fahrung  auf  politischem  Gebiete  zur  Seite. 

Die  zweite  Kategorie  der  Diener  von  Haus  aus  umlEEißt  diejenigen, 
welche  bei  drohender  Kriegsgefahr  das  herzogliche  Heer  zu  ver- 
stärken hatten.  Entweder  sind  es  Bürgerliche,  die  nur  für  ihre 
Pei-son  als  Einspännige,  oder  Adlige,  die  mit  einer  bestimmten  An- 
zahl von  Reitern  ^)  auf  Erfordeni  des  Herzogs  oder  einer  seiner 
hölicrcn  Beamten  bewaffnet  an  dem  ihnen  bestimmten  Platze 
zu  erscheinen  und  Kriegsdienste  zu  leisten  haben.  In  diesen 
Dienstverträgon  wird  gleichfalls  die  Verpflichtung,  gegen  einige 
bestimmte  Fürsten  zu  Felde  zu  ziehen,  ausdrücklich  abgelehnt'). 
Für  Irrungen,  die  sich  aus  dem  Dienstvertrage  ergeben  und  deren 
gütliche  Beilegung  nicht  gelingt,   unterwerfen  sich  die  Kontra- 

1;  Zweckmäßig  war  es  dagegen,  wenn  man  alte,  fOr  die  regelmlligei 
dienstlichen  Obliegenheiten  nicht  mehr  fähige  Beamte  zu  Bfiten  ron  Hav 
ans  ernannte,  um  sich  ihrer  infolge  einer  langen  Praiis  wertvollen  Battdilig» 
in  wichtigen  Fragen  zu  versichern.  So  entläßt  z.  B.  Wilhelm  IV.  den  frühenB 
Stranbingcr  Hentmeistcr  S.  aufsein  Ansuchen  wegen  Alters  von  diesem  Am^  be- 
stellt ihn  aber  wegen  seiner  getreuen  Dienste  „und  umb  das  er  in  uiBcn 
ambten  vil  erfarung  und  Wissens  habe,  deshalben  er  uns  fQr  andere  n  ge- 
brauchen ist,  zu  unserm  Rat  und  Diener  von  Haus  aus  (B.  A.  —  Versclufi- 
bungcn,  Leibgedingo  1504—1547  enthält  viele  Bestallungen  von  Riten  t.  EL  a) 

2'  1443  stellten  so  die  „Diener  von  Haus  aus"  151,  davon  Jacob  T^t^ 
seü  von  Waldburg  100  Keisige  WQrdinger,  Kriegsgeschichte  vonBajen 
.  .  von  1347- 1506.  München  1868.  II,  S.  302  •.  Gewöhnlich  stellte 
nicht  mehr  als  4-8  Pferde. 

3i  Dies  war  schon  dadurch  bedingt,  daß  eine  Reihe  höherer 
anderer  r:^taaten  solche  Dienstverträge  mit  dem  baieriicbcn  Hencoge  a^ 
schlössen,  z.  B.  loU)  der  Grofihofmeister  der  Pfalz,  Ritter  Job.  t.  MorsbeB» 
der  selbstredend  Kurfürsten,  Pfalzgrafen  Ludwig  und  seinen  Bmder  Friediiclt 
1510  Erbmarschall  von  Osterreich  J.  v.  Seh.,  der  K  Maximilian 
v.  Seh..  K.  Ludwigs  von  Ungarn  und  Böhmen  Hofmeister.  1513  J.  t. 
heim,  des  Koichs  Erbmarschall,  gegen  Jeden  mit  Ausnahme  des  Kaisai» 
Herzog  Friedrichs  zu  Sachsen,  des  Bischofs  zu  Eicbstfidt,  des  Abts  n 
Kempten    R.  A.  —  a.  a.  0. . 


—    573    — 

lienten  im  voraus  der  Entscheidung  des  Hofgerichts  —  als  forum 
prorogatuni  ^). 

§33. 
Der  Charakter  des  Beamtentums. 

Nicht  eine  erschöpfende  Schilderung  des  Wesens  des  bai- 
rischeu  Beamtentums  ist  hier  beabsichtigt,  sondern  es  sollen 
nur  einige  Beiträge  zur  Charakterisierung  desselben  geliefert 
werden.  —  Unter  der  Kollektivbezeichnung  „Amtleute"  *)  werden 
alle  Beamtenkategorien  zusammengefaßt.  Aus  der  Reihenfolge 
der  aufgeführten  Beamten  gewinnt  man  ein  allerdings  nicht 
immer  trefl'endes  Bild  der  Rangordnung^).  Dabei  wird  im  16. 
Jahrhundert  der  Unterschied  zwischen  den  (ausschließlichen) 
Hof-  und  den  Stiiatsbeamten  schon  scharf  betont*).  Von  der 
Privilegierung  der  Hofbeamten  und  Kollegialmitglieder  (Räte) 
gegenüber  den  übrigen  Beamten  wurde  bereits  gehandelt. 

Das  Beamtentum  reknitierte  sich  zumeist  aus  den  Ministe- 
rialen •'),  und  der  niedere  Adel  erhielt  sich  dauernd  im  Besitze 
der  meisten  Hof-  und  Landesämter,  und  nur  ein  kleiner  Teil 
derselben  kam  in  die  Hände  von  Bürgerlichen  ^).  In  den  Rat 
dt^r  Herzoge  drang  das  bürgerliche  Element  ein,  erst  als  man 
iuifinjx  den  Vorteil  wissenschaftlicher  Bildung  für  die  Erledigung 
von  Kegierungsgeschäften  zu  schätzen.  Mit  dem  Überhandnehmen 
des  Schreibewerks  in  der  Regierung  tritt  der  Kleriker  als  Kanz- 
ler") am  Hofe  auf;  der  höchst  einflußreiche  Kanzlerposten  wird 

1)  Eiu  Liofcrgeld  (Futter  und  Mahl)  nach  Anzahl  der  zu  stollendcn 
Pfordo  wird  vereinbart  und  Vergütung  eines  etwaigen  Schadens  zugesichert 

"2    JJant'ben  werden  auch  speciell  Schergen  als  Amtleute  bezeichnet 

3)  z.  I>.  1288  vicedominis,  iudicibus,  preconibns,  cunctis  officialibus,  1315 
^K.  Lud\vi<r)  viccdonunis,  iudicibus,  officialibus;  1345  Amtleute:  Yitztume, 
Pllo;,'or,  I.'iclitcr,  Schergen  u.  A-;  1481  (H.  Georg)  Vitzt,  Hauptleute,  Bent- 
lIloi^lc^,  Pilo^'or,  Landschreiber,  Jägermeister,  Kastner  und  andre  Amtleute 
M.  Vk  IV,  S.  :jr)3:  III.  S.  200,  370,  381).  L.O.  1516  S.  G5:  Hofmeister,  Mar- 
schall, Vitztum,  Hauptmann,  Kanzler,  Räte,  Pfleger,  Rentmeister,  Jägermeister, 
I.andriclitcr.  Kastner,  Mautner,  Zollner,  Kanzlei-  und  Rentschreiber,  Gegen- 
8<'liroib«^r,  Fürster,  IJberreiter,  Ungelter  und  alle  andre  Amtleute,  auch  Amts- 
■lit'inT,  ,,dio  mit  verwalltuug  unnsers  lands  Regiment  umbgeen". 

4i  Si.diL'  S.  23^. 

.-,   Virl.  Kiozlor  II,  S.  190. 

•  Ji  /..  I).  I.'ontmcistcr  (S.  280),  Kastner,  Mautner  etc. 

Ij  Si.-iio  S.  2«).">. 


—    574    — 

auch  Nichtklerikern ,  weltlichen  Juristen  zugänglich.  Nun  tau- 
chen Bürgerliche,  welche  sich  an  italienischen,  später  auch  an 
deutschen  Hochschulen  den  juristischen  Doktorhut  (oder  die 
Licentiatenwürde)  geholt  hatten,  in  immer  steigender  Zahl  als 
Räte  am  herzoglichen  Hofe  auf,  gleichberechtigt  mit  den  adligen 
Räten,  mit  welchen  sie  im  Hofgericht  ^)  und  im  Hofrat  in  ge- 
meinsamer Arbeit  zusammenwirken.  Der  lebhaften  Opposition 
der  Stände  gelang  es  nicht,  die  Juristen  zu  verdrängen.  Die 
feinere  Entwicklung  der  Politik  machte  dem  Fürsten  wissen- 
schaftlich gebildete  Ratgeber  unentbehrlich,  wenn  sie  nicht  in 
den  diplomatischen  Verhandlungen  von  den  durch  ihre  reicheie 
^visscnschaftliche  Bildung  und  methodische  Schulung  gewandteren 
Gegnern  überwunden  werden  wollten.  Und  da  die  Räte  Ober- 
haupt als  Beisitzer  im  Hofgerichte  verwendet  wurden,  so  war  dies 
auch  mit  den  juristischen  Räten  der  Fall.  Also  das  Eindringen  der 
Juristen  in  die  Gerichte  ergab  sich  meiner  Meinung  nach  als  eine 
Folge  der  Thatsache,  dass  Doctores  als  landesherrliche  Bäte  be- 
stellt wurden.  Als  Ratgeber  der  Herzoge  erlangten  sie  auch 
maßgebenden  Einfluß  auf  die  Gesetzgebung,  und  das  ref.  Ldr. 
von  1518  und  die  Ger.-O.  von  1520  weisen  so  eine  stark  roma- 
uistischc  Färbung  auf,  welche  den  Doctoribus  eine  steigende  Be- 
deutung in  den  höheren  Instanzen  verschafften.  Sie  waren  jetit 
unentbehrlich  geworden,  und  nach  dem  Vorbild  des  R.Kammer- 
gerichts  gab  es  im  Hofrat  und  in  den  Regierungen  nd)en  der 
adligen  Bank  eine  gelehrte  Bank,  wie  auch  die  Doctores  asf 
Grund  der  für  diese  Stelleu  erlassenen  Instruktionen  f&r  be- 
stimmte Funktionen  ausschließlich  Verwendung  finden  sottten. 

Glänzende  Repräsentanten  jener  Periode  der  Renaissance, 
in  welcher  in  der  Wiederbelebung  des  klassischen  AltertODS 
ein  neues  Bildungsideal  erstand,  ein  geistiger  Aufschwung  ohne 
gleichen  sich  vollzog,  finden  wir  unter  dem  höheren  bairischeB 
Beamtentum,  eine  stattliche  Reihe  hochgebildeter  Männer,  m 
denen  einige  noch  unter  der  Last  der  Staatsgeschftfte  Mob 
fanden  zur  wissenschaftlichen  Produktion,  während  andere  mA 
begnügten,  die  Waffen,  welche  ihnen  ihre  wissenschafUidM 
Studien,  ihre  Gelehrsamkeit  geliefert,  in  den  Dienst  der  TOi 
ihnen  geleiteten  inneren  und  äußeren  Politik  zu  stellen. 

Als  einer  der  ersten  humanistisch  gebildeten  StaatsmftniMr 

1)  siehe  S.  141  ff 


—    575    — 

in  Deutschland  begegnet  uns  Dr.  Martin  Mair,  der  Freund  von 
Aeueas  Silvius,  als  Rat  Herzog  Heinrichs  d.  R.  von  Landshut,  als  die 
Seele  seiner  Regierung^).  Auch  Dr.  Leonhard  v.  Eck,  der  Lehrerund 
(seit  1519)  Kanzler  Wilhelms  IV.,  in  Ingolstadt  und  Siena  gebil- 
det, ein  Mann  von  großer  Gelehrsamkeit,  Klugheit  und  Geschäfts- 
gewandtheit erscheint  3  Dezennien  hindurch  als  der  allmächtige 
Leiter  der  Geschicke  Baiems*).  Er  ist  auch  die  Seele  jener  mit 
zäher  Härte  unter  Wilhelm  IV.  festgehaltenen  Verfolgungspolitik 
der  Anhänger  des  Protestantismus*).  Mit  Konsequenz  war  er 
bestrebt,  die  Macht  des  Herzoges  zu  mehren,  sein  Gebiet  zu 
vergrößern  und  eine  hervorragende  Stellung  im  Reiche  zu 
gründen*).  Er  war  nicht  selbst  litterarisch  thätig,  ließ  sich 
aber  gern  als  Beschützer  der  Gelehrten  preisen  *). 

Dem  deutschen  Humanistenkreise  gehörte  durch  seine  litte- 
rarische Thätigkeit  an  der  bairische  Rat  Dr.  Diietr.  v.  Plieningen 
(f  1520).  Er,  der  seine  Uebste  Erholung  bei  den  Klassikern 
fand,  vermittelte  ihre  Kenntnis  durch  Übersetzungen  und  Aus- 
züge '•)  seinen  Landsleuten,  um  sie  moralisch  zu  heben. 

Als  Verfasser  der  „Wahrhaftigen  Beschreibung  des  österreichi- 
schen und  habsburgischen  Nahmens,  Herkommens,  Geschlecht 
etc'^^O  wurde  bereits  genannt  der  Hofkammerpräsident  J.  J.  Fugger. 

Auch  ein  Präsident  der  anderen  Centralstelle,  des  Hofrats,. 
Dr.  Wiguleus  Hund^)   (von  Sulzenmos),   fand  neben  der  um- 

1)  Riezlor  in  A.  D.  Biographie  XX,  S.  113,  116:  „Er  erscheint  hier 
(bei  einer  Yerhandliing,  die  er  im  Auftrage  des  BohmenkOnigs  in  Mailand 
1460  fahrte)  als  einer  der  ersten  Vertreter  des  Hnmanismns  in  der  Politik, 
als  einer  der  ersten,  welche  formelle  Eleganz,  Schwung,  Prunk  und  Wohllaut 
der  Rede  auch  in  das  Bereich  diplomatischer  Verhandlungen  einführen.''  — 
Die  von  M.  bei  Eröffnung  der  Ingolstftdter  Universitfit  gehaltene  Bede  bei 
Prantl  II  n.  2  (S.  7  ff.). 

2i  Kluckhohn  in  A.  D.  Biographie  V,  S.  686. 

3)  Vgl.  W.  Vogt,  Die  bayr.  Politik  im  Bauernkrieg  und  der  Kanzler 
Dr.  L.  V.  Eck  S.  10,  6. 

4)  Er  stand  im  Kufe  eines  bestechlichen,  unznverlftssigen  Intriganten. 
Karl  V.  nennt  ihn  einen  Verräter,  „der  in  Verrat  und  ehrlosen  Künsten 
Judas  noch  übertreffe  und  für  Geld  Christus,  Vaterland,  das  Reich  und  die 
ganze  Welt  verkaufen  würde"  (a.  a.  0.). 

5)  Plinius,  Sallust,  Seneca,  Lucian,  Poggius  (Schott  in  A.D.  Biogr. 
XXVI,  S.  298 . 

G)  Der  sog.  „Ehrenspiegel"  (v.  Birckens)  ist  nur  ein  Auszug  dieses 
Werks.    Vgl.  C  h  r.  M  e  y  e  r  in  A.  D.  Biogr.  VITI,  S.  183. 

7<  Er  studierte  in  Ingolstadt  und  Bologna,  wurde  mit  23  Jahren  Pro- 


—    576    - 

fassendsteii  politischen  Thätigkeit  —  kaum  ciue  wichtige  Re- 
gierungsangelegeiiheit  ynirda  ohne  seine  Mitwirkung  erledigt  — 
noch  Muße  zur  wissenschaftlichen  Arbeit,  aus  welcher  bei  seinen 
Lebzeiten  zwei  sehr  geschätzte  Werke  an  die  Öffentlichkeit 
kamen,  nämlich  eine  Geschichte  des  Fürstentums  Salzburg 
(Metropolis  Salisburgensis)  und  das  „Bayrisch  Stammbuch"*). 
Ferner  hat  der  ob.  Kanzler  und  geh.  Rat  Hörwart*)  sich  nidit  nur 
durch  Anfertigung  eines  Katalogs  griechischer  Handschriften,  son- 
dern auch  durch  A])fassung  mathematischer  und  physikalischer 
Schriften  hervorgethan. 

