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Full text of "Geschichte des Geschlechts von Witzleben T. 1. Anl. 1"

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FROM  THE  FUND  BEQUEATHED  B1 
ARCHIBALD  GARY  COOLIDGE 
A  B  1887  PROFESSOR  OFHISTORY  1 
19^^8-1928    DIRECTOR  OF  THE  ji 
UK  '/ERSITY  LIBRARY  1910-1928 


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Geschichte 


des 


Geschlechts  von  Witzleben. 


Nach  archivalischen  Quellen  bearbeitet 


Gerhard  August  von  Wiizleben, 

4(eniral-€iinltno«t  }.  D. 
nnd 

Karl  Hartmann  August  von  Witzleben, 


I.  THEIL. 

(Mit  neunzehn  Stamm-  und  fünf  Ahnentafeln.) 


— >^^- 


BEKLIN,  1880. 
Verlag   von    A.   B  n  t  h. 

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G^x-  ite^ZL.    yo  f^y 


HARVARD 

lUNIVERSITYl 

LIBPARY 

JUL  t9  1961 


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Einleitung. 


Mehr  als  3000  Urkunden  und  Regesten,  welche  wir  im  Verlauf  von 
25  Jahren  aus  den  verschiedensten  Archiven  abschriftlich  erworben  haben, 
bilden  die  Grundlage  der  Bearbeitung  unserer  Geschichte  des  Ge- 
schlechts von  Witzleben.  Wir  wissen  wohl,  dass  dieselbe  in  vielen 
Beziehungen  unvollkommen  ist  und  in  der  Geschichtserzählung  manche 
Lücke  bietet,  glaubten  aber,  da  eine  völlige  Erschöpfung  der  Archive 
überhaupt  nicht  zu  erreichen  sein  dürfte,  das  bis  jetzt  gesammelte  hand- 
schriftliche Material,  welches  einen  Zeitraum  von  beinah  8  Jahrhunderten 
j^mfasst,  am  besten  erhalten  und  der  Familie  nutzbar  machen  zu  können, 
wenn  wir  die  Vervielfältigung  desselben  durch  den  Druck  nicht  ins  Un- 
gewisse hinaus  verschöben.  Wir  geben  also,  was  wir  haben.  Möge  es 
andern  Forschern  gelingen,  durch  neue  Entdeckungen  Irrthümer  zu  be- 
richtigen, dunkeles  aufzuhellen  und  Lücken  zu  ergänzen! 

Selten  kann  ein  edles  Geschlecht  seinen  Anfang,  Namen  und  Wappen, 
urkundlich  beglaubigt,  wie  das  unsrige  auf  fast  800  Jahre  zurückführen. 
1133  werden  Adelherus  und  Berbeto  von  Witzleben  unter  den  Zeugen 
genannt,  in  deren  Gegenwart  das  Stift  Fulda  mit  dem  Kloster  Paulin- 
zelle  einen  Gütertausch  einging.  Das  13.  Jahrhundert  zeigt  uns  unsere 
Vorfahren  in  Beziehungen  zu  den  alten  Thüringischen  Grafengeschlechtem 
zu  Kefernburg,  von  Gleichen,  zu  Schwarzburg  und  von  Henneberg,  und 
mit  Beginn  des  nächsten  Jahrhunderts  erblicken  wir  sie  ausserdem  im 
Gefolge    der  Landgrafen    in  Thüringen    und    als  Ritter  des  Deutschen 

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28* 

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—     IV     - 

Ordens.  Das  Geschlecht  nahm  stetig  zu  an  Eeichthum,  Macht  und  An- 
sehen. Seine  zahlreichen  Glieder  sassen  um  die  zuletzt  erwähnte  Zeit 
als  Besitzer,  Pfandinhaber,  Vögte  oder  Burgmänner  zu  Alkersleben,  Barch- 
feld, Witzleben,  Molsdorf,  Teutleben,  Gummerstedt  und  Bösleben,  auf 
der  Elgersburg  und  Wachsenburg,  dem  Hermannstein  und  Liebenstein, 
der  Kefernburg  und  Schwarzburg,  zu  Arnstadt,  Gotha,  Ilmenau  und 
vielen  andern  Orten.  Und  als  um  die  Mitte  des  14.  Jahrhunderts  der 
landgräfliche  Hofrichter  Christian  von  Witzleben  seinen  Stamm  vom 
Thüringer  Walde  in  die  goldene  Aue  verpflanzte,  trieb  auch  dieser  kräftig 
weiter  und  schaute  lange  Zeit  hindurch  in  Wohlsein  und  Glück  vom 
Wendelstein  hinab  auf  weit  ausgedehnten  und  reichen  Grundbesitz.  Auf 
dem  Gipfel  der  Macht  stand  unser  Geschlecht  zu  Ende  des  14.  und 
während  der  ersten  Hälfte  des  15.  Jahrhunderts,  als  es  sich  in 
die  Linien  zu  Wendelstein  und  Berka,  zu  Elgersburg,  Liebenstein, 
Molschleben  und  Marlishausen  theilte  und  der  Besitz  der  einzelnen 
Linien  noch  in  einer  oder  doch  in  wenigen  Händen  war.  Mit  der 
zunehmenden  Ausbreitung  der  Linien  ging  die  Abnahme  des  Wohl- 
standes Hand  in  Hand,  und  im  16.  Jahrhundert,  nach  dem  Schmal- 
kaldenschen  Kriege,  sehen  sich  einzelne  Glieder  schon  genöthigt,  ihr 
Fortkommen  in  fremder  Herren  Diensten  zu  suchen.  Der  dreissigjährige 
Krieg,  masslose  Zersplitterung  des  alten  Grundbesitzes,  Irrungen  und 
Streitigkeiten  der  Familienglieder  unter  sich  und  mit  andern,  die  hieraus 
entstehenden,  mit  unglaublicher  Hartnäckigkeit  geführten  endlosen  Processe 
brachten  im  17.  Jahrhundert  alle  Linien  mehr  oder  weniger  dem  Verfall 
entgegen.  Doch  tritt  schon  jetzt  die  bedeutsame  Erscheinung  erfreulich 
hervor,  dass  einzelne  derer,  welche  den  kleinlichen  Verhältnissen  der 
vielzerrissenen  Thüringer  Heimath  den  Bücken  wandten  und  sich  dem 
kräftigeren  Treiben  grösserer  Staaten  anvertrauten,  bald  zu  Ansehen, 
Einfluss  uijd  selbst  Besitz  gelangten.  Mit  dem  Emporblühen  des  Preussischen 
Staates  kommt  denn  auch  ein  frischer  Zug  thatkräftigen  Lebens  wieder 
in  unser  ganzes  Geschlecht  und  eine  grosse  Zahl  hoher  Staatsbeamten 
und  ausgezeichneter  Offiziere  ist  seitdem  aus  ihm  herv^orgegangen. 

Von  1133  an,  in  allen  Wechselfällen  der  Zeiten,  haben  die  von 
Witzleben  an  ihrem  einfachen  Namen  festgehalten,  ihn  in  Ehren  geführt, 
ihm  in  ganz  Deutschland  Achtung  verschafft.  Wir  sind  also  durchaus 
berechtigt,  auf  diesen  alten  Namen  stolz  zu  sein,  haben  andrerseits  aber 
auch  die  Verpflichtung,  ihn  so,  wie  er  auf  uns   gekommen,   weiter  zu 


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vererben;  kein  angenommener  oder  gar  neu  verliehener  Titel  giebt  ihm 
einen  schönern  Klang  oder  stellt  seine  Träger  auf  eine  höhere  Stufe.*) 
Derselbe  Stolz  und  dieselbe  Verpflichtung  geziemt  uns  in  Bezug  auf 
unser  uraltes  Wappen,  das  gerade  seiner  Einfachheit  wegen  zu  den 
schönsten  gerechnet  wird  und  durch  Verbindung  mit  neueren  Decorationen 
nur  verlieren  kann. 


*)  Staatsrechtslehrer  des  18.  Jahrhunderts  hatten  ausgesprochen,  dass  sich  des 
Titels  Freiherren  auch  E<leUeute,  welche  durch  untrügliche  Zeugnisse  erweislich  machen 
können,  dass  sie  seit  500  und  mehr  Jahren,  da  die  Zunamen  erst  angefangen  haben, 
bestandig  unter  der  Ritterschaft  florirt  und  mithin  als  stifts-  und  turnirmässig  passirt 
haben,  ne  ipso  quidem  Imperatore  contradicente  bedienen  dürfen.  Trotzdem  suchte 
gerade  der  alte  Adel  Kursachsens,  namentlich  auch  unsere  Familie,  etwas  besonderes 
darin,  diesen  Titel  nicht  zu  führen,  um  nicht  mit  den  sogenannten  Vicariats-Freiherren 
(vom  Kurfürsten  als  ßeichsvicar  in  Menge  creirt)  in  eine  Kategorie  gethan  zu  werden. 
Auch  thut  wohl  ein  Geschlecht,  dessen  Ebenbürtigkeit  mit  einem  deutschen  Fürstenhause 
durch  ein  vom  Kaiser  sanctionirtes  Urteil  des  Reichs-Hofraths  in  Wien  vom  11.  Apr. 
1715  anerkannt  war  (s.  Tb.  I.  S.  109.  —  cf.  Wissenschaftl.  Beil.  der  Leipz.  Zeitung 
vom  15.  Aug.  1872:  «Die  Ebenbürtigkeit  im  heutigen  deutschen  Fürstenrecht"),  am 
besten,  an  seinem  alten  Namen  nichts  zu  andern. 


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Inhalt  des  1.  Theils. 


Seite 

Einleitung III 

I.  Abtheilimg. 

Die  älteste  Geschichte  bis  1450. 

I.  Abschnitt. 

Von  dem  Namen  nnd  Ursprung  derer  von  Witzleben 1 

II.  Abschnitt. 

Von  dem  Wappen  derer  von  Witzleben 4 

III.  Abschnitt. 

üeber  die  älteste  Geschichte  derer  von  Witzleben  bis  nm  das  Jahr  1340  19 

IV.  Abschnitt. 

Werner  von  Witzleben,  sein  Bruder  Konrad,  1330—1383,  und  die  Ritter  Dietrich 
und  Beringer  von  Witzleben  zu  Gummerstedt  und  Bösleben,  1358 — 1407 

a.  Werner  von  Witzlcben.  Schultheiss  zu  Gotha,  1336—1362 28 

b.  Konrad    von   Witzleben    zu   Dissau   und    sein    Sohn,    der  Ritter   Dietrich, 

1330-1383 30 

c.  Die  Ritter  Dietrich  und  Beringer  von  Witzleben   zu  Gummerstedt  und  Bös- 

leben, 1358-1407 31 

V.  Abschnitt. 

Hermann  von   Witzleben   und   seine  Nachkommen    bis   zur    Stiftung   der 
Elgersburger,  Liebensteiner  und  Molschlebener  Linien,  1251 — 1437. 

a.  Hermann  von  Witzleben,  1251—1269,  und  sein  Sohn  Friedrich,  1266—1287       34 

b.  Christian  von  Witzleben  zu  Barchfeld,  1290  und  1291 35 

c.  Hermann  und  Heinrich  von  Witzleben,  1298—1353 36 

d.  Hermanns  Söhne,  die  Ritter  Dietrich  und  Heinrich  von  Witzleben,  1361  —  1397, 

und  die  Stiftung  der  Elgersburger  Linie 39 

e.  Des  Ritters  Heinrich  von  Witzleben  zu  Molsdorf  Sohn,    Ritter  Dietrich  von 

Witzleben  zu  Molsdorf.  1368—1383 41 


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—    VII    — 

Sfite 

f.  Des  Bitters  Dietrich   von   Witzleben,   Vogts   zu  Eisenach   und   Creuzburg, 

Sohne,  Dietrich  und  Eunemund  von  Witzleben,  1373—1415 A2 

g.  Friedrichs    von    Witzleben    Söhne ,     die    Ritter    Friedrich    und    Herbort o , 

1288—1340.    Pfandschaft  des  Schlosses  Elgersburg 43 

h.    Die  Söhne  Herbortos,  Friedrich  und  Tizel  von  Witzleben,  1310—1378     .    .  48 

i.    Die  Elgersburg 49 

k.    Die  Söhne  Friedrichs  von  Witzleben,  des  Herrn  zu  der  Elgersburg,  1322—1394  58 

1.  Hermannsteins  Söhne,  Fritz  und  Heinrich  von  Witzleben,  1382—1405  .  .  62 
m.  Heinrich  d.  Ä.  von  Witzleben  und  seine  Neffen  Christian,  Dietrich,  Heinrich 

und  Konrad,  1410—1450 63. 

II.  AbtheUuifir. 

Die  Elgersburger  Linie. 

I.  Abschnitt. 

Von  der  Gründung  der  Elgersburger  Linie  bis  zur  Stiftung  der  Linien  zu 
Neuroda,  Bösleben  und  Gross-Liebringen,  1437—1616. 

a.  Die  Brüder  Fritz  und  Iring  von  Witzleben,  1437—1480 73 

b.  Irings  von  Witzleben  Söhne,  1480-1536 78 

c.  Die  Vettern  Friedrich  und  Christoph  von  Witzleben,  1526—1579    ....       85 

d.  Die  Söhne  Friedrichs  von  Witzleben,  Friedrich,  Heinrich  und  Job  Wilhelm, 

und  Stiftung  der  Linien   zu   Neuroda,   Bösleben   und   Gross-Liebringen, 
1579—1616 92 

II.  Abschnitt. 

Die  ausgestorbenen  Nebenlinien  der  Elgersburger  Hauptlinie,  1616—1803. 

a.  Die  Linie  zu  Neuroda 96 

b.  Die  Linie  zu  Bösleben 100 

Esther   Maria,   Pfalzgräfin   bei  Bhein   zu  Birkenfeld-Gelnhausen,   geb.   von 

Witzleben 104 

c.  Die  Linie  zu  Elgersburg-Grossliebringen 111 

III.  Abschnitt. 

Die  Elgersburger  Hauptlinie  und  die  Linie  zu  Angelroda,  1616—1875. 

a.  Die  Elgersburger  Hauptlinie,  1616—1788,  und  Stiftung  der  Linie  zu  Angel- 

roda, 1711 117 

b.  Angehroda 126 

c.  Die  Linie  zu  Angelroda  bis  zum  Verkauf  der  Elgersburg,  1711  —  1802  135 

d.  Die  Linie  zu  Angelroda,  1802—1875 149 

Karl  Ernst  Job  Wilhelm  von  Witzleben,  K.  Preuss.  Kriegsminister      ...      150 
Statut  für  das  von  Witzlebensche  Fräuleinstift  in  Ilmenau 207 

ni.  Abtheilnng. 

Die  Liebensteiner  Linie. 

I.  Abschnitt. 

Von  der  Gründung  der  Liebensteiner  Linie  bis  zur  Theilung  derselben  in 

die  Linien  auf  dem  Unter-  und  auf  dem  Oberhause  zu  Liebenstein, 

1434  bis  er.  1615. 

a.  Der  Kitter  Heinrich  d.  J.  von  Witzleben,  1408—1455 227 

b.  Liebenstein 232 


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—     \TII     — 

Seite 

c.  Heinrichs  von  Witzleben  Söhne  und  Enkel,  1453—1513 243 

d.  Georgs  Söhne,  deren  Gütertheilung  und  der  Ast  zu  Gräfinau,  1506—1614.         247 

e.  Friedrichs  Nachkommen  bis  zur  Theilung  des  Liebensteins,  1522  bis  er.  1615     256 

II.  Abschnitt. 

Die  Linie  auf  dem  Unterhause  zu  Liebenstein,  1615—1746. 

a.  Ernst  Friedrich  von  Witzleben  von  1615—1653 260 

b.  Georg  Melchior  von  Witzleben,  er.  1596—1672 261 

c.  Georg  Melchiors  Nachkommen,  1640—1746 283 

III.  Abschnitt. 

Die  Linie  zu  Oberellen  und  Gerstungen,   1598—1744. 

a.  Hans  Ernst  von  Witzleben,  1598—1660 296 

b.  Die  Nachkommen  Hans  Ernsts  von  Witzleben,  1630—1744 301 

IV.  Abschnitt. 

Die  Linie  auf  dem  Oberhause  zu  Liebenstein,  1615—1820. 

a.  Christian  Rudolf  und  Adam  Friedrich  von  Witzlebeu,  1615—1717  ....      305 

b.  Johann  Adam  d.  Ä.   von   Witzleben,   dessen   Kinder,   Enkel   und    Urenkel, 

1644-1810 307 

c.  Emil  von  Witzleben,  der  letzte  Liebensteiner,  1789—1820      '  .    .     311 

V.  Abschnitt. 

Die  Linie  zu  Hude  und  Elmeloh,  1645—1878. 

a.  Kurt  Veit  von  Witzleben  und  der  Erwerb  von  Hude  und  Elmeloh,  1645—1719      316 

b.  Adam  Levin  d.  Ä.  von  Witzlebeu,  1688  —  1745 323 

c.  Adam  Levin  d.  J.  von  Witzleben,    seine  Brüder  und  Agnes   Grafin   zu  Stol- 

berg, 1721  —  1792 328 

d.  Christoph  Ernst  von  Witzleben  und  seine  Nachkommen,  1751—1878  .    .     .  349 

e.  Rochus  Friedrich  Otto  von  Witzleben  und  seine  Nachkommen,    1758—1878  352 

f.  Christoph  Henning  von  Witzleben  und  seine  Söhne,  1759—1860      ....  354 

g.  Christoph  Burchard  Reiniger  von  Witzleben    und   seine  Tochter  Wilhelmine 

von  Plüskow.  1760-1872 355 

h.   Albrecht  Friedrich  Karl  von  Witzleben  und  seine  Nachkommen,  1763—1878     357 

IV.  Abtheilmig. 

Die  Molschlebener  Linie. 

a.  Von  1418—1698 361 

b.  Friedrich  Jobst  von  Witzleben,  1671  —  1736 368 

c.  Karl  Alexander  von  Witzleben,  1713— 1781 377 

d.  Karl  Alexanders  von  Witzleben  Nachkommen,  1738—1879 381 

V.  Abtheilnng. 

Die  Linie  zu  Marlishausen,  1434—1615 383 

Anlage  I. 

Christoph  von  Witzleben  und  Balthasar  von  Denstedt. 

Anlage  II. 

Familientag  und  Familien-Vertrag  des  Geschlechts  derer  von  Witzleben. 

Anlage  III. 
Zusätze  und  Berichtigungen. 


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-      IX      — 

stamm-  und  Ahnentafeln.  Tab. 
/^Stammtafel  der  Familie  von  Witzleben  von  1115  bis  zur  Theilung  in  die  Elgers- 
burger  (1437),    Liebensteiner  (1434),    Molschlebenor  (1437)    und  Wendel- 
steiner (1355)  Linie 1 

/bie  Elgersburger  Linie,  1437—1616 2 

/Haus  Elgersburg.     Die  Linie  zu  Neuroda 3 

^Haus  Elgersburg.    Die  Linie  zu  Böslcbcn 4 

^Nachkommen  des  Pfalzgrafen  Johann  Karl  zu  Birken feld-Gelnhauscn  und  seiner 

Gemahlin  Esther  Maria  von  Witzleben 4a 

/^Ahnentafel  für  Esther  Maria  von  Witzleben Beil.  zu  4 

/haus  Elgersburg.    Die  Linie  zu  Elgersburg-Grossliebringen 5 

/Haus  Elgersburg.    Die  Hauptlinie  zu  Elgersburg  und  die  Linie  zu  Angelroda   .  6 

/^aus  Elgersburg.    Linie  zu  Angelroda 7 

^Haus  Elgersburg.    Lhiie  zu  Angelroda 8 

/"  Ahnentafel  für  Job  von  Witzleben Beil.  zu  8 

/^Haus  Elgersburg.    Linie  zu  Angelroda 1) 

-^Haus  Elgersburg.    Linie  zu  Angelroda 10 

/Die  Liebensteiner  Linie,  1434-1615 11 

/Haus  Liebenstein.     Die  Linie  auf  dem  Unterhausc  zu  Liebenstein 12 

>  Haus  Liebenstein.    Die  Linie  zu  Oberellen  und  Gerstungen     .......  13 

/^2  Ahnen  für  Ernst  Christoph  von  Witzleben  auf  Oberellen  und  Gerstungen,    Beil.  zu- 13 

/Haus  Liebenstein.     Die  Linie  auf  dem  Oberhause  zu  Liebenstein 14 

yHaus  Licbenstoin.     Die  Linie  zu  Hude  und  Elmeloh 15 

^  ]Cy  Ahnen  für  Adam  Levin  d.  A.  von  Witzleben  auf  Hude  und  Elmeloh,      BciK  zu  15 

/Die  Molschlebener  Linie,  1418-1736 16 

/Die  Molschlebener  Linie.  1671-1879 .  17 

/^16  Ahn(*n  für  Karl  Alexander  von  Witzleben  auf  Frött^tedt  und  Tcutleben,  Beil.  zu  17 

yi)ie  Linie  zu  Marlishausen  .     .    • 18 


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^ie  ätU^e  i^tßi^te  Bt$  1340. 

I.  Abschnitt. 

Von  dem  Namen  und  Ursprung  derer 
von  Witzleben. 

Is  im  Jahre  450,  erzählt  Paul  Jovius  in  seinem  Chronicon  Schwarz- 
burgicum,  der  „greuliche  Wutherich  Attila,  der  Hunnen  König"  mit  seinem 
Heere  in  Deutschland  und  Thüringen  einfiel,  wurde  Alles,  was  sich  ihm 
widersetzte,  niedergemachi  Der  Kest  der  Thüringer,  um  am  Leben  zu 
bleiben,  ergab  sich  ihm  und  musste  den  Zug  gegen  die  Römer  und  Franken 
mitmachen,  und  nur  wenige  von  ihnen  mögen  die  Heimath  wiedeigesehen 
haben.  Attila,  dessen  Heer  nicht  nur  aus  Hunnen,  sondern  aucli  aus 
Thüringern,  Schwaben,  Hessen,  Markomannen,  Quaden  und  zum  grössten 
Theil  aus  (Jothen  bestand,  beschenkte  seine  Anfuhrer  mit  Ländereien  in 
Äiüringen,  upd  von  diesen  meist  gothiachen  Besitzern  erhielten  deren  Wohn- 
sitze und  die  darum  entstehenden  Ortschaften  die  Namen,  indem  zu  den  . 
Personennamen  die  Art  des  Besitzes,  wie  Haus,  Dor^  Weiler,  Hof  u.  s.  w. 
hinzugefügt  wurde. 

Eine  solche  HinzufSgung  bildete  auch  das  Wort  „leben",  oder  in  der 
alten  Form  leiba,  leve,  lava,  leif,  was  soviel  bedeutet  als  mansio,  Haus, 

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—     2     — 

den  Ort,  in  welchem  man  blieb  und  sich  niederliess,  wo  man  einen  festen 
Wohnsitz,  ein  dauerndes  Eigenthum  fand*),  so  dass  z.  B.  Albrechtsleiba 
bedeutet  Albrechtshaus,  Albrechtserbe,  Albrecht's  Besitzthum. 

Durch  Hinzufugung  des  Wortes  „leben"  zu  Personennamen  wie  Ato,  Azzo, 
Azilo,  Eto,  Etzilo  u.  dergl.,  ferner  Wito,  Wizo,  Witelin  und  Wizelin  ent- 
standen nun  Ortsnamen  wie  Alkersleben,  Etzleben  u.  dergl.  und  so  auch 
Wizeleslebe  **),  wie  er  bei  Schannat.  trad.  Md.  p.  290  vorkommt,  woraus 
dann  1140  Witzleibe  (bei  Wenk  2.  Urk.  501),  1179  Wiceleybin  (Schannat 
Vind.  lit  2,  14),  1268  Wizleibin  (Schöppach  1,  28),  und  schliesslich,  wie 
wir  jetzt  schreiben,  Witzleben  wurde. 

So  entstand  der  Namen  Witzleben  eines  l'/a  Meile  östlich  von  Arn- 
stadt gelegenen  Ortes. 

Es  ist  jetzt  allgemein  bekannt,  dass  die  Zunamen  erst  mit  und  nach 
dem  Jahre  1062  angefangen  haben,  während  vor  dieser  Zeit  nur  die  Vor- 
namen geschrieben  wurden. 

Diese  Zunamen  entstanden  nun  auf  verschiedene  Weise.  Entweder 
sie  waren  Appellati va,  Nennwörter,  die  sich  einzelne  Personen  zulegten, 
oder  die  ihnen  von  Andern  aus  besonderen  Veranlassungen,  etwa  zur  Unter- 
scheidung, zugelegt  wurden,  je  nach  ihren  persönlichen  Eigenschaften  und 
Eigenthümlichkeiten,  Beschäftigungen  und  Aemtem,  nach  ihrer  Tracht  und 
Kleidung,  ihren  Wappenbildern  u.  dergl.,  die  dann  meist  ohne  Präposition 
von  geführt  wurden,  oder  sie  wurden  von  einem  Orte  entlehnt,  waren  Orts- 
namen, und  wurden  dann  durch  die  Präposition  von  mit  dem  Rufiiamen 
in  Verbindung  gebracht. 

So  nannte  sich  denn  auch  irgend  ein  durch  besondere  Eigenschaften 
hervorragender  Besitzer  des  zu  Witzleben  begründeten  Edelhofes  nach  die- 
sem Ort,  oder  wurde  von  Andern  so  bezeichnet;  ob  es  ein  Nachkomme 
des  Wito  oder  Wizelin  war,  der  dem  Ort  den  Namen  gab,  ist  unwesentlich, 
zu  beweisen  ist  es  jedenfalls  nicht.  Die  urkundlichen  Nachrichten  nen- 
nen erst  1133  den  Geschlechtsnamen  von  Witzleben,  und  zwar  Adel- 
herus  und  Berbeto  von  Witzleben,  unter  lauter  Zeugen,  die  eben- 
falls Ortsnamen  fuhren,  nämlich  Graf  Ernst  von  Tonna,  Graf  Ludwig  zu 


*)  Nicht  aber  Laube,  Laubhütte  oder  gar  Wald,  wie  Tentzel,  11.  SuppL  zur  Hist. 
Gotli.  p.  336.  u.  Wilhehn  u.  Herold  in  ihren  Geschichten  der  Klosterschule  Rossleben, 
u.  a.  meinen. 

**)  Bei  Gudenus  cod.  Dipl.  1385  zählt  der  Erzbiscliof  von  Mainz  in  einer  Urkunde 
von  1084  unter  den  Gütern  von  Lorch  auch  ein  Wizelinesleva  auf. 


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—     3     — 

Lohra,  Ditmai*  von  Rossla,  Wittelo  von  Griessheim  und  sein  Bruder  'Sizzo 
von  Arnstedt,  Poppe  von  Stein  und  Ludwig  von  Wangenheim. 

Mit  dem  Wechsel  des  Grundbesitzes  und  der  Gründung  neuer  Wohn- 
sitze uud  Edelhöfe,  traten  nun  auch  oft  Aendeiningen  des  Geschlechtsnamens 
ein,  wie' unter  den  eben  Angeführten  an  Griessheim  und  Arnstedt  zu  sehen 
ist  und  sich  an  vielen  andern  Beispielen  beweisen  lässi 

Dm-ch  Annahme  des  Ortsnamens  Witzleben  als  Zunamen  entstand 
also  der  Geschlechtsnamen  von  Witzleben. 

Dass  dieser  verschieden*)  geschrieben  wurde,  hat  seinen  Grund  theils 
in  dem  Wechsel  der  Aussprache  und  Orthographie  in  den  verschiedenen 
Jahrhunderten,  theils  in  der  Verschiedenheit  des  Dialects  der  Urkunden- 
schreiber, und  darf  man  nichts  Besonderes,  nicht  etwa  Unterscheidungen 
zvrischen  zwei  Linien  etc.,  darunter  suchen.  Die  Behauptung  Sagittars 
aber  (in  den  Memorabil.  Eist.  Goth.),  und  nach  ihm  Mehrerer,  dass  unser 
Geschlecht  ehemals  auch  Wigeleben,  Wigleben  genannt  sei,  ist  ein  grober 
Irrthum.  Nach  dem  3  Stunden  nordwestlich  von  Gotha  und  V/%  Stunde 
von  Langensalza  gelegenen  Dorf  Wiegleben  nannte  sich  ein  von  dem 
unsrigen  ganz  verschiedenes  Geschlecht**). 


*)  Wize-,  Wizze-,  Wicze-,  Wizce-,  Wiccc-,  Witze-,  Wiz-,  Wicz-.  Witz-  leiba, 
leiben,  leyben,  leibin,  leybyn,  leuben,  leubin,  ja  sogar  loibin,  loubin. 
**)  Ebenso  nacb  Wegeleben  bei  Halberstadt  und  nach  Wanzleben. 


1* 

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II.  Abschnitt. 

Von  dem  Wappen  derer  von  Witzleben. 


if 


nser  Geschlecht  gehört  zu  dem  üradel  Thüringens ;  es  hat  sein  Wappen 
nach  eigener  Wahl  angenommen  und  erst  im  Jahre  1470  finden  wir  in 
dem  Wappenbrief  Kaisers  Friedrich  III.  eine  Beschreibung  desselben,  die  jedoch 
eigentlich  nur  Gültigkeit  für  die  Liebensteiner,  jetzt  Oldenburger  Linie,  hat. 
Wie  es  bei  allen  alten  Wappen  der  Fall  ist,  so  sind  auch  die  Darstel- 
lungen des  unsrigen  zu  verschiedenen  Zeiten  verschieden,  namentlich  in 
Bezug  auf  Farbe,  Zahl  der  Theilungen,  Federn  auf  dem  Helm  u.  s.  w. 
Es  giebt  kein  Wappen  mit  Balken-  oder  Sparrentheilungen*),  dessen  Dar- 
stellungen aus  den  verschiedenen  Zeitaltem  alle  eine  gleiche  Zahl  von 
Sectionen  aufweisen;  statt  2  Balken  sehen  wir  2yj,  3,  auch  4,  statt  3 
3  y«,  4,  5  u.  s.  w.  Von  den  Wappen  des  üradels  kann  man  daher  nur  in 
80  fern  sagen,  dies  oder  jenes  Wappen  ist  das  richtige,  als  der  con- 
stante  Usus  eine  bestimmte  Norm,  einen  bestimmten  Typus  für  ein  Wappen 
geschaffen  hat,  oder  dass  Familien-Uebereinkunft  hierzu  führt  (wie  dies  bei 
denen  von  GersdorÖ',  von  Bünau  und  andern  der  Fall  ist),  sonst  kann  nur 
die  Mehrzahl  guter  Darstellungen  im  Allgemeinen  eine  Norm  für  die 
Richtigkeit  eines  Jahrhunderte  lang  abgebildeten  Wappens  geben. 


*)  Michclsen  in  seiner  Scliriffc  über  die  Ebrenstücke  etc.,  Jena  1854,  weist  sehr 
gründlich,  besonders  bei  Thüringer  Wappen,  nach,  dass  die  Wappen  mit  Ehrenstücken, 
zu  denen  die  Sparrentheilung  gehört,  die  älteren  sind,  wogegen  die  mit  Figuren,  wie 
Thieren  u.  dergl.,  einer  späteren  Zeit  angehdren.  Er  hält  die  Ehrenstücke  für  Nach- 
ahmungen des  Hausgebälkes. 


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—     o     — 

Wir  werden  an  der  Beschreibung  und  Zeichnung  wirklich  vorhandener 
von  Witzleben'schen  Wappen  sehen,  wie  sich  das  heute  gebräuchliche  ge- 
bildet hat. 

Das  älteste  vorhandene  Witzleben'sche  Wappen  befindet  sich  auf  einem 
in  der  Elgersburg  eingemauerten  Stein  und  fuhrt  deutlich  die  Jahreszahl 
1088.     Wir  erkennen  darauf  den  Schild  mit  der  Sparrentheilung. 

Das  älteste  uns  bekannte  Siegel  ist  das  des  Ritters  Friedrich  von  Witz- 
leben, Herrn  zu  der  Elgersburg,  an  einer  im  Haupt- Staats -Archiv  zu 
Weimar  befindlichen  Urkunde  vom  20.  März  1323;*)  es  ist  aber  lädirt  und 
nicht  so  deutlich,  als  das  im  St. -Archiv  zu  Magdeburg  (s.  E.  Erfurt  A. 
XLIV.  No.  18)  befindliche  Siegel  desselben  Ritters  vom  25.  März  1332. 
Dies  gut  erhaltene  Siegel  in  gelbem  Wachs  ist  ein  Helmsiegel  und  zeigt 
auf  dem  geschlossenen  Tumierhelm  einen  einfachen  runden  Hut,  durch 
dessen  breite  Krampe  zwei  Zweige,  anscheinend  Palmenzweige,  gesteckt  sind. 


Dieser  Hut,  aus  dem  mit  der  Zeit  ein  Pürstenhut  entstanden  ist, 
findet  sich  auf  den  Helmen  vieler  Familien;  ja  beinah  genau  so,  wie 
Friedrich's  Siegel,  jedoch  ohne  Zweige,  haben  wir  alte  Siegel  der  Burg- 
grafen von  Leissnig  gesehen.  In  der  Heraldik  heisst  ein  solcher  Hut 
„Turnierhut".  Er  hatte  ursprünglich  den  doppelten  Zweck,  die  Gluth  der 
Sonne,  die  dem  mit  blankem  Helm  Bedeckten  unerträglich  sein  musste, 
zu  lindem  und  die  Wucht  der  den  Kopf  treffenden  Hiebe  zu  schwächen. 

*)  Im  Archiv  zu  Sondershausen  befindet  sich  dasselbe  Siegel,  vom  Jahre  1298, 
leider  aber  nur  noch  als  Fragment. 


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—     6     — 

Ein  ähnliches  Siegel,  wie  Friedrich,  führt«  am  8.  Mai  1351  Tizel 
von  Witzleben  (St.-Arch.  z.  Magdeb.  s.  B.  Tröchtelboni,  No.  1),  nur 
laufen  die  Zweige  nach  oben  spitz  aus. 


1409  ist  die  Krampe  des  Hutes  bereits  aufgeschlagen,  wie  wir  an 
dem  im  Haupt-Staats-Archiv  zu  Dresden  befindlichen  Siegel  Dietrich's  und 
dem  in  der  Königlichen  Kunstkammer  zu  Berlin  aufbewahrten  Petschaft 
der  Bertrat  von  Witzleben  sehen;  aus  den  Zweigen  sind  bereits  Schäfte, 
oben  mit  Büscheln,  geworden. 


Ein  schönes  und  gut  erhaltenes  Wappen  finden  wir  auf  dem  Todten- 
schilde,  welchen  der  lütter  Heinrich  von  Witzleben  zu  Ehren  seines  am 
2.  October  ,1412  gestorbenen  Sohnes  Friedrich  in  der  Witzlebenschen 
(Nicolai-)  Kapelle  der  Liebfrauen -Kirche  zu  Arnstadt  aufstellen  Hess.  Es 
ist  von  Holz  in  haut  relief  gearbeitet  und  mit  Farben  versehen.  Der 
rothe  Fürstenhut  mit  Hermelin -Verbrämung  ist  vollständig  erhalten,  um- 
sind leider  die  beiden  Schäfte  abgebrochen.  Die  Ueberreste  derselben  sind 
dreieckig  und  haben  eine  silbergraue  Färbung.  Der  Schild  hat  auf  der 
rechten  Seite  einen  Ausschnitt  für  die  Lanze. 


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7     — 


Auf  dem  gerade  nicht  sehr  gut  erhaltenen  Wappen  Kerstan  d.  J. 
von  Witzleben  vom  10.  August  1419  (St-Arch.  z.  Magdeb.  s.  R.  Ais- 
leben 6,  No.  23),  erkennen  wir  kaum  noch  den  Hut,  eher  eine  Mütze; 
ob  der  Schmuck  dai-auf  aber  noch  Zweige  sein  sollen,  überlassen  wir  dem 
Urtheil  des  Beschauers. 


//XÄ 


Bei  den  nun  folgenden  Siegeln  ist  der  Hut  verschwunden,  die  Mütze 
vollendet  und  aus  den  Zweigen  Schäfte  geworden,  oben  mit  Federn  besteckt, 


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—    8     — 

während  an  den  Seiten  Schellen  oder  Blätter  angebracht  sind.  An  dem 
Siegel  Heinrich's  von  Witzleben  von  1434  (in  Weimar)  lässt  es  sich  nicht 
genau  erkennen,  was  an  den  Seiten  der  Schäfte  befindlich  ist,  während 
wir  an  dem  schönen  Siegel  Georg's  von  Witzleben  vom  3.  Februar  1444 
(St.-Arch.  z.  Magdeb.  s.  R.  Tonndorf  No.  23)  deutlich  Blätter  unterscheiden. 


/vy^ 


Der  Helmschmuck  wurde  in  der  Schlacht  nicht  getragen,  sondern  nur 
im  Turnier,  bei  Pesten,  Aufzügen  u.  s.  w.  wo  es  galt,  Pracht  und  Glanz 
zu  entwickeln  und  mit  möglichst  grossem  Geräusch  in  die  Schranken  zu 
reiten,  um  während  des  Kämpfens  den  Zuschauern  einen  Ohrenschmaus  zu 
bereiten  oder  das  Ross  des  Gegners  scheu  zu  machen.  Daher  ist  der 
Helmschmuck  mit  metallenen  Blättern  nichts  Seltenes,  und  die  Seeblätter 
von  rothem  Golde  an  den  Schäften  Priedrich's  von  Witzleben*)  mögen  wohl 
laut  geklungen  haben,  als  er  am  Sonntag  nach  Maria  Empfängniss  1494 
zu  Mecheln  in  die  Schranken  ritt  und  wacker  mit  dem  Polen  Pan  Michel 
kämpfte.  Wohl  möglich,  dass  in  diesem  Turnier  das  Fräulein  Jacobe 
von  Balgeth  in  dem  prächtigen  Thüringer  Ritter  mit  dem  klingenden 
Helmschmuck  ihren  künftigen  Gemahl  zuerst  erblickte  und  lieben  lernte. 

In  dem  am  23.  Mai  1470  vom  Kaiser  Friedrich  an  Claus  und  Conrad 
von  Witzleben  verliehenen  Wappenbrief**),  wird  der  Helmschmuck  folgender- 
massen  beschrieben:  „auf  einem  weissen  überstülpen  hutte  Zwo  aufgerichte 
Riessenstangen,  an  der  Stirne  derselben  Stangen  voll  Seebletter  nach  der 
lenge  ob  vndt  oben  mit  rothen  vndt  weissen  Frantzen,"  und  ganz  so  finden 


*)  Er  befand  sicli  im  Gefolge  des  Kurfürsten  Friedrich  d.  W. 
**)  Leider    haben    wir   das  Original  des  Wappenbriefes  bis  jetzt  nicbt  ausfindig 
machen  können;  nur  eine  alte  vom  Moder  stark  angegriffene,  undeutlich  geschriebene 
Abschrift  befindet  sich  im  Archiv  zu  Kossieben. 


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wir  aus  der  älteren  Zeit  noch  ein  Wappen  Pritschens  von  Witzleben,  dessen 
sich  1514  Bastian  von  Witzleben  bedient  (St-Arch.  z.  Magdeb.  s.  R. 
Gleichen  No.  26), 


und  das  auf  dem  Grabsteine  Georg's  von  Witzleben  vom  Jahre  1526,  der 
nebst  drei  andern  Leichensteinen  an  der  nördlichen  Längswand  der  schönen 
Kirchenruine  in  Paulinzelle  vor  einigen  Jahren  auf  Veranlassung  des  Fürsten 
von  Schwarzburg  aufgerichtet  und  so  der  gänzlichen  Zerstörung  durch  Be- 
treten entrissen  ist.  Die  auf  Letzterem  noch  sichtbaren  Schäfte  mit  Franzen 
gleichen  jedoch  mehr  Lilienstäben. 

Von  anderen  Darstellungen  der  Helmzier  kann  hier  fuglich  abgesehen 
werden,  da  sie,  wie  wir  sie  an  kleinen  Holzwappen  im  Dom  zu  Magdeburg, 
Merseburg,  Erfurt,  in  den  Kirchen  zu  Kassel,  Rackith,  Werben  etc.,  ja 
selbst  noch  an  Steinwappen  zu  Wendelstein,  Elgersburg,  Rossleben  etc. 
finden,  alle  einer  neueren  Zeit  angehören,  und  uns,  wollten  wir  alle 
uns  bekannten  Varianten*)  besprechen,  die  Sache  zu  weit  fuhren 
würde,  nur  Siebmacher's  wollen  wir  noch  erwähnen,  da  er  in  der  Heraldik 
als  Autorität  gilt.  Er  sagt  in  seinem  „Newen  Wapenbuch,  Norimberg  1605," 
Tab.  165:  „AufiF  dem  Helm  ein  ro:  Hut  mit  eim  weissen  stülp,  die  zween 
Schafft  schwartz,  die  blettlin  daran  rot,  die  federn  rot  vnd  weiss,  die 
Helmdeck  auch  rot  vnd  weiss,"  und  dazu  zeichnet  er  an  jeder  Seite  jedes 
Schaftes  vier  Blätter  und  auf  den  Schäfl;en  fünf  Straussenfedeni.  Die 
Straussenfedem    sind   wohl    nach    und   nach  aus  den  Franzen  entstanden, 

*)  Zeichnungen  oder  Blasionirungen  unseres  Wappens  sind  in  folgenden  Werken 
enthalten :  Siebmacher,  Newes  Wapenbuch,  Norimb.  I G05.  Tab.  165.  —  Peccenst.  Theatr. 
Sax.  p.  302.  —  Gleichenst.  geneal.  Tab.  -  ßudolphi  Goth.  Dipl.  II.  328  u.  329.  — 
J.  A,  Rudolph  Herald,  cur.  152.  —  Schannat,  Fuld.  Lehnh.  181.  —  Hattstein,  Reiclis- 
adel  I.  667  —  Salver,  Proben  d.  h.  teutsch.  Reichsad  96.  —  König,  Ad.  Hist.  I. 
1045  (falsch  gezeichnet,  richtiger  beschrieben).  —  Zedier  Bd.  57.  2006.  —  Estor, 
Ahnenprobe,  388.  —  Tyroff  I.  140.  —  Lex.  over  adel.  Farn,  in  Danmark  II.  XLUI.  81.  — 
Knetschke  IIL  457.  —  Bernd,  allg.  Wappenwissensch.  Tab.  III.  3  u.  p.  103.  —  Goth. 
geneal.  Taschenb.  der  freih.  Häuser  1856.  770.  —  lUustrirte  deutsche  Adelsrolle  d. 
17.  Jahrh.  40.,  —  Albini  Wertbem  72.  u.  viele  andere. 


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und  wenn  auch  Jobst  von  Witzleben  noch  am  29.  Octbr.  1554  (St.-Arch. 
z.  Magdeb.  s.  R.  Nachtrag  I.  Erfiirt.  II.)  fünf  Federn  führt,  die  eher 
wie  Hahnen-  als  Straussenfedem  aussehen, 


so  finden  wir  nach  dieser  Zeit  auf  allen  Wappen  Straussenfedem.  In  einem 
alten  Stammbuche  des  Caspar  von  Hanstein  (im  Besitz  des  Pastors  llagotzky 
zu  Triglitz  in  der  Prignitz)  sind  mehrere  Witzleben'sche  Wappen  gemalt, 
z.  B.  Heinrich's  von  Witzleben,  1577,  mit  einem  rothen,  mit  Hermelin 
aufgeschlagenen  Hut,  vier  rothen  Blättern  an  jeder  Seite  der  beiden  Schäfte, 
die  oben  mit  drei  Straussenfedem  (roth,  weiss,  roth)  geziert  sind,  und 
Hans  Heinrich's  von  Witzleben,  XVH.  Cal.  Januarij  Ao.  1654,  mit  fünf 
Straussenfedem  (roth  und  weiss).  Nach  dem  Goth.  geneal.  Taschenbuch 
der  freiherrl.  Häuser,  1856,  p.  770  fuhren  einige  der  jetzt  lebenden  Herren 
Vettern  der  Wartenburger  Linie  die  Schäfte  ohne  Blätter;  dies 
möchte,  wenn  es  von  sämmtlichen  Gliedern  jener  Linie  gethan  würde, 
als  Unterscheidungszeichen  nicht  zu  verwerfen  sein,  wählend  sonst  kein 
Grund  vorhanden  ist,  von  dem  althergebrachten  Wappen  abzuweichen. 
Die  Besitzer  von  Wartenburg,  Eackith  und  Werben  haben  immer  die 
Blätter  an  den  Schäften  gefuhrt,  wie  das  Siegel  Raban  Heinrich's  von  Witz- 
leben und  das  Wappen  Hans  Friedrich's   in  der  Kirche  zu  Werben  zeigt. 


Wie  oben  schon  vom  Hut  bemerkt  wurde,  so  ist  auch  der  eigentliche 
Helmschmuck  der  von  Witzleben  nichts  allein  Dastehendes;  mehr  oder 
weniger  ähnlich  zeigen  ihn  die  Wappen  der  Plassenberg  in  Pranken,  der 
Ebeleben  und  Dhunstedt  in  Thüringen,  der  Schencken  von  StaufiFenberg  in 
Schwaben,  der  Brömser  von  Rüdesheim  am  Rhein  und  Anderer. 


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—   11   — 

Ausser  dem  beschriebenen  Helmschmuck  führten  schon  im  14.  Jahr- 
hundert einige  Glieder  unserer  Familie  einen  von  ihm  vollständig  ver- 
schiedenen. Wir  sehen  nämlich  auf  dem  ältesten  uns  bekannten  Siegel  dieser 
Art,  dem  des  Ritters  Christian  von  Witzleben  (des  Hofrichters)  vom  13.  Juli ' 
1365  (Hpt-St-Arch.  z.  Dresden,  ürk.  No.  3807)  den  Stechhelm  nach  oben  in 
einen  Vogelkopf  mit  langen  Ohren  ausgehen,  wir  haben  es  also  mit  einem 
fabelhaften  Gebilde  zu  thun,  wie  solche  (wir  erinnern  nur  an  die  Kopfbe- 
deckung der  alten  Deutschen)  auf  den  Helm  gesetzt  wurden,  um  ein  furcht- 
bares, den  Feind  schreckendes  Ansehen  zu  erhalten*). 


Zum  zweiten  Male  begegnen  wir  dem  Vogelkopf  auf  dem  herrlichen 
Grabmonumente  Dietrich's  von  Witzleben,  den  man  nannte  von  Gummer- 
stedt**),  in  der  Liebfrauenkirche  zu  Arnstadt  vom  Jahre  1376. 

Ob  nun  diese  Helmzier  des  Witzleben'schen  Wappens  älter  als  jene 
mit  den  Zweigen  und  dem  Hute  sei,  ist  noch  unentschieden,  denn  so  einfach 
die  letztere  auch  ist,  so  hat  doch  auch  die  mit  dem  Vogelkopf  viel  von 
ürsprunglichkeit  für  sich. 

In  dem  schon  angefahi-ten  Wappenbriefe  von  1470  wird  dieser  Kopf 
ein  Geierkopf  genannt,  es  heisst  nämlich:  „vndt  auf  dem  Schilde  einen 
gekrönten  Tumierhelm  mit  einer  gelben  oder  goldfarbenen  Krohne  vndt 
einer  Roth  vndt  weissen  Helmdecken  gezieret,  entspringende  aus  derselben 


*J  Kaiser  Günther  von  Schwarzburg  führte  auf  dem  Helm  einen  gekrönten  Löwen- 
kopf mit  einem  Pfauenwedel,  wie  man  auf  dem  Epitaphium  im  Dom  zu  Frankfurt  a.  M., 
wo  er  1349  starb,  sehen  kann. 

**)  Wohl  das  heutige  Gammstädt. 


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—     12     — 

Krohne  ein  Geyer,  dessen  Federn  seiner  Natürlichen  Farbe  mit  seinem 
fördertiieil  biss  an  die  brüst,  gelben  schnabell,  äugen  vndt  Ohren  habende, 
vmb  seinen  halss  einen  gelben  ringk."  Nun  erhalten  Claus  und  Conrad 
von  Witzleben  und  ihre  ehelichen  Leibes-Erben  „zu  gebesserter  Zierung 
auf  dem  Helme,  aus  der  Krohne  vndt  vmb  den  Geyer  aufgerecket  fönf 
Rennefehnlein  mit  rothen  stangen  vndt  getheilten  Fahnen,  das  förder  Roth 
vndt  das  hinter  an  der  Rothen  stangen  weiss."  Es  haben  also  die  Herren 
Vettern  in  Oldenburg  eine  Norm  för  ihren  Helmschmuck  und,  wir  werden 
sehen,  auch  für  den  Schild,  es  ist  demnach  falsch,  wenn  einige  derselben 
einen  gekrönten  Geierkopf  fuhren,  ja  es  möchten  doch  auch  die  langen 
Ohren  den  Platz  fiir  die  Krone  sehr  beeinträchtigen. 

Im  Lauf  der  Zeiten  ist  es  nach  und  nach  bei  den  Mitgliedern 
dieser  Linie  Gebrauch  geworden,  ausser  dem  eben  beschriebenen  Helm 
noch  einen  zweiten  mit  der  andern  Witzleben'schen  Helmzier  zu  fuhren. 
Im  Wappenbrief  steht  Nichts  von  diesem  zweiten  Helm,  doch  mag  auch 
der  Gebrauch  in  vier  Jahrhunderten  die  Norm  bilden. 

Auf  dem  Grabmal  des  letzten  Witzleben  der  Liebensteiner  Linie, 
t  1820,  ist  nur  ein  Helm,  und  zwar  der  mit  dem  Geierkopf  gezierte. 
Letzterer  ist  gekrönt  und  hat  einen  Ring  im  Schnabel.  Die  fünf  Fähnlein 
sind  natürlich  auch  vorhanden. 

Die  Famlie  hat  also,  wie  wir  gesehen  haben,  zwei  verschiedene  Helm- 
zierden. 

1 )  den  Fürstenhut  mit  den  Schäften,  welchen  sämmtliche  Linien  fuhren, 

2)  die  Krone  mit  dem  G^ierkopfJ  welchen  die  Liebensteiner  Linie  bei- 
behalten hat,  während  sie  den  Hut  mit  den  Schäften  noch  annahm. 

Der  Fürstenhut  ist  wohl  nicht  einer  besonderen  kaiserlichen  Gunst- 
verleihung zu  danken,  vielmehr  allmählig  aus  dem  Tumierhut  entstanden, 
und  bildet  mit  den  Schäften  seit  Anfang  des  15.  Jahrhunderts  den 
Witzleben'schen  Helmschmuck,  jedoch  selbstverständlich  ohne  Reichsapfel, 
welchen  sich  die  Fürsten  selbst  erst  nach  dem  Verfall  des  deutschen 
Reiches  beilegten. 

Die  Familien-Tradition,  dass  der  Fürstenhut  von  Christian  von  Witz- 
leben, dem  Bischof  zu  Naumburg,  (welcher  als  solcher  gar  nicht  berechtigt 
war,  denselben  zu  fuhren,  und  wenn  dies  auch  der  Fall  gewesen  wäre, 
ihn  selbstverständlich  nicht  vererben  konnte)  stamme,  ist  eben  so  falsch, 
als  dass  die  Familie  diese  Helmzier  der  Esther  Maria  von  Witzleben,  welche 
1696  dem  Pfalzgrafen  Johann  Carl  zu  Birkenfeld  vermählt  ward,  verdankt. 


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—     13     — 


Wir  kommen  nun  zum  Schild  unseres  Wappens. 

Diesen  finden  wir  zuerst,  aber  nur  theilweise,  an  dem  auf  der  Elgers- 
burg  befindlichen  Stein  aus  dem  Jahre  1088,  wo  jedoch  nur  noch  der 
oberate  Sparren  sichtbar  ist,  dann  am  16.  Septbr.  1350,  und  zwar  als  Schild- 
siegel Hermann's  von  Witzleben  (im  St-Arch.  z.  Magdeb.  s.  ß.  Stift  Halber- 


Stadt  No.  IV.  6).  Leider  ist  es  nicht  gut  erhalten,  doch  lassen  sich  deut- 
lich zwei  Sparren  (eigentlich  2*/«)  erkennen,  die  durch  breite  und  tiefe 
Einschnitte  gebildet  sind. 

Zwei  volle  gestürzte  Spaaren  sehen  wir  in  dem  Scbildsiegel  des 
Ritters  Friedrich  von  Witzleben  vom  8-  Mai  1351  (St-Arch.  z.  Magdeb. 
s.  R.  Tröchtelbom  No.  1). 


Femer  Dietriches  vom  20.  Januar  1380  (St-Arch.  z.  Magdeb.  s.  "R. 
Mansfeld,  Nachti-ag  IT.  No.  3)  und  Albrecht's  von  1381.  Mittwoch  nach 
Reminiscere  (St-Arch.  z.  Magdeb.  s.  B.  Erfurt  A.  Tit  XVII.  No.  55). 


yfj^l 


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—     14     — 

Dann  aber,  bis  zum  vorigen  Jahrhundert,  ist  der  Schild  nur  drei  Mal 
gespant,  wie  wir  schon  am  10.  August  1419  an  dem  schön  ausgeprägten 
Siegel  Kerstan's  von  Witzleben  sehen  (St.-Arch.  z.  Magdeb.  s.  R.  Als- 
leben,  6.  No.  23). 


Denselben  Schild  führte  auch  der  Naumburger  Bischof  Christian  von  Witz- 
leben. Er  bediente  sich  dreier  Siegel,  von  denen  das  eine  die  Schutzheiligen 
des  Naumburger  Domstiftes,  Peter  und  Paul,  und  darunter  den  Witzleben- 
schen  Wappenschild,  das  andere,  das  leider  nur  noch  zum  Theil  erhalten 
ist,  den  einen  Heiligen  zeigt  und  ein  Stück  von  einem  Schlüssel,  der,  mit 
einem  Schwert  gekreuzt,  das  Naumburger  Bisthumswappen  bildete  (ob  hier 
das  Witzleben'sche  Wappen  noch  angebracht  war,  lässt  sich  nicht  erkennen). 
Beide  Siegel,  von  1383  St.  Valentin!  und  1387  St.  Lucientag  befinden 
sich  im  Archiv  des  Domcapitels  zu  Naumburg. 


Das  dritte  grosse  Bischofssiegel  ist  sehr  schön;  der  darin  d^gestellte 
Bischof,   jedenfalls  Portrait  Christian's,    zeigt  einen  wohlbeleibten  Herrn, 


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—     15     — 

dessen  rechte  Hand  auf  dem  Witzleben'schen  Wappenschild  ruht,  welcher 
das  daneben  stehende  Bisthumswappen  berührt.  Das  hier  abgebildete 
Wappen  ist  vom  19.  Mai  1384,  an  der  Urkunde  No.  4448  des  Hpt-St- 
Arch.  z.  Dresden,  findet  sich  aber  auch  ebenso  von  1391  und  1392  etc. 
im  Domcapitel  zu  Naumburg. 


Nach  dem  mehrerwähnten  Wappenbriefe  von  1470  fuhren  die  von  Witz- 
leben „ein  schildt  ausgetheilet  in  Vier  sparren  ob  einander  stehendt  mit  Ihren 
Scherfen  unter  sich  gekehrt,  vorwechselt  in  rodt  vndt  weisse  Farben,,  die 
untere  Roth  vnd  obere  weiss." 


Es  ist  also  für  die  Liebensteiner  Linie  der  drei  Mal  im  gestürzten 
Sparren  roth  und  weiss  getheUte  Schild  das  richtige  Wappen. 

Die  anderen  Linien  unseres  Geschlechts  haben  seit  dem  vorigen  Jahr- 
hundert meist  den  Schild  mit  zwei  Sparren  (viermalige  Theilung),  obgleich 
auch  die  dreimalige  Theilung  häufig  vorkommt 


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—     IG     — 

Es  muss  hier  noch  des  Wappens  der  alten  ausgestorbenen  Thüringer 
Familie  von  Hettstedt  Erwähnung  geschehen.  Der  Schild  ist  gespalten 
und  zeigt  vom  einen  Querbalken,  hinten  zwei  gestürzte  Sparren.  Die  von 
Hettstedt  standen  also  wahrscheinlich  in  verwandtschaftlicher  Beziehung 
zu  denen  von  Witzleben*). 

Es  würde  wohl  sehr  gewagt  sein,  in  unserm  Wappen  ein  redendes 
erblicken  zu  wollen,  und  die  Annahme,  dass  die  Sparren  an  die 
leiba,  Wohnstätte,  erinnern  sollen,  möchte  doch  wohl  das  Erzeugniss 
einer  zu  weit  gehenden  Phantasie  sein.  Dennoch  aber  finden  wir  eine 
Deutung  unseres  Wappens,  die  allerdings  keinen  heraldischen  Werth  hat, 
aber  als  Curiosum  hier  einen  Platz  finden  möge.  M.  Mich.  Christian 
Ludwig,  F.  Sachs.  Hofprediger  etc.  sagt  p.  47  seiner  Leichenpredigt  auf 
Christine  Magdalene  von  Pflug,  geb.  von  Witzleben  (a.  d.  H.  Liebenstein), 
am  IP.  Januar  1698:  „Das  adeliche  Wapen  dieses  alten  (von  Witz- 
leben'sehen)  Geschlechts  fahret  umgestürzte  Sparren  in  sich;  was  dieses 
vor  eine  Bedeutung  in  der  edeln  Herolds-  und  Wapenkunst  habe,  mag  in 
dem  vortrefflichen  Opere  Heraldico,  welches  theoria  insignium  von  seinem 
gelehrtesten  Authore  benennet  wird  (P.  I.  m.  L  p.  169)  nachgesehen  wer- 
den, da  er  solche  Sparren  inter  figuras  arti  proprias  et  honorabiles,  unter 
die  eigentlichen  und  vortrefflichen  Kunstzeichen  rechnet.  Ich  will  aber 
nicht  ohne  Wahrscheinlichkeit  muthmassen,  dass  solche  die  der  gemeinen  und 
falschen  Weltmeinung  entgegengesetzte  und  also  verkehrt  scheinende  Er- 
kenntniss  vom  Leben  der  rechtschaffenen  witzigen  und  göttlich  geadelten 
von  Witzleben  andeuten.  Dasjenige  Haus  und  Lebenswohnung,  so  seine 
Sparren  gegen  den  Himmel  aufrichtet,  stehet  nur  auf  Erden;  so  muss  auch 
die  Wohnung,  welche  ihr  Dach  gegen  die  Erde  richtet,  gewiss  im  Himmel 
ihren  Grund  und  das  rechte  Leben  haben." 

Die  Farben  der  Helmzierden  sind  schon  oben  nach  dem  Wappenbrief, 
Siebmacher  und  einigen  gemalten  Wappen  angegeben;  auch  die  des  Schil- 
des finden  wir  in  denselben.  Siebmacher  folgt  ganz  dem  Wappenbrief, 
wenn  er  sagt:  „ein  rot  vnd  weiss  gesparter  Schild,  die  ober  spitz  weiss," 

♦)  Das  erloschene  Geschlecht  von  Angelrode  soll  nach  Rein,  Ichtershansen  p.  95, 
eines  Stammes  mit  unserer  Familie  gewesen  sein;  Konig  in  Budolstadt,  im  Anfang 
zu  seinen  Regesten,  behauptet  jedoch,  dass  die  Wappen  beider  Familien  ganz  ver- 
schieden seien.  Dagegen  ähnelt  das  Wappen  der  von  Nimitz  in  Schlesien  dem  unsrigen, 
nur  dass  statt  unseres  Helmschmucks  dort  zwei  Buffelhorner  sind.  Jedoch  kann  hier 
von  Stammyerwandtschaft  nicht  die  Rede  sein,  da  die  Nimitz  wendischen  Ursprunges  sind. 


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—     17     — 

und  dazu  zeichnet  er  ihn  drei  Mal  gesparri  So  gemalt  sehen  wir  den 
Schild  auf  der  linken  Brust  einer  im  Waflfensaal  der  Wartburg  aufbe- 
wahrten ziemlich  grossen  und  besonders  breitschultrigen  Rüstung,  welche 
einem  Heinrich  von  Witzleben  gehört  haben  soll;  auch  alle  Werke,  die  das 
Wappen  beschreiben  und  viele  gemalte  Wappen,  z.B.  das  Friedrich's  1412, 
Heinrich's  1577,  Jorge  Friedrich's  1608,  Hans  Heinrich*s  1654  u.  s.  w.  geben 
die  roth  und  weissen  (silbernen)  Farben.  Auch  diese  haben  ihre  Erklärung 
gefunden,  und  zwar  auf  dem  Grabstein  des  am  3.  Februar  1674  gestor- 
benen Philipp  Heinrich  von  Witzleben  in  der  Kirche  zu  Rackith:  „ 

welcher  den  weiss  und  rothen  Glanz  seines  preiswürdigen  Wappens  mit 
gleichgefärbter  Tugend  vermischet.  Allermassen  er  der  rothen  Farbe  die  blut- 
vermengte Tapferkeit,  der  weissen  aber  die  deutsche  Redlichkeit  zur  Seite 

gesetzet. Nun   hat   er   dort    den  Ruhm   und  diamanten  Himmel, 

unter  der  weissen  Unschuld  und  blutigem  Verdienst  seines  Heilands  und 
Seligmachers,  der  weiss  und  rothen  Farbe  sich  ewig  zu  erfreuen." 

Von  alten  Devisen  sind  uns  bis  jetzt  nur  die  Dietriches  von  Witzleben, 
die  er  1492  auf  eine  von  ihm  geprägte  Münze*)  setzen  liess,  bekannt: 
Spei  vis  in  lubrico  (die  Hoffnung  macht  im  Unglück  stark,  —  obgleich 
der  Sinn  ein  ganz  anderer  sein  kann)  und  Tempora  leto  tristia  risu  tem- 
pern (trübe  Zeit  lindere  durch  fröhliches  Lachen). 


im. 

Heinrich  von  Witzleben  führte  in  dem  im  Jahre  1827  zu  Ehren  des 
Kaisers  und  der  Kaiserin  von  Russland  im  Neuen  Palais  bei  Potsdam 
gerittenen  Turnier:  „Die  weisse  Rose"  auf  seinem  Schilde  die  Devise: 
Semper  idem   (Stets  derselbe)   und  einige  Vettern  der  Elgersburger  Linie 

*)  Gezeichnet  in  Joseph  AppeFs  MQnzen  und  Medaillen  etc.  Repert.  zur  Münz- 
kunde etc.  rV.  Bd.  2.  Abth.  p.  1205  und  zwar  derBevers:  Zwischen  einer  offenen  und 
einer  halbgeschlossenen  Kose  stehet  eine  ganz  unbekleidete  Weibsperson,  in  der  linken 
Hapd  eine  Harfe,  mit  der  rechten  an  einer  Schnur  einen  Windhund  haltend,  neben 
ihren  Füssen  steht  noch  ein  zweiter  Hund.  —  Münz.  G.  (rosse)  18.  W.  (iegt)  '/le  Lth. 
6  Gr.  hat  alle  Buchstaben  schön  und  rar. 

2 


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—     18     — 

fthien  gegenwärtig  den  Wahlspruch:  Mente  et  virtute  fortiter  (Stark  an 
Geist  und  Muth)  ohne  dass  uns  der  alte  Ursprung  dieser  Devise  bekannt  wäre. 

Bilden  wir  uns  nun  nach  dem  oben  Gesagten  und  den  bekannten 
besseren  Darstellungen  unseres  Wappens  eine  Norm  fiir  dasselbe,  so  ist  es 
diese:  Der  Schild  ist  im  gestürzten  Sparren  drei  Mal  roth  und  weiss  (sil- 
bern) getheilt*);  auf  dem  Helm  ein  runder  roth  er  Hut  mit  aufgeschla- 
gener Hermelin- verbrämter  Krampe,  aus  der  zwei  schräg  nach  aussen  stehende 
schwarze  Schäfte  hervorragen,  die  zu  beiden  Seiten  mit  je  vier  rothen 
See -Blättern  und  oben  mit  fanf  abwechselnd  rothen  und  weissen  (sil- 
bernen) Straussenfedem  geziert  sind. 

Die  Liebensteiner  (Oldenburger)  Linie  fahrt  ausserdem  einen  zweiten 
(linken)  gekrönten  Helm,  aus  dem  in  natürlicher  Farbe  der  Hals  und 
Kopf  eines  rechtsgekehrten  Geiers  mit  goldenem  Halsband,  goldenem 
Schnabel,  Augen  und  langen  Ohren  hervoi-wächst  zwischen  rechts  zwei, 
links  drei  nach  auswärts  flatternden,  weiss  (an  der  Stange)  und  roth 
senkrecht  getheilten  Fähnlein  an  rothen  Stangen. 

Die  Helmdecken  sind  ffir  aHe  Linien  weiss  (silbern)  und  roth. 

Schliesslich  sei  noch  bemerkt,  dass  die  älteren  Siegel  meist  die  Initialen 
des  Namens  z.  B.  C.  v.  W.,  oder  als  Umschrift  den  vollen  Namen  z.  B. 
Christian  von  Witzleben,  enthalten,  ein  sehr  zu  empfehlender  Gebrauch, 
dem  wir  bei  unseren  Forschungen  manche  Aufklärung  verdanken,  die  das 
Witzleben'sche  Wappen  allein  nicht  gegeben  hätte. 


*)  Zwei  Sparren   haben   durch  langen  Gebrauch  auch  ihre  Berechtigung,   nach 
dem  Wappenbrief  aber  nicht. 


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III.  Abschnitt. 

Ueber  die  älteste  Geschichte  derer 
von  Witzleben,  bis  um  das  Jahr  1340. 


E 


üS  existiren  viele  gedruckte  und  ungedruckte  Stammtafeln  unseres 
Geschlechts;  die  eine  ununterbrochene  Stammreihe  bis  in  die  fernsten  Zeiten 
zurückfahren;  bei  nur  einigermassen  aufinerksamem  Lesen  bemerken  wir 
aber  sofort  die  gröbsten  Irrthümer,  namentlich  in  Bezug  auf  die  Filiation 
(d.  h.  die  Folge  von  Vater  auf  Sohn). 

Am  weitesten  zurück  geht  die  grosse,  in  Angelrode  aufbewahrte  alte 
Stammtafel,  die  mit  Eric  von  Witzleben,  der  von  933  bis  980  florirt 
haben  soll,  beginnt  und  als  Quelle  für  ihre  Angaben  Peccenstein's  Theatrum 
Saxonicum  anfuhrt  Abgesehen  davon,  dass  zu  jener  Zeit  gai-  keine  Zu- 
namen bestanden,  so  steht  auch  im  ganzen  Peccenstein  kein  Wort  von 
diesem  Eric.  Sein  Sohn  soll  Adelger  sen.  gewesen  sein,  von  dem  be- 
hauptet wird,  dass  er  am  17.  Juli  1057  Zeuge  bei  der  durch  Erzbischof 
Hanno  n.  von  Cöln  bestätigten  Fundation  der  Abtei  auf  dem  Petersberge 
zu  Saalfeld  gewesen  und  ungefähr  1060  gestorben  sei.  Sein  gleichnamiger 
Sohn  wäre  auch  bei  der  erwähnten  Gründung  gewesen,  habe,  was  aller- 
dings leicht  möglich  ist,  auf  der  Elgersburg  gewohnt  und  sei  1090  gestorben. 
Ausser  der  ünwahrscheinlichkeit,  dass  von  933  bis  1090,  also  in 
157  Jahren,  nur  drei  Generationen  existirt  hätten,  waltet  aber  in  jenen 
Angaben  noch  ein  grosser  Irrthum  ob.  Das  CoUegiatstift  auf  dem  Peters- 
berge bei  Saalfeld  war  bereits  um  das  Jahr  810  von  Karl  d.  Gr.  gestiftet, 
bestand  aber  nur  bis  1071.  In  diesem  Jahre  stiess  der  Erzbischof  Hanno 
von  Cöln  die  Chorherren  ihrer  Liederlichkeit  wegen  aus  und  gründete  ein 
Benedictiner- Ordens-Kloster.     Die  Dotation  erfolgte  aber  erst  1074.     In 

dem  betreffenden  Diplom:  Fundatio  et  Donatio  Monasterii  Salfeld  Ord.  s. 

2* 


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—    20    — 

Benedict!  (bei  Schamel.  Salfeld.  §.  4.)  steht  Nichts  von  einem  Adelger, 
viel  weniger  von  einem  Witzleben,  da  gar  keine  Zunamen  vorkommen. 

Biedermann,  der  noch  am  genauesten  gearbeitet  hat,  leitet  (in  seinem 
Geschlechtsregister  der  Reichsfrei  unmittelbai*en  Ritterschaft  Landes  zu 
Franken  löblichen  Orts  Rhön  und  Werra,  Tab.  CCCLIII.)  unser  Geschlecht 
von  Alhard  von  Witzleben,  1165,  ab,  nennt  dessen  Sohn  Fritz,  der 
um  1186  die  Burg  Witzlebeu  baute,  giebt  aber  keine  Quellen  an  und  be- 
geht auch  mancherlei  Irrthümer. 

Eins  der  jämmerlichsten  Machwerke  sind  aber  des  edlen  Herrn  von 
Gleichenstein  genealogische  Tabellen  (im  Anhang  zu  Rudolphi  Gotha  Diplo- 
matica),  denen  der  Königlich  Poln.  u.  Kurfustl.  Sachs.  Accis-Inspector 
Valentin  König  in  seiner  Adelshistorie  folgt. 

Von  den  unzähligen  darin  vorhandenen  Fehlern  und  üngenauigkeiten 
erwähnen  wir  nur,  dass  er  von  zwei  Brüdern,  die  er  die  Söhne  Heinrichs 
von  Witzleben  nennt,  den  einen,  Ernst,  1241,  den  andern,  Hermann,  1328 
leben  lässt;  von  zwei  andern  Bi-üdem,  Heinrich  und  Iring,  lebt  der  erstere 
1434,  der  letztere  1357,  dieses  Irings  Söhne  aber  1488.  Es  sind  dies 
nicht  etwa  Druckfehler,  sondern  die  ganzen  Zusammenstellungen  sind  falsch, 
indem  er  gleichnamige  Personen  verwechselt. 

Die  angeführten  Beispiele  mögen  genügen,  um  die  Zuverlässigkeit 
dieser  Stammtafeln  darzuthun. 

Als  der  Erste  unseres  Geschlechts  wird  nach  Peccenst  Theatr.  Sax. 
p.  302  in  den  Sächsischen  und  Thüringischen  Chroniken  Fritz  von  Witz- 
leben angeführt,  welcher  als  Ritter  und  Edler  des  Grafen  Ludwig  von 
Thüringen  mit  dem  Bart  in  der  Schlacht,  so  Kaiser  Heinrich  V.  mit  den 
Sachsen  1113  beim  Welpheshoke  zwischen  Hettstedt  und  Sandersleben 
geschlagen,  nebst  dem  Grafen  Hoyer  von  Mansfeld  und  anderen  geblieben 
sei.  Peccenstein  (und  nach  ihm  Goth.  Dipl.  H.  p.  330)  irrt  aber  bedeutend. 
Ludwig  der  Bärtige  ward  Graf  von  Thüringen  1039 ;  erst  sein  Enkel  Ludwig  III. 
(derSohn  des  am  7.Maill23  alsMönch  im  Kloster  Reinhardsbrunn  gestorbenen 
Ludwigs  des  Springers)  besiegte  in  Verbindung  mit  mehreren  Fürsten  in 
Thüringen  und  Sachsen  am  11.  Febr.  1115  beim  Welphesholze  den  Kaiser 
Heinrich  V.,  dessen  Heer  Graf  Hoyer  von  Mansfeld  befehligte.*) 


*)  1113  siegte  Graf  Hoyer  in  einem  Gefecht  bei  Warnstedt  in  der  Nähe  von  Qued- 
linburg. Cf.  übrigens  Döring  Thür.  Chron.  p.  182,  Spangenberg  Mansf.  Chron.  fol. 
245  b.,  Schöttgen  u.  Kreysig:  Nachlese  der  Bist.  v.  Ober-Sachs.  II.  p.  233,  König 
Ad.  Bist.  I.  p.  1045  u.  a. 


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—    21     — 

Die  mit  Wappen  reich  verzierte  Angelröder  Stammtafel  sagt:  „Fritz 
von  Witzleben  war  1115  mit  Kaiser  Heimich  V.  in  der  Schlacht  beim 
Welphesholz  am  Harz  wider  die  allürten  Fürsten  von  Braunschweig  und 
Sachsen  und  büssete  in  selbiger  den  11.  Febr.  sein  Leben  ein."  Dies  ist 
aber  auch  nicht  richtig.  Wenn  Fritz  von  Witzleben  überhaupt  beim 
Welphesholz  mitfocht,  so  that  er  dies  jedenfalls  unter  seinem  Landesherrn, 
dem  Grafen  Ludwig  IH.  von  Thüringen,  und  also  gegen  den  Kaiser. 

Wir  ersehen  aus  dem  Angefiihrten,  dass  auch  die  alten  Chroniken 
unzuverlässig  sind,  und  folgen  daher  in  der  Geschichte  unserer  Familie 
und  in  der  Zusammenstellung  der  Stammtafeln  nur  den  Urkunden,  ohne 
jedoch  Werke,  wie  die  angefahrten,  welche  doch  immerhin  manches  Richtige 
enthalten,  ganz  aus  den  Augen  zu  verlieren. 

Da  unser  Geschlecht  dem  Uradel  angehört,  so  würde  es,  selbst  wenn 
wir  im  Besitz  aller  vorhandenen  Urkunden  wären,  doch  unmöglich  sein, 
über  die  Entstehung  unserer  Familie  und  deren  erstes  Auftreten  in  der 
Geschichte  einen  genauen  Nachweis  zu  ftihren,  weil  uns  aus  dieser  Zeit 
zu  wenig  historische  Aufzeichnungen  überkommen  sind.  Die  Archive  sind 
aber  bis  jetzt  noch  nicht  hinreichend  geordnet,  um  mit  Leichtigkeit  die 
betreflFenden  Urkunden  zu  finden,  und  zur  genauen  Durchforschung  der- 
selben dürfte  ein  Menschenalter  kaum  genügen.  Uns  ist  daher  sicherlich 
manche  werthvolle  Urkunde  nicht  bekannt  geworden  und  wir  vermögen 
demnach  über  die  älteste  Geschichte  der  Familie,  welche  stets  unvollständig 
bleiben  wird,  auch  nur  Unvollständiges  zu  bieten. 

Nehmen  wir  auf  die  unverbürgten  Nachrichten,  welche  die  älteren 
unkritischen  Werke  über  unsere  Familie  geben,  keine  Rücksicht,  so  dürfte 
ein  in  der  Elgersburg  aufgefimdener  Stein  als  das  erste  historische  Dokument, 
welches  von  dem  Dasein  der  Witzleben'schen  Familie  Kunde  giebt,  an- 
gesehen werden.  Dieser  Stein  zeigt  das  Witzleben'sche  Schild-Wappen  und 
die  Jahreszahl  1088  nebst  einer  Inschrift,  aus  welcher  nur  noch  die 
Worte  „Maria . .  bene  f  vni .."  entziffert  werden  können.  Man  kann  aus  diesem 
Stein  schliessen,  dass  schon  um  das  Jahr  1088  unser  Geschlecht,  wenn 
auch  nicht  unter  dem  jetzigen  Namen,  vorhanden  gewesen  ist  und  mit  der 
Elgersburg  in  Beziehung  gestanden  hat." 

Die  älteste  schriftliche  Urkunde  über  die  Familie  datirt  von  1133. 
In  diesem  Jahre  waren  Adelherus  und  Berbeto  von  Witzleben 
nebst    dem    Grafen  Ludwig    (HI.)    von  Thüringen  und  Anderen  Zeugen, 


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—     22     — 

als  das  Stift  zu  Fulda  dem  Kloster  Paulinzelle  das  Dorf  „Bozelbrunnen** 
überliess.  *) 

Die  Annahme,  dass  Adelherus  und  Berbeto  Söhne  des  1115  gefallenen" 
Fritz  von  Witzleben  gewesen  seien,  gewinnt  durch  dies  Zusammensein  mit 
dem  Grafen  Ludwig  von  Thüringen  allerdings  an  Wahrscheinlichkeit,  es 
fehlt  aber  der  urkundliche  Beweis. 

1140  gehörte  Adelherus  de  wiceleibe  zu  den  Zeugen,  als  der 
Abt  Heinrich  zu  Hersfeld  dem  Kloster  Paulinzelle  den  Zehnten  erliess, 
den  Letzteres  von  seinen  in  der  Gegend  von  Nebra  und  Querfurt  gelegenen 
AUodialgütem  an  die  Abtei  zu  entrichten  hatte. 

1146  war  die  Gemahlin  Hermanns  von  Werthem  eine  geborene  von 
Witzleben,  von  deren  drittem  Sohn  Gerhard  alle  jetzt  lebenden  Herren 
von  Werthem  abstammen**);  sie  sowohl,  als  Hermann  von  Werthern  liegen 
im  Kloster  Walkenried  begraben. 

1165  waren  mit  dem  Grafen  Heinrich  von  Schwarzburg  auf  dem  vom 
Herzog  Weif  von  Baiem  und  Spolet  zu  Zürich  abgehaltenen  10.  Turnier 
Hans  und  Ahlhard  von  Witzle,ben.***) 

Mit  diesem  Alhard  beginnt  nun  Biedennann  die  Stammreihe  unseres 
Geschlechts. 

1178  wird  ein  Conrad  von  Witzleben  als  Zeuge  gßnannt 

Um  das  Jahr  1185  verkaufte  Gisela  von  Witzlebenf)  mit  Zu- 
stimmung ihrer  Söhne  Heinrich  und  Otto  wiederkäuflich  an  Gebhard,  den 
dritten  Abt  des  Klosters  Paulinzelle,  zwei  jährlich  28  Schillinge  Zins  gebende 
Hufen  Landes  zu  Nahwinden  (zwischen  Rudolstadt  und  Stadtilm  gelegen) 
ffir   12  Pftmd  Geldes,  f&r  welche  Summe  sie  oder  ihre  Söhne  dieselbe 


*)  In  der  Urkunde,   welche  sich  im  Archiv  zu  Rudolstadt  befindet,  steht  deutlicji 
Berbeto  und  Bozclhrunnen,  nicht  Gerboto  und  Gosselhrunn,  wie  yielfach  abgedruckt  ist 
♦*)  s.  Hübner  Tab.   von  Werthern,  Albini  Werth.  p.  11.  u.  sonstige  Geschlechts- 
tafeln dieser  Familie. 

***)  P.  Jovius:  Chron.  Schwarzb.  in  Schöttgen  u  Kreysig  Dipl  et.  Script.  Hist. 
Germ.  med.  aev.  I.  p.  155  (ein  sehr  wichtiges  QueUenwerk  för  unsere  Geschichte); 
nach  der  Angelröder  Stammtafel  die  Söhne  des  1133  vorkommenden  Adelger.  Alhard 
oder  Edelherus  wäre  danach  auch  Voigt  zu  Arnstadt  u.  mit  dem  1185  vorkommenden 
Adeler  von  Arnstadt  ein  und  dieselbe  Person  gewesen. 

f )  Nach  der  Angelröder  Stammtafel  eine  geh.  Gräfin  von  Kefemhurg  und  Wittwe 
des  um  1176  gestorbenen  Heinrich  von  Witzleben  zu  Arnstadt  (Sohnes  des  1115 
gebliebenen  Fritz),  der  1137  als  junger  Ritter  auf  dem  Turnier  zu  Ingelheim  gewesen 
wäre.  Zu  Ingelheim  war  aber  1137  gar  kein  Turnier,  sondern  erst  im  Jahre  1337 
das  18.  aller  deutschen  Turniere  (nach  Hans  Sachs). 


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—     23     — 

wieder  einlösen  könnten.  Unter  den  Zeugen  befand  sich  ein  Adelger  von 
Arnstadt,  den  die  Angelröder  Stammtafel  Edelherus  von  Witzleben, 
*Voigt*zu  Arnstadt,  nennt 

Im  Jahre  1187  starb  der  zweite  Abt  des  Klosters  Altenzelle,  Vitilibo 
oder  Wittich  Wiceleb,  der  nach  der  im  H.  St  Archiv  zu  Weimar  be- 
findUchen  Hist.  v.  CL  alten  Zelle  von  Knauth  (H.  Tit  HI.  p.  114)  auch 
zu  unserm  Geschlechte  gehört  haben  soll. 

Von  einem  Fritz  von  Witzleben,  der  1186  das  Stammhaus  Witz- 
leben unweit  Arnstadt  erbaut  und  1188  mit  seinem  Lehnsherrn,  dem  Grafen 
Günther  zu  Kefernburg  (welcher  1160—1195  lebte)  ins  heilige  Land  ge- 
zogen und  in  demselben  Jahre  dort  gestorben  sein  soll*),  haben  wir  ur- 
kundlich bis  jetzt  gar  Nichts  geftmden.  Ebensowenig  von  seinem  Sohn 
Heinrich,  der  bei  dem  Landgrafen  Wilhelm  in  Thüringen  wegen  seiner 
Tapferkeit  in  besonderen  Gnaden  gestanden  habe**)  und  dessen  Sohn  Ernst, 
der  Eossleben  besessen,  1241  noch  gelebt  haben  und  der  Stammvater  der 
Wendelsteiner  Linie  gewesen  sein  soll. 

Urkundlich  kommt  erst  wieder  1229  ein  JJitter  Christian  von 
Witzleben  vor,  und  zwar  in  einer  Schwarzburgischen  Urkunde. 

1233  gehörte  Conrad  von  Witzleben  zu  des  Grafen  Heinrich  von 
Schwarzburg  Käthen  und  Burgleuten. 

1250  24.  Oct  war  der  Ritter  Heinrich  von  Witzleben  Zeuge, 
als  die  Gräfia  Sophie  von  Schwarzburg,  geb.  Gräfin  von  Honstein,  die 
Hälfte  der  Schlösser  Kirchberg  und  Ehrig,  sowie  andere  Güter  an  der 
Unstrut  ihrem  Bruder  Heinrich  verkaufte. 

Meist  in  Schwarzburgischen  Urkunden  erscheint  dann  von  1251  bis  1269 
der  Kitter  Herm-ann  von  Witzleben,  Burgmann  und  Ganerbe  auf 
Schwarzburg,  dessen  zahlreiche  Nachkommen  sich  später  in  die  Linien  zu 
Elgersburg,  Liebenstein  und  Molschleben  verzweigten.  Wahrscheinlich 
stammt  auch  die  grosse  Wendelsteiner  Linie  von  ihm  ab  (s.  S.  25),  und 


♦)  Nach  der  Angelröder  Stammtafel.  la  Gleichensteins  Tabellen  steht  wortlich: 
„Prietz,  ist  A.  Christi  1186  wegen  des  ohnweit  Arnstadt  erhauten  Stamm-Hauss  Witz- 
leben,  von  Graff  Günthern  zu  Keflfemhurgk  mit  zu  Krieg  gezogen."  (sie!)  Biedermann 
sagt  nur:  „Fi^z  von  und  zu  Witzlehen  erhaute  uras  Jahr  1186  das  ohnweit  Arnstadt 
gelegene  Stammhaus  Witzleben.  ** 

♦♦)  Es  existirte  um  jene  Zeit  gar  kein  Landgraf  Wilhelm  in  Thüringen;  Ludwig 
der  Eiserne  war  1172  gestorben,  ihm  folgte  sein  Sohn  Ludwig  der  Fromme,  t  1192, 
und  diesem  seine  Söhne  Ludwig  der  Heilige,  f  1227,  und  Heinrich  Raspe,  t  1247. 


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—     24    — 

würden  wir  in  ihm  demnach  den  eigentlichen  Stanmivater  des  ganzen  Ge- 
schlechts zu  erblicken  haben. 

1254  wird  Siebold  von  Witzleben  in  einer  Kefemburgisehen  Ur- 
kunde unter  den  Zeugen  genannt. 

Ob  Albertus  Wezelewe,  welcher  in  der  Gegend  von  Distelstadt 
und  Rohra  (im  Hennebergischen)  Güter  Conrads  von  Distelstadt  besass, 
die  dieser  30.  April  1271  dem  Kloster  Rohra  schenkte,  zu  unserer  Familie 
gehörte,  vermögen  wir  nicht  zu  entscheiden. 

15.  Febr.  1280  und  12.  April  1289  war  Dietrich  von  Witzleben 
Mönch  im  Kloster  Saalfeld. 

Ein  Ritter  Dietrich  kommt  von  1200  bis  1297  oft  vor  und  zwar 
meist  zusammen  mit  den  Enkeln  Hermann's,  Friedrich  und  Herborto;  ein 
Bruder  dieser  ist  er  aber  nicht,  denn  am  1.  März  1287  heisst  es: 
„Fridericus  de  Wizeleyben  et  Herboto  frater  ejus  et  Theodoricus  de  Wize- 
leben  senior,  milites  strenui." 

So  kommen  noch  vielfach  Glieder  unserer  Familie  vereinzelt  vor, 
deren  Aufeählung  uns  hier  aber  zu  weit  führen  würde.  Wir  haben  sie 
in  der  Stammtafel  I.  1.  mit  aufgenommen  und  verweisen  daher  auf  diese. 
Nur  von  den  mit  und  nach  dem  Jahre  1330  erscheinenden  drei  Brüdern 
Werner,  Conrad  und  Christian  von  Witzleben  haben  wir  noch  zu 
sprechen.  Ueber  die  beiden  ersteren  derselben  handelt  der  folgende  Ab- 
schnitt. Der  dritte,  Christian  von  Witzleben,  HoMchter  der  Land- 
grafen in  Thüringen,  welcher  nach  einer  noch  nicht  begründeten  Tradition 
mit  einer  Gräfin  von  Orlamünde  vermählt  gewesen  sein  soll*),  ist  der 
Stammvater  der  Wendelsteiner  Linie  mit  ihren  ünterlinien  zu  Berka 
in  Franken,  zu  Wolmirstedt  und  Wartenburg,  von  denen  der  IL  Theil  dieser 
Geschichte  handelt 

Alle  drei  Brüder,  namentlich  aber  Conrad  und  Christian,  werden  oft 
als  Vettern  der  Enkel  und  Urenkel  des  oben  erwähnten  Hermann  von 
Witzleben  bezeichnet,  so  dass  die  Vermuthung  nahe  liegt,  dass  sie  eben- 
falls zu  dessen  directen  Nachkommen  gehören. 

Als    Vater  Christians    nennt   Biedermann:    „Curt   von  Witzleben  zu 

•)  Unwahrscheinlich  ist  es  nicht,  dass  die  Grafen  von  Orlamünde  in  dem  durch 
den  Grafenkrieg  über  sie  hereingebrochenen  Unglück  durch  eine  solche  Verbindung  eine 
Stütze  an  dem  einflussreichen-  Hofrichter  der  Thüringer  Landgrafen  suchten.  Es  Hesse 
sich  auch  daraus  die  Verpfandung  nnd  nachherige  erbliche  Verleihung  des  Wendel- 
steins an  Christian  leichter  erklären.  ?.  Th.  II.  S.  4.  Sie  musste  dann  aber  seine 
zweite  Gemahlin  gewesen  sein,  denn  1350  wird  sein  Sohn  Dietrich  bereits  genannt. 


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—    25    — 

Rossleben,  Ernsten's  Sohn",  welcher  1282  das  Kloster  zu  Rossleben  ge- 
stiftet und  mit  ansehnlichen  Gütern  beschenkt  hätte.  Die  Angelröder 
Stammtafel  sagt  sogar:  „Curt  von  Witzleben,  Ritter  auf  Wolmerstedt, 
Molsdorf,  Wendelstein  und  Berka,  1251  Scabinus  zu  Gotha,  fundirte  1282 
das  Nonnenkloster  zu  Rossleben  und  setzte  1293  seinen  Bruder  Theodoricum 
zum  Probst  über  besagtes  Kloster.    Er  stirbt  1323." 

Urkundlich  haben  wir  über  all  dieses  gar  Nichts  geftmden.  Dagegen 
steht  fest,  dass  Molsdorf  erst  im  Jahre  1326  im  Besitze  unserer  Familie 
war  und  zwar  in  dem  des  Ritters  Heinrich,  dass  Wendelstein  von  dem 
Hofrichter  Christian  1355  erworben  und  dass  Berka  erst  von  Christian's 
Enkel  Kerstan  1422  gekauft  wurde.  Wolmirstedt  kommt  auch  erst  zu  dieser 
Zeit  als  im  Besitz  unserer  Familie  befindlich  vor,  wenn  wir  auch  aus  er- 
heblichen Gründen  schliessen  können,  dass  es  ebenfalls  schon  dem  Hof- 
richter gehört  hat  Der  Verfiisser  jener  Stammtafel  hat  augenscheinlich 
den  später  erworbenen  Besitz  auf  den  vermeintlichen  Stammvater  concentrirt. 
Femer  steht  fest,  dass  jener  Curt,  welcher  von  1251 — 1256  Scabinus  zu 
Gotha  war,  kein  Witzleben,  sondern  aus  der  von  der  unsrigen  ganz  ver- 
schiedenen Familie  von  Wiegleben  stammte,  und  endlich,  dass  das  Kloster 
Rossleben  bereits  vor  dem  Jahre  1142  von  dem  Grafen  Ludwig  von 
Wippra  und  dessen  Gemahlin  Mathilde  gegründet  worden  ist. 

Von  einem  Mitgliede  unserer  Familie  findet  sich  vor  der  Zeit  des  Hof- 
richters Christian  von  Witzleben  (1338 — 1374)  in  der  Gegend  von  Ross- 
leben nirgends  eine  Spur,  und  die  Behauptung  Wilhelms  (in  seiner  Ge- 
schichte der  Klosterschule  Rossleben,  p.  5.)-  Curt  von  Witzleben  habe 
dem  Kloster  Rossleben  3  Acker  Weingarten,  1 '/«  Hufen  Land  auf  immer 
verehrt,  müssen  wir  auch  bezweifeln,  bis  wir  eine  solche  Urkunde  gesehen  haben. 

Das  einzige  Wahre  von  jenen  Nachlichten  über  Curt  ist  weiter  Nichts, 
als  dass  im  Jahre  1293  der  Probst  von  Rossleben  Theodoricus  hiess,  wie 
wir  aus  einer  Urkunde  vom  27.  Oct.  d.  J.  ersehen,  in  welcher  Albert 
Edler  von  Hakebom  und  sein  Sohn  gleichen  Namens  das  Kloster  Ross- 
leben mit  den  von  Nicolaus  von  Rossleben  gen.  von  Henstedt  erkauften 
Gütern  belehnten;  aus  welchem  Geschlechte  aber  dieser  Probst  Theodoricus 
stammt,  ist  nirgends  angegeben. 

Aus  all'  dem  Angefahrten,  wie  aus  der  Stammtafel  I.  1.  ersehen  wir 
nun,  dass  unsere  Familie  urkundlich  im  Jahre  1133  zuerst  erscheint  und 
in  noch  nicht  2  Jahrhunderten  eine  Ausbreitung  gewann,  wie  sie  von  wenig 
anderen  Geschlechtem  bekannt  ist. 


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—     26     — 

Ihr  erster  Grundbesitz  war  jedenfalls  Witzleben.  Durch  den  Besitz 
dieses  sowie  sonstigen  freien  Eigenthums  zu  Nahwinden,  Alkersleben,  Nohra, 
Hain  u.  s.  w.  gehörte  sie  zu  den  reichsunmittelbaren  Geschlechtem  Thü- 
ringens, welche  Eigenschaft  sie  jedoch  im  Laufe  der  Zeit  nicht  zu  bewahren 
vermochte. 

Ausser  diesem  freien  Eigenthum  besass  die  PamiUe  bis  zu  Ende  des 
13.  Jahrhunderts  nachweislich  noch  Güter  zu  Lehn: 

Von  Schwarzburg:  in  Kirchheim,  Gross-Liebringen,  Barchfeld,  Elx- 
leben,  Kirch-  und  Sund-Kemda;  von  Kefemburg:  in  Osthausen;  von  Kranich- 
feld: in  Eischleben  und  von  Henneberg:  in  Wechmar  und  OhrdruflF; 

ferner  einen  Hof  in  Erftirt  und  schliesslich  als  Pfand  das  bedeutende 
Schloss  Elgersburg  mit  dem  dazu  gehörenden  Gebiete. 

Die  einzeln  genannten  Dörfer  liegen  alle  nicht  weit,  theils  sogar  in 
unmittelbarer  Nachbarschaft  von  Witzleben,  so  dass  also  dieser  Stammort 
unseres  Geschlechts  auch  den  Mittelpunkt  des  ersten  Grundbesitzes  bildete. 

Vielleicht  war  Witzleben,  das  in  einer  im  Archiv  zu  Sondershausen 
befindlichen  Denkschrift  aus  dem  16.  Jahrhundert  als  seit  jeher  reichs- 
unmittelbar bezeichnet  wird,  ursprünglich  eine  grössere  aus  den  genannten 
freien  Gütern  bestehende  Herrschaft,  welche  später  unter  die  verschiedenen 
Besitzer  zersplittert  wurde.  Nach  der  Zerstörung  der  Burg  Witzleben  im 
Grafenkriege  (s.  Th.  H.  S.  2)  wurde  dieselbe  nicht  wieder  aufgebaut  und 
die  unmittelbar  dazu  gehörenden  Güter  gingen  im  14.  und  15.  Jahrhundert 
der  Familie  verloren  (durch  Verkauf);  jetzt  ist  Witzleben  eine  Schwarzburg- 
Sondershausen'sche  Domäne  und  Nichts  als  der  Name  erinnert  an  unser 
Geschlecht,  auch  nicht  die  geringsten  Spuren  sind  von  der  ehemaligen 
Stammburg  vorhanden. 


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IV.  Abschnitt. 

Werner  von  Witzleben,  sein  Bruder  Conrad, 

1330—1383. 

und 

die  Ritter  Dietrich  und  Beringer  v.  Witzleben 
zu  Gummerstedt  und  Bösleben, 

1868—1407, 

a.  Werner  Ton  Witzleben,  Schnltheiss  zu  Ootha, 

1336—1862. 


lie  bei  vielen  edelen  (Jeschlechtern  sehen  wir  auch  bei  dem  unsrigen, 
dass  Mitglieder  desselben  nicht  nur  in  Städten  Besitzungen  hatten,*)  son- 
dern sich  auch  ganz  dort  niederliessen  und  durch  ihr  Ansehn  bald  Einfluss 
auf  die  städtischen  Angelegenheiten  gewannen  und  die  höchsten  Rathsstellen 
einnahmen.  **) 

So  finden  wir  denn  auch  Conrad  von  Witzleben  bereits  am  19.  Mai 
1313  als  Consul  civitatis  Gothae  und  1317  und  1322  als  magister  consulum 
zu  Gotha  erwähnt. 

In  einer  Urkunde  vom  26.  März  1336  wird  Werner  von  Witzleben 
Schultetus  in  Gotha,  d.  h.  Schultheiss,  Richter,  genannt  und  als  oppidanus 
ibidem,  d.  h.  in  der  Stadt  wohnend,  Bürger,  bezeichnet  Ob  er  ein  Sohn 
des  obenerwähnten  Conrad  gewesen,  ist  noch  nicht  urkundlich  erwiesen, 
aber  sehr  wahrscheinlich. 


*)  In  Erfurt  besassen  die  Brüder  Hermann  und  Heinrich  von  Witzleben  einen 
Hof  1309  und  Friedrich  von  Witzleben,  Herr  zu  der  Elgersburg,  einen  Hof  und  ein 
Haus  auf  dem  Petersberge  1332. 

**)  Sagittar  beweist  nach  Rud.  Goth.  Dipl.  III.  p.  3.,  dass  die  Schoppen  oder 
scabini  aus  dem  vornehmsten  Landadel  genommen  wurden. 


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—     28    — 

Zehn  Jahre  später  kommt  nun  unter  andern  vornehmen  Bürgern  zu 
Erfurt  ein  Werner  von  Witzleben  mit  seinem  Sohne  Conrad  (25) 
vor,  dem  der  Landgraf  Friedrich  von  Thüringen  am  19.  November  1346 
363  Mark  löthigen  Silbers  schuldete  und  dafür  auf  ein  Jahr  sein  Geleit  (d.  h. 
Zoll)  zu  Leipzig  mit  allen  Gefällen,  Nutzen  und  Rechten  überliess.  Werner 
muss  also  ein  reicher  und  angesehener  Mann  gewesen  sein,  und  ist  es 
nicht  unwahrscheinlich,  dass  er  das  Schultheissenamt  in  Gotha  aufgegeben 
hatte,  um  sich  in  dem  bedeutenderen  Erfurt  niederzulassen. 

Nicht  lange  nachher  nahm  er  an  der  Judenhetze  in  Erfurt  thätigen 
Antheil.*)  Als  nämlich  in  den  Jahren  1347 — 49  in  Thüringen  viele 
Menschen  starben,  kamen  die  Juden  in  den  Verdacht,  die  Brunnen  ver- 
giftet zu  haben,  und  die  übliche  Hetze  begann.  In  Ei-ftirt  waren  mehrere 
Junker,  welche  nicht  nur  danach  trachteten,  die  Juden,  welche  in  der 
Stadt  unter  Mainzischem  und  des  Rathes  Schutz  sassen,  zu  erschlagen, 
sondern  auch  hofften,  bei  der  daraus  entstehenden  Verwirrung  das  Stadt- 
regiment an  sich  zu  ziehen.  Mit  ihnen  hielten  es  etliche  Rathsherren, 
die  Löber  und  Zichener,**)  die  Fleischhauer,  Kürschner,  Weber  und  Weiss- 
gerber, denen  sie  vorgeredet  hatten,  dass  das  Erschlagen  der  Juden  auf 
des  Raths  G^heiss  geschehe.  Als  der  Lärm  nun  losging,  schickte  der 
Rath  seine  Diener  den  Juden  zu  Hülfe.  Allein  der  Auflauf  war  allzugross, 
so  dass  weder  der  Rath,  noch  die  Vierherren  gehört  wurden,  und  obgleich 
man  einige  Junker  gefangen  nahm  und  in  den  Thurm  setzte,  wurden  doch 
an  100  Juden  erschlagen;  die  übrigen  aber,  die  keine  Rettung  sahen,  ver- 
brannten sich  „als  verzweifelte  Buben"  mit  ihren  Häusern  und  aller  ihrer 
Habe.  6000  sollen  so  umgekommen  sein.  Von  den  Rädelsffihrem  mussten 
Güntzel  von  Rockstedt,  Helwig  von  Goldschmidt,  Schaller  und  Andere  ihr 
Leben  lassen;  Cunz  von  Witzleben,  Sander  von  Schmira  und  40  Andere 
wurden  flüchtig  oder  vertrieben. 

Im  Besitze  des  Stadtraths  Hennann  zu  Erfurt  befinden  sich  einige 
Bmchstücke  (abgedr.  in  der  Zeitschrift  d.  Vereins  für  thür.  Gesch.  IV. 
p.  150  ffg.)  aus  dem  Verhör  des  hingerichteten  Schaller.  Danach  hatten 
mit  ihm  das  Judenschlagen  begonnen  Ditzel  Hottermann,  Herrn  Sieg- 
hardts  Sohn,  Hermann  Hasse,  Güntzel  von  Rockstedt,  Apel  von  Hallesrad, 


*)  Ausfuhrlich  beschrieben  in  der  Högerschen  Chronik  (Manuscript  auf  der  Baths- 
bibliothek  zu  Erfurt). 

**)  Die  Lober  fabricirten  wollenes  Zeug,  die  Zichener  eine  Art  Inlett. 


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—    29    — 

Conrad  Viereckeling,  Jois  von  Bechstedt  und  sein  Vetter  Sander  und  viele 
andere  Junker,  die  er  nicht  angeben  könne.  Zuerst  seien  auf  dem  Pisch- 
markt  vor  dem  Pletner  Herr  Göthe  von  Stolberg,  Giseler  von  Viereckeling, 
Werner  von  Witzleben,  Härtung  von  Treifiirt  der  Aeltere  und  Johann 
von  Wechmar  zusammengekommen  und  hätten  sich  verabredet,  am  nächsten 
oder  dem  dritten  Tage  sich  in  Werners  von  Witzleben  Hause  in  dem 
Werkgaden  zu  treflFen.  Dazu  wäie  dann  noch  Johann  von  Treflfurt  ge- 
kommen und  alle  hätten  sich  verbunden,  nach  Dresden  zu  reiten,  „dass 
die  BrieflFe  von  dem  Markgrauen  in  den  Rath  und  in  die  Handwergk  kommen," 
d.  h.  um  die  Stadt  unter  die  Hoheit  des  Markgrafen  zu  bringen,  und  um 
zu  bitten,  die  Juden  tödten  zu  dürfen.  Dies  hätte  Werner  von  Witz- 
leben vorgeschlagen,  wie  Kunze,*)  dessen  Sohn,  gegen  Güntzel  von 
Rockstedt  geäussert  habe,  als  sie  beide  zusanmien  im  Thurm  gelegen  hätten. 

Dann  habe  Werner  von  Witzleben  seinem  Sohn  Kuntzen  Eisen- 
hüte und  Waffen  gekauft  und  sich  dahin  ausgesprochen,  er  wolle  diesen 
seinen  Sohn  „zu  Hermhofe",  d.  h.  an  den  Hof  nach  Dresden,  senden. 
Kunz  von  Witzleben  habe  zu  Güntzel  von  Rockstedt  gesagt,  sein 
Vater  und  seine  Freunde  und  auch  noch  Andere  hätten  lange  genug  regiert, 
nun  wollten  sie  einmal  die  Herren  sein,  und  in  einer  Versammlung  hätten 
sie  dann  för  den  einzusetzenden  Rath  bestimmt  Herrn  Sieghards  Sohn 
Hase,  Kuntze  Viereckeling,  Sander  und  Kunze  von  Witzleben. 

Die  Judenschläger  Sander  von  Schmira,  Conrad  Strantz,  Titzel  von 
Weissensee  „der  Junge  an  dem  Lobanke",  Apel  von  Gosslar,  Conrad, 
Werner's  von  Witzleben  Sohn  und  Andere  wurden,  weil  sie  hinter 
dem  Rücken  des  Raths  und  der  Vierherren  conspii-irt  und  die  Juden  er- 
schlagen, hatten,  auf  ewige  Zeiten  aus  der  Stadt  und  ihrem  dreimeiligen 
Umkreise  gewiesen,  bei  Lebensstrafe,  und  mussten  Urfehde**)  schwören.  — 

Durch  die  erzählten  Vorfälle  mag  wohl  Wemer's  Stellung  in  Erfurt 
ebenfalls  unhaltbar  geworden  sein,  so  dass  er  sich  zurück  nach  Gotha  wandte 
und  dort  wieder  Schultheiss  ward,  als  welcher  er  1352  dem  Marienstift 
daselbst  2  Pfund  Wachs  als  ewigen  Jahreszins  von  seinem  am  Markt  be- 
legenen Hofe  schenkte.  Ausserdem  kommt  er  auch  sonst  noch  in  manchen 
Urkunden  vor. 

24.  März   1359  nannte  sich  Werner  selbst  blos  Bürger  zu  (Joiha, 


*)  Ennz,  Curt  ist  Abkürzung  von  Conrad. 

**)  Der  Schwor,  sich  für  die  erlittene  Behandlung  und  Bestrafung  nicht  rächen 
EU  wollen. 


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—     30    — 

als  er  mit  Einwilligung  seines  Sohnes  Coniad  und  seines  Eidams  Kerstan 
von  Weidensee  seinen  Hof  zu  Buffleben  (lyg  St.  nordnordöstlich  von  Gotha) 
mit  3'/»  Hufen  Land  für  74  Mark  löthigen  Silbers  an  das  Kloster  Rein- 
hardsbnmn  verkaufte.  Ausser  mit  den  Häusern  und  Höfen  in  den  Städten 
Erfurt  und  Gotha  war  er  also  auch  auf  dem  Lande  angesessen. 

26.  Januar  1360  nannte  er  sich  Voigt  zu  Gotha,  25.  April  1362 
präsidirt«   er   aber  dem  Gothaischen  Stadtgericht  wieder  als  Schultheiss. 

Nach  dieser  Zeit  kommt  Werner  von  Witzleben  nicht  mehr  vor,  und 
können  wir  also  seinen  Tod  in  das  Jahr  1362  setzen. 

Seine  Gemahlin  hiess,   nach  Sagittar.  Hist.  Goth.  p.  254,  Kunegunde. 

Werner  war  ein  Bruder  Christians  von  Witzleben,  des  Land- 
gräflichen Hofrichters  und  Stammvaters  der  Wendelsteiner 
Linie,  denn  in  den  Naumburger  Rathsrechnungen  finden  wir  die  Be- 
merkung, dass  der  Rath  von  Naumburg  26.  Juni  1354,  am  Donnerstage 
vor  dem  damals  am  Peter-Paulstage  beginnenden  Jahrmarkt,  Werner  von 
Witzleben  und  seinen  Bruder  Kerstan,*  des  Markgrafen  Hof- 
richter,*) in  dem  Hause  des  (gewesenen  Bürgermeisters)  Henze  Eldiste 
mit  Wein  bewirthete  und  dafür  10  Groschen  ausgab. 


b.   Conrad  Ton  Witzleben  zn  Dissan  und  sein  Sohn  der 

Bitter  Dietrich. 
1330-1383. 

Ein  zweiter  Bruder  Werners  war  Conrad  von  Witzleben. 
^  Dieser  war  bereits  im  Jahre  1330  u.  39  als  Voigt  zu  Wachsenburg 
(welches  Amt  aber  von  1346  an  sein  Vetter  Tizel  von  Witzleben  ver- 
waltete) im  Dienst  der  Grafen  von  Schwarzburg;  namentlich  dem  Grafen 
Heinrich  (Bruder  des  1349  gestorbenen  Kaisers  Günther)  und  später  dessen 
Söhnen  Heinrich  und  Günther  stand  er  als  Rath  und  Unterhändler  bei  viel- 
fachen Gelegenheiten  treu  zur  Seite. 

Schon  1351  besass  er  Dissau  ( '/i  St.  westlich  von  Schwarzburg,  jetzt 
nur  noch  ein  Domanial- Vorwerk  mit  Schäferei)  und  1370  ein  Burggut  zu 


*)  Die  Stelle  lautet:  Item Wemhero  de  Wiczeleyben  et  Kerstano  fratri 

8U0  ac  sculteto  marchionis .    Es  scheint,  als  wenn  der  Schreiber  absichtlich  mit 

Bezng  auf  Werner  statt  des  üblichen  judex  curiae  den  ziemlich  dasselbe  bedeutenden 
Ausdruck  scultetus  gebraucht  hat. 


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—     31     — 

Schwarzburg.  Wahrscheinlich  durch  diesen  letzteren  Besitz  erlangte  er 
endlich  die  Ritterwürde,  während  er  bis  1365  immer  nur  Knecht  genannt 
wurde.  Wenn  wir  auch  nur  diese  beiden  Besitzungen  Conrads  kennen, 
so  muss  er  wohl  noch  andere  Reichihümer  besessen  haben,  da  er  wegen 
der  Schulden,  die  vom  Kaiser  Günther  herrührten,  zu  den  Gläubigem  der 
Grafen  von  Schwarzburg  gehörte. 

Nach  dem  Jahre  1377,  wo  er  nebst  seinem  Sohn  Dietrich  aus- 
drücklich als  lütter  bezeichnet  wird,  kommt  Conrad  nicht  mehr  vor.^ 

Conrads  Sohn,  den  Ritter  Dietrich  von  Witzleben,  finden  wir 
von  1361  an' oft  als  Vasall  und  Raihgeber  der  Grafen  Johann  und  Günther 
von  Schwarzburg  erwähnt,  die  unter  andern  ihm  sowie  den  Rittern  Ludolf 
von  Willersleben,  Dietrich  von  Berlstedt  und  Otto  von  Hof  am  12.  Jan.  1382 
die  Veste  Schwarzburg  mit  allen  Einkünften  und  Nutzungen  übergaben;  die 
Ritter  mussten  jedoch  versprechen,  den  an  der  Burg  Theil  habenden  Grafen 
jederzeit  mit  derselben  gewarten  zu  wollen  (sie  waren  also  der  Grafen  Burg- 
männer und  Amtleute  auf  derselben).  Dietrich,  der  in  dieser  Urkunde 
„Küchenmeister"  genannt  wird,  kommt  1383  noch  ein  Mal  vor;  ob  er 
Nachkommen  hinterlassen,  wissen  wir  nicht. 

c.  Die  Bitter  Dietrich  und  Beringer  Ton  Witzleben  zu 

Onmmerstedt  und  Bösleben. 

1358—1407. 

In  der  letzten  Hälfte  des  14.  Jahrhunderts  erscheint  der  Name  Dietrich 
in  unserer  Familie  so  oft,  Jlass  es  schwer  fällt,  die  Träger  desselben  zu 
unterscheiden   und   sie   nicht  mit  einander  zu  verwechseln.     Wir  finden 
nämlich: 
•    1)  Den  Ritter  Dietrich,  Sohn  des  Ritters  Conrad,  1361—1383, 

2)  den  Ritter  Dietrich  zum  Wendelstein,  Sohn  des  HoMchters  Christian, 
1350—1399, 

3)  den  Knecht  Tizel,  zu  Wölfis  gesessen  und  Voigt  zu  Wachsenburg, 
Herborto's  Sohn,  1322—1378,  . 

4)  den  Ritter  Dietrich,  Sohn  des  Ritters  Hermann,  1361 — 1366, 

5)  den  Ritter  Dietrich  zu  Molsdorf,  Voigt  zu  Eisenach  und  Creuzbmg, 
des  Ritters  Heinrich  Sohn,  1368—1383. 

Ausserdem  kommt  noch  im  Jahre  1358,  als  die  Grafen  Günther  und 
Johann  von  Schwarzburg  sich  mit  den  Landgrafen  Friedrich  und  Balthasar 


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—    32     - 

in  Thüringen  zu  einer  Fehde  wider  den  Grafen  Hans  von  Henneberg  ver- 
bunden hatten,  „Titzel  von  Witzleben  zu  Gummerstedt"  vor,  der  zu  den 
besonders  berühmten  Schwarzburgischen  Vasallen  gezählt  wird. 

Diesen  Dietrich  von  Witzleben  zu  Gummerstedt  finden  wir 
noch  ein  Mal  genannt  1376,  auf  dem  hier  abgebildeten,  herrlichen  Epitaphium 
in  der  Nicolai-Kapelle  der  Lieb-Prauen-Kirche  zu  Arnstadt  Der  ganze  Stein, 
in  den  dies  Epitaphium  gehauen  ist,  ist  ungefähr  6  Puss  hoch  und  leider 
am  unteren  Theil  so  verwittert,  dass  die  Schrift  nicht  mehr  zu  entziflfem 
ist  und  ein  anderes  Stück  als  Stütze  der  Last  hat  eingeschoben  werden 
müssen.     Die  Umschrift  am  Rande  lautet:   Ano.  Dni.  MCCCLXXVI  Mils. 

Theodricus  Witczeleybin (fil)  ii.  sui.  et.  hedewigis.  uxoris. 

sue.  nee.  non.  sophie.  filie.  sue.  hie.  isepultura.,  und  an  dem  Wappen  mit 
dem  Geierkopf  lesen  wir:  Diser.  stein,  ist  gehuen.  hem.  Ditherich.  von. 
Witczeleybin.  den.  man.  nante.  von.  Gommirstet. 

Der  Sinn  der  Inschriften  ist  also:  dass  der  Kitter  Dietrich  von 
Witzleben,  genannt  von  Gummerstedt,  1376  gestorben  ist,  und  sein  Sohn, 
seine  Gemahlin  Hedwig  und  seine  Tochter  Sophie  ihm  diesen  Leichenstein 
haben  errichten  lassen. 

Gummerstedt  kommt  im  13.  bis  15.  Jahrhundert  oft  vor,  auch  nannte 
sich  eine  Familie  danach;  wir  haben  aber  die  Lage  dieses  Orts  nirgends 
auffinden  können.  Nach  der  Aussage  des  Küsters  der  Lieb-Pi-auen-Kirche 
zu  Ajustadt  (1863)  soll  es  das  jetzige  Gamstedt  sein,  welches  sonst  auch 
Gammenstedt  genannt  wurde  *)  und  zwischen  Gotha  und  Erfurt  und  3  St 
nordwestlich  von  Arnstadt  liegt 

Daraus,  dass  1393  bis  1407  Beringer  ^on  Witzleben  zu  Gummerstedt 
sass,  können  wir  wohl  schliessen,  dass  dieser  Beringer  der  Sohn  Dietrichs 
war,  und  danach  die  Umschrift  des  Epitaphiums  ergänzen.  — 

Beringer  von  Witzleben,  der  1387,  als  er  mit  Consens  der 
Gräfinnen  Sophie  und  Mechtild  von  Kefemburg  dem  Kloster  zu  Jim  2  Pfd. 
Pfennige  Zinsen  von  4  Hufen  Landes  zu  Bösleben  verkaufte,  „ehrbarer 
Knecht"  genannt  wird  und  bis  1407**)  vorkommt,  besass  Gummerstedt 
und  Bösleben  (V«  M.  westlich  von  Witzleben)  als  landgräfliches  Lehn  und 
war  des  Grafen  Johann  und  dessen  Sohnes  Günther  von  Schwarzburg  Rath. 


*)  Brückner,   Goth.  Kirch,  u.  Schul.   Staat  II.  St.  7  p.  63,  wo  jedoch  von  Gummer- 
stedt keine  Bede  ist,  sowenig  wie  in  Schumanns  St.  P.  u.  Z.  Lex. 

**)  1407,  am  Montag  nach  Reminiscere,  verkaufte  er  dem  Kloster  zu  Um  das  Holz, 
der  „Ruschin  Reyn*  genannt,  im  Felde  zu  WiUeraleben. 


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—    33    — 

Sein  Sohn  Beringer  d.  J.,  der  nur  ein  Mal  1399  verkommt,  muss  vor 
ihm  und  zwar  1400  gestorben  sein,  denn  der  Landgraf  Friedrich  belehnte 
in  diesem  Jahre,  wahrscheinlich  in  Folge  des  Todes  dieses  einzigen  Sohnes, 
den  Burggrafen  von  Kirchberg  mit  dem  Anfall  der  Güter  Beringers  von 
Witzleben  zu  Gummerstedt  und  Bösleben,  und  1419  Heinrich  d.  Ä.  (32)  von 
Witzleben  und  seine  vier  Neffen  mit  den  Zinsen  im  Dorfe  und  Felde  zu 
Bösleben,  die  Beringer  besessen  hatte. 

Seine  Gemahlin  war  Mechtild,  eine  Schwester  Günthers  von  Bösleben 
(2.  Febr.  1392),  welcher  1404  von  den  Landgrafen  Friedrich  und  Balthasar 
vier  Hufen  zu  Gummerstedt  zum  Leibgedinge  verliehen  wurden. 


3 

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V.  Abschnitt 

Hermann  von  Witzleben  und  seine  Nach- 
kommen bis  zur  Stiftung  der  Elgersburger, 
Liebensteiner  und  Molschlebener  Linien. 

1251—1437. 

a.  Hermann  Ton  Witzleben, 

1251-1269 

und  sein  Sohn  Friedrich, 

1266—1287. 

m  Jahre  1251,  als  Graf  Heinrich  von  Schwarzburg  vom  Kloster  Saalfeld 
7  Hufen  Landes  zu  Kirchheim  und  2  Hufen  zu  Witzleben  t&r  28  Mark 
Silbers  kaufte,  unterschrieb  den  betreffenden  Kaufbrief  ausser  Conrad,  Herrn 
zu  Tannrode,  auch  Hermann  von  Witzleben  (1).  Wir  ersehen  hieraus, 
dass  schon  zu  dieser  Zeit  die  zu  Witzleben  gehörenden  Fluren  nicht  mehr 
in  einer  Hand  waren,  wenn  auch,  wie  sich  im  Lauf  dieser  (Jeschichte 
ergeben  wird,  der  Hauptbesitz  immer  noch  unserer  Familie  gehörte.  Ob 
Hermann  in  seiner  Eigenschaft  als  Grundherr  zu  Witzleben  oder  als  Schwarz- 
burgischer  Vasall  diese  Urkunde  unterschrieb,  vermögen  wir  nicht  zu  ent- 
scheiden; wahrscheinlicher  ist  wohl  das  Letztere,  denn  nach  einer  Urkunde 
vom  6.  Januar  1265  war  er  des  Grafen  Günther  Burgmann  (Castellanus) 
und  Ganerbe*)  auf  Schwarzbm-g  und  kommt  sonst,  jedoch  als  Eitter,  bis 

*)  Von  dem  alten  Worte  Gan,  gemein,  und  Erben,  Herren,  also  Miterben,  Mit- 
besitzer, d.  i.  Jemand,  der  sich  mit  einem  Andern  durch  einen  Burgfrieden  zur  ge- 
meinschaftlichen Vertheidigung  vereinigte  und  dazu  eine  Burg  (Ganhaus,  Ganschloss) 
bestimmte.  Zu  diesem  Zweck  wurden  auch  die  Burgmannschaften  errichtet,  und  da 
die  Burgen  und  die  dazu  gehörigen  Güter  häufig  den  gesammten  Burgmännem  zu 
Lehn  gegeben  wurden,  so  bekamen  solche  Burgmannschaften  auch  den  Namen  Gan- 
erbschaften. 


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—    35    — 

zum  Jahre  1269  nur  in  Schwarzburgischen  Urkunden  vor.  Am  7.  März 
1268  war  er  auf  der  Elgersburg  zugegen,  als  sich  Graf  Berthold  von 
Henneberg  daselbst  mit  der  Gräfin  Sophie  von  Schwarzburg  vermählte. 
Die  ununterbrochene  directe  Nachkommenschaft  Hermanns  blüht  noch  heute 
in  den  Häusern  Elgersburg,  Liebenstein  und  Molschieben.  Nach  dem 
Jahre  1269  finden  wir  Hermann  von  Witzleben  nicht  mehr  erwähnt,  jedoch 
erscheint  nun  in  den  Schwarzburgischen  »Urkunden  der  Ritter  Friedrich 
von  Witzleben,  in  Anbetracht  aller  Verhältnisse  ein  Sohn  Hennanns. 

Friedrich,  der  zuerst  am  1.  April  1266  in  einer  vom  Grafen  Günther 
von  Schwarzburg  für  das  Kloster  lim  ausgestellten  Urkunde  vorkommt,  hatte 
von  den  Herren  von  Kranichfeld  eine  Hufe  Landes  in  Eischleben  zu  Lehn, 
die  er  1268  dem  Kloster  Ichtershausen  überliess.  Er  musste  aber  dafür  den 
Lehnsherren,  die  ihre  Genehmigung  dazu  gegeben  und  sich  ihres  Lehn- 
rechtes an  jener  Hufe  verziehen  hatten,  eine  Hufe  und  einen  Hof  seines 
freien  Eigenthums  zu  Witzleben  zu  Lehn  auftragen,  d.  h.  sich  und 
seine  Erben  von  Jenen  damit  belehnen  lassen,  so  dass  er  also  der  Vasall 
derer  von  Kranichfeld  blieb.  Femer  verkaufte  er  am  17.  November  1274 
zwei  in  der  Flur  des  Dorfes  Osthofen  (jetzt  Osthausen)  gelegene  Hufen 
für  24  Mark  Silbers  an  den  Pleban  Otto  von  Wiehe.  Da  diese  Hufen 
aber  Kefemburgisches  Lehn  waren,  musste  er  den  Grafen  von  Kefemburg 
dafür  zwei  Hufen  seines  freien  Eigenthums  in  Alkersleben  zu 
Lehn  auftragen. 

Am  30.  März  1280  tauschte  Friedrich  von  Witzleben  mit  Geneh- 
migung des  Grafen  von  Schwarzburg  als  Lehnsherrn  voa  dem  Kloster 
Pauünzelle  einige  Güter  zu  Kirchheim  gegen  solche  zu  Gross -Liebringen 
ein,  und  kommt  dann,  meist  in  Schwarzburgischen  Urkunden,  nur  noch  bis 
zum  Jahre  1287  vor. 

Seine  Söhne  waren  Christian,  Friedrich  und  Herborto.  Von  den 
letzteren  beiden  wird  Seite  43  die  Eede  sein. 

b.  CliristiaiL  Ton  Witzleben  zu  Barchfeld. 
1290  und  1291. 

Christian  von  Witzleben,  der  älteste  Sohn  Friedrichs  von  Witz- 
leben zu  Witzleben  und  Alkersleben,  hauste  allem  Anschein  nach  auf  dem 
alten  Stammsitz  unserer  Familie;  wenigstens  schliessen  wir  dies  daraus, 
dass  er  von  seinen,  zu  dem  nur  y«  Meile  östlich  von  Witzleben  gelegenen 
Dorfe  Barchfeld  gehörigen  Gütern  im  Jahre  1290  einige  Hufen  Landes 

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—    36    — 

an  das  Kloster  um  verkaufte.  Auch  besass  er  Güter  zu  Wechmar  und 
Ohrdruff,  die  nach  seinem  Tode  sein  Sohn  Hermann  inne  hatte. 

Nach  dem  26.  September  1291  finden  wir  Christian  nicht  mehr  er- 
wähnt 

Seine  Gemahlin  war  Mechtild,  welche  am  16.  Mai  1298  mit  ihren 
Söhnen  Hermann  und  Heinrich  von  Witzleben  den  Grafen  von 
Honstein  einige  Güter  in  Nohra  und  Hayn  (zwischen  Weimar  und  Erfiirt) 
zu  Lehn  auftnig.  An  der  betreffenden  Urkunde  im  Archiv  zu  Sonders- 
hausen hängt  das  Siegel  Friedrichs  von  Witzleben  zu  der  Elgersburg, 
des  Onkels  (patrui)  von  Hermann  und  Heinrich. 

c.  Hermann  und  Heinrich  Ton  Witzleben. 
1298—1363. 

Hermann  und  Heinrich  von  Witzleben  hatten  von  ihrem  Vater 
Christian  ausgedehnte  Besitzungen  geerbt  und  erwarben  solche  auch  selbst. 

Zusammen  werden  beide  Brüder  ausser  im  Jahre  1298  noch  ein  Mal 
im  Jahre  1309  genannt.  Am  13.  November  d.  J.  stellte  nämlich  der 
Probst  des  Nonnenklosters  zu  Dm  eine  Urkunde  aus,  worin  er  bezeugt, 
dass  die  Brüder  Hermann  und  Heinrich  von  Witzleben  einen  Ho^  neben 
dem  Neuenwerks -Kloster  in  Erftut  gelegen,  welchen  ihre  Mutter  dem 
Kloster  verkauft  hatte,  diesem  überlassen  und  dabei  selbst  auf  ihre  zu- 
künftigen Rechte  verzichtet  hätten.  Unter  den  Zeugen  werden  die  Ritter 
Herborto  und  Friedrich  von  Witzleben,  ihres  Vaters  Brüder,  genannt 

Im  Uebrigcn  ging  von  den  Brüdern  jeder  seine  eigenen  Wege. 

Hermann  von  Witzleben.  In  einer  Urkunde  vom  16.  März  1328 
erwähnt  der  Official  der  Marienkirche  zu  Erfurt  einen  Hermann  von  Witz- 
leben, genannt  Cranewacker,  der  einen  Acker  Landes  in  der  Flur  des 
Dorfes  Witzleben  empfangen  habe  und  dafür  jährlich  2  Schock  Heller 
zahlen  solle;  wäre  er  aber  oder  die  Seinigen  mit  dem  Zahlen  säumig,  so 
sollte  das  Kloster  Georgenthal  den  Acker  einziehen.  Wir  haben  d^ese 
Urkunde  in  der  Thur.  Sacra,  p.  537  und  leider  nicht  im  Original  gesehen. 
Es  lässt  sich  zwar  annehmen,  dass  Hermann  von  Witzleben,  der  schon  in 
Witzleben  Besitzungen  hatte,  auf  diese  Weise,  etwa  der  besseren  Bewirth- 
schaftung  wegen,  einen  Acker  dazu  pachtete,  doch  wäre  dies  der  einzige 
Fall  in  unserer  damals  so  reichen  Familie.  Auch  spricht  der  ganze  Ton 
in  der  Urkunde  gegen  diese  Annahme.  Einem  so  mächtigen  Ritter,  wie 
Hermann  wai-,  duifte  ein  Kloster  wohl  nicht  ohne  Weiteres  mit  Einziehung 


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eines  Grundstücks  drohen.  Wir  glauben  viel  eher,  dass  jener  Hermann 
nicht  zu  unserm  Geschlechte  gehörte,  sondern  Hermann  Cranewacker  aus 
Witzleben  hiess;  eine  Benennung  wie  die  obige  kommt  in  Thüringer 
Urkunden  des  14.  Jahrhunderts  häufig  bei  solchen  Personen  vor,  von  denen 
es  feststeht,  dass  sie  bäuerlichen  oder  bürgerlichen  Standes  waren.*) 

Als  Graf  Hermann  zu  Gleichen  im  Jahre  1332  von  dem  Stifte  Hersfeld 
das  Schultheissenamt,  d.  h.  das  Gerichtslehn,  zu  Wechmar,  Ohrdruff  und 
Ermstedt,  welches  bisher  Beringer  von  Meldingen  inne  gehabt,  gekauft 
hatte,  brachte  Hermann  von  Witzleben,  der  in  Ohrdruff  und  Wechmar 
begütert  war,  dasselbe  jedoch  bald  darauf  von  dem  Abt  Ludwig  zu  Hers- 
feld durch  List  an  sich  und  suchte  den  Grafen  davon  zu  verdrängen,  was 
ihm  auch  zum  Theil  gelang,  „darüber  ihm  aber  Graf  Hermann  über  die 
massen  aufsätzig  worden."**)  Doch  kam  später  ein  gütlicher  Vergleich  zu 
Stande,  wonach  Hermann  von  Witzleben  das  Schultheissenamt  noch  4  Jahre 
behalten  sollte,  aber  versprechen  musste,  es  ohne  die  Zustimmung  des 
Grafen  zu  Gleichen  weder  zu  verkaufen,  noch  zu  versetzen,  noch  zur  Miethe 
ausznthun. 

Aus  dieser  Urkunde  geht  auch  hervor,  dass  Hermanns  sonstige  Be- 
sitzungen zu  Wechmar  und  OhrdruflF  Hennebergisches  Lehn  waren. 

1342  überliess  Hermann  von  Witzleben,  seinem  Versprechen  gemäss, 
dem  Grafen  Hermann  zu  Gleichen  das  Schultheissenamt  zu  Wechmar  und 
OhrdruflF  und  bald  darauf  verkaufte  er  seine  sonstigen  Güter  daselbst  an 
Christian  von  Witzleben  (den  spätem  HoMchter)  und  Otto  von  Stutterheim, 
von  denen  sie  am  4.  October  1351  die  Grafen  Ernst  und  Heinrich  zu 
Gleichen  erwarben. 

Aus  der  Urkunde  über  diesen  letzten  Verkauf  geht  auch  hervor,  dass 
Hermann  von  Witzleben  Kitter  war  und  die  erwähnten  Güter  von  seinem 
Vater  geerbt  hatte. 

Das  Hauptsächlichste,  was  wir  von  Heinrich  von  Witzleben  (10), 
dem  Bruder  Hermanns  wissen,  ist,  dass  er  von  seinen  vielfachen  Be- 
sitzungen den  Klöstern  reiche  Geschenke  machte. 

So  überliess  er  bereits  am  23.  Februar  1299  dem  Kloster  Hm  2  Mark 


*)  Die  Angeböder  Stammtafel  sagt  allerdings  gleich:  »Hermann  von  Witzleben, 
dictos  Gravackir,  Ritter,  Herr  zu  Lowenstein;  1296  beim  Turnier  m  Schweinfurt, 
t  1339,  Gem.  Mechtilde,  2  Söhne." 

*♦)  Sagitt.  Hist.  Gleichen  p.  JL07.,  Krügelstein  Nachr.  d.  Stadt  Ohrdruff  p.  118. 
Schumann  St  P.  u.  Z.  Lex.  VIT.  p.  784. 


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jährlicher  Zinsen  von  seinen  Gütern  zu  Sundremda  (wo  im  Jahre  vorher 
auch  sein  Vetter  Herborto  (8)  angesessen  war),  Schwarzburgischen  Lehns, 
und  zwei  Jahre  darauf  von  seinem  Besitzthum  im  Dorfe  Teutleben  bei 
Buttstedt  eine  Hufe  und  einen  befestigten  Rittersitz  dem  Kloster  Oldisleben, 
dem  dies  der  Landgraf  Albert  von  Thüringen  am  16.  Mai  1301  zueignete, 
ebenso  wie  am  2.  Mai  1302  noch  vier  Hufen  in  der  Flur  von  Teutleben, 
deren  sich  Heinrich  von  Witzleben  und  die  Brüder  Ludwig  und  Gottfried 
von  Teutleben  zu  Gunsten  des  Klosters  verziehen  hatten. 

Heinrich  von  Witzleben  hatte  diese  Besitzungen  vom  Landgrafen 
Albert  dem  Unartigen  zu  Lehn  gehabt  Er  blieb  in  dessen  Gefolge,  wie 
wir  aus  einer  am  11.  April  1305  auf  der  Wartburg  ausgestellten  Urkunde 
ersehen,  während  Vettern  von  ihm  sich  zur  Partei  Friedrichs  mit  der  ge- 
bissenen Wange  und  Diezmanns,  der  Söhne  Alberts,  schlugen. 

Im  Jahre  1313  überliess  Heinrich  wieder  dem  Kloster  Hm  eine  Hufe 
Landes  zu  Barchfeld  (Schwarzburgisches  Lehn),  die  er  mit  seinem  Schwager 
Otto  von  Hof  gemeinschaftlich  besass,  und  1315  dem  Kloster  Georgenthal 
zwei  Hufen  zu  Apfelstedt  (Kefemburgisches  Lehn).  Im  Jahre  1326  verkauften 
Heinrich  von  Witzleben,  Katharina,  seine  Gemahlin,  zugleich  mit  ihrer 
Schwester  Jutta*)  und  Andere  dem  Kloster  der  weissen  Frauen  in  Erfurt 
einige  Hufen  und  sonstige  Güter  in  der  Flur  des  Dorfes  Molsdorf.  Wahr- 
scheinlich stammte  Heinrichs  Gemahlin  aus  dem  alten  Geschlechte  derer 
von  Molsdorf  und  war  er  durch  sie  in  den  Besitz  dieses  Gutes  gekommen. 

Er  wird  noch  oft,  meist  in  Schwarzburgischen  Urkunden,  als  Zeuge 
und  Bürge  angeführt,  z.  B.  am  24.  November  1338  als  Bitter,  zusammen 
mit  Conrad  von  Witzleben  und  Christian,  dessen  Bruder,  und  am  21.  Januar 
1340  als  Vetter  von  Friedrich  von  Witzleben  zur  Elgersburg,  als  dieser 
das  Seelgerede  zu  Ichtershausen  stiftete. 

Am  19.  November  1342  wird  er  genannt  „Heinrich  von  Witzleben, 
genannt  von  Molsdorf,  Bitter"  und  1344  „Heinrich  von  Witzleben,  von 
Hermannstein,  Bitter",  wonach  ihm  also  das  berühmte  Molsdoif  und  ein 
Theil  jenes  kleinen  (I.  Thl.  S.  58  zu  erwähnenden)  Felsennestes  gehörten.  Beides 
vererbte  er  auf  seinen  Sohn  den  Ritter  Dietrich  von  Witzleben  zu  Molsdorf. 

Dagegen  verkaufte  er  noch  in  seinen  alten  Tagen,  1353,  seine  zu 


*)  Die  Stelle  lautet:    „ bona  in  campis  viUae  Mollesdorf,  quae  Heynricus 

de  Witzeleyben,  Katharina  nxor  sna  legitima  una  cum  Jutta  sorore  sua  et  alii 
dicto  conventui  yendiderunt.**  („sua''  hinter  sorore  ist  jedenfalls  auf  Katharina,  nicht 
aber  auf  Hejnricus  zu  beziehen.) 


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—    39    — 

Mertendorf,  1  Stunde  südöstlich  von  Naumburg  gelegenen  Güter  für  10  Schock 
und  100  schmale  Groschen  an  das  Kloster  Pforte,  und  seme  Güter  zu  Elx- 
leben,  eine  Meile  nördlich  von  Stadtilm,  für  65  M.  1.  S.  an  das  Kloster 
lim.  Wenn  wir  eine  genaue  Berechnung  anstellen,  so  finden  wir,  dass 
Heinrich  im  Ganzen  den  verschiedenen  Klöstern,  Zinsen,  Höfe  und  sonstigen 
Gerechtigkeiten  ungerechnet,  ein  Areal  von  mehr  als  400  Morgen  überUess. 
Nach  1353  konunt  Heinrich  nicht  mehr  vor;  sein  Sohn  war,  wie 
erwähnt,  der  Ritter  Dietrich  von  Witzleben  zu  Molsdorf  (s.  S.  41)  und 
eine  Tochter  scheint  an  Albrecht  von  Stutterheim  vermählt  gewesen  zu 
sein,  denn  als  Letzterer  1375  dem  Kloster  Dm  eine  Hufe  Land  zu  Elxleben 
wo  ja  auch  Heinrich  Besitzungen  hatte,  verkaufte,  bezeugt  dies  Albrechts 
Schwager,  der  Ritter  Dietrich  von  Witzleben. 

d.  Hermanns  SShne: 

Die  Ritter  Dietrich  und  Heinrich  von  Witzlebeu 

1361—1397 

und  die  Stiftung  der  Elgersbarger  Linie. 

Der  Ritter  Dietrich  von  Witzleben  zeichnete  sich  in  Schwarz- 
burgischen Kriegsdiensten  vor  Anderen  aus,  und  zwar  meist  in  Fehden, 
welche  die  Grafen  Günther  und  Johann  in  dem  Heere  des  Landgrafen  von 
Thüringen  ausfochten,  bis  er  im  Jahre  1366  in  einer  solchen  den  Tod 
fand.  — 

So  befand  er  sich  1361  mit  Friedrich  von  Witzleben  unter  dem 
Schwarzburgischen  Adel,  als  die  Landgrafen  den  Abt  Heinrich  von  Cralock 
zu  Fulda,  der  raubend  in  Hessen  und  Thüringen  eingefallen  war,  befehdeten 
und  demselben  die  Schlösser  Rossdorf  und  Northejm  abnahmen.  Dietrich 
war  jener  „tapfere  und  wohlversuchte  Ritter  Tizel  von  Witzleben",  den  die 
Grafen  von  Schwarzburg  1365,  als  sie  den  Landgrafen  wider  den  Herzog 
Albrecht  von  Braimschweig,  Herrn  zu  Salz  der  Helden,  beistanden  und 
die  Heidenburg  eingenommen  hatten,  in  diese  sandten,  um  sie  zu  ver- 
proviantiren.*) 

Im  Jahre  darauf,  1366,  wollte  der  Graf  Johann  von  Schwarzburg, 
bei  dem  sich  wieder  der  Ritter  Dietrich  von  Witzleben  befand,  mit  dem 
Landgrafen  Friedrich  gegen  aus  Italien  nach  Deutschland  gekommenes 
Raubgesindel  nach  dem  Elsass  ziehen;    man  kam  aber  nur  bis  in  das 


*)  AnsfÜhrUch  Th.  IL  S.  7. 

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—    40     — 

Würzburgiscbe,  und  Graf  Johann  sowohl  als  Dietrich  von  Witzleben  erlitten 
vor  Meiningen  ziemlich  bedeutenden  Schaden. 

Wahrscheinlich  ist  hier  die  Veranlassung  zu  dem  unglücklichen  Kriege 
des  Grafen  Johann  von  Schwarzburg  mit  dem  Bischof  Alb^  von  Würz- 
burg zu  suchen.  Im  Jahre  1366*)  nämlich  zog  Graf  Johann  „mit  grossem 
Volke  auf  den  Bischof  von  Würzburg  und  that  ihm  grossen  Schaden  mit 
Nehmen  und  mit  Brand.  Da  versammelten  sich  des  Bischofs  Voigte  und 
Mannen  und  kamen  an  ihn  und  stritten  mit  ihm,  und  der  Graf  verlor  den 
Streit  und  seines  Volkes  ward  viel  erschlagen  und  ihm  wurden  gefengen 
mehr  denn  80  gute  Bitter  und  Knechte  und  er  Dithrich  von  Witzceleibin, 
der  sein  Banner  führte,  wart  gewunt,  dass  er  starb." 

Der  Graf  Johann  war  selbst  gefangen  und  musste  schliesslich  die 
Schlösser  Wachsenburg,  Liebenstein  und  Schwarzwald,  welche  am  19.  Mai 
1 369  den  Rittern  Dietrich  von  Witzleben  (S.  41),  Dietrich  von  Molschleben  und 
Heinrich  von  Stutterheim,  sowie  Tizel  von  Witzleben  zu  Wölfis,  Knecht, 
bis  zur  förmlichen  Abtretung  eingeräumt  wurden,  den  Landgrafen  überlassen. 

Wahrscheinlich  ist  der  Kitter  Dietrich  von  Witzleben  der  Grossvater  von 
Curt  von  Witzleben,  dem  Stifter  der  Molschlebener  Linie,  (s.  d.  IV.  Abth.  d.Bd.) 

Dietrichs  Bruder,  der  Kitter  Heinrich  von  Witzleben,  war  zwar 
Schwarzburgischer  Vasall  (und  kommt  daher  oft  in  Schwarzburgischen 
Urkunden  als  Zeuge  vor),  stand  jedoch  mit  den  Markgrafen  zu  Meissen 
in  Verbindung.  Diese  ertheilten  ihm,  der  als  zu  Alkersleben  sitzend 
bezeichnet  wird,  und  seinen  Vettern  Dietrich  von  Witzleben,  Voigt  zu 
Eisenach  und  Creuzburg,  sowie  dessen  Söhnen  Dietrich  und  Kunemund, 
und  femer  Dietrich  von  Witzleben  zum  Wendelstein  1379  eine  Schuld- 
verschreibung über  478  Pfund  Pfennige,  6  Schillinge  und  57  Vi  Schock 
Meissener  Groschen.  Ausserdem  war  er  aber  auch  wegen  Alkersleben 
Lehnsmann  der  Grafen  von  Kefernburg.  Als  solcher  begleitete  er  den 
Grafen  Günther  d.  J.,  den  Letzten  dieses  Geschlechts,  in  das  gelobte  Land 
und  brachte,  als  derselbe  daselbst  1385  gestorben  war,  dessen  Leichnam 


•)  Die  Chronisten  differiren  m  der  Angabe  des  Jahres.  —  Joh.  Rothe,  Mencken 
n.  p.  1806  hat  1357,  der  Pimaische  Mönch,  Mencken  H.  p.  1461  —  1364,  p.  1485 
aber  1368,  Adam  Ursin,  Mencken  IIL  p.  1320  —  1366  nnd  demnach  die  meisten, 
z.  B.  P.  Jov.  in  Schöttg.  u.  Kreys.  Dipl  et  Script  L  p.  244  („und  ihm  9  vornehme 
Ritter,  unter  welchen  Her  Dietrich  von  Witzleben,  zum  Liebenstein  gesessen,  ein  tapfer 
versuchter  Soldat,  so  ohrister  Capitain  und  das  Panier  geföhret,  erschlagen  worden"), 
Fahric.  Orig.  Sax.  p.  657,  Becherer  Thür.  Chron.  p.  858,  von  Falckenstein ,  Eist  v. 
Erf.  p.  264,  Gauhen  Ad.  Lex.  p.  2915  u.  a. 


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—     41     - 

nach  Thüringen  und  liess  ihn  im  Kloster  Georgenthal  mit  Helm  und 
Schild  begraben.'*')  Sophia,  die  Mutter,  und  Mechtild,  die  Gemahlin  dieses 
letzten  Grafen  von  Kefemburg,  erhielten  darauf  das  Schloss  Kefemburg, 
welches  Güijther  dem  Landgrafen  Balthasar  in  Thüringen  zu  Lehn  auf- 
getragen hatte,  von  diesem  for  ihre  Lebenszeit  eingeräumt,  und  Heinrich 
von  Witzleben,  sowie  seine  Vettern  Dietrich  und  Kunemund  unterschrieben 
am  29.  Mai  1387  den  betreffenden  Revers. 

In  Folge  der  oben  angedeuteten  Verbindungen  mit  den  Markgrafen 
zu  Meissen  wurde  Heinrich  deren  Amtmann  zu  Borna  in  Sachsen,  als 
welcher  er  1391  bis  94  (nach  ürk.  im  Arch.  zu  Dresden)  vorkommt**) 

Er  starb  vor  dem  Jahre  1397  und  hinterliess  eine  Wittwe  Jutta. 

Von  Heinrichs  Söhnen  kennen  wir  nur  Fritz  von  Witzleben, 
genannt  von  Borne,  welcher  noch  1435  lebte  und  die  Söhne  Fritz  und 
Iring  von  Witzleben  hinterliess,  welche  im  Jahre  1437  Elgersburg 
kauften  und  von  denen  Iring  der  Stifter  der  Elgersburger  Linie 
wurde  (s.  die  IL  Abtheilung  dieses  Bandes). 

e.  Des  Bitters  Heinrich  toh  Witzleben  zn  Molsdorf  Sohn: 

Bitter  Dietrich  von  Witzleben  zu  Molsdorf. 

1368—1883. 

Der  Ritter  Dietrich  von  Witzleben  zu  Molsdorf  war  Anfangs 
wie  die  meisten  seiner  Vettern,  in  den  Diensten  der  Grafen  Günther  und 
Johann  von  Schwarzburg,  die  ihn  am  20.  Januar  1368  zum  Schiedsrichter 
erwählten  für  den  Fall,  dass  zwischen  ihnen  und  ihren  Vettern  zu  Arnstadt 
Immgen  entstehen  sollten.  Gleiches  Vertrauen  erwiesen  sie  ihm  im  Jahre 
darauf  als  in  Folge  des  ungliacklichen  Krieges  gegen  Würzburg  die  Schlösser 
Wachsenburg,  Liebenstein  und  Schwarzwald  an  die  Landgrafen  in  Thüringen 
abgetreten  werden  mussten,  indem  sie  bis  7ur  gänzlichen  Erledigung  dieser 
Angelegenheit  diese  Schlösser  ihm  und  seinem  Vetter  Tizel  von  Witzleben 
zu  Wölfis  übergaben. 

Als  Kefemburgisches  Lehn  besass  Dietrich  Güter  zu  Ringleben  (1  y»  ML 
nordwestlich  von  Erfurt)  und  schenkte  davon  am  31.  October  1369  dem 


*)  Die  Aogelröder  Stammtafel  irrt,  wemi  sie  dies  auf  den  Wendelsteiner  Heinrich 
bezieht. 

•*)  Th.  IL  p.  15  haben  wir  diese  SteUnng  irrthilmlich  auf  den  Sohn  des  Hof- 
richters besogen;  erst  später  erhaltene  Urkunden  haben  uns  darüber  Aufklarung 
gegeben. 


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—    42     — 

Augustiner-Kloster  zu  Erfurt  3  Hufen  Landes  und  22  Acker  Wiesen,  wo- 
für ihm  und  seinen  Erben  dieses  Kloster  jedoch  eine  Rente  von  jährlich 
2  Schillingen  zahlen  musste. 

Femer  veräusserte  er  bald  darauf,  1373,  seine  von  den  Landgrafen 
von  Thüringen  zu  Lehn  rührenden  Güter  zu  Molsdorf  an  die  von  Enzenberg; 
da  aber  seine  Gemahlin  Catharina  zu  Molsdorf  beleibdingt  war,  so 
musste  diese  sowohl  als  auch  ihre  Söhne  Dietrich  und  Kunemnnd  in 
jenen  Verkauf  willigen  und  ihre  Lehen  an  den  Gütern  auflassen. 

Zu  den  Landgrafen  von  Thüringen  trat  Dietrich  bald  in  nähere  Be- 
ziehungen und  schliesslich  vollständig  in  ihre  Dienste.  Am  9.  August  1378 
versetzten  diese  ihm  und  seinem  Vetter  Tizel  UM.  von  den  Jahresrenten 
in  Eisenach  für  110  M.  1.  S.,  die  er  jedoch  im  folgenden  Jahre  wieder 
veräusserte. 

Schon  zu  dieser  Zeit  war  er  landgräflicher  Voigt  zu  Eisenach  und 
Creuzburg  und  nebst  seinen  Söhnen  Dietrich  und  Kunemund,  sowie  seinen 
Vettern  Dietrich  von  Witzleben  zum  Wendelstein  und  Heinrich  von  Witz- 
leben zu  Alkersleben  seinen  Herren  auf  ihren  Kriegszügen  gefolgt  Für 
den  dabei  erlittenen  Schaden  erhielten  er  und  seine  Söhne  1379  von  den 
Landgrafen  eine  Schuldverschreibung  über  478  Pfiind  und  6  Schillinge 
Pfennige  und  57  '/*  Schock  Meissner  Groschen,,  und  da  diese  Summe  auch 
im  nächsten  Jahre  nicht  bezahlt  werden  konnte,  wurde  ihm  statt  der  Voigtei 
zu  Eisenach  und  Creuzburg  die  einträglichere  zu  Weissensee  eingeräumt 

Bei  irgend  einer  Fehde  war  Dietrich  in  die  Gefangenschaft  derer  von 
Griesheim  gerathen,  aus  der  ihn  der  Abt  zu  Paulinzelle  1380  durch  Er- 
legung von  75  Gulden  befreite.  Nach  dem  Jahre  1383  kommt  der  Bitter 
Dietrich  von  Witzleben  nicht  mehr  vor. 

f.  Des  Bitters  Dietrich  Ton  Witzleben,  Voigt  zu  Eisenach 

und  Creuzburg,  Söhne: 

Dietrich  und  Kunemund  von  Witzleben. 

1373—1415. 

Dietrich,  zum  Unterschied  von  seinem  Vater  der  Jüngere  genannt, 
lebte  1379  zu  Arnstadt,  war  1383  Voigt  zu  Kefemburg  und  wird  bereits 
am  4.  September  1391  als  todt  bezeichnet 

Kunemund  hatte  sich  am  23.  September  1387  mit  136  meist 
fränkischen  Grafen,  Herren,  Rittern  und  Knechten  zu  einer  Tumiergesellschaft 


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—    43    — 

verbunden  und,  da  er  der  Grafen  von  Henneberg  Lehnsmann  war,  wohl  mehr 
in  Franken  aufgehalten,  so  dass  er  sich  auch  bei  dem  Tode  seines  Bruders 
nicht  in  Thüringen  befand.  Der  Graf  Johann  von  Schwarzburg  und  der 
Ritter  Berthold  von  Buchenau  verbürgten  sich  daher  am  4.  September  1391 
dem  Kath  zu  Erfurt  gegenüber,  dafür  sorgen  zu  wollen,  dass  Kunemund 
seine  Einwilligung  dazu  gäbe,  dass  der  Rath  seiner  Schwägerin  Catharina, 
Dietrichs  von  Witzleben  sei.  Wittwe,  vier  Hufen  Landes  zu  Kirchheim,  die 
jedenfalls  Kunemund  mitgehörten,  als  Wittthum  gewähre. 

Kunemund  besass  das  Dorf  zu  dem  Rode  (bei  Ilmenau)  und  ein  Viertel 
des  Dorfes  Martinrode  mit  Gerichten  über  Hals  und  Hand  und  sonstigen 
Zugehörungen,  wie  er  dieselben  von  seinem  Vater,  dem  Ritter  Dietrich 
von  Witzleben,  geerbt  hatte.  Diese  Lehnstücke  gehörten  aber  zur  Herr- 
schaft Elgersburg,  und  da  diese  von  dem  Grafen  von  Henneberg  an  die 
Landgrafen  von  Thüringen  seit  1365  versetzt  war,  so  musste  Kunemund  am 
23.  Mai  1392  einen  Revers  ausstellen,  dass  er,  wenn  Henneberg  die  Elgers- 
burg wieder  einlösen  würde,  mit  diesen  Gütern  den  Grafen  von  Henneberg 
die  Lehnspflicht  thun  wolle. 

Ausserdem  besass  er,  ebenfalls  von  seinem  Vater  her,  Güter  zu  Ring- 
leben, die  er  dortigen  Einwohnern  in  Afterlehn  gegeben  hatte. 

Kunemund,  der  seit  1396  zu  Ilmenau  wohnte  (wegen  der  Güter  zu 
Rode  und  Martinrode)  erhielt  zugleich  mit  den  Brüdern  Hans  und  Christian 
von  Würzburg  1405  vom  Landgrafen  Balthasar  von  Thüringen  die  Voigtei 
auf  der  Elgersburg  mit  dem  Walde  für  500  rheinl.  Gulden;  auch  besass 
er  ebendaselbst  ein  Burggut  Dieses,  sowie  die  Hälfte  von^  Martinrode, 
welche  ihm  auch  gehörte,  verlieh  am  12.  August  1415,  nachdem  Kunemund 
kurz  vorher  gestorben  war,  der  Landgraf  Friedrich  an  Heinrich  d.  A.  von 
Witzleben  und  dessen  vier  Neffen  Christian,  Dietrich,  Heinrich  und  Conrad, 
woraus  zu  schliessen,  dass  Kunemund  keine  Nachkommen  hatte. 

g.   Friedrichs  tob  Witzleben  Söhne: 

Die  Bitter  Friedridi  und  Herberte^ 

1288-1340. 

Pfandscliaft  des  Schlosses  Elgersburg. 

Von  Friedrichs  Söhnen  war  der  bedeutendste  der  Kitter  Friedrich, 
1287  und  1289  des  Grafen  Günther  von  Schwarzburg  Burgmann  zu  Cranich- 
feld.    Er  wird  von  1288  bis  1340  in  sehr  vielen,  die  Grafen  von  Schwarz- 


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bürg  und  Keferaburg,  die  Klöster  zu  Paulinzelle,  Um,  Ichtershausen,  (leorgen- 
thal,  Kapellendorf,  Keinhardsbrunn  und  Arnstadt  betreffenden  Urkunden, 
oft  mit  seinem  Bruder  Herborto  zusammen,  als  Zeuge  genannt,  und  ersehen 
wir  aus  allem,  dass  er  nicht  nur  durch  Reichthum,  sondern  auch  durch 
personliche  Vorzuge  angesehen  und  ein  tapferer  und  frommer  Ritter  war. 

In  Kirchheim,  wo  sein  Vater  bereits  Güter  erworben  hatte,  tauschte 
er  deren  1289  von  dem  Kloster  Paulinzelle  ein  gegen  andere  zu  Gross- 
Liebringen,  die  er  ein  Jahr  vorher  von  Heinrich  von  Rossla  gekauft  hatte. 
Dagegen  überliess  er  mit  Bewilligung  des  Grafen  Günther  von  Schwarz- 
burg 1293  dem  Kloster  um  zwei  Hufen  Land  in  der  Elxlebener  Flur  und 
trat  femer  dem  Grafen  Berthold  von  Henneberg  ebendaselbst  noch  1  Va  Hufen 
ab,  die  dieser  demselben  Kloster  schenkte. 

Wahrscheinlich  steht  die  Abtretung  dieser  Güter  in  Verbindung  mit 
der  vor  dem  Jahre  1297  erfolgten  Veipföndung  eines  Theils  des  Schlosses 
Elgersburg  Seitens  des  Grafen  Heinrich  von  Henneberg  an  den  Ritter 
Friedrich  von  Witzleben,  der  dadurch  auch  mit  dem  Grafen  Berthold  von 
Henneberg  in  Berührung  kam.  Etwas  Näheres  über  diese  Verpföndung 
haben  wir  bis  jetzt  nicht  erfahren  können,  wir  wissen  nur,  dass  Graf 
Heinrich  am  28.  August  1297  das  Recht,  seinen  Theil  der  Elgersburg  von 
dem  Ritter  Friedrich  von  Witzleben  einzulösen,  dem  Grafen  Berthold  ab- 
trat, der  davon  jedoch  keinen  Gebrauch  machte,  vielmehr  seinen  Theil 
ebenfalls  an  Friedrich  von  Witzleben  versetzte.  In  Folge  dessen  wurde 
Letzterer  des  Grafen  Berthold  Vasall  und  stellte  ihm  am  16.  Mai  1315 
einen  Revers  aus,  den  wir  als  älteste  uns  bekannte,  von  einem  Witzleben 
ausgestellte  Urkunde,  wörtlich  in  hochdeutscher  Sprache  folgen  lassen: 

„Ich  Friedrich  von  Witzleben,  der  Ritter,  bekenne  öffentUch  in  diesem 
Briefe,  dass  der  edle  Herr,  Graf  Berthold  von  Henneberg,  mein  gnädiger 
Herr,  mich  zu  einem  Diener  angenommen  hat,  so,  dass  ich  sein  wüliger, 
getreuer  Diener  sein  soll,  und  dass  er  mich  vom  nächsten  St.  Michaelis- 
Tage  an  zwei  Jahre  lang  schützen  und  vertheidigen  soll  zu  meinem  Rechte 
gegen  Jedermann,  ausser  gegen  den  Ritter  Heinrich  von  Schauenforst  und 
seüie  Freunde,  und  soU  ich  ihm  behülflich  sein  mit  meiner  Macht  gegen 
Jedermann,  ausser  gegen  meinen  Herrn,  Grafen  Günther  von  Kefemburg, 
gegen  den  soll  er  mir,  auch  ich  ihm  keine  Hülfe  thun.  Es  soll  auch 
meinem  vorgenannten  Herrn  von  Henneberg  die  Elgersburg,  die  von  ihm 
mein  Pfand  ist,  ein  offen  Haus  sein  zu  allen  seinen  Sachen  und  seinen 
Kriegen,  und  wenn  er  in  Krieg  geräth  auf  dem  Hause  oder  wegen  desselben, 


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—    45    — 

so  soll  er  auf  seine  eigenen  Kosten  zehn  Mann  auf  dem  Hause  halten, 
die  mir  das  Haus  bewahren  und  behalten  helfen;  legt  er  aber  mehr  Leute 
auf  das  Haus,  die  soll  er  mit  seiner  Kost  darauf  halten,  und  was  die  ge- 
winnen, das  soll  sein  sein.  Des  gebe  ich  zu  einer  Beständigkeit  dieser 
Beredung  diesen  Brief  mit  meinem  Insiegel.  Das  ist  geschehen  nach 
Gottes  Geburt  1315,  an  dem  Freitage  in  der  Pfingstwoche." 

Am  29.  December  desselben  Jahres,  wo  dieser  Revers  ausgestellt 
war,  erhielten  nicht  nur  des  Grafen  Berthold  von  Henneberg  und  des  Ritters 
Friedrich  von  Witzleben  gegenseitige  Verbindlichkeiten  durch  einen  schieds- 
richterlichen Vertrag  des  Grafen  Heinrich  von  Schwarzburg  eine  genauere 
Bestimmung,  sondern  man  vereinigte  sich  auch  über  die  Art  und  Weise, 
wie  die  Ablösung  der  Elgersburg  künftig  geschehen  sollte.  Friedrich  sollte 
seine  Auslagen  und  was  er  den  Grafen  vorgeschossen,  berechnen  und  der 
Probst  von  Hm  die  Richtigkeit  der  Berechnung  attestiren  und  für  diese 
so  festgestellte  Summe  sollte  ihm  Elgersburg  versetzt  sein  und  durch 
Bezahlung  derselben  ausgelöst  werden  zu  einer  in  das  Belieben  des  Grafen 
gestellten  Zeit  Doch  war  Friedrich  nicht  gehalten,  nur  einen  Theil 
des  Schlosses  herauszugeben  (Graf  Heinrich  hatte  immer  noch  Anrechte), 
sondern  die  Grafen  sollten  ihre  Theile  gleichzeitig  oder  einer  von  ihnen 
beide  Theile  auslösen.  Da  aber  nach  der  Berechnung  Graf  Berihold  an 
Friedrich  100  Mark  Silber  mehr  schuldete,  als  der  Werth  seines  Theils 
der  Elgersburg  betrug,  so  wurde  ausgemacht,  dass  er  diese  100  Mark  in 
2  Raten  innerhalb  eines  Jahres  bezahlen  und  ausserdem  jährlich  10  Mark 
zur  Instandhaltung  des  Schlosses  hergeben  sollte.  Würde  Graf  Berthold 
in  Elgersburg  angegriffen,  so  sollte  er  Hülfetruppen  dorthin  senden,  und 
wenn  das  Schloss  bei  solcher  Gelegenheit  verloren  ginge,  so  sollte  es  dem 
Grafen  verloren  sein,  nicht  aber  Friedrich,  d.  h.  dieser  sollte  dennoch  den 
Pfendschilling  erhalten.  Wenn  Friedrich  von  Witzleben  ,rVon  Kummer  oder 
Armuth  gedrängt"  würde  und  wollte  das  Schloss  abgelöst  haben,  so  sollte 
er  ein  Jahr  vorher  kündigen,  worauf  er  dann  die  eine  Hälfte  seiner  Forderung 
und  ein  Jahr  darauf  die  andere  erhalten  würde. 

Mit  dem  Grafen  Heinrich  und  dessen  Sohn  Poppe  scheint  Friedrich 
in  ernstere  Zwistigkeit«n  gerathen  zu  sein,  die  jedoch  der  Graf  Berthold 
beilegte.  Aus  dem  hierüber  von  Friedrich  von  Witzleben  am  6.  Januar 
1316  ausgestellten  Reverse  geht  hervor,  dass  des  Grafen  Heinrich  Theil 
der  Elgersburg  an  Friedrich  far  300  Mark  Silber  versetzt  war  und  dass 
der  Graf  ihm  ausserdem  noch  50  Mark  schuldete,  die  am  nächsten  Michaelis- 


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Tage  über  ein  Jahr  zu  zahlen  waren.  Zur  Instandhaltung  der  Burg  hatte 
Graf  Heinrich  jährlich  5  Mark  zu  zahlen. 

Nach  den  in  dieser  Urkunde  im  Verhältniss  zu  der  vorigen  angegebenen 
Zahlen  scheint  es,  als  wenn  des  Grafen  Berthold  TheU  ffir  eine  noch  ein- 
mal so  grosse  Summe,  als  der  Grafen  Heinrich  und  Poppo  Theil,  mithin 
die  Elgersburg  im  Ganzen  ffir  900  Mark  Silber,  versetzt  war. 

Die  Pfandschaft  des  Schlosses  Elgersburg  wurde  am  30.  März  1323  noch 
dahin  erweitert,  dass  Graf  Berihold  von  Henneberg  den  Ritter  Friedrich  von 
Witzleben  für  seine  Lebenszeit  mit  der  Hälfte  des  Gewinnes  der  Gold-,  Silber- 
und sonstigen  Bergwerke,  welche  sich  in  der  Nähe  der  Elgersburg  aufthun 
würden,  belehnte,  sich  jedoch  den  Wiederkauf  vorbehielt.  Diese  Bergwerke 
sind  dieselben,  welche  später  (z.  B.  1474)  unter  dem  Namen  „die  Sturm- 
heide" bei  Ilmenau  vorkommen  und  nach  mancherlei  Schicksalen  unter 
der  thätigen  Mitwirkung  Göthes  erst  1784  sich  wieder  zu  heben  begannen. 

Nach  den  Verträgen  über  die  Elgersburg  wollte  Friedrich  von  Witzleben, 
der  tapfere  Kitter,  den  Grafen  von  Henneberg  beistehen  gegen  Jedermann, 
ausgenommen  den  Grafen  Günther  von  Kefemburg.  Dies  war  sein  Lehns- 
herr wegen  mehrerer  Güter,  zu  dem  er  auch  ausserdem  in  freundschaftlichen 
Beziehungen  stand.  Bereits  1308  hatte  derselbe  ihm  und  dem  Ritter 
Johann  von  Benshausen  die  Burg  Arnstadt  überantwortet,  und  femer  war 
er  dessen  Burgmann  auf  der  Veste  Cranichfeld  geworden,  nachdem  die 
Grafen  von  Schwarzburg  dieselbe  dem  Grafeji  Günther  verpfändet  hatten. 
Denn  als  dieser  am  24.  Juli  1322  dem  Grafen  Heinrich  von  Henneberg 
wegen  des  Heirathsgutes  seiner  Gemahlin  600  Mark  SUber  zu  zahlen  ver- 
sprach, setzte  er  nebst  andern  Rittern  Friedrich  von  Witzleben  zum  Bürgen 
ein  und  bestimmte  ausserdem,  dass  dieser,  wenn  die  for  nächste  Ostern 
ausgemachten  300  Mark  nicht  pünktlich  gezahlt  würden,  Cranichfeld  dem 
Grafen  von  Henneberg  überliefern  sollte. 

Am  25.  Februar  1330  finden  wir  den  Ritter  Friedrich  von  Witzleben 
auch  als  miles  castrensis,  d.  h.  Burgmann,  in  Kefemburg,  der  bei  Arnstadt 
gelegenen  Stammburg  des  1385  ausgestorbenen  Geschlechts;  und  im  darauf 
folgenden  Jahre  versetzten  die  beiden  Grafen  Günther  von  Kefemburg 
(Vater  und  Sohn)  „Em  fritschen  von  Witzleiben  czu  der  elgersburg",  nebst 
Dietrich  von  Kirchheim  und  Heinrich  von  Lengefeld  die  Veste  Ilmenau 
mit  allen  Zubehörungen,  weil  diese  far  sie  Bürge  geworden  gegen  den 
Rath  zu  Erfort 

Die  geisüichen  Stiftungen  bedachte  Friedrich  in  reichem  Masse.    Mit 


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Einwilligung  seines  Sohnes  Eberlin  übereignete  er  am  24.  Februar  1322 
das  Dorf  Eichfeld  (1  St.  westlich  von  ßudolstadt)  mit  11  Hufen  Landes 
dem  Jungfrauen- Kloster  zu  Arnstadt,  welches  dafür  einen  Priester  halten 
musste,  um  täglich  am  Altar  St  Georgs  fiir  die  von  Witzleben  Messe  zu 
lesen.  In  demselben  Jahre  verzichtete  er  auf  drei  Hufen  zu  Eischleben  zu 
Gunsten  des  nahe  gelegenen  Klosters  Ichtershausen,  und  1327  verkaufte 
er  12  Scheffel  Korn  und  Gerste  von  seinen  dortigen  Gütern  demselben 
Kloster.  Zwei  Jahre  später  schenkte  er  4  Mark  Silber  von  seinen  Einkünften 
aus  dem  Dorfe  Kirchheim  dem  Kloster  Em,  ebenso  wie  1335  3  Mark 
jährlicher  Zinsen,  die  er  seiner  Tochter  Jutta,  die  dort  Nonne  war,  zu  einer 
Pfründe  bestimmte. 

Ausser  all  den  genannten  Besitzungen  an  Burgen  und  Dörfern  besass 
Friedrich  noch  10  Mark  Silber  jährlicher  Zinsen  in  Griesheim,  die  ihm  am 
12.  März  1295  der  Abt  von  Paulinzelle  verkauft  hatte,  10  Hufen  und  das 
Gericht  im  Dorfe  und  in  der  Flur  von  Ichtershausen  (zwischen  Arnstadt  und 
Erfiirt),  die  er  von  den  Grafen  von  Honstein  am  10.  August  1304  für 
100  M.  S.,  und  einen  Hof  und  ein  Haus  auf  dem  Petersberge  zu  Erfurt, 
die  er  von  Hermann  von  Alch  für  24  M.  gekauft  hatte.  In  einer  lateinischen 
Urkunde  vom  25.  März  1332,  die  beginnt:  „Nos  fridericus  de  wiczzeleybin, 
miles,  dominus  in  Eylgersburg,"  verspricht  er  dem  Rathe  zu  Erftui;,  der  vor 
dem  Einfluss  des  Adels  in  der  Stadt  Besorgniss  hegen  mochte,  diesen  Hof 
und  Haus,  wenn  er  oder  seine  Erben  sich  zur  Veräusserung  derselben  entr 
schliessen  ivürden,  an  Niemand  anders  als  einen  Erfurter  Bürger,  der  der 
Stadt  Erftirt  Eid  und  Dienst  leisten  würde,  zu  verkaufen. 

Die  letzte  Handlung  Friedrichs  betraf  sein  Seelenheil.  In  einer  Ur- 
kunde vom  21.  Januar  1340,  die  anfängt:  „Wir  Frizze  von  Wiczeliben, 
Herr  czu  der  Elegersborgk**,  bestimmte  er,  dass  die  27  Schillinge  Geldes* 
und  zehn  Hühner .  jährlicher  Zinsen,  die  er  von  dem  im  Dorfe  Neusis 
gelegenen  Gute  des  Klosters  Ichtershausen  gekauft  hatte,  nach  seinem  Tode 
mit  allen  Rechten  wieder  an  das  genannte  Gotteshaus  zurückfallen  sollten 
zu  einem  Seelgerede  (Seelengedächtniss).  Und  Eberlin,  Fritz  und 
Hermannstein,  Friedrichs  Söhne,  versprachen,  nach  ihres  Vaters  Tode 
keinerlei  Ansprüche  an  jene  Zinsen  erheben  zu  wollen.  Als  Zeugen  unter- 
schrieben die  Urkunde  Ludwig  von  Sondershausen,  Friedrichs  Eidam,  und 
Heinrich  von  Witzleben,  sein  Vetter. 

Friedrichs  Gemahlin,  die  bereits  1296  erwähnt  wird,  hiess  Cunegunde, 
und   ausser   den   bereits   genannten  Kindern   Eberlin,   Jutta,   Fritz, 


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Hermannstein  und  der  an  Ludwig  von  Sondershausen  vermählten  Tochter 
hatte  er  noch  einen  Sohn,  Iring,  von  dem  später  die  Eede  sein  wird. 
Es  ist  möglich,  dass  Friedrichs  Gemahlin  Cunegunde  eine  gebome  von 
Lobenstein  war,  aber  auch,  dass  eine  Schwester  Friedrichs  einen  von 
Lobenstein  geheirathet  hatte,  denn  1231  nennt  Albert  von  Lobenstein  den 
Ritter  Friedrich  von  Witzleben  zur  Elgersburg  seinen  Oheim. 

Friedrichs  jüngerer  Bruder,  Herborto,  starb  im  Jahre  1334  und 
hinterliess  zwei  Söhne:   Friedrich  und  Tizel  von  Witzleben. 

h.   Die  Söhne  Herborto's: 

Friedrich  und  Tizel  von  Witzleben. 

1310—1378. 

Friedrich  trat  in  den  geistlichen  Stand  und  war  im  Jahre  1320 
Domherr  der  Marien-Kirche  zu  Erfurt 

Tizel  war  einer  der  treusten  Diener  der  Grafen  von  Schwarzburg, 
namentlich  des  späteren  Kaisers  Günther,  und  lange  Zeit  hindurch,  von 
1346—1366  ihr  Voigt  auf  der  Wachsenburg. 

Als  „Graf  Günthers  Diener"  unterschrieb  er  die  Urkunde  vom 
9.  December  1348,  worin  der  Markgraf  Ludwig  I.  von  Brandenburg  ver- 
sprach, den  Grafen  Günther  zu  Schwarzburg  zum  römischen  König  zu 
küren. 

Nach  König  Günther's  Tode  (1349)  stand  Tizel  dessen  Bruders  Söhnen, 
den  Grafen  Heinrich  und  Günther,  mit  Bath  und  That  bei,  obwohl  er 
immer  noch  ihres  Vetters,  des  Grafen  Johann,  Voigt  zur  Wachsenburg 
war.  Die  Kitterwürde  hat  er  nie  erworben,  dennoch  muss  er  ein  bedeutender 
•Mann  gewe»n  sein,  denn  die  Grafen  von  Schwarzburg  nannten  ihn  selbst 
„den  vornehmen  Tizel  von  Witzleben"  und  wählten  ihn  wiederholt  zum 
Schiedsrichter  in  ihren  vielfachen  Streitigkeiten  unter  sich  und  mit  Anderen. 

Tizel  besass  im  Jahre  1353  Bergen  (oder  Bergem)  an  der  Um,  welches 
später  im  Besitz  der  Berkaer  Linie  unseres  Geschlechts  war,  und  wo  noch 
heute  die  Trünmier  einer  Witzlebenschen  Burg  zu  sehen  sind,  und  ge- 
meinschaftlich mit  seinem  Vetter  Friedrich,  dem  Sohne  des  Herrn  zu 
der  Elgersburg,  das  Dorf  Tröchtelbom  1351,  den  Hof  zu  dem  Sachsenrode 
1354  und  den  Hermannstein  1362. 

Als  der  Graf  Johann  von  Schwarzburg  nach  dem  für  ihn  unglücklichen 
Ausgange  des  Krieges  mit  dem  Bischof  zu  Würzburg,  1366,  die  Schlösser 


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—    49    — 

Wachsenburg,  Liebenstein  und  Schwarzwald  an  die  Landgrafen  Friedrich 
Balthasar  und  Wilhelm  von  Thüringen  hatte  abtreten  müssen,  verlor  Tizel 
die  Voigtei  der  Wachsenburg  und  zog  sich  nach  Wölfis  (1  Ml.  südwestlich 
der  Burg),  seinem  Eigenthum  zurück,  blieb  aber  ein  treuer  Rath  der 
Grafen  von  Schwarzburg.  Aber  auch  die  Landgrafen  ehrten  ihn  so,  dass 
sie  zugaben,  dass  die  Grafen  am  19.  Mai  1369  die  genannten  drei  Schlösser, 
soweit  ihr  Interesse  dabei  betheiligt  war,  ihm  und  seinem  Vetter  dem  Kitter 
Dietrich  von  Witzleben  überantworteten.  Seitens  der  Landgrafen  hatten  die 
Ritter  Dietrich  von  Molschleben  und  Heinrich  von  Stutterheim  die  Burgen  inne. 
Alle  Vier  mussten  am  20.  Mai  1369  einen  Revers  ausstellen,  dass  sie  sowohl 
den  Schwarzburgem  als  den  Landgrafen,  wenn  aber  der  Kauj^reis  vollständig 
bezahlt  sein  würde,  nur  den  Landgrafen  mit  den  Burgen  gewarten  wollten. 

Wie  Tizel  bereits  am  31.  Januar  1363  den  Vertrag  der  Grafen  Günther 
und  Johann,  ihre  Besitzungen  gemeinschaftlich  zu  regieren,  mit  zu  Stande 
gebracht  hatte,  so  wurde  er  auch  ausersehen,  die  Theilu^g  zwischen  ihnen 
am  19.  Nov.  1370  zu  vollziehen  und  am  1.  Mai.  1371  einen  Burgfrieden  über 
das  Haus  Schwarzburg  zu  errichten. 

Zuletzt  wird  Tizel  am  9.  August  1378  erwähnt,  wo  ihm  und  seinem 
Vetter  Dietrich  die  Landgrafen  UM.  jährlichen  Einkommens  von  den 
Jahresrenten  zu  Eisenach  f&r  1 10  M.  verpfllndeten.  Er  muss  in  sehr  hohem 
Alter  gestorben  sein  und  scheint  keine  Nachkommen  hinterlassen  zu  haben. 


Wir  halten  es  für  angemessen,  bereits  an  dieser  Stelle  einen  kurzen 
Abriss  der  Geschichte  der  Elgersburg  einzurücken. 

i.  Die  Elgersburg. 

Die  Elgersburg,  im  Munde  des  Volkes  kurzweg  „Burg"  oder  „Bork" 
geheissen,  im  Herzogthum  Sachsen-Coburg-Gotha,  am  nördlichen  Abhänge  des 
Thüringer  Waldes,  eine  Stunde  westlich  von  Ilmenau  gelegen,  ist  eine  der 
ältesten  und  wohlerhaltensten  Burgen  Thüringens,  die  fast  400  Jahre  im 
Witzlebenschen  Besitz  war.  Wann  und  von  wem  sie  erbaut  wurde,  lässt 
sich  nicht  nachweisen,*)  dass  sie  aber  eine  der  ältesten  Burgen  Thüringens 


*)  Sie  wird  in  Urkunden  Adelgeresbnrc,  Hegeleresburch,  Algersburc,  Elegersburg» 
Eilgerisborc  etc.  genannt,  und  der  Erbauer  bat  jedenfalls  Elger,  Eilger,  Adelger,  Alker 
(Allaricns,  Allaricb)  oder  ähnlicb  gebeissen ;  keinesfalls  ist  es  aber  der  Graf  Elger  von 
Honstein  gewesen,  wie  viele  annehmen,  —  dieser  gab  der  jetzt  wüsten  Elgersburg  bei 
Iblefeld  am  Harz  den  Namen  —  vielmehr  ist  aus  dem  auf  der  Elgersburg  noch  be- 
I.  4 


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—    50    — 

ist,  geht  schon  aus  der  Legenda  Patroni  Germaniae  Sanctissimi  Bonifacii 
(die  300  Jahre  nach  Bonifacius,  der  sich  in  Thüringen  um  das  Jahr  730 
aufgehalten  hatte,  entstanden  und  nach  einem  alten  Manuscript  in  Mencken 
I,  863  abgedruckt  ist;  s.  auch  Falkensteins  Thür-  Chronik)  heiTor,  wo  es 
heisst:  „Nun  sollt  ihr  wissen,  dass  Wartperg  ist  das  Haupt  dieses  Landes 
(Thüringen)  und  Eligersburg  heisst  der  rechte  Arm  und  liegt  an  dem 
Thüringer  Walde,  und  der  Eberberg  ist  genannt  der  linke  Arm  des  Landes 
und  liegt  an  dem  Harze,  und  Weissensee  ist  genannt  das  Herz,  und  der 
Eckersberg  ist  genannt  die  Füsse  und  treten  auf  die  Saale."  —  Ausserdem 
führte  bereits  im  12.  Jahrhundert  eine  Familie  von  diesem  Schlosse  den 
Namen,  von  welcher  Marcquard  von  Adelgeresburc  1135  in  einer  Volkenrode- 
schen  und  Marquart  de  Hegeleresburch  um  1 156  zusammen  mit  Boppo  Comes 
de  Hennberch  in  einer  Urkunde  über-  eine  dem  Kloster  Vessra  gemachte 
Schenkung  genannt  wird.     (Schultes,  Gesch.  v.  Henneb.  L  81.) 

Nach  den  Herren  von  Elgersburg  waren  die  Grafen  von  Kefemburg 
Besitzer  des  Schlosses,  von  denen  es  Günther  bereits  1268  an  den  Grafen 
Berthold  von  Henneberg  (-Schleusingen)  versetzt  hatte.  Dieser  feierte  hier 
in  demselben  Jahre  seine  Vermählung  mit  der  Gräfin  Sophia  von  Schwarz- 
burg,, wenigstens  ist  der  vom  Grafen  Berthold  seiner  Gemahlin  gegebene 
Leibgedingsbrief,  den  u.  a.  Graf  Hermann  von  Henneberg,  Graf  Günther 
d.  Ä.  von  Kefemburg  und  Hermann  von  Witzleben  bezeugen,  in  Algersberc 
am  7.  März  1268  ausgestellt. 

Ebenso  war  Elgersburg  1274  als  Pfand  im  Besitz  der  Grafen  von 
Henneberg,  muss  aber  vom  Grafen  Günther  von  Kefemburg  wieder  ein- 
gelöst worden  sein.  Um  das  Jahr  1285  fiel  Graf  Günther  aus  nicht  be- 
kannten Gründen  raubend  in  das  Hennebergische  Gebiet  ein  und  richtete 
besonders  in  dem  Flecken  Schwarza  grosse  Verwüstungen  an.  Graf  Heinrich 
von  Henneberg  verband  sich  mit  seinem  Vetter  Berthold,  schlug  den  Gegner  bei 
Schwarza  in  die  Flucht  und  drang  darauf  in  Thüringen  ein,  wo  es  ihm  glückte, 
denselben  gefangen  zu  nehmen  und  mit  nach  Hartenbergzu  fähren.  Günther 
musste  seine  Freiheit  durch  ein  ansehnliches  Lösegeld  erkaufen  und  allen 
Schaden  ersetzen,   wenigstens   bekannte  er    sich   in   einer   von   ihm    am 


findlichen  Stein  vom  Jahre  1088  mit  dem  Bruchstück  unseres  Wappens  der  8chlus8  zu 
ziehen,  dass  der  Erhauer  zu  unserem  Geschlecht  gehört  hat  Wenn  aber  Hatham  (in 
seiner  Schrift  über  Elgersburg  p.  28  u.  29)  meint,  des  Erhauers  Elger  von  Witzleben 
Bild  im  Schlosse  zu  Angelrode  gesehen  zu  haben  (mit  schwarzen  Enieehosen  und  weissen 
Strümpfen),  so  geht  dies  doch  etwas  zu  weit! 


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31.  Aug.  1288  ausgestellten  Urkunde  gegen  Graf  Heinrich  und  dessen  Vetter 
Berihold  zu  einer  Schuld  von  400*)  Mark  Silber,  wofür  er  jenem  sein 
Schloss  Eilgerisborc  mit  der  Bedingung  verpfändete,  dass  dasselbe,  wenn 
er  es  innerhalb  zweier  Jahre  nicht  ausgelöst  hätte,  den  beiden  Grafen  von 
Henneberg  erb-  und  eigenthümlich  überlassen  sein  sollte. 

Da  Günther  die  festgesetzte  Zeit,  ohne  zu  zahlen,  verstreichen  Hess, 
so  gelangten  nunmehr  die  Grafen  von  Heimeberg  zum  erblichen  Besitz  der 
Elgersburg,  die  sie  eine  Zeit  lang  in  Gemeinschaft  innehatten.  Graf  Heinrich 
versetzte  jedoch  bald  darauf  seinen  Antheil  an  Friedrich  von  Witz- 
leben und  trat  am  28.  Aug.  1297  das  ihm  zustehende  Einlösungsrecht  seinem 
Vetter,  dem  Grafen  Berthold  zu  Schleusingen,  ab. 

Graf  Berthold  verpföndete  seinen  Antheil  ebenfalls  an  Friedrich 
von  Witzleben,  (s.  I.  Tbl.  S.  44)  der  im  Ganzen  900  Mark  Silber 
für  dieses  Pfand  gezahlt  und  dasselbe  bis  zu  seinem  Tode  1340  innehatte. 
Um  diese  Zeit  aber  muss  des  Grafen  Berthold  Sohn,  Heinrich,  die  Elgers- 
burg wieder  eingelöst  haben,  da  wir  von  Friedrichs  Söhnen  keinen  als  auf 
der  Elgersburg  sitzend  erwähnt  finden. 

Graf  Johann  von  Henneberg  setzte  1346  die  Grafen  Heinrich  und 
Ernst  zu  Gleichen  als  Burgmannen  in  die  Elgersburg,  diese  aber  übertrugen 
ihre  Functionen  an  den  Ritter  Hermann  von  Wechmar. 

Die  unmündigen  Söhne  des  am  2.  Mai  1359  verstorbenen  Grafen  Johann 
von  Henneberg,  Heinrich  und  Berthold,  verpfändeten  am  11.  Dec.  1365  ihr 
Haus  und  Veste,  die  Elgersburg,  für  2000  Mark  löthigen  Silbers  Erftirtischen 
Gewichts  und  100  Mark,  die  zu  verbauen  waren,  an  die  Gebrüder  Friedrich, 
Balthasar  und  Wilhelm,  Landgrafen  in  Thüringen  und  Markgrafen  zu  Meissen 
mit  der  Bedingung,  dass  die  Veste  alle  Jahr  auf  unserer  Frauen  Lichtmess 
Tage  lösbar  sein  sollte  bei  vierteljährlicher  Kündigung;  könnten  die  Grafen 
oder  ihre  Erben,  wenn  die  Landgrafen  Geld  nöthig  hätten,  die  Burg  nicht 
einlösen,  so  sollten  letztere  oder  ihre  Erben  das  Becht  haben,  sie  ander- 
weit für  2000  und  100  M.  S.  zu  versetzen,  dabei  aber  ausmachen,  dass 
die  Grafen  von  Henneberg  sie  zu  jeder  Zeit  wieder  einlösen  könnten. 

Diese  Pfandschaft,  welche  nicht  wieder  abgelöst  wurde,  ging  erst 
1540  in  einen  Erbkauf  über. 

Von  dem  in  dem  Pfandbriefe  vom  11.  Dec.  1365  stipulirten  Rechte, 
die  Elgersburg  beliebig  versetzen  zu  können,  machten  die  Landgrafen  von 

*)  Schultes,  Gesch.  Henneb.  I.  272.,  irrt,  wenn  er  den  Pfandschilling  auf  40  M. 
angiebt;  es  hcisst  deutlich:  cum  qnadringentis  marcis  argenti. 

4* 


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Thüringen  den  ausgedehntesten  Gebrauch,  so  dass  die  Veste  wie  ein  Spiel- 
ball von  Hand  zu  Hand  ging. 

Unter  andern  versetzten  bereits  1367  die  Landgrafen  an  Christian  von 
Witzleben  (den  früheren  HoMchter,  Besitzer  des  Wendelsteins)  und  seine 
Söhne  Dietrich,  Friedrich  und  Heinrich,  sowie  an  Ulrich  von  Tennstedt, 
seiner  Tochter  Kind,  Haus  und  Veste  Elgersburg  mit  wilden  Pferden,  Berg- 
werken, Seen,  Teichen  etc.  ffir  1000  Gulden. 

1405  überliess  Landgraf  Balthasar  an  Hans  und  Christian  Gebruder 
von  Würzburg  und  Kunemund  von  Witzleben  die  Voigtei  auf  Elgersburg 
für  500  Rhein.  Gulden. 

Am  27.  Jan.  1415  verpfändeten  die  Landgrafen  Friedrich,  Wilhelm  und 
Friedrich  d.  J.  das  Schloss  Elgersburg  an  die  von  Entzenburg. 

1425  versetzte  Landgraf  Friedrich  Schloss  Elgersbm-g,  jedoch  ohne  den 
Wald,  an  Heinrich  d.  Ä.  von  Witzleben  und  seine  vier  Neffen  für  400  M.  S. 

Am  11  Nov.  1426  heisst  es  in  der  Urkunde  über  die  Witzleben'sche 
Stiftung  in  der  Kirche  U.  L.  F.  zu  Arnstadt:  Ritter  Er  Kerstan*)  von  Witzleben, 
zu  der  Eiligersburg  gesessen,  unser  lieber  Vetter  und  Bruder  gottesseliger. 

Am  17.  Aug.  1430.  hatte  Curt  von  Witzleben  das  Schloss  Elgersburg 
pfandesweise  inne  vom  Landgrafen. 

1435  verkaufte  Landgraf  Friedrich  wiederkäuflich  an  Heinrich  von 
Witzleben  das  Schloss  Elgersburg  mit  den  Waldzinsen,  den  Zinsen  vom 
Eisenstein,  der  Schmiede  und  den  Schneidemühlen  etc.  für  468  Mark  und 
400  gute  Rheinische  Gulden,  unter  der  Bedingung,  dass  das  Schloss  dem 
Landgrafen  jeder  Zeit  offen  stehe. 

Seit  1425  war  also  Elgersburg  als  Pfand  in  ununterbrochenem  Besitz 
der  vier  Brüder  von  Witzleben  gewesen,  von  denen  1437  nur  noch 
Heinrich  und  Dietrich  lebten,  deren  Pfandschilling  nach  und  nach  aui 
500  Mark  löthigen  Silbers  und  400  Rheinische  Gulden  angewachsen  war. 
Die  Brüder  Fritz  und  Iring  von  Witzleben  kauften  nun  1437  ihren 
Vettern  das  Pfand  ab,  zahlten  an  den  Landgrafen  Friedrich  in  Thüringen 
noch  1000  Rheinische  Gulden  nach  und  wurden  darauf  von  diesem  in  den 
unbeschränkten  Besitz  des  Schlosses  Elgersburg  mit  allen  dazu  gehörigen 
Gerechtsamen  gesetzt  und  1437  am  Montage  nach  Trinitatis  damit  belehnt 
Hiergegen  erhoben  zwar,  und  wohl  auch  mit  Recht,  die  Grafen  von  Henne- 
berg Einsprache,  ohne  dieselbe  jedoch  zur  Geltung  zu  bringen,  und  es  blieb 

*)  Woraus  YaL  König  a.  andere  ~  auch  die  Angelrdder  Stammtafel  —  Pieter 
Erkerstein  machen! 


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—    53    — 

die  Oberlchnshoheit  über  Elgersburg  ein  streitiger  Punkt  bis  1540.  Die 
Herzöge  von  Sachsen  sahen  jeden&lls  schon  damals  voraus,  dass  Henneberg 
sein  Pfand  wohl  schwerlich  wieder  einlösen  würde,  oder  sie  hatten  auch 
die  Absicht,  eine  solche  Einlösung  für  immer  zu  verhindern.  So  war  also 
die  Elgersburg,  welche  bereits  1297  und  später  noch  zu  anderen  Zeiten 
im  Pfandbesitz  der  Witzleben'schen  Familie  war,  im  Jahr  1437  käuflich 
erworben  worden.  Ob  unser  Geschlecht  vor- 1297  'einen  Zusanmienhang 
mit  der  Elgersburg  hatte,  wie  der  daselbst  befindliche  Stein  vom  Jahre 
1088  (s.  I.  Tbl.  S.  5  und  21)  vermuthen  lässt,  ist  uns  nicht  möglich 
gewesen  zu  ergründen. 

Nach  dem  ersten  Lehnbriefe  von  1437  war  Landgräfliches  Lehn 
das  Schloss  Elgersburg  mit  allen  besetzten  und  wüsten  Dörfern*,  den 
Gerichten  über  Hals  und  Hand,  Kirchlehen,  Erblehen  und  freien  Güter- 
lehen, mit  den  dazu  gehörenden  Waldnutzungen,  nämlich  Holzzinsen  und 
dem  auf  dem  Schlosse  nöthigen  Brenn-  u.  Bauholz,  femer  mit  der  Wild- 
bahn, den  Schneidemühlen,  den  Eisenschmieden,  Pischwassem,  zwei  Teichen 
unter  dem  Schloss,  dem  wüsten  Teiche  zu  Ilmenau,  und  mit  allen  Zinsen, 
Renten,  Diensten,  Nutzungen  und  sonstigen  Zugehörungen,  jedoch  ohne  den 
"Wald  und  die  hohe  Jagd  (welche  nur  ausnahmsweise  bis  auf  Widerruf 
gestattet  war),  die  wilden  Pferde,  Bergwerke,  die  Ritterlehen  und  ehrbare 
Mannschaft;.  Dazu  kam  später  noch  ein  Sedelhof*)  im  Dorfe  zu  Gera,  im 
Elgersburger  Gerichte  gelegen,  mit  Aeckem,  Hölzern,  Weüiwuchs  und 
anderen  Zugehörungen,  den  Iring  d.  J.  von  Witzleben  um  1468  gekauft; 
hatte. 

Die  besetzten  Dörfer  der  Elgersburg  waren  Martinrode  und  Manebach, 
derentwegen  die  von  Witzleben  mit  dem  Grafen  Wilhelm  von  Henneberg 
(t  1480)  in  mancherlei  Streitigkeiten  geriethen,  welche  zwar  wieder  fried- 
lich beigelegt  wurden,  schliesslich  aber  doch  die  Besitzer  der  Burg  nöthigten, 
den  Schutz  Kur-Sachsens  anzurufen.  Namentlich  in  Betreff  der  Grenzen 
zwischen  dem  Elgersburgischen  Gebiet  und  dem  Hennebergischen  Amte 
Ilmenau  entstanden  Irrungen,  die  sogar  beim  KaiserL  Reichs-Eanmiergericht 
verhandelt  wurden  und  zu  mancherlei  Verträgen  Anlass  gaben. 

Im  Jahre  1515  wollte  Graf  Wilhelm  die  verpföndete  Elgersburg  von 


*)  Sddel-,  Siedel-  oder  Sattelhofe,  sattelfreie  Güter  (von  sedes,  Wohnsitz  eines 
Adligen)  waren  gewisse  Arten  von  Landgütern,  welche  zwar  nicht  die  Vorrechte  von 
Rittergütern,  aber  doch  viele  Freiheiten  und  Vorzüge  vor  den  gewöhnlichen  Bauern- 
gütern hatten,  und  namentlich  von  Frohnen  und  Zinsen  befreit  waren. 


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dem  Hause  Sachsen  wieder  ablösen;  allein  dem  Herzog  Johann,  dem  dieses 
Schloss  in  jenen  unruhigen  Zeiten  zur  starken  Schutzwehr  diente,  war  an 
dem  ferneren  Besitz  desselben  sehr  viel  gelegen,  und  es  wurde  daher  am 
17.  Jan.  1516  ein  Vergleich  geschlossen,  nach  welchem  Herzog  Johann  sich 
verbindlich  machte,  dem  Grafen  Wilhelm,  so  lange  er  die  auf  8000  FL  fest- 
gesetzte Ablösungssumme  fristen  würde,  jährlich  500  Fl.  zu  bezahlen,  in- 
zwischen aber  die  Hennebergischen  Lande  wider  alle  Gewalt  zu  beschützen, 
wogegen  Graf  Wilhelm  versprach,  dem  Herzog  erforderlichen  Falls  mit 
40  Pferden  zu  dienen.  Seitdem  dachte  der  Graf  von  Henneberg  nicht 
mehr  an  die  Wiedereinlösung  des  Schlosses  und  der  beständige  Geldmangel, 
mit  dem  er  zu  kämpfen  hatte,  mochte  sie  ihm  wohl  von  selbst  verbieten. 
Als  aber  der  Kurfürst  Johann  Friedrich  im  Jahre  1539  einen  auf  Schleusingen 
haftenden  Pfandschilling  zurückforderte,  wusste  Graf  Wilhelm  in  dieser  Ver- 
legenheit kein  anderes  Auskunftsmittel  zu  treffen,  als  dass  er  1540  seinem 
Einlösungsrechte  an  dem  Schlosse  Elgersburg  entsagte  und  dasselbe  dem 
Hause  Sachsen  erb-  und  eigenthümlich  einräumte,  wogegen  der  Kurfürst 
auf  die  alte  Pfandschaft  Schleusingen  verzichtete. 

Nach  dieser  vorläufig  getroffenen  Abrede  wurde  nun  durch  Vermittelung 
des  Fürsten  Wolfgang  zu  Anhalt  zwischen  beiden  Theilen  am  12.  März  1540 
zu  Schmalkalden  ein  förmlicher  Kecess  errichtet,  in  welchem  nicht  nur  die 
Grenzen  zwischen  dem  Elgersburger  Gebiet  und  dem  Amte  Ilmenau  genau 
bestinmit,  sondern  auch  festgesetzt  wurde,  dass  die  Herren  von  Witzleben 
ihre  Gerechtigkeiten  und  Nutzniessungen  an  den  nach  den  neuen  Grenz- 
bestimmungen auf  dem  Hennebergischen  Theil  liegenden  Hölzern,  Jagden, 
Eisenhämmern,  Harzen,  Schneidemühlen,  wie  sie  dieselben  nach  den  bis- 
herigen Lehnbriefen  gebraucht  und  besessen  hätten,  auch  femer  behalten, 
dafür  aber  die  zur  Elgersburg  gehörenden  Dörfer  Manebach  und  Martinrode, 
welche  sie  bis  dahin  von  dem  Hause  Sachsen  zu  Lehn  getragen,  fortan 
von  der  Herrschaft  Henneberg  zu  Lehn  empfangen  sollten,  ohne  dieser  jedoch 
ritterdienstpflichtig  zu  sein,  vielmehr  sollten  sie  diese  Dienste,  wie  bisher, 
dem  Hause  Sachsen  leisten.  Als  Aequivalent  für  diese  Lehngerechtsame 
überliess  Graf  Wilhelm  dem  Kurfürsten  die  Hennebergische  LehnsheiTÜchkeit 
über  das  Dorf  Stockhausen  bei  Eisenach  und  gab  ihm  zugleich  die  Ver- 
sicherung, dass  nach  Verlöschen  des  Hennebergischen  Mannsstammes  die 
Witzleben'schen  Lehnstücke  dem  Hause  Sachsen  heimfallen  sollten.  Am 
23.  Juni  1541  wurde  darauf  denen  von  Witzleben  zur  Elgersburg  der  erste 
Hennebergische  Lehnbrief  über  Manebach  und  '/a  Martinrode  ertheilt 


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—    55    — 

Trotz  dieses  sogenannten  Schmalkaldenscben  Vertrages  erhoben  sich 
doch  wegen  Elgersburg,  Martinrode  und  Manebach  zwischen  Sachsen  und 
Henneberg  Meinungsverschiedenheiten,  die  aber  ausgeglichen  wurden  und 
nach  dem  Tode  Georg  Emsts,  des  letzten  der  Henneberger  (f  27.  Dec.  1583) 
ihr  vollständiges  Ende  erreichten,  da  das  Hennebergische  Land  an  das  Haus 
Sachsen  fiel.  Von  dieser  Zeit  an  empfingen  die  von  Witzleben  die  Lehen 
über  Elgersburg,  Martinrode  und  Manebach  nur  von  dem  Hause  Sachsen, 
und  nach  dem  Theilungsrecess  zwischen  den  Sächsischen  Linien  vom 
30.  April  1670  die  über  Elgersburg  und  Manebach  von  Sachsen-Gotha,  die 
über  Martinrode  aber  von  Sachsen- Weimar. 

Von  Martinrode  gehörte  Anfangs  nur  die  Hälfte  zu  Elgersburg,  während 
die  von  Witzlebcn  zum  Liebenstein  die  andere  Hälfte  besassen;  erst  1598 
verkauften  diese  ihre  Hälfte  an  die  Elgersburger  fiir  4000  Fl.  wiederkäuflich 
und  1611  erblich. 

Feiner  gehörten  zu  Elgersburg  noch  Lehn-  und  Erbgüter  zu  Gera, 
Neuroda,  wo  ein  besonderer  Sitz  war,  und  Trasdorf,*)  so  dass  z.  B.  der 
Sachsen -Weimar.  Wirkl.  Geh.  Rath  und  Ober-Hofinarschall  Friedrich 
Hartmann  von  Witzleben  (n.  2.  Nov.  1722  f  3.  Oct.  1788)  titulirt  wurde: 
Erb-,  Lehn-  und  Grerichtsherr  auf  Elgersburg,  Gera,  Manebach,  Martinrode, 
Neuroda  und  Trasdorf. 

Fast  400  Jahre  war  die  Familie  von  Witzleben  im  erblichen  Besitz 
von  Elgersburg  gewesen,  als  die  herzogliche  Kammer  in  Gotha  dieselbe 
erwarb. 

Nach  Ausweis  des  Kaufcontracts  vom  8  Nov.  1802  kaufte  das  Kammer- 
collegium  des  Herzogs  Ernst  H.  zu  Sachsen-Gotha  und  Altenburg  die  sänmitr 
liehen  Kitter-  und  Lehngüter  zu  Elgersburg  und  Neuroda  mit  allen  Per- 
tinenzien  an  Ländereien,  Wiesen,  Gärten,  Fischereien,  Holzungen  (mit  Aus- 
nahme des  Veronikenberges),  Jagden,  Triften,  Frohnen,  dem  Patronats- 
Recht  zu  Elgersburg,  Gera  und  Neuroda  mit  den  resp.  Filialen  Manebach 
und  Trasdorf,  femer  dem  hohen  und  niederen  Schlosse  und  allen  übrigen 
zu  den  Lehngütem  gehörigen,  inner-  und  ausserhalb  des  Orts  gelegenen 
Wohn-  und  Wirthschafts-Gebäuden,  auch  Schenken  mit  dem  Inventarium, 
der  Ziegel-  und  Pechhütte,  femer  alles  bei  diesen  Gütern  zeither  besessene 
AUodium  an  Land,  Wiesen,  Teichen,  Gärten,  Holzungen,  Gebäuden,  der 


*)  Alkersleben ,  Gross-Liebringen ,  Bösleben  und  Beutelsdorf  gehörten  zwar  auch 
denen  von  Witzleben  znr  Elgersburg,  aber  als  besondere  Güter,  wie  von  1651  an  auch 
Angelrode  u.  andere 


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Schenke  mit  dem  Inventarium  zu  Manebach  etc.  von  den  Lehnserben 
Friedrich  Hartmanns  von  Witzleben,  nämlich  den  Brüdern  Job  Wilhelm, 
Heinrich  Günther  mid  Heinrich,  sowie  dem  einzigen  Sohne  des  vierten  Bruders 
Friedrich  von  Witzleben,  für  die  Summe  von  126,000  ßeichsthalem. 

Die  üebergabe  der  Güter  erfolgte  an  dem  erwähnten  8.  Nov.  1802 
in  feierlichem  Act  auf  dem  Schlosse  Elgersburg  in  Gegenwart  der  Schult- 
heissen  von  Elgersburg,  Gera,  Manebach,  Neuroda  und  Trasdorf,  und 
mittelst  ßescripts  vom  17.  Dec.  1802  wmde  vom  Herzog  Ernst  U.  der 
Kauf  genehmigt. 

Von  den  so  erworbenen  zum  Eittergute  Elgersburg  gehörenden 
24774    Acker  Länderei, 
170  „      Wiesen, 

737  7,  fl      „      Nadelholz, 
2387«       »»      Laubholz,  sowie 
15  Teichen  und  Fischwassem  nnd 
248*/!   Ackern  Forstgrundstücken   auf  dem  Spiegels-  und  Hiiienberge  (zu 
dem  nicht  mitverkauften  Martinroda  gehörig)  verkaufte  die  Herzogl.  Kammer 
zu  verschiedenen  Zeiten  Parcellen  meist  an  die  Gemeinden  der  fünf  Ort- 
schaften und  erhielt  dadmch  beinahe  die  Einkaufssumme  wieder,  während  sie  in 
dem  Besitz  der  Schlossgebäude  und  der  einträglichen  (Jerechtigkeiten,  Lehen, 
Erbzinsen,  Jagd,  Bergwerke,  Waldungen  etc.  verblieb.    Die  Elgersburger 
Gerichte  wurden  erst  am  2.  Jan.   1830  aufgehoben  und  die  fünf  Dörfer 
dem  neugebildeten  Amtsbezirke  Liebenstein  (bei  Haue),  einverleibt 

Seit  1837  ist  eine  Kaltwasser-Heilanstalt  in  Elgersburg,  deren  Bade- 
gäste jetzt  das  Schloss  bewohnen,  und  an  der  Stelle  der  alten  Witzleben- 
schen  Guts-Gebäude  am  östlichen  Fusse  des  Schlossberges  steht  seit  1808 
eine  grosse  Porzellan-  und  Porphyr -Waaren- Fabrik;  diurch  Beide  ist  das 
Dorf  Elgersburg  in  letzter  Zeit  sehr  in  Aufiiahme  gekommen. 


Die  hochragende  malerische  Burg  krönt  ein  isoUrtes  Felsenhaupt,  das 
sich  1671  Fuss  über  die  Ostsee  erhebt.  Von  drei  Seiten  ist  der  Berg  wie 
ein  abgeschnittener  Kegel  gestaltet,  der  mit  Rasen  bewachsen  und  mit 
einzelnen  Bäumen  bepflanzt  ist;  auf  der  Westseite  aber  grenzt  er  fast  an 
den  nahen,  steil  aufsteigenden  Waldessaum,  so  dass  er  von  dieser  Richtung 
her  am  zugänglichsten  ist. 


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—    57     — 

Die  Elgersbnrg. 

Süden 


liiTrBT^i!Hiii#ifB^-iyr;J& 

Man  unterscheidet  das  obere  und  untere  Schloss.  Das  untere  nimmt 
in  zwei  rechtwinklig  aneinanderstossenden  Flügeln  die  Noi-d-  und  Ostseite 
des  Berges  ein.  Die  noch  wohlerhaltenen  Gebäude  sind  weit  niedriger,  als 
das  obere  Ritterhaus  und  jedenfalls  auch  später  aufgeführt.  Eine  bequeme 
Auffahrt  durch  das  westliche  Hauptthor,  vor  dem  sich  ehemals  eine  Zug- 
brücke wölbte,  und  eine  Stiege  durch  die  Mauerpforte*)  nächst  dem  runden 
Erkerthurme  führen  in  den  unteren  Schlosshof.  Auf  demselben  springt 
eine  der  vortrefflichsten  Quellen,  der  vielgesegnete  „Schlossbrunnen",  der 
in  Steinröhren  500  Puss  weit  vom  Rumpeisberge  hergeleitet  wird.  Auf 
der  nordöstlichen  Ecke  ragen  dicht  neben  einander  zwei  Thürme  empor, 
ein  runder  weit  vorspringender  Eckthurm  von  mächtigem  Mauerwerk,  mit 
einer  gewölbten  Kuppel  und  die  Jahreszahl  1567  tragend,  und  ein  höherer 
viereckiger  Thurm,  der  die  beiden  zweistöckigen  Häuser  mit  einander  ver- 
bindet. Unter  dem  runden  Thurm  gähnt  das  Burgverliess,  das  16  Fuss 
tief  auf  dem  Felsen  aufsitzt     Auf  dem  viereckigen  Thurme,   einem  der 


*)  Darüber  das  schöne  Wappen  mit  der  Umschrift :  Fried.  Heinr.  und  Job  Wilbebn 
von  Witzleben,  Gebrüder  zu  der  Elgersburg  MDCIII.  (die  III.  ist  nicht  mehr  zu  lesen, 
aber  auf  einem  Gypsabdruck  in  Angelrode  zu  finden. 


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ältesten  Bauwerke  des  Schlosses,  der  aus  starken  Sandsteinquadem  auf- 
geführt und  mit  einer  hölzernen  Haube  bedeckt  ist,  hängt  eine  Schlaguhr, 
die  auf  Staatskosten  erhalten  wird.  In  der  Mauer  dieses  Thurmes  sieht 
man  noch  einige  Schiessscharten,  die  mit  durchlöchei-ten  Steinkugeln  ver- 
schlossen werden  können.  Das  Haus,  das  sich  links  (westlich)  von  den 
Thürmen  hinzieht,  ist  jedenfalls  später  erbaut;  es  soll  ehedem  sehr  elegant 
eingerichtet  und  zuletzt  von  der  Wittwe  Priedr.  Hartmanns  von  Witzleben,  einer 
geb.  Freiin  von  Oppel  bewohnt  gewesen  sein.  Die  Stallgebäude  rechts  (nach 
Süden)  vom  Thurme  sind  älter  und  urkundlich  im  Jahre  1438  erbaut. 

Vom  untern  Schloss  fahrt  eine  breite  Keitertreppe,  die  in  den  Felsen 
gehauen  ist,  auf  den  Vorplatz  des  oberen  Schlosses,  der  etwa  20  Puss  höher 
liegt  Das  grosse  zweistöckige  ßitterhaus  auf  dem  südlichen  Abhänge  des 
Felsens,  mit  dessen  steil  emporragenden  Zacken  die  hohen  Mauern  künstiich 
verbunden  sind,  ist  wohl  erhalten,  obschon  im  Innern  vielfach  umgestaltet 
Im  kolossalen  Mauerwerke  zeigen  sich  Spuren  des  urältesten  Baues.  Eine 
breite  Treppe  fuhrt  zu  den  Corridoren,  an  welche  sich  die  Zimmer  reihen, 
während  sonst  ein  gewaltiger  Kittersaal  den  westlichen  Theil  des  oberen 
Stockwerks  ausfüllte. 

Eine  niedrige,  ehedem  durch  Thürme  verstärkte  Ringmauer  mit  davor- 
liegenden  Graben  umschliesst  die  Burg  von  der  nördlichen,  westlichen  und 
östlichen  Seite. 

Die  Aussicht  auö  den  Fenstern  des  ehemaligen  Rittersaales  über  das  Dorf 
mit  seinen  blitzenden  Teichen  hinweg  auf  das  bunte  Landschaftsbild,  das  in 
den  mannichfachsten.Schattirungen  immer  neue  Reize  entfaltet  ist  ebenso  weit 
als  prachtvoll. 

k.    Die  Söhne  Friedrichs  von  Witzlehen,  des  Herrn  zn 

der  Elgershnrg. 
1322—1394. 

Nach  dem  Tode  des  mächtigen  und  angesehenen  Ritters  Friedrich  von 
Witzleben,  Herrn  zu  der  Elgersburg,  hat  jedenfalls  des  Grafen  Berthold 
von  Henneberg  (f  1340)  Sohn,  der  reiche  Graf  Heinrich,  die  Elgersburg 
eingelöst,  da  wir  sonst  wohl  einen  von  Friedrichs  Söhnen  als  darauf  sitzend 
erwähnt  fänden. 

Von  Friedrichs  Söhnen  Eberlin  und  Iring  ist  nichts  Interessantes  zu 
erzählen,  dagegen  Einiges  von  den  Anderen. 

Hermannstein  hat  seinen  sonderbaren  Namen  von  der  Heine  Fehen- 


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bürg  Hermannstein  bei  Ilmenau.  Er  biess  eigentlich  Hermann  und  hatte 
wahrscheinlich  im  Auftrage  seines  Vaters  zum  Schutze  der  Elgersburg  auf  dem 
imposanten,  bei  Kammerberg  an  der  um  gelegenen  Porphyrfelsen,  eine  Warte, 
d.  h.  einen  engen  runden  Thurm,  denn  für  mehr  Gebäude  war  kein  Platz 
vorhanden,  erbaut,  um  von  hier  aus  das  Ilmthal  und  die  von  Süden 
kommenden  Strassen  übersehen  zu  können.  Nach  ihm  wurde  dieser  Thurm 
Hermannstein  genannt.  Hermann  war  ein  tapferer,  fehdelustiger  Ritter, 
der  sich  und  seiner  kleinen  aber  festen  Burg  bald  einen  Namen  machte, 
so  dass  der  seinige  mit  dem  der  letzteren  identisch  wurde.  Am  27.  April  1351 
wird  er  zwar  noch  ein  Mal  bezeichnet  als  „Hermann  von  Witzleben,  ein 
Bitter,  genannt  Hermannstein",  aber  lange  vor-  und  nachher  heisst  er  kurz- 
weg Hermannstein  von  Witzleben. 

Den  Hermannstein  besass  1342  Hermanns  Bruder  Friedrich,  doch 
hatten  auch  seine  Vettern  daran  Theil,  z.  B.  1344  Heinrich  und  13G2 
Tizel  von  Witzleben,  sowie  Dietrich  von  Molschleben.  Friedrich  und  diese 
beiden  Letzteren  verkauften  1362  ihren  Theil  von  Hermannstein  für  150  M. 
L  S.  an  den  Grafen  Günther  von  Kefemburg,  dem  auch  Friedrich*)  von 
Witzleben  zu  Alkersleben  den  Rest  der  Burg  1373  für  40  M.  1.  S.  über- 
liess.  So  unbedeutend,  wie  sie  z.  B.  in  „Thüringen  und  der  Harz"  VIT. 
p.  322  dargestellt  wird,  muss  die  kleine  Veste  doch  nicht  gewesen  sein, 
denn  der  Graf  Günther  von  Kefemburg,  der  den  nicht  geringen  Preis  von 
fiast  200  M.  S.  dafür  bezahlt  hatte,  nannte  sich  bis  zu  seinem  Tode  „Herr 
von  Hermannstein."  Zu  Ende  des  16.  Jahrhunderts  waren  nrfch  die  Rudera 
der  Burg  zu  sehen.**) 

Mit  dem  Grafen  Heinrich  von  Henneberg  und  seinem  Sohn  geriethen 
die  von  Witzleben,  hauptsächlich  wohl  noch  in  Folge  der  Einlösung  der 
Elgersburg,  wegen  der  Güter  zu  dem  Rode,  Manebach,  Gera,  Angelrode 
und  der  unter  dem  Schlosse  Elgersburg  gelegenen  Weingärten  und  Wiesen,***) 
die  sie  beanspruchten,  in  allerlei  „vflaufte,  brache",  d.  h.  Streit  und  Meinungs- 
verschiedenheiten, die  durch  Giese  von  Steinau,  Ritter,  und  Otto  von 
Brandenstein  gütlich  beigelegt  wurden,  nachdem  die  von  Witzleben  allen 


*)  Friedrich  scheint  Schreibfehler  zu  sein;  um  jene  Zeit  lebte  Heinrich  von 
Witzleben  zu  Alkersleben. 

*♦)  , hegt  ein  hoher  Berg,  der  Hermannstein  genannt,  auf  welchem  noch 

Budera  eines  alten  Schlosses  zu  sehen,  und  ist  solcher  Berg  gar  verödet,  das  anno  90 
durch  einen  grossen  Brand  geschehen  sein  soll."  Schreiben  vom  29.  Nov.  1598  in  den 
Prozessftcten  der  Elgershurger  Witzlehen  im  Archiv  zu  Gotha. 

•**)  Alle  nicht  weit  von  Ilmenau  gelegen. 


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ihren  Ansprüchen  auf  die  genannten  Güter  entsagt  hatten.  In  dem, 
am  3.  Mai  1351  von  Friedrich  und  Hermanstein,  Eittem,  und  Iring,  Knecht, 
Gebrüdern  von  Witzleben,  über  diese  Entsagung  ausgestellten  Revers,  in 
welchem  unter  den  Zeugen  Hermann  von  Witzleben,  Ritter,  und  Dizel  von 
Witzleben,  Knecht,  genannt  werden,  hingen  Friedrich  und  Hermannstein 
ihre  Siegel,  Iring  aber,  der  ein  eigenes  Siegel  nicht  besass,  gelobte,  unter 
seiner  Brüder  Siegel  den  Vertrag  zu  halten. 

Am  18.  Juli  1354  überliess  Graf  Johann  von  Henneberg  an  die  Brüder 
Friedrich  und  Hermannstein,  Ritter,  und  ihren  Vetter  Tizel  von  Witzleben, 
Knecht,  von  den  obengenannten  Gütern  den  Hof  zu  Sachsenrode  bei  Ilmenau,  den 
Friedrich  schon  früher  besessen  hatte,  für  265  Pfund  Heller  wiederkÄuflich. 

Die  oben  1362  erwähnten  Ritter  Friedrich  von  Witzleben  und  Dietrich 
von  Molschleben,  sowie  Tizel  von  Witzleben  besassen  auch  gemeinschaft- 
lich das  Dorf  Tröchtelbom,  nordöstlich  von  Gotha  in  .der  Nähe  von  Molsch- 
leben, von  Schwarzburg  zu  Lehn,  verkauften  es  aber  am  8.  Mai  1351  an  die 
Stadt  Erfurt. 

Der  Ritter  Friedrich  von  Witzleben  diente  treu  seinen  Lehns- 
herren, den  Grafen  von  Schwarzburg,  und  hatte  dem  Grafen  Johann  bei 
einer  Reise  nach  Magdeburg,  wo  sie  am  27.  Oct  1363  eingeritten  waren, 
„einen  stattlichen  Beistand  geleistet".  Er  war  auch  des  Grafen  Burgmann 
auf  dem  Schlosse  Liebenstein  und  erhielt  am  5.  November  1363  den  Hof  vor 
diesem  Schlosse  nebst  4  M.  S.  jährlicher  Zinsen  von  Gütern  zu  Angelrode 
als  Burggut  und  ausserdem  5  M.,  weil  er  die  Burgmannschaft  von  Lieben- 
stein übemonmien. 

Auch  Hermannstein  war  frühzeitig  in  die  Dienste  der  Grafen  von 
Schwarzburg  getreten  und  begleitete  sie  auf  ihren  vielfachen  friedlichen  und 
kriegerischen  Zügen. 

Am  16.  Sept.  1 350  befand  er  sich  mit  dem  Grafen  Heinrich  in  Halberstadt 
bei  dem  Bischof  Albrecht,  dann  folgte  er  den  Grafen  Günther  und  Johann, 
als  diese  dem  Markgrafen  von  Meissen  um  1350  Düben,  und  etwa  10  Jahre 
später  Albrechtsheim  belagern  halfen,  und  erlitt  bei  beiden  Gelegenheiten 
bedeutenden  Schaden  an  Pferden. 

In  den  Jahren  1367  und  68  war  Hermannstein  von  Witzleben  sogar 
Kammermeister,  d.  h.  Kammerdirector  oder,  nach  heutiger  Redeweise, 
Finanzminister  des  wüsten  und  sinnlichen  Markgrafen  Otto  V.  (des  Finnen 
oder  Faulen)  von  Brandenburg.  In  den  drei  betreffenden  Urkunden  d.  d. 
Berlin  22.  Juli  1367,  Spandau  1.  September  1367  und  Berlin  3.  Mai  1368 


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wird  er  zwar  nur  Hennanus  de  Hermannstein,  camorae  nostrae  Magister, 
genannt,  aber  aus  dem  Zusammensein  mit  dem  Grafen  Günther  von  Schwarz- 
buj^-Amstadt*),  dem  Grafen  Friedrich  von  Orlamünde  und  dem  Burggrafen 
Dietrich  von  Kirchberg  geht  wohl  zur  Genüge  hervor,  dass  dieser  Kammer^ 
meister  unser  Hermannstein  von  Witzleben  war;  ein  Adelsgeschlecht  von 
Hermannstein  hat  nie  existirt 

1377  war  er  wieder  in  Thüringen  und  machte  zusammen  mit  andern 
Rittern  Geldgeschäfte  mit  einigen  Juden  zu  Erfurt  und  Weissenfeis  im 
Betrage  von  105  Pfand  Heller. 

Die  Grafen  von  Schwarzburg  waren  um  diese  Zeit  mit  mehreren 
Bittem  aus  dem  alten,  aus  der  Mark  Brandenburg  entsprossenen,  fränkischen 
Geschlechte  von  Exdorf  in  heftige  Fehde  gerathen.-  Mit  Hülfe  ihres  treuen 
Bitters  Hermannstein  von  Witzleben  gelang  es  ihnen,  die  Brüder  von  Ex- 
dorf zu  besiegen  und  gefangen  zu  nehmen,  die,  um  des  Gefängnisses  ledig 
zu  werden,  ein  bedeutendes  Lösegeld  zahlen  und  am  26.  August  1377  den 
Grafen  von  Schwarzburg  und  „Em  Hermansteyn  von  Wiczleiben,  Ritter", 
eine  rechte  Urfehde  „zu  den  Heiligen  mit  vfgereckten  vingem"  schwören 
mussten. 

Aber  auch  bei  den  Landgrafen  von  Thüringen  stand  Hermannstein 
in  grossem  Ansehn.  Diese  verpfändeten  ihm  und  seinen  Söhnen  Fritz  und 
Heinrich  das  Schloss  Wachsenburg,  das  sie  von  den  Grafen  von  Schwarz- 
burg erworben  hatten,  im  Jahre  1382  für  700  und  im  nächsten  Jahre  fiir 
1200  M.  1.  S.  und  ernannten  ihn  zu  ihrem  Amftnann  auf  dieser  wichtigen 
Burg.  Femer  versetzten  sie  ihm,  ebenfalls  1383,  die  Hälfte  des  Dorfes 
Apfelstedt  bei  Neudietendorf  zwischen  Erfurt  und  Gotha,  also  nicht  weit  von 
der  Wachsenburg  gelegen. 

Zwischen  1388  und  1393  ist  endlich  Hermannstein  gestorben;  1393 
2.  Februar  heisst  es:  „Wir  Fricze  und  Heinrich  von  Witzeleiben,  Hem 


•)  Die  Verbindungen  der  Grafen  von  Schwarzburg  mit  den  Markgrafen  zu 
Brandenburg  a.  d.  H.  Witteisbach  rührten  daher,  das  Graf  Günther  (der  spätere 
Kaiser)  vom  Jahre  1330  an,  in  dem  er  sich  der  Lehn  wegen  nach  München  begeben 
hatte,  in  den  Diensten  des  Kaisers  Ludwig  des  Baiern  und  dessen  Sohnes  Ludwig  L 
Markgrafen  zu  Brandenburg,  lange  Zeit  Bath,  Feldobrister  und  Statthalter  der  Mark 
Brandenburg  war.  Ludwig  I.  war  Markgraf  von  1324 — 51,  und  trat  1351  die  Mark 
an  seine  Brüder  Ludwig  und  den  noch  unmündigen  Otto  gegen  Oberbaiem  ab. 
Ludwig  n.,  der  Römer,  starb  kinderlos  1365,  so  dass  Otto  V.  allein  regierte,  bis  er 
1373  die  Mark  gegen  ein  Jahrgeld  und  einige  Besitzungen  in  der  Oberpfalz  dem 
Kaiser  Karl  IV.  abtrat 


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—     62    — 

Hcrmannsteins  seligen  Söhne Gernod  von  Kobinstete  unser  Schwager." 

Es  hatte  also  Hermannstein  auch  eine  Tochter,  die  an  Gernod  von  Kohen- 
stadt  vermählt  war.  Seine  Gemahlin  scheint  Frau  Lise  von  Witzleben 
gewesen  zu  sein,  die  mit  den  Brüdern  Fritz  und  Heinrich  von  Witzleben 
am  24.  Juni  1398  unter  den  Gläubigern  der  Grafen  Hans  und  Günther  von 
Schwarzburg  genannt  wird.  — 

1.    Hermannsteins  Söhne:  Fritz  und  Heinrich  von 

Witzleben. 
1382  —  1406. 

Fritz  und  Heinrich  von  Witzleben,  des  alten  tapferen  Ritters 
Hermannstein  Söhne,  haben  wir  bereits  1 382  und  1383,  als  ihnen  Wachsen- 
burg und  die  Hälfte  des  Dorfes  Apfelstedt  von  den  Landgrafen  von  Thüringen 
versetzt  wurde,  kennen  gelernt.  Beide  gelangten  bald  zu  Anselm  und  hohen 
Würden. 

Fritz  war  bereits  1385  Ritter  und  wurde  1395  Rath  und  1405  Hof- 
meister des  Landgrafen  Balthasar,  in  dessen  Urkunden  er  gewöhnlich  „er 
Fritsche  von  Witzleben,  Ritter,"  genannt  wird. 

Heinrich  trat  in  die  Dienste  des  Landgrafen  Balthasar  und  wurde 
dessen  Amtmann  zu  Heldburg  in  Franken,  welche  Stellung  er  mit  Unter- 
brechungen bis  in  das  Jahr  1417  bekleidet«;  In  den  Jahren  1411  u.  12 
war  er  des  Landgrafen  Friedrich  Marschall. 

üeber  die  aus  dem  Jahre  1383  herrührende  Pfandschaft  der  Wachsen- 
burg wurden  am  2.  Februar  1393  neue  Bestimmungen  vereinbart.  Der  Pfand- 
schilling betrug  noch  immer  1200  M.  1.  S.  Während  des  Besitzes  waren 
die  Brüder  von  Witzleben  des  Landgrafen  Amtleute  auf  der  Wachsenburg; 
die  Ablösung  sollte  ein  Vierteljahr  nach  der  Kündigung  geschehen.  Ferner 
wurden  zum  Ausbau  des  Schlosses  100  Schock  Freiberger  Groschen  an- 
gewiesen und  am  30.  Mai  1399  eine  ähnliche  Summe. 

Aber  bereits  im  folgenden  Jahre  schuldete  der  Landgraf  Balthasar  an 
Fritz  und  Heinrich  noch  377  M.  1.  S.  und  setzte  ihnen  am  dafür  6.  Juli  1394 
zum  Pfände  ein  sein  Schloss  Liebenstein  mit  allen  Zugehörungen,  das  Dorf 
Elleben,  Zinsen  und  Renten  zu  Marlishausen,  Danheim,  Siegelbach,  Dom- 
heim, Arnstadt  .und  Branchewinda,  unter  gleichen  Bedingungen  wie  die 
Wachsenburg. 

Nach  10  Jahren  waren  die  Landgrafen  Balthasar  und  Friedrich  ihren 


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—    63     — 

treuen  Dienern  Fritz  und  Heinrich  von  Witzleben  abermals  500  Schock 
Freiberger  Groschen  schuldig,  die  diese,  als  sie  die  Voigtei  zu  Heldburg 
verwalteten,  theils  an  diesem  Schlosse  verbaut,  theils  aber  Heinrich  an 
Pferden  im  landgräflichen  Dienst  eingebüsst  hatten;  jene  Summe  wurde 
am  3.  Mai  1404  auch  auf  Liebenstein  geschrieben. 

Trotz  dieser  ausstehenden  Forderungen  waren  beide  Brüder  um  eben 
diese  Zeit  im  Stande,  von  Werner  von  Weidensee  Güter  zu  Molsdorf  zu 
kaufen,  mit  denen  sie  1404  vom  Landgrafen  Balthasar  belehnt  wurden. 

Der  Ritter  Fritz  von  Witzleben  kommt  nach  dem  Jahre  1405  nicht 
mehr  vor.  Er  hinterliess  eine  Tochter,  welche  sich  mit  Eckarius  von  der 
Tann  vermählte,  und  vier  Söhne:  Christian,  Dietrich,  Heinrich  und  Conrad, 
denen  ihr  Oheim  Heinrich,  der  nun  als  „der  Aeltere"  bezeichnet  wird,  treu 
wie  ein  Vater  zur  Seite  stand,  wogegen  sie  in  kindlicher  Pietät  Nichts 
ohne  seinen  Bath  unternahmen. 

HL.  Heinricli  d.  1.  von  Witzleben  nnd  seine  Neffen: 

Christian,  Dietrich,  Heinrich  und  Conrad, 

1410-1450. 

Von  den  Söhnen  des  landgräflichen  Hofmeisters  Fritz  von  Witzleben 
.finden  wir  Christian  (meist  Kerstan  genannt)  als  Ritter  bald  nach 
seines  Vaters  Tode  im  Gefolge  des  Landgrafen  Friedrich.  Erst  1425,  nach- 
dem ihm  nebst  seinem  Oheim  und  seinen  Brüdern  das  Schloss  Elgersburg 
versetzt  war,  nahm  er  hier  seinen  festen  Wohnsitz,  aber  schon  im  nächsten 
Jahre  folgte  er  dem  Aufruf  der  Kurfurstin  Katharina  von  Sachsen  zur  Hülfe 
gegen  die  Hussiten  und  fiel  in  der  Schlacht  bei  Aussig  am  16.  Juni  1426*) 

In  Bezug  auf  Dietrich,  Heinrich  d.  J.  und  Conrad  verweisen  wir  auf 
die  Stammtafel 

Der  Oheim  dieser  vier  Brüder,  der  Ritter  Heinrich  d.  Ä.  von 
Witzleben,  Amtmann  zu  Heldburg  und  Marschall  des  Landgrafen  Friedrich 
in  Thüringen,  war  nächst  dem  Hofrichter  Christian  von  Witzleben,  dem 

*)  Ausführlich  Th.  II.  p.  31  u.  fFg.  Die  daselbst  p.  32  geschehene  Erwähnung 
seiner  5  Söhne  rührt  ans  den  Chroniken  und  Stammtafeln,  nicht  aber  aus  Urkunden 
her.  Wahrscheinlich  zog  er  mit  den  Grafen  Ernst,  Friedrich  und  Adolf  zu  Gleichen 
aus,  wie  wir  aus  einer  Urk.  Yom  1.  Mai  1426  schliessen,  in  der  diese  Grafen,  da  sie 
gegen  die  Hussiten  ziehen  woUten,  dem  Kloster  U.  L.  Fr.  zu  Arnstadt  8  Mark  1.  S. 
Ton  ihren  Jahrrenten  zu  Emmeleben  versetzten  und  darüber  zur  Vormundschaft  be- 
stellten den  Grafen  Heinrich  von  Schwarzburg,  Heinrich  d.  Ä.  u.  die  Brüder  Dietrich, 
Heinrich  u.  Conrad  von  Witzlehen,  sowie  die  Bürgermeister  der  Stadt  Arnstadt. 


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—    64     — 

Stammvater  des  Hauses  Wendelstein,  wohl  der  Reichste  unseres  ganzen 
Geschlechts.  Zum  grossen  Theil  stammte  sein  Reichthum  von  seinem 
Vater,  dem  alten  Ritter  Hermannstein,  her,  und  da  von  dessen  Verlassen- 
schaft die  andere  Hälfte  durch  Fritz  von  Witzleben  auf  die  NefiFen  Heinrichs 
gekommen  war,  so  ist  hierin  der  Grund  zu  suchen,  warum  Oheim  und 
Neflfen  namentlich  in  Geldgeschäften  meist  gemeinschaftlich  handelten.  So 
war  er  in  der  Lage,  seinen  Lehnsherren  Geld  vorschiessen  zu  können,  wofür 
ihm  diese  Güter  und  Gefälle  versetzten,  durch  deren  Ertrag  sein  Einkommen 
sich  mehr  und  mehr  vergrösserte. 

Theils  allein,  theils  mit  seinen  Neflfen  besass  er  pfandweise 

1.  Von  Schwarzburg: 

a.  im  Jahre  1408  den  Antheil  des  Grafen  Günther  an  dem  Dorfe 
Langenwiesen, 

b.  seit  1414  das  Dorf  Pennewitz, 

c.  seit  1416  Schloss  und  Stadt  Plane  mit  allen  Gerichten  und  Rechten, 
der  Bete  und  den  Zinsen,  jedoch  ohne  den  Zoll,  die  Fisch wasser, 
die  Kirch-  und  Ritterlehen,  für  968  Rhein.  Gulden;  im  Januar 
1420  wurde  ihm  dies  Schloss  (die  Ehrenburg)  und  die  Stadt  Plane 
bis  an  sein  Lebensende  überwiesen, 

d.  1418  23  Gulden  Zinsen  aus  der  Stadt  Hm  für  230  Gulden, 

e.  1423  Schloss  und  Stadt  Rudolstadt  für  1111  Mark  1.  S.,  jede  zu 
6  Rhein.  Gulden  gerechnet;  1426  abermals  Rudolstadt  und  das 
Städtchen  T ei chel  (für  6000  Rhein.  Gulden),  welche  ihm,  nachdem 
sie  1427  eingelöst  waren,  schon  im  folgenden  Jahre  wieder  för 
6000  Gulden  versetzt  wurden  und  zwar  auf  Lebenszeit,  jedoch  unter 
der  Bedingung,  dass  sie  nach  seinem  Tode  ohne  Erstattung 
der  Pfandsumme  zurückfallen  sollten.J 

f.  1423  60  Gulden  an  den  jährlichen  Renten  der  Dörfer  Klein- 
Liebringen  und  Nahwinden. 

2.  Vom  Landgrafen  in  Thüringen: 

Liebenstein  und  Wachsenburg.  Im  Jahre  1412  erlaubte  ihm  der 
Landgraf,  den  Hof  vor  dem  Schlosse  Liebenstein  vonHeinrich  Vitzthum  zu 
kaufen  und  versprach,  ihm  das  Kaufgeld  und  was  er  daran  verbauen  würde, 
wieder  zu  erstatten.  Die  Wachsenburg  löste  der  Landgraf  zwar  um  1420  ein, 
verpfändete  sie  ihm  aber  schon  wieder  1421.  Mit  der  Wachsenburg  zugleich 
war  ihm  auch  das  Dorf  Mols dorf  versetzt,  in  welchem  er  und  seine  Neffen 
einige  Höfe  als  Lehn  besassen. 


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—    65    — 

Und  als  1422  Heinrich  dem  Landgrafen  wieder  1880  Gulden  lieh,  er- 
hielt er  daför  zum  Pfände  das  Schloss  Schar fenberg  im  Eisenach'schen. 
1425  versetzte  der  Landgraf  an  Heinrich  und  seine  vier  Neflfen  auch  das 
Schloss  Elgersburg  (mit  Ausnahme  des  Waldes)  für  400  Mark  1.  S. 

Diese  vier  Schlösser  hatte  Heinrich  bis  zu  seinem  1430  erfolgten  Tode 
inne;  Liebenstein  kam  dann  als  Pfand  für  1700  Khein.  Gulden  ah  Pritz 
von  Primär,  die  andern  und  Molsdorf  fielen  an  seine  Erben. 

Auch  an  die  Grafen  von  Gleichen  und  von  Orlamünde  hatte  Heinrich 
zu  wiederholten  Malen  nicht  unbedeutende  Summen  verborgt,  wie  auch 
sonst  noch  kleinere  Summen,  für  die  ihm  Gefälle  und  Zinsen  versetzt  wurden. 

Zu  Lehen  besassen  Heinrich  und  seine  Neffen 
L    vom  Landgrafen  Priedrich  in  Thüringen: 

a.  nach  dem  Lehnbrief  vom  12.  Aug.  1415  das  Dorf  Kettmanns- 
hausen,  die  Hälfte  des  Dorfes  Neusis,  3  Pfiind  u.  2  Schillinge 
Zinsen  zu  Gerbitzhausen,  ein  freies  Bmggut  in  der  Vorburg  des 
Schlosses  Elgersburg,  sowie  ein  anderes  Burggut  daselbst,  welches 
dem  verstorbenen  Kunemund  von  Witzleben  gehört  hatte,  die  Mühlen 
zu  Gera,  das  halbe  Dorf  Martinroda,  welches  ebenfalls  Kunemund 
besessen  hatte,  26  Acker  Wein  wachs  an  dem  Pockenberge  und 
5  Acker  desgl.  an  dem  Hausberge  zu  Molsdorf,  3  Höfe  und  15 
Hufen  zu  Molsdorf,  eine  Pisch weide  an  der  Gera,  8  Acker  Wein- 
wachs zu  Wölfis,  femer  Güter  und  Zinsen  in  den  Dörfern 
Crawinkel,  Gossla,  Bittstedt,  Holzhausen,  Harhausen, 
Dietendorf  und  Apfelstedt, 

b.  nach  einem  Lehnbriefe  vom  Jahre  1419  Zinsen  im  Dorfe  und  Pelde 
zu  Bösleben, 

c.  nach  einem  Lehnbriefe  vom  Jahre  1426  einen  Hof  zu  Molsdorf, 
welchen  sie  Lutz  von  Entzenburg  abgekauft  hatten; 

n.  von  den  Grafen  von  Henneberg  laut  Lehnbrief  vom  5.  Nov.  1427 
das  Dorf  Boda  und  den  Grund  zu  Eeichenbach  mit  Zubehör,  y»  des 
Dorfes  Martinroda  und  ein  Vorwerk  daselbst,  das  halbe  Dorf  Neusis, 
das  Dorf  Heida  und  das  halbe  Dorf  Schmerfeld,  alle  mit  Gerichten 
über  Hals  und  Hand; 

ni.  vom  Grafen  Heinrich  von  Schwarzburg  nach  einem  Lehnbrief 
vom  Jahre  1419  mancherlei  Erbzinsen,  mit  denen  sie  schon  von  dessen 
Tater,  dem  Grafen  Günther,  belehnt  gewesen  waren. 

Selbstverständlich  kam  von  diesem  enormen  Keichthum,  der  Sitte  der 

I.  5 

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—    60    — 

damaligen  Zeit  zufolge,  Manches  der  Geistlichkeit  zu  gute.  Namentlich 
wurde  die  Liebfrauenkirche  zu  Arnstadt,  in  deren  Nicolaikapelle  sich  ein 
Erbbegräbniss  unserer  Familie  befand,  mit  reichen  Dotationen  bedacht 

Im  Jahre  1412  hatte  Heinrich  d.  Ä.  von  Witzleben,  der  damals  auf 
dem  Liebenstein  hauste,  in  Gemeinschaft  mit  Ludwig  von  Meldingen, 
Pfarrer  zu  Blankenburg,  in  dieser  Kapelle  zu  Ehren  der  Jungfrau  Maria, 
der  heiligen  Agnes*)  und  des  Märtyrers  Levin  einen  Altar  gestiftet  und 
mit  ansehnlichen  Einkünft;en  versehen.  Ludwig  von  Meldingen  gab-  mit 
Genehmigung  des  Grafen  Günther  von  Schwarzburg  2  Acker  eines  Wein- 
berges bei  Blankenburg,  Heinrich  von  Witzleben  aber  mit  Genehmigung 
des  Landgi-afen  Friedrich  jährliche  Zinsen,  welche  er  von  Albrecht  von 
Greussen  gekauft  hatte,  nämlich  8  Pftmd  15  Schillinge,  S\'i  Motzen  Hafer 
u.  4  Asch  Erbsen  zu  Gossla,  5  Pfand  Pfennige,  1*/«  M.  Hafer,  11  Hühner 
u.  2  Gänse  zu  Harhausen,   40  Schillinge,  2\U  M.  Hafer,  17  Hühner  u. 

3  Gänse  zu  Holzhausen,  26  Schillinge  und  6  Pfennige,  1  Gans,  2  Hühner 
u.  Vi  M.  Hafer  zu  Röhrensee  u.  2  Pfand  Pfennige,  1  ^/-i  M.  Korn,  1  Gans 
u.  5  Hühner  zu  Bittstedt.  Er  behielt  sich  die  Erb-Lehnschaft  an  diesen 
Zinsen  vor,  auf  welche  erst  am  5  Juli  1435  seine  Erben,  die  Brüder 
Dietrich  und  Heinrich,  verzichteten.**) 

Im  Frühjahr  1419  machten  ausser  Heinrich  d.  Ä.  auch  seine  vier 
Neffen  dem  Piobste  und  den  Vicaren  U.  L.  Fr.-Kirche  zu  Arnstadt  eine 
Stiftung,  wozu  am  Sonntag  Reminiscere  der  Lehnsherr  Graf  Heinrich  von 
Schwarzburg  seine  Genehmigung   ertheilte.     Diese   Stiftung   bestand    aus 

4  Höfen,  3  Weingärten,  1  Garten  an  der  Gera  u.  1  Hufe  Landes  in  der 
„Thung"  und  sollte  zu  einem  „Begängniss"  dienen,  d.  h.  es  sollten  daför 
Seelenmessen  zum  Gedächtniss  Verstorbener  gelesen  werden. 

Im  Jahre  1426  bestimmte  der  Ritter  Christian  von  Witzleben,  ehe 
er  gegen  die  Hussiten  zu  Felde  zog,  die  bedeutende  Summe  von  100  Mark 
1.  S.  zu  einer  anderweitigen  Stiftung  in  derselben  Kirche.  Nach  seinem 
Tode    setzten   sein   Oheim   und    seine  Brüder   das   Nähere   darüber    fest 

*)  V.  Hellbach,  L.  F.  K.  zu  Arnstadt,  nennt  sie  p.  44.  Agnes,  p.  107.  aber 
Agathe,  wie  P.  Jov.  in  Schöttgen  u.  Kreys.  Dipl  et  Script.  Hist.  Germ.  I.  p.  260. 
In  der  im  Archiv  zn  Sondersh aasen  hefindlichen  Bestätignngs-Ürk.  des  Landgrafen 
Friedrich  üher  die  von  seinem  Marschall  Heinrich  von  Witzlehen  gemachte  Stiftung, 
1412  am  Donnerstage  vor  vocem  jucunditatis,  steht  „zur  Ehre  b.  Mariae  v.,  8.  Agnetis 
und  Livini  m.** 

**)  In  dem  Original  dieser  Urkunde  (Arch.  zu  Sondershausen)  steht  aber  „s.  Agathae" 
statt  8.  Agnetis. 


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—     67     — 

in  einer  langen  Urkunde  vom  11:  Nov.  1426,  welche  zuerst  in  den  „Un- 
schuldigen Nachrichten"  vom  Jahre  1721,  p.  525 — 527,  und  danach  im 
Zedier,  Bd.  57,  p.  2011  und  in  Königs  Ad.  Hist.  I.  p.  1060  mit  unzähligen 
Fehlem*)  abgedruckt  ist.  Wir  lassen  sie,  da  sie  zur  Erklärung  der  in 
dieser  Geschichte  so  oft  vorkommenden  Ausdrücke  Seelgerede,  Begängniss, 
Seelengedächtniss  etc.  dient  und  in  Bezug  auf  die  religiösen  Anschauungen 
zu  Anfang  des  15.  Jahrhunderts  von  allgemeinerem  Interesse  ist,  im  Aus- 
zuge und  in  neuhochdeutscher  Sprache  hier  folgen: 

„Wir  Heinrich  von  Witzleben,  gesessen  zur  Wachsenburg,  Dietrich, 
Heinrich  und  Curt  von  Witzleben,  Gebrüder,  seine  Vettern,  bekennen  öffent- 
lich in  diesem  Briefe  und  wollen,  dass  es  wissentlich  sei  ewiglich  allen 
Leuten  und  besonders  denen,  welchen  wir  unsere  Seelengerede  befohlen 
haben  oder  welchen  sie  in  künftigen  Zeiten  befohlen  werden,  dass  der 
gestrenge  Ritter  Er  Kerstan  von  Witzleben  zu  der  Elgersburg  gesessen, 
unser  lieber  Vetter  und  Bruder  gottesseliger,  und  wir  betrachtet  haben 
unserer  lieben  Eltern  Seelen,  aller  unserer  Vorfahren,  die  von  hinnen  ge- 
schieden sind  und  hernach  verscheiden  werden,  beides.  Mann  und  Frauen 
aus  unserm  Geschlechte,  und  auch  unserer  eigenen  Seelen  Seeligkeit  und 
haben  Gott  zu  Lobe,  der  Jungfrau  Maria  und  allen  Gottesheiligen  zu  Ehren, 
sowie  zu  Hülfe  und  Trost  allen  gläubigen  Seelen  und  sonderlich  den  Seelen, 
die  aus  unserm  Geschlechte  von  Witzleben  verschieden  sind  oder  noch  ver- 
scheiden, ein  ewig  Seelgerede  gestiftet  und  gemacht  in  unserer  lieben 
Frauen  Kirche  zu  Arnstadt,  da  unser  Begräbniss  ist,  in  aller  Maasse, 
als  hiemach  geschrieben  steht 

Zum  Ersten,  so  hat  der  vorgenannte  Ritter  Er  Kerstan  von  Witzleben 
zu  diesem  Seelgerede  beschieden  und  gegeben  100  Mark  1.  S.,  wofür 
gekauft  sind  8  Mark  1.  S.  ewigen  jährlichen  Zinses  an  dem  Dorfe  zu 
Witzleben,  nach  Ausweisung  des  Briefes,  der  darüber  gegeben  und  dem 
Probste  und  der  Priorin  desselben  Klosters  zu  Arnstadt  überantwortet  ist; 
diese  8  Mark  sollen  zu  diesem  Testament  und  Seelgerede  ewiglich  folgen 
und  fallen,  wie  hiemach  geschrieben  steht  Zum  ersten  sollen  von  den 
genannten  8  Mark  alle  Jahr  jährlich  folgen  und  fallen  3  Mark  zu  zwei 
Vicarien  in  derselben  Kirche,  nämlich  l'/s  M.  zu  dem  Altar  St  Peters 
und  Pauls  und  r/2  M.  zu  dem  Altar  St  Georgs,  welche  unsere  Eltem 
gestiftet  haben.    Die  Vicare  der  genannten  zwei  Vicarien  sollen  solch  Geld 

*)  Darunter  vor  allen  der  famose  Name  „Pietter  Erkerstein  von  Witzleben",  den 
der  ernte  Abschreiber  aus  „Ritter  Er  Kerstan  von  Wiczeleyben"  fabricirt  hat. 

5* 


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jährlich  erheben  zu  der  andern  Zugehörung,  die  schon  vor  Alters  dazu  ge- 
hört hat,  mit  der  Bestimmung,  dass  jeder  drei  Messen  in  jeder  Woche 
ewiglich  halten  und  bestellen  soll,  wie  er  es  bisher  gethan  hat.  Diese 
sechs  ewigen  Messen  hat  Er  Kerstan,  unser  lieber  Vetter  und  Bruder  seliger, 
sonderlich  gestiftet  und  hat  deshalb  die  genannten  zwei  Vicare  mit  3  M. 
jährlich  gebessert,  auf  dass  man  die  sechs  Messen  ewiglich  halten  solL 
Sollte  einer  der  Vicare  im  Messehalten  säumig  werden,  so  sollen  unsere 
Vormünder,  denen  wir  das  befohlen  haben  oder  denen  es  noch  befohlen 
wird,  wie  hernach  geschrieben  ist,  sich  halten  an  die  1  V*  Mark,  oder  an 
die  3  Mark,  wenn  beide  säumig  werden,  und  den  Vicai'en  nichts  davon 
reichen,  bis  sie  die  Messe  gänzlich  bestellen,  wie  es  oben  geschrieben  steht 

Danach  sollen  von  genannten  8  Mark  Silbers  folgen  VU  M.  jährlich 
den  Jungfrauen  und  dem  ganzen  Convent  in  das  Kloster  daselbst,  ebenso 
wie  5  Gulden  jährlicher  Zinsen  an  dem  Dorfe  Harhausen,  welche  gekauft 
sind  fQr  50  Gulden,  wofür  ein  silberner  (Kelch?),  den  der  genannte  Er 
Kerstan  von  Witzleben  sei.  dazu  bestimmt  und  gegeben  hat,  verkauft  ist, 
und  femer  7  Pfund  Geldes,  die  vor  Zeiten  von  unsem  Eltern  vermacht 
sind,  mit  der  Bedingung,  dass  die  genannten  Jungfrauen  alle  Monate  be- 
gehen sollen  mit  Vigilien  und  Seelenmessen  unserer  Eltern  Seelen,  unserer 
und  aller  derer  Seelen,  die  aus  unserm  Geschlechte  verschieden  sind  oder 
noch  verscheiden. 

Diese  Begängnisse  soll  man  also  halten:  Die  Jungfrauen  sollen  alle 
Monate  an  dem  Tage,  an  welchem  sie  Begängnisse  der  edlen  Herrschaft 
zu  Schwarzburg  mit  der  Seelenmesse  gehalten  haben,  des  Abends  vigilia 
singen  mit  einer  Lection  und  am  folgenden  Tage  Seelenmesse  mit  den 
Priestern  und  Schülern,  und  das  halten  in  derselben  Weise,  wie  sie  der 
Herrschaft  von  Schwarzburg  Begängnisse  mit  Vigilien  und  Messen  begangen 
haben.  Und  damit  die  Jungfrauen  zu  jeglicher  Zeit  des  Begängnisses  für 
ihre  Ai-beit  belohnt  werden,  haben  wir  festgesetzt,  dass  die  Vormünder  die 
genannten  2'/»  Mark  und  5  Gulden  erheben,  in  12  Theile  theilen  und 
davon  1  Theil  zu  jedem  Begängniss  in  jedem  Monat  den  Kloster-Jung- 
frauen zu  Präsenten  geben  sollen,  je  nach  dem  es  den  Vormündern  dieses 
Testaments  und  sonderlich  dem  Probst  und  der  Priorin  am  besten  und 
nützlichsten  dünkt  Dazu  sollen  auch  dienen  jene  7  Pfund,  welche  unsere 
Eltern  zu  einem  Testament  gemacht  haben.  Sollten  die  Jungfrauen  einmal 
des  Begängnisses  säumig  werden,  so  sollen  ihnen  die  Vormünder  den 
Theil   des   Geldes,    der   in    dem    betreffenden   Monat   zu  Präsenten   be- 


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stimmt  ist,  nicht  geben,  bis  sie  das  Begängniss  vorachriftsmässig  ans- 
gericbtet  haben. 

Ferner  sollen  von  den  genannten  8  Mark  Silbers  jährlich  erhalten  2  Mark 
und  auch  die  50  Schilling  Pfennige  ewigen  Geldes,  die  unsere  Eltern  dazu 
gegeben  haben,  der  Probst,  der  Pfarrer  und  alle  Vicare,  die  belehnt  sind  in  der 
genannten  Kirche,  oder  die,  welche  die  Vicarien  versehen,  und  die  Schul- 
meister und  Kirchner  folgendennassen:  die  Genannten  sollen  alle  Monat 
einmal  an  dem  Tage  nach  dem  Begängnisse  der  Herrschaft  von  Schwarz- 
burg vigilia  singen  mit  einer  Lection  und  am  Tage  darauf  Seelenmesse, 
die  sollen  sie  singen  mit  den  Jungfrauen  und  löbliche  Begängnisse  und 
Gedächtnisse  halten  aller  derer,  die  aus  dem  Geschlecht  der  von  Witzleben 
geschieden  sind  und  zum  Trost  aller  gläubigen  Seelen,  und  die  Messe  soll 
man  halten  über  dem  Altar  St  Peters  und  Si  Pauls.  Diese  2  Maik  und 
die  50  Schillinge  sollen  die  Vormünder  in  12  Theile  theilen  und  folgender- 
massen  ausgeben.  In  jedem  Monat  am  Tage  des  Begängnisses  sollen  sie 
den  genannten  Priestern  zu  Präsenten  geben:  dem  Probste  V/\  Schilling, 
dem  Pfarrer  1  y«  Schilling,  woffir  er  alle  Sonntage  ewiglich  auf  dem  Predigt- 
stuhle gedenken  soll  aller  der  Seelen,  die  aus  dem  Geschlechte  der  von 
Witzleben  verschieden  sind;  und  danach  soll  man  den  Prühmesseherren, 
jeglichem  Vicar,  geben  als  Präsente  so  viel  als  ihm  an  dem  Gelde  gebühren 
mag;  das  sollen  aber  die  Vormünder  und  Testamentarien  an  dem  Gelde 
zu  jeglicher  Zeit  des  Begängnisses  gleich  theilen,  so  dass  einem  Vicar  so 
viel  werde,  als  dem  andern,  dem  Schulmeister  soviel,  als  einem  Vicar,  dem 
ünterweiser  und  dem  Kirchner  halb  soviel,  wie  der  Gebrauch  ist  etc. 

Die  noch  übrige  Vi  Mark  soll  man  den  Altarleuten  und  Vormündern 
der  Kirche  jährlich  am  Martinstage  auszahlen.  Dafür  sollen  sie  etliche  Lichter 
aufstecken  und  brenhen  lassen  zu  Vigüien  und  zu  Seelenmessen  und  sollen 
bestellen,  dass  man  die  grosse  Glocke  läuten  soll  zu  der  Messe,  und  der 
Kirchner  soll  breiten  eine  Decke  zu  Vigilien  und  zu  Seelenmessen  vor  den 

Altar  St  Peters  und  St  Pauls  und  darauf  setzen  die sanmit  dem 

lichte,  wie  es  gebräuchlich  ist;  das  soll  man  so  halten  ewiglich  zu  jeder 
Zeit  des  Begängnisses  in  jedem  Monat. 

Damit  dieses  Seelgerede  und  Begängniss  in  allen  Stücken  nach  der 
beschriebenen  Weise  andächtig  und  ewiglich  unverrückt  gehalten  und  be- 
gangen werde,  haben  wir  auserwählt  und  erkoren  und  setzen  zu  Vormündern 
und  Testamentarien  den  Grafen  Heinrich  zu  Schwarzburg,  alle  seine  Erben 
und  Erbnehmer,  Herren  zu  Arnstadt,  und  die  Kathsmeister  und  Käthe  der 


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—     70     — 

Stadt  Arnstadt  als  Obervormönder  dieses  Testaments,  und  dann  den  jedes- 
maligen Probst  des  Gotteshauses  zu  Arnstadt  und  den  Priester,  der  unser 

belehnter  Vicar  des  Altars  St.  Peters  und  St.  Pauls  ist Da  nun 

die  Grafen  von  Schwarzburg  und  der  Rath  zu  Arnstadt  sich  nicht  immer 
darum  bekümmern  können,  haben  wir  festgesetzt,  dass  der  Probst  und 
unser  belehnter  Vicar  die  8  Mark,  5  Gulden  und  50  Schillinge  jährlich 

erheben  und  der  Bestimmung  gemäss  ausgeben  sollen. Dieser  Brief 

soll  jährlich  einmal,  an  dem  Tage,  an  dem  der  Testamentsbrief  der  Herr- 
schaft gelesen  wird,  gelesen  werden,  damit  dieses  Seelgerede  nimmer  ver- 
gessen werde Und  befehlen  allen  unsem  Erben  und  Nachkonmien 

das  also  ewiglich  zu  halten  und  nimmer  zu  hindern,  auf  ihre  Ehre  und 
Treue.  Und  des  zu  einer  ewigen  Sicherheit  haben  wir  Heinrich  von  Witz- 
leben, gesessen  zur  Wachsenburg,  Dietrich,  Heinrich  und  Gurt  von  Witz- 
leben, Gebrüder,  seine  Vettern,  unser  Jeglicher  sein  eigen  Insiegel  vor  uns 
und  alle  unsere  Erben  und  Nachkommen  gehangen  an  diesen  offenen  Brief 
—  —  etc.  etc.  —  —  der  gegeben  ist  nach  Christi  unsers  Herrn  Geburt 
1426,  am  St  Martinstage,  des  heiligen  Bischofs."  — 

Dem  im  Jahre  1412  von  Heinrich  d.  Ä.  von  Witzleben  gestifteten 
Altar  der  heiligen  Agnes  und  Levin  verehrten  die  Brüder  Dietrich  und 
Heinrich  von  Witzleben,  nachdem  sie,  wie  schon  bemerkt,  am  5.  Juli  1435 
auf  die  früher  reservirte  Erblehnschaft  an  den  betrefifenden  Zinsen  ver- 
zichtet hatten,  im  Jahre  1437  zwei  Acker  von  ihrem  Weinberge  am 
Fockenberge  (bei  Wachsenburg). 

Um  diese  Zeit  und  nach  1445  war  Margaretha  von  Witzleben  Priorin 
des  Jungfrauen-Klosters  St.  Benedicti  zu  Arnstadt,*)  jedenfalls  eine  Schwester 
der  Wohlthäter  der  dortigen  Kirche.  — 

Der  fromme  Kitter  Heinrich  d.  Ä.  von  Witzleben  war  in  der  ersten 
Hälfte  des  Jahres  1430  gestorben  und  hatte  seine  bedeutenden  Güter  seinen 
Neflfen  Dietrich,  Heinrich  und  Conrad  von  Witzleben  und  zum  Theil,  wenig- 
stens was  das  Baarvermögen  betrai^  deren  an  Eckarius  von  der  Tann  ver- 
mählten Schwester  hinterlassen.  Die  Schwarzburgischen  Pfandschafl;en, 
namentlich  Rudolstadt  und  Plane,  fielen  ohne  Weiteres  an  die  Herrschaften 
zurück,  die  andern  unwesentlicheren  scheint  Heinrich  übernommen  zu  haben, 
der  auch  von  Henneberg  Ilmenau  erhielt  Ebenfalls  in  seinem  Besitz  finden 
wir   bald   sänmitliche  Lehngüter,  während  er  die  Landgräflichen  Pfend- 


*)  T.  Hellbach,  L.-F.-K.  zu  Arnstadt  p.  80  und  Nachtrag  dazu  p.  14. 

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—    71     — 

Schäften  ^Liebenstein  war  eingelöst)  mit  Ausnahme  von  Wachsenbmg  seinen 
Brüdern  und  seinem  Schwager  überliess. 

Um  sich  nmi  auseinanderzusetzen,  kündigten  diese  dem  Landgrafen 
ihren  Theil  der  auf  Wachsenburg  stehenden  Pfandsumme,  im  Betrage  von 
1200  Mark,  welche  derselbe  aber  nicht  zahlen  konnte  oder  wollte.  Am 
17.  August  1430  fand  daher  zu  Eisenach  „ein  Teiding"  statt,  wonach  der 
Landgraf  sich  mit  seinen  drei  Gläubigem  und  diese  sich  untereinander 
derart  abfanden,  dass  Gurt  von  Witzleben  das  Schloss  Elgersburg,  das  er 
schon  inne  hatte,  behielt,  Dietrich  von  Witzleben  das  Dorf  Molsdorf  mit 
den  dazu  gehörenden  Zinsen  und  Gerichten,  und  Eckarius  von  der  Tann 
das  Schloss  Scharfenberg  bekam  und  jedem  sein  Antheil  an  den  Wachsen- 
burger Geldern  auf  seine  Pfandschaft  hinzugeschrieben  werden  sollte. 

Wegen  Elgersburg  wurde  noch  ausdrücklich  festgesetzt,  dass  es  Gurt 
für  seine  Lebenszeit  innehaben  und  eine  Kündigung  erst  nach  seinem  Tode 
eintreten  dürfe;  doch  könne  er  nach  Belieben  an  dem  Schlosse  bauen,  ohne 
dass  aber  dem  Landgrafen  das  verbaute  Geld  je  angerechnet  werde.  Wachsen- 
burg übernahm  Heinrich  von  Witzleben,  von  dem  jedoch  in  dem  oben 
angeführten  Teidingsbriefe  gar  nicht  die  Eede  ist 

Eckarius  von  der  Tann  vermochte  sich  aber  nicht  vollständig  mit 
seinen  Schwägern  auseinanderzusetzen,  es  wurde  vielmehr  noch  lange  zwischen 
ihnen  hin  und  her  gehandelt  und  „doch  doran  irretum  wurden  ist",  namentlich 
wegen  des  von  ihm  auf  200  M.  berechneten  Antheils,  bis  endlich  am  Mittwoch 
nach  Reminiscere  1432  zu  Weissensee  durch  die  Landgräflichen  Bäthe 
folgender  Vergleich  getroffen  wurde:  Eckarius'  von  der  Tann,  oder  viel- 
mehr seiner  Gemahlin  Antheil  an  der  Hinterlassenschaft  Heinrich's  d.  Ä. 
von  Witzleben  war  auf  2000  Fl.  berechnet  worden,  welche  seine  Schwäger 
Dietrich,  Heinrich  und  Gonrad  von  Witzleben  ihm  zahlen  mussten.  Davon 
sollten  1800  Fl.  für  Scharfenberg,  das  er  übernommen  hatte,  gerechnet, 
200  PI.  ihm  baar  gegeben  werden.  Der  Landgraf  verschrieb  ihm  nun  zu 
jenen  1800  FL,  die  er  ja  zahlen  musste,  noch  1000  Fl.,  so  dass  Eckarius 
und  seinen  Erben  das  Schloss  Scharfenberg  mit  allen  Dörfern,  Gerichten 
und  Zugehörungen,  jedoch  ohne  den  Wald,  wie  es  früher  Heinrich  d.  Ä. 
Yon  Witzleben  innegehabt  hatte,  künftig  für  2800  Fl.  für  seine  Lebenszeit 
verpfändet  sein,  er  aber  des  Landgrafen  „gehulter  vnd  gesworen  mann" 
werden  (d.  h.  ihm  huldigen  und  schwören)  und  demselben  mit  einigen 
Hofleuten  und  „Glenen"  (mit  Speeren  Bewaffneten)  zu  Dienst  reiten  sollte. 


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—     72     — 

Ferner  mussten  Eckarius  und  seine  Hausfrau  versprechen,  denen  von  Witz- 
leben einen  neuen  Verzichtleistungsbrief  zu  geben.*) 

In  demselben  Jahre  1432  erhielt  Dietrich  von  Witzleben  vom  Land- 
grafen Friedrich  einen  Lehnbrief  über  das  Dorf  Molsdorf.  Es  heisst  darin,  dass 
Molsdorf  ehedem  mit  Wachsenburg  als  Pfand  Heinrich  d.  Ä.  gehört  habe  und 
nach  dessen  Tode  an  Dietiich  gefallen  sei,  dem  es  der  Landgraf  überlassen. 
In  die  gesammte  Belehnung  wurden  mit  aufgenommen  Heinrich,  Ritter,  auf 
dem  Hause  Wachsenburg,  und  Curt  von  Witzleben,  Dietrichs  Brüder. 

Als  Schwarzburgisches  Lehn  besass  Dietrich  zusammen  mit  seinem 
Bruder  Heinrich  das  Dorf  Breitenbach  (1445),  während  er  1449  vom  Herzog 
Wilhelm  dem  Tapfem  über  Liebenstein  mitbelehnt  wurde. 

1433  verkaufte  er  wiederkäuflich  5  M.  1.  S.  jährlicher  Zinsen  von 
dem  Hofe  zu  Molsdorf  für  75  M.  an  die  Stadt  Erfurt,  und  am  24  Doc. 

1434  ebenso  auf  6  Jahre  den  ganzen  „wehrhaften  Hof  zu  Molsdorf*  mit 
6  Hufen  Artland,  8  Acker  Weiden  und  Wiesen  und  4  Acker  Weingarten 
für  500  Ehein.  Gulden  an  den  Erfui-ter  Bürger  Heinrich  Paradis  imd  dessen 
Söhne.  Nach  6  Jahren,  1441,  wurde  diese  Verpfändung  erneuert  und 
Dietrich  zog  sich  nach  Arnstadt  zurück,  daher  es  1446  heisst:  „Dittherich 
von  Witzleubin  ictzunt  zcu  Amstete  wanhafRig." 

Er  starb  vor  dem  Jahre  1445  und  hinterliess  keine  Söhne,  sondern 
nur  eine  Tochter,  welche  mit  Dietrich  von  Heitingsburg  vermählt  war  (1455). 

Der  Ritter  Heinrich  von  Witzleben  erhielt  1434  gegen  die  Heraus- 
gabe des  Pfandes  Wachsenburg  vom  Landgrafen  Friedrich  das  Schloss  Lieben- 
stein  erblich  verliehen  und  wurde  der  Stifter  der  Liebensteiner  Linie, 
welche  heute  noch  in  Oldenburg  und  Dänemark  florirt  Von  ihm  und  seinen 
Nachkommen  wird  in  der  HI.  Abtheüung  dieses  Bandes  die  Rede  sein. 

Conrad  oder  Curt  von  Witzleben  lebte,  wie  wir  wissen,  auf  der 
Elgersburg,  die  ihm  fiir  seine  Lebenszeit  eingeräumt  war.    Da  sie  aber 

1435  an  seinen  Bruder  Heinrich  versetzt  und  Conrad  nach  dieser  Zeit 
nicht  mehr  erwähnt  wird,  so  ist  er  wohl  kurz  vor  1435  gestorben.  Nach- 
kommen scheint  er  nicht  hinterlassen  zu  haben,  denn  die  Lehngüter,  die 
er  und  seine  Brüder  besassen,  finden  wir  alle  im  Besitze  der  Nachkommen 
seines  Bruders  Heinrich. 

*)  Eckarius  von  der  Tann  war  ein  unruhiger,  streitsüchtiger  Charakter,  der 
auch  mit  dem  Landgrafen  in  Zwist  gerieth.  1434  wurde  er  von  diesem  und  dem 
Landgrafen  Ton  Hessen  auf  dem  Scharfenberg  belagert,  die  Burg  erobert  und  ihm 
abgenommen,    s.  Zeitschr.  d.  Thür.  Ver.  zu  Jena.  VI.  p.  290. 


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I.  Absclmitt 

Von  der  Gründung  der  Elgersburger  Linie 

bis  zur  Stiftung  der   Linien  zu  Neuroda, 

Bösleben  und  Elgersburg-Grossliebringen, 

1437-1616. 

a.  Die  Brüder  Fritz  und  Iring  von  Witzleben, 
U37-1480. 


l einrieb  von  Witzleben,  gesessen  zu  Alkersleben  1379  und  Amtmann 
zu  Borna  ^^91 — 94  (s.  S.  40  u.  41)  binterliess  einen  Sohn:  Fritz  von 
Witzleben  genannt  von  Borne.  Fritz  kommt  1402  als  Kitter  vor,  sass 
1423  zu  Arnstadt,  war  nebst  seinem  Vetter  Heinrich  von  Witzleben  zur 
Wachsenburg  im  Jahre  1423  Pfandinhaber  von  Schloss  und  Stadt  lludol- 
stadt  (cf.  S.  64.  e.),  verkaufte  1426  Korngelder  und  andere  Zinsen  zu 
Alkersleben  an  Georg  von  Haiüngsburg,  wiid  noch  1435,  am  Sonntage 
Judica,  als  „Fritz  der  alte  von  Witzleben"  genannt  und  binterliess  2 
Söhne:  Fritz  und  Iring*)  von  Witzleben. 


•)   Iring  —  Bring,  Erich,  Erik. 

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-     74    — 

Fritz  von  Witzleben,  „des  alten  Fritzen  Sohn",  gehörte  1426 
zu  den  Inhabern  der  vom  Gi*afen  Heinrich  von  Schwai'zburg  für  6000  fl. 
versetzten  Schlösser  und  Städte  Rudolstadt  und  Teichel.  Nach  dem  im 
Archiv  zu  Angelroda  befindlichen  Leibgedingsbrief  vom  9.  Juli  1429  be- 
leibzüchtete  Landgraf  Friedlich  in  Thüringen  die  ehrbare  Margarethe, 
„fiiczschon  von  wiczleibin  des  Jungem"  eheliche  Wirthin,  mit  1  Sedelhof 
zu  Alkersleben,  zu  welchem  8  Hufen  Land,  Gärten,  Wiesen,  6  freie  Höfe 
und  vielerlei  Zinsen  gehörten.  Der  Familiennamen  Margarethens  ist  nicht 
genannt,  aber  daraus,  dass  zu  ihren  Vormündern  Heinrich  von  Witzleben 
zur  Wachsenburg,  der  Ritter  Heinrich  von  Witzleben  (Neflfe  des  vorigen) 
und  Gebhard  Marschall  bestimmt  wurden,  ist  wohl  zu  schliessen,  dass 
sie  einem  dieser  beiden  Geschlechter  entsprossen  war. 

Iring  von  Witzleben  kommt  zuerst  im  Jahre  1437  vor.*) 
Das  seit  1425  an  unsere  Familie  vom  Landgrafen  Friedlich  dem 
Friedfertigen  verpfändete  Schloss  Elgersburg  hatten,  nachdem  der  Ritter 
Christian  von  Witzleben  am  16.  Juni  1426  und  Gurt  von  Witzleben  um 
1435  gestorben  wai-en,  die  Bi^üder  Heinrich  und  Dietiich  von  Witzleben 
inne;  der  Pfandschilling  beü'ug  500  Mark  1.  S.  und  400  Rhein.  Gulden. 
Ende  1436  oder  Anfangs  1437  ging  nun  diese  Pfandschafb  von  Heinrich 
und  Dietrich  auf  die  Brüder  Fritz  und  Iring  von  Witzleben  über  für 
eine  Summe  Geldes ,  über  welche  sie  sich  unter  einander  verglichen  hatten, 
und  kurz  darauf  traten  Fritz  und  Mng  mit  dem  Landgiafen  Friedrich  in 
Unterhandlungen,  welcher  ihnen,  nachdem  sie  ihm  noch  1000  gute 
Rheinische  Gulden  haar  ausgezahlt  hatten,  dass  Schloss  Elgersburg  mit 
allen  seinen  Zugehörungen  erblich  überliess.  Der  Kaupfreis  betrug  also 
im  Ganzen  5C0  Mark  1.  S.  u.  1400  Rhein.  Gulden,  d.  h.  etwa  11,400  fl. 
Zu  diesem  Erbkauf  gaben  die  voraussichtlichen  Erben  des  Landgi'afen, 
die*  Herzöge  Friedrich   und  Wilhelm   zu  Sachsen,  ihre  Einwilligung   am 


*)  Die  Angelroda'er  Stammtafel  sagt  von  ihm:  „Iring  iunior  R.  agf  Elgersburg, 
belehnt  1437  von  Kurfürst  Friedrich  dem  Gütigen  und  Herzog  Wilhelm  zu  Sachsen 
über  Elgersburg,  Gera,  Manebach  und  Neurode.  Er  theilt  1488  die  Güter  mit 
seinem  Vetter  Georg  und  f  1484.  Gem.  1.)  Euphrosina  von  Spiegel,  6  Söhne, 
2.)  Euphemia  von  Pappenheini,  1  Tochter."  Von  diesem  Allen  ist,  wie  wir  nach- 
weisen werden,  nichts  wahr,  als  dass  Iring  auf  der  Elgersburg  sass.  Seinen  Vater 
bezeichnet  die  genannte  Stammtafel  als:  „Iring  senior  zu  Elgersburg,  1357  von  Ldgrf. 
Friedrich  und  Wilhelm  mit  Elgersburg,  Gera,  Manebach  und  Neurode  beliehen;  1  Sohn 
gleichen  Namens."  und  führt  nh  Beweis  an:  „vid.  Lehnbrief  im  Archiv  zu  Gotha". 
Ein  solcher  Lehnbrief  existirt  aber  nicht  im  Archiv  zu  Gotha  und  kann  auch 
nicht  exiatiren,  da  die  Elgersburg  1357  noch  den  Grafen  von  Henneberg  gehörte. 
8.  S.  51. 


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—     75     — 

12.  Apr.  1437,  jedoch  unter  der  Bedingung,  dass  die  Elgersburg  nicht 
nur  ihrem  Vetter,  sondern  auch  ihnen  und  ihi*en  Erben  zu  allen  ihren 
Kriegen  und  Nöthen  offen  sein  und  bleiben  sollte.*) 

Den  eigentlichen  Kauf-  und  ersten  Lehnbrief  über  Elgersburg  ertheilte 
darauf  der  Landgraf  Friedrich  den  Brüdern  Fritz  und  Iring  von  Witzleben 
am  Montage  nach  dem  Sonntage  Trinitatis,  d.  h.  am  27.  Mai,  1437.**) 


•)  Das  Original  dieser  Urkunde,  d.  d.  Arnshaug  1437,  am  Freitage  nach 
dem  Sonntage  Quasiraodogeniti,  befindet  sich  im  Staats- Archiv  zu  Gotha,  Lehnbrief 
No.  46.  Lit.  B. 

**)  Da  dieser  erste  Lehnbrief  über  Elgersburg  die  Art  und  Weise  der  Erwerbung 
dieses  bedeutenden  Besitzes,  über  die  so  manche  irrige  Ansicht  in  unserer  Familie 
besteht,  klar  und  deutlich  enthält,  so  lassen  wir  ihn  nach  dem  im  Archiv  zu  Angel- 
roda  befindlichen  Original  wörtlich  jedoch  mit  jetziger  Orthographie  hier  folgen: 

„Wir  Friedrich,  v.  G.  G.  Landgraf  in  Thüringen,  Markgraf  zu  Meissen  und 
Pfalzgraf  zu  Sachsen,  bekennen  und  thun  kund  öfTentlich  mit  diesem  Briefe  für  Uns, 
alle  Unsere  Erben,  Erbnehmer  und  Nachkommen:  Nachdem  die  gestrengen,  Unsere 
lieben  Getreuen  Er  Kerstan  und  Curt  selige  und  Er  Heinrich  und  Dietrich,  alle 
von  Witzleben ,  Brüder ,  Unser  Schloss  Elgersburg  mit  seinen  Zugehörungen  viele  Jahre 
und  lange  Zeit  von  Uns  in  Pfandes  Weise  inne  gehabt  haben  für  500  Mark  löthigen 
Silbers  und  400  Rheinische  Gulden  Hauptgeld  und  nun  dasselbe  Schloss  Elgersburg 
mit  solcher  Pfandschaffc  und  aller  ihrer  Gerechtigkeit  an  dem  vorgenannten  Schlosse, 
was  sie  daran  gehabt  haben  und  haben  möchten,  an  die  gestrengen  Fritz  und  Iring 
von  Witzleben,  Gebrüder,  auch  Unsere  lieben  Getreuen,  fürder  für  eine  Summe  Geldes, 
wie  sie  sich  das  untereinander  vertragen,  gebracht  und  sie  damit  gänzlich  an  Uns 
gewiesen  haben,  so  dass  sich  die  vorgenannten  Fritz  und  Iring  von  Witzleben  um 
dasselbe  Schloss  Elgersburg  mit  Uns  ferner  vertragen  also,  dass  Wir  mit  gutem 
Rathe  Unserer  heimlichen  Räthe  und  lieben  Getreuen ,  mit  Gunst ,  Wissen  und  Willen 
der  hochgeborenen  Fürsten  Herrn  Friedrich  und  Herrn  Wilhelm,  Herzögen  zu  Sach- 
sen, auch  Landgrafen  in  Thüringen  und  Markgrafen  zu  Meissen,  Unsern  lieben  Vettern, 
in  Unserm  und  Unseres  Landes  Besten  das  vorgenannte  Schloss  Elgersburg  mit  allen 
Dörfern,  besetzt  oder  wüst,  mit  den  Gerichten  über  Hals  und  Hand,  obersten  und 
niedersten,  mit  Kirchlehen,  allen  Erblehen  und  freier  Güter  Lehen,  mit  allerlei 
Nutzen  des  Waldes,  was  dessen  lange  Zeit  in  solcher  Pfandschaft  früher  bei  den 
andern  von  Witzleben  und  jetzt  bei  ihnen  bisher  gehört  und  gedient  hat,  nämlich 
Holzzins,  Feuerwerk  und  zum  Verbauen,  soviel  sie  dessen  auf  der  Burg  bedürfen,  so 
dick  ihnen  dessen  Noth  und  von  früher  also  Herkommen  ist,  mit  der  Wildbahn,  den 
Schneidemühlen,  Eisenschmieden,  Fisch  wassern,  zwei  Teichen  unterhalb  der  Burg, 
dem  wüsten  Teich  zu  Hmenau  und  mit  allen  andern  Zinsen,  Renten,  Diensten, 
Pflichten,  Freiheiten,  Ehren,  Nutzen  und  Würden,  und  gemeiniglich  mit  aller  Zuge- 
hörung, Nichts  ausgeschlossen,  —  nur  dass  wir  unsern  Wald,  unsere  hohe  Jagd, 
wilde  Pferde  und  Bergwerke,  wenn  solche  da  aufständen,  und  Ritterlehen,  die  ehr- 
bare Mannschaft  selbst  innehätten,  doch  also,  was  der  Ritterlehen  Uns  los- 
wurden oder  aufstürben,  die  sollen  denselben  von  Witzleben  zu  der  Burg  folgen 
and  dabei  bleiben  —  an  die  ehegenannten  Fritz  und  Iring  von  Witzleben,  Gebrüder, 

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—     76    — 

Mit  einem  der  bisherigen  Inhaber,  dem  Ritter  Heinrich  von  Witz- 
leben, setzten  sich  nun  Fritz  und  Iring  in  einem  von  Dietrich  Paradis, 
Bürger  zu  Erfurt,  und  Hans  von  Lichtenberg  zu  Geschwende  am  12.  Sept. 


und  ihre  Leibes-Lehns-Erben  in  Kaufes  Weise  erblich  haben  lassen  kommen, 
darum  Uns  dieselben  von  Witzlehen  1000  gute  Rheinische  Gulden  baar,  nützlich  und 
wohl  nachgegeben  und  bezahlt  haben  über  solche  Summe,  als  dasselbe  Schloss  früher 
gestanden  hat.  und  Wir  sagen  die  genannten  Fritz  und  Iring  von  Witzleben  solchen 
Geldes  und  Kaufes  quit,  ledig  und  los  in  Kraft  dieses  Briefes  und  wollen  ihnen  auch 
solchen  Kaufes  eine  rechte  Währe  sein  für  einen  jeglichen,  als  rechter  Währe  in  dem 
Lande  zu  Thüringen  Recht  und  Gewohnheit  ist,  ohne  allerlei  Einsprache,  Eintrag, 
Arglist  und  Gefährde.  Und  Wir  haben  auch  darauf  Unsere  Dorfschaften  und  Männer 
in  den  Dörfern,  daselbsthin  gehörend,  an  sie  gewiesen  und  sie  darauf  der  Eide  und 
Gelübde,  als  sie  uns  gewest  sind,  ledig  und  los  gesagt,  weisen  sie  damit  und  sagen 
sie  deren  ledig  und  los  in  Kraft  dieses  Briefes.  Und  haben  darauf  also  das  vor- 
genannte Schloss  Elgersburg  mit  allen  seinen  Zugehörungen,  wie  oben  ge- 
schrieben steht,  den  vorgenannten  Fritz  und  Iring  von  Witzleben  erblich 
zu  rechtem  freien  Mannlehn  geliehen  und  beleihen  sie  damit  zu  rech- 
tem Gesammt-Lehn  gegenwärtiglich  mit  und  in  Kraft  dieses  Briefes.  Und  die 
jetzt  viel  genannten  Fritz  und  Iring  von  Witzleben  und  alle  ihre  Leibes-Lehns-Erben 
sollen  das  mehrgenannte  Schloss  Elgersburg  mit  allen  Dörfern ,  besetzt  oder  unbesetzt, 
mit  allen  Kirchlehen,  andern  Lehen,  mit  Genuss  des  Waldes,  mit  Teichen,  Fisch - 
wassern,  Wildbahnen,  Schneidemühlen,  Eisenhütten  und  mit  allen  Ehren,  Nutzen, 
Freiheiten  und  Würden  und  gemeiniglich  mit  aller  Zugehörung,  inmassen  als  von 
Alters  dazu  gehört  hat ,  Nichts  ausgeschlossen  denn  inmassen  als  vorgeschrieben  steht, 
fürderhin  von  Uns  und  Unsem  Erben  zu  einem  rechten ,  freien  Gesammt-Mannlehn- 
Gut  haben,  besitzen,  gebrauchen,  geniessen  und  verdienen  mit  allen  Ehren,  Frei- 
heiten und  Würden,  als  rechter,  freier  Gesammt-Mannlehn-Güter  Recht  und  Gewohn- 
heit ist,  ohne  eines  Jeglichen  Einsprache ,  ohne  allerlei  Eintrag ,  Arglist  und  Gefährde. 
Doch  so  haben  wir  uns  daran  behalten,  dass  das  genannte  Schloss  Elgersburg  Uns^ 
Unsern  Vettern  und  allen  Unsem  Erben  Unser  offenes  Schloss  bleiben  und  sein  soll, 
zu  allen  Unsern  Kriegen,  Nöthen  und  Geschäften  wider  allermänniglich ,  Niemand  aus- 
geschlossen ,  ohne  wider  sie  allein ,  und  auch  also ,  ob  Wir  oder  Unsere  Erben  in 
zukünftigen  Zeiten  Unsere  Hauptleute,  Amtleute  oder  die  Unsern  bei  sie  zu  Unsern 
Kriegen  auf  dasselbige  Schloss  legen  würden,  so  sollen  wir  die  Zeit  über  Hausleute, 
Thorwarte  und  Wächter  beköstigen  und  mit  den  Unsern  bestellen ,  sie  und  die  Ihrigen 
darauf  vor  Unfug  zu  bewahren,  auch  ohne  alle  Arglist  und  Gefährde.  Auch  mögen 
sie  oder  ihre  Erben  das  genannte  Unser  Schloss  Elgersburg  zu  ihren  Nöthen  fürder 
verkaufen  oder  versetzen  ihren  Genossen,  Unsern  gehuldigten,  besessenen  Mannen, 
oder  ihren  Genossen,  die  unter  Uns  ziehen  und  sitzen  wollten,  wo  sie  die  haben 
können,  wann  oder  wie  dicke  ihnen  dessen  Noth  ist,  denen  wir  dieses  also  auf  Kauf 
oder  Pfandschaft  auch  leihen  und  bekennen  sollen,  wie  sich  das  gebühren  würde,  die 
sich  dann  auch  damit  gegen  uns  halten  sollten,  inmassen  vorher  von  ihnen  ge- 
schrieben steht,  als  dicke  dessen  Noth  geschieht,  ohne  allerlei  Eintrag,  Arglist  und 
Gefährde.    Und  dass  alle  Stücke,  Punkte  und  Artikel  dieses  Briefes  von  Uns,  allen 


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—     77     — 

1437  errichteten  Vergleiche*)  in  der  Weise  auseinander,  dass  sie  ihm, 
der  noch  Anrechte  an  Elgersburg  resp.  Geldforderungen  an  sie  hatte,  gegen 
Erlassung  derselben  erlaubten,  auf  der  Burg  einen  Stall  für  6  Pferde,  mit 
einem  Zimmer  und  einem  verdeckten  Altan  daiüber,  zu  bauen,  wohin  er 
nach  seinem  Belieben  ab-  und  zureiten  könne  und  wo  er  jedesmal  von 
ihnen  „Atz"  far  sich  und  die  Pferde  erhalten  solle,  und  ausserdem  45 
Groschen  jährlichen  Geschosses  an  die  Dorfschaft  zu  Gera  statt  seiner 
übernehmen. 

Wahrscheinlich  um  einen  Theil  des  zum  Erwerb  der  Elgersburg 
nöthigen  Geldes  flüssig  zu  machen,  hatten  Fritz  und  [ring  im  Jahre  1437 
einige  ihrer  in  der  Pflege  Sondershausen  belegenen  Schwarzburgischen 
Lehugüter  für  300  fl.  an  Hans  Schmid  zu  Sondershausen  verkauft,  dem 
sie  am  11.  Nov.  1439  auch  noch  1  Sedelhof  zu  Sondershausen,  1  desgl. 
zu  Jecha  und  6  Hufen  Landes  mit  Weiden  und  Wiesen  wiederkäuflich 
überliessen. 

Bald  dai-auf  kauften  beide  Brüder  von  Eckard  und  Heinrich  Töpfer 
einen  Sedelhof  im  Dorfe  Gera,  der  in  den  spätem  Lehnbriefen  über 
Elgersburg  immer  ausdrücklich  angeführt  wird,  während  die  zu  dem 
Schloss  gehörenden  Dorfschaften,  nämlich  Elgersburg,  Gera,  Manebach, 
iTartinroda,  Neuroda  und  Trasdori^  nicht  genannt  werden.  1468  erhielt 
Iring  vom  Herzog  Wihelm  zu  Sachsen  noch  einen  besonderen  Lehnbrief 
über  diesen  Sedelhof. 

Iring's  von  Witzleben  Gemahlin,  die  Ahnfrau  aller  heut  lebenden 
Glieder    unserer   Familie    aus    dem   Hause    Elgersburg,    war   Anna   von 


IJnseni  Erben,  Erbnehmem  und  Nachkommen  stet,  ganz  und  unverbrochen  sollen  ge- 
halten werden ,  des  zu  rechter  Urkunde  und  wahrem  Bekenntnisse  haben  wir  Friedrich, 
Landgraf  zu  Thüringen,  obengenannt.  Unser  grosses  fürstliches  Insiegel  wissendlich 
an  diesen  Brief  lassen  hängen.  Hierbei  sind  gewesen  und  Gezeugen  der  Edele  und 
die  Gestrengen  Er  Bodo  Graf  und  Herr  zu  Stolberg,  Unser  Hofmeister,  Er  Friedrich 
Ton  Hopfgarten,  Er  Friedrich  von  Witzleben,  Ritter,  Bernd  von  der  Asseburg, 
Heinrich  von  Hausen,  Unser  Ober-Marschall,  Er  Thomas  von  Buttelstedt,  Unser 
Ober-Schreiber,  und  andere  glaubwürdige  Leute  genug.  Gegeben  zu  Gotha  nach 
Christi  Geburt  vierzehn  hundert  Jahre,  danach  in  dem  siebenunddreissigsten  Jahre, 
am  Montage  nach  dem  Sonntage  Trinitatis. 

(Das  „grosse  fürstliche  Siegel"  fehlt,  nur  die  weiss- blau -roth- seidene  starke 
Schnur,  woran  es  hing,  ist  noch  vorhanden.) 

*)  s.  Hatham,  Elgersb.  p.  22,  der  aus  dem  alten  Wort  „eintrechtlich",  d.  h. 
einträchtiglich  oder  einträchtige  « amtrechtlich "  macht. 


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-     78     — 

Meldingen,  eine  Tochter  Dietrich's  von  Meldingen,  welche  am  16.  Febr. 
1438  von  den  Grafen  Ernst  und  Ludwig  zu  Gleichen -Blankenhain 
„knechtlehnwürdig"  gemacht,  d.  h.  über  alle  Güter,  die  ihr  Vater 
von  den  Grafen  zu  Gleichen  zu  Lehn  hatte,  mitbelehnt  wurde,  so  dass 
sie  die  Güter  erben  und  auf  ihre  rechten  Leibes-Lehns-Erben  bringen 
konnte.*)  Im  Jahre  1456  wurde  Anna  vom  Herzog  Wilhelm  dem  Tapfem 
mit  Zinsen  in  dem  Doife  Alkersleben  belehnt,  wobei  sie  Dietrich  von 
Meldingen,  ihren  Vater,  und  Hans  von  Meusebach,  Voigt  zu  ßossla, 
ihren  Schwager,  zu  Vormündern  erhielt. 

Iring  von  Witzleben  starb  erst  zu  Ende  des  Jahres  1480. 

b.  Iring^s  von  Witzleben  Söhne, 
1480-1536. 

Von  den  8  Söhnen  Iring's  d.  Aelt.  ist  Iring  d.  J.  jedenfalls  vor 
dem  Vater  gestorben,  da  er  sonst  wie  die  übrigen,  nämlich  Claus, 
Friedrich,  Georg,  Ernst,  Sebastian,  Christoph  und  Dietrich 
in  den  verschiedenen  Lchnbriefen  mit  genannt  wäre. 

Diese  7  Brüder  hatten  von  ihrem  Vater  folgende  Güter  und  Zinsen 
geerbt. 

A.  Sächsische  Lehen:  Das  Schloss  Elgersburg  mit  seinen  Zuge- 
hörungen (den  Dörfern  Elgersburg,  Gera,  Manebach,  Martinroda,  Neuroda 
und  Trasdorf)  und  den  Sedelhof  zu  Gera.  (Lehnbrief  des  Kurfürsten  Ernst 
vom  28.  Nov.  1485  im  Arch.  zu  Angelroda.) 

B.  Schwarzburgische  Lehen:  1.)  8  Hufen  Landes,  16  Acker 
Wiesen  und  Weiden,  1  Fischweide  in  der  Wipfi'a,  6  freie  Höfe  und  ver- 
schiedene Zinsen  im  Dorfe  und  Felde  zu  Alkersleben  in  der  Pflege 
Kefemburg; 

2.)  einen  freien  Hof  in  der  Rittergasse  zu  Arnstadt; 

3.)  8  Acker  Weingarten  zu  Espenfeld,  58  Groschen  und  2  Hühner 
zu  Lengefeld,  1  Garten  bei  der  Schmelzhütte  vor  Arnstadt,  verschiedene 
Zinsen  zu  Clingen,  West-Greussen,  Stadt-Greussen,  Trebra,  Feldengel, 
Westeruengel  und  60  Acker  Holz  in  dem  Grase  an  dem  Scheimberger 
Wege   in   dem  Geschlinge.    (Lehnbrief  des  Grafen  Heinrich  zu  Schwarz- 


*)  Orig.  im  Arcb.  zu  Angelroda. 

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—     79    — 

bürg,    Herrn  zu  Arnstadt  und  Sondershausen,    vom  20.  Jan.   1481   im 
Arch.  zu  Angelroda.) 

C.  Qleichensche  Lehen:  Zinsen  zu  Elxleben,  Bösleben,  Wolfe- 
hausen,  Witzleben,  Denstedt,  Wenigen-Hetstedt,  Lengefeld,  Ettersleben 
und  4  Acker  Weingarten  zu  Günthersleben.  (Lehnbrief  Siegmund  d.  Aelt. 
Grafen  von  Gleichen  und  Herrn  zu  Tonna  vom  25.  März  1482  im  Ai'ch. 
zu  Angelroda.) 

Claus  von  Witzleben,  der  älteste  der  Brüder,  welcher  in  der  am 
26.  Aug.  1485  zu  Leipzig  zwischen  dem  Kurfürsten  Ernst  und  Herzog 
Albrecht  zu  Sachsen  enichteten  Erbtheilung  als  zum  Thüringischen,  dem 
Kurfürsten  zugefallenen,  Theil  gehörig  aufgeführt  ist,*)  wai*  1496  Haupt- 
mann zu  Arnstadt**)  und  starb  vor  dem  Jahre  1500  ohne  Nachkommen, 
nachdem  ihm  von  seinen  Brüdern  Georg  (gewöhnlich  Jurge  genannt) 
bereits  1481  und  Ernst  zwischen  1486  und  1494  vorangegangen  waren. 

Friedrich  von  Witzleben,  war  im  Jahre  1501  Marschall  des 
Herzogs  Johann  zu  Sachsen.  Er  allein  von  seinen  Bmdem  hatte  dauernde 
Nachkommenschaft  und  scheint  zweimal  verheirathet  gewesen  zu  sein. 
Wir  kennen  aber  nur  den  Vornamen  seiner  letzten  Gemahlin  aus  deren 
im  Archiv  zu  Angelroda  aufbewahrten  Leibgedingsbriefen  vom  Jahre 
1524.  Herzog  Johann  zu  Sachsen  sagt  in  seinem  Bestätigungsbriefe  vom 
25.  Apr.  d.  J.,  dass  er  um  fleissiger  Bitte  willen  seines  lieben  getreuen 
Friedrich  von  Witzleben  zur  Elgersburg  der  „Erbarn  Margrethen,  seiner 
ehelichen  Hausfrawen*'  nachfolgende  Frohnen,  Zinsen,  Güter  und  Ge- 
rechtigkeiten,***) von  ihm  zu  Lehn  lührend,  zu  einem  rechten  Leibge- 
dinge bekannt,  geliehen  und  verschrieben  habe,  nämlich:  „Die  Männer 
zu  Gera  sollen  ihr  jährlich  auf  Michaelis  11  Schock  und  20  Hühner 
(also  680  Stück)  zu  Zins  geben;  von  einer  Wiese  an  der  Gera  soll  ihr 
das  Heu  jährlich  zu  Frohn  eingeführt  werden;  auch  das  neue  Haus****) 
auf  dem  Sitz  Elgersburg  soll  sie  als  einen  Ansitz  haben,  desgl.  das  Vieh- 
Haus  halb;  im  dazugehörenden  Vorwerk  soll  sie  Statt  und  Raum  zu 
nothdürftiger  Unterhaltung  des  Viehes  haben,    dazu  auf  7  oder  8  Kühe 


*)  St  Arch.  zu  Dresden,  cf^  Müller,  Annalen  p.  50. 
••)  Olear.  Eist  v.  Amst.  p.  147. 

•••)  Wir  fahren    dieselben   so  speciell  auf,   damit  der  LÄer  daraos   auf   die 
Grösse  und  den  Reichthnm  der  Elgersburger  Besitzungen  schliessen  kann,  von  denen 
uns  leider  keine  Anschläge,  wie  vom  Wendelstein,  vorliegen. 
*•*•)  jedenfalls  das  Unterschloss. 


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—     80    — 

sammt  den  Kälbern  jedes  Jahr  Futter  und  Streu;  sie  soll  das  Frohnholz, 
so  fiir  den  Sitz  (Schloss  Elgersburg)  gefahren  wird,  zu  ihrer  Haushaltung 
allwege  unbehindert  gebrauchen ;  auch  soll  sie  alle  Zeit  Ländereien  haben 
zu  Lein,  Hanf,  Kuben  und  Kraut  zu  ihrer  Nothdurfb,  und  so  oft  die 
Teiche  oder  Seen  gefischt  werden,  soll  ihi*  jedesmal  ein  Centner  Fische 
daraus  gegeben  werden;  sie  soll  Fug  und  Macht  haben,  im  Wasser  zu 
Ilmenau  und  Manebach  zu  fischen  und  Eeussen  zu  legen ,  so  oft  ihr  solches 
gefallt;  auch  soll  sie  haben  einen  Weinberg  zu  Holzhausen  von  etwa  3 
oder  37*2  Ackern,  wovon  ihr  der  Wein  jährlich  durch  Frohnen  gefahren 
werden  soll."  — 

Ferner  liese  Friedrich  seine  Gemahlin  von  dem  Grafen  Günther  zu 
Schwarzburg,  Herrn  zu  Arnstadt  und  Sondershausen,  am  28.  Dec.  1524 
noch  beleibzüchtigen  mit  30  fl.  jährlicher  Zinsen  vom  Rath  zu  Um,  24 ^'2 
Mass  „schönen  Korns",  5  Mass  Gerste  und  18  Mass  Hafer  zu  Dornheim 
und  5  Mass  Korns  zu  Langewiesen,  Alles  Arnstädter  Mass  und  Michaelis 
fallig.  In  beiden  Leibgedingsbriefen  werden  ihr  der  hochgelahrte  Er 
Dietrich  von  Witzleben,  Kitter  und  Doctor  zum  Stein  (Wendelstein),  Gurt 
von  Witzleben  zum  Liebenstein  und  Christoph  von  Lichtenberg  zu  Ge- 
schwende zu  Vonnündern  gestellt,  woraus  wir  ersehen,  dass  in  der  ersten 
Hälfte  des  16.  Jahrhunderts  noch  Verbindungen  zwischen  den  am  Thüringer 
Walde  und  in  der  goldenen  Aue  hausenden  Linien  unserer  Familie  vor- 
handen waren. 

Friedrich  von  Witzleben,  von  dem  noch  in  Gemeinschaft  mit  einigen 
seiner  Brüder  die  Rede  sein  wird,  starb,  über  80  Jahre  alt,*)  zu  Ende 
des  Jahres  1527  mit  Hinterlassung  eines  Sohnes,  Friedrich,  und  einer 
Tochter,  Anna.  Letztere  vermählte  sich  1545  mit  Ernst  von  Witzleben 
zum  Liebenstein  und  wurde  von  ihrem  Bruder  Friedrich,  nach  der  Ehe- 
beredung  vom  19.  Jan.  1545,  mit  1200  fl.  Ehesteuer,  „auch  mit  ziem- ^ 
lieber  Nothdurft  an  Kleidung  und  Geschmuck  abgefertigt". 


*)  Die  Erscheinung,  dass  die  meisten  Glieder  der  Elgersbnrger  Linie  ein  ver- 
verhältnissraässig  hohes  Lebensalter  erreicht  haben,  hat  nichts  Auffallendes,  wenn  wir 
das  conservirende  Gebirgsklima  der  dortigen  Gegend  in  Betracht  ziehen  und  z.  B.  in 
dem  Ne'jesten  Reisehandbuch  für  Thüringen  von  H.  Schwerdt  und  Alex.  Ziegler  (Hild- 
burgh.  1864)  S.  15  lesen,  dass  jährlich  1  Person  starh  in  Arnstadt  von  62,  in  Elgers- 
burg von  46,  dagegen  in  New- York  von  40,  in  London  von  32,  in  Dresden  von 
29,  in  Neapel  von  27,  in  Berlin  von  25,  in  Wien  von  22  und  in  Venedig  von  19 
Personen. 


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—     81     — 

Sebastian  (meist  nur  Bastian  genannt)  von  Witzleben  diente  den 
Grafen  zu  Schwarzburg  und  wurde  im  Jahre  1497  vom  Grafen  Günther 
d.  J.,  HeiTu  zu  Arnstadt  und  Sondershausen,  mit  der  Hälfte  des  durch 
kinderlosen  Tod  Jacob  Heimbm'g's  zum  Lauenstein  heimgefallenen  Gutes 
„die  Schönheide"  belehnt*). 

In  den  Jahren  1 509  und  10  war  er  Schwarzburgischer  Amtmann  zu 
Arnstadt  und  von  1514  bis  1531  29ster  und  letzter  Probst  (oder  Vor- 
steher) des  Cistercienser-Nonnen-Klosters  zu  Hm.**) 

Sebastian  war  immer  gut  bei  Kasse  und  half  namentlich  den  Grafen 
von  Gleichen  oft  mit  baarem  Gelde  aus,  wie  uns  mehrere  im  Schwarz- 
burgischen Archiv  zu  Sondershausen  befindliche  Schuldbriefe  lehren. 

Als  im  Bauernkriege  1525  die  Aufrührer  auch  nach  Um  kamen  und 
Cnfug  trieben,  ohne  jedoch  förmlich  zu  plündern,  rettete  der  Probst 
Sebastian  von  Witzleben  das  SUbergeräth  und  andere  wei-thvolle  Gegenstände 
des  Klosters  nach  Heinz  Hohlbock*s  Haus  zu  Hm***). 

Nach  dem  Jahre  1531  lebte  Sebastian  in  dem  sogenannten  Witz- 
lebenschen  Hofe****)  (dem  von  Schwaizburg  zu  Lehn  rührenden  Hause) 
in  der  Rittergasse  zu  Arnstadt,  und  starb  daselbst  hochbetagt  am  19.  Nov. 
1536  ohne  Nachkommen.  In  der  Nicolai-Kapelle  der  Lieb-Frauen-Kirche 
zu  Arnstadt,  die  seine  Gebeine  au&ahm,  sehen  wir  noch  heute  einen 
runden  Stein  mit  dem  Witzlebenschen  Wappen  (gespanicr  Schild,  aufge- 
schlagener Fürstenhut,  jedoch  ohne  Schäfte,  die  weggebrochen  zu  sein 
scheinen)  und  folgender  Umschrift:  Ano.  dm.  m.  d.  XXX VI.  auf.  den. 
tagk.  elisabet.  ist.  der.  vehste.  bastian  von  witzleben,  i.  Got.   vorschieden. 


*)  Die  andere  Hälfte  erhielt  Balthasar  von  Atzendorf,  s.  Lehnbr.  im  Arch.  zu 
Angelroda.  1532,  Sonnabends  nach  Lätare,  erneuerte  Graf  Heinrich  zu  Schwarzburg 
diese  Belehnung  und  ertheilte  Bastians  Neffen  Friedrich  und  Christoph  von  Witzleben 
«vermag  der  alten  erworbenen  lehnbriffenn**  die  Mitbelehnschaft. 

Schönheide  ist  jetzt  ein  Wirthshaus  an  der  Chaussee,  die  von  Gräfinau  über 
Pennewitz  nach  Königssee  fuhrt. 

••)  Olear.  Rer.  Thur.  Synt.  p.  243;  P.  Jov.  Chron.  Schwarzh.  in  Schöttg.  n. 
Kreys.  Dipl.  et  Script,  p.  191.  Auf  ihn  lassen  Einige  noch  Volkmar  Frobenius  fol- 
gen, welcher  nach  Einfuhrung  der  lutherischen  Lehre  eine  getaufte  Jüdin  heirathete 
und  erster  Pfarrer  zu  Stadtilm  wurde. 

**•)  Der  Kirchen-  und  Kloster-Kleinodien  hatte  sich  schon  vor  Ankunft  der  Bauern 
Graf  Günther  XXXIX.  zu  Schwarzburg  versichert,  s.  Tlmr.  und  der  Harz,  VIII. 
p.  404. 

**••)  An  der  Mauer  ist  noch  das  Witzlebensche  Wappen  zu  sehen. 


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—     82     — 

Sein  Portrait  ,  in  derselben  Art  gemalt ,  wie  das  seines  Neffen 
Friedrich,  von  dem  weiter  unten  die  Rede  sein  wird,  hängt  im  Schlosse 
zu  Angelroda. 

<;hristoph  (Christophel)  von  Witzleben  widmete  sich  dem  geisi- 
lichen  Stande,  wurde  1490  Vice-Pfarrer  des  Grafen  Heinrich  XXXIX.  von 
Schwarzburg*)  an  der  Andreas-Kirche  zu  Kudolstadt  und  nach  dessen 
Ostern  1499  erfolgtem  Tode  wirklicher  Pfan-er.  Als  solcher  liess 
er  im  ersten  Jahre  seines  Amtes  die  Glocke,  welche  jetzt  auf  dem 
Andreas-Kirchthurm  zu  Eudolstadt  an  Alter  wie  an  Grösse  die  zweite  ist, 
giessen.  Nahe  am  Öhre  der  Glocke  stehen  die  Namen  der  4  Evangelisten 
in  folgender  Ordnung:  Lucas,  Marcus,  Joh's,  Mattheus,  daneben  die 
dichterischen  Worte :  Dulce  melos  clango ,  sanctorum  gaudia  pango, 
defiinctos  plango,  vivos  voco,  fulgura  frango,**)  und  daran  schliesst  sich 
die  Angabe  über  die  Zeit  des  Gusses :  „er  cristofferus  vo  wiczlevben  phamer 
ano  dm.  1499.  osanna  heis  ich  cvrdt  kerstan  gos  mich." 

„Durch  ßechtschaffenheit  der  Gesinnung  und  des  Lebens  ausgezeich- 
net", wie  es  in  einem  Auszuge  aus  dem  Rudolstädter  Kirchenarchive  heisst, 
verwaltete  Christoph  sein  Amt  fast  30  Jahre. 

Jedenfalls  war  Rudolstadt  eine  bedeutende  Parochie  mit  ausgedehnten 
Gerechtsamen  und  reichen  Einkünften,  da  sonst  wohl  schwerlich  ein  Graf 
von  Schwarzburg  und  ein  Herr  von  Witzleben  zur  Elgersburg  diese 
Prälatm-  übernommen  hätten***).  Meist  hielten  sich  derartige  Pfarrer 
einen  Vicar,  der  die  geistlichen  Geschäfte  bei  kärglicher  Besoldung  verwaltete. 

Christoph  war  auch  von  seinen  Vettern  zum  Liebenstein  zum  Vicar 
des  Altars  St.  Livini  der  Lieb-Frauen-Kirche  zu  Arnstadt  ernannt  und  vom 
Probst  der  Marienkirche  zu  Erftirt  bestätigt  worden.****) 

•)  Domherr  zu  ffildesheim,   Probst  zu  Jechaburg  und  Pfarrer   zu  Rudolstadt, 
n.  1452.  14.  Aug. 

•*)  Ich  töne  lieblichen  Gesang,  sage  der  Heiligen  Feste  an,  trauere  laut  um 
die  Gestorbenen ,  rufe  die  Lebenden,  entkräfte  die  Blitze.  Dieser  Inschrift  hat  Schiller, 
der  im  Jahre  1788  hei  und  in  Budolstadt  lebte  ^  das  Motto  zu  seinem  Liede  von  der 
Glocke  entnommen. 

•*•)  Christian  von  Witzleben,  Bischof  von  Naumburg,  war  1373  Pfarrer  der 
Lieb-Frauen-Kirche  zu  Orlamünde  und  1378  Pleban  von  Orlamünde,  einer  der  reich- 
sten Pfründen  in  Thüringen,  gewesen.  (Arch.  zu  Wolfenbüttel)  Dies  ist  Th.  ü. 
S.  17.  hinzuzufügen. 

**••)  8.  V.  Hellbach,  L.  F.  K.  zu  Amst  p.  65.  Nach  Christophs  Tode  präsentirte 
Georg  von  Witzleben  zum  Liebenstein  unterm  19.  März  1526  den  Presbyter  Peter 
Itiges  zu  dieser  Stelle.    Arch.  zu  Sondershaosen. 


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—     Sa- 
lm Bauernkiiege,  dessen  Qräuel  auch  Rudolstadt  1525  erfuhr,  wurde 
Christian  von  Witzleben  von  den  einfallenden  wilden  Bauern,  unter  denen 
die  Schwarzaer  die  ärgsten  gewesen  sein  sollen,  so  gemisshandelt,  dass  er 
zu  Anfang  des  folgenden  Jahres  starb. 

Trotz  des  geistlichen  Standes  hatte  „Er  Christoflfel  von  Witzleben, 
Priester",  wie  er  in  den  Lehnbriefen  bezeichnet  wird,  bei  allen  Gelegen- 
heiten zugleich  mit  seinen  Brndern  die  Lehen  über  die  vom  Vater  ererb- 
ten Güter  empfangen. 

Dietrich  von  Witzleben,  der  jüngste  der  8  Brüder,  trat  im 
Jahre  1501  in  den  Stand  der  heiligen  Ehe.  Nach  der  diesen  Fall  be- 
handelnden, im  Archiv  zu  Angelroda  befindlichen,  weitläufigen  Urkunde 
wurde  festgesetzt,  dass  die  Braut  Margarethe  von  Stein  zu  Northeim, 
verwittwete  vom  Lichtenstein*),  ihrem  zukünftigen  Gemahle  3000  rh.  fl. 
Heirathsgut  zubringen,  Dietiich  aber  1000  rh.  fl.  Gegengeld  geben  sollte, 
so  dass  „Zugeid  und  Gegengeld"  4000  fl.  ausmachten,  die  innerhalb 
Jahresfrist  nach  vollzogenem  Beilager  fällig  sein  sollten. 

Im  Jahie  1518  finden  wii*  Dietrich  als  Schwarzburgischen  Amtmann 
zu  Arnstadt,  welchen  Posten  früher  sein  Bruder  Sebastian  verwaltet 
hatte.  Wie  dieser  trug  Dietrich  zur  Erweiterung  des  Grundbesitzes  der 
Familie  bei. 

Am  13.  Apr.  1508  wurde  er  vom  Grafen  Günther  zu  Schwarzburg- 
Amstadt  mit  folgenden  Gütern  und  Zinsen  belehnt,  welche  er  von  Hans 
von  Elleben  gekauft  hatte,  nämlich: 

1)  mit  dem  Hasenbach  zu  Bösleben  (Y2  M.  westlich  von  Witzleben) 
und  dem  dazu  gehörenden  Vorwerke  mit  7  Hufen  Landes,  etlichen  Weiden, 
Wiesen  und  verschiedenen  Zinsen; 

2)  mit  einem  Haus,  Hof  und  Garten  zu  Eschdorf  (2  St.  nordwestlich 
von  Rudolstadt); 

3)  mit  einem  Hause  zu  Teichröden  (1  St.  nördlich  von  Rudolstadt); 

4)  mit  Aeckern  zu  Lositz  (2  St.  südlich  von  Saalfeld); 

Zu  diesen  Gütern  trat  später  noch  ein  Weinberg  am  Amsberge  vor 
Arnstadt,  den  er  von  Melchior  von  Schlotheim  kaufte. 


•)  Sie  war  Wittwe  bereits  1499  und  hatte  aus  erster  Ehe  eine  Tochter  Anna 
ürk.  im  Arch.  zu  Angelroda. 


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^     84    — 

Am  10.  Juli  1518  erstand  er  femer  vom  Kloster  Paulinzelle  den 
4.  Theil  des  Gemeinde-Backofens  zu  Alkersleben. 

Dietaich  von  Witzleben  starb  im  Jahre  1530  und  hinterliess  einen 
Sohn  Namens  Christoph. 


Wir  haben  nun  noch  einiges  anzuführen,  wo  mehrere  der  Brüder  ge- 
meinschaftlich auftreten. 

Im  Jahre  1519  lagen  Friedrich  und  Dietrich  von  Witzleben  zur 
Elgersburg  im  Streit  mit  dem  Grafen  Wilhelm  von  Henneberg  wegen 
eines  Gehölzes,  das  Eichicht  genannt,  und  mit  dem  Grafen  Siegmund 
von  Gleichen  wegen  eines  Eisenbergwerks.  Doch  können  wir  Genaueres 
darüber  nicht  melden,  da  im  Com.  Arch.  zu  Weimar  nur  noch  diese  Notiz, 
nicht  aber  die  dazu  gehörenden  Acten  vorhanden  sind. 

Der  Frohnen  und  Schenke  halber  waren  zwichen  Friediicli,  Sebastian 
und  Dietrich  von  Witzleben  und  der  Gemeinde  des  Dorfes  Gera  „iirige 
Gebrechen"  entstanden,  welche  aber  zu  Gunsten  der  Erstgenannten  bei- 
gelegt wurden. 

Ernster  verlief  eine  andere  Angelegenheit.  Vor  dem  Jahre  1520 
hatten  Graf  Günther  zu  Schwarzburg,  Hen-  zu  Arnstadt  und  Sondershausen, 
und  Friedrich  und  Dieüich  von  Witzleben  zur  Elgersburg  als  Gerichts- 
herren von  Gräfenroda*)  einen  Einwohner  dieses  Dorfes,  Namens  Ryse, 
aus  uns  unbekannt  gebliebenen  Gründen  zu  Arnstadt  hinrichten  lassen. 
Gegen  sie  stellten  die  Brüder  des  Gerichteten,  Peter  und  Oswald  Ryse, 
eine  Fehde  an,  die  bald  eine  solche  Ausdehnung  gewann,  dass  sich  Herzog 
Johann  zu  Sachsen  genöthigt  sah,  sich  in  die  Sache  zu  mischen  und 
durch  seine  Eäthe  die  Streitenden  verti-agen  zu  lassen.  Nach  der  vom 
Herzog  hierüber  am  19.  Apr.  1521  ausgestellten  Urkunde  (im  Schwarzb. 
Arch.  -zu  Eudolstadt)  wurde  bestimmt,  dass  Peter  und  Oswald  Ryse  ihre 
vorgenommene    Fehde    abstellen,    ihnen    dagegen    von    Kursachsen    und 


*)  Gräfenroda  war  ein  Herzoglich  Gothaisches  und  Fürstlich  Schwarzburg- 
Sondershausensches  Gesammtgericht  und  bestand  aus  den  Dörfern  Gräfenroda,  Elgers- 
bur<r,  Gera,  Manebach,  Neurode  und  Trasdorf.  s.  Schumann,  St.  P.  u.  Z.  Lex.  Das 
Dorf  Gräfenroda,  3  St.  südwestlich  von*  Arnstadt  gelegen,  gehörte  aber  nicht,  wie  die 
anderen  genannten  Ortschaften,  zur  Elgersburg,  sondern  zur  Hälfte  denen  von 
Witzleben  zum  Liebenstein,  zur  andern  Hälfte  den  Grafen  zu  Schwarzburg. 


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—    85    — 

Schwarzburg  die  „Landshuldung"  wieder  gegeben  werden  und  „was  sich 
in  solcher  Fehde  begeben  und  ergangen,  allenthalben  zugleich  aufgehoben 
sein  und  bleiben"  sollte,  dass  femer,  da  die  Kysen  während  der  Fehde 
ihre  Güter  verlassen  hatten  und  diese  „zu  Verderb  gekommen"  waren,  der 
Herzog  jedem  von  ihnen,  damit  ihi'  Schaden  weiter  verhütet  würde,  50  fl. 
ä  21  Zinsgroschen  reichen  lassen  und  die  ßysen  alle  ihre  Güter  zwei 
Jahre  lang,  vom  Datum  dieser  Abrede  gerechnet,  von  Zins,  Frohnen  und 
aller  andern  Bürde  frei  haben,  ihnen  auch  die  rückständigen  Zinsen  nach- 
gelassen sein  und  sie,  wenn  sie  ihre  Güter  verkaufen  würden,  des  Lehn- 
geldes entladen  sein  sollten. 


c.  die  Yettem  Friedrich  und  Christoph  von  Witzleben, 

1516-1579. 

Friedlich,  der  Sohn  Friedliches,  und  Christoph,  der  Sohn  Dietiich's, 
werden  in  den  Lehnbriefen  bereits  1526  genannt.  Von  ihnen  setzte  nur 
Friedlich  das  Geschlecht  fort,  während  sein  Vetter  keine  Söhne  hinteiiiess. 
Dieser,  Christoph  von  Witzleben,  besass  nach  dem  Tode  seines  Vaters, 
1530,  Elgersburg  und  die  alten  Schwai*zbm*gischeu  und  Gleichenschen 
Lehen  gemeinschaftlich  mit  seinem  Onkel  Sebastian  (welcher  1536  stari)) 
und  seinem  Vetter  Friedrich;  die  von  seinem  Vater  erkauften  Schwarz- 
burgischen Güter  zu  Bösleben,  Eschdorf,  Teichröden  und  Lositz,  sowie 
den  Weinberg  am  Arnsberge  vor  Arnstadt  aber  allein,  da  Sebastian  und 
Friedlich  nur  mitbelehnt  waren.*) 

Er  wohnte  (schon  1534)  in  dem  Witzlebenschen  Hofe  zu  Arnstadt 
und  wurde  daher  gewöhnlich  bezeichnet  als  „Christoph  von  Witzleben  zu 
Arnstadt."  Im  October  des  Jahres  1535  befand  er  sich  im  Gefolge  des 
Kurfürsten  Johann  Friedlich  des  Grossmüthigen,  als  dieser,  um  die 
Lehen  zu  empfangen,  mit  300  Keisigen  und  80  Wagenpferden  nach  Wien 
reiste,  wo  er  am  30.  Oktober  eintraf  und  3  Wochen  blieb.**) 


*)  8.  den  Leimbrief  von  1532  im  Arch.  zu  Angelroda. 

**)  cf.  Müller,  Annalen,  p.  90.  Am  30.  Sept.  1535  schrieb  Christoph  eigen- 
händig an  den  Kurfarstl.  Secretär  Hans  Ponikau:  „Meyne  gantz  wyllige  dienst  zuuor 
fnmtlicher  lieber  Secretarius.  Ich  gebe  fruntlicher  vnnd  guther  meynung  Zuerkennen 
dass  myr  vnser  Gnedigster  Herr,  der  Curfurst,  Seyn  fürstlich  gnaden,  geschrieben  vnnd 
mich  vorständigt,   wie   dass   ich  vnnd  Mewssebach   vnnd  Lichtenhayn  semptlich  zu 


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—    86    — 

Vor  Antritt  dieser  Reise  jedoch  sorgte  Christoph  als  liebender  Gatte 
für  das  leibliche  Wohl  seiner  Gemahlin  Sibylla  (den  Geschlechtsnamen 
wissen  wir  nicht)  für  den  Fall,  dass  ihm  etwas  Menschliches  zustossen 
sollte,  und  liess  ihr  vom  Kurfürsten  am  4.  Oct.  einen  Leibgedingsbrief 
ausstellen. 

Christoph  von  Witzleben  starb  schon  Ende  1549  oder  Anfangs  1550. 
Seine  Lehngüter  erbte  sein  Vetter  Friedrich,  während  das  von  ihm  er- 
worbene freie  Gut  zu  Neuroda  auf  seine  uns  unbekannten  Töchter 
überging. 

Friedrich  vonWit  ziehen  zur  Elgersburg,  eine  der  bedeutenderen 
Persönlichkeiten  der  Elgersburger  Linie,  war  geboren  im  Jahre  1504  und 
daher  erst  23  Jahi*e  alt,  als  sein  Vater  starb  und  er  in  Folge  dessen 
selbststandig  wurde.  Kaum  mit  den  ererbten  Gütern  von  Kursachsen, 
Schwarzburg  und  Gleichen  belehnt,  gerietli  er  mit  seineu  Nachbarn  über 
die  Gränzen  und  Gerechtsame  seiner  Besitzungen  in  die  vei-wickeltsten 
Streitigkeiten,  die  sein  ganzes  Leben  ausfTillteu. 

Friedlich  le])te  auf  der  Elgersburg,  wählend  sein  Vetter  Christoph, 
dem  die  andere  Hälfte  der  Güter  zustand ,  zu  Arnstadt  wohnte.  In  seinem 
32.  Lebensjahre  vermählte  er  sich  mit  der  tugendhaften  Jungfrau  Euphro- 
sina  von  Pappenheim. 

Der  kurze  Inhalt  der  am  14.  Febr.  1536  errichteten  im  Archiv  zu 
Angeh-oda    aufbewahrten   Eheberedung*)  ist  der,    dass  Veit  und  Achatz 

vnsemn  cleydung  in  dysser  reysse  eynnen  Kasten  haben  sollen,  so  habe  ich  den  Mewsse- 
bach  durch  meinen  eigenen  Boten  besorgen  lassen,  wo  und  an  welchem  Ort  ich  mit 
meinen  Kleidern  zum  kästen  komen  mocht,  hat  er  myr  keyn  antwort  geben  vnnd 
nicbtss  gescbryben  noch  schreiben  wollen  vnnd  wcyss  nhun  nicht,  wo  mit  den  cley« 
dem  hyn,  Der  wegen  meyn  fruntliche  bitt  yr  wolt  ileyss  furwenden,  dass  ich  macht 
weyter  vorstendigt  werden,  wo  ich  mit  meynnen  cleydern  zum  kästen  komen  muclit 
vnnt  wolt  daran  seyn,  dass  der  böte  halt  gefertigt  wurde  mit  antwort.  bvrmit  got 
befohlen  vnnd  euch  Zu  dynen  findt  yhr  mich  gantz  willig.  Datum  amstad.  Mitwochen 
nach  Michaelis  Anno  etc.    Im  xxxv  Ihar 

E.  williger  Cristoff  von  witzleben 
zw  Arnstadt.** 
(Nach  dem  Original  mit  gut  erhaltenem  Siegel  im  Com.  Arch.  zu  Weimar.) 
*)    Das  Pergament,    2'    hoch,    über    2'    breit,    enthält    67    enggeschriebenc 
Zeilen.     Von  11  Siegeln    ist    nur   noch   ein  Pappenheimsches  und  das  Friedrichs  von 
Witzleben  vorbanden. 

Veit  von  Pappenheim  war  Kurf.  Amtmann  auf  der  Wachsenburg,  daher  also  wohl 
die  Bekanntschaft. 

Die  Eheberedung  wurde  errichtet  durch  Sebastian  v.  W.  zu  Arnstadt  u.  A.  m. 


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—     87     — 

von  Pappenheim,  des  Heil.  Rom.  Reichs  Erbmai-schälle,  ihre' Schwester  Eu- 
phrosina  dem  Friedrich  von  Witzleben  zur  Ehe  geben  und  versprechen,  dem 
Bräutigam  „in  der  nächsten  Jahresfrist,  so  er  ehelich  bei  der  gemeldeten 
Jungfrau  Euphrosina,  seinem  ehelichen  Gemahl,  geschlafen  hat,"  800  rh.  fl. 
zu  zahlen,  wogegen  Friedrich  seiner  Gemahlin  800  rh.  fl.  zu  Gegengeld, 
ausserdem,  „so  sie  die  erste  Nacht  bei  einander  geschlafen  haben",  die 
Morgengabe  nach  seiner  Ehre  und  adlichen  Gewohnheit  und  schliesslich 
Behausung,  Feuerung  etc.  geben  sollte.  Die  Frucht  dieser  Ehe  war  nur 
eine  Tochter,  Anna,  welche  sich  am  7.  Sept  1559  im  Gasthofe  zum 
Heuberg*)  auf  dem  Thüringer  Walde  Wilhelm  Schott  zu  Zillingen  zur 
ehelichen  Gemahlin  erbat  und  erhielt  Friedrich  von  Witzleben  versprach, 
seiner  Tochter  in  Jahresfrist  nach  dem  Beilager  600  fl.  Thüringischer 
Landwährung  zu  geben,  wogegen  Wilhelm  Schott  seiner  Braut  300  fl. 
zur  Morgengabe  reichen  wollte.**) 

Euphrosina  ist  wahrscheinlich  bald  nach  der  Geburt  ihrer  Tochter 
Anna  verstorben,  ohne  ihi*em  Gemahl  einen  Lehnserben  geschenkt  zu 
haben. 

Bald  nach  1545  und  jedenfalls  noch  vor  1550***)  vermählte  sich 
Friedrich    zum    zweiten    Male,    und    zwar   mit    Hanz    Vitzthum's  ****) 


*)  Jetzt  Henbergshaus,  1  St.  von  Friedrichsrodc ,   das    einzige  Hans   auf  dem 
Rennsteig  vom  Inselsberg  bis  zum  Schneekopf. 

**)  Orig.  im  Arch.  zu  Angehoda.  Jobst  von  Lichtenberg  zum  Geschwende  und 
Bernhard  von  Doltzig  zu  Gumperde  waren  Wilhelms  Schott  Freiwerber  gewesen.  Den 
Brief  siegelten  Andreas  von  Heldritt  zu  Bockfeld,  Hans  Scholt  (Wilhelms  Bruder), 
Christoph  Marschall  zu  Halbach  und  Bernhardt  von  Doltzig  zu  Gumperde  auf  des 
Bräutigams  Seite,  Heinrich  von  Erffa  zu  Erflfa  und  Ernst  von  Witzleben  auf  Lieben- 
stein auf  Friedrichs  von  Witzleben  Seite,  sowie  dieser  und  Wilhelm  Schott.  Alle  8 
Siegel  sind  noch  wohl  erhalten. 

***)  Am  19.  Mai  1566  bat  Friedrich  von  Witzleben  zur  Elgersburg  den  Herzog 
Johann  Friedrich  d.  M.  zu  Sachsen,  ihn  der  Vormundschaft  der  edeln  und  tugend- 
saroen  Anna  Tobekatzin,  Jungfrau  zu  Elleben.  zu  entheben,  da  er  bereits  mit  4 
Vormundschaften  betraut  sei  und  selber  sieben  lebendige,  zum  Theil  unmündige 
Kinder  habe,  auch  seines  Leibes  Unvermögens  und  Alters  halber  solcher  Vormund- 
schaft nicht  gebührlich  nachkommen  könne.  (Geh.  St.  Arch.  zu  Weimar.)  Ausser  der 
verheiratheten  Tochter  erster  Ehe  müssen  also  Kinder  der  zweiten  Ehe  1566  schon 
18  oder  21  Jahr  alt  gewesen  sein. 

*♦**)  nicht  Conrad's  von  Hanstein,  wie  Biedermann,  Ottenwald,  Tab.  CCXXXVII 
angiebt. 


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—     88     — 

nachgelassener  Wittwe  Amalia,  geb.  von  Erffa,  einer  Tochter  Hartmanns 
von  und  zu  ErflFa  und  dessen  zweiter  Gemahlin  Agnes  von  Famroda,  und 
hatte  bald  die  Freude,  seinen  Stamm  wieder  fa-äftig  blühen  zu  sehen. 

lieich  und  angesehen  war  Friedrich  von  Witzleben  schon,  als  er  nur 
die  Hälfte  der  Güter  besass  und  wurde  es  noch  mehr,  als  er  nach  dem 
Tode  seines  Vetters  Christoph,  1550,  in,  seiner  Hand  sänmitliche  Be- 
sitzungen der  Elgersburger  Linie  vereinigte.  Es  waren  dies  die  S,  78 
aufgeluhi-ten  väterlichen  Güter,  die  Sebastian  von  Witzleben  verliehene 
Hälfte  des  Gutes  Schönheide  (s.  S.  81)  und  die  von  Dietiich  von  Witz- 
leben gekauften  Güter  zu  Bösleben  etc.  (s.  S.  83),  wozu,  als  bisher  noch 
nicht  erwähnt,  zu  zählen  sind  ein  Haus,  Höfe  und  Gärten  zu  Oberweimar, 

1  Weinberg  zwischen  Dittershain  und  Kölleda,  etwa  472  Acker  Wiesen, 

2  Malter  Korn  und  Gersten  zu  Meilingen,  20  Groschen,  7^  Malter  Korn 
und  72  Malter  Gerste  zu  üUa,  16  Schillinge,  8  Hühner,  2  Malter  Hafer 
von  1  Hufe  Landes  zu  Liebsdorf  und  10  Groschen  von  7^  H^fc  Landes 
zu  Hechdoif,  welche  Güter  und  Zinsen  die  Vettern  Christoph  und  Friedrich 
von  Witzleben  zur  Elgersburg  laut  eines  unteim  5.  Febr.  1542  von  ihnen 
ausgestellten  Lehnbriefes  mit  Be^villigung  der  Grafen  zu  Schwarzburg  als 
Oberlehnsherren  dem  achtbaren  und  hochgelahrten  Francisco  Burghart, 
Kurfürstl.  Sachs.  Kanzler,  zu  rechtem  Erblehn  verliehen  hatten*). 

Diesem  bedeutenden  Grundbesitz  und  Einkommen  an  lienten  und 
Zinsen  entsprach  die  Haushaltung  Friedrichs  auf  der  Elgersburg  und  in 
dem  vollständig  eingerichteten  Hause  zu  Arnstadt.  Am  15.  Juli  1562  liess 
Friedrich  dm-ch  den  Kaiserlichen  Notar  Magnus  Laurwalt  sein  Hausgeräth, 
welches  er  nach  seiner  Vermählung  mit  „Frau  Amalie  von  ErflFa,  nach- 
gelassener Wittwe  Hansen  Vitztums  sei."  besessen,  um  „Hader  und  Streit" 
nach  seinem  Tode  zu  verhüten,  aufs  Neue  inventarisiren.  Nach  dem  im 
Archiv  zu  Angelroda  befindlichen  Notariats -Instrument  waren  an  Silber 
und  Kleinodien  vorhanden. 

1  silberner  Kopf,  vergüldet,  „so  man  übereinander  stürzt", 

1  vergoldeter  Ci-edenz 
10  silberne  giosse  Becher,  jeder  14 — 15  Loth  schwer, 

3  silberne  Becher,  jeder  22 — 23  Loth  schwer, 

1  silberne  vergoldete  Kanne,  „welche  der  Junker  der  Frauen,   als 


*)  Orig.  des  Lehnbriefes  im  Arch.  zu  Angelroda;  die  beiden  Siegel  sind  aus- 
gebrochen. 


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—     89     — 

sie  mit  einem  Sohn,  Job  Wilhelm,  in  Wochen  gelegen*),  aufs 
Bette  geschenkt,  welche  auch  gedachter  Frauen,  heut  oder  morgen, 
ohne  wideiTode,  gereicht  und  folgen  soll", 
1  äilbeme  vergoldete  Pfeife,  so  man  am  Halse  trägt, 
1  Kette   von  Rheinischem  Golde,   ,,mit  Muldensteinen",  wiegt  un- 

geföhr  74  Gulden, 
1  goldene  Kette  von  ungefähr  33  Gulden,  welche  der  Junker  auch 

der  Frauen  geschenkt, 
1  goldener  Petschaft-Ring, 
1  goldener  Ring  mit  einem  „Durkes"  (Türkis), 
1  Trauring,  golden, 
1  Schlangenring,  golden, 
1  geschlagener  goldener  Ring, 

l  goldener  Ring  „mit  einem  spitzigen  Demin"  (Demant?) 
12  silbeme  Löffel, 
1  „kraus"  (?)  mit  Silber  beschlagen, 
1  „spompflaschen"  mit  Silber  beschlagen. 
Dann    folgt   Tischzeug,    Bettwäsche,    Betten,    Küchengeräth,    Zinn, 
Kupfer  und  schliesslich  ein  Verzeichniss  des  Hausgeräths. 

In  seinem  74.  Jahre  liess  sich  Friedrich  von  Witzleben  in  Lebens- 
grösse  malen.  Das  Bild,  jetzt  in  Angekoda,  zeigt  uns  einen  alten  Herrn 
in  einem  zurückgeschlagenen  schwarzen  mailändischen  Mantel,  dessen  über 
den  Kopf  gezogene  Kappe  die  Stirn  bis  an  die  regelmässigen,  fein  ge- 
wölbten Augenbrauen  bedeckt,  mit  frischer  Gesichtsfarbe,  hellbraunen 
Augen,  gebogener  Nase,  langem  grauem  Vollbart  und  schönen  aristokrati- 
schen Händen.  Am  Zeigefinger  der  auf  dem  Schwertgriff"  ruhenden  linken 
Hand  erblicken  wir  einen  Siegelring  mit  dem  Wappen  (auf  rothem 
Grunde  zwei  weisse  Sparren,  also  jedenfalls  ein  Onyx)  und  vor  demselben 
einen  kleineren  Ring  mit  dunkelblauem  Stein  (den  obenerwähnten  Ring 
mit  dem  „Durkes").    An  der  Seite  des  Bildes  befindet  sich  die  Inschrift: 


*)  Hiernach  wäre  Job  Wilhelm  vor  oder  in  dem  Jahre  1562  geboren,  in  dem 
Hennebergischen  Lehnbriefe  über  Manebach  und  V^  Martinroda  vom  30.  Juli  1579 
heisst  es  aber,  dass  Job  Wilhelm  noch  unmündig  sei  and  daher  seine  Brüder  in  seinem 
Namen,  bis  er  das  14.  Jahr  erreicht  haben  würde,  die  Lehen  empfangen 
»olhen.  Wahrscheinlich  ist  also  der  Job  Wilhelm,  bei  dessen  Geburt  die  Matter  die 
fergoldete  Kanne  erhielt,  in  der  Jagend  gestorben  und  ein  späterer  Sohn  wieder 
ebenso  getauft  worden. 

7 


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—    90    — 

iETATIS  SVE 

74 
Aö  DN  1578. 

In  der  ersten  Hälfte  des  Jahres  1579  starb  Friedlich  von  Witz- 
leben*) mit  Hinterlassung  von  2  Töchtern:  Anna,  seit  1559  mit  Wilhelm 
Schott  zu  Zillingen  vermählt,  und  Amalia,  welche  1580  Andreas  Friedrich 
von  ütterodt  auf  Schwarzhausen  heirathete**)  und  1635  zu  Mülverstedt 
starb,  und  3  Söhnen:  Friedrich,  Heinrich  und  Job  Wilhelm,  von  denen 
Letzterer  noch  nicht  14  Jahre  alt  war. 


In  der  im  16.  Jahrhundert  so  bewegten  Geschichte  Thüringens  finden 
wir  Friedrich  von  Witzleben  kaum  erwähnt.  Er  sass  auf  seiner  Scholle, 
von  seinen  eigenen  Angelegenheiten  hinlänglich  in  Anspruch  genommen, 
und  weder  die  Nachwehen  des  Bauernkrieges  noch  der  Schmalkaldensche 
Krieg  zogen  ihn  in  den  Strudel  des  öffentlichen  Lebens.  Nur  ein  Mal 
trat  er  auf:  am  13.  Oct.  1552  verschrieben  sich  Ernst  Graf  von  Gleichen 
und  Herr  zu  Tonna,  Siegmund  Burggraf  von  Kirchberg,  Ludwig  Albrecht 
Graf  von  Beichlingen,  Veit  des  Rom.  Reichs  Erbmarschall  zu  Pappenheim, 
Ewald  von  Brandenstein  zu  Ranis,  Hans  Puster  zu  Drakendorf,  Christoph 
von  Harstall  zu  Myla,  Friedrich  d.  A.  von  Wangenheim  zum  Winterstein, 
Friedrich  von  Witzleben  zur  Elgersburg,  Jörg  von  Denstedt  zu  Heusdorf, 
Joachim  von  der  Pforten  zu  Reinstedt,  Albrecht  von  Meusebach  zu  Schwer- 
stedt,  Nickel  von  Lichtenhain  zu  Gleina  und  die  Städte  Eisenach,  Saalfeld 
und  Weimar  aJs  Bevollmächtigte  der  Landschaft  des  gewesenen  Kurfürsten 
Johann  Friedrich  in  derselben  und  ihrem  eigenen  Namen,  den  Inhalt  des 
von  Johann  Friedrich,  der  kurz  vorher  aus  5 jähriger  Gefangenschaft  in 
seine  Brblande   zuruc^ekehrt  war,    dem  Kurfürsten  Moritz   zu  Sachsen 


*)  Die  BelehnnngeB  seiner  Söhne  beginnen  mit  dem  3.  Juni  d.  J. 
*•)  Friedrich  und  Heinrich  von  Witzleben,  sowie  Hermann  Ludwig  von  Farn- 
roda  und  Felix  tob  Erifa  als  Vormünder  des  dritten  Bruders  Job  Wilhelm  von  Witz- 
leben, vorsprachen  d.  d.  Ohrdruff,  den  3.  Mai  1580,  ihrer  lieben  Schwester  Amalia 
yon  Witzleben  zur  Ehesteuer  zu  geben  1800  fl.,  ein  Jahr  nach  geschehenem  Kirch- 
gange  und  Beilager,  dazu  Kleidung,  Kleinodien  und  Schmuck,  wie  landesübhch,  wo- 
gegen Andreas  Friedrich  von  Ütterodt  seine  zukünftige  Gemahlin  mit  3600  fl.,  freier 
Behausung,  Feuerwerk  etc.  beleibzüchten  sollte.    Org.  im  Arch.  zu  Angelroda. 


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—     91     — 

gegebenen  Versicherungsbriefea  treu  zu  halten  und  demselben  nachzu- 
kommen.*) 

Auch  die  Grumbach'schen  Händel,  sowie  die  in  deren  Folge  ein- 
getretene Belagerung  von  Gotha  (1567)  tangirten  Friedrich  nicht  weiter, 
als  dass  er  sich  seiner  ünterthanen  zu  Gera,  Elgersburg  und  Manebach, 
welche  Hafer  und  Heu  ins  Lager  zu  Frimar  schicken  und  auf  die  Wache 
ziehen  mussten,  annahm  und  beim  Herzog  Johann  Wilhelm  zu  Sachsen 
um  Ersatz  ihres  dabei  erlittenen  Schadens  im  Betrage  von  zusanmien 
120  fl.  3\/2  gr.  einkam  (12.  Sept.  1570). 

Dennoch  führte  Friedrich  von  Witzleben  kein  ruhiges  Dasein.  „Hader 
und  Streit"  sind  der  rothe  Faden,  der  sich  durch  sein  ganzes  Leben  hin- 
zog, und  wenn  auch  „seine  unruhige  Gewohnheit"  oft  Schuld  an  einer  neuen 
Streitigkeit  gewesen  sein  mag,  so  war  er  doch  andrerseits  auch  oft  ge- 
zwungen, sein  Recht  zu  vertheidigen  —  und  darin  entwickelte  er  eine, 
man  kann  wohl  sagen  bewundemswerthe  Energie. 

Kaum  im  Besitz  des  väterlichen  Erbes  gerieth  er  nebst  seinem  Vetter 
Christoph  und  Oheim  Sebastian  von  Witzleben  mit  den  Grafen  von  Gleichen 
ab  Inhabern  des  Theils  des  Schwarzwaldes,  welcher  durch  eine  von  der 
Windischen  Gera  über  die  Scharte,  den  Finsterberg  und  Reussberg  bis 
wieder  an  die  Gera  gezogenen  Linie  begrenzt  wird,  in  Irrungen,  welche 
erst  durch  Erkenntniss  des  Kurfürsten  Johann  zu  Sachsen  vom  11.  Jan. 
1531  dahin  entschieden  wurden,  dass  das  Eigenthum,  sowie  die  Nutzungen 
an  Jagden,  Zinsen,  Gerichten  und  Bergwerken  jenes  Districts  den  Grafen 
und  nur  der  Harzzins  aus  den  betreflfenden  Harzwäldem,  sowie  die  Reh- 
und  niedere  Jagd  denen  von  Witzleben  zukäme. 

Auch  mit  seinen  eigenen  ünterthanen  lag  er  wiederholt  in  Streit, 
z.  B.  1558  mit  der  Gemeinde  zu  Neuroda  wegen  einer  Pfändung,  die  er 
in  dem  Dorfe  Wipfra  hatte  vornehmen  lassen,  und  1559,  sowie  1567  —  68 
mit  der  zu  Trasdorf,  der  Frohnen  wegen.**) 


♦)  Com.  Arch.  zn  Weimar,  Reg.  K.  Cit.  M.  M.  S.  193.  No.  1314. 
**)  Einen  in  dieser  Angelegenheit  an  die  Herzöge  Jobann  Friedrich  und  Johann 
Wilhelm  za  Sachsen  gelichteten  Brief  schUesst  er  nach  ausfti lirlicher  Auseinander- 
letiang  der  Sachlage:  „In  Summa,  es  ist  Muth willen.  Ich  bitte  daher,  ihnen  ihren 
Mathwülen  nicht  zu  gestatten  und  mir  zuzutrauen,  dass  mein  Gemüth  gar  nicht  dahin 
gerichtet,  meine  Ünterthanen  so  zu  beschweren,  dass  sie  zum  Verderben  (das  mir  selbst 
icfaidlich  sein  wArde)  gedeihen  sollten  etc.  Datum  Sonnabend  nach  Nativitatis  Maria 
1559."     (Com.  Arch.  zu  Weimar). 

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—     92    — 

Aus  der  im  Januar  1557  durch  die  Herzöge  Johann  Friedrich  d.  M. 
und  Johann  Friedrich  d.  J.  erfolgten  Entscheidung  der  zwischen  dem  Amt 
Schwarzwald  und  denen  von  Witzleben  entstandenen  Irrungen,  welche  ein 
grosses,  im  Hauptarchiv  zu  Weimar  befindliches  Actenstück  füllen,  ent- 
nehmen wir  von  13  Funkten  nur  den  9.,  worin  enthalten  ist,  dass  in 
Zukunft  die  von  Witzleben,  nachdem  in  kurzer  Zeit  unter  ihrer  Herrschaft 
60  neue  Bauernhäuser  aus  fürstlichem  Holze  erbaut  worden  wären,  die 
Bauten  aus  eigenen  Mitteln  bestreiten  sollten. 

Alle  diese  bisher  angeführten  Irrungen  waren  aber  unbedeutend  gegen 
diejenigen,  in  welche  Friedrich  von  Witzleben  in  Folge  des  am  12.  März 
1540  vom  Fürsten  Wolfgang  zu  Anhalt  zwischen  dem  Kurfürsten  Johann 
Friedrich  und  Herzog  Johann  Ernst,  Gebrüdem  zu  Sachsen,  eines  und  dem 
Grafen  Wilhelm  von  Henneberg  andern  Theils  wegen  der  Elgersburg  und 
des  Klosters  Georgenthal  errichteten  sogenannten  Schmalkaldenschen  Ver- 
trags*) verwickelt  wurde.  Eigentlich  spielten  diese  Streitigkeiten  zwischen 
den  Häusern  Sachsen  und  Henneberg;  Friedrich  von  Witzleben  gab  aber 
zu  den  meisten  die  Veranlassung,  und  seine  Söhne  hatten  zum  Theil  noch 
die  Folgen  zu  tragen.  Ganze  Stösse  von  Acten  sind  darüber  in  den 
Archiven  zu  Gotha  und  Weimar  vorhanden.  In  einem  solchen  Bande  des 
Gothaer  Archivs  befindet  sich  ein  um  die  Mitte  des  17.  Jahrhunderts  von 
einem  Rechtsgelehrten  gefertigter  Auszug  dieser  „Strittigkeiten"  (in  Ab- 
schrift auch  im  Arcljiv  zu  Angekoda),  der  aber  in  Vergleich  zu 
seinem  Umfange  zu  geringes  Interesse  hat,  um  ihn  hier  wiedergeben  zu 
können. 

d.    Bio  Söhne  Friedrich^s  von  Witzleben: 

Friedrich,  Heinrich  nnd  Job  Wilhelm, 

nnd  Stiftung  der  Linien  zu  Neuroda,  Bösleben  nnd  Oross-Liebriugeu. 

1679-1616. 

Bei  dem  Tode  Friedrichs  von  Witzleben,  1579,  waren  von  seinen 
Söhnen  zwei,  nämlich  Friedrich  und  Heinrich,  bereits  selbsständig,**) 


*)  Vollständig  abgedruckt  in  Schultes  diplomatischer  Geschichte  des  gräflichen 
Hauses  Henneberg  II.    Urkundenbuch  S.  351. 

**)  Beide  finden    wir   schon    am  Tage  Michaelis   1578  als  Bürgen   Curt  Veifs 
Ton  Witzleben  zum  Liebenstein  erwähnt.    Arch.  zu  Angelroda. 


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—     93     - 

während  Job  Wilhelm  noch  nicht  14  Jahre  zählte*)  und  erst  1586 
mündig  wurde. 

Die  Folgen  der  vielföltigen  Streitigkeiten  ihres  unruhigen  Vaters  hatten 
die  Brüder  noch  lange  zu  tragen,  und  wenn  sie  auch  friedfertigem  Cha- 
rakters als  jener  waren  und  manche  Angelegenheit  in  Güte  beizulegen 
suchten,  so  vergaben  sie  sich  doch  andrerseits  auch  Nichts  von  ihren 
Hechten  und  betrieben  namentlich  den  Prozess  wegen  der  Harzpicher  im 
Amte  Schwarzwalde  bei  dem  Reichskammergerichte  zu  Speyer  mit  vieler 
Energie,  aber  ohne  bedeutenden  Erfolg. 

Sehr  zu  Statten  kam  ihnen  in  Bezug  auf  den  ruhigen  Besitz  ihres 
Erbes,  dass  das  Haus  Henneberg,  von  dem  besonders  Graf  Poppe 
(t  1574)  ihrem  Vater  wegen  der  Gerichte  über  Hals  und  Hand,  der 
Jagden,  Hütungen,  Triften,  Harzpicher  etc.  viele  Molesten  bereitet  hatte, 
wie  „Friedrich,  Heinrich  und  Job  Wilhelm  von  Witzteben,  Gebrüder  zu 
der  Elgersbuig",  am  27.  Nov.  1592  dem  Herzog  Johann  Casimir  zu 
Sachsen-Coburg  schrieben**),  mit  dem  Jahre  1583  erlosch***)  und  Elgers- 
burg  mit  seinen  Pertinenzstücken  nunmehr  allein  dem  Hause  Sachsen 
zu  Lehn  ging. 

Auch  andere  Veranlassungen  zum  Streit  wurden  aus  dem  Wege 
geräumt. 

Zwischen  denen  von  Röder  zu  Dörnfeld  und  denen  von  Witzleben  zu 
Elgersburg,  welche  Familien  die  Schönheide  mit  je  einer  Hälfte  besassen, 
eines  und  den  Vormündern  von  Hans  Sahmen's  hinterlassenen  Erben 
zu  Arnstadt  andern  Theils  waren  wegen  der  von  den  Gütern  auf  der 
Schönheide  zu  entrichtenden  Lehnwahre  (Abgabe  beim  Wechsel  des  Be- 
sitzers) Irrungen  entstanden,  indem  die  von  Röder  und  von  Witzleben  von 
jedem  Hundert  10  fl.  als  Lehnwalire  forderten,  die  Vormünder  aber  nur 
5  fl.  zu  erlegen  schuldig  sein  wollten.  Die  Schwarzburgischen  Räthe 
zu  Rudolstadt  erkannten  am  4.  Juli  1595  zu  Gunsten  der  Gerichtsherren, 
da  seit  jeher  10  vom  Hundert  gefordert  und  gegeben  seien,  „doch  würden 


•)  cf.  S.  89.  Anna.  Seine  Vormünder  waren  Felix  von  Erffa  zu  Erffa  und 
Hermann  Ludwig  von  Farnroda  zu  Wenigen-Lupnitz. 
••)  Arch.  zu  Coburg,  G.  VII.  94.  No.  2. 
**•)  Graf  Georg  Ernst  beschloss  am  27.  Dec.  1583  den  Mannesstamm  des  Hauses 
Henneberg,  „welches  seit  1274  mit  abwechselnder  Grösse  309  Jahre  lang  geblühet 
und  unter  den  deutschen  Fürsten  ein  ehrwürdiges  An9eheu  behauptet  hatte.*' 
8.  Schnltes,  DipL  Gesch.  des  gräfl.  Hau.^es  Henneberg,  II.  p.  211. 


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—     94     — 

sich  dieselben  der  Personen  Vermögen  nach  mit  Linderung  des  Lehngeldes 
zu  erzeigen  wissen."*) 

Von  Martinroda  gehöi'te  die  eine  Hälfte  zu  Elgersburg,  die  andere  zu 
Liebenstein,  und  die  Folge  davon  waren  ganz  natürlich  Zivistigkeiten 
zwischen  den  Vettern,  z.  B.  über  das  Weiderecht.**)  Am  10.  Mai  1598 
verkauften  die  Brüder  Ernst  Friedrich  und  Christian  Rudolph  zu  Witzleben 
zum  Liebenstein  ihre  Hälftie  von  Martinroda  für  4000  fl.  auf  Wiederkauf 
in  9  Jahren  an  die  Brüder  Friedrich  und  Job  Wilhelm  von  Witzleben 
zur  Elgersburg***)  oder,  wie  es  in  einer  Eingabe  vom  26.  Aug.  1603t) 
ausgedrückt  ist,  sie  nahmen  bei  ihren  Elgersburger  Vettern  4000  fl.  auf 
9  Jahre  auf  Martinroda  auf  und  überliessen  Letzteren  das  Gut  zur  Deckung 
der  zu  bezahlenden  Zinsen  pachtweise.  Aus  dieser  vriederkäuflichen  Er- 
werbung wurde  endlich  nach  mancherlei  Verhandlungen  im  Jahre  1611 
ein  Erbkauf.  Job  Wilhelm  bezahlte  far  die  bisher  zu  Liebenstein  ge- 
hörende Hälfte  des  Dorfes  Mai-tinroda  und  das  darin  gelegene  freie  Ritter- 
gut von  113  Ackern  Artlandes  im  Ganzen  7000  fl.,  nämlich  die  fiiüheren 
4000  fl.  und  noch  baar  3000  fl.,  und  nahm  die  Brüder  Ernst  Friedrich 
und  Christian  Rudolph  von  Witzleben  zu  Liebenstein  in  die  Mitbelehn- 
schaft  über  halb  Martinroda  auf.  Am  18.  Nov.  IGll  wurden  die  Unter- 
thanen  von  ihren  bisherigen  Junkern  der  Eide  und  Pflicht  entbunden  und 
an  Job  Wilhelm  von  Witzleben  gevriesen.ff) 

Von  den  3  Brüdern  starb  der  älteste,  Friedrich,  im  Jahre  1610  ohne 
Nachkommen. 

Heinrich,  der  meist  zu  Alkersleben  lebte,  war  (nach  dem  Kirchenb.  zu 
Neuroda)  mit  Elisabeth  Catharine  von  der  Margarethen  a.  d.  H.  Lauen- 
burgfff)  vermählt,  wurde  der  Stifter  der  bis  zu  Anfang  des  19.  Jahr- 


*)  Arch.  zu  Angelroda. 
*♦)  28.  Jan.  1582.     Geh.  St.  Arch.  zu  Weimar. 

***)  Arch.  zu  Angelroda.    Von  diesen  4000  fl.  bezahlten  die  Käufer  2200  fl.  in 
einem    durch  sie  eingelösten  Schuldschein  Curt  Veit's  von  Witzlehen  zu  Liebenstein 
vom  29.  Sept  1578  und  1800  fl.  a  21  gr.,  den  Groschen  zu  12  Pfennigen,  haar  in 
guten  Dick-  und  Beichsthalem  (den  Dickthaler  zu  28,  den  Reichsthaler  zu  25  gr.) 
t)  Geh.  St.  Arch.  zu  Weimar, 
tt)  Arch.  zu  Angelroda. 

ttt)  Alte  thüringische  und  namentlich  erfurter  Familie,  welche  am  22.  Mäns 
1662  ausstarb,  v.  üechtritz,  dipl.  Nachr.  1790,  p.  37  nennt  Heinrichs  Gemahlin 
Sahina  von  Böse  aus  Netzschkau;  Biedermann,  Rhön  und  Werra,  Tab.  CCCLXIII.  A. 
aber  Anna  von  Eschwege;  beide  sind  hiemach  zu  berichtigen. 


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—     95    — 

hunderts  florirenden  Linie  zu  Neoroda  und  starb  in  der  ersten  Hälfte 
des  Jahres  1016. 

Job  Wilhelm,  welcher  zum  Protestantismus  übertrat  und  im  April 
16ir)  ebenfalls  schon  todt  war,  hatte  von  seiner  Gemahlin  Brigitta 
von  Wangenheim  a.  d.  H.  Brüheim,  einer  Tochter  von  Ludwig  Melchior 
Yon  Wangenheim  auf  Brüheim  und  Anna  von  Seebach,  5  Söhne,  von 
welchen  der  älteste.  Bring  Friedrich,  die  1751  wieder  erloschene  Linie 
zu  Bösleben  gründete,  der  dritte,  Christian  Rudolph,  der  Stifter  der 
Linie  zu  Elgersburg— Gross -Lieblingen  (bis  1767  blühend)  wurde  und 
der  vierte,  Hans  Melchior,  die  Elgersburger  Hauptlinie,  von  der  sich 
später  die  Linie  zu  Angelroda  abzweigte,  dauernd  fortpflanzte. 

Ueber  Heinrich  und  Job  Wilhelm  von  Witzleben  berichtete  der  Pfarrer 
zu  Gera  bei  Gelegenheit  der  Kirchenvisitation  im  Jahre  1613,  dass  sie 
ein  gar  gut  Regiment  fahrten;  wenn  er  über  einen  oder  den  andern  Zu- 
hörer zu  klagen  hätte,  werde  ihm  bald  geholfen,  und  sie  selbst  fiahiien 
auch  ein  christlich  gottselig  Leben.*) 

♦)  Brückner,  Goth.  Kirch,  u    Schul.  Staat,  Th.  H.  St.  12.  p.  53. 


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n.  Abschnitt 

Die  ausgestorbenen  Nebenlinien  der  Elgers- 
burger  Hauptlinie. 

1616-1803. 
a.  Die  Linie  zn  Nenroda. 

N 

If  ach  dem  kinderlosen  Tode  ihres  älteren  Bruders  Friedrich  waren  Heinrich 
und  Job  Wilhelm  von  Witzleben  die  gemeinschaftlichen  Besitzer  von  Elgers- 
burg  mit  allen  Pertinenzien.  Beide  hatten  so  viel  Söhne,  dass  eine  Tren- 
nung der  Familien  nothwendig  wurde,  in  Folge  deren  auch  eine  Theilung 
der  Güter  resp.  deren  Erträge  eintrat.  Diese  scheint  jedoch  nur  in  einem 
mündlichen  Abkommen  bestanden  zu  haben  und  derart  gewesen  zu  sein, 
dass  Heinrichs  Nachkommen  Neuroda  mit  Trasdorf  ganz  und  die  Hälfte 
von  Elgersburg,  Gera,  Manebach  und  72  Martinroda,  Job  Wühelms  Nach- 
kommen Bösleben  ganz  und  die  andere  HäUle  von  Elgersburg,  Gera, 
Manebach  und  7^  Martinroda,  sowie  die  zweite  früher  Liebenstein'sche 
Hälfl;e  von  Maitinroda,  welche  Job  Wilhelm  allein  gekauft  hatte,  erhielten; 
doch  wurden  Alle  nach  wie  vor  immer  gemeinschaftlich  belehnt. 

Neuroda  ist  jetzt  ein  Kirchdorf  im  Herzogthum  Sachsen-Gotha,  zum 
Beziik  des  Amts  Schwarzwald  gehörend,  aber  durch  Schwarzburgisches 
und  Weimarsches  Gebiet  von  demselben  getrennt,  2  St.  nordöstlich  von 
Ilmenau,  ebensoweit  südlich  von  Arnstadt  und  1  M.  südwestlich  von 
Stadtilm,  an  der  Wipfra  gelegen.  Brückner  (Goth.  Kirchen-  und  Schulen- 
Staat,  Th.  I.  Stück  1.  p.  75)  sagt:  „Von  dem  Ursprünge  dieses  Orts,  weil 
es  an  alten  Nachrichten  fehlt,  stehet  nichts  zu  melden",  wogegen  Schumann 
(Staats-Post-  und  Zeitungs-Lex,  VII.  p.  113)  behauptet:  „Der  Ort  wurde 
wahrscheinlich    auf  einer   Stelle    erbaut,    von    welcher   maji   vorher    die 


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—     97     — 

Waldung  rodete,  daher  der  Name,  welcher  es  auch  von  den  benachbarten 
altem  Dörfern  Roda  an  der  Wipfer  und  Martinroda  unterscheidet  Laut 
Urkunden  standen  ehemals  hier  nur  zwei  Klöster,  eine  Pfarrei  und  eine 
Kirche,  in  welche  ein  jetzt  wüstes  Dorf  bei  Wipfra  eingepfarrt  war.  Der 
Abt  Martin  (von  Witzleben)  zu  Willingen  hob  die  hiesigen  Klöster  auf 
und  theilte  ihre  wenigen  Güter  einem  Herrn  von  Witzleben  mit,  der 
sich  hier  dann  einen  Hof  erbaute.  Nun  erst  wurden  mehrere  andere 
Häuser  angebaut,  wodurch  das  Dorf  sich  bildete."  Schumann  nennt  weder 
die  Zeit,  noch  giebt  er  eine  nähere  Auskunft  über  die  Urkunden,  und  daher 
halten  wir  seine  Angaben  für  eine  Sage,  ^umal  wir  auch  nirgends  etwas 
über  einen  Abt  Hartin  von  Witzleben  zu  Willingen  haben  entdecken 
können. 

Wir  kennen  Neuroda  nur  als  eins  der  zu  der  Elgersburg  gehörenden 
besetzten  Dörfer,  dessen  zuerst  Erwähnung  geschieht  am  4.  Juli  1538, 
als  Christoph  von  Witzleben  mit  der  dortigen  Gemeinde  einen  Vertrag 
über  die  Frohndienste  errichtete,  dann  1548  und  49,  als  ebendieselben 
wegen  eines  Teiches,  der  Hasenjagd  und  einer  Wiese  in  Streit  lagen. 
Dass  ausser  den  zur  Elgersburg  gehörenden  Lehnstücken  unsere  Familie 
schon  1552  auch  dnen  freien  Hof  zu  Neuroda  besass,  ist  früher  erwähnt 
worden.  Auf  der  Ostseite  des  Dorfes  hatte  Heinrich  von  Witzleben  im 
Jahre  1605  einen  Eittersitz,  den  sogenannten  Schieferhof ,  erbaut,  der  von 
ihm  und  seinen  Nachkommen  bewohnt  wurde,  jetzt  aber  in  Ruinen 
liegt*) 

üeber  die  persönlichen  Verhältnisse  der  Glieder  der  Linie  zu  Neu- 
roda verweisen  wir  auf  die  Stammtafel  L  3,  welche  wir  nach  den  in  den 
Archiven  zu  Weimar,  Gotha  und  Ajigekoda  befindlichen  Urkunden  und 
den  Kirchenbüchern  zu  Neuroda  zusammengestellt  haben  und  der  wir  nur 
wenig  hinzufügen  können. 

Jobst  Heinrich,  der  4.  Sohn  Heinrichs,  soll  (nach  Zedier,  Univ. 
Lex.  Bd.  57.  p.  2020)  1616  in  fremde  Lande  gereiset  und  verschollen, 
nach  Andern   auf  der  Reise  ledig  verstorben  sein.     Dem  widersprechen 


*)  Nenroda  mit  einer  Mutterkirche,  deren  Pilial  Trasdorf  ist,  «äblte  1820  gegen 
36  Häuser  und  170  Einwohner;  zur  Flur  des  Dorfes  gehörten  621 V4  Acker  Artland, 
106  Acker  Wiesen,  513  Acker  Holz  und  der  Egelsee  von  50  Ackern.  Letzteren  be- 
sissen  bis  1802  die  von  Witzleben;  von  diesen  kam  er  (bei  Gelegenheit  des  Verkaufs 
der  Elgersburg)  an  die  herzogliche  Kammer,  dann  an  die  Gemeinden  zu  Gera  und 
Elgersburg,  die  ihn  1808  för  4000  Tlilr.  verkauften. 


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—    98    — 

aber  die  Lehnbriefe  in  den  Archiven  zu  Gotha  und  Weimar,  wonach  er 
noch  am  26.  Aug.  1634  und  5.  Nov.  1646  belehnt  wird. 

Ernst  German  finden  wir  am  17.  Sept  1646  bei  der  Einweihung 
der  Schlosskirche  zum  Friedenstein  (in  Gotha)  und  am  12.  Dec.  1655  bei 
der  feierlichen  Beisetzung  des  Herzogs  Bernhard  des  Grossen  in  der  Stadt- 
kirche zu  Weimar  unter  den  Theilnehmem  aufgeführt.*)  Seine  Gemahlin 
Anna  Sabina,  geb.  von  Lichtenberg,  war  eine  Tochter  von  Johann  Friedrich 
von  Lichtenberg  und  Anna  Maria  von  Thüna.**) 

Von  seinen  Söhnen  fährte  der  älteste,  Heinrich  Reinhard,  zu- 
sammen mit  seinem  Vetter  Georg  Rudolph  von  Witzleben  zu  Gross- 
Liebringen,  bei  dem  am  4.  Juni  1675  in  Gotha  stattfindenden  Leichen- 
begängniss  des  Herzogs  Ernst  zu  Sachsen-Gotha  in  der  3.  Ordnung  das 
zur  Fahne  der  Herrschaft  Römhild  gehörende  Pferd.     (Müllers  Annalen.) 

Ernst  German's  d.  J.  erste  Gemahlin,  welche  am  20.  Febr.  1694 
zu  Arnstadt  starb  und  am  1.  März  Abends  zwischen  7  und  8  LTir  in  der 
Kirche  zu  Neuroda  beigesetzt  wurde,  wird  von  Gleichenstein,  Tab.  der 
von  Schauroth,  und  König,  Ad.  Hist.  L  p.  872  und  876,  sowie  in  der 
Leichenpredigt  auf  sie  (welche  sich  im  Gräfl.  Archiv  zu  Stolberg  befindet, 
von  uns  aber  trotz  aller  Mühe  nicht  einmal  abschriftlich  zu  erlangen  war) 
Johanna  Margaretha,  in  dem  im  Archiv  zu  Weimar  befindlichen  Tauf- 
schein ihres  Sohnes  Magnus  German  aber  Margarethe  Sophie  von  Schau- 
roth genannt,  und  war  eine  Tochter  des  Sachsen-Altenburgischen  Hof-  und 
Stiftsraths,  sowie  Domdechanten  zu  Naumburg,  Jan  Magnus  von  Schau- 
roth auf  Rohschütz  und  Leussla  und  der  Marie  von  Ende  aus  Königsfeld. 

Die  zweite  Gemahlin,  Christiane  Dorothea,  eine  Tochter  des  Gräfl. 
Schwarzb.  Raths,  Ober-Hofineisters  und  Hauptmanns  zu  Rudolstadt,  Nicol 
Ernst  von  Güntherod  auf  Zoppoten  und  Volckstedt  (n.  1638.  21.  Aug. 
f  1706)  und  der  Helena  Dorothea  von  Zehmen  aus  Clodra  (f  1679, 
10.  Jan.),  heirathete  am  2.  Juni  1699,  ein  Jahr  nach  dem  Tode  Ernst 
German's,  den  Schwarzb.  Rudolst.  Obersten  und  Ritter  des  preuss.  Ordens 
de  la  generosUe  Ludwig  von  Wurmb  auf  Quittelsdorf,  Storchsdorf  und 
Unter-Rottenbach  (n.  1679,  1.  Jan.),  welcher  sich  nach  ihrem  Tode  noch 
zwei  Mal  vermählte. 

Der  dritte  Sohn  Ernst  German's  d.  A.,  Friedrich  Jobst,  schreibt 


♦)  Brückner,  G.  K.  ü.  Seh.  St.  Th.  I.  St.  1.  p.  102  u.  Müllers  Annalen. 
♦*)  Biedermann,  R.  u.  W. 


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am  19.  Juni  1678,  als  er  bei  Sachsen- Weimar  die  Lehen  über  Martin- 
roda  nachsucht,  dass  er  über  10  Jahre  in  Kriegsdiensten  gewesen  und 
Tor  8  Monaten  vom  kursächsischen  General -Feldmarschall -Lieutenant 
Grafen  von  der  Natte  seinen  Abschied  erhalten  habe,  und  am  in.  Juli 
dess.  Jahres,  dass  er  in  Sachs.  Gothaische  Kriegsdienste  getreten  sei,  als 
Fähnrich  mit  der  Werbung  zu  thun  habe  und  mit  seinem  ältesten  Bruder 
wegen  des  väterlichen  Gutes  in  Streit  liege.  1684  lebte  er  in  Neuroda, 
wo  ihn  der  Pfarrer  in  dem  Seelenregister  als  „böse,  sonst  aber  gutthätig" 
schildert     1697  war  er  wieder  in  Ungarn  im  Kriege. 

Am  3.  März  1717  verkauften,  hauptsächlich  Schulden  halber,  die 
Wittwe  Heinrich  Reinhardts  von  Witzleben,  Maria  Sibylla,  geb.  von  Witz- 
leben, im  Namen  ihres  minderjährigen  Sohnes  Ernst  Christian  Friedrich, 
und  der  Lieutenant  Magnus  German  von  Witzleben  auf  Neuroda  ihren 
Antheil  an  den  Kitter-  und  Lehngütem  zu  Elgersburg,  Gera,  Manebach 
und  Martinroda  unter  Reservation  der  Mitbelehnschaft  för  11,000  fl.  an 
Friedemann  Ludwig  (s.  Tab.  L  5.)  und  Hartmann  (s.  Tab.  L  6.)  von  Witz- 
leben auf  Elgersburg;  alles,  was  zu  Neuroda  gehörte,  z.  B.  das  Jtts  pa- 
tronatus  der  Kirche  und  Schule  zu  Neuroda  und  Trasdorf ,  die  Ober-  und 
üntergerichte  in  diesen  beiden  Dörfern,  die  hohe  und  niedere  Jagd  daselbst, 
behielten  die  Verkäufer. 

Bald  darauf  verkaufte  Ernst  Christian  Friedrich  sein  Lehn  in  Neuroda 
und  einige  Stücke  vom  Erbe  an  seinen  Vetter  Magnus  German,  dessen 
Erben  dann  am  2.  Aug.  1742  die  sämmtlichen  zu  Neuroda  gehörenden 
Lehngüter  (den  Schieferhof)  und  ihre  Erbgüter  för  6000  fl.  ebenfalls  an 
Hartmann  von  Witzleben  zu  Elgersburg  veräusserten,  so  dass  also  nur  noch 
ein  Theil  zu  Neuroda  im  Besitz  von  Ernst  Christian  Friedrich  von  Witz- 
leben blieb.  Jedoch  auch  hier  wurde  die  Subhastation  nothwendig  und 
Ernst  Christian  Friedrichs  Schwager,  Christoph  Friedrich  Hartmann 
von  Witzleben,  bis  1743  auf  der  Elgersburg  wohnhaft  (s.  Tab.  L  5.)  er- 
stand dieses  sogenannte  Erbgut  zu  Neuroda. 

So  war  die  Neurodaer  Linie  nicht  mehr  angesessen. 

Die  Söhne  von  Magnus  German  gingen  in  Preussische  Kriegsdienste 
und  waren  1765  sämmüich  veretorben. 

Ernst  Christian  Friedrichs  Söhne  gingen  in  Würtembergische  Dienste, 
wo  sie  schnell  avancirten.  1755  waren  beide  noch  Lieutenants  in  den 
Regimentern  Prinz  Louis  und  von  Röder;  J760  war  Friedrich  Wilhelm 
Reinhard   von   Witzleben    bereits   Oberstwachtmeister  im   Regiment 


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—     100    — 

Prinz  Louis,  Commandeur  des  2.  Grenadier-Bataillons,  Chevalier  de  Vordre 
militaire  de  St.  Charles  und  Kammerjunker,  1764  Oberst,  1770 — 1779 
Commandeur  zu  Tübingen,  1783  Trabanten-Lieutenant*)  und  Kammerherr. 

Ernst  Friedrich  Wilhelm  von  Witzleben,  1781  vormaliger 
Oberst-Lieutenant  im  Regiment  Gablenz,  Kammerherr,  kommt  1790  zum 
letzten  Male  vor,  während  der  Trabanten- Lieutenant  erst  1803  gestorben 
zu  sein  scheint**) 

Einer  der  beiden  Brüder  war  vermählt  mit  Sophie  Renate,  geb. 
von  Adelsheim,  zu  Ludwigsburg,  welche  im  Jahre  1766  beim  Reichs- 
kammergericht Rudolph  Christian,  Carl  Ludwig  und  Ernst  Christian 
von  Adelsheim,  sowie  Caroline  von  Schleppengrill,  geb.  von  Adelsheim, 
verklagte.***)  Von  einer  etwaigen  Nachkommenschaft  der  Gebrüder  von 
Witzleben  fehlt  uns  aber  jede  Kenntniss. 


b.  Die  Linie  zu  Bösleben. 

Job  Wilhelms  von  Witzleben  (s.  S.  96)  Söhne  besassen  Bösleben 
ganzf)  und  die  Hälfte  von  Elgersburg,  Gera  und  Manebach  und  ^/a  von 
Martinroda.  Nachdem  Christoph  Wilhelm  und  Friedemann  Ludwig  ge- 
storben waren,  kamen  die  drei  andern  Brüder  dahin  überein,  dass  Bring 
Friedrich  die  Schwarzburgischen  Lehnstücke  zu  Bösleben  för  sich  und 
seine  Nachkommen,  Christian  Rudolph  und  Hans  Melchior  die 
Elgersburger  Besitzungen  übernahmen  und  sich  die  gegenseitige  Mitbelehn- 
schaft  vorbehielten. 

Bösleben,  jetzt  ein  Pfarrkirchdorf  im  Amte  Berka  des  Grossherzog- 
thums  Sachsen-Weimar,  272  St.  ostsüdöstlich  von  Arnstadt,  IY2  St.  süd- 
westlich   von   Cranichfeld,    Y2    M.    westlich    von   Witzleben,    mitten    im 


•)  Das  Herzog].  Würtembergische  Trabantencorps  bestand  aus  1  Trabanten- 
Hauptmann  (1768  General  von  Hundeishausen,  Exe),  1  Trabanten -Lieutenant, 
1  Brigadier,  4  Sergeanten  und  35  Trabanten.  S.  Vebse,  Gesch.  der  Höfe  von  Baiem, 
Württemberg  etc.  m.  p.  317,  324. 

**)  Mittheilungen  des  Herrn  von  König  in  Württemberg.  In  einem  V^er- 
zeichniss  der  Passivschulden  der  Brüder  von  Witzleben,  welche  die  Herzogl.  Gothaische 
Kammer  beim  Verkauf  von  Elgersburg  am  8.  Nov.  1802  übernahm,  wird  ein  Posten 
erwähnt:  857  Thlr.  Neuroder  Lehnstamm,  Herr  Kammerherr  von  Witzleben  zu  Lud- 
wigsburg. Archiv  zu  Angelroda. 
*♦♦)  Archiv  zu  Wetzlar. 

t)  Selbstverständlich,  soweit  es  überhaupt  im  Witzleben'schen  Besitz  war. 


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—     101     — 

Schwarzburgischen,  wozu  es  ehedem  gehörte,  kommt  schon  seit  dem  Jahre 
1392  wiederholt  in  unserer  Geschichte  vor,  indem  bald  die  Landgrafen  in 
Thüringen  und  die  Herzöge  zu  Sachsen,  bald  die  Grafen  zu  Schwarzburg 
und  die  zu  Gleichen  Güter  und  Zinsen  daselbst  unserer  Familie  verliehen. 
1508  kaufte,  wie  S.  83  erzählt  ist,  Dietrich  von  Witzleben  den  sogenannten 
Hasenbach  zu  Bösleben  mit  einem  Vorwerk,  7  Hufen  Landes,  etlichen 
Wiesen  und  nicht  unbedeutenden  Zinsen.  Als  nun  nach  dem  Jahre  1616 
Bring  Friedrich  von  Witzleben  nach  Bösleben  übersiedelte,  wurde  aus  allen 
ihm  gehörigen  Lehnstücken  daselbst  ein  Gut  gemacht,  das  sogenannte 
Untergut,  welches  am  nordwestlichen  Ende  des  Dorfes  lag,  während  er 
durch  einzelne  Ankäufe  noch  so  viel  erwarb*),  dass  daraus  ein  Freigut,  das 
Obergut  genannt,  entstand,  welches  auf  einer  kleinen  Erhöhung  dicht  bei 
der  Kirche  am  sogenannten  Krämpelmarkt  stand  und  ihm  resp.  seiner  Familie 
zur  Wohnung  diente.  Wie  das  üntergut  das  älteste  Besitzthum  der  von 
Witzleben  in  Bösleben  gewesen  ist,  so  ist  es  auch  nach  dem  Erlöschen 
der  Linie  zuerst  zerschlagen  und  an  die  Bauern  gekommen  —  man  weiss 
nicht  genau,  zu  welcher  Zeit  -  ,  während  das  Obergut  noch  heut,  wenn 
auch  nicht  mehr  in  unserm  Besitz,  besteht  und  als  „das  von  Witzlebensche 
Gut"  bekannt  ist  Kirchenpatrone  sind  die  von  Witzleben  in  Bösleben, 
wo  noch  andere  Familien,  z.  B.  die  von  Schwartzenfels,  von  Reitzenstein, 
von  Poseck  angesessen  waren,  nie  gewesen  und  hatten  daher  auch  kein 
Erbbegräbniss  in  der  dortigen  Kirche.  Wer  von  ihnen  in  Bösleben  be- 
graben wurde,  wurde  auf  dem  Friedhofe  beerdigt.  Die  wohledle  und 
tugendreiche  Frau  Agnesa  von  Witzleben,  geb.  von  Erflfa,  wurde  am 
25.  Juni  1663  in  der  Kirche  christadligem  Gebrauche  nach  beigesetzt, 
wofür  die  wohledlen  Jungherren  von  Witzleben  auf  Bösleben  der  Kirche 
14  Thlr.  als  Geschenk  vermachten,  welches  angenommen  wurde  mit  der 
ausdrücklichen  Bemerkung,  dass  dieses  Geld  als  reines  Geschenk,  nicht 
etwa  als  ein  Kaufschilling  fiir  den  Platz  eines  Erbbegräbnisses  anzusehen 
sei  und  die  Junker  allen  desfallsigen  Ansprüchen  entsagten.**) 


*)  Ering  Friedrichs  Brüder,  Christian  Rudolph,  Hans  Melchior  und  Priedemann 
Ludwig  Tou  Witzleben  kauften  am  12.  März  1629  der  Gemeinde  Bösleben  eine  Wiese 
ab  für  240  Reichstbaler,  weil  Bösleben  „zur  Erlegung  der  Contribution  auf  die  vor 
zwei  Monden  in  dieser  Herrschaft  einlogirte  halbe  Companey  des  Herrn  Obersten 
Isolani  kein  ander  Mittel  gewusst  noch  in  andere  Wege  Bath  schaffen  können."  Diese 
Wiese  gehörte  später  den  Söhnen  Ehring  Friedrichs. 

**)  Kirchenbuch  zu  Bösleben. 


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—     102     — 

Ueber  die  männlichen  Glieder  der  Linie  zu  Bösleben  haben  wir  der 
Stammtafel  Nichts  hinzuzusetzen. 

Mit  Friedrich  Ludwig  von  Witzleben,  welcher  in  seinem  16.  Jahr  ein 
Kriegsdienste  gegangen,  1707  mit  einem  seiner  Brüder  in  der  Provence 
gewesen  war,  1726  als  fui-stl.  Sachsen- Weimarscher  Oberst-Lieutenant  in 
Ilmenau  gestanden  und  darauf  sich  nach  Bösleben  zurückgezogen  hatte, 
wo  er  am  7.  Januar  1751  in  einem  Alter  von  69  Jahren,  3  Monaten  und 
18  Tagen  starb  und  am  10.  Januar  zur  Erde  bestattet  wurde,  erlosch 
diese  Nebenlinie  des  Hauses  Elgersburg,  worauf  die  Güter  zu  Bösleben  an 
die  Linien  zu  Neuroda,  Grossliebringen,  Elgersburg  und  Angelroda  fielen, 
aber  bald,  das  Untergut  zerschlagen,  das  Obergut  im  Ganzen,  an  die 
Bauern  veräussert  wurden. 

Aus  dieser  Linie  zu  Bösleben  stammt  die  gepriesenste  Frau  unseres 
Geschlechts,  über  welche  so  viele  Fabeln  existiren,  nach  der  so  viele  Töchter 
benannt  sind,  von  der  aber  bisher  eigentlich  Niemand  etwas  Genaueres 
wusste,  nämlich  Esther  Maria  von  Witzleben.  Bevor  wir  jedoch  von  ihr 
ausfuhrlich  reden,  wollen  wu*  erst  noch  ihrer  Cousine  Christina  Lucretia 
erwähnen,  welche  mit  einem  der  berühmtesten  Männer  Russlands  ver- 
mählt war. 

Christina  Lucretia  von  Witzleben,  eine  Tochter  des  Sachsen- 
Gothaischen  Kanmierjunkers,  Oberstwacht-  und  Stallmeisters,  Landes- 
hauptmanns im  Fürstenthum  Altenburg,  Hans  Heinrich  von  Witzleben  zu 
Elgersburg  etc.,  Bösleben  und  Beutelsdorf*)  und  Anna  Debora's  von  See- 
bach aus  Schönewerda,  wurde  am  25.  Aug.  1685  geboren.  Als  die  Mutter, 
welche  nach  dem  1693  erfolgten  Tode  Hans  Heinrichs  noch  einige  Jahre 
zu  Beutelsdorf  lebte,  später  (nach  1696)  Oberhofmeisterin  zu  Dannstadt 
wurde**),  folgte  ihr  Christina  Lucretia  dorthin,  wurde  bald  Hofdame  an 
demselben  Hofe  und  vermählte  sich  am  8.  Mai  1705  mit  dem  Hauptmann 
Burchard  Christoph  von  Münnich,  Erbherm  auf  Neu-Huntorf  im  Olden- 
burgischen,   welcher  am  9.  Mai  1683  geboren  und   1701   während  des 


*)  Kleines  Dorf  im  Amte  Kahla  des  Herzogthums  Sachsen -Altenburg,  V«  St. 
südlich  von  Orlamünde,  am  linken  Ufer  der  Saale,  wo  Hans  Heinrich  von  Witileben 
ein  nicht  bedeutendes  Gut  erworben  hatte. 

^*)  Die  Berufung  in  diese  Stelle  erklärt  sich,  wenn  wir  anführen,  dass  des  Her- 
zogs Ernst  des  Frommen  zu  Gotha  Tochter  Eb'sabeth  Dorothea,  n.  zu  Coburg  den 
8.  Jan.  1640,  mit  dem  Landgrafen  Ludwig  zu  Hessen-Darmstadt  seit  dem  5.  Dec.  1666 
vermählt  war  und  als  Wittwe  1709  starb. 


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—     103     — 

spanischen  Erbfolge-Krieges  als  Hauptmann  in  Darmstadtische  Dienste  ge- 
treten war.  Die  jmige  Frau  wird  als  eine  Dame  „von  grossem  Verstände 
und  Mitteln,  von  ansehnlicher  schöner  Gestalt"  geschildert. 

Im  Jahre  seiner  Vermählung,  1705,  ging  Münnich  in  Hessen-Casselsche 
Dienste,  ward  1712  im  TreflFen  bei  Denain  schwer  verwundet  und  von  den 
Franzosen  gefangen,  avancirte  bald  darauf  zum  Oberst-Lieutenant,  verliess 
aber  den  Casselschen  Dienst  1715  und  begab  sich  in  Polnisch-Sächsische, 
1720  aber  in  Kussische  Kiiegsdienste,  wo  er  des  Russischen  Reiches 
Graf  (25.  Febr.  1728),  des  St.  Andreas-  und  Alexander  -  Newski- 
Ordens  Ritter,  commandirender  General-Feldmarschall,  Präsident  des  Reicbs- 
KriegscoUegii,  General-Feldzeugmeister  der  Artillerie,  General-Directeur 
aller  Festungen  des  Russischen  Reichs,  Chef  des  adligen  Cadettencorps  und 
Obrister  über  ein  Regiment  Kürassiers  und  ein  Regiment  Infanterie,  dann 
1735  des  weissen  Adler-Ordens  Ritter,  1736  Generalissimus  aller  mssischen 
Armeen,  1739  Oberst -Lieutenant  der  Preobrasinskischen  Garde,  1740 
Premier-Minister  und  Chef  aller  Collegia  wurde. 

Christina  Lucretia  „hat  ihrem  Gemahl  in  einem  fast  22jährigen  Ehe- 
stande die  Kriegsbeschwerlichkeiten  auf  seinen  vielfachen  Zügen  nicht 
wenig  versüsset",  ist'  die  fruchtbare  Mutter  von  14  Kindern  gewesen,  von 
denen  jedoch  nur  vier  zu  reiferen  Jahren  heranwuchsen,  und  starb,  von 
Münnich  tief  betrauert,  am  10.  Febr.  1727. 

Münnich  vermählte  sich  1728  zum  zweiten  Mal  mit  der  verwittweten 
Gräfin  Barbara  Eleonora  von  Soltikow,  geb.  Gräfin  von  Malzan,  wurde 
1741  gestürzt  und  nach  Sibirien  geschickt,  später  begnadigt  imd  starb  am 
16.  Oct.  1767  zu  Petersburg,  nachdem  sein  mühsames  Leben  auf  Erden 
84  Jahre,  5  Monate  und  6  Tage  gewähret. 

Seine  Leiche  wurde  nach  Neu-Huntorf  in  der  Grafschaft  Oldenburg 
gebrachi*) 


*)  8.  BOsching,  Mag.  filr  die  neae  Eist,  und  Geogr.  IIL  p.  389—536,  wonach 
Chr.  Friedr.  Hempels  Leben  etc.  Bnrchard  Christophs  von  Münnich  unvollständig  ist; 
femer  Gaohen,  Ad.  Lex.  IL  757;  Bülau,  Geh.  Gesch.  und  räthselhafte  Menschen, 
X.  p.  189  and  198;  Yehse,  Gesch.  der  Höfe  von  Baieru  etc.  a.  Hessen,  V.  p.  134. 


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—     104     — 

Esther  Maria, 

Pfalzgräflu  bei  Rhein  zu  Blrkeufeld-Gelnhausen, 

geb.  von  Witzleben. 

Esther  Maria  von  Witzleben*),  eine  Tochter  des  Sachsen-Römhildschen 
Oberforstmeisters  Georg  Friedrich  von  Witzleben  zu  Elgcrsbuig  etc.  und 
Bösleben  und  Maria  Magdalena's  von  Hanstein,  war  am  28.  Juli  1065  zu 
Kömhild,  dem  Aufenthaltsorte  ihres  Vaters,  geboren. 

Aus  der  ersten  Hälfte  ihres  Lebens  haben  wir  leider  weiter  Nichts 
entdecken  können,  ^als  dass  sie  mit  Johann  Friedrich  von  Bromsee  ver- 
mählt gewesen  war**)  und  aus  dieser  Ehe  mehrere  im  Jahre  1709  noch 
lebende  Kinder  hatte.***)  Nach  dem  Tode  ihres  Gemahls,  der  um  das 
Jahr  1690  erfolgt  sein  muss,  wurde  Esther  Mai-ia  ,,Kanmierfrau*S  d.  h. 
Hofdame  bei  der  Gemahlin  des  Pfalzgrafen  Johann  Carl  zu  Birkenfeld- 
Gelnhausen,  Sophia  Amalia,  geb.  Pfalzgräfin  zu  Zweibrücken,  f) 

Esther  Maria  war  eine  schöne,  stattliche  Dame  ff),  welche  einen  hohen 
Geist  besass,  verbunden  mit  Klugheit,  Thatkraft  und  tief  religiösem  Ge- 
mty;h;  sie  sprach  und  schrieb  ein  schönes  Französisch  und  hatte  sich  die 
ganze  damalige  fi-anzösische  Bildung  zu  eigen  gemacht.  Eine  zärtliche 
Fürsorge  widmete  sie  der  einzigen  Tochter  des  Pfalzgrafen,  der  Prinzessin 


*)  Sie  unterschrieb  sich  selbst  stets  Esther  Maria,  nicht  aber  Maria  Esther. 

**)  Bülau:  Geh.  Gesch.  u.  räthselh.  Menschern  10.  Bd.  p.  189.  cf.  Zedier,  57. 
p.  2021;  Biedermann,  Rhön  und  Werra;  Job.  Jac.  Mosers  Teutschcs  Staatsrecht, 
Th.  19.  p.  6  u.  7,  94—96  u.  332,  Seiferts  Ahnentafeln,  Hattstein  I.  p.  668,  Der 
Namen  ist  auch  ßrömsee  geschrieben;  ein  Geschlecht  von  Bromsee  haben  wir  nicht 
auffinden  können,  wohl  aber  Brömbsen,  ein  uraltes  a<lliges  und  freiherrliches  Geschlecht 
in  Franken,  Brömse,  im  Lüneburgischen  und  zu  Lübeck  sesshaft  und  endlich  Brömser 
von  Küdesheim,  ein  altes  rheinisches  Geschlecht,  welches  das  Erb-Untertruchsessen- 
Amt  im  Erzstifte  Mainz  inne  hatte,  aber  nach  v.  Hellbach  Ad.  Lex.  bereits  am 
25.  Nov.  1668  ausgestorben  sein  soll.  Nach  Gauhen  II.  108  hat  im  17.  Jahrhundert 
in  Thüringen  eine  Familie  von  Bronser  existirt 

***)  Eingabe  des  Pfalz -Birkenfeldschen  Anwalts  Praun,  beim  Beichshofrath  zu 
Wien  praes.  8.  Oct  1709,  in  den  Acten  des  Processes  Pfalz-Birkenfeld  contra  Pfalz- 
Birkenfeld,  Post  No.  8,  Beichs-Hofraths-Begistratur  im  K  E.  Beichs-Hof-  und  Haas- 
Archiv  zu  Wien. 

t)  Sophia  Amalia,  Tochter  des  Pfalzgrafen  Friedrich  zu  Zweibrücken-Lands- 
berg, war  geboren  am  15.  Dec.  1646  und  in  erster  Ehe  mit  Seyfried  Grafen  von  Hoben- 
lohe-Neuenstein  vermählt,  ward  Wittwe  und  vermählte  sich  zum  zweiten  Male  im  Juli 
1685  mit  Johann  Carl,  Pfalzgrafen  bei  Rhein  zu  Birkenfeld-Gelnhausen,  n.  1638.  17.  Oct. 
t  1704.  21.  Febr. 

ttj  Ein  sehr  wohlgelungenes  Brustbild  von  ihr  befindet  sich  in  Angclroda. 


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—     105     — 

Magdalena  Juliana  (n.  1686  21.  Febr.,  f  1720  5.  Nov.,  verm.  1704 
JG.  Nov.  mit  Joacliim  Friedlich,  Hei^zog  zu  Holsteiu-Norbuig  und  Plön). 

Jene  hervorragenden  Eigenschaften  verfehlten  nicht,  die  Aufmerksamkeit 
Johann  Carls  auf  sich  zu  ziehen;  und  als  seine  Gemahlin  am  20.  Nov. 
1695  gestorben  war,  entschloss  er  sich  bald,  die  Hofdame  derselben  zu 
heirathen.  Seines  Bruders,  des  Pfalzgi-afen  Christian  IL  zu  Birkenfeld 
wegen,  der  gegen  jede  abermalige  Vermählung  Johaim  Carls  war,  um  einst 
dessen  Renten  an  seine  Familie  zu  bringen,*)  musste  Johann  Carl  die 
ganze  Angelegenheit  sehr  geheim  betreiben.  Noch  am  25.  Juli  1696 
schrieb  er  von  Gelnhausen  aus  seinem  Bi-uder: 

„e/6  stns  ravy  que  vous  avez  eu  des  myiwelles  de  Votre  ßs,  Dieu 
le  conserve,  s'ü  a  de  Vaffedion  pour  ntoy,  je  ftien  estimeray  glorieuXy 
c'est  ä  mon  avis  bien  longtemps,  que  vous  le  votdes  faire  se  tnarier  dans 
quatre  ans,  pour  tnoy  je  sovkaiterois  qu'il  fast  desja,  considera/nt  nostre 
brauche,  laqueUe  ne  ctytisiste  qu'mi  luy  apres  nous  deu^x,  qui  ne  somnies 
plus  ä  cmnptery   car  pour  nioy  je  vous  puis  assurer,  que  si  je  mc 


*)  Christian  konnte  darauf  um  so  sicherer  rechnen,  als  Johann  Carl  nur  die  ein- 
zige oben  erwähnte  Tochter  besass,  welche  nach  dem  Wittelsbach*schen  Hausgesetze 
dtn  Vater  nicht  beerben  konnte,  so  lange  noch  männliche  Agnaten  vorhanden  waren 
(Königl.  Baierisch.  Hausarchiv.  Schreiben  d.  d.  Birkenfeld,  20.  März  1665,  17.  Mai 
16%,  23.  Juli  und  19.  Nov.  1797.).  Christian  II.  iibervortheilte  als  der  crstgeborne 
Sohn  des  Pfalzgrafen  Christian  I.  seinen  Bruder,  so  oft  sich  ihm  Gelegenheit  dazu 
bot  1668  schloss  er  mit  ihm  einen  Vertrag,  in  welchem  er  die  Besitzungen  seines 
verstorbenen  Vaters  in  der  Art  theilte,  dass  er  die  ganze  Herrschaft  Bischweiler  für 
sich  behielt  und  seinem  Bruder  Johann  Carl  von  den  aus  Pfalz-Neuburg  und  Zwei- 
brücken fliessenden  10,000  fl.  Renten  nur  3750  fl.  nebst  Wohnung,  Holz  und  Licht,. 
sowie  die  Fourage  für  10  Pferde  auf  dem  Schlosse  Bischweiler  einräumte.  Die  Ver- 
iiiögensverhältnisse  Johann  Carls  besserten  sich,  als  der  Pfalzgraf  Carl  Otto,  Vetter 
Christian  I.,  s^arb,  und  die  beiden  Brüder  die  Grafschaft  Sponheim  erbten.  Christian  II. 
zog  nach  kurzer  Verhandlung  die  ganze  Grafschaft  an  sich  und  bestimmte  seinem 
Bruder  ein  jährliches  Deputat  von  46,000  fl.  Als  Johann  Carl  später  das  Testament 
seines  Grossvaters  zu  Gesicht  bekam,  sah  er,  dass  er  noch  die  Einkünfte  eines  Drittels 
von  der  »hintern  Grafschaft  Sponheim"  zu  fordern  berechtigt  sei.  Christian  II.  be- 
sänftigte ihn  damit,  dass  er  sich  verpflichtete,  ihm  jährlich  noch  4000  fl.  zu  geben 
and  einen  Hofcavalier,  2  Pagen,  3  Bedienten  und  10  Stallknechte  zu  unterhalten 
(Königl.  Baierisch.  Hausarchiv.  Schreiben  d.  d.  Bischweiler,  20.  Jan.  1668;  16.  April 
1673;  2.  Jan.  1680;  12.  Sept.  1681;  Rappoldsweiler,  18.  Jan  1683;  Bischweiler, 
2.  Nov.  1685.)  Dem  Pfalzgrafen  Christian  II.  fielen  diese  Abtretungen  an  seinen 
Bruder  sehr  schwer,  wiewohl  er  von  der  väterlichen  und  grossväterlichen  Erb9cbaft 
den  Löwenantbeil  an  sich  gebracht  und  seinem  Bruder  gar  keinen  Grundbesitz  über- 
lassen hatte. 

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—     106     — 

remarie  ce  sera  un  mariage  de  conscience,  n'etatd  paint  en  etat 
d'entretenir  une  fenmte  de  condition,  je  ne  trouve  aussy,  que  Je  puisse 
vivre  solitaire,  comnie  je  suis,  il  fatU  songer  au  saltU  de  Tarne,  si  je  le 
fais,  f  esper e,  que  vous  ne  le  desapproiiverez  point,  regardant  le  salut 
de  nton  ame,  comme  je  viens  de  dir&^  — *)  und  schon  nach  drei  Tagen, 
am  28.  Juli**),  dem  Geburtstage  Esther  Marfans,  fand  zu  Bischweiler  die 
Trauung  nach  evangelischem  Ritus  statt. 

Als  Christian  ü.  die  Nachricht  hiervon  erhielt,  gerieth  er  in  die  höchste 
Aufregung  und  machte  seinem  Bruder  über  eine  solche  Mesalliance  die 
ernstesten  Vorstellungen;  er  gab  seine  Zustimmung  erst,  als  Johann  Carl 
in  einem  Vertrage  seine  etwaigen  Nachkommen  von  jeder  Erbfolge 
ausschloss. 

Diesen  Vertrag  bereute  jedoch  Johann  Carl,  als  ihm  seine  zweite  Ge- 
mahlin 3  blühende  Söhne  und  2  Töchter  geboren  hatte;  um  ihn  umzu- 
stossen,  wandte  er  sich  an  den  Wiener  Hof  und  bat  den  Kaiser  Leopold  I., 
Esther  Maria  in  den  Reichsgiafenstand  zu  erheben,  um  dadurch  seine 
Kinder  erbberechtigt  zu  machen.  Leopold  war  dem  Ansuchen  nicht  ab- 
geneigt und  übertrug  die  Sache  dem  ürtheil  des  Reichs-Hofrathes.  Allein 
Christian  hatte  hiervon  erfahren  und  brachte  die  intriguante  Kaiserin  dahin, 
dass  sie  bei  den  Keichs-Hofräthen  das  ganze  Bittgesuch  Johann  Carls  ver- 
eitelte. Dieser  that  auf  Betrieb  ^  seiner  Gemahlin  nochmals  denselben 
Schritt;  allein  die  ganze  Angelegenheit  kam  durch  den  Ausbruch  des 
spanischen  Erbfolgekrieges  in  Vergessenheit,  und  am  21.  Febr.  1704  starb 
Johann  Carl.***) 

Nach  dem  Tode  ihres  Gemahls  gerieth  Esther  Maria  mit  ihren  Kindern 
in  eine  höchst  unglückliche  Lage.  In  Folge  der  Ermahnungen  Christians 
hatte  Johann  Carl  auf  Grund  der  speciellen  und  allgemeinen  Hausgesetze 
am  13.  Juli  1702  ein  Testament  errichtet,  in  welchem  er  seiner  „herz- 
geliebten Frau  Gemahlin  und  dero  Kindern"  seinen  15,000  fl.  beti*agenden 
Antheil  des  bei  Fürstberg  Mostkiich  stehenden  Capitals,  die  bei  Neuburg 
stehenden  15,000  fl.  sogenannten  Zinsgelder,  das  bei  Kur-Baiera  in  München 


*)  K.  K.  Reichs-,  Hof-  und  Hausarchiv  zu  Wien,  L  c.  Post  No.  7.     BeiL  H. 
*^)  In  den  meisten  Werken  ist  fälschlich  der  26.  Juli  als  Hochzeitstag  ange- 
geben, den  bestimmten  Nachrichten  aus  den  Archiven  zu  Wien  und  München  entgegen. 
***)  Königl.  Baiersch.  Hausarchiv.     Schreiben  d.  d.  Bischweiler,    28.  Juli  1696; 
5.  u.  27.  Oct.  1698;  2.  Juni  u.  15.  Aug.  1699;  10.  März  1701;  21.  Febr.  1704;  Bir- 
kenfeld, 21.  Sept.  1696;  5.  Mai  1702;  12.  Nov.  1705. 


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—     107     — 

stehende  Capital  von  10,600  fl.,  die  von  seiner  Grossmutter  auf  ihn  ge- 
kommenen 4  Fuder  Moselwein,  die  von  ihm  zu  Gelnhausen  gekaufte 
Wohnung  mit  Garten,  Aeckem  und  Wiesen,  sammt  dem  um  Gelnhausen 
gelegenen  sogenannten  Kastengut  (beides  seiner  Gemahlin  als  Legat  eigen- 
thümlich  bestimmt)  und  die  am  Kupferbergwerk  zu  Fischbach  in  der 
Grafschaft  Sponheim  gekauften  zwei  Stämme  vermachte.*) 

Christian,  dessen  Willkühr  die  Ausfiihrung  des  Testaments  überlassen 
war,  erklärte  der  Wittwe,  dass  er  ihr  als  Deputat  6000  fl.,  welche  auf  der 
Landschaft  in  Pfalz -Neuburg  hafl;eten,  und  die  Gefölle  der  angefahrten 
Bergwerke  geben  wolle,  fugte  aber  hinzu,  dass  er  diese  Gelder  nach  ihrem 
Tode  an  sich  ziehen  und  dem  Fürsten  von  Holstein -Norburg  verleihen 
werde ,  so  dass  also  die  Kinder  Esther  Maria's  gänzlich  hilflos  gewesen  wären. 

Da  erwachte  in  Esther  Maria  die  ganze  Macht  der  Mutterliebe  und 
mit  seltener  Klugheit  und  Energie  führte  sie  das  Vorhaben  ihres  verstor- 
benen Gemahls  aus.  Kurz  vor  seinem  Tode  hatte  ihr  dieser  noch  mündlich 
den  Auftrag  gegeben,  die  günstigen  Zeitumstände  zu  benutzen  und  Alles 
aufzubieten,  um  die  Kinder  erbberechtigt  zu  machen.  Eine  bessere  Wen- 
dung am  Wiener  Hofe  trat  für  sie  ein,  als  im  Jahre  1705  Joseph  I.  den 
Kaiserthron  bestieg  und  der  Einfluss  der  alten  Kaiserin  schwand.  Esther 
Maria  hatte  eine  treue  Stütze  an  ihrer  Schwester  Maria  Elisabeth  von  Witz- 
leben, welche  bei  ihr  auf  dem  Schlosse  Gelnhausen  wohnte,  und  gewich- 
tige Fürsprecherinnen  zu  Wien  fand  sie  an  der  Markgräfin  von  Baden 
(wohl  der  Gemahlin  des  Feldmarschalls  Markgrafen  Ludwig  von  Baden) 
und  an  der  Fürstin  von  Ottweiler;  beide  hatten  Esther  Maria  als  Hofdame 
kennen  gelernt  und  liebgewonnen.  Auch  die  Schwester  Johann  Carls, 
Dorothea  Catharine,  vermählt  an  den  Grafen  Johann  Ludwig  von  Nassau- 
Saarbrücken,  bezeigte  ihr  viele  Theilnahme.  **)  Auf  einen  noch  an  diesen 
gerichteten  Brief  derselben  antwortete  Esther  Maria  eigenhändig: 

„Gelnhausen,  den  15.  März  1704.  —  Durchlauchtige  Fürstin!  Gnädige 
Fürstin  und  Frau!  Aus  Eurer  Gnaden  an  meinen  nunmehr  in  Gott  ruhen- 
den seligen  Eheherm  am  2R.  v.  M.***)  abgelassenem  und  von  mir  er- 
brochenem Schreiben  habe  ich  ersehen,  wie  herzlich  Dieselben  den  lieben 

♦)  K.  K.  Reichs-,  Hof-  und  Hausarchiv  zu  Wien,  1.  c.  Post  No.  1.   Beil.  D. 
♦*)  Königl.  Baiersch.  Hausarchiv:  Birkenfeld,  16.  u.  21    Mai  1704;  Bisch weiler, 
11.  Jan.,  28.  März,  7.  Juli  1705;  Gelnhausen,  20.  März  1704;  13.  Dec.  1705. 

^**)  Die  Fürstin  muss  demnach  den  Tod  ihres  Bruders  (21.  Febr.)  nach  8  Tagen 
noch  nicht  gewusst  haben. 

8* 

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—     108     — 

Gott  angerufen,  dass  er  Dero  seligen  Herni  Bruders  Liebden  mir  und 
meinen  kleinen  Kindern  zum  Tröste  noch  lange  erhalten  möchte.  Wie  ich 
nun  för  solchen  Wunsch,  Vorsorg  und  gnädige  bezeugende  Gütigkeit,  so 
mir  in  meinem  sehr  betrübten  Wittweustand  zu  sonderbarer  Consolation 
gereichet,  um  so  mehr  demüthig  danke,  je  mehr  Fürstlichen  Gnaden  mein 
vormalig  Thun  und  Lassen  und  der  ganze  Verlauf  hoffentlich  annoch  im 
gnädigen  Andenken  sein  wird,  also  nehme  ich  auch  in  solchem  Vertrauen 
zu  Eurer  Gnaden  meine  Zuflucht  und  Bitte,  Dieselben  möchten  sich  an- 
gelegentlich meiner  und  meiner  unerzogenen  Kinder  an  End  und  Oiten, 
da  es  von  Nöthen  sein  möchte,  in  Gnaden  so  annehmen,  wie  es  vor  Gott 
und  der  ehrbaren  Welt  rühmlich,  christlich  und  gereclit  ist.  Ich  werde 
dafür  mit  meinen  kleinen  Kindern  den  lieben  Gott  in  dessen  um  Dero 
reiche  Vergeltung  inbninstig  anrufen  und  bis  an  mein  Ende  im  demüthigen 
Gehorsam  und  ßespect  bleil)en 

Eurer  Gnaden 

unterthänige  Dienerin 

E.  M.  Douairiere  du  Prince  de  Birkenfeldt." 

Die  durch  den  Tod  des  Gatten  tieflietrübte  aber  ungebeugtt^  Wittwe 
nahm  nun  den  Titel  einer  Pfalzgräfin  an  und  beauftragte  den  Reclitscon- 
sulenten  Dr.  Burgk  in  Frankfurt  a.  M.,  ihren  Schwager  aufzufordern,  dass 
er  ihr  das  volle  Deputat  ihres  verstorbenen  Gemahls,  50,000  fl.,  aus- 
bezahle. Burgk  vertrat  die  pfalzgräfliche  Wittwe  nicht  allein  am  Hofe 
Christians,  sondern  auch  zu  Wien  beim  Keichs-Hofrath  mit  regstem  Eifer, 
und  wurde  liierin  besonders  durch  die  Schwester  derselben,  Maria  Elisa- 
beth von  Witzleben,  ermuthigt,  welche  mit  ihm  in  stetem  Briefwechsel 
stand.  Unter  andern  schrieb  sie  ihm  (eigenhändig):  „Ich  woUte  wünschen, 
dass  alle  Gemütlier,  hohe  und  niedere,  so  viel  Freudschaft  vor  die  meinigen 
hätten,  als  Sie,  hochgeehrter  Herr!  so  wären  meiner  Schwester  und 
ihren  Kindern  nicht  so  viel  tausend  Thränen  und  Seufzer  zu 
Gott  aus  ihren  Herzen  und  Augen  gepresst  worden." 

Einen  treu  ergebenen  und  thätigen  Diener  hatte  Esther  Maria  auch  an 
ihrem  Secretär  Steub,  welchen  Maria  Elisabeth  mündlich  und  brieflich  fiir 
die  Sache  ihrer  Schwester  aneiferte.  So  schrieb  sie  ihm  unter  mehreren 
Klagen  über  die  Beamten  Christians  II.  einmal:  „Ich  muss  vor  Verwun- 
derung und  Betrübniss  nicht  unterlassen,  Ihnen  diesen  hier  beikommenden 
Brief  zu  überschicken,  aus  welchem  Sie  ersehen  können,  auf  was  Art  und 
Weis  des  Herzogs  Christian  Amtmann,  Gröber,  meine  Frau  Schwester  nur 


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-^     109     — 

die  Frau  von  Witzleben  heisst.  Nun  weiss  ich  nicht,  wie  ihres  Vaters 
Namen  sie  jetzo  noch  föhren  kann,  indem  sie  keine  Wittib  von  einem 
Witzleben,  sondern  von  einem  Fürsten  ist.  Es  scheint,  dass  dieser  gute 
Mann  nicht  viel  in  der  Welt  herumgekommen,  sondern  meist  bei  den 
Bergwerken  gewesen  ist." 

Christian  IL  protestirte  gegen  die  Ansprüche  Esther  Maria's  und  for- 
derte den  Kurfiirsten  Johann  Wilhelm  von  der  Kalz,  als  Chef  der  pfal- 
zischen Witteisbacher,  und  selbst  den  König  Carl  XII.  von  Schweden,  so- 
wie alle  andern  Linien  zum  Protest  auf  Alle  stimmten  ihm  zu.  Esther 
Maria  Hess  sich  aber  nicht  einschüchtern,  sondern  fühi-te  ihren  Prozess 
energisch  fort,  bis  endlich  der  Reichs-Hofrath  zu  Wien  am  11.  April  1715 
das  ürtheil*)  fällte,  „dass  die  zwischen  weiland  Henn  Johann  Carl,  Pfalz- 
grafen bei  Khein,  und  seiner  hinterlassenen  fürstlichen  Frau  Wittwe  Esther 
Maria,  geb.  von  Witzleben,  getroffene  Ehe  für  ein  ordentliches, 
gültiges  und  vollständiges  fürstliches  Matrimonium  —  aller 
dagegen  erhobenen  Einwendungen  ungeachtet  —  zu  achten  und  um 
deswillen  die  darin  erzeugten  Kinder  des  pfalzgräflichen 
Namens,  Standes,  Würden  und  der  Succession  in  alle  ihrem 
Vater  zuständig  gewesenen  Stamm-  und  Fideicommis-Güter, 
fürstlichen  Gerechtsame  und  Prärogative,  ohne  Ausnahme,  und 
in  Sonderheit  in  den  deimalen  unbefugt  in  Stidtt  gezogenen  wirklichen 
Besitz  und  Genuss  des  jährlichen  auf  dem  Fürstenthum  Neuburg  haftenden 
Stammdeputats  und  der  jährlichen  Rente  der  vier  Fuder  Moselweins  aus 
der  Kellerei  Trarbach,  fähig  zu  erklären  seien." 

Der  Kaiser,  Carl  VI.,  sanctionirte  diesen  Ausspruch  und  eimahnte 
zugleich  den  Kuifürsten  und  Pfalzgrafen,  gegen  die  arme  Wittwe  und  ihre 
Kinder  gerecht  und  billig  zu  handeln,**)  worauf  Esther  Maria  folgendes 
Dankschreiben***)  an  den  Kaiser  richtete: 


*)  K.  K.  Reichs-,  Hof-  und  Haasarchiv  zu  Wien,  1.  c.  Post  No.  35,  auch  gc 
druckt  in  Joh.  Jac.  Moser's  Teutschcm  Staatsrecht,  Th.  19.  p.  94  ffg. 

*•)  KönigL  Baicrsch.  Hausarchiv:    Schreiben  d.  d.  Bischweiler,  15.  April  1708 
Düsseldorf,  18.  Aug.  1708;  10.  April  1709;  1.  Febr.  1710;  Birkenfeld,  20.  März  1709 
12.  März  1714;  Düsseldorf,  19.  Nov.  1710;  15.  März  1714;  Hambach,  26.  Juli  1715 
Wien,  11.  April  1715.  —  Die  Angaben  in  mehreren  Werken,  dass  Esther  Maria  1711 
in  den  Eeichsfürstenstand  erhoben  wäre,  sind  hiemach  zu  berichtigen.    Sie  ist  nicht 
ausdrücklich  in  den  Fürstenstand  erhoben  worden,  sondern  war  nach  dem  Ürtheil  vom 
11.  April  1715  in  Folge  ihrer  Vermählung  Pfalzgräfin  (und  also  Fürstin)  geworden. 
*  *)  K.  K.  Reichs-,  Hof-  und  Hausarchiv  zu  Wien,  1.  c.  Post  No.  37. 


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—     HO    — 

„Allerdurchlauchtigster,  Grossmächtigster  und  Unüberwindlichster  Komi- 
scher Kayser,  auch  in  Hispanien,  zu  Hungam  und  Böheim  König. 
AUergnädigster  Kayser  und  Herr  Hcit! 
Dass  Ew.  Kayserl.  May.  allergnädigst  gefallen,  in  meiner  gegen  des 
Herrn  Heimzogen  Christians  von  Birckenfeld  Lbd.  gehabten  angelegenheit, 
einen  endlichen  Rechtlichen  Ausspruch  zuertheilen,  und  dardurch  mich  vnd 
die  Meine  in  Unserer  grössten  Betrübnuss  zu  soulagiren,  dafür  sage  Aller- 
unterthänigsten  Danck  der  Oeth  demüthigsten  zuversichtlichen  Hofl&iung, 
wie  Ew.  Kayserl.  May.  hierdurch  allergerechtest  die  Heilsame  Justiz  be- 
fördert, dieselbe  solche  auch  fernerhin  zuertheilen,  und  mich  nebst  den 
Meinen  alss  eine  verlassene  Wittib  und  Waysen  gegen  alle  weitere  Be- 
drängnuss,  KraflPt  Kayserlicher  Macht  und  authorität  alleimildest  zu 
schützen,  allergnädigst  geruhen  werden,  massen  dann  zu  dem  End  Ew. 
Kayserl.  Mayt.  Beharrlichen  hohen  Kayserlichen  Gnad  und  Huld,  mich 
und  die  Meine  allerunterthänigst  recommendirt,  im  übrigen  aber  Gottes 
Allgewaltiger  Obsorge  Ew.  Kayserl.  Mayt.  und  dero  Kayserliches  hohes 
Hauss  zur  Verleyhung  langwieriger  höchstbeglückten  Kayserl.  Regierung, 
und  alles  übrigen  erwünschten  Kayserl.  Wohlergehen  treulichst  empfohlen 
haben  will,  die  Zeit  Lebens  in  tiefster  Submission  verharre 

Ew.  Kayserl.  Mayt. 
GeUhaussen  den  4.  July  1715. 

Allerunterthänigste,  demütigste 
magd 
Esther  Maria  verwittibte 
PMzgräfin  zu  Bircken- 
feld." 
Christian  IT.  fugte  sich  dem  kaiserlichen  Spruch,  und  auf  den  Rath 
Johann   Wilhelms    schloss    er    durch    seinen    Geheimen    Rath   Freiherm 
von  Edelsheim  zu  Frankftirt  am  22.  Sept.   1716  mit  Dr.  Burgk  einen 
Vertrag  ab,   wonach  er  seiner  Schwägerin  und  ihren  Kindern  das  volle 
Deputat  zu  50,000  fl.  und  das  Erbfolgerecht  einräumte. 

Esther  Maria  unterzeichnete  diesen  Vertrag  zu  Gelnhausen  am  29.  Oct 
1716  und  der  Kaiser  zu  Wien  am  19.  Januar  1717.*) 


*)  Eönigl.   Baiersch.   Hausarchiv.    Schreiben   d.  d.  Frankfurt,   22.  Sept  1716; 
Birckenfeld,  6,  Oct.;  Gelnhausen,  29.  Oct.  1716;  Wien,  19.  Jan.  1717. 