Durch  seine  juristischen  Schriften  hat  der  Münchner  Unter- 
richter  (1518),  später  Sekretär  und  Hofrat  Andreas  Pemeder  *) 
in  der  Geschichte  der  Rechtswissenschaft  dauerndes  Ansehen 
errungen.  Er  bearbeitete  alle  Zweige  des  geltenden  Rechts 
unter  Berücksichtigung  des  bairischen  Rechts  und  der  bairischen 
Gewohnheiten  für  die  Praxis.  Der  gelehrte  Praktiker,  den  ein 
früher  Tod  an  der  Herausgabe  liinderte,  beabsichtigte  wohl 
durch  sein  Werk  den  Layenspiegel  zu  ersetzen.  Seine  vier 
Werke  Institutiwnen,  gerichtlicher  Prozeß,  Halsgerichts-Ordnung, 
Lehenrecht,  zu  denen  noch  die  sog.  Summa  Rolandina*)  hinzu- 
kamen,  wurden  nach  seinem  Tode  von  dem  IngolstÄdter  Pro- 
fessor Hunger  herausgegeben  und  fanden  eine  ungeheuere  Ver- 
breitung •'' ). 

fossor  iu  I.  und  1540  zum  Hofrat  eruainit,  lo4i^  zum  Assessor  am  R-EAmn.- 
<ior.,  1551  wurde  er  Kanzler  der  Ijandshutcr  Regierung.  1552  Hofratiprfai- 
deut.  Das  Pflegeanit  Dacliau  und  Menziug  wurde  ihm  übertragen.  T^ 
Hundts  Autobio^Taj)liie  im  3.  Teil  seines  Stummbuchs  b«*i  v.  Froyberg, 
Sammlung  histor.  Schriften  und  Urkunden  III,  S.  182  U  und  Eisenhart 
A    I).  Hiogr.  XIII,  S   303. 

1  Vgl.  über  diese  und  den  hands?chrifilichen  Nachlaß  Hund*8  Eisen- 
hart a.  a.  O.  S.  3Im;  f. 

2;  Alle  wichtigen  nolitischon  Akienstücke  sind  von  ihm  gefertigt»  anck 
das  Memorandum  über  die  Finanzlage  (1507j,  welches  zur  Abdankung  WB- 
hrlms  V.  führte.     Vgl  über  ihn  Eisenhart,  A.  D.  Biogr.  XllI,  S   170  fi 

3)  Über  seine  Schriften  v^l.  bosenders  Stin  tziug,  Gesch.  d  dontichfli 
i:.vhtswi??..n«chaft  I,  S.  573  1V.,  und  Eisenhart,  A.  I).  Biogr.  XX V,  S. 38i £ 

4  l>ie  llunirer'sche  Aus^gabo  wurde  von  1545-07  mindestens  lOmal  nes 
aufg«'legt.  Miri'li'.^tens  3  Auflagen  uni^r  vollständiger  Umarbeitung  derHalff- 
u«'ri<"hi ?-(.).  bct-orgte  ib-r  Straubing«'r  llegimentsrat  Dr.  Schronck  (1573^81) 
Vgl.  S  t  i  n  t  z  i  n  g  S.  573  f. 

5  d.  i.  kur/iT  i)<Ti(.'ht  von  allerliand  Contracten  und  Testamenten. 


-     ha     — 

Der  Bildunjj^ssUiud  uuil  die  Tüchtigkeit  des  höheren  Be- 
iiintentums  erscheint  nach  diesen  Beispielen  als  ein  sehr  hoher, 
und  auch  die  früheren  Jahrhunderte  zeigen  einzelne  Staats- 
niänner  von  hervorragender  Bedeutung  im  Dienste  der  Herrscher 
Baicms.  Diese  waren  ernstlich  bemüht,  bedeutende  Kräfte,  wo 
sie  dieselben  fanden,  für  ihr  Territorium  zu  gewinnen  0,  und 
der  nie  ruhende  Kami)f  der  Landstände  gegen  die  Gäste  be- 
weist aufs  schlagendste,  daß  die  Herzoge  nicht  gewillt  waren, 
partikularistischer  Engherzigkeit  die  Interessen  des  Staatswohls 
unterzuordnen.  Die  Herzoge,  welche  keineswegs  gesonnen  waren, 
die  Ausländer  den  l)rauchbaren  Inländern  vorzuziehen  ^),  ver- 
standen es,  manch  schätzenswerte  Kraft  aus  der  Beamtenwelt 
des   Auslandes  ihrer    Regierung  zuzuführen   und   festzuhalten. 

Eine  bei  den  leitenden  Staatsmännern  des  Reformations- 
zeitalters  häufig  beklagte  Eigenschaft,  die  unersättliche  Hab- 
>uclit  und  P>estechlichkeit,  kommt  auch  bei  einigen  der  höchsten 

1)  So  finden  wir  Dr.  Martin  Mair  (geb.  zu  Heidelberg,  wo  er  auch  seinen 
Studien  oblag)  anfänglich  (1449)  als  Stadtschreiber  der  Stadt  Nürnberg.  Da 
der  Ruf  seiner  Klugheit  und  Geschäftsgewandtheit  sich  rasch  verbreitete, 
wurden  seine  Dienste  vielseitig  begehrt  Er  schrieb  fQr  Friedrich  IIL  und 
die  verbündeten  Städte,  war  für  ersteren  und  die  ülmer  wiederholt  tlifitig. 
H.  Wilhelm  von  Sachsen  suchte  ihn  vergebens  von  den  Nümbergem  zu  „ent- 
leihen". 14o5  wurde  er  Kanzler  des  Erzbischofs  von  Mainz,  ohne  sein  Dienst- 
verhältnis zu  Nürnberg  ganz  zu  lösen.  Auch  mit  dem  Pfalzgrafen  Friedrich, 
dem  Bischof  von  Würzburg  und  dem  König  Georg  von  Böhmen  knüpfte  er 
neue  dienstliche  Beziehungen  an.  1459  ^lird  er  dann  endlich  auch  Bat 
des  Landshuter  Herzogs  Heinrich  d.  K,  in  welchem  Dienstverhältnisse  er 
bis  zu  seinem  Lebensende  blieb  (Kluckhohn,  A.  D.  Biogr.  XX,  S.  114ffl). — 
Dr.  Dietr.  v.  Plieningen  (studierte  in  Pavia)  tritt  1482  als  Rat  des  Kurfürsten 
Philipp  von  der  Pfalz  auf,  1493  als  Vicarius  des  Wormser  Bischofs  von  Dalberg, 
1495  Assessor  am  K,Kammerger.  und  wird  dann  Rat  Albrechts  IV.  von  Baiem 
(Schott,  A.  D.  Biogr.  XXVI,  S.  297).  Und  noch  viele  Andere  wären  hier 
zu  nennen. 

2)  Auch  Baiern  finden  wir  öfters  im  Dienste  benachbarter  Fürsten,  aus 
welchem  sie  dann  später  in  den  Dienst  des  Heimatsstaates  übertraten,  z.  6. 
Dr.  L.  V.  Eck  (studierte  in  Ingolstadt  und  Siena)  war  zuerst  Rat  beim  Mark- 
i^Tüidü  (ioorg  von  Brandenburg  in  Ansbach;  Dr.  S.  Thaddäus  Eck  (Stiefbruder 
•les  berühmten  Theologen;  studierte  in  Ingolstadt)  fungierte  in  Wien  als 
<  )fticial  des  Bischofs  von  Passau,  wurde  in  Salzburg  Assessor  des  erzbischöf- 
liehen  ^lorichts  und  dann  Consiliarius  des  Bischofs  zu  Eichstädt,  bis  er  1545 
Kanzler  in  Burghausen  und  später  in  München  wurde  (das  ihm  angetragene 
Amt  eines  kaiserlichen  Vicekanzlers  lohnte  er  ab  und  nahm  nur  den  Titel 
k.iiserl.  llat  an).     Vgl  Kluckhohn  a.  a.  0.  S.  604»  60G. 

licv-  li  tliil,  (ifi. hichte  "d.  OericIiUw.  u.  d.  Verw.-Org.  Batems.  I.  gj 


-    618    - 

Beamteu  Baierus  zur  Erschcinuug  ^),  doch  gehören  hier  soldie 
rcrsöulichkeiten ,  deren  sittlicher  Charakter  nicht  auf  der 
Höhe  ihrer  geistigeu  Befähigung^)  steht,  immerhin  zu  den  Aas- 
nahmeu. 

Von  dem  niedrigen  Bildungsgrad  der  Pfleger  (Bichter) 
wurde  schon  gesprochen  ^).  Daß  es  auch  mit  der  sittlichea 
Führung  dieser  und  der  ihnen  gleichstehenden  und  untergebeneD 
Beanitenklassen  nicht  gut  bestellt  war,  erhellt  aus  den  zahl- 
losen, sich  stets  wiederholenden  Beschwerden  über  die  von 
ihnen  verübten  Bedrückungen  der  Unterthanen,  welche  immer 
wieder  aufs  neue  gesetzliche  Abhilfemaiiregeln  veranlaßten^).  Der 
Schluß,  daß  es  sich  hier  um  besondere,  dem  bairischen  Beamten- 
tum eigentümhche  Mängel  handelte,  wäre  aber  ganz  irrig,  demi 
derartige  Erscheinungen  treten  in  dieser  und  der  folgenden 
Periode  auch  in  anderen  Ländern  in  gleicher  Weise  horor. 
Daß  trotz  dieser  Gebrechen  die  Verwaltung  und  Rechtqifli^ 
sicli  in  erträglichem  Zustande  befanden,  ist  nur  den  ausgezeicb- 
neten,  in  relativer  Vollkommenheit  entwickelten  KontniU- 
einrichtungen  zu  danken,  durch  welche  sich  die  bairische  Ad- 
ministration rühmlich  hervorthat,  sowie  dem  wohlgeordneten 
instanzenzug,  welche  den  Unterthanen  einen  llechtsschutz  gdgea 
Bedrückung  und  Ausbeutung  durch  pflichtvergessene  Beamte 
zu  bieten  bestimmt  waren.  Dazu  kamen  die  steten  Bemühungen 
der  Fürsten,  durch  Justizrefonuen  ihrem  Lande  den  Ruhm  einer 
guten  Rechtspflege  zu  wahren. 

Kin  höchst  wirksames  Mittel  der  Kontrolle  des  Beamten- 
tums-bildete  noch  die  Kritik  der  Landstände,  welche,  ähnlich 
wie  dies  heutzutage  in  den  Landt^igen  gelegentlich  der  £tats- 
büratungen  zu  geschehen  pflegt,  alle  Gebrechen,  die  sie  in  Justii 
und  Verwaltung  wahrgenommen ,  Abhilfe  fordernd  vorbrachten. 

1)  z.  B.  bei  L  v.  Eck  (S.  575),  Dr.  Lampartcr  (t.  Alberti,  A.  D. BiogL 
XVll,  S.  579;.  Auch  Wühclms  IV.  Hohueistcr  Hier,  von  StMif  win  )mt 
zu  ncDucii,  welcher  die  Zwietracht  seines  ilerm  mit  seinem  Bmder  H.  Lii- 
wit,^  durch  uiederträchtige  Hetzereien  geschürt  hatte,  proiesnert  und  1511 
VM  lugolätadt  enthauptet  wurde  (Buchner  VII,  S.  26  ff.). 

2j  Es  ist  selten  ein  Minister  gewesen,  der  dem  Stauffer  an  Ventand  ni 
Schlechtigkeit  gleich,  sagt  Kudhart  II,  S.  104. 

•S)  Vgl  Ö.  78. 

4^  Vgl  Ö.  96  ff^  5S5. 


Solche  ständische  BeschAverden  gaben  den  Impuls  zu  vielen 
segensreichen  reformatorischen  Maßnahmen  auf  dem  Gebiete 
der  Gesetzgebung  und  Verwaltung  und  führten  die  Beseitigung 
mancher  schweren  Mißstände  in  der  Amtsführung  der  Beamten 
herbei. 

Daß  der  Landschaft  hie  und  da  auch  eine  Ernennung 
besonders  der  Räte  eingeräumt  und  so  dem  herzoglichen  Er- 
iiennungsrccht  eine  verfassungsmäßige  Schranke  gezogen  wurde, 
ist  bereits  mehrfach  betont  worden.  Die  Landstände  wußten 
die  Minderjährigkeit  der  Herrscher  oder  schwebende  Streitig- 
keiten in  der  fürstlichen  Familie  zu  einer  Erhöhung  ihrer 
Macht  zu  benutzen,  und  so  auch  1514,  wo  des  weisen  Al- 
brecht Primogeniturordnung  von  dem  durch  sie  benachteilig- 
ten jungem  Sohne  Ludwig  angefochten  und  eine  Teilung  des 
Herzogtums  angestrebt  wurde.  Die  Landschaft  brachte  eine 
Vereinbarung  zwischen  Ludwig  und  dem  älteren  Bruder  Wilhelm 
/u  Stande,  derzufolge  die  Brüder  auf  die  Zerstückelung  des 
Landes  verzichteten  und  sich  zu  einer  gemeinschaftlichen  Re- 
gierung herbeiließen  und  zugleich  einwilligten,  daß,  bis  beide 
das  24.  Jahr  erreicht  hätten,  die  Landschaft  Räte  und  Amter 
besetzen  und  die  eigennützigen  alten  Räte  entfernen  dürfe. 
Die  an  diese  Vereinbarung  sich  anreihenden  Vorgänge  ^)  werfen 
so  helle  Schlaglichter  auf  das  Verhältnis  der  Stände  zum  Be- 
amtentum, daß  wir  auf  dieselben  etwas  näher  eingehen  wollen. 

Kaiser  Maximilian  I.  ließ  durch  eine  Gesandtschaft  dies 
Vorgehen  der  Landschaft*)  für  eine  Schwächung  und  Verletzung 
{\{)Y  l  urstenrechte  erklären,  die  er  nicht  nur  im  Interesse  der 
liiiieniherzoge,  sondern  auch  in  seinem  eigenen  und  der  aller 
regierenden  Fürsten  nicht  dulden  werde  ^). 

1)  Über  diese  vgl.  Radhardt,  Gesch.  d.  Landstftnde  II,  S.  54  ff;  die 
VcrhaudluDgcD  tinden  sich  aosfflhrUch  in  Landtag  1514,  S.  29  fL 

2)  dali  sie  Kegiment  setzen,  sieb  der  fdrsÜichen  Obrigkeiten,  Herrlich- 
kiuton  uud  Verwaltung  annehmen ,  darein  dringen  und  also  mitherrschen 
wollton  als  wider  altes  Herkommen,  gnte  Sitten,  menschliche  Vemanft»  Recht 
und  Billigkeit  verstoßend  (Landtag  1514,  S.  246  t) 

3)  Zur  Rechtfertigung  ihres  Vorgehens  berief  dch  der  Ständeansschuß 
dorn  Kaiser  gegenüber  darauf^  daß  in  H.  Wilhelms  Regierung  „durch  ettUch 
ai^euniizi^'c  Hat,  die  sich  iu  Gewalt  eiugctrungen,  übel  uud  zu  grossen  Nach- 
Uiil  und  Verderben  der  Fürsten  auch  Land  und  Leuten  geregiert  worden Jst^ 
dieselben  Räte   hotten  den  jungen  firomen  Fflrsten  also  besetzt  und  umb- 

37* 


-    580    - 

t)ic  rielfacli  durch  kaisurlicbe  Kommiss&re  gefQhrtai  Va 
bandluiigeD  konnteu  die  DitTeruuzen  dur  beiden  Brüder  so  KtriUi 
bebeu,  dali  cid  Bürgerkrieg  auszubrechen  drohte.  Doch  Iwvai 
der  von  MiUÜniÜiau  anberauniUt  Inusbrucker  Kecbutat;  bcnuit^l 
iiuht  war,  wurde  eine  Versöhnuug')  der  baden  Herzoge  bor 
beigefUbrL 

Wie  Sehr  die  Landecliaft  von  der  Bedeutung  der  ', 
fUr  dos  Wohl  des  I<andet>  darchdrimgeu  war,  dos 
ibr  entscbiedencs  manubaftes  EintrL-ten  für  dio^eII)en  gcgcsBl 
U.  Wilhelm.  Der  Au&schiiß  lieli  diesem,  welcher  sieb  in  i 
ungnäfligen  Worten  Über  einige  seiner  Hüte  ausgelassen  batto, 
durch  Dr.  vou  Plienniiigun  üebr  euergiacho  VurstcUuDgen  bita 
we^en  macheu,  mit  eiudriuglidier  Vermabnung,  solches  I 
zu  unterlasseD  *). 

buig«ii,  «0  noch  1  Jabr  oder  2  eine  LudMbaft  daoMlbvn  BaKtmn  i 
■eben,  die  FOntea  aod  de  waren  auf  giiüieii  Zweig  lugmn  iri*daf  h 
Dana  Ällcrgnedigüter  Kiiier  Boll  jangen  FOnten  du  Ir  dank  i 
Bbite  lerthmn,  unnd  wo  oicbU  raebr  TSrhuiideii,  boUuii  «ji  kllvMg  ata  L 
tcbftflt  luob  tteuT  ond  hOff,  wie  jeil  gevcbeben,  »attnatiffBa,  imA«| 
LoiiDdirhafil  nit  aolt  fOrkbomnieD  werden,  anod  duob  »dii,  waa(  t 
dardorcb  der  FünUo  unnd  de«  Lmndi  Terderben  rerhnak  miail  I 
ment  io  guett  vcrwenndt  worden  ?  du  wire  tllergnedl^toT  Hnr  4 
UcbeD  veniaofit  widerwerttig,  die  Luindloatb  wlron  e«  weder  den 
rOnten  nocb  In  selb«  zuieeehen  unnd  zngeduldnn  nit  icfanldlg,  (j  ■ 
jeni^o  Bllergnedigiiter  Ktüer  diu  du  to  »j  ntben  aocb  belffen  mi 
unnd  iniemudtc  biUicher  aiebt  dwein ,  du»  min  LantidKluA  >!•  Hch  ft 
diMiD   Ul  jrnt  geKhehen  iat    lUodtaK  IQIi.   ä   2&8  t ;   T|-L  boa,  i 

s.  314,  seix 

1)  Vgl  Ober  den  Vortrag  Rocklngot,  Einlnitaiig  S.  340  t  . 