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—    111    — 

Esther  Maria  lebte  fortan  im  unbestrittenen  Genusa  der  Titel  und 
Rechte  einer  verwittweten  Pfalzgräfin  bei  Rhein  und  zu  Birkenfeld  auf 
dem  Schlosse  Gelnhausen,  wo  sie  am  20.  Febr.  1725  starb.  Von  ihrem 
zweiten  Sohne  Johann  stammt  die  jetzige  herzogliche  Linie  in  Baiem  ab, 
welcher  nach  dem  Teschener  Frieden,  sowie  nach  der  Baienischen  Con- 
stitutionsacte  vom  Juli  1830  die  Erbfolge  im  Königreiche  Baiern  zusteht, 
sobald  die  Königliche  oder  Zweibrückener  Hauptlinie  ausgestorben  sein 
wird.  Die  Nachkommenschaft  Esther  Marfans  ist  aus  der  beiliegenden 
Stammtafel  der  Pfalzgrafen  zu  Birkenfeld  zu  ersehen. 


c.  Die  Linie  zn  Elgersbnrg-Grossliebringen. 

Job  Wilhelms  von  Witzleben  auf  Elgersburg  etc.  und  Martinroda 
(s.  S.  95)  dritter  Sohn,  Christoph  Rudolph,  gewöhnlich  Kersten  Rudolph 
genannt,  n.  1599,  blieb  nach  den  Gütertheilungen  auf  der  Elgersburg 
wohnen,  vermählte  sich  am  10.  Jan.  1636  mit  Maiia  Magdalena  von  Wan- 
genheim, einer  Tochter  von  Georg  Melchior  von  Wangenheim  und  Anna 
Catharina  von  Buttlar,  und  starb  schon  am  5.  Jan.  1646  um  2  ühr 
Morgens,  worauf  seine  Leiche  am  15.  Januar  in  dem  Erbbegräbniss  zu 
Gera  beigesetzt  wurde.  Er  muss  irgend  ein  körperliches  Leiden  gehabt 
haben,  was  ihn  an  fi-eier  Bewegung  hindei-te  (wahrscheinlich  aussergewöhn- 
hche  Corpulenz),  denn  er  entschuldigte  sich*)  am  9.  Febr.  1638  bei  dem 
Kommandanten  von  Coburg,  Hans  Hartmann  von  ErflFa,  der  ihn,  als  „sein 
herzliebes  Weib  ihrer  weiblichen  Bürde  entbunden"  war,  zu  Gevatter  ge- 
beten hatte,  nicht  konunen  zu  können,  „da  die  nicht  wohl  bequemen  son- 
dern auch  bösen  Wege  übern  Wald  bekannt  und  er  auf  keinem  andern 
Wagen  als  dem  seinigen  fahren  könne",  und  am  28.  Mai  1639  bei  Georg 
Sigismund  und  Hans  Hartmann  von  Erflfa,  zum  Begräbniss  seines  alten 
Vetters  Georg  Friedrich  von  ErfFa  nicht  erscheinen  zu  können  „wegen  der 
jetzigen  unsichem  Zeit,  als  auch  wegen  seines  Leibes  Beschwerlichkeit" 

Nach  dem  Tode  ihres  Gemahls  blieb  Maria  Magdalena  von  Witzleben 
mit  ihren  Kindern  noch  10  Jahre  auf  der  Elgersburg  wohnen,  zog  dann 
aber  nach  Grossliebringen,  welches  sie  für  ihre  Söhne  gekauft  hatte.  In 
die  Mitbelehnschaft  dieses  Gutes  wurden  die  Söhne  Hans  Melchiors 
TOD  Witzleben  (s.  Tab.  I.  (>.)  genommen,  weil  diese  Christian  Rudolphs 


*)  Archiv  za  Coburg. 

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—     112     — 

Söhnen  die  Mitbelehnschaft  über  das  lü51  gekaufte  Gut  Angelroda  reser- 
virt  hatten.  Die  Linien  zu  Neuroda  und  Bösleben  hatten  keinerlei  An- 
rechte an  Grossliebringen. 

Christian  Rudolphs  Söhne:  Georg  Rudolph,  Friedrich  Wilhelm 
und  Christian  Ludwig  besassen  alle  gemeinschaftlich  Grossliebringen,  den 
viei-ten  Theil  von  Elgersburg,  Gera  und  Manebach  und  ^/s  von  Martinroda.  Sie 
einigten  sich  nun  wieder  untereinander  dahin,  dass  der  Aelteste  und  Jüngste 
von  Urnen  Grossliebringen,  Friedrich  Wilhelm  aber  den  Elgersburger  An- 
theil  mit  den  Pertinenzien  aimahm,  und  in  dieser  Weise  auch  die  Ver- 
erbung auf  ihre  Nachkommen  stattfand,  natürlich  unter  gegenseitiger  Mit- 
belehnschaft. 

Grossliebringen  ist  ein  Kirchdorf  im  Amte  Ehrenstein  des  Fürsten- 
thums  Schwarzburg-Rudolstadt,  1^*  St.  südöstlich  von  Stadtilm,  in  der 
Mitte  des  nördlichen  Randes  der  sogenannten  Deube,  einer  1 Y2  St  langen 
von  Nahwinden  nach  Geilsdorf  sich  hinziehenden  Thalmulde.  Ausser  denen 
von  Witzlehen  waren  hier  zu  verschiedenen  Zeiten  angesessen  die  von  Lin- 
singeu,  von  Mosicau,  von  Roth,  von  Pottenfels,  während  in  dem  gegen- 
überliegenden Kleinliebringen  die  von  Holleben,  von  Riese,  von  Feilitzsch 
und  von  Schade  hausten  (letzterer  Familie  gehört  noch  heute  das  dortige 
Rittergut),  die  fast  aUe  als  Vei-wandte,  Gevattern  oder  getreue  Nachbaren 
zu  unserer  Familie  in  Beziehung  standen. 

In  der  Kii'che  zu  Grossliebringen  Hessen  Maria  Magdalena  von  Witz- 
leben und  ihre  Söhne  schon  im  December  1656,  also  bald  nach  der  Besitz- 
ergreifung, zu  Ehren  imd  zum  Andenken  Kersten  Rudolphs  von  Witzleben 
eine  hölzerne  Gedächtnisstafel  errichten,  von  der  jetzt  nur  noch  die  rechte 
Hälft«,  diese  aber  auch  bei  Seite  gestellt,  existii-t.  Ein  anderes  Eiinne- 
rungszeichen  an  das  Dasein  unserer  Familie  ist  ein  Abendmahlskelch  von 
feinem  Silber,  1  Fuss  hoch,  stark  vergoldet,  in  dessen  Fussgestell  die 
Woiie  eingegiaben  sind: 

ANNO  1704  D.   21.  FEBR. 

IST  DIE  WOHLGEBORNE  FR.  MAGDALENE  SOPHIE 

V.    WITZLEBEN    GEBORNE    V.    GRIESHEIM    SELIG 

ENTSCHLAFEN    VND    HAT    DIESEN    RT.LCH     ZVR 

EHRE  GOTTES  IN  DIE  KIRCHE  VERMACHT. 

Für  die  Beisetzung  der  Leichen  in  der  Kirche,  in  einem  jetzt  über- 
bauten Gewöll)e  auf  der  Ostseite,  wmde  bezahlt, 


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—     113     — 

Die  Stammtafel  der  Linie  Elgersburg-Grossliebringen  ist  nach  Ur- 
kunden der  Archive  zu  Gotha,  Weimar  und  Angelroda,  sowie  den  Kirchen- 
büchern zu  Gera  und  Grossliebringen  zusammengestellt  und  enthält  fast 
Alles,  was  wii*  von  den  einzelnen  Gliedern  wissen. 

Heinrich  Ernst  von  Witzleben  zu  Grossliebringen  wird  nach 
1722  nicht  mehr  erwähnt,  ebenso  fehlt  jede  Nachricht  über  das  Schicksal 
seiner  Kinder. 

Der  Sachsen-Weimarsche  Comet  Johann  Ludwig  von  Witzleben, 
Erb-,  Lehn-  und  Gerichtshen*  zu  Grossliebringen,  verkaufte  sein  doi-tiges 
Rittergut  mit  dem  Herrenhause  und  dem  rothen  Hause,  einer  Art  Vor- 
werk, im  Jahre  1757  an  die  Fürstlich  Schwarzburg-Rudolstadtsche  Kammer 
für  24,900  fl.,  worauf  es  zerschlagen  und  in  24  Theilen  veräussert  wurde. 
Die  jetzigen  Besitzer  dieser  Antheile,  von  welchen  mehrere  in  einer  Hand 
sind,  heissen  noch  heute  „die  Edelhofsbauern",  und  die  drei  grossen  Baum- 
gärten „die  Edelmannsgärten."  Das  rothe  Haus  liegt  nach  Geilsdorf  zu 
am  westlichen  Ausgange  des  Dorfes.  Das  Herrenhaus,  mit  einem  giossen 
von  Scheunen  eingefassten  Hofe  und  einst  mit  einem  breiten  Wassergraben 
umgeben,  ist  aus  rohen  Steinen  gebaut,  von  ziemlichem  Umfange,  hat 
grosse  Zinuner,  einen  Saal,  grosse  KeUer  und  ungewöhnlich  umfangreiche 
Essen;  nur  die  Grösse,  sonst  erinnert  nichts  mehr  an  frühere  HeiTÜchkeit. 
Das  Haus  ist  seit  der  Distraction  des  Gutes  zur  Gemeindeschenke  degra- 
dirt  und  zeigt  überall  die  Spuren  des  Verfalls.  Was  aus  Johann  Ludwig 
von  Witzleben  und  seinen  Kindern  geworden,  wissen  wir  nicht. 

Wie  S.  99  erzählt  ist,  erstanden  am  3.  März  1717  Priedemann 
Ludwig  und  Hartmann  von  Witzleben  den  der  Linie  zu  Neuroda  zu- 
stehenden Theil  der  Ritter-  und  Lehngüter  zu  Elgersburg,  Gera,  Manebach 
und  Martinroda  för  11,000  fl.  Priedemann  Ludwig  überliess  aber  am 
21.  Mai  1726  seinen  so  erkauften  Antheil  wieder  an  Hartmann  von  Witz- 
leben für  den  von  ihm  gezahlten  Kau^reis,  nämlich  5.500  fl.,  vererbte 
mithin  nur  \4  von  Elgersburg,  Gera  und  Manebach  und  ^;s  von  Martin- 
roda auf  seine  Söhne  Christoph  Friedrich  Hartmann  und  Gottfried 
Heinrich  Ludwig  von  Witzleben.  Beide  waren  in  Kaiserlichen  Kriegs- 
diensten. Christoph  Friedrich  Hartmann,  der  1733  immer  noch  Fähnrich 
war,  trat  aber  bald  in  Sachsen-Gothaische  Dienste  über,  wo  er  Haupt- 
mann und  schliesslich  Major  in  dem  Land-Dragoner-Regiment  wurde.  Im 
Jahre  1738  erhielt  er  folgenden  Brief:*) 

*)  Ans  den  Angelrodaschen  Lehnsacten  des  Fürstl.  Scbwarzb.  Jastizamts  zu  StadtUm. 


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—     114     — 

„Hochwohlgebohrner  Herr! 
Hochgeehitester  Hen! 

Mii*  tlmt  leid,  dass  Ich  Ew.  Hochwohlgeboren  als  einen  schon  so  lange 
bekandten  guten  Freund  der  Bott  einer  betrübten  Nachricht  seyn  und  be- 
richten muss,  wie  es  dem  Höchsten  gefallen,  Dero  Herrn  Bruder,  den  unter 
des  Graff  SeckendorflFschen,  dermahlen  unter  meinem  Commando  stehenden, 
Regiment  Herrn  Lieutenant  von  Witzleben,  als  Er  einen  Recruten-Ti-ans- 
port  commandiret  und  auf  dem  Marsch  von  Wien  hierher  begriffen  ge- 
wesen, auf  der  Reisse  und  in  der  Festung  Esseg  auf  das  Krankenbette  zu 
werfen  und  nach  etlichtägig  ausgestandener  Krankheit  den  18.  Martij  aus 
der  Zeitlichkeit  zu  sich  in  das  ewige  zu  rufen.  Ich  bezeuge  hierüber  mein 
höchliches  Mitleyden  um  so  viel  mehr,  als  das  Regiment  einen  guten 
Offizier,  Ich  aber  besonders  einen  recht  guten  Freund  verlohren,  mit  dem 
Wunsch,  dass  der  Umen  empfindliche  Verlust  in  andern  wieder  ersetzt 
Averden  möchte.  Ich  hätte  gern  das  Inventarium  seiner  Verlassenschaft 
mit  einschicken  wollen,  aber  da  Er  theils  seiner  Bagage  mit  sich  und 
einige  hier  zurück  gelassen,  so  habe  Erst  unter  heutigem  dato  nach  Essegg 
geschrieben,  dass  man,  was  Er  alldort  zurückgelassen,  mit  sambt  seinem 
Knechte  durch  sichere  Gelegenheit  hieher  schicken  möchte,  auf  dass  man 
ein  ordentlich  Inventarium  errichten,  die  Sache  plus  offerenti  verkaufen 
und  das  haare  Geldt  an  die  Erben  behändigen  könne.  Der  Ich  mich  er- 
gebenst  empfehle  und  verbleibe 

Ew.  Hochwohlgeboren 

Belgrad,  den  29.  Mai-tij  ergebenster  Diener 

1738.  Carl  Freyherr  von  Seckendorff, 

Obrist  WMstr." 

Christoph  Friedrich  Hartmann  war  nun  alleiniger  Besitzer  der 
väterlichen  Güter.  Da  aber  in  der  Folge  verschiedene  Gläubiger  gegen  ihn 
klagbar  wurden,  und  er  einsah,  dass  er  die  von  seinem  Vater  herrührenden 
und  incl.  Interessen,  sowie  der  an  seine  Stiefmutter  Eva  Dorothea 
von  Witzleben,  geb.  von  Reitzenstein,  jahrlich  zu  zaldenden  202  Thlr. 
(wovon  jedoch  das  ausgesetzte  Capital  von  4000  Thlr.  nach  ihrem  Tode 
zm-ückfiel  imd  zum  Lehnstamm  von  den  Elgersburger  Gütern  verblieb) 
auf  17,367  fl.  20  gr.  sich  belaufenden  Passiva  nicht  zu  bezahlen  im 
Stande  sei,  fasste  er  den  Entschluss,  zur  Erhaltung  seines  Credits  und 
Rettung  der  Ehre  seines  Vaters  lieber  zur  Veräusserung  seines  Antheils  an  den 


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—     115    — 

Elgeraburgischen  Lehn-  und  Erbgütern  zu  schreiten,  als  zum  Schaden  der' 
Creditoren  und  zu  übler  Nachrede  ausfallenden  Concurs  zu  erwecken,  und 
verkaufte  mit  Genehmigung  der  Mitbelehnten  seinen  Antheil  an  Elgers- 
burg,  Gera  und  Manebach  mit  allen  Zubehörungen  am  12.  März  1743  fti* 
17,367  fl.  2()  gr.  an  den  Sachsen-Gothaschen  Geheimen  Kath  und  Ober- 
consistorial-Präsidenten  Hartmann  von  Witzleben,  der  ohnehin  schon  den 
grössten  Theil  dieser  Güter  besass.  Er  bekam  aber  kein  Geld  in  die 
Hand,  sondern  der  Käufer  übernahm  die  BeMedigung  aller  Gläubiger. 
Hartmann  wollte  aber  durchaus  nicht  mehr  als  17,000  fl.  geben,  es  fehlten 
also  zur  Abstossung  sämmtiicher  Passiva  367  fl.  20  gr.,  ohne  die  vom 
Käufer  auch  noch  zu  übernehmenden  Zinsen,  und  so  war  Christoph 
Friedrich  Hartmann  genöthigt,  seinem  Vetter  femer  zu  überlassen  die 
ganze  Schäferei  mit  273  Stück  Schafen,  Hammeln  und  Jährlingen,  nebst 
dem  Zuwachs  an  Lämmern,  das  beste  der  Ackei-pferde,  4  Zugochsen, 
2  Schweinsmütter,  2  Pflüge  und  2  Geschirrwageu  von  seinem  Gut  zu 
Neuroda.  Ausser  diesem  (wovon  sogleich  die  Kede  sein  wird)  besass  er 
mithin  nur  noch  */«  von  Martinroda,  bestehend  in  Wiesen,  68  Acker  Art- 
land, 250  Acker  Holz  am  Spiegelsberge,  230  Acker  Holz  am  HMenberge, 
dem  Garten  und  der  Hälfl^  des  schlechten  Hofhauses.  Aber  auch  diese 
Stücke  geriethen  1757  unter  den  Hammer  und  wurden  von  Hartmanns 
Sohn,  dem  Weimarschen  Wirklichen  Geh.  Rath  und  Ober-Hofmarschall 
Friedrich  Hartmann  von  Witzleben  erstanden. 

Was  das  Gut  zu  Neuroda  betriffit,  so  war  dies  jener  Theil  des  Erbes, 
welcher  Ernst  Christian  von  Witzleben  nach  dem  Verkauf  der  Lehnstücke 
verblieben,  in  der  nothwendig  gewordenen  Subhastation  aber  von  Christoph 
Friedrich  Hartmann  erworben  war  (cf.  S.  99)  und  in  Aeckern,  Wiesen 
und  20  Aeckern  Schwarz-  und  Buchholz  bestand.  Der  neue  Besitzer  baute 
ueben  der  Pfarre  das  Wohnhaus  und  die  Ställe  neu  (die  Scheuer  stand 
schon),  bepflanzte  den  Grasgarten  mit  Bäumen,  legte  einen  Küchengarten 
an  und  lebte  hier  mit  seiner  Familie  und  seiner  Schwägerin  Maria  Elisa- 
beth von  Witzleben  seit  dem  Jahre  1744,  als  er  die  Elgersburg  verliess. 
Seine  Gremahlin  war  die  älteste  Schwester  Ernst  Christian  Friedrichs 
von  Witzleben  zu  Neuroda,  Dorothea  Christiane  Elisabeth  von  Witzleben, 
n.  am  8.  April  1699  zu  Liebenstein,  welche,  nachdem  sie  längere  Zeit 
kränklich  gewesen,  am  7.  Mai  1762  an  einem  gi-assirenden  Stechfieber  zu 
Neuroda  starb  und,  in  Anbetracht,  dass  sowohl  ihr  Vater  Heinrich  Kein- 
hard   von  Witzleben,    als    auch    ihr  Schwiegervater  Friedemann  Ludwig 


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—     116    — 

von  Witzleben  Gerichtsheir  und  Kirchenpatron  daselbst  gewesen,   in  der 
Kii'che  zu  Neuroda  beigesetzt  wurde. 

Nach  dem  am  7.  Mai  1767  erfolgten  Tode  Christoph  Friedrich  Hart- 
manns von  Witzleben  fiel  sein  Gut  zu  Neuroda,  weil  es  Allod  war,  ah 
seine  Tochter  Wilhelmine  Friederike  Louise,  welche  seit  1764  mit  dem 
PfaiTer  Johann  Samuel  Walter  vermählt  war  und  als  letzte  dieses  Zweiges 
des  Hauses  Elgersburg  am  14.  April  1778  an  den  Blattern  starb.  Der 
von  ihrem  Vater  erbaute  Hof  wurde  am  20.  März  1815  für  1600  Thlr. 
von  der  Gemeinde  Nemoda  gekauft  und  mit  landesheiTlicher  Genehmigung 
zu  einem  Gasthofe  eingerichtet. 


Drack  von  Gebrüder  Orunort  in  Berlin. 


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in.  Abschnitt. 

Die  Elgersburger  Hauptlinie  und  die  Linie 
zu  Angelroda, 

1616—1876. 

a.   Die  Elgersbnrger  HanptUnie,  1616—1788,  nnd  Stiftnng 
der  Linie  zu  Angelroda,  171L 


U 

Hans 


Melchior  von  WHzIeben,  Job  Wilhelms  auf  Elgersburg  pp.  und 
Martiiiroda  vierter  Sohn  (s.  S.  95),  geb.  am  9.  Sept.  1601,  blieb  nach 
den  GOtertheilnngen  mit  seinem  Bruder  Christian  Rudolph  auf  der  Elgers- 
burg wohnen,  vermählte  sich  im  Jahie  1634  mit  Regina  Elisabeth 
von  Volckstedt,  des  gräflich  Gleichen'schen  Hofineisters  Wolf  Dietrich 
von  Volckstedt  und  Maria's  geb.  von  Zeugen  Tochter,  geb.  am  10.  Dec. 
1612  zu  Blankenhayn,  f  am  24.  Mai  1665  zu  Elgersburg,  und  pflanzte 
die  Elgersburger  Linie  bis  auf  den  heutigen  Tag  fort  Er  lebte  in  einer 
höchst  bewegten  Zeit;  aber  während  die  meisten  Glieder  aller  andern  Linien 
unsere  Geschlechts  thätig  an  den  Welthändeln  Theil  nahmen,  haust  der 
Herr  der  Elgersburg  wieder,  wie  fast  100  Jahre  vor  ihm  sein  Grossvater 
zu  den  Zeiten  des  schmalkalden'schen  Krieges,  ruhig  auf  seinem  festen 
Schlosse,  zu  Nutz  und  Frommen  seiner  ünterthanen  und  seines  Vermögens. 
Nicht  einmal  bis  Coburg  zum  Leichenbegängniss  seines  im  Mai  1639 
verstorbenen  Vetters  Georg  Friedrich  von  Erffa  mochte  oder  konnte  er 
reisen,  sondern  er  schrieb  d.  d.  Elgersburg,  den  28.  Mai  1639  an  die 
„W(4iledlen,  Gestrengen  und  Mannhaften  Georg  Sigismund  und  Hans  Hart- 

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—     118     — 

mann  von  Erffa:  Ich  erkannte  mich  schuldig  Euer  freundlichen  Begehren 
nach  Meinem  alten  verlebten  Vetter  den  letzten  Ehrendienst  mit  Begleitung 
zu  seinem  Ruhebettlein  zu  erweisen,  aber  ich  bin  durch  das  unruhige 
Wesen  verhindert  und  abgehalten.  Gott  wolle  dem  selig  abgeleibten 
Körper  eine  sanfte  Euhe  und  am  jüngsten  Tage  sammt  allen  christgläu- 
bigen eine  fröhliche  Auferstehung  zum  ewigen  Leben  verleihen"*).  Da- 
gegen nahm  er  an  den  Landtagsverhandlungen  zu  Gotha  Theil  und  wird 
in  dem  ersten  Gotha'schen  Landtags-Abschiede  vom  24.  Febr.  1641  als 
in  den  Ausschuss  der  Landstände  gewählt  aufgeführt.**) 

Hans  Melchior  starb  im  besten  Mannesalter  am  23.  Nov.  1644,  Abends 
zwischen  5  und  6  Uhr,  auf  der  Elgersburg  und  wurde  am  3.  Dec.  im 
Erbbegräbniss  zu  Gera  beigesetzt.  Ein  schönes  Bild  von  ihm,  in  Lebens- 
grösse,  wird  in  Angelroda  aufbewahri  Einer  der  oben  genannten  Hen-en 
von  Erfifa  schrieb  d.  d.  Coburg,  den  7.  Dec.  1644  an  die  Wittwe  „Elisa- 
beth von  Witzleben  geb.  Vollstädtin,  auf  der  Elgersburg",  wegen  tödtlichen 
Abgangs  ihres  Ehejunkers:  ^Dass  Gott  der  Allmächtige  Ihren  herzlieben 
Ehejunkem,  meinen  geschätzten  Herrn  Vetter  und  (Jevatter,  durch  ein 
seliges  Ende  von  dieser  Welt  ab  und  sonder  allen  Zweifel  zu  sich  in  die 
ewige  Freude  gefordert  und  meine  hochgeehrte  Frau  Muhme  und  Gevatterin 
dergestalt  in  den  Wittibstand  gesetzet  hat,  solches  habe  ich  mit  den  Mei- 
nigen, meinem  herzlieben  Weib  und  allen  Angehörigen  mit  hochbetrübtem 
Gemüth  und  traurigem  Herzen  vernommen.  Der  getreue  Gott  verleihe 
dem  Körper  eine  sanfte  Kühe  und  am  jüngsten  Tage  eine  fröhliche  Auf- 
erstehung." Zum  Schluss  bittet  er  die  Wittib,  sich  durch  zu  grosse  Trau- 
rigkeit nicht  eine  Krankheit  aufeubürden,  und  erbietet  sich,  ihr  und  den 
Kindern  ehrengebührliche  und  angenehme  Dienste  zu  erweisen.***) 

In  Folge  der  verschiedenen  S.  96  und  100  erwähnten  Gütertheilungenf) 
hinterliess*  Hans  Melchior  von  Witzleben  seinen  drei  Söhnen  nur  den 
vierten  Theil  von  Elgersburg,  Gera  und  Manebach,  sowie  ^/s  von  Martin- 
roda.  Dies  war  kein  bedeutender  und  bei  den  vielen  Theilhabem  an  der 
Elgersburg  gerade  kein  ajigenehmer  Besitz,  und  deshalb  kaufte  Regina 
Elisabeth  von  Witzleben  unter  dem  Beistande  des  Vormundes  ihrer  Söhne, 
des  schwedischen  Obersten  Georg  Melchior  von  Witzleben  auf  Liebenstein, 


*)  Archiv  zu  Coburg.    G.  VII.  94  Vol.  1. 
*♦)  Rudolph!  Goth.  Dipl.  IV,  p.  l. 
♦**)  Archiv  zu  Coburg.    G.  VH.  94,  Vol.  6. 
t)  S.  112,  Zeile  6  v.  o.  und  S.  115,  Zeile  17  v.  o.  muss  es  beissen  V«  (nicht  V»). 


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—     119     — 

Heida  und  Gräfinau,  am  8.  Febr.  1651  das  drei  Gräfinnen  zu  Schwaiz- 
bui^  gehörende  Dorf  und  Lehngut  Angelroda  um  10,000  fl.  für  ihre  Söhne 
Job  Wilhelm,  Friedemann  Melchior  und  Hans  Hartmann  von  Witzleben, 
welche  am  2.  Juni  d.  J.  von  Schwarzburg  damit  belehnt  wurden 
und  am  21.  Juli  1660  die  Söhne  von  Bring  Friedrich  und  Christian 
Rudolph  von  Witzleben,  den  Brüdern  ihres  Vaters,  also  die  Linien  zu 
Bösleben  und  Elgersburg  -  Grossliebringen,  in  die  Mitbelehnschaft  auf- 
nahmen.'*') 

Vorläufig  blieben  die  neuen  Besitzer  von  Angelroda  auf  der  Elgers- 
burg wohnen,  lagen  den  Studien  ob  und  befleissigten  sich  nebenbei  mit 
ihren  Vettern  des  edlen  Waidwerks.  Im  Herbst  des  Jahres  1658  zeigten 
der  Fürstl.  Sachsen-Gotha'sche  Schösser  zu  Scbwarzwald  und  der  Ober- 
Imecht  (Forstknecht)  zu  Zella  dem  Herzoge  an,  dass  die  von  Witzleben 
zur  Elgersburg  unlängst  ausser  der  Zeit  im  Fronberge  (bei  Martinroda) 
des  Nachts  verlappt  und  am  folgenden  Morgen  etliche  Frischlinge  gefangen 
hätten.  Dies  war  durch  publicirtes  Jagdpatent  bei  100  Rthlr.  Strafe  ver- 
boten, und  die  von  Witzleben  wurden  daher  d.  d.  Friedenstein  den  30.  Oct. 
1658  aufgefordert,  die  Strafe  zu  erlegen  oder  binnen  10  Tagen  ihre  Ein- 
wendungen dagegen  vorzubringen.  Georg  Melchior  und  Ernst  German 
von  Witzleben,  die  Vormünder  der  Besitzer  der  Elgersburg,  schrieben  da- 
rauf d.  d.  Elgersburg,  den  13.  Nov.  1658  dem  Herzog:  die  ünterthanen 
zu  Martinroda  hätten  sich  über  den  ihnen  durch  die  wilden  Schweine  ver- 
ursachten ziemlich  bedeutenden  Schaden  beschwert  und  die  von  Witzleben 
daher  am  22.  Sept,  also  innerhalb  der  in  dem  föi-stlichen  Jagdmandat  zu- 
gelassenen Zeit,  die  Garne  in  der  ihnen  unzweifelhaft  zustehenden  Wild- 
bahn und  Gehege  vorziehen  und  am  folgenden  Tage  jagen  lassen;  die 
Schweine  wären  von  Neusis  herauf  aus  der  Herrschaft  Henneberg  gekom- 
men und  hätten  sich  den  ganzen  Sommer  hindurch  um  Martinroda  aufge- 
halten und  den  Leuten  grossen  Schaden  gethan;  die  hohe  Jagd  stehe 
den  Besitzern  der  Elgersburg  von  Alters  hör  zu  und  auch  das  Vorziehen 
sei  weder  ihnen  noch  ihren  Vorfahren  je  gewehrt  worden;  sie  bäten  daher, 
sie  und  ihre  Mündel  bei  den  hergebrachten  Rechten  schützen  und  mit 
unverdienter  Strafe  verschonen  zu  wollen,  unterm  31.  Jan.  1659  wurde 
den  Vormündern  darauf  erwiedert,  dass,  da  die  in  Rede  stehende  Schweine- 
jagd am  22.  Sept.,  also  innerhalb  des  gestatteten  Zeitraums,  auch  ausser- 

*)  Arch.  za  Angelroda. 

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—     120     — 

halb  und  fem  der  fürstlichen  Wildfiihr  geschehen,  Se.  ffirstl.  Durchlaucht 
es  bei  ihrer  Entschuldigung  bewenden  lassen  wolle.*) 

Im  Jahre  1663  scheinen  die  drei  Brüder  die  übliche  europäische  Reise 
gemacht  zu  haben,  wenigstens  waren  sie  bei  dem  Tode  des  Herzogs  Wil- 
helm von  Sachsen  ausser  Landes  und  ihre  Mutter  muthete  am  12.  Mai 
d.  J.  in  ihrem  Namen  die  Lehen.**)  Später  widmeten  sie  sich  gemein- 
schaftlich der  Verwaltung  ihrer  Güter,  nur  Friedemann  Melchior  war  eine 
Zeit  lang,  um  1676,  in  französischen  und  Sachsen-Gotha'schen  Kriegs- 
diensten. 

Wie  vorzüglich  schon  in  damaliger  Zeit  die  Regierung  in  dem  Herzog- 
thum  Gotha  war,  geht  aus  den  monatlich  eingereichten  Justiz-  und  Polizei- 
Berichten  hervor.  Es  ward  den  Aemtem  ein  Formular  mit  (hinsichtlich 
der  Justiz  12,  in  Landes-  und  Polizeisachen  31)  Fragen  zugestellt,  welche 
sie  ausfuhrlich  zu  beantworten  hatten.  Unter  andern  enthielt  §.  7  die 
Frage,  ob  sich  Spiel-  und  Hausleute  des  Trompetens  bei  Gelagen  unter- 
stehen? §.  8,  ob  der  Kleiderordnung  gebührlich  nachgelebt  und  die  Ver- 
brecher bestraft  werden?  §.  10,  ob  auf  die  fremden  durchreisenden  Per- 
sonen Achtung  gegeben  und  mit  Beherbergung  verdächtiger  Personen  be- 
hutsam verfahren  werde?  §.  11,  ob  das  Patent  wegen  der  Zigeuner  und 
der  fremden  Werbungen  publicirt  sei?  §.  15,  ob  die  Landes -Ordnung 
wegen  des  Baumpflanzens  und  Weidensetzens  beobachtet  werde?  §.  19, 
ob  Balg-  und  Schlägereien  unter  dem  Adel  und  sonsten  vorgefeUen? 
§.  28,  ob  sich  der  Medicus  und  Landbarbierer  des  Bezirks,  dahin  die 
Gerichte  gehörig,  mit  Besuchung  und  sonsten  der  Gebühr  nach  verhalte? 
u.  s.  w.  Dem  Elgersburger  Gerichtsbezirk  wird  hierbei  stets  das  beste 
Lob  ertheilt.  Alle  Montage  wurde  auf  der  Elgersburg  Gerichtstag  abge- 
halten. Auf  §.11  der  Justizsachen,  wie  die  Geföngnisse  beschaffen  und 
ob  sie  zur  Verwahrung  der  Inhafürten  genugsam,  als  auch  sonst  leidlich 
sind,  finden  wir  1671  über  Elgersburg  die  Antwort:  lur  die  Männer  sind 
4  unterschiedliche  Plochhäuser;  ein  leidlicher  steinerner  Thurm  mit  3  Luft- 
löchern geht  in  der  Eingmauer  hinauf  und  unter  diesem  ist  ein  dunkel 
Geföngniss,  so  wohl  seit  20  Jahren  nicht  gebraucht;  1  Plochhaus  für  die 
Weibspersonen.  §.  14  der  Polizeisachen :  an  Löschgeräthen  waren  vorhanden 
im  Dorfe  Elgersburg  2  lederne  Eimer,  2  Feuerhaken,  8  Handspritzen, 
20  Leitern,  auf  dem  Schlosse   17    lederne  Eimer,    3  Feuerhaken,   etliche 

*)  Nach  dem  Orig.  im  Arch.  zu  Angelroda. 
**)  Staats- Arch.  zu  Weimar. 


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—     121     — 

Leitern.  Ausser  den  ordentlichen  Gerichten  wurden  auch  noch  Rügen- 
gerichte abgehalten,  und  aus  den  Acten  eines  solchen  Montags  nach  Bemi- 
niscere  1671  auf  der  Elgersburg  abgehaltenen  Rügengerichts  ersieht  man, 
dass  der  Trunk  ein  herrschendes  Laster  war.  Interessant  dürfte  auch  sein, 
dass  Georg  Rössler  seinen  Sohn  Klaus  verklagt,  weil  dieser  die  Nacht  vor 
dem  Gange  zum  Abendmahl  ausser  dem  Hause  geblieben;  Klaus  wurde 
mit  Thurmstrafe  belegt  und  zog  nach  Verbüssung  derselben  „in  den  braun- 
schweigischen  Krieg."  Ferner  wurde  Peter  Hopfif  angeklagt,  dass  er  sich 
Sonntags  voll  Branntwein  trinke,  in  der  Kirche  durch  den  Geruch  seine 
Nachbarn  verdriesse,  selbst  auch  schläfrig  würde  und  die  Predigt  nicht 
mit  Andacht  höre;  er  wurde  mit  Zahlung  von  3  Groschen  bestraft  und  ermahnt. 

Am  4.  Juni  1675  finden  wii*  alle  drei  Brüder  in  Gotha  bei  dem 
Leichenbegängniss  des  Herzogs  Ernst  zu  Sachsen-Gotha,  und  zwar  fuhi-te 
Hans  Haiimann  (mit  seinem  Vetter  Friedrich  Wilhelm  von  Witzleben  zur 
Elgersburg)  das  zur  Fahne  des  Herzogthums  Sachsen  gehörende  Pferd, 
während  zu  den  16  adeligen  Leichenträgern,  welche  neben  dem  Wagen 
herschritten,  der  Lieutenant  Friedemann  Melchior  gehörte  und  Job  Wil- 
helm die  Schleppe  der  nunmehr  regierenden  Herzogin Magdalene  Sibylle  trug.*) 

Bald  darauf  ging  Friedemann  Melchior  in  französische  Kriegsdienste, 
kehrte  aber  vor  Jahresfrist  in  die  Heimath  zurück  und  trat  im  Frühjahr 
1676  als  Lieutenant  zu  Pferde  in  die  Dienste  des  Herzogs  Friedrich  von 
Sachsen-Gotha.**)  Später  lebte  6i  auf  der  Elgersburg,  wo  er  unvermählt, 
im  71.  Jahre  seines  Alters  am  29.  Dec.  1707  Nachts  zwischen  11  und 
12  Uhr  plötzlich  starb;  am  31.  Dec.  wurde  er  vor  dem  Altar  in  der 
Kirche  zu  Gera  beigesetzt 

Am  5.  Juni  1709  folgte  ihm  sein  Bruder  Hans  Hartmann,  der  eben- 
falls unvermählt  war  und  am  7.  Juni  Nachts  12  Uhr  bei  heftigem  Regen- 
wetter in  Gera  beigesetzt  wurde. 

Nur  der  älteste  der  drei  Brüder,  Job  Wilhelm,  war  vennählt  gewesen 
und  zwar  seit  1669  mit  Sophie  Agnes  von  Wangenheim,  des 
Saehsen-Gotha'schen  Stallmeisters  Georg  von  Wangenheim  auf  Wangenheim 
und  Tüngeda  und  der  Agnes  geb.  von  Hertingshausen***)  Tochter,  n,  2.  Sept. 


♦)  Müller.  Annalen  p.  514—521. 

**)  Staats- Arch.  zu  Weimar. 
***)  nicht  Agnes  von  Witzleben  aus  Liebenstein,  wie  in  der  im  Archiv  zu  Angel- 
roda  befindlichen  Leichenpredigt  auf  ihren  Ur-Enkel  Albrecht  Ernst  Heinrich  von  Witz- 
leben steht. 


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—     122     — 

1648  XU  Gotha,  f  20.  Mai  1707  zu  Angelroda.*)  Job  Wilhelm  starb 
schon,  nur  52  Jahre  alt,  am  27.  Nov.  1688  zu  Angelroda**)  und  hinter- 
liess  mehrere  Töchter  und  zwei  unmündige  Söhne,  Johann  Georg  und 
Hartmann  vpn  Witzleben  (s.  die  Stammtafel  I.  6.) 

Johann  Georg  von  Witzleben,  am  22.  Oct.  1677  auf  der  Elgers- 
burg  geboren,  kam  1692  als  Page  an  den  Schwarzburgischen  Hof  in 
Arnstadt,  1697  auf  die  Akademie  nach  Wolfenbüttel  und  nach  einiger 
Zeit  wieder  heim.  Darauf  wurde  er  Fürstlich  Schwarzburg-Arnstädtischer 
Kammerjunker  und  vermählte  sich  am  20.  Jan.  1710  mit  dem  Kammer- 
fräulein am  Amstädter  Hofe  Auguste  Emestine  von  Kragen***),  der  am 
23.  März  1685  zu  Wolfenbüttel  gebornen  Tochter  des  Herzoglich  Braun- 
schweigschen  Ober-Marschalls,  Ober-Jägermeisters  undLanddrosts  des  Weser- 
Districts  Günther  Otto  von  Kragen  und  der  Ida  Eleonora  Cathaiina  geb. 
von  Wobersnow.  Von  ihr,  welche  am  6.  März  1729  zu  Angelroda  ge- 
storben war,  heisst  es  in  der  Leichenpredigt  auf  ihren  Sohn  Albrecht  Ernst 
Heinrich:  „Wer  segnet  nicht  noch  das  ruhmvolle  Andenken  der  nur  allzu- 
früh verstorbenen  Frau  Mutter,  der  weiland  hochwohlgebornen  Frau  Auguste 
Slrnestine  geb.  von  Kragen,  welche  in  ihrer  Jugend  so  zugenommen  an 
Alter,  Weisheit  und  Gnade,  dass  sie  auch  bei  dem  öffentlichen  Examine, 
welches  ihr  den  ersten  Zutritt  zum  heiligen  Abendmahl  bahnete,  andern 
Catechumenis  als  ein  merkwürdiges  Exempel  angepriesen  worden;  und 
welche  in  ihrem  Ehestande  dem  Höchsten  ihr  Morgeüopfer  so  leicht  nie- 
mals später  als  mit  dem  Anfang  der  Sonnen  gebracht  hat.^ 

Am  80.  Mai  1711  wurde  Johann  Georg  von  Witzleben  in  Amstädti- 
schen  Diensten  Reisemarschall.  Er  starb  zu  Angelroda  am  2.  Januar  1743 
Mittags  Schlag  12  Uhr  an  einem  Stickfluss,  nachdem  er  fast  Jahr  und 
Tag  krank  gelegen,  und  wurde  am  7.  Januar  Abends  8  Uhr  in  der  Kirche 
zu  Angelroda  feierlich  beigesetzt. 

*)  laut  Todtenschein ;  nicht  9.  Juli  1707  m  Gotha,  wie  in  der  im  Geh.  Staats- Archi? 
zu  Berlin  befindlichen  Ahnentafel  auf  Friedr.  Hartm.  von  Witzleben,  den  letzten  Elgers- 
burger,  angegeben  ist. 

**)  Auf  einigen   alten  Stammtafeln  wird  er  als  Sachs.  Goth.  Oberst  bezeichnet. 
Urkundlich  haben  wir  diesen  Titel  nirgends  gefunden. 

***)  Sie  war  schon  Hofdame  am  Braunschweig'schen  Hofe  gewesen  und  mit  der 
Herzogin  Auguste  Dorothee  von  Braunschweig-Lüneburg,  die  sich  mit  einem  Fürsten 
von  Schwarzburg-Sondershausen  vermählt  hatte,  nach  Arnstadt  gezogen.  Das  Geschlecht 
von  Kragen,  ehemals  im  Sächsischen  und  Anhaltischen  begütert,  ist  erloschen. 


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Hartmann  von  Witzleben,  am  18.  Juni  1681  zu  Angelroda 
geboren,  war  bereits  im  December  1696  in  Gotha  (auf  der  Schule  oder 
als  Page);  1711  war  er  fürstlich  Sächsischer  Kammerjunker  zum  Frieden- 
stein (Schloss  in  Gotha)  und  1719  ausserdem  Regierungs- Assessor.  „Im 
März  1729  wurde  dem  damaligen  ältesten  Hofrath  in  der  F.  Begierung, 
Hartmann  von  Witzleben,  als  versitzendem  Consistorial-Rath  das  Vice- 
Directorium  im  Fürstlichen  Ober-Consistorio  confeiirt  und  Anno  1731, 
nachdem  der  Präsident  Bachow  Kanzler  in  Fürstlicher  Regierung  gewor- 
den, das  völlige  Präsidium  am  15.  Juni  übertragen.  Anno  1738  im  Junio 
deklarirten  Serenissimus  denselben  zu  dero  Geheimen  Rath  und  Ober-Amts- 
Hauptmann  zu  Tonna,  1749  aber  zum  wirklichen  Geheimen  Ratii".*)  Er 
starb  zu  Gotha  am  24.  März  1750,  Vormittags  gegen  8  Uhr,  nach  kurzer 
Krankheit»  „zu  schmerzlicher  Betrübniss  derer  vornehmen  Angehörigen", 
und  sein  entseelter  Leichnam  wurde  am  26.  März  Abends  nach  Gera  ge- 
bracht und  daselbst  am  27.,  als  am  h.  Char&eitage,  des  Abends  nach 
8  Uhr  in  der  Kirche  beigesetzt  Hartmann  hatte  sich  im  Jahre  1713  mit 
Sophie  Magdalene  von  Watzdorf,  des  Fürstl.  Sachs.  Hausmarschalls  und 
Amtshauptmanns  zu  Eisenberg  Johann  Georg  von  Watzdorf  auf  Berga 
und  der  Sachs.  Goth.  Oberhofmeisterin  Johanne  Catharine  geb.  Marschall 
von  Bieberstein  Tochter,  vermählt,  welche  am  8.  April  1690  zu  Eisenberg 
geboren  war,  ihm  7  Kinder  gebar,  am  22.  Jan.  1736  Abends  gegen 
10  Uhr  zu  Gotha  unvermuthet  starb  und  am  27.  im  Erbbegräbniss  zu 
Gera  beigesetzt  wurde. 

Seit  dem  5.  Juni  1709,  an  welchem  Tage  ihr  Onkel  Hans  Hartmann 
gestorben  war,  besassen  die  Brüder  Johann  Georg  und  Hartmann  von  Witz- 
leben die  Güter,  welche  ihr  Grossvater  Hans  Melchior  hinterlassen  hatte, 
und  das  von  dessen  Wittwe  gekaufte  Angelroda  gemeinschaftlich.  Am 
14.  Nov.  1711  theilten  und  verglichen  sie  sich  darüber  folgendermassen: 
Johann  Georg  überliess  seinen  Antheil  an  dem  Rittergute  Elgersburg  und 
Maiünroda  und  den  dazu  gehörenden  Erbgütern  zu  der  Burg  (d.  i.  Elgers- 
burg), Gera,  Manebach  und  Roda  (bei  Ilmenau)  seinem  Bruder  Hartmann 
mit  der  Bedingung,  dass  dieser  die  3000  Thaler,  welche  ihrer  Tante  Marie 
Elisabeth  von  Rüxleben  als  Landerbin  für  das  Elgersburgische  und  sonstige 
oben  genannte  Erbe  versprochen  waren,  zu  bezahlen  übernähme,  während 
beide  Brüder  die  ihren  Schwestern  zustehenden  2400  Thaler  zu  gleichen 


*)  Brückner,  Goth.  Kirchen-  und  Schulen-Staat.    Th.  U.  St.  3  p.  6. 

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—     124     — 

Theilen  abführen  wollten;  Hartmann  dagegen  trat  seinen  Antheil  an  dem 
Rittergute  Angelroda  und  desselben  Pertinenzien,  nebst  den  dazu  gehören- 
den Erbgütern  in  Angeh'oda,  Qera  und  Neusis  an  Johann  Georg  erb-  und 
eigenthümlich  ab.  Die  Mitbelehnschaft  behielten  sie  sich  natürlich  gegen- 
seitig vor.*)  Dieser  Erbtheilungsvertrag  vom  14.  Nov.  1711  erhielt  erst 
am  24.  Nov.  des  folgenden  Jahres  den  Consens  des  Fürsten  Ludwig 
Friedrich  zu  Schwarzburg.**) 

Die  Nachkommen  Johann  Georgs  von  Witzleben  auf  Angelroda  floriren 
in  ziemlicher  Anzahl  bis  auf  den  heutigen  Tag  und  bilden  die  Linie  zu 
Angelroda. 

Hartmann  von  Witzleben  besass  nunmehr,  genau  wie  sein  Grossvater 
Hans  Melchior,  den  vierten  Theil  von  Elgersburg,  Gera  und  Manebach, 
sowie  7^  von  Martinroda.  (Ganz  Neuroda  und  Trasdor^  7^  Elgersburg, 
Gera  und  Manebach  und  ^4  Martinroda  hatte  die  Linie  zu  Neuroda; 
74  Elgersburg,  Gera  und  Manebach  und  7^  Martinroda  die  Linie  Elgers- 
burg-Grossliebringen  in  Besitz.***)).  Hartmann  muss  ein  guter  Wiiih 
und,  wahrscheinlich  durch  seine  Frau,  auch  im  Besitz  eines  haaren  Ver- 
mögens gewesen  sein,  denn  er  vereinigte  nach  und  nach  die  sämmüichen 
Elgersburger  Güter,  bis  auf  einen  kleinen  Theil,  in  seiner  Hand.  Durch 
Contract  vom  3.  März  1717  kaufte  er  in  Gemeinschaft  mit  seinem  Vetter 
Friedemann  Ludwig  (s.  Tab.  I.  5)  von  der  Neurodaer  Linie  deren  Anttieil 
an  den  Ritter-  und  Lehngütem  zu  Elgersburg,  Gera,  Manebach  und  Martin- 
roda für  11,000  fl.  (s.  S  99)  und  am  21.  Mai  1726  überliess  ihm  Friede- 
mann Ludwig  seinen  so  erworbenen  Antheil  an  diesen  Gütern  für  5500  fi. 
(s.  S.  113.) 

Ferner  kaufte  Hartmann  am  2.  Aug.  1742  die  sämmtlichen  zu  Neu- 
roda und  Trasdorf  gehörenden  Lehn-  und  den  grössten  Theil  der  daselbst 
befindlichen  Erbgüter  für  6000  fl.  (s.  S.  99)  und  schliesslich  am  12.  Mära 
1743  von  seinem  Vetter  Christoph  Friedrich  Hartmann  von  Witzleben 
dessen  Theil  von  Elgersburg,  Gera  und  Manebach,  sowie  die  Schäferei  zu 
Neuroda  für  17,367  fl.  20  gr.  (s.  S.  115 ) 

Bisher  hatte  Hartmann  seine  Güter  durch  Ankauf  immer  vergrössert, 
endlich  musste  er  aber  doch  etwas  davon,  wenn  auch  nur  ein  Recht  und 


*)  Orig.  im  Arch.  zu  Angelroda. 

**)  s.  die  Angelroda*schen  Lehnsacten  des  F.  Schwarzb.  Justizamts  in  Stadtilm. 
***)  Wir  geben  absichtlich  die  ganzen  Detaüs  so  ausführlich,  um  an  einem  Bei- 
spiel diese  oft  so  gepriesene  Art  der  Lehnsverhältnisse  zn  zeigen. 


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—     125     — 

wahrscheinlich  wider  seinen  Willen,  abtreten:  1746  nämlich  untersagte  der 
Herzog  Ernst  August  zu  Sachsen- Weimar  die  Harzbenutzung  von  den 
unterm  Amte  Ilmenau  belegeneu,  aber  dem  Rittergut  Elgeraburg  zu  Lehn 
gehenden  Har/wäldern  und  zahlte  dem  Besitzer  Hartmann  von  Witzleben 
daför  eine  Abfindungssumme  von  1000  Thalem.*) 

Hartmann  hinterliess  demnach  seinem  Sohne  Friedrich  Hartmann  die 
sämmtlichen  alt  hergebrachten  Elgersburger  Güter  mit  Ausnahme  von 
^/h  von  Martinroda,  welche  letzterer  erst  1757  sub  hasta  erstand  (s.  S.  115). 
Weil  nun  dadurch  in  dessen  Belieben  stand,  wen  er  in  die  Mitbelehn- 
schaft  nehmen  wollte,  so  wirkte  er  beim  Herzog  aus,  dass  diese  ^/s  sowie 
das  früher  erkaufte  Vß  zu  einem  Erblehn  gemacht  würde,  so  dass  nur 
die  Hälfte  von  Martinroda  Mannlehn  blieb. 

Friedrich  Hartmann  von  Witzleben,  der  letzte  alleinige  Be- 
sitzer der  Elgersburg,  war  am  2.  Nov.  1722  zu  Gotha  geboren,  Anfangs 
in  Sachsen-Gotha'schen  Diensten  Kammerjunker**)  und  1751  Kammerherr, 
vermählte  sich  am  10.  Aug.  1751  zu  Gotha  mit  Martha  Eleonore  von  Oppel, 
der  am  2.  Mai  1726  geborenen  Tochter  des  Geheimen  Raths  von  Oppel, 
und  trat  bald  darauf  (vor  1753)  als  Vice-Oberstallmeister  und  Ober-Schenk 
mFürstl.  Sachsen -Weimar'sche  Dienste;  1757  war  er  Oberstallmeister***), 
Geheimer  Rath  und  Obersthofmeister,  sowie  Ritter  des  Johanniter-  und 
des  Weimar'schen  weissen  Falken-Ordens,  sonst  de  la  Vigilance  genannt, 
und  endlich  Wirklicher  Geh.  Rath,  Ober-HofmarschaU  und  Chef  aller 
Hofämter  t).  Unter  der  Last  dieser  Würden  starb  er  in  früher  Morgen- 
stunde des  3.  Oct.  1788. 

Friedrich  Hartmann's  Ehe  war  kinderlos.  Er  errichtete  daher  am 
11.  April  1760   vor   den   Witzleben'schen   Gerichten   zu  Elgersburg   mit 


*)  Arch.  zu  Angekoda. 

**)  als  welcher  er  in  Vertretung  seines  Vaters  am  4.  Juni  1749  unter  Pauken- 
und  Trompetenschall  den  Grundstein  zur  neuen  Kirche  in  Gera  legte,  s.  Brückner, 
Goth.  K.  u.  Seh.  St.  Th.  II.  St.  12.  p.  47. 

***)  1757  12.  Sept.  hielten  sich  der  König  Friedrich  II.  und  Prinz  Heinrich  von 
Preussen  mit  15,000  Mann  bei  Buttstedt  auf.  Sobald  man  in  Weimar  davon  hörte, 
schickte  der  Herzog  Holz,  Küche,  Conditorei-  und  KeUerwagen  dahin,  doch  schickte  der 
König  alles  durch  50  Husaren  zurück,  um  Weimar  nicht  zu  compromittiren.  Auf  das 
Compliment  des  Herzogs,  welches  der  Oberstallmcister  von  Witzleben  überbrachte, 
erfolgte  ein  Gegencompliment  durch  1  Offizier  und  10  Mann  grüner  Husaren.  S.  Zeit- 
achrift  des  Vereins  für  thür.  Gesch.  II.  p.  293. 

t)  8.  Vehse,  Sachsen,  I.  p.  308. 


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seiner  Gemahlin  ein  gegenseitiges  Testament*),  in  welchem  er  dieselbe 
zur  alleinigen  Erbin  seines  sämmüichen  gegenwärtigen  und  zukünftigen 
Vermögens  (mit  alleiniger  Ausnahme  dessen,  was  wii-klich  ,.  Mannlehn  und 
Bitter"  sei),  also  der  Hälfte  des  Martinrodaer  sogenannten  Tischgutes, 
des  Wohnhauses  zu  Gotha,  der  ausstehenden  Capitalien,  aller  Inventarien 
und  Vorräthe  an  geschlagenem  Holz  und  den  Früchten  auf  den  Böden  und 
in  den  Scheunen  der  sämmtlichen  Güter,  aller  Mobilien  auf  den  Gutem 
und  zu  Weimar,  des  in  dem  Jagdhause  zu  Elgersburg  befindlichen  Jagd- 
zeugs, alles  Silberwerks,  der  G^arderobe,  Bibliotheken,  Pferde,  Equipagen 
und  was  dazu  gehört,  einsetzte  mit  der  Bedingung,  dass  sie  seine  Allodial- 
schulden  übernähme  und  seinen  beiden  resp.  Frau  und  Fräulein**)  Schwestern 
1000  Thaler  ausbezahle;  sie  vermachte  ihm  dagegen  ihr  ganzes  Vermögen, 
namentlich  die  von  ihrem  Vater  ererbten  17,397  Mfl.,  und  was  sie  sonst 
etwa  noch  erben  würde. 

Dies  Testament  war  augenscheinlich  zum  Nachtheil  der  Vettern  in 
Angelroda  errichtet  Christoph  Friedrich  Hartmann  von  Witzleben  schrieb 
daher  auch  d.  d.  Neuroda  den  10.  Dec.  1765  an  seine  Vettern  in  Stutt- 
gart: „Die  Angelröder  werden  sich  einmal,  wenn  der  Fall  sich  ereignen 
sollte.  Erben  von  der  Burg  zu  werden,  nicht  sonderlich  zu  erlfreuen  haben, 
wenn  sie  das  ganze  Gut  behaupten  wollen,  indem  sie  viel  Geld  haben 
müssen,  solches,  was  erkaufet  worden,  wieder  zu  bezahlen;  Martinrpda  die 
Hälfte  ist  frei,  und  bekommen  sie  dieses  ohne  Schulden,  aber  die  Burg 
war  vorhero  alleine  dem  Herrn  Geh.  Rath  gewesen ;  so  haften  auch  Schulden 
darauf,  und  wenn  auch  solche  anjetzo  bezahlt  sind,  so  hat  die  Frau  Ge- 
mahlin des  jetzigen  Herrn  Geheimden  Raths  zu  Weimar  die  bezahlten 
Obligationen  in  Händen,  als  wenn  sie  dieselben  bezahlt  hätte,  daher  müssen 
solche  wieder  an  sie  oder  deren  Erben  bezahlt  werden,  wenn  sie  nicht 
mehr  am  Leben  wäre."  Wie  richtig  Chri3toph  Friedrich  Hartmann  die 
Sache  beurtheilt  hatte,  werden  wir  in  dem  Abschnitt  über  die  Linie  zu 
Angelroda  sehen  bfei  Gelegenheit  der  Besitzergreifung  der  Elgersburg  dm'ch 
die  Enkel  Johann  Georg's  von  Witzleben. 


b.    Angelroda. 

Angelroda  ist  ein  Dorf  mit  einem  Rittergut  und  Schloss  im  Fürsten- 


*)  Orig.  un  Arch.  zu  Angelroda. 
**)  Welche  dies  ist,  haben  wir  nicht  in  Erfahrung  bringen  können. 


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thom  Schwarzburg-Rudolstadt,  2V«  St.  südwestlich  von  Arnstadt  (also  etwa 
^/4  St.  von  Plane)  und  IV2  St.  nordwestlich  von  Ilmenau  in  dem  schönen 
Wiesengrunde  der  Gera  gelegen.  Oestlich  erhebt  sich  der  Weissenstein 
mit  seinen  Felsenkammem,  Spaltungen  und  Klüften,  von  dessen  Teufels- 
kanzel man  eine  herrliche  Aussicht  nach  Elgersburg,  dem  Schneekopf,  dem 
grossen  Beerberge  u.  s.  w.  hat.  Die  erste  Erwähnung  unsers  Orts  Mit 
in  das  Jahr  948,  wo  Otto  I.  Anglenrod  und  mehrere  andere  Güter  in 
Thüringen  und  Pranken  der  Abtei  Hersfeld  übertrug  und  dafür  Worms- 
leben  bei  Mansfeld  empfing.*)  Dann  schweigt  die  Geschichte  von  ihm 
30O  Jahre  lang,  bis  um  die  Mitte  des  13.  Jahrhunderts  ein  Greschlecht 
auftritt,  welches  sich  nach  ihm  nannte.  Da  die  Heiren  von  Angelrode  mit 
den  Grafen  zu  Schwarzburg  in  steter  Verbindung  standen  und  zu  den  Va- 
sallen und  Burgmännem  derselben  gehörten,  so  ist  es  watu'scheinlich,  dass 
der  Ort  selbst  schon  Mhzeitig  zu  dem  Gebiet  der  Grafen  gerechnet  wurde, 
wenn  nicht  auch  seine  Lage  deutlich  dafür  spräche;  er  mag  eine  der 
ältesten  Besitzungen  des  Schwarzburg-Kefernburgischen  Hauses  gewesen  sein. 
In  der  Anmerkung  S.  16  sagten  wk:  Das  erloschene  Geschlecht  von 
Angelrode  soll  nach  Rein,  Ichtershausen  p.  95,  eines  Stammes  mit 
unserer  Familie  gewesen  sein.  A.  a.  0.  heisst  es:  „Diese  Familie  (näm- 
lich von  Angelrode)  ist  ein  Nebenzweig  der  Herren  von  Witzleben,  wie 
Gleichheit  der  Vornamen,  der  Wappen  und  die  Nähe  der  Güter  beweisen.** 
Dagegen  schreibt  der  Bibliothekgehülfe  0.  König  in  Rudolstadt  in  der 
Einleitung  zu  seinen  Regesten  zur  Geschichte  der  Herren  von  Witzleben**). 
„Wir  können  nicht  umhin,  gleich  hier  zu  bemerken,  dass  wii-  die  von 
Herrn  Prof.  Rein  in  seiner  Thuringia  sacra,  I,  95  ausgesprochene  Ansicht 
über  die  Verwandtschaft  des  Hauses  Witzleben  mit  dem  Hause  Angelrode 
durchaus  nicht  theilen  können.  Ein  nahes  Beieinanderliegen  der  Güter 
zweier  Familien  und  die  (gewiss  zufällige)  Gleichheit  der  Vornamen  ver- 
schiedener gleichzeitig  lebender  Glieder  beider  bedingt  noch  keine  Ver- 
wandtschaft. Auch  würde,  da  öfter  von  Witzleben  und  von  Angelrode  in 
einer  und  derselben  Urkunde  genannt  werden,  der  Verwandtschaftsgrad 
durch    ein    beigesetztes   consanguineus,    cognatus   und   dergl.    bezeichnet 


♦)  VL  Cal.  Apr.  948.  s.  Wenck,  Hessische  Landesgesch.  Bd.  11.^  p.  28  des"  Urk. 
Baches,  No.  32,  und  richtiger  aus  dem  Orig.  Bd.  III.  p.  28,  No.  30.  Femer  Sohultes, 
Director.    Diplom.  I,  p.  63. 

**)  6.  Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit,  Organ  des  Qermanisohen  Museums, 
12.  Bd.   Jahrg.  1865,  Sp.  23. 


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worden  sein.  .  Mehrere  uns  gerade  vorliegende  Siegel  beider  Familien, 
welche  zur  diplomatischen  Beweisführung  über  die  Gleichheit  derselben 
doch  unumgänglich  nöthig  sind,  zeigen  ganz  verschiedene  Wappenbilder." 
Die  Regesten  liefern  aber  den  Beweis,  dass  Hen*  König  ein  höchst  flüch- 
tiger Arbeiter  war,  und  so  ist  es  ihm  denn  auch  entgangen,  dass  die 
von  Witzleben  im  14.  Jahrhundert  zweierlei  Helmsiegel  führten  und  das 
Angelrode'sche  mit  dem  einen  Witzleben'schen  bis  auf  die  ümschrifl;  gleich 
ist.  Im  Schwarzburgischen  Commun-Archiv  zu  Rudolstadt,  Seat.  XIV. 
No.  23  befindet  sich  die  1369,  Sonntag  nach  twelf  bot  (d.  i.  15.  Juli) 
ausgestellte  „Litera  des  testaments  der  Herrn  zu  Swarzpurg  darin  sie 
eczliche  gutter  zu  Seelgerethe  gestiftet  zur  Kiiche  zu  Ai*nstadt  in  betiag 
zu  vierdehalb  pfund  und  60  und  5  Schillinge."  Die  Grafen  sind  Hen- 
rich der  Eldere,  Henrich  vnd  Günther  Gebriidere  Herrn  zu  Arnstadt  und 
Sondershausen,  und  unter  den  Zeugen  beiSnden  sich  Conrad  von  Angilrode, 
Hennansteyn  von  Witzeleyben  und  Fred  von  Angilrode.  An  der  Perga- 
ment-Urkunde hängen  9  unvesehiie  Siegel;  3  sind  die  der  Grafen  selbst, 
6  sind  Zeugensiegel,  und  unter  diesen  folgende: 


!)69. 


fiS9. 


Heraianstein  von  Witzleben  fuhrt  auf  dem  Stechhelm  denselben  Vogel- 
kopf mit  langen  Ohren  wie  der  Ritter  Christian  von  Witzleben  am  13.  Juli 
1365  (s.  S.  11)  und  Dietiich  von  Witzleben,  den  man  nannte  von  Gum- 
merstedt  (s.  S.  32*)),  jedoch  ohne  Schild,  also  als  Helmsiegel.  Von 
diesem  sind  die  beiden  Angelrodeschen  Siegel  allerdings  verschieden,  dafür 
gleichen  sie  aber  vollständig  dem  auf  S.  5  abgebildeten  des  Rittera  Friedlich 
von  Witzleben**).    Wir  schliessen  uns  daher  der  Ansicht  eines  so  gelehrten 


*)  S.  32,  Zeile  14  v.  o.  rnuss  es  statt  Gommiretet  heissen  Gvmmirstet,  wie  auf 
der  Abbildung  deutlich  zu  ersehen  ist. 

**)  Dieser    war  der   Vater   Hermansteins    (s.   S.  47),    und    wir   haben    so    den 
interessanten  Fall,  dass  Vater  und  Sohn  verschiedene  Siegel  führten. 


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—     129     — 

HDcl  gründlichen  Forschers,  wie  Dr.  Rein  war,  an  und  betrachten  die  Familie 
von  Angelröda  als  Nebenzweig  unsers  Geschlechts.  Er  bestand  nur  aus 
wenigen  Personen. 

Friedrich  von  Angelrode,  Ritter  und  des  Qrafen  Günther  zu  Schwarz- 
burg Burgmann  zu  Kranichfeld,  wd  genannt  in  Urkunden  von  1266 — 1296 
und  zwar  immer  zusammen  mit  dem  Ritter  Friedrich  von  Witzleben.  Als 
am  1.  Sepi  1293  Graf  Günther  dem  Kloster  Um  zwei  Hufen  zu  Elxleben 
übereignete,  welche  Friedrich  von  Witzleben  zu  Lehn  gehabt  und  dem 
Kloster  überlassen  hatte,  bezeugten  dies  Friedrichs  Bruder  Herborto 
von  Witzleben  und  der  Ritter  Friedrich  v.on  Angelrode*),  und  als  Letzterer 
am  1.  Mai  1294  einen  freien  Platz  in  Elxleben**)  durch  Tausch  vom 
Kloster  lim  erwarb,  indem  er  diesem  dafür  33  Acker  bei  Hm  gelegen 
gab,  war  ausser  dem  Probst  Gottfried  zu  Um  und  dem  Magister  Wigfried 
der  Ritter  Friedrich  von  Witzleben  Zeuge.***) 

Von  1290 — 1319  kommt  vor  Conrad  von  Angelrode,  des  Grafen 
Günther  d.  J.  von  Kefemburg  Burgmann  (nicht  Ritter),  welcher  am  19.  April 
1319  dem  Kloster  Um  10  Talente  jährlicher  Zinsen  von  seinen  von 
Schwarzburg  zu  Lehn  rührenden  Gütern  schenkte;  unter  den  Zeugen  wieder 
Friedrich  von  Witzleben.f) 

Von  1331 — 1369  finden  wir  dann  erwähnt  den  Ritter  Conrad  von 
Angelrode.  Im  Jahre  1343  hatte  Graf  Günther  d.  J.  von  Kefemburg 
das  Haus  und  die  Stadt  Ilmenau  sanunt  dem  Dorfe  Kfrchheim  an  den 
Grafen  Heinrich  zu  Henneberg  für  2000  Mark  löthigen  Silbers  verkauft 
und  in  Folge  dessen  entUess  er  am  23.  Sept.  d.  J.  seine  Lehnsleute  zu 
Ilmenau,  nämlich  Friedrich  von  Witzleben,  Conrad  von  Angelrode,  den 
von  Elkersleben,  zwei  Herren  von  Kirchheim,  alle  Ritter,  sowie  Reinhard 
von  Sundhausen  ihrer  Pflicht  und  wies  sie  an  den  Grafen  zu  Henneberg, 
dem    sie   mit   ihren   Lehen   und   ihrer   Mannschaft    getreulich   gewarten 

80llten.tt) 

1377  belehnte  das  Kloster  Georgenthal  Herrn  Friedrich  von  Angel- 


*)  Orig.  im  Arch.  zu  Sondershansen. 

**)  aream  qoandam   (einen   freien  Platz,  d.  i.  Grund    und  Boden   für   ein   Haus) 
sitam  in  Elileben,  während  die  33  Acker  circa  llmene  gelegen  waren. 

***)  Heydenreich,  Hist.   d.  H.  Schwarzb.   p.  55,  Schöttgen,   Invent.  Dipl.  p.  160, 
No.  9,  und  Andere. 

t)  König,  Begesten. 

tt)  Schultes,   Gesch.   des  H.  Henneb.,   Urk.  B.  11.  125,  Bechstein  und  Brückner, 
Henneb.  U.  B.  II.  65,  König,  Begesten. 


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—     130     — 

rode,  Pfarrer  zu  Obemdorf  und  Kefemburg,  dessen  Bruder  Friedlich  von 
Angelrode  und  Conrad  von  Angelrode,  ihres  Bruders  Sohn,  mit  Holz  bei 
Sigelbach,  genannt  die  Holzmacke.*) 

Friedrich  von  Angebode  (nicht  den  Pfiin-er)  finden  wir  von  1369  bis 
1388,  und  scheint  mit  ihm  dieser  Zweig  unserer  Familie  erloschen  zu 
sein,  denn  nach  1388  wird  kein  Herr  von  Angekode  mehr  erwähnt. 

Der  Ort  Angelrode  wird  zuerst  wieder  genannt  am  3.  Mai  1351,  als 
die  Brüder  Friedrich,  Hermanstein  und  Iring  von  Witzleben  sich  aller 
Ansprüche  auf  ihre  seitherigen  Hennebergischen  Lehngüter  zu  Roda, 
Manebach,  Gera,  Angehroda  (2  Pfund  Geldes)  und  die  unter  dem  Hause 
zu  der  Elgersburg  gelegenen  Weingärten  und  Wiesen  begaben  (s.  S.  59). 
Aus  der  Hennebergischen  Lehnshoheit,  in  die  es  1343  von  Kefemburg  ge- 
kommen war,  ging  Angelroda  bald  wieder  in  Schwarzburgische  über,  denn 
am  5.  Nov.  1363  gab  Graf  Johann  zu  Schwarzburg  dem  Ritter  Friedrich 
von  Witzleben,  gesessen  auf  dem  Hause  zu  dem  Liebenstein,  der  den  Hof 
vor  dem  Liebenstein  als  Burggut  angenommen  hatte,  40  Mark  löthigen 
Silbers  und  4  Mark  jährlicher  Zinsen  zu  Angelroda.  Aus  der  betreffenden 
Urkunde  (im  Schwarzburgischen  Archiv  zu  Arnstadt)  geht  auch  hervor, 
dass  Friedrich  schon  Güter  in  Angelroda  besass,  bestehend  in  Zinsen, 
Aeckem,  Wiesen,  Holzäckem  und  einem  Vorwerk. 

Genauere  Nachrichten  über  Angelroda  datiren  erst  aus  dem  16.  Jahr- 
hundert. 1502  gehörte  es  Reinhard  von  Sundhausen;  1520  und 
später  Heinrich  Vitzthum. 

1560  Sonntags  am  Tage  Michaelis  wurde  der  Oberst  Wolf  Dieff- 
steter  mit  dem  Gute  Angelroda,  welches  er  von  Wolf  Vitzthum  zu 
Spala  an  sich  gebracht  hatte,  von  den  Grafen  Günther  und  Johann  Günther 
zu  Schwarzburg  belehnt. 

Am  28.  Dec.  1586  befiehlt  Graf  Albert  zu  Schwaraburg,  dass  sich 
Johann  Biinstiel  zu  Königsee  in  der  Rusworme  Rittergut  zu  Angelroda 
begebe,  dasselbe  in  Verwaltung  nehme  und  über  das,  was  es  an  Gefällen 
und  Einkommen  erträgt,  richtige  Rechnung  und  Relation  thue,  da  die 
beiden  Rusworme,  Otto  Friedemann  und  Jeronymus  Burkhard,  in  Arnstadt 
zu  gefänglicher  Haft  wegen  ihrer  ünthaten  eingenommen,  und  der  mittlere, 
Christoph,  zu  Rudolstadt  in  Bestrickung  liegt  und  also  Sr.  Gn.  (des  Grafen 

*)  Orig.  im  Staats-Arch.  zu  Gotha,  nach  einer  Mittheilnng  des  Dr.  Rein,  der 
dabei  wiederholte,  dass  das  Angehrode'sche  Wappen  dem  Witzleben'schen  gleich  and 
deshalb  beide  Familien  eins  seien. 


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—     131     — 

ZQ  Schwsurzburg)  Rittergut  ganz  und  gar  unversorgt  bleibt.*)  Burkhard 
Hieronymus  von  Kusswurm,  auf  Angelroda  und  Heyda  Gerichtsberr,  wurde 
Fürstl.  Würzburgiscber  Oberst,  Rath  und  Amtmann  zu  Eönigshofen  und 
Freitags  nach  Simonis  und  Judae  1591  vom  Grafen  Albrecht  zu  Schwarz- 
buig  mit  den  Gätem,  welche  sein  Vater  Otto  Russwurm  von  Wolf  Vitz- 
thom  erkauft  hatte,  belehnt. 

Um  diese  Zeit  schlug  Burkhard  Hieronymus  von  Russwurm  5  Bauern- 
güter, welche  von  ihren  Besitzern  verlassen  waren,  zum  Rittergute.  Die 
Eigenthümer  waren  durch  Ablesen  von  der  Kanzel  zur  Abfahrung  der  auf 
diesen  Gütern  haftenden  Rückstände  an  Zinsen,  Frohngeldem  etc.  vor- 
geladen, und  da  sie  nicht  erschienen,  wurden  die  Guter  öflfentlich  feil- 
geboten und  von  dem  Rittergutsbesitzer  gekauft;,  das  nach  Abzug  der 
rückständigen  Gefälle  verbleibende  Kaufgeld  aber  den  Erben  der  fi-ühem 
Besitzer  ausgezahlt.  Der  Käufer  behielt  diesen  5  Bauerngütern  —  den 
sogenannten  Kerpen'schen  Gütern  —  die  Qualität  als  Allod  vor. 

1614 — 1618  erbaute  Burkhard  Hieronymus  von  Russwurm  das  noch 
auf  dem  Gute  befindliche  Wohnhaus,  nachdem  er  in  den  Jahren  zuvor 
mehrere  Wirthschaftsgebäude  neu  errichtet,  auch  die  Schenke  von  der 
Gemeinde  gekauft;,  abgerissen  und  von  Grund  auf  neu  gebaut  hatte. 

Noch  vor  dem  Jahre  1630  starb  Burkhard  Hieronymus  von  Russ- 
wurm  ohne  männliche  Erben  und  Angelroda  fiel  an  die  Grafen  zu  Schwarz- 
burg heim.  Russwurm's  Wittwe  Ursula  geb.  von  Boyneburg  hatte  aber 
daselbst  ein  Leibgedinge  von  400  fl.,  wegen  dessen  ihr  Schwiegersohn 
Heinrich  Ernst  von  Kerpen  sich  klagend  an  den  Kaiser  Ferdinand  II. 
wandte,  der  auch  am  24.  Oct.  1630  die  Grafen  zu  Schwarzburg  aufforderte, 
dieses  Leibgedinge  zu  zahlen.**) 

Obgleich  es  in  dem  letzten  dem  Obersten  von  Russwurm  über  die 
Güter  zu  Angeh*oda  ertheilteü  Lehnbriefe  heisst,  dass  die  erkauften  Bauern- 
güter nach  Absterben  des  Besitzers  ebenfalls  dem  Lehnsherrn  heimfallen 
sollten,  so  wurden  sie  diesem  doch  streitig  gemacht.  Zuerst  hatte  sich 
Georg  Melchior  von  Witzleben  zum  Liebenstein  die  sogenannten  Kerpen*- 
schen  Güter  und  das  Dorf  Angelroda  vom  Könige  von  Schweden  ausge- 
beten und  auch  einige  Zeit  in  Besitz  gehabt,  mit  Hülfe  des  schwedischen 


*)  Arch.  zu  Rudolstadt. 

*)  Orig.  im  Arch.  zu  Angelroda. 


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—      132    — 

Eesidenten  zu  Erfurt  haben  aber  die  Schwarzburgiächen  Commissarien  ihm 
Angelroda  „wieder  aus  den  Händen  genommen". 

In  einem  am  11.  Juli  1642  abgeschlossenen  Vergleiche  trat  Graf 
Ludwig  Günther  zu  Scbwarzburg  seinen  Schwestern  Catharina  Maria  und 
Dorothea  Susanne  das  Rittergut  Angelroda  nebst  Jurisdiction  und  sonstigen 
Pertinenzien  fQr  eine  aus  verschiedenen  Erbschaften  herrührende  Forderung 
von  9000  fl.  ab.  Der  Vergleich  hatte  die  Abtretung  zwar  nur  auf  3  Jahre 
stipulirt,  dergestalt,  dass  wenn  die  Schwestern  wegen  ihrer  Forderungen 
bis  dahin  befriedigt  sein  würden,  der  Graf  das  Gut  zurücknehmen  könnte, 
wogegen  den  Schwestern  das  Vorkaufsrecht  vorbehalten  wurde  für  den  Fall, 
dass  der  Bruder  es  anderweitig  veräussern  wollte.  Graf  Ludwig  Günther 
starb  aber  1646,  ohne  dass  seine  Schwestern  befriedigt  worden  wären,  so 
dass  Angelroda  am  5.  Oct.  1648  von  den  Vormündern  des  Grafen  Albert 
Anton  den  beiden  Gräfinnen  erb-  und  eigenthümlich  überlassen  wurde. 
Wegen  der  5  Bauerngüter  waren  Letztere  bereits  am  17.  März  1643  mit 
Heinrich  Ernst  von  Kerpen,  dem  dieselben  tiotz  des  erwähnten  letzten 
Russwurm'schen  Lehnbriefes  zugestanden  zu  haben  scheinen,  in  Unterhand- 
lungen getreten.  Da  aber  Georg  Melchior  von  Witzleben  erklärte,  dass 
ihm  diese  Güter  von  der  Krone  Schweden  erb-  und  eigenthümlich  einge- 
räumt und  er  nicht  gesonnen  sei,  dieselben  herauszugeben,  so  bestanden 
die  Gräfinnen  darauf,  dass,  bevor  sie  den  Kauf  abschlössen,  der  von  Kerpen 
sich  mit  dem  von  Witzleben  zu  vergleichen  hätte;  sollte  ein  solcher  Ver- 
gleich nicht  zu  Stande  kommen  und  diese  Erbgüter  wie  bisher  öde  und 
wüst  liegen  bleiben,  so  würden  sie  dieselben  durch  Kauf  oder  auch  umsonst 
an  Leute  bringen  lassen,  welche  dieselben  bestellten  und  ihnen  die  schul- 
digen Frohnen  und  Zinsen  leisteten.  Wie  diese  Angelegenheit  schliesslich 
beigelegt  worden,  ist  aus  den  Acten  nicht  ersichtlich,  wahrscheinlich  war 
sie  aber  die  Veranlassung,  dass  Georg  Melchior  von  Witzleben  ganz 
Angeboda  far  seine  Mündel,  die  von  Witzleben  zur  Elgersburg,  ei-warb. 

Aus  einer  von  den  Gräfinnen  Catharina  Maiia  und  Dorothea  Susanne 
zu  Schwarzburg  herrührenden  Notiz  geht  übrigens  hervor,  das  die  Ge- 
bäude des  Ritterguts  viele  Jahre  vor  1648  (vielleicht  noch  vor  1614) 
durch  Feuer  gänzlich  zerstört  worden  waren,  was  die  Gräfinnen  als  Grund 
anfahrten,  eine  schriftliche  Auskunft  über  frühere  Verhältnisse  des  Gutes 
nicht  geben  zu  können,  da  in  jenem  grossen  Brande  alle  Urkunden  ver- 
nichtet worden  wären.  Nachdem  die  Gräfin  Catharina  Maria  gestorben 
und  ihre  Hälft.e  von  Angeh'oda  an  ihre  Schwestern  die  Gräfin  Magdalena 


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—     133     — 

Reu88  von  Plauen  geb.  Gräfin  zu  Schwarzburg,  Elisabeth  Juliane  und 
Dorothea  Susanne  (welche  schon  eine  Hälfte  besass)  gefallen  war,  ver- 
kauften diese  laut  Contract  vom  8.  Febr.  1651  der  „Wohledlen,  Viel  Ehren- 
tugendreichen  Frauen  Reginen  Elisabeth  von  Witzleben  geb.  von 
Volgkstedt,  Wittiben  uft'  Elgersburgk,  und  dero  Söhnen  Hiob  Wilhelm, 
Friedemann  Melchior  und  Hans  Haiimann  von  Witzleben  verordnetem 
Vormundt,  dem  Hochedlen  Gestrengen  und  Vesten,  Herrn  Georg  Melchiorn 
von  Witzleben  uff  Liebenstein,  Heyda  und  Gräfinau,  Obrister",  das  Dorf 
und  Lehngut  Angelroda  mit  allen  auf  dem  Gute  stehenden  alten  und  neuen 
Gebäuden,  den  dazu  gehörenden  Aeckern,  Gärten,  Wiesen,  Rainen  und 
Steinen,  der  Schäferei,  den  Teichen,  Fischwassem,  hohen  und  niedem  Ge- 
richten, den  Gehölzen,  Jagden,  der  Brau-  und  Schenkgerechtigkeit  mit  der 
Braupfanne  und  dem  ßraugeschirr,  ihrem  Recht  an  der  Unter-  und  Ober- 
mühle daselbst,  den  Lehen  und  Zinsen  und  allen  sonstigen  Pertinenzien, 
femer  die  Gerechtigkeit  an  den  Kerpen'schen  5  Bauerngütern,  mit  der 
Bestimmung,  dass  das  Rittergut  als  Mannlehn  recognosciii  und  mit  7^ 
Bitterpferde  verdient  werden  sollte,  für  10,000  fl.,  wovon  7000  binnen 
14  Tagen  haar,  der  Rest  Ostern  1652,  53  und  54  mit  je  1000  fl.  in  guten 
groben  Münzsorten,  der  Reichsthaler  zu  24  guten  Groschen  gerechnet,  zu 
bezahlen  waren.*)  Am  2.  Juni  1651  erhielten  Job  Wilhelm,  Friedemann 
Melchior  und  Hans  Hartmann   von  Witzleben  den  ersten  Lehnbrief  über 


Einige  Jahre  darauf,  nachdem  die  Kaufgelder  vollständig  bezahlt 
waren,  traten  die  Landerben  des  verstorbenen  Russwuim  auf  und  rekla- 
mirten  die  zum  Gute  geschlagenen  5  Bauerngüter.  Namentlich  erhoben 
Hieronymus  Christoph  von  PöUnitz  auf  Assbach,  Fürstl.  Bambergischer 
Baal,  Ober-Kämmerer  und  Amtmann  zu  Burg-Ebrach  und  Schönbronn, 
wie  auch  Assessor  des  Kaiserlichen  Landgerichts,  und  seine  eheliche  Haus- 
frau Anna  Catharina  geb.  von  K^rpen  gegen  den  unmündigen  Grafen 
Albert  Anton  zu  Schwarzburg  einen  Process  bei  dem  Reichshofgerichte  in 
Wien,  den  sie  auch  gewannen  und  in  Folge  dessen  Graf  Albert  Anton  am 
28.  Apr.  1654  eine  Obligation  ausstellte,  durch  welche  er  der  Erbin  der 
Wittwe  von  Kerpen  3000  Mfl.  ^rersprach.  Zu  dieser  Summe  trug  Regina 
Elisabeth  von  Witzleben  noch  1000  fl.  Capital  und  250  fl.  Zinsen  vergleichs- 
weise bei,    um  nur  endlich    den  Besitztitel   in  Ordnung    zu  bringen.     In 

*)  Orig.  im  Arch.  zu  Angelroda.  Am  6.  März  1651  quittirten  die  GrafimieD 
tber  7000  11. 

10 


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—     134     — 

einer  Generalquittung  vom  14./24.  Aug.  1660  erklärte  sich  das  von 
PöUnitz'sche  Ehepaar  wegen  aller  seiner  Ansprüche  für  befriedigt,  so  dass 
die  Käuferin  und  ihre  Söhne  von  jener  Zeit  an  in  dem  ungestörten  Besitz 
des  ganzen  Gutes  Angelroda  waren.  Es  vererbte  unter  den  Nachkommen 
Job  Wilhelms  bis  auf  den  heutigen  Tag. 

Im  Jahre  1743  befand  sich  der  Besitzer,  der  Königl.  Preuss.  Lieutenant 
Albrecht  Enist  Heinrich  von  Witzleben  in  Angelroda  auf  Werbung  und 
engagirte  einen  ehemaligen  Herzogl.  Sachsen-Weimar'schen  Jägerburschen, 
Völker  aus  Ilmenau,  welcher  wegen  angeblicher  Wilddiebereien  in  üuter- 
.suchung  stand  und  dieser  durch  die  preussische  Werbung  entzogen  wurde. 
Der  Herzog  Ernst  August  zu  Sachsen- Weimar  liess  desshalb  etwa  40  zu 
Angelroda  gehörige,  aber  im  Weimar'schen  gelegene  Acker  Land  am 
4.  Jan.  1744  gerichtlich  mit  Arrest  belegen.  Der  Lieutenant  von  Witz- 
leben fand  bei  seinem  Lehnsherrn,  dem  Fürsten  von  Schwarzburg,  keinen 
Schutz  gegen  dies  Verfahren  des  Herzogs;  er  wandte  sich  daher  durch 
seinen  Regiments-Cbef,  den  Prinzen  von  Bevem  in  Stettin,  an  Friedrich 
d.  Gr.,  welcher  den  Herzog  von  Sachsen- Weimar  alsbald  veranlasste,  den 
Arrest  wieder  aufzuheben. 

Durch  Recess  vom  16.  Aug.  1810  löste  die  Gemeinde  Angelroda 
sämmtliche  Frohnen  ab,  die  sie  dem  Kittergute  leisten  musste.  Seit  dieser 
Zeit  wird  auch  das  Rittergut  in  dem  benachbarten  Martinroda,  welches  die 
von  Witzleben  bei  dem  Verkauf  von  Elgersburg  für  sich  behalten  hatten, 
als  Vorwerk  von  Angelroda  aus  bewirtbschaftet. 

Im  Jahre  1838  wurde  die  im  Sachs.-Gotha'schen  Gebiete,  Flur  Gera, 
gelegene  an  die  Angelrodaer  Flur  grenzende  sogenannte  Frohnwiese,  etwa 
30  Acker  Artland  und  Wiese,  sowie  einen  Teich  enthaltend,  von  den  Ritter- 
gutsbesitzern angekauft.  Dagegen  verkauften  sie  in  demselben  Jahre  einige 
Grundstücke  des  Guts  an  die  Kirche  zu  Angelroda,  um  dadurch  der  PlEarre 
einiges  Ackerland  zu  verschaffen,  das  anderweitig  nicht  zu  erlangen  war*). 

Das  Jahr  1848  und  die  in  Folge  desselben  erschienene  Gesetzgebung 
hat  dem  Gute  mancherlei  Verluste  gebracht.  Ausser  den  Ablösungsgesetzen 
(1849)  wollen  wir  nur  die  Streichung  des  3.  Theils  des  Lehngeldes  und 
die  Aufhebung  der  Patrimonial-Gerichtsbarkeit  (1850)  hervorheben,  welche 

0 

*)  Die  Kirche  zu  Angelroda  war  bis  1746  Filial  von  Gera,  wurde  aber  in  diesem 
Jahre,  da  ihr  Vermögen  durch  den  Ertrag  eines  seit  den  ältesten  Zeiten  ihr  gehören- 
den Waldes  auf  12,000  fl.  angewachsen  war,  von  der  Mutterkirche  getrennt  und  mit 
einem  eigenen  Pfarrer  versehen. 


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—     135     — 

letztere  den  damaligen  Eigenthümer  des  Guts,  den  Schwarzb.  Wirkl.  Geh. 
Kath  und  Oberstallmeister  Friedrich  Wilhelm  Heinrich  Carl  August  von  Witz- 
leben*) auch  um  deshalb  sehr  hart  traf,  als  er  dieselbe  50  Jahre  und 
2  Monate  innegehabt  hatte. 

Die  Gesetze  vom  7.  und  11.  Jan.  1856,  die  Separation  und  deren 
Ausföhrung  beüeflfend,  benutzte  das  Gut  sofort  dazu,  um  am  2.  Apr.  1856 
auf  Ablösung  der  Pastnachtshühner,  Zinsen  und  Lehngelder,  desgl.  der 
Weiderechte  und  auf  Zusammenlegung  der  Aecker  anzutragen.  Die  Sepa- 
ration hat  gute  Fruchte  getragen,  so  dass  Angelroda  hoffentlich  noch  lange 
Zeit  im  Besitz  unserer  Familie  verbleiben  wird. 

Nach  einer  Pachtausschreibung  vom  21.  Sept.  1869  enthält  das  Ritter- 
gut Angelroda  bei  entsprechenden  Gebäuden  und  Gärten 
ca.  428  Morgen  178  Q.-R.  Artland, 
„61        „         79      „      Wiesen, 
^        2        „         65      „      Gräben  und  Teiche, 
„111        „        84      „      Anger  und  Leeden, 
sowie  Jagd  und  Fischerei, 
und  das  Y»  St.  von  Angelroda  entfernte  Rittergut  Martinroda 

ca.     Vi  Weim.  Acker**)  507*  Ethn.  Gebäude  u.  Gärten, 
„    131       „  „         49V2      „      Artland, 

„      41       „  „         63  V*      "      Wiesen, 

„  12^4       »,  ,t         47  V*      "      Anger  und  Leeden, 

sowie  Weide-  und  Triftrecht  in  Flur  Martinroda. 


c.    Die  Linie  zn  Angelroda  bis  znm  Verkauf  der 

Elgersbnrg. 

17U— 1802. 

Der  Stifter  der  Linie  zu  Angelroda  war,  wie  wir  S.  122  gesehen  haben, 
Johann  Georg  von  Witzleben,  welcher  bei  seinem  am  2.  Januar  1743  er- 
folgten Tode  drei  Söhne  und  eine  Tochter  hinterliess. 

Von  den  Söhnen  war  der  älteste,  Friedrich  Wilhelm  von  Witz- 
leben, geb.  zu  Arnstadt  am  24.  Apr.  1712,  in  Kaiserliche  Dienste  ge- 
gangen, machte  von  1733 — 36    als  Fähnrich  in   dem  Regiment  des  Ge- 


*)  Dessen  vom  21.  Oct.  1856   datirten  Aufsatz   über  Angelroda  wir  zum  Theil 
benutit  haben. 

*•)  1  Weimar'scher  Acker  =  IV«  Preuss.  Morgen. 

10* 


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—     136     — 

nerals  Halt  die  Campagne  am  Rhein  gegen  die  Franzosen,  1739  als  Officier 
den  Krieg  gegen  die  Türken  in  Ungarn  und  Serbien  und  in  diesem  am 
22.  Juli  1739  die  Schlacht  bei  Groczka  (Marktflecken  im  Fürstenthum 
Serbien)  mit,  in  welcher  die  Oesterreicher  unter  Wallis  von  den  Türken 
unter  dem  Gross wesir  Aywas-Mehmed  und  Bonneval  geschlagen  wurden 
(in  Folge  dessen  sie  Belgrad  verloren).  Als  Fürstbischöflich  Würtzburgi- 
scher  Grenadier-Lieutenant  wurde  er  während  der  Belagerung  der  von  den 
Franzosen  besetzten  Stadt  Bergen-op-Zoom  (in  Nordbrabant)  durch  eine 
Stfickkugel  am  10.  Aug.  1747  getödtet. 

Der  jüngste  Sohn,  Georg  German  Christian  von  Witzleben, 
war  am  27.  Nov.  1721  zu  Angelroda  geboren,  trat  in  Preussische  Dienste, 
wurde  am  12.  Nov.  1745  Seconde-Lieutenant  im  Regiment  Prinz  von 
Braunschweig-Bevem,  1749  Platzmajor  in  Stettin  und  starb  daselbst  am 
10.  Juni  1751,  wie  sein  obengenannter  Bruder,  unvermählt. 

Alleiniger  Besitzer  von  Angelroda  war  nunmehr  der  mittelste  Sohn 
Johann  Georg's,  Albrecht  Ernst  Heinrich  von  Witzleben,  dessen. 
Lebensabriss  wir  nach  der  im  Archiv  zu  Angelroda  befindlichen  Leichen- 
predigt*) auf  ihn  geben,  um  den  mit  dieser  Art  geistiger  Producte  des 
vorigen  Jahrhunderts  unbekannten  Lesern  ein  Beispiel  vorzufuhren.  Also: 
Albrecht  Ernst  Heinrich  von  Witzleben  „trat  am  7.  März  1717  in  Arn- 
stadt, der  Zierde  der  Schwarzburgischen  Städte,  aus  dem  adelichen  Schoosse 
der  mit  dem  fürstl.  Schwarzburgischen  Reisestallmeister  Johann  Georg 
von  Witzleben  auf  Angelroda  vermählten  Frau  Auguste  Emestine  geb. 
von  Kragen  als  vierter  Zweig  der  ehelichen  ümannung  gesund  und  wohl- 
gestaltet hervor."  Es  folgen  nun  die  Pathen  und  die  Ahnen  (letztere  zum 
Theil  falsch).  Schon  in  der  Jugend  wurde  er  durch  den  frühzeitigen  Tod 
seiner  innig  geliebten  Mutter  einer  grossen  Stütze  beraubt.  Hauslehrer 
bildeten  ihn,  bis  er  als  Leibpage  der  Herzogin  an  den  Sachsen-Gothaschen 
Hof  kam.  „Allein  die  einnehmenden  Reizungen  des  Hofes  waren  vor  sein 
fem-iges  Gemüthe  keine  Lockspeise,  daian  er  sich  begnügte.  Es  wallete 
in  ihm  ein  Trieb  nach  Ehre,  eine  Begierde,  die  Siegeszeichen  seiner  Vor- 
fahren mit  eigenen  Lorbeern  zu  schmücken.  Er  tiat  daher  in  Preussische 
Kriegsdienste  und  begann  die  neue  Laufbahn  in  Stettin.  Sein  Eifer  im 
Dienst,  seine  unermüdete  Bemühung,  sich  immer  vollkommener  zu  machen, 
seine  unverdrossene  Willigkeit,  sich  seinen  Vorgesetzten  gehorsam,  andern 

*)  aus  der  wir  schon  8.  122  die  herrliche  Stelle  von  dem  Morgenopfer  seiner 
Mütter  angeführt  haben. 


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—     137     — 

aber  verbindlich  und  gefällig  zu  erweisen,  erwarben  ihm  Gnade,  Liebe, 
Hochachtung  und  Verehrung.  Ehe  noch  der  1 .  Krieg  in  Schlesien  aus- 
brach, war  er  bereits  Premier-Lieutenant  (?)  und  der  Krieg  eröffnete  ihm 
ein  Feld,  wo  er  seinen  Muth,  seine-  Herzhaftigkeit  und  Tapferkeit  konnte 
sehen  lassen.  Allen  Feldschlachten  wohnte  er  mit  bei;  namentlich  der 
bei  MoUwitz  am  10.  Apr.  1741,  der  bei  Czaslau  und  Chotusitz  am  17.  Mai 
1742,  Hohenfriedberg  am  4.  Juni  1745,  der  bei  Sorr  und  Deutsch-Braus- 
nitz  am  30.  Sept.  1745.  Er  war  unter  den  Belagerern  vor  Breslau,  Glogau, 
Glatz  und  Neisse  und  hielt  die  harte  Belagerung  der  Stadt  Prag  mit  aus. 
Bei  Hohenfriedberg  wmde  er  hart  verwundet*);  der  Herzog  von  Bevem, 
Chef  seines  Regiments,  ermahnte  ihn,  noch  ehe  das  Blei  ihn  traf,  die 
Schlachtordnung  zu  verlassen,  weil  er  einen  starken  Anfall  von  seiner  schon 
damals  ihm  anhängenden  Leibesbeschwerung  hatte,  allein  er  weigerte  sich, 
von  seiner  Stelle  eher  zu  weichen,  als  bis  er  nicht  mehr  würde  stehen 
können. 

So  viele  ermüdende  Feldzüge,  so  viele  hitzige  Schlachten,  so  manche 
stürmende  Belagerung,  so  manches  Handgemenge,  so  manche  gefährliche 
Stellung,  wohin  der  Dienst  ihn  rief,  und  dennoch  noch  eben  so  stark, 
munter  und  ungelähmt,  als  vor  dem  Eintritt  in  das  kriegende  Heerlager**). 
Er  war  von  seinen  Brüdern  der  Einzige,  der  sein  uraltes  Geschlecht  fort- 
pflanzte, dahingegen  die  andern  in  dem  Frühlinge  ihres  Alters  unverheira- 
thet  gestorben.  Den  empfindlichen  Verlust  seines  Vaters  ersetzte  eine  eben 
80  glückliche  als  vergnügte  Ehe.  Er  fand  das  Ziel  seiner  Wünsche  in 
den  Armen    einer    an    Leibe    und  Gemüte    schön    erbildeteii   Braut,    dem 


*)  durch  eine  Kugel  in  die  Seite.  Im  Archiv  zu  Angelroda  befindet  sich  ein 
Brief  Philipp  Heinrich's  von  Witzleben  an  Albrecht  Ernst  Heinrich,  d.  d.  Canienz  den 
23.  Mai  1745,  den  letzterer  in  der  Westentasche  trug  und  durch  den  die  Kugel  ging. 

**)  d.  d.  Berlin,  den  5.  Oct.  1747  ertheilte  Friedrich  ^].  G.  „dem  Capitaine  vom 
Bevem'schen  Regiment  zu  Fuss  Georg  Ernst  Heinrich  von  Witzleben"  den  erbetenen 
Abschied,  bezeugte  „auch  zugleich  in  Gnaden,  dass  jetzt  gedachter  Capitaine  von  Witz- 
leben die  ganze  Zeit  Seiner  obgehabten  Krieges  Dienste  und  bey  allen  darinn  vorge- 
fallenen Krieges  Begebenheiten  sich  jedesmahl  getreu,  tapffer  und  dergestalt  unver- 
weisdich  aufgeführet  vnd  erwiesen  habe,  dass  Allerhöchstgedachte  Seine  Königliche 
Majestät  damit  beständig  allergnädigst  wohl  zufrieden  gewesen  und  dannenhero  Jeder- 
männiglich  nach  StAnde8**rfordern  d«^8s**lben  Persobn  hiHrdur«*h  b^^st^ns  r**coinmendir**n'*. 
«Orig.  im  Arch.  zu   Ang»>lro<ia.  i 

Bei  Pauli.  Leb»»n  gr.  Heiden,  VI.  p.  24;^  wird  Albre»-.ht  Krnst  Heinrich  eben- 
fall«  föWhlich  G*^org  Em.«t  Heinri«'h  von   Witzl^h^n  genannt. 


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Fräulein  Albertine  Christiane  Charlotte  von  Witzleben*),  der 
jüngsten  Tochter  Johann  Adam's  von  Witzleben  auf  Liebenstein,  Pranken- 
hairi  und  Rippersroda,  Sachs.  Goth.  Oberstlieutenants  über  das  Dragoner- 
V  Regiment,  dessen  Asche  von  seinen  noch  lebenden  Unterthanen  mit  Thränen 
der  Sehnsucht  und  Verehrung  benetzt  wird.  Die  Vermählung  wurde  zu 
Angelroda  am  30.  Nov.  1747  vollzogen  und  nun  der  Grund  gelegt  zu 
seinem  zweiten  Lebensabschnitt,  zum  Ehstande  und  zur  Hauswirthschaft. 
Was  für  unnennbare  Wohlthaten  hat  da  nicht  der  Höchste  ihm  in  beiden 
erwiesen?  eine  Gemahlin,  welche  die  Empfindungen  von  Freude  und  Schmerz 
so  mit  ihm  theilte,  dass  dadurch  jene  erhöhet  und  dieser  erträglich  gemacht 
wurde;  eine  Gemahlin,  aus  deren  Munde  sanfte  üeberredungen  und  aus 
deren  Augen  zärtliche  Begegnungen  flössen;  eine  Gemahlin,  die  zu  einer 
fröhlichen  Kindermutter  wurde  und  fast  alle  Jahr  ihren  Gemahl  mit  einem 
neuen  Unterpfande  der  ehelichen  Verbindung  durch  den  Segen  des  Höchsten 
beschenkte. 

Von  diesen  Leibesfrüchten  zog  sich  Gott  die  drei  ältesten,  nämlich 
einen  Sohn  und  zwei  Töchter  aus,  um  sie  bei  sich  im  Himmel  zu  haben ; 
sechs  davon  aber  liess  er  den  glückseligen  Eltern  zurück: 

1)  Bemhardine  Auguste  Friederike  Cluistiane,  welche  1748,  10.  Sept 
mit  ihrer  Ankunft  auf  die  Welt  ihre  Eltern  erfi-eute,  aber  1749,  6.  Juli 
mit  ihrem  Abschied  auch  wieder  betrübte,  welche  Betrübniss  sich  aber 
doch  wieder  in  desto  grösseres  Vergnügen  verwandelte,  als 

2)  1749,  19.  Aug.  ein  männlicher  Erbe  erfolgte,  Friedrich  Wilhelm 
Hartmann  Heinrich,  der  jedoch  1754,  31.  Mai  der  Gresellschafl  der  Aus-' 
erwählten  einverleibt  wurde.     Es  lachte 

3)  1750,  7.  Sept.  die  Eltern  abermals  ein  Fräulein  an,  Sophie  Luise 
Dorothee  Friederike,  die  aber  nicht  länger  als  bis  1752,  17.  Juli  in  der 
Welt  blieb. 

4)  Der  7.  Apr.  1753  setzte  die  Eltern  durch  die  Geburt  eines  aber- 
maligen jungen  Herrn,  mit  Namen  Job  Wilhelm,  in  ein  besonderes  Ver- 
gnügen.    Dasselbe  wurde  noch  grösser,  als 

5)  1755,  11.  Juni  abermals  ein  Sohn  das  Witzleben'sche  Geschlecht 
vermehrte:  Carl  Friedrich  Heinrich  Günther.  Die  Gütigkeit  des  Höchsten 
beschenkte  sie  darauf 

6)  1756,  17.  Mai  mit  Jeannette  Caroline  Christiane, 

•)  n.  19.  Febr.  1727,  10  Uhr  Morgens,  in  Liebenstein.  Ihre  Mutter  war  Eleo- 
nore Friederike  geb.  Freiin  von  Roder  a.  d.  H.  Dörnfeld. 


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7)  1757,  19.  Oct  mit  Wilhelmine  Sophie  Friederike, 

8)  1759,  2.  Apr.  mit  Auguste  Charlotte  Luise  und 

9)  1760,  6.  Juni  mit  einem  Sohn  Friedrich  Wilhelm  Ludwig. 

Und  der  Höchste  lasse  auch  das,  was  jetzt  auf  ihn  im  Mutterleibe 
geworfen  ist,  dermaleinst  seine  Zuversicht  sein  an  seiner  Mutter  Brüsten 
(nämlich  No.  10). 

Den  Verrichtungen  seiner  ökonomischen  Verhältnisse,  darauf  er  sich 
zu  legen  nie  Gelegenheit  noch  Lust  gefunden,  unterzog  sich  Albrecht  Ernst 
Heinrich  bald  mit  solchem  Eifer,  dass  es  ihm  gelang,  seine  Scheuren  zu 
füllen,  und  dass  nie  ein  Wetterschade  die  Frucht  seiner  Arbeit  vereitelt 
hat.  W^ie  man  denn  auch  unter  die  leiblichen  Wohlthaten  billig  die 
alleinige  Besitzung  der  väterlichen  Güter  und  andere  zußJliger  Weise  an- 
hejm  gefallene  Erbschaften  rechnen  mag.^ 

In  der  Nacht  vom  14.  zum  15.  Mai  1761  erkrankte  Albrecht  Ernst 
Heinrich  von  Witzleben  plötzlich  am  Friesel  und  am  22.  Mai  Morgens 
8  Uhr  starb  er  zu  Angelroda,  im  Alter  von  44  Jahren,  10  Wochen  und 
5  Tagen. 

Seine  Wittwe  gebar  am  8.  Nov.  1761  noch  einen  Sohn  Friedrich 
Albrecht  Ernst  Heinrich.  Sie  befand  sich  in  ziemlich  bedrängter  Lage 
mit  4  Söhnen  und  3  Töchtern  auf  dem  kleinen  verschuldeten  Gute;  ihr 
heiterer  Sinn  verliess  sie  aber  nicht,  so  viel  sie  auch  in  den  Kriegszeiten 
sowie  durch  Feuers-  und  Wassersnoth  geprüft  worden  ist.  Sie  starb  nach 
57 jährigem  Wittwenstande  im  91.  Lebensjahre  am  12.  März  181R,  nach- 
dem sie  kurz  vor  ihrem  Tode  noch  den  tiefen  Schmei-z  empfunden  hatte, 
dass  ihr  jüngster  Sohn,  den  sie  als  posthumus  immer  besonders  geliebt 
hatte,  ihr  durch  den  Tod  entrissen  wurde. 

Von  den  Söhnen  Albrecht  Ernst  Heinrichs  von  Witzleben  war  Job 
Wilhelm  am  7.- April  1753  Morgens  5  Uhr  zu  Angelroda  geboren. 
Nachdem  er  von  1766  —  71  die  Klosterschule  liossleben  besucht  hatte, 
trat  er  in  Preussische  Dienste,  wurde  1773  dem  eben  errichteten  Infcinterie- 
Regiment  von  Luck*)  zugetheilt,  war  1788  in  demselben  jüngster  Stabs- 
capitain  und  führte  während  des  Polnischen  Feldzuges  1 794  eine  Compagnie. 
Am  26.  Sept.  1803  wurde  er  zum  Major  ernannt,  blieb  aber  dabei  Com- 

*)  Das  Regiment  hiess  1773  —  80  von  Lnck,  1780  —  84  v.  d.  Goltz.  1784  —  85 
Graf  Schwerin,  1785  —  86  von  Räumer,  1786  —  94  von  Favrat,  1794— 1800  Reichs- 
graf zu  Anhalt,  1800—1806  Jung-Larisch  und  wurde  1807  aufgelöst;  seine  Garnison 
war  Braunsberg  in  Ostpreussen,  seit  1796  Thom. 


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pagnie-Chef,  und  machte  auch  als  solcher  im  Corps  des  Herzogs  Eugen 
von  Würtemberg  den  Feldzug  von  1806  mit.  Während  des  Röckzuges 
auf  Lübeck  hatte  der  Herzog  sein  Corps  verlassen  und  Blücher  das  Com- 
mando  übernommen;  Job  Wilhelm  von  Witzleben  wurde  Bataillons-Com- 
mandeur.  Das  Blüchersche  Corps  hatte  Lübeck  besetzt,  als  der  Marschall 
Bernadotte  am  6.  Nov.  1806  angriff.  Die  Nacht  vom  5.  zum  6.  hatte 
das  Regiment  Jung-Larisch  vor  der  Stadt  biwakirt,  am  6.  bezog  es  in 
aller  Frühe  die  befohlene  Stellung  am  öalgenberge  vor  dem  Burgthore, 
die  es  jedoch  nach  einigen  Stunden  verliess,  um  in  Lübeck  einquaitiert  zu 
werden.  Nicht  lange  genoss  man  der  Ruhe;  Major  von  Witzleben  erhielt 
den  Befehl,  mit  4  Compagnieen  und  2  Geschützen  die  Trave  aufwärts  zu 
marschiren  und  die  dortige  Brücke  zu  besetzen.  Major  von  Ende  mit 
6  Schwadronen  Husai'en  und  Dragonern  sollte  ihn  unterstützen.  Bald 
nachdem  sie  abgerückt  waren,  ward  Lübeck  erstürmt.  „Der  Major  von 
Witzleben",  berichtet  General  von  Höpflher  in  seiner  Geschichte  des  Feld- 
zuges von  1806  und  1807,  „der  die  Brücke  bei  Moisling  bereits  zum  Theil 
zerstört  hatte,  vnirde  durch  feindliche  Reiter  in  dieser  Arbeit  gestört  und 
bald  darauf  auch  durch  Infanterie  angegriffen.  Nachdem  er  sich  einige 
Zeit  hierselbst  gewehrt  hatte,  erhielt  er  durch  den  Major  von  Ende  die 
Nachricht  der  Erstürmung  von  Lübeck  und  den  Befehl  zum  Rückzuge, 
den  er  auch  sofort  antrat,  ohne  verfolgt  zu  werden.  Doch  als  ihm  der 
Wegweiser  entwischte  und  er  nach  der  Thurmspitze  des  ihm  bezeichneten 
hinter  dem  Walde  liegenden  Dorfes  querfeldein  marschirte,  gerieth  er  bald 
in  ein  mit  Gräben  durchschnittenes  Terrain,  in  welchem  er  seine  beiden 
Bataillons-Kanonen  nicht  fortbringen  konnte.  Um  die  Geschütze  nicht  im 
Stich  zu  lassen,  blieb  dem  Major  Witzleben  nichts  übrig,  als  nach  der 
Lübecker  Landstrasse  zurückzukehren,  um,  die  Stadt  rechts  lassend,  so 
den  Rückweg  weiter  foi^tzusetzen.  Doch  auf  diesem  Marsche  ward 
er  unerwartet  von  einer  Gartenmauer  zur  Linken  her  von  einer  an- 
sehnlichen feindlichen  Infanterie -Masse  und  in  der  Front  von  Cavallerie 
angegriffen  und,  bevor  die  Geschütze  noch  abprotzen  konnten,  über- 
wältigt. Die  4  Compagnieen  waren  zusammen  nur  noch  9  Officiere 
136  Mann  stark."  Major  von  Ende  war  bereits  eine  Stunde  vorher  ge- 
fangen genommen  worden;  den  nächsten  Tag  capitulirte  das  ganze 
Blüchersche  ^^orps  bei  Schwartau  und  Ratkau.  Wo  Job  Wilhelm  wäh- 
rend der  Befreiungskriege  gefochten,  wissen  wir  nicht:  er  avanciri^v  noch 
zu  Oherstlientenant,    wurde   vor  1*^17  mit  P^^nsiou    verabschiedet  und  zog 


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nach  Rudolstadt,  wo  er  den  16.  Febr.  1824  früh  174  Uhr  am  Lungen- 
schlag starb  und  am  18.  dess.  M.  Nachmittags  auf  dem  alten  Gottesacker 
begraben  wurde;  er  hatte  sein  Leben  gebracht  auf  70  Jahre,  10  Monate, 
1  Woche  und  2  Tage. 

Im  Jahre  1801  hatte  sich  Job  Wilhelm  mit  seiner  Schwägerin 
Friederike  Sophie  von  Witzleben,  geb.  Horch,  der  Wittwe  seines  Bruders 
Friedrich  Wilhelm  Ludwig,  vermählt.    Seine  Descendenz  s.  Tab.  I.  7. 

Carl  Friedrich  Heinrich  Günther  von  Witzleben  war  am 
11.  Juni  1755  in  Angelroda  geboren,  von  1766  —  71  Schüler  in  Rossleben 
and  ta*at  am  19.  Sept.  1772  als  Junker  in  das  Preuss.  Infanterie-Regiment 
von  Schwerin,*)  welches  in  Halberstadt  in  Garnison  stand.  Nachdem  er 
am  3.  August  1773  zum  Cornet  und  am  24.  Juni  1777  zum  Seconde- 
Lieutenant  aufgerückt  war  und  die  Campagne  in  Schlesien  (den  soge- 
nannten Kartoffelkrieg)  1778  mitgemacht  hatte,  wurde  er  am  17.  Juni  1783 
zum  Premier-Lieutenant,  am  5.  Juni  1788  zum  Stabs-Capitain  und  1792 
zum  Compagnie-Chef  ernannt.**)  Während  des  Rheinfeldzuges  nahm 
Heinrich  Günther  von  Witzleben  Theil  an  der  Kanonade  von  Valmy, 
20.  Sept  1792,  der  siegreichen  Bataille  von  Pirmasenz  am  14.  Sept.  1793, 
der  dreitägigen  Schlacht  bei  Kaiserslautern,  28.  —  30.  Nov.  1793,  dem 
glücklichen  Angriff  auf  diesen  Ort  am  Vij  Mai  1794  und  der  Belagerung 
von  Mainz.  Am  18.  Febr.  1798  avancirte  er  zum  Major,  blieb  aber 
Compagnie-Chef.  Im  Jahre  1805  wurde  das  Regiment  Herzog  von  Braun- 
schweig mobil,  kam  indess  bei  den  bekannten  politischen  Verhältnissen 
erst  im  Herbst  1806  vor  den  Feind.  Zur  Division  des  Grafen  Wartens- 
leben gehörend,  focht  es  in  der  Schlacht  bei  AuersteJt  und  wurde  zu  den 
wiederholten  Angriffen  auf  das  Dorf  Hassenhausen  vorgeführt,  ohne  dass 
es  ihm  gelang,    den  Feind  daraus  zu  vertreiben.     Fast   die  Hälfte  der 

•)  1756  —  67  von  Hülsen,    1767  —  73  von  Schwerin,    1773  —  1806  Herzog  von 
BrauMchweig. 

**)  Witileben,  der  selbst  der  edlen  Dichtkunst  huldigte,  war  sehr  befreundet  mit 
ßleim  und  dem  tollen  Hagen,  welcher  behauptete,  zu  jeder  Zeit  in  Versen  sprechen 
M  können.  Als  Goethe  im  Sept.  1783  in  Halberstadt  war,  lauerten  in  Folge  einer 
Wette  Gleim,  Goethe  und  Witzleben  vermummt  Hagen  auf,  als  er  in  der  Nacht,  aus 
einer  C^llschaft  kommend,  eine  enge  Gasse  betrat,  und  feuerten  Pistolenschüsse  auf 
ihn  ab.  wobei  sie  ihn   aufforderten,   in  Versen  zu  sprechen.     Hagen  erwiderte  sofort: 

„Gott,  du  gerechter  Richter, 

Der  du  kennst  alle  schlechten  (iesichter. 

Kannst  du  mir  nicht  sagen  mein  — , 

Wer  die  dr«i  Hundsfötter  mög^n  g^inV** 


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Division  deckte  todt  oder  verwundet  das  Schlachtfeld ;  vor  ihrer  Front,  im 
Begriff,  ein  Grenadier-Bataillon  zum  Sturm  zu  führen,    fiel  endlich  der 
Führer  der  Annee,  der  Chef  des  Regiments,  der  greise  Herzog  von  Braun- 
schweig —  eine  Kugel  hatte  ihn   heider  Augen  beraubt,   er  sank  vom 
Pferde  und  starb  einige  Tage  darauf  in  Ottensen.     Sein  Regiment  ward 
in  den  allgemeinen  Rückzug  mit  fortgerissen.    Der  Major  Heinrich  Günther 
von  Witzleben  führte    den  Rest   des  Regiments   über   die   alte  Garaison 
Halberstadt,  wo  er  am  Abend  des  18.  Oct.  eintraf,  und  Magdebui^  durch 
das  Havelland  der  Ukermark  zu.     Das  einst  so  stolze  Regiment  war  zu 
einem  Schatten  herabgesunken;  was   die  Kugeln  von  Hassenhausen  ver- 
schont,   fiel   unter  den  Entbehrungen  und  Anstrengungen  des  Marsches. 
Dem  Fürsten  von  Hohenlohe   hatte    der  König   die  Führung  der  Armee 
übertragen.     Am  28.  Oct.    kam   man   bei  Prenzlau    an,    das    Regiment 
Herzog   von  Braunschweig   kaum   noch  300  Mann  stark.     Vom  Feinde 
hart  bedrängt,  durch  falsche  Nachrichten  bethört,   vor  Erschöpfung  fast 
aufgerieben,    schloss  der  Fürst   hier  die  bekannte  Capitulation,    mit    der 
auch  das  Regiment  Herzog  von  Braunschweig  aufhörte  zu  eiistiren;    die 
OflBciere    wurden   auf  Ehrenwort   entlassen.     Bis   zum  Jahre   1810    war 
Heinrich  Günther  ausser  Dienst.     Dann  vmrde  er  als  Director  der  Gewehr- 
fabrik   und  Präses  der  Gewehr-Revisions-Kommission  nach  Potsdam  be- 
rufen,   wo  ihn  der  ev.  Bischof  Eylert  (Biograph  Friedrich  Wilhelm  Jll.) 
kennen  lernte  und  als  einen  biedern,  echt  deutschen  Mann  schildert.    Am 
13.  Apr.  1812   wurde  er  Oberstlieutenant,    1813  und  14  erhielt  er  das 
Commando  über  die  unter  ihm  formirten  Reserve-Bataillons  in  Berlin  und 
am  26.  April  1814  wurde  er  nach  Auflösung  der  Reserve-Bataillons  zum 
Oberst  und  Inspecteur  sämmtlicher  Garnison-Truppen  in  den  Marken  und 
Pommern  ernannt.    Nach  1815  wurde  er  Inspecteur  der  Gamison-BataiHons 
und  Invaliden  im  General-Commando  von  Brandenburg.    Nachdem  er  in 
dieser  Stellung  am  25.  Dec.  1818,  wenige  Wochen  nach  der  Ernennung 
seines  berühmteren  Sohnes  zum  Generalmajor,  eben  diese  Charge  erreicht 
hatte,  bat  er  1820,  beinahe  ein  halbes  Jahrhundert  der  Armee  angehörend, 
um  den  Abschied,  der  ihm  in  Gnaden  gewährt  wurde,  und  zog  sich  nach 
Angelroda  zurack,  wo  er  am  17.  April  1824  Morgens  Y*7  Uhr  sanft  und 
schmerzlos    an    Entkräftung    starb.*)     Heinrich   Günther    hatte    sieb    am 


*)  Heinrich  Günther  war  1789  von  Ernst  von  Witzleben  zum  Liebenstein  in  die 
Mitbelehnschaft  des  Ritterguts  Frankenhain  aufgenommen.  Das  Nähere  darüber  s.  im 
Abschnitt  über  das  Haus  Liebenstein. 


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5.  Jtili  1782  nach  vielen  überstandenen  Schwierigkeiten  in  Gregenvait  des 
Herrn  Domdechant  Freih.  Spiegel  zum  Desenberg,  des  Herrn  Präsidenten 
und  Frau  Präsidentin  von  Comberg,  des  Herrn  Criminalrath  Oppermaiin 
und  seiner  Frau  und  des  Herrn  ßegierungs-Secretair  Zachariae  auf  den 
Spiegelsbergen  (bei  Halberstadt)  in  einer  Eremitage  mit  Amalie  Caroline 
Luise  Wilhelmine  Freiin  von  Wulff  a.  d.  H.  Fuchteln,  einer  am 
I.Juli  1766  zu  Halberstadt  geborenen  Tochter  des  Königl.  Preuss.  Haupt- 
manns im  Regimefit  Jung-Bevem  Arnold  Dietrich  Christian  Freihenn  von 
Wulff  zu  Fuchteln*)  (n.  1716,  f  i766)  und  der  Luise  Henriette  Leopol- 
dine Elisabeth  von  Rauchhaupt  a.  d.  H.  Oppin,  ehelich  verbunden.  „Die 
Anstalten  sowohl  als  die  Kosten  dieser  Hochzeit  besorgte  der  grossmüthige, 
menschenfreundliche  Domdechant  von  Spiegel,"   Seine  Descendenz  s. Tab.  I.  8. 

Friedrich  Wilhelm  Ludwig  von  Witzleben,  am  6.  Juni  1760 
zu  Angelroda  geboren**),  kam  als  Page  an  den  Schwarzburgischen  Hof  zu 
Budolstadt  und  trat  um  1780  bei  dena  Infanterie-Regiment  von  Schott***) 
in  Königsberg  in  Preussische  Dienste.  1794 — 96  war  er  mit  dem  Re- 
giment in  Polen,  wo  er  einige  Scharmützel  mitmachte,  und  kam  1796 
nach  Braunsberg  in  Garnison,  wo  er  als  ältester  Stabscapitain  am  2.  Mai  1800 
starb  und  bei  Heilige  Linde  begraben  vmrde,  nachdem  er  sich  1789  ver- 
lobt und  am  30.  Nov.  1796  vermählt  hatte  mit  Friederike  Sophie 
Horch,  der  am  21.  Jan.  1769  geborenen  Tochter  des  Raths  Horch  in 
Rastenburg,  welche  1801  ihren  Schwager  Job  Wilhelm  von  Witzleben 
heirathete.     Friedrich  Wilhelm  Ludwig's  Descendenz  s.  Tab.  I.  9. 

Friedrich  Albrecht  Ernst  Heinrich  von  Witzleben,  am 
8.  Nov.  1761,  über  6  Monate  nach  dem  Tode  seines  Vaters,  zu  Angeboda 
geboren,  lernte  Ende  der  70er  Jahre  in  der  Ruhl  in  Thüringen  das  Forst- 
und  Jagdwesen,  wurde  Jagdpage  in  Weimar  und  trat  um  1780  beim 
Infenterie- Regiment  von  Pfuhl  in  Berlin  in  Preussische  Dienste,  wo  er 
ausserdem  auch  Königlicher  Jagdjunker  wurde.  In  allen  ritterlichen 
Cebungen  wohl  erfehren,  besass  er  namentlich  als  Schütze  eine  ausser- 
gewöhnliche    Geschicklichkeit   und   seiner    gesellschaftlichen   Talente   und 

*)  Das  Geschlecht  von  Wulff  zu  Fuchteln  ist  erloschen,  jedoch  existirt  noch  die 
Familie  von  Lüdinghausen-Wolff,  von  welcher  die  von  Wulff  abstammten. 

**)  Zu  seinen  Pathen  gehörten  Friedrich  d.  Gr.,  der  Herzog  von  Bevern  und 
Prinz  Wilhelm  zu  Schwarzburg-Arastadt. 

***)  Das  Regiment  hiess  bis  1776  von  Borck,  1776  —  80  von  Schott,  1782-89 
TOD  Romberg,  1729-92  von  Gilleru,  1792—1800  von  Hausen,  1800—1807  von 
Diericke  und  jetzt  4.  Ostpr.  Grenadier-Regt.  Nr.  5. 


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—     144     — 

stattlichen  Erscheinung  wegen  war  er  selbst  am  Hofe  Friedrich  Wilhelms  11. 
eine  gern  gesehene  Persönlichkeit.*) 

Anfangs  der  neunziger  Jahre  marschirte  das  Regiment  von  Pfuhl  mit 
nach  Polen  und  erhielt  1795  das  neuei-worbene  Warschau  als  Garnison 
und  den  General  von  Thiele  zum  Chef.**)  Unter  diesem  stand  Heinrich 
von  Witzleben  nicht  lange,  denn  schon  im  Januar  1796  wurde  er  als 
Capitain  in  das  neu  errichtete  Füsilier-Bataillon  von  Stuttemheim  nach 
Heilsberg  versetzt.  Am  30.  Nov.  1798  erfolgte  die  E»ennung  zum  Major 
und  zugleich  die  Versetzung  zum  Füsilier-Bataillon  des  Majors  von  York 
(welches  1800  der  Major  von  Schachtmeyer  erhielt)  nach  Johannisberg  in 
Ostpreussen;  1805  folgte  er  York  in  dem  Commando  des  Feldjägerregiments 
in  Mittenwalde,  dessen  Chef  der  Oberst  von  York  blieb. 

1806  gehörte  der  Major  von  Witzleben,  ebenso  wie  sein  Chef,  mit 
dem  er  stets  in  gutem  Einvernehmen  blieb,  zur  Avantgarden -Division, 
welche  der  Herzog  Carl  August  von  Sachsen- Weimar  befehligte.  Er 
machte  die  Schlachten  von  Jena  und  Auerstedt  nicht  mit,  dagegen  erhielt 
er  am  Schlachttage  (14.  Oct.  1806)  vom  Herzog,  welcher  bei  Ilmenau 
stand  und  auf  Nachrichten  wartete,  den  Auftiag,  mit  2  Compagnieen  Jäger 
und  1  Schwadron  Husaren  Saalfeld  zu  überfallen  und  sich  der  vom  Feinde 
daselbst  zurückgelasseneu  Kanonen  zu  bemächtigen.  Bei  Eiiurt  vorbei, 
über  Mühlhausen  und  Heiligenstadt,  den  Harz  rechts  lassend,  zog  das 
Weimarsche  Corps  der  Elbe  zu.  Am  30.  Oct.  fand  das  Gefecht  bei  Alten- 
zaun statt,  in  welchem  sich  namentlich  die  Jäger  hervorthaten,***)  und  am 
1.  Nov.  das  bei  Waren,  lieber  letzteres  sagt  Höpfl&ier,  der  Krieg  von 
1806  und  1807,  Th.  II.  S.  251:  „Nachdem  aufs  Neue  das  Signal  zum 
Rückzug  gegeben  war,  folgte  der  durch   das  sichere  Feuer  unserer  Jäger 

*)  Auf  der  vom  König  zum  Mardi  gras  des  Jahres  1788  gegebenen  Redoute 
tanzte  der  Lieutenant  von  Witzleben  als  Orpheus  mit  der  Gräfin  Brühl  als  Euridice, 
und  im  Nov.  dess,  J.  bei  der  Einweihung  der  vom  König  im  Schloss  bewohnten  Ge- 
mächer tanzten  eine  Quadrille  der  König  mit  der  Gräfin  Ingenheim  (der  schönen  Julie 
von  Voss),  die  Prinzessinnen  Friederike  (älteste  Tochter  des  Königs)  und  Luise  (Tochter 
des  Prinzen  Ferdinand,  jüngsten  Bruders  Friedrichs  d.  Gr.).  die  Herzogin  Friedrich  von 
Braunschweig  und  die  Lieutenants  von  Schack  und  Witzleben  und  der  Graf  Lindenau. 
8.  G.  W.  von  Raumer:  Berlin  in  den  Jahren  kurz  vor  der  Franz.  Revolution  von  1786  — 1792, 
abgedr.  im  Berliner  Kalender  für  1847,  Verl.  von  Carl  Reimarus,  S.  49  und  21. 

**)  Das  Regiment  war  ursprünglich  für  einen  Erbprinzen  von  Würtemberg  er- 
richtet worden  und  in  demselben  standen  viele  Würtemberger,  weshalb  es  lange  Zeit 
nachher  noch  das  Wiirtembergische  Regiment  genannt  wurde. 

***)  ^'fr.  i^roysen,  York'.«  Leben,  und  Guinthau,  die  Jäger  und  Schützen. 


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—     145     — 

3cheu  gemachte  Feind  nur  behutsam.  Die  Compagnie  Witzleben,  die  sich 
auf  dem  äussei-sten  linken  Flügel  befand,  hatte  das  Signal  nicht  gehört 
und  stand  noch  im  Walde,  als  die  übrigen  Compagnieen  denselben  bereits 
verlassen  hatten;  sie  wurde  bald  vom  Feinde  von  allen  Seiten  umgeben, 
zog  sich  indessen  mit  solcher  Buhe  und  unter  einem  so  sichern  Feuer 
zurück,  dass  der  Feind  ihr  nichts  anhaben  konnte.  Da  des  Feindes 
Tirailleurs  sich  haufenweise  aufdrängten,  die  Jäger  aber  einzeln  von  Baum 
zu  Baum  zurückgingen,  so  verlor  der  Feind  sehr  viele  Menschen,  die 
Compagnie  aber  nur  1  Officier  und  20  Jäger  an  Todten  und  Verwundeten." 

Am  6.  Nov.  1806  fand  das  Gefecht  in  den  Strassen  Lübecks  statt. 
Von  den  6  Compagnieen  Jäger,  welche  kurz  vor  Anfang  des  Gefechts  in 
der  Stadt  selbst  Quartier  bekommen  hatten,  wurde  ein  grosser  Theil  er- 
schossen oder  mit  dem  Bajonet  niedergestochen,  als  sie  eben  aus  den 
Häusern  traten.  Mehrere  leisteten  indess  einen  verzweifelten  Widerstand 
und  feuerten  sogar  aus  den  Kellern  und  Häusern  so  lange  es  irgend  ging. 
Oberst  York  als  Chef  und  Major  von  Witzleben  als  Commandeur  des 
Feldjägerregiments  hatten  in  der  Eile  und  Verwirrung  eine  kleine  Anzahl 
Jäger  gesammelt  und  sich  den  in  allen  Strassen  andringenden  Feinden 
entgegengeworfen.  Gelang  es  auch  wirklich,  durch  Böchsenfeuer  die 
Franzosen  an  einzelnen  Stellen  aufeuhalten  oder  zurückzudrängen,  so 
quollen  doch  immer  stärkere  Colonnen  in  die  Strassen  hinein,  so  dass 
Nichts  als  der  Rückzug  übrig  blieb.  Dieser  aber  war  äusserst  mörderisch 
für  die  Jäger,  denn  da  sie  durch  ihre  Büchsen  den  Franzosen  den  meisten 
Schaden  zugefügt,  so  gaben  diese  auch  keinen  Pardon,  und  wer  mit  der 
Büchse  in  der  Hand  gefangen  wurde,  kam  nicht  mit  dem  Leben  davon. 
Dass  die  Jäger  durchaus  Nichts  vom  Rückzuge  wissen  wollten,  beweist, 
dass  Oberst  von  York  und  Major  von  Witzleben  (dieser  verwundet)  noch 
in  der  Holsteiner  Strasse  abgeschnitten,  umringt  und  gefangen  wurden. 
Dass  Alles  im  höchsten  Grade  seine  Schuldigkeit  gethan,  dafür  spricht  die 
spätere  Verleihung  des  Ordens  pdm-  le  mörite  an  die  beiden  StabsofBciere 
und  20  Verdienstmedaillen  an  die  Oberjäger  und  Jäger.*) 

Heimich  von  Witzleben  wird  von  Blücher  in  seinen  Briefen  an  York 
(bei  Droysen)  wiederholt  der  brave  Major  von  Witzleben  genannt,  auch 
gehörte  er  mit  zu  den  ersten  Officieren,  deren  Auswechselung  von  Preussen 
bewirkt  wurde,  so  dass  er  schon  im  Frühjahr  1807  in  Königsberg  ein- 
treffen konnte.    Im  Jahre  1808  vmrde  er  zum  Oberst  und  Commandeur 

*)  8.  Schneider,  die  Preuss.  Jäger  und  Schützen« 

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—     146     — 

des  neu  errichteten  Garde-Jäger-Bataillons  und  am  14.  April  1809  ausser- 
dem zum  Unterinspecteur  (York  war  Oberinspectem)  des  Garde- Jäger-, 
sowie  des  Schlesischen  und  Ostpreussischen  Schützen -Bataillons  ernannt. 

Heinrich  von  Witzleben  muss  auch  in  weitem  Kreisen  in  dem  Rufe 
eines  kaltblütigen,  entschlossenen  und  furchtlosen  Mannes  gestanden  haben. 
Dies  geht  aus  dem  Umstände  hervor  (den  der  Oberstallmeister  Friedrich 
Wilh.  Heinr.  Carl  Aug.  von  Witzleben  aus  seines  Onkels  Heinrich  eigenem 
Munde  hatte),  dass  er  von  Patrioten  aufgefordert  worden  war,  während 
des  Monarchencongresses  in  Erfurt  1808  sich  Napoleons  lebend  oder  todt 
zu  bemächtigen.  Zu  dem  Ende  sollte  er  sich  mit  etwa  50  Jägern,  deren 
Auswahl  ihm  überlassen  blieb,  in  die  Wälder  bei  Marksuhl  begeben,  wo 
ihm  das  Terrain  von  seiner  Forst-Lehi*zeit  her  völlig  bekannt  war,  und  den 
Kaiser  auf  der  Reise  nach  Erfurt  überfallen.  Gelänge  es  ihm,  denselben 
lebend  zu  ergreifen,  so  würde  Relais  bereit  gewesen  sein,  ihn  nach  Eng- 
land zu  schaffen.  Witzleben  hat  darauf  geantwortet,  wie  er  im  ehrlichen 
Kampfe  sein  Leben  für  den  König  gern  hingeben,  zu  einem  Unternehmen 
aber,  das  mit  einem  Morde  endigen  könne,  sich  niemals  verstehen  werde. 

Im  Jahre  1809  zog  sich  Heinrich  nach  einem  Manöver  im  Biwak 
eine  schwere  Erkältung  und  in  deren  Folge  eine  Krankheit  zu,  von  welcher 
er  nicht  wieder  genesen  sollte.  Er  nahm  noch  in  demselben  Jahre  den 
Abschied  und  wurde  als  Ober-Forstmeister  in  Königsberg  i./N.  angestellt. 
Hier  hatte  er  1813  den  Verlust  seines  ältesten  Sohnes  zu  betrauera,  der 
in  der  Schlacht  bei  Gr.  Görschen  verwundet  worden  war  und  im  elterlichen 
Hause  seine  Genesung  abwarten  wollte,  aber  im  17.  Lebensjahre  starb. 
Im  Sommer  1814  sah  sich  der  schwer  kranke,  tiefgebeugte  Vater  ge- 
nöthigt,  abermals  den  Abschied  zu  nehmen,  der  ihm  ungeachtet  der  damals 
so  ungünstigen  financiellen  Lage  des  Staates  mit  einer  Pension  von 
1800  Thlrn.  und  der  Erlaubniss,  dieselbe  im  Auslande  zu  verzehren,  be- 
willigt wurde.  Er  zog  sich  nach  Angelroda  zurück,  bewirkte  1817  die 
schwierige  Auseinandersetzung  mit  der  Mutter  und  zwischen  den  Brüdern 
und  Schwestern  und  übernahm  am  1.  Mai  dess.  J.  für  sich,  seine  zwei 
Brüder  und  seinen  Neffen  Friedrich  Wilh.  Heinr.  Carl  Aug.  von  Witzleben, 
dessen  Vormundschaft  er  seit  1800  geführt  hatte,  die  Wirthschaft  daselbst 
und  zu  Martinroda  Am  6.  Januar  1818  erlöste  ihn  der  Tod  von  seinen 
schweren  Leiden. 

Nach  12 jährigem  Brautstande  hatte  sich  Friedrich  Albrecht  Ernst 
Heinrich  von  Witzleben  um  1795  mit  Wilhelmine  von  Koppenfels» 


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—     147     — 

der  bildschönen  Tochter  des  Wirkl.  Geh.  Raths  von  Koppenfels  in  Weimar 
verheirathet,  welche  ihm  das  Rittergut  Rohrbach  (im  Amte  Buttstedt  des 
Grossherzogthums  Sachsen- Weimar,  2V2  St.  nordnordöstlich  von  Weimar, 
an  der  Strasse  nach  Wiche  gelegen,  nach  Schumanns  St.  P.  und  Zeit.  Lex. 
noch  im  Jahre  1833  in  Besitz  seiner  Nachkommen)  zubrachte.  Seine 
Descendenz  s.  Tab.  I.  10. 

Die  vier  Brüder,  deren  kurze  Lebensbeschreibungen  wir  eben  gegeben 
baben,  waren  die  Lehnserben  ihres  Vetters,  des  Wirkl.  Geh.  Raths  und 
Ober-Hoftnarschalls  Friedrich  Hartmann  von  Witzleben  auf  Elgersburg, 
Gera,  Manebach,  Martinroda,  Neuroda  und  Trasdorf.  Kaum  hatte  dieser 
am  Morgen  des  3.  Oct.  1788  die  Augen  för  immer  geschlossen,  als  sich 
noch  an  demselben  Tage  der  Heraogl,  Weimarsche  Hof-Advokat  Blumröder 
zu  Ilmenau  auf  Grund  einer  ihm  bereits  im  Jahre  1787  ausgefertigten 
Vollmacht  der  vier  Brüder  und  Lehnsfolger  nach  Elgersburg  begab,  um 
für  dieselben  Besitz  zu  ergreifen.  Es  begleiteten  ihn  drei  Zeugen  und 
der  Kaiserliche  Notar  Eisentraut,  welcher  über  den  Act  der  Besitzergreifung 
ein  höchst  ausführliches  Notariats-Instrument*)  aufnahm.  Danach  begaben 
sich  alle  geraden  Weges  nach  dem  Schloss  Elgersburg,  wo  sie  Abends 
8  ühr  ankamen.  Das  Thor  war  zu,  aber  die  Frau  des  Gärtners  öffnete 
freiwillig  und  übergab  den  Thorschlüssel  an  Blumröder,  welcher  demnächst 
die  üblichen  Formalitäten  verrichtete,  d.  h.  redete,  einen  Span  aus  dem 
Thor  schnitt,  dasselbe  auf-  und  zuschloss,  desgl.  die  Hausthür,  darauf  in 
dem  Bilder-  oder  Speisesaal  die  Tische  und  Stühle  hin  und  her  rückte 
und  die  Fenster  öffnete  und  schloss,  in  der  Küche  auf  dem  Heerd  ein 
Feuer  anmachte,  wovon  der  Rauch  in  die  Höhe  stieg,  von  der  Archiv- 
Tbür  einen  Span  schnitt,  im  Garten  einen  Zweig  brach  und  ein  Stück 
Erde  ausstach,  ein  Gewehr  abschoss  u.  s.  w.  u.  s.  w.  Der  Kammersecretair 
Gundermann  aus  Gotha,  Advokat  der  Wittwe  Friedrich  Hartmann's  von 
Witzleben,  kam  zu  spät. 

Im  August  1789  waren  die  neuen  Herren  der  Elgersburg  aus  Brauns- 
berg, Halberstadt,  Königsberg  und  Berlin  nach  Thüringen  gekommen,  um 
die  Lehen  in  Gotha,  Weimar  und  Rudolstadt  zu  empfangen.  „Ich  habe", 
schreibt  der  Oberstallmeister  Friedrich  von  Witzleben,  „noch  mehrere 
Personen  aus  jener  Zeit  gekannt,  welche  die  hohen  Gestalten  und  über- 
haupt die  Schönheit  und  Liebenswürdigkeit  der  Brüder  nicht  genug  er- 


*)  Orig.  im  Arch.  zu  Angelroda.  • 

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—     148     — 

heben  konnten.  Besonders  war  den  Damen  ein  Ball  auf  der  Elgersbui'g 
im  Gedächtniss  verblieben,  den  die  Besitzer  an  dem  Tage  ihrer  Huldigung 
Seitens  ihrer  ünterthanen  dort  gegeben  hatten,*) 

Auch  mit  der  verwittweten  Geh.  Räthin  von  Witzleben,  geb.  von  Oppel, 
setzten  sich  die  Brüder  bei  dieser  Gelegenheit  wegen  der  in  dem  S.  126 
angefühlten  Testamente  ihr  vermachten,  zu  den  Elgersburger  Gütern  ge- 
hörenden AUodial- Grundstücke  am  ;^0.  Aug.  1789  auseinander,  indem  sie 
derselben  die  Gera'sche  Schenke  ganz,  die  Elgersburger  sowie  die  Mane- 
bacher  Schenke  halb,  die  in  der  Geräuschen  Flur  neu  erbaute  Ziegelhütte 
halb  und  mehrere  Aecker,  Wiesen  und  Gärten  für  4290  Mfl.  und  das  bei 
iem  Rittergut  zu  Elgersburg  befindliche  Inventar  an  Vieh,  Geschirren, 
Getreide,  Federvieh,  Betten,  Gemässen  und  sonstigen  zur  Haushaltung 
gehörigen  Stücken  für  2797  Rthlr.  abkauften.  Was  aber  Christoph 
Friedrich  Hartmann  von  Witzleben  1765  vorausgesehen  (s.  S.  126),  traf 
zu:  Die  Angelröd^. hatten  kein  Geld  zum  Bezahlen,  und  es  blieben  da- 
her jene  Summen  auf  Elgersburg  stehen  und  wurden  mit  iVji  ^o  verzinst.**) 
Von  halb  Martinroda  ist  hier  keine  Rede.  Es  scheint  erst  nach  dem  Tode 
der  Geh.  Räthin  von  Witzleben  wieder  zu  Elgersburg  gekommen  zu  sein. 

Elgersburg  wurde  nun  wie  Angelroda  für  gemeinschaftliche  Rechnung 
verwaltet.  Wii-  geben  nur,  da  wir  bei  den  meisten  der  Herren  Vettern 
ein  gewisses  Interesse  für  das  edle  Waidwerk  voraussetzen,  eine  theilweise 
Cebersicht  des  Jagdertrages. 


Im  Elgersburger  und  Martinroder  Revier 
wurden  geschossen: 

von  Trinit. 

1789  bis 
März  1790. 

April  1792 

bis  12.  Pebr. 

1793. 

!         1793 
1           bis 

Fasten  1794. 

1 

Stück  Rothwild       

Rehe . 

19 
8 

25 
3 
2 

3 

31 

28 

1           63 

2 

2 

2 

1            4 

20 

;      22 

23 

Hasen 

Auerhähne 

80 
2 

Birkhähne 

Schnepfen 

Wilde  Enten      .         

1 

Feldhühner    .     . 
Füchse.     .     .    . 

27 
5 

*)  „Auf  diesem  Balle  war  es  auch,  dass  mein  rechter  Vater  den  Onkel  Heinrich 
auf  Pistolen  forderi^e  wegen  einer  Aeusserung,   durch   welche  er  sich  beleidigt  fühlte. 
Ueberhaupt  vertrugen  sich  beide  nicht  besonders  mit  einander.    Der  Onkel  stand  sich 
imnjer  am  besten  mit  seinem  Bruder  Heinrich  Günther.* 
**)  Arch.  zu-  Angelroda. 


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Die  Zeitumstände  und  sonstigen  Verhältnisse  (alle  4  Brüder  waren  in 
Preussischen  Diensten,  keiner  Landwirth,  der  Theilhaber  wurden  immer 
mehr  etc.)  veranlassten  die  Brüder  Job  Wilhelm,  Heinrich  Günther  und 
Heinrich  (dieser  für  sich  und  in  Vormundschaft  des  Sohnes  des  4.  Bruders 
Friedrich)  von  Witzleben,  das  alte  Pamiliengut  Elgersburg  zu  veräussern, 
und  es  kam  am  8.  Nov.  1802  zu  dem  S.  55  erwähnten  Verkauf  an  die 
Herzogliche  Kammer  zu  Gotha.  Ausser  Martinroda  und  dem  Veronika- 
berg, die  im  Weimarschen  Territorium  gelegen  sind,  wurden  auch  die  dem 
fürstlichen  Hause  Hohenlohe  zu  Lehn  gehenden  Zinsen  (die  früher 
Gleichen'schen  Lehen,  s.  S.  79)  nicht  mit  verkauft.     Zu  der  Kaufsumme 

Yon 126,000  Thlr.  —  Sgr.  —  Pf. 

kamen  noch  an  rückständigen  Geföllen  bis 

zum  8.  Nov.  1802 222     „     21     „      2  „ 

Summa     126,222  Thlr.  21  Sgr.    2  Pf. 
Nach   Abzug    der    von    der   Herzoglichen 
Kammer  übernommenen  Schulden  im 
Betrage  von 55,120     „       7    „      1   „ 

erhielten  die  Verkäufer 71,101  Thlr.  14  Sgr.    1  Pf. 

wovon  vorläufig 60,000     „     —    „    —   „ 

auf  dem  Gute  stehen  blieben  und         .    .       11,101     „     14    „      1  „ 
baar  ausgezahlt  wurden. 

Durch  die  damalige  Zeitströmung  in  Folge  der  Französischen  Revo- 
lution war  die  Pietät  für  alte  angestammte  Familiengüter  theilweise  ganz 
abhanden  gekommen,  sonst  würde  die  Elgersburg  nicht  verkauft,  sondern 
als  Familiengut  erhalten  worden  sein. 


d.   Die  Linie  zu  Angelroda 
von  1802  bis  jetzt 

In  Bezug  auf  die  verschiedenen  Zweige  und  die  einzelnen  Glieder 
der  Linie  zu  Angelroda  nach  dem  Jahre  1802  verweisen  wir  auf  die 
Stammtafeln,  die  wir  so  genau,  als  es  uns  irgend  möglich  war,  ange- 
fertigt haben.  Von  einigen  der  bereits  verstorbenen  Glieder  müssen  wir 
aber  den  Stammtafeln  noch  Notizen  hinzufügen. 

Zu  den  hervorragendsten  Persönlichkeiten  unseres  Geschlechtes  gehört 
der  Kriegsminister  Job  von  Witzleben,    von  welchem   zwar  Biographien 

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—     150     — 

existiren,*)  aber  der  Mehrzahl  der  nicht  zum  Hause  Elgersburg  gehören- 
den Familienglieder  unbekannt  sein  durften,  auch  keineswegs  erschöpfend 
die  Verdienste  dieses  Mannes  und  seine  Bedeutung  schildern,  noch  eine 
treffende  Characteristik  desselben  enthalten.  Hiermit  soll  jedoch  durchaus 
nicht  etwa  gesagt  sein,  dass  die  nachfolgenden  Zeilen  über  diesen  Mangel 
erhaben  wären.  Eine  ausführliche  Biographie  Job*s  passt  nicht  in  den 
Rahmen  einer  Familiengeschichte,  sondern  beansprucht  ein  Werk  für  sich, 
und  ein  solches  mit  aller  Offenheit  zu  schreiben,  dürfte  die  Zeit  noch 
nicht  gekommen  sein. 

Carl  Ernst  Job  Wilhelm  von  Witzleben  (s.  Tab.  I.  8)  wurde 
als  der  älteste  von  sieben  Geschwistern  am  20.  Juli  1783,  einem  Sonntage, 
Nachmittags  gegen  4  Uhr  zu  Halberstadt  geboren  und  den  Sonnabend 
darauf,  26.  Juli,  von  dem  Feldprediger  Wähn  des  Regiments  Herzog  von 
Braunschweig  getauft.  Die  Reihe  von  nicht  weniger  als  23  Taufzeugen 
eröffneten  der  regierende  Herzog  Carl  Wilhelm  Ferdinand  von  Braun- 
schweig, dessen  höchste  Person  bei  dem  Taufacte  der  Capitain  und 
General-Adjutant  von  Schack  vorstellte,  und  der  regierende  Herzog  Ernst 
von  Sachsen-Gotha  und  Altenburg,  dessen  Stelle  der  Domdechant  Freiherr 
von  Spiegel  vertrat.  Der  Rufname  des  jungen  Weltbürgers  wai-  Job. 
Die  erste  Erziehung  erhielt  der  mit  kräftigem  Körper  und  lebendigem  und 
schnell  auffassendem  Geiste  begabte  Knabe  im  elterlichen  Hause,  wobei 
insbesondere  die  Mutter  für  die  ästhetische  Ausbildung  des  Geistes  und 
die  religiöse  Empfönglichkeit  des  Gemüths  sorgte,  während  der  Vater  ihm 
die  Grundsätze  einer  praktischen  Tüchtigkeit  einzuprägen  bemüht  war,  die 
aus  der  grossen  Schule  des  unsterblichen  Friedrich  herrührte.  Die  Be- 
mühungen der  Elteni  waren  schon  früh  von  so  gutem  Erfolge,  dass 
Gleim,  ein  Freund  des  Vaterhauses,  schon  damals  dem  Knaben  ein 
günstiges  Schicksal  prophezeite.  In  seinem  11.  Jahre  ward  Job  von  seiner 
Mutter,  da  der  Vater  dem  Rheinfeldzuge  beiwohnte,  in  das  Pageninstitut 
zu  Potsdam  gebracht,  wo  er  bald  Leibpage  des  Königs  Friedrich  Wilhelm  H. 
wurde.  Hier  cultivirte  er  unter  Anderm  auch  die  schon  im  elterlichen 
Hause  gelegte  Grundlage  zur  Musik,    in  welcher  er  es  später  zu  aner- 

*)  1.  Job  von  Witzleben,  K.  Preuss.  Kriegsminister,  Grenerallieutenant  und  General- 
Adjutant  Sr.  Majestät  des  Königs,  Mittheilungen  desselben  und  seiner  Freunde  zur 
Beurtheünng  Preussischer  Zustände  und  wichtiger  Zeitfragen.  Herausgegeben  von 
Dr.  Dorow.  Mit  Portrait  und  Facsimile.  Leipzig.  Verlag  von  Bernhard  Tauch- 
nitz  jun.    1842,    8®.    Alex,  von  Humboldt  gewidmet. 

2.  H.  von  Minutoli;  der  Graf  von  Haugwitz  und  Job  von  Witzleben.  Berlin.   1844. 


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kannter  Virtuosität  als  ausübender  Violinist  brachte  und  sich  überdies 
zum  gründlichen  und  geschmackvollen  Kenner  des  Satzes  heranbildete, 
90  dass  ihm  Rossini  einst  in  Paris  sagte:  „Schade,  dass  Sie  Soldat  sind; 
als  Musiker  würden  Sie  eine  grössere  Rolle  spielen".  Am  1.  März  1799, 
in  noch  nicht  vollendetem  16.  Lebensjahre,  verliess  Job  das  Pagen- 
institut*) und  trat  als  Fähnrich  in  das  1.  Bataillon  Leibgarde  zu  Potsdam 
ein.  Wie  sehr  er  bemüht  war,  seinen  von  Natur  kräftigen  und  gedrun- 
genen Körper  für  das  anstrengende  Kriegsleben  abzuhärten,  geht  daraus 
hervor,  dass  er,  Monate  lang  von  der  kärglichsten  Kost  lebend,  in  keinem 
Bette,  sondern  auf  dem  nackten  Pussboden  seines  Zimmers,  nur  mit 
seinem  Mantel  bedeckt,  geschlafen,  oft  nur  wenige  Stunden,  und  sich 
dann  mit  Heiterkeit  zu  irgend  einer  neuen  Thätigkeit,  besonders  zur  Jagd 
anfraiRe.  1802  zum  Seconde-Lieutenant  ernannt,  machte  er  den  Feldzug 
von  1806  mit,  ohne  jedoch  an  der  Schlacht  von  Auerstädt  persönlich  Theil 
m  nehmen.  In  einem  Berichte,  den  er,  wie  viele  andere  Offleiere,  auf 
Ehre  und  Pflicht  an  das  vom  Könige  im  Jahre  1807  eingesetzte  Unter- 
sQchongstribunal  eingereicht  hatte,  sagt  Job  über  die  Tage  vom  13.  bis 
16.  October  1806: 

„Am  13.  Oct.  Nachmittags  marschirte  das  Bataillon  bekanntlich  auf 
Weimar.  Die  Grenadier-Compagnie  unter  dem  Capitain  von  Cobnar,  bei 
der  ich  stand,  hatte  die  Queue  des  Bataillons,  weil  links  abmarschirt  war. 
Wir  hatten  kaum  das  Thor  passirt,  als  der  Capitain  von  Colmar  Befehl 
erhielt,  mit  der  Compagnie  die  Arriferegarde  hinter  der  Bagage  der  Division 
zn  machen,  welche  dem  Bataillon,  als  dem  letzten  in  der  Colonne,  folgen 
sollte.  So  lange  es  Tag,  sahen  wir  das  Bataillon  auf  eine  kurze  Distance 
voraus.  Die  einbrechende  Nacht  raubte  uns  aber  die  Aussicht,  und  da 
während  derselben  sehr  oft  Halt  gemacht  werden  musste,  weil  Munitions- 
colonnen  und  sogar  Regimenter  sich  zwischen  die  Bagage  drängten,  so 
rückten  wir  nur  in  sehr  kurzen  Absätzen  vorwärts  und  waren  beim  Tages- 


*)  Bei  der  Huldigung  des  Königs  Friedrich  Wilhehn  IlL,  welche  yod  dem  nach 
dem  Lustgarten  zu  gelegenen  Balkon  des  Berliner  Schlosses  entgegengenommen  .wurde, 
war  festgesetzt  worden,  dass  die  Artillerie,  sobald  mit  einem  weissen  Toch  das  Zeichen 
gegeben  würde,  mit  dem  Abfenem  der  Salutschüsse  beginnen  sollte.  Witzleben,  der 
ik  Leibpage  mit  auf  dem  Balkon  stand,  war  plötzlich  genöthigt,  sein  Schnupftuch 
n  gebrauchen ;  man  sah  dies  als  das  verabredete  Zeichen  an.  die  Kanonen  donnerten 
nd  konnten  nur  schwer  zum  Schweigen  gebracht  werden,  um  spater  im  richtigen 
iogenblick  ihren  Salut  zu  wiederholen. 

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anbruch  so  weit  abgekommen,  dass  wir  das  Bataillon  durchaus  nicht  mehr, 
sehen  konnten. 

„Der  starke  Nebel  dieses  Morgens  hatte  sich  noch  nicht  getheilt,  als 
wir  vor  uns,  nach  der  Gegend  von  Jena,  eine  Kanonade  hörten.  Während 
der  Zeit  waren  wir  bis  in  die  Gegend  von  Wickerstedt  vorgeruckt,  da, 
wo  sich  die  Brücke  über  die  Hm  befindet,  als  plötzlich  uns  ein  Mensch 
entgegengesprengt  kam,  der  dem  Anscheine  nach  ein  Pourage-Commis- 
sarius  zu  sein  schien,  und  durch  den  Ausruf:  „Rette  sich  wer  kann!  Die 
Franzosen  sind  500  Schritt  hinter  uns!"  Schrecken  und  Verwirrung  in 
die  bis  dahin  in  grösster  Ordnung  marschirende  Bagage  bi*achte.  Viele, 
ja  der  grösste  Theil  der  Wagen,  kehrten  auf  der  Stelle  um.  Ich  ritt  nach 
unserm  letzten  Wagen,  der  durch  das  Umwenden  der  erste  geworden  war, 
um  durch  das  Festhalten  der  Tete  die  Colonne  zum  Stillstand  zu  bewegen. 
Als  ich  zur  Compagnie  zurückkam,  hatte  der  Capitain  von  Colmar  ein 
Carree  von  zwei  Gliedern  formirt,  mit  dem  er  nördlich  von  der  Chaussee 
neben  derselben  nach  Weimar  zu  marschirte.  Mit  Tagesanbruch  erreichten 
wir  den^  Galgenberg  bei  Erfurt,  nachdem  wir  die  Nacht  oft  gezwungen 
waren,  anzuhalten,  weil  umgestüiTite  Wagen  u.  dergl.  die  Wege  versperrten. 
Als  wir  vor  Erfurt  ankamen,  hatte  man  das  Thor  schon  geschlossen  und 
wollte  nur  die  Compagnie,  aber  keinen  Wagen  hereinlassen.  Die  Com- 
pagnie marschirte  daher  in  Erfurt  ein,  die  Bagage  setzte  unter  dem 
Lieutenant  von  Dankelmannn  ihren  Marsch  fort  (und  stiess  am  22.  bei 
Genthin  wieder  zum  Regiment).  Wir  postirten  uns  sogleich  auf  dem  vom 
Johannis-Thore  links  liegenden  Theil  des  Stadtwalls,  wo  wir  eine  Com- 
pagnie des  Regiments  Churfürst  von  Hessen  fanden.  Nicht  lange  darauf 
kam  der  Feldmarschall  von  MöUendorflF  zum  Thor  hereingeritten.  Capitain 
von  Colmar  ging  ihm  entgegen  und  brachte  uns  die  Nachricht,  dass  die 
Leute  auf  1  oder  2  Stunden  zur  Erholung  in  die  Stadt  beurlaubt  werden 
könnten,  wir  übrigen  aber  abwarten  möchten,  bis  das  Corps  des  Königs, 
welches  seinen  Rückzug  über  Erfurt  nähme,  kommen  würde,  um  uns 
demselben  anzuschliessen.  Bald  jedoch  hörten  wir  Kanonenschüsse  und 
so  stand  die  Compagnie  in  kurzer  Zeit  wieder  ziemlich  complett  auf  dem 
Wall.  Einzelne  feindliche  Plänkler  rückten  gegen  die  Stadt  vor  und 
feuerten  mit  Karabiner  auf  uns,  während  der  Feind  vom  Galgenberg 
Granaten  herüberwarf,  die  aber  alle  auf  die  Contreesoai-pe  fielen  und  daher 
gar  keinen  Schaden  thaten.  So  postirt  hatten  wir  einige  Zeit  gestanden, 
als  der  Adjutant  des  Prinzen  von  Oranien,  Capitain  Constant  de  Rebecque, 


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uns  folgenden  Befehl  brachte:  „Der  Feldmarschall  Möllendorflf  sei  blessirt 
und  habe  das  Kommando  dem  Prinzen  von  Oranien  übertragen.  Wir 
sollten  so  lange  auf  unsem  Plätzen  bleiben  mid  uns  vertheidigen,  bis 
w  Ordre  zum  Abmarsch  erhielten."  Nicht  lange  darauf  kam  der  Capitain 
von  Colmar  und  befahl  uns,  vom  Wall  herunter  zu  gehen.  Ich  machte 
ihn  mit  der  erhaltenen  Ordre  bekannt,  er  wiederholte  aber  seinen  Befehl 
und  wir  formirten  uns  hinter  dem  Wall,  marschirten  nach  dem  Petersberg 
und  machten  hinter  dem  Grenadier-Bataillon  SchlieflFen  Halt,  welches  be- 
.reits  in  Sections  abmarschirt  dort  stand.  Hier  blieben  wir  bis  gegen 
Abend,  ohne  eine  Ordre  zu  erhalten.  Als  es  finster  war,  kam  endlich 
der  Befehl,  dass  die  Leute  in  die  Quartiere  der  Stadt  gelegt  werden 
könnten  und  den  folgenden  Morgen  auf  einem  willkührlichen  Platz  zu- 
sammenkommen sollten  Man  hatte  früher  schon  von  einer  Capitulation 
geredet,  jetzt  blieb  dies  leider  keinem  Zweifel  mehr  unterworfen.  Von 
den  Bedingungen  erfuhren  wir  nicht  ein  Wort. 

„Am  folgenden  Morgen  trat  die  Compagnie,  ich  weiss  nicht  an  welchem 
Thor,  zusammen;  es  wurde  noch  Löhnung  ausgegeben.  Capitain  Colmar 
schickte  mich  zum  JPrinzen  Murat,  um  für  die  Compagnie  freien  Abzug 
zn  erhalten.  Zwei  Chasseurs  brachten  mich  zum  Prinzen,  dem  ich  meine 
Bitte  vortrug.  Er  bedauerte,  sie  nicht  sogleich  erfüllen  zu  können,  ver- 
sicherte aber,  einen  Courier  an  den  Kaiser  geschickt  zu  haben,  der  un- 
fehlbar die  Antwort  zumckbrächte ,  dass  dem  Könige  die  Garde  zurück- 
gegeben würde,  wie  dies  schon  bei  Austerlitz  mit  der  Russischen  ge- 
schehen sei." 

Von  einer  Antwort  hat  nie  etwas  verlautet,  vielmehr  wurde  die  Com- 
pagnie, und  mit  ihr  Job  von  Witzleben,  in  die  Capitulation  des  Peld- 
marschalls  Möllendorflf  mit  eingeschlossen.  Die  Officiere  wurden  auf 
Ehrenwort  entlassen. 

Während  seiner  Kriegsgefangenschaft  hielt  sich  Job  theils  in  Halber- 
stadt, theils  in  Berlin  und  dessen  Umgegend  auf,  wo  er  fleissig  studirte 
und  sich  besonders  mit  Musik  beschäftigte,  bis  im  Frühjahr  1807  seine 
Auswechselung  erfolgte,  worauf  er  sich  sofort  nach  Pommern  in  Blüchers 
Hauptquartier  begab.  Hier  erhielt  er  eine  Sendung,  die  Demarcations- 
linie  betreflTend,  an  den  Marschall  Soult  und  bald  darauf  ward  er  mit 
Depeschen  für  den  König  nach  Memel  geschickt. 

Der  Französische  Marschall  hatte  Witzleben  gegenüber  in  sehr  hohem 
Ton  von  dem  Könige  gesprochen,  dessen  Existenz  nur  von  der  Gnade  des 


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Kaisers  abhinge,  und  von  dem  jungen  Officier  darauf  in  taktvollster  Weise 
die  geeignete  Antwort  erhalten.  Soult  nahm  1816  in  Folge  seiner  Ver- 
bannung in  Düsseldorf  seinen  Wohnsitz  und  bat,  als  der  König  auf  einer 
Inspizirungsreise  in  Begleitung  seines  Flügeladjutanten  Witzleben  diesen 
Ort  besuchte,  diesen,  ihm  eine  Audienz  bei  Seiner  Majestät  auszuwirken. 
Job  konnte  es  sich  nicht  versagen,  sich  dem  Marschall  als  einen  alten 
Bekannten  vorzustellen. 

Am  4.  Sept.  1807  wurde  er  zum  Premier- Lieutenant  ernannt  und 
erhielt  kurz  nachher  eine  Compagnie  in  dem  neu  errichteten  Bataillon. 
Garde.  Nicht  der  praktische  Frontdienst  allein  beschäftigte  ihn,  sondern 
er  betrieb  auch  gründliche  militairische  Studien,  und  als  der  König  seine 
Officiere  aufforderte,  ihm  Vorschläge  und  Gedanken  über  alle  Fächer  der 
Neuformirung  der  Armee  einzusenden,  reichte  auch  der  Premier-Lieutenant 
von  Witzleben  „Ideen  zur  Reorganisation  leichter  Infanterie"  ein.  Diese 
gediegene  Abhandlung  erhielt  den  vollsten  Beifall  Scharnhorst's  und  war 
ohne  Zweifel  Veranlassung,  dass  Job  am  23.  März  1809  als  Stabs-Capitain 
zu  dem  neuerrichteten  Garde-Jäger-BataiUon  versetzt  wurde. 

Mit  den  Garden  kam  Witzleben  1810  nach  Berlin  zurück,  woselbst 
er  jede  dienstfreie  Stunde  seiner  wissenschaftlichen  und  musikalischen  Aus- 
bildung widmete.  Vorzugsweise  studirte  er  Napoleons  Feldzüge  in  Italien 
und  Oesterreich;  seiner  musikalischen  Ausbildung  waren  namentlich 
Himmel,  Reichard  und  Anselm  Weber  förderlich. 

Nachdem  er  1811  zum  Premier-Capitain  und  Compagnie-Chef  beför- 
dert war,  schloss  er  am  29.  März  1812  seine  eheliche  Verbindung  mit 
Auguste  von  Splitgerber,  des  Jägermeisters  von  Splitgerber  Tochter, 
welche  er  bereits  seit  1807  kannte  und  liebte.  Noch  im  Jahre 
1812  ward  er  etatsmässiger  Major.  Anfangs  1813  finden  wir  ihn  in 
Breslau,  wohin  die  Garden  gingen  und  der  König  mit  seinem  Hoflager 
folgte,  Witzleben  daher  ein  sehr  auf-  und  anregendes  Leben  führte.  Bei 
allem  Trouble  fand  ihn  doch  der  Abend  an  der  Seite  seiner  inniggeliebten 
Gemahlin,  bis  um  die  Mitte  März  der  Ausmarsch  des  Garde -Jäger- 
Bataillons  erfolgte. 

Während  der  Feldzüge  1813,  14  und  15  schrieb  Job  sehr  ausführ- 
liche Briefe  in  Tagebuchform  an  seine  Gattin,  denen  wir  im  Nachstehenden 
folgen. 

Bis  zum  30.  März  hatte  Job  von  Witzleben  das  Garde-Jäger-BataiUon 
geführt;  an  diesem  Tage  traf  der  Commandeur,  Major  von  Seydlitz,    bei 


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demselben  ein  und  übernahm  das  Commando.  Von  Görlitz  her  marschirte 
es  mit  längern  Aufenthalten  an  einzelnen  Orten  über  Dresden  (4.  April), 
Nossen  und  Mitweyda  nach  Rochlitz,  am  28.  April  nach  Altenburg,  wo 
das  Hauptquartier  des  Generals  Blücher  war. 

„Man  bestimmte  uns,  mit  dem  Garde-Füsilier-Bataillon  zwei  leichte 
Infanterie-Brigaden  zu  formiren,  die  zur  ünterstüzung  der  leichten  Cavallerie 
dienen  sollten,  welche  bis  Gera  und  Zeitz  vorgeschoben  war.  Den  29. 
Nachmittags  erhielten  wir  Ordre  zum  Marsch.  Die  beiden  Brigaden  waren 
auf  folgende  Art  zusammengesetzt:  1.  Brigade:  3.  und  4.  Garde -Jäger- 
Compagnie,  das  Detachement  der  Freiwilligen  des  Bataillons  und  10.  und 
12.  Garde-Füsilier-Compagnie  unter  meinem  Befehle;  2.  Brigade:  1.  und 
2.  Qarde-Jäger-Compagnie,  die  9.  und  11.  Garde-Füsilier-Compagnie  und 
dessen  Detachement  unter  dem  Major  von  Block,  üeber  beide  führte  Seydlitz 
den  Oberbefehl.  Block  und  ich  loosten  um  den  Ort  unserer  Bestimmung. 
Mich  traf  Zeitz  und  ihn  Gera. 

„Den  30.  Morgens  um  3  Uhr  kamen  wir  nach  Zeitz,  wo  der  Major 
Blücher  .mit  3  Escadrons  Husaren  stand.  Wir  wurden  auf  eine  Stunde 
in  die  Stadt  einquartiert  und  bivouakirten  hernach  vor  derselben.  Tags 
vorher  hatten  sich  feindliche  Infanterie-Colonnen  gezeigt;  jetzt  war  nichts 
zu  sehen  noch  zu  hören.  Alles  hatte  sich  nach  Naumburg  gezogen.  Wir 
erhielten  daher  Nachmittags  die  Ordre,  nach  Borna  zu  marschiren,  wo  wir 
bei  sehr  bösem  Wetter  und  Wege  Abends  10  Uhr  ankamen. 

„Den  1.  Mai  marschiiten  wir  nach  Stöhna  bei  Rötha,  mit  der  Weisung, 
uns  recht  zu  pflegen,  weil  wir  die  letzten  Tage  höchst  fatigante  Märsche 
gehabt  hatten  und  weil  die  Recognoscirung  des  Russischen  Generals 
Wintzingerode  sowie  alle  Nachrichten  bestätigten,  dass  sich  der  Feind  bei 
LOtzen  sammle,  man  daher  ein  Zusammenb'effen  beider  Aimeen  in  den 
nächsten  Tagen  vermuthen  musste. 

„Den  2.,  Morgens  mit  Tages- Anbruch,  setzte  sich  die  ganze  Armee  in 
Marsch.  York  und  Wittgenstein  waren  dem  Blücher'schen  Corps  rechts, 
die  Rassischen  Garden  folgten.  Wir  marschirten  durch  Pegau  und  hier 
vereinigten  sich  alle  Armeecorps.  Wir  machten  hinter  der  Höhe  Halt 
und  ruhten  eine  Stunde.  Der  Kaiser  und  unser  König  ritten  herum  und 
besahen  die  Truppen.  Gegen  11  ühr  brach  Alles  auf  in  der  Direction 
gegen  Lützen,  welches  vor  unserm  linken  Flügel  lag.     Vor  dieser  Stadt 


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lagen  die  Dörfer  Gross-  und  Klein- Görschen,  Starsiedel  und  Hohenlohe. 
Ich  sage  nicht  zuviel,  wenn  ich  behaupte,  dass  an  diesem  Tage 
40,000  Kanonenschüsse  gefallen  sind.  Die  Niederschlesische  Brigade 
rückte  nun  gegen  die  Dörfer  Gross-  und  Klein -Görschen  vor  und  das 
Kleingewehrfeuer  fing  an.  Das  Dorf  Gross-Görschen  war  unterdessen  in 
Brand  gesteckt  und  von  unserer  Infanterie  mit  dem  Bajonett  genommen. 
Beide  Brigaden,  die  Oberschlesische  und  Niedei-schlesische,  waren  im 
Feuer.  Der  Feind  vertheidigte  sich  hartnäckig,  wurde  aber  überall  ge- 
worfen. Der  Eifer  der  Truppe»  war  zu  gross,  man  vergass  die  Behut- 
samkeit, viele  Officiere  waren  gefallen.  Der  Feind  rückte  mit  neuen 
Colonnen  vor  und  nahm  Gross-  und  Klein- Görschen  wieder.  Da  erhielt 
ich  Befehl,  mit  2  Jäger-Compagnieen  (der  2.  und  3.)  und  den  Tirailleurs 
des  1.  Bataillons  Garde  unter  Constantin  Witzleben  vorzugehen  und  Bana 
zu  nehmen.  Das  1.  Bataillon  Garde  unterstützte  den  Angriff,  Das  wohl- 
angebrachte mörderische  Jägerfeuer  brachte  den  Feind  augenblicklich  zum 
Weichen.  Wir  warfen  seine  Tirailleurs  aus  dem  Dorfe  und  fanden  dort 
3  Colonnen,  die  wir  ohne  Zeitverlust  angriffen  und  auch  wirklich  nach 
einem  höchst  hartnäckigen  Widerstände,  wobei  die  Franzosen,  da;  wir  nur 
150  Schritte  von  ihnen  ab  wai-en,  ungeheuer  verloren,  zum  Weichen 
brachten.  Ich  lüge  nicht,  wenn  ich  sage,  dass  auf  den  Stellen,  wo  die 
Colonnen  gestanden  hatten,  gegen  800  — 1000  Todte  lagen.  Die  mittelste 
feindliche  Colonne  war  Garde.  Hier  fehlte  Cavallerie  und  Artillerie,  um 
ihnen  den  Garaus  zu  machen.  Wir  verloren  auch  sehr  viel,  da  unsere 
Leute  zu  hitzig  waren  und  in  zu  dichten  Reihen  fochten. 

„Ein  solches  Kleingewehrfeuer  ist  noch  nicht  erhört  worden.  Als 
wenn  man  Erbsen  ausstieute,  so  flogen  die  Kugeln.  Und  hier  mitten  in 
der  Tirailleurlinie  zu  Pferde  blieb  ich  unversehrt,  während  fast  alle  Officiere 
zu  Fuss  blessii-t  wurden.  Wir  folgten  dem  Feinde  bis  zum  zweiten  Dorfe 
Kaja,  welches  auch  genommen  wurde.  Unsere  Tirailleurs  verfolgten  zu 
hitzig;  jenseit  des  Dorfes  brach  feindliche  Cavallerie  hervor  und  fQgte  uns 
einigen  Schaden  zu.  Es  war  das  10.  Französische  Husaren-Eegiment  Es 
hat  unendlich  viel  verloren  und  wird  ziemlich  aufgerieben  sein.  Jenseit 
Klein-Görschen  hatte  der  Feind  retrangirte  Batterieen,  die  alle  Ausgänge 
des  Dorfes  so  mörderisch  mit  Kartätschen  beschossen,  dass  unsere  Colonnen 
nicht  hervorbrechen  konnten.  Der  Feind  machte  sich  unsere  grossen  Ver- 
luste zu  Nutzen  und  brachte  neue  Colonnen  heran.  Wii*  mussten  daher 
bis  Gross-Görschen  zurück,    bekamen  aber  soutien   und  nahmen  Klein- 


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Görechen  zum  dritten  Male  wieder,  Jetzt  war  es  6  ühr.  Unser  rechter 
Flügel  war  so  wie  der  linke  vorgegangen,  der  Feind  schien  erschöpft  und 
die  Schlacht  war  gewonnen.  Da  kam  der  Vicekönig  mit  15,000  Mann 
frischer  Truppen  und  entriss  uns  Klein-Qörschen  abermals.  Gross-Görschen 
behaupteten  wir  aber  bis  spät  Abends  V^AO  ühr,  wo  der  Befehl  kam, 
vorwärts  unserer  ersten  Stellung  Bivouacs  zu  beziehen.  Wir  waren  die 
letzten,  welche  abzogen.  Zuletzt  als  es  finster  war,  hatten  wir  von  den 
Franzosen  nur  20  Schritt  gestanden  und  uns  beiderseits  sprechen  hören 
löimen. 

„Die  ganze  Armee  war  höchlich  verwundert,  als  wii-  den  andern 
Morgen  durch  Pegau  zurückgingen.  —  Der  Feind  that  gar  nichts.  Viel- 
mehr sagte  man  allgemein,  dass  er  sich,  einen  neuen  Angriff  fürchtend, 
mit  beiden  Flügeln  in  der  Nacht  zurückgezogen  und  die  Dörfer  nur  mit 
leichten  Truppen  besetzt  halte.*) 

„Die  Tapferkeit  unserer  Infanterie  ist  beispiellos.  Oft  habe  ich  Ver- 
wundete in's  Gefecht  zurückkehren  sehen,  nachdem  sie  sich  hatten  ver- 
binden lassen.  —  Der  Feind  hatte  ganz  zuletzt,  gegen  8  ühr,  einen 
solchen  Bespect  vor  uns,  dass  ich  einmal  mit  20  Jägern  durch  ein  wohl 
angebrachtes  Feuer  aus  den  Häusern  eine  ganze  Colonne  zumckwarf.  Als 
wir  zuletzt  mit  ihm  ganz  nahe  waren,  hörten  wir  deutlich,  dass  die 
Officiere  immer  riefen:  „avancez,  Messieurs,  avancez!"  Aber  sie  avan- 
cuien  nicht." 

In  Zeit  von  5  Minuten  erhielt  Job  von  Witzlebon  am  2.  Mai  4  Kugeln, 
von  denen  aber  keine  auch  nm*  die  Haut  ritzte.  Eine  schlug  durch  den 
linken  Stiefel  bis  auf  die  Haut,  machte  aber  bloss  einen  blauen  Fleck. 
Eine  traf  ihn  in  der  rechten  Seite  und  blieb  zwischen  dem  Säbelkoppel 
und  dem  üeberrock  stecken.  Eins  seiner  Pferde  hatte  zwei  Schüsse,  einen 
ün  linken  Backenknochen,  einen  durch  den  Kamm;  ein  zweites  Pferd, 
welches  er  bestieg,  wurde  durch  den  Hals  geschossen. 

Für  die  Schlacht  von  Gross-Görschen  erhielt  Job  das  eiserne  Kreuz 
II.  CL,  sowie  den  Eussischen  St.  Georgsorden  IV.  Cl. 


*)  Am  12.  Juni  1821  besuchte  Job  auf  der  Reise  nach  Coblenz  das  Schlachtfeld 
Ton  Gros8-6drschen  und  schrieb  in  sein  Tagebuch:  „Wenn  der  Muth,  der  sich  dort 
entwickelte,  richtig  geleitet  worden  wäre,  was  hätte  man  ausrichten  können!  Aber 
diese  unglücklichen  partiellen  Attaquen  ohne  alle  Unterstützung,  dieser  schlechte 
Gebrauch  unserer  Cafallerie  konnte  kein  anderes  Resultat  geben." 


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—     158     — 

Am  Tage  nach  der  Schlacht,  am  3.  Mai,  ging  die  Armee  über  Pegau 
zurück.  Die  Garde -Jäger  erhielten  den  Befehl,  die  Arriere- Garde  der 
Armee  zu  machen  und  zu  dem  Ende  das  Defilee  von  Groitsch  zu  besetzen. 
Hier  kam  es  am  Nachmittage  zu  einem  unbedeutenden  Gefecht,  und 
gegen  Abend,  als  die  Aimee  in  Sicherheit  war,  marschirte  Job  nach  Borna, 
ohne  auch  nur  im  Mindesten  vom  Feinde  beumnihigt  zu  werden. 

Dann  ging  es  wieder  zurück  nach  Schlesien. 

Am  14.  Mai,  als  die  Verbündeten  nach  Bautzen  marschirten,  wurde 
Job  mit  einer  Jäger-Compagnie,  einem  Infanterie-Bataillon,  zwei  Escadrons 
und  einer  halben  reitenden  Batterie  gegen  Kamenz  vorgeschickt,  um  Nach- 
richten vom  Feinde  einzuziehen.  Von  dessen  Anmarsch  überzeugt,  langte 
er  am  16.  wieder  bei  der  Hauptaimee  an.  Gneisenau  äusserte  sich  sehr 
zufrieden  über  seine  Leistungen. 

Aus  der  Schlacht  bei  Bautzen,  20.  und  21.  Mai,  kam  Job  von  Witz- 
leben abermals  glücklich  heraus,  was  übrigens  kein  Wunder,  da  das  Garde- 
Jäger-Bataillon,  dem  die  Vertheidigung  des  Dorfes  Burschwitz  übertragen 
wai-,  nicht  für  Action  gelangte. 

Job  schreibt  am  25.  Mai:  „Wir  sind  nun  leider  schon  seit  gestern 
auf  vaterländischem  Boden,  ohne  indess  im  Mindesten  die  Hoflftiuug  zu 
einem  denmächst  glücklichen  Ende  dieses  gerechten  Kampfes  verloren  zu 
haben.  Wehe  thut  es  aber  unleugbar,  nach  so  viel  ruhmvollen  Anstren- 
gungen unserer  überaus  braven  Truppen  nicht  mit  einem  bessern  Erfolge 
für  den  Augenblick  gekrönt  und  dadurch  voreiligen  Urtheilen  kemitniss- 
loser  Schwätzer  ausgesetzt  zu  sein.  Dies  ist  das  unglückliche  Loos 
unseres  Standes;  nach  blutiger  mühevoller  Arbeit  siegt  Zufall  oder  Glück, 
und  man  wirft  nun  den  tapfem,  aber  unglücklichen  Krieger  mit  feigen 
Ausreissem  in  eine  Classe.  Wir  sind  am  21.  allein  durch  moralische 
und  physische  üeberlogenheit  geschlagen  worden.  Der  Feind  war  noch 
einmal  so  stark  als  wir  und  demohngeachtet  war  noch  in  dem  Augen- 
blicke der  Kampf  zweifelhaft,  als  wir  den  Befehl  zum  Eückzug  erhielten. 
Dieser  wurde  unter  den  Augen  des  kühnen  Gegners  ausgefühit,  ohne  dass 
er  ihn  zu  stören  wagte.  Es  war  keine  fliehende  Armee,  deren  Auflösung 
er  hoflfen  durfte,  wie  nach  den  Tagen  von  Jena  und  Ulm,  es  war  ein 
tapferes  Heer,  das  von  der  Nothwendigkeit  der  umstände  gezwungen,  aber 
unbesiegt,  das  Schlachtfeld  dem  Feinde  überliess." 

Am  31.  Mai  stand  die  Armee  bei  Schweidnitz.  An  diesem  Tage 
wurde  das  Garde- Jäger-Bataillon  getheilt:    Die  1.  und  2.  Compagnie  ver- 


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—     159     — 

blieben  bei  der  Reserve-Brigade,  die  3.  und  4.  mit  Major  von  Witzleben 
kamen  zum  York'schen  Corps.  Aber  schon  am  19.  Juni,  während  des 
bis  zum  16.  Aug.  dauernden  Waffenstillstandes,  wurde  Job  zum  Com- 
mandeur  des  FüsUier-Bataillons  im  neu  errichteten  2.  Gurde-Kegiment  zu 
Fuss  ernannt.  Die  Zeit  bis  zum  Wiederbeginn  des  Kampfes  verlebte  er 
in  Schlesien  und  vereinigte  sich  in  den  Cantonirungen  mit  seiner  Ge- 
mahlin, die  ihm  am  4.  Aug,  1813  den  ersten  Sohn,  Job,  gebar. 

Nach  dem  Waffenstillstände  lag  die  Preussische  Garde,  der  Armee 
in  Böhmen  zugetheilt,  in  der  Gegend  von  Teplitz,  marschirte  Ende  August 
bis  vor  Dresden,  wo  sie  am  27.  ankam,  aber  am  28.  schon  wieder  nach 
Böhmen  zurückging,  ohne  an  der  Schlacht  von  Dresden  Theil  genommen 
zu  haben.  Bei  diesem  Rückzuge  erhielt  Job  auf  dem  Marsch  von  Dip- 
poldiswalde  nach  Altenburg  den  gefahrvollen  Auftrag,  mit  seinem  Bataillon 
die  Arriere- Garde  zu  bilden  und  eine  bedeutende  Anzahl  Geschütze  zu 
decken,  welche  in  der  Nacht  in  einen  meilenlangen  Hohlweg  geriethen,  in 
welchem  schon  viele  Hunderte  von  Wagen  sich  dermassen  verfahren  hatten, 
dass  weder  an  ein  Vorwärtskommen  noch  Zurückkehren  zif  denken  war. 
Zum  Glück  unternahm  der  Feind  nichts  gegen  diese  Nachhut  und  Job 
stiess  wieder  zm*  Armee. 

Auf  diesem  anstrengenden  Rückzug,  bei  welchem  der  Soldat  Mangel 
an  Allem  litt,  bemächtigte  sich  des  Bataillons  eine  gedrückte  Stimmung, 
aber  nur  auf  kurze  Zeit.  Ein  Soldat  rief  scherzhaft:  „Ich  wollte,  der 
Herr  Oberstwachtmeister  schickte  mich  drei  Tage  bei  Wasser  und  Brod 
(es  mangelte  an  beiden)  in  Arrest."  Dieser  Ausruf  fand  Anklang,  wieder- 
holte sich  bei  allen  Compagnieen  und  der  verlorene  Humor  war  wieder- 
gefunden. 

Den  Kanonendonner  der  Schlacht  von  Culm  hörte  Job  aus  der  Ferne 
und  sah  später  die  Gefangenen  und  die  erobeiien  83  Geschütze  an  sich 
vorbeiziehen.  Am  3.,  4.,  5.  und  6.  Sept.  bivouakirte  die  Garde  auf  dem 
Schlachtfelde  von  Culm  und  hatte  den  fast  unerträglichen  Gestank  der 
vielen  todten  Pferde  und  Menschen  auszustehen,  die  zum  Theil  noch  un- 
begraben  waren.  „Ein  frischer  Wahlplatz  ist  ein  abscheulicher  Anblick  — 
aber  ein  alter  über  alle  Begriffe  scheusslich." 

Gegen  die  Mitte  des  September  bezog  Job  die  Vorposten  in  der 
Nähe  des  Städtchens  Graupen,  während  der  Feind  bei  Pürstenwalde  im 
Lager  stand.  „Am  18.  Mittags  um  12  ühr  griff  mich  der  Feind  in 
meiner  Stellung  mit  6  Bataillons  an.     Ich  hatte  nur  ein  Bataillon  und 


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—     160     — 

musste  daher  weichen,  indes»  nur  400  Schritt  Da  fassten  wir  im  Gebirge 
Posto  und  es  entspann  sich  ein  lebhaftes  Tirailleurfeuer.  Der  Feind 
konnte  seine  Massen  in  diesem  Terrain  nicht  gebrauchen.  Mit  seinen 
Tirailleurs  wurden  wir  fertig  und  verloren  weiter  keinen  Fuss  breit  Terrain. 
Gegen  5  IJJbr  fing  der  Feind  an,  sich  wieder  zurückzuziehen,  wir  folgten 
auf  dem  Fusse  und  machten  noch  einige  Gefangene.  Meinem  Bataillon 
kostete  diese  Affaire  den  braven  Lieutenant  von  Trauwitz  und  20  Mann 
Todte  und  Blessirte." 

Von  Anfang  bis  Mitte  October  marschirte  die  Böhmische  Armee  über 
Altenburg  und  Pegau  auf  Leipzig,  die  Preussischen  Garden  in  der 
Reserve. 

„Den  16.  Oct.  vor  Tage  brachen  wir  (aus  der  Gegend  von  Pegau) 
auf  und  marschiiten  auf  demselben  Wege,  nur  in  umgekehrter  Richtung, 
den  wir  am  2.  Mai  gegangen  waren.  Nicht  weit  hinter  dem  Städtchen 
Rötha  wendeten  wir  uns  links  und  marschirten  auf.  um  9  Uhr  Morgens 
fielen  in  der  Gegend  von  Leipzig  bei  Liebertwolkwitz  und  Waehau  die 
ersten  Kanonfenschüsse.  Wir  waren  indess  halten  geblieben  und  wohl 
eine  halbe  Meile  vom  Schlachtfelde  entfernt.  Nachmittags  endlich  rückten 
wir  vor  und  gelangten  gegen  Abend  auf  dem  Schlachtfelde  an.  Unser 
linker  Flügel  bei  Connewitz  stand  fest,  aber  die  Mitte  bei  Waehau  und 
der  rechte  Flügel  bei  Liebertwolkwitz  waren  bis  gegen  Gossau  zurück- 
gedrängt. Die  Reserven  rückten  zu  ihrer  Unterstützung  vor.  Kurz  zuvor 
sahen  wir  vor  unsern  Augen  ein  Stückchen  von  dem  gepriesenen  Helden- 
muthe  der  Französischen  Cavallerie.  Unser  Centrum  war  wirklich  vom 
linken  Flügel  ganz  getrennt,  der  fest  in  seiner  Stellung  beharrte  und  daher 
weit  vorstand.  Da  sprengten  einige  Escadrons  Französischer  Cavallerie 
vor,  um  unsere  Tirailleurs,  die  auf  ganz  freiem  Felde  standen,  niederzu- 
hauen. Unter  solchen  Umständen  ist  die  Infanterie  ohne  Unterstützung 
von  Reiterei  in  der  Regel  verloren;  die  unsere  war  gerade  nicht  bei  der 
Hand,  daher  sahen  wir  den  Untergang  des  kleinen  Häufleins  als  gewiss 
an.  Dieses  liess  sich  aber  nicht  irre  machen,  sondern  setzte  den  Herren 
Franzosen  —  wie  unser  gemeine  Mann  zu  sagen  pflegt  —  ein  Gericht 
blauer  Bohnen  vor,  d.  h.  schoss  ihnen  wacker  auf  den  Leib,  dass  diese 
es  nicht  wagten,  näher  heran  zu  kommen,  sondern  sich  eilig  und  in  Un- 
ordnung zurückzogen.  Das  Vorrücken  der  Reserve  war  heilsam.  Der 
Feind  stand  augenblicklich  vom  Vordringen  ab,  aber  behagelte  uns  auch 
mit  einer  solchen  Masse  von  Kugeln  und  Granaten,  dass  es  wirklich   ein 


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—     161     — 

Wunder  ist,  dass  wir  nicht  mehr  verloren  haben.  Wir  standen  2  Stunden 
im  Feuer.  Mein  Bataillon,  welches  mit  Block  in  einem  Treffen  stand, 
hatte  noch  nicht  einen  Mann  verloren,  während  neben  und  hinter  uns 
schon  mancher  Brave  gefallen  war.  Es  fing  schon  an  finster  zn  werden, 
and  ich  triumphirte  in  Gedanken  über  das  Glück,  das  wir  gehabt  hatten. 
Aber  man  muss  nie  zu  fiüh  fiohlocken.  Kaum  hatte  ich  den  Gedanken 
ausgedacht,  so  nahm  eine  unglückliche  Kugel  dem  armen  Lieutenant  von 
Ehrhardt  den  linken  Fuss  weg  und  eine  Granate,  die  dicht  bei  mir  und 
Hartwig  (dem  Adjutanten)  vorbeiging,  schlug  vier  Mann  nieder.  Kurz 
darauf  wurde  es  ganz  finster,  das  Feuer  hörte  auf. 

„Mit  dem  Bataillon  hatte  ich  alle  Ursache  zuMeden  zu  sein.  Trotz 
dem  heftigen  Feuer  herrschte  die  grösste  Ruhe  und  Contenance,  und  es  ist 
keine  geringe  Probe  für  junge  Soldaten,  zwei  Stunden  auf  einem  Fleck 
im  wirksamen  Artüleriefeuer  mit  dem  Gewehr  beim  Fuss  zu  stehen.  Was 
mich  anbetrifft,  so  hatte  sich  meiner  eine  Ruhe  und  ein  Vertrauen  be- 
meistert, das  sich  nicht  beschreiben  lässt.  —  —  Mein  Schlachtross,  der 
Fuchs,  war  eben  so  ruhig.  Oft  hatte  ich  mich  bei  Manövers  über  ihn 
geärgert,  dass  er  beim  Feuer  so  unruhig  sei;  heute  stand  er  wie  eine 
Mauer  und  ruckte  selbst  nicht,  wenn  auch  Kugeln  dicht  vorbei  flogen. 
Einmal  glaubte  man  hinten  bei  den  Jägern  — -  wie  mir  hernach  erzählt 
wurde  —  ich  sei  gefallen.  Als  nämlich  Ehrhardt  gefallen  war,  stieg  ich 
ab  und  ging  zu  ihm.  Johann,  dem  ich  zum  Ruhme  nachsagen  muss, 
dass  er  immer  bei  mir  war,  hielt  das  Pferd.  Eine  Granate  schlägt  nicht 
weit  davon  ein,  der  Fuchs  erschrickt,  reisst  sich  los  und  läuft  zurück,  wo 
er  bei  den  Jägern  aufgefangen  wird.  Weil  nun  das  Pferd,  auf  dem  man 
mich  noch  kurz  vorher  gesehen  hatte,  ohne  Reiter  davon  lief,  so  glaubte 
man,  ich  sei  gefallen. 

„Die  Nacht  vom  16.  zum  17.  October  brachten  wir  auf  dem  Schlacht- 
felde zu  unter  Todten  und  Verwundeten.  Als  der  Tag  anbrach,  sahen 
wir  etwas  rechts  von  uns  auf  einer  gegenüberliegenden  Höhe  in  der  Ent- 
fernung eines  massigen  Kanonenschusses  Truppen  stehen,  von  denen  wir 
nicht  wussten,  was  es  war.  Durch  Femgläser  überzeugten  wir  uns  indess 
bald,  dass  es  Franzosen  seien,  und  wir  erwarteten  jeden  Moment,  von 
ihnen  beschossen  zu  werden,  iumal  sie  10  Stück  Geschütz  auffuhren.  Wir 
nahmen  die  Gewehre  in  die  Hand  und  harrten  der  Folgen.  Es  blieb  aber 
alles  ruhig  und  selbst  2  Kanonenschüsse,  die  Russischer  Seits  geschahen, 
blieben  von  den  Franzosen  unbeantwortet.    Daher  ist  dieser  Tag  merk- 


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—     162     — 

würdig  in  der  Geschiebte  aller  Kriege,  denn  zwei  Armeen  standen  24  Standen 
im  Bereich  des  Geschützes  gegen  einander  über,  ohne  einen  Schuss  zu  thun. 
Wir  setzten  die  Gewehre  zusammen  nnd  kochten  im  Angesicht  des  Feindes. 
Unsrerseits  geschah  kein  Angriff,  weil  man  die  Ankunft  des  Corps  von 
Bennigsen  und  Colleredo  abwarten  wollte;  Franzosischer  Seits  dachte  man 
schon  an  den  Rückzug.  —  So  verging  der  ganze  Tag,  —  auf  den  folgen- 
den sah  man  grossen  Ereignissen  entgegen.  Abends  zogen  wir  uns  etwas 
zurück,  um  den  Truppen  mehr  Ruhe  zu  gönnen.  Es  wurde  Stroh  geholt 
und  Hütten  gebaut. 

„Den  18.  vor  Tage  wurde  ein  Armeebefehl  verlesen,  demzufolge  auf 
heute  die  grosse  Schlacht  verkündigt  und  die  Truppen  zur  Tapferkeit  er- 
muntert wurden.  Als  der  Tag  angebrochen  war,  setzte  sich  die  ganze 
Armee  in  Bewegung.  Die  Franzosen  hatten  ihre  Stellung  etwas  verändert 
und  sich  einige  Tausend  Schritt  weiter  vorwärts  aufgestellt  Die  Corps 
von  Kleist,  Wittgenstein,  CoUoredo  und  Klenau  griffen  an  und  warfen  den 
Feind  sogleich  über  den  Haufen,  der  das  Terrain  bis  in  seine  Stellung 
vor  Leipzig  beinahe  ohne  Aufenthalt  räumte.  Wir,  die  Reserven,  folgten 
ausser  dem  Kanonenschuss  und  blieben  auch  den  ganzen  Tag  über  in 
dieser  Entfernung,  da  das  Gefecht  nicht  einen  Augenblick  zweifelhaft  war. 
In  seiner  Stellung  vor  Leipzig,  mit  dem  rechten  Flügel  an  der  Pleisse, 
dem  Centrum  bei  Probstheyda  und  dem  linken  Flügel  bei  Stetteritz, 
wehrte  sich  der  Feind  verzweifelt  und  litt  bei  unserer  üeberlegenheit  an 
Geschütz  ungemein.  Man  begnügte  sich  damit,  den  Feind  bis  hierher 
getrieben  zu  haben,  unternahm  keinen  weitem  wahrhaften  Angriff  sondern 
begnügte  sich,  ihn  lebhaft  mit  Artillerie  zu  beschiessen,  deren  schreckliche 
Wirkung  wir  am  andern  Tage  wahrnahmen. 

„Auf  unserm  linken  Flügel,  wo  die  Oesterreicher  unter  CoUoredo 
standen,  fanden  mehrere  sehr  lebhafte  Angriffe  statt  Napoleon  sah  wohl 
ein,  dass,  wenn  sein  rechter  Flügel  geschlagen  wurde,  er  von  seiner 
Rückzugslinie  über  Leipzig  abgedrängt  war,  —  und  was  dann  aus  ihm 
werden  musste,  lässt  sich  errathen  —  daher  hatte  er  hier  einen  grossen 
Theil  seines  Geschützes  aufgestellt  und  kam  den  Angriffen  der  Oester- 
reicher mit  heftigen  Contreattaquen  entgegen.  Aber  die  Oesterreicher 
schlugen  sich  imter  ihrem  braven  CoUoredo  so  tapfer,  dass  Napoleon 
nichts  ausrichten  konnte.  Einmal  glaubte  man,  dass  die  Sachen  dort  übel 
ständen,  und  schickte  die  2.  Division  der  Russischen  Garde  zur  Unterstützung 
hin;  doch  CoUoredo  schickte  sie  mit  dem  Bemerken  zurück,  dass  er  sich 


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—     163     — 

schon  aUein  helfen  wolle.  So  brach  die  Nacht  herein,  das  Feuer  schwieg. 
Wir  nahmen  Besitz  von  den  verlassenen  Französischen  Bivouacs  und 
kochten  unser  kärgliches  Souper.  Ich  hatte  mir  eine  kleine  Hütte  bauen 
lassen  und  sass,  in  einen  derben  Schafpelz  gehüllt,  ohnweit  des  Feuers, 
den  Blick  auf  das  brennende  Probstheyda  gerichtet  und  die  Begebenheiten 
des  Tages  überdenkend;  da  hörte  ich  meinen  Namen  von  einer  bekannten 
Stimme  rufen.  Es  war  Adolph  Thiele,  der  mit  dem  General  Kleist,  Eugen 
Köder  und  dem  Oberst  Grolmann  zu  mir  kam,  um  die  Nacht  bei  mir 
zuzubringen.  Meine  Freude  war  unbeschreiblich,  solche  herrlichen  Menschen 
nach  diesem  fürchterlichen  Kampfe  gerettet  zu  wissen.  Der  General  hatte 
in  einer  nahe  gelegenen  Ziegelei  übernachten  wollen,  dieselbe  aber  ganz 
voll  todter,  sterbender  und  blessirter  Franzosen  gefunden,  welche  ihr  Kaiser 
noch  vom  16.  her  dort  hatte  liegen  lassen.  Ich  Hess  meine  Hütte  um 
ein  bedeutendes  erweitem  und  dem  General  ein  Lager  bereiten,  so  gut  es 
die  Umstände  gestatteten.  Bei  dieser  Gelegenheit  zeigte  es  sich,  wie  sehr 
der  General  von  den  Truppen  geliebt  wurde.  Ich  musste  nämlich  zum 
Hüttenbau  Füsiliere  kommen  lassen.  Als  ich  ihnen,  sagte,  dass  die  Arbeit 
für  den  General  Kleist  sei,  drängten  sie  sich  ordentlich  dazu  und  viele 
brachten  ihr  eigenes  Lagerstoh  und  lagen  lieber  auf  der  blossen  Erde,  um 
nur  ihren  geliebten  Feldherm  besser  ruhen  zu  lassen.  Wir  lagerten  uns 
um  ein  grosses  Feuer,  ich  Hess  auftischen,  was  die  Kelle  gab,  und  Alle 
ruhten  trefflich,  von  der  heissen  Arbeit  des  Tages  ermüdet. 

„Den  19.  October  früh  erhielt  der  General  Kleist  die  Meldung,  dass 
die  Franzosen  Probstheyda  geräumt  hätten  und  unsere  Truppen  eingerückt 
wären.    Er  setzte  sich  zu  Pferde  und  ritt  nach  den  Vorposten. 

„Ich  setzte  mich  auch  auf,  um  das  Schlachtfeld  zu  bereiten.  Hartwig 
b^leitete  mich;  wir  ritten  nach  Probstheyda,  wo  —  uns  gegenüber  — 
das  Gefecht  am  heftigsten  gewesen  war.  Auf  dem  Felde  bis  dahin  sah 
man  mehr  todte  Pferde,  als  todte  Menschen,  und  von  letzteren  doch  noch 
mehr  Franzosen  als  AUürte.  Aber  bei  und  in  Probstheyda  sah  es  fürch- 
terlich aus.  An  der  Spitze  des  Dorfes  hatte  unsere  Artillerie  schrecklich 
gewüthet:  man  sah  ganze  Reihen  niedergestreckt.  Um  das  Dorf  herum 
lagen  sehr  viel  Blessirte,  die  aus  den  Häusern  herausgekrochen  waren,  um 
nicht  von  den  Flanmien  verzehrt  zu  werden,  wie  es  vielen  ergangen  war, 
d«ren  Wunden  ihnen  keine  Bewegung  verstattete.  Ohnweit  dem  Dorfe 
stand  ein  halbverbrannter  ArtiUeriepark  und  viele  Lafetten,  von  denen  man 
die  Kanonen  hernach  dicht  dabei  eingegraben  gefunden  hat.    Nicht  weit 


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—     164     — 

davon  stand  noch  ein  solcher  Park  und  dabei  waren  noch  3  wohlconser- 
virte  Kanonen.  Alle  diese  Sachen  hatte  der  Feind  wahrscheinlich  aus 
Mangel  an  Pferden  stehen  lassen,  denn  der  Verlust  an  diesem  nothwen- 
digen  Kiiegsreqnisit  wai*  in  diesen  Tagen  ganz  über  alle  Beschreibung 
gross  gewesen.  Es  ist  wahrlich  nicht  übertrieben,  wenn  man  sagt,  dass 
auf  dem  ganzen  Schlachtfeld  —  welches  freilich  eine  Ausdehnung  von 
mehreren  Meilen  hatte  —  gegen  80,000  Pferde  gelegen  haben  können, 
worunter  viele  noch  mit  zerschmetterten  Beinen  herumhinkten  und  dann 
und  wann  von  einem  mitleidigen  Soldaten  todtgeschossen  wurden  unter 
den  blessii-ten  Franzosen  bei  Probstheyda  war  auch  ein  Officier  von  der 
alten  Garde,  dem  der  rechte  Fuss  abgeschossen  war.  Dieser  arme  Mensch 
hatte  die  ganze  Nacht  über  auf  der  feuchten  Erde  ohne  eine  andere  Be- 
deckung als  seinen  üeberrock  mid  ohne  die  mindeste  Nahrung  gelegen. 
Er  bat  uns  flehentlich,  ihn  wegbringen  zu  lassen,  weil  er  sonst  unfehlbar 
sterben  würde.  Wir  erquickten  ihn  mit  Schnaps  und  Butterbrod  und 
leerten  unsere  Flaschen  auch  bei  den  übrigen,  wofür  uns  eben  so  viel 
Segenswünsche  wurden,  als  gegen  Napoleon  Flüche  ausgestossen.  —  Da 
uns  der  Officier  sagte,  dass  er  von  seinen  eigenen  Kameraden  ganz  aus- 
geplündert sei,  so  gaben  wir  ihm  etwas  Geld  und  riefen  einige  Preussische 
Soldaten  herbei,  um  ihn  in  ein  Haus  tragen  zu  lassen.  Er  bat  uns 
darauf,  zu  sorgen,  dass  er  nicht  aufs  Neue  ausgeplündert  werde,  und  ich 
ermahnte  daher  die  Soldaten,  dem  Unglücklichen  ja  nichts  zu  nehmen. 
Da  antwortete  der  Eine  von  ihnen:  „Herr  Major,  wir  sind  Preussen  und 
die  thun  das  nicht!" 