3)  lit  deebalb  eioet  Autarbum«  auch  dar  Kito  BegdrMi  ■ 
\L  Un.  wollten  fürohio   von  (olcbeo  ungeachickUD  tud  n 
■ieb  ^erhilteii,  den  lUlen.  auch  dem  AasKbull  (u  tagm  SolehM  I 
tban,  dann  et  nit  lu  gedulden  oder  id  leiden,  wAr«  kenwro  B 
nod  wo  E.  Gn.  darauf  beharren  würden,  eo  mfllta  mi 
und  an  eine  Landaebafl  laogm  laeitoii.  «u  NoU  oder  % 
wOide,  iat  gat  in  bedenken.    .Solch  trowortl*,  m^gta  di*  8tAndi^3 
gegen  JQDgen  oiiTBnUndigDQ  kUndem  oder  anvemanStiiien  leBttea  gl 
Aber  gnediger  Herr  gegen  Bhilen,  die  >ent«nndig  und  &  Qda.  laf 
will  e*  lieb  nit  Rogen ,  »oleb  Itbit,  die  der  luehrei  tall  b«;  R  f 
und  VkOar  gediennt  haben,  werden  geafht,  ud  bUUeb  mIIm  ( 
rerrnnett  dal  ij  bandlen  wie  fron  leuU,  und  vj  In  Pfliebt«n  i 
•ebnldig  Mlnd,  &j  «elnd  auch  blftbw  nit  aimdint  wAiodeB. 
Uuin  Bhtt  TOD  £  Odn.  H«rm  uid  Tattar  tolcbe  weitt  ftr  (wUJI 


—    581    — 

So  sehr  man  auch  die  in  diesem  freimütigen  und  mann- 
haften Eintreten  der  Stände  für  die  übel  behandelten  pflichtge- 
treuen Räte  sich  bekundende  ehrenwerte  Gesinnung  schätzen 
muß,  so  sehr  wird  man  doch  über  die  heftige  Keckheit  der  Sprache 
erstaunen,  welche  die  Grenze  der  dem  Landesherm  geschuldeten 
Ehrerbietung  weit  überstieg.  Wie  gi'ell  sticht  solch  über- 
mütig schulmeisterliche  Rede  ab  von  der  Rücksicht,  mit 
welcher  in  unserm  konstitutionellen  Zeitalter  im  Allgemeinen 
selbst  die  Anhänger  der  Oppositionsparteien  die  Person 
des  Monarchen  behandeln,  um  dann  allerdings  um  so  schärfer 
den  verantwortlichen  Minister  aufs  Korn  zu  nehmen.  Es  ist 
sicherlich  ein  großer  Erfolg,  daß  solche  Mahnungen  trotz  der 
Zügellosigkeit  der  Form,  die  den  Monarchen  verletzen  und  er- 
bittern mußte,  sein  Ohr  offen  fanden.  Es  ehrt  den  Herzog  in 
hohem  Grade,  daß  er  seine  Rede  als  unbedächtlich  geschehen 
bezeichnet  und  erklärt,  daß  keiner  sich  einer  Ungnade  zu  ver- 
sehen hätte.  Er  hatte  wohl  durch  die  bittere  Schale  den  ge- 
sunden Kern  herausgefühlt,  wenn  der  ständische  Vertreter  ihm 
treuherzig  zuruft :  „Ain  Rat  ist  eines  Fürsten  Schatz  und  Herz, 
der  muß  menschlich  gehalten  werden,  damit  die  in  guter  Lust 
bleiben." 

Eine  Verbindung  zwischen  Landschaft  und  Beamtentum  ergab 
sich  aus  dem  Umstände,  daß  die  herzoglichen  Räte  zumeist  dem 
Rittorstande  angehörten  und  vielfach  zugleich  adlige  Mitglieder 
der  Landschaft  waren.  Das  erzeugte  oder  konnte  erzeugen  eine 
Kollision  der  Pflichten,  wenn  die  Interessen  des  Fürsten,  wel- 
chem sie  doch  als  Räte  eidlich  verpflichtet  waren,  denen  der 
Landschaft,  für  deren  Nutzen  und  Notdurft  zu  handeln  sie  gleich- 
falls gelobt  hatten,  nicht  übereinstimmten.  Der  einzige  Weg, 
welcher  aus  diesem  Zwiespalte  herausführte,  war  der,  daß  die 
Landesherren  für  eine  Landtagssession  oder  für  eine  einzelne 


mcD,  noch  vil  minder  gezimen  solche  zornige  wortt  E  Frtl.  Gdn.  als  einem 
jungen  Fürsten  zeuehen,  der  noch  der  erfahrung  oder  der  geschickhligkait 
nit  ist,  wie  E  F.  Gn.  Vatter  gewesen  ist,  oder  zugebrauchen.  E.  Gdn.  Vatter 
bat  Ire  Rhäte  von  verrem  herzu  mit  gnedigen  und  guetten  wortten  auch 
;,nietter  belohnung  gebracht,  dieselben  yezt  von  E.  Gdn.  mit  dergleichen 
wortten  zu  übergeen,  haben  E.  G.  wol  zuermessen,  daß  es  nit  zngedulden  ist, 
wo  es  E.  Gn.  Herr  und  Vatter  gethan,  die  Rhäte  w&ren  Im  alle  wie  schneider- 
khnecht  aufgestannden  (Landtag  1514,  S.  466  t). 


—    582    — 

Handlung  solche  Beamte  ihres  Amtseides  ^)  entbanden  *).  Soldie 
Eidesentbindung  entsprach  einem  alten  Herkommen.  Als  nun  in 
den  oben  geschilderten  Verhandlungen  eine  Botschaft  der  bairischen 
Stände  zum  Kaiser  abgeordnet  werden  sollte,  beantragte  der  Aus- 
schuß bei  den  Fürsten  eine  solche  Ledigzählung  der  beamteten 
ständischen  Deputationsmitglieder  ^ ).  H.  Wilhehn  wollte  jedoch 
diesem  Antrage  nicht  willfahren,  was  unter  den  Ständen  grofie 
Erbitterung  hervorrief,  da  dies  gegen  altes  Herkommen  verstießt). 
Zu  welcher  Höhe  idealen  Freimuts  sich  auch  das  abhängige 
Beamtentum  seinem  Landesfürsten  gegenüber  aufzuschwingen 
vennochte,  dafür  haben  wir  ein  beredtes  Zeugnis  in  einer 
gäbe  der  Bäte  der  Hofkammer  sowie  einiger  verordneter 
(Hofmarschall  Pankraz  v.  Freyberg,  Hofmeister  Lösch  und 
Dr.  W.  Hund)  wahrscheinlich  aus  dem  Jahre  1557  an  Herzog 
Albrecht  V.,  in  welchem  sie  diesen  ehrerbietig,  aber  im  Tone 
rücksichtslosester  Offenheit  Voi-stellungen  machen,  über  seine 
Lebensführung,  welche  den  Niedergang  des  Staatswesens  zur 
Folge  haben  müsse.  Sie  knüpfen  daran  eindringliche  Mahnungen 
und  Vorschläge  über  Verbesserungen,  indem  sie  namentlich  den 
außerordentlichen  Vorteil  anschaulich  schildern,  den  eine  per* 
sönliche  Anteilnahme  des  Herzogs  an  den  Verhandlungen  der 
Kollegialbehörden  für  die  ganze  Verwaltung  mit  sich  bringe. 
Das  Schriftstück  ist  so  außerordentlich  interessant  nicht  nur 


1]  . . .  hat  ain  Landschaft  alter  gewohnhait  nach  hegeert,  daft  S.  t  Gdi. 
die  Lanndsleuth,  wo  »y  mit  ainichen  Pflichten  verwohnnt  wftren,  äena  w 
lang  dieier  Lanndtag  unnd  sein  Ausschuß  weren  wurd,  ledig  zelen,  damit  dei 
Furstcnthumhs  unnd  der  Lanndleuth  notturfft  unnd  anligen  dest  bu  bedadit 
möchten  werden,  das  ist  auch  aßhaldt  allso  von  H.  Wilhelmen  penooliA 
geschehen,  unnd  sind  gclühdte  hegeerter  maßen  ledig  geselt  worden  (Landtig 
1514,  S.  26). 

2)  Auch  auf  Vasallen  wurde  solche  Enthindung  ausgedehnt»  x.  R  T^an^t^ 
1514,  S.  288. 

3)  So  aher  die  (Mitglieder  der  Deputation)  aus  der  LumdachAilt  ge- 
nommen müssen  werden,  und  unnder  den  ettlich  Ire  üdn.  mit  Pflichten  vei^ 
wandt  wären,  so  es  von  alter  horkhommcn  und  gewonhait  geweet»  wann  mal 
mit  den  Fürsten  des  Lands  notturiil  hat  geüht,  dafi  allzeit  die  FOnten  die 
Land-Leuth  Irer  Pflicht  in  Kuo  his  zu  End  der  hanndlong  geitellt  haben.. 
(Landtag  1514,  S.  463). 

4)  Die  Stande  warnten  den  Herzog  vor  der  ühlen  Nachrede^  die  flun  am 
solchem  Verhalten  entstehen  möchte,  er  aher  gab  nicht  nach,  aonden  ei^ 
khlrto,  sich  hierüber  eri^t  mit  dem  Kaiser  beraten  zu  müssen  . .  (ib.  8-  MjL 


^ 


—    58n    - 

für  die  hochcntwickcltiC  PHichttreiK»  des  Be^initentunis,  sondern 
für  den  Zustand  der  Landesverwaltung  überhaupt,  daß  wir  unten 
einige  eharakteristische  Auszüge  aus  demselben  geben  wollen. 
(  btT  eini<^e  dcTbe  und  scharfe  Wentlungen  der  liäte  muß  man 
billi'^  staunen,  und  namentlich  kann  man  die  bis  ins  Kleinste  gehen- 
den sehulmeisterliehen  Katschliige  einem  regierenden  Fürsten 
gegenüber,  der  schon  Vater  mehrerer  Kinder,  nicht  gerade  für 
•jc/iemend  halten,  wenn  auch  sie  vcm  väterlich  wohlmeinendem 
i  iei>te  durchweht  sind.  Verraten  manche  Ausführungen  eine  klein- 
\n'\h\  engherzige  und  philiströse  Anschauungsweise,  die  dem  hohen 
künstlerischen  Flug  ihres  Herrschers  nicht  zu  folgen  vennochte, 
><•  ist  man  d<K*h  der  Bewunderung  voll  für  ein  Beamtentum, 
\v(l(>lie>  mit  einer  Wanne,  die  von  den  ganz  unabhängigen 
Standen  nicht  in  Schatten  gestellt  wenleu  kann,  die  wahren 
Interessen  des  Lanties  und  des  Fürsten  selbst  diesem  zu  Gemüte 
führten,  ohne  tue  l'ngnade  desselben  zu  fürchten.  Aus  jetlem 
Uort  tont  uns  entgegen  die  Sprache  des  Gewissens,  das  in  un- 
II -rliutierlicher  Treue  sich  gezwungen  sieht,  nichts  zu  verhüllen, 
uiKJ  nur  da>  eine  Ziel  v(»r  Augen  hat:  dits  Wohl  des  Fürsten  und 
dl-  I.anilr>.  untl  also  Abwendung  der  diesem  drohenden  Gefahren. 
.iit/i    knninit   in   den  Häten  das  Gefühl  der  Verantwortung  für 

•  l.i-  «HM'hitk  ile>  Landes,  an  dessen  Regierung  sie  mitzuwirken 
iM-nifrii  ^ind,  ein  ellergische^  sittliches  Pflichtgefühl  zur  Kr- 
-rlirinuML;  ' ).  Von  diesem  Beamtentum  läßt  sich  jedenfalls  nicht 
'iliaiiptifi.  „dab  es  versumpft  in  trägem  Schlendrian  «kIct  ver- 
u'iftr?  durch  tlie  Servililiit  nach  oben'*  war.  Diese  ]k*amten  fühlen 

uh  nn^  mit  «lem  SUiate,  dessen  Dienst  sie  sich  gewidmet 
'i.iImh  Snlilir  ZeugniN>e  eines  mutiu'en  pflichtbewußten  Kin- 
rn'triis   iin   Kati«    für   ihn*  t'iRTzeugung   linden  sich  nicht  ver- 

•  iii/ilt,  lind  auiii  o!K.'n  tS.  f)*)!  f.)  wunle  >chon  eine  solche 
IUI  kh.ihln-c  otli'iiheit  fiietende  Hingabe  tler  Ilofkammer  an  den 
llrr/n:^  inil::i'tt'ilt 

I     !••    i*  nkt-ii    M<«li-lior   <ii*fitalt   un^or   i;il  FOrnt    iiinl  lli^rr 

. '   n  ;  1  f  •>    1  •—  A  1 1  m  ii  r  h  t  i };  ••  n  i  u  c  i  n  ^  r  b  f  f  k  r  r  i»  ti  o  r  il  ••  n  1 1  i  r  h  o  n 

If    i-    .ril  |{  i  II  >- hal  t  u  iii:  Votninvii.  «lanlurch   Hcitrr«'  Scliul«l. 