„Als  ich  von  Probstheyda,  innig  ergiiflFen  von  dem  Greuel  des  Krieges, 
zurückgekommen  war,  sagte  man  mir,  dass  in  der  uns  links  liegenden 
Ziegelscheune  —  wo  Kleist  die  vergangene  Nacht  zubringen  wollte  —  sehr 
viele  Französische  Blessirte  lägen,  die  in  dem  hülfsbedürfügsten  Zustande 
wären.  Ich  ging  augenblicklich  hin  und  sah  Scenen  des  Elends  und 
Jammers,  von  denen  sich  die  lebhafteste  Phantasie  keinen  Begriff  machen 
kann.  In  einem  langen,  einem  Schafstalle  ähnlichen  Gebäude  lagen  zu 
beiden  Seiten  gegen  2 — 300  Blessirte,  die  grösstentheils  durch  Kanonen- 
kugeln, also  schwer,  verwundet  waren  und,  es  ist  schrecklich  zu  sagen, 
seit  dem  14.  und  16.  October,  also  3 — 5  Tage,  ohne  Nahrung  und  Ver- 
band gelegen  hatten.  Wenn  man  erwägt,  dass  Napoleon  das  Terrain  bis 
zum  18.  Morgens  inne  hatte,  so  musste  man  sich  wundem,  dass  der 
grosse    Kaiser   keine    Anstalten   zur   Fortschaflfung    dieser   Unglücklichen 


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—     165     — 

treffen  liess,  zumal  er  selbst  nicht  weit  davon  sein  Bivouac  gehabt 
haben  mochte,  wie  eine  Menge  an  ihn  gerichteter  Couverts  und  mehrere 
Rapports  zu  beweisen  schienen.  Indess  ist  es  nicht  unwahrscheinlich,  dass 
er  die  annen  Schlachtopfer  seines  Ehrgeizes  darum  unbeachtet  liess,  weil 
sie  grössten  Theils  Candidaten  des  Todes  oder  doch  so  verstümmelt 
waren,  dass  an  keine  Dienstföhigkeit  mehr  zu  denken  war,  er  sich  also 
unbrauchbare  Subjecte  vom  Halse  schaflPte.  —  Das  Elend  in  jener  Jammer- 
hfitte  überstieg,  wie  gesagt,  alle  Grenzen.  Beim  Eintritt  kam  Einem  ein 
pestartiger  Geruch  entgegen,  der  von  den  schon  in  Fäulniss  übergangenen 
Wunden  der  Lebenden  und  von  den  bereits  Gestorbenen  herrührte.  Todte 
und  Lebendige  lagen  in  einem  scheusslichen  Gemisch  durcheinander. 
Während  der  Nacht  hatten  die  bivouakirenden  Truppen  das  Haus  abge- 
deckt, um  Holz  zur  Feuerung  zu  bekommen.  Dadurch  waren  Steine  und 
Balken  heruntergefallen  und  mancher  von  den  Unglücklichen  war  er- 
schlagen, mancher  auf^s  Neue  verwundet  worden.  Zu  helfen  war  hier 
schwer,  indess  geschah  was  möglich  war.  Jedes  Bataillon  gab  einen 
Chirurgus  mit  dem  nöthigen  Verbandzeug  und  die  Truppen  theilten  von 
ihrem  Branntwein  und  Brod  mit,  was  ihnen  um  so  mehr  Ehre  machte, 
als  sie  selbst  Mangel  litten."  — 

Nach  der  Schlacht  bei  Leipzig  marschirten  die  Alliirten  bekanntlich 
dem  Rhein  zu.  Bei  Kosen  ging  man  über  die  Saale  und  hier  passirte 
Job  von  Witzleben,  der  sich,  während  sein  Bataillon  biwakirte,  in  der 
Nacht  vom  22.  zum  23.  Oct.  eines  Unwohlseins  wegen  in  Kosen  ein- 
quartiert hatte,  ein  sonderbarer  Vorfall,  durch  den  man  einen  Begriflf  von 
der  grenzenlosen  Verwirrung,  die  jetzt  in  der  Pranzösichen  Armee  herrschte, 
bekommen  kann.  Job  hatte  sich,  wie  erwähnt,  in  Kosen  einquartiert, 
zusammen  mit  seinem  Adjutanten  Hartwig  und  einem  Russischen  Officier. 
Abends  klopfte  es  an  ihre  Thür  und  es  trat  ein  Französischer  Officier  ein, 
der  in  seinem  Gefolge  einen  sergeant- major  von  der  jungen  Garde, 
3  sergeants  und  58  Gemeine  hatte,  und  Job  mit  den  Worten  anredete: 
nMonsieur,  nous  sommes  des  hommes  qui  se  rendent;  nous  ne  savons 
plus  oü  aller,  il  faut  donc  se  rendre."  Man  kann  sich  Job's  Erstaunen 
denken.  Er  nöthigte  den  Officier,  der  ein  Capitain  des  27.  leichten  Re- 
giments war,  und  den  sergeant -major,  einen  jungen  hübschen  Menschen, 
zu  sich  herein  und  sperrte  die  üebrigen  in  ein  nahegelegenes  Haus,  vor 
das  er  3  Russische  traineurs  als  Wache  stellte.  Diese  liefen  aber  in  der 
Nacht  davon,  während  die  Franzosen  sämmtlich  da  blieben.     Morgens  liess 


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~     166     — 

aie  Job  durch  einen  Füsilier  seines  Bataillons  und  einen  Packknecbt,  dem 
geschwind  ein  alter  Säbel  in  die  Hand  gegeben  wurde,  nach  Naumburg 
transportiren. 

Am  24.  October  biwakirte  Witzleben  in  der  Nähe  von  Weimar. 

„Ich  ritt,  nachdem  wir  auf  dem  Biwak  angekommen,  nach  der  Stadt, 
besuchte  das  Theater,  wo  „Wallensteins  Lajger"  leidlich  und  „das  Ge- 
heimniss"  gut  gegeben  wurde,  und  blieb  die  Nacht  in  der  Stadt.  Das 
Theater  wimmelte  von  Preussischen  Oflßcieren  jeden  Ranges,  und  welcher 
Jubel  eiiönte,  als  in  Wallensteins  Lager  die  Worte  ausgesprochen  wurden: 
„Seit  der  Leipziger  Fatalität  will  ihm  nichts  mehr  glücken,"  ist  nicht  zu 
beschreiben". 

Während  des  Marsches  nach  dem  Rhein  erfuhr  Job  in  Frankfurt  a./M. 
seine  Beförderung  zum  Oberstlieutenant.  Wenige  Tage  darauf,  am 
14.  Decbr.,  wurde  er  zum  Commandeur  des  Garde -Jäger -Bataillons  er- 
nannt, welches  er  am  25.  zu  Neckargemünd  bei  Heidelberg  übernahm. 
Die  Jäger  gingen  ihrem  vielgeliebten  Commandeur  entgegen  und  bewiesen 
ihre  Freude  durch  Illumination  ihrer  Quartiere  und  eine  Abendmusik.  Das 
OfBcier-Corps  gab  ihm  ein  Diner.  „Es  würde  lächerlich  sein,  zu  behaupten, 
'  —  schreibt  er  seiner  Frau  —  nur  den  zehnten  Theil  von  dem  zu  ver- 
dienen, womit  man  mich  auszeichnet." 

Nachdem  Job  am  13.  Jan.  1814  den  Rhein  bei  Basel  überschritten 
hatte,  theilte  er  abermals  das  schmerzliche  Schicksal  der  Garden,  fast  den 
ganzen  Feldzug  hindurch  dem  Feinde  nicht  in's  Angesicht  zu  schauen. 
Erst  in  der  Schlacht  von  Paris,  am  30.  März,  in  der  er  zeitweise  neben 
seinem  Garde -Jäger -Bataillon  auch  die  beiden  Grenadier-Bataillone  des 
1.  und  das  Füs.  Bat.  des  2.  Garde-Regiments  commandirte,  fand  er  wieder 
Gelegenheit,  sich  auszuzeichnen.  Er  schreibt:  „Am  Morgen  des  30.  Mäi-z 
brachen  wir  wie  gewöhnlich  mit  den  Russischen  Garden  zusammen  aus  dem 
Bivouac  bei  Yilleparisis,  ungefähr  6  lieues  von  Paris,  auf.  Nachdem  wir  einige 
Stunden  marschiii  waren,  hörten  wir  vor  uns  eine  heftige  Kanonade. 
Bei  Bondy,  Vj2  lieues  von  Paris,  machten  die  Russischen  Garden  Halt,  wir 
rückten  aber  vor,  um  sogleich  an  dem  Gefecht  Theil  zu  nehmen  oder  doch 
wenigstens  den  im  Feuer  befindlichen  Truppen  des  Corps  von  Rajewski 
zur  Unterstützung  zu  dienen.  Das  1.  Füs.  Bat.  (Füs.-Bat  d.  1.  Gd.  Rgts.),  das 
1.  und  2.  Bataillon  2.  Regiments  und  das  Badenische  Garde -Bataillon  gingen 
durch  Bondy  durch.  Ich  wurde  mitdem  2.  Füs.-Bat.  (Füs.-Bat.  de82.  Gd.  Rgts.), 
dem  1 .  und  2.  Bataillon  des  1 .  Regiments  Garde  und  den  Garde- Jägern  links  von 


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—     167     — 

Bondy  angestellt,  um  jeden  Angriff  des  Feindes  auf  dieses  Dorf  durch 
^ein  rasches  Vordringen  in  seine  rechte  Flanke  zu  vereiteln.  Der  Feind 
stand  mit  seinem  linken  Flügel  auf  dem  Montmartre,  mit  dem  rechten 
auf  der  Höhe  von  St.  Gervais  in  einem  Bogen  um  die  Barriere  von  Paris 
herum  und  hatte  die  Dörfer  Pantin,  La  Vilette  und  La  Chapelle  besetzt, 
während  auf  den  dominirenden  Punkten,  besonders  auf  den  Höhen  von 
St.  Gervais,  zahlreiche  Artillerie  aufgefahren  war.  In  der  Ebene  standen 
Mmterie-Massen  und  Artillerie.  Cavallerie  konnten  wir  nicht  sehen.  Das 
Dorf  Pantin  war  bis  zur  Hälfte  von  den  Russen  genommen,  die  sich  aber 
des  heftigen  von  allen  Seiten  eindringenden  Feuers  wegen  kaum  mehr 
halten  konnten.  Sie  hatten  schon  viel  verloren;  ganze  Schaaren  von 
Blessirten  kamen  uns  entgegen.  So  standen  die  Sachen,  als  wir  bei 
Bondy  ankamen.  Der  Angriffs -Disposition  zufolge  sollte  der  Kronprinz 
von  Wurtemberg  die  Höhen  von  St.  Gervais  umgehen  und  Blücher  zu 
gleicher  Zeit  den  Montmartre  angreifen,  während  man  den  Feind  in  der 
Ebene  zu  beschäftigen  suchte.  Dieser  Plan  war  vernünftig,  denn  wenn 
man  sich  in  Besitz  der  beiden  Höhen  befand,  musste  das  Andere  von 
selbst  fallen.  Aber  der  Kronprinz  von  Wurtemberg  konnte  erst  um  12  ühr 
Mittags  ankommen  und  Blücher  hatte  auch  einen  bedeutenden  Weg  zu 
machen.  Daher  geschah  es  denn,  dass  man  bei  dem  Feuereifer  der  Truppen 
den  Angriff  in  der  Ebene  ein  wenig  zu  früh  unternahm  und  dadurch 
manchen  braven  Soldaten  opferte. 

„Als  Block  mit  seinem  Bataillon  durch  Bondy  gegen  Pantin  vorging, 
stand  es  mit  den  Russischen  Tirailleurs  hier  so  übel,  dass  er  zu  ihrer 
Unterstützung  sogleich  Theil  an  dem  Gefechte  nehmen  musste.  Er  warf 
•  seine  Plänker  vor  und  drang  in's  Dorf  mit  dem  Bajonette  ein.  Der  Feind 
hatte  einige  Artilleriestücke  auf  der  Chaussee,  die  schnurgerade  durch 
Pantin  läuft,  und  beschoss  ihn  mit  Kartätschen,  wodurch  er  viel  verlor. 
Er  und  sein  braves  Bataillon  Hessen  sich  aber  nicht  irre  machen,  sondern 
drangen  auf  die  nächste  Infanterie-Masse  ein,  die  sie  auch  glücklich  zum 
Weichen  brachten,  wiewohl  hier  mancher  Tapfere  fiel.    . 

„Inzwischen  war  der  Feind  hier  bedeutend  überlegen  und  die  Flügel- 
Attaquen  konnten  noch  nicht  stattfinden,  daher  war  es  nöthig,  diiss  die 
ganze  Brigade  vorrückte,  um  das  Gefecht  womöglich  durch  einen  raschen 
Coup  zu  beendigen.  AUes  setzte  sich  daher  gegen  Pantin  in  Marsch. 
MoffUng   ging   mit   dem   2.  Regiment  Garde  und    den  Badenern  durch 

Bondy,  ich  liess  dasselbe  mit  meinen  4  Bataillons  rechts.     Wie  auf  dem 

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—     168     — 

Exercierplatz  trafen  beide  Attaquen  zusammen.  Als  wir  gegen  die  Spitze 
von  Pantin  herankamen,  erhielten  wir  aus  den  Batterieen  auf  den  Höhen  ^ 
von  St.  Gervais  ein  heftiges  Feuer  in  unserer  linken  Flanke,  welches  uns 
einigen  Schaden  zufugte  und  mir  insbesondere  den  guten  Marenholz  raubte, 
dem  eine  Kanonenkugel  den  linken  Arm  nahe  an  der  Schulter  wegriss 
und  zugleich  die  Schulter  zerschmetterte.  Er  lebte  noch  4  Tage  und 
endete  unter  unsäglichen  Leiden.  Dieselbe  Kugel  blessirte  noch  mehrere 
Jäger,  die  ebenfalls  grösstentheils  gestorben  sind.  Indess  blieb  Alles  in 
Marsch.  Die  Tirailleurs  wurden  in  Pantin  hineingeworfen,  die  Bataillons 
gingen  rechts  und  links  vorbei  und  jedes  warf  sich  ohne  Weiteres,  sowie 
es  den  Feind  ansichtig  wurde,  auf  ihn.  Mich  traf  es,  rechts  von  Pantin 
mit  dem  1.  Bataillon  des  1.  Regiments  Garde  dem  Badenischen  Garde- 
Bataillon  zum  soutien  zu  folgen. 

„Dies  Bataillon  war  zum  ersten  Mal  im  Feuer.  Es  fand  eine  Infanterie- 
masse vor  sich,  gegen  welche  es  sich  in  Marsch  setzte.  Diese  von  der 
alten  Garde,  gewohnt,  ihren  Feind  in  der  Nähe  zu  betrachten,  Hessen  das 
Bataillon  bis  auf  40  Schritte  herankommen  und  gaben  eine  Salve,  welche 
so  unglücklich  mit  einer  Kartätschlage  von  vom  her  zusammentraf,  dass 
das  arme  Bataillon,  sich  eines  solchen  Empfanges  nicht  vermuthend,  in 
4  Theile  auseinanderstiebte.  Dies  war  zwar  nicht  gut,  aber  bei  jungen 
Truppen  verzeihlich.  Inzwischen  sanmielte  es  sich  sogleich  wieder  und 
machte  seinen  Fehler  dadurch  gut,  dass  es  dem  Feinde  die  Kanonen  ab- 
nahm, mit  welchen  er  es  beschossen  hatte.  Was  uns  von  Infanterie 
gegenüberstand,  wurde  bis  gegen  die  Barrieren  zurückgeworfen  und  bei 
dieser  Gelegenheit  14  Kanonen  genommen. 

„Hiermit  wäre  das  Gefecht  auf  diesem  Fleck  ziemlich  entschieden . 
gewesen,  aber  leider  waren,  wie  ich  schon  vorhin  bemerkte,  die  Flügel- 
Attaquen  noch  nicht  heran,  wir  hatten  nur  einen  Theil  der  feindlichen 
Linie  gedrängt  und  standen  nun  mit  den  übrigen  in  gleicher  Höhe,  wo- 
durch unsere  beiden  Flanken  enfilirt  werden  konnten.  Wir  waren  dadurch 
einem  dreifach  kreuzenden  Feuer  ausgesetzt  und  litten  bedeutend.  Dicht 
neben  mir  tödtete  eine  Kugel  3  Mann  vom  1.  Bataillon  1.  Regiments 
Garde,  dem  einen  wurde  der  Kopf  hinweggerissen  und  ich  ganz  mit  Gehini 
beworfen.  —  Wir  waren  auf  diesem  Fleck  ganz  allein.  Der  Canal  de 
rOurcq,  der  senkrecht  in  unserer  rechten  Flanke  lag,  trennte  uns  von 
Blücher.  Die  2.  Russische  Division  war  noch  nicht  heran,  wir  befanden 
uns    in    einer   kritischen  Lage.     Jeder  sah   die  Nothwendigkeit  ein,    das 


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—     169     — 

Terrain  bis  auf  den  letzten  Mann  zu  halten  und  dabei  hatten  wir  den 
Feind  in  beiden  Flanken,  ohne  ihm  etwas  anhaben  zu  können.    Inzwischen 
leisteten  die  Trappen,  was   nur  zu  verlangen  war.     Die  Colonnen  wichen 
keinen  Puss  breit.    Unsere  Tirailleurs  hatten  nach  allen  Seiten  Front  ge- 
macht und  umgaben  uns  wie  eine  Kette.     Der  Feind  war  noch  im  Besitz 
des  jenseitigen  Randes  des  Canals.    Wir  hatten  unsere  Tirailleurs  dagegen ; 
der  Feind  lag  aber  hinter  einem  Wall,  liess  sich  nicht  sehen  und  beschoss 
die  Colonne  im  Bogen.     Da  wir  auf  unserer  Seite  auch  einen  Wall  hatten, 
so  machten  es  unsere  Tirailleurs  ebenso  und  die  Sache  kam  nicht  vom 
Flecke.    Endlich  sprang  der  Jäger  Bandelow  meiner  Compagnie,  ein  bild- 
schöner blutjunger  Mensch,  auf  den  Wall  und  schoss  einen  Franzosen  todt. 
Die  Andern  folgten,   der  Feind  wich,  Lieutenant  Demar^es  sprang  in  den 
Canal,   Alles  setzte    nach    und   die  Sache  war  far  den  Augenblick  ent- 
schieden.    Auf  der  andern  Seite,  den  Höhen  von  St.  Gervais,  war  es  eben 
so  glücklich  gegangen.     Der  Oberst  Alvensleben  detachirte  unsem  Capitain 
Neuhaus  mit  seiner  Compagnie  gegen  die  dort  befindlichen  Batterieen.    Er 
formirt  eine  Tirailleurlinie  und   geht  mit  Geschrei  auf  die  Kanonen  los. 
Der  Feind   giebt  noch  eine  Salve  und  verlässt  sein  Geschütz.     Neuhaus 
bekommt  10  Kanonen,  worunter  2  mit  Bespannung.     Durch  diese  beiden 
Flankenexpeditionen  hatten  wir  etwas  Luft  bekommen   und  konnten  nun 
an's  Vordringen    denken.      Mittlerweile    waren    auch    die    Brigade    Prinz 
Wilhelm,  den  Prinzen  an  der  Spitze,  und  2  Regimenter  der  2.  Russischen 
Division   angekommen.     Wir  bemächtigten  uns    einer  Brücke   über    den 
Canal   und    drangen    in  La  Vilette  ein.     Ich   setzte  mich  an   die  Spitze 
unserer  Tirailleurs,  um  den  Feind  zu  coupiren.     Es  gelang.    Wir  besetzten 
eine  Strasse,  durch  die  er  musste,  empfingen  ihn  mit  einem  heftigen  Feuer 
and  warfen  ihn  so  gegen  unsere  Tirailleurs  zurück,  die  von  einer  andern 
Seite  eindrangen.     Als  wir  eben  in  jener  Strasse  angekommen  waren,  lief 
ein  Mann  von  der  Pariser  Nationalgarde  —  von  der  man  einen  Theil  ge- 
zwungen hatte,    sich    zu   schlagen  —  vorbei.     Ich  hatte  wahrgenommen, 
dass  es  ein  ganz  alter  Mann  sei,  und  rief  daher  Bandelow,  der  eben  die 
Büchse  am  Kopf  hatte,  zu,   er  solle  nicht  schiessen,  indess  mochte  er  es 
in  dem  Tumulte   nicht  gehört  haben,  —  ich   sah  den  Mann  fallen.     Er 
hatte  schneeweisses  Haar  und   war  70  Jahr  alt.     Es  that  mii-  unendlich 
leid,  dass  ich  ihn  nicht  hatte  retten  können,  und  schalt  Bandelow  tüchtig 
ans.    Die  Kugel  hatte  dem  Unglücklichen  den  Rückgrad  zerschmettert,  er 
starb  einige  Minuten  darauf.    Mittlerweile  hatte  sich  der  Feind,  dem  jeder 


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Ausweg  abgeschnitten  war,  gesetzt  und  fing  ein  heftiges  Feuer  an.    Wir 
wai-en  hier  ungefähr  40  Tirailleurs  stark,  er  mochte  uns  erst  ftir  stärker 
gehalten  haben.     Wie  ich  eben  an  die  Brücke  komme,  sehe  ich  unsere 
Tii'ailleurs  zurückkehren.     Der  Feind  hatte  sich  mit  Uebermacht  auf  sie 
geworfen,  weil  er  ohne  dies  nicht  durchkommen  konnte.     Indess  stellten 
wir  die  Sache  gleich  wieder  her  und  drangen  nun  bis  auf  Flintenschuss- 
weite an  die  Barrieren  vor,  ausserhalb  deren  kein  Feind  mehr  zu  finden 
war.    So  standen  die  Sachen,  als  ims  ein  Adjutant  des  Fürsten  Schwarzen- 
berg   die  Nachricht  des  Waffenstillstandes  brachte.     Sogleich  wurde  der 
Befehl  gegeben,  mit  dem  Feuern  au&uhören.    Indess  dauerte  es  sehr  lange, 
ehe  wir  bei  uns  das  Feuer  zum  Schweigen  bringen  konnten;  denn  da  wir 
die  Dörfer  Pantin  und  La  Vilette  besetzt  hatten,  so  waren  unsere  Leute 
in  den  Häusern  zerstreut  und  es  sehr  schwierig,    den  Befehl  der  ganzen 
Linie  schnell  mitzutheilen,  zumal  die  Franzosen  nicht  davon  unterrichtet 
zu  sein  schienen  und  immerfort  schössen.     Wir  winkten  zwar  mit  Tüchern, 
Hedemann,  der  Adjutant  des  Prinzen  Wilhelm,  ritt  mit  einem  Trompeter 
vor;  allein  dieser  aime  Teufel  wurde  blessirt  und  das  Feuer  hörte  nicht 
auf.    Endlich    sprang   ich  vom  Pferde  und  ging  ganz  allein  mit  einem 
weissen  Tuche  auf  den  Feind  zu,  indem  ich  ihnen  zurief,  sie  sollten  einen 
Officier  heraus   schicken.     Dieser   kam    dann   und  ich  machte  ihm    die 
Nachricht  bekannt.    Er  wollte  ihr  zwar  nicht  recht  trauen,    da    er  aber 
sah,    dass   unsere   Tii'ailleurs   ruhig   waren    und   unsere  Colonnen    etwas 
zurückgingen,  so  wurde  er  geneigt,  die  Sache  zu  glauben.     Plötzlich  fällt 
aus  einem  Hause  von  unserer  Seite  her  ein  Schuss;  der  Oflficier,   darüber 
unwillig,  dreht  sich  um  und  geht  fort,  kein  Zureden  hilft;  —  kaum  hat 
er  den  Rücken  gewandt,  so  fangen  die  Franzosen  wieder  an  zu  schiessen, 
unsere  Soldaten  antworten  und  der  Spass  geht  von  Neuem  an.    Mir  ruft 
ein  Franzose  auf  40  Schritte  zu:    „Retirez-vous,  ou  je  tire!"    Ich  ant- 
wortete:    „Vous  etes  un  coquin  si  vous  tirez,  parceque  je  suis  un  parle- 
mentair.*'     Aber  der   Kerl  nimmt  dem  ohngeachtet  das  Gewehr  an  den 
Kopf  und  schiesst,  zum  Glück  schlecht  genug,  denn  die  Kugel  pfeift  vor- 
bei.    Es  hätte   keiner  meiner  Jäger  sein  müssen.  —  Endlich  gelingt  es 
uns,  wieder  Ruhe  zu  machen,  wenigstens  auf  unserer  Seite,  denn  Langeron, 
der  gerade  den  Montmartre  angreift,  will,   bis  dieser  genommen  ist,  von 
keinem  Waffenstillstände  etwas  wissen.    Nach  einiger  Zeit  hat  er  seinen 
Zweck  erreicht  und  es  herrscht  nun  auf  der  ganzen  Linie  eine  Stille,   die 
gewaltig  mit  dem  vorigen  Lärm  contiastirt.     Wir  gingen  einzeln  bis  an 


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—     171     — 

die  Pallisaden  der  Barrieren  von  Paris  und  unterhielten  uns  mit  dem 
Feinde,  der  überaus  aitig  war.  In  Kurzem  war  zwischen  ihm  und  unsem 
Leuten  eine  solche  Vertraulichkeit,  dass  wir  uns  aus  der  Stadt  kleine  Be- 
dürftiisse,  als  Wein,  Brod  und  dergl.  holen  Hessen.  Wenige  Minuten 
vorher  war  unser  Zweck,  uns  gegenseitig  das  Leben  zu  nehmen,  jetzt 
reichten  wir  uns  die  Mittel,  um  es  zu  erhalten. 

„Der  Verlust  unserer  Brigade  war  höchst  bedeutend ;  aber  Alles  war 
auch  voll  von  der  ausgezeichneten  Bravour  der  Truppen.  Der  Kaiser 
Alexander  nahm  seinen  eigenen  öeorgenorden  und  gab  ihn  an  Alvensleben, 
alle  Generale  erschöpften  sich  in  Lobeserhebungen  und,  was  uns  das 
Liebste  war:  wir  hatten  der  übrigen  Preussischen  Armee  gezeigt,  dass  wir 
ihrer  werth  sind  und  dass  es  nicht  unsere  Schuld  war,  weim  wir  es  nicht 
früher  beweisen  konnten.  Wir  bivouakirten  auf  dem  Schlachtfelde  und 
bereiteten  uns  zu  dem  feierlichen  Einzüge  vor.  Während  des  Gefechts 
war  ich  nur  wenig,  in  der  letzten  Zeit  gar  nicht  bei  meinem  Bataillon 
gewesen.  Die  Jäger  empfingen  mich  mit  unglaublichem  Jubel,  als  ich 
gesund  unter  sie  trat,  denn  man  hatte  mich  blessirt  geglaubt.  Dieser 
neue  Beweis  ihrer  Anhänglichkeit  erweckte  in  mir  ein  unaussprechlich 
wohlthuendes  Gefühl. 

„Den  31.  Morgens  kamen  viele  Pariser  Bürger  zu  uns,  heraus.  Alle 
waren  vergnügt  über  die  Wendung  disr  Dinge.  Nach  langem  HaiTen 
setzten  wir  uns  endlich  gegen  10  ühr  in  Marsch.  Zuerst  die  Preussische, 
dann  die  Russische  leichte  Cavallerie  mit  mehreren  reitenden  Batterieen. 
Dann  die  1.  Russische  Garde- Division;  dann  wir,  die  Preussischen  Garden, 
die  2.  Russische  Division  und  endlich  die  prächtige  Russische  und 
Preussische  Reserve-Cavallerie,  lauter  Cürassiere.  Wir  zogen  durch  die 
Barriere  Pantin,  die  porte  St.  Martin,  die  boulevards  Montmarti-e,  des 
Italiens  und  des  Capucmes,  rue  St.  Honorö,  den  Platz  de  la  Concorde 
nach  den  Champs  61ys6es,  wo  wir  bei  den  Monarchen  vorbei  defilirten. 
Ueberall  waren  auf  diesem  langen  Wege  —  gewiss  gegen  eine  kleine 
Deutsche  Meile  —  unzählige  Menschen  versammelt,  die  uns  mit  weissen 
Tüchern  zuwinkten,  mit  Jubelgeschrei  empfingen  und  unaufhörlich  ^Vivent 
les  Alli^s,  vivent  les  Bourbons!"  riefen.  So  ist  wohl  noch  nie  ein  Feind 
empfangen  worden.  Auf  den  Champs  61ys6es  blieben  wir  bis  gegen  Abend 
und  bezogen  dann  eine  elende  Kaserne  in  dem  faubourg  St.  Germain,  me 
Plumet,  welche  wir  späterhin  mit  einer  etwas  bessern  in  der  rue  Mouflfetard 
vertauschten." 


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Für  die  Scblacbt  von  Paris  erhielt  Job  von  Witzleben  das  eisenie 
Kreuz  I.  CL,  den  Wladimir  um  den  Hals  (wie  er  sieb  selbst  ausdrückt) 
und  den  Baden'scben  Militaii- Verdienst-Orden.*) 

Bis  zum  3.  Juni  blieb  Job  in  Paris,  wo  er  hauptsächlich  mit  Cheru- 
bini und  dessen  Familie  verkehrte.  An  diesem  Tage,  Mittags  1  Dhr, 
marschirte  er  mit  seinem  Bataillon  zu  derselben  Barriere  (Pantin)  hinaus, 
durch  welche  er  eingezogen  war. 

Vom  13.  bis  21.  Juli  war  er  in  Angelroda,  wo  ihm  die  jungen 
Mädchen  Eichenkränze  brachten  und  die  Bauern  eine  Ehrenpforte  bauten, 
durch  welche  seine  fi-ühere  Compagnie  einzog.  Anfangs  August  rückten 
die  Garden  in  Berlin  ein. 

Am  3.  Sept.  1814wurde  Job  von  Witzleben  zumSousinspectem*  der  sämmt- 
lichen  Jäger  und  Schützen  der  Äimee  ernannt;  als  solcher  gab  er  eine  vor- 
zügliche Schiessinstruction  heraus,  welche  allen  späteren  als  Grundlage  diente. 

Nachdem  Job  am  1.  Apr.  1815  unter  Beibehalt  der  erwähnten  In- 
spection  dem  Generalstabe  der  Niederländischen  Armee  unter  dem  Fürsten 
Blücher  beigegeben  war,  wurde  er  am  31.  Mai  zum  Obersten  und  Chef 
des  Generalstabes  des  combiniiien  Norddeutschen  Bundes-Armeecorps  unter 
Kleist  ernannt,  und  obgleich  dies  Corps  aus  den  verschiedensten  Elementen 
zusammengesetzt  war,  gelang  es  ihm  doch  bald  einen  guten  Geist  in 
dasselbe  zu  bringen.  Job  leitete  die  Belagerungen  und  schloss  die 
Capitulationen  von  Sedan,  Mfeiöres  und  Montmedy  und  ausserdem  war 
ihm  die  Civilverwaltung  des  Departements  der  Ardennen  übertragen. 
Später  riefen  ihn  Dienstgeschäfte  zeimal  nach  Paris.  Als  er  dasselbe 
Anfangs  October  verliess,  schrieb  er  die  prophetischen  Worte:  „Zum 
letztenmal  sind  wir  nicht  hier,  das  ist  klar." 

Auf  seiner  Rückreise  nach  Berlin  hatte  er  in  Mainz  am  1 7.  November 
mit  dem  Erzherzog  Carl  eine  lange  und  interessante  Unterhaltung,  durch 
welche  dieser  so  angezogen  wurde,  dass  er  Witzleben  sein  Werk  über  die 
Kriegskunst  als  Andenken  verehrte. 

Nach  seiner  Rückkehr  ward  Witzleben  zum  wirklichen  Inspectcoir 
der  Jäger  und  Schützen  und  am  28.  Dec.  1815  zum  Chef  des 
Generalstabes  des  General -Commandos  in  Preussen  unter  dem  Grafen 
Bülow    von  Dennewitz    ernannt.      Er   blieb  jedoch   in    Berlin,    um    die 

*)  Kaiser  Alexander  liess  ein  Bild  von  der  Schlacht  von  Paris  anfertigen:  ein 
dem  Tode  naher  Russischer  Tambonr  schlagt  noch  Marsch,  Preussische  Garde -Jäger 
tragen  den  Tambour  und  Witzleben  hält  in  der  Nähe. 

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-     173     — 

Oiiganisation  der  Jäger  und  Schützen  zu  vollenden.  Am  17.  Oct. 
1816  wurde  er  in  das  Kriegs -Ministerium  versetzt  und  in  das 
Cabinet  für  die  persönlichen  Militair  -  Angelegenheiten  berufen.  Am 
17.  Jan.  1817  erhielt  er  den  rothen  Adler- Orden  III.  Cl.  und  am 
27.  Oct,  1817  ward  er  von  der  Inspection  der  Jäger  und  Schützen  ent- 
bunden und  wirklicher  Vorstand  des  Militair -Cabinets,  d.  h.  Chef  der 
8.  Abtheüung  (für  die  persönlichen  Angelegenheiten)  des  Kriegsministeriums. 
In  dieser  Stellung  trat  er  in  die  innigste  Verbindung  mit  dem  Könige, 
Wovon  weiter  unten  ausfuhrlicher  die  Rede  sein  wird,  und  begleitete  den- 
selben alljährlicli  sowohl  auf  den  kürzeren  Reisen  zu  den  Revuen  als  auch 
auf  den  grösseren  zu  Fürsten  Versammlungen  und  Besuchen  an  auswärtigen  Höfen. 

Bereits  1818,  während  der  Reise  des  Königs  nach  Moskau  und 
Petersburg,  wurde  Witzleben,  nicht  ganz  35  Jahre  alt,  am  5.  Juni  zum 
General-Adjutanten  ernannt  und  ihm  der  Character  als  General-Major  bei- 
gelegt. Es  existirt  über  diese  Ernennung  folgende  Anecdote:  Witzleben, 
der  neben  dem  Könige  im  Wagen  sass,  war  eingeschlummert  und  zwar 
so  fest,  dass  sein  Haupt  auf  die  Schulter  des  Königs  gesunken  war.  Eine 
Zeit  lang  hielt  der  König  ruhig  aus,  aber  die  Last  wurde  nach  und  nach 
drückend;  seine  Schulter  fortziehen,  den  Adjutanten*)  dadm-ch  wecken,  das 
mochte  er  nicht,  denn  jener  wüide  beim  Aufwachen  unangenehm  er- 
schrecken; er  sann  also,  wie  er  ihn  mit  einem  augenehmen  Schreck  er- 
muntern könne,  und  es  gelang  ihm  zu  seiner  Freude  dadurch,  dass  er 
mit  lauter  Stimme  rief:  „Witzleben,  Witzleben,  sind  General  geworden!'* 
So  stand  die  Geschichte  in  einer  „Characteristik  Friedr.  Wilh.  HI.,  mit- 
getbeilt  im  Feuilleton  des  Magdeb.  Correspondenten  (Neue  Magdeb.  Zeitung) 
vom  12.  Jan.  1862  Nr.  10.  Und  Eylert,  der  in  seinen  „Characterzügen 
Priedr.  Wilh.  III."  ebenso  erzählt,  fugt  noch  hinzu:  „Als  ihm,  angekommen 
auf  der  Russischen  Grenze,  der  König  selbst  die  Generals-Üniform,  die  der 
Beglückte  noch  nicht  erwartet  hatte,  überreichte,  sei  dieser,**)  wie  Witz- 
leben erzählt,  hierbei  so  vergnügt  und  herzlich  gewesen,  als  wenn  Ihm 
selbst  eine  Wohlthat  wäre  zu  Theil  geworden." 

An  der  ganzen  Geschichte  ist  kein  Wort  wahr.  Die  grosse  Aufmerk- 
samkeit des  Königs  bestand  darin,  dass  er  für  Witzleben  ein  Paar  Generals- 
Epaulets  von  Berlin  mitgenommen  hatte  und  ihm  dieselben  in  Königsberg 
überreichen  Hess. 

•)  W.  war  gar  nicht  Adjutant. 
•*)  d.  h.  doch  wohl:  der  König  und  nicht;  der  Beglückte. 


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—     174     — 

Witzlebeii  schreibt  über  die  beregte  Ernennung: 

1)  „Königsberg,  den  7.  Juni  1818. 

„Die  einliegende  Gab. -Ordre*)  wird  Dir  etwas  Neues  mittheilen, 
welches  Dich  ebenso  wie  mich  überraschen  wird.  Es  ist  mehr,  weit  mehr, 
als  ich  verdiente  und  setzt  mich  sehr  in  Verlegenheit." 

2)  „Trakehnen,  den  9.  Juni  1818. 

„ Eben  so  wünschte  ich  schleunigst  eine  General- Adjutanten- 
Stickerei  zu  haben,"    (Soll  ihm  durch  Courier  nachgeschickt  werden.) 

Eine  feinere  Auszeichnung  ward  Job  während  dieser  Reise  nach 
Bussland  zu  Theil,  indem  ihn  der  Kaiser  Alexander  (der  ihm  schon  einen 
Tafel- Aufsatz  von  Glas  und  ein  Dejeuner -Service  geschenkt  hatte)  am 
10.  Juli  zum  Ritter  des  Ordens  der  heiligen  Anna  erster  Classe  ernannte. 

Kaum  von  dieser  Reise,  welche  vom  27.  Mai  bis  29.  Juli  gewährt 
hatte,  zurückgekehrt,  begleitete  Job  den  König  in  demselben  Jahre 
(22.  Sept.  bis  28.  Nov.)  nach  Aachen  zum  Congress  und  auf  dem  von 
dort  aus  nach  Paris  untemonmienen  Abstecher.  Während  des  Jahres  1819 
war  er  im  Juli  mit  dem  Könige  in  Teplitz  und  Anikngs  September  zur  Revue  in 
Schlesien,  bei  welcher  Gelegenheit  er  am  5.  Sept.  den  Fürsten  Blücher 
besuchte,  den  er  sehr  verändert  und  schwach  fand.  „Mir  hat  er  mit 
grosser  Resignation  von  seinem  Tode  gesprochen  und  herzlich  von  mir 
Abschied  genommen.  Er  hatte  die  Seelenruhe  eines  wahrhaft  grossen 
Mannes.    Ich  bin  sehr  ergriffen  gewesen."  —  Am  12.  Sept  starb  Blücher. 

Das  Jahr  1820  begann  flir  Job  damit,  dass  ihn  (11.  Jan.)  der  Kurfürst 
Wilhelm  von  Hessen  zur  Bethätigung  seiner  besondern  Hochachtung  und 
Werihschätzung  zum  Grosskreuz  seines  Hausordens  vom  goldenen  Löwen 
ernannte.  Anfangs  Juni  finden  wir  ihn  bei  der  Revue  bei  Staigardt,  dann 
in  Colberg,  Swinemünde,  auf  der  Insel  Rügen  und  in  Stralsund,  im  No- 
vember aber  in  Troppau,  wo  die  Kaiser  von  Oesterreich  und  Russland 
mit  dem  Könige  Friedrich  Wilhelm  zusammentrafen.  „ —  es  war  ein 
erfreulicher  Anbück,  diese  Säulen  von  Europa  wieder  in  herzlicher  Freund- 
schaft bei  einander  zu  sehen,"    schreibt   Job    am   9.  Nov.   seiner  Frau. 

Während  der  vom  11.  Juni  bis  17.  Juli  1821  dauernden  Reise  nach  der 


*)  Da  ich  den  Wunsch  hege,  Ihnen  einen  Beweis  meiner  Zufriedenheit  mit  Ihrer 
bisherigen  Geschäftsführung  zu  geben,  so  wii-d  mir  die  bevorstehende  Reise  nach 
Russland  eine  angenehme  Veranlassung,  Sie  zu  meinem  General- Adjutanten  zu  eniennen 
und  Ihnen  den  Character  als  General-Major  beizulegen. 

Königsberg,  den  5.  Juni  1818.  Friedrich  Wilhelm. 


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—     175     — 

Hieinproyinz  und  Westphalen  erhielt  Job  bei  Gelegenheit  der  Zu- 
sammenkunft des  Grossherzogs  Ludwig  von  Baden  mit  dem  Könige 
Ton  Preussen  das  Commandeur-Kreuz  des  Badenschen  Militair- Verdienst- 
Ordens.  Nachdem  am  21.  Sept.  1822  die  Revue  bei  Merseburg  und 
Weissenfeis  stattgefunden  und  Job  den  23.  in  Angelroda  zugebracht  hatte, 
begleitete  er  den  König  nach  Italien.  Ueber  Frankfurt  und  Darmstadt 
gelangten  sie  zuerst  nach  Carlsruhe,  wo  am  28.  Sept.  Revue  über  4  Bataillone, 
8  Escadrons  und  14  Kanonen  abgehalten  wurde.  „Die  Truppen  haben 
eine  solche  Aehnlichkeit  mit  den  unsrigen,  dass  sie  kaum  zu  unterscheiden 
sind,  üeberhaupt  hat  hier  alles  ein  Preussisches  Ansehen.  Die  Leute 
sind  auch  gut  fiir  uns  gesonnen  und  die  Anwesenheit  des  Königs,  begleitet 
von  einigen  Gnadenspenden,  wird  dies  noch  vermehrt  haben." 

„Den  29.  ging  es  über  Kehl  nach  Offenburg.  Von  ersterm  Orte  aus 
fiihr  der  König  in  Begleitung  meiner  und  eines  Adjutanten  nach  Strass- 
borg,  besahen  den  Münster  und  die  Thomaskirche  mit  dem  Mausoleum  des 
Marschall  von  Sachsen,  sowie  einige  Promenaden,  ein  neues  sehr  schönes 
Theater,  dem  das  unsrige  nach  meinem  Geschmacke  weit  nachsteht,  und 
kehrten  dann  nach  Kehl  zurück,  um  noch  bis  Offenburg  zu  gehen.  Die 
Franzosen,  namentlich  der  Gouverneur,  ein  Gen.  Lacroix,  waren  überaus 
zuvorkommend.  Als  wir  im  Begriff  waren,  den  Münster  zu  besteigen,  rief 
der  Gouverneur:  man  solle  sogleich  mit  dem  Telegraphen  nach  Paris  be- 
richten, dass  der  Gr.  v.  Kuppin  um  7^4  Uhr  den  Thurm  der  Kathedrale 
bestiege,  und  man  möchte  augenblicklich  dai'auf  antworten.  Nach  ohn- 
gefahr  7*  Stunden  kam  auch  wirklich  die  Antwort  — ,  dass  der  Directeur 
des  Telegraphen  nicht  zu  Hause  sei,  daher  nichts  nach  Paris  berichtet 
werden  könne." 

Durch  das  herrliche  Badensche  Oberland  über  Freiburg,  Basel  und 
Sobthum  ging  die  Reise  denmächst  nach  Neufchatel,  wo  ein  dreitägiger 
Aufenthalt  genommen  wurde,  und  dann  über  den  Simplen,  Baveno  am 
Lage  maggiore,  Mailand  (4  Tage),  Brescia  nach  Verona  (15.  Oct.)  zu  dem 
vom  20.  Oct.  bis  14.  Dec.  1822  währenden  Congress. 

Von  hier  aus  wurde  am  23.  Oct.  ein  Ausflug  nach  Venedig  unter- 
nommen und  am  5.  Nov.  die  Italienische  Reise  fortgesetzt  Am  1 1 .  Nov. 
1  ühr  Mittags  betrat  Job  durch  die  Porta  del  Popolo  den  klassischen 
Boden  Roms.  „Beim  Eintritt  in  Rom  von  grossen  Erwartungen  erfüllt, 
worden  diese  keineswegs  beMedigt.  Das  Thor  del  popolo,  ehemals  porta 
flaminia,  der  Platz,  die  drei  auf  denselben  auslaufenden  Hauptstrassen  er- 


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schienen,  um  nicht  mehr  zu  sagen,  ganz  gewöhnlich,  und  ich  kann  sagen, 
dasö  dies  und  die  jeden  poetischen  Funken  erstickende  Oede  der  campagna 
romana  mich  ganz  nüchtern  und  von  aller  Exaltation  befreit  auf  den 
Spanischen  Platz,  wo  unsere  Wohnung  war,  ankommen  Hessen."  Und 
von  der  Musik  in  der  Peterskirche,  und  zwar  in  der  Peterscapelle  (am 
18.  Nov.),  bei  welcher  die  Sänger  nur  von  der  Orgel  und  2  Bässen  be- 
gleitet waren,  sagt  er:  „Die  Musik  blieb  bei  weitem  unter  meiner  Er- 
wai-tung,  wahrscheinlich  weil  diese  zu  gross  war".  Auf  die  Dauer  ver- 
mochte aber  auch  der  von  fremdem  ürtheile  unabhängige  Job  sich 
den  Einwirkungen  der  Herrlichkeiten  Roms  auf  sein  Gemüth  nicht  zu  ent- 
ziehen: sein  Interesse  wuchs  mit  dem  Betrachten  und  äusserte  sich  in 
ausfuhrlichen  Beschreibungen  der  hervonagensten  Kunstschätze. 

Am  29.  Nov.  wurde  Rom  verlassen,  am  21.  Neapel  eiTeicht,  am 
25.  der  Vesuv  bestiegen  und  am  27.  in  Pompeji  Ausgrabungen  vorge- 
nommen. „Die  Kluft  von  beinahe  zwei  Jahrtausenden  schwindet,  man  ist 
bei  den  Alten  einheimisch.  Man  sieht,  dass  sie  uns  sehr  nahe  waren, 
dass  Bedürfiiisse    und  Lebensweise  nicht  wesentlich    unterschieden  sind". 

Am  15.  Dec.  traf  Job  wieder  in  Rom  ein  und  eilte  dann  mit  nur 
kurzem  Aufenthalt  in  Florenz  der  Heimath  zu,  wo  er  Anfang  Januar  1823 
eintraf. 

Am  28.  Sept.  dieses  letztgenannten  Jahres  gab  der  Grossherzog  Carl 
August  von  Sachsen -Weimar  an  Job  als  ein  öflFentliches  Merkmal  seiner 
Freundschaft  und  Achtung  das  Grosskreuz  seines  Hausordens  vom  weissen 
Palken  und  wenige  Tage  vor  Weihnachten,  am  18.  Dec,  erliess  der  König 
Friedrich  Wilhelm  folgende  Kabinetsordre  an  ihn:  „Bei  Gelegenheit  der 
Verwendung  einiger  disponibler  Gelder  des  Französischen  Aversionalfonds 
habe  Ich  gern  Veranlassung  genonunen,  Ihnen  durch  Anweisung  einer 
Summe  von  20,000  Thlr.  in  Staatsschuldscheinen  einen  Beweis  meiner 
Zufriedenheit  mit  Ihrer  sowohl  in  Beziehung  auf  die  Angelegenheit  der 
Privat-Reclamationen  gegen  Frankieich,  als  bei  vielen  andern  Gelegenheiten 
in  dem  Ihnen  übertragenen  Wirkungskreise  bewiesenen  Thätigkeit  und 
Umsicht  zu  geben.  In  habe  den  Staatsminister  Generallieutenant  Grafen 
von  Lottum  zur  Auszahlung  angewiesen  und  gereicht  es  mir  zum  Ver- 
gnügen, Sie  davon  zu  benachrichtigen". 

Diese  Dotation  mag  Job  von  Witzleben  nicht  unwillkommen  gewesen 
sein.  Er  verwandte  sie  zum  Ankauf  eines  in  der  Schlossstrasse  gelegenen, 
mit  schönem  Garten  umgebenen  Hauses  in  Charlottenburg  und  eines  den 


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Lietzen  See  einschliessenden  Terrains.  Hier  fand  Witdeben  sein  Tusculum. 
Die  Verschönerung  des  Gartens  sowie  der  Ufer  des  genannten  Sees  gab 
ihm  in  seinen  wenig  freien  Stunden  angenehme  Beschäftigung.  Zum 
Pischzug  und  dem  darauf  folgenden  Fischessen  wurden  stets  mehrere 
Freunde,  vor  Allem  sein  Bruder  Constantin  eingeladen.  Haus  und  An- 
lagen wurden  nach  seinem  Tode  veräussert,  letztere,  durch  den  schönsten 
Bosenflor  geschmückt,  fahren  noch  jetzt  den  Namen  ihres  Schöpfers 
„Witzleben." 

Um  das  Jahr  1830  verlieh  der  König  das  Gut  Sachsenburg  am  Kyflf- 
häuser,  welches  heimgefallen  war,  an  Witzleben  mit  dem  Bemerken,  dass 
80  dessen  Linie  wieder  in  Thüringen  ansässig  sei.  Es  erhielten  aber  drei 
Wittwen  Jahrgelder  aus  den  Revenuen  und  ausserdem  war  das  Gut  ver- 
schuldet, so  dass  der  Minister  Graf  Lottum  den  König  darauf  aufmerksam 
machte,  dass  Witzleben  auf  Sachsenburg  in  Kurzem  bankerot  werden  würde. 
In  Folge  dessen  erhielt  Witzleben  anstatt  Sachsenburg  das  Gut  Liszkowo 
im  Kreise  Inowraclaw  der  Provinz  Posen,  nördlich  von  Inowraclaw  in  den 
Weichselniederungen  gelegen,  welches  seine  Nachkommen  noch  besitzen 
und  Witzleben  genannt  haben. 

Während  Job  im  Sept.  des  Jahres  1824  nur  nach  Schlesien  zum 
Manöver  ging,  brachte  das  Jahr  1825  wieder  grössere  Reisen.  Nach  einem 
langem  Aufenthalte  in  Angelroda  (im  Juli)  und  einem  kürzern  in  Teplitz, 
begleitete  er  Anfangs  Sept.  den  König  zur  Revue  nach  Magdeburg,  Minden 
nnd  Coblenz  und  demnächst  nach  Laken  bei  Brüssel  zum  Besuch  der 
Prinzessin  Friedrich  der  Niederlande  und  nach  Paris. 

1826,  im  Oct,  wurde  der  jüngere  Job  von  den  Eltern  nach  Rosleben 
gebracht.  Von  hier  reisten  Job  und  seine  Frau  über  Erfurt  nach  Angel- 
roda und  besuchten  am  25.  Oct.  das  alte  Stammhaus  Elgersburg,  von  den 
in  der  Schenke  versammelten  Bauern  mit  lautem  Vivat  begrüsst. 

Als  Witzleben  am  14.  Dezember  wie  gewöhnlich,  früh  87*  Uhr  zum 
Vortrag  ging,  erfuhr,  dass  der  König  beide  Knochen  des  rechten  Unter- 
schenkels gebrochen  habe.  Drei  Tage  fiel  der  Vortrag  aus,  schon  am 
17.  fand  er  wieder  statt. 

Im  September  1828  musste  Job  den  König  wieder  zu  den  Manövern 
nach  Schlesien  begleiten. 

Anfangs  des  Jahres  1829  erkrankte  Witzleben.  12  Jahre  schwere 
Arbeit  hatten  seine  sehr  starke  Gesundheit  untergraben  und  er  gewann  die 
Üeberzeugung,   dass  er  längere  Zeit  verhindert  sein  würde,   seine  gewöhn- 


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liehen  Arbeiten  zu  verrichten.  Der  König  schrieb  ihm  d.  d.  Berlin, 
den  15.  Jan.  1829.  „Gewiss  sind  Sie  von  meiner  warmen  aufrichtigen 
Theilnahme  überzeugt  und  dass  ich  Ihre  baldige  und  völlige  Genesung 
recht  lebhaft  wünsche;  um  so  mehr  aber  rathe  ich  Ihnen,  dass  Sie  sich 
nicht  zu  früh  Ihrem  gewohnten  Drange  zur  Thätigkeit  hingeben  mögen, 
damit  Sie  sich  um  so  eher  und  um  so  vollständiger  erholen  mögen." 

Bald  nach  seiner  Wiederherstellung,  am  26.  Mai  1829,  erhielt  er  den 
Russischen  St.  Annen-Orden  I.  Cl.  in  Diamanten.  Im  Sommer  1830  finden 
wir  Job  wieder  in  Schlesien,  als  die  Kaiserin  von  Ruasland  dort  ihren 
Vater  besuchte.*) 

Am  30.  März  1831  beförderte  der  König  Witzleben  zum  General- 
lieutenant, verlieh  ihm  am  24.  Sept.  1832  als  Anerkenntniss  seiner  ausge- 
zeichneten Dienste  den  rothen  Adler-Orden  I.  Cl.  mit  Eichenlaub  und  er- 
nannte ihn  am  30.  Oct.  1833  zum  Kriegsminister  ad  interim  und  am 
25.  Apr.  1834  zum  Staats-  und  Kriegsminister.  Aber  nur  kurze  Zeit 
verwaltete  Job  dieses  hohe  Amt:  schon  im  März  1837  sah  er  sich 
Krankheits  halber  genöthigt,  den  König  zu  bitten,  ihn  von  den  Geschäften 
zu  entbinden.  Der  König  antwortete  auf  das  Gesuch  am  19.  März  1837: 
„Ich  ertheile  Ihnen  die  nachgesuchte  Entbindung  von  der  Verwaltung  des 
Kriegsministeriums  auf  längere  Zeit  mit  ganzem  Gehalt  und  dem  lebhaften 
Wunsche,  dass  die  Ihnen  zu  Theil  werdende  gänzliche  Müsse  zu  Ihrer 
gründlichen  Herstellung  föhren  und  Sie  Meinem  Dienst  erhalten  möge,  in 
welchem  Sie  sich  so  viele  Ansprüche  auf  meine  bleibende  Erkenntlichkeit 
und  Werthschätzung  erworben  haben". 

Der  Wunsch  des  Königs  ging  aber  nicht  in  Erfüllung,  Job  starb 
vielmehr,  nicht  ganz  54  Jahre  alt,  nach  langen  Leiden  in  Folge  eines 
Schlagflusses  am  9.  Juli  1837  in  Berlin.  Auf  dem  Invaliden -Kirchhof 
fand  der  entseelte  Körper  dieses  so  regen  Mannes  seine  Ruhestätte  neben 
dem  G;rabe  Schamhorst's.  Friedrich  Wilhelm  III.  richtete  am  13.  Juli  1837 
von  Teplitz   aus   nachstehende    Cabinets- Ordre    an  Job's  Wittwe:     „Die 

*)  d.  d.  Fischbach,  den  9.  Juni  1830  schreibt  Job  unter  Anderm:  »Den  Brief 
vom  werthen  Luley  (Job  II.)  sende  ich  zurück.  Sage  ihm  doch,  dass  er  sich  etwas 
mehr  auf  das  Schreiben  legen  solle.  Nichts  empfiehlt  einen  jungen  Menschen  mehr, 
besonders  in  der  von  ihm  künftig  zu  ergreifenden  Laufbahn,  als  eine  gute  Handschrift. 
Und  um  diese  zu  eriangen,  gehört  nur  etwas  Aufmerksamkeit  auf  sich  selbst  dazu". 
Diese  Worte  eines  anerkannt  tüchtigen  Mannes  glauben  wir  der  aufwachsenden 
Generation  unserer  Familie  nicht  dringend  genug  empfehlen  zu  können! 


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—     179     — 

Nachricht  von  dem  Ableben  Ihres  Gemahls,  welche  Ich  durch  ihren  Sohn 
erhalten  habe,  ist  Mir  unerwartet  und  wahrhaft  betrübend  gewesen.  Ich 
beklage  seinen  frühen  Verlust  eben  so  aufrichtig,  als  Ich  seinen  Werth 
als  Staatsdienei*  und  seine  bewährte  Anhänglichkeit  an  meine  Person  zu 
schätzen  ürsach  hatte.  Indem  Ich  Ihnen  Meine  ganze  Theilnahme  an 
Ihrem  gerechten  Schmera  zu  erkennen  gebe,  behalte  ich  Mir  vor,  das 
Andenken  an  die  Verdienste  des  Verewigten  durch  Beweise  Meines  Wohl- 
wollens und  der  Fürsorge  für  seine  Familie  zu  ehren".*) 

Der  König  gestattete  nicht,  dass  ein  Necrolog  des  Verstorbenen  er- 
schien. Er  sagte,  Witzleben  sei  ein  viel  zu  bedeutender  Mann  gewesen, 
als  dass  ein  Necrolog,  der  die  Wahrheit  enthielte,  erscheinen  könne;  un- 
wahr solle  er  aber  auch  nicht  sein,  und  deshalb  sei  es  besser,  es  erschiene 
keiner.  Er  ehrte  aber  sein  Andenken,  indem  er  seinem  treuen  Diener  auf 
dem  Grabe  ein  Denkmal  errichten  liess.  Auf  einem  4  Fuss  hohen 
steinernen,  jetzt  mit  Epheu  dicht  berankten  Postament  ruht  ein  vierseitiger 
Sockel,  auf  dessen  Frontseite  sich  das  Witzleben'sche  Wappen  (2  Sparren, 
Helm  mit  dem  Hut,  darauf  2  nach  auswärts  gebogene  Schäfte,  an  jeder 
Seite  derselben  6  Blätter,  oben  5  Straussenfedem)  befindet;  zu  beiden 
Seiten  des  Helms  und  des  Helmschmuckes  ist  folgende  Inschrift  vertheilt: 

Job  Wiljielm  tion  Wi^leben 
General =Lteut:  unb  Kriegs  »Hinifler 
geboten  b.  20.  Juli  1783,  geflorben  b.  9.  Juli  1837. 

unter  dem  Wappen  liegt  hoiizontal  ein  von  einem  Lorbeerzweig  um- 
wundenes Schwerdt,  dessen  Griff  in  einem  Adlerkopf  endigt,  unter  dem 
Schwerdt  die  Inschiift: 

Sein  Anbenken  el|(enb 
Priebridi  Wlllielm  HI. 

Auf  dem  Sockel  stehen  4  Säulen  oben  durch  4  Bogen  verbunden, 
auf  deren  jedem  ein  fliegender  Adler;  inmitten  der  Säulen  steht  ein  ge- 
flügelter Engel,  der  in  der  linken  herabfallenden  Hand  einen  Palmenzweig, 
in  der  rechten  über  das  Haupt  erhobenen  einen  Lorbeerkranz  hält.  Das 
ganze  Denkmal  hat  eine  Höhe  von  etwa  20  Fuss. 

*)  Durch  Cab.-Ordre  vom  16.  Aug.  1837  resp.  25.  Febr.  1838  wurde  der  Wittwe 
eine  jährliche  Pension  von  1500  Thlr.  und  jedem  der  Kinder  eine  bedeutende  Zulage 
resp.  Erziebungszuschuss  ausgesetzt. 


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—     180     — 

Carl  Ernst  Job  Wilhelm  von  Witzleben  war  ein  Mann  von  strenger 
Rechtlichkeit,  Geschäftseifer  und  gründlichen  Kenntnissen.  Seiner  Thätig- 
keit  verdankt  die  Preussische  Armee  die  Errichtung  der  Unterofficier-Schule 
zu  Potsdam,  der  Kadettenhäuser  in  Schlesien  und  am  Rhein,  die  Gründung 
des  Instituts  der  Compagnie-Chirurgen-Gehilfen,  jetzigen  Lazarethgehilfen. 
Aber  bedeutungsvoller  als  diese  Einzelschöpfungen  ist  es,  dass  er  überall, 
wo  es  nöthig  war,  fär  die  Stellung  der  Armeft  und  des  Ofl&cier- 
corps  gegen  die  immer  mächtiger  werdende  Büreaukratie  eintrat,  dass  er 
mit  Glück  für  die  Erhaltung  der  allgemeinen  Dienstpflicht  und  der  Land- 
wehr in  einer  Zeit  kämpfte,  wo  man  beides  für  staatsgefährlicb  hielt.  In 
Bezug  auf  die  Landwehr  sprach  er  sich  dahin  aus:  „Prätorianer  haben 
wohl  Revolutionen  hervorgebracht,  nie  aber  Milizen". 

Vom  19.  Januar  1819  bis  April  1832  fahrte  Witzleben  ein  Tagebuch 
bald  deutsch,  bald  im  elegantesten  Französisch.  Je  mehr  diese  Memoiren 
als  eine  reiche  Fundgrube  für  die  Geschichte  dieser  13  Jahre  gelten 
können,  um  so  mehr  sind  die  darin  enthaltenen  oft  bedeutenden  Lücken 
zu  beklagen. 

Aber  auch  die  vorhandenen  Bruchstücke  sind  werthvoll  und  liefern 
den  Beweis,  in  wie  hohem  Grade  Witzleben  das  Vertrauen  des  Königs 
genoss.  Wohl  zu  allen  wichtigen  Angelegenheiten  ward  sein  Rath  ge- 
fordert, wai-d  seine  Stimme  gehört.  Es  ist  wahrhaft  erstaunlich,  welche 
Vielseitigkeit  er  hierbei  entwickelte  und  welche  Klarheit  sich  aus  seinem 
ürtheile  ergab. 

Bei  jedem  Ministerwechsel,  bei  jedem  Ereigniss  in  der  Königlichen 
Familie  und  jeder  neuen  Verwaltungsmassregel  von  irgend  welcher  Be- 
deutung wurde  er  gehört,  und  so  finden  wir  von  seiner  Hand  Memoiren 
über  die  verschiedensten  Dinge:  über  den  Zollverein,  Steuerwesen,  Verein- 
fachung der  Verwaltung,  Organisation  der  Gendarmerie  u.  s.  w.  Sein  Ein- 
fluss  bei  Abfassung  der  Agende  beschränkte  sich  grösstentheils  auf  den 
musikalischen  Theil  derselben,  wenn  ihm  auch  der  König  ein  Exemplar 
der  Agende  mit  der  Inschrift  „Colaboratori  meo"  überreichte.  Am 
22.  Api-il  1826  zeigte  ihm  der  König  sein  Memoire  über  die  Liturgie 
und  eine  gleiche  Arbeit  von  Bischof  Neander:  „Neander  hat  far  Gelehrte, 
der  König  für  das  Volk  geschrieben,  auf  welches  es  grossen  Eindruck 
machen  wird,"  urtheilt  Witzleben  in  seinem  Tagebuch. 

Als  auf  dem  Congress  zu  Verona  1822  sich  Oesterreich,  Russland 
und    Preussen     vei^pflichtet    hatten,    Frankreich    erforderlichenfalls    durch 


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—     181     — 

Trappensendangen  zur  UuterdrückuDg  der  in  Spanien  ausgebroclienen 
Be?olution  zu  unterstützen,  reichte  Witzleben  dem  Könige  eine  Denkschrift 
ein,  wie  das  zugesagte  Truppen-Corps  zu  formiren  wäre.  Dasselbe  sollte 
unter  der  Führung  des  Prinzen  Wilhelm,  Bruders  Sr.  Majestät,  aus  einer 
aas  2  Brigaden  gebildeten  Division  formirt  werden.  Zu  Brigade -Com- 
mandeurs  waren  die  Generale  von  Müflfling  und  von  Natzmer,  för  den 
Generalstab  wurden  von  Schütz,  von  Diest  und  von  Willisen  in  Vorschlag 
gebracht  Jede  Brigade  bestand  aus  6  Bataillonen,  1  Jäger-  oder  Schützen- 
Compagnie  und  1  6pfundigen  Batterie  zu  8  Geschützen,  die  Keserve- Artillerie 
ans  1  Gpfundigen  und  1  12pfundigen  Batterie,  ebenfalls  zu  8  Geschützen. 
Endlich  war  dem  Corps  noch  eine  Pionier-Abtheilung  von  200  Mann  zu- 
gedacht. Cavallerie  war  dem  Corps  gar  nicht  beigegeben.  Die  Infanterie 
sollte  aus  den  Reserve -Regimentern  35,  36  und  37,  38,  39  und  40  zu- 
sanunengesetzt  werden,  um  keines  der  bestehenden  Armee -Corps  zu 
zerreissen. 

Die  rasche  Niederwerfung  der  Revolution  durch  den  Herzog  von 
Angout^me  —  er  rückte  am  24.  Mai  1823  als  Sieger  in  Madrid  ein  — 
machte  die  Ausfuhrung  des  Projects  unnöthig. 

Witzleben  war  ein  mit  selten  klarem  Verstände  begabter,  selbstständiger 
nnd  im  besten  Sinne  des  Worts  freisinniger  Mann.  Er  liess  sich  durch 
nichts  beeinflussen,  durch  nichts  bestechen,  überall  trat  er  muthig  dafär  ein, 
was  er  nach  ernster  Prüfung  für  Recht  erkannte.  Dies  zeigt  sich  sehr 
deutlich  in  der  Denkschrift,  welche  er  mit  wahrem  Mannesmuth  am 
25.  Januar  1818  dem  Könige  einreichte.*)  In  derselben  trat  er  den  über- 
triebenen Verdächtigungen  und  Befürchtungen  revolutionairer  Umtriebe 
jener  Zeit  entgegen,  um  zur  Beruhigung  seines  Königlichen  Herrn  die 
Wolken  zu  zerstreuen,  welche  die  Saat  des  Misstrauens  um  die  Stirn  des 
götigen  Monarchen  zu  ziehen  drohte.  Nur  ein  Mann,  von  dessen  Treue 
und  Hingebung  der  König  fest  überzeugt  war,  durfte  so  sprechen. 

Und  nun  noch  ein  anderes  Beispiel  von  Witzleben's  Freimuth  und 
Gerechtigkeitsliebe. 

Der  bekannte  Schriftsteller  und  Kammergerichtsrath  Ernst  Theodor 
Amadeus  Hofl&naijn  hatte  1822  das  Märchen  „Meister  Floh"  geschrieben  und 
demselben  „Knarapanti"  einverleibt,  in  welchem  man  eine  Travestie  der 
Demagogenuntersuchung  fand.    Er  sandte  das  Manuscript  seinem  Verleger 


*)  Wortlich  enthalten  in  Dorow's:    Job  von  Witzleben  S.  93  bis  114. 

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—     182     — 

F.  Wilmanns  in  Prankfurt  a.  M.  zu;  dies  wurde  bekannt  und  von  Seiten 
des  Ministeriums  des  Innern  ein  Courier  abgesandt,  das  Manuscript  gegen 
1000  ft.  Entschädigung  der  Regierung  eingezogen  und  beim  Könige  be- 
antragt, dass  Hoffmann  an  das  Oberlandsgericht  zu  Insterburg  versetzt 
werden  solle. 

Ein  treuer  Freund  verwandte  sich  für  den  bedrohten,  auf  dem  Kranken- 
lager liegenden  Schriftsteller  bei  Witzleben  und  dieser  betonte  beim  Ver- 
trage hierüber,  dass  Hoffmann,  ehe  seine  Bestrafung  einträte,  erst  gehört 
werden  möge.  Die  hierauf  von  Hoffmann  eingereichte  Vertheidigungs- 
schrift  war  meisterhaft  und  der  König  bestimmte,  dass  ihm  ein  Verweis 
wegen  begangener  Indiscretion  zukommen,  von  der  Versetzung  aber  Ab- 
stand genommen  werden  sollte.*) 

Diese  Königliche  Milde  war  der  letzte  Sonnensti-ahl,  der  Hoffinann's 
Krankenlager  erhellte.     Er  starb  wenige  Monate  darauf  am  24.  Juli  1822. 

In  einem  nur  in  Fragmenten  erhaltenen  Memoire  vom  Jahre  1821 
spricht  sich  Witzleben  über  ein  mit  dem  Pabst  abzuschliessendes  Concordat 
dahin  aus,  dass  durch  ein  solches  die  Blicke  der  katholischen  ünterthanen  des 
Königs  von  dem  eigenen  Lande  abgezogen  und  dem  Pabste  zugewendet  werden 
würden.  Münster  und  Paderborn  werden  als  die  Länder  bezeichnet,  in 
denen  die  meiste  Bigotterie  herrscht,  aber  auch  dort  würde  es  nur  der 
Clerus  sein,  der  ein  Concordat  mit  Rom  ersehnte,  „denn  dieser  sieht  in 
dem  Pabst  nicht  allein  die  Stütze  seiner  geistlichen,  sondern  auch  seiner 
weltlichen  Existenz.  ** 

Wenn  Witzleben  den  König  auf  den  Inspectionsrwsen  begleitete,  so 
trat  er  mit  den  betreffenden  Oberbehörden  in  Correspondenz,  um  die  Namen 
derjenigen  Personen  zu  erfahren,  welche  voraugsweise  würdig  waren,  vom  König 
ausgezeichnet,  empfangen  und  zur  Tafel  gezogen  zu  werden.  Nach  den  ein- 
gegangenen Antworten  erfolgten  dann  die  A'^orschläge  Witzleben's,  womit 
der  König  sich  grösstentheils  einverstanden  erklärte.  Doch  nicht  immer 
glückte  es.  „So  war  der  König,  als  er  am  14.  Juni  1821  in  Erfiirt 
die  Räthe  der  Regierung  und  die  Geistlichkeit  empfangen  sollte,  sehr  un- 
gnädig. Witzleben  bat,  ihn  lieber  auszuschelten,  da  er  die  Ursache  sei, 
es  aber  den  Leuten  nicht  entgelten  zu  lassen.  Der  König  ging  darauf  zu 
den  Herren,  war  gnädig,  aber  sehr  kurz." 

Unleugbar  übte  Witzleben  einen  giossen  Einfluss  auf  den  König  aus, 

*)  Diese  Mittheilung  befindet  sich  in  W.*8  Tagebuch,  ist  aber  von  fremder 
Hand,  vielleicht  nachträglich  von  Dorow,  eingetragen. 


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'    —     183     — 

aber  mMi  würde  sehr  irren,  wollte  man  behaupten,  er  habe  den  König 
bdierrscht,  denn  dieser  stimmte  nur  dann  den  Vorschlägen  seines  vor- 
tragenden General-Adjutanten  bei,  wenn  er  durch  ihn  von  der  Nützlichkeit 
derselben  überzeugt  war. 

Gewöhnlich  mochte  dies  der  Fall  sein,  aber  doch  nicht  immer,  und 
Witzleben,  der  Vielbeneidete,  war  keineswegs  stets  auf  Rosen  gebettet.  So 
lesen  wir  in  seinem  Tagebuche  vom  25.  Juni  1821:  „Gern  ertrage  ich 
Ton  ihm  (dem  Könige)  persönliche  Kränkungen,  theils  weil  ich  ihm  wahr- 
haft anhange,  theils  weil  ich  der  Stelle,  welche  ich  bekleide,  gern  meine 
Individualität  opfere,  aber  ich  bin  immer  auf  das  Tiefste  erschüttert  und 
ergriffen,  wenn  der  König  sich  gegen  Einrichtungen  erklärt,  welche  die 
Hauptstützen  seiner  Monarchie  sind." 

Die  sorgenvollste  Zeit  waren  für  ihn  die  Jahre  1830  und  1831,  wo 
es  galt,  über  Krieg  oder  Frieden  die  Entscheidung  zu  treffen. 

Unmittelbar,  als  den  König  auf  dem  Wege  von  Dresden  nach  Filnitz 
die  Nachricht  von  der  Juli -Revolution  ereilte,  machte  W,  geltend,  dass 
Preussen  zur  Wiedereinsetzung  der  Bourbonen  keinen  Krieg  mit  Frankreich 
zu  fahren  habe,  womit  der  König  auch  völlig  übereinstimmte.  Es  war 
aber  nicht  leicht,  diese  friedliche  Politik  aufrecht  zu  erhalten  gegen  die 
kriegerischen  Bestrebungen  des  Kaisers  Nicolaus  und  gegen  die  auch  in 
Preussen  vorhandene  Kriegspartei,  welche  in  den  höchsten  Regionen  ihre  Ver- 
tretung hatte.  Witzleben  entgegnete,  als  ihm  einst  von  einer  hohen  Person 
die  Zumuthung  gemacht  wurde,  den  König  zum  Kriege  zu  bestimmen: 
„Ich  sage  meinem  König  und  Herrn  auf  Befragen  meine  Ansicht,  im 
üebrigen  fiihre  ich  dessen  Befehle  als  sein  gehorsamer  Diener  pünktlich  aus." 

Wie  richtig  die  Handlungsweise  des  Königs  war,  zeigte  sich  deutlich, 
als  die  später  ausbrechenden  Revolutionen  in  Polen  und  Italien  Russland's 
imd  Oesterreich's  Streitkräfte  in  vollem  Grade  in  Anspruch  nahmen  und 
als  die  Revolten  in  Dresden,  Braunschweig,  Kassel  u.  a.  0.  auch  die  Truppen 
der  Mittel-  und  kleinen  Staaten  vollauf  beschäftigten.  Die  ganze  Last 
des  Krieges  wäre  auf  Preussen  gefallen.*) 


*)  Anmerkung.  Trotz  aller  schweren  Sorge  und  Arbeit  behielt  VITitzleben 
fieinen  gluck  liehen  Humor.  Der  Schreiber  dieses  war  als  junger  Lieutenant  mit  Heinrich 
T.  Witdeben  eines  Abends  zum  Thee  bei  dem  General,  der  wie  gewöhnlich  einen  Teller 
kraftiger  Suppe  ass.  Wir  suchten  nun  zu  erfahren,  ob  die  Mobilmachung  nahe  bevor- 
>tand,  da  kam  die  Staatszeitung,  der  General  nahm  sie  zur  Hand  und  sagte  mit 
ernster  Miene:    „Nun  kann  ich  Eure  Neugierde  befriedigen",  und  las  aus  der  Zeitung, 

13* 
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—     184     — 

Trotz  der  Friedensliebe  Friedrich  Wilhelm  III.  blieb  es  aber  doch 
zweifelhaft,  ob  den  Anmassungen  Frankreichs  gegenüber  der  Krieg  zu  ver- 
meiden war.  Die  Süddeutschen  Staaten  waren  von  einem  Einfall  der 
Franzosen  am  meisten  bedroht,  und  da  der  Zustand  der  Oesterreichischen 
Finanzen  und  des  Oesterreichischen  Heeres  wenig  Vertrauen  erweckend 
war,  so  wendete  man  seine  Blicke  nach  Preussen,  welches  Hilfe  versprach 
und  auch  gewähren  konnte.  Würt^mberg,  Baden,  Darmstadt,  vor  allem 
aber  der  patriotisch  gesinnte  König  Ludwig  von  Bayern  säumten  mit  der 
Erklärung  nicht,  ihre  Contingente  erforderlichen  Falls  unter  Preussens 
Führung  zu  stellen. 

Witzleben,  der  schon  viel  ftr  den  Zollverein  gekämpft  hatte,  hoffte 
jetzt  auch  die  militaiiische  Reform,  zunächst  die  engere  Verbindung  mit 
Süddeutschland,  durchzufechten.  In  diesem  Sinne  schrieb  er  am  1.  Juli  1831 
an  Eichhorn,  Geh.  Legationsrath  und  Director  im  Ministerium  der  aus- 
wärtigen Angelegenheiten: 

„Es  scheint  vor  allen  Dingen  nothwendig,  die  gute  Stimmung,  welche 
sich  bei  den  Süddeutschen  Höfen  kund  gethan,  zu  nähren  und  zu  be- 
festigen. Sie  haben  uns  Vertrauen  bewiesen,  wir  müssen  dies  largement 
erwideiTi.  Der  Charakter  der  Preussischen  Politik  ist  Gradheit  und  Offen- 
heit —  und  so  müssen  wir  uns  daher  gegen  unsere  Süddeutschen  Brüder 
aussprechen.  Das  wahre  Deutsche  Interesse  wird  allemal  ein  Preussisches 
sein.  Wünsche,  die  jenem  nicht  entgegen  sind,  werden  daher  von  uns 
nur  unterstützt  werden  können,  und  erleidet  es  keinen  Zweifel,  dass  man  sich 
mit  Oesterreich  leicht  wird  verständigen  können",*) 

Hierin  irrte  sich  Witzleben,  vielmehr  setzte  man  von  Wien  aus  alle 
Hebel  an,  um  den  engeren  Anschluss  der  Süddeutschen  an  Preussen  zu 
verhindern. 

In  Teplitz,  wo  der  König  von  Mitte  Juli  bis  Mitte  August  verweilte, 
während  Witzleben  Marienbad  gebrauchte,  war  es  Oesterreich  gelungen, 
den  König  zu  bestimmen,  dass  erst  zwischen  Preussen  und  Oesterreich 
eine  Verständigung  erzielt  werden  sollte,  bevor  man  in  der  mit  den  Süd- 


dass  der  Krieg  beschlossen  sei.  Als  wir  laut  aufjubelten,  gab  er  an  Heinrich  die 
Zeitung  und  sagte:  „Lies  selbst.**  Leider  stand  von  dem  Vorgelesenen  kein  Wort  in 
dem  Blatt  und  wir  mussten  unsem  Kriegseifer  dämpfen. 

*)  Wir  folgen  hierin,  wie  in  der  ganzen  Erzählung,  dem  glänzenden  Aufsatz  in 
von  J.  G.  Droysen  „Zur  Geschichte  der  Preussischen  Politik  von  1830 -—1832.  Zeit- 
schrift für  Preussische  Geschichte  und  Länderkunde  1874.** 


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—     185     — 

deutschen  Höfen  eingeleiteten  Verhandlung  zum  Abschluss  schritt.  In 
Berlin  gelang  es  später  dem  gewandten  Diplomaten,  General -Major 
Clam  Martinicz,  welcher  am  16.  Septbr.  einti-af,  mit  Knesebeck  in  Be- 
rathung  zutreten. 

Das  Ergebniss  derselben  wai-  das  üebereinkonmien:  die  sämmt- 
lichen  Bundesfiirsten  durch  armeecorpsweise  gewählte  Bevollmächtigte  bei 
dem  Defensionsplan  für  den  von  Seiten  Prankreichs  abgedrungenen  Defen- 
sionskrieg  mitwirken  zu  lassen,  und  dabei  sich  nach  der  durch  die  Bundes- 
militairverfassung  sanctionirton  Form  zu  richten.  Das  besondere  Abkommen 
Preussens  mit  den  Süddeutschen  Staaten  war  also  aufgegeben. 

Graf  Bemstorflf*)  nahm  seinen  Abschied  und  Witzleben,  der  —  so 
wird  erzählt  —  beim  Könige  dringende  Vorstellungen  gegen  diese  Mass- 
regel machte,  wurde  von  demselben  seiner  Einmischung  wegen  ernst  ver- 
wiesen. Richtig  ist  es,  dass  Witzleben  tief  erschüttert  aus  dem  Cabinet 
des  Königs  kam  und  schwer  erkrankte.  (Droysen). 

Er  war  vom  29.  Januar  bis  zum  18.  Apiil  1832  genöthigt,  das  Haus  zu 
hüten.  Es  trat  häufiges  Erbrechen  ein;  Rust  sagte,  er  litte  an  Gallenstein, 
doch  würde  Karlsbad  das  Uebel  vollkommen  heilen.  Am  28.  April  ging 
er  zum  erstenmal  wieder  zum  Könige,  der  ihn  mit  unendlicher  Gnade 
empfing.**) 

Der  König  nannte  ihn  „seinen  Freund,  seinen  Mitarbeiter  an  seinen 
grossen  Plänen  zur  Beglückung  seines  Volkes".  Bereits  1817  entgegnete 
dei-  König  dem  Grossherzog  von  Baden,  der  ihm  von  seiner  Zuneigung  zu 
Witzleben  sprach  und  demselben  sein  Ordensband  geben  wollte:  „Sie 
können  Ihren  Orden  keinem  Würdigern  geben  als  meinem  Witzleben,  den 
ich  nicht  als  meinen  Diener  betrachte,  sondern  als  meinen  Freund;  ich 
habe  viele  gute  und  ausgezeichnete  Diener  gehabt,  habe  aber  nie  einen 
besessen,  der  mich  so  verstanden  und  mir  die  Arbeit  so  erleichtert  hat". 
Hardenberg,  die  Brüder  Humboldt,  Motz  nannten  ihn  ihren  Fieund  und 
zogen  oft  seinen  ungetrübten  klaren  und  einfachen  Verstand  zu  Rathe,  wie 
solches  öfter  vom  Fürsten  Hardenberg  anerkennend  geäussert  wurde  und 
wovon  auch  schriftlich  die  Beweise  vorliegen. 

Der  evangelische  Bischof  Eylert  giebt  in  seinen  „Charakterzügen 
Friedrich  Wilhelm  III.",  Bd.  IL  S.  167  ff.  eine   längere   Charakteristik 

*)  Minister  der  Auswärtigen  Angelegenheiten. 
**)  Ans   dem   Tagebuche.     Beruht   daher   die  obige  Mittheilung  Droysen's   auf 
Wahrheit,  so  wurde  das  innige  Verhältniss  doch  nur  auf  kurze  Zeit  gestört. 


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—     186     — 

Witzleben*s,  die,  wenn  auch  in  etwas  breitem  Predigtstyle  abgefesst,  im 
Gmnde  ein  treffendes  Bild  giebt.  Er  sagt:  „Witzleben  ist  einer  der  merkwür- 
digsten und  man  muss  hinzusetzen  einer  der  wichtigsten  Zeitgenossen  des 
Hochseligen  Königs,  der  sich  um  ihn,  wie  um  den  ganzen  Preussißchen  Staat 
mittelbar,  grosse  Verdienste  erworben  hat  und  in  der  Geschichte  nicht  vergessen 
werden  darf.  Er  gehört  zu  den  glücklich  organisirten  Naturen,  die  bei  ge- 
sundem offenen  lebendigen  Sinne  die  Fähigkeit  für  eine  universale  Bildung  be- 
sitzen und  Alles  können,  was  sie  wollen.  Solche  Naturen  wollen  aber  in  der 
Regel  nichts  emstUch,  und  weil  sie  Schnell  allen  eindringenden  Eindrücken  sich 
öffnen,  eilen  sie  von  Einem  zum  Andern,  fassen  nichts  tief  und  gründlich  auf, 
und  wenngleich  angenehm  im  gewöhnlichen  Umgänge,  vermag  ihre  Flachheit 
es  doch  nicht,  etwas  Tüchtiges,  was  innere  Ausdauer  ^nd  Selbstbeherrschung 
verlangt,  zu  leisten.  Bei  Witzleben  war  es  anders.  Mit  den  glücklichsten 
Anlagen  für  Klarheit  verband  er  Tiefe,  und  bei  dem  ihm  angebomen 
Durste  nach  Erkenntniss  war  es  ihm  Bedürfiiiss,  Alles  in  der  Wurzel  auf- 
zufassen und  gründlich  wissen  zu  wollen.  Bei  aller  intensiven  Lebendig- 
keit war  ihm  (eine  seltene  Erscheinung)  dennoch  eine  gewisse  Stätigkeit 
eigen,  in  der  er  ruhig  fortschritt,  sonderte,  ordnete  und  bewahrte,  so  dass 
nichts  bei  ihm  verworren  und  zerflossen  durcheinander  lag,  sondern  Alles 
klar  in  bestimmten  umrissen  ihm  vor  Augen  stand.  Der  König  nannte 
ihn  „einen  glücklich  organisirten  Kopf".  Zu  der  ungewöhnlichen  Lebens- 
richtung, die  er  genommen  und  in  welcher  er  so  viel  geleistet,  hat  das 
Meiste  beigetragen  der  unglückselige  Feldzug  1806,  den  er,  21  Jahre 
alt*)  mitmachte.  Der  Jammer,  die  Schmach  und  Zerschmetterung  der 
damaligen  verhängnissvollen  Zeit  öfi&iete  dem  edlen  aufstrebenden  Jüngling 
die  Augen  über  die  wahren,  tief  liegenden  Ursachen  der  eingetretenen  und 
verschuldeten  Landes -Calamität.  In  dieser  Züchtigung  wurde  er  gebeilt 
von  den  damals  noch  grossen  Vorurtheilen  der  Geburt,  des  Standes  und 
Banges  und  sein  Blick  und  Urtheil  wurden  klar,  den  bleibenden  Werth 
des  Menschen  fortan  nur  da  zu  suchen,  wo  er  allein,  abgesehen  von 
äusseren  Begünstigungen,  zu  finden  ist,  in  persönlicher  Würdigkeit  und 
Tüchtigkeit.  Das  schmachvolle  Joch  einer  eisernen  Zeit,  welches  sein 
fireier  Nacken  nicht  zu  tragen  vermochte,  erfüllte  seine  Brust  mit  der 
still  verborgenen  Gluth  der  Rache  gegen  die  höhnenden  Fremdlinge,  die 
sein  theures  Vaterland  schändeten.    Mit  Begeisterung  las  er  die  classischen 

*)  Eylert  irrt:  es  muss  „23  Jahre  alt"  heissen. 

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—     187     — 

Schriften  der  Alten.  Das  Heroenbild  Friedrich  des  Grossen  senkte  sich 
in  seine  Seele  und  sein  biederer  Vater,  ein  ehrwürdiger  Veteran  aus  der 
Zeit  des  siebenjährigen  Krieges,*)  nährte  die  lodernde  heilige  Flamme  in 
dem  Herzen  seines  sich  immer  hoffnungsvoller  entwickelnden  Sohnes. 
Ernst,  in  sich  gekehrt  und  brütend  ging  er  einher;  die  buschigten  Brauen 
über  seinen  scharfen,  fixirenden  Augen  senkten  sich  immer  tiefer  und  ein 
Ritter  wie  Ulrich  von  Hütten  und  Franz  von  Sickingen,  war  Hermann 
sein  Held  und  Ossian  sein  Lieblingsdichter.  So  gesellte  er  sich  in  Ge- 
sinnung und  Richtung,  ohne  es  ahnen  zu  können,  verborgen  den  grossen 
Männern  bei,  die  unter  dem  Drucke  einer  läuternden  Zeit  für  eine  bessere 
sich  stählten  und,  als  diese  gekommen  war,  des  unterdrückten  Vaterlandes 
Helden  und  Retter  waren. 

„Wer  die  Geschichte  der  Wiedergeburt  des  preussischen  Staates  in 
ihrer  leisen  Einleitung,  in  ihrer  kräftigen  Entwickelung  und  in  ihrer  weisen 
Erhaltung  kennt,  der  wird  in  militairischer  Hinsicht  nach  den  unsterblichen 
Namen  Schamhorst,  Gneisenau  und  Clausewitz  —  ist  von  leitender  Intelli- 
genz die  Rede  —  Witzleben  nicht  vergessen.  Denn  vom  Jahre  1816 
bis  1836,  also  durch  volle  20  Jahre,  stand  er  nach  seiner  amtlichen 
Stellung  im  Mittelpunkte  dieser  neuen  Schöpfungen,  und  alles  Grosse  und 
Ausgezeichnete,  was  nach  errungenem  Frieden  zum  Heil  des  Vaterlandes 
darin  geschehen,  hat  zunächst  er  mit  dem  Könige  besprochen,  berathen 
und  bearbeitet.  Seine  klare,  richtige  und  schnelle  Auffassungsgabe,  seine 
energische  Kürze,  in  der  er,  namentlich  schriftlich,  kein  Wort  zu  viel  und 
keins  zu  wenig  sagte,  seine  Bestimmtheit  und  Consequenz,  Zuverlässigkeit 
und  Ausdauer  machten  ihn  dem  Könige  werth,  wichtig  und  unentbehrlich, 
und  in  seiner  langen  Regierung  hat  dieser  durch  kein  Organ  unmittelbar 
mehr  gewirkt,  als  durch  Witzleben,  in  den  besten  Jahren  seiner  frischen 
männlichen  Kraft.  Da  sein  klarer  gesunder  Verstand  alles  Vorkommende 
richtig  auflFasste  und  überall  sich  schnell  orientirte,  so  hatte  der  König 
för  alle  Auftrage  auch  keinen  treuem  üeberbringer  und  bessern  Ausleger 
als  ihn,  selbst  in  kirchlichen  Angelegenheiten.  Sein  praktischer  Verstand, 
sein  christliches  frommes  Gemüth,  sein  ernster  Sinn  fasste  auch  diese  in 
ihrer  Tendenz  scharf  und  richtig  auf,  und  wenn  ich  in  den  mit  ihm  ge- 
habten vieljährigen  kirchlichen  Berathuugen  auch  nicht  den  gelehrten 
Theologen  fand,    so  erfreuete   und  erquickte  mich  doch  in  dem  General 


*j  Irrthum  von  Eylert:   Job's  Vater  war  ja  erst  1755  geboren. 

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—     188     — 

der  klare,  gläubige,  von  Herzen  fromme  evangelische  Christ.  —  —  Was 
ist  es  doch  fiir  eine  köstliche  Sache  um  die  Wahrheit  und  Liebe  zu  ihr, 
sobald  man  mit  Ernst  und  von  Herzen  nur  sie  allein  und  sonst  nichts 
Anderes  will!  Dieser  Wahrheitssinn,  lebendig  geworden  in  der  Brust, 
giebt  dem  Verstände  Klarheit,  dem  Herzen  Muth,  der  Sprache  den  rechten 
Ton,  so  dass  die  Wahrheit  selbst  darin  überzeugend  und  gewinnend 
hervor-,  ihr  Sprecher  aber  anspruchslos  zurücktritt.  So  stand  Witzleben 
vor  seinem  Könige  fest  und  ruhig,  offen  und  unbefangen,  jedesmal  seiner 
Sache  gewiss,  im  tiefen  Respeckt  vor  seinem  Landesherm,  aber  in  einem 
noch  tiefem  vor  der  Wahrheit  und  ihrer  ewigen  Herrlichkeit.  Freimüthig 
und  ganz,  wie  er  sie  erkannt,  sprach  er  sich  aus;  Zweizüngigkeit  und 
Zweideutigkeit  war  seiner  edlen  ritterlichen  Natur  unmöglich.  Für  einen 
regierenden  Herrn,  der  nur  angenehme  Wahrheiten  hören  will  und  dem 
man  die  unangenehmen  nicht  anders  als  im  Dufte  des  Weihrauchs  sagen 
darf,  hätte  Witzleben  auch  nicht  einen  Tag  gepasst;  für  König  Friedrich 
Wilhelm  III.,  den  Wahrhaftigen,  war  er  gerade  der  rechte  Mann.  Er 
ehrte  ihn  als  seinen  freisinnigen  Rathgeber  und  liebte  ihn  als  Freund  in 
nie  getrübter  wechselseitiger  Anhänglichkeit  durch  volle  20  Jahre  bis  zum 
Tode.  Reiner  und  treuer,  mit  ganzer  Seele,  aus  vollem  Gemüthe  und 
aus  allen  Kräften  kann  man  nicht  dienen,  als  er  gedient  hat.  Arbeit  war 
seiner  stoischen  Natur  Qenuss,  und  das,  was  die  Welt  ein  freudevolles 
Leben  nennt  und  welches  er,  von  allen  Seiten  verehrt  und  begehrt,  hätte 
geniesseri  können,  wollte  und  mochte  er  nicht.  Einsamkeit  und  ihre  stillen 
Nächte  liebte  er  am  meisten  und  er  fühlte  sich  am  glücklichsten  in  dem 
ruhigen  Potsdam.  Hochgestellt  und  vielvermögend  blieb  er  schlicht  und 
bieder,  einfach  und  anspruchslos,  auf  seiner  Brust  war  für  alle  Orden  und 
Ehrenzeichen  nicht  Raum  mehr,  aber  gerne  und  allein  trug  der  ernste 
und  eisenfeste  Mann  nur  das  eiserne  Kreuz.  Tagtäglich  von  Menschen 
aus  allen  Ständen  angesprochen,  blieb  er  in  festgesetzten  Sprechstunden 
zugänglich  und  ertrug  die  Qual  des  An-  und  üeberlaufens  mit  sich 
gleichbleibender  freundlicher  Ruhe  und  Gelassenheit;  doch  war  seine  Ant- 
wort stets  bestimmt  und  kurz.  Gegen  Zumuthungen  und  Insinuationen, 
um  durch  seine  Empfehlung  etwas  zu  erlangen,  schützte  ihn  schon  sein 
ernstes  spartanisches  Angesicht,  und  wo  er  Schleichwege  witterte,  flammte 
sein  Zorn  auf.  Vorsichtig,  klug,  verschlossen,  an  sich  haltend  und  zurück- 
weisend, wo  er  aus  Pflicht  es  sein  musste,  wai*  er  offen,  heiter,  gutmüthig, 
ausschüttend  und  hingebend,  wo  er  es  sein  konnte.    Vertrauliche  Gespi-äche 


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-^     189     — 

in  der  Abendlaube,  im  Anblick  des  von  der  untergehenden  Sonne  vergol- 
deten Branhausberges  an  der  Havel,  waren  ihm  Genuas  und  Erholung. 
Wer  da  ihn  beobachtet  und  gehört,  der  hat  in  dem  hochgestellten 
Staatsmanne  zugleich  den  reinen,  edlen  und  gemüthvollen  Menschen,  den 
anfstrebenden  Christen  kennen  gelernt.  Am  liebsten  und  jedesmal  mit 
Begeisterung  sprach  er  von  seinem  Könige  und  Herrn.  „Tagtäglich  (das 
waren  seine  Worte)  sehe  und  höre  ich  Ihn;  aber  nie  gehe  ich  von  Ihm, 
ohne  mich  nicht  jedesmal  wieder  gehoben,  gestärkt  und  befestigt  zu  finden. 
In  stiller  Gewalt  bin  ich  an  Ihn  gefesselt  und  kann  nicht  von  Ihm  lassen, 
ob  ich  gleich  fühle,  dass  ich  in  seinem  Dienste  untergehen  und  vor  der 
Zeit  sterben  w«rde.  Und  so  ist's  auch  gekommen.  Witzleben  hat  sich 
notorisch  zu  Tode  gearbeitet  und  ist,  thätig  bis  zur  Erschöpfung,  auf 
langem  schmerzvollem  Krankenlager  eines  zehnfachen  Todes  für  König 
und  Vaterland  gestorben".^ 

Aehnlich  beurtheilt  ihn  Minutoli;  die  kürzeste  und  treffendste  Charak- 
teristik finden  wir  aber  in  einer  Brochüre*),  die  der  damalige  Bittmeister, 
jetzige  General- Feldmarschall,  Freiherr  Edwin  von  Manteufifel  zur  Recht- 
fertigung seines  Schwiegervaters  gegen  die  Beschuldigungen  schrieb,  welche 
der  Baron  Wilhelm  von  Rahden  in  seinen  vielgelesenen  „Wanderungen  eines 
dten  Soldaten"  II.  Tbl.  S.  170,  266,  349  und  562  ausspricht. 

Wir  lesen  in  der  gedachten  Brochüre: 

„General  von  Witzleben  war  ein  Mann,  dessen  Name  durch  seinen 
ausgebreiteten  und  einflussreichen  Wirkungskreis  in  die  Geschichte  Preussens 
verflochten  ist,  ein  Mann,  der  20  Jahre  das  volle  Vertrauen  seines 
Monarchen  besessen,  den  König  Friedrich  Wilhelm  lET.  seinen  Freund 
genannt  hat  und  von  dem  es  gewiss  ist,  dass  er  sich  durch  unermüdlichen 
Eifer  in  dem  Dienst  seines  Herrn  und  des  Vaterlandes  einen  frühen  Tod 
zugezogen  hat." 

Uebrigens  hatte  die  Brochüre  ihre  volle  Wirkung  und  zur  Ehre  des 
Herrn  von  Rahden  müssen  wir  erwähnen,  dass  er  der  verwittweten  Frau 
von  Witzleben  reuevoll  Abbitte  that,  alle  seine  Anschuldigungen  als  unwahr 
bezeichnete  und  es  ihr  freistellte,  diese  seine  Erklärung  zu  veröffentlichen, 
wovon  jedoch  Abstand  genommen  wurde. 


*)  Widerlegung  der  von  dem  Hauptmann  a.  D.  von  Rahden  gegen  den  ver- 
storbenen Kriegsminister  General-Lieutenant  von  Witzleben  erhobenen  Beschuldigungen. 
Berlin  1848,    E.  S,  Mittler. 


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—     190     — 

Von  den  vier  Söhnen  des  Kriegsministers  lebt  jetzt  nur  noch  der 
Oberst  a.  D.  Eric  von  Witzleben,  welcher  1864  beim  Uebergang  nach 
Alsen  als  Commandeur  des  3.  Jäger- Bataillons  schwer  verwundet  wurde; 
von  dieser  Verwundung  gab  er  den  Kameraden  vom  2.  Garde -Regiment, 
bei  dem  er  früher  gestanden,  durch  ein  Gedicht,  wie  es  nur  ein  Preussischer 
Officier  dichten  kann,  Kunde. 

Ein  Vers  davon  ist  in  unserm  Gedächtniss  geblieben: 

„Bei  Kiär  that  er  (der  Däne)  sich  setzen, 
Hei  da  ging  mein  Bock  in  Fetzen, 
Eine  Kugel  in  die  Brust, 
Für  den  König  welche  Lust!" 

Die  beiden  jüngsten  Söhne  Berthold  und  Albrecht  starben  in  der  Blüthe 
ihrer  Jahre  als  begabte  hoffnungsvolle  Officiere. 

Dem  ältesten  Job  widmen  wir  die  nachfolgenden  Blätter. 


Job  von  Witzleben,  General -Major. 

Job  Wilhelm  David  Carl  Heinrich  von  Witzleben  wurde  am 
4.  August  1813  zu  Kynau  (Kienau)  in  Schlesien,  Waldenburger  Kreis, 
geboren,  wohin  seine  Mutter  von  Breslau  aus  gereist  war,  um  ihren 
Mann  während  des  WaflFenstillstandes  zu  besuchen. 

So  ein  echtes  Soldatenkind,  mitten  im  Feldlager  zur  Welt  gekommen, 
zeigte  er  auch  von  frühester  Jugend  an  die  leidenschaftlichste  Liebe  für 
den  Soldatenstand. 

Von  früher  Jugend  an  war  Job  ein  Liebling  seiner  Eltern,  Freunde 
und  Lehrer.  Letztere  waren  die  Candidaten  Walther  und  Seydig,  von 
denen  der  Erstere,  jetzt  General- Superintendent  in  Bernburg,  sich  noch 
immer  mit  grosser  Freude  seines  Schülers  erinnert,  und  Seydig  seine  An- 
hänglichkeit an  die  Familie  bis  in  sein  spätestes  Alter  bewahrte,  indem 
er  sich  mit  aller  Liebe  der  Einsegnungen,  Trauungen  und  Taufen  unterzog. 

Job  wurde  ein  sehr  gern  gesehener  Spielkamerad  des  Prinzen  Albrecht, 
mit  dem  er  bei  Charlottenburg  Schanzen  erbaute,  stüimte  und  vertheidigte. 
Aus  dieser  Jugendliebe  bildete  sich  ein  festes  Freundschafts -Verhältniss, 
und  auch  nach  Job's  Tode  behielt  der  Prinz  ihn  in  treuem  Andenken.  — 

Frühzeitig  zeigte  Job  zur  giossen  Freude  seines  Vaters  musikalisches 
Talent.    Dm  dasselbe  gründlich  auszubilden,  wurden  die  ausgezeichnetsten 


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—     191     — 

Lehrer  angenommen.  Aber  dem  lebhaften  Knaben  widerstrebte  ein 
systematischer  Unterricht;  er  entlief  seinem  Lehrer  und  als  Ermahnungen 
und  Strafen  keine  Aenderung  hervorbrachten,  wurde  der  üntemcht  gänzlich 
aufgehoben.  Dies  sollte  nach  des  Vaters  Ansicht  als  Strafe  dienen,  gefiel 
Job  aber  ganz  wohl,  der,  froh  des  Zwanges  überhoben  zu  sein,  sich  jetzt 
heimlich  an  das  Klavier  setzte,  um  hier  seinen  Fantasien  freien  Lauf 
zu  bissen. 

Als  Job  einst  das  ünglüct  hatte,  den  Puss  zu  brechen  und  das  Bett 
hüten  musste,  liess  man  auf  seine  Bitten  einen  Tambour  kommen,  der 
ihm  Unterricht  im  Trommeln  gab.  Bei  seinem  scharfen  Taktgefühl  und 
seiner  Geschicklichkeit  wurde  er  bald  ein  perfecter  Trommler  und  durfte 
es  wagen,  den  Zapfenstreich  von  der  Königswache  aus  mit  dem  Tambour 
zu  schlagen.  Der  König  beobachtete  dies  öfters  vom  Fenster  aus  mit 
Wohlgefellen  und  belohnte  auch  wohl  den  jugendlichen  Tambour  mit  einer 
Tasse  Thee.*) 

Job  hatte  ein  so  glückliches  musikalisches  Gehör,  dass  er  jede  Melodie, 
die  er  gehört,  auf  dem  Klavier  nachspielen  konnte,  später  begann  er 
Märsche  und  Tänze  zu  componiren,  von  denen  einige,  wie  z.  B.  die 
„Garde-Husaren-Polka"  allgemeine  Verbreitung  fanden.  Man  sandte  ihm 
sogar  dafür  aus  New- York  eine  grosse  Kiste  vorzüglicher  Havanna-Ciganen, 
um,  wie  in  dem  sehr  artigen  Begleit-Schreiben  gesagt  wurde,  sich  für  den 
Genuas,  den  die  Polka  geschaffen,  dankbar  zu  erweisen.  — 

Im  Jahre  1838  befahl  der  König,  dass  zur  Zeit  der  Anwesenheit 
der  russischen  Herrschaften  bei  den  Manövern  des  IV.  Armee-Corps  ein 
grosser  Zapfenstreich  nach  russischer  Ait  in  Magdeburg  stattfinden  solle. 
Job,  der  zur  Dienstleistung  bei  Sr.  Königlichen  Hoheit  dem  Prinzen  Carl 
commandirt  wai*  und  1835  dem  russischen  Zapfenstreich  in  Kalisch  öfter 
beigewohnt  hatte,  wurde  bestimmt,  die  Musikaufführung  in's  Werk  zu 
setzen.  Er  vollbrachte  dies  mit  so  vielem  Geschick,  dass  er  sowohl  vom 
Könige,  dem  Kaiser,  als  auch  vom  Prinzen  Carl  viel  Schmeichelhaftes 
darüber  hörte  und  von  dem  Letzteren  einen  sehr  schönen  Säbel  erhielt, 
den  er  bis  zu  seinem  Tode  trug. 

Einstmals  reiste  Job  im  Gefolge  des  Prinzen  Carl  nach  Baden-Baden 
und  traf  daselbst  den  Herzog  Maximilian  von  Bayern,  dem  er  schon  früher 

*)  Als  Verfasser  dieser  Lebensskizze  einst  auf  Königswache  war,  gesellte  sich 
Job  dem  Tambour  zu  und  schlug  mit  demselben  den  Zapfenstreich  zum  Schrecken  d?s 
wachthabenden  Vetters. 


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—     192     — 

vorgestellt  war  und  der  ihn  wegen  seiner  Ältermutter,  Esther  Marie  von 
Witzleben,  als  Vetter  anredete.  Auf  Wunsch  des  Prinzen  Carl  spielte 
der  Herzog  eines  Abends  die  Zitter,  worauf  er  Meister  war.  Hinterher 
musste  Job  sich  an  das  Klavier  setzen  und  entzückte  den  Herzog  durch 
seinen  guten  und  ruhigen  Vortrag  einer  Steyerischen  Melodie  so,  dass 
dieser  ihn  bat,  ein  Duett  mit  ihm  zu  versuchen;  er  wolle  die  Melodie 
vorspielen,  Job  solle  folgen,  lieber  alle  Erwartung  glückte  das  improvisirte 
Concert  und  wurde  täglich  wiederholt.  Was  hätte  Job  in  der  Musik 
leisten  können,  wenn  sein  Talent  gründlich  ausgebildet  worden  wäre! 

Um  das  musikalische  Kapitel  zu  schliessen,  sei  noch  erwähnt,  dass 
Job,  als  er  Regiments-Commandeur  wurde,  sehr  viel  fiir  sein  Musikcorps 
that  und  bestrebt  war,  der  Cavallerie-Musik  die  Trommel  anzufügen,  wie 
dies  früher  bei  den  Dragonern  der  Fall  gewesen  war. 

Kehren  wir  nun  zu  Job's  Jugend  zurück: 

Mit  seinem  13.  Jahre  (1826)  kam  Job  nach  Rossleben  und  blieb 
auf  der  dortigen  Klosterschule,  bis  er  1831,  auf  ausdrücklichen  Wunsch 
des  Vaters,  in  die  reitende  Garde-Artillerie  eintrat,  obgleich  er  grössere 
Neigung  zur  Cavallerie  zeigte.  Er  ward  trotzdessen  ein  tüchtiger  Artillerist 
und  spielte  in  dieser  WaflFe  schon  als  Fähnrich  eine  gewisse  Rolle.  So 
zeichnete  er  Anfangs  1833  den  grossen  Lütticher  Mörser,  Hess  ihn  litho- 
graphiren,  verkaufte  die  Blätter  zum  Besten  der  Wittwen  und  Waisen  der 
bei  der  Vertheidigung  der  Citadelle  von  Antwerpen  gefiallenen  Artilleristen 
und  schickte  im  März  1833  den  Erlös,  5  Dukaten  und  2  Friedrichsd'or, 
an  den  Prinzen  Friedrich  der  Niederlande  nach  dem  Haag. 

In  demselben  Jahre  wurde  Job,  der  inzwischen  zum  Lieutenant  be- 
fördert war,  von  seinem  Vater  auf  einer  Reise  nach  Italien  mitgenommen. 
Einige  Jahre  darauf  bereitete  er  denselben  nach  Aachen  und  machte  von 
hier  aus  einen  kleinen  Abstecher  nach  London. 

Nur  noch  wenige  Jahre  nach  der  Rückkehr  aus  Aachen  sollte  Job 
das  Glück  haben,  seinen  ausgezeichneten  Vater  zu  besitzen.  Bald  nach 
dessen  Tode,  9.  Juli  1837,  versetzte  der  König  Job,  auf  seinen  Wunsch, 
zu  dem  Garde-Husaren-Regiment,  in  welchem  er  1845  Premier-Lieutenant 
und  1850  Rittmeister  wurde.  Zwei  Jahre  später  ernannte  ihn  der  König 
Friedrich  Wilhelm  IV.  zum  persönlichen  Adjutanten  des  Prinzen  Carl. 

Er  wusste  sich  in  der  Gunst  des  Prinzen  zu  erhalten,  vergass  im 
vertrautesten  Umgänge  mit  ihm  und  selbst  bei  den  heitersten  Scherzen 
nie  seine  Stellung  und  überschiitt  auch  in  der  ausgelassensten  Laune  nie 


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—     193     — 

die  richtige  Grenze.  Er  sprach,  wo  es  gestattet  war,  seine  Ansicht  un- 
umwunden aus,  namentlich,  wenn  es  galt,  für  Bedrängte  oder  Verläumdete 
einzTitreten.  „Die  Wahrheit  —  pflegte  er  zu  sagen  —  gehört  in's  Hunde- 
loch, aber  darum  sage  ich  sie  doch."  — 

Man  schätzte  Job  bei  Hof  als  heiteren  Gesellschafter  und  grund- 
ehrlichen Menschen.  Er  ward  von  den  Königen  Friedrich  Wilhelm  HI. 
und  IV.  gern  gesehen,  hatte  das  Glück,  sich  die  Zuneigung  des  Prinzen 
Yon  Preussen,  jetzigen  Kaisers  und  Königs,  zu  erwerben  und  wurde  von 
den  Prinzen  Carl,  Albrecht  und  Friedrich  Carl  als  Freund  behandelt. 
Auch  der  Herzog  von  Braunschweig  war  ihm  zugethan  und  wünschte  ihm 
die  Stelle  als  Hofmarschall  zu  geben,  aber  Job  war  viel  zu  sehr  Soldat 
und  an  die  Königliche  Familie  gefesselt,'  um  dem  ehrenden  Anerbieten 
Folge  zu  leisten.  — 

Auf  allen  Hofbällen  war  Job  ein  gesuchter  Tänzer,  bei  allen  Fest- 
aaffahrungen  eine  gesuchte  Persönlichkeit. 

Bei  einem  im  Palais  des  Prinzen  Albrecht  stattfindenden  Maskenball 
tanzte  Job  einst  als  Spanierin  die  Cachouca  mit  einer  Leichtigkeit  und 
Anmuth,  dass  ein  sehi-  bekannter  hoher  General,  der  die  Verkleidung 
nicht  ahnte,  seinen  Entrechats  vor  Beginn  des  Tanzes  mit  grossem  Ge- 
Sllen  zuschaute.  Der  Schelm  Job  spielte  dabei  ebenso  kokett  wie  ge- 
schickt mit  dem  Fächer,  dass  man  seinen  Schnurrbart  nicht  bemerkte 
und  verdoppelte  den  Huldigungen  des  Generals  gegenüber  seine  gracieusen 
Bewegungen.  Nach  vollendeter  Auflführung  trat  der  König  Friedrich  Wil- 
hehn  111.  zu  ihm  heran,  sagte  ihm  viel  Schmeichelhafl;es  über  Aussehen 
und  Tanz  und  schloss  mit  den  Worten:  „Werde  das  Ballet  abschaffen, 
komme  viel  billiger  dazu,  wenn  die  Lieutenants  früh  exerciren  und  Abends 
im  Ballet  auftreten."  — 

Gleiches  Glück  machte  Job  bei  der  Darstellung  des  „Hoffestes  von 
Perrara".  Hier  tanzte  er  als  Bär  die  Cracovienne  und  erntete  grossen 
BeifeU,  freilich  ohne  die  Huldigungen  jenes  Generals.  — 

Aber  nicht  nur  zu  Scherz  und  Spiel  wurde  der  heitere,  lebensfrische, 
geistsprudelnde  Officier  verwandt,  auch  zu  ernsten  Vertrauenssachen  be- 
nutzte ihn  sein  König  und  Herr,  da  er  sich  auf  seine  völlige  Hingebung 
und  seine  unbedingte  Verschwiegenheit  verlassen  konnte. 

Der  Belagerung  von  Düppel  1864  wohnte  Job  auf  kurze  Zeit  aus 
dgenem  Antriebe  bei  und  erstand  in  Rendsburg  aus  den  eroberten 
Dänischen  Geschützen  eine  eiserne  Kanone,  welche  er  vor  seiner  an  den 


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Ufern  des  Griebnitzer  Sees  liegenden  „Datscha"  aufstellte.  Diese  hatte  er 
sich  auf  einem  von  dem  Prinzen  Carl  geschenkt  erhaltenen  Terrain  im 
russischen  Landhausstyl  erbaut  und  verlebte  in  derselben  mit  seiner  Frau 
viele  glückliche  Tage. 

Nach  längerer  Bewerbung  war  es  Job  gelungen,  Fräulein  Marie, 
Tochter  des  Geheimen  Commissionsraths  und  Alt-Goldschmidts  Sr.  Ma- 
jestät, Johann  Georg  Hossauer,  heimzuführen.  Am  6.  December  1849 
fand  die  Trauung  in  der  Matthäi-Kirche  statt,  welcher  S.  K.  H.  der  Prinz 
Carl   als  Zeuge  beiwohnte. 

Es  dürfte  nicht  ganz  uninteressant  sein,  zu  erfahren,  wie  Job  in  dem 
Hossauefschen  Hause  Eintritt  erhielt. 

Als  König  Friedrich  Wilhelm  Hl.  1818  mit  seinem  Sohne,  dem 
Prinzen  Carl,  und  seinem  Flügel- Adjutanten  Job  von  Witzleben,  dem 
späteren  Eiiegsminister,  eine  Beise  nach  Paris  unternommen  hatte  und 
sich  dort  längere  Zeit  aufhielt,  bat  ein  junger,  talentvoller  Goldschmidt, 
Namens  Johann  Georg  Hossauer,  bei  Witzleben  um  Audienz.  Hossauer 
arbeitete  in  einer  grossen  Fabrik,  in  welcher  plattirte  Sachen  verfertigt 
wurden,  ein  Industriezweig,  der  damals  nur  in  England  und  Frankreich 
blühte,  in  Deutschland  und  Preussen  aber  noch  unbekannt  war.  Der 
Fabrikbesitzer  hatte  Hossauer  auserwählt,  um  dem  Könige  die  vorzüg- 
lichsten Gegenstände  seiner  Fabrik  vorzuzeigen.  Der  Wunsch  ging  durch 
die  Vermittelung  Witzleben's  in  Erfiillung,  ja  er  bewirkte,  dass  dem  jungen 
talentvollen  Manne  vom  Könige  die  Mittel  gegeben  wurden,  den  neuen 
Industriezweig  nach  Preussen  zu  verpflanzen. 

Hossauer  siedelte  bald  darauf  nach  Berlin  über,  wurde  später  zum 
Alt-Goldschmidt  Sr.  Majestät  ernannt  und  fand  grossen  Gefallen  an  dem 
muntern  Job,  wenn  dieser  mit  seinem  Vater  oder  Lehrer  die  neue  Werk- 
statt besuchte.  Im  Jahre  1828  wurde  ihm  eine  Tochter  geboren,  um 
welche  sich  Job,  sobald  sie  zur  Jungfrau  erblüht  war,  wie  wir  gesehen, 
mit  Glück  bewarb. 

Job  fahrte  eine  sehr  glückliche  Ehe.  Seine  Frau  nahm  den  regsten 
Antheil  an  allen  seinen  vielfachen  Interessen  und  voller  Lebensklugheit 
wusste  sie  ihn  durch  ihre  Geistesfrische  so  an  das  Haus  zu  fesseln,  wie 
es  wohl  wenig  Frauen  geglückt  sein  würde.  Auch  mit  ihrer  Schwieger- 
mutter, die  ihren  Sohn  mit  grosser  Zärtlichkeit  liebte,  wusste  sie  ein  gutes 
Yerhältniss  zu  bewahren. 

Einige  Jahre  vor  seiner  Verheirathung,  1844,  hatte  Job  einen  sechs- 


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monatlichen  Urlaub  erhalten;  er  besuchte  zuerst  England,  duiöhreiste 
sodann  Prankreich,  setzte  nach  Algier  über  und  richtete  sich  nach  seiner 
Buckkehr  in  Potsdam  ein  Zimmer  mit  allem  Zauber  des  orientalischen 
Geschmacks  ein. 

Im  Jahre  1846  ward  Job  die  Ehre  zu  Theil,  den  Prinzen  von 
Preussen  nach  Petersburg  zu  begleiten,  als  man  dort  die  Vermählung  der 
Grosslurstin  Olga  mit  dem  damaligen  Kronprinzen,  jetzigem  Könige  von 
Württemberg,  feierte.  Job  war  schon  ein  alter  Bekannter  der  Kaiserlichen  . 
Familie  und  ward  als  solcher  von  ihr  aufgenommen.  Nicht  genug  kann 
er  in  seinen  sehr  interessanten  Briefen  an  die  Mutter  von  der  grossen 
Liebenswürdigkeit  des  Kaisers,  der  Kaiserin  erzählen,  die  ihn  mit  Gnaden 
überschütteten,  nicht  genug  den  Zauber  schildern,  den  die  Grossfürstin 
Olga  um  sich  verbreitete.  Von  dem  Kaiischen  Lager  her  war  Job  in 
der  russischen  Armee  bekannt  und  wurde  jetzt  von  den  russischen 
Officieren  als  liebenswürdiger  Kamerad  um  so  herzlicher  empfangen,  als 
man  gewahrte,  in  wie  hoher  Gunst  er  bei  dem  Kaiser  und  der  Kaiserin  stand. 

Vier  Jahre  später,  1850,  war  Job  im  Gefolge  des  Prinzen  Friedrich 
Carl  abermals  in  Petersburg.  Man  feierte  das  ISOjähiige  Jubiläum  des 
R^iments  Ismailow,  welches  neue  Fahnen  erhielt.  Der  Kaiser  befahl 
auch  Job,  einen  Nagel  in  dieselbe  einzuschlagen.  Er  that  dies,  indem  er 
mit  lauter  Stimme  ausrief:  „Mit  Gott  stets  zum  Siege  mit  Eurer  Kaiser- 
lichen Majestät!"  worauf  der  Kaiser  hinzufügte:  „Aber  nur  mit  Euch 
vereint!"  „Diese  Worte  —  schreibt  Job  —  sind  mit  Flammenschrift  in 
mein  Herz  geschrieben".  — 

Job  versäumte  auch  keine  Gelegenheit,  der  Kaiserin,  die  ihn  so  sehr 
auszeichnete,  Aufmerksamkeiten  zu  erweisen  und  liess  u.  A.  sich  von 
seiner  Mutter  einen  Baumkuchen  aus  Berlin  nach  Petersburg  schicken,  da 
er  wusste,  dass  die  Kaiserin  denselben,  gleich  ihrem.  Königlichen  Vater, 
gern  ass.  — 

Zum  letztenmal  war  Job  in  Petersburg,  als  er  1855  der  feierlichen 
Beisetzung  des  am  2.  März  gestorbenen  Kaisers  Nicolaus  beiwohnte. 

Von  seinen  anderen  Reisen  soll  nur  erwähnt  werden,  dass  er  mehr- 
mals mit  dem  Prinzen  Albrecht  im  Haag  war  und  als  persönlicher 
Adjutant  des  Prinzen  Carl  mit  diesem  öfters  Böhmen,  Oestreich  und  Italien 
bereiste,  so  dass  Job  bald  an  allen  Höfen  eine  gekannte  und  sehr  beliebte 
Persönlichkeit  ward.  Mehrfach  erhielt  er  auch,  wenn  mit  diesen  Reisen 
die  Beiwohnung  von  grösseren  Manövers  verknüpft  waren,  besondere  Aufträge, 


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—     196     — 

die  sich  meistens  auf  die  Bekleidung  und  Ausrüstung  fremder  Cavallerie 
bezogen. 

Die  ihm  vom  Prinzen  Carl  so  vielfach  erwiesenen  Qnadenbeweise 
belohnte  Job  dm'ch  treue  Hingebung.' 

Als  der  Prinz  am  30.  November  1852  bei  einer  Parforcejagd  hinter 
dem  Stern  das  Unglück  hatte,  zu  stürzen  und  sich  einen  lebensgefährlichen 
Beckenbruch  zuzuziehen,  wich  Job  nicht  von  dem  Krankenlager  und  gönnte 
sich  erst  am  6.  Ts^e,  als  die  Aerzte  die  Hoi&ung  ausgesprochen,  dass 
die  Lebensgefahr  vorüber  sei,  einige  Stunden  Schlaf  auf  einem  Ruhebette. 
Nie  hat  der  Prinz  diese  Treue  und  Hingebung  vergessen. 

Es.  fiel  daher  demselben,  wie  seinem  Adjutanten,  sehr  schwer,  sich 
von  einander  zu  trennen,  als  dieser  im  Juli  1860  zum  Oberstlieutenant 
und  C!ommandeur  des  Ulanen -Regiments  Kaiser  Alexander  von  Russland 
(1.  Brandenburgischen)  No.  3  in  Fürstenwalde  ernannt  wurde.*)  Dafür 
trat  er  jetzt  zu  dem  Sohne,  S.  K.  H.  dem  Prinzen  Friedrich  Carl,  welcher 
zu  gleicher  Zeit  das  General -Commando  des  III.  Armee -Corps  erhalten 
hatte,  nach  vielen  Jahren  wieder  in  dienstliche  Beziehung,  denn  von  1849 
bis  1851  hatten  beide  bei  dem  Garde -Husaren -Regiment  zusammen 
gestanden. 

Der  Prinz  schenkte  Job  unbedingtes  Vertrauen  und  empfand  far  ihn 
wahre  Freundschaft. 

Und  nicht  durch  Schmeicheleien  war  diese  Freundschaft  erworben, 
sondern  durch  Geradheit  und  Offenheit.  Der'  Prinz  wohnte,  wenn  er  nach 
Fürstenwalde  kam,  bei  Job  und  war  hier  der  liebenswürdigste  und  an- 
spruchsloseste Gast,  den  man  sich  nur  denken  kann. 

„Ich  habe  —  sagte  der  Prinz  nach  dem  Tode  Job's  zur  Wittwe  — 
viel  verloren,  ich  habe  meinen  einzigen  Freund  verloren,  Job  kann  mir 
nie  ersetzt  werden". 

In  Fürstenwalde  flösste  Job  seinem  Regiment  frischen  Reitergeist  ein 
und  brachte  ein  nie  gekanntes  Leben  in  die  sonst  so  stille  Gamisonstadt 
Bald  hatte  er  bei  seiner  eigenthümlichen  Art,  die  Menschen  zu  behandeb, 
die  widerspännstigsten  Charaktere  flir  sich  gewonnen  und  die  Stadt  er- 
füllte gern  alle  seine  billigen  Wünsche.  Er  wurde  Ehrenmitglied  der 
Schützehgilde,  nachdem  er  auf  dem  Scheibenstande  den  besten  Schuss 
gethan  und  die  zweite  Gamisonstadt  des  Regiments,  Beeskow,  beeilte  sich, 

*)  Im  Jahre  1856  war  er  als  Major  dem  Begiment  bereits  aggregirt  worden. 

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—     197     — 

flun  das  Bürgerrecht  zu  verleihen.  Er  hatte  1858  auf  dem  Marktplatz 
Lindenbäume  pflanzen  lassen  und  das  Herz  der  Schuljugend  gewonnen, 
indem  er  ihr  Trommeln  und  Trompeten  zu  ihren  Exercitien  geschenkt  hatte. 

Nie  liess  Job  eine  Gelegenheit  vorübergehen,  seinem  hohen  Regiments- 
Oief  Aufinerksamkeiten  zu  erweisen.  Selbst  wenn  der  Kaiser  auf  seinen 
Reisen  nur  an  Fürsten walde  voruberfuhr,  liess  er,  nachdem  in  Berlin  die 
Erlaubniss  dazu  eingeholt  war,  das  Regiment  auf  dem  Bahnhof  in  Parade 
aofinarschiren,  damit  es  der  Kaiser  im  Vorbeifahren  sehen  konnte.  Aus 
den  reichen  Douceurgeldem*)  stiftete  er  u.  A.  eine  Vorschusskasse,  aus 
welcher  bedürftige  Of&ciere  gegen  geringe  Zinsen  Darlehne  erhalten  konnten. 
Aber  auch  viele  Bekannte  befreite  er  durch  eigene  Mittel  aus  drückender 
Geldverlegenheit.  Durch  diese  Generosität  und  die  vielen  anderen  Aus- 
gaben, welche  duich  seine  Genialität  veranlasst  wurden  —  so  schenkte  er 
dem  Füsilier-Bataillon  des  2.  Garde- Regiments,  dessen  Commandeur  sein 
Tater  1813  gewesen,  bei  dem  50jährigen  Jubiläum  eine  werthvolle  Trom- 
p^  —  gerieth  Job  selbst  sehr  oft  in  Geldverlegenheiten.  Wenn  ihm 
Torwürfe  darüber  gemacht  wurden,  sagte  er  stets:  „Wenn  ich  sterbe. 
Unterlasse  ich  soviel^  dass  meine  winzigen  Schulden  mehr  als  zehnmal 
bezahlt  werden  können."   — 

Job  hatte  bei  alledem  viel  Sinn  für  Häuslichkeit,  fast  alle  Abend 
versammelte  er  Kameraden  um  sich,  die  hier  ihre  Parthie  spielten  und 
sich  bei  einem  bescheidenen  Abendessen  sehr  wohl  befanden.  — 

Nachdem  Job  das  Regiment  etwa  5  Jahre  gehabt  hatte,  wurde  er, 
inzwischen  zum  Oberst  befördert,  zum  Commandeur  der  9.  Cavallerie- 
Brigade  in  Glogau  ernannt.  Er  trat  somit  in  das  V.  Armee-Corps  ein 
und  machte  demnach  unter  dem  General  von  Steinmetz  den  Feldzug  von 
1866  gegen  Oestreich  mit,  nachdem  er  kurz  nach  Ausbruch  desselben  zum 
General-Major  ernannt  worden  war.  — 

Er  wurde  der  Cavallerie- Division  der  IL  Aimee  unter  dem  General 
von  Hartmann  zugetheilt  und  übernahm  das  Commando  der  Avantgarde. 

Hatte  auch  diese  Cavallerie -Division  zu  Job's  Schmerz  in  diesem 
Feldzuge  keinen  grossen  Reiterkampf  zu  bestehen,  um  so  tbätiger  war  er 
bei  kleineren  Gefechten,  unter  denen  hier  nur  das  von  Rokeinitz  (15.  Juli) 
erwähnt  werden  soll.  Nach  den  Friedensverhandlungen  bei  Nickelsbm-g 
begann    am    30.  Juli   der  Rückmarsch    in    die   Heimath.    Beim  üeber- 


*)   Der  Kaiser  schenkte  dem  Regiment  nach  jeder  Besichtigung  1000  Dukaten. 

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—     198     — 

schreiten  der  Preussischen  Grenze  sprengte  Job  vor  seine  Brigade,  Hess 
Lalten,  nahm  den  Helm  ab  und  sprach:  ,,Lasst  uns  dem  Herrn  danken, 
dass  wir  nach  glücklich  erfochtenem  Siege  wieder  den  heimathlichen 
Boden  betreten,"  und  jeder  Soldat  verrichtete  sein  stilles  Gebet.  Der 
Divisionsprediger  aber  kam  zu  ihm,  sprach  seinen  Dank  aus,  obgleich  er 
durch  den  General  beschämt  sei,  da  dieser,  und  nicht  er  bei  dieser  Ge- 
legenheit zuerst  dem  Danke  an  Gott  Worte  gegeben  habe. 

Nach  Rückkehr  in  die  Friedensgarnison  erkrankte  Job  in  Folge  eines 
organischen  Herzleidens  und  die  im  März  1867  erfolgte  ärztliche  Unter- 
suchung ergab,  dass  eine  Eur  in  Marienbad  durchaus  nöthig  sti.  Doch 
als  bereits  Alles  zur  Abreise  angeordnet  war,  ereilte  ihn  am  21.  April 
ein  Herzschlag  und  endigte  sein  Leben.  Seine  Leiche  wurde  nach  Berlin 
übergeführt  und  auf  dem  Invalidenkirchhofe  in  der  Nähe  seines  Vaters 
und  seiner  1858  verstorbenen  Mutter  beigesetzt. 

Die  vielen  Beweise  der  Theilnahme  von  Hoch  und  Niedrig  bekundeten 
die  grosse  Liebe,  welche  Job  sich  erworben  hatte.  Unterwegs  wurde  der 
Sarg  mit  so  viel  Blumen  und  Kränzen  geschmückt,  dass  der  ganze 
Wagen  von  den  Liebesgaben  angefüllt  war. 

Von  Nah  und  Fem  eilten  Officiere  nach  Berlin,  um  Job  die  letzte 
Ehre  zu  ei'weisen,  und  die  Wachtmeister  seiner  Brigade  hatten  sich  frei- 
willig zm*  Leichenwache  gemeldet. 

Zu  der  feierlichen  Beisetzung  befahl  Se.  Majestät  der  König,  dass  die 
Batterie  der  Garde-Artillerie,  bei  welcher  Job  eingetreten  war,  einen  Theil 
der  Leichenparade  bilden  sollte. 

Auf  dem  Kaiserlichen  Schreibtisch  im  Flatow'er  Thurme  in  Babels- 
berg steht  ein  Leuchter,  aus  drei  dänischen  Bajonnetten,  deren  Dillen  drei 
Lichter  tragen,  gebildet,  mit  der  Inschrift:  „Geschenk  von  Job  von 
Witzleben."  — 

Seit  dem  Jahre  1863  hatte  Job  die  Ehre,  den  König  und  den  Prinzen 
Carl  alljährlich  im  November  zur  sogenannten  Martinsgans  in  seiner 
Datscha  bewirthen  zu  dürfen.  Nach  seinem  Tode  sprach  Se.  Majestät  zur 
Wittwe  den  Wunsch  aus:  Zur  treuen  Erinnerung  an  seinen  Job  dies  fort- 
zusetzen. — 

Nach  dem  Tode  seines  Vaters  hatte  Job  das  Gut  Lischkowo  in  Besitz 
genommen.  Er  verwandelte  es  durch  sein  Testament  in  ein  Fideicommiss, 
welches  nach  seinem  Tode  auf  seinen  Bruder  Eric  überging,  der  es  mit 
Allerhöchster  Genehmigung  in  „Witzleben"  umtaufte.  — 


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—     199     — 

Job  war  ein  durch  und  durch  genialer  Mensch  von  seltenem  natür- 
lichen Verstände,  sprudelnden  Witz,  grosse  Schlagfertigkeit  der  Rede  und 
einem  angeborenen  Talent,  die  Menschen  nach  ihrer  Eigenart  zu  nehmen 
und  Herrschaft  über  sie  zu  gewinnen. 

Er  lebte  und  starb  in  hingebender  Treue  för  seinen  König  und  das 
Königshans  und  in  unbegrenzter  Liebe  für  sein  schwarz-weisses  Vaterland 
Preussen. 

Anmerkung.  An  Orden  erhielt  Job:  für  sein  Wohlverhalten  im  polnischen 
Aufstände  1848  den  rothen  Adlerorden  IV.  Classe,  1849  die  hohenzollerusche  Denk- 
münze, 1854  den  St.  Johanniterorden,  1857  das  25jährige  Dienstkreuz,  1861  die 
Kronongsmedaille,  1863  den  rothen  Adlerorden  m.  Classe  mit  Schleife,  1864  die 
Kriegsdenkmünze  für  Schleswig-Holstein,  1866  die  Schwerdter  zum  rothen  Adlerorden. 

An  Bussischen  Orden  den  St.  Annenorden  IIL  Classe  1835,  und  den  Wlademir- 
oiden  1846. 

Von  Anhalt  erhielt  er  bei  Gelegenheit  der  Vermählung  der  Prinzessin  Marie  Anna 
mit  dem  Prinzen  Friedrich  Carl  die  II.  Classe  Albrecht  des  Bären. 

Von  Braunschweig  1861  das  Commandeurkreuz  II.  und  1865  I.  Classe  Hemrich 
d«  Löwenordens. 

Von  Oestreich  1853  die  eiserne  Krone  III.  Classe  und  1858  den  Leopoldsorden. 


Constantin  August  Wilhelm  von  Witzleben  (s.  Tab.  I.  8.), 
am  31.  Oct.*)  1784  zu  Halberstadt  geboren,  begann  seine  militairische 
Laufbahn  am  5.  Oct.**)  1797  in  Potsdam  beim  Infanterie -Regiment  des 
Königs,  in  welchem  er  1799  die  hohe  Stellung  eines  jüngsten  Fähnrichs 
erreichte,  am  1.  Februar  1803  zum  Seconde-Lieutenant  ernannt  und  kurze 
Zeit  darauf  zum  Grenadier-Bataillon  des  Majors  von  Kabiel  commandirt 
wurde. 

Im  Jahre  1805  schon  mobil  gemacht,  stiess  das  Regiment  des  Königs 
im  Oct.  1806  mit  den  übrigen  Gardetruppen,  unter  dem  General  Grafen 

*)  In  dem  Kirchenbuche  der  vormaligen  Garnison-Gemeinde  zu  Halberstadt  steht: 
.Den  1.  Nov.  1784  ist  dem  Herrn  Lieutenant  Heinrich  Günther  von  Witzleben  von 
»einer  Frau  Gemahlin  Caroline  Luise  Wilhelmine  von  Wulffen  ein  Sohn  geboren,  welcher 
den  12.  Nov.  getauft  und  Constantin  August  Wilhelm  benannt  worden  ist."  Hein- 
rich Günther  schreibt  dagegen:  „1784.  31.  Oct.,  an  einem  Sonntag,  Abends  nach 
6  ühr,  wurde  meine  liebe  Frau  abermals  von  einem  gesunden  Sohn  glücklich  ent- 
bunden, welcher  den  12.  Nov.  von  dem  Feldprediger  Wähn  hiesigen  Rgts.,  Nachmittags 
3  Uhr  getauft  wurde  und  die  Namen  bekam  Constantin  August  Friedrich.*  Nach 
allen  eingezogenen  Erkundigungen  hat  das  Kirchenbuch  in  Bezug  auf  den  Tag,  der 
Vater  in  Bezug  auf  den  Namen  Unrecht;  den  Familiennamen  der  Mutter  hat  der  Pre- 
«iiger  Wähn  auch  falsch  geschrieben. 

••)  nirht  3.  Oct.,  wie  von  Reinhard,  Gesch.  des  Preuss.  1.  Garde-Rgts.  z  F., 
angiebt. 

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—     200     — 

Kunheim  zu  einer  Division  vereinigt,  zur  Armee  in  Thüringen.  In 
der  Schlacht  von  Auerstedt  am  14.  October  rückte  es,  um  die  vor  Hassen- 
hausen zurückgeschlagenen  Truppen  aufzunehmen,  von  Auerstedt  auf  Keh- 
hausen  vor.  Am  Thalrande  oberhalb  des  Dorfes  waid  die  Aufstellung 
genommen.  Der  Feind  fuhr  dagegen  eine  Batterie  auf  und  feuerte,  doch 
das  Regiment  stand  und  blieb  stehen.  Vorbei  zogen  die  geschlagenen 
Timppen,  theilweise  in  regelloser  Flucht.  Da  kommt  der  General  Graf 
Wartensleben:  „Was  wollt  Ihr  hier?  Will  sich  das  Regiment  auch  schlagen 
und  aufreiben  lassen?"  ruft  er  ihm  zu.  Ist  das  Wort  des  Generals  als 
Befehl  aufzunehmen?  fragt  man  sich.  Immer  dichter  schlagen  die  Kugeln 
ein;  Major  von  Wangenheim,  der  das  Regiment  commandirt,  wiid  er- 
schossen; es  wurde  unruhig.  Da  kommt  noch  zur  rechten  Zeit  des 
Königs  Flügel -Adjutant,  Oberst  Kleist  —  später  von  Nollendorf  —  mit 
dem  Befehl  des  Regiments-Chefs  und  Königlichen  Kriegsherrn:  „Bleibt 
stehen!"  Und  das  Regiment  stand  und  blieb  stehen,  bis  der  letzte  Mann 
vorbei;  und  als  der  Abzug  befohlen  war,  geschah  er  „mit  einer  Ordnung 
wie  auf  dem  Exercierplatze",  in  der  Richtung  auf  Auerstedt. 

Bei  Prenzlau  hörte  das  Regiment  des  Königs  auf  zu  existiren. 

1807  und  1808  war  Constantin  von  Witzleben  inactiv;  erst  am 
22.  Febr.  1809  wurde  er  als  aggregirter  Seconde-Lieutenant  im  1.  Garde- 
Regiment  z.  F.  wieder  angestellt,  am  8.  Juni  dess.  J.  in  den  Etat  als 
8.  Second-Lieutenant  einrangirt,  den  11.  Aug.  1811  zum  Premier-Lieutenant, 
den  22»  März  1812  zum  Stabscapitain  und  Commandeur  der  Leib-C!om- 
pagnie  ernannt.  In  der  Schlacht  bei  Gross-Görschen,  2.  Mai  1813, 
kommandirte  er  die  TiraiUeurs  des  1.  Bataillons,  wurde  aber  gleich  bei 
dem  ersten  Angriff,  welchen  das  Bataillon  in  der  Richtung  auf  Kaja  aus- 
zufuhren versuchte,  schwer  verwundet.  Er  erhielt  das  eiserne  Kreuz  und 
wurde  am  15.  Juni  1813  zum  Premier -Capitain  befördert.  An  der 
Schlacht  vor  Paris,  30.  März  1814,  konnte  er  nicht  Theil  nehmen,  da  er 
von  seiner  Wunde  noch  nicht  hergestellt  war. 

Am  27.  Apr.  1815  wurde  Constantin  von  Witzleben  als  Major  in 
das  25.  Infanterie -Regiment  versetzt  und  machte  in  diesem  den  Feldzug 
von  1815  mit.  Das  Regiment  erhielt  am  Morgen  vor  der  Schlacht  von 
Ligny  900  Mann  Ersatz,  die  in  grosser  Hast  in  die  verschiedenen  Abthei- 
lungen eingesteckt  wurden.  So  lose  zusammengefügt  wurde  es  gegen  den 
Pachthof  le  Hameau  St.  Amand  gefuhrt,  erhielt  von  in  hohem  Getreide  ste- 
henden französischen  Bataillonen  unerwartet  Feuer,  machte  Kehrt,  und  ver- 


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—     201     — 

schwand  vom  Schlachtfelde.  Nur  der  Major  Constantin  von  Witzleben  und 
Hauptmann  von  Kaweczinsld  vom  5.  westphälischen  Landwehr-Regiment  hiel- 
ten mit  eiserner  Gewalt  und  grosser  Anstrengung  eine  Handvoll  Leute  ihrer 
Bataillone  zusammen  und  schlössen  sich  dem  2.  Regiment  an,  mit  welchem 
sie  zur  5.  Brigade  von  Pirch  L  gehörten.  Mit  dieser  focht  Constantin  denn 
aach  in  der  Schlacht  von  Bellealliance  am  18.  Juni  und  erhielt  für  sein  rühm- 
liches Verhalten  das  eiserne  Kreuz  I.  Classe.  In  der  Barfüssler-Kirche  zu 
Erfurt,  der  Gamison  des  Regiments  kurz  nach  dem  Kriege,  befindet  sich  die 
übliche  Tafel  mit  den  Namen  der  in  den  Befi-eiungskriegen  vor  dem  Feinde 
gefeUenen  Officiere  und  derjenigen  Ofificiere  und  Soldaten,  welche  sich  das 
eiserne  Kreuz  erkämpft  hatten.  Auf  dieser  Tafel  lesen  wir  die  Namen  Theodor 
Körner's,  seines  Freundes  von  Berenhorst,  der  wenige  Tage  nach  des 
Sängers  Tode  mit  den  Worten  zusammenstürzte:  „Kömer,  Dir  nach!", 
ferner  jener  bekannten  Eleonora  Prohaska,  die,  um  das  Schwerdt  ergreifen 
zu  können,  die  Uniform  anzog  und  erst  von  einer  feindlichen  Kugel  ge- 
troffen ihr  Geschlecht  verrieth.  Unter  diesen  finden  wir  als  Bitter  des 
eisernen  Kreuzes  L  Gl.  Constantin  von  Witzleben,  Major  im  25.  Regiment. 

Am  6.  Nov.  1816  wurde  W.  Commandeur  des  Garde-Schützen-Bataillons, 
am  17.  Aug.  1818  (immer  noch  als  Major)  des  Kaiser-Franz-Grenadier- 
Regiments,  am  30.  März  1827  Oberstlieutenant,  den  30.  März  1830 
Oberst,  den  30.  März  1836,  nachdem  er  18  Jahre  an  der  Spitze  des 
Regiments  gestanden,  Commandeur  der  9.  Landwehr- Brigade  in  Glogau, 
am  30.  März  1838  Generalmajor,  im  nächsten  Jahre  zugleich  Director 
der  Divisions-Schule  in  Glogau,  am  30.  Oct.  1844  Commandant  von 
Glatz,  am  22.  März  1845  Generallieutenant.  Wenige  Tage  darauf,  am 
7.  Apr.  1845  starb  er  in  Glatz.  Er  war  ein  genialer  Officier  von  grosser 
miUtairischer  Beföhigung,  der  als  Taktiker  bei  allen  grösseren  Truppen- 
übungen glänzte. 

Constantin  hatte  sich  am  1.  Aug.  1811  zu  Marquardt  bei  Potsdam 
mit  Luitgarde  von  Bischoffswerder,  des  Königl.  Preuss.  Generallieutenants 
Johann  Rudolph  von  Bischoffwerder  auf  Marquardt  und  der  Wilhelmine 
geb.  von  Tarrach  Tochter,  vermählt,  welche  am  10.  Febr.  1869  Abends 
lOV*  Uhr  zu  Berlin  starb. 

Carl  von  Witzleben  (s.  Tab.  I.  8)  am  5.  Aug.  1791  zu  Halber- 
stadt geboren,  wurde  am  4.  Nov  1812  bei  der  Churmärkischen  Regierung 
zu  Potsdani  als  Porstreferendar  vereidigt,  trat  aber  am  23.  Jan.  1813, 
als  die  Garden  von  Potsdam  nach  Breslau  abmarsoWrten^,  freiwillig  beim 


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—     202     — 

1.  Qarde-Regiment  z,  P.  ein,  wurde  am  16.  des  folgenden  Monats  zum 
Portepee-Fähnrich  ernannt  und  bei  Gross-Gtörschen  durch  einen  Schuss  in 
den  Hals  schwer  verwundet,  erhielt  aber  dafür  das  eiserne  Kreuz  und  wurde 
bereits  am  14.  Mai  1813  zum  Seconde-Lieutenant  befördert.  Den  ersten 
Marsch  nach  Paris  machte  er  mit,  am  23.  Mai  1815  wurde  er  aber  zum 
neugebildeten  Reserve-Bataillon  kommandirt  und  scheint  demnach  an  dem 
zweiten  Marsch  nach  Paris  nicht  Theil  genommen  zu  haben.  Nachdem  er 
am  25.  Februar  1818  zum  Premier-Lieutenant  ernannt  war,  erhielt  er  am 
18.  Apr.  1823  den  nachgesuchten  Abschied  mit  dem  Charakter  als  Ca- 
pitain  und  der  Anwartschaft,  im  Forstfache  angestellt  zu  werden,  und  am 
21.  Juni  dess.  J.  die  vacante  Oberförsterstelle  zu  Panten  im  Reg.-Bez. 
Liegnitz.  Durch  A.  C.  0.  vom  27.  Apr.  1828  wurde  Carl  von  Witzleben 
zum  Forstinspector  in  der  Grafschaft  Henneberg  ernannt  und  erhielt  1839 
den  Charakter  als  Forstmeister.  Er  starb  zu  Schleusingen  am  29.  Nov. 
1861,  97^  ühr  Morgens.  Vermählt  war  er  seit  dem  8.  Juni  1823  mit 
Luise  von  Hake  a.  d.  H.  Machnow,  geb.  am  6.  März  1798,  gest.  am 
26.  Febr.  1854. 

Friedrich  Wilhelm  Heinrich  Carl  August  von  Witzleben 
(s.  Tab.  I.  9),  am  14.  Oct.  1797  in  Rastenburg  geboren,  erlebte  die  Be- 
lagerung von  Thom  1807,  nach  deren  Beendigung  seine  Mutter  mit  ihm 
und  seinen  Stiefbrüdern  Reinhold  und  Heinrich  (s.  Tab.  I.  7)  nach  Arn- 
stadt zog,  woselbst  er  den  Schulcursus  begann.  Am  10.  Apr.  1810  kam 
er  nach  Königsberg  i./N.,  wo  sein  Onkel  und  Vormund  Heinrich  von 
Witzleben  (s.  S.  146)  lebte,  in  Pension,  um  das  Gynmasium  zu  besuchen. 
Am  31.  Oct.  1813  trat  er  bei  dem  Preuss.  Regiment  der  (Jardes  du 
Corps  ein  und  wurde  Anfangs  1814  mit  dem  Ersatz  dem  Regiment  nach 
Frankreich  nachgesandt,  aber  am  23.  März  1814  mit  dem  ganzen  Trans- 
port in  Moton  bei  JoinviUe  gefangen  und  erst,  nach  der  Einnahme  von 
Paris,  am  8.  Apr.  aus  der  Gefangenschaft  entlassen.  Am  26.  Apr.  1815 
wurde  Friedrich  von  Witzleben  zum  Officier  ernannt,  jedoch  wurde  ihm 
später  ein  älteres  Patent  seiner  Charge  verliehen.  Am  4.  Juni  1815 
rückte  er  mit  dem  Regiment  wieder  aus  Potsdam  aus  und  am  28.  JuU 
in  Paris  ein,  welches  er  am  3.  Oct.  verliess.  Am  19.  März  1821  wurde 
er  Premier-Lieutenant. 

Da  ihm  der  Fürst  von  Schwarzburg-Rudolstadt  auf  Empfehlung  des 
Geh.  Raths  von  Beulwitz  die  Stelle  als  Reisestallmeister  anbot  und  es  im 
Interesse  seiner  Vettern  lag,  dass    er  seinen  Wohnsitz  in  der  Nähe  der 


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—     203     — 

beiden  der  Familie  noch  erhaltenen  Rittergüter  Angelroda  und  Martinroda 
nahm,  so  bat  er  um  den  Abschied,  der  ihm  auch  am  21.  Sept.  1822 
bewilligt  wurde.  Er  schlug  in  Rudolstadt  seine  Wohnung  auf,  wurde  am 
6.  Nov.  1822  zum  Reisestallmeister  ernannt  und  vermählte  sich  am 
1.  Dec.  dess.  J.  mit  Ida  Christiane  Marie  von  Beulwitz,  des  Geh.  Raths 
Friedrich  Wilhelm  Ludwig  von  Beulwitz  und  der  Amalie  geb.  von  Bibra 
Tochter,  geb.  am  2.  Juli  1800,  welche  aber  dem  trauernden  Gatten 
schon  im  ersten  Kindbett  am  24.  Oct.  1823  entrissen  wurde.  Dem 
jungen  Wittwer  war  es  einiger  Trost,  dass  seine  Mutter  und  sein  Stief- 
vater am  1.  Nov.  zu  ihm  nach  Rudolstadt  zogen,  doch  starb  der  Letztere 
auch  bald. 

Friedlich  beschäftigte  sich  namentlich  mit  der  französischen  Sprache 
und  dem  Studium  der  Staatswissenschaften,  um  in  den  Staatsdienst  über- 
treten zu  können,  reiste  auch  im  Nov.  1825  auf  mehrere  Monate  nach 
Paris,  um  sich  im  Französischen  zu  vervollkomnmen.  Am  9.  Nov.  1826 
vermählte  er  sich  wiederum  mit  Luise  Caroline  Auguste  von  Hopfgarten 
aus  Schlotheim. 

Nachdem  er  am  19.  Dec.  1827  Oberstallmeister  geworden  war  und 
den  Fürstlichen  Marstall  reorganisirt  hatte,  erwarb  er  sich  durch  die  vor- 
züglichen Eigenschaften  seines  Charaktei-s  die  persönliche  Zuneigung  und 
das  Vertrauen  seines  Fürsten  in  solchem  Masse,  dass  er  schon  am 
20.  Mai  1829  in  das  Geheime-Raths-CoUegium,  die  höchste  Verwaltungs- 
behörde des  Landes,  berufen  wurde.  Als  Mitglied  dieses  Collegiums 
vertrat  er  Schwarzburg- Rudolstadt  1833  auf  den  Zollvereins -Conferenzen, 
und  im  Nov.  1835  wurde  ihm  die  obere  Leitung  der  Administration  der 
Fürstlichen  Güter  Seedorf  und  Hornstorff  in  Holstein  übertragen.  Am 
27.  Apr.  1836  zum  Wirklichen  Geheimen  Rath  ernannt,  trat  er  als  Nach- 
folger des  Geh.  R.  Friedrich  Wilhelm  von  Ketelhodt  an  die  Spitze  des 
Geh.  Raths-CoUegiums  und  führte  als  ein  höcht  pflichtgetreuer,  seinem 
Fürsten  durchaus  ergebener  Beamter  aus  der  Mettemich'schen  Schule, 
streng  conservativ  und  jeder  Neuerung  abhold  die  Leituog  der  Geschäfte 
bis  zum  März  1848.  Der  Staat  Schwarzburg- Rudolstadt  hatte  in  den 
40ger  Jahren  eine  aristokratische  Verfassung:  Die  alten  Adelsfamilien  der 
von  Witzleben,  Ketelhodt,  Holleben,  Beulwitz,  Gleichen,  Erfifa,  Obst- 
felder etc.  waren  seit  langer  Zeit  im  Besitz  fast  aller  Aemter. 

Schon  1845  regte  sich  im  Ländchen  eine  immer  stärker  werdende 
Opposition  gegen    das  System  des  Wirklichen  Geh.  Raths.     Namentlich 


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„der  Wald"  —  Bauern  und  Industrielle  in  den  Thüringer  Bergen  — 
war  gegen  Witzleben  eingenommen,  weil  er  seiner  Ansicht  nach  in  der 
Wahrung  der  Interessen  des  Fürsten  zu  weit  ging.  Als  schon  zu  An- 
fang des  verhängnissvollen  Jahres  1848  eine  revolutionäre  Strömung 
durch  Europa  ging,  suchte  Witzleben,  dem  alten  System  fest  anhangend, 
durch  strenge  Verbote  das  kleine  Land  so  zu  sagen  abzudämmen  und 
wirkte  noch  im  März  nach  dieser  Richtung  auf  den  Fürsten  ein.  Um  so 
wilder  brach  der  Sturm  los,  welchem  Witzleben  allein  keinen  Widerstand 
entgegensetzen  konnte.  Er  verliess  deshalb  in  der  Nacht  vom  10.  zum 
11.  März  Rudolstadt  und  begab  sich  nach  Angelroda.  Viele  Mitglieder 
des  Märzvereins  nebst  zahlreichen  Proletariern  kamen  bald  darauf  mit 
Fackeln  an  sein  Haus  herangezogen,  wollten  ihn  herausholen  und  das 
Haus  anzünden;  die  Drohungen  begannen  schon  in  Thätlichkeiten  über- 
zugehen, als  es  endlich  dem  Advokaten  Hönniger,  dem  spätem  März- 
minister, gelang,  die  Familie  Witzleben's  vor  weiteren  Insulten  zu  schützen. 
Witzleben  bat  um  seine  Entlassung  und  der  Drang  der  Umstände  zwang 
den  Fürsten,  sich  von  seinem  ergebensten  Diener  und  treusten  Rathgeber  zu 
trennen.  Friedrich  von  Witzleben  erhielt  bei  seiner  Entlassung  das  Prädikat 
Excellenz  und  eine  Pension  von  1000  Thlr.;  die  beabsichtigte  Normirung 
des  Euhegehalts  auf  1500  Thlr.  lehnte  er  ab,  weil  man  die  Verhältnisse 
des  kleinen  Landes  damals  als  ganz  verzweifelte  ansah.  Er  widmete  sich 
fortan  ganz  der  Bewirthschaftung  von  Angelroda  und  Martinroda,  ordnete 
das  ziemlich  umfangreiche  Archiv  zu  Angelroda  und  starb  daselbst  am 
15.  Januar  1862,  Abends  9  Uhr,  nach  langer  und  schmerzlicher 
Krankheit. 

Friedrich  Ludwig  Otto  Hermann  von  Witzleben  (s.  Tab.  L  10) 
wurde  am  14.  Juni  1797  in  Heilsberg  geboren,  im  Cadettencorps  erzogen, 
am  8.  März  1813  im  1.  Garde -Regiment  z.  F.  zum  Seconde- Lieutenant 
ernannt,  bei  Gross-Görschen  verwundet,  am  25.  Febr.  1818  Piemier- 
Lieutenant,  den  16.  Sept.  1825  Capitain  und  Chef  der  5.  Compagnie  und 
am  12.  Juli  1837  als  Major  und  2.  Commandeur  des  2.  Bat.  (Stettin) 
1.  Garde -Landwehr- Regiments  nach  Stettin  und  am  31.  März  1846  in 
das  31.  Infanterie-Regiment  versetzt.  Am  27.  März' 1847  wurde  Hermann 
Oberstlieutenant,  den  3.  Aug.  1848  Commandeur  des  19.  Infanterie-Re- 
giments, den  29.  Nov.  1849  Oberst  und  den  6.  Nov.  1851  mit  Pension 
verabschiedet.  Er  lebte  darauf  in  Erfurt,  Arnstadt  und  jetzt  in  Wies- 
baden. 


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—    205    — 

Heinrich  von  Witzleben  (s.  Tab.  I.  10)  wurde  am  4.  Oct.  1798 
in  Ostprenssen  geboren,  im  Elternhanse  erzogen  und  trat  am  30.  Mai  1815 
beim  1.  Garde-Regiment  z.  F.  ein,  in  welchem  er  am  24*  Dec.  1817  zum 
Seconde-  und  am  17.  Apr.  1831  zum  Premier-Lieutenuit  befördert  wurde« 
Am  30.  März  1839  als  Capitain  in  das  21.  Infanterie-Begiment  versetzt, 
wurde  er  am  22.  Febr.  1845  zum  Major  und  am  31.  März  1846  zum 
Commandeur  des  2.  Bat.  14.  Landwehr- Regiments  in  Bromberg  ernannt 
und  den  13.  März  1851  mit  dem  Charakter  als  Oberstlieutenant,  Pension 
und  der  Uniform  des  1.  Garde-Regiments  z.  F.  verabschiedet. 

Friedrich  Hartmann  von  Witzleben  (s.  Tab.  I.  10)  wurde  am 
3.  Mai  1802  zu  Johannisberg  in  Ostpreussen  geboren,  kam  1815  in  das 
Cadettencorps  zu  Berlin  und  aus  diesem  im  Juli  1820  als  Seconde-Lieute- 
nant  in  das  Kaiser-Franz-Grenadier-Regiment.  1830  wurde  er  Adjutant 
des  Herzogs  Carl  von  Mecklenburg  und  zwei  Jahre  später  unter  Belassung 
in  diesem  Verhältniss  als  Premier-Lieutenant  dem  Kaiser-Alexander-Regi- 
ment aggregirt.  1834  ernannte  ihn  der  König  zum  dienstthuenden  Kammer- 
herm  bei  I.  K.  Hoheit  der  Prinzessin  Wilhelm,  jetzigen  Kaiserin  Augusta. 
In  dieser  Stellung  verblieb  er  bis  1850,  wo  er  wegen  Kjränkliohkeit  seiner 
Gemahlin  seine  Entlassung  nahm  und  nach  Dresden  zog.  1856  kaufte 
er  das  Rittergut  CoUm  bei  Niesky  in  der  Oberlausitz,  wo  er  die  Sommer- 
monate verlebte,  während  er  sich  im  Winter  theils  in  Berlin,  theils  in 
Dresden  aufhielt.  Im  Oct.  1861  wurde  Friedrich  zum  Schlosshauptmann 
von  Rheinsberg  ernannt.  Er  starb  am  18.  Aug.  1873  Nachmittags 
2  Uhr  in  Collm. 

Friedrich,  gewöhnlich  nur  Fritz  genannt,  war  eine  der  beliebtesten 
Persönlichkeiten  der  Berliner  Hofgesellschaft  und  einer  der  elegantesten 
OfBciere  des  Garde-Corps.  Von  kräftiger  Gestalt,  tanzte  er  vorzuglich,  hatte 
ein  grosses  Talent  zum  Portraitiren  und  gleichzeitig  eine  schöne  klangvolle 
Tenorstimme,  so  dass  er  der  Glanzpunkt  der  vornehmen  Gesellschaft  war. 
Rellstab  fiihrte  ihn  in  seinem  Roman  „Die  schöne  Henriette"  (Sontag) 
als  „Lieutenant  Spitzdegen*^  ein. 

Wilhelm  Victor  Heinrich  von  Witzleben  (s.  Tab.  I.  7)  ward  am 
24.  October  1803  zu  Thom  geboren.  Er  trat  zuvörderst  in  das  damals 
in  Mühlhausen  und  Langensalza  garnisonirende  8.  Kürassier-Regiment  ein, 
wurde  im  Jahre  1822  in  das  Regiment  der  Gardes  du  Corps  versetzt  und 
nahm  in  demselben  mehrere  Jahre  die  Stelle  eines  Regiments-Adjutanten 
ein.     Er  verblieb  in  diesem  Re^ment,  bis  er  im  October  1854  als  Oberst- 


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—     206     — 

lientenant  zum  Commandeor  des  4.  Ulanen- Regiments  in  Schneidemühl 
ernannt  wurde.  Im  November  1857  trat  er  in  derselben  Eigenschaft  an 
die  Spitze  des  1.  Garde-Ulanen-Regiments  in  Potsdam,  wm-de  zum  Oberst 
bef5r^ert  und  nahm  2  Jahre  darauf  im  Sommer  1859  den  Abschied. 
Er  starb  am  4.  Juni  1862  zu  Potsdam. 

Heinrich  war  eine  durch  und  durch  vornehme  Natur  und  ein  eleganter 
Reiterofficier.  Er  nahm  Theil  an  dem  am  13.  Juli  1829  im  neuen 
Palais  bei  Potsdam  zu  Ehren  der  Kaiserin  von  Russland  abgehaltenen 
Turnier  und  führte  auf  seinem  Schilde  die  Sonne  mit  dem  Wahlspruch: 
„Bonne  cause  aime  le  jour." 

Er  ist  der  letzte  unseres  Geschlechts,  der  einem  Turnier  bei- 
gewohnt hat. 

Wir  schliessen  diesen  Abschnitt  mit  den  von  einem  der  Vettern 
verfiissten  Nachruf  an 

Heinrich  Günther  von  Witzleben,  Lieutenant  im  1.  Schlesischen 
Jäger-Bataillon  No.  5,  gefallen  am  1.  September  1870  in  der  Schlacht 
bei  Sedan: 

Der  Eltern  Stolz  und  Freude, 

Die  Lust  der  Vettem-Schaar, 
Der  Abgott  Deiner  Jäger, 

Ihr  Leitstern  in  Gefahr, 
So  wardst  Du  schmucke  Eiche, 

Von  frischem  Grün  umlaubt. 
Im  Prangen  voller  Jugend, 

So  wardst  Du  uns  geraubt!  — 

Fahr*  wohl.  Du  kühner  Jäger 

Im  Kampf  und  Kampfesdrohn, 
Fahr'  wohl,  Du  trauter  Vetter, 

Du  heissgeliebter  Sohn! 

Sieh*,  unsre  Thränen  rinnen 

Die  Wange  heiss  hinab, 
Wenn  wir  den  Lorbeer  legen 

Bei  Sedan  auf  Dein  Grab. 


Druck  Ton  Oebrttder  Grnn^rt  in  IterH«. 


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Anlage. 


STATUT 

für  das 

von  ^Witzleben'sehe  Fräuleinstift 


ILMENAU. 


Im  Namen  der  heiligen  Dreieinigkeit! 

JSachdem  die  von  der  verwittweten  Frau  Hauptmann  Auguste  Char- 
lotte Louise  von  Minnigerode,  gebr.  von  Witzleben,  zu  Ilmenau,  unter 
dem  Namen  des  von  Witzleben'schen  Fräuleinstifts  zum  Besten  der  un- 
verehelichten weiblichen  Mitglieder  ihrer  Familie  errichtete  Stiftung,  nach 
ihrem  am  26.  November  1846  erfolgten  Ableben,  die  landesherrliche 
Bestätigung,  unter  Verleihung  der  Rechte  einer  milden  Stiftung  und  der 
Vorzüge  juristischer  Persönlichkeit  durch  höchstes  Rescript  vom  28.  Januar 
1848  erhalten  hat,  so  sind  mit  Rücksicht  auf  die  von  der  Stifterin  ge- 
troflFenen,  in  ihren  letzwilligen  Verfügungen  vom  15.  März  1838,  20.  Juni 
1839,  5.  Sept.  1843  und  1.  April  1846  enthaltenen  Anordnungen  von  dem 
durch  dieselbe  zur  Oberaufsicht  über  diese  milde  Stiftung  bestellten  wirkl. 
Geh.  Rath  Friedrich  von  Witzleben  zu  Angelroda,  im  Einvernehmen  mit 
dem  verfassungsmässig  zur  Beaufsichtigung  jener  Stiftung  berufenen  ersten 
Departement^  des  Grossherzogl.  Staatsministeriums  Abtheil.  B.  nachstehende 
statutarische  Bestimmungen  entworfen  und  Sr.  Königl.  Hoheit  dem  Gross- 
herzoge zu  Gnädigster  Genehmigung  zu  unterbreiten  beschlossen  worden. 

§  1. 
Das  der  Stiflerin  eigenthümUch  gehörig  gewesene  Wohnhaus  in  Ilmenau, 
No.  502  Cat.  nebst  Zubehör  und  Garten,  die  Münze  genannt, 

femer  die  bei  deren  Ableben  darin  befindlich  gewesenen  Meubles,  Betten, 
Wäsche,  Silberzeug  und  sonstigen  Effecten,  lediglich  mit  Ausnahme  der- 
jenigen Stücke,  über  welche  von  ihr  anderweit  disponirt  worden, 

15 

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—     208     — 

namentlich  eine  in  ihrer  Familie  seit  längerer  Zeit  vererbte  goldene 
Taschenuhr,  nicht  weniger  das  in  ihrem  Nachlasse  vorgefundene  haare 
Geld,  so  wie  ihr  Capital  vermögen,  nach  Abzug  der  von  derselben  be- 
stimmten Legate, 

bilden  die  Fonds  dieser  Stiftung. 

Das  angefugte  Inventarium  enthält  hierüber  das  Nähere. 

§  2. 

Berufen  zur  Stiftung  sind  zunächst  die  unverheiratheten  ehelichen 
Töchter  der  männlichen  ehelichen  Nachkommen  der  Brüder  der  Stifterin 

Job.  Wilhelm  von  Witzleben,  gebr.  den  7.  April  1758,  gestorben  am 
16.  Febr.  1824  als  Königl.  Preuss.  OberstUeutenant  a.  D.; 

Karl  Friedrich  Heinrich  Günther  von  Witzleben,  gebr.  den  11.  Juni 
1753,  gestorben  am  17.  April  1824  als  Königl.  Preuss.  General- 
Major  a.  D.; 

Friedrich  Wilhelm  Ludwig  von  Witzleben,  gebr.  den  6.  Juni  1760, 
gestorben  am  2.  Mai  1800  als  Königl.  Preuss.  Hauptmann,  und 

Friedrich  Albrecht  Ernst  Heinrich  von  Witzleben,  gebr.  den  8.  No- 
vember 1761,  gestorben  den  6.  Januar  1818  als  Königl.  Preuss.  Oberster 
und  Ober-Forstmeister  a.  D.; 

und  die  unverheiratheten  ehelichen  Töchter  der  männlichen  ehelichen 
Nachkommen  des  Herzogl.  Sachsen -Ältenburgischen  Lieutenants  Karl 
Ludvrig  von  Witzleben,  des  legitimirten  Sohns  des  Königl.  Preuss.  Forst- 
meisters Karl  von  Witzleben  in  Schleusingen. 

Nach  Erlöschung  des  Mannesstammes  und  nach  Abgang  der  etwa 
vorhandenen  stiftuugsberechtigten  Fräuleins  von  Witzleben  werden  die- 
jenigen adeligen  Familien,  welche  durch  weibliche  eheliche  Nachkommen 
der  obgenannten  Brüder  der  Stifterin  mit  derselben  verwandt  sind,  zur 
Stiftung  berechtigt,  so  dass  vorerst  diejenige  Familie,  welche  zur  Zeit  des 
Erlöschens  des  früheren  Hauses  der  Stifterin  durch  eheliche  Geburten  am 
nächsten  steht,  und  wenn  auch  diese  in  ihrer  männlichen  Nachkommen- 
schaft aussterben  sollte,  das  dann  durch  eheliche  weibliche  Descendenz  der 
Brüder  der  Stifterin  ihr  am  nächsten  verwandte  Haus  und  so  weiter,  in 
gleicher  Weise  wie  vorher  die  von  Witzleben'sche  Familie  berufen  werden. 

Es  geht  also  das  Recht  in  einem  solchen  Falle  auf  die  unverhei- 
ratheten ehelichen  Töchter  der  männlichen  Nachkommen  der  einü'etenden 
Familie  über. 


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—     209     — 

Wenn  wider  Erwarten  aber  die  hiernach  berufenen  Familien  sämmt- 
lich  wegfallen  sollten,  so  steht  dem  letzten  Fräulein,  welches  die  Stiftung 
geniesst,  die  Befugniss  zu,  fiei  über  die  Fonds  zu  verfügen,  oder  dieselben 
nach  den  Regeln  der  gesetzlichen  Erbfolge  zu  vererben. 

§  3. 
Nur   unverehelichte   vaterlose  Töchter  der  berufenen  Familie  haben 
von  erfülltem  25.  Lebensjahre  an  Anspruch  auf  die  Stiftung. 

Unter  mehreren  Berechtigten  geht  die  den  Jahren  nach  ältere  vor. 

§4. 

Wird  ein  älteres  Fräulein  durch  das  Ableben  ihres  Vaters  zum  Bezug 
der  Stiftung  qualificirt,  wälirend  ein  jüngeres  im  Genüsse  derselben  sich 
bereits  befindet,  so  muss  die  Letztere  weichen. 

§  5. 
Durch  Yerheirathung  erlischt  das  Becht  auf  die  Stiftung. 

§  6. 
Haben  diejenigen  Fräuleins,  welche  eine  Anwartschaft  auf  die  Stiftung 
haben,  sammt  und  sonders  das  25.  Lebensjahr  noch  nicht  erfüllt,  oder 
sind  die  Väter  derselben  noch  am  Leben,  so  ruht  das  Recht  derselben 
und  der  Ertrag  der  Stiftung  wird,  soweit  er  nicht  zur  Erhaltung  des 
Stiftungshauses  erforderlich  ist,  gegen  sichere  Hypothek  als  integrirender 
Theil  des  Stiftungsvermögens  nutzbar  angelegt. 

§  7. 
Es  sollen  jedesmal  die  beiden  Aeltesten  nach  den  §§  2,  3  und  4 
berufenen  Fräuleins,  mögen  diese  nun  Schwestern  oder  Glieder  verschiedener 
bezugsberechtigter  Familien  sein,  gemeinschaftlich  die  Nutzung  des  Stif- 
tungsfonds  haben  und  zu  gleichen  Theilen  den  Abwurf  der  Stiftungs- 
Capitalien  beziehen.  Nicht  weniger  gebührt  denselben  die  CoUatur  des 
Stipendiums,  welches  unter  dem  Namen  „Minnigerode'sches  Stipendium" 
f&r  Ilmenauer  Bürgerssöhne  oder  Söhne  ärmerer  Eltern  aus  den  zu  dem 
Justizamte  Hmenau  gehörigen  Ortschaft;en,  welche  der  Universität  folgen 
oder  zu  SchuUehrem  sich  bilden  wollen,  mit  einem  Capital  von  fünft;ausend 
Tbalem  von  der  Stiffcerin  begründet  worden  ist,  wobei  sie  sich  des  Beiraths 
des  Jnstizbeamten  oder  Superintendenten  zu  Ilmenau  bedienen  werden. 

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—     210    — 

§8. 

Die  Regel  bildet  es  wie  bereits  im  §  7  bestimmt  worden,  dass 
Einer  Person  nur  der  Genuss  einer  Stiftsstelle  zu  Theil  wird.  Es  wird 
deshalb  der  Abwurf  der  statutenmässig  etwa  nicht  zu  besitzenden  zweiten 
Stiftsstelle  angesanmielt,  und  nach  §  6  seinen  weiteren  Bestimmungen  zu- 
geführt, wenn  es  an  qualificirten  Personen  zu  dieser  zweiten  Stifts- 
stelle fehlt 

Hiervon  tritt  dann  eine  Ausnahme  ein,  wenn  der  Mannsstanmi  der 
gerade  zur  Stiftung  berufenen  Familie  erloschen  ist  und  nur  noch  weib- 
liche Glieder  derselben,  welche  sich  für  das  Stift  eignen,  vorhanden  sind. 
Existirt  dann  nur  Ein  solches  Glied,  so  hat  dieses  ein  Recht  auf  die 
sänmitlichen  Nutzungen. 

§  9. 

Die  Stiftsfräuleins  haben  aber  auch  die  ihren  Rechten  entsprechenden 
Vei-pflichtungen,  namentlich  die  Obliegenheit,  den  Aufwand  für  Reparaturen 
des  Hauses  zu  bestreiten,  selbst  wenn  derselbe  die  Jahresnutzung  über- 
steigen sollte,  und  die  Abgaben  und  Lasten  ihres  Antheils  zu  tragen. 

Dabei  hat  die  Stifl^rin  die  Hoflnung  ausgesprochen,  dass  in  dem 
Falle,  wenn  das  Stift;shaus  abbrennen  sollte  und  der  Wiederaufbau  aus 
den  Brandkassengeldem  nicht  bestritten  werden  könnte,  die  im  Genüsse 
der  Stiftung  befindlichen  Fräuleins  zu  ungeschmälerter  Erhaltung  des 
Stanmi Vermögens  aus  eigenen  Mitteln  etwas  beitragen  werden,  wenn  die 
Umstände  es  ii'gend  erlauben. 

§  10. 

Diejenigen  Fräuleins,  welche  die  Stiftung  inne  haben,  haben  die 
Vei-pflichtung,  3  Monate  des  Jahres  im  Stiflsgebäude  zuzubringen,  und  nur 
Krankheit  oder  auswärtige  Anstellung  befreit  von  dieser  Obliegenheit 
Kömmt  das  betreffende  Fräulein  diesem  nicht  nach,  so  geht  das  Recht 
des  Niessbrauchs  am  Hause  und  an  den  eigentlichen  Mobilien  auf  die- 
jenige Person  über,  welche  nach  jenem  Fräulein  zum  Stift  qualificirt 
sein  würde. 

§  11. 

Es  ist  zu  erwarten,  dass  die  Fräuleins  des  Stifts  von  selbst  darauf 
denken  werden,  das  Mobiliar  des  Hauses  in  gutem  Stande  zu  erhalten. 
Um  indessen  eine  zeitgemässe  Veränderung  und  Ergänzung  nicht  aus- 
zuschliessen,  auch   die  sonst  nöthigen  Weiterungen  zu  beseitigen,  ist  den 


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—     211     — 

Inhaberinnen  volle  Freiheit  der  Vei-fuguug  darüber  verliehen,  blos  mit 
Ausnahme  der  goldenen  Uhr,  unter  der  Bestimmung,  das  dasjenige  Mo- 
biliar, welches  bei  dem  Ableben  oder  Aufgeben  einer  Stiftsbezieherin  sich 
als  deten  Eigenthum  im  Hause  befindet,  mit  Ausschluss  des  haaren 
Geldes  und  der  Capitalbriefe,  vorbehaltlich  der  Rechte  Dritter,  ohne  Weiteres 
als  integrirender  Theil  der  Stiftung  angesehen  wird. 

§  12. 

üeber  Verwaltung  des  Stiftsvermögens  wird  Folgendes  festgesetzt: 

Um  den  durch  Niederbrennen  des  Stiftshauses  etwa  entstehenden 
Schaden  so  wenig  empfindlich  als  möglich  für  die  Anstalt  zu  machen, 
sollen  die  Gebäulichkeiten  zu  dem  höchsten  Betrag  in  dem  Landes-Brand- 
Versicherungs-Institute,  die  Mobilien  so  lange  eine  inländische  Gelegenheit 
nicht  existirt,  sonst  in  einer  deutschen  Assekuranz  fortwährend  versichert 
sein.  Die  Gapitalien  sollen  gegen  die  im  Grossherzogthum  Sachsen- 
Weimar  für  pupillarische  Aussenstände  jeweilig  geordnete  Sicherheit,  niemals 
aber  in  Staatspapieren  angelegt  werden.  Da  es  ungewiss  ist,  ob  ein  männ- 
liches Glied  der  berechtigten  Familie,  welchem  die  Aufsicht  über  das  Stifts- 
vermögen anvertraut  werden  könnte,  in  der  Nähe  lebt,  während  es  im 
Interesse  der  Stiflsfiräuleins  liegt ,  einen  zuverlässigen  Mann  in  den  Stifts- 
angelegenheiten zur  Seite  zu  haben,  so  soll  von  dem  nächsten  männlichen 
Verwandten  desjenigen  Fräuleins,  welches  nach  der  im  Genüsse  der  Stif- 
tung befindlichen  Dame  oder  Damen  die  Anwartschaft  auf  dieselbe  hat, 
ein  sicherer  Mann  in  Ilmenau,  oder,  jedoch  dann  mit  Zustimmung  des 
Stiftfiräuleins,  in  dessen  Nähe  als  Verwalter  des  Stiftvermögens  er- 
nannt werden..  , 

Derselbe  soll  in  Hinsicht  auf  dieses  Vermögen  die  Rechte  und 
Pflichten  eines  Vormunds  und  deshalb  insbesondere  die  Obliegenheit  haben, 
die  Capitalien  sicher  anzulegen,  zu  beaufsichtigen,  nach  Befinden  ein- 
zuziehen und  Rechnung  zu  legen,  wenn  und  soweit  die  Stiftung  nicht  be- 
zogen wird.  Dagegen  haben  die  betrefTenden  Stiftsfräuleins  das  Recht  der 
eigenen,  selbstständigen  Zinsenerhebung. 

Dieser  Vei-walter  steht  unter  der  Controle  des  jedesmaligen  Justiz- 
beamten zu  Ilmenau,  welcher  das  Stiftsvermögen  als  pupilarisches  Eigen- 
thum behandeln,  namentlich  also  die  Sicherheit  der  Capitalbriefe  prüfen 
und  sich  überhaupt  um  die  Conservation  des  Vermögens  mit  den  Rechten 
eines  Obervormundes  kümmern  mag. 


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—     212     — 

Die  Capitalbriefe  und  die  Stiftungsui-kunde  werden  in  einem  beson- 
deren, in  amtlicher  Verwahrung  befindlichen  Depositenkasten  unter  drei- 
fachem Verschluss  aufbewahrt  und  die  drei  Schlüssel  von  dem  Justiz- 
beamten, dem  Stiftsverwalter  und  dem  ältesten  der  im  Genüsse  der 
Stiftung  befindlichen  Fräuleins,  oder  einem  Bevollmächtigten  derselben 
gefuhrt.  Auch  sollen  die  deponirten  Documente  in  die  üblichen  Depositen- 
tabellen aufgenommen  werden. 

So  lange  oder  sofern  von  der  Familie  ein  Stiftsverwalter  nicht  ernannt 
ist,  steht  dem  Justizbeamten  zu  Ilmenau  das  Recht  zu,  einen  solchen  zu 
bestellen. 

Als  ersten  Verwalter  des  Stiftsvermögens  hat  die  Stifterin  den  Gerichts- 
actuarius  Herrn  Kaspar  Gulden  zu  Ilmenau  bestimmt. 

Zur  Bestreitung  der  durch  die  Verwaltung  entstehenden  Unkosten  ist 
ein  Capital  von 

Fünfhundert  Thalern  sonstigen  Konventionsgeld 
ausgesetzt,  von  welchem  dieselben  Bestimmungen  gelten,  die  wegen  des 
eigentlichen  Stiftsvermögens  getroffen  sind.  Da  jedoch  der  Abwurf  dieses 
Capitals  hin  und  wieder  den  Aufwand  übersteigen,  oder  nicht  decken  mag, 
so  soll  der  Ueberschuss  des  fraglichen  Abwurfs  den  Stiftsfräuleins  gebühren, 
der  Ausfall  aber  von  ihnen  auch  getr^en  werden. 

Es  ist  indessen  nicht  sowohl  die  Absicht,  durch  die  vorstehend  ge- 
troffenen Anordnungen  die  Einwirkung  der  männlichen  Glieder  der  Familie 
völlig  auszuschliessen,  als  dieselben  vielmehr  einer  Mühe  zu  entheben,  die 
ihrer  Stellung  und  ihrem  Wohnorte  nach  lästig  far  sie  sein  könnte. 
Deshalb  wird  erwartet,  dass  dieselben  im  Interesse  dieser  Familienstiftung 
sich  um  deren  Gedeihen  kümmern  werden,  und  wird  ihnen  das  Recht 
verliehen,  den  Verwalter  des  Stiftsvermögens  zu  controliren,  sich  von  dem 
Bestände  des  Letzteren  durch  Einsichtnahme  der  Capitalbriefe  und  sonst 
zu  überzeugen  und  nöthigen  Falls  Unregelmässigkeiten  durch  Anträge  bei 
den  betreffenden  Behörden  abzustellen. 

Sollte  übrigens  der  Sitz  der  Justizbehörde  von  Ilmenau  verlegt  und 
deshalb  die  Ausfahrung  mancher  getroffenen  Massregeln  erschwert,  oder 
soUte  überhaupt  die  Uebemahme  der  Geschäfte  von  Seiten  des  dasigen 
Justizamts  zurückgewiesen  werden,  so  sollen  die  Stiftsfräuleins  befugt 
sein,  irgend  einer  anderen  Justizbehörde  des  In-  oder  Auslandes  die  dem 
Justizbeamten  zu  Ilmenau  vorstehend  zugedachten  Functionen  zu  über- 
tragen, wenn  mindestens  der  Senior  der  Familie  seine  Zustimmung  dazu 


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—     213    — 

ertheilt.     In  einem  solchen  Falle   ist  auch  die  Wahl  des  Verwalters  des 
Stiftsvennögens  nicht  an  den  Ort  Ilmenau  oder  dessen  Umgegend  gebunden. 

§  13. 

Wegen  der  Concurrenz  zu  der  Stiftung  wird  Folgendes  festgesetzt: 

Sobald  ein  Fräulein,  welches  im  Bezüge  einer  Stiftsstelle  war,  ver- 
storben ist,  wird  solches  in  einigen  vielgelesenen  öffentlichen  Blättern,  zu 
denen  die  preuss.  Staatszeitung,  oder  das  an  deren  Stelle  tretende  Blatt 
wegen  der  grossen  Ausbreitung  der  von  Witzleben'schen  Familie  im 
Preussischen  Staate  mit  gehören  soll,  von  dem  Verwalter  des  Stifts- 
Ycrmögens  mit  der  Aufforderung  bekannt  gemacht,  dass  diejenigen,  welche 
Ansprüche  auf  die  Stiftung  zu  haben  glaubten,  sich  deshalb  binnen  drei 
Monaten  von  der  Bekanntmachung  an  an  den  Senior  der  Familie,  oder  — 
da  dieser  Einzelne  unbekannt  sein  könnte,  —  an  die  bei  dieser  Stiftung 
concurrirende  Justizbehörde  zu  wenden  und  ihre  Ansprüche  zu  be- 
gründen hätten. 

Der  Senior  fordert  von  dieser  Behörde  die  etwa  bei  ihr  geschehenen 
Anmeldungen  ein,  entscheidet  nach  Ablauf  seiner  Frist  über  dieselben 
und  setzt  davon  nicht  nur  die  Betheiligten,  sondern  auch  die  betreffende 
Justizstelle  und  den  Verwalter  des  Stiftsvermögens  in  Kenntniss. 

Erfolgt  die  Entscheidung  des  Seniors  nicht  binnen  zwei  Monaten, 
nach  Ablauf  der  Anmeldungsfrist,  so  geht  auf  Anrufen  der  Betheiligten 
das  Recht  der  Entscheidung  auf  die  bei  der  Stiftung  concurrirende  Justiz- 
behörde über.  Gegen  die  Entscheidung  des  Seniors  findet  Rekurs  an  die 
Justizstellen  statt.  Hierzu  ist  in  erster  Instanz  lediglich  die  Behörde 
zuständig,  welche  nach  vorstehenden  Anordnungen  bei  der  Stiftung  con- 
curriren  wird,  in  zweiter  und  letzter  Instanz  aber  das  derselben  vorgesetzte 
Kreisgericht.  Ebejiso  finden  auch  wider  die  von  der  gedachten  Justiz- 
stelle mit  Beiseitsetzung  des  Seniors  ausgegangenen  Entscheidungen  die 
gewöhnlichen  bei  Akten  der  freiwilligen  Gerichtsbarkeit  geordneten  Rechts- 
mittel statt 

Die  entstandenen  Kosten  und  Verläge  —  mit  Ausnahme  derer,  welche 
in  Folge  eines  förmlichen  Prozesses  entstehen  —  werden  von  dem  Fräulein, 
welchem  die  Stiftung  mit  den  vom  Todestage  ihrer  Vorgängerin  rück- 
ständigen Erträgnisse  zu  Theil  wird,  getragen. 

Die  obige  Anmeldungsfrist  ist  nicht  präclusiv.  Es  können  deshalb 
zwar  später  noch  die  auch  schon  im  Genüsse  der  Stiftung  befindlichen 


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—     214     — 

Fräuleins  durch  solche,  die  ein  stärkeres  Recht  haben,  verdrängt,  es  müssen 
ihnen  dann  aber  von  den  letzteren  die  aufgewendeten  Unkosten  ersetzt, 
und  die  Erträgnisse  der  Stiftung  auf  mindestens  Ein  Jahr  —  vom  Tage 
ihres  —  der  Ausscheidenden  —  Eintritts  an  gerechnet,  belassen  werden. 

§  14. 

Wiewohl  zu  erwai-ten  ist,  dass  die  Stiftsfräuleins  sich  jederzeit  der 
Fürsorge  würdig  erweisen  werden,  welche  die  gottesfurchtige  Stifterin  fiir 
sie  im  Herzen  getragen,  so  wird  doch  für  den,  wenn  auch  nicht  zu 
besorgenden,  jedoch  möglichen  Fall,  dass  ein  Stiftsfräulein  dermaleinst 
Christliche  Sitte  und  Zucht  aus  den  Augen  setzen  sollte,  hiermit  Fol- 
gendes bestimmt: 

Das  Fräulein,  welches  Sitte  und  äussern  Anstand  verletzt,  ist  von 
dem  Senior  der  Familie  vorerst  ernstlich  zu  verwarnen.  Würde  eine 
solche  zu  drei  verschiedenen  Malen  wiederholte  Warnung  nichts  fruchten, 
oder  ein  Stiftsfräulein  eines  wirklichen  Fehltritts  sich  schuldig  machen, 
oder  wohl  gar  eines  Verbrechens  überfuhrt  werden,  so  hat  der  Senior  mit 
den  beiden  an  Jahren  unmittelbar  nach  ihm  folgenden  männlichen  Mit- 
gliedern der  zur  Stiftung  berufenen  Familie  persönlich  oder  durch  Schrif- 
tenwechsel in  einen  Familienrath  zusammen  zu  treten,  von  welchem  der 
vorliegende  Fall  in  Erwägung  zu  ziehen  und  darüber  zu  entscheiden  ist, 
ob  ein  solches  Fräulein  femer  würdig  sei,  die  Wohlthat  der  Stiftung  zu 
gemessen. 

Etwa  vorhandene  Brüder  des  betreffenden  Stiftsfräuleins  sind  von  der 
Theilnahme  an  diesem  Familienrathe  ausgeschlossen. 

Dieser  Entscheidung  hat  sich  das  Fräulein  unter  Entsagung  aller 
Rechtsmittel  zu  unterwerfen. 

Sollte  ein  Fräulein,  dessen  Ruf  schon  gelitten  hat,  Ansprüche  auf 
eine  erledigte  Stiftsstelle  machen,  so  hat  der  Senior  den  Fall  einem  in 
obiger  Weise  zu  bildenden  Familienrathe  zur  Entscheidung  voraulegen, 
gegen  welche  indessen  dem  betreffenden  Fräulein  der  im  §  13  der  Sta- 
tuten geordnete  Recurs  unverwehrt  bleibt. 

§  15. 
Obschon  in  der  Natur  dieser  Stiftung  die  ünveräusserlichkeit  der  zu 
derselben  gehörigen  Inmiobilien,  der  Hypothekarischen  Aussenstände,  sowie 
der  goldenen  Taschenuhr  bereits  begründet  ist,   so  wird  doch  jene  ün- 


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—     215     — 

veräusserlichkeit  noch  besonders  hierdurch  ausgesprochen,  wie  denn  hin- 
sichtlich der  in  dem  Stifbshause  befindlichen  Mobilien  nach  §  11  eine 
Verfügung  der  Inhaberinnen  auf  den  Todesfall  gleichfalls  ausgeschlossen  ist. 

§  16. 

Jedes  Fräulein,  das  Ansprüche  auf  diese  Stiftung  macht,  hat  durch 
Namensunterschrift  zu  erklären,  dass  sie  mit  den  gegenwärtigen  Statuten 
einverstanden  sei  und  dem  Inhalte  derselben  überall  nachkommen  wolle, 
worauf  erst  die  Entscheidung  des  Seniors  beziehungsweise  der  bei  der 
Stiftung  concurrirenden  Justizbehörde  (§  13)  wegen  der  Uebertragung 
einer  Stiftsstelle  in  Kraft  tritt. 


Ev.  Job.   14,  27. 

Den  Frieden  lasse  ich  euch,  meinen  Frieden  gebe  ich  euch.  Nicht 
gebe  ich  euch,  wie  die  Welt  giebt. 

Angelroda,  den  28.  Febniar  1854. 

Friedrieh  Wilhelm  Heinrieh  Carl  August  von  Witzleben. 

Dass  obenstehende  Unterschrift  von  der  uns  wohlbekannten  Hand  des 
Herrn  Geheimen-Kath  und  Oberstallmeister  a.  D.  von  Witzleben,  Excellenz, 
zu  Angelroda  henührt,  bescheinigen  wir  auf  Verlangen  hierdurch. 

Arnstadt,  am  1.  März  1854. 

OrossherzogL  Säehs.  Kreisgerieht 

(L.  S.)  gez.:  Herrmann  Pranke. 

Nachdem  Se.  Königliche  Hoheit  der  Grossherzog  dem  vorstehenden 

Statut  fUr  das  von  Witzleben'sche  Fräulein-Stift  zu  ümeiiaa 

die  landeshen'liche  Bestätigung  gnädigst  ertheilt  haben,  ist  dasselbe  von 
dem  unterzeichneten  Grossherzoglichen  Staats-Ministerium  vollzogen  worden. 

Weimar,  den  8.  März  1854. 

Erstes  Departement  des  CIrossheraogL  Staats-Ninisterinms»  Abthlg.  ß. 

(L.  S.)  gez.:  von  Watzdorf. 


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—     216     — 

Die  Uebereinstimmung  der  vorstehenden  Abschriften  mit  den  be- 
treffenden Originalen  bezeugt 

Weimar,  den  29.  März  1854. 

Dr.  Ouseland, 

(L.  S.)  Regierungs- Assessor. 

Die  Uebereinstimmung  dieser  Abschrift  mit  der  beglaubigten  Ab- 
schrift;, die  mir  unter  dem  l^ten  März  d.  J.  von  dem  Grossherzogl.  Sachs. 
Staats-Ministerium,  I.  Depart.  Abthlg.  B.  nütgetheilt  worden  ist,  bezeuge 
ich  hiermit. 

Angelroda,  den  3.  April  1854. 

(L.  s.)  Friedrich  von  Witzleben, 

wirkl.  Geh.  Rath  u.  Oberstallmeister  a.  D. 


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Inyentarium 

über  das 

Im-  und  Mobiliar-Vermögen  des  von  Witzleben'schen 
Fränleinstifts  zu  Ilmenau. 

I.    An  Immobilien.  Taxe. 

Thlr.       Sgr.    Pf. 

L.  ein  Wohnhaus  No.  502,  zwei  Stockwerk,  Fachwerk  mit 
Ziegeln  gedeckt,  nebst  daran  erbantem  kleinen  Stall, 

l.  ein  Seitengebäude,  bestehend  in  Holz-  und  Kutschen- 
Kemise,  nebst  darunter  befindlichem  Keller, 

J.  ein  daran  befindlicher  Gras-  und  Gemüsegarten,  laut  der 
Ilmenauer  Amtsacten  unterm  19.  August  1847  von  den 
verpflichteten  Werthschätzem  geändert  auf Uli. 

n.    An  Mobilien. 

a.  an  aussenstehenden  Capitalien: 

Thlr.        Sgr.    Pf. 

7,100. bei  Fürstl.  Schwarzburg-Sondershausen'scher 

Kammer  in  Sondershausen,  Schulddocument 
vom  15.  September  1842. 

600. bei  dem  Kaufmann  Herrn  Christoph  Gottlieb 

Förster  zu  Ilmenau,   laut  Pfandschein  des 
Justizamts  zu  Ilmenau  vom  27.  Oct.  1847. 

1,500. bei  Grossherzgl.  Haupt-Landschaftskasse  zu 

Weimar,  laut  Schuldurkunde  vom  6.  Juni 
1850  E.  A.  No.  32. 
9.  20    2   oder  10  Thlr.  a.  b-.  eine  Actio  bei  der  Kalt- 
wasser-Heilanstalt zu  Ilmenau,  Actienschein 
vom  1.  Juli  1838. 

2,000. an  einer  Staatsobligation  von  Weimar  vom 

4.  November  1853. 


11,209.  20.    2. 

372  7^  E.  A.  II.  No.  78  bei  der  Staatsschulden-Tilgungskasse. 


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—     218     — 

Aninerkungen:  ].  Die  Urkunden  über  vorbemerkte  Capitalien  sind  bei  dem 
Grossherzogl.  Jnstizamte  Bmenaa  deponirt. 

2.  Unter  obigen  Capitalien  ist  auch  das  Capital  yon  500  Thlr.  in  Conyentions- 
geld  begriffen,  dessen  Abwurf  nach  §  12  des  Testaments  vom  15.  März  1838  und  nach 
II.  des  Nachtrags  dazu  von  demselben  Datum  zur  Bestreitung  des  Verwaltungs-Auf- 
wandes mit  der  Maassgabe  bestimmt  worden,  dass  den  Stiftsdamen  der  Ueberfluss  des 
fraglichen  Abwurfs  gebührt,  der  Ansfall  aber  von  ihnen  auch  zu  tragen  ist. 

b.  an  Silber  und  Pretiosen:  twt.  sgr.  pf. 

1.  24  Stück  silberne  Esslöfifel 49.  7.     6. 

2.  14  Stück  silberne  TheelöflFel 8.  25.  — . 

3.  1  silberner  Vorlegelöflfel 8.  27.     6. 

4.  16  Messer  mit  silbernen  Stielen 14.  — .  — . 

5.  16  dazu  gehörige  silberne  Gabeln 39.  — .  — . 

6.  1  silbernes  Buttermesser 2.  25.  — . 

7.  2  silberne  Zuckerzangen 4.  15.  — . 

8.  2  Salzmesten  von  blauem  Glas  mit  silbernem  Gehäuse  4.  7.,  6. 

9.  1  goldene  ühr  mit  Haaken  1   ^  ,,       ,  16.  — .  — . 
,^    ,                  ,     ,                   >  Goldwerth 

10.  1  desgl.  j  5.  — .  — . 


9.  25.  — . 


11.  2  grosse  silberne  Schaumünzen 

12.  1  desgl.,  ein  altes  Species 

13.  1  desgl.  kleines  von  der  Grösse  eines  8Gi*oscbenstucks^ 

14.  1  Theesiebchen  von  Silber — .18.  — . 

15.  2  silberne  Leuchter 25.  20.  — . 

16.  1  Eahmlöfifel  von  Silber !._._. 

17.  1  silberne  Fischkelle,  und  1  dergl  Kuchenkelle      .     .  6.  — .  — . 

18.  1  Gemüselöifel  dergl 4.  _.  _. 

19.  12  vergoldete  Theelöfifel 8.  15.  — . 

20.  l  Streulöifel •  2.  18.  — . 

21.  1  vergoldete  Zuckerzange 2.  25.  — . 

22.  1  goldener  Haarring 1.  15.  — . 

Sunmia  215.     3.     6. 

Nach  einer  aus  den  Umenauer  Amtsacten  erhaltenen  Abschrift,  wie 
vorstehend  hierher  genommene  nebst  Taxe. 


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—     219     — 

Dnrchlanchtigster  Orossherzog, 
Gnädigst  regierender  Landesfärst  und  Herr. 

Die  Stiftsdame  Fräulein  Blanka  von  Witzleben  sprach  im 
Herbste  1855  den  Wunsch  aus,  Ew.  Königl.  Hoheit  möchten  unter- 
thänigst  gebeten  werden,  ihr,  sowie  überhaupt  den  künftigen  Damen 
des  von  Witzleben'schen  Fräuleinstifts  in  Ilmenau,  die  Anlegung 
eines  äussern  .Zeichens  ihrer  Eigenschaft  als  Stiftsdame  gnädigst  zu 
gestatten.  Seit  dem  bald  darauf,  am  21.  December  1855,  erfolgten 
Ableben  der  genannten  Stiftsdame  war  indessen  kein  Fräulein  vor- 
handen, welches  zur  Zeit  Ansprüche  auf  eine  Stelle  in  jenem  Stifte 
machen  konnte,  weshalb  ich  Anstand  nahm,  obigen  Wunsch  wegen 
der  damit  verbundenen  Kosten  für's  erste  weiter  zu  verfolgen,  be- 
sonders auch  weil  das  Stiftshaus  mit  einem  nicht  unbeträchtlichen 
Aufwände  baulich  hergestellt  werden  musste. 

Diese  Baukosten  sind  nun  bestritten  und  der  nach  Abzug  der 
Steuern  u»  s.  w.  sich  ergebende  Reinertrag  des  Stiftsvermögens  kann 
gegenwärtig  unverkürzt  dem  Capitalstocke  einverleibt  werden,  so  dass 
man  wohl  an  eine  Ausgabe  denken  kann,  wenn  solche  auch  nicht 
unumgänglich  nöthig  erscheinen  sollte. 

Da  nun,  soviel  mir  bekannt  ist,  die  Stiftungen,  welche  einzel- 
stehenden Damen  ein  Asyl  gewähren,  letzteren  auch  die  Berechtigung 
ertheüen,  beziehungsweise  selbst  die  Verpflichtung  auflegen,  ein  Stifl;s- 
kreuz  zu  tragen;  da  es  femer  solchen  einzelstehenden  Damen  aller- 
dings eine  gewisse  Annehmlichkeit  gewährt,  wenn  sie  dmch  ein 
äusseres  Zeichen  beurkunden  können,  dass  sie  beftigt  sind,  selbständig 
und  mit  dem  Range  einer  verheiratheten  Frau  aufisutreten,  so  er- 
scheint diese  Berechtigung  für  die  künftigen  Damen  des  von  Witz- 
leben'schen  Fräuleinstifts  um  so  Wünschenswerther,  eben  weil  nur 
Fräuleins,  und  zwar  schon  nach  vollendetem  25.  Lebensjahre  in 
dasselbe  eintreten  können,  welche  demnach,  wenn  auch  nicht  mehr 
in  der  ersten  Blüthe,  inuner  doch  noch  in  einem  jugendlichen  Alter 
stehen. 

Aus  diesen  Gründen  erlaube  ich  sowohl  fOr  mich,  als  auch  im 
Auftrage  aller  Zweige  unserer  Familie,  deren  weibliche  Mitglieder 
zu  dem  genannten  Stifte  berechtigt  sind,  die  unterthänigste  Bitte: 


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~     220     — 

Ew.  Königliche  Hoheit  wollen  die  Gnade  haben,  den.  künf- 
tigen Damen  des  von  Witzleben'schen  Fräuleinstifts  in  Ilmenau 
die  Anlegung  eines  Stiftski*euzes  huldreichst  zu  gestatten.  Sollte 
diese  ehrfurchtsvolle  Bitte  gnädigste  Erhörung  finden,  so  können 
wir  zwar  *  die  Bestimmung  über  das  Aeussere  eines  solchen 
Stiftskreuzes  nur  lediglich  dem  höchsten  landesherrlichen  Ermessen 
in  Ehrfurcht  anheim  geben.  Werden  wir  indessen  zur  Aeusserung 
unserer  diesfallsigen  Ansicht  befehligt,  so  verbinden  wir  damit 
die  fernere  unterthänigste  Bitte,  dass  mit  Höchstdero  Geneh- 
migung die  Frau  Grossherzogin  Königl.  Hoheit  gnädigst  ge- 
statten möchten,  die  vordere  Seite  des  Kreuzes  mit  Höchstihrem 
Namenszuge,  darüber  die  Königl.  Krone,  zu  schmücken,  während 
die  Eeversseite  „Glaube,  Liebe,  Hoffnung"  sinnbildlich  dai-zustellen 
hätte  und  das  Kreuz,  an  einem  Bande,  von  silbernem  Grunde, 
und  schmaler  rother  Einfessung,  an  der  linken  Schulter  ge- 
tragen würde. 

Wollte  indessen  Ihre  Königliche  Hoheit  die  Frau  Gross- 
herzogin, mit  Höchstdero  Genehmigung,  dieserhalb  irgend  etwas 
Anderes  gnädigst  bestimmen,  so  würden  wir  diese  Huld  mit  dem 
unterthänigsten  Danke  verehren,  und  nach  Vorschrift  2  Stifts- 
kreuze anfertigen  lassen,  welche,  als  Bestaadtheile  des  Fidei- 
commissvermögens  des  Stiftes,  nach  dem  Ableben  oder  dem 
Austreten  einer  Stiftsdame  jedesmal  an  dasselbe  wieder  ab- 
gegeben werden  müssten. 

Ich  ersterbe  in  tiefster  Ehrftircht. 

Ew.  Königl.  Hoheit 

Ganz  unterthänigster 

V.  Witzlekn, 

wirücher  Geheimer  Rath  und 
Jena,  Oberstallmeister  a.  D. 

den  24.  September  1857. 

An 
des  Grossherzogs 
zu  Sachsen- Weimar-Eisenach 

Königl.  Hoheit; 

Weimar. 


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—     221     — 

Se.  Königliche  Hoheit  der  Grossherzog  haben  auf  erhaltenen  Vortrag 
dem  Ansuchen  des  Herrn  wirklichen  Geheimenraths  von  Witzleben, 
Excellenz,  der  Eingabe  vom  24.  d.  Mts.  entsprechend,  gnädigst  zu  ge- 
nehmigen geruht,  dass  die  künftigen  Damen  des  von  Witzleben'schen 
Präuleinstifts  in  Ilmenau  ein  Stiftskreuz  und  zwar  nach  den  Vorschlägen 
desselben,  welche  auch  die  Genehmigung  Ihrer  Königlichen  Hoheit  der 
Frau  Qrossherzogin  erhalten  haben,  anlegen  und  tragen. 

Von  dieser  höchsten  Entschliessung  wird  Sr.  Exellenz  hiermit  Kennt- 
niss  gegeben  und  ihm  das  Weitere  in  der  Sache  überlassen. 

Weimar,  den  30.  September  1857. 

firossherzogl.  Säehs,  Staats-Ministerinm,  Depart.  des  Innern. 

gez.:  V.  Watzdorf. 
Sr.  Excellenz  Reich ard, 

dem  wirkl.  Geheimenrath 
Herrn  von  Witzleben 
zu 

Jena. 


Ilmenau,  am  5.  September  1843. 
An  Gerichtsstelle  erscheint  von  selbst 

Herr  Gulden  hier  in  angeblichem  Auftrage  der  Frau  von  Minnige- 
rode hier 
mit  dem  Anbringen: 

Frau  Hauptmann  von  Minnigeroda  beabsichtigt  noch  einen  Nach- 
trag zu  ihrem  früheren  Testamente  zu  machen.  Da  sie  aber 
wegen  Krankheit  nicht  ausgehen  kann,  so  lässt  sie  das  Gericht 
um  eine  schleunige  amtliche  Deputation  Behufs  der  Aufnahme 
des  fraglichen  Nachtrags  bitten. 

Vorgel.  u.  gen. 
Gulden.  L.  Weissleder,  Actuar. 

Eodem 
verfugte  sich  in  Gemässheit  des  obigen  Gesuchs  das  Gericht 

in  der  Person  des  Herrn  Amtscommissairs  Schmidt  und 
des  unterzeichneten  Actuar 
unter  Zuziehung  des  Dieners  in  die  Behausung  der  Frau  Stadthauptmännin 
Charlotte  Louise  Auguste  verwittwete  von  Minnigeroda,  geb.  von  Witz- 
leben, hier. 


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—     222     — 

Dieselbe 
wurde  in  der  obern  Wohnstube  ausser  Bette  körperlich  etwas  angegriffen, 
jedoch  noch  im  vollen  Besitze  ihres  Verstandes  angetroffen,  mit  vorstehend 
von  dem  Herrn  Actuar  Gulden  in  ihrem  Auftrage  gestellten  Gesuche 
bekannt  gemacht,  und  genehmigte  den  von  Letzterem  gestellten  Antrag 
nicht  nur,  sondern  dankte  auch  für  dessen  alsbaldige  Willfahrung  und 
sprach  demnächst  sich  dahin  aus: 

Ich  habe  bereits  früher  bei  dem  hiesigen  Gericht  eine  letztwillige 
Verfugung,  sowie  einen  späteren  Nachtrag  hierzu  niedergelegt. 

Dieselben  sollen  hinsichtlich  ihrer  Bestimmungen  im  Allgemeinen  bei 
Kräften  bleiben,  jedoch  befinde  ich  mich  bewogen,  zu  jenen  letztwilligen 
Dispositionen  jetzt  noch  einige  nachträgliche  Bestimmungen,  welche  als 
integrirender  Theil  des  Testaments  jederzeit  betrachtet  werden  sollen,  zu 
treffen  und  verordne  daher  weiter  wie  folgt: 

1.  Die  als  Universalerbin  eingesetzte  Nichte,  Fräulein  Hermine  von 
Witzleben,  Hofdame  bei  Ihrer  Fürstl.  Durchlaucht,  der  verwitt- 
weten  Frau  Fürstin  von  Schwarzburg-Sondershausen,  deimalen  in 
Arnstadt,  soll  als  Universalerbin  aus  meinem  Nachlasse  überhaupt 
nm*  die  runde  Summe  von 

„Eintausend  Thalem" 
sowie  meine  sämmÜiche  Garderobe  an  Kleidungsstücken  und 
Leibwäsche  erhalten,  den  übrigen  Verlassenschaftsbetrag  aber  den 
von  mii-  getroffenen  Bestimmungen  und  gemachten  Stiftungen 
gemäss  verwenden,  ohne  berechtigt  zu  sein,  die  Quarta  Pal- 
cidia  oder  Trebellianica  auszusprechen,  indem  sie  ohnehin  nach 
Massgabe  der  von  mir  getroffenen  Verfügungen  auf  ihre  Lebens- 
zeit die  Bezüge  des  ganzen  Stiftungsfonds  von  dem  Witzleben*schen 
Fräuleinstift  zu  gemessen  hat.  Sollte  dieselbe  diese  jetzt  von 
mir  getroffene  Verfögung  nicht  anerkennen,  oder  gar  die  Gültig- 
keit derselben  anfechten,  so  enterbe  ich  genannte,  meine  üniversal- 
erbin,  Fräulein  Hermine  von  Witzleben  ausdrücklich,  und  die 
jetzt  verfugte  Summe,  sowie  die  weiteren  Bestinunungen  wegen 
Nachfolge  in  meine  Mobilien,  an  Kleidungsstücken  und  Wäsche, 
sollen  der  Stiftung  des  von  mir  errichteten  Fräuleinstift»  zufallen. 

2.  Zu  Errichtung  eines  Stipendiums  für  arme  Studirende  aus  dem 
Fürstenthum  Schwai-zburg-Budolstadt  vermache  ich  die  Summe  von 

„Eintausend  Thalem" 


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—     223     — 

mit  der  Bestimmung,  dass  die  Zinsen  von  diesem  sicher  an- 
zulegenden Capitale  den  Percipienten  bei  ihrem  Abgange  auf  die 
Universität  jährlich  ausgezahlt  werden.  Sollte  ein  befähigtes 
Subject  aus  dem  Orte  Angelroda  vorhanden  sein,  so  soll  dieses 
vorzugsweise  bei  Gewährung  des  Stipendiums  berücksichtigt 
werden. 

Ausserdem  überlasse  ich  die  näheren  Bestimmungen,  welche 
hinsichtlich  dieser  Stiftung  noch  zu  treffen  sein  möchten,  lediglich 
meinem  Neffen,  dem  Herrn  Geheimen  Eath  von  Witzleben  in 
Budolstadt. 

3.  Hinsichtlich  meines  jetzigen  Dienstmädchens  habe  ich  durch  eine 
besondere  Bestimmung,  welche  verschlossen  in  meinem  Schreib- 
pulte sich  vorfinden  wird,  verfugt. 

Diese  Verfügung  soll  ebenso,  wie  etwa  weitere  sich  vor- 
findende und  von  mir  eigenhändig  unterschriebene  Verordnungen 
volle  Gültigkeit  haben  und  pünktlich  befolgt  werden. 

4.  Alles  übrige  Vermögen,  welches  nach  Abzahlung  und  Berichtigung 
der  von  mir  firüher  und  jetzt  bestimmten  Vermächtnisse,  etwaiger 
CoUateralgelder  und  sonstiger  Kosten  verbleiben  wird,  soll  zu  dem 
Fond  des  von  mir  gestifteten  von  Witzleben'schen  Fräuleinstiftes 
geschlagen  werden. 

Es  ist  dieser  testamentarische  Nachtrag,  welcher  als  integrirender 
Theil  meines  Nachtrags-Testaments  gelten  soll,  mit  solchen  bei  Kräften 
zu  erhalten  und  ich.  bitte,  denselben  vorläufig  gerichtlich  niederzulegen 
tind  dereinst  meiner  Testamentserbin  zugleich  mit  den  übrigen  letztwilligen 
Verffigungen  zu  cröflBien  und  darauf  zu  sehen,  dass  solchem  überall  nach- 
gekommen und  bei  Kräften  erhalten  werde. 

Frau  von  Minnigeroda 

genehmigte  nach  erfolgtem  wirklichen  Vorlesen  das  aufgenommene  Protokoll, 
erklärt  nochmals  dass  dieses  ihr  fester  Wille  sei  und  es  ist  solches  eigen- 
händig unterschrieben  und  hiermit  die  Expedition,  nachdem  sie  von  11 7»  Uhr 
bis  1  Uhr  gedauert  hatte,  beschlossen  worden. 

Nachrichtlich 
Schmidt.  L.  Weissleder,  Actuar. 

Auguste  von  Minnigeroda, 
geb.  von  Witzleben. 


16 

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—     224     — 

Die  völlige  üebereinstimmung  der  vorstehenden  Abschriften,  Seite  207 
221,  nach  vorangegangener  CoUation,  mit  der  im  Besitze  des  unterzeich- 
neten Seniors  der  Familie  bei  den  Seniorats- Acten  befindlichen  eigen- 
händigen Abschrift  des  Herrn  Statuts- Verfassers,  wirklichen  Geheimöraths 
und  Oberstallmeist^rs  Friedrich  von  Witzleben  auf  Schloss  Angelroda,  vom 
3.  April  1854,  von  der  amtlich  beglaubigten  Abschrift,  welche  dem- 
selben unter  dem^^  März  1854  von  Seiten  des  Grossherzogl.  Sächsischen 
Staats-Ministeriums  zu  seinem  Gebrauche  mitgetheilt  worden  ist:  wird 
seitens  des  jetzigen  Familien-Seniors   an  Eides  statt  hierdurch  bezeugt. 

Wiesbaden,  den  29.  August  1875. 

Herrmann  von  Witzleben, 

Königlich  Preussischer  Oberst  a.  D., 
als  zeitiger  Senior  der  Familie. 


Specielle  Nachweisungen. 

1.  Betrag  des  Stiftnngs-YemiSgens  bei  Gründung  dieser  milden 

Stiflmig  1854. 

Thlr.        Sgr.      Pf. 

I.  An  Immobilien 1,111.  — .  — . 

n.  An  Mobilien: 

a)  an  ausstehenden  Capitalien 11,209.  20.    2. 

b)  an  Silber  und  Pretiosen 215.     3.     6. 


In  Summa     12,535.  23.     8. 

2.  Betrag  dieses  Vermögens  nach  der  Stiftsrechnung  pro  1874. 

I.  An  Immobilien  in  Folge  baulicher  Verbesserungen 

und  Neubeschaflfungen,  nach  dem  jetzigen  Taxwerth 

und  Versicherungsschein  vom  1.  Febr.  1872      .    .      2,895.  — .  — . 
n.  An  Mobilien: 

a)  ausstehende  Capitalien 16,485.  29.     2. 

b)  Silber     und    Pretiosen,    eingerechnet    des 
Werthes   der    1870   för  die  beiden  Stifts- 
damen beschafften  Ordenskreuze 273.    8^  ■  3. 

Latus  .     .     19,654.     7.     5. 

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—     225     — 

Thlr.        Sgr.      Pf. 

Transport  .     .     19,654.     7.     5. 
c)  die   im  Stiftsgebäude   vorhandenen   Möbeln 
und  Effecten,  theils  aus  Hinterlassenschaften 
heiTührend,  theils  neu  erworben  und  in  der 
Gothaer  Feuer-Societät  versichert  mit    .     .         731.  —.  — . 

In  Summa    20,385.     7.     5. 

3.  Baare  Bezfige  von  jeder  der  Stiftsfräulein,  seit  der  Unterzeichnete  als 
Senior  der  Familie  in  directe  Beziehungen  zu  dem  Stift»  und  dessen 
Verwaltung  getreten  ist: 

1862  nach  der  betreffenden  Stiftsrechnung  230  Thlr.  22  Sgr.  11  Pf. 
1874      „       „  „  „  316     „      29    „    -  „ 

4.  Verzeichoiss  derjenigen  Damen  der  Familie  Witzleben^  welche  seit 
Gründung  des  Fräuleinstiflies  in  dasselbe  aufgenommen  worden  sind  und 
dessen  Nutzungen  bezogen  haben,  zum  Theil  jetzt  noch  gemessen: 

A.  Fräulein    Hermine   von   Witzleben,    zweite   Tochter    des    am 

17.  April  1824  als  Königl.  Preuss.  General-Major  a.  D.  verstor- 
benen Carl  Friedrich  Heinrich -Günther  von  Witzleben,  ältesten 
Bruders  der  Frau  Stifterin.  Fräulein  Hermine  war  Hofdame  Ihrer 
Fürstl.  Durchlaucht  der  verwittweten  Fürstin  Caroline  zu  Schwarz- 
burg-Sondershausen in  Arnstadt;  trat  mit  dem  Ableben  der  Frau 
von  Minnigerode  als  deren  Üniversal-Erbin  und  erste,  alleinige 
Nutzniesserin  aller  Competenzen  der  Stiftung  im  November  1846 
in  dieselbe  ein  und  ist  selbst  am  21.  Februar  1852  an  Ver- 
knöcherung des  Magenmnndes  zu  Arnstadt  verstorben.    Ihr  folgte 

B.  Fräulein   Blanka   von   Witzleben,    einzige   Tochter    des    1845 

als  General-Lieutenant  und  Commandant  von  Glatz  verstorbenen 
Constantin  von  Witzleben,  zweiten  Sohns  des  ältesten  Bruders 
der  Frau  Stifterin.  Fräulein  Blanka  starb  am  21.  Decbr.  1855 
zu  Erfurt  an  der  Schwindsucht. 

Nach  ihrem  Ableben  ruhte  vorerst  die  Nutzniessung  aus  dem 
Stift;,  da  zur  Zeit  kein  zum  Eintritt  berechtigtes  Fräulein  vor- 
handen war. 

C.  Fräulein   Marie   Esther   von  Witzleben,   zweite   Tochter   des 

am     15.     Januar     1862    verstorbenen     Fürstlich     Schwarzburg- 

Rudolstädtischen  wirkl.  Qeheimeraths  und  Oberstallmeisters  a.  D. 

Herrn   Friedrich   von   Witzleben,    einzigen    Sohnes    des   dritten 

16* 

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—     226     — 

Bruders  der  JPrau  Stifteiin,  Friedrich  Wilhelm  Ludwig  von  Witz- 
leben, welcher  im  Mai  1800  als  Königl.  Preuss.  Hauptmann  ver- 
storben ist.  Die  Entscheidung  über  die  Aufiiahme  des  Fräuleins 
Marie  erfolgte  am  12.  Mai  1862;  sie  hat  jedoch  vom  Todestage 
ihres  Vaters  ab  die  Nutzungen  des  Stiftes  bezogen,  welche  sie  zur 
Zeit  als  die  älteste  der  Stiftsdamen  noch  geniesst. 
D.  Fräulein  Louise  Caroline  Mathilde  von  Witzleben,  Zweit- 
älteste Tochter  des  am  18.  August  1873  auf  Schloss  Collm 
bei  Niesky  verstorbenen  Königlich  Preuss.  Kammerherrn  und 
Schlosshauptmanns  Friedlich  Hartmann  von  Witzleben,  jüngsten 
Sohnes  des  vierten  Bruders  der  Frau  Stifterin.  Fräulein  Louise 
beantragte  ihre  Au&ahme  in  das  Stift  mittelst  Schreiben  an  den 
Senior  vom  20.  Septbr.  dess.  J.  Es  ergaben  sich  jedoch  Schwie- 
rigkeiten hinsichts  der  Beschaffung  eines  vor  Gericht  gültigen 
Geburt s-  und  Taufzeugnisses  von  ihrem  am  6.  Mai  1802  zu 
Johannisburg  in  Ostpreussen  geborenen  Vater.  Der  damalige 
Geistliche,  welcher  die  Taufe  vollzogen,  hatte  den  Vater  ohne 
*  jeden  Vornamen  nur  als  Oberstwachtmeister  in  dem  betreffenden 
Kirchenbuche  bezeichnet,  die  Namen  wie  die  Herkunft  der  Mutter 
anzugeben  aber  gänzlich  ignorirt.  Dieser  Umstand  verursachte 
ein  äusserst  weitläufiges  Geschäfts  verfahren,  wodurch  die  definitive 
Entscheidung  über  die  Aufnahme  des  Fräuleins  Louise  von  Witz- 
leben in  das  Stift  Ws  zum  1.  Februar  1874  verzögert  wurde.  Die 
Nutzungen  davon  sind  ihr  jedoch  schon  vom  Todestage  ihres  Vaters 
ab  statutenmässig  nachträglich  zu  Theil  geworden.  — 

Wiesbaden,  den  28.  August  1875. 

Herrmann  von  Witzleben, 

Königl.    Preuss.   Oberst  a.  D. 


Berichtigung. 

176  Z.  2  V.  u.  zu  lesen:  Wilmeradorferstrasse  statt  Schlossstrasse. 


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Geschichte 


der 


Familie  von  Witzleben. 


Nach  archivalischen  Quellen  bearbeitet 


Gerhard  August  von  Witzleben, 

•nifral-C{fttf«iit  y  9. 


and 


Karl  Hartmann  August  von  Witzleben, 

üa|tr  a.  9. 


I.  THEIL. 


IV.  HEFT. 

]I>ie  Hiiebeosteinei*  ILiioie« 

(Mit  fünf  Stamm-  und  zwei  Ahnentafeln). 


-5*:  — 


BERLIN.  1878. 
Verlag   von  A.  Bath. 


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III.  Abtheilnng. 

Die  Liebensteiner  Linie. 


I.  Abschnitt. 


VoD  der  OrfiodoDg  der  Liebensteiner  Linie  bis  znr 

Theilong  derselben  in  die  Linien  anf  dem  Unter-  nnd  auf  dem 

Ober* Hanse  zn  Liebenstein. 


1484  -  er.  1615. 


a.   Der  Bitter  Heinricli  d.  J.  von  Witzleben,  14:08—1456. 


H 


einrieb  den  Jüngern,  des  um  das  Jahr  1405  gestorbenen  Ritters  Fritz 
von  Witzleben  (s.  S.  62)  Sohn,  finden  wir  urkundlich  zuerst  erwähnt  im 
Jahre  1412,  und  zwar  als  Bürgen  des  Grafen  Günther  zu  Schwarzburg; 
er  muss  aber  schon  1408  mündig  gewesen  und  an  die  Oeffentlichkeit 
getreten  sein,  denn  mit  dem  14.  Aug.  dieses  Jahres  beginnt  die  Bezeich- 
nung seines  gleichnamigen  Oheims,  des  Amtmanns  zu  Heldburg,  Wachsen- 
burg und  Liebenstein,  als  Heinrich  von  Witzleben  der  Aeltere,  An  den 
meisten  der  Pfandschaften  und  allen  Lehngütem,  die  Letzterer  besass, 
sowie  an  den  reichen  Stiftungen,  die  derselbe  machte,  war  Heinrich 
d.  J.  nebst  seinen  Brüdern  betheiligt,  wie  S.  63 — 72  ausführlich  erzählt 
ist.  Li  einem  vom  11.  Nov.  1424  datirten  Schuldbriefe  des  Landgrafen 
Friedrich  in  Thüringen  für  Otto  und  Kaspar  Vaner  über  200  Mark 
löthigen  Silbers  wird  er  unter  den  Bürgen  aufgeführt  als  „Heinrich 
von  Witzleben,  der  junge,  gesessen  zum  Liebenstein".  Als  „Er  Hein- 
rich" d.  h.  als  Ritter,  finden  wir  ihn  erst  am  1.  Febr.  1432,  als  ihm 

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—     228     — 

vom  Grafen  Günther  zu  Schwarzburg  dessen  Theil  des  Dorfes  Lange- 
wiesen mit  Gerichten  über  Hals  und  Hand  und  das  Dorf  Pennewitz  für 
760  rheinische  Gulden  verpfändet  wurden.  Aus  den  betreffenden  beiden 
Urkunden  erfahren  wir  auch,  dass  Heinrichs  eheliche  Wirthin  Frau 
Felicia  war. 

Nach  dem  Tode  Heinrichs  d.  Ä.,  1430,  bezog  Heinrich  d.  J.  die 
Wachsenburg,  während  der  Liebenstein  vom  Landgrafen  Friedrich  ein- 
gelösst  und  im  nächsten  Jahre  an  Fritschen  von  Frymar  für  1700  rhei- 
nischen Gulden  versetzt  wurde. 

Nicht  durch  Einlösung,  sondern  auf  eine  gewaltsamere  Weise  wurde 
Heinrich  des  am  15.  März  1420  von  den  Grafen  von  Henneberg  an  Hein- 
rich d.  Ä.  von  Witzleben  verpfändeten  und  nach  dessen  Tode  auf  ihn 
übergegangenen  Schlosses  und  der  Stadt  Ilmenau,  wenn  auch  nur  auf 
kurze  Zeit,  entsetzt.  Graf  Wilhelm  von  Henneberg  nämlich,  1430  erst 
mündig  geworden,  befehdete  aus  einem  unbekannten  Grunde  den  Land- 
grafen Friedrich  in  Thüringen  und  trieb  den  Mönchen  von  Georgenthal 
ihre  Herden  weg.  Der  Landgraf  aber  fiel  sofort  in  das  Hennebergische 
Gebiet  ein  und  bemächtigte  sich  des  Schlosses  und  der  Stadt  Ilmenau, 
was  um  so  leichter  war,  als  sie  Heinrich  von  Witzleben  gegen  ihn,  seinen 
Lehnsherrn,  nicht  vertheidigen  konnte.  Endlich  vermittelten  Herzog  Sig- 
mund zu  Sachsen  imd  Landgraf  Ludwig  zu  Hessen  zwischen  den  strei- 
tenden Theilen  am  16.  Nov.  1431  einen  Vergleich,  nach  welchem  Graf 
Wilhelm  allen  verursachten  Schaden  dem  Landgrafen  mit  500  Gulden 
ersetzen,  letzterer  aber  Schloss  und  Stadt  Ilmenau  an  Heinrich  von  Witz- 
leben wieder  abtreten  musste.*) 

Nachdem  Heinrich  von  Witzleben  bis  zum  Jahre  1434  im  ruhigen 
Pfandbesitz  der  Wachsenburg  gewesen  war,  stellte  es  sich  heraus,  dass 
der  Pfandbrief,  den  er  wegen  der  Burg  in  Händen  hatte,  gefälscht  war. 
Heinrich  wurde  der  Fälschung  oder  doch  der  Wissenschaft  um  dieselbe 
beschuldigt  und  vor  das  Gericht  geladen,  welches  am  Dienst^e  octava 
Apostolorum  Petri  et  Pauli,  d.  h.  6.  Juli,  1434  in  den  Vierstühlen  des 
Landes  zu  Thüringen  auf  der  Wiese  zwischen  Schwerstedt  und  Neumark, 
gen  Buttelstedt  gehörend,  in  Gegenwart  des  Landgrafen  in  Thüringen, 
etlicher  seiner  Grafen,  Mannen,  Städte  und  Landschaften  über  Em  Hein- 
richs Leib   und  Ehre   und  Gut   gehalten  werden   sollte.     Das  Gericht 


*)  Schultes,    Dipl.  Gesch.  des  öräfl.  Hauses  Henneberg,  II.  p.  105  und  H. 
Urk.  B.  p.  224. 


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—     229     — 

unterblieb  aber,  da  Heinrich  auf  Zureden  seiner  Freunde  bes^ihlossen 
hatte,  sich  „in  des  Landgrafen  Gnade  zu  geben,  in  massen  und  Sachen 
als  hiemach  geschrieben  steht:  *) 

Am  Dienstage  vorgenannt  ist  Er  Heinrich  von  Witzleben  mit  seinen 
Freunden,  nämlich  Kersten  vom  Hayn,  Jörgen  von  Witzleben  zu  Berka, 
Fritschen  von  Witzleben  und  Titzen  von  Bibra,  vor  unsem  gnädigen 
Herrn  gen  Weimar  kommen  und  Er  Heinrich  ist  daselbst  vor  unsem 
gnädigen  Herrn,  seine  Räthe  und  viel  seiner  Mannen  getreten  und  hat 
gesprochen  also:  „Gnädiger  Herre!  Ich  habe  einen  Brief  gehabt  über 
Wachsenburg,  den  ich  vor  Eure  Gnaden,  Eure  Grafen,  Mannen  und 
Städte  gelegt  habe,  und  meinte,  er  wäre  gut  und  gerecht;  nun  ist  der 
von  Eurer  Gnaden,  Euren  Grafen,  Mannen  und  Städten  ungerecht  und 
&lsch  erkannt.  Nun  seid  Ihr  mein  Herr  und  ich  Euer  Mann  und  stelle 
das  an  Eure  Gnade  und  bitte  Eure  Fürstliche  Gnade  um  Gnade  mir 
zu  erzeigen".  Des  nahm  unser  Herr  ein  kurz  Gespriche  auf  seiner 
Freunde  Verteiding,  mit  Wissen  und  Vor-ßath  der  Grafen,  Mannen  und 
Städte  vorgehabt,  und  liess  den  edlen  Grafen  Bodo  von  Stolberg,  seinen 
Hofineister,  wiedersagen  und  aussprechen  also:  „Er  Heinrich!  Als  Ihr 
meinen  gnädigen  Herrn  um  Gnade  gebeten  und  Euch  darein  gegeben 
habt,  will  Euch  mein  gnädiger  Herr  Gnade  thun  also,  dass  Ihr  die 
Wachsenburg  mit  allen  Zugehörungen  und  allen  Briefen,  die  auf 
Wachsenburg  weisen,  meinem  gnädigen  Herrn  sollt  ledig  und  los  wieder- 
geben, abtreten  und  einantworten;  so  will  Euch  unser  gnädiger  Herr  von 
der  Gnade  wegen,  die  Ihr  gebeten  habt,  auch  Gnade  beweisen  und  Euch 
und  Euren  Lehnserben  Liebenstein  das  Schloss  mit  seinen  Zuge- 
hönmgen  ledig  und  erblich  geben  und  einantworten  lassen."  Das  er 
dann  mit  seinen  Freunden  alsogleich  aufgenommen  hat. 

Doch  so  ist  darüber  das  darum  furder  erlassen,  dass  er  Heinrich 
von  Witzleben  die  Wachsenburg  in  obgeschriebener  Masse  unserm 
gnädigen  Herrn  auf  Bartholomäi  nächst  (24.  Aug.)  einantworten  soll; 
so  soll  mein  Herr  Em  Heinrich  auf  dieselbe  Zeit  Liebenstein  auch  ein- 
antworten lassen."  Zum  Schluss  werden  dann  noch  die  Zeugen  auf- 
geführt, welche  bei  diesen  Unterhandlungen  zugegen  waren. 


*)  Wie  es  in  dem  im  Com.  Arch.  zu  Weimar  befindlichen  Handelbuche  Lgr.  Frie- 
drich d.  Einf.  I.  Fol.  13  heiast,  dem  die  nachfolgende  Erzählung  wörtlich,  jedoch  mit 
jetziger  Orthographie  und  Interpunction,  entnommen  ist. 

17* 


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—     230     — 

Des  Landgrafen  Friedrich  Lehnbrief  über  das  Schloss  Liebenstein 
mit  dem  wehrhaften  Hofe  darunter  gelegen,  mit  allen  Dörfern,  Vorwerken, 
Mühlen,  Wassern,  Wasserlänfen,  Aeckem,  Wiesen,  Zinsen,  Renten,  Kom- 
gulden,  Diensten,  Pflichten,  mit  geistlichen  und  weltlichen  Lehen,  obern 
und  niedem  Gerichten  und  mit  allen  Zugehörungen,  Ehren,  Nutzen, 
Würden,  Freiheiten  und  Gewohnheiten  für  Heinrich  von  Witzleben  und 
seine  Leibeslehnserben  ist  aber  nicht  an  Bartholomäi,  sondern  Sonnabends 
am  Tage  Augustini,  d.  h.  28.  Aug.,  1434  ausgestellt.*) 

Aus  dem  Mitgetheilten  geht  wol  zur  Genüge  hervor,  das  der  Land- 
graf Heinrich  von  Witzleben  nicht  für  schuldig  hielt.  Er  bewies  dies 
femer  dadurch,  dass  er  Heinrich  für  Molsdorf,  welches  bisher  inmier 
zur  Wachsenburg  gehört  hatte,  besonders  entschädigte,  indem  er  ihm 
dafür  das  Dorf  Oberwillingen  ganz  und  7*  von  Wipfra  gab,  und  schon 
1435  mit  ihm  wider  Pfändgeschäfte  trieb,  indem  er  ihm  das  Schloss 
Elgersburg  fär  468  Mark  und  400  Rh.  Gulden  widerkäuflich  verkaufte. 
Wie  sich  Heinrich  am  17.  Sept.  1437  mit  seinen  Vettern  Fritz  und 
Iring  von  Witzleben,  nachdem  diesen  die  Elgersburg  erblich  verliehen 
war,  auseinander  setzte  ist  S.  76  erzählt.**) 

Li  einer  Urkunde  vom  15.  Dec.  1438  bekennt  Landgraf  Friedrich 
in  Thüringen,  dem  Ritter  Heinrich  von  Witzleben,  derzeit  zu 
Flaue  gesessen,  641  Groschen  alten  Geldes  von  seines  in  dem  Gericht 
zu  Wachsenburg  gelegenen  Erbes  und  Gutes  wegen,  welches  der  Land- 
graf ihm  abgekauft,  schuldig  geworden  zu  sein  und  diese  Smmne  am 
nächsten  Walpurgistage  abführen  zu  wollen.  Bald  darauf  kaufte  Hein- 
rich von  Witzleben  denen  von  Thüna  wieder  einen  Theil  von  Molsdorf 
ab***),  und  in  den  Lehnbriefen  über  Liebenstein  vom  27.  Dec.  1449  und 
2.  Juli  1452  wird  Hof  und  Dorf  Molsdorf  ausdrücklich  genannt.  Nach- 
dem Heinrich  aber  schon  1453  20  Rh.  Gulden  jährlicher  Rente  auf  dem 
grossen  Hofe  zu  Molsdorf  an  Heinrich  Paradies  fiir  400  Gulden  wieder- 
käuflich verkauft  hatte,  versetzte  er  im  nächsten  Jahre  jenen  grossen 
Sedelhof  mit  dem  Dorfe  an  Heinrich  von  Hain  fiir  200  Mark  1.  S.  und 
verkaufte  erblich  einen  andern  Hof  mit  18  Ackern  Land  und  4  Ackern 
Weinberg,  ebenfalls  zu  Molsdorf,  an  Friedrich  Slagila. 

*)  H.  St.  Arch.  zu  Dresden,  Cop.  38  Fol.  95  b.  —  cf.  P.  Jovii  Chron.  Schwarsb. 
1.  c.  p.  481. 

*♦)  Wo  12.  Sept.  Druckfehler  ist 
♦♦♦)  Brückner,  Goth.  Kirchen-  und  Schulen -Staat.    T.  I.  St.  4.  p.  62. 


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Im  Jalire  1454  starb  der  Kitter  Heinrich  von  Witzleben  und  hinter- 
liess  seinen  Söhnen  Friedrich,  Klaus  und  Konrad  folgende  Güter: 
I.     Freies  Eigenthum. 
Das  Vorwerk  zu  Flaue.*) 

n.    Landgräfliche  Lehen. 

1.  Das  Schloss  Liebenstein  mit  den  dazu  gehörenden  Dörfern  Lieben- 
stein, Rippersroda,  Frankenhein  und  V»  Gräfenroda**)  mit  Gerichten 
über  Hals  und  Hand. 

2.  Hof  und  Dorf  Molsdorf. 

3.  Die  Dörfer  Kettmannshausen  und  \2  Schmerfeld***)  mit  Gerichten 
über  Hals  und  Hand. 

4.  V*  Neusiss.f) 

5.  6  Pfund  Geldes  zu  Harhausen,  die  zu  einer  Vikarei  zu  Arnstadt, 
daran  die  von  Witzleben  die  Lehen  haben,  geeignet  sind,  und  an 
Weingärten  9  Acker  am  Haselbach,  12  am  Fockenberge  und  12 
am  Molberge. 

(Ob  Oberwillingen  und  V*  Wipfra,  femer  die  Güter,  welche  Hein- 
rich von  Witzleben  um  1434  von  Wittich  von  Boylstedt  gekauft  hatte, 
nämlich  ein  Sedelhof  zu  Holzhausen  mit  5 — 6  Hufen  Landes,  verschiedenen 
Zinsen,  einem  Backofen  zu  Bittstedt,  Holz  an  dem  Molberge  und  anderen 
Zugehörungen,  auf  Heinrichs  Söhne  gekommen  sind,  vermögen  wir  nicht 
nachzuweisen.) 

in.     Hennebergische  Lehen. 

1.  Das  Dorf  Boda  und  den  Grund  zu  Reichenbach,  mit  Teichen, 
fliessenden  Wassern,  Ackern,  Wiesen,  Holz  und  Feld, 

2.  7*  von  Martinroda  und  ein  Vorwerk  daselbst, 

3.  V»  Neusiss, 


*)  Plane  in  Schwarzburg-Sondershansen,  1  Meile  südwestlich  von  Arnstadt.  Das 
Dorf  Plane,  seit  uralten  Zeiten  denen  von  Witzleben  zuständig,  war  zu  Anfang  des 
14.  Jahrhunderts  von  diesen  an  die  Grafen  zu  Schwarzburg  verkauft  worden,  welche 
ee  mit  Mauern  umgaben,  ihm  Stadtrechte  verschafften  und  1324  die  Ehrenburg  ^cht 
&ber  dem  Stadtchen  erbauten. 

**)  Mit  der  anderen  Hälfte  waren  die  Grafen  zu  Schwarzburg  belehnt. 
***)  Die  andere  Hälfte  war  Hennebergisches  Lehn. 

t)  Die  andere  Hälfte  war  Hennebergisches  Lehn.  Die  Landgräfliche  Hälfte  war 
spater,  1517,  Schwarzburgisches  Lehn  und  wurde  am  15.  März  1535  an  Henneberg 
abgetreten,  so  dass  nun  die  Grafen  von  Henneberg  die  Lehnshoheit  über  ganz  Neusiss 
hatten. 


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4.  Heyda  ganz, 

5.  V^  Schmerfeld,  alles  mit  Gerichten  über  Hals  und  Hand. 

IV.     Schwarzburgische  Lehen. 

1.  Das  Dorf  Breitenbach  (jetzt  Klein-Breitenbach), 

2.  Die  Dörfer  und  Güter    zu   Gräfinau  und  Bücheloh,  das  halbe  Vor- 
werk zu  Geüsdorf,   das  Dorf  ünterweissbach,   40  Pfund  Geldes  zu 

•    Witzleben  und  sonstige  Zugehörungen. 

Mit  Ausnahme  von  Molsdorf  (2  St.  nördlich  von  Arnstadt)  und 
ünterweissbach  (1  M.  südöstlich  von  Königsee)  bildeten  all  diese  Güter 
einen  zusanunenhängenden  bedeutenden  Besitz  in  der  Gegend  von  Flaue, 
Ilmenau  und  Stadt  Um. 


b.   Liebenstein. 

Nördlich  des  im  Kreise  OhrdrufF  des  Herzogthums  Sachsen-Gotha 
1 V2  Meilen  südwestlich  von  Arnstadt  und  7*  Stunden  von  Flaue  in  dem 
engen  Thale  der  wilden  Gera  gelegenen  Dorfes  Liebenstein*)  erhebt  sich 
ein  von  Muschelkalk  gebildeter  Bergrücken,  dessen  östliche  Spitze  die 
schönen  Ruinen  der  Burg  Liebenstein  krönen.  Ein  viereckiger  Streit- 
thurm,  worin  noch  einige  Gemächer,  die  eine  prächtige  Aussicht  bieten, 
sowie  die  Mauern  der  Kenmate  und  des  Keisigen-Stalles  schauen  malerisch 
ins  Thal  hinab. 

Wann  und  von  wem  die  Burg  erbaut  ist,  darüber  schweigt  die 
Geschichte.**) 

Als  erste  Besitzer  werden  die  Grafen  von  Kefernburg  genannt.  Im 
Jahre  1302  starb  der  letzte  dieses  Hauses,  Graf  Günther,  ohne  männ- 
liche Erben  und  die  mit  seinen  zwei  Töchtern  vermählten  Grafen  Otto 
von  Orlamünde  und  Dietrich  von  Hohnstein  veräusserten  wegen  Ent- 
legenheit die  sänuntlichen  Güter,  als  Arnstadt,  Wachsenburg,  Schwarz- 


*)  Zum  Unterschiede  von  dem  im  Amte  Salzmigen  des  Herzogthums  Sacbsen- 
Meiftingen  1  M.  südwestlich  vom  Inselsberge  gelegenen  Bade  Liebenstein,  dem  Stamm- 
orte der  Stein  von  Liebenstein,  gewöhnlich  Liebenstein  a.  d.  G^ra  oder  Liebenstein  bei 
Plane  genannt.  Das  Dorf,  952'  über  dem  Ostseespiegel,  hatte  1819  273,  1869  in 
80  Wohnhäusern  650  Einwohner  mit  100  Schnlkindem. 

**)  Liebenstein  „soll  seinen  Namen  von  dessen  Erbauer  haben,  massen  die  grosse 
Thnrmmaner  über  5  Ellen  und  die  andern  Manem  des  alten  Schlosses  auch  wohl  4  Ellen 
dicke  sind,  und  eine  besondere  Liebe  zu  den  Steinen  anzeiget *".  s.  Brückner,  G.  K. 
u.  Seh.  St.  n.  5.  p.  65. 


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wald,  Liebenstein  und  Ilmenau,  an  die  Grafen  Günther  und  Heinrich 
zu  Schwarzhurg,  welche  sich  noch  vor  1324  darin  theilten.*) 

Aus  der  Mitte  des  14.  Jahrhunderts  datirt  dann  die  Verbindung 
unserer  Familie  mit  Liebenstein.  Am  5.  Nov.  1363  bekennt  „frize  von 
Wizleiben  Ritter  gesessen  uf  dem  Huse  zu  dem  Liebensteine",  dass  ihm 
Graf  Johann  von  Schwarzburg,  Herr  zu  Wachsenburg,  40  Mark  1.  S. 
Erfurtischen  Zeichens  gegeben  habe,  weil  er  demselben  •  den  Hof  vor  dem 
Hause  zu  dem  Liebensteine  und  4  Mark  Geldes  jährlichen  Zinses  von 
allen  seinen  Gütern  zu  Angelroda  zu  einem  rechten  Burggute  aufgetragen 
habe;  den  Hof  dürfe  er  nur  mit  Rath  und  Willen  des  Grafen  von  Schwarz- 
burg verkaufen,  doch  solle  er  Macht  haben,  dies  zu  thun  an  Tizeln  von 
Wizeleiben,  von  dem  er  ihn  gekauft  habe.**)  Graf  Johann  von  Schwarz- 
burg gerieth  bald  darauf,  1366,  in  Folge  des  S.  40  erwähnten  Krieges 
mit  dem  Bischof  von  Würzburg  in  solche  Beschwerung,  dass  er  Wachsen- 
burg, Liebenstein  und  Schwarzwald  1367  an  die  Erfurter  zu  verkaufen 
genöthigt  wurde.  Aber  als  er  und  die  Bevollmächtigten  der  Stadt  sich 
der  Belehnung  wegen  zum  Kaiser  begeben  wollten,  wurden  sie  auf  des 
Landgrafen  Friedrich  Anstiften  vom  Herzog  Stephan  in  Bayern  gefangen 
genonmien;  Graf  Johann  musste  den  Erfurtern  den  Kauf  aufsagen  und 
die  drei  Schlösser  den  Landgrafen  in  Thüringen  für  die  Summe  von 
6500  Mark  1.  S.  überlassen  (1369).***) 


*)  Herrtwich,  Thür.  Heimathskrmde,  p.  182. 

**)  Orig.  im  Schwarzb.  Archiv  zu  Arnstadt.  —  cf.  König,  Regesten,  und  P.  Jovii 
Chron.  Schwarzb.  1.  c.  p.  243. 

**♦)  Heydenreich,  Schwarzb.  p.  69  u.  434.  —  Struv.  Hist.  pol.  Arch.  IV.  p. 
122.  —  Pauli.  Annal.  Isen.  p.  86.  —  Palkenstein,  Erf.  Hist.  p.  264.  —  Hell- 
bach, Arch.  V.  u.  f.  Schwarzb.  —  Brückner,  G.  K.  u.  Seh.  St.  II.  5.  p.  65. 

Am  heil.  Pfingstabende  (19.  Mai)  1369  bekennen  Günther  und  Johann  Grafen  zu 
Schwarzburg,  dass  Dietrich  von  Witzleben,  Bitter,  und  Dietrich  von  Witzleben,  Knecht, 
von  ihret-  und  ihrer  Erben  wegen,  die  Ritter  Dietrich  von  Molschleben  und  Heinrich 
von  Stuttemheim,  von  wegen  der  Landgrafen  Friedrich,  Balthasar  und  Wilhelm, 
Wachsenburg,  Liebenstein  und  Schwarzwald  so  lange,  bis  Graf  Jobann  aus  der  bayrischen 
Gefangenschaft  erledigt  und  der  Kaufbrief,  der  da  hält  6500  Mark  lothigen  Silbers, 
vollzogen  und  den  Grafen  eingeantwortet  ist,  inne  haben  und  den  Grafen  damit  gewarten 
sollen ;  wann  aber  d^r  Kaufbrief  vollzogen  sein  wird,  sollen  jene  vier  nur  den  Land- 
grafen, die  bereits  4000  Mark  darauf  gegeben  haben,  erblich  gewarten.  Com.  Arch. 
zu  Weimar,  Reg.  E.  Bl.  82a  No.  17.  —  Der  entsprechende  Revers  der  vier  Inhaber 
der  Burgen  ist  vom  heil.  Pfingstage  (20.  Mai)  1369  datirt  und  befindet  sich  im  Orig. 
auf  Perg.  mit  2  (von  4)  Siegeln  ebenfalls  im  Com.  Arch.  zu  Weimar,  s.  R.  Reg.  £e 
Bl.  82a  No.  19.  —  cf.  Struv.  hist.  pol.  Arch.  IV.  p.  122.  —  Schöttgen  Inv.  Dipl. 
290  No.  6.  —  König  Regesten  (danach  im  Archiv  zu  Bamberg). 


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1381,  am  Donnerstag  vor  Michaelis,  versetzten  Balthasar,  Wilhera, 
Friedrich,  Wilhelm  und  Georg,  Landgrafen  in  Thüringen  und  Markgrafen 
zu  Meissen,  dem  Grafen  Gerhard  von  Beichlingen  das  Schloss  Lieben- 
stein mit  den  Dorfschaften  Schilderode,  Gräfenrode,  Buprechtsrode  etc. 
für  750  Mark  Silbers  Erfurter  Zeichens.*) 

Am  G.  Juli  1 394  bekennen  Fritsche  von  Witzleben  Bitter,  Heinrich 
sein  Bruder,  Em  Herrmannsteins  sei.  Söhne,  fiir  sich,  ihre  Erben  und 
ihre  Getreuhänder  Kunemund  von  Witzleben  den  Jüugem,  Em  Titzels 
sei.  Sohn,  Iring  imd  Fritsche  von  Witzleben  Gebrüder,  ihre  Vettem, 
und  Gemod  von  Kobenstedt,  ihren  Schwager,  dass  Landgraf  Balthasar 
ihnen  377  Mark  1.  S.  schulde  imd  ihnen  dafür  sein  Schloss  Liebenstein 
mit  allen  Zugehömngen,  wie  er  es  von  dem  edeln  Herm  Gerhard  Grafen 
von  Beichlingen  eingelösst,  femer  das  Dorf  Elleben  in  der  Herrschaft 
Kefemburg  imd  verschiedene  Geld-  imd  andere  Zinsen  zu  einem  rechten 
Pfände  gesetzt  habe.  Sie  versprechen,  Schloss  Liebenstein  getreulich 
bewahren  und  dem  Landgrafen  damit  gewarten  zu  wollen;  auch  soll  es 
dessen  offen  Schloss  sein  zu  allen  seinen  Geschäften  gegen  jederman, 
niemand  ausgenommen  als  sie  selber,**) 

37  Jahre  lang  blieb  mm  Liebenstein  im  Pfandbesitz  unseres  Geschlechts. 
Am  3.  Mai  1404  schlugen  die  Landgrafen  Balthasar  uud  Friedrich  zu 
der  obenerwähnten  Pfandsumme  von  377  Mark  noch  500  Schock  Groschen 
Freiberger  Münze,  welche  sie  den  Brüdern  Fritz  und  Heinrich  von  Witz- 
leben für  deren  Dienste  in  Franken  schuldig  geworden  waren.***) 

Im  Jahre  1412  erlaubte  Landgraf  Friedrich  seinem  Marschall  Hein- 
rich d.  Ä.  von  Witzleben,  den  Hof  vor  dem  Schlosse  Liebenstein,  welcher 
Heinrich  Vitzthum  gehörte,  zu  diesem  Schlosse  zu  kaufen,  und  versprach, 
das  Kaufgeld  imd  was  Heinrich  sonst  daran  verbauen  würde,  wieder  zu 
erstatten.!) 

1416  imd  am  21.  Jan.  1417  wird  Heinrich  d.  Ä.  von  Witzleben 
bezeichnet  als  „gesessen  resp.  wohnhaftig  zu  dem  Liebenstein"  ft)  ^^d 


*)  Hörn,  Fried,  d.  Streitb.  p.  105,  wobei  die  Anm.:  aU.  Tenzel.  Typ.  Geneal. 
Beichl.  §.  XnX. 

**)  Orig.  auf  Perg.  mit  2  wohlerhaltenen  Wachssiegeln  im  Com.  Arch.  zu  Weimar, 
No.  3070  Reg.  Rr.  pag.  419  IV.  K.  No.  12.  -  St.  Arch.  zu  Dresden,  Cop.  B.  2.  Fol 
135b  ffg. 

***)  St.  Arch.  zu  Dresden,  Cop.  B.  32.  fol.  27. 

t)  St.  Arch.  zu  Dresden. 
tt)  P.  JoYÜ  Chron.  Schwarzb.  1.  c.  p.  430,  453  u.  462. 


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am  11.  Nov.  1424.  erscheint  in  einem  Schuldbriefe  des  Landgrafen 
Friedrich  „Heinrich  von  Witzleben  der  junge,  gesessen  zum  Liebenstein".*) 

Nachdem  Heinrich  d.  Ä.  von  Witzleben  gestorben  war,  lösste  Land- 
graf Friedrich  den  Liebenstein  ein,  versetzte  ihn  aber  sofort  wieder,  1431, 
an  Fritsche  von  Frymar  für  1700  gute  gänge  imd  unverschlagene  rhei- 
nische Gulden.**) 

Auf  welche  Weise  Liebenstein  1434  in  den  erblichen  Besitz  unserer 
Familie  gelangte,  ist  S.  229  ausführlich  erzählt.  Sonnabends  am  Tage 
Augustini  (28.  Aug.)  1434  verUeh  Landgraf  Friedrich  in  Thüringen 
Heinrich  von  Witzleben  und  seinen  Leibes-Lehnserben  das  Schloss  Lieben- 
stein mit  dem  wehrhaften  Hofe  darunter  gelegen,  mit  allen  Dörfern,  Vor- 
werken, Mühlen,  Wassern,  Wasserläufen,  Aeckem,  Wiesen,  Zinsen,  Beuten, 
Komgulden,  Diensten,  Pflichten,  mit  geistlichen  imd  weltlichen  Lehen, 
und  obersten  und  niedersten  Gerichten  und  mit  allen  Zugehörungen 
Ehren,  Nutzen,  Würden,  Freiheiten  imd  Gewohnheiten,  wie  er  es  zu  Erbe 
und  die  von  Witzleben  pfandweise  innegehabt,  zu  rechtem  Erbmannlehn. 
Die  zu  dem  Schloss  gehörenden  Dörfer  waren  Liebenstein,  Bippersroda, 
Frankenhain  und  die  Hälfte  von  Gräfenroda.***) 

Bippersroda,  gewöhnlich  Bippers,  auch  Buppers  imd  früher 
Buppertsrode,  nach  seinem  Patron,  dem  heiligen  Bupertus,  genannt,  liegt 
Y*  Stunde  südöstlich  von  Liebenstein  auf  der  Höhe  (daher  schöne  Aus- 
sicht in  den  Plaue'schen  Grund),  hat  eine  Schwesterkirche  des  letztern 
Orts  und  zählte  1822  in  40  Häusern  150  Einwohner. 

Franken  ha  in  liegt  etwas  über  Y2  Meüe  südwestlich  von  Lieben- 
stein (2  St.  südöstlich  von  Ohrdruflf)  und  hatte  1819  in  83  Häusern 
383  Einwohner. 

Gräfenroda  liegt  wieder  V*  Stunde  südöstlich  von  Frankenhain 
und  7»  Meile  südwestlich  von  Liebenstein,  an  imd  über  der  wilden  oder 


*)  Com.  Arch.  zu  Weimar,  Reg.  Aa.  p.  33. 
**)  H.  St.  Arch.  zu  Dresden. 

***)  In  den  landgraflichen,  später  kurf&rstl.  resp.  herzogl.  sachsiflcben  Lehnbriefen 
werden  zwar  Mobdorf  (bis  1455),  sowie  Eettmannshausen  und  Schroerfeld  (bis  1559), 
femer  6  Pfund  Geldes  zu  Harhausen  und  zusammen  33  Acker  Weingärten  immer  mit 
genannt,  doch  waren  dies  keine  eigentlichen  Pertinenzstücke  von  Liebenstein,  sondern 
wie  die  Schwarzburgischen  Dörfer  Gräfinau,  Bücheloh,  Qeilsdorf  und  Unterweissbach 
und  die  Hennebergiscben  Hejda,  Neusis  und  Schmerfeld,  besondere  Lehne  der  Herren 
von  Witzleben  zum  Liebenstein.  Später,  1672,  werden  jedoch  Eettmannshausen  und 
Elein-Breitenbach  zu  den  Pertdnenzstücken  gerechnet. 


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kleinen  Gera*),  und  hatte  1729  106  Häuser,  57  Scheunen  und  700  Ein- 
wohner. Die  Witzlebensche  Hälfte  dieses  Dorfes  wurde  1610  mit  lehns- 
herrlichem Consens  an  den  Grafen  Günther  zu  Schwarzburg-Amstadt,  den 
Inhaber  der  andern  Hälfte,  für  6500  fl.  widerkäuflich  verkauft**),  stand 
aber  1672  dem  Herzog  Ernst  zu  Sachsen  um  6700  fl.  imterpfändlich  zu***) 
und  erscheint  seitdem  nie  wieder  im  Witzlebenschen  Besitz.  Sie  gelangte 
um  das  Jahr  1700  an  den  Sachs.  Goth.  Geh.  Eath  von  Fischer,  dem- 
nächst an  einen  Herrn  von  Beck,  darauf  an  den  Reichs-Hofrath  Emanuel 
von  Willisenf)  und  endlich  1746  an  die  Böder  von  Geschwende,  von 
denen  weiter  imten  noch  die  Bede  sein  wird. 

Um  dieselbe  Zeit,  als  Gräfenroda  zum  ersten  Mal  versetzt  wurde, 
um  1610,  theüten  sich  die  Brüder  Ernst  Friedrich  und  Christian  Budolf 
von  Witzleben  in  die  Liebensteiner  Güter  derart,  dass  jeder  von  jedem 
Dorf  die  Hälfte  erhielt.  Ernst  Friedrich  erhielt  zu  seinem  Theil  das 
alte  Schloss  Liebenstein;  für  Christian  Budolf  wurde  an  das  alte  ein 
anderes  angebaut,  welches  höher  lag  imd  deshalb  als  das  Oberschloss 
oder  obere  Haus  bezeichnet  wurde,  während  man  die  eigentliche  Burg 
von  nun  an  das  Unterschloss   oder  untere  Haus  Liebenstein  nannte.ff) 


*)  Auf  den  Wiesen  im  Grunde  blühen  die  Vergissmeinnicht  in  so  grosser  Menge, 
dass  man  sie  »auf  Karren  wegfahren  könnte".    Schumann,  St.  P.  u.  Zeit.  Lex. 

**)  «Als  1634  nach  dem  Tode  des  bisherigen  Pfarrers  die  Frau  Sabina  von  Lichten- 
berg geb.  von  Erffa  in  Vormundschaft  ihres  Sohnes  [wonach  also  Gräfenroda  von 
Schwarzburg  an  die  von  Lichtenberg  weiter  versetzt  war]  einen  untüchtigen  Menschen 
zum  Pfarramt  präsentirte,  der  den  Herren  von  Witzleben  nicht  anstandig  war,  versagten 
ihm  diese  die  Kirche  zu  Gräfenroda  unter  dem  Verwände,  dass  sie  das  jus  patronatus 
an  den  Grafen  von  Schwarzburg  nicht  mit  verkauft  hätten.  Nachdem  aber  von 
Schwarzburgischer  Seite  erst  in  Güte,  dann  aber  armatu  manu  in  Gräfenroda  Gewalt 
gebraucht  und  ein  anderer  Pfarrer  introducirt  war,  haben  sich  die  von  Witzleben  an 
den  Landesfürsten,  den  Herzog  von  Gotha,  gewendet,  welcher  dann  auch  wieder  armatu 
manu  den  Pfarrer  depossedirt  und  das  Dorf  Gräfenroda  an  den  Pfarrer  zu  Liebenstein 
verwiesen  hat.  Die  Sache  kam  nun  vor  dem  Consistorium  zu  Eisenach  zu  Process,  den 
jedoch  das  Haus  Schwarzburg  gewann,  während  durch  ein  fürstl.  sächs.  Dekret  d.  d. 
Eisenach  den  8.  Oct.  1683  die  von  Witzleben  mit  ihrem  Suchen  cum  condemnatione 
in  Expensas  abgewiesen  wurden  so  lange,  bis  sie  ihre  versetzten  Briefe  und  Siegel  mit 
den  6500  fl.  wieder  einlösen  würden".    Brückner,  G.  K.  u.  Seh.  St.  II.  6.  p.  79. 

***)  Inventarium  Georg  Melchiors  von  Witzleben  d.  d.  1672.  8.  Aug.  im  Arch. 
zu  Hude. 

t)  War  1729  Besitzer.  (Gleichenstein,  Bürgel,  p.  141  der  Docum.)  Karl  von  Willi- 
Ben  und  seine  Gemahlin  Job.  Just.  geb.  von  Fischer,  schenken  1741  der  Kirche  einen  Kelch. 

tt)  „Es  ist  an  das  alte  Schloss  ein  anderes  angebauet,  welches,  weilen  es  hoch  lieget, 
einen  anmutfaigen  Prospect  in  einer  lustigen  und  angenehmen  Gegend  hat*.  Brück- 
ner, G.  K.  u.  Seh.  St.  U.  5.  p.  65. 


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—     237     — 

Die  heute  noch  vorhandenen  Buinen  sind  nicht  etwa  die  des  neueren 
Baues,  sondern  die  des  Unterschlosses,  d.  h.  der  alten  Burg.  Die  Kem- 
nate,  das  eigentliche  Wohnhaus,  ist  etwa  108  Puss  lang  und  40  breit 
und  ohne  das  Erdgeschoss  noch  2  Stockwerke  (etwa  40  Fuss)  hoch;  eine 
Freitreppe  von  8 — 10  Stufen  führte  zum  Eingang.  Durch  die  Kenmate 
gelangte  man  in  den  daranstossenden,  noch  68  Fuss  hohen  Thurm,  an 
welchem  kein  Eingang  sichtbar  ist.  In  dem  im  Archiv  zu  Hude  befind- 
lichen, am  8.  Aug.  1672  aufgenonmienen  „Inventarium  des  Hochedel- 
gebohmen  Gestrengen  und  Gross  Mann -Haften  Herrn,  Herrn  George 
Melchiom  von  Witzleben  uff  Liebenstein,  Gräfenau  und  Bücheloh,  Churf. 
Durchl.  zu  Sachsen  etc.  Gewesenen  Kanmier  Herms  imd  Obristen  etc." 
werden  20  Stuben  und  Kanmiem  dieser  umfangreichen  Kemnate  nament- 
lich aufgeführt  und  deren  Inhalt  genau  angegeben.*)  Der  Eeisigenstall, 
an  welchen  nach  aussen  zu  ein  kleiner  Thurm  angebaut  war,  hatte  Baum 
für  24  Pferde.  Eine  Zugbrücke  fährte  über  den  Graben.  Aussen  war 
ein  Gatterthor  mit  2  Flügeln,  inwendig  ein  festes,  ebenfalls  zweiflüge- 
liges Thor  mit  einer  Pforte.  In  der  Nähe  der  Thorstube  hielten  sich 
3  Windhunde  und  3  „Steuber",  d.  h.  Stöber-  oder  Vorstehhunde,  auf. 
An  dem  Thore  befand  sich  ein  doppelter  Schweinestall,  vor  dem  Thore 
das  Backhaus  imd  ein  Stall  für  welsche  Hühner,  am  Schlossberge  das 
Vorwerk.  Ausserhalb  des  Vorwerks  war  ein  Lustgarten  angelegt,  „in 
quater  abgetheilet" ,  enthaltend  27  Aesche  mit  dicken  Nelkenstöcken, 
123  verschiedene  Obstbäume  und  in  der  Mitte  ein  Lusthaus.**) 


*)  Danach  mnss  die  Freitreppe  zum  mittleren  Saal  oder  Flnr  (2  Fenster)  gef&hrt 
haben,  auf  dem  2  zweifenstrige  Stuben  mit  je  einer  einfenstrigen  Kammer,  femer  die 
blaue  Stube  (3  Fenster)  mit  einer  zweifenstrigen  und  die  grüne  oder  Gevatterstube 
(4  Fenster)  mit  einer  dreifenstrigen  Kammer  lagen.  In  dem  darüber  gelegenen  Stock- 
werk finden  wir  die  obere  rothe  Stube  (4  Fenster)  und  die  alte  Schulstube  (4  Fenster), 
jede  mit  anstossender  zweifenstriger  Kammer,  zwischen  beiden  Stuben  einen  kleinen 
Saal  mit  2  Fenstern,  die  Gerichtsstube  (3  Fenster),  die  Büstkammer  und  die  neue 
Saalstube  (3  Fenster).  Unter  dem  Dach  lagen  der  Futter-,  der  Malz-  und  Hopfen- 
und  der  Kornboden.  Im  Erdgeschoss,  in  welches  man  vom  mittleren  Saal  aus  auf  einer 
Wendeltreppe  hinabstieg,  befand  sich  der  Untersaal,  die  weisse  Tafelstube  (5  Fenster), 
die  andere  Stube  bei  der  Küche  (2  Fenster),  die  grosse  Stube,  die  Stube  über  der 
Malztenne  (4  Fenster),  die  Küche  mit  der  Rauchkammer  neben,  einem  Gemach  vor  und 
dem  Gewölbe  unter  sich.  Femer  werden  erwähnt  der  Weinkeller  mit  einem  VorkeUer, 
das  alte  Haus  vor  dem  Weinkeller,  der  finstre  Stall  (für  2  Pferde),  die  Speise-  oder 
Brotkaramer,  die  Käsekanrnoer  und  die  Wollenkammer. 

**)  Am  Schlossberge  liegt  noch  heutzutage  ein  freundlicher  Garten  und  ein  grosser 
Gutshof,    Herr tw ich,  Thür.  Heimathskunde,  Erfurt  (1851),  S.  46. 


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—     238     — 

Die  zum  Unterschloss  gehörende  Hälfte  von  Liebenstein  umfasste 
(nach  dem  angeführten  Inventar  von  1672)  25374  Acker  Land*),  10  Wie- 
sen (ohne  Angabe  der  Grösse),  6  einzeln  benannte  Gehölze,  Fischerei, 
658  St.  Schafe,  27  St.  Bindvieh  excl.  8  Zugochsen,  18  Schweine,  22  Zie- 
gen und  an  Holzgerechtigkeit  auf  dem  fürstlichen  Walde  100  Klafter 
Tannen-,  5  Klafter  Buchen -Scheitholz  jährlich,  Bauholz  und  Schindeln 
zur  Nothdurft,  Fass-  imd  Bottig-Holz,  Blöcke  zu  Dielen,  Hopfenstangen 
und  Bäume  zu  Krippen  nach  Lihalt  des  Fürstl.  Recesses  vom  13.  Oct. 
1656.  (Das  Klafterholz  müssen  die  Anspänner  zur  Frohn  aufs  Haus 
Liebenstein  führen,  die  Hintersättler  aber  lassen  es  hauen,  welches  sie 
mit  Gelde  verlohnen.) 

Als  zum  Liebenstein  gehörende  Dörfer  werden  aufgeführt:  1.  Lieben- 
stein, 2.  Rippersroda,  3.  Gräfenroda  (dieses  stehet  Herzog  Ernst  Fürstl. 
D.  zur  Hälfte  um  6700  fl.  unterpfändlich),  4.  Frankenhain,  5.  Kettmanns- 
hausen**),  6.  Klein-Breitenbach  (dieses  stehet  dem  von  Holleuifer  um 
1100  fl.  zum  ünterpfande)***).  „In  allen  solchen  Dörfern  sind  die  von 
Witzleben  insgesanmit  mit  hohen  und  niedem  Gerichten  beliehen  und 
sind  die  ünterthanen  alle  getheilet  bis  auf  Kettmannshausen ,  in  pein- 
lichen Fällen  aber  müssen  die  ünterthanen  die  Gerichtskosten  ingesambt 
beitragen." 

Das  Jus  Patronatus  ist  hergebracht  zu  Liebenstein,  Gräfenroda, 
Frankenhain  imd  Breitenbach. 

Jagdgerechtigkeit  haben  die  von  Witzleben  in  allen  ihren  Gerichten 
und  Dorfschaften,  wird  ingesambt  exerciret,  ingleichen  auch  die  Reh- 
jagd auf  dem  fürstlichen  Walde. 

Handfrohne  müssen  die  Hintersättler  zu  Liebenstein  entweder  selbst 
verrichten  oder  verlohnen,  als  kleiben,  Hanf  imd  Flachs  einlegen  und 
wieder  aus  der  Beste  waschen,  Hanf  und  Flachs  blauen,  brechen,  hecheln, 
und  Botschaft  laufen,  „bekonamt  ein  Bot  vor  jede  Meil  1  Gr.  besag  eines 
Anschlags". 


*)  1  Acker  =  er.  2  Morgen.    Zorn  ganzen  Gute  Liebenstein  gehörten  demnach 
über  1000  Morgen  Feld. 

**)  Kettmannshausen  ist  ein  kleines  Dorf  im  Herzogthmn  Sachsen-Gotha,  fast  in 
der  Mitte  zwischen  Plane  nnd  Stadt  Um,  1^/s  Stunden  östlich  des  ersteren  Orts;  schon 
seit  dem  12.  Aug.  1415  im  Witzlebenschen  Besitz,    s.  S.  65. 

***)  Das  Dörfchen  Klein-Breitenbach  liegt  im  Amte  Arnstadt  des  Fürstenthums 
Schwarzburg-Sondershausen,  V«  St.  südöstlich  von  Plane,  am  Westabhange  der  Beins- 
burg. 


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—     239     — 

Triften:  in  allen  Fluren,  die  nach  Liebenstein  gehören. 

Lehnwaren;  Lehn-,  Anflass-  und  Abzuggeld  von  jeden  100  5  fl. 

Das  Backhaus  zu  Liebenstein  ist  gemeinschaftlich,  giebt  jedem  Hause 
(d.  h.  dem  Unter-  imd  Oberhause)  einen  gewissen  Zins. 

Die  Schenkstatt  bringt  jährlich  20  fl.  Pachtzins. 

Erbzinse  incl.  Geschoss:  a)  zu  Liebenstein:  5  fl.  6  gr.  4  pf.,  12 
Fastnachts-,  9  Michelshühner,  1  Gans,  7«  Metze  Mohn,  47*  Mass  Hafer. 
Die  kleinen  Häuser  geben  jedes  4  Gänse  t)der  1  Bthlr.  Geld  dafiir. 
b)  zu  Frankenhein:  19  fl.  7  gr.  5  pf.,  87*  Mass  Hafer,  17  Fastnachts- 
hühner, 5  Gänse,  2  Schock  Eier  der  Wirth.  c)  zu  Eippersroda:  16  fl. 
10  Sgr.  1  pf.,  27*  Mass  Hafer,  11  Fastnachts-,  2  Michelshühner,  d)  zu 
Kettmannshausen:  20  fl.,  15  7»  Michels-,  4  Fastnachtshühner,  1  gemästete 
Gans  ein  Jahr  ums  andere. 

Auswärtige  Erbzinse:  a)  Gera:  15  gr.  1  pf.  b)  Angelroda:  1  fette 
Gans;  im  Erbbuche  von  1553  stehen  auch  4  SchiUmge.  c)  Haue:  1  gr. 
4  pf.  und  Vi  Hafer,  d)  Bockhausen:  2  gr.  8  pf.  von  einem  Freigut 
daselbst,  jetzo  imgangbar.  e)  Böhrensee :  1  fl.  1  gr.  8  pf.  f )  Geschwende : 
17»  Viertel  Hafer,  1  Michelshuhn,  g)  Gräfenroda:  4  Gänse,  h)  Arn- 
stadt: Diese  Erbzinse  hat  allezeit  der  älteste  von  Witzleben  auf  dem 
Hause  Liebenstein  zu  erheben,  fallen  nunmehro  Adam  Wolffen  von  Witz- 
leben zu,  sind  jetzo  ungangbar.  — 

Nach  Georg  Melchiors  von  Witzleben  Tode,  1672,  wurde,  da  dessen 
fünf  Söhne  den  Liebenstein  verlassen  und  sich  in  verscliiedener  Herren 
Dienste  begeben  hatten,  nichts  mehr  zur  Listandhaltung  des  ünter- 
schlosses  gethan,  so  dass  es  schnell  in  Verfall  gerieth*),  während  das 
neuere  Oberschloss  von  seinen  2  Besitzern  in  bewohnbarem  Zustande  er- 
halten wurde.  Der  Umstand,  dass  im  ganzen  sechs  Personen  Besitzer 
von  Liebenstein  waren,  musste  naturgemäss  mancherlei  Verwirrung  in 
der  Verwaltung  der  Güter  herbeiführen,  deren  Folge  schliesslich  Ver- 
äusserungen  der  einzelnen  Theile  waren.  Zuerst  traf  dies  Schicksal 
Kettmannshausen  und  Klein -Breitenbach,  welche  zusammen  mit  den 
Schwarzburgischen   Lehngütem  Gräfinau,    Bücheloh  und  Geilsdorf  laut 


*)  Als  1688  Kurt  Veit  von  Witzleben,  der  in  Dänischen  Diensten  war,  seinen 
Antheil  an  der  Hälfte  von  Liebenstein  (d.  i.  V»  des  ganzen)  seinem  Bruder  Johann 
Adam  für  3500  Bthlr.  anbot,  woUte  letzterer  nur  3200  Rthhr.  geben,  weil  ^die  Aecker 
wüste  lägen,  das  Haus  auf  dem  EinfaUe  stände**.  Brief  Johann  Georgs  von  Wangen- 
heim an  Kurt  Veit  von  Witzleben,  d.  d.  Tüngeder,  den  7.  Dec.  1688,  im  Arch.  zu  Hude. 


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—     240     — 

Kaufcontracts  vom  17.  Jan.  1689  durch  Friedrich  Wilhelm  von  Witzleben*) 
an  seinen  Schwager,  den  Sachs.  Goth.  wirkl.  Geh.  Bath  imd  Ober- 
Steuerdirector  Johann  Georg  von  Wangenheim,  verkauft  wurden.  Da 
Klein -Breitenbach  nicht  gleich  tradirt  werden  konnte,  (wahrscheinlich 
weil  der  lehnsherrliche  Consens  noch  fehlte),  so  behielt  der  Herr  von 
Wangenheim  für  dieses  Dorf  vorläufig  1500  fl.  an  der  Kaufsumme 
(36,000  fl.)  zurück;  doch  wurde  der  Handel  denmächst  in  Ordnung  ge- 
bracht. Johann  Georg  vererbte  die  Güter  auf  seinen  Sohn,  nach  dessen 
am  29.  Jan.  1705  erfolgten  Tode  Kettmannshausen  von  Sachsen -Gotha, 
Klein- Breitenbach  von  Schwarzburg -Sondershausen  als  erledigtes  Lehn 
eingezogen  wurde.  Ersteres  war  1720  im  Besitz  des  Gotha'schen  Kanzlers 
Bachoflf  von  Echt,  dessen  Nachkommen  es  noch  1760  gehörte**),  letzteres 
wurde  zwar  1711  wieder  an  Friedrich  Wilhelm  von  Witzleben  verliehen, 
von  diesem  aber  verschiedentlich  auf  Wiederkauf,  von  seinem  Sohn  Albert 
Friedrich  endlich  1727  durch  Erbkauf  alienirt  und  gehörte  1760  eben- 
feUs  denen  BachoflF  von  Echt. 

Die  Antheile  seiner  drei  Brüder  an  der  zum  ünterhause  gehörenden 
Hälfte  von  Liebenstein,  Bippersroda  und  Frankenhain  hatte  um  das 
Jahr  1690  Johann  Adam  von  Witzleben  erworben,  der  sich  aber  bald 
genöthigt  sah,  seinen  Theil  an  Frankenhain  an  den  Sachs.  (Joth.  Geh. 
Bath  von  Fischer  (der  auch  Y^  Gräfenroda  inne  hatte),  zu  versetzen. 
Johann  Adam  starb  1713  und  hinterliess  drei  Söhne.  Die  Antheile  von 
zweien  derselben  erwarben  die  Vettern  auf  dem  Oberhause,  welche  sich 
dann  in  ihren  Besitz  getheilt  zu  haben  scheinen,  wie  einst  vor  circa 
100  Jahren  ihre  Vorfahren.***)  Der  dritte  Sohn,  Adam  Heinrich,  ver- 
kaufte dagegen  seinen  6.  Theil  des  Bitterguts  Liebenstein  mit  lehns- 
herrlichem Consens  an  einen  Herrn  von  Beck,  den  Nachfolger  des 
obenerwähnten  Herrn  von  Fischer  im  Besitz  eines  Theils  von  Franken- 
hain.  Letzteres  Dorf  wurde  nun  derart  getheilt,  dass  der  Herr  von  Beck 


*)  Dieser  hatte  in  den  Jahren  1689—91  sammtliche  Antheile  seiner  drei  Bruder 
and  zwei  Vettern  an  Grafinau,  Bücheloh  nnd  Geilsdorf,  sowie  an  Kettmannshausen  und 
Klein-Breitenbach  für  12,137  Thaler  12.  gr.  an  sich  gekauft. 
**)  Brückner,  G.  K.  u.  Seh.  St.  IIl.  8.  p.  84. 

***)  Auf  den  26.  Februar  1715  wurden  zum  Landtage  nach  Gotha  beschieden 
Johann  Adam  von  Witzleben  des  Oberhauses  zu  Liebenstein  und  Adam  Friedrich  des 
Unterhauses  zu  Liebenstein,  s.  Budolphi  Gotha  Dipl.  IL  p.  210.  Beide  waren 
Brüder.  Die  Alte  und  Neue  Thür.  Chron.  vom  Jahre  1725  sagt  p.  251,  Liebenstein 
sei  „ein  Dorf  mit  einem  Berghause  und  zweien  Bittersitzen  derer  Herren  von  Witzleben *•. 


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—     241     — 

ausser  dem  Freigute  auch  die  Hälfte  des  Oii;s  mit  allen  zu  ihr  gehörenden 
Gerechtigkeiten,  wie  auch  den  Erb-  und  Ober- Gerichten  bekam,  die 
andere  Hälfte  bei  dem  Liebensteiner  Hause  blieb.  Dieser  Herr  von  Beck 
aber  überliess,  weil  er  allzuweit  entfernt  und  die  Verwaltung  der  Güter 
ihm  zu  beschwerlich  war,  überdies  durch  die  Unachtsamkeit  der  Ver- 
walter vieles  verwüstet  wurde,  seinen  sechsten  Theü  der  gesammten 
Witzleben'schen  Gerichte  bald  wieder,  1733,  an  den  Fürstl.  Ostfries- 
ländischen  HoQunker  Traugott  Friedrich  Erdmann  von  Köckeritz,  welcher 
darauf  nach  Frankenhain  zog  und  13  Jahre  lang  Gerichtsherr  von  der 
Hälfte  dieses  Ortes  war.  Anno  1746  erstand  der  Herzogl.  Würtem- 
bergische  Etatsminister  und  Erb -Oberstallmeister  Heinrich  Günther 
Reinhard  von  Eöder  zu  Geschwende*)  die  Witzlebenschen  Liebensteiner 
Güter,  und  weil  er  dieselben  gern  wieder  zusammen  haben  wollte,  so 
wurde  der  Ho^unker  von  Köckeritz  dahin  vermocht,  dass  er  demselben 
seinen  6.  Antheil  auch  überUess.**) 

Ueber  den  Verkauf  von  Liebenstein  an  den  Herrn  von  Köder  fehlen 
leider  die  genaueren  Nachrichten.  Brückner,  G.  K.  u.  Seh.  St  H.  5. 
p.  65,  sagt  in  dem  Artikel  Liebenstein:  „Rittersitz  derer  von  Witzleben, 
stehet  aber  seit  1746  denen  Herren  Röder  von  Geschwende  zu.**  Der 
Käufer  war  der  Bruder  der  Mutter  des  Verkäufers  Johann  Christian 
Ludwig  von  Witzleben  (s.  Stammtafel  I.  14),  dessen  Kinder  nach  dem 
Liebensteiner  Kirchenbuche  auch  nach  1746  in  Liebenstein  geboren 
sind;  es  muss  demnach  das  Oberschloss,  vielleicht  mit  einem  Theile 
des  Gutes,  von  dem  Verkaufe  ausgeschlossen  gewesen  sein.  Der  Herr 
von  Röder  baute  sich  ein  neues  Schloss  imten  im  Dorfe  und  starb  1765. 
Von  Albertine  Charlotte  verwittweten  von  Röder,  f  1786,  heisst  es  im 
Liebensteinor  Kirchenbuche,  dass  sie  Liebenstein,  Rippersroda  und  Franken- 
hain 24  Jahre  eigenthümlich  besessen.  Nach  1786  ist  wieder  Johann 
Ernst  Ludwig  von  Witzleben,  der  Sohn  des  Verkäufers  von  1746,  Erb-, 
Lehn-  und  Gerichtsherr  von  Liebenstein.  Als  solcher  kaufte  er  am  3.  Sept. 
1789  von  den  Erben  der  Geh.  Räthin  von  Röder  fiir  6000  Thlr.  das  zu 
Frankenhain  gelegene  sogenannte  Köckeritzsche  Ritter-,  Mann-  und  Erb- 
Lehngut. 

Am  2.  Febr.  1820  starb  Emil  von  Witzleben  ohne  männliche  Erben 
und  Liebenstein,  Rippersroda  und  Frankenhain  fielen  als  erledigtes  Lehn 

*)  Bekannt  durch  die  Verhaftung  des  Juden  Süss.   s.  Vehse,  Würtemb.  III.  p.  197. 
♦♦)  Brückner.  G.  K.  u.  Seh.  St.  II.  11.  p.  72. 


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—     242     — 

an  Sachsen-Öotha  heim.  Der  Herzog  August  zu  Gk)tha  und  Altenburg 
verlieh  die  Güter  seinem  Günstling,  dem  Oberschenken  Julius  von 
Wangenheim,  welcher  sie  aber  bald  wieder  an  den  Sachs.  Goth.  Ober- 
hofinarschall  Grafen  von  Salisch  veräusserte.  Von  diesem  kaufte  sie  die 
herzogliche  Kanmier  nach  dem  Jahre  1821  zurück,  worauf  Herzog  Ernst 
zu  Sachsen- Coburg- Gotha  das  Schloss  Liebenstein  zum  Sitze  des  neu- 
eingerichteten Justizamtes  Liebenstein  machte,  welchem  die  ehemals 
Witzleben'schen  Gerichte  zu  Liebenstein  und  Elgersburg  incorporirt 
wurden*).  An  den  Buinen  der  Burg  Liebenstein  erinnert  nur  noch  ein 
Stein  über  einem  Fenster  der  Nordwand  der  Kemnate,  hart  am  Thurm, 
an  unser  Geschlecht:  er  fahrt  die  Inschrift  E  •  V  •  W  •  1566.  A  •  V  •  W  • 
und  unter  den  Buchstaben  zwei  Schilde  mit  den  Sparren  und  war  von 
Anna  von  Witzleben  zum  Gedächtniss  an  ihren  am  23.  Jimi  1563  ver- 
storbenen Gemahl  Ernst  von  Witzleben  (s.  S.  256)  gestiftet. 

Im  Jahre  1729  waren  im  Dorfe  Liebenstein  zwei  Kirchen  vorhanden. 
„Die  obere,  welche  am  äussersten  Ende  des  Dorfes  gelegen,  ist  nunmehr 
ganz  eingegangen  und  derer  Herren  von  Witzleben  Begräbniss.  Es  ist 
aber  nichts  mehr  davon  übrig  als  etwas  eingefallenes  Mauerwerk.**)  In 
des  Thurmes  Mauer  sind  die  Worte  in  Stein  gehauen:  Anno  Dni. 
M.  CCCC.  XLIX.  in  die  Johan.  nebst  einem  Menschenkopf,  der  sich  auch 
in  der  neuen  Kirche  und  am  Schlosse  öfters  findet  und  wahrscheinlich 
das  Haupt  Johannis  des  Täufers,  des  Schutzpatrons,  sein  soll.  In  der 
untern  Kirche,  welche  unten  im  Dorf  am  Berge  lieget,  stehet  aussen 
die  Jahrzahl  Anno  Dni.  M.  CCCC.  XXXV.  nebst  einer  etwas  unleserlichen 
Schrift,  die  nur  soviel  bemerket,  dass  eine  geb.  von  Planitz  und  Herrn 
Hansens  von  Witzleben  Gemahlin  solche  veranlasset  und  zwei  betagte 
Witzleben' sehe  Fräulein  solche  haben  bauen  lassen."***) 


*)  F.  H.  A.  von  Wangenheim,  Beiträge  zu  einer  Fara.-Gesch.  der  Freiherren 
von  Wangenheim,  Göttingen  1874.  p.  641  u.  1048. 

**)  Schon  im  Visitations-Protokoll  vom  Jahre  1589  heisst  es:  „Die  zu  Liebenstein 
haben  eine  wüste  Kirche,  darin  man  teufet  und  Beicht  sitzt,  haben  auch  die  von  Adel 
ihr  Begräbniss  darinnen,  hat  böse  Dachung  und  siebet  darinnen,  wie  in  einen  Saustall, 
haben  hiebevor  in  allen  Visitationibus  zugesagt,  sie  in  baulichen  Wesen  zu  halten, 
wird  aber  nichts  draus.*     Brückner,  G.  K.  u.  Seh.  St.  II.  5.  p.  70. 

**♦)  Brückner,  1.  c.  II.  5.  p.  68.  —  Gleichenstein,  Bürgel,  p.  163.  —  Ein 
Hans  von  Witzleben  der  Liebensteiner  Linie  ist  uns  urkundlich  noch  nicht  vorge- 
kommen. Gleichenstein,  von  dem  die  Nachricht  in  Brückner  übergegangen,  war  ein 
äusserst  flüchtiger  Arbeiter. 


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—     243     — 

Die  obere  Kirche  war  1690,  die  untere  am  30.  Juli  1733  durch 
Brand  zerstört.  Letztere  wurde  zwar  wieder  hergestellt,  doch  musste 
endlich  in  diesem  Jahrhundert  zu  einem  Neubau  geschritten  werden. 
Der  Herzog  von  Sachsen- Coburg- Gotha  liess  1841  eine  schöne  Kirche 
in  byzantinischem  Stile  erbauen  und  in  dieselbe  die  noch  vorhandenen 
Denksteine  aus  der  alten  versetzen.  So  sind  späteren  Zeiten  erhalten  ein 
Epitaphium  mit  dem  Witzleben'schen  und  einem  andern  (Schlotheim'schen?) 
Wappen  und  ein  Stein,  von  dessen  Inschrift  sich  nur  noch  die  Worte 

lesen  lassen:  Anno  dni  M.  CCCC.  XXXV.   in  vma  (?) miHte 

dno  henrico  de  wiczeleybin ,  der  damit  aber  die  Erinnerung 

erhält  an  den  Bitter  Heinrich  von  Witzleben,  den  ersten  Liebensteiner. 

Auf  dem  an  den  jetzigen  Pfarrhof  grenzenden  Friedhof  erhebt  sich 
3 — 4  Fuss  hoch  ein  etwa  10  Schritt  im  Quadrat  einnehmender,  mit 
Basen  bedeckter  Hügel,  welcher  drei  Grabdenkmäler  trägt:  zwei  einfache 
Postamente  und  zwischen  ihnen,  sie  überragend,  die  gebrochene  Säule 
Emils  von  Witzleben,  des  Letzten  dieses  Hauses. 

c.  Heinrichs  Yon  Witzleben  Söhne  und  Enkel. 

1453  —  1513. 

Des  Bitters  Heinrich  von  Witzleben  drei  Söhne  Friedrich,  Klaus 
und  Konrad  (Kurt)  werden  zuerst  genannt  in  der  Urkunde  von  1453, 
in  welcher  ihrem  Vater  und  ihnen  erlaubt  wird,  20  Gulden  jährlicher 
Beute  auf  dem  grossen  Hofe  zu  Molsdorf  an  Heinrich  Paradies  zu  ver- 
pfänden. Am  Sonntage  Oculi  1456  verkauften  sie  dem  Grafen  Heinrich 
zu  Schwarzburg  ihr  Dorf  Breitenbach  für  400  Bh.  Gulden  auf  Wieder- 
kauf, ihr  Vorwerk  zu  Plane  aber  mit  allen  Zugehörungen  erb-  und 
eigenthümUch. 

Friedrich  starb  am  30.  Sept.  (Sonntag  nach  Michaelis)  1463;  zu 
seinem  Gedächtniss  wurde  in  der  Liebfrauenkirche  zu  Arnstadt  der  S.  7 
oben  abgebildete  Todtenschild  aufgehängt.*) 

Klaus  finden  wir  1460  in  der  Fehde,  in  weche  Graf  Wilhelm  von 
Henneberg  des  Stifts  Würzburg  wegen  mit  dem  Markgrafen  Albrecht 
von  Brandenburg  gerathen  war,  auf  Hennebergischer  Seite.  Nachdem 
Graf  Wilhelm  f&r  sich  und  seine  Helfer  und  um  seinetwillen  auch  viele 
seiner  Junker,  darunter  Klaus  von  Witzleben,  am  Montage  nach  Exaudi 


*)  S.  6  unten  beschrieben,  wo  aber  das  Datum  falsch  angegeben  ist. 

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—     244     — 

an  Markgraf  Albrecht  Absagebriefe  gesandt  hatten,  zogen  sie  zu  Felde 
und  lagerten  sich  um  Britsatt,  der  Markgraf  aber  um  Kitzingen;  und 
ward  ein  böser  Krieg  daraus,  womit  viel  andere  Fürsten,  Herren  und 
Städte  zu  schaffen  bekamen,  ehe  diese  Uneinigkeit  zu  Nürnberg  am 
Freitag  nach  Maria  Heimsuchung  beigelegt  ward.  Jedoch  hatte  der 
Vertrag  keinen  Bestand,  vielmehr  wuchsen  die  Parteien  1461  so  feindlich 
wie  zuvor  in  einander.*) 

Nach  dieser  Zeit  muss  Klaus  sowohl  als  sein  Bruder  Konrad  in 
kaiserlichen  Diensten  gewesen  sein,  wie  aus  der  Verleihung  und  dem  In- 
halt des  ihnen  am  23.  Mai  1470  vom  Kaiser  Friedrich  IH.  ertheilten 
Wappenbriefes  hervorgeht.**)  Klaus  bezog,  während  Friedrichs  Sohn 
Georg  und   vorläufig  auch  Konrad  auf  dem  Liebenstein   blieben,    den 


*)  Spangenberg,  Henneb.  Chronik,  p.  425. 
**)  Dies  für  die  Kunde  unseres  Wappens  äusserst  wichtige  Diplom,  auf  welches  wir 
S.  8,  11  und  15  schon   hingewiesen  haben,  lautet  nach  der  durch  Moder  stark  zer- 
fressenen,  offenbar   nicht  genau   gefertigten,   alten  Copie  des  Archivs  zu  Rossleben 
folgendermassen: 

„Wir  Friedrich  von  Gottes  Gnaden,  Römischer  Kaiser,  zu  allen  Zeiten 
mehrer  der  Reiche  zu  Ungarn,  Dalmatien,  Croatien  etc.  Herzogk  zu  Oesterreich, 

zu  Steiermark,  zu und  zu  Krain,  Herr  auf  der  wendischen  Mark,  zu 

Paltenair  Graf,  zu  Habessbu  . .  zu  Tyrol  zu  Pfitzet,  undt  zu  Kiebnrgk,  Graf 
zu  Burgaw  undt  Landgraf  bekennen  nndt  thun  Kundt  öffentlich  mit  diesem 
Briefe,  allen  die  ihn  sehen  undt  hören  lesen,  dass  unss  unser  undt  des' Reichs 
liebe  getreue  Ol  au  SS  undt  Conradt  gebrüdere  von  Witz  leben  fürbringen 

haben  lassen, Altvatter  diese  nachgeschrieben  Wappen  und  Kleinodt, 

Mit  nahmen  ein  schildt  ausgetheilet  in  Vier  sparren  obeinander  stehendt  mit 
Ihren  Scherfen  unter  Sich  gekehrt,  verwechselt  in  rodt  undt  weisse  färben,  die 
untere  Roth  undt  Oebere  weiss,  undt  auf  dem  Schilde  einen  gekrönten  Turnier 
heim,  mit  einer  gelben  oder  goldfarben  Krohne  undt  einer  Roth  undt  weissen 
Helmdecken  gezieret,  entspringende  aus  derselben  Krone  ein  Geyer,  dessen  Federn 
seiner  Natürlichen  färbe,  mit  Seinen  fördertheil  biss  an  die  Brust,  gelben  schna- 
bell,  äugen  undt  Ohren  habende,  vmb  Seinen  halss  einen  gelben  ringk  undt 
nachmals  mit  etzlichen  ihren  Freunden,  auch  ihres  geschlechts  undt  Nahmen 
von  Witzleben  auf  dem  Helme  des  vermelten  Schildes  auf  einen  weissen  über- 
stülpen Hute  Zwo  aufgerichte  Riessenstangen,  an  der  Stime  derselben  Stan- 
gen voll  Seebletter,  nach  der  lenge  ob  undt  oben  mit  rothen  undt  weissen 
Frantzen  gehabt,  geführt  undt  gebraucht  haben,  wann  Sie  aber  in  begierde 
undt  willen  wehren,  den  obgenannten  ihren  Altvatter  nachzufolgen  undt  sich 
der  Zugebrauchen,  haben  Sie  uns  demüthiglich  anrufen  und  bitten  lassen.  Ihn 
derselben  Wappen  undt  Kleinodt,  Zusambt  Ihren  Altvatter  gebrauchen,  die  hin 
für  auch  zu  haben  Zuführen  undt  Zugebrauchen  gnadiglich  Zuvergönnen,  Zuver- 

wiUigen  undt  Zuvemeuem;  Als  haben  w sehen  Ihr  demüthig  ziemlich 

bitten  ....  undt  fleissige  Dienste,  So  Sie  vorgenante  Claus  undt  Conradt 


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—     245     — 

Bittersitz  zu  Gräfinau  und  starb  vor  Pfingsten  1477  mit  Hinterlassung 
eines  Sohnes  Christoph,  welcher  ihm  schon  in  der  ersten  Hälfte  des 
Jahres  1483  folgte,  und  einer  Wittwe,  Ursula  geb.  von  Streitberg,  welche 
im  Todesjahr  ihres  Gemahls,  vielleicht  zu  dessen  Begräbniss,  dem  Kloster 
Paulinzelle  30  rhein.  Gulden  verschrieb.  Wegen  ihres  Leibgedinges  und 
Wittwensitzes  auf  dem  Schlosse  Gräfinau  verglich  sich  ihr  Vater,  Moritz 
von  Streitberg,  1478  mit  Konrad  von  Witzleben,  welcher  nach  Gräfinau 
übergesiedelt  war  und  seine  Schwägerin  aus  dem  Schlosse  „gelassen", 
d.  h.  gewiesen  hatte.  Von  ihrem  Sohne  Christoph  ist  ausser  in  den 
Lehnbriefen  von  1478  u.  1483  nirgends  die  Bede.  Im  Com.  Archiv  zu 
Weimar,  Wittenb.  Beg.  Ss.  p.  834,  befindet  sich  die  Notiz,  dass  im  Jahre 
1483  zwischen  Ernst  v.  S.  und  dem  Bischof  von  Bamberg  Briefe  ge- 

von  Witzleben vor    dem  nnss  nndt   nnsern  Vorfahren  .  .  .  Reich 

Bdmiscben  Kaysem  nndt  Königen  ...  her  offt  und  viel  gethan  haben,  Sie  .  .  . 
thnn  nndt  hinführe  wohl  thnn  sollen  nndt  mögen,  Undt  haben  darnmb  mit 
wohlbedachtem  mnthe,  gnten  Rathe  nndt  rechten  wissen  den  vorgenannten 
gebrüdem  von  Witzleben  nndt  ihren  ehelichen  leibes  Erben,  für  nndt  für,  die 
obgemelten  Wappen  und  Kleinodten,  Znsambt  ihr  altvätter  gebrauch,  die  hin- 
führo  auch  zn  haben,  Zuführen  nndt  zn  gebrauchen,  Vergünst-  undt  Verwilliget, 
die  Obgemeldte  Wappen  undt  Kleinodten,  und  darzu  gebesserter  Zierunge  des- 
selben Wappen  undt  Kleinodt  auf  dem  Helme,  aus  der  Krohne  undt  umb  den 
Geyer  aufgereckt  fünf  renne  fehnlein,  mit  rothen  stangen  undt  getheilten  fahnen, 
das  förder  Roth  und  das  hinter  an  der  Rothen  Stangen  weiss^  von  Nevest  undt 
sondern  gnaden  gegeben  und  Verliehen,  Alss  dann  dieselben  Wappen  undt 
Kleinodt,  In  dem  Schilde  undt  auf  dem  Helme  in  der  mitte  des  gegenwertigen 
Unsers  Keyserlichen  Briefes  gemahlet  undt  mit  färbe  eigentlich  ausgestrichen 
seint,  Vorgünstigen,  Vorwilligen,  Vorgeben  ihn  solches  Alles  und  jedes,  so  Viel 
Sie  bishero  daran  mangell  gebrauch  oder  Versehunge  gehabt  hatten 

(folgte  das  Wappen) 
von  Neuest  undt  sondern  genaden,  von  Römischer  Keyserliche  Macht  Vollkommen- 
heit, wissentliche  in  Kraft  dieses  Briefes,  undt  meinen  seczen  undt  wollen  hier- 
mit von  derselben  unser  Keyserlichen  Macht,  das  Sie  und  Ihre  Eheliche  Leibes 
Erben,  für  undt  für,  dieselben  Wappen  undt  Kleinodt  mit  fürbass  haben,  die 
führen  und  sich  der  in  aUen  und  jeglichen.  Ehrlichen,  Redlichen  undt  Ritter- 
lichen Sachen  und  geschäften,  zu  Schimpf  undt  zu  Ernst,  in  Streite,  Tumier, 
Bannire,  fechten,  gezelte,  gastochen  Insigcln,  Pitschafften,  Kleinodin,  begreb- 
nüsse  aufgeschlagen,  undt  sonsten  an  allen  Enden  nach  ihren  Nothdurffcn  undt 

Wohlgefallen  ge undt  geniessen  sollen  und  mögen  d  .  .  .  ander  unser 

des  Reichs  Tumier  .  .  .  .  pens  genossen,  undt  Ritterliche  leute  Wappen  undt 

Kleinodt  gebrauchen  un sen  vor  Recht,  oder  Gewohnheit,  Von 

niglichen  ungehindert,  undt  wir  geh umb  Allen  und  Jglichen,  Fürsten, 

G undt  weltliche,  Prälaten,  Grafen Rittere,  Knechte,  Haubt- 

leuthe,  Amptleute,  Voigte,  Pfleger,  Vorwesser,  Bürgermeistere,  Richtere,  Räthe, 

18* 


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—     246     — 

wechselt  waren  wegen  des  durch  Ursula  von  Witzleben,  Wittib,  und  ihre 
Vettern,  die  Streitberge,  gefangen  genommenen  und  nach  Greifenstein 
geführten  Hans  von  Harras.  Hatte  dieser  etwa  ihren  Sohn  erschlagen? 
Ursula  starb  1490,  und  am  23.  Febr.  des  folgenden  Jahres  bat 
Kurt  von  Witzleben  zu  Gräfinau  den  Grafen  Günther  zu  Schwarzburg, 
Gabriel  und  Asmus  von  Streitberg  anzuhalten,  dass  sie  ihm  und  seinem 
Vetter  das  seiner  Schwägerin,  etwan  Ursula  von  Witzleben  geb.  von 
Streitberg,  ihrer  Schwester,  an  den  Gütern  Klausens  von  Witzleben  Gottes 
seligen,  seines  Bruders,  verteidingte  Heiratsgut,  Gegengeld,  Morgengabe, 
fahrende  Habe  u.  s.  w.  verabfolgen  Hessen,  da  sie  daran  kein  Eecht 
hätten.*) 

Kunst  der  Wappen  erbalten  pertinente  Bürger  nndt  Gemeinden  und  sonst  allen 
andern  ansern  ond  des  Beichs  unterthanen  nnd  getreuen,  sem  wes  Ehren  würden, 
Standes  oder  wesens  ....  Von  obgemelter  Keyserlicher  Macht,  Ernstlich  undt 
festiglich  mit  diesem  Briefe,  dass  Sie  die  Ehgenannten  Claus  undtConradt 
gebrüdere  von  Witzleben,  undt  Ihr  jeden  leibes  eheliche  Erben  undt  der- 
selben Erbens  Erben,  für  undt  für  an  dieser  vorgemelten  unser  Vergünstigung, 
Zierung,  Verwilligung  undt  Neuen  gaben  der  Wappen,  auch  diesen  unsem 
Genaden ,  darmit  wir  Sie  also  begäbet  haben,  nicht  hindern  noch  Irren,  In  deiner 
Weisse,  sondern  Sie  der  wie  yor  genüglichen  gebrauchen  geniessen  nndt  ganz- 
lich dabei  bleiben  lassen,  Als  lieb  ihn  allen  undt  einem  Jglichen  sey  Vnser  undt 
des  Beichs  schwere  ungenade,  undt  darzu  eine  Poen  nemblich  Viertzigk  Mark 
löthiges  goldcs  Zuvermeiden,  die  ein  jeder  also  oft  undt  viel  Er  freventlich  dar- 
wider  thete,  halb  in  unser  undt  des  Beichs  Cammer,  und  den  andern  halben 
theil  den  ehgenannten  von  Witzleben  gebrüdem  undt  ihren  ehelichen  Leibes 
Erben  für  undt  für  unablesslich  zu  bezahlen  vorfallen  sein  soll,  mit  Vhr-Kundt 
Dieses  Briefes,  besigelt  mit  Vnser  KeyserL  Majst.  Anhangenden  Insigel,  Geben 
zu  Volckemarkt,  am  Mittwoch  vor  Sanct  Vrbans  tage.  Nach  Christi  geburth, 

Vierzehn  Hundert  und  im  Siebenzigsten,  Vnserer  Beiche  des  Bömischen 

und  dreissigsten ,  des  Eeyserthums  Neun  Zehnten  undt  des  Hungarischen  im 
zwölften  Jahre." 
Paul  Jovius  (t  1633  als  Bector  in  Ebeleben)  giebt  in  seinem  Chron.  Schwarzb. 
(Schöettg.  et  Kreysig,  Dipl  et  Script,  bist.  germ.  med.  aevi,  Altenb.  1753.  p.  550) 
einen  Auszug  aus  diesem  Wappenbriefe,  woraus  zu  schliessen,  dass  sich  das  Original 
wohl  in  irgend  einem  der  Schwarzburgischen  Archive  befunden  hat  und  vieUeicht 
noch  befindet. 

Es  ist  in  diesem  Wappenbriefe  immer  nur  die  Bede  von  den  zwei  Brüdern  Elans 
und  Eonrad  von  Witzleben  und  ihren  ehelichen  Leib  es  erben.  Eonrad  hatte  gar 
keine  Söhne,  Elaus*  Sohn  Christoph  starb  bereits  1483,  ebenfalls  erblos.  Wie  nun  das 
Becht,  jenes  vom  Eaiser  vermehrte  Wappen  zu  führen,  auf  die  Lehns erben,  d.  h. 
Friedrichs  von  Witzleben  Nachkommen,  überkommen  ist,  darüber  fehlen  die  Nach- 
richten. 

*)  Orig.  dieses  Briefes  mit  gut  erhaltenem,  doch  undeutlichem  Siegel  im  Geh. 
St.  Arch.  zu  Weimar. 


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Konrad  von  Witzleben,  der  1453  schon  vorkommt,  starb  um  das 
Jahr  1513.  Den  Stamm  pflanzte  Friedrichs  Sohn,  Georg  von  Witz- 
leben zum  Liebenstein,  fort,  welcher  am  28.  Juli  1478  vom  Herzog 
Wühelm  zu  Sachsen  mit  Liebenstein  belehnt  wurde,  1498  seiner  ehe- 
lichen Hausfrau  Margarethe  das  Dorf  Breitenbach  zum  Leibgedinge 
aussetzte  und  in  der  ersten  Hälfte  des  Jahres  1506  starb. 

d.    Oeorgs  Söhne,  deren  Gütertheilnng  nnd 
der  Ast  zu  Oraflnan. 

1506—1614 

Am  27.  Juli  1506  wurden  Friedrich,  Wolfgang,  Wilbalt,  Georg, 
Christoph  und  Konrad  von  Witzleben,  Gebrüder  zum  Liebenstein,  Georgs 
sei.  Söhne,  und  von  ihrer  fleissigen  Bitte  wegen  mit  ihnen  Konrad  von 
Witzleben,  ihr  Vetter,  von  Kursachsen  mit  Liebenstein  belehnt;  Wilbalt 
und  Georg  waren  nicht  einheimisch,  Konrad  noch  nicht  mündig.  Wilbalt 
war  früher  des  Herzogs  Albrecht  zu  Sachsen  Jimge,  d.  i.  Edelknabe  oder 
Page,  gewesen,  nach  dessen  Tode  aber,  1500,  entlassen  worden.  Im 
Jahre  1509  verkauften  die  Gebrüder  von  Witzleben  von  ihren  Henne- 
bei^chen  Lehen  das  Dorf  Boda  und  den  Grund  zu  Reichenbach,  mi- 
weit  Ilmenau  gelegen,  mit  den  obem  und  niedem  Gerichten  an  den 
Grafen  Wühelm  von  Henneberg  für  1300  Gulden.*) 

Nach  Friederichs  Tode,  1522,  übte  Georg  von  Witzleben  die 
lehnsherrlichen  Rechte  aus.  Auf  seine  Präsentation  wurde  von  dem 
Probste  des  Erfurter  Marienstiftes  der  Presbyter  Peter  Itiges  am  29.  Juli 
1523  als  Vicar  des  Altars  des  heil.  Matemus  in  der  Hospitalkirche 
S.  Georgü  zu  Arnstadt  und  am  19.  März  1526  in  die  durch  das  Ableben 
des  Priesters  Christoph  von  Witzleben  erledigte  Vicarie  St.  Livinii  in 
der  Parochialkirche  ü.  L.  Frauen  ebendaselbst  eingeführt,     (cf.  S.  82.) 

Die  Witzlebenschen  Kirchenlehne  erstreckten  sich  sogar  bis  Erfurt. 
Am  22.  Sept.  1527  beliehen  Georg,    Christoph   und  Konrad  Gebrüder 
von  Witzleben  den  obengenannten  Pater  Itiges,  Vicar  in  ü.  L.  Fr.  Kirche  . 
zu  Arnstadt,  mit  dem  Lehn  und  Altar  der  heiligen  drei  Könige  in  der 
St.  Pauls-Kirche  zu  Erfurt. 

Die  Reibereien  unseres  Geschlechts  mit  den  Grafen  zu  Schwarzburg, 
worüber  schon  in  dem  als  Beüage  zu  diesem  Theü  unserer  Geschichte 

*)  Schult 68,  Dipl.  Gesch.  des  grafl.  H.  Henneb.  U.  p.  143. 

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gedruckten  Abschnitt  über  Christoph  von  Witzleben  und  Balthasar  von 
Denstedt  manches  angeführt  ist,  andere  ergreifendere  Scenen  in  dem  Ab- 
schnitt über  die  Linie  zu  Marlishausen  werden  erzählt  werden,  begannen 
bereits  um  diese  Zeit.  Von  Kursachsen  und  Henneberg  trugen  die  von 
Witzleben  zum  Liebenstein  das  Dorf  Schmerfeld  mit  Gerichten  über  Hals 
imd  Hand  in  Feldern  und  dem  Dorfe  zu  Lehn.  Es  besass  aber  auch 
Graf  Günther  zu  Schwarzburg  darin  ein  Gut,  imd  drei  Männer,  nämlich 
Kunz  Schlehendorn,  Klaus  Herten  und  Kurt  Widekind,  waren  ihm  zins- 
bar. Die  von  Witzleben  beanspruchten  natürlich  auf  Grund  ihrer  Lehn- 
briefe auch  über  diese  Männer  die  niedern  und  obem  Gerichte,  Frohn- 
dienste,  Folge  u.  s.  w.,  was  Graf  Günther  nicht  zugestehen  wollte.  Da 
sich  desshalb  zwischen  ihnen  „seit  langer  Zeit  Gebrechen  erhalten  und 
unvertragen  gestanden  hatten",  wobei  Schwarzburg  gleich  in  der  üblichen 
Weise  mit  Pfändung  der  Witzlebenschen  Schafe  vorging,  legten  sich 
endlich  die  Lehnsherren  ins  Mittel  und  Hessen  die  Sache  durch  eine 
Commission  berathen  und  schlichten.  Kurförst  Johann  zu  Sachsen  ver- 
ordnete seinen  Amtmann  zur  Leuchtenburg  und  Orlamünde,  Dr.  Johann 
Reinboten,  und  Graf  Wilhelm  von  Henneberg  seinen  Amtmann  zu  Kalten- 
northeim,  Tham  von  Herda,  zu  Conmiissarien ,  denen  Graf  Günther  zu 
Schwarzburg  seine  Räthe  Sigmund  von  Holbach  und  Heinrich  von  Witz- 
leben (zu  Marlishausen),  die  vesten  imd  erbaren  Jörg  von  Witzleben, 
Amtmann  zu  Ilmenau,  und  seine  Brüder  aber  Leutolf  von  Kromsdorf 
(ihren  Schwager)  und  Melchior  von  Wechmar  zugesellten,  und  diese 
sechs  vereinigten  und  vertrugen  die  streitenden  Parteien  am  Sonnabend 
nach  Trinitatis  1526  dahin,  dass  dem  Grafen  zu  Schwarzburg  von  jenen 
drei  Männern  die  Frohnen,  Steuer,  Folge  und  Dienste  und,  soweit  deren 
Behausung,  Hof-  und  Hofrecht  reichte,  die  obersten  und  niedersten  Ge- 
richte zustehen,  hingegen  Georg  von  Witzleben  und  seine  Brüder  mit 
Ausnahme  jener  dreier  auf  aller  Männer  Gütern  imd  über  alle  Einwohner 
von  Schmerfeld,  im  Dorf  und  Felde,  alle  Obrigkeit,  obere  und  niedere 
Gerichte,  Zins,  Frohnen,  Dienste,  Folge,  Steuer,  sammt  aller  Gerechtig- 
keit, wie  sie  ihr  Vater  Georg  von  Witzleben  gehabt  und  auf  sie  vererbt, 
ohne  irgend  welche  Behinderung  seitens  des  Grafen  zu  Schwarzaurg  haben 
sollten.  Femer  solle  ein  Gut,  welches  ebenfalls  Konrad  Schlehendom 
inne  habe,  das  aber  der  Vicarei  S.  Matemi  zuständig  sei,  versteint  und 
von  dem  dem  Grafen  zu  Schwarzburg  gehörigen  Gute  geschieden  werden 
und  Konrad  Schlehendorn  von  diesem  Vicarei-Gute  Georg  von  Witzleben 


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—     249     — 

und  dessen  Brüdern  jährlich  nicht  mehr  als  drei  Tage  mit  seinen  Pferden 
zn  frohnen  verpflichtet  sein.  Die  entstandenen  Kosten,  Zehrung  und 
Schäden  wurden  compensirt,  alle  gefaste  Ungnade,  Widerwillen  und  Ver- 
druss,  was  des  ein  Theil  gegen  den  andern  getragen,  beigelegt  und  ab- 
gestellt.*) Es  hatten  also  die  von  Witzleben  dem  Grafen  zu  Schwarz- 
burg gegenüber,  der  ja  wegen  anderer  Güter  ihr  Lehnsherr  war,  also 
einen  Druck  auf  sie  ausüben  konnte,  den  kurzem  gezogen  und. er  eine 
gänzlich  ungerechtfertigte  Prätension  durchgesetzt. 

Trotz  dieses  Zwistes  stand  Georgs  von  Witzleben  eheliche  Hausfrau, 
deren  Namen  leider  nicht  genannt  wird,  am  Freitag  in  der  Osterwoche 
(5.  April)  1526  Gevatter  bei  der  Gräfin  Anastasia  zu  Schwarzburg, 
spätem  Gräfin  zu  Waldeck.**) 

Georg  von  Witzleben  starb  ohne  Leibeserben  zwischen  Mai  und 
Juli  1547,  so  dass  von  den  sechs  Brüdem  nur  noch  Konrad  übrig  war. 
Dieser  lebte  mit  seines  Bmders  Friedrich  Söhnen  auf  dem  Liebenstein, 
aber  nicht  immer  im  besten  Einvemehmen  mit  ihnen,  wie  aus  Patronats- 
und  sonstigen  Angelegenheiten  zu  ersehen  ist.  Auch  mit  Christoph's 
Söhnen  gab  es  Differenzen.  Am  24.  Juli  1547  melden  Emst,  Heinrich 
und  Philipp  von  Witzleben  zum  Liebenstein  und  Gräfinau  den  Herzögen 
Johann  Friedrich  d.  M.  und  Johann  Wilhelm  zu  Sachsen,  dass  ihr  Vetter 
Georg  von  Witzleben  zu  Arnstadt  „von  diesem  Jammerthal  abgeschieden 
die  Schuld  der  Natur  bezahlt"  habe;  sie  hätten  gehofft,  neben  ihrem  Vetter 
Kunz  von  Witzleben  die  hinterlassenen  Lehen  anzutreten,  wie  sie  schon 
ihre  Eltem  als  Gesammtlehn  gehabt  hätten,  aber  Kunz  gestehe  ihnen 
nichts  daran  zu;  sie  bäten  daher  mit  der  Verleihung  der  Lehen  ihres 
sei.  Vetters  Georg  so  lange  innezuhalten,  bis  der  Irrthum  mit  ihrem 
Vetter  Kunz  beseitigt  sei.  Zum  10.  Oct.  wurde  ihnen  darauf  in  der 
Kanzlei  zu  Schleusingen  ein  „vorhoretagk"  zu  gütlicher  Handlung  mit 
ihrem  Vetter  angesetzt. 

An  dem  Schmalkaldeschen  Kriege  betheiligten  sich  im  Dienste  ihres 
Lehnsherm,  des  Kurfürsten  Johann  Friedrich  zu  Sachsen,  von  den  Lieben- 
steinem  nachweislich  Konrad,  Christoph,  Friedrichs  Sohn,  und  Philipp 
von  Witzleben.  Nur  über  Konrads  Thätigkeit  wissen  wir  aus  zwei  von 
ihm  selbst  verfassten  Schreiben  ausführlicheres,  während  uns  über  die 
Schicksale  seiner  beiden  Neffen  nur  die  kurzen  Notizen  vorliegen,  dass 

*)  PergamentnrkTiiide  im  Schwarzb.  Archiv  zu  Rudolstadt. 
**)  P.  Jovii  Chron.  Schwarzb.  1.  c  626. 


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am  Sonntag  Misericordias  Domini,  d.  i.  am  24.  April,  1547,  in  der 
Schlacht  bei  Mühlberg,  Christoph  gefallen*)  und  Philipp  in  kaiserliche 
Gefangenschaft  gerathen  war.**)  Diese  Gefangenschaft  kann  aber  nicht 
lange  gewährt  haben,  da  Philipp  bereits  am  24.  Juli  dess.  J.  den  oben- 
erwähnten Brief,  die  hinterlassenen  Lehngüter  seines  Oheims  Georg  von 
Witzleben  betreffend,  miterzeichnete. 

Konrad  von  Witzleben  nahm  1546  Theil  an  dem  Zuge  des  Kur- 
färsten  nach  Bayern,  wobei  er  eine  Zeit  lang  zu  Gotha  gelegen  (wohl 
bei  Versammlung  des  Heeres).  Als  Herzog  Moritz  zu  Sachsen  sich  in 
Besitz  der  kurfürstlichen  Lande  setzte  (cf.  T.  H.  p.  172.),  eilte  der  Kur- 
fürst nach  Sachsen  zurück. 

„Da  man  zahlt  fnnfzebn  hundert  Jahr 
Sieben  nnd  dreiszig,  das  ist  wahr, 
Ward  Leipzig  die  Stadt  belagert 
Vom  Karfürsten  im  neuen  Jahr, 
Dass  manch  arm  Mann  jetzt  klaget,  ja  klaget. 

Vor  Leipzig  bracht  er  ein  grosses  Heer, 
Er  meint,  es  soUt  sich  niemand  wehm, 
Die  Stadt  thät  er  beschiessen. 
Er  griff  sie  an  ?iel  Orten  an, 
Thät  die  Bürger  yerdriessen,  verdriessen. 
*  * 

Drei  Wochen  lag  er  vor  der  Stadt, 
Kein  Tag  er  nie  geruhet  hat. 
Geschanzet  nnd  geschossen; 
Dass  sich  die  Stadt  nicht  geben  wollt. 
Hat  ihn  gar  hart  verdrossen,  verdrossen."***) 

Als  Ersatz  des  Schadens,  welcher  Konrad  von  Witzleben  hei  jenem 
„über  seine  verpflichteten  Dienste  hinaus"  gethanen  Zuge  und  dieser 
Belagerung  erwachsen  war,  sagten  ihm  später  die  Söhne  des  Kurfürsten 
die  Verabfolgung  von  drei  Schock  Stänmien  zu  Bauholz  zu.f) 

Ueber  seine  ferneren  unblutigen  Kriegsthaten  berichtet  Konrad  selber 
recht  ausführlich  in  einem  am  25.  Jan.  1548  an  die  Herzöge  Johann 

*)  H.  Döring,  die  ThOr.  Chron. 

*♦)  Spangenb.  Mansf.  Chron.  fol.  454b.   —  Sagitt.  Hist.  Job.  Fried.  El.  Sax. 
p.  34.  n.  35. 

***)  »Ein  Liedt  von  der  Belegerung  der  löblichen  Statt  Leipzig  etc."  Flieg.  BL 
Leipz.  1547.  Abgedr.  bei  Soltan,  100  Deutsche  hist.  Volkslieder,  II.  Ausg.  Leipz. 
1845,  p.  60. 

t)  Original-Schreiben  Konrads,  datum  Dienstag  nach  Yiti  Anno  Iv.,  im  Geh.  St. 
Arch.  zu  Weimar. 


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—     251     — 

Friedrich  und  Johann  Wilhehn  zu  Sachsen  gerichteten  Schreiben,  worin 
er  sich  auf  eine  Klage  des  Hauptmanns  Thomas  Zschirp  verantwortet.*) 
Nach  der  gewöhnlichen  Einleitung  erzäMt  er,  dass  er  in  dem  vergangenen 
47.  Jahre,  als  er  am  Sonntage  OcuU  (13.  März)  zu  Geithain  (im  Leip- 
ziger Kreise)  vom  Kurfürsten  die  Entscheidung  in  den  der  Knechte  halber 
entstandenen  Gebrechen  erhalten  habe,  durch  Wolf  Goldacker  beschieden 
sei,  sich  mit  12  Pferden  und  einem  Heerwagen  zu  stellen,  worauf  er  wie 
ein  anderer  Besoldeter  gehalten  werden  soUe,  und  fährt  dann  fort:  „Das 
ich  also  gethan  und  hab  mich  auf  Freitag  nach  Ostern  (15.  Apr.)  des 
Jahrs  aufgemacht  und  bin  auf  den  Sonntag  (17.  Apr.)  um  den  Mittag 
gegen  Zeitz  kommen,  hab  fort  nach  dem  Lager  ziehen  wollen,  seind  die 
Feind  allenthalben  vorhanden  gewest,  dass  ich  nit  hab  fort  könnt;  allda 
hab  ich  Eberhard  von  der  Tann,  Hans  von  Beymelberck,  Christoph  Har- 
stall  bei  dem  Hauptmann  Hans  von  Schelnburck  zu  .Zeitz  aufin  Schloss 
fimden,  ihnen  angezeiget,  dass  ich  in  Willens  sei,  zu  kurfürstlicher  Durch- 
lauchtigkeit zu  ziehen;  haben  sie  mir  angezeiget,  ich  würds  nicht  thun 
können,  sie  wärens  auch  gesinnt  gewest,  müssten  umkehren,  ich  sollt 
mich  danach  achten  und  mit  ihnen  wieder  nach  Gotha  reiten,  da  ich 
femer  Bescheid  finden  (würde).  Hab  also  meinen  Wagen  vor  (aus)  hin- 
weg nach  Weimar,  vor  kurz  (fürs  erste)  auf  Dröyssig  (1  Meile  westHch 
von  Zeitz)  zu  gehen  lassen  und  bin  ich  mit  (den  oben-)  gedachten  kurz 
hinach  gezogen.  Wie  mir  nahe  bei  Dröyssig  kommen  sein,  sein  uns 
unsre  Vortraber  bliczleioh  (plötzlich)  zurück  wieder  unter  Augen  gerathen, 
auch  angezeiget,  wie  der  von  Bünau  stark  zu  Boss  und  Hakenschützen 

dem  sei  so,  haben  wir  uns  gewandt  und  in  die  Flucht  geben, 

ist  mein  Wagen  hart  vor  mir  (d.  h.  nicht  weit  von  mir,  in  oder  jenseits 
Dröyssig)  gewest,  hab  ich  meiner  Knecht  einen  angeschrieen,  er  sollt 
flugs  zum  Wagen  rennen  und  ihn  wieder  umkehren  lassen;  in  dem  hat 
Eberhard  von  der  Tann  und  die  andern  vorgenannt  mich  angeschrieen, 
ich  sollt  bei  Leib  den  Ejiecht  nicht  fort  reiten  lassen,  sondern  ihn  um- 
kehren lassen,  denn  so  der  Knecht  niederläge  und  der  von  Bünau  wen- 
dig (kundig)  war,  was  far  Beiter  da  wären,  so  würde  er  nicht  nachlassen 
und  ihnen  nachhängen;  so  wären  sie  so  in  grossen  Geschäften  und  wo 
sie  würden  niederliegen,  so  war  meinem  gnädigsten  Herrn  dem  Kurfürsten 
ein  merkliches  daran  gelegen,  und  wo  mir  mein  Wagen  genonmien  würde. 


*)  Orig.,  sehr  unleserlich,  un  Geb.  St.  Arch.  za  Weimar. 

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—     252     — 

so  wollten  sie  mir  hier  zugesagt  haben,  er  sollt  mir  dreifach  und  als 
das  Kauf  war  genugsam  ergetzt  oder  bezahlt  werden.  Ich  wollt  meinen 
Wagen  sonst,  wo  es  anders  gewest  war,  wol  bei  mir  behalten  haben, 

und  meinen  Wagen  verlassen,  auch  ihn  in  14  Tagen  nicht 

gesehen,  hab  auch  nit  anders  gewusst,  er  sei  schon  hier.  Dass  mir  aber 
der  Hauptmann  Zschirp  bei  sich  behalten,  mir  zum  besten  auch  ein 
Geld  vorgestreckt,  weiss  ich  ihm  grossen  Dank,  wollt  sie  ehrlich  und  zu 
Danke  bezahlt  haben,  wo  mir  meine  Besoldung  und  anderes,  was  mir 
versprochen  ist,  worden  war.  Dieweil  gnädige  Fürsten  und  Herren, 
solches  ....  nicht  geschehen  ist,  sondern  allein  auf  die  Zukunft  meines 
gnädigen  Herrn  des  Kurfürsten  zu  Sachsen,  E.  f.  G.  gnädigen  Herrn  und 

Vaters, so  weiss  ich  ihm  itzund  nichts  zu  geben,  denn  Gott 

weiss,  dass  ich  itzund  in  der  Kürze  mehr  denn  100  fl.  ftlr  Pferde  und 
anderes  geben  hab  -onüssen,  so  ich  auf  diesem  Zug  schuldig  bin  worden. 
Hierauf  an  E.  f.  G.  mein  unterthänig  Bitt,  dieser  Sachen  gnädiglich  ein 
Ruhe  (zu)  verschaffen,  bis  Gott  seine  Gnade  in  kurzem  zu  Besserung 
wird  wenden.  —  —  —  Datum  Donnerstag  Conversiofnis  Pauli  im 
xlviij.  Jahr. 

E.  f.  G.  williger 

Cuntz  von  Witzleben 

7Com  liebenstein." 

Konrad  starb  1558.  Er  war  vermählt  gewesen  mit  Christine  von 
Aufs e SS,  einer  Tochter  Georgs  von  und  zu  Aufsess  und  der  Magda- 
lena von  und  aus  Künsberg,  hinterliess  aber  keine  Söhne.  Eine  Tochter 
Martha,  war  an  den  KurförstL  Sachs.  Ober-Steuerdirector  Hartmann 
Goldacker  auf  üflfhofen  verheirathet.  Die  andere  Tochter,  Anna, 
schrieb  am  8.  Dez.  156^  an  die  Herzöge  Johann  Friedrich  d.  M.  und 
Johann  Wilhelm  zu  Sachsen: 

„Durchleuchtige  etc.  E.  F.  G.  weis  Ich  als  ein  arme  Jungfraw  vnd 
weysen,  die  wider  vatter  noch  Mutter  hatt  vnd  fast  gar  Im  Elende  be- 
funden, allein  das  Ich  zu  dem  lieben  gott  mein  vertrawen  haben  muss 
vnd  femer  zu  E.  f.  g.  als  meynen  landes  vnd  schutzfürsten,  die  dan 
aus  färstlicher  Obrigkeit  ein  beschützer  witwen  vnd  weysen  von  dem 
almechtigen  gott  geordenet  seindt.  In  vnterthenigkeit  Clagende  zu 
berichten  nicht  zuvorhalten,  Das  Ich  arme  verlassene  weysen  keine  Vor- 
munde Itziger  Zeitt  habe Demnach  gelangt  An  E.  f.  g.  mein 

vnderthenigs  bitten  .  .  .  .  ,    sie  wollen   mich   mit   zweyen   Vormunden 


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—     253     — 

gnediglich  bedencken,  Als  Nemlich  mitt  Leidolfen  von  Gutfnrt  zu  Dostorff 
vnd  Diterich  gansen  zu  denstedt,  meinen  angebornen  franden,  vettern 

vnd  schwegern Datum  sonnabent  nach  Nicolai  Anno  etc.  1  x  v. 

E.  F.  G.  vnderthenige 

Anna   von  Witzleben  Itzo 

zum  Liebenstein  Jungfraw."  *) 

Kurze  Zeit  darauf  vermählte  sie  sich  mit  Simon  von  Wildeck 
gen.  Seiffart,  Kurf.  Sachs.  Marschall  und  Amtmann  zu  Freiberg  bei 
Dresden,  des  Georg  von  Wildeck  gen.  SeiflFart,  Hauptmanns  und  Statt- 
halters der  Burggrafen  von  Leissnig,  und  der  Maria  von  der  Planitz 
Sohn.**) 

In  dem  Katalog  der  Gemälde-Ausstellung  von  Ulm  vom  Jahre  1877 
werden  auf  der  letzten  Seite  aufgeführt  „2  Büsten  von  Holz,  Simon  von 
Wildeck  gen.  Seifart  und  Anna  von  Witzleben.  16.  Jahrhundert. 
1.  Hälfte."-  (muss  2.  Hälfte  heissen).  Ein  Gypsabguss  der  Büste  Annans 
von  Witzleben  ward  uns  von  dem  „Verein  for  Kunst  und  Alt^rthum  in 
Ulm  und  Oberschwaben",  dem  das  Original  gehört,  das  er  aus  dem  Nach- 
lasse des  Ulmer  Malers  Manch  erhalten  hatte,  freundlichst  für  das 
Familienarchiv  verehrt. 

Ueber  eine  die  Rechtsverhältnisse  des  16.  Jahrhunderts  illustrirende 
Episode  aus  dem  Leben  Georgs  von  Witzleben  zu  Geilsdorf  lassen 
wir  diesen  selbst  berichten.  Er  schreibt  am  23.  Juni  1554  an  die  Her- 
zöge Johann  Wilhelm  und  Johann  Friedrich  d.  J.  zu  Sachsen:  „Durch- 
lauchtige etc. E.  f.  G.  gnädiges  an  mich  gethanes  Schreiben,  da- 
neben Klausen  Löfflers  einverwarte  Supplikation,  habe  ich,  indem  ich 
anheimisch  konmien,  unterthänigUch  empfangen  und  verlesen,  darinnen 
gedachter  Löffler  anzeiget,  als  sollte  ich  ihme  bei  nächtiger  Weile  nach 
Leibe  und  Leben  gestanden,  Fenster  und  Kachelofen  zerschlagen  und  aus- 
gehauen, über  sein  Leib  und  Leben  Preis  geschrieen  haben.  Will  ich 
E.  f.  G.  zu  unterthänigem  Gegenbericht  in  Antwort  nicht  vorhalten:  Nach- 
dem bemelter  Klaus  Löffler  als  ein  Kramer  ohn  das  mit  Lichten  und 
anderm  einen  offenen  Kauf  hat,  habe  ich  zu  ihme  geschickt  und  begehrt, 
dass  er  mir  ums  Geld  etliche  Licht  wollte  zukonunen  lassen,  wie  dann 
andern  Leuten  auch  geschieht,  welches  er  mir  geweigert  und  viel  böser 
Wort  mir  zu  entboten.     Dadurch  zum  Zorne  beweget  und  habe  ihme 

*)  Orig.  im  Geh.  St.  Arch.  zu  Weimar. 
**)  Funeralia  von  Kletten berg,  1716,    1*01  p.  33. 


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die  Fenster  und  den  Kachelofen  eingeschlagen,  auch  mit  der  Wehre  nach 
ihme  geschlagen,  habe  ihn  aber  nicht  troffen.  Dass  er  mich  aber  be- 
schuldigt, als  sollte  ich  ihme  nach  Leibe  imd  Leben  gestanden,  über 
dasselbige  Preis  geschrieen  haben,  hat  er  in  dem  E.  f.  G.  etwas  zu  wilde 
bericht.  Neben  dem  ehbemelter  Löffler  aach  anzeiget,  als  sollte  ich  ihme 
sehr  gedrauet  (haben),  also  dass  er  auf  freier  Strasse  unsicher  vor  mir  sei, 
es  habe  auch  sein  Weib  auf  der  Kirmess  zu  Angstedt  meinethalben  nicht 
dürfen  Markt  halten,  geschieht  mir  in  dem  auch  Unrecht,  dann  ich  ihr 
mit  Wahrheit  weiss  darzuthun,  dass  ich  derselbigen  Zeit  nicht  anheimisch, 
sondern  ausserhalb  des  Landes  bin  gewesen.  So  darf  er  sich  auch  vor 
mir  gar  nichts  besorgen,  denn  da  ich  bedacht  gewesen,  etwas  thätliches 
gegen  ihme  vorzunehmen,  wollt  ich  ihn  wol  haben  wissen  zu  finden. 
Dass  er  auch  hiemeben  anzeigt,  ihme  die  Fensterrahmen  hemachmals 
zerhauen,  auch  etliche  Dielen  aus  der  Stuben  seind  gebrochen,  mag  er 
diejenigen  darum  vernehmen,  die  solches  gethan  haben,  und  mich  unbe- 
zichtiget  lassen.  Bin  auch  in  glaubliche  Erfahrung  kommen,  wie  ob- 
bemeltes  Löfflers  Weib  meine  leibliche  Mutter,  dazu  meine  Gebrüder 
und  mich  an  etlichen  Orten  an  Ehr  und  Leumund  angegriffen,  geschmähet 
und  gegen  viel  Leute  übel  ausgericht,  derhalben  ich  billig  auch  zu  .ihme 
zu  klagen  und  sprechen  hätte.  Bin  auch  hiebevor  erbötig  gewesen  und 
noch,  vor  dem  ehrenvesten  Kunraden-  von  Witzleben  zum  Liebenstein, 
meinem  freundlichen  lieben  Vetter,  als  seinem  Junkern,  gütlich  Handlung 
zugewartende  da  ihme  zur  Antwort  (zu)  stehen,  ist  ihme  auch  durch 
bemelten  meinen  Vetter  vorbeschieden  und  verbotet  worden,  auch  daneben 
mit  Geleite  genugsam  gesichert  worden,  hat  aber  solch  Gebot  und  Vor- 
beschied  in  alle  Wege  verachtet,  kann  daraus  anders  nicht  ermessen, 
dass  er  darauf  gehet  und  mich  gerne  gegen  denselbigen  E.  f.  G.  wollte 
verungnaden  und  ungümpfen,  dadurch  ich  wol  geursacht,  etwas  weiter 
gegen  ihme  vorzunehmen."  — 

Löffler,  der  unter  Konrads  von  Witzleben  Gerichtsbarkeit  gewohnt 
hatte,  aber  nach  Crawinkel  verzogen  war,  versuchte  auch  Georgs  Bruder 
Heinrich  in  die  Sache  zu  verwickeln,  was  dieser  jedoch  sehr  übel  ver- 
merkte   und  u.  a.    seinem    Vetter   Konrad    am  4.  Sept.   1554   schrieb: 

„ imd  mocht  wohl  leiden,  dass  mich  Klaus  Löffler  mit  seinem 

erstünkten  Lügen  zufrieden  liess".  Konrad  nahm  sich  zwar  seines  Unter- 
thanen  kräftig  an,  aber  ohne  besondem  Erfolg.  Nach  mehr  als  zwei 
Jahren,   am  Donnerstag   nach  Lucio   1556,  schrieb  er  an  den  Herzog 


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—     255     — 

Johann  Friedrich  d.  M.,  dass  der  in  seiner  Sache  gegen  seine  Vettern 
zu  Gräfinau,  sonderlich  Georgen  von  Witzleben,  betreffend  Klaus  Löffller 
zu  Crawinkel  im  Amte  Wachsenburg,  nach  Gotha  angesetzte  Termin  ohne 
Erfolg  geblieben  und  überhaupt  „diesser  handel  In  ein  wachss  getrücket 
vorschwygenn"  (d.  i.  todt  geschwiegen)  werde,  und  bat,  dafür  sorgen  zu 
wollen,  dass  dem  Löffler  der  erlittene  Schaden  ersetzt,  er  (Konrad)  wieder 
zu  seinem  Zins,  Frohne  und  anderem  Gefälle  komme  und  der  Handel 
endlich  seine  Endschaft  erreiche:  das  Haus  stehe  nun  schon  drei  Jahre 
oder  länger  wüst.  —  Was  schliesslich  geworden,  wissen  wir  nicht. 

Am  9.  Jan.  1568  werden  nur  noch  Heinrich  und  Philipp  belehnt. 
Letzterer  war  seit  dem  Jahre  1553  mit  Magdalena  von  Wangen- 
heim, einer  Tochter  von  Lutz  d.  Ä.  von  Wangenheim  zu  Winterstein, 
Wangenheim,  Sonneborn  und  Brüheim  (n.  um  1485  i  1551  27.  Aug.) 
und  der  um  Mitfasten  1543  gestorbenen  Anna  von  Harstall  aus  Mihla, 
verheirathet.  Sein  Schwager  Wolf  Veit  von  Wangenheim  gab  ihm  400  fl. 
Ehegeld,  worüber  Philipp  1559  quittirte,  und  stattete  die  Schwester  aus 
mit  einer  goldenen  Kette  für  50  fl.,  einem  ganz  sammtenen  oben  mit 
goldenem  Tuch  besetzten  Kleide,  einem  Damast-Kleide,  einem  „Kartegk" 
und  einem  seidenen  Kleide,  alle  drei  oben  mit  Sammt  besetzt,  einem 
seidenen  mit  braunem  Pelz  gefütterten  und  unten  verbrämten  Mantel, 
güldenen  Kleinoden  und  was  sie  an  Leinenzeug  zur  Ehe  gebrauchte.*) 
Am  3.  März  1577  existirt  von  denen  von  Witzleben  zu  Gräfinau  nur 
noch  Heinrichs  unmündiger  Sohn  Christoph,  dessen  trübe  Schicksale 
in  dem  als  Beilage  I.  gedruckten  Hefte  geschildert  sind,  und  dessen 
Schwester  Katharina,**)  über  welche  wir  im  Kirchenbuche  zu  Heyda 
folgende  Notizen  fanden:  „1637.  Es  hat  die  edele  und  tugendreiche 
Jungfrau  Katharina  von  Witzleben  zu  Heyda  einen  eisernen  Kasten  ins 
Gotteshaus  verehrt,  weil  der  Gotteskasten  von  den  Soldaten  mit  Gewalt 
eröffnet  und  verderbt  gewesen,  damit  der  eiserne  Kasten  möchte  ge- 
braucht werden.  Welches  man  allhier  dem  Pfarrbuche  einverleiben 
wollen.     So  geschehen  den  17.  Sept.  obgesetzten  Jahres. 

*)  F.  H.  A.  von  Wangenheim,  Beitrage  zu  einer  Pam.  Gesch.  der  Freiherm 
von  Wangenheim,  Göttingen  1874.  p.  546. 

**)  welcher  Namen  in  der  genannten  Beilage  S.  2.  Z.  8.  v.  o.  einzuschalten  ist. 
Auf  derselben  Seite,  Zeile  10  v.  n.  wolle  der  geneigte  lieser  einen  bedenklichen  Druck- 
fehler corrigiren  und  aus  den  gefürcbteten  ge fürstete  Grafen  von  Henneberg 
machen ! 


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—     256     — 

1639.  Die  edle  Jfr.  Katharina  von  Witzleben  den  5.  Februar  ge- 
storben,   den  9..  ejusd.  zu  Liebenstein   in   ihr  Grab bettlein 

beigesetzt."  — 

e.   Friedriclis  Nachkommen  bis  znr  Theilnng 
des  Liebensteins. 

1522  — er.  1615. 

Friedrich  von  Witzleben  zum  Liebenstein,  welcher  in  der  ersten 
Hälfte  des  Jahres  1522  starb,  hinterliess  von  seiner  Gemahlin  Edda 
Truchsess  von  Wetzhausen  aus  Wetzhausen  2  Söhne,  Ernst  und 
Christoph,  welche  am  19.  Juli  1522  von  Kursachsen  mit  Liebenstein 
belehnt  wurden.  Christoph  wird  nur  noch  in  dem  kursächsischen 
Lehnbrief  vom  23.  Febr.  1533  imd  demnächst  unter  den  in  der  Schlacht 
bei  Mühlberg  Gefallenen  genannt.  Beider  Brüder  Vormund  scheint  ihr 
Oheim  Konrad  von  Witzleben  gewesen  zu  sein,  denn  nur  von  ihm  ist 
in  den  Visitationsacten  von  1533  in  Betreif  der  Liebensteiner  Kirch- 
dörfer die  Bede.*)  Erst  in  dem  Visitations -Protokoll  von  1545  wird 
Ernst  neben  Konrad  von  Witzleben  genannt,  indem  beide  beschuldigt 
werden,  sich  einiger  der  Kirche  zu  Liebenstein  gehöriger  Aecker  „unter- 
zogen, unter  sich  getheüt  und  der  Pfarre  also  entwandt"  zu  haben.**) 

Ernst  führte  im  Bingsiegel  den  gesperrten  Schild,  einen  Helm  mit 
der  Krone,  daraus  wachsend  den  Geier  mit  einem  Bing  um  den  Hals 
und  rechts  drei,  links  zwei  Fähnlein,***)  das  ganze  Wappen  also  genau 
dem  kaiserlichen  Diplom  vom  St.  ürbanstage  1470  entsprechend. 

Im  Jahre  1545  hatte  er  sich  mit  Anna  von  Witzleben  aus 
Elgersburg  (cf.  S.  80)  vermählt.  Nach  der  Eheberedung  vom  19.  Jan. 
dieses  Jahres  f)  versprach  Friedrich  von  Witzleben  zur  Elgersburg  aus 

*)  Die  Eirchenyisitation  mass  ihn  wenig  interessirt  haben,  denn  es  heisst  in  den 
Acten  wiederholt,  er  sei,  obgleich  zweimal  durch  Zoschrift  der  Visitatoren  erfordert, 
nie  erschienen.  „Hahen  wir  es  dobej  blejbenn  lassen,"  oder  „ynd  hat  nichts  schlislich 
mit  Ime  mngen  gehandelt  werdenn,"  oder  „haben  wir  auch  nichts  entlichs  schaffenn 
können,*  schliessen  resignirt  die  Herren  Yisitatoren  ihre  Bemerkungen.  Com.  Arch. 
zu  Weimar. 

*♦)  Brückner,  G.  K,  u.  Seh.  St.  II.  5.  p.  69. 

***)  An  der  zwischen  Wilhelm  Schott  zu  Zillingen  und  Anna  von  Witzlehen  aus 
Elgersburg  errichteten  Eheberedung  yora  7.  Sept.  1559,  im  Arch.  zu  Angelroda. 

t)  Arch.  zu  Angelroda. 


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—     257     — 

gutem  freundlichen  und  brüderlichen  Willen,  seiner  Schwester  Anna 
1200  Gulden  und  das  Hausgeräth  nach  vollzogenem  Beilager  zu  geben, 
sie  auch  zu  ziemlicher  Nothdurft  mit  Kleidung  und  Geschmuck  abzu- 
fertigen, wie  es  des  Landes  zu  Thüringen  Gewohnheit  sei.  Für  den 
Fall,  dass  ihm  in  künftigen  Zeiten  Leibes -Lehnserben  bescheert  werden 
würden,  soll  seine  Schwester  sich  an  den  1200  fl.  Zugeid  und  Niess- 
steuer  gänzlich  begnügen  lassen.  Dagegen  soll  ihr  Ernst  von  Witzleben 
an  seinem  Theil  des  Liebensteins  ihr  Leibgut,  wie  es  eine  ehrbare  Frau 
haben  kann,  mit  Wohnung  und  Besitz  verschaffen  lassen,  statt  deren, 
wenn  er  eher  stürbe  als  seine  vertraute  Anna  von  Witzleben  und  sie 
dann  den  Liebenstein  zu  verlassen  wünsche,  seine  Erben  ihr  2000  Gulden 
und  eine  freie  Behausung  zu  Arnstadt,  wie  einer  von  Adel  wohl  gebührt, 
und  Holz  und  Feuerwerk  nach  Nothdurft  reichen  sollen.  Als  Zeugen 
waren  bei  dieser  Eheberedung  gegenwärtig  Veit  Erbmarschall  zu  Pappen- 
heim, kurfürstl.  Amtmann  zur  Wachsenburg,  Christoph  von  Lichtenberg 
zu  Geschwende  und  Christoph  von  Witzleben  zu  Arnstadt  auf  Friedrichs 
und  Georg  und  Konrad  von  Witzleben  Gebrüder  zum  Liebenstein  und 
Matthes  von  Höningen  zu  Wölfis  aufs  Emsts  Seite. 

Später  entstanden  dennoch  zwischen  Friedrich  von  Witzleben,  der 
imterdessen  „mit  ziemlicher  Nachkommenschaft"  gesegnet  worden  war, 
und  seiner  Schwester  wegen  des  ihr  gebührenden  väterlichen  und  mütter- 
lichen Erbtheils  Uneinigkeiten,  welche  auf  Ersuchen  Friedrichs  schliess- 
lich durch  herzoglich  sächsiche  Commissarien  zum  rechtlichen  Austrag 
kamen.  Anna  von  Witzleden  erklärte  am  23.  Juli  1569  zu  Gotha  im 
Beistande  ihres  Vormundes  Friedrich  von  Witzleben  zu  Berka,  von  ihrem 
Bruder  den  ihr  zustehenden  Erbtheil  richtig  erhalten  zu  haben.*) 

Am  14.  Aug.  1563  schrieb  „Anna  von  Witzleben  Nach  Gelassene 
Witwe  Emnsten  von  Witzleben  zum  Liebenstein"  an  die  Herzöge  Johann 
Friedrich  d.  M.  und  Johann  Wilhelm  zu  Sachsen:  „Ich  armes  betrübtes 
Weib  gebe  E.  f.  G.  demüthiglich  mit  bekümmertem  Gemüth  zu  erkennen, 
dass  kurz  vorschinnen  der  allmächtige  Gott  meinen  herzlieben  Junker 
aus  diesem  Jammerthal  zu  sich  in  sein  ewiges  Beich  gefordert,  des  All- 
macht der  Seelen  gnädig  sein  und  ihm  sammt  allen  Christgläubigen  eine 
fröhliche  Auferstehung  verleihen  wollte,  Amen! 

Damit    ich    nun    sampt    meinem    unmündigen   Sohne    und   zweien 


♦)  Höchst  weitlänftiges  Instrument  im  Arch.  zu  Angelroda. 

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—     258     — 

Töchtern  von  wegen  E.  f.  G.  als  dem  Lehnsherrn  und  Landesfürsten  mit 
Rath,  Beistand,  gebührlichem  Schutz  und  Schirm  nit  gelassen  werde, 
auch  E.  f.  G.  Ihres  Bitterdienstes  mögen  gewärtig  sein,  so  bitt  ich  ganz 
demüthig,  E.  f.  6.  wollen  obangezeigten  meinen  Kindern  die  edlen  und 
ehrenfesten  Heinrich  von  Erfifa  daselbst,  Heinrich  von  Witzleben  zu 
Gräfinau  und  Georg  von  Kromsdorf  auch  daselbst*)  gnädiglich  zu  Vor- 
mündern verordnen." 

In  ihrem  Schreiben  an  den  Grafen  Georg  Ernst  von  Henneberg, 
d.  d.  Liebenstein,  Dienstag  nach  Miseric.  Dom.  1564,**)  worin  sie  um 
Bestätigung  der  obengenannten  Vormünder  auch  für  das  Hennebergische 
Lehn  Martinroda  und  zugleich  um  ein  Schock  Baumstämme  bittet,  um 
einen  wüsten  Hof  in  Martinroda  herstellen  zu  können,  sagt  sie,  dass  ihr 
Gemahl  Ernst  von  Witzleben  am  23.  Juni  1563  gestorben  sei. 

Der  Sohn  war  Kurt  Veit  von  Witzleben,  der  zuerst  in  einer 
leider  sehr  kurzen  Notiz  des  Com.  Archivs  zu  Weimar  (Reg.  Gg.  fol.  18): 
„1564.  Aufstand  der  Gemeinde  Breitenbach  gegen  ihren  Erbherm,  den 
unmündigen  Veit  Kurt  von  Witzleben  zum  Liebenstein,"  erwähnt  wird 
und  1593  starb.***)  Von  seiner  Gemahlin  Katharina  von  ütterodt 
aus  Schwarzhausen,  einer  Tochter  des  1562  gestorbenen  Andreas  von 
ütterodt  zu  Schwarzhausen  und  Scharfenberg  und  der  Margarethe 
von  Herda  zu  Brandenbuig  aus  Lauchröden,  hinterliess  er  zwei  Söhne, 
Ernst  Friedrich  und  Christian  Rudolf  von  Witzleben,  von 
denen  der  letztere  zu  Anfang  des  Jahres  1598  noch  unmündig  war. 

Am  10.  Mai  1598  verpfändeten  diese  Brüder  (im  Namen  des  jungem 
die  Vormünder  Andreas  Friedrich  von  ütterodt  zu  Schwarzhausen  und 
Scharfenberg  und  Heinrich  von  Witzleben  zur  Elgersburg  und  Alkers- 
leben)  ihre  Hälfte  von  Martinroda  an  Friedrich  und  Job  Wilhelm  von 
Witzleben,  Gebrüder  zur  Elgersburg,  für  4000  fl.  auf  9  Jahre.  Im 
Herbst  des  Jahres  1611  wurde  aus  dieser  Verpfändung  ein  Erbkauf,  wie 
S.  94  erzählt  ist.  Hinzuzufügen  ist  nur  noch,  dass  bei  diesem  Erbkauf 
Ernst  Friedrich  und  Christian  Rudolf  nicht  mehr  gemeinschhftlich  auf- 
traten,   sondern  jeder   seinen  Theil  an  der  Hälfte  von  Martinroda  für 

*)  Agathens  geb.  von  Witzleben  (Stammt.  I.  11.)  Sohn. 
**)  im  Oeh.  St.  Arcb.  zu  Weimar. 

***)  «Weyland  Curtb  Veitens  von  Witzleben  InTentarium,  ao.  1593  vcrferttiget,* 
befand  sieb  im  Nacblass  Georg  Melchiors  von  Witzleben,  s.  dessen  Invent.  Tom 
8.  Ang.  1672  im  Arcb.  zn  Hade. 


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—     259     — 

sich  verkaufte  und  auch  nur  für  sich  allein  quittirte,  woraus  zu  schliessen, 
dass  sie  sich  schon  vor  dieser  Zeit,  etwa  1610  in  ihre  väterlichen  Güter 
getheilt  hatten. 

Nach  dem  Tode  Christophs  von  Witzleben,  des  Apostaten,  um  1614, 
erbten  Ernst  Friedrich  und  Christian  Rudolf  von  dessen  Gütern  nur  die 
Schwarzburgischen  Lehen  Gräfinau,  Bücheloh  und  Geilsdorf;  über  den 
Verbleib  von  ünterweissbach  fehlen  die  Nachrichten.  Die  Hennebergi- 
schen Lehen  Heyda,  Neusis  und  Schmerfeld  waren  ihnen  zwar  im  Jahre 
1612  zur  Administration  übergeben  worden,  verblieben  aber  nicht  in 
ihrem  Besitz,*)  sondern  wurden  von  der  Meiningischen  Eegierung  ein- 
gezogen. Geilsdorf  war  noch  inmier  an  die  von  Thüna  verpfändet, 
Gräfinau  und  Bücheloh  wurden  wie  die  andern  Liebensteiner  Dörfer  unter 
den  Brüdern  getheilt.     Der  Eittersitz  in  Gräfinau  verfiel. 

Die  Nachkonmien  Ernst  Friedrichs  bildeten  die  Linie  auf  dem  ünter- 
hause,  diejenigen  Christian  Budolfs  die  Linie  auf  dem  Oberhause  zu 
Liebenstein. 


*)  wonach  S.  30  der  Beil.  I.  zu  berichtigeii. 


19 

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—     260 


n.  Abschnitt. 

Die  Linie  auf  dem  Unterhause  zu  Liebenstein. 

1616—1746. 

a.   Ernst  Friedricli  Yon  Witzleben  Yon  1616—1663. 

Mit  dem  Zeitpunkt,  da  sich  Ernst  Friedrich  und  Christian  Rudolf 
von  Witzleben  in  ihre  väterlichen  und  sonst  geerbten  Güter  getheilt 
hatten,  hören  die  weiteren  Nachrichten  auf.  Sie  mögen  still  auf  der 
Scholle  gesessen  haben,  vollauf  beschäftigt,  dieselbe  zu  bewirthschaften 
und  während  der  Unruhen  des  30  jährigen  Krieges,  wo  bald  Kaiserliche, 
bald  Schweden  Thüringen  überschwenamten,  vor  Schaden  zu  bewahren. 
Ernst  Friedrich  von  Witzleben  auf  dem  ünterhause  zu  Liebenstein 
wurde  hierin  durch  seinen  Sohn  Hans  Ernst  unterstützt,  dem  er  die 
Güter  pachtweise  überKess.*)  Nach  dem  Frieden  von  Osnabrück  trat  er 
die  Güter  seinen  beiden  Söhnen  gänzlich  ab  und  zog  sich  auf  den  Alten- 
theil zurück;  Georg  Melchior  und  Hans  Ernst  nahmen  am  1.  Nov.  1648 
eine  Vertheilung  der  auf  dem  Liebenstein  haftenden  väterlichen  Schulden 
und  einen  brüderlichen  Erbvergleich  vor,  wonach  Georg  Melchior  die 
Güter  behielt  und  sein  Bruder  mit  Geld  abgefunden  wurde.  Ernst 
Friedrich  starb  hochbetagt  am  14.  März  1653  und  hinterliess  von  seiner 
Gemahlin  Magdalena  von  Seebach  a.  d.  H.  Oppershausen,  einer  der 
vielen  Töchter  des  1557  geborenen  kurf.  sächs.  Ober-Aufsehers  der  Forst- 
und  Wildbahn  im  Lande  zu  Meissen  Hans  Georg  d.  Ä.  von  Seebach  auf 
Oppershausen,  Kanmierforst  und  Grossengottem  und  der  1613  gestorbenen 
Debora  von  Diesskau  a,  d.  H.  Finsterwalde,   mehrere   (mindestens  5) 

*)  „Pachts  notol  Ernst  Friedrichs  von  Witzleben  und  Sohn  Hans  Ernsten  von 
Witzleben "  befand  sich  im  Nacblass  Georg  Melchiors.    Arch.  zu  Hude. 


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—    261     — 

Töchter,  von  denen  drei  auf  der  Stanuntafel  I.  12  genannt  sind,  und 
zwei  Söhne,  von  denen  Georg  Melchior  die  Linie  auf  dem  Unterhause 
zu  Liebenstein  fortpflanzte,  Hans  Ernst  die  Speciallinie  zu  Oberellen 
und  Gerstungen  gründete.  Ernst  Friedrichs  Wittwe  quittirte  noch  am 
22.  Febr.  1669  über  50  Thaler*),  muss  demnach  an  die  90  Jahre  alt 
geworden  sein. 


b.   Georg  Melchior  Yon  Witzleben. 

er.  1596—1672. 

„Ich  hab  den  Schweden  mit  Augen  gesehn, 
Er  thut  mir  Wohlgefallen, 
Geliebt  mir  in  dem  Herzen  mein 
Vor  andern  Königen  allen.* 

Fl.  Bl.  a.  d.  30j&)ir.  Kriege. 

Um  das  Jahr  1596  geboren  befand  sich  GeorgMelchior  von  Witz- 
leben zu  Anfang  des  dreissigjährigen  Krieges  in  einem  Lebensalter  und 
in  Verhältnissen,  dass  nichts  ihn  hinderte,  dem  lauten  Ruf  der  durch 
ganz  Deutschland  ertönenden  Trommeln  und  Trompeten  zu  folgen  und 
sein  Glück  im  Felde  zu  suchen. 

„Wer  fährt  so  gut  mit  frischem  Muth 

In  diesen  bösen  Zeiten 

Als  wie  der  Kriegsmann  thut!" 
Ob  er  sich  unter  Mansfelds  Fahnen,  auf  den  Zügen  des  Herzogs 
Christian  von  Braunschweig  oder  in  der  dänischen  Armee  die  Sporen 
verdiente,  darüber  fehlen  die  Nachrichten;  erst  mit  Gustaf  Adolfs  Er- 
scheinen auf  deutschem  Boden  hellt  sich  das  Dunkel  auf,  das  ihn  verbarg. 
Am  Abend  des  26.  Juni  1630  landete  der  König  von  Schweden 
an  der  Spitze  der  Insel  Usedom,  da  wo  die  Peene  ins  Meer  mündet,  und 
schon  am  10.  Juli  besetzte  er  Stettin.  Am  4.  September  brach  er  von 
hier  aus  zu  seiner  Mecklenburgischen  Expedition  auf,  nachdem  er  den 
Feldmarschall  Gustaf  Hom  mit  dem  Konunando  über  das  Lager  bei 
Stettin  betraut  hatte.  Die  Kaiserlichen  hatten  nicht  sobald  den  Auf- 
bruch Gustaf  Adolfs  erfahren,  als  sie,  am  6.  September,  einen  Angriff 
auf  das  Lager  versuchten,  der  aber  abgewiesen  wurde.    Zu  erheblicherem 


*)  Invent.  Georg  Melchiors  von  Witzleben  vom  8.  Ang.  1672,  im  Arch.  zn  Hade. 

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—     262     — 

Zusammenstoss  mit  dem  Feinde  oder  zu  umfassenderen  Operationen  kam 
es  zunächst  nicht,  nur  zu  häufigen  Scharmützeln,  welche  die  Truppen 
gegenseitig  in  Athem  hielten.  Ein  solches  kleineres  Treffen  fiand  am 
6.  Oct.  1630  statt.  Der  Oberst  Dönhoff,  welchen  Hom  zu  einer  Be- 
cognoscirung  gegen  Penkun  ausgesandt  hatte,  stiess  während  des  Bück- 
marsches auf  einen  eben  von  einer  Fouragirung  heimkehrenden  Haufen 
„Crabaten",  nahm  demselben  das  aus  den  Ortschaften  Brun  und  Völschen- 
dorf  zusammengetriebene  Vieh  ab,  liess  sich  aber  durch  die  Mourderie 
eines  seiner  Officiere  —  des  Eittmeisters  Sacken,  der  die  Verfolgung 
zu  weit  trieb  —  verleiten,  mit  seinem  ganzen  Detachement  bis  in 
<iie  Nähe  des  feindlichen  Lagers  vorzurücken,  wo  er  von  überlegenen 
kaiserlichen  Beitermassen  (unter  Sparr)  angeMlen  und  culbutirt  wurde. 
Hom,  welcher  aus  anderen  Meldungen  wusste,  dass  Dönhoff  den 
„Crabaten"  begegnen  musste,  sandte,  um  des  Obersten  Schicksal 
besorgt,  den  Major  Tiesenhausen  mit  50  Pferden  ab,  um  gegen  Mandel- 
kow  zu  kimdschaften.  Tiesenhausen  begegnete  bald  den  fliehenden  Dön- 
hoffschen  Beitem,  warf  sich  sofort  auf  den  Feind  und  war  im  Stande, 
diesen  etwas  aufzuhalten,  so  dass  die  Dönhoffer,  deren  Pferde  ziemlich 
erschöpft  waren,  davon  kamen;  er  musste  jedoch  bald  der  Uebermacht 
weichen  und  wurde  schliesslich  auf  dem  Bückzuge  nebst  Sacken  und 
Isaak  Lilliesparre  gefangen  genonmien.  „Was  aber  das  Unglück  agran- 
dirt",  sagt  Hom  in  seinem  Bericht  an  den  König,  „ist,  dass  auch  Major 
Witzleben  sich  mit  40  Pferden  von  seiner  und  Zacharias  Paulis 
Compagnien,  welche  damals  die  Wacht  bildeten,  gegen  Mandelkow  avan- 
cirte,  in  der  Meinung,  der  Unsrigen  Betraite  zu  facilitiren ;  wurde  aber 
dabei  gefangen  und  der  Lieutenant  des  Adrikas  getödtet".  Nachdem  der 
Feldmarschall  dann  darauf  aufinerksam  gemacht  hat,  dass  dies  alles 
nicht  seine  Schuld  gewesen,  fährt  er  fort;  „Ich  habe  heute  einen  Trom- 
peter nach  dem  feindlichen  Lager  geschickt,  um  die  Namen  derjenigen 
zu  erfahren,  die  gefangen  genommen  sind,  und  mit  welchen  condüionen 
sie  diese  wieder  loslassen  wollten.  Die  Gemeinen  können  wohl  mit  den 
Gefangenen  ausgetauscht  werden,  die  wir  im  Lager  und  in  Stargard 
haben,  und  wenn  sie  die  Ranson  der  Officiere  auf  einer  billigen  Sunune 
fixiren  wollen,  so  muss  man  nachsehen,  wie  man  dieses  Geld  haben  kann.*) 

*)  „Relation"  des  Feldmarschalls  Gustaf  Hom  an  den  König,  datirt:  .Feldlager 
bei  Alt-Stettin,  7.  October  1630",  im  EönigL  Schwedischen  Archiv  zu  Stockholm.  — 
Die  Nachrichten  ans  diesem  Archiv  verdanke  wir  der  gütigen  Gefälligkeit  des  Eönigl. 


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—     263     — 

Leider  ist  es  nicht  gelungen,  eine  bestimmte  Angabe  zu  finden, 
in  welchem  Begimente  Georg  Melchior  von  Witzleben  damals  diente. 
Von  den  Begimentem,  die  mit  dem  Könige  aus  Schweden  und  Finnland 
kamen,  giebt  es  ziemlich  vollständige  Musterrollen  und  sonstige  Listen, 
in  denen  jedoch  der  Name  Witzleben  nicht  vorkommt.  Dasselbe  ist  der 
Fall  mit  den  5  Compagnien  deutscher  Eeiter,  die  schon  im  Mai  1630 
von  Lifland  nach  Stralsund  geschiflt  und  später  dem  Oberstlieutenant 
Adrikas  unterstellt  worden,  und  mit  Dönhoffs  4  Compagnien  Lifländischer 
Beiter,  die  in  demselben  Sommer  nach  Stralsund  gekonmaen  waren. 
Ausser  diesen  Begimentem  waren  in  der  Gegend  von  Stettin  zur  Zeit 
des  obenerwähnten  Gefechts  2  Compagnien  „Damitz"  und  2  Compagnien 
„Hall",  welche  Begimenter  aus  Deutschen  bestanden  und  in  Ponmaem 
unmittelbar  nach  der  Eroberung  Stettins  errichtet  worden  waren.  Bei 
einem  von  beiden  muss  also  der  Major  von  Witzleben  angestellt  gewesen 
sein;  und  da  derselbe  11  Monate  später  als  zum  Hall'schen  Begiment 
gehörend  bezeichnet  wird,  so  ist  wohl  die  Annahme  berechtigt,  dass 
er  seine  Laufbahn  in  schwedischen  Diensten  in  diesem  Begimente 
begann.*) 

Die  Bestrebungen  Hom's,  die  am  6.  October  in  Gefangenschaft  ge- 
rathenen  Officiere  wieder  frei  zu  machen,  müssen  ihm  ziemlich  bald  ge- 
lungen sein,  denn  in  einem  an  ihn,  der  damals  bei  Greifenberg  stand. 


Schwedischen  Oberstlieutenants  Herrn  I.  Boeder.  —  Der  Sekretair  Lars  Grnbbe 
giebt  in  seiner  Relation  No.  13,  Stralsund,  24.  Oct.  1630,  eine  viel  kürzere,  aber  in 
den  Hauptsachen  ähnliche  Beschreibung  jenes  Bencontres,  welches,  wie  aus  beiden 
Berichten  hervorgeht,  am  6.  October  stattfand.  —  cf.  B.  Ph.vonChemnitz,  Königl. 
Schwed.  in  Teutschland  geführten  Kriegs  Erster  Theil  p.  88  ffg.  —  S.  von  Puffen- 
dorf, 26  Bücher  über  den  30jähr.  Krieg,  IL  §.  34.  —  von  Mörner,  Markische 
Kriegs-Obersten,  p.  93,  115  und  124,  der  fälschlich  den  15.  Oct.  hat  und  anfuhrt, 
dass  es  in  Ernst  Georgs  von  Sparr  Grafenpatent  (vom  17.  Febr.  1654)  heisst:  ^Gestalt- 
samb  er  vor  Stettin  den  Gustav  Hom  sambt  den  Obersten  Denhoff  vnd  Schlangen 
auss  ihrem  lager  geschlagen,  in  solcher  occasion  den  Obersten  Witzleben,  Ob. 
Tissenhaussen,  Ob.  Bertelli,  Spoec  vnd  Oxenheubt  ein  Schwedt  nebst  andern  vielen 
Ritmeistem  vnd  andern  officiren  gefangen  bekohmen".  Die  Namen  seien  z.  Th.  leicht 
erkennbar  verdorben,  die  Chargen  und  Sache  selbst  in  majorem  gloriam  entstellt. 

•)  Gustav  Adolfs  Kavallerie,  eingetheilt  in  Fahnen,  auch  Geschwader,  Compag- 
nien oder  gewöhnlich  Comets  genannt,  bestand  wesentlich  nur  aus  Kürassieren,  die 
vollständige  Büstung,  Schwert  und  ein  Paar  Pistolen  hatten.  Der  Stab  eines  Beiter- 
regiments  bestand  aus  dem  Obristen,  dem  Obristlieutenant,  dem  Major,  dem  Begiments- 
quartiermeister ,  einem  Begimentsschreiber  und  einem  Begimentsbarbier  (d.  i.  Feld- 
scheer,  zugleich  Doctor  und  Apotheker).  Das  Comet  bestand  aus  dem  Kapitain  mit 
4  Pferden,  Lieutenant  und  Fähnrich,  jeder  mit  3  Pferden,  2  Korporalen  mit  4  Pferden» 


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—     264     — 

gerichteten  Schreiben  d.  d.  Stettin,  21.  November  1630,  sagt  der  König: 
„Wir  wollen  Ihnen,  Hr.  Feldmarschall,  in  Gnaden  nicht  verhalten, 
dass  die  Majore  Witzleben  und  Tiesenhusen  vom  feindlichen  Lager 
angekommen  sind  und  dass  sie  zu  berichten  wissen,  dass  der  Feind 
darauf  bedacht  sein  soll,  noch  einmal  das  Glück  zu  versuchen,  um  Col- 
berg  zu  entsetzen.  Wir  wünschen  daher,  dass  Sie  inmier  Kundschafter 
ausschicken  wollen  u.  s.  w.*) 

Das  Hall'sche  Regiment  lag  zu  der  Zeit,  als  Georg  Melchior  von 
Witzleben  wieder  bei  ihm  eintraf,  Ende  November  1630,  mit  dem  grössten 
Theil  der  übrigen  Hom  zugetheilten  ßeiterei  in  Quartieren  längs  der 
Ihne,  brach  aber  gegen  Weihnachten  aus  diesen  auf,  um  an  der  Expe- 
dition gegen  Gartz  theilzunehmen.  Beim  Vormarsch  gegen  Greifenhagen, 
das  am  24.  Dec.  genommen  wurde,  und  später,  als  Gustaf  Adolf  am 
26.  dess.  M.  vom  Lager  bei  Greifenhagen  aufbrach  und  gegen  Marwitz 
zog,  um  dem  Feinde  eine  Schlacht  anzubieten,  gehörte  es  zur  baUaglie^ 
d.  h.  zu  den  für  die  Schlacht  bestimmten  Truppen,  und  stand  als  vor- 


1  Pourier  mit  2  Pferden,  1  Musterschreiber,  1  Prediger,  1  Profoss,  1  Barbier,  1  Huf- 
schmied, 2  Trompetern  und  102  Gemeinen,  zusammen  also  115  Manu  mit  125  Pferden. 
8.  Droysen,  Gust.  Ad.,  II.  p.  73.  ffg.  —  Das  Huirsche  Reiterregiment  ist  allem 
Anschein  nach  von  Adolf  Dietrich  Baron  von  Efferen,  der  als  Oberst  eines  Regiments 
„Hochdeutsche  Soldaten  zu  Fuss**  mit  dem  Könige  aus  Schweden  nach  Deutschland 
gekommen  war,  errichtet  worden.  Eine  von  Gustav  Adolf  unterschriebene  Capitidation, 
datirt  aus  „Unserra  Feldlager  bei  Stettin  den  30.  Juli  1630",  bevollmächtigt  den 
Baron  von  Eiferen,  12  Compagnien  Kürassiere,  jede  zu  125  Reitern,  anzunehmen.  Als 
Lauf-  und  Musterplatz  wurden  dem  neuen  Regimente  die  Kommenturei  Sonnenburg 
und  das  Amt  Seeden  angewiesen.  ViTahrscheinlich  ist  ein  grosser  Theil  der  Cadres 
dieses  Regiments  —  sowie  auch  derjenigen  des  Damitz'schen  Regiments  —  dem  frühe- 
ren herzoglich  pommerschen  Heere  entnommen  worden,  und  Georg  Melchior  von  Witz- 
lebeu,  der  so  kurze  Zeit  nach  der  Anwerbung  als  Major  erscheint,  ist  vielleicht  auch 
in  herzoglichen  Diensten  gewesen.  Der  Name  des  Baron  von  Efferen  verschwindet 
bald  wieder  aus  den  Annalen.  Schon  bei  der  Expedition  nach  Stettin  wird  angeführt, 
dass  sein  Regiment  zu  Fuss  vom  Obersten  Hall  oder  Halle  commandirt  werde,  und 
das  neuerrichtete  Reiterregiment  scheint  gleich  von  Anfang  an  vom  Obersten  Hall 
geführt  worden   zu   sein.    Zur  Zeit  des   Gefechts  vom  6.  October  waren  nur  1  oder 

2  Compagnien  (Escadrons)  dieses  Regiments  bei  der  Armee,  die  andern  wohl  noch  in 
der  Formirung  begriffen;  im  Treffen  bei  Stolzenberg  und  Falkenberg,  13.  Nov.  1630, 
hatte  es  bereits  eine  solche  Stärke,  dass  es  5  Compagnien  „Crabaten"  über  den  Haufen 
werfen  konnte.  —  Zacharias  Pauli's  Compagnie  gehörte  nicht  dem  Hall'schen  Regi- 
mente an;  sie  war  als  selbstständig  von  Schweden  gekommen  und  wurde  später  dem 
Tottsohen  Regimente  einverleibt. 

*)  Königl.  Schwed.  Archiv  zu  Stockholm.  —  cf.  Droysen,  Gust.  Ad^  II.  p.  202« 


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—     265     — 

letztes  Regiment  auf  dem  linken  Flügel  des  zweiten  Treffens,  zwischen 
Damitz  und  Calenbach.*) 

In  den  ersten  Monaten  des  Jahres  1631  waren  die  Hall'schen  Reiter 
wieder  in  ihren  alten  Quartieren  und  eine  Quartierliste  vom  Februar 
zeigt,  dass  sie  nebst  den  Hall'schen  Fussknechten  GoUnow,  Gülzow, 
Massow,  Naugard,  Plate,  Dal)er  imd  Labes  belegen  sollten.  Wenn  sie 
auch  durch  die  Operationen,  welche  Hom  vornahm,  um  Front  gegen  den 
auf  Neu -Brandenburg  anrückenden  Tilly  zu  machen,  in  dieser  Ruhe 
etwas  gestört  wurden,  so  war  es  doch  erst  der  Marsch  des  Königs  gegen 
Frankfurt,  der  sie  in  Bewegimg  setzte  und  Homs  unmittelbarem  Kom- 
mando zeitweise  und  diesen  Gegenden  gänzlich  entführte.  Das  Regiment 
gehörte  während  dieser  Operation  zur  Avantgarde  und  ein  Theil  des- 
selben fand  Gelegenheit,  Ende  März  unter  dem  Avantgardenführer, 
GeneraUieutenant  Baudissin,  in  der  Gegend  von  Müncheberg  dem  Feinde 
einige  Verluste  zuzufügen,  worüber  der  General  Baudissin  dem  Könige 
d.  d.  Neustadt,  den  27.  März  1631,  folgendermassen  berichtete:  „Der 
Obrister  Halle  hat  seinen  Obristen  Lieutenant  (wahrscheinlich  Witzleben) 
mit  dem  halben  Theil  seines  Regiments,  zu  welchem  ich  auch  100  Dra- 
goner gegeben,  nach  Müncheberg,  um  die  Crabaten  zu  suchen,  abge- 
fertigt. So  haben  selbige  aber  den  Wind  zeitlichen  vernommen,  dass 
also,  wenn  der  Obrist- Lieutenant  an  einem  Ort  auf  selbiges  Städtlein 
zugegangen,  sie  am  andern  heraus  gewichen  und  ihren  Weg  nach  Frank- 
furt zu  genommen.  Es  hat  sie  aber  doch  der  Obrist -Lieutenant  stark 
verfolgt,  viel  davon  niedergehauen,  wie  auch  Gefangene  bekommen.  Und 
lässt  mich  der  Obrist  Halle  fragen,  wie  er  sich  zu  verhalten,  ob  er  den 
Ort  Müncheberg  behalten  oder  verlassen  soll.  Weil  es  aber  ein  ganz 
offen  Werk  und  weit  von  hier  abgelegen,  habe  ich  ihm  die  Ordre  ertheilt, 
wiederum  in  seine  alten  Quartiere  zu  rücken,  denn  ich  mich  besorgt, 
weil  des  Feindes  Kavallerie  noch  zur  Zeit  nicht  weit  von  einander,  es 
möchte  ihm  in  Eile  wiederum  etwas  zukommen;  sonstens  soll  er,  wie 
berichtet,  alle  ihre  Bagage  bekommen  haben.  Er  wird  mich  aber,  wie 
es  in  allem  gründlich  ergangen,  mit  mehren  berichten."**) 

Als  die  schwedische  Armee  vor  Frankfurt  a.  0.  am  3.  April  auf- 
marschirte,  stand  das  Regiment  wieder  auf  dem  linken  Flügel  des  zweiten 
Treffens,  mit  Calenbach  als  nächstem  Nachbar  rechtz. 

*)  J.P.  Eirstein^Batalj-PlSne,  1675,  im  KgLSchwed.  Kriegs-Archiv  zu  Stockholm. 
**)  K.  Schwed.  Archiv  zu  Stockholm.    ■ 


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—     266     — 

Nachdem  die  Hallschen  Keiter  eine  kurze  Ruhe  in  Quartieren  im 
Stembergschen  District  gehabt  hatten,  gingen  sie  anfangs  Mai  mit  dem 
Könige  gegen  Berlin  vor.  Am  10.  Juni  1631,  beim  Aufmarsche  vor 
Spandau  imd  Berlin,  und  am  10.  Juli  vor  Tangermünde  und  Werben, 
bei  Tilly's  Anmarsch,  standen  sie  wie  früher  auf  dem  linken  Flügel  des 
zweiten  Treffens,  das  erste  Mal  zwischen  Koschitzky  und  einem  schotti- 
schen Infanterie- Regiment,  das  andere  Mal  zwischen  Koschitzky  und 
Calenbach.  In  der  Nacht  vom  17.  zum  18.  Juli  überfiel  der  König  mit 
seiner  Kavallerie  drei  kaiserliche  Regimenter  in  Wolmirstedt  (Gefecht 
bei  Burgstall). 

Nachdem  das  Hallsche  Reiterregiment,  welches  am  10.  Mai  1631 
nur  400  Mann  stark  gewesen  war,*)  zu  den  alten  Lauf-  und  Muster- 
plätzen in  Pommern  neue  in  der  Mark  Brandenburg  erhalten  hatte,**) 
nahm  seine  Complettirung  so  schnellen  Fortgang,  dass  es  bereits  am 
20.  Juli  in  einer  List.e  der  im  Lager  bei  Werben  stehenden  Truppen 
als  600  Mann  stark  und  in  einer  andern  Liste,  die  wahrscheinlich  für 
die  Aufstellimg  der  Armee  bei  Düben  am  5.  September  1631,  wo  die 
Vereinigung  mit  der  sächsischen  Armee  bewerkstelligt  wurde,  verfasst 
war,  mit  800  Mann  aufgeführt  werden  konnte.  So  nahm  es  Theil  an 
der  Schlacht  bei  Breitenfeld  (oder  Leipzig),  am  7.  September  1631,  wo 
es  wieder  auf  dem  linken  Flügel  des  zweiten  Treffens,  zwischen  Cour- 
viUes  Reitern  und  Vitzthums  Infanterie,  stand  imd  also  eins  derjenigen 
Regimenter  war,  mit  welchen  Hom  nach  der  Sachsen  Niederlage  durch 
eine  Linksschwenkung  die  neue  Front  bildete  und  sich  so  lange  mit  den 
Kaiserlichen  herumschlug,  bis  ihm  der  König  vom  rechten  Flügel  Unter- 
stützung sandte.  Der  Regiments -Chef,  Oberst  Hall,  fiel  und  Georg 
Melchior  von  Witzleben  übernahm  das  Kommando,  wenigstens  wird  er 
in  dem  nächsten  Truppenverzeichniss,  actum  Erfurth  23.  September,  als 
Kommandeur  des  Regiments  bezeichnet.  Dieses  muss  übrigens  in  der 
Schlacht  bedeutende  Verluste  gehabt  haben,  denn  es  wurde  von  12  Com- 
pagnien  mit  800  Mann  auf  6  Compagnien  mit  400  Mann  reducirt,  wobei 


*)  Lista  pa  folk,  som  mi  marschera  kan.  Actum  i  faltlägret  i  Potsdam  d.  10.  Mai 
1631.    K.  Schwed.  Arch.  zu  Stockholm. 

**)  Botzen,  Biesenthal,  Bernau,  Berneuchen,  Alt-Landsberg,  Strausberg,  Eöpuick, 
Spandau,  Wrietzen  a.  0.,  Buckow  und  Friedland.  Förslag  öf?er  Quarter  och  Mdnster- 
platsar  för  Bjttame.  Actum  Tangermünde  10.  Juli  1631.  Kgl.  Schwed.  Arch.  zu 
Stockholm. 


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—     267     — 

jedoch  bemerkt  wurde,  dass  es  wieder  auf  einen  Bestand  von  750  Reitern 
gebracht  werden  solle. 

Zehn  Tage  nach  der  Schlacht  bei  Breitenfeld  brach  Gustaf  Adolf 
mit  seinem  Heere  von  Halle  auf  und  zog  über  Querfurt  an  die  ünstrut; 
am  Nachmittag  des  22.  Sept.  hielt  er  seinen  Einzug  in  Erfurt.  Von 
hier  wurde  am  26.  Sept.  in  zwei  Kolonnen  aufgebrochen:  die  eine,  bei 
welcher  der  König,  ging  auf  Arnstadt,  die  andere  auf  Gotha.  Am  27. 
befand  sich  zu  Arnstadt  das  Hauptquartier.  Dann  ging  es  weiter,  am 
Liebenstein  vorbei,  immer  durch  Witzleben'sches  Gebiet,  nach  Ilmenau 
und  über  den  Thüringer  Wald  nach  Schleusingen,  wo  der  König  am  28. 
auf  dem  Schlosse  Quartier  nahm.  Gustaf  Adolf  forderte  von  dem  Lande 
(Stift  Würzburg  und  Herzogthum  Franken)  die  Huldigung,  setzte  über 
dasselbe  ein  neues  Gouvernement  (Königliche  Landesregierung  Herzog- 
thums  Pranken)  und  dotirte  mit  einzelnen  Theilen  von  ihm  neue  Be- 
sitzer, auf  deren  Ergebenheit  er  sich  verlassen  konnte.  „Auf  das  Eecht 
des  Krieges  gestützt  ahmte  er  nach,  was  vordem  die  katholischen  Gegner 
ohne  besseres  Recht  gethan."*) 

Bei  dieser  Gelegenheit  mag  es  gewesen  sein,  dass  Georg  Melchior 
von  Witzleben  auf  seine  wahrscheinlich  schon  während  des  Marsches  von 
Arnstadt  nach  Ilmenau  (28.  September  1631)  ausgesprochene  Bitte  von 
Gustaf  Adolf  die  sogenannten  Kerpenschen  Güter  und  das  Dorf  Angelroda 
(cf.  S.  131)  erhielt.  Der  Graf  zu  Schwarzburg  aber,  zu  dessen  Gebiet 
Angelroda  gehörte,  war  so  empört  über  jene  Schenkung,  dass  er  es  sich 
nicht  nur  ein  Bedeudendes  kosten  liess,  jenes  Dorf  wieder  zu  erlangen, 
sondern  auch  Georg  Melchior  von  Witzleben  auf  längere  Zeit  aus  dem 
Strahlenkreise  seiner  Gnadensonne  verbannte.**)  Die  Kerpenschen  Güter 
behielt  der  so  empfindlich  Gestrafte  bis  1648. 

♦)  Droysen,  Gust.  Ad.,  H.  p.  430—448. 

,  **)  „Bei  dem  Könige  von  Schweden  hat  Herr  Major  Melchior  von  Witzleben  zu 
Liebenstein  die  Beuss-Wormische  (d.  i.  Russwurmsche)  oder  sogenannte  Körpische  Güter 
sammt  dem  Dorfe  Angelroda  sich  ansgebeten,  ohnerachtet  das  Dorf  in  das  Amt 
Schwarzbnrg  gehört;  deswegen  es  denn  mein  gnädiger  Herr  sehr  ungnädig  aufgenom- 
men und  den  Major  in  eigener  Person  nicht  vor  sich  kommen  lassen,  sondern  zur  Stunde 
Herrn  Dr.  Heinrich  Neunhar,  Hofrath,  und  Herrn  Oberforstmeister  von  Schreckenstein 
an  den  Schwedischen  Besidenten,  Herrn  Aschken  (hiess  nach  Chemnitz,  H.  p.  32 
und  680  Alexander  Ersken).  nach  Erfurt  geschickt,  worauf  wohlgedachter  Herr  Resi- 
dent mit  den  Herren  Commissarien  Jacob  Barden  nach  Um  gekommen  und  haben  dem 
Major  Witzleben  Angelroda  wieder  aus  den  Händen  genommen.  Mein  gnädiger  Herr 
haben  den  Besidenten  regaliret  und  dadurch  zu  aller  Gewogenheit,  so  lange  der  Krieg 


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—     268     — 

Als  Gustaf  Adolf  am  9.  Nov.  1631'  an  der  Spitze  der  Annee  von 
Würzburg  aufbrach,  „um  Main  und  Ehein  zu  conjungiren",  liess  er  zur 
Vertheidigung  Würzburgs  und  Frankens  den  Feldmarschall  Gustav  Hom 
mit  einem  Corps  von  etwa  8000  Mann  zurück.  Unter  der  Kavallerie 
dieser  „fränkischen  Armee"  befand  sich  Georg  Melchior  von  Witzleben 
mit  seinem  aus  8  Compagnien  bestehenden  Eegimente.*) 

Hom  nahm  Mergentheim,  Heilbronn,  Wimpfen  und  andere  am  Neckar 
gelegene  Orte,  femer  Höchstadt  und  Bamberg  durch  Accord  und  zog 
sich,  nachdem  er  letzteres  gegen  Tilly  hatte  aufgeben  müssen,  28.  Febr. 
1 632,  nach  Schweinfurt  zurück.  Dass  Georg  Melchior  von  Witzleben  bei 
der  Einnahme  von  Mergentheim,  der  „Residenzstadt  der  deutschen  Mei- 
ster", mitwirkte,  geht  aus  den  Acten  des  Stockholmer  Archivs  hervor, 
und  dass  er  an  der  Expedition  gegen  Heilbronn,  um  Weihnachten  1631, 
theilgenonmfien ,  spricht  Hörn  selbst  in  einem  Briefe  an  den  König  aus. 
üebrigens  scheint  der  Winter  zu  Werbungen  in  den  neuen  fränkischen 
Lau^lätzen  benutzt  worden  zu  sein,  ohne  dass  jedoch  Witzlebens  Regi- 
ment sehr  viel  dabei  gewann;  am  31.  Dec.  hatte  es  zwar  8  Compagnien, 
aber  nur  300  Mann,  es  mankirten  also  450.  Anfangs  1632  wurde  die 
Zahl  der  Compagnien  auf  6  reducirt;  im  Febmar  oder  März  verschwindet 
noch  1  Compagnie  und  das  Regiment  hatte  nunmehr  nur  5  Compagnien 
mit  397  Mann.  Um  diese  Zeit  ging  auch  noch  eine  andere  Veränderung 
mit  dem  Regimente  vor;  die  erwähnte  Liste  ist  nämlich  die  letzte,  in 
welcher  das  Regiment  „Witzleben"  genannt  wird.    In  der  „Battaglia  vor 

gewahret,  versichert  gemacht,  gestalt  ich  denn  als  die  geringste  Person  in  vielen  Ver- 
schicknngen  es  wohl  genossen.  Ohngeachtet  Herr  Major  von  W^itzleben  wieder  mal  vor 
meinen  gnädigen  Herrn  begehret,  so  waren  doch  Ihro  hochgräfliche  Gnaden  nicht  zu 
bewegen.  Nach  der  Zeit  ist  Herr  Major  von  Witzleben  Obrister  geworden  und  die 
Eorpische,  Reuss-Wormische,  Güter  bis  zu  dem  erlangten  gewünschten  Frieden  in  Be- 
sitz gehabt,  welche  hernach  der  Herr  von  Beulwitz  bekommen  und  noch  haben  wird, 
und  ist  dieser  Herr  Obrister  eher  nicht  als  kurz  vor  meines  gnädigen  Herrn  Beilager 
zur  Audienz  kommen."  Im  Archiv  zu  Angelroda  befindlicher  Extract  aus  einer  im 
Jahre  1682  von  Michael  Heubel,  Gräfl.  Schwarzb.  Landrichter  und  Steuer-Cassa- Ver- 
walter zu  Rudolstadt,  verfassten  Chronik,  enthaltend  geschichtliche  Notizen  von  1620 
bis  1679. 

*)  In  dem  „Memorial  für  den  Feldmarschall  Hom",  d.  d.  Würzburg.  5.  Nov. 
1631,  wodurch  dieser  beordert  wird,  in  Würzbnrg  zu  bleiben  und  die  Mainübergänge 
zu  bewachen,  sagt  der  Eonig,  nachdem  er  die  Infanterie  des  Feldmarschalls  genannt 
hat:  ,80  behaltet  er  anch  Baudissins,  Sperrenters,  Cochitzkys  nnd  Witzlebens  Reiter 
XL  s.  w.**  Kgl.  Schwed.  Arch.  zu  Stockholm.  —  Droysen,  Gust.  Ad.,  II.  p.  452 
and  464. 


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—     269     — 

Donauwerth  und  dem  Lech,  4.  April  1632",*)  findet  man  nämlich  nicht 
mehr  ein  Eegiment  „Witzlehen"  mit  5  Compagnien,  sondern  ein  Regi- 
ment „Feldmarschall  Hom"  mit  derselhen  Anzahl  von  Compagnien,  imd 
in  einer  Liste  vom  14.  April  1632**)  werden  genannt  „5  Compagnien 
Feldmarschall"  und  in  Parenthese  hinzugefügt  „(Witzlehen)."  Die  Be- 
nennung des  Regiments  ist  also  geändert  worden  und  es  tritt  von  nun 
an  als  das  Leihregiment  Homs  auf,  geführt  von  Georg  Melchior  von 
Witzlehen. 

Zu  Schweinfurt  vereinigte  sich  Gustaf  Adolf,  welcher  den  Winter 
tiher  zu  Mainz  und  Frankfurt  Hof  gehalten,  wieder  mit  der  fränkischen 
Armee  und  zog  dann  Mittwoch  den  21.  März  in  Nümherg  ein.  In  Eil- 
märschen ging  es  von  hier  gen  Süden;  am  28.  März  ward  Donauwörth 
genonunen  und  am  5.  April  Tilly  am  Lech  geschlagen.  Es  erfolgte  dann 
der  Einmarsch  in  Bayern,  die  Besetzung  von  Augshurg  und  am  16.  April 
der  Aufbruch  aus  dem  Lager  hei  Lechhausen  gegen  Ingolstadt.  Voraus 
marschirte,  wie  von  Schweinfurt  nach  Nümherg,  Hom  mit  der  Kavallerie. 
Während  Gustaf  Adolf  mit  dem  grössten  Theil  der  Armee  sich  zur  Be- 
lagerung der  Festung  anschickte,  wurde  Hom  mit  einer  Tmppenahthei- 
lung  ausgesandt,  um  dem  Feinde  zu  folgen;  am  Nachmittage  des  22.  April 
nahm  er  bereits  Neustadt.  Da  Wallenstein  im  Anmarsch  war,  brach  der 
König  am  24.  April  von  Ingolstadt  auf,  rief  Hom  wieder  zum  Haupt- 
corps zurück  und  zog,  nachdem  Moshurg  an  der  Isar,  Landshut  und 
Freisingen  genommen  waren,  am  10.  Mai  in  München  ein,  wo  er  die 
Todten  auferweckte,  d.  h.  119  vergrabene  Geschützrohre  ans  Tageslicht 
befördem  liess.  Nach  mancherlei  Kreuz-  und  Querztigen  durch  Bayem, 
Schwaben  imd  Franken  bezogen  die  Schweden  am  23.  Juni  das  Lager 
bei  Nürnberg,***)  während  Wallenstein  Anfangs  Juli  das  seinige  bei  Stein 
(Dorf,  1^/2  St.  von  Nümherg)  und  Zimdorf  aufschlug.  „Da  man  sich 
imi  Lorbeeren  zu  schlagen  keine  Gelegenheit  hatte,  schlug  man  sich  um 
Heu."  So  grifl'  u.  a.  der  Obrist  Taubadel  am  30.  Juli  mit  3  Regimen- 
tern Kavallerie  Freistadt  an,  erbeutete  eine  Proviantkolonne  und  zündete 


*)  Kirsteins  Batalj -plane,  im  K.  Schwed.  Kriegs-Archiv. 
**)  Lista  pa  folket.    Actum  Augsburg  14.  April  1632.  im  K.  Schwed.  Karamer- 
EoUegii- Archiv  zu  Stockholm. 

***)  Homs  Leibregiment  („Feldmarschall")  war  Anfangs  Juni  6  Compagnien  mit 
339  Mann  stark  gewesen  (Lista,  actum  Nürnberg  8.  Juni  1632.),  während  sein  Bestand 
Mitte  Juli  7  Compagnien  mit  388  Mann  betrug  (Lista  über  die  Cavalleria.  Actum 
16.  Juli  1632). 


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—     270     — 

die  Stadt  an.  Mitte  August  kam  Oxenstjerna  mit  der  rheinischen  Armee 
ins  Lager,  so  dass  nunmehr  die  Vereinigung  des  schwedischen  Heeres 
vollzogen  war.  Nachdem  aber  am  24.  Aug.  die  Schlacht  bei  der  alten 
Feste  geschlagen  war,  während  welcher  das  Regiment  „Feldmarschall" 
auf  dem  äussersten  rechten  Flügel  des  ersten  Treffens  gestanden  hatte, 
aber  wie  die  übrigen  auf  diesem  Theile  der  schwedischen  Linie  befind- 
lichen Beiterregimenter  durch  Terrainschwierigkeiten  an  weiterer  Theil- 
nahme  am  Kampfe  verhindert  war,  brach  am  Sonnabend  den  8.  Septbr. 
Gustaf  Adolf  das  Lager  ab  und  zog  mit  seinem  Heere  von  dannen  gen 
Windsheim.  Darauf  erfolgte  der  Abmarsch  nach  Sachsen,  auf  welchem 
der  König  am  23.  October  zum  zweiten  Mal  in  Arnstadt  weilte,  und 
schliesslich  am  6.  Nov.  die  Schlacht  bei  Lützen  und  Gustaf  Adolfs  Tod. 

Diesen  Zug  nach  Sachsen  hatte  Georg  Melchior  von  Witzleben  nicht 
mitgemacht;  er  befand  sich  vielmehr  bei  der  von  Gustaf  Adolf  unter 
dem  General  Johann  Ban6r  in  Bayern  zurückgelassenen  Armee,  welche 
während  der  Krankheit  Bauers  der  Pfalzgraf  Christian  von  Birkenfeld 
konamandirte.  Im  Anfang  des  November  wurden  „6  Compagnien  Feld- 
marschall  —  250  Mann''  unter  den  Ban^rschen  Truppen  genannt.*)  Als 
Hom  im  December  Ban6rs  Nachfolger  in  Schwaben  wurde,  kam  sein 
Leibregiment,  240  Mann  stark,  wieder  unter  sein  directes  Kommando 
und  nahm  an  den  Operationen  theil,  in  Folge  deren  Altringer  über  den 
Lech  zurückgedränkt  wurde;  und  als  er  nach  dem  Zuge  nach  München 
wieder  in  Donauwörth  einrückte,  hatte  das  Eegiment  280  Mann  in 
7  Compaguien**),  während  „3  Compagnien"  als  „auf  Werbung"  bezeichnet 
werden. 

Um  diese  Zeit  entstand  die  „Confoederation  der  Königlich  Schwedi- 
schen Of'fidrer  zu  Donauwörth".  Gustaf  Adolf  hatte  die  durchs  Schwert 
erworbenen  Lande  an  Fürsten,  Stände  und  Officiere,  um  diese  williger 
zu  machen  und  zur  Fortführung  des  Krieges  anzufrischen,  zum  Theil 
schon  verschenkt,  zum  Theü  versprochen.  Nach  des  Königs  Tode  wurden 
an  den  Beichskanzler  Oxenstjerna  dieselben  Anforderungen  gestellt  und 
es  war  fast  kein  Stand  oder  namhafter  Officier  und  Beamte,  der  nicht 
einige  Aemter,  Abteien,  Klöster,  Herrschaften  und  dergleichen  begehrte, 
„da  dann,  je  höher  die  Person,  je  höher  auch  die  Prätensionen  waren". 
Oxenstjerna  trug  zwar  Bedenken,    mit   dem   eroberten  Lande  wie    der 

*)  Lista  im  E.  Schwed.  Beichs-Archi?,  Oxenstjemska  Sämlingen. 
♦•)  Lista,  20.  Apr.  1633.    K.  Schwed.  Reichs-Archiv. 


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—     271     — 

König  zu  schalten,  er  musste  aber  der  Sache  ihren  Lauf  lassen,  wenn 
er  nicht  alles  über  den  Haufen  werfen  wollte,  „sintemal  das  Fundament 
des  ganzen  Staats  darauf  beruhte,  das  sowohl  die  Soldatesca  als  Fürsten 
und  Stände  bei  gutem  Willen  erhalten  würden.  Die  Officiere  waren, 
abgesehen  davon,  dass  man  mit  ihrem  Solde  im  Eückstande  war,  be- 
sonders darüber  erbittert,  dass  die  reiche  Beute,  für  welche  sie  Leib 
und  Leben  gewagt,  denen  zufiel,  die  in  den  Stuben  hinterm  Ofen  gesessen. 
Es  heisst  zwar  (Chenmitz,  U.  p.  100),  sie  seien  „aufstutzig  gemachet 
von  etlichen  meutinirischen,  vnruhigen  Köpfen.  Worunter  der  Oberste 
Joachim  Mitschlaflf,  ein  verschmitzter  und  beschwatzter  Man,  der  vor- 
nemsten  Eedelsföhrer  einer  gewesen",  ihre  Beschwerden,  die  sie  zu 
Donauwörth  beriethen  und  schriftlich  aufsetzten,  müssen  aber  doch  nicht 
ohne  Grund  gewesen  sein,  denn  der  Feldmarschall  Gustaf  Hörn  selbst 
überbrachte  sie  dem  Eeichskanzler  nach  Heilbronn,  wo  seit  Anfangs 
März  der  Convent  der  evangelischen  Fürsten  und  Stände  der  4  Ober- 
kreise tagte.  Oxenstjema  beschloss,  die  vornehmsten  Officiere  mit  Gütern 
zu  beneficiren  und  die  eroberten  Lande,  soweit  sie  zureichen  würden, 
auszutheüen,  doch  dergestalt,  dass  der  Königin  und  Krone  Schweden, 
in  deren  Namen  dies  alles  geschehen  müsste,  die  Oberherrlichkeit  imd 
das  Lehnrecht  sanmit  den  schuldigen  Contributionen  vorbehalten  blieben.*) 
Georg  Melchior  von  Witzleben  benutzte  diese  Gelegenheit,  um  die  seit 
er.  1615  der  Liebensteiner  Linie  entzogenen  früher  Hennebergischen 
Lehngüter  wieder  an  sich  zu  bringen  imd  erhielt  den  von  Axel  Oxenst- 
jema zu  Heübronn  am  29.  Apr.  1633  ausgestellten  Königlich  Schwe- 
dischen Donationsbrief  über  Heyda,  Neusis  und  Schmerfeld.**) 

Nachdem  Hom  sich  vom  Herzog  Bernhard  wieder  getrennt,  einen 
kurzen  Einfall  in  die  obere  Pfalz  untemonmien  und  Neumarkt  erobert 
hatte,  richtete  er  seinen  Marsch  nach  der  schwäbischen  Grenze,  wo  sich 
die  Kaiserlichen  unterdessen  beträchtlich  verstärkt  hatten  imd  Würtem- 
berg  mit  einem  verwüstenden  Einfall  bedrohten.  Durch  seine  An- 
näherung verscheucht,  ziehen  sie  sich  an  den  Bodensee,  aber  nur,  um 
auch  den  Schweden  den  Weg  in   diese  noch  nie    besuchte  Gegend  zu 

*)  Chemnitz,  H.  p.  91— 120.  —  Der  Endvergleich  des  Eeichskanzlers  und  der 
Officiere  wurde  am  12.  Juli  1633  geBchlosaen.  Chemnitz,  p.  151.  —  Vergl.  auch 
Schiller,  sammtl.  Werke  in  12  Bdn.,  Cotta,  Bd.  IX.  p.  371  ffg. 

**)  Inyentarium   Georg  Melchiors  von  Witzleben  vom  8.  Aug.  1672  im  Archiv 
zu  Hude. 


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—     272     — 

zeigen.  Das  von  Georg  Melchior  von  Witzleben  geführte  Leibregiment 
Horas  war  während  dieses  Zuges  500  Mann  stark.  Nach  vergeblicher 
Belagerung  der  Stadt  Constanz  rückte  Hom  dem  inzwischen  an  der 
Donau  erschienenen  Herzog  von  Feria  entgegen.  Dieser  aber  zog  über 
die  Waldstädte  nach  dem  Breisgau  und  Elsass;  Hom  und  der  Pfalzgraf 
von  Birkenfeld  folgten  und  die  Kaiserlichen  sehen  sich  nach  einem 
kurzen  Triumphe  wieder  aus  dem  Elsass  vertrieben  (Herbst  1633).  Das 
Leibregiment  bezog  mit  12  Compagnien  Winterquartiere  im  schwäbischen 
Kreise. 

Zur  neuen  Campagne  rückte  das  Regiment  im  Frühling  1634  mit 
720  Mann  in  12  Compagnien  aus*)  und  folgte  Hom  nach  der  nörd- 
lichen Schweiz,  schlug  sich  am  12.  Juli  bei  Landshut  und  theilte  später 
mit  den  andem  Eegimentem  der  Homschen  Armee  die  grossen  Verluste 
auf  der  Retraite  nach  Augsburg.     Hier  wurde    es    auf  10  Compagnien 


Nach  Wallensteins  Ermordimg  (15.  Febr.  1634)  hatte  der  König 
Ferdinand  von  Ungarn  das  Kommando  über  die  Kaiserlichen  Armeen 
erhalten,  war  nach  Bayem  gerückt  und  hatte  die  Belagerung  von  Eegens- 
bürg  untemonmien.  Herzog  Bernhard  vermochte  die  Reichsstadt  nicht 
zu  entsetzen:  nach  hartnäckigster  Gegenwehr  ö&ete  sie  am  19.  Juli 
1634  den  Kaiserlichen  die  Thore.  Am  6.  August  wurde  Donauwörth 
überwältigt  und  darauf  zur  Belagerung  von  Nördlingen  in  Schwaben 
geschritten.  Die  Schweden,  unter  Anführung  Homs  und  Bernhards  von 
Weimar,  setzten  sich  in  Bewegung,  entschlossen,  auch  wenn  es  eine 
Schlacht  kosten  sollte,  diese  Stadt  zu  entsetzen.  Am  13.  Aug.  fassten 
sie  bei  Bopfingen  Posto,  am  14.  wurden  Im  Angesicht  des  Feindes 
250  Musketiere  in  die  Stadt  gebracht.  Am  26.  Aug.  brachen  die 
Schweden  auf,  um  sich  der  Stadt  zu  nähern,  gelangten  auch  über  den 
Arzberg  hinaus,  waren  aber,  da  die  Nacht  hereinbrach,  nicht  mehr  im 
Stande,  die  nunmehr  nöthig  gewordene  Besetzung  eines  ihnen  rechter 
Hand  liegenden  Hügels  auszufahren.  Man  beschloss  daher,  „zu  Ver- 
hütung aller  confusion,  so  die  nacht  vemrsachen  könte",  den  neuen 
Morgen  zu  erwarten. 

Als  nun  am  27.  August  der  Tag  anbrach,  rückte  der  Feldmarschall 
mit  seiner  Armee,  welche  den  rechten  Flügel  der  Schlachtordnung  bildete, 

*)  Lista  ofver  arm^erna  i  Tydskland  1634,  K.  Schwed.  Reichs-Archiv  zu  Stockholm. 

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—    2T3     — 

gegen  diesen  Hügel  vor.  Da  aber  das  Feld,  welches  er  passiren  musste, 
von  einem  mit  Hecken  bewachsenen  Hohlwege  durchschnitten  wurde, 
zog  er  sich  mit  der  Eeiterei  etwas  rechts,  während  er  dem  Fussvolk 
befiahl,  gerade  aus  zu  bleiben.  In  der  Absicht,  mit  letzterm  das  Treffen 
gegen  die  in  den  Yerschanzungen  auf  dem  Hügel  postirte  feindliche 
Infanterie  zu  beginnen,  stellte  er  dann  die  Avantgarde  der  Beiterei  am 
Abhang  des  Berges  auf,  wo  sie  vor  den  feindlichen  Geschossen  gesichert 
und  zur  Unterstützung  des  Fussvolks  zur  Hand  war.  Während  er  aber 
darauf  für  seine  Person  voraus  imd  bis  auf  die  Höhe  ritt,  rückte  der 
Oberstlieutenant  Witzleben  —  der  entweder  die  Ordre  nicht  richtig 
verstanden  oder  aus  dem  Umstände,  dass  der  Feldmarschall  selbst  avan- 
drte,  geschlossen  hatte,  dass  dieselbe  geändert  sei,  —  mit  des  Feld- 
marschalls Leibregiment,  welches,  in  zwei  Schwadronen  getheilt,  den 
linken  Flügel  der  Beiterei  bildete,  von  dem  Abhang  ganz  auf  die  Höhe 
und,  bevor  es  Hom  gewahr  wurde,  gegen  eine  feindliche  Abtheüung  von 
drei  Begimentem  Fussvolk  vor.  Als  ihm  aber  ein  Begiment  Kürassiere 
in  die  Flanke  gehen  wollte,  schwenkte  er  ein  imd  schlug  sowohl  dieses 
als  dessen  Unterstützung  in  die  Flucht,  beide  über  den  Hügel  hinaus 
verfolgend.  Hierbei  stiess  er  jedoch  auf  frische  feindliche  Truppen  und 
ward  mit  ziemlichem  Schaden  und  Verlust  zweier  Standarten  geworfen. 
Der  Feldmarschall  sah  sich  genöthigt,  ihn  mit  etlichen  andern  Schwadro- 
nen zu  entsetzen,  und  ward  so  die  ursprüngliche  Disposition  durch  diese 
unzeitige,  wiewohl  sonst  tapfere  Charge  des  Oberstlieutenants  Witz- 
leben umgestossen.  Das  Gefecht  musste  unter  dem  Feuer  der  hinter 
den  Verschanzungen  stehenden  Geschütze  und  Infanterie  des  Feindes  ge- 
fuhrt werden,  in  Folge  dessen  die  Schwadronen  nicht  imbedeutende  Ver- 
luste erlitten  und  gezwungen  waren,  sich  wieder  hinter  den  Hang  des 
Berges  zurückzuziehen.*) 

*)  Nach  Chemnitz,  IL  p.  531.  —  Aehnlich,  ja  fast  mit  denselben  Worten  wie 
Chemnitz  erzahlt  Puffendorff,  26  Bücher  über  den  30jährigen  Krieg,  Tom.  VI.  §.  74, 
dies  Gefecht  nnd  sagt,  indem  er  das  erste  Vorrücken  schildert:  „Daselbst  versähe  es 
der  Obriste  Lieutenant  Witzleben,  entweder  weil  er  seine  Ordre  nicht  verstund, 
oder  weil  er  meinte,  es  hätte  sich  alles  verändert,  weil  Hom  weiter  hinanff  geritten 
war."  —  Franz  Freiherr  von  Soden  aber  (Gustav  Adolf  und  sein  Heer  in  Süd- 
deutschland) kennt  die  Motive,  welche  Georg  Melchior  von  Witzleben  leiteten,  besser. 
Er  sagt:  , Während  Hom  die  Höhen  hinaufritt,  um  des  Feindes  Stellung  zu  besichtigen, 
machte  General  (nach  Böse  I.  p.  300  nur  Oberstlieutenant)  von  Witzleben, 
ohne  den  Befehl  des  kommandirenden  Feldherm  abzuwarten,  mit  seiner  Beiterei  einen 
Angriff  auf  etliche  Schwadronen  Burgundischer  Kürassiere,  entweder  weil  ihm  die  Ge- 


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—     274     — 

Im  weitern  Verlauf  der  Schlacht  war  der  Graf  von  Thum  mit  einer 
Brigade  vom  Herzog  Bernhard  dem  rechten  Flügel  zu  Hülfe  gesandt 
worden  und  mit  des  Obersten  Lesle  und  den  Italienischen  Regimentern 
zusammengestossen,  hatte  auch  die  Kürassiere,  die  zu  verschiedenen  Malen 
auf  ihn  anritten,  tapfer  abgewiesen.  Da  man  ihn  mit  der  Reiterei  kräftig 
unterstützte,  kam  es  zwischen  der  beiderseitigen  Kavallerie  zum  hitzigsten 
Handgemenge,  zumal  der  Oberstlieutenant  Witzleben  „wegen  des 
Unglücks,  so  er  in  der  ersten  Charge  mit  Verlierung  zwoier  Standarten 
gehabt,  die  Revanche  in  etlichen  Treffen  mit  nicht  geringer  Courage  ge- 
sucht und  erhalten."  Eine  Entscheidung  wurde  jedoch  nicht  herbeige- 
führt, weil  die  schwedische  Reiterei  den  Feind  nicht  zu  verdrängen  ver- 
mochte, sich  vielmehr  nach  den  einzelnen  Attacken  immer  wieder  an  den 
Hang  des  Berges  postirte.*) 

Der  Ausgang  der  Schlacht  war  bekanntlich  der,  dass  die  Schweden 
von  den  Kaiserlichen  vollständig  geschlagen  und  selbst  der  schwedische 
Feldmarschall  Gustaf  Hom  welcher  neben  dem  Herzog  Bernhard  zu 
Sachsen -Weimar  konmaandirte,  gefangen  genommen  wurde.  Herzog 
Bernhard  wäre  auch,  weil  sein  Pferd  schon  ermüdet,  in  Feindes  Hände 
gerathen,  wenn  ihm  nicht  ein  Capitain  von  den  Taupadelschen  Dragonern 
mit  einem  kleinen,  doch  untersetzten  raschen  Klepper  ausgeholfen,  der 
dies  Mal  das  beste  bei  demselben  gethan  und  ihn  davon  getragen."**) 

Die  vor  Nördlingen  geschlagenen  und  zerstreuten  Völker  ritten  imd 
liefen  anfangs  weit  und  breit  ins  Land,  sanunelten  sich  aber  endlich 
zum  grössten  Theil  bei  Heilbronn,  von  wo  sie  am  2.  September  nach 
Frankfurt  a.  M.  marschirten.  Der  Reichskanzler  hielt  eine  Musterung, 
wobei  sich  herausstellte,  dass  die  Reiterei  fest  so  stark  war,  als  sie  vor 
der  Schlacht  gewesen,  und  reducirte  die  Truppen  auf  163  Compagnien 
zu  Ross  imd   104  zu  Fuss.     Das  Regiment  „Feldmarschall"  wurde  in 


legenheit  günstig  schien,  oder  aus  Rnhmsncht,  um  den  Ruf  hierdurch  zu  erhalten,  als 
habe  er  gleich  anfangs  durch  seine  militärische  Einsicht  und  Tapferkeit  der  Schlacht 
eine  glückliche  Wendung  gegeben.'*  Sic!  Mit  Böse  ist  gemeint:  Herzog  Bernhard  d. 
Gr.  von  Sachsen-Weimar,  biographisch  dargestellt  von  Dr.  Bernhard  Böse.  Weimar, 
1828.29.    2.  Theile. 

*)  Chemnitz,  IT.  p.  532.  —  Puffendrf,  Tom.  VI.  §.  74:  „Darin  sich  der 
Obrist-Lieutenant  von  Witzleben  wegen  seiner  beyden  Estandarten,  die  er  im 
ersten  Treffen  yerlohren,  stattlich  revangirte.  Weil  aber  die  Schweden  an  keinem 
guten  Orte  stunden,  so  wurde  nichts  hauptsächliches  ausgerichtet." 

♦*)  Chemnitz,  H.  p.  534. 


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—    275     — 

5  Compagnien  mit  500  Mann  „refonnirt".  Georg  Melchior  von  Witz- 
leben blieb  Oberst  des  Regiments*),  welches  aber,  da  der  FeldmarschaU 
gefangen  war,  von  nun  an  wieder  „Witzleben"  genannt  wurde.  Es  bezog 
zunächst  [Quartiere  in  der  Pfalz.  Die  Wahl,  wer  das  Oberkonmiando 
der  neuformirten  Armee  fahren  solle,  fiel  endlich  auf  Herzog  Bernhard, 
„welcher  mehr  aflfection  bey  der  soldatesca  hatte,  activer  zu  sein  schien 
(als  Pfalzgraf  Christian  von  Birkenfeld),  auch  den  karren  ümbgeworfen, 
darumb  Er,  denselben  wieder  aufzurichten,  vor  andern  pflichtig  war".**) 

Herzog  Bernhard  hielt  sich  im  Winter  1634/35  in  der  Eheingegend 
und  im  Elsass  auf;  aber  verlassen  von  dem  Heilbronnischen  Bunde,  dem 
der  Prager  Frieden  bald  darauf  ein  völliges  Ende  machte,  und  von  den 
Schweden  zu  wenig  unterstützt,  sah  er  sich  ausser  Stande,  die  Armee 
zu  unterhalten  uud  grosse  Thaten  an  ihrer  Spitze  zu  thun. 

Inzwischen  trat  Prankreich  auf  die  Bühne.  Gegen  den  Herzog  von 
Lothringen,  welcher  mit  der  Ligistischen  Armee  und  den  unter  General 
Mercy  dazugestossenen  Regimentern  durch  den  Breisacher  Rheinpass  auf 
die  elsässische  Seite  gegangen  war,  rückte  eine  französiche  Armee  unter 
dem  Marschall  de  la  Force  an.  Diesem  hatte  Herzog  Bernhard  im 
März  1635  „einen  ansehnlichen  secours  in  fönff  Regimentern,  als  dem 
LandGräffischen,  Rheingräffischen,  Witzlebischen,  Freyburgischen  vnd 
Brinckischen,  bestehend,  vnter  LandgraflF  Johan  zu  Hessen,  in  drittehalb 
tausend  guter  reuter  stark",  gesandt.  Bei  Beifort  fanden  etliche  Schar- 
mützel statt  und  am  15.  Mai  machte  sich  der  Herzog  von  Lothringen 
mit  seiner  ganzen  Armee  in  der  Stille,  doch  in  schlechter  confusion, 
auf  und  davon.  Die  Franzosen  folgten  ihm,  erreichten  und  schlugen  die 
Arrieregarde  und  am  18.  Mai  eine  andere  lothringische  Abtheilung, 
mochten  aber  wegen  Mangels  an  Lebensmitteln  dem  Feinde  in  das  ver- 
ödete Sundgau  nicht  nachrücken.***) 

Bald  nachher  verliess  Georg  Melchior  von  Witzleben  auf  einige 
Zeit  das  Heer.  Während  sich  Herzog  Bernhard  zu  Sachsen- Weimar 
nach  Frankreich  begab  und  mittelst  des  Vergleichs  von  St.  Germain 
en  Laye  (October  1635)  in  den  Sold  jenes  Landes  trat,  um  den  Krieg 


*)  Lista  der  Regunenter  von  Ihren  Fürstlichen  Gnaden  Herzog  Bernhards  nnd 
Ihrer  Exoellens  Hrn.  Feldmarschalls  Armeen,  so  reformirt  nnd  unter  nachfolgenden 
Christen  gestossen.    K.  Schwed.  Reichs-Archiv  zu  Stockholm. 
*♦)  Chemnitz,  IL  p.  537. 
♦**)  Chemnitz.  IL  p.  701. 