^  ■  h  i  I  ■  n    1 II  •!   V  ••  r  «i "  r  Im»  n ,   a u  c  h  j  t*  t  z  t  o  b  11  c  l'  «*  n  «l  o  r  S  c  h  u  1 1!  o  n  • 

':  ^    •     •    "  :i«l'rt     tind    mit    dor  Zeit    L'»r    ubkri-ntollt    ncrUcn 

li '        :.i      '«ht     in;:**ßkkr  auf  3  lUupt|>uukti'u  iKuiäe  im  Kr.  A.  M. 
n  •;  ■•  :■  ■  r-iirlii'üiL'-n  »tr.  bi-tr    IWil— 1^21».   I.  au  *.  t  ti.  (««  H^ine  ftlp't- 


Durch  nieiir  als  4  Jahrhunderte  biiidurch  liaWii  wir  die 
KutwickluDg  lies  zweitgrAßtea  deutschen  Staates  verfolg!,  dcssrn 


lieh«  Gnftden]  setbit  oi^vr  Pnnon,  Thun  and  Wooeo.  U.  u  Rintri>rati|t  4m   i 
Atutgebeiu,    lU.  ui  Mvhmng  <leB  Eümehniam  iui<I  KammarKnU. 
der  1.  und  Hiaptpunkt .  lieun   ho   t.  t  0.  telbtt  lliuii  und  Wm< 
chrktlicher  oiid  fnnll.  Onlnung  kuin  dkntua  uidcn  oichti  denn  ■ 
nSmtich  eino  labliclic,  chiüüicbe  und  faretUobo  Rnfnaning,  taeb  g 
«irtaehAft  erfolgeu,   wo  uicht,  au   aind  di»  ud«ni  Punlti-  and  »Qa  >; 
Kktacblige,  Hittel,  Wege  und  Hiur»  gtat  TPr^ebsns,  dpnn  f<  !*l  ADm  am  | 
Haupt  ^legeo;  uub  denuelbea  rirbt«n  nch  alle  Ciliedct  nnd  iIm  km 
NBcbdem  Alles,  wtu  wir  haben,  von  Qotl  kummt,  auch  alla  ■ 
Sachen  und  Handlungen   mit  Gott  auanfau)(eii ,  «Ivwohl  die  I 
sehen,   nnsei  Fflnt  loi  als  ein  ehriitlicbni  Fflnt  dmirn,  «a*  ti 
(IcbraDcb,  nichts  deit«  weniger  xu   mabr  Erinnenui({  nnd  i 
bedacht,  dal  f.  0.  vor  allen  Dingen  Gott  vor  Augen  habe,  fürchte,  tivb«,  IBr 
die  vielen  Gaben  dankbar  >ein  lotL    Empfohlen  wird  nan  die  AnftaUmif  tbm 
betonderen  Kaplan«  neben  dem  Horprediger.    Am  dieiem  Allan  «Onla  imm 
folgeo,  «ie  e«  bei  diesen  leUten  i^eCUulichea  Zeilen  und  ^(ro&eii  HpaltnncMi  d 
hachfte  Notdurft,  dalt  f.  G.  dere  FOntentiun,  Land  nnd  Leota,  leitUche  ■ 
ewige   Wohlfahrt   dotto    mehr  betrachten   und   bo>.  in    EnJt 
FflntenamtJ,  dieweil  bei  den  geUUichen  Oborhiaptem  dieiea  Fall«  d 
licbo  Hangel  und  Naebllfilgkeit  vorbinden,  anf  «ine  ehrbar«  e 
tion,   Itefomiation  und  Kirchen  Ordnung  in  ihrem  Pflrataatnin  1 
würde,  dieselbe  bei  ihren  Geistlichen,   deren  ria  mlehtii  in  d 
richten  und  darob  lu  halten,  dann,  was  man  «ich  auf  da*  VOirftiee  o 
«der  Biirh  nachfolgenden  Bcichsvoriuunmluiigen  dnrohalban  in  gati) 
gRbcn  vorige  culloquii  und  Beieiutag  wohl  tu  erkennen  und  w 
auch  rataam  jetit  alsobald  aoT  lolch  wichtige  HandlonK  anch  t 
•onen  hienn  n  gebraaehen,  bedacht  n  sdn  mit  dem  Anhang. 
Work  der  Visitation  . .  vor  der  Publication  nnd  alli-m  andern  an  i 
Obrigkeit  gelangt,  ihr  Bedenken  darllber  gebort,  wg  mählich  mit  S 
glichen  werden  tollt«.     Wo  «ich  aber  eine  solche  chriitliche  e 
gleichnng,  wie  tu  heeorgeo,  bisher  etwa  bnschnh<>n  sein  mecfata,  >i 
IIoiTahrt  oder  Eügennati  >toten  wollt«,  dann  iloreh  unsem  Uma  i 
Rat  verlaluen  und   danu  Niemand  angeeehen  noch  varechoDt  « 
dareh   viel«  1000  Mantcben  noch   in   dem  alten  wakna  oad  < 
Glauben  srhaltea,  ferner  Bpaltung,  Irrtum,  KatiarcisB  ftrittt,  s 
st4ieni  Uraaehe  gegeben  «erden  macht«  darglejehen  aocb  t 
achten  die  Kita,  toll  nnterm  Hern  inm  böehaleB  angetegwi  Ni&    Dal  m 
s.  £  G-  da*  ta  thnn  «chnldig.  darum  von  Gott  dem  AllmKittifia  • 
l^lea  TOntontom  (BigBMtiL  mit  «olrb  hohem  Ventutd  ood  Owtel  W- 1 
gabt,   dal  tie  Land   oad   Leute  anttii'h  in  dem   recJitcn  catheL  E 


—    585    — 

rlamaligcr  Länderbestand    noch  heute  einen   wesentlichen  Be- 
standteil des  stark  vergrößerten  Territoriums  bildet,  der  noch 

christL  Zacht  und  Wesen,  nachmalen  in  guter  justitia,  znm  3.  in  Frieden 
und  Ruhe  an  und  außer  aller  unziemlicher  Beschwer  regiere. 

„Für  das  andre  Mittel  unsres  Fürsten  Person  hetreflfend  werde  hedacht, 
daß  8.  f.  G.  nach  dem  Gottesdienst  die  ührige  Zeit  in  ein  ordentliches  Thun 
und  Wesen   austeilen   soll,   denn   da   wo  keine  Ordnung,   da  ist  confusion-: 
daß  f.  G.  alle  Morgen  nach  dem  Gottesdienst  zu  Rat  gingen,   wären  Privat- 
odor   geheime   Sachen  vorhanden,   als  Reichs-,  Kreis-,  Bundes-,  Landschaft 
oder  andre  dergleichen  Handlungen,   so   in  gemeinen  Hof-  oder  Eanunerrat 
sonst  nicht  gehörig  und  hes.  was  jetzt  die  Religion  hotrifft,  daß  auf  Ansagen 
«les  Marschalls   die   dazu   verordneten  Räte  zu  s.  f  G.  heschieden,  in  ihrem 
Hoisoin  die  Sachen  beratschlagt  und   verrichtet  würden.    Sofeme  aber  der- 
gloichon  Sachen  nicht  vorhanden,  s.  f.  G.  dann,  wo  nicht  täglich,  doch  einige 
irewisse  und  benannte  Tag  in  ihren  Hof-  und  Kanmierrat  abgewechselt  gingen. 
auf  welche  Tage  die  wichtigsten  und  fümehmsten  Sachen  und  Verhöre  ver- 
s<]iobon.    Dadurch   würde  s.  f  G.  gewahr,   wie  die  Justitia  allenthalben  in 
dorn  iranzen  Fürstentum  administriert,   daneben  wie  bei  seinen  Ämtern  ge- 
liaust.  mit   seinen  armen  Unterthanen,  auch  dem  Eammergut  umgegangen 
wordo.    Daraus  würde  s.  f  G.  einen  großen  Ruhm,  Autorität  und  Reputation 
hoi  mäniglich   erlangen   und  bes.  bei  Landschafk  und  Unterthanen  ein  son- 
•loro  Liob  und  Affection.    Dies  würde  nicht  allein  am  Hot  sondern  auch  bei 
allon   andern  Ämtern   und  Regimenten   treue,   fleißige  und   ehrbare  Diener 
niaclHii,  damit  unzählbar  viele  Beschwerungen  der  Armen,   item  der  Diener 
rntrone,  Eigennützigkeit  und  Hinlässigkeit  abgestellt,  die  Rät  in  ihren  Ratr 
s<bläsron,  dergleichen   andere  Diener  in  ihrem  Thun   desto  paß  erkannt,  um 
soviol  fleißiger  und  williger  zu  allem  dem,  was  s.  f.  G.  ihnen  auflegen.    Es 
wurde   damit  auch  viel  Zeit,  so   sonst  mit  dem  Referieren  verzehrt,  er8])art 
allo  Sachen  desto  stattlicher  verriebt  und  die  Leute  schleuniger  abgefertigt, 
vielfältige,  unnotdürfb'ge   und   übermäßige  Ausgaben    abgeschnitten.     Dann 
durch   fleißige  Besuchung  des  Kammerrats  würde   s.  f.  G.   täglich  erinnert, 
daß  solch  Gut  und  Geld,  so  daselbst   ausgeben  würde,  s.  t  G.  eigen  wäre, 
<laf(ir  PS  bisher  schier  nicht  gehalten  will  werden  und  würde  s.  f  G.  gewiß 
an  <lin  Hand  brennen,  ihr  zu  Herzen  gehen,  wann  sie  den  täglichen  Last  und 
in»orlauf  daneben  sähen  und  hörten,  wie  sauer  und  beschwerlich  es  den  ge- 
iiioinon  Bauersmann  ankommt,   bis   er   die  jährliche  Gült  und  Steuer  ohne 
andro  obliegende  Beschwerung  mit  seiner  harten  Arbeit  zusammen  krazt,  wie 
lioscliwerlich    auch   das  Geld  auf-  und  zusammen  zu  bringen,   das  man  viel- 
mals so  liederlich  acht  und  ausgibt    Damit  würde  auch  s.  f  G.  von  jetrigem 
iipilii^rgohendem  Thun  und  Wesen,  damit  s.  i  G.  soviel  edler  Zeit  und  beste 
Jui^end   einen    guten  Teil    hinbringt,   abgezogen,   in  kurzem  in  eine  solche 
fn  rstl   ordentliche  löbliche  Gewohnheit  und  Arbeit  gebracht,  welches  s.  f.  G. 
luTnacb  für  alles  Andere  lieben   und  gefallen  würde,   sonderlich  da  s.  f.  G, 
das  <rewisso  Aufnehmen  und  Gedeihen  an  aller  Wohlfahrt  dabei  augenschein- 
lich spüron  würde,   denn   es  ist  ein  heilig  und  wahrhaftig  Sprüchwort  „des 


Iiculc  unter  dem  Scepter  jenor  ruhmreichen  Dynastie  stebt,  <Ue 
mit  Otto  I.  die  Herrschaft  in  Baiern  anKetreten  hat. 


Herron  Ang  macht  platte  Pfer4''.  Daneben  wollb^n  din  MU  t  t  Q.  ihr» 
ehrliche  Knnifei]  und  Preade  mit  Wudwerk.  F^chvreioa  mit  HiutUi.  8]m- 
ijpreii,  LkdMh&non  nicht  widemt«n.  eood^rn  pRipfchlen  Mil  in  halten*.  H»- 
dnnn  wird  cinn  VcnnindoniDp  der  Cintorm  i^mpfohlen  und  itv  intiine  üvt- 
gKiiit  mit  den  Singern  ireiil^.  „in  «nmma  dnt  ■.  t  (i.  ungnwbtrt  di««n 
jetiicen  ifSBcIiwindeo  und  unj^ftlirlirbeii  \Aat  in  b11«d  I>iDf>m  allHn  Bnbi^ 
Kanwpil  and  Lnst  mcheo,  die  Arbnit  und  Geiichlfto  je  Xlngnr.  jt  nabr 
fiinhc  .  dessen  haben  die  lUte  mit  >.  f.  G.  Mitleid.  8.  t  Q.  wottan  £e 
hei'IntBcben  und  chriBtlichcn  Eiempcl.  deren  ne  vor  i,i>le>'-n  haben,  *or  Anip« 
nehmen,  ra  werden  sie  «ich  de»  Endee  und  Ans^ne«  d>'r|i1i^i':bnn  Wncnn  baM 
rrinnpm,  ndmlich  daG  daraiiE  nicht«  anden»  crfalfft  s,h  endticbn  VrnbrianL 
Spott  und  Schande,  der  Seele  za  .geschweigen.  sbr.r  d*&  ■.  f.  O.  bl  ^m.  Be- 
donknnj;  der  Neijrlichkeit  tur  Mosilc  eine  eiugeiegMe  KapeQ»  vm  pifa» 
Lcatcn  habe  .  -  würde  Niemand  widerrston". 


Für  da«  3,  Mittel  bei  diowm  I.  Hauptpunkt  dM  Hnm  Penon 
wird  bedacht,  daS  C  G.  «ich  allenthalbon  statUicbrr,  ebrUcher.  frommer  Dionef 
vom  hochiten  hn  nun  njedrigtteti.  ititm  tSitlicbpr  ehrlicher  Oeiellachaft  b^ 
Reiften  wolle,  dHnim  bedacht  »ein  «olln.  d*fi  11  >.  f.  0.  K^irimeat  und  IrnVa 
Amter  «tattlich  beaetitt  werden,  «io  plnichwohl  der  )Ut  Wiweni  »Dbirrbaim 
Hof-  und  Kammpmit  knin  Hantel,  derirleii^ben  aach  zd  StraubiDU  nnd  BarghAOM«. 
aber  lu  lAndiihat  daonoch  otwa  beMere  Einnehnne  vonn'iten.  damit  awii  c^ 
Khickter,  erfahrener,  tapferer  Leut,  londerlich  ron  der  Landtchaft  dabte  C*' 
seUt,  dabei  etJiehe  der  Junten  lernen  and  niÜKexoKen  werden  nAcU«ii. 

3)  Item  aa  werde  bedacht,  dafi  anser  ita.  Herr  ob  allen  Ämtern  n  BoC 
■onderlirb  den  obriirten  Offlderen  nl*  HarRchall.  Uot-  and  Km 
ernstlich  halten ,  einen  Jeden  bei  neinnm  Bnfnhl  Uaaan.  die  mai 
Otn  Bencheid  an  rie  weiien  »o1! ,  damit  ein  Jeder  leinnD  Befehl 
Keiner  dem  Andern  eini^reifen.  iticb  auf  den  andern  verlaMcn  «dn 
iigm  mSchto,  darann  die  Mohraii);  nnim  ga.  Herni  Ropntatjon  osd 
gota.  aoeh  eine  ordentliche  Bofhaltun);  durchaua  )iewi£lich  lu  irrhafloB; 

St  werde  bedacht,  daE  andre  Ämter  im  l,and  auch  nicht  aadt  Gurnl 
din  Berflhmuoe  der  Vordorea,  tondem  nach  Qmcht'-.kliehkeit ,  Khr^uMt 
und  Verdienit  mit  edlen,  redlichen  and  woblirerfl>tetcn  Leaten  anch  Ital  «. 
f.  0.  Kammerrit  be«etit  denn  daran  will  nicht  allein  unterm  k"-  Harm  ta 
Ilandhabuof;  aelner  GemchttukeJt  and  «eine«  Kammermta.  inndera  aach  iam 
ßr^atoa  Land  and  nmemlieh  den  armen  (Tnterthanen  hoch  iralaxMi  aata. 
Wann  auch  die  Amier  wohl  beaetat,  hahen  die  Kegimrat  deMe  wialf  B^ 
achwemiii  und  Anlanf«^ 

4t  *olIt«n   «.  t.  G,   amb  und   bei   nch   am   Hof  aöTial  in 
tapfnri^  anterhlichn   and  itattlichn  vom  Adel  haben   and   neb 
Kch  beflellen.  die  ehrlichen  ga\«B  Herkommeni  ihren  Pfenlg  idbal  n 
ibr*  pit«n  Pferde  nnd  ttlMmg  •.  £  G.  lu  Rhren,  halten . . .".  Said» 


-    587    — 

In  der  Periode,  welche  unsre  Darstellung  behandelt,  wurde  die 
Landcsholieit  begründet  (S.  50  f.) ;  indem  die  auf  den  verschiedensten 

meinten  die  Käte,  beanspruchten  oft  nur  Futter  und  Mahl«  man  fönde  sie  aber 
wenip:  mehr  am  Hofe; 

5)  warnen  die  Räte  vor  den  fremden  liederlich  hergekommenen  Leuten, 
die  der  Herzog  an  seinen  Hof  ziehe,  er  möge  ansehnliche,  tapfere  inlftndische 
Kammerdiener  bestellen ; 

6)  der  Herzog  soll  es  nicht  dahin  kommen  lassen,  da&  er  über  Lange- 
weile zu  klagen  habe,  sondern  „etlich  wahrhafte  Historien  und  Chroniken, 
sonderlich  von  bair.  und  deutschen  Geschichten  fttr  sich  nehmen". 

und  dies  vom  L  Hauptpunkt,  davon  gleichwohl  mehr  zu  schreiben,  aber 
dasselbe  soll  billig  unserm  gn.  Fürsten  nach  derselben  hohen  Verstand  in 
Discretion  gestellt  werden,  denn  was  hier  getreue  Meinung  vermeldet,  ist 
aiirli  nicht  darum  beschehen  s.  f  G.  damit  erst  bes.  gen  Schul  zu  fahren, 
zu  lernen,  dero  Ordnung  oder  Maü  zu  geben,  die  s.  f.  G.  nicht  wüßten  oder 
nicht  besser  denn  ihre  Räte  selbst  'Wohl  verstünden,  allein  aus  Befehl,  ihrer 
f.  G.  auch  zu  einer  kleinen  Anmahnung  und  Anreizung,  deren  alle  Menschen, 
sie  seien  so  hohen  Verstandes   als  sie  wollen,   dennoch  zu  Zeiten  bedürfen. 