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gegen  den  Kaiser  kräftig  fortfuhren  zu  können,  zog  Georg  Melchior 
von  Witzleben  friedlichen  Sinnes  heimwärts  gen  Thüringen  und  ver- 
mählte sich  am  12.  Oct.  1635*)  mit  Agnes  von  Wangenheim,  der 
am  15.  Sept.  1611  geborenen  Tochter  des  Sachsen -Gotha'schen  Steuer- 
Ober-Einnehmers  Georg  Melchior  von  Wangenheim  auf  Wangenheim  und 
Tüngeda  (n.  1580.  23.  Dez.  zu  Wangenheim,  f  vor  1631)  und  dessen 
zweiter  Gemahlin  (verm.  1.  Sept.  1608)  Anna  Katharina  von  Buttlar 
aus  Ermschwerdt.  Das  junge  Paar  scheint  den  Eittersitz  zu  Gräfinau 
bezogen  zu  haben,  denn  Georg  Melchior  wird  wiederholt  „Georg  Mel- 
chior von  Witzleben  zu  Gräfinau"  genannt.*)  Einige  seiner  Kürassiere 
waren  ihm  gefolgt  und  siedelten  sich  in  Heyda  an,  z.  B.  Michael  Con- 
art,  welcher  am  18.  Juü  1637  copulirt  wurde,  und  Lorentz,  „aus  Bürger- 
wald in  der  Schlesien,  eine  Meile  Weges  von  Jägemdorf,  gebürtig", 
welcher  am  15.  Febr.  1638  bei  des  Kirchenseniors  Klaus  Kiel  zu  Heyda 
jungem  Sohn  Gevatter  stand  und  1639  ebenfalls  heirathete.**) 

Lange  aber  hatte  Georg  Melchior  von  Witzleben  das  häusliche 
Stillleben  nicht  ausgehalten.  Sein  Name  wird  in  der  schwedischen 
Armee  bereits  wieder  genannt,  als  Feldmarschall  Lessle,  nachdem  er 
Minden  erobert  und  „Hermannstein"  (Ehrenbreitstein)  imd  Hanau  ent- 
setzt hatte,  sich  am  12.  Aug.  1636  bei  Uelzen  mit  Ban6r  vereinigte. 
Lessle  hatte  damals  mit  sich  2  Infanterie-  und  7  ßeiter-Regimenter  und 
eins  der  letztem  war  das  Witzlebens.  Später  muss  dieses  für  einige 
Zeit  von  der  Hauptarmee  getrennt  gewesen  sein,  denn  bei  Wittstock, 
wo  Ban6r  am  24.  Sept.  1636  den  Kurfürsten  von  Sachsen  und  den 
kaiserlichen  General  Grafen  von  Hatzfeld  schlug,  war  es  nicht  zugegen. 
Als  aber  Ban6r,  welcher  nach  dem  Siege  bei  Wittstock  Sachsen  mit 
Winterquartieren  belastet  und  Erfurt  und  Torgau  durch  Capitulation  ein- 
genommen liatte,  Anfangs  Februar  1637  die  Belagerung  von  Leipzig 
aufgeben  und  sich  nach  Eilenburg  und  später  nach  Torgau  zurückziehen 
musste,  war  Georg  Melchior  von  Witzleben,  der  um  diese  Zeit  zum 
Obersten  aufgerückt  war***),  mit  seinem  Eegimente  wieder  bei  der  Armee  f) 

*)  F.  G.  A.   von    Wangenheim,   Beiträge   zn  einer   Familiengeschichte   der 
Freiherrn  von  Wangenheim,  Göttingen  1874. 
**)  Kirchenbuch  zu  Heyda. 

***)  ,  Schwedischer  Oberst  über  ein  Regiment  zu  Pferd  von  8  Compagnien."    H. 
St. -Archiv  zu  Dresden. 

t)  Verzeichniss  Herrn  Feldmarschall  Bauers  Armee  zu  Boss  und  Fuss.  K.  Schwed. 
Reichs-Archiv  zu  Stockholm. 


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und  muss  auch  den  weitern  fabelhaften  Bückzug  nach  Ponamern  mit- 
gemacht haben.  Ende  Juli  1638  concentrirte  Ban6r  alle  seine  für  Feld- 
operationen verwendbaren  Truppen  (unter  den  Reiterregimentern  auch 
das  Witzlebens),  warf  den  Grafen  Gallas  aus  Pommern  und  rückte  über 
Niedersachsen  und  das  Halberstädtische  Gebiet  in  Kursachsen  ein,  wo  er 
den  kaiserlichen  General  von  Salis  bei  Elsterberg  schlug,  die  sächsische 
Armee  bei  Chemnitz  (4.  Apr.  1639)  zu  Grunde  richtete  und  Pirna 
eroberte.  An  diesen  drei  letzten  Begebenheiten  hatte  Georg  Melchior 
von  Witzleben  aber  nicht  Theil  genommen:  Die  beiden  Obersten  Eber- 
stein und  Witzleben  mit  ihren  Völkern  waren  in  Thüringen  gelassen 
worden.*)  „Am  28.  Febr.  1639  versuchte  der  schwedische  Oberst 
Witzleben  mit  200  Eeutem  einen  Anfall  an  Greussen  (an  der  Helbe, 
in  Schwarzburg- Sondershausen),  zündete  das  Grüningische  Thor  an  und 
gedachte,  die  Stadt  zu  plündern;  aber  der  Stadt-Lieutenant,  Michel 
Schinkhirt,  wehrete  sich  mit  der  Scdva  Gruardia  und  Bürgern^  schössen 
4  Soldaten  todt,  verwundeten  24,  davon  zu  Clingen,  dahin  sie  gewichen, 
des  andern  Tages  3  gestorben."**)  Am  20.  Apr.  1639  schlugen  Witz- 
leben und  Eberstein  bei  Salzungen  150  Croaten  und  nahmen  20  davon 
gefiangen.***) 

Bald  darauf  stiess  Georg  Melchior  von  Witzleben  mit  seinem  Begi- 
mente  zu  Bauers  Armee  und  machte  den  Zug  nach  Böhmen  mit.  Und  als 
Ban6r  während  des  Feldzugs  1640  vom  Erzherzog  Leopold  zum  Rückzuge  ge- 
nöthigt  wurde,  geschah  es,  dass  der  Feind  zwischen  Leitmeritz  und  Melnick 
mit  15  Compagnien  zu  Pferde  durch  den  Fluss  setzte  und  des  Obersten 
Witzleben  Regiment  „aus  seinem  Posto  trieb,  welches  sich  zurückein 
die  Weinberge  zog,  da  (d.  h.  wo)  es  der  Feind  anzugreifen  sich  nicht 
getrauen  wollte,  inmassen  Banner  herzukam;  denn  als  er  denselben  sähe, 
zog  er  sich  wieder  zurück."!)  Während  der  folgenden  Züge  Bauers, 
der  am  10.  Mai  1641  zu  Halberstadt  starb,  wird  Georg  Melchior  von 
Witzleben  oder  dessen  Regiment  nicht  besonders  genannt. 

Am  30.  Juni  1641,  nach  der  Schlacht  bei  Wolfenbüttel,  fin- 
den   wir    „Obrist   Witzleben"    mit    12    Schwadronen    bei    der   Haupt- 


♦)  Puffendorff,  VI.  §.  9. 

**)  Olear.  Rer.  Thur.  Syntag.  p.  168.   —   Alte  und  neue  Thür.  Chron.  1725. 
174. 

♦♦*)  Puffendorff,  1.  c. 
t)  Puffendorff,  XI.  §.  14. 

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armee*),  der  er  in  gleicher  Stärke  auch  im  November  d.  J.  angehörte, 
als  sie  Quartiere  nördlich  der  Aller  bezog.**)  An  Ban6rs  Stelle  hatte 
der  Feldmarschall  Bernhard  Torstenson  den  Oberbefehl  übernommen 
(Oct.  1641).  Unter  ihm  stand  Georg  Melchior  von  Witzleben  mit  zwei 
Schwadronen  auf  dem  linken  Flügel  des  zweiten  Treffens  am  8.  Dec. 
1641  bei  Bergen.***)  Und  dies  ist  das  letzte  Mal,  wo  er  in  schwedi- 
schen Urkunden  genannt  wird. 

Der  Kaiser  hatte  sich  zur  Eröffnung  der  Friedenspräliminarien  in 
Hamburg  (1641)  und  zu  einer  allgemeinen  Amnestie  verstanden.  Diese 
scheint  Georg  Melchior  benutzt  zu  haben,  um  dem  Kriegshandwerk  Valet 
zu  sagen.  Im  Jahre  1642  wurde  er  „als  sächsischer  Vasall  in  Thüringen 
und  gewesener  schwedischer  Oberster  in  die  General-Amnestie  des  Prager 
Friedens  namentlich  aufgenommen ",f)  zog  sich  auf  den  Liebenstein  zu- 
rück, hing  den  „Küriss'',  zwei  Schwerter  und  ein  Paar  Pistolen  in  die 
Rüstkammer  und  widmete  sich  der  Erziehung  seiner  Kinder,  ff)  Der 
Kirche  zu  Liebenstein  verehrte  er  zum  Kirchenomat  verschiedene  Altar- 
tücher und  drei  silberne  stark  vergüldete  Kelche  von  sonderbarer  Ar- 
beit, fff)  jedenfalls  mitgebrachte  Beutestücke. 

Noch  bei  Lebzeiten  ihres  Vaters  setzten  sich  die  Brüder  Georg 
Melchior  und  Hans  Ernst  von  Witzleben  am  1.  Nov.  1648  auseinander, 
theilten  die  väterlichen  Schulden  imter  sich  und  errichteten  wegen  des 
halben  Liebensteins  einen  brüderlichen  Erbvergleich  (confirmirt  am 
27.  Nov.  1648),  wonach  Georg  Melchior  im  Besitz  der  väterlichen  Güter 
blieb,  Hans  Ernst  mit  Geld  abgefunden  wurde.   Die  Mittel  hierzu  besass 

•)  nProject  Seiner  Königlichen  Majestät  Armeen  nnd  Garnisonen  von  Regimentern 
nnd  Compagnien  in  Deutschland"  im  K.  Schwed   Reichs- Archiv  zu  Stockholm. 

**)  Förstas^  pa  regementerna  och  kompagniema  hos  armeerna  i  Tydskland  utom 
Westfaliska  och  Thüringska  truppema  in  November  1641  im  K.  Schwed.  Reichs-ArcRiv 
zu  Stockholm. 

***)  Dahlbergs  batalj-pläne.    Königl.  Bibliothek  zu  Stockholm. 
t)  H.-St. -Archiv  zu  Dresden. 

tt)  1644  wurde  der  Schulmeister  zu  Liebenstein,  Johann  Pottich,  Informator  der 
Kinder  des  Obersten  Georg  Melchior  von  Witzleben.  Brückner,  G.  K.  u.  Seh.  St.  II. 
5.  p.  74.  —  1649  war  Joh.  Münch  praeceptor  der  adlichen  Kinder  des  Herrn  Obristen 
auf  Liebenstein.    Kirchenbuch  zu  Heyda. 

ttt)  Von  diesen  wurden  die  zwei  grössten  1715  dieblich  entwendet,  und  kam  Hans 
Melchior  Langbein  deswegen  in  Inquisition,  weil  bei  ihm  der  Fuss  vom  grossen  Kelche 
gefunden;  aUein  er  stunde  die  Tortur  völlig  aus  und  wurde  nach  Urtheil  und  Recht 
des  Landes  verwiesen.     Gleichenstein,  Bürgel,  p.  165. 


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Georg  Melchior  durch  seine  Frau,  welche  18000  Thaler  als  Mitgift  er- 
halten hatte.*)  Heyda,  Neusiss  und  Schmerfeld  waren  wieder  an  Sachsen 
abgetreten  worden**)  (wohl  schon  1642),  dagegen  löste  Georg  Melchior 
1654  das  Rittergut  zu  Gräfinau  von  denen  von  Wittern  ein  und  kaufte 
seines  Bruders  Antheil  an  sich.  — 

Herzog  Bernhard  der  Grosse  von  Sachsen- Weimar,  unter  dem  Georg 
Melchior  von  Witzleben  1634  und  35  gestanden,  war  am  8.  Juli  1639, 
7  Uhr  morgens,  zu  Neuburg  am  Rhein,  wohin  er  sich  am  4.  Krankheits 
halber  hatte  bringen  lassen,  in  einem  Alter  von  34  Jahren,  11  Monaten 
und  2  Tagen  gestorben  (man  sagt,  an  Gift,  das  ihm  in  einem  Gericht 
Fische  beigebracht  worden  sei,)  und  sein  Leichnam  am  20.  Juli  dess.  J. 
im  Dom  zu  Breisach  beigesetzt  worden.  Erst  1655  liessen  die  Herzöge 
Wilhelm  und  Ernst  den  entseelten  Körper  ihres  Bruders  in  die  Heimath 
führen  und  am  12.  Dec.  feierlich  im  fürstlichen  Erbbegräbniss  in  der 
Stadtkirche  zu  Weimar  beisetzen.  Bei  diesem  Begängniss  trug  der  Oberst 
Georg  Melchior  von  Witzleben  „das  vergoldete  Casqvet"^  seines  einstigen 
Feldherrn,  Wolf  von  Witzleben  (auf  dem  Oberhause  des  Liebensteins) 
und  7  andere  von  Adel  fährten  die  8  Pferde  des  Leichenwagens,  welchem 
drei  Marschälle  folgten,  deren  erster  der  Jägermeister  von  Witzleben 
(Hans  Ernst,  Georg  Melchiors  Bruder)  war;  Wolf  Dietrich  Arnold  von 
Witzleben  (auf  Wolmirstedt)  und  der  Jägermeister  von  Wangenheim 
fährten  die  Prinzessin  Sophie  und  Siegmund  Levin  von  Utterodt  und 
Ernst  Germann  von  Witzleben  (d.  Ä.,  auf  Elgersburg  und  Neuroda)  die 
Prinzessin  Johanna  von  Gotha.***) 

Am  18.  Aug.  1658,  als  der  Kurfärst  Johann  Georg  H.  von  Sachsen 
in  den  Orden  der  fruchtbringenden  GeseDschaft  zu  Weimar  aufgenommen 
wurde,   war  Georg  Melchior  von  Witzleben  als  „der  Schnelle"  Mitglied 

*)  Schreiben  Johann  Georgs  von  Wangenheim  an  Kurt  Veit  von  Witzleben,  ohne 
Datum,  (aber  vom  14.  Oct.  1691)  im  Archiv  zu  Hnde. 

**)  Das  Erbgut  zu  Neusiss  gehörte  später  denen  von  Witzleben  zu  Rentwerths- 
hausen  (Stammt.  II.  3.)  und  wurde  am  8.  Jan.  1669  für  700  fl  an  Georg  Melchior 
von  Witzleben  verpfändet,  welcher  es  bis  zu  seinem  Tode  inne  hatte  (s.  dessen  Inven- 
tarium).  —  Wegen  Heyda,  Neusiss  und  Schmerfeld  wurde  noch  lange  processirt.  In 
Struvii  Bibliotheca  Saxonica,  Halae  1736,  8c.,  p.  1153  wird  angeführt  „das  beleuch- 
tende Witzlebische  Recht  an  denen  sogenannten  Ilmenauschen  Amtsdörfem  Heyda, 
Neusiss  und  Schmerfeld  contra  Herrn  Herzog  Wilh.  Ernsts  Hochfurstl.  Durchlauchtig- 
keit zu  Sachsen- Weimar,  1711,  in  puncto  Emtionis,  resolutionis,  cessionis  et  donationis 
in  feudo  antiquo." 

**♦)  Müller,  Annalen,  p.  399ffg. 


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dieses  Ordens.  (Ausführlich  im  III.  Abschnitt  bei  Hans  Ernst  von  Witz- 
leben.) Nachdem  er  noch  kurfürstlich  Sächsischer  Kanunerherr*)  ge- 
worden war,  starb  er  im  Sommer  des  Jahres  1672. 

Am  Donnerstag  den  8.  Aug.  1672  wurde  durch  den  Kaiserlichen 
Notar  und  derzeit  adelich  Witzlebenschen  Gerichtsverwalter  zu  Elgers- 
burg,  Johann  Stadelmann,  ein  genaues  Inventarium  der  Verlassenschaft 
„des  HochEdelgebohmen  Gestrengeti  imd  Gros^sMannhaften  Herrn,  Herrn 
George  Melchiom  von  WitzM>en  ufif  Liebenstein  Gräfenau  imd  Bücheloh, 
Churf.  Durchl.  zu  Sachsen  p.  Gewesenen  CammerHerms  imd  Obristen  p.", 
aufgenonmien.  Die  Aufzählung  der  Garderobestücke  beginnt  mit  „3  gelben 
paruquen";  dann  folgen  Wämser  imd  Hosen  von  Seide,  Sanmiet  und 
anderm  Zeuge,  mit  schwarzen,  silbernen,  auch  goldenen  Spitzen  „ausge- 
machet"  und  mit  güldenen  und  silbernen  Knöpfen,  die  dazu  gehörenden 
Knie-  und  Schuh-Bänder,  perl-  und  kirschblüthfarbene  seidene  Strümpfe, 
schwarze  Corduan-  und  weisse  Schuhe,  silbern  gestickte,  zinmietfarbene 
und  yj>erformirte  wolriechende"  Handschuhe,  schwarze  Hüte  mit  silber- 
farbenen und  schwarzseidenen  Bändern  und  Schleifen,  ferner  ^schaaf- 
böckene  Hosen,  uff  jeden  Bein  mit  schwartzen  seidenen  spitzen  2  mal 
gebrämet",  1  Camisol  von  Hirschhaut  mit  breiten  schwarzen  Spitzen, 
„1  Wambs  von  performirten  leder",  1  Leibstück  von  „Elendsleder**  mit 
ledernen  Ärmeln,  verschiedene  Schabracken  von  Sanmit  und  Tuch,  Degen- 
gehenke,  1  Degen  mit  vergoldetem  Gefäss  und  schliesslich  —  „1  Kleider- 
purste."  Zwischen  all  diesem  Plunder  lagen  die  Feldzeichen  von  Georg 
Melchiors  Begiment:  „etzliche  zusammen  gewickelte  Standarten." 

Das  „Silberwerk"  bestand  meist  aus  Bechern,  Kannen  und  Schalen, 
vielfach  vergoldet  und  von  getriebener  Arbeit.  Wir  heben  daraus  hervor: 
„No.  1:  Ein. grosser  Silber  vergüldeter  Becher,  mit  Einen  Deckel,  da- 
rinnen das  Wangenheimsche  Wappen  mit  Buchstaben  G.  M.  v.  W.  Der- 
gleichen Wappen  und  Buchstaben  unten  am  Fuss  mit  der  Jahr  Zahl  1604. 
Auf  den  Deckel  ein  Mann  mit  Ein  Schildt  und  Einen  Stabe,  Diesen 
Becher  berichtet  die  Frau  Obristin,  dass  sie  solchen,  wie  auch  noch  3, 
von  ihrem  sei.  Hm.  Vater  zum  Erbtheil  bekonunen,  davon  nicht  mehr  als 
dieser  einige  noch  übrig,  die  andern  3  wären  verschmelzet.  Schalen  und 
Leuchter  daraus  gemacht  worden.    No.  2:    Noch  ein  ander  gross  silber 


*)  Nach  einer  in  der  grossherz.  Hofbibliothek  zu  Oldenburg  befindlichen  Ahnen- 
tafel für  Adam  Levin  von  Witzleben  auch  kurf.  sächs.  Kriegsrath. 


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Vergüldeter  Becher,  mit  einem  Deckel,  fast  Ellenhoch,  mit  ausgeschlage- 
nen Puckeln  und  oben  auf  den  Deckel  Ein  Strauss  weiss  und  bunt, 
welcher  der  Fr.  Obristen  geschenket  als  Fr.  Eleonara  getauflPt  worden. 
No.  3 :  Ein  ander  Silber  Vergüldeter  Becher,  mit  ausgeschlagenen  Puckeln, 
Ein  Silber  bunter  Strauss  uf  den  Deckel,  auch  fast  Ellenhoch,  Welcher 
der  Frau  Obristen  auch  in  Sechswochen  geschenket  worden.  No.  9 :  Eine 
breite  Silber  Vergüldete  Kanne,  auswendig  ausgestochen,  uflf  den  Liede 
ein  vergüldeter  Knopf,  mit  einem  weissen  Rosslein  (Eose),  welche  der 
ObristLieut.  und  Commendant  in  Erfurd  der  Fr.  Obristen  in  Sechswochen 
geschenket.  No.  11:  Weyland  des  Seel.  Hm.  Obristen  gewesene  Tisch- 
Kanne,  Silber  Vergüldet,  mit  ausgeschlagnen  Puckeln,  will  die  Frau 
Obristen  vor  Böhmisch  Geld  von  den  Juden  in  Hamburgk  erkauffit  haben. 
No.  12:  Ein  silbern  Giessbecken  mit  einer  Giesskanne  mit  güldenen 
Streifen,  welche  der  Hr.  Obriste  gehabt,  ehe  er  geheirathet.  No.  21: 
Ein  Eing  von  Golde,  mit  9  Diamanten  und  einem  Dürkis  versetzet. 
No.  22:  Ein  gülden  Kettlein,  welches  der  Herr  Obriste  am  Halse  getragen." 

In  der  Büstkanmier  wurde  u.  a.  bewahrt  ein  schwarzer  Degen  mit 
ledernem  Gehenk,  ein  klein  „Sebellechen"  mit  schwarz-seidenem  Gehenk, 
2  Schwerter,  1  Paar  Pistolen,  2  Begimentsstücklein  mit  Laffetten,  1  Paar 
Heerpauken  sammt  Knöpfein,  „1  dräthin  papegei  gebäuer",  „l  zerschlagen 
Trummelspiel"  und  ein  hölzern  Kreuz,  „darauf  der  Küriss  gehangen; 
den  Küriss  aber  hat  Hr.  Obrist  Westerhagen  bekommen"  (der  Schwieger- 
sohn Georg  Melchiors). 

Im  Reisigen -Stalle  standen  6  Pferde  (4  Schimmel  und  2  Braune) 
und  1  Fohlen,  darunter  des  Herrn  Obristen  Leibpferd,  Breithaupt  ge- 
nannt, ein  Schinmiel- Wallach,  und  im  Heuschoppen  des  Herrn  Obristen 
Leibkutsche,  mit  rothem  Tuch  beschlagen. 

Unter  den  Vorräthen  sind  zu  erwähnen  ein  einen  halben  Eimer 
haltendes  Fässlein  voll  gedörrter  Forellen,  zwei  grosse  verschlossene 
Fässer  mit  geräuchertem  Fleisch,  5  Schock  und  10  Stück  Schafkäse  und 
in  Summa  27  Eimer  Bier.  Die  Weinfässer  waren  sämmtlich  leer  imd 
wohl  beim  Begräbniss  ausgetrunken. 

Um  Georg  Melchior  von  Witzleben  trauerten  einige  unvermählte 
alte  Schwestern,*)  die  Wittwe,  fünf  Söhne,  deren  jüngster  noch  nicht 
mündig  war,  und  drei  Töchter. 

*)  In  dem  erwähnten  Inyentarinm  ist  zwei  Mal  die  Bede  yon  den  adeligen  Jung- 
fern von  Witzleben,  nämlich    1)  der  obere  Theil  eines  grünen  Schrankes  im  mittleren 


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Von  den  letzteren  war  die  älteste,  Helene  Eleonore,  um  1636 
geboren  und  seit  1655  vermählt  mit  Heinrich  von  Westernhagen, 
fürstlich  Münsterischem  Obersten,  welcher  „9  Jahr  lang  ein  Sclav  der 
Tartaren  gewesen,  endlich  vom  König  in  Schweden  selbsten  ranzioniret" 
worden  war.*)  Sie  lebte  noch  1690  als  Wittwe.  Die  zweite,  Anna 
Elisabeth,  heirathete  1657  Heinrich  von  Wangenheim  zu  Tüngeda, 
welcher  sich  schon  1620  in  Caspars  von  Hanstein  zu  Oberellen  Stamm- 
buch schrieb  und  1673  starb;  beider  Eheberedung  datirt  vom  4.  Oct. 
1657.  Die  dritte  Tochter,  Martha  Agnes,  war  am  16.  Juli  1667 
noch  unvermählt**),  heirathete  aber  bald  darauf***)  Johann  Georg  von 
Wangenheim  auf  dem  üntergute  zu  Tüngeda  und  dem  Mittelgute  zu 
Wangenheim,  Pürstl.  Sachs.  Goth.  Geh.  Rath  imd  Obersteuerdirector, 
welcher  1642  zu  Grotha  geboren  war,  am  19.  Aug.f)  1704  ebendaselbst 
starb  und  am  2.  Sept.  in  der  Kirche  zu  Tüngeda  beigesetzt  wurde,  über- 
lebte denselben  nur  172  Jahr  und  starb  am  16.  März  1706  zu  Gotha, 
worauf  sie  schon  am  folgenden  Tage  nach  Tüngeda  gebracht  und  neben 
ihrem  Gemahl  beigesetzt  wurde. 

Die  Wittwe  Georg  Melchiors,  Agnes  von  Witzleben  geb.  von 
Wangenheim,  verglich  sich  am  17.  Sept.  1672  wegen  ihres  Leibge- 
dinges mit  ihren  Söhnen,  folgte  am  4.  Juni  1675  beim  Leichenbegäng- 
niss  des  Herzogs  Ernst  zu  Sachsen-Gotha  in  der  5.  Ordnung  und  kaufte 
sich  laut  Kaufbriefs  vom  20.  Oct.  1677  ein  Haus  mit  Scheuem,  Ställen 
und  Garten  in  der  Menchelsgasse  zu  Gotha.    Hier  starb  sie  im  Sommer 


Saal  „ist  verschlossen  und  stehet  den  Adl.  Jungfern  von  Witzleben  zu";  2)  zu  den 
frohnbaren  Bauerngütern  g-ehört  „der  Jungfern  Anspännergut  im  Dorf  Liebenstein, 
welches  dieselben  ad  dies  vitae  zu  gebrauchen  haben." 

*)  Gleichenstein,  Tab.  der  von  Westernhagen,  in  Rud.  Goth.  Dipl.  — 
Zedier,  Universal-Lex.  Bd.  57.  p.  2019. 

**)  „Vergleich  zwischen  dem  seel.  Herrn  Obristen  Georg  Melchior  von  Witzleben 
und  Frauen  Agnesen  von  Witzleben  geb.  von  Wangenheim  eines,  dann  ihren  drei 
Töchtern  Frauen  Helenen  Eleonoren  von  Westerhagen,  Frauen  Annen  Elisabethen  von 
Wangenheim  und  Frl.  Marthen  Agnesen  von  Witzleben  andern  Theils,  wegen  der  Aus- 
stattungs-Gelder, vom  16.  Juli  1667,"  befand  sich  im  Nachlass  der  Frau  Agnesa  von 
Witzleben  laut  deren  Invent.  vom  4.  Aug.  1690  im  Archiv  zu  Hude. 

***)  Fürstl.  confirmirter  Vergleich  zwischen  Hm.  Obristen  von  Witzleben  und  seinem 
Tochtermanu  Hm.  Johann  Georgen  von  Wangenheim,  den  6.  Junij  1668.  s.  Invent. 
Georg  Melchiors  von  Witzleben  vom  8.  Aug.  1672. 

t)  Nach  den  Beiträgen  zur  Wangenheimschen  Familien-Geschichte.  Die  Process- 
Acten  Friedr.  Wilhelms  von  Witzleben  nennen  den  17.  Sept.  seinen  Todestag,  sind  in 
personalibus  aber  nicht  zuverlässig. 


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1690.  Nach  dem  am  4.  Aug.  d.  J.  aufgenommenen  Inventar*)  hinter- 
Kess  sie  Silberwerk  im  Gewicht  von  über  50  Mark,  an  unbeweglichen 
Gütern  ausser  dem  Hause  in  Gotha  fest  100  Morgen  Zins-  und  Erbeland 
in  der  V»  M.  westlich  von  Gotha  gelegenen  Eschleber  Flur,  femer  2  Pferde, 
4  Kühe,  2  Ziegen,  eine  Schweinsmutter  mit  11  jungen  Schweinen, 
12  Hühner,  4  Malter  Weizen,  über  6  Malter  Boggen  und  „70  Pfund 
Speck,  etliche  Schinken,  wie  auch  Knack-  und  Blut-Würste." 


e.   Georg  Melchiors  Ton  Witzleben  Nachkommen. 

1640—1746. 

Georg  Melchior  von  Witzleben  hatte  5  Söhne:  Georg  Ernst,  Johann 
Adam,  Kurt  Veit,  Ludwig  Günther  und  Friedrich  Wilhelm. 

1)  Georg  Ernst  von  Witzleben,  um  das  Jahr  1640  geboren, 
wurde  beim  Tode  seines  Vaters,  1672,  Bittmeister  titulirt,  war  1681 
furstl.  Sachs.  Goth.  Kammerjunker  und  Obristwachtmeister  und  fungirte 
am  4.  Nov.  d.  J.,  als  die  Grafen  zu  Hohenlohe  und  Gleichen  in  feier- 
lichem Acte  zu  Gotha  die  Lehen  empfingen,  als  Lehnssecretarius.**) 
1685 — 88  war  er  dann  Kommandant  der  Grenadier -Garde  (Leibwache) 
und  des  Schlosses  Friedenstein  in  Gotha.***)  Zuletzt  finden  wir  Georg 
Ernst  erwähnt  in  dem  am  4.  Aug.  1690  aufgenonunenen  Protokoll  über 
die  Liventarisirung  des  Nachlasses  seiner  Mutter,  wo  es  heisst,  dass  dies 
geschehen  sei  im  Beisein  auch  „des  Fürstl.  Sachs.  Hofmeisters  allhier 
(d.  h.  TU  Gotha)  und  Obristwachtmeisters  Herrn  Georg  Emsts  von  Witz- 
leben uf  Liebenstein,  "t) 

Georg  Ernst  von  Witzlebön  war  vermählt  mit  Anna  Beate  von 
Seebach,  einer  Tochter  des  Bittmeisters  und  Gräfl.  Schwarzburgischen 
Hofineisters  Hans  Ludwig  von  Seebach  auf  Schönewerda  und  Esmanns- 
dorf  und  der  Anna  Lucretia  von  Wangenheim  aus  Scherbda  (n.  1629. 
6.  Oct.,  verm.  1649,  f  1702.  30.  Nov.),  und  hatte  nur  eine  Tochter, 


*)  Archiv  zu  Hnde. 
**)  Rudolph!  Goth.  Dipl.  I.  p.  295. 

♦*♦)  Sagitt.  Eist  Goth.  p.  274.  —  Rud.  Goth.  Dipl.  II.  p.  193 
t)  Falsch  sind  demnach:    König,  Ad.  Hist.  II.  1094,  wonach  Georg  Ernst  von 
Witzleben  Schwarzburgischer  Hofmeister  zu  Rudolstadt  gewesen  und   1679  gestorben 
sei,  und  Rudolphi,  Goth.  Dipl.  II.  p.  193,  der  ihn  1688  sterben  lasst. 


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Elisabeth  von  Witzleben,    welche  Hofmeisterin  in  Rudolstädtischen 
Diensten  wurde.*) 

2)  Johann  Adam  von  Witzleben,  um  1643  geboren,  kam  1653 
als  Page  an  den  kursächsischen  Hof  nach  Dresden  und  wurde  später  in 
dem  kurfürstlichen  Leibregiment  zu  Boss  angestellt.  Am  7.  Dec.  1666 
bat  er  von  Eilenburg  aus  den  Kriegsrath  und  Geheim-Secretär  des  Kur- 
fürsten, Moritz  Srabe,  son  grand  patron  present^  beim  Kurfürsten  auszu- 
wirken, dass  seine  Gage  etwas  verbessert  und  ihm  bei  Delogirung  der 
Völker  frei  Quartier  werde.  Im  Sommer  1672  war  er  als  „Churfürstl. 
Durchl.  zu  Sachsen  wohlbestellter  Kittmeister"  auf  dem  Liebenstein  und 
beabsichtigte  nach  dem  Tode  seines  Vaters,  „noch  uff  einen  Monat  allda 
zu  s^sidiren  und  wo  möglich  die  Sach  in  Stand  zu  bringen.  Nachdem 
aber  derselbe  in  dieser  Stunde  scharffe  ordere  erhalten,  dass  er  sich  dto 
zu  seiner  Compagnie,  welche  in  March  begriffen,  verfugen  solle",  wurde 
am  7.  Aug.  der  Kaiserliche  Notar  Stadelmann  aus  Elgersburg  citirt,  um 
das  Inventarium  anzufertigen.  Bald  darauf  vermählte  sich  Johann  Adam 
von  Witzleben  mit  Sophie  Eleonore  von  Polenz,  Heinrichs  von  Polenz 
und  Maria  Elisabeths  von  Lüttichau  Tochter.**)  Unterm  Beistande  seines 
Schwiegervaters  erwarb  er  im  Jahre  1675  das  ßanisch'sche  Bittergut 
Mannschatz  (Va  St.  nordöstlich  von  Oschatz),  mit  welchem  er  auf  ge- 
leistete Erbhuldigung  und  Lehnspflicht  am  4.  Januar  1676  belehnt 
wurde.***)  Bei  letzterer  Gelegenheit  wird  er  kurf.  Sachs.  Kanunerjunker 
und  Kittmeister  genannt.  Michaelis  1685  verkaufte  er  das  Gut  Mann- 
schatz mit  allen  Bechten  und  Gerechtigkeiten  an  den  Obrist-Porstmeister 
Jakob  Henning  von  Wendessen. 

Johann  Adam,  der  1678  in  Würzen  in  Garnison  stand,,  hatte  im 
Jahre  1685  den  kursächsischen  Dienst  verlassen  und  war  als  Oberst- 
lieutenant in  den  kurbrandenburgischen  übergetreten.  In  den  Acten 
eines  Processes,  in  den  er  um  diese  Zeit  verwickelt  war,  weil  er  die 
Benutzimg  eines  Fahrweges  verboten  hatte,  wird  er  titulirt:  „Der  Hoch- 
wohledelgebohme  Gestrenge  und  Hochmannveste,  Herr  Johann  Adam  von 


*)  Zedier,  Bd.  57.  p.  2019. 

**)  Am  30.  Juni  1673  ist  Sophien  Eleonoren  von  Witzleben  geb.  von  Polenz  der 
Bittmeister  Georg  Rudolf  von  Lüttichau  zum  krigischen  Vormund  confirmirt  worden. 
St.  Arcb.  zu  Dresden,  Vorm.  Cop.  1670-77,  Bl.  130b. 

***)  Oberhofgerich tsacten ,  jetzt  im  Arch.  zu  Rossleben.  —  St.  Arch.  zu  Dresden. 


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—     285     — 

Witzleben  uflF  Liobenstein  unndt  Mannschatz,  Churf.  Durchl.  zu  Branden- 
burgk  p.  hochbestalter  Oberst  Lieutenant  zu  Boss." 

In  den  Diensten  des  grossen  Kurfürsten  verblieb  er  nur  etwa  zwei 
Jahre:  1687  wurde  er  als  Kriegsrath  und  Obristlieutenant  bei  der  Leib- 
garde und  den  Eitterpferden  in  Koburg  verpflichtet.*)  Bald  aber  gerieth 
er  hier  in  eine  unangenehme  Lage.  Der  Herzog  Albrecht  zu  Sachsen- 
Koburg  (Sohn  Emsts  des  Frommen  von  Sachsen -Gotha,  Kaiserl.  Feld- 
marschalllieutenant und  Oberst  über  ein  Regiment  zu  Fuss,  n.  1648. 
24.  Mai,  bekam  Koburg  1680,  f  1699.  6.  Aug.)  entliess  ihn  im  Januar 
1689,  weil  er  sich  um  andere  Dienste  beworben  haben  sollte.  Dies  er- 
klärte Johann  Adam  für  Verleumdimg  und  schrieb  am  30.  Jan.  dem 
Herzog:  „Ich  bitte  unterthänigst,  meinen  Missgönnem  keinen  Glauben 
zu  geben;  ich  habe  von  Jugend  auf  grossen  Herren  aufgewartet  und 
weiss,  dass  ich  von  solcher  Aufwartung  Profession  machen  muss,  so  lang 

ich  lebe. Ich  zweifle  nicht,  E.  F.  D.  werden  mich  auch  wie  deren 

andere  Bediente  mit  einem  auslänglichen  und  reputirlichen  Auskonmien 
versehen.  WoUten  aber  E.  F.  D.  bei  der  gefassten  Eesolution  wider 
Vermuthen  beharren,  so  bitte  ich  unterthänigst,  Sie  wollen  solches  mit 
Gnaden  thun  und  zu  solchem  Ende  meine  anderweitigen  Dienste  mit 
einer  gnädigen  ßeconunendation  secundiren."**)  Der  Herzog  widerrief 
die  Entlassung  und  ernannte  Johann  Adam  später,  im  Jahre  1691,  zum 
Stallmeister.***)  Am  23.  März  1693  wandte  sich  dieser  abermals  an  den 
Herzog,  dem  er  an  6  Jahre  gedient  und  sich  treu  gehorsamst  bewiesen 
habe,  und  bat,  da  er  sich  bisher  mit  einem  geringen  und  zu  seiner  Noth- 
durft  unerklecklichen  Salario,  sogar  mit  Verschlagung  anderweitigen 
Glückes,  habe  begnügen  müssen,  auch  bei  dieser  sehr  schweren  Zeit 
sich  nebst  den  seinigen  unmöglich  so  hinbringen  und  auskommen  könne, 
doch  aber  nun  gänzlichen  resolvirt  sei,  als  ein  allerunterthänigster  Säch- 
sischer Diener,  welcher  fast  in  die  40  Jahre  dem  Kur-  und  Fürstlichen 
Hause  Sachsen  ehr-  und  getreulich  gedient  habe,  den  Ueberrest  seines 
noch  wenigen  Lebens  in  des  Herzogs  Diensten  zuzusetzen  und  zu  be- 
schliessen,  ihm  bei  seinem  herannahenden  Alter  die  oft  versprochene 
Beförderung  und  Verbesserung  seiner  Gage  zu  Theü  werden  zu  lassen,  f) 

*)  Hönn,  Sachs.  Cob.  Bist.  I.  Buch,  p.  66. 
**)  Archiv  zu  Koburg,  G.  VII.  94.  Vol.  1. 
***)  Hönn,  1.  c.  p.  67. 
t)  Archiv  zu  Koburg,  G.  VII.  94.  Vol.  1. 


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Auch  diese  Bitte  wurde  gewährt  und  Johann  Adam  von  Witzleben  zum 
Oberschenken  ernannt.*) 

Wahrscheinlich  nach  dem  Tode  des  Herzogs  Albrecht  zu  Sachsen- 
Koburg,  also  in  der  zweiten  Hälfte  des  Jahres  1699,  ging  Johann  Adam 
in  Markgräflich  Brandenburg-Baireuthische  Dienste,  wo  er  Greneralmajor, 
Geheimer  Rath  und  Oberamtmann  zu  Baiersdorf  wurde  und  im  Jahre 
1713  starb.  Wegen  seiner  Nachkommen  verweisen  wir  auf  die  Stamm- 
tafel I.  12.  Nur  von  dem  jüngsten  Sohn,  Albrecht,  können  wir  noch 
weniges  mittheüen.  d.  d.  Dresden  den  5.  Oct.  1721  bedankt  sich  der- 
selbe beim  General-Peldmarschall  Grafen  von  Flemming  für  die  ihm  zu 
Theil  gewordene  Fähnrichsstelle,  bittet  aber,  da  er  an  14  Jahre  dem 
Könige  von  Polen  als  Jagd-  imd  Silberpage  gedient  habe  und  andere 
nicht  so  alte  Pagen  gleich  als  Lieutenants  angestellt  seien,  ihm  auch 
eine  Lieutenantsstelle  geben  zu  wollen.  Vorläufig  blieb  er  jedoch  Fähn- 
rich beim  Baudissinschen  Regiment.  Als  solcher  schrieb  er  d.  d.  War- 
schau den  11.  Sept.  1722,  es  sei,  nachdem  er  sich  während  seiner 
14jährigen  Pagenzeit  vom  Baron  von  Rachnitz  200  Thlr.  geborgt  habe, 
von  dem  Regiment  die  Verfugung  getroffen  worden,  ihm  die  Hälfte  seines 
Gehalts  zur  Tilgung  dieser  Schuld  abzuziehen,  so  dass  er  täglich  nicht 
mehr  „als  einen  Tiempff  zu  seiner  SuhsistanBe^  übrig  behalte.  „Ew, 
Excellenz",  ßlhrt  er  fort,  „sehen  daraus  die  pure  Unmöglichkeit,  von 
dergleichen  traäement  mich  nebst  Knecht  und  Pferden  nach  Nothdorflft 
zu  unterhalten,  zur  gnüge  hervor  leichten."  Er  bittet  deshalb  um  den 
Lieutenantsplatz,  „so  bey  refnplacmmg  der  von  dem  Capitain  Ranzau  bey 
dem  löbl.  Baudissinischen  Regiment  erledigten  Capitainstelle  offen  wer- 
den möchte."**) 

Später  war  Albrecht  von  Witzleben  Capitain  Sr.  Czarischen  Maje- 
stät in  Moskau,  heirathete  ein  Fräulein  von  Bachwihl  und  hatte  zwei 
Kinder,  Alb  recht,  n.  1725,  Page  am  Braunschweigischen  Hofe,  der 
noch  1746  lebte,  und  Juliana,  n.  im  Sept.  1732.  — 

3)  Kurt  Veit  von  Witzleben,  n.  7.  Juni  1645  zu  Lichtenstein, 
wurde  Königlich  Dänischer  Oberjägermeister  und  Landdrost  der  Graf- 
schaft Delmenhorst,  pflanzte  den  Liebensteiner  Stamm  dauerhaft  fort  und 
.wurde  Stifter  der  Linie  zu  Hude  undElmeloh,  von  der  im  V.  Ab- 
schnitt die  Rede  sein  wird. 


*)  Honn,  1.  c.  p.  67.  —  Gauhen,  Ad.  Lex. 

'•)  Die  Originale  beider  Briefe  besitzt  Gerhard  Augast  von  Witzleben. 


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—     287     — 

4)  Ludwig  Günther  von  Witzleben,  lebte  seit  dem  Jahre  1650, 
war  Hofineister  der  Sachsen-Gothaschen  Prinzen,  nahm  ein  Weib,  näm- 
lich Gottliebe  Eleonore  von  Schlabberndorf,  und  starb  1682 
ohne  Erben.*) 

5)  Friedrich  Wilhelm  von  Witzleben,  im  Jahre  1655  geboren, 
war  beim  Tode  seines  Vaters  noch  unmündig  und  erhielt  desshalb  Hieb 
Wilhelm  von  Witzleben  zur  Elgersburg  zum  Vormund.  Später  trat  er 
in  die  Dienste  des  Herzogs  Albrecht  zu  Sachsen- Koburg,  ward  Ritt- 
meister, 1685  Kammerjunker  und  Jägermeister**)  und  heirathete  in  dem- 
selben Jahre  eine  wohlhabende  Wittwe,  Susanne  Felicitas  geb.  Stett- 
ner  von  Grabenhoff,  Besitzerin  von  Beerbach  in  Franken  und  eines 
holden  Mägdeleins.  Nach  dem  Tode  des  Herzogs  Albrecht,  in  der  zwei- 
ten Hälfte  1699,  wurde  er  Markgräflich  Brandenburg- Baireuthischer 
Oberjägermeister. 

In  Gemeinschaft  mit  seinen  Brüdern  besass  Friedrich  Wilhelm 
von  Witzleben  die  eine  Hälfte  von  Liebenstein,  Bippersroda,  Franken- 
hain, Kettmannshausen,  Klein-Breitenbach,  Gräfinau,  Bücheloh  und  Geils- 
dorf,  während  die  andere  den  Vettern  auf  dem  Oberhause  gehörte,  jeder 
Theil  aber  über  die  Güter  des  andern  Theils  mitbelehnt  war.  Da  durch 
diese  Gemeinschaft  sowojil  unter  beiden  Linien  als  namentlich  unter  den 
fünf  (nach  Ludwig  Günthers  Tode  vier)  Brüdern  erklärlicher  Weise 
mancherlei  Verwirrung  entstand,  die  Güter  auch  mit  Schulden  behaftet 
waren,  hielt  es  nicht  schwer,  einzelne  Besitzer  zur  Veräusserung  ihrer 
Antheile  zu  bewegen.  Wir  haben  gesehen,  dass  Johann  Adam  so  die 
Hälfte  des  eigentlichen  Liebensteiner  Ritterguts  erwarb.  Friedrich  Wil- 
helm dagegen  gelang  es,  in  den  Jahren  1689 — 91  sämmtliche  Theile  seiner 
Brüder  und  Vettern  an  den  Gütern  zu  Gräfinau,  Bücheloh,  Geilsdorf, 
Kettmannshausen  und  Kleinbreitenbach  fiir  12137  Rthlr.  12  Gr.  an  sich 
zu  bringen.***)    Aber  kaum  in  den  alleinigen  Besitz  dieser  Güter  gelangt, 


*)  König,  Ad.  Hist.  I.  p.  1051,  nnd  Zedier,  57.  p.  2019,  sind  felsch. 
**)  Hönn,  Sachs.  Cob.  J.  p.  68. 

***)  Regiemngs-Attestat  nnd  Extract  ans  denen  Lehns-Actis,  Bndobtadt  den  7.  Jan. 
1710.  —  Johann  Georg  von  Wangenheim  schrieh  im  Herbst  1690  an  Knrt  Veit  von 
Witzleben:  „An  Bruder  Wilhelm  habe  ich  etliche  mahl  gesehrieben.  Er  hat  mihr  aber 
so  wenig,  als  auf  seine  (Knrt  Veits)  üherschickte  Schreiben  geantwortet,  Er  denket 
weilen  Er  von  den  andern  Interessenten  sieben  Theil  von  den  Gütern  zu  Gräffenau 
eigent humlich  erkauft,  so  könne  der  Bruder  mit  seinem  achten  Theil  nichts  anfangen, 
noch  einen  andern  Käufer,  wie  denn  auch  wahr  ist,  bekommen,  Ich  weiss  keinen  andern 


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—     288     — 

dachte  er  auch  schon  daran,  sie  wieder  zu  veräussem.  Bereits  im  Jahre 
1691  trat  er  desshalb  mit  seinem  Schwager,  dem  Sachs.  Goth.  Geh.  Bath 
und  Obersteuerdirector  Johann  Georg  von  Wangenheim  auf  Tüngeda, 
in  Unterhandlungen,  die  endlich  dahin  führten,  dass  sie  sich  im  Decem- 
her  1697  auf  36000  fl.,  die  Wangenheim  zahlen  sollte,  einigten;  der 
Kaufkontract  wurde  am  17.  Jan.  1698  zu  Tüngeda  abgeschlossen,  die 
Güter  dem  Käufer  übergeben  und  von  diesem  die  KaufsunMue  entrichtet. 
Am  7.  Febr.  desselben  Jahres  errichteten  beide  Theile  zu  Gräfinau 
einen  Nebenrecess ,  in  welchem  sie  gelobten,  sich  wechselseitig  in  die  Mit- 
belehnschaft  der  Güter  Gräfinau  resp.  Liebenstein  zu  nehmen.  Als  von 
Schwarzburg-Budolstädt'scher  Seite  der  Geh.  Kath  von  Wangenheim  am 
23.  Apr.  1698  mit  Gräfinau,  Bücheloh  und  Geüsdorf  belehnt  wurde, 
erhielt  auch  Friedrich  Wilhelm  von  Witzleben  die  Mitbelehnschaft,  musste 
jedoch,  am  31.  Mai,  einen. besondem  Revers  darüber  ausstellen.  In  jenem 
Nebenrecess  vom  7.  Febr.  1698  war  femer  bestimmt  worden,  dass  1.)  die 
Wittwe  dessen,  der  verstürbe,  für  ihre  Lebenszeit  den  Niessbrauch  der 
Güter  haben  sollte,  2.)  der  Mitbelehnte,  ehe  er  zur  Possession  gelange, 
den  hinterbliebenen  Töchtern  den  Kau^reis  bis  auf  6000  fl.  wieder  zu 
erstatten  habe  und  3.)  bis  dies  geschehen,  die  Töchter  nicht  verpflichtet 
sein  sollten,  aus  dem  Gute  zu  weichen,  imd  dass  4.)  die  von  Friedrich 
Wilhelm  von  Witzleben  an  Gräfinau  erlangte  Mitbelehnschaft  solange 
suspendirt  sein  sollte,  bis  er  seinerseits  den  Geh.  Rath  von  Wangen- 
heim in  die  wirliche  Mitbelehnschaft  der  Liebensteiner  Güter  gebracht 
haben  würde.  Letzt-eres  geschah  aber  nicht,  sei  es,  dass  Witzleben  sich 
nicht  ernstlich  darum  bemühte,  oder  dass  seine  Bemüliungen  keinen  Er- 
folg hatten,  und  Wangenheim  versprach  daher  dem  Königl.  Preuss.  Feld- 
marschall Grafen  von  Wartensleben*),  ihn,  bis  auf  lehnsherrliche  Ein- 
willigung, in  die  Mitbelehnschaft  von  Gräfinau,  Bücheloh  und  Geüsdorf 
zu  nehmen. 

Am  19.  Aug.**)  1*704  verwechselte  Johann  Georg  von  Wangenheim 
dieses  Zeitliche  mit  dem  Ewigen  und  am  29.  Jan.  1705  folgte  ihm  sein 

Rath,  als  der  Brüder  muss  alle  14  Tage  einmahl  ernstlich  an  ihn  schreiben  und  solches 
einmahl  4  oder  5  continuiren ,  ob  er  hierdurch  zur  raison  zu  bewegen,  ich  will  die 
Briefe,  wenn  sie  mihr  zukommen,  gerne  zu  rechte  schicken."     Archiv  zu  Hude. 

*)  Am   19.  Aug.  1702  wurde  der  Sachs.  Gothasche  General  Graf  Wartensleben 
zum  Preussischen  Generalfeldmarschall  ernannt. 

**)  Nach  den  Beitr.  zur  Wangenheimschen  Farn.  Gesch.;   die  Processacten  geben 
den  17.  Sept.  als  Todestag  an. 


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—     289     — 

einziger  Sohn,  der  fürst.  Sachs.  Goth.  Beisemarschall  Friedrich  von  Wangen- 
heim, mit  Hinterlassung  einer  dreijährigen  Tochter  Sophie  Wilhelmine 
von  Wangenheim.  Der  Vormund  derselben,  der  färstl.  Sachs.  Goth.  Ober- 
hofinarschall  von  Zehmen,  liess  sofort  am  30.  Jan.  1705  Besitz  von  den 
Gütern  ergreifen,  während  Witzlebens  Mandatur  erst  am  folgenden  Tage, 
mithin  zu'  spät,  eintraf.  Sachsen -Gotha  aber  zog  ohne  weiteres  Kett- 
mannshausen  und  Schwarzburg -Sondershausen,  Kleinbreitenbach  als  er- 
ledigtes Lehn  ein,  wahrscheinlich,  weil  sie  in  die  Mitbelehnschaft  Frie- 
drich Wilhelms  von  Witzleben  nicht  consentirt  hatten,  und  damit  war 
in  Bezug  auf  diese  beiden  Dörfer  die  Sache  erledigt.  Schwarzburg- 
Rudolstadt  hielt  sich  zwar  in  Bezug  auf  Gräfinau,  Bücheloh  und  Geils- 
dorf  zu  demselben  Verfahren  befugt,  doch  ohne  Erfolg.  Es  traten  nun 
wegen  dieser  Güter  folgende  Competenten  auf: 

1.  der  Schwarzburg-Rudolstädtische  Lehnhof,  ob  aperturam  feudi, 

2.  der  Oberjägermeister  von  Witzleben,  wegen  prätendirter  Mitbelehn- 
schafk, 

3.  der  Graf  von  Wartensleben,  aus  gleichem  Grunde, 

4.  die  Wangenheimschen  Landerben  wegen  des  im  Nebenrecess    vom 
7.  Febr.  1698  ihnen  zugestandenen  juris  retentionis. 

Unter  diesen  Umständen  hielt  sich  die  Budolstädtsche  Eegierung 
für  verpflichtet,  um  weitere  Lrungen  und  etwaige  Thätlichkeiten  zu  ver- 
meiden, die  Sequestration  der  Güter  anzuordnen  (31.  Jan.  1705). 

Und  nun  begannen  die  verschiedenen  Processe.  Witzleben  klagte 
gegen  die  Lehnscurie,  8.  Febr.  1705,  auf  Herausgabe  der  Güter,  die 
Lehnscurie  gegen  Witzleben,  9.  Febr.  ej.  a.,  dass  er  sein  Successions- 
recht  beweisen  solle,  der  Wangenheimsche  Vormund  ebenfalls  gegen 
Witzleben,  wegen  des  Besitzes  auf  Grund  des  Eecesses  vom  7.  Febr. 
1698,  und  schliesslich  meldete  sich  auch  der  Graf  von  Wartensleben 
unter  nachdrücklicher  Unterstützung  des  Königs  in  Preussen.  Dem 
Grafen  wurde  von  Seiten  Kudolstadts  die  Succession  in  die  Güter  zuge- 
sagt für  den  Fall,  dass  der  Oberjägermeister  von  Witzleben  durch  richter- 
liches Urtheil  von  der  Succession  ausgeschlossen  würde,  aber  unter  der 
Bedingung,  dass  er  (Wartensleben)  sich  dann  mit  dem  Fräulein  von 
Wangenheim  zu  vergleichen  hätte.*)    Ausserdem  wurde  am  5.  Juli  1706 


*)  Später,  am  30.  Apr.  1718,  trat  der  Graf  von  Wartensleben  alle  seine  zu  er- 
wartenden Anrechte  gegen  eine  bestimmte  Abfindung  an  den  Gemahl  des  Pränleins 
von  Wangenheim,  Gerlach  Adolf  von  Miinchhausen,  ab. 


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—     290     — 

ein  Recess  errichtet,  wonach  sich  sowohl  der  Graf  von  Wartensleben  als 
das  Fräulein  von  Wangenheim  verpflichteten,  wenn  sie  den  Process  gegen 
den  Oberjägermeister  von  Witzleben  gewonnen  haben  würden,  ihre  Ge- 
rechtsame an  den  Gräfinauer  Gütern  gegen  baare  Bezahlung  an  Schwarz- 
burg-Rudolstadt  abzutreten. 

In  den  fiskalischen  Processen  wurde  Witzleben  durch  ürtheile  der 
ßechts-Collegien  zu  Halle  und  Leipzig  1 707  verurtheilt,  sein  Successions- 
recht  zu  erweisen,  durch  eben  solche  der  Collegien  zu  Helmstädt  und 
Frankfurt  a.  0.  1708  desselben  verlustig  erklärt.  Er  wandte  sich  aber 
an  den  Kaiser  und  dessen  Eeichshofrath  in  Wien,  und  siehe  da  —  die 
Sache  blieb  über  20  Jahre  liegen!  Der  Process  des  Wangenheimschen 
Vormunds  gegen  Witzleben  endete  damit,  dass  durch  ein  zu  Erfurt  am 
12.  Nov.  1709  gesprochenes  ürtheil  dem  Fräulein  von  Wangenheim  die 
Possession  in  Gräfinau  zuerkannt  wurde.  Witzleben  appellirte  zwar  1710 
beim  Eeichshofrath,  die  Budolstädtsche  Regierung  hob  aber  die  Seques- 
tration der  Güter  auf  und  setzte  das  Fräulein  von  Wangenheim  am 
21.  Jan.  1711  in  den  Besitz  desselben.  Nachdem  jedoch  der  Kaiser 
Joseph  am  17.  Apr.  1711  gestorben  und  in  Folge  dessen  das  kurfärst- 
lich  sächsische  Vicariats- Gericht  zu  Dresden  in  Funktion  getreten  war, 
erreichte  es  Witzleben  bei  diesem,  dass  das  Kreisamt  zu  Tennstedt  in 
Thüringen  angewiesen  wurde,  ihn  in  den  Besitz  der  Güter  zu  setzen  und 
ihm  die  alleinnige  Administration  zu  überlassen  (30.  Nov.  1711),  „Wo- 
rauf er,  ohngeachtet  der  damaligen  tiefen  Landes -Trauer  über  das  Ab- 
leben des  hochseligeu  Grafen  Albrecht  Anton,  seinen  Einzug  mit  Trom- 
peten und  Pauken -Schall  zu  Gräfenau  hielte  und  mit  unzähligen  Inso- 
lentien  triumphirte." 

Als  nach  dem  Regierungsantritt  des  Kaisers  Karl  \^.  der  Reichs- 
hofrath  in  Wien  wieder  in  Wirksamkeit  getreten  war  und  sich  sowohl 
Friedrich  Wilhelm  von  Witzleben  um  Bestätigung  des  Vicariatsgerichts- 
Erkenntnisses  als  der  Herr  von  Zehmen  um  Cassirung  desselben  an  ihn 
gewandt  hatten,  entschied  er  am  11.  Apr.  1713,  dass  die  von  Wangen- 
heimsche  Pupillin  wieder  in  den  alleinigen  Besitz  der  Güter  gesetzt 
würde;  was  denn  auch  geschah. 

Sophie  Wilhelmine  von  Wangenheim  vermählte  sich  bald  darauf 
(1715,  in  ihrem  14.  Lebensjahre)  mit  dem  Königl.  Grossbritannischen 
und  Kurf.  Braunschweig'schen  Ober-AppeUations-Rath  und  Gesandten  in 
Regensburg,  spätem  Wirkl.  Geh.  Etats-Rath  und  Minister  zu  Hannover, 


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—     291     — 

Gründer  der  Universität  Göttingen,  Gerlach  Adolf  von  Münchhausen, 
welcher  den  Process  seiner  Gemahlin  nunmehr  imd  zwar  bis  1721  beim 
Reichs-Kammergericht  zu  Wetzlar  weiter  fährte  und  gewann ,  so  dass 
seine  Gemahlin  im  Besitz  der  Güter  zu  verbleiben  hatte,  bis  ihr  Frie- 
drich Wilhelm  von  Witzleben  30000  fl.  ausgezahlt  haben  würde.  Da 
aber  der  Ertrag  der  Güter  geringer  war  als  die  Interessen  eines  solchen 
Kapitals,  bat  Herr  von  Münchhausen  bei  der  Rudolstädter  Regierung 
um  Subhastation  der  Güter  und  erstand  dann  dieselben  am  10.  Mai 
1723  für  28000  fl.*)  Da  sie  ihm  aber  zu  entlegen  waren  und  in  Be- 
rücksichtigung des  Recesses  vom  5.  Juli  1706  cedirte  und  verkaufte  er 
sie  an  die  fürstl.  Schwarzburg-Rudolstädtsche  Rentkammer  für  die  seiner 
Gemahlin  zukonamenden  30000  fl. 

Unterdessen  verhandelte  die  Rudolstädter  Regierung  auch  mit  Frie- 
drich Wilhelm  von  Witzleben,  der  sich  erboten  hatte,  die  Güter  höher 
zu  verkaufen,  und  gestattete  ilim  dieses  schliesslich  unter  der  Bedingung, 
dass  er  die  Frau  von  Münchhausen  mit  30000  fl.  zufrieden  stelle,  ausser- 
dem an  die  Fürstliche  Kammer  2000  fl.  als  Busse  für  Lehnsversäum- 
nisse und  sonstige  der  Regierung  verursachte  Beschwerlichkeiten  und 
1000  fl.  für  die  Gewährung  der  Concession,  die  Güter  einzeln  verkaufen 
zu  dürfen,  zahle.  Witzleben  ging  nun  wieder  nach  Gräfinau,  „ertheilte 
Befehle  und  Verordnungen  an  die  Schultheissen  und  Gemeinden,  massete 
sich  des  Kirchstuhls  an,  schoss  auch  bei  verbotenen  Zeiten  Hasen  und 
ander  Wild,  verkaufte  heimlich  einige  Güter  zu  Geilsdorf  an  den  dasigen 
Schultheissen  Heinrich  Schönheit  für  420  fl.,  zöge  von  ihm  die  Gelder  — 
und  beging  unzählige  Insolentien**.  Im  März  1724  überreichte  er  einen 
mit  dem  Kloster  St.  Petri  und  Pauli  zu  Erfurt  geschlossenen  Contract, 
wonach  die  Gräfinauer  Güter  dem  Kloster  auf  9  Jahre  für  30000  Thaler 
wiederkäuflich  verkauft  wurden  und  bat  um  lehnsherrliche  Bestätigung. 
Diese  wurde  jedoch  versagt  unter  dem  Vorgeben,  dass  ein  Kloster  als 
VasaU  nicht  genehm  wäre  imd  dass  für  den  Fall  der  Wiedereinlösung, 
welches  Recht  Witzleben  abtreten  wollte,  statt  30000  Gulden  über 
9  Jahre  30000  Thaler,  also  4285  Gulden  mehr,  gezahlt  werden 
müssten. 

*)  Georg  Heinrich  von  Vasold  aus  Erfart  hatte  29000  fl.  und  Wilhelm  Ludwig 
von  Witzlebcn  aus  Gerstungen  28000  fl.  geboten,  waren  aber  beide,  weil  sie  in  fürst- 
lich Schwarzburgischen  Landen  nicht  angesessen  waren  und  desshalb  Kaution  stellen 
sollten,  zurückgetreten. 

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Witzleben  ging  nun  nach  Wetzlar  und  klagte  1724  und  25  beim 
Reichs-Kammergericht,  den  Fürsten  von  Schwarzburg-Rudolstadt  zur  Be- 
stätigung des  mit  dem  Kloster  St.  Petri  und  Pauli  zu  Erfurt  errichteten 
Wiederkaufs  -  Contracts  zu  verurtheilen.  Dies  geschah  zwar  nicht,  doch 
wurde  am  24.  Apr.  1727  erkannt,  dass  der  Fürst  einen  andern  lehns- 
fahigen  Käufer  nicht  verwerfen  dürfe,  wenn  sich  solcher  aber  nicht  fände, 
die  Güter  nach  der  Taxe  annehmen  und  den  Ueberschuss  nach  Abzug 
der  auferlegten  Busse  von  2000  fl.  herausgeben  müsse. 

Dies  Urtheil  erlebte  jedoch  Friedrich  Wilhelm  von  Witzleben  nicht 
mehr.  „Durch  seine  eigene  Schuld,  durch  Abandonirung  seiner  gehab- 
ten ansehnlichen  Dienste,  durch  unordentliche  Haushaltung,  durch  Un- 
einigkeit mit  seinen  nächsten  Blutsverwandten,  auch  mit  seinen  leiblichen 
Kindern,  und  durch  seine  in  die  20  Jahre  gefährten  Processe*)  in  Ar- 
muth  gestürzet",  war  er  endlich,  70  Jahre  alt,  nach  langwieriger  schwerer 
Krankheit  am  15.  Juli  1725  zu  Wetzlar  (in  des  Barbierers  Schetla  Be- 
hausung) gestorben.  In  dem  fünf  Tage  vor  seinem  Tode  errichteten 
Testament  setzt  er  seinen  Sohn  Albert  Friedrich  von  Witzleben 
zum  allgemeinen  Erben,  namentlich  der  Lehngüter  Gräfinau,  Bücheloh, 
Geilsdorf,  Kettraannshausen  und  Kleinbreitenbach,  ein  mit  der  Bestimmung, 
dass  derselbe  die  angefangenen  Processe  auf  alle  Weise  fortfähre,  ^sich 
aber  keineswegs  unterstehe,  derenthalben  einen  Vergleich  einzugehen  oder 
sonst  darauf  zu  renunciiren".  Femer  heisst  es:  „Nach  diesem  und  ob- 
gleich meine  beiden  Töchter  Maria  Elisabeth  und  Johanna  Susanna 
von  Witzleben  sich  durch  Uebertretung  des  vierten  Gebotes  an  Gott, 
ihrem  himmlischen  Vater,  und  mir  nach  Ueberzeugung  ihres  selbst- 
eigenen Gewissens  dergestalt  gröblich  versündigt  haben,  dass  sie  in  allen 
Stücken  meinen,  als  ihres  leiblichen  und  treu  meinenden  Vaters  auf- 
richtigen Kath  und  Willen  mit  Füssen  von  sich  gestossen,  verachtet  und 
verspottet,  mich  nicht  gewürdigt,  in  zweien  Jahren  an  mich  zu  schreiben 
oder  auf  mein  Schreiben  zu  antworten,  nach  mir  zu  fragen,  ob  ich  lebe 
oder   todt   sei,   Brot   habe   oder   Hunger   leide,    meine    ihnen   unterm 

*)  Die  Process  -  Manie  hatte  schon  früher  begonnen:  1694  verklagte  er  beim 
Reichs-Kammergericht  1)  die  Gräfl,  Scbwarzb.  Kanzler  mid  Käthe  zu  Eudolstadt, 
2)  Job.  Wilh.  Zollners  Erben,  3)  den  Grafen  Anton  Günther  zu  Schwarzb.- Arnstadt; 
femer  1695  im  Namen  seiner  Frau  deren  Verwandte  Eva  Theresia  St«?ttner  von  Gra- 
benhoff zu  Munchhofen,  1698  den  Grafen  Albrecht  Anton  zu  Schwarzb.-Rudolstadt  und 
den  Grafen  Anton  Günther  zu  Schwarzb.-Arnstadt,  und  1702  den  Markgrafen  Christian 
Ernst  von  Brandenburg-Baireuth. 


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—     293     — 

10.  Martii  auf  Trieb  des  lieben  Gottes  nach  Ordnung  aller  göttlichen 
und  weltlichen  Gesetze  ihnen  vorgelegte  fünfzehn  Punkte  und  Vermah- 
nungen verachtet,  da  doch  ihr  eigen  Gewissen  überzeugt  gewesen,  dass 
sie  solche  alle  schuldig  und  bedürftig  seien,  ja  solchergestalt  sich  schänd- 
lich vergangen,  dass  sie  mir  all  das  mütterliche  Gut,  daran  mir  sonst 
die  Nutzniessung  nebst  einem  Kindtheil  von  Kecht  und  Gewohnheit 
wegen  zukonunen  wäre,  abgepresset,  auch  unter  vorgeschützter  einer 
falschen  expracticirten  Obligation  ä  10000  fl.,  von  welcher  in  specie 
die  jüngste  Tochter  Johanna  Susanna  gewusst,  dass  sie  ihre  Mutter 
seelig  vor  dem  Notario  Löffler  als  falsch  und  nichtig  widerrufen,  cassirt 
und  wegen  der  dabei  gebrauchten  Geföhrde  um  Verzeihung  gebeten  habe, 
meine  eigenen  Güter,  die  ich  vor  meine  väterliche  Erbschaft  erkauft  und 
zu  dem  mütterlichen  Gut  Beerbach  nicht  gehören  (als  zum  Exempel  den 
Weinberg  Clausberg  genannt,  die  sogenannte  grosse  Ochsenwiese  und  die 
sieben  ßeinbacher  Weiher)  wider  meinen  Willen  zu  sich  gerissen,  und 
also  bei  meinem  JanmiervoUen  Elend  und  Erbarmungswürdigen  Zustand 
mir  die  tägliche  höchst  nöthige  Sustentation  und  Lebsucht  entzogen 
haben,  dass  ich  wohl  Ursach  hätte,  sie  vollkommen  zu  enterben :  Dessen 
allen  ohngeachtet  bitte  ich  dennoch,  Gott  wolle  ihnen  solche  grobe 
Sünde  zu  erkennen  geben,  sie  zur  wahren  Busse  und  Besserung  bringen, 
ihnen  ihre  Sünde  verzeihen  und  nicht  zurechnen,  alsdann  auch  ich  ihnen 
solche  von  Herzen  vergebe  mit  treulicher  Ermahnung,  dass  sie  fürohin 
Gottes  Geboten  folgen  und  sich  eines  christlichen  Lebens  und  Wandels 
bestreben.  Und  vermache  einer  jeden  von  den  Lehngütem  1 000,  schreibe 
Tausend  Meissensche  Gulden,  also  dass  sie  solche  ein  Tausend  Meissen- 
sche  Gulden  aus  denselben  sobald  ziehen  sollen,  als  mein  Sohn  sie  wird 
wieder  auf  vorbeschriebene  oder  andere  rechtliche  Art  an  sich  in  Besitz 
gebracht  haben.  Was  aber  an  Erb-  oder  Allodialverlassenschaft  sich 
nach  Abzug  aller  Schulden  und  Vermächtnisse  wird  finden,  daran  sollen 
sie  beide  meine  Töchter  Maria  Elisabeth  und  Johanna  Susanna  jede  ihr 
Kindtheil  —  —  als  Erbe  —  —  vermacht  haben".  Seinem  Diener 
Georg  Friedrich  Brenner,  dessen  Vater  schon  ihm  21  Jahre  treu  gedient 
hatte,  vermachte  er  200  fl.,  welche  sein  Sohn  Albert  Friedrich  von  Witz- 
leben „von  denen  fructibus  und  andern Posten,  sobald  nur  davon 

etwas  oder  Alles  eingehet,  sogleich  zu  entrichten  schuldig  sein  soll". 

In  Folge  des  letzten  Willens  seines  Vaters  setzte  Albert  Frie- 
drich von  Witzleben  die  Processe  fort.    Derselbe  war  am  24.  Jan. 

21* 


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—     294     — 

1716  Kammerjunker  am  Fürst.  Sachs.  Hildburghausenschen  Hofe  ge- 
worden*), nach  den  Processacten  aber  hatte  er  bei  der  Königl.  Poln. 
und  Kurf.  Sachs.  Kavallier- Garde  in  Dresden  in  Diensten  gestanden, 
diese  Stellung  aber  aufgegeben,  seine  Gemahlin,  eine  geb.  vonEedern 
(oder  Köder?),  „wiewohl  mit  vielem  Unwillen  ihrer  Familie  geheirathet, 
um  sein  Geschlecht  fortzupflanzen  und  sein  Heil  im  Federkriege  zu 
versuchen".  Später  wird  er  Hauptmann  titulirt.  In  Folge  des  oben 
erwähnten  Urtheils  vom  24.  Apr.  1727  ging  er  nach  Eudolstadt  und 
bat  unterm  30.  Oct.  dess.  J.  um  den  lehnsherrlichen  Consens  zum  Ver- 
kauf der  Güter.  Unterm  17.  Nov.  wurde  ihm  dieser  Consens  unter  der 
Bedingung  gegeben,  dass  er  innerhalb  zweier  Monate  einen  Käufer  stelle. 
Von  einem  Verkauf  der  Güter  verlautet  jedoch  nichts.  Albert  Friedrich 
klagte  vielmehr  beim  Beichs- Kammergericht  und  erwirkte  ein  Urtheil 
vom  12.  Juli  1728,  wonach  Schwarzburg -Rudolstadt  ihm  vom  24.  Apr. 
1727  an  jährlich  200  fl.  Alimente  aus  den  Gütern  zu  zahlen  hatte, 
„weil  sonst  er,  sein  Weib  und  Bänder  crepiren  müssten",  wie  der 
gegnerische  Anwalt  sich  ausdrückt.  „Ihro  Hochfürstl.  Durchl.  zu  Schwarz- 
burg-Rudolstadt  konnten  nicht  begreifen,  wie  Sie  zu  diesem  Allen  kamen", 
und  Hessen  noch  mancherlei  Anträge  dagegen  beim  Eeichs-Kammergericht 
einbringen.  Dennoch  mag  dies  die  Veranlassung  gewesen  sein,  dass  der 
Fürst  Friedrich  Anton  zu  Schwarzburg  sich  endlich  unter  Vermittelung 
des  verordnet  gewesenen  Kaiserlichen  Commissars  Heinrich  XXTV.  Reuss, 
Grafen  und  Herrn  von  Plauen,  mit  dem  Hauptmann  Albert  Friedrich 
von  Witzleben  dahin  verglich,  dass  dieser  gegen  eine  Abfindung  von 
8500  fl.  und  50  Ducaten  allen  Ansprüchen  an  die  Güter  Gräfinau, 
Bücheloh,  Geilsdorf,  Kettmannshausen  und  Klein -Breitenbach  entsagte 
(Köstritz,  21.  Mai  1782).**)  Von  dieser  Summe  erhielt  Albert  Friedrich 
kaum  den  vierten  Theil,  denn  wie  die  Harpyen  stüi-zten  sich  die  Credi- 
toren  seines  Vaters  und  seine  lieben  Schwestern  auf  das  übrige.  In  dem 
Process,  den  er  nun  gegen  letztere  anstrengte,  bemerkte  er,  dass  sowohl 
sein  Vater  als  er  über  die  bisher  gefiihrten  „so  kostbahr-  imd  lang- 
würigen  Processe  all  das  ihrige  zugesetzet  und  eingebüsset,  auch  er 
nicht  das  allergeringste  vor  sich  imd  seine  zahlreiche  FamUlie  zu  leben 
übrig"  habe;  die  Schwestern  hätten  ihn  fast  um  das  ganze  Mütterliche 
gebracht,    während    sie    an    10000   fl.    besässen    „und   also   in   einem 

*)  Krau 88,  Hildburgh.  p.  9. 
**)  Vertrage  und  Protokolle  im  Schwarzb.  Arch.  zu  Rudolstadt. 


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—     295     — 

gesegneten  Zustand **  sich  befänden,  wogegen  er  weder  aus  dem  väter- 
lichen Lehn  noch  aus  dem  Mütterlichen  „einen  Liar  zu  sein  und  seiner 
zahlreichen  Familie  mbsistene  übrig  und  noch  dabey  dieses  Processes 
wegen  eine  Schulden -Last  von  etlichen  1000  fl.,  leyder  Gott  erbarme 
es,  auflf  dem  Halsse  habe". 

Albert  Friedrich  von  Witzleben  starb  im  Jahre  1741;  seiner  Wittwe 
wird  noch  1746  gedacht;  über  seine  Kinder  fehlt  bis  jetzt  jegliche 
Nachricht. 


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in.  Abschnitt. 

Die  Linie  zu  Oberellen  und  Gerstungen. 

1598  —  1744. 

a.   Hans  Ernst  von  Witzleben,  1598—1660. 

Ernst  Friedrichs  von  Witzleben  auf  dem  Unterhause  zu  Liebenstein 
(s.  S.  260)  andrer  Sohn  war  Hans  Ernst  von  Witzleben,  geboren 
1598.  Während  sein  Bruder  Georg  Melchior  Kriegsdienste  nahm,  wurde 
er  Fürstl.  Sachsen-Weimarscher  Jägermeister  in  Eisenach  und  vermählte 
sich  daselbst  am  6.  Apr.  1629  mit  Anna  Sabina  von  Cornberg,  einer 
1607  geborenen  Tochter  des  Landgräfl.  Hessen -Kasseischen  Geh.  Eaths 
imd  Kanmaerpräsidenten  Philipp  Wilhelm  von  Cornberg  auf  Auburg,  Hufe 
und  Eichelsdorf,  n.  1553.  f  1616.  30.  Aug.*),  und  der  Christine  von 
Boineburg  a.  d.  H.  Gerstungen  (welche  sich  zum  zweiten  Mal  vermählte 
mit  Hans  Treusch  von  Buttlar).  Um  dieselbe  Zeit  mag  es  auch  gewesen 
sein,  dass  er  eins  der  beiden  Hansteinschen  Güter  zu  Oberellen  (2  St. 
südwestlich  von  Eisenach,  im  Elinagrunde  gelegen)  erwarb.  Am  30.  Juli 
1629  schrieb  er  sich  daselbst  in  das  Stammbuch  des  Caspar  von  Han- 
stein**) ein  und  fügte  folgenden  schönen  Denkspruch  hinzu: 

„Glaub  keinen  Wolflf  auf  grüner  Heidt, 

Auch  keinen  Juden  auf  seinen  Eidt, 

Und  keinen  Münnich  auf  sein  Gewissen, 

Sonst  wirst  du  von  allen  3  besch !" 

*)  Natürlicher  Sohn  des  am  24  Juni  1532  geborenen  und  am  25.  Aug.  1592 
gestorbenen  Landgrafen  Wilhelm  IV.,  des  Weisen,  zu  Hessen. 

**)  1862  im  Besitz  des  als  Heraldiker  bekannten  Pastors  Ragotzky  zu  Triglitz  bei 
Pritzwalk  in  der  Ostpriegnitz. 


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—     297     — 

Er  wohnte  aber  niclit  in  Oberellen,  sondern  in  Eisenach,  wie  daraus 
hervorgeht,  dass  seine  fiinf  ältesten  Kinder  in  dieser  Stadt  geboren 
wurden. 

Nachdem  Hans  Ernst  von  Witzleben  von  1635  bis  1637  Amtmann 
des  Amtes  Volkenrode  gewesen  war*),  wurde  er,  inmier  unter  Beibehal- 
tung der  Charge  eines  Jägermeisters,  Amtmann  zu  Gerstungen.  Am 
1.  Nov.  1648  errichtete  er  mit  seinem  Bruder  Georg  Melchior  einen 
Erbvergleich,  worin  er  seine  Anrechte  an  Liebenstein  gegen  Geldentschä- 
digung aufgab,  und  einige  Zeit  darauf  kaufte  er  von  denen  von  Boine- 
burg  ein  Gut  zu  Gerstungen,  welches  bis  1737  im  Besitz  seiner  Nach- 
konunen  blieb;  der  sogenannte  Witzlebensche  Hof,  ein  hoher  stattlicher 
Holzbau,  existirt  noch  jetzt.**) 

Wie  Hans  Ernst  bei  der  feierlichen  Beisetzung  der  Leiche  Bernhards 
des  Grossen  am  12.  Dec.  1655  als  Marschall  fiingirte  (S.  279),  so 
ging  er  auch  am  19.  Nov.  1656  zu  Weimar  vor  der  Leiche  des  am 
18.  Aug.  d.  J.  gestorbenen  Prinzen  Friedrich  als  Marschall  her.***)  Er 
sowohl  als  sein  Bruder  waren  Mitglieder  der  fruchtbringenden  Gesell- 
schaft oder  des  Palmenordens  und  werden  bei  der  Aufnahme  des  Kur- 
fiirsten  Johann  Georg  E.  von  Sachsen  in  diesen  Orden  genannt.  Wir 
lassen  die  Beschreibung  dieses  feierlichen  Actes,  wie  sie  Müller  in  seinen 
Annalen  des  chur-  und  färstl.  Hauses  Sachsen  p.  420flFg.  giebt,  folgen: 

„Am  16.  Aug.  1658  kam  der  Churfürst  mit  seiner  Gemahlin  und 
ganzem  Hof-Staat  zu  Weimar  an,  um  dero  Vetter,  Hertzog  Wilhelmen, 
abermahls  zu  besuchen.  Nachdem  nun  der  Churfürst  in  den  Orden  der 
Fruchtbringenden  Gesellschaft,  dessen  Oberhaupt  gedachter  Hertzog  Wil- 
helm war,  aufgenonamen  zu  werden  ein  besonderes  Verlangen  trüge, 
wurde  dazu  der  18.  Aug.  ausgesetzet  und  beliebet,  gestalt  dann  zu 
solchem  Ende  das  Mittagsmahl  oben  auf  dem  kleinen  Saale  über  der 
fürstlichen  Dreh-  und  Beiss-Stube  angestellet  und  auf  Herzog  Wilhelms 
Befehl  nur  etliche  von  den  vornehmsten  Gästen  dazu  erfordert  worden. 
Unter  währendem  Tafel-halten  hat  der  damalige  Weimarische  Secretarius 
und  sogenannte  Erzschreinhalter,  Georg  Neumarck,  diejenigen,  absonderlich 


♦)  Brückner,  G.  K.  u.  Seh.  St.  1.  4.  p.  37. 

**)  Zeitschrift  des  Thür.  Verems  zu  Jena,  Bd.  4.  p.  410,  wo  aber  als  Zeit  des 
Kaufs  fälschlich  das  Jahr  1662  angegeben  ist.  1662  war  der  Oberjägermeister  von 
Witzleben  fast  2  Jahre  todt. 

•♦♦)  Müller,  Annalen,  p.  411. 


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von  denen  andern  damals  noch  mehr  anwesenden,  auserlesene  Gesell- 
schafter aus  dem  Gesellschaftsregister,  wie  sie  einander  von  Zeit  zu  Zeit 
in  der  Einnahme  gefolget,  erhaltenem  Befehl  nach  aufzeichnen  und  anbei 
diejenigen,  welche  zugleich  mit  in  diesen  Orden  genommen  werden 
sollten,  mit  Gesellschafts-Namen,  Gewächsen  und  Worten  versehen  müssen. 
Da  nun  das  Mittagsmahl  fast  zu  Ende  und  man  das  Confect  aufzutragen 
begunte,  wurde  der  Churfürst  von  Herzog  Wilhelmen  des  vorhabenden 
Werks  erinnert  und  ob  der  Actus  der  Einnahme  vorgenonunen  werden 
sollte  befraget,  worauf  der  Churfärst  sein  sonderbares  Vergnügen  und 
Wohlgefallen  wiederum  zu  verstehen  gab.  Nach  welchem  auf  dem  über 
diesem  Speisesaal  erbauten  Altane  und  Dachumgange  die  an  zwei  unter- 
schiedliche Orte  gestellete  Trompeter  und  Heerpauker  sich  tapfer  hören 
Hessen,  inzwischen  hat  auf  Herzogs  Wilhelm  Befehl  obbenannter  Erz- 
Schreinhalter  diejenigen  Gesellschafter,  so  den  Churfärsten  wie  auch  die 
andern  neuen  Gesellschafter  gleichsam  bewillkommnen  sollten,  nach  Ord- 
nung der  Einnahme,  mit  Benennung  eines  jeden  Gesellschafts -Namens, 
von  der  Tafel  abzufordern  angefangen,  nämlich: 

1)  Hanss  Ernsten  von  Witzleben,  fürstlich  Sächsischen  Jäger- 
meister zu  Eisenach,  den  Gekochten. 

2)  Anton  Günthern,    Grafen  von  Schwarzburg -Arnstadt,    den  Viel- 
gültigen. 

3)  Ludwig  Günthern,  Grafen  von  Schwarzburg -Sondershausen,  den 
Entlähmenden. 

4)  Dietrich  von  Werthem,  Ghurfürstlich  Sächsischen  Geh.  Rath  und 
Kammer-Präsidenten,  den  Aufklärenden. 

5)  Friedemann  von  Selhnnitz,    Churf.  Sachs.  Geh.  Eath,    Kammer- 
herm  und  Oberaufseher  der  Grafschaft  Mansfeld,  den  Frischen. 

6)  Eustachius  von  dem  Brinck,  Fürstl.  Sachsen -Weimarschen  Geh. 
und  Kammer-Rath,  den  Besondem. 

7)  Hans  August  von  Leutsch,  Fürstl.  Sachs.  Hofmarschall  zu  Wei- 
mar, den  Jagenden. 

8)  Heinrich  den  Altern  Reussen,  Churf.  Sachs.  Kammerherm,  Rath 
und  Amtshauptmann  zu  Zmckau,  Stolberg  und  Werdau,  den  Zierlichen. 

9)  Jost  Christoph  Römern,  Churf.  Sachs.  Kammer- Junker,  den  Er- 
kühlenden. 

10)  Georg  Melchior  von  Witzleben,  Obristen,  den  Schnellen. 

1 1)  Hans  Andreas  von  Utterodt,  den  Bezwingenden. 


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12)  WolfF  Dietrich  von  Marschall,  den  Kriechenden. 

13)  Carl,  Freiherm  von  Friesen,  Churf.  Sachs.  Geh.  Bath,  Kammer- 
herrn  und  Ober-Steuer-Einnehmer,  den  Erwehlten. 

14)  Hans  Georg  Freiherm  von  Bechenberg,  Churf.  Sachs.  Oberhof- 
MarschaU  und  Ober-Kammerherm,  den  Vorbehaltenen. 

Als  nun  diese  von  der  Tafel  aufgestanden  und  sich  nach  der  Keihe 
gestellet,  auch  die  Trompeter  sich  inzwischen  tapfer  hören  Hessen,  ging 
obgedachter  ältester  Gesellschafter,  der  Gekochte,  als  Marschall 
voran,  dem  alle  andern  in  obiger  Ordnung  nachfolgeten,  und  sich  zu 
dem  Churfürsten  naheten,  welcher  von  den  beiden  Grafen  zu  Schwarz- 
burg, dem  VielgtUtigen  und  dem  Entlähmenden,  ebenfalls  aufgefordert 
und  also  um  die  Tafel  bis  wieder  zu  voriger  Stelle,  auf  den  hierzu  be- 
sonders geordneten  Stuhl,  neben  Herzog  Wilhelm,  dem  Schmackhaften, 
gefähret  wurde,  da  denn  dieser  als  das  Oberhaupt,  nachdem  die  andern 
Gesellschafter  sich  gleichfalls  auf  ihre  in  einem  halben  Cirkel  gesetzte 
Stühle  niedergelassen  und  die  Trompeter  und  Musikanten  stille  worden, 
den  Churfurst  ungefähr  folgendermassen  anredete: 

Er  setze  ausser  allen  Zweifel,  es  würden  des  Herrn  Churfürsten 
Liebden,  welcher  gestalt  allhier  zu  Weimar  1617,  und  also  nunmehro 
vor  41  Jahren  die  hochlöbliche  Fruchtbringende  Gesellschaft  des  edlen 
Palmen -Ordens  ihren  Ursprung  genommen  und  zu  Wieder -Aufrichtung 
der  durch  das  fremd-ausländische  Wortvermenge  fast  zu  Gnmd  aus  ver- 
derbten Teutschen  Helden-  und  Mutter-Sprache,  zu  Erbauung  des  Teutsch- 
redlichen  Vertrauens,  und  dann  zur  Aufinunterung  der  hinfallenden 
Tugend-  imd  Kunstliebenden  Gemüther,  auf  festen  Grund  gesetzet  wor- 
den, gute  Wissenschaft  tragen.  Wann  dann  in  solchem  Orden  neben 
andern  löblichen  Gesetzen  auch  dieses  versehen,  dass  allezeit  ein  Beichs- 
fürst  das  Regiment  über  denselben  fähren  sollte,  und  weiland  der  Näh- 
rende, Herr  Ludwig  Fürst  zu  Anhalt  etc.,  als  der  damals  in  besagtem 
1617ten  Jahre  bei  Stiftung  dieser  löblichen  Gesellschaft,  der  älteste  ge- 
wesen, von  denen  andern  Fürstlichen  und  Adlichen  damahls  anwesenden, 
einhellig  zum  Oberhaupt  und  Eegenten  erwehlet,  und  unter  Ihrer  Liebden 
nicht  allein  etliche  hohe  StandesPersonen,  sondern  auch  viel  Adeliche 
und  andere  geschickte  teutschliebende  gelehrte  Leute  nach  und  nach 
eingenommen,  auch  auf  erfolgtes  Absterben  Ihrer  hochseeligen  Liebden 
Ihm  (Herzog  Wilhelmen)  von  denen  vornehmsten  und  ältesten  MitGliedern 
im  Namen    der    gesammten  fruchtbringenden  Gesellschaft  die  Oberver- 


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waltung  aufgetragen  und  Er  also  zum  Nachfolger  erkläret  worden  wäre, 
welches  Regiment  er  auch  bis  auf  diese  Zeit  glücklich  gefahret  und  die 
Gesellschaft  mit  unterschiedlichen  hohen  Fürst-  und  Graf-  wie  auch 
Freiherr-  Adel-  und  andern  geschickten  Personen  erweitert  und  vermehrt 
hätte,  als  wäre  Er  itzo  gleichfalls  vorhabends,  dafeme  es  des  Herrn 
Kurfarsten  Liebden  nicht  entgegen,  dieselbe  bei  dieser  gewünschten  Ge- 
legenheit imd  in  Gegenwart  so  vieler  vornehmer  Mitglieder  benannter 
Gesellschaft  einzuverleiben.  Es  wäre  aber  dieses  dabei  freundlich  zu 
erinnern,  dass  Ihre  Lbd.  (der  Kurfürst)  künftig,  wie  bishero,  als  ein 
hoher  teutscher  Potentat  und  vornehmer  Churfürst  des  heil.  R.  R.  die 
teutsche  Freiheit  zu  schützen,  das  teutsche  Vertrauen  zu  erhalten,  die 
teutsche  Sprache  zu  lieben  und  derselben  Ausübung,  Rein-  und  Zierlich- 
keit kräftig  zu  befördern  geruhen  wollten.  Dafeme  nun  des  Herrn  Chur- 
fürsten  Lbd.  mit  Ihrer  hohen  Person  oftbesagte  Gesellschaft  zu  erweitem 
geneigt  wären,  wolle  er  dero  freundliche  Meinung  darauf  vernehmen. 

Nachdem  nun  hierauf  der  Kurfürst  erklärt  hatte,  dass  er  alles,  was 
einem  getreuen  Mitgliede  dieser  so  wohlgemeinten  imd  löblichen  Gesell- 
schaft oblägft,  in  Acht  nehmen  wolle,  wurde  ihm  vom  Secretair  Neumarck 
der  Zettel  mit  dem  Gesellschaftsnamen:  der  Preiswürdige,  dem  Gewächs: 
ein  Cederabaum*)  und  dem  Wort:  Bestehet  unwandelbar,  überreicht. 

Hierauf  wünschte  der  Schmackhafte  dem  neuen  Mitgliede,  dem  Preis- 
würdigen, zur  Eintretung  Glück  und  überreichte  ihm  auf  Gesundheit  der 
ganzen  Fmchtbringenden  Gesellschaft  das  hierzu  besonders  gewidmete 
Glas,  der  ölberger  genannt.  Als  nun  der  Kurfürst  Bescheid  gethan, 
brachte  der  Schmackhafte  auf  des  Preiswürdigen  gutes  Wohlergehen  einen 
Toast  aus,  während  dessen  mit  den  Heerpauken  und  Trompetern  oben 
auf  besagtem  Altane  nicht  gefeiert  wurde.** 

Hierauf  wurden  noch  die  bei  der  Tafel  anwesenden  sieben  kurfürst- 
lichen Minister  und  Diener  in  die  Gesellschaft  aufgenonamen  und  haben 
schliesslich  alle  auf  der  fruchtbringenden  Gesellschaft  imd  des  Preiswür- 
digen Gesundheit  und  glückliches  Wohlergehen  aus  dem  ölberger  trinken 
müssen,  womit  der  Act  der  Aufnahme  endete. 

Hans  Ernst  von  Witzleben  starb  zu  Gerstungen  am  19.  Nov.  1660 
in  seinem  63.  Lebensjahre  als  Fürstlich  Sachsen-Weimarscher  Oberjäger- 
meister und  Amtshauptmann  zu  Gerstungen  imd  des  Hauses  Breitenbach 

*)  Der  Gekochte  hatte  das  Kraut  Salbei,  s.  Neues  rheinisches  Convers.  Lex. 
Bd.  5.  p.  537. 


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im  Fürstenthum  Eisenach.*)  Seine  Gemahlin  war  ihm,  ebenfalls  zu 
Gerstungen,  am  3.  Oct.  1659,  ihres  Alters  52  Jahre  und  20  Wochen, 
vorangegangen. 

b.   Bie  Nachkominen  Hans  Ernsts  von  Witzleben, 

1630—1744. 

Hans  Ernst  von  Witzleben  und  Anna  Sabina  geb.  von  Comberg 
hatten  9  Kinder,  von  denen  4  Töchter  und  2  Söhne  die  Eltern  über- 
lebten (s.  Stammtafel  I.  13.) 

Die  älteste  Tochter,  Christina  Magdalena  von  Witzleben,  war 
am  Sonntage  Cantate,  den  25.  Apr.  1630,  Vormitts^  zwischen  9  und 
10  Uhr  zu  Eisenach  geboren  und  am  6.  Mai  in  der  Stadtkirche  daselbst 
getauft  worden.  Im  Jahre  165G  wurde  sie  von  der  aus  dem  Weimar- 
schen  Hause  stammenden  Herzogin  Dorothea  Maria  zu  Sachsen,  der  Ge- 
mahlin des  Herzogs  Moritz,  postulirten  Administrators  des  Stifts  Naum- 
burg, als  „Kanmaer- Jungfer",  d.  i.  dasselbe,  was  man  jetzt  Hofdame 
nennt,  in  Dienst  genonmien,  „in  welchem  Sie  auch  in  die  16  Jahr  mit 
aller  Unterthänigkeit  und  Treu  ihre  Aufwartung  verrichtet."  Endlich 
„fiigte  sie  der  inmier  Gutes  thuende  Gott  am  9.  Oct.  1671  dem  Herrn 
Dietrich  Pflug,  Sachsen-Naumburgischen  Kammerjunker  und  Schloss- 
hauptmann, hernach  Hausmarschall,  in  ehelicher  Verbindung  bei"  und 
wurde  die  Hochzeit  auf  dem  fürstlichen  Schlosse  zu  Zeitz  gefeiert.  Am 
9.  Jan.  1692  ward  „diese  liebreiche  Ehe"  durch  tödtlichen  Hintritt  des 
Herrn  Hausmarschalls  getrennt  und  Christina  Magdalena  zur  betrübten 
Wittwe  gemacht.  „Dieweil  aber  bey  dieser  sonst  vergnüglichen  Ehe  von 
Gott  kein  Segen  erfolgte,  hat  die  Seel.  Frau  auflf  ihres  Bruders  Tochter, 
die  Hoch-Edelgebohme  Jungfer  Annam  Deboram  von  Witzleben, 
ihre  Liebe  und  Sorge  gewendet",  selbe  von  Jugend  auf  erzogen  und 
schliesslich  mit  dem  Sachsen-Naumburgischen  Kammerjunker  und  Beise- 
stallmeister   Friedrich   Christian   von  Wendessen  verheirathet.**) 

*)  Hasse,  Johanniter -Orden,  p.  284  und  362.  —  Leichenpredigt  auf  Dorothea 
Katharina  Katte  geb.  von  Witzleben,  Halle  1671. 

**)  Dies  mag  im  Frühjahr  1697  geschehen  sein,  denn  „An.  1697.  6.  Dec.  hat 
Gott  gebohren  werden  lassen  ein  Hoch-Adelich,  liebholdes,  schönes,  gesund  und  frisches 
Töchterlein,  nemHch  Tit.  Tit.  Herrn  Friedrich  Christian  von  Wendessen  und  seiner 
Hoch-Ad«l.  Ehe-Liebsten  T.  T.  Frauen  Annen  Deboren,  gebohmen  von  Witzleben,  erste 
Krafft  und  Eheliche  Lieb-  und  Leibes-Frucht,  Amalien  Magdalenen." 


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Wiederholt  vom  Schlage  gerührt,  ist  sie  in  Folge  der  Wassersucht 
am  Donnerstag  den  30.  Dec.  1697,  frilhesten  Morgens  fast  um  7^2  tJlir, 
in  Zeitz  wöl  und  selig  entschlafen,  nachdem  sie  in  dieser  Zeitlichkeit 
zugebracht  67  Jahre,  35  Wochen,  3  Tage  und  etwa  16  Stunden.  Die 
Leiche  wurde  am  3.  Jan.  1698  in  der  Schlosskirche  zu  Zeitz  zu  dem 
sei.  ruhenden  Körper  ihres  vor  6  Jahren  gestorbenen  Eheherm  beigesetzt. 
Als  besonders  merkwürdig  ist  zu  erwähnen,  dass  Christina  Magdalena 
Pflugin  seit  dem  Jahre  1658  bis  zum  26.  Aug.  1697  die  Bibel  40  Mal 
durchgelesen  -hatte.*) 

Die  zweite  Tochter  war  Anna  Johanna,  geb.  um  1636  (wahr- 
scheinlich in  Volkenrode)  und  unvermählt  gestorben  zu  Schleusingen  am 
13.  Juni  1705. 

Siebentes  Kind  und  dritte  Tochter  war  Dorothea  Katharina. 
Dieselbe  hat  „aus  den  alten  adelichen  Geschlechtern  derer  von  Witz- 
leben und  Cornberg  am  7.  Tage  des  Homungs  Anno  1640  auf  dem 
Hause  Gerstungen  Ihre  Entspriessung  erlangt"  und  ist  am  10.  Febr. 
durch  Herzog  Albrecht  zu  Sachsen-Eisenach,  dessen  Gemahlin  und  andere 
vornehme  Taufzeugen  „zur  Geistlichen  Wiedergeburt  befördert."  Durch 
Verwendung  der  Herzogin  Dorothea  Maria  zu  Sachsen  kam  sie  kurz  vor 
Pfingsten  1661  an  den  Hof  der  Herzogin  Anna  Maria  geb.  Herzogin  von 
Mecklenburg,  Gemahlin  des  Herzogs  August,  Administrators  des  Erzstifts 
Magdeburg,  als  „Kammer -Jungfer"  derer  Töchter,  welche  Stellung  sie 
fönf  Jahre  innehatte.  Am  15.  Aug.  1666  vermählte  sie  sich  zu  Halle 
mit  dem  damaligen  Fürstl.  Magdeburgischen  Hof-  und  Justitien -Rath 
Hans  Katte  auf  Wust  (n.  1633.  16.  Juni,  f  1684.  24.  Jan.  als  fürstl. 
Sachsen-Koburgl.  Hoftnarschall) ,  schenkte  demselben  einen  jungen  Sohn 
und  drei  wohlgewachsene  Töchter**)  und  starb  im  Kindbette  am  27.  Sept. 
1671  Abends   nach  9  Uhr  zu  Halle,    31  Jahre,    8  Monate  und  9  Tage 

*)  Leichenpredigt  auf  Christine  Magdalene  geb.  von  Witzleben,  Dietrich  Pflugs 
hinterlassene  Frau  Wittbe.     Zeitz  1698. 

**)  Hans  Heinrich  Albrecht,  n.  1668,  t  1678.  11.  Juli;  Dorothea  Sophia,  t  1719. 
ux.  Landrath  von  Bismarck  auf  Schönhausen ;  Anna  Elisabeth,  n.  1670  in  Hallo,  f  1714. 
23.  Juli  in  Briest,  heir.  Christoph  Georg  von  Bismarck  auf  Crevesen,  Briest  und  Döblin, 
K.  Pr.  Director  und  Landrath  der  Altmark;  und  Dorothea  Katharina,  n.  27.  Sept. 
1671,  früh  gegen  V29  Uhr,  in  Halle,  t  1719.  19.  Juni  in  Schleusingen,  heir.  1603 
N.  N.  von  Osterhausen.  —  Der  Vater,  Hans  Katte,  heirathete  wieder  u.  zv^ar  Eva 
von  Stammer  (verw.  von  Einsiedel).  Von  deren  Söhnen  wurde  Christoph  Kammer- 
präsident, Hans  Heinrich  aber  K.  Preuss.  Feldmarschall  und  Vater  des  am  6.  Nov. 
1730  zu  Küstrin  geköpften  Hans  Hermann  von  Katte. 


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—     303     — 

alt.  Ihre  Leiche  wurde  am  5.  Dec.  nach  Wust  überbracht  und  in  einem 
kupfernen,  mit  güldenen  und  silbernen  Figuren  ausgerissenen  Sarge  in 
dem  dortigen  Erbbegräbniss  beigesetzt.*) 

Die  vierte  Tochter,  Agnesa  Euphrosina,  war  1641  geboren,  ver- 
mählte sich  am  3.  Oct.  1676  mit  Otto  von  Zastrow  und  starb  zu 
Schleusingen  am  3.  Dec.   1699. 

Die  vier  vorstehend  genannten  Töchter  Hans  Ernsts  von  Witzleben 
empfingen  im  Jahre  1674  ein  Lehn  in  Heringen  (im  Kreise  Hersfeld) 
und  Sallmannshausen  (bei  Gerstungen).  Anna  Johanna  wurde  nochmals 
damit  belehnt  im  Jahre  1702.**) 

Die  Söhne,  welche  den  Stamm  fortpflanzten,  waren  Adam  Georg 
und  Adam  Ludwig,  Zwillinge,  am  11.  Aug.  1634  in  Eisenach  geboren. 
Die  Nachrichten  über  beide  sind  äusserst  spärlich. 

Adam  Georg  von  Witzleben  vermählte  sich  am  30.  Oct.  1661 
mit  Anna  Sabina  von  Harstall,  einer  Tochter  Adam  Georgs  von 
Harstall  auf  Mihla  an  der  Werra  und  Anna  Barbaras  von  Eschwege,  er- 
zielte 10  Kinder,  trug  beim  Leichenbegängniss  Herzogs  Ernst  des  Frommen 
am  4.  Juni  1675  zu  Gotha  in  der  3.  Ordnung  die  Fahne  der  Grafschaft 
Eisenberg***)  und  starb  in  Oberellen  am  27.  Febr.  1680,  im  46.  Jahre 
seines  Alters. 

Adam  Ludwig  von  Witzleben  heirathete  um  1665  seine  Muhme 
Anna  Katharina  von  Hopfgarten,  eine  Tochter  des  1674  gestorbenen 
Georg  Melchior  von  Hopfgarten  auf  Natza  und  der  Debora  Magdalena 
von  Witzleben  aus  dem  ünterhause  zu  Liebenstein  (s.  Tab.  I.  12.),  er- 
zielte ebenfalls  10  Kinder,  wurde  im  Jahre  1672  von  der  Herzogin 
Dorothea  Maria  zu  Sachsen-Zeitz  dem  Herzog  Johann  Ernst  zu  Sachsen- 
Weimar  (aber  anscheinend  vergeblich)  empfohlenf),  trug  bei  dem  oben 
erwähnten  Leichenbegängniss  des  Herzogs  Ernst  die  Fahne  des  Burg- 
grafenthums  Altenburg,  siedelte  bald  darauf  nach  Gerstungen  über  und 
starb  daselbst  am  21.  Dec.  1708  im  74.  Jahre  seines  Alters,  üeber 
seine  Nachkonmien  wissen  wir  der  Stammtafel  nichts  hinzuzufügen,  als 
dass  Wilhelm  Ludwig  von  Witzleben  zu  Gerstungen  am  30.  Mai 
1723  für  Gräfinau,    Bücheloh    und  Geilsdorf  28000  fl.   geboten    hatte, 

*)  Leichenpredigten  auf  sie,  Halle  1671. 
**)  Schannat,  Fuld.  Lehn-Hof,  p.  190. 
***)  Müller,  Annalen,  p.  515. 
t)  H.-St.-Arch.  zu  Dresden,  III.  Abt.  Bd.  51a.  Bl.  59d.  n.  12.  fol.  265. 


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—    '304     — 

aber  zurückgetreten  war,  weil  er,  als  in  Fürstlich  Schwarzburgischen 
Landen  nicht  angesessen,  Caution  stellen  sollte  (cf.  S.  291.). 

Von  den  Söhnen  Adam  Georgs  war  Ernst  Christoph  von  Witz- 
leben, geb.  9.  Dec.  1670  in  Oberellen,  1704  oder  1705  in  dem  Wester- 
wald'schen  Kreis-Bataillon  in  Kriegsdiensten  und  erhielt,  weil  er  extra- 
ordinäre Dienste  geleistet,  von  den  gesanmiten  fürstlichen  und  gräflichen 
Ständen  des  Westerwaldes  das  Versprechen,  dass  ihm  eine  extraordinäre 
Bemuneration,  nämlich  ein  halbes  Simplum,  gezahlt  werden  solle.  1715 
war  er  Oberstlieutenant  in  demselben  Bataillon.  1717  finden  wir  seine 
Gemahlin  erwähnt:  Johanne  Sophie  von  Witzleben  geb.  Butz 
verklagte  für  sich  und  Namens  der  ganzen  Butz'schen  Familie  zu  Hachen- 
burg  beim  Beichs -Kammergericht  den  Burggrafen  Georg  Friedrich  von 
Kirchberg  und  cons.  zu  Hachenburg.  Dasselbe  that  im  folgenden  Jahre 
Ernst  Christoph  von  Witzleben,  „Oberstlieutenant  bei  dem  Westerwald- 
schen  Begiment  zu  Fuss,  zu  Hachenburg."*)  Zu  diesem  Process,  dessen 
Object  uns  unbekannt  ist,  wollte  er  1720  vom  Fürsten  Wilhelm  zu 
Dillenburg  ein  Empfehlungsschreiben  haben,  die  Antwort  fiel  aber  dahin 
aus,  dass  sich  Fürst  Wilhelm  in  solchen  Process  aus  leicht  ermesslichen 
Ursachen  nicht  meliren  wolle.  In  demselben  Jahre  1720  suchte  er  beim 
Fürsten  Wilhelm  um  seine  rückständige  Gage  nach,  worauf  er  auch  für 
die  DiUenburg'sche  Quote  Assignation  bekam;  und  da  zu  jener  Zeit  das 
Kreis-Directorium  bei  Dillenburg  war,  so  schrieb  man  von  dort  an  die 
übrigen  Stände,  ihre  Quoten  ebenfalls  an  den  von  Witzleben  abzutragen.**) 
1723  bat  er  abermals  um  den  Kückstand  seiner  Gage  und  erhielt  von 
Dillenburg  ein  Zahlungsdecret  nebst  Vorschreiben  an  die  übrigen  Con- 
tribuenten.  Nachdem  der  bisherige  Oberst  des  Westerwäldschen  Regi- 
ments zu  Fuss,  Rosenzweig,  gestorben  war,  bewarb  sich  Ernst  Christoph 
von  Witzleben  1724  um  dessen  Stelle;  er  scheint  sie  aber  nicht  erhalten 
zu  haben,  da  des  Friedens  wegen  eine  Reducirung  der  Stabsofficiere  statt- 
fand.***)    Er  starb  am  17.  Dec.  1737  zu  Siegen. 

Sowohl  über  seine  als  seiner  Brüder  Nachkommen  fehlen  ebenfalls 
alle  Nachrichten  —  also  noch  ein  weites  Feld  der  Forschungen! 

*)  Archiv  zu  Wetzlar. 
**)  Die  Contriboenten  waren:  Nassau-Siegen  tkathoL),  Nassao-Dillenburg,  Nassau- 
Siegen  (refonn.),  Nassau-Hadainar.  Seyn -Altenkirchen,  Sayn-Hachenbnrg,  Wittgenstein- 
Homburg.  Wied-Neuwied  und  VVied-Runckel. 

***)  Aus  den  Acten  des  Archivs  zu  Dillenburg. 


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—     305     — 


IV.  Abschnitt. 

Die  Linie  auf  dem  Oberhause  zu  Liebenstein. 

1615  -  1820. 

a.  Christian  Bndolf  nnd  Adam  Friedrich  von  Witzleben, 

1615  -  1717. 

Christian  Rudolf  von  Witzleben,  welcher  in  der  mit  seinem 
Bruder  Ernst  Friedrich  vorgenonamenen  Gütertheilung  um  das  Jahr  1615 
das  Oberhaus  zu  Liebenstein  erhalten  hatte  (s.  S.  259),  ist  allem  An- 
scheine nach  zwei  Mal  verheirathet  gewesen,  obwohl  wir  als  seine  Ge- 
mahlin nur  Dorothea  von  Wangenheim  a.  d.  H.  Brüheim  erwähnt 
finden.  „Bis  1636  hatte  Nicol  Koch  die  Kinder  des  Herrn  Christian 
Rudolf  von  Witzleben  zu  Liebenstein  informirt  und  wurde  dann  Schul- 
meister in  Frankenhain''*),  die  Kinder  waren  also  in  diesem  Jahre  in 
einem  Alter,  dass  sie  des  Unterrichts  des  Herrn  Nicol  Koch  nicht  mehr 
bedurften.  Eins  von  ihnen,  Adam  Reinhard,  wurde  am  19.  Aug.  1639 
von  einem  Soldaten  zu  Liebenstein  erschossen**),  wird  also  mindestens 
im  Jünglingsalter  gewesen  sein.  Diese  Kinder,  von  denen  wir  noch 
Adam  Wolf  und  Adam  Melchior  namentlich  kennen,  mögen  daher 
zwischen  1620  imd  1630  geboren  sein  und  aus  einer  ersten  Ehe  stammen. 
Die  andern  Söhne,  Adam  Friedrich  und  Johann  Adam  (auch  Hans 
Adam  und  zum  Unterschiede  von  seinem  gleichnamigen  Sohne  der 
Aeltere  genannt)  waren  am  1.  Febr.  1643  resp.  28.  Juni  1644  geboren; 
deren  Mutter  war  die  obengenannte  Dorothea  geb.  von  Wangenheim. 
Christian  Rudolf  starb  im  Jahre  1655. 

•)  Brückner,  G.  K.  u.  Seh.  St.  II.  11.  p.  82  Amiierk. 
**)  Brückner,  1.  c.  U.  5.  p.  67. 


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—     306     — 

Nach  alten  Stammtafeln  sollen  Adam  Wolf  und  Adam  Melchior  von 
Witzleben  im  Jahre  1670  imvermählt  gestorben  sein.  Diess  ist  aber, 
was  den  ersteren  anbetrifft,  nicht  richtig,  denn  in  dem  oft  angeführten 
Inventarinm  Georg  Melchiors  von  Witzleben  vom  8.  Aug.  1672  heisst 
es:  Die  Erbzinsen  zu  Arnstadt  „hat  allzeit  der  älteste  von  Witzleben 
uff  dem  Hause  Liebenstein  zu  erheben,  fallen  nunmehro  Adam  Wolffen 
von  Witzleben  zu,  seind  ietzo  ungangbar".  Er  hat  also  1672  noch 
gelebt. 

Um  das  Jahr  1690  überliessen  Adam  Friedrich  und  Johann  Adam 
von  Witzleben  auf  dem  Oberhause  zu  Liebenstein  ihre  Hälfte  von  Grä- 
finau,  Bücheloh,  Geilsdorf,  Kettmannshausen  und  Kleinbreitenbach  ihrem 
Vetter  Friedrich  Wilhelm  von  Witzleben,  erwarben  dafür  aber  nach  und 
nach  den  grössten  Theil  der  zum  Unterhause  gehörenden  Hälfte  von 
Liebenstein,  Rippersroda  und  Frankenhain  und  namentlich  auch  das 
Unterschloss ,  welches  nothdürftig  reparirt  und  von  Adam  Friedrich  be- 
zogen wurde  (1693).*)  Es  scheint  auch,  als  wenn  sie  sich  später  in 
die  Güter  getheilt  hätten,  wie  einst  ihr  Vater  mit  seinem  Bruder,  wenig- 
stens werden  sie  in  dem  Schreiben,  worin  sie  auf  den  26.  Febr.  1715 
zum  Landtage  nach  Gotha  beschieden  wurden,  bezeichnet  mit  „Johann 
Adam  von  Witzleben  des  Oberhauses  zum  Liebenstein"  und  „Adam 
Friedrich  von  Witzleben  des  Unterhauses  zum  Liebenstein.**) 

Von  Adam  Friedrich  können  mr  noch  anführen,  dass  er  am  4.  Juni 
1675  in  Gotha  bei  dem  Leichenbegängniss  des  Herzog  Ernst  des  Frommen 
mit  Friedrich  Treusch  von  Buttlar  zu  Erffa  das  zur  Fahne  der  gefür- 
steten  Grafschaft  Henneberg  gehörige  Pferd  geführt  hatte.***)  Er  starb 
am  3.  Juni  1717  in  einem  Alter  von  74  Jahren,  17  Wochen  und  3  Tagen 
und  wurde  in  der  Kirche  zu  Liebenstein  beigesetzt,  f)  Vermählt  war  er 
gewesen:  1)  1668  mit  Susanne  Magdalene  von  Wurmbft)  und 
2)  (um  1674)  mit  Sibylla  Dorothea  Freiin  von  Tannrädel,  einer 
Tochter  des  der  ReKgion  wegen  aus  Ungarn  vertriebenen  und  am 
23.  Oct.  1665   zu  Begensburg  verstorbenen  Georg  Christoph  Freiherm 

*)  Frau  Sibylle  Dorothea  von  Witzleben  auf  dem  Unterhause    (Adam  Frie- 
drichs zweite  Gemahlin)  stand  Gevatter  bei  Hans  Adams  von  Witzleben  am  13.  Oct. 
1693  geborenen  Töchterlein  Sibylle  Dorothea.    Kirchenb.  zu  Liebenstein. 
*♦)  Rudolphi,  Goth.  Dipl.  II.  p.  110. 
♦*♦)  Müller,  Annalen,  p.  51Ö. 
t)  Kirchenb.  zu  Liebenstein, 
tt)  König,  Ad.  Hist.  IH.  p.  1192. 


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—     307     — 

von  Tannrädel  und  der  am  22.  Dez.  1686  in  Zelle  gestorbenen  Sidonie 
Elisabeth  von  Greussen*),  und  hatte  aus  letzterer  Ehe  1  Sohn  und 
3  Töchter  (s.  Tab.  I.  14.).  Der  Sohn  war  Adam  Ludwig  von  Witz- 
leben, geboren  1675,  welcher  am  16.  Oct.  1701  als  „Junker  uf  Lieben- 
stein" in  Neuroda  Gevatter  stand**)  und  vor  dem  Vater  imd  ohne  Nach- 
kommen am  27.  Apr.-  1716  zu  Liebenstein  starb,  all  wo  er  am  29.  dess. 
M.  „adlichermassen"  beigesetzt  wurde. 


b.   Johann  Adam  d.  1.  von  Witzleben,  dessen  Kinder, 

Enkel  nnd  Urenkel, 

1644  — 1810. 

Nach  dem  Tode  Adam  Friedrichs  vereinigte  dessen  Bruder  Johann 
Adam  d.  Ä.  von  Witzleben  den  grössten  Theil  von  Liebenstein 
wieder  in  einer  Hand,  erfreute  sich  aber  nicht  lange  dieses  Besitzes, 
da  er  am  21.  Febr.  1719  in  einem  Alter  von  74  Jahren,  8  Monaten, 
3  Wochen  und  2  Tagen  zu  Liebenstein  starb;  der  entseelte  Körper 
ward  in  der  Kirche  hinter  dem  Altar  beigesetzt.  Seine  erste  Gemahlin 
war  gewesen  Dorothea  Elisabeth  von  Marschall  a.  d.  H.  Danheim, 
eine  Tochter  von  Johann  Wilhelm  von  Marschall  auf  Danheim  und 
Wülfershausen  imd  Anna  Bebecka  von  Wangenheim  a.  d.  H.  Sonnebom, 
von  der  nichts  zu  verzeichnen  ist,  als  dass  sie  der  Kirclie  zu  Lieben- 
stein einen  kleinen  silbernen  Kelch  und  eine  Hostienschachtel  verehrt 
habe.***)  Beide  hatten  eine  Tochter,  Eleonore  Dorothea,  welche  am 
19.  Juni  1701  Herrn  Ernst  Ludwig  von  Holleben  auf  Wildenspring 
und  Ettischleben  (n.  1669,  22.  Aug.,  f  1737,  18.  März)  „zur  Ehe  ver- 
abfolgt worden"  istf),  und  einen  Sohn,  Johann  Adam,  zum  Unter- 
schiede von  seinem  Vater  der  Jüngere  genannt. 

*)  Gleichenstein,  Tab.  der  von  Tannrädel  und  der  von  Greussen  (auf  letzterer 
wird  aber  Sidonie  Elisabeth  als  Freiin  von  Preising  bezeichnet).  —  Zedier,  57.  p.  2018. 

**)  Eirchenb.  zu  Neuroda. 
***)  Kirchenb.  zu  Liebenstein. 

t)  Wie  es  im  Liebensteiner  Kirchenbuche  heisst.  Nach  der  Wochenschrift  für 
die  Noblesse,  Eisenach  1786,  p.  35,  heirathete  Ernst  Ludwig  von  Holleben  am  20.  Juni; 
der  Ausdruck  „zur  Ehe  verabfolgt"  ist  demnach  so  zu  verstehen,  dass  der  Bräutigam 
die  Braut  am  19.  von  Liebenstein  abholte  und  nach  Wildenspring  führte,  wo  am 
nächsten  Tage  die  Hochzeit  gefeiert  wurde.  —  S.  femer  Albrechts  Gen.  Hand- 
buch p.  212. 

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—     808     — 

Die  zweite  Gemahlin  war  Marie  Agnes  von  Weidensee,  eine 
Tochter  Friedrich  Christophs  von  Weidensee  und  Anna  Margarethes  von 
Weidenbach.  „Maria  Agnese  von  Witzleben  uf  Liebenstein"  stand  am 
4.  Jan.  1704  in  Neuroda  Gevatter  und  schenkte  1720  einen  silbemen 
stark  vergoldeten  schönen  Kelch  von  42  Loth  in  die  untere  Kirche  zu 
Liebenstein,  nachdem  sie  schon  einige  Jahre  vorher  die  Kanzel  mit 
grünem  Sammt  hatte  beschlagen  lassen.*) 

Johann  Adam  d.  J.  von  Witzleben,  welcher  in  Sachsen-Gotha- 
schen  Diensten  Major  und  nach  1 720  Obristlieutenant  über  ein  Begiment 
Dragoner  sowie  Kammerherr  wurde,  hatte  sich  am  10.  Aug.  1714  mit 
Eleonore  Friederike  von  Röder  a.  d.  H.  Dömfeld,  einer  Tochter 
des  am  27.  Febr.  1717  zu  Dömfeld  gestorbenen  Sachsen -Weimarschen 
Kammerjunkers  und  Obristlieutenants  Hans  Adam  Reinhard  von  Röder 
auf  Dömfeld,  Barigau,  Schönheide  und  Guttenberg  und  der  am  4.  Dec. 
1662  zu  Geschwende  geborenen  und  1728  zu  Wölfis  gestorbenen  Anna 
Elisabeth  von  Lichtenberg  aus  Geschwende  vermählt  und  mit  ihr  4  Töch- 
ter (s.  Tab.  I.  14.)  und  1  Sohn  erzielt.  Als  im  Jahre  1724  die  Kirche 
zu  Frankenhain  eingeweiht  wurde,  tmg  der  Obristlieutenant  Johann  Adam 
von  Witzleben  zu  Liebenstein  die  Schlüssel  der  Kirche  bis  vor  die  Thür, 
wo  er  sie  dem  Pfarrer  übergab;  nach  der  Einweihung  gab  er  eine  kost- 
bare Mahlzeit  von  24  Gerichten,  genugsam  Bier  und  einen  Eimer  Wein 
und  bewirthete  alle  anwesenden  Standespersonen.**)  Am  14.  März  1725 
wurde  ihm  das  Patronatsrecht  über  die  Kirche  zu  Frankenhain,  von 
welchem  Dorfe  die  Hälfte  dem  Herrn  von  Beck  gehörte,  ausdrücklich 
zugesprochen.***)  Johann  Adam  starb  am  8.  Jan.  1728  und  wurde  am 
17.  dess.  M.  zu  Liebenstein  „mit  christlich  adlichen  Ceremonien  in  der 
untern  Kirche  in  das  adliche  Begräbniss  beigesetzt".  Seine  Wittwe  Hess 
sicli  am  19.  Nov.  1732  in  Erfurt  von  dem  papistischen  Gamisonprediger 
mit  dem  ungarischen  Rittmeister  Grafen  von  Czeraell,  der  sich  am  Wei- 
marischen Hofe  aufhielt,  trauen*)  und  zog  mit  demselben  nach  Ungarn, 
wo  sie  verstorben  ist. 

Am    25.  Aug.    1722   ist   Ihro    Hochwohlgeborenen   Gnaden   Herrn 

*)  Brückner,  G.  K.  u.  Seh.  St.  IL  5.  p.  68.  —  Gleichenstein,  Bürge!,  p. 
1()6  der  Ducnmente. 

**)  Brückner,  G.  K.  u.  Seh.  St.  II.  II.  p.  74. 
♦♦*)  Brückner,  1.  c.  p.  7G. 
t)  Kirchenb.  zu  Lieberistcin. 


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—     309     — 

Obristlieutenant  Johann  Adam  von  Witzleben  ein  Söhnlein  geboren  und 
Tags  darauf  Johann  Christian  Ludwig  getauft  worden.  Zu  den  18 
Taufeeugen  gehörten  die  Prinzen  Johann  August,  Christian  Wilhelm  und 
Ludwig  Ernst  von  Sachsen-Gotha,  die  dem  Kind  die  Namen  gaben.  Kaum 
21  Jahre  alt  geworden,  vermählte  sich  Johann  Christian  Ludwig  von 
Witzleben  am  28.  Aug.  1743  „in  seinem  hochadlichen  Schlosse  zu  Lieben- 
stein" mit  dem  fast  zwei  Jahre  älteren  Fräulein  Auguste  Karoline 
Friederike  von  Witzleben  a.  d.  H.  Angelroda,  der  am  28.  Juli 
1720  zu  Angelroda  geborenen  Tochter  des  Schwarzburg- Amstädtschen 
Kammerjunkers  und  ßeisestallmeisters  Johann  Georg  von  Witzl^ben  auf 
Angelroda  und  der  Auguste  Emestine  von  Kragen  (s.  S.  122  und  Tab. 
I.  6.).  Das  junge  Paar  blieb  auf  dem  Liebenstein  wohnen,  auch  nach- 
dem im  Jahre  1746  der  Herzoglich  Würtembergische  Etatsminister  und 
Erb-Oberstallmeister  Heinrich  Günther  Reinhard  von  Köder  zu  Geschwende 
(Bruder  der  Mutter  von  Johann  Christian  Ludwig  von  Witzleben  und 
bekannt  durch  die  Verhaftung  des  Juden  Süss)  die  Liebensteiner  Güter 
„erstanden"  hatte.*)  Die  näheren  Umstände  dieses  Erstehens  entziehen 
sich  bis  jetzt  unserer  Kenntniss,  doch  lässt  jener  Ausdruck  auf  eine 
notiiwendig  gewordene  Subhastation  schliessen.  Johann  Christian  Lud- 
wig wird  in  den  Liebensteiner  Kirchenbüchern  immer  nur  „der  Herr 
von  Witzleben",  nie  aber  Gerichtsherr  genannt.  Er  starb  am  24.  Oct. 
1797  zu  Liebenstein  und  wurde  am  27.  dess.  M.  früh  auf  dem  Platze, 
wo  die  alte  Kirche  gestanden,  an  der  Seite  seiner  ihm  am  1.  März  1791 
vorausgegangenen  Gemahlin  beigesetzt.  Noch  zu  seinen  Lebzeiten,  im 
Jahre  1786,  gelangten  nach  dem  Tode  der  Frau  Albertine  Charlotte  ver- 
wittweten  von  Eöder,  von  der  im  Liebensteiner  Kirchenbuche  gesagt 
wird,  dass  sie  Liebenstein,  Bippersroda  und  Frankenhain  24  Jahre  eigen- 
thümlich  besessen  habe,  diese  Güter  an  seinen  jüngsten  Sohn  Johann 
Ernst  Ludwig  von  Witzleben. 

Dieser  war  am  15.  Aug.  1756  zu  Liebenstein  geboren,  trat  in 
Sachsen-Gothasche  Kriegsdienste  und  vermählte  sich  als  Lieutenant  beim 
Herzoglichen  Leibregimente  am  14.  Oct.  1781  mit  Luise  Emestine 
Auguste  von  Rudolff,  der  am  15.  März  1749  geborenen  Tochter  des 
Sachsen-Gothaschen  Oberstlieutenants  Hartmann  Siegfried  von  Rudolff 
auf  Herbsleben   und    der  Magdalene  Auguste    von  Witzleben  a.   d.  H. 

*)  wie  sich  Brückner,  G.  K.  u.  Seh.  St.  II.  11.  p.  72  ausdrückt. 

22* 


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—     310     — 

Elgersburg  (s.  Tab.  I.  G.).  Er  wird  wieder  Erb-,  Lehn-  und  Gerichts- 
herr zu  Liebenstein  genannt.  Am  3.  Sept.  1789  kaufte  „der  herzoglich 
Sachsen-Sachsen-Gothasche  Hauptmann  Ernst  von  Witzleben  auf  Lieben- 
stein" von  den  Erben  der  Geh.  Eäthin  von  Böder  für  8000  Thlr.  das 
zu  Frankenhain  gelegene  sogenannte  Köckeritzsche  Ritter-,  Mann-  und 
Erb-Lehngut  und  nahm  zu  Mitbelehnten  an  den  K.  Preuss.  Hauptmann 
Heinrich  Günther  von  Witzleben  zu  Halberstadt  (s.  S.  141)  und  den 
Herz.  Sachs.-Goth.  Hauptmann  Christian  Wilhelm  von  Henning  zu  Gotha. 
In  einem  d.  d.  Liebenstein,  Halberstadt  und  Gotha  den  18.  Aug.  1791 
errichteten  Recess  wurde  festgesetzt,  dass  für  den  Fall,  dass  Ernst  von 
Witzleben  oder  dessen  männliche  Descendenten  mit  Tode  abgehen  und 
nur  weibliche  Descendenten  hinterlassen  sollten,  die  Mitbelehnten  das 
erwähnte  Köckeritzsche  Gut  zu  Frankenhain  zwar  in  Lehn  nehmen,  aber 
den  Besitz  und  die  Benutzung  desselben  den  weiblichen  Descendenten 
vollständig  überlassen,  diese  dagegen  jedem  von  ihnen  die  Interessen 
von  100  Dukaten  zu  4  pCt.,  als  jährlich  12  Thlr.  in  Ducaten  zu  3  Thlr. 
zahlen  sollten;  würde  das  Gut  verkauft  werden,  so  sollte  jeder  der 
beiden  Mitbelehnten  oder  deren  männliche  Erben  100  Ducaten  erhalten. 
Dieser  Recess  wurde  am  26.  Febr.  1805  erneuert  und  am  21.  Juni 
dess.  J.  vom  Lehnhofe  zu  Gotha  bestätigt*)  und  trat  in  Wirksamkeit 
im  Jahre  1820  resp.  1822,  wie  wir  weiter  unten  sehen  werden. 

Am  3.  Aug.  1810  früh  6  Uhr  starb  in  einem  Alter  von  54  Jahren 
weniger  12  Tagen  in  Gotha  Herr  Johann  Ernst  Ludwig  von  Witzleben, 
Obristlieutenant,  Chef  des  Gothaschen  Landregiments,  Erb-,  Lehn-  und 
Gerichtsherr  zu  Liebenstein  etc.,  am  schleichenden  Fieber  und  wurde 
am  5.  Aug.  auf  dem  neuen  Gottesacker  zu  Gotha  beerdigt.  Seine  Wittwe 
scheint  darauf  in  Herbsleben  auf  dem  von  ihrem  Vater  geerbten  Gute 
gelebt  zu  haben,  war  aber  am  3.  Mai  1820  bei  der  Taufe  ihrer  Enkelin 
in  Liobenstein  zugegen.  , 

Ernst  und  Luise  von  Witzleben  hatten  drei  Kinder: 

1)  Emil  von  Witzleben,  geb.  am  8.  Jan.  1789,  von  dem  nach- 
her die  Rede  sein  wird. 

2)  Adolfine  von  Witzleben,  geb.  am  30.  Aug.  1790,  welche 
am  30.  Aug.  1808  mit  dem  Herzoglich  Sachsen- Gothaschen  Kammer- 
junker   und  Premier -Lieutenant   von    der  Garde    du  Corps    Traugott 

*)  Archiv  zu  Angelroda. 


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—     811     — 

Friedrich  Emil  Marschall  von  Greif  in  der  Kirche  zu  Liebenstein 
öflFentlich  copulirt  wurde  und  1867  starb. 

3.  Hans  Friedrich  Julius  von  Witzleben,  welcher  am  16.  Oct. 
1792  zu  Liebenstein  geboren  wurde,  aber  schon  am  29.  Aug.  1795 
„dieser  Welt  entflöhe"  (er  war  beim  Spielen  auf  dem  Burghofe  plötz- 
lich verschieden)  und  am  1,  Sept.  früh  in  der  Stille  beigesetzt  wurde; 
seine  Buhestätte  hat  man  ihm  hinter  dem  Schlosse,  nach  der  Abendseite 
hin,  in  dem  Felsen  bereitet. 


c)   Emil  von  Witzleben,  der  letzte  Liebensteiner, 

1789  —  1820. 

Emil  von  Witzleben,  am  8.  Jan.  1789  geboren,  trat  in  seinem 
17.  Jahre  in  Preussische  Dienste,  und  zwar  in  dem  Dragoner-Regiment 
Markgraf  von  Ansbach -Baireuth  —  einst  die  berühmten  Reiter  von 
Hohenfriedberg  — ,  welches,  als  Preussen  1805  zur  Unterstützung  Oester- 
reichs  seine  Armee  in  Thüringen  zusanmienzog,  mehrere  Wochen  in 
Cantonnirungs- Quartieren  bei  Blankenhain  und  Stadt  Dm  lag.  Im  An- 
fang des  Jahres  1806  marschirte  das  Regiment  nach  Pommern  zurück. 
In  Berlin  defilirten  die  Dragoner  am  4.  März  vor  dem  König  xmd  der 
Königin  und  Tags  darauf  erhielten  sie  die  Bezeichnung  „Regiment- 
Königin -Dragoner";  der  Chef  des  Regiments,  Karl  Alexander,  letzter 
Markgraf  von  Ansbach  und  Baireuth,  war  vor  einigen  Wochen  gestorben. 
Die  Officiere  bekamen  als  besondere  Auszeichnung  eine  Stickerei  am 
Kragen  und  ein  ausserordentliches  Avancement.  Bei  dieser  Gelegenheit 
ward  Emil  von  Witzleben  zum  Fähnrich  befördert. 

Ende  März  1806  traf  das  Regiment  in  den  alt^n  Garnisonen  Pase- 
walk  u.  s.  w.  ein;  Emil  von  Witzleben  stand  (mit  dem  Lieutenant  von 
Schill)  bei  der  Escadron  des  Obersten*)  von  Lüttwitz  in  Gartz  a.  0. 
Im  September  desselben  Jahres  rückten  die  Dragoner  abermals  nach 
Thüringen.  Vor  Berlin  erwartete  sie  die  Königin  Luise;  in  die  Farben 
des  Regiments  gekleidet  —  heiblau  mit  carmoisin  —  führte  sie,  im 
Wagen  sitzend,  ihr  Regiment  persönlich  durch  die  Stadt.  Am  14.  Oct. 
ward  die  Schlacht  bei  Auerstedt  geschlagen.    Die  Dragoner  der  Königin, 

*)  Beim  Begiment  Königin -Dragoner  standen  damals  2  Generale,  5  Obersten, 
8  Majors. 


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—     312     — 

Anfangs  in  dichte  Nebel  gehüllt,  dann  vielfach  zersplittert,  hatten  über- 
all mit  einer  Tapferkeit  gefochten,  die  auch  öffentlich  anerkannt  wurde, 
wohl  aber  eines  besseren  Erfolges  werth  gewesen  wäre,  üeber  Butt- 
stedt,  Sondershausen,  Nordhausen  ging  es  demnächst  in  den  Harz  und 
weiter.  Fortwährend  wurde  gekämpft,  zuletzt  am  19.  Oct.  bei  Halber- 
stadt. Der  Marsch  ging  hier  von  der  grossen  Strasse  ab,  über  die 
Holzemme  und  längs  derselben  durch  Ochersleben,  dann  über  die  Elbe 
und  durchs  Havelland.  Bei  Zehdenick  kam  es  am  26.  Oct.  wider  zum 
Gefecht:  15  Officiere  des  Regiments  der  Königin  wurden  getödtet,  ver- 
wundet und  gefangen  —  Emil  von  Witzleben  nicht  darunter,  üeber  die 
Oder  weiter  ging  der  Marsch  durch  Pommern  nach  Danzig.  Mit  1200 
Pferden  war  das  Regiment  ausmarschirt,  mit  300  kam  es  hier  an. 

Die  nächsten  drei  Monate  wurde  das  Regiment  derartig  zu  Recog- 
noscirungen,  Fouragirungen,  Detachirungen  u.  s.  w.  zersplittert,  dass 
sich  nicht  einmal  annäherungsweise  angeben  lässt,  wo  sich  dabei  der 
Fähnrich  von  Witzleben  befunden;  nur  das  steht  fest,  dass  er  um  diese 
Zeit  zum  Lieutenant  ernannt  wurde. 

Anfangs  Februar  1807  ward  das  Regiment  mit  in  Danzig  einge- 
schlossen, und  als  der  General  Graf  Kaikreuth  Ende  Mai  1807  die 
Festung  unter  der  Bedingung  des  freien  Abzugs  mit  klingendem  Spiel 
und  fliegenden  Fahnen  übergab,  marschirten  die  Dragoner  der  Königin 
in  die  Umgegend  von  Bialistock,  wo  sie  drei  Tage  nach  dem  Frieden 
von  Tilsit  ankamen. 

Der  Lieutenant  Emil  von  Witzleben  nahm  nun  den  Abschied.  In 
den  Weihnachtstagen  1807  befahl  König  Friedrich  Wilhelm  DI.  bei 
jedem  Regiment  die  Niedersetzung  eines  „Ehren-Tribunals",  welches  das 
Benehmen  eines  jeden  Officiers  während  des  verflossenen  Krieges  genau 
zu  prüfen  und  dann  sein  ürtheil  abzugeben  hatte.  Längst  trug  Emil 
von  Witzleben  nicht  mehr  des  Königs  Rock,  als  ihm  officiell  das  Zeug- 
niss  zugestellt  wurde,  dass  er  sich  während  beider  Feldzüge  überall 
„vorwurfsfrei"  benommen  habe.*) 

üeber  Emils  von  Witzleben  Leben  bis  zum  Jahre  1813  und  in 
welchem  Regiment  er  die  Feldzüge  von  1813,  14  und  15  mitmachte, 
darüber  fehlen  die  Nachrichten;  dass  er  aber  gekämpft  und  zwar 
tapfer   gekämpft   hatte,    geht   daraus    hervor,    dass    er   zum    Premier- 


*j  H.  Ravenstein,  Gesch.  des  Königin-Cürass.  Regts.  Berlin  1827. 

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—     313     — 

Lieutenant  befördert  und  mit  dem  eisernen  Kreuze  geschmückt  wor- 
den war. 

Ende  1817  wurde  der  Premier-Lieutenant  Emil  von  Witzleben  dem 
1.  Pommerschen  Infanterie -Regiment  [jetzt  Grenadier -Regiment  König 
Friedrich  Wilhelm  IV.  (1.  Ponmaersches)  No.  2]  aggregirt,  1819  nahm 
er  definitiv  den  Abschied.*) 

Wahrscheinlich  schon  als  aggregirter  Officier  lebte  Emil  von  Witz- 
leben wieder  in  Liebenstein.  Er  war  freigebig,  gutmüthig  und  leut- 
seelig,  so  dass  er  bei  den  Einwohnern  von  Liebenstein  in  gutem  An- 
denken stand.**)  Mochte  es  nun  seine  Jugend,  mochte  es  die  wohl  aus 
dem  Kriege  mitgebrachte  Gewohnheit,  ungezwimgen  zu  leben,  oder  end- 
lich die  Verfährung  seines  Freimdes,  des  Herrn  von  Bellmont  in  Ge- 
schwende (1  St.  südwestl.  von  Liebenstein)  sein,  kurz,  er  ergab  sich  mit 
dem  von  Bellmont  einem  ausschweifenden  Leben.  Die  feurige  und  sinn- 
liche Tochter  des  Fuhrmanns  Kaufinann  in  Liebenstein,  die  man  nach 
dortiger  Art  kurzweg  Kofmanns  Hanne***)  nannte,  glaubte  bei  der  be- 
kannten Lebensweise  des  Gutsherrn  für  sich  bedeutende  Vortheile  ziehen 
zu  können  und  legte  es  darauf  ab,  Witzleben  zu  gefallen,  was  ihr  auch 
vollständig  gelang.  Sie  umstrickte  ihn  mit  ihren  Reizen  so,  dass  er 
ihr  die  Ehe  versprach.  Bei  seinem  wüsten  Leben  muss  sein  Nerven- 
system eben  völlig  zerrüttet  worden  sein  und  viele  seiner  Streiche 
grenzten  an  Wahnsinn.  So  erschien  eines  Tages  der  Gutsherr  von  Lieben- 
stein auf  der  Kirmess  in  kurzer  Jacke,  wie  sie  die  Bauernburschen  zu 
tragen  pflegten,  seine  Hanne  an  der  Hand;  die  Bauern  weinten  als  sie 
dies  sahen. 

Am  3.  Oct.  1819  wurde  Herr  Hauptmann f)  Emil  von  Witzleben, 
Gerichts-  und  Kirchenpatron  zu  Liebenstein,  Ritter  des  eisernen  Kreuzes, 
mit  Jungfrau   Johanne    Susanne  Kaufmann,    des  Nachbars    und 


*)  A.  V.  Mach,  Gesch.  des  Königs-Inf  Regts.  Berlin  1843. 
*♦)  Dies  sowie  das  Folgende  erzahlte  der  Sohn  des  zu  Emils  von  Witzleben  Zeit 
lebenden  Gastwirths  am  4.  Juli  1863  an  Karl  Max  von  Witzleben. 

♦♦♦)  Der  Sohn  ihres  Bruders  lebte  1863  als  Knecht  auf  einem  Bauernhof  in  Lie- 
benstein. 

t)  So  titulirt  ihn  im  Kirchenbuche  der  Pastor  loci  am  3.  Oct.  1819,  während  er 
am  2.  Febr.  1820  schreibt  »Premier-Lieutenant  in  Preuss.  Diensten**.  In  den  im  Arch. 
zu  Angelroda  befindlichen  Acten,  betrefifend  das  Köckeritzsche  Rittergut  zu  Franken- 
hain, heisst  es:  Am  2.  Febr.  1820  starb  der  Lieutenant  Emil  von  Witzleben,  dessen 
Wittwe  u.  s.  w. 


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—     314     — 

Fuhrmanns  Johann  Friedrich  Kanfinann  zu  Liebenstein  viertem  Kinde  und 
erster  Tochter,  nach  dreimaligem  Aufgebote  in  der  Kirche  zu  Liebenstein  nach 
dem  Gottesdienste  getraut.  Aber  schon  am  2.  Febr.  1 820,  Abends  1 1  Uhr, 
starb  er  in  einem  Alter  von  3 1  Jahren,  3  Wochen  und  5  Tagen  an  einerLungen- 
krankheit  (Schwindsucht)  und  wurde  am  6.  Febr.  auf  dem  Kirchhofe  zu  Lie- 
benstein mit  Gesang  und  CoUecte,  da  die  Gedächtnisspredigt  später  gehal- 
ten zu  werden  pflegte,  beerdigt.  Seine  Wittwe  lebte  guter  Hoflftiung  auf 
dem  Herrenhause  zu  Liebenstein.  Die  Gotha'sche  Regierung  liess  um 
die  Zeit  der  Entbindung  anlassen,  dass  nicht  vielleicht  ein  Knäblein 
statt  eines  möglicher  Weise  geborenen  Mägdleins  untergeschoben  würde, 
denn  Liebenstein  mit  seinen  Zugehörungen  musste  an  den  Landesherm 
zurückfallen,  wenn  kein  männlicher  Erbe  erschien.  Und  es  erschien 
keiner.  Am  26.  Apr.  1820,  Abends  11  Uhr,  genas  die  verwittwete 
Frau  von  Witzleben  einer  Tochter,  welche  am  3.  Mai  in  der  Wohnung 
des  jüngst  verstorbenen  Vaters  Emilie  Adolfine  Luise  getauft  wurde 
und  ihre  Grossmutter  Luise  von  Witzleben  geb.  von  RudolflF,  sowie  den 
Herrn  Oberst  Job  von  Witzleben  aus  Angelroda*)  zu  Pathen  hatte. 

Liebenstein,  das  beinahe  400  Jahre  in  Witzlebenschem  Besitz  ge- 
wesen war,  fiel  heim.  Der  Herzog  August  zu  Sachsen-Gotha  und  Alten- 
burg gab  es  seinem  Günstling,  dem  damaligen  Oberschenken  Johann 
Karl  Julius  von  Wangenheim,  der  sich  grade  in  seiner  Umgebung  be- 
fand, als  die  Nachricht,  dass  in  Liebenstein  eine  Tochter  geboren  sei, 
eintraf,  wieder  zu  Lehn.  Da  dieser  Besitz  aber  (wol  wegen  Befriedigung 
der  Landerben)  mit  bedeutenden  Lasten  verknüpft  war,  veräusserte  ihn 
der  Oberschenk  von  Wangenheim  bald  darauf  an  den  Oberhofinarschall 
Grafen  von  Salisch,  welcher  seinerseits  die  Güter  an  die  herzogliche 
Kammer  zurückverkaufte,  worauf  Herzog  Ernst  zu  Sachsen-Koburg-Gotha 
das  Schloss  Liebenstein  zum  Sitze  eines  neueingerichteten  Justizamts 
machte,  welchem  die  ehemals  von  Witzlebenschen  Gerichte  zu  Lieben- 
stein und  Elgersburg  incorporirt  wurden.**)  Die  sonstige  Eegulirung  des 
Nachlasses  Emils  von  Witzleben  zog  sich  bis  in  das  Jahr  1822  hin,  in 


*)  Dies  kann  nur  der  Obristlieutenant  a.  D.  Job  Wilhelm  von  Witzleben  iTab. 
I.  7.)  gewesen  sein,  denn  der  einzige  sonst  noch  existirende  Job  von  Witzleben  (der 
spätere  Kriegsministcr)  war  General  und  um  jene  Zeit  nicht  in  Thüringen.  Es  scheint 
demnach,  als  wenn  der  Herr  Pastor  hier  wie  oben  die  Titel  in  majorem  gloriam  ver- 
ändert hat. 

*♦)  von  Wangenheim,  Beiträge,  p.  641  und  1048. 


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—     315     — 

welchem  der  Vormund  des  minderjährigen  Fräuleins  von  Witzleben, 
Kriegsrath  Gerkhardt  zu  Gotha,  auch  das  sogenannte  Köckeritzsche  Ritter- 
gut zu  Frankenhain  verkaufte.*) 

Koftnanns  Hanne  heirathete  später  wieder,  und  zwar  einen  Verwalter, 
und  lebte  zuletzt  in  äusserst  ärmlichen  Verhältnissen  auf  der  Sachsen- 
burg oder  in  dem  Städtchen  unter  derselben. 

Emilie  Adolfine  Luise  von  Witzleben  vermählte  sich  im 
Jahre  1838  mit  dem  Fürstlich  Schwarzburg-Sondershausenschen  Kanoier- 
herm  Günther  Karl  Wilhelm  Kaspar  von  Kauffberg  und  starb, 
noch  nicht  19  Jahre  alt,  am  13.  Jan.  1839  in  Arnstadt,  nachdem  sie 
einer  Tochter,  Emilie,  das  Leben  geschenkt. 

*)  cf.  S.  310.  Heinrich  Günther  von  Witzleben  erhielt  dem  dort  angeführten 
Vertrage  gemäss  im  December  1822 

300  Thbr. der  100  Ducaten  Äquivalent  für  die  Lehn-  nnd  Mitbelebn- 

scbaft  an  Frankenbain, 

25      » Agio  darauf,  a  6  gr.  für  jeden  Dukaten, 

32      ^ oder  10*/3  Dukaten  Interessen  von  100  Stück  dergL  a  4  pCt. 

vom  4.  März  1820,  als  dem  30.  nach  dem  Sterbetage  Emils 
von  Witzleben,  bis  zum  4.  Nov.   1822,   also   auf  2  Jahre 
und  8  Monate, 
2      ^      1 6  gr.  Agio  darauf,  a  6  gr.  für  jeden  Dukaten, 
in  Summa  359  Thlr.  16  gr.  baar  ausgezahlt. 


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—     316 


V.  Abschnitt. 

Die  Linie  zu  Hude  und  Elmeloh. 

1645  bis  jetzt. 

a)    Xurt  Veit  von  Witzleben  nnd  der  Erwerb  von  Ende 
nnd  Elmeloh,  1646  bis  1719. 

Des  schwedischen  Obersten  und  kursächsischen  Kammerherm  Georg 
Melchior  von  Witzleben  (s.  S.  261)  dritter  Sohn,  Kurt  Veit  von  Witz- 
leben, war  am  7.  Juni  1645  auf  dem  ünterhause  zu  Liebenstein  ge- 
boren. Nachdem  er  an  dem  Hofe  des  kinderreichen  Herzogs  Eberhard  in. 
von  Würtemberg,*)  zu  dem  sein  Vater  noch  vom  Kriege  her  in  Be- 
ziehimgen  stand,  eine  sorgfältige  Erziehung  genossen  und  dann  einige 
Jahre  im  Dienste  dieses  Herzogs  gestanden  hatte,  trat  er  auf  Veranlas- 
sung und  mit  Empfehlungen  desselben  1671  in  die  Dienste  des  Dänen- 
königs Christian  V.**)  Wir  ersehen  dies  aus  einem  Schreiben,  welches 
sein  Vater,  Georg  Melchior  von  Witzleben,  d.  d.  Liebenstein  den  18.  Febr. 
1671  an  den  Herzog  Eberhard  von  Würtemberg  richtete  und  das  also 
lautet: 

*)  n.  1614.  16.  Dec,  succed.  1628,  t  1674.  2.  JuH.  -  Nach  Gustaf  Adolfs  Sieg 
bei  Breitenfeld,  1631,  verband  sich  Würtemberg  mit  Schweden  und  Frankreich.  Nach 
der  Schlacht  bei  Nördlingen,  die  er  jedoch  nicht  mitmachte,  da  er  in  der  Armee  des 
Rheingrafen  bei  Göppingen  stand,  floh  der  junge  Herzog  nach  Strassburg,  blieb  dort 
4  Jahre  und  heirathete,  während  die  Kaiserlichen  sein  Land  verwüsteten,  am  26.  Febr. 
1637  die  schöne  Wild-  und  Kheingräfin  Anna  Dorothea  von  Salm  -  KjTburg.  Die 
Schweden  riethen  ihm,  „lieber  das  eiserne  Wams  als  die  Bräutigamshosen  anzuziehen." 
Aus  zwei  Ehen  hatte  Herzog  Eberhard  nicht  weniger  als  25  Kinder. 

**)  n.  1646.  15.  Apr.,  succed.  1670.  9.  Febr.,  t  1699-  25.  Aug. 


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—     317     — 

„Durchlauchtigster  Fürst!  Euer  Fürstliche  Durchlaucht  sindt  meine 
vnterthänigste  gehorsambste  Dienste  eusersten  Vermögens  bevor,  Gnä- 
digster Fürst  vndt  Herr!  Wenn  ich  mich  erinnere  der  gnädigen  Clementjs 
vnd  vielfeltigen  Gnade,  so  Sie  meinem  Sohn  erwiesen,  indem  Sie  den- 
selben so  eine  geraume  Zeit  getuldet,  zue  allem  Guten  aujfferzogen,  auch 
femer  fortzuehelffen  vndt  an  den  Dennemarkischen  Hoflf  zue  bringen 
gnädigst  intentioniret,  nehme  Ich  billich  Vrsach,  Ewer  Fürstlichen  Durch- 
laucht vnterthänigen  Danck  zue  sagen,  vndt  weiss  nicht,  wie  ich  solche 
hohe  Gnade  anderweit  verdienen  soll.  In  erkentnus  aber  meines  Ver- 
mögens werde  ich  solches  lebenslang  höchlich  zu  rühmen  wissen,  zweifele 
auch  nicht,  mein  Sohn  werde  dergleichen  thun,  auch  muglichsten  Fleisses 
dahin  bedacht  seyn,  wie  er  Zeit  lebens  an  Ihro  Fürstlichen  Durchlaucht 
einen  gnädigsten  Herrn  behalten  möge.  Dieselbe  der  göttlichen  Obhut, 
mich  aber  Dero  Fürstlichen  Hulde  vndt  Gnade  treulichst  empfehlendt 
verharre  Euer  Fürstlichen  Durchlaucht  Vnterthänigst  gehorsamster  G.  M. 
V.  Wizleben."*) 

Kurt  Veit  von  Witzleben  erwarb  sich  bald  die  Gunst  des  Königs, 
der  ihn,  nachdem  er  sich  mit  dem  Herzog  Johann  Adolf  zu  Holstein- 
Plön  wegen  der  Oldenburgischen  Erbschaft  verglichen  und  die  alleinige 
Regierung  über  die  Oldenburgischen  Lande  angetreten,  zu  seinem  Jäger- 
meister und  Oberförster  in  den  Grafschaften  Oldenburg  und  Delmenhorst, 
wie  auch  zum  Drosten  der  letzteren  Grafschaft  ernannte.  Nun  war  er 
darauf  bedacht,  sich  in  der  neuen  Heimath  ansässig  zu  machen.  Zuerst 
erwarb  er  ein  Haus  in  Delmenhorst  und  dann  einen  von  allen  Lasten 
freien  Kamp  Saat-Landes  in  der  Nähe  des  zum  Jagdschloss  eingerichteten 
ehemaligen  Cistercienser  Klosters  Hude  (zwischen  Bremen  und  Oldenburg, 
im  Amte  Delmenhorst,  2V2  St.  nordwestlich  der  Stadt  Debnenhorst), 
welcher  ihm  für  seine  Lebenszeit  am  10.  Juni  1678  gegeben  wurde. 
Als  aber  Chiistian  V.  bei  seiner  Anwesenheit  in  Oldenburg  1681  auch 
Hude  besuchte,  bewirthete  ihn  Kurt  Veit  von  Witzleben  seinem  hohen 
Stande  gemäss,  unterhielt  ihn  durch  gut  geleitete  und  ergiebige  Jagden 
und  bat  ihn  schliesslich,  ihm  und  seinen  Erben  das  Vorwerk  und  die 
Kommühle  zu  Hude  als  ein  adeliches  freies  Gut  gegen  eine  anstatt  des 
Rossdienstes  (Ritterdienstes)  zu  entrichtende  jährliche  Erbheuer  zu  ver- 
leihen.    Der  seinem  Jägermeister  und  Drosten  wohlgewogene  Fürst  ge- 

*)  Orig.  in  der  Registratur  der  älteren  Geheimraths- Acten  (aus  den  Jahren  1639 
biß  1715)  des  Archivs  zu  Heilbronn. 


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—     318     — 

währte  die  Bitte,  indem  er  die  Erbheuer  auf  150  Thaler  festsetzte;  der 
Dotationsbrief  wurde  jedoch  erst  am  15.  Febr.  1687  zu  Kopenhagen  aus- 
gefertigt.*) Bei  derselben  Gelegenheit  oder  doch  bald  darauf  erhielt 
Kurt  Veit,  ebenfalls  auf  ^ allerunterthänigste  Ansuchung",  vom  Könige 
das  Vorwerk  Delmenhorst  nebst  der  Schäferei  und  der  sogenannten  Bbis- 
berger  Korn-,  Säge-  und  Walkmühle  gegen  eine  jährliche  Erbheuer  von 
250  Beichsthalem.  Auch  hierüber  ward  der  Dotationsbrief  zu  Kopen- 
hagen am  15.  Febr.  1687  ausgestellt.  Femer  übernahm  Kurt  Veit  von 
Witzleben  in  Erbpacht  am  1.  Juli  1687  die  Neuenkooper  Wassermühle 
mit  einem  Wohnhause  und  einem  dabei  gelegenen  Stück  Landes  gegen 
jährlich  41  Thaler  und  am  3.  März  1691  den  Delmenhorstschen  Küchen- 
garten, den  sogenannten  Hutzberg  und  ein  daran  stossendes  Stückchen 
Land,  das  Kronwerk  genannt,  gegen  jährlich  30  Thaler. 

Von  dem  Vorwerk  Delmenhorst  waren  zu  der  Zeit,  als  es  den 
AUodialerben  des  letzten  Grafen  von  Oldenburg  gehörte,  einzelne  Stücke 
veräussert  worden.  Da  Kurt  Veit  dieselben  gern  wieder  mit  dem  Gute 
vereinigen  wollte,  wandte  er  sich  mit  einem  hierauf  bezüglichen  Gesuche 
am  14.  Apr.  1688  an  den  König,  der  ihm  unterm  10.  Nov.  dess.  J. 
„aus  besondem  Königlichen  Gnaden"  gestattete,  jene  Stücke  von  den 
Besitzern  einzulösen  und  frei  von  den  bisherigen  Abgaben  zu  besitzen. 
Auf  Grund  dieser  Königlichen  Ermächtigung  erwarb  nun  Kurt  Veit  von 
Witzleben  laut  Contracts  d.  d.  Bremen  den  2.  Januar  1690  von  dem 
hochgelahrten  Herrn  Kaspar  Meyer,  Eathmann  in  Bremen  und  Erbsass 
zu  Weyhausen,  die  sogenannten  elf  Stücke  und  den  Leesskamp  bei  Wey- 
hausen,  erstere  für  1400,  letztem  für  800  Thaler  ä  72  Grote,  laut  ver- 
schiedener Quittungen  vom  25.  April  1690  und  18.  JuU  1692  von 
mehreren  Besitzern  ein  an  der  Ochtum  gelegenes  Stück  Heuland,  den 
Wildenberg  genannt,  23  Tagwerke  gross,  für  690  Thaler  und  endlich 
laut  Quittung  d.  d.  Oldenburg  den  14.  Nov.  1692  von  den  Maas'schen 
Erben  den  Mittelkamp,  ein  Stück  Heuland  von  ca.  40  Tagwerken,  für 
1720  Thaler. 

In  Bezug  auf  diesen  Mittelkamp  hatte  „ein  schwerer  Rechtsstreit 
gehangen"  wegen  der  Frage,  ob  er  ein  Domain-Stück  sei  und  von  dem 
Herrn  von  Witzleben  als  Besitzer  des  Delmenhorstschen  Vorwerks  wieder 

*)  cf.  Büschin g.  Magazin  für  die  neue  Hist.  und  Geogr.  IIT.  Hamb.  1769. 
p.  150.  —  Mühle,  das  Kloster  Hude,  Oldenb.  1826,  p.  75.  —  Der  Dotationsbrief  be- 
findet sich  im  Archiv  zu  Hude. 


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—     819     — 

eingezogen  werden  dürfe,  oder  ob  dem  Hausvogt  Anton  Maas  resp.  dessen 
Erben,  wie  auch  dem  Albert  Bücking  und  Johann  Pundt,  welche  ihn  in 
einer  öffentlichen  solennen  Versteigerung  gekauft  hatten,  das  Eigenthum 
daran  zustehe.  König  Christian  entschied  diesen  Bechtshandel  durch  ein 
Special-Eescript  vom  25.  April  161)1  kurz  dahin,  dass  der  Mittelkamp 
dem  Kurt  Veit  von  Witzleben  zur  Erbzinse  eingethanen  Vorwerk  zu 
Delmenhorst  wieder  als  ein  Domain-Stück  einverleibt  werden  solle  unter 
der  Bedingung,  dass  der  Drost  und  Jägermeister  von  Witzleben  den  bis- 
herigen Besitzern  nicht  die  Summe,  die  sie  bei  der  Versteigerung  dafür 
gegeben,  sondern  soviel,  als  der  Mittelkamp  jetzt  werth  sei,  sofort  er- 
kgen  solle.  Nun  entstand  ein  neuer  Streit  in  punäo  der  wahren  Ästi- 
mation  des  Mittelkamps,  zu  dessen  Beilegung  Thomas  Christian  von  Bülow, 
Königl.  Dänischer  Oberst  und  Drost  zu  Varel,  befehligt  wurde.  Dieser 
erkannte  nach  langen  Verhandlungen,  während  welcher  es  unter  den 
Parteien  zu  Injurien  kam,  in  puncto  aesthmUionis ^  dass  Kurt  Veit  von 
Witzleben  den  andern  Interessenten  1720  Thaler  baar  zu  entrichten 
schuldig  sei,  diese  dagegen  sich  allen  ferneren  Anspruchs  an  den  Mittel- 
kamp zu  begeben  hätten,  in  punäo  der  von  Kurt  Veit  von  Witzleben 
eingeklagten  Injurien  aber,  dass  Albert  Bücking  und  Johann  Pundt 
(welche  sich  damit  entschuldigt  hatten,  dass  sie  sich  ihres  Eechts  an 
dem  streitigen  Mittelkamp,  da  sie  solchen  aus  einer  öflentlichen  Ver- 
gantung  sub  sigillo  reffio  gekauft,  allzu  versichert  gehalten,)  in  Anbe- 
tracht, dass  sie  dem  Herrn  von  Witzleben,  als  ihrem  vorgesetzten  Drosten 
und  Obrigkeit,  weit  mehr  Kespect  als  einem  fremden  Gegentheil  ihres 
Gleichen  zu  geben  schuldig  gewesen  und  also  gröblich  gegen  denselben 
sich  versehen  und  missgehandelt,  dem  Herrn  Drosten  und  Jägermeister 
eine  öffentliche  Abbitte  mündlich  zu  thun  und  darauf  schriftlich  auszu- 
Ijändigen  schuldig  seien,  Gerd  Bücking  aber,  Alberts  Sohn,  wegen  unge- 
ziemender Beden  zu  einer  wohlverdienten  Strafe  24  Stunden  mit  dem 
Geßlngniss  zu  strafen  sei.  Kurt  Veit  von  Witzleben  fohlte  sich  durch 
diese  Sentenz  in  dem  einen  und  andern  graviret  und  appeUirte  an  den 
König.  Der  aber  bestätigte  am  28.  April  1692  zu  Kopenhagen  das  ür- 
theil  seines  Delegaten,  jedoch  mit  dem  Zusatz,  dass  Albert  Bücking  und 
Johann  Pundt  wegen  der  in  ihren  Schriften  geführten,  den  Eespect,  so 
sie  dem  Appellanten  als  ihrem  vorgesetzten  Drosten  schuldig,  zuwider 
laufenden  anzüglichen  Beden,  auch  anderer  bei  diesem  Processe  vorge- 
gangener Excesse  halber,  über  die  ihnen  zuerkannte  Abbitte  annoch  eine 


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—     320     — 

Geldbusse  von  40  Eeichsthalern,  und  zwar  ein  jeder  zur  Hälfte,  an  die 
Armen  zu  Delmenhorst  zu  erlegen  gehalten  sein  sollten. 

Endlich  gelang  es  Kurt  Veit  von  Witzleben  auch,  ein  Lehngut  zu 
erwerben.  Laut  Kaufbriefs  d.  d.  Delmenhorst  den  9.  Dec.  1692*)  kaufte 
er  von  dem  Wohlverdienten  Bathsverwandten  der  Stadt  Bremen,  Herrn 
Kaspar  Meyer,  mit  des  Grafen  von  Tecklenburg,  als  Lehnsherrn,  Consens 
das  adeliche  freie  Gut  Elmeloh  bei  Delmenhorst  für  17000  Beichs- 
thaler,  wobei  er  die  Verpflichtung  übernahm,  „dem  Juncker  zum  Elme- 
lohe  und  dessen  Eheliebsten  ihr  Leibgedinge  ad  dies  vitae^  ungeschmälert 
zu  entrichten.  Dieser  Junker  zum  Elmelohe  war  Anton  Christian  von 
Mandelsloh,  dessen  Familie  Elmeloh  seit  der  Mitte  des  15.  Jahrhunderts 
gehört  hatte,  der  aber  in  Dürftigkeit  gerathen  und  daher  genöthigt  war, 
Elmeloh  zu  Anfang  des  Jahres  1692  an  den  obengenannten  Licentiaten 
Meyer  zu  verkaufen;  er  starb  bereits  1693  in  einem  Bauernhause  zu 
Elmeloh. 

Bis  1690  war  Kurt  Veit  von  Witzleben  Mitbesitzer  der  väterlichen 
Güter  Liebenstein  und  Gräfinau  geblieben.  Seinen  Theil  des  Unterhauses 
von  Liebenstein  verkaufte  er  in  dem  genannten  Jahre  an  seinen  Bruder 
Johann  Adam,  von  dem  er  aber  das  Kaufgeld,  3200  Thaler,  und  die 
aufgelaufenen  Zinsen  erst  nach  einer  bei  der  fiirstlichen  Begierung  zu 
Gotha  angebrachten  Klage  erhalten  konnte.  Seinen  achten  Theil  an  den 
Gütern  zu  Gräfinau  überliess  er  1692  seinem  Bruder  Friedrich  Wilhelm, 
der  ihm  1000  Gulden  =  875  Thaler  dafür  geboten  hatte.**) 

Am  25.  Aug.  1699  ging  König  Christian  V.  von  Dänemark  und 
Norwegen  zu  seinen  Vätern  heim  und  Friedrich  IV.  bestieg  den  Thron. 
An  ihn  wandte  sich  Kurt  Veit  von  Witzleben  um  Bestätigung  seiner 
Erbpachtscontracte,  erhielt  aber  folgende  an  Deutlichkeit  nichts  zu  wün- 
schen lassende  Besolution: 

„Unser  allergnädigster  Wille  und  Befehl  ist  hiemit,  wenn  Curt 
Veit  von  Witzleben  vor  die  Erbheuer -Stücke,  welche  Unsers  in  Gott 
ruhenden  Herrn  Vaters  Königl.  Maytt.  laut  Dero  vorhandenen  Königl 
Concession  Briefe  Ihme  conferiret  haben,  anstatt  der  vorhin  insgesanunt 


*)  Orig.  im  Arcb  zu  Hade.  —  Kurt  Veit  von  Witzleben  führt  ein  Wappen  mit 
einem  Helm,  dem  mit  dem  Geierkopf  and  den  Fähnlein,  und  mit  zwei  Sparren  im 
Schilde. 

*♦)  Briefe   Johann    Georgs  von  Wangenheira    an   Kurt  Veit  von  Witzleben  ^om 
7.  Dec.  iri88  und   14    Oct.   1691  im  Archiv  zu  Hude. 


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—     321     — 

gegebenen  jährlichen  Vierhundert  Ein  und  Siebenzig  Beichsthaler,  zu 
Eedressirung  der  hierunter  steckenden  enormissimae  laesionis,  hinfiihro 
jährlich  und  alle  Jahr  Eintausend  Sechshundert  Beichsthaler  in  Unser 
Oldenburgisches  Kanuner-Eegister  auf  Martini-Tag  an  guter  grober  des 
Orts  und  in  der  Stadt  Bremen  gültiger  Current-Münze  ohne  exceptio^ 
einiger  Casuum  fortuHorum  zu  erlegen  und  abzutragen,  auch  auf  nächst- 
künftigen Martini -Tag  damit  den  Anfang  zu  machen  sich  genügsamer 
Weise  verpflichtet  und  verbindlich  macht,  dass  Er  sodann  bey  der  Erb- 
heuer der  Ihm  vorgeschriebenen  Stücke  gelassen  werden  solle,  Jedoch 
mit  der  expressen  Condition,  dass  er  sich  nicht  nur  hinführe  aller  fer- 
neren Prätension,  mehre  Stücke  unter  dem  Prätext  von  dependentien  oder 
sonst  an  sich  zu  ziehen,  gänzlich  enthalte,  sondern  auch  diejenigen  Par- 
theien, welche  mittelst  dergleichen  vorhin  durch  Ihn  angestellte  reuniones^ 
widerrechtlich  und  de  facto  bekürzt  zu  seyn,  so  viele  Jahre  her  geklaget, 
entweder  durch  Güte  oder  Becht  klaglos  stelle,  damit  Wir  deshalber 
weitern  Anlaufens  überhoben  bleiben  mögen.  Falls  Er  von  Witzleben 
über  obige  Conditiones  einige  Difßcultät  machen  sollte,  haben  Unsre 
DeptäcUi  zu  den  Finanzen^  bester  Gelegenheit  nach,  mit  einem  andern 
zu  contrahiren.  Urkundlich  unter  Unserm  Königl.  Handzeichen.  Geben 
auf  Unserem  Schlosse  Jägersburg,  den  4ten  Juny  Ao.  1701. 

Friederich  B.*' 
Kurt  Veit  fugte  sich,    versprach,    statt  der  bisherigen  471  künftig 
1600  Beichsthaler  zu  zahlen  und  wurde  unterm  22.  Nov.  1701  im  ruhigen 
Besitz  seiner  Güter  zu  Hude  und  Delmenhorst  bei  Königlichen  Worten 
und  Glauben  kräftiglich  bestätigt. 

Die  Grafschaft  Tecklenburg,  bei  der  Elmeloh  zu  Lehn  ging,  gelangte 
um  diese  Zeit  an  den  Grafen  zu  Solms-Braunfels,  von  dem  sie  im  Jahre 
1707  der  König  Friedrich  I.  in  Preussen  kaufte,  so  dass  Kurt  Veit  von 
Witzleben  und  seine  Erben  preussische  Vasallen  wurden.  Der  erste 
preussische  Lehnbrief  über  das  Gut  zu  Elmeloh,  zwei  Häuser  zu  Hon- 
stedt  und  alle  Pertinentien  und  Gerechtigkeiten  der  Güter  datirt  vom 
14.  Mai  1 709 ;  für  den  Fall  des  Aussterbens  der  männlichen  Nachkommen- 
schaft werden,  einem  Versprechen  des  Grafen  von  Tecklenburg  zufolge, 
Kurt  Veits  Tochter  Charlotte  Amalie  und  deren  männliche  Leibeserben 
mitbelehnt. 

In  diesem  Lehnbriefe  wird  Kurt  Veit  von  Witzleben  Königlich 
Dänischer    Ober- Jägermeister   der   Grafschaft  Oldenburg  und  Drost  zu 


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—     322     — 

Delmenhorst  titulirt,  während  er  in  dem  Confirmationsbriefe  des  Königs 
Friedrich  IV.  von  Dänemark  vom  22.  Nov.  1701  nur  Ober-Landdrost 
genannt  wird.  Ein  im  K.  K.  Haus-,  Hof-  und  Staats -Archiv  zu  Wien 
befindliches  Actenstück  trägt  die  Aufschrift:  „von  Witzleben,  Landdrost 
zu  Delmenhorst  und  Ober -Jägermeister,  c/a  Hertzog  von  Würtemberg 
und  Stadt  Nördlingen,  mandati  in  pto.  injuriarum  et  danmi  dati,  1715 
bis  1723."     (Weiteres  über  den  Inhalt  ist  uns  nicht  bekannt.) 

Kurt  Veit  von  Witzleben  starb  am  22.  Juni  1719  zu  Elmeloh,  wo- 
hin er  im  Jahre  1699  seinen  Wohnsitz  von  Delmenhorst  verlegt  hatte, 
und  ward  am  13  Juli  in  der  Kirche  zu  Ganderkesee  beigesetzt.  Er 
hatte  sich  1685  vermählt  mit  Eleonore  Marie  von  Knuth  a.  d.  H. 
Leisten  (sonöt  Leetzen  genannt,  in  Mecklenburg),  geb,  den  14.  Januar 
1658,  gest.  den  15.  Februar  1707,  beigesetzt  in  Ganderkesee,  des  Königl. 
Schwedischen  Oberstlieutenants  Jakob  Ernst  von  Knuth  auf  Leetzen,  Meltz, 
Lüdorf,  Priebom  und  Kell  und  der  Elisabeth  von  Marien  aus  Lüdorf  und 
Kell  Tochter  und  Schwester  des  um  1698  gestorbenen  Dänischen  Geh. 
Raths  und  Ober-Kammerjunkers  Adam  Levin  von  Knuth,  aus  dessen  Ver- 
lassenschaft im  Betrage  von  273855  Rthlr.  5  gr.  ihr  eine  Erbportion 
von  34284  Thlr.  19  gr.  3  Pf.  zufiel.  Dieser  Ehe  entstammten  3  Söhne 
und  1  Tochter,  nämlich 

1)  Christian  Friedrich  von  Witzleben,  welcher,  am  12.  April 
1686  geboren,  Königl.  Dänischer  Lieutenant  wurde  imd,  noch  nicht 
25  Jahre  alt,  am  11.  Februar  1711  starb  und  am  11.  März  in  der  Kirche 
zu  Ganderkesee  beigesetzt  wurde; 

2)  Christoph  Burchard  von  Witzleben,  Königl.  Dänischer 
Kammerjunker,  Landrath  und  Jägermeister,  geb.  den  2.  Mai  1687,  gest. 
den  6.  Juni  1732,  der  mit  Anna  Theresia  Ursula  von  Dorgelo 
a.  d.  H.  Höven,  des  Johann  Bottger  von  Dorgelo  auf  Brettberg  und  der 
Auguste  Anna  Sophie  von  Bhaden,  Erbfrau  zu  Höven,  Tochter  (verm. 
den  9.  März  1721,*)  gest.  den  9.  April  1750  zu  Hude  und  daselbst  be- 
graben), das  Geschlecht  kräftigst  fortpflanzte  (Tab.  I.   15.); 

3)  Adam  Levin  von  Witzleben,  von  dem  alsbald  die  Bede  sein 
wird,  und 

*)  Nicht  etwa  1720.  Der  Oberst  Karl  von  Witzleben  zu  Nyborg  hat  wegen 
(lieser  Zahl  genaue  Recherchen  angestellt  und  von  dem  Dan.  Geh.  Archivar,  Confereni- 
rath  Wegener,  im  Aug.  1876  den  ausdrücklichen  Bescheid  erhalten,  dass  die  Zahl  1721 
die  im  Archiv  zu  Kopenhagen  aufgezeichnete  sei. 


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—     323     — 

4)  Charlotte  Amalie  von  Witzleben,  welche  am  17.  Juni 
1692  geboren  war,  sich  am  3.  Juli  1710  mit  Eberhard  Hermann 
Jobst  von  Dincklage,  Erbherm  auf  Schulenburg,  Domherrn  und 
Senior  des  Domkapitals  zu  Minden  (n.  19.  Apr.  1680,  f  1755),  ver- 
mählte und  Mutter  von  6  Söhnen  und  3  Töchtern  wurde. 

Kurt  Veit  von  Witzleben  hatte  in  seinem  am  16.  August  1717  er- 
richteten Testamente  von  den  beiden  noch  lebenden  Söhnen  dem  älteren, 
Christoph  Burchard,  der  auf  seine  Erbportion  schon  eine  bedeutende 
Summe  erhalten  und  ausserdem  noch  eine  ziemliche  Schuldenmasse  an- 
gehäuft hatte,  nur  eine  jährliche  Bevenue  von  500  Thalem  verschrieben, 
zum  Universalerben  aller  Allodial-  und  Feudal-Güter  aber  den  jüngsten, 
Adam  Levin,  einsetzte.  Christoph  Burchard  wohnte  zwar  in  Hude,  aber 
in  der  von  ihm  gemietheten  Pastorei.*) 


b.   Adam  Leyin  d.  Ä  von  Witzleben, 
1688-1746. 

Adam  Levin  von  Witzleben,  zum  Unterschiede  von  seinem 
gleichnamigen  Neffen  der  Ältere  genannt,  wurde  am  6.  Juni  1688  um 
72 10  Uhr  Vormittags  in  der  Stadt  Delmenhorst  geboren  und  auf  die 
Namen  des  Bruders  seiner  Mutter  und  bevorzugten  Günstlings  Christian  V. 
von  Dänemark,  Adam  Levins  von  Knuth,  getauft.  Der  muntere  Geist 
des  Knaben,  die  Begierde,  etwas  zu  lernen  und  der  Fleiss  in  allen  sei- 
nen Verrichtungen  „legten  genugsam  an  den  Tag,  dass  mit  der  Zeit  ein 
grosser,  geschickter,  Königen  und  Fürsten  sehr  nützlicher  Mann  aus  ihni 
werden  würde."  **) 

Im  Jahre  1700  nahm  Martha  Agnes  von  Wangenheim  (s.  Tab.  I.  12.), 
welche  ihren  Bruder  Kurt  Veit  von  Witzleben  in  Elmeloh  besucht  hatte, 
ihre  drei  Neffen  mit  sich  nach  Gotha,  damit  sie  hier  „desto  gründlicher 
imd  besser  in  denen  Wissenschaften  und  allen  einem  jimgen  Herrn  an- 
ständigen Uebungen"  unterrichtet  würden,    und  that  sie,    da  sie  selbst 


*)  Weil  die  Pastorei  eine  starke  Viertelstunde  von  der  Kirche  entfernt  lag,  hatte 
sich  der  Pastor  Stackerjan  eine  eigene  Brinksitzerei  zu  Hude,  näher  an  der  Kirche, 
angelegt  und  jene  yermiethet. 

**j  8.  Leichenrede  auf  ihn,   von  Jo.  Heinr.  Bojensen,   Pastor  zu  Ganderkesee. 
Bremen  1745.     Fol. 

23 


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—     824     — 

auf  dem  Lande  wohnte,  zu  ihrem  Sohne,  dem  Sachsen-Gotha'schen  Reise- 
margchall  Friedrich  von  Wangenheim,  der  sie  das  Gymnasium  frequen- 
tiren  liess.  Noch  nicht  16  Jahre  alt  bezog  Adam  Levin  von  Witzleben 
die  Universität  und  ward  am  2.  Mai  1 704  zu  Jena  immatriculirt.  Durch 
den  Tod  seiner  Mutter  1707  veranlasst,  in  die  Heimath  zurückzukehren, 
brachte  er  einige  Zeit  bei  seinem  Vater  in  Elmeloh  zu,  ging  dann  aber 
nach  Bremen,  wo  er  sich  den  Winter  über  aufhielt.  Im  Frühjähr  1708 
reiste  er  in  die  Niederlande  und  wandte  sich,  nachdem  er  einige  Zeit 
in  Utrecht  verweilt,  nach  Leyden,  um  seine  Studien  fortzusetzen.  Wäh- 
rend zweier  Sommer  wohnte  er  der  Campagne  in  Brabant  bei,  während 
er  den  Winter  desto  sorgfältiger  zimi  studiren  verwendete.  1710  ging 
er  nach  Kopenhagen  und  begann  seine  dienstliche  Laufbahn  am  80  April 
als  Kammerjunker  des  Prinzen  Karl  von  Dänemark.  Der  König  Fried- 
rich IV.  ernannte  ihn  am  25.  Juli  1713  zum  Jägermeister  in  den  Graf- 
schaften Oldenburg  und  Delmenhorst,  wie  auch  im  Stift  Bremen,  aber 
schon  am  19.  August  dess.  J.  zum  Landrath  in  den  Herzogthümem 
Schleswig  und  Holstein  und  vertraute  ihm  bald  darauf  die  Landvogtsstelle 
in  den  Ämtern  Neuenburg,  Ape  und  Rastede  und  in  der  Vogtei  Jahde  an. 
Ehe  Adam  Levin  von  Witzleben  diese  Stellung  antrat,  vermählte  er 
sich  am  1.  Sept.  1713  in  Gegenwart  der  Königlichen  Familie  auf  dem 
Schlosse  Friedrichsburg  mit  Eleonore  Marie  von  Lüttichau  a.  d.  H. 
Kmehlen,  des  1676  gestorbenen  Mecklenburg-Güstowschen  Oberhofineisters 
Wolf  Kaspar  von  Lüttichau  auf  Düben  und  Kmehlen  (in  Sachsen)  und 
der  Eva  Maria  von  Oertzen  a.  d.  H.  Roggow  (in  Mecklenburg)  Tochter. 
Diese  war  am  14.  April  1669,  Morgens  gegen  V27  Uhr,  in  Güstow  ge- 
boren und,  nachdem  ihre  Mutter  1673  gestorben,  während  7  Jahren  in 
dem  adlichen  Kloster  Ribnitz  erzogen  worden,  hatte  sich  dann  bei  Ver- 
wandten aufgehalten  und  war  am  17.  September  1695  von  der  Prinzessin 
Luise  zu  Mecklenburg -Güstow  als  zweites  Hoffräulein  angestellt,  auch 
nach  deren  am  5.  Dec.  dess.  J.  stattgehabter  Veradählung  mit  dem  Kron- 
prinzen (von  1699  an  König)  Friedrich  von  Dänemark  mit  nach  Kopen- 
hagen genommen  worden.  1708  war  sie  zum  Kammerfräulein  der  Königin 
avancirt  und  VJ2  Jahre  später  mit  der  Aufsicht  über  die  damalige  ein- 
zige Erbprinzessin,  Charlotte  Amalie,  betraut  und  mit  dem  Titel  einer 
Fräulein  Hofmeisterin  dieser  Königlichen  Princessin  geschmückt  worden. 
Als  der  25jährige  Adam  Levin  von  Witzleben  um  sie  warb  (oder  sie  um 
ihn?),    befand    sie    sich    in    dem   zarten   jungfräulichen  Alter   von   nur 


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—     325     — 

447»  Jahren;  aber  trotz  dieses  nicht  gerade  gewöhnlichen  Verhältnisses*) 
war  die  Ehe,  den  Mangel  an  Nachkonunenschaft  natürlich  abgerechnet, 
eine  glückliche,  wie  aus  Adam  Levins  Testament  hervorgeht.  Seinen 
Wohnsitz  nahm  das  junge,  oder  richtiger:  das  neuvermählte  Paar  in 
Neuenburg. 

1724  wurde  Adam  Levin  von  Witzleben  Mitglied  der  Oldenburgi- 
schen Begierung,  Ende  1728  aber  kehrte  er,  und  zwar  als  Hofmeister 
der  Prinzessin  Charlotte  Amalie,  nach  Kopenhagen  zurück.  Nachdem  er 
am  11.  Oct.  1729  in  den  Danebrog-Orden  aufgenommen  war,**)  ernannte 
ihn  der  König  Christian  der  VI.  am  20.  Nov.  1730,  kurz  nach  seiner 
Thronbesteigung,  zum  Ober-HofmarschaU  und  legte  ihm  am  28.  Nov. 
1732  den  Titel  eines  Geheimen  Käthes  bei.  „Da  aber  das  oft  sich  ein- 
findende schmerzliche  Podagra  und  die  reissende  Gicht  den  Hochseligen 
mehrmalen  hinderte,  seine  wichtige  Function  nach  Wunsch  zu  verwalten, 
sehnete  er  sich  nach  der  Stille"  und  einer  Stellung,  wo  er  mehr  Zeit 
auf  die  Pflege  seiner  Gesundheit  wenden  könnte.  Der  König,  der  „einen 
so  treuen  und  sorgfältigen  Ministre  gerne  länger  an  Dero  Hofe  gesehen 
hätten",  ertheilte  ihm  daher  am  6.  Juli  1735  die  wichtige  Amtmanns- 
stelle in  den  Ämtern  Husum  und  Schwabstedt  und  ernannte  ihn  zugleich 
zum  Oberstaller  in  der  Landschaft  Eiderstedt,  am  12.  Nov.  dess.  J.  aber 
zum  Landdrosten  in  der  Grafschaft  Dehnenhorst,  „welche  Bedienung 
Adam  Levin  um  soviel  lieber  und  angenehmer  war,  je  eher  er  der  ge- 
wünschten Euhe  und  dabei  auch  des  Vergnügens  gemessen  konnte,  seinen 
Gütern  Elmeloh  und  Hude  näher  zu  sein."  Auch  die  Königin  wandte 
Adam  Levin  ihre  Gunst  zu,  und  beschenkte  ihn  mit  dem  von  ihr  1732 
gestifteten  Orden  de  T  Union  parfaite,  während  ihn  der  König  am  28.  Nov. 
1738  unter  die  Zahl  seiner  Geh.  Conferenz-Bäthe  (mit  dem  Titel  Excellenz) 
aufnahm  und  1741  zum  Ober-Landdrosten  beförderte. 

Adam  Levin  von  Witzleben  starb  in  Delmenhorst  am  30.  Oct  1745, 
Morgens  um  V'23  Uhr;  „sein  Leben  hat  er  in  dieser  mühsamen  und 
jammervollen   Welt   gebracht   auf  57  Jahre   und   21   Wochen   weniger 


*)  Es  kommt  in  der  Linie  zn  Ende  nnd  Ehneloh  öfter  vor,  dass  die  Fran  älter 
ist  als  der  Mann,  wenn  der  unterschied  ancfa  nicht  immer  so  gross  ist,  wie  in  dem 
oben  angeführten  Fall. 

**)  Geh.  St.-Arch.  zu  Kopenhagen,  Danebrog- Ordens -Protokoll  No.  139.  Das 
Wappen  Adam  Levins  mit  zwei  Helmen.  Es  ist  dies  der  erste  uns  bekannte  Fall 
dieses  Gebrauchs. 

23* 


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—     326     — 

7  Senden."  Seine  Gemahlin,  seit  dem  Mai  1736  Dame  des  Ordens 
de  t Union  parfaite,  folgte  ihm  nach  wenigen  Wochen:  sie  verschied  am 
13.  Januar  1746,  Abends  V^IO  Uhr,  „nachdem  ihr  Lehen  in  dieser  un- 
ruhigen und  janmiervollen  Welt  gestiegen  auf  76  Jahr,  39  Wochen, 
1  Tag  und  15  Stunden."  Beide  ruhen  in  dem  von  ihnen  neben  der  Kirche 
zu  Ganderkesee  gegründeten  schönen  Grabgewölbe,  er  seit  dem  1 8.  Nov. 
1745,  sie  seit  dem  3.  Febr.  1746.  Adam  Levin  hatte  dieser  Kirche 
1000  Thaler  vermacht  und  verordnet:  „Auch  wird  der  p.  t.  Herr  Pastor 
wegen  dieses  legati  an  die  Kantzel  alle  Sorgfalt  haben,  dass  meine  und 
meiner  Frauen  Gebeine  in  der  Sacristey  nimmer  gerühret,  sondern  bis 
zum  jüngsten  Tag  ruhig  in  der  Gruft  liegen  bleiben."  Bis  jetzt  sind 
die  mit  Wappen  reich  geschmückten  Särge  wohl  erhalten. 

Für  seines  Bruders  Christoph  Burchard  Wittwe  hatte  Adam  Levin 
von  Witzleben  treulich  und  väterlich  gesorgt.  Und  da  ihm  selbst  Leibes- 
erben  versagt  waren,  so  wandte  er  die  grösste  Sorgfalt  auf  die  Er- 
ziehung der  Kinder  seines  Bruders.  Seine  Absicht  war,  die  Söhne  so 
unterrichten  zu  lassen,  dass  sie  mit  der  Zeit  „C/rii-Bedienungen  zu  be- 
kleiden fähig  sein  möchten.  Wann  (d.  i.  da)  aber  deren  Genie  nicht 
dazu  geschaffen  gewesen,  so  hat  er  dieselbe  im  üfiZi^air- Stande  zu  be- 
fördern getrachtet,  worunter  er  auch  bei  den  mehresten  reusiret^  Für 
die  Töchter  sorgte  er  in  der  Art,  dass  er  sie  als  Kinder  schon  in  das 
von  der  Prinzessin  Sophie  Hedwig,  Tochter  Christian  V.  von  Dänemark, 
errichtete  Damenstift  zu  Kloster  Wenrnaetoft  auf  Seeland  einschreiben 
Hess.  Und  als  er  kam  zu  sterben,  richtete  er  am  13.  Oct.  1745  seinen 
letzten  Willen  auf  und  setzte,  in  der  Hoffnung,  „dass  sie  der  Laster  sich 
enthalten,  nach  Tugend,  Ehre  und  Ruhm  sich  bestreben  und  in  ihrem 
gantzen  Leben  dergestalt  sich  betragen  werden,  dass  ihr  Geschlechtsname 
in  keine  Weise  verdunkelt  werde,  sondern  jederzeit  in  gutem  Andenken 
verbleibe",  seines  verstorbenen  Bruders  4  Söhne,  Adam  Levin,  Ernst 
August,  Kurt  Veit  und  Christian  Friedrich,  und  3  Töchter,  Eleonore 
Marie,  Sophie  Charlotte  und  Judith  Agnes,  alle  geborene  von  Witzlebeu, 
zu  rechtmässigen  Erben  in  dem  Gute  Elmeloh  und  den  sänraitlichen 
Erbzinsgütem  ein,  dergestalt  und  also,  dass  von  den  Söhnen  der  älteste, 
Adam  Levin  von  Witzleben,  „wann  er  seiner  Geburt  nach  sich  standes- 
mässig  verheirathet",  die  Güter  als  Fideicommiss  antreten  und  besitzen, 
jedoch  jedem  seiner  Brüder  3000,  jeder  der  Schwestern  JOOO  Thaler 
ohne  Buin  der  Güter  successive  bezahlen  solle. 


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—     327     — 

Den  VII.  Abschnitt  dieses  Testaments  können  wir  uns  nicht  ver- 
sagen, ganz  her  zu  setzen,  tief  bedauernd,  dass  nach  ähnlichen  Bestim- 
mungen nicht  auch  bei  den  anderen  Linien  unseres  Geschlechts  verfahren 
worden  ist. 

„Wenn  aber  die  menschliche  Vernunft  selber  lehret,  dass  ein  jeder 
geneigt  sey,  sein  Geschlecht,  Stamm  und  Namen  für  den  Abgang  und 
Verfall  zu  bewahren,  hingegen  die  ihm  Angehörigen  in  einem  löblichen, 
glücklichen  und  blühenden  Wesen  zu  erhalten,  mithin  zur  Aufnahme  und 
Conservation  der  familie  gereichet,  wann  die  derselben  hinfallenden  Güter 
unverändert  und  unvermindert  beybehalten  werden,  nach  Möglichkeit  ver- 
bessert, vermehrt  und  in  gutem  Stande  erhalten  werden,  also  verordne 
hiermit  ausdrücklich  zum  besten  meiner  vorbeschriebenen  Erben  und 
Substituten,  dass,  gleichwie  es  sich  von  den  lehnbaren  Stücken  von  selbsten 
versteht,  von  denen  übrigen  Erbzins-  und  allen  andern  mir  zuständigen, 
vorbesagten  meinen  Erben  und  deren  Substituten  stib  fidei  commisso 
familiae  vermachten  unbeweglichen  Gütern,  Grundstücken  und  deren  Zu- 
behör, sie  haben  Namen  wie  sie  wollen,  überall  nichts  davon  ausge- 
schlossen, unverändert  bei  meiner  famüie  bleiben,  nicht  das  geringste, 
unter  welcherlei  Vorwand  es  auch  immer  sein  möchte,  davon  verkauft, 
vertauscht,  verpfändet,  mit  Schulden  beschweret  oder  auf  eine  andere 
Art  und  Weise  belästiget  werden  sollen,  sondern  dass  alle  solche  meine 
nachzulassende  vorgedachte  Immobil-Qixter^  sie  bestehen  worin,  sie  wollen, 
sie  seien  gross  oder  klein,  stets  und  immerwährend  unzerstücket,  unver- 
pfändet,  von  Schulden  frei  und  unbeschweret,  so  wie  sie  sich  anjetzo 
durch  göttlichen  Segen  befinden,  bei  der  familie  und  bey  dem  jedes- 
maligen rechtmässigen  Besitzer  derselben  sein  und  verbleiben  sollen, 
dergestalt  und  also,  dass  alles  dasjenige,  so  zur  Veräusserung  dieser 
Güter  entweder  gantz  odei  zum  Theil  derselben,  deren  Verpfändung,  Be- 
lästigung mit  Schulden  oder  sonst  auf  andre  Art  und  Weise  von  dem 
jedesmaligen  Besitzer  derselben  wider  diesen  meinen  zur  ConservcUian  der 
familie  gereichenden  Willen  und  Verordnung  sollte  oder  möchte  vorge- 
nommen werden,  an  sich  nuU  und  nichtig  sein  und  in  keine  Considerar 
tion  weder  ittdidaliter  nach  extraiudicialiter  gezogen  werden  solle;  Ge- 
stalten ich  dann  die  hohe  Landes-Obrigkeit  hiedurch  geziemend  imphrire, 
dergleichen  von  meinen  Erben  und  sabstituirten  über  kurz  oder  lang 
etwa  zu  unternehmende  Veräusserung,  Zerstück-,  Verpfänd-  und  Be- 
schwerungen,   traiisacfionen    oder   aUe    dergleichen   Handlungen,    so  im 


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—     328     — 

geringsten  zum  Nachtheil  dieser  Iminobil' Güter  gereichen  könnten  oder 
möchten,  sofort  absque  idlo  strepitu  iudicü  für  null  und  nichtig  zu  er- 
klären, anbey  dergleichen  actus  per  tnandata  poenalm  sofort  ernstlich  zu 
iwAifriren." 

Im  Vin.  Abschnitt  wird  dann  bestimmt,  dass  derjenige  seiner  Erben, 
welcher  solche  Acte  vornehmen  sollte,  wodurch  die  Güter  geschwächt 
würden,  für  sich  und  seine  Descendenten  aller  Hechte  an  den  Gütern 
verlustig  sein  und  der  nächtälteste  die  Güter  in  Besitz  nehmen  sollte. 


c.   Adam  Levin  d.  J.  von  Witzleben,  seine  Brüder 

nnd  Agnes  Gräfin  zn  Stolberg, 

1721  —  1792. 

•  Von  Christoph  Burchards  von  Witzleben  Söhnen  hatte  nur  der  älteste, 
Adam  Levin  d.  J.,  dauernde  Nachkonmienschaft.  Der  zweite,  Ernst 
August,  am  6.  Nov.  1722  geboren,  starb  unvermählt  als  Königl.  Däni- 
scher Major.  Der  dritte,  Kurt  Veit,  am  30.  Oct.  1725  geboren,  seit 
dem  12.  Aug.  1750  Premierlieutenant  im  Oldenburgischen  Regiment, 
seit  dem  14.  Mai  1760  Capitain  und  seit  dem  21.  Sept.  1763  wirklicher 
Capitain,  hatte  zwar  von  seiner  Gemahlin  AnnaCatharina,  des  Glene- 
raUieutenants  von  Schinckel  Tochter,  die  er  im  Frühjahr  1764  gehei- 
rathet  hatte  (der  Consens  zu  dieser  Vermählung  wurde  am  5.  Apr.  d.  J. 
ertheilt),  4  Kinder  (s.  Tab.  I.  15.),  wurde  aber  von  keinem  derselben 
überlebt;  er  selbst  starb  um  das  Jahr  1778,  nachdem  er  seit  dem 
1.  Juli  1774  dimittirt  war.  Der  vierte  Sohn,  Christian  Friedrich 
von  Witzleben,  am  24.  Aug.  1731  in  Oldenburg  geboren,  wurde  am 
5.  Sept.  1747  Dänischer  Cadet,  aber  schon  am  12.  Aug.  1751  auf  sein 
Gesuch  als  Fähnrich  dimittirt.  Er  trat  jedoch  bald  wieder  ein,  avancirte 
am  17.  Oct.  1759  zum  Capitain  und  Chef  der  7.  Comp,  des  Oldenbur- 
gischen geworbenen  Eegiments,  am  4.  Sept.  1765  zum  Chef  der  1.  Gre- 
nadier-Compagnie,  am  4.  Sept.  1772  zum  Second-Major,  4.  Juli  1781 
zum  Premier-Major  beim  Eegiment,  am  3.  Dec.  1783  zum  Oberstlieute- 
nant der  Infanterie,  ward  am  13.  Apr.  1787  dimittirt  und  ging  am  5.  Dez. 
1792  zur  grossen  Armee. 

Adam  Levin  d.  J.  von  Witzleben,  am  17.  Juni  1721  geboren, 
wurde  am  30.  Apr.  1743  zimi  Lieutenannt  beim  Schleswigschen  gewor- 


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—     829     — 

benen  Regiment  ernannt.  Durch  den  Tod  seines  Oheims,  30.  Oct.  1745, 
Besitzer  von  Hude  und  Elmeloh  geworden,  verliess  er  den  Militärdienst 
und  trat  in  den  Stand  der  heiligen  Ehe  am  31.  Mai  1748  zu  Berlin  mit 
Karoline  vonSobbe,  der  1727  geborenen  jüngsten  Tochter  des  Königl, 
Preuss.  Geheimen  Eaths  Friedrich  Christian  von  Sobbe  (n.  1678,  f  21-  Aug. 
1743)  und  der  mit  diesem  im  Jahre  1710  vermählten  Katharina  Elisa- 
beth Gregori.  Als  Adam  Levin,  der  nicht  minder  als  sein  Vater  und 
seine  Brüder  leichtlebigen  Sinnes  war,  die  junge,  höchst  liebenswürdige 
Frau  seiner  Mutter  zuführte,  soll  diese  entzückt  gerufen  haben:  „Adam, 
von  welchem  Altar  hast  du  diese  Heilige  geraubt?"  5  Söhne  und  6  Töch- 
ter gingen  aus  dieser  Ehe  hervor;  sie  verwaisten  aber  früh,  denn  Adam 
Levin  starb,  erst  45  Jahre  alt,  am  8.  Juli  1766  zu  Hude,  seine  Wittwe 
ebendaselbst  am  4.  Juli  1774,  47  Jahre  alt;  beide  sind  im  Erbbegräb- 
niss  an  der  Kirche  zu  Ganderkesee  beigesetzt.  Die  Söhne  waren  Chris- 
toph Ernst,  Eochus  Friedrich  Otto,  Christoph  Henning, 
Christoph  Burchard  Beiniger  und  Albrecht  Friedrich  Karl 
von  Witzleben,  von  denen  unter  d,  e,  f,  g  und  h  die  Bede  sein  wird. 
In  Bezug  auf  die  Töchter  wüssten  wir,  mit  Ausnahme  von  einer,  der 
Stammtafel  nichts  hinzuzufiigen.    Diese  eine, 

Henriette  Eleonore  Agnes  von  Witzleben, 
war  am  9.  October  1761  zu  Hude  geboren  und  am  19.  dess.  M.  von  der 
Frau  Landdrostin  Luise  Henriette  von  Gamm  aus  Delmenhorst,  den  Fräu- 
lein Eleonore  Marie  und  Judith  Agnes  von  Witzleben  aus  Elmeloh,  Con- 
ventualinnen  des  Klosters  Wemmetoft  (ihren  Tanten),  dem  Fräulein  von 
der  Loe  aus  Delmenhorst  und  den  Hauptleuten  von  Stutenkorn  und  von 
Stadtlander,  beide  ebenfalls  aus  Delmenhorst,  aus  der  Taufe  gehoben 
worden.  In  ihrem  sechsten  Jahre,  am  13.  April  1767,  ward  sie  als 
Stiftsjöräulein  im  Kloster  Wemmetoft  eingeschrieben.  Im  übrigen  wuchs 
sie  in  der  romantischen  Waldeinsamkeit  von  Hude  in  zahlreichem,  glück- 
lichem Familienkreise  heran.  Als  der  Tod  ihrer  Mutter  1774  diesen 
Kreis  zerstörte,  nahm  ihre  Pathe  Eleonore  Marie  von  Witzleben,  welche 
Oberhofineisterin  der  Herzogin  von  Holstein-Oldenburg  war,  sie  zu  sich 
nach  Eutin,  wo  sie  dann,  noch  sehr  jung,  Hofiräulein  der  Herzogin 
wurde.  Hier  lernte  sie  der  Dichter  Friedrich  Leopold  Graf  zu  Stolberg- 
Stolberg  kennen,  welcher  (am  7.  Nov.  1750  zu  Bramstedt  geboren,  seit 
dem  17.  Aug.  1776  vom  Fürstbischof  zu  Lübeck  und  Herzog  von  Hol- 
stein-Oldenburg, Friedrich  August,  zum  Oberschenk  und    seit   dem  26. 


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dess.  M.  zum  Gesandten  und  Bevollmächtigten  Minister  am  Königl.  Däni- 
schen Hofe  ernannt*))  sich  oftmals,  namentlich  im  Sommer  und  Herbst 
des  Jahres  1781,  iu  Eutin  aufhielt.  Dieser  schrieb  d.  d.  Eutin,  den 
2.  September  1781,  seiner  Schwester  Katharina  (Käthchen  genannt,  Stifks- 
dame  zu  Walloe,  n.  1751):  „Und  mm  bist  Du  neugierig,  viel  von  hier 
zu  hören.  Die  kleine  Witzleben  war  im  Anfang  sehr,  und  den  ganzen 
Tag  etwas  embarassirt,  blöde,  beinahe  scheu,  aber  doch,  wenn  sie  nicht 
Augen  fürchtete,  sehr  freundlich  und  gut".  Von  der  „kleinen  Witzleben", 
wie  Stolberg  sie  hier  nennt,  ist  von  nun  an  in  seinen  Briefen  oft  die 
Eede.  Am  20.  October  sagte  Agnes  von  Witzleben  noch  zu  Stolberg: 
„Was  ich  wünsche,  das  hoffe  ich  auch;  aber  ich  kann  Ihnen  nicht  mehr 
sagen,  noch  nicht."  Bald  aber  muss  das  entscheidende  Wort  gefallen 
sein  und  die  Verlobung  stattgefunden  haben,  denn  in  einem  Briefe  Stol- 
bergs an  Kätchen,  Eutin  den  11.  Nov.  1781,  heisst  es:  „Lass  Dir  von 
meinem  Bruder  erzählen,  mit  welchem  Schlaftnütze- Phlegma  Clauswitz 
(sein  einstiger  Hofineister)  erftihr,  dass  ich  eine  Braut  habe." 

Um  diese  Zeit  ward  Stolberg  als  Gesandter  in  Kopenhagen  auf  sein 
Nachsuchen  abberufen  und  trat  „als  würklich  dienstleistender  Oberschenk" 
in  Function.**)  In  Bezug  auf  seine  Braut  schrieb  er,  Eutin  den  23.  De- 
zember, seiner  Schwägerin  Luise  (geb.  Gräfin  von  Eeventlow,  seines  Bru- 
ders Christian  Grafen  zu  Stolberg  Gemahlin) :  „Ich  wünschte  nun  nichts 
mehr,  als  meinen  Bruder  nach  Tremsbüttel  (dessen  Gut,  bei  Bargteheide 
im  Kreise  Stormarn)  begleiten  und  die  kleine  Witzleben,  die  ihm,  unter 
uns  gesagt,  sehr  gefäUt,  mitbringen  zu  können.  Aber  das  ist  nun  beides 
nicht  möglichi 

Heute  habe  ich  dem  Herzog  und  der  Herzogin  mein  Vorhaben  ge- 
meldet. Und  damit  ist  es  denn  hier  Hof-  und  Stadt-kündig  geworden, 
und  in  weniger  als  einer  Stunde  kann  es  landkündig  werden,  dass  der 
oberste  Schenk  heute  an  seine  Sünde  gedacht  und  sich  dem  Joche,  aus 
welchem  nur  Freund  Hain  ausspannt,  unterworfen  hat. 

Mich  verlangt  herzlich,  sie  mit  Dir  und  unsem  Schwestern  bekannt 


*)  J.  H.  Hennes,  Friedrich  Leopold  Graf  zu  Stolberg  und  Herzog  Peter  Frie- 
drich Ludwig  von  Oldenburg.  Mainz.  1870.  8°  S.  22.  Diesem  Werk  sind  die  im 
weiteren  Verlauf  folgenden  Briefauszüge  entnommen. 

**)  „Derselbe**,  heisst  es  in  der  Bestallung  vom  21.  Nov.  1781.  „soll  in  Zukunft 
in  solcher  Qualität,  bei  etwaniger  Abwesenheit  und  in  Behinderungsfällen  unseres  p.  t. 
Hofmärschalls,  die  Honneurs  bei  Hofe  machen,  als  Chef  der  Hofhaltung  betrachtet 
werden  und  die  damit  verknüpften  Functionen  zu  verrichten  haben*'.    Hennes,  S.  150. 


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zu  machen.  Es  ist  ein  süsses  Mädchen;  so  sehr  Natur,  dass  die  meisten 
Männer  sie  würden  bilden  wollen.  Ich  aber  ehre  und  liebe  die  Spuren 
meines  Gottes  im  Walde,  im  Strom  und  im  Mädchen;  und  werde  da 
keine  Schneiderscheeren  ansetzen,  um  Hecken  zu  schneiteln,  wo  der 
freundliche  Busch  mir  Schatten  und  Kühlung  und  Nachtigallentöne 
anbietet." 

Der  erste  uns  bekannt»  gewordene  Brief  von  Agnes  von  Witzleben 
ist  der  folgende  an  ihren  zukünftigen  Schwager,  den  Grafen  Christian 
zu  Stollberg,  gerichtete: 

„Mein  geliebter  Bruder!  Erlauben  Sie  es  mir,  dass  ich  gleich  Ge- 
brauch von  dem  Eecht  mache,  das  mir  die  Liebe  meines  Stolberg  er- 
worben hat.  Sie  Bruder  nennen  zu  dürfen,  macht  eine  meiner  grössten 
Glückseligkeiten  aus.  Darum  wundem  sie  sich  nicht,  dass  ich  dieses 
Glück  sogleich  gemessen  will,  indem  ich  Ihnen  den  süssen  Namen  gebe. 

Ein  innig  gerührtes  Herz  vermag  nicht,  seinen  Dank  zu  stanuneln, 
vielweniger  seine  Empfindungen  in  Worte  zu  fassen,  wovon  es  doch  so 
*  voll  ist.  Durchdrungen  bis  in  das  Innerste  von  Ihrer  mir  in  Allem  zu- 
vorkommenden Güte,  weiss  ich  auch  nicht  Sie  von  demjenigen  genugsam 
zu  überzeugen,  was  meine  ganze  Seele  einnimmt.  Nehmen  Sie  mein 
Herz  voll  der  zärtlichsten  Schwesterliebe  hin!  etc.  Wie  unaussprechlich 
glücklich  machen  Sie  mich,  wenn  Sie  mir  sagen,  dass  ich  meinen  Stol- 
berg glücklich  machen  werde.  Gott  kann  in  dem  Augenblick  kein  fröh- 
licher Geschöpf  auf  der  Welt  sehen,  als  ich  dann  bin,  wenn  dieser  Ge- 
danke mir  die  ganze,  ganze  Seele  einnimmt.  Denn  dass  Sie  es  sagen, 
muss  mir  mehr  werth  sein,  als  wenn  die  halbe  Welt  davon  überzeugt 
wäre  etc.  Wie  imendlich  viel  Süsses  enthält  Ihr  freundschaftlicher  Brief, 
für  mein  liebendes  Herz!  Sie  sagen  mir,  dass  Sie  mich  schon  lieben, 
und  versprechen  mir  dasselbe  von  meiner  theuem  zukünftigen  Schwester. 
Sagen  Sie  mir  doch  aufrichtig:  muss  ich  nicht  stolz  werden?  Gewiss, 
ich  könnte  mich  vor  dieser  Neigung  nicht  retten,  sagte  mir  nicht  mein 
eigenes  Herz  zu  laut,  dass  ich  es  nicht  verdiene;  freiKch  ein  kräftig 
niederschlagendes  Mittel!  Welches  doch  aber  am  Ende  wohl  nicht  sehr 
wirksam  bleiben  möchte,  wenn  Sie  fortfahren,  mir  immer  so  zu  schmeicheln, 

Glauben  Sie  ja  nicht,  dass  meine  Sehnsucht,  Sie  in  Tremsbüttel  zu 
umarmen,  geringer  sei  als  die  Ihrige.  Vielmehr  kann  ich  das  Gegen- 
theil  behaupten,  da  ich  nicht  aUein  einen  Bruder  dort  finden  würde, 
sondern  zugleich  die  Bekanntschaft  einer  geliebten  Schwester  dort  machen 


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könnte  etc.  Stellen  Sie  sich,  mein  bester  Bruder,  die  traurigen  Stunden, 
Tage  und  Wochen  vor,  die  ich  jetzt  zu  verleben  habe.  Stolberg  will 
mich  verlassen!  Ich  fühle,  dass  es  ungerecht  ist,  mich  darüber  zu  be- 
klagen, da  er  zu  Ihnen  und  zu  seiner  geliebten  Schwester  geht.  Allein 
ich  kann  es  meinem  Herzen  nicht  wehren,  das  ihn  um  sich  zu  wissen 
schon  zu  sehr  gewöhnt  ist,  als  dass  es  sich  des  Trauerns  über  seine 
lange  Abwesenheit  enthalten  könnte  etc. 
Eutin,  den  30.  Dez.  1781.« 

Ein  ürtheil  über  Agnes  finden  wir  wieder  in  einem  Briefe  Friedrich 
Leopolds  an  Kätchen,  Eutin,  den  3.  Februar  1782:  „An  Agnes  rührt 
mich  immer  mehr  die  Taubeneinfalt,  der  Kindessinn." 

Näher  und  näher  kam  der  Tag  der  Hochzeit.    Anschaffungen  wurden 
gemacht,  Stolbergs  Wohnung  eingerichtet.    Sorglos,  freudig  sah  die  Braut 
dem  allen  entgegen,  wovon  ihre  heiteren  Briefe  Zeugniss  geben,  z.  B.: 
Agnes  von  Witzleben  an  Luise  Gräfin  zu  Stolberg. 

„Meine  beste  Luise!  Zürne  nicht  zu  sehr,  meine  beste  Schwester, 
dass  ich  Dir  so  lange  nicht  geschrieben  habe.  Hätte  ich  Dir  so  oft 
schreiben  können,  wie  meine  Seele  Dich  in  Gedanken  umschwebt,  so 
würdest  Du  schon  unzählige  Briefe  von  mir  haben.  Es  ging  mir  unend- 
lich nahe,  dass  ich  Dir  nicht  zugleich  mit  Fritz  schreiben  konnte;  und 
mir  däuchte,  es  vermehrte  meine  Schmerzen,  wenn  ich  dran  dachte,  dass 
die  liebende  Seele  meiner  geliebten  Luise  auch  nach  einem  Brief  von 
mir  suchen  würde  und  dann  keinen  fände.  Ich  habe  viel  an  Verkältung 
gelitten.  Stolberg  meint,  ich  habe  seinen  Rheumatism  geerbt;  könnte 
ich  damit  ihm  seinen  auf  immer  abnelimen,  so  wollte  ich  gerne  die 
Schmerzen  leiden  etc.  Wie  betrübt  war  es  doch,  dass  Du  hier  nicht 
durchkamst.  Noch  habe  ich  niemand  von  unsren  Lieben  wieder  gesehen, 
seit  ich  aus  Borstel  bin,  nicht  mal  Deinen  Mann,  von  dem  ich  doch 
hoffte,  dass  er  bald  herkommen  würde.  Stolberg  und  ich  hatten  ein 
süsses  Project  ersonnen;  er  sollte  auf  ein  paar  Tage  nach  Borstel  und 
ich  wollte  ihn  begleiten,  ohne  dass  sie  dort  etwas  davon  wüssten.  Aber 
die  angenehmen  Menschen,  die  so  viel  von  Modestie,  Decenz  und  äus- 
serm  Schein  reden  und  dafür  so  wenig  wissen,  was  das  eigentlich  ist, 
machten  uns  auch  hier  einen  Querstrich,  dass  ich  meinen  Stolberg  musste 
allein  reisen  lassen  und  dem    süssen  Vergnügen  entsagen,  Puletchen*) 


*)  Stolbergs  Schwester  Henriette,  vermählte  Gräfin  Bernstorif. 

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noch  vor  ihrer  Abreise  zu  umarmen.  Ich  war  herzlich  betrübt  darüber 
und  bin  nun  so  unsittsam,  zu  wünschen,  dass  unsere  Hochzeit  bald 
vorbei  sein  möge,  um  mit  Stolberg  eine  Tagreise  zu  machen,  ohne  den 
gewissenhaften  Menschen  ein  Aergemiss  zu  geben  etc. 

Eutin,  den  31.  Mai  82.« 

Agnes  an  Eätchen: 

„ Dinstag,  als  den  11.  d.,  soll  unsere  Hochzeit  sein.     Jetzt 

wünsch'  ich  mehr  wie  jemals,  dass  es  in  Borstel  oder  Tremsbüttel  hätte 
sein  können;  denn  je  näher  ich  dem  Tage  komme,  je  mehr  sind  mir 
die  Hof- Alfanzereien  eklig  und  widerstehend.  Ihr  werdet  den  Tag  gewiss 
Alle  viel  bei  uns  sein.  Schade  dass  es  nur  in  Gedanken  sein  kann! 
Es  ist  doch  sehr  traurig,  so  nach  Menschensatzungen  durchs  Leben  zu 
steigen.  Nun,  hoffe  ich,  endlich  können  wir  doch,  so  oft  wir  woUen,  bei 
einander  sein,  ohne  uns  noch  Andere  zu  geniren.  Gleich  nach  der  Hoch- 
zeit hoffe  ich  Euch  Alle  zu  sehen.  Du  wirst  doch  Dein  Versprechen 
halten  und  fleissig  zu  uns  konunen.  Du  sollst  Dich  hier  trefOich  amü- 
siren;  wir  haben  schon  delidöse  Stellen  in  Wald  und  Feld  für  Dich  aus- 
gesucht, wo  wir  Dich  hinbringen  wollen.  Und  um  in  Fritz  seiner  kleinen 
Chaise  zusanmien  fahren  zu  können,  lasse  ich  mir  von  ihm  das  Selbst- 
fahren lehren.  Gustchen*)  kann  Dir  sagen,  wie  weit  ich  das  erste  Mal 
gefahren  bin.  Stolberg  wird  dann  inuner  zu  Pferde  bei  dem  Wagen 
bleiben;  so  haben  wir  beide  nichts  zu  furchten,     etc. 

Eutin,  den  3.  Juni  82." 

Also  am  11.  Juni  1782  fand  auf  dem  fürstbischöflichen  Schlosse  zu 
Eutin  die  Trauung  statt.  Johann  Heinrich  Voss,  der  in  demselben  Jahre 
durch  Stolbergs  Verwendung  die  Rectorstelle  zu  Ottemdorf  im  Lande 
Hadeln  mit  der  zu  Eutin  vertauschte,  sang  zur  Feier  jenes  Tages  die 
liebliche  Elegie  das  Brautfest**),  worin  er  das  junge  Paar  also  zeichnet: 

»Aber  im  glanzenden  Saale  der  Feiernden  schaae  die  Jungfrau, 
Chariten  gleich,  Stolbergs  blühende  Braut,  ihm  gesellt: 

Agnes,  Hirtin  der  Flur  und  in  fürstlicher  Halle  bewundert. 

Schlank  wie  die  Maie  des  Thals,  frisch  wie  die  Rosen  am  Quell. 

Frühlingsheitere  strahlet  im  Aug\  ihr  freundlicher  Blick  ist 
Sonnenschein,  ihr  Laut  süsser  denn  Nachtigallton. 

*)  Stolbergs  Schwester  Auguste,  bekannt  durch  Goethe's  Briefe,  n.  1753,  seit 
1783  mit  ihrem  Schwager,  dem  Grafen  von  Bemstorff  vermählt. 

♦♦)  Sämmtliche   Gedichte    von    Johann   Heinrich    Voss.     Königsberg,    1825. 
XU.  S.  19. 


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TreflTlichkoit  hüllt  sie  und  Ernst  mit  jugendlich  spielender  Einfalt; 

ünschuldsvoU  wie  ein  Kind  redet  sie  Geist  und  Gefühl. 
Starr,  in  betäubender  Fülle  der  Seligkeit,  steht  mein  Stolberg; 

Ganz  ein  unsterblicher  schon  heftet  er  Augen  und  Herz, 
Ungestört  von  der  Freunde,  der  Freundinnen  und  der  Geschwister 

Lachendem  Spott,  nur  auf  Sie,  ach!  auf  die  Einzige  hin." 

Einige  Tage  nach  der  Hochzeit  fährte  Stolberg  seine  junge  Frau 
den  Verwandten  und  Bekannten  in  Tremsbüttel,  Ahrensburg,  Wandsbeck 
und  Hamburg  zu.  Agnes  berichtet  darüber  der  Gräfin  Luise  Stolberg 
am  22.  Juni  von  Hamburg  aus: 

„Unendlichen  Dank,  beste  Luise,  für  Deinen  holdseligen  Bfief,  wo- 
mit Du  mir  gestern  eine  unaussprechliche  Freude  machtest.  0  wie  freue 
ich  mich,  in  Dir  eine  Schwester  zu  haben,  nun  eine  wirkliche  Schwester! 
Nun  sinds  schon  elf  Tage,  dass  ich  mit  meinem  Stolberg  verbunden  bin. 
Becht  in  der  Flitterwoche  lebe  ich  und  kann  mir  gar  nicht  vorstellen, 
dass  es  nicht  inmaer  so  bleiben  sollte.  Drei  Tage  nach  unserer  Hoch- 
zeit verreiseten  wir  schon.  Dein  Mann  brachte  uns  erst  nach  dem  lieben 
Tremsbüttel,  wo  mir  unaussprechlich  wohl  war,  ausser  dass  Du  Süsse 
mir  allenthalben  fehltest.  Da  blieben  wir  die  Nacht,  gingen  noch  spät 
im  Mondenschein  an  dem  schönen  Bach  spazieren,  und  den  andern  Mor- 
gen um  zwölf  Uhr  segelten  wir  ab  nach  Ahrensburg,  wo  ich  so  glücklich 
war,  in  Braun  -  Julchen  eine  schöne  sanfte  frohe  Seele  zu  entdecken. 
Braun- Julchen  ist  allerliebst;  ich  liebe  sie  schon  herzlich;  ich  wollte 
sie  auch  lieben,  weil  meine  beste  Luise  so  viel  Gutes  von  ihr  sagt.  Auch 
Beventlow  liebe  ich.  Ich  freue  mich  mehr,  wie  ich  sagen  kann,  die  bei- 
den Herzen  zu  kennen,  zwei  Herzen  mehr  zu  kennen,  die  werth  sind, 
geliebt  zu  sein.  Wir  blieben  da  bis  Donnerstag  und  kamen  durch 
Wandsbeck,  wo  ich  den  lieben  Claudius  und  Frau  Bebecka  kennen  lernte. 
Alles  Leute,  denen  mein  Herz  gleich  entgegenhüpft,  wo  es  sich  nicht 
hinleiten  lässt.  Hier  fanden  wir  den  Bardensänger  Clovestoque.  Himmel 
und  Erde!  Mir  däucht,  ich  bin  nicht  auf  Erden,  wenn  ich  an  seiner 
Seite  gehe,  sondern  schwebe  schon  den  Seelenflug  in  himmlischen  Lüften; 
Auch  Windeme  kenne  ich  nun;  ihre  himmlische  Leier  soll  mir  noch  heute 
tönen;  schon  gestern  stimmte  sie  an.  Dinstag  gehen  wir  hier  weg  und 
über  Lübeck  nach  Eutin,     etc. 

Hamburg,  den  22.  Juni  1782." 

Nachdem  beide  am  27.  Juni  nach  Eutin  zurückgekehrt  waren,  folgten 
sie  am  10.  Juli  dem  herzoglichen  Hofe  nach  Oldenburg  und  hatten  so 


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Gelegenheit,  anch  die  Witzlebenschen  Verwandten  zu  begrüssen.  In 
Hamburg  verzögerte  ein  Unwohlsein  Stolbergs  die  Weiterreise,  worüber 
Agnes  an  Kätchen  vermeldet: 

^Hamburg,  den  18.  Juli  1782. 

Mein  allerliebstes  Kätchen!  Du  wirst  Dich  sehr  verwundem,  dass 
ich  Dir  noch  aus  Hamburg  schreibe,  beste  Schwester.  Ach  leider  bin 
ich  noch  in  dem  verhassten  Hamburg.  Mein  armer  Mann  ist  krank  ge- 
worden an  einem  hässlichen  Flussfieber  mit  Kopf-  und  Halsweh;  das  hat 
uns  so  *lange  hier  aufgehalten.  Du  kannst  leicht  denken,  wie  empfind- 
lich es  in  jedem  Betracht  für  mein  Herz  ist,  hier  zu  sein.  Meinen  Stol- 
berg hier  krank  zu  sehen,  überwiegt  Alles;  und  dann  in  Hamburg  zu 
sein,  der  Stadt,  die  mir  von  Allen  die  unerträglichste  ist;  und  so  lange 
von  den  Meinigen  zurückgehalten,  nach  denen  ich  mich  sehne,  die  sich 
nach  mir  sehnen!  Ach,  bestes  Kätchen,  das  ist  zu  viel  für  ein  Weibchen 
wie  Agnes;  und  doch  höre  ich  die  rufenden  Stinunen  nicht,  würde  sie 
nicht  hören,  wenn  Vater  und  Mutter  mich  riefen.  So  lange  ich  bei 
meinem  Stolberg,  bei  dem  Geliebten  meiner  Seele  bin,  ist  mir  jeder  Ort 
angenehm,  und  ich  sehne  mich  nach  niemand  hier.     etc.     Leb'  wohl. 

Deine  Agnes.*' 

„Seit  vorgestern  Abend  sind  wir  hier",  schreibt  endlich  Stolberg  an 
seinen  Bruder,  Oldenburg  den  28.  Juli  1782.  „Unterwegs  haben  wir 
uns  anderthalb  Tage  in  Elmeloh  bei  unserm  Schwager  Linstow,  vier 
Meilen  von  hier,  aufgehalten.  Da  fanden  wir,  eine  ausgenonamen,  die 
bei  einer  Tante  in  Apenrade  ist,  alle  Schwestern  von  Agnes  und  drei 
von  ihren  Brüdern,  von  denen  ich  zwei  noch  nicht  kannte.  Du  kannst 
Dir  Agnes  Freude  vorstellen.  0  qui  complexus  et  gatidia  quanta  fuere! 
Unter  diesen  Geschwistern  geföUt  mir  die  Linstow  am  besten.  Es  ist 
ein  liebes  sanftes  Weibchen,  das  einen  edlen  Anstand,  hübsches  Gesicht 
und  schönen  Wuchs  hat.  Unter  ihren  Kindern  ist  ein  vierjähriges  Mädel, 
welches  meiner  Frau  frappant  ähnlich  ist."  Im  August  und  September 
waren  beide  wiederholt  in  Hude,  auch  nochmals  in  Elmeloh  und  kehrten 
mit  Ausgang  Septembers  nach  Eutin  zurück.  Und  hier  verlebten  sie  nun 
mit  Voss  und  dessen  Gattin  Emestine  (geb.  Boie)  „die  goldnen  Agnes- 
tage, da  noch  ein  Pfannkuchen  mit  Lauch  etwas  bedeutete,  da  noch  neben 
Scherzen  ein  Schwank  sich  ausnahm  und  die  beiden  Homeriker  in  Ge- 


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Seilschaft  der  Frauen  homerischen  Kykeon*)  mischten,  Stolberg  in  buch- 
stäblicher Nachahmung,  Voss  freier  und  geniessbarer."  Dass  die  Gegen- 
sätze zwischen  Voss  und  Stolberg  damals  noch  wenig  zum  Vorschein 
kamen,  war  wohl  hauptsächlich  das  Verdienst  ihrer  beiden  vortrefllichen 
Frauen,  namentlich  der  geist-  und  gemüthreichen  b'ebenswürdigen  Agnes. 

Mit  Beginn  des  Jahres  1 783  hatte  sich  Stolberg  die  Aussicht  eröfifeet, 
seine  Stellung  bei  Hofe  mit  der  StiUe  des  Landlebens,  die  soviel  Reiz 
für  ihn  hatte,  zu  vertauschen,  nämlich  als  Landvogt**)  nach  Neuenburg 
(in  der  Grafschaft  Oldenburg)  zu  kommen.  Die  Verhandlungen  darüber 
waren  im  Frühjahr  dem  Abschluss  nahe,  und  er  durfte  darauf  denken, 
in  Eutin  Urlaub  zu  nehmen.  Im  Juni  verliess  er  mit  Agnes  Eutin,  be- 
suchte zunächst  die  Bemstorffschen  Verwandten  in  Borstel  und  fuhr  von 
dort  am  24.  nach  Tremsbüttel,  wo  Agnes  am  30.  Juli,  Nachmittags 
Y^ö  Uhr,  von  einem  Knaben  entbunden  wurde,  der  die  Namen  Christian 
Ernst  erhielt.***)  Stolbergs  Bestallung  als  Landvogt  zu  Neuenburg  war 
inzwischen  am  1.  Juli  1783  in  der  Residenz  Eutin  ausgefertigt  worden. 
Freie  Wohnung  in  dem  herrschaftlichen  Hause  zu  Neuenburg  nebst 
Nutzung  des  Gartens  und  des  Torfinoors  zur  Feuerung,  1500  Rthlr. 
jährlich  Gehalt  und  64  Thaler  jährlich  anstatt  des  Holzdeputats  waren 
die  Emolumente  dieser  Stellung,  die  Stolberg  indess  sobald  noch  nicht 
antrat.  Auf  sein  Gesuch  erhielt  er  die  Erlaubniss,  den  Winter  in  Trems- 
büttel zu  bleiben,  und  begab  sich  Ende  August  nur  auf  einige  Tage 
nach  Oldenburg  und  Neuenburg,  um  sich  über  die  äusseren  Verhältnisse 
zu  Orientiren. 

Zum  Geburtsfest  des  Herzogs,  20.  September,  erschienen  er  und 
Agnes  wieder  einmal  in  Eutin.     Das  Haus,  welches  er  hier  besass,  ver- 


*)  Ein  Trank  oder  Gemisch,  dessen  Grundlage  Gerstenmebl  war,  entweder  mit 
Wasser  oder  Wein  oder  Milch  eingerührt,  woza  man  noch  bald  Honig,  bald  Käse,  bald 
Salz,  bald  Krauter  and  Bhimen  that  wodurch  es  bald  dick,  bald  dünn  wie  Trank  und 
bald  zum  Starken,  Erfrischen,  Nähren  gemacht  wurde.  H.  Pröhle,  J.  H.  Voss  als 
Gelehrter  und  Streitschriftsteller.  Sonntags-Beilage  No.  l.  zur  Vossischen  Zeitung  vom 
7.  Januar  1877. 

**)  Nicht  Landdrost,    wie  in  H.  Wagener's   Staats-  und  Gesellschafts-Lex. 
Band  20.  S.  44  steht.      * 

***)  Derselbe  wog  bei  seiner  Geburt  9  Pfund,  wurde  schon  in  jungen  Jahren  Dom- 
herr zu  Lübeck,  1800  katholisch,  ging  in  österreichische  Dienste  und  starb  als  k.  k. 
Feldmarschall-Lieutenant  am  22.  Mai  1846.  Er  war  vermählt  seit  dem  24.  Nov.  1818 
mit  Marie  Josephine  Gräfin  von  Gallenberg  (Wittwe  des  letzten,  1813  gestorbenen, 
Grafen  von  Plettenburg-Wittem),  n.  10.  Mai  1784,  t  19.  März  1839  in  Troppau. 


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kaufte  er  Anfangs  November  an  den  Herzog,  der  es  zur  Wohnung  der 
Directoren  des  GjTnnasiums  bestinunte.  Voss  bezog  es  als  solcher  zuerst 
und  dichtete  hier  im  nächsten  Jahre  die  folgende  Elegie,*)  welche  uns 
ein  Bild  davon  giebt,  wie  innig  seiner  Zeit  der  Verkehr  zwischen  dem 
Stolberg'schen  und  Voss'schen  Ehepaare  gewesen  war. 

An  Agnes. 
Ob  wu"  dein  noch  gedenken,  du  Freundliche?    Ja,  es  umschwebet 

Deine  süsse  Gestalt,  ach,  der  entfernten!  uns  stets: 
Hier  und  dort,  wo  wir  gehn,  in  der  blauen  StuV  und  der  gelben, 

Wo  dein  Eanape  stand,  wo  du  im  Sofa  geruht; 
Im  Schlafkämmerchen  auch,  dem  deinigen,  wo  wir  bei  Mondlicht 

Blühender  Rosen  uns  frexm,  die  wir  ins  Fenster  gebeugt; 
Zwischen  dem  Erokusbeet  und  dem  Birnbaum,  wo  an  des  Abschieds 

Frühmahl  uns  des  Aprils  wärmende  Sonne  beschien; 
Auch  in  der  kundigen  Laube,  wovor  Schneerosen  und  Erdbeern 

Sammt  Maihhen  stolz  prangen,  wie  dich  zu  erfreun. 
Wo  wir  zu  Lind'  und  Liguster,  dem  Abschiedsworte  gehorsam, 

Geissblattranken,  ein  Bild  engeres  Bundes,  gefügt; 
Auch  auf  der  schattigen  Bank,  die  vom  Agneswerder  urah erschaut, 

(So  wird  künftig  des  Sees  trauliches  Ufer  genannt,) 
Wo  du  fröhlich  mit  uns  in  der  Sommerschwüle  den  Seewind 

Athmetest,  unter  des  Eohrsperlinges  hellem  Gesang, 
Oder  die  schwebende  Meew'  und  des  Fischleins  Spiele  belauschtest. 

Das  aus  Moosen  hervor  sonnige  Flache  durchglitt, 
Doch,  wie  es  perlete,  schnell  vor  der  Mümmelchenblätter  Beschattung 

Stutzte,  da  weit  in  den  See  kräuselnder  Wind  sie  erhob; 
Auch  an  dem  lieblichen  Ort  der  Erinnerung,  wo  du  zuletzt  noch  . 

Sahst  in  Gedanken  mit  mir  abendlich  glühen  den  See, 
Lächelnd  riefst:    „0  wie  schön!   Vergesst  nicht  meiner,  ihr  Lieben!" 

Und  an  des  Freundes  Brust  schluchzend  das  Antlitz  verbargst. 
Was  dein  freundlicher  Blick  anlächelte,  alles  und  jedes 

Ward  wie  ein  Brautgeschenk,  ward  wie  geheiliget  uns, 
Oftmals  sinnen  wir  beide  vertieft  und  erzählen  von  neuem, 

Was  du  des  Guten  gesagt,  was  du  des  Holden  gethan. 
0  dann  sehen  auch  wir  mit  kindUcher  Seele  nur  Schönes, 

Lieben  das  werdende  Blatt,  lieben  das  Würmchen  am  Halm. 
Wallete  jüngst  dein  Herz  von  sehnsuchtsvoller  Empfindung, 

Dass  dir  heller  der  Tag  schimmerte,  grüner  die  Flur? 
Einsam  feierten  wir  dein,  ach!  der  entfernten,  Gedächtniss, 

Liebliche,  deren  Gestalt  uns  wie  ein  Engel  umschwebt! 
Dort  am  buschigen  Ufer  des  sanft  umhügelten  Feldsees 

Gingen  wir  froh,  doch  sann  frohere  Gänge  das  Herz, 
Und  wir  sahn  stillheiter,  wie  Earst  und  Schaufel  den  Basen 

Ebnete,  künftig  das  Grab  deiner  Bewohner,  Eutin  f 


*)  Voss,  Gedichte,  lU.  p.  37. 

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Wo  mit  dem  schlummernden  Sohne  wir  einst,  nach  vollendeter  Arbeit, 

Ansmhn,  wieder  vereint,  an  dem  Geräusche  des  Sees. 
So,  im  Gfesprache  yon  Tod  und  Trennungen,  irrten  wir  abwärts; 

Blaue  Vergissmeinnicht  pflückten  wir  unten  am  Bord, 
Wandelten  heim  und  reihten  in  irdener  Schale  die  Biümlein: 

Bald,  von  der  Quelle  gefrischt,  hob  sich  der  bläuliche  Kranz. 
Wir  nun  trugen  den  Kranz  vor  dein  jungfräuliches  Bildniss 

Oben  im  Saal,  und  das  Bild  lächelte,  schien  es,  herab. 
Lange  betrachteten  wirs  voll  inniger  Lieb'  und  Wehmath, 

Und  mit  bräutlichem  Kuss  hielten  wir  lang'  uns  umarmt. 
Ob  wir  dein  noch  gedenken,  du  Freundliche?    Strafe  das  schalkhaft 

Lächelnde  Wort,  o  Gemahl,  straf  ihr  mit  Küssen  den  Mund, 
Wie  wenn  sie,  schöner  von  Freud\  hinblickt  auf  den  muthigen  Säugling, 

Der,  mit  dem  Busentuch  spielend,  in  Schlummer  sich  lallt. 
Und  dann  mütterlichstolz,  voll  unaussprechlicher  Anrouth 

Seitwärts  schielend,  dich  fragt:  « Trautester,  hast  du  mich  lieb?** 

Im  Mai  1784  begaben  sich  Stolberg  und  Agnes,  nachdem  sie  im 
Februar  und  März  die  Verwandten  in  Dreilützow  und  Borstel  besucht 
hatten,  mit  dem  Grafen  Christian  und  dessen  Gemahlin  über  den  Harz 
(Blankenburg,  Wernigerode  und  Stolberg)  und  Weimar  nach  Karlsbad. 
Aus  Weimar  schrieb  Friedrich  Leopold  am  28.  Mai  seiner  Schwester 
Kätchen:  „Gestern  Abend  sahen  wir,  nämlich  mein  Bruder  und  ich,  den 
lieben  Goethe  wieder.  Seine  itzige  Situation  scheint  ihm  zu  passen  wie 
ein  enges  Kleid,  und  wie  könnte  sie  anders.  Kann  auch  ein  Riese  eine 
Uniform  tragen,  die  für  einen  mittelgrossen  Menschen  gemacht  ist?  Er 
war  sehr  gerührt  und  herzlich;  diesen  Mittag  sehen  wir  ihn  wieder,  und 
auch  Herder.  Goethe  hat  uns  schon  den  Morgen  besucht  und  die  Weib- 
lein gesehen. Diesen  Abend  sind  wir  bei  Goethe  in  seinem 

Landhause."  Und  d.  d.  Karlsbad,  den  11.  Juni  1784:  „In  Weimar 
ward  uns  von  Herzen  wohl.  Goethe  war  ganz  der  alte  geist*-  und  liebe- 
volle Goethe  und  fohlte  sich  um  neun  Jahre  verjüngt.  Er  ist  zwar  noch 
nicht  alt,  just  zwischen  meinem  Bruder  und  mir,  aber  acht  Jahj%  fataler 
Geschäfte  sind  doch  keine  kleine  Zeit."  Auf  diesen  Besuch  gründete 
Goethe  sein  ürtheil  über  Agnes,  auf  welches  wir  später  zurückkonunen. 

Am  17.  Juli  verHessen  die  Stolbergschen  Paare  Karlsbad,  um  sich 
nach  Teplitz  zu  begeben.  Von  hier  reisten  sie  um  die  Mitte  des  August 
nach  Dresden  und  von  da  endlich  im  September  wieder  nach  Holstein. 
•  Friedrich  Leopold  ging  aber  noch  immer  nicht  nach  Neuenburg,  bat 
vielmehr  abermals  um  einen  langem  Urlaub  und  begab  sich  im  November 
mit  Kind  und  Kegel,   einer  Einladung  seiner  Schwester  Auguste  Gräfin 


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Bernstorflf  folgend,  nach  Kopenhagen.  Hier  und  in  dem  benachbarten 
BernstorflF  blieb  die  Familie  bis  in  den  Sommer  1785.  Am  Mittwoch, 
den  4.  Mai  1785,  früh  7^2  Uhr,  schenkte  Agnes  im  Bemstorflfschen 
Hause  zu  Kopenhagen  einer  Tochter  das  Leben,  welche  am  Nachmittage 
des  10.  Mai  Maria  Karoüne  Agnes  getauft  wurde.*) 

Als  am  6.  Juli  1785  der  Herzog  von  Oldenburg  und  Fürstbischof 
von  Lübeck,  Friedrich  August,  gestorben  und,  während  der  Name  eines 
Herzogs  von  Oldenburg  auf  dessen  schwachsinnigen  Sohn,  Peter  Friedrich 
Wilhelm  (f  2.  Juli  1823),  überging,  der  bisherige  Coadjutor,  Prinz  Peter 
Friedrich  Ludwig  von  Holstein -Gottorp,  regierender  Administrator  des 
Herzogthums  Oldenburg  imd  Fürstbischof  von  Lübeck  geworden  war,  hielt 
es  Stolberg  endlich  an  der  Zeit,  sich  auf  seinen  ihm  vor  vollen  zwei 
Jahren  übertragenen  Posten  zu  begeben.  Am  30.  Juli  stieg  er  mit 
Frau  und  Kindern  in  Kiel  ans  Land  und  nach  drei  Wochen,  am  20.  Au- 
gust, war  er  schon  bis  Bremen  gekommen.  Wenige  Tage  später  finden 
wir  die  ganze  Familie  in  Neuenburg  —  aber  auf  wie  lange?  Agnes 
schreibt  an  Christian  und  Luise  Stolberg: 

„Neuenburg,  den  25.  August  1785. 

Nun  sind  wir  denn  hier!  Mit  welcher  Eührung  ich  ins  Haus  trat, 
kann  ich  nicht  ausdrücken.  Noch  ist  mir  das  Herz  schwer  und  voll; 
der  Gedanke,  dass  nun  ein  jeder  von  uns  so  für  sich  und  getrennt  lebt, 
die  wir  inmier  einmüthiglich  bei  einander  sein  sollten,  fäUt  meine  Seele 
mit  Wolken  der  Wehmuth.  0  dass  Neuenburg  in  Holstein  läge!  Das 
habe  ich  gestern  und  heute  beständig  gedacht.  Wenn  uns  die  Sehnsucht 
zu  Euch  nicht  immer  erfüllte,  die  uns  ewig  nicht  verlassen  wird,  könn- 
ten wir  hier  recht  vergnügt  sein.  Das  Haus  und  die  Gegend  sind  hüb- 
scher, wie  wir  uns  vorstellten;  obgleich  wir  von  der  Gegend  noch  nicht 
viel  sagen  können,  denn  heute  und  gestern  haben  wir  walire  Regengüsse 
gehabt.  Es  sieht  Alles  entsetzlich  wild  aus;  ich  hoflfe  aber,  wenn  wir 
unsre  Gärtner  erst  haben  (nämlich  August  und  Jannecke,  die  noch  nicht 
mit  den  Sachen  hier  sind),  soll  es  recht  hübsch  werden.     Gross  scheint 


*)  Sie  wog  8  Pfund.  Nach  dem  Tode  der  Mutter  ward  sie.  einem  Wunsche  der 
Verstorbenen  gemäss,  Marie -Agnes  genannt  (von  Stolberg  in  Briefen  auch  Mariagnes 
geschrieben).  Sie  war  das  einzige  von  sämratlichen  Kindern  Stolbergs,  welches  evan-  • 
gelisch  blieb,  vermählte  sich  am  25.  Mai  1802  in  Wernigerode  mit  dem  Grafen  Ferdi- 
nand zu  Stolberg- Wernigerode  auf  Peterswaldau  und  Neudorf  in  Schlesien,  K.  Preuss. 
Wirkl.  Geh.  R.  (n.  18.  Oct.  1775.  t  20.  Mai  1854)  und  starb  den  16.  Oct.  1848. 

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der  Garten  nicht  zu  sein,  aber  zu  einem  kleinen  Bosquet  wird  er  doch 
ziemlich  Baum  haben.  Das  Wasser,  schöner  und  breiter  noch  wie  es 
Manne  beschrieb,  fliesst  um  den  Garten  und  man  geht  beständig  daran 
in  einem  schönen  Gang  von  allerlei  Bäumen  und  Gesträuchen.  An  beiden 
Ecken  des  Gartens  ist  ein  Hügel,  mit  einer  sehr  grossen  Linde  der  eine, 
und  der  andere  mit  Buchen  und  Eschen,  die  denn  kleiner  sind.  Am 
Linden-Hügel  schlingt  sich  das  Wasser  so  schön  herum,  dass  es  eine 
allerliebste  Stelle  ausmacht.  Es  sind  sehr  hübsche  Bäume  sonst  noch 
im  Garten,  die  im  kleinen  Bosquet  hübsch  sein  werden.  Wir  werden 
viele  schöne  Sachen  aus  Bastede  kriegen,  wo  Alles  vortreiBich  wächst, 
viel  besser  wie  in  Holstein  und  Dänemark.  Die  Weide  scheint  auch 
hübsch  zu  sein,  ich  habe  aber  noch  nicht  hineinkommen  können.  Wir 
haben  schon  vier  schöne  Kühe;  eine  blau  bunte,  die  Isis  heissen  soll, 
habe  ich  in  der  Feme  gesehen.  Morgen  wird  das  Wetter  ja  wohl  so 
gut  werden ,  dass  ich  auch'  die  übrigen  sehen  kann.  Jede  schöne  Kuh, 
die  ich  sehe,  wünsche  ich  nach  TremsbütteL    0  das  süsse  Tremsbüttel! 

Den  26.  Morgens.  In  welcher  unglücklichen  Sicherheit  habe  ich 
diese  Tage  gelebt,  mein  Gott,  ohne  zu  wissen,  welch  Unglück  über  mir 
schwebte!  0  wie  soll  ichs  aussprechen?  0  Gott,  drei  Monate!  Lieb- 
ster bester  Bruder,  ach  weine  laut  mit  mir,  ich  kann  vor  Schmerz  keine 
Worte  finden,  in  heissen  Thränen  schwimmend  schreib  ich  Dir.  Mein 
zweiter  Stolberg,  tröste  mich.  Du  einziger  Bruder  meines  Geliebten! 
Ach  dass  Ihr  doch  in  Tremsbüttel  geblieben  wäret;  so  käme  ich  mit 
unsern  Kindern  zu  Euch  oder  Ihr  zu  mir."  So  strömt  die  Klage  noch 
weit  dahin,  der  erschreckte  Leser  wird  aber  längst  gefragt  haben:  „Ei 
Sapperment!  Was  ist  denn  nur  geschehen?"  Nun  —  Stolberg  sollte 
als  Gesandter  nach  Petersburg  gehen,  um  in  feierlicher  Weise  des  Her- 
zogs Friedrich  August  Ableben  und  den  Eegierungsantritt  des  Herzogs 
Peter  Friedrich  Ludwig  anzuzeigen. 

Es  wurde  also  wieder  aufgepackt  und  Stolberg  und  Agnes  verliessen 
Neuenburg  am  7.  September.  In  Oldenburg  empfing  er  am  9.  seine 
Instruction,  am  10.  die  Creditive  und  am  22.,  morgens,  trennte  er  sich 
in  Wandsbeck  von  Agnes.  Diese  ging  betrübt  zunächst  nach  Ahrens- 
burg zur  alten  Gräfin  Schimmelmamm,  er  über  Berlin,  Königsberg  und 
Mitau  nach  Petersburg,  wo  er  am  Nachmittage  des  20.  October  eintraf. 

Am  12.  November  begab  sich  Agnes  nach  Eutin,  um  einige  Zeit 
bei  der  Herzogin  Friederike,  die  am  80.  Oct.  von  einem  todten  Knaben 


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entbunden  war,  zuzubringen  und  „das  Gewölk,  das  die  Langeweile  über 
die  anne  Klausnerin  ausbreitet",  zu  aerstreuen.  „Die  arme  kleine  Frau 
hegt  die  lebhaftesten  Wünsche  um  die  baldige  Bückkehr  ihres  lieben 
Gemahls",  muss  sich  aber  voriäufig  mit   folgender  Epistel*)  desselben 

trösten : 

An  Agnes. 

St.  Petersburg,  den  13.  November  1785. 
Drei  hundert  lange  Meilen  weit  von  Dir 
Seh  ich  am  Himmel  schon  zum  zweiten  Mal 
Des  Mondes  Silberkahn  im  stillen  Aether 
So  laugsam,  ach  so  langsam  schwimmen;  starr 
Seh'  ich  ihm  nach,  ihm,  der  so  oft  mein  Herz 
Mit  Wonne  füllte,  wenn  sein  milder  Strahl 
Durch  rege  Buchen  auf  die  Quelle  fiel, 
Wo  Agnes  oder  Philomele  sang. 
Dann  stand  ich  selig,  wie  ein  Hinmilischer^ 
Und  lauschte  bald  der  kleinen  Sängerin, 
Bald  meiner  Sängerin!  sah  bald  den  Mond 
Am  Himmel,  bald  den  schonen  blauen  Strahl 
Dich  leise  küssen  auf  den  Rosenmund, 
Den  ich  nur  küssen  will!    Im  Eifer  sprang 
Ich  auf,  und  eh'  ich  seinen  feuchten  Strahl 
Und  dir  des  Liedes  Tön'  entküsste,  sah 
Ich  schöner  als  am  Himmel  noch  sein  Bild 
In  deinen  Augen,  meinen  Hinmieln,  sank 
Dir  dann  ans  Herz,  es  schwanden  Quell  und  Mond 
Vor  meinen  Augen,  aber  Agnes  blieb. 
0  Liebe,  Liebe!  welche  Wonne  träufelt 
Ein  Tropfen  deines  Nectars  in  das  Herz! 
Und,  gleich  der  Hebe,  drückt  mein  junges  Weib, 
Wenn  mir  ihr  Odem  Lebenslüfte  haucht. 
Mir  deine  schönsten  Trauben  in  den  Kelch! 

Nun  bist  du  fem  von  mir  und  wendest  dich 
Zum  kleinen  Mädchen,  das  mich  schon  vergass. 
Wenn  schmeichelnd  unser  kleiner  Bube  forscht: 
Warum  Papa  nicht  da  und  wo  er  sei? 
Er  windet  kosend  sich  um  die  Mama 
Und  sieht  sie  weinen,  klimmt  auf  deinen  Schooss 
Und  küsst  die  keuschen  Brüste,  die  er  sog. 
Du  aber  lächelst  ihm  mit  nassem  Blick 
Und  drückst  ihn  fester  an  das  beste  Herz. 

So  seh  ich  dich,  so  folget  mir  dein  Bild 
Mit  Zügen,  die  kein  Maler,  selber  Graff 


♦)  Gedichte  der  Brüder  Christian  und  Friedrich  Leopold  Grafen  zu  Stolberg, 
Wien  1821,  Th.  I.  S.  442. 

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Nicht  malt.    Die  Liebe,  nicht  die  Phantasei, 
Malt  deine  Züge  mir  ins  Herz;  nur  sie 
Begleitet  mich;  es  blieb  die  Phantasei 
Zurück;  die  Muse,  die  mich  nie  verliess, 
Verliess  mich,  ach,  mit  deinem  Abschiedskuss! 
In  deinen  Händen  blieb  die  Leyer,  spät 
Ward  ichs  gewahr,  ich  suchte  sie  und  fand 
Sie  nicht;  die  strenge  Muse  Hess  mir  nur 
Das  Täflein  und  den  Griffel,  doch  auch  er 
Ist  mir  aus  ihren  Händen  werth,  und  werth 
Ist  dir  des  dürft'gen  Briefes  treuer  Sinn. 
Er  sagt  dir,  was  du  weissest,  aber  doch 
Noch  gerne  hörest:  dass  ich  ohne  dich 
Nicht  leben  könnte,  wenn  die  weiche  Brust 
Der  Hoffnung  mich  mit  müder  Ammenmilch 
Nicht  nährte,  wenn  der  Hofbung  Ammenlied 
Mich  nicht  in  Ruhe  sänge,  wenn  ich  mich 
Geberde  wie  ein  krankes  Kind.    So  singt 
Die  milde  Trösterin:  „Gedulde  dich! 
Noch  einmal  füllt  am  Himmel  sich  der  Mond 
Und  schwindet  zweimal  noch,  doch  wenn  er  sich 
Zum  zweiten  Male  füllet,  führt  er  dich 
Am  lichtgewebten  Gängelbande  heim 
Und  lächelt  Segen  auch  ins  keusche  Bett." 

Um  die  Mitte  des  Monats  December  reiste  Stolberg  von  Petersburg 
ab  und  traf  in  der  Nacht  vom  30.  zum  31.  Dez.  1785  in  Königsberg 
und  am  17  Januar  1786  in  Tremsbüttel  ein.  Mit  dem  Beginn  des 
Frühjahrs  ward  dann  wieder  die  Eeise  nach  Neuenburg  angetreten.  Am 
2.  April  gelangten  Stolberg  und  Agnes  nach  Bremen,  am  3.  nach  Elme- 
loh,  am  4  nach  Oldenburg  und  am  5.  nach  Neuenburg.  Hier  lebten 
sie  nun  ruhige  friedliche  Tage,  und  die  wenigen  Jahre,  die  Stolberg  hier 
noch  an  der  Seite  seiner  geliebten  Agnes  verbrachte,  gehörten  zu  den 
glücklichsten  seines  Lebens.  Agnes  schrieb  am  18.  April:  „Gestern 
hatten  wir  einen  erquickenden  Kegen,  der  heutige  Wind  aber  wird,  fürchte 
ich,  seinen  Segen  aussaugen;  es  wird  aber  erstaunend  grün  und  die  ge- 
schwollenen Knospen  warten  nur  auf  einen  herzerwärmenden  Sonnenblick, 
um  in  voller  Jugendfreudigkeit  hervorzugehen.  In  Varel  haben  sie  gestern 
die  Nachtigall  gehört  und  grünende  Buchen  gesehen;  ich  bin  sehr  nei- 
disch." Und  Stolberg  schildert  uns  ihr  idyllisches  Dasein  in  der  Epistel 
vom  30.  Juni   1786*),  worin  er  Lavater,   der  sich  in  Bremen  befand. 


*)  Gedichte,  Th.  II   S.  15. 

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einlud,  nach  Neuenburg  in  seine  „Hütte"  zu  kommen, 

„Wo  in  der  Laube  kühlem  Wehen 
Nur  stille  Freuden  sich  ergehen; 
Wo  Freiheit  in  der  Einfalt  Schooss 
Ein  Liedchen  singt,  auf  weichem  Moos; 
Wo  keusche  LieV  ihr  Nestchen  bauet 
Und  sich  dem  Schatten  anvertrauet; 
Wo  nicht  ein  Störer  uns  erschauet, 
Vor  welchem  meiner  Seele  grauet! 

Dort  wollen  wir  den  Bach  entlang, 
Wo  um  des  regen  Kalmus  Säuseb 
Sich  kleine  Wellen  spielend  kräuseln, 
Der  bunten  Sänger  Morgensang 
Und  meiner  Agnes  Abendsang, 
Der  oft;  mit  Nachtigallen  rang 
Und  dessen  seelenvoller  Klang 
Mir  tiefer  in  die  Seele  drang 
Als  selbst  der  Nachtigall  Gesang, 
Den  wollen  wir  im  Lindengang 
Und  an  des  Hügels  leisem  Hang, 
Vor  keinem  schnöden  Schwätzer  bang, 
Mit  innigem  Gefühl  belauschen." 

Lavater  kam  aber  nicht.  Dafür  erschienen  im  October  Christian 
Stolberg  und  Luise;  diese  wollte  Agnes  bei  ihrer  bevorstehenden  Ent- 
bindung zur  Seite  stehen.  Am  6.  November  genas  Agnes  eines  gesunden 
Söhnleins,  so  Andreas  Otto  Henning  benamset  wurde.*) 

Im  Sonmier  des  Jahres  1787  machten  Friedrich  Leopold  imd  Agnes 
mit  ihrem  Erstgeborenen  wieder  eine  zweimonatliche  Heise  nach  Holstein 
zimi  Besuch  ihrer  Verwandten  in  Tremsbüttel,  Borstel,  Knoop  (Bevent- 
low)  und  Emkendorf  und  kehrten  am  10.  August  nach  Neuenburg  zu- 
rück, wo  sie  die  beiden  jüngsten  Kinder  im  besten  Wohlbefinden 
antrafen. 

Am  20.  Februar  1788,  Morgens  7^  6  Uhr,  einige  Wochen  früher 
als  man  erwartet  hatte,  kam  Agnes'  zweite  Tochter,  Henriette  Luise 


*)  Ging  zuerst  in  preussische  Militär -Dienste,  ward  aber  später  Hannoverscher 
Wirkl.  Geh.  Eath,  Besitzer  der  Rittergüter  Lüderode  und  Nienhagen  in  Hannover  und 
starb  am  27.  März  1863.  Er  war  drei  Mal  vermählt,  1.)  18.  Sept.  1817  mit  Philip- 
pine Gräfin  von  Brabeck,  n.  12.  Aug.  1796,  t  21.  Dez.  1821,  2.)  26.  Juli  1823  mit 
Anna  Gräfin  von  Hompesch,  n,  25.  Oct.  1802,  t  4.  Juni  1833,  3.)  17.  Mai  1836  mit 
Marie  Julie  Gräfin  von  Gallenberg,  n.  14.  Juni  1808,  und  hatte  aus  der  zweiten  Ehe 
7,  aus  der  dritten  2  Töchter. 


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Juliane,  zur  Welt*),  deren  Pathinnen  Stolbergs  Schwester  Henriette 
Katharina  (Käthchen),  dessen  Schwägerin  Luise  (Christians  Gemahlin) 
und  Julie  (Juliane)  Gräfin  Eeventlow  waren.  Agnes  erholte  sich  von 
dieser  Entbindung  nur  sehr  langsam.  Erst  im  Mai  war  sie  soweit  wieder 
hergestellt,  dass  sie  ihren  Gemahl  nach  Holstein  begleiten  konnte;  doch 
musste  die  Eeise  ohne  Umwege  zurückgelegt  werden.  „Ich  entsage  dem 
heimlichen  süssen  Wunsch  im  Herzen,  ü  dolce  nido  patemo  einmal 
wiederzusehen.  Welchen  Freuden  entsagte  ich  nicht  gerne  um  meinen 
Stolberg  und  um  unser  beider  Gesundheit!"  schreibt  Agnes  am  16.  Mai 
1788  aus  Neuenburg.  Ernst  und  Maria  begleiteten  die  Eltern.  Sonn- 
abend den  20.  Sept.  waren  alle  „wieder  im  lieben  alten  Neste*',  wo  sie 
die  jüngsten  „Nestlinge  wohl  und  charmant"  vorfanden.  In  Oldenburg 
hatte  Agnes  alle  ihre  Schwestern  wiedergesehen. 

In  einem  Briefe  Stolbergs  an  Kätchen,  Neuenburg  den  28.  Oct. 
1788,  kommt  die  Stelle  vor:  „Agnes  ihr  Auge  ist  fast  ganz  gut,  übrigens 
ist  sie  wie  ein  Fisch  im  Wasser.  So  wohl  hast  Du  sie,  seitdem  sie 
Fräulein  von  Witzleben  war,  nicht  gesehen."  Ebenso  schreibt  er  am 
7.  November:  „Wir  sind  AUe  sehr  wohl,  gross  und  klein." 

Und  acht  Tage  später! 

Stolberg  an  den  Herzog. 

„Gnädigster  Herr!  Es  hat  Gott  gefallen,  gestern  Abend  gegen 
11  Uhr  meine  über  alles  von  mir  geliebte  Frau  zu  sich  zu  nehmen. 
Am  7.  blühte  sie  noch  wie  eine  Eose,  die  Nacht  ward  sie  krank,  kein 
Mensch  glaubte  sie  in  Gefahr,  der  Arzt  nicht,  wir  nicht,  auch  wohl  sie 
selber  nicht.  Sie  starb  mir  unter  den  Händen,  ich  meint'  sie  schliefe, 
sie  war  schon  beim  Vater  ina  Himmel.  Er  sei  ewig  gelobet,  auch  heute 
will  ich  ihn  loben!     Sie  ist  bei  ihm! 

Ich  weiss,  dass  Ew.  Durchlaucht  Antheil  an  meinem  Janmier  neh- 
men.   Ich  bin  mit  der  tiefsten  Ehrfurcht  etc. 

Neuenburg,  den  16.  Nov.  1788." 

Näheres  erfahren  wir  aus  einem  Briefe  des  Grafen  Christian  Stol- 
berg an  seine  Frau  vom  25.  November:  „Mein  armer  Bruder  wähnte 
keine  Gefahr  und  hielt  für  Genesungsschweiss  den  Schweiss  des  Todes. 


*)  Sie  vermahlte  sich  am  5.  April  1810  mit  Gottlob  Albrecht  Karl  Freiherrn 
von  Hardenberg,  n.  13.  März  1776,  t  28.  Mai  1813,  einem  Bruder  von  Novalis,  wurde 
nach  dessen  Tode  Oberhofmeisterin  der  1826  gestorbenen  Prinzessin  von  Sachsen  und 
starb  über  70  Jahre  alt  zu  Dresden. 


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Er  sieht  sie  an,  freut  sich  ihres  Schlummers,  lehnt  sich  über  sie  liin, 
konmit  ihr  näher  und  siehet  den  Tod!  Die  ersten  Stunden  sollen 
fürchterlich  gewesen  sein,  aber  Ein  Wort  der  Amme,  einer  guten  jungen 
Bauersfrau,  hat  Um  auf  einmal  zu  seiner  itzigen  Fassung  gebracht.  Da 
sie  ihn  ausser  sich  und  fast  von  Sinnen  sähe,  ergrüf  sie  ihn  mit  beiden 
Händen  und  rief  ihm  sehr  ernst  zu,  „er  sollte  sich  nicht  so  haben  und 
bedenken,  wer  es  gethan  hätte."  Von  dem  Augenblick  ist  sein  Schmerz, 
so  glühend  er  auch  ist,  doch  nur  ein  sanfter  fronmaer  Schmerz.  Ihre 
Krankheit  soll  ein  hitziges  Katarrhalfleber  gewesen  sein;  Gott  weiss  es, 
er  hat  die  Bande  ihres  Lebens  aufgelösst  und  ihre  reine  Seele  zu  sich 
gefordert.  Mein  Bruder  und  Tinchen*)  können  mir  nicht  genug  be- 
schreiben, wie  vollkommen  wohl  sie  in  dieser  letzten  Zeit  her  gewesen 
sei,  blühend,  wie  wir  sie  in  ihrer  Ehe  nicht  gesehen  haben,  inmier  heiter 
und  holdselig,  aber  wie  mit  einem  heiligen  Schleier  der  Ahnung  eines 
nahen  Todes  bedeckt." 

Mittwoch  den  26.  November  war  die  Beerdigung.**)  Zwei  Tage 
darauf  reiste  Stolberg  über  Oldenburg  nach  Holstein.  Er  kehrte  nicht 
wieder  nach  Neuenburg  zurück,  bat  vielmehr  d.  d.  Tremsbüttel  den 
5.  März  1789  den  Herzog  um  seine  Entlassung,  weil  ihn  der  König  von 
Dänemark  als  Gesandten  nach  Berlin  schicken  wollte.  Sein  Gesuch  ward 
genehmigt  und  in  Eutin  verabschiedete  er  sich  vom  Herzog.  Am  18.  März, 
dem  Tage  seiner  Ankunft  in  Eutin,  schrieb  er  seinem  Bruder:  „Ich  ftihr 
meinen  einsamen  Weg  schnell  her  und  in  einer  wohlthätigen  Art  von 
Betäubung,  so  dass  ich  zusammenftihr,  als  ich  den  Kegel  von  Eutin  sah. 
Beim  Hause,  in  welches  ich  sie  heimführte  stieg  ich  ab  etc.***)  So  manche 
sehen  mich  mit  sichtbarer  Traurigkeit  an,  die  in  mir  denjenigen  sehen, 
der  um  einen  allgemeingeliebten  Engel  trauert."    Zwei  Oden,  die  Bitte 

*)  Agnes'  Schwester  Eatharine  Vicentina. 

**)  Ende  November  1789  ward  der  Leichnam  von  Neuenburg  nach  Brahe-TroUe- 
burg,  des  Grafen  Ludwig  Reventlow  Besitzung  auf  der  Insel  Fünen,  überführt. 
Hennes,  S.  411. 

***)  Hier  fehlt  offenbar  eine  Stelle,  die  sich  auf  den  Bewohner  des  Hauses,  Voss, 
bezieht,  von  Hennes  (S.  392)  aber  unterdrückt  und  mit  „etc."  bezeichnet  ist.  Nur 
ein  einziges  Mal  in  dem  ganzen  Buche  nennt  Hennes  den  Namen  Voss,  nämlich 
S.  154,  wo  er  von  der  Verwendung  Stolbergs  für  ihn  spricht  und  den  betreffenden  an 
den  Grafen  von  Holmer  gerichteten  Brief  d.  d.  Hamburg,  den  22.  Januar  1782,  ab- 
druckt. Er  sagt  bei  dieser  Gelegenheit,  dass  er  Voss  ferner  mit  keiner  Silbe  erwähnen 
würde,  und  zwar  wegen  dessen  späteren  Benehmens  gegen  Stolberg.  Ein  sonderbarer 
Grund  für  jemand,  der  Beiträge  zu  einem  Lebensbilde  Stolbergs  liefern  will! 


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und  Warnung*)  weinte  der  unglückliche  der  Entschlafenen  nach  und 
sang  in  der  letztem: 

„Schauet  mich  an!  denn  glücklicher  war  keiner! 

Was  ein  Bettler  sich  träumt,  ein  Kaiser  misshrancht, 
War  wie  schlechte  fliegende  Spreu  bei  meiner 
Fülle  zu  achten! 

Denn  Du  warst  mein,  Du  Süsse!  mein.  Du  Traute! 
Du  Holdselige,  mein,  mit  Taubenaugen! 
Mein  das  liebevoUste  der  liebenvollen 
Weiblichen  Herzen! 


Vater  der  Liebe,  den  die  Thräne  sühnet, 

Lass  mich  weinen,  so  lang  mein  Auge  schauet! 
Wenn's  im  Tode  brechend  erlischt,  so  führe 
Agnes  zu  Dir  mich!" 

Aber  kaum  in  Berlin,  wo  er  am  19.  April  eingetroffen,  heimisch 
geworden,  änderte  er  seine  Ansichten,  und  schon  im  Herbst,  als  er  wieder 
in  Holstein  war,  theilte  er  seinem  Bruder  und  seiner  Schwägerin  mit, 
dass  er  zu  einer  zweiten  Ehe  zu  schreiten  entschlossen  sei  und  zwar  mit 
Sophie  Charlotte  Eleonore  Gräfin  von  Eedem,  der  am  4.  Nov.  1765  ge- 
borenen Tochter  des  früheren  Oberhofinarschalls  in  Berlin,  Grafen  Sig- 
mund von  Eedem  auf  Königsbrück  in  Sachsen  (f  1.  Juli  1789)  und  der 
Marie  Johanne  de  HorgueUn  (f  1.  Januar  1788).  Dem  Herzog  Peter 
Friedrich  Lud^vig  schrieb  er  am  28.  Dez.  1789  von  Berlin:  „Euer  D. 
gnädige  Gesinnungen  gegen  mich  sind  mir  zu  schätzbar,  als  dass  ich  nicht 
mit  einiger  Besorgniss  Ihnen  einen  Entschluss  melden  sollte,  welcher 
Ihnen  vielleicht  missfallen  könnte.  Ich  wage  es,  nachdem  ich  die  Wonne 
meines  Lebens  verloren  habe,  eine  neue  Verbindung  einzugehen.  Das 
Andenken  der  EwiggeUebtesten  kann  durch  nichts  bei  mir  geschwächt 
werden;  aber  ich  gestehe  Ew.  D.,  dass  ich,  des  süssen  vertraulichen  Um- 
gangs gewohnt,  welchen  nur  eine  glückliche  Ehe  gewähren  kann,  nicht 
länger  an  Freudenlosigkeit  verschmachten  konnte.  Meine  Braut  ist  eine 
Comtesse  Eedem,  deren  Eigenschaften  des  Geistes  und  Herzens  mich  ge- 
wiss so  glücklich  machen  werden,  als  ich  nach  dem  Tode  meiner  Agnes 
noch  werden  kann.  Was  diese  mir  war,  kann  mir  keine  mehr  werden; 
ihr  heiliges  Andenken  bleibt  mir  das  Liebste,  bis  mich  der  Tod  wieder 
mit  ihr  vereiniget." 

♦)  Gedichte,  Th.  II.  S.  64  mid  67. 


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Am  15.  Febraar  1790,  also  genau  1  und  V*  Jahr  nach  Agnes  Tode, 
fand  zu  Königsbrück  die  Hochzeit  statt. 

Im  Frühjahr  1791  ward  Stolberg  zum  Dänischen  Gesandten  in 
Neapel,  um  welche  Stelle  er  sich  beworben  hatte,  ernannt,  trat  diesen 
Posten  aber  gar  nicht  an,  sondern  ging  am  17.  Juni  als  furstbischöflich 
Lübeckscher  ßegierungs-  imd  Kammerpräsident  wieder  in  die  Dienste  des 
Herzogs  Peter  Friedrich  Ludwig,  der  ihm  zugleich  ein  Dompräbende  ver- 
lieh. Nach  einer  längeren  Eeise  durch  Deutschland  und  die  Schweiz, 
Italien  und  Sicilien  kam  er  am  28.  Februar  1793  nach  Eutin,  um  seine 
Geschäfte  zu  übernehmen,  die  er  erst  in  der  ersten  Hälfte  des  Jahres 
1797  auf  längere  Zeit  unterbrach,  als  er  sich  zu  des  Kaisers  Paul 
Thronbesteigung  abermals  nach  Petersburg  begab.  Am  1.  Juni  1800, 
dem  Pfingstsonntag,  traten  er  und  seine  Frau  in  Münster,  in  der  Kapelle 
der  Fürstin  Gallitzin  geb.  Gräfin  Schmettau,  zur  katholischen  Kirche 
über,  welchem  Schritt  der  Eltern  bald  sämmtliche  Kinder,  mit  Ausnahme 
der  ältesten  Tochter  Marie -Agnes,  folgten.  Voss  hatte  sich  vergeblich 
bemüht,  alle  vier  „Agneskinder''  vor  dem  üebertritt  zu  retten,  d.  d. 
Karlsbad  den  17.  Juli  1800  bat  darauf  Stolberg  um  seinen  Abschied, 
der  ihm  unterm  21.  August  ertheilt  wurde,  siedelte  dann  nach  Westfalen 
über  und  starb  am  5.  December  1819  in  Sondermühlen  bei  Melle  im 
Osnabrückschen. 

Kurz  vor  seinem  Tode  waren  die  bekannten  Misshelligkeiten  zwischen 
ihm  und  Voss  ausgebrochen.  Goethe  bespricht  sie  in  seinen  Annalen 
(Jahr  1820^  und  errichtet  bei  dieser  Gelegenheit  der  Gräfin  Agnes  Stol- 
berg ein  schönes  Denkmal.  Er  meint,  wenn  sich  die  Göttinger  Freunde 
Voss  und  Stolberg  von  der  Akademie  nach  Norden  und  Süden  getrennt 
hätten,  so  wäre  ein  gewisses  Verhältniss  in  Briefen  und  Schriften  noch 
allenfalls  fortzuhalten  gewesen;  „aber  sie  nähern  sich  örtlich,  verpflichten 
sich  wechselsweise  zu  Dienst  und  Dank,  nachbarlich  wohnen  sie,  in  Ge- 
schäften berühren  sie  sich  und,  im  Innern  uneins,  zerren  sie  sich  an 
elastischen  Banden  unbehaglich  hin  und  wieder. 

Die  Möglichkeit  aber,  dass  eine  solche  Quälerei  so  lange  geduldet, 
eine  solche  Verzweiflung  perennirend  werden  konnte,  ist  nicht  einem  jeden 
erklärbar;  ich  aber  bin  überzeugt,  dass  die  liebenswürdig- vermittelnde 
Einwirkung  der  Gräfin  Agnes  dieses  Wunder  geleistet. 

Ich  habe  mich  selbst  in  ihren  blühenden  schönsten  Jahren  an  ihrer 
anmuthigsten   Gegenwart   erfreut   und   ein  Wesen  an  ihr  gekannt,   vor 


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—     848     — 

dem  alsobald  alles  Misswillige,  MisskUngende  sich  auflösen,  verschwinden 
musste.  Sie  wirkte  nicht  aus  sittlichem,  verständigem,  genialem,  sondern 
aus  frei-heiterm,  persönlich-harmonischem  üebergewicht.  Nie  sah  ich  sie 
wieder,  aber  in  allen  Eelationen,  als  Vermittlerin  zwischen  Ctemahl  und 
Freund,  erkenn'  ich  sie  vollkommen.  Durchaus  spielt  sie  die  Bolle 
des  Engel  Grazioso  in  solchem  Grade  lieblich,  sicher  und  wirksam, 
dass  mir  die  Frage  blieb :  ob  es  nicht  einen  Calderon,  den  Meister  dieses 
Faches,  in  Verwunderung  gesetzt  hätte? 

Nicht  ohne  Bewusstsein,  nicht  ohne  Gefühl  ihrer  klaren  Superiorität 
bewegt  sie  sich  zwischen  beiden  Unfreunden  und  spiegelt  ihnen  das  mög- 
liche Paradies  vor,  wo  sie  innerlich  schon  die  Vorboten  der  Hölle  ge- 
wahr werden. 

Die  Göttliche  eüt  zu  ihrem  Ursprung  zurück;  Stolberg  sucht  nach 
einer  verlorenen  Stütze,  und  die  Bebe  schlingt  sich  zuletzt  ums  Kreuz." 

Goethe  mischt  hier,  wie  so  oft  in  seinen  Erinnerungen,  wieder 
Dichtung  mit  Wahrheit,  denn  so,  wie  er  das  Verhältniss  zwischen  Voss 
und  Stolberg  schildert,  war  es  zu  Agnes  Zeiten  durchaus  nicht  gewesen; 
erst  nach  der  französischen  Bevolution  kamen  die  Gegensätze  zwischen 
beiden  mehr  und  mehr  zum  Vorschein,  bis  endlich  Stolbergs  Uebertritt 
zum.Katholicismus  den  vollständigen  Bruch  herbeiführte.*) 

Der  Gräfin  Agnes  aber  gedachte  Voss  stets  in  treuer  Zuneigung  und 
nannte,  wie  oben  schon  gesagt  ist,  die  schönste  Stelle  seines  Gartens  zu 
ihrem  Gedächtniss  den  Agneswerder. 

Wol  freut  ihr  euch  des  Örtchens! 
Wol  liegt  es  schön,  ihr  Herrn! 
Als  Kleinod  meines  Gärtchens 
Liegts  aller  Störung  fern. 
Doch  stur  gelobet  werd'  er, 
Mein  stiller  Agneswerder; 
Still  lobt'  ihn  Agnes  gem. 

Oft  sah  sie  hier  im  Kühlen, 
Gespannt  auf  klarer  Flut, 
Den  Regenbogen  spielen 
Und  kleiner  Fische  Brut; 
Oft,  umgekehrt  im  Bilde, 
Dort  Insel,  dort  Gefilde, 
Von  Abendduft  um  ruht. 


*)  cf.  W.  Herbst,   Joh.  Heinr.  Voss.    2  Bände.    Leipzig,  B.  G.  Teubner  1872 
bis  1876. 


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Wie  froh  des  Abendgoldes 
Auf  fem  umbüschten  Höhn, 
Wie  sprach  sie  froh  ihr  holdes, 
Ihr  herzliches:  «Wie  schön! 
Hier  lasst  uns  Hütten  bauen 
Und  hier  auf  frischen  Auen 
Vereint  durchs  Leben  gehn!" 

Da  sass  die  fromme  Seele 
Und  sprach  ihr  letztes  Wort. 
Mit  Ahorn,  Birk\  Abele 
Bepflanzt  ich  ihr  den  Ort. 
Da  pfleg  ich  im  Geheimen 
Vergangenheit  zu  träumen 
Und  bessre  Zukunft  dort. 

Dann  fühl'  ich  sanft  erschüttert. 
Ja  heilig  sei  die  Bank! 
Die  hohe  Pappel  zittert 
Bei  Nachtigallgesang. 
Den  Himmel  seh  ich  offen; 
Und:  «Dulden,  lieben,  hoflTen!" 
Ertönts  wie  Lautenklang.*) 


d.    Christoph  Ernst  von  Witzleben  und  seine 

Nachkommen, 

1751  bis  jetzt. 

Adam  Levins  d.  J.  von  Witzleben  auf  Hude  und  Elmeloh  ältester 
Sohn,  Christoph  Ernst  von  Witzleben,  geboren  am  14.  März  1751, 
erhielt  die  väterlichen  Güter  und  nahm  zu  denselben  vom  1.  Januar 
1779  an  die  Delmenhorster  Kommühle  gegen  einen  jährlichen  Zins  von 
400  Thalem  in  Erbpacht.  In  dem  darüber  am  19.  Juni  1779  aufge- 
richteten Contract  wird  er  Kammerjunker  tituUrt,  einige  Zeit  später  aber 
ist  er  Herzoglich  Holstein-Oldenburgischer  HoQägermeister**)  und  Schloss- 
hauptmann zu  Oldenburg.***)  Am  24.  Oct.  1786  verheirathete  er  sich 
zu  Eutin  mit  Elisabeth  Luise  Philippine  Ernestine  von  Weitels- 


*)  Voss,  Gedichte,  lY.  S.  14.    Aus  dem  1794  gedichteten  Liede  Der  Agnes- 
werder. 

**)  Lehnbrief  über  Elmeloh  vom  1.  Febr.  1787  nnd  Confirmationsbrief  über  Hude 
etc.  vom  7.  Sept.  1789. 

♦♦*)  Lehnbrief  über  Ehneloh  vom  23.  Apr.  1798. 


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hausen  gen.  Schrauttenbach,  welche  am  23.  Nov.  1746  geboren, 
mithin  über  40  Jahre  alt  und  4  Jahre  älter  war,  als  er.  Nachdem  sie, 
ohne  Kinder  gehabt  zu  haben,  am  17.  März  1808  zu  Hude  verblichen 
war,  schritt  Christoph  Ernst  am  14.  Apr.  1809  zu  einer  zweiten  Ehe 
mit  Friederike  Auguste  Wilhelmine  von  Eömer,  des  Justizraths 
von  Römer  zu  Rastede  Tochter,  geb.  den  26.  Aug.  1774,  die  ihm  am 
9.  Febr.  1810  den  ersehnten  Erben  und  in  jedem  der  beiden  folgenden 
Jahre  ein  Töchterlein  bescherte.  Dann  legte  er  sich  hin  imd  starb  am 
9.  Febr.  1813  zu  Hude,  allwo  er  auch  begraben  ward.  Die  Wittwe 
übernahm  die  Vormundschaft  des  nimmehrigen  Erbherm  von  Hude  und 
Elmeloh,  Adam  Friedrich  Ernst  von  Witzleben,  muthete  die 
Lehen,*)  erhielt  die  Confirmation  über  Hude  etc.  und  konnte  ihm,  als 
er  mündig  geworden  war,  die  Güter  im  besten  Zustande  übergeben. 
Namentlich  dem  Garten  zu  Hude  hatte  sie  ihre  besondere  Sorgfalt  ge- 
widmet, so  dass  er  zu  den  schönsten  im  Lande  gezählt  wurde  und  den 
Pastor  Mühle  (Das  Kloster  Hude,  Oldenburg  1826,  p.  76)  zu  folgenden 
Worten  begeisterte: 

„Jeder  Mensch  von  geläutertem  Gefülile,  welcher  noch  nie  einen 
so  geräumigen  romantischen  Garten  gesehen  hat,  wird,  wenn  er  bei  der 
angenehmen  Jahreszeit  in  denselben  tritt,  von  einer  ganz  eigenen  Stim- 
mung ergriffen.  Er  findet  alles  mit  wahrem  Geschmacke  angelegt  und 
sorgfältig  erhalten;  er  hat  den  beständigen  Genuss  von  einer  veredelten 
Sinnlichkeit,  wo  das  Auge  unaufhörlich  Abwechselungen  erschaut,  das 
Ohr  mannigfaltig  ergötzt  wird.  Hier  laden  ihn  schlängelnde  Gänge, 
welche  sich  durch  verschiedenartige  Anlagen  winden,  zum  Lustwandeln 
ein,  wo  er  bald  allmäUch  vom  Lichte  zum  Schatten  abwechselnd  über- 
geht, bald  sich  auf  einem  lang  gedehnten  im  Halbdunkel  durch  Nadel- 
holz geschlungenen  Pfade  befindet;  dort  ruht  das  Auge  auf  einem  grünen 
Anger  und  schafft  sich  in  der  Bleicherhütte  eine  Eremitenwohnung;  wird 
aber  bald  wieder  vom  Anblick  himmelanstrebender  Pappeln,  alternder 
Linden  und  mehrem  Gebüsches  überrascht.  Mancherlei  fremdartige 
Gewächse  in  ihrer  Pracht  nicken  ihm  entgegen;    vielfältige  Obstbäume 


*)  Im  Jahre  1831  ging  in  Folge  von  Verhandlungen  die  Lehnsherrlichkeit  sammt 
dem  dominio  directo  über  die  bisher  von  dem  K.  Preuss.  Tecklenburg  -  Lingenschen 
Lehnhofe  relevirenden,  im  Umfange  des  Herzogthums  Oldenburg  gelegenen  Lehen,  also 
auch  über  Elmeloh,  an  den  Oldenburgischen  Lehnhof  über.  s.  Lehnbrief  über  Elmeloh 
vom  25.  Nov.  1831. 


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lassen  ihren  Blüthenregen  auf  ihn  herabtaumeln;  Blumen  im  bunten  Ge- 
mische, theils  einem  mildem  Hinmielsstriche  entstammend  und  im  Ge- 
wächshause zart  gepflegt,  säuseln  ihm  balsamische  Wohlgerüche;  ein 
üppiger  Küchengarten,  schon  frühzeitig  bestellt,  zeugt,  wie  das  Ganze, 
von  der  Emsigkeit  des  Gärtners;  mehrere  zerstreute  Teiche  blinken  ihm 
mit  spielenden  Fischen  entgegen  und  erhöhen  ausnehmend  das  Malerische 
der  Landschaft.  Spricht  ihn  das  Wandeln  nicht  länger  an,  so  bieten  ihm 
kunstlose  Gartenstühle  und  einfache  Bänke,  die  sich  hier  und  dort  um 
Bäume  kreisen,  einen  Sitz  an  imd  deuten  allenthalben  auf  unterhaltende 
Gesichtspunkte  hin,  indem  sie  immer  auf  Gebüsch,  Wasser  u.  s.  w.  zeigen. 
Hier  hört  man,  wie  ringsum,  aus  tausend  Kehlen  den  Gesang  verschiede- 
ner Vögel,  übertäubt  von  schmetternden,  wirbelnden  und  trillernden 
Tönen  der  Nachtigall,  wenn  diese  Königin  des  Haines  ihr  Loblied  mischt 
in  das  grosse  HaUelujah  der  Schöpfung  und  anstimmt  den  Preisgesang 
auf  den  Schöpfer  der  Natur  und  ihr  wunderschönes  Eden;  dort  ergötzt 
sich  das  Ohr  am  Wasserfalle,  der  murmelnd  und  plätschernd  dahin  roUt. 
Was  die  Klosterruinen  aus  ihren  bemooseten  und  noch  jüngst  theils  mit 
Epheu  bekleideten  Mauern  dem  Wanderer  zusprechen,  leitet  zu  Gefühlen 
und  Betrachtungen,  welche  nur  hier  ihr  ganzes  Vollgewicht  haben  können. 
Mancher  reiche  Britte  würde  eine  Menge  SterUnge  geben,  wenn  er  solche 
Trümmer  in  seinem  Parke  hätte.  —  Denkt  man  sich  hinzu,  wie  in  der 
Vorzeit  so  viele  Mönche  hier  lustwandelten,  so  manche  Grosse  gern  ver- 
weilten, mehrere  Urahnen  der  geliebten  landesväterlichen  Regentenfamilie 
und  der  Beherrscher  des  Nordens  hier  Ruhe  im  Leben  und  im  Tode 
fanden:  so  verlässt  man  im  Vollgenusse  den  Garten  und  dankt  der  hu- 
manen Besitzerin,  welche  denselben  gerne  jedem  gebildeten  Fremden 
öffnen  lä«st." 

Friederike  von  Witzleben  starb  erst  in  ihrem  89.  Lebensjahre,  am 
8.  März  1863. 

Adam  Friedrich  Ernst  von  Witzleben,  am  9.  Febr.  1810  ge- 
boren, gab  die  Stellung,  welche  er  am  Oldenburgische  Hofe  bekleidete, 
auf  imd  widmete  sich  ganz  der  Bewirthschaftung  seiner  Güter,  in  deren 
Eigenthumsverhältnissen  mancherlei  Veränderungen  vorgingen.  Im  Jahre 
1844  wurden  die  zum  Lehngute  Elmeloh  gehörenden  Berechtigungen, 
nämlich  der  Gruppenbührer  Zehnten  und  die  Verpflichtungen  der  Junker- 
meier, mit  landesherrlicher  Genehmigung  abgelöst  und  dafür  die  Dampf- 
mühle zu  Elmeloh  mit  ihrer  vollständigen  Einrichtung  als  ein  unzertrenn- 


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liebes  Pertinenz  des  Elmeloher  Lehns  und  als  Theil  desselben  snbstitmrt. 
In  Folge  des  Gesetzes  vom  28.  März  1852  (betreflfend  die  Aufhebung 
der  Fideicommisse,  des  Lehnsverbandes  und  der  Stammgüter)  war  das 
vor  106  Jahren  errichtete  Fideicommiss  zu  Hude  und  Ehneloh,  unge- 
achtet der  Protestation  der  andern  FamiliengUeder,  aufgehoben  und  Hude 
und  Elmeloh  in  das  freie  Eigenthum  Adam  Friedrich  Emsts  von  Witz- 
leben übergegangen.  Als  Entschädigung  für  die  Aufhebung  des  Lehns- 
verbandes von  Elmeloh  zahlte  derselbe  in  Folge  einer  am  8.  Jan.  1855 
mit  der  Grossherzoglichen  Regierung  geschlossenen  Vereinbarung  au  jene 
die  Summe  von  22  Thalem  und  66  Grote  und  für  Auflösung  des  Erb- 
pachtsverhältnisses bezüglich 

a)  des  Vorwerks  und  der  Mühle  zu  Hude, 

b)  des  Vorwerks  Delmenhorst  und  der  Hasberger  Mühle, 

c)  der  Neuenkooper  Mühle, 

d)  des  Delmenhorster   Küchengartens   mit   dem   Hutzberg   und    dem 
Kronwerk, 

e)  der  Mühle  zu  Düpe, 

f)  der  Debnenhorster  Kommühle 

laut  Punctation  vom  13.  Februar  1755  ein  Ablösungs  -  Kapital  von 
42343  Thalem  34  Grote.  Nachdem  er  dann  einzelne  Ländereien  zu 
seinem  Besitz  hinzugekauft,  legte  er  allen  Gütern  wieder  die  Eigenschaft 
eines  Fideicommisses  bei  und  errichtete  am  25.  Mai  1871  mit  seinem 
ältesten  Sohne  Friedrich  Christoph  Ernst  von  Witzleben  einen 
Erbvertrag,  wonach  dieser  einst  die  Fideiconmussgüter  erben  sollte,  da- 
gegen auf  den  AUodialnachlass  verzichtete  und  seinen  Geschwistern  eine 
Abfindung  von  50000  Thalem  auszuzahlen  versprach. 

Adam  Friedrich  Ernst  von  Witzleben  starb  zu  Hude  am  24.  Juni 
1874  mit  Hinterlassung  von  4  Söhnen  und  4  Töchtem  (s.  Tab.  L  15.) 
und  Friedrich  Christoph  Ernst  von  Witzleben  trat  den  Besitz 
von  Hude  und  Elmeloh  an. 

e.   BocIlus  Friedricli  Otto  von  Witzleben 

und  seine  Nachkommen, 

1758  bis  jetzt 

Adam  Levins  d.  J.  von  Witzlebens  6.  Kind  und  2.  Sohn  war  Rochus 
Friedrich  Otto  von  Witzleben,  geboren  am  10.  April  1758.    Durch 


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Königliche  Besolution  vom  2.  Nov.  1769,  also  in  seinem  12.  Jahre,  er- 
hielt er  ein  Patent  als  Seconde-Lieutenant  ä  la  suite  des  Oldenburgischen 
Infanterie-ßegiments ,  wurde  am  1.  April  1773  znm  wirklichen  Seconde- 
Lieutenant  ernannt  und  am  27.  Februar  1782  als  Capitain  dimittirt, 
worauf  er  in  Herzoglich  Holstein-Oldenburgische  und  Bischöflich  Lübeck- 
sche  Dienste  trat  und  Schlosshauptmann  zu  Eutin,  später,  1800,  König- 
lieh Dänischer  Kammerherr  imd  1820  Chef  des  Hofes  des  geisteskranken 
Herzogs  Peter  Friedrich  Wilhelm  von  Oldenburg  in  Plön  wurde.  Er 
starb  im  Jahre  1826  ganz  plötzlich,  im  Begriff,  zu  einer  Brunnenreise 
in  den  Wagen  zu  steigen.  Seine  Gemahlin  war  seit  1788  Marianna 
Wilhelmine  Antoinette  Maximiliane  von  Biedenfeldt,  des 
Christoph  Friedrich  von  Biedenfeldt  aus  Hessen  und  der  Louise  Marquise 
du  Hamel  Tochter,  geb.  den  11.  Febr.  1750,  f  1831,  welche  Hofdame 
der  1785  gestorbenen  Herzogin  Friederike,  des  Administrators  von  Olden- 
burg Gemahlin,  gewesen  war.  Beider  Sohn  war  Adam  Ernst  ßochus 
von  Witzleben,  am  14.  Februar  1791  zu  Eutin  geboren.  Derselbe 
widmete  sich  der  Civil -Laufbahn  und  war  Kammer-Auditor,  als  die  all- 
gemeine Erhebung  des  Jahres  1813  erfolgte.  Er  trat  in  englische  Dienste, 
in  denen  er  aber  nur  einen  Monat  verblieb.  Durch  Kaiserlichen  ükas 
vom  11.  August  1813  wurde  er  als  Fähnrich  beim  6.  Bataillon  der 
Russisch -Deutschen  Legion  angestellt,  bei  welcher  er  als  Adjutant  die 
Gefechte  an  der  Göhrde,  16.  Sept.,  und  bei  Sehestedt,  10.  Dec.  1813, 
mitmachte.  Nachdem  ei-  am  2.  Febr.  1814  zum  Seconde-Lieutenant 
ernannt  war,  ging  er,  als  die  Legion  von  Preussen  übemonmien  wurde, 
nach  Oldenburg  und  ward  vom  Herzog  Peter  unterm  14.  Apr.  1815  in 
dem  neuformirten  Oldenburgischen  Infanterie -Regiment  angestellt.  Als 
Regiments  -  Adjutant  und  seit  dem  4.  Mai  1815  Premier  -  Lieutenant 
machte  er  den  Feldzug  dieses  Jahres  gegen  Frankreich  und  namentlich 
die  Belagerungen  von  Meziferes  und  Montmedy  mit  und  trat  am  29.  Dec. 
1815  in  den  Civil -Staatsdienst  zurück,  den  er  bald  mit  den  Hofdienst 
vertauschte.  Er  wurde  Kammerherr,  Oberstallmeister  und  Geheimer 
Rath  und  starb  am  14.  August  1868  zu  Oldenburg.*)  Er  war  drei  Mal 
verheirathet  gewesen,   1)  mit  Franziska  von  Heimburg,   welche  am 

*)  Diese  spärlichen  Angaben  sind  B.  von  Qnistorp,  Die  KaiserL  Rnssisch- 
Dentsche  Legion.  Berlin  1860,  und  der  Personal -Chronik  der  Oldenb.  Officiere  und 
Mil.  Beamten  von  1775  bis  1867,  Oldenb.  1876,  entnommen.  —  Unsere  Bitte  um  etwas 
ausführlichere  Nachrichten  fand  betreffenden  Orts  kein  Gehör. 


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14.  August  1836  starb,  2)  mit  seiner  Cousine  Eleonore  Karoline 
Friederike  von  Witzleben  aus  Hude,  geb.  den  30.  Juni  1811,  f  ™ 
October  1843,  und  3)  seit  dem  21.  Februar  1845  mit  Josephine 
Theophile  Emma  von  Witzleben  a.  d.  H.  Wartenburg-Werben,  des 
Grossherzoglich  Sächsischen  Kammerherrn  Hans  Dietrich  August  Leopold 
von  Witzleben  und  der  Celeste  Lätitie  de  Becquey-Beaupr6  Tochter,  geb. 
den  14.  Febr.  1819  auf  dem  Schlosse  Lauzun  im  südlichen  Frankreich, 
f  den  13.  Oct.  1863  zu  Oldenburg,  Ehrendame  des  Bayrischen  Theresien- 
Ordens  und  Hofdame  der  Grossherzogin  Maria  Paulowna  von  Sachsen- 
Weimar,  in  weiten  Kreisen  gekannt  und  geehrt  wegen  ihrer  seltenen 
Herzens  und  Geistesgaben,  sowie  wegen  ihres  liebenswürdigen  entgegen- 
konunenden  Charakters.*)  Nur  aus  der  letzten  Fhe  entsprossen  Kinder, 
zwei  Töchter  und  ein  Sohn  (s.  Tab.  I.  15.). 


f.    Christoph  Henning  von  Witzlehen  und  seine  Sohne, 

1769— 1860, 

Adam  Levins  d.  J.  von  Witzleben  auf  Hude  und  Elmeloh  7.  Kind 
und  3.  Sohn,  Christoph  Henning  von  Witzleben,  wurde  am 
24.  Juli  1759  zu  Hude  geboren,  zehnjährig,  am  2.  Nov.  1769,  zum 
Seconde-Lieutenant  ä  la  suite  des  Oldenburgischen  Regiments,  am  9.  Mai 
1776  zum  wirklichen  Seconde-Lieutenant,  am  24^Dec.  1783  zum  Premier- 
Lieutenant  ernannt,  den  25.  Febr.  1785  zum  Schleswigschen  Regiment 
versetzt,  am  22.  Sept.  1786  als  Capitain  dimittirt,  erhielt  später  den 
Majors-Charakter,  wurde  im  Jahre  1804  Dänischer  Kanmaerherr  und  war 
erster  Gesellschafts -Cavalier  des  Herzogs  Peter  Friedrich  Wilhelm  von 
Oldenburg  in  Plön.  Am  27.  April  1787  hatte  er  sich  auf  dem  Gute 
Loitmark  bei  Kappeln  in  Schleswig  mit  Friederke  Juliane  Marie 
Charlotte  Luise  Gräfin  zu  Stolberg-Stolberg,  des  Königl.  Däni- 
schen Kammerherm,  Geheimen  Raths  und  Oberhofineisters  der  Königin 
Sophia  Magdalena  von  Dänemark  Christian  Günther  Graf  zu  Stolberg- 
Stolberg  (n.  29.  Juni  1714,  f  *^'^'  J^i^i  1765)  und  der  Christiane  Char- 
lotte Friederike  Gräfin  zu  Castell  -  Remlingen  (n.  5.  Dec.  1722,  verm. 
26.  Mai  1745,  f  22.  December  1773)  Tochter,  vermählt.  Sie  war  am 
9,  Nov.  1759  zu  Kopenhagen  geboren    und  die  in  der  Familie  „blond 

*)  Illustrirte  Zeitung,  Leipzig,  den  31.  Oct.  1863,  p.  318. 

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Julchen"  genannte  Schwester  der  Dichter  Christian  und  Friedrich  Leo- 
pold Stolberg.  Letzterer  schrieb  seiner  Schwägerin  Luise  aus  Plön  am 
23.  Juli  1788:  „Julchen  und  Witzleben  grüssen.  Sie  sind  sehr  ver- 
gnügt und  fühlen  es,  dass  sie  ein  Paradies  bewohnen.^^  *)  Nachdem 
beide  am  27.  April  1837  ihre  goldene  Hochzeit  gefeiert,  starb  Henning 
am  25.  Januar  1838,  Juliane  am  20.  Mai  1847.  Von  den  zwei  Söhnen, 
welche  sich  unter  ihren  7  Kindern  (s.  Tab.  L  15.)  befanden,  ging 

Leopold  Ludwig  Johannes  Ernst  von  Witzleben,  der  am 
20.  Juli  1793  in  Kopenhagen  geboren  war,  am  1.  Januar  1812  als  Cadet 
in  Dänische  Dienste,  verliess  dieselben  jedoch  schon  am  4.  April  dess.  J., 
um  sich  dem  Forstfach  zu  widmen,  trat  aber  1813  beim  2.  Husaren- 
Regiment  der  Russisch-Deutschen  Legion  ein,  wo  er  durch  Kaiserlichen 
Befehl  vom  22.  Nov.  dess.  J.  zum  Comet  ernannt  wurde.  Mit  der  Legion 
wurde  Johannes  in  die  Reihen  des  preussischen  Heeres  aufgenommen  und 
am  29.  März  1815  als  Second-Lieutenant  zum  2.  Garde-Ulanen-Regiment 
versetzt.  1826  bat  er  wegen  Kränklichkeit  um  den  Abschied,  der  ihm  als 
Rittmeister  bewilligt  wurde,  und  bald  darauf  erhielt  er  eine  Anstellung  als 
Steuerbeamter  in  Freienwalde  a.  0.  Hier  starb  er  an  den  Folgen  der 
Gicht  im  Jahre  1854.  Am  22.  Juli  1828  war  er  mit  Adelheid 
Lamaitre,  geb.  in  Berlin  den  20.  März  1805,  in  den  Stand  der  heiligen 
Ehe  getreten,  hatte  aber  keine  Kinder.     Sein  Bruder  war 

Magnus  Ernst  Christian  von  Witzleben,  den  31.  Januar  1799 
geboren.  Grossherzoglich  Oldenburgischer  Kammerherr,  am  13.  Nov.  1860 
unvermählt  gestorben.  Sein  in  den  Ruinen  der  Witzlebenschen  Burg 
bei  Berka  1836  entstandenes  Gedicht  s.  Th.  H.  S.  128. 


g.   ChriBtoph  Bnrchard  Beiniger  von  Witzleben  und  seine 

Tochter  Wilhelmine  von  Plüskow. 

1760—1872.. 

Adam  Levins  d.  J.  von  Witzleben  zu  Hude  und  Elmeloh  8.  Kind 
und  4.  Sohn,  Christoph  Burchard  Reiniger  von  Witzleben,  den 

♦)  Henne 8,    Fr.  L.  Gr.  z.  Stolberg  und  Herzog  Peter  Fr.  Ludw.  von  Olden- 
burg. 8.  364. 

25 


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—     356     — 

20.  Anglist  1760  geboren,  war  Königlich  Dänischer  HoQunker,  Herzoglich 
Holstein-Oldenburgischer  Legations-Bath  und  Assessor  beim  Landgericht 
in  Delmenhorst,  starb  am  17.  Oct.  1815  in  Delmenhorst  und  ward  zu 
Hude  begraben.  Seine  Gemahlin  war  Hedwig  Dorothea  von  Bumohr 
a.  d.  H.  Bossee,  des  Fürstbischöflich  Lübeckschen  Geheimen  Baths  und 
Staatsministers  sowie  Domherrn  zu  Lübeck  Henning  Bendix  von  Bumohr 
auf  Bossee  bei  Bendsburg  (n.  1717,  f  1778)  und  der  Adelheid  Benedicte 
von  Blome  a.  d.  H.  Hagen  (n.  6.  Febr.  1725.  verm.  1745,  f  ^-  J^li 
1806)  Tochter,  welche  1764  geboren  war  und  in  den  vierziger  Jahren 
dieses  Jahrhunderts  in  Altena  starb.  Von  den  6  Kindern  (s.  Tab.  L  15.) 
ist  namentlich  das  jüngste  zu  erwähnen, 

Juliane  Wilhelmine  Ditlefine  von  Witzleben,  den  16.  Sept. 
1793  zu  Eckemförde  geboren,  Stiftsdame  zu  Wemmetoft.  Im  Jahre  1800 
nahm  deren  Onkel,  der  Geheime  Conferenz-Bath  von  Qualen  auf  Borg- 
horst und  Damp  (im  Kreise  Eckernförde),  Verbitter  von  Itzehoe,  der  auch 
ein  Haus  in  Kiel  besass,  sie  zu  sich  und  sorgte  nicht  nur  in  wahrhaft; 
väterlicher  Weise  für  ihre  Erziehung,  sondern  gab  ihr  auch,  als  sie  sich 
am  14.  August  1814  mit  dem  nachherigen  Bittmeister  Karl  von  Plüs- 
kow  auf  Trechow  in  Mecklenburg  (n.  19.  Sept,  1788)  verheirathete,  eine 
reiche  Aussteuer  und  ziemliche  Mitgift  mit.  Nach  dem  am  28.  Januar 
1821  zu  Trechow  erfolgten  Tode  ihres  Gemahls  blieb  sie  mit  ihren 
3  Söhnen  und  2  Töchtern  auf  diesem  Gute  wohnen,  bis  die  Erziehung 
ihrer  Söhne  sie  veranlasste,  des  besseren  Unterrichts  wegen  eine  Beihe 
von  Jahren  in  Eutin  zu  leben.  Im  Jahre  1839  nahm  sie  die  ihr  ange- 
botene Stelle  einer  Obersthofineisterin  der  Königin  Amalie  von  Griechen- 
land, geb.  Prinzessin  von  Oldenburg,  an  und  reiste  im  Spätherbst  d.  J. 
über  Triest  nach  Athen,  wo  sie  23  Jahre  verweilte  und  es  nach  und  nach 
dahin  brachte,  dass  sie  sieben  Sprachen  sprach:  Deutsch,  Französisch, 
Englisch,  Dänisch,  Italienisch,  Griechisch  und  Spanisch.  Im  October  1862 
ging  sie  mit  dem  vertriebenen  Königspaar*)  nach  Innsbruck,  München 
und  endlich  zu  bleibendem  Aufenthalt  nach  Bamberg,  und  bis  zu  ihrem 
Lebensende  blieb  sie  die  treue  Freundin  der  Königin; 
Sie  schreckte  nicht  der  Wechsel  dieser  Erde, 
Sie  blieb  ihr  treu  und  wollt*  sich  ganz  ihr  weih'n, 
Sie  war  in  Glanz  und  Glück  stets  ihr  Gefährte, 
Sie  wollt  es  nun  im  Unglück  auch  ihr  sein. 

*)  Ihrer  Geistesgegenwart  verdankte  die  Königin  die  Rettung  ihres  Schmucks. 

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—     357     — 

Iti    ihrem    79.  Lebensjahre    entschlummerte    sie  sanft  am  7.  April 
1872  zu  Bamberg. 


h.    Albrecht  Friedrich  Karl  von  Witzlehen 

nnd  seine  Nachkommen. 

1763  bis  jetzt 

Das  10.  Kind  und  der  5.  Sohn  Adam  Levins  d.  J.  von  Witzleben 
war  Albrecht  Friedrich  Karl  von  Witzleben,  welcher  am  8.  Juli 
1763  zu  Hude  geboren  und  am  18.  dess.  M.  getauft  wurde.  Sein  Pathe 
war  Albrecht  Friedrich  Karl*),  Markgraf  von  Brandenburg,  K.  Preuss. 
Generalfeldmarschall  und  Chef  eines  Regiments  Infanterie,  Grossmeister 
des  Johanniter -Ordens  und  Herrenmeister  zu  Sonnenburg,  der  jedoch 
nicht  anwesend  war.  Karl  von  Witzleben  begann  seine  Laufbahn  als 
Page  der  Prinzessin  Charlotte  Amalie  von  Dänemark,  wurde  dann,  am 
6.  Oct.  1781,  zum  Second-Lieutenant  bei  dem  jütischen  Dragoner-Regi- 
ment ernannt,  durch  Königliche  Resolution  vom  18.  Dez.  1782  aber  in 
das  jütische  Reiter-Regiment  versetzt  und  am  11.  Febr.  1785  mit  350 
Thalem  Pension  dimittirt.  Später  ward  er  als  Capitain  ä  la  suite  wieder 
angestellt  und  durch  Resolution  vom  6.  Juli  1804  zum  Compagnie-Chef 
beim  3.  Bataillon  des  südlichen  seeländischen  Landwehr-Regiments  mit 
Anciennetät  vom  2.  Apr.  1801  ernannt.  Am  20.  Apr.  1809  wurde  er 
als  Major  dimittirt.  Im  Jahre  1814  reiste  er  nach  Oldenburg,  imi  Im 
Verein  mit  seinen  Brüdern  Rochus  und  Henning  einen  Process  wegen 
vermeintlicher  Erbansprüche  gegen  die  Wittwe  und  den  Sohn  des  ältesten 
Bruders  Ernst  auf  Hude  zu  fuhren.  Die  Sache  zog  sich  natürlich  in.  die 
Länge;  er  siedelte  1816  ganz  nach  Oldenburg  über,  erlebte  aber  das  Ende 
des  Processes  nicht,  da  er  schon  am  27.  Dez.  1843  in  seinem  81.  Lebens- 
jahre zu  Oldenburg  g(tarb.  Sein  Leichnam  wurde  am  8.  Januar  1844 
auf  dem  Witzlebenschen  Begräbnissplatz  in  Hude  beigesetzt.  Seit  dem 
17.  Oct.  1794  war  ^r  mit  Maria  Dorothea  Humble,  n.  13.  Nov. 
1769,  t  *^5.  Nov.  1841,  verheirathet  gewesen.  Seine  beiden  Söhne, 
Sophus  Friedrich  Leopold  imd  Ditlef  Ludwig  Karl  Theodor,  liessen 
den  ererbten  Process  sofort  als  erfolglos  fallen. 

*)  Kirchenbuch  zu  Ganderkesee;   nach  Gatterer,   Handb.  der  neuesten  Geneal- 
und  Heraldik,  Nürnberg  1761,  S.  12  aber:  Friedrich  Karl  Albert,  n.  10.  Juni  1705. 


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—     358     — 

Sophus  Friedrich  Leopold  von  Witzleben,  am  31.  Mai  1798 
geboren,  war  am  1.  Januar  1812  Dänischer  Cadet  geworden,  am  16.  Febr. 
1813  aber,  weil  er  das  Schwimmen  nicht  vertragen  konnte,  aufsein  Ge- 
such dimittirt.  Sein  Vater  nahm  ihn  mit  nach  Oldenburg,  in  dessen 
Infanterie-Regiment  er  später  eintrat.  Nachdem  er  am  11.  April  1824 
auch  hier  auf  sein  Ansuchen  verabschiedet  war,  und  zwar  als  Fähnrich, 
ging  er  wieder  nach  Dänemark  zurück  und  fand  dort  eine  Anstellung 
als  Zollbeamter.  Diesen  Dienst  verliess  er  um  das  Jahr  1838.  In  den 
Kriegsjahren  1848  —  50  und  1864  war  er  bei  der  Armee -Intendantur 
angestellt.  Am  l.  Januar  1865  schied  er  dahin,  während  seine  Gattin 
Adamine  geb.  Drastrup,  welche  am  21.  April  1798  geboren  und  seit 
dem  29.  Juli  1830  mit  ihm  verheirathet  war,  noch  1876  lebte.  Beider 
Söhne  s.  Tab.  I.  15. 

Ditlef  Ludwig  Karl  Theodor  von  Witzleben,  am  13.  Nov. 
1812  geboren,  ward  Königlich  Dänischer  Cadet  ohne  Gage  am  1.  Januar 
1826,  wirklicher  Cadet  am  1.  Januar  1829,  Second- Lieutenant  bei  dem 

1.  Leibregiment  zu  Fuss  am  1.  Januar  1830,  Premier -Lieutenant  am 
11.  Juni  1838  und,  nachdem  er  vom  1.  Nov.  1839  bis  31.  Oct.  1842 
bei  der  Artillerie  Dienste  gethan,  zum  2.  Infanterie -Bataillon  versetzt 
(1.  Nov.  1842).  Als  die  Insurrection  der  Herzogthümer  Schleswig  und 
Holstein  im  März  1848  ausbrach,  wurde  sein  Compagnie-Chef  krank  und 
ihm  das  Konmaando  der  3.  Compagnie  anvertraut,  mit  welcher  er  am 
9.  April  das  Gefecht  bei  Bau  und  Flensburg,  am  23.  April  die  Schlacht 
bei  Schleswig,  am  28.  Mai  das  Gefecht  bei  Düppel  und  Nübbel  und  am 
5.  Juni  das  bei  Düppel  und  Standerup  mitmachte.  Als  hierauf  das 
Bataillon  nach  Jütland  rückte,  wurde  er  Kommandant  am  14.  Juni 
von  Kolding,  am  8.  Juli  von  Weile  und  am  20.  Juli  von  Horsens.  Am 
17.  Juli  war  er  zum  Capitain  ernannt  worden  und  am  13.  Sept.  1848 
erhielt  er  den  Danebrog..  Am  20.  Januar  1849  wurde  er  als  Konmian- 
dant  und  Chef  der  Exercierschulen  nach  Aalborg  konmiandirt,  wo  er  die 
Ausbildung  von  4 — 5000  Bekiniten  zu  leiten  hatte,  und  anfangs  Juli 
nach  Kopenhagen  berufen,  imi  die  Disciplin  in  einer  Depot -Compagnie 
herzustellen.  Am  31.  Oct.  1849  ging  er  als  Compagnie-Chef  bei  dem 
11.  Bataillon  nach  Aalborg  zurück,  wurde  aber  schon  im  December  zum 

2.  Verstärkungs-Bataillon  nach  Nyborg  versetzt.  Mit  der  3.  Compagnie 
dieses  Bataillons  focht  er  dann  am  25.  JuH  1850  in  der  Schlacht  bei 
Idstedt,    wo    eine    Spitzkugel   in  seinen  rechten  Schenkel  flog.    Als  die 


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—     359     — 

Wunde  geheilt  war,  im  Nov.  dess.  J.,  ernannte  man  ihn  zum  Nächst- 
kommandirenden  (M^ors- Dienst)  beim  5.  Verstärkungs- Bataillon;  als 
dieser  Posten  aber  eingezogen  wurde,  übernahm  er  das  Kommando  der 
1.  Compagnie  desselben  Bataillons,  bis  er  am  2.  Mai  1852  mit  Pension 
dimittirt  wurde.  Am  27.  Mai  1846  hatte  er  sich  mit  Sophie  Kon- 
radine  Friederike  von  Moltke  vermählt,  welche  am  12.  Dec.  1815 
zu  Kopenhagen  geboren  war,  aber  schon  am  18.  Juni  1849  in  Aalborg 
starb,  nachdem  sie  vier  Tage  vorher  einem  Söhnlein  das  Leben  gegeben. 
Dieses  Söhnlein  lebte  nur  einen  Tag.  Im  Jahre  1864  wurde  Karl  von 
Witzleben  wieder  zum  Dienst  fürs  Vaterland  berufen  und  zwar  als  Chef 
der  Exercierschulen  in  Odense;  3  —  4000  Kekruten  hatte  er  vom 
20.  Januar  bis  16.  Juni  unter  seinem  Kommando.  Am  22.  Juni  ward  er 
zum  Major  und  bald  darauf  zum  Bataillons  -  Kommandeur  bei  der  Exer- 
cierschule  in  Kopenhagen  ernannt.  Der  Frieden  machte  seiner  Thätigkeit 
ein  Ende  und  am  14.  August  1864  wurde  er  auf  sein  Gesuch  wieder 
dimittirt.  Am  14.  Juli  1869  erhielt  er  als  nachträgliche  Anerkennung 
seiner  Dienste  ein  Königliches  Abschiedspatent  als  Oberst.  Er  lebt  zu 
Nyborg  auf  Fünen  und  hat  uns  von  dort  aus  auf  die  zuvorkommendste 
und  freundlichste  Weise  mit  Nachrichten  unterstützt  über  die  Linie  zu 
Hude  und  Elmeloh. 


Dniek  von  OBBR.  ORVNERT,  Berlin.  JaDk«r<8tr.  10L 


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Geschichte 


der 


Familie  von  Witzleben. 


Nach  archivalischen  Quellen  bearbeitet 


Gerhard  August  von  Wiizleben, 

•dtral-Cifiitnitiit  ).  9. 
und 

Karl  Hartmann  August  von  Witzleben, 

inaimr  a.  9. 


L  THEIL. 


V.  HEFT. 
f 

I>ie  IMolsclxlebeiier  X^inie 

nnd 

II>ie  X^inie   zu.  IVI!cii*lis]xa,u.seii. 

(Mit  Tier  Stamm-  nnd  einer  Ahnentafel,  zwei  Wappen,   dem  Titel  zum  I.  Theil  der 
Einleitung,  Inhalt  des  I.  Theils,  Anlage  II  und  Anlage  III.) 


-»*ee^- 


BEKLIN,   1880. 
Verlag  von  A.  Bath. 


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IV.  Abtheilung. 

Die  Molschlebener  Linie. 

a.   Von  1418  Ms  169& 


'er  zu  Witzleben  gesessene  und  am  15.  Apr.  1407  mit  dem  Hals- 
gericht, dem  Kirchlehn  und  der  Wildbahn  daselbst  belehnte  Bitter 
Dietrich  (Titzel)  von  Witzleben  hinterliess  bei  seinem  zu  Anfang 
des  Jahres  1418  erfolgten  Tode  eine  Wittwe  Barbara  und  einen  Sohn 
Konrad,  gewöhnlich  Kurt  geheissen  (s.  Tab,  I.  1.  unten  Unks).  Am 
16.  März  1418  ward  diese  Frau  Barbara  von  Witzleben  zu  Witz- 
leben unter  Zustimmung  ihres  Sohnes  Kon r ad  vom  Grafen  Günther 
zu  Schwarzburg  mit  60  rh.  Gulden  Erbzinsen  zu  Witzleben,  die  ihr  der 
Bitter  Dietrich  von  Witzleben  ais  Leibgedinge  hinterlassen  hatte,  be- 
lehnt. Ausserdem  war  ihr  aber  auch  ein  Theil  des  Gutes  zu  Witzleben, 
vom  Landgrafen  in  Thüringen  zu  Lehn  rührend,  verblieben,  den  1452 
Graf  Ludwig  von  Gleichen  erwarb  und  am  9.  Dec.  1460  an  den  Grafen 
Heinrich  zu  Schwarzburg  für  1250  rh.  Gulden  verkaufte.  Die  alte  Frau 
Barbara  lebte  zu  dieser  Zeit  noch  und  Graf  Ludwig  von  Gleichen  musste 
versprechen,  sie  schadlos  zu  halten.  Hr  Sohn  Konrad,  der  Güter  zu 
Witzleben,  Molschleben  und  Kleinfahner*)  besass,  wird  meist  Kurt  von 
Witzleben  zu  Witzleben,  aber  auch  Kurt  von  Witzleben  zu 
Molschieben    genannt   und   ist   als    Stifter    der    Molschlebener 


*)  Molschleben  ist  ein  grosses  Dorf  im  Kreise  Gotha  des  Hcrzogthams  Sachsen- 
Koburg-Gotha,  iVs  St.  nordöstlich  von  Gotha,  am  Einilass  des  Attichbaches  in  die 
Nesse,  und  der  Stammort  des  um  1438  erloschenen  Geschlechts  von  Molschleben. 
Kleinfahner  liegt  in  demselben  Kreise,  2  St.  südöstlich  von  Grafen tonna  und  2^h  St. 
nordöstlich  von  Gotha. 

26* 


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—     362     — 

Linie  anzusehen  (s.  Stammtafel  I.  16).  Er  starb  bereits  im  J^re  1437 
mit  Hinterlassung  von  2  Söhnen,  Heinrich  und  Kurt.  Letzterer  war 
noch  unmündig;  die  Vormundschaft  übernahm,  dem  Wunsche  seines 
Vaters  gemäss,  Dietrich  von  Witzleben  (zu  Molsdorf,  Bruder  Heinrichs, 
des  Stammvaters  der  Liebensteiner  Linie).  Der  Landgraf  Friedrich  aber 
verlieh  die  Lehngüter,  welche  „das  Kind",  d.  h.  der  junge  Kurt,  von 
ihm  zu  Lehn  trug,  dem  Bitter  Friedrich  von  Witzleben  (zum  Wendel- 
stein) und  Bernd  von  der  Asseburg  zu  einem  rechten  Anfall  und  setzte 
diese  beiden  zugleich  zu  Vormündern  des  Kindes  ein.  Es  entstanden 
nun  zwischen  diesen  und  Dietrich  von  Witzleben  Zwistigkeiten,  die 
endlich  am  16.  Nov.  1437  zu  Weimar  vor  dem  Landgrafen  und  seinen 
Käthen  dahin  vertragen  wurden,  dass  Dietrich  von  Witzleben  die  land- 
gräflichen Lehngüter  des  Kindes  mit  allen  Briefen  und  Registern  dem 
Bitter  Friedrich  von  Witzleben  und  Bernd  von  der  Asseburg  über- 
antworten, alles  andere  Geld  und  fahrende  Habe  dagegen  in  Vormund- 
schaft behalten  sollte.  Am  26.  Nov.  1439  überwies  der  Landgraf  die- 
4  Mark  löthigen  Silbers  an  der  Jahrrente  des  Dorfes  zu  Molschleben, 
welche  früher  Dietrich  von  Molschieben  jährlich  zu  erheben  hatte,  fiir 
242  Gulden  Hauptgeld  an  Kurt  von  Witzleben  und  den  Bitter  Friedrich 
von  Witzleben  und  Bernd  von  der  Asseburg  unter  Vorbehalt  des  Wieder-' 
kaufsrechts.  Als  der  Landgraf  Friedrich  der  Einfältige  von  Thüringen 
gestorben  war  (4.  Mai  1440),  erneuerten  dessen  Vettern  und.  Erben, 
Kurfürst  Friedrich  der  Sanftmüthige  und  Herzog  Wilhelm  der  Tapfere 
von  Sachsen,  für  den  Bitter  Friedrich  von  Witzleben  und  dessen  Söhne 
und  Erben  am  14.  März  1441  die  Belehmmg  mit  dem  Anfall  der  Güter, 
welche  der  junge  Kurt  von  Witzleben  zu  Witzleben,  Molschleben  und 
Kleinfahner  von  dem  Fürstenthum  zu  Thüringen  zu  Lehn  hatte.  Nach 
Kurt's  kinderlosem  Tode  finden  wir  diese  Güter  aber  nicht  im  Besitz 
der  Wendelsteiner,  sondern  in  dem  der  Nachkonmaen  seines  Bruders 
Heinrich;  die  Wendelsteiner  werden  aber  noch  1485  als  Mitbelehnte 
genannt. 

Heinrich  von  Witzleben,  der,  namentlich  nach  dem  Tode  seines 
Bruders,  einen  nicht  unbedeutenden  Grundbesitz  hatte,  scheint  etwas  wüst 
und  nichts  weniger  als  ein  guter  Wirth  gewesen  zu  sein.  Nachdem  er 
im  Jahre  1444  einen  von  seinem  Vater  ererbten,  bei  Gotha  gelegenen 
Baumgarten  an  Kaspar  König  veräussert  hatte,  verkaufte  er  1452  dem 
Grafen  Ludwig  von  Gleichen,  Herrn  zu  Blankenhain,  67  V»  Schock  Groschen 


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—     363     — 

jährlichen  Zinses  und  10  Hufen  Landes  mit  Fischereien  und  anderen 
Zugehörungen  im  Dorfe  Witzleben  (womit  am  27.  Jan.  1453  des  Grafen 
Gemahlin  Katharina  vom  Kurfürsten  Friedrich  zu  Sachsen  belehnt  wurde), 
versetzte  dann  1456  das  zu  seinem  Hofe  zu  Witzleben  gehörende  Holz, 
sowie  das  Kirchlehn  und  das  Halsgericht  daselbst  an  die  Brüder  Hans, 
Bitter  Dietrich  und  Georg  von  Wittern  für  100  Schock  alter  Groschen 
und  verkaufte  femer  1457  Güter  zu  Kleinfahner  an  Thile  von  Seebach. 
Seine  Gemahlin  war  Sophie,  eine  Tochter  Kersten  d.  Ä.  von  Schlot- 
heim zu  Kutzleben.  Sie  und  ihre  Erben  belehnte  Herzog  Wilhelm  zu 
Sachsen  am  19.  Sept.  1452  aus  dem  Grunde,  weil  „sich  Heinrich  von 
Witzleben  zu  Witzleben  gegen  Sophie,  sein  eheliches  Weib,  ungebührlich 
hält",  mit  dem  Hofe  zu  Molschleben  nebst  den  dazu  gehörenden  Männern, 
Gütern,  Zinsen,  Beuten  und  Nutzungen  und  4  löthigen  Mark  an  der  Bete 
daselbst,  jährlich  auf  Michaelis  fallend,  mit  dem  Backofen  zu  Ballstedt 
(2  St.  nördlich  von  Gotha)  und  mit  Gütern,  Zinsen,  Holz,  Weingärten, 
Korn,  Gülten,  Backofen  und  Nutzungen  zu  Kleinfahner,  wie  alles  Hein-, 
richs  von  Witzleben  Eltern  und  er  innegehabt  hatten.  Nachdem  Hein- 
rich gestorben  war,  verkauften  Kersten  von  Schlotheim  und  Sophie  von 
Witzleben  in  Vormimdschaft  ihrer  Enkel  resp.  Söhne  Kurt  und  Hein- 
rich von  Witzleben  dem  Grafen  Heinrich  zu  Schwarzburg  am  31.  Dec. 
1464  das  Gut  zu  Witzleben,  welches  ihm  von  Heinrich  von  Witzleben 
bereits  versetzt  worden  war,  nämlich  den  Hof  mit  allen  Freiheiten  und 
das  Holz  daselbst,  für  1450  rh.  Gulden.  So  war  denn  auch  der  letzte 
Best  unseres  Stanungutes  in  fremde  Hände  übergegangen  und  Kurt  und 
Heinrich  nannten  nichts  ihr  eigen  als  den  Hof  zu  Molschleben  mit  dem 
kleinen  dazu  gehörenden  Gute  von  12  Hufen  Artlandes  ohne  jegliche 
Gerichtsbarkeit.  Der  jüngere  der  Brüder,  Heinrich  von  Witzleben, 
kaufte  später  gemeinschaftlich  mit  seiner  Gemahlin,  Katharina,  ver- 
wittweten  von  Stockheim,  ein  vom  Stifte  Hersfeld  zu  Lehn  rührendes 
freies  Lehngut  zu  Ballstedt,  bestehend  aus  einem  Hof,  8  Hufen 
Landes,  50  Ackern  Holz,  4  Ackern  Weide,  472  Pfund  Pfennigen  Land- 
geldes, 30  Hühnern  und  8  Gänsen,  die  von  etlichen  Hufen  und  Höfen 
zu  Ballstedt  als  Zins  gegeben  wurden,  1  See,  vor  dem  Holze  daselbst 
gelegen,  der  Gerechtigkeit  an  der  Schaftrift  zu  Ballstedt  und  etlichen 
Erbzinsen  zu  Ballstedt,  Molschleben,  Burgtonna,  Westhausen,  Buffleben, 
Eschenbergen  und  Bemstedt.  Diese  Erbzinsen  verkauften  beide  an 
Heinrich  Vogel  am  2.  Jan.  1501  für  300  rh.  Gulden  wiederkäuflich  und 


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am  22.  Febr.  1513  „erblich  und  zu  Ewigkeit"  für  442  rli.  Gulden  und 
7  alte  Groschen.  Heinrich  von  Witzleben  wird  nach  1513  nicht  mehr 
erwähnt;  er  starb  kinderlos  und  Ballstedt  fiel  an  seines  altern  Bruders 
Sohn  Asmus. 

Kurt  von  Witzleben  zu  Molschleben  hatte  sich  vermählt  mit 
Anna  von  Stockhausen,  deren  Mitgift  an  Ehegeld,  Kleinodien  und 
Kleidern  er  von  seinem  Schwager  Jan  von  Stockhausen  zu  Auleben  erst 
nach  Anstellung  einer  Klage  beim  Oberhofgericht  1495  erhielt*  Er  war 
Schosser  zu  Koburg  von  1500  bis  1504  und  gehörte  als  solcher  zu  der 
Kommission,  welche  am  28.  Apr.  1504  den  Auftrag  erhielt,  sich  nach 
dem  Kloster  Sonnefeld  (bei  Koburg)  zu  begeben,  um  den  von  den 
dortigen  Nonnen  vorgenonwnenen  Unfug  zu  untersuchen  und  die  Nonnen 
wieder  zurechtzuweisen.  Die  Nachrichten  über  Kurt  versiegen  ebenfalls 
mit  dem  Jahre  1513.  Seine  Söhne  waren  Asmus  und  Moritz,  von 
denen  der  letztere  schon  vor  1520  erblos  starb.*) 

Asmus  von  Witzleben  hatte  mit  den  Bauern  zu  Molschieben 
besonders  der  Trift  wegen  mancherlei  Streitigkeiten,  die  oft  erst  von 
dem  Herzog  zu  Sachsen  geschlichtet  werden  mussten.  Am  7.  Dec.  1528 
verzichtete  er  vor  den  Kurfürstl.  Sächsischen  Kirchen-Visitatoren  Christoph 
von  der  Planitz,  Philipp  Melanchthon,  Justus  Menius  und  Friedrich 
Myconius  auf  alle  seine  Eechte,  die  er  an  der  Vicarei  St.  Nicolai  in 
der  Kapelle  zu  Molschieben  hatte,  und  gestattete,  dass  diese  Vicarei  mit 
allem  ihrem  Zubehör  an  liegenden  Gründen,  Zinsen,  Haus  und  Hof  zum 
Pfarrlehn  zu  Molschleben  geschlagen  würde,  unter  der  Bedingung,  dass 
er  von  den  Vicarei-Ländereien  1  Hufe  Artlandes  und  1  Weidefleck  als 
freies  Eigenthum  erhalten  würde.  Um  das  Jahr  1532  verkaufte  er  sein 
freies  Rittergut  zu  Ballstedt  an  Heinrich  Vogel. 

Am  31.  Oct.  1537  verklagte  Asmus  von  Witzleben  zu  Molschleben 
beim  Oberhofgericht  zu  Leipzig  Christoffel  von  Seebach  zu  Kleinfahner. 
Er  (Asmus)  besitze  ein  Gehölz,  in  sein  Eittergut  gehörig  und  in 
Christoffels  von  Seebach  Gerichte  gelegen,  das  er  und  vor  ihm  sein 
lieber  Vater  je  und  allewege  ohne  irgend  jemands  und  sonderlich  der  von 

*)  Hans  Basilius  Edler  Herr  von   Gleichenstein,    Tab.  der     von  Goldacker, 
nennt  Knrt's  Fran  falschlich  Anna   von   Aofsess   und   dichtet   beiden   eine  Tochter 
Martha  an,  welche  Hartmann  von  Goldacker  auf  Uffhofen,   Kurf.  Sachs.  Ober-Steaer-  ^ 
dlrector,  einen  gelehrten  Kavalier,  geheirathet   habe.     Diese  Martha   war   aber  aas 
Liebenstein,  s.  Tab.  I.  11. 


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Seebach  Einrede  genutzt  hätte;  es  habe  sich  jedoch  gedachter  von  See- 
bach, ungeachtet,  dass  solch  Gehölz  ihm  weder  zinsbar  noch  schossbar, 
auch  mit  keinerlei  Servituten  verpflichtet  sei,  „gewaltig  unterstanden 
und  gar  ungebührlicher  Weise  in  die  Sonmierlatten  hüten  lassen  und 
dieselbigen  mit  Verbeissung  verderbet",  auch  3  Mahlbäume,  ihm  (Asmus) 
zuständig,  abhauen  und  wegfuhren  lassen  und  endlich  jetzt  einen  Vogel- 
steller darein  gelegt,  was  zuvor  auch  nie  geschehen  sei.  Wiewohl  er 
nun  wegen  aller  dieser  Dinge  mit  Christofifel  geredet  und  „in  der  Güte 
die  Billigkeit  gesucht",  auch  endlich  vor  dem  Kurfürsten  sich  beklagt 
habe,  diese  Schritte  aber  vergeblich  gewesen  seien,  so  bitte  er  nunmehr, 
damit  er  seine  Lehnsgerechtigkeit  und  die  ihm  zustehende  Nutzniessung 
erhalten  möge,  Christoffel  von  Seebach  beim  Oberhofgericht  rechtlich 
vorzunehmen.  Asmus  von  Witzleben,  der  selbst  nach  Leipzig  und  Alten- 
burg geritten  war,  erhielt  Eecht  und  Christoffel  von  Seebach  wurde  femer 
am  18.  Sept.  1538  verurtheilt,  des  Asmus  auf  3  gute  Schock,  36  Groschen 
und  6  Pfennige  berechnete  Gerichtskosten  zu  ersetzen,  was  er  jedoch  erst 
that,  nachdem  er  unterm  29.  Apr.  1539  bei  Androhung  der  Execution 
in  seine  Güter  und  fahrende  Habe  nochmals  erinnert  worden  war. 

Am  5.  Febr.  1542  bat  Asmus  von  Witzleben  den  Kurfürsten  Johann 
Friedrich  zu  Sachsen,  seine  „armen  kleinen  Kinder^  mit  Vormündern  zu 
versorgen,  und  schlug  dazu  vor  Georg  und  Friedrich  d.  Ä.  von  Wangen- 
heim, Valentin  Eichart,  Pfarrer,  und  Cyriax  Bernhard,  beide  zu  Molsch- 
ieben,*) die  denn  auch  ernannt  wurden.    Bald  darauf  ist  er  verschieden. 


*)  Er  schlug  diese  vor,  «dieweil  er  keine  Vettern  noch  Freunde  hätte,  die  mit 
ihm  im  Gesammtlehn  stünden".  (Orig.  im  Geh.  St.  Arch.  zu  Weimar.)  Brückner, 
G.  K.  u.  Seh.  St.  III.  8.  S.  58,  sagt,  dass  in  der  Kirche  zu  Molschieben  ein  Epitaphium 
sei  mit  folgender  Inschrift:  »Ehren  Gedächtniss  des  Hochwohledelgebomen,  gestrengen 
und  Mann-vesten  Jost  von  Witzleben,  ward  gebohren  im  Jahr  1501.  den  27.  Maj 
allhier  zu  Molschleben,  starb  im  Jahr  1579.  den  11.  Febr.  seines  Alters  78  Jahre. 
Gott  verleihe  ihm  eine  seelige  Auferstehung  zum  ewigen  Leben,  Amen."  Hier  muss 
ein  Irrthum  vorliegen,  denn  wenn  dieser  Jost  von  Witzleben  zu  Molschleben  von  1501 
bis  1579  wirklich  existirt  hatte,  so  würde  seiner  doch  wohl  in  irgend  einer  der  vielen 
uns  vorliegenden  Urkunden  des  16.  Jahrhunderts  gedacht  sein  (was  nicht  der  Fall  ist) 
und  Asmus  von  Witzleben  den  oben  angeführten  Ausspruch  nicht  gethan  haben.  Die 
Titulatur  des  Epitaphiums  gehört  auch  offenbar  nicht  dem  16.,  wohl  aber  dem  17. 
Jahrhundert  an,  und  in  diesem  hat  ein  Jobst  von  Witzleben  zu  Molschleben  gelebt. 
Wahrscheinlich  waren  die  Zahlen  auf  dem  Epitaphium  undeutlich  geworden,  als  die 
(wohl  flüchtige)  Abschrift  genommen  wurde.  Eine  Kontrolle  ist  nicht  mehr  auszuüben, 
da  alle  alten  Epitaphien,  Wappen  und  Inschriften  1828  ans  der  Kirche  zu  Molschleben 
entfernt  worden  sind. 


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Seine  Wittwe,  Agnes  geb.  von  Vitzthum,*)  ging  eine  zweite  Ehe 
ein  mit  Levin  Rudolf  von  Thun  zu  Molsdorf  und  Witzleben,  der  eben- 
falls Wittwer  war  und  sie  bald  zum  zweiten  Mal  zur  Wittwe  machte. 
Sie  lebte  nun  auf  ihrem  Wittwensitz  zu  Witzleben,  gerieth  aber  mit 
ihrem  Stiefsohn  Wolf  von  Thun  zu  Molsdorf  wegen  ihres  Leibgedinges 
in  Streitigkeiten,  die  erst,  nachdem  sie  durch  ihren  rechten  Sohn  Christoph 
von  Witzleben  1554  vor  den  Kurfürsten  Johann  Friedrich  gebracht  waren, 
beigelegt  wurden. 

Asmus  von  Witzleben  hinterliess  5  Söhne,  Sebastian,  Georg  d.  Ä., 
Friedrich,  Georg  d.  J.  und  Christoph,  welche  sänamtlich  am  15.  Juni 
1554  von  den  Herzögen  Johann  Friedrich  d.  M.,  Johann  Wilhelm  und 
Johann  Friedrich  d.  J.  zu  Sachsen  mit  dem  Hofe  zu  Molschleben,  12 
Hufen  Landes,  dem  Schenkrechte  und  der  Bierabgabe  beim  Schenken  der 
Einsassen  und  mit  der  Triftgerechtigkeit  für  450  Schafe  belehnt  wurden, 
und  3  Töchter,  die  am  9.  Jan.  1555  noch  unvermählt  waren,  von  denen 
aber  eine  1569  als  Gemahlin  Hironymus'  von  Heun  zu  Schraplau 
vorkommt.  Von  den  Söhnen  starben  Georg  d.  Ä.,  der  1569,  und 
Friedrich,  der  1555  zuletzt  erwähnt  wird,  ohne  Nachkommen. 

Sebastian  von  Witzleben  hinterliess  bei  seinem  zu  Ende  des 
Jahres  1554  eingetretenen  Tode  einen  eben  geborenen  Sohn,  Bastian, 
welcher  1587  von  dem  Kurf.  Sachs.  Obersten  Hans  Wolf  von  Schönberg 
zu  Pulsnitz  mit  in  dessen  1000  Reiter  auf  Wartegeld  geworben  wurde, 
im  nächsten  Jahre  dem  Kurfürsten  Christian  als  Soldreuter  mit  5  reisigen 
Pferden  diente  und  vor  dem  Jahre  1599  mit  Hinterlassung  eines  Sohnes 
Jobstund  einer  Tochter,  als  deren  Gemahl  1644  und  1653  Christoph 
Goldacker  genannt  wird,  starb.  Dass  dieser  Job  st  von  Witzleben 
wirklich  existirt  hat,  beweist  der  Lehnsrevers  des  Longinus  von  Witz- 
leben vom  3.  Febr.  1599,  worin  dieser  für  sich  und  in  Vollmacht  „Frietz 
Friderichss  vnndt  Jobstenn  vonn  Witzlebenn",  seiner  freundlichen  lieben 
Vettern,  bekennt,  dass  sie  vom  Stifte  Hersfeld  mit  der  sogenannten 
Kollerswiese,  in  der  Flur  von  Molschieben  gelegen,  belehnt  worden 
seien,**)  femer  ein  Rescript  der  Kurf.  Sachs.  Regierung  d.  d.  Dresden 
den  11.  Febr.  1653,  wodurch  dieselbe  unter  Bezugnahme  auf  ein  Gesuch 
Jobst's   von   Witzleben    zu   Molschleben   dem   Amtsverwalter   zu   Salza 

♦)  Nicht  Ottilie  von  Wangenheim,  wie  P.  H.  A.   von   Wangenheim,   Beitr., 
S.  475  aus  falschen  Voraussetzungen  folgert. 
**)  Orig.  im  Staate- Archiv  zu  Kassel 


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befiehlt,  die  seinem  Vorgänger  aufgetragene  Comniission  vom  22.  Aug. 
1644,  betreffend  die  Forderung  von  1200  fl.  grossmütterlichen  Geldes 
seitens  Jobst's  von  Witzleben,  aufzusuchen  und,  falls  sie  noch  nicht 
expedirt  sei,  die  beiden  Parteien,  nämlich  Jobst  von  Witzleben  eines  und 
Christoph  Ooldacker  und  dessen  Weib  andern  Theils,  anzuhören  und 
dann  dem  Hechte  gemäss  zu  entscheiden,*)  und  schliesslich  die  Auf- 
zeichnung im  Kirchenbuche  zu  Molschleben,  wonach  Jobst  von  Witzleben 
ohne  LeU)eserben  im  Jahre  1666,  seine  Wittwe  Susanna  geb.  von 
Oberweimar  1676  im  80.  Lebensjahre  gestorben  ist. 

Christoph  von  Witzleben  bat  um  das  Jahr  1550  imter  Vorbitte 
Georg's  und  Friedrich's  von  Wangenheim,  seiner  Vormünder,  die  Herzöge 
zu  Sachsen  um  ein  Stipendium,  um  seine  Studien  fortsetzen  zu  können. 
Er  scheint  jura  studirt  zu  haben  und  benutzte  seine  Kenntnisse,  um 
seiner  Mutter,  der  er  nach  Witzleben  gefolgt  war,  in  deren  Händeln  mit 
ihrem  Stiefsohn  Wolf  von  Thun  zur  Seite  zu  stehen.  Die  von  ihm  in 
dieser  Angelegenheit  unterm  2.  Aug.  1554  an  den  Kurfürsten  zu  Sachsen 
gerichtete  Eingabe  unterzeichnete  er  als  „Cristoflf  von  witzleuben  zu 
witzeleuben^.  Später,  1565,  hauste  er  zy  Molschleben,  vermählte  sich 
mit  Margarethe  Schütz  von  Wandersieben  und  starb  1586.  Nach 
Brückner,  Q.  K.  u.  Seh.  St.  HI.  8.  S.  60  befand  sich  in  der  Kirche 
zu  Molschleben  ein  Epitaphium  mit  folgender  Inschrift: 

„Der  Edel  und  Ehrenvheste  Held,  • 

Dem  diese  GrabschriiTt  ist  gesteUt, 

Christoff  von  Witzleben   sechzehn  Jhar 

Mit  Margreth  Schützin  Ehlich  war, 

Die  sonst  genannt  von  Wannersieben,**) 

Den  Asmns  Ohrist  off,  dessen  Leib 

Im  siebden  Zng  in  Frankreich  bleib.  A.  1590. 

Longini  drey  und  dreyssigst  Jahr 

In  Friessland  ihm  den  Tod  gebar.  A.  1604. 

Die  Ampoloni  zart  und  klein 

Im  achten  Jahr  des  Tods  mnst  sein.  A.  1573. 

Beata,  die  nun  selig  ist. 

Starb  dreyssig  Jerig,  wie  ein  Christ.  A.  1597. 

Catharin  und  Dorothey 

Die  nun  bey  GOtt  leben  alle  drey." 

Zur  linken  Hand  zeigte  ein  Wappen   die    Worte    Schützen    und 

Knorr,  zur  rechten  eins  die  Namen  Witzleben  und  Vitzthvmb. 

*)  Staats- Archiv  zu  Magdeburg,  Thür.  Cop.-Buch  de  1653,  S.  33. 
**)  Zwischen  dieser  und  der  nächsten  ist  offenbar  eine  Zeile  ausgelassen. 


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Dauernde  Nachkommenschaft  hatte  von  Asmus'  Söhnen  nur  der 
vierte,  Georg  d.  J.  von  Witzleben,  der  sich  am  24.  Juni  1576  zu 
Hochheim  mit  Agnes  geb.  von  Erffa,  der  Wittwe  Johann  Vogels  zu 
Hochheim,  vermählte,  aber  schon  vor  1589  starb.  Beider  Sohn  war 
Fritz  Friedrich  von  Witzleben,  für  welchen  am  3.  Febr.  1599 
Longinus  von  Witzleben  den  Lehnsrevers  wegen  der  Kollerswiese  aus- 
stellte. Vom  Jahre  1629  an  wird  in  den  Beichtregistern  der  Kirche  zu 
Molschleben  als  seine  Gemahlin  genannt  Katharina  Maria  von  Gries- 
heim, Siegmund  Emst's  von  Griesheim  auf  Eischleben  und  Wülfers- 
hausen  und  Sibylla  Katharina's  von  Witzleben  a.  d.  H.  Neuroda 
(s.  Tab.  I.  3)  Tochter.  Von  ihren  drei  Söhnen  diente  der  älteste, 
Kraft  Melchior,  unter  dem  Könige  Karl  Gustav  von  Schweden  und 
fiel  1656  im  Feldzuge  desselben  wider  den  König  Johann  Casimir  H. 
von  Polen,  während  der  jüngste,  Georg  Wilhelm,  1663  zu  Mühl- 
hausen starb  und  nur  der  mittelste  den  Stanmi  fortpflanzte.  Dieser, 
Hans  Ludwig  von  Witzleben,  hatte  seinen  beständigen  Sitz  zu 
Molschieben,  welches  Bittergut  er  gemeinschaftlich  mit  seinem  Vetter 
Jobst  von  Witzleben  besass.  Im  Jahre  1666  starb  Jobst  ohne  Leibes- 
erben und  Hans  Ludwig  war  nun  alleiniger  Besitzer;  am  11.  Febr.  1668 
wurde  ihm  als  solchem  der  Lehnbrief  über  Molschleben  ausgestellt.  Am 
13.  Apr.  1658  hatte  er  sich  mit  Agnes  von  Vogel,  des  Fürstl.  Sachs. 
Goth.  und  Weimar.  Landeshauptmanns  Heinrich  John  von  Vogel  auf 
Hochheim,  Uelleben  und  Boilstedt  und  der  Anna  Begina  von  Eeineck 
aus  Mühlberg  Tochter  in  den  Stand  der  heiligen  Ehe  begeben.  Er  starb, 
nachdem  er  noch  ein  rothes  Altartuch  mit  rothen  und  weissen  Franzen 
und  der  Inschrift:  „Gott  allein  die  Ehre.  Hans  Ludwig  von  Witzleben 
1698"  in  die  Kirche  zu  Molschleben  gestiftet,  am  16.  Nov.  1698  und 
seine  Wittwe  folgte  ihm  im  nächsten  Jahre.     Seine  9  Kinder  s.  Tab.  I.  16. 


b.   Friedrich  Jobst  von  Witzleben, 
1671^1736. 

Hans  Ludwigs  von  Witzleben  7.  Kind  und  3.  Sohn  war  Friedrich 
Jobst  von  Witzleben,  Erb-  und  Lehnherr  auf  Molschleben,  am  3.  Jan. 
1671  auf  diesem  seinem  altväterlichen  Gute  geboren.  Er  verliess  die 
Thüringer  Heimath  und  ging  nach  Würtemberg,  wo  er  am  14.  Mai  1703 
als  Forstmeister  zu  Schorndorf  angestellt  wurde  und  von  1708  bis  1714 


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auf  dem  Engelsberg  bei  Winterbach  wohnte.  In  Schorndorf  hatte  er  das 
Freifiräulein  Luise  Amalie  vom  Holtz,  eine  Tochter  des  am  28.  Dec. 
1707  gestorbenen  Brandenburg-Eulmbachischen  Baths  und  Landeshaupt- 
manns zu  Neustadt  a.  d.  Aisch,  auch  Oberamtmanns  zu  Loheneck,  Eber- 
hard Friedrich  Freiherm  vom.  Holtz  auf  Alfdorf,  Hohenmühringen  und 
Aichelberg,  und  der  am  9.  Oct.  1688  mit  diesem  vermählten  Luise 
Isabelle  Freiin  von  Wolmarshausen  (n.  1673  23.  Sept.,  f  1708  7.  Juli), 
kennen  gelernt.  Luise  Amalie  lebte  dort  nach  dem  Tode  ihrer  Eltern 
im  Hause  ihrer  Grossmutter,  der  Freifrau  Barbara  Sibylla  vom  Holtz 
geb.  von  Münchingen,  und  muss,  obwohl  erst  15  Jahre  alt  —  sie  war 
am  6.  Oct.  1693  zu  Alfdorf  geboren  —  doch  schon  körperlich  und  geistig 
vollkommen  entwickelt  gewesen  sein,  da  sie  einen  Mann,  wie  Friedrich 
Jobst  von  Witzleben,  der  bereits  im  38.  Lebensjahre  stand,  zu  fesseln 
vermochte.  In  dem  Holtz'schen  Hause  zu  Schorndorf  wurde  am  13.  Febr. 
1709  die  Vermählung  in  einer  den  Verhältnissen  der  reichen  Holtz'schen 
imd  Münchingen'schen  Famüien  sowie  der  Stellung  des  Bräutigams  an- 
gemessenen Weise  gefeiert.  Wenige  Tage  nach  der  Hochzeit  bezog  das 
junge  Ehepaar  die  Dienstwohnung  Friedrich  Jobst's  in  dem  herzoglichen 
Schlosse  auf  dem  Engelsberg  bei 'Winterbach,  von  wo  aus  der  Engeis- 
berger  Forst  verwaltet  wurde.  Am  6.  Oct.  1710  wurde  Luise  Amalie 
von  Witzleben  17  Jahre  alt  und  wenige  Tage  darauf,  am  17.  Oct,  gebar 
sie  ihrem  Oemahl  eine  Tochter,  Sibylla  Elisabeth  Charlotte. 
Dieser  folgte  nach  etwas  mehr  als  einem  Jahre  eine  zweite  Tocht-er, 
Wilhelmine  Luise,  welche  jedoch  nach  einem  halben  Jahre  wieder 
starb  und  am  28.  Juni  1712  in  der  Kirche  zu  Winterbach  beigesetzt 
wurde.  Im  folgenden  Jahre,  1713,  ward  der  erste  Sohn,  Alexander, 
geboren  und  im  Sommer  1714  ein  zweiter  Sohn,  der  aber  am  22.  Apr. 
1715  schon  todt  war. 

Im  Jahre  1714  gerieth  Friedrich  Jobst  von  Witzleben  mit  seinem 
Landesherm,  dem  Herzog  Eberhard  Ludwig  von  Würtemberg,  in  Diffe- 
renzen, die  zur  Folge  hatten,  dass  er  „abgeschafft**,  d.  h.  seiner  Stelle 
als  Forstmeister  entsetzt,  und  in  Arrest  gethan  wurde.  Was  er  eigentlich 
verbrochen,  haben  wir  nicht  ergründen  können.  Jedenfalls  spielte  eine 
Hauptrolle  in  dieser  Angelegenheit  wenn  auch  nicht  die  Maitresse  des 
Herzogs,   Christine  Wilhelmine  Gräfin  von  Grävenitz*),  so  doch  deren 

*)  Gau  he.  Ad.  Lex.  I  n.  II,  nennt  sie  Friedericke  Wilhelmine,  Vebse,  Ge- 
schichte der  Höfe  Baiem,  Würteinb.  etc.,  III.  S.  177,  Christiane  Wilhelmine,  sie  selbst 


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Bruder,  der  Würtembergische  Premier-Minister  Friedrich  Wilhelm  Graf 
von  Grävenitz*).  Durch  irgendwelche  einflussreiche  Verwendung  seines 
Arrestes  entledigt,  beschloss  Friedrich  Jobst,  gegen  den  Herzog  von 
Würtemberg  wegen  Beleidigung  und  Vermögensbeschädigung  beim  Kaiser- 
lichen Beichshofrath  zu  Wien  klagbar  zu  werden  und  sich  zur  besseren 
Betreibung  dieses  Processes  dorthin  zu  begeben.  Die  Würtembergischen 
Lande  musste  er,  seiner  persönlichen  Sicherheit  wegen,  so  wie  so  ver- 
lassen. Nachdem  er  seine  Gemahlin,  welche  mit  ihren  Kindern  das 
von  der  Grossmutter  ererbte  sogenannte  Holtz'sche  Haus  in  Schorndorf 
bezog,  dem  Schutze  des  Würtembergischen  Geheimen  Eaths  von  Sittmann**), 
„als  zu  welchem  allein  er  seine  Zuflucht  nahm,"  empfohlen  hatte,  reiste 
er  im  Sommer  1714,  wenige  Wochen  nach  der  Geburt  seines  jüngsten 
Söhnchens,  nach  Wien.  Dorthin  schrieb  ihm  seine  Gemahlin  d.  d.  Schorn- 
dorf,   24.  Aug.  1714:    „Habe  erst  Jetzt  von    einer    wahrhaften  Person 


nennt  sich  aber  in  einer  ihr  Gut  Freudenthal  (welches  von  1590  bis  1658  in  Witz- 
leben'schen  Händen  gewesen  war)  betreffenden  Urkunde  vom  1.  Oct.  1731  Christina 
Wilhelmina. 

*)  In  den  in  der  Registratur  der  älteren  Geheimrathsacten  zu  Heilbronn  ver- 
wahrten Actenstticken  aus  den  Jahren  1639—1715  befindet  sich  ein  Zettel  folgenden 
Inhalts:  « Forstmeister  von  Witzleben  vom  Engelberg,  der  auf  Regimen ts-Raths  und 
Geheimen  Raths  Gutachten  abgeschafft  und  mit  hoher  Geldstrafe  belegt  wird,  und  sich 
mit  einer  Beschwerde  an  Reichshofrath  zu  wenden  drohet,  gibt  bei  dem  Ritter 
Canton  Kocher  ein  Gesuch  ein,  dass  seiner  Gemahlin,  die  sich  von  ihm  getrennt  und 
Übel  wirthschafte,  ein  Gurator  bestellt  werden  möchte,  und  meldet  als  den  Grund, 
warum  er  sich  in  Wien  aufhalte,  dass  er  durch  die  im  Land  Würtemberg  alles  nach 
eigenem  Wohlgefalleh  dirigvrende  Grävenitz'sche  Faction  höchst  unbillig  behandelt,  um 
das  seinige  beraubt  und  dadurch  zur  Klage  bei  Kaiserlicher  Majestät  genöthiget 
worden,  wesswegen  er  die  Grävenitz'sche  Männliche  Familie  vor  mdlhonett  decHariiTe. 
Ueber  welche  öffentliche  Injurie  die  Grävenitz'sche  Familie  Satisf actum  zu  erhalten 
wünscht,  von  weiterem  Erfolg  aber  hier  nichts  angezeigt  ist.** 

Sonst  sind  wir  oben  den  im  K.  K.  Haus-,  Hof-  und  Staats- Archiv  zu  Wien 
befindlichen  Processacten  „Friedrich  Jobst  von  Witzleben  contra  seine  Ehegenossin 
Louise  Amalie  geb.  vom  Holtz  (de  1715—1723)**  gefolgt. 

**)  David  Nathanael  Freiherr  von  Sittmann,  früher  Schwedischer  Generaladjunct  und 
Oberster,  darauf  Würtembergischer  Kammerjunker,  Geheimer  Rath  und  Obervogt  zu 
Duttlingen,  war  mit  Eleonore  von  Grävenitz,  einer  Schwester  des  Würtembergischen 
Premier-Ministers  und  der  Herzoglichen  Favoritin,  vermählt.  Er  sah  das  diese  Familie 
1733  treffende  Unglück  kommen  und  verliess  Würtemberg  bei  Zeiten.  S.  von  Hell- 
bach  und  Gauhe,  Ad.  Lex.  Nach  Vehse,  Baiern,  Würtemb.  etc.,  IIL  S.  189  sei 
er  ein  schmutziger  Geizhalz  und  ehemals  Haushofmeister  bei  der  Preussischen  Grafin 
Wartenberg  gewesen. 


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—     371     — 

gehört,  wann  Sie  nicht  gangen,  wären  wieder  in  arrest  kommen,  dann 
die  Verbitterung  sehr  gross,"  und  noch  am  4.  Dec.  dess.  J.:  „der 
Herzog  wäre  eben  gar  zu  sehr  erzürnet." 

Im  December  1714  kehrte  Friedrich  Jobst  von  Wien  nach  Würtem- 
berg  zurück,  wurde  aber  sofort  in  Nördlingen  in  Arrest  gesetzt.  Er 
erklärte  zwar,  Würtemberg  verlassen  und  sich  mit  seiner  Familie  auf 
sein  Gut  Molschieben  zurückziehen  zu  wollen,  bis  er  wieder  eine  An- 
stellung fände,  seine  Gemahlin  aber  mochte  ihre  Heimath  nicht  auf- 
geben, bevor  er  nicht  wieder  einen  Dienst  habe.  Andere  Gründe  gibt 
sie  ihm  gegenüber  nicht  an,  es  scheint  aber,  dass  sie,  die  jetzt  erst 
21  Jahre  alt  war,  also  im  lebenslustigsten  Alter  stand,  sich  mit  Friedrich 
Jobst  nicht  in  eine  ländliche  Einsamkeit  zurückziehen  wollte,  wo  sie, 
nicht  mehr  unter  dem  Schutze  des  Herzogs  von  Würtemberg,  von  seiner 
Heftigkeit  das  Schlimmste  zu  befürchten  hatte.  Sie  wandte  sich  daher 
d.  d.  Schorndorf,  den  7.  Jan.  1715  folgendermassen  an  den  Herzog: 

,  „Nachdeme  der  ohne  längst  abgekommene  forst  Meister  von  Witzleben 
als  Mein  Bissheriger  Ehe  Mann,  erst  Kürtzlich  von  Wien,  dahin  Er  sich 
verwichenen  Sonmier  mit  Meinem  grösten  Missfallen  Begeben,  wider 
zurückkommen,  und  sich  dermahlen  würcklich  zu  Nördlingen  bey  dem 
schwartzen  Ochsen  aufhält,  hat  solcher  vor  etlich  Tagen  per  expressum 
an  Mich  verlangt,  dass  all  das  Meinige  verkaufen,  und  mich  zu  Ihme 
begeben  möchte,  mit  angehenkter  Comminationy  mich  in  dem  widrigen 
Fall  mit  allerhand  insolentien  und  Processen  zu  attaquiren^  Wann  mm 
gnädigster  Fürst  und  Herr  Mich  aus  vilen  wichtigen  motiven  ninmier- 
mehr  resolviren  Kan,  mich  aus  Ew.  Hochfurstl.  Dlt.  Landen  und  von 
dem  Meinigen  zu  begeben,  vil  weniger  die  Mir  von  seiner  ehemaligen 
üblen  Conduite  übrig  geblibene  Substanz  in  seine  Hand  zu  lassen,  sondern 
Meine  Lebens  Zeit  noch  femers  unter  Ew.  Hochfurstl.  Dlt.  hohen  pro- 
tection zuzubringen  gedencke  anbey  aber  nicht  ohne  billich  besorge,  es 
Möchte  solcher  seiner  bekannten  brutalitaet  nach,  auf  allerhand  eoctreme 
Mittel  bedacht  seyn,  mithin  ich  als  eine  in  Ew.  Hochfurstl.  Dlt.  Landen 
ohnedem  wohnende  affligirte  Dame  sowohl  der  Hochfurstl.  Protection 
(Massen  die  Löbl.  Ritterschaft,  vmb  willen  gedachter  von  Witzleben 
niemahlen  daselbst  incorporirt  gewesen,  sich  dieser  sach  nicht  anzu- 
nehmen gedenckhet)  als  eines  besondem  Beystands  in  allen  desswegen 
nicht  ohne  Ursach  besorgenden  Fällen  höchstens  benöthiget  bin. 


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—     372     — 

Als  gelanget  an  Ew.  Hochfürstl.  Dlt.  mein  üthgsts.  Bitten,  mich 
nicht  allein  der  Hochfürstl.  Proteäion  noch  feraers  gndgst.  zu  ver- 
sichern und  Mir  in  allen  solchen  Mir  zustossenden  Fällen  einen  freyen 
Zutritt  zugestatten,  sondern  auch  den  von  MiUkau  Grenadier  Haupt- 
mann des  hochlöbl.  Graf  Graevenwischen  Regiments  zu  Fuss,  als 
Meinem  geEhrten  schwagem  unter  der  hochfürstl.  ÄtUhorüaet  zu  einem 
Adelichen  Beystand  gnädigst  zu  confirmiren^  auch  zu  Künftiger  benö- 
thigten  Legitimation  eine  hochfürstl.  Signatur  desswegen  ertheilen  zu 
lassen,  in  tiefester  Devotion  verharrende 

Ew.  hochfürstl.  Dltt. 

Unterthänigste  gehorsamste 

Louysa  Amalia  von  Witdeben 

gebohrne  von  Holte, ^ 

Und  am  11.  Jan.  1715  bat  sie  den  Grafen  von  Grävenitz,  dass 
„dieselben  geruhen  möchten,  wan  diese  affair  vorkonmaen  solte  (d.  h.  beim 
Herzog  zum  Vortrag),  die  Gnad  vor  mich  haben,  selbige  ihres  hohen 
orths  also  helffen  zu  secundiren,  damit  das  protectorium  erhalten  mögtte," 
und  unterzeichnete  sich  als  Seiner  hochgräflichen  Excellenz  „Gehorsame 
Magtt.** 

Ihrem  Gemahl  theilte  Luise  AmaUe  von  diesen  Schritten  vorläufig 
nichts  mit,    sondern  schrieb  ihm  nur:   „Schorndorf,   11.  Jänner   1715. 

Ihre  Zeilen  habe  ich  heut  erhalten  und  darauss  ersehen,  dass  Sie 

meine  endliche  resolutimi  haben  wollen,  welche  laut  (d.  i.  lautet)  ferm, 
dass  Ich  nicht  auss  dem  Meinigen  gehe,  biss  Sie  einen  Dienst  haben, 
Alssdann  bin  Ich  capabel  mit  Ihnen  in  das  End  der  Welt  zugehen, 
wissen  wohl,  dass  Ich  allezeit  gesagt.  Ich  gehe  nicht  in  die  Frembde, 
dann  Sie  haben  eine  Charge."  Friedrich  Jobst  ersuchte  trotzdem  seine 
Gemahlin  nochmals,  zu  ihm  zu  kommen  und  ihm  auch  einiges  von  seinem 
Eigenthum  nach  Nördlingen  zu  schicken,  erhielt  aber  nur  die  offenbar 
in  freudiger  Erregung  geschriebene  Antwort: 

„Schorndorf,  19.  Jan.  1715.  —  —  enßn  bin  gewiss  sicher,  auf 
meiner  resolution  bleib  Ich,  nicht  ohne  Dienst  zu  Ihnen  zu  gehen, 
schicken  darfif  Ich  Ihnen  nichts,  auss  Befehl  des  Herzogs,  stehe  nun- 
mehr unter  seiner  protection.  Können  jetzt  alles  nach  dero  Conterdo 
anstellen,  schicken  darflf  Ich  Ihnen  nichts.  Louysa  Amalia  von  Witzlehen 
geb.  von  Holte, ^ 


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—     373     — 

Der  so  verlassene  Ehemann  wandte  sich  nunmehr  in  einem  aus 
Nördlingen,  den  23.  Jänner  1715,  datirten  Schreiben  an  die  Bitterschaft; 
des  Kantons  Kocher  und  bat,  unter  ausfuhrlicher  Darlegung  des  Be- 
tragens seiner  Ehefrau,  dahin  wirken  zu  wollen,  dass  Luise  Amalie  sich 
mit  den  Kindern  zu  ihm  begebe  oder  wenigstens  die  Kinder  ihm  über- 
lasse imd  dass  ein  Curator  bestellt  werde,  der  das  Vermögen  der  letz- 
teren ausserhalb  Würtembergs  sicher  anlege.  Die  Bitterschaft  antwortete 
noch  an  demselben  Tage  und  schlug  jede  Intervention  in  der  Sache 
rundweg  ab,  aus  dem  Grunde,  weil  Friedrich  Jobst  von  Witzleben  ihr 
nicht  incorporirt  sei. 

Luise  Amalie  zog  die  Existenz  ohne  ihren  Gatten  bei  weitem  einer 
Vereinigung  mit  ihm  vor,  wie  aus  folgendem  Briefe  hervorgeht: 

„Schorndorf,  den  22.  Jan.  1715. 
P.  P.    Mons. 

Dem  selben  lasse  in  antworth  auff  sein  letzteres  an  mich  noch- 
mahlen ohnuerhalten,  das  folgender  importanter  uhrsachen  halber  mich 
nicht  resolviren  kan,  seinem  begehren  gemäss  zu  willfahren  und  zu  ihme 
zu  ziehen,  weilen  Er  vor  eins,  wie  hoher  orten  her  vernehme,  sich  in 
dem  Herzogthumb  nimmermehr  sehen  lassen  darff,  vor  das  andere  aus- 
wärts noch  keine  honorable  Charge  erlangt,  auch  deren  in  das  künffkige 
nicht  versichert  ist,  Trittens  habe  Vhrsach  bedenkens  zu  tragen,  meine 
ybrige  substam  in  hiesigen  landen  völlig  zu  verkauffen,  und  die  dispo- 
sition  dem  Selben  auswärts  zu  überlassen,  wohl  wüssend,  wie  viel  Er 
schon  durch  seine  ohnglückliche  affairen  zu  Schaden  mein  und  meiner 
armen  ohnschuldigen  Kinder  pure  von  dem  Meinigen,  wie  das  Inven- 
tcbrium  so  nechstens  begreifien  zu  lassen  gedenckhe  genugsamb  zeigen 
Würdt,  constimiret^  dahero  ohnmiglich  mich  resoluiren  kann,  ihme  nach 
zu  ziehen,  vmb  so  mehr,  weUen  auf  einrathen  meiner  nechsten  Freinde 
mich  unter  Ihro  Hochfurstl.  Durchlaucht  protection  bereits  begeben  und 
durch  eine  Hochfurstl.  mir  zugestellte  Signatur  alle  gnad  und  asaistenz 
zu  meiner  grössten  consolation  versichert  worden. 

Louisa  Amalia  de  Wialeben. 
Mons.  Mons.  de  Wieleben 
ä  Nördlingen.^ 

Die  Kaiserlichen  Bescripte,  welche  auf  Friedrich  Jobst's  Betreiben 
unterm  9.  März  1715  ergingen,  einmal  an  den  Herzog  von  Würtemberg, 
die  Gattin  Witzlebens  nicht  in  Protection   zu  nehmen,   und    dann   an 


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—     374     — 

diese  selbst,  sich  zu  ihrem  Gatten,  sobald  er  seines  Arrestes  in  Nörd- 
lingen  entlassen  sein  würde,  zu  begeben,  waren  ohne  Wirkung.  Luise 
Amalie,  jung  und  lebenslustig,  der  ihr  in  zu  früher  Ehe  auferlegten 
Fesseln  ledig,  feurig,  ohne  sittlichen  Halt,  stürzte  sich  leidenschaftlich 
und  leichtsinnig  in  den  Strudel  eines  üppigen  und  verschwenderischen 
Lebens,  vielleicht  wohl  mit  aus  dem  Grunde,  die  Wiedervereinigung  mit 
dem  ihr  verhasst  gewordenen  Gemahl  unmöglich  zu  machen.  Friedrich 
Jobst  schildert  ihr  Leben  in  einem  an  seinen  Anwalt  Johann  Heinrich 
Souffrein  am  22.,  25.  und  28.  April  1715  geschriebenen  Briefe,  der 
jedoch  so  in  das  Detail  geht,  dass  wir  uns  seine  vollständige  Wieder- 
gabe, so  interessant  er  sonst  ist,  versagen  und  mit  einzelnen  Stellen 
begnügen  müssen,  z.  B.:  „Die  alte  Kinderfrau  habe  gemeldet,  sie  wäre 
schon  bei  dem  von  Witzleben,  so  lange  er  im  Ehestand  lebe,  in 
Diensten  gestanden  und  hätte  auch  nie  hinweg  begehret,  so  aber 
könne  sie  nicht  mehr  stehen,  sie  wolle  auch  fort,  es  dauerten  sie  die 
armen  Kinder,  die  sie  unter  vieler  Mühe  und  Sorge  auferzogen,  wie  es 
ihnen  ergehen  werde,  wisse  Gott,  man  möge  der  Frau  sagen  und  ab- 
wamen,  wie  man  wolle,  so  nehme  sie  aUes  auf  die  leichte  Schulter, 
jedermann  heisse  sie  Hans  ohne  Sorge  etc.;  so  lange  der  Herr  nicht 
wieder  da,  sei  es  umsonst  gehauset,  es  gehe  noch  alles  drauf.  ^ 

„Das  Töchterlein  läuft  den  ganzen  Tag  allein  in  der  Stadt  Brücken 
und  Wasser  herum,  wie  bald  ist  ein  Unglück  geschehen,  wenn  nicht 
ehrliche  Bürgersleute  diesem  Kinde,  so  in  viele  Häuser  läuft,  mit  andern 
Kindern  zu  spielen  und  die  Zeit  zu  vertreiben,  indem  es  nicht  weiss,  an 
wen  es  sich  halten  solle,  ist  vater-  und  mutterlos,  zu  essen  und  trinken 
gäben  (referiret  der  Bote  auch),  so  müsste  es  manchen  Tag  schlecht 
leben,  mein  Herz  im  Leibe  ersäufet  noch  über  dergleichen  procedere.* 
Will  jemand  meinem  Kind  böses  thun  und  vergeben,  um  sich  an  mir  zu 
rächen,  so  kann  es  jedermann  auch  thun,  wer  da  will,  an  Gelegenheit 
fehlt  es  nicht.  Kein  Freund,  Anverwandter  etc.  darf  aus  Furcht  wegen 
Würtemberg  blos  zur  Sünde,  Schande,  Laster,  meinem  Chagrin,  Schaden 
und  Verderben  meiner  Frau  und  Kindern  die  Protection  und  Beistand  geben 
und  nicht  zur  Ehre  Gottes  und  gutes  zu  stiften  und  böses  abzuwenden." 

„Ich  wachse  ganz  zusammen  und  werde  krumm  und  eingeschrumpfeit, 
ich  mag  hier  gar  nichts  mehr  klagen  wegen  meiner  vielerlei  Beschwehrungen, 
es  hilft  doch  mir  nichts,  wie  ich  sehen  muss;  die  Früchte  von  Angst, 
Furcht,  Schrecken,  Arrest,  Kommissionen,  Hiobsposten  in  Ehesachen,  so 


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—     375     — 

das  allerempfindlichste  ist,  bleiben  nicht  aus,  mancher  krepiret  bald, 
mancher  später." 

Der  Anwalt  Sonflfrein  setzte  es  in  Wien  durch,  das  unterm  1.  Aug.  1715 
abermals  ein  Kaiserliches  Rescript  an  Luise  Araalie  von  Witzleben  mit 
dem  Befehl  erlassen  wurde,  sich  mit  ihren  Kindern  zu  ihrem  Ehemann, 
nachdem  nunmehr  dessen  engerer  Arrest  in  einen  Stadtarrest  verwandelt 
worden,  zu'  begeben.  Doch  auch  diesem  Befehl  gehorchte  sie  nicht, 
sondern  beharrte  bei  ihrem  bisherigen  Lebenswandel.  Friedrich  Jobst 
schildert  denselben  seinem  Anwalt  im  Herbst  1715  wieder  in  der  ihm 
eigenen  drastischen  Weise,  berührt  aber  dabei  derartige  Dinge,  dass  wir 
auf  eine  Wiedergabe  des  Briefes  an  dieser  Stelle  verzichten  müssen, 
üeber  die  Kinder  äussert  er  sich  u.  a.:  „Die  arme  Kinder  werden  ge- 
achtet wie  die  Hunde,  müssen  essen  mit  dem  Gesinde,  werden  schebicht 
s.v.  lausicht,  das  Töchterlein  geht  nach  Aurbach  zum  Forst-Knecht 
und  lässt  sich  zu  essen  geben,  zumahlen  wann  die  Babenmutter  im  Lande 

herumb  vagiret, das  Söhnlein  von  2  Jahr  kriechet  gancz  alleine 

vor  dem  Hausse  im  s.  v.  Koht  und  harten  Pflaster  herumb  und  hat 
Niemand  bey  sich,  indem  die  bewuste  alte  Kinderfrau  auch  ausgebüssen 

worden; mir  und  Kindern  ist  Sie  (Luise  Amalie)  ohnbeschreib- 

lich  gram  und  feind."  Der  Anwalt  Souffrein  legte  diesen  Brief,  „daraus 
dieser  jungen  Frau  Lebenswandel  am  allersichersten  abzunehmen,"  auch 
darum  dem  Reichshofrathe  vor,  um  zu  zeigen,  wie  sehr  sich  Witzleben 
seiner  Gemahlin  AuflRihrung  zu  Gemüth  gezogen  und  dadurch  ausser 
sich  gerathen  sei. 

Nachdem  Luise  Amalie  von  Witzleben  am  16.  Febr.  1716  in  dem 
Würtembergischen  Flecken  Unter-Türkheim  mit  einer  Tochter  nieder- 
gekommen war,  welche  sie  Friederike  Juliane  nannte  und  auf  den 
Würtembergischen  Major  von  Kalthenthal  hatte  taufen  lassen,  beantragte 
Friedrich  Jobst  von  Witzleben  am  31.  Juli  1716  von  Esslingen  aus, 
dass  seine  Kinder  ihrer  Mutter  genommen  und  dem  Dr.  Schellhas  zu 
Esslingen  übergeben  würden,  was  jedoch  erst  in  Folge  eines  Kaiserlichen 
Bescripts  an  den  Herzog  von  Würtemberg  vom  1.  Juli  1717  am  24.  Juli 
1717  geschah.  Und  in  einer  langen  mit  vielen  juristischen  Citaten  ge- 
spicken Eingabe  an  den  Kaiser,  in  welcher  alle  in  den  bisherigen  Briefen 
angeführten  Thatsachen  wiederholt  werden  und  nur  noch  die  eine  Notiz 
bemerkenswerth  ist,  dass  Luise  Amalie  wegen  des  mit  dem  Major  von 
Kaltenthal  begangenen  Ehebruchs  von    dem  Herzoge   von  Würtemberg 

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—     376     — 

„wtircklich  abgestraffet  worden  ist"  (und  zwar  durch  Erlegung  einer  Geld- 
strafe, deren  Betrag  sie  aus  dem  Erlös  von  Wein  beschaflPt  hatte),  bat 
er  am  13.  Apr.  1717,  ihn  von  seiner  „treubrüchigen  Ehe  Consortin  nach 
denen  principiis  Evangelicorura  völlig  loszusprechen."  In  Folge  dessen 
erging  am  11.  Mai  1717  ein  Excitatoriura  an  den  Herzog  von  Würtem- 
berg,  worauf  endlich  das  Ehegericht  zu  Stuttgart  am  10.  Febr.  1718 
das  ürtheil  sprach,  „dass  Kläger  von  der  Beklagten  wegen  des  an  Ihme 
begangenen  offenbahren  Ehebruchs  geschieden,  demselben  sich  wider 
anderwärts  zu  verehelichen  zugelassen"  sei. 

So  war  denn  die  Scheidung  nach  nicht  ganz  9jähriger  Ehe  erfolgt. 
Die  beiden  noch  lebenden  Kinder  Sibylle  Elisabeth  Charlotte  und  Alexander 
von  Witzleben  blieben  bei  dem  Vater,  der  sich  nach  Molschieben  zurück- 
gezogen zu  haben  scheint.  Luise  Amalie  blieb  in  Würtemberg.  Noch  eine 
Nachricht  über  sie  finden  wir  in  einem  Kaiserlichen  Eescript  vom  19.  JuU 
1723  an  die  Reichsritterschaft  in  Franken,  Orts  am  Odenwald,  welches 
verfügt,  der  Frau  Luise  Amalie  aus  der  Wolraarshausen'schen  Erbschaft 
nichts  mehr  zu  verabfolgen,  sondern  zur  Alimentation  der  Kinder  das 
Fideiconmaiss  zu  erhalten.*)  Nach  Biedermann,  Ottenwald,  Tab. 
CCLXni,  ist  sie  im  Jahre  1736  gestorben. 

Ueber  den  Process  Friedrich  Jobst's  von  Witzleben  gegen  den  Herzog 
von  Würtemberg  fehlen  die  weiteren  Nachrichten.  Dagegen  befinden  sich 
im  K.  K.  Haus-,  Hof-  und  Staats-Archiv  zu  Wien  noch  Acten,  wonach 
er,  ausser  gegen  einige  Anwalte,  in  den  Jahren  1722  und  23  gegen 
Friedrich  Karl  von  Kaltenthal  wegen  Injurien  und  1723  gegen  die  vom 
Holtz  wegen  ihm  zustehender  Erbschaften  und  gegen  den  Würtem- 
bergischen  Hauptmann  Reinhold  Johann  von  Haagen  wegen  einer  Hypothek 
auf  Plidershausen  processirte. 

Friedrich  Jobst  von  Witzleben  starb  ebenfalls  im  Jahre  1736.  Seine 
Tochter,  Sibylle  Elisbeth  Charlotte,  heirathete  am  31.  Aug.  1740 
den  Kaiserlichen  wirklichen  Eath  und  Ritter-Bath  des  Kantons  Steiger- 
wald in  Schwaben  Ludwig  Frei-  und  Edlen  Panner-Herm  von  Secken- 
dorff,  Herrn  zu  Markt- Sugenheim,  Erkenbrechtshausen,  Etzelsheim, 
Burleswagen,  das  er  1729  gekauft  hatte.  Biedern  und  Hürfeld,  n.  1688. 


*)  Luise  Amaliens  Mutter  war  eine  geb.  Freiin  von  Wolmarshausen.  Deren 
Vater,  Christoph  Albrecht  Freiherr  von  Wohnarshausen  auf  Amlingshagen,  welcher  als 
der  Letzte  dieses  alten  Geschlechts  am  16.  Aug.  1708  starb,  hatte  im  Jahre  1698 
ein  Fideicommis  errichtet- 


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—     377     — 

15.  Dec,  t  ^743  als  der  Letzte  der  Aberdarischen  älteren  Linie  zu 
Markt-Sugenheim.  Sie  lebte  als  Wittwe  zu  Eothenburg  ob  der  Tauber 
mit  ihrer  am  7.  Juli  1743  geborenen  Tochter  Friederike  Luise  Ernestine 
Posthuma,   Miterbin  der  Güter  Erkenbrechtshausen  und  Burleswagen.*) 


c.   Karl  Alexander  von  Witzleben, 
1713—1781. 

In  der  „Wochenschrift  für  die  Noblesse  und  für  Freunde  der  Wapen 
und  adeligen  Öeschlechtskunde.  Eisenach  1786",  befindet  sich  S.  129  flfg. 
eine  „Ahnenprobe  Herrn  Alexanders  von  Witzleben,  Erb- Lehn- 
und  öerichtsherm  auf  Friedstedt,  wie  auch  Erbherm  auf  Teutleben", 
und  S.  161  unter  den  zu  dieser  Ahnenprobe  gehörenden  Beilagen  folgendes 
Attestat  des  M.  Johann  Jacob  Gabriel,  Pfarrers  zu  Winterbach,  Schom- 
dorfer  Diöces,  vom  Jahre  1769:  „Nachdem  ich  freundlich  ersuchet 
worden,  von  der  Geburt  und  Taufe  des  Hochwohlgebohmen  Herrn 
Alexanders  von  Witzleben,  Kirchenpatrons,  Erb-,  Lehn-  und  Ge- 
richtsherm  auf  Friedstädt,  wie  auch  Erbherm  auf  Teudleben,  ein  pflicht- 
mässiges  und  glaubwürdiges  Attestatum  auszustellen.  Als  habe  nach 
genauster  Durchsuchung  sowohl  der  Urkunden  auf  dem  Engelsberg, 
welcher  allhier  eingepfarrt  ist,  als  auch  der  hiesigen  Tauf-  und  Todten- 
bücher  folgendes  annotiren  und  gewissenhaft  bezeugen  wollen:  Dessen 
Hochseliger  Herr  Vater  war  der  Hochwohlgebohrne  Herr  Friedrich 
Jost  von  Witzleben,  Erb-  und  Lehnherr  auf  Molschieben,  und  die 
Frau  Mutter  die  Hochselige  Hochwohlgebohrne  Frau  Loisa  Amalia 
gebohrne  Freyin  vom  Holz,  welche  ihren  locum  domicilii  auf  dem 
Engelsberg  gehabt  haben,  woselbsten  gesagter  Herr  von  Witzleben 
von  An.  1708  bis  1715  als  Herzogl.  Würtemb.  Oberforstmeister**)  des 
Engelberger  Forsts  gestanden  und  mit  gemeldter  seiner  Gemahlin  folgende 
Kinder  erzeuget  hat.  Der  erste  Jimker  war  obgedachter  Herr  Alexander 
von  Witzleben,  welcher  daselbsten  auf  dasigem  Schlosse  im  Jahr 
1714  gebohren  und  getauft,  aber  in  das  hiesige  Taufbuch  eingeschrieben 
zu  werden  vergessen  worden  sein  muss.  Von  der  Gewissheit  seiner  Ge- 
burt habe  unter  andern  Zeugen  auch  einen  allhier  noch  lebenden  Chi- 
rurgum  Nahmens  Johann  Christoph  Barchet   vor   mich   erfordert 

*)  Biedermann.  Steigerwald,  Tab.  CXXV  nnd  CXXVI. 
**)  Er  war  nur  Forstmeister  und  dies  nicht  bis  1715,  sondern  nur  bis  1714. 

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—     378     — 

und  von  ihme  vernommen,  dass  bey  solchem  Tauf-Actu  alles  in  floribus 
hergegangen,  folglich  auch  der  damahlige  sehr  alte  Pfarrer  M.  Paber 
aus  dem  poculo  hilaritatis  etwas  zu  viel  zu  sich  genommen  und  bey 
seiner  Heimkunft  seinen  Täufling  in  dem  Taufbuch  zu  notiren  vergessen 
habe.  Wie  ich  denn  selbsten  auch  bezeugen  muss,  dass  schon  mehrere 
adeliche  Familien  auf  dem  Engelberg  ein  solches  Schicksal  der  Vergessen- 
heit erlitten  haben"  u.  s.  w. 

Dass  der  Magister  Faber  aus  dem  Pokal  der  Fröhlichkeit  etwas  zu 
viel  genossen,  wollen  wir  durchaus  nicht  bestreiten,  wohl  aber  dass  1 714  das 
Geburtsjahr  Alexanders  ist.  Die  vom  Chirurgen  Johann  Christoph  Barchet 
mit  erlebte  feierliche  Taufe  des  Jahres  1714,  welche  auf  dem  Engeis- 
berger  Schlosse  stattgefunden,  bezieht  sich  nämlich  nicht  auf  Alexander, 
denn  dieser  ist  gar  nicht  auf  dem  Engelsberg  bei  Winterbach,  sondern 
in  Schorndorf,  wo  seine  Eltern  ja  ein  Haus  besassen,  im  Jahre  1713 
geboren  und  getauft  worden.*)  üeber  die  Vornamen,  die  er  erhielt, 
sind  auch  verschiedene  Lesarten  vorhanden  (welche  das  Erchenbuch  zu 
Schorndorf  vielleicht  richtig  stellen  könnte).  Eine  Nachricht  aus  Molsch- 
ieben besagt:  „Im  Jahre  1737  besass  das  hiesige  Gut  der  Hof-  und 
Jagdjunker  Friedrich  Alexander  von  Witzleben'';  F.  H.  A.  von 
Wangenheim,  Beitr.  S.  808,  nennt  ihn  Karl  Alexander,  und  dies  sind 
jedenfalls  die  richtigen  Namen,  denn  ein  Karl  Alexander  und  Elisabeth 
Charlotte  von  Witzleben  beklagen  in  einem  im  Archiv  zu  Angelroda  auf- 
bewahrten Gedichte  den  am  22.  Januar  1736  erfolgten  Tod  der  Frau 
Sophia  Magdalena  von  Witzleben  geb.  von  Watzdorif,  und  ein  anderer 
Alexander  von  Witzleben  als  dieser  Molschlebener  existirte  damals  nicht. 
Sonst  wird  er  immer  nur  mit  einem  Vornamen  als  Alexander  von  Witz- 
leben bezeichnet. 


*)  Wie  aus  den  S  370,  Anm.  *)  erwähnten  Wiener  Processacten  hervorgeht. 
In  dem  Seelenregister  der  Kirche  zu  Pröttstedt  vom  Jahre  1762  steht  (aller- 
dings etwas  undeutlich)  verzeichnet,  Alexander  von  Witzlehen  sei  zu  Schorndorf  am 
9.  Nov.  1714  gehören.  Dies  Datum  ist  aher  falsch.  Da  nach  jenen  Processacten  fest- 
steht, dass  Alexanders  Mutter  um  die  Mitte  des  Jahres  1714  (Anfangs  Juli)  von  einem 
Sohn  enthunden  worden  war,  so  ist  es  nicht  gut  möglich,  dass  sie  am  9.  Nov.  desselben 
oder  des  vorhergehenden  Jahres  einem  andern  Kinde  das  Leben  gegeben  habe.  Im 
Kirchenbuche  zu  Fröttstedt  ist  an  der  Stelle,  wo  Alexanders  Tod  (21.  Sept.  1781) 
eingetragen  ist,  die  Bemerkung  hinzugefugt:  „Das  eigentliche  Alter  hat  man  nie  recht 
erfahren,  doch  musste  es  ziemlich  hoch  in  die  70  steigen.**  Also  auch  hier  noch  Ün- 
gewissheit  und  Irrthuml     Alexander  wurde  nur  68  Jahre  alt. 


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—     379     — 

Am  24.  Juli  1717  ward  Alexander  von  seiner  Mutter  getrennt  und 
dem  Procurator  seines  Vaters,  Dr.  Schellhas  in  Esslingen,  übergeben. 
Später  scheint  er  dem  Vater  nach  Molschleben  gefolgt  zu  sein,  und  als 
er  erwachsen  war,  ging  er  in  Sachsen-Gothasche  Dienste,  wo  er  als 
Hof-  und  Jagdjunker  angestellt  wurde.  Kaum  durch  den  Tod  seines 
Vaters  in  den  Besitz  des  alten  Famiüengutes  Molschleben  gelangt,  ver- 
kaufte er  dieses  laut  Kaufkontracts  vom  17.  Juni  1737  mit  der  Ernte 
für  25500  Mfl.  an  22  Einwohner  von  Molschleben  (welche  sofort  die 
Gebäude  abbrachen  und  die  Ländereien  unter  sich  theilten),  und  erwarb 
statt  dessen  von  der  Vormundschaft  Johann  Georg's  von  Wangenheim 
zu  Graitschen  1738  das  Wangenheim'sche  Eittergut  zu  Fröttstedt 
(^4  St.  nördlich  von  Waltershausen,  2  St.  westlich  von  Gotha,  jetzt 
Station  der  Thüringer  Eisenbahn)  für  16500  Gulden,  nachdem  ihm 
der  Ankauf  eines  kleineren  Guts  in  dem  kaum  '/2  St.  nördlich  von 
Fröttstedt  gelegenen  Teutleben  noch  im  Jahre  1737  gelungen  war. 
Er  richtete  das  Wohnhaus  zu  Fröttstedt  neu  ein,  nahm  Meliorationen 
der  Aecker  und  Wiesen  vor  und  kaufte  noch  ansehnliche  Erbzinsen  und 
Lehnstücke  hinzu. 

Am  11.  September  1737  vermählte  sich  Alexander  von  Witzleben 
mit  Victoria  Eosine  Johanna  von  Wangenheim,  der  am  16.  Sept. 
1716  zu  Grossenbehringen  geborenen  Tochter  von  Johann  Georg  von 
Wangenheim  auf  Grossenbehringen  (n.  1681.  3.  Aug.,  f  1722.  26.  Mai*)) 
und  Sophie  Dorothea  Schelhase  (verm.  1707,  f  l^'-^-^-  21.  Nov.;**)  deren 
Vat«r  war  der  Fürstl.  Sachs.  Geh.  Eath,  Vice-Kanzler  und  Consistorial- 
Präsident  zu  Eisenach  Georg  Ludwig  Schelhase)  und  zog  mit  ihr  nach 
einiger  Zeit,  nachdem  er  die  Güter  verpachtet  hatte,  nach  Zella  (St.  Blasii) 
im  Gothaischen  Kreise  Ohrdruf,  wohin  er  als  Fürstl.  Sachsen-Gotha'scher 
Oberforstmeister  versetzt  war.  1739  reiste  er  nach  Würtemberg  und 
besuchte  auch  seiner  Mutter  Bruder,  den  Freiherm  Eberhard  Maximilian 
vom  Holtz  zu  Alfdorf.  Im  Jahre  1747  wurde  der  Sitz  des  Oberforst- 
meisters von  Zella  nach  Crawinkel  bei  Ohrdruf  verlegt,  wo  Alexander 
von  Witzleben  zu  dem  Ende  in  einem  Garten  ein  schönes  Haus  hatte 
bauen  lassen.  In  diesem  Hause  „sind"  am  4.  Aug.  1757,  Abends  6  Uhr, 
„der  Hochwohlgeborene   und  Gnädige  unmittelbare  Eeichsfreyherr  Herr 


*)  von  Wangenheim,  Beitr.  S.  808;  nach  Taf.  XII.  aber  ist  sein  Todestag 
der  28.  Mai 

**)  von  Wangenbeim,  1.  c;  nach  Taf.  XII.  aber  der  27.  Nov. 


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—     380     — 

Albrecht  Ernst  Friedrich  von  Crailsheim  mit  des  Hochwohl- 
geborenen  und  Gnädigen  Herrn  Alexander  von  Witzleben,  Erb-  und  Ge- 
richtsherrn auf  Fröttstedtund  Teutleben,  wie  auch  hochbestallten  Kammer- 
herms  auf  Friedenstein  und  Oberforstmeisters  allhier  (zu  Grawinkel) 
Aeltesten  gnädigen  Fräulein,  Fräulein  Karolinen  Christinen  Doro- 
theen  Christianen  Victorien,  nach  vorhergeschehener  Abkündigung 
in  der  den  3.  Aug.  gehaltenen  Betstunde  ordnungsmässig  copuliret 
worden".*)  Wir  ersehen  hieraus,  dass  Alexander  von  Witzleben  inzwischen 
auch  zum  Sachsen-Gotha'schen  Kanmierherm  ernannt  worden  war.  Später, 
z.  B.  1768,  wird  er  Sachsen-Gothascher  Ober-Landeshauptmann  und 
1777  gar  Kaiserlicher  Kammerherr  titulirt. 

„Am  20.  Juli  1777,  Nachmittags  gegen  4  Uhr,  starb  die  weyl. 
hochwohlgeborene  Frau,  Frau  Johanna  Victoria  Rosina  von  Witzleben, 
geb.  von  Wangenheim,  Gemahlin  des  wirklichen  Kaiserl.  Kanamerherms 
Herrn  Alexander  von  Witzleben.  Der  verblichene  Körper  wurde  den 
22.  ej.  zu  seiner  Ruhestätte  gebracht,  welche  in  dem  Garten  an  dem 
adlichen  Hause  in  einem  ausgemauerten  Grabe  bereitet  war.  Die 
Beerdigung  selbst  geschähe  des  Abends  gegen  10  Uhr  ohne  alles  Ge- 
pränge und  Procession  unter  dem  alleinigen  Mitgange  des  Pfarrers.  Die 
Zeit  ihres  Lebens  hatte  sie,  da  sie  anno  1716  den  16.  Sept.  geboren, 
gebracht  auf  61  Jahre  weniger  2  Monate  und  4  Tage."  Und  „am 
21.  Sept.  1781  Abends  zwischen  10  und  11  Uhr  starb  Se.  Excellenz 
Herr  Alexander  von  Witzleben,  Kaiserl.  Königl.  Kammerherr  und  Erb-, 
Lehn-  und  Gerichtsherr  allhier  (zu  Fröttstedt),  und  wurde  den  23.  ej. 
Abends  in  den  Garten  beigesetzt.  Das  eigentliche  Alter  hat  man  nie 
recht  erfahren,   doch  musste  es  ziemlich  hoch  in  die  70  steigen/**) 

Alexander  von  Witzleben  hatte  zu  Fröttstedt  in  grossartigen  Ver- 
hältnissen gelebt.  Nach  dem  Seelenregister  von  1762  gehörten  zu  seinem 
Hausstande  eine  Kammerfrau,  ein  Jäger,  drei  Diener  und  drei  Mägde. 
Li  der  Tradition  der  Einwohnerschaft  hat  sich,  nach  Mittheilung  des 
Pfarrers  B.  Weidner  vom  Jahre  1873,  die  Nachricht  erhalten,  dass  der 
Kanmierherr  sechsspännig  gefahren  sei  und  einen  Jäger  gehalten  habe. 
Ja,  ein  alter  Mann  weiss  noch  aus  den  Erzählungen  seiner  Mutter,  wie 
die  Ortsleute  und  Schulkinder  dem  alten  Edelmann   „den  Titel  hätten 


*)  Kirchenbuch  zu  Crawinkel,  wonach  Goth.  Taschenb.  der  FreiherrL  Hanser, 
1848,  S.  62  zu  berichtigen  ist. 

*•)  Kirchenbuch  zu  Fröttstedt.    Alexander  war  68  Jahre  alt. 


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geben"  müssen;  „Kaiserlich  Königlicher  Kammerherr  mit  offenen  Schlüsseln 
von  Witzleben"  sei  der  officielle  Gruss  gewesen. 

Von  den  Erben  Karl  Alexanders  (s.  Tab.  I.  17.)  erwarb  die  Herzog- 
liche Kammer  1785  das  adeliche  Gut  zu  Fröttstedt  und  verkaufte  dies 
und  das  von  ihr  bereits  innegehabte  Kammergut,  die  sogenannte  Vogtei, 
1808  für  39,000  Thaler  an  mehrere  Einwohner  von  Fröttstedt,  so  dass 
gegenwärtig  beide  Gutshäuser  sich  in  dem  Besitze  einfacher  Bauern  be- 
finden. Die  Stelle,  wo  das  oben  erwähnte  ausgemauerte  Gartengrab  ge- 
wesen ist,  kennt  man  noch;  es  ist  freilich  heute  daselbst  kein  Garten 
mehr,  sondern  eine  Scheuer  ist  darauf  erbaut.    Sic  transit  gloria  mundi. 


d.   Karl  Alexanders  von  Witzleben  Nachkommen, 

1738—1879. 

Viel  wüssten  wir  der  Stammtafel  I.  17  nicht  hinzufügen.  Die 
Söhne  Alexanders  verkauften  1785  Fröttstedt,  wie  oben  angegeben,  an 
die  Herzogl.  Sachsen-Gotha'sche  Kammer  und  Teutleben  an  mehrere 
dortige  Einwohner,  welche  die  Hofstätte  in  einen  Garten  verwandelten. 

Karl  Friedrich  von  Witzleben,  geb.  1738,  wurde  Herzogl. 
Sachsen-Weimar'scher  Kammerherr  und  Oberforstmeister  zu  Eisenach, 
vermählte  sich  im  October  1771  mit  Christine  Freiin  von  Quern- 
heimb  und  starb  am  18.  Juli  1792  zu  Eisenach,  wo  er  am  21.  Juli 
beigesetzt  wurde.  Sein  Sohn,  Karl  Friedrich  Ferdinand  von  Witz- 
leben, geboren  am  12.  September  1777  zu  Eisenach,  trat  in  Hannover- 
sche Dienste,  wurde  am  28.  Mai  1795  Fähnrich  in  der  Kurhannoverschen 
Fuss-Garde,  als  solcher  im  Juli  dess.  J.  in  Oldenburg  vereidigt,  den 
29.  Apr.  1802  zum  Second-Lieutenant  ernannt,  schon  am  20.  März  1804 
zum  Premier-Lieutenant  in  der  Artillerie  der  Königl.  Englisch-Deutschen 
Legion  und  am  23.  Dec.  1805  zum  Capitain  befördert.  In  dieser  Legion 
nahm  er  an  den  Expeditionen  nach  Hannover  1805,  dem  Baltischen 
Meere  1807/8  und  der  Scheide  1809  theil.  In  der  Hannoverschen 
Armee  wurde  er  am  16.  März  1815  Major  und  am  12.  Juli  1822  Oberst- 
lieutenant und  stand  als  solcher  bis  zum  1.  Juli  1825  im  7.,  von  da 
an  bis  31.  Mai  1833  im  3.  Infanterie-Regimente  und  ward  an  letzterem 
Tage  zum  1.  Linien-Bataillon  versetzt.  Nach  dem  er  ferner  am  2.  Apr. 
1836  zum  Titular-Obersten  avancirt  war,  trat  er  am  16.  Jan.  1838  auf 
sein  Ansuchen  mit  dem  Charakter  als  General-Major  in  Pension.     Seit 


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dem  17.  März  1816  war  er  Ober-Adjutant  des  kommandirenden  Feld- 
marschalls Herzog  von  Cambridge  und  seit  dem  17.  März  1833  Aide- 
General-Adjutant  der  Infanterie  gewesen.  Karl  Friedrich  Ferdinand  von 
Witzleben,  Bitter  des  K,  Hannov.  Guelphen-Ordens  und  Inhaber  des 
Wilhelms-Kreuzes,  starb  zu  Hannover  am  29.  Juni  1845  mit  Hinter- 
lassung von  einer  Wittwe  und  fünf  Töchtern.*)  Die  Wittwe  war  Karoline 
geb.  Holscher,  geb.  1.  Dec.  1796,  mit  der  er  sich  am  6.  Febr.  1815 
vermählt  hatte  und  welche  am  15.  Febr.  1859  starb.  Die  fänf  Töchter 
8.  Tab.  I.   17. 

Dauerhafter  als  Karl  Friedrich  pflanzte  die  Molschlebener  Linie 
Alexanders  anderer  Sohn  August  Ludwig  Alexander  von  Witz- 
leben fort.  Er  muss  1742  in  Zella  geboren  sein,  ward  Sachsen-Gotha- 
scher  Kammerjunker  und  Lieutenant  im  Dragoner-Eegiment  imd  ist  am 
20.  Apr.  1768  „mit  der  Hochwohlgeborenen -Maiemot^eHc  Anna  Maria 
Elisbetha  Gutbierin,  weyland  Herrn  Johann  Ludwig  Gutbiers,  Frey- 
sassen zu  Gräfen-Tonna,  eheleibl.  anderer  Tochter,  auf  vorher  erhaltene 
Oher-Consistorialcoficession  im  hochadl.  Hausse  (zu  Fröttstedt)  copuliret 
worden".**)  Mit  ihr  erheirathete  er  die  Hälfte  des  ehemalig  Weiden- 
see'schen  Sohn-  uno  Tochterlehnguts  zu  Grafen  ton  na.  Nachdem  aber 
sowohl  er  als  seine  Gemahlin  bis  1796  verstorben  waren,  verkauften 
seine  Schwägerin,  Frau  Eva  Maria  Heibig  geb.  Gutbier,  und  seine  4  Söhne 
dieses  Gut  laut  Contracts  vom  15.  Nov.  1796  an  den  bisherigen  Pächter 
für  13,000  Gulden,  so  dass  nun  die  Molschlebener  Linie  ohne  jeglichen 
Grundbesitz  war.  Mit  den  Enkeln  August  Ludwig  Alexanders  von  Witz- 
leben erlischt  (anscheinend***))  nach  fast  500 jährigem  Blühen  die  Molsch- 
lebener Linie. 


*)  Schreiben  des  K.  Hannoverschen  Kriegsministeriums  an  G.  A.  von  Witzleben 
d.  d.  Hannover,  22.  März  1866. 

**)  Kirchenbuch  zn  Fröttstedt. 
***)  Der  K.  Sachs.  Capitain  a.  D.  Ernst  Wilhelm  Ludwig  Georg  von  Witzleben, 
welcher  am  8.  Oct.  1818  zn  Dresden  unvermählt  starb,  hatte  in  seinem  am  3.  Oct.  1818 
errichteten  Testamente  die  Söhne  seines  Bruders  Alexander,  Hermann  Wilhelm  und 
Jobst  Rudolph  Alexander,  zu  Erben  eingesetzt.  Ausserdem  wird  eines  NeflFen  August 
gedacht,  welcher  800  Thaler  erhalten  soll.  Sonst  ist  uns  dieser  August  von  Witzleben 
nirgends  aufgestossen,  wir  wissen  auch  nicht,  ob  er  noch  lebt  und  etwa  Nachkommen  hat. 


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V.  Abtheilung. 

Die  Linie  zu  Marlishausen. 

U84— 1615. 

Der  Deutsche  Orden  zählte  in  der  ersten  Hälfte  des  15.  Jahrhunderts 
zu  seinen  hervorragenden  Brüdern  mehrere  Glieder  unseres  Geschlechts. 
Albrecht  von  Witzleben  war  Landkomthur  des  Deutschen  Ordens  und 
Statthalter  in  Thüringen  von  1392  bis  1420.  Ihm  folgte  in  dieser 
Würde  Heinrich  von  Witzleben,  1420  bis  1429.  In  den  Jahren  1444 
und  1448  finden  wir  den  Bitter  Heinrich  von  Witzleben  als  Komthur 
von  Nägelstedt  (bei  Langensalza)  und  1447  wird  eines  Ordensbruders 
Heinrich  von  Witzleben  gedacht,  welcher  in  einem  Convent  in  Thüringen 
ein  so  ungebundenes,  sittenloses  Leben  führte,  dass  ihn  der  Deutsch- 
meister dem  Hochmeister  zusenden  musste,  damit  dieser  ihn  nach  Lief- 
land und  dort  an  die  Orte  schaffe,  wohin  er  seines  unordentlichen 
Wandels  wegen  gehöre.*)  Wer  die  Väter  dieser  Heinriche  gewesen, 
war  bis  jetzt  nicht  zu  ergründen.  Nur  soviel  vermögen  wir  nachzu- 
weisen, dass  der  Komthur  von  Nägelstedt,  welcher  am  30.  Mai  1434 
in  einem  Schreiben  des  Erfurter  Eaths  an  den  Landgrafen  in  Thüringen 
noch  als  „Er  Heinrich  von  Witzleben,  des  Landgrafen  Mann, 
zu  Marlishausen  gesessen"  bezeichnet  wird  und  einen  Theil  dieses 
Gutes  an  den  Erfurter  Bürger  Erhard  von  Botha  verkaufte,  einen  Bruder 
hatte,  der  ebenfalls  Heinrich  hiess,  aber  nicht  Bitter  war.  In  dem 
Leibgedingsbriefe  nämlich  vom  21.  Nov.  1444,  worin  die  Herzöge 
Friedrich  und  Wilhelm  zu  Sachsen  Heinrichs  von  Witzleben  zu  Marlis- 
hausen eheliche  Hausfrau  Engil  mit  der  Hälfte  eines  freien  Hofes  mit 
7\/2  Hufen  Landes,  Wiesen  und  Weiden  und  eines  freien  Backofens  zu 
Marlishausen  belehnten,  heisst  es,  dass  der  Engil  zu  Vormündern 
gegeben  seien  Er  Heinrich  von  Witzleben,  itzund  Komthur  des 


*)  Zeitschrift  des  Vereins  für  Thür.  Gesch.  I.  S.  110. 

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Hauses  Deutschen  Ordens  zu  Nägelstedt,   des   vorgenannten 
Heinrichs  Bruder,  und  Hans  Meinhard,  ihr  Vetter. 

Heinrich  von  Witzleben  und  seine  eheliche  Hausfrau  Engil 
sind  die  Stammeltern  der  Linie  zu  Marlishausen*)  (s.  Tab.  I.  18).  Die 
auch  in  dieser  Linie  vorkonamenden  einzelnen  Verpfändungen  und  kleineren 
Verkäufe  übergehen  wir  als  unwesentlich,  wollen  jedoch  erwähnen,  dass 
Heinrich  und  seine  Söhne  1457  von  dem  Pfarrer  zu  Obemdorf  (unter 
der  Kefemburg)  6  in  der  Flur  von  Marlishausen  gelegene  Hufen  Landes 
Pfarrgut  gegen  Erlegung  eines  Komgeldes  pachteten,  weil  dieses  Pacht- 
verhältniss  von  längerer  Dauer  war;  noch  Heinrichs  Enkel  schlössen  am 
1.  Febr.  1500  einen  neuen  Contract,  wonach  sie  jene  6  Hufen  auf  weitere 
31  Jahre  gegen  einen  jährlichen  Zins  von  3  Maltern  schönen  Weizens, 
3  Maltern  Hafer  und  1  Malter  Gerste  übernahmen.  Am  9.  Jan.  1465 
wurden  Heinrichs  Söhne,  Ernf  ried  (auch  Ernfart,  meist  Herfart  genannt), 
Heinrich  und  Iring  von  Witzleben  mit  den  Gütern  zu  Marlishausen 
als  einem  Gesammtlehn  belehnt.  Herfart  von  Witzleben  kaufte  am  7.  Mai 
1477  von  Hans  Heise  Lehen  und  Güter  zu  Mittelsömmem,  Ottenhausen, 
Kutzleben,  Homsömmern  und  Ballhausen  (alle  in  der  Gegend  von  Greussen 
und  Gebesee  gelegen),  worüber  dann  seine  Brüder,  unter  denen  nun  auch 
Kirsten**)  genannt  wird,  die  Mitbelehnschaft  empfingen,  während  sie 
zugleich  seiner  Hausfrau  Anna  zum  Leibgut  verschrieben  wurden.  Diese 
Güter  gingen  auf  Herfarts  ältesten  Sohn,  Heinrich,  über;  der  zweite 
Sohn,  Christoph,  und  die  3  Söhne  eines  seiner  Bmder  (welches,  ist 
ungewiss)  hatten  Marlishausen  inne.  Nach  dem  Lehnbriefe  des  Herzogs 
Georg  zu  Sachsen  fär  Heinrich  von  Witzleben  zu  Mittelsömmem 
(Herfarts  Enkel)  vom  Jahre  1502  bestanden  dessen  Güter  in  einem 
Sedelhof  zu  Mittelsönamem  mit  10  Hufen  Landes,  1  Schaftrift  und  20 
Ackern  Holz  im  Schorbenthal,  2  Höfen  zu  Homsömmern  und  1  Wiese 
zu  Ballhausen  und  mussten  (nach  einem  Verzeichniss  der  Eitterdienste  etc. 


*)  Marlishausen  ist  em  Dorf  im  Verwaltungs-Amte  Arnstadt  des  F&rstenthums 
Schwarzburg-Sondershansen,  1  St.  ostsüdöstlich  von  Arnstadt  und  IV*  St.  westlich 
von  Witzleben.  Mit  der  Herrschaft  Kefemburg  kam  es  an  die  Landgrafen  in  Thüringen, 
später,  unter  deren  Oberhoheit,  an  die  Grafen  zu  Schwarzburg.  Das  einst  Witzleben- 
sche  freie  Rittergut  ist  Fürstliche  Dom&ne  mit  einem  Areal  von  ■  533  Preuss.  Morg^ 
40  QRuthen  und  Weidegerechtigkeiten  in  10  Gemeindefluren. 

**)  Dieser  besass  seit  1472  den  Sedelhof  zu  Wundersleben,  welchen  Christoffel 
von  Witzleben  zum  Wendelstein  1471  an  Bruno  von  Quer  fürt,  dieser  aber  an  die  von 
Witzleben  zu  Marlishausen  vertauscht  hatte. 


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der  Thür.  Aemter  Freiburg,  Eckart^berga,  Salza,  Sachsenburg  und  Weissen- 
see  von  1518 — 1529,  im  Staats- Archiv  zu  Magdeburg)  mit  einem  Bitter- 
pferde verdient  werden.  Heinrich  von  Witzleben  verkaufte  Mittelsönmiem 
1535  an  Hans  von  Dachröden,  lebte  dann  in  Budolstadt  und  erwarb  um 
1550  das  V*  St.  südlich  von  dieser  Stadt  gelegene  freie  Bittergut  zu 
Cumbach,  dessen  Grund  und  Boden  gerade  nicht  sehr  ausgedehnt  war, 
zu  dem  aber  beträchtliche  Zinsen  aus  nicht  weniger  als  27  in  der  Um- 
gegend liegenden  Ortschaften  gehörten.*)  Als  Schwarzburgischer  Bath 
wird  er  von  1523  an  40  Jahre  hindurch  vielfach  genannt,  und  um  seiner 
treuen  und  mannigfaltig  erzeigten  Dienste  willen  gab  ihm  Graf  Heinrich 
zu  Schwarzburg  am  24.  Mai  1529  ein  Fischwasser  bei  Marlishausen, 
von  dem  Wipfra-Wehr  bis  zur  Veitmühle,  zu  erblichem  Eigenthum.  Als 
1546  dem  Herzog  Moritz  zu  Sachsen  die  Kur  übertragen  war,  hatte  dem- 
selben auch  Graf  Günther  zu  Schwarzburg  gehuldigt.  Der  geborene 
Kurfürst,  Johann  Friedrich,  suchte  sein  Land  zu  vertheidigen,  nahm 
Langensalza  ein  und  liess  den  Grafen  Günther  citiren,  ihm  wieder  zu 
huldigen;  der  aber  sandte  nur  seine  Eäthe,  Dr.  Beinhard  und  Heinrich 
von  Witzleben,  nach  Langensalza  und  liess  sich  entschuldigen.  Die  un- 
glücklichen Bäthe  wurden  nun  „allda  enthalten  und  verstrickt",  d.  h. 
verhaftet,  worauf  Graf  Günther  sehr  demüthig  wegen  seines  ganzen  Be- 
tragens um  Verzeihung  und  darum  bat,  seine  Bäthe  des  Gefängnisses 
imd  der  Bestrickung  zu  entledigen.  Sein  Bitten  war  vergeblich;  erst 
nach  der  Schlacht  bei  Mühlberg  (24.  Apr.  1547),  in  welcher  Johann 
Friedrich  gefangen  wurde,  erhielt  Günther  sein  Land  und  seine  Bäthe 
wieder.**)  Auf  Heinrich  von  Witzleben,  der  1562  erblos  starb,  und 
seine  Gemahlin  kommen  wir  unten  noch  zurück. 

Von  den  oben  erwähnten  Besitzern  von  Marlishausen  war  Veit  von 
Witz  leben  von  1497  bis  1515  Schwarzburgischer  Amtmann  zu  Klingen 
imd  Georg  von  Witzleben  Kastellan  von  Blankenburg  und  Amtmann 
zu  Schwarzburg.  Beide  starben  ohne  Erben;  Georg  ward  in  dem  ein 
Jahr  vor  seinem  Tode  von  den  Bauern  zerstörten  Paulinzelle  beigesetzt 
und  erhielt  über  seinem  Grabe  eine  Steinplatte,  welche  einen  stehenden 
Bitter,  das  Witzlebensche  Wappen  mit  im  Sparren  getheilten  Schild  und 
die  Umschrift  zeigte: 

*)  Füratl.  Schwarzb.  Geh.  Archiv  zu  Rudolstadt,    „Erbbüchlein  vber  die  zum 
Witzlebischen  guthe  Gumbach  gehörige  Zinssen"  vom  Jahre  1647. 
*♦)  P.  Jov.  Chron.  Schwarzb.  1.  c.  S.  663  (g. 


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—     386     — 

NACH :  CHBIST  :  GEBVBT:!  :5:2:6: 

AM  :  TAGE  :  PHILIPPI :  VND  :  lACOBI :  IST  :  VOESCHEI 

DEN  :  DER :  GESTRENGE  :  VND  :  VHE 

STE  :  GEORG :  VON  :  WICZELEVBEN  :  DEM :  GOT  :  GENAD  : 

Jetzt  ist  von  dieser  Schrift  nur  noch  ein  Theil  zu  lesen*),  da  der 
Stein  3  Jahrhunderte  hindurch  auf  der  Erde  gelegen  und  durch  Abtreten 
bedeutend  gelitten  hat.  Auf  Befehl  des  Fürsten  von  Schwarzburg-Rudol- 
stadt  ist  er  aber  (nebst  3  andern  Steinen,  Äbte  des  Klosters  darstellend) 
um  1860  zu  besserer  Schonung  an  der  inwendigen  Seite  der  Nordwand 
des  Kirchenschiffs  aufgestellt  worden. 

Nur  Heinrich  von  Witzleben,  welcher  1526  vom  Grafen  Günther 
zu  Schwarzburg  mit  dem  nach  Heinrichs  d.  J.  von  Werthern  Tode  heim- 
gefailenen  freien  Rittergütlein  zu  Thalheim,  (jetzt  Wasserthalleben,  bei 
Greussen)  belehnt  worden  war  und  1 529  starb ,  hatte  von  seiner  Gemahlin 
Elisabeth  Nachkommen,  nämlich  3  Söhne,  Herfart,  Georg  und 
Rudolf,  und  3Töchter,  Magdalene,  vermählt  mit  Christoph  Tobekatz 
zu  Elleben,  deren  Eheberedung  am  14.  Nov.  1526  errichtet  wurde, 
Margarethe,  welche  im  Januar  1537  ihren  Vetter  Heinrich  von 
Witzleben  zu  Rudolstadt  heirathete,  und  Anna,  welche  am  1.  Juli  1555 
noch  Jungfrau  genannt  wird  und  wol  auch  ledigen  Standes  blieb. 

Im  Jahre  1538  verkauften  Herfart,  Georg  und  Rudolf  von  Witzleben, 
zu  Marlishausen  gesessen,  ihr  Gut  zu  Thalheim  an  Moritz  von  Werthem 
für  1300  Gulden  k  21  Zinsgroschen,  welche  Summe  ihnen  dieser  mit 
1092  Thalem,  k  25  Groschen  gerechnet,  bezahlte  und  sich  zugleich 
verpflichtete,  für  den  Fall  dass  die  von  Witzleben  die  empfangene  Münze 
nicht  so  hoch  ausbringen  könnten,  den  entstehenden  Schaden  zu  ersetzen. 
Nun  thaten  die  von  Witzleben  das  Geld  an  den  Grafen  von  Mansfeld 
um  einen  Zins  aus  und  gaben  dabei  den  Thaler  zu  24  Groschen,  büssten 
also  auf  jeden  Thaler  einen  Groschen  ein.  Da  sie  in  Güte  von  Moritz 
von  Werthern  ihren  vermeintlichen  Schaden  nicht  ersetzt  erhalten  konnten, 
beschritten  sie  den  Rechtsweg  vor  dem  Oberhofgericht.  Der  Verklagte 
wies  aber  nach,  dass  die  Kläger  dem  Grafen  von  Mansfeld  die  1 300  Gulden 
auf  3  Jahre  in  der  Art  hatten  zukommen  lassen,  dass  das  Hundert 
jährlich  mit  7  fl.  zu  verzinsen  war,  also  durchaus  keinen  Schaden  erlitten 
hätten;  er  wurde  daher  am  18.  Mai  1543  von  der  angestellten  Klage 
absolvirt,  die  Kosten  compensirt. 

*)  Die  vollständige  Umschrift  in  Thür.  und  der  Han,  II.  S.  271. 

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—     387     — 

Georg  von  Witzleben  leistete  im  Schmalkaldenschen  Kriege  seinem 
Oberlehnsherm,  dem  Kurfiirsten  Johann  Friedlich  zu  Sachsen,  getreulich 
Heeresfolge,  „bis  ihn  Schwachheit  abgetrieben*' ;  es  scheint  fast,  als  wenn 
diese  Schwachheit  noch  vor  der  Mühlberger  Schlacht  eingetreten  sei. 