Den  andern  2.  Hauptpunkt  betr.  ist  offenbar,  daß  solche  unerträgliche 
und  verderbliche  Ausgaben  mehren  teils  aus  der  großen  Unordnung  und 
Nachlässigkeit,  vomemlich  aus  dem  Überfluß  und  Wollust  erfolge.  Zu  helfen 
ist  nur  durch  Abstellung  der  Unordnung  und  der  Uberflüssigkeit  Alles  zu 
kaufon.  wozu  man  Lust  hat,  ist  so  eingerissen ,  daß  man  fast  nicht  weiß,  wo 
nnt  der  Wendung  anzufangen,  S.  f.  G.  möge  sich  erinnern,  wieviel  seit  seiner 
Ue^nerung  ausgegeben  wurde  für  Edelsteine,  Sammt,  Seide  etc,  Bankette, 
Ladsrhaften,  Gebäude  etc^  für  die  Kapelle  mit  ihrer  übermäßigen  Besoldung, 
unnötig!'  Reisen,  Überfluß  bei  Regiment,  Kanzlei,  Küche,  Koller,  Jägerei  . . . 
Zur  Abstellung  werden  folgende  2  Mittel  vorgeschlagen:  1)  S.  t  G.  soll  Geld 
nicht  so  gering  achten  und  hinwerfen,  auf  Vorrat  trachten,  wie  einige  Ver- 
eitern gethan,  dadurch  sie  zu  Reputation  gekommen,  denn  diese  besteht  nicht 
in  Kleidern,  Kleinodien  . . ,  sondern  nach  christlichem  Leben  und  Tugend  in 
iruter  Hauswirtschaft  S.  f  G.  habe  selbst  zu  bedenken,  daß  sie  nicht  mit 
Gemahl  und  Kindern  in  der  Not  von  Land  und  Leuten  zu  ziehen  oder  daß 
sie  von  ihrem  Ubelhausen  wegen  dahin  gedrungen  werden  müßte,  wie  ver- 
kleinerlich  zusamt  dem  unwiderbringlichen  Schaden,  das  s.  f.  G.  selbst,  auch 
Land  und  Leuten  wäre,  das  haben  s.  f  G.  zu  bedenken,  bes  auch  daß  sie  mit 
Kleinodien  und  Kleidern  nicht  lange  aufhalten,  viel  weniger  daß  sie  T^and  und 
Leuten  anders  als  mit  einer  ansehnlichen  Barschaft  wieder  erobern  könnten; 
so  b(  komme  ein  solch  ansehnliches  Fürstentum  bald  einen  andern  Herrn, 
aber  entgegen  geht  es  nicht  so  leicht  zu.  Darum  soUen  s.  t  G.  das  Geld  wohl 
umkehren,  denn  man  spricht,  es  sei  viel  eher  erspart  als  gewonnen. 

Das  2.  Mittel  ist,  daß  s.  f.  G.  in  all  dem,  was  Geld  kostet  nicht  allein 
für  ihre  Person  wohl  bedacht  handle,  sondern  auch  jeder  Zeit  mit  Rat  und 
Vorwissen  ihrer  Kammerrät,  welche  darum  von  s.  f.  G.  bestellt  sind  und 
wiewohl  es  nicht  weniger  in  s.  t  G.  Macht  denselben  zu  folgen  oder  nicht, 


-    588    - 

Rcchtstitcln  fußenden  Befugnisse  der  Herzoge  zu  einer  einheit- 
lichen staiitlichen  Gewalt  verschmolzen,  vollzog  sich  die  Um- 
wandlung des  Feudalstiiates  in  den  modernen  Beamtenstaat. 


80  brin<^  es  s.  f.  G.  großen  Nutzen,  Ersparong  vieler  Mfihe  and  Unkoiten, 
zudem  s.  L  G.  den  Unlust  des  Abbrcchens  oder  Abweichens  von  rieh  anf  die 
Kammcrrftt  lej^en.  Denn  was  gestalt  jetzt  durch  8.  f.  G.  selbst  nnd  etHche 
neben  den  EammcrrSten  mit  den  Leuten  abgethädingt,  weiß  Jedennann, 
deshalb  müssen  sie  solche  Leute  abschaffen  oder  ihnen  woniger  GehOr  geben, 
sondern  aUe  solche  Sachen  selbst  mit  gutem  Kat  handeln  oder  an  den  rech- 
ten Ort  d.  i.  für  den  ordentlichen  Kammerrat  weisen  und  sich  nicht  bereden 
lassen,  daß  s.  f.  G.  damit  verkleinert,  ihr  die  Hand  gesperrt  und  den  Kun- 
niorräten  zu  viel  Gewalt  gegeben  werde .  ^  dieweil  das  Widerspiel  die  Wahr- 
heit Es  ist  zu  besorgen,  man  findet  Leute  genug,  die  . .  zu  allem  Uberfina 
und  Verderben  raten  und  helfen,  Tag  und  Nacht  nicht  anders  trachten,  weni^ 
danach  fragen,  wo  man  nehme,  Yfie  man  hause  .  .  seien  jetit  da,  wenn  man 
ansteht,  ziehen  sie  anderswo,  die  mögen  den  Kanunerrat  und  einige  gote 
Ordnung  nicht  wohl  leiden,  ist  ihnen  ein  Spieß  in  Augen;  um  desto  ndu 
soll  s.  f.  G.  bedacht  sein  denselben  in  guten  Würden  und  gebfihrlicli^r  Auto- 
rität zu  erhalten,  auch  durch  sie  mit  ihrem  Kat  und  Vorwissen  alles  das  n 
handeln,  das  der  Kammer  zugehörig,  damit  wird  s.  t  G.  wiedemm  in  Avf- 
nchmen,  hohe  Reputation,  auch  Trauen  und  Glauben  kommen,  wie  es  anfiuigs 
ihrer  l^gierung  gewesen,  dass  mäniglich  sein  Vermögen  s.  £  G.  selbst  an- 
tragen und  um  ein  ziemliches  leihen  wird,  so  man  jetzt  um  großes  Intansw 
gehaben  und  die  Aufkündigung  oder  Aufischreibung  alter  Schulden  wir  ftr- 
kommen.  Und  soll  gn.  Fürst  die  Kammerrät  hierin  nicht  verdenken  als  ob 
sie  solches  von  ihret  wegen  vermelden  und  mehr  Gewalt  begehrten,  denn  sie 
wissen  wohl,  dass  solches  Alles  ihre  Person  nicht  betrifft,  sondern  sl  £  G^ 
dero  Nachkommen,  daß  sie  bei  der  Kammer  alle  Diener  und  des  Kammei^ 
guts  bloß  Verwalter,  so  lange  sie  s.  f.  G.  dazu  gef&Uig,  daft  es  auch  bei 
s.  f.  G.  steht,  sie  jeder  Zeit  zu  erfordern  und  den  Kammerrat  gar  abzathuL 
könnten  auch  wohl  ermessen,  daß  ihnen  obgehOrter  Gestalt,  mit  mehrersn 
Heff'hl  mehr  Mühe,  Unlust  aufgeladen  würde,  bes.  die  andern  verordneten 
Kät«  haben  solches  samt  ihnen  wahrlich  getreuer  Meinung  vermelden  woUn, 
denn  sie  bedenken ,  daß  diesen  oder  andern  Kammerräten ,  ja  anch  sl  £  G. 
selbst  beschwerlich  sein  würde  ihrer  soviel  mit  solchen  Unkosten  allein  n 
den  hloßon  Ausgaben  zu  gobrauehen  und  zu  unterhalten,  welches  sondeilich 
bei  jetzigem  Vorrat  auf  der  Kammer  durch  einen  Zahlmeister  allein  weU 
zu  verrichten  und  andre  Unkosten  zu  ersparen. 

Dabei  können  die  Verordneten  nicht  in  Abrede  stellen,  dafi  bei  fidn 
iMcnorn  auch  nicht  kleiner  Mangel  sei,  mit  Amtssachen  und  -handlanfei 
^^'iiiiutT  ;;ehaust,  etwas  erspart,  besser  zugesehen  werden  möchte.  SoUcr 
Mangel  kommt  aber  mehren  teils  von  f.  G.  als  dem  Haupte  her.  Denn  die- 
weil sio  ihrer  .Sachen ,  Amter  und  Kammergüter  so  wenig  achten ,  folgt 
daraus,  wie  im  1.  Art.  ausgeführt,  daß  die  Diener  auch  desto  hinllHigH; 
unachtsamer  und  verdrossener  werden,  bes.  da  bei  s.  £  G.  der  Diener  sowiM 


—    589    — 

Schon  der  2.  Wittelsbiicher,  Ludwig  I.  (f  1231)  hatte  jene 
planmäßige   Eintheihing   des  Herzogtums    in    eine    \nzahl   von 

als  des  Verdienstes  kleine  Erkenntnis,  Einer  für  den  Andern  wenig  gehalten 
oder  bedaclit  werde,  ja  Gott  will,  d&ü  nicht  zu  Zeiten  die,  so  zu  allem  Uber- 
lluG,  Übelhausen  und  Verderben  raten  .  .  in  mehr  Gnade,  Thun  und  Wesen 
seien,  als  andre  treue  Diener,  die  sich  um  s.  f.  G.  Wohlfahrt,  Ehr  und  Auf- 
nehmen Tag  und  Nacht  bekümmerton,  rissen  und  krazten,  dessen  sie  nicht  viel 
mehr  Dank,  denn  da&  sie  zu  Zeiten  hören  müssen,  daß  es  weder  unsrcs  Herrn 
Befehl,  thuen  aus  ihnen  selbst,  wollen  so  wohl  hausen,  s.  f.  G.  reich  machen, 
s.  f.  G.  konnten  bedenken,  welche  Lust . .  das  Einem  machen.  Einige  lassen  Hände 
und  FüDe  fallen.  Andere  trachten  von  solchem  verderblichen  Haus  zu  kom- 
men, an  deren  statt  Andere  kommen,  die  sich  zu  s.  £  G.  Thun  und  Gefallen 
vielleicht  besser  accomodiercn  möchten ;  wie  lang  das  aber  währe,  haben  sie 
aus  den  obigen  Anzeigen  und  den  Eammerrechnungen  abzunehmen. 

Darum  ist  Alles  an  s.  £  G.  als  dem  Haupt  gelegen ;  so  das  seinem  Amt 
ein  genügen  thut,  so  folgen  auch  die  Glieder,  jedes  in  seinem  Thun  und 
Hefehl  und  wird  gar  leicht  zu  bessern  sein." 

3.  Hauptpunkt  a)  von  der  Landschaft  Weinaufschlag  zu  bekommen  und 
zu  perpetuieren  b)  mit  Itat  der  Landschaft  wegen  der  vacierenden  Messen, 
Pfründen,  Klöster  ...  zu  bessern ;  c)  sind  vor  einiger  Zeit  einige  Mittel  zur 
Verbesserung  des  Kammerguts  schriftlich  übergeben  worden. 

^Das  Alles  zeigen  die  Rät  auf  empfangenen  Befehl  und  in  Kraft  ihrer 
PAiclit  8.  f.  G  dieses  Mal  ganz  unterthäniger ,  gehorsamer  und  treuer  Mei- 
nun^^  an,  wollen  nichtsweniger  hinfüran  und  noch  weiter  besten  Fleißes 
(iiirauf  bedacht  sein ,  wie  s.  f.  G.  mit  dero  Zuthun  in  ander  Weg  mehr  zu 
liclfen.  Die  Vorordneten  bitten,  ob  hierin  etwas  gesetzt,  das  s.  t  G.  anfangs 
b(*lcidigcn  oder  schirzen  möchte,  welches  die  Verordneten  doch  mit  höchstem 
Fleiü,  wo  und  soviel  immer  möglich  gewest,  umgangen,  s.  f.  G.  wollen  das 
Alles  aus  ihrem  angebomem  hohen  Verstand  mit  Gnaden  von  ihnen  auf- 
nehmen und  nicht  anders  verstehen  (also  als  mit  der  höchsten  Wahrheit 
inüchten  bezeugen)  gegen  s.  £  G.,  dero  Gemahl  und  Kinder  treulich  und 
^^therzig  meinen,  darunter  anders  nichts  dann  s.  t  G.  und  Nachkommen 
iieputation.  Ehr,  Aufnehmen,  ewige  und  zeitliche  Wohlfalurt  suchen.  S.  fl  G. 
wollen  in  sich  selbst  und  ihren  hohen  Verstand  gehen,  ihr  bisheriges  nn- 
türstliches  Kegiment  wohl  bedenken ,  so  werden  sie  des  jetzigen  Anstands 
^^eimgsum  Ursach  befinden  und  daß  der  Sachen  anders  nicht  dann  obgehörtcr 
(Hstalt  kann  oder  mag  geholfen  werden;  ob  dann  s.  f.  G.  hierunter  einiger 
V«*rkl('iijeruiig  besorgten,  wie  doch  an  ihm  selbst  gar  nicht  ist^  sollen  sie  ja 
billig  bedenken  —  dieweil  das  Verderben  nun  zunächst  vor  der  Thür  und 
(lies  Regiment,  da  keine  Wendung  beschehe  über  2  oder  3  Jahr  zum  aller- 
Ifiugsten  nicht  bestehen  kann,  obgleich  s.  £  G.  ihre  Kasten,  Mftuto,  Zölle  und 
linderes  zum  äu&ersten  angreifen.*' 

Die  Küte  weisen  auf  andere  Ezempel  solcher  Hauswirtschaft  hin  und 
ilirauf,  \>elches  Frohlocken  des  Herzogs  Verderben  in  und  aufier  dem  lieichc 
hervorrufen  würde  „zum  Teil  von  wegen  der  lieligion,  zum  Teil  auch  daü 
b.  1.  G.  dem  lobl.  Hause  Osterreich  also  zugethan  und  anhängig".    Schliofi- 


—     590    — 

Gerichten  oder  Ämtern  durchgeführt,  durch  welche  die  Grund- 
lage für  jede  künftige  territoriale  Gliederung  gegeben  war. 
Diese  Organisation  erinnert  lebhaft  an  jene  administratiTe 
Einteilung  der  fränkischen  Monarchie  unter  Karl  d.  Gr.  in  Graf- 
schaften. Diese  territoriale  Organisation  ist  um  so  bedeutungs- 
voller, als  mit  ihr  Hand  in  Hand  geht  ein  Aufgeben  des  Lehensr 
Prinzips.  Nicht  mehr  zu  erblichem  Lehen  wii'd  das  Amt  (Gericht) 
übertragen,  also  nicht  zu  erbUcher  Nutznießung  an  eine  Familie, 

lieh  wird  noch  des  Herzogs  Sinn  gelenkt  auf  die  Herzogin  und  die  Zukunft 
der  heranwachsenden  Prinzen,  sowie  endlich  anch  auf  das  GtolObnis,  dM  er 
bei  der  Aufnahme   in  die  Ordensgesellschaft  des  goldenen  Vlieiee  geleistet 

„Wann",  schließen  die  Räte,  „dann  s.  £  G^  als  de  zu  Qott  hoffen,  «och 
von  Herzen  darom  bitten,  diese  schwere,  wichtige  Sachen,  daran  alle  n  L  U. 
dcro  geliebte  Gemahl,  Kinder  und  Nachkommen  zeitliche  Wohlfahrt  gelegen, 
t'Qr  Hand  nehmen  selbsteigner  Person  mit  und  samt  ihnen  darflber  HtMa 
ohne  allen  längeren  Autzug  weiter  beratschlagen,  sonel  nach  Gelegenheit 
immer  mOglich  vollziehen  und  ins  Werk  richten  helfen,  verhoffen  ne«  dal 
s.  f.  G.  mit  der  Gnade  Gottes  noch  zu  helfen  und  erbieten  sich  ala  die  g^ 
treuen  gutherzigen  Diener  mit  allem  ihrem  Verstand  und  VennOgeii,  hah, 
Gut  und  Blut  zu  s.  f.  G.  als  ihrem  angebomen  Erbhorm  zu  tetaen  nndunalM 
wie  bisher  das  ßeste  zu  thuu ,  zu  raten  und  zn  helfen.  Wo  aber  nielit  nnd 
^^.  1'.  G.  in  jetzigem  Thun  und  Wesen  also  beharrlidi  fOrfahren  wollte,  lo 
thun  sich  <lie  Verordneten  hiennit  vor  Gott  dem  Allmächtigen  n  £  G.  ud 
mäuiglich  bezeugen,  daß  sie  das  Ihrige  gethan,  was  sie  als  Texpliichtete  Diener 
auch  sonst  als  die  getreuen  Laudieute  von  Dienstpflicht  und  ihree  QewiMcaf 
zu  thun  schuldig  und  länger  nicht  umgehen  mOgen,  also  daft  an  ihnen  viM 
«,^eniangelt ,  viel  weniger  dafi  sie  solchen  vorstehenden  Verderboia  ThmAa 
oder  selbst  Schuldner  gewest  und  wollen  diesen  onterthinigen,  gathenlg« 
und  notwendigen  Anzeigen  hiemit  semel  pro  semper  gethan,  a.  1  Q.  Idnftaan 
wuder  samt  noch  sonders  mit  dergleichen  weiter  nicht  beladen,  aonden  daf 
Alles  Gott  den  Allmächtigen  und  sich  ihren  t  G.  unterthini^  befehlen." 

Daß  solch  mehr  als  eindringliche  Mahnung  beim  Henog  Aigenda  enqfB 
mulitt',  konnt«.>n  sich  dii*  Räte  füglich  vorstellen,  doch  scheinen  rie  dnieh  die  wf 
gnädige  Aulnahme  ihres  Schreibens  furchtbar  betroffen  worden  ra  aein.  In 
(Tiifuteu  Eingabe  vom  14.  Juli  1557  suchen  sich  „die  Aber  den  Staaten 
ordnete  Käte'*  zu  rechtfertigen,  wie  folgt:  sie  hätten  mit  Kttmnieniai 
dem  Schreiben  des  Herzogs  verstanden,  daß  er  Aber  ihre  gatbenige 
meinende  Bcdenkt>u,  bes.  über  die  Hauptschrift  „durehana  eini 
Artikel  ausgenommen  mit  solchem  Unwillen  und  Ungnaden  Ton  nna  an  wi 
aufgenommen,  da  wir  es  doch  als  wir  nochmals  mit  Gott  dem  Allm«iA^|M 
bezeugen  anders  nicht  dann  uiiterthäni^lich,  getrenlich  und  gnt  genflin^  d^ 
bei  auch  anders  uichts  gesucht,  dann  daß  E.  f.  G.,  deraelben 
Nuchkumnieii  und  also  des  lObL  Hauses  Bayern,  auch  dea  gamen 
tum»  Ehre,  Itepatation,  Aufnehmen**  erhalten  bleibe  n.  a.  w. 


1 


^    oÖl     - 

soudeni  eine  bestimmte  Person  wird  vom  Herzog  zum  Richter 
bestellt,  die  er  auch  wieder  vom  Amte  entfernen  kaim.  Es 
ist  also  ein  Scliritt  von  ungeheurer  Folgenschwere  gemacht  in 
der  Uichtung  zum  moderneu  Staat.  Das  karolingische  Beamten- 
ernennungsrecht ist  zu  neuem  Leben  erweckt.  Dieser  Fortschritt 
erfolgt  durch  die  Ministeriahtät.  Indem  der  Herzog  seine  Be- 
amten aus  dem  Kreise  der  unfreien  ministeriales  wählt,  die 
durch  die  Bekleidung  des  Amtes  zu  höherem  Ansehen  gelangen, 
hat  er  Werkzeuge  für  die  Ausführung  seiner  Befehle,  die  voll- 
ständig von  ihm  abhängig  sind,  weil  ihnen  nur  auf  Zeit  das  Amt 
übertragen  wird  und  weil  die  Verlängerung  oder  Erneuerung  des 
Dienst  Vertrags  im  Beheben  des  Fürsten  steht.  Dieser  braucht 
nun  nicht  mehr  mit  übermächtigen  freien  Herren  und  widerwilligen 
\  asallen  zu  rechnen,  denen  ein  erblicher  Anspruch  auf  das  Amt 
zusteht,  in  den  Ministerialen  gewinnt  er  Beamte,  die  sich  ganz 
und  voll  seiner  Politik  widmen  und  die  durch  sie  geforderten 
Maßnahmen  vollziehen  müssen,  weil  der  Herrscher  sie  eben 
durch  gefügigere  und  brauchbarere  Organe  ersetzen  kann. 

„Die  Ministerialen  wurden  im  Gegensatze  zum  feudalen 
Adel  die  zuverlässigen  Offiziere  und  Generäle,  die  geheimsten 
lUite  und  Minister  der  Fürsten.  Sie  sind  gleichsam  die  Vor- 
iiiufer  des  modernen  Beamten-  und  Oftizierstandes,  sie  sind  das 
N'erjüngungsmittel  für  den  deutschen  Staat  des  Mittelalters 
wenigstens  auf  einige  Zeit  gewesen"*). 

Von  noch  größerer  Bedeutung  als  für  die  Lokalverwaltung, 
mit  deren  Einrichtung  in  Baiem  die  allgemeine  Verwaltungs- 
organisation ihren  Anfang  nahm,  an  welche  sich  die  Einsetzung 
von  Vitztumen,  der  Organe  der  Provinzialverwaltung,  anschloß, 
waren  die  Ministerialen  für  das  Hofbeamteutum  und  die  aus 
diesem  neben  Andern  gebildete  Centralverwaltung.  Diese,  der 
liiit,  trat  uns  ja  schon  gegen  Ende  des  13.  Jahrhunderts  als 
fertige  Institution  entgegen.  Während  die  Beamten  (Vitz- 
tuuie,  Richter,  Pfleger)  in  ihren  räumlich  abgegrenzten  Bezirken 
als  Stellvertreter  des  Landesherm  alle  seine  liegierungsrechte 
delegationsweise  ausübten,  hatten  die  Käte  kein  Imperium.  Sie 
waren,  ohne  daß  ihr  Wirkungskreis  fest  umgrenzt  gewesen,  ver- 

1)  Schmollor,   Straüburgs  Blate  und  dio  volkswirtschaftliche  Kovo- 
luüoü  im  13.  Jahrh.    btraßburg  1875.  S.  10. 


—    592    — 

pflichtet,  deu  Ilerzog  in  allen  Angelegenheiten,  für  welche  er 
ihren  Rat  wünschte,  zu  beraten  und  alle  Geschäfte  zu  erledjgeiiy 
die  er  ihnen  auftrug. 

Die  Bestallung  der  Beamten  erfolgt  auf  eine  Reihe  von 
Jahren,  und  zwar  in  der  Form  des  Dienstvertrags.  Dieser  ist 
zugleich  Kriegsdienstvertrag  ^),  indem  die  Beamten  sich  ver- 
pflichten, mit  einer  bestimmten  Anzahl  von  Pferden  und  Rdägen 
dem  Herzog  Kriegsdienst  zu  leisten. 

Daß  des  Reiches  in  der  Darstellung  so  selten  Erwähnung 
geschah,  hat  seinen  Grund  in  der  Thatsache,  daß  die  Einwirkung 
des  Reiches  auf  die  Gerichtsverfassung  imd  Verwaltungsoiguii- 
sation  Baiems  eben  eine  minimale  war.  Die  Justizhoheit  des 
Reiches  wich  immer  mehr  zurück  vor  der  sich  ausbreitenden 
des  Territoiialstaats.  Die  Organisiitiou  der  Landesverwaltungs- 
behörden  wurde  auch  nur  unbedeutend  durch  die  Reichsgewalt 
berührt  ^).  Nur  einzelne  Räte  ^)  wurden  für  die  BeteUjgnng 
Baierns  an  der  Reichspolitik  thätig,  indem  sie  auf  Reichs-  und 
Kreistagen  die  Interessen  ihres  Landesherm  vertraten.  Sonst 
gehr)rten  die  Reichs-  und  Kreissachen  wie  die  AngeIq;enAeifeD 
der  auswärtigen  Politik  zum  Geschäftskreis  des  Hofrits  bezw. 
dr,s  gctheimen  Rats. 

Als  Ludwig  der  Baier  zugleich  Träger  der  KaiseifaoQe 
und  der  bairischen  Ilerzogswürde  war,  blieben  die  Hofbeamten 
des  Reichs  von  jenen  Baierns  doch   im  ganzen  geschieden^). 

K.  Ludwig  ist  übrigens  auch  derjenige  unter  Baiems  Ft&isten 
(vor  der  Wiedervereinigung  des  Landes),  der  die  nachhaltigsten 
Siuuen  im  Rechtszustande  seines  Landes  zurückgelassen  hat 
\'or  ihm  wäre  nur  Ilerzog  Ludwig  L  zu  erwähnen*),  von  welcheB 
dii»  grundlegende  Organisation  des  Territoriums  herrührt.  K.  Lud- 

1)  Vgl.  über  diesen  Lamprecht  I,  2  S.  129a 

2;  z.  B.  auf  dem  Gebiete  der  Münzverwaltung  S.  381. 

8)  Einzelne  bairisclie  liäte  werden  auch  zu  Assessoren  des  Riw<*li«lr^itnMb 
gcrichts  bestellt 

4j  Kiez  1er  II,  S.  531  S^  536  (auch  bairische  Angelegenheiten  wnrta 
irn  kgl  ll&Ui  behandelt).^ 

5)  Höchstens  wäre  des  niedcrbairischen  Herzogs  (und  UngamkOnigi) 
Otto  III.  trauriges  Preisgeben  wiclitiger  Hoheitsrechtc  zu  gedenken.  Er  hil 
durch  Ausdehnung  und  licfostigung  der  Patrimonialgerichtsbarkeit  (1.  FM- 
hrief  1311)  die  staatliche  Entwicklung  aufs  tiefste  dauernd  geschi&digL  Y^ 
i5.  lob  Ü\. 


wig  hat  abor  durch  sein  großartiges  Gesetzgebungswerk  nicht 
nur  (las  Gerichtswesen  Oberbaienis  auf  eine  völlig  neue  Basis 
gestellt ,  sondern  auch  in  Niederbaiern  durch  die  mehrfach  er- 
wähnte Instruktion  von  1340  den  Richtern  ideale  Ziele  ihres 
Wirkens  gesteckt. 

Die  unglückseligen  blutigen  Familienzwiste,  durch  welche 
die  Witteisbacher  im  13.  und  14.  Jahrhundert  in  mörderischen 
lvänii)fen  sich  zerfleischten,  ihre  Macht  selbst  schwächten  und 
iliri^  Länder  zerstückelten,  ließen  im  diesrheinischen  Baiern 
nur  wenige  Herrscher  Muße  finden  zur  Förderung  der  Landes- 
kultur. Lrst  der  Landshuter  Heinrich  d.  R.  *)  ragt  wieder 
hervor  durch  eine  tfefgreifende  segensreiche  Fürsorge  für  die 
innere  Verwaltung  des  Landes*);  durch  die  L.  O.  1474,  auf 
(leren  Krlassung  die  Stände  großen  Einfluß  ausübten,  hat  er 
vieU;  Gebrechen  derselben  beseitigt  und  auch  die  Justizorgani- 
siitioii  reformatorisch  fortentwickelt.  Strenge  unparteiische 
Rechtspflege  und  energische  Handhabung  des  Landfriedens 
machten  Niederbaiern  zu  einem  wegen  seiner  Sicherheit  be- 
rühmten Lande  •^). 

Unvergänglichen  Ruhm  hat  er  sich  durch  die  Gründung 
der  Universität  zu  Ingolstadt  errungen.  Nun  war  auch  in  bai- 
risclien  Landi^n  eine  Pflanzstätte  der  Wissenschaften  geschaffen, 
durch  deren  Studium  „Gott  verherrlicht,  die  Religion  gefiirdert, 
der  Mensch  veredelt  und  sein  Glück  vermehrt  würde"  *).  Diese 
Landeshochschule  sollte  dem  Mangel  an  juristisch  geschulten 
IJeaniten  abhelfen  und  viele  treffliche  Räte  gingen  in  der  Folge- 
zeit aus  dieser  Pflanzstätte  hervor. 

Heinrichs  Sohn,  Georg,  wandelte  die  Wege  seines  Vaters. 
Mine  seiner  ersten  Verordnungen  untersagte  allen  Beamten  die 

1)  Sein  Vater  Ludwig  der  Reiche  soll  sich  durch  gnte  Verwaltung,  be- 
sonders durch  sparsame  Finanzwirtschaft  ausgezeichnet  haben.  Vgl  K 1  u  c  k- 
)i  I)  h  n  ,  Heinrich  d.  R.  S.  328,  19.  —  In  Bezug  aof  seine  Beamtenpolitik  hebt 
Ulrich  FütriT  (Oberb.  Arch.  V,  S.  63)  hervor:  „Er  nam  auch  zu  allen  seinen 
ainbton  vomiü^cnt  leut,  die  gut  wart  betten,  sie  w&ren  edel  oder  nlt,  gab  in 
;^'uot  sold  und  spracli,  die  sind  mir  gutt  umb  mein  vordrung." 

2)  Vjrl.  Kluckhohn  S.  329  iL 

Ol  V^L  Riozlor,  A.  D.  Biogr.  XI,  S.  474. 

4  Mederer,  Annalcs  Ingolstadensis  Academiae  IV,  8.40;  Kluck- 
h  o  h  n  S.  33<\ 

li.>>cnth:il,  lit^hkhtf  d,  GerichUw.  u.  d.  Verw.-Orf.  Italenit.  I,  gg 


-    5Ö4    - 

Annahme  von  üesclienkon ' ).  Wie  or  durdi  die 
eiues  permanenten  tlofrats  das  moderuu  ^-böi 
bahiitu,  lialwn  wir  sclioii  ycseheu  (S.  201  IF.)  *)- 
gebute  und  uauiuiitlidi  die  L.  O,  1501  bekunden 
ijiübuugeu  um  die  Hebung  des  Volks  wob  Standes ').  Usn  f^ 
woli!  nicht  fehl,  wenn  man  tJeorgs  klugen  und  gerecht«»  Kanzler, 
den  Domherrn  Dr.  Mauerkirclier  (später  biscbuf  vuo  Psssui), 
für  den  Urheber  derselben  erklärt  *). 

Im  Münchner  Ant«Ü  hatte  sich  nnt«rdessen  AJbrecht  IV.*), 
welcher  in  Rom,  ii^iena  und  Pavia  studiert  liattv,  zitio  ADria- 
lierrscber  aufgcsdiwungen ,  ein  FOrst  vun  wahrhaft  gl-mtnaito- 
nisclicr  Bt^abuug.  Als  scliönsl«Q  Erfolg  derselben  binleriieB  «r 
seinem  Volk  die  dauernd  gesicherte  ^taatseinhett.  NacMan 
unter  seinem  Sccpt«r  ganz  Baieni  wieder  verdnigt  war,  setzte 
er  unter  mit  seinem  bnidor  Uerzog  Wolfgaug  durch  einu  p»»g- 
inatische  .Sanktion ')  vom  8.  Juli  1506  die  L'ut«ilbarkcit  Ülitrr- 
und  Nicderbaioms  fest  unter  KinfOlirung  der  Primt^eaituTMrd- 
tiuiig  ' ) ,  bei  deren  Abfassung  der  Kanzler  Dr.  Neuhuticr  */ 
mitgewirkt  haben  wird.  Dieser  spielte  unter  Albrecht  and  ik 
der  folgenden  Kegonlschaftsperiode  ilie  grOlit«  Kollu  im  balri- 
scheu  Staatswesen,  bei  der  t'estfitelluog  des  luhaltK  des  StaaU- 
grundgesetzes,  der  L.  Fr.  von  1608  tritt  seine  .Mitarbdt  gleich- 
falls hervor*).     Ihm  wurde  auch  die  Umarbeitung  der  L.  U. 