Am  3.  Jan.  1555  kamen  Heinrich  von  Witzleben  zu  Cumbach  und 
Georg  von  Witzleben  zu  Marlishausen,  welche  in  gegenseitiger  Mitbelehn- 
schaft  standen,  im  Beisein  Christophs  von  Thun  zu  Witzleben,  Christophs 
von  Witzleben  zu  Wölfis  und  Sie^unds  Witzleben,  Bentmeisters  zu 
Arnstadt,  und  mit  Zustimmung  ihrer  Vettern  Friedrich  und  Ernst  von 
Witzleben  zu  Elgersburg  und  Liebenstein,  (Vormünder  der  über  Marlis- 
hausen mitbelehnten  Georg  und  Ernst  Tobekatz,  Neffen  Georgs  von  Witz- 
leben) dahin  überein,  dass  Heinrich  von  Witzleben  seine  Hauswirthin 
Margarethe,  besagten  Georgs  von  Witzloben  Schwester,  mit  seinem 
Rittergute  Cumbach  und  Georg  von  Witzleben  seine  Hauswirthin  Anna 
geb.  von  Scharfenstein*)  mit  dem  Gut  und  Kittersitz  zu  Marlishausen 
beleibzüchten  sollte.  Am  26.  Jan.  1559  ward  in  Bezug  auf  Anna's  Leib- 
gedinge festgesetzt,  dass  sie,  wenn  Georg  von  Witzleben  Todes  halben 
abgegangen  wäre,  1 000  Gulden,  jährlich  mit  6  7o  zu  verzinsen,  1 50  Gulden 
zu  einem  Wohnhause  und  jährlich  10  Maass  schön  Korn,  10  M.  Gerste, 
5  M.  Hafer  und  1  gemästetes  Schwein  oder  statt  dessen  6  Gulden  aus 
dem  freien  Bittergute  Marlishausen  ihr  Leben  lang  erhalten  sollte,  ohne 
irgendwelche  Einrede  Heinrichs  von  Witzleben  oder  dessen  lieber  Haus- 
wirthin Margarethe.  Heinrich  erlebte  Georgs  Tod  nicht,  sondern  starb 
vor  diesem  und  zwar  im  Jahre  1562.  Und  nun  gingen  Sachen  vor,  die 
allem,  was  bisher  an  verschiedenen  Stellen  dieser  Familiengeschichte 
über  das  Verfahren  der  Grafen  zu  Schwarzburg  gegen  einzelne  Glieder 
unseres  Geschlechts  berichtet  ist,  die  Krone  aufsetzen.  Wir  lassen  darüber 
Christoph  von  Witzleben  erzählen,  welcher  seinem  Freunde  Asmus  vom 
Stein  zum  Liebenstein  unterm  25.  März  1563  schrieb:**) 

„Meinen  freundlichen  Dienst  zuvor,  edler  und  ehrenfester  besonders 
günstiger  lieber  Freund!    Euch  als  meinem  lieben  vertrauten  Freunde 


*)  Eine  Tochter  Joachims  von  Scharfenstein,  den  Georg  von  Witzleben  am 
6.  Juni  1554  wegen  Bezahlung  von  100  fl.  rückstandigen  Ehegeldes  nebst  aufge- 
laufenen Schäden  und  Kosten  bei  den  Herzögen  zu  Sachsen  verklagte.  Geh.  St.  Arch. 
zu  Weimar. 

*♦)  Das  gut  erhaltene  Original  dieses  Briefes  befindet  sich  im  Geh.  St.  Arch.  zu 
Weimar.     Wir  geben  den  Brief  mit  heutiger  Orthographie. 


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—     388     — 

kann  ich  guter  Wohlmeinung  nicht  bergen,  wie  Ihr  sonder  Zweifel  vielleicht 
erfahren  habt,  wie  dass  die  wohlgeborenen  meine  gnädigen  Herren,  die 
Grafen  zu  Schwarzburg  etc.,  meine  Muhme,  Frau  Margaretha  von  Witz- 
leben zu  Cumbach,  Heinrichs  von  Witzleben  sei.  nachgelassene  Wittwe, 
gewaltiglich,  ohne  einiges  rechtliche  Erkenntniss,  mit  Richtern,  Stadt- 
und  Landknechten  sammt  einer  grossen  Anzahl  Volks  überfallen,  wider 
Gott,  Recht  und  alle  Billigkeit  geplündert,  sie  gefangen  hinweg  gefahrt 
und  bis  auf  diese  Stunde  in  schwerem  Gefängniss  enthalten  haben,  der 
armen  Frauen  unbilliger  Weise  alle  ünehr,  Schanden  und  Laster  nach- 
sagen, ihres  Gefallens  ürtheil  über  sie  holen  lassen,  sie,  wie  gemeldet, 
wider  Gott,  Recht  und  alle  Billigkeit,  den  Kaiserlichen  Landfrieden,  des 
Heiligen  Reichs  Constitution  geplündert,  die  Lehngüter  als  ihr  Leibgut, 
das  etwa  ungefähr  über  die  6000  Gulden,  die  Verschreibung,  damit  Ihre 
Gnaden  ihr  der  Frauen  verhaftet*),  sanunt  allem  Hausgeräth,  ein  statt- 
lich Silbergeschirr,  auch  alle  andere  Privilegien  und  anderes  genommen 
und  keinen  Menschen  zu  ihr  eingehen  lassen,  sondern  ihres  Gefallens 
mit  der  armen  gefangenen  Frauen  gebärden,  ihrem  Bruder  Georg  von 
Witzleben,  welches  denn  ein  armer  unverständiger  Mensch  ist,  sein  Gut 
Marlishausen  abgekauft,  ihm  der  gedachten  Frauen  Leibgut  Cumbach 
dagegen  eingeräumt,  welches  dann  ohne  das  ihm  nach  ihrem  Tode  kraft 
der  Gesammt-Lehen  heimfalle,  aber  ihr  Bruder,  wie  gemeldet,  ein  armer 
Mensch  ist,  der  weder  Witz  noch  Verstand  zu  gebrauchen  (weiss),  sie 
mir  von  meinem  Vater  und  Mutter  sei.  verwandt  und  ich  als  ihr  bluts- 
verwandter Freund  sie  mit  Ehren  und  Recht  gern  aus  solcher  grossen 
unbilligen  gewaltsamen  Beschwerung  bringen  wollte,  auch  grosse  unbillige 
Gewalt  der  armen  Frauen  begegnet  und  ich,  solch  alles  aus  christlicher 
Liebe,  blutsverwandter  Freundschaft  nicht  zu  unterlassen  weiss,  diese 
Unbilligkeit  bei  dem  Durchlauchtigen  Hochgeborenen  Fürsten  und  Herrn, 
Herrn  Johann  Friedrich  d.  M.,  Herzog  zu  Sachsen  etc.,  meinem  gnädigsten 
Fürsten  und  Herrn,  als  bei  der  hohen  landesfiirstlichen  Obrigkeit,  unter- 
thänig  (zu)  suchen,  also  dass  J.  F.  G.  gemeldete  arme  Frau  in  J.  F.  G. 
Fürstenthum  auf  freien  Fuss  und  des  unbilligen  harten  Gefängnisses  von 
landesfürstlicher  Hoheit  und  Obrigkeit  wegen  entledigen, und 

*)  Der  Leibzuchtbrief  des  Grafen  Günther  zn  Schwarzburg  für  des  gestrengen 
Heinrich  von  Witzleben  tugendsame  Hausfrau  Margarethe  geb.  von  Witzleben  über  das 
Gut  zu  Cumbach,  1551»  Freitag  nach  Luciae  v.  (d.  i.  18.  Dec),  befindet  sich  im 
Schwarzburgischen  Archiv  zu  Sonderhausen. 


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—     389     — 

wird  sie  vor  J.  F.  G.  zu  peinlichen  und  burglichen  Eechten  aller- 
männiglich,  wer  ihr  zuzusprechen  vermeint,  still  stehen  und  Bechtens 
gewarten;  solches  will  ich  von  ihretwegen  mit  etlichen  ehrlichen  vom 
Adel  auf  eine  stattliche  Summe  Geldes  genugsam  verbürgen.  Dieweil 
ich  dann  weiss,  dass  Dir  dann  meines  Vaters  sei.  gar  guter  vertrauter 
Freund  gewesen  seid,  der  armen  gefangenen  Frauen  Bruder  ein  Mensch 
ist,  der  seinen  Nutz,  Frommen  oder  Schaden  nicht  weiss  noch  erkennen 
kann,  so  gelangt  an  Euch  mein  freundlich  Bitten,  Ihr  wollt  mir  hierinnen 
freundlich  berathen  sein,  wie  und  welcher  Gestalt  solche  Sache  bei  hoch- 
gedachtem meinem  g.  F.  und  Herrn  anzufangen  sei,  denn  ich  hoflfe 
J.  F.  G.  als  die  hohe  landesfiirstliche  Obrigkeit  werden  in  dieser  ganz 
beschwerlichen  Sache  der  armen  Frauen  ihr  Recht  zur  Billigkeit  und, 
wie  gemeldet,  von  landesfurstlicher  Obrigkeit  offnen  etc.,  denn  es  ist 
zu  befahren,  wenn  dieser  Handel  langen  Vorzug  haben  sollte,  dass  der 
armen  gefangenenen  geplünderten  Frauen  ein  spanisch  Süpplein*)  bei- 
gebracht werde,  wodurch  sie  des  Todes  sein  müsste.  Derwegen  an  Euch 
mein  ganz  freundlich  Bitten,  Ihr  wollt  mir  in  diesem  aufs  förderlichste 
Euren  guten  Rath  mittheilen;  solches  will  ich  um  Euch  mit  allerhöchstem 
Vermögen  freundlich  verdienen,  so  wird  es  die  arme  Frau  mit  ihrem  Gebet 
gegen  Gott  den  Allmächtigen  sonder  allen  Zweifel  zu  verschulden  wissen. 

Datum  Donnerstag  nach  Laetare  Anno  etc.  63. 

Christoph  von  Witzleben.  * 

Georg  von  Witzleben  sagt  in  einem  von  ihm  zu  Arnstadt  am  Tage 
Gregorii  (12.  März)  1563  ausgestellten  Revers,  dass  —  nachdem  sein 
Schwager  Heinrich  von  Witzleben  zu  Cimibach  von  dieser  Welt  ge- 
schieden und  sein  frei  Rittergut  Cumbach,  darin  er  (Georg)  mit  ihm  in 
gesammter  Hand  und  Mitbelehnschaft  gewesen,  auf  ihn  als  seinen  Agnaten 
und  Mitbelehnten  gefället,  welches  aber  den  Grafen  Günther  und  Hans 
Günther  Gebrüdern  za  Schwarzburg  als  den  Lehnsherrn  aus  dem  Grunde, 
weil  er  (Georg)  der  gesammten  Hand  keine  gebührliche  Folgen  gethan, 
auch  Heinrichs   hinterlassene  Wittwe   Margarethe    von   Witzleben   ihre 

*)  In  den  Zeiten  des  30jährigen  Krieges  auch  Schwedentrunk  genannt.  Pas 
unglückliche  Opfer  ward  auf  den  Bücken  gelegt  und  ihm  mittelst  eines  Trichters  Jauche 
und  dergl.  ünrath  in  den  Mund  geflösst,  his  der  Leib  aufgetrieben  war;  dann  trat 
oder  schlug  man  auf  den  geschwollenen  Leib  —  mit  welcher  Wirkung,  mag  sich  der 
geneigte  Leser  nach  Belieben  ausmalen.  Die  Erfindung  dieser  Qual  ist  falschlich  den 
Schweden  angedichtet  worden,  während  sie  nach  obigem  Brief  schon  1563  in  Deutsch- 
land bekannt  war. 


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—     390     — 

an  solchem  Bittergut  vermachte  und  verschriebene  Leibzucht  die  Tage 
ihres  Lebens  verwirkt  habe,*)  erledigt  und  heimgefallen  sei,  und  wiewohl 
nun  die  Grafen  befugt  seien,  das  Gut  fiir  sich  zu  behalten  oder  irgend 
einem  andern  zu  verleihen,  —  sie  ihm  doch  auf  sein  Bitten  solch  freies 
Bittergut  Cumbach  zu  leihen  und  einzuräumen  bewilligt  hätten,  wogegen 
er  verspräche,  an  dem  Kaufgelde,  so  die  Grafen  ihm  für  das  ihm  ab- 
gekaufte Gut  Marlishausen  zu  zahlen  pflichtig,  3000  Gulden  schwinden 
zu  lassen.  Am  1.  Mai  1563  ward  der  Verkauf  von  Marlishausen  perfect: 
Georg  von  Witzleben  verkaufte  an  die  Grafen  Günther,  Hans  Günther, 
Wilhelm  und  Albrecht  Gebrüder  zu  Schwarzburg  etc.  sein  freies  Bitter- 
gut zu  Marlishausen  sammt  dem  Wohnhause  und  Hofe,  Ställen  und 
Scheunen,  Schäfereien  mit  500  Schafen,  bestellten  und  unbestellten 
Aeckem,  Wiesen  und  Weiden,  Gehölzen,  Fischereien,  Gärten,  Gülten  und 
Zinsen,  sowie  aller  Gerechtigkeit  und  Zubehörung  für  und  um  12000  Gulden 
ä  21  Schneeberger  Groschen,  wovon  er  versprochener  Massen,  nachdem 
ihm  das  Gut  Cumbach  inzwischen  eingeräumt  war,  3000  fl.  fahren  liess. 
Damit  sich  aber  seine  Mitbelehnten  (seines  Schwagers  Christoph  Tobekatz 
Söhne)  nicht  beschweren  konnten,  willigte  er  darin,  dass  von  der  Kaufsumme 
6000  fl.  als  Lehnstamm  stehen  blieben,  sodass  er  für  sich  nur  3000  fl.  erhielt. 

Ueber  die  weiteren  Schicksale  der  armen  Margarethe  ist  uns  nichts 
bekannt  geworden;  am  28.  Mai  1564  wird  sie  als  verstorben  bezeichnet. 

Georg  von  Witzleben  lebte  noch  1574  und  cedirte  am  18.  März  d.  J. 
sein  Patronatsrecht  über  den  Altar  S.  Matthiae  et  Mauritii  in  der  Kirche 
S.  Matthiae  zu  Erfurt  dem  Grafen  Günther  zu  Schwarzburg.  Mit  dem 
Jahre  1580  tritt  sein  Sohn,  Heinrich  von  Witzleben  zu  Cumbach, 
auf,  dem  die  Grafen  Hans  Günther,  Wilhelm  und  Albrecht  zu  Schwarz- 
burg am  28.  Mai  1585  das  von  seinem  verstorbenen  Vater  erkaufte  Gut 
Marlishausen  verpfändeten.  Heinrich  verkaufte  in  der  Zeit  vom  25  Jan. 
1593  bis  28.  Dec.  1614  zu  sechs  verschiedenen  Malen  einzelne  Lände- 
reien des  Gutes  Cumbach  gegen  haar  Geld  und  Zinshühner  und  starb 
1615.  Er  scheint  einen  Bruder  Georg  gehabt  zu  haben,  wenigstens 
wird  sein  Vater  bei  Gelegenheit  der  Cedirung  des  Erfurter  Patronatsrechtes 
Georg  von  Witzleben  der  Aeltere  zu  Cumbach  genannt.  Dies  Gut 
finden  wir  1615  als  heimgefallenes  Lehn  im  Besitz  der  Grafen  zu  Schwarz- 
burg, erloschen  war  also  die  Linie  zu  Marlishausen. 


*)  wodurch,  wird  leider  nicht  gesagt. 


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I.  Theil.  Anlage  I. 


Christoph  von  Witzleben 

und 

Balthasar  von  Denstedt. 

Ein  Bild  deutscher  Rechtspflege  zu  Ende  des  16.  und 
zu  Anfang  des  17.  Jahrhunderts,  nach  den  im  Königlich 
Sächsischen,  Grossherzoglich  S.  Weimarschen,  Herzoglich 
Coburg -Gothaischen  und  Fürstlich  Schwarzburgischen  Archive 
enthaltenen   Nachrichten   erzählt. 


Die  Lebensgesichte  Christophs  von  Witzleben  aus  dem  Hause 
Liebenstein*),  als  dessen  Stammvater  Heinrich  d.  J.  (11455)  auf  Stamm- 
tafel l  genannt  wird,  erscheint  desshalb  in  einem  besonderen  Abschnitt, 
um  durch  dieselbe  die  später  erscheinende  Geschichte  der  Liehensteiner 
Linie  nicht  zu  unterbrechen. 

Wenn  der  Leser  in  der  vorliegenden  Biographie  manche  Lücke  finden 
und  namentlich  durch  den  Schluss  derselben  unbefriedigt  sein  sollte,  so 
möge  er  dies  der  ünvoUständigkeit  der  Archive  und  nicht  den  Verfassern 
zuschreiben,  welche  keine  Mühe  gescheut  haben,  gerade  diese  interessante 
wenn  auch  trübe  Episode  unserer  Familien-Geschichte  so  vollständig  als 
möglich  darzustellen. 

•)  Die  Burg  Liebenstein  Hegt  im  Herzogthum  Gotha,  nicht  weit  von  Arnstadt. 

1 


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—    2    — 

Christoph  von  Witzleben  wurde  um  das  Jahr  156S  geboren.  Seine 
Mutter  Sibylle  war  eine  geborne  von  Reineck,  deren  Familie  die  Burg  Mühl- 
berg, eine  der  drei  Thüringischen  Gleichen,  besass  Sie  gehörte  unstreitig 
zu  den  gebildetsten  Edelfrauen  ihrer  Zeit,  war  streng  religiös  und  hielt 
fest  an  dem  lutherischen  Glauben.  Mit  inniger  Liebe  hing  sie  an  ihren 
beiden  Kindern  und  brachte  für  ihren  Sohn,  welcher  ihr  so  unendlichen 
Kummer  bereitete,  alle  nur  erdenklichen  Opfer,  während  sie  ihre  Tochter, 
deren  Tauiiiamen  wir  nicht  kennen,  zu  einer  sittsamen  Jungfrau  erzog. 

Die  Erziehung  Christophs  hatte  ihren  Verlauf,  wie  es  die  damalige 
Zeit  mit  sich  brachte.  Er  lernte  reiten,  ward  in  der  Religion  und  lateini- 
schen Sprache  unterrichtet,  und  schrieb  gleich  seiner  Mutter  einen  leser- 
lichen gut  stilisirten  Brief,  was  bei  dem  damals  üblichen  langen  Perioden- 
bau sehr  anzuerkennen  ist. 

Christoph  war  von  ungestümem  aber  dennoch  leicht  zu  leitendem 
Charakter,  und  es  war  um  so  trauriger  für  ihn,  dass  er  seinen  Vater 
Heinrich,*)  welcher  viel  Umsicht,  Ruhe  und  Geschäftskunde  besass,  früh 
verlor,  da  seine  Jugend  in  eine  für  den  grundbesitzenden  Adel  schwierige 
Zeit  fiel 

Nicht  allein,  dass  im  Allgemeinen  die  Fürsten  ihre  erwachenden 
Souverainetäts-Gelüste  dadurch  kund  gaben,  dass  sie  "vor  allem  die  Macht 
und  das  Ansehen  des  niedem  Adels  zu  brechen  suchten,  denselben  rück- 
sichtslos in  seinen  hergebrachten  Rechten  beeinträchtigten  und  ihn  nicht 
selten  unter  nichtigen  Vorwänden  seiner  Güter  beraubten,  während  sie 
sich  dagegen  der  kaiserlichen  Machtsphäre  so  viel  als  möglich  entzogen, 
sondern  es  walteten  in  Thüringen  noch  besonders  ungünstige  Verhältnisse  ob. 

Die  gefürchteten  Grafen  von  Henneberg,  in  deren  Bereich  ein  Theü 
der  Güter  Christophs  von  Witzleben  lag,  waren  1583  ausgestorben  und 
die  Grafschaft  war  dem  sächsischen  Hause  zugefallen.  Da  jedoch  eine 
Theilung  unter  den  verschiedenen  Zweigen  des  sächsischen  Hauses  erst 
im  Jahre  16G0  zu  Stande  kam,  bis  dahin  aber  die  Verwaltung  der  Graf- 
schaft gemeinschaftlich  geführt  wurde,  so  konnte  sich  zwischen  Lehnsherren 
und  Vasallen  kein  persönliches  Verhältniss  bilden,  welches  sonst  häufig 
das  Gewaltthätige  jener  Zeit  ausglich. 

Ein  anderer  Theü  seiner  Güter,  namentlich  Gräfenau  mit  einem 
Rittersitz,    welches  Christoph  von  seinem   Onkel  Philipp   von  Witzleben 


*)  war  bereits  1577  todt. 

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—    3    — 

geerbt  hatte,  sowie  Unterweissbach,  Geilsdorf  und  Bücheloh,  waren  schwarz- 
burgische  Lehen. 

Zu  allen  diesen  heiklen  Verhaltnissen  ti*at  noch  die  Persönlichkeit 
der  thüringischen  Fürsten  hinzu. 

In  Schwarzburg  regierte  Graf  Albert  Anton,  der  Stifter  des  Hau- 
ses Schwarzburg  -  Rudolstadt,  welcher  in  dem  Bestreben,  seinen 
Grundbesitz  zu  mehren,  von  seinen  ßäthen  auf  alle  und  für  Andere  nicht 
immer  schonende  Weise  unterstützt  wurde. 

In  Weimar  heiTSchte  Herzog  Friedrich  Wilhelm.  Derselbe  war 
von  1591  bis  IGOl  als  Vormund  der  unmündigen  Söhne  des  verstorbenen 
Kurfürsten  Christian  I.  Administrator  von  Kursachsen  und  verlegte  auch 
für  diese  Zeit  sein  Hoflager  von  Weimar  nach  Torgau.  Bei  vielen  tieff- 
lichen  Eigenschaften  war  Friedrich  Wilhelm  ein  eigenmächtiger  Herr, 
welcher  auch  vor  Gewaltthat  nicht  zurückschreckte,  wie  die  Hinrichtung 
des  vei+rauten  Rathgebers  des  Kurfürsten  Christian  I.,  des  Kanzlers  Crell, 
bezeugt. 

In  Coburg  endlich  regierte  Herzog  Johann  Kasimir,  ein  tüchtiger 
aber  harter  Fürst,  dessen  an  Grausamkeit  grunzendes  Veifaluen  gegen 
seine  erste  Gemahlin  bekannt  ist. 

Solchen  Herren  gegenüber  hatte  der  niedere  Adel  schweren  Stand. 
Schon  längst  hatte  er  sich  der  edlen  Ritterlichkeit  früherer  Jahrhunderte 
entfremdet.  Seine  Burgen  vermochten  nicht  mehr,  dem  schweren  Ge- 
schütze gegenüber  Widerstand  zu  leisten  und  Sicherheit  zu  gewähren,  und 
sein  Schwert  hatte  an  Werth  verloren,  seitdem  die  Fürsten  Söldner  miethe- 
ten  und  zur  Kriegführung  die  Ritter  weniger  nothwenig  hatten,  als  Geld. 
Statt  wie  früher  in  Fehden  und  Kämpfe,  sehen  wir  jetzt  den  Adel  in  un- 
zählige Processe  verwickelt,  welche  sein  Vermögen  zerrütteten  und  sein 
Leben  verbitterten. 

Durch  dieses  von  oben  herab  vergewaltigte,  durch  Processwuth  ver- 
kümmerte Dasein  brachen  von  Zeit  zu  Zeit  Nachklänge  früherer  ün- 
gebundenheit  und  ünbändigkeit  hindurch.  Die  Ritter  beugten  ihren  Nacken 
in  Erinnerung  an  ihre  frühere  Selbstständigkeit  und  Unabhängigkeit  nur 
widerwillig  der  aufkeimenden  Büreaukratie,  sie  beachteten  die  Erlasse 
fürstlicher  Regierung  nur  gering,  und  wenn  die  Fürsten  die  Kammer- 
gerichtsboten, welche  ihnen  die  kaiserlichem  Mandate  zu  insinuiren  hatten, 
nicht  selten    sehr   übel  üactirten,    so  setzten   sich    auch   die  Amtsboten 


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—   4    — 

argen  Misshandlungen  aus,  wenn  sie  eine  unliebsame  Citiiuug  nach  einem 
Edelhofe  zu  bringen  hatten. 

Während  Christoph  von  Witzleben  auf  seinem  Gute  Heida  lebte, 
wohnte  nicht  weit  von  ihm  entfernt,  zu  Kranichborn,  Balthasar  von 
Denstedt.  Beide  Edelleute  wurden  eng  befreundet,  obgleich  Denstedt 
30  Jahre  älter  als  Witzleben  war. 

Balthasar  von  Denstedt  war  ein  rabulistischer,  in  allen  Streitfragen 
wohlerzogener  Mensch  von  zähem,  halsstarrigem  Chai-akter,  dessen  ganzes 
Leben  von  unheilvollen  Streitigkeiten  ausgefüllt  war.  Seine  Familie  ge- 
hörte dem  meissnischen  Adel  an  und  war  auch  in  Meissen  begütert,  bei 
Hofe  angesehen  und  vielfach  auf  den  Tumiren  und  Palliarennen  zu  Dresden 
vertreten.  Balthasar  von  Denstedt,  welcher  in  dem  an  das  Erfurter  Ge- 
biet grenzenden  Kranichbom  lebte,  gerieth  um  das  Jahr  1571  mit  dem 
Rathe  zu  Erfurt  wegen  des  Amtes  Vippach  in  Händel  und  musste  die- 
selben mit  siebenjähriger  Haft  in  Weimar  bussen. 

Er  war  wie  seine  Familie  von  Hause  aus  lutherischen 
Glaubens.  Später  jedoch,  zum  Katholicismus  übergetreten,  wurde  er  ein 
eifriger  Papist  und  galt  viefach  för  einen  katholischen  Emissair.  So  auch 
seines  Religionswechsels  wegen  vielfachen  Anfeindungen  ausgesetzt,  von 
seiner  Familie  verlassen,  war  er  mit  der  ganzen  Welt  zerfallen  und  gegen 
dieselbe  von  Bitterkeit  erföllt,  welche  nach  allen  den  Kränkungen,  die  er  zu 
erdulden  gehabt  hatte,  wohl  vei-zeihlich  sein  mochte,  seinem  jugendlichen 
Freunde  jedoch  zum  grössten  Nachtheile  gereichte. 

Seit  seineni  23.  Jahre  lebte  Witzleben  nachweislich  mit  Denstedt 
in  engster  Gemeinschaft  und  unternahm  nichts  ohne  dessen  Rath  und 
Zustimmung.  Es  ist  wohl. leicht  erklärbar,  dass  ein  so  unerfahrener 
Junker,  wie  Christoph  von  Witzleben,  sich  gern  und  willig  den  Rathschlä- 
gen  des  in  Welthändeln  so  gewiegten  Denstedt  fugte  und  ihn  als  seinen 
Mentor  betrachtete;  wunderbar  bleibt  es  dagegen,  dass  die  Folgen  dieser 
Rathschläge,  das  daraus  entstandene  Unglück  und  die  daraus  entsprossenen 
Widerwärtigkeiten,  statt  das  Freundschaftsband  zu  lösen,  Witzleben  immer 
fester   an   Denstedt   ketteten. 

Christoph  hatte  von  seinem  Vater  bedeutenden  Grundbesitz  geerbt 
und  besass  die  Rittergüter  Heida,  Schmerfeld,  Neusis,  Gräfenau,  Büche- 
loh.  Unter weissbach,  Geilsdorf  und  Alperitz  (Oberpörlitz),  ausserdem 
mehrere  kleine  Besitzungen,  wie  den  Backofen  zu  Salzbrücken  u.  s.  w.; 


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—   5   — 

dennoch   aber    waren    seine  Vermögensverhältnisäe  keineswegs    glänzend. 

Eines  der  genannten  Güter,  Büchelob,  hatte  seine  Grossmutter,  ein 
anderes,  wahrscheinlich  Gi'äfenau,  seine  Mutter  als  Leibgedinge  im  Besitz 
und  dabei  ward  er  bald  in  einen  schwierigen  Process  mit  dem  Gratien 
Albert  von  Schwarzburg  verwickelt. 

Schwarzburgischer  Seits  wird  der  Hergang  so  erzählt: 

Philipp  von  Witzleben  hatte  eine  Schäferei,  welche  er  mit  eigenen 
Schafen  nicht  besetzen  konnte,  an  Hans  Sahm,  einen  vermögenden  Bauers- 
mann gegen  einen  jährlichen  Zins  verpachtet  Beide  Contrahenten  starben 
und  Christoph  von  Witzleben,  Philipps  Erbe,  wollte  die  Schäferei  wieder 
an  sich  bringen  und  kam  mit  den  Vormündern  der  Sahmschen  Minoren- 
nen dahin  überein,  dass  sie  ihm  400  Schafe,  jedes  zu  einem  Gulden, 
zusagten,  jedoch  unter  der  Bedingung,  dass  er  dieselben,  wie  sie  aus  der 
Heerde  ablaufen^  annehmen  und  ehe  die  üeberantwortung  geschehe,  Zah- 
lung leisten  oder  Caution  stellen  wolle. 

Dieser  Abrede  zuwider  nahm  Christoph  von  Witzleben  aus  der 
Schäferei,  in  der  über  700  Stück  Schafe  waren,  400  der  besten  Schafe 
heraus,  leistete  aber  dafür  weder  Zahlung,  noch  stellte  er  Sicherheit.  Als 
hierauf  die  Vormünder  die  zurückgelasseneu  Schafe  nicht  annehmen  wollten, 
hat  Christoph  von  Witzleben  die  ganze  Heerde  an  sich  genommen  und 
behalten. 

Hierüber  beschwei-ten  sich  die  Sahmschen  Vormünder  bei  dem  Grafen 
von  Schwarzbm-g,  und  dieser  trug  Witzleben  auf,  entweder  die 
Schafe  zurückzugeben  oder  die  bedungene  und  versprochene  Caution 
zu  stellen. 

Witzleben  that  keins  von  beiden,  und  als  ihm  durch  ürtheil  zu  diei 
Malen  bei  Strafe  von  100,  200  und  300  Thlr.  die  Restitution  der  Schafe 
aufgegeben  war,  blieb  er  bei  seinem  Ungehorsam  und  behielt  die  Schafe 
sanmit  und  sonders. 

Hierauf  bat  er  selbst,  wohl  färchtend,  dass  der  Handel  nicht  zu 
seinem  Gunsten  enden  werde,  um  einen  Vorbescheid  vor  den  gräflichen 
Käthen  mit  den  Sahmischen  Voimündem,  und  versprach  auf  dem  Termine 
mit  Hand  und  Mund,  alle  Sahmischen  Schafe  binnen  8  Tagen  ohne 
weiteren  Verzug  zurückzugeben. 

Diesem  Versprechen  kam  Witzleben  aber  nicht  nach,  sondern  begehrte, 
ehe  die  8  Tage  verlaufen,  3  Wochen  Bedenkzeit,   und  als  ihm  diese  nicht 


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—   6   — 

gegeben,  appellirte  er  an  das  Fürstlich  Sächsische  Hofgericht  zu  Jena. 
Die  Angelegenheit  muss  jedoch  eine  andere  Auslegung  zugelassen  haben, 
als  die  der  Fürstlich  Schwarzbürgischen  Regierung,  denn  das  Hofgericht 
gebot  vorläufig  unterm  24.  Januar  1592  dem  Grafen  Albert,  entweder 
selbst  oder  dm-ch  genugsam  bevollmächtigten  Anwalt  am  2.  März  voim 
Hofgerichte  zu  erscheinen  und  Bescheid  zu  erwarten,  und  fertigte,  als 
keine  Folge  geleistet  wurde,  unterm  3.  März  ein  Mandat  aus,  bei  Pön 
und  Straf  von  100  Goldgulden  am  19.  Juni  ejusd.  vor  dem  Hofgericht 
zu  Jena  zu  erscheinen,  bis  dahin  aber  sich  in  dieser  Sache  nichts  anzu- 
massen,  vorzunehmen,  vielmehr  sich  derselben  gänzlich  zu  entäussern  und 
zu  entschlagen,  vor  allen  aber  den  von  Witzleben  wiederum  frei  und 
ungehindert  in  seine  Behausung  kommen  und  gehen  zu  lassen. 

Inzwischen  hatte  aber  Graf  Albert  auf  Ansuchen  der  Vormünder 
und  des  Stiefvaters  der  Sahmschen  Kinder  den  Letzteren  die  durch  Witz- 
leben genommenen  Schafe  durch  den  Schäfer  zu  Schwarzburg  wieder  zu- 
treiben lassen,   woraber  Witzleben  seinerseits  in  Jena  Beschwerde  führte. 

Das  Hofgericht  sah  sich  in  Folge  dessen  unterm  8.  April  1592  ver- 
anlasst, dem  Grafen  bei  Strafe  von  300  Goldgulden  rheinisch  aufzugeben, 
dem  von  Witzleben  seine  abgetriebenen  und  genommenen  Schafe,  Schäfer  und 
Viehknecht  ohne  Entgelt  wieder  zu  restituiren  und  zuzustellen. 

Dieser  Ladung  wurde  giäflicher  Seits  unterm  ß.  Mai  erwidert,  dass 
man  nicht  füi-  schuldig  erachte,  auf  dem  anberaumten  Termine  zu  erscheinen, 
dass  man  sich  vielmehr  dem  Fürstlich  Sächsischen  Gerichtsstande  durch- 
aus nicht  unterwerfe,  und  daher  bitten  müsse,  diesen  Process  gänzlich  ein- 
zustellen und  Appellanten  vor  seine  ordentliche  Obrigkeit  zu  weisen. 

Dieser  Weigerung  folgte  unterm  8.  Mai  ein  Schreiben  an  den  Herzog 
Friedrich  Wilhelm,  Vormund  und  Administrator  von  Kursachsen,  in 
welchem  auseinander  gesetzt  ward,  dass  das  Amt  Schwarzburg,  daraus 
wieder  Witzlebeu  beliehen,  nicht  Sächsisches  Lehen  sei,  sondern  immediate 
von  Kaiserlich  Römischer  Majestät  und  dem  Reiche  zu  Lehen  geti-agen  werde. 

Hierauf  erliess  Graf  Albert  am  26.  Februar  1593  ein  Schreiben 
an  Christoph  von  Witzleben,  in  welchem  es  am  Schlüsse  heisst:  „üieweil 
Du  Dich  vielföltig  ungehorsam,  unrechtlich,  widersetzig  und  fireventlich 
gegen  uns  erzeiget,  auch  ezliche  schandgemälde  und  schmähebriefe  zu 
grosser  schimpflicher  Verachtung,  Verhöhnung  unser  und  unserer  Räthe 
ausgehen  lassen  und  von  dich  geschrieben,  hierinnen  Du  aber  allenthalben 


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—    7    — 

wider  recht,  des  heiligen  Komischen  Beichs  abschiede  und  deine  Lehnspflicht 
gehandelt,  also  sind  wir  dennoch  bedacht,  wider  dich  und  deine  von  uns  zu 
leben  verliehene  Güter  ein  Mann-  oder  Lehngericht  anzustellen.  Darumb 
aus  Kraft  unser  Oberldinsgerichts  und  gerechtigkeit  wir  dich  hiermit  peremp- 
torie  citiren  und  laden,  dassdu  auf  den  Montag  nach  Quasimodogeniti,  wird  sein 
der  23.  April  nächstkünftig  früher  Tageszeit  allhier  aufin  Rathhause  er- 
scheinest, auf  vorgehende  Anordnung  eines  gebührlichen  und  ordentlichen 
Lehnprocesses  und  erfolgte  unsere  Klage  dich  •  mit  Antwort  vernehmen 
lassest  und  also  von  Munde  aus  in  die  Feder  mit  dreien  abgewechselten 
Sätzen  zum  ürtel  beschlössest,  der  Irotulation  beiwohnest  und  darauf 
rechtlichen  Erkenntniss  gewartest.  Du  thust  nun  solches  oder  nicht,  so 
soll  doch  mit  Anordnung  berürten  Processes,  Erwählung  und  Niedersetzung 
ezlicber  parium  curiae,  die  aus  unsem  gehorsamen  Lehnleuten  vom  Adel 
dazu  beschrieben,  und  sonsten,  wie  sichs  desfalls  im  Hechten  eigenet,  ge- 
bührlichen verfahren  werden.     Damach  du  dich  zu  achten."  ^ 

Zu  Lehnsrichtern  (pares  curiae)  waren  Veit  Dieterich  von  Holbach 
zu  Könitz,  Günther  von  Thuna  zu  Quittelsdorf,  Georg  von  Eschwege  zu 
Dölstedt,  Wolf  Dietrich  von  Greussen  zu  Pröbitz,  Reinhardt  Röder  zu 
Dömfeldt,  Dippold  von  Schönfeld  zu  Budolstadt,  Georg  Tobekatz  zu  Elleben, 
Curt  Apel  von  Griesheim  daselbst  und  zum  gräflichen  Anwalte  vor  diesem 
Gterichte  Adam  von  Bomstedt  zum  Jesubom  ernannt  worden.     . 

In  diesem  am  23.  April  1593  zwischen  8  und  9  Uhr  Vormittags 
auf  dem  Rathhause  zu  Budolstadt  angestellten  Lehnsgerichtstermine,  in 
welchem  die  gräflicher  Seits  dazu  verordneten  Räthe,  vor  andern  M.  Nicolaus 
Majus,  Nikol  von  Tottieben,  Schwarzburgischer  Hofmeister,  Johann 
Schmidt,  Schösser,  und  der  ganze  sitzende  Rath  zu  Rudolstadt  zugegen, 
Christoph  von  Witzleben  aber  ungehorsam  ausgeblieben  war,  wurde  aus 
den  hinzu  beschriebenen  von  Adel  zur  Wahl  der  Lehnleute  geschritten, 
letztere  in  Eid  und  Pflicht  genommen,  von  dem  von  Witzlebenschen  Ab- 
geordneten (seinem  Verwalter  Hans  Apel  und  Christoph  Spitznase  zu 
Mühlberg  —  einem  jungen  von  Adel  — )  aber  eine  Schrift  abgegeben. 

Auf  einem  abermaligen  zum  6.  Mai  1594  im  Rathhause  zu  Rudol- 
stadt angesetzten  Termine  erschien  Witzleben  wiederum  nicht, 
sondern  liess  durch  einen  Boten  eine  Protestation  überreichen. 

Hiermit  nicht  zufrieden,  wandte  sich  Witzleben,  da  er  mit  Recht 
glaubte,   dass  die  Mandate  des  Ho%erichts  zu  Jena  ohne  Erfolg  bleiben 


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-    8    — 

würde»,  an  das  Reichskammergericht  zu  Speier,  welches  auch  die  Heraus- 
gabe der  weggetriebenen  Schafe  und  der  mit  Beschlag  belegten  Güter 
anordnete,  ohne  dies  jedoch  wirklich  herbeizufuhren. 

Dagegen  wandte  sich  die  gräfliche  Regierung,  das  Hofgericht  zu 
Jena  nicht  anerkennend,  an  die  Juristenfacultät  der  Hochschule  zu  Altorf. 
Dadurch  zog  sich  die  Sache  in  die  Länge,  und  erst  am  28.  December 
1596  wurde  Christoph  von  Witzleben  abermals  geladen,  vor  einem  au8 
8  Edelleuten*)  besetzten  Lehnsgerichte  am  21.  Februar  1597  auf  dem 
Rathhause  zu  Rudolstadt  an  gewöhnlicher  Gerichtsstelle  zu  erscheinen, 
und,  da  er  nicht  Folge  leistete,  für  ungehorsam^  erklärt 

Die  Juristenfacultät  zu  Altorf  verwarf  unterm  5.  April  1597  diese 
Üngehorsamkeits-Erklärüng  und  decretirte,  dass  Witzleben  anderweit  vor- 
zuladen, dass  ihm  die  Citation  mit  ganzer  Sächsischer  Frist  vor  dem  ange- 
setzten Rechtstermin  zu  insinuiren  oder  an  gebührlichem  Orte  zu  pubü- 
ciren  sei  und  angeschlagen  werde.  Erschien  er  nun  oder  nicht,  so  ergebe, 
was  Recht  sei. 

Unter  dem  12.  März  1599  beantragte  der  gräfliche  Bevollmächtigte 
Curt  von  Griesheim  die  Execution  und  am  26.  April  desselben  Jahres 
sprachen  die  oben  genannten  8  pares  curiae  aus,  „dass  Krafflts  des  Urtels 
alle  von  Witzlebenschen  Schwarzburgischen  Lehngüter,  ak  die  Dörfer 
Gräfenau,.  sammt  dem  Rittersitze  darinnen,  Bücheloh,  Unterweissbach  und 
das  Gut  Geilsdorf,  sammt  allen  pertinentien  und  denen  dazu  gehörigen 
Unterthanen,  welche  ihrer  Pflichten  von  dem  von  Witzleben  losgezählet 
und  an  des  Anwaltes  Gnädigen  Herrn  gewiesen  werden,  als  ein  heimge- 
fallen verwirkt  und  aberkannt  Lehen,  gerichtlich  eingeräumt,  tradiret  und 
in  wirklichen  posses  übergeben,  solches  Alles  för  das  seine,  aller  massen 
es  der  von  Witzleben  inne  gehabt,  genutzet  und  gebrauchet,  eigenthümlich 
inne  zu  haben,  zu  besitzen  und  zu  gebrauchen,  dabei  auch  sein  gnädiger 
Herr  principal  gebührlich  geschützet  und  gehandhabt  und  ferner  Ihrer 
Gnaden  vorbehalten  sein  soll,  was  an  den  anno  1595  erkannten  Strafen 
und  Kosten  noch  ausständig  und  ehe  die  bisher  eingenommene  Nutzung 
der  beiden  Dörfer  Giäfenau  und  Bücheloh  nicht  empfangen,  was  er  temer 
an  Expensen  aufgewendet  und  sonst  für  den  von  Witzleben  bezahlt  und 

*)  stnlt  Georg  von  Eschwege  und  Georg  ?on  Holbacb  waren  Christoph  von  Thün« 
ZQ  Schobt  und  Veit  Ulrich  von  Ednitz  zu  Ejba  eingetreten. 


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—    9    — 

ausgegeben  haben  will,  die  Execution  und  gebührliche  Nothdurft  nochmals 
zu  suchen. 

Wie  wir  aber  später  sehen  werden,  war  Witzleben  gar  nicht  im  Stande, 
zu  dem  entscheidenden  Termin  am  21.  Februar  1597  zu  erscheinen,  da 
er  zur  Zeit  auf  der  Leuchtenburg  gefangen  gehalten  wurde. 

Hatte  sich  Witzleben  durch  die  bereits  ei-wähnte  Klage  am  Sächsischen 
llofgerichte  den  Grafen  Albert  noch  mohi*  wie  früher  verfeindet,  so  zog 
er  sich  durch  die  Uebertragung  seines  Rechtsstreites  nach  Speier  die 
vollste  Ungnade  der  auf  ihre  Gerichts-Herrlichkeit  so  eifersüchtigen  Her- 
zöge von  Sachsen  zu  und  es  war  voraus  zu  seheü,  dass  von  ihnen  die 
erste  Gelegenheit  benutzt  werden  würde,  Witzleben  dafür  zu  züchtigen. 
Diese  Gelegenheit  sollte  sich  nur  zu  bald  finden. 

Im  Sommer  1593  hatte  Michael  Sternberger,  der  Bürgermeister 
zu  Langen  wiesen,  an  der  Um  gelegen,  67  blatterichte  Schafe  ohne  Er- 
laubniss  in  die  mit  700  Schafen  belegte  Witzlebensche  Schäferei  zu 
Neusis  eingetrieben. 

Witzleben  beschied  deshalb  den  Bürgermeister  zu  sich  nach  Neusis 
und  Hess  ihn,  da  derselbe  widerharig  war,  schrauben  und  nach  der  Burg 
Liebenstein  föhren,  woselbst  Chiistoph  Oeffnung  (^Einlass)  und  mit  seinen 
Vettern  ein  gemeinschaftliches  Geföngniss  hatte. 

Witzleben  glaubte  hierbei  in  vollem  Rechte  zu  sein.  Er  war  zu 
Neusis  mit  der  „peinlichen  und  burglichen"  Gerichtsbarkeit  beliehen  und 
stand  im  festen  Glauben,  dass  Michael  Sternberger  wissentlich  krauke 
Schafe  in  sein  Pferch  getrieben  habe.  Er  entliess  daher  seinen  Ge- 
fangenen nicht  eher,  als  bis  derselbe  50  fl.  Strafe  gezahlt  und  ürphede  ge 
schworen  hatte  und  behielt  ihn  so  trotz  eines  Befehls  der  Meiningschen 
Regierung  14  Tage  lang  in  Haft. 

Kaum  war  Michael  Sternberger  in  Freiheit  gesetzt,  als  er  des  ge- 
schworenen ürfiiedens  ungeachtet  bei  der  Regierung  zu  Weimar  wegen 
der  ihm  zugefügten  Gewaltthat  Klage  erhob.  Witzleben  wurde  in  Folge 
dessen  nach  Weimar  entboten,  erschien  jedoch  nicht  und  sandte,  als  die 
Citationen  sich  wiederholten,  endlich  seinen  Befehlshaber  zu  Heida,  Philipp 
von  Spitznase,  dahin.  Dieser  gebrauchte  aber,  wie  die  Gegenpaiihei  sagt, 
vor  den  Räthen  so  ehrenrührige  Worte,  dass  er  in  Verhaft  genommen 
werden  musste. 

Fast  zu  gleicher  Zeit  war  Witzleben  auch  in  Streitigkeiten  wegen 
Zahlung  der  allgemeinen  Reichs-  und  Türkensteuer  mit  der  Regierung  zu 


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—     10    — 

Meiningen*)  verwickelt.  Die  ßegierung  war  der  ÄBsicht,  sie  verlange  von 
Witzleben  nur  so  viel  Steuer,  als  sein  Vater  den  Grafen  von  Henneberg 
bisher  gezahlt  habe,  wogegen  Witzleben  behauptete,  die  Kegierung  fordere 
von  ihm  eine  neue  Steuer,  welche  er  nicht  zu  leisten  brauche.  Die 
Meiningi sehen  Käthe  beauftragten,  da  Witzleben  ti*otz  aller  Eiinnerangen 
bei  der  Steuerverweigerung  verblieb,  den  Richter  zu  Ilmenau,  Michael  vom 
Hof,  die  Steuer  nebst  der  poena  dupli  von  den  Witzlebenschen  Unterthanen 
einzufordern.  Christoph  hielt  jedoch  die  Schultheissen  ab,  in  Ilmenau  zu 
ei*scheinen,  und  in  Folge  dessen  wurden  drei  derselben  gewaltsam  nach 
Massfeld  geführt  und  dort  gezwungen,  an  Steuer  und  poena  dupli  100  Fl., 
welche  sie  sich  von  ihrem  Herrn  zurückerstatten  lassen  sollten,  aufau- 
bringen. 

Witzleben  war  jedoch  hierzu  garnicht  geneigt,  und  als  ihn  Michael 
vom  Hof  durch  einen  Landsknecht  nach  Ilmenau  citirte,  setzte  er  letz- 
teren gefangen ,  entliess  ihn  jedoch  nach  einiger  Zeit  mit  den  Worten : 
„Er  möge  mit  solchen  Schelmbriefen  nicht  wiederkommen,  sonst  würden 
ihm  Arm  und  Bein  entzweigeschmissen  werden.  An  Michael  vom  Hof 
aber  möchte  er  bestellen,  dass,  wenn  er  —  Christoph  von  Witzleben  — 
ihn  antreffen  würde,  so  solle  er  so  behandelt  werden,  dass  er  keinem 
Menschen  mehr  ähnlich  sehen  würde." 

In  allen  diesen  Practiken  war  Balthasar  von  Denstedt  Christophs 
stetiger  Rathgeber  gewesen.  Auch  die  Gebrüder  von  Witzleben,  Friedrich, 
Heinrich  und  Job  Wilhelm  auf  der  Elgersburg,  erbaten  sich  Denstedts 
Rath  in  dem  Prozesse,  welchen  sie  in  Speier  gegen  den  Herzog  Friedrich 
Wilhelm  von  Weimar  wegen  Beeinträchtigung  ihres  Rechtes,  in  den  Her- 
zoglichen Forsten  Harz  zu  scharren,  fahrten.  In  einer  deshalb  einge- 
reichten und  angeblich  von  Denstedt  abgefassten  Eingabe  wurde  Weimar 
ein  „kleines  Städtlein"  genannt,  wodurch  sich  die  Weimarischen  Räthe, 
welche  in  dieser  Bezeichnung  ihrer  „alten  kur-  und  fürstlichen  Residenz" 
einen  Schimpf  erkannten,  so  verletzt  fühlten,  dass  sie  dies  Dens*edt  als 
ein  Criminal- Verbrechen  amechneten. 

Nach  allen  diesen  Vorgängen  und  mannigfachen,  vom  Grafen  Albert 
von  Schwarzburg  ausgesprochenen  Drohungen,  hielten  es  beide  Freunde 
nicht  mehr  far  rathsam,   sich  noch  länger  in  Thüringen  aufeuhalten,  und 


*)  Einige  Guter  Witzlebens  gehörten  zum  Amte  Ilmenau,  über  welches  die  Re- 
gierung zu  Meiningen  gesetzt  war. 


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—   11   — 

begaben  sich  deshalb  nach  AschaflFenburg,  was  zur  Zeit  kurmainzisch  war. 
Zu  Anfang  des  Jahres  1596  erhielt  jedoch  Witzleben  in  Folge  seines  Pro- 
zesses mit  SchwarzbuBg  eine  Vorladung  nach  Jena,  reiste  mit  seinem 
Freunde  dorthin  und  machte  von  da  mit  ihm  im  Februar  einen  Abstecher 
nach  der  Elgersbui-g,  um  die  dortigen  Vettern  zu  besuchen. 

Kaum  hatte  man  hiervon  Kunde  erhalten,  als  der  Herzog  von  Weimar 
in  Gremeinschaft  mit  dem  Herzoge  von  Coburg  den  Befehl  an  den  Amts- 
verweser von  Gotha  ergehen  liess,  die  beiden  gefährlichen  Edelleute  zu 
verhaften,  worauf  der  Amtsverweser  mit  500  gewehrten  Männern  vor  die 
Elgersburg  rückte  und  dieselbe  belagerte. 

Die  Einzelheiten  dieser  kriegerischen  Action  sind  uns  leider  nicht  be- 
kannt; wir  wissen  nur^  dass  sich  Christoph  von  Witzleben  und  Balthasar 
von  Denstedt  dem  Gothaischen  Amtaverweser  unter  der  Bedingung  er- 
gaben, dass  sie  nicht  ausserhalb  Cöburger  Jurisdiction  in  Haft  gehalten 
wurden:  eine  Bedingung,  die  später  nicht  gehalten  wurde,  weil  angeblich 
der  Amtsverweser  zur  Bewilligung  derselben  nicht  ermächtigt  gewesen 
wäre. 

Beide  Freunde,  Witzleben  auf  ein  Ross,  Denstedt  auf  einen  Rüst- 
wagen gesetzt,  wurden  nach  Gotha  transportirt  und  auf  das  dortige  Rath- 
haus  in  Haft  gebracht. 

Vergeblich  baten  Beide  den  Herzog  Johann  Casimir  und  den  Herzog 
Friedrich  Wilhelm  um  Entlassung  aus  ihrer  Haft  oder  um  Verhör,  ver- 
geblich endlich  stellte  Witzleben  7  stattliche  vom  Adel,  welche  für  ihn 
Bürgschaft  leisten  wollten;  die  Bürgschaft  wurde  nicht  angenommen  und 
so  sahen  sich  beide  Freunde  genöthigt,  sich  abermals  nach  Speier  zu 
wenden,   wo  sie  den  Dr.  Jakob  Kölbin  zu  ihrem  Rechtsanwalt  ernannten. 

Am  17.  Juni  1596  war  das  Schreiben  in  Speier  angekommen  und 
vier  Tage  darauf  erliess  das  Reichskammergericht  au  die  Herzöge  Friedrich 
Wilhelm  und  Johann  Casimir  ein  Mandat,  worin  es  den  gedachten  Fürsten 
aufgab,  bei  Strafe  von  10  Mark  löthigen  Goldes  die  Kläger  ihrer  Haft  zu 
entlassen  auf  die  gewöhnliche  Urfehde. 

Zum  Verständniss  der  schnellen  Ausfertigung  des  Mandats  ist  zu  be- 
merken, dass  es  sich  hierbei  nur  um  die  Freilassung  der  Gefangenen  und 
nicht  um  Untersuchung  ihrer  Schuld  oder  Unschuld  handelte.  Deshalb 
finden  wir  auch  in  den  vorhandenen  weitschweifigen  Acten  die  Veran- 
lassung zur  Verhaftung  nur  in  soweit  eröiliert,  als  der  Herzogliche  Notar 
Bernhard  WolflF  darzuthun  suchte,  dass,  da  Witzleben  und  Denstedt  nicht 


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—     12    — 

reichsunmittelbar,  sondeni  ünterthanen  der  Herzöge  zu  Sachsen  wären, 
und  da  femer  die  Vergehen  Beider  Criminalverbrechen  seien,  das  Kammer- 
gericht incompetent  sei  und  die  Gerichte  des  Landes  darüber  Recht  zu 
sprechen  hätten.  Vom  Reichskammergerichte  wurden  indessen  diese  Ein- 
wände als  nichtig  vei^worfen  und  Dr.  Kölbin  sprach  es  unumwunden  aus, 
dass  die  Gefangennehmung  nur  deshalb  erfolgt  sei,  weil  Witzleben  sich 
an  das  Kammergericht  wegen  der  Gewaltthätigkeit  des  Grafen  von  Schwarz- 
burg gewandt  hätte.  Das  Mandat  war  bis  zum  21.  Juli  den  betheiligten 
Fürsten  iusinuiit  worden,  blieb  aber  in  Bezug  auf  die  Verhafteten  eben 
so  ohne  Erfolg,  wie  die  späteren  dringlichen  Schreiben  Kölbins  an  das 
Reichskammergericht,  worin  er  um  die  Befreiung  der  Patione  bat 

Das  Reichskammergericht  hatte  kein  anderes  Mittel,  seinen  Mandaten, 
wenn  ihnen  ein  Reichsstand  nicht  gutwillig  Parition  leistete,  Folge  zu 
geben,  als  einen  anderen  Reichsstand  mit  der  Execution  zu  betrauen,  in 
dem  vorliegenden  Falle,  also  z.  B,  den  Kurfürsten  von  Brandenburg  zu 
beauftragen,  die  Gefangenen  mit  Gewalt  zu  befreien. 

Dieser  Weg  war  aber  deshalb  misslich  und  unsicher,  weil  die  Fürsten 
sich  meist  gegenseitig  gegen  Kaiser  und  Reich  zu  schützen  pflegten  und 
auf  alle  Weise  der  Ausführung  einer  solchen  ihnen  angetragenen  Execution 
zu  entziehen  suchten,  was  dann  wiederum  zu  einer  Execution  gegen  den 
nicht  parirenden  Reichsstand  Veranlassung  geben  konnte. 

Während  so  das  Reichskammergericht  unter  den  obwaltenden  Ver- 
hältnissen aus  Klugheit  zögert«,  zur  Execution  zu  schreiten,  wagten  auch 
die  Herzöge  nicht,  die  Sache  auf  das  Aeusserste  zu  treiben,  und  ver- 
sprachen endlich,  nachdem  sie  vergeblich  sich  angestrengt  hatten,  den 
Widerruf  des  Mandates  zu  erzielen,  Parition  zu  leisten,  legten  jedoch  den 
Verhafteten  statt  der  vom  kaiserlichen  Gerichtshöfe  angeordneten  alten  und 
gewöhnlichen  Urfehde,  worin  der  Verhaftete  nur  vei-pflichtet  wurde,  sich 
nach  seiner  Freilassung  wegen  der  Haft  nicht  rächen  zu  wollen,  eine 
ausserordentliche  vor. 

Witzleben  und  Denstedt  weigerten  sich,  wie  wir  sehen  werden, 
eine  solche  Urfehde  auszustellen  und  zu  beschwören,  weil 
sie  sich  ihres  guten  Rechtes  bewusst  waren,  aber  auch,  weil  sie  be- 
fürchten mussten,  dass  ihnen  nach  ihier  Freilassung  von  Neuem  der  Pro- 
zess,  wobei  Leib  und  Gut  auf  dem  Spiele  stand,  gemacht  werden  würde. 
Sollten  sie  sich  doch  in  der  ihnen  vorgelegten  Urfehde  aller  Verbrechen, 
deren  man  sie  angeklagt  hatte,  schuldig  erklären. 


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-     13     - 

Während  man  sich  in  Speier  um  die  Grenzen  der  fürstlichen  Gerichtsbar- 
keit mid  der  des  Reichskammergerichts  stritt,  blieben,  wie  es  auch  von  den 
Herzögen  beabsichtigt  wurde,  die  beiden  Freunde  in  Haft.  Diese  mag  in  Gotha 
eine  leidliche  gewesen  sein.  Zwar  wurde  ihnen  die  zuständige  „mittlere  Ver- 
pflegung" nicht  gewährt,  aber  sie  durften  doch  ihre  Beköstigung  aus 
eigenen  Mitteln  verbessern,  und  so  gab  Witzleben  während  seiner  20  Wochen 
langen  Haft  flir  die  Garküche,  auf  die  Wage  (Materialhandlung)  und 
Apotheke  20  Fl.  und  für  16  Buch  Papier  1  Fl.  9  Kr.  aus. 

Wahrscheinlich  mochte  den  Herzögen  nicht  rathsam  erscheinen,  Witz- 
leben so  nahe  seiner  Heimath  zu  wissen;  in  der  2.  Hälfte  des  Juli  1596 
wurden  beide  Anestirte  von  100  gewehrten  Männern  von  Gotha  bis  zur 
Grenze  nach  Apfelstedt  und  von  dort  in  derselben  Weise  über  Ichtershausen 
auf  die  Leuchtenburg,  eine  an  der  Saale  bei  Kahla  gelegene  Feste,  die 
früher  mehrfech  im  Besitz  der  Witzleben  gewesen  war,  gebracht. 

Wir  erkennen  aus  dem  Kraftaufivande,  die  Elgersburg  mit  500  Mann 
zu  belagern  und  die  beiden  Edelleute  mit  100  Mann  zu  eskortiren,  die 
allgemeine  Unsicherheit  der  Zeit,  aber  auch,  dass  man  weder  die  Elgers- 
burg noch  die  Witzlebensche  Sippe  für  gering  achtete. 

Erst  nach  zehinmonatlicher  Haft  forderte  man  Witzleben  auf,  zu  einem 
Verhör  in  Weimar  zu  erscheinen;  er  weigeiie  sich  jedoch,  die  Beise  dahin 
anzutreten,  wenn  man  nicht  Denstedt  mit  ihm  gleichzeitig  vernehmen 
wollte.  Da  indessen  die  Regierung  zu  Weimar,  um  zu  ihrem  Ziele,  der 
ungewöhnlichen  Urfehde,  zu  gelangen,  es  far  geboten  hielt,  die  beiden 
Freunde  zu  trennen,  so  wurde  die  Bitte  Witzlebens  nicht  erfüllt,  derselbe 
vielmehr  Anfangs  April  1597  mit  Gewalt  nach  Weimar  gefuhrt  und  da- 
selbst in  der  Einrösser*)-Stube  festgesetzt. 

Jetzt,  nach  13 monatlicher  Haft,  fand  am  12.  April  das  erste  und  am 
23.  Mai  das  zweite  Verhör  statt.  Da  Witzleben  sich  jedoch  weigerte,  die 
ihm  vorgelegte  Urfehde  zu  unterschreiben  und  ebenso  die  ihm  vorgelegten 
Fragen  zu  beantworten,  so  lange  man  ihn  seines  Rathgebers  Denstedt  be- 
raiibe,  so  blieben  die  Verhöre  ohne  Erfolg.  Eilf  Wochen  später,  am 
30.  Juli,  erschien  der  Amtsschösser  von  Weimar,  Johann  Weissbach,  und 
der  Notar  Johannes  Krug  in  der  Einrösserstube,  wo  „der  edle  und  ehren- 
veste  Christoph  von  Witzleben  arrestirt  lag",  und  brachten  ihm  die  Er- 
innerung,  dass  man  ihm  am  28.  einen   neuen  gemilderten  Revers  zuge- 


*)  Einrösser  stand  zwischen  Eitter  und  Knecht. 

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-      14    — 

schickt  habe,  worauf  Witzleben  erwiederte:  dass,  da  die  Puiikte^  die  man 
ihm  ^zugemasst^,  durch  das  Reichskammergericht  in  Speier  erledigt  seien, 
er  den  Revers  nicht  hätte  eingehen  können,  doch  sei  er  bereit,  einen  „alten 
gewöhnlichen  Urfried'^  zu  unterzeichnen.  Schliesslich  bat  er  den  Schösser 
zum  freundlichsten,  die  Räthe  „anzulangen'',  ihm  zu  gestatten,  sich  mit 
steinern 'Beistande  Balthasar  von  Denstedt  unterreden  zu  dürfen. 

Nach  vielem  Zureden  von  Seiten  der  bei  Witzleben  befindlichen 
Herren  gab  dieser  endlich  Folgendes  zu  Protokoll: 

„Ich  Christoph  von  Witzleben  bekenne,  dass  ich  mich  habe  in  die 
Bestrickung  Ihrer  F.  0.  (fürstlichen  Gnaden)  nehmen  lassen,  und  ob  ich 
wohl  zur  Vorhaltung  am  10.  October  1596  nach  Weimar  erfordert,  mich 
auch  der  Amtsschösser  zur  Leuchtenburg  auf  seiner  Kutsche  dahin  fahren 
wollte,  so  habe  ich  mich  doch  nicht  dahin  begeben  wollen,  weil  man 
Balthasar  von  Denstedt  nicht  zugleich  auch  neben  mir  vorgenommen.  Als 
ich  aber  hernach  gegen  Weimar  kommen,  ist  mir  den  12.  April  vorge- 
halten: 

1)  dass  ich  den  Bürgermeister  zur  langen  Wiesen  zu  Neusis 
schrauben  und  gefangen  gen  Liebenstein  fuhren,  allda  gefönglich  halten 
lassen,  einen  ürpheden  und  50  Fl.  Strafe  von  ihm  genommen  und  auf 
Befehl  ihn  nicht  loslassen  wollen; 

2)  dass  ich  die  Reichssteuer  gegen  der  Fürstlich  Hennebergischen 
Räthe  und  des  Kanzlers  Befehl  nicht  eingeschickt,  auch  meine  Unter- 
thanen  davon  abgehalten; 

3)  dass  ich  den  Frohn-  und  Gerichtsdiener  in  ein  Geföngniss  gelegt 
und  scharfe  Worte  auf  ihn  und  den  Richter  zu  Hmenau  habe  laufen 
lassen; 

4)  dass  ich  mich,  als  die  Hennebergische  Regierung  gegen  Spitz- 
nasen Hülfe  (Execution)  thun  lassen,  mich  wiedersetzlich  gezeiget 

Ich  habe  mich  aber  darauf  im  Wenigsten  nicht  eingelassen,  verant- 
wortet, noch  Gegenrede  gethan,  sondern  bin  darauf  bestanden,  dass  man 
mir  Balthasar  von  Denstedt  zugeben  sollte,  und  mich  darauf  zur  Verantr 
wortung  erboten. 

Ob  ich  auch  wohl  den  23.  Mai  zum  andern  vernommen  and  fleissig 
erinnert  worden,  mich  anders  in  die  Sache  zu  schicken  und  gegen  Ihre 
F.  G.  gebührlieii  zu  erkennen,  sich  auch  g^fen  mich  zu  all«r  Förderung 
erboten,  so  bin  ich  doch  abermals  auf  meiner  Meinung  bestanden,  darüber 
ich  dann  bisher  sitzen  blieben. 


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—     15    — 

Weil  ich  dann  in  der  Cession  (durch  Vermittelung)  etzlicher  meiner 
Freunde  so  viel  erhalten,  dass  Ihre  F.  G.  mich  solcher  Haft  wieder 
in  Gnaden  zu  erlassen,  als  gerede  ich  hiermit  und  in  Kr2&  dieses  Re- 
verses, dass  ich  mich  hinfürder  gegen  Ihre  F.  G.  und  derselbigen  Re- 
gierung zu  Weimar  und  Meiningen  alles  unterthänigsten  Gehorsams  er- 
zeigen, die  schuldige  Reichssteuer  vor  mich  und  meine  Unterthanen  zur 
rechten  Zeit  einschicken  und  mich  also  verhalten,  wie  einem  frommen 
Unterthanen  gegen  seinen  Landes-  und  Lehnsherrn  zu  thun  gebühret,  auch 
meine  Verhaftung  und  was  daiainter  vorgelaufen,  nicht  rechnen  will." 

Diese  Urfehde  genügte  aber  noch  nicht  den  fürstlichen  Räthen  und 
es  war  hierzu  ein  neuer  Druck  von  Speier  erforderlich.  Bevor  dieser  aber 
wirkte,  Hess  man  Witzleben  noch  5  Wochen  in  Weimar  sitzen  und  'brachte 
ihn  dann  am  6.  September  mit  gewehrter  Hand  und  Hakenschützen  nach 
der  Leuchtenburg  zurück. 

Inzwischen  hatte  man  hier  Balthasar  von  Denstedt  festgehalten,  in 
einen  „bösen  und  argen  Thurm"  geworfen  und  ihn  auf  diese  Weise  end- 
lich genöthigt,  eine  ungewöhnliche  Urfehde,  welcher  er  jedoch  die  Worte 
hinzuffigte:  „durch  den  Thurm  erzwungen",  zu  unterschreiben. 

Witzleben  folgte,  nachdem  er  2  Jahr  und  2  Monate  in  Haft  gesessen 
hatte,  dem  Beispiel  seines  Freundes  und  unterschrieb  am  19.  September 
den  ihm  „zugenöthigten  Revers",  welcher  den  letzten  Satz  des  am  30.  Juli 
angenommenen,  oben  mitgetheilten  ProtokoUes  von  den  Worten:  „Weil  ich 
dann  in  der  Cession  etc."  enthielt. 

Die  Haft  auf  der  Leuchtenburg  und  in  Weimar  mag  ziemlich  hart 
gewesen  sein,  wie  aus  Witzlebens  Briefen  an  seinen  Notar  Kölbin  und 
aus  seiner  Mutter  Briefen  an  denselben  Notar,  sowie  an  die  Gemahlin  des 
Herzogs  Friedrich  Wilhelm  und  die  Elgersburger  Vettern  hervorgeht. 

„Ich  bitte  um  Gottes  willen,  —  schreibt  Witzleben  am  3.'  November 
1596  dem  Dr.  Kölbin  nach  Speier,  —  weil  wii-  auf  der  Leuchtenburg 
immer  härter  und  toller  bedrängt  und  ich  mit  Hescher  und  Thurm  be- 
drohet werde,  wenn  ich  mich  nicht  von  meinem  Beistande  trennen  will, 
Ihr  möget  das  Beste  thun,  um  meine  baldige  Freiheit  zu  bewirken.  Ich 
habe  wahrlich  dies  und  das  vorige  Schreiben  mit  Gefahr  und  Sorge  naus- 
gebracht,  denn  es  ist  hart  bestellt.     Man  lässt  uns  nichts  ab  und  zu." 

Fünf  Tage  später  schreibt  er:  „Die  Wachen  haben  schwören  müssen, 
uns  weder  Biief  noch  Zettel  zukommen  zu  lassen;  Gott  erbarme  es." 

Die  Mutter  dagegen  schreibt  am  27.  Mai  1597  aus  Gräfenau  an  die 


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—     16    — 

Elgersburger  Witzleben:  „Euch  ist  un verborgen,  dass  ich  niit  meiner 
lieben  Tochter  in  meines  Sohnes  Rittersitz  kläglich  verschlossen  und  wie 
Gefangene  gehalten  werde  und  weder  zu  beissen  noch  zu  brechen  habe 
und  wie  ich  endlich  als  eine  arme  verlassene  und  betrübte  Wittwe  von 
den  Schwarzburgischen  geschlagen  worden.  —  Man  martert  und  quält 
meinen  Sohn,  das  junge,  unschuldige  Blut,  zu  Weimar  mehr  und  mehr, 
hat  ihn  in  einen  bösen  Thurm  und  Geföngniss  geworfen,  darinnen  sie  ihm 
denn  nichts  als  Wasser  und  Brot  zur  Speise  geben,  das  (wie  es) 
einem  Uebelthäter  und  nicht  einem  Unschuldigen,  sonderlich  einer  Adels- 
person dergestalt  in  deutscher  Nation  nicht  wiederfahren.  Man  hat  in 
solchem  seinen  Geföngniss  nur  zum  Spott  und  Hohn  für  ihn  einen  Armen- 
sünder,' so  Diebstahls  halber  einkommen,  auf  einer  Leiter,  die  an  sein 
Bett  gemacht^  gegeisselt  und  gemartert.  Nach  solcher  Marter  ein  Hescher 
oder  Landsknecht  kommen  und  zwo  Ruthen  hinter  oder  neben  sein  Bett 
geworfen,  damit  man  danach  zw^o  Jungen,  die  bei  zuvor  angezeigtem  Dieb- 
stahl geholfen,  gestrichen  hat.  Alles  zum  Hohn,  Schmach  und  Spott 
meines  armen  unschuldigen  Sohnes  geschehen,  dass  es  nicht  allein  Gott 
im  Himmel,  den  rechten  Richter,  sondern  einen  Stein,  geschweige  delin 
ein  christliches  Herz  erbarmen  müsse." 

Das  mütterliche  Auge  mag  vielleicht  etwas  zu  schwarz  gesehen  haben, 
jedenfalls  wurden  auf  der  Leuchtenburg  die  Befehle  nicht  so  streng  aus- 
geführt, als  sie  gegeben  waren.  Wii*  finden  zwar  einmal,  dass  Philipp 
von  Spitznase,  als  er  auf  den  Wunsch  der  Mutter  nach  der  Leuchten- 
burg ritt,  um  sich  nach  dem  Befinden  des  erkrankten  Sohnes  zu  er- 
kundigen, daselbst  unvenichteter  Sache  abgewiesen  wurde,  im  üebrigen 
fand  aber  doch  lebhafter  Verkehr  mit  ihm  statt.  Die  Mutter  schickte 
dem  Sohne  Lebensmittel,  Kleidung  und  Geld,  nach  Weimar  38,  nach  der 
Leuchtenburg  49  FL,  und  der  „kleine",  wie  der  „grosse"  Lakai  mussten 
von  Grüfenau  aus  oft  den  Weg  zu  dem  Verhafteten  machen,  um  Nach- 
richt zu  bringen  und  zu  holen.  Auch^Kölbin  selbst  kam  von  Speier  nach 
Weimar,  um  sich  durch  den  Augenschein  von  dem  Ergehen  Christophs 
zu  überzeugen  und  sich  mit  demselben  zu  bereden. 

Wie  wir  aus  dem  Vorhergehenden  gesehen  haben,  wurden  beide 
Freunde  im  September  1597  in  Freiheit  gesetzt,  nachdem  ihre  Haft  hin- 
reichend als  abschreckendes  Beispiel  far  die  übrigen  Vasallen,  sich  nicht 
an  das  Reichskammergericht  zu  wenden,  gelten  konnte.  Der  Prozess  war 
jedoch  damit  noch  nicht  beendet,  denn  Witzleben  erhob,  wie  später  näher 


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—     17     — 

ausgeAhrt  werden  wird,  Klage  wegen  Beschädigung  seines  Eigenthums 
während  seiner  Gefangenschaft  und  forderte  für  die  ihm  aus  seiner  Haft 
entstandenen  Unkosten  Entschädigung. 

Da  er  sich  aber  nach  seiner  Befreiung  trotz  des  gegebenen  Ver- 
sprechens, von  Denstedt  abzulassen,  wiederum  mit  diesem  zusammen- 
gethan  hatte,  so  diente  dies  als  der  erwünschte  Vorwand,  um  ihm  und 
seinem  Rathgeher  das  weitere  Prozessiren  zu  verleiden.  Beide  von  Neuem 
zu  verhaften. 

Selbstredend  erhoben  Witzleben  und  Denstedt  deshalb  abermals  Klage 
in  Speier. 

Der  Herzogliche  Anwalt,  Leonhard  Wolff,  vertheidigte  seine  Herzöge, 
indem  er  am  12.  Januar  1598  an  das  Reichskanunergericht  schrieb:  „Um 
Unheil  vorzubeugen,  muss  die  Obrigkeit  solchen  muthwilligen  Gesellen 
einen  Zaum  in's  Maul  legen.  Die  Parition  war  vollständig,  wenn  auch 
die  Verhafteten  nicht  ohne  alles  Entgelt  und  Erstattung  der  Unkosten  frei- 
gelassen seien,  zumal  Witzleben  und  Denstedt  durch  ihr  unnöthiges 
Schlemmen,  Zehren  und  Prassen  diese  Unkosten  verursacht  haben.  Man 
hatte  Recht,  ihnen  den  Brodkorb  höher  zu  hängen  und  sie  wie  muth- 
willige  (Gesellen  mit  Wasser  und  Brod  zu  speisen  und  zu  tränken,  wie  se 
denn  in  Gotha  wirklich  bankettirt  und  im  Bathskeller  in  Bheinischem 
Wein  und  Bier  ein  item  gethan.  Die  Kläger  sind  auf  freien  Puss  ge- 
setzt worden,  aber  die  Obrigkeit  hat  Ursache  gehabt,  sie  wiederum  in 
Verhaft  zu  bringen.  Beide  verpflichteten  sich  im  Revers,  dass  Einer  des 
Andern  müssig  gehen  wollte,  trotzdem  haben  sie  sich  alsbald  wieder  zu- 
sammen gefunden  und  Denstedt  soll  sich  unterstehen,  den  Gemeinden  zu 
Gräfenau  und  Bücheloh  mit  seinem  Beistande  allen  Vorschub  zu  leisten." 
(Wahrscheinlich  in  der  Steuerangelegenheit). 

Dr.  Kölbin  erwiederte  hierauf  am  19.  Mai  1598  einfach:  „Die  Junk- 
herren  wären  berechtigt  gewesen,  sich  zusammen  zu  thun,  da  die  ihnen 
in  der  Urphede  gestellte  Bedingung  ungesetzlich  sei,  und  daher  freizu- 
lassen." 

Wahrscheinlich  wurden  die  Arrestirten  auch  noch  in  demselben  Monat 
in  Freiheit  gesetzt. 

Beide  mochten  aber  den  Aufenthalt  in  der  Grafschaft  Henne- 
berg unleidlich  finden  und  wandten  sich  von  Neuem  nach  Aschaflfenburg. 

Inzwischen  wurde  der  Prozess  wegen  Entschädigung  der  inhaftirt  ge- 
wesenen Edelleute  fortgesetzt.    Witzleben  forderte,  dass  die  ihm  aus  seiner 


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—     18     — 

unverschuldeten  Haft  entstandenen  Kosten  ersetzt  würden  und  berechnete 
dieselben  auf  433  Fl.  41  Kr.,*)  wogegen  die  Fürsten  Entschädigung  für 
ihre  Unkosten  forderten.  Die  hieifur  geforderte  Summe  ist  uns  nicht  be- 
kannt, mag  aber  nicht  unbeträchtlich  gewesen  sein,  da  neben  der  Ver- 
pflegung die  Kosten  der  Belagerung  der  Elgersburg  und  der  Escorten  von 
einem  Gefangniss  zum  andern  daiin  einbegriffen  waren. 

Man  war  Seitens  der  Herzöge  mit  der  Wahl  der  Mittel  zur  Erlangung 
dieser  Entschädigung  nicht  ängstlich  und  hatte  bereits  u.  a.  am  29.  No- 
vember 1596  durch  den  Stadtrichter  von  Ilmenau,  den  uns  wohl  be- 
kannten Michael  vom  Hof,  welcher  in  der  Nacht  mit  2  Metzgern  und 
10  mit  Büchsen  bewehrten  Männern  und  Häschern  in  Heida  erschien,'  aus 
der  dortigen  Schäferei  104  der  besten  Hammel  und  101  „traghaftige 
Mutterschaffe**)''  nach  Ilmenau  treiben  lassen  und  die  ünterthanen  Witz- 
lebens gezwungen,  den  ihm  schuldigen  Jahreszins,  160  Fl.,  an  das  Amt 
Ilmenau  einzuzahlen. 

Der  Prozess  mochte  für  die  Herzöge  keinen  günstigen  Ausgang  ver- 
sprechen, denn  am  12.  Februar  1599  schrieb  der  Weimarische  Kanzler 
Gerstenberg  an  den  Notar  Wolf,  dass  man  die  Witzlebensche  Sache  ver- 
gleichen wolle,  die  beiden  Freunde  aber  waren  zu  sehr  erbittert  und 
schrieben  auf  diese  Nachricht  am  6.  April  1599  von  Aschaffenburg  aus 
dem  Dr.  Kölbin,  dass  mit  dem  Prozesse  fortgefahren  werden  sollte. 

Es  wird  Niemand  leugnen  können,  dass  das  Verfahren  des  Grafen 
Albert  und  der  sächsischen  Herzöge  gegen  Witzleben  ein  gewaltthätiges, 
und  gegen  Denstedt,  dem  nichts  anderes  vorgeworfen  werden  konnte,  als 
dass  er  seinem  mündigen  Freunde  mit  Rath  beigestandan  habe,  ein  hartes 
und  ungerechtes  gewesen  war;  aber  ebenso  lässt  sich  nicht  verkennen, 
dass  die  Zähigkeit  und  Halsstarrigkeit  beider  Freunde  das  vernünftige 
Mass  überstieg. 


*)  Der  grösste  Theil  der  Auslagen  entstand  durch  Botenlohn  und  Zuschuss  zu 
ihrer  Verpflegung.  Das  Botenlohn  war  im  Allgemeinen  billig,  steigerte  sich  aber,  je 
nachdem  die  Wege  von  der  Dienerschaft,  („dem  grossen  und  dem  kleinen  Lakaien",) 
von  Hörigen  oder  von  andern  Leuten  zurückgelegt  wurden.  Ein  Bote  von  Gotha  nach 
Coburg  kostete  IV2  FL,  einer  von  Thüringen  nach  Speier  3V2,  öVa,  6  and  6Va  FL 
Der  Kammergerichtsbote  erhielt  für  59  Meilen  Weges  10  FL  Spitznase  verzehrte 
auf  einem  Ritte  nach  Weimar  6,  nach  Torgau  10  FL,  wobei  die  Verpflegung  der 
Pferde  mit  eingeschlossen  war. 

•*)  Es  wurde  der  Schaden  an  Schafen  auf  500  Fl.  berechnet,  1  Hammel  zu  2  Fl , 
1  Mutterschaf  zu  iVa  FL.  100  Muttersichafo  gaben  jährlich  für  18  FL  Milch,  50 
Hammel  5  Stein  Wolle  a  4Va  FL 


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—    19   — 

Sie  miissten  doch  darüber  klar  geworden  sein,  dass  sie  ohnmächtig 
waren,  um  bei  der  vorhandenen  und  allbekannten  Schwäche  der  kaiser- 
lichen Executive  den  mächtigen  Grafen  und  Fürsten  Widerstand  zu  leisten. 

Verbittert  durch  die  ihnen  zugefBgten  Unbilden,  von  Hass  erfallt  ob 
der  erlittenen  Gewaltthat,  waren  Witzleben  und  Denstedt  verblendet  und 
verrannt  in  ihrem  gekränkten  Rechtsgefuhl  und  verloren  dabei  jede  klare 
Ansicht  über  die  thatsächlichen  Verhältnisse. 

Um  den  Process  mit  mehr  Nachdurck  zu  fuhren,  begaben  sich 
Witzleben  und  Denstedt  nach  Speier  und  wurden,  da  sie  sich  wahr- 
scheinlich auf  ungebührliche  Weise  über  die  Schwäche  des  Reichskammer- 
gerichts Luft  gemacht  hatten,  zur  Haft  gebracht.*)  Denstedt  erreichte 
dieses  Schicksal  in  Worms,  von  wo  er  nach  dreimonatlicher  Haft  in 
Ketten  geschlagen  und  in  einer  Kutsche  untergebracht  durch  60  bewehrte 
Bürger  über  Speier,  Bruchsal,  Dünkelsbühl  nach  Prag  transportirt  wurde. 
Hier  wurde  der  Unglückliche  .2  Jahr  3  Monate  lang  in  Ketten  und 
Banden  gehalten,  ohne  bisher  verhört  worden  zu  sein.  Nur  soviel  wurde  ihm 
eines  Tages  mitgetheilt  dass  er  frei  gelassen  werden  sollte,  wenn  er  schwören 
wolle,  das  kaiserliche  Kammergericht  weder  zu  actuiren  noch  zu  consul- 
tiren.  Als  Denstedt  diesen  Schwur  verweigerte,  wurde  er  von  Neuem 
angeschlossen,  ihm  zur  Nahrung  nur  Wasser  und  Brod  gereicht,  und  er 
darauf  von  Prag  nach  Wien  in  das  elende  Gefängniss  zum  Stadtgraben 
gefuhrt,  woselbst  er  abermals  30  Wochen  in  schwere  Eisen  geschlossen 
wurde,  bis  endlich  der  Kaiser,  zufällig  von  seiner  Unschuld  überfuhrt,  ihn 
in  Freiheit  setzen  liess. 

Wie  lange  und  wo  Witzleben  in  Haft  gesessen,  wissen  wir  nicht; 
wahrscheinlich  war  sie  von  kürzerer  Dauer.  Er  begab  sich  nach  erhal- 
tener Freiheit  auf  seinen  Rittersitz  Heida  und  hatte  dort  im  Jahre  H)08 
die  Freude,  seinen  alten  Freund  und  Leidensgenossen  nach  langer  Trennung 
umarmen  zu  können,  denn  dieser  war  aus  seinem  Geföngniss  zu  Wien 
nach  Thüringen  geeilt,  um  bei  seinem  lieben  „StoflFel"  Asyl  zu  suchen, 
wo  er  aber  neuen  Widerwäiügkeiten  entgegen  ging. 

Es  war  zu  Anfang  des  17.  Jahrhunderts,  vor  dem  Ausbruche  des 
30  jährigen  Krieges,  als  die  katholische  Kirche  vermittelst  der  Jesuiten 
alle  Hebel  in  Bewegung  setzt^e,   um  die  verlorenen  Seelen   wieder  in  den 

*)  Die  Zeitangaben  fehlen  hier  und  in  dem  nächst  Folgenden  in  den  im  Archive 
zu  DreBden  befindlichen  Acten. 

2* 
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—  20  — 

Schooss  der  allein  seeligmachenden  zurückzuffihren,  und  die  protestantischen 
Ländei-,  namentlich  auch  Thüringen,  mit  geheimen  Emissairen  beschickte. 

Christoph  von  Witzleben  war  wie  der  gesammte  Adel  Thüringens 
in  der  lutherischen  Keligion  erzogen,  trat  aber  später  zur  katholischen 
Kirche  über.  Die  Schuld  dieses  Abfalles  schiieb  man  Balthasar 
von  Denstedt  zu,  welchen  man  auch  vielfach  für  einen  katholischen 
Emissair  hielt.  Hierin  hatte  man  jedoch  wohl  Unrecht,  denn  die  katho- 
lische Parthei  hätte  sich  in  diesem  Falle  seiner  gewiss  energisch  angenommen 
imd  ihn  nicht  in  Prag  und  in  Wien  im  Kerker  schmachten  lassen;  dem 
ohnerachtet  bleibt  es  aber  wahrscheinlich,  dass  Denstedts  Einfluss  den 
üebertritt  Witzleben's  veranlasst  hat,  wie  sehr  er  dies  auch  ableugnete. 

In  einem  1610  über  Denstedt  abgehaltenen  Verhör  erzählt  er 
Witzleben's  üebertritt,  so  vrie  sein  eigenes  Verhalten  in  Glaubenssachen 
folgendermassen:  „Er  habe,  —  sagt  Denstedt  aus,  —  keine  Ahnung  davon 
gehabt,  dass  Witzleben  Neigung  zur  katholischen  Keligion  habe,  aber 
während  seiner  Gefangenschaft  in  Weimar  habe  man  Witzleben  calvinistische 
und  lutherische  Bücher  zugesandt,  und  in  einer  dazu  gehörigen  Vorrede 
habe  dieser  gelesen,  dass  es  auch  unter  den  Katholiken  fromme,  gottes- 
farchtige  Leute,  wie  den  heiligen  Augustinus,  Ambrosius  etc.  gegeben 
habe.  Dies  und  der  Gedanke,  dass  diese  Männer  einfache  Mönche  ge- 
wesen seien,  habe  auf  Witzleben  die  erste  Influenz  ausgeübt,  er  habe 
darauf  die  Bücher  hin  und  her  gelesen  und  dabei  gefunden,  dass  die 
Calvinistischen  und  Lutherischen  Werke  nicht  übereinstimmten,  was  ihn 
zu  der  Erkenntniss  gebracht  habe,  dass  keine  Religion  mehr  (besser)  wie 
die  andere,  und  es  daher  am  gerathensten  sei,  zu  der  Religion  seiner 
Voreltern  zurückzutreten.  Er  gelobte  sich  in  Folge  dieser  Betrachtungen, 
so  bald  er  aus  dem  Gefängniss  kommen  würde,  zur  katholischen  Religion 
überzutreten."^ 

Nun  traf  es  sich,  dass,  als  man  am  6.  September  1597  Witzleben 
von  Weimar  nach  der  Leuchtenburg  zm-üclrfuhrte,  Denstedt  aus  derselben 
entlassen  wurde  und  beide  Leidensgenossen  in  dem  Wirthshause  zu  Kahla 
unerwartet  zusammentrafen.  Sie  fielen  sich  in  die  Arme  und  Witzleben 
theilte  Denstedt  mit,  dass  man  ihn  durch  lutherische  und  calvinistische 
Bücher  zur  katholischen  Religion  bekehrt  habe.  Denstedt  erschrak  hierüber, 
und  sagte;  „Junger  Stoffel  (Christoph),  ich  gönne  Euch  die  Seeligkeit 
sowohl  als  mir  selbst,  ich  bitte  Euch  aber,  ihr  wollet  nicht  so  geschwinde 
hereinplatzen,  dass  nicht  Rewell  (Reue)  über  Euch  komme,  denn  wenn 


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—  21  — 

Ihr  wieder  abfallen  sollet,  so  wäre  es  besser  gewesen,  Ihr  wäret  nie  zu 
uns  übergetreten.  Thut  Ihr  es  aber,  so  muss  ich  Euch  sagen:  Nicht  ich 
allein,  sondern  auch  Ihr  werdet  noch  grosse  Verfolgung  auf  der  Welt 
leiden  müssen." 

Christoph  entgegnete  darauf:  „Er  bleibe  dabei,  habe  er  doch  auch 
bei  seiner  Religion  auf  der  Welt  viel  zu  leiden  gehabt." 

Nachdem  Witzleben  von  der  Leuchtenburg  entlassen  war,  wandte  er 
sich,  wahrscheinlich  von  AschafFenburg  aus,  nach  Mainz,  besuchte  daselbst 
ein  Jesuiten-Collegium  und  kehrte  als  eifriger  Katholik  auf  seine  Güter 
nach  Heida  zurück. 

Auch  Denstedt  wandte  sich,  wie  wir  wissen,  nach  seiner  Freilassung 
laus  dem  Wiener  Stadtgraben  nach  Heida.  Das  Herrenhaus  mochte  jedoch 
aus  diesem  oder  jenem  Grunde  nicht  geeignet  zur  Aufnahme  des 
Freundes  gewesen  sein,  denn  Denstedt  wurde  bei  einem  Untersassen 
Christophs,  Matthias  Wächter,  eingemiethet.  Dies  Logement  war 
erbärmlich  und  Witzleben  ordnete  daher  später  an,  dass  Matthias  Wächter 
ein  neues  Häuschen  baute. 

War  auch  zu  der  Zeit,  wo  dies  geschah,  die  Reformation  erst  seit 
einem  halben  Jahrhundert  in  Thüringen  beendet,  so  mag  es  doch  in 
dieser  vom  Protestantismus  ganz  durchdrungenen  Gegend  nicht  geringes 
Aufsehen  gemacht  haben,  den  Junkherrn,  welcher  in  Heida  lutherisch 
getauft  und  confiimirt  worden  war,  als  einen  Papisten  zurückkommen 
und  in  seiner  Umgebung  einen  Edelmann  zu  sehen,  der  ebenfalls  den 
neuen  Glauben  abgeschworen  hatte. 

Vor  aUem  war  es  Christophs  Mutter,  die  sich  über  die  Wandlung 
tief  grämte,  und  auch  die  Schwester,  eine  ehrbare  und  tugendreiche  Jung- 
frau. Christoph  setzte  alle  Hebel  an,  beide  zu  sich  hinüber  zu  führen, 
wozu  ihm  Denstedt  die  zuschlagenden  Lehren  geben  mochte,  aber  weder 
seine  casuistischen  Worte  noch  die  Misshandlungen,  welche  er  seiner  im 
Glauben  feststehenden  Schwester  zugefügt  haben  soll,  hatten  die  gewünschte 
Wirkung,  ja  der  Einfluss  der  Mutter  blieb  immerhin  noch  so  gross,  dass 
Balthasar  von  Denstedt  zum  wenigsten  nicht  unter  einem  Dache  mit  ihnen 
schlafen  durfte.  Die  beiden  Frauen  fanden  in  dem  Pastor  Johann  Kise- 
wetter,  welcher  bereits  27  Jahre  seinem  Amte  vorstand,  also  jedenfalls 
Christoph  von  Witzleben  getauft  und  im  Christenthum  nach  der  lutherischen 
Lehre  unterrichtet  hatte,  einen  treuen  Beistand,  obgleich  derselbe  den 
im  Wortsüeit  gewandten  Papisten  durchaus  nicht  gewachsen  war. 


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—  22  — 

Als  bei  der  ßegiäbnissfeier  Friedrichs  von  Witzleben  (1609)  der 
Junkherr  Christoph  als  Verwandter  und  Balthasar  von  Denstedt  als  sein  altor 
ego  nach  der  Elgersburg  gebeten  waren,  wurde  auf  boshafte  Veranstaltung 
der  Junkherren  Denstedt  an  die  Tafel  gesetzt,  an  welcher  die  5  ver- 
sammelten Geistlichen,  darunter  auch  der  Pfarrer  aus  Heida,  Platz  nehmen 
sollten. 

Denstedt  erzählt  uns  hiervon:  „Es  hätte  alsbald  keiner  der  Pastoren 
einen  Löffel  Suppe  ins  Maul  stecken  können,  er  hätte  denn  zuvor  den 
Papst,  die  katholische  Religion  oder  ihn  ausgezapft."  Denstedt  ging  aut 
den  Streit  anfänglich  nicht  ein  und  sagte:  „Erst  Essen  und  dann  dis- 
putiren".  Aber  die  Pfarrherren  setzten  ihm  mit  ihren  Stachelreden  und 
höhnischen  Worten  so  lange  zu,  bis  er  denn  endlich  auch  das  Wort  er- 
griff. Er  suchte  ihnen  zu  l^weisen,  dass  Luther  nur  ein  weggelaufener, 
dreimal  eidbrüchiger  Mönch  sei,  den  Ehrgeiz  und  Sinnenlust  aus  dem 
Kloster  geführt  habe.  Seine  Bibel-üebersetzung  enthalte  viel  Irrthümer, 
wobei  er  einige  anführte,  und  auch  seine  Lieder  wären  lügenhaft,  denn  er 
singe;  „Gott  will  uns  alkeit  ernähren,  Leib  und  Seel  auch  gut  bewähren",  und 
doch  seien  vorigen  Jahres  in  Liefland  viele  Christen  Hungers  gestorben  und 
er  selbst  sei  im  Graben  zu  Wien  bald  verhungert.  Als  endlich  die 
Pfarrherren  auf  den  Papst  und  die  katholische  Geistlichkeit  herzogen,  schrie 
Denstedt  sie  an:  .,Ihr  seid  gar  keine  ordentliche  Priester,  denn  Euch  fehlt 
das  erste  Bedingniss  dazu,  die  ordentliche  Weihe".  Auf  diese  Weise 
trieb  er  bald  die  Geistlichen,  namentlich  aber  Pastor  Kisewetter  so  in  die 
Enge,  dass  dieser  nicht  mehr  zu  antworten  wusste,  und  beim  Nachhause- 
gehen  dem  Küster  schwermüthig  sagte,  er  habe  für  das  Begiäbniss  auf 
der  Burg  einen  Thaler  erhalten,  gäbe  aber  einen  solchen  noch  darauf 
wenn  er  heute  nicht  oben  gewesen  wäre. 

Die  Lage  des  Seelsorgers  in  Heida  war  übrigens,  auch  abgesehen 
von  dieser  schmerzlichen  Niederlage,  keine  beneidenswerthe.  Er  hatte 
grosse  Sorge,  in  seiner  Gemeinde  den  neuen  Glauben  fest  zu  halten,  und 
dabei  musste  er  gegen  seinen  eigenen  Patron  und  dessen  Freund  kämpfen. 
Man  kann  sich  denken,  wie  viel  schlaflose  Nächte  der  arme  Seelenhiit 
gehabt  haben  mag,  zumal  sich  bald  dem  religiösen  Streite  ein  höchst 
materielle  zugesellten 

Pfanherr  Kisewetter  hätte  nämlich  1609  einen  Acker  Landes  von 
einem  üntersassen  Chri.^tophs  von  Witzleben,  Namens  Spitznase,  in  Heida 


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—  23  — 

gekaujft.  Matthias  Wächter  trat  dagegen  auf  und  behauptete,  das  Land 
gehöre  ihm,  da  es  Spitznase  von  ihm  nur  pfandweise  inne  gehabt  habe. 
Auf  einem  Gerichtstage  entschied  Witzleben  als  Gerichtsherr  in  aller  Form 
gegen  den  Pfarrer,  und  Matthias  Wächter  nahm  von  dem  Acker  Besitz 
und  erntete  den  Hafer,  den  Kisewetter  gesäet  hatte.  Hierdurch  hatte  der 
Religionsstreit  in  Heida  einen  haltbaten  Grund  gewonnen  und  stand  bald 
in  voller  Bluthe.  Der  Pfarrherr  beschwerte  sich  bei  der  fürstlichen 
Regierung  zu  Meiningen  und  diese  wies  den  Amtsverwalter  in  Ilmenau, 
Namens  Georg  Silchmüller,  an,  dem  Pfarrer  beizustehen.  Nach  Kräften 
mag  er  dies  auch  gethan  haben,  aber  ohne  guten  Erfolg,  denn  in  seinem 
am  23.  November  1609  eingereichten  Berichte  gab  er  an,  dass  Witzleben 
gegen  die  Einmischung  in  seine  Gerichtsbarkeit  Protest  erhöbe,  und  bat 
schliesslich,  ihn  dieser  schwierigen  Commission  zu  entbinden  und  einen 
höher  bestellten  Mann  damit  zu  beti-auen. 

Kisewetter  suchte  gleichzeitig  mit  der  Klage  bei  der  Regierung  auch 
Schutz  bei  seiner  hohem  kirchlichen  Behörde  und  schrieb  am  1.  Decem- 
ber  1609  an  den  Superintendenten  Joachim  Zehner  in  Schleusingen: 
„Mehrere  Papisten  sammt  ihrem  Hauswirth  Matthes  Wächtern  sind  nur 
trotziger  geworden.  Sie  sagen:  wenn  sie  der  von  Witzleben,  nur  leiden 
wollte,  so  ginge  das  Niemand  Anderen  etwas  an,  ja  sie  schmähen  auch 

gegen  Fremde  den  Gottesmann  Luther." Er  theilt  nun  den  Vorfall 

bei  dem  Begräbniss.  auf  der  Elgersburg  mit,  jedoch  natürlich  nicht  ohne 
den  Zusatz,  dass  er  dem  Denstedt  auch  tüchtig  geantwortet  habe. 

üeber  den  Ackerprocess  klagt  er:  „Der  Junkherr  hat,  ohne  den  Kauf- 
und Lehnbrief  in  Betracht  zu  ziehen,  mir  ohne  Weiteres  den  Acker  ab- 
gesprochen und  gewaltsam  genommen.  Auch  hat  er  mich  der  Fälschung 
beschuldigt,  —  die  Kaufbriefe  waren  nämlich  von  dem  von  Witzleben  weg- 
gejagten Amtsschreiber  Bartel  Stieder  verfasst  worden,  —  und  mich  bei 
der  Regierung  zu  Meiningen  der  gröbsten  Laster  und  Bubenstreiche  be- 
schuldigt. Es  ist  auch  Wächter  nicht  Willens,  zu  gehorchen,  und  hat, 
statt  Denstedt  zu  entfernen,  nicht  allein  für  denselben  eine  neue  Treppe 
errichten  lassen,  sondern  lässt  noch  ein  neues  Häuschen  auf  der  Gasse 
bauen,  wo  sie  Alchymie  und  allerlei  Betrug  treiben  werden,  und  nicht 
allein  die  Nachbarn,  sondern  auch  Kirche  und  Schule  sind  dadurch  ge- 
fährdet." 

Die  Schleusinger  Kirchenbehörde  wandte  sich  darauf  am  18.  Decem- 
ber  1609  an  die  Regierung  zu  Meiningen  und  klagte,  dass  der  Patron 


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—  24  — 

von  Heida,  Christoph  von  Witzleben,  unsere  Religion^  in  der  er  von 
Jugend  her  auferzogen  sei,  böswillig  verlassen  und  sich  zum  päpstlichen 
Aberglauben  gewendet  habe.  Er  suche  Proselyten  zu  machen,  habe  den 
Sohn  seines  üntersassen,  Georg  Hartmann,  ein  noch  gar  junges  Blut,  mit 
nach  Königshofen  (in  Baiern)  genommen,  dort  zum  Abendmahl  sub  una 
specie  persuadirt,  und  ihn  trotz  der  Bitten  seines  Vaters  bei  sich  ver- 
borgen behalten.  Ebenso  habe  er  seinen  Diener  Bartel  Stieder  zum  Ab- 
faU  verleiten  woUen  und,  als  ihm  dies  nicht  geglückt,  ihn  gestochen  und 
nunmehr  gänzlich  abgeschaffl;  desgleichen  liege  er  auch  seiner  Mutter 
und  Schwester,  zwei  gottesförchtigen  adligen  Weibspei-sonen,  deshalb 
heftig  an.  Zu  alledem  sei  Balthasar  von  Denstedt,  welcher  auch  die  vor- 
nehmste Ursache  seines  Abfalles  ist,  die  Triebfeder. 

Dieser  sei  1608  in  Heida,  wo  er  nichts  zu  suchen  habe,  eingetroffen 
und  säe  von  hier  aus  den  Samen  der  Zwietracht  zwischen  Witzleben  und 
seine  Verwandten,  so  dass  ^eser  sogar  seine  Schwester,  eine  fromme 
züchtige  Jungfrau,  in  Gegenwart  vieler  von  Adel  der  Unehre  beschuldigt 
und  geschlagen  habe. 

Allermeist  gäben  aber  Witzleben  und  Denstedt  durch  ilu-e  schimpf- 
lichen, höhnischen  und  lästerlichen  Reden  wider  unsere  christliche  Religion 
grosses  Aergemiss,  so  dass  etliche  einfältige  Laien  schon  gesagt:  Man 
wisse  nicht,  ob  wir,  oder  die  Päpstlichen  Recht  hätten. 

„Witzleben  hat  auch  der  Kirchen-Visitation  nicht  beigewohnt,"  fährt 
der  Superintendent  fort.  „Ich  und  mein  College  mussten  uns  daher  be- 
gnügen, Matthes  Wächter,  welcher  Balthasar  von  Denstedt  beherbergt,  zu 
vernehmen.  Dieser  sagte,  er  wäre  zur  Aufnahme  dieses  Mannes  durch 
den  Gutsherrn  gezwungen  worden.  Er  wurde  ermahnt,  Denstedt  auf  gute 
Manier  so  bald  als  möglich  aus  seinem  Hause  zu  entfernen.  Doch  ist 
dies  bis  jetzt  noch  nicht  erfolgt." 

Der  Brief  schliesst:  „Da  ich  nun  nicht  die  Verantwortung  tragen 
kann ,  wenn  aus  dieser  Sache  ein  grosses  Aergemiss  entstehen  sollte,  so 
bitte  ich  die  fürstlichen  Räthe,  bei  Zeiten  Bedacht  zu  nehmen,  dass  der 
Pfarrherr  zu  Heida  durch  diesen  allbekannten,  unruhigen  Gast  nicht  ge- 
hindert werde,  seinem  Amte  fernerhin  mit  Freude  und  ohne  schwere 
Seufeer  vorstehen  zu  können." 

Der  Bericht  des  Superintendenten  mag  grosse  Aufregung  in  Meiningen 
hervorgebracht  haben. 

Man  witterte  zur  Zeit  überall  katholische  Emissaire  und  war  selbst 


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—  25  — 

ob  des  Bestandes  der  lutberischen  Lehre  besorgt.  Man  glaubte  daher, 
die  Folgen  nicht  berechnen  zu  können,  welche  der  Abfall  Christophs  von 
Witzleben  vom  lutherischen  Glauben  haben  könne,  und  da  die  Meiningschen 
Räthe  gegen  denselben  aus  früheren  Veranlassungen  angebracht  waren, 
so  gaben  sie  ihrem  ünmuthe  vollen  Ausdruck  in  dem  Berichte,  welchen 
sie  an  den  Kurfürsten  Christian  II.  nach  Dresden  sandten. 

Dieser  Herr  ffihrte  nämlich,  nachdem  der  Herzog  Friedrich  Wilhelm 
von  Weimar  1603  gestorben  war,  die  Vormundschaft  über  die  unmündigen 
Söhne  Friedrich  Wilhelms  und  war,  da  er  den  früheren  Sti-eitigkeiten  mit 
Witzleben  ganz  fremd  geblieben  war,  zum  grossen  Kununer  der  Meiningi- 
sehen  Regierung  kein  ausgesprochener  Gegner  desselben.  Er  antwortete 
auf  den  erwähnten  Bericht  unter  dem  11.  Januar  1610,  dass  Balthasar 
von  Denstedt  und  Christoph  von  Witzleben  nach  Meiningen  beschieden 
und  Urnen  dort  ihr  unziemliches  Beginnen  verwiesen  werden  sollte.  Der 
Kurfarst  wollte  in  Gnaden  von  der  Apostasia  (AbfaD)  Witzlebens  absehen, 
aber  Proselytenmacherei  werde  er  nicht  dulden. 

Dieser  ruhige  Befehl  mag  den  Meininger  Käthen  nicht  nach  Sinn 
gewesen  sein,  denn  sie  waren  bereits  im  vollen  Angriffskriege  gegen  den 
<  katholischen  Besitzer  von  Heida  begriffen,  fanden  aber  in  ihm  einen  Mann, 
welcher  sich  seiner  Haut  so  viel  wie  möglich  zu  wehren  suchte. 

Witzleben  beklagte  sich  daher  in  einem  Schreiben  vom  17.  Januar  1610 
beim  Kurfürsten  über  die  Willkür  der  Meiningischen  Regierung  und  ihre 
Eingriffe  in  seine  Gerichtsbarkeit,  namentlich  führte  er  an,  dass  der  vorige 
ihm  aufsässig  gewesene  Richter  von  Ilmenau,  so  sich  Michael  vom  Hof 
nenne,  ihm  in  seiner  Abwesenheit  200  Schafe  geraubt,  und  ihm  ausser- 
dem einen  Schaden  von  1000  Fl.  zugefugt  habe.  Sollte  das  so  fort  gehen, 
so  würde  er  bald  von  seinen  Gütern  vertrieben  werden,  weshalb  er  den 
Kurfürsten  bäte,  ihm  Schutz  gegen  solch  ungesetzliches  Beginnen  ange- 
deihen  zu  lassen. 

Auch  mit  Denstedt  hatten  die  zu  Meiningen  einen  schweren  Stand, 
denn  unter  dem  3.  Februar  1610  berichteten  die  Räthe  dem  Kurfürsten, 
dass  sie  laut  erhaltenen  Befehles  vom  11.  Januar  Denstedt  zu  sich  be- 
schieden, dieser  aber  nicht  erschienen  wäre,  wohl  aber  ihnen  eine  be- 
schwerliche Antwort  habe  zukonunen  lassen,  und  frugen  nun  an,  wie 
sie  sich  gegen  einen  so  boshaften  und  schmähsüchtigen  Menschen  ver- 
halten  sollten,    worauf  ihnen   erwidert  wurde,    Denstedt  nochmals   vor- 


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—    26    — 

zuladeii  und,  falls  er  nicht  Parition  leistete,  ihn  in  einer  Stadt  handfest 
zu  machen  und  verwahrlich  zu  halten.     (9.  Februar  1610). 

Balthasar  von  Denstedt  aber  war  klug  genug,  sich  nicht  von  Heida 
'wegzubegeben,  und  so  sahen  sich  die  Herren  in  Meiningen  in  tiefeter  Be- 
kümmemiss  genöthigt,  am  12.  Mai  dem  Kurfürsten  zu  melden',  dass  sie 
seiner  noch  nicht  hätten  habhaft  werden  können,  unterliessen  jedoch  nicht, 
da  Witzlebeu  und  Denstedt  sich  abermals  in  einer  Bittschrift  an  den  Kur- 
fürsten gewandt  und  dieser  unter  dem  10.  März  von  Neuem  Bericht  er- 
fordert hatte,  über  die  Angelegenheit  des  Pfarrackers  weitläufig  Bericht 
abzustatten. 

Auf  diesen  Bericht  befahl  der  Kurffirst  am  4.  Juni,  Denstedt  zur 
Haft  zu  bringen  und  Witzleben  bei  Androhung  einer  Strafe  von  100 
Gold-Gulden,  falls  er  nicht  Parition  leiste,  zu  citiren. 

Dieser  Befehl  war  der  erwünschte.  In  der  Nacht  vom  18.  zum 
19.  Juni  erschien  der  Stadtrichter  Georg  Silchmüller  auf  Geheiss  der 
Meiningischen  Regierung,  ohne  die  Gerichtsbarkeit  Witzlebens  zu  be- 
achten, mit  50  roth  und  gelb  gekleideten  Musketieren,  Schützen  und 
Spiessen  und  bemächtigte  sich  des  Einganges  zu  dem  Hause,  wo  Denstedt 
wohnte.  So  alt  dieser  auch  war,  so  gab  er  sich  doch  nicht  sogleich  ge- 
fangen. Nachdem  er  aber  nach  fruchtloser  Gegenwehr  zu  Boden  geworfen 
war,  wurde  er  sowie  sein  Wirth,  Matthes  Wächter,  auf  einen  Karren  ge- 
laden und  unter  mancherlei  Verhöhnungen  nach  Ilmenau  gebracht  und  an 
die  Thorwache  abgegeben.  Nach  3  Tagen  wm-de  Denstedt  abermals  auf 
einen  Karren  gesetzt,  und,  von  50  Schützen  escortirt,  auf  das  Schloss  zu 
Schleusingen  gefuhrt.  Hier  wurde  er,  mit  Stricken  und  mit  Ketten  an 
den  Füssen  gefesselt,  von  4  Wächtern  bewacht  und  ihm  Stroh  zum  Lager 
angewiesen.  Nur  7  Tage  währte  dieser  Aufenthalt  in  Schleusingen,  dann 
wurde  Denstedt  mit  ähnlicher  Vorsicht  wie  früher  von  hier  nach  Mass- 
feld (an  der  Werra  südlich  von  Meiningen  gelegen)  übergesiedelt  und  im 
dortigen  Schlosse  in  ein  steinernes  (massives)  Gefängniss,  die  Kitterstube 
genannt,  gebracht.  Hier  wurde  er  7  Wochen  lang  festgehalten  und 
erhielt  nur  Brod  und  saures  Bier  zur  Nahiung,  Stroh  zum  Lager  und 
keine  Decke  zum  Zudecken.  Kein  Luftzug  erfrischte  den  Aufenthalt, 
denn  die  Fenster,  oder  wie  Denstedt  sagt,  „die  Luft",  waren  vernagelt 
Das  Ungeziefer  zerfrass  ihn,  und  bei  der  schlechten  Nahrung  war  es  nicht 
zu  verwundem,  wenn  Denstedt  in  einem  Zustande  war,  den  sein  Gnaden- 
gesuch, was  er  bereits  im  Juü  abgehen  liess,  kennzeichnete.    Er  schrieb 


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-     27     — 

darin:  „Ich  armer  Gefangener  bitte  Ew.  Kurfürstliche  Gnaden  um  Ver- 
hör und  Erledigung,  und  miclK  hier  nicht  zu  mortificiren.  Alles,  was  ohne 
Beschwerung  meines  Gewissens  und  meiner  Ehre  geschehen  kann,  will  ich 
gern  thun.  Ich  bin  sehr  ausgemelkt  (ausgemergelt)  und  defatigirt.  Der 
liebe  Gott  sei  Ew.  Kurfürstliche  Gnaden  wiederum  gnädig  und  barm- 
herzig." 

Als  Nachschrift  richtete  er  folgende  Worte  an  die  Räthe:  „Liebe 
Herren,  ich  bin  aUhier  wie  ein  armer  Hund,  im  Stroh,  habe  schon  fünf 
Wochen  lang  wahrlich  sehr  hart  gebüsst  und  weiss  nicht,  was  ich  gethan 
haben  soll.  Auch  habe  ich  kein  Geld  mehr,  mir  Speise  zu  kaufen. 
Miseremini  ergo  mei  per  eum,  qui  venturus  est,  judicare  vivos  ac  mortuos. 
(Erbarmet  Euch  daher  meiner  im  Namen  dessen,  der  da  kommen  wird, 
zu  richten  die  Lebendigen  und  die  Todten)." 

Gleich  nach  der  Verhaftung  des  unglücklichen  Denstedt  hatten  die 
Räthe  zu  Meiningen  den  Kurfürsten  gefragt,  was  nun  geschehen  solle, 
und  darauf  am  14.  Juli  den  Befehl  bekommen,  ein  artikulirtes  Verhör 
mit  ihm  abzuhalten  und  nach  dem  Ausfalle  desselben  ihm  ihre  Ansicht 
über  die  Angelegenheit  mitzutheilen. 

Das  befohlene  Verhör  wurde  abgehalten  und  wir  haben  aus  demselben 
bereits  die  Erzählung  über  den  Uebertritt  Witzlebens  zur  katholischen 
Religion  und  wie  Denstedt  zu  seinen  Auslassungen  über  Luther  auf  der 
Elgersburg  veranlasst  worden  sei,  mitgetheilt.  Er  bekennt  sich  offen  als 
gläubiger  Kathcilik,  läugnet  aber  jede  Proselytenmacherei,  so  wie  jedes 
Religionsgespräch,  wenn  er  dazu  nicht  provocirt  worden  wäre. 

Die  Meiningische  Regierung  konnte  nach  alledem  so  wenig  Strafbares 
in  dem  Verhalten  Denstedts  finden,  dass  sie  dem  Kurfürsten  anrieth, 
(2.  August  und  21.  September)  Denstedt,  der  ein  Mann  von  fast  70  Jahren, 
„auch  Leibeshalber  sehr  baufällig  und  unvermögend,  für  dessen  Leben  daher 
zu  fürchten  sei",  zu  entlassen,  nachdem  er  Urfehde  geschworen,  und  zu- 
gesichert habe,  sich  der  Grafschaft  Henneberg,  besonders  Christophs 
von  Witzleben  in  Heida  Zeit  seines  Lebens  zu  enthalten,  auch  Niemanden 
zu  seinem  Aberglauben  zu  persuadiren. 

Der  Kurfiirst  befahl  darauf  die  Freilassung  Balthasar's  von  Denstedt 
unter  den  vorgeschlagenen  Bedingungen  und  diese  erfolgte  darauf  am 
12.  October  1610  nach  4  monatlicher  schauerlicher  Haft. 

Nach  seiner  Entlassung   wurde  Denstedt    im  Wirthshause   zu   Eis- 


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—  28  — 

hausen,  zwischen  Kodach  und  Hildburghausen  gelegen,  bis  wohin  er  auf 
einem  Schubkarren  gebracht  war,  ohne  jede«  Zehrgeld  abgesetzt. 

Er  war  so  übel  zugerichtet  und  so  elend,  dass  sich  der  Fuhrmann 
und  die  Landsknechte,  die  ihn  escortirt  hatten,  an  sein  eiliges  Ableben 
glaubend,  eiligst  davon  schlichen.  Dennoch  gelang  es  dem  Aermsten, 
sich  bis  nach  Mellerstedt  zu  schleppen.  Er  war  so  von  Ungeziefer 
verderbt  und  zerjfressen,  dass  er  selbst  an  seinem  Aufkommen  anfanglich 
verzweifelte,  doch  fand  er  einen  Bader,  der  ihn  heilte  und  von  dem  Un- 
geziefer befreite. 

Kaum  hatte  sich  Denstedt  einigermassen  erholt,  so  erlangte  auch 
sein  nie  ganz  gebeugter  Geist  die  alte  Spannkraft  wieder.  Vor  allen 
Dingen  suchte  er  sich  mit  Witzleben  zu  vereinigen,  um  mit  ihm  gemein- 
schaftlich zu  berathen,  was  ihrerseits  fernerhin  zu  thun  sei.  Dass  sein 
Freund  bei  seiner  selbst  gefährdeten  Stellung  nichts  für  ihn  hatte  thun 
können,  wai*  ihm  eben  so  klar,  als  er  gewiss  war,  ihn  jetzt  zu  einem 
gemeinschaftlichen  Kampfe  gegen  ihre  Gegner  zu  bewegen. 

Beide  Freunde  trafen  sich,  wie  ehedem  in  Kahla,  so  auch  jetzt  unter 
sehr  misslichen  Verhältnissen  in  Wittern.  Dieser  Ort  lag  im  Gebiete 
von  Eifürt  und  stand  somit  unter  Kurmainzischer  Gerichtsbarkeit;  Beide 
waren  daher  hier  wenigstens  vor  Verfolgung  der  Meiningischen  Regierung, 
welche  Witzleben  jede  Zusammenkunft  mit  Denstedt  bei  200  fl.  Strafe 
verboten  hatte,  sicher. 

Christoph  von  Witzleben  war  inzwischen  auch  nicht  auf  Roseü  ge- 
bettet gewesen.  Wir  wissen,  dass  derselbe  auf  Kurfürstlichen  Befehl  zum 
13.  Juli  1610  bei  Strafe  von  100  Goldgulden  nach  Meiningen  vorgeladen 
worden  war.  Das  energische  Vorgehen  der  Regienmg  gegen  seinen  Freund 
mochte  ihn  wohl  hauptsächlich  bewogen  haben,  diesmal  der  Aufforderung 
Folge  zu  geben.  Er  erschien  wirklich  am  bestimmten  Tage,  versprach, 
sich  jeder  Proselytenmacherei  zu  enthalten,  woran  er  bisher  nie  gedacht 
habe,  erklärte  jedoch,  sein  Uebertritt  zur  katholischen  Religion  sei  dem 
Religionsfrieden  nach  keinesweges  eine  ungesetzliche  Handlung,  und  bat 
den  Kui-försten,  ihm  in  seinen  Gerechtsamen  Schutz  zu  verleihen. 

Indessen  war  hiermit  die  Sache  noch  nicht  beendnet. 

Mochten  die  Räthe  in  dem  Auftreten  Christophs  durchaus  keine 
Unterwürfigkeit,  in  der  an  den  Kurfürsten  gestellten  Bitte  vielmehr  einen 
erneuerten  Angriff  auf  die  Regierung  zu  Meiningen  erblicken  und  dafar 
Rache  zu  nehmen  suchen,  oder  war  das  fernere  Auftreten  gegen  Witzleben 


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n 


—  29  — 

wirklich  'rechtlich  begründet,  kurz  er  erhielt  eine  ferneie  Citation,  am 
15.  September  1612  in  Meiningen  zu  erscheinen,  um  sich  mit  seinen 
Gläubigem  in  Liquidation  einzulassen,  widrigenfalls  sonst  seine  Güter 
taxirt  und  subhastirt  werden  würden. 

Hierüber  empört  schrieb  Witzleben  aus  Wittern  am  21.  August: 

„Da  dieser  Citirzettel  .aus  keinem  Grunde  Rechtens  herfliesst,  ich 
gar  keine  Gläubiger  weiss,  mit  denen  ich  mich  auf  Liquidation  einzu- 
lassen hätte,  so  halte  ich  mich  wegen  dieses  zugetragenen  Zettels  nicht 
schuldig,  zu  pariren.  Auch  kann  ich  dabei  nicht  anders  muthmassen, 
als  dass  solches  der  zornige  D.  Jacob  Schröter,  jetzt  Kanzler,  auf  Antrieb 
seines  Förderers  Marci  Gerstenberger  in  heissen  Hundstagen  so  unbesonnen 
und  unfügsam  widerrechtlich  erdichtet  habe. 

„Die weil  der  Kanzler  durch  den  Amtsschreiber  mir  die  Gefälle  und 
Nutzungen  meiner  Hennebergischen  Ritter-  und  Lehnsgüter  allbereits  trotz 
des  Kammergerichts  Mandat  einziehen  und  vorenthalten  will,  so  werde 
ich  gegen  diese  Unbefugnisse  der  jetzt  aufgeklaubten  und  zusammen  ge- 
rafften Anforderungen  der  vermeintlichen  Gläubiger  optima  forma  juris 
zum  zierlichsten  protestiren  und  begehre,  den  nichtigen  und  untüchtigen 
Process  gegen  mich  einzustellen  und  mir  die  Klagen  meiner  angeblichen 
Gläubiger  in  authentischer  Abschrift  zukommen  zu  lassen." 

Bei  dem  Kurfürsten  Johann  Georg,  welcher  nach  dem  Tode  des  Kur- 
fürsten Christian  H.  seit  1611  die  Vormundschaft  der  unmündigen  Söhne 
des  Herzogs  Friedrich  Wilhelm  von  Weimar  überkommen  hatte,  trafen 
nun  bald  gleichzeitig  Beschwerdeschriften  ein,  die  eine  von  Witzleben 
gegen  die  Räthe  zu  Meiningen  und  eine  zweite  von  diesen  gegen  Witzleben. 

Witzleben  schrieb  am  23.  August,  er  wisse  von  keinem  Gläubiger, 
zumal  die  Ponikau'sche,  Schröter'sche  und  Kromsdorfsche  Sache  noch 
bei  dem  Appellationsgerichte  schwebe,  und  bat,  „das  untüchtige  Citiren 
der  Regierung  zu  Meiningen  abzuschaffen"  und  klagt  endlich,  dass  ihm 
180  Schafsnösser  mit  gewehrter  Hand  abgenommen  und  gegen  530  fl. 
Zinsen  abgesperrt  wären. 

Die  Meininger  Räthe  dagegen  hatten  an  demselben  Tage  dem  Kur- 
fürsten geschrieben,  ihm  die  Witzleben'sche  Zuschrift,  welche  sie  mit  Recht 
ein  Pasquill  höchst  beschwerlicher  Art  nannten,  in  Abschrift  zugeschickt 
und  die  demüthige  Bitte  ausgesprochen,  ihnen  Schutz  wider  Witzleben 
und  seinen  Verführer  und  Schrifldichter  Balthasar  von  Denstedt  angedeihen 
zu  lassen. 


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—  30  — 

Der  Kurfürst  befahl  liierauf,  Denstedt  und  Witzleben  nach  Massfeld 
in  Haft  zu  bringen  (25.  August  1612).  Wie  gern  wäre  dieser  Befehl 
von  Meiniugen  aus  befolgt  worden.  Leider  aber  reichte  ihr  Arm  nicht 
bis  in  das  Kurmaiuzer  Gebiet  hinein.  Sie  baten  deshalb  den  Kurförstea, 
sich  an  Kurfürstliche  Hoch  würden  nach  Mainz  zu  wenden  und  um  Aus- " 
lieferung  der  beiden  DilFamanten  zu  bitten  (15.  December). 

Der  Vorschlag  musste  jedoch  auf  Schwierigkeiten  gestossen  sein; 
Witzleben  und  Denstedt  blieben  vorläufig  ungestört  in  Wittern  und  setzten 
durch  Schriften  und  Pasquille,  welche  sie  in  Heida  verbreiten  Hessen,  den 
Krieg  gegen  ihre  Gegner  fort. 

Die  Meiningische  Regierung  machte  aber  Ernst,  verurtheilte  Witz- 
leben in  contumaciam  und  übertrug  die  Güter  Heida,  Neusis,  Schmerfeldt 
und  Alperitz,  (Oberpörlitz)  an  seine  nächsten  Agnaten  gegen  Uebemahme 
der  Schulden.  Witzleben  schrieb,  als  er  hieiTon  Kenntniss  bekam,  den 
11».  October  1612  an  Ernst  Friedrich  von  Witzleben  ,jetzo  in  meinem 
Dorfe  Neusis":  „So  Ihr  nun  ein  ehrliebender  Witzleben  seid  und  ehrlich 
mit  mir  zu  handeln  gedenket,  so  werdet  Ihr  Euer  adelig  Gemüth  auch  bei 
mir  offenbaren  und  diesen  Protest  nach  Meiningen  schicken,  Resolution 
erfordern  und  mich  von  dem  Erfolge  benachrichtigen,  üebrigens  aber 
möget  Ihr  mir  unverzüglich  die  mir  zustehenden  Zahlungen  überweisen." 

Der  Brief  hatte  aber  nicht  die  gewünschte  Wirkung,  „von  der 
Erbschaft  bei  lebendigen  Leibe"  abzustehen,  und  Christophs  „untreue 
Vettern",  Ernst  Friedrich  und  Christian  von  Witzleben  zum  Liebenstein, 
welche  an  Christoph  noch  aus  der  Vormundschaft  ihres  Vaters  1200  fl. 
schuldeten,  verblieben  in  dem  Besitz  der  ihnen  von  der  Regierung  über- 
wiesenen Güter,  die  ihnen  auch  nach  dem  Tode  Christophs,  der  nicht 
vermählt  war,  rechtlich  zugefallen  wären.  Glück  hat  ihnen  aber  dieser 
Zuwachs  an  Land  und  Leuten  nicht  gebracht,  wie  aus  dem  über  die 
Liebensteiner  handelnden  Abschnitte  hervorgeht. 

Auf  diese  Weise  von  Haus  und  Hof  gejagt,  aller  seiner  Erbgüter 
beraubt  und  sammt  seinem  Freunde  dem  Elende  preisgegeben,  war  Witz- 
leben doch  nicht  soweit  gebeugt,  um  nicht  noch  einmal  den  Kampf  auf- 
zunehmen und  wandte  sich  in  einer  mit  Denstedt  gemeinschaftlich  ver- 
fassten  Klageschrift  an  die  letzte  Instanz  der  damaligen  Welt,  den  Reichs- 
tag zu  Regensburg.  In  46  Artikeln  führten  beide  alle  die  Gewaltthaten, 
die  sie  trotz  der  Mandate  des  Reichskammergerichtes  zu  dulden  gehabt 
hatten,  auf.     Unter  diesen  Angaben  ist  uns  nur  das  Eine  neu,  dass  am 


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—  31  — 

8.  Februar  1612  vier  mit  langen  und  kurzen  Rohren  bewaffiiete,  angeblich 
von  den  weimarischen  Käthen  Philipp  von  Drassdorf  und  Melchior 
von  Wittern  gedungene  Männer  mit  angeschlagenem  (gespanntem)  Hahn 
sich  Witzlebens  und  Denstedts  zu  bemächtigen  und  sie  nach  dem 
Weimarischen  zu  fuhren  suchten,  indess  daran  durch  die  Bauern  von 
Wittern  gehindert  wurden. 

Die  R^the  in  Meiningen  wurden  durch  die  Nachricht,  dass  die  Witz- 
lebensche  Angelegenheit  vor  den  Reichstag  in  Regensburg  gebracht 
werden  sollte,  höchst  unangenehm  berührt  und  suchten  sich  den  Rücken 
frei  zu  machen,  indem  sie  am  13.  Juli   1613  dem  Kurfürsten  schrieben: 

„Alles,  was  gegen  Beide  (Witzleben  und  Denstedt)  geschehen  ist,  er- 
folgte auf  Befehl  Ew.  Kurfürstlichen  Gnaden,  aber  am  Besten  dürfte  es 
doch  sein,  dahin  zu  wirken,  dass  solche  DiflFamationes  vom  Reichstage  ab- 
gewiesen und  die  Diflfamanten  von  Reichswegen  bestraft  würden." 

Wir  kennen  den  Austrag  der  Sache  nicht,  dürfen  aber  voraus  setzen, 
dass  auch  dieser  letzte  Schritt  beider  Unglücklichen  nicht  von  Erfolg  ge- 
krönt worden  ist;  denn  Witzlöben  und  Denstedt  starben  im  tiefsten  Elende, 
als  Opfer  eigener  Streitsucht  und  der  Rechtlosigkeit  ihrer  Zeit. 


Druck  von  Gobr^der  ümnoifc  in  BorlhL 


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I.  Theil.  Anlage  IL 


Familientag  und  Familien -Vertrag 


des 


Geschlechts  derer  von  Witzleben. 


E 


eber  ganz  Deutschland,  nach  Dänemark  und  Oesterreich  hatten 
sich  die  von  Witzleben  ausgebreitet  und  die  Beziehungen  unter  ihnen 
waren  z.  Th.  so  gelockert,  dass  in  manchen  Fällen  kaum  die  nächsten 
Verwandten  etwas  von  einander  wussten.  Nur  die  neue  Wolmirstedter 
und  die  Wartenburger  Linie  besassen  in  der  Klosterschule  Eossleben 
eine  Einrichtung,  welche  die  einzelnen  Glieder  mit  gemeinsamem  Bande 
umschlang.  Um  nun  aber  unter  den  Mitgliedern  aller  Linien  eine  nähere 
Bekanntschaft  anzubahnen,  die  Zusammengehörigkeit  des  Geschlechts  neu 
zu  beleben  imd  überhaupt  den  Familiensinn  zu  wecken  und  zu  heben, 
Hessen  auf  Anregung  des  K.  Preuss.  General-Lieutenants  z.  D.  Gerhard 
August  von  Witzleben  dieser  und  die  Vettern  Arthur,  Herz.  Braun- 
schweig. Kammerherr  und  Rittergutsbesitzer  auf  Kieslingswalde,  Erik, 
K.  Preuss.  Oberst  a.  D.  und  Rittergutsbesitzer  auf  Liszkowo,  Fritz, 
K.  Preuss.  Kammerherr  und  Schlosshauptmann,  auf  CoUm  in  der  Ober- 
Lausitz,  und  Oskar,  K.  Preuss.  Major  und  Rittergutsbesitzer  auf  Ober- 
steinkirch, im  Februar  1869  eine  Einladung  zu  einem  am  9.  Mai  dess.  J. 
in  Berlin  abzuhaltenden  Geschlechtstage  der  Familie  von  Witzleben  er- 
gehen. Als  Gegenstände  der  Besprechung  waren  vorläufig  hingestellt  die 
Gründung  eines  Witzlebenschen  Damenstifs  und  die  Gründung  eines 
Familienarchivs.  Dieser  erste  Geschlechtstag  war  denn  auch  von  21  Mit- 
gliedern besucht,  welche  die  Errichtung  eines  Familienvereins  beschlossen. 


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—      2      — 

Die  nächsten  Geschlechtstage,  28.  März  1870  und  20.  April  1872,  be- 
schäftigten sich  noch  mit  den  weitern  Vorarbeiten  zur  Constituirung 
dieses  Vereins,  welcher  dann  endlich  auf  dem  4.  Geschlechtstage  am 
27.  Apr.  1874  zu  Stande  kam  und  dessen  Statuten  folgendermassen  lauten: 

Familien-Vertrag 

dC'8 

Geschlechts  derer  von  Witzleben. 


Einleitung.  Einundzwanzig  Mitglieder  des  adligen  Geschlechts  derer 

von  Witzleben  hatten  in    einer  Zusammenkunft  zu  Berlin 
am  9.  Mai  1869  verabredet: 

im  Monat  März  1870  einen  Familientag  zu  berufen, 
um  wegen  Begründung  eines  Familien-Vereins  Näheres 
zu  vereinbaren  und  festzustellen. 

In  dem  hierauf  am  28.  März  1870  zu  Berlin  abgehaltenen 
Familientage,  zu  welchem  alle  männlichen  selbstständigen  und 
dispositionsfähigen  Mitglieder  der  Familie  unter  Angabe  des 
Zwecks  eingeladen  waren,  hatten  14  anwesende  Mitglieder 
einen  förmlichen  Familienvertrag  unter  sich  abgeschlossen 
und  durch  Unterschrift  vollzogen. 

In  einem  neuen,  heute  hierselbst  abgehaltenen  Familien- 
tage haben  die  Unterzeichneten  diesen  Vertrag  mit  Eücksicht 
auf  einige  inzwischen  eingetretene  Veränderungen  der  Ver- 
hältnisse einer  nochmaligen  Prüfung  und  Revision  unterworfen 
und  sich  schliesslich  über  folgende  Vertragsbestimmungen 
geeinigt: 

§•   1. 
Begründung  Es  wird  hiermit  ein  von   Witzleben 'scher  Familien- 

einesFamilien-Verein  gebildet,  dessen  Zweck  ist: 

Zweck  ^^  unter  den  Familien-Mitgliedern  dauernde  Bekanntschaft 

desselben.  und  ein  freundliches  Vernehmen  zu  vermitteln, 

b)  reges  Interesse  für  alle  Familien-Angelegenheiten  sowie 
eine  des  deutschen  Adels  würdige  Gesinnung,  vor  Allem 
die  Ehrfurcht  gegen  Gott  den  Allmächtigen  und  die 
unwandelbare    Treue    gegen    ihren    Landesherm    sowie 


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—      3      — 

gegen  des  Deutsehen  Kaisers  Majestät  unter  allen  Mit- 
gliedern der  Familie  zu  erhalten, 

c)  für  die  Einrichtung  und  Unterhaltung  eines  Familien- 
Archivs  zu  sorgen, 

d)  die  historischen  Denkmäler  der  Familie  soweit  thunlich 
zu  erhalten  resp.  wieder  herzustellen. 

§.   2. 

Der   Verein    besteht   zunächst    aus    denjenigen    selbst-Mitgliedschaft 
ständigen  und  dispositionsfähigen,  über  2o  Jahre  alten,  inner-  ^^^  Vereins, 
halb  der  Grenzen  des  deutschen  Eeichs  wohnhaften  Familien- 
mitgliedern, welche  heute  diesen  Vertrag  unterzeichnet  haben. 

Allen  männlichen  selbstständigen  und  dispositionsfähigen 
Familien -Mitgliedern,  sowie  den  Wittwen  und  den  vaterlosen 
unverheiratheten  über  25  Jahre  alten  Töchtern  derer  von 
Witzleben  bleibt  überlassen,  diesem  Vertrag  nachträglich 
beizutreten. 

Der  Beitritt  muss  durch  eine  schriftliche,  die  Unter- 
werfung unter  die  Bestimmungen  dieses  Vertrags  aus- 
sprechende Erklärung  bei  dem  Ausschusse  (§.  6)  angemeldet 
werden  und  ist  davon  abhängig,  dass  der  oder  die  sich 
Meldende 

a)  im  christlich  eingesegneten  Ehebett  erzeugt  und  ge- 
boren ist, 

b)  die  Zubehörigkeit  zu  einer  der  gegenwärtig  noch 
blühenden  Familienlinien  Elgersburg,  Liebenstein 
(Oldenburg),  Mols'chleben,  Wartenburg,  Wolmir- 
stedt  (blaue  und  rothe  Linie)  nachweist,  und 

c)  einen  Wohnsitz  im  gesetzlichen  Sinne  dieses  Worts 
innerhalb  der  Staaten  des  deutschen  Reichs  oder  in  den 
deutschen  Landestheilen  des  Kaiserreichs  Oesterreich 
besitzt. 

Entstehen  Zweifel  hinsichtlich  der  Bedingungen  ad  a 
und  fe,  so  hat  der  Ausschuss  (§.  6)  dieselben  mit  seinem 
Gutachten  dem  Familienrathe  (§.  5)  zur  endgültigen  Ent- 
scheidung in  dessen  nächster  Sitzung  vorzulegen.  Von  der 
Bedingung  ad  c  kann  der  Familienrath  nach  Prüfung  aus- 
nahmsweise in  einzelnen  Fällen  dispensiren. 


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_      4      — 

§.  3. 
Rechte  und  Die  Mitglieder    des  Vereins    sind    berechtigt,    an    allen 

Pflichten  der^n  den  Familien  tagen  (§.  7)  stattfindenden  geselligen  Ver- 
.  ,.  ,  einigungen  für  ihre  Person  Theil  zu  nehmen  und  die  Ange- 
hörigen ihrer  Familie  im  engeren  Sinne  des  Worts,  mit  Aus- 
schluss der  noch  nicht  coufirmirten  Töchter  und  der  noch 
in  den  Vorbereitungs-Stadien  für  den  künftigen  Beruf  stehenden 
Söhne,  auf  ihre  Kosten  Theil  nehmen  zu  lassen,  von  den  Be- 
rathungen  des  Familienrathes  und  dessen  Protokollen,  die 
ihnen  ebenso  wie  den  Mitgliedern  des  Familienraths  mitgetheilt 
werden  müssen,  Kenntniss  zu  nehmen  und  in  Betreff  aller 
allgemeinen  Familien- Angelegenheiten  Anträge  und  Vorschläge 
an  den  Familienrath  zu  richten,  über  welche  dann  in  der 
nächsten  Versammlung  des  letztem  Berathung  und  Beschluss- 
fassung  erfolgen  muss. 

Dagegen  sind  sie  verpflichtet: 

a)  einen  jährlichen  Beitrag  von  „Sechs  Thalern"  in  der 
Zeit  vom  1.  Januar  bis  31.  März  praenumerando  an 
die  Vereinskasse  (§.  14)  zu  zahlen  und  auf  die  ihnen 
zugegangene  schriftliche  Einladung  zu  den  Pamilien- 
tagen  sich  über  ihr  Erscheinen  längstens  sechs  Tage 
vor  dem  Versammlungstage  gegen  den  Vorsitzenden  des 
Ausschusses  schriftlich  zu  erklären; 

b)  von  allen  in  ihrer  Familie  (im  engeren  Sinne)  vor- 
kommenden Trauungen,  Geburten  und  Todesfällen, 
Grundstückserwerbungen  und  Veräusserungen  ,  Erb- 
verträgen (nach  ihrer  Publication  bez.  nachdem  sie 
perfect  geworden) ,  Fideicommiss-Stiftungen ,  Domicil- 
veränderungen ,  Ernennungen  und  Beförderungen  im 
Staatsdienste,  längstens  3  Monate  nach  dem  statt- 
gehabten Ereigniss  dem  Ausschusse  schriftlich  Anzeige 
zu  machen,  auch  auf  Verlangen  des  letzteren  die  bezüg- 
lichen Urkunden  in  beglaubigter  Abschrift  Behufs 
Niederlegung  im  Archive  einzusenden  und  etwaige  weitere 
Anfragen  des  Ausschusses  in  Betreff  ihrer  Familien- 
verhältnisse eingehend  zu  beantworten. 


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§.  4. 
Die  Mitgliedschaft  erlischt  Aufhören 

a)  durcli  den   dem  Ausschuss  (§.  6.)  gegenüber  erklärten    ]yjj|.^i|Q^. 
Willen  des  betreffenden  Mitglieds,  aus  dem  Verein  aus-      schaft. 
zutreten, 

b)  durch  den  Tod, 

c)  durch  Ausschliessung. 

Die  Ausschliessung  kann  nur  in  ordentlicher  Ver- 
sammlung des  Familienraths  wegen  entehrender  Handlungen 
des  betreffenden  Mitglieds  oder  weil  ein  Mitglied  in  drei  auf- 
einander folgenden  Jahren  der  Mahnung  des  Schatzmeisters 
ungeachtet  seinen  Verpflichtungen  gegen  den  Verein  nicht 
nachgekommen  ist,  mit  zwei  Dritttheilen  Majorität  der  an- 
wesenden stimmberechtigten  Mitglieder  ausgesprochen  werden. 
Es  erlischt  damit  sofort  jedes  mit  der  Mitgliedschaft  ver- 
bundene Recht  und  das  ausgeschlossene  Mitglied  und  seine 
Erben  haben  auf  irgend  eine  Erstattung  der  eingezahlten 
Beiträge  keinen  Anspruch.  Inwieweit  dadurch  auch  die  für 
die  Angehörigen  des  Ausgeschlossenen  etwa  bereits  erworbenen 
Rechte  erlöschen,  darüber  hat  der  Familienrath  zu  entscheiden. 

.      §.  5. 

Diejenigen  männlichen  Mitglieder  des  Vereins,  welche  Familienrath. 
das  25.  Lebensjahr  zurückgelegt  haben,  aus  der  väterlichen 
Gewalt  entlassen  (Allgem.  Land-Recht  Theil  ü.  Titel  2. 
§.210  flf.),  selbstständig  und  dispositionsfähig  sind,  innerhalb 
der  Staaten  des  deutschen  Reiches  ihren  Wohnsitz  haben  und 
notorisch  oder  nachweislich  der  evangelischen  Confession  an- 
gehören, bilden  den  FamiUenrath,  sofern  sie  nicht  schriftlich  aus- 
drücklich erklären,  demPamilienrathe  nicht  angehören  zu  wollen. 

Die  Mitglieder  des  Fandlienraths  zahlen  den  doppelten 
Jahresbeitrag  wie  die  übrigen  Vereins-Mitglieder  in  der  Zeit 
vom  1.  Januar  bis  31.  März  praenumerando  zur  Vereinskasse. 

§•  6. 
Der  Familienrath  wählt  aus  seiner  Mitte  drei  Mitglieder, 
welche  den  Ausschuss  bilden.     Wählbar  zum  Ausschuss  sind 
nur  diejenigen  Mitglieder  des  Familienraths,  welche  das  30. 


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-      6      — 

Lebensjahr  zurückgelegt  haben.  Ausserdem  werden  drei  Stellver- 
treter der  Ausschuss-Mitglieder  gewählt,  deren  Wählbarkeit  den- 
selben Bedingungen,  wie  die  der  Ausschuss-Mitglieder  unterliegt. 

§•   7. 

Die  Zeitabschnitte,  innerhalb  deren  und  der  Ort,  an 
welchem  eine  Versammlung  des  Familenraths  (Familientag) 
stattfinden  soll,  werden  durch  den   Familienrath  festgesetzt. 

Die  Einladungen  zu  den  Versammlunge'n  des  Famlien- 
raths  an  die  Mitglieder  desselben,  sowie  die  Einladungen 
zu  der  am  Familientage  stattfindenden  geselligen  Vereinigung 
an  sämmtliche  Vereins-Mitglieder  erlässt  der  Ausschuss  spä- 
testens vier  Wochen  vor  dem  Versammlungstage  mittelst 
recommandirter  Briefe. 

In  der  Einladung  wird  Tag,  Stunde  und  Ort  der  Ver- 
sammlung angegeben. 

Nur  in  den  Fällen,  in  welchen  es  sich  um  Abänderung 
oder  Ergänzung  dieses  Vertrags  oder  früherer  Beschlüsse  des 
Familienraths  handelt,  sind  die  zur  Verhandlung  kommen- 
den Gegenstände  speciell  anzugeben. 

§.  8. 

Der  Familienrath  schreitet,  sobald  seine  Sitzung  von  dem 
Vorsitzenden  des  Ausschusses  eröflFnet*  worden,  zur  Wahl  eines 
Präsidenten. 

Unter  Zuziehung  des  Präsidenten  hat  demnächst  der 
Ausschuss  einen  Protokollführer  zu  bestellen.  Zur  Gültig- 
keit des  BerathungsprotokoUs  ist  die  Unterschrift  des  Prä- 
sidenten, der  Mitglieder  des  Ausschusses  und  des  Protokoll- 
führers erforderlich,  aber  auch  genügend. 

In  dem  Protokolle  müssen  sowohl  sämmtliche  anwesende 
als  auch  die  fehlenden  Mitglieder  des  Familienraths,  letztere 
mit  Angabe  der  Gründe  ihrer  Abwesenheit,  namentlich  auf- 
geführt werden. 

§.  9. 

Bei  allen  Beschlüssen  des  Familienraths  entscheidet, 
soweit  nicht  in  diesem  Vertrag  eine  Majorität  von  Zwei 
Dritteln  vorgeschrieben  ist,  die  einfache  Stimmenmehrheit 
der  anwesenden  Mitglieder. 


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—     7     — 

Bei  Stimmengleichheit  giebt,  wenn  es  sich  um  eine  Wahl 
handelt,  das  Loos,  in  allen  andern  Fällern  die  Stimme  des 
Präsidenten,  den  Ausschlag. 

§.  10. 

Eine  Stellvertretung  abwesender  Mitglieder  ist  nicht  ge- 
stattet. Die  Beschlüsse  der  anwesenden  sind  für  die  abwesen- 
den Mi^-jlieder  verbindlich.  Jedes  Mitglied  des  Familienraths 
hat  durch  eine ,  an  den  Vorsitzenden  des  Ausschusses 
zu  richtende  schriftliche  Anzeige,  welche  spätestens  6  Tage  ' 
vor  dem  Versammlungstage  bei  diesem  eingehen  muss,  den 
Empfang  der  Einladung  zu  bescheinigen. 

Das  Ausbleiben  in  der  Versammlung  des  Familienraths 
kann  nur  entschuldigt  werden  durch 

a)  dienstliche  Abhaltung, 

b)  Alter  über  70  Jahre, 

c)  Krankheit. 

§.   U. 

Der  Familienrath  hat  über  alle  geschäftlichen  Atfgelegen- 
heiten  des  Familienvereins,  insbesondere  über  die  Erfüllung 
der  im  §.  1.  sub  c  und  d  angegebenen  Zwecke  zu  berathen 
und  zu  beschliessen.  Seiner  Aufsicht  unterliegt  die  gesammte 
Thätigkeit  des  Ausschusses. 

§.  12. 

Die  Mitglieder  des  Ausschusses  und  deren  Stellvertreter    vom  Aus- 
werden auf  sechs  Jahre  gewählt  und  sind  nach  Ablauf  dieser  schusse  insbe- 
Frist   wieder   wählbar.     Sie    wählen    unter  sich  einen  Vor-    8<>"^^''®* 
sitzenden  und  einen  Schatzmeister  und  sind  befugt,  im  Uebrigen 
die  Geschäfte  unter  sich  zu  vertheiJen,  auch  zur  Ausrichtung 
einzelner  Geschäfte  andere  Mitglieder  des  Familienraths  oder 
auch    dritte    Personen    zu    ermächtigen.      Bei    eintretender 
längerer   Behinderung    eines  Ausschussmitglieds    beruft   der 
Vorsitzende  einen  der  drei  Stellvertreter. 
.       §.  13. 

Der  Ausschuss  hat  die  laufenden  Geschäfte  des  Familien- 
vereins zu  besorgen,  die  zur  Competenz  des  Familienraths 
gehörigen  Angelegenheiten  zur  Berathung  vorzubereiten  und 
die  Beschlüsse   des   Familienraths  auszufahren.     Es  ist  ihm 

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—     8     — 

die  Curatel  der  Vereinskasse  (§.  14.)  und  die  obere  Leitung 
und  Beaufsichtigung  des  Familien-Archivs  anvertraut.  Er 
hat  die  Einladungen  zu  den  Versammlungen  des  Familien- 
raths  zu  erlassen  (§.  7.),  und  ist  berechtigt,  in  aussergewöhn- 
lichen  FäUen  den  Familienrath  ausserordentlich  zu  berufen. 

Zu  seinen  Aufgaben  gehört  es,  ein  Verzeichniss  aller 
Familien -Mitglieder,  welche  sich  dem  Verein  angeschlossen 
haben,  zu  führen  unter  Angabe  der  gezahlten  Jahresbeiträge, 
etwaiger  Schenkungen  u.  s.  w.  Dieses  Verzeichniss  ist  an 
jedem  Familientage  vorzulegen  und  es  sind  dabei  alle  übrigen 
männlichen  und  weiblichen  Mitglieder  der  Familie  so  weit 
als  thunlich  namhaft  zu  machen. 

Jedes  Mitglied  der  Familie,  welches  einen  die  letztere 
betreffenden  Antrag  dem  Familienrath  unterbreiten  will,  hat 
denselben  an  den  Ausschuss  zu  richten,  welcher  darüber  im 
nächsten  Familientage  Vortrag  halten  muss. 

Der  Ausschuss  vertritt  den  Familienverein  nach  aussen. 

Für  die  geschäftliche  Correspondenz  der  Ausschuss- 
mitglieder unter  sich,  mit  andern  Instanzen  oder  mit  nicht 
zur  Familie  gehörigen  Personen  werden  die  Portoauslagen 
aus  der  Vereinskasse  bestritten. 

§.  14. 
Vereinskasse.  Alle  laufenden  Jahresbeiträge  der  Mitglieder  des  Familien- 
raths  und  des  Familienvereins  und  alle  dem  Familienverein 
etwa  gemachten  ausserordentlichen  Zuwendungen,  wie  solche 
namentlich  bei  frohen  Familienfesten  (Taufen,  Trauungen, 
silberner  oder  goldener  Hochzeit  u.  s.  w.)  von  den  Vereins- 
mitgliedem  erwartet  werden  dürfen,  fliessen  zu  einer  Vereins- 
kasse, aus  welcher  die  zur  Erfüllung  der  Zwecke  des  Vereins 
(§.    1.   c  und   d)  nothwendigen  Ausgaben  bestritten  werden. 

Die  Vereinskasse  wird  von  dem  Schatzmeister  unter 
ControUe  der  beiden  andern  Ausschussmitglieder  verwaltet. 

§.  15. 

Der  Schatzmeister  hat  das  Journal  und  Manual  über 
die  Kassenverwaltung  nach  einem  von  ihm  für  eine  dreijährige 
Periode  zu  entwerfenden,  von  dem  Familienrathe  nach  vor- 
gängiger Prüfung  durch   den   Ausschuss    zu    genehmigenden 


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—     9     — 

Etat  zu  führen.  Er  hat  die  Jahresrechnung  aufzustellen, 
welche,  von  den  drei  Ausschussmitgliedem  unterzeichnet,  mit 
den  Belegen  dem  Familienrathe  zur  Kevision  und  Dechargirung 
vorzulegen  ist. 

Zu  seinen  Aufgaben  gehört  es,  für  die  Einziehung  der 
laufenden  Jahresbeiträge  zu  sorgen.  Macht  sich  ein  Vereins- 
mitglied  einer  Versäumniss  in  dieser  Beziehung  schuldig,  so 
hat  der  Schatzmeister  eine  Mahnung  unfrankirt  zu  erlassen, 
und  wenn  binnen  14  Tagen  nach  dem  Abgang  der  Mahnung 
die  Zahlung  nicht  erfolgt,  den  Betrag  durch  Postvorschuss 
einzuziehen. 

§.  16. 

Der  Beschluss  darüber,  zu  welcher  Zeit,  in  welcher  Höhe 
und  unter  welchen  Modalitäten  die  im  Laufe  der  Zeit  sich 
ansammelnden  Bestände  der  Vereinskasse,  welche  stets  so 
bald  als  thunUch  zinsbar  zu  belegen  sind,  zum  Besten  der 
Familie  zu  verwenden  sein  werden,  bleibt  dem  Familienrathe 
vorbehalten. 

§•  17. 

Jedes   Mitglied   des  Familienraths  ist   verpflichtet,    die  Allgemeine 
Wahl  zum  Mitgliede    des  Ausschusses    resp.    zum  Stellver-  Bestimmun- 
treter  anzunehmen  und  sich  der  Ausführung  aller  sonstigen  ihmin       ^^"* 
Angelegenheiten  der  Familie  ertheilten  Aufträge  zu  unterziehen. 

Nur  ein  Alter  von  mehr  als  70  Jahren,  chronische 
Krankheit  oder  länger  fortdauernde,  durch  eine  Stellung  im 
Staatsdienste  bedingte  Verhinderung  entbindet  von  dieser 
Verpflichtung. 

Alle  Geschäfte  in  Familienangelegenheiten  sind  als 
Ehrenfunctionen  unentgeltlich  zu  besorgen,  nur  baare  Aus- 
lagen mit  Ausschluss  der  Eeisekosten  werden  aus  der  Vereins- 
kasse erstattet.  Dagegen  darf  von  keinem  Mitgliede  des 
Familienraths  oder  des  Ausschusses,  auch  nicht  von  dem 
Schatzmeister,  die  Bestellung  einer  Caution  verlangt  werden. 

§.  18. 

Die  für  die  Geschichte  der  Familie  interessanten  und       Vom 
wichtigen  Acten,  Urkunden  und  sonstigen  Schriftstücke  sind,    Familien- 
soweit  dies  nicht  bereits  geschehen,  zu  sammeln  und  in  einem      ^^  ^®* 


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—     10     — 

in  den  Bäumen  der  Kloster-Schule  Bossleben  (einer  Stülmig 
der  Familie)  auf  Kosten  der  Yereinskasse  einzurichtenden 
Familien-Archive  niederzulegen. 

§.  19. 

Mit  der  ersten  sachgemässen  Ordnung  und  der  laufen- 
den Verwaltung  des  Archivs,  sowie  mit  der  Aufstellung  eines 
vollständigen  Bepertoriums  der  dem  Archive  überwiesenen 
Urkunden  u.  s.  w.  und  der  genauen  Fortführung  des  letztem 
ist  ein  Archivar  zu  beauftragen,  wozu  von  dem  Familienrathe, 
vorbehaltlich  der  Zustimmung  des  Erbadministrators,  in  der 
Begel  der  Verwaltungsbeamte  oder  nach  Befinden  einer  der 
Herren  Lehrer  der  Kloster-Schule  auf  Widerruf  zu  bestellen 
ist.  Dem  Archivar  wird  neben  Erstattung  seiner  etwaigen 
haaren  Auslagen  für  seine  Mühwaltung  eine  von  dem  Familien- 
rathe  festzusetzende  fortlaufende  Bemuneration  aus  der  Vereins- 
kasse gewährt. 

§.  20. 

Die  obere  Leitung  und  Beaufsichtigung  der  Archiwer- 
waltung  wird  von  dem  Familienrath  einem  seiner  Mitglieder 
als  Curator  des  Archivs  übertragen.  Der  Curator  hat  sich 
mit  dem  Archivar,  welcher  ihm  jede  Auskunft,  die  er  ver- 
langt, ertheilen  und  sich  in  allen  zweifelhaften  Fällen  zunächst 
an  ihn  wenden  muss,  in  fortgesetzter  Verbindung  zu  erhalten 
und  wo  möglich  ein  Mal  im  Jahre  die  Archiwerwaltung  an 
Ort  und  Stelle  zu  revidiren  oder  revidiren  zu  lassen. 

§.  21. 

Jedes  Vereinsmitglied  kann  an  Ort  und  Stelle  von  den 
im  Archiv  verwahrten  Urkunden  u.  s.  w.  Kenntniss  nehmen 
und  gegen  Erstattung  der  Copialien  Abschriften  verlangen. 
Dagegen  dürfen  Urkimden  u.  s.  w.  unter  keinen  Umständen 
aus  dem  Archiv  herausgegeben  oder  verliehen  werden. 

Wollen  Personen,  die  dem  Familienverein  nicht  ange- 
hören, Einsicht  in  das  Archiv  nehmen  oder  Abschriften  aus 
demselben  erhalten,  so  bedarf  es  dazu  in  jedem  specieUen 
Falle  einer  von  dem  Archivar  einzuholenden,  im  Archiv  auf- 
zubewahrenden schriftlichen  Genehmigung  des  Curators.  Um 
die  Beachtung  dieser  Bestimmung  sicher  zu  stellen,  hat  der 


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—    11    — 

Ausschuss  jedes  Mal  binnen  längstens  acht  Tagen  nach  dem 
Famüientage  dem  Archivar  ein  berichtigtes  Verzeichniss  der 
Vereinsmitglieder  mitzutheilen. 

Berlin,  den  27.  April  1874. 

A.  von  Witzleben,  Cäsar  Dietrich  von  Witzieben, 

Generalleutnant  z.  t).  Kgl.  Sachs.  Geh.  Regierungsrath. 

Max   von   Witzleben,  Ferd.  Aug.  Ludw.  Edmund  von  Witzleben, 

Generalmajor  z.  D.  Rittmeister. 

Hartmann  von  Witzleben,  Christoph  Friedrich  Ernst  von  Witzleben, 

Wirtl.  Geh.  Rath.  Gutsbesitzer. 

Oskar  von  VMtzieben,  .  Job  von  Witzieben, 

K.  Major  und  Rittergutsbesitzer,  Seconde-Leutnant. 

Dietrich  von  Witzleben.  Arthur  von  Witzleben, 

Major  a.  D.  Kgl.  Pr.  Hauptmann  u.Herzogl.Braunschw. 

IMax  von  Witzleben,  Kammerherr. 

Hauptmann  im  Garde-Füsilier-Regiment.  Oskar  Dietrich  von  Witzleben, 

Kgl.  Sachs.  Forstinspector. 

Dieser  Vertrag  wurde  mit  nachstehendem  Schreiben  dem  Deutschen 
Kaiser  überreicht: 

ÄllerdHrchlauchtigster,  AUergnädigster  Kaiser, 
Konig  und  Herr! 

Eure  Majestät  gestatten  sich  die  allerunterthänigst  Unterzeichneten 
als  Beauftragte  der  selbstständigen  und  dispositionsfähigen  Mitglieder  der 
Familie  von  Witzleben  einen  am  heutigen  Tage  abgeschlossenen 
Familienvertrag  wegen  Bildung  eines  Familien- Vereins,  an  dessen  Spitze 
ein  FamiUen-Bath  und  ein  aus  der  Mitte  des  letztern  gewählter  Aus- 
schuss stehen  soll,  mit  der  ehrfurchtsvollsten  Bitte  zu  überreichen:  von 
dem  Inhalte  dieses  Vertrags  huldreichst  Kenntniss  nehmen  zu  wollen. 

Zwar  bescheiden  wir  uns  selbst,  dass  der  Vertrag,  obgleich  bei 
dessen  Errichtung  die  Absicht  im  Hintergrunde  gelegen  hat,  allmählich 
durch  freiwillige  Beiträge  Geldmittel  zu  sammeln,  um  die  nach  uns 
kommenden  Geschlechter  nach  einigen  Jahrzehnten  in  die  Lage  zu  setzen, 
eine  Familienstiftung  zur  Unterstützung  armer  Wittwen  und  unver- 
heiratheter  Töchter  sowie  zur  Vorbildung  armer  Söhne  der  Familie  für 
den  Dienst  in  der  Armee  oder  in  der  Civilverwaltung  errichten  zu  können, 
in  seiner  gegenwärtigen  Gestalt  vom  Standtpunkte  des  Eechts  aus 
betrachtet,  sich  lediglich  als  ein  Privat- Vertrag  darstellt  und  dass  daher 


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—     12     — 

streng  genommen  eine  fönnliche  Bestätigung  desselben  von  Seiten  des 
Landesherren  oder  auch  nur  der  Organe  der  Staats-Regierung  kaum  er- 
hofft werden  darf. 

Aber  alle  Theilnehmer  an  dem  Vertrag  und  darunter  inbesondere  auch 
diejenigen,  welche  nicht  dem  Preussischen  Staate,  sondern  andern  Staaten 
des  deutschen  Reiches  angehören,  legen  einen  hohen  Werth  darauf,  dass 
Eure  Majestät  huldvoll  geruhen  wollen.  Allerhöchst  Ihre  Billigung 
der  bei  der  Begründung  unsers  Vereins  erstrebten  Ziele  in  irgend  einer 
zulässig  und  genehm  erscheinenden  Form  uns  erkennen  geben  zu  lassen. 

Eine  solche  huldreiche  Aeusserung  Allerhöchstderselben  Willens- 
Meinung  ehrerbietigst  und  vertrauensvoll  erbittend,  ersterben  wir  in 
tiefster  Ehrfurcht  als 

Eurer  Majestät 

Berlin,  den  27.  Aprü  1874.  „        ^  ^^..  .    ^    ^. 

allerunterthamgste  Diener 

Arthur  von  Witzleben,  Hartmann  von  Witzleben, 

Königl.  Hauptmann  a.  D.  u.  Herzog!.  Wirklicher  Geheimer  Rath. 

Braunschw.EammerherraufEieslingswalde. 

Cäsar  von  Witzleben. 

Königl.  Sachs.  Geheimer  Regierungs-Rath. 

worauf  folgende  Allerhöchste  Cabinets-Ordre  erging: 

Ich  habe  den  Mir  eingereichten  Familien -Vertrag  vom 
27.  April  d.  J.,  welchen  die  Mitglieder  des  Geschlechts  derer 
von  Witzleben  geschlossen  haben,  erhalten  und  mit  grossem 
Interesse  von  dem  Inhalte  desselben  Kenntniss  genommen. 
Erfreut  über  das  darin  niedergelegte  Gelöbniss  unwandelbarer 
Treue  gegen  den  Kaiser  und  die  Landesherren,  wie  es  der 
würdigen  Tradition  der  Familie  von  Witzleben  entspricht, 
sende  Ich  Ihnen  hierneben  den  Vertrag  mit  dem  Wunsche 
zurück,  dass  dem  neugebüdeten  Familien- Vereine  bei  seinen 
anerkennenswerthen  Bestrebungen  der  Segen  Gottes  des  All- 
mächtigen niemals  fehlen  möge. 

Schloss  Babelsberg,  den  1.  Juni  1874. 

Wilhelm. 

An  den  Hauptmann  a.  D.  und  Herzoglich 

Braunschweigischen  Kammerherm 

Arthur  von  Witzleben 

zu  Kieslingswalde. 


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—     13     — 

Die  nächsten  Geschlechtstage  fanden  zu  Berlin  statt  am  28.  April 
1876,  17.  Mai  1878  und  25.  October  1880.  Auf  ihnen  wurden  u.  a. 
auch  über  Fortgewährung  von  Mitteln  zum  weiteren  Druck  der  Familien- 
geschichte Beschlüsse  gefasst.  Am  11.  Mai  1878  war  das  Hödel'sche 
Attentat  auf  den  Kaiser  verübt  worden.  Die  zum  6.  Geschlechtstag  am 
17.  Mai  versammelten  Mitglieder  beschlossen  nun  auf  Antrag  des  Vetters 
Cäsar  von  Witzleben,  an  Se.  Majestät  eine  Adresse  zu  richten,  in  welcher 
der  Familienverein  in  alter  ehrfurchtsvoller  Treue  Se.  Majestät  zur 
Rettung  aus  jener  drohenden  Lebensgefahr  beglückwünschte.  Dieselbe 
lautete : 


Allerdnrchlauchtigster,  Grossmächtigster  Kaiser! 
AUergnädigster  Kaiser,  König  und  Herr! 

Die  Frevlerhand  eines  ruchlosen  Mörders  hat  sich  gegen 
das  geheiligte,  ehrwürdige  Haupt  Ew.  Kaiserlichen  Majestät 
gerichtet.  Gottes  aUweiser  Rathschluss  aber  hat  das  durch 
Ew.  Majestät  neubegründete  deutsche  Beich  und  Preussen  vor 
der  untilgbaren  Schmach  bewahrt,  dass  sein  erster  wieder- 
gewonnener Kaiser,  der  glorreiche  Spross  des  Hohenzollem- 
geschlechts,  ^das  Opfer  eines  hochverrätherischen  Mordanschlags 
wurde. 

Aus  allen  Gauen  unseres  deutschen  Vaterlandes,  aus  allen 
Schichten  der  Gesellschaft  sind  !Ew.  Kaiserlichen  Majestät  an- 
lässlich dieser  Bettung  in  diesen  Tagen  ehrerbietige  Beglück- 
wünschungen zugegangen.  Auch  der  am  heutigen  Tage  zu 
Abhaltung  seines  Familientags  in  Ew.  Majestät  Haupt-  und 
Besidenzstadt  versammelte  Verein  des  Geschlechts  Derer  von 
Witzleben  erachtet  es,  eingedenk  seines  im  Familienstatut  nieder- 
gelegten Gelöbnisses  unwandelbarer  Treue  gegen  den  Kaiser, 
ftir  eine  heiUge  Ehrenpflicht,  seiner  tiefempfundenen  Entrüstung 
über  die  Frevelthat  und  seiner  Freude  über  deren  Misslingen 
huldigenden  Ausdruck  zu  geben,  und  bittet  in  tiefster  Ehr- 
erbietung, Ew.  Kaiserliche  Majestät  woUen  die  unterthänigste 
Beglückwünschung  des  von  Witzlebenschen  Familienvereins  und 


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—     14     — 

die  Versicherung  seiner   ferneren   unverbrüchlichen  Treue  und 
Hingebung  huldreichst  entgegenzunehmen  geruhen. 
In  tiefster  liihrerbietung  ersterben 
Berlin,  den  17.  Mai  1878. 

Ew.  Kaiserlichen  Majestät 

allerunterthänigst  gehorsamste 

(folgen  die  Namensunterschriften  sämmtUcher  Theil- 

nehmer  am  Famüientag). 

d.  d.  Berlin,  Palais,  den  30.  Mai  1878,  erging  darauf  an  den 
General-Lieutenant  z.  D.  Gerhard  August  von  Witzleben,  welcher  am 
17.  Mai  den  Vorsitz  geführt  hatte,  folgendes  Telegramm: 

Empfangen  Sie  zur  Mittheilung  an  die  übrigen  zum  Familientage 
versammelt  gewesenen  Mitglieder  Ihrer  FamiUe  Meinen  wenn  auch  ver- 
spätet aber  nicht  minder  aufrichtigen  Dank  für  die  Mir  bewiesene  Theil- 
nahme  bei  dem  Angriff  auf  Mein  Leben,  dessen  Folgen  nur  durch  Gottes 
Fügung  von  Meiner  Tochter  und  Mir  abgewandt  werden  konnten,  dem 
Unser  demüthiger  Dank  gebührt. 

W^ilhelm. 


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I.  Theil.   Anlage  lU. 


Zusätze  und  Berichtigungen. 

(Gewöhnliche  Druckfehler  sind  nicht  berücksichtigt.) 


Seite  1,  Zeile  2  lies  1450. 

„  2,  Anm .**)  lies:  Bei  Gudenus  cod.  Dipl.  I.  385  zählt  der  Erzbischof  Wizelin 
von  Mainz  u.  s.  w. 

,,  6  muss  der  letzte  Absatz  lauten:  Ein  schönes  und  gut  erhaltenes  Wappen  finden 
wir  auf  dem  Todtenschilde,  welcher  zu  Ehren  des  am  2.  Oct.  1463  ge- 
storbenen Friedrich,  des  Sohnes  des  Bitters  Heinrich  von  Witzleben,  in 
der  Witzlebenschen  (Nicolai-)  Kapelle  der  liiebfrauen-Kirche  zu  Arnstadt 
aufgestellt  wurde.  Er  u.  s.  w.  —  Dieser  ganze  Absatz  und  das  folgende 
Wappen  gehören  hinter  das  S.  8  befindliche  Wappen. 

„  8,  Zeile  18.  Statt  Claus  und  Conrad  lies  hier  und  überall,  wo  diese  Namen 
vorkommen,  Klaus  und  Konrad,  ebenso  immer  Kurt,  Kunz,  Karl,  Erik 
(oder  Erich),  Katharina  etc.  etc.  Es  sind  deutsche  Namen  und  deshalb 
mit  dem  deutschen  K  zu  schreiben.*) 

„  9,  Anm.,  letzte  Zeile  lies  19.  Jahrh.  —  Den  hier  genannten  Werken  sind  hinzu- 
zufügen: Des  Conrad  Grünenberg  Wappen  buch,  1483,  neu  heraus- 
gegeben von  Graf  Stillfried  1875.  —  Costnitzer  Concilium,  Frankf.  a.  M. 
1575.  —  F.  Warnecke,  Heraldisches  Handbuch,  Görlitz  1880. 

„  11.  Nach  dem  Wappen  ist  fortzufahren:  Denselben  Kopf  nebst  Stechhelm,  jedoch 
ohne  Schild,  also  als  Helmsiegel,  führte  Hermansteyn  von  Witzeleyben 
am  22.  Juli  1369.  (Schwarzb.  Com.  Arch.  zu  Rudolstadt,  Seat.  XIV. 
No.  23.) 

Zum  dritten  Male  u.  s.  w. 

„  12,  Zeile  12  muss  beginnen:  Seit  dem  ersten  Viertel  des  18.  Jahrhunderts  ist 
es  bei  den  u.  s.  w.  Der  Schlussatz  Z.  15  doch  mag  bis  bilden  ist  zu 
streichen  und  dafür  zu  setzen:  und  widerspricht  der  erwähnte  Gebrauch 


*)  Da  wir  einmal  Ton  den  Voraamen  sprechen,  möchten  wir  die  Gelegenheit  benutten  and  auf  die 
schöne  and  praktische  Sitte  unserer  Vorfkhren  hinweisen,  ihren  Söhnen  nar  einen  Vornamen  za  geben, 
mit  dem  dieselben  aber  aach  immer  bezeichnet  warden.  Mit  zwei,  wenn  es  durchaus  sein  muss  auch 
drei  Vornamen  kann  sich  jemand  noch  unterschreiben,  aber  mit  sechs  oder  gar  neun  wird  dies  doch 
recht  unbequem. 


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—     2     -^ 

auch  der  alten  Regel  der  Heraldik,   dass  zu   einem  Wappen    nur   ein 
Helm  gehört. 
Seite  12,  Zeile  26  streiche  wohl. 

„     16,  Anm.  Z,  3  v.  u.  ist  hinter  seien  hinzuzufügen  (cf.  S.  127). 

17.  Der  letzte  Absatz  muss  lauten:  Heinrich  von  Witzlehen  führte  in  dem  am 
13.  Juli  1829  zu  Ehren  der  Kaiserin  von  Bussland  im  Neuen  Palais  bei 
Potsdam  gerittenen  Turnier  «Der  Zauber  der  weissen  Böse"  auf  seinem 
Schilde  die  Deyise  Bonne  cause  atme  le  jour,  und  einige  u.  s.  w. 

„     18,  Zeile  11  und  12  streiche  ausserdem  und  zweiten  (linken). 

,,     32,      „     14  ist  statt  Gommirstet  zu  lesen  Gvmmirstet. 

„  40,  ,,  12.  Die  beiden  Worte  war  selbst  verändere  in  wurde  später  vom 
Herzog  von  Bayern. 

„  40,  Anm.  Zeile  6  v.  u.  ist  hinter  1368  hinzuzufügen:  was  wohl  das  richtige  ist, 
da  die  Urkunden,  welche  sich  auf  die  Einräumung  der  Schlösser  Wachsen- 
burg, Liebenstein  und  Schwarzwald  an  Dietrich  von  Witzleben  etc.  be- 
ziehen, von  1369  (19.  und  20.  Mai)  datirt  sind,  — 

„  53,  Zeile  23  und  24  müssen  lauten:  anderen  Zugehörungen,  den  die  Brüder  Fritz 
und  Iring  von  Witzleben  vor  dem  Jahre  1468  gekauft  hatten. 

„  60,  Zeile  21—24:  und  erhielt  am  5.  Nov.  1363  von  dem  Grafen  40  Mark  1.  S., 
weil  er  demselben  seinen  vor  dem  Schlosse  Liebenstein  gelegenen  Hof, 
4  Mark  Geldes  jährlichen  Zinses  von  allen  seinen  Gütern  zu  Angelroda 
und  4  Mark  Geldes,  ebenfalls  jährlichen  Zinses,  von  seinen  unbeschwerten 
Gütern  und  Leuten  zu  Angelroda  zu  Lehn  aufgetragen  und  als  Burggut 
genommen  hatte. 

,.  63,  Zeile  3  v.  u.  und  S.  70,  Z.  9  v.  u.  ist  Ritter  zu  streichen.  Heinrich  d.  Ä. 
von  Witzleben  war  trotz  seiner  Ämter  und  seines  Reichthums  nicht 
Ritter. 

„  72  ist  im  Text  unten  fortzufahren:  Seine  Gemahlin  war  Else  von  Kochberg, 
welche  am  20.  März  1432  mit  600  Mark  an  dem  Schlosse  Elgersburg 
beleibdingt  wurde. 

„      76,  Zeile  3  lies  17.  Sept. 

„       85,      „     12:    1526. 

„      89,     „     16.    Eine  Krause  ist  ein  oben  mit  einem  Rande  versehenes  Trinkglas. 

„       96,     „     7  des  Textes  ist  hinter  Nachkommen  einzuschalten  Alk  ersieh  en  und. 

„     112,     .,     6  und  S.  115,  Z.  17  lies  3/8. 

„     149,      „     8  V.  u.:  von  1802  bis  1875. 

,,  177,  „  9  und  ffg.  müssen  lauten:  Als  im  Jahre  1828  das  alte  Geschlecht  von 
Bendeleben  mit  Georg  Ludwig  ausstarb,  fiel  das  Rittergut  Cannewurf 
(im  Kr.  Eckartsberga,  bei  Kindelbrjlck)  mit  der  oberen  Sachsenburg  heim. 
Friedrich  Wilhelm  III.  wollte  Job  von  Witzleben  damit  belehnen  in  der 
Absicht,  so  dessen  Linie  wieder  in  Thüringen  ansässig  zu  machen.  Da 
aber  drei  Wittwen  Jahrgelder  aus  den  Revenuen  des  Gutes  erhielten  und 
dasselbe  ausserdem  verschuldet  war  (es  schwebten  über  20  Processe,  die 
Witzleben  hätte  übernehmen  müssen),  so  machte  der  Minister  Graf 
Lottum  den  König  darauf  aufmerksam,  dass  Witzleben  auf  Gannewurf  in 
kurzem  bankerott  werden  würde.  In  Folge  dessen  erhielt  letzterer  an- 
statt Cannewurfs  eine  Dotation  in  Geld,  welche  er  auf  Veranlassung  des 
Ministers  Rother  zur  Erwerbung  des  Gutes  Liszkowo  im  Kreise  Wiraitz 


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—     3     — 

der  Provinz  Posen,  nördlich  Ton  Inowraclaw  in  den  Weicbselniederungen 
gelegen,  verwendete.     Dies   Gut    haben   Jobs   Nachkommen   Witzleben 
genannt. 
Seite  190,  Zeile  11  ist  ein  Punkt  hinter  König  zu  setzen. 
„     196,  Zeile  26,  27  und  28  sind,  als  auf  irrthümlicher  Auffassung  der  Worte  des 

Prinzen  seitens  der  Wittwe  beruhend,  zu  streichen. 
„     243,  vorletzter  Absatz:  Friedrich  starb  am  2.  Oct. 

„     264,  Zeile  8  v.  u.  (in  der  Anm.)   ist   zwischen   sein,   und   Zur   einzuschalten: 
Dies  findet  seine   einfache  Erklärung  darin,  dass  der  Baron  von  Efferen 
und    der    Oberst    Hall   oder    Halle    eine    und   dieselbe   Person    waren. 
Der  Namen   dieser  Clevischen    Familie    war    von    Effern    genannt 
Halle. 
„     316,  Zeile   3:  1645  bis  1878. 
„     349,     „     24:  1751  bis  1878. 
.,     352,     „      3  V.  u.:  1758  bis  1878. 
„     357,      „       5:    1763  bis  1878. 
Anlage  I,  Seite    1,  Zeile   4  des  Textes  streiche  später  erscheinende. 

„  „      2,      „      8.     Statt  deren  Taufnamen    wir   nicht   kennen   setze 

Katharina. 
„  „      2,      „     10   V.  u.   des   Textes   ist   anstatt   gefürchteten   zu    lesen 

gefürsteten. 
,.  „      4,      „      1    V.  u.   lies  Sülzenbrück  anstatt  Salzbrücken. 

„  „    30,      „     12   V.  0.  ist  zwischen  die  und  Güter  einzuschalten  Admini- 

stration der. 
„  „30,      ,,     15   ist  hinter  Christian  das  Wort  Rudolf  einzuschalten. 

,,  „     30,  statt  der  Zeilen   12,    11,    10  und  9  v.  u.  ist  zu  setzen:   wiesenen 

Güter,  so  lange  Christoph  lebte  (cf.  S.  259). 
Stammtafel  I,  1,  unten.    Dietrich,    zu  Molsdorf  und  Arnstadt,    1412  Amtmann  zu 
Wachsenburg,  f  1455,  hatte  noch  eine  Tochter,  Else,  als  deren  Gemahl 
1437  Volkmar  von  Witterde  genannt  wird. 

Rechts  unten  ist  statt  N.  N.  von  Jegersleben  zu  lesen  Günther 
von  Ingersleben. 
„  4,  oben:  Job  Wilhelm  von  Witzleben  heir.  1592  Brigitta  von  Wangen- 

heim, n.  1569.  Seinen  Kindern  sind  hinzuzufügen  eine  Tochter,  welche 
Hans  Melchior  von  Griesheim  auf  Griesheim  und  Dömfeld  a.  Dm  heirathete, 
und  Veronica,  welche  am  13.  Juni  1609  Gevatter  stand. 

Als  Bruder  der  Esther  Maria  ist  nach  Maria  Elisabeth  einzuschieben 
Hans  Kasper,  t  1694. 
Die  Ahnentafel  für   Esther  Maria   ist   oben   rechts   zu   bezeichnen   als   Beilage   zu 

Tab.  I.  4. 
Stammtafel  I,  6   ist   in   der  3.  Reihe   bei   Juliane   Susanne   hinzuzufügen:    n.    1672, 
t  25.  Sept.  1736,  heir.  1)  23.  Nov.   1698  Georg  Heinrich  von  Wangen- 
heim   zu    Tüngeda,    f    1706.      2)    11.  Juni    1712    Johann    Levin    von 
Wangenheim. 
„  9,    2.   Reihe:     Karoline    Luise    Auguste    von    Hopffgarten,    n.    1807, 

t  24.  Sept.  1877  zu  Angelroda. 
„  9,   4.  Reihe:    Kurt,    geb.   31.  Dec.    1860,    ist   Kais.   Deutscher   ünter- 

lieutenant  zur  See. 


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—     4     — 

Stammtafel  I,  10.  2.  Reihe:  Wilhelm  starb  in  Folge  einer  bei  Gross-Görschen  empfan- 
genen Wunde. 

Hermann  t  !•  Nov.  1876  in  Wiesbaden. 
Heinrich  t  30.  Mai  1876  in  Jena. 

3.  Reihe,  rechts:   Luise,  n.  1.  Febr.  1840,  heir.  im  März  1878  Gerd 
von  Below,  Major  im  1.  Garde-Drag.-Regt. 
Wegen  der  lebenden  Glieder  des  Geschlechts  verweisen  wir  auf  den  VI.  Jahrgang 
(1881)   des   zu   Brunn   erscheinenden   Genealogischen   Taschenbuchs  der  Ritter-   und 
Adelsgeschlechter. 


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Dietrich  d.  A.  B. 

1290-1297. 


Radolf 

M  KirelireMdft. 
1296. 


Eine  Tochter.      Bruder 
Qsm.  Ooarad  tob 
Varmk. 

180«. 


fcrich  R.. 
Gumtnerstedt, 

»8—1876. 


ti. 


Sophia. 

1876. 


Beringer  R 

1822—1370. 


Eberhard. 

187«— 1877. 

Erhard. 

1892  s«  Meichwitx. 


Albrecht. 

Hans. 

Her 

1381. 

1887. 

t«  Ost 

Lftadeomthiir  dM 

U 

dtttUcliMi  OrdeM  tt. 

BUttkalter  in  Tki- 

riu«a  1392-1490. 

Anna. 

Gen.  motrieli 
1409. 


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I.  Theil. 
2.  Stanimtafel. 


Dietrich, 

U  Elgerburg  etc.  und  B.^slebpn, 
'       Amtmann  zu  Arnstadt, 

1481-1530. 

:ir.  1501  Margarethe  von  Stein 

zu  Northftim. 


'  Christoph, 

■  Arnstadt,  Elgersburg  etc.,  ßöa- 
Ipben  und  Neuroda, 
t  1550. 
nx.  Sibylla. 


Töchter, 

i52  in  streit  mit  der  Oonieinde 
zu  Nouroda. 


Tl.  1785*.   12.  Juni. 
t  vor  1765. 


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I.  Theil. 
3.  StammtafeL 


•nan  d.  Ä., 
»htsj unker  auf 
u.  Nenroda 
13.  Juni. 
B  Ttn  LiekttB- 
S- 


Adolph  Georg, 

auf  Klgeräburz  etc.  und 

Neuroda, 

t  1677.  27.  Novbr. 

minderjährig. 


Rudolph  Günther, 

auf  Elgerüburg  etc. 

u.  Neuroda, 

1698  venationis  studiosus, 

n.  1657.    22.  Nov. 

t  1701.    a  April. 


Johann  Ernst, 

auf  ElgerHbure  etc.  und 

Neuroda, 

n.  1664. 

ist  1697  in  Ungarn  im 

Kriege. 


DorcC 


Elisa- 
"•th, 

^^'«**^.Nov.(?) 

h^Hr.  f '*^^*- 
Hartri 
zu  £14 


Sophie  Doro- 
thea, 

n.  1683.  29.  März, 

t  1683.  la  Juni 

zu  Neuroda. 


1721.  19.  Juni  ist  Fräulein 
Maria  Sibylle  tob  Witsleben 
mit  Herrn  AntOB  tob  Harrai  auf 

Gleichen    copulirt    worden,    laut 
Kirchenbuch  zu  Neuroda. 


^71 


IHn  Georg 
Frjrman, 
n.  171.  21.  Juli. 
L  im  Juni. 


Beata  Sidonie 

Auguste 

Dorothea, 

n.  172a    26.  Juli. 


Wilhelmme 
Magdalene 
Albertine, 

n.  1730.  3.  Juni. 


Frietlrich  * 
Ernst    Friede- 
mann German, 
Königl.  Preuss. 

Major, 

n.  1732.   12.  Juni. 

t  vor  1765. 


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I.  Theil. 
4.  Stammtafel. 


A  Boutoltüdorf, 
n«l   Ötallmeister, 
;hain  Altenburg, 
13. 

H  Schöneworda, 
Darmstadt. 


Iwig  Georg 
klbrecht, 
nS7.  t  1'07. 


Sophia  Dorothea, 

Hofdame  der  Kaiserin, 

n.  1689.  28.  Januar, 

hoir.    1714.   20.  November 

Carl  Bratmus  Frhm.  Ton 

Lasiberf  auf  Leutzmanns- 

dorf  und  Senftenegg, 

Fürst].  Oettingen.  Rath 

und  Oborjägermeister, 

n.  WU.  15.  M&rz. 


Dorothea  Eleonora, 

n.  1691.  f  1728. 

heir.   1718 

Georg  Friedlich  Ton 

Künsberg  auf  Tftrnau  und 

Ermreuth, 
FürstL    Brandenb.  Onolz- 

bach.  Geh.  Kath,  Ober- 
Hofmarschall  u.  Oberamt - 
mann  zu  Cadolzburg, 
n.  1692.  24.  December, 
t  1731. 


Friedrich, 

1696  unmündig, 

heir.  eine  Ton 

Kinsberg,  hat 

aber  kei.ie  Kinder. 


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V 


Bld-Oelnhausen 


1.  Theil. 
Stammtafel  4a. 


Wilhelm, 

hf  zu  Birkenfeld-Oelnhausen, 
ier   General  -  Feldmarscliall   etc. 
?01.  4.  Jan.  t  1760  25.  Dec. 


Sophie  Marie, 

n.  1702.  5.  April    f  1761.  la  Nov. 

verm.  1722.  24.  Aug.  mit 

Heinriek  XXY.  Graf  jüngerer  Linie  Reuss  zu  Gera 

Herrn  m  Plautn, 

n.  1631.  27.  Aug.    f  174a  18.  Mirz. 


Ihelm, 

konfeld-Geliüiauaen, 

(rsof  in  Baiem. 

,br.    t  1837.  a  Jan. 

^  Mftrla  Anna,  Pfalzgr&an 

Hbr&ckcn, 

1    f.  1824.  4.  Febr. 


Sophia  Henriette, 

n.  1 757.  2«.  Jan. 
t  1760,  25.  Nov. 


Christian        Johannes 

starben  jung. 


Pins  August, 

Herzog  in  Baiem, 

n.  1786.  1.  August    f  1837.  Z.  August. 

vorm.  1807.  26.  Hai  mit  Amalia  Luiie, 

Prinzessin  von  Aremberg, 

n.  1789.  10.  AprU.    f  1823.  4.  April. 


Maximilian  Joseph, 

Herzog  in  Baiern, 

n.  1808.  4.  Dec. 

verm.  182a  9.  Sept.  mit  Llldowica  Wilhelmine 

Prinzessin  von  Baiern, 
n.  1808.  30.  Aug. 


owica, 

opt. 
ni  mit 

II  Ton  Trani, 
Beider  Sicilien, 

I 


Sophie  Chariotte  Auguste, 

n.  1847.    22.  Febr. 

verm.  1868.  28.  Sopt.  mit  dem  Prinzen  Ferdinand 

Philipp  Maria  von  Orleans, 

Herzog  von  Alen^on, 

n.  1844.  12.  Juli. 


Maximilan 

Emanuel, 

Herzog  in  Baiern, 
n.  1849.  7.  Dec. 


t 


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I.  Theil  No.  6. 


§ 

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Ion 


Cäcilia 

Marschall  von 

Ostheim. 


Hans  von 
Bibra 

zu  Bibra,  üan- 
Erbe  auf  dem 
Rothenberg. 


Bernhard  von  Bibra 

zu  Bibra,  Anbatadt,  Burg- 

Walbaeh,  IrnielslianBen, 

Bahra,  GeroOnda  und  Höchheim; 

FftntL  Bamberg.  Geh.  Ratb 

und  Amtmann  zu  Schmachtenberg 

und  Ebereberg,  Ritterhauptmann 

des  Kantons  Rhön  und  Werra, 

t  1609.    20.  Oct.  zu  Ebersberg, 

liegt  begraben  zu  Irmelshausen. 


Jobst  von 
Witzleben 

auf  Berka,  Fürstl. 
Sachs.  Oberst- 
lieutenant und 
Hauptmann  auf 
der  Yeste  Co- 
burg,    t  15S9. 


Ursula 

Sützel  von 

Mergentheim, 

lebt  noch  1591 
als  Wittwe. 


Sibylla  von  Witzleben 

a.  d.  H.  Berka, 
vorm.  1585.    f  1625.    29.  Nov. 
zu  Irmelshausen,  wo  sie  auch 

begraben  liegt. 


Maria  Sibylla  von  Bibra, 

a.  d.  H.  Irmelshausen. 
n.  I59a     6.  Dpcember. 


ilena  von  Hanstein, 

m.  um  1662. 


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tngpen. 


Christian  Ludwig  Doi* 

zu  Grossliobringen  steht 

FürftL  Üettingenscher  Kammerjunker  und  Ober-  1- 

amtmann  zu  Altheim,  SO* 

get.  1639.  la  Dec.    j  17 la  7.  Juni, 
und  am  9.  Juni  zu  Grossliebringen  begraben. 

nx.  Anna  Sophia  t«ii  Moiika«, 
beigesetzt  1719.  5.  Sept.  in  Grossliebringen. 


Christian  Ludwig, 

Lehn-  und  Gerichtsherr  zu  (irossliebrlngen, 
thwarzb.  Kammerjunker  u.  Hauptmann, 
'et.  1674.  25.  März,  f  1'48.    26.  Febr. 
)8liebringen  und  daselbst  begntben  29.  Febr. 

flagdalen«  Sophia  Ton  Orioikein,  f  1704. 
1.  Febr.  zu  Grossliebringen. 
iLofina  Biiaboth  Ton  BAxloben,  t  1749. 
b.  April ,  begr.  zu  Grossliebringen  3.  Mai. 


Sophie  M 

steht  Geva 
1694.  30.  J 


I 

^n8t 

Hstian 

Hrich, 

f3.  23.  Dec. 

1704. 
L  Jan. 

7.U 

ebringen. 


ein 

todtgeborener 

Sohn, 

begraben   1711. 
80.  Oct. 


Johann  Lud- 
wig, 

Krb-,  Lohn-  und 

Gerichtsherr 

auf 

Grossliebringen, 

Sachs.  Weim. 

t'omet, 

n.   1713.   13.  Jan. 

ux 


eilt 

todtgeb< 

Soh 

begraben 
13.  Ai 


Ludwig    Carl, 

n.  1746.  5.  Nov. 

zu 
Grossliebringen. 


Rudolph,  S 

n.  1750.  5.  Mai  zu         Chi 
Grossliebringen.  , 


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iurg. 


I.  Theil. 
7.  Stammtafel. 


Hans, 

Albertine, 

•arde- 

rarraeb, 

sn  und 

,  Gräfin 

t  jung  in  Thorn. 

t  jung  in  Thorn 

1  Heinrich  Erdmann, 

L-Lieutenant  a.  D.,  zuletzt 
h.  Oarde-Ulanen-Regiments, 
\d\i  1842  zu  Berlin, 
h874  Auguste  T.  Witsleben 
nn,  n.  28.  Sept.  1837,      . 
|.  Tab.  I.  10. 


I 


I 


Eonrad 
Ludwig  Max, 

71        n.  18.  Juli  1873 
zu  Potsdam. 


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1 

o3 

Christiane 

Dlisabeth  von 

Medevort  zum 

Berge, 

i  26.  Nov.  1692. 

Heinr 
Werner  ! 
V.  Dieper 

zu  Bul< 

Ich  Freiherr 
ulff 

r>erg  nnd  Berge, 
ebruar  1732. 


Anna  G 

V 
1 7. 


•  Eheberednng  ist    vom  10.  Ja] 

"  's/  ' 

Dietrich  Christian  Freihe 

zu  Fuchteln« 
krenssischer  Capitain  beim  Regi 
.  .  1716,  t  22,  Aug.  1766  zu  Hai 


ieben 

>s  Königs  und 
rlin. 


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31. 


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1845, 
1845. 


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I.  Theil. 


-411  ü#  11.  Stammtafe 


! 


EoDrad, 

zu  Gräfinau, 
1453-1513. 


1 

• 

stoph, 

träfinaa, 
154«. 
M.,  lebt 
1  1554. 

Agathe, 
Qx.  Ladolf  Ton  Kromsdorff 

auf  Kromsdorf,  Ottenhansen  etc., 
Kurf.  SicliB.  Rath. 

Konrad, 

Bum  Liebenstein, 

1506-1558. 

xkx.  Christin«  Ton  Aufiess, 

ist  t  1565. 

stöph, 
^  1555. 

Hans  Heinrich,                                       Martha, 

zn  Oräfinao,                                       nx.  HartMann  Ctoldaeker 

t  vor  1568.                                                   auf  üffhofen, 

Kurt  S&chs.  Ober-Stenerdirector, 
1555. 

Anna, 

heir.  nach  1565  Simon 
Ton  WUdeek  gen.  SeUTart, 
Knrf.  S&ch8.  Marschall  und 

Amtmann  za  Freiberg 
bei  Dresden. 

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L  Theil. 
12.  StammtafeK 


i^tein. 


Hans  Ernst 

aaf  Oberellea  and  Gerstangen, 

Fürst.  Sachs.  Weim.  OberJ&germeister  und 

Amtshaaptmann  za  Oerstungen  and 

Breitenbach. 

n,  159a  +  1660.  19.  Not.  in  Ger- 

stnngen,  hoir.  1629.  6.  Apr. 

Anna  Sabine  Ton  Ctornberg 

n.  1607.  t  1«59.  3.  Oct 

Deffrn  DrfccnbrH}  s.  Tab.  I.  18. 


Ludwig  Günther 

aaf  Liebenstein  und 
Oräflnan, 
FftrstL  Sachs.  Goth.  Hof- 
meister, )i.  am  1650. 
+  1682. 
-     ux.  Oottliebe  Eleonore 
Ton  Schlaberndorff. 


Friedrich  Wilhelm 

aaf  Liebenstein,  Gräflnau  etc., 

F&rstl.  Sachs.  Cob.  Bittmeister,   Kammer. 

janker  and  Jägermeister,  nach  1699  Markgr- 

Brandenb.  Bayreuth.  Obeii&germeister. 

n.  1655.         t  1725.  15.  Juli  in  Wetzlar. 

heir.  1685  Snsanne  relieitas  Stettner 

Ton  Orabenheff  aaf  Boerbach  in  Franken, 

t  Tor  1725. 


t, 

n- 

1. 
1 

)r. 

Alhrecht. 

Königl.  Poln,  und  Kurf. 

Sachs.  Jagd-  und 

Silberpage,  Fähnrich  im 

Baudissinschen  Regt., 

dann  Ku'u.  Russ.  CapiUin, 

n.  um  1690.    f  1736. 
ux. 

Ton  Baohwihl. 

brecht                Juliane, 

üraunschw.                n.  1732. 
*age,                         .  .  Sept. 
1725. 

Albert 

1  Sohn, 

Maria 

Johanna 

Friedrich, 

t  1720. 

Elisabeth, 

Snsanna. 

FürstL  Sachs. 

nx.  Geh.  R. 

Hildbargh. 

Ten  Martehall. 

Kammerjunker 

and  Capitain, 

t  1741. 

nx. 

Ton  Iledem 

(Röder?) 

Kinder. 


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3. 


ein. 


O^orst 


fi  Gerstangen 
ich, 


^berg, 


n&rsc 


Ludwig 

und  Gerstange 

ug.  in  Eisenacl 

c.  in  Gerstang« 

seine  Mahme 

^a  Ton  Hopf  gar 

5M  Natza. 


i 

An 
Bart 

u  1666. 
in   Ob« 

+   17*0. 
in   BH 
heir. 
eiintli 
Waiun 
xa   BiH 
Lieuti 

Anna 
Debora, 

n.  1667.  17.  I 

in  Oberellei 

lieir.  1697 

Friedrioh 

Christiaii 

Ton  WendeM 

Fürst!.  Sacl 

Nanmb. 
Eammerjanl 
and 
Beisestanmeii 
in  Zeitz. 

- 

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Beilage  zu  Tab.  I.  13. 


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EP  *: 

Anna 

von  Buttlar 

aas  Elberberg. 

n.  1536. 

Term.  1560. 


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Beinhard 
von  Eschwege 


auf  Aue. 


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Anna 
von  Alten 

aus  Wilkenbarg. 


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Wilhelm 
von  Harstall 

zu  Dietdorl 


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von  de 

Philipps 
Landgr. 

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Anna 
von  Hilzing 

a.  d.  H. 
Lndwigstein. 


Ernst  r\  on  Baumbach, 

anf;5d4.  5.  Oct. 
11598.  23.  Apr. 


Werner  von  Eschwege 

auf  Völkershauspii. 


Ursula  von  Harstall 

a.  d.  H.  Dietdorf. 


Fürstl. 

Anna  Barbara  von  Eschwege. 

Anna  Sabine  von  Harstall 

a.  d.  H.  Mihla,   verm.  1661.  30.  Oct. 

• 

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I.  Theil. 
14,  Stammtafel. 


$tein. 


Uiein, 

jtein, 
IfanoliAll 


Johann  Adam  d.  J. 

auf  Liebenstein,  Bippersrodu  und 

Frankenhain, 

Sachs.  Goth.  Eammerherr  und  Oberst- 

lieutenant  über  ein  Begt.  Dragoner, 

t  1728.  8.  Jan.  zn  Liebenstein, 
beir.  1714.  10.  Aug. 
Sleonore  Friedorik«  Ton  B5der 
a.  d.  H.  Dömfeld. 


Sibylle  Dorothea, 

n.  1693.  18.  Oct.  zu 
Liebenstein, 
t  vor  1701. 


ristian  Ludwig 

)a,  Kippersroda  nnd 

Ikenbain, 

•.  f  1797.  24.  Ocl  zu 

benstein, 

^ug.  zu  Liebenstein 

Hederik«  tob  Wltileben 

.  n.  1720.  28.  Juli, 

ir«.    (8.  Tab.  I.  6.) 


Johannette  Eleonore, 

n.  1724.  27.  Febr.  zu 
Liebenstein. 


Albertine  Christiane  Charlotte 

n.  1727.  19.  Febr.  zu  Liebenstein, 

t  1818.  12.  März  zu  Angelroda, 

heir.  1747.  80.  Nov. 

Albreekt  Bnut  H«tuiclL  tob  WitiloboB 

auf  Angelroda,  E.  Preuss.  Capitain  a.  D. 

n.  1717.  7.  März  zu  Arnstadt, 

t  1761.  22.  Mai  zu  Angelroda. 

(s.  Tab.  I.  6.) 


Johann  Ernst  Ludwig 

auf  Liebenstein,  Kippersroda  und  Frankenhain, 

Oberstlieut.  nnd  Chef  des  Goth.  Landregiments, 

n.  1756.  15.  Aug. 

t  1810.  3.  Aug.  zu  Gotha, 

heir.  1781.  14.  Oct 

Luise  BniestiBe  Aognste  tob  Bndolff 

aus  Herbsleben, 
n.  1749.  15.  M&rz,  lebt  noch  1820.  &  Mai 


Adolfine, 

n.  1790.  30.  Aug. 

f  1867. 

1808.  30.  Aug.  den  Herz. 
h.  Kammerjunker  nnd  Frem. 
[jieut.  der  Garde  du  Corps 
Traagott  Friedriob  Baiil 
■arsohall  tob  Greif. 


Hans  Friedrich  Julias, 

n.  1792.  16.  Oct.  zu  Liebenstein, 
t  1796.  29.  Aug.  zu  Liebenstein. 


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t.  Thdl.  15.  Stammtafel. 


Sophie  Charlotte, 

Stiftsdame  zn  Wemmetoft, 

n.  1727.  88.  Jan. 

1 17Ö6. 

heir.  1753.  18.  Dez. 

Jaoob  Friedrich  von  der 

Ölten. 
[K.  Dan.  Generallientenant, 
:  n.  1712. 

t  1796.  15.  Mai. 


Judith  Agnes,  Ulrike  Amalie, 

Stiftsdame  zu      n.  1730.  21.  Febr. 


Wemmetoft, 

n.  1728.  29.  Jnnl 

t  1786.  2.  Oct. 


t  1737. 


Christian  Fnednch, 

E.  Dan.   Oberstlieutenant 

a.  D. 

n.  1731.  24.  Aug.  in 

Oldenburg, 

t  1792.  5.  Dez.  nnrerm. 


gustfr 

,  Fri^k 

n.  nf« 

1 180  ; 

heir.  1^. 
Henniifis 
ledri*L 

ferz.  0  Ol 
li«i)t. 


Burchard, 

1766.  22.  Apr. 
9.  Oct.  ej.  a. 


Concordia 
Wilhelmine, 

n.  1767.  17.  Sept. 
t  1769.  18.  März 


Wilhelmine 
Karoline, 

n.  1769.  31.  Mai 
t  177.3.  4.  Sepf 


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Beilage  zu  Tab.  I.  15. 


Kurt  , 
Ton  Wii 

tarn  Lie^* 
+  13 


LeTin 

Anna 

N.  N. 

N.  N. 

t 

von  Marien 

von  Wangelin 

von  Wolde 

von  Vieregg 

auf  Lftdorf,  K«ll 

M.  d.U.  VieUst 

zu  Dargebell 

a.  d.  H.  Bosne- 

und  Kmmmel. 

und  Oraban. 

in  Pommern. 

witz  and 
Wassenwitx. 

Henning  von  Marien 

anf  Lftdorf  nnd  Kell. 


Katharina  von  Wolde 

a.  d.  H.  Dargebell. 


Elisabeth  von  Marien 

a.  d.  H.  Lüdorf  nnd  Kell. 


Je  von  Knnth 
fen  genannt,  in  Meeklenbarg, 
1685,  t  1707.  16.  Febr. 


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I.  Theil. 
16.  StammtafeL 


Schwestern, 

&  noch  unvorm. 
st  1569  Term. 
lu  von  Heon 
irapUa. 


B  Christoph, 

in  Frankreich. 


LongiDus, 

zn  Mol8chleb«D, 

n.  1671. 

t  1604  in  Fri08land. 


Katharina 
Dorothea. 


Friedrich  Jobst, 

auf  Molschleben,  Ffirstl.  Wfirtemberg. 

Forstmeiater  1708-1714, 

n.  1671.  S.Jan,  so  Molaehleben, 

t  1786. 

heir.  1709.  1.3.  Febr.  zn  Schorndorf  Lniae 

Amalle  rreiia  rom  Holt«  aas  Alfdorf, 

n.  1693.  6.0ot.  zn  Alfdorf,  f  1786. 

iclfci  Dcfcni^nii  ■•  Tal».  L  17. 


Anna 
Dorothea, 

n.  1674.  8.  Febr. 
zn  Molsehleben, 
t  1708.  4.  Juni. 


Hans  Reinhard, 

n.  1676.  I.Jan, 
t  1676  9.  Jan. 
zn  Molschleben. 


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L  Theil. 
17.  StammtafeL 


Sohn, 

|.  im  Jali, 
1715. 


Cnist  Wilhelm 
August, 

n.  1746. 
I-  1747.  im  Sept. 

za  Crawinkel, 
«gr.  am  26.  Sept. 

XU  Ftdttfltedt. 


Friederike 
Chariotte, 

n.  1749. 
25.  M&rz. 


Ernst  Angost 
Constantin, 

n.  1751.  i.Oct. 
xn  Cnwiii¥el. 


Karoline 
Friederike, 

n.  175». 

20.  Apr. 

za  Crawin¥el. 


Moritz  Angast,       Ludwig  Hannibal 
wri.  Sachs.  Ooih.  Lieut.        Ferdinand. 

Dragoner  -  Regt.  n.  1 775.  24.  Apr. 


18.  Jau.  zu  Gr&fen- 
tonna. 


za  Oräfontonna. 


^ 


August, 

?*mat  Testament  seines 
S»-  E.  Wilhelm  L.  vom 
'%t.  1818  ein  Legat. 


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Beilage  zu  Tab.  I.  17. 


ara  Anna 
rbara  von 
hwalbach, 

erra.  1687. 


Georg  Albrecht 

Freiherr  von 

Wolmarshausen. 


Eva 

von  Münster. 


Christoph  Martin 

Freiherr 

von  Degenfeld, 

Venet.  General, 
n.  1688. 
t  1653. 


Anna  Maria 
von  Adelmann. 

t  1651. 


b62. 


Christoph  Albrecht 
Freiherr  von  Wolmarshausen 

unf  Amlingshagen, 

der  Reietasritterscliaft  in  Franken, 

Orts  Odenwald,  Rath  and  Ansschnss, 

t  1708.  16.Aag.  als  Letzter  des 

Geschlechts. 


Anna  Katharina 
Freiin  von  Dcgenfeld. 


Luise  Isabella  Freiin  von  Wolmarshausen 

aus  Amlingshagcn, 

n.  1673.  23.  Sept.,  Terra.  168a  9.  Oct., 

t  1708.    7.  Juli. 


(lalie  Freiin  vom  Holtz 

ans  Alfdorf, 
rf,  verm.  1709.  13.  Febr.  zu  Schorndorf, 
bieden  1718,  t  1786. 


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ksA-M  I.  Theil. 

seil*  18.  Stammtafel. 


Kersten, 

SU  Wnnderäleben, 
ist  t  1496. 


Heinricli.  Kersten  d.  J., 

zn  Marlishaaaen,  za  Wunderaleben, 

t  1529.  1496-  1519. 

Qx.  llisAbetli, 
t  1555. 


Rudolf,                 Margarethe,  Anna, 

ZQ   Marlishausen,     heir.  1537  im  Jan.  iliren  1555.  l.  Juli 

t  1548.                 Vetter  Heinriok  von  unverm. 
WItsleben  zu  Uudolst&dt. 


1580, 
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