I)  Bocbncr  n  8.  480. 

i)  Aoch  dH  Heenreten  bat  «i  sni  raittcUteriiehiin  Zii>lliiitrn  la 
denie  aWrgeieit«t  [Biezlor,  A.  D.  Blogt.  VIll.  &  0)1). 

3)  lUT  tfBtcrD  Bocb  lUte   der  Ihnog«  U«org    and  Albrwbi  IV.  m 
iiag  tnuiuroen,  uni  du  LanUreclit  K.  l.uJwig»  lu  TriorauMpn  und 
aoch  in  Nied«rbai<>ni  einiufQhrvu.     Die  eniUebl«  U«clils«iliiliRtt  «ariti) 
Hiebt  dnichgeflDut  (Krnnner  VIII,  K,  506  ff.i  XU.  H.  (7  ff). 

4)  Bnchaer  VI,  H.  480  ff 
6)  Ob«  Qia  TgL  <.  Oofele.  &.  D.  fi.  I,  &  SSS. 

6)  Kronavr  XV,  S.  3fifi  £ 

7)  &b«T  die  Bekinipfuiiij    danelbnii    darcb   H.  I.ad«i(  ltn4*aK 
&S0  IL 

B)  PrOhat    DomdAchuit    lu     Rei^Mubnrg,    daaii    (mH    14Mt) 
AlbrecbU  IV.  and  Propct  u  dar  FraaeDtircb*  in  MOschM.  t  ISIflt  (>.  O  > 
A.  D.  Uiogi.  XIII,  S.  607), 

9j  Vgl  V,  Fr«;berg.  R«d«  &b«r  d.  biitor.  Um«  im  Ujo:  Uniii 
0«tetigebaog.  Mflnchra  18SI  S.  21. 


:  »1« 


•>r«u 


—    595    — 

1474  und  1501 ,  also  die  erste  Vorarbeit  für  die  L.  0.  1516 
übertragen  ^). 

Unter  Wilhelm  IV.  =^)  kam  dann  die  Gesetzgebung  zu  er- 
höhter Bedeutung.  Eine  reiche  legislatorische  Thätigkeit  wurde 
jetzt  auf  Anregung  der  Landstände  entfaltet  •).  Der  Geist  der 
neuen  Zeit  regte  sich,  und  die  Doctores,  welche  bei  diesem  Werke 
mitwii-kteu,  verschlossen  den  fremden  Rechten  den  Zugang  in  die 
])airische  Landesgesetzgebung,  nicht  die  L.  0.  1516,  aber  das 
ref.  Ldr.  1518  und  die  Ger.0. 1520*).  Daß  und  inwieweit  diese 
legislativen  Erzeugnisse  die  Gerichtsverfassung  und  die  formelle 
Einrichtung  der  Verwaltung  berührten,  wurde  häufig  betont. 

Eine  Periode  ungeheuren  Aufschwungs  des  bairischen  Kul- 
turlebens beginnt  mit  dem  Regierungsantritt  Albrechts  V.  Mit 
welch  zäher  Beharrlichkeit  er  allen  widerstrebenden  Elementen 
•[gegenüber  die  Künste  und  Wissenschaften  schirmte  und  för- 
derte^), und  wie  er  zielbewußt  den  Grund  zur  Kunststadt 
München  legte,  das  predigen  in  eindrucksvoller  Sprache  heute 
jene  prächtigen  Kunstsammlungen,  welche  Tausende  alljährlich 
MUS  weiter  Ferne  herbeilocken,  die  dank  eifriger  Pflege  seiner 
kunstsinnigen  Nachfolger  aus  kleinen  Anfängen  zu  solch  stolzer 
(iroßc  erwachsen  sind*').  Wenn  auch  die  Kehrseite  eines  hoch- 
t1ie;!;enden  idealen  Strebens,  die  Unfähigkeit,  sich  mit  den  Beach- 
tun-i:  lieischenden  materiellen  Faktoren  in  Einklang  zu  setzen, 
nicht  fehlte,  so  bleibt  sein  Ruhm  als  Begründer  der  Größe 
von   Isar  -  Athen   ungeschmälert. 

Weniger  gewürdigt  ist  aber  die  Bedeutung  seiner  Regierung 
für  die  innere  Venvaltung.  Durch  die  Reformierung  des  Hofrats 
und  der  Regierungen,  durch  die  Einrichtung  der  Hofkammer 
und  des  geistlichen  Rats  wiurde  ein  folgenschwerer  Schritt  in 
<ler  Iiichtung  zum   modernen  Staat  gemacht,  denn  aus  diesen 

1)  V.  Froyborg  a.  a.  0.  S.  33. 

2)  Sein  Bruder  H.  Ludwifif  übcrliefi  diesem  den  Haaptantoil  an  den 
l»r^Hornn«]:s(roschäften. 

:n  V^^l.  V.  Frey  borg  S.  25  f.  über  das  Dr&ngen  des  Ausschusses  auf 
FiTtit^Titellung. 

4)  Vgl.  über  die  Wilhelminische  Gesetzgebung  G  engl  er,  Qucllengesch. 
11.  System  des  im  Königreich  Bayern  geltenden  Privatrechts.  Erlangen  1846. 
I,  S.  32  ff. 

5)  Vgl.  Hei  gel,  Die  Wittelsbacber  S.  35. 

^))  Gemäldesammlungen,  Antiquariam  and  die  Bibliothek. 

3  b* 


—     oOfi     — 

CcutralstcUen  führt  der  Weg  mittelbar  und  unmittelbar  zu  den 
UDsrigen,  zu  den  Ministerien  des  konstitutionellen  Staats. 
AVelcbe  seiner  Räte  bei  diesem  Reformwerke  vornehmlich  mit- 
gewirkt haben,  läßt  sich  leider  im  Einzelnen  nicht  feststelkn. 
Wahrscheinlich  ist  im  Anfange  der  Landhofineistcr  Wolf  Wilhdni 
von  Schwarzenberg  die  treibende  Kraft  ^\  dessen  jüngerer  Bmder 
Otto  Heinrich  dann  unter  Wilhelm  V.  auf  alle  Staatsangelegen- 
heiten und  besonders  auf  die  Organisation  der  Behörden  den 
tiefgreifendsten  Einfluß  ausübte. 

Sein  Sohn  Wilhelm  V.  hat  dann  das  Behördensystem  weiter 
ausgebaut  und  vervollkommnet  durch  die  Gründung  des  Kriegs- 
rats und  die  Formierung  des  Geheimratskollegiums. 

Am  Ende  des  IG.  Jahrhunderts  erhebt  sich  so  der  planvoll 
gegliederte  Bau  des  bairischen  Behördenwesens  in  einer  für  diese 
Zeit  staunenswerten  Vollkommenheit.    Wurden  auch,  besonders 
unter  Wilhelm  V.,  manche  Um-  und  Rückbildungsversuche  gemacht, 
die  Umrisse  waren  so  feste,  das  Fundament  so  solide,  da£  aad 
das  energische  Organisationstalent  Maximilians  I.  nur  inneriulb 
der  vorgefundenen  Linien  weiterbauend  sich  zu  bethätigei  nf 
den  Ausbau  zielbewußt  zu  vollenden    vermochte.     So  biftvoll 
war  dieser  Quaderbau  gefugt,  daß  auch  die  tiefeiiischnaialc 
Keformbewegung    am  Anfang    unseres  Jahrhunderts    die  C«- 
fussungsmauem  unberührt  ließ  und  die  Gruudztige    der  aHo 
Venvaltungsorganisation   trotz  eindringender  Reformen  im  Du- 
zelncn  durch  die  Stürme  der  reichbewegten  Zeit  dem  modernen 
Verfassungsstaate  überliefern   und   den  Umbau   auf  der  alibe- 
währten Grundlage  vollziehen  konnte. 

Es  war  also  die  Neuordnung  des  bairischen  Staates  schon 
in  der  2.  Hälfte  des  16.  Jahrhimderts  angebahnt  und  die  ganxe 
Verwaltung  zu  einer  seltenen  Vollkommenheit  durch  Mi^^itniliff» 
erhol)en  worden,  etwa  IV« — 1  Süculuni  bevor  in  Brandenboig 
der  große  Kurfürst  seine  Refonnthätigkeit  begonnen  und 
Triedrich  Wilhelm  I.  die  berühmte  Verwaltungsorganisation  in 
seinem  Lande  durchgeführt  hatte. 

So  hat  der  Süden  und  der  Norden  in  jahrhundertelangem 
rnisigen  Schafifen   an  dem  Aufbau   des  Staates   der  G^^nwart 

1)  Bald  gewinnen  dann  namentlich  der  treffliche  HofknuBchaQ  Pknkni 

V.  Freiberg  und  Dr.  W.  Hund  maßgebonde  Bedentang. 


—    597    — 

iiiitKcarbcitot.  In  den  vorscliicilciicii  Pcriwlrn  iler  fiestliichlc 
schrdtt't  ziuTst  ilcr  liairisc))i%  dann  der  prcut'iscliv  vciraii,  bis 
in  iniscrciii  Jalirliundcrt  lioidc  in  vurscliittienür  Weise  iIlt  lic- 
finiii  ilircr  Vt-rwiiliungsonitiung  zu  dnom  botrietiineiidon  Ab- 
~t'lihiL^  )irin>;en. 

Wolli-n  wir  Ulis  nun  nuclimals  vcnic^gcnwiirtigen,  inwiL'fcni 
ilit'  Iteturnicu  Kaiser  Maximilians  und  Fi>rdiiiaiids  I.  den  b:ti- 
ri'clii'ii  als  VorbiM  iliencii,  m  mttssuii  wir  daran  festh:i1teii,  daB 
•Iri'  Ibitnit  im  MündintT  Teil  sdiou  \4*Hi,  im  Laiidshutcr  sclinii 
lix^'')  i-inirrnihli-t  war,  und  diili  liier  die  Maxiiuiliancselien 
ll'tiiriiit'n  nur  im  allgemeinen  den  AnstoU  zu  der  Organisatiitu 
lU-  Mi'tratK  ir>l>l  >)  Kfgdwn  haben  dflrftcii.  Kiiie  direkte  Ver- 
"rrtiiii:;  lies  JistiTn-idiisdien  Vorbildes  zeigt  sidi  dünn  erst  in  der 
I  iiiriiliruni:  der  liegieruDgen  < Miltelbelmrden )  suwie  in  den  Orga- 
rii-jli'>rti-ii  seit  Mlirecbt  V.,  also  iiamcutlicli  Ihu  der  lUlduiig  der 
n-'lUariiiniT.  ili-s  KricgsniL"  und  des  m>lu>imen  Itats.  Nicht  um  eine 
-klaM-rlif  Niu'liiihniung  österreichischer  Institutionen  handelt  es 
-ii'h  jrt/i,  wie  schon  orwiihnt  wunle.  sondern  nur  durum,  duli  die  in 
ili-m  Sijiaie  l^e^  Kuisi-rs  )>tiwihrten  Formen  der  Verwaltuogsonlniing 
ilnrii  I  Miiinl/iiui?«  naeh  adoptiert  wurden,  wfthn'ud  man  im  Kiuzd- 
■II  ri  tti'i  iiiiil  scllisianditr  an  die  Ausfüllung:  der  Fontien  herantrat. 
M;i!i  ii.iliiii  di-11  ^ys1(■m:^isdleIl  Aufluui  der  ('entrallH'hörden  der 
■"•ti  rrcii'lii-rhi-n  Krlihuide,  die  ür|>rii1ite  Konstruktion,  iH'hidt 
Mi'li  l>i>i  der  inm-ren  Finrirhtung  der  eiiizdnen  Stot-kwurke 
.dir  irt'ii-  Ibiiii],  um  die  konkreten  ItedOrfnisse  iK-friedigen  zu 
kiiiiiii'U  Niclit  nur  dun-h  die  verwiindtsdiaftlidien  Itcziehungen 
•!•-  Ilerr-dicrs  ( ADirechls  V.),  soiulem  auch  durch  ein/eine 
liairi-i'lie  Einte,  die  aus  kaiserlichem  Uit-nste  kamen,  wunic  diu 
-.ti.uir  Ktuiiiliiis  und  Wertschiitzniig  di-r  Organisationen  des 
\.nliliarni.h-  venmttell. 

In  iliiMii  nunh'n  luui|itsäi-hlidi  '.i  l'riiizi|iicu  verwirkliehl  '). 
Vor  .iljriii  da-  l'rin/i]i  iler  O-ntralisation.  das  audi  in  Ilaieru 
\..n  -ri.l<.i  ix.litiselier  Tnigwelle  war.  Xanicnilich  kurz  luieli 
di'i  Ui<'<lt'iveri-jni;iiiii^  konnte  die  Centmlstelle.  der  llofnit.  >idi 
.tl-  I  in  wi[k^:itiie>  Mittel  im  Hiensle  der  r.iiiheil-]Hilitik  In- 
w..;ii.ii      luinli    die   i-inheitltche  Verwaltuni;    »unlen   die  Ver- 


bot h  >  1 .  UebOrdeBorKaniMiioD  ij.  7. 


—    ?H19    — 

Bchietienheiteii  der  einzcliiiai  früher  getrennten  Teile  de«  Teni- 
torimris  ausgeglichen  und  der  VerschmelzungsproKoß  wesentlich 
hefiSrden. 

Soiiann  wunle  nach  dem  Vorbilde  der  Gerichte  dns  I'rinzip 
der  Staudigkeit  und  Kolle^ialfUt  bei  der  Verfiu^ung  der  Cctitml- 
iiiid  MitUilbehürdeu  zur  Anwuuduntt  );>!b''<u^bl  bc^w.  weiter  niu- 
gcbildel.  In  dem  KoIlegiaUyslem  erblickte  nmn  eirit^  Bttr^faaft 
des  licclitsschiitzes,  einer  (iieichniiißigkeil  und  Un|mrteilkhkdi 
il4tr  Verwaltung  ' ),  wie  ja  auch  durch  da-saelbe  eine  ggyiisBi! 
Stetigkeit  und  Tradition  der  Gescbäft£fUhrunt{  und  eine  Btarkc 
KoDtmlle  ermöglicht  wunle'). 

Sodiiun  wurde  der  l'inanzdienst  als  selbstaudlgcr  Ver- 
waltungszweig nrgauisiert  und  aus  dem  Ilnhiiien  der  allgcmdncti 
I^ndesverwiiltung  losgelöst 

Dieser  Grundsatz  der  Arbeitsteilung,  einmal  in  das  [tcbftrdcn- 
syKtctu  eingeführt,  erwies  sieh  als  sn  erfolgreich,  daß  datxm 
eine  fortschreitende  DitTerenzicning  wunle.  Immer  mehr  Vor- 
waltuugszwuige  sonderten  sich  zu  tielliKtAndigeu  Itetsurts  mit 
eigenen  Behörden  ab.  So  entstand  der  geistliche  Rat  imd  der 
Kriegsrat  —  in  gewissem  Sinuc  ist  auch  der  geheime  Rat  Uir 
zu  nennen. 

Wollen  wir  nun  schließlich  ilie  aehun  Iwrülu'ten ,  solchen 
IlehördeuorgunisMioncn  zu  Gnnide  Ucgi;nden  UrMtrheti  zu- 
sammenfassen, so  orgiubt  üieh,  daU  auch  in  Itaieru  di«  Orga- 
nisation, namentlich  die  des  13.  Jahrhunderts,  wie  in  oofleKo 
TerriUtrien  —  auch  nn  die  Kinfllhrung  der  GrafechJiftsvor- 
fa-sRung  durch  Karl  den  Großen  ist  zu  erinnern  —  vor- 
nehmlich alü  1-olge  einer  GeliiuLsvoi^ilferung  eintritt  IlU 
BedOrfnis  nach  einer  üinheitltchen  Gestaltuug  des  gnacu 
],iLuderkumplexes  macht  sieh  gellend,  luid  die  Errichtonit  wm 
Central-  und  Mittetstelleu  erweist  sich  als  erfolgreidistvr  Faktor 
der  Verschmolzung  von  Land  nnd  l^euten  zn  einem  einhdtliclitai 
StaatJ^anzen.  Sodann  ist  für  die  Organisation  des  13.  Jahr- 
hnnderts  bestimmend  die  Krstarkung  der  lande-sherrlicben  Ge- 
walt, welche  für  die  AtmUlmng  der  slJttthch  crweilortcn  Befiig- 

1)  IL  Schnlte.  Slaatctechl  I.  S.  an. 

Ü)  Schmollor.  Epocben  d.  prent.  PfaancpoUük  (Hi)lti«n  dorff- 
Drontano,  Jahrb.  d.  QoMligeban|t,  V«rwi]tiui|r  und  ValkiwillNbalt.  1K77. 
I.8.tt). 


—    590    — 

iiissc  eines  ausreichenden  Beamtenapparates  bedarf,  und  auch 
die  wirtschaftliche  Revolution  dieser  Zeit  fällt  als  bestimmender 
Faktor  ins  Gewicht  ^ ). 

Nicht  am  wenigsten  wirkte  mit  der  geistige  Aufschwung, 
den  der  Humanismus  auch  in  staatlichen  Dingen  bewirkte.  Die 
in  den  Rat  aufgenommenen  Juristen  hatten  durch  ihre  Studien 
und  Reisen  Kenntnis  der  Institutionen  der  verschiedensten 
Länder.  Was  Wunder,  daß  sie,  durch  diese  angeregt,  ihre 
Herren  zu  ähnlichen  Formationen  veranlaßten,  denn  der  Kreis 
der  Staatsaufgaben  war  im  16.  Jahrhundert  ins  Ungeheuerliche 
gestiegen.  Nicht  nur  auf  Friedensbewahrung  und  Rechtsschutz 
beschränkte  er  sich  wie  früher,  sondern  die  Förderung  der  ver- 
schiedenen Seiten  menschlicher  Kultur  hat  er  sich  zum  Ziele 
gesetzt.  Dieser  verlangte  gebieterisch  andere  Formen  und  Or- 
gane, als  wie  sie  früher  ausreichten.  Dann  welche  Fülle  welt- 
bewegender Fragen  drängten  im  Jahrhundert  der  Reformation 
an  das  Territorialfürstentum  heran.  Wie  wurde  Baiem  durch 
seine  Lage  und  Bedeutung  und  die  Stellung  seiner  F^ürsten  in 
all  die  viel  verschlungenen  Wirren  und  Händel  dieser  Epoche 
hereingezogen.  Hier  drängte  alles  zu  einer  systematischen 
saclientsprechenden  Einrichtung  des  Behördenwesens,  wenn  die 
l'iille  der  einstürmenden  Aufgaben  bewilligt  werden  sollte.  Die 
g(^lehrten  Räte  suchten  durch  systematisch  eingerichtete  Be- 
hörden Hilfe  zu  schaffen. 

Es  ist  also  vorzugsweise  die  Organisation  der  Central  Ver- 
waltung, zu  welcher  die  Verhältnisse  des  16.  Jahrhunderts  hin- 
drängen*), da  die  Lokalverwaltung,  wie  sie  im  13.  Jahrhundert 
eingerichtet  wurde,  sich  auch  den  gesteigerten  Anforderungen 
der  neuern  Zeit  gewachsen  zeigt. 

Die  ReligionspoUtik,  wie  sie  durch  die  neue  Lehre  in  un- 
aulhorUche  Bewegung  gekommen  war,  die  Notwendigkeit  be- 
standiger Verhandlungen  mit  den  kirchUchen  Organen  und  die 
einer  straffen,  einheitlichen  Leitung  der  Gegenreformation  führten 
/MV  Errichtung  des  geistlichen  Rats. 

Die  immerwährenden  kriegerischen  Gefahren,  die  eine  mög- 

1)  S.  322. 

2)  Vgl.  V.  Bolow,  I)io  Neuorganisation  der  Verwaltang  in  d.  deutschen 
Territorien   des   16.  Jalirh.   (Maurenbrocher,  üistor.  Taschenbuch  1887 

ts.  3oy). 


-  cm  - 

liehst  vollkommeiie  Gestaltung  aller  LandesviM-teicligungWDSUilten, 
trine  sachgemäß«'-  Beratung  aller  iliese  bctre Hernien  Angvl^cu- 
ImiU-u  und  dne  einli(>itliclie  Hiniktiou  allitr  niilitariKcl»-n  tjnridi- 
tungon  wünschenswert  erscheinen  HeUeu,  venmlalittin  iliu  GrDo* 
ilimg  des  Kriegsruts  nach  üstdrreidiischein  Miutcr. 

Die  unaufbörticli  ([uiUende  Finunzn»t,  gesteigert  iustvesondcm 
durch  die  kriogeriscbeu  Verwicklungen,  die  i>olitiscb(i  Lage  (vido 
kostspielige  Gesandtschaften  /.u  FUrsteu,  Reichslagen  u.  s.  w.), 
verlangte  strengste  Koiitrollo,  unablässiges  liemUhen  um  Ueliang 
des  Kaininerguts,  lauter  Verrichtungeu,  die  nicht  netiuubui  von 
einer  ftehönle  l)esorgt  werden  konnten ,  soDdem  Welch«  die 
nitiunelle  Behandlung  <turch  ein  »ich  auMsehUellbch  uilur  luuipt- 
äüchlicli  diesen  Aufgaben  widmendes  Cuntntlurgan  rurdurtea, 
sie  verunlaßte  lUe  Scliaffuug  der  Hofkammer. 

Wie  dann  namentlich  die  Behaudluug  der  in  glcigender 
r'lllle  auftauchenden,  strengste  GeheJinhaltung  heiscbendn 
hoebpolitisclien  Fragen  zur  Bildung  des  GeheimratfJcollegjiau 
ilritngte,  wurde  schon  hervorgehoben.  Bei  dessen  FonniBnag 
war  auch  mitbestimmend  das  Moment,  daß  e8  uotwei 
schien,  bei  der  /crspliticruiig  des  BchOnleiiweseus  in  sai 
Beziehung  eine  höchst«,  die  Person  des  Monarchen  um 
beratende  Gentralstelle  2U  schaffen ,  welche  die 
gegendbtT  dem  Ressnrtstaniii)unkt  7MT  Geltung  zu  bringen  be- 
rufen war. 

Daß  die  liier  erwähnten  Momente  alier  nicht  nur  in  Bwem 
gegeben  waren,  iüt  klar.  Darum  entfaltete  sich  das  Itobörden- 
Wesen  besonders  im  16.  Jabrhundiirt  audi  aiidcn*arlÄ ,  wo  dio 
gleichen  Voraussetzungen  vorlagen,  In  gleicher  oder  AhnUdiur 
Weise')-    Gleiche  Ursachen,  gleiche  Wirkungen. 

Daß  hier  die  Individualität  einzelner  FflrHten  und  einiger 
leitender  Staaumilnner  and  konkrete  Verhältnis!«  des  IawIcs 
fQr  den  Zeitpunkt  solcher  Formationen  und  für  die  Art  4er- 
selben  maßgebend  waren,  leuchtet  ein. 

Wenn  auch  zu  dem  itechtRSchutze  eine  suttlidw  fUiibe 
neuer  Aufgaben  der  Staatsgewalt  /uwucbäen,  so  scbcn  wir  doch, 
daU  die  Herzoge  nach  wie  vor  die  IU.-chtii]>fleg(!  ab  die  vor- 
Dehmste    und    wichtigst«   Au(gal)u  ihres  Ucrrscheraintes    snl- 

1)  Vgl  L  B.  Ko(«nthkI  &  174  C 


—    Wl     — 

faßten.  Wo  wir  auch  die  Rlätter  der  Geschichte  des  hairischen 
(Gerichtswesens  aufschlagen,  so  begegnen  uns  auf  jeder  Semite 
/('uvrnisse  rastlos  fortgesetzter  Bemühungen  Avr  Landesfürsten, 
dviu  Volke  den  Segen  einer  prompten  und  unparteiischen  Rechts- 
ptle^r  /u  schatTen.  rnablässig  sind  sie  bemüht,  die  bessernde 
ILind  an  die  Hinrichtungen  des  Gerichtswesens  zu  legen,  um 
durdi  Ahstelhing  von  Miübräuchcn  und  KinfÜhrung  /weckmäßiger 
KcfoniKMi  den  Kt.^hts/ustand  in  ihrem  Lande  /u  einer  festen 
<iriindlaLre  des  Voikswohls  zu  gestalten.  Es  ist  ihr  freudiger 
Stolz,  daß  die  Justiz  Raiems  von  alters  her  in  hohem  Ansehen 
striit,  und  mit  unermüdHchem  Kifer  trachten  sie  diesen  Ruhm 
zu  bewahren. 

Von  dem  ersten  Witteisbacher,  V(m  K.Ludwig"),  und  von 
alliMi  Hen schein,  von  deren  innerer  Regierung  uns  eingehende 
Kunde  erhalten  ist,  wissen  wir,  daß  sie  entweder  pers<'»nlich 
ilirr^  obersten  Ilichteramts  eifrigst  gewaltet  oder  daß  sie  in 
iiiralrr  \uffas>iing  ihres  iandesvaterlichen  Rerufes  nichts  ver- 
-.niiiitiii,  um  die  Justiz  des  Landes  auf  die  höchste  ^^tufe  der 
\'nlIkoiiii!ienht'it  zu  erhelnin.  In  allen  Gesetzen  und  Verord- 
iiuii'^ni  LTt'lan^ft  diese  h(»he  Auffassung  zum  Ausdnick'),  und 
mit  rni-tnn  Nachdrurk  stellt  sie,  wie  wir  gesehen  haben*"*), 
ii.iiiiinilirh  Albrerht  V.  gleichsam  als  den  Angelpunkt  seines 
•jiolMii  Kefnrmwerks  hin. 

Sn   ki)iiiiti'   er  mit   Fug   im    Kingang  zur   Ilofrat.skanzlei- 

•  •nliiuiiL!  viin  IT)«;'.»»)  Iiinw(*isen  lassen  „auf  seines  höchsten  und 

•  •)>ri>r«ii  K(*i:iinents  (des  Ilofrats)  Reputation  und  Khr  und  von 
Mtn-  hrrjt'brathte  guti»  Lob,  das  nämlich  diest\s  l^md  für 
.iihit  rr   von  Krbaltuiig  guter  Justitien  je   und  allemal  gehabt^V 

1    \'jl  /.  i;.  s.  10*».  «1  f. 

-J  /  ]{  L.O.  ir.p;.  S.  10:  3'ir  alü  UnndFfflnti'n  wollen  all»  »niftili»;  br- 
-•-lrii7i'r  Uli«!  li'fchimior  unnser  lannde  und  ]pwtr  tollirh  Malffirimh  K<»rht- 
\"rTu'inj  :n.iii:reot*h"ii  da«  d<*r  brauch  in  ««ttlichen  iii'richU*n  bibhfr»*  ann- 
■l'T  t  ^'i'^Ct  ifü  au9  Liuiidüfilntlichpr  obri^kait  aufT  uiini«'r  so\b*  i^osatun^ 

.;i  .<  4.T.» 
4i  H   A. 


BERICIITrfiüNOKX  IXI»  KmiÄNZUNnKN. 


Snitn    n  AiiniorkuD{7  6.    Das  Datum  der  Urkunde  ist  richtig. 

„     13  Zoilo  1  lies  vor  „bekannte"        „erste", 

„     13     „     4    „    habnntes  statt  habontihus. 

„    3()     ^     4  von  unten  lies  Fölling  statt  Tollingen. 

„    55  Anm.  3  lies  Prunoe  stitt  Pruroc. 

„    58     „     4  er«^'änzc  S.  r»54  IT. 

„  132  Zeile  15  v.  ob.  lies   Oberbaiern    und  Straub  in;;   statt    „und 
Nioderbaiem". 

„  141  Anni.  1  lies  Stain  statt  St-amni. 

„  142     „       1.     Ks  ist  1'homas  P.  «:<.'ineint.   der  Oftcn:  als  Kat  vorkommL 

„  142  Zeile  14  v.  ob.  lies  narh  14<i:{  ^für  ihr  Straubin*;«'r  Land". 

„  157  Anni.  5  ergänze  S.  193  f. 

„  101  Zeile  1(1  V.  ob.  lies  naeb  Nicderbaiern  „-St r au  bin;:**. 

„  203     „       4   „    „     or^'ünze  nach  Albre<^hts    „d.i.  die   Konzession 
der  (leriohtsbarkoit** 

„211  Zeile  10  V.  ob.  ist  „unbcdini^ten"  zu  streichen. 

„  23S     „      10  ist  „aber"  zu  Btn'ichen. 

„  270     „      15  lies  IKM»  statt  14C4. 

„  287     „       7  er|:{ln/e  nach  „weib-n"    --    „insbosondero    wenn    *i^ 
ü  b  e  r  N  e  b  e  n  1  Ä  n  d  e  r  b  e  r  r  s  c  h  t  e  n". 

„  287  Anm.  4  /eile  3  «Ti^änze  nai'h  „( )bt>rbaieni"  -In;:ulF tadt. 

„  3<'l»  Zeile  14  lies  „on^iT*^  statt  reger. 

„  537  letzte  Zeile   er^'finze   als  AnnL  3   z.  1^   Heimliche  Herzogs  St^^iihaa 
1304.  Johann  1423.  1424  iK.  H.  XI,  4:  XIH,  4.  2S). 

p  538  wurde  irrtümlich  fol^rendc  Anmerkung  i2a)  ausgelassen :  In  emer 
Hofstaatändernng  .  .  anno  15^2  (II.  A.  —  K  n.  1  S.  237  findet  sich  folfrendn 
„Gutbedünken**  derKät«*:  „hii'weil  umsit  ;;n.  fürst  und  herr  bedacht  ^hiim 
ret  /ehalten,  wie  is  dann  bei  andern  s.  f.  gn.  lobliehen  Voreltern  aach  m 
gebrauch  gewesen  und  nit  wol  amlerst  sein  kan,  dieweil  sieli  nit  allf*  racbc« 
in  gemaineni  und  velligt^n  rat  tractieni  und  rathschlageu  bissen,  bleibt  ei 
gleichwrd  dabei,  jedoch  würdet  darfür  gehalten,  das  dern  über  4  nit  sein  sollen. 
Krstlioh  darumb.  das  bei  menig  iler  ret  di'*  gehaini  sehwerlirher  zn^r- 
halten  und  dieselb  sonst  allerhand  weitleufigkeit  und  ])urden  gebiert,  die- 
weil auch  vemiuetlich  nit  teL'lirh  gehaimer  rat .  sollen  die  geh«'imen  räth, 
da  si  es  anderer  unsers  gn.  f.  und  herrn  gesehcfTt  halber  tli'ien  kennen,  dm 
hofrat  nicht  weniger  bosuerbeü.  damit  derselb  lie^to  sterkir  besezt  und  die 
anzal  derjenigen  hofrät,  sn  d^n  rat  teglich  und  ordinarie  abwarten,  zu  rr- 
sparung  niehrern  uurostens  umb  Hovil  m^Oir  i*ingezogi>n  werden  müg,  so 
kennen  die  gri-niz-  und  denrleirben  sarben  mit  auslendischen  benachbarten 
fürsten  und  stendeii.  vil^r  Ursachen  willen  aus  dem  bofrat  nit  genommen, 
sonder  solb-n  billich  daselbs  wie  allzeit  L'ebreQcbig  gewi'sen,  irn'liert  werden, 
dabei  dann  die  gebaimen  rät.  dieweil  uns*  rn  gn.  fursteii  und  bi'rrn  merrkUch 
und  \il   dann  L'elegen.  sein  fc.(d!"n." 

Si*iili"tli '!i  wird  vorire-ohla-zeu.  ll.  von  M:i<"'lang  tbi^  Mars«'hallamt,  welches 
bislier  .'^.•li^v.ir/i'nberu'  u«'li"n  -••iu«'iii  l..irilli<ifmei?iter;iTnt  versiOp-n  hatt<*,  zu 
lilierlr.i/en.  l)i"-»*r,  b.'iüt  e>  wim'-t.  k  ■iitif  ni^-hts  ileslo  weni::«'r  t;>«heimer 
Ra!  bleitii'U.  \\<n  d»n  biüden  Ai'int'Tn  vurstehen.  da  ^dcr  geh.  Kai  nit  tJ&glich 
odi'f  döch  allein  VorinittaL'  besucht  würde". 


—  .sj^